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MASARYK UNIVERSITÄT

Pädagogische Fakultät

Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur

BACHELORARBEIT

Lessings „Miss Sara Sampson"

zwischen Tradition und Avantgarde

Verfasserin: Eva Komoiiovä


Betreuer: Mgr. Jan Budnäk, Ph.D

BRNO 2009
Erklärung

Ich erkläre, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und mit Hilfe der zitierten Quellen
ausgearbeitet habe.

Brno, den 10. Dezember 2009

Unterschrift:

2
Danksagung

A n dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn Mgr. Jan Budhäk, Ph.D. für seine wertvollen Rat-
schläge, kritischen Bemerkungen, sein Geduld und seine Zeit sehr bedanken.

3
Inhaltverzeichnis

Einleitung 7

Vorwort 8

1. KAPITEL - DIE TRAGÖDIE NACH ARISTOTELES 9

1.1. Entstehung der Gattung die Tragödie 9

1.2. Aristoteles und seine Beschreibung der Tragödie 9

1.3. Die Handlung der Tragödie und ihre Fabel 9

1.3.1. Wahrscheinlichkeit der Handlung 10

1.4. Was soll eine gute Tragödie erfüllen? 10

1.5. Zusammenfassung 11

2. KAPITEL - HISTORISCHE ENTWICKLUNG DES BÜRGERLICHEN DRAMAS . 11

2.1. Die Theaterstücke der Universitäten und Gymnasien 11

2.1.1. Typische Trauerspieltypen des 17Jahrhunderts 12

2.1.1.1. Märtyrerdrama 12

2.1.1.2. Heroische Tragödie 12

2.2. Voraufklärerische Phase - Christian Gryphius und Christian Weise 13

2.3. Ein passendes Theater für das Bürgertum 14

2.4. Krise der voraufklärerischen Dramatik 15

2.5. Zusammenfassung 15

3. KAPITEL - THEATERREFORM VON GOTTSCHED 15

3.1. Gottscheds Reform 15

3.1.1. Trauerspielkonzept nach Gottsched 16

3.2. Zusammenfassung 17

4. KAPITEL - DIE ERSTE BÜRGERLICHE GATTUNG 18

4.1. Neue Gattung des bürgerlichen Trauerspiels und ihre neuen Gesetze 19

4.2. Rührendes Lustspiel oder bürgerliches Trauerspiel als besserer Ausdruck


der „bürgerlichen Gattung" 19
4.3. Probleme des Trauerspiels 19

ZUSAMMENFASSUNG DES THEORETISCHEN TEILS 20

4
5. KAPITEL - MISS SARA SAMPSON 21

5.1. Dramaturgische Seite des Werkes 23

5.1.1. Thema 23

5.1.2. Beschreibung des Geschehens 23

5.1.3. Form 24

5.1.3.1. Drei Einheiten 24

5.1.3.1.1. Die gewahrten Einheiten der Zeit und Handlung 24

5.1.3.1.1.1. Einheit der Zeit 25

5.1.3.1.1.2. Einheit des Ortes 26

5.1.3.2. Zusammenfassung 28

5.1.4. Alexandriner gegen Prosa im Trauerspiel 29

5.1.5. Redepassagen: Monologe und Dialoge 29

5.1.5.1. Zusammenfassung 30

5.1.6. Metaphorische Bildlichkeit 30

5.1.6.1. Zusammenfassung 33

5.1.7. Die Sprache 33

5.1.7.1. Die Sprache der Verstellung als die Haupttriebkraft des dramatischen

und tragischen Geschehens 34

5.1.7.2. Sprache des Weinens, Worte der Tränen 35

5.1.7.3. Zusammenfassung 37

5.1.8. Figuren 37

5.1.8.1. Die Rahmenfiguren 38

5.1.8.1.1. Sir William Sampson 38

5.1.8.1.2. Die Dienerfiguren 39

5.1.8.2. Die Zwischenfiguren 40

5.1.8.2.1. Miss Sara Sampson 41

5.1.8.2.2. Marwood 43

5.1.8.2.3. Mellefont 44

5
5.1.8.3. Zusammenfassung 45

5.1.9. Zusammenfassung der dramaturgischen Mittel 45

5.2. Handlung des bürgerlichen Trauerspiels - Innere Handlung 46

5.2.1. Zusammenfassung der Handlung 47

5.3. Wirkung des Trauerspiels 47

5.3.1. Drei „Lessingschen Probleme" im Humanismus und Barock 47

5.3.2. Drei „Lessingschen Probleme" im 18.Jahrhundert - sinnliche Wirkung


des Trauerspiels 48

5.3.2.1. Gottsched 49

5.3.2.2. Die Nachfolger Gottscheds und vor allem Lessing 49

5.3.3. Zusammenfassung der Tragödienwirkung 50

5.4. Wirkung des Trauerspiels Miss Sara Sampson nach meiner Auffassung 50

5.4.1. Briefwechsel über das Trauerspiel 51

5.4.2. Mitleid bessert den Menschen - moralische Wirkung des Trauerspiels

- Ausdruck der Tugend oder der Liebe 52

5.4.3. Zusammenfassung der Wirkung des Trauerspiels 53

ZUSAMMENFASSUNG DES ANALYTISCHEN TEILS 54

Schlussfolgerung 55

Quellenverzeichnis 57

6
Einleitung

In meiner Bachelorarbeit beschäftige ich mich mit dem dramatischen Werk von Gott-
hold Ephraim Lessing. Lessing gehört zu den berühmtesten Autoren der deutschen Literatur.
Seine dramatische Tätigkeit begann er in Leipzig als Autor der zeitgenössisch beliebten Lust-
spiele. Er stand bei Aufschwung der aufklärerischen Theaterreform, welche völlig in den Hän-
den von Johann Christoph Gottsched war. Als junger Autor, erwartete er von der literarischen
Schöpfung mehr als Nachahmung der Traditionen und Orientation an feste Regeln. Vor dem
Hintergrund der Entwicklung der neuen europäischen Epoche der Empfindsamkeit und vor dem
Hintergrund der bürgerlichen Emanzipation verfasste er sein erstes Trauerspiel, das er „Miss
Sara Sampson, ein bürgerliches Trauerspiel" benannte. Nach seiner Aufführung wurde es von
der literarischen und dramatischen Gesellschaft als Gattungsparadigma oder als Bravourstück
geschätzt und Lessing wurde als der erste Autor der neu entstandenen dramatischen bürgerli-
chen Gattung bezeichnet.
Nachdem ich das Werk „Miss Sara Sampson" gelesen hatte, blieb ich erstaunt. Dieses
Stück soll als Gattungsparadigma oder als Bravourstück genannt werden? Dieses soll als ein
passendes Musterstück des bürgerlichen Trauerspiels sein?
Ich schätze dieses Werk als trockene Nachahmung der traditionellen Tragödienregeln,
die seit Aristoteles gültig sind. Fast keine Handlung, nur kraftlanges Räsonieren der Figuren
über ihr Unglück, nur zu viel „Ach-Szenen" und noch mehr Tränen. Keine Neuigkeit, keine
Spannung. Wie dieses verwässerte Stück den Anspruch des Bürgertums des 18.Jahrhunderts
befriedigen könnte? Dieses soll für Paradigma der neuen Gattung gehalten werden? Und wie
konnte Lessing als Genieautor bezeichnet werden? Was Neues verbirgt das Werk eigentlich?
Ob Miss Sara Sampson nicht nur folgender Anekdote entspricht: „Lessing war mit Mendelssohn
bey der Vorstellung eines der französischen weinerlichen Dramen zugegen. Der letzte zerfloß in
Tränen. A m Ende des Stücks fragte er seinen Freund, was er dazu sagte? Daß es keine Kunst ist,
alte Weber zum Heulen zu bringen, versetzte Lessing. Das ist leicht gesagt, aber nicht so leicht
gethan. Was gilt die Wette, sagte Leasing, in sechs Wochen bringe ich Ihnen ein solches Stück.
- Sie giengen die Wette ein, und am folgenden Morgen war Lessing aus Berlin verschwunden.
Er war nach Postdam gereiset, hatte sich in eine Dachstube eingemiethet, und kam nicht davon
herunter. Nach Vorlauf von sechs Wochen erschien er wieder bei seinem Freunde, und Miß Sara
Sampson war vollendet." 1

1
HILDEBRANDT, D. Lessing: Biographie einer Emanzipation. München, Wien: Carl Hanser Verlag, 1979. S. 167.

7
Vorwort

Meine Arbeit heißt „Lessings Miss Sara Sampson zwischen Tradition und Avantgarde".
Ziel meiner Arbeit ist zuerst: anhand des theoretischen Teils zu sagen, in welchem Sinn „Miss
Sara Sampson" zwischen Tradition und Avantgarde des Tragödiengenres steht und zweitens:
anhand der Analyse des Werkes zu sagen, welche konkrete Elemente traditionell waren
und welche Lessing als Avantgarde im Werk benutzte, und dank welchen Elementen er für Ge-
nieautor seiner Zeit gehalten werden konnte.
Ich teilte meine Arbeit in zwei Teile. Der erste theoretische Teil ist ein historischer
Überblick über Entwicklung der Tragödie, deren Tradition im antiken Griechenland gewurzelt
wurde und der Aristoteles eine feste Regel gab. In dem Überblick beschreibe ich Entwicklung
der Tragödie in der „bürgerlichen" Linie und die Mühe dieses Genre dem Bürgertums zugäng-
lich zu machen.
Der erste Teil besteht aus vier Kapiteln. In dem ersten Kapitel schreibe ich über Entste-
hung der Tragödie und ich stelle Aristoteles und seine Beschreibung dieses Genres vor.
Das zweite Kapitel behandelt die Entwicklung der Tragödie von Barock bis Zeit der Theaterkri-
se am Anfang des 17 Jahrhunderts. Bei der Beschreibung konzentriere ich mich auf die Mög-
lichkeiten der Zugänglichkeit zum Drama, die das Bürgertum in diesem Zeitalter hatte, welche
Typen der Tragödie bevorzugt wurden. Das dritte Kapitel behandelt die Theaterreform Gott-
scheds, seine Tragödienkonzeption; seine Mühe, die Tragödie mit der Absicht auf das Bürger-
tum und seine Bedürfnisse zu schöpfen und das Scheitern Gottscheds Absichten. Im vierten
Kapitel beschreibe ich die Mühe der Nachfolger Gottscheds die Emanzipation des Bürgertums
zu erfüllen, Entstehung der „Vorgänger" des bürgerlichen Trauerspiels und Probleme der Ent-
stehung des rechten bürgerlichen Trauerspiels.
Der zweite analytische Teil, fünftes Kapitel, ist Analyse des Werkes. A m Anfang stelle
ich meine Meinung über Lessings „Miss Sara Sampson" vor. Ich teilte dann die Analyse in vier
Unterteile, die sich mit dramaturgischen Mitteln, mit Handlung und mit Wirkung des Trauer-
spiels beschäftigen. Im Teil der dramaturgischen Mittel wollte ich zeigen, welche Elemente
traditionell waren und welche Lessing als innovative benutzte und dadurch für Genieautor ge-
halten werden konnte. In dem Teil der Handlung beschreibe ich, welchen Typ der Handlung
Lessing bevorzugte. Der dritte Teil stellt anhand der Wirkungstheorie des Trauerspiels Lessings
die Entwicklung der Tragödienwirkung im Vergleich von Humanismus und Barock bis zu Les-
sings Zeiten vor. Der vierte Teil ist meine Ansicht über der Wirkung des Werkes „Miss Sara
Sampson".
In meiner Arbeit arbeitete ich mit literarischen Quellen zusammen und fügte auch meine
Bemerkungen und Meinungen hinzu.

8
1. K A P I T E L - DIE T R A G Ö D I E N A C H A R I S T O T E L E S
In diesem Kapitel fasse ich kurz zusammen, wo die Gattung der Tragödie entstand.
Weiter beschäftige ich mich mit der Beschreibung der Tragödie nach Aristoteles, der die Regel
dieser Gattung geprägte und als Vater der Tragödie galt.

1.1. Entstehung der Gattung die Tragödie


Die Gattung Tragödie gehört zur Klasse der Dramatik. Sie ist ein der wichtigsten und
ältesten Genres der Dramatik. Die Tragödie entstand im antiken Griechenland und hängt mit
dem Dionysoskult zusammen. Die Feiern zum Lob und Ehren des Gottes Dionysos, Gott der
Ekstase, des Rausches, der Verwandlung, des Weins, hießen Dionysien. „Zu der Feier gehörten
2

sakrale Umzüge mit Phallussymbolen und dem Kultbild des Dionysos, rauschhaft ekstatische
Tänze und Chorgesänge (Dithyramben), Stieropfer sowie - in späterer Zeit - auch musische
Wettkämpfe und Aufführungen von Dramen." Diese Dithyramben waren Vorläufer für Entste-
3

hung der Tragödie.

1.2. Aristoteles und seine Beschreibung der Tragödie


Der größte Anteil an der theoretischen Beschreibung der Tragödie im Werk „Poetik"
und der ganzen Bereich der Dramatik allgemein, hat ohne Zweifel Aristoteles. Eine Definition
der Tragödie nach Aristoteles: „Die Tragödie ist Nachahmung einer guten und in sich geschlos-
senen Handlung von bestimmter Größe, in anziehend geformter Sprache, wobei diese formen-
den Mittel in den einzelnen Abschnitten je verschieden angewandt werden. Nachahmung von
Handelnden und nicht durch Bericht, die Jammer (eleos) und Schaudern (phobos) hervorruft
und hierdurch eine Reinigung von derartigen Erregungszuständen bewirkt." 4

Meiner Meinung nach, es gab keinen größeren Verfasser von Tragödientheorie als Aris-
toteles. Es gelang ihm, ein allgemein gültiges Muster zu schaffen. In verschiedenen Epochen
und Zeiten wendeten sich an ihn Theoretiker und Autoren an. Seine Nachfolger ahmten seine
Theorie nach, zitierten sie oder bearbeiteten sie, aber der Grund blieb immer. Niemand in der
Historie überwandte Aristoteles.

1.3. Die Handlung der Tragödie und ihre Fabel


Der wichtigste qualitative Teil der Tragödie ist die Handlung. Aristoteles nennt die
Handlung die „Seele" der Tragödie. Aristoteles begründet dies: „Denn die Tragödie ist nicht
Nachahmung von Menschen, sondern von Handlung und Lebenswirklichkeit." Der Dichter soll 5

2
Vgl. ENCARTA [online], zuletzt aufgerufen am 12.10.2009 [zit. am 9.10.2009]
<http://de.encarta.msn.com/encvclopedia 721542222/Dionvsien.html>
3
Ebd.
4
Vgl. WIKIPEDIA [online], zuletzt aufgerufen am 12.10.2009 [zit. am 9.10.2009]
<http://de.wikipedia.org/wiki/Poetik (Aristoteles)#Die Definition von poi.C3.AAsis: mim.C3.AAsis>
5
Ebd.

9
sich für Erstellung und Form der Handlung richten, in der ersten Linie nicht nach der Identität
des Helden, sondern nach dem Gehalt der darzustellenden Handlung.
„Folglich handeln die Personen nicht, um die Charaktere nachzuahmen, sondern um der
Handlungen willen beziehen sie Charaktere ein." Daraus fließt, dass die Handlung und das
6

Geschehen der Tragödie wichtig sind. Aber das wichtigste ist, das eindeutige und bestimmte
Ziel zu haben.

1.3.1. Wahrscheinlichkeit der Handlung


Wichtig für die Handlung als auch für die Zeit und den Ort in der Tragödie ist das Krite-
rium der Drei Einheiten und der Wahrscheinlichkeit. Nach Aristoteles gilt, dass für die Tragödie
nicht wichtig ist, was bestimmt geschah, sondern was laut Regeln der Wahrscheinlichkeit ge-
schehen könnte. 7

Man kann es folgendermaßen zusammenfassen, dass Aristoteles als der wichtigste


und qualitativste Teil in der Tragödie die Handlung schätzt, aus der, in der ersten Reihe,
die Charaktere der Gestalten herausfließen. Die wichtigsten Kriterien dafür sind Einheit
und Wahrscheinlichkeit. Laut Aristoteles soll der Dichter nicht schreiben, was passiert ist, son-
dern was passieren könnte, nach bestimmten Regeln. Das Allgemeingültige mitzuteilen ist hö-
her geschätzt, als ein historisches, zufälliges und sinnloses Geschehen zu beschreiben.

1.4. Was soll eine gute Tragödie erfüllen?


Nach Aristoteles wird die Tragödie in zwei Typen eingeteilt. Der erste ist die bessere
hochgeschätzte Tragödie. Hier wird ein Held dargestellt, der wegen seines Fehlers einen Wan-
del vom Glück bis Unglück durchlebt. Das geschieht dadurch, dass der Held einen Fehler mach-
te, die aus seinem Unwissen über die Situation hervorgeht. Der Held muss einen Fehler machen.
Es wäre schrecklich zu zeigen: „wie makellose Männer einen Umschlag vom Glück ins Un-
glück erleben" . Es wäre noch schrecklicher: „wie Schufte einen Umschlag vom Unglück ins
8

Glück erleben" und es würde am schrecklichsten und zugleich uninteressant wirken: „wie der
9

ganz Schlechte einen Umschlag vom Glück ins Unglück erlebt" . Die zweitbeste Tragödie
10

schildert, wie der sittlich bessere Held und demgegenüber der sittlich schlechtere Held ein ge-
gensätzliches Ende erreichen. Aus dieser Verteilung gehen zwei wichtige Kriterien hervor,
die die Tragödie erfüllen sollen und zwar „das ethische Kriterium der Darstellung eines sittlich
11

guten Menschen und das Kriterium der Darstellung einer Handlung, die bei der Rezeption

6
WIKIPEDIA [online], zuletzt aufgerufen am 12.10.2009 [zit. am 9.10.2009]
<http://de.wikipedia.org/wiki/Poetik (Aristoteles)#Die Definition von poi.C3.AAsis: mim.C3.AAsis>
7
Vgl. Ebd.
8
Ebd.
9
Ebd.
10
Ebd.
11
Vgl. Ebd.

10
des Stoffes (und nicht nur des aufgeführten Stückes) „Jammern und Schaudern", eleos und pho-
bos hervorruft." 12

1.5. Zusammenfassung
In diesem Teil wollte ich die Entstehung der Tragödie erwähnen und den Begriff Tra-
gödie definieren. Die aristotelische Auffassung der Tragödie wählte ich aus dem Grund aus,
weil Aristoteles für einen Vater der Tragödientheorie gehalten wurde. Gerade für ihn waren als
die wichtigsten Teile der Tragödie die Handlung und die Wirkung. Ich wollte deshalb diese
zwei Teile der Tragödie nähren, da ich mich mit der Handlung und Wirkung der Tragödie in
meiner Arbeit beschäftigen werde.

2. K A P I T E L - HISTORISCHE E N T W I C K L U N G DES BÜRGERLI-


CHEN DRAMAS
Meine Arbeit beschäftigt sich mit dem bürgerlichen Trauerspiel, und zwar im Sinne der
Vergleichung zwischen Tradition und Avantgarde. Ich wollte anhand folgenden Kapitels die
historische Entwicklung der Gattung der Tragödie von Barock bis zur Lessing erleuchten. Man
muss beachten, dass die Entwicklung des bürgerlichen Dramas in Europa unterschiedlich durch-
lief. In Frankreich befreite sich das bürgerliche Drama in der erste Hälfte des 18.Jahrhunderts
von der Tradition des höfisch-klassizistischen Tragödienstoffs. Neue Gattungen wurden sowohl
von der Gesellschaft als auch von den Höfen unterstützt. Dagegen in Deutschland blieben die
humanistischen Traditionen und Barock-Traditionen tief gewurzelt. Entstehung der neuen Gat-
tungen hatte bei den Höfen keine Unterstützung. „Das deutsche Bürgerliche Drama entsteht,
13

verglichen mit dem französischen, fast aus dem - literarischen Nichts." 14

2.1. Die Theaterstücke der Universitäten und Gymnasien


Im 17Jahrhundert spielten die Universitäten und Gymnasien eine wichtige Rolle für
Aufführung der Dramen in Deutschland. In den Schulen wurden die Dramenaufführungen zur
Erziehung ausgenutzt. In den humanistischen Schultheatern wurden sowohl die Stoffe von grie-
chischen und römischen Autoren als auch die biblische Stoffe zur Erziehung benutzt. Die Jesui-
tenschule bevorzugten die Dramen mit christlichen Stoffen zur Glaubenssicherung und Bekeh-
rung zum rechten Glauben. Die Vermittlung der Dramen ging bei den Humanisten in den Spu-
ren der philosophischen Disziplinen der Antik, demgegenüber bevorzugten die Jesuiten eher
opulente Darbietungsformen und künstlerische theatralische Effekte. Die Komödien wurden nur

12
WIKIPEDIA [online], zuletzt aufgerufen am 12.10.2009 [zit. am 9.10.2009]
<http://de.wikipedia.org/wiki/Poetik (Aristoteles)#Die Definition von poi.C3.AAsis: mim.C3.AAsis>
13
Vgl. EIBL, K. Gotthold Ephraim Lessing: Miss Sara Sampson ein bürgerliches Trauerspiel. Frankfurt am Main:
Athenäum-Verlag GmbH, 1971. S.98.
14
Ebd., S.98.

11
selten aufgeführt, da ihr Thema der Liebe für die zeitgenössischen Schüller aus den moralischen
Gründen nicht geeignet wurde. 15

Die Gelehrten, die an den Gymnasien oder an den Universitäten wirkten, benutzten die
Dramen als ein erzieherisches Mittel. Damit bemühten sie sich, den Schülern aus dem bürgerli-
chen Stande die Dramen näher zu bringen. Obwohl die Gelehrten selbst auch eine dramatische
Schöpfung zu schaffen versuchten, konnte sie als reine bürgerliche Schöpfung nicht bezeichnet
werden. Als es jemandem trotzdem gelang, ein Trauerspiel zu verfassen, war es der heroisch-
höfischen Stilisierung. 16

2.1.1. Typische Trauerspieltypen des 17.Jahrhunderts


In diesem Unterkapitel erleuchte ich, welche Typen des Trauerspiels im 17Jahrhundert
die Theaterszene beherrschten, und zwar das Märtyrerdrama und die heroische Tragödie.

2.1.1.1. Märtyrerdrama
Diese Form des Trauerspiels behandelt das Leben und das Sterben des Märtyrerhelden.
Märtyrer ist eine „Bezeichnung für denjenigen, der einen Glauben, eine Überzeugung, ein Prin-
zip oder eine Sache „bezeugt", in dem er Leid oder den Tod auf sich nimmt." 17

Nach der Basislexikon Literaturwissenschaftlicher Terminologie ist das Märtyrerdrama


eine „ Tragödie mit einer Handlung, die vom ungerechtfertigten Untergang ihres Helden geprägt
ist und so die christliche Heilserwartung im Jenseits illustriert." Künstlerisch entspricht das
18

Märtyrerdrama den Regeln Aristoteles: Die Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung,
die geschlossene Form in fünf Akten, der heroische Alexandriner. Der tugendhafte Held kommt
aus hohem Stande und folgt christliche Moral und Glaube. Die Handlung löst einen Konflikt
zwischen dem positiven Hauptheld und einem tyrannischen Herrscher. Der Konflikt entwickelt
sich anhand pathetischen Redens und mündet in eine Untergangskatastrophe des Hauptheids.
Das Märtyrerdrama entspricht völlig der christlichen Vorstellungen der Barock und zwar: 19

„Im nichtigen Diesseits der Welt mag der Held untergehen, im Jenseits warten auf ihn - wie auf
jeden wahren Christen - Heil und Erlösung." 20

2.1.1.2. Heroische Tragödie


Dieser Typ des Trauerspiels schildert die Schicksale der Personen, die eine öffentliche
Macht und Verantwortung tragen. Ihre Handlung soll als Vermittlung zwischen allgemeingülti-
gen christlichen, tugendhaften, moralischen Idealen und ihren eigenen Leidenschaften sein.

15
Vgl. ALT, P.-A. Aufklärung: Lehrbuch Germanistik. 3Auflage. Stuttgart: Verlag J.B. Metzler, 2007. S.176-177.
16
Vgl. EIBL, K. Gotthold Ephraim Lessing: Miss Sara Sampson ein bürgerliches Trauerspiel. Frankfurt am Main:
Athenäum-Verlag GmbH, 1971. S .99.
17
ENCARTA [online], zuletzt aufgerufen am 12.10.2009 [zit. am 9.10.2009]
<http://de.encarta.msn.com/encvclopedia 721544106/M%C3%A4rtvrerdrama.html>
18
Vgl. Basislexikon Literaturwissenschaftliche Terminologie [online], zuletzt aufgerufen am 11.11.2009 [zit. am
12.10.2009] <http://www.fernuni-hagen.de/EUROL/termini/welcome.html?page=/EUROL/termini/8490.htm>
19
Vgl. Ebd.
2 0
Ebd.

12
Heroische Tragödie erfüllt auch die aristotelische Regeln: Drei Einheiten, der Alexandriner,
die Haupthelden aus hohem Stande. Nur die Form der fünf Akten wird durch Zwischenspielen
und allegorischen Passagen ergänzt. Der Stoff wird am meisten von politischen oder staatlichen
Ereignissen beeinflusst. Die Handlung stellt einen inneren Konflikt der Gefühle und der Leiden-
schaften des Helden vor. Der Konflikt wird mit den pathetischen Reden ausgedrückt und mit
dem Mord des Haupthelden beendet. Das Publikum soll an den Konflikt mit ihren Gefühlen
beteiligt werden. 21
„Somit zielt die heroische Tragödie - ganz ihrem Zeitalter, dem Barock mit
seiner christlichen Heilserwartung und Tugendlehre entsprechend - vornehmlich darauf ab,
die übermäßigen Leidenschaften der Herrscherfiguren darzustellen, um so dem Publikum Indif-
ferenz bezüglich diesseitigem Leid (dem die Erlösung im Jenseits gegenübersteht) und/oder
christliche Moralvorstellungen und Tugenden (Gottesfurcht und -liebe, Mäßigung usw.)
zu vermitteln." 22

2.2. Voraufklärerische Phase - Christian Gryphius und Christian Weise


In den letzten Jahrzehnten des 17Jahrhunderts ging die Gesellschaft der neuen Epoche
entgegen, die in der Opposition zu Barock stand und zwar der Aufklärung. Nicht mehr Gott
und göttliche Ode, sondern Vernunft und rationale Themen. Es zeigte sich notwendig, die The-
men der bisherigen Autoren in eine neue Hülle einzuhüllen. Das war die Aufgabe für die Ge-
lehrten.
Laut Martin Opitz war für diese Zeit schlecht: „ ... weil niemand mehr etwas Recht-
schaffenes sehen oder hören will, sondern nur kurz eingerichtete Possen verlangt..." 23
In den
Worten spürt man die Skepsis gegen das Geschmack des zeitgenössischen Publikums. Man
kann sie in diesem Sinn für Ignoranten der früheren Werte halten. Man spürt daraus das Unter-
haltungsbedürfhis des Zuschauers. Meiner Meinung nach hängt es mit der historischen Situa-
24

tion nach der Dreißigjährigen Krieg. Die Leute wollten nicht mehr Belehrung, konfessionelle
Botschaften oder humanistische Ideale der Antik folgen. In dieser Hinsicht wurde Skepsis ge-
spürt, da man nicht fähig war, etwas Zeitgemessenes auszudenken. 25

Gryphius und Weise gehörten selbst zu den Gymnasialalltag schreibenden Autoren.


Aber sowohl Gryphius mit seiner zugänglicheren Form des Lehrstoffes, als auch Weise mit
seiner Tragikomödie entsprachen und erfüllten die Bedürfnisse der Gesellschaft nicht: „Ihnen
fehlte offenkundig die Bereitschaft (oder künstlerische Fähigkeit), die Muster, die ihnen die
ältere Generation überliefert hatte, auf originelle Weise umzugestalten." 26

21
Vgl. Basislexikon Literaturwissenschaftliche Terminologie [online], zuletzt aufgerufen am 11.11.2009 [zit. am
12.10.2009] <http://www.fernuni-hagen.de/EUROL/termini/welcome.html?page=/EUROL/termini/8490.htm>
2 2
Ebd.
2 3
ALT, P.-A. Außlärung: Lehrbuch Germanistik. 3.Auflage. Stuttgart: Verlag J.B. Metzler, 2007. S. 178.
2 4
Vgl. Ebd., S. 178.
2 5
Vgl. Ebd., S.178.
2 6
Ebd., S.178.

13
2.3. Ein passendes Theater für das Bürgertum
Die Theaterstücke wurden zuerst auf das gelehrte bürgerliche Publikum orientiert.
Es wurden die Mittel des Triviums und die aristotelische Regeln in den Dramen bewahrt, die
nur die gelehrten Menschen verstehen konnten. „Das war ,Bildungstheater', von Gelehrten für
27

Gelehrte gemacht, gewiß teilweise von hohem künstlerischen Rang, - aber es war kein Theater
für Handwerker und Kaufleute, schon gar nicht für Lehrlinge und Gesellen, Dienstboten und
Angestellte. Dieses Bürgertum (...) war nur sehr grober Kost zugänglich. Solche Kost boten
Bänkelsänger und Jahrmarktschausteller, die umherziehenden Gaukler und Akrobaten und
schließlich die Wanderbühnen." 28
Die Wanderbühnen mussten einen schwierigen Anspruch
erfüllen, dem Geschmack des ständischen Publikums sich anzupassen. Es war schwer, da „die
Mitglieder der Truppen als unehrlich, als asozial galten, und waren es häufig auch." In der 29

tragischen Welt der heroischen Tragödien, die die Moral und Tugend prägten, mussten die Auf-
führungen der Wandertruppen die Zuschauer anlocken. Entweder der Führende der Truppen
immer die Prinzipien der Moral prägen musste oder gerade gegen diese Prinzipien verstoßen.
Trotzdem fließt daraus, dass die Wandertruppen die ersten waren, die sich bemühten, dem Bür-
gertum entgegenzukommen. Einerseits belehrten sie das Publikum mit einer moralischen Wir-
kung und wollten sich dadurch dem Bürgertum nähern. Anderseits sollte diese Belehrung nicht
zu heftig bei den Zuschauern spüren, also musste sie mit den witzigen Elementen ergänzt wer-
den. Die ersten Stoffe der Wandertruppen waren von den ausländischen Autoren inspiriert.
Die Werke wurden sehr vereinfacht und trivialisiert, damit sie von dem gewöhnlichen Publikum
verständlich waren. „ ,Bürgerlich' sind also auch die Stoffe der Wanderbühnen nicht. Es sind
30

,Haupt- und Staatsaktionen' aus der höfischen Welt, die aber nicht hohe, schwer verständliche
Formkunst demonstrieren, sondern das Publikum durch grobe Effekte, Blutrünstigkeit und grel-
les Pathos zu befriedigen versuchen. Vermittlungsfunktion hat neben der primitiven Form die
Gestalt des Pickelhäring, Harlekin, Hanswurst etc., der - als Diener oder wenigstens in de Zwi-
schenakten - nicht fehlen darf. Seine Kommentare und seine meist anal-humoristischen Spaße
sorgen dafür, daß die Forschperspektive der Zuschauer sich auf der Bühne mit verkörpert sieht.
,Bürgerliches' Drama in Deutschland vor 1700 heißt also, wenn man den Begriff bürgerlich'
als sozialgeschichtliche Kategorie auffaßt: 1. von den Gelehrten in den Schulen aufgeführtes
esoterisches Bildungstheater; 2. von ,asozialen' Berufsschauspielern aufgeführtes Primitiv-
Spektakel für das breite Publikum der Städte." 31

27
Vgl. EIBL, K. Gotthold Ephraim Lessing: Miss Sara Sampson ein bürgerliches Trauerspiel. Frankfurt am Main:
Athenäum-Verlag GmbH, 1971. S.99-100.
2 8
Ebd., S. 99-100.
2 9
Ebd., S. 100.
30
Vgl. Ebd., S. 100-101.
31
Ebd., S. 100-101.

14
2.4. Krise der voraufklärerischen Dramatik
Das deutschsprachige Drama begann um 1700 abwärts zu gehen. Es war Mangel an ori-
ginelle Vorlagen, die von den deutschen zeitgenössischen Autoren geschöpft wurden. Was die
Komödie betraf, gab es kein fest gültiges Muster. Die Aufführungen beschränkten sich nur auf
die Nachahmung der commedia delP arte, auf Improvisation oder auf Vermischung der ernst-
haften tragischen ausländischen Stoffe mit den derb-witzigen Szenen. Die Tragödie erlebte noch
tiefere Bedeutungslosigkeit zwischen 1700 und 1730, wann die Gattung der Tragödie kaum eine
Rolle spielte. Daraus fließt, dass „die Theaterpraktiker am Beginn des 18Jahrhunderts den
32

schlesischen Dramatikern und ihren Nachfolgern ein bemerkenswertes Desinteresse entgegen-


brachten. Selbst die unterhaltsamsten Bühnenvorlagen der älteren Barockautoren wurden von
den Schauspielgesellschaften nicht ins Repertoire übernommen. Stehende Bühnen beschränkten
sich bis weit ins 18.Jahrhundert hinein zumeist auf Opernaufführungen und Ballettinszenierun-
gen, deren opulente Prachtentfaltung nicht nur das höfische Publikum der Residenzstädte, son-
dern auch bürgerliche Zuschauer anzog." Zur dieser Zeit entstand ein Bedürfnis nach jeman-
33

dem, der dem Theater neue Regeln gibt.

2.5. Zusammenfassung
Die ersten Schritte zum bürgerlichen Drama wurden von den Gelehrten unternommen.
Sie benutzten die Dramen als Mittel der Erziehung an der Schulen. Es ging in diesem Fall um
Zugang des gebildeten Bürgertums zu der Tragödie. Später kamen die Wandertruppen aus Aus-
land, die die ausländischen tragischen Stoffe brachten und sie mit den komischen Elementen
verbunden. Trotzdem begonnen sowohl die Komödie als auch die Tragödie abwärts zu gehen.
Es fehlten die festen Regeln, die originellen Vorlagen wurden in Deutschland fast nicht heraus-
gestellt und das Publikum bevorzugte die Genres der Oper und des Balletts. Es war unbedingt
notwendig, das ständige Theater zu retten und eine Ordnung ihm zu geben.

3. K A P I T E L - T H E A T E R R E F O R M V O N G O T T S C H E D
In diesem Kapitel beschäftige ich mich mit J. Chr. Gottsched. In der Zeit der Theater-
krise in Deutschland, erschien sich Gottsched als ein Retter der dramatischen Gattung und als
ein Reformator der deutschen Bühne.

3.1. Gottscheds Reform


Im Zeitalter der Aufklärung standen im Vorfeld der Gesellschaft die Philosophen und
Gelehrten. Sie definierten nach dem Zeitalter des Barocks eine neue Richtung - Aufklärung -
als Licht der Vernunft und sie sollten den ungebildeten Menschen die vernünftigen Erkenntnisse
näher bringen.

32
Vgl. ALT, P.-A. Außlärung: Lehrbuch Germanistik. 3.Auflage. Stuttgart: Verlag J.B. Metzler, 2007. S.183.
"Ebd., S.183.

15
Zu Verbreitern der aufklärerischen Ideale gehörte zweifellos J. Chr. Gottsched, der als
Pädagoge an der Universität im Leipzig wirkte. Er verstand die Literatur als einziges Mittel, mit
dem man fähig ist, auf die Leute zu wirken. Er wollte es ausnutzen, um seine gesellschaftlichen
und bürgerlich orientierten Absichten zu erfüllen. 34

„Drama und Theater werden von Gottsched als Vermittlungsinstanzen sozialer Bot-
schaften verstanden, die aus dem Erziehungsprogramm einer gesellschaftlichen Aufklärung
stammen. Das dramatische Schaffen ist auf die Etablierung eines bürgerlichen Moral- und Tu-
gendsystem ausgerichtet. Denn genau in diesem Moral- und Tugendsystem ist die Möglichkeit
gegeben, sich von der die kulturelle wie politische Szene beherrschenden Hofwelt abzugren-
zen." Daraus fließt, dass Gottsched kein Verbreiter der wissenschaftlichen Erkenntnisse war,
35

sondern ein Verbreiter der sozialen Vernunft: „Diese soziale Vernunft folgt den rational-
sittlichen Normen des Ideals aufgeklärten Menschseins und versucht diese Normen als gesell-
schaftliche Verhaltensnormen durchsetzen." 36
Das ist die Idee, mit der man raten muss,
wenn man die Werke Gottscheds schätzen und erklären will.

3.1.1. Trauerspielkonzept nach Gottsched


Gottsched wählte zur Verwirklichung seines Durchsetzens der Verhaltensnormen die
Gattung der Tragödie als die passende dramatische Gattung aus. Er wollte als Volkspädagoge
wirken. In seiner Konzeption behielt er die wichtigsten dramaturgischen Elemente der aristoteli-
schen Tragödie und zwar: die Ständeklausel, Drei Einheiten des Trauerspiels und das Gebot der
Wahrscheinlichkeit. Gottsched bevorzugte die Wirkung als den wichtigsten Teil der Tragödie,
die den Zuschauer beeinflussen konnte. Er verstand die Tragödie als ein moralisches Gedicht
mit einer versteckten Fabel. Sie soll die Wahrheit lehren, die Tugendbotschaft vermitteln und
auf den Zuschauer erzieherisch wirken. Gottsched übernahm gleichzeitig die traditionellen dra-
maturgischen Mittel und die Handlung der traditionellen heroischen Tragödie des 17. Jahrhun-
derts. Charakterisierung des Trauerspiels nach Gottsched war folgend: „Hier kann man im
37

traurigen Fall königlicher Helden die exemplarische Logik des Fortunawechsels finden und in
der vorbildlichen Haltung unschuldig leidender Märtyrerhelden eine Anleitung zu tugendhafter
Beständigkeit finden. In der dramatischen Handlung wird die moralische Lehre versteckt und es
ist den Weg zu einer neuen Tragödienkonzeption, die die Gattung zum Musterstück einer didak-
tisch-aufgeklärten Poesiekonzeption avancieren lässt. Aus diesen Worten ist deutlich, welche
Dispositionen sollte der Hauptheld der Tragödie haben: einerseits sollte er durch seiner Stand-

Vgl. STEINMETZ, H. Das deutsche Drama von Gottsched bis Lessing: Ein historischer Überblick. Stuttgart:
J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1987. S.32.
Ebd., S.32.
Ebd., S.33.
Vgl. ALT, P.-A. Außlärung: Lehrbuch Germanistik. 3.Auflage. Stuttgart: Verlag J.B. Metzler, 2007. S.194-201.

16
festigkeit die Bewunderung auf sich zu ziehen, anderseits im Sinne eines abschreckenden
Exempels durch sein trauriges Schicksal moralische Lehre zu vermitteln vermag." 38

3.2. Zusammenfassung
Gottsched war ein geehrter Autor, eine Person, die sowohl im pädagogischen als auch
philosophischen Bereich anerkannt und geehrt wurde. Er versuchte eine Reform zu verwirkli-
chen, er versuchte den „ Riß zwischen Volkstheater und Bildungstheater" zu überwinden: „Er
39

tat es mit den Mitteln, die seine Zeit ihm zur Verfügung stellte. Die Schauspieler, mit denen er
seine Bühnenreform durchzuführen versuchte, konnten vielfach keinen vorgegebenen Text,
geschweige denn Verse sprechen; das Publikum, soweit es nicht ohnedies nur durch Zoten aus-
zusprechen war, schwärmte für das ,Maschinenwesen' der Oper; in den Zwischenakten werden
,Springer', Solotänzer, auftreten, damit die Sensation und Schaulust des Publikums befriedigt
wird; es gibt für Gottsched keine ,altheimische' Tradition, an die er ernsthaft hätte anknüpfen
können." 40

Es konnte Gottsched nicht gelingen, eine passende Gattung für das Bürgertum selbst zu
entwickeln. Es gab keine Gattung, die als eine Gattung von dem Bürgertum für das Bürgertum
entstand. Es gab entweder die unwerten Lustspiele, die nicht ernsthaft annehmen wurden oder
heroisch-höfische Tragödie. Wenn Gottsched das „Theater und Drama als öffentlichen Medien
eines sozialen Erziehungsprogramms" 41
annahm, musste es auch repräsentativ wirken. Die
Lustspiele schienen für Wirkung auf die Zuschauer und für Verbesserung seiner Sitten geeigne-
ter als das Trauerspiel, aber Gottsched bestand strickt auf die Tragödie und auf die traditionellen
Regeln. So wollte er die Verbesserung der moralischen Sitten der Menschen anhand der Tragö-
die erfüllen, wo die Adeligen spielten und welche sich vor dem historischen Hintergrund der
fernen Vergangenheit abgespielte. Das war aber funktionslos 4 2

Die Regeln und das Muster waren von Gottsched mit der guten Absicht verfasst.
Aus der Hinsicht des Bürgertums konnten, meiner Meinung nach, die Werke mit Orientierung
auf die traditionellen Regeln keine großen Voraussetzungen auf Erfolg haben. Die bürgerlichen
Leute konnten damit nicht zufrieden sein, als sie ständig von Adeligen „belehrt" wurden.
Sowohl das in die Vergangenheit gehüllte Geschehen wirkte auf den gegenwärtigen Zuschauer
sinnlos, als auch die hochgeschätzte Bedingung der Wahrscheinlichkeit fehlte im Gottscheds
Musterstück „Der sterbende Cato". Das Geschehen spielte sich in der Zeiten der Antik ab,

ALT, P.-A. Aufklärung: Lehrbuch Germanistik. 3.Auflage. Stuttgart: Verlag J.B. Metzler, 2007. S.195.
EIBL, K. Gotthold Ephraim Lessing: Miss Sara Sampson ein bürgerliches Trauerspiel. Frankfurt am Main:
Athenäum-Verlag GmbH, 1971. S. 102.
Ebd., S.102-103.
STEINMETZ, H. Das deutsche Drama von Gottsched bis Lessing: Ein historischer Überblick. Stuttgart:
J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1987. S.50.
Vgl. Ebd., S.50-54.

17
anstelle in der Realität des 18.Jahrhunderts. Das wirkte unverständlich, als die Tugendbotschaf-
ten des 18 Jahrhunderts im Milieu des römischen Reiches geprägt wurden. 43

Ich bin überzeugt, dass Gottsched eindeutig einen Fehler machte, als er die Tragödie an-
statt des Lustspiels als Vorgänger des bürgerlichen Dramas auswählte. „Es bedurfte eines spezi-
fisch bürgerlichen dramenwürdigen Ethos, das sich mit dem heroischen Ethos des höfischen
Dramas messen konnte. Krämergeist, kaufmännischer Eigennutz, der Alltag des Handels,
- das waren Sujets, die sich wohl in der Komödie als Motoren der Handlung einsetzen ließen,
nicht aber in der Tragödie." Daraus fließt, dass einziger Vorgänger des bürgerlichen Dramas
44

nur das Lustspiel sein konnte. Es konnte ein optimales Milieu für das Bürgertum bilden,
die verständlichen dramaturgischen Mittel benutzen und gewaltloser maßen an den Zuschauer
wirken. Sowohl das aufklärerische Rationalismus als auch volkspädagogischer Gottsched waren
nicht mit den Bemühungen um die bürgerliche Gattung erfolgreich. Dieses sollte von der neu
entstandenen Bewegung der Empfindsamkeit und von den neuen Autoren bewirkt werden 4 5

4. K A P I T E L - DIE E R S T E B Ü R G E R L I C H E G A T T U N G
Ein von den ersten Autoren, die als Vorbild für bürgerliches Drama das Lustspiel an-
nahmen, war Chr. F. Geliert. Er folgte im Ganzen die Bedürfnisse des Bürgertums, um sich mit
seiner Schöpfung dem Bürgertum zu nähren. Nach ihm wurden die Beispiele verschiedener
bürgerlichen Charaktere auf der Bühne dargestellt. Das Stück wurde in die gegenwärtige Reali-
tät eingesetzt, spielte sich in dem Familienkreis ab, zeigte das private Milieu der Bürger, die die
Heiratsprobleme hatten und verschiedene Geldanlagen, Erbschaften usw. lösten. Das Drama
sollte in den Spuren der Empfindsamkeit gehen und es wurde Freundschaft, Liebe, Freude prä-
sentiert, um in dem Zuschauer die Zärtlichkeit zu erregen 4 6
In dieser Auffassung konnte sich
das bürgerliche Publikum selbst besser finden. Die Elemente unterstützten die Emotionalität
und die Menschen konnten die Zusammengehörigkeit und das bürgerliche Bewusstsein fühlen.
Die Auffassung half den Menschen nicht nur sich selbst besser zu finden, sondern auch einen
bestimmten gesellschaftlichen Standort. Die neue dramatische Richtung fand ihren Hauptsinn in
der Form der Gefühlen und des Mitleidens. Geliert erschaffte das so genannte rührende Lust-
spiel und es wurde zum Drama der bürgerlichen Selbstpräsentation und Selbstdarstellung. 4 7

Vgl. STEINMETZ, H. Das deutsche Drama von Gottsched bis Lessing: Ein historischer Überblick. Stuttgart:
J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1987. S.50-54.
EIBL, K. Gotthold Ephraim Lessing: Miss Sara Sampson ein bürgerliches Trauerspiel. Frankfurt am Main:
Athenäum-Verlag GmbH, 1971. S. 103.
Vgl. Ebd., S.102-103.
Vgl. STEINMETZ, H. Das deutsche Drama von Gottsched bis Lessing: Ein historischer Überblick. Stuttgart:
J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1987. S.64-69.
Vgl. Ebd., S.69-70.

18
4.1. Neue Gattung des bürgerlichen Trauerspiels und ihre neuen Gesetze
Mit der Entstehung des rührenden Lustspiels wurde, meiner Meinung nach, nur die pas-
sende Gattung als Vorbild für das bürgerliche Drama gewählt. Aber die Emanzipation des Bür-
gertums ging noch weiter. Es musste vor allem die Ständeklausel überwunden werden, damit
das bürgerliche Trauerspiel entstehen konnte. Dieses sollte beweisen, dass auch die bürgerlichen
Leute fähig sind, das tragische zu tragen. Daraus fließt, dass „über Jahrhunderte respektierte
Traditionen der Tragödie und Gesetze der tragischen Gattung mit der Entstehung der Gattung
des bürgerlichen Trauerspiels ihre Geltung verloren und wurden durch neue ersetzt." 48

Man kann sagen, dass mit der Entstehung des bürgerlichen Trauerspiels die Gattung der
Tragödie ihr Anerkennen verlor, vor allem in der Hinsicht der Überwindung der von Aristoteles
gültigen Tradition der Ständeklausel und in der Hinsicht der „Ablösung der politisch-
historischen Handlungsraumes durch des Privaten, Familiären oder Ökonomischen" . Es wurde 49

auch der typische Alexandriner als Sprache der Tragödie, durch Prosa eingesetzt. 50

4.2. Rührendes Lustspiel oder bürgerliches Trauerspiel als besserer Aus-


druck der „bürgerlichen Gattung"
Hand auf Herz bietet sich die Frage, ob das rührende Lustspiel als die passende Gattung
für das Bürgertum nicht genügend war. Ob es wirklich „so stolz verteidigte Errungenschaft ei-
nes bürgerlichen Trauerspiels einen Sinn hatte. Denn dieses (bürgerlichen) Trauerspiel muß, um
überhaupt Trauerspiel zu können, viele Züge der traditionellen heroischen Tragödie überneh-
men, sie sich seinen Zwecken anpassen, trotz der soeben genannten einschneidenden Verände-
rungen, die seine Konstitution überhaupt erst ermöglichen. Dadurch entstehen Kompromisse,
Halbheiten, falsche Töne und Entgleisungen, die das tragische Spiel genau das nicht werden
lassen (zum größeren Teil erst nachträglich) theoretisch erhofft und fordert: ein mutiges, den
bürgerlichen Rezipienten in seiner Sicherheit stärkendes, auch seine gesellschaftlichen Ambiti-
onen förderndes Theaterstück." 51

4.3. Probleme des Trauerspiels


Das Problem des bürgerlichen Genres entstand, als man dem bürgerlichen Trauerspiel
alle unbedingten Züge der Tragödie gab. Es entstand eine unnatürliche Mischung, die in dem
großen Maß der heroischen Tragödie entspricht. Aber im bürgerlichen Trauerspiel gab es keine
heroische Situation, in der der Hauptheld dank seiner Tugend und seiner Ehre schlecht endet.
Deshalb musste zur formalen und inhaltlichen Verzerrung kommen. Vor allem wurde die Feh-
lertheorie und ein Bösewicht (am öftesten die Intrigantin, so genannte barocke Machtweib)
benutzt, dank denen die dramatische Handlung in Gang gesetzt wurde.
4 8
STEINMETZ, H. Das deutsche Drama von Gottsched bis Lessing: Ein historischer Überblick. Stuttgart:
J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1987. S.70.
4 9
Ebd., S.70.
5 0
Vgl. Ebd., S.70.
51
Ebd., S.70-71.

19
Man musste alles: Sprache, Form, Inhalt, Handlung, Figurenkonzept...alle Elemente der
Dramaturgie ins bürgerliche Milieu übertragen und auf die bürgerlichen Figuren anpassen. Es
konnte scheinen, dass die Gehalten und Themen des rührenden Lustspiels genommen und ins
Tragische überarbeitet wurden. Und aus dieser Hinsicht scheint das tugendhafte Verhalten der
Figuren als hohle Geste. „Was in der Komödie als Verzicht auf persönliches Glück oder Ver-
mögen erscheint, wird nun zur großen Gebärde der Todesbereitschaft stilisiert. Hier wirken
selbst die steifen Alexandriner der Tragödien aus der Gottscheds Schule beinahe natürlicher." 52

In diesem Sinn ist es wahr, dass die Sorgen um Rettung des Reiches oder des Staats besser lau-
ten und die Geste wahrscheinlicher und erhobener wirken, als Klagen des verführten Mädchens
über seinen Liebhaber oder wenn die gewöhnliche Leute immer den Gott ausrufen und sich an
Himmlische Macht wenden. 53

Z U S A M M E N F A S S U N G DES T H E O R E T I S C H E N TEILS
Die vielfältige Unvollkommenheit des Trauerspiels dadurch entstand, dass die Autoren
sich strebten: „die Darstellung ernstzunehmender bürgerlichen Dramenfiguren" zu leisten und54

„die bis dahin für den Bürgern verschlossene traditionsreiche Gattung der Tragödie zu er-
obern." Diese Mischung konnte nichts anderes, als eine Extremform des bürgerlichen Trauer-
55

spiels, als Ergebnis haben. Diese Extremform „ litt unter mehrfacher innerer ideologischen und
dramaturgischen Widersprüchlichkeit." 56
Das war „Ergebnis der Notwendigkeit, bürgerlichen
Konfliktinhalte mit tragischen Dimensionen zu versehen. Was eben kaum anders denn mit Hilfe
der dramaturgischen Mittel der Heroischen Tragödie geschehen konnte. Das Resultat sind die
Extremformen. " 5 7

Die Unvollkommenheit des ersten bürgerlichen Trauerspiels konnte vergebens bar sein,
da die Autoren damit den Schritt in die Löwegrube der dramatischen Schöpfung unternahmen.
Man sollte anerkennen, dass zum ersten Mal nichts vollkommen sein wird, also es konnten aus
diesem Grund die beiden Augen geschlossen wurden.
Die Entstehung des bürgerlichen Trauerspiels kein leichtes Ding war. Die Bedürfnisse
und Unzufriedenheit des Bürgertums scheint als eine Aufruf für die Autoren, sie zu erfüllen und
ein Luxus eigenen Genres dem Bürgertum zu gönnen. Gottsched versuchte, vor dem Hinter-
grund der Aufklärung, sowohl der Retter der dramatischen Schöpfung zu werden, als auch die
Tragödie dem Bürger zugänglich zu machen. Seine Mühe war erfolgreich, aber alles hatte ihre
Zeitdauer und Gottsched genoss seinen Erfolg nicht lange. Mit der Entstehung der Empfind-

52
STEINMETZ, H. Das deutsche Drama von Gottsched bis Lessing: Ein historischer Überblick. Stuttgart:
J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1987. S.71.
5 3
Vgl. Ebd., S.71.
5 4
Ebd., S.72.
5 5
Ebd., S.72.
5 6
Ebd., S.72.
57
Ebd., S.72.

20
samkeit und Emanzipation des Bürgertums in dieser Pachtung mussten auch die dramatischen
Genres angepasst werden. In dieser Zeit verfasste Geliert ein rührendes Lustspiel als einen Vor-
gänger des bürgerlichen Genres. Später versuchte Lessing geehrte Gesetze und Traditionen der
Tragödienregeln, die von der Zeit Aristoteles galten, mit einer einfachen bürgerlichen rührenden
Gattung zu mischen und die erste Extremform - bürgerliches Trauerspiel genannt, aufzuführen.
Aus der historischen Hinsicht überzeugte ich mich und ich muss zugestehen,
dass „Miss Sara Sampson" die Neuigkeit seiner Zeit war. Das Werk stand an der Grenze zwi-
schen Tradition und Avantgarde. Es ging aus der Tradition der Tragödie aus und für die nächs-
ten Generationen eine Avantgarde bedeutete.

5. K A P I T E L - MISS SARA SAMPSON


Im Deutschland, bis zur Zeit Lessings, gelang die Entstehung keines Dramas, mit dem
die bürgerlichen Ideologien, Weltauffassungen auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene aner-
kannt werden. Alle Werken schienen, das Rechte für diese Gattung zu suchen. Sie wurden von
Einflüssen und Elementen der ausländischen bürgerlichen Werke gemischt, vor allem von den
englischen und französischen. Aber nichts entsprach eindeutig der deutschen bürgerlichen Ge-
sellschaft.
Im Jahre 1755 kam es aber zu einer Wende. Es entstand das erste bürgerliche Trauer-
spiel. Dieses wurde von der zeitgenössischen literarischen Gesellschaft als Gattungsparadigma
genannt, als Bravourstück bezeichnet und mit vielen Superlativen umspinnt. Dieses hieß „Miss
Sara Sampson". „Die war am 10. Juli 1755 im Frankfurt an der Oder aufgeführt und in den Trä-
nen mischte sich großer Beifall für den jungen Autor. Und nicht nur in Frankfurt war das Stück
»ein ungeheurer Weinenerfolg...Auch die gewiß nicht empfindsamen Berliner standen unter
diesem Bann... Nicolai weinte bis in den vierten Akt, wo zu starke Rührung ihm den Tränen-
quell schloß, und Gleim schreibt, daß kein Zuschauer je mit trockenen Augen heimging... «." 58

Mir gefallen sehr noch andere Worte, die Lessing über seine Schöpfung sagte. Mit die-
sen Worten überzeugte Lessing die Gesellschaft, dass er in den alten Gleisen Gottscheds nicht
gehen wollte: „So wie ich unendlich lieber den allerungestaltetsten Menschen, mit krummen
Beinen, mit Buckeln hinten und vorne, erschaffen als die schönste Bildsäule eines Praxiteles
gemacht haben wollte, so wollte ich unendlich der Urheber des „Kaufmanns von London"
als des „Sterbenden Cato" sein...denn warum? Bei einer einzigen Vorstellungen des ersten sind
auch von den Unempfindlichsten mehr Tränen vergossen worden, als bei allen möglichen Vor-
stellungen des anderen auch von den Empfindlichsten nicht können vergossen werden." 59

Dieses, vermute ich, wirkte wirklich mutig und versprach eine Wende in der dramati-
schen Schöpfung. Aber erfüllte Lessing, was er sagte?

5 8
HILDEBRANDT, D. Lessing: Biographie einer Emanzipation. München, Wien: Carl Hanser Verlag, 1979. S.174.
5 9
Ebd., S.170-171.

21
Meiner Meinung nach, hatte Lessing sicher keine Verknüpfung an Tradition des bürger-
lichen Trauerspiels, da es bis zur seinerzeit keine solche Gattung in Deutschland gab. Er konnte
wirklich nur etwas aus den Regeln Gottscheds nehmen und im Geist der Zeit der Empfindsam-
keit und Beförderungen des Bürgertums etwas schecht und recht Entsprechendes ausdenken.
Als „denkender und berechnender Kopf" 60
musste er seinen Kopf und Nachruf dafür
wetten, die Bürger eindeutig auf seine eigene Seite zu gewinnen. Nachdem Gottsched mit seiner
vernünftigen Belehrung als Volkspädagoge kein Erfolg mehr hatte, versuchte sich Lessing in
die Rolle des empfindsamen Volkspsychologen durchzusetzen. Ich bin jetzt, meiner Meinung
nach, bei dem Kern des Pudels.
Die gewöhnlichen Leute hatten verschiedene Gefühle, Gemütszustände und es war nö-
tig an diese Bereiche zu wirken (nicht mehr den Leuten zu unterschieben, wie sie sich halten
sollten). Die Leute brauchten einfach etwas, was an ihre Seele und ihr Innere wirkte (das prägte
schon Aristoteles: eleos, phobos und katharsis) und was das Lasterhafte und Tugendhafte schil-
derte. Man brauchte durch aufgeführte Stücke sein eigenes Innere zu aktivieren. Er begann mit
der Figur auf der Bühne auf bestimmte Weise mitzufühlen, also Leidenschaften, vor allem Mit-
leid, sollten bei ihm erregt werden. Und dann, wenn man fähig war mitzuleiden, dann entsprach
er dem bedeutendsten Satz Lessings: „Der mitleidigste Mensch ist der beste Mensch..." 61

Anderseits entdeckte es dasjenige, dass als man wirklich der beste Mensch werden wollte,
musste man mehr und mehr Aufführungen besuchen, um immer Leidenschaften zu üben
und damit zu erregen, vor allem Mitleid.
Meine Meinungen werden völlig von folgenden Worten unterstützt: „Was man von kei-
nem späteren deutschen Dramatiker mehr sagen kann, gilt für Lessing: ein profundes dramati-
sches Wissen, ein zugleich historisches, theoretisches und praktisches Wissen sublimiert sich in
seinem kritischen Geist zu eine schöpferischen Potenz." Diese Worte wirken als Lob Lessings,
62

der zweifellos der „denkende und berechnende" Kopf war. Schon in seinen frühaufklärerischen
Lustspielen bemühte sich Lessing, neue Mittel zu benutzen, aber nur vor dem Hintergrund der
für Dutzende Jahre als Muster geltenden Regeln. Trotzdem es ihm nicht gelang, „die alten Wege
weiter zu bahnen und neue Pfade durch unbekannten Gegenden zu zeichnen. Auch Miß Sara
Sampson ist kein Geniestreich, aber Lessing nahm mit ihr doch die modernsten europäischen
Strebungen auf, die in das bisher unbetretene Gebiet der bürgerlichen Tragödie wiesen." 63

Das ist Begründung meiner Theorie, dass Lessing nur ein höchst „denkender und be-
rechnender K o p f seiner Zeit war. Er hatte den Mut einen Versuch zu leisten, der „Entweder-
Oder" war. Vielleicht deshalb knüpfte er an die vorherige Regel Gottscheds, weil er davon

SCHRÖDER, J. Gotthold Ephraim Lessing: Sprache und Drama. München: Wilhelm Fink Verlag, 1972. S.162.
LESSING, G.E.; MENDELSSOHN, M.; NICOLAI, F. Briefwechsel über das Trauerspiel, [herausgegeben und
kommentiert von Schulte-Saase, J.]. München: Winkler Verlag, 1972. S.55.
SCHRÖDER, J. Gotthold Ephraim Lessing: Sprache und Drama. München: Wilhelm Fink Verlag, 1972. S. 179.
Ebd., S.162.

22
erwartete, eventuelle künftige Kritik zu mildern. Als schon er von den Kritikern verrissen wer-
den sollte, konnte er vielleicht dafür anerkannt sein, dass er zur älteren Generation nicht blind
war und von den älteren Generationen belehrt wurde. Der Beifall seines Werkes „Miss Sara
Sampson" bei den Zeitgenossen zeigte, dass es eindeutig das „Entweder" war.

5.1. Dramaturgische Seite des Werkes


In diesem Kapitel analysiere und beschreibe ich die wichtigen dramaturgischen Mittel,
wie Thema, Form, Drei Einheiten, Sprache, Metapher, Charaktere der Figuren usw. Alle diese
Mittel überarbeitete Lessing nach seinen Absichten, alle Mittel hängten miteinander zusammen
und bildeten im „Werk Miss Sara Sampson" ein Hintergrund für zwei wichtigste Teile des
Trauerspiels, und zwar für Handlung und Wirkung.

5.1.1. Thema
Allein der Name des Trauerspiels signalisiert, dass es um ein junges Mädchen geht.
Hinsichtlich des vorherigen rührenden Lustspiels kann man einfach, ohne es zu lesen, den Inhalt
bestimmen. Die Stichwörter: junges Mädchen, ein Mann, seine Geldanlage, eine Buhlerin-
Intrigantin, Hochzeit, Tugend ... zeigen die einfachste Verwicklung: Das Mädchen aus dem
guten Hause trifft den ersten Man ihres Lebens, sie fliehen zusammen, sie will heiraten, er führt
sie an der Nase mit süßen Worten und Versprechungen herum. Er erwartet eine Erbschaft, die
aber nicht so einfach zu gewinnen ist und die Situation kompliziert noch seine ehemalige Buhle-
rin, die ihn zurückgewinnen will. Aus diesem Thema, das sich wie eine Soap-Oper mit Tausen-
den und Tausenden Episoden weiter entwickeln könnte, fließt das Geschehen dieses Trauer-
spiels.

Damit war Lessing gar nicht innovativ. Dieses ist das älteste Thema, das die Leute zum
Heulen und zum Mitleid bringen kann. Aber was Eindeutigstes soll man ausdenken, wenn man
sich den gewöhnlichen Handwerkern, Angestellten, Diensten usw. nähren möchte.

5.1.2. Beschreibung des Geschehens


In diesem Absatz möchte ich kurz die Handlung des Trauerspiels beschreiben: Die Ge-
schichte beginnt in einem Gasthof, wo Vater Sir William Sampson mit seinem Diener Waitwell
ankommen. Sir William will seine Tochter nach Hause zurückbringen und eine große Geste
machen, und zwar seiner Tochter zu vergeben. Die Tochter Sara verbirgt sich neun Wochen in
diesem Gasthof mit ihrem Geliebten Mellefont. Sara verliebt sich in Mellefont, wird von ihm
verführt, flieht mit ihm und jetzt sind sie miteinander auf dem Weg nach Frankreich, wo sie
heiraten wollten. Sara drängt an Mellefont intensiv mit der Trauung, aber Mellefont widersteht.
Als lediger Mann hat er die Gelegenheit, zu ziemlich großem Vermögen zu kommen.
Der Vater weiß nur dank einem Brief, den er von Mellefonts ehemaliger Buhlerin Mar-
wood bekam, wo sich seine Tochter verbirgt. Marwood wohnt in einem anderen Gasthof in der

23
Nähe von Mellefont und Sara. Sie wohnt dort mit ihrer und Mellefonts Tochter Arabella und
mit ihrer Dienerin Hannah zusammen. Marwood hat eine deutliche Absicht, Mellefont zurück-
zugewinnen. Sie schreibt ihm einen Brief und erwartet, dass er auf ihr Boden kommt.
Diese Erwartung Marwoods erfüllt sich. Aber Mellefont ist dazu entschieden, mit Sara
zu bleiben und seine Tochter Arabella von Marwood zu gewinnen. Als Marwood sieht, dass sie
sich irrte und Mellefont widersteht allen ihren Versuchen und „weiblichen" Mitteln, versucht sie
ihn mit einem Dolch zu erstechen. Zum Glück gelingt es ihr. Dann überzeugt sie Mellefont,
dass sie sich mit seiner geliebten Sara trifft.
Zum ersten Wendepunkt kommt in dem Moment, als der Vater an Sara einen Brief
schreibt. Der wird von Waitwell in die Hände der Adressatin überbracht. Sir Sampson vergibt in
dem Brief den beiden Flüchtlingen und ist bereit Mellefont als eigenen Sohn anzunehmen.
Für Sara bedeutet das ein unvorstellbares Glück, gleichzeitig ist sie aber davor ängstlich, ob sie
es sich verdient.
Gleichzeitig spinnt Marwood ihr Netz von Intrigen zusammen. Die beiden weiblichen
Geliebten treffen sich. Marwood wird aber von Mellefont Sara als seine Verwandte Lady Sol-
mes vorgestellt. A m Ende des Gesprächs entlarvt Marwood ihre eigene rechte Identität.
A m Ende wird Sara von Marwood vergiftet. Alle Figuren (außer Marwood) umkreisen
die sterbende Sara. Mellefont fühlt sich schuld zu der ganzen Situation und begeht den Selbst-
mord - er ersticht sich mit dem Dolch. Der Vater wollte Mellefont als eigenen Sohn annehmen,
aber am Ende kann er sich nur Arabella aneignen, als Saras letzten Wunsch.

5.1.3. Form
Die Form des Werkes wurde von Lessing sehr passend gewählt und meisterhaft hängt
mit der Handlung und Wirkung zusammen.

5.1.3.1. Drei Einheiten


Diese Dramenkategorie wurde schon seit der aristotelischen Zeit in allen dramatischen
Werken erhalten. Es handelt sich um Einheit der Zeit, des Ortes und der Handlung. Ich möchte
nochmal daran erinnern, was das bedeutet. Einheit der Zeit bedeutet, dass das Geschehen des
Stückes im Verlauf nur eines Tages durchlaufen muss. Die Einheit des Ortes bedeutet, dass das
Stück nur auf einem Platz verlaufen muss und endlich die Einheit der Handlung bedeutet,
dass die Handlung nur eine feste Linie haben muss, es dürfen keine Nebenhandlungen sein,
keine Zwischenspiele, alle Figuren und ihre Handlungen müssen zu einem bestimmten Ziel
führen.

5.1.3.1.1. Die gewahrten Einheiten der Zeit und Handlung


Die Einheiten der Zeit und Handlung sind im Werk „Miss Sara Sampson" gewahrt.
Die Einheit der Handlung ist zweifellos behalten, da alle Figuren in der Linie des Hauptgesche-
hens handeln und es gibt keine Nebenhandlungen.

24
5.1.3.1.1.1. Einheit der Zeit
Die Einheit der Zeit ist behalten, da der Stück in einem bestimmten Tag verläuft.
A m Anfang des Spiels grüßt der Wirt den angekommenen Sir William Sampson und Waitwell
mit folgenden Worten: „So früh, meine Herren, so früh?" Das zeigt, dass das Ganze am Mor-
64

gen beginnt. Auf Morgen wird auch in der Szene verwiesen, in der sich Mellefont und Sara
zusammentreffen und Sara sich entschuldigt: „Ich beunruhige Sie sehr früh; und werden Sie mir
vergeben, dass ich meine Klagen wieder mit dem Morgen anfange." 65

Es wird hier gezeigt, dass die Zeit mit dem Geschehen verbunden ist. Es wird auf die
Vorgeschichte hinwiesen, wenn Sara weiter spricht, erfahren die Leser, dass heute die neunte
Woche beginnt, in der die beiden in dem Versteck verharren: „Aber die neunte Woche, Melle-
font, die neunte Woche fängt heute an, und dieses elende Haus sieht mich noch immer auf eben
dem Fuße, als den ersten Tag." 66
„Diese Zahlenangabe läßt assoziieren, daß die Zeit (mit meta-
phorischer Anspielung auf die Schwangerschaft) erfüllt sein sollte, und so drängt dann Sara
auch mit doppelten Beschwörung" : „Es muss dieses der Tag sein, an dem Sie mich die Mar-
67

tern aller hier verweinten Tage vergessen lehren. Es muss dieses der heilige Tag sein - (.. .)." 68

In diesen Worten wird die Endung ihres Daseins sehr deutlich versteckt. Der Kontrast
und gleichzeitig die Verknüpfung von Heirat und Tod werden auch deutlich weiter erwähnt,
wenn Mellefont sagt : „Ach! Liebste Sara, ich verspreche Ihnen das Ende Ihrer Pein, ohne das
69

Ende Ihres Lebens, welches gewiss auch das Ende des meinigen sein würde." 70

Die Verknüpfung der Zeit und des Geschehens wird auch ungefähr in der Mitte des
Stücks gezeigt, wenn es Marwood nicht gelingt, Mellefont zurückzugewinnen und als ihr Sara
unter dem Namen Lady Solmes begegnet, dass sie so bald wie möglich abreist: „Morgen mit
dem Frühesten." Und dazu bemerkt Mellefon seine und Saras Hoffnung: „Morgen mit dem Frü-
hesten, Lady? Ich glaubte, noch heute." „Beide, Sara und Mellefont, werden ihre zeitlichen
71

Erwartungen erfüllt sehen (...): Der jetzige Tag wird in der Tat derjenige sein, an dem Miß Sara
Sampson das „Ende der Pein in dem Ende des Lebens" findet, und auch Marwood wird „noch
heute" aufbrechen; denn beide Termine und Vorgänge sind ursächlich miteinander verknüpft." 72

Zum Ende des Stückes wird der zeitliche Rahmen deutlich gezeigt. „Die sterbende Sara
beruft sich auf etwas, das Waitwell ihr „vor einigen Stunden" gesagt hat, und ihr wenig später

6 4
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 1.Aufzug, 2.Auftritt, S.7.
6 5
Ebd., l.Aufzug, 7.Auftritt, S.12.
6 6
Ebd., l.Aufzug, 7.Auftritt, S.12.
67
PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.l 19.
6 8
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. l.Aufzug, 7.Auftritt, S.l8.
6 9
Vgl. PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.l 19.
7 0
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. l.Aufzug, 7.Auftritt, S. 14.
71
Ebd., 4.Aufzug, 6.Auftritt, S.75.
7 2
PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.l 19.

25
hinzutretender Vater bedauert es, nicht gleich nachseiner Ankunft zu ihr geeilt zu sein, so daß er
sie jetzt „schon einen Tag wieder genossen haben" könnte." 73

Die Einheit der Zeit wird hier nicht dadurch behalten, weil es Gottsched und seine Vor-
fahrer prägten, sondern Lessing wollte damit deutlich machen, dass „alles auf diesen einen Tag
ankommt." 74
Lessing wollte zeigen, dass alles erfüllt wurde, was am Anfang vorgezeichnet
wurde. „Die Einheit der Zeit ist hier keine „Formsache", sondern Ausdruck der unabwendba-
75

ren Zwanghaftigkeit des Geschehens. Nicht von ungefähr wiederholt sich im Dialog der Ver-
gleich der Notwendigkeit mit dem unaufhaltsamen Ablaufs eines Uhrwerks." 76

5.1.3.1.1.2. Einheit des Ortes


Die Einheit des Ortes im Lessings Werk fehlt. Im Vergleich mit Gottscheds Muster-
stück „Der sterbende Cato", wo alles auf einem Platz abgespielt wird und zwar in einem Saal
des Schlosses in Utica. Der Saal dient nur als einfache Bühne auf der das Geschehen verläuft.
„Die Einheit des Ortes vielfach bedeutet Indifferenz des Ortes. Wenn Lessing die Einheit des
Ortes aufgibt, heißt das, das er dem Ort Zeichenfunktion verleiht." 77

Im Lessings Werk wird „die Personenkonstellation und damit die ethische Konstellation
wird also ins Räumliche transportiert. Der Ort gewinnt Zeichenfünktion, wird vom bloßen
Schauplatz, der bloßen Bühne zum Bedeutungsträger." 78

Der Ort bezieht sich erstens auf die Handlung der Figuren. Die Verteilung in Privat- und
Öffentliches Raum schildert, in welcher Ebene die Figuren fähig sind zu handeln. Sara, Melle-
font und Marwood bleiben immer in den Privaträumen. Vater und Sir William bleiben nur in
den öffentlichen Räumen des Gasthofes. 79

Weitere Funktion des Ortes ist die Charaktere der Figuren zu bestimmen. Aus dieser
Hinsicht wird der Ort in zwei Unterorte: Unterort der Tugend und Unterort der Laster eingeteilt.
Der Gasthof, wo Marwood wohnt, repräsentiert den Laster-Ort. Der Tugend-Ort wird von dem
zweiten Gasthof repräsentiert, wo die anderen Figuren wohnen. Das Schwanken und der
„Raumwechsel" Mellefonts zwischen den beiden Gasthöfen, drückt sein Schwanken gerade
80

zwischen Tugend und Laster, also zwischen Sara und Marwood. Wenn er sich in Saras Zimmer
befindet, wirkt er als tugendhafter und reiner Liebhaber, anderseits von der Weilen, die er bei
Marwood verbringt und sich wieder schnell zu Sara zurückkehren w i l l . 81

7 3
PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S. 120.
7 4
Ebd., S.120.
7 5
Vgl. Ebd., S.120.
7 6
Ebd., S. 120.
77
EIBL, K. Gotthold Ephraim Lessing: Miss Sara Sampson ein bürgerliches Trauerspiel. Frankfurt am Main:
Athenäum-Verlag GmbH, 1971. S. 143.
7 8
Ebd. S.143.
7 9
Vgl. PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.121.
80
Ebd., S.122.
81
Vgl. Ebd., S. 120-123.

26
„Die Verteilung des Geschehens auf verschiedene Schauplätze entspricht exakt dem
Charakter der ganz auf sich selbst bezogenen Personen, die in wechselnden Räumen ihre wech-
selhaften Stimmungen und Standpunkte zu erkennen haben. Die räumliche Bindung der Subjek-
te signalisiert deren totale Isolation und zugleich ihr Auseinanderbrechen beim Versuch eines
Heraustretens aus ihrem eigenengten Selbst und der Kontaktnahme der Auseinandersetzung mit
den anderen - vor allem in einem anderen Raum. " 8 2
Damit wird auch begründet, warum Sara
am meisten in ihrem Zimmer bleibt. Ihr Zimmer symbolisiert ihr Inneres. Sie erlebt hier Beun-
ruhigung, Aussühnung aber auch Unruhe und Verwirrung im dritten Akt, wann Waitwell den
Brief vom Vater bringt. In ihrem Zimmer kommt es „kaum zu Auseinandersetzung mit anderen,
sondern mit sich selbst." Wenn Mellefont sich in seinem Zimmer befindet, erlebt er die hefti-
83

gen Auseinandersetzungen oder Kämpfe hier: zuerst mit Sara über die von ihr sehr heiß ersehnte
Heirat, was er aus bestimmten Gründen ablehnt und dann mit Marwood in der letzten todbrin-
genden Szene. 84

Das Handeln der Figuren hängt mit der Zimmerverteilung zusammen. Sara und Melle-
font handeln in den Räumen eigener Umgebung nicht. Es werden nur die Ausdrücke ihrer eige-
nen Meinungen und Zustände des Gemüts zu sehen. Auch in den Räumen der fremden Leute
sind sie unfähig zu handeln, also sie bleiben in der Passivität. 85

Es gibt noch zwei Zimmer, aus denen die dramatische Verwicklung herausgeht. Es han-
delt sich um den Gasthaussaal, mit dem Sir William Sampson gebunden wird und das Quartier
Marwoods. 86
Diese Gestalten entsprechen der „Handelspassivität im nicht-eigenen M i l i e u " 87

nicht. „Doch Marwoods Tun ist keine willentliche Folge von planenden Vorgriff und Verwirk-
lichung, ist nicht eigentlich Aktion sondern Reaktion." 88
Das bedeutet, dass sie auf verschiede-
ne Situationen, in denen sie sich im nicht-eigenen Milieu gerät, reagiert, gegenüber den anderen
Gestalten. Mit diesem stimme ich zu. Aber auch in ihrem eigenen Raum ist sie wirklich sehr gut
fähig, die geplanten Aktionen auszudenken. Nur Sir William Sampson bildet eine Ausnahme
unter den Schwankenden und Tatenlosen. Er befindet sich niemals in eigenem Zimmer, sondern
im Saal des Gasthaushofes, wo auch Zustände seines Gemüts deutlich geschildert werden, als er
Saras Antwort auf seinen Brief erwartet. 89

Das Bleiben und der Raumwechsel haben auch einen Bezug auf die zeitliche Auftei-
lung des Werkes. Seit dem dritten Akt bleibt Sara immer ständig in ihrem Zimmer, wohin sie
durch das Handeln der anderen Figuren gedrängt wird oder wo sie lieber allein bleibt.

82
PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.123.
83
Ebd., S.122.
84
Vgl. Ebd., S.120-122.
85
Vgl. Ebd., S.124.
8 6
Vgl. Ebd., S.121-124.
87
Ebd., S.124.
88
Ebd., S.124.
89
V g l , Ebd., S.124.

27
Der Raumwechsel Mellefonts zwischen Sara und Marwood bezieht sich auf seine unterschiedli-
che Lebensweise. Marwood bedeutet seine Vergangenheit und Sara seine Zukunft. 90

5.1.3.2. Zusammenfassung
Gegenüber dem Werk Lessings, im Gottscheds Cato wird das Stück in einem Saale des
festen Schlosses in Utica, einer wichtigen Stadt in Afrika, abgespielt. Es wurde die Einheit des
Ortes eingehalten, so dass der Ort keinen tieferen Sinn hatte. Auf diesem einzigen Ort wurde ein
Spiel durchgelaufen, das zu Mittag beginnt und bis zum Sonnenuntergang dauert. „Gottsched
weist damit ausdrücklich darauf hin, daß er der Forderung nach der ,Einheit des Ortes' und
,Einheit der Zeit' gerecht geworden ist." Der große Saal wurde vielleicht logisch gewählt, weil
91

nämlich die Könige und Adeligen es gewöhnt waren, auf dem großen Platz zu reden. Dem Zu-
schauer sollten im Stück keine Wechsel des Ortes oder Zeitsprünge offeriert werden. Da der
Zuschauer mit der Bühne und mit der Handlung des Spiels festgebunden werden konnte, musste
die Darstellung der Einheiten wahrscheinlich und logisch wirken. Vor allem die Einheiten der
Zeit und des Ortes waren dafür wichtig, die Wahrscheinlichkeit der Handlung zu vertiefen.
Das Gebot der Wahrscheinlichkeit übernahm Gottsched strickt von Aristoteles, der die Hand-
lung für das Wichtigste des Dramas hielt und vor allem an die Wahrscheinlichkeit achtete. 92

Was die Einheit der Handlung beim „Sterbenden Cato" Gottscheds betrifft, wurde diese
Einheit nicht bewahrt. Sie wurde mit zwei Nebenhandlungen eingeschaltet. Beide Zwischenfa-
beln hatten keine zeitliche oder örtliche Verknüpfung an die Hauptfabel. „Vielleicht wenn sie
93

bewahrt wurde, so konnte zum Folgenden kommen: „(...) der scheinbar starre Kanon der drei
Einheiten seinen Sinn als Einheiten der ,Gerichtsstätte', des Gerichtstages' und der
.Verhandlung' erfüllt habe." 94

Ich vermute, dass die Verknüpfung und der Zusammenhang des Ortes, der Handlung
und der Zeit im Trauerspiel Lessings offensichtlich die spezifischen Anforderungen der Struk-
turierung des Werkes zeigte. Es wurde zum etwas Tiefsinnigen erhoben. Dieses wurde als inno-
vatives und avantgardisches Element gezeigt. Damit wurde sehr gut der Gemütszustand,
die Gefühle, also die Psychologie und Charakter der Figuren noch tiefer durchgedacht und
durchgearbeitet. Mit den verschiedenen Zimmern und Räumen wurde auch das Private der Figu-
ren entdeckt und mehr an die Empfindsamkeit gezeigt. Es war die erste Orientierung an die
Psychologie der Gestalten, die in der späteren Sturm und Drang Epoche noch weiter entwickelt

Vgl. PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.124-125.
EIBL, K. Gotthold Ephraim Lessing: Miss Sara Sampson ein bürgerliches Trauerspiel. Frankfurt am Main:
Athenäum-Verlag GmbH, 1971. S. 106.
Vgl. ALT, P.-A. Außlärung: Lehrbuch Germanistik. 3.Auflage. Stuttgart: Verlag J.B. Metzler, 2007. S.194-197.
Vgl. GOTTSCHED, J. Chr. Sterbende Cato. Bibliographisch ergänzte Ausgabe. Stuttgart: Philipp Reclamjun.
GmbH & Co. 2007. S.14.
EIBL, K. Gotthold Ephraim Lessing: Miss Sara Sampson ein bürgerliches Trauerspiel. Frankfurt am Main:
Athenäum-Verlag GmbH, 1971. S.107.

28
wurde. Mit diesem bestätigte Lessing das vollkommene Durchdenken dieser von Antik dauern-
den dramatischen Kategorie.

5.1.4. Alexandriner gegen Prosa im Trauerspiel


Was auf den ersten Blick markant wird, ist die Veränderung des mündlichen Ausdrucks
der Figuren. A n der ersten Stelle verzichtete Lessing auf den Alexandriner, der schon in baro-
cken heroischen Tragödien und Märtyrerdramen als „Sprache der Tragödie" war und dauernd
bis zur Lessings Zeit unverändert blieb. Im Unterschied zum Lessings Verzicht blieb Gottsched
bei dem Alexandriner. Er versuchte keine Reform in dieser Hinsicht zu unternehmen. Für Gott-
sched war das Sprach- und Redekriterium als sekundär wichtig. Trotzdem „rettete Gottsched
95

den barocken Alexandriner vielmehr mit dem Hinweis, daß er - natürlich vorgetragen - der
deutschen Umgangssprache nahekomme." 96
In dieser Hinsicht erfüllte Gottsched, meiner Mei-
nung nach, seine Rolle des Volkspädagogen nicht. Seine Sehnsucht, Leute zu belehren, konnte
schwer oder sogar nicht erfolgreich sein, da der Alexandriner für die ungebildeten Leute als
Erziehungsmittel nicht geeignet war. Möglicherweise konnte es einen Erfolg bei Gelehrten ha-
ben, aber die gewöhnlicheren Leute mussten sich schon beim ersten Aufzug langweilen.
Lessing ersetzte die Versen durch Prosa, was verständlich war, da für das bürgerliche
und nicht genug gebildete Publikum es leichter zu verstehen war. Diese Lessings Tat war eine
der innovativsten Taten in Deutschland und sie war logischer als Gottscheds Denken.

5.1.5. Redepassagen: Monologe und Dialoge


Im Geist seiner logischen Wahrscheinlichkeit des Stückes, verzichtete Gottsched auf die
Monologe. Gottsched schätzte die Monologe als unwahrscheinlich und fügte dazu, dass die
vernünftigen Menschen mit sich selbst nicht reden. Die Monologe wurden von ihm mit dem
Sprechen mit dem Vertrauten ersetzt. 97

Im Lessings Werk handelt es sich um die einzelnen Redepassagen, die höchst unge-
wöhnlich lang sind: „Die Personen fassen sich selten kurz, kommen nicht schnell zur Sache,
bringen sogar ihre dringendsten Anliegen kaum über ihre Lippen. Statt in rasch wechselnder
Rede und Gegenrede oder gar in stichomythischer Zuspitzung auf der Gesprächspartner zuzu-
gehen (die bei den barocken Dramen eindeutig waren und bei Gottsched auch), schwelgen sie in
anhaltenden Gefühlergüssen, die überdies am Ende oft in einen Strom von Tränen münden." 98

Lessing behielt diese Redepassagen nach der Vorbild Gottscheds, in den Situationen, wenn die

9 5
Vgl. HOLMER, H. Johann Christoph Gottsched: Sterbender Cato. In Interpretationen: Dramen vom Barock bis zur
Aufklärung. Stuttgart: Philipp Reclamjun. GmbH & Co, 2000, S.187.
9 6
Ebd., S. 187.
97
Vgl. EIBL, K. Gotthold Ephraim Lessing: Miss Sara Sampson ein bürgerliches Trauerspiel. Frankfurt am Main:
Athenäum-Verlag GmbH, 1971. S. 107.
98 P U T Z , P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S. 125-126.

29
Gestalten in den Zimmern mit ihren Bedienten sind. Trotzdem setzte er dadurch in Gang dass
die Gestalten unvernünftig weise mit sich selbst sprechen."
Hand aufs Herz, obwohl es sicher von Lessing innovativ war, kommt es mir, dass dem
Werk ein bisschen kürzere Redepassagen geschickt werden. Vielleicht aber waren die damali-
gen Zuschauer daran gewöhnt, wirklich fast den ganzen Tag bei der Theateraufführung zu sitzen
und manches Ähnliche zu verfolgen. Da Lessing als Angehöriger der Empfindsamkeit war,
konnte er es sich leisten. Es war für die Zwecke der neuen Gattung des bürgerlichen Trauer-
spiels sicher unbedingt, um die Zuschauer zur nachdenklichen Wirkung des Stückes zu bringen.
Was noch offensichtlich ist, ist die Eintönigkeit der Gespräche oder Monologe des
Werkes Lessings. Es wird auch von der Wiederholung der äußersten Dingen unterstützt:
„höchstes Glück und tiefste Verderbnis, hehrste Tugend und krasseste Verderbtheit. So daß das
„Drama" statt Handlung eher einen rhetorisch elaborierten Diskurs über Moral und Psychologie
des 18.Jahrhunderts zu bieten schient." 100
„Allenfalls zwischen Sehnsucht und Verzweiflung
schwanken, wobei das Pendel ihrer Empfindungen entweder in die eine oder die andere Rich-
tung ausschlägt, ohne einmal in der Mitte eine Balance zu finden." 101

5.1.5.1. Zusammenfassung
Diese erwähnten Elemente im Werk Lessings muss man als etwas Zweckmäßiges spü-
ren. Alles, was einerseits sehr innovativ, anderseits sehr veraltet war, folgt eindeutig ein be-
stimmtes Ziel der Sprache des Autors.

5.1.6. Metaphorische Bildlichkeit


Für die Dramen Lessings ist auch die Metaphorik typisch. Sie war schon für die früh-
aufklärerischen Werke typisch. Vor allem in den Gedichten Hallers und Brockes. In den Lehr-
und Naturgedichten handelte es sich um die metaphysischen Metapher über Natur, Welt, Mak-
ro- und Mikrokosmos und über die Stelle des Menschen drin. 102
Ich denke, es gibt keine Innova-
tion aus der Seite Lessings, die Metapher zu benutzen. Was Innovatives es gibt, ist die wieder-
holende Vollkommenheit, die Metaphorik mit den Charakteren und Philosophie der Figuren zu
verknüpfen. Das Benutzen der Metapher hilft, die Charaktere der Figuren tiefer auszudrücken
und zu erhöhen.
Zuerst will ich über die „Gruppe der Lichtmetaphern" 103
schreiben. Dieses Licht bedeu-
tete in der Aufklärung das bedeutendste Licht der Vernunft. Es sollte die Leute mit der Vernunft
beleuchten und damit den Weg der neuen Gattung bestimmen. Auch bei Lessing bedeutete das
Licht ein Mittel, das etwas Schönes, Reines und Wahres machte.

9 9
Vgl. PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S. 125.
100
Ebd., S. 127.
101
Ebd., S.126-127.
102
Vgl. ALT, P.-A. Aufldärung: Lehrbuch Germanistik. 3.Auflage. Stuttgart: Verlag J.B. Metzler, 2007. S.129-148.
1 0 3
GÖBEL, H. Bild und Sprache bei Lessing. München: Wilhelm Fink Verlag, 1971. S.80.

30
Die erste Lichtmetapher wird bei der Saras und Mellefonts Charakterisierung gleich in
der Eingangsszene benutzt. A m Anfang, als Sir William und Waitwell in dem Gasthof ankom-
men, spricht Waitwell über die beiden Liebenden. Mellefont betrifft die Worten von dem Wahl
der Unterkunft : „Böse Leute suchen immer das Dunkle, weil sie böse Leute sind." In demsel-
104

ben Monolog schildert Waitwell Sara: „Aus jeder kindischen Miene strahlte die Morgenröte
eine Verstandes, einer Leutseligkeit, einer - - " 105
Aus diesen Sätzen wird eindeutig, dass „die
lichthafte Sara die Gute war, Mellefont, der Verführer, böse ist. Die Metapher der strahlenden
Morgenröte des Verstandes im Gegensatz zum konkreten Dunkel des Handlungsortes ist also
werthaft aufgeladen und hat zugleich dramatische Funktion." Die Handlung des Werkes wird
106

in die Spannung zwischen Gut und Böse eingesetzt. Die „Gut-Böse-Antitethik" 107
kehrt in der
Rede einiger zentralen Figuren wieder. Wobei die Heligkeits- und Finsterniselemente bei der
Bestimmung des Guten und Bösen, der Gefahr und des Gemütszustandes helfen. 108

Die Metaphern und Bilder wirken im Werk als eine Vorhersage des Geschehens.
Der Hauptbeweis dafür ist Saras Traum. Er spielt sich in der Nacht, in der Finsternis ab
und Sara folgt Mellefont zwischen den schrecklichsten Felsen nach. Plötzlich hört sie Stimme
ihres Vaters. Sie will sich nach dieser bekannten Stimme umsehen, aber ihr Fuß gleitet und sie
stürzt in den Abgrund herab. Sie fühlt sich aber von einer ihr ähnlichen Person zurückgehalten.
Sie will der Person Dank sagen, aber Dolch der Person schneidet ihr Busen durch. Die Person
schrie, dass sie Sara rettete, um sie zu verderben. 109

Auch die Briefszene, wenn Sara den Brief von ihrem Vater bekommt, wird aus der Hin-
sicht der Lichtmetapher geschätzt. Im Brief will der Vater den beiden die Vergebung geben und
Mellefont als eigenen Sohn annehmen. Wenn Sara mit Mellefont darüber spricht, ist sie einer-
seits davon begeistert, weil ihr Martern scheint, zu Ende zu kommen, anderseits aber schildert
diese Szene ihr Konflikt zwischen ihrer Liebe zum Mellefont und der zum Vater : „Aber ist es 110

dann gewiss wahr, dass ich nunmehr diese Liebe mit der Liebe gegen meinen Vater verbinden
darf? Oder befinde ich mich in einem angenehmen Traume? Wie fürchte ich mich, ihn zu verlie-
ren, und in meinem alten Jammer zu erwachen! - Doch nein, ich bin nicht bloß in einem Traum,
ich bin wirklich glücklicher, als ich jemals zu werden hoffen durfte; glücklicher, als es vielleicht
dieses kurze Leben zulässt. Vielleicht erscheint mir dieser Strahl von Glückseligkeit nur darum
von ferne, und scheinet mir nur darum so schmeichelhaft näherzukommen, damit er auf einmal
wieder in die dickste Finsternis zerfließe, und mich auf einmal in einer Nacht lasse, deren
Schrecklichkeit mir durch diese kurze Erleuchtung erst recht fühlbar geworden. - Was für Ah-

104
Vgl. GÖBEL, H. Bild und Sprache bei Lessing. München: Wilhelm Fink Verlag, 1971. S.79-80.
105
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. l.Aufzug, l.Auftritt, S.5.
106
GÖBEL, H. Bild und Sprache bei Lessing. München: Wilhelm Fink Verlag, 1971. S.80.
107
Ebd., S.84.
108
Vgl. Ebd., S. 80-84.
109
Vgl. Ebd., S.80-84.
110
Vgl. Ebd., S.84.

31
nungen quälen mich!" 111
Dieses Bedenken entspricht, im Vergleich mit dem Traum,
der Stimme des Vaters. Es bedeutet Licht der Glücklichkeit und des Glücks der verwirklichten
Hoffnung. Aber laut des Traumverlaufs wird ihr lichthaftes Glück nicht bestätigt. Dieses kommt
im fünften Aufzug. Hier fällt die sterbende Sara in den finsteren Abgrund des Todes. Obwohl
sterbend, erscheint Sara als Lichthafte. Nach ihrem Vater sieht Sara wie ein Engel aus und ihr
Licht strahlt auf die anderen Personen: 112
„Nicht mehr meine irdische Tochter, schon halb ein
Engel, (...). Lass mir einen Strahl des Lichtes, welches dich über alles Menschliche so weit
erhebt." 113

Was noch die Lichtmetapher über Sara betrifft, kann Saras Leben mit dem Tageslauf
der Sonne verglichen werden. In der Kindheit wird Sara mit der Morgenröte verglichen.
Das bedeutet das Aufgehen der Sonne, das Aufgehen einer Erwartung, ob sich Sara, wie die
Sonne im Verlauf des Vormittags, zum „helleren Verstand und zur strahlenden Leutseligkeit
entwickelt" . Das Licht der Glücklichkeit erlebt Sara nur kurz. Während ihrer Entwicklung
114

umringen sie die Wolken der Intrigen Marwoods. Es droht, dass sie mit völliger Finsternis ge-
hüllt wird und ihr Licht nicht mehr strahlen wird. Ihre Rettung scheint in dem Untergang der
Sonne zu sein, da sie als Mensch nicht auf der Erde, sondern nur in der „anderen Welt" wirklich
glücklich sein kann. 115

Weitere wichtige Metapher ist die „Gefangenschaftsmetapher" . Sie drückt vor allem
116

den Gemütszustand Mellefonts völlig aus: „Eine buhlerische Marwood führte mich in ihren
Stricken, weil ich das für sie empfand, was so oft für Liebe gehalten wird, und doch es so selten
ist. Ich würde noch ihre schimpflichen Fesseln tragen, hätte sich nicht der Himmel meiner er-
barmt..." 117
Er befreite sich aus den Fesseln Marwoods, der Himmel schenkte ihm Sara als
eine Spende. Trotzdem will er nicht „zeitlebens gefesselt" 118
sein. Weiteres Beispiel der „Ge-
fangenschaftsmetapher" spricht Marwood aus, wenn sie Sara von Mellefont abbringen will. Sie
vergleicht Mellefont mit einem Vogel und behauptet, dass als es sie nicht erreichte Mellefont
zu fesseln, darf es auch Sara nicht gelingen. : „Dass man einen Vogel fangen kann, Miss, das
119

weiß ich wohl. Aber dass man ihm seinen Käfig angenehmer, als das freie Feld machen könne,
dass ich nicht weiß. Mein Rat wäre also, ihn lieber nicht zu fangen, und sich den Verdruss über
die vergebene Mühe zu ersparen. Begnügen Sie sich, Miss, an dem Vergnügen, ihn sehr nahe an

111
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 4.Aufzug, 1.Auftritt, S.63.
112
Vgl. GÖBEL, H. Bild und Sprache bei Lessing. München: Wilhelm Fink Verlag, 1971. S.84-85.
1 1 3
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 5.Aufzug, lOAuftritt, S.104.
114
GÖBEL, H. Bild und Sprache bei Lessing. München: Wilhelm Fink Verlag, 1971. S.86.
115
Vgl. Ebd., S.86-87.
116
Ebd., S.82.
117
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. l.Aufzug, 7.Auftritt, S. 17-18.
1 1 8
GÖBEL, H. Bild und Sprache bei Lessing. München: Wilhelm Fink Verlag, 1971. S.83.
119
Vgl. Ebd., S.83.

32
Ihrer Schlinge gesehen zu haben, und weil Sie voraussehen können, dass er die Schlinge ganz
gewiss zerrissen werde, wenn Sie ihn vollends lockten, so schonen Sie Ihre Schlinge, und lo-
cken ihn nicht herein." 120
Alle Figuren benutzen die metaphorische Bildlichkeit. Vor allem Va-
ter, Mellefont und Marwood benutzen sie, um Saras Lage zu bedenken. In dieser Hinsicht steht
Sara im Mittelpunkt der sprachlichen Handlungen und Reaktionen der anderen. Alle spinnen die
Fäden und Sara wird schließlich mit diesen Fäden umgebunden. 121

Auch die „Feuermetaphorik" erscheint im Werk und „mit ihr stellt sich Lessing der
„kühlen" Aufklärung entgegen." 122
Diese Metaphern sollen noch den Ausdruck der Leiden-
schaften, Zustände und Gefühlen der sprechenden Figuren unterstützen, um besser und tiefer an
den Zuschauer zu wirken. Vor allem Bilder des Sturmes werden dazu ausgenutzt. 123

5.1.6.1. Zusammenfassung
Zusammengefasst: sowie alle benutzten Licht- , Gefangenschafts- und Feuermetaphern
als auch Bilder des Sturmes dienen dazu, innere Zustände der Figuren und dramatische Hand-
lung zu veranschaulichen. 124
Als innovativ schätze ich in diesem Werk, dass die Ausdrücke
des Gemütszustandes, Gefühls, Herzens usw. nicht nur mit einzelnen Wörtern beschrieben wer-
den, sondern dass Lessing versucht, gerade die Metapher auszunutzen. Damit geht Lessing den
Autoren der Sturm und Drang Epoche und dem Romantismus vor.

5.1.7. Die Sprache


In dem vorherigen Kapitel fasste ich zusammen, dass die bis jetzt beschriebenen drama-
turgischen Mittel für ein bestimmtes Ziel genutzt wurden. Sie sind die Hilfsmittel, die der Spra-
che des ganzen Werkes den rechten Charakter geben.
Im Werk ist markant, dass mehr als um die Handlung es um die Handlung der Sprache
geht. Die passenden Wörter und Reden werden für Wirkung des Trauerspiels besonders sorgfäl-
tig ausgewählt. Es ist das einzelne Mittel, mit dem die Figuren ihre Gefühle, ihren Zustand
des Gemüts, des Herzens usw. ausdrücken. Gleichzeitig sind die Wörter fähig Mitleid, Leiden-
schaften usw. beim Zuschauer zu erregen. Die Sprache bestimmt und unterstützt die innere
Handlung der Figuren.
Lessing schöpfte „eine Netz der Sprache" . Nach Lessing wird die Sprache „ein neut-
125

rales Instrument" . Von dem Sprecher werden verschiedene Sprechzeichen gewählt, je nach-
126

dem, in welcher Situation er sich erscheint. Da ,jede menschliche Eigenschaft und Leidenschaft
besitzt deshalb (...) ihre eigene Sprache, aus der die Sprache der Liebe, die Sprache des Blutes,

120
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 4.Aufzug, 8.Auftritt, S.84.
121
Vgl. GÖBEL, H. Bild und Sprache bei Lessing. München: Wilhelm Fink Verlag, 1971. S.83.
122
Ebd., S.88.
123
Vgl. Ebd., S.88.
124
Vgl. Ebd., S.83.
125
SCHRÖDER, J. Gotthold Ephraim Lessing: Sprache und Drama. München: Wilhelm Fink Verlag, 1972. S. 163.
126
Ebd., S.163.

33
die Sprache des Edelmuts und der Wollust, die „Sprache der Wahrheit" und des Unwillens",
die Sprache des Mundes wie die Sprache der Tränen und die „zärtliche Sprache" des Herzens
entstehen." 127
Jedes Wort besitzt die Fähigkeit das Innere des Menschen auszudrücken und jeder
Mensch ist fähig, das passende Wort auszuwählen. Im Werk „Miss Sara Sampson" führen die
Figuren Gespräche. Es wird gespürt, dass sie die passenden Worte auswählen, nur um auf die
Worte des Gesprächspartners zu reagieren : „Die Figuren unterhalten sich über die Sprache,
128

die sie sprechen und lassen sich von ihr dirigieren. Anstatt miteinander zu reden, machen sie
ihren Dialog zum Gegenstand des Gesprächs." 129

Ich wählte zwei Sprachen aus. Die beiden sind für das dramatische Geschehen wichtig.
Die Eine muss unbedingt genutzt werden, wenn der Autor das Tragische schaffen will. Die An-
dere wird schon mit der Wirkung auf den Zuschauer verknüpft.

5.1.7.1. Die Sprache der Verstellung als die Haupttriebkraft des dramatischen und tragi-
schen Geschehens
Die Sprache der Verstellung und der Lüge dient im Lessings Werk dazu, die tugendhaf-
ten von den lasterhaften Personen zu unterscheiden. Der Tugendhafte denkt tugendhaft und sagt
nur was er denkt. Das Laster ist ihm fremd. Anderseits wenn man dem Laster mürbt, dann ge-
winnt er die Fähigkeit der Lüge und die „Gabe der Verstellung" . Die Verstellung ist der Aus-
130

druck, dass lasterhafte Figuren nicht fähig sind, mit dem Laster zu kämpfen. Gerade die Verstel-
lung bildet die Verknüpfung zwischen Laster und Tugend : „Inmitten einer tugendhaften Welt
131

bedeutet Verstellung die einzige und damit notwendige Kommunikationsform des Lasters mit
der Tugend." 132

Als Lessing ein dramatisches Geschehen erreichen wollte, musste er diese Verstellung
noch mit den Intrigen binden und dieses in die tugendhafte und wahre Welt einsetzen . 133

„Es zeigt auch, daß Laster und Verstellung es nirgends leichter haben als dort, wo Wahrheit und
Tugend den Ton angeben. Nur dort, wo man sich der Wahrheit und ihrer Mitteilung im Ganzen
noch versichert weiß, können Lügner und Intrigant zur festumrissenen und erfolgreichen Figur
zu werden. Nur dort, wo man die Wahrheit als bare Münze nimmt, vermag das Falschgeld der
Sprache Verwirrung zu stiften." 134

Dafür ist Marwood das beste Beispiel. Zuerst spinnt sie das Netz von verschiedenen
Waffen zusammen, mit denen sie voraussetzt Mellefont zurückzugewinnen: „Zornig muss ich
durchaus nicht werden. Nachsicht, Liebe, Bitten, sind die einzigen Waffen, die ich wider ihn
brauchen darf, wo ich anders seine schwache Seite recht kenne. Wenn sein Herz gegen die
127
SCHRÖDER, J. Gotthold Ephraim Lessing: Sprache und Drama. München: Wilhelm Fink Verlag, 1972. S.163.
128
Vgl. Ebd., S. 163-164.
129
Ebd., S.169.
130
Ebd. S.164.
131
Vgl. Ebd., S. 164-165.
132
Ebd., S.164-165.
133
Vgl. Ebd. S.165-166.
134
Ebd., S.166.

34
Sprache einer alten Liebe taub ist; so wird ihm doch die Sprache des Bluts vernehmlich sein." 135

Das bedeutet, dass sie auch ihre gemeinsame Tochter Arabella als Waffe benutzen wollte. Mel-
lefont aber überkreuzte ihre Pläne, da er entschieden war, Marwood aus seinem Leben für ewig
wegzuschmeißen. Damit entzündet er den Funken der späteren Katastrophe. Er erregt damit in
ihr Zorn, Raserei und ihr echtes Charakter der Rolle der Medea. Diese Rolle wurde nach der
gleichnamigen Tragödie Euripides „Medea" benannt. Sie bedeutet, aufgrund der verratenen
Liebe und anhand aller möglichen Mittel, vor allem mit dem Dolch und mit dem Gift, eine Ra-
che zu begehen. Nach diesem Vorbild wird Marwood zu einem rasenden Tier und sie bemüht
sich ohne Gesinnung Mellefont mit dem Dolch zu erstechen. Dieses gelingt ihr aber nicht, des-
halb ändert sie rasch ihre Handlungsstrategie. Sie übernimmt die Sprache der Tugend und Lei-
denschaft. Mit diesen Mitteln überzeugt sie „selbst den ehemaligen Verführer, der wortgläubig
genug ist, um der Sprache der Verstellung wehrlos zu erliegen." 136

Die Verstellung ist auch sehr gut zu sehen, wenn Marwood, als „brave" Lady Solmes,
mit Sara spricht. Sie wählt passende Wörter aus, die das dramatische Geschehen unterstützen.
Zugleich zwingen die Wörter Sara darauf zu reagieren. Schließlich wird dadurch Marwood dazu
provoziert, ihr eigenes Gesicht zu entlarven und sich als „Medea" zu verhalten.

5.1.7.2. Sprache des Weinens, Worte der Tränen


Diese Art der Sprache beginnt, wenn die Figur kein passendes Wort über ihr Gemüt
mehr sagen kann. Sie greifen zu anderen Worten und zwar zu Worten der Sprache des Weinens,
was die Tränen sind. Wenn die Figur nicht mehr weiß, was Konkretes sie eigentlich sagen soll,
dann folgen die Tränen nach.
Dieses ist sehr gut in der Szene gezeigt, wenn Mellefont im Gespräch mit Sara und
Marwood ist. Sara schildert gerade die glückliche Situation, dass ihr Vater ihnen vergeben will.
Mellefont sitzt und sagt nichts. Sara bemerkt: „O nein, diese Träne, die sich aus Ihrem Augen
schleicht, sagt weit mehr, als Ihr Mund ausdrücken könnte." 137
Dieses ist ein Beispiel, dass die
Figur nicht mehr fähig ist verbal zu reagieren und den Gemütszustand mit Worten zu beschrei-
ben. So übernehmen die Tränen die Aussagekraft. 138
„In der gesprochenen Rede wird das Wei-
nen selbst Gegenstand des Dialogs. Besonders an dramatisch wichtigen Stellen des Trauerspiels
ist es Zeichen einer Gerührtheit der Figuren und zugleich Mittel, um auf den Zuschauer zu wir-
ken." 139
Die Tränen gehören zu einem der wichtigsten Mittel, das Lessing innovativ benutzte,
in der Absicht auf den Zuschauer zu wirken.

LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 2.Aufzug, l.Auftritt, S.22-23.
SCHRÖDER, J. Gotthold Ephraim Lessing: Sprache und Drama. München: Wilhelm Fink Verlag, 1972. S.167.
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 3.Aufzug, 5.Auftritt, S.57.
Vgl. ALT, P.-A. Aufklärung: Lehrbuch Germanistik. 3Auflage. Stuttgart: Verlag J.B. Metzler, 2007. S.216-217.
GÖBEL, H. Bild und Sprache bei Lessing. München: Wilhelm Fink Verlag, 1971. S.91.

35
Es gibt noch die Metapher der „blutigen Tränen" . Im Lessings Werk beteiligen sich
140

diese Tränen an der Vorhersage der zukünftigen Entwicklung des Geschehens : „Wait- 141

well:„Ach, Sie weinen schon wieder, schon wieder, Sir!" Sir Sampson antwortet: „Lass mich
weinen, alter ehrlicher Diener. Oder verdient sie (Sara) etwa meine Tränen nicht?" Waitwell
reagiert: „Ach! Verdient sie, und wenn es blutige Tränen wären." 142
Diese Tränen schildern:
„Mitleid mit Saras Schicksal (...), ohne daß der Zuschauer schon über Saras Leben unterrichtet
wäre." 143

Die Sprache der Tränen erscheint im Werk „Miss Sara Sampson" im hohen Maß. Ein
gutes Beispiel ist das Gespräch Saras mit Waitwell, wenn er ihr den Brief von ihrem Vater
übergibt: „Sara: Müsste mir nicht die Gerechtigkeit des Himmels jede seiner Tränen, die ich
ihm auspresste, so anrechnen, als ob ich bei jeder derselben mein Laster und meinen Undank
wiederholte? Ich erstarre über diesen Gedanken. Tränen koste ich ihm? Tränen? Und es sind
andere Tränen, als Tränen der Freude? - Widersprich mir doch, Waitwell! Aufs Höchste hat er
einige leichte Regungen des Bluts für mich gefühlet; einige von den geschwind überhingehen-
den den Regungen, welche die kleinste Anstrengung der Vernunft besänftigt. Zu Tränen hat er
es nicht kommen lassen. Nicht wahr, Waitwell, zu Tränen hat er nicht kommen lassen?; Wait-
well (indem er sich die Augen wischt): „ Nein, Miss, dazu hat er es nicht kommen lassen.";
Sara: „Ach! dein Mund sagen nein; und deine eigene Tränen sagen j a . " 144
Die Tränen werden
hier achtmal erwähnt. Die ständige Wiederholung soll den Affektausdruck der Heldin unterstüt-
zen. 145
Die Tränen des Vaters bedeuten für Sara: „die Ratlosigkeit der natürlichsten Autorität,
die Heimatlosigkeit ihres Anlehnungsbedürfnisses." 146

Auch Mellefont bleibt nicht der Tränen erspart, wenn er zu seinem Bediener sagt: „Sieh,
da läuft die erste Träne, die ich seit meiner Kindheit geweinet, die Wange herunter!" 147
Dieses
sagt er, wenn er nicht weiß, was er zu der kommenden Sara sagen sollte. Er will die Trauung
einerseits wieder ablehnen, anderseits will es Sara nicht wieder verletzen. In diesem Moment
drückt er auch die Sehnsucht aus, die Gabe der Verstellung wieder zu haben: „Wo ist die Gabe
der Verstellung hin, durch die ich sein und sagen konnte, was ich wollte?" 148
Damit wird die
Theorie bestimmt, dass nur durch die Verstellung man fähig ist, sich in der Welt der Tugendhaf-
ten zu verständigen.

140
GÖBEL, H. Bild und Sprache bei Lessing. München: Wilhelm Fink Verlag, 1971. S. 91.
141
Vgl. Ebd., S.91.
142
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. l.Aufzug, l.Auftritt, S.5.
143
GÖBEL, H. Bild und Sprache bei Lessing. München: Wilhelm Fink Verlag, 1971. S 91.
144
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 3.Aufzug, 3.Auftritt, S.47.
145
Vgl. GÖBEL, H. Bild und Sprache bei Lessing. München: Wilhelm Fink Verlag, 1971. S.92.
146
HILDEBRANDT, D. Lessing: Biographie einer Emanzipation. München, Wien: Carl Hanser Verlag, 1979. S. 172.
147
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. l.Aufzug, 5.Auftritt, S.U.
148
Ebd., S.U.

36
Das Motiv des Weinens gibt es selbstverständlich am Ende des Stücks, wenn Sara stirbt
und mit ihrem Vater spricht. Die Tränen wirken mehr mörderisch als der Gift Marwoods,
mit dem sie vergiftet wurde: „Wem fließen diese Tränen, mein Vater? Sie fallen als feurige
Tropfen auf mein Herz; und doch - doch sind sie mir schrecklich, als die stumme Verzweif-
lung." 149
A n dieser Stelle entsprechen sich die Sprache und der Ablauf völlig. Die Wirkung auf
den Zuschauer wird damit höchst erreicht. 1 5 0
Die Tränen sind für das Trauerspiel notwendig.
Ohne sie wird das dramatische Geschehen der Tragödie nicht gut geschätzt. Aber es darf nicht
nur einfaches Weinen gezeigt werden. Der Tränenfluss muss zeigen : „wie sich die Tränen
151

verändern, wie die routinierte Tränenseligkeit abdankt vor einer Anarchie des Weinens, wie das
Jammern verebbt und der Jammer ausbricht -, das ist das innere Drama des Stücks." 152

Die Tränen sind ein dramatisches Element neben den verbalen Wörtern, das die Emoti-
onalität ausdrückt. Und sowohl die passenden verbalen Wörter als auch die Tränen, die in rich-
tiger Zeit benutzt werden, sind die Wörter der unverbalen Sprache der Freude, wenn Sara den
Brief vom Vater bekommt.

5.1.7.3. Zusammenfassung
Lessing wählte sowohl die verbale Sprache als auch die unverbale Sprache auch sehr
passend aus. Die Sprache ist das wichtigste dramaturgische Mittel. Alle anderen geschöpften
dramaturgischen Mittel (Thema, Form, Metaphorik, Charaktere der Figuren und auch Handlung
und Wirkung) werden anhand der Sprache gesammelt und ausgedrückt. Ich schätze die Sprache
als das wichtigste und höchst meisterhaft geschöpfte dramaturgische Mittel des Werkes.

5.1.8. Figuren
Jetzt beschreibe ich die Charaktere der Figuren im Werk „Miss Sara Sampson", in dem
das Durchbrechen der Ständeklausel eine der markantsten Wenden des neuen bürgerlichen
Trauerspiels ist. Was dieses betrifft, muss ich sagen, dass in dieser Hinsicht Lessing sein Werk
wirklich gut durchdachte. Er als der Erste setzte wirklich die bürgerlichen Leute ins Geschehen
des Trauerspiels ein, um zu zeigen, dass sie auch fähig waren, das Tragische zu erleben.
Alle dramaturgischen Mittel waren so konzipiert, miteinander verbunden und gut durchgedacht,
um auch die Charaktere und Psychologie der Personen im Werk auszudrücken. Die Charaktere
wurden von Bedürfnissen der Wirkung des Trauerspiels, wie von Thema, Geschehen, Form
und dramaturgischen Mitteln bestimmt. Dieses wurde von dem „denkenden und berechnenden
K o p f Lessings wirklich meisterhaft gemacht.

149
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 5.Aufzug, lO.Auftritt, S.104.
150
Vgl. GÖBEL, H. Bild und Sprache bei Lessing. München: Wilhelm Fink Verlag, 1971. S. 92-93.
151
Vgl. HILDEBRANDT, D. Lessing: Biographie einer Emanzipation. München, Wien: Carl Hanser Verlag, 1979.
S.171.
152
Ebd., S.171.

37
5.1.8.1. Die Rahmenfiguren
Im Werk werden die so genannten „Rahmenfiguren" 153
benutzt, zu denen sich Sir Willi-
am Sampson und die Dienerfiguren zählen. Sir William repräsentiert die Schicht der Adeligen
und die Diener repräsentieren die Schicht der niedrigen Stände. Diese Figuren bilden die Umge-
bung und den Rahmen, in dem drei andere Zwischenfiguren Sara, Mellefon und Marwood ihre
Schicksale erleben. 154

5.1.8.1.1. Sir William Sampson


Sir William Sampson stellt im Werk die Figur vor, die höchst menschenfreundlich ist.
Die sterbende Sara hält er sogar für „den himmlischen Sendbote" : „Sara: „Er ist doch? Oder
155

ist es eine erquickende Erscheinung, vom Himmel gesandt, gleich jenem Engel, der den Starken
zu stärken kam? - Segne mich, wer du auch seist, ein Bote des Höchstens, in der Gestalt meines
Vaters, oder selbst mein Vater!" 156
Mit seiner Güte und seinem Erbarmen zu anderen entspricht
er dem Geist der Empfindsamkeit und dank seiner Menschenliebe und Empathie zu den anderen
wirkt er sogar als Gott auf der Erde. Trotzdem kann er den Menschen in der Not nur mit seiner
Güte Hilfe leisten : „er ist allgütig, aber nicht allmächtig."
157 158
Beispiel dazu ist die Situation,
wenn die Ärzte schon zu spät zur gestorbenen Sara kommen und Sir William sagt: „Wenn sie
Wunder tun können, (... )." 159

Seine Menschenliebe ist vor allem durch seine Rolle des Vaters bestimmt. Aus diesem
Grund verhält er sich zu Sara, zu Mellefont und auch zu Marwoods Tochter Arabella so tugend-
haft. 160
Es ist eindeutig, wenn Sir Sampson sagt: „Ich bin Vater, Mellefont, und bin es zu sehr,
als dass ich den letzten Willen meiner Tochter nicht verehren sollte. - Lass dich umarmen, mein
Sohn, den ich teurer nicht erkaufen konnte! (...)" 161
und in der letzte Szene sagt er zum Wait-
well: „Komm, schleunige Anstalt zu machen, und dann lass uns auf Arabellen denken. Sie sei,
wer sie sei: sie ist ein Vermächtnis meiner Tochter." 162

Was die Anbindung an die Ansprüche des Bürgertums betrifft, spiegeln sich in der be-
sonderen Beziehung zwischen Sir William und seinem Diener Waitwell die Vorstellungen und
Wünschen der Bürger. Die beiden vertreten moralische Qualitäten. Dank ihnen nähern sie ei-
nander und können gleichrangige Beziehung haben, die nicht nur als gewöhnliches Verhalten
der beiden, zwischen dem Herrn und dem Diener, ist. Gerade Sir Sampson vertritt den „Men-

153 PUTZ", p. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S. 149.
154
Vgl. Ebd., S. 149.
155
Ebd., S.148.
156
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 5.Aufzug, 9.Auftritt, S.100.
157
Vgl. PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.148.
158
Ebd. S.148.
159
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 5Aufzug, 11.Auftritt, S.106.
160
Vgl. PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.148.
161
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 5Aufzug, lOAuftritt, S.105.
162
Ebd., 5.Aufzug, 11.Auftritt, S.106.

38
schenstand" 163
und bemüht sich „Waitwell aus seiner untergeordneten Stellung zu befreien" : 164

„Betrachte dich von nun an, mein guter Waitwell, nicht mehr als meinen Diener. Du hast es
schon längst um mich verdient, ein anständiger Alter zu genießen. Ich will dir es auch schaffen,
und du sollst es nicht schlechter haben, als ich es noch in der Welt haben werde. Ich will allen
Unterschied zwischen uns aufheben; in jener Welt, weißt du wohl, ist er ohnedies aufgehoben. -
Nur das mal sei noch der alte Diener, auf den ich mich nie umsonst verlassen habe. (... )" 165

In den Beziehungen der Herren und Diener sollten die Meinungen des 18.Jahrhunderts
überwunden werden, dass der Adelige sich dem Unnatürlichen glich und „damit indirekt aus der
Gemeinschaft der Menschen als Menschen ausgewiesen wurde." 166
Vor allem waren alle Men-
schen. Aus dieser Hinsicht genommen, sollten die Ständeunterschiede übersehen werden. 167

Diese Idee entsprach Sir Sampson völlig und wurde recht als die menschenfreundlichste Person
bezeichnet. Anhand der Figur Sir Sampsons bemühte sich Lessing, die gemeinsamen Verurteile
des 18.Jahrhundert zu übertreten. Dieses wurde teilweise auch zum Ziel des bürgerlichen Trau-
erspiels. Nicht der „allgemeine" sich nach Regeln verhaltende Mensch, den Gottsched mit sei-
nem Cato aus den Menschen aufzüchten wollte, sondern der „reine" Mensch, der natürlich
war. 168

5.1.8.1.2. Die Dienerfiguren


Die Dienerfiguren gehören zu den so genannten Rahmenfiguren. Jede Person hat einen
Diener zur Verfügung. Für meine Analyse bevorzuge ich vor allem zwei Dienerfiguren: Wait-
well - Diener von Sir William; und Norton - Diener von Mellefont.
In den Personen der Diener zeigt sich die Kritik Lessings. Eine von den Ideen der Auf-
klärung war, dass „ das Ziel des aufgeklärten Menschen ist, Empfindungen aus dem Zentrum
seines Wollens und räsonierenden Sprechens zu steuern und somit niemals aus den Diensten
von Vernünftigkeit und Tugend zu entlassen." 169
Lessing als Anhänger der Empfindsamkeit
musste sich im Sara Sampson gegen die aufklärerische Formel über Empfindungen und gegen
Reglementierung der Affekte wenden. In der Aufklärung mussten die Affekte als Erkenntnisse
angenommen werden. Es war nicht möglich, dass sie zu spontanen Regungen und Reaktionen
auf die äußeren Anregungen wurden. 170

„Seine Einwände legt Lessing Personen niederen Standes in den Mund, so Waitwell,
der als „gemeiner einfältig Mann" den Anspruch des natürlichen Gefühls vertritt und der dessen

163 püxz, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.147.
164
Ebd., S. 147.
165
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 3.Aufzug, 7.Auftritt, S.61.
166 püTZ, p. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.147.
167
Vgl. Ebd., S.147.
168
Vgl. Ebd., S.148.
169
Ebd., S.133.
170
Vgl. Ebd., S.133.

39
subtilen Verbiegungen durch kompliziert Argumentierende mißtraut." 171
Auch Mellefonts
Diener Norton gilt, nach Pütz, als Beispiel der bürgerlichen Stimme : „Vielleicht, weil der
172

Pöbel noch sein Gefühl hat, das bei Vornehmern durch tausend unnatürliche Vorstellungen ver-
derbt und geschwächt wird." 173
„Sprachliche Zergliederung und Lenkungen der Affekte" 174

konnten den Adeligen gehören, aber im Volke konnte man sich leisten, die „Gabe der natürli-
chen Empfindungen und Ausdruckweisen zu erhalten haben sollen." 175
Damit wurde auf den
Unterschied, sich natürlich oder unnatürlich auszudrücken, hingewiesen.
Im Werk gibt es kein konkretes Beispiel außer Nortons Aussage. Trotzdem versuchte
Lessing diese Unterschiede in der Szene umzureißen, wenn Waitwell Sara zwingt, den Brief zu
lesen. Er wird gezwungen, lange räsonierende Redepassagen zu benutzen, um Sara zu beunru-
higen und zum Lesen zu überzeugen. Diese Redepassage ist nur die einzige, die die Dienerfi-
guren in dem räsonierenden Geist des Werkes führen. Die anderen Redepassagen der Dienerfi-
guren sind nämlich kürzer, einfacher und damit auch treffender. Es wurde damit gezeigt,
dass die Diener kein langwieriges Räsonieren über sich selbst brauchten, wie ihre Herren. Sie
mussten nicht darüber nachdenken, was zu machen und wie sich zu verhalten um tugendhaft zu
sein. Sie brauchten keine moralische Sittenlehre. Die Bemühungen des Bürgertums im
18 Jahrhundert bestanden darin, dass sie den Adeligen zeigen wollten, dass die Natürlichkeit
und Tugend ihr Vorzug waren. 176

Was nämlich die Dienerfiguren im Werk berechtigt, ihre Meinungen über Adeligen zu
sagen, ist das Faktum, dass sie in der unmittelbaren Nähe der Vertreter der höheren Stände le-
ben. Sie können ihre Schwachheiten am besten beobachten und werden an die Fehler teilhaft
teilgenommen. Das zeigt die erste Szene Mellefonts und Nortons : „Mellefont: „(...), so habe
177

wenigstens Mitleiden mit mir."; Norton: „Mitleiden, mein Herr? Mitleiden mit Ihnen? Ich weiß
besser, wo das Mitleiden hingehört."; Mellefont: „Ja; weil du einem Elenden dienest, den die
Erde nicht tragen sollte, und weil du dich seiner Verbrechen mit teilhaft gemacht hast." 178

5.1.8.2. Die Zwischenfiguren


Mit den Zwischenfiguren werden im Werk Sara, Mellefont und Marwood gemeint. Aus
der Hinsicht des sozialen Leiters genommen, repräsentieren sie die so genannte Mittelschicht,
die sich zwischen den adeligen und niedrigen Ständen befindet. Die Mittelschicht wurde im
18.Jahrhundert von vielfältigem Kleinbürgertum, von Handwerkern, von Bauern und von ande-

171 püxz, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S. 133.
172
Ebd., S.134.
173
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 4.Aufzug, 3. Auftritt, S.68.
174 püTZ, p. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S. 134.
175
Ebd., S. 134.
176
Vgl. Ebd., S.134.
177
Vgl. Ebd., S.134. und S.144-147.
178
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. l.Aufzug, 3.Auftritt, S.9.

40
ren gebildet. Marwood und Mellefont gehören sicher dazu , obwohl sie „genauso zwischen
179

den ständischen Gruppierungen schwanken: Die Marwood, aus „gutem Geschlecht", lebt lange
mit Mellefont zusammen, der sich seinerseits in die Zweifelhafte Gesellschaft von Spielern und
Landestreichern, teils auch von Rittern begibt, und die Tochter eines Adeligen verfällt diesem
Flaneur zwischen Salon und kompromittierender Absteige." 180
Sara wurde in diese Schicht
wegen ihrer Flucht mit Mellefont degradiert. 181

Was die Figuren noch gemeinsam haben, ist die Wankelmut, das Schwanken zwischen
Tugend und Laster, zwischen Vergangenheit und Zukunft oder zwischen Versöhnung und Hass.
Sie sind unfähig zu handeln, sich zu entscheiden und das Erforderliche zu tun . „Vor allem die
182

Menschen ohne eindeutig flexierbare Standeszugehörigkeit der Vorstellung entsprechen vom


Menschen als Menschen am ehesten." 183
Daraus fließt, im Vergleich mit den Rahmenfiguren,
dass nur wenn man einen festen Ort in der Gesellschaft hat, wenn man sich natürlich verhält,
kann man sich für „reinen" Menschen halten.

5.1.8.2.1. Miss Sara Sampson


Sara wird in der Geschichte des Stückes als die „Tugendhafteste" beschrieben und am
Ende wird sie eher zu der Heiligen verglichen. Die Schilderung der Tugend bei Haupthelden,
wird sowohl im Werk Gottscheds als auch Lessings heftig benutzt. Mit welcher Intensität der
Tugend Cato das Casars Angebot zum Kompromiss ablehnt, so mit gleicher Intensität lehnt
Sara die Möglichkeit ab, dass der Vater ihr vergeben will. Als Waitwell den Brief von Saras
Vater bringt: „Sara: „Aber nun sage mir wenigstens, Waitwell, dass es ihm nicht hart fällt, ohne
mich zu leben; dass es ihm leicht geworden ist, eine Tochter aufzugeben, die ihre Tugend so
leicht aufgeben können; dass ihn meine Flucht erzürnet, aber nicht gekränkt hat, dass er mich
verwünschet, aber nicht betauert."; Waitwell: „Ach, Sir William ist noch immer der zärtliche
Vater, so wie sein Sarchen noch immer die zärtliche Tochter ist, (...)."; Sara: „Was sagst du?
Du bist ein Bote des Unglücks, des schrecklichsten Unglücks unter allen, (...)! Er ist noch der
zärtliche Vater? So liebt er mich noch ja? So muss er mich ja beklagen? (...), wie unendlich
jeder Seufzer, der er um mich verlöre, meine Verbrechen vergrößern würde? (...) Ich würde
gegen seinen Zorn noch einen Schatten von Verteidigung aufzubringen wissen, um ihn durch
diese Verteidigung, wo möglich, noch zorniger zu machen. Meine Beruhigung wäre alsdann
diese, dass bei einem gewaltsamen Zorne kein wehmütiger Gram Raum haben könne, und dass
sich jener endlich in eine bittere Verachtung gegen mich verwandeln werde. Wen man aber
verachtet, um den bekümmert man sich nicht mehr. Mein Vater wäre wieder ruhig, und ich dürf-

179
Vgl. PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.149.
180
Ebd., S. 149.
181
Vgl. Ebd., S.149.
182
Vgl. Ebd., S.149.
183
Ebd., S. 149-150.

41
te mir nicht vorwerfen, ihn auf immer unglücklich gemacht zu haben." 184
Dieses schildert,
wie sie sich beklagt, dass sie sich das Vergeben nicht verdient, da sie sich gegen die Tugend
verschuldete, als sie mit Mellefont aus dem väterlichen Hause floh.
Dieses zeigt auch, dass „Sara nur aus Sätzen und in Sätzen besteht." 185
Sie bleibt immer
im eigenen Zimmer und räsoniert dort - entweder im Dialog mit ihrer Dienerin Betty oder allein
im Monolog mit sich selbst. Ihr nie fehlendes „Ach" bedeutet, dass jetzt eine lange erklärende
Redesequenz folgen wird.
Sie ist die unfähige und passive Figur. Auf die Anregungen reagiert sie nur mit Worten
oder mit Tränen, wenn sie nicht mehr weiß, wie verbal zu reagieren. Die anderen Personen ver-
schieben sie mit passenden Worten hin- und her. Sie scheint eher als diejenige, die schon für
diese Passivität nicht anerkannt werden kann.
Was die Liebe zur Mellefont betrifft, dringt sie auf die sofortige Heirat. Sie fühlt sich in
ihrer zu tugendhafte Seele und in ihrem Gewissen nicht rein: „Sara: „Ich will mit Ihnen (Melle-
font), nicht um der Welt willen, ich will mit Ihnen um meiner selbst willen verbunden sein. Und
wenn ich es bin, so will ich gern die Schmach auf mich nehmen, als ob ich es nicht wäre. Sie
sollen mich, wenn Sie nicht wollen, für Ihre Gattin nicht erklären dürfen; Sie sollen mich erklä-
ren können, für was Sie wollen. Ich will Ihre Name nicht führen; Sie sollen unsere Verbindung
so geheim halten, als Sie es für gut befinden; und ich will derselben ewig unwert sein, wenn ich
mir in den Sinn kommen lasse, einen anderen Vorteil als Beruhigung meines Gewissens, daraus
zu ziehen." 186
„Für Sara ist Mellefont der erste und einzige, für ihn ist sie vielleicht doch nur
eine unter vielen." 187

Bei Mellefont spielen Geld und Streben um die Unabhängigkeit die wichtigste Rolle.
Das hilft dazu, dass sie im Werk als ein dummes, naives und verführtes Mädchen aus dem guten
Hause wirkt, das im Zuschauer sicher Mitleid erregt. Wenn nicht für ihr zu tugendhaftes Verhal-
ten, so vielleicht für ihre Einfachheit. Aber trotzdem wird auch auf die bestimmte Berechnung
Saras hingewiesen , dass „selbst Sara Mellefon mißtraut, und sie hält ihn, wie sie offen zugibt,
188

an ihrem Glauben nur deshalb fest, um nicht die letzte Stütze in all ihrem Unglück zu verlie-
ren." 189
Die Liebe verliert damit das Vertrauen, so kann sie nicht so rein aus Saras Seite sein. Es
kann auch vorhersagen, dass die beiden Liebenden leicht voneinander getrennt werden können.
In der Szene, wo Sara Marwood alias Lady Solmes trifft, sprechen die beiden über Mel-
lefont. Dann kommt die Sprache zu Marwood und es kann scheinen, dass auch Sara ihre rasende
Maske wegwirft. Sie geht nicht weit für nicht wählerische Worte, wenn sie über Marwood

184
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 3.Aufzug, 3.Auftritt, S.46-47.
iss püTZ, p. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.132.
186
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. l.Aufzug, 7Auftritt, S.15.
187 püTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.140.
188
Vgl. Ebd., S. 140.
189
Ebd., S.140.

42
spricht. Aber es ist nur Reaktion auf Marwoods Worte und umgekehrt: „Das geht zu weit! (...)
Ich rede dreist!" 190

5.1.8.2.2. Marwood
Die wichtigste dramatische Rolle in diesem Stück hat zweifellos Marwood. Ich halte sie
für die Triebkraft des Stückes. M i t dem Einsetzen dieser Figur von Lessing ins Werk, sicherte
Lessing die dramatische Entwicklung des Geschehens.
Die Handlung Marwoods beeinflusst alle Figuren und setzt ihre Handlungen in Gang.
Gleich am Anfang wird Sir William Sampson beeinflusst, da sie ihm den Brief sendet, wo sich
seine Sara mit ihrem Geliebten verbergen. Diese Tat aber ist der Einfluss zum Guten, weil sie
Sir William hilft, sein geplantes Vergeben leichter zu erfüllen. Marwood schickt noch einen
Brief an Mellefont, dass sie sich mit ihm treffen will. Dieser Brief beeinflusst Mellefont eindeu-
tig zum Schlimmeren, weil er in ihm das lasterhaftere Ich erregt: „Die Nachricht von ihrem
Eintreffen gibt auch Mellefont sogleich seine alte „Gabe der Verstellung" zurück." 191

Im Werk spielt Marwood ihre Medea-Rolle und ihre Sprache ist völlig Verstellung.
Nur im Fall, wenn sie sich allein in ihrem Zimmer befindet, entlarvt sie im Monolog ihr rechtes
Gesicht: „Kann ich unbemerkt einmal Atem schöpfen, und sie Muskel des Gesichts in ihre na-
türliche Lage fahren lassen? - Ich muss geschwind einmal in allen Mienen die wahre Marwood
sein, um den Zwang der Verstellung wieder aushalten zu können. - Wie hasse ich dich, niedrige
Verstellung! Nicht, weil ich die Aufrichtigkeit liebe, sondern weil du die armseligste Zuflucht
der ohnmächtigen Rachsucht bist. Gewiss würde ich mich dir nicht herablassen, wenn mir ein
Tyrann seine Gewalt, oder der Himmel seinen Blitz anvertrauen wollte." 192
Mit diesen Worten
beweist Marwood, dass die lasterhaften Personen die Verstellung als einzelne Sprache mit den
Tugendhaften benutzen können. Dieses Monolog führt sie vor dem Treffpunkt mit Sara und es
wird mit folgenden Worten beendet: „Still! Sie kommen. Ich bin nun nicht mehr Marwood; ich
bin eine nichtswürdige Verstoßene, die durch kleine Kunstgriffe die Schande von sich abzu-
wehren sucht; ein getretener Wurm, der sich krümmet und dem, den ihn getreten hat, wenigs-
tens die Ferse gern verwunden möchte." 193
Daraus fließt eindeutig heraus, dass Marwood die
rachsüchtige Figur ist, die die lasterhaften Eigenschaften besitzt. Sie lügt, ist unbeherrschbar
und zu allem fähig.

Im Gespräch mit Mellefont, wenn ihr nicht gelingt, mit verschiedenen „weiblichen"
Waffen Mellefont zurückzugewinnen, wird sie zu einer bestialischen Furie. „Wohl, ich kein
Wort mehr verlieren. Es sei darum! Rechne darauf, dass ich alles anwenden will, dich zu ver-

190
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 4.Aufzug, 8.Auftritt, S.85.
191
SCHRÖDER, J. Gotthold Ephraim Lessing: Sprache und Drama. München: Wilhelm Fink Verlag, 1972. S.167.
192
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 4Aufzug, 5.Auftritt, S.74.
193
Ebd., S.74.

43
gessen. Und das Erste, was ich in dieser Absicht tun werde, soll dieses sein - Du wirst mich
verstehen! Zittre für deine Bella! Ihr Leben soll das Andenken meiner verachteten Liebe auf die
Nachwelt nicht bringen; meine Grausamkeit soll es tun. Sieh in mir eine neue Medea! (...) Gift
und Dolch sollen mich rächen. Doch nein, Gift und Dolch sind zu barmherzig Werkzeuge!
Sie würden dein und mein Kind zu bald töten. Ich will es nich gestorben sehen; sterben will
ich es sehn! (...) Ich will mit begieriger Hand Glied von Glied, Ader von Ader, Nerve von Ner-
ven lösen, und das kleinste derselben auch da noch nicht aufhören zu schneiden und zu brennen,
wenn es schon nichts mehr wird, als ein empfindungsloses Aas. Ich - ich werde wenigstens
dabei empfinden, wie süß die Rache sei!" 194
Sie wird als wahre Medea gezeigt, die vor keiner
Tat scheu ist. Sie will den Mord Mellefonts und ihrer Tochter Arabella als letzte Waffe benut-
zen. Diese Szene entlarvt und fasst Marwoods Charakter vollkommen zusammen. Sie ist kein
Ungeheuer, sondern eine verschmähte, wahnsinnige und verblendete Frau, die nichts anderes als
die Rache will. Einerseits zerstört sie mit ihrem Verhalten zwei Leben, anderseits wird auch ihr
Leben zerstört. 195
Dieser unberechenbare Gemütszustand bietet für die dramatische Entwicklung
des Werkes die besten Bedingungen an.

5.1.8.2.3. Mellefont
Mellefont wirkt nicht als Person mit negativem Charakter. Eher als ein Geliebter, der
zwischen zwei Frauen und zwischen sich selbst und seinem Gewissen steht. Er will sich auf
allen Fronten „tugendhaft" verhalten. Gerade diese tugendhafte Bemühung und seine eigenen
Bedürfnisse können nur schwer zum Kompromiss kommen. Hauptsächlich dadurch, dass sein
Gewissen die einzige Instanz ist, der er sich verantwortet.
Mellefont ist nicht fähig seine Gefühle selbst zu steuern. Er pendelt immer „zwischen
extremen Gefühlsäußerungen und grundverschiedenen Personen. Mellefont ist nicht der Diri-
gent, sondern der Getriebene seiner Empfindungen. Sein sprechen ist voller Brüche und Wider-
sprüche, Unklarheiten und Doppeldeutigkeiten." Der Hauptzweck für seine Schwankenheit,
196

Unentschiedenheit seiner Haltungen und für seine Affektäußerungen ist die unvorstellbare
Sehnsucht nach Unabhängigkeit und Freiheit. Er ist sich sicher, dass er Sara liebt als niemanden
vorher. Gleichzeitig ist er sich auch gut bewusst, dass die Trauung ihn von der Freiheit enthebt.
Eine andere erhebliche Rolle spielt bei Mellefont auch die Erbschaft, die er gewinnen könnte. Er
schwankt zwischen der Liebe, dem Freiheitsdrang und den Anforderungen der Tugend. Er ist in
jeder Situation derjenige, der nur reagiert und derjenige der zu dem Getriebenen wird. 197

LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. 2.Aufzug, 7.Auftritt, S.38-39.
Vgl. STRUGES, B. Lessing als Wegbereiter der Emanzipation der Frau. New York: Peter Lang Publishing, Inc.,
1989. S.124.
PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.135.
Vgl. Ebd. S. 134.

44
Mellefont besitzt keine bestimmte Zugehörigkeit - weder soziale noch ständische und
noch menschliche. Er bestrebt sich ein besserer Mensch zu werden, Liebe zu gewinnen, die
lasterhafte Vergangenheit wegzuschmeißen, einen höheren Stand für sich zu erobern...aber er
ist nicht fähig es zu erreichen und seine Ruhe zu finden. Gerade da ist gut daran gezeigt, wie
Mellefont mit seinem Diener umgeht : „Mal verspürt er Mitleid mit dem schlafenden Norton,
198

noch schon im nächsten Augenblick macht er ihn zum Opfer seiner Launen, weckt ihn, fragt,
sucht Trost und bezichtigt ihn danach er Mitschuld an seinen eigenen Untaten, weil jener dazu
geschwiegen und ihm nicht zu einem besseren Lebenswandel verholfen habe." 199
Er hält seinen
Diener für „armen Teufel!, Vertrauten, Beichtvater, Sündenbock, Erzieher und Vater-Ersatz,
dem gegenüber sich Mellefont launischer als jedes Kind verhält. Norton fühlt sich durch eine
derartige Kumulation von Ansprüchen und Aufgaben überfordert; er möchte sich auf seine her-
kömmliche Dienerfunktion beschränken" : „Ah, lassen Sie sich ankleiden und fragen Sie mich
200

nichts." 201

Nur Sara kann Mellefont die Beruhigung und die Sicherheit anbieten: „sie erregte in
ihm Liebe, Freiheitsbedürfnis und schließlich schlechtes Gewissen." 202
Und gerade das Gewis-
sen treibt ihn am Ende des Werkes dazu, sich selbst für Saras wahren Mörder zu halten. Sein
Tod ist die Konsequenz der Schwachheit, der Unfähigkeit der Aktion und der Passivität. 203

5.1.8.3. Zusammenfassung
Die Charaktere der Figuren wurden von Lessing sehr meisterhaft durcharbeitet. Er ver-
band alle dramaturgischen Mittel, um die Charaktere am eindeutigsten auszudrücken. Dieses
war in den früheren Tragödien schwer zu finden. In dieser Hinsicht war er ein Vorbild für die
nachfolgenden Autoren der jungen Generation, die durch seine Werke die Rebellion und Wider-
spruch gegen die gesellschaftlichen Bedingungen bildeten. Vor allem Mellefont wurde als spä-
terer „stürmischer" Held des Romantismus geschildert.
Ich denke, dass eher seine späteren Dramen wie „Emilia Galotti", „Minna von Barn-
helm" oder „Nathan der Weise" bessere Bespiele und Vorbilder des bürgerlichen Trauerspiels
als „Miss Sara Sampson" waren. Es war aber der Grund aus dem das Weitergehende heraus-
ging-

5.1.9. Zusammenfassung der dramaturgischen Mittel


Dieser Teil zeigt sehr eindeutig, welche konkreten Elemente als traditionelle Elemente
der Tragödie behalten waren, welche diese traditionellen Elemente Lessing zum eigenen Bild
veränderte und welche er als seine eigene Innovation benutzte. Alle einzelnen dramaturgischen
198
Vgl. PÜTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.134.
'"Ebd., S. 146.
Ebd. S.147.
2 0 0

201
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. l.Aufzug, 3.Auftritt, S.9.
202 PUTZ", p. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.138.
Vgl. Ebd., S.137-138.
2 0 3

45
Mittel haben im Werk ihren eigenen Sinn, sind meisterhaft durchgedacht und folgend benutzt.
Jedes einzige dramaturgische Mittel führt dazu, die Handlung und Wirkung des Trauerspiels am
besten wie möglich auszudrücken und zu bestimmen. Lessing bleibt für mich ein denkender
und berechnender Autor, aber nicht mehr mit ironischem Klang.

5.2. Handlung des bürgerlichen Trauerspiels - Innere Handlung


Schon Aristoteles hielt die Handlung für wichtigsten Teil des Trauerspiels, sie wurde
bei ihm eher zur Seele des Trauerspiels. Für das Werk „Miss Sara Sampson" spielt die spannen-
de Handlung keine wichtige Rolle. Ich bezeichnete gerade diese spannendlose Handlung als das
Langweiligste und Überflüssigste im Werk. Aber als ich verschiedene Literatur las und studier-
te, musste ich zugestehen, dass ich es unrecht verurteilte.
Lessing wählte das peinliche Thema und peinliches Geschehen absichtlich aus. Wenn er
sich auf die Charaktere der Figuren, Sprache, tiefere gesellschaftliche Botschaft des Trauer-
spiels konzentrieren wollte, konnte es nicht von dem komplizierten und aktionsvollen Gesche-
hen gestört werden. Alles musste so durchgearbeitet werden, um sich nur auf die Seele, Gefühle,
Gemütszustände des Zuschauers zu konzentrieren.
Nach dem Basislexikon lautet die Beschreibung des bürgerlichen Trauerspiels folgend:
„Im Zentrum der Handlung, die im allgemeinen der geschlossenen Form entspricht, stehen In-
dividuen mit psychologisch ausgestalteten Charakteren, subjektiven Zielvorstellungen, Emotio-
nen (insbesondere empfindsame Liebe und Freundschaft) und zum Teil rigiden moralischen
Ansprüchen. Diese werden auch durch ihre individuelle Figurenrede, die sich zudem (innovativ)
der Prosa bedienen kann, charakterisiert. Sie sind verstrickt in ein Handlungsgefüge, das aus-
schließlich auf den Beziehungen zwischen den Figuren beruht. Im Verlauf dieser geschlossenen
Handlung kommt es zu Konflikten zwischen einzelnen Figuren, die auf ihre unterschiedlichen
Ziele, Gefühle und Moralvorstellungen zurückzuführen sind, an deren Ende der tragische Un-
tergang oder Tod der (die Sympathie des Publikums tragenden) Hauptfigur steht. Diese erregt
somit nicht nur das Mitleid des Publikums, sondern verweist durch ihr Scheitern auch auf die
für dieses Scheitern verantwortlichen Bedingungen." 204

Diese Beschreibung der Handlung wird im Miss Sara Sampson erfüllt. Wie schon aber
gesagt, die Kompliziertheit der Handlung war hier nicht wichtig. Lessing wollte eher durch die
Sprache der Figuren den Gemütszustand, Gefühle, Emotionen usw. ausdrücken und damit die
innere Handlung der Figuren entdecken, um besser auf den Zuschauer zu wirken: „(...) wird
jede Veränderung der Situation zum konstitutiven Element der Handlung, so daß auch jeder

Vgl. Basislexikon Literaturwissenschaftliche Terminologie [online], zuletzt aufgerufen am 11.11.2009 [zit. am


12.10.2009] <http://www.fernuni-hagen.de/EUROL/termini/welcome.html?page=/EUROL/termini/8490.htm>

46
innere Kampf von Leidenschaften, jede Folge von verschiedener Gedanken, wo eine die andere
aufhebt, eine Handlung ist." 205

5.2.1. Zusammenfassung der Handlung


Was die Handlung betrifft, setzte Lessing auf innere Handlung. Die wichtige Handlung
war für ihn nicht diejenige, die auf der theatralische Bühne vorgestellt wurde, sondern diejenige,
die sich auf der inneren Bühne der Figuren abspielte. Also die wichtigen Mittel waren für Les-
sing die Macht der verbalen Sprache der Worte und der unverbalen Sprache der Tränen. Die
Handlung wurde der Psychologie und den Charakteren der Figuren angepasst. Dieses wurde
eindeutig als Innovation genommen und wirkte als Avantgarde für die nächsten Generationen
der Autoren der Sturm und Drang Epoche und des Romantismus, die sich mit dem Inneren der
Figuren beschäftigten.

5.3. Wirkung des Trauerspiels


In diesem Kapitel beschreibe ich den zweiten wichtigsten Teil des Trauerspiels. Ich will
die Tragödienwirkung von Barock bis zu Lessing zusammenfassen.
Lessing teilte die Wirkung des Trauerspiels in drei Probleme: „Zwei dieser Probleme
sind in der Behauptung, daß die Tragödie den Zuschauer durch die Erregung von Mitleide bes-
sere, enthalten: die sinnliche Wirkung der Tragödie (die Tragödie erregt Mitleid) und die mora-
lische Wirkung eines Affekts (Mitleid bessert den Mensch). Das dritte Problem betrifft den Ur-
sprung des Vergnügens an der Tragödie und wird an einer späteren Stelle des Briefwechsels mit
Mendelssohn erörtert. Durch die Erschließung dieser drei Probleme konnten die von Lessing
verwendeten Argumente ermittelt und voneinander unterschieden werden." 206

Die Begründung dafür, dass die Tragödie unbedingt das Mitleid erregen muss, ist,
dass gerade Mitleid die einzige Leidenschaft ist, die jeder Mensch selbst fühlt und die ihn bes-
sert. Schließlich wird ein spezifisches Vergnügen von den erregten Affekten gespürt. Diese
spezifischen Affekte werden von Aristoteles als eleos und phobos (von Lessing als Jammer und
Schauder) und das Vergnügen als katharsis benannt. 207

5.3.1. Drei „Lessingschen Probleme" im Humanismus und Barock


Die Drei „Lessingschen Probleme" beschreibe ich kurz im Vergleich mit dem histori-
schen Zusammenhang mit Humanismus und Barock.
In der Zeit des Humanismus und Barock wird die Tragödienwirkung laut Lessing
„auf der Basis des rhetorischen Affektbegriffs formuliert. Die Rhetorik begreift den Affekt als
einen Mechanismus, der durch argumentative, sprachliche, mimische und gestische Mittel ge-
2 0 5
SCHENKEL, M. Lessings Poetik des Mitleidsim bürgerlichen Trauerspiel Miss Sara Sampson': poetisch-
poetologische Reflexionen. Mit Interpretationen zu Pirandello, Brecht und Handke. Bonn: Bouvier Verlag Herbert
Grundmann, 1984. S.56.
2 0 6
MARTINEC, T. Lessings Theorie der Tragödienwirkung: Humanistische Tradition und aufklärerische
Erkenntniskritik. Tübingen: Max Niemeyer Verlag GmbH, 2003. S.222.
207
Vgl. Ebd., S.221-222.

47
steuert werden kann. Werden diese Mittel adäquat und in auseinander Intensität eingesetzt, so
gilt die Steuerung des betreffenden Affekts als sicher; er wird also erregt, gelöscht, gesteigert
oder gedämpft. In derselben Weise gilt in der humanistischen und barocken Poetik (wie zuvor
auch schon bei Aristoteles) die Erregung der tragischen Leidenschaften als sicher, wenn der
Held, die Handlung und das dargestellte Ereignis auf eine bestimmte Art beschaffen sind, wenn
also die entsprechenden poetischen Mittel zum Einsatz kommen." 208
Diese, meiner Meinung
nach, Lessing erfüllte. Er benutzte sowohl die ständigen wie die neuen poetischen Mittel,
um die passenden Leidenschaften zu erregen - vor allem die für ihn wichtigste Leidenschaft
und zwar Mitleid.
„Auch die Vorstellung vom moralischen Zweck des Trauerspiels steht im 16.und
17Jahrhundert auf rhetorischem Fundament. So gerät die Katharsis, der bei Aristoteles keine
moralische Funktion zukommt, in das Kräftefeld der officia oratoris, wo das moralische docere
zum „officium tragici" (Minturno) wird. A u f der Grundlage dieser Vorstellung gelten die K a -
tharsis als moralischer Mechanismus und die tragischen Leidenschaften als „remedium" (Vossi-
us), das den Affekthaushalt des Zuschauers nach ethischen Gesichtspunkten reguliert.
Auch die Begründung des tragischen Vergnügens geht auf das rhetorische docere zu-
rück. So wird im Humanismus und Barock das Vergnügen am Trauerspiel im Wesentlichen
darauf zurückgeführt, daß der Zuschauer etwas lernt." 209
Man kann sagen, dass die Leidenschaf-
ten als moralische Medikamente an die Zuschauer wirkten und das Ergebnis des Trauerspiels,
also das Vergnügen, bestand darin, dass der Zuschauer sich ethisch und moralisch heilen sollte.

5.3.2. Drei „Lessingschen Probleme" im 18.Jahrhundert - sinnliche Wirkung des


Trauerspiels
Auch die Poetik des 18 Jahrhunderts beschreibe ich anhand Lessings Theorie der Tra-
gödienwirkung. Die wird logisch nach „neuartigen Affektbegriffs der aufklärerischen Erkennt-
niskritik. Ursprung dieses Affektbegriffs ist nicht mehr das Interesse an den rhetorischen
bzw. poetischen Mitteln der Persuasion, sondern vielmehr die Suche nach den seelischen V o -
raussetzungen der Erkenntnis. Der Affekt ist hiervon betroffen, insofern auch er als eine spezifi-
sche Art der Erkenntnis aufgefaßt wird. So grundlegend der damit einhergehende (...) Wandel
in der Perspektive auf den Affekt einerseits auch ist, so maßgeblich ist anderseits die Entwick-
lung, die der erkenntniskritische Affektbegriff im 18.Jahrhundert durchläuft. Im Zentrum dieser
Entwicklung steht die Emanzipierung den sensitiven Erkenntnisvermögen, zu dem der Affekt
zählt, gegenüber dem rationalen Erkenntnisvermögen." 210
Diese Entwicklung verlief vor allem
in der Verbindung mit der Philosophie. Viele Autoren und Teilnehmer an der Diskussion über

2 0 8
MARTINEC, T. Lessings Theorie der Tragödienwirkung: Humanistische Tradition und aufklärerische
Erkenntniskritik. Tübingen: Max Niemeyer Verlag GmbH, 2003. S.222.
2 0 9
Ebd., S.222-223.
2 1 0
Ebd., S.223.

48
die Tragödienwirkung und Wandel des Affektbegriffs vom rhetorischen zum erkenntniskriti-
schen wurden von ihrer philosophischen Orientierung beeinflusst.

5.3.2.1. Gottsched
Auch Gottsched als größter Theoretiker seiner Zeit widmete sich als der Erste dem
Thema der Tragödienwirkung. „Er gerät vor das Problem, ein Wirkungsmodell, in dessen Zent-
rum die Leidenschaften der Zuschauer stehen, mit einem philosophischen System vereinbaren
zu müssen, das allen sensitiven Kräften der Seele (und damit auch die Leidenschaften) einen
inferioren Status zuspricht. Gottsched löst dieses Problem, indem er die tragischen Leidenschaf-
ten zur Implementierung eines vernünftigen Satzes funktionalisiert, was sich am deutlichsten in
seiner (gegenüber Aristoteles neuartigen) Begründung des Handlungsprimat äußert: Die Fabel
gilt deshalb als wichtigstes Tragödienelement, weil sie den moralischen Lehrsatz enthält." 211

Mit Entsprechung zu seiner rational-sittlichen Theorie, sollte die Tragödie den Zuschauer beleh-
ren und ihm zeigen, wie sich der aufgeklärte Mensch verhalten sollte.

5.3.2.2. Die Nachfolger Gottscheds und vor allem Lessing


Für die Nachfolger Gottscheds, die zur Empfindsamkeit neigten, war im Mittelpunkt
des Trauerspiels „ein Charakterprimat". 212
Es wurde nicht mehr rationale und moralische Fabel
erhoben , sondern „der Charakter, der die menschliche Leidenschaften zur Darstellung
213

bringt." 214
Der Angehörige dieser Veränderung war eindeutig Lessing. Lessing orientierte sich
auf die Seele die inneren Abläufe der Figuren. „Dieses wird als „Psychologie" bezeichnet
und sich so grundlegend vom rhetorischen Zugriff der humanistischen Poetik auf den Affekt
unterscheidet. Die erkenntniskritische Basis der Vorstellung, daß die tragische Leidenschaft
vom Zuschauer selbst gefühlt werden muß, wird überdies sichtbar, wenn Lessing schließlich
erklärt, Mitleid sei deshalb der einzige wirkliche Affekt, den die Tragödie errege, weil er als
einziger Affekt von einem Gegenstand ausgehe. Diese Begründung basiert auf der Vorstellung,
daß der Affekt eine spezifische Art der sensitiven Erkenntnis darstellt; und die Erkenntnis eines
Gegenstandes setzt dessen Vorhandensein voraus." 215
Lessing wollte dem Zuschauer die Cha-
raktere zu zeigen und damit den Zuschauer innerlich bessern : „So macht er das wirkliche
216

Fühlen des Zuschauers zum Kriterium, nach dem die tragische Leidenschaft bestimmt wird: Die
Tragödie wird ausschließlich die Erregung von Mitleid zugestanden, weil das Mitleid die einzi-
ge Leidenschaft ist, die der Zuschauer „selbst fühlt." 217
Lessing hielt das Mitleid für „Ursprung

211
MARTINEC, T. Lessings Theorie der Tragödienwirkung: Humanistische Tradition und aufklärerische
Erkenntniskritik. Tübingen: Max Niemeyer Verlag GmbH, 2003. S. 224.
2 1 2
Ebd., S.224.
2 1 3
Vgl. Ebd., S.224.
2 1 4
Ebd., S.224.
2 1 5
Ebd., S.225.
2 1 6
Vgl. Ebd., S.224-225.
2 1 7
Ebd., S.225.

49
aller gesellschaftlichen Tugenden" . Er war überzeugt, dass das Mitleid „den Mann von Ver-
218

stände sowohl als den Dummkopf [bessert]" und dieses „moralische Gefühl" durch Übung zu
perfektionieren, so findet Lessing den Zweck des Trauerspiels darin „unsere Fähigkeit, Mitleid
zu fühlen, zu erweitern." 219

5.3.3. Zusammenfassung der Tragödienwirkung


In diesem Kapitel beschrieb ich die sinnliche Wirkung der Tragödie im Verlauf der Zeit
vom Humanismus und Barock bis zu Lessing. Es wurde erleuchtet, welche „Arten" der Tragö-
dienwirkung bevorzugt wurden. Im Humanismus und Barock sollte die Tragödie, auf dem
Grund der rhetorischen Mittel, die Zuschauer belehren und moralisch heilen. Gottsched hielt die
Handlung für das passende Mittel, das die moralische Lehre ausdrücken konnte. Die äußerliche
Handlung der Figuren zeigte dem Zuschauer, wie sich der rechte aufgeklärte Mensch verhalten
sollte. Damit wollte er den Zuschauer belehren. Lessing dagegen wollte auf das Innere des Zu-
schauers wirken und das Innere des Zuschauers bessern. Er bevorzugte die Schilderung der Ge-
fühle, Gemütszustände und Herzen der Figuren. Er zeigte damit, wie sich der empfindsame
Mensch innerlich verhalten sollte. Er wollte anhand des Mitleids die Zuschauer bessern.

5.4. Wirkung des Trauerspiels Miss Sara Sampson nach meiner Auffassung
Ich möchte jetzt meine eigene Auffassung über die Wirkung des Trauerspiels im Ver-
gleich mit dem „Sterbenden Cato" von Gottsched vorstellen. „Der sterbende Cato" wird darauf
konzentriert, die Menschen zu belehren, den Menschen zu prägen, wie sie sich verhalten sollen,
um tugendhafte Menschen zu werden. Das Trauerspiel „Miss Sara Sampson" wird im Ver-
gleich damit darauf konzentriert, den Menschen nicht nur das tugendhafte innere Verhalten
zu zeigen, sondern ihnen auch die Wahl zu geben. Es ist dann schon von den Zuschauern ab-
hängig, ob sie einige sinnliche Lehre selbst in ihr Inneres annehmen, sich selbst damit verändern
und ob sie die Menschlichkeit zu den anderen Menschen in sich selbst aufwachen. Noch zeigt
„Miss Sara Sampson", dass die Bürger fähig sind, das tragische zu erleben, dass sie tragödien-
fähig so gut wie die Adeligen sind.
Sowohl Cato als auch Sara wirken in ihren Werken zu tugendhaft. Sie vertreten zu hef-
tig die absichtlichen Zwecke ihrer Autoren. Gottsched zeigt zu tugendhaftes Muster des idealen
Menschen und Lessing zeigt ein übertriebenes Beispiel, das die Zuschauer erregt, um Mitleid zu
fühlen. Lessing hatte Glück, dass er noch in seiner Schöpfung weitergehen konnte, im Vergleich
mit Gottsched. Lessing konnte seine Gedanken in seinen späteren Werken weiter entwickeln,
an die Zeit anpassen und zur Vollkommenheit bringen. Gottsched konnte es nicht mehr, weil
seine Ära schon vorbei war.

2 1 8
MARTINEC, T. Lessings Theorie der Tragödienwirkung: Humanistische Tradition und aufklärerische
Erkenntniskritik. Tübingen: Max Niemeyer Verlag GmbH, 2003. S.226.
2 1 9
Ebd., S.225-226.

50
Lessing wollte noch zeigen, dass die bürgerlichen Leute noch mehr tragödienwürdig
sind, weil sie natürlicher als die Adeligen sind und damit besser menschlich sein können.
Schließlich sagt er vor allem, dass es nicht davon abhängig ist, ob man Adeliger oder Bürger ist.
Jeder kann menschlich sein, wenn er die Anderen anerkennen kann, wenn er nachsich-
tig zu den Anderen ist und fähig ist mit ihnen Mitleid zu fühlen.

5.4.1. Briefwechsel über das Trauerspiel


Nach dem Lesen des Werkes „Miss Sara Sampson" war ich überzeugt, dass es einen
großen Durchfall seinerzeit sein musste. Ich las dann viele literarische Quelle und studierte viele
Materialien über Lessing und seine Schöpfung. Dank der Literatur und dem Briefwechsel über
das Trauerspiel Lessings mit seinen Zeitgenossen musste ich meine Meinung überwerten.
Nach der Veröffentlichung des Lessings ersten bürgerlichen Trauerspiels entstanden
selbstverständlich verschiedene Reaktionen und Kritiken. Diese waren sicher gut für die Ent-
wicklung der anderen bürgerlichen Trauerspiele, die Lessing später schöpfte, in denen er die
Gedanken noch hochwertiger entwickelte, durchdachte und zur „Vollkommenheit" brachte. Er
machte sich dann klar, was er eigentlich vom bürgerlichen Trauerspiel erwartet und zwar, ob er
die Werke, die aus dem bürgerlichen Versuch „Miss Sara Sampson" ausgehen, weiter als bür-
gerliche genannt werden können.
Dazu half ihm sicher der Briefwechsel, den er mit Mendelsohn und Nicolai geführt hat.
Hier wurde eindeutig zu verstehen, warum gerade „Miss Sara Sampson" mit den verschiedenen
Superlativen bekränzt wurde.
Der Briefwechsel der Männer war vor allem die Polemik über Wirkung des Trauer-
spiels. Nicolai schrieb in seinem Brief aus 31.August 1756: „Hauptsächlich habe ich den Satz
zu wiederholen gesucht, den man dem Aristoteles so oft nachgesprochen hat, es sey der Zweck
des Trauerspiels die Leidenschaften zu reinigen oder die Sitten zu bilden. Er ist, wo nicht falsch,
doch wenigstens nicht allgemein, und Schuld daran, daß viele deutsche Trauerspiele schlecht
sind. Ich setzte also den Zweck des Trauerspiels in die Erregung der Leidenschaften, und sage:
das beste Trauerspiel ist das, welches die Leidenschaften am heftigsten erregt, nicht das, wel-
ches geschickt ist, die Leidenschaften zu reinigen. Auf diesen Zweck suche ich alle Eigenschaf-
ten des Trauerspiels zu vereinigen. Das vornehmste Stück ist und bleibt die Handlung, weil
dieselbe zu der Erregung der Leidenschaften am meisten beyträgt." 220

Nicolais Meinung lautet als Kritik Aristoteles und als Lob des Trauerspiels Lessings.
Dieses beweist eindeutig, dass und warum „Miss Sara Sampson" als Bravourstück geschätzt
wurde. „Die wesentlichen Eigenschaften der Handlung sind die Größe, die Fortdauer, die Ein-
falt. Die tragische Größe einer Handlung besteht nicht darin, daß sie von großen oder vorneh-
men Personen vollbracht wird, sondern darin, dass sie geschickt ist, heftige Leidenschaften zu
2 2 0
LESSING, G.E.; MENDELSSOHN, M.; NICOLAI, F. Briefwechsel über das Trauerspiel, [herausgegeben und
kommentiert von Schulte-Saase, J.]. München: Winkler Verlag, 1972. S.47.

51
erregen. Die Fortdauer einer Handlung bestehet darin, daß sie nie durch eine andere Handlung
unterbrochen werde; und die Simplizität, das sie nicht durch Incidenthandlungen so verwickelt
werde, das es Mühe kostet, ihre Anlage einzusehen. (...) Die Einheit der Handlung ist durchaus
notwendig; ohne sie können wohl Theile, aber niemals das Ganze schön sein. (...); also muß
man ceateris paribus lieber einen Monologen machen, der zwar nicht so natürlich ist, aber lei-
denschaftlicher seyn kann. Das Tragische in den Charakteren liegt wieder darin, daß sie heftige
Leidenschaften erregen, nicht daß sie Sitten bessern." 221

5.4.2. Mitleid bessert den Menschen - moralische Wirkung des Trauerspiels - Aus-
druck der Tugend oder der Liebe
Lessing in der moralischen Wirkungstheorie des Trauerspiels näherte Mitleid zur „ge-
sellschaftlichen Tugend", zum „moralischen Gefühl", die „auch den Dummkopf bessert.
Aber ich möchte das Mitleid eher mit einem anderen Begriff im Fall des Werkes „Miss Sara
Sampson" ersetzen. M i r kommt dass im „Miss Sara Sampson" die Tugend nicht gut eingesetzt
wurde. Es ist nur vornehmerer Ausdruck für das einfachste Ding der Welt, und zwar für die
Liebe. Dass Sara die Tugendhaftste ist, das drückt nur dasjenige aus, dass sie Mellefont zu viel
liebt und genug Geduld hat.
Der Vater wirkt eher wie der „Allliebendste" als der „Alltugendhaftste". Das wird in der
erste Szene deutlich geschrieben, als er sagt: „Ich würde doch lieber von einer lasterhaften
Tochter, als von keiner, geliebt sein wollen." Auch in der letzten Szene wird es deutlich be-
222

schrieben, als Sir Sampson die Arabella als seine Tochter annehmen will. Er sagt zu Waitwell:
„Komm, schleunige Anstalt zu machen, und dann lass uns auf Arabellen denken. Sie sei, wer sie
sei: sie ist ein Vermächtnis meiner Tochter." 223

Wenn ich auch über Gottscheds „Sterbenden Cato" nachdenke, Catos Tugend ist nichts
Einfacheres als seine Liebe zu seiner Heimat, zu seinem Land, das für ihn wie die Tochter ist.
Er ist in seiner Liebe nicht fähig Kompromisse zu machen, er will seine Tochter dem „verführ-
ten" Cäsar nicht geben, im Vergleich mit Sara, derer Liebe nur von den Kompromissen lebendig
ist: Kompromisse zur Mellefonts Ablehnung der Trauung, die Kompromisse den Vater nicht
mehr verletzen und den Brief von ihm annehmen. Die Liebe des Vaters ist dieselbe, wie die
Liebe des Catos. Mit dem Unterschied, dass Sir Sampson, um seine Tochter nicht zu verlieren,
lieber vergibt und den Verführer als eigenen Sohn annimmt.
Das Weinen im Werk ist, meiner Meinung nach, der Ausdruck der passiven Liebe.
Mit dem Weinen wird nicht die tugendhafte Sara am Ende des Werkes belohnt, sondern mit
dem Weinen wird die Liebe der Menschen zu Sara ausgedrückt.

LESSING, G.E.; MENDELSSOHN, M.; NICOLAI, F. Briefwechsel über das Trauerspiel, [herausgegeben und
kommentiert von Schulte-Saase, J.]. München: Winkler Verlag, 1972. S.47-49.
LESSING, G.E. Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH &
Co., 2003. l.Aufzug, 1 .Auftritt, S.6.
Ebd., 5 Aufzug, 11.Auftritt, S.106.

52
Dieses beweist, dass es zwar scheinen kann, um die Tugend, Menschlichkeit, Ehre usw.
zu gehen. Gerade diese Begriffe verbergen sich unter dem Überbegriff der Liebe. A l l die Figu-
ren empfinden Liebe zu sterbender Sara. Es geht um „rückhaltlose", 224
nicht um vernünftige
Liebe. „Im System der aufgeklärten Anthropologie hat die vernünftige Liebe die wichtige Funk-
tion naturgemäßer Vermittlung. Die unvernünftige Liebe ist nämlich verderblich, weil sie als
losgelassenes, d.h. nicht durch Vernunft gezügeltes Gefühl pervertiert, und zwar zur Affenliebe,
wenn sie sich auf andere Menschen, oder zum brutalen Egoismus, wenn sie sich auf das eigene
Selbst richtet."225

Jede Person besitzt ihre eigene Liebe: „Vater seine Liebe zur Tochter, Sara besitzt zärt-
liche Liebe, die rasende Liebe ist für Marwood typisch und die narzisshafte Liebe besitzt Melle-
font. Gerade Liebe „verbindet und trennt, verheißt das Leben und bringt den Tod. Sie be-
lohnt für das Elend und verursacht es zugleich. Bald trägt sie die Menschen, bald läßt sie ihre
Herzen zerfließen, bis ihnen nichts mehr übrig bleibt als zu weinen." 226
Gerade verschiedene
Arten der Liebe sind die einzigen Empfindungen, die uns zwingen, empfindsam zu sein. Sie
steuern unseres Verhalten und unsere Affekte.
In diesem Werk „die so wortreich und wacker besprochene und verteidigte Tugend
spielt am Ende (...) kaum noch eine Rolle. Über allem thront die Liebe: Der Vater will nur noch
seine verführte Tochter heimholen und nennt den Verführer seinen Sohn. Saras Skrupel sind
endlich dem Bedürfnis nach Vaterliebe gewichen, und sogar Mellefont denkt erstmals nicht nur
an sich selbst. (...) Die Liebe bringt beides: Trauer und Trost." 227

Die spezifische Art der Liebe bringt gerade das Mitleid. Wenn es nicht Liebe zur kon-
kreten Person ist, soll es die Liebe zu dem Mitmenschen sein. Und so die Lessings bedeutendste
Aussage „der Mitleidigste Mensch, ist der beste Mensch" 228
kann in der Hinsicht auf die vorhe-
rigen Worte überarbeitet werden, und zwar, dass der Mensch, der liebt und Liebe zu den ande-
ren hat, schon laut des Alten Testaments der beste Mensch ist, weil er damit die „gesellschaftli-
che Tugend" erzieht.

5.4.3. Zusammenfassung der Wirkung des Trauerspiels


Dieser Teil bestätigt, dass alle dramaturgischen Mittel, Handlung und Wirkung von
Lessing meisterhaft durchgearbeitet und benutzt wurden. Die Mitleiderregung, die Lessing für
Ziel des Trauerspiels hielt, bestimmt innovativ und avantgardisch für die nächsten Generationen
war. Zum ersten M a l sollte die Tragödie auf das Innere des einzigen Menschen wirken.
Mit Beschreibung der Tragödienwirkung nach meiner Auffassung wollte ich zeigen, dass die

224 püTZ, P. Die Leistung der Form: Lessings Dramen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986. S.151.
Ebd., S.128.
2 2 5

Ebd., S.151.
2 2 6

Ebd., S.151-152.
2 2 7

LESSING, G.E.; MENDELSSOHN, M.; NICOLAI, F. Briefwechsel über das Trauerspiel, [herausgegeben und
2 2 8

kommentiert von Schulte-Saase, J.]. München: Winkler Verlag, 1972. S.55.

53
Wirkung sich jeder Leser oder Zuschauer individuell erklären kann. Aber dieses ist gut, weil es
das Ganze bestimmt, dass das Trauerspiel auf das eigene Innere des Menschen wirkt.

ZUSAMMENFASSUNG DES ANALYTISCHEN TEILS


Nach dem historischen Überblick musste ich zugestehen, dass Lessings „Miss Sara
Sampson" wirklich zwischen Tradition und Avantgarde stand. Genieautor war Lessing in der
Hinsicht, dass er der Erste war, der die traditionellen festen Tragödienregeln nahm, sie änderte
und mit eigenen dramatischen Elementen verknüpfte. Die neue Auffassung der Tragödie einer-
seits den Bedürfnissen und Anforderungen der zeitgenössischen Gesellschaft entsprach, ander-
seits zugleich eine Avantgarde für die nächsten Generationen bedeutete. Lessing als erster Autor
arbeitete alle dramaturgischen Mittel durch: geschlossene Form mit traditionellen Drei Einhei-
ten, die trotzdem nicht behalten wurden; jahrhundertslang gültige Alexandrine wurde mit einfa-
cher Prosa eingesetzt; Metaphorik, Bildlichkeit und „bestimmte Sprachen" wurden durchgear-
beitet und verbunden, um die Charaktere der Figuren meisterhaft zu schildern. Zum ersten Mal
wurde die innere Handlung der Figuren als etwas Innovatives und Avantgardisches benutzt.
Die Wirkung des Trauerspiels wurde auf das menschliche Innere der Zuschauer, im Entsprechen
zu der inneren Handlung gezielt. Es sollte Mitleid erregen, um den Zuschauer zu bessern. Das
war als Avantgarde geschöpft.
Die Analyse beweist, dass Lessing ein Genieautor war. Er dachte meisterhaft alle Teile
seines Trauerspiels durch und verband sie. Obwohl „Miss Sara Sampson" als erste Extremform
der bürgerlichen Gattung entstand, musste es mit Recht von den Zeitgenossen als Gattungspara-
digma und Bravourstück geschätzt werden.

54
Schlussfolgerung

In meiner Arbeit beschäftigte ich mich mit dem Werk von Gotthold Ephraim Lessing
„Miss Sara Sampson", das als erstes bürgerliches Trauerspiel benannt wurde. Es wurde von den
zeitgenössischen Kritikern Lessings als Gattungsparadigma und als Bravourstück bezeichnet.
Aus der Seite des Lesers, wurde ich davon nicht überzeugt, dass gerade dieses Werk der Super-
lative würdig ist. Ich schätzte das Werk eher als Nachahmung der Traditionen als etwas Avant-
gardisches. Ich wollte anhand meiner Arbeit die Begründung finden, warum dieses Werk so
hoch geschätzt war.
Anhand theoretischer Forschung in den literarischen Quellen, entdeckte ich den histori-
schen Hintergrund, an dem „Miss Sara Sampson" entstand. Ich stellte fest, dass die Entwicklung
des bürgerlichen Dramas aus den Traditionen der barocken und aufklärerischen Tragödien aus-
ging. Die bestimmten Regeln dieser Gattung verfasste der frühaufklärerische Theoretiker Jo-
hann Gottlieb Gottsched. Er teilte der Tragödie die Funktion der Belehrung zu. Die Handlung
musste einen moralischen Lehrsatz behalten. Wirkung des Trauerspiels bestand darin, dem
Menschen zu zeigen, wie sich der aufgeklärte Mensch moralisch verhalten sollte. Mit seiner
Auffassung erzielte Gottsched keinen Erfolg.
Lessing, als Nachfolger Gottscheds, gehörte zu der neu entstandenen Bewegung der
Empfindsamkeit. Er verknüpfte die traditionellen Regeln der Tragödie mit den Bedürfnissen
und Anforderungen des kulturell emanzipierten Bürgertums. Er hielt die Wirkung für den wich-
tigsten Teil der Tragödie. Zum ersten Mal wurden die Charaktere der Figuren und die Handlung
des menschlichen Inneres geschildert. Damit sollte Mitleid erregt werden und die Seele der Zu-
schauer sollte verbessert werden. Um dieses zu erreichen, dachte Lessing meisterhaft die einzel-
nen dramaturgischen Mittel durch. Es wurde geschlossene Form mit Drei Einheiten benutzt,
aber nicht alle wurden nach den Regeln Aristoteles behalten; der Alexandriner wurde mit Prosa
eingesetzt; metaphorische Bildlichkeit mit der „bestimmte Sprache" verbunden, die sowohl als
Ausdruck der Charaktere und Verhalten der Figuren, als auch als Vorhersage des Geschehens
dienten.
Meine Arbeit erfüllte ihr Ziel. Ich bewies, dass und wie das Werk „Miss Sara Sampson"
aus der historischen Hinsicht zwischen Tradition und Avantgarde überhaupt stand. Anhand der
Analyse habe ich festgestellt, welche konkreten dramaturgischen Mittel entweder der Tradition
oder der Avantgarde entsprechen. „Miss Sara Sampson" bedeutet wirklich den ersten Schritt zur
Avantgarde. Nicht nur für spätere Werke Lessings, sondern auch für die junge Generation der
Rebellen der Sturm und Drang Epoche und des Romantismus.
Die Arbeit erweiterte und bereicherte meine Kenntnisse. Die Arbeit veränderte vor
allem meine skeptische Meinung. Obwohl Lessing dank diesem Werk für mich ein „denkender

55
und berechnender" Autor bleibt, wird es aber schon im guten Sinn und mit geehrter Stimme zu
seiner Schöpfung gesagt.

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Quellenverzeichnis

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<http://de.encarta.msn.com/encyclopedia 721542222/Dionysien.html>

2) WIKIPEDIA [online], zuletzt aufgerufen am 12.10.2009 [zit. am 9.10.2009]


<http://de.wikipedia.org/wiki/Poetik (Aristoteles)#Die Definition von poi.C3.AAsis: mim.C3
•AAsis>

3) E N C A R T A [online], zuletzt aufgerufen am 12.10.2009 [zit. am 9.10.2009]


http://de.encarta.msn.com/encyclopedia 721544106/M%C3%A4rtvrerdrama.html

4) Basislexikon Literaturwissenschaftliche Terminologie [online], zuletzt aufgerufen am


11.11.2009 [zit. am 12.10.2009] <http://www.fernuni-
hagen.de/EUROL/termini/welcome.html ?page=/EUROL/termini/8490.htm>

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