Sie sind auf Seite 1von 24

Belgien -

Fragiler Föderalismus zwischen


Gemeinschaften & Regionen
"Sanior Pars"? Zweite Kammern im internationalen Vergleich - Dozent Richard Zensen
22.06.2021 Moissenko Alexander, Schwab Christian, Kittner Maximilian

https://brf.be/wp-content/uploads/2019/07/Senat_NicolasMaeterlinckBelga-635x423.jpg
GLIEDERUNG

1. DAS FÖDERALE BELGIEN, SEINE ZUSAMMENSETZUNG UND SEIN


STAATSGEBIET
2. DER BELGISCHE SENAT
3. VERSCHIEDENE GESETZGEBUNGSVERFAHREN
4. DIE BEZIEHUNG DES FÖDERALEN PARLAMENTS MIT
GEMEINSCHAFTEN/REGIONEN
5. VORGESCHICHTE UND GRÜNDE FÜR DIE AKTUELLE
STAATSREFORM
6. AUSWIRKUNGEN DER AKTUELLEN STAATSREFORM VON 2014
7. ZUKUNFTSAUSSICHTEN
https://brf.be/wp-content/uploads/2019/07/Senat_NicolasMaeterlinckBelga-635x423.jpg
1. DAS FöDERALE BELGIEN, SEINE ZUSAMMENSETZUNG UND
SEIN STAATSGEBIET
Art. 1
Belgien ist ein Föderalstaat, der sich aus den Gemeinschaften und den Regionen zusammensetzt.

Art. 2
Belgien umfasst drei Gemeinschaften: die Deutschsprachige Gemeinschaft, die Flämische Gemeinschaft und die Französische
Gemeinschaft.

Art. 3
Belgien umfasst drei Regionen: die Wallonische Region, die Flämische Region und die Brüsseler Region.

Art. 4
Belgien umfasst vier Sprachgebiete: das deutsche Sprachgebiet, das französische Sprachgebiet, das niederländische Sprachgebiet und das
zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt.

Jede Gemeinde des Königreichs gehört einem dieser Sprachgebiete an.

Art. 5
Die Wallonische Region umfasst die Provinzen Hennegau, Lüttich, Luxemburg, Namur und Wallonisch-Brabant. Die Flämische Region
umfasst die Provinzen Antwerpen, Flämisch-Brabant, Limburg, Ostflandern und Westflandern.
_______________________________________________________________________________________________________________
https://www.senate.be/deutsch/const_de.html

Sonderstatus für Hauptstadtregion Brüssel

Die Leitung des Landes befindet sich in den Händen von verschiedenen Partnern, die unabhängig ihre Befugnisse in ihren Bereichen
ausführen. -> föderales Recht ‚bricht‘ Gliedstaatenrecht nicht
Krumm 2015: Belgien: zentrifugaler Föderalismus
1. DAS FöDERALE BELGIEN, SEINE ZUSAMMENSETZUNG UND
SEIN STAATSGEBIET

https://www.senate.be/deutsch/Brochure-2014-2019_DU.pdf
2. DER BELGISCHE SENAT

https://www.senate.be/deutsch/Brochure-2014-2019_DU.pdf
2. DER BELGISCHE SENAT

Der Senat bildet zusammen mit der Abgeordnetenkammer das föderale Parlament.

Kammer und Senat gleichermaßen zuständig für

- Gesetzgebung

- internationale Beziehungen

- Beziehungen zwischen dem Föderalstaat einerseits und den Gemeinschaften und Regionen andererseits

- Einrichtung von Untersuchungsausschüssen

Senat kann Gesetzesvorschläge an Kammer verweisen, von der Kammer verabschiedete Gesetze aufgreifen,
diskutieren und Änderungsvorschläge anbieten

Die Abgeordnetenkammer hat immer das letzte Wort. -> politische Kammer

Der Senat beschäftigt sich mit Ausarbeitung und Verbesserung der Gesetzgebung. -> Denkkammer

https://www.senate.be/deutsch/visitors-guide_de.pdf
3. VERSCHIEDENE GESETZGEBUNGSVERFAHREN

Einkammerverfahren
verpflichtendes Zweikammerverfahren
nicht verpflichtendes Zweikammerverfahren und gemischte Gesetze

→ Mehrheit der Gesetze im Zweikammerverfahren

https://www.senate.be/deutsch/index.html
https://www.senate.be/deutsch/index.html
4. DIE BEZIEHUNG DES FÖDERALEN PARLAMENTS MIT
GEMEINSCHAFTEN/REGIONEN
Befugnisse Gemeinschaften Restbefugnisse der föderalen Regierung
- Unterrichtswesen - Verteidigung
- kulturelle Angelegenheiten - Justiz
- Personenbezogene Angelegenheiten (z.B. Krankenpflege) - Finanzen
- Soziale Sicherheit
Befugnisse Regionen
- Wirtschaft
- Öffentliche Arbeiten
- Transportwesen
- Umwelt
- Landwirtschaft

Durch die Direktwahl ihrer Mitglieder verfügen die Parlamenten der Regionen über eine eigene demokratische
Berechtigung. Dekrete der Gemeinschaften und Regionen sind auf gleichem juristischen Niveau wie föderale
Gesetze.

Das föderale Parlament darf Dekrete nicht widerrufen.

Dieser Unterschied im Vergleich zu vielen anderen Föderalstaaten lässt sich durch die Geschichte Belgiens erklären:
In Belgien haben sich die verschiedenen Körperschaften aus einem Zentralstaat heraus entwickelt. In den meisten
anderen Ländern haben sich ehemals unabhängige Gebiete zusammengeschlossen.
5. VORGESCHICHTE UND GRÜNDE FÜR DIE AKTUELLE
STAATSREFORM
1830: keine föderalistische Prägung des Senats
- Gründung Abgeordnetenhaus und Senat
- auf gleicher Basis
- Legislaturperiode des Senats je 8 Jahre
eher konservativ

-> Rolle eines Moderators, Oberklasse vom Abgeordnetenhaus


fernhalten

1993: Vierte Staatsreform


Senat bekommt seine heutige Rolle („Überlegungskammer“ und „Ort der
Zusammenkunft für die Gemeinschaften und Regionen)
5. VORGESCHICHTE UND GRÜNDE FÜR DIE AKTUELLE
STAATSREFORM
1995: erste gleichzeitige direkte Wahl aller drei regionalen Parlamente
-> bedeutender Schritt bei der Entwicklung zu einem föderalen Staat

Nach vier Jahrzehnten der Instabilität:


ab 1995 weitgehend stabile Regierungen
aber 2003: keine gleichzeitigen Wahlen auf föderaler und regionaler Ebene

Folge: flämische Christdemokraten stellten Regierung in der flämischen


Region, während sie auf föderaler Ebene der Opposition waren

-> Problem: die flämische Koalition nutzte ihre Macht auf der
substaatlichen Ebene, um Druck auf föderaler Ebene auszuüben
5. VORGESCHICHTE UND GRÜNDE FÜR DIE AKTUELLE
STAATSREFORM
2010: Nach der Parlamentswahl in Belgien kommt es zur Regierungskrise

-> Flämisch-separatistische Partei N-VA wird stärkste Kraft


-> Einigung auf eine neue Staatsreform und Regierungsbildung dauert
541 Tage (Weltrekord)
-> Sechste Staatsreform “Butterfly Agreement”
-> Bildung einer Koalitionsregierung aus sechs Parteien (ohne N-VA)
5. VORGESCHICHTE UND GRÜNDE FÜR DIE AKTUELLE
STAATSREFORM
Wesentliches Problem
Föderales System Belgiens durch den Gegensatz von Flandern und
Wallonien geprägt
Flamen (niederländischsprachige Einwohner der Region Flandern):
Erreichen von kultureller Autonomie (Schutz der eigenen Sprache und
Kultur)
Wallonen (französischsprachige Einwohner): mehr durch linke Politik
geprägt, Fokus auf wirtschaftliche Autonomie
5. VORGESCHICHTE UND GRÜNDE FÜR DIE AKTUELLE
STAATSREFORM
Die vier Machtsätze nach Patricia Popelier, die in föderalen Ländern
Zweitkammern zugeordnet werden können.
Befugnisse, die sich direkt auf die föderale Staatsstruktur und die
Funktionsweise der föderalen Einheiten beziehen.
1. Befugnisse mit Auswirkungen auf den politischen
Ermessungsspielraum der föderalen Einheiten, zum Beispiel
übereinstimmende Befugnisse
2. Befugnisse mit indirektem Einfluss auf den Ermessungsspielraum der
föderierten Einheiten
3. Befugnisse, die sich nicht auf die föderierten Einheiten beziehen
5. VORGESCHICHTE UND GRÜNDE FÜR DIE AKTUELLE
STAATSREFORM
Wesentliche Folgen der Sechsten Staatsreform:
- Reform des Senats (wird nicht länger direkt gewählt)
- Senat wird in eine Kammer transformiert, die aus Mitgliedern des
föderalen Parlaments besteht
- legislative Rechte des Parlaments stark beschnitten und auf
institutionelle Angelegenheiten konzentriert
- Abhalten von gleichzeitigen Wahlen auf europäischer, föderaler und
substaatlicher Ebene
5. VORGESCHICHTE UND GRÜNDE FÜR DIE AKTUELLE
STAATSREFORM
- 2014: Reduktion der belgischen Senatsmitglieder (bestehend aus 60
statt 71 Senatoren)
- 50 von 60 Sitze werden durch Senatoren besetzt, die von den
Parlamenten der föderalen Einheiten ernannt werden (Verteilung der
Sitze basiert auf den Wahlergebnissen der Gemeinden und Regionen)

-> Folge: Die Gemeinden werden direkt repräsentiert auf einem


föderalen Level über den Senat, aber ihre Sitze werden gemäß der
Wahlergebnisse des föderalen Senats verteilt und es gibt keine
Repräsentanz der Regionen
6. AUSWIRKUNGEN DER AKTUELLEN STAATSREFORM VON
2014

Dandoy et al. (2015): The New Belgian Senate


6. AUSWIRKUNGEN DER AKTUELLEN STAATSREFORM VON
2014

Dandoy et al. (2015): The New Belgian Senate


6. AUSWIRKUNGEN DER AKTUELLEN STAATSREFORM VON
2014
- Machtverteilung im Senat anders als in den Parlamenten der
Regionen und Gemeinschaften
- Uneinigkeit der Parteien bei der Interpretation der neuen Regeln (5%
Klausel etc.)
- Große Parteien zuerst / kleine Parteien benachteiligt
6. AUSWIRKUNGEN DER AKTUELLEN STAATSREFORM VON
2014
Aber: unterschiedliche Meinungen.
- Dandoy: kein massiver Effekt auf die Grundprinzipien des belgischen
Staates
- Sitzverteilung der Sprachgruppen bleibt gleich

Weiterhin proportionales Verhältnis bei der Repräsentation


- führte nicht zu einer anderen Parteienbildung und Zusammensetzung
- Senat vergleichbar mit Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses
und der Parlamente der Gemeinschaften
6. AUSWIRKUNGEN DER AKTUELLEN STAATSREFORM VON
2014
- deutschsprachiger Senator wird bei Beschlussfähigkeit allerdings
nicht mehr berücksichtigt

Reform führte trotz Nichtrechtfertigungspflicht der belgischen Regierung


vor dem Senat nicht zu einer Reduzierung instabiler Koalitionen

- Reform hat wenig Einfluss auf Herkunft und Karriereweg von


Senatoren

- keine finanziellen Ersparnisse?


7. ZUKUNFTSAUSSICHTEN

minimalistische Position:
Senat wird lediglich als Treffpunkt der teilstaatlichen Einheiten gesehen.
—> diese Position vertritt hauptsächlich die Nieuw-Vlaamse Alliantie im
Alleingang

maximalistische Position:
-Senat soll sich auch mit verschiedenen wichtigen gesellschaftlichen
Fragen beschäftigen

—> Dandoy: Tendenz geht wohl eher in diese Richtung


QUELLEN

Dandoy et al. (2015): The New Belgian Senate: A (dis)continued evolution of


federalism in Belgium

Goosens (2017): Electoral Reforms in Belgium’s Sixth State Reform

Krumm (2015): Föderale Staaten im Vergleich: Eine Einführung. Kap. 11. Belgien

https://www.senate.be/deutsch/index.html

https://www.senate.be/deutsch/Brochure-2014-2019_DU.pdf

https://brf.be/wp-content/uploads/2019/07/Senat_NicolasMaeterlinckBelga-635x423
.jpghttps://brf.be/wp-content/uploads/2019/07/Senat_NicolasMaeterlinckBelga-635x
423.jpg

Das könnte Ihnen auch gefallen