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Analgosedierung für diagnostische und therapeutische

Maßnahmen bei Erwachsenen*/**/***

Einleitung
Sedierend und/oder analgetisch wirkende Medi-
Gegenstand dieser Entschließung ist die Anal- kamente können ineinander übergehende, nicht
gosedierung für diagnostische und therapeutische immer sicher abgrenzbare Zustände induzieren,
Maßnahmen als ein Indikationsgebiet für die die von einer minimalen Sedierung/Anxiolyse
Gabe von Analgetika und/oder Sedativa bei ohne Beeinträchtigung der Vitalfunktionen bis
erwachsenen Patienten. Sie umfasst nicht die zur vollständigen Bewusstlosigkeit/Allgemein-
Allgemeinanästhesie (Narkose) mit Verminde- anästhesie reichen1, einhergehend mit zunehmen-
rung/Aufhebung der Schutzreflexe. dem Verlust der Schutzreflexe bis hin zur
Mit der Analgosedierung sollen die Bedingungen Atmungs- und Kreislaufdepression. Mit zuneh-
für die vorgesehene Maßnahme und damit deren mender Tiefe der Analgosedierung steigt in der
Ergebnisqualität verbessert sowie der Patienten- Regel die Maßnahmentoleranz der Patienten, aber
komfort optimiert werden. Sie dient auch das Risiko lebensgefährlicher Kompli-
• der Tolerierung schmerzhafter oder unange- kationen. Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass
nehmer Interventionen höhere Dosen von Lokalanästhetika bzw. eine
• der Milderung von Angst- und Stress- ausgedehnte Regionalanästhesie die Wirkung der
reaktionen und Reduzierung der damit verbun- Analgosedierung verstärken können.
denen Risiken
• der Ruhigstellung unkooperativer Patienten für Stadien der Analgosedierung
eine diagnostische Maßnahme. Es lassen sich verschiedene Analgosedierungs-
stadien unterscheiden (Tab. 1), die aufgrund
Mögliche Komplikationen der Analgosedierung fließender Übergänge in der Praxis allerdings
gehen bis hin zu der Gefahr lebensbedrohlicher nicht immer zuverlässig voneinander abzugren-
Verläufe. Daher bedarf es einer besonderen zen sind, wodurch die Steuerbarkeit der Anal-
Sorgfalt bei der Auswahl und Vorbereitung der gosedierung erschwert ist.
Patienten, dem Einsatz und der Qualifikation des
ärztlichen sowie nicht-ärztlichen Personals, dem
Verabreichen von Pharmaka, der apparativen
Ausstattung sowie der Nachsorge für den Pati- *
Anästh. Intensivmed. 51 (2010) S598 - S602.
enten. Generell sollten unter dem Aspekt der **
Beschluss des Engeren Präsidiums der DGAI vom
Risikominimierung daher vor einer Analgosedie- 11.11.2009 und des Präsidiums des BDA vom 11.03.2010.
Ersetzt die „Leitlinie zur Sedierung und Analgesie (Anal-
rung zunächst die Alternativen einer Lokal- bzw. gosedierung) durch Nicht-Anästhesisten“ (Anästh Intensiv-
Regionalanästhesie/-analgesie, und/oder einer med 2002;43:639-641).
Anxiolyse in Betracht gezogen bzw. ausgeschöpft ***
Zur Analgosedierung bei Kindern als besondere Risiko-
werden. gruppe siehe Entschließung „Analgosedierung für diagno-
stische und therapeutische Maßnahmen im Kindesalter“
(Anästh Intensivmed 2010;51:S603-S614) (siehe S. 313 die
Grundlagen der Analgosedierung Red.).
1
Unter dem Begriff „Vitalfunktionen“ werden die lebens-
Medikamente wichtigen Vorgänge zusammengefasst, also in erster Linie
Eine Analgosedierung wird durch die systemi- die Funktion von ZNS, Atmung, Herz- und Kreislauf; in
sche, in der Regel intravenöse Gabe von Sedativa zweiter Linie Blutgerinnung, Wasser- und Elektrolyt-
haushalt, Stoffwechsel, Körpertemperatur etc.
bzw. Hypnotika und/oder von Opiaten bzw. Zu den Schutzreflexen zählen insbesondere der Husten-
Opioiden, ggf. in Kombination mit einer Loko- und Schluckreflex, die vor Aspiration schützen, sowie die
regionalanästhesie durchgeführt. Schmerzreflexe, die z.B. vor Lagerungsschäden schützen.

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Tabelle 1: Sedierungsstadien (für Erwachsene und Kinder) (in Anlehnung an ASA-Definition 2002 [1] und
AAP-Definition 2006 [2]).

Vigilanz Reaktion auf Stimulation Spontanatmung Kreislauffunktion Schutzreflexe


I Minimale wach, ent- normale Reaktion auf normal normal normal
Sedierung spannt Ansprache

II Moderate schläfrig, erweckbar, mindestens normal üblicherweise erhalten


Sedierung somnolent 10-sekündige Wach-pha- ausreichend
sen mit normaler Reaktion
auf Ansprache bzw. nicht
schmerzhafte taktile Reize

III Tiefe tief Kontaktverlust, gezielte Intervention kann üblicherweise protektive Luftwegsreflexe
Sedierung schlafend, Abwehrbewegungen nur erforderlich sein ausreichend können beeinträchtigt sein
soporös bei schmerzhaften Reizen

IV Allgemein- bewusstlos keine, allenfalls ungezielte Intervention regel- kann beeinträch- aufgehoben
Anästhesie Bewegungen oder spinale haft erforderlich tigt sein
Reflexe bei schmerzhaften
Reizen

• Bei der minimalen Sedierung ist der Patient wach und ansprechbar.
• Im Stadium der moderaten Sedierung sollte der Patient erweckbar sein und gezielte Antworten geben, hierbei ist eine
Atemwegsicherung nicht erforderlich.
• Für Verfahren, bei denen der Patient sich nicht bewegen darf, z.B. für bildgebende Diagnostik, ist oft eine tiefe Sedierung not-
wendig. Der Patient sollte dabei durch Schmerzreize erweckbar sein. Die Spontanatmung und die Schutzreflexe sind häufig
eingeschränkt, eine Atemwegsicherung kann erforderlich werden. Eine klare Abgrenzung zur Allgemeinanästhesie ist nicht
immer möglich, der Übergang zwischen beiden Stadien ist fließend.
• In einer Allgemeinanästhesie sind Bewusstsein und Schmerzwahrnehmung vollständig aufgehoben, die Schutzreflexe erlo-
schen. Die Atmung ist eingeschränkt, die Atemwege müssen immer gesichert werden.

Voraussetzungen zur Durchführung • erhöhtes Aspirationsrisikoerfordern grundsätz-


einer Analgosedierung lich die Hinzuziehung eines Anästhesisten
Patientenauswahl oder eines anderen entsprechend erfahrenen
Geplante minimale und moderate Analgose- Arztes.
dierungen unter Erhalt der Vitalfunktionen und
der Ansprechbarkeit können grundsätzlich bei Vorbereitung
allen Patienten - unter Beachtung der Hersteller- Die ärztliche Vorbereitung zur Analgosedierung
angaben der verwendeten Medikamente - durch- umfasst bei allen Patienten:
geführt werden. • die Anamneseerhebung (vor allem hinsichtlich
der Vitalfunktionen, Allergien, früheren Anäs-
Risikopatienten mit einem oder mehreren der fol- thesien/Sedierungen, bestehenden Medikati-
genden Merkmale: onen, ggf. Substanzabusus)
• Unmöglichkeit einer verbalen Kommunikation • die körperliche Untersuchung (vor allem der
• ASA-Klasse >II (Tab. 2) oberen Luftwege hinsichtlich der jederzeitigen
• NYHA >II, instabile Angina pectoris Sicherbarkeit der Atemwege, der Venenver-
• Lungenerkrankungen mit partieller oder globa- hältnisse und des Blutdrucks)
ler Ventilationsstörung • die Risiko- und Sicherungsaufklärung sowie
• Alter >80 Jahre • die Dokumentation der erhobenen Befunde
• anatomische Normabweichungen im Bereich und des Aufklärungsgesprächs.
der oberen Luftwege (z.B. eingeschränkte
Mundöffnung, eingeschränkte Reklination im Bei geplanten tiefen Analgosedierungen soll
HWS-Bereich) wegen des fließenden und unvorhersehbaren
• erhebliche Adipositas (BMI >30) Übergangs zur Allgemeinanästhesie eine dem

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Tabelle 2: ASA-Klassifizierung [3]. Die Entscheidung des Patienten – Zustimmung zu
ASA 1 = Keine organischen, biochemischen oder psy-
einer Analgosedierung oder deren Ablehnung –
chiatrischen Erkrankungen. Lokalisierter operati- ist ebenso wie die Details der Aufklärung aus
ver Eingriff ohne systemische Störungen. forensischen Gründen zu dokumentieren.
ASA 2 = Milde systemische Erkrankung, entweder durch
die zu operierende Pathologie ausgelöst oder Im Rahmen der Sicherungsaufklärung ist der
begleitend. Z.B. gut eingestellter Hypertonus,
Status post-CABG ohne Symptome, Asthma- Patient vorzugsweise bereits bei der Festlegung
anamnese, Anämie, Zigarettenrauchen, gut ein- des Untersuchungstermins schriftlich darauf hin-
gestellter Diabetes mell., milde Adipositas, Alter zuweisen:
< 1 Jahr oder > 70 Jahre, Schwangerschaft.
• dass das Reaktions- und Urteilsvermögen bis
ASA 3 = Schwere systemische Störung oder Erkrankung zu 24 Stunden nach einer Analgosedierung
gleich welcher Ursache, auch wenn man den noch beeinträchtigt sein kann. Innerhalb dieser
Grad der Beeinträchtigung nicht mit Sicherheit
festlegen kann; z.B. Angina, schlecht eingestell- Zeit darf der Patient daher weder wichtige Ent-
ter Hypertonus, symptomatische Lungen- scheidungen treffen, noch aktiv am Straßen-
erkrankung wie Asthma oder COPD, massive verkehr teilnehmen, keine gefahrbringenden
Adipositas.
Tätigkeiten ausüben sowie keinen Alkohol
ASA 4 = Schwere, lebensbedrohliche systemische Stö- oder andere zentral wirksame Substanzen zu
rungen, nicht immer durch eine Operation
behebbar; z.B. instabile Angina, kongestive
sich nehmen,
Herzerkrankung, behindernde Lungenerkran- • dass bei ambulanten Maßnahmen für eine
kung, hepatorenales Versagen. kompetente Begleitung auf dem Heimweg und
ASA 5 = Moribunder Patient mit geringer Überlebens-
die anschließende häusliche Betreuung gesorgt
chance trotz Operation. sein muss.
E= Emergency Operation, risikoerhöhender Zusatz-
faktor. Auch diese Hinweise sind zu dokumentieren.

Struktur- und Prozessvoraus-


Vorgehen vor Allgemeinanästhesien entsprechen-
de ärztliche Vorbereitung erfolgen. setzungen
Bei allen Patienten, die intravenös Sedativa Personelle Voraussetzungen
und/oder Opiate bzw. Opioide erhalten, ist das Da der untersuchende Arzt während der diagno-
Vorhandensein eines permanenten intravenösen stischen Maßnahme nicht in der Lage ist, die
Zugangs (Venenverweilkanüle) essentiell. Der Vitalfunktionen des Patienten in ausreichendem
Zugang darf erst entfernt werden, wenn sich der Maße zu überwachen, ist bei allen Analgosedie-
Patient vollständig erholt hat. rungen eine weitere entsprechend qualifizierte,
Vor moderaten und tiefen Analgosedierungen nicht in die Durchführung der Untersuchung
sind die vor Anästhesien bei elektiven Eingriffen involvierte Person erforderlich, deren einzige
geltenden Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz- Aufgabe die Durchführung und Überwachung des
regeln einzuhalten [4]. Analgosedierungsverfahrens ist.
Wird der Kopf des Patienten mit Tüchern ver-
deckt (z.B. bei Eingriffen am Auge) ist eine signi- Bis zu moderaten Analgosedierungen kann diese
fikante Rückatmung durch ausreichende Ab- Überwachung durch hierfür qualifiziertes nicht-
standshalter zu verhindern. ärztliches Personal im Zuge der Delegation erfol-
Im Zuge der Risikoaufklärung über die geplante gen. Der die diagnostische Maßnahme durch-
Prozedur ist der Patient rechtzeitig auch über die führende Arzt verantwortet dann nicht nur den
Vorbereitung und die verschiedenen Methoden Eingriff, sondern auch die Analgosedierung
einer Analgosedierung, ihre Vor- und Nachteile, einschließlich deren Überwachung und gegebe-
Risiken und Komplikationen sowie über mögli- nenfalls die Wiederherstellung vitaler Funkti-
che Alternativen, ggf. auch über den Verzicht onen. Dabei ist die Problematik des Organi-
einer solchen durch einen Arzt zu informieren. sations-/Übernahmeverschuldens, die sich aus

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den allgemeinen zivil-, straf- und berufsrechtli- Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals
chen Grundsätzen ergibt, zu beachten2. Wird die Durchführung und Überwachung der
Tiefe Analgosedierungen erfordern für die Durch- Analgosedierung an nicht-ärztliches Personal
führung und Überwachung der Analgosedierung delegiert, dann muss dieses über eine Aus- bzw.
einen weiteren entsprechend qualifizierten Arzt, Weiterbildung (Schulung) in Theorie und Praxis
der keine anderen Aufgaben wahrnehmen darf der Analgosedierung einschließlich der Erken-
und für die Analgosedierung die volle Verant- nung möglicher Komplikationen verfügen. Von
wortung trägt. den erforderlichen Kenntnissen, Erfahrungen und
Fertigkeiten kann in der Regel bei Gesundheits-
Qualifikation des ärztlichen Personals pflegerinnen und -pflegern mit Fachweiterbil-
Minimale bis moderate Analgosedierungen kön- dung Intensivpflege und Anästhesie ausgegangen
nen von Ärzten aller Fachrichtungen an nichtärzt- werden.
liches Personal mit entsprechenden Kenntnissen
und Erfahrungen delegiert werden, wenn das ein- Räumlich-Apparative Voraussetzungen
gesetzte Sedierungs- bzw. Analgesieverfahren – Minimale Analgosedierungen bedürfen, mit
oder aber der Eingriff selbst – zu keiner Beein- Ausnahme der Pulsoximetrie, keiner besonderen
trächtigung der Schutzreflexe und der Vital- räumlich-apparativen Ausstattung.
funktionen führt. Dies gilt im Allgemeinen für die
Gabe von Sedativa und/oder Analgetika in Dosie- Moderate und tiefe Analgosedierungen erfordern
rungen, die nicht zum Verlust des Bewusstseins, eine einem Anästhesiearbeitsplatz entsprechende
der Schutzreflexe oder zu einer Atemdepression Ausstattung, die hinreichend zur Überwachung
führen können. und Unterstützung der Atmungs- und Herz-
Bei ungeplanter Erreichung eines tieferen Sedie- Kreislauf-Überwachung geeignet ist, die entspre-
rungsgrades mit Verlust der Ansprechbarkeit, bei chende Ausstattung [6]. Ein zusätzlicher und
dem wegen des fließenden und unvorhersehbaren separater Aufwachbereich soll vorgehalten wer-
Überganges in eine Allgemeinanästhesie eine den.
Beeinträchtigung der Vitalfunktionen und Schutz-
reflexe – im Extremfall mit Atem- und/oder Herz- Weitere Voraussetzungen
Kreislaufstillstand – nicht sicher auszuschließen Darüber hinaus sind bei moderaten und tiefen
ist, soll immer ein Anästhesist resp. ein anderer Analgosedierungen folgende weitere Voraus-
intensivmedizinisch erfahrener Arzt (Zusatz- setzungen zu erfüllen:
weiterbildung Notfall- und/oder Intensivmedizin) • Festlegung der Abläufe, z.B. in Arbeitsanwei-
hinzugezogen werden. sungen bzw. SOPs
Geplante tiefe Analgosedierungen bzw. Analgo- • Vorsorge für Notfälle (Notfallausrüstung,
sedierungen bei Risikopatienten (s.o.) müssen -plan)
grundsätzlich von Anästhesisten durchgeführt • Beschränkung auf eine überschaubare Zahl,
werden. Andere Ärzte dürfen nur hinzugezogen dem Team vertrauter kurzwirksamer Pharmaka
werden, wenn sie über entsprechende Qualifi- • einzuhaltende Überwachungsstandards wäh-
kationen verfügen (Zusatzweiterbildung Notfall- rend und unmittelbar nach der Maßnahme
und/oder Intensivmedizin), das Verfahren beherr- • Sicherungsmaßnahmen gegen Lagerungs- und
schen und in der Lage sind, aus ihm resultierende Sturzschäden.
vitalbedrohliche Verläufe rechtzeitig zu erkennen
und nach dem Facharztstandard Anästhesiologie
zu behandeln. Die Durchführung von Allgemein-
anästhesien ist weiterhin ausschließlich dem 2
Eine Mitverantwortung der Hilfsperson kann bei mangeln-
Anästhesisten vorbehalten (vgl. Entschließung der Qualifikation (Übernahmeverschulden), bei unsach-
gemäßer Durchführung der Analgosedierung und deren
zur Kernkompetenz und zur Delegation in der Überwachung sowie ferner immer dann angenommen wer-
Anästhesie [5]. den, wenn der Arzt nicht rechtzeitig über potentiell kriti-
sche Befunde informiert wird.

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Zur Verminderung des Risikos einer Hypoxämie detektionsrate ist nur bei Patienten mit erhöhtem
soll jedem Patienten während der Untersuchung Risiko einer koronaren Ischämie angezeigt.
prophylaktisch Sauerstoff (2-4 l/min.), z.B. über
Nasenbrille oder Maske, zugeführt werden3. Kapnometrie/Kapnographie
Bei jeder moderaten bis tiefen Analgosedierung
sollte die exspiratorische Kohlendioxidkonzen-
Ablauf/Überwachung der
tration in der Atemluft gemessen werden5.
Analgosedierung
Dosierung Blutdruckmessung
Wie bei jeder Medikamentengabe sind auch bei Bei moderaten bis tiefen Analgosedierungen ist
der Analgosedierung die medizinischen Fach- der Blutdruck regelmäßig in kurzen Zeitab-
informationen der Hersteller zu beachten. Da die ständen zu kontrollieren.
erforderliche Dosis zur Erreichung eines ange-
strebten Analgosedierungsgrades individuell sehr Dokumentation
unterschiedlich ist, besteht in jedem Fall die Durchführung und Verlauf der Analgosedierung
Gefahr einer Überdosierung, die zu einer All- sind adäquat zu dokumentieren. Die Dokumenta-
gemeinanästhesie führen kann. Um diesem vor- tion soll mindestens folgende Angaben umfassen:
zubeugen, soll durch eine schrittweise Gabe klei- • Ergebnis der Anamnese, erhobene Befunde
nerer Einzeldosen bei einer hinreichend langen • Risiko- und Sicherungsaufklärung,
Wartezeit die Wirkung einer jeden (Repetitions)- Einwilligung
Dosis beurteilt werden (Titration). • verabreichte Medikamente
• erzielter Sedierungsgrad
Personelle Überwachung (minimal, moderat, tief)
Zu den wesentlichen Aufgaben der die Analgose- • Beginn und Ende der diagnostischen Maß-
dierung durchführenden Person gehört die Über- nahme
wachung der Sedierungstiefe4 durch ständige • Überwachungsparameter (Blutdruck, Herz-
Überprüfung der Patientenreaktion auf verbale, und Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung) in
taktile und ggf. Schmerzreize (vgl. Tab. 1), die mindestens 5-minütigen Intervallen.
Kontrolle der Atmung durch kontinuierliche visu-
elle oder auskultatorische Kontrolle von Atem-
tiefe und -frequenz; die Überwachung - und ggf.
3
Unruhe kann sowohl auf Schmerzen als auch auf eine
Hypoxämie zurückzuführen sein. Deshalb muss bei
Therapie auf ärztliche Anordnung - von Blut-
Unruhezuständen eine Hypoxämie vor einer weiteren Gabe
druck und Herzfrequenz sowie die Kontrolle und von Medikamenten sicher ausgeschlossen werden.
Sicherung der Lagerung des Patienten. Eine stän- 4
Der Sedierungsgrad (Sedierungstiefe) ist anhand der
dige Kommunikation zwischen dem den Eingriff Reaktionen auf Ansprache sowie ggf. auf starken taktilen
durchführenden Arzt und der für die Analgose- Reiz und/oder Schmerzreiz zu prüfen und zu dokumentie-
ren. Auf die regelmäßige Prüfung dieser Reaktionen darf
dierung zuständigen Person ist unerlässlich. lediglich verzichtet werden, wenn die durchgeführte
Maßnahme dies nicht zulässt (z.B. MRT); in diesen Fällen
Apparative Überwachung sollte die Analgosedierung von einem Anästhesisten durch-
Pulsoximetrie geführt werden.
Jede Analgosedierung ist grundsätzlich pulsoxi-
5
Die Kapnometrie ist der Pulsoximetrie zur Überwachung
der Ventilation überlegen; die Kapnometrie kann eine
metrisch zu überwachen. Hypoventilation (durch verlangsamte Atmung und/oder fla-
che Atmung) früher detektieren. Allerdings ist eine genaue
EKG (quantitative) Messung der Kohlendioxidkonzentration im
Ein kontinuierliches EKG-Monitoring (Extremi- offenen Atemsystem nicht möglich. Trotzdem kann auch
tätenableitungen) ist bei herzkranken Patienten eine qualitative Beobachtung der Kurve früher auf eine
Atemdepression hinweisen als die Pulsoximetrie, insbeson-
oder auftretenden Komplikationen indiziert. Die dere bei prophylaktischer Sauerstoffgabe. Eine zumindest
fortlaufende Registrierung einer Brustwand- qualitative Kapnometrie (mit Positionierung der Messsonde
ableitung (i.d.R. V5) zur Erhöhung der Ischämie- vor dem Mund oder in der Nase) ist deshalb anzustreben.

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Vorgehen nach Beendigung der • Bewusstseinslage: wach
Analgosedierung • Schutzreflexe: vorhanden
• Spontanatmung: ohne Unterstützung
Überwachung ausreichend
Nach Beendigung der Analgosedierung kann der • Kreislauf: ohne Unterstützung stabil
Patient durch die Restwirkung der verabreichten • Mobilität: wie vor der Maßnahme
Pharmaka auf die vitalen Funktionen und/oder • keine Blutung
durch die vorgenommene Maßnahme selbst noch • Schmerzfreiheit
für einige Zeit akut gefährdet sein (Sturzgefahr). • fehlende oder minimale Übelkeit
So lange mit einer derartigen Gefährdung zu • Fähigkeit zur oralen Aufnahme von
rechnen ist, bedarf er einer kompetenten Überwa- Flüssigkeiten
chung. • keine Hypo- oder Hyperthermie
• Sicherstellung einer Betreuung auf dem
Die Dauer der Überwachung sollte in der Regel Heimweg und zu Hause.
mindestens 30 Minuten nach Beendigung des
Eingriffs betragen. Dies gilt insbesondere für Der untersuchende Arzt entscheidet über den Ent-
schmerzhafte Eingriffe, bei denen sich die zentra- lassungszeitpunkt. Der Entlassungszustand des
le Atemdepression nach Wegfall des Schmerz- Patienten ist durch eine ärztliche Abschlussunter-
reizes verstärken kann. Nach einer Antagonisie- suchung festzustellen und zu dokumentieren.
rung zentral wirksamer Pharmaka sind Wirk- Im Rahmen der Sicherungsaufklärung sind der
dauerunterschiede von Agonisten und Antago- Patient und die ihn betreuende Person darüber zu
nisten zu berücksichtigen. Die Möglichkeit einer informieren, welche Komplikationen auftreten
Re-Agonisierung muss ausgeschlossen sein. können, was bei Problemen zu tun ist und wen sie
Mit der Überwachung ist entsprechend qualifi- wie kontaktieren können. Es ist erneut darauf hin-
ziertes Personal zu betrauen. Es darf den Pati- zuweisen, dass das Reaktions- und Urteilsver-
enten während dieser gefahrenträchtigen Phase mögen bis zu 24 Stunden nach einer Analgosedie-
nicht allein lassen. Dabei ist insbesondere auf die rung beeinträchtigt sein kann, dass der Patient
Atmung (z.B. Bewegungen des Brustkorbs, deshalb in dieser Zeit keine wichtigen Entschei-
Atemgeräusche), die O2-Sättigung des Blutes dungen treffen, nicht aktiv am Straßenverkehr
(Farbe der Lippen, Pulsoximetrie), die Herz- teilnehmen, keine gefahrgeneigten Tätigkeiten
frequenz (EKG oder Pulsoximetrie), den Blut- ausüben und keinen Alkohol oder andere zentral
druck und die Vigilanz zu achten. wirksame Substanzen zu sich nehmen darf. Diese
Am Ort der Überwachung sind Geräte, Medika- Hinweise sind zu dokumentieren und dem Pati-
mente und Materialien sowohl für eine angemes- enten bzw. der ihn betreuenden Person auszuhän-
sene Überwachung als auch zur Behandlung von digen.
Komplikationen bereitzuhalten. Während eines
Transportes ist eine den Erfordernissen des
Patienten entsprechende Überwachung erforder- Literatur
lich. Es darf keine Überwachungslücke zwischen 1. American Society of Anesthesiologists Task Force on
dem Ort der Maßnahme und dem Erholungsraum sedation and analgesia by non-anesthessiologists. Practice
geben. guidelines for sedation and analgesia by non-anesthesiolo-
Nach tiefen Analgosedierungen ist entsprechend gists. Anesthesiology 96:1004-17,2002.
2. American Academy of Pediatrics, American Academy of
den Empfehlungen zur Überwachung nach Anäs- Pediatric Dentistry. Guidelines for monitoring and manage-
thesien [7] vorzugehen. ment of pediatric patients during and after sedation for diag-
nostic and therapeutic procedures: an update. Pediatrics
Entlassung 118:2587-2601, 2006.3.
3. American Society of Anesthesiologists. New classifica-
Der Patient darf erst dann aus der ärztlichen tion of physical status. Anesthesiology 1963;24:111.
Obhut entlassen werden, wenn folgende Mindest- 4. Präoperatives Nüchternheitsgebot bei elektiven Ein-
voraussetzungen (8) erfüllt sind: griffen. Anästh Intensivmed 2004;45:720-728.

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5. Ärztliche Kernkompetenz & Delegation in der Anäs-
thesie, Entschließung der DGAI und des BDA. Anästh
Intensivmed 2007:48;712-714.
6. Ausstattung des anästhesiologischen Arbeitsplatzes.
Fortschreibung der Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für
Anästhesiologie und Intensivmedizin und des Berufs-
verbandes Deutscher Anästhesisten. Anästh Intensivmed
1995;36:250-254.
7. Empfehlungen zur Überwachung nach Anästhesiever-
fahren. Anästh Intensivmed 2009;50:S485-S488.
8. Vereinbarung zur Qualitätssicherung ambulante Anäs-
thesie des BDA, der DGAI und des BDC; Anästh Intensivmed
2005;46:36-37 sowie 2006;47:50-53.
9. S3 Leitlinie Sedierung in der gastrointestinalen Endo-
skopie. Zeitschrift Gastroenterologie 2008;46:1298-1330.
10. Assmann A., et al. Zusammenfassung der S3-Leitlinie
„Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie“. Anästh
Intensivmed 2009;50:176-181.

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