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Ernährungstherapie
Prof. Dr. Metin Senkal
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
Marien Hospital Witten
Künstliche Ernährung von
Intensivpatienten
www.dgem.de
Grundlagen kritisch kranker Patient
Parenterale Ernährung
Enterale Ernährung
Spezielle Patientengruppen
Zusammenfassung
Der „kritisch kranke Patient“
DGEM, 2018
Stoffwechselprozesse
Stoffwechsel
Anabolismus Katabolismus
• Katabolie (Proteinabbau)
• In der Frühphase einer kritischen Erkrankung baut der Körper Körpermasse ab, um zB
Aminosäuren bereitzustellen
• Dies führt zur Freisetzung endogener Speicher begleitet von einem schnellen
Muskelabbau
• Verlust an Muskelmasse: Intensivpatienten können in der ersten 5 Tagen ca. 850g/Tag
Muskelmasse verlieren
• Insulinresistenz
• Zusätzlich entwickeln die Patienten aufgrund einer Insulinresistenz eine stressinduzierte
Hyperglykämie, die mit einer erhöhten Mortalität verbunden ist
ben Intensivpatienten in der katabolen Phase einen hohen Protein-, jedoch relativ niedrigen Energi
Postaggressionssyndrom (PAS)
Enterale Ernährung
Klinische Ernährungstherapie 24 h nach Aufnahme beginnen bei absehbarer
fehlender Bedarfsdeckung durch orale Ernährung
Parententerale Ernährung
Supplementierenede parenterale Ernährung bei allen Patienten sobald die Zufuhr
aus enteraler Ernährung nicht ausreichend ist
KRITERIEN
■ Dauer, für die ein Patient nicht bzw. nicht ausreichend eine orale
Nahrung aufnehmen kann
■ Prinzipiell sollte ab 7 Tagen Nahrungskarenz (=Energieaufnahme
<500 kcal/Tag) eine künstliche Ernährung begonnen werden
■ Ernährungszustand
■ Je schlechter der Ernährungszustand, desto eher der Beginn der
künstlichen Ernährung
■ Ausmaß eines Hyperkatabolismus
■ Unbeabsichtigte Gewichtsabnahme, Stickstoffausscheidung
■ Spezielle Situationen und Stressfaktoren
■ Immunsuppression, Verbrennung, maligne Erkrankung, Sepsis
Keine künstliche Ernährung
• Ethische Aspekte
• Indirekte Kalorimetrie
• Wenn keine Kalorimetrie zur
Verfügung steht, sollte das kalorische
Ziel bei nicht adipösen kritisch
kranken Patienten mit
24 kcal/kg aktuelles
Welches Verfahren sollte zur Bestimmung
Körpergewicht/Tag
des Energieumsatzes verwendet werden?
geschätzt werden.
• Keine komplexen Formeln zur
Berechnung des Energieumsatzes
verwenden.
Energieverbrauch
• Energiebilanz =
Energieaufnahme – Energieverbrauch
24 kcal/kg Körpergewicht/Tag
• Der geschätzte Energiebedarf von 24 kcal/kg KG/ Tag entspricht dem Energiebedarf bei
körperlicher Ruhe. Dieser Ruheenergiebedarf erhöht sich durch körperliche Aktivität. Eine
geringe körperliche Aktivität mobiler Patienten sollte mit einem Aktivitätsfaktor von 1,2 bis
1,3 berücksichtigt werden.
• Für mobile Patienten ergibt sich daraus ein geschätzter Energiebedarf von
30 kcal/kg Körpergewicht/Tag
Energiebedarf von Intensivpatienten - Faustregel
• Für eine Ernährungslösung mit einer Energiedichte von 1.0 kcal/ml kann
Körpergewicht/Tag.
ml/h gewählt und damit eine Energiezufuhr von 1800 kcal/24 h erreicht.
Bedarfsgerechte Ernährung von Intensivpatienten
Kalorisches Ziel
in 24 h
24 kcal/kg/d
tein und Energiezufuhr von erwachsenen Intensivpatienten in der akuten Phase d
22-25 kcal/kg
Eine mittlere Zufuhr von 1 g AS/kg KG/Tag
Sollte nicht unterschritten werden
Ideales KG/Tag
Energiebedarf
NÄHRSTOFFE
Komponenten der parenteralen Ernährung
Makronährstoffe Mikronährstoffe
– Aminosäuren – Vitamine
– Kohlenhydrate – Spurenelemente
– Fette
• Elektrolyte
• Wasser
Aminosäuren - Proteine
Indikationen /
Kontraindikationen Funktion
• Bei parenteraler Ernährung sollen • Lieferung von Stickstoff
Aminosäuren stets infundiert werden. • Bereitstellung von essentiellen
• Kontraindikationen gegen Aminosäuren als Vorstufe für die
Standardaminosäurelösungen sind endogene Proteinsynthese
angeborene Stoffwechselstörung (z.B. • Keine dominierende Energiequelle
Phenylketonurie, Ahornsirupkrankheit
etc.)
Krankheitsbedingter Aminosäurebedarf
Eiweiß / Proteine
Parenterale Ernährung
Aminosäuren
• Osmolarität:
– 5%: 430 mosmol/l
– 10%: 850 mosmol/l
– 15%: 1300 mosmol/l
• Krankheitsspezifische Lösungen
– Leberversagen: 5% - AS-Lösung (höherer Anteil verzweigtkettiger AS)
– Nierenversagen: 10% AS-Lösung
Glukose - Kohlenhydrate
Indikationen /
Kontraindikationen Funktion
• Bei parenteraler Ernährung sollen Kohlenhydrate
• Lieferung von Energie
stets infundiert werden.
• Standard: Glukose • Dominierende Energiequelle (60% der
• Zuckeraustauschstoffe wie Xylit wird aufgrund Energie sollen aus Kohlenhydraten
kontroverser Datenlage nicht empfohlen
infundiert werden)
• Keine Fruktoselösungen
• Eine Hyperglykämie kann neben der Insulingabe
die Reduktion oder Unterbrechung der Zufuhr
von Glukose notwendig machen
• Eine parenterale Ernährung ist am wirksamsten,
wenn Kohlenhydrate (Energie) in Kombination
mit Aminosäuren (Baustoffe) verabreicht werden.
Kohlenhydrate
Funktion Energielieferant
Ausgangssubstanz verschiedener Biosynthesen
Größte Glukose
Bedeutung Mindestbedarf von 140 g/Tag für glukoseabhängige Organe
(Gehirn, Erythrozyten, Nebenniere)
Kohlenhydrate - Klassifikation
Monosaccharide
Glukose (Traubenzucker), Fruktose (Fruchtzucker), Galaktose (Schleimzucker)
Disaccharide
Gluktose + Fruktose
Saccharose (Rohrzucker)
Glukose + Glukose
Maltose (Malzzucker)
Glukose + Galaktose
Laktose (Milchzucker)
Polysaccharide Glykogen
Amylose
Tierische Stärke
Pflanzliche Stärke
• Glukose
• 5-40 % Lösungen
• Osmolarität:
– 10%: 555 mosmol/l
Indikationen /
Kontraindikationen Funktion
• Bei parenteraler Ernährung sollen • Lieferung von Energie (30-40%)
Fettsäuren infundiert werden. • Ausgangssubstanz für
• Spätestens nach einwöchiger Entzündungsmediatoren
parenteraler Ernährung ist die Gabe • Strukturfunktionen
von Lipidemulsionen erforderlich
Funktion Energielieferant
Ausgangssubstanz für Biosynthesen
Bestandteil biologischer Membranen
• 10-20% Emulsion
• Osmolarität:
– LCT 10%: 260-330 mosmol
■ Langkettige Fettsäuren
- Gesättigt ++ ++ (+)
- Einfach ungesättigt ++ ++ (+)
- Mehrfach ungesättigt
- Linolsäure oder w-6-Familie 0 +++ +++
- Linolensäure oder w-3-Familie 0 +++ +++
Fette – Bedeutung im Organismus
• Energielieferant
• Bestandteil von Zellwänden
• Bestandteil von Hormonen
• Träger fettlöslicher Vitamine
• Ausgangssubstanzen für Eicosanoide
– Prostaglandine, Leukotriene, Thromboxane
• Fettgewebe
– Energiespeicher
– Organpolster
– Wärmepuffer
Vitamine und Spurenelemente
MIKRONÄHRSTOFFE
Mineralstoffe und Spurenelemente
• Essentielle Nährstoffe
• Nur in Spuren im Körper vorhanden (Ausnahme Eisen)
• Funktion
– Bestandteile von Enzymen und Hormonen
– Gewährleistung biochemischer Prozesse
• Für eine optimale Wirksamkeit sollten wasser- und fettlösliche Vitamine immer gemeinsam verabreicht
werden.
• Bestimmung von Plasmakonzentration der Vitamine ist teuer und spiegelt nicht den tatsächlichen
Vitaminstatus wider
• Fett- und wasserlösliche Vitamine bei allen parenteral ernährten Patienten vom ersten Tag an
substituieren.
• Wie hoch soll die Kalorienzufuhr in Die Kalorienzufuhrrate sollte mit 50-
der Akutphase sein?
75% des geschätzten
Energieumsatzes beginnen, und sollte
entsprechend der individuellen
metabolischen Toleranz so gesteigert
werden, dass bis zum Ende der
Akutphase (4 Tage nach Beginn der
kritischen Erkrankung) 100% des
Kalorienziels erreicht werden.
Parenterale Ernährung
Ernährungsaufbau
Normoenergetische Ernährung
Hypoenergetische Ernährung
Tag 1. 2. -3. 4.
Zugang für parenterale Ernährung
Tage) Ernährungsunterstützung
• Kritisch Kranke
Parenterale Ernährung
Zugangswege
• ZVK-Sepsis
• Thrombophlebitis
• Katheterokklusion
• Pneumothorax
Parenterale Ernährung
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Total Parenterale Ernährung - Applikationssyteme
Mehr-Komponenten- Dreikammer-Sytem
Sytem Zweikammer-Sytem („All-in-One“)
„All-in-one“-Ernährung für kritisch kranke Patienten
DGEM 2007
■ All−In−One Ernährung
(AIO)
■ Sicher
■ effektiv und
■ risikoreduziert
• Absolut notwendige Nährstoffe werden zugeführt (für Glukoseabhängige Zellen und zur
Verbesserung der Utilisation der zugeführten AS)
Energiezufuhr 24 kcal/kgKG/Tag
Nährstoffgemisch Komplettes Nährstoffangebot inkl. Vitamine, SPE,
Elektrolyte
Glukose Max. 5 g/kgKG/Tag
Fett 1,0-1,8 g/kgKG/Tag (30-50% der Gesamtkalorien)
Aminosäuren 1-1,5 g/kg/KG/Tag
Indikationen
• Normokalor. TPN > 5-7 Tage
• Ausgeprägte Katabolie
• Reduzierter EZ
Normokalorische TPN
Gewichtsadaptiert
60-70 kg 1500 kcal/Tag
Volumengesteuert 1 ml = 1 kcal
Indikationen
• Absolute Ausnahmen
• Schwerkranke
• Metabolisch Instabile
• Ausgeprägte Katabolie
Bilanzierte Parenterale Ernährung
65 kg Patient
30 kcal/kg KG
Cave:
BZ > 180 mg%
Triglyceride > 350 mg%
Sax , Surgery 1986, JW Alexander et al. Ann Surg 1989, Van den Berghe, 2001
Blutzucker
Empfehlung
Kardiol/kardiochirurg. Intensivpatienten:
BZ 80-110 mg/dL
• Triglyceride > 350 mg/dl (4,2 mmol/l): Fettzufuhr reduzieren bzw. beenden
die Kalorienzufuhr so weit reduziert werden, bis eine Toleranz erreicht ist
Metabolische Intoleranz: BZ >180 mg/dl trotz Insulinzufuhr von >4IE/h, Plasmaphosphat <0,65 mmol/l
• Hyper-/Hypoglykämie
• Hypertriglyceridämie
• Hyperkapnie
• Refeeding-Syndrom
• Störungen
– des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts
– des Säuren-Basen-Haushalts
– im Vitamin- und Spurenelementhaushalts
Parenterale Ernährung – Refeeding Syndrom
ENTERALE ERNÄHRUNG
Grundlagen - Darm im Stresszustand
mesenterialer Blutfluss
Hypoxie
BAKTERIELLE TRANSLOKATION
Physikalische und immunologische
Barriere
ENTERALE ERNÄHRUNG
Direkte Energiezufuhr
und mechanischer Kontakt
endokrin parakrin
Splanchnikus-
durchblutung
Intestinale Zellproliferation
und Differentation
Unter einer enteralen Ernährung versteht man die
Verabreichung von Nährstoffen über Sonden in den
Gastrointestinaltrakt.
24 h = Ideal
48 h = Akzeptabel
Minard, Kudsk: New Horizons, 2, 156 - 163, 1994
Indikationen - enterale Ernährung
• Schluckstörung • Malabsorption
– Geriatrie – Prätransplant
– Anorexie – Onkologie
• Immuntherapie – Leberzirrhose
– Intensiv – Nierenversagen
– Präoperativ
– Onkologie
Enterale Ernährung
Indikationen
• Verbrennung
• Polytrauma
• Schädelhirntrauma
• Kritisch Kranke
• Starke GI-Blutung
• Magen • Jejunum
– Schluckreflexe erhalten – Unabhängig von
– Ernährungspausen – Lageunabhängig
Sedativa
Mech. Beatmung Abdominal-, Schädel-Hirn-Trauma
• Gastrale Dekompression
Dekompression
Ernährung
Enterale Ernährung - Multilumensonden
Enterale Ernährung - Multilumensonden
Magenschenkel
Dünndarmschenkel
Enterale Ernährung - PEG und PEG/J
• Wann sollte die Anlage eines Bei kritisch kranken Patienten mit
perkutan-enteralen Zugangswegs einer Indikation für eine enterale
erfolgen?
Ernährungstherapie voraussichtlich
für länger als 4 Wochen kann die
Anlage einer PEG/PEJ erfolgen
Enterale Ernährung - Perkutane Multilumensonden
Indikation
generell bei traumatisch
oder postoperativ
bedingten Motilitäts-
störungen
Enterale Zugänge
CHIRURGISCHE SONDEN
Laparoskopische Katheterjejunostomie
Laparoskop. Katheterjejunostomie
Offene Katheterjejunostomie
Offene Katheterjeunostomie
Offene Katheterjeunostomie
Enterale Ernährung
Zugangswege - FKJ
Enterale Ernährung
Zugangswege - FKJ
ENTERALE FORMULADIÄTEN
Enterale Ernährung - Diäten
Hochmolekular
Niedermolekular
Spezialdiäten
Bausteine der Ernährung
• Proteine (Aminosäuren)
• Energie (Kohlehydrate, Fette)
• Flüssigkeit
• Elektrolyte
• Spurenelemente
• Vitamine
Enterale Diäten
• Bilanziert
• Steril
• Jederzeit verfügbar
• Für dünne Sonden geeignet
• Langzeiternährung möglich
• Krankheitsspezifische Ernährung
Enterale Ernährung
Diäten
• Standarddiät (1kcal/ml)
• Beginn: in 24-48 h
• Stufenweiser enteraler Aufbau
Parenteral
Enteral
10 20 40 60 80 ml/h
1 2 3 4 5
Adipöse kritisch kranke Patienten
DGEM 2018
Standard Formuladiät
0,5-0,8 kcal/ml
• Niedrig anfangen (10 ml) und stufenweise über mehrere Tage erhöhen