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Sensible Innervation der Hand

palmar dorsal

dorsale Äste
N. medianus
dorsale
Äste
N. ulnaris

Äste des
N. radialis

R. dors.
R. superfic. n. uln.
n. radialis
N. cut. antebr.
post. (N. rad.)

N. ulnaris
N. medianus
Motorische Innervation der oberen Extremität

Nerven Innervierte Muskeln


N. medianus M. flexor carpi radialis, M. pronator teres,
M. flexor digitorum profundus (z. T. auch III),
M. flexor digitorum superficialis, M. palmaris longus,
M. flexor pollicis longus, M. pronator quadratus,
M. abductor pollicis brevis, M. opponens pollicis,
M. flexor pollicis brevis (Caput superficiale),
radiale Mm. lumbricales
N. ulnaris M. flexor carpi ulnaris, M. flexor digitorum profundus III–V,
M. adductor pollicis, M. flexor pollicis brevis (Caput profundum),
M. flexor digiti minimi, M. abductor digiti minimi,
M. opponens digiti minimi, Mm. interossei,
ulnare Mm. lubricales
N. radialis M. brachioradialis, Mm. extensores carpi radialis et brevis,
M. extensor carpi ulnaris, M. supinator,
M. extensor digitorum communis, M. extensor indicis,
M. extensor digiti minimi, Mm. extensores policis brevis et longus,
M. abductor policis longus

Paresen

Nerven Paresen
N. medianus Distale Parese: Ausfall der Opposition und palmaren Abduktion des Dau-
mens.
Proximale Parese: Zusätzlich Ausfall der Beugung von Daumenendge-
lenk sowie distalem und proximalem Interphalangealgelenk des Zeigefin-
gers, Schwächung der Pronation.
N. ulnaris Distale Parese: Aufhebung der Abspreizung der Langfinger, Aufhebung
der Anspreizung der Langfinger und des Daumens, Aufhebung der Klein-
fingerbeugung im Grundgelenk.
Proximale Parese: Zusätzliche Schwäche der Beugung von Klein- und
Ringfinger..
N. radialis Parese R. profundus: Aufhebung der Streckung des Daumens und der
Metakarpophalangealgelenke der Langfinger, Handgelenkstreckung
geschwächt mit auffälliger Radialdeviation (M. extensor carpi radialis
intakt).
Proximale Parese: Zusätzlich Aufhebung der Handgelenkstreckung (Fall-
hand).
Inhaltsübersicht
Grauer Teil: Untersuchungs- und Arbeitstechniken
■ 1■ Anamnese und Untersuchungstechnik 1
■ 2■ Präoperative Maßnahmen 16
■ 3■ Postoperative Maßnahmen 23

Blauer Teil: Krankheitsbilder und Verletzungen


■ 4■ Amputationsverletzungen 28
■ 5■ Sehnenverletzungen 33
■ 6■ Frakturen 44
■ 7■ Bandrupturen und Luxationen 64
■ 8■ Haut- und Weichteilverletzungen 82
■ 9■ Nervenverletzungen 91
■ 10 ■ Komplexe Verletzungen 99
■ 11 ■ Thermische und chemische Verletzungen 103
■ 12 ■ Infektionen 107
■ 13 ■ Sympathische Reflexdystrophie (Sudeck-Dystrophie) 114
■ 14 ■ Aseptische Knochennekrosen 116
■ 15 ■ Angeborene Fehlbildungen 120
■ 16 ■ Ganglien 149
■ 17 ■ Tumoren 154
■ 18 ■ Dupuytren-Kontraktur 171
■ 19 ■ Sehnenerkrankungen 176
■ 20 ■ Nervenkompressionssyndrome 183
■ 21 ■ Arthrose 204
■ 22 ■ Rheumatoide Arthritis 211

Roter Teil: Operationstechniken


■ 23 ■ Operationstechniken 220
■ 24 ■ Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie 245
■ 25 ■ Amputationsverletzungen 264
■ 26 ■ Sehnenverletzungen 271
■ 27 ■ Frakturen 286
■ 28 ■ Bandrupturen und Luxationen 305
■ 29 ■ Haut-Weichteilverletzungen 312
■ 30 ■ Nervenverletzungen 327
■ 31 ■ Thermische und chemische Verletzungen 330
■ 32 ■ Infektionen 334
■ 33 ■ Angeborene Fehlbildungen 338
■ 34 ■ Ganglion 350
■ 35 ■ Dupuytren-Kontraktur 352
■ 36 ■ Sehnenerkrankungen 357
■ 37 ■ Nervenkompressionssyndrome 361
■ 38 ■ Motorische Ersatzoperationen 373
■ 39 ■ Arthrosen 382
■ 40 ■ Rheumatoide Arthritis 390
h
Checklisten
der aktuellen Medizin
Begründet von
F. Largiadèr, A. Sturm, O. Wicki
Checkliste
Handchirurgie
Reimer Hoffmann

Unter Mitarbeit von Hermann Krimmer

3., vollständig überarbeitete Auflage

692 Abbildungen

Georg Thieme Verlag


Stuttgart · New York
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-
bibliographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar

1. Auflage 1997
2. Auflage 1999

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen
unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, ins-
besondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem
Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf
vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben,
dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht.
Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag
jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorg-
fältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach
Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Do-
sierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem
Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Prä-
paraten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder
Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an
jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.
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Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es
sich um einen freien Warennamen handelt.
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tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des
Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset-
zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen
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© 1997, 2009 Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, D - 70469 Stuttgart
Printed in Germany
Unsere Homepage: http://www.thieme.de

Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe


Umschlagfoto: Studio Nordbahnhof, Stuttgart
Zeichnungen: Hans-Berthold Giebel, Katharina Neuberg, Heiko Specht, Hendrik Lang
Fotos: Martin Wilczynski, Autoren
Satz: medionet Publishing Services Ltd, Berlin
gesetzt in: 3B2
Druck: Offizin Andersen Nexö Leizpig GmbH, Zwenkau

ISBN 978-3-13-102423-7 1 2 3 4 5 6
Vorwort zur dritten Auflage

Vorwort zur dritten Auflage


Nach 10 Jahren gibt es eine neue Auflage der Checkliste Handchirurgie. Ich freue
mich, dass der Thieme Verlag mir die Gelegenheit gegeben hat, das Buch intensiv
zu überarbeiten und mit neuen Kapiteln und Abbildungen zu ergänzen. Es ist ein
schönes Gefühl, dass dieses Buch über Jahre populär geblieben ist und jungen Ärz-
ten den Zugang zur Handchirurgie eröffnet. Die Grundlage dieses Buches sind die
Prinzipien, die mein Lehrer Prof. Dieter Buck-Gramcko seinen Schülern vermittelt
hat. So soll auch die neue Auflage deutlich machen, dass man die Handchirurgie
nicht als Anhängsel neben der Unfallchirurgie oder der Plastischen Chirurgie be-
treiben kann, sondern dass es sich um ein eigenständiges und sehr umfangreiches
Fachgebiet handelt. Wie andere Fachgebiete entwickelt sich auch die Handchirur-
gie weiter und dem wird in dieser Neuauflage unter anderem mit einem neuen
Kapitel über minimal-invasive und endoskopische Techniken Rechnung getragen.
Bei diesem Thema geht es nicht nur um neue Operationsverfahren, sondern vor
allem auch um Überlegungen zu anderen Schnittführungen, die funktionell und
ästhetisch vorteilhaft sind. Neue Abschnitte zur Radiusfraktur und zur Handge-
lenkarthroskopie stammen aus der Feder von Hermann Krimmer, der auch die Ab-
schnitte zur Behandlung der Kahnbeinfraktur und Kahnbeinpseudarthrose über-
arbeitet hat. Ihm ist es gelungen, diese speziellen Themen, die ganze Bücher füllen,
auf das Checklistenformat und damit die wesentlichen Dinge zu komprimieren.

Das Kapitel über die angeborenen Fehlbildungen aus der Feder von Dieter Buck-
Gramcko wurde von Rolf Habenicht überarbeitet und ergänzt.

Bei der Durchsicht und Überarbeitung des gesamten Textes mitgewirkt haben
meine Praxispartner Andreas Settje und Michael Wrobel sowie meine Kollegen
Christine Bultmann und Peter Bleuler. Andreas Settje hat mit seinem bemerkens-
werten zeichnerischen Talent einige der neuen Abbildungen angefertigt.

Neu ist in dieser Auflage, dass ausführlichere Operationsanleitungen, Abbildun-


gen sowie Videos, die den Umfang des Buches gesprengt hätten, über die von mir
gestaltete Webseite www.checkliste-handchirurgie.de verfügbar sind. Über die
Webseite kann man auch mit dem Autor in Kontakt treten.

Allen Mitarbeitern des Thieme Verlages sei Dank, besonders Frau Christiane Brill-
Schmid, Frau Petra Deuerer und Herrn Markus Pohlmann.

Oldenburg, im September 2009 Reimer Hoffmann

V
Anschriften

Anschriften
Dr. Reimer Hoffmann
HPC-Oldenburg
Institut für Hand- und Plastische Chirurgie
Marienstraße 1
26121 Oldenburg

VI
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis
Grauer Teil: Grundlagen und Arbeitstechniken

1 Anamnese und Untersuchungstechnik ► 1


1.1 Anamneseerhebung ► 1
1.2 Allgemeiner Untersuchungsgang ► 2
1.3 Untersuchung bei frischen Verletzungen ► 4
1.4 Klinische Muskelprüfung ► 6

2 Präoperative Maßnahmen ► 16
2.1 Operationsplanung ► 16
2.2 Operationsvorbereitung ► 16
2.3 Anästhesietechniken ► 17

3 Postoperative Maßnahmen ► 23
3.1 Verbandtechnik ► 23
3.2 Immobilisation ► 24
3.3 Postoperative Lagerung ► 26
3.4 Postoperative Maßnahmen, Analgesie ► 27

Blauer Teil: Krankheitsbilder und Verletzungen

4 Amputationsverletzungen ► 28

5 Sehnenverletzungen ► 33
5.1 Strecksehnen-Verletzungen ► 33
5.2 Beugesehnen-Verletzungen ► 39

6 Frakturen ► 44
6.1 Fingerfrakturen ► 44
6.2 Mittelhandfrakturen ► 48
6.3 Handwurzelfrakturen ► 52
6.4 Kahnbeinfrakturen ► 55
6.5 Kahnbein-Pseudarthrose ► 58
6.6 Radiusfraktur ► 60

7 Bandrupturen und Luxationen ► 64


7.1 Bandrupturen und Luxationen der IP-Gelenke ► 64
7.2 Bandrupturen und Luxationen des Fingergrundgelenks ► 68
7.3 Bandrupturen und Luxationen des MP-Gelenks am Daumen ► 70
7.4 Bandrupturen und Luxationen der CMC-Gelenke ► 72
7.5 Bandrupturen und Luxationen der Handwurzel ► 73
7.6 Skapholunäre Dissoziation ► 75
7.7 Perilunäre Luxationen ► 79

8 Haut- und Weichteilverletzungen ► 82


8.1 Riss-, Stich-, Schnitt-, Biss- und Fremdkörperverletzungen ► 82
8.2 Arterienverletzungen ► 82
8.3 Hochdruckeinspritz-Verletzungen ► 84
8.4 Nagelbettverletzungen ► 85
8.5 Defekte am Fingerendglied ► 86

VII
Inhaltsverzeichnis

8.6 Defekte an den Phalangen ► 88


8.7 Defekte an der Hand ► 88

9 Nervenverletzungen ► 91
9.1 Grundlagen ► 91
9.2 Diagnostik ► 94
9.3 Therapie ► 97
9.4 Prognose, Sekundäreingriffe ► 98

10 Komplexe Verletzungen ► 99
10.1 Schnitt-, Quetsch-, Säge- und Explosionsverletzungen ► 99

11 Thermische und chemische Verletzungen ► 103


11.1 Verbrennungen ► 103
11.2 Erfrierungen ► 105
11.3 Verätzungen ► 106

12 Infektionen ► 107
12.1 Allgemeines ► 107
12.2 Fingerinfektionen ► 108
12.3 Interdigital- und Hohlhandinfektionen ► 110
12.4 Infektionen durch Bissverletzungen ► 111
12.5 Wundinfektion ► 112

13 Sympathische Reflexdystrophie
(Sudeck-Dystrophie) ► 114

14 Aseptische Knochennekrosen ► 116


14.1 Lunatumnekrose (Morbus Kienböck) ► 116
14.2 Kahnbeinmalazie (Morbus Preiser) ► 118

15 Angeborene Fehlbildungen ► 120


15.1 Grundlagen ► 120
15.2 Syndaktylie ► 121
15.3 Spalthand ► 124
15.4 Polydaktylie ► 126
15.5 Oligodaktylie ► 130
15.6 Klinodaktylie ► 131
15.7 Ulnahypoplasie und -aplasie ► 132
15.8 Symbrachydaktylie ► 133
15.9 Schnürringsyndrom ► 135
15.10 Daumenhypoplasie und -aplasie ► 137
15.11 Radiale Klumphand ► 139
15.12 Brachydaktylie ► 141
15.13 Makrodaktylie ► 142
15.14 Angeborene Kontrakturen und Fehlstellungen ► 144
15.15 Skelettfehlbildungen ► 145

16 Ganglien ► 149

17 Tumoren ► 154
17.1 Grundlagen ► 154
17.2 Hauttumoren ► 156
17.3 Weichteiltumoren ► 160
17.4 Tumoren peripherer Nerven ► 163
VIII
Inhaltsverzeichnis

17.5 Tumoren der Blut- und Lymphgefäße ► 164


17.6 Knorpel- und Knochentumoren ► 166

18 Dupuytren-Kontraktur ► 171

19 Sehnenerkrankungen ► 176
19.1 Tendovaginitis am Handgelenk ► 176
19.2 Tendovaginitis de Quervain ► 177
19.3 Tendovaginitis stenosans ► 179
19.4 Pathologische Rupturen, Hammerfinger ► 181

20 Nervenkompressionssyndrome ► 183
20.1 N. radialis: Grundlagen, Anatomie ► 183
20.2 Proximales Radialiskompressionssyndrom ► 183
20.3 Supinatorsyndrom (R. profundus n. radialis) ► 185
20.4 Wartenberg-Syndrom (R. superficialis n. radialis) ► 187
20.5 N. medianus: Grundlagen, Anatomie ► 188
20.6 Proximales Medianuskompressionssyndrom, Pronatorsyndrom ► 189
20.7 Interosseus-anterior-Syndrom ► 192
20.8 Karpaltunnelsyndrom ► 193
20.9 N. ulnaris: Grundlagen, Anatomie ► 197
20.10 Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-Syndrom) ► 199
20.11 Distales Ulnariskompressionssyndrom ► 202

21 Arthrose ► 204
21.1 Arthrose ► 204
21.2 Arthrose der Fingergelenke ► 204
21.3 Interkarpalarthrosen ► 208
21.4 Arthrose des Handgelenks ► 209

22 Rheumatoide Arthritis ► 211

Roter Teil: Operationstechniken

23 Operationstechniken ► 220
23.1 Blutleere und Blutsperre ► 220
23.2 Instrumentarium, Inzisionen ► 221
23.3 Atraumatische Operationstechnik ► 221
23.4 Arthroskopie des Handgelenkes ► 223
23.5 Hautnahttechniken ► 228
23.6 Spalthaut-Transplantat ► 228
23.7 Vollhaut-Transplantat ► 231
23.8 Z-Plastik ► 232
23.9 Transpositionslappen ► 232
23.10 Spezielle Techniken an den Sehnen ► 234
23.11 Nerventransplantat-Entnahme ► 236
23.12 Knochentransplantat-Entnahme ► 237
23.13 Osteosyntheseverfahren, K-Drahtfixation ► 239
23.14 Schraubenosteosynthese ► 241
23.15 Verschiedene Osteosyntheseverfahren ► 242
23.16 Fingerstrahlamputation ► 243

24 Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie ► 245


24.1 Allgemeines ► 245
IX
Inhaltsverzeichnis

24.2 Tendovaginitis stenosans ► 247


24.3 Tenosynovialitis der Finger ► 249
24.4 Tendovaginitis de Quervain ► 250
24.5 Dupuytren-Kontraktur ► 250
24.6 Sattelgelenkarthrose ► 253
24.7 Sehnenchirurgie ► 255
24.8 Karpaltunnelsyndrom ► 256
24.9 Pronatorsyndrom („proximales Medianus-Kompressionssyndrom“) ► 257
24.10 Interosseus-anterior-Syndrom ► 258
24.11 Kubitaltunnelsyndrom ► 258
24.12 Wartenberg-Syndrom ► 260
24.13 Supinatorsyndrom ► 261
24.14 Epicondylitis humeri lateralis (Tennisellenbogen) ► 261

25 Amputationsverletzungen ► 264
25.1 Replantation ► 264
25.2 Stumpfbildung ► 268
25.3 Intraossäre Neuromverlagerung ► 270

26 Sehnenverletzungen ► 271
26.1 Strecksehnen-Nahttechniken ► 271
26.2 Wiederherstellung von Strecksehnen: Sekundäreingriffe ► 274
26.3 Beugesehnen-Nahttechniken ► 278
26.4 Beugesehnen-Wiederherstellung: Sekundäreingriffe ► 283

27 Frakturen ► 286
27.1 Operationstechniken bei knöchernen Verletzungen ► 286
27.2 Operationstechniken bei Fingerfrakturen ► 286
27.3 Operationstechniken bei Mittelhandfrakturen ► 289
27.4 Operationstechniken bei Radiusfrakturen ► 295
27.5 Sekundäreingriffe ► 300

28 Bandrupturen und Luxationen ► 305


28.1 Operationstechniken Bandnaht und Bandplastik ► 305
28.2 Arthrolyse ► 309

29 Haut-Weichteilverletzungen ► 312
29.1 Versorgung von Nagelbett-Verletzungen ► 312
29.2 Lappenplastiken zur Deckung von Fingerendglied-Defekten ► 312
29.3 Lappenplastiken zur Defektdeckung am Daumenendglied ► 316
29.4 Lappenplastiken zur Defektdeckung an Phalangen ► 319
29.5 Lappenplastiken zur Defektdeckung an der Hand ► 322

30 Nervenverletzungen ► 327
30.1 Nervennaht, Sekundäreingriffe ► 327

31 Thermische und chemische Verletzungen ► 330


31.1 Operative Therapie ► 330
31.2 Sekundäreingriffe ► 330

32 Infektionen ► 334
32.1 Operationstechniken bei Infektionen ► 334

33 Angeborene Fehlbildungen ► 338


33.1 Operationstechnik Syndaktylie ► 338
X
Inhaltsverzeichnis

33.2 Operationstechnik Spalthand ► 340


33.3 Operationstechnik Polydaktylie ► 342
33.4 Operationstechnik Klinodaktylie ► 343
33.5 Operationstechnik bei Schnürringen ► 345
33.6 Operationstechnik Daumenhypoplasie und -aplasie ► 345
33.7 Operationstechnik radiale Klumphand ► 347

34 Ganglion ► 350
34.1 Operationstechniken ► 350

35 Dupuytren-Kontraktur ► 352
35.1 Operationstechniken bei Dupuytren-Kontraktur ► 352

36 Sehnenerkrankungen ► 357
36.1 Operationstechnik bei Tendovaginitiden am Handgelenk ► 357
36.2 Operationstechnik bei Tendovaginitis stenosans ► 358

37 Nervenkompressionssyndrome ► 361
37.1 Operationstechnik bei Kompression des N. radialis proximal ► 361
37.2 Operationstechnik bei Supinatorsyndrom ► 361
37.3 Operationstechnik bei Kompression des N. radialis distal ► 364
37.4 Operationstechnik bei Kompression des N. medianus proximal (Pronator-, Inter-
osseus-anterior-Syndrom) ► 365
37.5 Operationstechnik bei Karpaltunnelsyndrom ► 366
37.6 Operationstechnik bei Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-Syndrom) ►
368
37.7 Operationstechnik bei distaler Ulnariskompression ► 370

38 Motorische Ersatzoperationen ► 373


38.1 Grundlagen ► 373
38.2 Medianusparese ► 373
38.3 Ulnarisparese ► 377
38.4 Radialisparese ► 378
38.5 Kombinierte Medianus-Ulnaris-Parese ► 381

39 Arthrosen ► 382
39.1 Arthrodesen Fingergelenke ► 382
39.2 Handgelenk-Arthrodese ► 384
39.3 Endoprothesen, Arthroplastiken ► 385
39.4 Handgelenkdenervation ► 388

40 Rheumatoide Arthritis ► 390


40.1 Operationstechniken ► 390

Sachverzeichnis ► 399

XI
Verwendete Abkürzungen

Verwendete Abkürzungen
ADM M. abductor digiti minimi
ALT-Lappen anterior lateral thigh flap
APL M. abductor pollicis longus
BR M. brachioradialis
Ch Charrière
CMC karpometakarpal
CP chronische Polyarthritis
DIP distal interphalangeal
DISI dorsal intercalated segment instability
DK Dupuytrensche Kontraktur
d.-p. dorsal-palmar
a.-p. anterior-posterior
DRUG distales Radioulnargelenk
ECRB M. extensor carpi radialis brevis
ECRL M. extensor carpi radialis longis
ECU M. extensor carpi ulnaris
ED M. extensor digitorum
EDM M. extensor digiti minimi
EI M. extensor indicis
EPL M. extensor pollicis longus
EPB M. extensor pollicis brevis
FCR M. flexor carpi radialis
FCU M. flexor carpi ulnaris
FDM M. flexor digiti minimi
FDP M. flexor digitorum profundus
FDS M. flexor digitorum superficialis
FPB M. flexor pollicis brevis
FPL M. flexor pollicis longus
HWS Halswirbelsäule
IOD Mm. interossei dorsales
IOP Mm. interossei palmares
IP interphalangeal
KTS Karpaltunnelsyndrom
KUBTS Kubitaltunnelsyndrom
MP metakarpophalangeal
PDS Polydioxanon
PIP proximal interphalangeal
PISI palmar intercalated segment instability
PL M. palmaris longus
PRC proximal row carpectomy
PT M. pronator teres
RSN Ramus superficialis N. radialis
SCF Skaphokapitatumfraktur
SLAC scapho-lunate advanced collapse
SLD skapholunäre Dissoziation
STT skaphotrapeziotrapezoidal
TAR thrombocytopenia, absent radius (syndrome)

XII
1.1 Anamneseerhebung 1
1 Anamnese und Untersuchungstechnik

Anamnese und Untersuchungstechnik


1.1 Anamneseerhebung
Allgemeine Anamnese
▶ Persönliche Daten: Alter, Beruf, Hobby sowie soziale Anamnese beeinflussen die In-
dikationsstellung handchirurgischer Operationen:
• Alter: Kleinkinder mit Fehlbildungen möglichst früh operieren (S. 120). Alte Men-
schen können fast ausnahmslos operiert werden.
• Beruf: Bei manchen Operationsindikationen sind Beruf, Hobby oder Sport von Be-
deutung, etwa bei der Entscheidung für eine Arthrodese oder eine Arthroplastik.
• Soziale Anamnese: Zurückhaltung mit Operationen ohne zwingende Indikations-
stellung ist angezeigt bei Arbeitslosigkeit, Umschulungswunsch, Rentenanträgen
und während laufender Gerichts- und Rentenverfahren.
▶ Medizinische Anamnese: Internistische Erkrankungen, rheumatische Erkrankung,
Malignome, psychische Erkrankungen, Alkohol, Drogen? Relevant für Art, Umfang
und Zeitpunkt der handchirurgischen Versorgung sind Allgemeinzustand, Herz-
Kreislauf-Erkrankungen, schwerer Diabetes, Anfallsleiden, Psychosen, Koagulopa-
thien.
▶ Bisherige Diagnostik: Möglichst alle Befunde heranziehen.
▶ Bisherige Therapie: Behandelnder Arzt, Medikamente, Injektionen, physikalische
Therapie, Operationen?
▶ Bisherige Arbeitsunfähigkeit: Wie oft, wie lange?
▶ Symptome: Welche, seit wann, wie oft? Lokalisation, wodurch ausgelöst, besondere
Charakteristika?

Anamnese bei Verletzungen


▶ Dokumentation: Grundsätzlich Ort, Zeit und Unfallhergang dokumentieren. Die
starre 6-h-Regel ist nicht mehr uneingeschränkt gültig. Entscheidend ist nicht
wann, sondern durch wen die Versorgung erfolgt!
▶ Art der Schädigung:
• Schnittverletzungen: Ausnahmslos Primärversorgung. Bei Beugesehnen-Durch-
trennung (S. 39) Stellung der Finger (gestreckt oder gebeugt?) beim Unfall erfra-
gen. Schnittverletzungen durch Hiebinstrumente (Axt, Hackbeil) verursachen
auch Frakturen (Röntgenuntersuchung obligat).
• Quetschverletzungen (S. 99): Besonders geschlossene Quetschverletzungen wer-
den leicht unterschätzt. Erhebliche Quetschungen verursachen ein starkes Ödem,
Durchblutungsstörungen (Tatzenhand) und evtl. ein Kompartmentsyndrom. Wal-
zenverletzungen führen zu ausgedehnten Hautschädigungen.
• Sägeverletzungen: Wichtig sind Informationen über Art der Säge und Breite des
Sägeblattes. Breite Blätter verursachen größere Defekte. Kettensägen zerreißen
Gewebe zusätzlich.
• Spritzpistolen-Verletzungen (S. 84): Sie werden leicht unterschätzt. Die Eintrittsp-
forte wirkt meist unscheinbar, die hochdruckbedingte Ausdehnung der Schädi-
gung durch das Fremdmaterial ist viel größer. Verletzte kommen oft verspätet
und bagatellisieren. Bei kleiner Wunde und starker Schwellung ausdrücklich
nach Hochdruckverletzung fragen!
• Sturz auf die Hand: Geschlossene Verletzungen ernst nehmen! Sturz aus welcher
Höhe? Auf die gestreckte Hand? Bei Erwachsenen werden häufig Handwurzel-
Verletzungen übersehen.

1
1 1.2 Allgemeiner Untersuchungsgang

1.2 Allgemeiner Untersuchungsgang


Anamnese und Untersuchungstechnik

Grundlagen
▶ Untersuchungsschema: Jede handchirurgische Untersuchung folgt einem routine-
mäßigen Schema, insbesondere beim Erstellen von Gutachten. Dies gewährleistet
vor allem bei offenkundigen Erkrankungen, Verletzungen oder Verletzungsfolgen,
dass andere, nicht ins Auge springende pathologische Veränderungen erfasst wer-
den.
▶ Untersuchung angrenzender Körperteile: HWS, Schulter, Ober- und Unterarm müs-
sen bei unklaren Beschwerden und bei jedem Gutachten mituntersucht werden.

Inspektion
▶ Hautfärbung, Papillarleistenrelief, Beschwielung, Nagelschmutz (Arbeitsspuren).
▶ Hautläsionen oder Hauttumoren.
▶ Atrophie (evtl. durch vergleichende Umfangmessung objektivieren), Schwellung,
Narben, Fehlstellung oder (Teil-)Verluste der Finger.

Palpation
▶ Hauttemperatur, Schweißbefeuchtung, Turgor.
▶ Arterienpulse, Blutdurchfluss (Allen-Test, S. 82 f, Abb. 8.2).
▶ Elektrisieren bei Beklopfen der Nervenstämme oder der Fingerstümpfe (Hoffmann-
Tinel-Zeichen, S. 94 u. 193, Abb. 20.14).
▶ Sensibilität (Zweipunkt-Diskrimination).
▶ Schmerzen bei Berührung, Druck, Dehnung oder passiver Bewegung.

Motorik und Funktion


▶ Stets aktive und passive Beweglichkeit prüfen.
▶ Messung der Gelenkbeweglichkeit nach der Neutral-Null-Methode.
▶ Messung des Streckdefizits von Gelenken in Winkelgraden oder Nagel-Tisch-Ab-
stand, Messung des Beugedefizits der Finger als Fingernagel-Hohlhand-Abstand
in cm.
▶ Prüfung der primären Greifformen (Abb. 1.1 a–e): Grob-, Spitz-, Schlüssel-, Drei-
punkt-, Schreib- und Flaschengriff.
▶ Prüfung der groben Kraft mit einem Dynamometer (S. 2); alleinige klinische Prü-
fung nicht objektiv und zur Verlaufskontrolle ungeeignet.
▶ Bei Paresen Prüfung der relevanten Muskeln (S. 6 ff.) unter Angabe des Kraftgrades
(S. 98).

Untersuchung des unkooperativen Patienten


▶ Mangelnde Kooperation: Diese kann bewusst oder unbewusst sein und unter-
schiedliche Ursachen haben. Sie ist bei Patienten jeden Alters anzutreffen.
▶ Simulation: Eine Simulation lässt sich meist objektivieren. In der Regel geben Simu-
lanten folgende Beschwerden an:
• Kraftlosigkeit: Derbe Beschwielung der Hand sowie normale oder gar kräftige
Ausbildung der Muskulatur stehen im Gegensatz zur Angabe, man habe keine
Kraft und könne die Hand kaum einsetzen. Prüfung mit Jamar-Dynamometer:
5 Messungen mit unterschiedlicher Griffbreite. Bei normalem Untersuchungsver-
lauf ergeben die Messwerte eine glockenförmige Kurve, bei unkooperativen Pro-
banden ist die Kurve extrem flach.
• Ubiquitärer Schmerz: Angabe subjektiver Schmerzen meist diffus. Vom Untersu-
cher willkürlich gesetzte Druckpunkte passen nicht zu anatomischen Strukturen,
variieren bei Wiederholungen. Bei „echten“ Schmerzen erhebt sich der Patient
oft spontan, um dem Schmerz auszuweichen, bei „unechtem“ Schmerz bleibt der
Patient trotz starker Schmerzangabe oft entspannt sitzen („Stehauf-Test“).
2
1.2 Allgemeiner Untersuchungsgang 1

Anamnese und Untersuchungstechnik


a b

c d

e
Abb. 1.1 • a–e Greifformen: Grob- (a), Spitz- (b), Schlüssel- (c), Dreipunkt- (d), Schreibgriff (e).

• Taubheit: Der angegebene Sensibilitätsausfall ist meist global und passt nicht zu
den anatomischen Nervenversorgungsgebieten (Abb. 9.2). Durch wiederholte Un-
tersuchung lernen Probanden allerdings dazu! Zweipunkt-Diskriminationstest
sehr gründlich durchführen. Bei ständigem Wechseln der untersuchten Finger
und Veränderung des Abstands ändern sich die Angaben bei simulierter Taub-
heit.
3
1 1.3 Untersuchung bei frischen Verletzungen

• Bewegungseinschränkung: Bei wiederholter Prüfung in der Regel unterschiedliche


Anamnese und Untersuchungstechnik

Messwerte. Man kann auch die vom Probanden als nicht durchführbar bezeich-
nete Bewegung oder Greifform passiv reproduzieren. Lenkt man den Probanden
ab und lässt die untersuchte Hand los, so wird die Greifform meist aktiv beibehal-
ten.

Artefakte
▶ Artefakte sind Schädigungen, die sich Patienten selbst zufügen. Psychische Störun-
gen können eine Ursache sein. Mögliche Artefakte an Hand und Unterarm:
• Chronische oder rezidivierende Schwellung der gesamten Hand oder des Hand-
rückens wird durch Abschnüren oder Schlagen auf die Hand erreicht.
• Offenhalten kleiner Wunden führt zu chronischer Ulzeration.
• Unterhalten posttraumatischer Funktionsstörungen, unter anderem durch Passi-
vität, z. B. Verweigerung von Physiotherapie.
▶ Diagnostik und Therapie sind erschwert durch meist mangelnde Aufrichtigkeit und
fehlende Kooperation. Konsequente Abklärung nur unter stationärer Beobachtung
möglich.

1.3 Untersuchung bei frischen Verletzungen


Grundlagen
▶ Untersuchungsablauf: Außer bei Bagatellverletzungen erfolgt die Untersuchung im
Liegen. Die Hand ruht auf einem Handtisch. Schaffung einer beruhigenden Atmo-
sphäre. Sedativa oder Analgetika sind selten erforderlich. Sterile Kautelen. Erst an-
schauen, dann vorsichtig berühren! Die Untersuchung erfolgt in der Reihenfolge:
1. Inspektion, 2. Palpation, 3. Prüfung der Sensibilität, 4. Prüfung der Motorik. Keine
schmerzhaften Manipulationen.
▶ Konsile: Bei Begleitverletzungen ggf. Konsile veranlassen (z. B. Explosionsverlet-
zung: Augen, Ohren!).
▶ Weitere Verletzungen: Bei erheblichen weiteren Verletzungen und der fehlenden
Möglichkeit einer Simultanversorgung gilt der Grundsatz „life before limb“.

▶ Beachte: Auch eine schwer verletzte Hand lässt sich adäquat untersuchen!
Inspektion

Bedeutung der klinischen Anatomie


Ein Kenner der klinischen Anatomie kann die Situation in vielen Fällen allein auf-
grund der Inspektion weitgehend einschätzen und eine vorläufige Diagnose stel-
len.

▶ Lokalisation der Wunde(n): Erlaubt Rückschluss auf verletzte Strukturen:


• Palmar: Beugesehnen, Nerven, Gefäße.
• Dorsal: Strecksehnen, Knochen, Gelenke.
■▶ Cave: Es ist ein Trugschluss zu glauben, bei einer kleinen Wunde wäre wenig ver-
letzt. Spritzpistolen- und andere Injektionsverletzungen unter hohem Druck
(S. 84) haben eine charakteristische kleine Eintrittspforte. Rissverletzungen dor-
sal über Fingergrundgelenken wirken äußerlich harmlos, sind aber hochverdäch-
tig auf stark infektionsgefährdeten Menschenbiss (S. 111).
▶ Stellung der Finger: Erlaubt Rückschluss auf Sehnenverletzungen:
• Strecksehnen-Verletzung (S. 33 ff.): Aufhebung des Streckertonus.
• Beugesehnen-Verletzung (S. 39 f.): Aufhebung des Beugertonus.
▶ Achsen- und Drehfehlstellung: Auftreten bei Frakturen und Gelenkverletzungen.
Drehfehler erkennt man bei Betrachtung von palmar beim Vergleich der Fingerkup-
4
1.3 Untersuchung bei frischen Verletzungen 1
pen, die beim Faustschluss normalerweise parallel stehen und in Richtung Kahn-

Anamnese und Untersuchungstechnik


bein zeigen.
▶ Störung der Durchblutung: Blässe (arteriell) oder livide Farbe (venös) geben Hin-
weis auf Gefäßverletzungen. Bei starker Verschmutzung ist eine Säuberung erfor-
derlich. Bei dunkler Hautfarbe ist die Einschätzung der Durchblutungssituation
schwieriger.
▶ Komplexe Verletzungen: Hierbei können offene Frakturen und Sehnenstümpfe in
der Wunde erkennbar sein.

Palpation
▶ Hauttemperatur: Prüfung im Seitenvergleich. Fühlen der Pulse.
▶ Prüfung der Durchblutung:
• Kapillärer Reflux: Prüfung durch Druck für 5 s auf Fingerkuppe oder Nagelbett:
– Verzögerter Reflux (1–2 s) deutet auf ein arterielles Defizit hin.
– Prompter, übermäßiger Reflux kann Hinweis auf eine venöse Stauung sein.
• Turgor: Prüfung durch Kuppenkompression:
– Normal: Weichteileindellung füllt sich nach wenigen Sekunden.
– Pathologisch: Delle bleibt.
• Geschädigte Haut (Ablederung) ebenfalls durch Prüfung des kapillären Refluxes
oder durch kurzfristige Blutsperre (1 min Elevation, dann Aufpumpen einer Blut-
druckmanschette) untersuchen; nach Öffnen verminderte reaktive Hyperämie in
geschädigtem Hautareal.

Prüfung der Sensibilität

Praxistipp
Diese Prüfung ist völlig schmerzfrei und auch bei schwer verletzten Händen
möglich. Zunächst streicht man über die unverletzten Finger: „Ist hier normales
Gefühl?“ Nach Bestätigung Prüfung der verletzten Finger: „Ist es hier taub (einge-
schlafen, pelzig, stumpf)?“

▶ Zweipunkt-Diskrimination: Gezielte Prüfung der Zweipunkt-Unterscheidung an den


Fingerkuppen mit einer zurechtgebogenen Büroklammer (Abb. 9.7). Den Test im-
mer erst am gesunden Finger demonstrieren. Die Drahtenden auf ungefähr
8 – 10 mm zusammenbiegen; Normalwert: 3 – 6 mm.

Prüfung der Motorik


▶ Komplexe Verletzungen: Bei Inspektion erkennbar durchtrennte Sehnen und frak-
turierte Knochen werden nicht geprüft. Sonst an jedem verletzten Finger die Beuge-
sehnen- bzw. Strecksehnenfunktion (Abb. 1.7 ff, Abb. 1.25 ff.) untersuchen.
▶ Paresen: Objektivierung durch Prüfung (S. 96): Fingerstreckung (N. radialis), Dau-
menabspreizung in der Hohlhandebene (N. medianus), Fingerspreizung oder Kreu-
zen von Mittel- und Zeigefinger (N. ulnaris). Vereinfachung: Man bringt die Finger
passiv in die gewünschte Position und fordert den Verletzten auf: „Halten Sie die
Finger in dieser Stellung!“

Röntgenuntersuchung
▶ Bei Verdacht auf Knochen- und Gelenkbeteiligung oder Fremdkörper muss immer
eine Röntgenuntersuchung erfolgen!
▶ Fingerverletzungen: Hierbei sind Röntgenuntersuchungen der Finger notwendig,
nicht der Hand! Der Finger muss in 2 Ebenen, d. h. dorsal-palmar (d.-p.) und exakt
seitlich geröntgt werden, sonst werden knöcherne Ausrisse leicht übersehen
(Abb. 6.4). Schlechte Aufnahmen sind zu wiederholen. Bei fehlerhafter Diagnose
haftet der Arzt, nicht die MTA!
5
1 1.4 Klinische Muskelprüfung

▶ Verletzungen der Grundgelenke und der Mittelhand: Röntgenuntersuchung in 3 Ebe-


Anamnese und Untersuchungstechnik

nen (d.-p., seitlich und schräg). Nur im seitlichen Bild erkennt man unter anderem
Luxationen der Karpometakarpalgelenke II–V.
▶ Handgelenkverletzungen: Durchführung von Röntgenaufnahmen in 4 Ebenen:
d. – p., seitlich, 45° Supination, 45° Pronation.
▶ Schwerverletzte Hand: Dabei ist die Röntgenuntersuchung erschwert, ggf. sind
mehrere Einstellungen erforderlich.
▶ Bandrupturen: Nur wenn klinisch eindeutige Hinweise auf Instabilität fehlen, sind
gehaltene Aufnahmen im Seitenvergleich indiziert.

1.4 Klinische Muskelprüfung


Grundlagen
▶ Die klinische Prüfung der Muskeln von Unterarm und Hand ist die Grundlage der
Untersuchung der motorischen Handfunktion.
▶ Von Belang sind diese Tests (Abb. 1.2 bis Abb. 1.32) bei Verletzungen (Durchtren-
nung von Muskeln, Sehnen, Nerven) und Paresen (durch Trauma, Kompression, Er-
krankung).
▶ Ist die geprüfte Muskelfunktion intakt, muss der Kraftgrad nach klinischen Ge-
sichtspunkten dokumentiert werden (S. 98).
▶ Bei (Teil-)Paresen ist die ergänzende elektrophysiologische Zusatzuntersuchung ob-
ligat.

Abb. 1.2 • Funktionsprüfung M. pronator teres;Innervation: N. medianus, Funktion: Pronation


(gestrecktes Ellenbogengelenk).

Abb. 1.3 • Funktionsprüfung M. pronator quadratus;Innervation: N. medianus, Funktion:


Pronation (gebeugtes Ellenbogengelenk).
6
1.4 Klinische Muskelprüfung 1

Anamnese und Untersuchungstechnik


Abb. 1.4 • Funktionsprüfung M. supinator;Innervation N. radialis, Funktion: Supination (ges-
trecktes Ellenbogengelenk).

Abb. 1.5 • Funktionsprüfung M. flexor carpi radialis;Innervation: N. medianus, Funktion:


Beugung Handgelenk.

Abb. 1.6 • Funktionsprüfung M. flexor carpi ulnaris;Innervation: N. ulnaris, Funktion: Beugung


und Ulnardeviation Handgelenk.
7
1
Anamnese und Untersuchungstechnik 1.4 Klinische Muskelprüfung

Abb. 1.7 • Funktionsprüfung M. palmaris longus;Innervation: N. medianus, Funktion: keine


motorische Funktion.

Abb. 1.8 • Funktionsprüfung M. flexor digitorum superficialis III–V;Innervation: N. medianus,


Funktion: Beugung Mittelgelenke.

Abb. 1.9 • Funktionsprüfung M. flexor digitorum superficialis II;Innervation: N. medianus,


Funktion: Beugung Mittelgelenk II.
8
1.4 Klinische Muskelprüfung 1

Anamnese und Untersuchungstechnik


Abb. 1.10 • Funktionsprüfung M. flexor digitorum profundus;Innervation: N. medianus (II, evtl.
auch III), N. ulnaris (III–V), Funktion: Beugung Endgelenke III–V.

Abb. 1.11 • Funktionsprüfung M. flexor pollicis longus;Innervation: N. medianus (N. interosseus


anterior), Funktion: Beugung Daumenendgelenk.

Abb. 1.12 • Funktionsprüfung M. flexor pollicis brevis;Innervation: N. medianus (Caput super-


ficialis), N. ulnaris (Caput profundus), Funktion: Beugung Daumengrundgelenk.

9
1
Anamnese und Untersuchungstechnik 1.4 Klinische Muskelprüfung

Abb. 1.13 • Funktionsprüfung M. abductor pollicis brevis;Innervation: N. medianus, Funktion:


Palmarabduktion Daumen (unterstützt Endgelenkstreckung).

Abb. 1.14 • Funktionsprüfung M. adductor pollicis;Innervation: N. ulnaris, Funktion: Adduktion


Daumen (unterstützt Endgelenkstreckung).

Abb. 1.15 • Funktionsprüfung


M. abductor digiti minimi;Innervation:
N. ulnaris, Funktion: Abduktion Klein-
finger.
10
1.4 Klinische Muskelprüfung 1

Anamnese und Untersuchungstechnik


Abb. 1.16 • Funktionsprüfung M. flexor digiti minimi;Innervation: N. ulnaris, Funktion: Beugung
Grundgelenk V.

Abb. 1.17 • Mm. interossei dor-


sales et palmares (IOD und IOP);
Innervation: N. ulnaris. Funktion:
Ab- und Adduktion Finger.

Abb. 1.18 • Funktionsprüfung


M. interosseus dorsalis I;Innerva-
tion: N. ulnaris, Funktion: Abduk-
tion Zeigefinger.

11
1
Anamnese und Untersuchungstechnik 1.4 Klinische Muskelprüfung

Abb. 1.19 • Funktionsprüfung M. interosseus


dorsalis II;Innervation: N. ulnaris, Funktion:
Radialabduktion Mittelfinger.

Abb. 1.20 • Funktionsprüfung M. interosseus


dorsalis III;Innervation: N. ulnaris, Funktion:
Ulnarabduktion Mittelfinger.

Abb. 1.21 • Funktionsprüfung M. interosseus


dorsalis IV;Innervation: N. ulnaris, Funktion:
Abduktion Ringfinger.

Abb. 1.22 • Funktionsprüfung M. interosseus


palmaris I;Innervation: N. ulnaris, Funktion:
Adduktion Zeigefinger.

Abb. 1.23 • Funktionsprüfung M. interosseus


palmaris II;Innervation: N. ulnaris, Funktion:
Adduktion Ringfinger.
12
1.4 Klinische Muskelprüfung 1

Anamnese und Untersuchungstechnik


Abb. 1.24 • Funktionsprüfung M. interosseus
palmaris III;Innervation: N. ulnaris, Funktion:
Adduktion Kleinfinger.

Abb. 1.25 • Funktionsprüfung M. extensor pollicis longus;Innervation: N. radialis, Funktion:


Streckung Daumenendgelenk.

Abb. 1.26 • Funktionsprüfung M. extensor pollicis brevis;Innervation: N. radialis, Funktion:


Streckung Daumengrundgelenk.
13
1
Anamnese und Untersuchungstechnik 1.4 Klinische Muskelprüfung

Abb. 1.27 • Funktionsprüfung M. abductor pollicis longus;Innervation: N. radialis, Funktion:


Radialabduktion Daumen, Radialdeviation Handgelenk.

Abb. 1.28 • Funktionsprüfung M. extensor digitorum;Innervation: N. radialis, Funktion: Streck-


ung Grundgelenke.

Abb. 1.29 • Funktionsprüfung M. extensor indicis;Innervation: N. radialis, Funktion: Streckung


Grundgelenk II.
14
1.4 Klinische Muskelprüfung 1

Anamnese und Untersuchungstechnik


Abb. 1.30 • Funktionsprüfung M. extensor digiti minimi;Innervation: N. radialis, Funktion:
Streckung Grundgelenk V.

Abb. 1.31 • Funktionsprüfung M. extensor carpi ulnaris;Innervation: N. radialis, Funktion:


Streckung, Ulnardeviation Handgelenk.

Abb. 1.32 • Funktionsprüfung Mm. extensores carpi radiales brevis et longus;Innervation:


N. radialis, Funktion: Streckung, Radialdeviation Handgelenk.

15
2 2.1 Operationsplanung

2 Präoperative Maßnahmen
Präoperative Maßnahmen

2.1 Operationsplanung
Grundlagen

Praxistipp
▶ Bei in Klinik oder Praxis durchgeführten Operationen an der Hand ist ein Min-
destmaß an Infrastruktur obligat. Je mehr Kompromisse man dabei eingeht, umso
größer die Gefährdung des Patienten.

▶ Beachte: Notfalleingriffe nicht „zwischen Tür und Angel“ durchführen. Eine hekti-
sche Ambulanz oder eine volle Praxis ist für eine differenzierte Operation nie der
richtige Ort!

▶ Planung: Sie beinhaltet, dass zum Zeitpunkt der Operation ein geeigneter Opera-
teur, ein geeigneter Raum sowie das erforderliche Instrumentarium zur Verfügung
stehen:
• Operateur: Die Anforderungen für die fachärztliche Zusatzbezeichnung Handchi-
rurgie regeln, wer sich als Handchirurg bezeichnen darf. Unter Anleitung eines
handchirurgisch erfahrenen Arztes können auch chirurgische Anfänger kleine
Eingriffe korrekt durchführen.
• Raum: Mit Ausnahme von kleinen Eingriffen werden handchirurgische Operatio-
nen in einem speziellen Operationsraum durchgeführt. Bauliche Voraussetzun-
gen und Ausstattung sind gesetzlich geregelt. Die Größe richtet sich nach den Er-
fordernissen.
• Ausstattung: OP-Tisch und Instrumententisch(e). Ein Handtisch, der standfest,
stabil, ausreichend groß, am besten am OP-Tisch fixierbar ist, mit verstellbarer
Stütze und strahlendurchlässig. Bequeme, stabile, roll- und arretierbare, höhen-
verstellbare Hocker. Dieses Mobiliar muss problemlos aufzustellen sein, ohne
dass eine störende Enge entsteht.
• Instrumentarium: Handchirurgische Grundsiebe (klein, mittel, groß) müssen zur
Verfügung stehen. Das jeweilige Zusammensuchen von Instrumenten ist schlecht
für den Routineablauf. Je nach Art der Operation sind Spezialinstrumente erfor-
derlich (Knochen-, Sehnen-, mikrochirurgische Eingriffe).
• Apparate: Je nach Operationsspektrum müssen folgende Apparate verfügbar sein:
– Geeichte Blutleeregeräte.
– Mikrokoagulation: Blutstillung.
– Druckluftanschluss für Bohrmaschine und Säge: Knochen- und Gelenkeingriffe.
– Operationsmikroskop: Eingriffe an Nerven und kleinen Blutgefäßen.
– Endoskop und Optiken, Arthroskopievorrichtung.
– Mobiles Röntgengerät: Die Möglichkeit intraoperativer Durchleuchtung und
Röntgenkontrolle (mit Bild) muss bei Operationen am Skelett gewährleistet
sein.

2.2 Operationsvorbereitung
Aufklärung und Untersuchung des Patienten
▶ Präoperative Aufklärung: Den Patienten über Operationsvorgehen, Risiken und
Komplikationsmöglichkeiten aufklären. Er muss seine Zustimmung zum Eingriff ge-
ben, in der Regel, aber nicht zwingend, schriftlich.
▶ Präoperative Untersuchungen:
• Laboruntersuchungen bei Elektiveingriffen: Kleines Routinelabor inklusive Gerin-
nungswerten. Weitere Untersuchungen nur bei entsprechender medizinischer
16
2.3 Anästhesietechniken 2
Anamnese. Bei Marcumareinnahme Quick-Wert auf ca. 50 – 60 % einstellen, ggf.

Präoperative Maßnahmen
auf Heparin umstellen. Bei Kleineingriffen kann der Patient weiter Acetylsalicyl-
säure einnehmen.
• Laboruntersuchungen bei Notfalleingriffen: Erforderlich nur bei spezieller Indika-
tion und Fragestellung, z. B. lang dauernde Eingriffe bei Diabetes oder anderen
gravierenden inneren Erkrankungen; bei Verletzungen oder Operationen, die mit
erheblichen Blutverlusten einhergehen, Blutgruppe bestimmen und Konserven
kreuzen (Replantation).
• EKG, Röntgen-Thorax: Durchführung bei Patienten ab dem 60. Lebensjahr oder
bei spezieller Indikation.

Vorbereitungen im OP
▶ Einbeziehung des Patienten: Ein OP-Saal ist für die meisten Patienten unbekanntes
Terrain und kann Angst und Unsicherheit verstärken bzw. ein Gefühl des Ausgelie-
fertseins auslösen. Das Erklären der Abläufe trägt zur Entspannung der Patienten
bei.
▶ Lagerung: Extradicke Schaumstoffauflage für OP-Tisch, um den Patienten längeres
Liegen erträglich zu machen. Knierolle bei Bedarf. Der Arm wird seitlich abgewin-
kelt und stufenlos auf dem Handtisch gelagert.
▶ Blutleere: Zur Vorbereitung der Blutleere die mit saugfähigem Schaumstoff unter-
polsterte Manschette straff am Oberarm fixieren. Anlegen eines handelsüblichen
Tourniquets, das an ein geeichtes Blutleeregerät angeschlossen wird.
■▶ Cave: Mit digitalen Tourniquets (besonders Gummifingerlingen) appliziert man
unkontrollierten Druck, daher – auch bei Kurzeingriffen – vermeiden.
▶ Hautdesinfektion:
• Elektiveingriffe: Gründliches Säubern (Waschen, Bürsten, Schneiden der Nägel)
am Vorabend durch die Patienten selbst.
• Akuteingriffe: Nach erfolgter Anästhesie und unter kurzfristiger Blutsperre Wa-
schen mit Seifenlösung, bei stärkerer Hautverschmutzung Reinigung mit Bürste,
bei Wundkontamination reichliches (ggf. 2 – 3 l!) Spülen mit Kochsalzlösung. De-
finitive Hautdesinfektion mit farblosem Alkoholpräparat (bessere Beurteilung der
Durchblutung prä- und intraoperativ!). Grundsätzlich Hand und Unterarm desin-
fizieren.
▶ Abdeckung: Für Minimaleingriffe reicht ein Lochtuch. Für alle anderen Eingriffe
Vollabdeckung. Auch bei Operationen an nur einem Finger muss die ganze Hand
sichtbar bleiben. Für den Arm kann ein steriler Ärmel benutzt werden (Vorteil: Arm
ist komplett steril und kann bequem bewegt und gewendet werden), darüber wird
ein breites Lochtuch gezogen. Areale zur Transplantatentnahme bereits präoperativ
mit abdecken.

2.3 Anästhesietechniken
Grundlagen

Achtung
Eine Anästhesie darf erst nach einer gründlichen Untersuchung erfolgen!

▶ Leitungsanästhesie: Nahezu alle handchirurgischen Eingriffe lassen sich in Lei-


tungsanästhesie durchführen.
• Vorteile: Da keine Nahrungskarenz notwendig ist, ist eine sofortige Operation
möglich; der Operateur kann die Anästhesie ausführen (Ausnahme: Regionalan-
ästhesie bei Säuglingen und Kleinkindern durch spezialisierten Anästhesisten);
wenige Kontraindikationen.
17
2 2.3 Anästhesietechniken

• Nachteile: Wacher, evtl. ängstlicher Patient; Beschwerden durch langes Liegen


Präoperative Maßnahmen

oder Manschettendruck bei längeren Eingriffen. In diesen Fällen ist eine zusätz-
liche Sedierung möglich.

Praxistipp bei unzureichender Plexusanästhesie


Je nach Operationsgebiet kann man zusätzlich periphere Leitungsanästhesien ap-
plizieren.

▶ Intravenöse Regionalanästhesie (nach Bier): Für Repositionen und kleinere Eingriffe


bewährtes Verfahren. Bei uns selten angewandt, da ein Öffnen der Blutleere zur
Blutstillung nicht möglich ist.
▶ Allgemeinanästhesie: Larynxmaske und moderne i. v. Narkosen (TIVA) mit wenig
unerwünschten Nebeneffekten sind heute auch in der Handchirurgie üblich und
besonders für schnelle OP-Wechsel im ambulanten Betrieb geeignet.

Lokalanästhetika
▶ Mepivacain 1 und 2 %: Wirkungsdauer bis zu 4 h.
▶ Prilocain 1 und 2 %: Wirkungsdauer bis zu 4 h.
▶ Bupivacain 0,25 und 0,5 %: Wirkungsdauer 8 – 10 h.

▶ Cave: Grundsätzlich dürfen nur Lokalanästhetika ohne Adrenalinzusatz verwendet
werden – Gefahr der Nekrose/Gangrän bei Anästhesien in Endarteriengebieten!

Allgemeine Technik, Zubehör


▶ Sterile Kautelen.
▶ Kanülen: Einmalkanülen (18er am Finger, 16er für Mittelhand/Handgelenk, 12er für
Plexusanästhesie); für Plexusanästhesie evtl. atraumatische Spezialkanüle.
■▶ Cave: Bei zu großer Kanüle Gefahr der mechanischen Nervenschädigung, bei zu
feiner Kanüle Gefahr intraneuraler Injektion.
▶ Spritzen: Nicht zu klein (mehrfaches Nachladen umständlich) und nicht zu groß
(über 20 ml für kleine Hände mühsam zu handhaben) wählen; bei größeren Men-
gen und feiner Nadel Spritze mit Schraubverschluss von Vorteil; bei subaxillärer
Plexusanästhesie evtl. Punktion nur mit Nadel, Injektion über kurzen Schlauch auf
Distanz („immobile Nadel“).
▶ Parästhesien: Nach Auslösen von Parästhesien Nadel vor Injektion immer etwas zu-
rückziehen.
▶ Allgemeine Kontraindikation: Infektion am Injektionsort.

Lokale Infiltrationsanästhesie
▶ Indikation: Nur zur Entfernung kleiner und mittlerer Hauttumoren an Handrücken
oder Unterarm.
▶ Technik: Nur niedrige Konzentration des Lokalanästhetikums (1 %) und möglichst
geringe Mengen zur Um- und Unterspritzung verwenden; abwarten, bis injektions-
bedingtes Ödem weitgehend verschwunden ist (leichter Druck mit Kompresse
hilft!).
▶ Nachteil: Quellen des Gewebes, Verlust der Übersichtlichkeit.
▶ Hauttransplantation: Hautareale zur Entnahme von Transplantaten können bei Be-
darf lokal unterspritzt werden. Bei größeren Flächen evtl. Zusatz von Hyaluronida-
se. Dadurch lässt sich die Konzentration des Lokalanästhetikums auf 0,5 % reduzie-
ren.

Leitungsanästhesie am Finger (Oberst-Anästhesie)


▶ Indikation: Einfache Eingriffe im Bereich Mitte Fingergrundglied bis Fingerkuppe
(Wundversorgung, Entfernung Fremdkörper, auch Entfernung von Osteosynthese-
material, kleine Tumoren).
18
2.3 Anästhesietechniken 2

Präoperative Maßnahmen
Abb. 2.1 • a, b Oberst-Anästhesie: dorsal (a), palmar (b).

Abb. 2.2 • Mittelhandblockade. Abb. 2.3 • Blockade des N. radialis am Hand-


gelenk.

▶ Vorteil: Einfache Technik, rascher Wirkungseintritt (5 min).


▶ Nachteil: Gefahr der Durchblutungsstörung (cave: Vorschädigung!).
▶ Technik: Injektion beidseits dorsal an der Fingerbasis (Abb. 2.1 a); kleines subkuta-
nes Depot. Vorschieben der (18er-)Kanüle leicht schräg nach palmar gegen den pal-
pierenden Finger bis zum Gefäß-Nerven-Bündel. Auf jeder Seite ca. 1 ml injizieren.
Alternativ: Injektion ca. 2 ml Mitte Grundglied-Beugefalte (Abb. 2.1 b).

▶ Cave: Kein Adrenalinzusatz! Menge gering halten (Druckschaden!).
▶ Kontraindikation: Schlechte Fingerdurchblutung.

Mittelhandblockade
▶ Indikation: Kleine Eingriffe am Finger und in der distalen Hohlhand (Ringbandspal-
tung, Ringbandganglion, Fasziotomie bei isoliertem Dupuytren-Strang, für den Er-
fahrenen auch bei Tenolyse).
▶ Vorteil: Geringere Gefahr einer Durchblutungsstörung.
▶ Nachteil: Schmerzhafte Injektion.
▶ Technik: Injektion (18er-Kanüle) palmar (Abb. 2.2) etwas distal der Hohlhandmitte;
radial und ulnar der Beugesehnen jeweils ca. 1 – 2 ml injizieren.
▶ Kontraindikation: Schlechte Fingerdurchblutung.

Blockade des N. radialis am Handgelenk


▶ Betäubung des sensiblen Areals des N. radialis (Abb. 9.2 c u. d).
▶ Indikation: Kleine Eingriffe an Haut und Sehnen über Radialseite Handgelenk und
Streckseite Daumen (einfache Strecksehnennaht, Kirschner- oder K-Drahtentfer-
nung aus Radius, auch Operation der Tendovaginitis de Quervain).
▶ Technik: Subkutane Infiltration (16er-Kanüle) um den sensiblen Radialisast
(Abb. 2.3) proximal der Operationsstelle mit ca. 5 ml Lokalanästhetikum.
▶ Komplikation: Irritation oder Läsion des Nervs bei direktem Anstich oder intraneu-
raler Injektion.

19
2
Präoperative Maßnahmen 2.3 Anästhesietechniken

Abb. 2.4 • Blockade des N. medianus.

Abb. 2.5 • a, b Distale Blockade des N. ulnaris (a), Blockade des sensiblen dorsalen
Ulnarisastes (b).

Blockade des N. medianus


▶ Betäubung des sensiblen Areals des N. medianus (Abb. 9.2 a u. b).
▶ Indikation: Selten indiziert! Eine Mittelhandblockade ist meist ausreichend.
▶ Vorteil: Nur eine Injektion zur Betäubung mehrerer Finger.
▶ Nachteil: Schmerzhaft, unangenehme Parästhesien.
▶ Technik: Injektion (16er-Kanüle) 1 cm proximal der Handgelenkfalte zwischen den
Sehnen von M. flexor carpi radialis und M. palmaris longus schräg nach distal
(Abb. 2.4). Man spürt das Durchstechen der Faszie. Auslösen der Parästhesie (nicht
obligat) beweist korrekte Lage. Injektion von ca. 5 – 6 ml Lokalanästhetikum (2 %).
▶ Komplikation: Irritation oder Läsion des Nervs bei direktem Anstich oder intraneu-
raler Injektion.

Blockade des N. ulnaris am Handgelenk


▶ Betäubung des sensiblen Areals des N. ulnaris (Abb. 9.2 a u. b).
▶ Indikation: Kleinere Eingriffe im Bereich der Beugeseiten von Ring- und Kleinfinger
sowie am ulnaren Handrücken.
▶ Technik: Einstich ulnar von der gut tastbaren Sehne des M. flexor carpi ulnaris. Der
palpierende Finger „fällt“ förmlich in die Grube, von der aus leicht schräg nach ra-
dial ca. 4 ml (2 %) injiziert werden (Abb. 2.5 a). Evtl. Auslösung von Parästhesien.
Zur Ausschaltung des dorsalen Astes Nadel bis unter die Haut zurückziehen und
senkrecht nach dorsal die Region distal vom Ellenköpfchen umspritzen (Abb. 2.5 b).

▶ Cave: Vor Injektion grundsätzlich Aspiration zur Vermeidung einer intraarteriellen
Injektion!

Subaxilläre Plexusanästhesie
▶ Viele handchirurgische Eingriffe erfolgen in subaxillärer oder supraklavikulärer Ple-
xusanästhesie. Wir bevorzugen die subaxilläre Technik.
▶ Vorteil: Risikoarme Technik; kein Pneumothorax möglich.
▶ Nachteil: Kürzere Wirkungsdauer, keine sichere Anästhesie am Oberarm.
▶ Technik: Legen einer Verweilkanüle im kontralateralen Arm. Der Patient wird über
den Ablauf instruiert, insbesondere auch über die zu erwartenden Parästhesien.
20
2.3 Anästhesietechniken 2
Rückenlage, Abduktion des Armes um 90 – 100°, Beugung im Ellenbogengelenk

Präoperative Maßnahmen
(„Hände-hoch-Position“):
1. Palpation der A. axillaris (Abb. 2.6 a). Fixation der Arterie zwischen Zeige- und
Mittelfinger gegen den Humerus. Einstich (12er-Kanüle) und Führen der Nadel
ventral der Arterie in Richtung N. medianus (Abb. 2.6 b). Nach Auslösen von Parä-
sthesien im Medianusgebiet wird ein Depot von ca. 10 ml gesetzt.
2. Nun Zurückziehen der Nadel und Vorschieben dorsal der Arterie in Richtung N. ul-
naris. Auch hier nach Auslösen von Parästhesien Injektion von ca. 10 ml.
3. Den N. radialis erreicht man am sichersten, indem man die Arterie durchsticht
und ein 3. Depot setzt. Dazu zunächst Punktion der Arterie (Aspiration von hell-
rotem Blut), dann Vorschieben unter erneuter Aspiration, bis kein Blut mehr
kommt. Dann injizieren (Abb. 2.6 c). Anschließend 5 min Kompression der Injek-
tionsstelle.

▶ Beachte: Bei der Injektion digitale Kompression der Gefäß-Nerven-Scheide, um
die Ausbreitung des Lokalanästhetikums nach proximal zu unterstützen
(Abb. 2.6 d).

Praxistipp „immobile Nadel“


Die eigentliche Injektion kann über einen Verbindungsschlauch erfolgen. Dies ist
bequemer, besonders wenn man eine 30-ml-Spritze verwendet.

a b

c d

Abb. 2.6 • a, b Subaxilläre Plexusanästhesie: Palpation der A. axillaris (a), topografische


Anatomie am Injektionsort (b), Injektionstechnik (c, d), Details s. Text.
21
2
Präoperative Maßnahmen 2.3 Anästhesietechniken

Wichtig
Das Auslösen von Parästhesien ist hilfreich, aber nicht obligat. Das Durchstechen
der Arterie zum Auffinden des N. radialis ist nicht obligat, aber sehr nützlich und
ungefährlich.

▶ Dosis: Bei Erwachsenen ( ≥ 50 kg) 30 ml Mischlösung (15 ml 1 % und 15 ml 2 %) Me-


pivacain oder Prilocain. Bei Kindern und Jugendlichen 0,5 ml der Mischlösung pro
kg Körpergewicht.
▶ Wirkungseintritt: Nach 10 – 20 min.
▶ Komplikationen: Intravasale Injektion kann zu Rhythmusstörungen oder Krampfan-
fall führen (selten, praktisch immer reversibel). Bei über 8000 Plexusanästhesien
beobachteten wir keine Wandschädigung der Arterie oder Nervenläsion. Hämatom
manchmal sehr auffällig, wenn es bis zum distalen Oberarm reicht, verursacht aber
keine Störungen.
▶ Kontraindikationen: Schultersteife, lokale Infektion, mangelnde Kooperation, Gerin-
nungsstörung, zerebrales Anfallsleiden.

22
3.1 Verbandtechnik 3
3 Postoperative Maßnahmen

Postoperative Maßnahmen
3.1 Verbandtechnik
Grundlagen
▶ Sterile Abdeckung, Kompression: Der Verband dient primär der sterilen Abdeckung
von Wunden und zur Kompression (Hämatomprophylaxe).
▶ Signalcharakter: Ein Schutzverband hat auch Signalcharakter während der Rekon-
valeszenz (Signal: Vorsicht, diese Hand ist geschädigt!).
▶ Bewegungseinschränkung: Prinzipiell wird so früh wie möglich auf einen Verband
verzichtet, da dieser objektiv und subjektiv die Bewegung behindert.

Praktische Tipps
▶ Zur Wundabdeckung antibiotikafreien Salbentüll verwenden. Nichts Teures!
▶ Nach Operationen und größeren Wundversorgungen reichlich Kompressen zum
Aufsaugen von Blut und Wundsekret verwenden.
▶ Zur Vermeidung von Mazerationen Kompressen in die Zwischenfingerfalten legen
(Abb. 3.1). Handkanten mit Kompressen polstern.
▶ Für die Hand eignen sich 4 oder 6 cm breite elastische Binden am besten. Beim Wi-
ckeln Achtertouren um Hand und Finger führen. Dosierte Kompression.
■▶ Cave: Kein schnürendes zirkuläres Wickeln!
▶ Beim Wickeln kann man den Finger bereits in eine Beugeposition im Metakarpo-
phalangeal-(MP-)Gelenk bringen. Dies erleichtert die Sicherheitsposition (S. 24) bei
der Ruhigstellung (Abb. 3.2).
▶ Stülpaverbände für Finger lassen sich mit röhrenförmigen Applikatoren sehr ele-
gant anlegen.
■▶ Cave: Den Stülpaverband nicht zu sehr dehnen, sonst besteht Strangulationsge-
fahr. Stülpaverbände besser als Sekundärverbände und nicht unmittelbar post-
operativ verwenden.

Abb. 3.1 • Kompressionsverband mit obliga- Abb. 3.2 • Beugeposition im Metakarpopha-


torischen Zwischenfingerkompressen. langeal-(MP-)Gelenk durch Wickeltechnik.
23
3 3.2 Immobilisation

3.2 Immobilisation
Postoperative Maßnahmen

Grundlagen

Gelenke sind zum Bewegen da!


Die Ruhigstellung ist ein potenziell schädlicher, unphysiologischer Zustand für
die Hand. Unerfahrene Ärzte stellen zu lange ruhig!

▶ Ruhigstellung soll Heilung unterstützen, Schwellung und Ödem mindern. Es gelten


folgende Richtlinien:
• Ruhigstellung so kurz wie möglich. Zur Unterstützung von Wundheilung und Ab-
schwellung 2 – 7 Tage. Im Übrigen richtet sich die Dauer nach der Art der Verlet-
zung bzw. Operation.
• Nur die verletzten Teile der Hand ruhigstellen. Keine Ruhigstellung unverletzter
Nachbarfinger.
■▶ Beachte: Die in der Unfallchirurgie verbreitete „Zweifingerschiene“ ist schäd-
lich, weil ein gesunder Finger immobilisiert wird!
• Keine Ruhigstellung der Finger bei Verletzungen des Handgelenks!
• Position der Ruhigstellung nach anatomischen Gegebenheiten.
• Nach Möglichkeit Kombination von Ruhigstellung und Bewegung im Sinne einer
frühen, kontrollierten Mobilisation: Bei übungsstabilen Knochen- und Bandver-
letzungen sichert die Ruhigstellung die Position, aus der heraus bewegt werden
soll.

Praxistipp
Nach Operation von Nervenkompressionen und Tendovaginitiden haben wir die
Gipsruhigstellung weitgehend durch Wattekompressionsverbände ersetzt.

Position der Ruhigstellung


▶ Handgelenk: Falls Verletzung oder Operation nichts anderes erfordern, wird das
Handgelenk in 20- bis 30°-Streckung ruhiggestellt.
▶ Finger: Hier gilt die sog. Sicherheitsposition oder Intrinsic-plus-Stellung (Abb. 3.3):
MP-Gelenke maximal gebeugt, proximale und distale Interphalangeal-(IP-)Gelenke
gestreckt. In dieser Stellung sind die Kollateralbänder straff und können nicht
schrumpfen (S. 68, Abb. 7.4). Eine Strecksteife der MP-Gelenke und eine Beugekont-
raktur der proximalen Interphalangeal-Gelenke (PIP-Gelenke) wird verhindert.
Häufigste Indikationen für die Sicherheitsposition:
• Fingerfrakturen.
• Bandläsionen.
• Distorsionen.
▶ Daumen: Ruhigstellung in mittlerer Opposition, so dass ihn die Kuppen von Zeige-
und Mittelfinger gut erreichen.
▶ Verletzungen der Beuge- (S. 282 f.) und Strecksehnen (S. 273 f.) erfordern eine spe-
zielle Ruhigstellungsposition.

Abb. 3.3 • Sicherheitsposition (Intrinsic-plus-


Stellung).
24
3.2 Immobilisation 3

▶ Cave:

Postoperative Maßnahmen
• Die sog. Funktionsstellung ist obsolet und gefährlich, denn dabei kommen MP-
und PIP-Gelenke in eine Position, die eine Versteifung in Beugestellung fördert.
• Die in der Unfallchirurgie so beliebte „volare Schiene“ für nahezu alle Indikatio-
nen ist gefährlich. Die Sicherheitsposition wird damit fast nie angestrebt und
auch bei guter Absicht selten erreicht. Meist stehen die MP-Gelenke in Streckstel-
lung!

Art der Ruhigstellung


▶ Wir benutzen zur äußeren Ruhigstellung fast ausschließlich Schienen aus Gips.
■▶ Cave: Zirkuläre Gipse, auch aufgeschnitten, sind gefährlich und werden primär
nie verwendet. Nur bei der seltenen Ruhigstellung über 3 Wochen ggf. Versor-
gung mit einem zirkulären Gips oder Cast.
■▶ Beachte: Aluschienen sind wegen zu großer Biegsamkeit (Instabilität) zu vermei-
den. Eine korrekte Fingerposition ist damit kaum zu erreichen. Cast-Schienen
sind primär gut, aber sehr schwierig postoperativ anzupassen oder zu verändern,
z. B. zu kürzen.
▶ Dorsale Gipsschiene: Mittel der Wahl zur primären Ruhigstellung. Ausnahme sind
Verletzungen (Operationen) der Strecksehnen.
• Ausdehnung der Schienen:
– Oberarm-Gipsschiene soll proximal bis zum Deltoidansatz reichen. Straff anwi-
ckeln, da sie sonst leicht verrutscht.
– Verletzungen des Handgelenks: Die Schiene reicht vom proximalen Unterarm-
drittel bis zu den Mittelhandköpfchen.
– Fingerverletzungen: Je nach Lokalisation reicht die Schiene bis zur Mitte des
Mittelgliedes oder bis zum Endglied.
▶ Hohlhand-Fingergipsschiene („Knubbelgips“, Abb. 3.4): Diese lässt das Handgelenk
frei. Eignet sich gut als Sekundärgips nach Abklingen initialer Schwellung.
▶ Stack-Schiene (Abb. 3.5 a): Geeignet als Sekundärschiene für alle Endglied(gelenk)
verletzungen. Primär wird sie bei Strecksehnenabriss verwendet.
▶ Knopflochschiene (Abb. 3.5 b): Anwendung bei Teilschädigungen des Strecksehnen-
Mittelzügels, wenn keine OP-Indikation besteht.
▶ Dynamische Schiene: Schiene zur Nachbehandlung von Beugesehnen- (Abb. 26.15)
und Strecksehnen-Verletzungen (Abb. 3.6).

Abb. 3.4 • Hohlhand-Finger-


gipsschiene.

Abb. 3.5 • a, b Stack-Schiene (a), Knopflochschiene (b).


25
3
Postoperative Maßnahmen 3.3 Postoperative Lagerung

Abb. 3.6 • Dynamische Schiene zur Nachbe-


handlung von Strecksehnen-Verletzungen.

Interne Fixation
▶ Temporäre K-Drahtfixation: Um die äußere Ruhigstellung abzukürzen, kann eine
temporäre Kirschner-Drahtfixation (nicht „temporäre Arthrodese“!) erfolgen. Es
handelt sich allerdings um einen kleinen operativen Gelenkeingriff. Wegen der
möglichen Komplikationen (Gelenkinfektion bis hin zur Bohrdraht-Osteomyelitis!)
ist die Indikation nicht zu großzügig zu stellen.

Praktische Tipps
▶ Unterarm-Fingerschiene aus einem Stück schneiden, Gipslonguette 8fach legen.
Polstern mit hautfreundlicher (Kuschel-)Watte. Verwendung von Papier ist nicht
unbedingt notwendig.
▶ Den feuchten Gips in gewünschter Position (insbesondere MP-Gelenk-Beugung und
PIP-Gelenk-Streckung in der Sicherheitsposition) so lange halten, bis er wirklich fest
ist. Eine spätere Korrektur, dann meist ohne Anästhesie, ist immer schwierig.
■▶ Beachte: Eine leichte Biegung der Gipsschiene ist noch lange keine Sicherheitspo-
sition! Die echte (röntgenologisch verifizierte) MP-Gelenk-Beugung ist immer
geringer, als man denkt.
▶ Bei Hohlhand-Fingerschiene scharfe Kanten zu Nachbarfingern hin vermeiden.
Schiene bei gestreckten Fingern anpassen und anwickeln, dann in Sicherheitsposi-
tion bringen und halten.
▶ Bei Verdacht auf zu engen Verband diesen im Zweifel spalten und Schiene lockerer
anwickeln.
▶ Werden Gipsschienen in der beschriebenen Weise angelegt, ist die Gefahr von Störun-
gen sehr gering. Eine ärztliche Gipskontrolle ist dennoch erforderlich. Wir geben den
Patienten nach ambulanten Operationen Merkzettel mit Verhaltensmaßregeln mit.

3.3 Postoperative Lagerung


Armhochlagerung
▶ Hochlagerung: Zur Schwellungsvermeidung und zur Verringerung der Ödembil-
dung den operierten Arm hochlagern. Diese Lagerung in den ersten 24 h ohne we-
sentliche Unterbrechung (außer nach Minimaleingriffen) beibehalten, in den fol-
genden Tagen 6 – 8 h täglich, nachts ständig. Wesentlich ist, dass die Hand höher
positioniert ist als der Ellenbogen bei nur leicht gebeugtem Ellenbogengelenk. Mög-
lichkeiten der Lagerung:
• Hochhängen des Armes mittels Klettmanschette am Bettgalgen.
• Verwendung spezieller Schienen.
• Einfachste Möglichkeit: Lagerung auf 2 normalen Kopfkissen.

▶ Beachte: Eine Armschlinge als Mittel zur Hochlagerung ist abzulehnen, da sie dazu
einlädt, Arm und Hand überhaupt nicht zu bewegen.

26
3.4 Postoperative Maßnahmen, Analgesie 3
3.4 Postoperative Maßnahmen, Analgesie

Postoperative Maßnahmen
Grundlagen
▶ Schmerz: Das unmittelbare Hauptproblem postoperativ ist der Schmerz, der indivi-
duell sehr unterschiedlich empfunden wird. Ihn zu kontrollieren ist ein wesentli-
ches Ziel nach der Operation.
▶ Überwachung: Stationäre Patienten sind leicht zu überwachen, ambulante Patien-
ten (bzw. ihre Angehörigen) werden genau instruiert. Merkblätter sind hilfreich, er-
setzen aber nicht die mündlichen Anordnungen.
▶ Verband: Die korrekte Verbandtechnik (S. 23) gewährleistet, dass einerseits genü-
gend Kompression Schwellung verhindert, es andererseits nicht zu einer Abschnü-
rung kommt. Die Ruhigstellung (S. 24) lässt unbeteiligte Finger zur aktiven Bewe-
gung frei.
▶ Postoperative Komplikationen: Sie lassen sich mindern, indem man solche Patien-
ten, von denen anzunehmen ist, dass sie postoperative Vorschriften nicht einhalten
können, nicht ambulant operiert.

Postoperative Analgesie
▶ Starke Schmerzen nach handchirurgischen Eingriffen sind selten. Treten sie auf,
muss untersucht werden. Meist reicht eine Spaltung des Verbands bis auf die Haut.
Ist dies nicht ausreichend, kann man Analgetika (Paracetamol 500 – 1 000 mg, Dic-
lofenac 50 – 100 mg oder Acetylsalicylsäure 500 – 1 000 mg; cave: Patienten mit Ge-
rinnungsstörungen) verordnen. Nur selten sind Opioidanalgetika (z. B. Tramadol
oder Piritramid) notwendig.
▶ Ambulante Patienten nehmen bei Bedarf Paracetamol, Diclofenac oder ASS ein. Nieder-
gelassene Ärzte sollten ihre Patienten im Falle stärkerer Schmerzen nicht auf ein Kran-
kenhaus verweisen, sondern ihnen, auch nachts, persönlich zur Verfügung stehen.

Frühzeitige aktive Bewegung


▶ Operierte können sofort nach Abklingen der Anästhesiewirkung mit eigenständiger
Bewegung nicht ruhiggestellter Gelenke beginnen. Ihnen wird erklärt, dass aktive
Bewegungsübungen durch Förderung des venösen Abflusses schwellungsmindernd
wirken und somit einen Bestandteil der Therapie darstellen.
▶ Ab dem 1. postoperativen Tag müssen auch Ellenbogen- und Schultergelenk aktiv
durchbewegt werden.

Klinische Kontrolle
▶ Stationäre Patienten am Operationstag, ambulante Patienten am Folgetag oder zeit-
nah im Hinblick auf Schmerzen, Schwellung, Durchblutungsstörung und Gipsdruck
kontrollieren.

Verbandwechsel
▶ Nach Verletzungen 1. Verbandwechsel meistens innerhalb der ersten 24 h, um ver-
klebte Kompressen zu entfernen.
▶ Nach elektiven Eingriffen und komplikationslosem Verlauf Verbandwechsel inner-
halb der ersten 4 Tage.
▶ Drainagen innerhalb von 48 h entfernen.

27
4 4.1 Amputationsverletzungen

4 Amputationsverletzungen
Amputationsverletzungen

4.1 Amputationsverletzungen
Grundlagen
▶ Anamnese und Befunderhebung: Je nach Art des zur Amputation führenden Unfall-
hergangs lassen sich unterschiedliche Amputationsverletzungsmuster unterschei-
den:
• Glatte Abtrennung (Verletzung durch Axt, Schneidemaschine).
• Relativ glatte Abtrennung (Sägeverletzung).
• Schwer geschädigte Amputationszone (Quetschverletzung, Ausriss durch Halte-
strick oder Kette, Avulsion durch Ring oder Walze).
• Schwer geschädigtes Amputat (Zerstückelung durch Rasenmäher, Mehretagen-
Amputation).
▶ Therapieziele: Unabhängig von der gewählten Therapie ist eine funktionelle Wieder-
herstellung anzustreben. Zu berücksichtigende Faktoren:
• Längenerhalt (Replantation/Stumpfbildung in funktionell sinnvoller Höhe).
• Erhaltung der Sensibilität (Defektdeckung mit neurovaskulären Lappen).
• Erhaltung der Beweglichkeit.
• Vermeidung von Stumpfneuromen.
• Vermeidung von Kälteempfindlichkeit.
• Möglichst rasche Rehabilitation.

Replantation: Indikationen und Kontraindikationen


▶ Absolute Indikationen (Abb. 4.1 a–d):
• Glatte oder relativ glatte Abtrennung der Hand oder in Höhe distaler Unterarm
(Abb. 4.1 d).
• Glatte oder relativ glatte Abtrennung des Daumens in Höhe des IP-Gelenks oder
proximal davon (Abb. 4.1 a). Keine Altersgrenze.
• Glatte oder relativ glatte Abtrennung im Bereich Mittelhand bis distaler Unter-
arm (Abb. 4.1 c). Keine Altersgrenze.
• Glatte oder relativ glatte Abtrennung multipler Finger (Abb. 4.1 b). Priorität ha-
ben Daumen, Mittel- und Ringfinger. Keine Altersgrenze.
• Glatte oder relativ glatte Amputation einzelner Finger, auch distal des Endge-
lenks, bei Kindern.
▶ Relative Indikationen:
• Glatte, distale Amputationen im Bereich des PIP-Gelenks bis zur Mitte des End-
gliedes.
• Schwer geschädigte Amputationszone Daumen, Mittelhand, Unterarm, multiple
Finger.
• Dringender Patientenwunsch.

▶ Beachte: Ist eine Replantation medizinisch nicht sinnvoll, muss der Patient da-
rüber aufgeklärt werden, dass replantierte Finger starke Beschwerden verursa-
chen können!
• Amputation einzelner Finger bei Erwachsenen (Beruf, Hobby, ästhetische Grün-
de).
▶ Kontraindikationen:
• Lebensbedrohende Begleitverletzungen.

▶ Beachte: In geeigneten Einzelfällen (Hand-/Unterarm-Amputation) Möglichkeit
der interimistischen Implantation (nur Revaskularisation) in der Axilla oder
Leiste! Bei gebessertem Allgemeinzustand frühsekundäre Replantation.
• Gerinnungsstörung, reduzierter Allgemeinzustand.
• Massive Schädigung des Amputats.

28
4.1 Amputationsverletzungen 4

Amputationsverletzungen

Abb. 4.1 • a–d Absolute Indikationen zur Replantation. Details s. Text.

Achtung
Wer bei einer absoluten Indikation zur Replantation ohne nachweisbaren Grund
eine Stumpfbildung durchführt, handelt fehlerhaft!

Stumpfbildung: Indikationen
▶ Die Indikationen zur Stumpfbildung ergeben sich aus den relativen Indikationen
und Kontraindikationen der Replantation. Zusätzlich können individuelle Gesichts-
punkte eine Rolle spielen, die im Einzelfall aus Sicht des Patienten für eine Stumpf-
bildung sprechen (z. B. Alter, Beruf).

▶ Beachte: Führt man eine Stumpfbildung durch, empfiehlt sich aus forensischen
Gründen eine Fotodokumentation des Befundes, eine schriftliche Begründung für
29
4
Amputationsverletzungen 4.1 Amputationsverletzungen

Abb. 4.2 • Amputatkühlung zum


Transport (Details s. Text).

die Entscheidung sowie in den Fällen, in denen eine Replantation indiziert oder
möglich gewesen wäre, die schriftliche Einwilligung des Patienten!

Replantation: Praktisches Vorgehen


▶ Vorbereitende Maßnahmen: Erfolgt die Replantation nicht in der erstversorgenden
Klinik, sind vor Verlegung des Patienten folgende Maßnahmen durchzuführen:
• Telefonische Information des Rettungsdienstes über den Befund. Besprechung
der Indikation zur Vermeidung unnötiger Transporte und Wecken falscher Hoff-
nungen.
• Telefonische Information des Replantationsdienstes über die voraussichtliche An-
kunftszeit des Patienten zur Planung der OP-Vorbereitungen.
• Anlegen eines Kompressionsverbands am Stumpf. Keine Klemmen oder Ligaturen
setzen!
• Aufbewahrung des Amputats (Abb. 4.2): Amputat steril in trockene oder nur ge-
ring feuchte Kompressen wickeln und in einen wasserdichten Plastikbeutel ein-
packen. Diesen in mit Eiswasser (Wasser mit Eisstücken) gefüllten Beutel legen
und gut verschließen.

▶ Cave: Keine Desinfektion, kein direkter Eiskontakt (Kälteschaden)! Bei sehr lan-
gem Transport Eis evtl. erneuern (Kühlbox).
• Maximale kalte Anoxämiezeiten:
– Finger: bis zu 2 h.
– Mittelhand: 8 – 10 h (wegen Muskulatur).
– Hand: 5 – 6 h.
• Transport je nach Entfernung mit dem Rettungshubschrauber oder Rettungswa-
gen mit Notarztbegleitung.
• Versorgung des Patienten mit einer intravenösen Verweilkanüle vor dem Trans-
port.
▶ Operationstechnik: S. 264 ff.

Stumpfbildung: Praktisches Vorgehen


▶ Funktionelle Gesichtspunkte:
• Ein Stumpf muss gute und sensible Weichteildeckung haben.
30
4.1 Amputationsverletzungen 4

Amputationsverletzungen
Abb. 4.3 • Amputationshöhen am Endglied und Indikationen:
(1) kontrollierte Sekundärheilung, (2) sensible Lappenplastik,
(3) Lappenplastik oder Stumpfbildung, (4) Stumpfbildung oder
Replantation.

• Ein Stumpf muss schmerzfrei sein.


• Am Daumen möglichst Knochen nicht kürzen. Längenerhalt ggf. durch Osteosyn-
thesen, Arthrodesen, Knochentransplantation und neurovaskuläre Lappenplastik
gewährleisten.
• An den Fingern Stumpfbildung in Endgliedhöhe nur bei zu erhaltenden Beuge-
und Strecksehnen-Ansätzen und unverletztem Endgelenk; in allen anderen Fäl-
len in Höhe des Mittelgliedköpfchens (Abb. 4.3).
▶ An den Fingern kann die Stumpfbildung in Mittelgliedhöhe nur bei zu erhaltenden
Beuge- und Strecksehnen-ansätzen und unverletztem Mittelgelenk erfolgen. In al-
len anderen Fällen wird die Stumpfbildung in Höhe des Grundgliedköpfchens
durchgeführt.
▶ Am Grundglied muss die Länge erhalten werden. Voraussetzung für eine nützliche
Beweglichkeit ist der Erhalt der Ansätze der Mm. interossei und lumbricales. Wird
der Stumpf zu kurz, erfolgt das Absetzen in Höhe des Köpfchens des Mittelhand-
knochens. Ausnahmen: Später geplante Zehentransplantation auf belassenem
Grundgliedstumpf, multiple Fingerstumpfbildungen (s. u.).
▶ Bei multiplen Fingerstumpfbildungen zählt jeder Zentimeter, um einen Gegengriff
zum Daumen zu ermöglichen. In diesem Fall beinhaltet die Erhaltung der Länge
(wie sonst nur am Daumen) ggf. Osteosynthesen, Arthrodesen und Lappenplasti-
ken.
▶ Bei Amputation in Höhe des MP-Gelenks erfolgt die Entknorpelung und geringe Kür-
zung des Mittelhandknochen-Köpfchens, um den Mittelhandbogen und damit die
Integrität des Faustschlusses zu ermöglichen. Eine Strahlamputation (S. 243 f.) wird
nur im Einzelfall und in der Regel sekundär durchgeführt.
▶ Bei Stumpfbildungen in Höhe der Mitte des Mittelhandknochens erfolgt eine primäre
Strahlamputation. Diese Verletzung kommt isoliert kaum vor.
▶ Bei Amputationen durch die gesamte Mittelhand oder Handwurzel wird eine
Stumpfbildung unter geringer Knochenkürzung in Verletzungshöhe durchgeführt.
Zur Defektdeckung ist in der Regel eine Lappenplastik (S. 322) erforderlich. Ausnah-
me: Bei Zerstörung der Mittelhandknochen II–IV erfolgt eine Strahlamputation, um
den Ersatzgriff Daumen/Kleinfinger zu verbessern.

Wichtig
Bei allen Stumpfbildungen ist eine ausreichende Kürzung der Nerven notwendig,
um einer Neurombildung vorzubeugen.

Prognose
▶ Replantation: Bei korrekter Indikationsstellung und Durchführung der Operation
durch erfahrene Mikrochirurgen beträgt die Einheilungsrate je nach Amputations-
höhe und Art der Verletzung 60 – 90 %. Die funktionell besten Resultate ergeben
Replantationen distal des PIP-Gelenks, des Daumens und der Hand. Arbeitsunfähig-
keit bei distalen Replantationen je nach Beruf 3 – 6 Wochen.
▶ Stumpfbildung: Nach korrekt durchgeführter Operation und Nachbehandlung soll-
ten Neurome und Belastungsprobleme nur selten auftreten! Arbeitsunfähigkeit
nach Stumpfbildung an einzelnen Fingern je nach Beruf 3 – 6 Wochen.

31
4 4.1 Amputationsverletzungen

Sekundäreingriffe
Amputationsverletzungen

▶ Replantation: Tenolyse, Nerventransplantation, Pseudarthrosen-Sanierung und


Arthrodesen können als Sekundäreingriffe erforderlich sein.
▶ Stumpfbildung: Funktionsverbessernde Eingriffe:
• Intraossäre Neuromverlagerung (S. 270).
• Daumenverlängerung durch Spaninterposition oder Kallusdistraktion kombiniert
mit einer Vertiefung der 1. Zwischenfingerfalte.
• Daumenrekonstruktion durch Pollizisation eines Fingerstumpfs oder des Zeige-
fingers, durch mikrochirurgische Zehentransplantation oder evtl. auch durch
freie Übertragung eines funktionsgeminderten Fingers der anderen Hand.
• Bei Verlust aller Finger Zehenübertragung zur Bildung eines Zangengriffs.
• Bei Verlust aller Finger Phalangisation bzw. Spalthandbildung oder Übertragung
von 2 Zehen.
• Prothetische Maßnahmen: Myoelektrische Prothese, mechanische Hook-Prothese
oder Schmuckprothese.

32
5.1 Strecksehnen-Verletzungen 5
5 Sehnenverletzungen

Sehnenverletzungen
5.1 Strecksehnen-Verletzungen
Grundlagen
▶ Anamnese: Art der Verletzung, Verletzungsmechanismus. Sägeverletzungen gehen
oft auch mit Knochen- und Gelenkdefekten einher. In diesen Fällen schwierige Ver-
sorgung, evtl. mit primärer Knochentransplantation.

▶ Cave: Bei Wunde über MP-Gelenk besteht immer Verdacht auf Menschenbiss (Box-
hiebverletzung) mit Gefahr primärer Gelenkinfektion (S. 111).
▶ Traumatische Rupturen an End- und Mittelgelenk sind eher selten und müssen von
degenerativen Rupturen (S. 181) abgegrenzt werden (versicherungsrechtliche Kon-
sequenzen).
▶ Die komplexe Anatomie erschwert die Diagnose und die operative Wiederherstel-
lung.

Anatomie
▶ Extrinsische Strecksehnen: Sie haben ihren Muskelursprung am Unterarm und zie-
hen zur Hand (Abb. 5.2): Es handelt sich um die Sehnen folgender Muskeln:
• M. abductor pollicis longus (APL).
• M. extensor pollicis brevis (EPB).
• M. extensor carpi radialis longus (ECRL).
• M. extensor carpi radialis brevis (ECRB).
• M. extensor pollicis longus (EPL).
• M. extensor digitorum II–V (ED).
• M. extensor indicis (EI).
• M. extensor digiti minimi (EDM).
• M. extensor carpi ulnaris (ECU).
▶ Strecksehnenfächer: Das Retinaculum extensorum umgreift wie ein Armband von
dorsal her Handwurzel und -gelenk. Von seiner Unterseite ziehen 6 Septen vertikal
nach palmar und bilden die Strecksehnenfächer, osteofibröse Kanäle, die ein Ab-
gleiten der Sehnen seitwärts und ein Abheben nach dorsal (Bogensehneneffekt)
verhindern:
• 1. Sehnenfach: Sehnen des M. abductor pollicis longus und des M. extensor polli-
cis brevis. Bildet den palmaren Rand der Tabatière. In ca. 30 % ist das Fach durch
ein Septum teilweise oder vollständig unterteilt (akzessorisches Fach). Die Sehne
des M. abductor pollicis longus ist häufig mehrfach gespalten.

▶ Cave: Enge Lagebeziehung zum Radialisast!
• 2. Sehnenfach: Sehnen des M. extensor carpi radialis longus (radial) und des M. ex-
tensor carpi radialis brevis. Sie werden an der Radiuskante gekreuzt von der Seh-
ne des M. extensor pollicis longus, die hier bei Handgelenkstreckung und ent-
spanntem Daumen gut tastbar ist. Der M. extensor carpi radialis besitzt in 12 %
eine akzessorische Sehne, die als Transplantat oder zur Sehnentransposition ge-
eignet ist.
• 3. Sehnenfach: Sehne des M. extensor pollicis longus. Läuft bogenförmig um das
Tuberculum radii (Lister). Bildet den dorsalen Rand der Tabatière.
• 4. Sehnenfach: Sehne des M. extensor indicis, Sehnen von M. extensor digito-
rum II–V. Liegt zwischen Tuberculum radii und Ellenköpfchen. Die Sehne des
M. extensor indicis liegt tief, hat einen eigenen Muskelbauch und in seltenen Fäl-
len auch ein eigenes Fach.
• 5. Sehnenfach: Sehne des M. extensor digiti minimi. Liegt radial vom Caput ulnae.
Sehne meistens gedoppelt.
• 6. Sehnenfach: Sehne des M. extensor carpi ulnaris. Liegt dorsal über dem Caput
ulnae. Distal davon bei Ulnarabduktion gegen Widerstand tastbar.
33
5
Sehnenverletzungen 5.1 Strecksehnen-Verletzungen

Abb. 5.1 • Strecksehnen-Anatomie der Finger:


(1) Sehne des M. extensor digitorum,
(2) M. lumbricalis, (3) M. interosseus,
(4) Lig. metacarpale transversum profundum,
(5) Lamina transversa, (6) Lamina intertendinea
(Streckerhaube), (7) Pars medialis der Interos-
seussehne, (8) Pars medialis M. extensor digi-
torum, (9) Pars lateralis der Interosseussehne,
(10) Tractus intermedius (Mittelzügel),
(11) Tractus lateralis (Seitenzügel), (12) Lig. tri-
angulare, (13) Endsehne der Aponeurose.

▶ Anatomische Variabilitäten: Die Sehnen des M. extensor digitorum sind am Hand-


rücken sehr variabel, häufig gedoppelt. Die Sehne des M. extensor digitorum V
kommt meistens nicht isoliert vor, sondern läuft mit der Ringfingersehne und
zweigt erst distal über dem Mittelhandknochen IV zum Kleinfinger ab. Die Sehnen
des M. extensor digitorum und des M. extensor digiti minimi sind über Connexus
intertendinei miteinander verbunden (Abb. 5.2). Auch diese Verbindungen sind un-
terschiedlich ausgebildet.
▶ Intrinsisches Streckersystem: Es wird gebildet durch die Handbinnenmuskeln der
Finger: Mm. interossei und Mm. lumbricales. Zusammen mit der Fortsetzung der
extrinsischen Sehnen bilden sie den komplexen Streckapparat am Finger (Abb. 5.1).
Die Mm. interossei und Mm. lumbricales beugen das Grundgelenk, die Mm. inter-
ossei bewirken die Radialduktion und Ulnarduktion der Grundgelenke, die
Mm. lumbricales strecken über die Seitenzügel die IP-Gelenke.
▶ Funktionen der extrinsischen und intrinsischen Strecksehnen:
• Finger: Die extrinsischen Strecksehnen der Finger allein strecken nur die Grund-
gelenke. Die Mittelgelenke strecken sie nur bei intakten Mm. interossei/lumbrica-
les, die eine Hyperextension des Grundgelenks verhindern. Fallen die kurzen
Muskeln aus (Medianus- bzw. Ulnaris-Parese), kommt es bei Fingerstreckung zur
Krallenstellung.
• Daumen: Die Sehne des M. extensor pollicis longus streckt das Endgelenk, die des
M. extensor pollicis brevis das Grundgelenk. Die intrinsischen Mm. abductor pol-
licis brevis, flexor pollicis brevis und adductor pollicis beugen das Grundgelenk
und strecken über die Streckaponeurose das Endgelenk.
▶ Strecksehnen-Querschnitt: Am Handgelenk rund bzw. oval, am Handrücken halb-
kreisförmig, im Fingerbereich flach und dünn.

Diagnostik
▶ Diagnosestellung (Abb. 5.3): Die Diagnose ergibt sich aufgrund folgender Untersu-
chungen:
• Inspektion: Lokalisation der Wunde, Fehlstellung des Fingers.
• Prüfung der Motorik (s. auch Muskelprüfung, S. 6 ff.).
• Diagnostische Revision: Aufgrund der anatomischen Situation (vgl. z. B. Abb. 5.9)
sind Strecksehnen(teil)läsionen manchmal klinisch nicht so eindeutig zu verifi-
34
5.1 Strecksehnen-Verletzungen 5

Sehnenverletzungen
Abb. 5.2 • Strecksehnen-Anatomie der Hand (Abkürzungen s. Text).

Abb. 5.3 • Zoneneinteilung der Strecksehnen-


Verletzungen.

zieren wie Beugesehnen-Verletzungen. Daher ist in Zweifelsfällen eine Revision


zur Entscheidung des weiteren Vorgehens ratsam:
– Sterile Kautelen, Blutleere.
– Inspektion des Wundgrundes mit Hilfe feiner Häkchen, evtl. geringe Schnitter-
weiterung.
35
5
Sehnenverletzungen 5.1 Strecksehnen-Verletzungen

Abb. 5.4 • Strecksehnen-Durchtrennung in


Höhe des Endgelenks.

Abb. 5.5 • Schwanenhalsdeformität durch


unversorgte Endgelenkläsion.

Abb. 5.6 • Knopflochdeformität durch un-


versorgte Mittelgelenkläsion.

– Eine Sehnennaht ist nur bei Durchtrennung von mindestens der Hälfte der
Sehne indiziert!
▶ Verletzungsarten: Offene Strecksehnen-Verletzungen überwiegen bei weitem.
Traumatische Rupturen sind eher selten, meistens liegen knöcherne Ausrisse vor.
Zur Abgrenzung von degenerativen Rupturen sollten eindeutige Verletzungszei-
chen vorliegen (Schwellung, Hämatom, Abschürfung).
■▶ Beachte: Oft ist die Funktion erhalten, nur geschwächte Streckung gegen Wider-
stand signalisiert eine Beschädigung!
▶ Endgelenk (Zone 1): Das Endgelenk hängt herab (Abb. 5.4), Streckdefizit bei Teil-
durchtrennung etwa 20°, bei kompletter Durchtrennung 40 – 60°.
• Knöcherner Ausriss (geschlossene Verletzung): Wenig Streckdefizit. Die Diagnose
einer traumatischen Ruptur erfordert den Nachweis eines adäquaten Traumas.
■▶ Beachte: Die Abgrenzung von einer degenerativen Ruptur ist wichtig, da diese
keinen echten Unfall darstellt.
■▶ Cave: Unversorgt kann die Durchtrennung der Strecksehne am Endgelenk zu ei-
ner posttraumatischen Schwanenhalsdeformität (Abb. 5.5) führen.
▶ Mittelglied (Zone 2): Kein oder geringes Streckdefizit. Die Pars triangularis hat keine
Streckfunktion. Ein Streckdefizit besteht nur, wenn beide Seitenzügel durchtrennt
sind. Überprüfung der Endgelenkstreckung gegen einen Widerstand. Im Zweifel
diagnostische Revision.
▶ Mittelgelenk (Zone 3):
• Durchtrennung des Mittelzügels und beider Partes mediales der Seitenzügel: Der
Finger hängt im PIP-Gelenk komplett herab (Streckdefizit 50 – 80°). Meistens ist
dabei das Gelenk eröffnet und Knorpel sichtbar.
• Alleinige Durchtrennung des Mittelzügels: Diese Situation kann irreführend sein!
Passiv in Streckung gebracht, kann diese Position über die Seitenzügel gehalten
werden. Wird der Finger gebeugt, schnappt er in eine Beugefehlstellung, aus der
heraus er sich nicht mehr aktiv strecken lässt.
■▶ Beachte: Teildurchtrennungen des Mittelzügels werden sehr leicht übersehen
und entwickeln sich oft zur Knopflochdeformität (s. u.). Deshalb Prüfung gegen
Widerstand. Im Zweifel immer Revision!
• Knopflochdeformität (Abb. 5.6): Entstehung primär durch eine Verletzung des
Mittelzügels, durch die bei Beugung das Grundgliedköpfchen wie durch ein
Knopfloch hindurchtritt und die aktive Streckung blockiert. Andererseits kann
sich ein unbemerkt gebliebener kleiner Riss im Mittelzügel weiten und langsam
36
5.1 Strecksehnen-Verletzungen 5

Sehnenverletzungen
Abb. 5.7 • Strecksehnen-Durchtrennung
distal des Connexus intertendineus (Finger
hängt deutlich herab).

Abb. 5.8 • Ruptur der Streckerhaube (meist radial).

zu einer Beugefehlstellung des PIP-Gelenks und einer Überstreckung des DIP-Ge-


lenks führen. Ursache ist das Abgleiten der Seitenzügel nach palmar, die dadurch
das PIP-Gelenk beugen und das DIP-Gelenk überstrecken.
• Knöcherne Ausrisse: Verursachen nur ein diskretes Streckdefizit. Röntgen, vor al-
lem streng seitlich (s. o.)!
▶ Grundglied (Zone 4): In der Regel kaum Streckdefizit, selbst bei Durchtrennung des
Tractus intermedius. Nur bei Durchtrennung der gesamten Aponeurose, was ohne
Knochenbeteiligung kaum möglich ist, hängt das Mittelgelenk.
▶ Grundgelenk (Zone 5):
• Durchtrennung der Sehne des M. extensor digitorum: Deutliches Streckdefizit von
ca. 40° (Abb. 5.7). Häufig ist das Gelenk eröffnet, was röntgenologisch selten zu
erkennen ist, sondern erst bei der Revision bemerkt wird. Typische Lokalisation
von Verletzungen durch Faustschläge gegen die Schneidezähne des Gegners
(Bissverletzungen, S. 111). Eine Röntgenuntersuchung ist obligat.
• Ruptur der Streckerhaube: Die meist radiale, longitudinale Verletzung der Stre-
ckerhaube kann zur Luxation der Sehne führen, was sich mit einem Schnappen
beim Faustschluss bemerkbar macht (Abb. 5.8). Die Sehne luxiert über den Mit-
telhandknochen-Kopf nach ulnar.
▶ Handrücken (Zone 6): Hier werden Verletzungen leicht übersehen, da trotz kom-
pletter Sehnendurchtrennung kein oder nur ein geringes Streckdefizit (10 – 20°) be-
steht. Der Finger wird über die Connexus intertendinei durch die benachbarten
Strecksehnen gestreckt (Abb. 5.9). Prüfung gegen Widerstand! Im Zweifel revidie-
ren.
▶ Handwurzel und Handgelenk (Zone 7): Aufgrund der Connexus intertendinei impo-
niert das klinische Bild isolierter Sehnenverletzungen wie bei Strecksehnen-Durch-
trennung am Handrücken. Bei multiplen Durchtrennungen besteht ein stärkeres
Streckdefizit. Eine isolierte Überprüfung der Handgelenk-Strecksehnen ist nur
schlecht möglich.
■▶ Beachte: Die komplizierte Anatomie macht die Rekonstruktion in diesem Bereich
zu einem Eingriff für den Erfahrenen.

37
5
Sehnenverletzungen 5.1 Strecksehnen-Verletzungen

Abb. 5.9 • Strecksehnen-Durchtren-


nung proximal der Connexus interten-
dinei (Finger hängt kaum herab).

▶ Daumenendgelenk (Zone D 1): Je nach Ausdehnung der Durchtrennung besteht ein


Streckdefizit zwischen 10 und 40°. Eine degenerative Ruptur ist hier selten, kommt
aber vor.
▶ Daumengrundglied (Zone D 2): Eine Durchtrennung bis hin zu 50 % verursacht kli-
nisch keinen Funktionsausfall. Im Zweifel revidieren.
▶ Grundgelenk bis Sattelgelenk (Zonen D 3, D 4, D 5):
• Sehnenverletzung des M. extensor pollicis longus: Die komplette Durchtrennung
führt zu einem deutlichen Hängen des Daumens im Endgelenk. Die Teildurch-
trennung kann unentdeckt bleiben, wenn man nicht revidiert.

▶ Beachte: Die Ruptur der Sehne des M. extensor pollicis longus gilt dann als Un-
fallfolge, wenn sie in eindeutigem Zusammenhang mit einer Radiusfraktur
oder anderen erheblichen Schädigungen am distalen Radiusende steht!
• Sehnenverletzung des M. extensor pollicis brevis: Die Durchtrennung kann überse-
hen werden, da auch der M. extensor pollicis longus das Grundgelenk streckt.
Prüfung gegen Widerstand.
• Sehnenverletzung des M. abductor pollicis brevis: Bei Durchtrennung kommt es zu
einer Schwächung der radialen Abduktion.
▶ Unterarm (Zone 8, tendinöser und muskulärer Bereich): Je nach Ausdehnung mehr
oder weniger starkes Hängen einzelner oder mehrerer Finger im MP-Gelenk. Bei
Beteiligung der Handgelenkstrecker auch Schwäche der Handgelenkstreckung. Prü-
fung gegen Widerstand im Seitenvergleich.
■▶ Beachte: Bei Wunden im proximalen Unterarmbereich kann die Abgrenzung zur
Parese des R. profundus n. radialis klinisch schwierig sein. Es kann sich dort auch
um eine Kombination von Muskeldurchtrennung und Nervenschädigung han-
deln. Bei Ausfall aller Fingerstrecker und deutlicher Radialdeviation bei Streckung
im Handgelenk ist die Parese sehr wahrscheinlich (Abb. 38.8). Steht kein Opera-
tionsmikroskop zur Verfügung, muss der Patient verlegt werden!

Therapie
▶ Prinzipiell primäre Versorgung, auch bei Fleischerverletzungen.
▶ Schnitt- und Sägeverletzungen: Versorgung durch Naht (S. 271 ff.), ggf. temporäre
K-Drahtfixation betroffener Gelenke.
■▶ Beachte: Jede Sehnennaht muss mit vitalem Weichteilgewebe bedeckt sein.
▶ Knöcherne Ausrisse: Primäre oder sekundäre Versorgung durch Osteosynthese
(S. 286).
▶ Traumatische Rupturen:
• Bei erheblichem Streckdefizit ( > 40°) am DIP-Gelenk Sehnennaht (S. 271 f.).
• Bei geringem Streckdefizit am DIP-Gelenk 3 – 4 Wochen Stack-Schiene (Abb. 3.5 a)
(nur bei degenerativer Ruptur 6 – 8 Wochen).
• Am PIP-Gelenk (Abb. 3.5 b) 3 – 4 Wochen Knopflochschiene.
■▶ Cave: Entstehung einer Knopflochdeformität!
• Am Daumenendgelenk Sehnennaht, da die Stack-Schiene hier unbequem ist.
▶ Bissverletzungen: Primärversorgung, zusätzlich Einlegen einer Antibiotika-Miniket-
te oder eines antibotikahaltigen Schwamms (Vorteil: Entfernung nicht erforderlich)
und systemische Gabe von Antibiotika (S. 337 f.).

38
5.2 Beugesehnen-Verletzungen 5
▶ Kombination Sehnenverletzung/Frakturen: Möglichst Periostdeckung, um Verwach-

Sehnenverletzungen
sungen zwischen Sehne und Knochen zu vermeiden. Osteosynthesematerial mit
Weichteilen decken.
■▶ Beachte: Die Drahtspitzen müssen umgebogen oder gekürzt werden, sie dürfen
keinesfalls in den Bereich des Sehnengleitlagers platziert werden (Rupturgefahr)!
• Knochendefekt: Die Knochentransplantation erfolgt vor der Sehnennaht.
• Sehnendefekt: Evtl. primäre Transplantation oder Umkipp-Plastik nach Snow (S. ).
Voraussetzung ist eine gute Weichteildeckung.

Sekundäreingriffe
▶ Sekundärnaht (S. 274): Kann im Bereich der Finger und am Handrücken bis zu
10 Wochen (in Einzelfällen auch noch später) nach der Verletzung versucht werden.
Sie erfolgt nach den gleichen Prinzipien wie die Primärnaht.
▶ Raffnaht (S. 274): Durchführung am Endgelenk und Mittelgelenk möglich.
▶ Tenolyse (S. 274): Lösen von Verwachsungen.
▶ Sehnenkoppelung (S. 274): Rekonstruktion alter Verletzungen im Bereich Handrü-
cken und Handgelenk durch Koppelung an eine benachbarte Sehne.
▶ Sehnentransplantation (S. ).
▶ Sehnenumlagerung (S. 275).
▶ Sekundärnaht des Mittelzügels zur Korrektur einer beginnenden Knopflochdefor-
mität, falls möglich. Sonst Rekonstruktion nach Hellmann (S. 277) oder Snow
(Abb. 26.2, S. ).
▶ Korrektur der habituellen oder posttraumatischen Strecksehnen-Luxation im Be-
reich des MP-Gelenks (S. 274).

Prognose
▶ Die Aussicht auf gute Funktionswiederkehr nach glatten Verletzungen ist sehr gut.
• Ausnahme: Bei Sehnendurchtrennung im Handgelenkbereich häufig Vernarbung:

▶ Beachte: Postoperativ frühe dynamische Mobilisation empfehlenswert (S. 26,
Abb. 3.6).
▶ Dauer der Arbeitsunfähigkeit: Je nach Beruf 3 Tage bis 8 Wochen.

5.2 Beugesehnen-Verletzungen
Grundlagen
▶ Anamnese: Art der Verletzung, Verletzungsmechanismus:
• Schnittverletzungen (Zoneneinteilung Abb. 26.8):
– Schnittverletzungen bei gebeugtem Finger (Abb. 5.10): Distaler Stumpf weit
distal der Wunde, zentraler Stumpf nur wenig proximal der Wunde, schwieri-
ge operative Versorgung!

Abb. 5.10 • Beugesehnen-Durchtrennung bei gebeugtem Finger: distaler Stumpf fern der
Wunde.
39
5
Sehnenverletzungen 5.2 Beugesehnen-Verletzungen

Abb. 5.11 • Beugesehnen-Durchtrennung bei gestrecktem Finger: distaler Stumpf nahe der
Wunde.

– Schnittwunde bei gestrecktem Finger (Abb. 5.11): Distaler Stumpf nahe der
Wunde, einfachere Präparation.
• Sägeverletzungen: Führen meist zu einem Sehnendefekt. Primärversorgung nur
durch erfahrenen Operateur.
• Extreme Zerrung: Durch eine starke Zerrung kann es zu einer geschlossenen Rup-
tur und/oder zum knöchernen Ausriss an der Endgliedbasis (Abb. 27.2, S. 286)
kommen.
▶ Begleitverletzungen: Nerven- und Arterienverletzungen, bei Sägeverletzungen und
scharfen Hiebverletzungen auch Knochenbeteiligung. Röntgenuntersuchung erfor-
derlich.
▶ Sekundärruptur: Plötzlicher Funktionsverlust Tage oder Wochen nach einer Teil-
durchtrennung.

Anatomie
▶ Extrinsische Beugesehnen:
• Finger:
– Die tiefe Beugesehne (M. flexor digitorum profundus, FDP) tritt in Höhe des
proximalen Grundgliedes durch die oberflächliche Beugesehne hindurch und
inseriert an der Endgliedbasis (Abb. 5.12). Ab Grundgliedmitte läuft die Sehne
oberflächlich und wird in diesem Bereich zuerst verletzt.
– Die oberflächliche Beugesehne (M. flexor digitorum superficialis, FDS) inseriert
mit einem ulnaren und radialen Zügel an der Mittelgliedbasis. Von der ober-
flächlichen Beugesehne ziehen ernährende Gefäße zur tiefen Beugesehne (Vin-
culae, Abb. 5.12).
• Daumen: Am Daumen gibt es nur eine extrinsische Beugesehne (M. flexor pollicis
longus, FPL).
▶ Intrinsisches Beugersystem:
• Finger: Die intrinsischen (intrinsisch = Muskelursprung innerhalb der Hand)
Mm. lumbricales und interossei beugen das Grundgelenk.

Abb. 5.12 • Anatomie der Fingerbeugesehnen: (1) Sehne des M. flexor digitorum superficialis,
(2) Sehne des M. flexor digitorum profundus, (3) Hiatus tendineus, (4) Chiasma tendineum,
(5) Vincula longa, (6) Vincula breve.
40
5.2 Beugesehnen-Verletzungen 5

Sehnenverletzungen
Abb. 5.13 • Anatomie der Ringbänder.

• Daumen: Der intrinsische M. flexor pollicis brevis (FPB) ist Teil der Thenarmusku-
latur und beugt das Grundgelenk.
▶ Ringbänder (Abb. 5.13): Sie dienen der Sehnenführung und sind bei Operationen zu
schonen.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
■▶ Cave: Bei jeder tiefen Wunde, auch der kleinsten, ist unbedingt durch sorgfältige
Inspektion auf der Beugeseite von Finger, Hand, Unterarm eine Beugesehnen-Ver-
letzung auszuschließen.
– Isolierte Durchtrennung der Sehne des M. flexor digitorum profundus oder des
M. flexor pollicis longus (Abb. 5.14): Das Endgelenk steht in Streckstellung
(normal: leichte Beugung).
– Isolierte Durchtrennung der Sehne des M. flexor digitorum superficialis
(Abb. 5.15): Erkennbar am verminderten Beugetonus.
– Durchtrennung beider Beugesehnen: Finger befindet sich in eindeutig patholo-
gischer Streckhaltung (Abb. 5.16).
• Prüfung der Motorik: Detaillierte Funktionsprüfung:
– M. flexor digitorum profundus und M. flexor pollicis longus: Bei fixiertem PIP-
Gelenk wird die aktive Beugung im DIP-Gelenk geprüft (Abb. 5.17 a).
– M. flexor digitorum superficialis: Bei gestreckt fixierten Nebenfingern wird die
aktive Beugung im PIP-Gelenk geprüft (Abb. 5.17 b).

Abb. 5.14 • Isolierte Durchtrennung der


Sehne des M. flexor digitorum profundus III:
Endgelenk in Streckstellung.

Abb. 5.15 • Isolierte Durchtrennung der


Sehnen des M. flexor digitorum superficialis II
und III: verminderter Beugetonus.
41
5
Sehnenverletzungen 5.2 Beugesehnen-Verletzungen

Abb. 5.16 • Kombinierte Durchtren-


nung beider Beugesehnen: aufge-
hobener Beugetonus.

Abb. 5.17 • a, b Klinische Prüfung der


Funktion des M. flexor digitorum pro-
fundus (a), klinische Prüfung des M.
flexor digitorum superficialis (b).

– M. flexor digitorum superficialis II: Prüfung der aktiven Beugung im PIP-Gelenk


mit passiv überstreckt gehaltenem DIP-Gelenk.

Wichtig
▶ Bei Kleinkindern ist eine differenzierte motorische Prüfung nicht möglich. Im
Zweifel revidieren!
▶ Die oberflächliche Kleinfinger-Beugesehne kann fehlen.
▶ Einseitige Handgelenk-Beugesehnenausfälle sind bei akuten Verletzungen
schwierig zu prüfen.
▶ Immer auch Prüfung gegen Widerstand. Ist die Beugung dabei nicht möglich oder
schmerzhaft, besteht Verdacht auf Teildurchtrennung! Im Zweifel operative Revi-
sion!
▶ Mit guten Ultraschalluntersuchungen auch sonografische Diagnose möglich.

Therapie
▶ Operative Therapie: Beugesehnen-Durchtrennungen aller Lokalisationen unter nor-
malen Umständen prinzipiell primär versorgen.
• Ausnahmen: Keine adäquate Versorgungsmöglichkeit, lebensbedrohliche Begleit-
verletzungen, starker Rausch.
■▶ Beachte:
– Die Durchführung der Beugesehnennaht erfordert handchirurgische Erfah-
rung! Ist die Primärversorgung durch den Erstuntersucher nicht möglich, um-
gehende Überweisung zum Spezialisten!
– Die besonders anspruchsvolle Versorgung in Zone 2 (Mittelglied) sollte unbe-
dingt ein ausgebildeter Handchirurg vornehmen.
– Auch Fleisch- und Fischmesserverletzungen sowie Bissverletzungen werden
primär versorgt. Eigenen Untersuchungen zufolge ist die Infektionsgefahr ge-
ring!
– Gute Versorgung frühsekundär ist besser als schlechte Versorgung primär!
– Nach 6 Wochen ist die Chance auf Sekundärnaht gering.
42
5.2 Beugesehnen-Verletzungen 5
Prognose

Sehnenverletzungen
▶ In der Hand des Erfahrenen sind die Ergebnisse nach primärer Beugesehnennaht
bei Schnittverletzungen in etwa 90 % gut oder sehr gut, bei Sägeverletzungen in
70 % gut oder befriedigend.
▶ Arbeitsunfähigkeit: Genähte Beugesehnen sind nach 8 Wochen voll belastbar. Nicht
manuell Tätige können je nach Beruf früher arbeitsfähig werden.

Sekundäreingriffe
▶ Sekundärnaht (S. 283)
▶ Arthrodese des DIP-Gelenks (S. 382): Bei älterer isolierter Durchtrennung einer tie-
fen Beugesehne.
▶ Sehnentransposition (S. 283): Bei älterer proximaler Durchtrennung beider Beuge-
sehnen oder der Sehne des M. flexor pollicis longus wird die Sehne des M. flexor di-
gitorum superficialis vom Nebenfinger auf den peripheren Sehnenstumpf des M.
flexor digitorum profundus transponiert.
▶ Zweizeitige Beugesehnen-Transplantation (S. 283): Bei älterer distaler Durchtren-
nung beider Beugesehnen.
▶ Tenolyse (S. 284).

43
6 6.1 Fingerfrakturen

6 Frakturen
Frakturen

6.1 Fingerfrakturen
Grundlagen
▶ Frakturen der Finger werden beschrieben nach Lokalisation, Frakturtyp und beglei-
tender Weichteilschädigung (Abb. 6.1, Abb. 6.2).
▶ Kindliche Fraktur: Alle oben genannten Frakturtypen kommen auch am wachsen-
den Skelett vor. Basisfrakturen zeigen fast immer Epiphysenbeteiligung. Abb. 6.3
zeigt die Einteilung nach Salter-Harris:
• Typ I: Epiphysenabscherung.
• Typ II: Epiphysenabscherung und metaphysärer Kantenabbruch.
• Typ III: Intraartikuläre Epiphysenfraktur.
• Typ IV: Dislozierte Schrägfraktur durch Epiphyse, Wachstumsfuge, Metaphyse.
• Typ V: Stauchungsfraktur der Wachstumsfuge.

Klinisches Bild, Diagnostik


▶ Klinische Untersuchung:

Hinweise auf eine Fraktur


Schwellung, Bewegungseinschränkung, Achsenfehlstellung und Rotationsfehlstel-
lung!

Abb. 6.1 • a–d Frakturtypen (Schaft): Querfraktur (a), Schrägfraktur (b), Torsionsfraktur (c),
Mehrfragmentfraktur (d).

Abb. 6.2 • a–g Frakturtypen Gelenk: unikondylär (a), bikondylär (b), Mehrfragment-Kopffrak-
tur (c), knöcherner Basisausriss mit zunehmender Luxation (d–g).
44
6.1 Fingerfrakturen 6

Frakturen
Abb. 6.3 • Epiphysenfrakturen, Klassifikation in die Typen I–V nach Salter-Harris s. Text.

Beachte
Palpation und Manipulation ohne Betäubung sind schmerzhaft und daher zu un-
terlassen!

• Offene Frakturen: Dokumentation des Grades der Weichteilschädigung:


– Grad 1: Einfache Durchspießungswunde.
– Grad 2: Große Wunde, aber vitale Weichteile.
– Grad 3: Ausgedehnte Wunde mit avitalen Gewebsteilen, Décollement, primä-
rer Verschluss unmöglich.
• Dislokation: Starke Dislokation können Gefäß- und/oder Nervenschäden verursa-
chen. Vorgehen: Dokumentation und präoperative Reposition in Fingeranästhe-
sie.
▶ Röntgenuntersuchung: Hiermit wird die endgültige Diagnose gestellt:
• Durchführung: Jeden Finger einzeln exakt in 2 Ebenen röntgen, nicht die ganze
Hand, denn Fingerfrakturen lassen sich auf Röntgenaufnahmen der ganzen Hand
nur unzureichend beurteilen.
■▶ Beachte: Eine exakte Beurteilung ist nur bei korrekter Röntgentechnik möglich!
Auf schrägen und halbschrägen Aufnahmen können dislozierte gelenknahe Frag-
mente, bei kleinen Kindern sogar subkondyläre Frakturen übersehen werden
(Abb. 6.4).
• Befundinterpretation:
– Dislokation: Achsenfehlstellung > 15° und ein deutlich klaffender Frakturspalt
sind eindeutige Dislokationszeichen. Bei weitem Spalt zwischen Fragmenten
besteht Verdacht auf eine Weichteil-Interposition.
– Gelenkbeteiligung: Der Frakturspalt verläuft bis in die Gelenkfläche, Stufenbil-
dung (Impression) in einer Gelenkfläche, Abriss eines Gelenkfragments.
– Hinweise auf die Stabilität einer Fraktur: Nicht oder gering dislozierte Schräg-
und Torsionsfrakturen sind fast immer stabil. Querfrakturen sind meist insta-
bil. Stärker dislozierte Frakturen sind fast immer instabil. Beachte: Gute Beweg-
lichkeit spricht eher für Stabilität, schlechte Beweglichkeit eher für Instabilität.

45
6
Frakturen 6.1 Fingerfrakturen

Abb. 6.4 • a, b Fehlermöglichkeit bei


nicht exakt seitlicher Röntgentechnik: Bei
Schrägaufnahme (a) ist die Fraktur kaum,
die Dislokation nicht erkennbar. Erst die
korrekte Einstellung (b) ermöglicht die
einwandfreie Diagnose.

Allgemeine Therapieprinzipien
▶ Therapieziele:
• Die Wiederherstellung der Fingerbeweglichkeit und Handfunktion ist das Ziel der
Behandlung, nicht unbedingt die der Röntgenanatomie!
• Die funktionelle konservative Therapie (trotz Fraktur früh bewegen) und die funk-
tionelle operative Therapie (nach Osteosynthese früh bewegen) sind die wichtigs-
ten Wege zum Ziel.
■▶ Beachte: Lange Ruhigstellung ohne Bewegung führt zu Bewegungseinschränkung
und ist zu vermeiden!
▶ Konservative Therapie:
• Indikationen:
– Stabile Frakturen.
– Frakturen, die durch geschlossene Reposition stabilisiert werden können.
– Nicht oder wenig dislozierte Frakturen.
– Frakturen ohne Gelenkbeteiligung.
– Frakturen ohne Rotationsfehlstellung.
■▶ Beachte: Eine geschlossene Reposition bei Gelenk- und Schaftfrakturen führt sel-
ten zu Übungsstabilität; im proximalen, gelenknahen spongiösen Bereich ist eine
stabile Retention eher möglich.
• Durchführung: Behandlung durch Schienung, die gleichzeitig Bewegung erlaubt.
Langsame Steigerung der Bewegung bis zu vollem Umfang. Die Ruhigstellung bei-
behalten, bis Zeichen knöcherner Durchbauung erkennbar sind; dies ist selten
länger als 3 Wochen notwendig.
▶ Operative Therapie:
• Indikationen: Bereits eines dieser Kriterien reicht für die OP-Indikation:
– Instabile Fraktur.
– Fraktur mit eindeutiger Dislokation.
– Fraktur mit Gelenkbeteiligung.
– Fraktur als Teil einer komplexen Verletzung.
■▶ Beachte: Entscheidend ist der Frakturtyp, nicht ob eine Fraktur offen ist!
46
6.1 Fingerfrakturen 6
• Durchführung: Behandlung durch frühzeitige stabilisierende Osteosynthese. Die

Frakturen
Nachbehandlung erfolgt analog der konservativen Behandlung. Hierbei richten
sich Intensität und Umfang der Bewegung nach der Stabilität der Osteosynthese.
▶ Therapie kindlicher Frakturen:
• Gelenkfrakturen und dislozierte Epiphysenfrakturen: In diesen Fällen ist eine Ope-
ration notwendig.
• Schaftfrakturen: Sie lassen sich reponieren und mit dorsaler Unterarm-Finger-
gipsschiene in Intrinsic-plus-Stellung (S. 24) statisch ruhigstellen, da die Fraktu-
ren so rascher heilen und die Wiederbeweglichkeit unproblematischer erreicht
wird.

Beachte
▶ Palmare und dorsale Fehlstellungen werden im weiteren Wachstum ausgeglichen,
seitliche Achsenfehlstellung und Drehfehler jedoch nicht!
▶ Bei sekundärer Dislokation muss ebenfalls eine operative Behandlung erfolgen!

Konservative Therapie
▶ Nagelkranzfraktur:
• Trepanation eines subungualen Hämatoms (S. 312).
• Ruhigstellung: Primär nur 5 – 10 Tage mit einer Fingergipsschiene (Abb. 3.4,
S. 25 f.), dann weitere 2 Wochen Stack-Schiene (Abb. 3.5 a, S. 25 f.) als Schutz.
▶ Frakturen ohne Dislokation: Schaftfrakturen aller Phalangen ohne wesentliche Dis-
lokation, Mehrfragmentfrakturen die nicht stark disloziert sind (durch Periost und
Ligamente verbunden, dadurch relativ stabil) und Gelenkfrakturen ohne Disloka-
tion („Sprung in der Tasse“):
• Ruhigstellung: Dorsale Unterarm-Fingergipsschiene in Sicherheitsposition (S. 25).
Bei fraglicher Stabilität kann evtl. eine 10-tägige statische Ruhigstellung indiziert
sein, bei ausreichender Stabilität von Anfang an Bewegung ohne Kraftanstren-
gung. Besonders auf eine vollständige Streckung des PIP-Gelenks achten!
■▶ Tipp: Analog der Behandlung von Beugesehnen-Verletzungen kann man ein
Gummizügel am Nagel fixieren, um eine zu kräftige Beugung zu verhindern
(S. 282).
• Radiologische Kontrollen: Röntgenkontrolle einmal wöchentlich, in fraglichen Fäl-
len öfter, durchführen. Bei sekundärer Dislokation ist eine Operation indiziert.
Finger bei Zeichen des knöchernen Durchbaus (normal 3 Wochen) freigeben. Evtl.
8 – 10 Tage Schutz durch eine abnehmbare Schiene.
▶ Dislozierte Schaftfrakturen: Ein geschlossener Repositionsversuch ist vertretbar,
wenn eine Operation abgelehnt wird oder aus anderen Gründen nicht möglich ist:
Versuch der Fragmentverzahnung unter Zug in Mittelhandanästhesie, um Stabilität
zu erreichen. Das Ergebnis lässt sich klinisch durch Inspektion (achsengerechtes
Aussehen) und Palpation beurteilen, eine Röntgenkontrolle ist obligat.
▶ Knöcherne Ausrisse: Dorsale und palmare Ausrisse ohne Dislokation und ohne Sub-
luxation: Ruhigstellung durch Anlage einer Fingergipsschiene bis zur Abschwellung,
danach bei Ausriss am Endgelenk Versorgung mit einer Stack-Schiene, bei Ausriss
am Mittelgelenk dorsal mit einer Knopflochschiene (Abb. 3.5 b) bis zur knöchernen
Durchbauung. Palmare Abrisse an der Mittelgliedbasis (Abb. 6.2 d) geringen Ausma-
ßes funktionell behandeln.
▶ Knöcherner Abriss der Grundgliedbasis ohne Dislokation: 3 Wochen Ruhigstellung
mit dorsaler Unterarm-Daumenschiene, zwischendurch vorsichtige Bewegungs-
übungen, um Einsteifungen zu vermeiden.

▶ Beachte: Eine Phalanxbasisfraktur mit so starke Zertrümmerung, dass eine Rekon-
struktion nicht möglich ist, ebenfalls in oben beschriebener Weise funktionell be-
handeln, um die Beweglichkeit des betroffenen Gelenks zu erhalten.

47
6 6.2 Mittelhandfrakturen

Operationsindikationen
Frakturen

▶ Schaftfrakturen der Phalangen mit relevanter Dislokation (S. 287 f.).


▶ Impressions- und Basisfrakturen mit Dislokation (S. 289 f.).
▶ Knöcherner Strecksehnenabriss des Endgliedes mit Dislokation (S. 286).
▶ Uni- und bikondyläre Frakturen (Abb. 6.2).
▶ Knöcherne Beugesehnenausrisse an der Endgliedbasis mit Dislokation (S. 286).
▶ Knöcherner Kapselausriss an der Mittelgliedbasis mit Luxation.
▶ Knöcherner Bandausriss an der Grundgliedbasis (meistens Daumen ulnar) mit Dis-
lokation (S. 289).

Prognose
▶ Die Prognose ist abhängig vom Frakturtyp und Schweregrad. Bei korrekter funk-
tioneller konservativer oder operativer Behandlung ist in den meisten Fällen eine
gute bzw. nützliche Wiederbeweglichkeit zu erwarten. Die schlechteste Prognose
haben Mittelgelenk-Luxationsfrakturen.

Sekundäreingriffe
▶ Tenolysen (S. 274), Arthrolysen (S. 309 f.) zur Verbesserung der Beweglichkeit.
▶ Pseudarthrosen-Sanierung durch Spongiosaplastik (S. 301).
▶ Korrektur von Fehlstellungen durch Osteotomie (S. 300).
▶ Bei schmerzhafter Wackelsteife von Gelenken Arthrodese (S. 382).

Fehler und Gefahren


▶ Zu lange Ruhigstellung führt zu Bewegungseinschränkung.
▶ Ruhigstellung in fehlerhafter Position führt zu Gelenksteife.
▶ Ruhigstellung unverletzter Finger kann diese schädigen.

6.2 Mittelhandfrakturen
Frakturtypen
▶ Kopffraktur (intraartikulär) (Abb. 6.5 a).
▶ Subkapitale Fraktur (vorwiegend Mittelhandknochen V) (Abb. 6.7).
▶ Schaftfraktur (quer, schräg, Torsion) (Abb. 6.5 b).
▶ Mehrfragmentfraktur.
▶ Defektfraktur (z. B. Sägeverletzung).
▶ Basisfrakturen der Mittelhandknochen II–V (intraartikulär, Abb. 6.5 c).
▶ Luxationsfraktur des Mittelhandknochens I (Bennett, Abb. 27.5).
▶ Y-förmige Fraktur der Basis des Metakarpale I mit Gelenkbeteiligung (Rolando).
▶ Basisnahe Querfraktur des Metakarpale I ohne Gelenkbeteiligung (Winterstein).

Klinisches Bild, Diagnostik


▶ Klinische Untersuchung:
• Eine Schwellung besteht häufig am ganzen Handrücken, besonders wenn Patien-
ten verspätet kommen (Ausschlafen des Rausches nach Schlägerei!).
• Im Mittelhandkopfbereich auf Verletzungen durch Zahnschlag achten.
• Der Mittelhandkopf kann durch Dislokation nach palmar absinken.
• Ein Drehfehler kann nur klinisch beurteilt werden (Abb. 6.6).
▶ Röntgenuntersuchung: Durchführung in 3 Ebenen (d.-p., schräg und seitlich). Bei
Kopffrakturen ist zusätzlich eine axiale Aufnahme nach Brewerton erforderlich.
■▶ Beachte: Eine subkapitale palmare Dislokation und Subluxation im Karpometa-
karpalgelenk ist nur im seitlichen Bild exakt zu beurteilen!

48
6.2 Mittelhandfrakturen 6

Frakturen

Abb. 6.5 • a–c Operationsindikationen am Mittelhandknochen: Dislozierte Kopffraktur (a),


dislozierte Schaftfraktur (b), dislozierte Basisfraktur (c).

49
6
Frakturen 6.2 Mittelhandfrakturen

Abb. 6.6 • Drehfehlstellung des


Kleinfingers bei Mittelhandfrak-
tur V.

Abb. 6.7 • Subkapitale Mittelhandfraktur.


Am Kleinfinger notfalls palmare Kippung bis
50° tolerabel.

Therapie
▶ Mittelhandknochen-Kopffraktur:
• Konservative Therapie: Versuch nur bei erhaltener Gelenkfläche indiziert.
• Operative Therapie (S. 289 f.): Bei Stufenbildung oder Dislokation.
▶ Subkapitale Mittelhandknochen-Fraktur:
• Konservative Therapie: Bei der häufigen Lokalisation am Mittelhandknochen V ist
eine palmare Kippung bis 50° notfalls tolerierbar (Abb. 6.7). Behandlung ca. 1 Wo-
che mit dorsaler Gipsschiene ohne Fingereinschluss bis zum Abschwellen, dann
gipsfrei funktionell. Volle Belastung ist nach 4 Wochen möglich.
– Vorteil: Die Beweglichkeit des MP-Gelenks und damit der Faustschluss bleiben
unbeeinträchtigt.
– Nachteil: Die konservative Therapie hat lediglich einen kosmetischen Effekt
(abgesunkener Mittelhandknochen-Kopf).
• Operative Therapie (S. 289): Bei einer palmaren Kippung ab 20° ist eine intrame-
dulläre Drahtfixation ein sehr gutes Verfahren.

▶ Cave: Bei offenen Verfahren erhebliche Gefahr postoperativer MP-Gelenkein-
steifung (Abb. 6.9)!
▶ Mittelhandknochen-Schaftfraktur:
• Konservative Therapie: Indiziert bei geringer oder mittelgradiger Dislokation ohne
Drehfehler (Abb. 6.8). 3 Wochen Ruhigstellung mittels dorsaler Gipsschiene ohne
Fingereinschluss. Die Finger, vor allem die MP-Gelenke, sollten früh bewegt wer-
den!

50
6.2 Mittelhandfrakturen 6

Frakturen
Abb. 6.8 • Kaum dislozierte Mittelhandknochen-Schaftfraktur, geeignet für konservative
Behandlung.


▶ Beachte: Frakturen der Mittelhandknochen III/IV sind durch muskuläre und li-
gamentäre Führung (Lig. metacarpale transversum profundum) oft trotz Dislo-
kation stabil und lassen sich daher ggf. konservativ behandeln.
• Operative Therapie (S. 289 f.): Dislokationen, Drehfehler und Serienfrakturen er-
fordern ein operatives Vorgehen.
▶ Mittelhandknochen-Basisfraktur: Betroffen sind meist die Mittelhandknochen IV
und/oder V. Anatomische Besonderheit: Beide Mittelhandknochen haben eine ge-
meinsame Gelenkfläche mit dem Os hamatum.
• Konservative Therapie: Indiziert bei Frakturen, die nicht oder wenig disloziert
sind. Ruhigstellung mittels dorsaler Gipsschiene, ggf. nach Abschwellung auch
zirkulärer Gips, für 3 Wochen. Die MP-Gelenke unbedingt frei lassen!
• Operative Therapie (S. 289): Bei einer Stufenbildung im Gelenk obligate operative
Korrektur!
▶ Basisfraktur Mittelhandknochen I:
• Konservative Therapie: Frakturen ohne Dislokation und ohne Gelenkbeteiligung
mit dorsaler Unterarm-Daumengipsschiene 3 – 4 Wochen ruhigstellen.
• Operative Therapie (S. 289): Bennett-Frakturen sind fast immer stärker disloziert,
als es den Anschein hat! Durch Zug der Sehne des M. abductor pollicis longus
kommt es in den meisten Fällen zu einem Abrutschen der Fraktur, so dass eine
operative Behandlung notwendig wird. Rolando-Frakturen und andere Mehrfrag-
mentfrakturen grundsätzlich operativ versorgen!

Prognose
▶ Bei Beachtung der oben beschriebenen Prinzipien ist die Prognose gut.

Sekundäreingriffe
▶ Pseudarthrosen-Sanierungen und Korrekturosteotomien sind selten indiziert.
▶ Häufig ist eine Arthrolyse der MP-Gelenke IV und V erforderlich (S. 311).
51
6
Frakturen 6.3 Handwurzelfrakturen

Abb. 6.9 • Einsteifung des


Kleinfinger-Grundgelenks
nach Osteosynthese einer
subkapitalen Fraktur.

▶ Bei in Fehlstellung verheilten Basisfrakturen II–V wird eine Arthrodese durchge-


führt (S. 383).
▶ Bei schmerzhafter Sattelgelenkarthrose kann eine Arthroplastik indiziert sein
(S. 383).

Fehler und Gefahren


▶ Sog. redressierende Gipse (Böhler-Gips!) können zu Drucknekrosen und/oder
Durchblutungsstörungen führen und sind daher nicht nur obsolet, sondern gefähr-
lich!

6.3 Handwurzelfrakturen
Grundlagen
▶ Handwurzelfrakturen sind häufig vorkommende Frakturen. Weitaus am häufigsten
ist die Kahnbeinfraktur (Tab. 1.1).
▶ Bei typischer Anamnese (Sturz auf die gestreckte Hand) Handwurzelfraktur positiv
ausschließen!
▶ Handgelenkverletzungen werden oft bagatellisiert. Patienten kommen daher häufig
erst spät zur Untersuchung.

Klinisches Bild, Diagnostik


▶ Klinische Untersuchung:
• Allgemeine Symptome: Schwellung und schmerzhaft eingeschränkte Handge-
lenk-Beweglichkeit.
• Druckschmerz analog der anatomischen Lokalisation (Abb. 6.10).

Tab. 1.1 • Frakturhäufigkeit an der Handwurzel.

Fraktur Häufigkeit (%)

Scaphoideum 78,8
Triquetrum 13,8
Trapezium 2,3
Hamatum 1,5
Lunatum 1,4
Pisiforme 1,0
Kapitatum 1,0
Trapezoid 0,2
52
6.3 Handwurzelfrakturen 6

Frakturen
Abb. 6.10 • a–d Anatomische Lokalisation der wichtigsten Handwurzelknochen: Kahnbein (a),
Mondbein (b), Hamatum (c), Triquetrum (d).

▶ Röntgenuntersuchung: Grundsätzlich Aufnahmen des Handgelenks in 4 Ebenen


(S. 56), bei Frakturverdacht ggf. Spezialeinstellungen, Zielaufnahmen.
▶ CT, MRT: Wichtige und nützliche Zusatzuntersuchungen zum Nachweis einer Hand-
wurzelfraktur.

Therapie
▶ Os-trapezium-Fraktur:
• Konservative Therapie: Nicht dislozierte Frakturen 3 – 4 Wochen ruhigstellen.
• Operative Therapie: Bei Dislokation ist eine Operation indiziert.
• Frakturen des Os trapezoideum sind extrem selten. Identische Therapie.
▶ Os-capitatum-Fraktur:
• Konservative Therapie: Isolierte Frakturen des Os capitatum 3 – 4 Wochen ruhig-
stellen.
• Operative Therapie: Von Bedeutung ist das Skaphokapitatumfraktur- oder SCF-
Syndrom (Abb. 6.11 a), eine Kombination aus dislozierter Kahnbeinfraktur und
Fraktur des proximalen Drittels des Os capitatum, das um 180° verdreht ist.

▶ Cave: Oft wird nur die Kahnbeinfraktur diagnostiziert und die Kapitatumfrak-
tur übersehen! Bei frischen Frakturen ist immer eine Operation indiziert
(Abb. 6.11 b).
▶ Os-hamatum-Fraktur: Häufig bei Golf- und Tennisspielern.
• Diagnostik: Bei Hamulusfraktur oder -pseudarthrose charakteristischer Druck-
schmerz über dem Hypothenar. Röntgen: Karpaltunnel-Spezialaufnahme, evtl. CT
(Abb. 6.12).
• Konservative Therapie: Fraktur ohne Dislokation konservativ durch 4-wöchigen
Ruhigstellung behandeln.

53
6
Frakturen 6.3 Handwurzelfrakturen

Abb. 6.11 • a, b SCF-Syndrom (s. Text). Gut erkennbare nach distal gerichtete Gelenkfläche des
Kapitatumfragments (a). Nach offener Reposition und K-Drahtfixation (b).

Abb. 6.12 • Pseudarthrose


des Hamulus ossis hamati
im CT.

• Operative Therapie: Frakturen mit Gelenkbeteiligung (Karpometakarpalgelenk IV/


V) oder erheblicher Dislokation der Korpusfragmente operativ versorgen. Evtl.
zusätzlich operative Karpaltunneltherapie.
▶ Os-lunatum-Fraktur: Vorkommen extrem selten, meistens als Fraktur des palmaren
Pols oder als dorsaler schalenförmiger Abriss.
• Konservative Therapie: 3 – 4 Wochen Ruhigstellung.
• Operative Therapie: Bei dislozierten Fragmenten Osteosynthese.
■▶ Beachte: Ein Kausalzusammenhang zwischen Fraktur und Nekrose ist bisher un-
bewiesen.
▶ Os-triquetrum-Fraktur: Meist dorsale Ausrisse, selten Knochenkörper betroffen.
• Konservative Therapie: 1 – 2 Wochen Ruhigstellung mit einer dorsalen Gipsschie-
ne, bei Korpusfrakturen 3 – 4 Wochen.
• Operative Therapie: Bei Dislokation operativ vorgehen.

Sekundäreingriffe
▶ Bei symptomatischen Arthrosen kann eine interkarpale Arthrodese oder eine Re-
sektionsarthroplastik notwendig werden.

54
6.4 Kahnbeinfrakturen 6
Fehler und Gefahren

Frakturen
Achtung
▶ Verletzungen der Handwurzel nicht bagatellisieren!
▶ Frakturen nicht übersehen, insbesondere durch inadäquates Röntgen:Das Hand-
gelenk in 2 Ebenen reicht in den meisten Fällen nicht aus!

6.4 Kahnbeinfrakturen
Grundlagen
▶ Die Kahnbeinfraktur stellt die häufigste und zugleich problematischste Handwur-
zelfraktur dar.
▶ In über 90 % sind Männer betroffen, häufig im Alter von 20 – 30 Jahren. Kahnbeinf-
rakturen kommen aber auch bei Kindern und älteren Frauen vor.

▶ Beachte: Die Klassifikation nach Herbert (Abb. 6.13 a–f) teilt die Kahnbeinfrakturen
in stabile und instabile Frakturen ein, basiert aber auf der Auswertung von Rönt-
genbildern. Besser an der CT-Untersuchung orientieren!

Abb. 6.13 • Klassifika-


tion der Kahnbeinfraktu-
ren (nach Herbert):
Typ A1 Fraktur Tuberku-
lum; A2 nicht dislozierte
Fraktur Kahnbeinmitte;
B1 Schrägfraktur; B2 insta-
bile (dislozierte) Quer-
fraktur Kahnbeinmitte;
B3 Fraktur proximaler Pol;
B4 stark dislozierte Frak-
tur (z. B. transskaphoi-
dale perilunäre
Luxationsfraktur).
55
6 6.4 Kahnbeinfrakturen

Anamnese
Frakturen

▶ Verletzungsmechanismus: Sturz oder Anprall auf die Radialseite des gestreckten


Handgelenks. Häufige Verletzung beim Fußball (Torwart), Handball, Inline-Skating,
Mountainbiking, Snowboarden etc.

▶ Beachte: Anamnese exakt erheben (Augenmerk auf frühere „Distorsionen“), auch
aus versicherungsrechtlichen Gründen! Oft hat das angeschuldigte Ereignis nicht
zur Fraktur geführt. Eine vorbestehende, symptomlose Kahnbein-Pseudarthrose
kann aufgrund eines erneuten (Bagatell-)Traumas Beschwerden verursachen! Ver-
wechslungsgefahr „frisch“ und „alt“!

Klinisches Bild, Diagnostik


▶ Klinische Untersuchung: Schwellung radiokarpal, Druckschmerz bei Palpation des
Kahnbeins in der Tabatiere und über dem distalen Kahnbeinpol. Schmerzen bei Be-
wegung, besonders bei gleichzeitigem Hin-und-Herbewegen der Handwurzel in ra-
dioulnarer Richtung.
▶ Röntgenuntersuchung: Bei klinischem Verdacht exakte Aufnahmen des Handge-
lenks in 4 Ebenen: dorsal-palmar mit geballter Faust, exakt seitlich sowie 2 schräge
Aufnahmen (45° Supination und Pronation). In ulnarer Deviation ergibt sich eine
noch bessere Darstellung des Knochens, da er sich streckt.
■▶ Cave: Trotz exakter Röntgentechnik sind frische Kahnbeinfrakturen im Nativbild
mitunter nicht sicher zu diagnostizieren!
• Befundinterpretation:
– Die Unterbrechung des seitlich vom Kahnbein verlaufenden Fettstreifens kann
auf eine Fraktur hinweisen.
– In der seitlichen Aufnahme kann man Zeichen karpaler Instabilität erkennen,
vorwiegend eine Dorsalkippung des Mondbeins.
– Wird eine Fraktur klinisch vermutet, ist im Röntgenbild jedoch nicht nachweis-
bar, probatorische Ruhigstellung. Kurzfristige CT-Kontrolle!
▶ CT oder MRT: CT in der Längsachse als Dünnschicht-CT. Axiale Rekonstruktionen
mit einer Schichtdicke über 1 mm sind nicht akzeptabel und erhöhen das Risiko, die
Fraktur auch im CT zu übersehen. Vorteil der CT gegenüber der MRT ist die Tatsa-
che, dass neben der Diagnosestellung auch die Frakturmorphologie exakt beurteilt
und damit die Therapieentscheidung operativ versus konservativ getroffen werden
kann.

Verwechslungsgefahr „frisch“ und „alt“!


Es ist für die Behandlungsstrategie wichtig, das Alter der Fraktur abzuschätzen.
Ältere Frakturen oder sogar Pseudarthrosen können als frisch fehlinterpretiert
und sinnlos wochenlang ruhiggestellt werden. Zeichen der älteren Fraktur sind
Sklerosierung der Frakturflächen, Erosionen, Zysten, DISI-Fehlstellung. Ein breiter
Frakturspalt mit Resorptionssaum deutet immer auf eine alte Verletzung im Sin-
ne einer Pseudarthrose hin.

Konservative Therapie
▶ Alle unverschobenen Frakturen im mittleren und distalen Drittel sind als stabil an-
zusehen und können konservativ behandelt werden.
▶ Art der Immobilisation: Die Ruhigstellung erfolgt mittels Unterarm-Kahnbeingips
unter Einschluss des Daumengrundgelenks (Abb. 6.14).
■▶ Beachte: Der Oberarmgips zur Behandlung von Kahnbeinfrakturen ist obsolet! Es
gibt keine gesicherten Beweise, dass die Ausschaltung der Unterarmdrehung die
knöcherne Heilung des Kahnbeins fördert.
▶ Dauer der Immobilisation und radiologische Kontrolle: Zunächst 6 Wochen ruhig-
stellen. Danach Röntgenkontrolle inklusive Kahnbeinquartettserie. Bei Durchbau
56
6.4 Kahnbeinfrakturen 6

Frakturen
Abb. 6.14 • Kahnbeingips mit Einschluss des Daumen-
grundgelenks. Die Fingergrundgelenke müssen frei
beweglich bleiben.

Freigabe und Physiotherapie, bei Unsicherheit CT, ggf. weitere 2–4 Wochen ruhig-
stellen. Falls dann Unsicherheit besteht: erneute CT-Kontrolle und ggf. Verfahrens-
wechsel.

▶ Beachte: Bei CT-Kontrolle ist eine Untersuchungen in 2 Achsen (axial und längs)
zu fordern!

Wichtig
▶ Alle Frakturen, die durch beide Kortikales verlaufen, sind potenziell instabil und
dislokationsgefährdet!
▶ Bei anderen als den oben angegebenen Frakturen ist eine konservative Therapie
fragwürdig oder falsch! Sie führt zu inakzeptabel langen Ruhigstellungszeiten, zu
Pseudarthrosen, Heilung in Fehlstellung, fixierten karpalen Instabilitäten und ext-
rem frustrierten Patienten!
▶ Nach der oben angegebenen Ruhigstellungszeit kann bei entsprechendem radio-
logischem Befund die Fraktur als übungsstabil, jedoch noch nicht als belastungs-
stabil angesehen werden. Bewegungsübungen sind erlaubt, jedoch muss das
Kahnbein weitere 4 Wochen durch eine abnehmbare Schiene vor Belastung oder
erneutem Trauma geschützt werden.
▶ Jede konservativ ausbehandelte Kahnbeinfraktur muss nach einem Jahr radiolo-
gisch kontrolliert werden, um die Entstehung einer Pseudarthrose (S. 58 ff.) aus-
zuschließen!

Operationsindikationen
▶ Alle verschobenen Frakturen ebenso wie Trümmerfrakturen bevorzugt operativ sta-
bilisieren (spezielle Kahnbeinschrauben, z. B. Headless bone screw von KLS Martin,
Tuttlingen) (S. 291 ff.). Frakturen im proximalen Drittel – ob verschoben oder nicht
– aufgrund ihrer Lokalisation und der damit verbundenen prekären Blutversorgung
grundsätzlich operativ stabilisieren.
▶ Sekundär dislozierte Frakturen nach konservativer Therapie.

57
6 6.5 Kahnbein-Pseudarthrose

▶ Radiologisch erkennbare (zunehmende Verdichtung des Knochens) Durchblutungs-


Frakturen

störung des proximalen Fragments im Laufe konservativer Therapie.

Prognose
▶ Es gibt Frakturen, die unerkannt bleiben und unbehandelt heilen.
▶ Es gibt Frakturen günstiger Lokalisation, die trotz akkurater konservativer Therapie
in kurzer Zeit pseudarthrotisch werden, entweder infolge schlechter Durchblutung
oder Weichteilinterposition.
▶ Knochenheilungsstörungen sind bei proximalen Frakturen wegen der schlechten
Blutversorgung dieses Bereichs häufig.
▶ Verheilt die Fraktur in Verkürzung und palmarer Abknickung mit dorsaler Buckel-
bildung (humpback deformity), kann, besonders bei Jugendlichen, eine Korrektur-
osteotomie indiziert sein (S. 300).
▶ Nach korrekt ausgeführter stabiler Osteosynthese ist die Prognose gut, jedoch ist ei-
ne Fragmentnekrose mit nachfolgender Pseudarthrose auch dann nicht ausge-
schlossen.
▶ Eine sekundäre Arthrose der gesamten Handwurzel ist bei unbehandelter Fraktur
möglich.

6.5 Kahnbein-Pseudarthrose
Grundlagen
▶ Definition: Von Pseudarthrose spricht man, wenn trotz aller Maßnahmen oder nach
unbehandelter Fraktur eine knöcherne Heilung ausbleibt.
▶ Ätiologie: Pseudarthrosen entstehen, insbesondere bei proximalen Frakturen
(Abb. 6.13), häufig aufgrund der schlechten Vaskularisation des Kahnbeins
(Abb. 6.15 a).

▶ Beachte: Verzögerte Frakturheilung innerhalb von 12 Wochen aufgrund schlechter
Vaskularisation oder insuffizienter Ruhigstellung ist noch keine Pseudarthrose, son-
dern wird als verzögerte Frakturheilung (delayed union) bezeichnet!

Pseudarthrosetypen (nach Herbert; Abb. 6.16)


▶ Typ 1: Pseudarthrose mit straffer, fibröser Überbrückung. Kein karpaler Kollaps,
keine degenerative Zeichen.
▶ Typ 2: Pseudarthrose ohne Dislokation. Geringe pathologische Beweglichkeit, gerin-
ger karpaler Kollaps, radiologisch nicht erkennbare degenerative Veränderungen.

Abb. 6.15 • a, b Gefäßversorgung des Kahnbeins: palmar (a), dorsal (b).


58
6.5 Kahnbein-Pseudarthrose 6

Frakturen
Abb. 6.16 • Pseudarthrosetypen 1 – 5 nach Herbert.

▶ Typ 3: Pseudarthrose mit mäßiger Dislokation. Verstärkte pathologische Beweglich-


keit, resorptive Veränderungen, deutlicher karpaler Kollaps (DISI, S. f.), klinisch ein-
geschränkte Handgelenkfunktion, radiologisch manifeste Arthrosezeichen.
▶ Typ 4: Pseudarthrose mit erheblicher Dislokation der Fragmente. Starke resorptive
Veränderungen, erhebliche radiokarpale Arthrose, fixierter karpaler Kollaps, kli-
nisch zunehmend eingeschränkte Handgelenkfunktion.
▶ Typ 5: Pseudarthrose mit erheblicher Dislokation und zunehmendem Zerfall des
proximalen Fragments (ischämische Nekrose). Fortgeschrittene Arthrose, fixierter
karpaler Kollaps, klinisch zunehmende Einschränkung der Handgelenk-Beweglich-
keit.

▶ Beachte:
• Wie bei allen Stadieneinteilungen gibt es Fälle, die sich nicht einem der Pseu-
darthrosetypen zuordnen lassen.
• Unabhängig vom Typ kann bei allen Pseudarthrosen eine okkulte Avaskularität
des proximalen Fragments vorliegen.

Klinisches Bild, Diagnostik


▶ Klinische Untersuchung:
• Symptomatik: Handgelenkschmerzen bei Belastung. Die Beschwerden sind nicht
analog der Typeneinteilung fortschreitend. Sie werden häufig durch ein Bagatell-
trauma aktiviert.
• Druck- und Bewegungsschmerz des radialen Handgelenks.
• Inspektorisch meist deutliche Verdickung der radial-dorsalen Handwurzelregion.
Verstreichung der Handgelenktaille radial.
• Die Einschränkung der Handgelenk-Beweglichkeit ist unterschiedlich; sie ist
nicht unbedingt abhängig vom Pseudarthrosetyp.
▶ Röntgenuntersuchung: Im Nativröntgenbild, noch besser im Karpaltunnel, erkennt
man die morphologischen Veränderungen entsprechend dem Pseudarthrosetyp.
Störungen der Gefäßversorgung sind im Nativbild nur zu vermuten: Verdichtung
der Knochenstruktur, meist im proximalen Fragment (DD: M. Preiser, s. S. 118).
■▶ Cave: Ein „normales“ Erscheinungsbild der Kahnbeinfragmente im Nativröntgen-
bild bedeutet nicht automatisch gute Gefäßversorgung!
59
6 6.6 Radiusfraktur

▶ MRT: Das MRT mit Kontrastmittelgabe ist heute vor jeder Pseudarthrosenoperation
Frakturen

anzustreben. Dies erlaubt eine exakte Aussage über die Gefäßversorgung, beson-
ders des proximalen Fragments. Bei Avaskularität operative Strategie ggf. ändern
und mittels eines gefäßgestielten Knochenblockes sanieren.

Operationsindikationen
▶ Typ 1 und Typ 2: Solange keine sekundäre Arthrose eingetreten ist, ist auch bei feh-
lender Klinik immer eine Stabilisierung anzustreben, da langfristig immer eine se-
kundäre Arthrose auftritt, die dann rekonstruktive Maßnahmen ausschließt.
Grundprinzip ist die Resektion der Pseudarthrose mit Implantation eines Spongio-
sablockes und interner Stabilisierung. Gegebenenfalls Korrektur der „humpback de-
formity“.
▶ Typ 3: Die Pseudarthrosen-Sanierung kombiniert mit einer Denervation ist bei er-
heblicher Beschwerdesymptomatik indiziert. Bei älteren Patienten und/oder deutli-
chen Arthrosezeichen evtl. auch alleinige Denervation (S. 388).
▶ Typ 4 und Typ 5: Eine Pseudarthrosen-Sanierung ist nicht indiziert. Abhängig von
Beschwerden und Röntgenbefund sind verschiedene palliative Eingriffe möglich:
• Denervation (S. 388).
• Resektion des Processus styloideus radii.
• Resektion des proximalen Fragments.
• Resektion des gesamten Kahnbeins mit und ohne Interkarpalarthrodese (S. 387).
• Handgelenk-Arthrodese (S. 384) bei starken Beschwerden und sehr geringer Be-
weglichkeit.
▶ Voroperierte Kahnbein-Pseudarthrosen: Die Indikationsstellung ist identisch, nur
ist anzunehmen, dass Knochensubstanz und Gefäßversorgung schlechter sind.
■▶ Cave: Kein MRT bei Zustand nach Metallimplantation!
Prognose
▶ Typ 1: In den meisten Fällen ist eine erfolgreiche Ausheilung zu erreichen. In vielen
Fällen kann Beschwerdefreiheit erzielt werden.
▶ Typ 2: In den meisten Fällen ist eine erfolgreiche Ausheilung möglich. In vielen Fäl-
len ist eine Persistenz von geringen Beschwerden wie Schmerzen, Bewegungsein-
schränkung und Belastungsminderung zu beobachten. Langfristig ist eine Arthrose-
bildung nicht auszuschließen.
▶ Typ 3: Geringere Ausheilungsrate und häufiger bleibende Beschwerden. Bei guter
Schraubenfixation kann trotz fehlender Durchbauung eine oft jahrelange gute Sta-
bilität erreicht werden.
▶ Typ 4 und Typ 5: Die alleinige Denervation ist bei erheblichen arthrotischen Verän-
derungen nicht ausreichend. Resektionsarthroplastiken oder Handgelenk-Arthrode-
se (S. 209) führen oft zu guter Besserung der Schmerzen.

6.6 Radiusfraktur
Grundlagen
▶ Anatomie:
• Gelenkflächenneigung(distal):
– Radioulnar ca. 20-25°.
– Seitliche palmare Inklination 10°.
• Ulnavarianz neutral mit geringen Abweichungen bis 2 mm, ggf. Gegenseite zum
Vergleich.
▶ Häufigste Fraktur des Menschen.
▶ Inzidenz steigt mit zunehmendem Lebensalter (vermehrt Osteoporose).
▶ Kann neben der Funktion des Handgelenkes auch die Handfunktion nachhaltig be-
einträchtigen.
60
6.6 Radiusfraktur 6
Frakturklassifikation

Frakturen
▶ Colles-Fraktur: Dorsale Abkippung der Gelenkfläche.
▶ Smith-Fraktur: Palmare Abkippung der Gelenkfläche.
▶ Zahlreiche differenzierte Klassifikationen von denen die AO-Klassifikation am häu-
figsten angewendet wird.
▶ Problematik:
• Reproduzierbare Einstufung bereitet nicht selten Schwierigkeiten und keine der
Klassifikationen ist wirklich behandlungsorientiert.
• Begleitverletzungen der Handwurzel und des distalen Radioulnargelenkes, die
die Funktion nachhaltig negativ beeinflussen, werden nicht erfasst.
▶ Eine Einteilung in extra- und intraartikuläre Frakturen mit oder ohne Begleitverlet-
zungen erscheint im klinischen Alltag ausreichend.
▶ Das Ausmaß der Fehlstellung der Gelenkflächen und der Einstauchung des Radius
ist für die Therapie entscheidend.
▶ Kindliche Fraktur: Die Radiusfraktur loco typico entspricht beim Kind der Epiphy-
senlösung.

Klinisches Bild, Diagnostik


▶ Klinische Untersuchung:
• Schwellung und Schmerz nach Sturz auf das Handgelenk.
• Äußere Fehlstellung.
■▶ Cave: Differentialdiagnostisch oder in Kombination muss immer auch an das Vor-
liegen einer Kahnbeinfraktur oder skapholunären Bandverletzung gedacht wer-
den.

Im Rahmen der Erstuntersuchung Prüfung auf Sensibilitätsstörungen im Median-


usgebiet (Zeichen eines posttraumatischen Karpaltunnelsyndroms).

▶ Röntgenuntersuchung: Handgelenk in zwei Ebenen (Abb. 6.17).


▶ CT in sagittaler und koronarer Schnittführung zur Analyse und Therapieplanung bei
intrartikulären Frakturen (Abb. 6.18).

Therapie
▶ Ziel: Anatomische Wiederherstellung der Gelenkflächen.
▶ Hohes Risiko der sekundären Dislokation in die ursprüngliche Fehlstellung nach ge-
schlossener Reposition wegen der metaphysären Trümmerzone. Ein initital gutes
Repositionsergebnis kann täuschen.

▶ Wichtig: Die Entscheidung über eine konservative oder operative Behandlung ist
nicht abhängig von der Röntgenaufnahme nach der Reposition sondern von der Un-
fallaufnahme.
▶ Konservative Therapie:
• Weniger als 10° Abkippung der Gelenkfläche nach dorsal (Collesfrakturen) und
Radiusverkürzung weniger als 2 mm.
• Reposition im Aushang.
■▶ Anlage einer Gips- oder Kunststoffschiene. Merke: Sie darf nicht über die distale
Holhhandfurche hinausgehen, damit der Faustschluss nicht behindert ist.
• Ruhigstellung über 4 Wochen meist ausreichend.
• Röntgenkontrolle nach 1 Woche: Ausschluss einer weiteren Dislokation (kann in
Ausnahmefällen auftreten).
• Bei Nachweis einer Dislokation operatives Vorgehen (s. S. 295).
▶ Operative Therapie bei Frakturen mit vermehrter Fehlstellung:
• Radiuseinstauchung > 2 mm.
• Fehlstellung der Gelenkfläche > 10° nach dorsal.
61
6
Frakturen 6.6 Radiusfraktur

Abb. 6.17 • Intraartikuläre Radiustrümmerfraktur mit Einstauchung und dorsaler Abkippung;


Abriss des Proc. styloideus ulnae.

Abb. 6.18 • CT mit Nachweis


einer zentralen Impressions-
fraktur; im konventionellen
Röntgenbild nicht sicher er-
kennbar.

62
6.6 Radiusfraktur 6
• Palmare Abkippung der Gelenkfläche (Smithfraktur).

Frakturen
• Alle intraartikulären Frakturen mit Stufenbildung von > 2 mm.
• Bei Nachweis einer distalen Medianuskompression Kapaldachspaltung, da ein
persistierendes Karpaltunnelsyndrom die Gefahr für das Auftreten einer Sudeck’-
schen Dystrophie (CRPS) erhöht.
▶ Unbefriedigende Ergebnisse durch:
• Sekundäre Dislokation nach initial gutem Repositionsergebnis.
• Unzureichende Wiederherstellung der Gelenkfläche mit geschlossener Reposi-
tion bei intraartikulären Frakturen.

Begleitverletzungen, Diagnostik
▶ Skapholunäre Bandruptur: Nach operativer Stabilisierung einer Radiusfraktur unter
dem Bildwandler dynamische Prüfung der skapholunären Bandverbindung, des SL-
Spalts und des skapholunären Winkels (s. Kap. 27.4.).
▶ Verletzungen des ulnokarpalen Bandkomplexes: Manuelle Prüfung der Stabilität
des distalen Radioulnargelenkes nach Stabilisierung der Radiusfraktur.
▶ Kahnbeinfraktur: Ergänzende Computertomographie in Längsachse des Skaphoids.

63
7 7.1 Bandrupturen und Luxationen der IP-Gelenke

7 Bandrupturen und Luxationen


Bandrupturen und Luxationen

7.1 Bandrupturen und Luxationen der IP-Gelenke


Grundlagen
▶ Am häufigsten sind die Fingermittelgelenke betroffen. Die Verletzungsmuster an
den Endgelenken sind identisch, aber extrem selten.
▶ Bandrupturen und Luxationen der Interphalangeal-(IP-)Gelenke sind typische
Sportverletzungen, werden vom Verletzten und Betreuern gelegentlich bagatelli-
siert (coach's finger).

▶ Beachte: Oft monatelang anhaltende spindelförmige Gelenkverdickung, Bewegungs-
und Belastungsschmerzen sind trotz korrekter Therapie nicht ungewöhnlich. Die
Aufklärung darüber beruhigt die betroffenen Patienten.

Anatomie
▶ Die IP-Gelenke sind sehr stabil. Der mediane First der End- und Mittelgliedbasis
passt exakt in die interkondyläre Rinne des Mittel- und Grundgliedkopfes. Die Sei-
tenbänder vermitteln seitliche Stabilität, palmar stabilisieren die palmare Platte
und die Beugesehnen, dorsal die Strecksehnen-Mittelzügel und die darunter gelege-
ne dorsale Platte („Patella des Mittelgelenks“) die Gelenke (Abb. 7.1).

Distorsion
▶ Verletzungsmechanismus: Einrisse oder Teilrupturen der Ligamente durch axiale,
seitliche oder palmare Überdehnung.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Schwellung des Gelenks, Druckempfindlichkeit, schmerz-
hafte Bewegungseinschränkung. Gute Stabilität bei Versuch der passiven Hyper-
extension und seitlichen Dehnung.
• Röntgenuntersuchung des Fingers: Durchführung in 2 Ebenen (d.-p. und seitlich).
Auf eine exakte seitliche Einstellung achten, da sonst kleine Abrissfrakturen über-
sehen werden!
▶ Therapie:
• Kühlung mit Eis.
• Bei erträglichem Schmerz sofort eigenständige Bewegungsübungen.
• Bei starken Schmerzen 2 – 3 Tage Fingergipsschiene anlegen. Auf vollen Bewe-
gungsumfang achten; falls die Finger unzureichend bewegt werden, Anlage eines
Zweifingertapes (buddy splinting).
▶ Komplikation: Streckdefizit durch mangelnde Mobilisation.

Ruptur palmare Platte


▶ Verletzungsmechanismus: Nach dorsal gerichtete Gewalteinwirkung. Am häufigs-
ten distale Ruptur am Ansatz der Mittelgliedbasis mit oder ohne knöchernen Aus-
riss bis hin zur Luxationsfraktur (Abb. 6.2).

Abb. 7.1 • Anatomie PIP-Ge-


lenk.
64
7.1 Bandrupturen und Luxationen der IP-Gelenke 7
▶ Diagnostik:

Bandrupturen und Luxationen


• Klinische Untersuchung: Eine pathologische Hyperextension ist im Seitenver-
gleich immer nachweisbar.
• Röntgenuntersuchung: Wie bei Distorsion (s. o.).
▶ Therapie: Bei kleinen knöchernen Ausrissen besteht meist keine gravierende Insta-
bilität, die Therapie entspricht der Distorsion (s. o.).
• Konservative Therapie: Bei geschlossener Ruptur 2 Wochen dorsale Gipsschiene
in Intrinsic-plus-Stellung (S. 24) anlegen. Der Fingerausleger wird so anmodel-
liert, dass das PIP-Gelenk fast vollständig gestreckt, jedoch nicht überstreckt wer-
den kann. Nach Abschwellung (2 – 3 Tage) eigenständige Bewegungsübungen aus
der Schiene. Volle Beugung ist erlaubt, volle Streckung wird durch Schiene blo-
ckiert. Nach Abnahme der Schiene Intensivierung der Bewegung und zunehmen-
de aktive Belastung. Passive Belastung (Sport) nach 6 Wochen. Physiotherapeuti-
sche Begleitung sinnvoll.
• Operative Therapie: Bei offenen Verletzungen Naht der palmaren Platte. Bei dista-
lem Ausriss ist eine Nahtfixation am Ansatz der Sehne des M. flexor digitorum su-
perficialis möglich. Die postoperative Behandlung entspricht dem konservativen
Vorgehen (s. o.).
■▶ Beachte: Dem Patienten deutlich machen, dass nicht der „Kapselriss“ das Problem
ist, sondern die Gefahr bleibender Bewegungseinschränkung durch mangelnde
Bewegungsübungen!
▶ Komplikationen:
• Beugekontraktur aufgrund mangelnder Mobilisation.
• Schwanenhalsdeformität aufgrund bleibender Instabilität.
• Entwicklung eines posttraumatischen „Slow-Finger-Phänomens“ (S. 214, Abb. 22.7).
▶ Sekundäreingriffe:
• Sekundärnaht der palmaren Platte.
• Arthrolyse (S. 309).
• Tenodese des M. flexor digitorum superficialis zur Korrektur der Schwanenhals-
deformität mit Schnapp-Phänomen (slow finger; S. 397).

Kollateralbandruptur
▶ Verletzungsmechanismus: Entstehung durch seitliche Gewalteinwirkung, meist von
radial. Häufig distaler Einriss der palmaren Platte auf der Seite der Bandruptur.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Die aktive Bewegung ist schmerzhaft eingeschränkt. Das
IP-Gelenk ist entsprechend dem Ausmaß der Ruptur teilweise ( < 20°) oder kom-
plett aufklappbar (Abb. 7.2). Prüfung bei gestrecktem Gelenk und im Seitenver-
gleich.

▶ Beachte: In Beugung wirkt ein Gelenk durch Torsionseffekt instabil.
• Röntgenuntersuchung: Finger in 2 Ebenen, evtl. gehaltene Aufnahme.
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Bei Teilruptur gleiches Prozedere wie bei Distorsion
(S. 64). Bei isolierter kompletter Ruptur 2 Wochen Fingergips in Intrinsic-plus-
Stellung (S. 24). Danach Bewegungstherapie, ggf. Zweifingertape. Auf vollständige
Streckung achten.
• Operative Therapie: Bandnaht und ggf. Naht der palmaren Platte nur bei Instabili-
tät nach lateraler oder dorsaler Luxation.
▶ Komplikationen:
• Beugekontraktur.
• Seltener bleibende Instabilität, besonders am Zeigefinger radial durch Belastung
beim Spitzgriff.
▶ Sekundäreingriffe: Sekundäre Bandnaht oder -plastik bei chronischer Instabilität,
z. B. nach mehrfachen Verletzungen.

65
7
Bandrupturen und Luxationen 7.1 Bandrupturen und Luxationen der IP-Gelenke

Abb. 7.2 • Aufklappbares Mittelgelenk bei


kompletter Kollateralbandruptur.

Dorsale Luxation
▶ Verletzungsmechanismus: Durch axiale Gewalt mit Hyperextension luxiert das Mit-
telglied nach dorsal (Abb. 7.3 a). Die palmare Platte rupturiert distal, bei der dor-
soulnaren Luxation zerreißt auch das radiale Seitenband. Durch Wegscheren der
palmaren Kante der Mittelgliedbasis kann es zur Luxationsfraktur kommen (Abb. 6.2
f, g).
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Typische Fehlstellung. Nach spontaner Reposition am Un-
fallort (Anamnese!) oft starke Schwellung. Klinische Stabilitätsprüfung des repo-
nierten Gelenks.
• Röntgenuntersuchung: Finger in 2 Ebenen.
▶ Therapie: Reposition mit oder ohne Fingerbetäubung durch sanften Längszug und
gleichzeitigen Druck auf die Mittelgliedbasis.
■▶ Cave: Gelingt die Reposition nicht mühelos, besteht ein Repositionshindernis
(Beugesehne, palmare Platte). Auf keinen Fall mehrfach mit wachsender Gewalt
ziehen!
• Konservative Therapie: Besteht nach Reposition röntgenologisch Gelenkkon-
gruenz und klinisch Stabilität, erfolgt die konservative Behandlung wie bei der
Ruptur der palmaren Platte (S. 64).
• Operative Therapie: Bei Irreponibilität, offener Luxation, insuffizienter Reposition
und Reluxationstendenz bei aktiver Bewegung erfolgt die operative Beseitigung
des Repositionshindernisses von einem palmaren Zugang, offene Reposition und
Naht der rupturierten Strukturen. Postoperative Behandlung wie bei konservati-
vem Vorgehen.

Palmare Luxation
▶ Verletzungsmechanismus: Durch Gewalteinwirkung von dorsal oder durch Rotation
auf das gebeugte Mittelglied luxiert dieses nach palmar (Abb. 7.3 b). Es kommt zur
Ruptur eines Seitenbandes und der palmaren Platte sowie zur Schädigung des Mit-
telzügels (traumatische Knopflochdeformität).

66
7.1 Bandrupturen und Luxationen der IP-Gelenke 7

Bandrupturen und Luxationen


Abb. 7.3 • a, b Dorsale Luxation Mittelgelenk (a), palmare Luxation mit Fraktur (b).

▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Inspektorisch typische Fehlstellung. Stabilitätsprüfung
nach Reposition (s. u.).
• Röntgenuntersuchung: Finger in 2 Ebenen.
▶ Therapie: Reposition: Sie wird erleichtert durch Entspannung des Seitenzügels, in-
dem MP- und PIP-Gelenk gebeugt werden.
• Konservative Therapie: Ist nach Reposition die volle Streckung auch gegen Wider-
stand möglich, 1 Woche Fingergips, dabei ist das PIP-Gelenk in Streckstellung fi-
xiert. Nach Gipsabnahme Bewegungsübungen.

▶ Cave: Die Entwicklung einer Knopflochdeformität darf nicht übersehen wer-
den! Im Zweifel operative Revision!
• Operative Therapie: OP-Indikation bei irreponibler Luxation oder aktivem Streck-
defizit nach Reposition. Dorsaler Zugang, offene Reposition, Naht der Strecksehne
und des Seitenbandes.

Laterale Luxation
▶ Verletzungsmechanismus: Durch seitliche Gewalteinwirkung auf gestreckten Finger
kommt es zur lateralen Luxation mit Ruptur des Seitenbandes und der palmaren
Platte.
▶ Diagnostik
• Klinische Untersuchung: Fehlstellung unübersehbar. Stabilitätsprüfung nach Repo-
sition.
• Röntgenuntersuchung: Finger in 2 Ebenen. Auf evtl. zusätzliche Kantenabspren-
gungen achten.
▶ Therapie: Reposition.
67
7 7.2 Bandrupturen und Luxationen des Fingergrundgelenks

• Konservative Therapie: Besteht nach Reposition funktionelle Stabilität, konserva-


Bandrupturen und Luxationen

tive Behandlung wie bei dorsaler Luxation.


• Operative Therapie: Bleibt eine erhebliche Seiteninstabilität, ist eine Operation in-
diziert. Mediolateraler Zugang, Naht des Seitenbandes und der palmaren Platte.

Fehler und Gefahren bei PIP-Gelenkverletzungen


▶ Bagatellisierung der Verletzung durch den Arzt.
▶ Zu lange statische Ruhigstellung. Dadurch Gefahr der Gelenkeinsteifung, insbeson-
dere einer Beugekontraktur. Werden Schienen über den Zeitraum initialer Schmer-
zen und Schwellung hinaus getragen, müssen diese aktive Bewegung ermöglichen!

Sekundäre Maßnahmen
▶ Kortisoninjektion: Nach Verletzungen des PIP-Gelenks anhaltende Schmerzen und
periartikuläre Verdickung lassen sich durch intraartikuläre Kortisoninjektion (z. B.
10 – 15 mg Triamcinolon) bessern.
▶ Arthrolyse (S. 309 f.): Indiziert bei fixierten funktionsstörenden Beuge- oder Streck-
kontrakturen.

7.2 Bandrupturen und Luxationen des


Fingergrundgelenks
Anatomie
▶ Die Fingergrundgelenke oder Metakarpophalangeal-(MP-)Gelenke sind Kugelgelen-
ke. Neben Scharnierbewegungen sind Ab- und Adduktion möglich. Durch den Sei-
tenbandapparat (Lig. collaterale, Lig. collaterale accessorium und Lig. phalangogle-
noidale, Abb. 7.4), die palmare Platte sowie die Streck- und Beugesehnen ist eine
gute Gelenkstabilität gewährleistet.
▶ Das Lig. collaterale ist in Streckstellung schlaff (Abb. 7.4 a), dadurch ist eine Seit-
wärtsbewegung möglich. In maximaler Beugung ist es straff (Abb. 7.4 b), in dieser
Position kann der Finger nicht oder kaum abgewinkelt werden.

Achtung
Das Ruhigstellen der Fingergrundgelenke in Streckstellung kann schon nach we-
nigen Tagen zu einer Seitenbandschrumpfung und damit zu einer manchmal ir-
reversiblen Strecksteife führen.

Abb. 7.4 • a, b Seitenbandapparat Fingergrundgelenk in Streck- (a) und Beugestellung (b;


s. Text): (1) Lig. collaterale accessorium, (2) Lig. collaterale, (3) Lig. phalangoglenoidale.
68
7.2 Bandrupturen und Luxationen des Fingergrundgelenks 7
Distorsion

Bandrupturen und Luxationen


▶ Ätiologie, Klinik und Therapie analog dem PIP-Gelenk (S. 64 f.). Röntgenuntersu-
chung der Hand in 3 Ebenen.

Seitenbandruptur
▶ Verletzungsmechanismus: Vorkommen selten. Betroffen sind meist Zeige- oder
Kleinfinger, wenn diese in gebeugtem Zustand stark nach radial bzw. ulnar gezerrt
werden.
▶ Diagnostik: Die Diagnose wird zu häufig fälschlicherweise gestellt!
• Klinische Untersuchung: Eine Bandruptur liegt nur vor, wenn sich im Seitenver-
gleich eine eindeutige Instabilität findet. Die Prüfung erfolgt in maximaler passi-
ver Beugung (Anatomie, s. o.).
• Röntgenuntersuchung: Durchführung zum Ausschluss von Abrissfrakturen, evtl.
Einstellung nach Brewerton.
▶ Therapie: 3 Wochen in Sicherheitsposition ruhigstellen (S. 24).

Luxation
▶ Verletzungsmechanismus: Durch starke passive Hyperextension kommt es zur pro-
ximalen Ruptur der palmaren Platte mit Subluxation oder zur kompletten dorsalen
Luxation des Grundgliedes. Die palmare Luxation ist selten. Meistens ist der Zeige-
finger betroffen, seltener der Kleinfinger.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Typische Fehlstellung in leichter Überstreckstellung des
Grundgelenks. Der luxierte Mittelhandknochen-Kopf ist in der distalen Hohlhand
tastbar, bei offener Verletzung sichtbar. Evtl. Sensibilitätsstörungen durch Deh-
nung des radialen Gefäß-Nerven-Bündels.
• Röntgenuntersuchung: Aufgeweiteter Gelenkspalt durch interponierte palmare
Platte, auch intraartikuläre Lage des Sesambeins.
▶ Therapie: Eine geschlossene Reposition durch Hineindrücken des Grundgliedes
nach distal-palmar ist nur selten möglich und sollte nur einmal versucht werden!
Repositionsversuch in Handgelenkbeugung (Beugesehnen locker!).
■▶ Cave: Durch Zug am Finger kann die rupturierte palmare Platte in das Gelenk
schlagen! Eine komplette Luxation ist meist irreponibel durch Interposition der
palmaren Platte und/oder knopflochartiger Umschlingung des Mittelhandkno-
chen-Kopfes II zwischen M. lumbricalis radial und den Beugesehnen ulnar
(Abb. 7.5). Das radiale Gefäß-Nerven-Bündel wird nach palmar gedehnt. Dadurch
können Sensibilitätsstörungen auftreten. Am Kleinfinger kommt es zur Luxation
zwischen Beugesehnen und Sehne des M. abductor digiti minimi.
• Konservative Therapie: Nach erfolgreicher Reposition 2 Wochen Unterarm-Finger-
gipsschiene in Intrinsic-plus-Stellung (S. 24). Beugung aus der Schiene heraus ist
erlaubt.
• Operative Therapie: Die Therapie der irreponiblen Luxation ist operativ und
dringlich. Palmarer Zugang (Cave: Radialer Zeigefingernerv direkt unter der

Abb. 7.5 • Irreponible Luxation des Zei-


gefinger-Grundgelenks (s. Text).
69
7 7.3 Bandrupturen und Luxationen des MP-Gelenks am Daumen

Haut!). Repositionshindernisse beseitigen (Beugesehnen in Handgelenkbeugung


Bandrupturen und Luxationen

entspannt!), Naht der palmaren Platte. Nachbehandlung wie bei konservativer


Therapie beschrieben.

7.3 Bandrupturen und Luxationen des MP-Gelenks am


Daumen
Anatomie
▶ Das Gelenk erlaubt neben Scharnierbewegungen geringe Ab- und Adduktion und
Rotation. Das Bewegungsausmaß ist sehr variabel.
▶ Regelmäßig finden sich palmar des Mittelhandknochen-Kopfes ein ulnares und ein
radiales Sesambein.
▶ Stabilität und Seitenbandanatomie sind der des Fingers ähnlich.

Distorsion
▶ Analog Fingermittelgelenk (S. 64).

Luxation
▶ Verletzungsmechanismus: Axiale Gewalteinwirkung mit Überstreckung. Eine Sub-
luxation entsteht durch Ruptur der palmaren Platte. Die komplette Luxation ist fast
immer dorsal lokalisiert.
▶ Diagnostik: Klinisch und röntgenologisch meist eindeutige Diagnose.

Praxistipp
Im Röntgenbild verrät die Lage der Sesambeine die Position der palmaren Platte
(Abb. 7.6 a, b).

Abb. 7.6 • a, b Luxation Daumengrundgelenk mit Sesambein (a), interponiertes Sesambein im


Röntgenbild (b).
70
7.3 Bandrupturen und Luxationen des MP-Gelenks am Daumen 7
▶ Therapie: Reposition:

Bandrupturen und Luxationen


• Bei Subluxation Hineindrücken des Grundgliedes nach distal-palmar.
• Bei kompletter Luxation vorsichtige Reposition, um nicht das Einschlagen der
palmaren Platte zu provozieren: Das Grundglied bis fast 90° nach dorsal führen,
dadurch disloziert die abgerissene palmare Platte nach palmar. Danach Reposi-
tion unter vorsichtigem Zug.
• Ist die Reposition unmöglich – aufgrund der Interposition der palmaren Platte
oder einer Umschlingung des Mittelhandknochen-Kopfes durch die Sehne des M.
flexor pollicis longus –, erneuter Versuch in passiver Handgelenkbeugung.

Ulnare Seitenbandruptur
▶ Verletzungsmechanismus: Durch Gewalteinwirkung von ulnar (Sturz, häufig beim
Skifahren) Ruptur des Seitenbandes. Häufig ist die dorsale Kapsel ebenfalls gerissen.
Das distal ausgerissene Ligament kann auch zurückschlagen und unter der Adduk-
toraponeurose nach proximal hervorluxieren (Stener-Läsion, Abb. 7.7). Die radiale
Seitenbandruptur ist wesentlich seltener.
▶ Diagnostik: Bei akuter und älterer Läsion identisch, in letzterem Fall ist die Diagno-
sestellung aufgrund der Vernarbung schwieriger.
• Klinische Untersuchung: Stabilitätsprüfung durch passive Dehnung in Streckung
und 30° Beugung, da die straffe palmare Platte Stabilität vortäuschen kann. Falls
erforderlich, intraartikuläre Anästhesie (2 ml).
• Röntgenuntersuchung: Ausschluss eines knöchernen Ausrisses. Zur Diagnosestel-
lung sollte der Unterschied der Aufklappbarkeit im Seitenvergleich mindestens
30° betragen (Abb. 7.8). Auch gehaltene Aufnahmen nur im Seitenvergleich.
■▶ Beachte: Der klinische Eindruck ist für die Indikationsstellung wichtiger als die
Messung des Winkels auf gehaltenen Aufnahmen!
▶ Therapie:
• Operative Therapie: Bei eindeutiger Ruptur frühzeitige Bandnaht (S. 305).
• Konservative Therapie: Im Zweifel 3-wöchige Ruhigstellung mit Gipsschiene oder
Orthese. In der Schiene wird die Beugung geübt.

Abb. 7.8 • Ulnare Seitenbandruptur Daumen-


Abb. 7.7 • Stener-Läsion (s. Text). grundgelenk.
71
7 7.4 Bandrupturen und Luxationen der CMC-Gelenke

7.4 Bandrupturen und Luxationen der CMC-Gelenke


Bandrupturen und Luxationen

Anatomie Karpometakarpalgelenke II–V


▶ Die CMC-oder Karpometakarpalgelenke II und III sind sehr straff, die der Strahlen IV
und V lassen eine größere Bewegung zu.

Luxation
▶ Verletzungsmechanismus: Durch Gewalteinwirkung bei Quetschung oder Sturz dor-
sale Luxation. Meistens sind die Karpometakarpalgelenke IV und V betroffen, es
kommen jedoch auch Serienluxationen aller Gelenke vor (Abb. 7.9). Häufiger als die
isolierte Luxation ist die Luxationsfraktur.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Die Bajonettfehlstellung kann durch eine starke Schwel-
lung verborgen sein.
• Röntgenuntersuchung: Diagnosestellung durch exakt seitliche Röntgenaufnahme.
▶ Therapie: Geschlossene oder offene Reposition und K-Drahtfixation. 10 Tage ruhig-
stellen, K-Drahtentfernung nach 6 Wochen.

Anatomie Karpometakarpalgelenk I (Sattelgelenk)


▶ Das Daumensattelgelenk hat einen komplexen Bandapparat und gute muskuläre
Führung. Die weite und lockere Gelenkkapsel ermöglicht gute Beweglichkeit in al-
len Richtungen.

Luxation des Sattelgelenks


▶ Verletzungsmechanismus: Sowohl die Subluxation durch Teilruptur des Bandappa-
rates als auch eine komplette Luxation ist möglich. Letztere ist im Gegensatz zur
Bennett-Luxationsfraktur (S. 289) sehr selten.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Schwellung, Druckschmerz, evtl. erkennbare Fehlstellung
am Sattelgelenk.
• Röntgenuntersuchung: Daumenstrahl in 2 Ebenen (Abb. 7.10).

Abb. 7.9 • Serienluxation Karpometakarpal-


gelenke II–V.
72
7.5 Bandrupturen und Luxationen der Handwurzel 7

Bandrupturen und Luxationen


Abb. 7.10 • Komplette Luxation des Sattel-
gelenks.

▶ Therapie: Die komplette Luxation wird geschlossen reponiert und mit einem perku-
tanen K-Draht fixiert.
• Operative Therapie: Eine offene Reposition erfolgt nur, wenn aufgrund von
Weichteilinterposition keine exakte Reposition möglich ist.
• Sekundäreingriff: Bei chronischer Instabilität evtl. stabilisierende Operation unter
Verwendung eines Sehnenstreifens des M. flexor carpi radialis (S. 306 f.).

7.5 Bandrupturen und Luxationen der Handwurzel


Grundlagen
▶ Anatomie: Die knöcherne und ligamentäre Anatomie der Handwurzel (Abb. 7.11,
Abb. 7.12) ist komplex, die Bewegungsabläufe sind noch unzureichend erforscht.
Das Gleiche gilt für die Mechanismen der Bandrupturen, Luxationen und Luxa-
tionsfrakturen.
▶ Verletzungsmechanismus: Häufigste Ursache von Verletzungen ist ein Sturz auf die
im Handgelenk extendierte Hand. Dies kann zu einem komplexen Trauma der
Handwurzel führen, aber auch zu chronischen Schmerzen, hervorgerufen durch Mi-
nimalläsionen, die oft nicht diagnostizierbar sind.

73
7
Bandrupturen und Luxationen 7.5 Bandrupturen und Luxationen der Handwurzel

Abb. 7.11 • Röntgenanatomie der Hand-


wurzelknochen im d.-p. Bild. Die karpalen
(Gilula-)Bögen erleichtern das Erkennen
pathologischer Veränderungen (s. Text).

Abb. 7.12 • Anatomie der Handwurzelliga-


mente von palmar: (1) Lig. radioscapholuna-
tum, (2) Lig. radiolunotriquetrum,
(3) Lig. radioscaphocapitatum.

Röntgenanatomie
▶ Die normale Konfiguration der Handwurzelknochen im d.-p. Bild muss bekannt
sein, um die Umrisse von Kahnbein, Lunatum und Kapitatum im seitlichen Bild
identifizieren zu können. Nur auf dieser Basis sind Abweichungen von der Norm er-
kennbar.
▶ Für die Diagnostik von Subluxationen, Luxationen und Instabilitäten ist die Kennt-
nis der normalen karpalen Bögen (Gilula, Abb. 7.11) und der physiologischen Win-
kel in der seitlichen Projektion (Abb. 7.13 a) wichtig. Die Unterbrechung der Bögen
signalisiert eine ligamentäre Verletzung der Handwurzel (vgl. auch Abb. 7.16 a,
Abb. 7.17, Abb. 7.18, Abb. 7.19).

Handwurzelinstabilität
▶ Die proximale Handwurzelreihe ist sehr beweglich. Sie steht als „Schaltstück“ (in-
tercalated segment) zwischen Radius und dem straffen karpometakarpalen Seg-
ment. Traumatische Schädigung (Ruptur, Teilruptur, Überdehnung) oder erkran-
kungsbedingte Lockerung (rheumatoide Arthritis) von Ligamenten können ihre In-
tegrität und damit Stabilität beeinträchtigen.
▶ Die Instabilität kann als symptomloses radiologisches Zeichen imponieren, alleinige
Ursache von Beschwerden sein oder Bestandteil einer komplexeren Handwurzel-
schädigung. Sie kann statisch oder dynamisch sein.
▶ Dorsale Instabilität (DISI = dorsal intercalated segment instability): Häufigste Form
der Instabilität nach Läsion des radiopalmaren und skapholunären Bandapparates.
74
7.6 Skapholunäre Dissoziation 7

Bandrupturen und Luxationen


Abb. 7.13 • a–c Physiologische karpale Winkel: skapholunärer Winkel = 45°, radiolunärer
Winkel = 0°, kapitolunärer Winkel = 0° (a). Pathologische karpale Winkel: skapholunärer
Winkel = 98°, radiolunärer Winkel = 38°, kapitolunärer Winkel = – 36° (b). DISI-Fehlstellung im
seitlichen Röntgenbild (c; s. Text).

Das Lunatum kippt nach dorsal, das Kahnbein nach palmar, der skapholunäre Win-
kel wird pathologisch, d. h. > 70° (Abb. 7.13 b,c).
▶ Palmare Instabilität (PISI = palmar intercalated segment instability): Diese wesent-
lich seltenere Instabilität entsteht aufgrund der Schädigung des ulnopalmaren und
lunatotriquetralen Bandapparates. Das Mondbein kippt nach palmar, der skapholu-
näre Winkel wird pathologisch klein, d. h. < 40°.

▶ Cave: Ulnardeviation (DISI) bzw. Radialdeviation (PISI) können die beschriebenen
Instabilitätszeichen vortäuschen.

7.6 Skapholunäre Dissoziation


Akute skapholunäre Dissoziation
▶ Verletzungsmechanismus: Die akute skapholunäre Dissoziation (akute SLD) ent-
steht als Folge der Zerreißung des Bandapparates zwischen Kahn- und Mondbein,
insbesondere des Lig. interosseum. Ursache meist Sturz auf gestreckte Hand oder
Anpralltrauma beim Ballsport.
▶ Diagnostik: Bei der Akutdiagnostik nach Handgelenktrauma ist ebenso selbstver-
ständlich an eine SLD wie an eine Kahnbeinfraktur zu denken.
■▶ Beachte: Kahnbeinfraktur und SLD können gleichzeitig bestehen!
• Klinische Untersuchung: Der Verdacht auf eine akute SLD besteht primär, wenn
ein starker Druck- und Bewegungsschmerz in der radioproximalen Handwurzel
besteht. Bei frischer Verletzung sind die klinischen Zeichen der Instabilität (s. u.)
aufgrund der Schmerzen meist nicht evident.
• Röntgenuntersuchung: Auf dem Röntgenbild ist insbesondere auf eine Verbreite-
rung des Gelenkspaltes (Abb. 7.14 a) zu achten. Aufnahme in ulnarer Abduktion
kann Spaltbildung verdeutlichen (Abb. 7.14 b).
• Arthroskopie: Ist bei verstärktem Verdacht auf eine SLD früh indiziert.
▶ Therapie: Bestätigt die Arthroskopie eine akute SLD eindeutig, erfolgt die K-Draht-
fixation des Kahnbeins (technisch am einfachsten gegen das Os capitatum) in kor-
rekter Stellung. 4 Wochen Gipsruhigstellung.

75
7
Bandrupturen und Luxationen 7.6 Skapholunäre Dissoziation

Abb. 7.14 • a, b Akute SLD: Verbreiterung des skapholunären Gelenkspaltes bei arthroskopisch
nachgewiesener SLD (a). Akzentuierung der Spaltbildung durch Aufnahme mit Faustschluss und
ulnarer Abduktion (b).

Chronische skapholunäre Dissoziation


▶ Entstehung: Die Instabilität entwickelt sich häufig erst über Jahre, ähnlich wie der
„Wackeldaumen“ nach unversorgter ulnarer Seitenbandruptur. Die chronische ska-
pholunäre Dissoziation entsteht auch ohne Trauma, z. B. durch degenerative Verän-
derungen oder nach Ganglionexstirpation bei zu radikaler Exzision des dorsalen Li-
gaments.
▶ Klinisches Bild: Schmerzen, besonders beim Aufstützen der Hand, Kraftverlust, oft
auch Knacken bei Bewegung. Immer nach diesem Symptom fragen, da es oft spontan
nicht erwähnt wird. Die Instabilität (Rotationssubluxation) des Kahnbeins ist hör-
bar und für den Betroffenen auch fühlbar („als wenn etwas aus- und wieder einras-
tet“).
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung:
– Druckschmerz zwischen Kahn- und Mondbein.
– Das Kahnbein lässt sich zwischen Daumen (palmar) und Zeigefinger (dorsal)
palpieren (Abb. 7.15).

Abb. 7.15 • Klinische Untersuchung der SLD: Watson-Test (s. Text).


76
7.6 Skapholunäre Dissoziation 7
– In maximal ulnarer Abduktion des Handgelenks ist der Knochen in sagittaler

Bandrupturen und Luxationen


Ebene aufgerichtet, in maximaler Radialabduktion kippt der distale Pol, indivi-
duell unterschiedlich, nach palmar. Macht man diese Untersuchung routine-
mäßig, erhält man ein Gefühl für die normale Beweglichkeit (und normale
Knackgeräusche) des Kahnbeins. Eine pathologische Instabilität lässt sich dann
besser erkennen. Die anlagebedingte Hypermobilität ist immer beidseits vor-
handen.
– Watson-Test: Das Kahnbein wird in Ulnarabduktion des Handgelenks zwischen
Daumen und Zeigefinger fixiert (s. o.), der Daumen drückt fest auf den distalen
Pol. Bei positivem Test subluxiert der proximale Pol nach dorsal und stößt da-
bei gegen den Zeigefinger. Cave: Der Test ist häufig falsch positiv und reicht al-
lein nicht zur Diagnose.
• Röntgenuntersuchung: Kahnbeinserie sowie d.-p. Aufnahmen in Ulnar- und Ra-
dialabduktion. Radiologische Zeichen der SLD:
• Verbreiterung des skapholunären Gelenkspaltes: Falls eindeutig (Abb. 7.16 a), ist
damit die Diagnose gesichert. Nach der Zahnlücke eines britischen Komikers als
Terry-Thomas-Zeichen bezeichnet (Abb. 7.16 b). Zur besseren Darstellung des
Spaltes d.-p. Aufnahme mit geballter Faust und Kippung der Röhre um 10° nach
ulnar.
• Siegelringzeichen (Abb. 7.16 c): Kommt durch starke Palmarkippung des Kahnb-
eins zustande. Allein nicht pathognomonisch.
• Pathologischer skapholunärer Winkel und/oder Zeichen der dorsalen Instabilität
(DISI). Allein nicht beweisend für SLD.
• Arthroskopie: Zur definitiven Diagnosestellung. In den meisten radiologisch nicht
eindeutigen Fällen sollte man arthroskopieren und eine SLD bestätigen oder aus-
schließen.
▶ Therapie:
• Bei eindeutiger SLD ist eine (Primär-)Operation empfehlenswert: Bis zu 6 Wochen
nach eindeutigem Trauma ist eine Bandnaht oder knöcherne Refixation mit Kno-
chenanker möglich.
• Für die (viel häufigere) Sekundäroperation gibt es bisher keinen Goldstandard.
Multiple Verfahren werden propagiert. Wir haben folgende Verfahren mit zufrie-
denstellenden Ergebnissen angewandt:
– Kapsulodese nach Blatt (S. 306): Dynamische Korrektur.
– FCR-Tenodese nach Brunelli: Dynamische Korrektur.
– ECRL-Tenodese nach Bleuler: Dynamische Korrektur.
– Skaphoid-Trapezium-Trapezoid- oder STT-Arthrodese (S. 383 f.): Statische Kor-
rektur.
– Kahnbeinresektion (S. 387): Bei SLD mit Arthrose (Abb. 7.16 d). Zur Stabilisie-
rung dann mediokarpale Teilarthrodese (four corner fusion) erforderlich.

77
7
Bandrupturen und Luxationen 7.6 Skapholunäre Dissoziation

Abb. 7.16 • a–d Radiologische Zeichen der SLD: Fixierter breiter skapholunärer Gelenkspalt (a),
sog. Terry-Thomas-Zeichen (b, s. Text), Siegelringzeichen bei dynamischer SLD, arthroskopisch
nachgewiesen (c), fortgeschrittene statische SLD mit Sekundärarthrose (d).

78
7.7 Perilunäre Luxationen 7
7.7 Perilunäre Luxationen

Bandrupturen und Luxationen


Grundlagen
▶ Verletzungsmuster: Je nachdem, welche Ligamente rupturieren, kommt es um das
Os lunatum herum (perilunär) zu verschiedenen Verletzungsmustern (s. u.):
• Mondbeinluxation.
• Perilunäre Handwurzelluxation.
• Perilunäre transskaphoidale Handwurzelluxation (Quervain-Verrenkungsbruch).

▶ Beachte: Auch an der Handwurzel kann es zu Spontanrepositionen kommen, so dass
man auf indirekte röntgenologische Zeichen achten muss, z. B. dislozierte Kahn-
beinfraktur oder auch ein subluxiertes Os capitatum nach perilunärer Luxation.
▶ Bei Frakturen der Griffelfortsätze von Radius und Ulna besonderes Augenmerk auf
Integrität der Handwurzel richten.

Praxistipp
Die radiologische Diagnose einer perilunären Verletzung wird erleichtert durch
zusätzliche Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen unter kräftigem longitudinalem Zug
in Narkose oder Plexusanästhesie.

Mondbeinluxation
▶ Verletzungsmechanismus: Wesentlich häufiger Luxation nach palmar (Abb. 7.17)
als nach dorsal. Bei palmarer Luxation Hypästhesie der medianusinnervierten Fin-
ger, bei dorsaler Luxation Strecksehnen-Rupturen möglich.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Druck- und Bewegungsschmerz am Mondbein.
• Röntgenuntersuchung: Radiologische Zeichen:
– D.-p. Aufnahme: Atypische Dreieckform des Mondbeins und krasse Unterbre-
chung der Karpalbögen I und II (Abb. 7.11).

Abb. 7.17 • Palmare Mondbeinluxation.


79
7
Bandrupturen und Luxationen 7.7 Perilunäre Luxationen

Abb. 7.18 • Perilunäre Handwurzelluxation (s. Text).

– Seitliches Bild: Luxierte Stellung des Mondbeins.


▶ Therapie: Eine geschlossene Reposition unter Zug (Aufhängen mit Gewicht) ist
meist möglich.
• Operative Therapie: Zur Verhinderung einer chronischen Instabilität primäre oder
frühsekundäre operative Versorgung mit Naht des rupturierten Bandapparates
und K-Drahtfixation des Os lunatum in korrekter Position gegen Os scaphoideum
und Os capitatum.

Perilunäre Handwurzelluxation
▶ Verletzungsmechanismus: Luxation in der Regel nach dorsal, sehr selten nach pal-
mar. Das Os lunatum (sehr selten mit ihm das Os scaphoideum) bleibt in normaler
Position, die gesamte übrige Handwurzel luxiert nach dorsal (Abb. 7.18).
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Schwellung, Schmerzen, Fehlstellung des Handgelenks.
• Röntgenuntersuchung: Radiologische Zeichen:
– D.-p. Aufnahme: Deutliche Formveränderung des gekippten Lunatums, deutli-
che Unterbrechung des Karpalbogens II (S. 74).
– Seitliche Aufnahme: Nach distal „leeres“ Os lunatum. Radius und Lunatum sind
nicht mehr koaxial mit dem Os capitatum. Cave: Diese Verletzung wird leicht
übersehen, insbesondere, wenn das seitliche Röntgenbild mehr schräg ausfällt!
▶ Therapie: Vorgehen wie bei Mondbeinluxation (s. o.).

Perilunäre transskaphoidale Handwurzel-Luxationsfraktur (Quervain-


Verrenkungsbruch)
▶ Verletzungsmechanismus: Von den genannten 3 Verletzungsmustern am häufigsten
auftretend. Statt Ruptur des skapholunären Bandapparates frakturiert das Kahn-
bein. Der proximale Pol verbleibt beim Os lunatum, der distale luxiert mit der übri-
gen Handwurzel (Abb. 7.19).

80
7.7 Perilunäre Luxationen 7

Bandrupturen und Luxationen


Abb. 7.19 • Perilunäre transskaphoidale Handwurzel-Luxationsfraktur mit Abscherung des
Processus styloideus radii.


▶ Cave: Die auffällige Kahnbeinfraktur kann dazu führen, dass man den Rest, die
Luxation, übersieht.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Wie bei perilunärer Luxation (s. o.).
• Röntgenuntersuchung: Wie bei perilunärer Luxation (s. o.), zusätzlich dislozierte
Kahnbeinfraktur.
▶ Therapie: Immer operativ: Dorsaler und palmarer Zugang, Dekompression des
N. medianus, Reposition. Osteosynthese des Kahnbeins (S. 291 f.), Bandnähte, K-
Drahtfixation der Handwurzelknochen in anatomischer Position. Postoperativ
4 Wochen Kahnbeingips, danach abnehmbare Gipsschiene und Beginn mit Bewe-
gungsübungen. Vor Intensivierung der Physiotherapie ab 7. Woche interkarpale K-
Drähte entfernen (Bruchgefahr).

81
8 8.1 Riss-, Stich-, Schnitt-, Biss- und Fremdkörperverletzungen

8 Haut- und Weichteilverletzungen


Haut- und Weichteilverletzungen

8.1 Riss-, Stich-, Schnitt-, Biss- und


Fremdkörperverletzungen
Riss-, Stich-, Schnitt- und Bissverletzungen

Wichtig
▶ Vermeintliche Bagatellwunden nie unterschätzen! Unter winzigen Hautwunden
verbergen sich oft Nerven- und Sehnenverletzungen!
▶ Keine Lokal- oder Regionalanästhesie vor Sicherung der Diagnose!
▶ Bei stark blutenden Wunden niemals blindes Setzen von Klemmen, da die Gefahr
der Schädigung von Arterien und/oder Nerven besteht. Stattdessen Kompres-
sionsverband und Hochlagerung. Anlegen einer Oberarm-Druckmanschette (Uhr-
zeit vermerken!) nur bei starker Blutung, die nicht duch einen Druckverband be-
herrschbar ist.

▶ Spritzpistolen- und andere Injektionsverletzungen: Da sie unter einem hohen Druck


entstehen, haben sie charakteristisch kleine Eintrittspforten. Sie dürfen nicht fehl-
interpretiert werden, da eine operative Revision dringend erforderlich ist (S. 84).
▶ Riss- und Bissverletzungen: Sind sie dorsal über dem MP-Gelenk lokalisiert, meist
am Mittelhandknochen-Kopf, und wirken harmlos, sind sie hochverdächtig auf
Menschenbiss durch Boxhieb gegen Zähne im Rahmen einer Schlägerei (S. 112). In
diesen Fällen besteht die Gefahr der primären Infektion mit späterer Gelenkde-
struktion, da Bissverletzungen (auch durch Tiere) meist primär kontaminiert sind.
■▶ Cave: Die wahre Anamnese wird oft verschwiegen!
▶ Stichverletzungen: Nerven, Sehnen oder Gefäße können fernab der Hautläsion ver-
letzt sein.
▶ Schnittverletzungen: Sind in aller Regel sauber, dies gilt auch für Fleischerverlet-
zungen. Bakteriologische Studien haben gezeigt, dass diese nicht infektionsgefähr-
deter als andere Wunden sind.

Fremdkörperverletzungen
▶ Verletzende Fremdkörper:
• Holzsplitter: Während große Fremdkörper wie Nägel, Bolzen oder Glasteile in der
Regel nicht übersehen werden können, sind Holzsplitter oft in den Weichteilen
verborgen und nicht immer tastbar.
• Metalleinsprengungen: Röntgenologisch meist erkennbar.
• Pflanzendorne: Sie brechen oft ab und die Spitze verbleibt in den Weichteilen
oder im Gelenk. Gefahr der schleichenden Infektion (Panaritium articulare,
S. 110).
▶ Diagnostik: Begleitverletzungen durch klinische und röntgenologische Untersu-
chung feststellen oder ausschließen!
▶ Therapie: Erst nach Ausschluss von Begleitverletzungen atraumatische Versorgung
der Hautwunde. Fremdkörper immer in Blutleere und Leitungsanästhesie entfernen.

8.2 Arterienverletzungen
Anatomie
▶ Die arterielle Versorgung der Hand erfolgt über die Aa. radialis und ulnaris, die über
einen oberflächlichen und einen tiefen Hohlhandbogen miteinander kommunizie-
ren.
82
8.2 Arterienverletzungen 8

Haut- und Weichteilverletzungen


Abb. 8.1 • a–d Arterielle Versorgung
der Hand und häufigste anatomische
Variabilitäten: (a) 39,5 %, (b) 19 %,
(c) 18 %, (d) 13,3 %.

▶ Die Gefäßstrukturen sind jedoch variabel (Abb. 8.1 a–d).

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Inspektion:
– Starke Blutung: Nicht beweisend für eine arterielle Verletzung! Aufgrund der
Stauung nach Abbinden des Arms unterhalb des systolischen Blutdruckes am
Unfallort entsteht häufig eine profuse venöse Blutung.
– Starke, nicht zu komprimierende arterielle Blutung: Verdacht auf Teildurch-
trennung einer größeren, handgelenknahen Unterarmarterie. Da sich hierbei
der Gefäßstumpf nicht kontrahieren und thrombosieren kann, hält die Blutung
kontinuierlich an. Cave: Notfall mit Verblutungsgefahr, sofort operieren!
– Blasse Hand/Finger mit gemindertem Turgor und verzögertem Kapillarreflux:
Durchtrennung beider Arterien (A. radialis und A. ulnaris).
• Allen-Test (Abb. 8.2 a–d): Dient der klinischen Überprüfung, ob eine Handgelen-
karterie durchgängig bzw. ob der oberflächliche Hohlhandbogen intakt ist.
▶ Doppler-Sonografie, Angiografie: Durchführung vor geplanten rekonstruktiven Ein-
griffen. Bei frischen Verletzungen kann (selten) die Angiografie indiziert sein, z. B.
bei massiven Quetschungen der ganzen Hand.

Operationsindikation
▶ Durchtrennte Arterien an der Hand prinzipiell nähen. Dadurch kann spätere Kälte-
empfindlichkeit gemindert werden, insbesondere bei Kombination mit einer Ner-
venverletzung.
▶ Bei klinisch auffällig reduzierter Durchblutung ist ein Revaskularisationsversuch
obligat, wenn die Entscheidung zur Erhaltung des verletzten Handteils getroffen
wurde. Operationstechnik s. S. 282.

▶ Beachte: Bei Nichtversorgung kann es zu Mangeldurchblutung, Kälteintoleranz, sel-
ten auch zu Aneurysma und arteriovenöser Fistel kommen!
83
8
Haut- und Weichteilverletzungen 8.3 Hochdruckeinspritz-Verletzungen

Abb. 8.2 • a–d Allen-Test: Abdrücken beider Arterien (a). Die Hand wird vom Patienten durch
mehrfaches Öffnen und Schließen aktiv blutleer gepumpt (b). Arterien einzeln freigeben und
Durchblutung prüfen (c, d). Im abgebildeten Fall Verschluss der A. radialis, ausreichende
Durchblutung über A. ulnaris.

Posttraumatische Thrombose der A. ulnaris


▶ Ätiologie: Durch akute oder chronische Traumatisierung des Hypothenars (Häm-
mern mit der Hand!) kann die A. ulnaris thrombosieren.
▶ Klinisches Bild: Schmerzen, Gefühlsstörungen und Kälteempfindlichkeit an Ring-
und Kleinfinger.
▶ Klinische Untersuchung: Temperaturminderung, Blässe, Zyanose, auch Ulzeration
oder Gangrän an den Fingerspitzen.
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Stellatumblockaden, Vasodilatatoren.
• Operative Therapie: Nur indiziert, wenn eine Aussicht auf Rekonstruktion der
Strombahn besteht.

8.3 Hochdruckeinspritz-Verletzungen
Grundlagen
▶ Verletzungsmechanismus: Mit Spritzpistolen und hydraulischen Apparaten werden
durch winzige Eintrittswunden Farbe, Öl, Lösungsmittel oder andere Substanzen
unter hohem Druck in die palmaren Handweichteile injiziert.

▶ Cave: Unterschätzung der Verletzung wegen scheinbarer Geringfügigkeit!
84
8.4 Nagelbettverletzungen 8

Haut- und Weichteilverletzungen


Abb. 8.3 • Hochdruck-Einspritzverlet-
zung mit kontrastgebendem Fremdma-
terial.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Unauffällige kleine Platzwunde. Anfänglich kaum Beschwerden, später zuneh-
mende Schwellung, Rötung und Funktionsstörung. Verwechslung mit Infektion
möglich.
• Bei Eintrittswunde an der Fingerkuppe Ausdehnung zu erwarten bis in den dista-
len Hohlhandbereich, bei Verletzung im Handbereich Ausdehnung in der gesam-
ten Hohlhand bis zum Unterarm.
▶ Röntgenuntersuchung: Ausdehnung bei kontrastgebendem Fremdmaterial direkt
(Abb. 8.3) und bei Gasansammlung indirekt nachweisbar.

Therapie
▶ Operative Therapie: Ausnahmslos dringliche OP-Indikation, da der toxische Scha-
den mit Dauer der Einwirkung zunimmt. Vorgehen:
• Ausreichende Darstellung des gesamten kontaminierten Gewebes.
• Radikale Entfernung des Fremdmaterials und ggf. der Nekrosen unter Erhaltung
der Gefäß-Nerven-Bahnen und Sehnen.
• Im Zweifel Spalten von Retinaculum flexorum und Unterarmfaszie.
• Antibiotika lokal (Ketten) und systemisch, z. B. Cefazolin 3 × 2 g i. v. Lockerer
Hautverschluss, ausreichende Drainage. Bei starker Schwellung evtl. temporärer
Hautverschluss durch Ersatzmaterial und erst sekundärer Verschluss.
▶ Nachbehandlung: Wie bei Infektionen mit häufigen Verbandwechseln und frühzei-
tiger, dosierter Physiotherapie.

8.4 Nagelbettverletzungen
Grundlagen
▶ Die Integrität und Stabilität des Fingernagels ist abhängig von einem intakten Na-
gelbett (Abb. 8.4). Der Fingernagel dient der Stabilität der Fingerkuppe beim Spitz-
und Dreipunktgriff (Abb. 1.1). Sein normales Aussehen ist für die Ästhetik der Hand
sehr wichtig.
▶ Die sekundäre Korrektur von Nagelwachstumsstörungen ist generell unbefriedi-
gend; daher ist eine primäre Behandlung von Nagelbett-Verletzungen vorrangig.

Subunguales Hämatom
▶ Verletzungsmechanismus: Häufige Folge von Quetschverletzungen.
85
8
Haut- und Weichteilverletzungen 8.5 Defekte am Fingerendglied

Abb. 8.4 • Anatomie des Fingernagels: (1) Hypony-


chium (sterile Matrix), (2) Matrix, (3) Nagelbett,
(4) Lunula, (5) proximaler Nagelwall, (6) dorsale Matrix.

▶ Therapie:
• Trepanation (S. 312): Ausreichend bei Hämatomausdehnung von bis zu 30 % der
Nagelfläche.
• Nagelbettrevision (S. 312): Indiziert bei größeren Hämatomen und immer, wenn
der Nagel beschädigt ist.

▶ Beachte: Ältere Hämatome können mit subungualem Melanom verwechselt wer-
den. Im Zweifel revidieren, ggf. Probeexzision.

Nagelbettverletzung
▶ Verletzungsmechanismus: Meist ist das Nagelbett durch Quetschtrauma unregel-
mäßig aufgeplatzt. Der Nagel kann dabei intakt bleiben. Seltener glatte Schnittver-
letzung von Nagel und Nagelbett in einer Ebene.
▶ Klinisches Bild: Teile des Nagelbettes können fehlen. Das Nagelbett kann proximal
aus der Nageltasche luxieren, oft bei Fraktur oder Epiphysiolysis.
▶ Therapie: Nagelbettnaht, Nagelbett-Transplantat, bei Kombination mit Fraktur vor-
herige Osteosynthese, bei Kombination mit dorsalen Hautweichteildefekten zusätz-
lich Lappenplastik, z. B. umgekehrte Cross-Finger-Lappenplastik (S. 315).

8.5 Defekte am Fingerendglied


Grundlagen
▶ Bei distalen Endglieddefekten (Abb. 8.5 a–f) immer Rekonstruktion anstreben (tak-
tile Gnosis). Eine Stumpfbildung ist hier die Ausnahme.
▶ Ziel der Behandlung ist eine ausreichend sensible und weichteilgepolsterte, nicht
berührungsempfindliche Tastfläche.
▶ Die beschriebenen Rekonstruktionen erfolgen in der Regel primär.

Oberflächliche Defekte
▶ Bei Epithel- und Hautdefekten bis Centgröße kontrollierte Sekundärheilung. Kleine
Salbentüllverbände anlegen, die ein Austrocknen der Wunde verhindern. Keine Ru-
higstellung.

Kleine Substanzdefekte
▶ Bei Hautweichteilverlusten der Fingerspitze über Centgröße und ohne freiliegenden
Knochen (Abb. 8.5 a) Deckung mit dicker Spalthaut oder Vollhaut (S. 228 ff.). Zur
Verbesserung der Unterfütterung ggf. Mobilisierung von Fettgewebe nach distal.
▶ Prinzipiell kann auch in diesen Fällen die kontrollierte Sekundärheilung erfolgen,
insbesondere mit feuchten Okklusivverbänden. Nachteil: Oft störende, harte, kno-
chennahe Narben.

▶ Beachte: Hängt der Hautweichteillappen noch am Finger, Restdurchblutung sorgfäl-
tig prüfen. Bei palmarer Hautbrücke lohnt sich meist der Versuch einer Refixation.

86
8.5 Defekte am Fingerendglied 8

Haut- und Weichteilverletzungen


Abb. 8.5 • a–f Distale Fingerendglied-Defekte: Kleiner Substanzdefekt ohne freiliegenden
Knochen (a), querer Defekt mit freiliegendem Knochen (b), Endglied-Teilamputation (c), palmarer
Defekt (d), dorsaler Defekt (e), seitlich schräger Defekt (f).

Größere Substanzdefekte an den Fingern


▶ Bei größeren Defekten distal der Nagelwurzel mit freiliegendem Knochen (Abb. 8.5 c)
ist die Indikation zur lokalen sensiblen Lappenplastik gegeben, da Hauttransplanta-
te keine Polsterung schaffen.
▶ Wenn irgend möglich ipsidigitale Lappen verwenden.
■▶ Beachte: Fernlappen sind am Endglied kontraindiziert!
▶ Spezielle Indikationen:
• Querer Defekt (Abb. 8.5 b):
– Therapie der 1. Wahl: V-Y-Plastik (S. 312), bilaterale V-Y-Plastik (S. 313).
– Therapie der 2. Wahl: Thenarlappen (S. 315).
• Palmarer Defekt (Abb. 8.5 d):
– Therapie der 1. Wahl: Laterale neurovaskuläre Insellappen (S. 314). Diese sind
präparatorisch sehr anspruchsvoll. Der Cross-Finger-Lappen (S. 320) ist indi-
ziert, wenn der Defekt das gesamte palmare Endglied betrifft. Nachteil: Keine
oder wenig Sensibilität.
• Seitlicher Defekt radial (Abb. 8.5 f): Am Zeigefinger kontralateraler Kuppenlappen
(S. 314), sonst Vollhaut oder „banana flap“ (S. 313).
• Seitlicher Defekt ulnar: Vollhaut, „banana flap“.
• Dorsaler Defekt (Abb. 8.5 e): Umgekehrter (entepithelisierter) Cross-Finger-Lap-
pen (S. 315).
▶ Indikation zur Stumpfbildung bei ausgedehnten Defekten einschließlich der Nagel-
wurzel (Amputationen S. 268).
87
8 8.6 Defekte an den Phalangen

Größere Substanzdefekte am Daumen


Haut- und Weichteilverletzungen

▶ Indikationen: Bei ausgedehnten Defekten der Endglied-Beugeseite sind zur Erhal-


tung der Sensibilität neurovaskuläre Lappenplastiken indiziert:
• Palmarer Dehnungslappen oder ipsidigitaler Insellappen (S. 316).
• Heterodigitale Insellappen vom Zeigefinger-Grundglied dorsal (S. 319), Ring-
oder Mittelfinger-Endglied ulnar (S. 318 f.).

8.6 Defekte an den Phalangen


Grundlagen
▶ Defektwunden: Sie sind häufig verschmutzt und meist Teil einer komplexen Verlet-
zung. Das Ausmaß der Weichteilschädigung ist häufig durch präoperative Inspek-
tion und Funktionsprüfung nicht endgültig beurteilbar. Nach Débridement ist der
Defekt oft größer.
▶ Präoperative Diagnostik: Präoperative Klärung des Ausmaßes der Verletzung, d. h.
Vorliegen einer Fraktur, eines Knochendefekts, einer Sehnenverletzung, einer Sensi-
bilitätsstörung, einer Durchblutungsstörung.

Defekte der Fingerbeugeseite


▶ Hautdefekte mit dicker Spalthaut oder Vollhaut (S. 228 ff.) decken.

▶ Beachte: Freiliegende Gefäß-Nerven-Bahnen und Beugesehnen mit intakter Sehnen-
scheide evtl. mit freien Hauttransplantaten decken.
▶ Die Defektdeckung über genähten Beugesehnen und Gefäß-Nerven-Bahnen durch
Transpositionslappen (S. 319 f.). Bei größeren Defekten Cross-Finger-Lappen (S. 320 f.)
verwenden.
▶ Bei großen oder multidigitalen Defekten Cross-Arm-Lappen verwenden (S. 320 f.).

Defekte der Fingerstreckseite


▶ Falls die Verwendung eines freien Transplantats nicht möglich ist, erfolgt die De-
fektdeckung am End- und Mittelglied durch einen umgekehrten Cross-Finger-Lap-
pen (S. 315), im Bereich des PIP-Gelenks und am Grundglied durch Verschiebe- und
Transpositionslappen (S. 319).
▶ Bei sehr ausgedehnten oder multidigitalen Defekten Cross-Arm-Lappen verwenden
(S. 320).

Defekte der Daumenbeuge- und Daumenstreckseite


▶ Falls die Verwendung eines freien Transplantats nicht möglich ist, Defektdeckung
mit neurovaskulärem Insellappen (1. Metakarpalarterie) vom dorsalen Zeigefinger-
Grundglied (S. 319). Bei Fehlen oder Mitverletzung des Zeigefingers analoger Lap-
pen vom Mittelfinger (2. Metakarpalarterie).
▶ Bei Avulsion des gesamten Hautmantels primäre Wiederherstellung der Hülle
durch einen Radialislappen oder einen Leistenlappen (S. 322).

8.7 Defekte an der Hand


Grundlagen
▶ Größere Weichteildefekte der Hohlhand und des Handrückens sind meist Bestand-
teil komplexer Verletzungen (Quetschung, Décollement, Explosionsverletzung,
Schussverletzung).
▶ Die Abrasionsverletzung des Handrückens durch Unfall im Straßenverkehr mit
Haut- und Strecksehnendefekt stellt eine typische Verletzung dar.
▶ Große Defekte entstehen auch bei multiplen Fingerausrissen und Quetschamputa-
tionen der Mittelhand.
88
8.7 Defekte an der Hand 8
Therapie

Haut- und Weichteilverletzungen


▶ Lokale Lappen: Ihre Verwendung ist zur Deckung kleinerer Defekte palmar schwie-
rig, da die Haut hier kaum verschieblich ist; am Handrücken (S. 232) dagegen prob-
lemlos verwendbar.
▶ Freie Hauttransplantation:
• Palmarseite: Verwendung dicker Spalthaut oder Vollhaut.
• Handrücken: Die Verwendung dünnerer Spalthaut ist ohne weiteres möglich, so-
lange die Strecksehnen von Gleitgewebe bedeckt sind.
▶ Lappen zur Deckung größerer Defekte:
• Leistenlappen (Abb. 8.8 a): Axial durchbluteter Lappen (A. circumflexa ilium su-
perficialis), dadurch Lappenlänge bis über 20 cm bei minimaler Lappenbreite.
– Indikation: Große Defekte an der Hand bei jungen Patienten.
– Vorteile: Einfache Hebetechnik (S. 322), unauffällige Narbe an der Entnahme-
stelle, zusätzliche Vaskularisation der Hand.
– Nachteile: Keine postoperative Elevation möglich, dadurch Ödemneigung der
verletzten Hand und Verzögerung adäquater Physiotherapie. Einsteifung der
Schultergelenke bei älteren Patienten. Lappenstiel-Durchtrennung und meis-
tens spätere Entfettung erforderlich.
– Kontraindikation: Mögliche postoperative Unruhe (Alkoholiker).
• Unterarmlappen (Abb. 8.6): Fasziokutaner Insellappen (S. 323) von der Unterarm-
Beugeseite mit der A. radialis als axialem Gefäß. Über segmentale Äste wird die
Faszie und durch diese fast die gesamte beugeseitige Unterarmhaut vaskulari-
siert. Auch als Faszienlappen möglich.
– Indikation: Defekte am Handrücken, Daumen und 1. Zwischenfingerfalte.
– Vorteile: Keine unphysiologische Fixierung der Hand wie bei Fernlappen. Ele-
vation, frühe Physiotherapie möglich. Keine Lappentrennung.
– Nachteile: Opferung der A. radialis. Auffällige Defektnarbe (nicht bei Faszien-
lappen). Bei Männern evtl. störende Behaarung.
– Kontraindikation: Anatomische oder traumatische Unterbrechung des ober-
flächlichen Hohlhandbogens, alte Schädigung der A. radialis (Puls, Allen-Test,
Doppler-Sonografie).
• Interosseus-posterior-Lappen (Abb. 8.7): Fasziokutaner Lappen von der Unterarm-
Streckseite (A. interossea posterior).
– Indikation: Wie Radialislappen, jedoch kleinere Defekte.
– Vorteil: Wie Radialislappen. Vorteil gegenüber diesem: Primärverschluss des
Hebedefekts, dünnerer Lappen.
– Nachteil: Schwierige Präparation, lange Narbe, begrenzte Größe.
• Freie Lappen: Ideale Methode der primären oder frühsekundären definitiven De-
fektdeckung für den in freien Lappentechniken geübten Operateur. In Betracht
kommen je nach Defekt der laterale Oberarmlappen (Abb. 8.8 b), der kontralate-
rale Radialislappen oder der Skapulalappen (Abb. 8.8 c). Bei großflächigen Defek-
ten an der Hand und am Unterarm auch der „anterior lateral thigh flap“ oder
ALT-Lappen oder der bewährte Latissimus-dorsi-Lappen (Abb. 8.8 d).

Abb. 8.6 • Unterarmlappen: (1) V. cephalica, (2) A. radialis, (3) Lappenoberfläche, (4) Hautve-
nen.
89
8
Haut- und Weichteilverletzungen 8.7 Defekte an der Hand

Abb. 8.7 • Interosseus-posterior-Lappen.

Abb. 8.8 • a–d Lappen zur Deckung größerer Defekte. Leistenlappen (a): (1) Spina iliaca anterior
superior, (2) Lig. inguinale, (3) A. circumflexa ilium superficialis, (4) A. femoralis, (5) M. sartorius,
(6) Mons pubis. Freie Lappen: Lateraler Oberarmlappen (b), Skapulalappen (c), Latissimus-dorsi-
Lappen (d).
90
9.1 Grundlagen 9
9 Nervenverletzungen

Nervenverletzungen
9.1 Grundlagen
Anatomie (Abb. 9.1)
▶ Axon: Nervenfaser, Ausläufer der Nervenzelle. Das Axon wird umgeben von der
Schwann-Zelle.
▶ Epineurium: Aus lockerem Bindegewebe bestehende Umhüllung des gesamten peri-
pheren Nervs sowie der Faszikelgruppen.
▶ Perineurium: Umhüllung eines Nervenfaszikels.
▶ Endoneurium: Füllt den Raum zwischen den Axonen innerhalb eines Faszikels.
▶ Faszikel: Die kleinste mikrochirurgisch manipulierbare anatomische Nervenstruk-
tur. Faszikel enthalten eine unterschiedlich große Zahl von Axonen (z. T. > 500). Sie
sind in Gruppen angeordnet, deren Topografie sich aufgrund interfaszikulärer Quer-
verbindungen in verschiedenen Segmenten eines peripheren Nervs ändert. Je nach
Anzahl der Faszikel unterscheidet man mono-, oligo- und polyfaszikuläre Nerven.
▶ Innervation von Hand und Unterarm:
• Motorische Innervation (Tab. 9.1): Nn. medianus, ulnaris, radialis.
• Sensible Innervation: Nn. medianus, ulnaris, radialis (Abb. 9.2 a–d).

Abb. 9.1 • Querschnitt peripherer


Nerv: (1) Epineurium, (2) Perineurium,
(3) Endoneurium, (4) Faszikel.

Tab. 9.1 • Motorische Innervation der oberen Extremität.

Nerven Innervierte Muskeln

N. medianus M. flexor carpi radialis, M. pronator teres,


M. flexor digitorum profundus II (z. T. auch III),
M. flexor digitorum superficialis, M. palmaris longus,
M. flexor pollicis longus, M. pronator quadratus,
M. abductor pollicis brevis, M. opponens pollicis,
M. flexor pollicis brevis (Caput superficiale),
radiale Mm. lumbricales
N. ulnaris M. flexor carpi ulnaris, M. flexor digitorum profundus III–V,
M. adductor pollicis, M. flexor pollicis brevis (Caput profundum),
M. flexor digiti minimi, M. abductor digiti minimi,
M. opponens digiti minimi, Mm. interossei,
ulnare Mm. lumbricales
91
9 9.1 Grundlagen

Tab. 9.1 • Fortsetzung


Nervenverletzungen

Nerven Innervierte Muskeln

N. radialis M. brachioradialis, Mm. extensores carpi radialis et brevis,


M. extensor carpi ulnaris, M. supinator,
M. extensor digitorum communis, M. extensor indicis,
M. extensor digiti minimi, Mm. extensores pollicis brevis et longus,
M. abductor pollicis longus

Abb. 9.2 • a–d Sensible Innervation der Hand: palmar (a, b), dorsal (c, d).
92
9.1 Grundlagen 9

Abb. 9.3 • a, b Häufigste Varianten der Martin-Gruber-Verbindung: Motorische Ulnarisfasern Nervenverletzungen


kreuzen vom N. medianus zum N. ulnaris und innervieren „Ulnarismuskeln“. Eine hohe
Ulnarisdurchtrennung bleibt ohne motorischen Ausfall (a). Motorische Medianusfasern kreuzen
zum N. ulnaris und distal zurück zum N. medianus. Sie innervieren „Medianusmuskeln“, z. T.
zusätzlich „Ulnarismuskeln“. Eine Medianusdurchtrennung am Unterarm bleibt ohne motorischen
Ausfall (b).

Cave Innervationsvarianten
Im Unterarmbereich kommen in ca. 15 % verschiedene Variationen von Querver-
bindungen zwischen N. medianus und N. ulnaris vor (Martin-Gruber-Verbindung,
Abb. 9.3 a, b). Gemeinsam ist diesen Varianten ein Austausch motorischer Fasern
zwischen N. medianus und N. ulnaris. Die in Tab. 9.2 beschriebenen Lähmungs-
muster gelten daher nicht absolut: Die hohe Lähmung eines der beiden Nerven
kann zu keiner oder zur kompletten Lähmung führen.

93
9 9.2 Diagnostik

Tab. 9.2 • Paresen.


Nervenverletzungen

Nerven Paresen

N. medianus Distale Parese: Ausfall der Opposition und palmaren Abduktion des
Daumens
Proximale Parese: Zusätzlich Ausfall der Beugung von Daumenendgelenk
sowie DIP- und PIP-Gelenk des Zeigefingers, Schwächung der Pronation
N. ulnaris Distale Parese: Aufhebung der Abspreizung der Finger, Aufhebung der
Anspreizung der Finger und des Daumens, Aufhebung der Kleinfingerbeu-
gung im Grundgelenk
Proximale Parese: Zusätzliche Schwäche der Beugung von Klein- und
Ringfinger
N. radialis Parese R. profundus: Aufhebung der Streckung des Daumens und der MP-
Gelenke der Finger, Handgelenkstreckung geschwächt mit auffälliger
Radialdeviation (M. extensor carpi radialis intakt)
Proximale Parese: Zusätzlich Aufhebung der Handgelenkstreckung (Fall-
hand)

9.2 Diagnostik
Typen der Nervenschädigung (nach Seddon)
▶ Neurapraxie: Durch Druck, leichte Quetschung oder Traktion entsteht ein umschrie-
bener Leitungsblock. Axone bleiben unversehrt. Elektromyografie ist normal. Meist
voll reversibel innerhalb von Monaten.
▶ Axonotmesis: Durch erhebliche Quetschung oder Zerrung kommt es zur Durchtren-
nung der Axone bei erhaltener äußerer Hülle. Die Nervenschädigung ist weder kli-
nisch noch neurografisch, sondern nur durch mikrochirurgische Revision von einer
Nervendurchtrennung zu unterscheiden. Es kommt wie bei der kompletten Durch-
trennung zur Waller-Degeneration, die Axone können jedoch innerhalb der Endo-
neuralrohre ohne Hindernis nach distal auswachsen. Dauer und Qualität der Reneu-
rotisation ist daher abhängig von der zu überbrückenden Distanz und der intraneu-
ralen Vernarbung.
■▶ Beachte: Bei vielen Nervenschädigungen liegt eine Kombination aus Neurapraxie
und Axonschädigung vor.
▶ Neurotmesis: Komplette oder teilweise Durchtrennung des Nervs. Die spontane Re-
neurotisation bleibt aus. Eine mikrochirurgische Faszikeladaptation ist erforderlich,
deren Qualität für die Funktionswiederkehr wesentlich ist.

Klinische Untersuchung
▶ Inspektion:
• Offene oder geschlossene frische Verletzungen (Fraktur, Luxation, Quetschung) im
Verlaufsbereich der Nerven (Abb. 9.4): Bei klinischem Verdacht Nervenschädi-
gung positiv ausschließen, im Zweifel durch operative Revision!
■▶ Cave: Nerven(teil)verletzungen verbergen sich häufig unter banal aussehenden
Wunden und werden deshalb zu oft übersehen.
• Ältere Verletzungen: Bei vergleichender Betrachtung auf eine Fehlstellung der Fin-
ger und Muskelatrophien achten. Beides ist am auffälligsten nach Ulnarisschädi-
gung (Krallenhand, S. 377). Asensible Fingerkuppen sind atrophisch und glatt, oft
auch infolge von begleitenden Gefäßverletzungen livide.

94
9.2 Diagnostik 9

Nervenverletzungen
Abb. 9.4 • Bei Verletzungen im Verlaufsbereich der Nerven unbedingt eine Nervenschädigung
positiv ausschließen!

Abb. 9.5 • Autonomes sensibles Areal von N. medianus (II, III) und N. ulnaris (V).

▶ Palpation:
• Hoffmann-Tinel-Zeichen: Nach wenigen Tagen hat sich durch Aussprossen der
Axone im proximalen Stumpf ein Neurom gebildet, das bei Beklopfen elektrisie-
rende Schmerzen verursacht.
• Asensiblen Fingern fehlt die Schweißbefeuchtung. Ein glattes Stück Papier kann
nicht festgehalten werden. Die Haut ist im Vergleich zu unverletzten Fingern
deutlich trockener und glatter.
▶ Sensibilitätsprüfung: Daumen- und Zeigefingerkuppe werden relativ zuverlässig
vom N. medianus, die Kleinfingerkuppe vom N. ulnaris (Abb. 9.5) und die Dorsalsei-
te des Daumens vom N. radialis innerviert.
■▶ Beachte: Auch die sensible Innervation ist variabel!
• Statische Zweipunkt-Diskrimination (Abb. 9.6): Durchführung mit aufgebogener
Büroklammer (Abb. 9.7) oder wesentlich präziser mit einem Zweipunkt-Diskri-
minator:
– Erklärung des Tests an einem normal sensiblen Finger.
– Der Finger ruht bei der Untersuchung auf einer Unterlage und darf nicht gegen
die Enden gebeugt werden.
– Man beginnt mit einer mittleren Distanz (ca. 10 mm). Die Distanz wird wäh-
rend des Tests verbreitert oder verkleinert.
– Die Messung erfolgt in Richtung der Fingerlängsachse.
– Enden nicht aufdrücken, sie berühren die Haut nur leicht.
95
9
Nervenverletzungen 9.2 Diagnostik

Abb. 9.6 • Normalwerte der Zweipunkt-Dis-


krimination.

Abb. 9.7 • Prüfung der Zweipunkt-Diskrimination


mit Büroklammer.

– Die Testung ist nur aussagekräftig bei kooperativen und glaubwürdigen Patien-
ten.
• Bewegliche Zweipunkt-Diskrimination: Prüfung nach Nervenrekonstruktion. Sie
wird früher messbar als die statische Zweipunkt-Diskrimination. Der Test erfolgt
wie vorher beschrieben, nur wird die Büroklammer oder der Diskriminator in
Längsrichtung bewegt.
▶ Motorische Prüfung: Zur Beurteilung einer motorischen (Teil-)Parese bei einer fri-
schen Verletzung reicht die Prüfung weniger Muskeln (Tab. 9.1). Zur Beurteilung
komplexer, insbesondere proximaler Nervenläsionen ist die systematische Testung
der Arm- und Handmuskulatur erforderlich (klinische Muskelprüfung S. 6 ff.).
• N. medianus distal: Prüfung des M. abductor pollicis brevis. Die Hand liegt seitlich
auf der ulnaren Handkante. Der Patient wird aufgefordert, den gestreckten Dau-
men in der Hohlhandebene abzuspreizen.

▶ Cave: Relativ häufig wird die Thenarmuskulatur vom N. ulnaris (mit)innerviert.
Gegebenenfalls muss man diesen durch Anästhesie ausschalten.
96
9.3 Therapie 9
• N. medianus proximal: Prüfung des M. flexor pollicis longus anhand der Daumen-

Nervenverletzungen
endgelenk-Beugung.
• N. ulnaris: Prüfung des ersten palmaren und des zweiten dorsalen M. interosseus.
Ein einfacher Test ist das Kreuzen des Mittelfingers über den Zeigefinger.
• N. radialis: Prüfung des M. extensor digitorum. Die Hohlhand liegt auf der Unter-
lage. Der Patient wird aufgefordert, die Finger einzeln zu heben.

Elektrophysiologie
▶ Bei akuter Nervenverletzung ist durch eine elektrophysiologische Untersuchung
nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob ein Nerv durchtrennt ist. Die Befunde wer-
den erst nach einigen Tagen aussagekräftig, eine axonale Degeneration ist etwa
2 Wochen nach Verletzung nachweisbar.

Neurosonografie
▶ Mit einem geeigneten Schallkopf und einiger Übung lassen sich Kontinuitätsunter-
brechungen von Nerven an Hand und Arm darstellen, Neurapraxis und Nervdurch-
trennung unterscheiden und überflüssige Revisionsoperationen vermeiden.

MRT
▶ Nervenläsionen sind auch kernspintomografisch darstellbar, sollte eine Ultraschall-
gerät oder die dafür erforderliche Expertise nicht zur Verfügung stehen.

9.3 Therapie
Primäre Nervennaht
▶ Indikationen: Die primäre Nervennaht (S. 327) ist prinzipiell indiziert. Bei komple-
xen, evtl. lebensbedrohlichen Verletzungen bewertet der Operateur die Dringlich-
keit der Nervenversorgung. Die sekundäre Nervennaht durch den Erfahrenen ist
zweifellos besser als die Primärversorgung durch den Ungeübten.
▶ Kontraindikationen:
• Adaptation der Nervenstümpfe nur unter stärkerer Spannung möglich (z. B. nach
Débridement).
• Kein Mikrochirurg verfügbar.
• Inoperabler Patient (z. B. nach Suizidversuch).
▶ Vorgehen: Mitverletzte Arterien und Sehnen gleichzeitig mitversorgen. Bei proxi-
maler Durchtrennung von N. medianus und N. ulnaris und entsprechend langer
Dauer der Reneurotisation kann man die Nervenwiederherstellung mit einer dista-
len motorischen Ersatzoperation zur Beseitigung der störenden Oppositionsläh-
mung (S. 373 f.) bzw. Krallenstellung (S. 377) kombinieren, besonders bei alten Pa-
tienten.

Frühe Sekundärnaht
▶ Indiziert nach Abschluss der Wundheilung (5 – 7 Tage). Auf keinen Fall Wochen und
Monate vergehen lassen.

Nerventransplantation
▶ Indiziert bei Defekten, welche die Durchführung einer Nervennaht nicht oder nur
unter unzulässiger Spannung ermöglichen. Sekundäre Transplantation (S. 327)
möglichst früh durchführen! Bei sauberer Wunde und glattem, sicher beurteilba-
rem Defekt kann der geübte Mikrochirurg die Transplantation auch primär durch-
führen.

97
9 9.4 Prognose, Sekundäreingriffe

9.4 Prognose, Sekundäreingriffe


Nervenverletzungen

Prognose
▶ Je mehr Zeit bis zur Nervenrekonstruktion vergeht, desto schlechter die Prognose,
insbesondere bei proximalen Läsionen. Bei Erwachsenen sind nach Ablauf von ei-
nem Jahr die Erfolgschancen gering, bei Kindern ist eine Nerventransplantation
evtl. noch nach Jahren erfolgreich.
▶ Die Rückkehr der Funktion nach Nervennaht und Nerventransplantation ist alters-
abhängig. Kleine Kinder sind die einzigen Patienten mit Aussicht auf eine Restitutio
ad integrum.
▶ Die Prognose hängt von der Art der Schädigung ab. Gute Qualität der mikrochirur-
gischen Versorgung ist Voraussetzung für ein gutes Ergebnis, garantiert dies aber
keinesfalls. Die Ergebnisse nach primärer Nervennaht sind generell besser.
▶ Die Reneurotisation schreitet entsprechend dem Auswachsen der Axone voran.
Man rechnet ca. 1 mm pro Tag. Überprüfung klinisch durch Beklopfen des Nerven-
verlaufs distal der Nahtstelle (Hoffmann-Tinel-Zeichen) und durch Elektrophysiolo-
gie.
▶ Die Wiederkehr der motorischen Funktion wird in Kraftgraden M 0 – M 5 angege-
ben:
• M 0: Keine Kontraktion.
• M 1: Fühlbare Kontraktion.
• M 2: Beginnende aktive Bewegung.
• M 3: Bewegung gegen Schwerkraft.
• M 4: Bewegung gegen Widerstand.
• M 5: Normale Kraft.
▶ Die Prognose nach Nervenrekonstruktion ist am besten beim N. radialis, gefolgt
vom N. medianus, nach Naht des N. ulnaris ist die Prognose am schlechtesten. Die
Ursache für diese Unterschiede ist nicht bekannt.

Sekundäreingriffe
▶ Neurolyse: Mikrochirurgische Revision nach älterer Teildurchtrennung mit dem
Ziel der Erkennung und Erhaltung unverletzter Faszikel, der Resektion des Neurom-
in-Kontinuität und Überbrückung des Defekts. Extrem diffiziler Eingriff!
▶ Nerventransplantation (S. 328).
▶ Motorische Ersatzoperationen (S. 373 ff.): Wiederherstellung von motorischer
Funktion durch Umlagerung gesunder Muskeln als Kraftspender für die Sehnen ge-
lähmter Muskeln. Indikationen:
• Länger als 1 Jahr zurückliegende Nervenläsion.
• Rasche Wiederherstellung der Funktion bei älteren Patienten.
• Nervenausrisse oder langstreckige Defekte.
▶ Nerventransfer: Traumatisch geschädigte motorische oder sensible Nerven lassen
sich reinnervieren, indem ein intakter Nerv (oder Teil davon) proximal der Läsions-
stelle mit dem gesunden Nerv distal der Läsionsstelle mikrochirurgisch verbunden
wird. Der Nerventransfer kann auch direkt in den denervierten Muskel oder ein
asensibles Hautareal erfolgen.
• Beispiel 1: Distale Ulnarisparese durch Schädigung motorischer Ast. Transfer Mus-
kelast M. pronator quadratus (N. interosseus anterior) auf angefrischten distalen
Stumpf des R. prof. n. ulnaris.
• Beispiel 2: Sensible Parese ulnarer Daumen/radialer Zeigefinger (sensibler Spitz-
griff). Transfer N. dig. Comm. IV/V auf die angefrischten Nervenstümpfe an Dau-
men und Zeigefinger. Die Stümpfe der abgesetzten Digitalnerven an Ring- und
Kleinfinger können End-zu-Seit mit den verbliebenen Nerven dieser Finger ver-
bunden werden.

98
10.1 Schnitt-, Quetsch-, Säge- und Explosionsverletzungen 10
10 Komplexe Verletzungen

Komplexe Verletzungen
10.1 Schnitt-, Quetsch-, Säge- und
Explosionsverletzungen
Grundlagen
▶ Die schwerverletzte Hand verlangt in Bezug auf Untersuchung und Behandlung spe-
zielle Kenntnisse. Es besteht sonst die Gefahr, dass erhaltenswerte Teile verworfen
oder zu resezierendes Gewebe belassen wird. Beides schadet späterer Funktion.
▶ Prinzip der definitiven Primärrekonstruktion: Möglichst umfangreiche primäre
Wiederherstellung, damit ein funktionelles Training früh beginnen kann.
▶ Operateur und OP-Team müssen spezielle Techniken beherrschen: Replantation,
Sehnenumlagerungen, Nerven- und Knochentransplantation sowie Lappenplasti-
ken.
▶ Ist eine Verlegung wegen vital bedrohlicher Begleitverletzungen nicht möglich, ha-
ben Revaskularisation, Knochenstabilisierung und Weichteildeckung Priorität.
▶ Bei kombinierten Verletzungen intra- und postoperative Gabe von Antibiotika er-
wägen.

Schnittverletzungen
▶ Meist kombinierte Durchtrennung von Sehnen und Gefäß-Nerven-Bahnen.
▶ Bei ausgedehnten Verletzungen im Bereich Mittelhand oder Handgelenk („Spaghet-
ti wrist“) Versorgung in der Reihenfolge Beugesehnen → Nerven → Arterien.
▶ Da die OP-Zeit meist > 3 h beträgt, Blutleere zwischenzeitlich öffnen. Nach Arte-
rienanastomosen erneutes Auswickeln wegen Thrombosegefahr unbedingt vermei-
den.

▶ Beachte: Bei multiplen Beugesehnen-Durchtrennungen muss die letzte Sehne so
präzise genäht werden wie die erste!

Quetschverletzungen
▶ Klinisches Bild:
• Bei groben Quetschungen kommt es zu einer starken Ödembildung bis hin zur
„Tatzenhand“ mit massiver Einschränkung der Fingerbeweglichkeit.
• Durch direkte Schädigung der Handbinnenmuskulatur oder Ischämie durch inne-
re Kompression (Kompartmentsyndrom) können Fingerkontrakturen entstehen.
• Haut: Durch Stanzen entstehen umschriebene Schädigungen der Haut; durch
Walzen oder Hängenbleiben an Ringen kommt es zu Ablederungen oder Ausriss
(Abb. 10.1). Eine genaue klinische Einschätzung der Hautdurchblutung ist not-
wendig (S. 4).
• Gefäße: Arterien sind häufig, Venen seltener geschädigt.

Abb. 10.1 • Walzenquetschverletzung.


99
10 10.1 Schnitt-, Quetsch-, Säge- und Explosionsverletzungen

• Knochen und Gelenke: Komplexe Verletzungen gehen häufig mit Frakturen einher,
Komplexe Verletzungen

wobei oft Trümmerzonen entstehen. Zerreißungen des Bandapparates der Gelen-


ke sind möglich.
• Sehnen und Nerven: Sie bleiben in der Regel intakt. Neurapraxie oder Axonotme-
sis mit lang dauernder Funktionsstörung sind möglich.
▶ Therapie:
• Bei starken Quetschungen mit ausschließlicher Schwellung konsequente Hochla-
gerung, Eisapplikation, Physiotherapie, Schienung in Intrinsic-plus-Stellung
(S. 24). In diesen Fällen ist eine stationäre Beobachtung angezeigt.
• Fasziotomie (S. 330): Durchführung bei Zeichen des Kompartmentsyndroms
(Schmerzen, Bewegungsstörung); bei akuter Medianuskompression Spaltung des
Retinaculum flexorum.
• Osteosynthese (S. 239 ff.): Durchführung bei instabilen und/oder dislozierten
Frakturen. Knochendefekte nach Möglichkeit durch primäre Beckenkamm-Inter-
position (S. 238) überbrücken. Stabilisierung der Gelenke erfolgt durch temporä-
re K-Drahtfixation, wenn eine Bandrekonstruktion möglich ist, andernfalls durch
Arthrodese.
• Revaskularisation nicht durchbluteter Handanteile.
• Hautresektion: Irreversibel geschädigte Haut vollständig exzidieren. Eine Defekt-
deckung ist meist mit mitteldicker Spalthaut (S. 228) möglich. Bei freiliegenden
Knochen oder Sehnen erfolgt eine Lappenplastik (S. 319). Bei komplettem Ausriss
des Hautmantels am Finger ist mit geringen begründbaren Ausnahmen die Am-
putation indiziert, am Daumen Rekonstruktion durch Lappenplastik.

▶ Cave: Die Refixation nekrotischer Haut stellt einen groben Fehler dar!
Sägeverletzungen
▶ Bei Verletzungen durch Kreis-, Band- und Kettensägen wie auch Fräsen kommt es
zu Defekten des geschädigten Gewebes. Eine Wiederherstellung ist dadurch er-
schwert.
▶ Therapie dorsaler Verletzungen:
• Osteosynthese: Bei Knochendefekt erfolgt eine primäre Knochenspan-Interposi-
tion (Abb. 10.2 a–c). Eine spannungsfreie Weichteildeckung, ggf. durch Lappen-
plastik (S. 319), ist erforderlich.

▶ Beachte: Eine sekundäre Knochentransplantation verzögert das funktionelle
Training, verlängert die Heilungsdauer und ist aufgrund der Vernarbung
schwieriger durchzuführen!
• Arthrodese (S. 382): Durchführung bei Destruktion von End- und Mittelgelenken.
• Primäre Endoprothese (S. 385): Durchführung bei Destruktion des Gelenks von
Grund- und/oder Mittelgelenken und rekonstruierbarer Strecksehne unter anti-
biotischer Abdeckung.
• Strecksehnennaht (S. 271 ff.): In den meisten Fällen ist eine primäre Naht möglich.
Bei Defekt in Zone 5 – 7 (Abb. 5.3) primäre Rekonstruktion durch Transposition
oder Koppelung (S. 274 f.) erwägen. Bei ausgedehnterem Defekt im PIP-Gelenkbe-
reich erfolgt eine primäre Arthrodese (S. 382).
▶ Therapie palmarer Verletzungen:
• Beugesehnennaht (S. 278): In den meisten Fällen ist eine Primärnaht möglich. Nur
bei Defekten im Mittelhandbereich primäre Rekonstruktion durch Transposition
des M. flexor digitorum superficialis. Bei Defekten im Fingerbereich kann die Ein-
lage eines Silastikstabes (zur Vorbereitung der zweizeitigen Rekonstruktion) not-
wendig sein. In diesem Fall ist eine antibiotische Therapie indiziert.
• Arteriennaht (Abb. 25.2): Bei ausgedehnten Arterienverletzungen muss die Revas-
kularisation ggf. durch ein Gefäßtransplantat erfolgen.
• Nervennaht (S. 327): Häufig ist die Nervennaht nicht spannungsfrei möglich. Eine
primäre Nerventransplantation ist nur dann indiziert, wenn ein Transplantat von
einem nicht replantierbaren Finger zur Verfügung steht.
100
10.1 Schnitt-, Quetsch-, Säge- und Explosionsverletzungen 10

Komplexe Verletzungen

Abb. 10.2 • a–c Sägeverletzung mit Knochen- und Weichteildefekt (a). Primäres Knochen-
transplantat eingeheilt (b). Weichteildeckung mit Radialislappen, 63-jähriger Patient 6 Wochen
nach Unfall (c).

Explosionsverletzungen
▶ Klinisches Bild:
• Explosionsverletzungen imponieren häufig als Kombinationen aus Riss-, Quetsch-,
Schnitt- und Avulsionsverletzungen sowie Verbrennungen (Abb. 10.3 a–d).
• Meist ist die Radialseite betroffen, oft (Teil-)Ausriss des Daumens.
• Kontamination mit multiplen Fremdkörperteilen.
• Durchführung eines HNO- und Augenkonsils! Perforierende Augenverletzungen
haben ggf. Vorrang (Absprache mit Augenarzt)!
101
10
Komplexe Verletzungen 10.1 Schnitt-, Quetsch-, Säge- und Explosionsverletzungen

Abb. 10.3 • a–d Starke Zerstörung durch Explosion (a, b). Rekonstruktion einer Dreifinger-
Basishand. Primäres vaskularisiertes Knochentransplantat (Zeigefinger-Grundglied Mittelhand-
knochen III). Ergebnis nach 3 Monaten (c, d).

▶ Diagnostik: Prä- und intraoperativ eine exakte Bestandsaufnahme der verletzten


Strukturen:
• Welche Finger, welche Muskeln sind durchblutet?

▶ Beachte: Die Durchblutung kann sich nach Frakturstabilisierung bessern!
• Welche Finger sind replantierbar, ggf. an anderer Stelle?
• Ist zur primären Stabilisierung eine Knochentransplantation nötig?
• Welche autogenen Transplantate stehen aus nicht replantierbaren Fingern zur
Verfügung (Knochen, Gelenke, Arterien, Nerven)?
• Kann ein zerstörter Finger filetiert und damit zur Weichteildeckung verwendet
werden?
• Ist eine größere Lappenplastik erforderlich?
▶ Therapie: Anhand der exakt durchgeführten Bestandsaufnahme (s. o.) wird ein Ope-
rationsplan erstellt, der auf einem funktionellen Konzept basieren muss, z. B. Erhal-
tung oder spätere Schaffung einer Dreifingerhand (Basishand, Abb. 10.3).

▶ Beachte: Bei prekärer Durchblutung sind riskante Maßnahmen zu unterlassen. Evtl.
auf eine Blutleere verzichten. In diesem Fall stehen dann sparsames Débridement,
Fremdkörperentfernung, Adaptationsosteosynthese und Weichteildeckung im Vor-
dergrund.
102
11.1 Verbrennungen 11
11 Thermische und chemische Verletzungen

Thermische und chemische Verletzungen


11.1 Verbrennungen
Grundlagen
▶ Thermische Verletzungen entstehen durch offene Flammen, Strahleneinwirkung
(Sonne, physikalische Strahlenschäden), Explosion, flüssiges Metall, Teer, heiße Ge-
räte oder Maschinen (Herdplatte, Heißmangel, Pressen), Verbrühung durch heißes
Wasser oder andere heiße Flüssigkeiten.
▶ Verletzungen durch elektrischen Strom entstehen durch lokale Hitzeeinwirkung
(Lichtbogen) sowie durch den Stromfluss im Gewebe.
▶ Die Verbrennungstiefe ist abhängig von Temperatur und Einwirkdauer.

Klassifikation
▶ Die Einteilung in Verbrennungsgrade erfolgt entsprechend der Eindringtiefe der
Schädigung in die Haut (Abb. 11.1):
• I°: Hautrötung, schmerzhaft bei Berührung.
• II°: Die zweitgradige Schädigung kann sowohl der erst- wie auch der drittgradi-
gen ähneln. Für praktisch-klinische Zwecke unterscheidet man:
– II a (oberflächlich): Blasenbildung, feuchter Wundgrund, wegdrückbare Rö-
tung, schmerzhaft bei Berührung, Sensibilität erhalten.
– II b (tief): Blasenbildung, trockener Wundgrund, blasse und gerötete Areale,
Rötung nicht wegdrückbar (intravaskuläre Koagulation), Sensibilitätsverlust.
• III°: Haut weiß, gelb (koaguliertes Kollagen) mit sichtbaren koagulierten Blutgefä-
ßen. Asensibilität.
• IV°: Gangränartige Fingernekrose, Gewebeverkohlung.

▶ Beachte: Verbrennungen verschiedener Grade können gleichzeitig nebeneinander
vorkommen!

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Inspektion: Schädigung der Haut (s. o.). Bei Stromverletzung nach Strommarken
an den Ein- und Austrittstellen suchen. Meist findet sich ein scharf begrenzter,
tief reichender thermischer Schaden.

Abb. 11.1 • Verbrennungsgrade und Tiefe der Hautschädigung.


103
11 11.1 Verbrennungen

• Sensibilitätsprüfung: Zur Abgrenzung einer zweit- von einer drittgradigen Ver-


Thermische und chemische Verletzungen

brennung. Durchführung mit spitzer Nadel. Schmerzangabe? Blutung aus Ein-


stichstelle?
▶ Intravenöse Gabe von Fluorescin oder Disulfin-Blau: Diese Technik zur Abgrenzung
drittgradiger Areale ist der klinischen Beurteilung nicht überlegen.
▶ EKG: Regelmäßige Kontrollen sind nach Stromverletzungen obligat (Myokardscha-
den)!
▶ Röntgenuntersuchung: Bei Quetschungen durch Maschinen Ausschluss von Fraktu-
ren.

Notfalltherapie
▶ Kühlung: Bei thermischer Verletzung möglichst rasch kontinuierliche Applikation
(15 min) von fließendem kaltem Wasser. Dadurch Verhinderung von „Nachbren-
nen“ und tieferer Hautschädigung. Danach steriler Verband.
▶ Bei Stromverletzung Abschalten des Stromes, ggf. Reanimation.

Konservative Therapie
▶ I°: Kühlende Salbe/Gel, kein Verband, Bewegung!
▶ II°a (oberflächlich):
• Primär ausreichende Analgesie.
• Aufstechen (nicht Abtragen) der Blasen.
• Sind kleine Flächen betroffen, steriler Verband mit Salbentüll und geringen Men-
gen antibakterieller jodhaltiger Salbe.
■▶ Cave: Voluminöse Verbände und/oder dickes Einschmieren mit antibakteriellen
Salben behindert die frühzeitige Bewegung.
• Sind größere Areale verletzt, sterile Tütenbehandlung: Die Hand wird in eine ste-
rile Plastiktüte passender Größe gesteckt und am Handgelenk mit einem Pflaster
zirkulär verschlossen. Auf die Wunden wird regelmäßig dünn Debrisorb gestreut.
Der Patient soll die Finger bewegen, ggf. Physiotherapie. Durch die feuchte Kam-
mer sammelt sich Exsudat, das mehrmals täglich entfernt wird. Täglicher Ver-
bandwechsel mit Entfernen von Blasenresten.
• Lagerungsschienen zur Nacht in Intrinsic-plus-Stellung (S. 24) können bei Bedarf
trotz der Tüte angelegt werden.
• Infektionsprophylaxe durch Handbäder in Braunovidonlösung.

Operative Therapie
▶ II°b (tief) und III°:
• Sind Hand oder Hände allein betroffen, frühzeitige (innerhalb von 2 – 3 Tagen)
tangentiale Abtragung oder Exzision und Spalthautdeckung (S. 330). Bei um-
schriebenen Schäden palmar auch Vollhautdeckung.
• Sind Handverbrennungen Bestandteil einer großflächigen Verbrennung, wird die
Versorgung Bestandteil eines Gesamtbehandlungsplans und ggf. erst frühsekun-
där vorgenommen.
• Lässt der Allgemeinzustand des Patienten (z. B. gleichzeitiges Inhalationstrauma)
eine Frühversorgung nicht zu, sind bei zirkulärer Verbrennung oder sehr starker
Ödembildung Entlastungsinzisionen (S. 330) erforderlich, um Durchblutungsstö-
rungen zu beseitigen oder zu verhindern.
• Ist eine frühe Exzision versäumt und die Wunde bereits infiziert worden, infizier-
te Nekrosen radikal entfernen und Hautersatz erst bei sauberen Wundverhältnis-
sen durchführen.
▶ IV°: Amputation unter funktionellen Gesichtspunkten.

Nachbehandlung
▶ Intensive Physiotherapie. Applikation fetthaltiger Salben. Bei starker Narbenbildung
Kompressionshandschuhe.
104
11.2 Erfrierungen 11
Sekundäreingriffe

Thermische und chemische Verletzungen


▶ Beseitigung instabiler Narben oder Narbenaufbrüche durch Exzision und Haut-
transplantation.
▶ Korrektur von Beuge- und Streckkontrakturen der Finger, selten der Handgelenke,
Adduktionskontraktur des Daumens, narbenbedingte Syndaktylien (S. 330 f.).
▶ Korrektur von Knopflochdeformitäten der PIP-Gelenke (S. 277).
▶ Korrektur von Knochenfehlstellungen bedingt durch Wachstumsstörung infolge
kindlicher Verbrennungen.

Fehler und Gefahren


▶ Unterschätzen der Eindringtiefe und Unterlassung früher Exzision.
▶ Kontrakturen durch zu lange Ruhigstellung (voluminöse Verbände), Hinauszögern
der Mobilisation, besonders der MP-Gelenke.

11.2 Erfrierungen
Grundlagen
▶ Gewebeschaden durch Kälteexposition, verstärkt durch Wind, Nässe, Unbeweglich-
keit und inadäquate Kleidung.
▶ In der Erfrierungsphase Schädigung durch Gefrieren der extrazellulären Flüssigkeit
und direkte Schädigung des Gefäßendothels (Vasokonstriktion), in der Aufwärm-
phase durch Gefäßthrombosierung.
▶ Anders als bei thermischen Schäden ist die Erfrierung klinisch schwer zu beurtei-
len, daher sind anamnestische Daten besonders wichtig (Dauer der Exposition,
Windstärke, Kleidung, prädisponierende Faktoren wie Nikotinabusus, periphere
Durchblutungsstörungen).

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Untersuchung des Allgemeinzustands (Erschöpfungszustand, psychischer Aus-
nahmezustand).
• Untersuchung der erfrorenen Extremitätenabschnitte:
– Oberflächliche Schädigung: Erythem, Ödem, Blasenbildung.
– Tiefe Schädigung: Zusätzlich Zyanose, Anästhesie, Ischämie.
■▶ Beachte: Beide Schädigungstypen können an einem Finger gleichzeitig vorkom-
men, z. B. distal tiefgradig, proximal oberflächlich.
▶ Röntgenuntersuchung: Bei Kindern Röntgenkontrolle nach 6 – 12 Monaten, da
selbst nach oberflächlichen Erfrierungen eine Ossifizierung der Epiphysen auftreten
kann.

Therapie
▶ Falls erforderlich, Schockbehandlung.
▶ Konservative Therapie:
• Aufwärmung: Normalisierung der Körpertemperatur durch heiße Getränke und
Bad, Erwärmen der Extremitäten durch warmes Bad (ca. 40 – 42 °C).
• Analgesie (Hyperämie ist sehr schmerzhaft!), evtl. Plexusanästhesie (gleichzeitige
Sympathikusblockade), ggf. Sedativa.
• Die Blasen bleiben geschlossen. Sparsame Applikation antibakterieller Salbe. Lo-
ckerer Verband, evtl. sterile Tütenbehandlung (S. 104).
• Adjuvante Therapiemöglichkeit: Stellatumblockaden, Infusion mit niedermoleku-
larem Dextran.

105
11 11.3 Verätzungen

▶ Operative Therapie:
■▶ Beachte: Eine frühzeitige Exzision oder Amputation ist kontraindiziert. Vor Durch-
Thermische und chemische Verletzungen

führung von Teilamputationen ist der Demarkierungsprozess geduldig (bis zu


2 Monate) abzuwarten. Eine Ausnahme sind erhebliche Infektionen als Indikation
zur offenen Amputation.
• Die endgültige operative Korrektur richtet sich nach den Erfordernissen des Ein-
zelfalles, z. B. am Daumen Längenerhalt durch Lappenplastik (S. 269).

11.3 Verätzungen
Grundlagen
▶ Durch Verätzung mit Laugen oder Säuren entstehen chemische Schäden an der
Haut:
• Laugen, Flusssäure: Kolliquationsnekrose (infiltrativ fortschreitend).
• Säure: Die Schädigung entspricht eher einer Verbrennung (chemical burn).
Schwefelsäure z. B. nimmt Wasser unter Hitzeentwicklung auf (Koagulationsne-
krose).

Diagnostik
▶ Klassifikation der Schädigung wie bei Verbrennungen (S. 103).
▶ Informationsbeschaffung über das schädigende Agens vom Unfallort (Betrieb).
▶ Häufig nicht flächenhafte, sondern punktuelle Hautschädigung durch Spritzer.

Therapie
▶ Konservative Therapie:
• Notfallmäßig reichlich Spülung der verletzten Hand mit Wasser.
• Neutralisation: Wenn bekannt und vorhanden, Verabreichung des Antidots
(Neutralisation), z. B. 1 %ige Essigsäure (Essig) bzw. Natriumbikarbonat (Soda).
• Oberflächliche Verätzungen werden wie Verbrennungen behandelt (S. 104).
▶ Operative Therapie: Analog wie bei Verbrennungen (S. 104). Bei tiefen zweitgradi-
gen Verätzungen begrenzter Ausdehnung Indikation zur primären Exzision und De-
ckung (S. 330) großzügig stellen zwecks Beschleunigung des Behandlungsverlaufs.

Flusssäureverätzung
▶ Flusssäure (HF), eine Substanz, die in der Glasindustrie verwendet wird, verursacht
eine progressive Gewebezerstörung.
▶ Therapie:
• Konservative Therapie:
– Schmerzbekämpfung durch Regionalanästhesie, z. B. Plexuskatheter.
– Intraarterielle (je nach Lokalisation A. radialis oder A. ulnaris) Infusion mit
20 %igem Calciumgluconat (10 ml in 40 ml Kochsalzlösung) mit Perfusor (4 h
alle 12 h) bis zum Rückgang der Schmerzen.
– Zusätzlich Heparinisierung (15 000 IE / 24 h).
• Operative Therapie: Nach Demarkierung Exzision, Hautersatz oder plastische Kor-
rektur des Defekts.

106
12.1 Allgemeines 12
12 Infektionen

Infektionen
12.1 Allgemeines
Grundlagen
▶ Primär harmlose, oberflächliche Inflammationen können sich durch Keiminvasion
in die Sehnenscheidenkanäle rasch zu gravierenden Infektionen entwickeln.
▶ Kenntnis der anatomisch vorgegebenen Ausbreitungswege sind die Grundbedin-
gung für eine erfolgreiche chirurgische Behandlung.
Ätiologie
▶ Meist traumatisch.
▶ Häufigster Keim ist Staphylococcus aureus.
▶ Prädisponierende Faktoren bzw. Erkrankungen sind Diabetes mellitus, AIDS und
Drogensucht.
▶ Bissverletzungen durch Tier oder Mensch sind immer potenziell mit hochvirulenten
Keimen kontaminiert!

▶ Beachte: Fleischerverletzungen sind nicht häufiger primär kontaminiert als Verlet-
zungen anderer Genese!
Klinisches Bild
▶ Schmerzen, Bewegungseinschränkung, Schwellung und Rötung.
▶ Pochender Schmerz signalisiert Abszessbildung.
Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Inspektion:
– Rötung, Schwellung.
– Sichtbare subkutane Eiteransammlung und/oder purulente Sekretion.
– Bei Sehnenscheideninfektion befindet sich der Finger in Intrinsic-minus-Stel-
lung, d. h. Beugung im PIP-Gelenk und leichte Überstreckung im MP-Gelenk.
■▶ Beachte: Das kollaterale Handrückenödem ist oft auffällig, darf aber nicht vom
Ort der Infektion in der Hohlhand ablenken!
• Palpation:
– Überwärmung.
– Lokaler Druckschmerz mit Punctum maximum am Ort der Gewebseinschmel-
zung.
– Evtl. palpable Lymphknoten in der Ellenbeuge und axillär.
• Funktionsprüfung: Beugung und Streckung eingeschränkt, passive Streckung äu-
ßerst schmerzhaft.
▶ Röntgenuntersuchung: Erkennung evtl. vorhandener Fremdkörper und einer ossä-
ren Beteiligung.

▶ Beachte: Erhöhte Aufmerksamkeit bei Patienten mit AIDS, Drogensucht oder ver-
minderter Immunabwehr aus anderen Gründen. Eine foudroyante Infektion kann
bei dieser Gruppe klinisch harmlos wirken und daher verspätet erkannt oder ganz
übersehen werden!

Differenzialdiagnose
▶ Akuter Schub einer rheumatoiden Arthritis: Anamnese bekannt, kein lokalisierter
Druckschmerz, keine Einschmelzung.
▶ Gichtanfall: Anamnese bekannt, Hyperurikämie.
▶ Tendinitis calcarea: Röntgenologisch Kalkablagerungen.
▶ Herpes digitalis (S. 110): Beginn der Symptomatik ähnlich wie beim Panaritium.
▶ Aktivierte Arthrosen (S. 204): Typischer Röntgenbefund.
107
12 12.2 Fingerinfektionen

Therapie
Infektionen

▶ Konservative Therapie: Bei beginnenden Symptomen und lymphangitischer Infek-


tion mit Rötung und rotem Streifen:
• Ruhigstellung, Hochlagerung, lokale Eisbehandlung.
• Antibiotikagabe nicht zwingend erforderlich. Sie ist indiziert bei Zunahme des
Lokalbefundes, einhergehend mit erträglichen Beschwerden sowie bei Zeichen
einer beginnenden Sehnenscheideninfektion. Tägliche Befundkontrolle erforder-
lich.
▶ Operative Therapie: Bei Zeichen der purulenten, phlegmonösen Infektion, Zunahme
der Symptome, Nichtrückgang des Lokalbefundes.
• Dringliche Indikation: Bei Pochen in der betroffenen Hand, Schlaflosigkeit und er-
kennbarer Eiteransammlung.
• Operationstechnik: Abszessinzision und Ausräumung, evtl. Einlage von Antibioti-
kaketten.

Achtung
▶ Bei Vorliegen eines Abszesses hilft keine konservative Maßnahme!
▶ Es ist falsch, auf die Wirksamkeit eines Antibiotikums zu vertrauen und so die
operative Behandlung zu verzögern! Purulente Handinfektionen sind dringliche
Notfälle!

Nachbehandlung
▶ Ruhigstellung: Bis zum Abklingen der Entzündungszeichen. Nach Sehnenscheiden-
infektionen Beginn mit Physiotherapie bei liegender Schiene innerhalb von 24 h
auch nach ausgedehntem Infekt.
▶ Antibiose: Bei ausgedehnter Infektion postoperativ auch systemische Antibiotikaga-
be, z. B. Clindamycin oder ein Cephalosporin. Nach Bestimmung von Keim und Re-
sistenz ggf. Umstellung.
▶ Antibiotikaketten nach ca. 5 – 14 Tagen entfernen.

Prognose
▶ Wird die Infektion früh erkannt und korrekt behandelt, kommt es in der Regel zur
folgenlosen Ausheilung.
▶ Verschleppte Infektionen können zu erheblichen Funktionsdefiziten führen. Oft
sind dann Sekundäreingriffe erforderlich wie Tenolysen (S. 274) und Arthrodesen
(S. 382).

12.2 Fingerinfektionen
Paronychie
▶ Definition: Laterale oder proximale Nagelwallinfektion.
▶ Ätiologie: Geringe, nicht beachtete Verletzungen, z. B. bei Maniküre.
▶ Klinisches Bild/Untersuchung: Rötung, Schwellung, Druckschmerz am Nagelwall
(Abb. 12.1). Später entleert sich auf Druck Eiter. Bei verzögerter Behandlung sam-
melt sich auch subungual Eiter an.
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Anfangs Ruhigstellung mit Fingergipsschiene oder weiter
Stack-Schiene. Antiseptische Handbäder, Eisapplikation. Bei konservativer Be-
handlung tägliche klinische Kontrolle.
• Operative Therapie (S. 334 f.): Bei voranschreitender Infektion.

108
12.2 Fingerinfektionen 12

Infektionen
Abb. 12.1 • Paronychie.

Abb. 12.2 • a, b Panaritium subcutaneum (a),


Kragenknopf-Panaritium (b).

Panaritium cutaneum
▶ Definition: Intrakutane, subepidermale Abszessbildung.
▶ Klinisches Bild/Untersuchung: Rötung, Schwellung, sichtbare Eiterblase.
▶ Therapie: Bei isolierter, oberflächlicher Lokalisation reicht eine einfache Abtragung.
■▶ Cave: Es kann sich um den oberflächlichen Teil eines sog. Kragenknopf-Panari-
tiums (Abb. 12.2 b) handeln. Wundgrund nach einer Fistelöffnung absuchen und
eine Befundkontrolle durchführen.

Panaritium subcutaneum
▶ Definition: Abszessbildung in der Tiefe (Abb. 12.2 a). Der subkutane Abszess kann
über einen Fistelgang an die Oberfläche dringen. Es entsteht das Kragenknopf-Pa-
naritium (Abb. 12.2 b).
▶ Klinisches Bild/Untersuchung: Die Kuppe ist gerötet, prall geschwollen, gespannt
und druckschmerzhaft.
▶ Therapie: Frühzeitig operativ (S. 334), sonst besteht die Gefahr der Knochenbeteili-
gung.

Infektion der Sehnenscheiden


▶ Ätiologie: Meist durch Quetsch-, Riss- oder Stichverletzung der Beugesehnenschei-
de.
▶ Klinisches Bild/Untersuchung: Eine infizierte Eintrittspforte ist oft noch erkennbar.
Beginn mit lokalisierter Schwellung und Druckschmerz über betroffener Sehne,
später über die gesamte Sehnenscheide bis in die distale Hohlhand. Der Finger steht
in Beugestellung. Heftiger Schmerz bei passiver Dehnung.
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Versuch mit Ruhigstellung, Kühlung, Antibiotika.
• Operative Therapie (S. 335): Unverzügliche Operation bei Verschlechterung.

109
12
Infektionen 12.3 Interdigital- und Hohlhandinfektionen

Achtung
Am Daumen- bzw. Kleinfingerstrahl kann sich die Infektion nach proximal in den
Sehnenscheidensack ausbreiten. Bei Übertritt der Infektion in den Karpaltunnel
ist der Durchbruch der Eiterung in den benachbarten Sehnenscheidensack mög-
lich: Entstehung einer V-Phlegmone an Daumen- und Kleinfingerstrahl!

Panaritium ossale
▶ Ätiologie: Entstehung durch direkte Verletzung des Knochens oder Ausbreitung ei-
nes subkutanen Panaritiums, oft infolge unzureichender Behandlung.
▶ Klinisches Bild: Ähnlich wie beim Panaritium subcutaneum.
▶ Diagnostik:
• Röntgenuntersuchung: Nachweis der Beteiligung des Knochens: Typische Kalk-
salzminderung, verwaschene Strukturen, Defekte, Sequester.
▶ Therapie: Ein operativer Erhaltungsversuch (S. 336) ist in den meisten Fällen ge-
rechtfertigt, in fortgeschrittenen Fällen primäre Endgliedamputation.

Panaritium articulare
▶ Ätiologie: Entstehung durch direkte Verletzung des Gelenks oder Ausbreitung eines
subkutanen Panaritiums, oft infolge unzureichender Behandlung.
▶ Klinisches Bild: Ähnlich einer Sehnenscheideninfektion, die Schwellung ist auf die
Gelenkregion zentriert. Nach Pflanzendornverletzung kommt es gelegentlich auch
zu blanden Verläufen, die von einer nicht bakteriellen Monoarthritis schwer abzu-
grenzen sind.
▶ Diagnostik:
• Röntgenuntersuchung: Nachweis der Beteiligung des Knochens im Gelenkbereich:
Typische Kalksalzminderung, verwaschene Strukturen, Defekte, Sequester.
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Kühlung, Ruhigstellung, evtl. Antibiotika.
• Operative Therapie: Bei Nichtbesserung Gelenkrevision.

Herpes digitalis

▶ Beachte: Wichtige Differenzialdiagnose bei Panaritium!
▶ Ätiologie: Infektion durch Herpesvirus, Vorkommen besonders bei in Heilberufen
tätigen Personen und Kindern.
▶ Klinisches Bild: Initial ähnliche Befunde wie bei beginnendem Panaritium: Schmer-
zen, Rötung. Später Bläschenbildung und kleine Epitheldefekte.
▶ Therapie: Konservativ mit Aciclovir Creme, evtl. auch orale Medikation
(200 – 400 mg 4-stündlich p. o.).

12.3 Interdigital- und Hohlhandinfektionen


Interdigitale Infektion
▶ Ätiologie: Direkte Verletzungen, superinfizierte Ekzeme, Sinus pilonidalis interdigi-
talis bei Friseuren. Auch fortgeleitete Fingerinfektion.
▶ Klinisches Bild: Spreizstellung benachbarter Finger, ausgeprägtes Handrückenödem.
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Versuch mit Ruhigstellung, Kühlung, Antibiotika.
• Operative Therapie: Bei Verschlechterung unverzügliche Operation (S. 336).

Infektion der Hohlhandräume


▶ Ätiologie: Direkte Verletzung oder fortgeleitete Sehnenscheideninfektion.

110
12.4 Infektionen durch Bissverletzungen 12

Infektionen
Abb. 12.3 • Hohlhandräume.

▶ Anatomie: Die Hohlhandräume sind durch Septen voneinander getrennt. Der po-
tenzielle mittlere Hohlhandraum liegt zwischen III. und V. Strahl zwischen Beuge-
sehnen und Interosseus-Muskeln, reicht bis zur distalen queren Hohlhandfalte. Der
Thenarraum liegt im Thenarbereich zwischen II. und III. Strahl (Abb. 12.3).
▶ Klinisches Bild:
• Wegen straffer Palmarfaszie und vertikaler Septen ist keine stärkere Schwellung
möglich. Es kommt jedoch immer zu einem ausgeprägten Handrückenödem, al-
lerdings ohne Rötung und Druckschmerz.
■▶ Beachte: Die Schwellung am Handrücken auf keinen Fall als Ort der Abszessbil-
dung missdeuten!
• Haut und Weichteile sind palmar prall gespannt, wenig Schwellung. Starker
Druckschmerz, die betroffenen Finger befinden sich in Intrinsic-minus-Stellung,
Schmerzen bei aktiver und passiver Bewegung.
• Oft allgemeine Krankheitssymptome: Fieber, Schüttelfrost.
▶ Therapie: Immer dringliche Operationsindikation (S. 337).

12.4 Infektionen durch Bissverletzungen


Bissverletzung durch Tiere
▶ Ätiologie: Durch Tierbiss primäre Kontamination mit multiplen pathogenen Kei-
men, vorwiegend Staphylococcus aureus, S. viridans, Pasteurella multocida.
■▶ Cave: Katzenbisse sind wegen der unauffälligen Eintrittspforten (sehr spitze Zäh-
ne) besonders gefährlich.
▶ Therapie:
• Oberflächliche Wunden: Säuberung, kurzzeitige Ruhigstellung, Antibiotika, z. B.
Cefotaxim 3 × 2 g oder Clindamycin 3 × 300 mg. Regelmäßige Kontrolle der Wun-
de.
• Komplexe Verletzungen: Möglichkeit der defensiven und offensiven Therapie. Bei-
de Wege sind akzeptabel:
– Defensives Vorgehen: Exzision, Spülung der Wunde, Verschluss mit Drainage,
Ruhigstellung, Antibiotika. Die definitive Versorgung erfolgt sekundär.
– Offensives Vorgehen: Exzision, Spülung, definitive Primärversorgung aller ver-
letzter Strukturen, Drainage, Einbringen von Antibiotika-Miniketten, intrave-
nöse Antibiotikagabe (Cephalosporin, Clindamycin, s. o.) dabei obligat. Den Pa-
tienten ausdrücklich über die deutlich erhöhte Infektionsgefahr, aber auch die
Vorteile der Sofortversorgung aufklären.
– Bei Ausbildung eines Kompartmentsyndroms Spaltung aller Handkomparti-
mente.
• In allen Fällen die Wunde täglich kontrollieren und ggf. rechtzeitig öffnen!
111
12
Infektionen 12.5 Wundinfektion

Abb. 12.4 • a, b Boxhiebverletzung mit Knorpeldefekt im Mittelhandkopf (a). Gelenkdestruktion


Ringfinger-Grundgelenk durch Infektion nach Zahnschlagverletzung (b).

• Bei Tollwutverdacht simultane Gabe von Tollwut-Immunglobulin (einmalig 20 IE)


und Tollwut-Impfstoff (Injektion an Tagen 0, 3, 7, 14, 30, 90).

Bissverletzung durch Mensch


▶ Ätiologie/Verletzungsmechanismus: Typisch ist die Schlagverletzung gegen die
Schneidezähne des Gegners im Rahmen einer Schlägerei (Abb. 12.4 a, b).

▶ Die Patienten kommen meist erst sehr spät zur Versorgung. Die Anamnese wird
oft aus Scham verschwiegen.
▶ Die Betroffenen auf die Gefahren und gravierenden Konsequenzen eines Men-
schenbisses hinweisen!
▶ Jede dorsal über dem MP-Gelenk lokalisierte Wunde ist als potenzieller Men-
schenbiss anzusehen und zu behandeln! Häufigste Keime sind Staphylokokken,
Streptokokken, Eikenella corrodens. Gefahr der Infektion mit AIDS, Hepatitis B,
Tuberkulose!

▶ Diagnostik: Röntgenuntersuchung zum Ausschluss einer Fraktur, eines Fremdkör-


pers (Zahn) und einer Osteitis.
▶ Therapie: Vorgehen analog der Hundebissverletzung (s. o.). Bei Verdacht auf eine
Verletzung durch Boxhieb ist die operative Revision obligat (S. 337 f.).

12.5 Wundinfektion
Ätiologie
▶ Die Ursache von Infektionen nach handchirurgischen Eingriffen ist in erster Linie
eine Minderdurchblutung, weniger mangelnde Asepsis.
▶ Faktoren, die zu mangelnder Gewebeperfusion führen:
• Traumatische Operationstechnik, Belassen von gequetschtem Gewebe:
– Abhilfe: Verbesserung von Technik und Operationsdisziplin! Grobe Instrumen-
te haben auch bei groben Verletzungen nichts zu suchen!
• Ungenügendes Débridement:
– Abhilfe: Konsequenteres Vorgehen! Eindeutig avitales Gewebe muss, egal wel-
cher Art, entfernt werden.
• Unzureichende Revaskularisation:
– Abhilfe: Nicht immer möglich. Unterlassung operativer Manöver, die eine pri-
mär gute Durchblutung verschlechtern. Überbrückung geschädigter Gefäßab-
schnitte durch Gefäßinterponate.
112
12.5 Wundinfektion 12
• Belassene, nicht vollständig entfernbare Fremdkörper:

Infektionen
– Abhilfe: Adäquates Darstellen und vollständiges Entfernen isolierter Fremdkör-
per (Holz-, Glas- und Metallsplitter). Bei diffuser Verschmutzung durch Farbe,
Öl, Dreck sollte man kontaminiertes Gewebe so radikal wie möglich exzidieren
bzw. anfrischen, nicht jedoch Nerven und Sehnen. Primäre Einlage von Anti-
biotikaketten.

Therapie
▶ Bei beginnenden Infektionszeichen Beendigung von Bewegungstherapie, konsequ-
ente Hochlagerung, häufige lokale Kühlung mit Eis, systemische Antibiose.
▶ Führen diese Maßnahmen zu keiner Besserung, erfolgt die operative Revision mit
Entfernen infizierten und nekrotischen Gewebes, Drainage und Einlage von Anti-
biotikaketten.

Cave
Knistern und Gasansammlungen im Gewebe oder Röntgenbild sind hochverdäch-
tig auf eine Gasgangrän! Vorgehen: Bei Verdacht unverzügliche radikale Eröff-
nung (kein Eiter!), Antibiose und ggf. Amputation ohne Abwarten bakteriologi-
scher Bestätigung. Verlegung zur hyperbaren Sauerstofftherapie.

113
13 13.1 Sympathische Reflexdystrophie (Sudeck-Dystrophie)

13 Sympathische Reflexdystrophie
Sympathische Reflexdystrophie
(Sudeck-Dystrophie)

(Sudeck-Dystrophie)
13.1 Sympathische Reflexdystrophie
(Sudeck-Dystrophie)
Grundlagen
▶ Erkrankung, die durch ein Trauma oder einen operativen Eingriff ausgelöst wird. Sie
verläuft häufig über mehrere Monate und führt oft zu bleibenden Funktionsstörun-
gen.
▶ Betroffen sind vorwiegend Erwachsene zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Bei
Kindern tritt die sympathische Reflexdystrophie nicht auf.

Ätiologie
▶ Schmerzauslösende Ereignisse: Mit Trauma oder Operation verbundene, patholo-
gisch verlängerte sympathische Reflexsituation.
▶ Iatrogen: Mehrfache Repositionsversuche, passive Mobilisationen, mangelnde An-
ästhesie, schnürende Gipsverbände, zu lange Ruhigstellung in unphysiologischer
Position, passive Anwendungen wie Wärme und Massagen.
▶ Prädisposition („Sudeck-Typ“): Häufig kalte, schweißige Hände. Vermehrt ängstli-
che, misstrauische Persönlichkeitsstruktur. Die Annahme eines „Sudeck-Typs“ ist
umstritten.

Klinisches Bild, Stadieneinteilung


▶ Stadium 1 (1 – 2 Monate): Starker, brennender Schmerz. Ödematöse Schwellung,
Glanzhaut. Überwärmung, Hyperämie, Hyperhidrosis. Bewegungseinschränkung
auch nicht betroffener Finger.
▶ Stadium 2 (3 – 6 Monate): Chronisches, fixiertes Ödem. Kühle, blasse, auch zyanoti-
sche Haut. Gelenkeinsteifung. Fleckige Osteoporose.
▶ Stadium 3 (chronisch): Keine Schwellung, atrophische, blasse Haut ohne Fältelung,
vermehrte Behaarung. Fixierte Bewegungseinschränkung. Im Röntgenbild ausge-
dünnte Kortikalis.

Therapie
▶ Stadium 1:
• Systemische medikamentöse Schmerztherapie nicht effektiv. Am besten hilft die
Injektion kleinster Mengen eines Opioids an das Ganglion stellatum, z. B. Bupre-
norphin 10 μg.

▶ Cave: Größere Mengen haben gegenteiligen Effekt!
• Ruhigstellung in Intrinsic-plus-Stellung (S. 24).
• Kälteanwendung, evtl. auch kontrollierte Wärmeanwendung.
• Dosierte, aber häufige Physio- und Ergotherapie, langsame Steigerung.
• Psychologische Betreuung. Gegebenenfalls Gabe eines Medikaments zur Stimm-
ungaufhellung und Behandlung der neuropathischen Schmerzen, z. B. Pregabalin.
▶ Stadium 2:
• Steigerung der Handtherapie.
• Einbinden der Patienten in ein komplettes Tagesprogramm mit zunehmender Be-
lastung (stress loading).
• Anwendung von Schienen je nach Erfordernis.
• Ausschleichen der medikamentösen Therapie.
▶ Stadium 3: In wenigen Fällen Arthrolysen oder Arthrodesen.

114
13.1 Sympathische Reflexdystrophie (Sudeck-Dystrophie) 13
Prognose

Sympathische Reflexdystrophie
(Sudeck-Dystrophie)
▶ Kann die Erkrankung in Stadium I beherrscht werden, ist eine Restitutio ad integ-
rum möglich. In den Stadien II und III sind bleibende Funktionsstörungen zu erwar-
ten.

115
14 14.1 Lunatumnekrose (Morbus Kienböck)

14 Aseptische Knochennekrosen
Aseptische Knochennekrosen

14.1 Lunatumnekrose (Morbus Kienböck)


Definition
▶ Idiopathische avaskuläre Nekrose des Mondbeins.

Stadieneinteilung
▶ Stadien der Lunatumnekrose im Hinblick auf die Röntgenmorphologie
(Abb. 14.1 a–d):
• Stadium I: Keine Veränderung oder geringe Verdichtung des Knochens erkennbar.
Äußere Konturen erhalten. Knochenmarködem und fehlende Kontrastmittel-An-
reicherung bei der MRT.
• Stadium II: Zystische Aufhellungen, verdichtetes Mondbein ohne Höhenminde-
rung oder Fraktur, in der MRT partielle oder komplette Nekrose.
• Stadium III a: Zerfall bereits erkennbar mit beginnender Höhenminderung.
• Stadium III b: Weiterer Zerfall mit Gefügestörung und Kollaps der Handwurzel.
• Stadium IV: Wie III b, zusätzlich Handgelenkarthrose.

Ätiologie
▶ Nicht bekannt! Es existieren lediglich Hypothesen:
• Traumatische Unterbrechung der Blutzufuhr.
• Chronische Schädigung (z. B. Arbeit mit Presslufthammer) wird bei Nachweis von
2 Jahren Vollschichttätigkeit als Berufskrankheit anerkannt.

Klinisches Bild
▶ Schmerzen im Handgelenk bei Belastung, später auch in Ruhe.
▶ Bei fortschreitender Erkrankung Bewegungseinschränkung.

Abb. 14.1 • a–d Stadien der Lunatumnekrose: Stadium I (a), Stadium II (b), Stadium III (c),
Stadium IV (d). Details s. Text.
116
14.1 Lunatumnekrose (Morbus Kienböck) 14

▶ Beachte: Die Erkrankung kann symptomarm verlaufen und zum Zeitpunkt der Diag-

Aseptische Knochennekrosen
nose schon weit fortgeschritten sein!
▶ Handgelenk-Schmerzen bei jüngeren Patienten ohne nachweisbaren Befund bedür-
fen einer radiologischen Verlaufskontrolle nach 1 Jahr.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung: Die Lunatumnekrose ist klinisch nicht von anderen Be-
schwerden im Handgelenk abgrenzbar: Dorsale Schwellung, Druck- und Bewe-
gungsschmerz, Bewegungseinschränkung. Die Diagnose wird daher radiologisch
gestellt.
▶ Nativröntgen: Zu Beginn der Erkrankung unauffällig. Später zunehmende radiologi-
sche Veränderungen (Abb. 14.1).
▶ Computertomografie: Für die Früherkennung ungeeignet, in fortgeschrittenen Sta-
dien Objektivierung des Ausmaßes der Destruktion.
▶ MRT: Ideales Untersuchungsverfahren zur Früherkennung, in Verbindung mit Kon-
trastmittelgabe gute Aussagekraft über das Ausmaß der Durchblutungsstörung.

Differenzialdiagnose
▶ Lunatumzysten oder intraossäres Ganglion: Umschriebene Defekte, beim Ganglion
auch Kortikalisarrosion (Abb. 16.3, Abb. 16.4).
▶ Lunatumfraktur: Vorkommen selten. Eine frische Fraktur ist in der Regel nicht mit
einer Nekrose zu verwechseln, bei degenerativen Veränderungen ist die Abgren-
zung jedoch erschwert.

Therapie
▶ Bei weitgehender Beschwerdefreiheit ist, unabhängig vom Stadium, keine Therapie
indiziert. Regelmäßige Verlaufskontrollen. Ausnahme: Bei Kindern und Jugendli-
chen in Stadium I und II mit Minusvariante der Ulna Radius-Verkürzungsosteoto-
mie (s. u.).
▶ Konservative Therapie: In Stadium I maximal 3 Wochen Unterarm-Gipsruhigstel-
lung. Nur im Frühstadium und bei kurzer Anamnese indiziert. MRT-Kontrolle!
▶ Operative Therapie:
• Radius-Verkürzungsosteotomie: Bei Minusvariante der Ulna mit dem Ziel der
Druckentlastung des Mondbeins. Indiziert in Stadium I und II und ggf. III a bei
teilweise erhaltener Durchblutung (MRT).
• Radius-Reizosteotomie (metaphyseal core decompression) nach Illaramendi: In den
Stadien I und II kann dieser Eingriff erfolgen, der als Minimaleingriff gute Resul-
tate zeigt.
• Skaphoid-Trapezium-Trapezoid-(STT-)Arthrodese (S. 383): Zur Mondbeinentlas-
tung durch Umleitung der axialen Belastungskräfte auf die radiale Handwurzel.
Indiziert bei Erwachsenen in Stadium II und III ohne Minusvariante bei teilweise
erhaltener Durchblutung (MRT!). Zusätzlich evtl. Denervation.
• Mondbeinresektion: Ersatz durch Sehneninterposition (S. 383 f.). Durch die Resek-
tion entsteht eine Rotationsinstabilität des Kahnbeins, deshalb Kombination die-
ses Eingriffs mit STT-Arthrodese. Indiziert bei Erwachsenen in Stadium III (wenn
im MRT totale Avaskularität nachgewiesen wurde). Zusätzlich evtl. Denervation.
• Proximal row carpectomy (PRC): Bei erhaltener Radiusgelenkfläche gegenüber
dem Mondbein Entfernen der proximalen Handwurzelreihe.
• Handgelenk-Arthrodese (S. 384): Indiziert in Stadium IV bei starker Bewegungs-
einschränkung und Schmerzhaftigkeit.

Prognose
▶ Die genannten Operationen führen in den meisten Fällen zu einer Beschwerdebes-
serung. Bei Kindern und Jugendlichen ist nach Radiusverkürzung auch ein Stillstand
der Nekrose möglich.
117
14 14.2 Kahnbeinmalazie (Morbus Preiser)

▶ Völlige Beschwerdefreiheit ist durch bewegungserhaltende Operationen kaum zu


Aseptische Knochennekrosen

erzielen, die gewohnte handwerkliche Tätigkeit kann jedoch in den meisten Fällen
dadurch weiterhin ausgeübt werden. Bei jüngeren Patienten ist frühzeitig ein Be-
rufswechsel zu erwägen.

14.2 Kahnbeinmalazie (Morbus Preiser)


Definition
▶ Seltene, idiopathische avaskuläre Nekrose des Kahnbeins.

Stadieneinteilung
▶ Einteilung in die Stadien I–IV analog der Lunatumnekrose (S. 116).

Ätiologie
▶ Nicht bekannt! Zusätzlich zu den genannten hypothetischen Entstehungsfaktoren
(S. 116) wird eine Plusvariante der Ulna als mögliche Ursache diskutiert.

▶ Beachte: Die Nekrose des proximalen Fragments nach Fraktur ist keine Malazie.
Klinisches Bild
▶ Identisch wie bei Lunatumnekrose. Schmerzen eher radial lokalisiert.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Schwellung und Druckschmerz an der radialen Handwurzel.
• Bewegungseinschränkung.
▶ Radiologische Diagnostik: Wie bei Lunatumnekrose ( Abb. 14.2 a, b).

Differenzialdiagnose
▶ Fragmentnekrose nach Fraktur (Abb. 14.2 c, d): Nur in Anfangsstadien radiologisch
abgrenzbar (Fraktur, Pseudarthrose), in späteren Stadien (Zerfall, Kollaps, Arthrose)
kaum oder gar nicht.

Therapie
▶ Konservative Therapie: Bei geringen Beschwerden Ruhigstellung.
▶ Operative Therapie:
• Kahnbein-Resektionsarthroplastik (S. 387): Bei starken Schmerzen und erhaltener
Beweglichkeit. Bei jüngeren Patienten Kombination des Eingriffs mit einer inter-
karpalen Arthrodese (Lunatum-Kapitatum-Triquetrum-Hamatum).
• Handgelenk-Arthrodese (S. 384): Bei starken Schmerzen und Wackelsteife.

Prognose
▶ Durch die operative Behandlung kommt es in den meisten Fällen zu einer Besse-
rung der Beschwerden, selten jedoch zur Beschwerdefreiheit, außer nach Handge-
lenk-Arthrodese. Die Belastungsminderung bleibt bestehen.

118
14.2 Kahnbeinmalazie (Morbus Preiser) 14

Aseptische Knochennekrosen

Abb. 14.2 • a–d Morbus Preiser: Diffuse Durchblutungsstörungen im Nativröntgen und MRT
(c, b). Die Kahnbein-Pseudarthrose (a, d) zeigt dagegen eine mehr umschriebene Ischämie im
proximalen Fragment.

119
15 15.1 Grundlagen

15 Angeborene Fehlbildungen
Angeborene Fehlbildungen

15.1 Grundlagen
Häufigkeit
▶ Die Angaben schwanken zwischen 10 und 18 Fehlbildungen pro 10 000 Geburten.
▶ Die Polydaktylie stellt die am häufigsten auftretende Fehlbildung dar, die Syndakty-
lie tritt am zweithäufigsten auf.

Anamnese
▶ Die Anamnese muss folgende Fragestellungen beinhalten:
• Fehlbildungen in der Familie.
• Verlauf von Schwangerschaft und Entbindung.
• In-Vitro-Fertilisation.
• Medikamenteneinnahme während der Schwangerschaft.
• Andere Fehlbildungen des Patienten.
• Bisherige Behandlung des Patienten.

Untersuchung
▶ Handchirurgische Konsultation: So früh nach der Geburt wie möglich, um den
Schock, die Schuldgefühle und die Ungewissheit der Eltern zu mildern. Bei der Erst-
vorstellung muss genügend Zeit für die Untersuchung und die ausführliche Bera-
tung der Eltern sein.
▶ Umfang der Untersuchung:
• Prinzipiell Untersuchung aller Extremitäten. Vorhandensein des M. pectoralis
prüfen. Besonders auch Füße inspizieren, nicht mit Aussagen der Eltern wie „Die
Füße sind in Ordnung“ zufrieden geben.
• Messung der aktiven und passiven Gelenkbeweglichkeit.
• Messung der Achsen- und Drehfehlstellung, soweit es die Kooperation des Patien-
ten erlaubt.
• Gegebenenfalls 2. Untersuchung zur Kontrolle der Funktionsentwicklung not-
wendig.
▶ Dokumentation: Fotodokumentation des Erstbefundes und des Verlaufs ist obligat.

Therapie
▶ Beratung der Eltern: Über Art und Zeitpunkt der Behandlung sowie über Risiken,
Erfolgsaussichten und Alternativen müssen die Eltern ausführlich beraten werden.
Auf mögliche Korrekturoperationen oder spätere Behandlungen ist hinzuweisen.
Weitere wichtige Aspekte der Elternberatung:
• Neben Gespräch sind Vorlegen von Abbildungen aus der Literatur oder von be-
reits operierten Patienten sehr gut geeignet. Besser noch ist ein Kontakt mit ähn-
lich betroffenen Familien.
• Unerfüllbare Erwartungen der Eltern sind behutsam zu korrigieren.
• Besorgte Eltern niemals zur sofortigen Entscheidung drängen. In bestimmten Fäl-
len Einholen einer 2. Meinung erleichtern durch Angabe von entsprechenden Ad-
ressen.
▶ Operationszeitpunkt: Im Allgemeinen früh, d. h. in den ersten 3 Lebensjahren. Dafür
sprechen:
• Erleichterte Adaptation an die neue Funktion.
• Bessere Anpassungsfähigkeit des Gewebes beim Kleinkind.
• Verhinderung zusätzlicher Deformierung durch weiteren Fehlwuchs.
• Psychologische Gründe.

120
15.2 Syndaktylie 15
▶ Zeitliche Planung für jeden Patienten individuell je nach Gesamtkrankheitsbild

Angeborene Fehlbildungen
(z. B. bei Syndromen mit anderen, behandlungsbedürftigen Fehlbildungen).

15.2 Syndaktylie
Grundlagen
▶ Definition: Häutige, seltener knöcherne Verbindung zweier oder mehrerer Finger,
partiell oder vollständig (Abb. 15.1). Fingernägel meist normal ausgebildet, oft di-
rekt aneinandergrenzend. Bei knöcherner Endgliedverbindung durchgehende Nägel
(Nagelband).
▶ Vorkommen, Begleitfehlbildungen: Entweder isolierte Fehlbildung oder Teil von
Syndromen oder anderen Fehlbildungen (Apert-Syndrom, Symbrachydaktylie,
Spalthand, Polydaktylie, Oligodaktylie, Schnürringsyndrom).
▶ Genetische Disposition: Erblichkeit zwischen 20 und 40 %. Das männliche Ge-
schlecht ist überwiegend betroffen (Verhältnis etwa 2 : 1).
▶ Sonderformen:
• Akrosyndaktylie: Nur die distalen Anteile der meist partiell aplastischen Finger
sind im Verbund. Proximal wieder getrennte Fingeranteile, oft als dünne Tunnel
(Interdigitalsinus).
• Intermediäre Syndaktylie: Distal und proximal einer Hautverbindung bestehen
getrennte Fingeranteile.

Klinisches Bild
▶ Lokalisation: An der Hand: 1. Zwischenfingerfalte 10 %, 2. Zwischenfingerfalte 22 %,
3. Zwischenfingerfalte 47 %, 4. Zwischenfingerfalte 21 %. Am Fuß meist zwischen 2.
und 3. Zehe. Komplette Syndaktylie aller Finger (Löffelhand) selten.
▶ Knochenbeteiligung: Liegt eine Knochenbeteiligung vor, besteht diese häufig in
Form von Knochenbrücken; betroffen sind meistens die Endglieder (Abb. 15.2).
Auch Synostosen ganzer Phalangen oder irreguläre Deformierungen ohne Rücksicht
auf normale anatomische Formen, z. B. Apert-Syndrom (Abb. 15.3). Bei Spalthand-
Syndaktylien kommen auch Deltaphalangen (Knochen mit longitudinal-bogenför-
migen Epiphysen und abgeschrägten Gelenkflächen, S. 145) vor.

Abb. 15.1 • Vollständige Syndaktylie zwischen Mittel- und Ringfinger sowie partielle Syndaktylie
zwischen Ring- und Kleinfinger.
121
15
Angeborene Fehlbildungen 15.2 Syndaktylie

Abb. 15.2 • Die häufigste Form der Knochenbeteiligung bei der Syndaktylie ist die knöcherne
Endgliedbrücke, die zum dichten Nebeneinanderliegen oder sogar zu völliger Verwachsung der
beiden Fingernägel führt.

Abb. 15.3 • Komplexe Syndaktylie: Vollständige Syndaktylie zwischen allen 5 Fingern mit
erheblichen Knochenfehlbildungen, teilweise mit gemeinsamen Fingernägeln.
122
15.2 Syndaktylie 15
Diagnostik

Angeborene Fehlbildungen
▶ Klinische Untersuchung: Ausdehnung der Fehlbildung: Wie viele Finger sind betrof-
fen? Besteht eine partielle oder vollständige Verwachsung? Sind die Fingernägel ge-
trennt? Ist die Beweglichkeit eingeschränkt? Besteht eine normale Weite der 1. Zwi-
schenfingerfalte? Ist die Hautbrücke zwischen den Fingern eng oder weit (Menge
der benötigten Hauttransplantate)? Prüfung der aktiven und passiven Beweglich-
keit aller Gelenke.
▶ Röntgenuntersuchung: Feststellung einer Knochenbeteiligung.

Therapie
▶ Operationsindikation: Mit Ausnahme geringer partieller Syndaktylie („Schwimm-
haut“) ist die operative Therapie immer indiziert. Bei komplexen Syndaktylien be-
grenzen das Ausmaß der anatomischen Veränderungen und die operationstechni-
schen Möglichkeiten die Trennung der betroffenen Zwischenfingerverbindungen.
■▶ Ausnahme: An den Füßen ist die Trennung einfacher Syndaktylien der Zehen II–V
aus funktionellen Gründen nicht zwingend erforderlich.
▶ Operationszeitpunkt:
• Syndaktylien zwischen Fingern ungleicher Länge innerhalb der ersten 6 – 12 Mo-
nate trennen, um Knochen- und Gelenkdeformierungen mit seitlicher Verbie-
gung des längeren Fingers infolge Längenwachstums zu verhindern.
• Syndaktylien zwischen Fingern gleicher Länge im 2. Lebensjahr trennen, bei Vor-
liegen einer Knochenbrücke besonders frühzeitig.
• Am Fuß frühzeitige Trennung nur zwischen Zehen I und II.

Praxistipp
▶ Außer bei partieller Syndaktylie keine nebeneinander liegenden Zwischenfinger-
falten in einer Sitzung trennen. Gefahr der Durchblutungsstörung!
▶ Bei Trennung in mehreren Stadien Intervall von 3 – 6 Monaten einhalten.
▶ Bei entsprechenden personellen und organisatorischen Voraussetzungen lassen
sich beidseitige Syndaktylien in gleicher Narkose trennen.

▶ Operationstechniken: S. 338 ff.

Prognose
▶ Bei einfachen Syndaktylien (häutig oder Endglied-Knochenbrücke) gute Prognose
bei Anwendung einer korrekten Operationstechnik.
▶ Bei komplexen Formen je nach Art der Knochenfehlbildung weniger gute Prognose.

Fehler und Gefahren


▶ Zu später Operationszeitpunkt bei Syndaktylien ungleich langer Finger.
▶ Falsche Schnittführung: Längsinzisionen führen zu starken Narbenkontrakturen
und Fehlwachstum. Sind die Winkel der Zickzack-Inzision nicht spitz genug, stre-
cken sich die Narben im weiteren Wachstum und führen dann ebenfalls zu stören-
den Kontrakturen.
▶ Häufiger Fehler sind zu kurze palmare und dorsale Dreiecklappen. Großzügige
Kommissurbildung ist dann nicht möglich.
▶ Bei Wundheilungsstörungen und Transplantatversagen frühzeitig konsequent de-
bridieren, ggf. sekundäre Hauttransplantation zur Vermeidung narbiger Kontrak-
turen.

123
15 15.3 Spalthand

15.3 Spalthand
Angeborene Fehlbildungen

Grundlagen
▶ Definition: Komplexe Fehlbildung mit keilförmigem Defekt im zentralen Anteil der
Hand.
▶ Vorkommen, Begleitfehlbildungen: Sehr häufig beidseitiges Vorkommen der Spalt-
hand, evtl. kombiniert mit anderen Fehlbildungen:
• Gleichzeitiges Auftreten von Spaltfüßen wird sehr häufig beobachtet, eine Lip-
pen-Kiefer-Gaumen-Spalte etwas seltener. Häufig gleichzeitige Syndaktylie, selte-
ner Polydaktylie. Kombination mit dreigliedrigem Daumen sowie Defekten der
langen Arm- und Beinknochen.
• „Spalthandkomplex“: Enge ätiologische Verwandtschaft zwischen Spalthand, os-
särer Syndaktylie und zentraler Polydaktylie.

Abb. 15.4 • a–d Verschiedene Schweregrade der Spalthand:Fehlen des Mittelfingerstrahls mit
tiefem Spalt (a). Breiter Spalt durch Fehlen des Mittelfingers mit Ausnahme seines
Mittelhandknochens und eines rudimentären, in das Grundgelenk des Ringfingers eingebunde-
nen Grundgliedes sowie Querknochen (b).Fehlen des Mittelfingers bis auf einen rudimentären
Mittelhandknochen; der Spalt wird durch die Syndaktylie zwischen Daumen und Zeigefinger
besonders breit (c). Monodaktyle Form der Spalthand mit vorhandenem Kleinfinger, Querkno-
chen sowie Fehlen des gesamten I. und II. Strahles einschließlich der Mittelhandknochen (d).

124
15.3 Spalthand 15
• „Atypische Spalthand“: Der als Form der Symbrachydaktylie auftretende zentrale

Angeborene Fehlbildungen
spaltförmige Defekt ist ätiologisch anderen Ursprungs (S. 133 f.)
▶ Genetische Disposition: Eine Erblichkeit wird sehr häufig beobachtet.

Klinisches Bild
▶ Große Variabilität (Abb. 15.4 a–d), beginnend mit leichter Spaltbildung, dann Fehlen
des Mittelfingers (mit und ohne Mittelhandknochen).
▶ Häufig besteht eine Syndaktylie I/II und/oder IV/V. Daumen bzw. Daumen-Zeigefin-
ger-Komplex oft in Adduktionsfehlstellung.
▶ Bei zunehmender Schwere der Fehlbildung (teratologische Reihe) Reduktion in der
radialen Handhälfte über monodaktyle Form nur mit einem Kleinfinger bis zur fin-
gerlosen Hand ohne Fingerrudimente.

▶ Beachte: Die monodaktyle Form der Symbrachydaktylie hat nur den Daumen, die
peromele Form hat Fingerknospen!
▶ Zwischen Grundgelenk IV und Köpfchen des 2. Mittelhandknochens ist häufig ein
Querknochen vorhanden.
▶ Die Streck- und Beugesehnen der nicht angelegten Finger sind schlingenartig über
dem Mittelhandknochen-Kopf miteinander verbunden oder zeigen abnorme Inser-
tionen zu den dem Spalt benachbarten Fingern.
▶ Am Ringfinger, seltener auch am Zeigefinger, kann es durch die Deformierung des
PIP-Gelenks zur Beugekontraktur kommen.

125
15 15.4 Polydaktylie

Diagnostik
Angeborene Fehlbildungen

▶ Klinische Untersuchung: Prüfung der aktiven und passiven Beweglichkeit, beson-


ders bei Deformierung der PIP-Gelenke II und IV sowie des Daumens (Dreigliedrig-
keit?).
▶ Röntgenuntersuchung: Feststellung des Ausmaßes der Knochenveränderungen.

Therapie
▶ Operationsindikation: Bei 2- (bzw. 3-)fingriger Hand mit guter Beweglichkeit und
Fehlen eines sperrenden Querknochens sind operative Maßnahmen nicht indiziert;
sonst operative Behandlung je nach Schwere der Fehlbildung.
▶ Operationszeitpunkt: Immer frühzeitig, d. h. im 1. oder 2. Lebensjahr.
▶ Operationstechniken: Die operativen Maßnahmen richten sich nach der Art der
Fehlbildung:
• Syndaktylietrennung (S. 338 f.):

▶ Cave: Distale Aufteilung des Gefäß-Nerven-Bündels, auch atypischer Sehnen-
verlauf.
• Entfernung eines sperrenden Querknochens:

▶ Cave: Gemeinsame Gelenkbildung der Querknochen zu benachbarten Fingern:
Gefahr Gelenkinstabilität bei vollständiger Entfernung.
• Dreh- und Keilosteotomien zur Herstellung eines Spitzgriffs oder zur Beseitigung
von Achsenabweichungen.
• Arthrolysen der PIP-Gelenke mit Exzision verkürzter Beugesehnenscheiden-Antei-
le und Z-Plastiken.
• Bei einfacher Spaltbildung (Fehlen des Mittelfingers) lediglich Spaltverschmäle-
rung mit Hautresektion. Bei Fehlen des 3. Mittelhandknochens Rekonstruktion
des tiefen queren Mittelhandkopfbandes durch Sehnentransplantat.
• Bei Adduktionsstellung I/II mit und ohne Syndaktylie Transposition II nach ulnar
im Austausch mit der Haut des Spaltes zur Verbreiterung der 1. Zwischenfinger-
falte (S. 340 f.).
• Bei Fehlen des Daumens Daumenaufbau (sehr schwierig!) durch Querknochen,
Mittelhandknochen oder Zehentransplantation, wenn Zehen verfügbar sind.

Prognose
▶ Mit zunehmender Schwere der Fehlbildung immer schlechter.
▶ Nur bei alleinigem Fehlen des Mittelfingers ist die Prognose gut. Zusätzliche Defor-
mierungen (vor allem der PIP-Gelenke II und IV) verschlechtern die Prognose.

15.4 Polydaktylie
Grundlagen
▶ Definition: Numerische Variation mit Überzahl von Fingern oder Fingeranteilen.
▶ Vorkommen, Begleitfehlbildungen: In ca. 30 – 40 % beidseitiges Vorkommen. Entwe-
der isolierte Fehlbildung, oder – vor allem bei gleichzeitigem Auftreten an Händen
und Füßen – Teil eines Fehlbildungssyndroms.
▶ Genetische Disposition:
• Bei Kombination mit Polydaktylie der Füße und bei ulnarer Polydaktylie häufig
Erblichkeit.
• Ulnare Polydaktylie bei Schwarzen 10-mal häufiger als bei Weißen oder Asiaten.
▶ Einteilung:
• Einteilung nach Lokalisation (Abb. 15.5 a–f):
– Radiale Polydaktylie (Daumen).
– Zentrale Polydaktylie (Zeige-, Mittel-, Ringfinger).
– Ulnare Polydaktylie (Kleinfinger).
126
15.4 Polydaktylie 15

Angeborene Fehlbildungen

Abb. 15.5 • a–f Unterschiedliche Formen der Polydaktylie:a, b Doppelung des Daumenend-
gliedes mit abgeschrägten Gelenkflächen des Grundgliedes (Deltaknochen) (a). Doppelung von
Grund- und Endglied des Daumens in sehr unterschiedlicher Ausprägung; am hypoplastischen
radialen Daumen liegt ein noch nicht verknöchertes Mittelglied vor (b).
15.5 c Unterschiedliche Formen der Polydaktylie:Radiale Polydaktylie mit Hypoplasie beider
Daumen (c).

127
15
Angeborene Fehlbildungen 15.4 Polydaktylie

15.5 d Doppelung der gesamten radialen Strahlen im Sinne zweier dreigliedriger Daumen (d).
15.5 e, f Unterschiedliche Formen der Polydaktylie:Ulnare Polydaktylie mit doppeltem Kleinfinger,
abgehend links im Mittelhandknochen, rechts im Grundgelenk (mit Synostose zwischen Mittel-
handknochen und doppeltem Grundglied) (e). Häufigste Form der zentralen Polydaktylie mit Ver-
doppelung des Ringfingers bei gleichzeitiger Syndaktylie dieses Doppelfingers mit dem Mittelfin-
ger (f).

128
15.4 Polydaktylie 15
• Einteilung in longitudinaler Richtung: Je nach Abgang des zusätzlichen Teils, be-

Angeborene Fehlbildungen
ginnend als verbreitertes Endglied mit zentraler Perforation, endend als Doppe-
lung eines kompletten Fingerstrahles ab Handwurzel.

Klinisches Bild
▶ Die rudimentäre Form imponiert als kleines Hautbürzel oder Anhängsel.
▶ Meist nur Doppelung, seltener auch Dreifachbildung von Daumen oder Kleinfinger.
In Extremfällen 8 Finger, z. B. bei der Spiegeldeformität mit Doppelung der Ulna
und der 4 ulnaren Finger.
▶ Die Kombinationen radiale/ulnare Polydaktylie, zentrale/radiale Polydaktylie oder
zentrale/ulnare Polydaktylie treten selten auf.
▶ Bei Doppeldaumen können beide Teile hypoplastisch, einer oder beide auch drei-
gliedrig sein. Insertionsanomalien von Beuge- und Strecksehnen mit dadurch be-
dingten Deviationen und Bewegungseinschränkungen im Endgelenk sind bei Dop-
peldaumen häufig.
▶ Bei ulnarer Polydaktylie Abgang des Kleinfingers im Grundgelenk, vom Mittelhand-
knochen mit fester knöcherner Verbindung, von einem gegabelten Mittelhandkno-
chen oder als völlig getrennter Strahl von der Handwurzel.
▶ Die anatomischen Strukturen der zusätzlichen Finger können normal sein (freie Be-
weglichkeit), hypoplastisch sein oder fehlen (eingeschränkte oder keine Beweglich-
keit), oft auch Deformierung, meist seitliche Abwinklung. Seltener fehlen proximale
Teile (Mittelhandknochen).
▶ Auch bei rudimentären Doppelungen können ausgedehnte Anomalien der anatomi-
schen Strukturen vorliegen, welche die Funktion beeinträchtigen.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Ausdehnung der Fehlbildung: Radiale und ulnare Polydaktylie werden meist mü-
helos erkannt. Die zentrale Polydaktylie kann durch eine Syndaktylie verdeckt
sein (Abb. 15.5 f).
• Gelenkbeweglichkeit: Prüfung aktiver und passiver Beweglichkeit. Bei Doppeldau-
men ist ein unterschiedliches Bewegungsausmaß möglich. Bei fehlender aktiver
Beugung sind keine Gelenkfalten erkennbar.
▶ Röntgenuntersuchung: Ausmaß der Knochenfehlbildung: Hypoplasie, Abgang des
zusätzlichen Fingers von Knochen oder Gelenk, vermehrte Breite des proximal der
Gabelung gelegenen Knochens, Synostosen, Deltaknochen.

Therapie
▶ Operationsindikation: Eine Operation ist immer indiziert.
■▶ Ausnahme: Breites perforiertes Endglied.
▶ Operationszeitpunkt: Innerhalb der ersten beiden Lebensjahre.
▶ Operationstechnik: S. 342 f.
■▶ Beachte: Die Operation ist kein einfaches „Abschneiden überzähliger Teile“, son-
dern eine differenzierte, oft sehr schwierige Korrektur aller einzelnen Deformie-
rungen. Sie erfolgt nach genauer Analyse der präoperativ erkennbaren und int-
raoperativ festgestellten Veränderungen:
• Bei gleichzeitiger Syndaktylie Trennung durch dorsale Zickzack-Inzision, evtl. mit
Kuppenplastiken (S. 338).
• Bei starker Knochen- und Gelenkdeformierung des gedoppelten Ringfingers bei
zentraler Polydaktylie meist Indikation zur Amputation, da verbleibende Bewe-
gungseinschränkungen die Funktion der ganzen Hand stören.
• Bei Doppeldaumen ist die einfache Exzision des (meist) radialen Partners nur in-
diziert, wenn der verbleibende Daumen weitgehend normal ausgebildet ist. Dies
ist selten der Fall.

129
15 15.5 Oligodaktylie

• Zur Schaffung eines guten Daumens ist meist die Verwendung von Teilen des zu
Angeborene Fehlbildungen

resezierenden Partners erforderlich (Hautlappen, Muskel, besserer Mittelhand-


knochen) sowie korrigierende Maßnahmen am verbleibenden Daumen (Sehnen-
zentralisation, Osteotomie).
• Sind beide Anteile eines Doppeldaumens hypoplastisch, Fusion unter partieller
Entfernung von gedoppelten Anteilen (Bilhaut-Operation).

Prognose
▶ Bei radialer und ulnarer Polydaktylie ist die Prognose grundsätzlich gut, sofern die
Operation in allen Einzelheiten korrekt ausgeführt wird.
▶ Zentrale Polydaktylien haben eine gute Prognose bei proximaler Aufteilung (Karpo-
metakarpalgelenk, Mittelhandknochen) und bei Gabelung distal des PIP-Gelenks.
Die Prognose ist schlecht bei Aufteilung im MP-Gelenk und Grundgliedbereich, be-
sonders bei stärkerer Knochen- und Gelenkdeformierung und Deltaknochen
(S. 145).

15.5 Oligodaktylie
Grundlagen
▶ Definition: Numerische Variation, Verminderung der normalen Fingerzahl.
▶ Vorkommen, Begleitfehlbildungen: Fehlen eines, zweier oder dreier Finger. Dau-
menaplasie hingegen Endstadium der teratologischen Reihe der Daumenhypoplasie
(S. 137 f.). Begleitfehlbildungen:
• Fast immer Kombination mit einer Syndaktylie.
• Oft Kombination mit Deltaknochen, Brachydaktylie, dreigliedrigem Daumen, Me-
takarpal- und Karpalsynostosen, Brachymesophalangie, Fehlbildungen an Unter-
arm und Ellenbogengelenk. Häufiges Vorkommen als Teil der Ulnadefekte (Hypo-
und Aplasie).
▶ Genetische Disposition: Nur selten besteht Erblichkeit.

Klinisches Bild
▶ Neben einer Verminderung der Strahlenzahl können weitere Mittelhandknochen
teilweise oder vollständig fehlen bei noch vorhandenen, meist aber hypoplastischen
Phalangen.
▶ Der Daumen liegt häufig adduziert in der Mittelhandebene. Dadurch weder Opposi-
tionsmöglichkeit noch Spitzgriff.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung: Messung aktiver und passiver Beweglichkeit der Finger
und Armgelenke.
▶ Röntgenuntersuchung: Ausmaß der Knochen- und Gelenkdeformierungen.

Therapie
▶ Operationsindikation: Wie bei Syndaktylie (S. 123 f.).
▶ Operationszeitpunkt: Wie bei Syndaktylie (S. 123).
▶ Operationstechniken:
• Syndaktylietrennung, evtl. mit Kuppenplastiken (S. 338). Sind nur 2 Strahlen an-
gelegt, muss die zu schaffende Zwischenfingerfalte breiter als sonst zwischen
Fingern sein. Evtl. Rotations-Dehnungslappen vom Handrücken.
• Bei extremer Enge der Syndaktylie quere Weichteildistraktion (Fixateur externe).
Die Trennung der Finger und die Vertiefung und Verbreiterung der Zwischenfin-
gerfalte wird verbessert.
• Mittelhandknochen-Drehosteotomie(n), evtl. mit Transposition der Mm. inteross-
ei.
130
15.6 Klinodaktylie 15
• Bei adduziert in der Mittelhandebene liegendem Daumen Syndaktylietrennung

Angeborene Fehlbildungen
mit Schaffung einer breiten Zwischenfingerfalte durch Rotations-Dehnungslap-
pen vom Handrücken sowie Dreh- und Abwinklungsosteotomie des 1. Mittel-
handknochens.
• Trennung von Mittelhandknochen-Synostosen mit Darmbeinspan-Interposition.
• Achsenkorrektur gebogener Fingeranteile durch Keilosteotomie.
• Entfernung rudimentärer Phalangenanteile.

Prognose
▶ Trotz befriedigender Funktion ist das Aussehen nie sehr gut.

15.6 Klinodaktylie
Grundlagen
▶ Definition: Seitliche Abwinklung eines Fingers im Mittelgliedbereich von 10°– 30°
durch kurzes trapezförmiges Mittelglied (Brachymesophalangie) mit Abschrägung
der distalen Gelenkfläche.
▶ Vorkommen, Begleitfehlbildungen: Klinodaktylie kommt als isolierte (oft geringfü-
gige) Fehlbildung vor oder als Teil anderer Fehlbildungskomplexe. Die Klinodaktylie
tritt fast immer beidseitig auf.
▶ Genetische Disposition: Häufig besteht Erblichkeit.

Klinisches Bild
▶ Die Dreieckform der Deltaphalanx ist durch longitudinal-bogenförmige Epiphyse
(longitudinal epiphyseal bracket) bedingt. Dadurch schräger Verlauf der distalen
Gelenkfläche und Abwinklung.
▶ Betroffen ist meistens der Kleinfinger mit Abwinklung nach radial. Seltener Auftre-
ten am Zeigefinger mit Abwinklung nach ulnar.
▶ Auftreten am Daumen durch Deltaknochen am Grundglied (Abb. 15.15, Abb. 33.6)
oder Mittelhandknochen (Abwinklung nach radial) oder beim dreigliedrigen Dau-
men als zusätzliches Mittelglied (Abwinklung nach ulnar).

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung: Meist nur wenig eingeschränkte Beweglichkeit der Gelen-
ke.
▶ Röntgenuntersuchung: Erkennung des Verlaufs der Epiphysenfuge.

Therapie
▶ Operationsindikation: Abwinklung der betroffenen Finger über 20 – 25°.
▶ Operationszeitpunkt: Am Zeige- und Kleinfinger meist 4 – 8 Jahre, am Daumen
2 – 4 Jahre.
▶ Operationstechniken (S. 343)
• Verlängernde Keilosteotomie mit Darmbeinspan, da die Finger bereits verkürzt
sind.
• Sind beide Hände betroffen, sollte die Korrektur möglichst an beiden Händen
gleichzeitig erfolgen.
• Alternativ zur Achskorrektur die Vickers-Prozedur: Frühzeitige Ausräumung der
atypischen längs gerichteten Wachstumsfugenanteile und Fettgewebsinterposi-
tion. Achskorrektur oder Verbesserung durch weiter korrektives Wachstum (früh
prospektive Operation).

Prognose
▶ Bei geringer Abwinklung im Kleinkindalter jährliche Kontrollen, da die Abwinklung
zunehmen kann.
131
15 15.7 Ulnahypoplasie und -aplasie

▶ Nach Operation an Fingern ist die Prognose sehr gut; postoperativ erfolgt ein longi-
Angeborene Fehlbildungen

tudinales Wachstum; am Daumen ist nicht immer eine vollständige Achsenkorrek-


tur möglich.

15.7 Ulnahypoplasie und -aplasie


Grundlagen
▶ Definition: Aplasie von bis zu 4 Fingerstrahlen, Fehlen von Handwurzelknochen
entsprechend der Verminderung der Fingerstrahlen. Daumenhypoplasie mit Dreh-
fehlstellung, Hypoplasie (Abb. 15.6) bis totale Aplasie der Ulna, Radiushypoplasie
mit Verbiegung und Radiuskopfverrenkung, Beugekontraktur im Ellenbogen bei
fehlender Ulna, Fehlform des distalen Humerus an der Humerusgabel, radiohume-
rale Synostose.
▶ Vorkommen, Begleitfehlbildungen: Auftreten der Fehlbildung entweder isoliert
oder als Teil von Syndromen; einseitiges Auftreten doppelt so oft wie beidseitiges.
Begleitfehlbildungen: Fibula- und Femurdefekte, Spalthand, karpale Synostosen.
▶ Genetische Disposition: Sporadisches Auftreten der Fehlbildung.

Klinisches Bild
▶ Der Unterarm und häufig auch der Oberarm sind verkürzt, der Radius ist gebogen.
▶ Bei partieller Ulnaaplasie besteht eine dem knöchernen Ulnaende distal aufsitzende
knorpelige Anlage.
▶ Bei radiohumeraler Ankylose besteht meistens eine Rotationsfehlstellung in Form
einer Abknickung des Unterarmes gegenüber dem Oberarm nach dorsal und einer
erheblichen Pronation der Hand.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Ausdehnung der Fehlbildung: Rotationsfehlstellung des Armes?
• Gelenkbeweglichkeit: Messung aktiver und passiver Beweglichkeit von Hand- und
Armgelenken.

Abb. 15.6 • Ulnahypoplasie mit angeborener Radiuskopfverrenkung, starker Krümmung des


Radius sowie Oligosyndaktylie.
132
15.8 Symbrachydaktylie 15
▶ Röntgenuntersuchung: Zur Erkennung von Knochenfehlbildungen neben den obe-

Angeborene Fehlbildungen
ren auch die unteren Extremitäten röntgen.
▶ Sonografie: Feststellung einer knorpeligen Anlage (partielle Ulnaaplasie).

Therapie
▶ Operationsindikationen: Drehfehlstellungen, Instabilität zwischen den Unterarm-
knochen, starke ulnare Abduktion der Hand.
▶ Operationszeitpunkt: 2 – 10 Jahre, je nach Manifestation oder Verschlimmerung.
▶ Praktisches Vorgehen:
• Bei Rotationsfehlstellung des Armes Drehosteotomie im Ellenbogenbereich mit
gleichzeitiger Überführung des ankylotischen Humeroradialgelenks in leichte
Beugestellung.

▶ Cave: Abnorm verlaufende Arterien und Nerven!
• Bei Instabilität zwischen den Unterarmknochen Fusion von Radius und Ulna zum
„Ein-Knochen-Unterarm“, evtl. vorher Distraktion.
• Weitere operative Maßnahmen je nach Art und Ausdehnung der Fehlbildung: Ra-
diuskorrekturosteotomie, Transposition der Sehne des M. flexor carpi ulnaris
oder des M. extensor carpi ulnaris nach radial, Syndaktylietrennung, Drehosteo-
tomie im Mittelhandknochen I und Verbreiterung der 1. Zwischenfingerfalte.
• Bei zunehmender Radiuskopfverrenkung im Wachstum: Kallusdistraktionsver-
längerung der Ulna und Distalisierung des Radius, ggf. mehrfach im Wachstum
notwendig.

▶ Cave: Ellenbogenluxation im Rahmen der Distraktion.
Fehler und Gefahren

▶ Beachte: Bei operativen Maßnahmen am Ellenbogen und Unterarm besteht wegen
des fast immer abnormen Verlaufs ein hohes Risiko für Nerven- und Gefäßschäden!

Prognose
▶ Da nur eine begrenzte Funktionsverbesserung möglich ist, eher ungünstige Prognose.

15.8 Symbrachydaktylie
Grundlagen
▶ Definition: Meist isolierte Fehlbildung mit sehr variablen Rückbildungsformen, be-
ginnend mit Brachymesophalangie (Verkürzung der Mittelglieder) bis zu deren
vollständigem Verschwinden (Hypophalangie), fortschreitend über Hypoplasie, par-
tielle und komplette Aplasie der mittleren Fingerstrahlen (II–IV), Rückbildung auch
des Kleinfinger- und schließlich auch des Daumenstrahles. Endglieder oder „Finger-
knospen“ mit rudimentären Nägeln bleiben erhalten.
▶ Teratologische Reihe: Die Symbrachydaktylie ist ein gutes Beispiel für eine teratolo-
gische Reihe, d. h. die Folge einer Großzahl gleichartiger Fehlbildungen mit zu-
nehmender Reduktion bzw. Schwere der Deformierung (Abb. 15.7).
▶ Einteilung: Kurzfingerform, Spalthandtyp (zentraler Defekttyp, nicht zu verwech-
seln mit der Spalthand, S. 124), monodaktyler und peromeler Typ, aber auch weite-
re Rückbildung bis in den Unterarm möglich (mit Fingerknospen!). Auch viele For-
men der Löffelhand werden diesem Komplex zugeordnet.
▶ Vorkommen, Begleitfehlbildungen: Auftreten fast ausschließlich einseitig. Die Kom-
bination mit gleichseitiger Hypo- oder Aplasie der Pektoralis-Muskeln wird als Po-
land-Syndrom bezeichnet. Sie tritt meist bei der Kurzfingerform auf. Andere Begleit-
fehlbildungen sind nicht bekannt.
▶ Genetische Disposition:
• Symbrachydaktylie: Sporadisch.
• Poland-Syndrom: Fragliche genetische Disposition.
133
Angeborene Fehlbildungen

134
15
15.8 Symbrachydaktylie

Abb. 15.7 • Teratologische Reihe der Symbrachydaktylie. Divergierende Wege der Reduktion beim Spalthandtyp: In der oberen Reihe beginnt die Reduktion am Zeigefinger
und setzt sich nach ulnar fort. Bei den beiden unteren Beispielen beginnt die Reduktion am Mittelfinger und setzt sich nach beiden Seiten fort. Die unterste Reihe zeigt Hände,
bei denen die Mittelhandknochen alle in gleicher Weise erhalten sind, während in den oberen Reihen die zentralen Mittelhandknochen bereits vor den randständigen
verschwinden. (Aus: Buck-Gramcko D. State of art: Congenital malformation of the hand and forearm. European Medical Bibliography, Hand Surgery 1993: 3 (2).
15.9 Schnürringsyndrom 15
Klinisches Bild

Angeborene Fehlbildungen
▶ Die Knochen sind stärker reduziert als die umgebenden Weichteile, dadurch entste-
hen knochenlose, instabile Weichteilhüllen.
▶ Eine Syndaktylie ist meist partiell, selten vollständig ausgebildet.
▶ Gelenke, die von normalen Knochen gebildet werden, sind meist stabil und gut be-
weglich; von hypoplastischen Knochen gebildete Gelenke weisen eine Instabilität
und geringere Beweglichkeit auf, verstärkt durch eine Hypo- bzw. Aplasie der Seh-
nen. Hypoplasie der Handbinnenmuskulatur.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Ausdehnung der Fehlbildung: Fingernägel vorhanden?
• Gelenkbeweglichkeit: Prüfung der Stabilität und Beweglichkeit.
▶ Röntgenuntersuchung: Erkennung von Knochenfehlbildungen.

Therapie
▶ Operationsindikation: Eine operative Korrektur ist fast immer indiziert.
▶ Operationszeitpunkt: Empfohlen wird die Durchführung im 2. – 4. Lebensjahr.
■▶ Ausnahme: Bei Syndaktylie des Daumens Operation zum frühestmöglichen Zeit-
punkt.
▶ Operationstechniken:
• Grundsätzliche Operationsverfahren: Syndaktylietrennung, Verbreiterung der
1. Zwischenfingerfalte, Arthrodese instabiler Gelenke.
• Überbrückung intermediärer Knochendefekte durch freie Transplantation von
periostgedeckten Zehengrund- oder Zehenmittelgliedern, Abtragung funktions-
loser Fingerrudimente.
• Transposition des 2. Strahles im Mittelhandknochen auf den 3. Strahl mit Resek-
tion von dessen rudimentären Anteilen zur Schaffung einer weiten 1. Zwischen-
fingerfalte.
• Strahlaufbau mittels Zehentransplantation der II. Zehe beider Füße, vor allem bei
der monodaktylen und peromelen Form (deshalb keine Zehengliedentnahme aus
der II. Zehe).

15.9 Schnürringsyndrom
Grundlagen
▶ Definition: Sammelbegriff für Fehlbildungen gleicher Genese: Amputationsähnliche
Fingerdefekte, gelegentlich mit Nägeln.
▶ Vorkommen, Begleitfehlbildungen: Es können einzelne oder mehrere Extremitäten
betroffen sein. Begleitfehlbildungen sind selten.
▶ Genetische Disposition: Familiäres Vorkommen sehr selten, meist sporadisches Auf-
treten.

Klinisches Bild
▶ Schnürringe oder -furchen, d. h. zirkulär oder semizirkulär verlaufende Einziehun-
gen an Fingern, Unter- oder Oberarmen, Unterschenkeln (Abb. 15.8 a, b).
▶ Die tiefen Schnürringe führen zu unmittelbar distal gelegenen polsterartig lymphö-
dematösen dorsalen Weichteilverdickungen der Finger. Durch tiefe Schnürringe am
Unterarm starke Schwellung der gesamten Hand möglich.
▶ Syndaktylien treten meist als Akrosyndaktylie mit Interdigitalsinus auf, die weiter
distal als die normalen Zwischenfingerfalten liegen (Abb. 15.9).
▶ Nervenschädigungen mit motorischen Lähmungen werden selten beobachtet.

135
15
Angeborene Fehlbildungen 15.9 Schnürringsyndrom

Abb. 15.8 • a, b Schnürringsyndrom mit zirkulärer Einschnürung am distalen Unterarm und


ödematöser Schwellung der Hand (a). Nach einzeitigem Ausgleich des Schnürrings durch multiple
Z-Plastiken ist es bereits 5 Tage postoperativ zu einer völligen Abschwellung der Hand
gekommen (b).

Abb. 15.9 • Schnürringsyndrom mit Akrosyndaktylie der 4 Finger. Man erkennt deutlich die nur
distal gelegenen syndaktylen Verwachsungen, während proximal davon durchgängige
Zwischenfingerfalten (Interdigitalsinus) vorhanden sind.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung: Prüfung aktiver und passiver Gelenkbeweglichkeit; Fest-
stellung von Instabilitäten und Lähmungen.
▶ Röntgenuntersuchung: Erkennung von Knochendefekten.

136
15.10 Daumenhypoplasie und -aplasie 15
Therapie

Angeborene Fehlbildungen
▶ Operationsindikation: Ein operativer Eingriff ist bei diesem Fehlbildungskomplex
indiziert, da Funktion und Ästhetik sich immer verbessern lassen.
▶ Operationszeitpunkt: Bei sichtbaren Amnionbändern ist die Operation ggf. unmit-
telbar nach der Geburt erforderlich. Die Trennung von Akrosyndaktylien mehrerer
Finger ist dringlich, besonders bei Daumenbeteiligung. Dieser Eingriff mit gleichzei-
tiger Vertiefung der Zwischenfingerfalten sollte daher im 1. Lebensjahr erfolgen. Al-
le weiteren operativen Verfahren werden im 2. – 4. Lebensjahr durchgeführt.
▶ Operationstechniken:
• Ausgleich von Schnürfurchen und Schnürringen (S. 345).
• Exzision der lymphödematösen Gewebevermehrungen.
• Exzision funktionsloser Fingerstümpfe, evtl. kombiniert mit Fingerstrahl-Trans-
position.
• Bei partieller Daumenaplasie Daumenbildung durch Transposition eines anderen
partiell aplastischen Fingers oder durch Zehentransplantation.
• Eine Spätbehandlung kann ggf. durch kontinuierliche Distraktionsverlängerung
einzelner Finger erfolgen.
■▶ Cave: Bei schlechter Weichteilbedeckung der knöchernen Strukturen sind
Durchblutungsstörungen mit Nekrosebildung durch Distraktion möglich.

Fehler und Gefahren



▶ Cave: Bei Syndaktylietrennung und Vertiefung von Zwischenfingerfalten kann es zu
Durchblutungsstörungen durch abnorm verlaufende, distal sehr dünne Arterien
kommen!
▶ Die Deckung freiliegender Knochen nach Trennung eng aneinanderliegender Finger
ist oft schwierig. Häufig sind Verschiebelappen vom Handrücken erforderlich.
▶ Eine Zuordnung der in der Akrosyndaktylie versteckten Knochenanteile ohne knö-
cherne oder gelenkige Verbindung zu Grundgliedern kann sehr problematisch sein.
▶ Distale Knochenanteile können sich bleistiftspitz entwickeln, so dass es zu Druckbe-
schwerden oder einer Perforation des darüber liegenden Gewebes kommen kann.
Deshalb ist während der Syndaktylietrennung eine gute Weichteildeckung anzu-
streben.

Prognose
▶ Ein normales Aussehen lässt sich selten erreichen, jedoch immer eine ausreichende
Funktion, besonders wenn ein Daumen von ausreichender Länge vorhanden ist
oder geschaffen werden kann.

15.10 Daumenhypoplasie und -aplasie


Grundlagen
▶ Definition: Deformierung des Daumenstrahles unterschiedlicher Ausprägung, meist
kombiniert mit Fehlbildungen der Radialseite von Hand und Unterarm.
▶ Teratologische Reihe: Zunehmende Schwere der Fehlbildung von leichter Daumen-
verschmächtigung bis zur Aplasie des Daumenstrahles.
▶ Vorkommen, Begleitfehlbildungen: Isolierte Fehlbildung oder Teil von Syndromen.
Begleitfehlbildungen: Häufiges Auftreten in Kombination mit radialer Klumphand,
selten mit Herzfehlbildungen.
▶ Genetische Disposition: Erbliches Vorkommen selten; gelegentlich Kombination mit
Herzfehlbildungen (Holt-Oram-Syndrom).

137
15 15.10 Daumenhypoplasie und -aplasie

Klinisches Bild
Angeborene Fehlbildungen

▶ Schweregrade:
• Grad I: Leichte Daumenverschmächtigung ohne Funktionsstörung.
• Grad II: Deutliche Hypoplasie der Knochen des Daumenstrahles und der Thenar-
muskulatur. Instabilität des MP-Gelenks, Verengung der 1. Zwischenfingerfalte,
abnorme Insertion des M. flexor pollicis longus und/oder der Strecksehnen (auch
Verbindungen dieser Sehnen). Deutliche Funktionseinschränkung (Abb. 15.10 a).

Abb. 15.10 • a–c Hypoplasie und Aplasie des Daumens in verschiedenen Ausprägungen:
Hypoplasie Grad II der rechten Hand und Grad III der linken Hand mit entsprechenden Knochen-
und Weichteilveränderungen (a). Hypoplasie Grad IV als flottierender Daumen mit kleiner
Hautbrücke ohne Anteile des Mittelhandknochens (b). Hypoplasie Grad V = Aplasie des
Daumens (c).
138
15.11 Radiale Klumphand 15
• Grad III: Hypoplasie stärker. Fehlen aller intrinsischen und extrinsischen Mus-

Angeborene Fehlbildungen
keln, starke Unterentwicklung aller Knochen, Instabilität aller Gelenke. Hochgra-
dige Funktionsminderung (Abb. 15.10 a). Weitere Unterteilung des Grad III nach
Vorhandensein des 1. Mittelhandknochens in A–C.
• Grad IV: Flottierender Daumen. Kurzes, völlig instabiles und funktionsloses Dau-
menanhängsel an minimaler Hautbrücke (Abb. 15.10 b).
• Grad V: Aplasie des Daumenstrahles (Abb. 15.10 c).

▶ Beachte: Unterschied zur partiellen Daumenaplasie, bei der die Phalangen feh-
len, der 1. Mittelhandknochen und die Thenarmuskeln jedoch vorhanden sind.
▶ Bei Grad II und III Syndaktylie mit Zeigefinger möglich.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung: Prüfung der aktiven und passiven Beweglichkeit sowie der
Gelenkstabilität; Funktionsprüfung: Wird der Daumen eingesetzt?
▶ Röntgenuntersuchung: Feststellung des Ausmaßes der Knochenbeteiligung.

Therapie
▶ Operationsindikation: Schweregrade II–V.
▶ Operationszeitpunkt: Pollizisation möglichst im 1. Lebensjahr, sonst bald nach der
Erstvorstellung. Operationen bei älteren Schulkindern und Teenagern sind nicht
unproblematisch, da Schwierigkeiten beim Umlernen bisheriger Greifmuster auf-
treten können. Auch die übrigen erwähnten Operationen sollten frühzeitig erfolgen
mit Ausnahme von Grad II (4. – 6. Lebensjahr). Zur Nachbehandlung der dabei erfor-
derlichen Opponensplastik ist aktive Kooperation erforderlich.
▶ Operationstechniken:
• Grad I: Keine Behandlung notwendig.
• Grad II: Verbreiterung der 1. Zwischenfingerfalte durch Z-Plastik. Seitenband-Re-
konstruktion, vor allem ulnar, mit Sehnenanteil oder lokalem fibrösen Gewebe.
Opponensplastik mit M. flexor digitorum superficialis IV oder M. abductor digiti
minimi. Das distale Ende des M. flexor digitorum superficialis kann zur Bandplas-
tik benutzt werden. Bei Verwendung des sehr kurzen M. abductor digiti minimi
erhält man eine gewisse Thenareminenz. Korrektur von Sehneninsertionsanoma-
lien und Lösen von Sehnenverbindungen.
• Grad III: Entfernung des funktionslosen Daumens und Pollizisation des Zeigefin-
gers (S. 345). Wird dies von Eltern kategorisch abgelehnt, Versuch der Funktions-
verbesserung durch Knochen- und Gelenktransplantation, Sehnentranspositio-
nen und Hautplastiken. Es sind immer mehrere Operationen notwendig. Das äs-
thetische und funktionelle Ergebnis reicht nie an das einer Pollizisation heran.
• Grad IV und V: Pollizisation des Zeigefingers (S. 345).

Prognose
▶ Bei korrekter Indikation und Durchführung der Operation ist die Prognose gut.
▶ Der Erhalt eines Daumens Grad III A ist problematisch: Das postoperative Aussehen
wird höchstens befriedigend, die Funktion mäßig bis schlecht sein.

15.11 Radiale Klumphand


Grundlagen
▶ Definition: Ausgeprägte radiale Abwinklung der Hand durch Hypo- oder Aplasie des
Radius bei verkürztem Unterarm (Abb. 15.11). Unterschiedlich ausgeprägte Fehlbil-
dung an der Radialseite von Hand und Unterarm. Je stärker die Radiusfehlbildung,
desto ausgeprägter die Weichteilveränderungen.
▶ Häufigkeit: Die Häufigkeit liegt zwischen 1 : 30 000 und 1 : 100 000. Thalidomid
(Contergan) führte 1959–62 in Deutschland zu einer Häufung.
139
15
Angeborene Fehlbildungen 15.11 Radiale Klumphand

Abb. 15.11 • Radiale Klumphand durch partielle Aplasie des Radius mit fast rechtwinkliger
Abwinklung der Hand durch die fehlende Unterstützung des Radius. Typische Fehlbildung auch
des Daumenstrahles im Sinne eines hypoplastischen dreigliedrigen Daumens.

▶ Vorkommen, Begleitfehlbildungen: Ein- und beidseitiges Vorkommen etwa gleich.


Auftreten isoliert oder als Teil von Syndromen. Begleitfehlbildungen: Dreigliedriger
Daumen, Hypoplasie oder Aplasie des Daumens (S. 137 ff.), Synostosen, Fehlbildun-
gen Oberarm, Schulter, Gesicht, VATER-Assoziation (vertebral defects, anal atresia,
tracheoesophageal fistula with esophageal atresia, radial and renal dysplasia;
manchmal erweitert durch „cardiac disease“ und „limb involvement“ zur VACTERL-
Assoziation).
▶ Genetische Disposition: Erblich bei Kombination mit Vorhofseptumdefekt (Holt-
Oram-Syndrom), Fanconi-Anämie, Thrombozytopenie (TAR-Syndrom).

Klinisches Bild
▶ Knochen: Der Radius, die radialen Handwurzelknochen sowie der Daumenstrahl
können ganz oder teilweise fehlen. Verkürzung der häufig gekrümmten Ulna. Oft
Behinderung der Ellenbogenbeugung.
▶ Muskeln: Hypoplasie der Anteile des M. extensor digitorum, oft mit abnormen An-
sätzen. Aplasie oder Hypoplasie von M. abductor pollicis brevis, M. extensor pollicis
brevis, M. abductor pollicis longus, M. extensor carpi radialis longus, M. extensor
carpi radialis brevis, seltener des M. flexor carpi radialis. Die Flexoren sind weniger
beteiligt. Die Einschränkung der Fingerbeweglichkeit nimmt von ulnar nach radial
zu.
▶ Nerven: Der N. radialis endet oft am Ellenbogen. Sein Versorgungsgebiet über-
nimmt der weit nach radial verlagerte N. medianus.
▶ Arterien: Abnormer Verlauf oder Fehlen der A. radialis und des oberflächlichen
Hohlhandbogens.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung: Messung der aktiven und passiven Beweglichkeit aller Ge-
lenke der oberen Extremität. Messung der passiven Ausgleichbarkeit der radialen
Abwinklung. Prüfung der möglichen Greifformen.
▶ Röntgenuntersuchung: Feststellung des Ausmaßes der knöchernen Fehlbildung, im-
mer im Vergleich mit der Gegenseite.

Therapie
▶ Operationsindikation: In fast allen Fällen ist eine operative Behandlung indiziert,
auch bei eingeschränkter Beugung des Ellenbogengelenks, die sich häufig nach Ach-
senkorrektur der Hand bessert.

140
15.12 Brachydaktylie 15
▶ Operationszeitpunkt: Innerhalb der ersten Lebensjahre. Abstimmung des Opera-

Angeborene Fehlbildungen
tionszeitpunktes bei Mehrfachfehlbildung mit den anderen Disziplinen (z. B. Kor-
rektur von Herzfehlern vor Handoperationen).
▶ Operationstechniken:
• Beginn der Behandlung in den ersten Lebenstagen. Redressions- und Dehnungs-
übungen durch die Mutter 30- bis 50-mal pro Tag. Eine Schienung ist wegen der
kleinen Dimensionen wenig effektiv. Durch eine schonende Weichteildistraktion
mittels Fixateur externe lassen sich die Bedingungen für eine Aufrichtung des
Handgelenks und Einstellung der Handwurzelknochen wesentlich verbessern.
• Bei stark ausgeprägter radialer Abwinklung und fixierter Kontraktur präoperati-
ve Weichteildehnung durch Fixateur externe.
• Die früher übliche Zentralisation, später Radialisation (S. 348) ist durch die zwei-
zeitige Radiusverlängerung und Elleneinstellung einschließlich Muskeltransposi-
tion ersetzt. Ggf. gleichzeitig Korrektur der Ulnakrümmung durch Osteotomie.
• Primäre ulnokarpale Arthrodese unter Erhalt der Epiphyse bei Fehlen oder star-
ker Hypoplasie der Muskeln, da in diesen Fällen keine Stabilisierung möglich ist,
und in stark kontrakten Spätfällen.
• Pollizisation des Zeigefingers (S. 345) folgt nach 4 – 6 Monaten mit gleichzeitiger
Entfernung des Osteosynthesematerials.
• In Anbetracht der extremen Unterarmverkürzung (nur ca. 50 – 60 % des normalen
Wachstums) kann eine Kallusdistraktionsverlängerung der Elle (ggf. in 2 Schrit-
ten) im weiteren Wachstum, besonders bei beidseitigem Befund, zur Funktions-
verbesserung beitragen.

Fehler und Gefahren


▶ Verschlimmerung der Fehlstellung und Kontraktur durch ausbleibende oder ver-
spätet einsetzende Redressionsbehandlung.
▶ Das Unterlassen einer Pollizisation verhindert Besserung von Funktion und Ausse-
hen.

▶ Beachte: Bei Steife des Ellenbogengelenks nicht beidseits operieren! Die Hand kann
sonst nicht zum Mund geführt werden.

Prognose
▶ Abhängig vom Ausmaß der Fehlbildung und Alter bei Behandlungsbeginn. Selten
sehr gut, da Bewegungseinschränkung, Unterarmverkürzung, verminderte Kraft
und Geschicklichkeit bestehen bleiben.

15.12 Brachydaktylie
Grundlagen
▶ Definition: Verkürzung eines oder mehrerer Skelettsegmente. Je nach Lokalisation
(vom Endglied bis zur Mittelhand) wird die Fehlbildung als Brachytelephalangie,
Brachymetakarpie, Brachymesophalangie oder Brachybasophalangie bezeichnet.
Große Variationsbreite der Formen.
▶ Vorkommen, Begleitfehlbildungen: Vorkommen als isolierte Deformität und sehr
häufig als Teil von Syndromen. Als Begleitfehlbildungen treten Syndaktylie, Poly-
daktylie, Symphalangie und Knochendysplasien auf.
▶ Genetische Disposition: Hohe Erblichkeitsrate.

Klinisches Bild
▶ Am häufigsten Brachymesophalangie am Klein- und Zeigefinger. Häufig seitliche
Abwinklung infolge Trapezform (Klinodaktylie, S. 131).

141
15
Angeborene Fehlbildungen 15.13 Makrodaktylie

Abb. 15.12 • Brachymetakarpie am I., IV. und V. Mittelhandknochen beider Hände bei
10-jährigem Mädchen.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung: Messung der aktiven und passiven Gelenkbeweglichkeit.
▶ Röntgenuntersuchung: Feststellung von Lokalisation und Ausmaß der Knochenbe-
teiligung.

Therapie
▶ Operationsindikation: An Phalangen nur bei deutlicher Klinodaktylie, an Mittel-
handknochen fast immer gegeben.
▶ Operationszeitpunkt: Die operative Behandlung der Brachymetakarpie ist meist
erst im Alter von 8 – 12 Jahren möglich, da die Verkürzung erst dann erkennbar
wird (Abb. 15.12).
▶ Praktisches Vorgehen:
• Die Verkürzung einzelner Phalangen bedarf meist keiner Therapie.
• Gleichzeitige Abwinklung (Klinodaktylie) durch verlängernde Keilosteotomie mit
Darmbeinspan (S. 343) ausgleichen.
• Alternativ: Fehlwachstum durch frühzeitige Ausräumung der längs gerichteten
atypischen Wachstumsfuge (Vickers-Prozedur) korrigieren.
• Alternativ: Verkürzung durch Kallusdistraktionsverlängerung zum Ende des
Wachstums ausgleichen.

15.13 Makrodaktylie
Grundlagen
▶ Definition: Seltene Fehlbildung mit Hypertrophie von Knochen und Fettgewebe.
Unterschiedliche Formen und differierende Klassifikationen. Die Erkrankung zeich-
net sich durch progredientes Wachstum bis zum Ende des Wachstumsalters aus;
dadurch kommt es zu einer sehr hohen Rezidivrate.
• Sonderform: Proteus-Syndrom mit Makrodaktylie an Händen oder Füßen in Ver-
bindung mit Riesenwuchs, subkutanen Lipomen am Stamm, Hämangiomen und
Pigmentnävi.
▶ Begleitehlbildungen: Sind nicht bekannt.
▶ Genetische Disposition: Keine Erblichkeit.
▶ Differenzialdiagnosen:
• Riesenwuchs einer Extremität und Hemihypertrophie (beide Extremitäten einer
Körperseite betroffen).

142
15.13 Makrodaktylie 15

Angeborene Fehlbildungen
Abb. 15.13 • Makrodaktylie: Groteske Vergrößerung von Ring- und Kleinfinger mit typischer
Krümmung.

• Gewebefehlbildungen: Fingervergrößerungen durch Hämangiome, arteriovenöse


Fehlbildungen, Lymphangiome, Enchondromatose und deren Kombinationen
(Klippel-Trenaunay-Weber-Syndrom und Maffucci-Syndrom).
• Neurofibromatose Recklinghausen: Abzugrenzen von Makrodaktylie mit zusätzli-
cher Hypertrophie der Nerven.

Klinisches Bild
▶ Eine echte Makrodaktylie ist meist auf das Versorgungsgebiet eines Nervs be-
schränkt; vorwiegend betroffen ist der N. medianus. Sehnen und Blutgefäße mit
normalem Kaliber. Meistens sind 2 Finger betroffen, am häufigsten der Zeigefinger,
danach Mittelfinger und Daumen.
▶ Durch ungleiches Wachstum kommt es häufig zu einer seitlichen Krümmung
(Abb. 15.13). Beugebehinderung der IP-Gelenke, das Endgelenk ist oft in Überstre-
ckung fixiert. Meist sind nur die Phalangen betroffen, seltener die Mittelhandkno-
chen.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung: Messung von Länge und Umfang der betroffenen Finger,
Messung der aktiven und passiven Gelenkbeweglichkeit.
▶ Röntgenuntersuchung: Feststellung des Ausmaßes der knöchernen Fehlbildung.

Therapie
▶ Operationsindikation: Trotz Rezidivgewissheit ist eine operative Behandlung indi-
ziert.
▶ Operationszeitpunkt: Die operative Behandlung sollte frühzeitig erfolgen.
▶ Praktisches Vorgehen:
• Ist nur ein Finger betroffen, Strahlamputation, evtl. mit Strahltransposition zur
Handverschmälerung. Ist allein der Daumen betroffen, Amputation und Pollizisa-
tion des Zeigefingers.
143
15 15.14 Angeborene Kontrakturen und Fehlstellungen

• Direkte Knochenreduktion durch Resektion des Endgelenks, evtl. mit Breitenver-


Angeborene Fehlbildungen

minderung der Phalangen durch Resektion seitlicher Anteile mit Refixation der
Seitenbänder. Gleichzeitige Nagelverschmälerung mit darunter liegendem Kno-
chen.
• Radikale Weichteilreduktion unter Erhalt der Gefäß-Nerven-Bündel. Diese sind
oft schwer erkennbar. Die hypertrophierten Nerven können in Längsrichtung
teilreseziert werden.
• Epiphyseodese aller Phalangen, sobald der Finger Erwachsenengröße erreicht
hat. In Spätfällen mit bereits manifester Beugebehinderung werden verkürzende
Arthrodesen durchgeführt, bei ausgeprägter seitlicher Krümmung verkürzende
Keilosteotomien.

Fehler und Gefahren


▶ Zu geringe Radikalität vermindert die Fingerform zu wenig.
▶ Zu ausgedehnte Exzision gefährdet die Durchblutung.
▶ Zu geringe Radikalität bei der Epiphyseodese führt zum Weiterwachsen des Fingers
in Längsrichtung.
▶ Entstehung von Narbenkontrakturen durch nicht sachgemäße Schnittführung oder
infolge Sekundärheilung.

Prognose
▶ Die Prognose ist aufgrund von Progredienz und Rezidiven grundsätzlich schlecht.
Eine Normalisierung von Funktion und Aussehen ist nicht möglich.

15.14 Angeborene Kontrakturen und Fehlstellungen


Pollex flexus congenitus
Vgl. S. 181.

Beugefehlstellung des Daumens (clasped thumb)


▶ Definition: Beugefehlstellung des Daumens im Grund- oder Endgelenk, bedingt
durch Schwäche oder Aplasie der Streckmuskulatur.
▶ Therapie: Die Fehlstellung ist passiv ausgleichbar. Frühzeitig behandelt, führt eine
mehrmonatige Schienung in Streckstellung meist zur Erholung der aktiven Streck-
fähigkeit. Ist dies nicht der Fall, ist die Indikation zur Sehnentransposition (M. exten-
sor indicis, M. flexor digitorum superficialis IV oder M. brachioradialis mit freiem
Transplantat) gegeben.

Arthrogryposis multiplex congenita


▶ Definition: Angeborene Steife multipler Gelenke. Meist symmetrische Starre der El-
lenbogengelenke (in Streckstellung), der Hand-, Finger-, Hüft- und Kniegelenke (in
Beugestellung). Außerdem Fehlen oder Hypoplasie vieler Muskeln und Schädigung
zentraler und peripherer motorischer Nervenanteile.
▶ Genetische Disposition: Auftreten sporadisch, selten erblich.
▶ Klinisches Bild: Fast immer Klumpfußbildung, in 50 % der Fälle Hüftgelenkluxatio-
nen. Fusionen der Handwurzelknochen häufig.
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Zunächst konservative Behandlung mit gezielter Physio-
therapie und Schienung.
• Operative Therapie: Ellenbogen-Arthrolysen sind vielversprechend. Auf diese
Weise kann der Betroffene mit der Hand den Mund erreichen. Muskeltransposi-
tionen (z. B. Latissimus dorsi für die aktive Beugung im Ellenbogengelenk) schei-
tern meistens an fehlender oder ungenügender Kraft der Spendermuskeln. Prog-
nose ungünstig.
144
15.15 Skelettfehlbildungen 15

Angeborene Fehlbildungen
Abb. 15.14 • Kamptodaktylie.

Kamptodaktylie
▶ Definition: Beugekontraktur des PIP-Gelenks des Kleinfingers, seltener auch der üb-
rigen Finger (Abb. 15.14). Meist beidseitig.
▶ Genetische Disposition: Häufig Erblichkeit.
• Frühform: Angeboren, Jungen und Mädchen gleichermaßen betroffen.
• Spätform: Beginn im 2. Lebensjahrzehnt. Vorwiegend Mädchen betroffen, progre-
dient bis zum Abschluss des Wachstums.
▶ Ätiologie: Die Ursachen sind unklar; diskutiert werden eine Deformierung der Kno-
chenanteile, die das PIP-Gelenk bilden, sowie eine abnorme Insertion des M. lumbri-
calis und eine Hypoplasie des Streckapparates.
▶ Klinisches Bild: Die palmare Haut ist kontrakt, im Mittelgelenk besteht ein Streckde-
fizit zwischen 20 und 90°.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Prüfen, ob das Streckdefizit passiv ausgleichbar ist. Ist
dies aktiv nur in Beugung des MP-Gelenks möglich, könnte eine pathologische
Insertion des M. lumbricalis vorliegen.
• Röntgenuntersuchung: Röntgenologisch abgeflachter Grundgliedkopf und korres-
pondierende Eindellung in der Mittelgliedbasis.
▶ Therapie:
• Operationsindikation: Bei geringem Streckdefizit ist keine Therapie oder Schie-
nung notwendig. Eine Operationsindikation besteht erst bei einem Streckdefizit
von mehr als 40°.
• Praktisches Vorgehen: Eine Standardoperation gibt es nicht. Operative Möglich-
keiten:
– Palmare Inzision vom PIP-Gelenk bis zur distalen Hohlhand.
– Findet sich eine abnorme Insertion des M. lumbricalis, z. B. am M. flexor digito-
rum superficialis, erfolgt eine Resektion des M. lumbricalis oder eine Transpo-
sition des Muskels nach dorsal und Vernähung mit dem Seitenzügel.
– Operative Alternativen: Verlängerung der verkürzten palmaren Haut durch
Vollhaut-Transplantat, Arthrolyse, Transposition des M. flexor digitorum super-
ficialis nach dorsal, Abwinklungsosteotomie, Arthrodese.
▶ Prognose: Sehr variabel und ungewiss. Bei eindeutiger, korrigierbarer Muskelfehl-
bildung ist die Prognose allerdings gut.
▶ Fehler und Gefahren:
■▶ Cave: Die Transposition des M. flexor digitorum superficialis in zu starker Span-
nung kann zu einer bleibenden Beugebehinderung führen!

15.15 Skelettfehlbildungen
Deltaknochen
▶ Definition: Etwa dreieckförmige Deformierung durch abnorm bogenförmig in
Längsrichtung verlaufende Epiphyse (longitudinal epiphyseal bracket). Im weiteren
Wachstum progrediente seitliche Abwinklung (Klinodaktylie) (Abb. 15.15).
145
15
Angeborene Fehlbildungen 15.15 Skelettfehlbildungen

Abb. 15.15 • Klinodaktylie des Daumens durch Deltaphalanx.

Abb. 15.16 • Kirner-Deformität mit typischer Fehlstellung des Kleinfin-


ger-Endgliedes bei 13-jährigem Mädchen.

▶ Lokalisation: Vorkommen einzeln oder multipel, oft beidseitig. Auftreten an Mittel-


und Grundphalangen (nie am Endglied) und Mittelhandknochen.
▶ Begleitfehlbildungen: Selten isolierte Fehlbildung. Bei Syndaktylie, Oligosyndakty-
lie, Symbrachydaktylie, Polydaktylie, Spalthand, dreigliedrigem Daumen und Ru-
binstein-Taybi-Syndrom (Daumen- und Großzehen-Fehlbildungen kombiniert mit
Gesichtsfehlbildungen).
▶ Therapie: Unterbrechung der longitudinal bogenförmigen Epiphysenfuge durch ver-
längernde Keilosteotomie mit Darmbeinspan oder durch Teilresektion mit Interpo-
sition eines Fettgewebstransplantats.

Kirner-Deformität
▶ Definition: Seltene Fehlbildung des Kleinfinger-Endgliedes mit Sklerosierung der
Diaphyse und nachfolgender Wachstumsstörung. Häufig beidseitig.
▶ Ätiologie: Ursache unbekannt. Keine Begleitfehlbildungen.
▶ Genetische Disposition: Erblichkeit selten. Mädchen sind doppelt so häufig betrof-
fen.
▶ Klinisches Bild: Palmar-radial gerichtete Krümmung infolge ungleichmäßigen
Wachstums mit Sklerosierung der Diaphyse (Abb. 15.16). Als Epiphysenwachstums-
störung meist erst im Alter von 8 – 12 Jahren bemerkbar.
▶ Therapie: Frühzeitig operative Behandlung durch partielle Epiphyseodese und ein-
fache oder multiple Osteotomien mit oder ohne Knochenspan-Interposition. Auch
eine Knochendistraktion kann zu guten Ergebnissen führen. Eine Ablösung (Desin-
sertion) atypischer Stränge der Beugesehne kann das Ergebnis der Aufrichtung ver-
bessern.
146
15.15 Skelettfehlbildungen 15

Angeborene Fehlbildungen
Abb. 15.17 • Starke Deformierung des Unterarms mit En- und
Ekchondromen, Wachstumsstörungen der distalen Elle und
sekundärer Verkrümmung des Radius durch multiple kartilagi-
näre Exostosen bei 7-jährigem Mädchen.

Multiple kartilaginäre Exostosen


▶ Definition: Multiple Osteochondrome unmittelbar neben der Epiphysenfuge (Meta-
physe), die Wachstumsschäden durch Druck auf die Epiphysenfuge verursachen.
Vorkommen an Arm- und Beinknochen, Rippen und Becken.
▶ Genetische Disposition: Erblichkeit in zwei Dritteln der Fälle.
▶ Besonderheiten: In seltenen Fällen maligne Entartung.
▶ Klinisches Bild: An den Händen (Phalangen und Mittelhandknochen) meist nur Ver-
dickung und geringe Bewegungseinschränkung. Gröbste Deformierung am Unter-
arm (Abb. 15.17) mit starker Ulnaverkürzung und vorzeitigem Epiphysenschluss,
Radiuskrümmung und Radiuskopfluxation. Entsprechende Funktionsbehinderung.
▶ Therapie:
• An der Hand Korrektur bei zunehmender Achsenfehlstellung und Bewegungsein-
schränkung zur Wiederherstellung einer ungestörten Funktion erforderlich.
• Am Unterarm alle funktionsbehindernden und zu zunehmender Deformierung
führenden Exostosen oder Osteochondrome operativ angehen. Insbesondere bei
Osteochondromen der distalen Elle mit Wachstumsstörung das Osteochondrom
abtragen und bei Verbiegung des Radius ggf. eine Radiuskorrekturosteotomie
durchführen. Im 2. Schritt Ellendistraktionsverlängerung mit Radiusstellungskor-
rektur, ggf. im weiteren Wachstum wiederholen.

Madelung-Deformität
▶ Definition: Epiphysenwachstumsstörung am distalen Radius mit sekundärer trich-
terförmiger Verformung der proximalen Handwurzelknochen.
▶ Ätiologie: Entstehung durch vorzeitigen Schluss des ulnopalmaren Anteils der Epi-
physenfuge; dadurch erst mit 10 – 12 Jahren bemerkbar. Meist beidseitiges Auftre-
ten, meist bei Mädchen.

147
15
Angeborene Fehlbildungen 15.15 Skelettfehlbildungen

Abb. 15.18 • Madelung-Deformität mit Wach-


stumsstörungen an der distalen Radiusepiphyse
auf der ulnaren und palmaren Seite mit trichter-
förmiger Deformierung der Handwurzel bei 12-
jährigem Mädchen.

▶ Therapie: Bei bereits ausgeprägter trichterförmiger Deformierung (Abb. 15.18) der


Handwurzel ist keine operative Therapie (mehr) indiziert. Sonst frühzeitige Achsen-
korrektur der distalen Radiusgelenkfläche durch Osteotomien mit Knochenspan-In-
terposition, Ellenkopfresektion oder Ulnaverkürzung oder Epiphyseolyse mit Fett-
gewebsinterposition sowie Exzision eines abnormen Ligaments zwischen Lunatum
und Radius.

148
16.1 Ganglien 16
16 Ganglien

Ganglien
16.1 Ganglien
Grundlagen
▶ Definition: Tumorähnliche Zystenbildungen in Gelenk- und Sehnenscheidennähe
mit gallertigem Inhalt. Auftreten in jedem Lebensalter, auch bei Kleinkindern, und
in fast jedem Gelenk der Hand.
▶ Lokalisationen (Abb. 16.1): Hauptlokalisationen sind die radiodorsale Handwurzel
zwischen Kahn- und Mondbein, die radiopalmare Handwurzel zwischen A. radialis
und der Sehne des M. flexor carpi radialis sowie die Beugesehnenscheide in Höhe
der Grundglied-Beugefalte. Intraossäre Ganglien sind meist im Mondbein
(Abb. 16.3, Abb. 16.4), seltener im Kahnbein lokalisiert. Das okkulte Ganglion bleibt
in der Tiefe verborgen.
▶ Ganglionähnlich ist die degenerative Mukoidzyste, die am häufigsten bei Heber-
den-Arthrose am DIP-Gelenk auftritt.

▶ Beachte: Die laienhafte Bezeichnung „Überbein“ sollte der Arzt nicht verwenden.
Der Ausdruck „Zyste“ ist realitätsbezogener und erklärt dem Patienten besser den
Weichteilcharakter des Ganglions.

Abb. 16.1 • Vorwiegende Lokalisation von Ganglien an der Hand.

Abb. 16.2 • Ganglion mit Ursprung zwischen


Os scaphoideum und Os lunatum.
149
16 16.1 Ganglien

Ganglion an Handwurzel oder Handgelenk


Ganglien

▶ Ätiologie: Unklar, jedoch sicher nicht unfall- oder berufsbedingt! Unterscheidung


zweier Formen anhand der Ausgangsstrukturen:
• Zystische Ausstülpungen: Gelenkkapsel, entweder breitbasig oder mit kurzer
bzw. langer Stielbildung (Abb. 16.2).
• Blasige Ausstülpungen: Sehnen, Sehnenscheiden, intraossär.
▶ Klinisches Bild: Oft symptomlos. Treten Symptome auf, imponieren sie als Bewe-
gungsschmerz, seltener auch als Bewegungseinschränkung oder Blockierung. Klei-
ne Ganglien, auch intraossäre, verursachen in der Regel mehr Beschwerden. Die
Größe kann je nach Zystenfüllung variieren. In einigen Fällen spontane Rückbildung
von Ganglien.
■▶ Beachte: Ein okkultes Ganglion in der Guyon-Loge (Abb. 20.11, Abb. 20.22) kann
eine rasch progrediente motorische Ulnarislähmung verursachen (S. 202)!
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung:
– Inspektion: Glatte Buckelbildung Loco typico (Abb. 16.5).
– Palpation: Prall-elastische, wenig mobile Geschwulst von Kirschkern- bis Wal-
nussgröße. Kleine Ganglien sind bei Handgelenkbeugung besser sicht- und
tastbar. Prüfung im Seitenvergleich.
– Okkulte Ganglien machen Beschwerden bei Flexion, es findet sich ein Druck-
schmerz in Projektion auf das Mondbein dorsal.
• Röntgenuntersuchung: Bei Ganglien mit Bewegungsschmerz obligat, um andere
Ursachen für die Schmerzen auszuschließen.
• Ultraschall, MRT: Indiziert bei Verdacht auf ein okkultes Ganglion.
▶ Differenzialdiagnose:
• Synovialitis und Lipom: Palpatorisch weich.
• Carpal Bossing (Exostose an der Basis Mittelhandknochen II oder III): Knöcherne
Buckelbildung, im seitlichen Röntgenbild erkennbar (Abb. 17.16 b).

Abb. 16.3 • Intraossäres Ganglion des Os luna-


tum.

Abb. 16.4 • Röntgenbild intraossäres Ganglion


des Os lunatum.
150
16.1 Ganglien 16

Ganglien
Abb. 16.5 • Dorsales Handgelenkgan-
glion mit typischer Buckelbildung.

• Aneurysma der A. radialis: Schwirrende Pulsation und Verletzungsnarbe.


• Muskelanomalien: z. B. M. extensor digitorum brevis manus.
▶ Therapie: Den Patienten über die Harmlosigkeit aufklären! Bei kurzer Anamnese
evtl. 2 – 3 Monate abwarten, ob das Ganglion spontan verschwindet. Ein aktives
Vorgehen ist nur bei Beschwerden oder kosmetischer Störung indiziert:
• Punktion/Destruktion (S. 350): Indiziert bei Patienten, die eine Operation scheuen
oder vermeiden wollen und die Rezidivhäufigkeit (ca. 50 %) in Kauf nehmen.
– Vorteil: Minimaleingriff.
– Kontraindikation: Radiopalmar lokalisierte Ganglien (Schädigungsgefahr der
A. radialis).
• Operative Entfernung (S. 350): Indiziert bei Patienten, die eine definitive Maßnah-
me wünschen. Rezidivhäufigkeit bis zu 20 %.

Wichtig
▶ Explorative Operation ohne präoperativen Nachweis eines Ganglions führt selten
zur Besserung von Beschwerden!
▶ Eine Operation ist nicht indiziert, wenn das Ganglion zum Operationszeitpunkt
verschwunden ist! Meist ist es intraoperativ dann nicht auffindbar.
▶ Eine Operation intraossärer Ganglien darf erst dann erfolgen, wenn andere
Schmerzursachen ausgeschlossen wurden.
■▶ Cave: Anspruchsvoller Eingriff!

Sehnenganglion (Hygrom)
▶ Lokalisationen:
• An den Strecksehnen am Handrücken, extra- oder intratendinös gelegen. Bei ge-
beugtem Finger befindet sich das Ganglion distal, bei Streckung proximal
(Abb. 16.6).
• Eine seltenere Lokalisation ist das 1. Strecksehnenfach.
▶ Klinisches Bild: Während die Strecksehnenganglien selten Symptome verursachen,
können die im 1. Streckerfach gelegenen Ganglien Beschwerden ähnlich der Tendo-
vaginitis de Quervain (S. 177) verursachen.
▶ Therapie: Operation nur bei Beschwerden.

Beugesehnenscheiden-Ganglion (Finger)
▶ Lokalisation: Ringband A1 bis A2 (Grundgelenk bis Grundgliedmitte), zentral oder
etwas seitlich über der Beugesehne (Abb. 16.1).
▶ Klinisches Bild: Schmerzen beim Zufassen.
▶ Klinische Untersuchung: Palpatorisch knochenharte, kugelige Resistenz mit
2 – 6 mm Durchmesser.
151
16
Ganglien 16.1 Ganglien

Abb. 16.6 • Strecksehnenganglion (s. Text).

Abb. 16.7 • a, b Mittelgelenkganglion.

▶ Differenzialdiagnose:
• Neurinom: Palpatorisch weich.
• Knoten bei Tendovaginitis stenosans: Lokalisation weiter proximal, in der distalen
Hohlhand.
▶ Therapie: Falls störend, operative Entfernung.

Sattelgelenkganglion
▶ Lokalisation: Palmar über dem Sattelgelenk zwischen den Sehnen des M. flexor car-
pi radialis und des M. abductor pollicis longus.
▶ Klinisches Bild: Häufig schmerzhaft.
▶ Klinische Untersuchung: Palpation einer erbsen- bis haselnussgroßen Struktur über
dem Sattelgelenk.
▶ Therapie: Operation nur bei Beschwerden.

Mittelgelenkganglion
▶ Lokalisation: Dorsolateral zwischen Mittel- und Seitenzügel (Abb. 16.7 a, b).
▶ Klinisches Bild: Eher Schmerzen als Bewegungsstörungen.
▶ Klinische Untersuchung: Palpatorisch maximal erbsengroße Resistenz.
▶ Differenzialdiagnose:
• Rheumaknoten (S. 211).
• Knöchelpolster bei Dupuytren-Kontraktur (S. 171).
152
16.1 Ganglien 16

Ganglien
Abb. 16.8 • Endgelenkganglion (Mukoid-
zyste) mit longitudinaler Eindellung des
Fingernagels.

• Andere Weichteiltumoren (S. 160 ff.).


▶ Therapie: Falls störend, Exstirpation.

Endgelenkganglion (Mukoidzyste)
▶ Auftreten: Häufig. Meist in Verbindung mit (beginnender) Heberden-Arthrose.
▶ Lokalisation: Dorsal am Fingerendgelenk.
▶ Klinisches Bild: Gelegentlich Schmerzen oder störendes Spannungsgefühl. Häufig
rezidivierende Infektionen durch spontane Perforationen.
▶ Klinische Untersuchung: Zystische, runde oder unregelmäßig begrenzte, glasige
Schwellung (Abb. 16.8). Sehr oft Längsrillenbildung im Nagel durch Druck auf die
Nagelwurzel. Durch Trauma Perforation und Infektion möglich.
▶ Therapie: Exstirpation und Defektdeckung (S. 351).

153
17 17.1 Grundlagen

17 Tumoren
Tumoren

17.1 Grundlagen
Grundlagen
▶ Tumoren an der Hand sind überwiegend gutartig und für gewöhnlich harmlos.
▶ 95 % aller Tumoren machen Ganglien (S. 149 ff.), Epidermiszysten, Riesenzelltumo-
ren der Sehnenscheiden, Hämangiome und Lipome sowie der mit Abstand häufigs-
te Knochentumor, das Enchondrom, aus.
▶ Die häufigsten Malignome an der Hand betreffen die Haut (Plattenepithelkarzinom,
Melanom; S. 158 f.).

Ätiologie
▶ In den meisten Fällen ist die Ätiologie unbekannt.
▶ Trauma: z. B. Fremdkörpergranulome, Epithelzysten.
▶ UV-Licht, Röntgenstrahlung: Aktinische Keratosen, Plattenepithelkarzinom, Mela-
nom.

Klinisches Bild
▶ Die meisten Tumoren verursachen keine oder kaum Beschwerden.
▶ Schmerzen treten auf beim Glomustumor (fast immer am Endglied) sowie beim Os-
teoidosteom (nachts). Ringbandganglien schmerzen bei Druck, kleine Handgelenk-
ganglien bei Bewegung.
■▶ Cave: Bei Tiefenschmerz in Verbindung mit rasch wachsendem Tumor besteht
Malignomverdacht.
▶ Bei fortschreitendem Wachstum trotz mehrerer Operationen besteht der Verdacht
auf ein Epitheloid- oder Pseudosarkom.
▶ Parästhesien und Paresen durch Nervenkompression treten bevorzugt bei Lipomen
(Fingernerven) und Ganglien (Guyon-Loge) auf.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Inspektion: Bei einigen Tumoren sind Lokalisation und Aussehen typisch:
– Epithelzyste: Kugeliger Tumor im Bereich einer Verletzungs- oder Operations-
narbe.
– Kavernöses Hämangiom: Ausgedehnte, erhabene, unregelmäßige, bläuliche
Schwellung.
– Eruptives Angiom: Blutender, ulzeröser, pilzartiger Tumor auf der Fingerbeuge-
seite.
• Palpation:
– Weiche Tumoren: Riesenzelltumor, Lipom, Hämangiom.
– Prallharte Tumoren: Ganglion, Epidermiszyste, Fibrom, Neurinom.
– Knochenharte Tumoren: Ringbandganglion, Exostose.
▶ Radiologische Untersuchung:
• Nativröntgen: Erkennung von Fremdkörpern als Tumorursache, vom Knochen
ausgehende Tumoren, Usurierung durch Weichteiltumoren (Riesenzell-, Glomus-
tumor) sowie intratumoröse Verkalkung.
• CT: Beurteilung der Form und Ausdehnung von Knochentumoren.
• MRT: Ausdehnung bzw. invasives Wachstum von Weichteiltumoren (Abb. 17.1).
• Szintigrafie: Diagnose winziger Tumoren, z. B. Osteoidosteom; Abgrenzung ent-
zündlicher Schwellung.
• Angiografie: Diagnostik von Gefäßtumoren.

154
17.1 Grundlagen 17

Tumoren
Abb. 17.1 • MRT einer benignen Tumorbil-
dung im Hypothenarbereich.

Abb. 17.2 • a, b Malignes Schwannom, monatelang als chronisches Panaritium verkannt (a).
Multiple Gichttophi (b).

▶ Histologische Untersuchung: Die histologische Untersuchung operativ entfernter


Tumoren ist die Regel.
■▶ Beachte: Nicht blind auf den schriftlichen Befund verlassen, sondern kritisch sein,
wenn dieser nicht zu Anamnese, Klinik und intraoperativem Befund passt. Auch
der Pathologe kann irren.

Differenzialdiagnose
▶ Entzündliche Schwellung: Gerötet, druckempfindlich. Klingt meist ab durch Ruhig-
stellung und Kühlung.
■▶ Cave: Abgekapselte Abszesse sind oft blande. Bei Verdacht evtl. Punktion.
▶ Chronisches Panaritium oder Ulkus: Oft schwierig von malignem Tumor (Melanom,
Spinaliom) abgrenzbar. Probeexzision (Abb. 17.2 a).
▶ Heberden-Knoten am Endgelenk: Röntgenologisch Arthrose.
▶ Rheumaknoten: Typisch über MP-Gelenken dorsal und Ellenbogengelenken streck-
seitig. In der Regel ist die Grunderkrankung bekannt.
▶ Gichttophi (Abb. 17.2 b): Grunderkrankung bekannt. Hyperurikämie.
155
17 17.2 Hauttumoren

▶ Schwielen: Oft an berufsspezifischer Lokalisation. Anamnese!


Tumoren

▶ Dupuytren-Kontraktur: Lokalisierte palmare Knotenbildung ähnelt Fibrom oder Epi-


dermiszyste. Knöchelpolster dorsal über den PIP-Gelenken können mit Ganglien
verwechselt werden.
▶ Aneurysma der A. radialis: Schwirren bei Palpation.
▶ Strecksehnen-Synovialitis und atypischer M. extensor digitorum brevis ähneln
schlauchförmig wachsenden Handgelenkganglien. Formveränderung und Gleiten
bei kräftiger Streckung und Beugung.
▶ Osteitis: Manchmal nicht von Knochentumor abgrenzbar. Biopsie!

Therapie
▶ Die Indikation zur Operation wird nicht generell gestellt.
▶ Eindeutig benigne Tumoren: Relative Operationsindikation: Sie hängt ab vom Be-
schwerdebild, Alter und Wunsch des Patienten. Der Arzt muss den Patienten über
Art und Prognose des Tumors und das mit der Operation verbundene Prozedere
aufklären und ihm eine vernünftige, medizinisch begründete Empfehlung geben.
▶ Ist die Diagnose nicht eindeutig, ist die Operation immer indiziert.
■▶ Beachte: Im Zweifel operieren!
• Ausnahme: Bei Kleinkindern und sehr alten Patienten evtl. Verlauf beobachten
und erst bei Größenzunahme operieren.
▶ Maligne Tumoren: Besonders gute Operationsplanung erforderlich. Ausführliche
Aufklärung über alle evtl. durchzuführenden Maßnahmen, z. B. Resektion von funk-
tionswichtigen Strukturen, Amputationshöhe etc. ist obligat. Nicht immer ist eine
Amputation erforderlich; bei Weichteiltumoren innerhalb eines Kompartments
reicht dessen Exzision. Intraoperativ genaue Markierung der Tumortopografie für
den Pathologen und zur Erleichterung einer etwaigen Nachresektion. Nachbehand-
lung in Absprache mit Onkologen.

Prognose
▶ Je nach Art des Tumors und der Qualität der Operation.
▶ Rezidive sind immer möglich, häufiger bei Tumoren, die sich schlecht radikal ent-
fernen lassen, wie z. B. das kavernöse Hämangiom.

17.2 Hauttumoren
Warzen
▶ Vorkommen/Ätiologie: Viral bedingt, häufig multiples Auftreten, besonders bei Kin-
dern. Gelegentlich massiver paraungualer Befall.

▶ Beachte: Bei atypischem Befund und älteren Patienten unbedingt an ein Malignom
denken!
▶ Therapie: Eine Operation ist nie die Primärtherapie!
• Konservative Therapie: Zunächst Durchführung einer dermatologischen Lokalbe-
handlung, z. B. auch kryochirurgische Entfernung.
• Operative Therapie: Bei operativer Entfernung größerer Warzen am Finger den
Hautverschluss nicht erzwingen; günstiger ist eine Spalthautdeckung.

Nävi
▶ Grundlagen: Pigmentierte Nävi sind auch im Handbereich häufig. Vorkommen von
flachen (junktioneller Nävus) oder etwas erhabenen (intradermaler Nävus, Com-
pound Nävus) Formen, das Farbmuster ist regelmäßig. Die Verwendung einer Lupe
als Diagnosehilfe ist sinnvoll. Kommt es zu Veränderungen wie Größenzunahme,
Änderung der Pigmentierung, Blutung oder Krustenbildung, ist eine Operation indi-
ziert. Bei subungualer Lage kann der Nävus mit einem Melanom verwechselt wer-
den.
156
17.2 Hauttumoren 17

Tumoren
Abb. 17.3 • Lentigo maligna.

Abb. 17.4 • Pyogenes Granulom.

▶ Nävus pigmentosus et pilosus des Kindesalters: Erreicht oft eine beträchtliche Grö-
ße und ist prophylaktisch immer zu entfernen, da eine Entartungsgefahr nicht aus-
zuschließen ist. Falls der Defekt nach der Entfernung nicht direkt gedeckt werden
kann, ist bei Kindern statt einer Hauttransplantation eine Exzision in mehreren
Sitzungen angezeigt. Die gilt besonders bei Nävi mit flächenhafter Ausdehnung
(Tierfellnävus).
▶ Blauer Nävus: Kreisrundes, fast schwarzes Aussehen, benigne. Verwechselung mit
malignem Melanom möglich! Die Exstirpation wird angeraten.
▶ Lentigo maligna: Präinvasiv wachsender, stark pigmentierter, unregelmäßig be-
grenzter Tumor (Abb. 17.3). Eine Entartung ist möglich (malignes Melanom, S. ), da-
her Exstirpation.

Pyogenes Granulom
▶ Vorkommen: Meist palmar im Fingerbereich (Abb. 17.4). Anamnestisch oft Traum-
afolge. Histologisch auch angiomatöses Element.
▶ Klinisches Bild: Kleine, pilzartige, blutende granulomatöse Geschwulst. Wirkt malig-
ne.
▶ Differenzialdiagnose: Warze, Melanom, Hämangiom.
▶ Therapie: Exzision im Gesunden.

Keratoakanthom
▶ Vorkommen: Tumor des alten Menschen mit starker Keratin- und Hornbildung. Prä-
kanzerose.
▶ Therapie: Exzision obligat.

Aktinische Keratose
▶ Ätiologie/Klinisches Bild: Krustige, unregelmäßige Läsionen am Handrücken (Land-
mannshaut) aufgrund chronischer Exposition gegenüber UV-Licht oder Röntgen-
strahlen. Präkanzerose, klinisch nicht von Morbus Bowen abgrenzbar.
▶ Diagnostik: Probeexzision.

157
17 17.2 Hauttumoren

Morbus Bowen
Tumoren

▶ Histologie: Histologisch eindeutiges, nicht invasiv wachsendes Karzinom. Gesicht,


Schläfen und Ohren auf weitere Tumorbildung kontrollieren!
▶ Differenzialdiagnose: Ekzem.
▶ Therapie: Knappe Exzision ausreichend.
▶ Nachbehandlung: Halbjährliche klinische Kontrollen. Sehr gute Prognose.

Plattenepithelkarzinom

Achtung
Jeder verhornende oder exulzerierende Tumor ist verdächtig für ein Plattenepi-
thelkarzinom!

▶ Vorkommen/Lokalisation:
• Häufigstes Malignom der Hand. Auftreten selten vor dem 60. Lebensjahr.
• Am häufigsten streckseitig und interdigital (Abb. 17.5, Abb. 17.6), aber auch sub-
und paraungual lokalisiert. Oft innerhalb eines Areals aktinischer Mykose. Selten
palmar als Spätfolge in Strahlenulzera oder Verbrennungsnarben, dann auch bei
jüngeren Patienten.
▶ Diagnostik:
• Palpation der regionalen Lymphknoten.
• Kontrolle von Gesicht, Schläfen und Ohren.
▶ Differenzialdiagnose: Keratoakanthom, Basaliom, Melanom, Warze, benignes Ulkus,
chronisches Panaritium, Schweißdrüsengang-Karzinom.
▶ Therapie:
• Operative Therapie:
– Exzision im Gesunden, seitlich und in der Tiefe.
– Spalthautdeckung: Ist der Tumor auf die Dermis begrenzt, Defektdeckung mit
mitteldicker Spalthaut. Liegt der Tumor schwer abgrenzbar in einem Areal ak-
tinischer Keratose, eher konservative Exzision mit genauer Markierung der
fraglichen Grenzen für den Pathologen. Bei Bedarf Nachexzision. In diesen Fäl-
len evtl. mit der Defektdeckung warten, bis das histologische Ergebnis vorliegt.

Abb. 17.5 • Verruköses Plattenepithelkarzi-


nom.

Abb. 17.6 • Ulzeröses Plattenepithelkarzi-


nom.
158
17.2 Hauttumoren 17

Tumoren
Abb. 17.7 • Basaliom.

Abb. 17.8 • Malignes Melanom subungual


(Fall von Dr. K. Fischer, Hamburg).

– Defektdeckung durch Lappenplastik, Radialis- oder Leistenlappen (S. 89 ff.): Er-


forderlich nach radikaler Exzision aufgrund Invasion der Subkutis oder tieferer
Schichten.
– Strahlamputation (S. 243): Indiziert bei Lokalisation eines tief reichenden Tu-
mors am Finger.
• Nachbestrahlung: Indiziert bei Unmöglichkeit der radikalen Exzision. Eine primä-
re Strahlentherapie ist wegen hoher Rezidivrate kontraindiziert.
▶ Prognose: Abhängig von der Eindringtiefe: Ist der Tumor auf die Dermis begrenzt,
ist die Prognose gut; bei Befall der Subkutis ist sie schlecht; bei primär positiven
Lymphknoten ist die Prognose sehr schlecht.

Basaliom
▶ Vorkommen: An der Hand selten.
▶ Klinisches Bild: Erhabener Tumor mit zentraler, kraterartiger Ulzeration und meist
typischem Perlschnurrand (Abb. 17.7).
▶ Differenzialdiagnose: Benignes Ulkus, Warze, Plattenepithelkarzinom.
▶ Therapie: Exzision im Gesunden. Meistens ist ein direkter Verschluss möglich.

Malignes Melanom
▶ Vorkommen/Formen: An der Hand kommen alle Varianten des malignen Melanoms
vor:
• Pigmentierung: Braun, blau, schwarz, grau, rötlich. Amelanotisches Melanom oh-
ne Pigmentierung.
• Wachstumsformen, Lokalisation:
– Sich oberflächlich ausbreitendes Melanom: Sehr unregelmäßige Form, oft ge-
zackter Rand. Es wächst flach in die Breite.
– Noduläres Melanom: Knotig, wächst vertikal in die Tiefe, auch ulzerierend.
– Akral lentiginöses Melanom: Häufig subungual lokalisiert (Abb. 17.8).
▶ Differenzialdiagnose:
• Pigmentierte Nävi, besonders aktive Junktionsnävi und Lentigo maligna.
• Chronisches Panaritium, subunguales Hämatom, Nagelmykose.
• Plattenepithelkarzinom.
159
17 17.3 Weichteiltumoren

Tab. 17.1 • Eindringtiefe und Resektionsabstand des malignen Melanoms (nach


Tumoren

Breslow).

Eindringtiefe Resektionsabstand

< 0,76 mm 1 cm
< 2,00 mm 2 cm
> 2,00 mm 3 – 5 cm

▶ Präoperative Diagnostik: Inspektion der Haut des gesamten Körpers, Palpation der
regionalen Lymphknoten, Röntgenuntersuchung des Thorax.
▶ Therapie: Die Radikalität der Operation ist abhängig von der histologischen Klassifi-
kation (Tab. 17.1).
• Daher primär Exzisionsbiopsie, intraoperativer Schnellschnitt. Ist dies nicht mög-
lich, zunächst Offenlassen der Operationswunde, da es durch den Verschluss zu
einer Verziehung der Topografie kommt.
• Nachresektion: Bei oberflächlichem Melanom mit 1 cm Sicherheitsabstand, bei
nodulärem Melanom Sicherheitsabstand je nach Eindringtiefe, mindestens 3 cm.
Bei der Defektdeckung ist aufgrund der einfacheren klinischen Kontrolle einem
Hauttransplantat der Vorzug vor einer Lappenplastik zu geben. Axilläre Lymph-
knotenausräumung nicht prophylaktisch, sondern nur bei positivem Tastbefund!
• Bei akralem Melanom Inzisionsbiopsie, da bei positivem Befund die Endgliedam-
putation indiziert ist.
▶ Prognose: Je nach Eindringtiefe: Bis 1 mm besteht eine gute Prognose. Onkologische
Tumornachsorge bei Patienten mit nodulärem Melanom.

17.3 Weichteiltumoren
Epithelzyste
▶ Lokalisation: Meistens palmar.
▶ Ätiologie: Durch Trauma oder Operation gelangt Epidermisgewebe subkutan
(Abb. 17.9 a, b) oder intraossär (Abb. 17.10), produziert dort Keratin und wächst zur
Geschwulst.
▶ Klinisches Bild/Untersuchung: Prallharter, kugeliger, verschieblicher Tumor. Bewei-
send ist meist eine Narbe im Bereich des Tumors.
▶ Röntgenuntersuchung: Kreisrunde, wie ausgestanzt wirkende Zyste, dadurch vom
Enchondrom zu unterscheiden.
▶ Therapie: In der Regel operative Entfernung in toto.
■▶ Cave: Zystenwand wegen der Gefahr eines Rezidivs nicht verletzen! Der Zystenin-
halt ähnelt einer weißen Paste.

Abb. 17.9 • a, b Subkutane Epithelzysten.


160
17.3 Weichteiltumoren 17

Tumoren
Abb. 17.10 • Intraossäre Epithelzyste mit typisch
kreisrund ausgestanzt erscheinendem Defekt (vgl.
Enchondrom, Abb. 17.17).

Calcinosis circumscripta
▶ Vorkommen/Lokalisation: Tumorähnliche Ansammlung von Kalkablagerungen pa-
raartikulär oder in den Fingerbeeren, häufig bei Sklerodermiepatienten.
▶ Therapie: Die Entfernung gelingt nicht immer vollständig, lindert aber die Be-
schwerden.

Fremdkörpergranulom
▶ Ätiologie: Fremdkörper in der Subkutis, die keine Sofortinfektion hervorrufen, wer-
den durch fibrotisches Gewebe abgekapselt und ähneln einem Tumor. Die Verlet-
zung ist den meisten Patienten nicht erinnerlich.
▶ Klinisches Bild: Die Färbung des Tumor kann dunkel (Metall) oder gerötet (Späti-
nfekt) sein.
▶ Röntgenuntersuchung: Evtl. Darstellung des Fremdkörpers.
▶ Therapie: Exstirpation.

Riesenzelltumor
▶ Lokalisation, Auftreten: Häufigster Weichteiltumor an der Hand, ausgehend von
Sehnenscheiden und Gelenkkapseln. Die typische Lokalisation ist palmar, der Tu-
mor wächst aber auch weiter nach dorsal, so dass eine semizirkuläre Fingerge-
schwulst entsteht (Abb. 17.11 a).
▶ Klinisches Bild:
• Derbe Konsistenz, harte, höckerige Oberfläche.
• Der Tumor kann eine Druckarrosion der Phalangen verursachen (Abb. 17.11 b).
▶ Therapie: Die Resektion ist wegen der zapfenartigen Tumorausläufer und des oft
zirkulären Wachstums nicht einfach. Oft verlaufen die Nerven durch den Tumor
hindurch. Der Tumor hat eine pathognomonische gelbbräunliche Färbung
(Abb. 17.11c).

Lipom
▶ Vorkommen: Häufig. Langsam wachsender Tumor.
▶ Klinisches Bild/Untersuchung:
• Bei Erstuntersuchung oft schon recht groß (Abb. 17.12 a, b), da durch weiche
Konsistenz wenig Beschwerden. Durch Raumforderung und Nervverdrängung
evtl. neurologische Symptome.
161
17
Tumoren 17.3 Weichteiltumoren

Abb. 17.11 • a, b Riesenzelltumor der Sehnenscheide: Knolliges Wachstum dorsal und


palmar (a), Usurbildung im Knochen (b), Tumor intraoperativ mit höckriger Oberfläche und
charakteristischer Färbung (c).

Abb. 17.12 • a, b Lipome (Details s. Text).


162
17.4 Tumoren peripherer Nerven 17
• Bei oberflächlicher Lage palpatorisch weich, kissenartig, bei submuskulärer Lage

Tumoren
straff, von Ganglien nicht abgrenzbar.
• Meistens klinisch eindeutig, zur Differenzierung evtl. MRT durchführen.
▶ Differenzialdiagnose:
• Synovialitis oder Neurinom: Lipome entwickeln sich auch innerhalb von Sehnen-
scheiden und Nerven. Diagnosestellung in diesen Fällen meist erst intraoperativ.
• Ganglion: Straffe Konsistenz bei submuskulärer Lage.
▶ Therapie:
• Exzision mitsamt der zarten Kapsel. Abgrenzung zu normalem Fettgewebe kann
schwierig sein, da Lipome oft in Lobuli strukturiert sind (Abb. 17.12 b).
■▶ Cave: Bei großen Lipomen erhöhte präparatorische Schwierigkeit durch z. T. er-
hebliche Verdrängung von Gefäß-Nerven-Bahnen. In diesen Fällen ist stumpfes,
digitales Präparieren hilfreich.
• Intraneurale Lipome lassen sich mikrochirurgisch gut von den Faszikeln lösen.

Fibrom
▶ Sonderform Neurolipofibromatose des Kindesalters: Diese betrifft vorwiegend den
N. medianus, weniger den N. ulnaris. Der fibrolipomatöse Tumor ist eng mit den
Faszikeln verbunden, so dass eine radikale Entfernung unmöglich ist.
▶ Therapie: Mikrochirurgische Tumorverkleinerung. Da neurologische Ausfälle fast
nie zu vermeiden sind und es auch bei radikalerem Vorgehen immer zu Rezidiven
kommt, ist Zurückhaltung geboten.

Dermatofibrom
▶ Vorkommen: Selten, vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen. Bei sehr kleinen
Kindern als infantile, digitale Fibromatose. Glasig-zystische, pralle Tumoren an Fin-
gern und Zehen.
▶ Klinisches Bild: Kleine, rundliche, derbe Knoten ubiquitär an der Hand.
▶ Differenzialdiagnose: Ganglion, Epidermiszyste, Fibrosarkom, Histiozytom.
▶ Therapie: Exzision. Histologische Abgrenzung von anderen, insbesondere aggressi-
veren Fibromtypen.

Fibromyosarkom
▶ Vorkommen: Tritt in allen Altersgruppen auf, am häufigsten bei Männern über
40 Jahren. Unterschiedliche Aggressivität. Metastasiert in die Lunge.
▶ Klinisches Bild: Schmerzlose Größenzunahme, palpatorisch harte Tumormasse.
▶ Therapie: Kompartmentresektion oder Amputation.

17.4 Tumoren peripherer Nerven


Neurinom
▶ Vorkommen: Häufigster originärer Nerventumor. Ausgehend vom Bindegewebe der
Schwann-Zellen.
■▶ Beachte: Nicht mit einem traumatisch bedingten Neurom verwechseln! Dieses ist
kein Tumor, sondern eine Knotenbildung am proximalen Stumpf eines (teil)
durchtrennten Nervs!
▶ Lokalisation: Im Bereich des Nervenverlaufs, vorwiegend am Ulnaris- oder Median-
usstamm, sowie auch an Fingernerven (Abb. 17.13 a, b).
▶ Klinisches Bild/Untersuchung: Palpatorisch derber, glatter, mobiler Tumor von Reis-
korn- bis Walnussgröße. Der Tumor entwickelt sich meist symptomlos ohne neuro-
logische Ausfälle. Das Hoffmann-Tinel-Zeichen kann positiv sein.
▶ Diagnostik:
• Elektroneurografie: Bei klinischem Verdacht auf Neurinom präoperativ sinnvoll
zum Nachweis oder Ausschluss von Veränderungen.
163
17
Tumoren 17.5 Tumoren der Blut- und Lymphgefäße

Abb. 17.13 • a, b Neurinom des N. medianus am Unterarm (a), Neurinom eines Digitalnervs am
Ringfinger (b).

• MRT: Bei Verdacht auf ein Neurinom immer indiziert.


▶ Differenzialdiagnose:
• Lipom: Weichere Konsistenz als ein Neurinom.
• Sehnenscheidenganglion: Cave: Bei ähnlicher Lokalisation wie bei einem Beuge-
sehnenscheiden-Ganglion (S. 151) besteht die Gefahr der Nervenresektion.
• Intraneurale Tumoren des Kindesalters (Neurofibrom, Neurolipofibrom, intraneu-
rales Hämangiom): Enge Verwachsung mit den Faszikeln.
▶ Therapie:
• Die präoperative Aufklärung über evtl. Nervenschädigung ist obligat. Die Opera-
tion darf nur erfolgen, wenn ein Operationsmikroskop zur Verfügung steht. Wird
ein Neurinom zufällig gefunden und steht kein Mikroskop zur Verfügung, muss
die Tumorexstirpation verschoben werden!
• Die mikrochirurgische Tumorentfernung ohne oder mit nur minimaler Faszikel-
schädigung ist nahezu in allen Fällen möglich.

Praxistipp
▶ Eine Fotodokumentation der Intaktheit der Faszikel am Schluss des Eingriffs ist
empfehlenswert!
▶ Lässt sich ein winziges Neurinom eines Fingernerven nicht ohne Schädigung der
wenigen Faszikel entfernen, kann es belassen und der Verlauf beobachtet werden.

▶ Prognose: In den meisten Fällen postoperativ vorübergehende, selten permanente


Parästhesien.

Neurofibrom
▶ Vorkommen: Isoliert und generalisiert im Rahmen der Neurofibromatosis Reckling-
hausen.
▶ Therapie: Bei der Neurofibromatosis Recklinghausen ist im Hinblick auf eine Exzi-
sion Zurückhaltung geboten, da häufig Rezidive auftreten. Bei Größenzunahme ist
die Entfernung wegen der Gefahr einer malignen Entartung indiziert.

17.5 Tumoren der Blut- und Lymphgefäße


Hämangiom
▶ Vorkommen: Angeboren oder erworben (1. – 3. Lebensjahrzehnt). Man unterschei-
det kavernöse und kapilläre Hämangiome sowie Mischformen.

164
17.5 Tumoren der Blut- und Lymphgefäße 17

Tumoren
Abb. 17.14 • a, b Kapilläres Hämangiom (a), kavernöses Hämangiom (b).

▶ Klinisches Bild/Untersuchung:
• Angeborene Hämangiome: Rasches Wachstum in den ersten 6 Lebensmonaten,
dann langsame Schrumpfung bis zum meist völligen Verschwinden im 5. – 7. Le-
bensjahr. Gelegentlich zentrale Ulzeration und Blutung.
• Kapilläre Hämangiome (Abb. 17.14 a): Nävusartig, auf die Haut begrenzt.
• Kavernöse Hämangiome (Abb. 17.14 b): Ausgehend von tieferen Gefäßen. Die
bläulichen, geweiteten Venenelemente sind gut sichtbar, wodurch der Tumor ein
wulstiges Aussehen erhält. Palpatorisch schwammiger, flukturierender, aus-
drückbarer Tumor, der in Blutleere verschwindet. Tastbare, manchmal schmerz-
hafte Knoten sind Phlebolithen. Erworbene kavernöse Hämangiome haben häufig
ein arteriovenöses Fistelsystem. Gelegentlich sind Hämangiome intramuskulär
lokalisiert.
▶ Diagnostik: Angiografie bei kavernösem Hämangiom sinnvoll.
▶ Differenzialdiagnose:
• Angeborene oder erworbene arteriovenöse Fistel: Kein echter Tumor, da keine Zell-
proliferation! Varikös aussehender Tumor häufig gigantischen Ausmaßes mit
schwirrender Pulsation.
▶ Therapie:
• Angeborene Hämangiome: Prinzipiell konservative Behandlung. Bei zentraler Ul-
zeration und Blutung Beschleunigung der Regression durch lokale Injektion von
kleinen Dosen Triamcinolon.
■▶ Beachte: Wichtig ist die wiederholte, beruhigende Aufklärung der Eltern, dass
die Läsion auch wirklich verschwindet.
– Dokumentation des Tumorausmaßes mit Fotos vom Verlauf.
• Erworbene kapilläre oder knotige Hämangiome: Meist gut abgrenzbar und prob-
lemlos vollständig zu entfernen.
• Kavernöse Hämangiome: Eine radikale Operation ist nicht möglich, da in der Re-
gel auch die Nerven tumorös durchsetzt sind. Daher gelingt die rezidivfreie Ent-
fernung selten. Hat der Patient keine Beschwerden und fühlt sich ästhetisch nicht
gestört, sollte ein Eingriff unterbleiben. In Einzelfällen exzessiver digitaler Tumo-
ren kann als Erst- oder Rezidiveingriff eine (Teil-)Amputation indiziert sein.

Lymphangiom
▶ Vorkommen: In der Genese ähnlich dem Hämangiom.
▶ Klinisches Bild:
• Angeborene Lymphangiome: Zum Teil Tumoren von riesigen Ausmaßen.
• Erworbene Lymphangiome: Meist noduläre, bläschenartige, rötliche Tumoren.
▶ Therapie:
• Angeborene Lymphangiome: Sehr große Tumoren sind chirurgisch kaum zu be-
herrschen. Daher ist in vielen Fällen eine Amputation wiederholten Eingriffen
mit dem Ziel der Tumorreduktion vorzuziehen.
165
17
Tumoren 17.6 Knorpel- und Knochentumoren

Abb. 17.15 • a, b Subungualer Glomustumor (a), Endgliedusur durch Glomustumor (b).

• Erworbene Lymphangiome: Problemlose vollständige Exzision in den meisten Fäl-


len möglich.

Glomustumor
▶ Vorkommen/Lokalisation: Der Glomus ist ein neuromyoarterielles System der Tem-
peraturregelung. Diese Tumorbildung kommt überall im Körper vor. Im Handbe-
reich ist die subunguale Lokalisation am häufigsten.
▶ Klinisches Bild:
• Alarmierend ist ein extremer, quälender Schmerz bei Kälteexposition, Stoß,
Quetschung oder bloßer Berührung.
• Love-Test: Exakt umschriebener heftiger Druckschmerz, am besten mit einer Blei-
stiftspitze lokalisierbar.
• Bei subungualer Lokalisation inspektorisch (genau hinsehen!) blauer oder dunk-
ler Fleck unter dem Nagel, meist in oder nahe der Lunula.
▶ Diagnostik: Röntgenologisch findet sich im seitlichen Bild gelegentlich eine Druck-
usur im dorsalen Endglied (Abb. 17.15 a). Der Vergleich mit dem gegenseitigen Fin-
ger ist hilfreich.
▶ Therapie: Operative Entfernung führt zu Schmerzbeseitigung.
• Operationstechnik:
– Operation in Oberst-Anästhesie und Blutleere.
– Stumpfes Abheben oder Entfernen des Nagels. Längsinzision des Nagelbettes
über dem Tumor (Abb. 17.15 b). Enukleation in toto. Naht des Nagelbettes (Vic-
ryl 6 /0).
– Refixation des trepanierten (Hämatomprophylaxe) Nagels mit 2 Kuppennähten
(S. 312).
• Nachbehandlung: 3 Tage Fingergipsschiene.

17.6 Knorpel- und Knochentumoren


Synoviales Chondrom
▶ Vorkommen/Lokalisation: Knorpeltumorbildung im Bereich von Sehnenscheiden.
▶ Klinisches Bild: Oft großvolumige, multiple Knoten (Chondromatose), die durch Be-
wegungsstörung und harte Buckelbildung auffallen.
▶ Diagnostik: Röntgenologisch sind Verkalkungen erkennbar.
▶ Therapie: Eine vollständige operative Entfernung ist oft nicht möglich, so dass häu-
fig Rezidivoperationen notwendig werden.
166
17.6 Knorpel- und Knochentumoren 17

Tumoren
Abb. 17.16 • a, b Carpal Bossing (Details s. Text).

Carpal Bossing („Handwurzelbuckel“)


▶ Vorkommen/Lokalisation: Exostose an der Basis des Mittelhandknochens II, seltener
am Mittelhandknochen III (Abb. 17.16 a, b).
▶ Klinisches Bild: Buckelbildung am Handrücken, ggf. Belastungsbeschwerden.
▶ Therapie: Ruhigstellung, ggf. lokale Kortisoninjektion (z. B. 10 – 15 mg Triamcino-
lon). Operatives Vorgehen (Abmeißelung, Desinsertion der betreffenden Handge-
lenk-Strecksehne) nur bei Therapieresistenz.

Ekchondrom (Kartilaginäre Exostose)


▶ Vorkommen: Tumor des Kindes- und Jugendalters.
▶ Klinisches Bild: Diagnose häufig durch Röntgen aus anderem Anlass oder aufgrund
von störendem Wachstum der Exostosen.
▶ Diagnostik: Bei Verdacht auf multiple hereditäre Exostosen (S. 147) Röntgenkon-
trolle aller Extremitäten, da maligne Entartung möglich ist.
▶ Therapie: Bei störenden Tumoren an der Hand Entfernung unter Resektion des Pe-
riosts und eines Teils der Kortikalis. Bei epiphysennaher Lokalisation sparsamere
Resektion. Eine Spongiosaplastik ist selten erforderlich. Nur sehr kurze Ruhigstel-
lung. Funktionelle Nachbehandlung.
▶ Prognose: Rezidivgefahr.

Enchondrom
▶ Vorkommen/Lokalisation: Häufigster Knochentumor am Handskelett, überwiegend
bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Betroffen sind Phalangen und Mittel-
handknochen, meist metaphysär, sehr selten die Handwurzel.
▶ Klinisches Bild: Meist symptomlos, daher häufig Zufallsbefund. Evtl. ist eine Verdi-
ckung erkennbar (Abb. 17.17 a). Gelegentlich treten Schmerzen auf. Durch den Tu-
167
17
Tumoren 17.6 Knorpel- und Knochentumoren

Abb. 17.17 • a, b Enchondrom (a), pathologische Fraktur bei Enchondrom (b).

mor kann es zu einer pathologischen Fraktur kommen (Abb. 17.17 b). In diesen Fäl-
len ist die versicherungsrechtliche Anerkennung abhängig von der Art des Traumas,
d. h. es ergibt sich die Fragestellung, ob ein gesunder Knochen ebenfalls frakturiert
wäre.
▶ Diagnostik: Röntgenologisch typisch wabige, osteolytische Struktur mit kleinen
Verkalkungen. Auch ovaläre Ausbuchtung oder ekchondromatöse Anteile kommen
vor. Die Kortikalis ist immer intakt.
▶ Differenzialdiagnose:
• Juvenile Knochenzyste.
• Intraossäre Epithelzyste: Fast immer im Endglied lokalisiert mit kreisrunder, wie
ausgestanzt wirkender Form (Abb. 17.10).
▶ Therapie: Die operative Entfernung ist in der Regel indiziert. Bei geringer Ausdeh-
nung und zögerlichem Patienten auch jährliche Verlaufsbeobachtung.
• Operationstechnik:
– Dorsaler Zugang, am Endglied mediolateral. Längsinzision der Strecksehne.
Ausmeißeln eines ausreichend großen Kortikalisdeckels. Radikale Entfernung
des pastenartigen Tumors und penible Kürettage der Kortikalis.
– Bei stabiler Kortikalis auf Spongiosaplastik verzichten. Wenn möglich, wird der
Kortikalisdeckel (ohne Tumorreste) refixiert. Bei unsicherer Stabilität, bei pa-
thologischer Fraktur immer, solide Ausstopfung mit Spongiosa aus dem Be-
ckenkamm (große Defekte) bzw. distalen Radius (kleine Defekte).
– Bei Frakturen kann zusätzlich eine Osteosynthese, in der Regel K-Drahtfixation,
notwendig sein. Intraoperative Röntgenkontrolle.
• Nachbehandlung: Postoperative Ruhigstellung bis zur Wundheilung. Früh bewe-
gen. Nur grob manuell Tätige für einen längeren Zeitraum krankschreiben, je
nach Lokalisation und Ausdehnung des Tumors für 3 – 6 Wochen.
▶ Prognose: Sehr gut. Rezidive sind selten. Auch ohne Spongiosaplastik kommt es zu
guter Reossifikation. Röntgenkontrolle nach 6 und 12 Monaten. Maligne Entartung
extrem selten, aber möglich.
168
17.6 Knorpel- und Knochentumoren 17
Knochenzyste

Tumoren
▶ Lokalisation: Selten im Handskelett, häufiger im distalen Radius.
▶ Klinisches Bild: In der Regel symptomlos.
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Bei Kindern und Jugendlichen bei Auftreten einer patholo-
gischen Fraktur, da spontane Heilung möglich.
• Operative Therapie: Nur bei problematischer pathologischer Fraktur oder sehr
großer, gelenknaher Zyste. Entfernung des flüssigen Inhalts, Kürettage und Spon-
giosaplastik, ggf. in Verbindung mit Osteosynthese.
▶ Prognose: Rezidive sind häufig. Eine maligne Entartung ist möglich.

Aneurysmatische Knochenzyste
▶ Vorkommen: Tritt in den ersten beiden Lebensjahrzehnten auf.
▶ Klinisches Bild: Rasches Wachstum, äußerlich erkennbare Schwellung.
▶ Diagnostik:
• Röntgenuntersuchung: Blasige Auftreibung (wie Aneurysmasack), dünne erhalte-
ne Kortikalis, keine Kalzifizierung.
• MRT: Flüssiger Inhalt nachweisbar.
▶ Differenzialdiagnose: Andere zystische Knochentumoren.
▶ Therapie: Eine Operation ist immer indiziert. Intraoperativ zeigt sich eine charakte-
ristische braune Flüssigkeit, gelegentlich werden Hämatome und Thromben gefun-
den.
▶ Prognose: Trotz Ausräumung, Kürettage und Spongiosaplastik kommt es häufig zu
Rezidiven, die jedoch meist wenig ausgedehnt sind und daher nicht immer eine Re-
operation erfordern. Regelmäßige Kontrollen sind erforderlich.

Osteoidosteom
▶ Vorkommen: Tritt bei Erwachsenen zwischen 20 und 40 Jahren auf.
▶ Klinisches Bild: Nächtliche Schmerzen, am Tage weniger. Schwellung des betroffe-
nen Fingers. Rheumaähnliche Symptomatik.
▶ Diagnostik: Röntgenologisch im Knochen nahe oder in der verdickten Kortikalis ge-
legener, wenige Millimeter großer Nidus, umgeben von einem Aufhellungsrand. Die
Umgebung kann vermehrt sklerosiert sein.
▶ Differenzialdiagnose: Osteitischer Abszess, rheumatische Schwellung.
▶ Therapie: Ausräumung des Nidus mit umgebendem Knochen.
■▶ Cave: Der Nidus kann schwer zu lokalisieren sein. Daher im Zweifel eher mehr
Knochen als zu wenig entfernen. Intraoperative Röntgenkontrolle.
▶ Prognose: Tumorentfernung beseitigt die Beschwerden.

Osteogenes Sarkom
▶ Vorkommen: Extrem selten an der Hand. Tumor der ersten beiden Lebensjahr-
zehnte.
▶ Klinisches Bild: Typisch ist ein rasches, expansives Wachstum verbunden mit
Schmerzen, Rötung und Schwellung.
▶ Diagnostik: Röntgenologisch Destruktion des Knochens (Abb. 17.18). Präoperativ ist
ein Staging erforderlich.
▶ Differenzialdiagnose: Osteoblastom, Infektion (Osteitis).
▶ Therapie: En-Bloc-Resektion. Postoperativ Chemotherapie.
▶ Prognose: Schlecht.

169
17
Tumoren 17.6 Knorpel- und Knochentumoren

Abb. 17.18 • Osteogenes Sarkom.

170
18.1 Dupuytren-Kontraktur 18
18 Dupuytren-Kontraktur

Dupuytren-Kontraktur
18.1 Dupuytren-Kontraktur
Grundlagen
▶ Definition: Die nach Baron Guillaume Dupuytren (1777 – 1835) benannte Kontrak-
tur ist eine benigne Erkrankung mit knotiger und strangartiger Verdickung der Kol-
lagenfasern der Palmaraponeurose (Abb. 18.1, Abb. 18.2).
▶ Histologie: Myofibroblasten in den strangartigen Verdickungen.
▶ Ätiologie: Unklar. Die mit der Dupuytren-Kontraktur ursächlich in Verbindung ge-
brachten Erkrankungen (Diabetes, Alkoholismus etc.) sind ebenfalls häufig, so dass
eine zufällige Koinzidenz möglich ist. Ein signifikanter Zusammenhang scheint zwi-
schen Dupuytren-Kontraktur und Antiepileptika zu bestehen. Eine traumatische
Genese ist fast nie beweisbar, auch wenn oft ein verblüffender zeitlicher Zusam-
menhang besteht.
▶ Genetische Disposition: Familiär gehäuftes Auftreten genetisch bedingt.
▶ Epidemiologie: Überwiegend bei Männern im 4. bis 5. Lebensjahrzehnt. Bei Frauen
seltener, in höherem Lebensalter jedoch ansteigende Inzidenz. Ethnische Besonder-
heit: Auftreten häufiger bei Menschen nordeuropäischer Abstammung. In Afrika
und Asien kaum verbreitet.
▶ Verlauf: Im jungen Erwachsenenalter meist aggressiver Verlauf.
▶ Verwandte Erkrankungen, gelegentlich gleichzeitig auftretend: Morbus Ledderhose
(Knotenbildung in der Plantarfaszie) am Fuß und Induratio penis plastica.

Klinisches Bild
▶ Beginn mit Bildung von Knoten und Strängen oder Hauteinziehung in der Hohlhand
und/oder den Fingerbeugeseiten.
▶ Rasches oder langsames Wachstum der Stränge mit zunehmender Beugekontraktur
der MP-Gelenke und/oder der PIP-Gelenke, seltener der DIP-Gelenke.
▶ Lokalisation: Meist Ring-/Kleinfinger, selten Mittel-, sehr selten Zeigefinger.

Abb. 18.1 • Normale Anatomie der Fasziensysteme der Hand.


171
18
Dupuytren-Kontraktur 18.1 Dupuytren-Kontraktur

Abb. 18.2 • Präparatorisch problema-


tisches Areal im Bereich des MP-Ge-
lenks. Die Längsfasern teilen sich (1)
und verbinden sich mit Fasern des
Lig. metacarpale transversum superfi-
ciale („Lig. natatorium“, 2) zu einem
dreidimensionalen Netzwerk, aus dem
die digitale Faszie (3) hervorgeht.
Beachte die unterschiedliche Teilung
von Nerv (4) und Arterie (5).

Abb. 18.3 • a–d Klinische Formen der Dupuytren-Kontraktur (a–c, s. Text), Knöchelpolster
Fingermittelgelenke (d).

▶ Am Daumen führt die meist radiale Strangbildung zur Adduktionskontraktur. Zu-


sätzlich oft Strangbildung in der 1. Zwischenfingerfalte.
▶ Formen: Vorwiegende Mittelgelenk-Kontrakturen (Abb. 18.3 a), vorwiegende Grund-
gelenk-Kontrakturen (Abb. 18.3 b), Mischformen (Abb. 18.3 c). Das Endgelenk ist be-
sonders bei rein digitaler Kontraktur betroffen. Die isolierte digitale Strangbildung
kommt bei jungen Patienten vor und ist fast immer am Kleinfinger ulnar lokalisiert.
▶ In Hohlhandmitte und über dem Kleinfinger-Grundglied können die Knoten be-
trächtliche Größe erlangen, dadurch Beschwerden beim festen Zufassen.
▶ Bei fortgeschrittener Kontraktur im PIP-Gelenk kommt es zur Überstreckung im
Endgelenk wie bei einer Knopflochdeformität.
172
18.1 Dupuytren-Kontraktur 18
▶ Knöchelpolster an den Fingermittelgelenken (Abb. 18.3 d) treten mit oder ohne an-

Dupuytren-Kontraktur
dere Symptome der Dupuytren-Kontraktur auf.
▶ Die Dupuytren-Kontraktur ist schmerzlos. Bestehen Schmerzen, so haben diese an-
dere Ursachen (z. B. Arthrose, Synovialitis, Kubitaltunnelsyndrom [Sulcus-n.-ulna-
ris-Syndrom]).

Diagnostik
▶ Anamnese:
• Dauer der Erkrankung, frühere Unfälle.
• Voroperationen. Wenn ja, wann und wo?
• Erkrankungen, Familienanamnese. Frühere sympathische Reflexdystrophie?
▶ Klinische Untersuchung:
• Inspektion:
– Typisches Bild (Abb. 18.3 a–c). Diagnose dadurch meist eindeutig.
– Bei fortgeschrittener Dupuytren-Kontraktur finden sich gelegentlich Mykosen
in den Zwischenfingerfalten (präoperative Sanierung!).
– Bei Rezidiven: Unterscheidung zwischen echten Rezidiven, Neubildungen und
Narbenkontrakturen.
• Palpation: Typische knochenharte Knoten und Stränge.
• Prüfung der Gelenkbeweglichkeit:
– Messung des Streckdefizits der Fingergelenke und evtl. der Abduktionsbehin-
derung des Daumens in Winkelgraden. Messung Nagel-Tisch-Abstand.
– Prüfung, ob Bewegungsstörungen unabhängig von der Dupuytren-Kontraktur
(posttraumatisch, Arthrose) bestehen.
• Prüfung der Sensibilität: Insbesondere vor einer Operation!

Differenzialdiagnose
▶ Fixierte Tendovaginitis stenosans: Anamnestisch immer Schnellen des Fingers. Beu-
gefehlstellung relativ plötzlich, kein Strang.
▶ Narbenkontraktur: Verletzungsanamnese?
■▶ Cave: Dupuytren-Kontraktur im Bereich ehemaliger Verletzung evtl. schwierig
abzugrenzen.
▶ Tumoren und Ganglien: Beugesehnenscheiden-Ganglion Loco typico Grundglied-
Beugefalte; Epithelzyste weicher und rundlicher. Epithelioidsarkom wird selten pri-
mär diagnostiziert.
▶ Posttraumatische Gelenkeinsteifung: Kein Strang tastbar, Traumaanamnese, Kno-
chen- oder Gelenkveränderungen im Röntgenbild.
▶ Krallenhand bei Ulnarisparese: Finger meist passiv streckbar, Sensibilitätsstörung,
Atrophie.
▶ Kamptodaktylie: Kein Strang tastbar, röntgenologisch typische Deformierung des
Grundgliedkopfes und der Mittelgliedbasis.
▶ Grundgelenkkontraktur bei rheumatoider Arthritis: Meist alle Finger betroffen, sehr
untypisch für Dupuytren-Kontraktur. Keine Stränge, Gelenkveränderungen, Ulnar-
deviation der Finger, Anamnese.

Therapie
▶ Operative Therapie (S. 250 und 352 ff.): Die Operation ist die einzig sinnvolle Maß-
nahme. Sie soll aber nicht zu früh erfolgen (Operationsindikation s. u.).
▶ Konservative Therapie: Kortisoninjektion und Schienung sind nicht erfolgverspre-
chend! Strahlentherapie ohne positiven Effekt. Da sie das Risiko einer späteren
Operation durch Gewebeschädigung beträchtlich erhöht, ist sie kontraindiziert!

173
18 18.1 Dupuytren-Kontraktur

Operationsindikation
Dupuytren-Kontraktur

▶ Krankheitsbedingte Faktoren:
• Isolierte Knoten ohne Funktionsdefizit: Eine Operationsindikation besteht nur bei
subjektiven Beschwerden und einer größenbedingten Behinderung bei der beruf-
lichen Tätigkeit. Keine „prophylaktischen“ Operationen!
• Kontraktur: Winkelmaße allein bestimmen nicht den Zeitpunkt der Operation,
sondern in erster Linie subjektive Behinderung und Progredienz. Aus diesem
Grund lehnen wir eine starre Stadieneinteilung ab.
– Isolierte Grundgelenkkontraktur: Prognostisch günstig. Eine OP-Indikation be-
steht etwa ab einem Streckdefizit von 40°.
– Mittelgelenkkontraktur: Schwieriger zu korrigieren, erfordert daher einen er-
fahrenen Operateur. Ein nicht progredientes Streckdefizit des PIP-Gelenks von
30° ist ohne weiteres tolerierbar. Bei weiterer Zunahme ist die Operation indi-
ziert, da sonst die vollständige Wiederherstellung der Streckfähigkeit des Mit-
telgelenks immer schwieriger wird.
▶ Patientenabhängige Faktoren:
• Bei jungen Leuten ist die Dupuytren-Kontraktur meist aggressiv. Hier wird die In-
dikation zur Operation früh gestellt.
• Eine Altersbegrenzung gibt es nicht. Auch bei über 90-Jährigen kann ein begrenz-
ter Eingriff sehr hilfreich sein.
• Bei Frauen ist die Operation mit mehr Komplikationen behaftet (höhere Inzidenz
für sympathische Reflexdystrophie, S. 114), daher Indikation bei weiblichen Pa-
tienten strenger stellen.
• Motivation seitens des Patienten ist unentbehrlich, daher sollte eher ein Patient
abgelehnt als ein schlechtes Ergebnis riskiert werden.
■▶ Cave: Alkoholismus, Depression, Nikotinabusus.

▶ Beachte: Die zu operierende Hand ist ebenfalls ein Faktor, der die Operationsindika-
tion im Hinblick auf zu erwartende Komplikationen beeinflussen kann:
• Eine schlanke, gut bewegliche Hand mit verschieblicher Haut und normalen Be-
nutzungsspuren ist ideal.
• Vorsicht bei Warnsignalen im Hinblick auf eine Prädisposition für eine sympathi-
sche Reflexdystrophie: Kalte, blasse, atrophische oder pastöse Hände. Hyperhid-
rosis!
• Palmarerythem (möglicher Hinweis auf Alkoholismus).

Operationstechniken
▶ Fasziotomie bzw. Strangdurchtrennung (S. 352): Alte Patienten mit isoliertem
Strang und Patienten in schlechtem Allgemeinzustand.
▶ Segmentale Resektion (S. 352): Alte Patienten mit diffuser Strangbildung.
▶ Partielle Fasziektomie (S. 354): In den meisten Fällen indiziert.
▶ Radikale Fasziektomie: Selten indiziert, komplikationsreich.
▶ Arthrodese des PIP-Gelenks (S. 382): Bei starker Rezidivkontraktur im PIP-Gelenk.
▶ Amputation (S. 268): Wenn andere Verfahren nicht aussichtsreich sind.
▶ Open-Palm-Technik (S. 356): Bei diffuser Knotenbildung in der distalen Hohlhand.
▶ Modulares Verfahren in minimal invasiver Technik (S. 252).

▶ Beachte: Ziel der Operation ist die Funktionsverbesserung der Hand. Übertriebene
Radikalität mit zwangsläufiger Risikoerhöhung vermeiden („Better a live dog than a
dead lion“, Hueston).

Nachbehandlung
▶ 5 – 7 Tage Gipsruhigstellung. Operierte Finger aus der Schiene mäßig, die anderen
normal bewegen.
▶ Nach Gipsentfernung selbständiges Üben. Physiotherapie, wenn dieses ineffizient
erscheint (in 60 – 70 % der Fälle nötig).
174
18.1 Dupuytren-Kontraktur 18
▶ 3 – 4 Wochen palmare Schiene in Streckstellung des/der operierten Finger(s) zur

Dupuytren-Kontraktur
Nacht. Entfernung der Fäden ab dem 12. postoperativen Tag.
▶ 1 – 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit je nach Ausdehnung der Operation und Beruf des
Patienten.

Prognose
▶ Die Prognose ist gut, abhängig von der korrekten Wahl der geeigneten Operations-
methode im Einzelfall sowie von der Qualität des Operateurs. Schlechte Ergebnisse
(sympathische Reflexdystrophie) lassen sich nie ganz vermeiden.
▶ Frauen haben ein deutlich höheres Risiko in Bezug auf eine Reflexdystrophie.
▶ Die Rezidivrate ist bei jungen Leuten sehr hoch, sie sinkt im Alter.
▶ Eine vorübergehende Sensibilitätsstörung durch Irritation der Nerven bei der Neu-
rolyse ist häufig und normal.

Fehler und Gefahren


▶ Falsche Indikation, meist zu frühe Operation. Liegt kein Funktionsdefizit vor, ist ei-
ne Indikation sehr genau zu begründen.
▶ Technische und instrumentelle Defizite. Absolute Erfordernisse: Handchirurgische
Ausbildung, Lupenbrille, hand- und mikrochirurgisches Instrumentarium, Blutlee-
re.
▶ Nervdurchtrennung: Bei Rezidiveingriffen nicht unbedingt fehlerhaft. Bei Erstein-
griffen nur in gut begründeten Ausnahmefällen nicht schuldhaft. Die sofortige mik-
rochirurgische Wiederherstellung eines durchtrennten Nervs ist obligat!
▶ Nekrosen: Folge einer zu traumatischen Technik! Kleine Spitzennekrosen an Z-Plas-
tik-Zipfeln sind möglich, größere Nekrosen sind dagegen immer fehlerhaft.
▶ Indikation zur Operation bei älteren weiblichen Patienten besonders streng stellen,
da die Häufigkeit einer postoperativen Reflexdystrophie bei ihnen erhöht ist.

175
19 19.1 Tendovaginitis am Handgelenk

19 Sehnenerkrankungen
Sehnenerkrankungen

19.1 Tendovaginitis am Handgelenk


Tendovaginitis der Fingerbeugesehnen

Wichtig
▶ Die Diagnose „Sehnenscheiden-Entzündung“ wird oft unkritisch gestellt als allge-
meine Bezeichnung für Schmerzen an Hand, Handgelenk und Unterarm.
▶ Echte inflammatorische Prozesse von Sehnenscheiden (Synovialitiden) treten nur
auf, wo solche anatomisch vorhanden sind (Abb. 19.1).
▶ Nichtrheumatische und rheumatische Beuge- und Strecksehnen-Synovialitiden
sind hinsichtlich Klinik und Therapie ähnlich (S. 211 ff.).

▶ Auftreten: Selten, meist nach akuter, ungewohnter Belastung.


▶ Klinisches Bild: Schwellung und Schmerzen distal-ulnare Unterarm-Beugeseite.
▶ Klinische Untersuchung: Im akuten Zustand starke Druckschmerzhaftigkeit ulnar
des N. medianus. Schmerzhafte Einschränkung der Fingerbeweglichkeit, tastbare
(Krepitus) und manchmal hörbare („Lederknarren“) Inflammation.
▶ Therapie: Immer konservatives Vorgehen:
• 3 – 4 Tage mit dorsaler Unterarm-Fingergipsschiene in Intrinsic-plus-Stellung ru-
higstellen.
• Kortisoninjektion: Bei Nichtbesserung. Die (16er-)Kanüle wird etwa 1 cm tief in
den Beugesehnenscheiden-Bereich ulnar vom N. medianus eingestochen. Man
lässt den Patienten die Finger bewegen. Bewegt sich dabei die Nadel mit, wird in
eine Sehne injiziert. Die Kanüle etwas zurückziehen und eine Mischung aus Kor-
tison (z. B. Trimacinolon 25 mg) und NaCl 0,9 % injizieren.
▶ Prognose: Sehr gut. Arbeitsunfähigkeit je nach Beruf bis zu 10 Tagen.

Intersektionssyndrom
▶ Auftreten: Selten.
▶ Ursache: Inflammation oder Synovialitis im Kanal des 2. Streckerfaches.

Abb. 19.1 • Anatomie der Beugesehnenscheiden an


der Hand.
176
19.2 Tendovaginitis de Quervain 19
▶ Klinisches Bild Schwellung 2 cm proximal der Tabatière, wo M. abductor pollicis

Sehnenerkrankungen
longus und M. extensor pollicis brevis die radialen Handgelenk-Strecksehnen kreu-
zen (Intersektion! S. 357).
▶ Klinische Untersuchung: Druckschmerz über dem 2. Streckerfach, Schmerzen bei
Streckung des Handgelenks gegen Widerstand. Oft positiver Finkelstein-Test
(Abb. 19.2).
▶ Differenzialdiagnose: Tendovaginitis de Quervain.
▶ Therapie: Konservativer Therapieversuch, sonst Spalten des 2. Sehnenfaches und lo-
kale Synovialektomie.

Tendovaginitis der Sehne des M. extensor pollicis longus


▶ Auftreten: Selten.
▶ Ursache: Inflammation oder Synovialitis im Kanal des 3. Streckerfaches.
▶ Klinisches Bild: Schwellung am ulnaren Rand der Tabatière. Schmerzen, evtl. Bewe-
gungseinschränkung, evtl. Schnapp-Phänomen bei Bewegungen des Daumens.
▶ Klinische Untersuchung: Druckschmerz, oft tastbare Knotenbildung im Verlauf der
Sehne, evtl. Streckung gegen Widerstand kraftlos.
▶ Therapie: Wegen Rupturgefahr der Sehne Operationsindikation früh stellen (Opera-
tionstechnik S. 358).

Tendovaginitis der Sehne des M. flexor carpi radialis


▶ Auftreten: Selten.
▶ Ursache: Inflammation oder Synovialitis im osteofibrösen Sehnenkanal. Dieser be-
ginnt ca. 2 cm proximal der Handgelenk-Beugefalte und verläuft neben Kahnbein
und Trapezium zur Basis des Mittelhandknochens II.
▶ Klinisches Bild: Schwellung und Schmerzen radiale Handgelenk-Beugeseite.
▶ Klinische Untersuchung: Verstreichen der Sehnenkontur. Druckschmerz auf der
Sehne des M. flexor carpi radialis über der Handgelenk-Beugefalte. Schmerzen bei
der Handgelenkbeugung gegen Widerstand. Die ruckartige passive Handgelenkstre-
ckung ist schmerzhaft.
▶ Differenzialdiagnose:
• Arthrosen (radiokarpal, skaphotrapezial, Sattelgelenk).
• Karpaltunnelsyndrom: Parästhesien.
• Tendovaginitis de Quervain.
• Kahnbein-Pseudarthrose.
• Ganglion.
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Anfangs Ruhigstellung, bei Nichtbesserung Kortisoninjek-
tion, z. B. Triamcinolon 10 mg.
• Operative Therapie (S. 358): Bei Nichtbesserung nach Kortisoninjektion.
■▶ Cave: Direkt palmar der Sehne bleiben. Unmittelbar radial davon verläuft der
R. palmaris n. mediani.

19.2 Tendovaginitis de Quervain


Grundlagen
▶ Auftreten: Häufig bei Frauen („Hausfrauendaumen“).
▶ Ursache: Ätiologie unklar. Inflammation oder Synovialitis der Sehnen von M. abduc-
tor pollicis longus und M. extensor pollicis brevis im 1. Streckerfach. Es kommt
durch Schwellung der Synovialis zur Stenosierung im osteofibrösen Kanal, bei Be-
wegung zu schmerzhaftem Reiben. Dadurch wieder Verstärkung der Schwellung
(Circulus vitiosus).

177
19
Sehnenerkrankungen 19.2 Tendovaginitis de Quervain

Abb. 19.2 • Durchführung Finkelstein-Test.

Klinisches Bild
▶ Schmerzen an der Radialseite des Handgelenks bei Ulnarabduktion (Wringen, Do-
senöffnen).
▶ Seltener kommt es auch zu einem nicht immer reproduzierbaren Schnapp-Phäno-
men.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Bei vergleichender Betrachtung typische, schlauchförmige Verdickung über dem
1. Strecksehnenfach. Sehnenkonturen bei abduziertem Daumen verstrichen.
• Druckschmerz über dem Sehnenfach.
• Positiver Finkelstein-Test: Der Patient umschließt den gebeugten Daumen mit den
anderen Fingern. Der Untersucher abduziert die Hand ruckartig nach ulnar, es
kommt zu einem lebhaften Schmerz (Abb. 19.2).
■▶ Beachte: Zu brüsk durchgeführt, kann der Test auch falsch positiv sein, daher
Prüfung im Seitenvergleich!
▶ Röntgenuntersuchung: Durchführung zur Differenzialdiagnostik sinnvoll.

Differenzialdiagnose
▶ Styloiditis radii: Schmerzpunkt direkt über Griffelfortsatz, nicht über den Sehnen.
Finkelstein-Test negativ.
▶ Intersektionssyndrom (S. 176): Druckschmerz proximal des 1. Streckerfaches.
▶ Sattelgelenkarthrose (S. 207): Schmerzen distal des Streckerfaches, Verplumpung
des Sattelgelenks, Arthrose im Röntgenbefund. Auftreten auch gemeinsam mit Ten-
dovaginitis de Quervain.
▶ Radiokarpale Arthrose (S. 209): Verdickung im Gelenkbereich, pathologischer Rönt-
genbefund.
▶ Distales Radialiskompressionssyndrom (S. 187): Hypästhesie, keine Schwellung, po-
sitives Hoffmann-Tinel-Zeichen.

Konservative Therapie
▶ Im Frühstadium kurzzeitige (3 – 4 Tage) Gipsruhigstellung.
▶ Bei Nichtbesserung Kortisoninjektion, z. B. Triamcinolon 15 mg. Injektion von proxi-
mal mit 18er-Kanüle in Längsrichtung in oder an das Streckerfach (Abb. 19.3).
■▶ Cave: Der R. superficialis n. radialis läuft durch das Injektionsgebiet. Keine Lokal-
anästhesie der Einstichstelle, damit Patient bei akzidenteller Berührung des
Nervs Elektrisieren angeben kann. Nach Injektion Tapeverband oder abnehmbare
Gipsschiene.

Operationsindikation
▶ Falls die konservative Therapie innerhalb von 4 – 6 Wochen keine dauerhafte Besse-
rung bewirkt, ist eine baldige Operation indiziert (S. 250 und 357).
178
19.3 Tendovaginitis stenosans 19

Sehnenerkrankungen
Abb. 19.3 • Technik der Kortisoninjektion bei Tendovaginitis de Quervain.

19.3 Tendovaginitis stenosans


Grundlagen
▶ Auftreten: Eine der häufigsten Funktionsstörungen an der Hand.
▶ Synonyme: Schnellender Finger, Schnappfinger, Ringbandstenose.

Ätiologie
▶ Knotige, auch synovialitische Verdickung der Beugesehne in Grundgelenkhöhe mit
Stenosierung am Grundgelenk-Ringband. Am Daumen findet sich die Stenose am
Grundglied-Ringband (Abb. 19.4).
▶ Fixierter schnellender Daumen bei Säuglingen und Kleinkindern (Pollex flexus con-
genitus, S. 181).

Klinisches Bild
▶ Frühsymptome: Oft nur unspezifische Schmerzen und Schwellung im Bereich des
MP-Gelenks palmar und dorsal. Morgensteifigkeit und Spannungsgefühl.
▶ Später sporadisches oder ständiges, nicht unbedingt schmerzhaftes Fingerschnap-
pen bei Streckung. Bei rheumatischer Genese eher Blockierung der Beugung
(S. 215).
▶ Bei weiterer Progredienz gelegentliche oder ständige Einklemmung des Fingers in
Beugestellung (am Daumen auch in Endgelenkstreckung), die nur mit Schmerzen
aktiv oder passiv überwunden werden kann. Angst vor Schmerzen führt zur Scho-
nung der Hand.

Abb. 19.4 • Lokalisation der Stenose bei


Tendovaginitis stenosans.
179
19
Sehnenerkrankungen 19.3 Tendovaginitis stenosans

Abb. 19.5 • Palpation der Beugesehnen bei


Verdacht auf Tendovaginitis stenosans.

▶ Am häufigsten betroffen sind Daumen, Mittel- und Ringfinger. Multiples Auftreten,


gleichzeitig oder in Folge, ist nicht selten. Oft gemeinsames Auftreten mit Karpal-
tunnelsyndrom und Tendovaginitis de Quervain.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• In den meisten Fällen kann der Patient das typische Schnappen vorführen. Falls
nicht, sollte man versuchen, es zu provozieren: Der Untersucher beugt passiv alle
Finger vollständig. Er fordert den Patienten auf, die Finger zusätzlich in die Hohl-
hand einzukrallen. Oft wird dadurch die Blockierung ausgelöst.
• Bei Palpation der Beugesehne über dem Grundgelenk-Ringband Druckschmerz,
auch tastbare, gleitende Knotenbildung (Abb. 19.5).
• Schmerz bei passiver Überdehnung des Fingers.
• Bei längerer Anamnese passiv nicht ausgleichbare Streckbehinderung im Mittel-
gelenk. Auch ein aktives Beugedefizit ist möglich.
■▶ Beachte: Bei jeder Untersuchung ein begleitendes Karpaltunnelsyndrom
(S. 193 ff.) anamnestisch und klinisch ausschließen!

Differenzialdiagnose
▶ Rheumatische Synovialitis (S. 216): Typische Anamnese, Gelenke betroffen.
▶ Schnapp-Phänomen bei Schwanenhalsdeformität (S. 214, Abb. 22.7): „slow finger“.
▶ Schnapp-Phänomen bei Luxation eines Strecksehnen-Seitenzügels am Mittelgelenk.
▶ Schnapp-Phänomen bei Streckerhaubenruptur über dem Grundgelenk (S. 37, Abb. 5.8).
▶ Ringbandganglion (S. 151): Knoten meist weiter distal in der Grundglied-Beugefalte
tastbar, kein Schnappen auslösbar.
▶ Posttraumatische Sehnenscheidenstenose nach Beugesehnen-Teildurchtrennung:
Traumaanamnese, Hautnarbe.
▶ Dupuytren-Kontraktur (S. 171): Fixierte Beugung und Strangbildung.

Therapie
▶ Bei kurzer Anamnese keine Therapie. Spontane Besserung abwarten.
▶ Konservative Therapie: Falls keine Besserung, Kortisoninjektion in die Beugeseh-
nenscheide (Triamcinolon 10 mg).
• Indikationen:
– Schmerzhafte Bewegungseinschränkung ohne Schnappen.
– Nur gelegentliches Schnappen.
– Patienten, die eine Operation ablehnen.
• Injektionstechnik: Stichkanalanästhesie mit 18er-Kanüle proximal des A1-Ring-
bandes. „Tasten“ des derben Ringbandes mit der Nadel, anschließend Vorschie-
ben der Nadel unter Einhaltung einer leicht dorsalen Richtung. Patient beugt sei-
nen Finger. Liegt die Nadel intratendinös, bewegt sie sich. Dann etwas zurückzie-
hen und das Kortison injizieren. Die Injektion sollte ohne Widerstand möglich
sein. Tapeverband.
180
19.4 Pathologische Rupturen, Hammerfinger 19
▶ Operative Therapie:

Sehnenerkrankungen
• Ringbandspaltung (S. 358 f.): Indiziert bei allen störenden Ringbandstenosen.
• Minimalinvasives Vorgehen s. S. 247 (Kap. 24.2).

Prognose
▶ Nach Injektion häufig Rezidive. Dann Durchführung einer Ringbandspaltung.
▶ Nach Ringbandspaltung sehr gute Prognose. Gelegentlich treten über einen länge-
ren Zeitraum (3 – 4 Wochen) Narbenbeschwerden auf. In Einzelfällen verbleibt trotz
Beseitigung des Schnappens eine Bewegungseinschränkung.
▶ Eine präoperativ bestehende Streckbehinderung des PIP-Gelenks ist sehr oft nicht
vollständig zu beseitigen.
▶ 1 – 14 Tage Arbeitsunfähigkeit.

Kongenitale Ringbandstenose
▶ Auftreten: Erstmanifestation beim Säugling oder erst im Kleinkindalter. Betroffen
ist fast immer der Daumen (Pollex flexus congenitus oder rigidus, S. 144).
▶ Klinisches Bild: Den Eltern fällt fast immer erst die fixierte Beugestellung des Dau-
mens (seltener Finger) auf. Oft wird ein Trauma vermutet.
▶ Klinische Untersuchung: Daumenendgelenk in fixierter Beugestellung von 20 – 40°,
am Finger besteht eine Beugung des PIP-Gelenks. Deutlich tastbare Knotenbildung
in der Grundglied-Beugefalte, die man den oft durch unklare Diagnosen verunsi-
cherten Eltern demonstrieren kann.
▶ Therapie: Die operative Ringbandspaltung (S. 358 f.) ist immer und möglichst früh
indiziert. Bei Säuglingen ist allerdings eine spontane Rückbildung möglich.
6 – 12 Monate zuwarten.

19.4 Pathologische Rupturen, Hammerfinger


Grundlagen
▶ Differenzierung zwischen traumatischen und pathologischen Rupturen aus medi-
zinischen und versicherungsrechtlichen Gründen wichtig.
▶ Traumatische Rupturen nur durch adäquates Trauma (Zerrung, Überdehnung, Aus-
riss). Meistens am Ansatz (oft knöchern), selten proximal im Muskelbauch, noch
seltener im Verlauf der Sehne.
▶ Bei traumatischen Rupturen findet man immer äußere Verletzungszeichen (Häma-
tome, Schürfung, Schwellung). Dokumentation wichtig!
▶ Weitaus am häufigsten ist der subkutane Strecksehnenabriss an einem Fingerend-
gelenk (Hammerfinger, Abb. 19.6).

Ätiologie
▶ Rheumatoide Arthritis (S. 217 f.).
▶ Sehnendegeneration (Hammerfinger).
▶ Posttraumatisch: Als posttraumatisch gilt die Ruptur der Sehne des M. extensor
pollicis longus im zeitlichen Zusammenhang mit Verletzungen am distalen Radius-
ende (z. B. Fraktur).

Abb. 19.6 • Degenerative Strecksehnenruptur am


Endgelenk (Hammerfinger).
181
19 19.4 Pathologische Rupturen, Hammerfinger

▶ Iatrogen: Rupturen aufgrund einer Sehnendurchscheuerung an Osteosynthesema-


Sehnenerkrankungen

terial (K-Drähte).
▶ Tuberkulöse Synovialitis (selten).

Klinisches Bild
▶ Klinik der Sehnenrupturen (S. 216 f.).
▶ Charakteristisch für den Hammerfinger ist der plötzliche, schmerzlose Funktions-
verlust, oft nach einer banalen Tätigkeit, die einer gesunden Sehne nie schadet: z. B.
Bettlaken einstecken, Schnürsenkel schnüren, Strümpfe anziehen.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Motorische Prüfung der betroffenen Muskeln (S. 6 ff.).
• Messung des Streckdefizits beim Hammerfinger (15 – 50°).
▶ Röntgenuntersuchung: Zum Ausschluss oder Nachweis knöcherner Veränderungen.

Therapie
▶ Therapie von Rupturen der Streck- und Beugesehnen (S. 271 ff. bzw. S. 278 ff.).
▶ Therapie des Hammerfingers:
• Konservative Therapie: 6 Wochen Ruhigstellung mit Stack-Schiene (S. 25), danach
4 Wochen nachts. Genaue Instruktion des Patienten über die Handhabung der
Schiene:
– Schiene ständig tragen!
– Schiene einmal täglich zur Hautpflege abnehmen! Dazu Finger auf Unterlage
passiv strecken! Beim Wiederanlegen der Schiene Endgelenk nicht beugen!
• Operative Therapie:
– Temporäre K-Drahtfixation des Endgelenks zur Vermeidung einer Schienung.
Indikation nur bei wichtigem Grund (Beruf, begründeter Wunsch).
– Sehnennaht (S. 271): Bei Streckdefizit > 40°.
– Siehe auch S. 255 (Kap. 24.7).

Prognose
▶ Die Prognose nach einem subkutanen Strecksehnenabriss ist sowohl bei konservati-
ver wie operativer Therapie eher mäßig und nicht vorhersagbar. Patienten darüber
vor der Therapie informieren! Eine Verbesserungschance durch sekundäre Raffnaht
nach erfolgloser Schienenbehandlung ist möglich.

▶ Beachte: Eine nach Schienenbehandlung noch wochenlang persistierende narbige
Verdickung dorsal am Endgelenk ist normal!
▶ Arbeitsunfähigkeit kurz, wenn überhaupt. Nur wenige Arbeiten sind mit der Schie-
ne unmöglich.

Sekundäreingriffe
▶ Sekundäre Raffnaht mit temporärer K-Drahtfixation des DIP-Gelenks (S. 274): Indi-
ziert bei persistierendem Streckdefizit > 30° nach Schienenbehandlung.
▶ Arthrodese (S. 382): In seltenen Fällen indiziert.

182
20.1 N. radialis: Grundlagen, Anatomie 20
20 Nervenkompressionssyndrome

Nervenkompressionssyndrome
20.1 N. radialis: Grundlagen, Anatomie
Grundlagen
▶ Die Engpässe des N. radialis (Abb. 20.2) befinden sich am distalen Oberarm, am pro-
ximalen Unterarm sowie am distalen Unterarm.
▶ Weitaus am häufigsten ist die Kompression am proximalen Unterarm (Supinator-
syndrom), die übrigen sind selten.

Anatomie
▶ Verlauf (Abb. 20.2): Der N. radialis (C 5 – C 7, Th 1) verläuft am dorsoradialen Ober-
arm unter dem radialen Kopf des M. triceps. Er tritt durch das Septum intermuscu-
lare radiale nach anterior (Hiatus radialis), verläuft zwischen M. brachialis und
M. brachioradialis. Distal vom radialen Epikondylus teilt er sich in R. profundus und
R. superficialis:
• R. profundus n. radialis: Der rein motorische R. profundus verläuft unter der Froh-
se-Arkade zwischen ulnarem und humeralem Kopf des M. supinator. Distal davon
zweigt er sich auf in die Muskeläste zu allen Fingerstreckern, dem M. abductor
pollicis longus und dem M. extensor carpi ulnaris. Distal innerviert der R. profun-
dus als N. interosseus posterior das Radiokarpalgelenk und das distale Radioul-
nargelenk. Motorische Innervation der oberen Extremität s. auch Tab. 9.2.
• R. superficialis n. radialis: Der rein sensible R. superficialis zieht unter dem M. bra-
chioradialis zur Radialseite des Handgelenks und verzweigt sich hier in seine
Endäste (Abb. 20.1, Abb. 20.2).

20.2 Proximales Radialiskompressionssyndrom


Ätiologie
▶ Ort der Druckläsion: Septum intermusculare radiale.
▶ Häufig bleibt die Ätiologie unklar. Mögliche Ursachen:

Abb. 20.1 • Sensibles Areal N. radialis.


183
20
Nervenkompressionssyndrome 20.2 Proximales Radialiskompressionssyndrom

Abb. 20.2 • Anatomie N. radialis.

• Einmalige brüske oder wiederholte Anspannungen des M. triceps durch unphy-


siologische Belastung.
• Verdrängung des Nervs durch Hämatom, Kallus oder Tumor.

Klinisches Bild
▶ Ziehende Schmerzen am radialen Oberarm.
▶ Es kann auch zu sensiblen oder motorischen Ausfällen bis hin zur kompletten ho-
hen Parese (Fallhand) kommen. Die Parese kann relativ rasch und ohne längere
Schmerzanamnese auftreten.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Palpation: Druckschmerz, evtl. positives Hoffmann-Tinel-Zeichen bei Beklopfen
des Radialisstammes.
184
20.3 Supinatorsyndrom (R. profundus n. radialis) 20
• Prüfung der Motorik: Prüfung der Handgelenk- und Fingerstrecker im Seitenver-

Nervenkompressionssyndrome
gleich, auch gegen Widerstand (Abb. 1.25 bis Abb. 1.32).
• Sensibilitätsprüfung: Störungen der Sensibilität am Ellenbogengelenk radial und
auf der Unterarm-Streckseite (N. cutaneus antebrachii radialis).
▶ Elektrophysiologische Untersuchung: Indiziert bei kurzer Anamnese sowie bei aku-
ter Lähmung.

Differenzialdiagnose
▶ HWS-Bandscheibenvorfall: Meist auch HWS- und Schulterschmerzen.
▶ Traumatische Drucklähmung („Parkbanklähmung“): Meist anamnestisch eindeutig.
Nahezu immer spontan reversibel.
▶ Das weiter distal gelegene Supinatorsyndrom verursacht häufig auch Schmerzaus-
strahlung in den Oberarm.

Therapie
▶ Konservative Therapie:
• 5 – 7 Tage mit Oberarm-Gipsschiene ruhigstellen.
• Medikamente: Antiphlogistika, z. B. Diclofenac (Voltaren), Kortison.
▶ Operative Therapie: Bei Nichtbesserung oder Progredienz innerhalb von 4 Wochen
operative Dekompression (S. 361).

20.3 Supinatorsyndrom (R. profundus n. radialis)


Ätiologie
▶ Druckläsion im Bereich der Abzweigung des R. profundus vom Radialisstamm.
Meist wird der R. profundus vom Sehnenspiegel der Frohse-Arkade komprimiert
(Abb. 20.3).
▶ Weitere mögliche Ursachen:
• Kompression durch den sehnigen Rand des M. extensor carpi radialis brevis.
• Kompression durch Adhäsionen in Höhe des Radiuskopfes.
• Selten Kompression des Nervs im M. supinator oder am distalen Rand des Mus-
kels.
• Exogene Druckläsion durch Raumforderung (Tumor, Ganglion, Synovialitis, Kal-
lus).

Abb. 20.3 • Supinatorsyndrom: Kompression des R. profundus n. radialis in der Frohse-Arkade.


185
20 20.3 Supinatorsyndrom (R. profundus n. radialis)

▶ Idiopathisch: In den meisten Fällen, ähnlich wie bei der Epicondylitis humeri radia-
Nervenkompressionssyndrome

lis, findet sich keine eindeutige Ursache. Anamnestisch oft ungewohnte oder chro-
nische Belastungen, eine Häufung des Auftretens bei bestimmten Tätigkeiten, ähn-
lich einer Berufserkrankung, ist jedoch nicht feststellbar.

Klinisches Bild
▶ Leitsymptom: Belastungsabhängiger Schmerz im Bereich des radial-proximalen Un-
terarmes, vorwiegend bei Unterarm-Drehbewegungen. Oft werden auch nächtliche
Schmerzen angegeben.
▶ Die Schmerzen strahlen typischerweise auch in den Handgelenkbereich aus. Die Pa-
tienten klagen über „Lahmheit“ und bisweilen auch über sensible Störungen am
Handrücken.
▶ Lähmungserscheinungen sind beim idiopathischen Supinatorsyndrom selten, und
es kommt fast nie zu einer vollständigen Lähmung des R. profundus. Letztere
spricht, besonders bei rascher Progredienz, für eine exogene Druckläsion durch
Raumforderung (Tumor, Ganglion, Synovialitis, Kallus).

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Palpation:
– Pathognomonisch ist der heftige Druckschmerz über dem N. radialis ca. 4 cm
distal der Ellenbeuge (Abb. 20.4). Cave: Diese Region kann bei starkem Druck
auch ohne Schädigung des Nervs schmerzhaft sein. Prüfung daher im Seiten-
vergleich. Ohne entsprechende Anamnese ist das Zeichen nicht von Bedeu-
tung.
– Supination des gestreckten Unterarmes gegen Widerstand ist schmerzhaft.
Auch die forcierte Pronation kann Schmerzen auslösen.
• Prüfung der Motorik: Motorische Prüfung im Seitenvergleich gegen Widerstand:
Handgelenkstreckung, Daumenabduktion in der Handebene, Daumen- und Fin-
gerstreckung (Abb. 1.25 bis Abb. 1.32).
▶ Elektrophysiologische Untersuchung: Ergibt sehr oft negative Befunde. Dies spricht
jedoch nicht gegen die Diagnose!
▶ Röntgenuntersuchung: Zum Ausschluss knöcherner Veränderungen (Kallus, Verkal-
kung, Exostose, Radiuskopfluxation).

Differenzialdiagnose
▶ Epicondylitis humeri radialis: Die Krankheitsbilder ähneln sich, kommen auch häu-
fig nebeneinander vor. Bei isoliertem Supinatorsyndrom fehlt der Druckschmerz im
Bereich des radialen Epikondylus. Streckung der Finger und des Handgelenks gegen
einen Widerstand, auch das Halten eines dicken Buches mit ausgestrecktem Arm ist
bei Epicondylitis humeri radialis fast immer sehr schmerzhaft.
▶ Pronatorsyndrom (S. 189): Die Schmerzen dabei sind auch am proximalen Unter-
arm lokalisiert, jedoch palmar und ulnar der Mitte.

Abb. 20.4 • Druckschmerzpunkt beim Supi-


natorsyndrom.
186
20.4 Wartenberg-Syndrom (R. superficialis n. radialis) 20
Therapie

Nervenkompressionssyndrome
▶ Konservative Therapie:
• Schonung, evtl. kurzzeitige (3 – 4 Tage) Ruhigstellung mit Oberarm-Gipsschiene.
• Antiphlogistika, z. B. Diclofenac (Voltaren).
• Versuchsweise auch lokale Kortisoninjektion (z. B. Triamcinolon 15 – 20 mg).
▶ Operative Therapie:
• Bei Therapieresistenz über Monate operative Dekompression (S. 361 ff.).
• Minimalinvasive und endoskopische Technik s. S. 261 (Kap. 24.13).

Wichtig
▶ In allen Fällen einer vermuteten begleitenden Epicondylitis humeri radialis sollte
diese gleichzeitig operiert werden (Desinsertion der Streckermuskulatur in Kom-
bination mit Denervation).
▶ Steht umgekehrt die Epikondylitis im Vordergrund, sollte im Zweifel auch zusätz-
lich die Radialisneurolyse erfolgen.
▶ Viele Patienten, die trotz korrekt durchgeführter Epikondylitis-Operation nicht
beschwerdefrei werden, haben zusätzlich ein Supinatorsyndrom.

Prognose
▶ Eigenen Untersuchungen zufolge werden nach alleiniger Radialisneurolyse ca. 65 %
der Patienten beschwerdefrei. Rezidive kommen vor.
▶ Arbeitsunfähigkeit postoperativ je nach Beruf 2 – 6 Wochen.

20.4 Wartenberg-Syndrom (R. superficialis n. radialis)


Ätiologie
▶ Druckläsion am Übergang zwischen proximalem und distalem Unterarmdrittel. Der
R. superficialis durchdringt hier die Unterarmfaszie und verläuft zwischen M. bra-
chioradialis und M. extensor carpi radialis longus nach dorsal. Er kann durch den
Rand des M. brachioradialis komprimiert werden (Abb. 20.5). Seltener wird der
Nerv weiter proximal oder weiter distal von feinen fibrösen Septen gekreuzt und
dadurch komprimiert. Die Ursache ist unbekannt.

Klinisches Bild
▶ Schmerzen radiodorsal am distalen Unterarm, ausstrahlend in den radialen Hand-
bereich. Pronation verstärkt die Schmerzen.
▶ Sensibilitätsminderung im Versorgungsgebiet des R. superficialis n. radialis.

Abb. 20.5 • Wartenberg-Syndrom: Kompression des R. superficialis n. radialis durch den


M. brachioradialis.
187
20
Nervenkompressionssyndrome 20.5 N. medianus: Grundlagen, Anatomie

Abb. 20.6 • Wartenberg-Syndrom:


Druckschmerz an der Kompressionsstelle und
positives Hoffmann-Tinel-Zeichen.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Palpation: Druckschmerz im Bereich der Kompressionsstelle. Positives Hoff-
mann-Tinel-Zeichen (Abb. 20.6).
• Sensibilitätsprüfung: Hypästhesie Handrücken radial, Daumenstreckseite.
▶ Elektrophysiologische Untersuchung: Sensible Neurografie.

Differenzialdiagnose
▶ Exogene Schädigung: Kompression durch Armband oder andere strangulierende
Accessoires. Grund dafür kann eine Umfangszunahme des Unterarms durch Was-
serretention sein!
▶ Tendovaginitis de Quervain (S. 177): Dabei kein positives Hoffmann-Tinel-Zeichen,
jedoch positiver Finkelstein-Test.
▶ Iatrogene Läsion: Nach Operation der Tendovaginitis de Quervain oder nach Punk-
tion der V. cephalica, durch schnürenden Verband oder scharfen Rand einer Gips-
schiene.

Therapie
▶ Konservative Therapie:
• Kurzzeitige Ruhigstellung auf dorsaler Unterarm-Gipsschiene (3 – 5 Tage).
▶ Operative Therapie:
• Bei anhaltenden, nicht tolerablen Beschwerden Revision und Neurolyse (S. 364).
• Endoskopische Operationstechnik s. S. 260

Prognose
▶ Die Prognose ist gut. Die Beschwerden bessern sich fast immer, verschwinden ganz
bei der Hälfte der Patienten. Postoperative Arbeitsunfähigkeit 2 – 4 Wochen.

20.5 N. medianus: Grundlagen, Anatomie


Grundlagen
▶ Die Engpässe des N. medianus (Abb. 20.8) befinden sich am distalen Oberarm, am
proximalen Unterarm und im Bereich der Handwurzel.
▶ Weitaus am häufigsten ist das Karpaltunnelsyndrom. Die anderen Syndrome sind
selten.

Anatomie
▶ Verlauf (Abb. 20.8): Im Bereich des distalen Oberarmes verläuft der N. medianus
(C 6 –C 8, Th 1) am ulnaren Rand des M. biceps brachii, in der Ellenbeuge unter dem
Lacertus fibrosus und tritt zwischen Caput humerale und Caput ulnare des M. pro-
nator teres in den Unterarm.
188
20.6 Proximales Medianuskompressionssyndrom, Pronatorsyndrom 20

Nervenkompressionssyndrome
Abb. 20.7 • Sensibles Areal N. medianus.

• N. interosseus anterior: Abzweigung im oder unter dem M. pronator teres nach


radial.
• Der Medianusstamm unterkreuzt den Sehnenbogen des M. flexor superficialis
und zieht in Unterarmmitte zur Hand. In seltenen Fällen (2 – 3 %) teilt sich der
Nerv bereits im Bereich des Unterarmes. Im Handwurzelbereich durchläuft er auf
der Sehne des M. flexor pollicis longus und radial der übrigen Fingerbeugesehnen
den osteofibrösen Karpaltunnel.

▶ Cave: Bei hoher Teilung kann einer der beiden Nervenstämme durch ein sepa-
rates Fach des Karpaltunnels verlaufen (im eigenen Patientengut in 2 von >
3000 Fällen beobachtet).
• Im Regelfall (46 %) gibt der Nerv distal des Tunnels den motorischen Thenarast ab
und zweigt sich in seine sensiblen Fingeräste auf (Abb. 20.7, Abb. 20.8). Der mo-
torische Ast ist anatomisch variabel, was für die Operation von Bedeutung ist
(Abb. 37.9).

20.6 Proximales Medianuskompressionssyndrom,


Pronatorsyndrom
Ätiologie
▶ Der Nerv wird proximal am ehesten durch den scharfen Rand des Lacertus fibrosus
komprimiert (Abb. 20.9 a). Als Rarität kommt die Kompression des Nervs im Canalis
supracondylaris vor: Liegt ein Processus supracondylaris vor (1 %), kann von diesem
ein Ligament zum Epicondylus medialis humeri verlaufen. Zusammen mit dem Sep-
tum intermusculare brachii laterale ulnare bildet es einen osteofibrösen Kanal, in
dem der N. medianus mit der A. brachialis verläuft.
▶ Beim Pronatorsyndrom wird der Nerv durch den hypertrophierten Muskel, ein fib-
röses Septum (Abb. 20.9 b) oder den sehnigen Rand des M. flexor digitorum super-
ficialis komprimiert (Abb. 20.9 c).

Klinisches Bild
▶ Leitsymptom: Schmerzen im distalen Oberarm und der Ellenbeuge bzw. in der Mit-
te des proximalen Unterarmes bei Belastung (Hämmern, Sägen, Tennisspielen, Ru-
dern).
189
20
Nervenkompressionssyndrome 20.6 Proximales Medianuskompressionssyndrom, Pronatorsyndrom

Abb. 20.8 • Anatomie N. medianus.

▶ Sensible und motorische Störungen können, müssen aber nicht vorhanden sein, um
die Diagnose zu stellen.
▶ Nach einer Gefäßpunktion in der Ellenbeuge kann es durch Hämatom zu akuten
Schmerzen und Lähmung kommen.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Palpation:
– Lebhafter Druckschmerz im Bereich der Kompression, positives Hoffmann-Ti-
nel-Zeichen, negativer Phalen-Test (S. 194 f.)
– Beugung im Ellenbogen gegen Widerstand bei gleichzeitiger Pronation löst die
Schmerzen aus oder verstärkt sie (Lacertus fibrosus).
190
20.6 Proximales Medianuskompressionssyndrom, Pronatorsyndrom 20

Nervenkompressionssyndrome
Abb. 20.9 • a–c Anatomie der Engpässe des N. medianus proximal (Details s. Text).

– Schmerzauslösung bei Pronation des gestreckten Armes.


• Sensibilitätsprüfung: Siehe Karpaltunnelsyndrom (S. 194 f.).
• Prüfung der Motorik: Funktion und Kraft der medianusinnervierten Muskeln
(Tab. 9.2).

Differenzialdiagnose
▶ Karpaltunnelsyndrom (S. 193): Abgrenzung bei Vorliegen sensibler Störungen not-
wendig: Bei Karpaltunnelsyndrom positiver Phalen-Test (S. 194 f.).
■▶ Beachte: Ein Karpaltunnelsyndrom kann zusätzlich zum Pronatorsyndrom vor-
kommen: Double-Crush-Phänomen, 2 separate Kompressionsschädigungen an ei-
nem Nerven.
▶ Supinatorsyndrom (S. 185): Die Unterarmschmerzen liegen radiodorsal.
▶ C 6 /C 7-Radikulopathie: HWS-Schmerzen, Bizepsschwäche und verminderter Bi-
zepssehnenreflex (C 6), Trizepsschwäche (C 7).
▶ Thoracic-Outlet-Syndrom: Sensibilitätsstörung am ulnaren Unterarm.

Therapie
▶ Konservative Therapie:
• Versuchsweise Ruhigstellung: Oberarm-Gipsschiene 3 – 5 Tage.
• Antiphlogistika.
▶ Operative Therapie:
• Falls konservative Maßnahmen auf Dauer erfolglos sind, Revision und Neurolyse
vom distalen Oberarm bis zum Sehnenbogen des M. flexor digitorum superficialis
(S. 365).
• Endoskopische Operationstechnik s. S.257 (Kap. 24.9).

Prognose
▶ Die Prognose ist gut. 2 – 4 Wochen postoperative Arbeitsunfähigkeit.

191
20 20.7 Interosseus-anterior-Syndrom

20.7 Interosseus-anterior-Syndrom
Nervenkompressionssyndrome

Ätiologie
▶ Ort der Druckschädigung: Der N. interosseus anterior zweigt ca. 5 – 6 cm distal des
Epicondylus medialis humeri radial vom Medianusstamm ab (Abb. 20.8 und
Abb. 20.9). An dieser Stelle oder weiter distal kann er durch sehnige Ursprünge (Ca-
put ulnare des M. pronator teres, M. flexor digitorum superficialis III), kreuzende
Gefäße oder akzessorische Muskeln komprimiert werden.
▶ Traumatische Läsion des N. interosseus anterior: Kann bei der kindlichen suprakon-
dylären Oberarmfraktur entstehen, wahrscheinlich durch Traktion. Eine spontane
Remission innerhalb von Wochen ist die Regel.

Klinisches Bild
▶ Dieses Syndrom kann auch bei Jugendlichen auftreten. Es beginnt mit Schmerzen
im proximalen Unterarm, gefolgt von motorischen Ausfällen.
▶ Bei vollständiger Lähmung des N. interosseus anterior fallen folgende Muskeln mit
ihren jeweiligen Funktionen aus: M. flexor pollicis longus, M. flexor digitorum pro-
fundus II (z. T. auch III) und M. pronator quadratus.
▶ Auffällig und pathognomonisch ist die Aufhebung des normalen Spitzgriffs. Die Pa-
tienten können mit Daumen und Zeigefinger keinen Kreis bilden (Abb. 20.10).
▶ Bei einer Teilparese kann nur die Daumenendgelenk-Beugung aufgehoben sein. Ei-
ne isolierte Parese des M. pronator quadratus fällt nicht auf.

▶ Beachte: In den Fällen, in denen eine interneurale Martin-Gruber-Nervenverbin-
dung (S. 91) ihren Ursprung vom N. interosseus anterior nimmt, können auch
Handbinnenmuskeln von der Parese betroffen sein. Der radiale Teil des M. flexor di-
gitorum profundus kann ulnarisinnerviert sein. Dann ist lediglich der M. flexor pol-
licis longus betroffen.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung: Bei allen unklaren Schmerzen im proximalen Unterarm
und bei Verdacht auf Medianuskompression gezielt nach einem Interosseus-ante-
rior-Syndrom fahnden!
• Inspektion und Palpation: Ist eine aktive Beugung nicht möglich, wird die Konti-
nuität der Sehnen durch Inspektion (normaler Tonus bei Handgelenk-Neutralstel-
lung) und Tenodesetest (Abb. 26.6) geprüft. Bei intakten Sehnen führt auch kräf-
tiger Druck auf die Muskelbäuche zur Beugung.
• Prüfung der Motorik:
– Überprüft wird die aktive Beugung der Endgelenke von Daumen, Zeige- und
Mittelfinger (auch gegen Widerstand) sowie die Durchführbarkeit des norma-
len Spitzgriffs.
– Prüfung des M. pronator quadratus bei gebeugtem Ellenbogengelenk. Dadurch
Ausschaltung der Funktion des Caput humerale des M. pronator teres. Man ver-
sucht, die pronierte Hand gegen den Widerstand des Patienten zu supinieren.
Bei Parese des M. pronator quadratus ist die Kraft im Seitenvergleich wesent-
lich herabgesetzt.
▶ Elektrophysiologische Untersuchung: Unbedingt, aber durch erfahrenen Neurolo-
gen!

Abb. 20.10 • Aufhebung des Spitzgriffs bei


Interosseus-anterior-Syndrom.
192
20.8 Karpaltunnelsyndrom 20
Differenzialdiagnose

Nervenkompressionssyndrome
▶ Plexusneuritis: Der N. interosseus anterior ist häufig mitbetroffen. Meistens findet
man weitere Paresen, z. B. im Schulterbereich.
▶ Paget-Turner Syndrom: Beginn mit heftigen Schulterschmerzen, gefolgt von Paresen.
▶ Beugesehnenruptur (S. 216): Eine kombinierte Ruptur an Daumen und Zeigefinger
kommt bei Rheumatikern vor.
▶ Kongenitale Aplasien der Beugesehnen: Anamnese.

Therapie
▶ Konservative Therapie: Bei kurzer Anamnese ( < 3 Monate), besonders bei Jugend-
lichen 2 – 3 Monate abwarten.
▶ Operative Therapie: Bei kompletter Parese und nach Ausschluss einer Neuritis mit
der Operation nicht lange warten (3 – 4 Monate). Der Eingriff besteht in der Revi-
sion und Neurolyse des N. interosseus anterior (S. 365).

Prognose
▶ Die Prognose nach Operation ist gut. Fast immer kommt es zu einer Wiederkehr der
Funktion. Das Zeitintervall reicht aber von Tagen bis zu mehr als 12 Monaten.

20.8 Karpaltunnelsyndrom
Ätiologie
▶ Ursache der distalen Medianuskompression ist die Volumenzunahme im Karpaltun-
nel (Abb. 20.11) oder die traumatisch bedingte Verformung der knöchernen Tunnel-
bausteine.
▶ Mögliche Ursachen der Volumenzunahme sind Beugesehnen-Synovialitiden, Ödem
(Schwangerschaft), Amyloid, Tumoren, atypische Muskulatur, chronische Schädi-
gung des Nervs und seiner Blutzufuhr durch Bewegung und Verschiebung der
Handwurzelknochen.
▶ Auftreten des Karpaltunnelsyndroms (KTS) bei Männern und Frauen ab dem 20. Le-
bensjahr, am häufigsten sind Frauen zwischen 40 und 60 Jahren betroffen.

Klinisches Bild
▶ Entwicklung der Beschwerden in der Regel über einen längeren Zeitraum (Monate
oder Jahre). In seltenen Fällen, z. B. ab 6. Schwangerschaftsmonat oder posttrauma-
tisch, treten akute heftige Schmerzzustände auf.
▶ Typisch sind Schmerzen nachts oder frühmorgens und Parästhesien der median-
usinnervierten Finger. Besserung durch Schütteln. Beugung des Handgelenks, Auto-
und Fahrradfahren, längeres Telefonieren, lösen Parästhesien aus.
▶ Im fortgeschrittenen Stadium kann es zu einem permanenten Taubheitsgefühl an
Daumen und den Fingern II–IV radial kommen; meist ist der Mittelfinger besonders
betroffen.
▶ Ausstrahlende Schmerzen bis in den Oberarm sind nicht selten.
▶ Funktionelle Störungen bei Spitz-, Schreib- und Dreipunktgriff (Abb. 1.1), z. B.
Schreiben, Kartoffelschälen, Hemdzuknöpfen, Handarbeiten.
▶ Kraftminderung bei Daumenopposition und palmarer Abduktion.
▶ Eine Daumenballenatrophie wird heute aufgrund der Früherkennung nur noch sel-
ten beobachtet, Auftreten vorwiegend bei langer Anamnese.

Wichtig
▶ Karpaltunnelsyndrom-Beschwerden können auch ganz untypisch, z. B. als Schul-
ter-Arm-Syndrom imponieren!

193
20
Nervenkompressionssyndrome 20.8 Karpaltunnelsyndrom

Abb. 20.11 • a, b Anatomie des Karpaltunnels.a Querschnitt durch die Hand in Höhe des
Karpaltunnels: (1) Sehne des M. flexor carpi radialis, (2) Sehne des M. flexor pollicis longus,
(3) Retinaculum flexorum, (4) N. medianus mit R. palmaris, (5) Sehne des M. palmaris longus,
(6) N. ulnaris in der Guyon-Loge, (7) Sehne des M. flexor carpi ulnaris, (8) Sehne des M. flexor
digitorum superficialis, (9) Sehne des M. flexor digitorum profundus.b Knöcherne Begrenzung des
Karpaltunnels.

▶ „Verstecktes Karpaltunnelsyndrom“: KTS-Symptome werden bisweilen nicht er-


wähnt, wenn andere Beschwerden im Vordergrund stehen, z. B. rheumatoide
Arthritis, schmerzhafte Arthrosen, Tendovaginitiden, Morbus Parkinson!
▶ Bei allen Patienten mit unklaren Schmerzen in der Hand oder im Arm, Sensibili-
tätsstörung und Greifstörungen gezielt nach KTS-Symptomen fragen!

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Inspektion: Eine seitendifferente Ausprägung des Daumenballens ist normal, da
die Muskulatur der dominanten Hand hypertrophiert. Eine massive Atrophie ist
nicht zu übersehen (Abb. 20.12, Abb. 20.13).
194
20.8 Karpaltunnelsyndrom 20

Nervenkompressionssyndrome
Abb. 20.12 • Daumenballenatrophie bei
Karpaltunnelsyndrom im Seitenvergleich.

Abb. 20.13 • Thenaratrophie und Parese der


palmaren Abduktion und Opposition.

Abb. 20.14 • Positives Hoffmann-Tinel-Zei-


chen bei Karpaltunnelsyndrom.


▶ Cave: Kongenitale Daumenhypoplasie mit Thenarmuskelaplasie!
• Palpation:
– Positives Hoffmann-Tinel-Zeichen (Abb. 20.14): Beklopfen des Nervs eben pro-
ximal der Handgelenk-Beugefalte führt zu einem Elektrisieren bis in die me-
dianusinnervierten Finger. Bei fortgeschrittenem Karpaltunnelsyndrom wird
das Zeichen häufig negativ.
– Beim Phalen-Test (Abb. 20.15) werden die Fingerstreckseiten aneinandergelegt
und die Handgelenke maximal gebeugt oder der Untersucher hält das Handge-
lenk in Beugung. Die Zeit bis zum Auftreten erster Parästhesien wird gemessen.
Ein positiver Test nach 15 – 20 s spricht für ein Karpaltunnelsyndroms.
195
20
Nervenkompressionssyndrome 20.8 Karpaltunnelsyndrom

Abb. 20.15 • Durchführung


des Phalen-Tests bei Karpal-
tunnelsyndrom.

– Sensibilitätsprüfung: Die medianusinnervierten Finger (Abb. 20.7) im Vergleich


zum Kleinfinger prüfen. Oft wird beim leichten Bestreichen der Finger bereits
ein Unterschied angegeben. Bei deutlicher subjektiver Sensibilitätsminderung
diese durch Überprüfung der Zweipunkt-Diskrimination objektivieren.
– Prüfung der Motorik: Palmare Abduktion (M. abductor pollicis brevis, Abb. 1.13)
und Opposition testen. Die vollständige Opposition erfordert die Pronation des
Daumens, so dass sich die Kuppen von Daumen und Kleinfinger berühren. Pa-
tienten mit Oppositionsschwäche beugen kompensatorisch das Daumenendge-
lenk (Abb. 20.13).
▶ Elektrophysiologische Untersuchung empfehlenswert, besonders
• Bei unklarer klinischer Diagnose.
• Zur Kontrolle bei konservativer Behandlung.
• Bei Diabetikern mit Karpaltunnelsyndrom zur Diagnose oder zum Ausschluss ei-
ner Polyneuropathie.
• Präoperativ als Basis für postoperative Verlaufskontrollen, vor allem in fortge-
schrittenen Fällen mit unsicherer Prognose.
■▶ Beachte: Bei typischer Anamnese, Symptomatik und klinisch eindeutigem Befund
für die Stellung der OP-Indikation nicht unbedingt erforderlich.
▶ Röntgenuntersuchung: Karpaltunnel-Aufnahme: Ausschluss knöcherner Einen-
gung.
▶ Neurosonografie und MRT: Ebenfalls mit hoher Aussagekraft.

Differenzialdiagnose
▶ Pronatorsyndrom (S. 189): Schmerzen proximale Unterarmmitte. Hoffmann-Tinel-
Zeichen distal negativ, Phalen-Test negativ.
▶ C 6-Radikulopathie: Schmerzen im HWS-Bereich, in Schulter und Skapula, Schmer-
zen bei Belastung, nachts symptomarm.
▶ Neuropathie: In den meisten Fällen generalisiertes Auftreten.
▶ Raynaud-Phänomen: Alle Finger sind betroffen, Kältetest positiv.
▶ Fokale Dystonie, Schreibkrampf: Kein Auftreten von Sensibilitätsstörungen.

Therapie
▶ Konservative Therapie: Bei kurzer Anamnese, geringen Beschwerden und normaler
distaler motorischer Latenz keine oder konservative Behandlung. Vor allem bei sehr
jungen Patienten ist Zurückhaltung geboten.
• Ruhigstellung: Therapieversuch mit Schienenbehandlung in leichter Streckung
des Handgelenks. Ist die Schiene bei der Arbeit hinderlich, wird sie nur nachts ge-
tragen.

▶ Beachte: Ein Karpaltunnelsyndrom rechtfertigt nur selten eine Krankschrei-
bung!
• Lokale Kortisoninjektion: Indiziert, wenn sich die Beschwerden durch die Schie-
nung bessern, jedoch nicht vollständig verschwinden. Technik: Setzen einer klei-
196
20.9 N. ulnaris: Grundlagen, Anatomie 20
nen Quaddel eines Lokalanästhetikums zwischen den Sehnen von M. flexor carpi

Nervenkompressionssyndrome
radialis und M. palmaris longus ca. 1 cm proximal der Querfalte des Handgelenks.
Analog dem Vorgehen bei der Medianusblockade (Abb. 2.4) Vorschieben einer
Verweilkanüle (20 G) in den Karpaltunnel. Der Durchtritt durch die Faszie wird
als Widerstand bemerkt. Bei Parästhesieangabe geringes Zurückziehen, Entfer-
nen der Nadel und Injektion von 2 – 3 ml Lokalanästhetikum. Taubwerden der
Finger beweist die korrekte Lage. Injektion von 5 ml einer Mischung aus Kortison
(z. B. 15 – 20 mg Triamcinolon) und Kochsalz. Anschließend Tapeverband.
▶ Operative Therapie:
• Bei eindeutigen Befunden, mehrmonatiger Anamnese, erheblichen Beschwerden
und konservativer Behandlung über einen Zeitraum von 3 – 4 Monaten ohne Bes-
serung ist die Durchführung einer Dekompression des N. medianus indiziert
(S. 366 ff.). In fortgeschrittenen Fällen mit motorischer Parese ist die Kombination
mit einer Opponensplastik (S. 374 ff.) sinnvoll.
• Minimalinvasive Operationstechnik s. S.256ff.

Prognose
▶ Nach konservativer Behandlung kann es, insbesondere bei jüngeren Patienten, zu
dauerhafter Remission kommen. Auch bei den meisten Schwangeren mit Karpal-
tunnelsyndrom verschwinden die Symptome nach der Entbindung.
▶ Bei frühzeitiger, korrekt durchgeführter Operation sind sehr gute Ergebnisse zu er-
warten. Rezidive sind selten und kommen vor allem bei Patienten mit Systemer-
krankungen vor (Rheuma, Amyloidose).
▶ Arbeitsunfähigkeit postoperativ je nach Beruf 1 – 6 Wochen.

20.9 N. ulnaris: Grundlagen, Anatomie


Grundlagen
▶ Die typischen Lokalisationen der Druckschädigung des N. ulnaris (Abb. 20.17) sind
der Sulcus n. ulnaris und die Guyon-Loge. Sehr selten Druckschädigung distal der
Guyon-Loge. Am häufigsten tritt das Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-Syn-
drom) auf.

Anatomie
▶ Verlauf (Abb. 20.17): Der N. ulnaris (C 6 – C 8, Th 1) verläuft am distalen Oberarm
zwischen Septum intermusculare brachii mediale und ulnarem Trizepskopf zum
Sulcus n. ulnaris zwischen Olekranon und Epicondylus medialis humeri.
• Etwa 8 – 10 cm proximal vom Epicondylus medialis humeri können im Trizeps
fibröse Septen den Nerv kreuzen und komprimieren. Wir finden dies in ca. 5 %
der Operationen. Die sog. Struther-Arkade kommt in der häufig zitierten Form
nicht vor. Ein Processus supracondylaris kann zur Irritation des N. ulnaris führen.
• Das Dach des Sulcus n. ulnaris wird von der zwischen Epikondylus und Olekra-
non ligamentartig verstärkten Faszie des M. flexor carpi ulnaris gebildet. Unter
der Aponeurose und zwischen den Köpfen des M. flexor carpi ulnaris zieht der
Nerv zum Unterarm.
• Im distalen Unterarmdrittel zweigt der dorsale sensible Ast nach dorsal ab zum
Handrücken, der R. palmaris nach radial zum Hypothenar. Der Nervenstamm
zieht durch die Guyon-Loge zwischen Os pisiforme und Os hamatum in die Hohl-
hand (Abb. 20.22) und zweigt sich hier in den motorischen R. profundus und die
sensiblen Endäste (Abb. 20.16, Abb. 20.17) auf.

197
20
Nervenkompressionssyndrome 20.9 N. ulnaris: Grundlagen, Anatomie

Abb. 20.16 • Sensibles Areal


N. ulnaris.

Abb. 20.17 • Anatomie N. ulnaris.


198
20.10 Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-Syndrom) 20
20.10 Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-

Nervenkompressionssyndrome
Syndrom)
Ätiologie
▶ Unklar; diskutiert werden Luxation und Traktion, Kompression.
▶ Wahrscheinlich multifokale Kompressionsneuropathie. Gesamte anatomische Län-
ge des Kubitaltunnels ca. 20 – 30 cm.
▶ Kompression retrokondylär durch das Lig. Osborne (im englischen Sprachgebrauch
auch „cubital retinaculum“), proximal durch die Aponeurose des M. flexor carpi ul-
naris oder fibröse Septen (die eher seltene sog. Struther-Arkade), distal durch Sep-
ten in der submuskulären Membran.
▶ Knöcherne Einengung (Frakturen, Luxationen, Arthrose oder rheumatoide Arthritis).
▶ Raumforderung durch Tumoren, Ganglien, Synovialitiden, atypisch gelegene Mus-
kulatur.

Klinisches Bild
▶ Sensibilitätsstörungen an Ring- und Kleinfinger sowie am ulnaren Handrücken. Fal-
len den Patienten oft erst spät auf, da nicht als so störend empfunden wie Sensibili-
tätsausfälle beim Karpaltunnelsyndrom. Parästhesien anfangs nur intermittierend, be-
sonders bei Beugung des Ellenbogengelenks (Zeitunglesen, handwerkliche Tätigkeit).
▶ Schmerzen: Vom Ellenbogen ausgehend und in die ulnare Hand ausstrahlend, häu-
fig krampfartiger Schmerzcharakter, Auftreten auch nachts.
▶ Kraftminderung des Spitz- und Präzisionsgriffs, Ungeschicklichkeit beim Schreiben
(Schwäche des M. adductor pollicis und des M. interosseus dorsalis I). Kraftlosigkeit
beim Faustschluss (M. flexor digitorum profundus) und Fingerspreizen (Mm. inter-
ossei).
▶ Erstes Zeichen ist oft der nach ulnar abstehende Kleinfinger (Parese des M. interos-
seus palmaris III).

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung:
• Inspektion:
– In fortgeschrittenen Fällen mit Parese fällt meist sofort die Krallenstellung des
Ring- und Kleinfingers auf: Bei aktiver Streckung der Finger werden die MP-
Gelenke überstreckt, an Mittel- und Endgelenken verbleibt ein Streckdefizit
von 40 – 60° durch Lähmung der Mm. interossei und Mm. lumbricales. Korri-
giert man die Überstreckung der MP-Gelenke durch passive Beugung, können
die IP-Gelenke durch die langen Strecksehnen vollständig gestreckt werden
(Bouvier-Test).
– Die Atrophie des Hypothenars fällt auf, wenn der Patient die Ulnarseiten der
Kleinfinger aneinanderlegt (Abb. 20.18). Der Verlust des Muskelwulstes dorsal
zwischen 1. und 2. Mittelhandknochen ist auffällig, wenn beide Daumen ange-
spreizt werden.

Abb. 20.18 • Atrophie des Hypothenars bei


Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-Syn-
drom).
199
20 20.10 Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-Syndrom)

• Palpation:
Nervenkompressionssyndrome

– Ein positives Hoffmann-Tinel-Zeichen über dem Sulcus n. ulnaris ist nur bei
deutlicher Seitendifferenz aussagekräftig. Lokalisation (retrokondylär, distal,
proximal?)
– Bei Palpation des N. ulnaris im Sulkus und gleichzeitiger Streckung und Beu-
gung des Ellenbogengelenks lässt sich feststellen, ob eine Subluxationstendenz
vorliegt.
– Das Auslösen von Parästhesien innerhalb von 30 s bei gebeugtem Ellenbogen-
gelenk spricht für Nervenkompression im Sulcus n. ulnaris.
– Bei knöcherner Raumforderung im Sulkus, z. B. durch arthrotische Wulstung,
ist dieser palpatorisch deutlich „gefüllt“. Der Nerv ist kaum tastbar.
• Sensibilitätsprüfung: In fortgeschrittenen Fällen ist die Kleinfingerkuppe atro-
phisch und glatt. Durchführung des Zweipunkt-Diskriminationstests mit einer
aufgebogenen Büroklammer (Abb. 9.7). Die Hypästhesie über dem dorsoulnaren
Handrücken spricht stets für eine Nervenkompression proximal des Abgangs des
R. dorsalis und ist für die Höhenlokalisation der Druckschädigung bedeutsam.
• Prüfung der Motorik: Alle normalerweise vom N. ulnaris innervierten Muskeln
(Tab. 9.2) prüfen. Folgende einfache klinische Tests immer im Seitenvergleich
durchführen:
– Überkreuzen des Zeigefingers durch den Mittelfinger (Abb. 20.19): 1. palmaren
und 2. dorsalen M. interosseus prüfen.
– Froment-Zeichen: Den Patienten auffordern, ein Blatt Papier zwischen Daumen-
endgelenk und Zeigefinger-Grundglied fest einzuklemmen. Bei Schwäche oder
Lähmung des M. adductor pollicis und des M. interosseus dorsalis I wird auto-
matisch das Daumenendgelenk gebeugt (Abb. 20.20).
– Den Patient auffordern, Zeige- und Kleinfinger zusammenzubringen. Palmare
Mm. interossei I und III prüfen (Abb. 20.21).
– Den Patient auffordern, die Faust fest zu schließen und zu versuchen, Klein-
und Ringfinger aus der Faust herauszubiegen. Mm. flexor digitorum profun-
dum IV und V prüfen.

Abb. 20.19 • Motorische Prüfung N. ulnaris.

Abb. 20.20 • Froment-Test.


200
20.10 Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-Syndrom) 20

Nervenkompressionssyndrome
Abb. 20.21 • Motorische Prüfung N. ulnaris.

– Objektivierung der groben Kraft mit einem Dynamometer, wichtig auch im


Hinblick auf postoperative Kontrollen.
■▶ Beachte: Bei einer erheblichen Ulnariskompression im Sulcus n. ulnaris können
motorische Ausfälle fehlen, wenn eine Martin-Gruber-Verbindung (S. 91) vor-
liegt.
▶ Elektromyografie und Nervenleitgeschwindigkeit: Elektrophysiologische Untersu-
chung immer von erfahrenem Neurologen durchführen lassen. Oberflächliche Un-
tersuchung ist nutzlos!
▶ Neurosonografie und MRT: Hohe Aussagekraft, insbesondere für die Lokalisation
(en) der Kompression.
▶ Röntgenuntersuchung: Ellenbogengelenk in 2 Ebenen und Sulkusaufnahme zum
Ausschluss einer knöchernen Einengung und eines Processus supracondylaris. Die
Sulkusaufnahme erfolgt in maximaler Ellenbogengelenkbeugung, 20° Aussenrota-
tion und im a.-p. Strahlengang.

Differenzialdiagnose
▶ Distales Ulnariskompressionssyndrom (S. 202): Nie Hypästhesie am ulnaren Hand-
rücken. Druckschmerz über Hypothenar. Meist elektrophysiologisch abzugrenzen.
■▶ Beachte: Es gibt immer Fälle, in denen eine eindeutige Abgrenzung zwischen dis-
taler und proximaler Ulnariskompression nicht gelingt!
▶ C 8-Radikulopathie: Schmerzen im HWS-, Schulter- und Skapulabereich. Nicht aus-
schließlich ulnarisinnervierte Muskeln betroffen.
▶ Polyneuropathie: Meist generalisiertes Auftreten der Beschwerden.
▶ Zentrale Parese (Oppenheim).
▶ Amyotrophe Lateralsklerose: Atrophie ohne sonstige Ulnarissymptome. Rasche Pro-
gredienz.
▶ Thoracic-Outlet-Syndrom: Sensibilitätsstörungen am ulnaren Unterarm.
▶ Kamptodaktylie (S. 145): Sind Ring- und Kleinfinger betroffen, ähnelt der Befund ei-
ner Krallenhand. Bei Erwachsenen sind die PIP-Gelenke meist kontrakt. Keine Atro-
phie. Normale Sensibilität. Pathognomonischer Röntgenbefund der PIP-Gelenke.

Therapie
▶ Konservative Therapie:
• Bei geringer Symptomatik nur sporadisch auftretender Sensibilitätsstörungen
und Fehlen motorischer Störungen entweder keine Therapie oder nächtliche
Schienung in Streckstellung des Ellenbogengelenks. Einfache Methode: Kleines
Kissen in die Ellenbeuge wickeln.
• Vierteljährliche Kontrollen!
▶ Operative Therapie: Bei Nichtbesserung oder Progredienz Nervendekompression
(S. 368).
• Relative Operationsindikation: Bei einem permanenten Sensibilitätsausfall und
signifikant pathologischen Befunden von Nervenleitgeschwindigkeit und Elektro-
201
20 20.11 Distales Ulnariskompressionssyndrom

myografie sollten jüngere Patienten trotz evtl. tolerabler Beschwerden operiert


Nervenkompressionssyndrome

werden. Bei älteren Patienten erfolgt in dieser Situation zunächst eine Verlaufs-
beobachtung.
• Absolute Operationsindikation:
– Erhebliche Schmerzen und permanente Sensibilitätsstörungen, auch bei elekt-
rophysiologischem Normalbefund.
– Geringste Zeichen einer motorischen Beteiligung.

▶ Beachte: Bei nicht definitiv zu klärender Höhenlokalisation der Nervenschädigung
proximal und distal operieren!

Operationsverfahren
▶ Offene in-situ-Nervendekompression (S. 368): Der Nerv verbleibt im Sulcus n. ulna-
ris.
▶ Endoskopische langstreckige in-situ-Nervendekompression s. S. 258 (Kap. 24.11).
▶ Nervendekompression und Vorverlagerung des Nervs (S. 369).
▶ Bei lange bestehender Parese evtl. zusätzliche oder alleinige motorische Ersatzope-
ration (S. 368).

Prognose
▶ Bei früher Operation ist die Prognose gut. Sie ist abhängig von der Länge der durch-
geführten Nervendekompression. Wir haben die besten Erfahrungen mit der endo-
skopischen Technik gemacht. Es gibt Patienten, bei denen trotz eines frühzeitigen
Eingriffs keine oder nur eine teilweise Besserung eintritt. Auch Rezidive kommen
vor.
▶ Je stärker ausgeprägt vorhandene Lähmungen sind, umso unwahrscheinlicher wird
die vollständige Restitution.
▶ Arbeitsunfähigkeit postoperativ 2 – 6 Wochen.

20.11 Distales Ulnariskompressionssyndrom


Ätiologie
▶ Kompression des Nervenstammes in der Guyon-Loge (Synonyme: „Loge-Guyon-
Syndrom“, „Ulnartunnelsyndrom“), oft aus nicht objektivierbarem Grund.
▶ Kompression des motorischen Astes des N. ulnaris im distalen Bereich der Guyon-
Loge (Abb. 20.22) durch einen scharfrandigen Sehnenbogen (Ursprünge von M. fle-
xor digiti minimi und M. abductor digiti minimi) oder durch Raumverdrängung,
z. B. durch ein Ganglion im Bereich der Teilungsstelle.
▶ Zur exogenen Drucklähmung des N. ulnaris an der Hand kann es kommen nach lan-
gem Fahrradfahren oder durch ständiges Hämmern mit dem eigenen Hypothenar
(Hypothenar-Hammer-Syndrom).
▶ Andere Ursachen für eine Druckläsion sind Raritäten und Einzelfälle, an die man
bei entsprechenden klinischen Symptomen jedoch denken sollte: Frakturen der ul-
naren Handwurzel, Thrombose der A. ulnaris.
▶ Der motorische Ast kann weit distal im M. adductor pollicis komprimiert werden.
Es kommt dann zur isolierten Parese des dorsalen M. interosseus I.

Klinisches Bild
▶ Typisch für ein distales Ulnariskompressionssyndrom ist eine rasch (innerhalb we-
niger Wochen!) progrediente komplette Ulnarislähmung fast immer ohne sensible
Störungen.
▶ Spontan- und Belastungsschmerz der ulnaren Handwurzel kann, muss aber nicht
vorhanden sein.

202
20.11 Distales Ulnariskompressionssyndrom 20

Nervenkompressionssyndrome
Abb. 20.22 • Kompression des N. ulnaris in der Guyon-Loge.

Diagnostik
▶ Klinische Untersuchung: Siehe auch Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-Syn-
drom, S. 199):
• Inspektion und Palpation:
– Krallenhand als Ausdruck der motorischen Ulnarisparese.
– Druckschmerz direkt zwischen Os pisiforme und Os hamatum.
– Hoffmann-Tinel-Zeichen meist negativ.
• Sensibilitätsprüfung: Sensibilitätsstörungen an den Fingern selten, am ulnaren
Handrücken nie!
• Prüfung der Motorik: Kraftminderung und motorische Störungen.
▶ Elektromyografie und Nervenleitgeschwindigkeit: Zur Differenzierung immer auch
die Nervenleitgeschwindigkeit im Sulcus n. ulnaris messen.
▶ Röntgenuntersuchung: Evtl. Zielaufnahmen oder Karpaltunnel-Aufnahmen des Ha-
mulus ossis hamati zum Ausschluss einer Fraktur.
▶ MRT, Neurosonografie: Gegebenenfalls Ganglionnachweis.

Differenzialdiagnose
▶ Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-Syndrom, S. 199): Immer mit Sensibili-
tätsstörung.

Therapie
▶ Konservative Therapie: Indiziert bei exogen bedingten Beschwerden, auch bei Läh-
mung: Ruhigstellung auf Unterarm-Gipsschiene, evtl. Antiphlogistika.
▶ Operative Therapie: Bei Nichtbesserung oder Progredienz der motorischen Störun-
gen (Leitsymptom beim echten Guyon-Logen-Syndrom!) Indikation zu baldiger
Nervendekompression (S. 370).

Prognose
▶ Die Prognose ist gut. Rezidive kommen kaum vor. Arbeitsunfähigkeit postoperativ
2 – 6 Wochen.

203
21 21.1 Arthrose

21 Arthrose
Arthrose

21.1 Arthrose
Grundlagen
▶ Arthrosen sind primär arthrogene Veränderungen. Arthrosen, die keine Beschwer-
den verursachen, sind klinisch latent. Sie können durch Fortschreiten der Degenera-
tion oder durch Bagatelltraumen „aktiviert“ werden.
▶ Klinisches Bild:
• Zu Beginn geringe Belastungsschmerzen, später Steigerung, schließlich quälende
Schmerzen, auch Ruheschmerz.
• Bewegungseinschränkung und Kraftverlust.
▶ Röntgenologische Zeichen:
• Gelenkspalt-Verschmälerung.
• Subchondrale Sklerosierung.
• Subluxation.
• Osteophyten und Spangenbildung.
• Zystische Erosionen.
▶ Epidemiologie: Frauen sind stärker betroffen als Männer (idiopathische Arthrosen),
Auftreten ab dem 40. Lebensjahr.

Ätiologie
▶ Bei primären (idiopathischen) Arthrosen unbekannt, wahrscheinlich hereditär.
▶ Angeborene Gelenkdeformität, Gelenkerkrankung.
▶ Ligamentär bedingte Instabilität (idiopathisch und traumatisch).
▶ Posttraumatisch durch Inkongruenz der Gelenkflächen.
▶ Postinfektiös durch Destruktion der Gelenkflächen.

▶ Beachte: „Überlastung“ spielt bei der Entstehung keine Rolle!

21.2 Arthrose der Fingergelenke


Arthrose der Fingerendgelenke (Heberden)
▶ Lokalisation: Alle Endgelenke können betroffen sein. Vorwiegend sind Zeige- und
Kleinfinger betroffen (Abb. 21.1).
▶ Klinisches Bild:
• Gelenkverplumpung, Schmerzen, Kraftverlust, Bewegungseinschränkung.
• Osteophytäre Verdickungen (Heberden-Knötchen), später Verbreiterung der Ge-
lenkkontur, Achsenfehlstellung des Gelenks.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Prüfung der Beweglichkeit und der Schmerzintensität bei
passivem Bewegen. Kompressionstest (bei Kompression aller Finger Schmerz im
Bereich der betroffenen Gelenke).
• Röntgenuntersuchung: Siehe Grundlagen (S. 204).
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Bei geringen Beschwerden keine oder lokal-palliative
Maßnahmen.
• Operative Therapie: Bei unangenehmen oder intolerablen Schmerzen Arthrodese
oder Endoprothese (S. 382).
■▶ Cave: Keine Operation aus kosmetischen Gründen!
Arthrose der Fingermittelgelenke (Bouchard)
▶ Vorkommen: Seltener als am Endgelenk. Bei Bewegungseinschränkung des PIP-Ge-
lenks ist die Funktionsbehinderung ausgeprägter als am Endgelenk.
204
21.2 Arthrose der Fingergelenke 21

Arthrose
Abb. 21.1 • Arthrose der Fingerendgelenke Abb. 21.2 • Arthrose der Fingermittelgelenke
(Heberden). (Bouchard).

▶ Klinisches Bild: Ähnlich der Heberden-Arthrose (Abb. 21.2).


▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Prüfung der Beweglichkeit und der Schmerzintensität bei
passivem Bewegen. Kompressionstest (s. o.).
• Röntgenuntersuchung: Siehe Grundlagen (S. 204).
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Bei kurzer Anamnese und geringen Veränderungen Korti-
son intraartikulär (z. B. Triamcinolon 5 mg).
• Operative Therapie:
– Endoprothese (S. 385): Bei erheblichen Schmerzen und Gelenkveränderungen.
Voraussetzung: Stabilität und gute Beweglichkeit.
– Arthrodese (S. 382): Bei bestehender Instabilität.

Sesambeinarthrose („Sesamoiditis“)
▶ Lokalisation, Vorkommen: Seltene Ursache chronischer Schmerzen am Daumen-
grundgelenk kann auch die arthrotische Deformierung eines Sesambeins sein.
▶ Klinisches Bild: Bewegungsschmerz.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Druckschmerz palmar über Grundglied-Beugefalte bei fi-
xiertem MP-Gelenk (nicht empfindlich bei Gelenkarthrose!).
■▶ Cave: Nicht mit Tendovaginitis stenosans verwechseln!
• Röntgenuntersuchung: Gelenkspalt frei. Die Deformierung des Sesambeins lässt
sich evtl. durch Zielaufnahmen darstellen.
▶ Therapie: Resektion des Sesambeins.

Arthrose des Daumengrundgelenks


▶ Vorkommen: Selten idiopathisch. Häufig posttraumatisch nach Bandruptur und
(Sub-)Luxation.

205
21
Arthrose 21.2 Arthrose der Fingergelenke

Abb. 21.3 • Arthrose des Daumengrundge- Abb. 21.4 • Arthrose der Fingergrundge-
lenks. lenke II, III.

▶ Klinisches Bild: Schmerzen bei Spitz- und Grobgriff, schmerzhafte Bewegungsein-


schränkung.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Verdickung des Gelenks, evtl. Seiteninstabilität („Wackel-
daumen“) oder Streckdefizit.
• Röntgenuntersuchung: Siehe Grundlagen (S. 204). Bei posttraumatischer Genese
außer geringer Gelenkspalt-Verschmälerung und Subluxationsstellung oft wenig
erkennbare Veränderungen (Abb. 21.3).
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Bei kurzer Anamnese Kortison intraartikulär (z. B. Triamci-
nolon 5 mg).
• Operative Therapie: Indikation zur Arthrodese (S. 383) besonders bei Handwer-
kern frühzeitig stellen, da in der Regel sehr gute Ergebnisse zu erwarten sind.
■▶ Beachte: Endoprothese nur sehr selten indiziert!
Arthrose der Fingergrundgelenke
▶ Lokalisation, Vorkommen: Betroffen sind fast ausschließlich die MP-Gelenke II und III.
▶ Klinisches Bild: Schmerzen, z. B. beim Händedruck, schmerzhafte Bewegungsein-
schränkung.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Verdickung der Gelenkkontur, schmerzhafte Bewegungs-
einschränkung.
• Röntgenuntersuchung (Abb. 21.4): Siehe Grundlagen (S. 204).
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Bei kurzer Anamnese Versuch mit Kortison intraartikulär
(z. B. Triamcinolon 5 mg).
• Operative Therapie:
– Endoprothese(n) (S. 395 ff.): Bei Nichtbesserung durch konservative Therapie
indiziert.
206
21.2 Arthrose der Fingergelenke 21
– Alternativ: Resektionsarthroplastik mit Kapselinterposition. Arthrodesen sind

Arthrose
wegen der Bedeutung des MP-Gelenks für die Greiffunktion nur im Ausnahme-
fall indiziert!
▶ Prognose: Nach Implantation einer Endoprothese ist die Prognose sehr gut.

Arthrose der Karpometakarpalgelenke II–V


▶ Vorkommen: Meist nach Fraktur der Mittelhandknochen-Basen IV und V.
▶ Klinisches Bild: Schmerzen beim Grobgriff und Händedruck (bei Rechtshändern).
▶ Therapie: Bei starken Beschwerden Arthrodese (S. 382).

Sattelgelenkarthrose (Rhizarthrose)
▶ Vorkommen: Häufigste Arthrose an der Hand, vorwiegend bei Frauen ab 40 Jahren.
Seltener posttraumatisch, z. B. nach Bennett-Fraktur.
▶ Klinisches Bild: Nicht jede Sattelgelenkarthrose verursacht Beschwerden!
• Schmerzen, besonders bei Drehbewegungen (z. B. Deckel aufschrauben).
• Wenig Bewegungseinschränkung, jedoch Kraftverlust, besonders beim Spitz- und
Dreipunktgriff.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung:
– Verplumpt wirkende Daumenbasis durch radiale Subluxation (Abb. 21.5), ein
späterer Kollaps kann zur Adduktionsfehlstellung mit Hyperextension des MP-
Gelenks führen (Abb. 21.6).
– Schmerzauslösung durch passives Bewegen des Gelenks, dabei ist auch Knir-
schen und Reiben (Krepitus) fühlbar.
• Röntgenuntersuchung (Abb. 21.5): Siehe Grundlagen (S. 204).
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Initial Kortison intraartikulär (z. B. Triamcinolon 5 mg) in
Radialisblockade von dorsal in das Gelenk injizieren.
• Operative Therapie: Resektionsarthroplastik des Trapeziums mit Stabilisierung
des Mittelhandknochens durch einen Streifen der Sehne des M. flexor carpi radia-
lis (M.-flexor-carpi-radialis-[FCR-]Plastik, S. 386) oder der APL-Sehne (S. 298).
Arthrodese nur bei ausgeprägter posttraumatischer, nie bei idiopathischer Arth-
rose. Endoprothesen stehen wir wegen der Komplikationsinzidenz sehr kritisch
gegenüber. Sie mögen in Einzelfällen bei günstigen radiologischen Voraussetzun-
gen indiziert sein. Minimalinvasive Verfahren s. S.253.
▶ Prognose: Sehr gut.

Abb. 21.5 • Sattelgelenkarthrose: Röntgenbe- Abb. 21.6 • Sattelgelenkarthrose: Klinisch


fund. fortgeschrittener Befund.
207
21 21.3 Interkarpalarthrosen

21.3 Interkarpalarthrosen
Arthrose

Skaphotrapeziotrapezoidale (STT-)Arthrose
▶ Vorkommen: Viel seltener als Sattelgelenkarthrose, wie diese vorwiegend bei älte-
ren Frauen.
▶ Klinisches Bild:
• Oft klinisch stumm und Zufallsbefund.
• Belastungsschmerzen beim Grobgriff.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Verdickung dorsal oder gelegentlich palmar der Tabatiè-
re. Schmerzauslösung durch Druck auf distales Kahnbein von dorsal oder palmar.
Bewegungsschmerz, besonders bei forcierter Drehung der Handwurzel. Das Sat-
telgelenk ist dabei klinisch meist unauffällig.
• Röntgenuntersuchung: Starke Verschmälerung der Gelenkspalte, verbunden mit
erheblicher Sklerosierung (Abb. 21.7).
▶ Operative Therapie:
• Resektionsarthroplastik mit oder ohne Weichteilinterposition.
• Skaphotrapeziotrapezoidale (STT-)Arthrodese (S. 383): Bei störenden Schmerzen
indiziert.
• Bei gleichzeitiger, auch klinisch stummer Sattelgelenkarthrose FCR-Plastik in Ver-
bindung mit Resektion der Gelenkflächen zwischen Skaphoid und Trapezoid.

Pisotriquetrale Arthrose
▶ Lokalisation, Vorkommen: Häufigste Ursache ulnarer Handwurzelbeschwerden.
▶ Klinisches Bild: Belastungsschmerzen, die auch nach dorsal ausstrahlen können.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung: Schmerzauslösung durch Druck auf das Os pisiforme von
ulnar nach radial oder durch Beugung des ulnar abgewinkelten Handgelenks ge-
gen Widerstand.

Abb. 21.7 • Skaphotrapeziotrapezoidale (STT-) Abb. 21.8 • Pisotriquetrale Arthrose.


Arthrose.
208
21.4 Arthrose des Handgelenks 21
• Röntgenuntersuchung: Seitliche Röntgenaufnahme in 30° Supination: Verschmä-

Arthrose
lerung des Gelenkspaltes zwischen Os pisiforme und Os triquetrum (Abb. 21.8),
manchmal auch Subluxation und Osteophyten.
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Bei kurzer Anamnese Versuch mit Kortison intraartikulär
(z. B. Triamcinolon 5 mg).
• Operative Therapie: Bei Persistenz der Beschwerden Resektion des Os pisiforme.

21.4 Arthrose des Handgelenks


Arthrose des Radiokarpalgelenks
▶ Lokalisation, Ursachen, Vorkommen: In mehr als 90 % ist der Gelenkabschnitt zwi-
schen Radius und Kahnbein betroffen. Idiopathisch (hereditär?), aber häufig auch
posttraumatisch nach Radiusfraktur, Kahnbein-Pseudarthrose und skapholunärer
Bandruptur. Auch eine zunehmende skapholunäre Instabilität kann für die degene-
rativen Veränderungen ursächlich sein. Das Zusammensinken des Kahnbeins kann
zum radialen Abrutschen des Os capitatum führen. Das Os hamatum sackt dann in
Richtung Os lunatum. Es kommt zum karpalen Kollaps (scapho-lunate advanced col-
lapse, SLAC). Der Gelenkabschnitt zwischen Radius und Lunatum ist fast nie betrof-
fen (Abb. 21.9).
▶ Klinisches Bild: Belastungsschmerzen, Bewegungseinschränkung, Kraftminderung.
Druckschmerz.
▶ Diagnostik:
• Klinische Untersuchung:
– Inspektorisch meist deutliche Verdickung bzw. Verplumpung der radialen
Handgelenk-Zirkumferenz. Pseudoganglionbildung.
– Krepitus, Druckschmerz meist radial, Schmerzen bei aktiver und passiver Be-
wegung.
• Röntgenuntersuchung: Gelenkspalt-Verschmälerung (oft nur ganz radial zwischen
Kahnbein und Radius), Ausziehung des Processus styloideus radii, oft Rotations-
fehlstellung des Kahnbeins, sog. Siegelringzeichen (Abb. 7.16). In fortgeschritte-
nen Fällen auch Arthrose im Mediokarpalgelenk mit Dorsalkippung des Mond-
beins (DISI-Fehlstellung).
▶ Therapie:
• Konservative Therapie: Bei beginnender Symptomatik Versuch mit Kortison int-
raartikulär (z. B. Triamcinolon 5 mg).
• Operative Therapie:
– Denervation (S. 388).
– Kahnbein-Resektionsarthroplastik, ggf. in Verbindung mit interkarpalen Arth-
rodesen (S. 387): Bei erhaltener Beweglichkeit und isolierter radioskaphoidaler
Arthrose.

Abb. 21.9 • Arthrose des Radiokarpalge-


lenks.
209
21 21.4 Arthrose des Handgelenks

– Resektionsarthroplastik der proximalen Handwurzelreihe (proximal row car-


Arthrose

pectomy): Bei erhaltener Beweglichkeit und Fehlen von kapitolunärer Arthrose.


– Handgelenk-Arthrodese (S. 384): Bei starken Schmerzen und erheblich einge-
schränkter Beweglichkeit.

210
22.1 Rheumatoide Arthritis 22
22 Rheumatoide Arthritis

Rheumatoide Arthritis
22.1 Rheumatoide Arthritis
Grundlagen
▶ Systemerkrankung (chronische Polyarthritis, CP). Auftreten bereits bei Kindern und
Jugendlichen möglich. Die juvenile Form hat verschiedene klinische Erscheinungs-
formen. Verlauf und chirurgische Indikationen sind anders als bei Erwachsenen.
Darauf wird in diesem Text nicht eingegangen.
▶ Am Bewegungsapparat kommt es zu entzündlichen Veränderungen des synovialen
Gewebes. Betroffen sind vorwiegend Sehnen und Gelenke.
▶ Die Hände sind bei fast allen Rheumapatienten betroffen, oft schon im Rahmen der
Erstmanifestation.
▶ Der Verlauf ist sehr unterschiedlich. Eine sehr blande Entwicklung über viele Jahre
ist möglich. Die Erkrankungsschübe können auch in kurzer Zeit progredient zu
massiver Deformität führen.

▶ Beachte: Nicht bei allen Patienten kommt es zwangsläufig zu allen im Folgenden be-
schriebenen Veränderungen, Deformierungen und Funktionsstörungen.

Ätiologie
▶ Unklar. Diskutiert wird eine autoimmunologische oder virale Genese.

Anamnese
▶ Seit wann besteht die Erkrankung? An welchen Gelenken hat es begonnen? War
der Krankheitsverlauf langsam oder rasch?
▶ Wie war die bisherige Therapie? Welche Medikamente? Operationen? Sind weitere
Operationen geplant (Knie- oder Hüftgelenk)?
▶ Welche anderen Erkrankungsmanifestationen liegen vor? Anämie, Lungenverände-
rungen, kardiale Störungen, Iritis, Polyneuropathie?
▶ Welches sind die Hauptbeschwerden und die wesentliche Funktionsbehinderung?
▶ Soziale, berufliche Situation? Ist der Kranke berufstätig, aktiv oder eher an die Er-
krankung angepasst?

▶ Beachte: Diese anamnestischen Daten sind für die Indikation und die Art der vorge-
schlagenen Maßnahmen von Bedeutung.

Klinisches Bild
▶ Hauptsymptome: Schmerzen, Schwellung, Bewegungseinschränkung und Funk-
tionsstörung, Kraftminderung.
• Schmerzen: Frühsymptom; können an einem oder mehreren Gelenken auftreten.
Im Schub kommt es zu akuten, starken Schmerzen, die sich in der Remissions-
phase verringern. In der Anfangs- und Proliferationsphase werden die Schmerzen
durch akute Inflammation und durch Einklemmen von Synovialis hervorgerufen.
Später sind Gelenkdestruktion, Instabilität, fortschreitende Synovialitis und auch
Nervenkompression (N. medianus) die Schmerzursachen.
• Schwellung: Ursache ist die Proliferation der Synovialis am Handgelenk sowie an
den Fingergrund- und -mittelgelenken. Die Synovialitis der Beuge- und Streck-
sehnen führt zu schlauch- bzw. kissenförmiger Schwellung, die tumorähnliche
Ausmaße annehmen kann. Rheumaknoten (in ca. 25 % der Fälle) gelten als prog-
nostisch ungünstig. Es handelt sich um derbe, subkutane Geschwulstbildungen
unterschiedlicher Größe an den Fingern, über der Ellenbogen-Streckseite sowie
ulnar am Unterarm, wo sie bis golfballgroß werden.
• Bewegungseinschränkung: Oft besteht zuerst eine Beugebehinderung der Finger
durch Beugesehnen-Synovialitis. Später kommt es zum Streckdefizit der Grund-

211
22 22.1 Rheumatoide Arthritis

gelenke durch Subluxation und Ulnardeviation der Grundgelenke sowie zu Luxa-


Rheumatoide Arthritis

tion und Ruptur der Strecksehnen. Die Handgelenk-Beweglichkeit ist zunächst


durch Synovialitis und Schmerzen, später durch Radialdeviation, Subluxation
und Destruktion eingeschränkt. Es kommt zu einer schmerzhaften Einschrän-
kung der Unterarmdrehung durch Destruktion des Ellenkopfes (Caput-ulnae-Syn-
drom).
• Kraftminderung: Entstehung durch Atrophie (Inaktivität, Nervenkompression),
Gelenkinstabilität, Deformierung und Elastizitätsverlust bzw. Schrumpfung der
intrinsischen Muskulatur.

Diagnostik
▶ Allgemeine klinische Untersuchung:
• Ist der Allgemeinzustand wesentlich reduziert, sind größere operative Eingriffe
nicht indiziert.
• Untere Extremitäten betroffen? Werden Gehstützen benötigt?
• Kursorische Untersuchung der Schulter- und Ellenbogengelenke.
• Die Haut des Rheumatikers atrophiert zunehmend und wird bei Kortisontherapie
papierdünn.
▶ Klinische Untersuchung der Hand:
• Inspektion: Schwellung, Deformierung.
• Palpation: Schwellung, Schmerzen, Instabilität.
• Sensibilitätsprüfung: Parästhesien, sensible Ausfallserscheinungen.
• Prüfung der Motorik: Aktive und passive Gelenkbeweglichkeit, Greiffunktionen.
• Handgelenk:
– Im Frühstadium inspektorisch unauffällig, später sind die Konturen verstri-
chen. Schmerzen, Krepitus und Bewegungseinschränkung sprechen für eine
Gelenksynovialitis. Die Handgelenk-Synovialitis ist tastbar. Wulstige Schwel-
lung streckseitig entspricht einer Strecksehnen-Synovialitis, meist im 4. Streck-
erfach.
– Vom 6. Streckerfach (Sehne des M. extensor carpi ulnaris) aus entwickelt sich
die Destruktion des Ellenkopfes mit Caput-ulnae-Syndrom: Impingement im
Bereich der ulnaren Handwurzel und Reiben im distalen Radioulnargelenk füh-
ren zu Schmerzen beim Niederdrücken des Ellenkopfes sowie bei aktiver und
passiver maximaler Supination.
– Die Stabilität des Handgelenks wird geprüft, indem man Unterarm und Hand
mit beiden Händen umfasst und dorsal-palmar hin- und herbewegt. Durch Lo-
ckerung des palmaren Bandapparates kann es zur Radialabkippung der Hand-
wurzel und zu einer erheblichen Subluxation der Hand nach palmar kommen.
– Im Spätstadium kommt es langsam zur (schmerzlindernden) Ankylose, in sel-
tenen Fällen zum völlig instabilen Schlottergelenk.
• Fingergrundgelenke:
– Die beginnende synovialitische Schwellung lässt sich dorsal in mittlerer Beu-
gung des Gelenks zwischen 2 Fingern tasten. Später wird die Synovialitis in-
spektorisch evident (Abb. 22.1). Durch die zunehmende Schwellung disloziert
die Strecksehne nach ulnar, die Kollateralbänder lockern sich, und die Instabili-
tät nimmt zu. Es kommt zunehmend zur Ulnardeviation und palmaren Sublu-
xation. Bei bestehender Ulnardeviation der Finger prüfen, ob diese passiv leicht
ausgleichbar oder fixiert ist.
– Die ulnare Dislokation der Strecksehnen führt zu einem aktiven Streckdefizit
(Abb. 22.2). Am Kleinfinger kann die Sehne so weit nach ulnar und palmar ab-
rutschen, dass sie zu einem funktionellen Beuger wird. Der Befund ähnelt einer
Sehnenruptur (Abb. 22.3). Bei intakter Sehne lässt sich diese meist in passiver
Streckung des Gelenks „reponieren“. Dann kann im Gegensatz zur Sehnenrup-
tur der Finger aktiv in Streckung gehalten werden.

212
22.1 Rheumatoide Arthritis 22

Rheumatoide Arthritis
Abb. 22.1 • Ausgeprägte Synovialitis
der MP-Gelenke, Ulnardeviation und
Schwanenhalsdeformitäten.

Abb. 22.2 • Ulnardeviation und


Streckdefizit der Finger durch
Abrutschen der Strecksehnen.

Abb. 22.3 • Komplette Dislokation der Strecksehne V ähnelt klinisch einer Ruptur.

– Die dorsal-palmare Instabilität durch Hin- und Herbewegen des gestreckten


Fingers prüfen. Zur Prüfung der seitlichen Instabilität den Finger maximal beu-
gen. In dieser Stellung lässt ein straffer Bandapparat nur minimale passive Seit-
wärtsbewegung zu.
– Durch Schrumpfung der Mm. interossei und Mm. lumbricales kommt es zur fi-
xierten Beugung des MP-Gelenks. Beginnende intrinsische Kontraktur lässt
sich durch passive Überstreckung des MP-Gelenks und Prüfung der Beugung
im PIP-Gelenk in dieser Stellung testen (Abb. 22.4 a, b). Ist dies erschwert oder
unmöglich, ist der Test positiv.
213
22
Rheumatoide Arthritis 22.1 Rheumatoide Arthritis

Abb. 22.4 • a, b Prüfung intrinsischer Kontraktur: Test positiv, wenn das PIP-Gelenk bei
Streckung des MP-Gelenks kaum (a), bei Beugung besser (b) zu beugen ist.

Abb. 22.5 • Rheumatische Knopflochdefor-


mität.

Abb. 22.6 • Rheumatische Schwanenhalsde-


formität.

• Fingermittelgelenke:
– Ebenfalls häufige Lokalisation der Erstmanifestation einer rheumatischen Sy-
novialitis. Die Synovialis quillt zwischen Mittel- und Seitenzügel nach dorsal.
Zu Beginn ist die fluktuierende Schwellung tastbar, später sichtbar, manchmal
als auffällige Synovialhernie.
– Knopflochdeformität (Abb. 22.5): Die Synovialitis dehnt und lockert den Mit-
telzügel und schwächt dadurch die Streckung des PIP-Gelenks. Die Aponeurose
zwischen Mittel- und Seitenzügel weitet sich, die Seitenzügel rutschen nach
palmar und wirken nun als Beuger im Mittelgelenk und (Über-)Strecker im
Endgelenk. Klinisch ist zu prüfen, ob die Fehlstellung passiv ausgleichbar oder
fixiert ist.
– Schwanenhalsdeformität (Abb. 22.6): Lockerung der palmaren Platte und
Schrumpfung der Mm. interossei führen zur Überstreckung des PIP-Gelenks
und reaktiv zur Beugung im Endgelenk. Zunehmende Schrumpfung der intrin-
sischen Muskeln führt dazu, dass eine aktive, später auch passive Beugung im
PIP-Gelenk nicht mehr möglich ist. Bei Schwanenhalsdeformität kann es zu ei-
nem Schnapp-Phänomen kommen (slow finger). Bei normalem Faustschluss
verbleibt der Finger in Überstreckstellung (Abb. 22.7 a). Bei Verstärkung der
Beugung wird das Mittelglied über den Grundgliedkopf gezogen, wobei es zu
214
22.1 Rheumatoide Arthritis 22

Rheumatoide Arthritis
Abb. 22.7 • a, b Schnapp-Phänomen bei Schwanenhalsdeformität (slow finger), (Details s. Text).

Abb. 22.8 • a, b Rheumatische Knopflochdeformität des Daumens (a), rheumatische


Schwanenhalsdeformität des Daumens (b).

einem Schnapp-Phänomen kommt. Erst danach ist der Faustschluss möglich


(Abb. 22.7 b).
– Prüfung der Seitenbänder auf Stabilität. Eine geringe Lockerung ist unerheb-
lich. Erhebliche Instabilität ist korrekturbedürftig.
– Die oben beschriebenen Deformitäten treten keinesfalls regelmäßig auf. Oft
entsteht auch eine Einsteifung durch Gelenkdestruktion ohne Lockerung des
Weichteilapparates.
• Fingerendgelenke: In der Regel nicht direkt betroffen. Bei Arthritis des DIP-Ge-
lenks ist differenzialdiagnostisch an eine Psoriasis-Arthritis zu denken.
• Daumen: Eine Synovialitis von Grund- und Endgelenk ist häufig, am Sattelgelenk
selten. Aufgrund analoger pathologischer Veränderungen kann es am Daumen
ebenfalls zur Knopfloch- und Schwanenhalsdeformität kommen (Abb. 22.8 a, b).
Durch Adduktionskontraktur des 1. Mittelhandstrahles kann es zu der seltenen,
aber auch typischen Daumendeformierung kommen, die durch Radialabwinke-
lung im MP-Gelenk oder IP-Gelenk charakterisiert ist.
• Beugesehnen:
– Die Synovialitis der Beugesehnen führt zu sichtbarer Schwellung im Bereich
der Fingerbeugeseiten, besonders in der Hohlhand und proximal der Handge-
lenk-Beugefalte. Beim Vergleich der Fingerstrahlen kann man die longitudinale
215
22
Rheumatoide Arthritis 22.1 Rheumatoide Arthritis

Abb. 22.9 • Palpation synovialitisch verän-


derter Beugesehnen.

Verdickung (Strahlen II und III am häufigsten betroffen) erkennen. Bei der Pal-
pation der Beugesehnen (Abb. 22.9) spürt man die knotige Verdickung und den
Krepitus. Die Synovialitis proximal des Karpaltunnels kann wie ein Tumor wir-
ken, die Schwellung bewegt sich beim Faustschluss jedoch nach proximal. Die
Haut über dem Grundglied lässt sich normalerweise zwischen Daumen und
Zeigefinger hochziehen. Ist die Sehnenscheide mit Synovialitis gefüllt, gelingt
dies nicht. Die Synovialitis führt zu aktiver und passiver Bewegungseinschrän-
kung (Fingerkuppen-Hohlhand-Abstand 1 – 8 cm).

Beachte
Bei Stenose im A1-Ringband tritt das Schnapp-Phänomen bei Streckung, bei Ste-
nose distal der Beugesehnenkreuzung bei Beugung auf. Blockierung in Streckstel-
lung!

– Schnellender Finger: Ursache kann ähnlich wie bei der nicht rheumatischen
Tendovaginitis stenosans (S. 179) die Blockierung im Grundgelenk-Ringband
sein. Bei Rheumatikern bilden sich jedoch auch intratendinöse synovialitische
Knoten distal des Chiasma tendinum. Diese Differenzierung ist präoperativ we-
sentlich.
– Beugesehnenruptur: Dafür spricht ein plötzlicher Ausfall von Beugefunktion
(häufig Sehne des M. flexor pollicis longus). Ursache ist meist die synovialiti-
sche Destruktion der Sehne. Okkulte Rupturen sind schwierig abzugrenzen
und zu diagnostizieren, da häufig ohnehin Bewegungseinschränkungen und ei-
ne abgeschwächte Beugung bestehen. Eine Prüfung der einzelnen Sehnen ist
dazu erforderlich.
• Strecksehnen:
– Die Synovialitis betrifft ausschließlich die Handgelenkregion sowie den an-
grenzenden Handrücken. Die Schwellung kann diskret sein (z. B. M. extensor
pollicis longus im 3. Streckerfach) oder auch monströse, tumorähnliche Aus-
maße annehmen. Palpatorisch ist die Synovialitis teigig-weich im Gegensatz zu
den prall-harten Ganglien. Durch das Retinaculum extensorum kann es zu ei-
ner segmentalen Einschnürung kommen: „Eieruhr-Phänomen“.
– Strecksehnen-Rupturen sind häufig. Ursache ist die synovialitische Destruktion
und das Durchscheuern an scharfen Knochenrändern von Radius und Ulna
(Abb. 22.10). Am häufigsten betroffen sind M. extensor pollicis longus, Mm. ex-
tensor digitorum IV/V und M. extensor digiti minimi. Klinisch imponiert ein
plötzliches, schmerzlos auftretendes Streckdefizit der MP-Gelenke (Abb. 22.11).
Ist der Daumen betroffen, hängen Grund- und Endgelenk. Cave: Das Streckdefi-
zit kann durch ulnare Sehnenluxation oder Parese des R. profundus n. radialis
auch langsam entstehen.
– Der Tenodesetest (Abb. 26.6) differenziert zwischen Ruptur und Parese: Bei
passiver Handgelenkbeugung wird die intakte Sehne (Parese) gespannt, der
Finger kommt in die Streckung. Bei einer Ruptur bleibt der Finger hängen.
216
22.1 Rheumatoide Arthritis 22

Rheumatoide Arthritis
Abb. 22.10 • Prädilektionsstellen für rheumabedingte
Strecksehnen-Rupturen.

Abb. 22.11 • Klinik der rheumabedingten Strecksehnen-Rupturen III–V.

• Nervenkompression:
– Die häufigste Nervendruckschädigung betrifft den N. medianus im Karpaltun-
nel. Subjektiv lassen sich die dadurch bedingten Schmerzen, Sensibilitätsstö-
rungen und nächtlichen Beschwerden oft nicht von den Rheumasymptomen
abgrenzen. Ein Karpaltunnelsyndrom (S. 193) ist daher gezielt auszuschließen
(Elektromyografie, Nervenleitgeschwindigkeit).
– Die Synovialitis des Ellenbogengelenks kann zur Kompression des N. ulnaris
führen.
– Durch Beteiligung der HWS können auch Wurzelkompressionen Ursache für
neurologische Symptome und Zeichen sein.

Radiologische Untersuchung

▶ Beachte: Regelmäßige Röntgenuntersuchungen sind obligat. Sie geben nicht nur
über den aktuellen Befund, sondern auch das Fortschreiten der Erkrankung Auf-
schluss.
▶ Routineeinstellungen:
• Hand in 3 Ebenen (d.-p., seitlich, schräg).
• Handgelenk in 2 Ebenen.
• Da die PIP-Gelenke auf den Handaufnahmen nur ungenau zu beurteilen sind,
evtl. zusätzliche Aufnahmen der betroffenen Finger in 2 Ebenen.
• Aufnahmen nach Brewerton zur Erkennung einer beginnenden Destruktion der
Mittelhandknochen-Köpfe.
217
22 22.1 Rheumatoide Arthritis

▶ Häufige radiologische Befunde:


Rheumatoide Arthritis

• Verschmälerung des Gelenkspaltes.


• Zysten und Arrosionen der Knochen.
• Subluxation, Osteoporose, Ankylose.

Differenzialdiagnose

▶ Beachte: Das Vollbild einer rheumatoiden ArthritisF ist kaum zu übersehen. Bei iso-
lierten Veränderungen an Sehnen und Gelenken ist eine Differenzierung jedoch
wichtig!
▶ Nicht rheumatische Synovialitis von Beuge- und Strecksehnen: Meist isolierter Be-
fund, keine Gelenkveränderungen, negative Serologie.
■▶ Cave: An eine tuberkulöse Synovialitis denken! Histologie erforderlich!
▶ Tendinitis calcarea: Akutes Auftreten mit entzündlichen Zeichen (röntgenologisch
Kalkablagerungen entlang der Sehnen).
▶ Degenerative Arthrosen (S. 204 ff.): Keine entzündlichen Zeichen, keine Synovialitis,
röntgenologisch keine Destruktion der Kortikalis, sondern Randzackenbildung. Se-
rologie negativ.
▶ Psoriasisarthritis: Initial sind meist die Endgelenke betroffen. Typische Hautverän-
derungen, Nagelmykosen, keine Rheumaknoten, negative Serologie. Radiologische
Unterschiede: Destruktion im Bereich der Endphalangen und Arrosion der Schaft-
kortikalis der Phalangen.
▶ Gicht (Abb. 17.2 b): Hyperurikämie. Gichttophi (auch am Fuß und Ohrläppchen).
Gute Wirksamkeit von Colchizin und Indometazin.
▶ Gelenkveränderungen bei anderen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises:
Bei systemischem Lupus erythematosus steht die Instabilität der Gelenke im Vor-
dergrund, z. B. ist oft das Daumensattelgelenk betroffen. Kaum radiologische Verän-
derungen. Bei Sklerodermie fibröse Gelenkkontrakturen, wenig Knochenverände-
rungen. Klinisch oft sehr ähnlich wie rheumatoide Arthritis.

Therapie
▶ Grundlage der Therapie ist die medikamentöse Basistherapie durch Rheumatolo-
gen. Handchirurgische Eingriffe sind adjuvante Maßnahmen im Rahmen der Ge-
samtbetreuung.

Operationsindikationen
▶ Gelenksynovialektomie: Hat als Frühsynovialektomie präventiven Charakter. Als
Spätsynovialektomie bei guter Gelenkstellung zur Schmerzlinderung und Erhaltung
von Beweglichkeit (S. 390).
▶ Tendosynovialektomie: Zur Verbesserung der Beweglichkeit und zur Prävention
von Rupturen (S. 391).
▶ Beuge- und Strecksehnen-Rupturen: Wiederherstellung durch Sehnenkoppelung
und Sehnentransposition (S. 274, 283).
▶ Handgelenk: Endoprothese (S. 393) bei Destruktion, starkem Schmerzzustand und
guter Beweglichkeit sowie Stabilität, häufiger jedoch radiokarpale oder radiolunäre
Arthrodese (S. 393). Im letzteren Fall bleibt eine Teilbeweglichkeit erhalten.
▶ Caput-ulnae-Syndrom:
• Bei Impaktion der Handwurzel (Ulna-plus-Stellung) komplette Resektion des dis-
talen Ellenendes (S. 394).
• Bei Normalstellung der Ulna oder Ulna-minus-Variante bevorzugen wir die He-
miresektion oder „Matched-Ulna-Resektion“ (Watson, S. 394).
▶ Fingergrundgelenke:
• Bei passiv ausgleichbarer Ulnardeviation und geringen röntgenologischen Verän-
derungen Weichteilkorrektur: Synovialektomie, Intrinsic Release (Durchtrennen
der ulnaren intrinsischen Sehnenansätze, S. 395 f.), Strecksehnen-Zentralisierung
(S. 278).
218
22.1 Rheumatoide Arthritis 22
• Bei Gelenkdestruktion, palmarer Subluxation und Ulnardeviation ist zusätzlich

Rheumatoide Arthritis
der endoprothetische Gelenkersatz indiziert (S. 395 f.).
▶ Daumenend- und Daumengrundgelenk: Bei Destruktion und Fehlstellung Arthrode-
se(n) indiziert (S. 383).
▶ Daumensattelgelenk: Resektionsarthroplastik (S. 386) oder Arthrodese.
▶ Fingermittelgelenke:
• Bei Schmerzen, erheblicher Fehlstellung oder starker Instabilität Arthrodese(n)
(S. 382).
• Bei passiv ausgleichbarer Knopfloch-Fehlstellung Mittelzügelraffung und/oder
Korrektur durch Seitenzügel-Transposition (S. 277 f.).
• Bei beginnender Schwanenhalsdeformität Intrinsic Release und/oder Tenodese
zur Korrektur der PIP-Gelenküberstreckung (S. 397 f.).
• Bei fortgeschrittener Fehlstellung temporäre K-Drahtfixation in Beugestellung
(S. 397 f.) als Versuch.

219
23 23.1 Blutleere und Blutsperre

23 Operationstechniken
Operationstechniken

23.1 Blutleere und Blutsperre


Blutleere
▶ Zubehör: Alle handchirurgischen Eingriffe erfordern grundsätzlich Blutleere und
ein entsprechendes Zubehör:
• Geeichte Blutleeregeräte: Voraussetzung für eine gefahrlose Anwendung. Normale
Blutdruckgeräte sind nur für Kurzeingriffe ( < 15 min) akzeptabel!
• Wattepolsterung: Eine Polsterung unter der Manschette ist erforderlich, um
Druckstellen zu vermeiden. Bei Erwachsenen sollte die Wattebinde mindestens
8 cm breit sein.
■▶ Cave: Die Anwendung von Stauschläuchen oder Ähnlichem ist kontraindiziert!
▶ Durchführung:
• Empfohlener Druck:
– Frauen: 230 mmHg.
– Männer: 250 mmHg.
– Kinder: 180 – 230 mmHg.
– Höhere Drücke bis 300 mmHg sind bei Adipositas, sehr kräftigen Armen und
arterieller Hypertonie notwendig.
• Blutleerezeit: Die Dauer der Blutleere sollte 2 h nicht wesentlich überschreiten.
Nach einer Durchblutungspause (20 min) ist ein erneutes Auswickeln für eine
weitere Stunde möglich.

Wichtig
▶ Beim Desinfizieren darf keine Flüssigkeit unter die Manschette gelangen. Gefahr
der Hautreizung bis hin zu drittgradiger Nekrose!
▶ Bei Dialysepatienten mit gut funktionierendem AV-Shunt ist gegen eine Blutleere
nichts einzuwenden.

Praxistipp Blutleere
▶ Das Auswickeln des Armes mit einer sterilen Esmarch-Binde spart Blutleerezeit
und erlaubt ein wiederholtes Auswickeln.
▶ Die Blutleere für Kurzeingriffe am Finger ist besser am Oberarm, nicht am Finger
anzulegen. Das Entfernen der Manschette kann am Oberarm nie vergessen wer-
den!

Blutsperre
▶ Durchführung: Bei der Blutsperre (Beachte: nicht synonym mit Blutleere!) wird der
Arm nicht ausgewickelt, sondern nur einige Minuten hochgehalten.
• Nachteil: Die verbleibende Blutfülle ist beim Präparieren eher störend.
• Indikationen: Heben von Lappen mit dünnem Gefäßstiel, Entnahme von Venen-
transplantaten.
▶ Auch für Eingriffe bei Infektionen wird bevorzugt die Blutleere (s. o.) angewandt
(S. 334).

220
23.2 Instrumentarium, Inzisionen 23
23.2 Instrumentarium, Inzisionen

Operationstechniken
Instrumentarium
▶ Zur Durchführung handchirurgischer Eingriffe ist spezielles Instrumentarium erfor-
derlich. Folgende Siebe haben sich bewährt (Einzelheiten auf Wunsch beim Verfas-
ser):
• Grundsieb, Sieb für kleine Eingriffe.
• Zusatzsiebe für Eingriffe an Knochen und Sehnen, Mikrochirurgie.
• Einzeln verpackte Instrumente und Geräte.
• Handliche, druckluftbetriebene Bohrer und Sägen.

Inzisionen

Praxistipp Schnittführung
▶ Die Hautinzision ist so groß wie nötig und so klein wie möglich zu wählen. Sie
muss dem Operateur ausreichende Übersicht verschaffen.
▶ Bei Hautschnitten bzw. Wunderweiterungen ist eine S-, L- oder zickzackförmige
Schnittführung anzuwenden.
▶ Bei minimal invasiven Eingriffen quere und schräge Inzisionen, die den natürli-
chen Hautfalten folgen.
▶ Bei Kindern spitze Inzisionswinkel im Hinblick auf das Längenwachstum.
▶ Die gerade mediolaterale Inzision als Verbindung der Endpunkte der Beugefalten
ist vorteilhaft bei Arthrolysen und Tenolysen.

▶ Beachte:
• Longitudinale Inzisionen, die Beugefalten rechtwinklig kreuzen, vermeiden!
Durch sie entstehen narbenbedingte Beugekontrakturen.
• Vernarbungen der Haut mit tieferen Strukturen lassen sich durch etwas ent-
fernte oder lappenbildende Schnittführung vermeiden.

23.3 Atraumatische Operationstechnik


Voraussetzungen
▶ Vermeidung von Gewebetraumen: Quetschen des Gewebes mit Pinzette oder Klem-
me, weiträumiges Unterminieren auf der „Suche“ nach Strukturen und gedankenlo-
ser unnötiger Hakendruck führen zu Durchblutungsstörungen. Mögliche Folgen
sind Nekrosen, Infektionen, Vernarbungen und Funktionsstörungen.
▶ Anatomiekenntnisse: Atraumatisches Operieren setzt exakte Anatomiekenntnisse
voraus. Nur dadurch ist gezieltes Darstellen, Präparieren, Reparieren oder Rekon-
struieren möglich.
▶ Sehhilfen: Lupenbrille und Operationsmikroskop für die Mikrochirurgie sind Vo-
raussetzung für genaues Operieren.
▶ Haltung: Bequeme Sitzhaltung und entspanntes Auflegen der Unterarme
(Abb. 23.1) verhindern Ermüdung und Verkrampfung. Die von Buck-Gramcko popu-
larisierte Scherenhaltung (Abb. 23.2 a, b) ermöglicht präzises Präparieren in alle
Richtungen ohne Anheben des Armes.

Praktisches Vorgehen
▶ Die Hand wird mittels einer Platte und/oder Rolle fixiert. Auf Bleihände verzichtet
man inzwischen. Wir verwenden die strahlendurchlässige Fixationshand „Chirob-
loc“ aus Silikon, die es in 2 Größen gibt (Fa AMT Aromando Medizintechnik GmbH
http://www.amt-med.de) (Abb. 23.3).
▶ Wundränder werden nicht mit Pinzetten gefasst, sondern mit Haltefäden oder fei-
nen Wundrandhaken gehalten. Hakenzug sanft und nur bei Bedarf.
221
23
Operationstechniken 23.3 Atraumatische Operationstechnik

Abb. 23.1 • Platzanordnung des OP-Teams.

Abb. 23.2 • a, b Scherenhaltung nach Buck-Gramcko.

Abb. 23.3 • Strahlendurchlässige Silikonhand


zur Fixation der Hand auf dem OP-Tisch (mit
freundlicher Genehmigung der Firma AMT
Aromando Medizintechnik GmbH).

222
23.4 Arthroskopie des Handgelenkes 23
▶ Fassen und Manipulieren anatomischer Strukturen nur mit feinsten Instrumenten

Operationstechniken
und nur für so kurze Zeit wie nötig. Präparation mit Skalpell atraumatischer als mit
Schere!
▶ Tupfen erfolgt ausschließlich mit angefeuchteten Tupfern. Häufiges Anfeuchten des
gesamten Operationsgebiets einschließlich der Hautlappen. Keine Fusseln hinterlas-
sen!
▶ Während der Operation laufend Mikrokoagulation winziger Gefäßlumina. Ligatur
nur bei Gefäßdurchmesser > 1 mm.
▶ Nach Öffnen der Blutleere Wundkompression mit feuchten Kompressen. Wirkung
der reaktiven Hyperämie abwarten (5 – 10 min). Erneute Blutstillung durch Mikro-
koagulation. Danach wird der Arm nochmals ausgewickelt und erneut die Blutleere
angelegt. Dadurch entfällt wiederholtes Tupfen, der Wundverschluss wird be-
schleunigt, ein residuelles Hämatom vermieden.
▶ Keine Subkutannähte. Hautverschluss mit Einzelknopf- oder Rückstichnähten (Ny-
lonfaden 4 /0 oder 5 /0). Wir verwenden auch bei Erwachsenen resorbierbares
Nahtmaterial (Vicryl rapid; Ethicon).
▶ Bei Verletzungen im Zweifel drainieren. Günstig sind Silikonlaschen, da sie biegsam
und stabil sind und nicht verkleben. Bei elektiven Eingriffen drainieren wir, falls er-
forderlich, meist mit Redon-Drainagen (Größe 6 – 8 Ch, am Unterarm auch 10 Ch).
▶ Nach Fertigstellung des Verbands wird die Blutleere geöffnet.

23.4 Arthroskopie des Handgelenkes


Grundlagen
▶ Unverzichtbarer Bestandteil der Chirurgie des Handgelenkes.
▶ Ermöglicht als invasive Untersuchungtechnik:
• Einblick in das Radiokarpal-, Mediokarpal- und das distale Radioulnargelenk.
• Beurteilung des Gelenkknorpels, der Bandstrukturen und der Synovia.
▶ Neben der Diagnostik pathologischer Gelenkbefunde sind mit der Arthroskopie in
der gleichen Sitzung auch therapeutische Eingriffe möglich.

Indikationen
▶ Diagnostische Indikationen:
• Sicherer Nachweis von Läsionen am intrinsischen Bandsystem (Scapholunäres-
und lunotriquetrales-Band) und am ulnokarpalen Komplex.
• Staging zur exakten Beurteilung der Knorpelverhältnisse bei Planung von re-
konstruktiven Eingriffen und Rettungsoperationen.
▶ Therapeutische Indikationen:
• Synovialektomie.
• Maßnahmen bei Diskusläsionen: Arthroskopische Stabilisierung durch Naht, De-
bridement und Fensterung mit Shaversystem.
• Reposition von intrakarpalen Fehlstellungen.
• Reposition von intraartikulären Radiusfrakturen.
• Entfernung freier Gelenkkörper.
• Arthrolyse.
• Ganglionresektion.

Apparative Voraussetzungen
▶ Distraktionsvorrichtung zur Aufweitung des Handgelenkes, Aufhängung mit Ge-
wicht oder Traction Tower (Abb. 23.4).
▶ Spezielle dünne Arthroskope mit Durchmesser zwischen 1,7 und 2,7 mm (Cave:
Sehr empfindlich). Wir verwenden Arthroskope von KARL STORZ, Tuttlingen.
▶ Arthroskopieturm mit Videokette (KARL STORZ, Tuttlingen).
▶ Kleine Fasszangen und Tasthaken.
223
23
Operationstechniken 23.4 Arthroskopie des Handgelenkes

Abb. 23.4 • Handgelenkdistraktion im Traction Tower.

▶ Shaversystem mit kleinen Ansätzen (ca. 2-3 mm).


▶ Druckkontrollierte Spülung und Saugung.

Zugangswege
▶ Dorsal zwischen den einzelnen Strecksehnenfächern (s. Tab. 23.1).

224
23.4 Arthroskopie des Handgelenkes 23
Tab. 23.1 • : Zugangswege zur Handgelenksarthroskopie.

Operationstechniken
Gelenk Pforte

Radiokarpalgelenk

3-4-Pforte zwischen den Extensor-pollicis-longus- und


Extensor-digitorum-communis-Sehnen
4-5-Pforte zwischen den Extensor-digitorum-communis- und
Extensor-digiti-minimi-Sehnen
6-R-Pforte radial der Extensor-carpi-ulnaris-Sehne
6-U-Pforte ulnar der Extensor-carpi-ulnaris-Sehne

Mediokarpalgelenk

MCR-Pforte radial des Kapitatumkopfes


MCU-Pforte ulnar des Kapitatumkopfes

Distales Radioulnargelenk

Im proximalen Gelenkrezessus

Technik
▶ Distraktion des Handgelenkes (s. Abb. 23.4).
▶ Oberflächliche Stichinzision über der festgelegten Eintrittspforte, stumpfes Aufwei-
ten zum Arbeitskanal.
• Punktion mit einer Hohlraumkanüle und Trokar, der nach korrekter Platzierung
entfernt und durch das Arthroskop ersetzt wird.
▶ Beginn der Untersuchung mit Medium Luft als sog „Dry Arthroscopy“.
• Vorteile:
– Besserer Kontrast und Tiefenschärfe.
– Bei Umstieg auf offene Operation kein Gewebsödem.
• Einbringen von Spülflüssigkeit bei allen therapeutischen Maßnahmen.
▶ Standardisierter Ablauf mit Darstellung des radio- und ulnokarpales Gelenkkom-
partiments sowie des mediokarpalen Gelenkabschnitts; DRUG nur in Ausnahmefäl-
len.

Arthroskopische Normalbefunde
▶ Radiokarpalgelenk:
• Nach Einführen des Arthroskops über die 3-4-Pforte fällt der Blick zunächst auf
die beugeseitigen Ligamente. Nach vorsichtigem Zurückziehen erfolgt zur Beur-
teilung der Knorpelverhältnisse die Darstellung des Skaphoids und der korres-
pondierenden Radiusgelenkfläche bis hin zum Processus styloideus radii
(Abb. 23.5).
• Anschließend wird das Arthroskop zur Beurteilung der palmaren Bänder (sind
von einer dünnen Synovialhaut überzogen) nach ulnar geschwenkt (Abb. 23.5).
Radial erscheint zunächst das Lig. radioscaphocapitatum, ulnar hiervon das Lig.
radiolunotriquetrum. Von beiden Bändern kann jeweils nur der proximale Anteil
eingesehen werden. Senkrecht zur Radiusgelenkfläche verläuft das gefäßhaltige
Lig. radioscapholunatum (RSL-Ligament). Zur Beurteilung einer Bandruptur oder
-lockerung sollte grundsätzlich ein Tasthaken durch einen gesonderten Arbeits-
kanal, in der Regel die 4 /5 Pforte, eingebracht werden.
• Zieht man das Arthroskop weiter zurück, fällt der Blick auf eine kleine Mulde, die
dem Übergang zwischen Skaphoid und Lunatum entspricht. An dieser Stelle
spannt sich das Lig. scapholunatum aus (Abb. 23.6). Auch hier ist die Verwendung
225
23
Operationstechniken 23.4 Arthroskopie des Handgelenkes

Abb. 23.5 • Skaphoid, Radiusgelenkfläche und Abb. 23.6 • Lig. scapholunatum.


Lig. radioscapholunatum als Teil des extrin-
sischen Bandapparates.

Abb. 23.7 • Komplettruptur des skapholunä- Abb. 23.8 • Prüfung des Diskus mit dem
ren Bandes mit freiem Blick in das Mediokar- Tasthaken. Im oberen Bildabschnitt rechts
palgelenk (auf den Kapitatumkopf). findet sich die Knorpelunterfläche des Trique-
trums.

des Tasthakens zum Erkennen einer skapholunären Bandverletzung wichtig


(Abb. 23.7).
• Nach ulnar kann die Knorpelunterfläche des Lunatum und der Fossa lunata radii
beurteilt werden. Der Übergang zwischen Lunatum und Triquetrum ist im Nor-
malfall glatt und überknorpelt, so dass eine Abgrenzung beider Knochen nur mit
dem Tasthaken möglich ist.
• Beugeseitig gelangen noch das Lig. ulnolunatum und ulnotriquetrum zur Darstel-
lung. Durch leichtes Zurückziehen wird der Einblick auf den ulnokarpalen Kom-
plex (TFCC) ermöglicht. Dieser ist zeltförmig ausgespannt und erscheint an seiner
Oberfläche glatt. Der ulnokarpale Komplex entspricht der Fortsetzung der Ra-
diusgelenkfläche zum Processes styloideus ulnae hin. Palmar, dem Processus be-
nachbart, liegt der Recessus praestyloideus. Zum Erkennen von Perforationen
und Abrissen des ulnokarpalen Komplexes muss unbedingt der Tasthaken einge-
führt werden, mit dem sich im Normalfall ein trampolinartiger Effekt nachweisen
lässt (Abb. 23.8).
226
23.4 Arthroskopie des Handgelenkes 23
▶ Mediokarpalgelenk:

Operationstechniken
• Das Arthroskop wird über die MCR-Pforte und ggf. ein Tasthaken über die MCU-
Pforte in der zuvor beschriebenen Technik platziert.
• Die distalen Knorpelflächen des Skaphoids, des Lunatum und des Triquetrum
können ebenso wie der skapholunäre und lunotriquetrale Übergang beurteilt
werden. Bei Verdacht auf Bandläsionen Prüfung der Stabilität mit dem Tasthaken.
Erleichtert wird dies durch kurzzeitige Abnahme des Gewichts und Bewegen des
Handgelenkes. Distal ist die Inspektion des proximalen Kapitatumkopfes zum
Nachweis eines Knorpelschadens von Bedeutung.
• Weiterhin radialseitig Einsicht in das STT-Gelenk mit distalem Skaphoidpol und
den Basen des Trapeziums und des Trapezoideums.
• Ulnarseitig Sicht auf die Knorpelunterfläche des Hamatums.
▶ Distales Radioulnargelenk: Im Rahmen dieser nur selten erforderlichen Arthrosko-
pie können die Proximalseite des ulnokarpalen Komplexes und die distale Gelenk-
fläche des Ulnakopfes beurteilt werden.

Arthroskopische Therapie
▶ Das Hauptaugenmerk liegt auf Verletzungen des ulnokarpalen Komplexes:
• Traumatische Einrisse (Klasse I nach Palmer):
– Zentraler avaskulärer Bereich (Abb. 23.9): Debridement mit speziellem Shaver-
System und Fasszangen.
– Rupturen in den vaskulär versorgten Randzonen (für die Stabilität entschei-
dend) können mit Hilfe von zwei Kanülen oder speziellen Nahtsystemen in der
Inside-out-Technik genäht werden.
• Degenerative Veränderungen (Klasse II nach Palmer, Abb. 23.10):
– Bei beiden Indikationen ist der Ersteingriff das arthroskopische Debridement.
– Die therapeutische Erfolgsquote liegt bei ca. 70 %. Bei Versagen kann als entlas-
tende Operation die Ulnaverkürzungsosteotomie erfolgen.
▶ Die Reposition intraartikulärer Radiusfrakturen, die im konventionellen Röntgen-
bild nicht oder nur schwierig zu beurteilen sind, kann arthroskopisch kontrolliert
werden Dies gilt insbesondere für Frakturtypen mit zentraler Einstauchung der Ge-
lenkfläche.
▶ Entfernung eines dorsalen Handglenkganglions:
• Einführen des Arthroskopes ulnar (4-5- oder 6-R) und des Shavers über die Pforte 3-4.
• Abtragung und Shaving am Ausgangspunkt des Ganglions im dorsalen Anteil des
skapholunären Bandes (unter Sicht).

Abb. 23.9 • Traumatische Diskusläsion mit Abb. 23.10 • Degenerative Perforation des
zentralem Einriss des ulnokarpalen Komplexes. ulnokarpalen Komplexes, ein Testhaken ist
eingeführt.
227
23 23.5 Hautnahttechniken

23.5 Hautnahttechniken
Operationstechniken

Grundlagen

Beachte
Hautnähte dürfen nie unter Spannung stehen! Gelingt der Verschluss nicht span-
nungsfrei, sollte besser ein Hauttransplantat oder eine Lappenplastik erfolgen.

Nahttechniken
▶ Einzelknopfnaht oder Rückstichnaht (Abb. 23.11 a, b): Wundränder „auf Stoß“ brin-
gen.
▶ Fortlaufende Naht: Sie wirkt bei schlecht zu koagulierenden Hautrandvenen blut-
stillend, z. B. am Endgelenk dorsal.
▶ Kosmetische Intrakutannaht: Durchführung am Handrücken und im Bereich des
Handgelenks möglich, dann in Verbindung mit dünner Subkutan- oder Koriumnaht
(PDS 4 /0 und 5 /0).
▶ Wundzipfelnaht: Nekrosen vermeiden!
▶ Korrektur eines Hautüberschusses: Bei Hautverschiebungen (Transpositionslappen,
Stumpfbildungen) entsteht an der Lappenbasis häufig durch ungleich lange Wund-
ränder ein Hautüberschuss („Eselsohr“). Korrektur durch Ausschneidung des Bu-
row-Dreiecks (Abb. 23.12).

Praxistipp resorbierbare Hautnähte


Wir verwenden sehr häufig Vicryl rapid 4 /0 und 5 /0. Vorteil: Zeitraubendes,
zum Teil schmerzhaftes Fädenziehen (vor allem durch Hausärzte!) entfällt. Nach-
teile wurden in Jahren der Anwendung nicht beobachtet.

Abb. 23.11 • a, b Hautnahttechniken: Ein-


zelknopfnaht (a), Rückstichnaht (b).

23.6 Spalthaut-Transplantat
Grundlagen
▶ Spalthaut wird mit einem Dermatom, für kleinere Transplantate auch mit großer
Skalpellklinge in unterschiedlicher Dicke (Abb. 23.13), entnommen („abgespalten“).
Dünne Spalthaut heilt besser ein, dicke Spalthaut ist besser belastbar und
schrumpft weniger.
228
23.6 Spalthaut-Transplantat 23

Operationstechniken
Abb. 23.12 • Korrektur eines Hautüberschusses („Eselsohr“) durch Ausschneiden des Burow-
Dreiecks.

Abb. 23.13 • Hauttransplantate und


Hautschichten.

▶ Bei gut vaskularisiertem Wundbett wird mittel- bis dreivierteldicke Spalthaut ver-
wendet (Abb. 23.13).
▶ Meshgraft-Transplantate sollten an der Hand nur bei großflächigen Verbrennungen
verwendet werden, da normalerweise immer genügend Haut zur Verfügung steht.

Indikationen
▶ Weichteildefekte, Verbrennungen, besonders im dorsalen Handbereich, Korrektur
von Narbenkontrakturen, Deckung von Lappenhebedefekten.

Entnahmestellen
▶ Oberschenkel, Gesäßaußenseite, ulnar-proximaler Unterarm.
229
23 23.6 Spalthaut-Transplantat

▶ Die Entnahme von der Unterarm-Beugeseite ist aus kosmetischen Gründen insbe-
Operationstechniken

sondere bei Kindern und Frauen zu vermeiden.

Operationstechnik
▶ Markierung der Defektgröße und des zur Entnahme vorgesehenen Hautbezirks.
Dieser sollte mindestens ⅓ größer als der Defekt sein.
▶ Lokalanästhesie.
▶ Einstellen des Dermatoms. Am Handdermatom wird nur die Hautdicke, am Druck-
luftdermatom auch die Breite eingestellt.
■▶ Cave: Arretierung beachten, sonst öffnet sich das Dermatom während des Schnei-
devorgangs.
▶ Einfetten der Haut mit Vaseline, damit die Klinge gleichmäßig gleitet. Einfachste
Methode ist die Verwendung des Papiers von Salbentüll.
▶ Mit einer Hand die Haut spannen, mit der anderen das Dermatom im Winkel von
45° aufsetzen und mit raschen Sägebewegungen die Haut anschneiden. Danach für
den Rest des Schneidevorgangs das Dermatom etwas absenken.
■▶ Beachte: Bis zum Schluss zügig schneiden!
▶ Am Hebedefekt erkennt man die Dicke des Transplantats: Je dicker die Blutungs-
punkte, desto dicker die Spalthautschicht. Das ideale Transplantat ist gleichmäßig
dick.
▶ Das Transplantat auf den Defekt legen. Abschneiden des Überstands und Aufbewah-
ren größerer Reste.
■▶ Beachte: Die Reste können – eingewickelt in Salbentüll und trockene Kompressen
– bis zu 14 Tage im Kühlschrank bei 4° C aufbewahrt werden und bei teilweisem
Nichteinheilen der bereits transplantierten Haut Verwendung finden.
▶ Beim Einnähen erst das Transplantat stechen. Fäden (3 /0 geflochten) lang lassen
zur Fixation des Überknüpfverbands (Abb. 23.14). Eine Skarifizierung ist bei korrek-
ter Technik nicht erforderlich.
▶ 10 Tage zur Transplantateinheilung ruhigstellen. Überknüpfverband nach 5 Tagen,
bei Infektionszeichen Nekrosenentfernung.

Abb. 23.14 • Fixation eines Transplantats durch Überknüpfverband.


230
23.7 Vollhaut-Transplantat 23

Operationstechniken
Abb. 23.15 • Entnahmestellen für Vollhaut-Transplantate.

23.7 Vollhaut-Transplantat
Grundlagen
▶ Ein Vollhaut-Transplantat ist ein Transplantat, das die gesamte Hautdicke ohne Sub-
kutis umfasst (Abb. 23.13). Vollhaut-Transplantate erfordern einen guten Wund-
grund. In ursprünglicher Spannung eingenäht, kommt es normalerweise nicht zu
einer Schrumpfung; Belastbarkeit und Aussehen sind gut.

Indikationen
▶ Deckung von Kuppendefekten und Verbrennungen der Palmarseite.
▶ Korrektur von Narbenkontrakturen.
▶ Hautdeckung bei Operationen der Syndaktylie (S. 338 f.) und Dupuytren-Kontraktur
(S. 354 f.).

Entnahmestellen
▶ Haarfreie Areale von Handgelenk-Beugefalte, Leiste und Oberarm-Innenseite
(Abb. 23.15).

▶ Beachte: Keine Hautrasur unmittelbar präoperativ (Reizzustand)!
Operationstechnik
▶ Anfertigen von Schablone(n) eines oder mehrerer Defekte aus Papier oder Schaum-
stoff. Auflegen der Schablonen an der Entnahmestelle, so dass eine ovaläre Exzision
möglich ist. Zur späteren Identifizierung Einritzen der Schablonenumrisse mit ei-
nem Skalpell. Die Längsachse des Ovals liegt in Hautfaltenrichtung.
▶ Scharfes Abpräparieren der Haut von der Subkutis unter Spannung (Assistent) und
Zug (Operateur). Fettgewebsreste mit Schere entfernen.
▶ Einnähen, Fixation und Nachbehandlung wie Spalthaut-Transplantat.

231
23 23.8 Z-Plastik

23.8 Z-Plastik
Operationstechniken

Grundlagen
▶ Z-Plastiken dienen dem Längengewinn zu Lasten der seitlichen Haut.

Indikationen
▶ Unter anderem Narbenkontrakturen, Dupuytren-Kontraktur (S. 352 f.) und angebo-
rene Schnürringbildung (S. 345).

Operationstechnik
▶ Einfache Z-Plastik (Abb. 23.16):
• Exzision der Narbe in Richtung der gewünschten Verlängerung.
• Inzision des ersten Z-Schenkels im Winkel von 60°.
• Heben als Lappen mit der Subkutis. Transposition zur Gegenseite.
• Markierung des Gegenschenkels. Heben dieses Lappens. Gegenläufige Transposi-
tion.
■▶ Cave: „Freihändiges“ Schneiden vermeiden, da so entstandene Lappen am Ende
oft nicht passen.
▶ Multiple Z-Plastiken (Abb. 23.17 a, b): Vorgehen Schritt für Schritt wie in der oben
beschriebenen Weise, so dass ggf. modifiziert werden kann.

▶ Beachte: Die umliegende Haut weist nicht immer Idealverhältnisse auf.

Abb. 23.16 • Einfache Z-Plastik.

Abb. 23.17 • a, b Multiple Z-Plastiken zur


Korrektur einer kontrakten Narbe.

23.9 Transpositionslappen
Grundlagen
▶ Prinzip: Lokale Lappen ohne spezielles Durchblutungsmuster sind aufgrund guter
Hautverschieblichkeit am Handrücken und an den Fingern dorsal und seitlich mög-
lich. Sie erfordern individuelle Planung und geometrische Vorstellungskraft.
232
23.9 Transpositionslappen 23

Operationstechniken

Abb. 23.18 • a–c Defektdeckung durch Transpositionslappen: Rotationslappen (a), Schwenk-


lappen (Möglichkeit der Lappenverlängerung rot markiert, s. Text) (b), Verschiebelappen (c).

▶ Ein Defekt kann mit einem Transpositionslappen durch Rotation (Abb. 23.18 a),
Schwenken (Abb. 23.18 b) oder Verschieben (Abb. 23.18 c) gedeckt werden.

Indikationen
▶ Kleinere und mittelgroße Defekte an Fingern und Handrücken inmitten sonst un-
vernarbter Haut.

Vorbereitungen
▶ Defektvorbereitung: Defektrand glätten. Nahezu jeder Defekt lässt sich in Dreieck-
oder Rhombusform verwandeln.
▶ Lappenplanung: Lappenbreite : Lappenlänge = 1 : 1 (maximal 1 : 1,5).
233
23 23.10 Spezielle Techniken an den Sehnen

Operationstechnik
Operationstechniken

▶ Durchtrennen von Haut und Subkutis entlang des vorgesehenen Lappens. Gesunde,
verschiebliche Haut vom Lappenstiel weg unterminieren, damit der Drehpunkt des
Lappens zum Defekt hin verschoben werden kann.
▶ Nach Lappenhebung Öffnen der Blutleere:
• Sofortige rosige Farbe zeigt an, dass der Lappen leichte Spannung verträgt.
• Blasse oder livide Hautfarbe zeigt an, dass der Lappen beim Einnähen keine Span-
nung verträgt.
▶ Blutstillung.
■▶ Cave: Hämatomdruck kann zu Lappennekrose führen!
▶ Deckung des verbleibenden Hebedefekts mit Spalthaut.
▶ Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Reduktion von Spannung:
• Wählen eines Lappens, der länger als der Defekt ist. Es entsteht dann allerdings
ein Hautüberschuss („Eselsohr“, Abb. 23.12).
• Alternativ Einschnitt der Lappenbasis (back-cut). Dies verschlechtert jedoch das
Verhältnis von Länge zu Breite des Lappens.
▶ Den Verschluss des Hebedefekts auf keinen Fall erzwingen. Im Zweifel Spalthaut-
deckung des Hebedefekts vorziehen.

23.10 Spezielle Techniken an den Sehnen


Entnahme von Sehnentransplantaten
▶ Zur Verfügung stehende Sehnen:
• Hand: Sehnen von M. palmaris longus, M. extensor indicis, M. extensor digiti mi-
nimi und Mm. flexor digitorum superficialis II–V.
• Fuß: Sehnen von M. plantaris longus (fehlt bei 25 %), Mm. extensor digitorum II–
V.
▶ Entnahmetechnik der Sehne des M. palmaris longus:
• Klinische Prüfung (Abb. 23.19): Prüfung durch Opposition des Daumens und
gleichzeitige Beugung des Handgelenks gegen Widerstand.
• Operatives Vorgehen:
– 1 – 2 cm lange, quere Hautinzision in der Handgelenk-Beugefalte über der Seh-
ne des M. palmaris longus. Freipräparation und eindeutige Identifikation. Cave:
Bei fehlendem M. palmaris longus Verwechslungsgefahr mit dem N. medianus!
– Vorziehen der Sehne des M. palmaris longus mit Sehnenhaken und Präparation
nach distal bis zum Ansatz in der Palmaraponeurose.
– Annähen eines 3 /0-Fadens und Durchtrennung der Sehne distal davon. Die
Sehne mit Hilfe des Fadens durch die Öffnung des Sehnenstrippers führen. Das
Sehnenende wird mit einer kräftigen Klemme angeklemmt und straff gehalten.
Handgelenk passiv strecken.
– Vorschieben des Strippers unter gleichzeitigen Drehbewegungen. Hierbei da-
rauf achten, dass die Klemme nicht abreißt. Beachte: Der Stripper schneidet
erst im muskulären Bereich ab. Das ist weiter proximal, als man denkt! Plötz-
lich lässt die Spannung nach, und die Sehne kann herausgezogen werden.

Abb. 23.19 • Klinische Prüfung M. palmaris


longus.
234
23.10 Spezielle Techniken an den Sehnen 23

Operationstechniken
Abb. 23.20 • Durchflechtungsnaht nach
Pulvertaft.

Abb. 23.21 • Transossäre Ausziehnaht.

– Abpräparieren des Muskelgewebes vom Sehnentransplantat. Transplantat bis


zur Verwendung feucht aufbewahren.
▶ Entnahmetechnik Sehne des M. plantaris longus: Die Operationstechnik entspricht
der Entnahmetechnik der Sehne des M. palmaris longus. Diese wird dorsal des In-
nenknöchels neben der Achillessehne dargestellt.

Durchflechtungsnaht (Pulvertaft)
▶ Indikation: Verbindung von Sehnen unterschiedlichen Kalibers bei Sehnentrans-
plantation oder Sehnentransposition (Abb. 23.20).
▶ Durchführung: Sehneneinflechtklemme oder 11er-Skalpell in Verbindung mit fei-
ner chirurgischer Klemme. Nähte PDS oder Nylon 4 /0.

Transossäre Ausziehnaht
▶ Indikation: Fixation einer an der Insertion abgetrennten (abgerissenen) Profundus-
sehne oder eines Transplantats.
▶ Durchführung:
• Schrägen Kanal (2,7 mm) durch das Endglied bohren.
• Spezielle Ausziehnaht (4 /0 geflochten, doppelt armiert, mit gerader Nadel) in
Schnürsenkel-Nahttechnik (Abb. 23.21) an der Sehne befestigen.
• Extrakutane Fixation über einem Knopf.
235
23 23.11 Nerventransplantat-Entnahme

Spannungsbestimmung bei Sehnentransplantation/-transposition


Operationstechniken

▶ Nach Durchflechten der Sehnen das Handgelenk in Neutral-Nullstellung bringen.


▶ Die Motorsehne (proximaler Stumpf) unter Spannung halten, den (die) Finger pas-
siv in die gewünschte Stellung der wiederherzustellenden Funktion bringen (Beu-
gung bei Beugesehnen-Transplantation, MP-Gelenkstreckung bei Wiederherstel-
lung des M. extensor digitorum, volle palmare Abduktion des Daumens bei Oppo-
nensplastik etc.).
▶ Auch die distale Sehne (oder das Transplantat) muss in dieser Position straff sein.
2 – 3 fixierende Nähte legen.
▶ 3 Kriterien für die Bestimmung der korrekten Spannung:
1. In Neutralstellung des Handgelenks sollte(n) nun der (die) betroffene(n) Finger
einen etwas erhöhten Ruhetonus haben. Beispiele:
– Bei einer Opponensplastik soll die Daumenkuppe der Ringfingerkuppe gegen-
überstehen.
– Bei Beugesehnen-Rekonstruktion soll der Finger innerhalb der normalen Fin-
gerkaskade etwas stärker gebeugt sein.
2. Die antagonistische Bewegung muss passiv möglich sein:
– Daumenendgelenk-Beugung bei Umlagerung des M. extensor indicis.
– Fingerbeugung bei Strecksehnen-Rekonstruktion.
– Daumenabduktion bei Opponensplastik etc.
3. Tenodesetest (Abb. 26.6) zur Prüfung des korrekten Tonus:
– Bei maximaler passiver Handgelenkbeugung sind Daumen und Zeigefinger in
allen Gelenken gestreckt, Mittel-, Ring- und Kleinfinger haben ein Streckdefizit
im MP-Gelenk von 20 – 30°.
– Bei maximaler passiver Handgelenkstreckung stehen Daumen und Finger in
mittlerer Beugung.
▶ Zeigt die Testung eine korrekte Spannung, wird die Naht vervollständigt.

23.11 Nerventransplantat-Entnahme
Entnahmestellen
▶ Zur Wiederherstellung von Fingernerven: N. cutaneus antebrachii ulnaris.
▶ Für alle anderen Indikationen eignet sich der N. suralis.

Operationstechniken
▶ Entnahmetechnik N. cutaneus antebrachii ulnaris: Quere Inzision am Unterarm ul-
nar ellenbeugennah, ggf. Mikroskop.
▶ Entnahmetechnik N. suralis (Abb. 23.22):
• Seitenlagerung. Bauchlagerung bei beidseitiger Entnahme. Dann intraoperativ
umlagern.
• Querinzision zwischen Außenknöchel und Achillessehne. Weitere Inzisionen alle
4 cm nach proximal.

▶ Beachte: Der Nerv zieht (subfaszial) zur Mitte des Unterschenkels und dann zur
Kniekehle. Er hat Abzweigungen, die abgetrennt werden müssen.
• Durchtrennung des Nervs distal. Schrittweise Präparation, Mobilisation und He-
rausziehen nach proximal.

▶ Cave: Schädigung des Transplantats durch Auffasern der Faszikel.
• Die Entnahme durch Längsinzision über die gesamte Länge ist atraumatischer, er-
gibt aber eine auffälligere Narbe. Die Entnahme ist bis zu einer Länge von 40 cm
möglich.
• Endoskopische Technik (Abb. 23.23): Von uns inzwischen bevorzugt. Die Opera-
tion erfolgt nach den Prinzipien und mit den Instrumenten (Spekulum und En-
doskop) wie in Kapitel 24 dargestellt.
236
23.12 Knochentransplantat-Entnahme 23

Operationstechniken
Abb. 23.22 • Entnahme N. suralis durch
mutiple Inzisionen.

Abb. 23.23 • Entnahmetechnik


N. suralis in endoskopischer Tech-
nik.

23.12 Knochentransplantat-Entnahme
Indikationen
▶ Knochentumoren, Pseudarthrosen, traumatische Defekte.

Entnahmestellen
▶ Der Beckenkamm ist die am häufigsten verwendete Entnahmestelle („Becken-
span“), seltener wird ein Knochentransplantat aus dem distalen Radius entnom-
men.
▶ Bei komplexen Verletzungen kann auch Knochen nicht replantationsfähiger Phalan-
gen transplantiert werden.

237
23 23.12 Knochentransplantat-Entnahme

Operationstechniken
Operationstechniken

▶ Entnahmetechnik Beckenkamm:
• Unterpolstern des Gesäßes auf der Entnahmeseite zur Anhebung des Beckenkam-
mes. Verziehen der Haut nach medial und Inzision 2 cm dorsal der Spina iliaca
anterior direkt über dem Beckenkamm (Abb. 23.24 a). Dadurch wird eine Schädi-
gung des N. cutaneus femoris lateralis sicher vermieden. Die Narbe liegt später
weit lateral (Abb. 23.24 b) und stört am Hosenbund nicht.
• Durch die Faszie direkt bis auf den Knochen schneiden. Muskulatur nach dorsal
abschieben.
• Entnahme des Transplantats von der Außenseite des Beckenkamms. Läsionen der
Äste des Plexus lumbalis werden dadurch vermieden.
• Zunächst senkrechtes, dann queres Aufmeißeln des Beckenkamms. Der Becken-
kammdeckel lässt sich dann wie ein schwergängiger Truhendeckel anheben
(Abb. 23.25).
• Herausmeißeln oder -sägen des Knochenspans (spongiös oder kortikospongiös)
in gewünschter Größe.

▶ Cave: Bei älteren Patienten und Rheumatikern ist der Knochen oft brüchig! Vor-
teil bietet eine Beckenkammfräse!
• Zurückklappen des Deckels, Fasziennaht.

Abb. 23.24 • a, b Hautinzision für Beckenspan-Entnahme (s. Text).

Abb. 23.25 • Knochenspanentnahme am


Beckenkamm.
238
23.13 Osteosyntheseverfahren, K-Drahtfixation 23

Operationstechniken
Abb. 23.26 • Alternative Technik: Entnahme mit Hohlraumfräse (mit freundlicher Genehmigung
der Fa. KLS Martin, Tuttlingen).

• Eine Drainage ist in der Regel nicht erforderlich. Wird eine Drainage angelegt, da-
rauf achten, dass kein oder nur ein intermittierender Sog besteht.
■▶ Tipp: Zur postoperativen Analgesie wird die Beckenwunde mit Carbostesin infilt-
riert.
• Mobilisation der Patienten ab dem 1. postoperativen Tag.
▶ Alternative Technik (Abb. 23.26):
• Entnahme eines kortikospongiösen Knochenzylinders unterhalb des Becken-
kamms mit spezieller Hohlraumfräse. Wir verwenden hierzu die Beckenkammf-
räse der Fa Martin (KLS-Martin-Beckenkammfräse, s. Abb. 23.26). Es stehen 2
Größen mit Durchmesser von 16 mm und 23 mm zur Verügung.
• Vorteile: Verkürzte OP-Zeit, signifikante Reduzierung der Schmerzen, da der Be-
ckenkamm intakt bleibt.
• Technik: Ca. 4 cm langer Hautschnitt unterhalb des Beckenkamms, Inzision der
Muskelfaszie und Abschieben der Muskulatur bis auf das Periost, Einsetzen der
Fräse ca. 1–2 cm unterhalb des Beckenkamms, Einschlagen der Dornen um ein
Abgleiten zu verhindern, Entnahme des Knochenblockes durch kontinuierliches
Drehen bis ein Wiederstandverlust eintritt, sorgfältige Blutstillung, Muskelfas-
ziennähte, Redondrainage grundsätzlich.
▶ Entnahmetechnik Radius:
• Inzision über der Schaftmitte distal in Höhe des 2. Streckerfaches.
• Herausmeißeln und Heben eines Deckels (ca. 6 × 8 mm).
• Herauslöffeln der Spongiosa (bei älteren Patienten oft sehr flüssig und krümelig).

23.13 Osteosyntheseverfahren, K-Drahtfixation


Grundlagen
▶ Ziele der Osteosynthese: Wiederherstellung der Skelettanatomie, Übungsstabilität
und rasche Knochenheilung.
▶ Osteosyntheseverfahren: Zur Verfügung stehen Kirschner-Draht, intraossäre Draht-
naht, Cerclage, Minischrauben (Titan), Miniplatten (Titan), Zuggurtung und der Fi-
xateur externe.

239
23 23.13 Osteosyntheseverfahren, K-Drahtfixation

Kirschner-Drahtfixation (K-Drahtfixation)
Operationstechniken

▶ Indikationen: Offene Frakturen mit Weichteilschaden, Mehrfragmentfrakturen


(auch bei Replantation), bei denen zusätzliche Denudierung zu vermeiden ist.
▶ Perkutane Kirschner-Drahtfixation:
■▶ Cave: Diese Technik ist keine Anfängeroperation! Sie erfordert Erfahrung in offe-
nen Osteosynthesetechniken, einen sehr guten Bildwandler und dessen perfekte
Beherrschung.
• Nachteile: Keine gute interfragmentäre Kompression, Weichteil- und Knochen-
schädigung durch Fehlversuche.
▶ Offene Kirschner-Drahtfixation: Dieses Verfahren wird von uns aufgrund der ge-
nannten Nachteile der perkutanen Osteosynthese meistens bevorzugt.
• Vorteile: Die K-Drahtfixation, bei fast allen Frakturtypen anwendbar, erfordert ge-
ringe Präparation, die Materialentfernung ist einfach.
• Nachteil: Thermische Schädigung von Haut, Weichteilen und Knochen möglich,
störende Drahtenden, Lockerung und Drahtwanderung sind möglich.
• Material: Beidseits spitze K-Drähte, 0,8 mm (sowie 0,6 mm bei Kindern) und
1 mm für Finger, 1,2 mm für Mittelhand und Handwurzel.
• Instrumente: Mit einer Hand bedienbare Bohrmaschine, Repositionszange(n),
Pfriem, Seitenschneider, Biegezange.
• Operationstechnik:
– Darstellung der gesamten Fraktur, Schonung des Periosts. Reposition und Re-
tention durch Zange, Finger oder anderes Instrument.
– Anbohrung des vorgesehenen Ansatzpunkts mit Pfriem (Körnung). Einschie-
ßen eines oder mehrerer Drähte (Abb. 23.27 a–c) mit moderater Drehzahl un-
ter Spülung mit Kochsalz. Adaptation der Fragmente durch divergierende
Drähte. Cave: K-Drähte nur bei sicherer interfragmentärer Kompression in der
Fraktur kreuzen, andernfalls besteht die Gefahr der Diastase und späteren
Pseudarthrosenbildung!
– Knochennahe Kürzung, evtl. vorsichtiges Umbiegen der Drähte. Cave: Hier-
durch ist eine erneute Frakturdislokation möglich.

▶ Beachte: Die Drahtenden sollten einer frühfunktionellen Therapie nicht im We-
ge stehen, zur Erleichterung der Entfernung aber auch tastbar bleiben.

Kombination K-Draht mit intraossärer Drahtnaht


▶ Indikation: Die Kombination führt zu deutlich größerer Stabilität als die alleinige K-
Drahtfixation (Abb. 23.28).
▶ Operationstechnik:
• Retrogrades Einbringen des K-Drahtes, Zurückziehen (stand by).

Abb. 23.27 • a–c K-Drahtosteosynthese einer Grundglied-Kopffraktur (s. Text).


240
23.14 Schraubenosteosynthese 23

Operationstechniken
Abb. 23.28 • Osteosynthese einer Mittel-
gliedfraktur durch K-Draht und intraossäre
Drahtnaht (s. Text).

• Frakturnahe quere Bohrungen mit K-Draht (1 mm). Einfädeln des Drahtes


(0,6 – 0,8 mm), ggf. mit Hilfe einer 1er-Kanüle.

▶ Beachte: Zwirnung an Daumen und Zeigefinger möglichst ulnar, am Kleinfinger
radial (weniger exponiert).
• Straffziehen des Drahtes, so dass er bündig am Knochen liegt. Reposition und
Zwirnung sollen zu guter Kompression führen.
• Schießen des „Stand-by-Drahtes“ durch die Gegenkortikalis (Rotationsstabilität).
• Kürzung von Draht und Zwirnung, Umbiegen der Zwirnung, evtl. intraossäre Ver-
senkung.

23.14 Schraubenosteosynthese
Schrauben-Osteosynthese
▶ Indikationen: Führt bei Schräg- und Spiralfrakturen zu optimaler Stabilität.

▶ Cave: Es müssen mindestens 3 Schrauben eingebracht werden, da ansonsten keine
ausreichende Stabilität vorliegt und das Risiko für sekundäre Dislokation ansteigt.
Die klassische Zugschraubentechnik mit Aufbohren der schraubennahen Kortikalis
kommt im Fingerbereich kaum zur Anwendung, da ein sicherer Schraubenhalt für
die Knochenheilung wichtiger ist als Kompression.
▶ Instrumentarium: Komplett in Minifragmentkästen enthalten. Wir verwenden das
Modulare Osteosynthese-System (MOH9 Hand der Firma KLS Martin (http://www.
klsmartin.com/MOH.597.0.html), Schraubendurchmesser an den Metakarpalia 2,0
und 2,3, mm an den Phalangen 1,2 und 1,5 mm.
▶ Operationstechnik:
• Periostschonende Darstellung der Fraktur.
• Reposition mit Zange, bei Platzmangel temporäre K-Drahtfixation.
• Bohrung senkrecht zur Fraktur

▶ Cave: Bohrerdurchmesser in Abhängigkeit vom Schraubendurchmesser prüfen.
Farbcodierung beachten! Kühlung und niederfrequentes Bohren zur Vermei-
dung von Hitzeschäden.
• Messen der Schraubenlänge.
• Manuelles Schneiden des Schraubengewindes nur, wenn Schrauben nicht selbst-
schneidend (selbstschneidende Schrauben sind heute meist die Regel).

▶ Cave: Instrument nicht abwinkeln, sonst wird das Gegenloch nicht getroffen.
• Einbringen und moderates Festziehen der Schraube.
241
23 23.15 Verschiedene Osteosyntheseverfahren


▶ Cave: Wenn die Schraube nicht das Gegenloch fasst, sondern gegen die jenseiti-
Operationstechniken

ge Kortikalis stößt, wird die Fraktur distrahiert. Wenn die Schraube nicht spür-
bar fasst, zurückdrehen und korrekte Richtung mit K-Draht austasten.

23.15 Verschiedene Osteosyntheseverfahren


Plattenosteosynthese
▶ Indikationen: Querfrakturen, einfache Mehrfragmentfrakturen, gelenknahe Fraktu-
ren, Defektüberbrückung an der Mittelhand.
▶ Material: An den Phalangen nur dünne Miniplatten aus Titan verwenden. Vorteile
gegenüber herkömmlichen Platten: Weniger ausgedehnte Knochenfreilegung erfor-
derlich, geringere Vernarbung und unproblematischer Wundverschluss.
▶ Operationstechnik:
• Anpassen der Platte.
• Zur größeren Stabilität sind jeweils 2 Schrauben proximal und distal der Fraktur
erforderlich.
• Fixation der Platte zunächst an einem Fragment mit 2 Kortikalisschrauben (Boh-
ren, Messen, Gewindeschneiden, Eindrehen). Schraubengröße je nach Lokalisa-
tion und System 1,2 – 2,3 mm.
• Anschließend Reposition der Fragmente.
• Die Anpassung der sehr variablen Titan-Miniplatten ist bei Platzmangel weniger
problematisch, die Fixierung durch selbstschneidende Schrauben einfacher.

Fixateur externe
▶ Indikation: Drittgradig offene Mehrfragmentfrakturen.
▶ Nachteil: An den Fingern muss der Fixateur externe (Minifixateur) meist gelenk-
übergreifend montiert werden und ist daher schlecht geeignet für frühe Bewegung.
Wir verwenden ihn kaum.

Cerclage
▶ Indikationen: Die Anwendung einer Cerclage ist kein Standardverfahren, sondern
ein Ausweichmanöver im Einzelfall bei Mehrfragmentfrakturen.
▶ Operationstechnik:
• Im Gegensatz zur intraossären Drahtnaht wird der Cerclagedraht (oder PDS-Fa-
den der Stärke 3 /0!) mit Deschamps um den Knochenschaft herumgeführt und
durch Zwirnung gestrafft.

▶ Cave: Beugesehne!
• Einkerbung der Kortikalis, da eine Cerclage sonst leicht verrutschen und sich lo-
ckern kann.

Zuggurtungs-Osteosynthese
▶ Indikationen: Anwendung in erster Linie bei größeren knöchernen Strecksehnen-
Ausrissen an End- oder Mittelgliedbasis. Auch für Arthrodesen.
▶ Operationstechnik:
• Adaptation der Fragmente durch 2 parallel eingebrachte K-Drähte.
• Quere Bohrung distal im Schaft, durch die ein Draht (0,6 – 0,8 mm) geführt wird.
• Umschlingung der proximalen K-Drahtenden in Achtertour und kräftige Zwir-
nung zum Erreichen guter Kompression.

242
23.16 Fingerstrahlamputation 23
23.16 Fingerstrahlamputation

Operationstechniken
Grundlagen

Beachte
Ein Zeigefingerstrahl-Verlust kann gut kompensiert werden, eine Kleinfinger-
strahl-Amputation führt dagegen zu deutlichem Kraftverlust. Bei gut beweglich-
em MP-Gelenk und unempfindlichem Stumpf nützlicher Länge ist die Indikation
zur Strahlamputation V zurückhaltend zu stellen.

Indikationen
▶ Primäre Indikation: Nicht rekonstruierbarer, zerstörter Finger.
▶ Dringliche Indikationen: Infektion, Gangrän, maligner Tumor, wenn Histologie und
Lokalisation eine Teilamputation nicht erlauben.
▶ Funktionslosigkeit (Asensibilität, Unbeweglichkeit, erhebliche Kälteempfindlichkeit,
störender Stumpf).

Operationstechnik Zeigefingerstrahl-Amputation
▶ Großzügige Lappenbildung am Grundglied (Abb. 23.29).
▶ Von palmar: Beugesehnen vorziehen, kürzen. Gemeinsamen Nerven II/III nach pro-
ximal auftrennen, Zeigefingernerven durchtrennen und intramuskulär verlagern.
Arterien ligieren. Radiale Arterie zum Mittelfinger schonen.
▶ Von dorsal: M. extensor digitorum II und M. extensor indicis durchtrennen, ggf. an
M. extensor digitorum III fixieren. Darstellung des M. interosseus dorsalis I, mit Seh-
nenansatz abtrennen und anschlingen. Ulnare Durchtrennung des Lig. metacarpale
transversum profundum. Subperiostale Freilegung des Mittelhandknochens II. Ba-
sisnahes schräges Absägen.
▶ Reinsertion des M. interosseus dorsalis I am Kopf des Mittelhandknochens III zur
Konturierung der Kommissur, als Verstärkung des M. interosseus dorsalis II nicht
erforderlich.

Abb. 23.29 • a, b Zeigefingerstrahl-Amputation (s. Text).


243
23
Operationstechniken 23.16 Fingerstrahlamputation

Abb. 23.30 • a, b Resektion Mittelfingerstrahl und Spaltverschmälerung (s. Text).

▶ Nach Öffnen der Blutleere und Blutstillung Einnähen des Hautlappens.

Operationstechnik Kleinfingerstrahl-Amputation
▶ Analoges, aber spiegelbildliches Vorgehen wie am Zeigefinger (s. o.).

▶ Beachte: Schonung der Äste des R. dorsalis n. ulnaris!
Resektion Mittel-/Ringfingerstrahl
▶ Operationstechniken: 2 Varianten:
• Exartikulation der Mittelhandknochen-Basis und Vernähung der Stümpfe der
Ligg. metacarpalia transversa profunda. Dadurch wird eine Verschmälerung des
Spaltes erreicht (Abb. 23.30 a).
• Alternativ besteht die Möglichkeit der Transposition von Strahl II auf III bzw.
Strahl V auf IV (Abb. 23.30 b).

244
24.1 Allgemeines 24
24 Minimal invasive und endoskopische

Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie


Handchirurgie
24.1 Allgemeines
Grundlagen
▶ Ziele:
• Verbesserung der atraumatischen Technik (s. S.221) und Verringerung der peri-
und postoperativen Morbidität.
• Bewährte operative Standardmethoden nicht ersetzen, sondern sinnvoll ergän-
zen.
▶ Generelle Vorteile:
• Für jeden chirurgisch Tätigen leicht zu erlernende Technik, die sich für die jewei-
ligen Anwendungsbereiche entsprechend modifizieren lässt.
▶ Perioperative Vorteile:
• Sanfte Spreizung statt scharfer Zertrennung der Gewebe → Erhaltung der Gewe-
befunktionen.
• Weniger Schneiden und Präparieren gegeneinander gleitender Gewebeschichten
→ geringere Blutung → bessere visuelle Erkennung anatomischer Strukturen.
▶ Postoperative Vorteile:
• Geringere Narbenbildung.
• Weniger Verklebungen von Sehnen, Nerven und anderen Gewebestrukturen
→ geringere Einschränkung der Beweglichkeit.
• Weniger Schmerzen.
• Mutigere und kooperativere Patienten in der Nachbehandlung.
• Verkürzte Erholungs- und Heilungsphase.
• Raschere Wiederaufnahme der Arbeit und der gewohnten Tätigkeiten.
• Geringere ästhetische Probleme.
▶ Nachteile:
• Spezielle Geräte und Instrumente zur Endoskopie erforderlich.
• Lernkurve und spezielle Ausbildung erforderlich.
• Zum Teil größerer operativer Aufwand.
▶ Indikationen: Die in diesem Kapitel beschriebenen Anwendungsmöglichkeiten er-
heben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Minimal invasive und endoskopische
Techniken entwickeln sich dynamisch weiter.

Instrumentarium und praktisches Vorgehen


▶ Grundprinzipien:
• Minimale Inzision zur Darstellung der relevanten Struktur (Nerv, Sehne etc).
• Tunnelung der Weichteile zur Schaffung eines Raumes.
• Visualisierung durch beleuchtete Spekula und/oder Endoskope.
• Präparation unter Sicht bzw. mit Blick auf Monitor.
▶ Inzision für minimalinvasiven Eingriff:
• An der Hand und am Unterarm: Möglichst entlang den natürlichen Falten der
Haut → Vermeidung auffälliger Narben.
• Verlauf somit meistens leicht gebogen quer oder schräg, selten gerade, nie längs.
• Evt. ist es vorteilhaft, einen größeren Bereich mit mehreren Inzisionen darzustel-
len.
▶ Spekula:
• Je nach Operationssitus und vorgesehener Operation kommen verschiedene Spe-
kula zum Einsatz. Diese unterscheiden sich hinsichtlich Blattlänge und -breite
(Abb. 24.1).

245
24
Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie 24.1 Allgemeines

Abb. 24.1 • Handchirurgische Spekula


verschiedener Blattlänge (mit freundlicher
Genehmigung der Firma KARL STORZ,
Tuttlingen).

Abb. 24.2 • Endoskope mit verschiedenen


Dissektoren an der Spitze (mit freundlicher
Genehmigung der Firma KARL STORZ,
Tuttlingen).

• Lichtquellen zur Beleuchtung des OP-Situs:


– Im Spekulum eingebauter Lichtleiter, der mit einem Lichtkabel verbunden ist.
– Auf das Spekulum aufschraubbare kleine Leuchte mit Lithiumbatterie. Macht
den Einsatz in der Praxis besonders unkompliziert.
– Individuell einstellbare OP-Lampe.
– Kopflampe – wie in der HNO-Chirurgie.
• Mit Spekula minimal invasiv zu operieren, erfordert einen Raum, der den natür-
lichen Körperöffnungen ähnelt. Schaffung eines Tunnels mittels Nadelhalter oder
Kornzange, in dem man die natürlichen Schichten durch vorsichtiges Spreizen
trennt.
• Einführen des Spekulums mit einer Hand in den vorbereiteten Raum → langsam
spreizen → OP-Gebiet dreidimensional gut sichtbar
• Störende Elemente wie Fettgewebe werden optimal, besser als mit Langenbeck-
Haken, weggehalten und vulnerable Strukturen, z. B. Nerven, optimal geschützt.
• Der operative Eingriff erfolgt nun mit der anderen Hand, die Skalpell, Schere,
Klemme oder Bipolarpinzette führt. Benötigt man beide Hände zum Operieren,
wird das gespreizte Spekulum mit einer Stellschraube fixiert und von der OP-
Schwester oder dem Assistenten gehalten.
• Das Spekulum kann auch beim Offenhalten der kleinen Inzisionen sehr hilfreich
sein. Es funktioniert dabei wie 2 Langenbeck-Haken, der Operateur kann es je-
doch je nach Bedarf auch mit einer Hand einsetzen.
▶ Endoskope:
• Die Endoskope haben in der Regel einen Durchmesser von 4 mm und einen Sicht-
winkel von 30 Grad bei einer Länge von ca. 15 cm.
• An der Spitze des Schaftes Dissektor verschiedener Größe und Form (Abb. 24.2),
mit Hilfe dessen einerseits das Hochhalten des Weichteilmantels erfolgt, mit dem
andererseits auch operiert wird.
• Gewebe kann mit dem Dissektor zur Seite geschoben und weggehalten, aber auch
separiert werden.
▶ Weitere Instrumente:
• Hand:
– Nadelhalter zur Schaffung eines Raums in den Weichteilen.
– Typische handchirurgische Instrumente.
• Unterarm: Kräftigere Metzenbaum-Scheren mit abgerundeter Spitze zur Vermei-
dung von Nervenverletzungen in der Tiefe.
246
24.2 Tendovaginitis stenosans 24

Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie


Abb. 24.3 • Instrumentenset zur
endoskopischen Dekompression
des N. ulnaris im Kubitaltunnel
(mit freundlicher Genehmigung
der Firma KARL STORZ, Tuttlin-
gen).

• Das gesamte Instrumentenset ist als Kubitaltunnelset zu beziehen (Abb. 24.3);


KARL Storz, Tuttlingen).

24.2 Tendovaginitis stenosans


Grundlagen
▶ Siehe auch S. 179 (Kap. 19.3).
▶ Die perkutane Operationstechnik der Ringbandspaltung an den Fingern ist nicht
neu.
▶ Vorwiegend beschrieben wurden Operationsmethoden, die entweder eine scharfe
Kanüle benutzen oder aber ein spezielles Messer. Die publizierten Ergebnisse mit
beiden Techniken sind gut.
▶ Alternativ lässt sich die perkutane Technik anwenden, indem eine 15er-Skalpell-
klinge ohne Griff benutzt wird. Dies hat den Vorteil, dass ein der üblichen Opera-
tionstechnik angemessenes Messer Verwendung findet (welcher Chirurg schneidet
oder präpariert scharf mit einer Kanüle?), andererseits entfällt die Notwendigkeit
eines speziellen Instruments.

Anatomie
▶ Für die minimal invasive und perkutane Technik sind topographische Landmarken
von großer Wichtigkeit. Für die offene Operation, bei der ein ausreichend großer
Schnitt erfolgt, um die gesamte Anatomie zu besichtigen, mag dies unbedeutend
sein.
▶ Das A1-Ringband des Kleinfingers ist durchschnittlich ca. 10 mm lang, das der Zei-
ge-, Mittel- und Ringfinger ca. 12 mm.

247
24 24.2 Tendovaginitis stenosans

▶ Die Distanz zwischen Mittelgelenk- und Grundglied-Beugefalte (24,2 mm) korres-


Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie

pondiert exakt mit der Distanz zwischen Grundglied-Beugefalte und proximalem


Rand des A1-Ringbandes (24,5 mm).
▶ Der seitliche Abstand zu den Gefäß-Nerven-Bündeln beträgt zwischen 5,4 und
8,5 mm.

Indikation
▶ Die Indikation zur perkutanen Ringbandspaltung stellen wir bei eindeutigem
Schnappen des Fingers. In diesem Stadium ist der inflammatorische Prozess i. d. R.
abgeklungen. Bei Schwellung, Rötung und schmerzhafter Bewegungseinschränkung
führen wir entweder die offene Ringbandspaltung (S. 358 [Kap. 36.2]) oder die mi-
nimalinvasive Technik durch (S.249 [Kap. 24.3.2]), häufig dann in Kombination mit
lokaler Tenosynovialektomie. Alternativ injizieren wir zunächst lokal Kortison.

Operationstechnik
▶ Perkutane Operationstechnik:
• Eingriff in Lokalanästhesie und Oberarm-Blutleere.
• Die topographischen Landmarken müssen dem Operateur geläufig sein, bei Be-
darf (vielleicht zu Beginn der sehr kurzen Lernkurve vielleicht) können Markie-
rungen entsprechend den obigen Angaben gemacht werden.
• Lagerung der Hand mit vom Patienten aktiv gestreckten Fingern.
• 2 mm kurze longitudinale Stichinzision entweder unmittelbar distal oder proxi-
mal vom Rand des A1-Ringbandes.
• Schneide des Skalpells senkrecht auf dem Ringband platzieren und mit dem Zei-
gefinger der freien Hand in die Tiefe drücken (Abb. 24.4). Die Durchtrennung er-
folgt in Längsrichtung und ist sofort hör- und fühlbar.

▶ Beachte: Kein Hin- und Herschneiden, um eine Verletzung der Beugesehnen zu
vermeiden.
• Vorsichtige „Palpation“ mit der Klinge. Sind keine weiteren Verhärtungen im
Ringbandbereich feststellbar, Auslösen des Schnappens durch den Patient (Video-
sequenz anzusehen unter http://www.hpc-oldenburg.de/33-0-Schnellender-Fin-
ger.html).
• Bei residuellem Haken der Sehne (sehr selten) Skalpell erneut perkutan auf die
inkomplett durchtrennte Sehne drücken.
• Dauer: Insgesamt deutlich < 1 min.
• Anschließend gepolsterten Verband anlegen und 24 h belassen.

Abb. 24.4 • Perkutane OP-Technik bei Tendovaginitis stenosans


248
24.3 Tenosynovialitis der Finger 24
24.3 Tenosynovialitis der Finger

Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie


Grundlagen
▶ Häufig zeigt sich die Tendovaginitis stenosans mit entzündlicher Komponente.
▶ Klinisch manifestiert sich dies durch Schwellung und starke Schmerzen bei passiver
Dehnung des Fingers.
▶ Oft besteht auch ein zunehmendes Streckdefizit.
▶ In diesen Fällen ist eine einfache Ringbandspaltung oft nicht ausreichend, sondern
eine lokale Synovektomie erforderlich.
▶ Die direkte Inzision über dem A1-Ringband (offene Technik), mit Durchtrennung
von Haut, Subkutis und Sehnenscheide führt nicht selten zu längeren Problemen.
▶ Schmerzhafte Narben in der distalen Hohlhand, Druck- und Bewegungsschmerz
sind Gründe für eine oft mehrwöchige Rehabilitationszeit.

Offene, minimal invasive Operationstechnik


▶ Inzision:
• Nicht direkt über dem zu operierenden Situs, sondern in angemessener Entfer-
nung.
• 8–12 mm lang, in der Grundglied-Beugefalte (Abb. 24.5a).
▶ Von hier aus Tunnelung der Weichteile im Bereich des A1-Ringbandes.
▶ Einführen und Spreizen des kleinen (Mini-)Spekulums wie beschrieben (s. o.) → die
durch die Synovialitis erzeugte Stenose ist sehr übersichtlich zu erkennen
(Abb. 24.5b, c).

Abb. 24.5 • Offene, minimal-invasive OP-Technik bei Tenosynovialitis der Finger. Einsatz eines
kleinen Spekulums (a). Blick auf die synovialitisch veränderte Sehne und Zustand nach minimal-
invasiver Spaltung des Ringbandes und Synovialektomie (b,c)
249
24 24.4 Tendovaginitis de Quervain

▶ Ringband komplett spalten, die Synovialitis mit einer anatomischen Klemme oder
Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie

einer Synovektomiezange entfernen.


▶ Hautverschluss durch Naht oder Steristrip-Pflaster.
▶ Gepolsterter Schutzverband für 1–2 Tage.

24.4 Tendovaginitis de Quervain


Grundlagen
▶ Siehe auch S. 177 [Kap. 19.2] und S. 357.

Offene, minimal invasive Operationstechnik


▶ Inzision (12–15 mm):
• Über dem 1. Streckerfach.
• Ca. 4 – 5 cm proximal der Handgelenkfalte.
• Quer oder leicht schräg den Hautfalten folgend.
▶ Darstellen des sensiblen Radialisastes.
▶ Tunnelung mit Nadelhalter oder kleiner Tunnelzange nach distal.
▶ Einführen eines schmalen Spekulums (50 oder 55 mm Blattlänge) und Spreizen
desselben.
▶ Unter Sicht stumpfe Präparation des 1. Streckerfaches und komplette Spaltung mit
Skalpell oder Schere.
▶ Prüfung der Sehnen durch Zug, besonders des EPB (Streckung des MP-Gelenks).
▶ Eindeutige Prüfung, ob ein akzessorisches Streckerfach vorliegt (in der Regel pal-
mar). Dieses ggf. spalten.
▶ Hautverschluss durch Naht oder Steristrippflaster.
▶ Gepolsterter Schutzverband für 1–2 Tage.

Endoskopische Operationstechnik
▶ Vorteile gegenüber offener minimal-invasiver Technik:
• Inzision kann noch weiter nach proximal gelegt werden, ca. 7–10 cm von der
Handgelenkfalte entfernt.
• Narbe noch unauffälliger, insbesondere bei Behaarung.
• Bei fraglich gleichzeitig vorliegender Kompressionsneuropathie des R. superficia-
lis des N. radialis (RSN) kann von dieser Inzision die endoskopische Dekompres-
sion des Nervs erfolgen (s. u.).
▶ Nachteil:
• Übung im endoskopischen Operieren erforderlich.
• Technischer Aufwand.
▶ Technik:
• Wie bei offenem minimal invasivem Vorgehen, nur wird nach Tunnelung ein En-
doskop mit Dissektor (Abb. 24.6 a-c) benutzt.
• Zur Präparation und Spaltung Metzenbaum-Schere und Skalpell mit langem Skal-
pellhalter.
▶ Nachbehandlung wie oben beschrieben.

24.5 Dupuytren-Kontraktur
Grundlagen
▶ Siehe auch S. 171.

Operationstechnik
▶ Standardtechniken siehe S. 352

250
24.5 Dupuytren-Kontraktur 24

Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie


Abb. 24.6 • Endoskopische Operationstech-
nik bei Tendovaginitis de Quervain. Inzision
und Endoskop mit Dissektor (a). Endoskop in
situ mit verdicktem Sehnenfach und RSN am
unteren Bildrand (b). Sehnenfach mit Skalpell
gespalten, Eindellung im Bereich der Kom-
pression sichtbar (c).

▶ Nur wenige Handchirurgen führen heute noch eine radikale Fasziektomie durch
(Entfernen von erkrankten und nicht erkrankten Anteilen der Palmaraponeurose).
• Bei der üblichen partiellen Fasziektomie erfolgen Längsinzision über den Phalan-
gen und schräge Inzision in der Hohlhand, oft bis weit proximal.
• Nachteile dieser Technik:
– Unphysiologische Schnittführung, auch wenn diese in einschlägigen Lehrbü-
chern empfohlen wird. Die Inzisionslinien verlaufen meistens völlig entgegen
den physiologischen Bewegungs- und Dehnungslinien, die man leicht erkennt,
wenn man die Handfläche beim Bewegen beobachtet.
– Z-Plastiken sind am Finger meist umproblematisch und völlig spannungsfreu
anzulegen. In der Hohlhand sind sie meistens erzwungen und im Grunde nicht
erforderlich.
– Ferner wird bei dieser offenen Technik versäumt, die subkutan, fast in der Haut
gelegenen „Dupuytren-Strängchen“ zu durchtrennen. Dadurch gelingt es nicht,
die Hautlappen komplett zu dekomprimieren und zu entspannen. Das Ver-
säumnis, diese Strängchen zu entfernen oder zu durchtrennen, ist der Grund-
stein für ein Rezidiv.
251
24 24.5 Dupuytren-Kontraktur

▶ Modulares Vorgehen (partielle Fasziektomie in minimalinvasiver Technik):


Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie

• Wenn von minimalinvasivem Vorgehen bei der Dupuytren-Kontraktur die Rede


ist, denkt der handchirurgisch Erfahrene normalerweise an eine Fasziotomie mit
Kanüle oder Skalpell. Davon ist hier nicht die Rede.
• Voraussetzung für das minimalinvasive Vorgehen ist eine große Erfahrung in der
offenen Operation, d. h. eine gute Kenntnis der Verläufe der Gefäß-Nerven-Bün-
del und der Ausbreitungsmuster der Erkrankung.
▶ Modul 1: Betrifft ausschließlich das Areal der distalen Hohlhand.
• Quere Inzision entlang der distalen Hohlhandfalte im Bereich der Strahlen III–V,
bei Bedarf bis Strahl II.
• Distalen und proximalen Hautlappen unter Belassung des subdermalen Gefäß-
plexus „dünn“ präparieren.

▶ Merke: Eher eine Hautperforation riskieren als zu viel Dupuytren-Gewebe zu
belassen.
• Frühzeitig den longitudinalen Hauptstrang durchtrennen, um den Zugang und
damit die Präparation zu erleichtern.
• Nach initialer Präparation subkutane Tunnelung mit dem Nadelhalter. Scharfe
Zweizinkerhaken ziehen die Lappen in die Präparierrichtung. Das eingesetzte
und dann gespreizte Spekulum erlaubt eine gute Raumbildung und Übersicht
(Abb. 24.7). So lässt sich einerseits das pathologische Gewebe in Richtung Grund-
gliedfalte und Kommissur abtrennen, andererseits behält man die Kontrolle über
die Gefäß-Nerven-Bündel.
• Die Präpariertechnik mit dem Skalpell ist mehr „Drücken“ als „Schneiden“. So ge-
lingt auch das distale und proximale Absetzen des pathologischen Gewebeblockes.
• Mit probatorischen Scherenbewegungen und digitaler Kontrolle prüfen, ob resi-
duelle Stränge verblieben sind. Diese lassen sich auch in der Tiefe mit Hilfe des
Spekulums sehr gut darstellen und gezielt durchtrennen bzw. resezieren. Durch
Palpation der Lappen lässt sich nun meist feststellen, dass fibromatöse Briden
dicht unter der Haut verblieben sind.
• Die Lappen nun umstülpen und mit einem scharfen Skalpell vorsichtig quer ein-
ritzen. Man merkt regelrecht, wie es zu einer Entlastung und damit zu Entspan-
nung der Lappen kommt.
• Nach dieser Maßnahme lassen sich die Lappen selbst bei passiv gestreckten Fin-
gern mühelos adaptieren (Abb. 24.8 a-d). Die frühere „Open-Palm-Technik“ bei
querer Inzision ist sinnlos und überflüssig geworden.

Abb. 24.7 • Präparation des DK-Gewebes in der Hohlhand mit Hilfe des Spekulums (Modul 1)
252
24.6 Sattelgelenkarthrose 24

Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie


Abb. 24.8 • Operation der DK in modulärer Technik. Präoperativ (a), intraoperativ (b), wenige
Tage postoperativ (c), Ergebnis (d).

▶ Modul 2: Betrifft ausschließlich das Areal um die Grundgliedbeugefalte.


• Quere oder auch leicht U-förmige Inzision entlang der Grundgliedbeugefalte.
• Präparation der Haut wie bei Modul 1 beschrieben.
• Darstellen der Gefäß-Nerven-Bündel durch Längsspreizung. In diesem Bereich
oft spiraliger Verlauf der Gefäß-Nerven-Bündel um den Strang herum.
• Nach eindeutiger Identifikation und Sicherung der Gefäß-Nerven-Bündel Durch-
trennen des Stranges und Entfernen des Dupuytren-Gewebes. Die Haut zwischen
den Inzisionen für Modul 1 und 2 auf verbliebenes Dupuytren-Gewebe subder-
mal kontrollieren. Dieser Hautbereich muss nach ausreichendem „Release“ pal-
patorisch völlig weich sein.
▶ Modul 3: Betrifft den Bereich der Finger und wird in üblicher Vorgehensweise offen
operiert, d. h. Inzision palmar oder mediolateral mit anschließender Z-Plastik, ggf.
auch Vollhaut-Transplantaten.
▶ Nachbehandlung:
• Zwingend erforderlich sind bei der Operation der Dupuytren-Kontraktur die Öff-
nung der Blutleere und die sorgfältige Blutstillung.
• Kompressionsverband und Gipsschiene für 5 Tage sind die Regel, in manchen Fäl-
len reicht ein gut gepolsterter Kompressionsverband.
• Während der ersten Tage limitierte, danach zunehmende aktive Bewegung.
• Das Tempo bei der Wiedererlangung guter Beweglichkeit ist nach der minimal
invasiven modulären Technik rascher als bei der herkömmlichen Technik, die nur
noch sehr selten Anwendung findet.

24.6 Sattelgelenkarthrose
Grundlagen
▶ Siehe auch S. 207.
▶ Unterschiede in der Technik der FCR-Plastik S. 386) bei der minimal invasiven Tech-
nik betreffen Inzision und Zugang sowie das Heben des FCR-Sehnenstreifens.

253
24
Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie 24.6 Sattelgelenkarthrose

Abb. 24.9 • Minimal-invasive Operationstechnik bei Sattelgelenkarthrose. Inzision (a). Gewin-


nung des FCR-Sehnenstreifens mit Hilfe des Spekulums (b). Fast unsichtbare Narbe im Vergleich
zur Narbe nach unserer früheren Technik (c). Schema der Suspension durch Kapsel/
Sehnennaht (d)

Operationstechnik
▶ Die palmare Inzision folgt der Hautfalte über dem Sattelgelenk (Abb. 24.9 a-d). Jede
Kreuzung der Falten vermeiden.
▶ Der Zugang zum Gelenk ist transmuskulär. Die Muskelanteile mit Lidhaken retra-
hieren. An der Basis des Mittelhandknochens I eine kräftige Kapselmanschette be-
lassen.
▶ FCR-Sehne durch Spalten der Sehnenscheide darstellen und mit Hilfe eines Speku-
lums (oder Endoskops) präparieren.
▶ Ebenfalls unter Sicht Abspalten des Sehnestreifens, der so bei Bedarf sehr lang ge-
wonnen werden kann.
▶ FCR-Streifen durch ein in der Kapselmanschette geschaffenes kleines Loch hin-
durchführen und straff mit dieser vernähen (PDS 3 /0). Die Suspension des Mittel-
handknochens ist in der Regel sehr gut. Den FCR-Streifen bei Bedarf mit sich selbst
vernähen, dadurch weitere Verhinderung einer Proximalisierung durch Sehnenin-
terposition.
▶ Liegt neben der Arthrose ein Karpaltunnelsyndrom vor (häufig), über den gleichen
Zugang die radiale Wand des Karpaltunnels spalten und den N. medianus somit de-
komprimieren.
▶ Verschluss der FCR-Sehnenscheide und der Muskulatur.
▶ Nachbehandlung: Ruhigstellung für 2 Wochen. Schnellere Erholung der Beweglich-
keit im Vergleich zur konventionellen Technik.
254
24.7 Sehnenchirurgie 24
24.7 Sehnenchirurgie

Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie


Grundlagen
▶ Siehe auch S.33 (Kap. 5.1), S. 39 (Kap. 5.2) und S. 271.
▶ Zur Darstellung der Stümpfe verletzter Streck- und Beugesehnen werden meistens
die Wunden durch zusätzliche Inzisionen verlängert. Dadurch erweitert sich
zwangsläufig die Region der späteren Vernarbung. Mit Hilfe eines handchirurgi-
schen Spekulums gelingt es auch in diesen Fällen oft, zusätzliche Schnitte zu ver-
meiden oder diese kleiner zu halten.
▶ In Blutleere zunächst von der Verletzungswunde aus explorieren: Liegen auch Ner-
ven- und/oder Gefäßverletzungen vor?
▶ Ist dies nicht der Fall, die Tunnelung oberhalb der Sehnen mit Nadelhalter oder klei-
ner Kornzange vornehmen und ein Spekulum einführen. Die Sehnenstümpfe lassen
sich so lokalisieren, atraumatisch fassen und in die Wunde vorziehen (Abb. 24.10).
▶ Nach Fixation mit einer Kanüle Sehnennaht ohne Wunderweiterung möglich.
▶ Die Rekonstruktion der rupturierten Extensor-pollicis-longus-(EPL-)Sehne – häufig
nach Radiusfrakturen – erfordert standardmäßig 3 Inzisionen.
▶ Die Abtrennung und Präparation der Extensor-indicis-(EI-)Sehne von einer Inzision
über dem Zeigefinger-Grundgelenk bis in die Höhe der Handwurzel ist möglich,
aber mit den üblichen Langenbeck-Haken schwierig. Hier ist der Einsatz des Speku-
lums sehr nützlich, das nicht nur den Raum vergrößert und damit die Übersicht
verbessert, sondern die feinen Radialisäste auch zur Seite drückt (Abb. 24.11).

Operationstechnik der endoskopischen EI-Umlagerung zur EPL-


Rekonstruktion
▶ 2 – 3 cm lange, der Hautfalte folgende, quere Inzision über dem EPL-Verlauf in Höhe
des Sattelgelenks.
▶ Unter Beachtung der Radialisäste Darstellen des distalen EPL-Stumpfes.
▶ Subkutane Tunnelung entlang des 2. Mittelhandknochens bis zum Mittelhandkopf.

Abb. 24.10 • Auffinden und Fassen des


proximalen Beugesehnenstumpfes mit Hilfe
des Spekulums.

Abb. 24.11 • Präparation der EI-Sehne zur


Transposition (→ EPL) mit Hilfe des Speku-
lums.
255
24 24.8 Karpaltunnelsyndrom

▶ Einführen des Endoskops und Separierung der EI-Sehne von der ED-II-Sehne mit
Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie

Metzenbaum-Schere oder endoskopischer Schere.


▶ Abtrennen der EI-Sehne und Hervorziehen aus der Inzision. Sehne nach distal zie-
hen und subkutanen Tunnel zum 4. Sehnenfach herstellen.
▶ Fach endoskopisch spalten.
▶ Der EI-Sehne nun ggf. neue Zugrichtung geben.
▶ Anschließend Sehnendurchflechtung und Nachbehandlung wie bei offener Technik
(S. 235).
▶ Bilder und Videos zur Ansicht oder zum Download auf
www.checkliste-handchirurgie.de

24.8 Karpaltunnelsyndrom
Grundlagen
▶ Siehe auch S. 193 (Kap. 20.8) und S. 366 (Kap.37.5).
▶ Die vom Autor entwickelte Technik der minimalinvasiven Dekompression des Mit-
telnervs im Karpaltunnel unter Verwendung eines handchirurgischen Spekulums
kombiniert die geringe Morbidität des endoskopischen Operierens mit der hohen
Sicherheit der offenen Technik, ist aber wesentlich kostengünstiger.
▶ In 13 Jahren minimalinvasiven Operierens von mehr als 5 000 Patienten keine we-
sentlichen Komplikationen.
▶ Nur wenige handchirurgische Instrumente sowie Spekulum mit 50 – 55 mm Blatt-
länge (Karpaltunnelspekulum) erforderlich.

Minimal invasive Operationstechnik


▶ Operation in der Regel in Lokalanästhesie und Oberarm-Blutleere.
▶ Operation von distal nach proximal.
▶ 15 – 20 mm lange Inzision über dem distalen Drittel des Karpaltunnels entlang ei-
ner der Falten zwischen Thenar und Hypothenar.
▶ Haut, Subkutis und Palmaraponeurose mit dem Skalpell durchtrennen.
▶ Weichteile mit Zweizinkerhaken auseinanderziehen und Retinaculum flexorum
darstellen.
▶ Unmittelbar an seinem distalen Ende die dünne Faszie inzidieren, so dass Fettgewe-
be hervorquillt.
▶ Distales Drittel mit dem Skalpell spalten (Abb. 24.12a).
▶ Motorischen Ast des N. medianus durch Scherenpräparation identifizieren.
▶ Weichteiltunnelung mit dem Nadelhalter. Diesen in die Schicht zwischen Retinaku-
lum und Palmarfaszie einführen (Abb. 24.12b). Durch Spreizbewegungen Raum für
Einführung des Spekulums schaffen.
▶ Spekulumblätter hierzu schließen, das Spekulum waagerecht einführen und dann
senkrecht stellen.
▶ Ideal ist das (in den Abbildungen dargestellte) beleuchtete handchirurgische Speku-
lum (KARL STORZ, Tuttlingen).
▶ Spekulum nun kräftig spreizen (Abb. 24.12c). Man erkennt – beleuchtet durch den
Lichtstab des Spekulums oder durch externe Lichtquelle – ein „endoskopisches“ Bild
des teilweise gespaltenen Retinakulums und daran proximal anschließend des noch
unversehrten Retinakulums und der Unterarmfaszie (Abb. 24.12d).
▶ Störendes Fettgewebe mit einer Klemme entfernen oder durch erneute Positionie-
rung des Spekulums zu den Seiten wegdrücken.
▶ Die deutlich erkennbaren Strukturen von Retinakulum und Unterarmfaszie nun
spalten bis ca. 3 cm proximal der Handgelenkfalte. Bei guter Vorspannung durch
das Spekulum reicht einfacher Druck mit der Skalpellklinge, um die Strukturen zu
durchtrennen (Abb. 24.12e). Eine nicht zu feine Metzenbaum-Schere ist ebenso ge-
eignet.
256
24.9 Pronatorsyndrom („proximales Medianus-Kompressionssyndrom“) 24

Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie


Abb. 24.12 • a, b, c, d, e Minimal-invasive Operationstechnik mit dem Spekulum. Erläuterungen
siehe Text.

▶ Von der Inzision aus kann, falls indiziert, auch eine Beugesehnen-Synovialektomie
erfolgen.
▶ Blutstillung durch Mikrokoagulation.
▶ Nach Hautverschluss gepolsterter Verband, der Bewegung ermöglicht.

24.9 Pronatorsyndrom („proximales Medianus-


Kompressionssyndrom“)
Grundlagen
▶ Siehe auch S. 189 (Kap. 20.6) und S.365 (Kap. 37.4).

Endoskopische Operationstechnik
▶ 3–4 cm lange quere, den Hautfalten folgende Inzision, ca. 4 cm distal der Ellenbeu-
gefalte, ulnar der Unterarmmitte.
▶ Durchtrennung der Faszie zwischen M. flexor carpi radialis und M. pronator teres.
▶ Lokalisation des Nervs durch Palpation.
▶ Faszie eröffnen und Muskulatur mit Langenbeck-Haken retrahieren.
257
24 24.10 Interosseus-anterior-Syndrom

▶ Darstellen des Medianusstammes und Präparation/Dekompression unter Sicht


Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie

ca. 3–4 cm nach distal und proximal.


■▶ Beachte: Keine zirkumferenzielle Lösung des Nervs, kein Anschlingen!
▶ Mit der Tunnelzange nach distal und proximal zwischen Nervenstamm und einer
dünnen Muskelschicht, die bewusst belassen wird, Raum schaffen.
▶ Zuerst beleuchtetes Spekulum (Blattlänge 9–11 cm), danach Endoskop in diesen
Raum einführen.
▶ Nervendekompression:
• Alle den Nerven bedeckenden oder kreuzenden Strukturen (ausgenommen Gefä-
ße und Nervenästchen) Schritt für Schritt durchtrennen: Muskulatur, fibröse
Septen und andere komprimierende Gewebestränge.
• Sichtbehindernde Muskulatur – besonders bei muskulösen Patienten –ggf. mit
von außen eingeführten Langenbeck-Haken retrahieren, mit dem Dissektor des
Endoskops den Weichteilmanteil nach oben halten, um Raum zu schaffen und zu
erhalten.
• Mit dieser Technik den Nerven bis zu 12 cm distal und proximal der Ellenbeuge-
falte dekomprimieren.
• Die motorischen Äste auf der ulnaren Seite des Nervs sind sichtbar und werden
geschont, N. interosseus anterior darstellen und dekomprimieren. Distal die FDS-
Arkade visualisieren und komplett durchtrennen.
▶ Blutleere öffnen und Blutstillung vervollständigen. Eine Drainage ist üblicherweise
nicht erforderlich.
▶ Wattekompressionsverband, danach Bandage für 1 Woche.

24.10 Interosseus-anterior-Syndrom
Grundlagen
▶ Siehe auch S. 192 (Kap. 20.7) und S. 365 (Kap. 37.4).

Endoskopische Operationstechnik
▶ Die Operationstechnik ist weitgehend identisch wie für das Pronatorsyndrom be-
schrieben.
▶ Der Abgang des N. interosseus anterior lässt sich präoperativ durch Neurosonogra-
fie identifizieren, so dass man die Inzision hier präzise platzieren kann.
▶ Zuerst den N. medianus dekomprimieren (s. o.).
▶ Danach Visualisierung des N. interosseus anterior und Dekompression mittels
Durchtrennung kreuzender Septen oder scharfer sehniger Ränder. Nach Möglichkeit
Verfolgen des Nervs bis in die Muskulatur.
▶ Nachbehandlung wie beim Pronatorsyndrom.

24.11 Kubitaltunnelsyndrom
Grundlagen
▶ Siehe auch S. 199 (Kap. 20.10) und S. 368 (Kap. 37.6).

Instrumentarium
▶ Kleines Handchirurgieset in Verbindung mit Kubitaltunnelset (KARL STORZ, Tuttlin-
gen).

Endoskopische Operationstechnik

▶ Beachte: Abbildungen und Operationsanleitung zur Ansicht und Download unter
www.checkliste-handchirurgie.de (mit freundlicher Genehmigung KARL STORZ,
Tuttlingen).
258
24.11 Kubitaltunnelsyndrom 24
▶ Operation in subaxillärer Plexusanästhesie oder Narkose und Oberarm-Blutleere.

Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie


Für den Erfahrenen auch in Lokalanästhesie und Blutleere möglich.
▶ Die Abdeckung muss die volle passive Beweglichkeit des Armes ermöglichen.
▶ Lagerung auf einem Handtisch (Download, Abb.1a):
• 90° Schulterabduktion.
• Im Ellenbogengelenk gebeugt und supiniert.
▶ Der OP-Tisch wird so hochgefahren, dass der Operateur eine Sitzposition einnimmt,
so dass er die retrokondyläre Fossa direkt vor sich hat.
▶ 18–20 mm lange Inzision entlang der retrokondylären Fossa (Download, Abb. 1b).
▶ Wunde mit Zweizinkerhäkchen aufhalten und Tunneldach darstellen und eröffnen.
▶ Der Nerv lässt sich leicht an seiner weißlichen Farbe und den längs verlaufenden
Vasa nervorum identifizieren (Download, Abb. 2).
• Bei adipösen Patienten ist er von Fettgewebe umgeben, was die Erkennung ggf.
erschwert.
• Selten (4 % unserer Fälle) trifft man im Tunnel auf atypische Muskulatur (M. epit-
rochleoanconeus), wodurch die Präparation erschwert sein kann.
• In diesem Fall ggf. Inzision geringfügig auf bis zu 30 mm verlängern.
▶ Nach Identifizierung des Nervs Kubitaltunneldach nach distal und proximal in einer
Länge von jeweils ca. 1 cm durchtrennen.
▶ Schaffung des für die endoskopische Operation erforderlichen Raumes durch Tun-
nelung mit der Tunnelzange epifaszial:
■▶ Cave: Zange keinesfalls in den Nerventunnel führen!
• Großzügigen Raum zur Aufnahme der Instrumente schaffen durch sanfte Sprei-
zung mit einer an der Spitze gerundeten Zange (ähnlich einer Tupfer-Kornzange),
Download, Abb. 3)
■▶ Cave: Brüskes Spreizen der Zange vermeiden! Hierdurch können Hautäste wie
der N. cutaneus antebrachii ulnaris überdehnt werden, was zu temporärer Sensi-
bilitätsminderung am ulnaren Unterarm führen kann.
▶ Beleuchtetes Spekulum (Blattlänge 9 und 11 cm) in den distalen Tunnel einführen
(CD-Download, Abb. 4).
▶ Unter optimaler Sicht Spalten des Osborne-Ligaments (Synonym: Retinaculum cu-
bitale), der ligamentären Verdickung des Kubitaltunneldaches zwischen ulnarem
Epikondylus und Olecranon (Download, Abb. 5).
▶ Weiter unter Sicht des Spekulums Faszie durchtrennen, bis beide Köpfe des FCU
sichtbar werden (Download, Abb. 6).
▶ Ab hier vorzugsweise Endoskop verwenden und relevante Schichten eindeutig
identifizieren (Unterarmfaszie, FCU-Muskel, submuskuläre Membran) (Download,
Abb. 7). Das Endoskop mit seinem gerundeten Dissektor an der Schaftspitze einfüh-
ren und langsam auf der Unterarmfaszie nach distal schieben.
▶ Umgebende Weichteile mit dem Dissektor abschieben und gleichzeitig schonen, so
dass die Faszie freiliegt.
▶ Faszie mit kräftiger Präparierschere (3 Längen: 18, 21 und 26 cm) schrittweise bis
zu einer Distanz von 12 cm ab Mitte der retrokondylären Fossa durchtrennen
(Download, Abb. 8a, b).
■▶ Cave: Dabei quer über die Faszie verlaufende sensible Nervenäste schonen. Diese
bei Bedarf präparatorisch lösen, mit dem Dissektor unterfahren und beiseite hal-
ten (Download, Abb. 9).
▶ Spaltung aller komprimierenden Strukturen nahe am Nerven:
■▶ Beachte: Essenziell für komplette Dekompression!
• Zunächst beide über eine Muskelraphe verbundenen Köpfe des FCU spalten.
• Am proximalem Ende der Raphe, ca. 3 cm distal der Mitte der retrokondylären
Fossa, befindet sich die FCU-Arkade, ein scharfrandiger Sehnenbogen und eine
wesentliche Kompressionszone des Nervs (Download, Abb. 10). Mit ihrer Spal-
tung geben sich die meisten Operateure zufrieden.

259
24 24.12 Wartenberg-Syndrom

• Mit Hilfe des Endoskops nun jedoch deutlich weiter nach distal gehen:

▶ Cave: Hier abgehende, seltener auch den Nerven kreuzende, Muskeläste beach-
Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie

ten und schonen!


• Alle den Nerven bedeckenden und evtl. komprimierenden Strukturen mit der Kubi-
taltunnelschere spalten:
– Insbesondere die zwischen FCU und Nerv liegende feine, aber feste submusku-
läre Membran. Zwischen 5 und 9 cm von der Mitte der retrokondylären Fossa
entfernt finden sich regelmäßig fibröse Verdickungen in dieser Membran, ver-
gleichbar den Ringbändern der Beugesehnenscheiden. Sie können den Nerv
komprimieren.
– Dekompression bis zu einer Distanz von 10 – 15 cm distal der Mitte der retro-
kondylären Fossa (Download, Abb. 11).

▶ Cave: Im Verlauf dieser Präparation den Nerven mit dem Instrumentarium
nicht oder kaum berühren (no touch) und in seiner natürlichen anatomischen
Verbindung mit der Umgebung und vor allem seiner autochthonen Gefäßver-
sorgung belassen (Download, Abb. 13). Man erkennt im ganzen Verlauf gut die
motorischen Äste zum FCU und zur Beugemuskulatur (Download, Abb. 12).
Diese lassen sich wie Gefäße und kreuzende Nervenäste im Nervenverlauf mü-
helos schonen.
• Äußerst schonende Präparation:
– Nur selten Kauterisierung kleiner Venen, auch in der Tiefe mit langen Bipolar-
pinzetten oder einer speziellen bipolaren Mikrozange möglich.
– Adipöses Gewebe erschwert Präparation und Übersicht, besonders in Kombi-
nation mit erschlafften Weichteilen. Dann Endoskop häufiger reinigen und
Fettgewebspartikel austupfen.
• Nach proximal identisches operatives Vorgehen:
– Faszie bis zu einer Länge von 10–15 cm spalten.
– Aponeurotischen Rand des Trizepsmuskels ggf. spalten.
– Septum intermusculare bleibt unversehrt, da keine Kompressionsursache. Eine
echte Struther-Arkade, die als fibrotisches Band vom M. trizeps zum Septum
intermusculare verläuft, haben wir nur bei sehr wenigen selbst operierten Pa-
tienten beobachtet (Download, Abb. 14).
▶ Wundverschluss, voluminöser, dosierter Kompressionswatteverband, Öffnen der
Blutleere (Download, Abb. 15).
▶ Nachbehandlung:
• Alle Bewegungen erlauben, die der Verband zulässt.
• Flexionsstellung in Ruhe ist 3 Wochen zu vermeiden.
• Verband nach 2–3 Tagen entfernen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Beweglichkeit
fast immer bereits frei (Download, Abb. 16).

24.12 Wartenberg-Syndrom
Grundlagen
▶ Siehe auch S. 187 (Kap. 20.4) und S. 364 (Kap. 37.3).

Endoskopische Operationstechnik
▶ 2 cm lange, den queren Hautfalten folgende Inzision am Übergang vom distalen
zum mittleren Unterarmdrittel.
▶ Nerv eindeutig darstellen. Cave: Verwechslung mit N. cutaneus antebrachii radialis.
▶ Tunnelung wie beschrieben und Einführen von Spekulum und Endoskop (kleines
Dissektorblatt). Da der Nerv sehr dünn ist, besondere Vorsicht beim Einführen und
Herausziehen des Endoskops.

260
24.13 Supinatorsyndrom 24
▶ Nerven dekomprimieren, bis man auf die Faszie zwischen den Sehnen von M. bra-

Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie


chioradialis und M. extensor carpi radialis longus stößt. Diese durchtrennen und
Präparation bis in den fleischigen Muskel.
▶ Inzision der scharfrandigen Sehne des M. brachioradialis ist nicht erforderlich.
▶ Bei entsprechender Symptomatik kann danach die endoskopische Spaltung des
1. Streckerfaches erfolgen (s. u.).
▶ Postoperativ 2–3 Tage Watteverband.

24.13 Supinatorsyndrom
Grundlagen
▶ Siehe auch S.185 (Kap. 20.3) und S. 361 (Kap. 37.2).

Minimal invasive, endoskopische Operationstechnik


▶ 4 cm lange Inzision über dem radial proximalen Unterarm entlang der Faltenlinien
(Abb. 24.13, s. S. 261, Kap. 24.14).
▶ Separater Zugang zum N. radialis in der Supinatorloge transmuskulär zwischen
M. brachioradialis und M. extensor communis.
▶ Bei Eingriff in Zusammenhang mit der Denervation am Ellenbogengelenk Aponeu-
rose zwischen den am Ursprung abgesetzten Extensorenmuskeln spalten und Ra-
dialisloge von dort aus darstellen.
▶ Intermuskuläre Präparation stumpf mit dem Finger. Nach Einsetzen mittelgroßer
Langenbeck-Haken R. profundus n. radialis sowie weiter proximal Radialisgabelung
identifizieren.
▶ Präparation zur Darstellung des R. profundus und Spaltung der Frohse-Arkade ist
wegen der kleinen Inzision relativ schwierig:
• Routine in der Präparation dieser Region aneignen.
• Gute Assistenz geht mit den Haken vorsichtig um, hält Situs offen und berück-
sichtigt korrekte Drehung des Unterarmes.
▶ Normalerweise reicht die Spaltung der Frohse-Arkade und aller aponeurotischen
Anteile des Muskels.
▶ Intramuskulär im M. supinator in Verlaufsrichtung des Nervs Tunnel schaffen und
9-cm-Spekulum einsetzen. Bei Bedarf gesamten Muskel durchtrennen und Nerv
komplett dekomprimieren. Dieser Teil der Operation ist bei entsprechender Übung
auch mit dem Endoskop möglich.

Beachte!
Zu keinem Zeitpunkt Druck auf den Nerv ausüben (weder mit einem der Haken,
der Spitze des Spekulums oder dem Dissektor des Endoskops!). Der Speichennerv
ist wesentlich drucksensibler als Ulnaris und Medianus.

▶ Postoperativ Wattekompressionsverband für 2–3 Tage gefolgt von einer Bandage


für 8–10 Tage.

24.14 Epicondylitis humeri lateralis (Tennisellenbogen)


Grundlagen
▶ Über Jahrzehnte haben wir für die Operation des Tennisellenbogens, wie vermut-
lich die meisten Operateure, eine gebogene Längsinzision über der Epikondylusre-
gion benutzt.
▶ Zur Dekompression des Speichennerven wurde diese Inzision nach distal verlängert
oder aber eine 2. Inzision über der Supinatorloge gewählt. Diese Narben sind nicht
261
24 24.14 Epicondylitis humeri lateralis (Tennisellenbogen)

nur ästhetisch störend, sondern bleiben oft schmerzhaft, da im Bereich des Epikon-
Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie

dylus der Weichteilschutz über dem Knochen fast komplett fehlt. Je länger die Inzi-
sion, umso größer die Gefahr, einen Hautnerven zu verletzen mit der Folge eines
schmerzhaften Neuroms.

Offene, minimal invasive Operationstechnik


▶ Inzision:
• Ca. 4 cm lange Inzision über dem radial proximalen Unterarm entlang der Falten-
linien.
• Verlauf schräg oder quer.
• Lage ca. 5 cm distal vom Epikondylus, unabhängig davon ob lediglich die Epikon-
dylitis allein operiert wird oder in Kombination eine Speichennerven-Dekom-
pression durchgeführt wird.
▶ Faszie unter Schonung kutaner Nervenäste darstellen.
▶ Mit Tunnelzange und Finger subkutanen Raum in der periepikondylären Region
schaffen.
▶ Beleuchtetes Spekulum (Blattlänge 9 oder 11 cm) einführen und weit spreizen →
perfekter Blick auf Epikondylus und die umgebenden Strukturen (Abb. 24.13a–c).
▶ Unter Spekulumsicht epifasziale Ablösung der Weichteillappen mit Schere und Bi-
polarpinzette im Wechsel. Hierdurch Denervation nach Wilhelm. Durchtrennen der
winzigen schmerzleitenden Nervenfasern des R. cutaneus antebrachii dorsalis. Ei-
nen weiteren feinen Nervenast, der entlang dem radialen intermuskulären Septum
verläuft, ca. 3 cm proximal vom Epikondylus kauterisieren.
▶ Extensorenursprünge zwischen Epikondylus und Radiuskopf unter Schonung der
Gelenkkapsel durchtrennen (Abb. 24.14a, b).

Abb. 24.13 • Inzision, minimal-invasive Prä-


paration und Darstellung der periepicondylä-
ren Region mit dem beleuchteten Spekulum
zur Operation der Epicondylitis humeri radia-
lis (a-c).
262
24.14 Epicondylitis humeri lateralis (Tennisellenbogen) 24

Minimal invasive und endoskopische Handchirurgie


Abb. 24.14 • Visualisierung der periepicondylären Region (a). Desinsertion der Sehnenursprünge
(b). Alle Variationen der Operation sind mit diesem Zugang möglich.

▶ Präzise Blutstillung durch einwandfreie Übersicht sicherstellen.


▶ Intrakutaner Hautverschluss.
▶ Nachbehandlung: 2 Tage Wattekompressionsverband, danach Arm mit Bandage
schützen und zur Bewegung freigeben.

263
25 25.1 Replantation

25 Amputationsverletzungen
Amputationsverletzungen

25.1 Replantation
Aufklärung
▶ Definitive Aufklärung durch den Operateur oder ein Mitglied des OP-Teams.
■▶ Cave: Keine Versprechungen, die der Operateur bei schwierigem Befund nicht
halten kann!
▶ Bei eindeutiger Indikation zur Replantation eher ermutigend aufklären. Patienten
aber auf möglichen Misserfolg hinweisen. Fotodokumentation!
▶ Bei relativen Indikationen oder ungünstigen Voraussetzungen den Patienten realis-
tisch über die möglichen Nachteile einer Replantation aufklären:
• Evtl. langwierige Operation, evtl. notwendige Folgeeingriffe.
• Evtl. stärkerer Blutverlust, bei Mehrfingereingriffen können Bluttransfusionen er-
forderlich werden.
• Mögliche Funktionsdefizite und Probleme wie Einschränkung der Beweglichkeit
und Sensibilität sowie Kälteintoleranz erwähnen.

Operationsvorbereitung
▶ Operationsmikroskop und komplettes mikrochirurgisches Instrumentarium. Der
Operateur muss mikrochirurgisch versiert sein.
▶ Operation in Narkose oder Plexusanästhesie und Blutleere, bei sehr langer Opera-
tionsdauer auch Fortsetzung in Narkose.
▶ Amputat bis zum Beginn der Präparation bei + 4° C in normalem Kühlschrank auf-
bewahren.
▶ Bei größeren Eingriffen sind 2 OP-Teams optimal: Team 1 präpariert den Stumpf,
Team 2 das (die) Amputat(e).

Operationstechnik Fingerreplantation
▶ Präparation des Stumpfes und des Amputats unter Lupensicht. Débridement der
Haut und des Knochens. An einem Daumenstumpf erfolgt – für den Fall, dass die
Replantation scheitert – keine Kürzung des Knochens.
▶ Beidseitige mediolaterale Hautinzision, Abpräparieren der Lappen und Fixieren mit
Haltefäden. Präparation der Arterien und Nerven, evtl. Markierung mit Mikroclip
oder Faden (Abb. 25.1 a–c).

Abb. 25.1 • a–c Präparation Amputat und Stumpf vor Replantation (s. Text).
264
25.1 Replantation 25

Amputationsverletzungen

Abb. 25.2 • a–f Gefäßanastomose: Spülung mit Heparin-Kochsalz (a), Dilatation (b), Resektion
Adventitia, Glättung der Stümpfe (c), Naht der Vorderwand (d), Drehung und Naht der
Hinterwand (e, f).

■▶ Cave: Die Präparation der dorsalen Venen sollte unter dem Mikroskop erfolgen.
▶ Vorbereitung der Beugesehnennaht am Stumpf durch Legen der Kirchmayr-Kessler-
Naht (Abb. 26.13). Nach Festlegung der Osteosynthesetechnik wird diese am Ampu-
tat vorbereitet, z. B. K-Draht, Drahtnaht oder intramedullärer Nagel.
▶ Durchführung der Osteosynthese. Ideal ist die Anwendung eines zügigen, unkom-
plizierten, aber stabilen Verfahrens, z. B. K-Drähte in Verbindung mit intraossären
Drahtnähten (S. 240).
▶ Durchführung der Beugesehnennaht (Abb. 26.11).
▶ Falls die Zeit drängt, kann man auch Arterien und Nerven vorher nähen.
▶ Durchführung einer epineuralen oder epiperineuralen Nervennaht (Abb. 30.1).
▶ Arterienanastomosen (Abb. 25.2 a–f): Stärke des Nahtmaterials je nach Gefäßkali-
ber Nylon 9 /0 bis 11 /0. Ein Approximator erleichtert die Adaptation der Gefäß-
stümpfe.
▶ Provisorischer Hautverschluss der Beugeseite.
265
25 25.1 Replantation

▶ Strecksehne mit Einzelknopf- oder Matratzennaht nähen.


Amputationsverletzungen

▶ Wenn die Größe der Venen eine Naht in Blutleere erlaubt, folgt dieser Schritt. An-
sonsten Öffnen der Blutleere. Bei guter Durchgängigkeit der Arterien kommt es zu
kräftigem venösem Rückfluss, so dass geeignete Venen leichter zu finden sind.
▶ Nach endgültigem Öffnen der Blutleere 10 – 15 min Durchblutungspause. Bei nor-
maler Zirkulation erfolgt Blutstillung, lockere Hautnaht.
▶ Lockerer Verband. Das Endglied bleibt zur Inspektion und Palpation frei. Dorsale
Unterarm-Fingergipsschiene.

Spezielle Replantationstechniken
▶ Venentransplantate: Verwendung zur Defektüberbrückung (Abb. 25.3). Bei proxi-
malen Replantationen erfolgt auch eine Umlagerung gesunder Venen aus der be-
nachbarten Zone, evtl. in Verbindung mit Lappenplastiken.
▶ Arterientransplantate: Die Entnahme erfolgt von nicht replantierfähigen Fingern,
andere Entnahmeorte (Leiste, Axilla, Fuß) sind aufwendig.
▶ Nerventransplantate: Die Entnahme erfolgt von nicht replantierfähigen Fingern,
ansonsten wegen unsicherer Prognose sekundäre Transplantation.
▶ Distale Replantation: Ab Endgelenkhöhe:
• Osteosynthese oder Arthrodese mit axialem K-Draht, bei Kindern auch Kanüle.
• In Höhe der Endgliedbasis findet sich ein Arterienbogen (Abb. 25.4), aus dem
Kuppenarterien abgehen. Der zentrale Ast eignet sich für die Anastomosierung.
• Dorsale Venen sind fast nie zu finden. Deshalb Versuch einer palmaren Venena-
nastomose.

▶ Cave: Die Venen liegen direkt subkutan!

Abb. 25.3 • Technik der Entnahme


eines Venentransplantats. Mikrochirur-
gische Technik erforderlich.

Abb. 25.4 • Arterienarkade im Endgliedber-


eich.
266
25.1 Replantation 25

Amputationsverletzungen
Abb. 25.5 • Proximale Daumenampu-
tation: Zuerst Einnähen des Venen-
transplantats am Amputat (s. Text).

• Ist nur eine Arteriennaht möglich, postoperative Applikation von Blutegeln oder
alternativ Heparininjektionen subkutan.
▶ Daumenreplantation: Prinzipiell gleiche Technik wie oben beschrieben. Schwierig-
keiten bereitet die Positionierung der Daumenbeugeseite zur Durchführung der
Anastomosierung der dominanten ulnaren Arterie bei Amputationen proximal des
MP-Gelenks. In diesem Fall empfiehlt sich die Verwendung eines Veneninterponats.
Distal lässt sich dieses vor der Osteosynthese ohne die erwähnten Schwierigkeiten
anastomosieren. Anschließend subkutane Tunnelung zur A. radialis zwischen Mit-
telhandknochen I und II (Abb. 25.5). Die gleiche Technik findet Anwendung bei Aus-
rissverletzungen.

Beachte Hand- und Unterarmreplantation


▶ Eile ist geboten! Maximale warme Ischämiezeit wegen der Muskelmasse 2 h. Des-
halb ggf. zuerst Durchblutung wiederherstellen.
▶ Bei Quetschzonen und zur Erleichterung der Replantation absolut radikales Debri-
dement mit notfalls großzügiger Kürzung der Stümpfe!
▶ Gefäßtransplantationen und zusätzliche Weichteildeckungen vermeiden! Nekro-
sen führen zu Infekt, dadurch meist wesentliche Verschlechterung des Ergebnis-
ses.

Nachbehandlung
▶ 1 – 3 Wochen ruhigstellen, je nach Lokalisation. Anfangs tägliche Verbandwechsel
zur Vermeidung von Strangulationen.
▶ Unmittelbar postoperativ stündliche Kontrollen der Durchblutung durch Inspektion
und Palpation, in die ein kooperativer Patient mit einbezogen wird. Im Zweifel Fin-
gerkuppe mit 18er-Kanüle anstechen. Bei ausreichender arterieller Durchblutung
erscheint sofort ein Tröpfchen hellroten Blutes. Wir verabreichen keine speziellen
durchblutungsfördernden Medikamente oder Infusionen.
▶ Bei Zeichen venöser Stauung, grundsätzlich jedoch nach allen distalen Replantatio-
nen ohne Venennaht, 4 – 5 Tage Blutegel ansetzen. In den ersten beiden Tagen re-
gelmäßiges 2- bis 3-stündliches Wechseln der Egel. Zwischendurch Kuppe ausdrü-
cken (lassen), in der Regel durch die Patienten selbst. Parallel zur Blutegeltherapie
Antibiotikamedikation, z. B. Clindamycin (Sobelin) oder ein Cephalosporin.

267
25 25.2 Stumpfbildung


▶ Beachte: Die Blutegeltherapie erschwert die Durchblutungskontrolle sehr, da der
Amputationsverletzungen

Finger durch den feuchten Verband mazeriert. Als Orientierung dient die frische ar-
terielle Blutung aus der Bissstelle.
▶ Ab dem 4. postoperativen Tag ist die Durchblutung weitgehend gesichert. Vorsichti-
ge aktive und passive Bewegungsübungen.

Komplikationen
▶ Arterielle und venöse Thrombosen: Auftreten bei ungünstiger Ausgangslage und
nach intraoperativ beobachteten Thrombosen häufig.
• Klinisches Bild:
– Bei akuter Thrombose der Arterie wird der Finger weiß, der Turgor ist schlaff.
– Bei einem Venenverschluss wird der Finger blau, der Turgor ist prall.
• Therapie: Umgehende operative Revision: Thrombektomie und Reanastomosie-
rung der Gefäße bzw. Gefäßinterponate.
▶ Infektionen: Selten, daher keine routinemäßige Antibiose erforderlich.

Fehler und Gefahren


▶ Fehlerhafte Anastomose.
▶ Zu geringe Knochenkürzung, deshalb Spannung auf den Gefäßnähten.
▶ Zu lange Veneninterponate (Abknicken des Interponats).
▶ Zu langes Abwarten beim Auftreten postoperativer Thrombosen.

25.2 Stumpfbildung
Operationstechnik

▶ Beachte: Die Stumpfbildung am Finger ist keine Anfängeroperation!
▶ Narkose oder Plexusanästhesie, Blutleere. Für Erfahrene auch Oberst-Anästhesie.
▶ Débridement der Haut. Eine durch die Verletzung vorgegebene Lappenbildung zur
Stumpfdeckung ausnutzen (Abb. 25.6).
▶ Bei querer Amputation mediolaterale V-förmige Inzision (Abb. 25.7).
▶ Kürzung des Knochens in der gewünschten Höhe und Glätten der scharfen Ränder.
Die Kondylen des Mittel- oder Grundgliedkopf resezieren, abrunden und glätten. Es
entsteht ein schlanker, konischer Stumpf.
▶ Hervorziehen und Durchtrennen der Beugesehne(n). Resektion der Strecksehne im
Wundbereich.
▶ Präparieren und Ligieren der Arterien, da Mikrokoagulation meist insuffizient. Her-
vorziehen der Nerven und proximale Resektion.
• Gute Alternative: Primäre intraossäre Neuromverlagerung (S. 270).
■▶ Beachte: Gelingt die Identifizierung der Gefäß-Nerven-Bündel im Stumpfbereich
nicht, proximale Verlängerung der mediolateralen Inzision!
▶ Blutstillung. Mit der Hautnaht in der Mitte beginnen. Gute Adaptation der Hautlap-
pen, weder zu knapp noch im Überschuss. Nähte nach lateral fortsetzen, die Lap-
penecken nach Bedarf resezieren (s. auch Abb. 23.12). Drainage mit kleiner Lasche.

Abb. 25.6 • Débridement und Ausnut-


zen des verbliebenen Lappens zur
Stumpfdeckung.
268
25.2 Stumpfbildung 25

Amputationsverletzungen
Abb. 25.7 • Technik der Stumpfbildung (s. Text).

Abb. 25.8 • a–c Längenerhaltende Stumpfdeckung am Daumen durch Insellappenplastik


(Technik S. 319 f.).

▶ Dorsale Unterarm-Gipsschiene, dabei muss das MP-Gelenk in maximaler Beugung


fixiert sein.

Spezielle Techniken am Daumen


▶ Bei überstehendem Knochenstumpf erfolgt nur eine Glättung. Falls erforderlich,
Durchführung einer Osteosynthese zwecks Längenerhalt.
▶ Defektdeckung durch geeignete Lappenplastik, z. B. Insellappen vom Zeigefinger-
Grundglied (Abb. 25.8 a–c).

Nachbehandlung
▶ Ab dem 2. postoperativen Tag Bewegungs- und Abhärtungsübungen.

Fehler und Gefahren


▶ Stumpfbildung in funktionell ungünstiger Höhe.
269
25 25.3 Intraossäre Neuromverlagerung

▶ Weichteildeckung zu knapp, daher unter Spannung stehend (Nekrosegefahr).


Amputationsverletzungen

▶ Weichteildeckung zu reichlich. Funktionell störendes mobiles Weichteilkissen auf


dem Knochenstumpf.
▶ Fixieren der Profundussehne am Stumpf oder Vernähen der Beuge- und Streckseh-
ne. Eine solche Profundussehnen-Blockierung führt durch Tenodeseeffekt zur Beu-
gebehinderung der übrigen Finger (Quadrigaphänomen).
▶ Keine oder unzureichende Kürzung der Nervenstümpfe (Neuromentstehung).

25.3 Intraossäre Neuromverlagerung


Operationstechnik
▶ Quere Inzision über dem Stumpf, proximale Verlängerung nach mediolateral beid-
seits. Abpräparieren der Lappen, ggf. Entfernung störender Zacken oder eines Se-
questers.
▶ Falls das Neurom in den Narben nicht gleich auffällt, Präparation der Nerven proxi-
mal im Gesunden und Verfolgen nach distal. Gut mobilisieren. Verlagerung beider
Nervenstümpfe ist ratsam.
▶ Anlegen von Haltefäden an die Nerven (PDS 5 /0). Quere Bohrung (2 mm) durch den
Knochen.
■▶ Beachte: Die Höhe der Bohrung so wählen, dass die Nerven bei gestrecktem Fin-
ger spannungsfrei im Kanal liegen (Abb. 25.9).
▶ Abrunden der proximalen Bohrlochkanten, um Abknicken und Druckschädigung
des Nervs zu vermeiden!
▶ Einfädeln der Haltefäden und Durchziehen zur Gegenseite.
■▶ Cave: Der Nervenstumpf soll etwa in der Mitte des Knochenkanals liegen.
▶ Knüpfen der Fäden über dem Knochenstumpf.
▶ Blutstillung. Hautnaht. Dorsale Unterarm-Fingergipsschiene.

Nachbehandlung
▶ Ab dem 2. postoperativen Tag Bewegungs- und Abhärtungsübungen.

Abb. 25.9 • Intraossäre Neuromverlagerung am Fingerstumpf (s. Text).

270
26.1 Strecksehnen-Nahttechniken 26
26 Sehnenverletzungen

Sehnenverletzungen
26.1 Strecksehnen-Nahttechniken
Strecksehnen-Nahttechnik am Endgelenk
▶ Z-förmige Schnitterweiterung zur Darstellung der Stümpfe (Abb. 26.1). Revision des
Gelenks.
▶ K-Drahtfixation des Gelenks (0,8 – 1 mm), normal in Nullstellung, bei Naht unter
Spannung auch in 10° Überstreckung. Versenken des Drahtendes seitlich über dem
Mittelglied, nicht über der Kuppe, wo es stören würde.
▶ Einzelknopfnähte (Nylon 5 /0, Kinder 6 /0). Fadenenden kurz abschneiden oder ver-
senkte Nähte.
■▶ Cave: PDS-Fadenenden sind stachlig wie Borsten und können hartnäckige Nar-
benschmerzen verursachen!
▶ Penible Nahttechnik: Verwendung einer feinen chirurgischen Pinzette zum Anfas-
sen der Stümpfe, dabei den Stumpf nicht zu nah am Rand fassen und die Nadel vor-
sichtig hindurchführen.
■▶ Cave: Die sehr feinen Stümpfe reißen extrem leicht aus! Kommt es zum Ausrei-
ßen, ist die Naht ruiniert!
▶ Stehen die Stümpfe unter leichter Spannung, besser Rückstichnähte anlegen, um
mehr Sehnenmaterial zu umfassen.
▶ Die Blutstillung ist aufgrund starker venöser Blutung oft schwierig. Den queren Teil
der Wunde fortlaufend (blutstillend) nähen, eine Drainage erübrigt sich dann.

Strecksehnen-Nahttechnik am Mittelgelenk
▶ Schnitterweiterung, K-Drahtfixation wie oben.
▶ Auch bei einem sehr kurzen distalen Mittelzügelstumpf ist eine Naht meistens
möglich. Einzelknopfnähte mit Nylon 4 /0 (5 /0).
▶ Bei primärem Defekt des Mittelzügels (primäre Knopflochdeformität) Rekonstruk-
tion nach Snow (Abb. 26.2). Diese Technik ist analog auch bei ausgedehnterem Seh-
nendefekt geeignet, indem man einen langen distal gestielten Sehnenstreifen vom
Handrücken verwendet.
▶ Die Seitenzügel sind selten beschädigt. Gegebenenfalls Naht mit Nylon 5 /0.

Strecksehnen-Nahttechnik am Grundglied
▶ Am Grundglied kommt es fast nie zu einer totalen Durchtrennung der Strecksehne,
daher meist nur wenig Funktionsausfall. Anlegen von Einzelknopfnähten Nylon 4 /0
(5 /0).

Strecksehnen-Nahttechnik am Grundgelenk
▶ Bei quer verlaufender Wunde erleichtert die Schnitterweiterung die Sehnennaht,
ist jedoch nicht zwingend. Die Stümpfe sind nie weit retrahiert.

Abb. 26.1 • Schnitterweiterung und Seh-


nennaht am Endgelenk.
271
26
Sehnenverletzungen 26.1 Strecksehnen-Nahttechniken

Abb. 26.2 • Mittelzügelrekonstruktion nach


Snow mit distal gestieltem Sehnenstreifen
vom M. extensor digitorum.

Abb. 26.3 • a–c Ruptur der Streckerhaube (a). Raffnaht (b). Verstärkung und Zentralisierung
durch Sehnenstreifen des M. extensor digitorum (c, s. S. ).

▶ Das Gelenk, das häufig eröffnet ist, muss immer revidiert werden. Erst dann erfolgt
die Naht der Kapsel.
▶ Naht der zentralen Strecksehne mit Nylon 4 /0 (5 /0). Naht der Streckerhaube eben-
falls mit Einzelknopfnähten.
■▶ Beachte: Am 2. Strahl die Naht des M. extensor indicis nicht vergessen! Bei ge-
doppeltem M. extensor digitorum beide Teile nähen! Auch die Connexus inter-
tendinei immer nähen!
▶ Bei der frischen Ruptur der Streckerhaube (Abb. 26.3 a) reicht die Naht der Rissstelle
(Abb. 26.3 b).

Strecksehnen-Nahttechnik am Handrücken
▶ Da der Sehnenquerschnitt am Handrücken flach ist, werden Einzelknopf- oder Mat-
ratzennähte angelegt. Alle intertendinösen Verbindungen sind wiederherzustellen.
272
26.1 Strecksehnen-Nahttechniken 26

▶ Beachte: Bei Kombinationsverletzungen mit Mittelhandfrakturen die Osteosynthe-

Sehnenverletzungen
seregion unbedingt mit Weichteilgewebe abdecken, um Sehnenverklebungen mit
dem Knochen zu verhindern!
• Strecksehnen-Nahttechnik am Handgelenk
▶ Am Handgelenk ist die Durchführung der Strecksehnennähte durch die Anatomie
der Sehnenfächer und Retraktion der proximalen Stümpfe kompliziert.

Operationstechnik bei Muskeldurchtrennung am Unterarm


▶ Immer Darstellung des R. profundus n. radialis.

▶ Tipp: Intakten Nerv aus forensischen Gründen fotografieren, da ein schlechtes Er-
gebnis klinisch von einer Parese nicht zu unterscheiden ist.
▶ Durchtrennte Muskeln einzeln nähen. Keine „Globalnähte“!

Operationstechnik bei Schnittverletzung über dem 1. – 3. Streckerfach


▶ Schnittverletzungen über dem 1. – 3. Streckerfach sind recht häufig! Operatives
Vorgehen in 4 Schritten:
1. Z-förmige Erweiterung, Revision des Verletzungsgebiets und Präparation aller be-
schädigten Strukturen: Sehnen von M. abductor pollicis longus, M. extensor pol-
licis brevis, M. extensor carpi radialis longus, M. extensor carpi radialis brevis,
M. extensor pollicis longus, R. superficialis n. radialis, A. radialis, V. cephalica.
2. Atraumatisches Herausziehen der proximalen Sehnenstümpfe und Fixation mit
einer-Kanüle gegen die Wand des Sehnenfaches. Teilresektion des Sehnenfaches,
um eine Stenosierung der genähten Sehnen zu vermeiden.
3. Sehnennaht, je nach Querschnitt Einzel- oder Matratzennähte mit anschließen-
der epitendinöser Adaptationsnaht oder Kirchmayr-Kessler-Naht wie bei der
Beugesehnennaht (Abb. 26.13). Handgelenk zur Durchführung der Naht mit zu-
sammengerolltem Abdecktuch passiv in Streckstellung bringen.
4. Mikrochirurgische Naht von Arterie, Vene (fakultativ) und Nerv.
▶ Analoges Vorgehen im Bereich der anderen Sehnenfächer. Zuordnung der einzelnen
Sehnenstümpfe anhand der anatomischen Lokalisation und des Zueinanderpassens
der Sehnenquerschnitte.

Nachbehandlung
▶ Strecksehnennaht End-/Mittelgelenk: Dorsale Unterarm-Fingergipsschiene (nur ver-
letzter Finger) bis zur Wundheilung. Danach sollen nicht fixierte Gelenke bewegt
werden. Evtl. am Endgelenk als Schutz Anlage einer Stack-Schiene. Drahtentfernung
am DIP- und PIP-Gelenk nach 4 Wochen.
▶ Strecksehnennaht Grundglied: 3 Wochen palmare Fingergipsschiene.
▶ Strecksehnennaht Grundgelenk/Handrücken: 3 Wochen palmare Unterarm-Finger-
gipsschiene: Handgelenk in 40° Streckung, MP-Gelenk in 20° Beugung, das PIP-Ge-
lenk bleibt frei.
▶ Strecksehnennaht Handwurzel/Handgelenk: Statische Nachbehandlung mit palma-
rer Gipsschiene (Handgelenk in 40° Extension, MP-Gelenk in 20° Flexion) oder frü-
he Mobilisation mit dynamischer Schiene (Abb. 3.6). 3 – 4 Wochen Ruhigstellung.

Komplikationen und Gefahren


▶ Die Hauptgefahr liegt im Nichterkennen von Sehnenläsionen, besonders im Bereich
des Mittelzügels und am Handrücken.
▶ Die Rupturgefahr ist bei korrekter Nahttechnik und Ruhigstellung gering.
▶ Zu lange Ruhigstellung gefährdet die gute Wiederbeweglichkeit.
▶ Zu grobe Technik führt zu wulstigen Buckelnarben im MP-Bereich.
▶ Im Handgelenkbereich können die genähten Sehnen blockartig miteinander oder
mit der Umgebung vernarben.

273
26 26.2 Wiederherstellung von Strecksehnen: Sekundäreingriffe

26.2 Wiederherstellung von Strecksehnen:


Sehnenverletzungen

Sekundäreingriffe
Sekundärnaht
▶ An den Sehnen der Hand ist die Durchführung einer Sekundärnaht oft nach Wo-
chen noch möglich, da die Retraktion des proximalen Stumpfes nur gering ist.
▶ Beide Stümpfe ausreichend tenolysieren! Eine leichte bis mittlere Spannung ist to-
lerierbar.
▶ Nahtmaterial und K-Drahtfixation entsprechen dem Material bei der Primärnaht.

▶ Beachte: Im Handgelenkbereich ist eine Sekundärnaht nach 4 Wochen in der Regel
nicht mehr durchführbar.

Raffnaht am Endgelenk
▶ Bei funktionsstörendem Streckdefizit quere Durchtrennung zwischen distalem
Stumpf (weiß durchschimmernd) und Narbenzone (grau-glasig).
▶ Tenolyse nach proximal. Ziehen des proximalen Stumpfes nach distal und Resektion
von so viel Narbengewebe, dass eine Naht noch möglich ist. Ein Überlappen ist nicht
erforderlich, es kann zu störender Buckelbildung führen. Evtl. schmalen Narben-
saum belassen, wenn nur so eine Adaptation gelingt.
▶ 6 Wochen K-Drahtfixation.

Tenolyse
▶ Indikationen: Persistierendes Streckdefizit oder Beugebehinderung durch Tenode-
se-Effekt.
▶ Vorgehen: Narbige Verwachsungen vollständig bis in die gesunden Bereiche der
Sehne lösen.
▶ Zug an der Sehne proximal des ehemaligen Narbenbereichs zeigt, ob das Streckdefi-
zit beseitigt ist.
■▶ Tipp: Im Handbereich Tenolyse in Mittelhandbeugung, so dass die aktive Bewe-
gung erhalten bleibt. Dadurch ist eine bessere intraoperative Überprüfung des Er-
folgs möglich.
▶ Nachbehandlung: Sofortige intensive physiotherapeutische Nachbehandlung ist
wichtig.

Sehnenkoppelung
▶ Ist bei Defekten eine Sekundärnaht nicht möglich, wird bei Läsionen im Handrü-
cken bzw. Handgelenkbereich der distale Stumpf an die benachbarte Sehne gekop-
pelt (Abb. 26.4 a).

Abb. 26.4 • a, b Sehnendefekte (a), Rekonstruktion durch Koppelung bzw. Transplantation (b).
274
26.2 Wiederherstellung von Strecksehnen: Sekundäreingriffe 26
▶ Naht bei passiv gestreckten Fingern in guter Spannung durch Seit-zu-Seit-Naht oder

Sehnenverletzungen
in Durchflechtungstechnik (Abb. 26.4 b).
▶ Nach erfolgter Naht soll der Finger im Vergleich zum Nebenfinger in leicht überkor-
rigierter Streckung stehen, aber passiv voll zu beugen sein.
▶ Die Technik der Sehnenkoppelung erfolgt auch bei proximaler Durchtrennung im
Mittelhandbereich und bei rheumatischen Rupturen.
▶ 3 – 4 Wochen palmare Gipsschiene.

Sehnentransplantation
▶ Diese Technik ist eher selten indiziert, wenn Sehnen zur Koppelung oder Transposi-
tion nicht zur Verfügung stehen. Bei guten Wundverhältnissen und Sehnendefekt
ist auch eine primäre Transplantation möglich.
▶ Transplantat (S. 235) proximal mittels End-zu-End- oder Durchflechtungsnaht an
eine gute Motorsehne (Prüfung der Amplitude durch Zug an der Sehne) nähen. Dis-
tale Verbindung in Lasso-Technik (Abb. 26.4 b).
▶ Im Bedarfsfall 2 Sehnen benachbarter Finger an eine Motorsehne anschließen.
▶ Spannung und postoperative Ruhigstellung wie bei Koppelung.
▶ Bei komplexen Streckerläsionen sind Koppelung und Transplantation (oder Trans-
position) auch kombinierbar.

Sehnenumlagerung
▶ Prinzip: Abtrennen einer funktionsfähigen Motorsehne und Transposition auf den
distalen Stumpf der funktionslosen Sehne.
▶ Indikation: Primär oder sekundär bei Sehnenrupturen und Sehnendefekten.
▶ Vorteil: Eine Sehnenumlagerung führt zu deutlich weniger Verwachsungen.
▶ Rekonstruktion der Sehne des M. extensor pollicis longus durch Umlagerung des
M. extensor indicis (Abb. 26.5): Nachfolgend wird die offene Technik beschrieben
(endoskopische Technik S. 255):
• Dorsale Inzision über dem 1. Mittelhandknochen. Darstellen und Anfrischen des
peripheren Sehnenstumpfes des M. extensor pollicis longus.

Abb. 26.5 • Sehnenrekonstruktion des M. extensor pollicis longus durch Sehnenumlagerung des
M. extensor indicis.
275
26
Sehnenverletzungen 26.2 Wiederherstellung von Strecksehnen: Sekundäreingriffe

Abb. 26.6 • a, b Tenodesetest zur Prüfung der Sehnenspannung (hier nach Sehnenumlagerung
des M. extensor indicis, s. Text).

• Inzision über der Streckerhaube des Zeigefingers ulnar. Schräges Abtrennen der
ulnar gelegenen Sehne des M. extensor indicis. Naht des distalen Stumpfes an die
Sehne des M. extensor digitorum II. Anklemmen und Zug an der Sehne des M. ex-
tensor indicis. Isolieren der Sehne vom paratendinösen Gewebe durch Scheren-
präparation in die Tiefe des Handrückens. Den Zeigefinger des Patientendabei
passiv beugen, um die Sehne des M. extensor digitorum II zu spannen und nicht
zu beschädigen.
• Quere Hautinzision über dem 4. Streckerfach. Dieses wird winkelförmig eröffnet.
Eindeutige Identifizierung der Sehne des M. extensor indicis durch Hin- und Her-
bewegen an der Klemme. Einsetzen des Sehnenhakens. Bevor die Sehne durch
kräftigen Zug nach proximal herausgezogen wird, zur Sicherheit noch die intakte
Sehne des M. extensor digitorum II identifizieren (Zug daran streckt den Zeigefin-
ger).
• Präparation eines subkutanen Tunnels zum Daumen durch stumpfe Unterminie-
rung mit Klemme oder kleiner Kornzange. Durchziehen der Sehne des M. exten-
sor indicis mit feiner Sehnendurchzugsklemme palmar der sensiblen Radialisäste
zur Sehne des M. extensor pollicis longus. Durchflechtungsnaht.
• 2 Durchflechtungen mit Einflechtklemme genügen. Bestimmung der korrekten
Spannung: Mit Handgelenk in Neutralstellung und dem Daumen in passiver vol-
ler Streckung beide Sehnenstümpfe straff ziehen. In dieser Position provisorische
Fixation mit 2 – 3 Nähten (Nylon oder PDS 4 /0).
• Überprüfen der korrekten Spannung durch Tenodesetest (Abb. 26.6 a, b): Bei ma-
ximaler Handgelenkbeugung muss der Daumen in kräftiger Extension, bei maxi-
maler Handgelenkstreckung das Endgelenk in ca. 20° Beugung stehen. Naht ver-
vollständigen.
• Die Stümpfe schräg abschneiden und an der Sehne fixieren, damit die Naht
schlank und nicht klobig wird.
▶ Die Operation kann analog mit der Sehne des M. extensor digiti minimi erfolgen.
▶ Die Technik eignet sich analog zur Rekonstruktion anderer Sehnen.
276
26.2 Wiederherstellung von Strecksehnen: Sekundäreingriffe 26
Wiederherstellung multipler Fingerstrecksehnen

Sehnenverletzungen
▶ Grundlagen: Motorsehne ist meistens die Sehne des M. flexor carpi ulnaris. Da diese
Sehne nach distal nur bis zum Os pisiforme reicht, sollten die Strecksehnenstümpfe
ebenfalls in diesem Bereich liegen. Andernfalls muss die Sehne des M. flexor carpi
ulnaris durch ein Brückentransplantat verlängert werden. Erreicht die Sehne des M.
flexor carpi ulnaris die Stümpfe nicht, ist der Kombination Koppelung/Transplanta-
tion der Vorzug zu geben.
▶ Operationstechnik: Die Umlagerung des M. flexor carpi ulnaris ist Bestandteil der
motorischen Ersatzoperation nach Radialisparese und wird dort beschrieben
(Abb. 38.9 b).

Korrektur der Knopflochdeformität


▶ Grundlagen: Eine sich abzeichnende Knopflochdeformität ist so bald wie möglich
zu operieren:
• Solange die Fehlstellung passiv ausgleichbar ist, ist die Prognose nicht schlecht.
Kann das DIP-Gelenk in gerader Stellung bei Fixation des PIP-Gelenks aktiv gut
gebeugt werden, ist dies ebenfalls als gutes prognostisches Zeichen anzusehen.
• Ist die Knopflochdeformität bereits durch Schrumpfung der Seitenzügel und der
Landsmeer-Ligamente fixiert, ist eine präoperative Quengelbehandlung indiziert.
■▶ Cave: Eine Knopflochdeformität zu operieren, bei der die Fehlstellung des PIP-Ge-
lenks präoperativ nicht weitgehend passiv ausgeglichen werden kann, ist unsin-
nig!
▶ Operationstechniken: Folgende 4 operative Verfahren haben sich bewährt:
1. Raffnaht des Mittelzügels: Vorgehen wie am Endgelenk (S. 274). K-Drahtfixation
für 4 Wochen.
2. Operation nach Hellmann (Abb. 26.7): Resektion der Narben im Mittelzügel. Die
nach palmar dislozierten Seitenzügel längs spalten, die inneren Anteile zur Mitte
hin verlagern und miteinander vernähen. Bei schlechter passiver distaler Flexion
im IP-Gelenk Durchtrennung der Retinacula obliqua. K-Drahtfixation für 4 Wo-
chen. Postoperativ mit Flexionsübungen für das DIP-Gelenk beginnen!
3. Operation nach Snow (Abb. 26.2).

Abb. 26.7 • Korrektur der Knopflochdefor-


mität nach Hellmann (s. Text).
277
26 26.3 Beugesehnen-Nahttechniken

4. Arthrodese: Indiziert in veralteten Fällen einer Knopflochdeformität. Ist eine akti-


Sehnenverletzungen

ve Beugung im Endgelenk nicht möglich, Arthrodese ggf. mit einer Tenotomie


der Seitenzügel in Höhe der Mitte des Mittelgliedes kombinieren.

Korrektur der ulnaren Strecksehnenluxation


▶ Grundlagen: Durch Längseinriss auf der Radialseite der Streckerhaube kommt es
zur Ulnarluxation der Sehne beim Faustschluss. Meist auch nach Wochen noch Kor-
rektur durch überlappende Raffnaht möglich.
▶ Operationstechnik: Wird der Eingriff in Mittelhandblockade durchgeführt, lässt sich
aufgrund der erhaltenen Motorik intraoperativ prüfen, ob die alleinige Naht aus-
reicht. Durch Abspalten eines Sehnenstreifens ulnar und Fixation radial an der Ge-
lenkkapsel lässt sich ggf. die Zentralisation bzw. Radialisation verstärken
(Abb. 26.3 c). Postoperativ 3 Wochen palmare Gipsschiene mit MP-Gelenk in 20°
Beugestellung.

Korrektur der Seitenzügelluxation


▶ Grundlagen: Ein seltenes, aber meist korrekturbedürftiges Schnapp-Phänomen ent-
steht am Mittelgelenk, wenn ein Seitenzügel beim Beugen nach palmar subluxiert.
Der Patient merkt, der Arzt palpiert ein deutliches Überspringen.
▶ Operationstechnik: Korrektur durch Raffnaht zwischen Mittel- und Seitenzügel. K-
Drahtfixation für 3 Wochen.

26.3 Beugesehnen-Nahttechniken
Operationsvorbereitung
▶ Lupenbrille, Operationsmikroskop, mikrochirurgisches Instrumentarium (notwen-
dig für eventuelle Nähte am Gefäß-Nerven-Bündel).
▶ Operation in Narkose oder Plexusanästhesie und Oberarm-Blutleere.

Cave
Keinesfalls Finger- oder Mittelhandbetäubung!

Primäre Beugesehnennaht (Abb. 26.8)


▶ Wunde schrittweise, soweit wie zum Auffinden der Stümpfe nötig, zickzackförmig
erweitern (Abb. 26.9). Wundzipfel mit Haltefäden fixieren.
▶ Peinlich atraumatisches Präparieren mit feinsten Instrumenten. Diesbezüglich wer-
den hohe Anforderungen an den Operateur gestellt: Jede Grobheit wird mit Narben
und einem schlechten Ergebnis bestraft!
▶ Zum Aufsuchen des proximalen Stumpfes wird die Beugesehnenscheide dargestellt.
Der Stumpf schimmert blutig (Hämatom) durch die Sehnenscheide. Auf keinen Fall
blind in die Tiefe nach dem Stumpf fassen! Auch die feinste Klemme ist zu trauma-
tisch.
▶ Atraumatisches Vorgehen: Beugesehnenscheide proximal an der Stelle fenstern, wo
der blutige Stumpf durchschimmert. Der Stumpf wird mit 2 Kanülen nach distal ge-
schoben, bis er in der Wunde erscheint. Nun Fassen mit einer atraumatischen Na-
del, Hervorziehen und Fixation proximal mit einer 16er-Kanüle (Abb. 26.11 b).
▶ Alternativ kann man die Kernnaht am proximalen Stumpf beginnen, dann beide
Nadeln (stumpfes Ende voran) in die Sehnenscheide führen und den Stumpf durch-
ziehen. Stumpfe Instrumente helfen durch die Ringbänder (Abb. 26.10).
▶ Distalen Stumpf durch passives Beugen des Fingers hervorluxieren.
▶ Bei glatten Schnittverletzungen keinerlei Débridement der Stümpfe! Die Schnittflä-
chen weisen den Weg zur korrekten Adaptation.

278
26.3 Beugesehnen-Nahttechniken 26

Sehnenverletzungen
Abb. 26.8 • Zoneneinteilung bei Beugesehnen- Abb. 26.9 • Schnitterweiterung bei Beugeseh-
Verletzungen. nen-Verletzungen.

Abb. 26.10 • Führung des Sehnenstumpfes durch den Sehnenscheidentunnel (s. Text).

▶ Bei zerfransten Stümpfen nur minimale Glättung mit spitzer Schere, sonst Gefahr
des Entstehens einer Defektzone.
▶ Falls erforderlich, L-förmige Eröffnung der Beugesehnenscheide (Abb. 26.11 a). Die
Schonung der A2- und A4-Ringbänder ist obligat. Eine Teilresektion (Verschmäle-
rung) ist bei Bedarf erlaubt. Werden wichtige Ringbänder reseziert, kommt es zu ei-
nem Bogensehneneffekt (Abb. 26.12), der zu mangelnder Beugung und Kraftminde-
rung führt.

▶ Cave: Die „prophylaktische“ Resektion der Superfizialissehne ist obsolet und falsch
und fatal für die Durchblutung der Profundussehne, die über die Vinculae erfolgt
(Rupturgefahr).
▶ Sind beide Sehnen durchtrennt, erfolgt am Finger zuerst die Naht der Sehne des M.
flexor digitorum superficialis, im Hand- und Handgelenkbereich zuerst die Sehnen
des M. flexor digitorum profundus nähen.
▶ Vor Beginn der Naht müssen beide Sehnenstümpfe spannungsfrei adaptierbar sein.
Dies erfordert konzentriertes, langsames atraumatisches Arbeiten auf engem Raum,
um die Stümpfe nicht aufzureißen. Eine korrekt adaptierende Naht ist weder ge-
staucht noch dehiszent.
▶ Durchführung der Naht der Profundussehne in der Technik nach Kirchmayr-Kessler
(Abb. 26.11 d, Abb. 26.13). Als Nahtmaterial dient beim Erwachsenen 4 /0 (Kinder
279
26
Sehnenverletzungen 26.3 Beugesehnen-Nahttechniken

Abb. 26.11 • a–e Operationstechnik primäre Beugesehnennaht (s. Text).

Abb. 26.12 • Bogensehneneffekt bei Verlust


der Ringbänder.

280
26.3 Beugesehnen-Nahttechniken 26

Sehnenverletzungen
Abb. 26.13 • Beugesehnen-Ker-
nnaht nach Kirchmayr-Kessler.

5 /0) geflochtener Faden mit doppelt armierter, kurzer, gerader Nadel (z. B. Ethi-
bond). Epitendinöse fortlaufende Adaptationsnaht (Nylon 5 /0, 6 /0) mit kleiner,
scharfer, runder Nadel. Keine resorbierbaren Fäden benutzen!

Praxistipp
Vor Beginn der Kernnaht Adaptation durch beidseitige Nylonnaht (5 /0 oder 6 /0)
bei 180° (Abb. 26.11 c). Damit sind die Stümpfe rotationsstabil fixiert, und die
Kernnaht kann sanft gelegt und mit perfekter Spannung geknüpft werden. Auf
einer Seite lässt man ca. 5 cm Haltefaden stehen, auf der anderen Seite die komp-
lette Naht mit Nadel. Mit ihr wird später epitendinös fortlaufend weitergenäht.

▶ Kernnaht (Abb. 26.13): Vorsicht beim Führen der Nadel, ein Ausreißen unter allen
Umständen vermeiden. Man kann beim Querstich – mit dem Finger schonender als
mit der Pinzette – Gegendruck auf die Sehne ausüben. Beim Längsstich den Stumpf
zwischen den Fingern halten. Die Kernnaht beginnt proximal, da dieser Stumpf
meist besser darstellbar ist. Der Querstich erfolgt 5 – 10 mm vom Stumpfende ent-
fernt (je nach Situation) und etwa in der Mitte der Sehne. Der Längsstich, wegen
der Blutversorgung palmar davon, unbedingt in einer anderen Faserebene, so dass
der Faden schlaufenartig ein Sehnenbündel erfasst und damit ein Ausreißen ver-
mieden wird. Bei Platzmangel am distalen Stumpf erleichtert das Rundbiegen der
geraden Nadel die Naht. Beim Knüpfen 5 – 6 Knoten, Abschneiden ohne Überstand,
dadurch Versenken des Knotens in die Sehne.
▶ Die epitendinöse Naht (Abb. 26.11 e) erfolgt mit dem Rest des Fadens (5 /0 oder 6 /
0) erst auf der Vorderseite, nach Umdrehen der Sehne am Haltefaden auf der Rück-
seite.
▶ Wenn irgend möglich, Verschluss der Beugesehnenscheide.
■▶ Cave: Dabei auf keinen Fall die Sehne mitfassen!
▶ Naht der Superfizialissehne analog zur Profundussehne, allerdings im Fingerbereich
wegen des flachen Querschnitts Einzelknopf- oder Matratzennähte (Nylon 5 /0)
(Abb. 26.14).
▶ Profundussehne distal des A4-Ringbandes mit Einzelknopfnähten versorgen oder
transossär fixieren (S. 235), bei Spannung auch temporäre K-Drahtfixation des End-
gelenks.
▶ Fixation einer Schlaufe am Fingernagel (geflochtener Faden, 3 /0). Ist der Nagel zu
kurz, 2 Löcher im Abstand von 4 – 5 mm nebeneinander bohren und der Faden hin-
durchziehen. Man kann auch ein Häkchen mit Superkleber fixieren.
281
26
Sehnenverletzungen 26.3 Beugesehnen-Nahttechniken

Abb. 26.14 • Nahttechnik für die Sehne des M. flexor


digitorum superficialis im Fingerbereich.

Abb. 26.15 • Postoperative Ruhigstel-


lung und Frühmobilisation nach Kleinert
(s. Text).

▶ Ruhigstellung mit Unterarm-Fingergipsschiene nach Kleinert (nur den operierte Fin-


ger immobilisieren). Handgelenkbeugung 30°, MP-Gelenkbeugung 70° (Abb. 26.15).
▶ Fixation des Gummizügels an Nagelschlaufe und Verband. Die Finger sollen sich in
Ruheflexionstellung befinden, der Gummizügel soll straff, nicht stramm gespannt
sein.

Nachbehandlung
▶ Anheftung des Gummibandzuges in Richtung Skaphoid am Verband.
▶ Frühmobilisation in der Gipsschiene nach Kleinert (Abb. 26.15):
• Finger aktiv strecken, dabei ggf. Gummibandzug mit gesunder Hand etwas lo-
ckern. Um die volle Streckung im PIP-Gelenk zu erarbeiten, Holzspatel zwischen
Gipsschiene und Grundglied stecken.
• Die Gummibänder ziehen die Finger passiv in die Beugung zurück. Passive Ver-
vollständigung der Beugung bis Hohlhandberührung.
• In übungsfreier Zeit (besonders nachts) Schienung der MP- und vor allem der
PIP-Gelenke in voller Streckung, um eine Kontrakturentwicklung in dieser Zeit zu
unterbinden.
• Gipsabnahme nach 3 – 4 Wochen. Gummibänder nun an einem Handgelenk-Ver-
band oder Uhrarmband befestigten und noch 2 Wochen belassen. Das Handge-
lenk wird bis zur Nullstellung mobilisiert. Die aktive Fingerstreckung erfolgt aus
der Nullstellung des Handgelenks, die aktive Beugung gegen einen „Luftwider-
stand“.

▶ Beachte: Je besser die Beweglichkeit, umso größer die Rupturgefahr (soft hea-
ler). Bei diesen Patienten den Gips 8 – 10 Tage länger belassen.
• Die Belastung langsam steigern, ab der 8. Woche ist eine volle Belastung, auch ge-
gen Widerstand, erlaubt.
• Kleinkinder und unzuverlässige Erwachsene erhalten zusätzlich zu Gips und
Gummizügel ein Hohlhandpolster, über dem die Finger fest angewickelt werden.
Finger 1- bis 2-mal pro Woche passiv durchbewegen.

282
26.4 Beugesehnen-Wiederherstellung: Sekundäreingriffe 26
Komplikationen

Sehnenverletzungen
▶ Ruptur: Bei exakter Naht und korrekter Nachbehandlung kommt es selten (bei uns
in ca. 3 %) zu einer Ruptur. Ursache ist meist fehlende Compliance oder falsche Phy-
siotherapie.

26.4 Beugesehnen-Wiederherstellung:
Sekundäreingriffe
Frühe Sekundärnaht
▶ Der Versuch einer Sekundärnaht ist bis zur 6. Woche nach Verletzung sinnvoll. Nach
Ruptur einer genähten Sehne ist eine frühe Sekundärnaht sofort indiziert!
▶ Die Technik ist analog der Primärnaht, wegen Vernarbung ist der Eingriff jedoch
schwieriger.

Sehnenwiederherstellung durch Sehnentransposition


▶ Liegt der distale Stumpf der Sehne des M. flexor digitorum profundus proximal des
PIP-Gelenks, kann eine benachbarte Sehne des M. flexor digitorum superficialis um-
gelagert werden (Abb. 26.16 a, b). Diese 1 cm proximal ihres Ansatzes durchtren-
nen, in die Hohlhand herausziehen und unter dem Gefäß-Nerven-Bündel hindurch-
führen. Durchflechtungsnaht (S. 235) in korrekter Spannung (S. 236). Durchführung
der Nachbehandlung wie nach einer Sehnennaht. Diese Technik ist, wenn anato-
misch möglich, einer Transplantation unbedingt vorzuziehen. Die Ergebnisse sind
mit denen der Primärnaht vergleichbar!

Zweizeitige Sehnentransplantation
▶ Indikation: Ältere Verletzungen beider Beugesehnen im Bereich der Zone 2 und dis-
tal.
▶ Operationstechnik: Die Rekonstruktion erfolgt in 2 Schritten:
• Schritt 1:
– Resektion der Sehnenreste unter Erhaltung bzw. Rekonstruktion der Ringbän-
der A2 und A4. In der Regel lange Zickzack-Inzision.

Abb. 26.16 • a, b Wiederher-


stellung der Sehne des M.
flexor digitorum profundus II
durch Transposition der
Sehne des M. flexor digitor-
um superficialis III.
283
26
Sehnenverletzungen 26.4 Beugesehnen-Wiederherstellung: Sekundäreingriffe

Abb. 26.17 • a, b Einlage eines


Silastikstabes zur Vorbereitung ei-
ner Beugesehnen-Transplantation.

– Einlegen eines Silastikstabes (Erwachsene: 3 – 4 mm Durchmesser, Kinder:


2 mm) in den Sehnenkanal von der Endgliedbasis bis zur Hohlhand (kurzes
Transplantat, Abb. 26.17 a) oder bis zum Handgelenk (langes Transplantat).
Wir verwenden das kurze Transplantat, so dass für alle Finger die Sehne des
M. palmaris longus ausreicht (alternative Spendersehnen S. 234). Für lange
Transplantate eignet sich die (allerdings sehr dünne) Plantarissehne am besten.
– Der Silastikstab wird distal am Profundusstumpf fixiert. Tipp: Stumpf lang las-
sen, spalten und den Stab dazwischen fixieren. Dadurch bleibt für eine spätere
tendotendinöse Fixation des Transplantats genügend Sehnengewebe übrig.
– Das proximale Ende des Stabes mit sich selbst zu einer Schlaufe vernähen und
proximal vom A1-Ringband platzieren. Die vorgesehene „Motorsehne“ (M. fle-
xor digitorum superficialis oder M. flexor digitorum profundus) am A1-Ring-
band festnähen, um die Elastizität zu erhalten (Abb. 26.17 b).
• Schritt 2: Durchführung frühestens nach 8 Wochen.
– Aufsuchen des Silastikstabes durch je eine distale und proximale kleine Inzi-
sion. Entnahme des Transplantats (S. 234). Lösen des Stabes distal und Fixation
am Transplantat, das so nach proximal durchgezogen wird.
– Tendotendinöse Fixation des Transplantats am distalen Stumpf (Nylon 4 /0, 5 /0),
bei insuffizientem Stumpf transossäre Fixation (cave: Infektionsrisiko).
– Blutstillung, Verschluss der distalen Wunde. Proximal Anlage einer Durchflech-
tungsnaht in korrekter Spannung (S. 236).
▶ Nachbehandlung: 2 Möglichkeiten:
• Statische Nachbehandlung: 3 Wochen Ruhigstellung, zwischendurch Durchbewe-
gen von Mittel- und Endgelenk in Entlastungsstellung.
• Nachbehandlung nach Kleinert (S. 282):

▶ Cave: Erhöhte Rupturgefahr, da das Transplantat initial nicht durchblutet ist!
Tenolyse
▶ Indikation: Funktionsstörende Bewegungseinschränkung aufgrund von Verwach-
sungen. Ideale Indikation: Die aktive Beugung ist behindert, die Gelenke sind passiv
jedoch frei.

284
26.4 Beugesehnen-Wiederherstellung: Sekundäreingriffe 26
▶ Operationstechnik:
■▶ Tipp: Durchführung der Tenolyse in Mittelhandblockade und Oberarm-Blutleere.

Sehnenverletzungen
Die aktive Motorik bleibt erhalten, das Ergebnis der Tenolyse kann während der
Operation überprüft und dem Patienten demonstriert werden, was eine starke
Motivation für die Nachbehandlung darstellt. Bei uns ist auch die Physiothera-
peutin anwesend, um sich ein Bild vom erreichten Bewegungsausmaß zu ma-
chen.

▶ Cave: Bei starker Ausdünnung der Sehne durch die Tenolyse Rupturgefahr bei
zu kräftiger Physiotherapie!
• Schwieriger Eingriff! Bei guten Weichteilen Zickzack-Inzision, sonst Mediolate-
ralschnitt. Scharfes und stumpfes Lösen aller Narben, wichtige Ringbänder (A2
und A4) unbedingt erhalten. Nach vollständiger Tenolyse muss Zug proximal an
der Sehne zur kräftigen Beugung führen.
▶ Nachbehandlung: Sofort postoperativ einsetzende Physiotherapie ist Grundbedin-
gung für eine erfolgreiche Tenolyse.
▶ Prognose: Je stärker die Einsteifung arthrogen bedingt ist, umso schlechter die
Prognose.

Endgelenk-Arthrodese
▶ Indikation: Nach älterer isolierter Profundussehnen-Durchtrennung bei manuell tä-
tigen Patienten.
▶ Operationstechnik: S. 382.

Tenodese am Endgelenk
▶ Indikation: Bei Kindern und nicht handwerklich tätigen Erwachsenen.
▶ Operationstechnik: Fixation des Profundussehnenstumpfes am Periost oder A4-
Ringband in 20° Beugestellung. K-Drahtfixation des Endgelenks für 6 Wochen.

285
27 27.1 Operationstechniken bei knöchernen Verletzungen

27 Frakturen
Frakturen

27.1 Operationstechniken bei knöchernen


Verletzungen
Grundlagen

Respekt vor dem Gewebe


Dies gilt auch für die Frakturchirurgie!

▶ Biologische Osteosynthese: Belassen des Periosts am Knochen, stabile und achsen-


gerechte Fixation der Fragmente mit feinem Osteosynthesematerial, keinesfalls rigi-
de Fixation um jeden Preis.
▶ Genereller Operationsablauf:
• Weichteilschonende, übersichtliche Darstellung der gesamten Fraktur.
• Säuberung des Frakturspaltes vom Hämatom.
• Reposition.
• Provisorische Fixation unter Kompression.
• Definitive Osteosynthese.
• Intraoperativ röntgenologische Kontrolle der Frakturstellung und der Lage des
Osteosynthesematerials.

27.2 Operationstechniken bei Fingerfrakturen


Knöcherner Strecksehnenabriss des Endgliedes
▶ Operationstechnik:
• Quere oder H-förmige dorsale Inzision. Darstellen des Fragments von distal her.

▶ Cave: Abtrennen der Strecksehne!
• Exakte Reposition, Anpressen des Fragments in distal-palmarer Richtung mit fei-
nem Pfriem.
• Osteosynthese mit 2 K-Drähten (0,8 mm), die für gute Stabilität die palmare Kor-
tikalis fassen müssen (Abb. 27.1).

Abb. 27.1 • Knöcherner Strecksehnenabriss End-


glied. Osteosynthese mit K-Drähten.
286
27.2 Operationstechniken bei Fingerfrakturen 27

Frakturen
Abb. 27.2 • Knöcherner Beugesehnenausriss:
Osteosynthese mit Titan-Minischraube.

• Alternative Technik: Bei ausreichend großem Fragment: Zuggurtung oder Titan-


Minischraube.
▶ Nachbehandlung: 3 – 4 Wochen postoperative Ruhigstellung. Bis zur Wundheilung
mit Fingergips (S. 25), danach Stack-Schiene. K-Drahtentfernung nach 4 Wochen.
Schraube kann länger belassen werden.
▶ Komplikationen: Bei mehreren Bohrversuchen kann das kleine Fragment bersten.
Postoperativ Lockerung und Wanderung der K-Drähte, dadurch Frakturdislokation.
■▶ Beachte: Nicht zu früh bewegen!
Knöcherner Beugesehnenausriss
▶ Operationstechnik:
• V- oder Z-förmige palmare Längsinzision.
• Hervorziehen der Beugesehne und quere Transfixation mit Nadel.
• Fixierung des die Gelenkfläche tragenden Fragments mit einer Titan-Minischrau-
be oder K-Drähten (Abb. 27.2). Fixierung kleiner Fragmente mit einer transossä-
ren Ausziehnaht (S. 235).
• K-Drahtfixation des Endgelenks in 30° Beugung.
▶ Nachbehandlung: 3 – 4 Wochen Ruhigstellung. Dann Drahtentfernung. Die Mini-
schraube kann, wenn sie nicht stört, permanent verbleiben.
▶ Komplikationen: Wie bei knöchernem Strecksehnenabriss (s. o.). Daher frühe aktive
Mobilisation nur bei perfekter, stabiler Fragmentfixation.

Schaft- und Kondylenfrakturen des End-, Mittel- und Grundgliedes


▶ Operationstechnik:
• Bei Endgliedfrakturen Mediolateralschnitt. An Mittel- und Grundglied bogenför-
mige, S- oder Z-förmige dorsale Längsinzision.
• Strecksehneninzision am Grundglied und PIP-Gelenk zwischen (den) Mittel- und
Seitenzügel(n) (Abb. 27.3), am Mittelglied zwischen den Seitenzügeln.
• Osteosynthesetechnik mit K-Draht, Minischraube, Miniplatte (S. 239 ff.).
▶ Nachbehandlung:
• Dorsale Schiene (nach Wundheilung abnehmbar) als Schutz und zur guten Posi-
tionierung der verletzten Finger in Intrinsic-plus-Stellung (S. 24).
287
27
Frakturen 27.2 Operationstechniken bei Fingerfrakturen

Abb. 27.3 • Frakturexposition am Grundgliedkopf (s. Text).

• Sofortiger Beginn mit Physiotherapie. Intensität je nach Stabilität der Osteosyn-


these steigern.
• Materialentfernung erst nach sicherem Frakturdurchbau. Teilentfernung von K-
Drähten, sobald diese bei der Bewegung stören. Titanmaterial kann meistens be-
lassen werden.

Knöcherne Abrisse und Luxationsfrakturen des PIP-Gelenks


▶ Operationstechnik: Vorgehen bei dislozierten Abrissen der palmaren Platte oder
des Strecksehnen-Mittelzügels analog der Versorgung am Endgelenk.
• Bei Subluxation nach dorsal vor Fragmentfixation geschlossene Reposition und
Transfixation mit einem K-Draht.
• Bogen- oder V-förmige Längsinzision, Eröffnen der Sehnenscheide zwischen den
A2- und A4-Ringbändern.
• Fixierung des Fragments mit K-Drähten oder Titan-Minischraube, die palmare
Platte wird zusätzlich mit Nähten fixiert (Abb. 27.4 a, b). Die Drahtspitzen direkt
unter oder seitlich vom Mittelzügel platzieren, ohne diesen zu tangieren. Über
dem Fragment K-Drähte knapp abkneifen.

Abb. 27.4 • a–d Luxationsfraktur Mittelgelenk, Fixation mit K-Drähten (a, b). Mittelgelenkluxa-
tion mit dorsaler Abrissfraktur, Fixation mit Titan-Minischraube (c, d).
288
27.3 Operationstechniken bei Mittelhandfrakturen 27
• Alternative Technik: Inzision der Seitenbänder, Aufklappen des Gelenks nach dor-

Frakturen
sal. Fragmentfixation unter Sicht. Danach K-Drahtfixation des Gelenks in repo-
nierter Stellung.
• Palmare Luxationsfrakturen analog versorgen (Abb. 27.4 c, d).
▶ Nachbehandlung:
• Entfernung des gelenkfixierenden K-Drahtes nach 3 Wochen, dann mit Physio-
therapie beginnen.
• Fragmentfixierende Drähte nach 4 – 5 Wochen durch Stichinzision von dorsal
entfernen.

Basis- und Impressionsfrakturen des Mittel- und Grundgliedes


▶ Operationstechniken:
• Impressionsfrakturen: Wiederherstellung der Integrität der Gelenkfläche durch
„Herausklopfen“ des versenkten, die Gelenkfläche tragenden Fragments mit ei-
nem feinen Stößel von einem separaten, distal gelegenen Bohrloch aus.
• Basisnahe Grundgliedfrakturen: Nach offener Reposition besteht – besonders bei
alten Patienten – oft ein Defekt, der eine primäre Ausfütterung mit Spongiosa er-
fordert. Osteosynthese mit K-Drähten.
▶ Nachbehandlung: Vorgehen wie bei Schaftfrakturen. Besonders auf gute Beweglich-
keit des MP-Gelenks achten!

Knöcherner Bandausriss der Daumengrundglied-Basis


▶ Operationstechnik:
• Bandausriss meist ulnar lokalisiert. Zugang wie bei Bandruptur (S. 305).
• Exakte Reposition des Fragments.
• Osteosynthese mit 2 K-Drähten (0,8 mm) oder Minischraube. Die K-Drähte müs-
sen die Gegenkortikalis fassen. Spätere Entfernung von dort.
• Auf eine temporäre Gelenkfixation ist zugunsten früher Physiotherapie besser zu
verzichten.
• Kleine Fragmente evtl. mit PDS 2 /0 transossär reinserieren.
▶ Nachbehandlung: Materialentfernung nach 4 Wochen.

Frakturen der Mittelhandknochen


▶ Operationstechnik:
• Bogenförmige Längsinzision über der Fraktur. Quere Inzision im Verlauf der Haut-
falten (Schonung der Venen) sorgt für ein ästhetisch besseres Ergebnis.
• Schrauben, Platten (S. 239 ff.) oder intramedulläre Drähte.
• Bei subkapitalen Frakturen bevorzugen wir die retrograde intramedulläre Fixie-
rung mit vorgebogenen Drähten (1,2 mm).

27.3 Operationstechniken bei Mittelhandfrakturen


▶ Nachbehandlung: Vorgehen wie bei Fingerschaftfrakturen (S. 287).
• Die Gipsschiene muss die MP-Gelenke frei lassen.
• Eine Entfernung des Osteosynthesematerials (außer K-Drähten) ist nicht dring-
lich, da es fast nie stört. Kann auch ganz unterbleiben.

Bennett-Luxationsfraktur
▶ Operationstechnik:
• Zugang zum Sattelgelenk wie bei der Plastik des M. flexor carpi radialis
(Abb. 39.6 a). Alternativ dorsale Längsinzision über der Mittelhandknochen-Basis
distal der Tabatière.
• Reposition der Fraktur unter Zug, Kompression mit Einzinkerhaken.
• Fixation mit K-Drähten oder Schraube(n) (Abb. 27.5 a–d).
289
27
Frakturen 27.3 Operationstechniken bei Mittelhandfrakturen

Abb. 27.5 • a–d Osteosynthesetechniken bei Bennett-Luxationsfraktur: Fixation mit K-Drähten


(a, b), Versorgung einer Mittelhandkopffraktur mit intramedullären Drähten (c, d).

▶ Nachbehandlung:
• 3 Wochen Ruhigstellung mit dorsaler Schiene in Oppositionsstellung des Dau-
mens.
• Nach 8 Tagen kann die Schiene für Bewegungsübungen ohne Belastung abge-
nommen werden.
• K-Drahtentfernung nach 6 Wochen. Schrauben können belassen werden.

290
27.4 Operationstechnik bei Kahnbeinfrakturen 27
27.4 Operationstechnik bei Kahnbeinfrakturen

Frakturen
▶ Instrumentarium: Wir verwenden die HBS (Headless-Bone-Screw der Firma KLS
Martin; http://www.klsmartin.com/HBS.599.0.html).
▶ Fraktur im mittleren Drittel:
• Bevorzugt minimal invasiv mit einer kanülierten, kopflosen Schraube (Herbert-
Schraube) über einen palmaren Zugang stabilisieren.
• Offenes Vorgehen nur bei irreponibler Fehlstellung, ausgedehnter Trümmerzone
– oder wenn die Fraktur über 4 Wochen zurückliegt – empfehlenswert, um ggf.
Defekte durch eine Spongiosaplastik aufzufüllen.
▶ Proximale Polfraktur:
• Osteosynthese durch dorsalen Zugang bevorzugt offen, um ein sicheres Einbrin-
gen der (Mini-)Schraube durch das kleine Fragment zu gewährleisten.
▶ Palmarer Zugang minimal invasiv:
• Lagerung des Handgelenks auf einer Unterlage in Überstreckung.
• Positionierung des Bildwandlers für die gesamte Operation gegenüber dem Ope-
rateur in dorsopalmarem Strahlengang (Abb. 27.6).
• Lokalisation des STT-Gelenks radial über dem Tuberkulum, ca. 1 cm lange Inzi-
sion.
• Stumpfes Aufspreizen mit der Schere und Eröffnen des STT-Gelenk in Längsrich-
tung. Dadurch meist Entlastung des Frakturhämatoms.
• Mit Hilfe einer Führungshülse (HBS-Instrumentarium Fa. KLS Martin, Tuttlingen)
markieren des Eintrittspunktes für den Ziehldraht unter Bildwandlerkontrolle,
der idealerweise leicht radial des Tuberkulums liegt (Abb. 27.7a).

▶ Cave: Hierbei wirklich knöchernen Widerstand nach proximal fühlen, um ein
zu weit palmares Einbringen sicher zu vermeiden!
• Ausrichten der Führungshülse in Längsachse des Skaphoids, seitliche Neigung
sollte ca. 45 Grad betragen.
• Vorbohren des Ziehldrahtes niedertourig zur Vermeidung von Hitzeschäden über
die gesamte Länge des Kahnbeines.
• Röntgenkontrolle mit Durchbewegen des Handgelenks von Supination bis in volle
Pronation zum Nachweis der intraossären Lage in allen Ebenen (Abb. 27.7b, c).
■▶ Cave: Zu flaches ebenso wie zu steiles Einbringen mit in der Regel eines dorsal
überstehendem Schraubenendes korrigieren!
• Längenmessung.

Abb. 27.6 • Minimalin-


vasive Verschraubung:
Position des Bildwand-
lers während der OP.
291
27
Frakturen 27.4 Operationstechnik bei Kahnbeinfrakturen

Abb. 27.7 • Eintrittspunkt K-Draht mit Führungshülse (a); intraossäre Lage in seitlicher Projektion
und in Hyperpronation (b, c).

• Schraube 2 mm kürzer wählen, um ein Überstehen sicher zu vermeiden. Die


Schraubenlängen bewegen sich in der Regel zwischen 22 und 26 mm.
• Vorbohren des Drahtes weiter in den Radius, um ein Herausfallen nach dem Auf-
bohren zu vermeiden. Hierbei das Handgelenk ab diesem Zeitpunkt starr fixie-
ren.

▶ Cave: Unter dem Bildwandler sicherstellen, dass auf der gesamten Länge aufge-
bohrt wird, um später ein Auflaufen der Schraube im proximalen Fragment zu
verhindern. Störungen beim Aufbohren lassen sich durch selbstbohrende und
selbstschneidende Schrauben vermeiden.
• Eindrehen der Schraube. Nach Überschreiten des Frakturspaltes Drahtes aus dem
Radius lockern, um volle Kompression zu gewährleisten. Schraube subchondral
versenken. Die abschließende Röntgenkontrolle stellt eine intraossäre Lage in al-
len Ebenen sicher (Abb. 27.8).

292
27.4 Operationstechnik bei Kahnbeinfrakturen 27

Frakturen
Abb. 27.8 • Eingebrachte Herbert-Schraube.

Abb. 27.9 • Kahnbeinfraktur mittleres Drittel (a). CT-Kontrolle nach 8 Wochen: Knöcherne
Konsolidierung (b).

• Ansicht oder Download der Operationsanleitung unter www.checkliste-handchi-


rurgie.de (mit freundlicher Genehmigung von KLS Martin, Tuttlingen).
• Nachbehandlung:
– Handgelenk in gepolstertem elastischem Verband 2 Wochen ruhigstellen. Den
Patienten anhalten, danach bei freier Mobilisierung schwere Belastung weitere
4 Wochen zu vermeiden (Abb. 27.9).
▶ Palmarer Zugang offen:
• Lagerung in Überstreckung.
• Leicht bogenförmige Hautinzision beginnend am Tuberkulum entlang der Sehne
des M. flexor carpi radialis.
• Sehnenscheide eröffnen und Sehne nach ulnar weghalten. Kräftigen, meist quer
verlaufenden Ast der A. radialis mobilisieren und, falls hinderlich, nach Ligatur
durchtrennen.
• Längsinzision der Handgelenkkapsel in einem Schnitt. Proximal Erhalt der kräfti-
gen radioskaphoidalen Bänder, da der Einsatz des Zielgerätes bei Verwendung
der kanülierten Schrauben entfällt.
• Queres Eröffnen des STT-Gelenks.
293
27
Frakturen 27.4 Operationstechnik bei Kahnbeinfrakturen

Abb. 27.10 • Dorsaler Zugang mit Einbringen der Mini-HBS-Schraube.

• Darstellen der Fraktur und ggf. Reposition; bei größeren Defekten Spongiosaplas-
tik, je nach Ausmaß vom Radius oder Beckenkamm.
• Zur Reposition ist das Joystick-Manöver über jeweils einen K-Draht distal und
proximal hilfreich.
• Einbringen des Ziehldrahtes und gleiches Vorgehen wie bei der minimal invasi-
ven Verschraubung.
• 2 Wochen Ruhigstellung in Unterarmschiene mit Einschluss des Daumengrund-
gelenks, in Ausnahmefällen auch länger.
▶ Dorsaler Zugang offen:
• Schräge Hautinzision dorsoradial in Längsachse des Skaphoids (Abb. 27.10).
• Darstellen des Retinakulums und distales Eröffnen des 2. und 3. Strecksehnenfa-
ches.
• Strecksehnen werden zur Seite halten und Handgelenkkapsel eröffnen.
• Darstellen der Fraktur und Lokalisation des proximalen Pols in maximaler Fle-
xion.
■▶ Cave: Einbringen des Ziehldrahtes in Richtung auf die Mitte der Daumennagelba-
sis, um eine zu weit ulnare Lage zu vermeiden.
• Intraossäre Lage unter Röntgenkontrolle sicherstellen.
• Aufbohren über den Ziehldraht.
• Längenmessung, übliche Längen ca. 20 mm.
• Einbringen der Schraube (kanülierte HBS Mini) und subchondrales Versenken
des Kopfes (Abb. 27.11).
• Besonderheiten: Bei Verwendung nicht kanülierter Schrauben empfiehlt sich La-
gekontrolle mittels primärem K-Draht, danach Aufbohren in diesem Kanal und
Einbringen der Schraube.
• Ansicht oder Download der Operationsanleitung unter www.checkliste-handchi-
rurgie.de (mit freundlicher Genehmigung von KLS Martin, Tuttlingen).
• Nachbehandlung: Handgelenk postoperativ wie beim palmar offenen Vorgehen
2 Wochen ruhigstellen.

294
27.5 Operationstechniken bei Radiusfrakturen 27

Frakturen
Abb. 27.11 • Proximale Polfraktur stabilisiert
durch Mini-Herbert-Schraube.

27.5 Operationstechniken bei Radiusfrakturen


Osteosynthesematerialien
▶ Winkelstabile Implantate, da bei intrartikulären Frakturen in der distalen Trümmer-
zone keine stabile bikortikale Schraubenverankerung möglich ist.
• Low-Profile-Platten mit zwei distalen Reihen und Schraubendurchmessern zwi-
schen 2,4–2,7 mm:
– Ermöglichen feine Abstützung der einzelnen Gelenkflächenanteile.
– Multidirektionale Schraubenplatzierung erlaubt in Verbindung mit zwei dista-
len Reihen eine stabile zentrale und dorsale Unterstützung der Gelenkfläche
und Anpassung der Schraubenplatzierung an die Frakturmorphologie mit be-
sonderer Berücksichtigung der Problematik des ulnaren Kantenfragmentes
und Frakturen des Processus styloideus radii.
• Palmare winkelstabile Plattenosteosynthese. Vorteile:
– Exakte Reposition und Kontrolle an der palmaren Kortikalis.
– Gute Weichteildeckung ohne Gefahr der Sehnenirritation bei korrekter Platten-
lage.
▶ Es gibt Systeme verschiedener Firmen. Wir verwenden das APTUS distale Radius-
system 2.5 der Firma Medartis (www.medartis.com).

Operationsverfahren und Operationstechnik


▶ Plattenosteosynthese mit oder ohne begleitende Spongiosaplastik
• Palmarer Zugang:
– Längsinzision radial vom N.medianus (Vermeidung von Verwachsungen zwi-
schen Haut und Nerv) zwischen A. radialis und Sehne des M. flexor carpi radia-
lis. Inzision vom Styloid 6–8 cm nach proximal. Muss die Inzision bei ausge-
prägter Trümmerzone nach distal verlängert werden, sollte dies bevorzugt ge-
winkelt nach radial erfolgen.
– Präparation in die Tiefe. Cave: Arterie! Darstellen des M. pronator quadratus.
– Ablösen des Pronator Quadratus radial und Darstellen der Fraktur.
– Bei intraartikulären Frakturen, die häufig auch den Processus styloideus radii
einbeziehen, Eröffnen des 1. Strecksehnenfaches und Ablösen des Ansatzes des
295
27 27.5 Operationstechniken bei Radiusfrakturen

Musculus brachioradialis, da hieraus häufig ein Repositionshindernis resul-


Frakturen

tiert.
– Reposition durch Zug unter Sicht.
– Gelingt die Reposition von palmar nicht vollständig, kann ergänzend ein limi-
tierter dorsaler Zugang im Bereich der Problemzone benutzt werden.
– Steht danach die Gelenkfläche kongruent und ist die Radiuslänge hergestellt Fi-
xierung der Platte in einem proximalen Gleitloch.
– Bildwandlerkontrolle der korrekten Lage unter besonderer Beachtung der zent-
ralen achsengerechten Position und des distalen Endes.
– Distale Umschlagslinie am Radius, sogenannte Water-Shed-Line, darf nicht
überschritten werden.

▶ Cave: Bei Nichtbeachtung Gefahr, dass an dem dann freiliegenden Plattenrand
Beugesehnenrupturen entstehen können.
– Korrektur der Platte nach distal oder proximal im Gleitloch.
– Proximale Fixierung mit einer zweiten Schraube. Die Platte dient jetzt als Ab-
stützung für die definitive Reposition und Fixation.
– Unter Flexion und Zug Reposition des distalen Fragementes gegen die Platte.
– Einbringen jeweils einer Schraube in ein Plattenloch der ersten und zweiten
Reihe.
– Nach erneuter Röntgenkontrolle werden die restlichen Schrauben winkelstabil
platziert.
– Postoperative Röntgenkontrolle. Readaptation des M. pronator quadratus, Re-
dondrainage, mehrschichtiger Wundverschluss, dorsale Gipsschiene bis zu MP-
Köpfen mit Handgelenk in 20° Extension
– Die ausführliche Operationsanleitung einer intraartikulären Extensionsfraktur
mit dorsaler Trümmerzone mit der multidirektional winkelstabilen APTUS-
Platte zur Ansicht oder als Download unter www.checkliste-handchirurgie.de

▶ Cave: Eine intraartikuläre Schraubenlage muss unbedingt vermieden werden.
Daher immer Durchleuchtungskontrolle in p. a. Projektion leicht schräg ent-
sprechend der palmaren Inklination. Bei Nachweis einer intraartikulären Posi-
tion kann bei Verwendung eines multidirektionalen Systems die Schrauben-
richtung unter Belassen der Platte problemlos geändert werden (s. Abb. 27.12).
– Überstehende Schrauben nach dorsal führen häufig zur Strecksehnenruptur.
Die Schraubenlänge sollte daher i. d. R. 2 mm kürzer als gemessen gewählt wer-
den. In der Röntgenkontrolle kann durch die konvexe Form des Radius eine
scheinbar intraossäre Lage der Schraube vorgetäuscht werden.
• Besonderheiten: Gelingt die Reposition initial mit dieser Technik nicht, kann der
Zugang gewinkelt nach radial erweitert werden.
– Herausdrehen des Radiusschaftes und Rekonstruktion der Gelenkfläche unter
direkter Sicht.
– Alternativ: Inzision der radiokarpalen Bänder im Faserverlauf mit direktem
Blick auf die Gelenkfläche.
• Bei instabilem Repositionsergebnis passagere Fixation mittels K-Draht von radial
oder ulnar oder durch spezielle Löcher in der Platte.
• Steht die radiale oder ulnare Seite im Vordergrund → Fixierung dieses Areals mit
mindesten drei Schrauben.
• Bei komplexen Frakturen ggf. palmarer und dorsaler Zugang.
• Bei Zertrümmerung der Gelenkfläche sehr weit distal ist eine Retention mit Plat-
ten häufig nicht ausreichend. Dann zusätzlich Verwendung einzelner Minifrag-
mentschrauben, die meist einen erstaunlich guten Halt finden.
• Bei Defekten und daraus resultierender Instabilität Auffüllung mit Beckenkamm-
spongiosa.
• Dorsaler Zugang: Bei zentraler Impressionsfrakturen (mit Verwendung winkelsta-
biler Implantate), s. Abb. 27.13.
– Schräge Inzision über der Streckseite des Handgelenkes.
296
27.5 Operationstechniken bei Radiusfrakturen 27

Frakturen
Abb. 27.12 • Palmare winkelstabile Plattenosteosynthese (präoperativer Zustand, s. Abb. 6.17)
mit multidirektionalem System (APTUS Platte). Refixation des Processus styloideus ulnae bei
intraoperativer Instabilität im DRUG.

Abb. 27.13 • Winkelstabile dorsale Platte-


nosteosynthese bei zentraler Impressions-
fraktur (präoperativer Zustand s. Abb. 6.18).

297
27 27.5 Operationstechniken bei Radiusfrakturen

– Darstellen des Retinakulums und Eröffnen des 3. Strecksehnenfaches.


Frakturen

– Subperiostales Abheben des 2. und 4. Strecksehnenfaches; bisweilen schwierig


da bei ausgedehnter Zertrümmerung einzelne Fragmente am Periost hängen.
– Eröffnen des Handgelenkes unter teilweiser Ablösung der dorsalen Kapsel-
Bandstrukutren.
– Reposition der Gelenkfläche unter Sicht.
– Stabilisierung durch winkelstabiles Implantat (Miniplatte); bei ausgedehnter
Trümmerzone von radial und ulnar (Säulenprinzip) ggf. mit Spongiosaplastik.
▶ Fixateur externe bei ausgeprägter Zertrümmerung oder begleitender Weichteil-
schädigung. Ggf. später additive offene Reposition und Plattenosteosynthese.
▶ Perkutane Kirschner-Draht-Osteosynthese:
• Voraussetzung: Geschlossene Reposition möglich, kortikale Abstützung der Frag-
mente.
• Bevorzugt Kinder und junge Patienten.
• Die Epiphysenlösung erfordert eine exakte Reposition und anschließend eine Sta-
bilisierung mit 1 oder 2 fugenkreuzenden K-Drähten zur Vermeidung einer er-
neuten Dislokation.
■▶ Cave: Osteoporotischer Knochen und ausgeprägte metaphysäre Trümmerzonen
führen häufig zu sekundärer Dislokation mit Ausheilung in Fehlstellung.
• Technik:
– Aushängen der Fraktur und Reposition.
– Unter Bildwandlerkontrolle Einbringen von mindesten 3 K-Drähten (1,6 mm)
in das distale Fragment über die Fraktur in die Gegenkortikalis.
• Eintrittspunkte: Processus styloideus radii und ulnar 4. Strecksehnenfach (s.
Abb. 27.14 und Abb. 27.15).
■▶ Cave: Läsion des R. superficialis n. radialis und Strecksehnenverletzungen. Zur Ver-
meidung Miniinzision, Spreizen bis auf Periost und Aufsetzen einer Bohrhülse.
▶ Karpaldachspaltung:
• Nicht grundsätzlich, nur bei präoperativem Nachweis von Sensibilitätsstörungen.
• Gesonderte klassische Schnittführung in der Interthenarfurche.
■▶ Cave: Verbindung des radialen Schnittes nach distal über das Handgelenk kann zu
sehr langganhaltenden schmerzhaften Narben führen.

Abb. 27.14 • Palmare winkelstabile Platte-


nosteosynthese mit Refixation des Processus
styloideus ulnae durch Zuggurtung.
298
27.5 Operationstechniken bei Radiusfrakturen 27

Frakturen
Abb. 27.15 • Perkutane K-Drahtosteosynthese. Eintrittspunkte: Processus styloidues radii und
ulnar 4. Strecksenenfach mit Erfassen der Gegenkortikalis.

▶ Begleitverletzungen:
• Nachgewiesene Instabilität des distalen Radioulnargelenks:
– Refixation des abgerissenen Processus styloideus ulnae durch K-Drähte oder
besser Zuggurtung
– Bei Abriss am Radius Transfixation DRUG für 6 Wochen, postoperative Ruhig-
stellung im Oberarmgips.
• Skapholunäre Bandruptur: Reposition von dorsal bevorzugt offen nach Joystick-
Methode mit Kirschnerdrahtfixation für 6-8 Wochen (Abb. 27.16).
• Kahnbeinfrakturen können meist minimalinvasiv verschraubt werden.

Nachbehandlung
▶ Ruhigstellung auf eine palmar angelegte Schiene: Besonders für die Beübung der
Handfunktion wichtig. Um langwierigen Störungen vorzubeugen, müssen der
komplette Faustschluss und die komplette Fingerstreckung rasch möglich sein.
• Dauer:
– Extraartikuläre Frakturen 2 Wochen.
– Intraartikuläre Frakturen 4 Wochen, wobei nach 2 Wochen das Handgelenk
aus der Schiene heraus mobilisiert wird.
■▶ Cave: Störungen der Handfunktion werden nicht selten vernachlässigt und erfor-
dern einen frühzeitigen handtherapeutischen Einsatz.
▶ Die Inzidenz einer Heilentgleisung im Sinne eines CRPS (komplexes regionales
Schmerzsyndrom) kann auf ein Minimum reduziert werden durch:
• Adäquate postoperative Analgesie.
• Schwellungsprophylaxe durch Hochlagern und Eisapplikation.
• Frühzeitige Physiotherapie, auch der Nachbargelenke (Schulter und Ellenbogen).

299
27
Frakturen 27.6 Sekundäreingriffe

Abb. 27.16 • Karpale Transfixation bei begleitender SL-Bandpruptur.

27.6 Sekundäreingriffe
Korrekturosteotomien
▶ Achsenfehlstellungen: Verkürzende, seltener durch Spaninterposition verlängernde
Keilosteotomie.
▶ Drehfehlstellung der Phalangen (Abb. 6.6): Derotationsosteotomie im spongiösen
Bereich der Grundgliedbasis, auch wenn die Ursache eine fehlverheilte Mittelhand-
knochen-Fraktur ist. Fixation mit K-Drähten oder Miniplatte.
▶ „Humpback deformity“ des Kahnbeins (S. 58): Bei entsprechender Symptomatik Os-
teotomie in Knochenmitte und Aufrichtung durch Interposition eines Knochenkeils.
Technik analog der Pseudarthrosen-Sanierung (s. u.).
▶ Nachbehandlung: Erfolgt bei Korrekturosteotomien frühfunktionell.

Pseudarthrosen-Sanierung der Phalangen


▶ Operationstechnik: Resektion der Pseudarthrose im Bereich des gesunden Kno-
chengewebes. Interposition eines kortikospongiösen Blockes und Fixation unter
Kompression in achsenkorrigierter Stellung.

Pseudarthrosen-Operation am Hamulus ossi hamati


▶ Operationstechnik:
• Zugang ähnlich wie bei distalem Ulnariskompressionssyndrom (S. 370).
300
27.6 Sekundäreingriffe 27

▶ Cave: Vor Darstellung der Pseudarthrose (oder Fraktur) den R. profundus n. ulna-

Frakturen
ris darstellen und beiseitehalten!
• Resektion des pseudarthrotischen Teils des Hamulus.
• Bei frischen Frakturen Versuch einer Osteosynthese mit Minischraube.
▶ Nachbehandlung: Frühfunktionell.

Sanierung Kahnbein-Pseudarthrose
▶ Kahnbein-Pseudarthrose mittleres Drittel:
Palmarer Zugang wie beim offenen Vorgehen nach Fraktur.
• Darstellen der Pseudarthrosenzone und Resektion des fibrotischen Gewebes mit
Luer oder Meißel. Sicherstellen, dass sowohl proximal wie auch distal spongiöse
Knochenstruktur sichtbar wird. Wenn möglich Belassen der dorsalen Kortikalis.
• Entnahme eines kortikospongiösen Knochenblockes vom Beckenkamm bevor-
zugt mit Beckenkammfräse (HBS-Instrumentarium, Fa. KLS Martin, Tuttlingen)
und Entfernen der Kortikalis.
• Einpassen des Spongiosablockes in den Defekt:
– Sind Form und Länge des Kahnbeins erhalten, bereitet dies meist wenig
Schwierigkeiten.
– Liegt eine „humpback deformity“ (Abkippung des distalen Fragments nach pal-
mar mit Verkürzung; Abb. 27.17) vor, muss das distale Fragment zur Wieder-
herstellung der Länge aufgerichtet werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass
man das Kahnbein in Verkürzung fixiert. Den dadurch entstehenden Defekt
komplett mit dem Spongiosablock auffüllen (Abb. 27.18). Hierdurch erfolgrei-
che Längenwiederherstellung des Kahnbeins (Abb. 27.19).
■▶ Cave: Bei instabiler Situation sollte ulnar ein passagerer K-Draht eingebracht wer-
den. Danach wird wie bei der Fraktur über den Zieldraht die Schraube einge-
bracht (Abb. 27.20).
▶ Kahnbein-Pseudarthrose proximales Drittel:
• Zugang von dorsal wie bei proximaler Polfraktur.
• Stabile Pseudarthrose (D 1):
– Fensterung, Auffüllen mit Radiusspongiosa und Stabilisierung durch Mini-Her-
bert-Schraube.
• Mobile Pseudarthrose (D 2):
– Resektion der Pseudarthrosenzone, Einpassen eines Spongiosablöckchens be-
vorzugt vom Beckenkamm und Stabilisierung mit Mini-Herbert-Schraube.

Abb. 27.17 • Abkippung des distalen Frag-


ments mit Verkürzung (humpback defor-
mity).
301
27
Frakturen 27.6 Sekundäreingriffe

Abb. 27.18 • Defekt nach Resektion der Pseudarthrosenzone und Aufrichtung des distalen
Fragments (a). Nach Einbringen des Spongiosablockes (b).

Abb. 27.19 • CT mit Nachweis der Aufrichtung Abb. 27.20 • Eingebrachte Herbert-Schraube
des distalen Fragments. mit knöcherner Konsolidierung nach 3 Mona-
ten.

• Avaskuläres, sklerosiertes Fragment (D 3):


– Implantation eines gefäßgestielten Knochenblöckchens vom dorsalen Radius
(Abb. 27.21).
– Darstellen der Interkompartimentarterie zwischen 1. und 2. Strecksehnenfach.
– Umschneiden des Periosts unter Einbeziehung des Gefäßstiels.
– Gewünschtes Knochenblöckchen mit dem Meißel schrittweise mobilisieren.
(Cave: Gefäßstiel schonen! Kortikalis distal abheben und schräg herausmei-
ßeln, tief genug damit ausreichend Spongiosa an der Kortikalis verbleibt.)
– Knochenblöckchen in den Defekt einpassen.
– Stabilisierung möglichst durch Minischraube (Abb. 27.22), alternativ 1,0-mm-
Kirschner Draht.
302
27.6 Sekundäreingriffe 27

Frakturen
Abb. 27.21 • Gefäßgestielter Knochenblock von der Streckseite des Radius.

Abb. 27.22 • Einheilung nach 3 Monaten. Abb. 27.23 • Revisionsoperation mit breitem
Spongiosablock und Stabilisierung durch Git-
terplättchen.

303
27 27.6 Sekundäreingriffe

• Zerfallenes proximales Fragment (D 4):


Frakturen

– Rekonstruktion kommt eine nicht mehr in Betracht.


– Je nach Beschwerden Denervation mit Resektion oder Rettungsoperation durch
mediokarpale Teilarthrodese.
▶ Revisionsoperationen:
• Bei einliegender Schraube: Metallentfernung.
• Anfrischung, erneute Spongiosaplastik und Stabilisierung durch Miniplättchen
(Abb. 27.23).
• Bei avaskulärem Fragment im mittleren Drittel: Alternativ gefäßgestielter Span
lokal vom Radius oder frei mit mikrovaskulärem Anschluss und Entnahme vom
Beckenkamm oder medialen Femurkondylus.
• Bei Lokalisation im proximalen Drittel: Gefäßgestielter Span bevorzugt vom dor-
salen Radius.
▶ Nachbehandlung:
• 6 Wochen Ruhigstellung in Unterarm-Gipsverband mit Daumeneinschluss, wei-
teres Prozedere nach Röntgenkontrolle.
• Bei unsicherer radiologischer Beurteilung: CT in Längsrichtung des Skaphoids.

304
28.1 Operationstechniken Bandnaht und Bandplastik 28
28 Bandrupturen und Luxationen

Bandrupturen und Luxationen


28.1 Operationstechniken Bandnaht und Bandplastik
Bandnaht ulnares Daumengrundgelenk
▶ Operationstechnik:
• Ulnodorsale, bogenförmige Inzision. Inzwischen bevorzugen wir die den Hautfal-
ten folgende quer-schräge Inzision. Schonung des subkutan gelegenen feinen Ra-
dialisastes (Abb. 28.1 a)! Ist das Seitenband nach proximal zurückgeschlagen,
liegt es subkutan (Abb. 7.7)! Spaltung der Aponeurose des M. adductor pollicis
(Abb. 28.1 b).
• Ist die Ruptur einige Tage alt, kann der Bandapparat knäuelartig verklebt sein
und muss zunächst präpariert und geglättet werden.
• Aufklappen, Säubern des Gelenks von Hämatom und Débris.

Abb. 28.1 • a–c Bandnaht ulnares Daumengrundgelenk.


305
28
Bandrupturen und Luxationen 28.1 Operationstechniken Bandnaht und Bandplastik

Abb. 28.2 • Bandplastik Daumengrundge-


lenk (s. Text).

• Meist ist am Grundglied genügend stabiles Gewebe, um die 3–4 erforderlichen


Nähte (PDS oder Nylon 4 /0) zu legen (Abb. 28.1 c). Ist dies nicht der Fall, kann
man zur Fixation der Nähte Löcher durch die Grundgliedbasis (K-Draht 0,8 mm)
bohren. Erst wenn alle Nähte gelegt sind, wird geknüpft.
• Naht der ulnodorsalen Gelenkkapsel (PDS 5 /0) (Abb. 28.1 c). Bei Bedarf auch Naht
der eingerissenen palmaren Platte.
• Adaptation der Adduktoraponeurose. Temporäre K-Drahtfixation (für 4 Wochen)
in 10° Beugung in begründbaren Einzelfällen.
▶ Nachbehandlung: Postoperativ 3 Wochen Ruhigstellung, Beugung aus der Schiene
erlaubt. Bei K-Drahtfixation Ruhigstellung bis zur Wundheilung.

Rekonstruktion ulnares Seitenband Daumengrundgelenk


▶ Indikation: Funktionell störende, jedoch schmerzfreie Instabilität.
▶ Kontraindikation: Gelenksubluxation und/oder Arthrose. In diesen Fällen Durchfüh-
rung einer Arthrodese (S. 383).
■▶ Beachte: Wird erst intraoperativ ein Knorpelabrieb festgestellt, ist ebenfalls die
Arthrodese angezeigt. Darauf muss der Patient vorbereitet sein und eingewilligt
haben.
▶ Sekundäre Bandnaht: Bei Wochen bis Monate alten Verletzungen findet sich bei Re-
vision oft nur eine geringe Schrumpfung des abgerissenen Bandes. Dann gleiches
Vorgehen wie oben.
▶ Bandplastik mit autogenem Sehnentransplantat: Bohren eines Kanals (2,7 oder
3,5 mm) in dorsopalmarer Richtung durch die Grundgliedbasis. Einziehen des
Transplantats, dessen Schenkel V-förmig straff am Kopf des Mittelhandknochens fi-
xiert werden. Die Insertion erfolgt entweder durch Einflechten in den vorhandenen
Seitenbandstumpf oder transossär durch getrennte Bohrkanäle (Abb. 28.2).

Bandplastik Daumensattelgelenk (Eaton-Littler)


▶ Indikation: Subluxationstendenz ohne Arthrosezeichen.
▶ Operationstechnik: Der ulnopalmare Bandapparat wird durch einen Streifen der
Sehne des M. flexor carpi radialis rekonstruiert:
• Inzision wie bei Plastik des M. flexor carpi radialis (Abb. 39.6 a), proximale Ver-
längerung über die Sehne des M. flexor carpi radialis.
• Einen Streifen der Sehne des M. flexor carpi radialis ca. 7 cm proximal der Hand-
gelenk-Beugefalte radial abspalten und nach distal am Os trapezium vorbei zur
Basis des Mittelhandknochens II präparieren (Abb. 28.3).
• Durch die Basis des Mittelhandknochens I wird von dorsal nach palmar ein Kanal
(3,5 mm) gebohrt. Durch diesen den Streifen des M. flexor carpi radialis fädeln,
straff ziehen und am Periost festnähen. Das freie Ende palmar über das Os trape-
zium führen und mit der Sehne des M. flexor carpi radialis vernähen.
▶ Nachbehandlung: Postoperativ 4 Wochen Ruhigstellung wie bei Plastik M. flexor
carpi radialis (S. 387).

Kapsulodese bei SLD (Blatt)


▶ Indikation: Dynamische Instabilität ohne Arthrose (ggf. vorher arthroskopieren!).

306
28.1 Operationstechniken Bandnaht und Bandplastik 28

Bandrupturen und Luxationen


Abb. 28.3 • Bandplastik Daumensattelgelenk (s. Text).

▶ Operationstechnik:
• 5 cm lange, leicht gebogene Längsinzision über dem Handgelenk dorsoradial.
Darstellen der Handgelenkkapsel.
• Die Kapsel längs inzidieren und einen ca. 3 mm breiten, 3 – 4 cm langen Streifen
so präparieren, dass er nur noch proximal an der Radiuskante fixiert ist
(Abb. 28.4 a).
• Das Kahnbein in die anatomisch korrekte Stellung (Abb. 28.4 b) reponieren und
in dieser Position mit K-Drähten (1,2 mm) gegen Os capitatum und Os lunatum
fixieren.
• In der distalen Hälfte des Kahnbeins Bohren eines Knochenkanals in dorsopalma-
rer Richtung (man zielt auf die Thenarbasis) (Abb. 28.4 b).
• Den Kapselstreifen mit transossär geführten PDS-Nähten (4 /0) straff in den Kno-
chenkanal ziehen. Die Naht extrakutan über einem Knopf fixieren.
• Durch die Kapsulodese wird die Rotationssubluxation des Kahnbeins verhindert.
An der röntgenologisch erkennbaren skapholunären Diastase ändert sich meist
nichts oder nur wenig.
▶ Nachbehandlung:
• Postoperativ insgesamt 6 Wochen Ruhigstellung. Nach 4 Wochen wird die Schie-
ne mehrfach am Tag kurz abgenommen und das Handgelenk vorsichtig bewegt.
• K-Drähte 6 Wochen postoperativ entfernen. Anschließend intensive Physiothera-
pie.

Tenodese der FCR-Sehne (Brunelli) bei SLD


▶ Indikation: Reserve- oder Alternativverfahren zur Methode nach Bleuler oder Blatt
bei SLD ohne fortgeschrittene Arthrose.
▶ Prinzip: Aufrichtung des subluxierten, rotationsinstabilen, nach palmar abgekippten
Kahnbeins durch einen FCR-Sehnenstreifen, der durch den distalen Kahnbeinpol
nach dorsal gezogen und dort am Radius fixiert wird. Die skapholunäre Diastase
kann und muss nicht korrigiert werden.
▶ Operationstechnik:
• Leicht bogenförmige Querinzision dorsoradiales Handgelenk (4./5. Fach bis nahe
1. Fach); Präparation der Subkutis unter Schonung/Mobilisierung der großen Ve-
nen und der Radialisäste.
307
28
Bandrupturen und Luxationen 28.1 Operationstechniken Bandnaht und Bandplastik

Abb. 28.4 • a, b Kapsulodese nach Blatt bei skapholunärer Dissoziation (s. Text). c, d Dynamische
ECRL-Tenodese n. Bleuler (ECRL) (s. Text)

• Eröffnung 2. – 4. Fach, Mobilisierung der Strecksehnen und Eröffnung der Gelenk-


kapsel nahe der Radiuskante bis zum STT-Gelenk.
• Darstellung des distalen Kahnbeinpols ohne großflächige Denudierung.
• Längsinzision radiopalmares Handgelenk über der FCR-Sehne, die bis nahe an
den Ansatz dargestellt und von hier bis in den muskulotendinösen Übergang ge-
spalten wird. Absetzen eines Zügels proximal, so dass ein mindestens 6 – 7 cm
langer, distal gestielter FCR-Sehnenstreifen resultiert.
• Sparsame Darstellung des distalen Kahnbeinpols von palmar (Tuberkulum meist
ausreichend).
• Bohren eines Knochenkanals (3,5 mm Durchmesser) im distalen Kahnbeinviertel
am einfachsten mit kanüliertem Bohrer über K-Draht (Bildverstärkerkontrolle) in
dorsopalmarer Richtung.
• Durchzug des Sehnenstreifens nach dorsal, am einfachsten nach Anschlingung
der Sehne mit 0,6er Drahtcerclage.
• FCR-Zügel unter den Sehnen des 2. – 4. Faches durchziehen und nach Reposition
des Kahnbeins (Bildverstärkerkontrolle!) unter mäßiger Spannung an der Radius-
kante am kräftigen Septum zwischen 4. und 5. Fach (Durchflechtung) mit PDS 2 /
0 fixieren; je nach Stabilität der Naht zusätzliche Fixation des reponierten Kahnb-
eins gegen Kapitatum und Lunatum durch 2 K-Drähte (Stärke 1,2 mm).
• Kapselnaht über dem FCR-Zügel mit Vicryl 3 /0, Verschluss der Sehnenfächer mit
PDS 4 /0.
▶ Nachbehandlung:
• Wie bei Operation nach Blatt.
308
28.2 Arthrolyse 28
Dynamische Tenodese (ECRL) des Skaphoids bei SLD (Bleuler)

Bandrupturen und Luxationen


▶ Indikation: Skapholunäre Instabilität ohne Arthrose und ohne karpalen Höhenver-
lust (ggf. vorher arthroskopieren!).
▶ Operationstechnik (Abb. 28.4c, d):
• Leicht gebogene, longitudinale oder quere Inzision über dem Handgelenk vom
Lister-Tuberkel schräg nach distal-radial, ca. 4 – 5 cm lang. Weghalten der EPL-
Sehne nach ulnar.
• Freilegen der ECRL-Sehne vom distalen Rand des Retinakulums (schmalen Strei-
fen resezieren) bis zum Ansatz.
• ECRL Sehne nach radial weghalten, Längseröffnen von Radiokarpal- und Medio-
karpalgelenk im Bett der Sehne. Zwischen den Arthrotomien dorsale Skaphoid-
fläche freilegen und nahe dem distalen Pol (nicht durch den Gelenkknorpel!) ver-
tikale 2-mm-Bohrung anlegen. Um die Bohrung herum den Knochen etwas anfri-
schen.
• Die ECRL-Sehne (nach ggf. Synovialektomie) kräftig nach distal ziehen. In dieser
Position Sehne unter Verwendung einer 4 mm Spongiosaschraube mit Zacken-
kranz-Unterlegscheibe durch die Bohrung auf dem Skaphoid festschrauben. Die
Schraubenspitze soll die palmare Kortikalis geringfügig unmittelbar proximal des
Tuberkulums durchdringen. Sehne wird distal nicht durchtrennt, soll schlaff
durchhängen.
• Durch die dynamische Tenodese wird das Skaphoid vom ECRL-Muskel, der sich
bei jeder Greifbewegung reflektorisch anspannt, dynamisch aufgerichtet und
gleichzeitig gehindert, nach radial abzuweichen.
• Die Tenodeses ist nur bei angespanntem ECRL-Muskel wirksam. Röntgenaufnah-
men bei entspannter Muskulatur zeigen den Effekt nicht.
▶ Nachbehandlung:
• Postoperativ 6 Wochen Ruhigstellung. Nach 4 Wochen wird die Schiene mehrfach
am Tag kurz abgenommen und das Handgelenk vorsichtig bewegt.
• Bis zur 12. postoperativen Woche darf das Handgelenk uneingeschränkt bewegt,
aber nur gering belastet werden. Danach wird die Belastung freigegeben und auf-
gebaut, z. B. mit Zuggeräten (Rudergerät).
• Die Handgelenkflexion bleibt anfangs eingeschränkt und soll nicht über 45° for-
ciert werden. Später können 60° erreicht werden, dies ist für ein gutes Ergebnis,
aber nicht erforderlich.

28.2 Arthrolyse
Grundlagen
▶ Durchführung von Arthrolysen möglichst in Mittelhandblockade und Blutleere, da-
mit die aktive Beweglichkeit zur intraoperativen Kontrolle erhalten bleibt.
▶ Der erreichte aktive Bewegungsumfang wird dem Patienten intraoperativ gezeigt,
um ihn für die postoperative Physiotherapie zu motivieren, die schon am Folgetag
beginnt.

Arthrolyse bei Beugekontraktur des PIP-Gelenks


▶ Indikation: Streckdefizit > 30° trotz längerer Physiotherapie und Quengelung.
▶ Operationstechnik:
• Mediolaterale Inzision (3 – 4 cm). Lösen der Adhäsionen zwischen Haut und Beu-
gesehnen. Die Gefäß-Nerven-Bündel bleiben palmar und werden geschont.
• Exzision der Beugesehnenscheide distal des A2-Ringbandes. Darstellen der pal-
maren Platte und der Zügelbänder proximal davon.
• Durchtrennen der Zügelbänder (Abb. 28.5). Meist reicht dies zur Korrektur der
Kontraktur allein nicht aus, daher anschließend Einkerben der palmaren Platte
distal und des Seitenbandes dorsal.
309
28
Bandrupturen und Luxationen 28.2 Arthrolyse

Abb. 28.5 • Arthrolyse: Durchtrennung der Zügelbänder (1) und der akzessorischen Seitenbän-
der (2).

• Vorsichtiges manuelles Dehnen des Gelenks löst Adhäsionen intra- und periarti-
kulär und sollte die vollständige Streckung ermöglichen. Ist dies nicht der Fall,
wird von einer separaten Inzision auf der Gegenseite das andere Seitenband ein-
gekerbt.

▶ Beachte: Ist eine Korrektur anders nicht zu erreichen, dürfen beide Seitenbän-
der exzidiert werden. Die Stabilität des Gelenks wird dadurch nicht auf Dauer
beeinträchtigt.
• Öffnen der Blutleere, Blutstillung.

▶ Cave: Durch Dehnung der Arterien vorübergehende Minderdurchblutung mög-
lich!
• Postoperativ Anlegen einer Quengelschiene mit Ausleger.

Arthrolyse bei Streckkontraktur des PIP-Gelenks


▶ Mangelhafte Beugung kann das Resultat von Vernarbung der dorsalen Kapsel und
von Adhäsionen der Strecksehne mit dem Knochen sein. In diesem Fall ist die aktive
und passive Beugung kaum möglich.
▶ Operationstechnik:
• Eingriff wenn möglich in Mittelhandblockade und Blutleere.
• Mediolaterale Inzision (3 – 4 cm). Durchtrennen des Lig. retinaculare transversum
palmar des Seitenzügels und Lösen etwaiger Adhäsionen zwischen Streckapo-
neurose und Knochen.
• Queres Durchtrennen der dorsalen Gelenkkapsel und vorsichtige passive Beu-
gung. Eventuell Einkerben des Seitenbandes. Bleibt die aktive Beugung intraope-
rativ unvollständig, muss sich evtl. eine Tenolyse der Beugesehnen anschließen
(S. 284).
• Postoperativ werden die Finger durch einen Verband in die volle Beugung gewi-
ckelt.

Arthrolyse bei Vernarbung der palmaren Platte


▶ Nach Abrissverletzung der palmaren Platte mit oder ohne Knochenfragment kann
die aktive Beugung ebenfalls eingeschränkt sein. Die passive Beugung ist sehr
schmerzhaft.
▶ Operationstechnik:
• Betäubung, Inzision und Präparation wie bei der Beugekontraktur. Im Unter-
schied dazu Darstellung der palmaren Platte distal an der Mittelgliedbasis. Die
310
28.2 Arthrolyse 28
Narben, evtl. auch ein kleines Knochenfragment, werden exzidiert. Falls erforder-

Bandrupturen und Luxationen


lich, Beugesehnen-Tenolyse (S. 284).
• Postoperativ Finger durch einen Verband in die volle Beugung wickeln.

Arthrolyse bei Streckkontraktur des MP-Gelenks


▶ Operationstechnik:
• Bogenförmige Inzision dorsal über dem MP-Gelenk.
• Ulnare Längsinzision der Streckerhaube, Lösen von Strecksehnen-Adhäsionen.
Quere Durchtrennung der dorsalen Kapsel und beider Seitenbänder proximal am
Mittelhandknochen-Kopf. Passive Dehnung in die volle Beugung. In dieser Posi-
tion Ruhigstellung durch dorsale Gipsschiene, die nach Physiotherapie als Redres-
sionsschiene weiterbenutzt wird.

311
29 29.1 Versorgung von Nagelbett-Verletzungen

29 Haut-Weichteilverletzungen
Haut-Weichteilverletzungen

29.1 Versorgung von Nagelbett-Verletzungen


Trepanation
▶ In Fingerbetäubung wird mit dem Skalpell ein dreieckförmiges Loch (Seitenlänge
2 mm) aus der Nagelmitte gestanzt, das eine dauerhafte Drainage gewährleistet.

▶ Beachte: Im Bereich der Nagelmatrix, zu erkennen am weißen Halbmond (Lunula),
darf nicht trepaniert werden!

Nagelbett-Rekonstruktion
▶ Nagel oder Nagelteile mit stumpfer Klemme oder Elevatorium unterminieren und
vom Nagelbett ablösen.

▶ Tipp: Bei intaktem Nagel ist es vorteilhaft, ihn nur nach proximal zu klappen, so dass
er in der Nageltasche fixiert bleibt.
▶ Naht des Nagelbettes mit Vicryl 6 /0 oder 7 /0. Für eine atraumatische Rekonstruk-
tion ist eine scharfe Nadel unbedingt erforderlich. Die Rekonstruktion der Matrix
erfolgt am besten mit Lupenbrille oder Mikroskop.
▶ Liegen Defekte vor, ist eine freie Nagelbett-Transplantation in Spaltdicke zu erwä-
gen.
• Transplantat von der Großzehe oder bei einem komplexen Trauma von nicht re-
konstruierbarem Endglied entnehmen.
• Den Nagel säubern, anfrischen, trepanieren (s. o.) und als physiologische Schiene
replantieren. Die Fixation erfolgt durch Andrücken des Nagels in die Nageltasche
und Anlage von 2 Nähten durch den distalen Nagelrand und die Fingerkuppe.
Steht kein intakter Nagel zur Verfügung, wird das Nagelbett mit Salbentüll be-
deckt und dieses zur Vermeidung von Adhäsionen unter den Nagelwall in die Na-
geltasche geschoben.
• Das komplette Nachwachsen des neuen Nagels dauert 4 – 5 Monate.

Sekundäreingriffe
▶ Nagelwachstumsstörungen: Sie treten meist in Form von Spaltnagel oder Nagel-
firstbildung auf. Korrektur durch Exzision der Nagelbettnarben versuchten. Rekon-
struktion durch Sekundärnaht oder Nagelbett-Transplantation. Die Prognose ist mä-
ßig.
▶ Schnabelnagel: Der hakenförmige Schnabelnagel entsteht durch Knochen- und
Weichteilverlust und dadurch bedingte mangelnde Abstützung des Nagelbettes.
Korrektur durch Aufrichtung des Nagels, Unterfütterung mit Knochentransplantat
und Deckung des resultierenden Weichteildefekts mit Cross-Finger- oder Thenar-
lappen versuchen. Eine solche Operation nur bei sehr motivierten Patienten, die
über alle Risiken und Komplikationsmöglichkeiten aufgeklärt sind, durchführen.

29.2 Lappenplastiken zur Deckung von Fingerendglied-


Defekten
V-Y-Lappen (Tranquilli-Leali)
▶ Indikation: Quere Defekte der distalen Fingerkuppe.
▶ Operationstechnik (Abb. 29.1 a–d):
■▶ Cave: Kein Anfängerlappen!
• V-förmige Inzision der Haut. Die Lappenspitze befindet sich in Höhe der Endge-
lenk-Beugefalte.

312
29.2 Lappenplastiken zur Deckung von Fingerendglied-Defekten 29

Haut-Weichteilverletzungen
Abb. 29.1 • a–d V-Y-Lappen (Tranquilli-Leali) (s. Text).

Abb. 29.2 • a–c Bilateraler V-Y-Lappen (Kutler) (s. Text).

• Scharfes Abheben der distalen Lappenecken vom Periost und Unterminierung


des Lappens entlang der Beugesehnenscheide.
• Zartes und vorsichtiges Präparieren des subkutanen Stiels auf beiden Seiten in
Längsrichtung. Aufsuchen und Durchtrennen aller fibrösen Septen. Erst dann ist
eine Verschiebung nach distal möglich.
■▶ Beachte: Das Gefäß-Nerven-Bündel lässt sich dehnen, die Bindegewebssepten
nicht, dadurch Unterscheidung der Strukturen.
• Spannungsfreie Fixierung des Lappens distal durch Nähte am Nagel oder Nagel-
bett. Lockerer Verschluss des Hebedefekts.
■▶ Cave: Weder Fixierung des Lappens noch Verschluss des Hebedefekts erzwingen!
▶ Nachbehandlung: 1 Woche Ruhigstellung mit Fingergipsschiene.

Bilateraler V-Y-Lappen (Kutler)


▶ Indikation: Quere Defekte der distalen Fingerkuppe.
▶ Operationstechnik: Hebetechnik analog V-Y-Lappen (s. o.). Lappen in der Mitte des
Defekts miteinander vernähen (Abb. 29.2 a–c).
▶ Nachbehandlung: Wie V-Y-Lappen.

„Banana flap“ (Elliot)


▶ Indikation: Deckung nicht zu großer seitlicher Defekte.
▶ Operationstechnik: Kuppenfettgewebe wie das Fruchtfleisch einer Banane seitlich
herausquetschen, mobilisieren und über dem Defekt fixieren.
▶ Nachbehandlung: Kontrollierte Sekundärheilung.

313
29
Haut-Weichteilverletzungen 29.2 Lappenplastiken zur Deckung von Fingerendglied-Defekten

Abb. 29.3 • a–c Lateraler neurovaskulärer Insellappen (Segmüller) (s. Text).

Abb. 29.4 • a–c Kontralateraler Kup-


penlappen (s. Text).

Lateraler neurovaskulärer Insellappen (Segmüller)


▶ Indikation: Palmarer Kuppen- bzw. Endglieddefekt.
▶ Operationstechnik:
• Uni- oder bilaterale Lappenhebung. Nach Hautinzision Abpräparieren des Haut-
weichteilmantels vom Lappen weg. Identifizieren und Präparieren des Gefäß-
Nerven-Bündels proximal.
■▶ Cave: Am Gefäß-Nerven-Bündel genügend Gewebe belassen, da es Venen ent-
hält!
• Seitliches Präparieren des Lappens bis auf die Sehnenscheide bzw. das Periost
(Abb. 29.3 a–c). Heben von distal nach proximal, bis der Lappen frei am Gefäß-
Nerven-Bündel hängt. Lockerer Verschluss des Hebedefekts.
▶ Nachbehandlung: Wie V-Y-Lappen (s. o.).

Kontralateraler Kuppenlappen
▶ Indikation: Wiederherstellung eines sensiblen Spitzgriffs am Zeigefinger.
▶ Operationstechnik (Abb. 29.4 a–c): Wie Segmüller-Lappen.
▶ Nachbehandlung: Wie Segmüller-Lappen.

Cross-Finger-Lappenplastik
▶ Indikation: Ausgedehnter palmarer Endglieddefekt.
■▶ Beachte: Da der Lappen asensibel ist, eignet er sich nicht für Defekte am Daumen
und Zeigefinger-Endglied!

314
29.2 Lappenplastiken zur Deckung von Fingerendglied-Defekten 29

Haut-Weichteilverletzungen
Abb. 29.5 • a–c Cross-Finger-Lappenplastik (s. Text).

▶ Operationstechnik:
■▶ Beachte: Das Lappendesign muss ca. 30 % größer sein als der zu deckende Defekt.
Der distale Lappenrand reicht bis zur Mediolaterallinie (Abb. 29.5 a–c).
• Hautinzision. Kräftige dorsale Venen koagulieren, evtl. unterbinden (6 /0). Abprä-
paration des Lappens von der Strecksehne.
■▶ Beachte: Peritendinöses Gleitgewebe unbedingt belassen!
• Deckung des Hebedefekts mit dicker Spalthaut. Zur Sicherung der Blutstillung
Transplantat zirkulär einnähen. Überknüpfverband.
• Nun wird der Lappen wie eine Buchseite umgeschlagen und in den Defekt am be-
nachbarten Finger eingenäht.
▶ Nachbehandlung: Ruhigstellung bis zur Stieldurchtrennung nach 3 Wochen.
▶ Stieldurchtrennung: Durchtrennen des Stiels nahe am Spenderfinger. Sparsames
Débridement und Ausdünnen des durchtrennten Stiels und lockeres Einnähen. De-
fekt am Spenderfinger lässt sich meist primär verschließen.

Umgekehrte Cross-Finger-Lappenplastik
▶ Indikation: Subkutaner Lappen zur Deckung dorsaler Defekte.
▶ Operationstechnik (Abb. 29.6 a–c):
• Vor Lappenhebung wird die Oberhaut in Spalthautdicke abpräpariert
(Abb. 29.6 b).
• Fixierung des „Spalthautlappens“ mit Überknüpfverband am Spenderfinger.
• Heben und Transponieren des Lappens wie oben beschrieben.
• Decken des eingenähten Lappens mit mitteldicker Spalthaut ohne Überknüpfver-
band.
▶ Nachbehandlung: Wie Cross-Finger-Plastik.
▶ Stieldurchtrennung: Wie Cross-Finger-Plastik.

Thenarlappenplastik
▶ Indikation: Selten indiziert wegen ungünstiger Ruhigstellungsposition in starker
Beugestellung des verletzten Fingers. Palmare Endglieddefekte am Mittel- und Ring-
finger.
▶ Operationstechnik:
• Markieren der Hebestelle durch Andrücken des Defekts an den Daumenballen.
• Primärer Verschluss des Hebedefekts oder Deckung mit Vollhaut.
315
29
Haut-Weichteilverletzungen 29.3 Lappenplastiken zur Defektdeckung am Daumenendglied

Abb. 29.6 • a–c Umgekehrte Cross-Finger-Lappenplastik (s. Text): Gehobener „Spalthautlap-


pen“ (1), teilpräparierter Lappen (2).

Bei Lappenhebung beachten


▶ Der Lappen muss ca. 30 % größer sein als der zu deckende Defekt.
▶ Radiale oder proximale Stielung.
▶ Daumennerven unbedingt schonen!

▶ Nachbehandlung: Ruhigstellung bis zur Stieldurchtrennung nach 3 Wochen.

29.3 Lappenplastiken zur Defektdeckung am


Daumenendglied
V-Y-Plastik
▶ Indikation und Vorgehen wie am Fingerendglied (S. 312).

Schräger Dreiecklappen (Venkataswami)


▶ Indikation: Palmare Defekte.
▶ Operationstechnik:
• Dreieckförmige Hautinzision bis zur Grundgliedbasis (Abb. 29.7 a–c).
• Abpräparieren des Lappens entlang der Beugesehnenscheide.
• Durchtrennung der fibrösen Septen entlang der schrägen Inzision wie bei V-Y-
Plastik (S. 312).
• Isolierung des radialen Gefäß-Nerven-Bündels proximal wie bei einem lateralen
Insellappen (S. 314).
▶ Nachbehandlung: 1 Woche Ruhigstellung.

Palmarer Dehnungslappen (Moberg)


▶ Indikation: Ausgedehnte palmare Defekte.
▶ Operationstechnik:
• Mediolaterale Inzision beidseits bis zur Grundglied-Beugefalte (Abb. 29.8 a).

▶ Beachte: Der Lappen darf bei lateraler Präparation das Gefäß-Nerven-Bündel
nicht dissezieren!

316
29.3 Lappenplastiken zur Defektdeckung am Daumenendglied 29

Haut-Weichteilverletzungen
Abb. 29.7 • a–c Schräger Dreiecklappen (Venkataswami) (s. Text).

Abb. 29.8 • a, b Palmarer Dehnungslappen (Moberg) (s. Text).

Abb. 29.9 • a–c Dellon-Lappen (s. Text).


317
29 29.3 Lappenplastiken zur Defektdeckung am Daumenendglied

• Heben des Lappens von distal entlang der Beugesehnenscheide. Zur Erleichterung
Haut-Weichteilverletzungen

der Deckung bei größeren Defekten das Endgelenk in 30° Beugung mit einem K-
Draht für 3 Wochen fixieren.
• Reicht die Lappenlänge nicht zur Deckung, quere Hautinzision in Lappenmitte;
anschließend Schaffung eines Insellappens an beiden Gefäß-Nerven-Bündeln
(Abb. 29.8 b).
• Alternativ Verlängerung des Lappens nach proximal, entweder als V-Y-Lappen
(Abb. 29.9 a, c) oder durch Verlängerung der Inzisionen bis in den Thenarbereich
(Dellon, Abb. 29.9 b). Im letzten Fall ist eine Korrektur des lateralen Hautüber-
schusses durch Exzision von Burow-Dreiecken (Abb. 23.12) erforderlich.
▶ Nachbehandlung: 10 Tage Ruhigstellung, dann Beginn mit Bewegungsübungen.

Insellappen vom Ring- oder Mittelfinger-Endglied (Littler)


▶ Indikation: Große Endglieddefekte.
▶ Operationstechnik:
• Umschneidung des Lappens entsprechend der Defektgröße ulnar am Endglied
des Spenderfingers. Mediolaterale Inzision am Finger, Zickzack-Inzision in der
Hohlhand (Abb. 29.10 a–d).
• En-Bloc-Präparation des Gefäß-Nerven-Bündels zur Erhaltung der kaum sichtba-
ren Begleitvenen.

Abb. 29.10 • a–d Insellappen vom Ring- oder Mittelfinger-Endglied (Littler) (s. Text).
318
29.4 Lappenplastiken zur Defektdeckung an Phalangen 29
• Ligatur der radialen Arterie zum Klein- bzw. Ringfinger. Präparation des Gefäß-

Haut-Weichteilverletzungen
Nerven-Bündels bis zur Hohlhandmitte. Mikrochirurgisches Spalten des gemein-
samen Nervs.
• Schaffung eines geräumigen Tunnels zum Daumen durch Weiten mit stumpfer
Klemme. Durchziehen und Einnähen des Lappens ohne Verdrehung des Gefäß-
Nerven-Bündels.

▶ Beachte: Ist der Tunnel am Daumengrundglied zu eng, ist eine ulnolaterale Inzi-
sion und Deckung des Lappenstiels mit mitteldicker Spalthaut erforderlich.
• Öffnen der Blutleere erst nach Durchziehen des Lappens. Der Lappen sollte gut
durchblutet sein; leicht bläuliche Färbung als Ausdruck relativer venöser Insuffi-
zienz ist jedoch nicht beunruhigend.
• Deckung des Hebedefekts mit Spalthaut. Redon-Drainage in Hohlhand.
▶ Nachbehandlung: 10 Tage Ruhigstellung, danach Bewegungsübungen.

Insellappen vom dorsalen Zeigefinger-Grundglied (Foucher)


▶ Indikation: Große Endglieddefekte.
▶ Operationstechnik:
■▶ Beachte: Um die Daumenspitze zu erreichen, muss der Lappen bis zur PIP-Gelenk-
falte gehoben werden. Andererseits muss der Lappen die Haut über dem MP-Ge-
lenk (Lappenschwanz) einschließen, da sich hier die feinen Äste aufzweigen
(Abb. 29.11 a). Dieses Areal kann zwar entepithelisiert werden, dennoch ist der
Lappen nur bei großen Defekten indiziert, da man ihn sonst kaum im Defekt „un-
terbringt“.
• S-förmige Inzision nach proximal. Abpräparieren der Haut. Präparation eines ca.
1 cm breiten subkutanen Stiels mit Vene und sensiblem Radialisast zum Zeigefin-
ger radial vom Mittelhandknochen bis zur Faszie (Abb. 29.11 b).
• Die 1. Metakarpalarterie kann subfaszial verlaufen, daher die Faszie des M. inter-
osseus dorsalis I immer radial und ulnar (hier wird vom Periost des Mittelhand-
knochens abpräpariert) inzidieren und mit dem Lappen heben (Abb. 29.11 c). Die
Arterie auf keinen Fall isolieren!
• Den Lappen nun von distal nach proximal heben. Unmittelbar proximal des Mit-
telhandknochen-Kopfes muss evtl. eine nach palmar abgehende Arterie unter-
bunden werden.
• Den Lappenstiel fast bis zum Abgang der Lappenarterie aus der A. radialis präpa-
rieren und mobilisieren (Abb. 29.11 d).
• Inzision am Daumen ulnolateral und Schaffung eines subkutanen Tunnels zwi-
schen beiden Inzisionen durch Weiten mit einer anatomischen Klemme. Hin-
durchziehen und Einnähen des Lappens in den Defekt, ohne den Stiel zu verdre-
hen. Dann Blutleere öffnen.
• Lappenschwanz im Grundgliedbereich einnähen (Abb. 29.11 e).
• Deckung des Hebedefekts mit dicker Spalthaut. Überknüpfverband.
▶ Nachbehandlung: 10 Tage Ruhigstellung, danach Bewegungsübungen.

29.4 Lappenplastiken zur Defektdeckung an Phalangen


Transpositionslappen (Hueston)
▶ Indikation: Deckung palmarer und dorsaler Defekte mit freiliegenden Sehnen oder
Knochen.
▶ Operationstechnik: Die Lappenform richtet sich nach der Topografie des Defekts.
Die Lappenbasis liegt auf der längeren Seite der Trapezform (Abb. 29.12 a–c). Hebe-
defekt mit Spalthaut decken.

319
29
Haut-Weichteilverletzungen 29.4 Lappenplastiken zur Defektdeckung an Phalangen

Abb. 29.11 • a–e Insellappen vom dorsalen Zeigefinger-Grundglied (Foucher) (s. Text).

Cross-Finger-Lappenplastik
▶ Indikation: Deckung palmarer Defekte (Abb. 29.13 a–d).
▶ Operationstechnik: S. 314.

Cross-Arm-Lappenplastik
▶ Indikation: Große dorsale Defekte. Dorsale oder palmare Defekte an mehreren Fin-
gern.
▶ Operationstechnik:
■▶ Beachte: Da der Lappen mit einem zufälligen Gefäßmuster entnommen wird, ist
ein Längen-Breiten-Verhältnis von 1 : 1 einzuhalten. Die bequemste Position des
Lappens kann der Operateur am eigenen Arm überprüfen.
Für streckseitige Fingerdefekte erfolgt die Hebung vom lateralen Oberarm, für
palmare Defekte von der Oberarm-Innenseite (Abb. 29.14 a–c). Die Lappenbasis
320
29.4 Lappenplastiken zur Defektdeckung an Phalangen 29

Haut-Weichteilverletzungen
Abb. 29.12 • a–c Transpositionslappen (Hueston).

Abb. 29.13 • a–d Cross-Finger-Lappenplastik zur Deckung palmarer Fingerdefekte.

Abb. 29.14 • a–c Cross-Arm-Lappenplastik.


321
29 29.5 Lappenplastiken zur Defektdeckung an der Hand

kann distal, proximal, lateral oder medial liegen. Bei multidigitalen Defekten
Haut-Weichteilverletzungen

müssen 2 Lappenstiele belassen werden (Brückenlappen).


• Heben des Lappens auf der Muskelfaszie. Bei kleinen Lappen direkter Verschluss
des Hebedefekts nach dem Ausschneiden seitlicher Dreiecke, sonst temporäre
Deckung mit Spalthaut oder Hautersatz.
• Nach Einnähen des Lappens in den Defekt ist eine zusätzliche Fixation der ver-
letzten Extremität nicht erforderlich, allenfalls in der Aufwachphase.
▶ Nachbehandlung:
• Bewegungen der nicht fixierten MP-Gelenke.
• Lappendurchtrennung nach 3 Wochen. In der Regel ist der direkte Verschluss des
Hebedefekts möglich.

29.5 Lappenplastiken zur Defektdeckung an der Hand


Gestielter Leistenlappen (McGregor)
▶ Indikation: Große palmare und dorsale Defekte an der Hand.
▶ Operationstechnik:
• Exposition der hinteren Beckenregion. Unterpolstern des Gesäßes mit einem Kis-
sen auf der Entnahmeseite. Markieren des Lig. inguinale, der Spina iliaca anterior
superior, der A. femoralis, des Abgangs der A. circumflexa ilium superficialis und
des M. sartorius. Die Achse des Lappens befindet sich 2 cm kaudal vom Lig. ingui-
nale parallel zu dessen Verlaufsrichtung (Abb. 8.8).
• Die beste Position der Hand präoperativ am Patienten überprüfen.

Abb. 29.15 • a–c Gestielter


Leistenlappen.
322
29.5 Lappenplastiken zur Defektdeckung an der Hand 29
• Markierung des Lappens entsprechend der Defektgröße, dabei einen mindestens

Haut-Weichteilverletzungen
4 cm breiten Stielbereich zur spannungsfreien Rundstielbildung stehen lassen.
• Umschneidung des Lappens. Heben von lateral auf der Faszie (Abb. 29.15 a). Die
axial verlaufende Arterie wird subkutan sichtbar. Auf der Höhe des M. sartorius
durchtritt die Arterie die Faszie. Ist aufgrund der Defektgröße oder -lokalisation
ein langer Stiel erforderlich, wird die Faszie durchtrennt. Die weitere Lappenhe-
bung erfolgt dann subfaszial (Abb. 29.15 b).
• Für den primären Verschluss großer Hebedefekte ist eine maximale Hüftbeugung
erforderlich. Dies ist bereits bei der Lagerung und Abdeckung des Patienten zu
berücksichtigen.
■▶ Beachte: Bei Defektverschluss und Rundstielbildung die Lappenbasis auf keinen
Fall einengen, da es sonst zu einer venösen Abflussstörung kommen kann!
▶ Nachbehandlung:
• Bequeme Lagerung des Armes auf ein Kissen ohne Abknicken des Lappenstiels.
Lappen und Lappenstiel bleiben verbandfrei und somit für regelmäßige klinische
Kontrollen sichtbar.
• Durchtrennen und Einnähen des Lappenstiels (Abb. 29.15 c) nach 3 Wochen.

Gestielter Unterarmlappen (Abb. 29.16)


▶ Indikation: Große dorsale Defekte.
▶ Operationstechnik:
■▶ Beachte: Das präoperative Durchführen des Allen-Tests (Abb. 8.2) ist obligat! Die
A. ulnaris muss eindeutig zur guten Durchblutung der Hand ausreichen!

Abb. 29.16 • Schema der Hebung eines Unterarmlappens: (1) M. brachioradialis, (2) A. radialis
im Septum intermusculare, (3) M. flexor carpi radialis, (4) M. flexor digitorum superficialis,
(5) Sehne des M. palmaris longus, (6) M. flexor carpi ulnaris.
323
29
Haut-Weichteilverletzungen 29.5 Lappenplastiken zur Defektdeckung an der Hand

Abb. 29.17 • a–d Gestielter Unterarmlappen.

• Markierung des Lappens auf der Achse der A. radialis. Damit Form und Stiellänge
passen, ein Muster des Defekts aus einem Tupfer zuschneiden und dieses um den
Drehpunkt am Handgelenk auf den Unterarm transponieren. Bei zu langem Stiel
knickt Arterie ab!
• Inzision entlang der Lappenmarkierung und über der A. radialis.
• Darstellen und Anschlingen der A. radialis mit ihren Begleitvenen distal und pro-
ximal (Abb. 29.17 a). Auf diese Weise ist der Arterienverlauf während der Lap-
penhebung laufend kontrollierbar.
• Darstellen der Muskelfaszie, Inzision ca. 1 cm vom Lappenrand und Beginn der
subfaszialen Präparation von ulnar auf dem M. flexor carpi radialis (Abb. 29.17 b).
Fixation der Faszie an der Lappenhaut mit Nähten.
• Den M. flexor carpi radialis nach ulnar weghalten und das Septum intermuscula-
re mit der in der Tiefe verlaufenden A. radialis darstellen (Abb. 29.17 c).
324
29.5 Lappenplastiken zur Defektdeckung an der Hand 29
• Die sehr dünne Faszie von radial vom M. brachioradialis abpräparieren. Dabei

Haut-Weichteilverletzungen
den R. superficialis n. radialis schonen! Retraktion des M. brachioradialis mit
scharfem Haken und Präparation des Septums unter Kontrolle des Gefäßstiels.

Schwierige Faszienpräparation
Um das Septum von radial darzustellen, den M. brachioradialis scharf retrahieren
und die Faszie auf der Innenseite des Muskels abpräparieren. Sonst besteht hier
die Gefahr, den Lappen vom Gefäßstiel zu trennen!

• Proximale Durchtrennung und Ligatur des Gefäßstiels. Den Arterienstumpf an


den Lappen nähen, den dazu verwendeten Faden lang lassen und den Lappen da-
ran leicht hochziehen. Das Septum mit dem darin liegenden Gefäßstiel schritt-
weise unter Koagulation der Muskeläste der A. radialis durchtrennen.
• Der Drehpunkt des Lappens liegt in den meisten Fällen in Höhe des Handgelenks
(Abb. 29.17 d). Den Lappen durch einen weiten subkutanen Tunnel in den Defekt
ziehen. Bei distalen Hohlhanddefekten Tunnelung durch die 1. Zwischenfingerfal-
te, da sich die palmare Haut schwer untertunneln lässt.
• Zur Deckung multidigitaler Defekte ist ein mehr distal gelegener Drehpunkt er-
forderlich. Um dies zu ermöglichen, den R. superficialis der A. radialis ligieren.
Den gesamten Lappen unter den Sehnen des M. abductor pollicis longus und
M. extensor pollicis brevis durchziehen.
• Spannungsfreies Einnähen des Lappens, Laschendrainage.
• Falls der Hautlappen zur Defektdeckung nicht ganz ausreicht, die belassene Fas-
zienmanschette verwenden, auf der Spalthaut problemlos einheilt.
• Den Hebedefekt durch Weichteilnähte verkleinern und mit Spalthaut decken.
▶ Nachbehandlung: Postoperative Ruhigstellung je nach Art der Verletzung.

Variationsmöglichkeiten des Unterarmlappens


▶ Faszienlappen: Abpräparation der Haut in Vollhautdicke. Hebetechnik sonst iden-
tisch (s. o.). Deckung des Lappens mit Spalthaut.
▶ Osteofasziokutaner Lappen: Einen Span vom Radius unter Einbeziehung eines Mus-
kelstreifens vom M. pronator quadratus oder M. flexor pollicis longus (je nach Loka-
lisation des Lappens) mit dem Lappen heben.
▶ Fasziokutantendinöser Lappen: Sehnen des M. palmaris longus, M. flexor carpi ra-
dialis, M. brachioradialis werden in den Lappen integriert.

Posterior-interosseus-Lappen
▶ Indikation: Mittlere Defekte im gesamten Handbereich.
▶ Operationstechnik:
• Ellenbogen in 90° Beugung. Linie zwischen Ellenkopfes und lateralem Epikondy-
lus anzeichnen. 8 – 9 cm distal davon liegt das Zentrum des Lappens. Lappen-
grenzen entsprechend der Defektgröße einzeichnen. Hautinzision auf der Radial-
seite des Lappens bis zum Drehpunkt proximal des Ellenkopfes.
• Beginn der Präparation von radial. Inzision der Faszie auf dem M. extensor digiti
minimi. Diesen retrahieren, darunter den Gefäßstiel darstellen und die A. interos-
sea posterior im Septum intermusculare nach distal bis zur Anastomose mit der
A. interossea anterior präparieren. Koagulation der Muskeläste.

▶ Beachte: In seltenen Fällen „verdämmert“ die Arterie, der Lappen kann dann
nicht gehoben werden!
• Die relevanten Perforatoren im Bereich der Hautinsel identifizieren, den Gefäß-
stiel proximal davon durchtrennen und ligieren.

▶ Cave: Weiter proximal ist die Trennung der Arterie vom motorischen N. interos-
seus posterior sehr schwierig!

325
29 29.5 Lappenplastiken zur Defektdeckung an der Hand

• Findet sich ein kräftiger Perforansast distal der eingezeichneten Hautinsel, wird
Haut-Weichteilverletzungen

diese ggf. zur Sicherheit nach distal vergrößert.


• Heben des Lappens von ulnar. Den Lappen dann nach proximal ziehen und das
Septum mit dem Gefäßstiel unter Koagulation der Muskeläste schrittweise
durchtrennen. Im distalen Unterarmdrittel muss der Stiel ulnar direkt vom Ulna-
schaft abgetrennt werden.
• Der Drehpunkt liegt ca. 2 cm proximal des Ellenkopfes in Höhe der Anastomose
mit der A. interossea anterior. Nur wenn sich ein genügend weiter Tunnel schaf-
fen lässt, den Lappen durchziehen, sonst offen transponieren.
• Spannungsfreies Einnähen des Lappens, Laschendrainage.
▶ Nachbehandlung: Ruhigstellung je nach Verletzungstyp.

326
30.1 Nervennaht, Sekundäreingriffe 30
30 Nervenverletzungen

Nervenverletzungen
30.1 Nervennaht, Sekundäreingriffe
Operationsvorbereitung
▶ Operationsmikroskop, mikrochirurgisches Instrumentarium.

Operationstechnik I: Primäre Naht


▶ Narkose oder Plexusanästhesie und Blutleere. Schnitterweiterung, Darstellung der
Nervenstümpfe durch Präparation von distal und proximal.
▶ Bei glatter Verletzung minimales Débridement des zerfetzten Epineuriums am
Stumpfrand. Bei Sägeverletzungen sparsame Anfrischung der Stümpfe mit scharfer,
nicht zu kleiner Skalpellklinge.
▶ Die Stümpfe durch Beugung der benachbarten Gelenke einander annähern und auf
eine gelbe Gummilasche legen. Eine Malrotation lässt sich durch Orientierung an
den Vasa nervorum, ggf. auch an einer schrägen Schnittfläche, vermeiden.
▶ Liegen die Stümpfe nicht dicht beieinander, werden die ersten Nähte erleichtert, in-
dem der Assistent die Nerven auf beiden Seiten am Epineurium fasst und zusam-
menbringt. Dem gleichen Effekt dient eine temporäre Epineuralnaht, wobei man
die Stümpfe ca. 1 cm vom Schnittrand entfernt fasst.
▶ Mikrochirurgische Nähte: Nicht zu fest knüpfen, die Faszikel sollen sich zart berüh-
ren, auf keinen Fall stauchen.
• Epineuralnaht (Abb. 30.1 a): Geeignet für Fingernerven im Mittel- und Endglied-
bereich (Nahtstärke 10 /0).
• Epiperineuralnaht (Abb. 30.1 b): Kombiniert Festigkeit und Exaktheit. Empfeh-
lenswert für die oligofaszikulären Fingernerven im Grundglied- und Hohlhand-
bereich, obligat für die Unterarmnerven. Hierbei die Faszikelgruppen der Stümpfe
einander zuordnen und zusammen mit ihrem Epineurium fassen.
• Perineuralnaht (interfaszikuläre Naht; Abb. 30.1 c): Verwendung für zentral gele-
gene Faszikel in Kombination mit der Epiperineuralnaht.

Operationstechnik II: Frühsekundäre Naht


▶ Durchführung wie Primärnaht, jedoch ist schon nach einigen Tagen eine scheib-
chenweise Anfrischung der Stümpfe erforderlich.

Abb. 30.1 • a–c Nervennaht: epineural (a), epiperineural (b), perineural (c).
327
30
Nervenverletzungen 30.1 Nervennaht, Sekundäreingriffe

Abb. 30.2 • Interfaszikuläre Ner-


ventransplantation.

Nerventransplantation
▶ Bei primärer Transplantation Stumpfpräparation wie bei der Primärnaht. Bei sekun-
därer Transplantation den Nerv proximal und distal der Narbe im Gesunden dar-
stellen. Von hier aus Präparation in Richtung auf die Verletzungsstelle.
▶ Bei eindeutiger kompletter Durchtrennung narbig veränderte Stümpfe scharf ab-
trennen. Die Stumpfanfrischung scheibchenweise fortsetzen bis in eindeutig unver-
narbtes Gebiet. Dieses ist an weichem Epineurium und Hervorquellen der endoneu-
ralen Substanz erkennbar.
▶ Stufenweise Präparation der Faszikelgruppen (Abb. 30.2) erleichtert die interfaszi-
kuläre Transplantation.
▶ Liegt eine ältere partielle Durchtrennung, ein Neurom-in-Kontinuität vor, ist die
Präparation wesentlich schwieriger. Nur eindeutig als unverletzt erkennbare Faszi-
kel belassen, im Zweifel Anfrischung und Überbrückung durch ein Transplantat.
▶ Entnahme des Transplantats (S. 236). Während dieser Zeit Öffnen der Blutleere und
Blutstillung durch den 2. Operateur.
▶ Nach erneutem Anlegen der Blutleere erleichtert der bessere Kontrast in Form einer
rötlichen Färbung der Umgebung die weitere mikrochirurgische Arbeit.
▶ Die erforderliche Länge der Transplantate in Situ messen und notieren. Die Trans-
plantatkabel sollen etwa 20 % länger als die Defektstrecke sein, um locker interpo-
niert werden zu können.
▶ Das Epineurium so weit abpräparieren, dass es nicht in die Naht gerät. Zwei Peri-
neuralnähte reichen zur lockeren Adaptation.
▶ Ein Transplantat verbindet entweder einen größeren Faszikel oder eine Faszikel-
gruppe.

Nachbehandlung
▶ Ruhigstellung: Nach völlig spannungsfreier primärer Nervennaht oder Transplanta-
tion reicht eine Ruhigstellung von 10 Tagen (Finger) bis 14 Tagen (Handgelenk). Un-
ter leichter bis mittlerer Spannung genähte Nerven unter Entlastung der benach-
barten Gelenke 3 Wochen ruhigstellen.
▶ Mobilisation bei Begleitverletzungen: In vielen Fällen richtet sich die Dauer der Ru-
higstellung nach den Begleitverletzungen, z. B. der Beugesehnen. Eine Nervennaht
ist keine Gegenindikation zur frühen Beugesehnen-Mobilisation nach Kleinert.
▶ Arbeitsunfähigkeit: Bei Fingernerven-Verletzungen je nach Beruf 3 – 14 Tage, bei
isolierter Durchtrennung des N. medianus oder N. ulnaris 4 – 12 Wochen, bei Ra-
dialisparese (je nach Höhe) bis zu 6 Monaten.

Neurolyse
▶ Indikation: Nerven-Teildurchtrennung oder nach insuffizienter Nervennaht.
▶ Operationsvorbereitung:
• Unter Umständen wird eine Nerventransplantation notwendig!
• Bei Zustand nach Teildurchtrennung den Patienten über das Risiko einer Ver-
schlechterung der präoperativen Nervenfunktion aufklären!
328
30.1 Nervennaht, Sekundäreingriffe 30
▶ Operationstechnik:

Nervenverletzungen
• Präparation wie für Nerventransplantation beschrieben. Sämtliche epineuralen
Narben mikrochirurgisch resezieren. Bei einem Neurom-in-Kontinuität weiteres
Vorgehen wie oben beschrieben.
• Liegt ein Zustand nach früherer Nervennaht vor, eher eine Resektion und Sekun-
därnaht bzw. Transplantation erwägen, wenn die Naht offenkundig mit grobem
Nahtmaterial oder bekanntermaßen nicht nach korrekten mikrochirurgischen
Prinzipien erfolgte.

Motorische Ersatzoperationen
Siehe S. 373 ff.

Neuromverlagerung
Siehe S. 270.

329
31 31.1 Operative Therapie

31 Thermische und chemische Verletzungen


Thermische und chemische Verletzungen

31.1 Operative Therapie


Operationsvorbereitung
▶ Instrumentarium: Handchirurgisches Sieb. Dermatome.

Indikationen
▶ Drohendes Kompartmentsyndrom aufgrund zirkulärer Hautschädigung: Entlas-
tungsinzision.
▶ Tiefe Schädigungen II und III: Frühe Exzision und Hauttransplantation.

Operationstechnik I: Entlastungsinzision (Fasziotomie)


▶ Ziel der Operation: Verhinderung eines Kompartmentsyndroms.
▶ Operationstechnik: Narkose oder Plexusanästhesie und Blutleere. Durchtrennung
der Haut und Faszie. Am Finger mediolaterale, am Handrücken intermetakarpale, in
der Hohlhand bogenförmige, am Unterarm zickzackförmige Inzision.
▶ Folgeeingriffe: Nach Abschwellung Nekrosenabtragung und Defektdeckung.

Operationstechnik II: Exzision und Defektdeckung


▶ Ziel der Operation: Narbenarme Wiederherstellung des Hautmantels und der pri-
mären Greifformen.
▶ Operationstechnik:
• Durchführung des Eingriffs in Blutleere.
• Die Inzisionen so führen, dass zickzackförmige (bei Kindern spitzwinklige) Nar-
ben, an den Fingern mediolaterale Narben entstehen.
• Radikale Exzision aller tief zweit- oder drittgradig geschädigten Areale. Bei Un-
klarheit über die Eindringtiefe tangentiale Exzision mit einem Dermatom (ohne
Blutleere!). Punktförmige Blutungen signalisieren, dass eine gesunde Gewebe-
schicht erreicht ist.
• Nach Öffnen der Blutleere exakte Beobachtung, ob nekrotische Areale verblieben
sind. Genaue Blutstillung! Bei stärkerer Blutung Kompressionsverband und Haut-
deckung in 2. Sitzung.
• Falls nötig, K-Drahtfixation der MP-Gelenke in maximaler Beugung, der PIP-Ge-
lenke in Streckstellung (Sicherheitsposition). Der Strecksehnenapparat im Be-
reich der PIP-Gelenke ist besonders gefährdet (Knopflochdeformität). Dort be-
sonders präzise Deckung mit mitteldicker Spalthaut.
• Palmare Defekte (meist nicht ausgedehnt) mit Vollhaut, streckseitige mit mittel-
dicker Spalthaut decken.

Nachbehandlung
▶ Nach stabiler Einheilung der Transplantate und Entfernen der K-Drähte intensive
(mehrmals täglich) Physiotherapie.
▶ Narbenpflege. Nach Transplantation frühe Versorgung mit Kompressionshand-
schuh.

31.2 Sekundäreingriffe
Korrektur kontrakter Narben: Z-Plastik
Siehe S. 232.

330
31.2 Sekundäreingriffe 31
Korrektur von Beugekontrakturen

Thermische und chemische Verletzungen


Aufklärung über Risiken
Bei massiver Kontraktur präoperativ über das Risiko einer Durchblutungsstörung
bis hin zum Verlust des Fingers aufklären!

▶ Operationstechnik:
• Durchführung des Eingriffs in Blutleere.
• Quere Durchtrennung der Narbe bis zur Mediolaterallinie auf beiden Seiten. Falls
erforderlich, Inzisionen in mehreren Etagen, jedoch nicht zu nah beieinander. Die
Beugesehnenscheide nicht eröffnen, Gefäß-Nerven-Bündel unbedingt schonen!

Praxistipp
Nach Durchtrennung der Haut im Weiteren mit dem Skalpell mehr drücken als
schneiden. Durch diese Technik werden narbige Briden in der Tiefe durchtrennt,
Nerv und Gefäß jedoch nicht!

• Der Finger wird passiv gedehnt. Reicht die Weichteilkorrektur nicht aus, Einker-
ben oder Durchtrennen der palmaren Platte am PIP-Gelenk, evtl. auch am DIP-
Gelenk (S. 309). Um allerdings an die palmare Platte zu gelangen, müssen die
Beugesehnenscheide eröffnet und die Beugesehnen zur Seite gehalten werden.
• Öffnen der Blutleere. Nun wird überprüft, in welcher Korrekturstellung noch eine
gute Durchblutungssituation besteht. Bei Blässe des Fingers warme Kompressen
auflegen und die Reperfusion abwarten. Zwischendurch Entnahme der Haut
(s. u.).

▶ Beachte: Zugunsten einer guten Durchblutung evtl. eine etwas geringere (20°)
Korrektur der Beugekontraktur in Kauf nehmen!
• K-Drahtfixation in der maximal bei guter Durchblutung erreichbaren Gelenkposi-
tion. Defektdeckung mit Vollhaut (S. 231).
▶ Nachbehandlung: Drahtentfernung nach 3 Wochen, intensive Physiotherapie. Min-
destens 6 Monate zur Nacht Lagerungsschiene in Streckstellung.

Korrektur von Streckkontrakturen


▶ Operationstechnik:
• Vollständige Exzision der Narbenplatte (Abb. 31.1 a, b).
■▶ Beachte: Die longitudinalen Exzisionsränder müssen (besonders bei Kindern)
zickzackförmig verlaufen, um neue Kontrakturen zu vermeiden.
• Arthrolyse der MP-Gelenke: Dies erfordert in den meisten Fällen eine Durchtren-
nung der Interosseussehnen und der Seitenbänder. Passive Dehnung der Gelenke
in die maximal erreichbare Beugung (mindestens 60°) und K-Drahtfixation
(Abb. 31.1 c).
• Defektdeckung mit mitteldicker Spalthaut (Abb. 31.1 d) oder auch Lappenplasti-
ken (Lappen von Unterarm, Leiste, dünner Bauchhaut).
▶ Nachbehandlung: Drahtentfernung nach 4 Wochen. 6 Monate Lagerungsschiene in
Sicherheitsposition.

Korrektur von Adduktionskontrakturen des Daumens


▶ Operationstechnik:
• Geringe Kontrakturbildung: Korrektur durch einfache Z-Plastik (Abb. 31.2 a, b).
Verbleibt nach spannungsfreier Verlagerung der Z-Lappen ein Defekt, diesen mit
dicker Spalthaut decken.

▶ Beachte: Das Transplantat muss groß genug sein, um die Höhlung vollständig
auszukleiden. Der Überknüpfverband wird gut anmodelliert!
331
31
Thermische und chemische Verletzungen 31.2 Sekundäreingriffe

Abb. 31.1 • a–d Massive Streckkontraktur durch Verbrennung (a). Narbenexzision, K-Drahtfixa-
tion der Grundgelenke in maximaler Beugung (b), Vollhaut-Transplantation. Ergebnis nach
6 Jahren (c, d).

Abb. 31.2 • a, b Korrektur Adduktionskontraktur Daumen durch Z-Plastik.

• Ausgeprägte Kontraktur der 1. Zwischenfingerfalte:


– Zur Lösung des Daumens müssen in den meisten Fällen der M. interosseus dor-
salis I vom Daumen-Mittelhandknochen abgeschoben und der M. adductor
pollicis desinseriert werden.
– Mittelhandknochen I und II in maximaler palmarer Abduktion mit 2 V-förmig
(nicht parallel) eingebrachten K-Drähten gegeneinander fixieren.
– Entsteht ein großer und tiefer Defekt, ist eine Lappenplastik erforderlich.
– Nachbehandlung: Entfernung der K-Drähte nach 4 – 6 Wochen, danach 6 Mona-
te Daumenabduktionsschiene zur Nacht.

Korrektur narbiger Syndaktylie


▶ Bei zarten Narben und nur geringer Distalisierung der Kommissur Korrektur durch
doppelte, gegenläufige Z-Plastik (Schmetterlingsplastik, Abb. 31.3 a, b).
332
31.2 Sekundäreingriffe 31

Thermische und chemische Verletzungen


Abb. 31.3 • a, b Kontraktur Finger-
kommissur (a), Korrektur durch
Schmetterlingsplastik (b).

Abb. 31.4 • a–c Narbige Syn-


daktylie (a, b), Korrektur durch
palmare und dorsale Lappenbil-
dung und Vollhaut-Transplan-
tate (c).

▶ Bei stärkerer Distalisierung dorsale Lappenbildung und Vollhautdeckung der Defek-


te an den Fingergrundgliedern (Abb. 31.4 a–c).

Knopflochdeformität
▶ In fast allen Fällen ist die Arthrodese indiziert. Eine Sehnenkorrektur erfordert eine
sehr stabile und zugleich zarte Narbenbildung über dem PIP-Gelenk. Dann kann, je
nach Befund, eine der gängigen Techniken gewählt werden (S. 277).

333
32 32.1 Operationstechniken bei Infektionen

32 Infektionen
Infektionen

32.1 Operationstechniken bei Infektionen


Grundlagen
▶ Prinzipien der operativen Therapie:
• Die periphere Leitungsanästhesie proximal des Infektionsherdes setzen.
• Operation in Blutsperre oder besser in Blutleere. Letztere verbessert die Über-
sicht erheblich und vermindert dadurch das Risiko der Verletzung wichtiger
Strukturen. Auswickeln des Armes proximal des Infektionsherdes verhindert eine
„Keimverschleppung“.
• Eine korrekte Schnittführung (S. 221) hilft Schädigungen der Gefäß-Nerven-Bün-
del und störende Narben oder Narbenkontrakturen zu vermeiden. Über einem
Abszess erfolgt anstelle einer Inzision eine schmale Hautexzision. Diese Technik
erschwert die Entstehung einer Verklebung und erleichtert den Sekretabfluss.
• Zur Keimbestimmung intraoperativ einen Abstrich entnehmen.
• Infiziertes und nekrotisches Gewebe radikal entfernen.
• Die Einlage von Laschen aus Silikon gewährleistet eine ausreichende Drainage.
Gummihandschuhstreifen sind zur Abszessdrainage ungeeignet, da sie verkleben
und die Wunde nicht offenhalten.
• Bei Infektionen mit Sehnen-, Knochen- und/oder Gelenkbeteiligung sowie phleg-
monösen Prozessen ist eine postoperative systemische Antibiotikatherapie indi-
ziert.
• Postoperative Ruhigstellung mit Finger- oder Unterarm-Fingergipsschiene in Int-
rinsic-plus-Stellung (S. 24).

Beachte
Antibiotika sind kein Ersatz für eine unzureichende operative Infektausräumung!

Paronychie
▶ Operative Therapie:
• Operation in Oberst-Anästhesie und Blutleere.
• Eröffnung des Abszesses im Nagelwall durch schmal-ovaläre oder semilunäre
Hautexzision (Abb. 32.1). Dadurch automatische Drainage.
• Bei chronischer Paronychie Keilexzision des lateralen Nagelwalles mit einem
Streifen des Nagels.
▶ Nachbehandlung: Salbentüllverband, 2 – 3 Tage Fingergipsschiene, danach Stack-
Schiene. Anfangs tägliche Kontrolle, um Verlauf zu überprüfen. Antibiotika sind
nicht erforderlich.

Panaritium subcutaneum
▶ Operationstechnik:
• Operation in Oberst-Anästhesie und Blutleere.

Abb. 32.1 • Operation bei Paronychie.


334
32.1 Operationstechniken bei Infektionen 32

Infektionen
Abb. 32.2 • a, b Operation bei
Panaritium subcutaneum.

• Mediolaterale schmal-ovaläre Hautexzision dorsal des Gefäß-Nerven-Bündels


(Abb. 32.2 a, b).
• Eingehen mit einem Skalpell in die Tiefe. Entleerung des Abszesses und Exzision
des nekrotischen Gewebes. Nur selten ist bei ausgedehntem Befund eine Gegen-
inzision nötig.
• Austamponieren mit Salbentüll oder Einlegen einer schmalen Silikonlasche.
▶ Nachbehandlung: Wie Paronychie (s. o.).
▶ Fehler und Gefahren:
• Inzisionen der Fingerkuppe führen zu störenden Narben und Sensibilitätsstörun-
gen und müssen unterbleiben!
• Nervenschädigung durch zu palmare Inzision.
• Unzureichende Abszessausräumung, dadurch Fortschreiten des Infekts mit Ge-
fahr einer Knochen- und Sehnenbeteiligung.

Infektion der Sehnenscheiden


▶ Operationstechnik:
• Operation in Narkose oder Plexusanästhesie und Blutleere.
• Eröffnen der Sehnenscheide in der distalen Hohlhand. Findet sich dort kein Hin-
weis für einen Infekt, Wunde verschließen.
– Primärherd am Finger dann ovalär exzidieren, ggf. zickzackförmig nach distal
und proximal bis in das angrenzende gesunde Gewebe erweitern.
– Exzision des infizierten und nekrotischen Gewebes. Anlegen einer Drainage.
Dorsale Unterarm-Fingergipsschiene.
• Entleert sich proximal aus der Sehnenscheide trübes Exsudat, Exzision des Pri-
märherds wie oben.
– Anschließend Spülung der Sehnenscheide mit Kochsalzlösung über einen pro-
ximal eingelegten 6er-Redon-Schlauch (Abb. 32.3) bis zu klarem Rückfluss.
– Lockerer Hautverschluss.
– Nachbehandlung: Tägliche Spülung mit Betaisodona-Lösung im Rahmen des
Verbandwechsels. Frühzeitige Physiotherapie. Vorher zur Analgesie ein Lokal-

Abb. 32.3 • Spülung bei Sehnenscheideninfektion.


335
32 32.1 Operationstechniken bei Infektionen

anästhetikum über den Redon-Schlauch instillieren. 2 Tage systemische Anti-


Infektionen

biotikagabe.
• Vorgehen bei fortgeschrittener Phlegmone:
– Freilegung der gesamten Sehnenscheide und ggf. weiter nach proximal bis in
den Bereich des Handgelenks. Bei V-Phlegmone sind der I. und V. Strahl betrof-
fen.
– Entfernen des infizierten und nekrotischen Gewebes analog der Beugesehnen-
Synovialektomie (S. 391). Grünlich-nekrotische Beugesehnen unter Erhalt der
Ringbänder resezieren.
– Zusätzlich zur Drainage Einlage von Antibiotika-Miniketten.
– Nachbehandlung: Wie oben.
▶ Fehler und Gefahren:
• Unzureichende Abszessausräumung, dadurch Fortschreiten der Infektion mit Ge-
fahr einer Knochen- und Sehnenbeteiligung.
• Beschädigung der Gefäß-Nerven-Bündel.
• Bewegungsstörung durch zu lange postoperative Ruhigstellung.

Panaritium ossale
▶ Operationstechnik:
• Operation in Narkose oder Plexusanästhesie und Blutleere.
• Betroffen ist vorwiegend das Endglied. Bei gleichzeitigem Vorliegen eines Weich-
teilabszesses ein- oder beidseitigen Mediolateralschnitt durchführen, bei isolier-
tem Panaritium ossale wird mit einer dorsalen, bogenförmigen Inzision eine bes-
sere Übersicht erreicht.
• Radikales Ausräumen infizierten und nekrotischen Knochengewebes.
• Auffüllen des Defekts mit Antibiotika-Minikugeln.
▶ Nachbehandlung: Ruhigstellung bis zum Abklingen der Infektzeichen (2 – 3 Wo-
chen).
▶ Defektsanierung: Frühestens nach 8 Wochen Entfernen der Kugeln und Defektsa-
nierung durch Spongiosaplastik.

Panaritium articulare
▶ Operationstechnik:
• Betroffen ist vorwiegend das End- oder Mittelgelenk. Dorsale, bogenförmige Inzi-
sion. Am Endgelenk Spaltung der Strecksehne in der Mitte, am Mittelgelenk Inzi-
sion zwischen Mittel- und Seitenzügel(n).
• Ausspülen des Exsudats oder Eiters. Bei unklarer Anamnese genaues Absuchen
nach Fremdkörper (Dornspitze), evtl. mit dem Mikroskop.
• Bei bakterieller Synovialitis infiziertes Gewebe entfernen.
• Einlegen von Antibiotika-Minikugeln, bei erhaltenem Gelenk subkutan platzie-
ren. Sehnennaht. Drainage.
▶ Nachbehandlung:
• Bei erhaltenem Gelenk Minikugeln nach 7 – 10 Tagen entfernen und Bewegungs-
therapie beginnen.
• Nach Gelenk(teil)resektion Vorgehen wie bei Knochendefekt (s. o.).
▶ Arthrodese: Durchführung nach Gelenk(teil)resektion frühestens nach 8 Wochen.
▶ Fehler und Gefahren:
• Zu sparsame Infektausräumung.
• Zu frühzeitige Arthrodese mit der Gefahr des Infektrezidivs.

Interdigitale Infektion
▶ Operationstechnik:
• Operation in Narkose oder Plexusanästhesie und Blutleere.
• Schräge Inzision distal palmar zwischen den Mittelhandknochen. Identifizieren
der Gefäß-Nerven-Bündel, die sich hier in variabler Höhe gabeln.
336
32.1 Operationstechniken bei Infektionen 32
• Druck von dorsal und proximal. Bei Eiterfluss Schnitterweiterung bzw. dorsale

Infektionen
schräge Inzision und Ausräumung der Abszesstaschen.
■▶ Cave: Das Lig. metacarpale transversum profundum unbedingt schonen!
• Einlegen einer Antibiotika-Minikette, Drainage, evtl. Spüldrainage.
• Wunde offen lassen oder lockerer Hautverschluss.
▶ Nachbehandlung: Ruhigstellung bis zum Abklingen der Infektzeichen. Frühzeitige
vorsichtige Physiotherapie.

Infektion der Hohlhandräume


▶ Operationstechnik:
• Operation in Narkose oder Plexusanästhesie und Blutleere.
• Schräge oder zickzackförmige Inzision. Teilexzision der Palmarfaszie, Gefäß-Ner-
ven-Bündel identifizieren und weghalten (cave: oberflächlicher Hohlhandbogen),
Abszess spalten und ausräumen.
• Durch Druck von allen Seiten Identifikation und Ausräumung weiterer Abszessta-
schen. Bei proximaler Ausbreitung Spaltung des Retinaculum flexorum und Revi-
sion des Karpaltunnels. In Einzelfällen Infektion bis in den distalen Unterarm (Pa-
rona-Raum) verfolgen.
• Weiteres Vorgehen wie bei interdigitaler Infektion beschrieben.

Menschenbissverletzung der MP-Gelenkregion


▶ Verletzungsmechanismus (S. 112): Die anatomische Position der Strukturen, durch
die der Zahn dringt, ändert sich mit der Fingerposition (Abb. 32.4 a, b).
▶ Operationstechnik:
• Revision der Strecksehne, der Gelenkkapsel und des Mittelhandknochen-Kopfes.
■▶ Beachte: Ein Knorpeldefekt ist nur klinisch, nicht im Röntgenbild erkennbar.
• Bei Primärversorgung Naht, bei Spätversorgung Débridement verletzter Struktu-
ren, Einlage einer Antibiotika-Minikette.
▶ Nachbehandlung: Systemische Antibiotikatherapie.
▶ Sekundäreingriff: Bei infektbedingter Gelenkzerstörung nach Ausheilung der Infek-
tion Endoprothese (S. 393).

Abb. 32.4 • a, b Menschenbiss: Unterschiedliche Verletzungslokalisationen je nach Fingerposi-


tion.
337
33 33.1 Operationstechnik Syndaktylie

33 Angeborene Fehlbildungen
Angeborene Fehlbildungen

33.1 Operationstechnik Syndaktylie


Syndaktylietrennung zwischen Fingern
▶ Zickzack-Inzisionen mit spitzen Winkeln (Abb. 33.1 a, b). Kommissurbildung durch
palmaren und dorsalen Dreiecklappen, deren Spitzen bis an das PIP-Gelenk rei-
chen.
▶ Trennung des interdigitalen Fettgewebes sowie der fibrösen Fasern bei exakter
Schonung der Gefäß-Nerven-Bündel.
■▶ Cave: Distale Aufteilung von Arterie und Nerv!
▶ Spannungsfreie Naht der Hautläppchen und der Kommissurenlappen unter Bildung
einer von dorsal-proximal nach palmar-distal verlaufenden Neigung der Kommis-
sur.
▶ Anfertigung von Schablonen aus dünnem Schaumstoff oder Handschuhgummi nach
Form und Größe der verbleibenden Hautdefekte.
▶ Öffnen der Blutleere und Blutstillung.
▶ Entnahme von Vollhaut-Transplantaten von Leiste oder Unterbauch (Abb. 23.15)
entsprechend der puzzleartig zusammengelegten Schablonen. Verschluss der Ent-
nahmestelle mit resorbierbarer Intrakutannaht.
▶ Präzises Einnähen der Transplantate ohne jegliche Spannung.
▶ Sanfter Kompressionsverband, 10 – 14 Tage dorsale Oberarm-Fingergipsschiene.

Trennung bei Endglied-Knochenbrücke (Kuppenplastik)


▶ Prinzip: Operationstechnik wie die Syndaktylietrennung von Fingern, jedoch ist zu-
sätzlich die Bildung eines narbenfreien seitlichen Nagelwalles und die Deckung des
nach der Trennung freiliegenden Knochens (Kuppenplastik) erforderlich.

Abb. 33.1 • a, b Syndaktylietrennung zwischen Fingern (s. Text).


338
33.1 Operationstechnik Syndaktylie 33

Angeborene Fehlbildungen
Abb. 33.2 • a, b Kuppen-
plastik (s. Text).

Abb. 33.3 • a, b Syndaktylietrennung Daumen/Zeigefinger.

▶ Operationstechnik: Bildung je eines langen, schmalen Dreiecklappens aus der Haut


beider Fingerkuppen. Diese nach proximal umschlagen und einnähen
(Abb. 33.2 a, b).
▶ Der direkte Verschluss der Hebedefekte an den Fingerkuppen hinterlässt kaum
sichtbare Narben.

Trennung einfache Daumen-Zeigefinger-Syndaktylie


▶ Prinzip: Frühzeitig durchzuführende Operation zur Vermeidung einer seitlichen Ab-
winklung des Zeigefingers und Erzielung einer Greiffunktion durch Abspreizen des
Daumens. Um die erforderliche Weite der 1. Zwischenfingerfalte zu erzielen, wird
mehr Haut zur Deckung benötigt als bei der Trennung einer Fingersyndaktylie.
▶ Operationstechnik:
• Distal zickzackförmige Schnittführung, proximal Bildung eines großzügigen Rota-
tions-Dehnungslappens vom Handrücken (Abb. 33.3 a, b).
• Die Spitze des Lappens muss weit genug distal liegen (Grundgliedmitte), da der
Lappen sonst zu kurz wird und durch starken Zug nach palmar Durchblutungss-
törungen entstehen können.
• Atraumatisches Heben und epifasziales Mobilisieren des Lappens unter Schonung
der einstrahlenden Blutgefäße und Belassen der dorsalen Nerven für die Finger.
• Alle quer die Zwischenfingerfalte durchziehenden fibrösen Stränge und Muskel-
faszien müssen durchtrennt werden.
• Bei Tendenz des Daumens zum Rückgang in Adduktionsstellung intermetakarpa-
le (Mittelhandknochen I und II) Fixation mit gekreuzten K-Drähten, 3 Wochen
belassen.
• Postoperativ mindestens 4 Wochen breites Wickeln der 1. Zwischenfingerfalte
mit elastischer Binde zur Aufrechterhaltung der Daumenabspreizung. Danach
weitere 4 – 6 Wochen nächtliches Bandagieren.
▶ Partielle Syndaktylien zwischen Daumen und Zeigefinger erfordern meist nur eine
einfache oder mehrlappige Z-Plastik nach Durchtrennen der fibrösen Strukturen in
der Tiefe.
339
33 33.2 Operationstechnik Spalthand

Trennung komplexe Daumen-Zeigefinger-Syndaktylie


Angeborene Fehlbildungen

▶ Prinzip: Konventionelle Operationstechniken stoßen bei komplexen Syndaktylien


mit fusionierten Knochen, Nagelbändern, extrem geringen Weichteilen sowie bei
Gefäß-Nerven-Anomalien an ihre Grenzen und haben ein deutlich höheres Opera-
tionsrisiko. Durch eine quere Weichteildistraktion lassen sich die Weichteile bei
gleichzeitiger Verbesserung der Durchblutung signifikant vermehren, was eine
komplikationsarme Trennung der Finger erlaubt.
▶ Operationstechnik:
• Trennung der Nagelbänder und schonende Längsosteotomie der fusionierten
Knochen.
• Anbau eines Fixateur externe unter Fixation der zu distrahierenden Phalangen.
• Schonende quere Distraktion mit einer Geschwindigkeit von 0,5 mm pro Tag für
ca. 4 Wochen.
• Nach mindestens 3 Wochen Konsolidierung Fixateur entfernen und Finger in
Standardtechnik trennen.

Komplikationen, Fehler und Gefahren


▶ Wundheilungsstörungen treten besonders bei komplexen Syndaktylien relativ häu-
fig auf. Nur kleinste granulierende Wundflächen dürfen der Spontanheilung über-
lassen werden, da sonst Narbenkontrakturen entstehen, die wiederum zu Knochen-
und Gelenkdeformierungen führen können. Größere Defekte nach Wundheilungs-
störung müssen früh mit Spalthaut (Abb. 23.13) gedeckt werden (keine Vollhaut!).

Sekundäreingriffe
▶ Im weiteren Wachstum entstehende Narbenstränge durch Z-Plastiken (S. 232) und/
oder Vollhaut-Transplantation korrigieren. Dabei Exzision des Narbengewebes in
der Tiefe.
■▶ Cave: Gefäß-Nerven-Bündel!
▶ Achsenkorrekturen bei Fehlwachstum durch Osteotomie (S. 300).

33.2 Operationstechnik Spalthand


Ulnare Zeigefinger-Transposition (Snow-Littler)
▶ Bei Syndaktylie I/II Trennung durch Zickzack-Schnitt.
▶ Umschneidung des Zeigefingers und Bildung eines palmar gestielten Lappens aus
der Haut des Spaltes (Abb. 33.4). Bei sehr tiefem Spalt kann der Lappen kürzer sein
und ein dorsal gestielter Gegenlappen gebildet werden.
▶ Darstellung der Gefäß-Nerven-Bündel zwischen I und II sowie II und IV und Dar-
stellung der Beugesehnen, Strecksehnen und Mm. interossei dieser Finger.
▶ Resektion des Mittelhandknochens III nahe seiner Basis und Osteotomie des Mittel-
handknochens II in gleicher Höhe.
■▶ Cave: Motorischer Ulnarisast!
▶ Transposition des 2. Strahles auf die Basis des Mittelhandknochens III, wozu meist
der M. interosseus dorsalis I etwas abgelöst werden muss. Die Mm. interossei zwi-
schen den Mittelhandknochen II und III je nach Muskelmasse teilresezieren oder
belassen.
▶ K-Drahtfixation (je nach Alter 0,8 – 1,2 mm) des Mittelhandknochens II in Längs-
richtung sowie quer bis in den Mittelhandknochen IV.
▶ Rekonstruktion des Lig. metacarpale transversum profundum aus Teilen der Beuge-
und Strecksehnen des (fehlenden) Mittelfingers. Bei ausreichender Länge um Mit-
telhandknochen II und IV herumführen, sonst am Periost oder an Bandresten ver-
nähen. Naht der normal am Mittelfinger ansetzenden Mm. interossei an die Mm. in-
terossei von Zeige- und Ringfinger.
340
33.2 Operationstechnik Spalthand 33

Angeborene Fehlbildungen
Abb. 33.4 • a, b Operationstechnik Spalthand (s. Text).

▶ Hautnaht nach Hautlappenverlagerung in die 1. Zwischenfingerfalte.


▶ Eine intermetakarpale K-Drahtfixation zur Aufrechterhaltung der Weite der 1. Zwi-
schenfingerfalte ist meist nicht erforderlich. Dies lässt sich auch durch Wickeln mit
breiter elastischer Binde erreichen.
▶ Ruhigstellung durch dorsale Oberarm-Gipsschiene mit Daumenteil.

Postoperative Behandlung
▶ Bewegungsübungen der Finger bereits im Verband.
▶ Abnahme der Gipsschiene nach 3 Wochen, Entfernen der extrakutan belassenen K-
Drähte nach 4 – 6 Wochen. Nächtliche breite Bandagierung der 1. Zwischenfingerfal-
te 6 – 8 Wochen nach Drahtentfernung zur Aufrechterhaltung der Weite.

Komplikationen, Fehler und Gefahren


▶ Bei Syndaktylietrennung Durchblutungsstörungen am Zeigefinger nach dessen
Transposition möglich.
▶ Wundrandnekrosen in der 1. Zwischenfingerfalte bei zu straffem Einnähen des
Hautlappens oder infolge Schädigung seiner Blutversorgung beim Heben und Verla-
gern. Behandlung: Spalthautdeckung oder sekundär erneute Vertiefung durch dor-
salen Rotations-Dehnungslappen.
▶ Verbleibende radiale Achsenabweichung des Zeigefingers durch ungenügende Mo-
bilisation oder falsche Fixation. Behandlung: Sekundäre Keilosteotomie des Mittel-
handknochens II.
▶ Drehfehler des nach ulnar transponierten II. Strahles.

341
33 33.3 Operationstechnik Polydaktylie

33.3 Operationstechnik Polydaktylie


Angeborene Fehlbildungen

Operationstechnik bei Doppeldaumen


▶ Nur bei kleinen Anhängseln mit schmaler Hautbrücke einfache Ausschneidung,
sonst Zickzack- oder lappenbildende Schnittführung.
■▶ Beachte: Eher mehr Haut stehen lassen; ein Überschuss lässt sich beim Hautver-
schluss resezieren.
▶ Die Operationstechnik ist bei gleich und ungleich großen Doppeldaumen weitge-
hend identisch. Bei gleich großen Daumen den radialen abtragen.
▶ Bei Abgang zweier ungleich großer Daumen im Grundgelenk (häufigster Typ) Ab-
tragung des kleineren (meist radialen) im Gelenk mit Verschmälerung des dann zu
breiten Mittelhandknochen-Kopfes und Seitenband-Rekonstruktion aus vorhande-
nen Bandanteilen oder aus entfallenden Sehnen (Abb. 33.5 a).
■▶ Cave: Schädigung der Epiphysenfuge des bleibenden Daumens bei Präparation im
Bereich des MP-Gelenks!
▶ Immer Präparation der Gefäß-Nerven-Bündel, der Beuge- und Strecksehnen sowie
der intrinsischen Muskeln des entfallenden Daumens.
▶ Präparation von Streck- und Beugesehnen des bleibenden Daumens. Lösung abnor-
mer Verbindungen zwischen Beuge- und Strecksehnen sowie Zentralisation exzent-
risch ansetzender Sehnen (Abb. 33.5 b).
▶ Transposition der Ansätze der kurzen Daumenmuskeln vom zu entfernenden auf
den bleibenden Teil (Abb. 33.5 c).

Abb. 33.5 • a–c Operationstechnik Doppeldau-


men.
342
33.4 Operationstechnik Klinodaktylie 33
▶ Transposition eines distal besseren Daumens auf die proximal bessere Basis des an-

Angeborene Fehlbildungen
deren einschließlich Muskeln und Sehnen.
▶ Zur Achsenkorrektur (meist verkürzende) Keilosteotomien am Grundglied oder
Mittelhandknochen mit K-Drahtfixation (0,8 mm).
▶ Bei Dreigliedrigkeit des bleibenden Daumens Exzision des Mittelgliedes, sofern es
klein ist, und Seitenband-Rekonstruktion. Bei längeren Mittelgliedern Resektion
des schlechter beweglichen (meist distalen) Gelenks mit angrenzenden Knochenan-
teilen.
▶ Bei Dreifachdaumen Entfernung des ulnaren und des (meist hypoplastischen) ra-
dialen Daumens sowie Pollizisation (S. 345) des mittleren Daumens.
▶ Bei Doppeldaumen ab Handwurzel ist der radiale meist zweigliedrig und etwas hy-
poplastisch mit instabilen Gelenken. Diesen entfernen und den ulnaren dreigliedri-
gen pollizisieren.
▶ Falls erforderlich, Verbreiterung einer engen 1. Zwischenfingerfalte durch Z-Plastik
oder Rotations-Dehnungslappen (S. 339).

Operationstechnik bei ulnarer Polydaktylie


▶ Abtragen oder Abbinden eines Anhängsels kurz nach Geburt.
▶ Abtragung eines zusätzlichen Fingers im Gelenk mit Seitenband-Rekonstruktion
und Verschmälerung des Mittelhandknochen-Kopfes oder Abtragung am Grund-
glied oder Mittelhandknochen mit entsprechender Verschmälerung.
▶ Reinsertion ulnar inserierender Muskeln am bleibenden Kleinfinger.
▶ Bei Streckschwäche des bleibenden Kleinfingers Transposition der Strecksehne des
zu entfernenden Fingers.

Nachbehandlung
▶ Nach Abtragung eines Anhängsels ist keine spezielle Nachbehandlung notwendig.
▶ Nach Amputation zusätzlicher Teile ohne Seitenband-Rekonstruktion Ruhigstellung
bis zur Wundheilung. Nach Seitenband-Rekonstruktion 3 Wochen Gipsschiene, da-
nach 2 Wochen Bandagierung.
▶ Nach Doppeldaumenoperation 3 Wochen Gipsschiene, Beginn mit Bewegungs-
übungen; nach Seitenband-Rekonstruktion ohne Gelenktransfixation 2 – 3 Wochen
sparsame Bandagierung.
▶ Entfernung von K-Drähten nach 4 – 6 Wochen.

Komplikationen, Fehler und Gefahren


▶ Deviationen in Grund- und Endgelenk des Daumens durch Belassen exzentrischer
Sehnenansätze oder Unterlassen einer Keilosteotomie.
▶ Unterlassen einer Seitenband-Rekonstruktion führt zu Instabilität.
▶ Ungenügendes Entfernen der basalen Anteile eines Doppeldaumens, besonders am
Mittelhandknochen, führt zu störender Buckelbildung.
▶ Schädigung der Epiphysenfuge durch zu weitgehende Resektion.

33.4 Operationstechnik Klinodaktylie


Achsenkorrektur an den Fingern
▶ Längs verlaufender dorsaler Winkelschnitt mit dorsoulnarer Basis; zu kleinem Rota-
tionslappen erweiterbar.
▶ Darstellung des Mittelgliedes und quere Osteotomie unter Beachtung der Gelenk-
flächen und der basalen Epiphysenfuge.
▶ Aufklappen des Osteotomiespaltes bis zur vollständigen Achsenkorrektur und Ein-
setzen des zuvor aus dem Darmbein (cave: Wachstumsfuge schonen!) entnomme-
nen Knochenspans.

343
33
Angeborene Fehlbildungen 33.4 Operationstechnik Klinodaktylie

Abb. 33.6 • Klinodakty-


lie des Daumens.

▶ Fixation mit einem an der Fingerspitze extrakutan bleibenden K-Draht (0,8 mm),
der den Span fassen, das PIP-Gelenk aber frei lassen soll. Sicherung des Spans durch
seitliche Achternaht (PDS 5 /0) durch das Periost des aufgeklappten Mittelgliedes.
▶ Unterarm-Gipsschiene unter Einschluss des operierten Fingers.
▶ 3 Wochen Ruhigstellung. K-Drahtentfernung nach 5 – 6 Wochen.

Achsenkorrektur am Daumengrundglied (Abb. 33.6)


▶ Besonderheiten gegenüber Finger: Die stärkere Abwinkelung (40 – 60°) erfordert
nicht nur einen breiteren Knochenspan, sondern auch eine Lappendeckung des frei-
liegenden Knochens auf der Konkavseite.
▶ Verlagerung des Ansatzes des M. abductor pollicis brevis oder Verlängerung in der
Sehne.
▶ Rotationslappenbildende Inzision von der Konkavseite bis weit in die dorsale Haut
der 1. Zwischenfingerfalte.

▶ Beachte: Zur Vermeidung von Durchblutungsstörungen muss die Lappenbasis eine
ausreichende Breite haben! Evtl. kleines Vollhaut-Transplantat dorsal-distal über
dem Grundglied.

Prospektive Operation zur Korrektur der Fehlstellung im weiteren


Wachstum
▶ Prinzip: Die Klinodaktylie ist bedingt durch Fehlwachstum aufgrund atypischer
längs gerichteter Wachstumsfugen, sog. Deltaphalangen.
• Gelingt es, die Ursache durch Ausräumen der atypischen längs gerichteten
Wachstumsfugen zu beheben, so kann sich im weiteren Wachstum das betroffe-
ne Glied aufrichten. Deshalb sollte diese Operation möglichst früh erfolgen.
▶ Operationstechnik:
• Darstellung der atypischen Wachstumsfugen-Anteile durch einen seitlichen
Schnitt unter Abdrängen der Gefäß-Nerven-Bündel und der Streck- und Beuge-
sehnen vom Knochen.
• Ausräumen der längs gerichteten atypischen Wachstumsfuge distal der regulären
Wachstumsfuge unter Schonung der Seitenbandstrukturen bis auf den spongiö-
sen Knochen.
• Interposition von Fettgewebe in den entstandenen Spalt zur Vermeidung von
Knochenverwachsungen.

Komplikationen, Fehler und Gefahren


▶ Schädigung der basalen Epiphysenfuge, gestörtes Längenwachstum!
344
33.5 Operationstechnik bei Schnürringen 33
▶ Dislokation eines nicht vom K-Draht erfassten und nicht durch PDS-Achternaht ge-

Angeborene Fehlbildungen
sicherten Knochenspans.
■▶ Beachte: Radiologisch wirkt der Span auch bei korrekter Lage nach seitwärts dis-
loziert, da er im strahlentransparenten Knorpelbereich der Konkavität der aufge-
richteten Phalanx liegt.

33.5 Operationstechnik bei Schnürringen


Ausgleich von Schnürringen und -furchen
▶ Operationstechnik:
• Schrittweise zirkuläre Exzision des Schnürrings durch Umschneidung der Haut
oberhalb und unterhalb des Schnürrings auf Höhe des normalen Hautniveaus.
• Exzision aller fibrotischen Stränge bis in die Tiefe unter Mitnahme der veränder-
ten Faszien und unter Erhaltung aller Nerven und Gefäße.
• Mobilisierung des Weichteilmantels auf den tiefen Faszien.
• Sternförmige, zirkuläre Längsinzision der tiefen Faszien proximal und distal der
Einschnürung.
• Subkutane Weichteiladaptation unter vollständigem Ausgleich des Niveaus.
• Zirkulärer Hautverschluss.
• Ruhigstellung mit Gipsschiene oder Kompressionsverband.

33.6 Operationstechnik Daumenhypoplasie und


-aplasie
Pollizisation des Zeigefingers
▶ Prinzipien:
• Fingertransposition auf neurovaskulärem Stiel.
• Skelettumbildung: Kürzung, Rotation und Abduktion:
– Grundgelenk → Sattelgelenk.
– Grundglied → Mittelhandknochen.
– Mittelgelenk → Grundgelenk.
• Muskuläre Stabilisierung:
– M. flexor digitorum profundus II → M. flexor pollicis longus.
– M. extensor indicis → M. extensor pollicis longus.
– M. extensor digitorum II → M. abductor pollicis longus.
– M. interosseus dorsalis I → M. abductor pollicis brevis.
– M. interosseus palmaris I → M. adductor pollicis.
▶ Operationstechnik:
• Ovaläre Umschneidung des Zeigefinger-Grundgliedes. S-förmige Inzision der ra-
dialen Hohlhand, dorsale Längsinzision über dem Grundglied (Abb. 33.7 a). Bei
Hypoplasie Grad III Filetierung des Daumens.
• Präparation palmar, Darstellung der Gefäß-Nerven-Bündel. Unterbindung der ra-
dialen Arterie III und mikrochirurgische Aufspaltung des Nervs II/III. Aufspaltung
eines evtl. vorhandenen Nervenrings um die Arterie, um ein Abknicken der Arte-
rie beim Umsetzen des Fingers zu verhindern!
• Revision der Beugesehnen. Spaltung des A1-Ringbandes.
• Durchtrennung des Lig. metacarpale transversum profundum.
• Präparation der dorsalen Lappen bis zum PIP-Gelenk unter Schonung der Venen.
• Ablösung beider Seitenzügel vom Mittelzügel und Durchtrennung am Sehnen-
Muskel-Übergang. Ablösung der Insertionen der Mm. interossei dorsalis und pal-
maris I. Die Präparation dieser Muskeln erfolgt von dorsal, teilweise auch von pal-
mar.

345
33
Angeborene Fehlbildungen 33.6 Operationstechnik Daumenhypoplasie und -aplasie

Abb. 33.7 • a–d Pollizisation des Zeigefingers (s. Text).

• Distale Osteotomie durch die Epiphysenfuge des Mittelhandknochens II. Fortset-


zung der Präparation der Mm. interossei, gleichzeitig Darstellung des gesamten
Mittelhandknochen-Schaftes. Diesen basisnah durchtrennen und entfernen
(Abb. 33.7 b).

▶ Beachte: Bei korrekter Länge reicht der Daumen knapp bis zum Mittelgelenkbe-
reich des Nachbarfingers. Ist der Daumen zu lang, wird die Mittelhandkno-
chen-Basis exartikuliert.
• Isolierung der Mm. interossei voneinander, da sie zu Antagonisten werden.

▶ Erhöhte Vorsicht: Bei Verletzung der Muskeläste der Nerven und Gefäße droht
Funktionslosigkeit der Muskeln.
• Fixation des maximal nach palmar gekippten Kopfes des Mittelhandknochens ge-
gen die Basis mit PDS 4 /0. Dadurch Vermeidung störender Hyperextension im
346
33.7 Operationstechnik radiale Klumphand 33
neuen Sattelgelenk (Abb. 33.7 b). Den Zeigefinger dabei um 140 – 160° um die

Angeborene Fehlbildungen
Längsachse drehen und während des Knüpfens vom Assistenten in dieser Posi-
tion halten. Durch Muskelanheftung und Hautnaht verbleibt am Ende eine Rota-
tion von ca. 120°.
• Die palmare Abduktion soll 40°, die radiale 20° betragen.
• Die M. interossei in Höhe des PIP-Gelenks mit den Seitenbandzügeln vernähen
(PDS 5 /0, Einflechttechnik). Der Assistent hält dabei den Daumen in voller Oppo-
sition und Pronation (Abb. 33.7 c).
• Die Sehne des M. extensor indicis durch Doppelung auf eine mittlere Spannung
kürzen. Die Sehne des M. extensor digitorum, falls vorhanden, als neuen M. ab-
ductor pollicis longus an der Basis des neuen Mittelhandknochens (bisher Grund-
glied) anheften.
• Öffnung der Blutleere, Resektion des Hautüberschusses, Hautnaht.
• Eine natürliche Abflachung der 1. Zwischenfingerfalte lässt sich durch Resektion
von etwa 10 mm Haut der ehemaligen Grundglied-Beugeseite erreichen
(Abb. 33.7 d).
• Verband mit elastischer Binde, dorsale Gipsschiene (bei Kleinkindern einschließ-
lich Oberarm), die den Daumen in der neuen Position fixiert.

Nachbehandlung
▶ Nach 3 Wochen kann mit aktiven und passiven Bewegungsübungen begonnen wer-
den: Beugung, Streckung, Adduktion, Abduktion und Opposition. Die Eltern, von
deren Mitarbeit viel abhängt, entsprechend instruieren! Eine aktive Beugung ist
meist erst nach Wochen möglich, wenn der M. flexor pollicis longus geschrumpft
ist.
▶ Bei stärkerer Narbeninduration erfolgt für 6 – 8 Wochen eine nächtliche breite Wi-
ckelung der 1. Zwischenfingerfalte zur Vermeidung einer Adduktionskontraktur.

Komplikationen, Fehler und Gefahren


▶ Falsche Schnittführung erschwert den Wundverschluss.
▶ Zu langer Daumen durch ungenügende Resektion des Mittelhandknochens II.
▶ Ungenügende Pronation des Daumenstrahls.
▶ Hyperextensionsdeformität infolge falscher Fixation des Mittelhandknochen-Kopfes
(keine Kippung).
▶ Schlechte Beweglichkeit durch mangelhafte muskuläre Stabilisierung.
▶ Verzögerter oder ausbleibender funktioneller Einsatz des Daumens durch mangeln-
de Anleitung und Überwachung der Nachbehandlung durch die Eltern.

33.7 Operationstechnik radiale Klumphand


1. Schritt: Handgelenk-Distraktion
▶ Anbau des Fixateurs:
• Zur Distraktion dient ein Kohlefaser-Halbringsystem mit Gelenkverbindung zur
asymmetrischen Distraktion.
• Der Anbau beginnt mit der Fixation der Mittelhand. Diese erfolgt mittels doppel-
ter Schraubnägel senkrecht zur Längsachse der Mittelhand, die man von radial
und ulnar durch die Basis des 2. und 3. bzw. 5. und 4. Mittelhandknochens ein-
bringt. Daran wird dorsal ein Kohlefaser-Halbring montiert, an den man wiede-
rum radial und ulnar Gewindeschubstangen montiert mit Gelenkverbindungen
nach proximal.
• An den Gelenkverbindungen erfolgt die Montage eines weiteren Kohlefaser-Halb-
rings auf Höhe des Unterarmes dorsal, der senkrecht zur Achse der Elle ausge-
richtet wird. Diesen fixiert man mit 3 Schraubnägeln von radial, ulnar und dorsal
in der Elle und sichert ihn auf diese Weise gegen Rotation.
347
33 33.7 Operationstechnik radiale Klumphand

• Das System ist so zu montieren, dass die Finger und der Ellenbogen zur Bewe-
Angeborene Fehlbildungen

gung frei bleiben.


▶ Distraktionsphasen, -geschwindigkeit und -strecken:
• Latenzphase (Beginn der Distraktion): 2 Tage nach der Operation.
• Distraktionsphase: 8 – 24 Wochen.
• Konsolidierungsphase: 3 – 4 Wochen.
• Distraktionsgeschwindigkeit: 0,75 mm radial und 0,375 mm ulnar.
• Nachstellen der Gelenke: alle 3 Tage.
• Notwendige Distraktionsstrecken: radial 4 – 6 cm und ulnar 2 – 3 cm, je nach Aus-
gangsstellung des Handgelenks.
▶ Die Distraktionsgeschwindigkeit richtet sich nach Befund und Verlauf. Distraktion
bei Auftreten oder Zunahme von Beugefehlstellungen der Finger oder Schmerzen
bzw. Sensibilitätsstörungen unterbrechen oder ihre Geschwindigkeit reduzieren!
▶ Intensive Anleitung der Eltern bezüglich der Distraktion.
▶ Regelmäßige Verlaufskontrollen alle 1 – 2 Wochen, Stellungskontrolle durch Rönt-
genaufnahme alle 2 Wochen.
▶ Komplikationen, Fehler und Gefahren:
• Verletzung von Sehnen, Gefäßen und Nerven bei der Implantation der Schraub-
nägel.
• Lockerung oder Bruch der Schraubnägel → Wechsel.
• Schraubnagelinfektion → Antibiotika/Schraubnagelwechsel.
• Fingerbeugekontraktur → intensive Physiotherapie.

2. Schritt: Einstellung der Handwurzel über dem Ellenende


▶ Entfernung des Fixateur externe.
▶ Dorsale geschwungene Hautinzision beginnend über der Basis des 2. Mittelhand-
knochens über das Ellenende bis auf die Mitte des Unterarmes.
▶ Darstellung der R. dorsalis und ulnaris und des abnormen, den N. radialis ersetzen-
den Medianusastes mit den begleitenden Gefäßen.
▶ Ablösen des Retinaculum extensorum von radial und ulnar.
▶ Darstellung der Strecksehnen (cave: teilweise besonders dünn!) und Mobilisierung
nach distal (abnorme Verwachsungen im Bereich der Mittelhand).
▶ Mobilisierung und Ablösung der radialen Handgelenkstrecker und -beuger an ihrer
distalen Insertion.
▶ Vollständige Durchtrennung der Pseudogelenkkapsel zwischen proximaler Hand-
wurzelknochen-Reihe und distalem Ellenende unter Erhaltung insbesondere der
dorsalen und ulnaren Kapselanteile zur distalen Elle.
▶ Abtragung des Processus styloideus ulnae.
▶ Bei ausreichender Distraktion problemlose spannungsfreie Transposition der Hand-
wurzelknochen über das Ellenende in leichter ulnarer Überkorrektur.
▶ Stabilisierung der über dem Ellenende eingestellten Handwurzelknochen mittels ei-
nes 1,2-mm-K-Drahtes, den man von der Basis des 2. Mittelhandknochens durch
die radialen Handwurzelknochen einbringt und nach proximal in der Elle fixiert.
▶ Rekonstruktion der Pseudogelenkkapsel dorsal und ulnar.
▶ Transposition der abgelösten radialen Handgelenkstrecker und -beuger nach ulnar
zum M. extensor carpi ulnaris oder auf die dorsale Handwurzel (je nach Ausgangs-
länge) palmar der Strecksehne.
▶ Rückverlagerung des Retinakulums nach radial unter Zentrierung der Streckseh-
nen.
▶ Resektion der überschüssigen Haut am Handgelenk ulnar; Hautverschluss nach
sorgfältiger Blutstillung und Einlage einer Drainage nach Eröffnung der Blutleere.
▶ Bei starker Radialkrümmung der Elle diese evtl. in gleicher Sitzung durch ulnar ver-
kürzende Keilosteotomie korrigieren. Stabilisierung dann mittels des intramedullär
in die Elle eingebrachten K-Drahtes.

348
33.7 Operationstechnik radiale Klumphand 33
▶ Ruhigstellung auf palmarer Unterarm-Gipsschiene nach Anlage eines lockeren Ver-

Angeborene Fehlbildungen
bands (Ellenbogen- und Fingergelenke zur Bewegung frei lassen).
▶ Komplikationen, Fehler und Gefahren:
• Schädigung von Nerven und Arterien.
• Verletzung der Strecksehnen und Muskeln.
• Schädigung der distalen Ellenepiphyse durch zu große Kompression und Denuda-
tion (nicht ausreichende Distraktion).
• Gestörte Durchbauung der Ellenosteotomie.
• Ausgeprägtes Rezidiv (ungenügende Distraktion und Transposition).
▶ Nachbehandlung:
• Gipsruhigstellung unter intensivem Training der Finger- und Ellenbogen-Beweg-
lichkeit.
• Versorgung mit einer Kunststoff-Handgelenkorthese bis zur Entfernung des K-
Drahtes nach 6 – 12 Monaten (meist im Rahmen der Pollizisation).
• Weiterhin Versorgung mit einer Handgelenk-Nachlagerungsschiene für mehrere
Jahre.
• Regelmäßige Kontrollen: 4 – 6 Wochen postoperativ, 6 Monate postoperativ und
dann jährlich.

349
34 34.1 Operationstechniken

34 Ganglion
Ganglion

34.1 Operationstechniken
Dorsales Ganglion an Handwurzel oder Handgelenk
▶ Punktionstechnik: Patient schließt die Faust und beugt das Handgelenk. Ganglion-
nahe Lokalanästhesie. Ganglion mit großkalibriger Kanüle (2 – 3 mm) mehrfach an-
stechen und die muzinöse Flüssigkeit exprimieren, Kompressionsverband.
▶ Operationstechnik:
• Narkose oder Plexusanästhesie und Blutleere.
• Quere, den Hautfalen folgende Hautinzision, Retraktion der Sehnen. Darstellung
des Ganglions und seines Stiels bis zur (meist skapholunären) Gelenkkapsel
(Abb. 34.1 a).
▶ Nachbehandlung: Postoperativ reicht ein gepolsterter Verband über 3 – 5 Tage.

Vorsichtiges Vorgehen
▶ Beim Abtragen des Ganglions nicht zu radikal vorgehen, auf keinen Fall das ska-
pholunäre Ligament schädigen! Unterbindung oder Umstechung des schlanken
Ganglionstiels.
▶ Beim Abtragen eines breitbasigen Ganglions keine Kapselnaht.

Palmares Handgelenkganglion
▶ Operationstechnik:
• Quere Inzision, mit Haken in die Länge ziehen; alternativ bogenförmige Längsin-
zision.
• Präparation der A. radialis, die oft verborgen direkt auf der Palmarseite des Gang-
lions verläuft (Abb. 34.1 b).
• Präparation bis auf das Gelenk (radiokarpal oder skaphotrapezial) und Entfernen
des Ganglions.
▶ Nachbehandlung: Wie bei dorsalem Ganglion (s. o.).

Beugesehnenscheiden-Ganglion
▶ Operationstechnik:
• Quere Inzision (1 cm) in der Grundglied-Beugefalte.
• Identifikation und Weghalten der Gefäß-Nerven-Bündel.
• Darstellung des Ganglions auf der Beugesehnenscheide (Abb. 34.2).

Abb. 34.1 • a, b Ganglion-Stielpräparation palmar (a). Beachte den Verlauf der A. radialis.
Stielpräparation dorsal (b).
350
34.1 Operationstechniken 34

Ganglion
Abb. 34.2 • Beugeseh-
nenscheiden-Ganglion
(s. Text).

• Exzision mit Fensterung der Sehnenscheide.


• Kompressionsverband.
▶ Nachbehandlung: Frühe Mobilisation.

Mukoidzyste am Endgelenk
▶ Operationstechnik:
• Zirkuläre Umschneidung der Zyste und Exstirpation mit der Haut.
• Defektdeckung durch Vollhaut-Transplantat oder Transpositionslappen.

▶ Beachte: Präpariert man die Zyste allein ohne die sie umgebenden Haut mit heraus-
zunehmen, ist ein Rezidiv vorprogrammiert!
▶ Nachbehandlung: 1 Woche Ruhigstellung bis zum Einheilen des Transplantats.

351
35 35.1 Operationstechniken bei Dupuytren-Kontraktur

35 Dupuytren-Kontraktur
Dupuytren-Kontraktur

35.1 Operationstechniken bei Dupuytren-Kontraktur

Beachte
Keine Dupuytren-Kontraktur ist einfach zu operieren, auch wenn es manchmal
präoperativ so erscheint!

Operationsvorbereitung
▶ Lupenbrille. Mikroinstrumente, falls eine Nerven- oder Arteriennaht erforderlich
wird.

Aufklärung
▶ Weibliche Patienten höheren Alters neben den üblichen Risiken auf die erhöhte In-
zidenz einer Reflexdystrophie mit entsprechend schlechtem Ergebnis hinweisen
(S. 115).

Technik I: Fasziotomie
▶ Indikation: Schlanker, isolierter Strang bei älteren Patienten bzw. bei jüngeren, de-
nen man aus bestimmten Gründen keinen größeren Eingriff zumuten kann oder
will.
▶ Ziel der Operation: Funktionsverbesserung durch isolierte Strangdurchtrennung
(Mini-Eingriff, Abb. 35.1 a).
▶ Operationstechnik:
• Mittelhandblockade, Blutleere.
• 5 – 10 mm Längsinzision über dem Strang im Handbereich. Umschriebene Abprä-
paration der Haut. Ablösen der Subkutis, Vergewisserung, dass kein Nerv ober-
flächlich verläuft.
• Quere Durchtrennung des Stranges. Danach meist wesentliche Verbesserung der
Fingerstreckung. Auch wenn die Hautinzision in Längsrichtung einreißt, ist selten
eine Z-Plastik indiziert.
■▶ Cave: Quere Hautinzision führt zu größerem rautenförmigem Defekt.
• Blutstillung, Einlegen einer Lasche, Hautnaht. Kleine Inzisionen können offen ge-
lassen werden. Kompressionsverband.
▶ Nachbehandlung: 3 – 5 Tage Ruhigstellung mittels dorsaler Gipsschiene.

Technik II: Segmentale Fasziektomie


▶ Indikation: Wie Fasziotomie (s. o.), jedoch Vorliegen eines breiteren und diffuseren
Stranges bzw. auch zweier Stränge. Die isolierte Strangdurchtrennung würde das
Streckdefizit nur unvollständig beseitigen.
▶ Ziel der Operation: Funktionsverbesserung durch Strangunterbrechung an mehre-
ren Stellen, mindestens im Hohlhand- und Fingerbereich (Abb. 35.1 b).
▶ Operationstechnik:
■▶ Cave: Anspruchsvoller Eingriff!
• OP in Narkose oder Plexusanästhesie und Blutleere.
• 10 – 15 mm lange Längsinzision in der Hohlhand über dem Strang. Abpräparieren
der Haut, Unterminieren nach allen Seiten, auch distal und proximal. Darstellung
der Nerven. Resektion eines Strangsegments. Meistens bewirkt dies schon eine
deutliche Besserung der Streckung, so dass der Zugang zum Finger erleichtert
wird.
• Im Fingerbereich Inzision bis 2 cm Länge. Bei dieser begrenzten Inzision besteht
eine erhöhte Gefahr der Nervenläsion (spiraliger Verlauf um den Strang)! Unter
352
35.1 Operationstechniken bei Dupuytren-Kontraktur 35

Dupuytren-Kontraktur

Abb. 35.1 • a–d Fasziotomie eines Dupuytren-Stranges (a), segmentale Fasziektomie (b), Inzision
bei Dupuytren-Kontraktur an einem Strahl (c, s. Text), Inzision bei Dupuytren-Kontraktur an
2 Strahlen (d, s. Text).

Darstellung des Gefäß-Nerven-Bündels Teilresektion des Stranges so weit, bis die


Streckung weitgehend vollständig ist.
• In den meisten Fällen sind Z-Plastiken erforderlich.
▶ Nachbehandlung: s. o. bei Fasziotomie.

353
35 35.1 Operationstechniken bei Dupuytren-Kontraktur

Technik III: Partielle Fasziektomie


Dupuytren-Kontraktur

▶ Indikation: Überwiegende Zahl der Patienten mit Dupuytren-Kontraktur. Meist sind


1 oder 2 Finger betroffen.
▶ Ziel der Operation: Funktionsverbesserung und weitgehende Entfernung des patho-
logischen Gewebes, nicht die vollständige Korrektur der Fehlstellung um jeden
Preis!
▶ Operationstechnik:
■▶ Cave: Der Eingriff setzt eine hand- und mikrochirurgische Ausbildung voraus!
• OP in Narkose oder Plexusanästhesie und Blutleere.
• Inzision:
– Strangbildung an einem Finger: Längsinzision in voller Länge, Auflösung durch
Z-Plastiken, ggf. Vollhaut-Transplantat (Abb. 35.1 c).
– Strangbildung an Ring- und Kleinfinger: Schräge Inzision der Hohlhand, gerade
Inzision der Kleinfinger-Beugeseite (später Z-Plastiken, Vollhaut-Transplantat),
isolierte gerade Inzision der Ringfinger-Beugeseite (Z-Plastiken) (Abb. 35.1 d).
– Strangbildung an mehreren Fingern: 1 – 2 schräge oder gebogene Inzisionen in
der Hohlhand, von der aus man die Stränge entfernt. Zusätzliche Längsinzision
der Beugeseiten der Finger, evtl. auch der angrenzenden distalen Hohlhand
(Abb. 35.1 d). Z-Plastiken.
• Präparation von Haut und Subkutis:
– Die Präparation beginnt in der Hohlhand. Scharfes Abpräparieren von Haut
und Subkutis mit einem Skalpell. Dabei die Haut einerseits nicht zu sehr aus-
dünnen, andererseits einstrahlende Dupuytren-Fasern miterfassen! Dies ge-
lingt, indem man das Skalpell mehr drückt, als dass man schneidet. Das 3- bis
4-malige Auswechseln der Klinge ist bei dieser Operation notwendig!
– Darstellung des Längsstranges und der seitlich angrenzenden Querfasern der
Aponeurose unter Schonung der in die Hautlappen einstrahlenden Gefäße.
– Proximale Durchtrennung des Stranges, die Querfasern längs durchschneiden
und die Gefäß-Nerven-Bündel präparieren.
– Nun Haut und Subkutis am Finger abpräparieren. Cave: Bei schwieliger Haut
sollte dies in relativ dicker Schicht erfolgen.
• Neurolyse und Arteriolyse: Nerven und Arterien werden distal und proximal mik-
rochirurgisch präpariert:
– Durch vorsichtiges Ziehen mit der Mikropinzette versuchen, den Verlauf der
Nerven zu erkennen. Dies ist Voraussetzung für die Präparation der spiraligen
Nervenverläufe um und durch die Stränge (Abb. 35.2 a–c). Dieser Teil der Ope-
ration ist am schwierigsten.
– Bei Rezidiven Präparation am besten unter dem Mikroskop.
• Resektion des Stranges: Sind die Gefäß-Nerven-Bündel in voller Länge übersicht-
lich dargestellt, wird der Strang am proximalen Ende angeklemmt und unter
scharfer Durchtrennung der vertikalen Septen sowie der übrig gebliebenen Ad-
häsionen reseziert.
• Öffnen der Blutleere, 10 min Kompression, bipolare Mikrokoagulation.
• Inzision für Z-Plastiken (S. 232). Die Lappen unbedingt völlig spannungsfrei verla-
gern. Keine Kompromisse! Verbleibt ein Defekt, Deckung mit Vollhaut vom proxi-
mal-ulnaren Unterarm aus einer haarfreien Zone.
■▶ Tipp: Das Zunähen lässt sich beschleunigen, wenn nach erfolgter Blutstillung
nochmals Blutleere anlegt wird.
• Für die Z-Plastiken 5 /0, für die übrige Naht Nylon 4 /0 verwenden.
• Einlage einer Redon-Drainage, an den Fingern ggf. Laschen.
• Dick gepolsterter Druckverband, Gipsschiene mit Auslegern zu den operierten
Fingern, dabei das Handgelenk in ca. 20° Streckung fixieren, die betroffenen MP-
Gelenke in ca. 20° Beugung.
▶ Nachbehandlung: S. 174.

354
35.1 Operationstechniken bei Dupuytren-Kontraktur 35

Dupuytren-Kontraktur
Abb. 35.2 • a–c Verlaufsvarianten von Digitalnerven (1) in Relation zu den Dupuytren-
Strängen (2).

Techniken I–III: Intraoperative Probleme und Komplikationen

Cave
Wer die Dupuytren-Kontraktur operiert und kein Mikroskop oder mindestens ei-
ne 4fach vergrößernde Lupenbrille besitzt, hat ein latentes forensisches Problem!

▶ Wenn trotz Strangentfernung das PIP-Gelenk nicht vollständig zu strecken ist, kann
eine Arthrolyse indiziert sein:
• Dazu Einkerben der palmaren Platte proximal (S. 309) und vorsichtige Dehnung.
Keinesfalls die volle Korrektur erzwingen!
• Temporäre K-Drahtfixation nur in Ausnahmefällen, wenn das Gelenk immer wie-
der in eine Beugung von 40° und mehr zurückschnappt.
▶ Verletzung eines Nervs und/oder einer Arterie. Dies muss erkannt und sofort mik-
rochirurgisch repariert werden.
▶ Nach Öffnen der Blutleere bleibt der Finger manchmal aufgrund eines Arterienspas-
mus ischämisch. Hält dieser Zustand länger als 2 – 3 min an, Applikation von war-
mem Kochsalz, evtl. Beträufeln der Wunde mit Bupivacain.
■▶ Tipp: Nitropflaster auf den Unterarm kleben!
▶ Es verbleibt ein Defekt, der sich mit Vollhaut nicht decken lässt, da die Beugesehnen
freiliegen. Bei Erhalt der Sehnengleitschicht und guter Durchblutung kann man die
Deckung mit Spalthaut riskieren. Günstiger ist die Verwendung eines Cross-Finger-
Lappens. Homodigitale Lappen sind bei ausgedehnter Dupuytren-Operation ris-
kant.

355
35 35.1 Operationstechniken bei Dupuytren-Kontraktur

Techniken I–III: Postoperative Komplikationen


Dupuytren-Kontraktur

▶ Hämatom: Bei korrekter Blutstillung und Drainage extrem seltene Komplikation.


Wichtig ist die Früherkennung, daher Verbandwechsel am 1. postoperativen Tag!
Sofortige Ausräumung unter sterilen Kautelen.
▶ Hautnekrosen: Sie sollten bei korrekter Operationstechnik nicht oder nur in mini-
malem Umfang vorkommen. Trockene Wundbehandlung und schrittweise Entfer-
nung.
▶ Schlechte Beweglichkeit: Intensive Handtherapie.
▶ Sympathische Reflexdystrophie („Sudeck“): S. 114.

Technik IV: Modulare, minimal invasive Technik


▶ Siehe S. 250 (Kap. 24.5).

Technik V: Radikale Fasziektomie


▶ Ist aus unserer Sicht obsolet. Sie erweitert den zur Funktionsverbesserung erforder-
lichen Eingriff beträchtlich, ist risikoreich und bringt keine besseren Langzeitergeb-
nisse.

Technik VI: Open-Palm-Technik


▶ Indikation: Diffuse Knotenbildung der distalen Hohlhand mit Kontraktur der MP-
Gelenke, die nur eine quere Inzision zulässt.
▶ Operationstechnik: Abpräparation von Haut/Subkutis. Resektion des pathologi-
schen Gewebes. Nach Blutstillung bleibt die elliptische Wunde offen. Kontrollierte
Sekundärheilung. Diese Technik haben wir zugunsten der modularen in minimal
invasiver Technik verlassen.

Technik VII: Arthrodese


▶ Indikation: Knopfloch-Fehlstellung mit Streckdefizit im PIP-Gelenk > 90°.
▶ Operationstechnik: Zuerst ggf. Strangresektion im Bereich des Grundgelenks. Dor-
saler Zugang zum Mittelgelenk, Gelenkresektion, Arthrodese (S. 382). Eine leichte
Verkürzung des Fingers ist erwünscht. Evtl. zusätzliche Strecksehnen-Durchtren-
nung am Endgelenk.

Technik VIII: Amputation


▶ Indikation: Rezidive ohne Aussicht auf Funktionsverbesserung.
▶ Operationstechnik:
• Kontraktur des MP-Gelenks: Strahlamputation (S. 243).
• Kontraktur des PIP-Gelenks: Amputation in Höhe des Grundgliedkopf (S. 268).

Praxistipp für sehr Erfahrene


Zur Vermeidung empfindlicher Stümpfe kann das gesamte Endglied als neurovas-
kulärer Insellappen dienen. Endglied an beiden Gefäß-Nerven-Bündeln und dor-
salen Venen präparieren und auf den Grundgliedkopf arthrodesieren. Das Ergeb-
nis ist ästhetisch wesentlich besser als die Amputation, da kein Stumpf resultiert.

356
36.1 Operationstechnik bei Tendovaginitiden am Handgelenk 36
36 Sehnenerkrankungen

Sehnenerkrankungen
36.1 Operationstechnik bei Tendovaginitiden am
Handgelenk
Tendovaginitis de Quervain
▶ Minimal invasive und endoskopische Technik: S. 250.
▶ Offene Operationstechnik:
• Narkose oder Plexusanästhesie, von uns bevorzugt in Radialisblockade. Blutleere.
• Die Inzision (ca. 2 cm) folgt den quer oder schräg verlaufenden Hautfalten. Dar-
stellen der hier oberflächlich verlaufenden R. superficialis n. radialis und R. poste-
rior n. cutanei antebrachii radialis. Weghalten nach ulnodorsal bzw. radiopalmar.

▶ Cave: Die Nerven nicht „freipräparieren“, sondern mit den Weichteilen vom
Sehnenfach abschieben.
• 1. Sehnenfach in seiner ganzen Länge darstellen, komplette Längsspaltung. Syno-
vialitisches Gewebe ggf. entfernen (Abb. 36.1).
• Oft verläuft die Sehne des M. extensor pollicis brevis durch ein eigenes, akzesso-
risches Fach. Dieses muss erkannt und gespalten werden.
■▶ Beachte: Der M. abductor pollicis longus hat häufig mehrere Sehnen, die nicht
mit dem M. extensor pollicis brevis verwechselt werden dürfen. Im Zweifel zur
Prüfung mit einem Sehnenhaken an der Sehne ziehen: Daumengrundgelenk wird
gestreckt.
▶ Nachbehandlung: 2 Tage gepolsterter Kompressionsverband, danach aktive Bewe-
gung.
▶ Komplikationen:
• Schädigung von Radialisnervenästen, die das Fach kreuzen: Sofortige mikrochi-
rurgische Versorgung, um ein Neurom zu vermeiden.
• Narbige Verwachsung: Durch frühzeitige Weichteilmassage vermeiden. Bei emp-
findlicher Narbe Abhärtungstherapie durch Massieren und Beklopfen.
▶ Fehler und Gefahren:
• Unvollständige Spaltung des Faches.

▶ Cave: Das Fach reicht weiter nach proximal, als man denkt!
• Nichterkennen eines akzessorischen Faches.
• Schädigung des Radialisastes proximal durch blindes Spalten.

Intersektionssyndrom
▶ Operationstechnik:
• Operation in Narkose oder Plexusanästhesie und Blutleere.
• Den Falten folgende quere oder schräge Inzision dorsoradial am Handgelenk in
Verlängerung des 2. Mittelhandknochens.

▶ Cave: Kräftige Venen schonen!

Abb. 36.1 • Operation


der Tendovaginitis de
Quervain.
357
36
Sehnenerkrankungen 36.2 Operationstechnik bei Tendovaginitis stenosans

Abb. 36.2 • Spaltung


des 2. Streckerfaches
bei Intersektionssyn-
drom.

• Darstellung der Kreuzung von M. abductor pollicis longus und M. extensor polli-
cis brevis mit den longitudinal verlaufenden radialen Handgelenk-Strecksehnen
(Abb. 36.2). Darstellung des Eingangs zum 2. Fach und schrittweise Spaltung nach
distal. Entfernung synovialitischen Gewebes, falls vorhanden.
• Die Sehne des M. extensor pollicis longus nach ulnar weghalten, evtl. mit ihrer
Sehnenscheide abpräparieren.

▶ Beachte: 2. und 3. Fach kreuzen und kommunizieren hier.
• Vervollständigung der Spaltung des 2. Faches.
▶ Nachbehandlung: Wie Tendovaginitis de Quervain (s. o.).

Tendovaginitis des M. extensor pollicis longus


▶ Operationstechnik:
• Operation in Radialisblockade und Blutleere. Vorteil: Intraoperatives Prüfen der
Blockierung und des Erfolgs der Operation möglich.
• Quere Inzision über dem 3. Strecksehnenfach.
■▶ Cave: Radialisast kreuzt! Sehne im Bereich der Tabatière darstellen. Sehnen-
dach nach proximal bis zum Lister-Tuberkel spalten.
• Nach Entfernen des störenden synovialitischen Gewebes oder eines intratendinö-
sen Knotens lockere Fesselung der Sehne in ihrem Fach mit einem Streifen des
Retinaculum extensorum.
• Drainage. Palmare Unterarm-Daumengipsschiene (Daumenendgelenk bleibt frei).
▶ Nachbehandlung: 10 Tage Ruhigstellung. Danach kann bewegt und belastet wer-
den.

▶ Beachte: Wird intraoperativ festgestellt, dass die Sehne des M. extensor pollicis
longus weitgehend aufgefasert ist, Umlagerung des M. extensor indicis in derselben
Sitzung durchführen, s. S. 275.

Tendovaginitis des M. flexor carpi radialis


▶ Operationstechnik:
• Quere Inzision über der Sehne des M. flexor carpi radialis.

▶ Cave: Der R. palmaris n. mediani verläuft zwar meist ulnar, kann jedoch die
Sehne kreuzen oder sogar radial von ihr verlaufen.
• Den Sehnenscheidentunnel der Sehne des M. flexor carpi radialis nach distal so
weit spalten, bis die Sehne ulnar vom Kahnbein nach dorsal in die Tiefe ver-
schwindet. Synovialitisches Gewebe, falls vorhanden, entfernen. Auch nach proxi-
mal spalten.
▶ Nachbehandlung: Wie Tendovaginitis de Quervain.

36.2 Operationstechnik bei Tendovaginitis stenosans


Offene Operationstechnik am Finger
▶ Mittelhandblockade. Keine Narkose oder Plexusanästhesie! Ohne Erhaltung der ak-
tiven Bewegung ist eine verlässliche intraoperative Kontrolle, ob die Blockierung
beseitigt ist, nicht möglich.
358
36.2 Operationstechnik bei Tendovaginitis stenosans 36

Sehnenerkrankungen
Abb. 36.3 • Spaltung des A1-Ring-
bandes bei Tendovaginitis stenosans.

▶ 15 mm lange, schräge Inzision der distalen Hohlhand. Im Falle einer Synovialitis ist
die schräge Inzision besser zu verlängern als eine Querinzision.
▶ Streng in der Mitte bleiben und das A1-Ringband darstellen. Langenbeck-Haken ein-
setzen und beide Gefäß-Nerven-Bündel weghalten. Nerven nur bei Vernarbung
nach Voroperation darstellen.
▶ Spaltung des A1-Ringbandes. Das A2-Ringband unbedingt belassen, da sonst die Ge-
fahr eines Bogensehneneffekts mit Beuge- und Kraftverlust (Abb. 36.3) besteht.
▶ Patienten auffordern, den operierten Finger vollständig zu beugen und zu strecken.
Prüfen, ob das Schnappen beseitigt ist.
▶ Synovialitisches Gewebe, falls vorhanden, entfernen. Bei ausgedehnter Synovialitis
zickzackförmige Schnitterweiterung.
▶ Eine Drainage ist nicht in jedem Fall erforderlich.
▶ Druckverband für 2 – 3 Tage, der operierte Finger bleibt für aktive Bewegung frei.
Bei präoperativer beginnender Beugekontraktur Dehnungsübungen, evtl. Physio-
therapie.

Minimal invasive und perkutane Operationstechnik am Finger


Siehe S. 247, Kap.24.2.

Offene Operationstechnik am Daumen


▶ Identisches Vorgehen bei Kleinkindern und Erwachsenen.
▶ Durchführung bei Kindern in Narkose, bei Erwachsenen in Mittelhandblockade.
Oberarm-Blutleere.
▶ Handgelenk in Beugestellung bringen, dadurch bequemerer Zugang. 1 cm lange
quere Inzision 3 – 4 mm distal der Grundglied-Beugefalte.
▶ Darstellen des Ringbandes.
■▶ Cave: Gefährdet ist der radiale Nerv, er muss weggehalten werden!
▶ Spaltung des Ringbandes unter Sicht. Eine zusätzliche Spaltung der Sehnenscheide
nach proximal ist nicht erforderlich und wegen des Nervenverlaufs gefährlich
(Abb. 36.4).
▶ Den Patienten auffordern, die Hand zu bewegen. Damit wird geprüft, ob die Ring-
bandspaltung das Schnappen beseitigt hat.
▶ Druckverband, evtl. nach 1 – 2 Tagen durch ein Pflaster ersetzen.

Nachbehandlung
▶ Frühe Bewegung, volle Belastung innerhalb von 10 Tagen, ggf. Physiotherapie.

Fehler und Gefahren


▶ Falsche Diagnosestellung. Andere Ursache des Schnapp-Phänomens (S. 179).
▶ Inzision an falscher Stelle wegen mangelnder Kenntnis der Anatomie der Ringbän-
der.

359
36
Sehnenerkrankungen 36.2 Operationstechnik bei Tendovaginitis stenosans

Abb. 36.4 • Operation der Tendovagi-


nitis stenosans am Daumen. Gefahr der
Nervschädigung bei „blindem“ Schnei-
den nach proximal.

▶ Durchtrennung des radialen Daumennervs oder Schädigung durch Hakendruck bei


brüskem Operieren.

360
37.1 Operationstechnik bei Kompression des N. radialis proximal 37
37 Nervenkompressionssyndrome

Nervenkompressionssyndrome
37.1 Operationstechnik bei Kompression des N. radialis
proximal
Operationstechnik
▶ Operation in Narkose oder Plexusanästhesie. Bei Eingriffen am Oberarm ist das An-
bringen einer Blutleeremanschette nicht möglich.
▶ 10 cm lange Hautinzision distal-radial am Oberarm. Eingehen zwischen M. brachio-
radialis und radialem Trizepskopf.
▶ Darstellung des Nervenstammes, Identifizierung des osteofibrösen Kanals und Spal-
ten seines Daches (Abb. 37.1).
■▶ Beachte: Ist der Nervenstamm nicht leicht zu identifizieren, stellt man den distal
epifaszial verlaufenden N. cutaneus antebrachii dorsalis dar und verfolgt ihn nach
proximal bis zum Stamm.
▶ Bei Bedarf Redon-Drainage, Wattekompressionsverband.

Nachbehandlung
▶ Frühzeitig im Verband bewegen.
▶ Volle Belastung innerhalb von 2 – 3 Wochen.

Abb. 37.1 • Dekompression N. radialis: (1) N. radialis, (2) Faszie, (3) M. triceps (Caput radiale),
(4) Dach des Canalis radialis (Septum intermusculare radiale), (5) N. cutaneus antebrachii dorsalis.

37.2 Operationstechnik bei Supinatorsyndrom


▶ Minimal invasive und endoskopische Technik: S. 261 (Kap. 24.13).

Offene Operationstechnik
▶ Lagerung des Unterarmes in Mittelstellung auf der Ulnakante.
▶ Operation in Narkose oder Plexusanästhesie, Operation in Blutleere.
▶ Ca. 5 cm lange, leicht gebogene Hautinzision über dem Wulst des M. brachioradialis.
Faszie unter Schonung des N. cutaneus antebrachii dorsalis darstellen.
■▶ Cave: Der Zugang über der Unterarm-Beugeseite hinterlässt sehr häufig auffällige,
hässliche hypertrophe Narben!
▶ Inzision der Faszie (länger als die Hautinzision).
▶ Identifizierung der Raphe zwischen M. brachioradialis und M. extensor carpi radia-
lis longus (Abb. 37.2). Stumpfes Eindringen zwischen die Muskeln und digitale Mo-
bilisierung des Zugangs. Man stößt mit dem Zeigefinger auf den Radius.
361
37
Nervenkompressionssyndrome 37.2 Operationstechnik bei Supinatorsyndrom

Abb. 37.2 • Zugangswege Supinatorsyndrom (s. Text).

▶ Zugang nach distal und proximal digital erweitern. Einsetzen von Langenbeck-Ha-
ken (Blattlänge je nach Muskeldicke).
▶ Unter dem M. brachioradialis sieht man nun den R. superficialis. Meistens erkennt
man anterior davon auch den R. profundus.
▶ Stumpfe, digitale Präparation nach proximal zur Darstellung des Radialisstammes
und damit der Nervengabelung.
▶ Nun erst beginnt die Präparation mit Instrumenten.
■▶ Cave: Nerven mit den Haken zum Weghalten der Muskeln nicht schädigen!
▶ Den R. profundus atraumatisch nach distal präparieren. Dabei ihn kreuzende Ge-
fäßarkaden durchtrennen. Diese können auch Kompressionsursache sein. Gefäßar-
kaden wegen ihrer Nähe zum Nerven ligieren (einfacher: Hämoclips).
■▶ Cave: Hierbei äußerst vorsichtig vorgehen! Bei venöser Blutung wird das Opera-
tionsgebiet trotz Blutleere schnell unübersichtlich.
▶ Nach 2 – 3 cm stößt man auf die Frohse-Arkade, die den Nerven semizirkulär, meist
mit deutlich sehnigem Rand, umgreift (Abb. 20.3).
■▶ Cave: Der erste Sehnenrand, auf den man bei diesem Zugang trifft, gehört zum
M. extensor carpi radialis brevis. Im Unterschied zur Frohse-Arkade umgreift die-
ser nicht den Nerven, sondern kreuzt ihn schräg. Da hier ebenfalls eine Kompres-
sionsursache liegen kann, den Rand des M. extensor carpi radialis brevis durch-
trennen, so dass keine Kompressionsgefahr mehr besteht.
▶ Den Rand der Frohse-Arkade mit chirurgischer Mikropinzette anheben und spalten.
Nun erkennt man immer einen deutlichen Farbunterschied im Nerven: proximal
der Arkade weißlich, distal davon gräulich. Oft ist auch ein Kalibersprung zu sehen.
Alle sehnigen Anteile des M. supinator spalten, auf vollständige Durchtrennung des
Muskels bei diesem Zugang verzichten (Abb. 37.3).
▶ Abschließend digitale Palpation den Nerven entlang über den Radiuskopf nach pro-
ximal, um weiter proximal gelegene Kompressionsursachen (fibröse Septen) auszu-
schließen.
▶ Gegebenfalls Redon-Drainage. 3 – 5 Tage Wattekompressionsverband.
Alternative offene Operationstechnik
▶ Prinzip: Über einen alternativen Zugang wird auch der distale Rand des M. supinator
dargestellt. Der Muskel lässt sich dann vollständig spalten und der gesamte Verlauf
des R. profundus verfolgen.
▶ Indikationen: Rezidiv, Kompression durch Kallus oder Tumor.
▶ Vorgehen:
• Hautinzision wie oben. Eingehen zwischen M. extensor digitorum und M. exten-
sor carpi radialis longus (Abb. 37.2).
362
37.2 Operationstechnik bei Supinatorsyndrom 37

Nervenkompressionssyndrome
Abb. 37.3 • Neurolyse Supinatorsyndrom mit Spaltung der Frohse-Arkade. (1) R. superficialis
n. radialis, (2) R. profundus n. radialis; (3) Frohse-Arkade, (4) M. brachioradialis, (5) M. extensor
carpi radialis brevis.

Abb. 37.4 • Neurolyse Supinatorsyndrom, alternative Technik mit kompletter Durchtrennung


des M. supinator.

• Darstellung des kranialen Randes des M. supinator mit Frohse-Arkade. Neurolyse


mit Durchtrennung des ganzen Muskels (Abb. 37.4).

Nachbehandlung
▶ 3 – 4 Tage Ruhigstellung mit Wattekompressionsverband.
▶ Danach eigenständige Bewegung und Belastung.

363
37 37.3 Operationstechnik bei Kompression des N. radialis distal

Komplikationen
Nervenkompressionssyndrome

▶ In seltenen Fällen kommt es zu einem Streckdefizit einzelner Finger, meistens ist


der Mittelfinger betroffen. Ursache ist häufig der Hakendruck, daher meistens re-
versibel innerhalb von 3 – 6 Wochen.

Fehler und Gefahren


▶ Nervenläsion durch zu traumatisches Operieren (Hakendruck, ungeeignete Instru-
mente).
▶ Nervenschädigung beim radialen Zugang am distalen Supinatorrand, da sich die
Muskeläste hier fächerartig aufteilen.
▶ Verwechslung des sehnigen Randes des M. extensor carpi radialis brevis mit der
Frohse-Arkade, deren Durchtrennung deshalb unterbleibt.

37.3 Operationstechnik bei Kompression des N. radialis


distal
▶ Endoskopische Technik: S. 260 (Kap. 24.12).

Offene Operationstechnik
▶ Operation in Narkose oder Plexusanästhesie, Blutleere.
▶ Radiopalmare, ca. 6 cm lange Hautinzision am Übergang mittleres/distales Unter-
armdrittel.
▶ Dorsal verlaufende Äste des R. cutaneus antebrachii dorsalis unbedingt schonen.
▶ Darstellung des dorsalen sehnigen Randes des M. brachioradialis und des radialen
Randes des M. extensor carpi radialis longus. Dazwischen den R. superficialis aufsu-
chen. Spaltung der Unterarmfaszie nach distal.
▶ M. brachioradialis und M. extensor carpi radialis longus auseinanderziehen, Spal-
tung der zwischen ihnen liegenden Faszienverbindung nach proximal.
▶ Stört nach der Neurolyse der scharfe Rand des M. brachioradialis, kann man ihn
nach radial „umkrempeln“ und mit sich selbst vernähen (Abb. 37.5).
▶ Drainage bei Bedarf.

Nachbehandlung
▶ 2 – 3 Tage Wattekompressionsverband.
▶ Danach eigenständige Bewegung und Belastung.

Abb. 37.5 • Operationstechnik Wartenberg-Syndrom (s. Text).


364
37.4 Operationstechnik bei Kompression des N. medianus proximal (Pronator-, Interosseus-an- 37
terior-Syndrom)
Komplikationen und Gefahren

Nervenkompressionssyndrome
▶ Schädigung von Hautnerven. Postoperativ narbige Irritation des Nervs durch Ver-
wachsung mit der Haut. Daher unbedingt palmar des Nervenverlaufs inzidieren!

37.4 Operationstechnik bei Kompression des


N. medianus proximal
(Pronator-, Interosseus-anterior-Syndrom)
▶ Endoskopische Technik: S. 257 (Kap. 24.9).

Offene Operationstechnik
▶ Prinzip: Um alle denkbaren Kompressionsursachen zu finden, den Nerv vom dista-
len Oberarm bis etwa 8 cm distal der Ellenbeuge revidieren.
▶ Bogenförmige Hautinzision. Unterbindung der Äste der V. basilica.
▶ Inzision der Faszie. Durchtrennung des Lacertus fibrosus (Abb. 37.6 a). Ulnar vom
M. biceps findet man den N. medianus, radial die A. brachialis.
▶ Präparation des Nervs nach distal. Spaltung der Köpfe des M. pronator teres
(Abb. 37.6 a).
■▶ Cave: Alle Muskeläste des N. medianus gehen nach ulnar ab!
▶ Im M. pronator teres zweigt der kräftige N. interosseus anterior nach radial ab. Hier
besteht eine Kompressionsmöglichkeit durch den sehnigen Rand des Caput ulnare.
Diesen durchtrennen (Abb. 37.6 b).
▶ Bei Vorliegen eines Interosseus-anterior-Syndroms Fortsetzen der Dekompression
bis in den muskulären Bereich. Neben der Kompression des N. interosseus anterior
wurden faszikuläre Kompressionen und Einschnürungen im Nervenstamm als Ur-
sache beschrieben. Daher ist eine innere Neurolyse (Mikroskop) sinnvoll.
▶ Retraktion des ulnaren Muskelwulstes (humeraler Kopf des M. pronator teres, M.
flexor carpi radialis) und Darstellung des Sehnenbogens der Ursprünge des M. fle-
xor digitorum superficialis. Diesen ebenfalls durchtrennen (Abb. 37.6 c).
▶ Einlegen einer Redon-Drainage. 1 Woche dorsale Oberarm-Gipsschiene.

Abb. 37.6 • a–c Operationstechnik bei Pronatorsyndrom (s. Text).


365
37 37.5 Operationstechnik bei Karpaltunnelsyndrom

37.5 Operationstechnik bei Karpaltunnelsyndrom


Nervenkompressionssyndrome

Offene Operationstechnik
▶ Operation in Narkose, Plexus- oder Lokalanästhesie, Blutleere.
▶ Hautinzision (Abb. 37.7 a).
■▶ Cave: Eine Verlängerung proximal der Handgelenk-Beugefalte ist zu vermeiden,
da diese oft zu Narbenhypertrophie führt, den R. palmaris gefährdet und prak-
tisch nie erforderlich ist (Ausnahme: massive rheumatische Beugesehnen-Syno-
vialitis).
▶ Darstellung der Palmaraponeurose und des Übergangs zur Unterarmfaszie ulnar
von der Sehne des M. palmaris longus (Lig. carpi palmare).
■▶ Cave: Proximal kreuzen oft Äste des R. palmaris die Inzision!
▶ Durchtrennung der Palmaraponeurose und des Lig. carpi palmare ulnar der Sehne
des M. palmaris longus. Diese muss nicht durchtrennt werden. Präparation der Un-
terarmfaszie. In leichter Handgelenkbeugung werden nun Langenbeck-Haken ein-
gesetzt (alternativ auch handchirurgisches Spekulum, S. 245). Die Faszie lässt sich
mühelos 2 – 3 cm nach proximal inspizieren.
▶ Das Retinaculum flexorum nun entlang seines ulnaren Randes mit dem Skalpell
durchtrennen.
■▶ Beachte: Der N. medianus verläuft oft weit radial und fällt nicht unbedingt sofort
ins Auge.
▶ Identifizierung und Darstellung des Medianusstammes (Abb. 37.8). Als Rarität kann
dieser zweigeteilt sein und (extrem selten) durch separate Retinakulumfächer ver-
laufen. Bei dieser Präparation sollte man eine auffällige Beugesehnen-Synovialitis
sowie seltene Kompressionsursachen (Lipom, Riesenzelltumor, Ganglion, Thrombo-
se A. mediana, atypische Muskulatur) identifizieren.
▶ Mit einem feinen Haken wird die radiale Lefze des Retinakulums angehoben. Nach
dem motorischen Ast zunächst an seiner häufigsten Lokalisation am distalen Aus-
gang des Karpaltunnels (Abb. 37.8, Abb. 37.9 a) suchen.

▶ Beachte: Stößt man palmar des Retinakulums auf atypische Muskulatur, ist ein int-
raligamentärer palmarer Abgang des Thenarastes (Abb. 37.9 b) wahrscheinlich. Er-
höhte Vorsicht! Eine weitere Möglichkeit ist der transligamentäre Abgang
(Abb. 37.9 c). Findet sich keiner dieser Abgänge, ist einer der seltenen Verläufe zu
vermuten und aufzufinden: intraligamentär anterior (Abb. 37.8 d), intraligamentär
ulnar (Abb. 37.9 e), extraligamentär gedoppelt (Abb. 37.9 f).
▶ Erst nach sicherer Identifizierung des motorischen Astes Unterarmfaszie nach pro-
ximal spalten.
▶ Danach ggf. synovialitisches Gewebe oder Tumor entfernen.
▶ Nur selten ist eine Drainage erforderlich.

Abb. 37.7 • a, b Hautinzisionen bei Karpaltunnelsyndrom (s. Text).


366
37.5 Operationstechnik bei Karpaltunnelsyndrom 37

Nervenkompressionssyndrome
Abb. 37.8 • Operationssitus bei Karpaltunnelsyndrom (s. Text): (1) N. medianus, (2) motorischer
Ast, (3) Sehne des M. flexor pollicis longus.

Abb. 37.9 • a–f: Motorischer Ast des N. medianus, anatomische Varianten (s. Text).

367
37 37.6 Operationstechnik bei Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-Syndrom)

Offene, minimalinvasive Operationstechnik (s. Kap.24.8.2)


Nervenkompressionssyndrome

▶ Diese Hautinzision ist deutlich kürzer und spart den durch postoperative Schmer-
zen (pillar pain) gefährdeten proximalen Handwurzelbereich aus (Abb. 37.7 b). Die-
se Technik stellt eine ausgezeichnete, sichere Alternative zur endoskopischen Ope-
ration dar.
▶ Das Vorgehen ist im Prinzip identisch wie oben beschrieben, wegen der relativen
Enge des Zugangs ist der Eingriff aber schwieriger. Der Zugang ist jedoch so weit,
dass auch eine evtl. erforderliche Synovialektomie durchführbar ist.
▶ Im Bereich des Lig. carpi palmare erschwert Fettgewebe gelegentlich den Blick auf
die Unterarmfaszie. Dieses entfernen. Zur Darstellung der Unterarmfaszie sind län-
gere Langenbeck-Haken oder (von uns bevorzugt) ein handchirurgisches Spekulum
erforderlich (S. 245).
▶ Bei unzureichender Übersicht Inzision bis zur Handgelenkfalte erweitern.
▶ 2 Tage Wattekompressionsverband. Danach 8 – 10 Tage Schutzverband.

Endoskopische Operationstechnik
▶ Diese Technik ist in sehr geübter Hand eine Alternative zur offenen Operation. Bis
heute ist jedoch die Komplikationsrate im Vergleich zur offenen Operation höher
(s. u.), denn in erfahrener Hand sind gravierende Komplikationen der offenen Ope-
ration extrem selten.
▶ Nachbehandlung: Wie bei offener Technik.

Komplikationen
▶ Die offene Neurolyse ist ein komplikationsarmer Eingriff.
▶ Bei der endoskopischen Operation besteht ein erhöhtes Risiko der Schädigung des
N. medianus und seiner Äste, des N. ulnaris (ulnar gelegener Zugang) und des ober-
flächlichen Hohlhandbogens.

Fehler und Gefahren


▶ Unvollständige Spaltung des Retinakulums. Typischerweise postoperativ zunächst
Besserung der Beschwerden, die dann jedoch in gleichem Umfang wieder auftreten.
▶ Fehlerhafte Ruhigstellung. Durch Beugefehlstellung des Handgelenks kann ein pal-
marer Prolaps der Beugesehnen und dadurch Vernarbungen des N. medianus mit
der Haut.
▶ Entstehung störender, entstellender Narben am handgelenknahen Unterarm durch
unnötige Verlängerung der Inzision nach proximal.

37.6 Operationstechnik bei Kubitaltunnelsyndrom


(Sulcus-n.-ulnaris-Syndrom)
▶ Endoskopische Technik: S. 258 (Kap. 24.11).

Technik I: Offene in-situ-Dekompression


▶ Operation in Narkose oder Plexusanästhesie, Blutleere.
▶ Hautinzision (8 – 10 cm) über dem Sulcus n. ulnaris.
■▶ Cave: Schonung des kreuzenden Astes des N. cutaneus antebrachii ulnaris.
▶ Palpation, dann Darstellung des Ulnarisstammes proximal, dorsal des Septum inter-
musculare. Schrittweise Spaltung des Sulkusdaches einschließlich der Aponeurose
des M. flexor carpi ulnaris (Abb. 37.10). Ulnarisdekompression unter Beachtung der
hier abgehenden motorische Äste bis ca. 4 cm distal vom Epikondylus.

368
37.6 Operationstechnik bei Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-Syndrom) 37

Nervenkompressionssyndrome
Abb. 37.10 • Neurolyse bei Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-n.-ulnaris-Syndrom): (1) N. ulnaris,
(2) Epicondylus humeri ulnaris, (3) Arcus tendineus m. flexoris carpi ulnaris, (4) Beugermuskula-
tur, (5) R. dorsalis n. cutanei antebrachii ulnaris.

▶ Einsetzen von Langenbeck-Haken proximal und digitale Präparation des N. ulnaris.


Den Nerven kreuzende fibröse Septen im Trizepsmuskel werden als Struther-Arka-
de bezeichnet. Sie werden, falls vorhanden, gespalten.
▶ Durch Beugung des Ellenbogengelenks prüfen, ob der Nerv subluxiert. Nur bei deut-
licher Subluxationsneigung besteht evtl. eine Indikation zur Verlagerung. Wenn,
dann die subkutane anteriore Verlagerung (s. u.).
▶ Bei Bedarf Redon-Drainage. 2 – 3 Tage Wattekompressionsverband.
▶ Fehler und Gefahren:
• Schmerzhafte Neurombildung durch Läsion von Hautästen.
• Inkomplette Dekompression des Nervs bei weiter distal oder proximal gelegenen
Kompressionsorten.

Technik II: Subkutane anteriore Verlagerung


▶ Neurolyse wie oben beschrieben.
▶ Resektion des Septum intermusculare (in Abb. 37.10 rot gestrichelt), um keine neue
Kompressionsursache zu schaffen.
▶ Den Nerven von dorsal unter Erhaltung aller Blutgefäße, die die Verlagerung nicht
behindern, mobilisieren. Eine Schädigung der Gefäßversorgung ist auch bei penib-
ler Technik unvermeidlich.
▶ Die Verlagerung muss völlig spannungsfrei erfolgen.
▶ Einen breit gestielter Faszienlappen vom Epikondylus palmar abpräparieren, nach
radial über den Nerv schlagen und mit Nähten (4 /0 Nylon) fixieren (Abb. 37.11).
Der Nerv bleibt darunter verschieblich.
■▶ Cave: Auch distal des neuen Tunnels darf der Nerv nicht abknicken!
Technik III: Submuskuläre anteriore Verlagerung

▶ Beachte: Bei sehr muskelkräftigen Patienten ist dieser Eingriff nicht zu empfehlen,
da er sehr aufwendig ist und die Gefahr erneuter Kompression birgt.
369
37
Nervenkompressionssyndrome 37.7 Operationstechnik bei distaler Ulnariskompression

Abb. 37.11 • Operationssitus bei subku-


taner Vorverlagerung des N. ulnaris durch
umgeschlagenen Faszienlappen (*).

▶ Neurolyse, Resektion des Septum intermusculare wie oben.


▶ Die Ursprünge der gesamten Flexoren/Pronatorgruppe müssen durchtrennt wer-
den.

▶ Cave: Der N. medianus unbedingt mit den ulnaren Muskelästen schonen.
▶ Der N. ulnaris wird neben den N. medianus platziert. Die Muskelursprünge am Epi-
kondylus refixieren.

Nachbehandlung
▶ 1 Woche Ruhigstellung, nach submuskulärer Vorverlagerung 3 Wochen.
▶ Anschließend eigenständig Bewegung und Belastung. Evtl. 3 – 4 Wochen nächtliche
Lagerungsschiene.

Fehler, Gefahren und Komplikationen nach Nervenverlagerung


▶ Devaskularisation des Nervs.
▶ Beschwerden bei Streckung.
▶ Neue Kompression durch Faszienlappen.
▶ Neue Kompression durch Abknickung.
▶ Perineurale Fibrosierung.
▶ Gelenkkontraktur durch Ruhigstellung.
▶ Verletzungen von Nervenästen.

37.7 Operationstechnik bei distaler


Ulnariskompression
Operationstechnik

▶ Beachte: Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten ist die Durchführung dieser
Operation schwieriger als die Neurolyse des N. medianus.
▶ Hautinzision (Abb. 37.12). Darstellung des N. ulnaris radial des M. flexor carpi ulna-
ris.
▶ Mit einem stumpfen Instrument kann man nun dorsal des Lig. carpi palmare in die
Guyon-Loge eindringen. Schrittweise Spaltung des palmaren Daches der Loge ein-
schließlich des M. palmaris brevis.
▶ Der R. profundus zweigt am Eingang oder in der Mitte des Tunnels nach ulnopalmar
in die Tiefe ab. Der R. palmaris profundus der A. ulnaris über- oder unterkreuzt die
Nervenäste (Abb. 37.13).
▶ Ein komprimierendes Ganglion ist, falls vorhanden, fast immer im Bereich der Tei-
lungsstelle zu identifizieren (Abb. 37.14).

370
37.7 Operationstechnik bei distaler Ulnariskompression 37

Nervenkompressionssyndrome
Abb. 37.12 • Hautinzision zur Dekompres-
sion des N. ulnaris in der Guyon-Loge.

Abb. 37.13 • Operationssitus bei Neurolyse des N. ulnaris in der Guyon-Loge.

Abb. 37.14 • Operationssitus Guyon-Loge mit Ganglion als Kompressionsursache.

371
37 37.7 Operationstechnik bei distaler Ulnariskompression

▶ Etwa 1 – 1,5 cm weiter distal wird der R. profundus von einer Sehnenarkade ge-
Nervenkompressionssyndrome

kreuzt (M. flexor digiti minimi und M. abductor digiti minimi). Diese Sehnenarkade
spalten, da sie eine mögliche Kompressionsursache darstellt.
▶ Falls ein frakturierter Hamulus ossis hamati die Kompressionsursache ist, muss der
Hautschnitt nach distal verlängert werden. Unter ständiger Kontrolle des R. profun-
dus den Hamulus darstellen und mit der Luer-Zange entfernen.
▶ Bei Bedarf Redon-Drainage. 2 Tage Wattekompressionsverband

Nachbehandlung
▶ Eigenständige Bewegung und langsame Belastung.

Fehler und Gefahren


▶ Verletzung des motorischen Astes, besonders bei Präparation distal der Guyon-Lo-
ge.
▶ Unkenntnis und daher Nichtbeachtung der Sehnenarkade von M. flexor digiti mini-
mi und M. abductor digiti minimi.

372
38.1 Grundlagen 38
38 Motorische Ersatzoperationen

Motorische Ersatzoperationen
38.1 Grundlagen
Indikationen und Voraussetzungen
▶ Indikationen: Motorische Ersatzoperationen durch Muskelumlagerung kommen
nach Nervenverletzungen in Betracht, wenn eine motorische Reinnervation inner-
halb einer absehbaren Zeitspanne unrealistisch ist (direkte Schädigung der Muskel-
äste, erfolglose Nervenrekonstruktion, lange Wegstrecke für Axone). Weitere Indi-
kationen sind veraltete Verletzungen oder Rupturen von Sehnen, Destruktion oder
Aplasie von Muskeln.
▶ Voraussetzungen: Für die erfolgreiche Funktionswiederherstellung durch Muskel-/
Sehnenumlagerung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
• Die Gelenke, die der umgelagerte Muskel bewegen sollen, müssen passiv weitge-
hend frei beweglich sein.
• Der Spendermuskel muss funktionsfähig sein (Klinik, EMG).
• Die umzulagernden Muskeln müssen ausreichend kräftig für die künftige Funk-
tion sein, jedoch auch nicht zu stark.
• Nach Möglichkeit Synergisten auswählen, z. B. Handgelenkbeuger für Fingerstre-
cker.
• Die neue Zugrichtung muss wirksam sein.
• Kooperationsbereiter, motivierter Patient.

38.2 Medianusparese
Indikationen N. medianus
▶ Parese der Thenarmuskulatur bei fortgeschrittenem Karpaltunnelsyndrom (S. 193)
oder unzureichende Reinnervation nach Nervenrekonstruktion.
▶ Destruktion oder kongenitale Aplasie der Daumenballenmuskeln (S. 137).
▶ Parese der Flexoren I–III (hohe Medianuslähmung).

Operationstechniken
▶ Zur Wiederherstellung der palmaren Abduktion und/oder Opposition (Opponens-
plastik) sind verschiedene Methoden geeignet:
• Palmaris-longus-Transposition (Camitz).
• Opponensplastik mit M. flexor digitorum superficialis IV.
• Opponensplastik mit M. extensor indicis.
• Motorische Ersatzoperation bei hoher Medianusparese.

Palmaris-longus-Transposition (Camitz)
▶ Indikation: KTS mit motorischer Parese.
■▶ Beachte: Bei diesem Eingriff wird nur die palmare Abduktion wiederhergestellt.
▶ Operationstechnik:
• Inzision von der Mitte der Hohlhand bis zur Handgelenk-Beugefalte. Präparation
der Palmaraponeurose und der Palmaris-longus-Insertion.
• Herausschneiden eines ca. 3 mm breiten Streifens aus der Aponeurose zur Ver-
längerung der Sehne des M. palmaris longus (Abb. 38.1).
• Inzision auf der Radialseite des Daumengrundgelenks. Darstellung des Ansatzes
der Sehne des M. abductor pollicis brevis.
• Die verlängerte Sehne des M. palmaris longus zunächst durch einen Schlitz in der
radialen Lefze des durchtrennten Retinaculum flexorum (Verbesserung der Zug-

373
38
Motorische Ersatzoperationen 38.2 Medianusparese

Abb. 38.1 • Opponensplastik mit M. pal-


maris longus (Camitz-Plastik).

kraft) führen, anschließend durch einen subkutanen Tunnel zum Ansatz des
M. abductor pollicis brevis (Abb. 38.1).
• In maximaler palmarer Abduktion des Daumens Durchflechtungsnaht mit der
Sehne des M. abductor pollicis brevis.

Opponensplastik mit M. flexor digitorum superficialis IV


▶ Operationstechnik (Abb. 38.2): Beschrieben wird eine Modifikation der klassischen
Opponensplastik nach Bunnell:
• Schräge Inzision über dem distalen Ringfinger-Grundglied. Abtrennen der Super-
fizialiszügel mindestens 1 cm proximal der Insertion, sonst kann eine Schwanen-
halsdeformität entstehen. Die Superfizialisschlinge durchtrennen, durch die die
Profundussehne hindurchtritt.
• Bogenförmige Längsinzision radial neben der Sehne des M. flexor carpi ulnaris.
Die Sehne des M. flexor digitorum superficialis IV identifizieren und herauszie-
hen. Präparation und Untertunnelung der Sehne des M. flexor carpi ulnaris.

▶ Cave: A. und N. ulnaris unbedingt schonen! Insbesondere eine sekundäre Kom-
pression des N. ulnaris vermeiden!
• Schräge Inzision unmittelbar distal des Os pisiforme. Subkutane Tunnelung zwi-
schen beiden Inzisionen. Die Sehne des M. flexor digitorum superficialis unter
der Sehne des M. flexor carpi ulnaris nach ulnar durch den Tunnel führen. Die
Sehne des M. flexor carpi ulnaris und das Os pisiforme wirken als zugkraftför-
derndes Hypomochlion.
• Anschließend subkutane Tunnelung in Richtung des radialen Daumengrundge-
lenks, nachdem dort eine Inzision erfolgte und der Ansatz des M. abductor polli-
cis brevis sowie die Strecksehnen präpariert wurden. Bei Bedarf weitere kleine
Inzision in der Hohlhandmitte zur Erleichterung der Tunnelbildung.
• Für die distale Insertion eignet sich die oben bereits beschriebene einfache und so-
lide Technik der Einflechtung in die Sehne des M. abductor pollicis brevis. Die
deutlich diffizilere Technik von Brand (Abb. 38.3) bewirkt eine bessere Pronation
374
38.2 Medianusparese 38

Motorische Ersatzoperationen
Abb. 38.2 • Opponensplastik mit M. flexor Abb. 38.3 • Insertionstechnik nach Brand
digitorum superficialis IV (s. Text). (s. Text).

des Daumens: Spaltung der Sehne des M. flexor digitorum superficialis. Einen
Streifen durch die Sehne des M. abductor pollicis brevis über die Grundgelenkkap-
sel bis zur Sehne des M. extensor pollicis longus führen, den anderen Streifen pro-
ximal subkutan über die Streckeraponeurose zur ulnaren Seite des Grundgelenks.
• Mit dem Daumen in maximaler palmarer Abduktion und Pronation beide Sehnen-
streifen in gleicher straffer Spannung halten und fixieren (Nylon oder PDS 4 /0).
Unterschiedliche Spannung führt zu einem schlechten Ergebnis.

Opponensplastik mit M. extensor indicis


▶ Indikation: Bei fehlender bzw. nicht verfügbarer Sehne des M. flexor digitorum su-
perficialis IV.
▶ Operationstechnik:
• Abtrennung und Mobilisierung der Sehne des M. extensor indicis wie bei Umla-
gerung des M. extensor indicis beschrieben (S. 275). Die distale Abtrennung muss
allerdings 2 cm weiter nach distal unter Mitnahme eines Streifens der Aponeuro-
se erfolgen, sonst reicht die Länge nicht.
• Nach Herausziehen der Sehne des M. extensor indicis am Handgelenk diese um
die ulnare Handkante in Richtung Insertionsstelle am Daumen führen.
• Wo sie den Hypothenar kreuzt, etwa an der Basis des Wulstes des M. abductor
digiti minimi, erfolgt die nächste (Längs-)Inzision.
• Streng subkutane Tunnelung zwischen den Inzisionen.

▶ Cave: Gerät man zu tief oder wird die Sehnenspannung zu stark, besteht die
Gefahr der Kompressionsschädigung des N. ulnaris bis hin zur kompletten Pa-
rese!
• Inzision am Daumen wie oben. Subkutane Tunnelung durch die Hohlhand (s. o).
Distale Insertion wie bei Camitz-Plastik.
375
38
Motorische Ersatzoperationen 38.2 Medianusparese

Abb. 38.4 • Motorische Ersatzoperation bei


hoher Medianusparese (s. Text).

Motorische Ersatzoperation bei hoher Medianusparese


▶ Indikation: Ersatz der Opposition (Techniken wie oben beschrieben) sowie der
Funktion des M. flexor pollicis longus und des M. flexor digitorum profundus II (und
III). Bei Erwachsenen ist die Indikation primär zu stellen, da die Aussicht auf eine
befriedigende Reinnervation nach hoher Läsion oft fraglich ist. In diesem Fall den
Eingriff mit einer Nervennaht kombinieren.
▶ Prinzip: Umlagerung des M. brachioradialis auf den M. flexor pollicis longus und des
M. externus carpi radialis longus auf die tiefen Beuger von Zeigefinger (und Mittel-
finger). Die Verwendung dieser Muskeln ist nicht unproblematisch, da sich ihre
Amplitude von den zu ersetzenden Muskeln deutlich unterscheidet. Voraussetzung
ist ein frei bewegliches Handgelenk wegen des ergänzenden Tenodeseeffekts.
▶ Operationstechnik (Abb. 38.4):
• Bogenförmige Inzision radiopalmar (10 – 12 cm). Die Sehnen der gelähmten Mus-
keln durchtrennen. M. extensor carpi radialis longus und M. brachioradialis mo-
bilisieren, den M. brachioradialis nach proximal bis in den muskulären Bereich.
Die Zugrichtung nach Umlagerung darf nicht in einem großen Winkel erfolgen.
• Sehnennaht in Durchflechtungstechnik. Ist eine Reinnervation zu erwarten, er-
folgt die Sehnennaht Seit-zu-End.
• Die Bestimmung der Spannung ist wesentlich. Vor allem ist eine zu starke Span-
nung zu vermeiden, da sonst die Gefahr der Beugekontraktur besteht. Beim Teno-
desetest (Abb. 26.6) darf insbesondere das Daumenendgelenk bei voller passiver
Handgelenkstreckung nicht in eine zu kräftige Beugestellung kommen.

Nachbehandlung
▶ Nach Opponensplastik 3 – 4 Wochen Ruhigstellung mit einer Unterarm-Daumen-
gipsschiene in voller palmarer Abduktionsstellung. Anschließend Physiotherapie.
■▶ Beachte: Anfangs ist die radiale Abduktion behindert, dies bessert sich im Laufe
einiger Wochen.
376
38.3 Ulnarisparese 38
▶ Nach Transposition des M. brachioradialis und des M. extensor carpi radialis longus

Motorische Ersatzoperationen
Oberarm-Gipsschiene und evtl. Kleinert-Nachbehandlung (S. 282).

Prognose
▶ Bei guten Voraussetzungen, korrekter Technik und einwandfreier Nachbehandlung
ist die Prognose gut.

38.3 Ulnarisparese
Indikationen N. ulnaris
▶ Hauptindikation ist die Krallenfehlstellung von Ring- und Kleinfinger (Abb. 38.5).
Durch die Lähmung der Mm. lumbricales werden statt des Grundgelenks Mittel-
und Endgelenk zuerst gebeugt. Die Finger erreichen ein zu greifendes Objekt bereits
„aufgerollt“.
▶ Eine seltenere Indikation ist die Wiederherstellung der Funktionen des M. adductor
pollicis und des M. interosseus dorsalis I zur Verbesserung des Spitzgriffs.

Lasso-Operation (Zancolli) zur Korrektur der Krallenstellung


▶ Operationstechnik:
• Schräge Inzision über dem Grundglied. Eröffnen der Beugesehnenscheide distal
des A2-Ringbandes. Durchtrennung der Sehne des M. flexor digitorum superficia-
lis ca. 1 cm proximal ihres Ansatzes.
• Die Sehne lassoartig um das A1- oder A2-Ringband (wir bevorzugen letzteres we-
gen der kräftigeren Zugwirkung) herumziehen, bis das MP-Gelenk in einer Beu-
gung von ca. 45° steht (Abb. 38.6). Die Sehne in dieser Position mit sich selbst fest
vernähen.
• Alternativ die Sehne des M. flexor digitorum superficialis IV in 2 Teile aufspalten
und für beide Finger benutzen.
▶ Nachbehandlung:
• 3 Wochen dorsale Unterarm-Gipsschiene in Intrinsic-plus-Stellung.
• Mobilisation nach Kleinert wie bei der Beugesehnen-Verletzung.

Abb. 38.5 • Krallen-


hand bei Ulnarisparese.

Abb. 38.6 • Lasso-Operation nach Zancolli zur Korrektur der Krallenstellung (s. Text).
377
38
Motorische Ersatzoperationen 38.4 Radialisparese

Abb. 38.7 • Wiederherstellung der Kraft des


Spitzgriffs durch Transposition des M. exten-
sor indicis auf den M. interosseus dorsalis I
(s. Text).

Prognose
▶ Bei guten Voraussetzungen, korrekter Technik und einwandfreier Nachbehandlung
gut.

Wiederherstellung der Kraft des Spitzgriffs


▶ Operationstechnik:
• Arthrodese des Daumengrundgelenks (S. 383).
• Umlagerung des M. extensor indicis zum 1. dorsalen M. interosseus.
• Abtrennen des M. extensor indicis (S. 275) und Hervorziehen am Handgelenk.
• Subkutane Tunnelung zwischen Mittelhandknochen I und II zur Insertion des
1. dorsalen M. interosseus an der Radialseite des MP-Gelenks des Zeigefingers
(Abb. 38.7).
• Fixation palmar der Gelenkachse in straffer Spannung, so dass der Zeigefinger in
eine leichte Grundgelenkbeugung sowie Radialabduktion kommt.
▶ Nachbehandlung: 3 Wochen dorsale Gipsschiene, Physiotherapie.

38.4 Radialisparese
Indikationen zur Radialisersatzplastik
▶ Lähmung des R. profundus (N. interosseus posterior): Sie führt zum Ausfall aller
Fingerstrecker, des M. extensor pollicis longus und des M. extensor carpi ulnaris.
Die Handgelenkstreckung ist erhalten, jedoch mit charakteristischer Radialdevia-
tion (Abb. 38.8).
▶ Proximale (hohe) Radialisparese mit kompletter Fallhand.
▶ Alternativeingriff zu langstreckigem Transplantat bei fraglicher Prognose.
▶ Schädigung des Nervs im Aufzweigungsgebiet distal der Frohse-Arkade.
▶ Patienten, die aus beruflichen oder anderen Gründen eine rasche Funktionswieder-
herstellung wünschen.

378
38.4 Radialisparese 38

Motorische Ersatzoperationen
Abb. 38.8 • Klinisches Bild der Parese des
R. profundus n. radialis (s. Text).

Komplette Radialisersatzplastik
▶ Prinzip:
• Umlagerungen der Sehne des M. flexor carpi ulnaris auf die Sehnen des M. exten-
sor digitorum, der Sehne des M. pronator teres auf die des M. extensor carpi ra-
dialis brevis sowie der Sehne des M. palmaris longus auf die des M. extensor pol-
licis longus.
• Bei fehlendem M. palmaris longus die Sehne des M. flexor digitorum superficia-
lis IV verwenden (Technik nach Boyes, s. u.).
• Wird eine spätere Reinnervation angenommen, erfolgen die Nähte Seit-zu-End,
sonst nach Durchtrennung End-zu-End.
▶ Operationstechnik:
• Lange bogenförmige Inzision dorsal vom Handgelenk bis zur Unterarmmitte. Dar-
stellung des M. pronator teres, dessen Sehne am Übergang vom mittleren zum
distalen Drittel flach am Radius inseriert. Die Sehne mit einer Periostlamelle ab-
heben, um die Sehnenlänge optimal auszunutzen. Nach proximal gute Mobilisie-
rung des Muskels, um die Amplitude zu verbessern. Durchflechtung mit der Seh-
ne des M. extensor carpi radialis brevis in passiver Streckung des Handgelenks
(Abb. 38.9 a).
• Lange bogenförmige Inzision ulnar-palmar. Darstellung und Abtrennung der Seh-
ne des M. flexor carpi ulnaris (cave: N. ulnaris!). Mobilisierung des Muskels nach
proximal bis fast zur Unterarmmitte. Stumpfe, breite subkutane Tunnelung zur
dorsalen Wunde. Der M. flexor carpi ulnaris muss sich in schräger unbehinderter
Verlaufsrichtung zu den Sehnen des M. extensor digitorum ziehen lassen. An-
schließend den Stumpf des M. flexor carpi ulnaris in maximaler passiver Stre-
ckung der Finger (Abb. 38.9 b) mit allen Sehnenanteilen des M. extensor digito-
rum vernähen.
• Die Sehne des M. extensor pollicis longus proximal des Retinaculum extensorum
durchtrennen und aus ihrem Fach ziehen (erhält dadurch zusätzliche abduzie-
rende Wirkung). Den M. palmaris longus durch eine kleine quere Inzision distal
seiner Insertion abtrennen. Die Mobilisierung gelingt von der ulnar-palmaren
Wunde. Subkutan zur dorsalen Wunde tunneln und Sehne des M. palmaris lon-
gus durchziehen. Durchflechtungsnaht in voller Streckung und Abduktion des
Daumens (Abb. 38.9 c).
• Nach erfolgter Naht sollte das Handgelenk passiv so beweglich sein, dass der Te-
nodesetest (Abb. 26.6) möglich ist: Bei Beugung müssen die Finger in gute Stre-
ckung kommen. Die Finger sollten passiv so beweglich bleiben, dass sie sich ohne
große Mühe in die Hand beugen lassen.

Alternative Operationstechnik nach Boyes


▶ Alternativ Umlagerung der oberflächlichen Beuger III und IV durch die Membrana
interossea hindurch auf den M. extensor digitorum (Boyes). Eine ausreichend breite
Tunnelung ist unbedingt erforderlich!
379
38
Motorische Ersatzoperationen 38.4 Radialisparese

Abb. 38.9 • a–c Radialisersatzplastiken: Transposition des M. pronator teres auf die Sehne des
M. extensor carpi radialis brevis (a, s. Text), Transposition des M. flexor carpi ulnaris auf die Sehne
des M. extensor digitorum (b), Transposition des M. palmaris longus auf die Sehne des
M. extensor pollicis longus (c).

Partielle Radiusersatzplastik
▶ Bei der partiellen Lähmung (Läsion des R. profundus) identisches Vorgehen, nur
entfällt die Wiederherstellung der Handgelenkstreckung.

380
38.5 Kombinierte Medianus-Ulnaris-Parese 38
Nachbehandlung

Motorische Ersatzoperationen
▶ 4 Wochen mit palmarer Unterarm-Fingergipsschiene ruhigstellen, wobei das Hand-
gelenk in fast maximaler Streckung, die MP-Gelenke in 20° Beugung fixiert werden.
▶ Anschließend Physiotherapie durch erfahrenen Therapeuten.

Prognose
▶ Bei guten Voraussetzungen, korrekter Technik und einwandfreier Nachbehandlung
ist die Prognose gut.

38.5 Kombinierte Medianus-Ulnaris-Parese


Kombinierte Medianus-Ulnaris-Parese
▶ Distale Parese: Lähmung der gesamten Binnenmuskulatur der Hand (Abb. 38.10
a, b).
▶ Proximale Parese: Zusätzlich (je nach Höhe der Läsion) Ausfall einiger oder aller
Handgelenk- und Fingerbeugemuskeln.

Operationstechnik
▶ Distale Parese: Kombination folgender beschriebener Techniken:
• Arthrodese Daumengrundgelenk (s. u.).
• Opponensplastik mit der Sehne des M. extensor indicis (S. 375).
• Korrektur der Krallenstellung durch Lasso-Operation (Zancolli, S. 377).
▶ Proximale Parese: Zusätzlich zu den o. g. Eingriffen 2 weitere Eingriffe:
• Umlagerung M. brachioradialis → M. flexor pollicis longus.
• Umlagerung M. extensor carpi radialis longus → Mm. flexor digitorum profun-
dus II–V.

Abb. 38.10 • a, b Kombinierte Medianus-Ulnaris-Parese: Versuch aktiver Streckung (a) und


vollständiger Beugung (b) (s. Text).

381
39 39.1 Arthrodesen Fingergelenke

39 Arthrosen
Arthrosen

39.1 Arthrodesen Fingergelenke


Grundlagen
▶ Indikationen: Schmerzhafte Wackelsteife, Fehlstellung, Instabilität.
▶ Prinzipien:
• Konische Resektion der Gelenkflächen im Sinne „Ei und Becher“ (Abb. 39.1). Die-
se Technik vermeidet thermische Schäden durch oszillierende Säge; Arthrodese-
winkel und Rotation lassen sich bei Bedarf intraoperativ korrigieren.
• In Ausnahmefällen (Osteoporose, voroperierte Gelenke) ist eine Spongiosaplastik
erforderlich.
• Intraoperative Röntgenkontrolle in 2 Ebenen.

Beachte
Bei den selten indizierten Arthrodesen am wachsenden Skelett sind die Epiphy-
senfugen unbedingt zu schonen. Dann ist keine Störung des Wachstums zu be-
fürchten.

▶ Nachbehandlung: Nach übungsstabiler Arthrodese postoperative Ruhigstellung bis


zur Wundheilung. Ansonsten Hand bis zur radiologischen Durchbauung weiter ru-
higstellen.

Arthrodese DIP-Gelenk / IP-Gelenk Daumen



▶ Beachte: Arthrodesewinkel 10 – 20° Beugung. Auf korrekte Rotation achten!
▶ Operationstechnik:
• Narkose oder Plexusanästhesie, für den Geübten auch Oberst-Anästhesie, Blutlee-
re.
• H-förmige Hautinzision. Sparsames, aber ausreichendes Abpräparieren der Haut-
lappen.
• Strecksehne quer durchtrennen, Seitenbänder durchtrennen. Gelenk nach palmar
maximal aufklappen.
• Osteosynthese: K-Drähte, am besten mit intraossärer Drahtnaht (S. 240 f.) für op-
timale Kompression. Schrauben (mit und ohne Kopf) haben den Nachteil, dass
die Arthrodese meist in gerader Position erfolgt und der Schraubenkopf oft stört.

Arthrodese PIP-Gelenk

▶ Beachte: Arthrodesewinkel 30 – 50° Beugung. Auf korrekte Rotation achten!
▶ Operationstechnik:
• Operation in Narkose oder Plexusanästhesie, Blutleere.
• Bogenförmige Längsinzision. Längsinzision der Streckaponeurose.

Abb. 39.1 • Konische Resektion der


Gelenkflächen.
382
39.1 Arthrodesen Fingergelenke 39
• Durchtrennung der Seitenbänder. Aufklappen des Gelenks.

Arthrosen
• Osteosynthese: K-Draht und intraossäre Drahtnaht, Zuggurtung (S. 240 f.).

Arthrodese MP-Gelenk Daumen



▶ Beachte: Arthrodesewinkel 10 – 15° Beugung. Auf korrekte Rotation achten!
▶ Operationstechnik: Analog PIP-Gelenk-Arthrodese (s. o.).

Arthrodesen CMC-Gelenke
▶ Sattelgelenk-Arthrodese:
• Indikation: In Ausnahmefällen, in denen eine Arthroplastik nicht aussichtsreich
erscheint. Nur bei erheblicher posttraumatischer Gelenkdestruktion, auch mit
Substanzdefekt.
■▶ Beachte: Arthrodesestellung in mittlerer radialer und palmarer Abduktion.
• Operationstechnik: Operation in Narkose oder Plexusanästhesie, Blutleere. Zugang
wie bei Plastik des M. flexor carpi radialis (FCR-Plastik, S. 386). Bei Inkongruenz
der Gelenkflächen oder Substanzdefekt ist eine Spongiosablock-Interposition er-
forderlich.
▶ Arthrodesen CMC-Gelenke II–V:
• Indikation: Häufig posttraumatische Arthrose, an CMC II und III auch bei chroni-
schen Schmerzen.
• Operationstechnik: Bögenförmige Inzision über dem Gelenk. Ist nach Gelenkre-
sektion die Durchführung einer Kompressionsarthrodese nicht optimal möglich,
erfolgt die Interposition eines Spongiosablockes.

Interkarpale Arthrodesen
▶ Skaphotrapeziotrapezoidale (STT-)Arthrodese:
• Indikationen:
– Schmerzhafte STT-Arthrose.
– Stabilisierung des Kahnbeins bei statischer skapholunärer Dissoziation.
– Lunatumnekrose (S. 116 f.), als Ergänzung zur Endoprothese.
• Operationstechnik (Abb. 39.2):
– Narkose oder Plexusanästhesie, Blutleere.
– Bogenförmige Inzision über der radiodorsalen Handwurzel in Verlängerung
des CMC-Gelenks II. Zwischen den Sehnen des M. extensor carpi radialis brevis
und des M. extensor pollicis longus wird das Gelenk erreicht. Knappe Resek-
tion des distalen Kahnbeinpols und plane Resektion der Gelenkflächen von

Abb. 39.2 • Schema der STT-Arthrodese.


383
39
Arthrosen 39.2 Handgelenk-Arthrodese

Abb. 39.3 • a, b STT-Arthrodese mit K-Drahtfixation (a) und bei Lunatum-Endoprothese, Fixation
mit Titanplatte (b).

Trapezium und Trapezoid mit dem Meißel (10 – 12 mm). Es entsteht ein Defekt,
in den ein leicht konischer Spongiosablock exakt passt.
– Den Span unter Zug einsetzen. Bei Nachlassen der Distraktion sollte er fest
zwischen den Resektionsflächen eingeklemmt sein.
– Bei Bedarf mit feinen Spongiosachips umfüttern. Fixierung mit 2 K-Drähten
(1,2 mm) (Abb. 39.3 a) oder Titan-Miniplatte (Abb. 39.3 b).

▶ Beachte: Erfolgt die STT-Arthrodese bei skapholunärer Dissoziation oder nach
Mondbeinresektion, ist vorher eine K-Drahtfixation des Kahnbeins in korrekter
anatomischer Position notwendig.
• Nachbehandlung: Postoperativ ca. 6 Wochen ruhigstellen, danach Beginn mit Phy-
siotherapie. K-Drahtentfernung nach 8 Wochen.

39.2 Handgelenk-Arthrodese
Grundlagen
▶ Indikationen:
• Schmerzhaftes, wackelsteifes Handgelenk.
• Relative Indikation bei noch gut erhaltener Beweglichkeit, insbesondere bei do-
minanter Hand grob manuell tätiger jüngerer Patienten.
▶ Handgelenk-Arthrodese bei Rheumapatienten: S. 393.

Plattenosteosynthese

▶ Beachte: Arthrodesewinkel 15° Streckung. Handstellung gerade (Plattenfixation am
Mittelhandknochen III) oder in 10° Ulnarabduktion (Plattenfixation am Mittelhand-
knochen II).
▶ Operationstechnik:
• Plexusanästhesie/Spinalanästhesie oder Narkose, Blutleere.
• Leicht S-förmige Inzision (Abb. 39.4 a). Z-förmige Inzision des Retinaculum ex-
tensorum. Abtrennung der radialen Handgelenk-Strecksehnen. Anschlingen und
Beiseitehalten der übrigen Strecksehnen.
• Abmeißeln des Lister-Tuberkulums und der dorsalen Höcker von Karpalknochen
und Mittelhandknochen-Basis zur Schaffung des Plattenlagers.
• Resektion der radio- und mediokarpalen Gelenkflächen en bloc. Einpassen eines
kortikospongiösen Spans (Abb. 39.4 a).
384
39.3 Endoprothesen, Arthroplastiken 39

Arthrosen
Abb. 39.4 • a–c Handgelenk-Arthrodese (s. Text).

• Eine schmale 8- bis 10-Loch-DC-Platte wird angepasst, zurechtgebogen


(Abb. 39.4 b, c) und unter Kompression fixiert. Es gibt heute speziell der Anato-
mie angepasste Arthrodeseplatten.
• Glätten der Kortikaliskanten des Spans. Ausstopfen verbliebener kleiner Spalten
mit Spongiosachips.
• Vernähen des Z-förmig verlängerten Retinaculum extensorum unter den Streck-
sehnen.
▶ Nachbehandlung: 2 – 4 Wochen postoperative Ruhigstellung.

39.3 Endoprothesen, Arthroplastiken


▶ Implantate: Es gibt Fingerendoprothesen verschiedener Firmen. Wir verwenden
mit sehr guten Langzeitergebnissen Swanson Silicon-Implantate (Fa AMT Aroman-
do Medizintechnik GmbH http://www.amt-med.de).
Endoprothese DIP-Gelenk
▶ Indikation: Schmerzhafte Arthrose bei gut erhaltener Beweglichkeit.
▶ Operationstechnik:
• Narkose oder Oberst-Anästhesie
• Dorsale, H-förmige Inzision.
• Quere Tenotomie, die Sehnenlappen müssen penibel präpariert werden.
• Synovialektomie, Resektion der Osteophyten und Randzacken.
• Aufbohren der Schäfte mit Handpfriem. Implantation einer Swanson-Prothese
Größe 00 oder 0.
▶ Überlappende Sehnennaht.
▶ Nachbehandlung: Mit Stack-Schiene 3 Wochen ruhigstellen, danach aktive Bewe-
gung erlaubt, Physiotherapie in der Regel nicht erforderlich.
Endoprothese PIP-Gelenk
▶ Indikation: Schmerzhafte Arthrose bei gut erhaltener Beweglichkeit.
▶ Operationstechnik und Nachbehandlung (S. 397 f.): Der palmare Zugang (Abb. 39.5 a–c)
ist beim arthrotischen Gelenk vorteilhaft, da der Strecksehnenapparat intakt bleibt und
frühzeitig mit Bewegungsübungen begonnen werden kann.
▶ Eine sehr gute Alternative ist der ulnolaterale Zugang, der ebenfalls rasche aktive
Bewegung erlaubt. Technik: Lappenbildende Hebung des Kollateral-Bandapparates.
385
39
Arthrosen 39.3 Endoprothesen, Arthroplastiken

Abb. 39.5 • a–c Mittelgelenk-Endoprothese, palmarer Zugang (s. S. 397 f.).

Resektion des Kopfes und Aufbohren und Auffräsen der Schäfte und Glätten der
Ränder. Das Einsetzen der Prothese von der Seite ist etwas schwieriger, aber insge-
samt problemlos möglich. Refixation des Bandapparates und 8 – 10 Tage postopera-
tive Schienung. Aktive Bewegung aus der Schiene sofort.

Endoprothese MP-Gelenk Finger


▶ Indikation: Sehr schmerzhafte Arthrose.
▶ Operationstechnik und Nachbehandlung (S. 395 ff.). Eine Strecksehnen-Zentralisa-
tion ist bei Arthrose meist verzichtbar.

M. flexor carpi radialis, (FCR-)Plastik bei Daumen-Sattelgelenkarthrose


(Rhizarthrose)
▶ Indikation: Sehr schmerzhafte Arthrose.
▶ Mininmalinvasives Vorgehen s. S. 253 (Kap. 24.6).
▶ Operationstechnik:
• Operation in Narkose oder Plexusanästhesie, Blutleere.
• Gebogene radiopalmare Inzision über dem Sattelgelenk (Abb. 39.6 a).

▶ Cave: Subkutan verlaufenden feinen Radialisast unbedingt schonen! Transmus-
kuläre (Inzision in Faserrichtung) Darstellung der Gelenkkapsel. Eröffnen der
Gelenkkapsel, scharfes Freipräparieren des Trapeziums knochennah.
• Exzision des Trapeziums in toto oder stückweise. Gleichzeitige Präparation der
Sehne des M. flexor carpi radialis. Entfernen der Fragmente mit Luer-Zange und
scharfem Löffel.
• Die Sehne des M. flexor carpi radialis nach proximal mobilisieren und in Handge-
lenkbeugung mit dem Sehnenhaken hervorluxieren. Ohne zusätzliche Hautinzi-
sion am Unterarm lässt sich ein etwa 5 cm langer Streifen radial abtrennen. Den
Sehnenstreifen bis zum Ansatz an der Basis des Mittelhandknochens II präparie-
ren.
• Schräge Bohrung (3 – 4 mm) durch die Mittelhandknochen-Basis (Abb. 39.6 b).
Den Sehnenstreifen mit Häkchen durchziehen und straff mit Periostnähten und
einem „Knochenstöpsel“ aus dem Trapezium fixieren (Abb. 39.6 b).
386
39.3 Endoprothesen, Arthroplastiken 39

Arthrosen
Abb. 39.6 • a, b FCR-Plastik bei Daumen-Sattelgelenkarthrose: Hautinzision (a), Operation-
stechnik (b). Alternative Technik mit APL-Sehne (c).

• Kapselnaht, Muskelrefixation.
• Alternativ lässt sich die Suspension mit einem Streifen der APL-Sehne durchfüh-
ren, die unter der MHK I Basis zur FCR-Sehne geführt und dort vernäht wird
(Abb. 39.6 c)
▶ Nachbehandlung: Postoperativ 2 Wochen Ruhigstellung mit dorsaler Unterarm-
Daumengipsschiene, dann Physiotherapie.

Resektionsarthroplastik bei skaphotrapeziotrapezoidaler (STT-)


Arthrose
▶ Indikation: Sehr schmerzhafte Arthrose. Gute Alternative zur aufwendigeren Arth-
rodese (S. 383 f.)
▶ Operationstechnik:
• Zugang von palmar oder dorsal. Wir bevorzugen den palmaren Zugang (Abb.
386) analog wie bei der FCR-Plastik bei Sattelgelenkarthrose.
• Darstellen der Gelenkspalten zwischen distalem Kahnbeinpol, Trapezium und
Trapezoid.
• Von letzteren Knochen mit einem Meißel (12 – 14 mm) ein ca. 2 – 3 mm breiter
Anteil lotrecht abtrennen, so dass zwischen den Knochen eine gute Distanz ent-
steht. Gegebenenfalls vervollständigen der Lücke mit schmaler Luer-Zange.
• Distal gestielten Sehnenstreifen (von FCR- oder APL-Sehne) interponieren und
mit einer Naht fixieren. Bei dorsalem Zugang Streifen von der ECRL-Sehne.
▶ Nachbehandlung: Wie bei FCR-Plastik.

Kahnbeinresektion bei Radiokarpalgelenk-Arthrose


▶ Kahnbeinresektion ohne interkarpale Arthrodese:
• Indikation: Ältere Patienten mit sehr schmerzhafter skaphoradialer Arthrose.
• Operationstechnik: Narkose oder Plexusanästhesie, Blutleere. Palmarer Zugang
(S. 291). Schonung der radialen und palmaren Ligamente. Exzision des Kahn-
beins. Auffüllung des Hohlraums mit autogenem Gewebe ist nicht unbedingt er-
387
39 39.4 Handgelenkdenervation

forderlich. Gegebenenfalls Verwendung eines FCR-Streifens wie bei der FCR-Plas-


Arthrosen

tik.
• Nachbehandlung: 10 – 14 Tage postoperative Ruhigstellung.
▶ Kahnbeinresektion mit interkarpaler Arthrodese:
• Indikation: Jüngere bzw. handwerklich aktive Patienten.
• Operationstechnik:
– Plexusanästhesie/Spinalanästhesie oder Narkose, Blutleere.
– Palmare Längs- oder Querinzision zur Exzision des Kahnbeins. Durch den pal-
maren Zugang wird jede Irritation des RSN vermieden
– Dorsale quere Inzision zur Arthrodese zwischen Lunatum, Kapitatum, Triquet-
rum und Hamatum. Aufsuchen und Darstellen der „Four Corner“ Kreuzung. Re-
sektion der interkarpalen Gelenkflächen, bis Spongiosa sichtbar wird. Fixation
der Knochen gegeneinander mit K-Drähten (1,2 mm). Ausstopfen der Zwi-
schenräume mit Beckenkamm-Spongiosa. Cave: DISI-Fehlstellung vermeiden!
Intraoperative Röntgenkontrolle.
• Nachbehandlung: Wie bei STT-Arthrodese (S. 383).

39.4 Handgelenkdenervation
Handgelenkdenervation
▶ Indikation:
• Schmerzhafte Handgelenkarthrose mit guter Beweglichkeit und ohne wesentli-
che Deformierung nach positiver Testausschaltung der „Nervenpunkte“
(Abb. 39.7 a, b) durch Lokalanästhesie.
• Zusätzliche Maßnahme bei bewegungserhaltenden Operationen am Handgelenk
(Arthroplastik, Lunatumprothese, Kahnbein-Pseudarthrosen-Sanierung). Dann
evtl. nur „Punkt 1“ denervieren.
▶ Operationstechnik (Abb. 39.7 a, b):
• Narkose oder Plexusanästhesie, Blutleere.
• Dorsale Längsinzision (2 cm) 3 – 4 cm proximal der Handwurzel in Unterarmmit-
te. M. extensor pollicis longus nach radial weghalten. Darstellen des N. interos-
seus posterior („Punkt 1“) auf der Membrana interossea. Resektion des Nervs,
Koagulation der Begleitgefäße.
• Längsinzision (1 cm) zwischen den tastbaren Basen der Mittelhandknochen I und
II. Darstellen der Aufzweigung des Radialisastes. Den in die Tiefe abgehenden Ge-
lenkast („Punkt 2“) durchtrennen und resezieren.
• Bogenförmige handgelenknahe Längsinzision (3 cm) zwischen der A. radialis und
der Sehne des M. flexor carpi radialis. Darstellung und Durchtrennung der mit
der A. radialis verlaufenden Gelenkäste des N. cutaneus antebrachii radialis
(„Punkt 3“).

Abb. 39.7 • Handgelenk-Innervation von dorsal (a), von palmar (b): (1) N. interosseus posterior,
(2) R. articularis spatii interossei I, (3) R. cutaneus antebrachii radialis, (4) R. superficialis
n. radialis, (5) R. palmaris n. mediani, (6) N. interosseus anterior.
388
39.4 Handgelenkdenervation 39
• Epifasziale Abpräparation des Haut-Weichteilmantels mit dem R. superficialis

Arthrosen
n. radialis. Alle zu Knochen und Gelenk abgehenden Nervenfasern durchtrennen
(„Punkt 4“).
• Zwischen der A. radialis und der Sehne des M. flexor carpi radialis Präparation in
die Tiefe. Darstellung des distalen Randes des M. pronator quadratus. Scharfe
oder elektrische Durchtrennung der Äste des N. interosseus anterior („Punkt 6“).
■▶ Beachte: „Punkt 5“ ist der R. palmaris n. mediani. Diesen Ast unbedingt schonen!
▶ Nachbehandlung: 2 – 3 Tage Wattekompressionsverband.

389
40 40.1 Operationstechniken

40 Rheumatoide Arthritis
Rheumatoide Arthritis

40.1 Operationstechniken
Operationsvorbereitung
▶ Bequeme Lagerung für Rheumapatienten bei Plexusanästhesie.

Gelenksynovialektomie
▶ Synovialektomie am Handgelenk:
• Operationstechnik:
– Schwach S-förmige, dorsale Längsinzision in Handgelenkmitte. Länge ca.
6 – 7 cm , bei gleichzeitiger Tendosynovialektomie auch länger.
– Strecksehnen mit stumpfen Haken auseinanderhalten.
– Evtl. Teildenervation durch Resektion des N. interosseus posterior auf dem Bo-
den des 4. Streckerfaches (S. 388).
– Quere Eröffnung der Kapsel und Bilden eines distal gestielten Kapsellappens
(Abb. 40.2 b). Gelenk durch Zug an den Fingern öffnen. Synovialitisches Gewe-
be mit einer schlanken Luer-Zange entfernen.
– Längsinzision der Kapsel des distalen Radioulnargelenks und Synovialektomie.
Wird mit der Handgelenk-Synovialektomie die Ellenkopfresektion verbunden,
entfällt dieser Schritt.
– Verschluss der Kapsel mit resorbierbarer Naht (4 /0).
• Nachbehandlung: 8 – 10 Tage dorsale Schiene.
▶ Synovialektomie am Grundgelenk:
• Operationstechnik:
– Meist werden mehrere Gelenke gleichzeitig operiert. Wir bevorzugen eine
leicht gebogene Längsinzision (3 cm) ulnar über jedem einzelnen Gelenk, da
dies eine bessere Übersicht gewährleistet, insbesondere wenn weitere Eingriffe
durchgeführt werden. Alternative: Durchgehende, quere Inzision proximal der
MP-Gelenke.
– Längsinzision der Streckerhaube ulnar und Wegziehen nach radial.
– In der Regel Durchtrennen der ulnaren Interosseussehnen (Abb. 40.7 e).
– Nach querer Eröffnung der Kapsel Entfernen des synovialitischen Gewebes mit
Skalpell und Luer-Zange (Abb. 40.7 a, b). Zusätzlich Ausräumen der Synoviali-
tisnester in der palmaren Tasche sowie zwischen Kollateralband und Metakar-
palhals (Abb. 40.7 c). Der Bandapparat bleibt intakt. Die Kapsel wird nicht ge-
näht.
– Strecksehne bei Bedarf durch Raffung der Streckerhaube nach radial zentrali-
sieren (alte Abb. 26.3 c). Dann wird die ulnare Seite nicht genäht.
• Nachbehandlung: 3 – 4 Tage mit Wattekompressionsverband ruhigstellen, nach
Strecksehnen-Zentralisierung 3 Wochen palmare Gipsschiene.
▶ Synovialektomie am Mittelgelenk:
• Operationstechnik: Dorsale Längsinzision (2 cm). Inzision des Streckapparates
zwischen Mittel- und Seitenzügel beidseits. Synovialektomie mit feiner Luer-Zan-
ge, insbesondere auch in der palmaren Gelenktasche und unter den Kollateral-
bändern. Danach Verschluss der Sehneninzision mit nicht oder langsam resor-
bierbarer Naht (4 /0 oder 5 /0).
• Nachbehandlung:
– 3 – 4 Tage Fingerkompressionsverband. Danach mit Bewegungsübungen begin-
nen.
– Zur zwischenzeitlichen Ruhigstellung abnehmbare Schiene anpassen. Zusätz-
lich Behandlung mit Eis.

390
40.1 Operationstechniken 40

Rheumatoide Arthritis
Abb. 40.1 • Synovialektomie der Fingerbeugesehnen.

Tendosynovialektomie
▶ Indikation: Therapieresistenz einer Tendosynovialitis nach 4- bis 6-monatiger me-
dikamentöser Therapie.
▶ Beugesehnen-Synovialektomie:
• Palmare Zickzack-Inzision im Bereich der Finger und der distalen Hohlhand. Bo-
genförmige Inzision über dem Karpaltunnel und dem handgelenknahen Unter-
arm.
• Darstellung der Gefäße und Nerven. Radikale Exzision des synovialitischen Ge-
webes. Die wichtigen Ringbänder (A2 und A4) sind auf jeden Fall zu schonen
(Abb. 40.1).
• Bei proximaler Synovialitis Spalten der Unterarmfaszie und des Retinaculum fle-
xorum. Darstellung des motorischen Medianusastes. Den Boden des Karpaltun-
nels inspizieren und palpieren, etwaige Zacken des Kahnbeins entfernen (Seh-
nenrupturgefahr).
• Bei intratendinöser Synovialitis sorgfältiges Herauspräparieren des pathologi-
schen Gewebes und Verstärkung der Sehne durch eine Naht.
• Bei der Präparation synovialitischer Sehnenkonglomerate finden sich manchmal
okkulte Rupturen. Eine Naht ist selten möglich. In diesem Fall Koppelung des dis-
talen Stumpfes an eine erhaltene Beugesehne.
▶ Strecksehnen-Synovialektomie:

Cave
Gefährdet sind bei diesem Eingriff die dorsal verlaufenden sensiblen Äste des
N. radialis und N. ulnaris sowie die oft sehr dünne Sehne des M. extensor pollicis
longus.

• Bei ausgedehntem Befund leicht gebogene Längsinzision in der Mitte des Hand-
gelenks, sonst bogenförmige Inzision über dem betroffenen Strecksehnenfach.

▶ Cave: Die Hautlappen nicht zu dünn heben!
• Einen Teil des Retinaculum extensorum erhalten, um einen Bogensehneneffekt
zu vermeiden. Einen breiten Streifen des Retinakulums von ulnar nach radial ab-
präparieren (1. Fach nicht eröffnen) und nach Synovialektomie palmar der Seh-
nen platzieren (Abb. 40.2 a, c).
• Nach Inzision von Synovialissäcken entleeren sich oft Flüssigkeit und reiskornar-
tige Partikel. Jede Sehne synovialektomieren. Intratendinöse Knoten ausschälen.
Aufgefaserte Sehnen mit Nähten verstärken.
• Findet sich intraoperativ eine Ruptur oder Beinah-Ruptur, Koppelung oder Seh-
nentransposition vornehmen.
391
40
Rheumatoide Arthritis 40.1 Operationstechniken

Abb. 40.2 • a–c Synovialektomie der Strecksehnen des Radiokarpalgelenks (a) und der
Interkarpalgelenke (b); Verschluss des palmar der Strecksehnen platzierten Retinaculum
extensorum (c).

• Nach Beendigung der Synovialektomie Handgelenkkapsel eröffnen und Revision


des Radiokarpalgelenks (S. 390) (Abb. 40.2 b).
▶ Nachbehandlung: Dorsale Schiene bis zur Wundheilung, Physiotherapie.

Operationstechnik bei Sehnenrupturen


▶ Rupturierte Beugesehnen: Kopplung in korrekter Spannung an benachbarte intakte
Sehnen (Durchflechtungsnaht) oder Sehnentransposition (S. 283).
392
40.1 Operationstechniken 40
▶ Rupturierte Strecksehnen: Rekonstruktion analog den posttraumatischen Verfahren

Rheumatoide Arthritis
(Koppelung, Transposition, Transplantation S. 275 f.).

Handgelenk-Arthrodese

Beachte
Die Stabilisierung des Handgelenks ist von zentraler Bedeutung. Ohne vorherige
Korrektur einer erheblichen Handgelenkdeformierung ist eine Korrektur im Fin-
gerbereich wenig sinnvoll.

▶ Indikation: Schmerzbeseitigung und Korrektur von Fehlstellung und Instabilität.


▶ Operationstechnik:
• Dorsale Längsinzision in der Mitte des Handgelenks. Eröffnung der Gelenkkapsel,
Resektion der Reste der Gelenkflächen von Radius, Kahn- und Mondbein.
• Plattenarthrodese: Bei noch guter Knochensubstanz kann die Arthrodese mit ei-
ner schmalen DC-Platte erfolgen (S. 384).
• Intramedulläre Nagelung nach Mannerfelt: Der Radiusschaft wird aufgebohrt und
ein Steinmann-Nagel ausgewählt, der bündig passt. Den Nagel retrograd durch
die Handwurzel schlagen, so dass er zwischen 3. und 4. Mittelhandknochen die
Haut durchspießt. Die proximale Spitze abkneifen und in den Radiusschaft ein-
führen. Karpus und Radius aufeinanderpressen und den Nagel nach proximal ein-
schlagen. Nagel distal kürzen, so dass er störungsfrei liegt. Bei Bedarf zusätzliche
Fixation radiokarpal mit K-Drähten oder Stapler.
• Ein Knochentransplantat ist bei der Arthrodese des rheumatischen Handgelenks
in der Regel nicht erforderlich.
▶ Nachbehandlung: Nach Plattenarthrodese 3 – 4 Wochen Ruhigstellung, nach Man-
nerfelt-Arthrodese 4 – 6 Wochen.

Radiolunäre Arthrodese
▶ Indikation: Zerstörtes Radiokarpalgelenk bei erhaltenem Mediokarpalgelenk.
▶ Operationstechnik: Entweder nur Radius und Lunatum arthrodesieren (bei intakter
Gelenkfläche des Skaphoids) oder Radius, Lunatum und Skaphoid:
• Entknorpelung der Gelenkflächen.
• Fixation mit K-Drähten und Interposition von Beckenkamm-Spongiosa.
▶ Nachbehandlung: 4 – 6 Wochen dorsale Schiene.

Handgelenk-Endoprothese
▶ Indikation: Starke Schmerzhaftigkeit bei erhaltener Beweglichkeit und Stabilität, be-
sonders wenn eine Seite bereits arthrodesiert ist. Grundsätzlich sehr strenge Indi-
kationsstellung.
▶ Operationstechnik: Es gibt Prothesen verschiedener Hersteller, z. B. das Swanson-
Platzhalterimplantat (Abb. 40.3). Bei auftretenden Problemen lässt es sich leicht
entfernen. Dann wird man eine Arthrodese durchführen.
■▶ Beachte: Bei allen Silikonprothesen besteht das Risiko einer späteren Silikonsyno-
vialitis mit lokaler Knochendestruktion. Den Patienten darüber präoperativ auf-
klären!
• Zugang wie bei Arthrodese.
• Aufbohren und Auffräsen des Radiusschaftes sowie des Mittelhandknochen-
Schaftes III.
• Bestimmen der richtigen Prothesengröße.
• Einbringen der Prothese, Verschluss.
▶ Nachbehandlung:
• 10 Tage dorsale Schiene.

393
40
Rheumatoide Arthritis 40.1 Operationstechniken

Abb. 40.3 • Platzhalterprothese (Swanson) Abb. 40.4 • Resektion der distalen Ulna.
Handgelenk.

• Anschließend Physiotherapie. Schiene wird bis zum Ablauf der 6. Woche zwi-
schen den Übungen als schützende Lagerungsschiene angelegt.

Resektion distale Ulna


▶ Indikation: Schmerzhaftes Reiben der Elle an der ulnaren Handwurzel (Impinge-
ment) und fortgeschrittene Handgelenkdestruktion. Durchführung auch in Kombi-
nation mit einer Handgelenk-Arthrodese.
▶ Operationstechnik:
• Dorsale Inzision über der distalen Elle. Spaltung der Kapsel. Subperiostales Aus-
schälen des Schaftes. Einsetzen von Hohmann-Haken und schräges Durchtrennen
des Knochens mit der oszillierenden Säge 2 – 3 cm proximal der Ellenspitze
(Abb. 40.4). Fassen des nun mobilen Knochens mit einer Zange und scharfes He-
rauspräparieren unter Zug dicht am Knochen. Den ulnokarpalen Komplex mit
Discus triangularis belassen. Glätten der scharfen Knochenränder.
• Synovialektomie des distalen Radioulnargelenks.
• Blutstillung. Enger Verschluss der Kapsel, deren palmarer Teil mitgefasst werden
kann, um eine zu starke Mobilität des Ellenstumpfes zu verhindern. Redon-Drai-
nage.
▶ Nachbehandlung: 3 – 4 Tage voluminöser Wattekompressionsverband. Aktive und
vorsichtige passive Drehbewegungen möglichst ab 1. postoperativen Tag.

Hemiresektion distale Ulna


▶ Indikation: Neutral- oder Minusstellung der Elle. Voraussetzung ist ein intakter ul-
nokarpaler Komplex.
▶ Operationstechnik (Abb. 40.5):
• Zugang wie oben. Das 6. Streckerfach (Sehne des M. extensor carpi ulnaris) nach
ulnar abschieben. Darstellung der Ulna, Synovialektomie.
• Schräge Resektion des gelenktragenden Teils des Kopfes, dorsale und palmare
Abrundung der Kanten. Auf keinen Fall zu viel Knochen belassen. Processus sty-
loideus, ulnarer Bandapparat und ulnokarpaler Komplex bleiben erhalten.
• Kommt es bei intraoperativer Prüfung zum Impingement bei ulnarer Abduktion,
ist die komplette Resektion der distalen Ulna zu empfehlen.
• Eine besondere Weichteilrekonstruktion zwischen Radius und verbliebener Elle
halten wir nicht für erforderlich.

394
40.1 Operationstechniken 40

Rheumatoide Arthritis
Abb. 40.6 • „Matched-Ulna-Resektion“ nach
Abb. 40.5 • Hemiresektion der distalen Ulna. Watson.

▶ „Matched-Ulna-Resektion“ nach Watson (Abb. 40.6): Variante der oben beschriebe-


nen Technik. Dabei zusätzlich den Ulnaschaft weiter nach proximal konvex resezie-
ren und damit der Konkavität des Radius anpassen.
▶ Nachbehandlung: Wie Ulnaresektion (s. o.).

Endoprothese Fingergrundgelenke
▶ Endoprothesen: Fingerprothesen gibt es von vielen Herstellern. Wir verwenden
Swanson Silicon-Implantate (Fa AMT Aromando Medizintechnik GmbH http://
www.amt-med.de).
▶ Indikation: Gelenkdestruktion, palmare Subluxation, Ulnardeviation.
▶ Operationstechnik (Abb. 40.7 a–f):
• Beginn der Operation analog der Synovialektomie (S. 390 f.) (Abb. 40.7 a–c).
• Bildung eines distal gestielten Kapsellappens. Nach Durchtrennung der ulnaren
intrinsischen Sehnen (Abb. 40.7 d, e) und Synovialektomie quere Durchtrennung
des Metakarpalhalses und Aufbohren/Auffräsen des Schaftes (Abb. 40.7 f). Scharfe
Kanten des Randes glätten. In den dorsalen Knochenrand des Mittelhandkno-
chens zur späteren Refixation der Kapsel mit einem K-Draht 2 Löcher bohren.
• Einpassen des proximalen Zapfens einer Swanson-Probierprothese geeigneter
Größe. Die Grundgliedbasis entknorpeln und aufbohren. Beide Knochenlager so
herrichten, dass die Prothese bequem sitzt.

▶ Cave: Bohren und Fräsen bevorzugt von Hand und ohne Druck, da man die Kor-
tikalis sonst allzu leicht durchbohrt. Beim Entknorpeln nicht zu viel Knochen-
substanz entfernen!
• Legen der Kapselnähte, indem man die Nadel durch die vorbereiteten Löcher
führt (vorangehendes stumpfes Nadelende erleichtert diesen Schritt). Knüpfen
erst nach Einsetzen der Prothese.
• Passende Prothese aus dem Probierset definitiv auswählen (Größe meist zwi-
schen 4 und 7). Durch passives Hin- und Herbewegen soliden Sitz überprüfen.
Erst dann Originalprothese einsetzen (Abb. 40.7 f).

▶ Beachte: Prothese nur mit anatomischer Pinzette fassen, nicht mit Handschuh
oder Tupfer!
• Strecksehne durch radiale Raffung der Streckerhaube zentralisieren. Bei erhebli-
cher Sehnenluxation nach ulnar zusätzlich einen distal gestielten Streifen der
Strecksehne verwenden, die man von ulnar nach radial führt. Fixation zentral
mit nicht resorbierbarem Faden an der Grundgelenkkapsel und proximal an der
Strecksehne.
• Bei zu starker Instabilität radialen Bandapparat raffen oder wie die Kapsel durch
Bohrlöcher am Metakarpalrand reinserieren.
▶ Nachbehandlung:
• 4 Wochen palmare Unterarm-Fingergipsschiene, Handgelenk in 20° Streckung,
MP-Gelenke in 20° Beugung, PIP-Gelenke bleiben frei.
395
40
Rheumatoide Arthritis 40.1 Operationstechniken

Abb. 40.7 • a–f Grundgelenk-Arthroplastik bei rheumatoider Arthritis (s. Text). Zur Durchfüh-
rung der Operation empfiehlt sich der spezielle Instrumentensatz, der von der Fa. AMT Aromando
zur Verfügung gestellt wird.

396
40.1 Operationstechniken 40
• Danach Physiotherapie. Die Schiene wird als Nachtschiene noch für 6 – 8 Wochen

Rheumatoide Arthritis
weitergetragen.

Endoprothese Mittelgelenke
▶ Indikation: Gelenkdestruktion bei erhaltener Beweglichkeit und Stabilität.
▶ Operationstechnik:
• Dorsale Inzision. Eingehen zwischen Mittel- und Seitenzügel radial.
• Falls erforderlich, kann zur besseren Übersicht das radiale Seitenband durch-
trennt werden.
• Resektion des Grundgliedköpfchens. Entknorpelung der Mittelgliedbasis. Aufboh-
ren und sehr vorsichtiges Auffräsen der Schäfte. Am besten speziellen Instrumen-
tensatz ausleihen! Einpassen der Probierprothese (Technik wie bei MP-Gelenk
beschrieben). Größen meist zwischen 0 und 2.
• Transossäre Refixation des Bandapparates durch Bohrlöcher am Grundglied.
• Raffung zwischen Seiten- und Mittelzügel beim Verschluss.
■▶ Tipp: Ist keine Raffung des Strecksehnenapparates nötig, stellt der palmare Zugang
(Abb. 39.5) eine sehr gute Alternative dar: Nach querer Durchtrennung der pal-
maren Platte in der Mitte lässt sich das Gelenk wie eine Schrotflinte aufklappen.
Die Präparation der Schäfte erfolgt wie oben. Die Konvexität des Mittelteils der
Prothese muss bei Implantation natürlich nach dorsal zeigen. Palmare Platte
straff verschließen.
▶ Nachbehandlung: 3 Wochen dorsale Unterarm-Fingergipsschiene. Vorsichtige Be-
wegungen aus der Schiene heraus nach 1 Woche. Bei palmarem Zugang darf post-
operativ bereits ab dem 1. Tag bewegt werden.

Operationstechniken bei Knopflochdeformität


▶ Operationstechniken: S. 277.
▶ Bei Rheumatikern ist die Indikation zur Arthrodese großzügig zu stellen.

Operationstechniken bei Schwanenhalsdeformität


▶ Die nachfolgend beschriebenen Eingriffe können vom erfahrenen Operateur, wenn
sie als isolierter Eingriff erfolgen, vorteilhaft in Mittelhandblockade und Blutleere
durchgeführt werden, um das Bewegungsausmaß intraoperativ kontrollieren zu
können.
▶ Superfizialis-Tenodese:
• Indikation: Bei noch gut erhaltener aktiver Beweglichkeit und besonders beim als
„slow finger“ bezeichneten Schnapp-Phänomen (S. 212 f.) ist die Tenodese mit ei-
nem Zügel der Superfizialissehne indiziert (Abb. 40.8).
• Operationstechnik:

Abb. 40.8 • Superfizialis-Tenodese (s. Text).


397
40 40.1 Operationstechniken

– Winkelförmige Längsinzision über der Beugeseite des PIP-Gelenks bis zur


Rheumatoide Arthritis

Grundgliedmitte. Eröffnung der Sehnenscheide distal und proximal des A2-


Ringbandes.
– Einen Zügel der Sehne des M. flexor digitorum superficialis proximal durch-
trennen, lassoförmig um das A2-Ringband führen und distal mit der Sehne
selbst vernähen. Die Spannung soll zu einer Beugestellung des Gelenks von et-
wa 30° führen. Eine spätere Lockerung bis ca. 10° ist zu erwarten.
• Nachbehandlung: Dorsale Unterarm-Fingergipsschiene, die man so anmodelliert,
dass die PIP-Gelenkstreckung über 20 – 30° Beugestellung hinaus verhindert wird
(Extensionsblock). Aktive Beugung ist sofort erlaubt. Nur bei unkooperativen Pa-
tienten 4 Wochen K-Drahtfixation.
▶ „Intrinsic release“:
• Indikation: Beginnende Behinderung der Mittelgelenkbeugung.
• Operationstechnik: Bogenförmige Inzision ulnar über dem MP-Gelenk. Längsinzi-
sion an der Streckerkappe ulnar. Umfahren der Interosseussehnen und Durch-
trennung.
• Nachbehandlung: Postoperativ sofort intensive Physiotherapie.
▶ Passive Dehnung und K-Drahtfixation:
• Operationstechnik: Durch vorsichtige passive Beugung kann es gelingen, kontrak-
te Mittelgelenke zu mobilisieren. Eine zusätzliche quere dorsale Hautinzision dis-
tal der PIP-Gelenke kann dies erleichtern. Der Hautdefekt bleibt offen und heilt
spontan.
• Nachbehandlung: Wurden gleichzeitig MP-Gelenkprothesen implantiert, fixiert
man die PIP-Gelenke in der erreichten Stellung mit K-Drähten. Sonst dorsale Un-
terarm-Fingergipsschiene anlegen, die eine Überstreckung verhindert. Intensives
Beugetraining und Faustwickel.
▶ Arthrodese: Indiziert bei fixierter Deformität.

Arthrodese der Fingergelenke


▶ Indikationen:
• Instabilität und Deformität der Daumengelenke.
• Fixierte Knopfloch- und Schwanenhalsdeformität.
• Laterale Instabilität der PIP-Gelenke.
▶ Operationstechnik: Analog der Arthrodesen bei Nichtrheumatikern (S. 382). Die
Entknorpelung bzw. Knochenresektion muss wegen der Osteoporose und des oft
schon erheblichen Gelenkkollapses schonend erfolgen. Bei zu starker Verkürzung
nach Gelenkresektion, besonders am Daumen, kann ein Knochentransplantat erfor-
derlich sein.

398
Bennett-Fraktur

Sachverzeichnis

Sachverzeichnis
A Antiepileptika, Dupuytren- – Sesambeinarthrose 205
Kontraktur 171 – skaphotrapeziotrapezoi-
Abdeckung, zur Opera-
Apert-Syndrom 121 dale (STT) 208, 387
tion 17
Artefakt, Erkennung 4 Arthroskopie 223
Abszessbildung 108, 111
Arterienanastomosen 265 – Indikationen 223
– intrakutane, subepider-
Arterienspasmus 355 – Normalbefunde 225
male 109
Arterientransplantate 266 – Technik 225
Abszessentleerung 335
Arterienverletzungen 82 – Therapie 227
Achsenkorrektur
Arthritis, rheuma- – Voraussetzungen, appa-
– Daumengrundglied 344
toide 211 rative 223
– Finger 343
– DD 218 – Zugangswege 224
Adduktionskontrakturen,
– Diagnostik 212 Aufklärung, präopera-
Daumen, Korrektur 331
– OP-Indikationen 218 tive 16
Akrosyndaktylie 121
– Operationstechni- Ausziehnaht, trans-
– Schnürringsyn-
ken 390 ossäre 235
drom 135
Arthrodese Axonotmesis 94, 100
Aktinische Keratose 157
– Dupuytren-Kontrak-
Allen-Test 83, 323
tur 356 B
Allgemeinanästhesie 18
– Fingergelenke 382, 398 Bagatellisierung, PIP-Ge-
Amputat
– Handgelenk 384, 393 lenkverletzung 68
– Anoxämiezeiten 30
– interkarpale 383 Bagatelltrauma
– Aufbewahrung 30
– radiolunäre 393 – Arthrosenaktivie-
Amputation, Therapie-
– skaphotrapeziotrapezoi- rung 204
ziele 28
dale (STT) 383 – coach's finger 64
Amputationshöhen, Fin-
Arthrogryposis multiplex – Kahnbeinfraktur 56
gerendglied 31
congenita 144 – Symptomaktivierung bei
Amputationsverletzun-
Arthrolyse Kahnbein-Pseudar-
gen 28
– MP-Gelenke 331 throse 59
– Operationstechni-
– Operationstechni- Bagatellwunden, ver-
ken 264
ken 309 meintliche 82
Amputationsverletzungs-
– PIP-Gelenk 355 Banana flap (Elliot) 313
muster 28
Arthroplastik 385, 395 Bandkomplex, ulnokarpa-
Amyloid 193
Arthrose 204 ler, Verletzungen 63
Analgesie, postopera-
– CMC-Gelenke 207 Bandnaht, ulnares Dau-
tive 27
– Daumengrundge- mengrundgelenk 305
Analgetika 27
lenk 205 Bandplastik
Anamnese
– Fingerendgelenke 204 – Daumengrundge-
– allgemeine 1
– Fingergrundge- lenk 306
– bei Verletzungen 1
lenke 206 – Daumensattelge-
– medizinische 1
– Fingermittelge- lenk 306
– soziale 1
lenke 204 Bandruptur, skapholu-
Anästhesietechniken 17
– Handgelenkdenerva- näre 63
Aneurysmasack 169
tion 388 Bandrupturen und Luxa-
Angiografie 165
– Interkarpalarthro- tionen 305
Antibiotikaketten, primäre
sen 208 Basaliom 159
Einlage 113
– Operationstechni- Basishand 102
Antibiotika-Miniket-
ken 382 Beckenkamm, Transplan-
ten 111, 336
– pisotriquetrale 208 tat-Entnahme 238
Antibiotikatherapie, post-
– Radiokarpalgelenk 209, Behaarung, ver-
operative systemi-
387 mehrte 114
sche 334
– Sattelgelenke 207 Bennett-Fraktur 51, 207
Antidot, Neutralisa-
– sekundäre 60
tion 106
399
Bennett-Luxationsfraktur

Bennett-Luxationsfrak- Blutleere 17, 220 Colles-Fraktur 61


Sachverzeichnis

tur 289 Blutsperre 220 Connexus intertendi-


Beugekontraktur Bogensehneneffekt, bei nei 34, 37
– Korrektur 331 Verlust der Ringbän- Contergan 139
– narbenbedingte 221 der 279 Cross-Arm-Lappenplas-
– PIP-Gelenk 309 Böhler-Gips 52 tik 320
Beugersystem, intrinsi- Bohrdraht-Osteomyeli- Cross-Finger-Lappenplas-
sches 40 tis 26 tik 314
Beugesehnen Bouchard-Arthrose 204 – Fingerdefektde-
– extrinsische 40 Bouvier-Test 199 ckung 320
– knöcherner Ausriss 287 Boxhiebverletzung 112 – Indikation 87
– Zeichen rheumatischer Boyes-Technik, komplette – umgekehrte 315
Arthritis 215 Radialisersatzplas- CRPS (komplexes regiona-
Beugesehnennaht 42 tik 379 les Schmerzsyn-
– Kernnaht nach Kirch- Brachybasophalangie 141 drom) 299
mayr-Kessler 281 Brachydaktylie 130, 141
– nach Sägeverletzun- – Therapie 142 D
gen 100 Brachymesophalangie Daumen
– primäre 278 130 f, 133, 141 – Bandrupturen und Luxa-
– Techniken 278 Brachymetakarpie 141 tionen 70
Beugesehnenscheide Brachytelephalangie 141 – Beugefehlstellung 144
– Anatomie 176 Brand-Insertionstechnik, – flottierender 139
– Ganglion 151, 350 Opponensplastik 374 – knöcherner Bandausriss
– Kortisoninjektion 176 Brunelli-Tenodese, FCR- Grundgliedbasis 289
Beugesehnen-Synovialek- Sehne bei SLD 307 – Operation Tendovagini-
tomie 391 Buck-Gramcko, Die- tis stenosans 359
Beugesehnen-Synovialitis ter 134, 221 – Sattelgelenk 72
– Identifizierung 366 Buckelbildung – Zeichen rheumatischer
– massive rheumati- – glatte 150 Arthritis 215
sche 366 – knöcherne 150 Daumenballenatro-
– Nervenkompres- Burow-Dreieck 318 phie 193
sion 193 Daumenendglied-Defekte,
– Palpation 216
C Deckung mit Lappen-
– rheumatische 215 Calcinosis circum- plastik 316
– rheumatoide Arthri- scripta 161 Daumengrundgelenk-
tis 211 Calciumgluconat bei Fluss- Arthrose 205
Beugesehnen-Verletzun- säureverätzung 106 Daumengrundglied, Ach-
gen 39 Camitz-Plastik, M. palmaris senkorrektur 344
– Diagnostik 41 longus 373 Daumenhypoplasie, mit
– Schnitterweiterung 279 Canalis supracondylaris, Drehfehlstellung 132
– Therapie 42 Kompressionswir- Daumenhypoplasie/-apla-
– Zoneneinteilung 279 kung 189 sie 137
Beugesehnen-Wiederher- Caput ulnae 33 – Operationstechnik 345
stellung, Sekundärein- Caput-ulnae-Syn- – Schweregrade 138
griffe 43, 283 drom 212, 218 – Therapie 139
Bilhaut-Operation 130 Carpal Bossing 150, 167 Daumenreplantation 267
Bissverletzung 82 Cast-Schiene 25 Débridement, ungenügen-
– durch Mensch 112 Cerclage 242 des 112
– MP-Gelenkregion 337 Chiasma tendineum 40 Debrisorb 104
Bläschenbildung, Herpes- Chondrom, synoviales 166 Defektdeckung 319
infektion 110 Chondromatose 166 Dehnungslappen, palma-
Blatt-Kapsulodese, bei Chronische Polyarthritis rer (Moberg) 316
SLD 306 (CP) 211 Dekompression 361
Bleihand 221 Clasped thumb 144 Dellon-Lappen 318
Blutegeltherapie 268 Coach's finger 64
400
Fingerendglied-Defekte

Deltaknochen 127, 130, E Explosionsverletzun-

Sachverzeichnis
344 gen 101
Deltaphalanx 121 Eaton-Littler-Bandplastik, Exsudat, trübes 335
– Dreieckform 131 Sattelgelenk 306 Extensor-pollicis-longus-
– Ursache für Klinodakty- ED-II-Sehne 256 (EPL-)Sehne, ruptu-
lie 145 EI-Sehne 256 rierte 255
Denervation, nach Wil- EI-Umlagerung, endosko-
helm 262 pische 255 F
Dermatofibrom 163 Eiteransammlung, subku-
Fanconi-Anämie 140
Dermatom 230, 330 tane 107
Fasszange 227
Diaphysensklerosie- Eiterblase 109
Fasziektomie
Ekchondrom 147, 167
rung 146 – partielle, bei Dupuy-
DIP-Gelenk 24, 37 Elektroneurografie 163
tren-Kontraktur 354
– Arthrodese 382 Elliot-Banana-Flap 313
– radikale, bei Dupuytren-
– Endoprothese 385 Enchondrom 147, 167
Kontraktur 356
– Prüfung aktive Beu- Endoneurium 91
– segmentale, bei Dupuy-
gung 41 Endoprothese 385, 395
tren-Kontraktur 352
DISI-Fehlstellung 75, 209 – Fingergrundge-
Fasziensysteme, Anato-
Diskusläsion, traumati- lenke 395
mie 171
sche 227 – Fingermittelge-
Faszikel 91
Dissektor 246, 259 lenke 397
Fasziokutaner Insellap-
Distraktionsphasen 348 – Handgelenk 393
pen 89
Disulfin-Blau 104 Endoskope, Handchirurgie,
Fasziotomie 330
minimal invasive 246
Doppeldaumen, Opera- – bei Dupuytren-Kontrak-
tionstechnik 342 Entlastungsinzision 330
tur 352
Epicondylitis humeri late-
Double-Crush-Phäno- – bei Quetschverlet-
men 191 ralis
zung 100
Drahtfixation 26 – Grundlagen 261
FCR-Plastik 253
Dreiecklappen 123, 339 – Operationstechnik, of-
FCU-Arkade 259
– schräger (Venkatas- fene, minimal inva-
FDS-Arkade, Durchtren-
wami) 316 sive 262
nung 258
Dreifachdaumen 343 Epineuralnaht 327
Fehlbildungen
Epineurium 91
Dreifinger-Basishand 102 – Anamnese und Untersu-
Dreipunktgriff 2 Epiperineuralnaht 327
chung 120
Epiphysenfrakturen, Sal-
Druckschmerz, loka- – angeborene 120
ter-Harris-Eintei-
ler 107 – – Operationstechniken
DRUG s. Radioulnargelenk, lung 44
338
Epiphysenwachstums-
distales 225 – Elternberatung 120
störung 146
Dry Arthroscopy 225 – Operationszeit-
Dupuytren-Kontrak- – distaler Radius 147
punkt 120
Epithelzyste 160
tur 171 – Therapie 120
– Diagnostik 173 – intraossäre 160 f
Fibrom 163
– Grundlagen 250 – subkutane 160
Fibromyosarkom 163
– klinische Formen 172 EPL-Rekonstruktion 255
Finger
– Operationsindika- Erfrierungen
– Achsenkorrektur 343
– Diagnostik 105
tion 174 – schnellender 216
– Operationstechni- – Stellatumblockade 105
Fingerbeugesehnen, Ana-
ken 174, 250, 352 – Therapie 105
tomie 40
Dupuytren-Sträng- Ersatzoperationen, moto-
Fingerendgelenk-
chen 251 rische 98
Arthrose 204
Durchflechtungsnaht (Pul- Eselsohr 229, 234
Fingerendgelenk-Gan-
vertaft) 235 Exostose
glion 153
Dynamometer 201 – kartilaginäre 167
Fingerendglied-Defekte 86
– multiple kartilagi-
– Deckung mit Lappen-
näre 147
plastik 312
401
Fingerendglied-Knochenbrücke, Trennung und Kuppenplastik

Fingerendglied-Knochen- Fixateur externe 141, 242 Ganglion stellatum, Opio-


Sachverzeichnis

brücke, Trennung und – bei Radiusfraktur 298 idinjektion 114


Kuppenplastik 338 – Handgelenk-Distrak- Gasgangrän 113
Fingerfrakturen 44 tion 347 Gefäß-Nerven-Bündel, En-
– Basis- und Impres- Fixation, interne 26 Bloc-Präparation 318
sions-F. 289 Flaschengriff 2 Gefäßanastomose 265
– Diagnostik 44 Fleischerverletzungen 107 Gefäßinterponat 112
– kindliche 44 Fluorescin 104 Gelenkkollaps 398
– konservative Thera- Flusssäureverätzung 106 Gelenksynovialekto-
pie 46-47 Fossa, retrokondyläre 260 mie 390
– Nagelkranz-F. 47 Foucher-Insellappen, dor- Gichttophi 218
– offene 45 sales Zeigefinger- – multiple 155
– Operationsindikatio- Grundglied 319 Gilula-Bögen 74
nen 48 Frakturen 48 Gipsschiene, dorsale 25
– Operationstechni- – häufigste 60 Gipstechnik 26
ken 287 – Operationstechni- Glanzhaut 114
– operative Therapie 46 ken 286 Gleitloch, proximales 296
– Röntgenuntersu- – Sekundäreingriffe 300 Glomustumor 166
chung 45 – Verwechslungsgefahr – subunguale Lokalisa-
– Schaft- und Kondy- frisch und alt 56 tion 166
len-F. 287 Fremdkörper 113 Granulom, pyogenes 157
– Therapieziele 46 Fremdkörpergranu- Greifformen, primäre 2
Fingergelenk lom 161 Greifstörung 193
– Arthrodese 382, 398 Fremdkörperverletzun- Grobgriff 2
– Frakturtypen 44 gen 82 Guyon-Loge 150, 194,
Fingergipsschiene 25 Frohse-Arkade 183, 185 197, 202
Fingergrundgelenk 68 – Spaltung 261 – Dekompression/Neuro-
– Arthrose 206 – – bei Supinatorsyndrom lyse N. ulnaris 370
– Endoprothese 395 362 Guyon-Logen-Syn-
– Synovialektomie 390 Froment-Zeichen 200 drom 202
– Zeichen rheumatischer
Arthritis 212
G H
Fingerinfektionen 108 Ganglion Haltefäden 221
– fortgeleitete 110 – an Handwurzel/-ge- Hämangiom 142, 164
Fingerkommissur, Arthro- lenk 150 – angeborenes 165
dese 333 – Beugesehnen- – kapilläres 165
Fingermittelgelenk scheide 350 – kavernöses 165
– Arthrose 204 – Definition 149 Hämatom, subunguales 85
– Endoprothese 397 – dorsales, an Handwur- Hämatomprophylaxe 23
– Synovialektomie 390 zel/-gelenk 350 Hammerfinger 181
– Zeichen rheumatischer – Endgelenkganglion 153 – Therapie 182
Arthritis 214 – Finger-Beugesehnen- Hand
Fingernagel, Anatomie 85 scheide 151 – arterielle Versorgung 82
Fingerreplantation, Opera- – Hauptlokalisatio- – Fasziensysteme 171
tionstechnik 264 nen 149 – Innervation 91
Fingerschaft-Fraktur- – intraossäres 117, 150 – Lähmungsmuster 93
typen 44 – komprimierendes 370 – motorische Prüfung 96
Fingerschnappen 179 – Mittelgelenk-G. 152 – Neuroanatomie 91
Fingerstrahlamputa- – okkultes 149 – schwerverletzte 99
tion 243 – Operationstechni- – Sensibilitätsprüfung 95
Fingertransposition 345 ken 350 – Weichteildefekte 88
Finkelstein-Test 177 f – palmares Hand- Handchirurgie, minimal
Fistelgang 109 gelenk-G. 350 invasive und endosko-
Fistelsystem, arteriovenö- – Sattelgelenk-G. 152 pische
ses 165 – Sehnen-G. 151 – Grundlagen 245
402
Interkarpalarthrosen

– Instrumentarium und Handwurzelknochen Hyperämie 114

Sachverzeichnis
praktisches Vorge- – anatomische Lokalisa- Hyperhidrosis 114
hen 245 tion 53 Hyponychium 86
– Nachteile 245 – Frakturhäufigkeit 52 Hypophalangie 133
– Vorteile 245 Handwurzelluxation Hypothenar-Hammer-Syn-
Handdefekte, Lappenplas- – perilunäre 79-80 drom 202
tiken 322 – – transskaphoidale 79 Hypothenaratrophie 199
Handgelenk Hausfrauendaumen 177
– Zeichen rheumatischer Haut I
Arthritis 212 – blass, ohne Fälte- Illaramendi-Radius-Reiz-
Handgelenkarthro- lung 114 osteotomie 117
dese 384, 393 – kühle, blasse, auch zya- Immobilisation 24
Handgelenkarthrose 209 notische 114 Implantate, winkelsta-
– Operationstechnik 388 – Versorgung Weichteil- bile 295
Handgelenkdistrak- verletzungen 312 Infektion
tion 347 Hautdesinfektion, präope- – Diagnostik 107
– Traction Tower 224 rative 17 – Differenzialdiag-
Handgelenkendopro- Hautnahttechniken 228 nose 107
these 393 Hautschichten 229 – durch Bissverlet-
Handgelenkganglion, dor- Hauttransplantation, zung 111
sales, Entfernung, ar- freie 89 – foudroyante 107
throskopische 227 Hauttumoren 156 – Hohlhandräume 110,
Handgelenkinnervation, Heberden-Arthrose 149, 337
Nervenpunkte 389 204 – interdigitale 110
Handgelenk-Synovialekto- Heberden-Knötchen 204 – – Operation 336
mie 390 Hellmann-Operation 277 – Knochenbeteili-
Handhohlräume, Infek- Hemihypertrophie 142 gung 109
tionsbehandlung, ope- Heparinisierung bei Fluss- – lymphangitische 108
rative 337 säureverätzung 106 – nach handchirurgischen
Handreplantation 267 Herbert-Klassifikation 55 Eingriffen 112
Handrückenödem 110 Herbert-Schraube 291 – Operationstechni-
– kollaterales 107 Herpes digitalis 110 ken 334
– ohne Rötung und Druck- Herzfehlbildungen 137 – purulente, phlegmo-
schmerz 111 Hiatus tendineus 40 nöse 108
Handtisch-Lagerung 259 Hochdruckeinspritz-Ver- – Therapie 108
Handwurzel letzungen 84 Infiltrationsanästhesie, lo-
– Anatomie 73 Hochlagerung, Arm 26 kale 18
– Bandrupturen und Luxa- Hoffmann-Tinel-Zei- Injektionsverletzungen 82
tionen 73 chen 95, 163, 184, 188, Insellappen
– Röntgenanatomie 74 190, 195, 200 – dorsales Zeigefinger-
Handwurzelbuckel 167 Hohlhand-Fingergips- Grundglied (Fou-
Handwurzelfrakturen 52 schiene 25 cher) 319
– Diagnostik 52 Hohlhandräume – lateraler neurovaskulä-
– Luxationsfraktur, perilu- – Anatomie 111 rer (Segmüller) 314
näre transskaphoi- – Infektion 111 – Ring- oder Mittelfinger-
dale 80 Holt-Oram-Syndrom 137, Endglied (Littler) 318
– Os capitatum 53 140 Insertionstechnik, nach
– – hamatum 53 Hueston-Transpositions- Brand 374
– – lunatum 54 lappen, Fingerdefektde- Inside-out-Technik 227
– – trapezium 53 ckung 319 Inspektion 2, 4
– – triquetrum 54 Humpback deformity 58, – Tumoren 154
– Therapie 53 60, 300 Instrumentenset, handchi-
Handwurzelinstabilität Hygrom 151 rurgisches 247
– dorsale 74 Hypästhesie, Handrücken Interdigitalsinus 135
– palmare 75 radial 188 Interkarpalarthrosen 208
403
Interosseus-anterior-Syndrom

Interosseus-anterior-Syn- – Operationsindikatio- Kirschner-Draht-Osteosyn-


Sachverzeichnis

drom 192 nen 60 these, perkutane, bei


– Grundlagen 258 – Prognose 60 Radiusfraktur 298
– Operationstechnik 258, – Sanierung 301 Kleinert-Unterarm-Finger-
365 – symptomlose 56 gipsschiene 282
Interosseus-posterior-Lap- – voroperierte 60 Klinodaktylie 131
pen 89 Kahnbeinresektion, bei – bei Brachydaktylie 141
Interphalangeal-Gelenke s. Radiokarpalgelenk- – durch Deltaphalanx 145
IP-Gelenke Arthrose 387 – Operationstechnik 343
Intersektionssyndrom 176 Kalksalzminderung – prospektive Opera-
– Operationstechnik 357 – Panaritium articu- tion 344
Intrinsic release 398 lare 110 – Therapie 131
Intrinsic-minus-Stel- – Panaritium ossale 110 Klippel-Trenaunay-Weber-
lung 107, 111 Kamptodaktylie 145 Syndrom 143
Intrinsic-plus-Stellung 24 Kapitatumkopf 226 Klumphand, radiale 137,
IP-Gelenke 24 Kapsulodese nach Blatt, 139
– Anatomie 64 bei SLD 306 – Operationstechnik 347
– Bandrupturen und Luxa- Karpaldachspaltung, bei – Therapie 140
tionen 64 Radiusfraktur 298 Knistern im Gewebe 113
– Daumen-Arthro- Karpalsynostosen 130 Knochen- und Knorpeltu-
dese 382 Karpaltunnel, Anato- moren 166
– Distorsion 64 mie 194 Knochendysplasien, bei
– dorsale Luxation 66 Karpaltunnelspeku- Brachydaktylie 141
– Kollateralbandruptur 6 lum 256 Knochenmarködem, bei
– laterale Luxation 67 Karpaltunnelsyndrom 193 Lunatumnekrose 116
– palmare Luxation 66 – Diagnostik 194 Knochennekrosen, asepti-
– Ruptur palmare – endoskopische Opera- sche 116
Platte 64 tion 368 Knochentransplantat-Ent-
– Grundlagen 256 nahme 237
J – Hautinzisionen 366 Knochenzyste 169
Joystick-Methode 299 – Operationstechnik 366 – aneurysmatische 169
– – minimal invasive 256 Knopflochdeformität 36
K – – – offene 368 – Korrektur 277
K-Drahtfixation 240, 331 – Therapie 196 – rheumatische 214
– temporäre 26 – und Tendovaginitis ste- – – des Daumens 215
– und intraossäre Draht- nosans 180 – traumatische 66
naht 240 – verstecktes 194 Knopflochschiene 25
Kahnbein 80 Karpometakarpalge- Knorpel- und Knochentu-
Kahnbeinfraktur 63 lenke 72 moren 166
– Diagnostik 56 – Arthrodese 383 Knoten, intratendinöse sy-
– Grundlagen 55 – Arthrose 207 novialitische 216
– Klassifikation nach Her- – Bandrupturen und Luxa- Koagulationsnekrose 106
bert 55 tionen 72 Kollaps, karpaler 209
– konservative Thera- – Serienluxation 72 Kollateralbandruptur 65
pie 56 Keimbestimmung 108 Kolliquationsnekrose 106
– Operationsindikatio- Keratoakanthom 157 Kompartmentsyn-
nen 57 Keratose, aktinische 157 drom 99, 111, 330
– Operationstechnik 291 Kernnaht 281 Komplex, ulnokarpaler
– Prognose 58 Kirchmayr-Kessler- (TFCC) 226
Kahnbeingips 57 Naht 265, 273, 279 – – Verletzungen 227
Kahnbeinmalazie 118 Kirner-Deformität 146 Kompressen 23
Kahnbein-Pseudar- Kirschner-Drahtfixa- Kompression 361
throse 58 tion 26 Kompressionsneuropathie,
– Diagnostik 59 multifokale 199
Kompressionsverband 23
404
Minifixateur

Kontraktur 330 – Cross-Finger-L. 314 Lupus erythematosus, sys-

Sachverzeichnis
– 1. Zwischenfinger- – Deckung Daumenend- temischer (SLE) 218
falte 332 glied-Defekte 316 Luxation, perilunäre 79
– Fingerkommissur 333 – – Fingerendglied-Defek- Lymphangiom 165
– massive 331 te 312 Lymphknoten, pal-
– Prüfung intrinsi- – Defektdeckung, pable 107
scher 214 Hand 322
Kontrakturen und Fehl- – – Phalangen 319
M
stellungen, angebo- Lappentechniken, freie 89 Madelung-Deformität 147
rene 144 Lasso-Operation nach Zan- Maffucci-Syndrom 143
Kontrastmittel-Anreiche- colli 377 Makrodaktylie 142
rung, fehlende beim Latissimus-dorsi-Lap- – Therapie 143
MRT 116 pen 89 Malignes Melanom
Kornzange 255 Lederknarren 176 – histologischen Klassifi-
Korrekturosteotomie 300 Leistenlappen 89 kation 160
Kortikalis, ausge- – gestielter (McGre- – subunguales 159
dünnte 114 gor) 322 Mannerfelt-Nagelung, int-
Kortisoninjektion, intra- Leitungsanästhesie 17 ramedulläre 393
artikuläre 68 – Finger 18 Martin-Gruber-Verbin-
Kraftgrade 98 Lentigo maligna 157 dung 93, 192, 201
Kragenknopf-Panari- Lidhaken 254 Matched-Ulna-Resektion,
tium 109 Ligamentum collate- nach Watson 395
Krallenhand, bei Ulnari- rale 68 McGregor-Leistenlappen,
sparese 377 – – accessorium 68 gestielter 322
Krallenstellung, Ring- und – interosseum 75 MCR-Pforte 225
Kleinfinger 199 – metacarpale transver- MCU-Pforte 225
Krepitus 176 sum superficiale 172 Medianus-Ulnaris-Parese,
– Beugesehnen-Arthri- – Osborne 199 kombinierte 381
tis 215 – phalangoglenoidale 68 Medianuskompressions-
Kubitaltunnelsyn- – radiolunotriquet- syndrom
drom 197 rum 74, 225 – distales 193
– Diagnostik 199 – radioscaphocapita- – proximales 189, 257
– Grundlagen 258 tum 74, 225 Medianusparese
– Operationstechnik 368 – radioscapholunatum – hohe, Ersatzopera-
– – endoskopische 259 (RSL-Ligament) 74, 225 tion 376
– Therapie 201 – ulnolunatum 226 – Operationstechni-
Kuppenlappen, kontralate- – ulnotriquetrum 226 ken 373
raler 314 Lipom 161 Medianusstamm, Identifi-
Kuppenplastik 338 Lippen-Kiefer-Gaumen- zierung und Darstel-
Kutler-V-Y-Lappen, bilate- Spalte 124 lung 366
raler 313 Littler-Insellappen, Ring- Mediokarpalgelenk, Nor-
oder Mittelfinger-End- malbefund, arthrosko-
L glied 318 pischer 227
Laboruntersuchungen, Löffelhand 121, 133 Mediokarpalgelenk-Ar-
präoperative 16 Lokalanästhetika 18 throse 209
Lacertus fibrosus Love-Test 166 Melanom, malignes 159 f
– Durchtrennung 365 Low-Profile-Platten 295 Menschenbissverletzung,
– scharfer Rand 189 Lunatumnekrose MP-Gelenkregion 337
Lagerung, postopera- – Diagnostik 117 Metakarpalsynosto-
tive 26 – Differenzialdiag- sen 130
Lähmung 93 nose 117 Metakarpophalangeal-Ge-
Landmannshaut 157 – Stadieneinteilung 116 lenke s. MP-Gelenke
Langenbeck-Haken 246 – Therapie 117 Metzenbaum-Scheren 246
Lappenplastik Lunatumzyste 117 Minifixateur 242
– Cross-Arm-L. 320 Lunula 86
405
Mittelgelenk-Endoprothese, palmarer Zugang

Mittelgelenk-Endopro- Mukoidzyste 153 – – – – Sehnenverlet-


Sachverzeichnis

these, palmarer Zu- – degenerative 149 zung 38


gang 386 Musculi lumbricales, Pa- – – – – Tendovaginitis,
Mittelgelenkganglion 152 rese 377 Operation 358
Mittelgelenk-Patella 64 Musculus abductor digiti – extensores carpi radia-
Mittelhandblockade 19 minimi, Funktionsprü- les, Funktionsprü-
Mittelhandfrakturen 48 fung 10 fung 15
– Basisfraktur 48 – – pollicis brevis – flexor carpi radialis
– Diagnostik 48 – – – – Funktionsprü- – – – – Funktionsprü-
– Operationstechni- fung 10, 96 fung 7
ken 289 – – – – Sehnenverlet- – – – – Plastik bei Sattel-
– Schaftfraktur 48 zung 38 gelenkarthrose 386
– subkapitale 48 – – – longus 33 – – – – Tendovaginitis,
– Therapie 50 – – – – Funktionsprü- Operation 358
Mittelzügelrekonstruktion, fung 14 – – carpi ulnaris
nach Snow 272 – adductor pollicis, Funk- – – – – Funktionsprü-
Moberg-Dehnungslappen, tionsprüfung 10 fung 7
palmarer 316 – brachioradialis 261 – – – – Transposi-
Mobilisation – Sehnendurchtren- tion 379
– frühe, kontrollierte 24 nung 261 – – digiti minimi, Funk-
– postoperative 27 – – Umlagerung 376 tionsprüfung 11
Modul 1 252 – epitrochleoanco- – – digitorum profundus,
– 2 253 neus 259 Funktionsprüfung 9
– 3 253 – extensor carpi radialis – – – superficialis, Funk-
Mondbein brevis 33 tionsprüfung 8
– atypische Dreieck- – extensor carpi radialis – – – – IV, Opponens-
form 79 longus 33 plastik 374
– Dorsalkippung 209 – – – – – Sehnendurch- – – pollicis brevis, Funk-
– luxierte Stellung 80 trennung 261 tionsprüfung 9
– Resektion 117 – extensor carpi ulna- – – – longus
– verdichtetes 116 ris 33 – abnorme Insertion 138
Mondbeinluxation 79 – – – – Funktionsprü- – Funktionsprüfung 9, 97
– palmare 79 fung 15 – interossei dorsales et
Morbus Bowen 158 – – communis 261 palmares, Funktionsprü-
– Kienböck 116 – – digiti minimi 33 fung 11
– Preiser 118 – – – – Funktionsprü- – interosseus dorsalis I,
Morgensteifigkeit 179 fung 15 Funktionsprüfung 11
Motorikprüfung 5 – – digitorum, Funktions- – – – II, Funktionsprü-
Motorische Ersatzopera- prüfung 14, 97 fung 12
tionen 98, 373 – – digitorum II–V 33 – – – III, Funktionsprü-
MP-Gelenke – – indicis 33 fung 12
– Anatomie 68 – – – Funktionsprü- – – – IV, Funktionsprü-
– Arthrolyse 331 fung 14 fung 12
– – bei Streckkontrak- – – – Opponensplas- – – palmaris I, Funktions-
tur 311 tik 375 prüfung 12
– Bandrupturen und Luxa- – – pollicis brevis 33 – – – II, Funktionsprü-
tionen 68 – – – – Funktionsprü- fung 12
– – – am Daumen 70 fung 13 – – – III, Funktionsprü-
– Daumen-Arthro- – – – – Sehnenverlet- fung 13
dese 383 zung 38 – palmaris longus
– Finger-Endopro- – – pollicis longus 33 – Camitz-Plastik 373
these 386 – – – – Funktionsprü- – klinische Prüfung 234
– Luxation 69 fung 13 – pronator quadratus,
– Seitenbandruptur 69 – – – – Sehnenrekon- Funktionsprüfung 6
struktion 275 – – – Präparation 295
406
Neurofibrom

–– teres – – – – Operationstech- – – Kompression bei

Sachverzeichnis
–Funktionsprüfung 6 niken 361 Arthritis 211
–Transposition 379 – Supinatorsyndrom 361 – – – im rheumatischen
–supinator, Funktions- Nervennaht 100 Karpaltunnel 216
prüfung 7 – frühsekundäre 327 – – Kompressionssyn-
Muskelprüfung, klini- – interfaszikuläre 327 drom 189, 193
sche 6 – primäre 97, 327 – – Neurinom 164
Muskelumlagerung 373 – sekundäre 97 – – Paresen 94
Mykose, Zwischenfinger- Nervenrekonstruktion 96 f – – – Operationstechni-
falten 173 Nervenschädigungen, Ty- ken 373
pen nach Seddon 94 – – Querverbindungen
N Nerventransplantat 266 mit Nervus ulnaris 93
Nagelband 121 – Entnahme 236 – – sensibles Areal 189
Nagelbett-Transplanta- Nerventransplantation – – Stamm-Identifizie-
tion 312 97, 328 rung und -darstel-
Nagelbettverletzung 85 f – interfaszikuläre 328 lung 366
– Versorgung 312 – primäre 328 – radialis 91
Nagelung, intramedulläre, Nervenverlagerung, Ner- – – Anatomie 183
nach Mannerfelt 393 vus ulnaris 369 – – Blockade 19
Nagelwachstumsstörun- Nervenverletzung – – distal, Operation bei
gen 312 – Neurosonografie 97 distaler Kompres-
Nagelwallinfektion 108 – Prognose 98 sion 364
Naht, epitendinöse 281 – Sekundäreingriffe 98 – – Kompressionssyn-
Nahttechniken 228 – Therapie 97 drome 183
Narbenkontrakturen 334 Nervenverletzungen – – Paresen 94
Nävi 156 – Diagnostik 94 – – – Operationstechni-
Nerv, Anatomie 91 – Elektrophysiologie 97 ken 378
Nervendekompression – Inspektion 94 – – proximale Dekom-
– Nervus radialis proxi- – Operationstechni- pression 361
mal 361 ken 327 – suralis, Entnahmetech-
– – ulnaris 368 – Palpation 95 nik 236
– Pronatorsyndrom 258 – Sekundäreingriffe 327 – ulnaris 91
Nervenfaszikel 91 Nervus cutaneus antebra- – – Anatomie 197
Nervenkompression chii ulnaris – – Blockade 20
– Rheumasymptom 216 – – – – Entnahmetech- – – distale Neurolyse 370
– rheumatoide Arthri- nik 236 – – Kompressionssyn-
tis 211 – – – – Überdeh- drome 197
Nervenkompressionssyn- nung 259 – – motorische Prü-
drome 183 – interosseus ante- fung 201
– distale Ulnarisdekom- rior 192 – – offene In-Situ-De-
pression 370 – – – Dekompres- kompression 368
– Karpaltunnelsyn- sion 258 – – Paresen 94
drom 193 – – – Kompressionssyn- – – – Operationstechni-
– Kubitaltunnelsyn- drom 192 ken 377
drom 199 – Präparation 258 – – Querverbindungen
– Nervus interosseus an- – medianus 91 mit Nervus media-
terior 192 – – Anatomie 188 nus 93
– – medianus 188 – – – proximale Eng- – – sensibles Areal 198
– – – proximal 189, 365 pässe 191 – – subkutane Vorverla-
– – radialis distal 364 – – – Varianten moto- gerung 369
– – – proximal 183, 361 rischer Ast 366 – – submuskuläre Vorver-
– – – Ramus profun- – – Blockade 20 lagerung 369
dus 185 – – Dekompression 258 Neurapraxie 94, 100
– – – – superficialis 187 – – – proximal 365 Neurinom 163
– – ulnaris, distal 202 Neurofibrom 164
407
Neurofibromatose Recklinghausen

Neurofibromatose Reck- – minimal invasive, Kar- P


Sachverzeichnis

linghausen 143, 164 paltunnelsyndrom 256


Neurolipofibromatose, im – Nerventransplantat-Ent- Palmaraponeurose 171
Kindesalter 163 nahme 236 Palmare Platte 310
Neurolyse 98, 328, 364 – offene Palmaris-longus-Transpo-
– Fasziektomie, par- – – minimal invasive, sition (Camitz) 373
tielle 354 Tendosynovitis steno- Palmer-Klassifikation 227
– Nervus ulnaris in sans 249 Palpation 2, 5
Guyon-Loge 371 – – – – Quervain-Tendo- – synovialitische Beuge-
– Supinatorsyndrom 363 vaginitis 250 sehnen 216
Neurom, Verwechslung – perkutane, Tendovagini- – Tumoren 154
Neurinom 163 tis stenosans 248 Panaritium articulare 110
Neurom-in-Kontinui- – Osteosyntheseverfah- – – Operation 336
tät 328-329 ren 239 – cutaneum 109
Neurombildung 31, 95 – Radiusfrakturen 295 – ossale 110
Neuromverlagerung, intra- – Sehnentransplan- – – Operation 336
ossäre 270 tate 234 – subcutaneum 109
Neurotmesis 94 – Spalthaut-Transplan- – – Operation 334
Nidus 169 tat 230 Paresen 94
No touch 260 – Transpositionslap- Paronychie 108
pen 232 – Operation 334
O – traumatische 112 Perforation, degenerative,
– Vollhaut-Transplan- Komplex, ulnokarpa-
Oberarm-Gipsschiene 25
tat 231 ler 227
Oberarmlappen, latera-
– Z-Plastik 232 Perilunäre Luxationen 79
ler 89
Operationsvorberei- Perineuralnaht 327
Oberst-Anästhesie 18
tung 16 Perineurium 91
Ödem, chronisches, fixier-
Opponensplastik 3-4-Pforte 225
tes 114
– Musculus flexor digito- 4-5-Pforte 225
Oligodaktylie 121, 130
6-R-Pforte 225
– Therapie 130 rum superficialis IV 374
– – extensor indicis 375 6-U-Pforte 225
Oligosyndaktylie 132
– – palmaris longus 374 Phalangendefekte 88
– mit Deltaknochen 146
Os lunatum 80 Phalen-Test 190, 195
Open-Palm-Technik 252
– scaphoideum 80 Phlebolith 165
– bei Dupuytren-Kontrak-
Osborne-Ligaments 259 Phlegmone
tur 356
Osteochondrome, multi- – fortgeschrittene 336
Operationsplanung, Infra-
ple 147 – V-Phlegmone 110, 336
struktur 16
Osteogenes Sarkom 169 Pigmentnävus 142
Operationstechnik 220
Osteomyelitis, Bohr- PIP-Gelenk 24, 37 f
– atraumatische 221
– Arthrodese 382
– Bandnaht und Bandplas- draht-O. 26
Osteoporose 398 – Arthrolyse 355
tik 305
– fleckige 114 – Arthrolyse bei Beuge-
– endoskopische
kontraktur 309
– – Pronatorsyn- Osteosynthese
– Bennett-Luxationsfrak- – – bei Streckkontrak-
drom 257
tur 310
– – Quervain-Tendovagi- tur 290
– biologische 286 – Endoprothese 385
nitis 250
– Quetschverletzun- – knöcherne Abrisse und
– Fingerstrahlamputa-
gen 100 Luxationsfraktur 288
tion 243
– Sägeverletzungen 100 – Prüfung aktive Beu-
– Hautnahttechniken 228
– Titan-Minischraube 287 gung 41
– Hauttransplantate 228
– Verfahren 239 PISI-Fehlstellung 75
– Knochentransplantat-
Osteosynthesematerialien, Pisotriquetrale Ar-
Entnahme 237-238
throse 208
– knöcherne Verletzun- Radiusfrakturen 295
Platte, dorsale 64
gen 286
– palmare 64, 66, 69 f

408
Riesenzelltumor

– – Arthrolyse bei Vernar- Pseudarthrose 56 – Gelenkflächenneigung,

Sachverzeichnis
bung 310 – Definition 58 distale 60
– – Ruptur 64 – Typen nach Herbert 58 – Grundlagen 60
Plattenarthrodese 393 Pseudarthrosen-Opera- – Klinisches Bild, Diagnos-
Plattenepithelkarzinom tion, Hamulus ossi ha- tik 61
– ulzeröses 158 mati 300 – Nachbehandlung 299
– verruköses 158 Pseudarthrosen-Sanie- – Operationstechni-
Plattenosteosynthese 384 rung 60 ken 295
– palmare winkelsta- – Kahnbein 301 – Therapie 61
bile 295 – Phalangen 300 Radiushypoplasie 132
– Radiusfraktur mit be- Pseudoganglionbil- Radiuskopfverren-
gleitender Spongiosa- dung 209 kung 132
plastik 295 Psoriasisarthritis 218 Radiustrümmerfraktur,
– – ohne begleitende Pulvertaft-Durchflech- intraartikuläre 62
Spongiosaplastik 295 tungsnaht 235 Raffnaht 272
Platzhalterprothese, nach Pyogenes Granulom 157 – Endgelenk 274
Swanson 393 – Mittelzügel 277
Plexusanästhesie, subaxil-
Q Ramus cutaneus antebra-
läre 20 Quadrigaphänomen 270 chii dorsalis, Durchtren-
Pochen, in der Hand 108 Quervain-Tendovaginitis s. nung 262
Poland-Syndrom 133 Tendovaginitis de Quer- – profundus nervi radialis,
Pollex flexus congeni- vain Präparation 261
tus 179 Quervain-Verrenkungs- Recessus praestylo-
– – – oder rigidus 181 bruch 79 f ideus 226
Pollizisation, Zeigefin- Quetschverletzungen 99 Reflexdystrophie, sympa-
ger 345 thische 114
Polyarthritis, chroni- R Regionalanästhesie, intra-
sche 211 Radialisersatzplastik 378 venöse 18
Polydaktylie 121, 126 Radialiskompressionssyn- Reneurotisation 97
– bei Brachydaktylie 141 drom, proximales 183 Replantation 264
– Diagnostik 129 Radialislappen, kontralate- – Indikationen und Kont-
– Einteilungen 126 raler 89 raindikation 28
– mit Deltaknochen 146 Radialisloge 261 – praktisches Vorge-
– Operationstechnik 342 Radialisparese, Opera- hen 30
– radiale 127 tionstechniken 378 – Prognose 31
– Therapie 129 Radiokarpalgelenk, Nor- – Sekundäreingriffe 32
– ulnare 128 malbefund, arthrosko- Resektionsarthroplastik,
– – Operationstech- pischer 225 STT-Arthrose 387
nik 343 Radiokarpalgelenk-Arth- Retinaculum cubitale 259
– zentrale 128 rose 209 – extensorum 33
Posterior-interosseus-Lap- – Kahnbeinresektion 387 – – Ablösung und Rück-
pen 325 Radioulnargelenk, distales verlagerung 348
Präparierschere, kräf- (DRUG) 225 – flexorum, Durchtren-
tige 259 – – Normalbefund, arth- nung 366
Probierprothese, nach roskopischer 227 Rheumatoide Arthri-
Swanson 395 Radius-Impressionsfraktur, tis 211
Processus styloideus ra- zentrale 62 – – Diagnostik 212
dii 81 Radius-Reizosteotomie – – Differenzialdiag-
– – ulnae, Abriss 62 nach Illaramendi 117 nose 218
Pronatorsyndrom 189 Radius-Verkürzungsosteo- – – OP-Indikationen 218
– Grundlagen 257 tomie 117 – – Operationstechni-
– Operationstechnik 365 Radiusersatzplastik, par- ken 390
– – endoskopische 257 tielle 380 Rhizarthrose 207
Proteus-Syndrom 142 Radiusfraktur Riesenwuchs 142
– Begleitverletzungen 63 Riesenzelltumor 161
409
A1-Ringband

A1-Ringband 247 Schmerzsyndrom, komple- Sehnentransplanta-


Sachverzeichnis

Ringbänder, Anatomie 41 xes regionales tion 275


Ringbandspaltung, perku- (CRPS) 299 – zweizeitige 283
tane 247 Schmetterlingsplastik 332 Sehnentransplantation/-
– A1, bei Tendovaginitis Schnabelnagel 312 transposition, Span-
stenosans 359 Schnapp-Phänomen 65, nungsbestimmung 236
Ringbandstenose 179 177 f, 214, 216 Sehnentransposition 283
– kongenitale 181 Schnappfinger 179 Sehnenumlagerung 275
Rolando-Fraktur 51 Schnittführung 221 Sehnenverletzung 33
Röntgenuntersuchung 5 Schnittverletzungen 99 Sehnenverletzungen, Ope-
– Brewerton-Technik 48 Schnürringe, Operations- rationstechniken 271
Rotationslappen 233 technik 345 Sehnenwiederherstellung,
RSL-Ligament (Lig. radio- Schnürringsyndrom 121, Sehnentransposi-
scapholunatum) 225 135 tion 283
Rubinstein-Taybi-Syn- – Therapie 137 Seitenbandapparat 68
drom 146 Schreibgriff 2 Seitenbandruptur 69, 71
Ruhigstellung Schulter-Arm-Syn- – ulnare, Daumen 71
– Arten 25 drom 193 Sekundärnaht, frühe 283
– Daumen 24 Schwanenhalsdeformi- Sensibilitätsprüfung, Zwei-
– Finger 24 tät 36, 37 punkt-Unterschei-
– Handgelenk 24 – Operationstechni- dung 5
– Richtlinien 24 ken 397 Septum intermusculare ra-
Rupturen, pathologi- – rheumatische 214 diale 183
sche 181 – – Daumen 215 Sequester 110
Schwann-Zelle 91, 163 Sesambeinarthrose 205
S Schwannom, malig- Sesamoiditis 205
Sägeverletzungen 100 nes 155 Shaver-System, speziel-
Salbentüll 23 Schweißbefeuchtung, feh- les 227
Salter-Harris-Klassifika- lende 95 Sicherheitsposition, Fin-
tion 44 Schwellung, ödema- ger 24
Sarkom, osteogenes 169 töse 114 Siegelringzeichen 77, 209
Sattelgelenk Schwenklappen 233 Silastikstab 284
– Anatomie 72 Schwimmhaut 123 Silikonsynovialitis 393
– Arthrodese 383 Seddon-Nervenschädi- Simulant, Erkennung 2
– Bandplastik 306 gungstypen 94 Sinus pilonidalis interdigi-
– Luxation 72 Segmüller-Insellappen, la- talis 110
Sattelgelenkarthrose 207 teraler neurovaskulä- Skaphokapitatumfraktur-
– FCR-Plastik 386 rer 314 Syndrom 53
– Grundlagen 253 Sehne Skapholunäre Dissoziation
– Operationstechnik 254 – ED-II- 256 – – akute SLD 75
Sattelgelenkganglion 152 – EI- 256 – – Blatt-Kapsulo-
Sauerstofftherapie, hyper- Sehnenchirurgie, Grundla- dese 306
bare 113 gen 255 – – chronische SLD 76
Säulenprinzip 298 Sehnenerkrankungen 176 – – dynamische Tenodese
Scapho-lunate advanced – Operationstechni- (Bleuler) 309
collapse 209 ken 357 – – FCR-Tenodese 307
Scherenbewegungen, pro- Sehnenganglion 151 Skapulalappen 89
batorische 252 Sehnenkoppelung 274 Skelettfehlbildungen 145
Scherenhaltung 221 Sehnenrupturen, Opera- SLE (systemischer Lupus
Schiene, dynamische 25 tionstechniken 392 erythematodes) 218
Schlaflosigkeit 108 Sehnenscheideninfek- Slow finger 214
Schlagverletzung 112 tion 107-110, 335 Smith-Fraktur: 61
Schlüsselgriff 2 – beginnende 108 Snow, Mittelzügelrekon-
– fortgeleitete 110 struktion 272
Sehnentransplantate 234
410
Tasthaken

Snow-Littler-Transposi- Strecksehnen-Verletzun- – monodaktyle Form 125,

Sachverzeichnis
tion, ulnarer Zeigefin- gen 33 133
ger 340 – Diagnostik 34 – peromele Form 125, 133
Snow-Operation 277 – Sekundäreingriffe 39 – teratologische
Spalthand 121, 124, 132 – Therapie 38 Reihe 133
– atypische 125 – Zoneneinteilung 35 Sympathische Reflexdys-
– Operationstechnik 340 Strecksehnen-Wiederher- trophie 114
– Schweregrade 124 stellung Symphalangie, bei Brachy-
Spalthand-Syndakty- – multiple (Finger) 277 daktylie 141
lie 121 – Sekundäreingriffe 274 Syndaktylie 121
Spalthandkomplex 124 Strecksehnenabriss, knö- – bei Brachydaktylie 141
Spalthandtyp, Symbrachy- cherner 286 – bei Schnürringsyn-
daktylie 133 Strecksehnenfächer 33 drom 135
Spalthaut 315, 331 Strecksehnenruptur, End- – geringe partielle 123
Spalthaut-Transplan- gelenk 181 – intermediäre 121
tat 228 Stromverletzungen 103 – Knochenbeteili-
Spalthautlappen, umge- Struther-Arkade 197, 260, gung 121
kehrte Cross-Finger- 369 – Kombination mit Oligo-
Lappenplastik 315 STT-Arthrodese 117 daktylie 130
Spannungsgefühl 179 STT-Arthrose, Resektions- – komplexe 122
Spekula, Handchirurgie, arthroplastik 387 – mit Deltaknochen 146
minimal invasive 245 STT-Gelenk 227 – narbige, Korrektur 332
Spitzgriff 2 Stülpaverband 23 – Therapie 123
– Aufhebung 192 Stumpfbildung 268 Syndaktylietrennung
– Wiederherstellung 314 – Indikationen 29 – Daumen/Zeigefin-
– – Kraft 378 – praktisches Vorge- ger 339
Stack-Schiene 25 hen 30 – partielle 339
Stand-by-Draht 241 – Prognose 31 – Techniken 338
Staphylokokken 107, 111 f – Sekundäreingriffe 32 Synostose
Steinmann-Nagel 393 Subunguales Hämatom 85 – karpale 132
Stener-Läsion 71 Sudeck-Dystrophie – radiohumerale 132
Streckerhaubenruptur 37 – Stadieneinteilung 114 Synovialektomie
– Raffnaht 272 – Therapie 114 – Grundgelenk 390
Streckersystem, intrinsi- Sudeck-Typ, Prädisposi- – Handgelenk 390
sches 34 tion 114 – Mittelgelenk 390
Streckkontraktur Sulcus nervi ulnaris 197 Synoviales Chondrom 166
– Korrektur 331 Sulcus-nervi-ulnaris-Syn- Synovialitis
– MP-Gelenk 311 drom 197 – APL- und EPB-Seh-
– PIP-Gelenk 310 Superfizialis-Teno- nen 177
Strecksehnen dese 397 – Beugesehnen 193, 215,
– extrinsische 33 Supinatorloge 261 366
– intrinsische 34 Supinatorsyndrom 185 – Kanal 2. Strecker-
– Zeichen rheumatischer – Diagnostik 186 fach 176
Arthritis 216 – Operationstechnik 261, – – 3. Streckerfach 177
Strecksehnen-Anatomie 361 – osteofibröser Sehnenka-
– Finger 34 – Therapie 187 nal 177
– Hand 35 – Zugangswege 361 – Palpation 216
Strecksehnen-Nahttechni- Swanson-Platzhalterpro- – Silikon-S. 393
ken 271 these, Handgelenk 393 – tuberkulöse 182, 218
Strecksehnen-Ruptur, Swanson-Probierpro-
rheumabedingte 217 these 395
T
Strecksehnen-Synovialek- Symbrachydaktylie 121, Tabatière 33
tomie 391 125, 133 TAR-Syndrom 140
– Einteilung 133 Tasthaken 225
– mit Deltaknochen 146
411
Tendosynovialektomie

Tendosynovialekto- Thalidomid 139 Ulnaresektion, distale 394


Sachverzeichnis

mie 391 Thenarlappenplastik 315 Ulnarisdekompres-


Tendosynovitis, digitale, Thermische Verletzun- sion 368
Grundlagen 249 gen 103 Ulnariskompressionssyn-
Tendovaginitis Thrombosen, arterielle drom, distales 202
– Fingerbeugesehnen 176 und venöse 268 Ulnarisparese, Operations-
– Handgelenk 176 Thrombozytopenie 140 techniken 377
– – Operationstechni- Tollwutverdacht 112 Ulnavarianz 60
ken 357 Tourniquet 17 Ulnaverkürzungsosteoto-
– Intersektionssyn- Traction Tower, Handge- mie 227
drom 176 lenkdistraktion 224 Ulnokarpaler Komplex
– Musculus extensor polli- Tranquilli-Leali-V-Y-Lap- (TFCC) 226
cis longus, Opera- pen 312 Unterarm, Innervationsva-
tion 358 Transfixation, karpale 300 rianten 93
– – flexor carpi radialis, Transposition Unterarm-Fingergips-
Operation 358 – Daumen 343 schiene, nach Klei-
– Sehne des Musculus ex- – Finger 345 nert 282
tensor pollicis – ulnarer Zeigefinger Unterarmlappen 89
longus 177 (Snow-Littler) 340 – gestielter 323
– – – – flexor carpi ra- Transpositionslappen 232 – Variationsmöglichkei-
dialis 177 – Hueston, Fingerdefekt- ten 325
Tendovaginitis de Quer- deckung 319 Unterarmreplantation 267
vain 177 Trepanation, Fingerna- Untersuchung
– – – Technik der Korti- gel 312 – bei frischen Verletzun-
soninjektion 179 Tuberculum radii (Lis- gen 4
– – – Operationstech- ter) 33 – Motorik und Funktion 2
nik 357 Tumoren 154 – präoperative 16
– – – – endoskopi- – Blut- und Lymphge- – unkooperativer Pati-
sche 250 fäße 164 ent 2
– – – – offene, minimal – Diagnostik 154 Untersuchungsgang, all-
invasive 250 – Differenzialdiag- gemeiner 2
– – – und Tendovaginitis nose 155
stenosans 180 – Knorpel- und Knochen-
V
Tendovaginitis steno- tumoren 166 V-Phlegmone 110, 336
sans 179 – peripherer Nerven 163 V-Y-Lappen 318
– – Grundlagen 247 – Therapie 156 – Indikation 87
– – Operation am Dau- – Weichteiltumoren 160 – Kutler, bilateraler 313
men 359 Tunnelzange 259 – Tranquilli-Leali 312
– Operationstechni- Tütenbehandlung, ste- V-Y-Plastik, Daumenend-
ken 358 rile 104 glied 316
– – – perkutane 248 VACTERL-Assoziation 140
– – Therapie 180
U VATER-Assoziation 140
Tennisellenbogen 261 Übergang Venentransplantate 266
Tenodese – lunotriquetraler 227 Venkataswami-Dreiecklap-
– FCR-Sehne, bei SLD 307 – skapholunärer 227 pen, schräger 316
– dynamische, ECRL (Bleu- Überwärmung 107 Verätzungen 106
ler) bei SLD 309 Ulna-plus-Stellung 218 – operative Therapie 330
Tenodesetest 216 Ulnadefekte 130 – Sekundäreingriffe 330
– nach Sehnenumlage- Ulnahemisektion, dis- Verbandtechnik 23
rung 276 tale 394 Verbandwechsel 27
– Tonusbestimmung 236 Ulnahypoplasie/-apla- Verbrennungen
Tenolyse 274, 284 sie 132 – Diagnostik 103
Terry-Thomas-Zeichen 77 – Therapie 133 – konservative Thera-
TFCC (ulnokarpaler Kom- Ulnardeviation, bei rheu- pie 104
plex) 226 matischer Arthritis 213
412
Zystenbildungen, tumorähnliche

– operative Therapie 104, Watson-Matched-Ulna-Re- Zahnschlagverletzung 112

Sachverzeichnis
330 sektion 395 Zancolli-Lasso-Opera-
– Sekundäreingriffe 330 Watson-Test 77 tion 377
Verbrennungsgrade, Ein- Wattekompressionsver- Zeigefinger, Pollizisa-
teilung 103 band 24 tion 139, 345
Verschiebelappen 233 Weichteildefekte, Hand 88 Zickzack-Inzision 123
Vickers-Prozedur 131, 142 Weichteildistraktion, – dorsale 129
Vincula breve 40 quere 340 – Hohlhand 318
– longa 40 Weichteiltumoren 160 Zugangswege, Handge-
Vollhaut-Transplantat 231 Weichteilverletzungen 82 lenks-Arthroskopie 225
– Fingergrundglied-De- – Haut 312 Zuggurtungs-Osteosyn-
fekte 333 Wilhelm-Denervation 262 these 242
Vollhaut-Transplanta- Winterstein-Fraktur 48 Zweipunkt-Diskrimina-
tion 332, 338 Wundinfektion 112 tion 5, 196
Vorhofseptumdefekt 140 Wundrandnekrosen 341 – bewegliche 96
Wundverschmutzung, dif- – statische 95
W fuse 113 Zweipunkt-Diskrimina-
Wackeldaumen 206 tionstest 200
Waller-Degeneration 94
Z Zweizinkerhaken,
Wartenberg-Syndrom 187 Z-Plastik 232, 251 scharfe 252
– Grundlagen 260 – einfache 331 Zwischenfingerfalten 135
– Operationstechnik 364 – – oder mehrlap- Zwischenfingerkompres-
– – endoskopische 260 pige 339 sen 23
Warzen 156 – multiple 136 Zystenbildungen, tumor-
Water-Shed-Line 296 – Operationstechni- ähnliche 149
ken 232

413
Notizen

414
Notizen

415
Notizen

416
Notizen

417
Notizen

418
Notizen

419
Notizen

420
Endoskopische Operation des Kubitaltunnelsyndroms (s. a. S. 197)
Replantation: Vorbereitung

– Rettungsdienst über den Befund informieren, Indikation besprechen.


– Replantationsdienst über Ankunftszeit des Patienten informieren.
- Kompressionsverband am Stumpf anlegen, keine Klemmen, keine Ligaturen!
– Aufbewahrung des Amputats:
Steril in trockene oder gering feuchte Kompresse wickeln.
In wasserdichten Plastikbeutel legen.
Diesen in zweiten Beutel mit Eiswasser legen.
Transplantat darf nicht direkt mit Eis in Kontakt kommen. Keine Desinfektion!
Bei langem Transport evtl. Eis erneuern (Kühlbox).

Maximale kalte Anoxämiezeiten:


– Finger: bis zu 24 Stunden.
– Mittelhand: 8–10 Stunden.
– Hand: 5–6 Stunden.

Amputatkühlung zum Transport

Eiswasser (4°C)

Eiswürfel

wasserdichter
Plastikbeutel

Amputat in trockene Kompresse gehüllt


Telefon- und Piepsernummern

Stationen Konsile

Diagnostik Kliniken

Andere

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