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Mathematische Ergänzungen zur Experimentalphysik

1 Erweiterung des Zahlenbegriffs - Komplexe Zahlen


1.1 Zahlenmengen in der Schule
1.1.1 Natürliche Zahlen
Die natürlichen Zahlen N = {0, 1, 2, ...} leiten sich recht direkt aus Zählvorgängen ab. Die darauf
aufgeprägte Struktur von Addition und Multiplikation ergibt sich auch direkt aus der Handhabung
von identische Objekten. Es zeigt sich aber, dass die natürlichen Zahlen weder für Addition noch
für die Multiplikation inverse Elemente bereithalten, dass also Gleichungen folgender Art keine
Lösungen innerhalb der natürlichen Zahlen haben:

1+x=0 (1.1)
2x = 1 (1.2)

1.1.2 Ganze Zahlen und Rationale Zahlen


Unter Beibehaltung der Struktur von Addition und Multiplikation erweitert man daher die natürli-
chen Zahlen zunächst unter Hinzunahme aller inverser Elemente der Addition (Lösungen der Glei-
chungen des Typs 1.1) zu den ganzen Zahlen Z = {..., −2, −1, 0, 1, 2, ...}.
Durch Hinzufügen zumindest vieler Lösungen der Gleichungen des Typs 1.2 ergänzt man die ganzen
Zahlen zu den rationalen Zahlen Q = { pq : p ∈ Z, q ∈ N> 0 }. Die Gleichungen, für die man kei-
ne Lösungen fordert, sind die, die ein inverses Element der Multiplikation zu Null erfordern würden.

1.1.3 Reelle Zahlen


Es verbleiben jedoch noch einfache algebraische Gleichungen, die keine Lösung haben:

x2 = 2 (1.3)

Beweis: So würde nämlich für teilerfremde p ∈ Z, q ∈ N> 0 mit x = p


q
gelten

p2 = 2q 2 (1.4)

Somit müsste p einen Teiler 2 haben, der dann links doppelt auftreten würde, woraus folgt, dass q
ebenfalls einen Teiler 2 hätte, was der Teilerfremdheit widerspricht. 
Die Erweiterung der rationalen Zahlen um diese irrationalen Zahlen führt auf die reellen Zahlen
R, von denen man zeigen kann, dass sie vollständig sind, dass also die Menge der reellen Zahlen
keine Lückenmehr aufweist. Dabei ist zu beachten, dass es wesentlich mehr irrationale Zahlen gibt
als rationale Zahlen – so kann man die rationalen Zahlen durch die natürlichen Zahlen abzählen (es
gibt also eine Bijektion f : N → Q), während das mit den reellen Zahlen unmöglich ist.

1.2 Komplexe Zahlen


Obwohl R vollständig ist, in dem Sinne, dass jede konvergente Folge gegen einen Grenzwert kon-
vergiert, existieren immer noch einfache algebraische Gleichungen (Polynome) ohne Lösung, die
nicht in die Kategorie multiplikatives Inverses zu Nullfallen, wie zum Beispiel:

x2 + 1 = 0 (1.5)

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Mathematische Ergänzungen zur Experimentalphysik

Wiederum unter Beibehaltung der wesentlichen Rechenregeln für Addition und Multiplikation führt
man daher ein zusätzliches Element i ein, welches diese Gleichung löst. Um eine in sich abgeschlos-
sene Zahlenmenge zu erhalten ist man dabei natürlich gezwungen auch beliebige Linearkombina-
tionen von i hinzuzunehmen, so dass sich die allgemeine komplexe Zahl schreiben lässt als

z = x + iy ∈ C (1.6)

Hierbei ist x ∈ R der Realteil und y ∈ C der Imaginärteil. Aus praktischen Gründen führt man noch
das komplex konjugierte Element ein:

z = z* = x − iy (1.7)

Hierbei stellt man folgenden Zusammenhang fest:

z · z = x2 + y 2 ∈ R ≥ 0 (1.8)

Daraus motiviert man die Definition des Betrags einer komplexen Zahl als

|z| = z · z* (1.9)

Dies entspricht genau der Länge der Zahl z in der Gauß’schen Zahlenebene mit den kartesischen
Koordinaten x und y.
Neben der Rechenregel i2 = −1 ergeben sich die folgenden Rechenregeln aus der Forderung, dass
alles so funktionieren soll, wie bisher. Für zwei komplexe Zahlen z1 = x1 + iy1 und z2 = x2 + iy2
gilt:

• Gleichheit: z1 ist genau dann gleich z2 , wenn Real- und Imaginärteil übereinstimmen, also
x1 = x2 und y1 = y2 gilt.

• Addition bzw. Subtraktion: Real- und Imaginärteil werden unabhängig voneinander addiert
bzw. subtrahiert:

z1 ± z2 = (x1 ± x2 ) + i(y1 ± y2 ). (1.10)

• Multiplikation: Wenn man als kleine Übungsaufgabe z1 z2 ausmultipliziert und dabei berück-
sichtigt, dass i2 = −1 gilt, erhält man

z1 · z2 = (x1 · x2 − y1 · y2 ) + i(x1 · y2 + y1 · x2 ) (1.11)

• Quotient: Um einen Bruch in Real- und Imaginärteil aufspalten zu können, erweitert man mit
dem komplex konjugierten Element des Nenners. Danach ist der Nenner reell und im Zähler
steht ein Produkt zweier komplexer Zahlen:

x1 + iy1 (x1 + iy1 )(x2 − iy2 ) x1 x2 + y1 y2 x2 y1 − x1 y2


= = 2 2
+i (1.12)
x2 + iy2 (x2 + iy2 )(x2 − iy2 ) x2 + y 2 x22 + y22

Insbesondere gilt als Folge der letzten Regel: i = − 1i , was gelegentlich hilfreich ist, um Vorzeichen
vor Formeln zu entfernen und damit vor dem Vergessenwerden zu schützen.
Daraus ergibt sich auch, dass alle Lösungstechniken für z.B. Polynome so weiterfuntionieren, wie
in den reellen Zahlen. Quadratische Ergänzung oder die Lösungsformeln liefern in den Fällen, in
denen sie bei den reellen Zahlen als√nicht anwendbar galten, da keine Lösung existierte, jetzt einen
Term, in dem in irgendeiner Form −1 = i steht.

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