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ARTHUR-HERMANN FINK

1* i
WORTKUNST
UNTERSUCHUNGEN
ZUR S P R A C H - UND L I T E R A T U R G E S C H I C H T E
H E R A U S G E G E B E N VON O S K A R W A L Z E L / B O N N MAXIME
NEUE FOLGE NEUNTES HEFT
Die »Untersuchungen zur neueren Sprach- und Literaturge-
schichte«, die 1905—191Q zuerst im Verlag von A. Francke in UND FRAGMENT
Bern, dann bei H. Haessel in Leipzig erschienen waren, sollen
in der neuen Reihe, deren Überschrift »Wortkunst« zugleich
ein festumschriebenes Programm bedeutet, nach langer Unter- GRENZMOGLICHKEITEN EINER KUNSTFORM
brechung auf neugewonnenem Boden fortgesetzt werden. Sie *
sollen allen eine Unterkunft gewähren, die mit dem Herausgeber
die Überzeugung teilen, daß Dichtkunst zunächst eine Kunst des ZUR M O R P H O L O G I E DES APHORISMUS
Wortes ist, daß daher Erforschung von Dichtungen vom Worte
auszugehen hat. Diese Überzeugung, in der sich der Heraus-
geber mit vielen einig weiß, hat er in mehreren seiner neueren
"Veröffentlichungen vertreten, zunächst in dem Bande »Gehalt
und Gestalt im Kunstwerk des Dichters«, des »Handbuchs der
Literaturwissenschaft«, das der Verlag Athenaion bringt, dann
in der Aufsatzsammlung »Das Wortkunstwerk« (Leipzig 1926),
endlich in dem Heft »Der Dichter und das Wort« (Bonn a. Rh.
1927)-
I. H E F T : Dr. Luise Thon; Die Sprache des deutschen Impressionismus.
VIII, 176 S. 6.75 Mark * In der Subskription 5.40 Mark
II. H E F T : Kurt Brösel: Veranschaulichung im Realismus, Impressionis-
mus und Frühexpressionismus. VII, 64 S. 2.25 Mark * In der Sub-
skription 1.80 Mark
III. H E F T : Felix von Trojan, Lektor, Wien: Handlungstypen im
Epos. Die Homerische Ilias. Mit 1 Tafel u. tabell. Übersicht 188 S.
8.55 Mark * In der Subskription 6.75 Mark
IV. H E F T : Magdalene Klein: Shakespeares dramatisches Formgesetz.
85 S. 3.15 Mark * In der Subskription 2.50 Mark
V. H E F T : Ernst Heidelberger: Formen der Publizistik bei Börne und
Courier. 103 S. 3.60 Mark * In der Subskription 2.85 Mark
VI. H E F T : Paul Tack: Überrollenmäßige Sprachgestaltung in der
Tragödie. 64 S. 2.25 Mark * In der Subskription t.80 Mark
VII. H E F T : Oskar Watzel, Bonn: Das Prometheussymbol von Shaftes-
bury zu Goethe. 1 1 0 S. 4.25 Mark * In der Subskription 3.40 Mark MAX HUEBER V E R L A G / M Ü N C H E N
VIII. H E F T : Ernst Foege: Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit in der
Lyrik. 147 S. 5.60 Mark * In der Subskription 4.30 Mark 1934
IX. H E F T : Arthur-Hermann Fink: Maxime und Fragment. 114 S.
4.50 Mark * In der Subskription 3.60 Mark
Formeln für Kunstindividuen finden, durch die sie im
eigentlichsten Sinn erst verstanden werden, macht
das Geschäft des artistischen Kritikers aus. . . .
Novalis.

Une véritable connaissance, c'est le produit d'une co-


naissance.
C. SUMME:
I. System S. 91 — 2. Menschliches S. 91 — 3. Gesellschaft und
Wissenschaft S. 92 — 4. Aphoristische Stile und verwandte Kunststile
S-93-
D. DER „APHORISMUS" 101

ANMERKUNGEN 106
T A B E L L E ZU GHAMFORT 111
LITERATURVERZEICHNIS 112
VORBEMERKUNGEN
1. A b k ü r z u n g e n :
La Rochefoucauld: LR.;
Chamfort: Ch.;
Friedrich Schlegel: Schi.;
Novalis: No.;
Lyceum (sfragment) : L. ;
Athenäum (sfragment) : A. ;
Idee(n) : I.;
Blütenstaub (fragment) : BL;
Handschrift des Bl.: Hs.;
Maxime (n) : M. ;
Aphorismus, Aphorismen: Aph.; aphoristisch: aph.;
Fragment(e) : Frg.;
a, ß, Y usw. sind die einzelnen Sätze eines Aph.;
Hauptsatz: H, Nebensätze 1., 2., 3 usw. Grades: N, N', N" usw.;
H N
Teile von Haupt-, bzw. Nebensätzen: — , —
X X
2. Diese Arbeit möchte auf dem Gebiet des „Aphorismus" einige
gröbere Klärungen vornehmen; herrscht hier doch große Verwir-
rung. A p h . : das ist fast j e d e r (inhaltlich) s e l b s t ä n d i g e
P r o s a s a t z . Und nicht erst heute. Schon im Altertum. Das lo-
gische Merkmal (Aph. = Definition) wurde früh verwischt.
Ich möchte nun den e i g e n t l i c h e n A p h . enger fassen, indem
ich ihn zunächst formal abgrenze gegen die Grenzmöglichkeiten
des Aph. im allgemeinen Sinn und dann versuche, ihn positiver
zu u m s c h r e i b e n . Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich des-
halb in ihren vier analytischen Kapiteln mit diesen Grenzmöglich-
keiten.
3. „Maxime und Fragment" heißt so ihr Titel. Das ist einzu-
schränken: es handelt sich hier nur um die Maximen La Roche-
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foucaulds und Chamforts und um die „Fragmente" Schlegels und gungen konstruierten poetische Formen mathematisch (z.B. das
Novalis'. Wie ich zu dieser Gegenüberstellung kam? Ich beschäf- Sonett als Kubus).
tigte mich mit den „Fragmenten" der Romantik und kam so zu 8. Ein schwieriges Kapitel ist der N u m e r u s . Schwierig deshalb,
der Beziehung Schlegels zu Chamfort. Des Gleichgewichts und des weil er keine objektive Größe ist. Numerus ist ein romanisches
größeren stilistischen Gegensatzes wegen untersuchte ich auch La Stilmerkmal („Zahl"). So kann man in der französischen Prosa
Rochefoucauld genauer. Es zeigte sich, daß bei aller Verschieden- wie in der Poesie die Silben zählen, aber in der deutschen Prosa
heit untereinander La Rochefoucauld und Chamfort sich doch geht das wohl so wenig wie in der deutschen Poesie an. Man
gegenüber Schlegel und Novalis deutlich absetzen. Nicht nur, daß müßte hier vielleicht nach Hauptakzenten (und ihrer „melodi-
jene Franzosen, diese Deutsche sind, daß sie zugleich sehr charak- schen Verteilung") fragen. Aber auch das ist labil. So habe ich
teristische Vertreter zweier polarer Kunstwillen sind, die man gern mich für den Numerus der Frg. auf deutlichen „trochäischen"
als romanisch und germanisch bezeichnet hat: „M." und „Frg." oder „jambischen" Numerus (schlechte Hilfsbegriffe, die mir er-
bilden zwei Grenzmöglichkeiten, als deren Mitte sich der eigent- laubt seien) beschränkt. Leider habe ich diese Begriffe nicht
liche Aph. ergibt. gleichbleibend verwandt, aber ich hoffe, daß sie doch deutlich
4. „Man muß mehr ihren Duft atmen, als ihre Früchte essen", sind. Ich spreche von „Schrumpf-" und „Schwellstil", von De-
fordert Gundolf in seiner glänzenden Charakteristik der Frg. crescendo- und Crescendo-Numerus und verstehe darunter Nu-
Schlegels1. Damit rührt er an das Problem der wissenschaftlichen meri, die auf längere S a t z t e i l e kürzere folgen lassen und um-
Zergliederung des Aph., das dem entsprechenden der Lyrik ver- gekehrt. „Trochäischer Numerus" bedeutet bei LR., der meist nur
wandt erscheint. Aber es ist doch ein grundlegender Unterschied einsätzige Aph. hat, daß das zweite Glied des Numerus ungefähr
bemerkbar: der Aph. hat sehr viel rationale, bewußte Elemente in halb so viel Silben hat wie das erste; „trochäischer" oder „jam-
Gehalt und Gestalt, die der anatomische Forscher wie Nerven aus- bischer" Numerus bedeutet bei den übrigen, die meist Aph. von
einanderlegen kann. mehreren Sätzen haben, daß auf lange g a n z e S ä t z e kürzere
5. Diese Arbeit behandelt fast nur die Gestalt. Der Gehalt ist folgen oder umgekehrt. Ob ich bei den Franzosen immer den rich-
schon oft untersucht worden, und meist, ohne daß die Gestalt be- tigen Numerus herausbekommen habe, weiß ich nicht. Ich bitte
rücksichtigt wurde. Dennoch wird man mir keinen öden Formalis- als Nichtfranzose um Nachsicht. In der Silbenzählung folge ich
mus vorwerfen können, streife ich doch auch wesentliche Züge der Praxis Lansons. Weiter kann ich hier auf die Numerusproble-
des Gehalts und gehe ich doch vor allem auf die geistige S t r u k - matik nicht eingehen.
tur, auf die geistige Vorform und Spielform aus. Zudem ist die 9. Chs. M. habe ich (nach der Ausgabe von Auguis) numeriert.
Gestalt beim Aph. keine Oberflächenerscheinung, sondern Tiefen- Eine vergleichende Tabelle befindet sich am Schluß dieser Arbeit.
erscheinung: der Gehalt ist nebensächlicher, kann schon oft da- 10. Ich habe den „konträren Gegensatz" aus dem Oberbegriff
gewesen sein. Aber das Neue, Frappante ist die Gestalt. Zuletzt „kompatibler Gegensatz" herausgezogen und verselbständigt.
sind Gehalt und Gestalt korrelativ und nicht verabsolutierbar. 11. Diese Arbeit kann das Wichtigste nur berühren, andeuten und
6. Die kennzeichnendste Gestalt habe ich jedesmal herausgegrif- in großen Zügen zeigen, da noch wenig Vorarbeiten vorhanden
fen und stärker betont. Wie alle Sprachform ist der Aph. jedoch sind.
eigentlich gestaltlos wie die Elektrizität. Er ist nicht statisch, archi- 12. Wenn ich ihre Gestalt dem Gehalt zuweilen angepaßt habe,
tektonisch, sondern dynamisch, musikalisch. Der Musik aber lie- hoffe ich auf Verständnis.
gen mathematische Verhältnisse zugrunde. 13. Ich habe oben ein anspruchsvolles Motto gewählt: aber nicht
7. So habe ich in den bildlichen Strukturformeln auf die „reinen im Gefühl der Erfüllung seines Inhalts, nicht als erreichtes Ziel,
Formen" der Geometrie zurückgegriffen, aber für die Frg. genügte sondern als Weg, als Sehnsucht.
auch das noch nicht. Sie verlangen noch feinere, abstraktere Bil-
der. Auch die Romantiker mit ihren magisch-mathematischen Nei-
10 11
Kurzgefaßte Sprüche jeder Art weiß ich zu ehren, besonders,
wenn sie mich anregen, das Entgegengesetzte zu überschauen
und in Übereinstimmung zu bringen. Hat doch der ver-
nünftige Mann noch keine andere Beschäftigung gehabt.

Goethe.

Den wert der dichtung entscheidet nicht der sinn (sonst


wäre sie etwa Weisheit gelahrtheit) sondern die form d. h.
durchaus nichts äußerliches sondern jenes tief erregende in
maaß und klang . . .
George.
LA ROCHEFOUCAULD
1. Oft schon wurde gesagt, allen M. LRs. läge dieselbe F o r m e l
zugrunde.
Diese eine, fühlbare Formel ist einmal zu erkennen und zu um-
schreiben.
Vorher einiges Vorbereitende.
2. Eine Anzahl Forscher haben auch für LR. Einflüsse nachgewie-
sen (nur des Gehaltes, die Gestalt erkennen sie alle LR. als Eigen-
tum zu). Daß dabei wenig Fruchtbares herauskommt, diese Er-
kenntnis hat sich wohl heute durchgesetzt. Aber solche Arbeiten
können sehr fruchtbar werden, sobald sie nicht auf gehaltlichen
Einfluß, sondern auf Gestaltforschung ausgehen. Da ist z. B. Drey-
fus-Brisac, der leider nur Stellen von oft gesucht ähnlichem Ge-
halt untereinander stellt, ohne ihre stilistische Verschiedenheit zu
untersuchen. Aber nur durch Vergleich läßt sich über Stile etwas
aussagen, allerdings dann sehr viel.
Ich versuche mich hier an zwei von seinen Beispielen aus
S e n e c a , mit dem unser Autor die Antithesensucht, Systemlosig-
keit und vielfach den Gegenstand gemeinsam hat. Als Signatur
von Senecas Stil stellt Norden fest: die Auflösung der Periode in
„minutissimae sententiae". Auch die geistige Umwelt war dieselbe,
beide lebten in Zeiten des Klassizismus, die „sordida et cotidiana
vocabula" mieden und so im Wortschatz verarmten \ LR., der
nach seinen eigenen Worten die Lektüre liebte, „qui peut façonner
l'esprit et fortifier l'âme" und die zum Überdenken durch meh-
rere Menschen reizte2, hat Seneca gekannt: er nennt ihn einmal
einen Heuchler8, er wetteiferte bewußt mit ihm: die ersten Aus-
gaben der „Maximes" zeigen einen Knaben, der Senecas Büste
Maske und Lorbeer raubt; er konnte Latein, doch lag überdies der
Römer in einer Übersetzung von Malherbe vor, die Dreyfus-Brisac
leider nur zweimal und ohne das Original LR. gegenüberstellt.

15
auch hier: keine scharfe Antithese, sondern gemildert („neutra s.
Diese Proben aber zeigen in der Wortgebung, daß LR. Seneca
— s. dolor"). Durch (obwohl auch gedämpften) Chiasmus erreicht
wahrscheinlich in dieser Übersetzung gelesen hat, ebenso hat er
LR. hingegen scharfe Gegensätze und eine stark fühlbare Einheit.
wohl Epiktet in der Übersetzung von Du Vair gekannt.
Ebenso fehlt bei Seneca der Gegensatz zu „praeterierunt — futura",
Der Vergleich ist erlaubt, weil der französische Prosastil in erster
• den LR. bringt. Sodann verlegt LR. den Ansatzpunkt aus dem
Linie mit dem antiken verglichen werden kann4, und wenn auch
Gefühl („sentire") in den Verstand („la philosophie"), dadurch
Seneca keine einzelnen Sentenzen gab, sondern Briefe und Ab-
erreicht er gestaltlich größere Schärfe und gehaltlich tiefere Be-
handlungen, so war auch der tägliche Briefstil bei den Römern gründung. Außerdem (ein allgemeines Merkmal seiner M.) ist die
jener Zeit formal sehr durchgebildet6 und Seneca schrieb ja im- Einheit (des Gefühls) aufgegeben und an ihre Stelle eine barocke,
mer sententiös. kämpfende Vielheit (Verstand und Übel) von gleichwertigen, aber
Nun die Beispiele6: nicht gleich starken, personifizierten Kräften getreten.
Seneca, Brief 94 an Lucilius.
Et quae praeterierunt, / et quae futura sunt, / absint, / neutra sentimus. Seneca, Über den Zorn.
Non est autem / nisi ex eo quod sentias / dolor. Saepe adulatio, / dum blanditur, / offendit.

La Rochefoucauld, Ausg. 1665, M. 25 (1678, M. 22). La Roch., Ausg. 1665, M. 153 (1678, 148).
La philosophie triomphe aisément des maux passés / et de ceux qui ne Il y a des reproches qui louent / et des louanges qui médisent.
sont pas près d'arriver, / mais les maux présents triomphent d'elle.
Senecas Numerus ist wieder verkürzt: 7, 4, 3. Bei LR. harmonisch:
Zunächst: gemeinsam ist beiden der — ich greife vor — („apho-
9, 8. Seneca gibt hier eine abgeschlossene Sentenz. Das zeigt sich
ristische") „trochäische" Numerus: — u . Aufs Große gesehen,
formal durch die „Klammerung": der Nebensatz ist in den Haupt-
bietet Seneca einen langen Satz von 20 Silben, dem ein kurzer
satz eingeschaltet und trennt so die beiden wichtigsten Worte (ge-
(mit der herabschießenden Pointe als Klausel) mit 15 folgt.
brochenes Satzverhältnis). Die Klausel ist eine Antithese zum vor-
Im einzelnen ist es so: zwei ungefähr gleich lange (7, 6 Silben)
hergehenden Wort. Aber die Antithetik ist schwach: „adulatio"
antithetische Nebensätze, dann Einschub: kurzes synthetisches
(durch das analytische „blanditur" verstärkt, was die Gestalt
Merkmal (2), Folgerung (5). Der zweite Satz ist so gebaut: 4, 9, 2.
schwächt) enthält schon für den „honnête homme" etwas Wider-
Auch er zeigt schrumpfenden Numerus.
liches. Eine weitere Schwächung enthält die Sentenz durch
LR. hat ebenfalls deutlich geschiedene, antithetische Sätze, mit
„saepe". LR. gibt wieder schärfere Gegensätze, meidet jedoch (ist
dem Bilde — u (25, 10, genauer, da es sich um drei Teile handelt:
er doch auch Klassizist) die grellsten „lumina". Er bietet wieder
14, 11, 10: also durchgehend verkürzt). Berücksichtigen wir aber
Chiasmus, wieder gestaltlich gemildert, unscharf: er sagt nicht
nicht die von Dreyfus-Brisac herangezogene Ausgabe, sondern die „reprochent", sondern „médisent", was auch inhaltlich natürlich
von 1678, so sehen wir, daß LR. das numerische Mißverhältnis viel besagt. Er hat nicht nur e i n Gegensatzpaar, sondern deren
zwischen den Entsprechungen „maux passés" und „ceux qui ne z w e i , gehaltlich heißt das in diesem Falle: er überschaut auch
sont pas près d'arriver" aufgehoben hat durch „maux passés" die antithetische Antithese von Senecas Antithese, er gibt Gegen-
und „maux à venir", so daß jetzt der Numerus rein trochäisch: sätze, ja Oxymora. Diese Beispiele wären natürlich zu vermehren,
20, 10. was hier nicht angeht. Festzustellen ist also, daß der Stil LRs.
Aber: LR. bietet eine viel größere Konzentration und Spannung gegenüber Seneca schärfere Verstandestätigkeit und größere ge-
gegenüber Seneca. Seneca hat zwei Sätze (LR. einen), der erste staltliche Einheit aufweist.
ist zu selbständig, der zweite, der zwar scharf antithetisch mit
3. E i n E i n f l u ß muß erwähnt werden, nämlich der der Gesell-
„non" und „autem" beginnt, wird nicht vorbereitet (LR. erreicht
schaft, d. i. der F r a u e n , auf die Gestalt der M.. Deschanel spricht
diese Vorbereitung durch „aisément"). So hat Seneca nur eine
von ,,1'élégance mondaine, la clarté, le tour, le goût et la grâce",
relative Spannung, eine rückweisende Spannung, die sich auch
die die Konversation, vor allem die der Frauen, der französischen
in der variierten Wiederholung des Verbs zeigt („sentire"), aber
F i n k , Maxime und Fragment 81
80 6
Literatur im allgemeinen gegeben hat. „Nulle part les femmes M. 6 (2) : LR., der Klassizist, mildert (s. o. bei Seneca) den schon
n'ont eu autant d'influence sur les choses littéraires7." Im Salon an sich unscharfen Chiasmus in Parallelismus (wenigstens schein-
der Frau v. Sablé nun machte man, von ihr angeregt, Maximen bar), der Gehalt wird dadurch übersichtlicher; „quasi toujours"
und Sentenzen als Gesellschaftsspiel, und LR. war nur der aner- wird dem vorhergehenden „souvent" angeglichen und auch
kannte Meister. Victor Cousin berichtet eine hübsche Einzelheit: „souvent".
„II [LR.] en [des M.] envoie à Mme. de Sablé, et lui demande en M. 7 : Der bestimmte Artikel fällt, dadurch Verallgemeinerung.
retour quelque bon plat ou quelque bonne recette"8. M. 10: Gestalt wird geschwächt, da Gehalt es verlangt: „presque"
Aber zum Inhalt der M. verhalfen LR. weniger jene Damen des kommt hinzu.
Salons (unter denen seine spätere, beste Freundin, Mme. de La- M. 11: Der Gegensatz zu „avarice" (1665: „libéralité") wird schär-
fayette), sondern andere, vom „style Louis XIII": von der Fronde.
fer: „prodigalité".
Welcher Art diese Damen waren, zeigt vielleicht am besten jene
M. 12: Das klanglich härtere „quelque industrie" weicht dem wei-
Herzogin von Longueville, die ihm mitten im Waffenlärm einen
cheren „quelque soin", das Bild (Schleier), vorher nur in der
ihm stets teuren Sohn gebar und die von sich sagte, sie liebe nicht
ersten Hälfte der M. deutlich, wird in die zweite hinübergezogen
die „plaisirs innocents".
und rückbezogen, so daß eine vollkommene Einheit entsteht.
Und LR., „qui rend aux femmes iant de respects . . . dans le par- Gleichzeitig weicht das negative „cacher" dem positiven
ticulier, prend sa revanche quand il parle d'elles en général"9. „couvrir".
So entstanden viele M. über Freundschaft und Liebe. Doch die
M. 21 (24): Das entbehrliche dritte Glied („froideur") wird gestri-
Damen verfuhren mit seinen M. genau so: bewunderten das Ein-
chen und dafür „constance" wiederholt, wodurch die Entspre-
zelne, verwarfen entrüstet das Ganze, tadelten den Verfasser, aber
chung deutlicher wird, es finden Veredelungen statt: „fait mourir"
nicht allzu stark und aufrichtig, denn (und Bourdeau formt auch
wird „condamner au supplice", „penser" wird „envisager" (schon
eine M.) : „Dire du mal des femmes, c'est encore flatter leur
auf „bandeau" bezogen), das steife „font" wird „sont".
amour-propre"10. Dreyfus-Brisac stellt zum Schluß fest: „Tel de ses
M. 40 (44) : Dichter, kürzer. Der zweite Nebensatz wird Hauptsatz,
collaborateurs qu'il comblait de prévenances paraît lui être resté
dadurch gebrochenes Satzverhältnis, Klammerung, Einheit.
moins attaché que les femmes dont il dénigrait le sexe si impi-
M. 46 (52) : „Goût" wird wiederholt anstatt des Fürworts, wo-
toyablement"11.
durch der Parallelismus deutlicher. Der Gehalt wird bestimmter:
Aber man spielte mit seinen Erkenntnissen, „beutete seine Erleb-
„que les philosophes avaient" wird hinzugefügt.
nisse schamlos aus", die „hübsche Formel böser Dinge"12 war
M. 57 (66): Allgemeiner: „ministres" wird zu „hommes", „les
ein Spiel. So haben also Vinet18 und Stapfer14 nur teilweise recht,
effets" wird zu „des effets"; dazu kommt antithetische Gestalt.
wenn sie die M. LRs. Gelegenheitsdichtungen nennen im Sinne
M, 60: Negatives ist in Positives verwandelt.
Goethes. Sie sind eben doch zu einem Teil „composées en l'air
M. 78: Gestalt geschwächt durch Hinzufügung von „en la plupart
comme des exercices" (s. u. die „M. à renversement" !).
des hommes".
4. Blicken wir nun auf die U m a r b e i t u n g e n in den Ausgaben
von 1665, 66 und 78 — manche M. sind mehr als dreißigmal um- M. 92: Standpunktwechsel: ursprünglich der des Enttäuschten,
gearbeitet worden15, wurden sie doch in 5 Jähren verfaßt und 15 dann der des Enttäuschers. Gleichzeitig wird der Vergleich aus-
Jahre lang bis in die Kommata verändert16 —, so erfahren wir führlicher und dadurch schlagender.
weiter Wichtiges über ihren Stil. Zunächst: fast alle Redaktionen M. 100 (110): 1665: gewunden, zierlich:
sind Reduktionen. La galanterie de l'esprit est un tour de l'esprit, par lequel il entre dans
Ich gehe die wichtigsten Veränderungen in den M. nach ihrer Ord- les choses les plus flatteuses, c'est-à-dire celles qui sont le plus capables
de plaire aux autres.
nung von 1678 durch und fasse dann zusammen. (Die Klammer
gibt die Nr. der Ausgabe von 1665.) 1678: Einheit, Wucht, drei kurze Teile statt der langen (Barock) :
18 2* 19
La galanterie de l'esprit est de dire des choses flatteuses d'une manière M. 204 : Ein überflüssiger, tautologischer Nachsatz wird gestrichen.
agréable. (Solche Nachsätze sind das Zeichen des Schlegelschen „Frag-
M. 101 (111): (Überflüssiger) Vergleich verschwindet, dazu neu: ments".)
Antithese. Zuerst H N N H N, dann harmonische Kadenz H N N'. M. 220: Die erste Fassung hat eine sehr jähe Kadenz (erst 3 Sub-
Vorher Crescendo-Numerus: 15, 12, 23 Silben, dann Decrescendo- stantive — Entsprechung in der Klausel nur ein Substantiv). Ge-
Numerus: 23, 12. haltlich fehlt dazu etwas, die beiden ersten Worte schreien gerade-
M. 103 (113): Gestaltlich ist statt Parallelismus Klammerung ein- zu nach „femmes" als Klausel. Die zweite Fassung fügt das hinzu
H H
(und zu „valeur": „vertu") und befriedigt Gehalt und Gestalt:
getreten, erst: HN, dann:—N — (gebrochenes Satzverhältnis), La vanité, Ia honte et sourtout le tempérament, font souvent la valeur
wobei der Parallelismus sich im zweiten und dritten Glied wieder- des hommes (so weit 1665; 1678 kommt hinzu: „et la vertu des femmes").

findet. Dadurch zusammengeraffte Einheit. Renaissancehaftes ist M. 253 (276) : Das statisch wirkende „donne" wird ersetzt durch
Barockmäßigem gewichen. Verallgemeinerung: „biens des gens" das dynamischere „met en œuvre".
wurde zu „tous". M. 265: Umgekehrt wie in M. 263 wird hier „souvent" gestrichen.
M. 116 (118) : Die Redaktion ist straffer. Numerus der Redaktion: M. 271 (295) : Die Klausel wird unscharf durch die Verwischung
der Antithesen, durch die Zusammenziehung von „c'est la fièvre
X X I X X X X X de la santé, c'est la folie de la raison" zu „c'est la fièvre de la
vollendete Harmonie von H und N, die über die Dreiteilung: Ein- raison", aber die Gestalt gewinnt trotzdem, da Aphorismus und
formale Logik keine direkten Beziehungen zueinander haben.
leitung, zwei Parallelen, hinweggeht und alles in eine Einheit ver-
Die besten Beispiele für solche äußersten Beschneidungen und
schmelzt; vorher: HN H H H - N - N . - N - H N N ' : unabge- Kürzungen bieten die M. 65 (die in der ersten Fassung 165 Silben,
X X X X in der zweiten 38 und in der letzten 20 Silben hat) und M. 32, die
wogenes Nebeneinander von H und N, Klausel vorher: gestufte, ich in den einzelnen Redaktionen wiedergebe als Musterbeispiel
dann: geklammerte Nebensätze. des hier Behandelten:
M. 137 (139) (zit. S. 27) : In der ersten Fassung steht das wich- 1665, M. 35: La jalousie ne subsiste que dans les doutes; l'incertitude est sa
tigste Wort („vanité") zu sehr am Anfang: schlecht. In der zweiten matière; c'est une passion qui cherche tous les jours de nou-
steht es durch formale Umkehrung der M. im Mittelpunkt. (Noch veaux sujets d'inquiétude et de nouveaux tourments. On cesse
besser träte es ans Ende, etwa so: „on parle peu quand on ne d'être jaloux dès que l'on est éclairci de ce qui causait la
jalousie.
parle pas par vanité", aber das ist sprachlich hart.)
M. 155 (162) : Der Vergleich fällt, ebenso das zweite Substantiv 1666, M. 32: La jalousie se nourrit dans les doutes. C'est une passion qui
cherche toujours de nouveaux sujets d'inquiétude et de nou-
(„mérite"). Der Relativsatz wird Partizipialkonstruktion. Die pleo-
veaux tourments, et elle devient fureur, sitôt qu'on passe du
nastischen Adjektiva schrumpfen in ihr Substantiv hinein, das doute à la certitude.
durch ein deutlicheres ersetzt wird. „Personnes" wird „gens" 1678, M. 32: La jalousie se nourrit dans les doutes; et elle devient fureur ou
(klanglich beeinflußt wahrscheinlich durch das folgende „dé- elle finit, sitôt qu'on passe du doute à la certitude.
goûtants") .
Wir sehen: das abstrakte, statische „subsiste" wird ersetzt durch
M. 173 (182) : Erste Fassung ist unharmonisch und (doppelt anti-
das anschaulichere und dynamische „se nourrit". Die dritte Re-
thetischer Schluß) zierlich gewunden. Zweite Fassung rafft die
daktion nimmt das beste aus beiden vorhergehenden.
Einleitung zusammen und bringt die beiden Teile der Ausführung
Zusammenfassend ist zu sagen:
ins Gleichgewicht.
Leitmotive der Änderungen sind Einheit, Kürze und Schärfe: alles
M. 186 (195) : „Haïr" und der ganze erste Satz fällt, da sie im
Überflüssige und alles, was die innere Einheit gefährdet, fällt weg,
zweiten Teil keine Entsprechung finden.
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immer wird der kürzeste, aber noch klare Ausdruck gesucht, die das Gegenteil für mindest ebenso wahr: „II y a de délicieux ma-
gehaltliche Einheit wird oft durch gebrochenes Satzverhältnis
riages, mais il n'y en a point de bons", was vielleicht die aphori-
wirksam unterstützt, Kürze wird durch Partizipialkonstruktionen
stisch beste Umkehrung von diesen dreien ist, weil sie einen ganz
z.B. erreicht; gedankliche Schärfe, vor allem in der Antithese,
anderen, eben: „aphoristischen" Geschmack hat als die moralische,
wird erstrebt (aber gehaltlich, weniger gestaltlich, keine logische
pessimistische M.
Strenge). Die Verallgemeinerungen, Zugeständnis an die Gestalt,
Die Gestalt der M. LRs. ist nun, bildlich gesprochen, die E 11 i p s e.
überwiegen die Abschwächungen, Zugeständnis an den Gehalt.
Ich habe s i e als Bild gewählt und nicht den Kreis, weil dieser die
Gehaltlich ist gelegentlich Standpunktwechsel zu beobachten. An-
Vorstellung zu großer Geschlossenheit, Vollendung und Ruhe gibt
gleichungen finden statt; klare Parallelen, deutliche Entsprechun-
durch den e i n e n Mittelpunkt und den gleichen Abstand aller
gen (Wortwiederholung statt Fürwort) werden geschaffen. Ge-
Peripheriepunkte von diesem. Aber eine solche Vollendung wider-
legentlich tritt für Crescendo-Numerus Decrescendo-Numerus ein.
Negative Worte machen positiven Platz, blasse Worte stärkeren, spräche dem Wesen auch des geschlossensten Aph., der seiner
statische dynamischeren, Zierliches weicht Lapidarem, daneben Natur nach immer zum Barocken und Rokokohaften neigt. Die
sind klangliche Besserungen bemerkbar. Vergleiche verschwinden M. LRs. zeigen bei aller Rundung eine Gespaltenheit im Thema,
oder werden durchgeführt. Im ganzen ist ein Streben da aus un- die als Bild nur den harmonisch verzerrten Kreis, die Ellipse, mit
ruhigerer Gliederung nach klarer Ordnung und ruhigerer Har- dem in zwei Fokus, „Feuerstellen", in zwei Spannungszentren zer-
monie. Zu grelle Farben sucht LR. zu meiden, z.B. zu strengen rissenen Mittelpunkt in Betracht kommen ließen: ein Brennpunkt
Chiasmus (der zudem spannungsarm), zu strenge Tektonik und wird gegeben und man ahnt gleich, wo ungefähr der zweite liegen
zu große Harmonie (Renaissancemäßiges), wie zuviel spielerische wird: harmonische Spannung und harmonische Lösung also (aber
Antithetik (Rokokohaftes). LR. ist kein „Preziöser", schrieb er eben doch Spannung).
doch ruhig „mouchoir", was Frau v. Sablé und die Ihren nicht Es d r e h t s i c h um geistige Dinge. Es handelt sich also nicht
duldeten, sondern „bandeau" dafür verlangten. Aber wie das Ba- um eine statische, mathematische Figur, sondern um eine d y n a -
rock noch Züge von Renaissance und schon Züge von Rokoko m i s c h e , a s t r o n o m i s c h e K u r v e . Die M. i s t k e i n e El-
aufweist, so hat auch LR. neben dem (vorwiegenden) Barockhaf- lipse, sondern sie b e s c h r e i b t eine.
ten: Einheitsstreben, Ballung (s. Klammerung), Spannungsver- Die M. weisen deutlich zwei, drei oder vier Glieder auf, Glieder,
langen (s.u.: Klausel) und Disharmonie (s.u.: schrumpfender Nu- die Satzteile oder Sätze sein können.
merus) natürlich beides: (renaissancistische) Dämpfung und (ro- Reine Zweigliedrigkeit ist selten (vom Bild der Ellipse her heißt
kokohafte) Antithesenspielerei. Doch die Dämpfung überwiegt bei das: es sind nur die Brennpunkte vorhanden), ein Beispiel M.289:
dem „duc et pair". „La simplicité affectée est une imposture délicate". Zweigliedrige
5. Ich komme endlich zu der eingangs erwähnten Formel der M. M. verpuffen zu schnell und sind zu wenig wirkungsvoll. Aber
LRs. Diese „moule", diese geistige Spielform zeigt nichts so sehr meist handelt es sich um scheinbare Zweigliedrigkeit, die leicht in
wie die „M. à renversement" (Bourdeau), die umkehrbare M., z. B. Drei- oder Viergliedrigkeit aufzulösen ist.
M. 42: „Nous n'avons pas assez de force pour suivre toute notre Dreigliedrigkeit:
raison", die Frau v. Grignan umkehrte und dadurch ebenso wahr (von Satzteilen) :
machte: „nous n'avons pas assez de raison pour suivre toute notre M. 5: „La durée de nos passions ne dépend pas plus de nous, que
force". Oder man schwankte, welche Gestalt man bevorzugen la durée de notre vie". (Bild: • O • : 1. Brennpunkt, Ellipsenrand,
sollte, diese: „On pardonne les infidélités; mais on ne les oublie 2. Brennpunkt.) Ebenso z.B. M. 15, 20, 29, 45, 47.
point" oder „On oublie les infidélités; mais on ne les pardonne M. 13: „Notre amour-propre souffre plus impatiemment la con-
point"17. Ferner hielt E. R. Curtius (im Kolleg einmal) bei M. 113: damnation de nos goûts que de nos opinions". (Bild : O • • : El-
„II y a de bons mariages, mais il n'y en a point de délicieux" lipsenrand, 1. Brennpunkt, 2. Brennpunkt.) Ebenso: M. 25, 40,
61, 89.
10 23
M. 26: „Le soleil ni la mort ne se peuvent regarder fixement". M. 64: „La vérité ne fait pas tant de bien dans le monde, que ses
(Bild : • • O , im allgemeinen ist gestaltlich diese Stellung schwach, apparences y font de mal". (Bild: C O : auch hier ist die Grenze
da die Fokus am Anfang stehen und die Klausel keine Pointe ist. zwischen Peripherie und Fokus verwischt.) M. 22 (zit. S. 16; Bild:
Im angezogenen Beispiel allerdings übernimmt auch der Ellipsen- C • O.) Ebenso M. 65.
rand die Rolle eines Brennpunkts.) (von Sätzen) :
(von Sätzen) : Für das Büd c 0 • s. dreigliedrige Ellipsen, Bild O • •» z.B.
M. 52: „Quelque différence qui paraisse entre les fortunes, il y a M. 76, da hier keine reinliche Scheidung möglich ist.
néanmoins une certaine compensation de biens et de maux qui les M. 314: „L'extrême plaisir que nous prenons à parler de nous-
rend égales". (Bild: • O ••) Ebenso: M. 192, 280, 484. mêmes nous doit faire craindre de n'en donner guère à ceux qui
M. 51: „Rien ne doit tant diminuer la satisfaction que nous avons nous écoutent". (Bild: • c D ••) M. 148 (zit. S. 17; Bild: C O - . )
de nous-mêmes, que de voir que nous désapprouvons dans un temps Ebenso: M. 142, 156, 186, 296.
ce que nous approuvions dans un autre". (Bild: O • ••) Ebenso: M. 229: „Le bien que nous avons reçu de quelqu'un veut que nous
M. 35, 48, 51, 54, 57. respectons le mal qu'il nous fait". (Bild: • c O )
M. 177: „La persévérance n'est digne ni de blâme ni de louange, 6. Aber das Bild der Ellipse macht uns mehr deutlich. Z. B. die
parce qu'elle n'est que la durée des goûts et des sentiments, qu'on V e r k n ü p f u n g der Glieder. Diese geschieht durch:
ne s'ôte et qu'on ne se donne point". (Bild: • • O-) Dieses Bild ist a) Parallelismus. Reinen variierenden Parallelismus finden wir in
(wie vorher) sehr selten. M. 380: La fortune fait paraître nos vertus et nos vices, comme la lumière
Viergliedrigkeit : fait paraître les objets.
(von Satzteilen) : synthetischen:
Hierher gehören die Proportionsmaximen 77, 401 und 67: „La M. 379: Quand notre mérite baisse, notre goût baisse aussi.
bonne grâce est au corps ce que le bon sens est à l'esprit". (Bild-
b) Antithese. Reine Antithetik: M. 43: „L'homme croit souvent se
lich sind sie verschieden darstellbar, vielleicht am besten so:
conduire lorsqu'il est conduit; "
CO-.)
Parallelismus und Antithese, diese uralten Stilmittel18 sind fast
Dasselbe Bild, nämlich c • 3 •, hat M. 109 (die zugleich eine hüb-
stets auch bei LR. verbunden. Ich greife als Beispiele heraus:
sche Illustration nicht nur für diesen Typus allein, sondern auch
M. 361: La jalousie naît toujours avec l'amour; mais elle ne meurt pas tou-
für die Ellipsenform überhaupt bietet) : „La jeunesse change ses jours avec lui.
goûts par l'ardeur du sang et la vieillesse conserve les siens par M. 419: Nous pouvons paraître grands dans un emploi au-dessous de notre
l'accoutumance", die sich so darstellen läßt: mérite; mais nous paraissons souvent petits dans un emploi plus
grand que nous.
e conserve Jes
Haben wir hier eine, bzw. zwei Antithesen, so zeigt Maxime 109
b I» s ~ *s drei (zit. S. 24).
Is 1i? Ȥ
S, O I S"
p> -a
3 B93 T c) Klammerung von Anfang und Ende durch Chiasmus:
Ci. Sis « -w 6
S? .e M. 490: On passe souvent de l'amour à l'ambition; mais on ne revient guère
Se * goûts Va ^ de l'ambition à l'amour.

Ebenso: M. 38, 41, 42, 43 (2 Ellipsen), 48. formale Rückkehr an den Anfang:
M. 39: „L'intérêt parle toutes sortes de langues, et joue toutes M. 196: Nous oublions aisément nos fautes, lorsqu'elles ne sont sues que de
nous.
sortes de personnages, même celui de désintéressé". (Büd: • C D -.)
Ebenso: M. 218. Ebenso: M. 54, 215 (eine M. von überaus großer Länge, die mit
24 25
„valeur" beginnt und dieses Wort erst am Ende als Klausel wie- S c h w e l l e n d e r Numerus ist viel seltener: in
der aufnimmt). M. 137: On parle peu / quand la vanité ne fait pas parler (4, 10)
Auseinandertreten der Brennpunkte an Anfang und Ende, s. die beruht er auf Gehaltsgründen (s. o.: „Redaktionen"). Die erste
Bilder • O -, • C D •. Fassung hatte harmonischen Numerus 10, 10.
(Meist treten aber auch Klammerung und Antithese gemeinsam Pathetische Rhetorik hat (noch) :
auf, z.B. M. 213: L'amour de la gloire, / la crainte de la honte, / le dessein de faire
M. 444: Les vieux fous sont plus fous que les jeunes.) fortune, / le désir de rendre notre vie commode et agréable, / et
l'envie d'abaisser les autres, ! sont souvent les causes de cette valeur
d) überraschende Pointe (ziemlich selten bei LR.) : si célèbre parmi les hommes.
M. 77: L'amour prête son nom à un nombre infini de commerces qu'on lui Drei kurzen, schwellenden Gliedern (5, 6, 8) folgen drei lang hin-
attribue, et où il n'a non plus de part que le doge à ce qui se fait à
rollende, deren kürzestes Glied so lang wie das längste vorher ist
Venise.
(15, 8, 19). Und doch liegt auch hier schrumpfende Klausel vor,
(Die Pointe liegt in dem abgelegenen Vergleich.) wenn man die feinere Pause nach „valeur" berücksichtigt; dann
M. 179: Nous nous plaignons quelquefois légèrement de nos amis, pour justi- haben wir zuletzt 11 und 8 Silben (also dreimal sind Glieder von
fier par avance notre légèreté. 8 Silben vorhanden). Hinweisen möchte ich noch darauf, daß alle
(Überraschend betonte Wiederkehr eines vorher unbetonten, bei- 6 großen Pausen mit stummem, nachzitterndem e ausklingen!
läufigen Wortes.) Den Typus — u u —, den renaissancehaften Typus vollendeter
Harmonie, zeigt uns die Klausel der M. 233 (die S a t z - Klausel
M. 377: Le plus grand défaut de la pénétration n'est pas de n'aller point
jusqu'au but, c'est de le passer. zeigt gegenüber dem Satzanfang geringere rhetorische Schwellung,
vgl. hierzu auch unten „Wortspiele": „. . On pleure pour avoir la
7. Vom N u m e r u s der M. LRs. war schon die Rede. Er ist, wo
réputation d'être tendre; /' on pleure pour être plaint; / on pleure
er deutlich disharmonisch hervortritt, wie bei echten Aph. fast
pour être pleuré; / enfin on pleure pour éviter la honte de ne
stets, ein Decrescendo-Numerus (>), ein zahlenmäßig abneh-
pleurer pas". (14, 7, 8, 17 Silben.)
mender.
8. Die Numerusuntersuchung zeigt uns also schon Wichtiges über
Ein B a r o c k e l e m e n t ist somit der Gestalt fast aller Aph.
eigen, d. h. der pointierten. die K l a u s e l : sie ist meist gespitzt und gekürzt, unpathetisch. Die
Klausel ist ja das wichtigste Glied eines jeden Aph., und LR. legt
Sehr oft ist der Numerus bei LR. t r o c h ä i s c h gebaut, d.h. das
den zweiten Fokus der Ellipse gern, wie wir sahen, in die Klausel,
vorletzte Glied ist ungefähr doppelt so lang wie das letzte.
häufig aber auch den ersten, so daß Brennpunkt neben Brenn-
M. 131: Le moindre défaut des femmes / qui se sont abandonnées à faire punkt aufblitzt und die Klausel oft antithetisch schließt (Bild:
l'amour, / c'est de faire l'amour. (7, 12, 6 Silben.)
O • •), oder die Klausel enthält eine Klimax wie in M. 440.
M. 270: L'honneur acquis est caution de celui / qu'on doit acquérir. (10, 5 Gern rollt auch die Klausel dreifach ab: (in drei Satzteilen) : M.
Silben.)
233 ß („Dans l'une, sous prétexte de pleurer la perte d'une per-
M. 15 (15, 8), M. 138 (11, 6), M. 353 (13, 6). sonne qui nous est chère, nous nous pleurons nous-mêmes, nous
S c h r u m p f e n d e n Numerus zeigt sehr gut: regrettons la bonne opinion qu'elle avait de nous; nous pleurons
la diminution de notrë bien, de notre plaisir, de notre considé-
M. 92: Détromper un homme préoccupé de son mérite / est lui rendre un
aussi mauvais office que celui / que l'on rendit à ce fou d'Athènes, /
ration") .
qui croyait que tous les vaisseaux / qui arrivaient dans le port ( Haben wir hier eine größere Klausel mit drei parallelen Haupt-
étaient à lui. (14, 14, 9, 8, 7, 4.) sätzen, so finden wir drei parallele Nebensätze in der Klausel von
M. 135: On est quelquefois aussi différent de soi-même / que des autres. (Jähe M. 105: Celui-là n'est pas raisonnable, à qui le hasard fait trouver la raison;
Kadenz: 13, 3.) mais celui qui la connaît, qui la discerne, et qui la goûte.

10 26
schmacks, unserer Anschauungen (M. 13), ja, eine solche Eigen-
Oder die ersten Glieder der M. sind dreifach angeordnet und die
schaft hat gar selbst wieder Eigenschaften (M. 16). Man kann
Klausel fällt als viertes Glied:
solchen Abstrakta wie der Sonne ins Auge blicken, („envisager":
zusammenfassend in
M. 21), sie essen (M. 32), entschädigen sich, erleiden Verlust und
M. 16: Cette clémence, dont on fait une vertu, se pratique, tantôt par vanité,
verzichten (M. 33), sprechen (alle Sprachen), spielen Bühnenrol-
quelquefois par paresse, souvent par crainte, et presque toujours par
tous les trois ensemble.
len (M. 39), gehen spazieren (M. 200) usw. usw.
Die Idee des Mikrokosmos Mensch wird auf ihre Spitze getrieben,
antithetisch in und die M. wollen seine Naturgesetze sein.
M. 249: Il n'y a pas moins d'éloquence dans le ton de la voix, dans les yeux Ein Kopernikus der Moral, läßt LR. den Menschen (wieder) sich
et dans l'air de la personne, que dans le choix des paroles.
nicht um die Tugend, sondern um das Laster drehen, und kurz
9. S p a n n u n g , gleichfalls ein Barockelement, das a l l e n Aph. vor Isaac Newton begründet er durch s e i n e Gravitationstheorie,
eigen, trat uns schon entgegen und soll hier nur noch einmal be- durch die Lehre von der Selbstsucht als alleiniger Schwerkraft,
tont festgestellt werden. die Mechanik s e i n e s Kosmos.
Spannung bewirkt LR. durch Antithetik und Klammerung der 11. Ein Kennzeichen der Aph. sind die U m w e r t u n g e n . Eine
Fokus. Der Klausel ist das erlösende Wort vorbehalten. bestehende Formel wird auf ihren Gehalt nachgeprüft, falsch oder
10. Ein weiteres Kennzeichen dieser M. ist die Vorherrschaft des besserungsbedürftig befunden und abgeändert oder ins Gegenteil
Nomens. verkehrt. (So Nietzsche sehr oft, der z. B. Tertullians „credo quia
M. 97: „. . . le jugement n'est que la grandeur de la lumière de absurdum" in „credo quia absurdus" ändert.) Sprichwort, Apo-
l'esprit . . ."; M. 167: „L'avarice est plus opposée à l'économie que phthegma, Sentenz, Maxime, alles kann durch Änderung der For-
la libéralité". Es heißt (M. 46) ,,1'attachement que les philosophes mel Aph. werden.
avaient" statt „les philosophes s'attachent", (M. 54) „le mépris des LR. wertet vor allem bestehenden G e h a l t um. Das zeigt sich in
richesses dans les philosophes" statt „les philosophes méprisent", den Wendungen: „ce que nous prenons pour . . . n'est souvent
(M. 65) „II n'y a point d'éloges qu'on ne donne" statt „on loue". que . . ." (M. 1), „la clémence des princes n'est souvent que . . ."
Daher rührt der Eindruck der Distanz und der Objektivität (bes- (M. 15), „la force et la faiblesse sont mal nommées . . ." (M. 44),
ser Objektivation), den die M. machen. „ce que les hommes ont nommé amitié . . . (M. 83).
Er wendet sich scheinbar gegen die Begriffe, aber in Wahrheit
Geistige Dinge, menschliche Eigenschaften zumeist, werden selb-
gegen ihren Inhalt (eine besondere Art der Ironie) ; „on s'est
ständig handelnde und leidende Personen, ohne Bezug auf ihre
trompé lorsqu'on a cru que l'esprit et le jugement étaient deux
höhere Einheit, den Menschen. Dieser verliert seine Individualität,
choses différentes . . ." (M. 97).
er wird „Dividuum". Nicht der junge oder alte Mensch, die doch
auch schon Verallgemeinerungen sind, treten auf, sondern Alle- 12. LR. hat oft V e r g 1 e i c h e , aber wider Erwarten meist k o n -
gorien, Abstrakta: die Jugend, das Alter (M. 109), nicht wir, son- k r e t e . Vereinzelt ist zwar jener stark pointierende „Doge von
dern „notre humeur met le prix" (M. 47), nicht wir sind glück- Venedig" (M. 77), der in Beziehung zur Liebe gesetzt wird. Sehr
lich durch uns selbst, sondern „la félicité est dans le goût" (M. 48), selten ist auch, daß einer allgemeinen M. ein konkretes Beispiel
es heißt nicht: „wenn wir wahrhaft und rein lieben", sondern aus der Geschichte beigegeben wird, wie in M. 7 und M. 198.
„s'il y a un amour pur" (M. 69) ; LR. spricht von einem „pays de Konkrete Bilder und Vergleiche liegen z. B. vor in M. 26 (Tod =
l'amour-propre" und „des terres inconnues" darin (M. 3), die Lei- Sonne), M. 158 (Schmeichelei = Falschgeld), M. 171 (Tugenden
denschaften sind Redner, sie haben „une injustice et un propre = Flüsse, Egoismus = Meer), M. 182 (Laster = Gifte, Tugen-
intérêt", sie können zeugen, erleben Aufstieg und Verfall, sie tra- den = Heilmittel), M. 191 (Laster = Herbergswirte), M. 194 (Feh-
gen Schleier wie unsere Damen (M. 8—12). Unsere Selbstsucht ler = Wunden, Narben); halbkonkrete in M. 211 (Menschen =
erscheint vor unserem Richterstuhl, nein, vor dem unseres Ge- Vaudevilles), M. 291 (Verdienste = Jahreszeiten, Früchte).

28 29
Abstrakte Vergleiche finden sich in M. 223 (Dankbarkeit = Kre- Präfixspiele: z. B. in M. 365 („qui d é génèrent en d é fauts"). Ähn-
dit) und M. 392 (Glück = Gesundheit). lich klingende Worte in M. 215 („espace - espèces").
Wiederum sehen wir LR. bemüht, seinen M. durch (konkrete) Annominationen, verknüpfend und als Klausel: M. 192 („quittent
Vergleiche, wie vorhin durch Personifizieren und Selbständig- - quittons"), M. 294 („admirent - admirons"), M. 304 („par-
machen, mehr Farbe zu geben. Allerdings sind sie fast alle ge- donnons - pardonner, ennuient - ennuyons"), M. 197 („vu -
dämpft und meist konventionell, nicht grell und überraschend, ja voyant"), M. 263 („donner - donnons"), M. 322 („méprisables -
wir sahen, daß LR. sogar Vergleiche streicht, so in M. 101 und méprisés"), M. 326 („déshonore - déshonneur"), M. 338 („haine
155. Andrerseits ändert er „mouchoir" in „bandeau" erst auf Ver- - haïssons"). Bemerkenswert ist hierbei noch, daß die K l a u s e l
langen von Frau v. Sablé. meist das k l a n g r e i c h e r e Wort bringt.
13. Auf den ersten Blick scheint es, daß unser Autor, Aristokrat Reim und Annomination in M. 407 („finesses - paraissent -
auch des Geistes, die W o r t s p i e 1 e als zu laut, aufdringlich und paraissons - finesses": Klammerung).
vordringlich, vom Gehalt ablenkend mied. Wirklich hat er fast Sehr gute Beispiele für das alles bieten die überaus langen M. 215
keine im engsten Sinne des Wortes. Aber dem feineren Auge und und 233, die eben wegen ihrer Länge viel Verknüpfendes aufwei-
Ohr enthüllen sich doch verschiedene Arten des Wortspiels im sen müssen.
weiteren Sinne19: M. 215:
(Ob LR. b e w u ß t diese Spiele in seinen M. getrieben hat, ist in 1. Klammerung: „valeur" als Anfang und Ende (s.o.),
jedem Falle nicht zu beweisen, dennoch kann es allgemein ange- 2. Alliteration: im ersten Satz: „parfaite - poltronnerie"; im 5.
nommen werden.) bis 8. Satz „font fort peu - peur - parce - postes - péril -
Alliterationen finde ich M. 15 an den drei wichtigsten, betontesten prépare - exposer - plus"; im 10. Satz (Klausel): „courages -
Stellen („princes, politique, peuples"), ebenso M. 167 (zit. S. 28; conviennent - que crainte - cachant",
für das Ohr: „l'avarice,, l'économie, libéralité"), an den vier be- 3. „espace — espèces" (s.o.),
tontesten Stellen in M. 192, zugleich als Verknüpfung und Klam- 4. gleiche Präfixe: im 4. Sâtz: „se relâchent et se rebutent",
merung (für das Ohr: „quand, quittent, créance, quittons"). In 5. Vokalspiele: im 9. Satz: „coups d'épée — coups de mousquet —
der Klausel tritt Konsonantenspiel auf in M. 163 („très sages et coups de mousquet — coups d'épée": zugleich Konsonantenspiel
très solides") und M. 164 („. . qu'on . . que . . ceux que . . exerce": und Klammerung (Chiasmus).
k k s / k / k s s), zugleich als Klammerung in M. 166 („monde, M. 233:
mérite, mérite, même"). Am Anfang: M. 169 („pendant, paresse, Auch hier fällt gleich am Anfang das Stichwort („pleurer"), das
timidité, re-tiennent"), in der Mitte: M. 234 („premières places den Gang der M. thematisch begleitet und das in der Klausel wie-
prises . . parti", dazu: „s'oppose, opiniâtreté, opinions"). derholt wiederkehrt. Alliteration am Anfang, im zweiten Satz:
Vokalspiele: „prétexte - pleurer - perte - personne - pleurons - pleurons -
plaisirs", setzt dann aus, erscheint in der Mitte wieder, setzt wie-
M. 117: L'a plus subtile de toutes les finesses est de savoir bien feindre de
tomber dans les pièges qu'on nous tend: et l'on n'est jamais si aisé-
der aus und erscheint im letzten Satz (in der Klausel der ganzen
ment trompé <JU6 quand on songe à tromper les autres. M.) im ersten Teil als „pleurer" allein, dann mit Stabreim der
ersten beiden Konsonanten, dann zweimal als Annomination
Helle Vokale beherrschen den ansteigenden Anfang, dunkel und („pleure . pleure - plaint . pleure - pleuré . pleure - pleurer").
voll fällt die Klausel, ebenso
Zwischendurch folgt einmal Reim auf Stabreim (cesser - celles
M. 216: La parfaite valeur est de faire sans témoins ce qu'on serait capable - qu'elles). Das alles sind rhetorische Elemente, die zeigen, daß
de faire devant tout le monde.
die M. g e s p r o c h e n werden sollten.
Alle Vokale sind breit, offen, nur das wichtigste Wort sticht spitz 14. Der G e h a l t der M. ist für uns noch sekundärer als für das
hervor: „témoins". 17. Jahrhundert: erscheinen uns doch heute viele M. als Gemein-
10 31
plätze, während sie damals Skandal erregten. Aber in der Antike,
vor allem in der ausgehenden, wimmelte es wie in der zeitgenös- Worte: „goût (académique - trifft bei LR. nicht zu - et) mon-
sischen Literatur von ähnlichen Gedanken. So erkennen alle Kri- dain, phrase dégagée, phrase courte, pas de grand nombre des
tiker nur die Ursprünglichkeit der G e s t a 11 dem Autor zu, ja, sie conjonctions et des relatifs. Toute l'originalité, la lumière, la
nennen die M. sogar in Übertreibung nur durch ihre Gestalt er- beauté, le plaisir, viennent des idées (nur teilweise bei LR.) et des
träglich, insofern, als das Vergnügen an der Gestalt das Mißbe- combinaisons délicates, subtiles, raffinées, qu'on en donne"21.
hagen (falls es da ist) an dem Gehalt auf- oder überwiegt. Wir Die M. nennt Lanson dann eine „forme fixe" neben dem „por-
sahen zudem, daß LR. dem Gehalt verhältnismäßig wenig Kon- trait" (das aber in geringerem Maße eine ist).
zessionen auf Kosten der Gestalt macht. Die Gestalt steht ganz im Wir sehen: das Wesentliche, das Lanson für den Stil der ganzen
Vordergrund also, wie auch die Briefe LRs. schon den Zug zur M. Zeit feststellt, paßt in so hervorragendem Maße auf LR., als ob
zeigen, z. B. der Brief vom 24. Okt. 1660 an J. Esprit. Oft wurde Lanson an diesen hauptsächlich gedacht hätte. Denn, wie wir ja
LR. seine (bewußte) Systemlosigkeit vorgeworfen, die mit seinem feststellten, fast alle Originalität LRs. kommt von der Gestalt, die
Stand zusammengebracht wurde, ohne daß man bedachte, daß er seinem Gehalt gibt, und so bringt er die französische Sprache
Aph. nicht in deutlich erkennbarem, progressivem, wissenschaft- auf eine große Höhe, so daß die ganze folgende Zeit von den Fort-
lich-philosophischem Zusammenhang stehen dürfen. schritten seines Stils zehrt.
Ferner wollte man anscheinend nicht anerkennen, daß doch eine Sainte-Beuve sagt (unter Hinweis auf St.-Evremond, Bussy, LR.,
gewisse Ordnung da ist, indem immer eine Gruppe von M. das- Retz) : „Jamais langue plus belle, plus riche (bezieht sich wohl auf
selbe Thema hat, ja, daß sogar die Selbständigkeit einer M. dabei den Wortreichtum, stimmt aber dann nicht, denn dieser verrin-
verloren gehen kann: s. M. 16 (zit. S. 28), die sich auf M. 15 zu- gerte sich ständig, wenn auch nicht so sehr wie der Wortschatz
rückbezieht ( „ c e t t e clémence"). des „goût académique"), plus fine, plus libre ne fut parlée par des
Denn ein „System" ist auch bei unserem Weltmann vorhanden, hommes de plus d'esprit et de meilleure race, qui causaient dès lors
nur nicht deutlich und exakt. Auch von einigen Franzosen wurde comme ils écriront"22.
es als Schlachtordnung und Richtung anerkannt. Die Systemhaf- Wenn nun Lanson die „phrase" der 1. Hälfte des 18. Jahrhun-
tigkeit LRs. kann uns erst bei den folgenden Aphoristikern auf- derts so kennzeichnet: nicht mehr „éloquence, panache, phrase à
gehen. Denn e i n Gehalt entspricht der e i n e n Gestalt: die Lehre longue queue, ampleur", sondern „phrase courte, sèche, nerveuse
vom überall vorhandenen Egoismus. Die Antithetik des Gehalts ( = kräftig), qui semble ne vouloir parler qu'à l'esprit, ne con-
(Tugend - Laster) verlangt nach der elliptischen Gestalt: b a - naître l'homme que comme une intelligence qui fabrique et qui
r o c k e Züge weisen beide auf. groupe les idées"23, so zeigt sich (neben der zu großen Allgemein-
Ist also die Ellipse eine „überindividuelle" Form bei LR.? Ja und heit der Charakteristik Lansons) hiernach, daß der von LR. be-
nein, ja als Formel, nein, da nur e i n (stets abgewandelter) Ge- reits auf seine Höhe getriebene Stil in abstracto eben bis zu Vol-
halt vorhanden. taire, dem Bewunderer der M., bleibt und herrscht.
15. Der S t i l w a n d e l von Ludwig XIII. zu Ludwig XIV. vollzog 16. Wir fanden eine konstruktive Prosa, aber von großem Reiz,
sich mit dem der Kleidung. Diese war unter Ludwig XIII. erst da sie die französische Sprache und die in ihr ruhenden Klang-
„demi-galant" und noch „demi-guerrier"20. Die M. zeigen nun in möglichkeiten zu großer Vollkommenheit entwickelt. Nur fühlen
ihrer formalen Schroffheit und grausamen Wahrheit („la Fran- wir nicht mehr so gut, wie sehr auch dieser anscheinend unrheto-
chise" hieß LR. bei seinen hochfahrenden Adelsgenossen von der rische Stil aufs Ohr, auf die Sinne bezogen ist. Es liegt also feinste
Fronde) noch den Lebensstil der vorhergehenden Zeit. Formkunst vor, das hoffe ich deutlich gemacht zu haben. Man ge-
Vergleichen wir nunmehr, was Lanson über den Stil der zweiten statte mir zum Schluß, LR. durch eins seiner Stilmittel immanent
Hälfte des 17. Jahrhunderts sagt. zu charakterisieren.
Den „style Louis XIV" charakterisiert Lanson durch folgende LR. war ein Beobachter und Denker von fast hamletartiger
Schwere (s. sein Leben während der Fronde und sein literarisches
32
806F i n k , Maxime und Fragment 81
Selbstporträt), der alles auf ein Letztes zurückführte, bittere Me-
dizin den Unerfahrenen verordnete und die Menschen verlästerte,
sie aber gleichzeitig durch seine Sprache entzückte.
So entstehen seine Maximen auf Grund großer Menschenkenntnis
durch Meditieren (im weiteren Sinne), großartiges Mediatisieren,
artiges Medisieren und skeptisches Medizinieren; ihre Gestalt aber
entfernt alles Medusierende.

CHAMFORT
1. Nicolas-Sébastien Roch, der sich den Fehde- und Federnamen
Chamfort wählte, war wahrscheinlich der Sohn eines Priesters.
Kinder der Liebe pflegen schön zu sein: Ch. war ein Adonis. Er
war Erzieher, und die Mütter seiner Zöglinge verliebten sich in
ihn, so daß er oft zwei „Herren" dienen mußte. Mehr noch. Er-
fahrene ältere Damen raunten jüngeren in der Gesellschaft laut
zu, er sei auch ein Herkules, indem sie auf jene Episode anspiel-
ten, die Ch. in den „Anekdoten" und Schi, in der „Lucinde" er-
wähnen. Jener und seine Zeit spotteten, daß es keine 50 Jung-
frauen mehr gäbe, doch es gab auch keinen Herkules mehr. Die
Natur spottete auch Chs.: er verlor in kurzer Zeit seine Ge-
sundheit.
So ist Ch. ein Z e i c h e n seiner Zeit.
Doch er war kein stumpfer Wollüstling. Er war ein Talent und
dazu ein Charakter.
So wurde er einer der wichtigsten Z e i c h n e r seiner Zeit.
2. Daß Ch. in der Literaturgeschichte nicht genügend gewürdigt
wird, liegt an der großen Literaturgeschichtsschreibung, die, wie
oft beklagt, die von Gh. so meisterhaft behandelte Gattung so
schlecht davonkommen läßt und vernachlässigt.
3. Umarbeitungen seiner Aph. besitzen wir von Ch. nicht. Das
wird schnell dadurch erklärt, daß der Autor nicht, wenigstens
nicht sogleich, an Veröffentlichung dachte. Seine „saillies" ent-
standen in einem Zeitraum von ungefähr 10 Jahren (1780-90)
und zwar so, daß er Eigenes und zuweilen auch Fremdes, das ihm
gut, nämlich witzig, treffend und bemerkenswert erschien, ohne
letzte Feilungen1 auf kleine Zettel schrieb, die dann in einem
Fache bunt durcheinander schwirrten. Diese Aufzeichnungen, aus
der Konversation, mehr noch aus persönlichen Erlebnissen ent-
standen (daher erreichen sie seltener die Schicht der echten M.),
34
3* 35
folgende nur teilweise Ellipsengestalt: M. 6, 9, 118, 121, 152 (drei
waren zunächst dazu bestimmt, wieder in der Konversation ge- Brennpunkte! Schwellform),
legentlich angebracht zu werden; als Schmuck und Würze. Gh. folgende keine Ellipsengestalt oder größere Schwellformen: M.
hatte seine Lieblinge, die er oft wiederholte. 136, 295, 308, 345 und 351.
Ein echter Aphoristiker, prägte er aus vorhandenem Weitschwei- Vierteilige Proportions-M. haben bei Ch. manchmal ein fünftes
figen kurze Formeln, aus Anekdoten entwickelte er Aph. und Glied, welches die geschlossene Ellipsengestalt sprengt, aber eine
Dialoge oder stellte Reflexionen über ihren Inhalt an. So dringt neue Vollendung und Pointe schafft und die M. zum „Aph." macht, so:
auch er zu Allgemeinerem vor.
M. 371: Le commerce des hommes avec les femmes ressemble à celui que les
4. Zeigen nun die Aph. Chs. auch vorherrschend die Gestalt der Européens font dans l'Inde; c'est un commerce guerrier,
E l l i p s e ? Ja, doch fast nur, so weit sie M. sind. (Echte) Aph. mit
Ellipsengestalt sind selten. (Die Proportion ist verdeckt, aber die analytische Klausel verdeut-
licht und spitzt scharf zu : scheinbar neuer, dritter, in Wirklichkeit
Zunächst muß ich nun eine Scheidung vornehmen, die bei LR.
einziger Brennpunkt; scheinbar inhaltlich nicht durchaus nötiges
nicht nötig war, da bei ihm die form volle M. weitaus vorherrscht:
tertium comparationis, in Wirklichkeit überraschende Pointe.)
die Scheidung nämlich von M. und Aph..
M. 264: La menace du rhume négligé est pour les médecins ce que le purga-
(Gleich von vornherein muß ich bemerken, daß es in praxi oft
toire est pour les prêtres: un Pérou.
eine Sache des persönlichen Gefühls ist, ob ein Aph. im weiteren
Sinne eine M. oder ein echter Aph. ist. Für Aph. im engeren Sinne (Uberraschende, witzige Pointe.)
werde ich von jetzt an immer „Aph." und für M. im engeren Sinne Als dem „Aph." näherstehend möchte ich etwa die folgenden be-
„M." schreiben.) zeichnen: M. 20, 22, 24, 28 und
Die „M." möchte ich hier ganz kurz als eine objektivierte, distan- M. 26: C'est une belle allégorie, dans la Bible, que cet arbre de la science
zierte (pädagogisch-optimistische) L e b e n s r e g e l oder (resi- du bien et du mal qui produit la mort. Cet emblème ne veut-il
gniert-pessimistische) L e b e n s w e i s h e i t bezeichnen (Stil mild pas dire que, lorsqu'on a pénétré le fond des choses, la perte des
illusions amène la mort de l'âme, c'est-à-dire, un désintéressement
pointiert, harmonisch, ruhig), den „Aph." hingegen als einen be-
complet sur tout ce qui touche et occupe les autres hommes?
wußt subjektiven, einmaligen witzig-ernsten E i n f a l l , oft mit
überraschender, spielerischer, unvermutet tiefer Verknüpfung (Stil Viele M. Chs. kann man sowohl als „M." wie auch als „Aph."
scharf pointiert, disharmonisch, unruhig). bezeichnen, je nachdem man mehr ihre gehaltliche oder gestalt-
Beiden gemeinsam ist die gestaltliche Kürze bei gehaltlicher Weite. liche Seite ins Auge faßt.
Das möge hier genügen. Die restlichen M. wären dann „réflexions" oder „pensées".
Von den Aph., die ich also als „M." bezeichnen möchte, zeigen 5. Sehen wir uns nun den N u m e r u s der M. Chs. an. Nach eini-
folgende Ellipsengestalt (in den bekannten Möglichkeiten) : M. 2, gem Einlesen fühlt man schon, daß bei ihm der Crescendo-Nume-
10, 17, 23 und rus den Decrescendo-Numerus überwiegt, was dann die genaue
Untersuchung bestätigt.
M. 36: On souhaite la paresse d'un méchant et le silence d'un sot.
Neben diesen beiden Möglichkeiten tritt uns als dritte entgegen:
(schon sehr bezeichnend: LR. stellt fest, Ch. wünscht), harmonische, ausgeglichene Kadenz.
folgende mehrfach Ellipsengestalt: M. 46, 108, 117, 131 und Alle drei Arten können in derselben M. vorkommen, ich be-
M. 29: La pensée console de tout, et remédie à tout. Si quelquefois elle vous
schränke mich deshalb bei den Beispielen als Kriterium auf die
fait du mal, demandez-lui le remède du mal qu'elle vous a fait, Klausel.
elle vous le donnera. Das Verhältnis von Crescendo- und Decrescendo-Numerus zu har-
monischer Kadenz ist ungefähr 2 zu 1 zu 1. Dieses Verhältnis gilt,
(die 2. und 3. Ellipse sind meist analytische oder synthetische
das sei ausdrücklich bemerkt, auch, ja gerade, für die „M." Hier
Parallelen),
24 37
Die zweite hat die Faktoren 7 und 3. Die erste besteht aus geraden,
lautet z. B. für die ersten 60 „M." - außer den ganz kurzen, die
die zweite aus ungeraden Zahlen.) M. 77 (21, 17, 7, 11, 13: un-
eine Einheit bilden und deshalb zu einer kleinen, besonderen
gerade Zahlen, die außer 11 — 13 immer denselben Abstand haben:
Gruppe gehören — das entsprechende Zahlenverhältnis 29 :16 :15
7 - 1 1 , 1 3 - 1 7 - 2 1 ) , 170ß (5, 12, 6, 10), 340 (9, 9, 16), 409 (3, 3,
(wieder unter Berücksichtigung nur der großen, groben Pausen)
3, 7, 16), 28 (13. 21, 2 :21!), 322 (erster Satz: 33 Silben, zweiter:
und zwar weisen auf
a) schwellenden (meist rhetorischen) Numerus2: 22, dritter 43. Verhältnis 3 : 2 : 4 ! ) ,
M. 31: La meilleure philosophie, / relativement au monde, / est d'allier, / à mit Schrumpftendenz:
son égard, / le sarcasme de la gaîté avec l'indulgence du mépris. (8, M. 35: Combien de militaires distingués, / combien d'officiers généraux sont
7, 3, 4, 17 Silben.) morts, / sans avoir transmis leurs noms à la postérité: / en cela,
M. 158: Amour, folie aimable; ambition, sottise sérieuse. (2, 4; 3, 6!) moins heureux que Bucéphale, / et même que le dogue espagnol
Bérécillo, / qui dévorait les Indiens de Saint-Domingue / et qui avait
b) schrumpfenden (pointierenden) Numerus3:.
la paie de trois soldats!
M. 87: En apprenant à connaître les maux de la nature, / on méprise la (10, 10, 13 :10, 13, 11, 10! Es kommen nur 10 ( = 11) und 13
mort; / en apprenant à connaître ceux de la société, / on méprise la
Silben vor, und zwar so, wenn 10 = a, 13 = b ist: a ab. abaa!),
vie. (14, 6; 14, 6!)
M. 80: La plus perdue de toutes les journées est celle / où l'on n'a pas ri. ebenso: M. 67 (17, 12, 4, 3 : fällt in den Faktoren des zweiten Glie-
(12, 5.) des), 171 (17, 10 :13 :10, 16, 12, 10: zweimal Klausel von 10 Sil-
c) harmonische Kadenz4: ben, weiter entsprechen sieh 17 — 16, 13 — 12 und dreimal 10!),
380 (16, 6, 8, 3 : 6 , 9, 6! also: 16:6 = 8 : 3 ! Der Rest hat den
M. 2: La plupart des faiseurs de recueils de vers ou de bons mots / res-
semblent à ceux qui mangent des cerises ou des huîtres, / choisissant
Faktor 3), 388 (große Pausen: 17, 17, 4, kleine: 10, 6, 8, 8, 4),
d'abord les meilleurs, / et finissant par tout manger. (15, 15, 8, 8!) harmonische Kadenz mit Schwelltendenz:
M. 57: Les trois quarts des folies / ne sont que des sottises. (6, 6.) M. 210 (zit. S. 42: 2, 11, 11, 11),
Einem Deutschen muß diese oft quantitativ genaue Harmonie der mit Schrumpftendenz:
M. 65: Les hommes deviennent petits en se rassemblant: / ce sont les diables
Glieder wunderbar erscheinen, um so mehr aber noch, da einmal
de Milton, I obligés de se rendre pygmées t pour entrer dans le
Gh., wie gesagt, keine letzten Feilungen mit seinen Aph. vorge-
Pandœmonion. (13, 9, 9, 9.)
nommen hat und andrerseits, wenn sie vorgenommen worden
Reines Gleichgewicht zwischen zwei Teilen herrscht in M. 62
wären, sie nicht bewußt auf Berechnung der einzelnen Numerus-
(20 :20), wie in Teilen von M. 153 («:23, ß:23, ? ß:24).
glieder ausgegangen wären. Das Ergebnis, das da vor uns liegt,
ist zwar auch Produkt der Sprache (des damaligen Französischen), Ein sehr gutes Beispiel bietet:
M. 85: Ce que les poètes, I l les orateurs, / / même quelques philosophes /
mehr aber gewiß Produkt des Künstlers Ch. nous disent sur l'amour de la gloire, / / on nous le disait au collège /
Um diese Harmonie, dieses numerische Gleichgewicht und diese pour nous encourager à avoir les prix. / / Ce que l'on dit aux enfans I
Zahlenmystik im Numerus unseres Autors noch weiter zu verfol- pour les engager à préférer à une tartelette / les louanges de leurs
gen in ihrer wunderhaften, weil fast selbstverständlichen Schön- bonnes, / / c'est ce qu'on répète aux hommes I pour leur faire pré-
férer à un intérêt personnel II les éloges de leurs contemporains ou
heit, gebe ich noch folgende Belege:
mit Schwelltendenz: de la postérité.
Das sieht mit den großen Cäsuren so aus: 5, 4, 17, 20. 30, 23, 17.
M. 44: La plupart des hommes qui vivent dans le monde, / y vivent si
étourdiment, / pensent si peu, / qu'ils ne connaissent pas ce monde
Berücksichtigt man aber auch die kleineren, so erhält man: 5, 4,
qu'ils ont toujours sous les yeux. / Ils ne le connaissent pas, / disait 7 - 9 , 8, Ii. - 7, 15, 7; - 7, 15, 17! (Die Glieder der zweiten
plaisamment M. de B., / par la raison qui fait que les hannetons né Gruppe sind alle um 4 größer als die der ersten.) Bei den großen
savent pas l'histoire naturelle. Cäsuren haben wir Schrumpftendenz, bei den kleineren, genaue-
(12, 8, 4, 16. 7, 9, 21! Die erste Zahlengruppe ist durch 4 teilbar. ren, Schwelltendenz.
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Müssen wir also bei Ch. zwei entgegengesetzte Numeri scheiden, ähnlich M. 259, 314, 364, 394 (immer erst das letzte Wort führt
nämlich einen rhetorischen, affektbetonten, warmen (<) und uns ans unbekannte Ziel) ;
einen pointierenden, ironischen, kalten (>), und sahen wir bisher, f) eine kurze, prägnante Zusammenfassung:
daß innerhalb e i n e s Satzes jener überwiegt, so ist bei der folgen-
• M. 105: Vain veut dire vide; ainsi la vanité est si misérable, qu'on ne peut
den Untersuchung das Umgekehrte der Fall. Denn bei den M., die
guère lui dire pis que son nom. Elle se donne elle même pour ce
aus mehreren Sätzen bestehen, ergibt sich hinsichtlich der Quanti- qu'elle est.
tät des einzelnen, ganzen Satzes ein Vorherrschen d e r M., bei
denen auf einen längeren Satz ein kürzerer folgt ( - u). Weniger ähnlich M. 69, 142, 253, 274, 353;
zahlreich sind die M., die diese Bilder verdeutlichen sollen: u - g) die Klausel ist steigernde Wiederholung eines vorher unbe-
und u - v. Es überwiegt also der „aphoristische" Gesamtnume- tonteren Wortes, das dadurch zu einer Halb- oder Binnenklausel
rus. Beispiele: wird :
A) für — u : M. 249: Les coutumes les plus absurdes, les étiquettes les plus ridicules, sont
en France et ailleurs sous la protection de ce mot: „C'est l'usage".
Hierbei kann der kurze Nachsatz (Klausel der ganzen M.) ent-
C'est précisément ce même mot que répondent les Hottentots, quand
halten: les Européens leur demandent pourquoi ils mangent des sauterelles;
a) eine „M." (meist dann auf einen erlebten Einzelfall folgend) : pourquoi ils dévorent la vermine dont ils sont couverts. Ils disent
M. 9, 14, 118, 143 und aussi: „C'est l'usage".

M. 203: Je conseillerais à quelqu'un qui veut obtenir une grâce d'un ministre, h) gegensätzliche Wiederholung einer solchen Halbklausel (da-
de l'aborder d'un air triste, plutôt que d'un air riant. On n'aime pas
à voir plus heureux que soi.
zu dreifache Antithese) :
M. 216: Que voit-on dans le monde? Partout un respect naïf et sincère
b) (Zitatklausel): ein französisches: M. 320, 355, oder fremd- pour des conventions absurdes, pour une sottise (les sots saluent
sprachiges Zitat: M. 13, 283, 300, 311, 417, 439 (alle lateinisch) leur reine), ou bien des ménagemens forcés pour cette même sottise
und 93 (italienisch), (les gens d'esprit craignent leur tyran).
c) ein kräftiges Beispiel zu der blassen „M.":
i) einen gesteigerten Gegensatz:
M. 47: Le moment où l'on perd les illusions, les passions de la jeunesse,
M. 113: Vivre est une maladie, dont le sommeil nous soulage toutes les seize
laisse souvent des regrets; mais quelquefois on hait le prestige qui
heures; c'est un palliatif: la mort est le remède.
nous a trompé. C'est Armide qui brûle et détruit le palais où elle fut
enchantée. ähnlich M. 50;
ähnlich M. 51, 132, 479; k) eine Aufforderung zum Beendigen oder Weiterdenken der M.
d) nach gehäuften Hemmungen und Spannungen endlich die er- (s. unter „offene Klausel": Abs. 6 d ß).
lösende, vorbereitete Klausel: 1) Daß dieser Stil aber auch affektbetonte Rhetorik aufweisen
kann, zeigen M. 214 (Klausel: „Pauvre humanitél"), M. 417 („O
M. 55: Ne tenir dans la main de personne, être l'homme de son cœur, de
ses principes, de ses sentimens: c'est ce que j'ai vu de plus rare. Altitudol"), 499 („Quel texte et quelle matière à réflexions!"), 525
(„Heureux l'homme qui arrive dans le moment de cette matu-
(Zwei Infinitivsätze, der letzte wieder dreigeteilt, anschwellend, rité"), 532 („Jugez comme la foule de ceux qu'il écarte peuvent
dann Doppelpunkt : Pointe.) Ähnlich M. 285; hierher gehören s'accoutumer à ce nouvel ordre de choses!").
auch M. 146 a und 290, die dieses Stilmerkmal - hier sehr rheto-
B) für u - (diese Beispiele zeigen fast durchweg rhetorischen
risch gefärbt! - innerhalb e i n e r langen Periode aufweisen.
Charakter) :
e) eine überraschende, unvorbereitete Pointe:
M. 271: On est plus heureux dans la solitude que dans le monde. Cela ne
M. 121: Celui-là fait plus pour un hydropique, qui le guérit de sa soif, que viendrait-il pas de ce que, dans la solitude, on pense aux choses, et
celui qui lui donne un tonneau de vin. Appliquez cela aux richesses. que, dans le monde, on est forcé de penser aux hommes?

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(kurze Ellipsen-M. — lange, begründende, rhetorische Frage), religion, à l'opinion publique"), 17 (Substantive, Antiklimax, <),
M. 29 (zit. S. 36: kurze Ellipsen-M. - lange, näher ausführende 19 a (parallele Infinitivsätze), 22 (Hauptsätze, Klimax), 27 (3:3
Ellipsen-M.)5 antithetische Substantive),
C) für Kj — (diese Beispiele zeigen teils progressives, pointie- y) viergliedrige Klausel: M. 34 („. . . certains misérables, plébéiens
rendes Streben, teils Verlangen nach künstlerischer Rundung) : reconnus, vrais roturiers, ou à peine gentilshommes"), 53 (vier-
M. 191: Rien de si difficile à faire tomber, qu'une idée triviale ou un pro- mal zwei Substantive), 213 (Infinitive), 246 (Sätze), 470 (Namen),
verbe accrédité. Louis XV a fait banqueroute en détail trois ou 8) fünfgliedrige Klausel: M. 3, 200, 397 a, 452, 519, 112 ß („. . . la
quatre fois, et on n'en jure pas moins „foi de gentilhomme". Celle seconde est vile, incertaine, mobile, inquiète et chancelante": ent-
de M. de Guimenée n'y réussira pas mieux.
sprechend vorher ebenfalls 5 Adjektive).
(Eine kürzere „M." — ein längeres, geschichtliches Beispiel der (Außer in der Klausel kommen natürlich diese Gliederarten und
Vergangenheit — ein kurzes, speziellstes Parallelbeispiel der näch- Aufzählungen auch am Anfang und in der Mitte der M. vor.)
sten Zukunft als Pointe.)6 b) Die folgenden Beispiele zeigen alle den Charakter der Schwell-
Brachten uns schon die letzten Untersuchungen auf die Möglich- klausel, bzw. offenen Klausel, deutlich. Verkürzte Klauseln finden
keit einer gewissen Vorliebe Chs. für dreigeteilte Aph., so seien wir seltener, z. B. in:
im folgenden weiter solche deutlich dreifach abgesetzten M. an-
M. 82: On fausse son esprit, sa conscience, sa raison, comme on gâte son
gegeben, bestes Beispiel ist:
estomac.
M. 210: Quand les princes sortent de leurs misérables étiquettes, ce n'est (3 Glieder am Anfang entsprechen e i n e m Glied in der Klausel.)
jamais en faveur d'un homme de mérite, mais d'une fille ou d'un
Ferner in M. 67 (2 > 1), 216 (2 > 1), 242 (Proportion: 3 : 1 — 1:1),
bouffon. Quand les femmes s'affichent, ce n'est presque jamais pour
un honnête homme, c'est pour une „espèce". En tout, lorsque l'on 338 ( 2 : 2 = 1 :1), 445 ( - : - = = - : u = u :u).
brise le joug de l'opinion, c'est rarement pour s'élever au-dessus, c) Betont rhetorische Klauseln finden wir in M. 35, 98, 137, 214,
mais presque toujours pour descendre au-dessous. 215 (emphatischer Schluß, angezeigt durch Ausrufungszeichen,
(Drei Sätze, von denen jeder deutliche Dreigliederung aufweist. Gesamtnumerus aber meist decrescendo!) und in M. 4, 13, 15, 26,
Der dritte faßt zusammen.)7 28, 224 - letzte: nur Fragen, ebenso 473, 481 und 491 - (Frage-
6. (Schon bei der Numerusuntersuchung wurde vieles vorwegge- klauseln: offen).
nommen, was auch hierher gehört.) (Offenen Anfang, mit fragender Einleitung finden wir außer in
Die K l a u s e l , der Satzschluß, ist bei einem Kunstgebilde wie den bereits erwähnten Definitions-Aph. — dort nichtrhetorischer
dem Aph. der interessanteste Teil, und ihre Prüfung zeigt uns sehr Anfang - noch in M. 223, 413, 422, 432.)
Wichtiges. d) Weitere offene Klauseln:
a) Die Klausel Chs. enthält sehr oft Aufzählungen, ist dann zwei- a) (innerer Schwellstil) : Ch. ist scheinbar bemüht, wissenschaft-
bis fünfgliedrig und meist nominalen Charakters. Daß diese Viel- lich vorzugehen und möglichst nichts zu übersehen, sondern alles
gliedrigkeit der Klausel ein rhetorisches Stilelement ist, braucht zu überschauen, daher die vielen „etc." am Ende einer Auf-
wohl nicht betont zu werden. Ich gebe Beispiele: zählung.
a) Der häufigste Fall ist die Zweigliedrigkeit: M. la („. . . des ß) Scheinbar offene Klauseln haben wir auch bei den M. von dem
esprits médiocres ou paresseux", ebenso 1 Q, M. 1 (antithetische
Typus „appliquez cela" u.ä.: sie leiten weiter, aber auch gleich-
Substantive), 2 (Partizipialsätze), 3 (antithetische Substantive),
zeitig zum Anfang zurück, da sie auf ein vorhergehendes Glied
5 (Sätze), 8 (Adjektive),
sich beziehen. Ihre Formel ist: A : B = C:(D), wobei (D), das
ß) häufiger als alle folgenden Typen zusammen ist der Typus der gleich oder ähnlich A oder B ist, zu ergänzen ist, so in M. 6, 121
dreifach abrollenden Klausel vertreten, der dem dreigliedrigen (zit. S. 40), 364, und (wirklich offen) in 413, 499, 518, die letzten
Numerus entspricht: M. 4ß („. . . relatives à la législation, à la Beispiele sind progressiv, nicht regressiv.
42 43
y) Unfertige, aber leicht variierend (so M. 6) oder antithetisch
mieren, sondern absolut genommen, oft noch ein neues, sehr über-
(M. 38) zu ergänzende Klauseln:
raschendes Licht aufsetzen.
M. 38: Il y a une prudence supérieure à celle qu'on qualifie ordinairement
Beispiele für
de ce nom: l'une est la prudence de l'aigle, et l'autre celle des taupes.
La première consiste à suivre hardiment son caractère, en acceptant <x) verkürzte Zusammenfassung durch Anfang und Klausel: M.
avec courage les désavantages et les inconvéniens qu'il peut pro- 246 („C'est la plaisanterie qui. . rend les hommes plus mesurés et
duire. . . . plus polis": die M. hat bei Auguis 18 Zeilen!), 351 („Une âme fière
Dieses Beispiel (Klausel in Punkte auslaufend, also eigentlich eine et honnête . . et les petits intérêts"), ähnlich 17, 18, 40, 41, 42
unsichtbare oder unhörbare Klausel) zeigt sehr deutlich die for- („Les prétentions sont . . le ridicule": die M. enthält 21 Zeilen, in
male Nähe zur Zote, die so viele „Aph." aufweisen, so daß man der Mitte ist sie aber schon auf die obige Formel gebracht!), 43,
sagen könnte: der „Aph." ist eine keusche Zote — besser: keu- 66, 67, 78, 95 usw.
schere Zote (was aber formal schlechter) —, wobei das „keusch" ß) überraschendes Neues (nicht direkt in der M. Enthaltenes)
nur die Paradoxie des „Aph." und ein „Jenseits von der eigent- durch die Vereinzelung von Anfang und Klausel (wenn das be-
lichen Zote" bedeutet. Aber das Gespannte, das Prickelnde am wußt geschehen ist, ergäben sich oft reizvolle Dinge) :
„Aph." erhellt am besten aus einem Vergleich mit der Gestalt der M. 4 („On ne cesse d'écrire sur l'éducation . . . à en inspirer le
Zote — sofern es sich da um eine wirkliche Zweideutigkeit han- mépris"), 25 („II faut qu'un honnête homme . . . donne sa me-
delt, die ja, wie Fr. Schlegel in der „Lucinde" beklagt, so sehr, sure"), 33 („Jai vu . . . la célébrité"), 58 „L'opinion — la reine des
sehr selten ist. sots"), 59 („II faut savoir . . . notre caractère"), 89 („En France,
5) Ebenso unfertig sind auch die bloßen Proportionen, bei denen tout le monde . . . auteur satirique"), 91 („II n'y a pas d'homme
das Verbindende zu ergänzen ist, wie in M. 84. . . . aussi méprisable que le public"), 152 („On est heureux . . .
e) Vollständige, enthüllende Klauseln als tertium comparationis on ne peut dire"), 219 („Quelle vie que celle de la plupart des gens
(Formel: A :B = G :D = E): M. 264 (zit. S. 37), 348, 371. de la cour! . . . à ne pas mourir"), 350 („II y a telle femme . . . à
f) Eine genußbetonte Klausel haben wir in M. 142 („II y a du l'envers"), vgl. dazu den wirklichen Inhalt:
ragoût!"). M. 350: Il y a telle femme qui s'est rendue malheureuse pour la vie, qui s'est
g) Zum Schluß noch eine wichtige Eigenschaft: Ch. schließt gern perdue et déshonorée pour un amant qu'elle a cessé d'aimer parce
seine M. mit gestuften, herabfallenden Nebensätzen, so daß die qu'il a mal ôté sa poudre, ou mal coupé un de ses ongles, ou mis
son has à l'envers.
Pointe oft grammatisch in einem Nebensatz zweiten, dritten oder
noch höheren Grades versteckt wird: M. 389 („Le mariage . . . sans remède!" In der M. nicht ausge-
M. 32 (—NN'—NN' N"), 169 (H . H N N'-H N H N H N N'), 171 sprochen, aber gemeint! Dadurch Lösung ihres Schwankens!), 440
X X v
(„L'honneur d'être de l'Académie française... vingt-deux sous").
(HN, HN, H N N ' N " N " ' ) , 245« (HN, H N HN N ' H N N ' N" N'"), Y) Zum Schluß noch einige Klammerungen, deren Inhalt nicht im
309 (NHN), 355 ( H N . H N N ' , N N ' N N ' J , 357 ( N H N H N ) . Sinne Chs. liegt, aber die doch einen vorzüglichen Sinn ergeben
Hauptsätze als Klausel sind seltener: und zeigen, was man durch sie versteckt sagen kann:
144 ß (N N' N" N'" H), 330 (N H N ^ N, H H H). Drei parallele Ne- M. 54 („Un sot. . . fiacre au galop"), 170 („Celui qui veut trop . . .
bensätze am Ende: s. dreigliedrige Klausel. finit par coucher sur la dure"), 196 („C'est une règle excellente . . .
7. V e r k n ü p f u n g geschieht meist durch l'autre a tort"), 410 („Un homme amoureux . . . raille ceux qui
a) Klammerung. Die Klammerung hat bei Ch. eine sehr große lisent l'histoire"), 413 („Avez-vous jamais . . . tirez (tiré) vos
conclusions") und sehr gut: 475 („Le caractère naturel du
Bedeutung. Meist klammern Anfang und Ende, als die wichtigsten
Français . . . aller à la chasse!").
Bestandteile der M., diese so, daß sie zusammen nicht nur resü-
Diese Klammerungen, die hier ein Spiel scheinen mögen, haben
44
45
den Wert, daß sie zeigen, wie Ch. nach LRs. Vorgang seine langen e) abschließende Zusammenfassung:
Aph. auf diese beiden Punkte und ihre kürzeste Verbindung hätte durch eine „M." in M. 19, 210 (zit. S. 42), und 323,
zusammendrängen können. Jedenfalls wird auch hier eine Nei- durch pointierte, kurze Variation in M. 22 und
gung deutlich, die wichtigsten Worte (Fokus) möglichst weit zu
spannen, auseinander zu spreizen. M. 25: Il faut qu'un honnête homme ait l'estime publique sans y avoir
pensé, et, pour ainsi dire, malgré lui. Celui qui l'a cherchée, donne
b) Parallelismus und c) Antithesen (hat auch Ch. in großer sa mesure.
Anzahl).
o) Streng durchgeführter Parallelismus: M. 23, 40, 139, 431, 446 durch wirksamen Vergleich in M. 47 (zit. S. 40),
(variierender P.) : f) Wortwiederholung. Gh. wiederholt meist im Sinne des strengen
Parallelismus (gestaltlich) und der Klarheit (gehaltlich) die ent-
M. 23: La plupart des nobles rappellent leurs ancêtres, à peu près comme
un Cicerone d'Italie rappelle Cicéron. sprechenden Worte, ersetzt sie also nicht durch Pronomina (die
M. waren also zum Sprechen bestimmt!) : M. 534 („toujours
M. 158 (zit. S. 38), 202, 444 (synthetischer P.),
fidèles" wird wiederholt), 146, 290, 351, 360.
M. 131, 132, 495 (steigernder P.) :
8. Daß Chs. Aph. weit mehr nominalen als verbalen Charakter
M. 131: L'estime vaut mieux que la célébrité, la considération vaut mieux haben, ging schon aus der Klauseluntersuchung hervor. Diesen
que la renommée, et l'honneur vaut mieux que la gloire.
H a u p t w o r t s t i l zeigen sehr deutlich die M. 131 (zit. S. 46:
M. 58 (begründender P.) : 6 Nomen und dreimal dasselbe Verb), 244 (6 Nomen und 1 Verb)
M. 58: L'opinion est la reine du monde, parce que la sottise est la reine des
und vor allem die verblosen M. 158 (zit. S. 38) und
sots.
M. 202: Amitié de cour, foi de renards, et société de loups.

M. 87 (zit. S. 38), 216, 424, 467, 494 (antithetischer P.). Diesen auf die Spitze getriebenen Nominalstil fanden wir bei LR.
ß) Freierer Parallelismus: M. 67, 210 (zit. S. 42), 351, 391 (vari- noch nicht, was merkwürdig erscheint: stellten wir doch gerade
ierender P.), 96, 238, 253, 425, 436 (antithetischer P.). bei ihm jene charakteristische Tendenz zur größtmöglichen
c) Antithesen: kontradiktorische Antithesen hat Ch. selten, so in Knappheit fest, und er hat noch Verben! Gerade er hätte doch
M. 94 („indépendant — dépendant"). Auch konträre, wie in M. 67 leicht zu dieser Kühnheit gelangen können, hatte er doch die latei-
(„petit - grand"), 94 („pauvre - riche"), 108 („privé - pu- nischen Vorbilder vor Augen, zudem finden wir sie auch bei sei-
blique") , sind nicht so häufig wie kompatible, in M. 149 („fou - nen Zeitgenossen, s. Pascal: „Diseurs de bons mots, mauvais carac-
sage"), 407 („cerveau — cœur"), 418 („doux, égal — triste, mélan- tères"8. Gh. aber, der soviel rhetorische, schwellende Elemente in
colique"), 438 („bon — médiocre"), meist aber hat er noch un- seinem Stil aufweist, hat diese letzte, lapidare Kürze, eine Kürze,
schärfere (d.h. logisch), unvermutete Antithesen (also für den die für den „Aph." schon beinahe zu kurz, zu tot ist. Eine ent-
„Aph." wie die kompatible Antithese geeigneter als die kontradik- gegengesetzte, lebendige, überraschende, zuckendes Leben nach-
torische und die konträre) : s. M. 57 („fou — sot": wie bei LR. sehr ahmende, „nachatmende" (Nietzsche) Kürze zeigt Ch. in den asyn-
häufig), 94 („nécessité — homme"), 108 („diamant — monture, detischen Sätzchen der direkten, nicht reflektierenden Charakte-
beau - léger"), 281 („pauvre, riche - indépendant"), ristik eines Metaphysikers (M. 34). Verwandten Stil haben wir im
d) einleitende Verknüpfung (meist durch Doppelpunkt gekenn- Aph. vor uns in
zeichnet wie) in M. 135:
M. 301: On dit communément qu'on s'attache par ses bienfaits. C'est une
M. 135: Célébrité: l'avantage d'être connu de ceux qui ne vous connaissent bonté de la nature. Il est juste que la récompense de bienfaire soit
pas. d'aimer.

Ferner M. 194, 244 und die Definitions-M., die mit einer Frage be- 9. U m w e r t u n g e n bestehender Meinungen und Änderungen
ginnen. von Zitaten oder Formeln hat auch Ch. häufig, so charakterisiert
102
47
sehen verblaßte Metaphern in Worten wieder auf und bauen sich
12. „Jamais le monde n'est connu par les livres", sagt Ch. (M.
auf ihnen auf: M. 49 („se pousser, s'avancer, arriver"),
177). Aber b e i d e r Einfluß, der der W e l t und der der B ü -
Worte werden onomatopoetisch verwandt: M. 477 (die mittelalter-
c h e r , verrät sich auf Schritt und Tritt bei ihm. Er zeigt eine
liche „noblesse française" bestand aus „trente mille hommes cas-
große Belesenheit, ist sprachenkundig (s. seine Zitate) und da-
qués, cuirassés, brassardés, cuissardés": rasselnde Worte!),
neben doch ganz weltoffen: die Eleganz des Stils und der Umkreis
da sind Annominationen, die in langen M. wie Motive in einem
des Gehalts verraten seine Beziehungen zur galanten, großen Welt.
Musikstück immer wieder aufklingen und sie verknüpfen: M. 534
Er verdankt ihr viel, ein Grund mehr, weshalb er sie verachtete.
(s. a. o. — zuerst Wortwiederholung, dann ein Wortspiel im eng-
Ja, er verdankt ihr soviel, daß ein Franzose (!) einen Vergleich
sten Sinne: „suppôts — supposer", dann zweimal „supposent",
zwischen ihm und Lichtenberg so beschließt: „Si Lichtenberg
zweimal „supposons — supposez", dazu Alliteration und Silben-
avait vécu à Paris (ou à Londres) et Chamfort à Goettingue, le
spiel: also eine klang- und wortspieldurchsetzte M. und zwar in
premier n'y aurait-il pas gagné singulièrement? Mais que
raffiniertester, weil unaufdringlicher Weise), und Annominatio-
serait-il advenu du second?"12 Nur fürchte ich, daß hier wieder aus
nen, die zugleich auch Sinnspiele sind: M. 200 und 201, die zu-
einseitigen Studien heraus gleich übertrieben wird.
sammengehören: „mépriser — mépris" und „méprisable — mépri-
sent — mépris": ein vorzügliches Beispiel: die Worte werden im- 13. Wenden wir uns nun wieder zu Lansons Äußerungen über
mer kürzer, Chs. Verachtung wird immer konzentrierter, giftiger, den S t i l d e r Z e i t , also der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun-
derts13. (Was die erste Hälfte angeht, vgl. oben bei LR.)
das Gift zieht sich zusammen, zieht sich in den Wortstamm zu-
rück. Ein neuer, dem bisherigen entgegengesetzter Stil kam auf. Waren
vorher die Kennzeichen: K ü r z e , T r o c k e n h e i t , K r a f t , Zer-
M. 201: Le monde est si méprisable que le peu de gens honnêtes qui s'y
hacktheit, Tänzeln, so genügte dieser geistreiche und leichte Stil
trouvént, estiment ceux qui le méprisent, et y sont déterminés par
ce mépris même. nicht mehr. Wieder erschien eine b r e i t e , e m p f i n d u n g s b e -
l a d e n e , p o e t i s c h e und r h e t o r i s c h e „phrase". Neben ihr
Ob nun alle diese Spiele mit den Worten bewußter oder unbewuß-
bestand natürlich die überkommene weiter. Alles war auf Schnel-
ter sind, ob sie vom Autor so gewollt waren von Anfang an oder
ligkeit eingestellt (vgl. Gh. M. 259), man las schnell und schrieb
sich zufällig und dank der französischen Sprache ergaben, ist im
schnell, kümmerte sich wenig um das Schöne: das Hübsche und
einzelnen nicht nachzuweisen. Wichtig ist nur, daß sie da sind, un-
betonter meist und deshalb wie alle verhüllte Schönheit von höhe- der angenehme Kitzel genügten. Man schrieb eine klare, alge-
rem Reiz. Diese Bonmots waren zum Sprechen bestimmt10; aber braische, fast wissenschaftliche und doch schnelle Prosa, die das
ihre Schönheit enthüllt erst das Lesen. Wichtig ist, daß sie da Parfüm der Unterhaltung der großen Welt an sich trug.
sind, obwohl, wie immer wieder zu sagen ist, unser Franzose an- Wieder muß uns scheinen, daß Lanson vor allem von Ch. redet.
geblich seinen Aph. den letzten künstlerischen Schliff nicht gab. Man kann es auch so ausdrücken: die Franzosen haben keinen
Allerdings neige ich zu der Ansicht, daß der Mann, dessen letzte persönlichen Stil, oder: sie sind mit schwachen Modifizierungen
Worte zu Sieyès (zit. bei Nietzsche, „Fröhliche Wissenschaft" reine Verkörperungen des Zeitstils. (Für die deutsche Prosa könn-
Nr. 95) waren: „Ah! mon ami, je m'en vais enfin de ce monde, ten wohl so allgemeine Merkmale für so große Zeiträume viel
où il faut que le cœur se brise ou se bronze" (Halbklausel und weniger herausgearbeitet werden.) Aber das alles gilt nur in ab-
Klausel: Assonanzen, sonores Vokalspiel: ong, in der Klausel Al- stracto. Die Maschen Lansons sind weit und wollen nur das Große,
literation und Konsonantenspiel: br — s)11, daß dieser Mann, der Grobe fassen.
noch angesichts des Todes so formschön sprach und seinen gro- Zusammenfassend weiß ich jedenfalls zur Charakteristik des Stils
ßen Schmerz in solche Musik hauchen konnte, daß die Worte auf Chs. keine besseren und knapperen Ausdrücke als die Worte
der Zunge schmelzen, daß dieser Mann bewußt auf solche klang- Lansons.
spielende Schönheit ausging. 14. Chamfort war ein Zyniker. Er sagte einmal: „L'amour c'est
le produit d'une bonne digestion". Aber die Assoziation „Scham —
50
i* 51
er in seinem „Eloge de la Fontaine" diesen Dichter unter Ände- pliquez cela aux richesses"). Wieder zeigt sich uns Ch. als Kind
rung von Juvenals „ridet et odit" vortrefflich durch: „il rit et ne seiner Zeit.
hait point". Das beste hat er wohl geleistet, als er das „Fraternité 11. Rühle-Gerstel stellt bei Ch. nur e i n Wortspiel fest, das eigent-
ou la Mort" der Revolution übersetzte in „Sois mon frère ou je te liche, das in M. 23 vorliegt (zit. S. 46). Aber er hat noch viel mehr,
tue". Beispiele für Umwertungen: M. 8 („La société n'est pas, bloß feinere und W o r t s p i e l e im weiteren Sinne.
comme on le croit d'ordinaire . . ."), 383 und 461, für Zitatände- Da sind Klang- und Sinnspiele verwandter Worte: M. 115 („in-
rungen: M. 140 („plus on pense, moins on sent - plus on juge, jures - injustices"), 134 („légaliser - légitimer"), 347 („évalué -
valeur"),
moins on aune"), 332 („qui quitte la partie, la g a g n e " statt
„ p e r d " ) , 377 („sentir fait penser - penser fait sentir"). nicht verwandter Worte: M. 100 („corps - cours"), 355 („en-
Eine dritte Möglichkeit ist hier die, daß ein Zitat witzigerweise auf goûmens - goûts, sympathies d'épiderme — sympathies d'esprit"),
470 („qui rapporte et rapproche"),
einen ihm ursprünglich sehr fernliegenden Gehalt angewandt
wird, wie in der köstlichen steigernde Wiederholung eines Wortes in ganz anderem Sinne:
M. 509 („II est malheureux pour les hommes, heureux peut-être
M. 421: Je dirais volontiers des métaphysiciens, ce que Scaliger disait des
pour les tyrans, que les pauvres, les malheureux, n'aient pas l'in-
Basques: „On dit qu'ils s'entendent; mais je n'en crois rien."
stinct ou la fierté de l'éléphant, qui ne se reproduit point dans la
10. Ch. hat sehr wirksame, drastische V e r g l e i c h e , die seinem servitude": dieses doppelte Unglück — des Unglücks — wird da-
Stil dieses Plastisch-Konkrete und Lebendig-Farbige geben, das durch riesengroß),
bis zum Tanzend-Tollen gehen kann. Ist doch wahrscheinlich er Alliterationen: M. 478 („matelot ou mousse"), 484 (von Namen:
jener „plaisant" gewesen, der vorschlug, die M. LRs. tanzen zu las- „Scaurus, Scipion, - Tacite, Tite-Live"), 534 („leurs droits et
sen, d. h. in Ballettform zu bringen8), in der richtigen Erkenntnis le devoir de les défendre"),
dessen, was jenem fehlte und was er besaß. Praefixspiele: M. 100 (am Anfang und am Ende!: „reconnu -
Seine Vergleiche sind den verschiedensten Bezirken entnommen, remis, combien — combien, commerce — commode", dazu Klang-
z.B. der Welt der Küche (M. 2 u. 6), dem Gartenbau (322), dem spiel nichtverwandter Worte, s. o.), 150 („conviction - con-
Straßenleben (430), dem Kartenspiel (145), dem Kinderleben (205), science"),
dem menschlichen Lebenslauf (160), dem Leben der Gesellschaft Silbenspiele: M. 355 („femmes - fantaisies", der Anfang der M. lau-
(459 u. 493), der Tierwelt (302 u. 475), der Jagd (513), der Reise tet so — s.o. — : „les femmes ont des fantaisies, des engoûmens,
(206), der Börse (153), der Medizin (17, 46, 48, 264), der Kunst quelquefois des goûts",), 427 (ong: Anfang: „bon, bon ton, ont" (4)
(30), der Wissenschaft (419), der großen Politik (371), der Kriegs- - Mitte: „bon, conduit" (2) - Ende: „bon ton, bon, conversa-
kunst (132 u. 446), der Technik (308), der Geschichte (95, 277, tion" (4)), 534 („patience - souffrance"),
306), der Geologie (456), der Optik (103), der Astronomie (51), Silbenspiele und Alliterationen, progressiv: M. 244 („cour - cour-
dem literarischen Leben (21, 84, 391, 410). tisan - sang - chapelain - chirurgien": „A la cour tout est cour-
Seine Neigung zu Vergleichen bestimmen nicht nur rein ästhe- tisan: le prince du sang, le chapelain de semaine, le chirurgien."),
tische, künstlerische Tendenzen, sondern auch rationalistische: es Vokalspiele (Klang- und Sinnspiele) : M. 229 (die Klausel bringt,
ist einfach ein In-Beziehung-Setzen zweier Sphären zur größeren den Gehalt wirkungsvoll unterstützend, helle Vokale, vor allem
Verdeutlichung und zur Verständlichmachung, das zeigt die Le- hell einsetzend und hell endigend: „l'homme le plus misantrope
bensnähe der Vergleiche, zeigt aber auch das häufige „raison" und finirait par s'égayer, et Héraclite par mourir de rire"),
„appliquer" bei ihnen: so z. B. in M. 6, wo die Zivilisation und die Konsonanten- und Vokalspiele: (nur Klangspiele) in der Klausel
Küche in Beziehung gesetzt wird (,, à l'application"), 63 („II y a peu von M. 429 („trouver tout préparé et naître à propos": tru — tu —
d'hommes qui se permettent un usage rigoureux et intrépide de pre — pe — pro — po: sonor beginnend und endend),
leur raison, et osent l'appliquer à tous les objets . . ."), 121 („Ap- etymologisierende Spiele: M. 105 („vain — vide") ; einige M. fri-

80 6 F i n k , Maxime und Fragment 81


fort", die sich bei meiner ersten Bekanntschaft mit ihm oft ein-
stellte, trifft ihn und trifft ihn nicht. Wie viele große Zyniker war
er ein enttäuschter großer Enthusiast, ein an der Wirklichkeit er-
krankter Idealist. An der Wirklichkeit, der er dienen wollte und die
ihn in seinen beinahe tragikomischen Tod trieb.
Der Zynismus ist oft eine vergewaltigte Heilige. Sit venia.

FRIEDRICH SCHLEGEL
1. Wenden wir uns nun zu Fr. Schlegel und zu seinen „Frag-
menten", so glauben wir zunächst wohl, in einen brodelnden
Hexenkessel zu geraten. Ein wertender Vergleich mit LR. und Ch.,
der von der Gestalt der M. ausgeht, muß für Schi, ungünstig aus-
fallen — und schief.
(Das Folgende ist daher bewußt einseitig und bedarf der Ergän-
zung durch Gundolfs unerreichbaren Schlegelaufsatz.)
Dilthey kennzeichnet germanischen Kunstwillen so: „Nicht Form,
sondern Kraft". Indem ich diese Formel zugrunde legte, habe ich
die 4 Hauptkapitel dieser Arbeit geschieden in: „la forme et la
force", in: „Gestalt und Gewalt".
„Gewalt": denn gewaltig saugt Schi, an der weiten Sphäre des un-
sinnlichen, fast unsinnigen Denk-Denkens, und gewaltig saugt
No. an der tiefen Sphäre des übersinnlich-sinnlichen Denk-
Fühlens.
Damit ist aber das Ausbiegen der Frg. aus meiner Behandlung ge-
kennzeichnet: ihr Eigentlichstes, ihr Gehalt, fällt nicht in meine
Untersuchung. Wiederum aber sind Gehalt und Gestalt korrelative
Begriffe. D i e s e r Gehalt hat s e i n e Gestalt, eine ihm homogenste:
der Gehalt, das unbewußte Fragment, e r s c h e i n t in der Gestalt
des bewußten Fragments.
Und doch: auch. Schi, ist nicht so formlos, wie man ihn schilt.
Das versuche ich im folgenden zu zeigen.
2. Zunächst. Die Form des Frg. ist im k l a s s i s c h e n Sinn eine
„Umform" (Haym). Gewiß. Ist es doch eine Grenzform und des-
halb zwei Gebieten zuzurechnen: mit Wertung je nach dem Stand-
punkt. Im r o m a n t i s c h e n Sinne ist es jedenfalls sehr wertvoll.
„Auf der Grenze liegen immer die seltsamsten Geschöpfe", sagte
Lichtenberg. Und ein genialer Torso reizt mehr als ein gekonntes,
akademisches Werk. Romantische Kunst ist die Kunst des Interes-

104 52
santen (nach ihrem ersten und bedeutendsten Theoretiker), nicht
„Religion" und „Künstler" sachlich und formal Anklänge an No.
die Kunst des Ruhend-Schönen. So ist das bewußte Bruchstück
auf oder Zusammenklänge, so beider gemeinsame Behandlung
die romantische Form kat'exochen, mindestens für e i n e roman-
tische Richtung. Doch eins ist das Frg. nicht, trotz seines Reizes: gut-romantischer Begriffe, wie „Mittler" und „Repräsentant" (hier
kein „Aph.". hat wohl Schi, die Priorität, gebraucht er doch das Wort schon
früher gern, z.B. s. Minor II S. 10) : I. 1 („Atomgestalt": s. u. bei
Nicht, aïs ob Schi, keine „Aph." gelungen wären. Nein! Er hat No. - und „Schleier der Isis"), 1.5 („heiligen Samen streuet"),
sogar einige vollendete geschrieben, die noch wirken und bedeut- 1.44 („Mittler": s. Blütenstaub 74), 1.52, 114 und 141 („Repräsen-
sam sind. Aber er selbst — und das kennzeichnet ihn — glaubte
tant": aber auch schon A. 369: s. Bl. 76), 1.142 („Kaufleute im
denen, die seine längsten Frg. für die besten hielten1. (Daneben
Mittelalter": s. „Ofterdingen"). Das Juckende, Zuckende des
zog er aber die kurzen seines Bruders vor2, gleichwohl schwemmte
„Aph." fehlt den „Ideen" ganz. Ruhiger, harmonischer ist der
er sie auf8. Weitere Grundirrtümer dieses „Aphoristikers" waren,
Stil. Einheitlich der Gehalt. Schöne, vollendete Aph. finden sich
daß es die Menge machen müsse4 und daß es keine Epigramme
mit witzlosen, schönen Vergleichen (1.88, 126, 127, 128, 130).
oder lyrische Frg. in Prosa sein dürften5. Dilthey sagt von ihm,
daß er „unter tiefen Ideen schwerringend mit dem Ausdruck, ei- I. 88: Es giebt eine schöne Offenheit, die sich öffnet wie die Blume, nur um
gentlich niemals, mitten unter Stilisten [Wilhelm und Schleier- zu duften.
macher], ein guter Stilist"6. Schi. — überbewußter Romantiker Auch sind die „Ideen" weitaus lehrhafter, selbstsicherer als die
stets — schreibt selbst in einem seiner stillosen, aber aufschluß-
früheren Frg. und prophetisch. (Aber Schi., der denn doch lieber
reichen Briefe (in beidem der französischen Briefkunst etwa eines
alles offen ließ und nur reizen, anregen wollte, verrät sich hier,
Galiani entgegengesetzt) an seinen Bruder: „Du beschämst mich
in ihm entgegengesetzten Stil, wenn er gleich übertreibt und allzu
sehr, und Ihr alle, die Ihr immer so geistvoll schreibt. Ich brauche
stark bekräftigt, wie in I. 145.) Daneben finden sich merkwürdiger-
allen Witz zu den Fragmenten und allen Stil zum Meister. Das
weise Worte und Töne, die (uns heute) an Nietzsche gemahnen,
andere sudle ich . . ."T Aber schon ein Jahr vorher gibt er in L. 55
(einem Postulat, das er verwirklichte) eine indirekte Erklärung wo wir immer sie treffen: 1.21 („Es ist der Menschheit eigen, daß
für seine Stillosigkeit, wenn er sagt, man müsse sich beliebig sie sich über die Menschheit erheben muß"), 1.129 und 155 (das
„stimmen" können. letzte Ideen-Frg.!) sprechen von „Morgenröte" (ein scholastisch-
theosophisch-alchemistischer Begriff : „höhere Erkenntnis" !). Noch
Über Schis. Hang zum Abrupten bei seiner Ideenfülle, über das mehr klingt der „Zarathustra" vor in I. 134 („Du vermuthest
Verlangen des Verlegers nach kurzen Prosafüllseln in den Zeit- Höheres auch in mir, und fragst, warum ich eben an der Gränze
schriften, alles Mitursachen der Produktion der Frg., brauche ich schweige? — Es geschieht, weil es noch so früh am Tage ist").
wohl nichts mehr zu sagen.
Den Gegensatz „Apollinisch-Dionysisch" hat schon Schi. So ein
3. Die Fragmentenmasse Schis, ist nicht einheitlich. Es muß ge- Romantiker besaß viele Häute (aber kein Heute).
trennt werden zwischen den „Kritischen Frg." des „Lyceums" 4. Schi, hat bei späterer Verwendung einige Ä n d e r u n g e n an
(1797), den „Frg." des ersten Bandes des „Athenäums" (1798) seinen Frg. vorgenommen, die uns über seinen Formwillen wieder
und den „Ideen" des dritten Bandes des „Athenäums" (1800). viel verraten. Betrachten wir die wichtigsten, die der „Kritischen
Diese Trennung gilt sowohl in gestaltlicher als auch in gehaltlicher
Frg.", so sehen wir, daß auch er meist kürzte, straffte, zusammen-
Hinsicht. Die erste und letzte Gruppe enthalten kürzere, die mitt-
faßte und rundete (s. d. Fußnoten in Minors Text).
lere längere Frg. (Ich kann hier im allgemeinen auf Rühle-Gerstel
verweisen: a. a. O. S. 848ff.) L. 12 (Überflüssiges, Tautologisches fällt, eine kurze synthetisie-
rende Endung kommt hinzu: 1801, also nach den „Ideen", in
Die Lyceumsfragmente sind teilweise unter dem Eindruck Chs. denen sich die synthetische Neigung Schis, am stärksten zeigt),
entstanden, wovon noch zu reden sein wird. Die „Ideen" weisen L. 32 und 33 (gestaltliche Straffung auf Kosten des Gehalts), L. 80
neben der deutlichen Schlußapostrophe und den Generalthemen (eine negative Einfügung fällt weg, an die Stelle einer abstrakten,
102
55
systematischen Bezeichnung tritt eine historische, dazu Erweite- eher Mozarts Musik so häufig vorgeworfen wird: einen zuweilen un-
rung), L. 81 (eine Endung wird gestrichen, dadurch jetzt bessere mäßigen Gebrauch der Blasinstrumente.
Klausel: „unendlich interessant"!), L. 85 (der zweite Satz, die tau- Ebenso: L. 12, 18, 32.
tologische Negation des ersten Satzes verschwindet), L. 108 (Über- L. 36 (Pointe nach doppelter, hypotaktischer Spannung: NN'N",
flüssiges wird gestrichen, die literarhistorischen Beispiele ver- NN'H), ähnlich: L. 38, 73 (NH), 74 (HN N'), 76, 94, 126.
schwinden), L. 117 (Kürzung, aber um Überflüssiges?).
L. 41 (unvorbereitete Pointe): An geselligem Witz und geselliger Fröhlich-
Daneben gibt's aber auch Erweiterungen (s. vorher L. 80) : L. 34 keit sind wenige Bücher mit dem Roman Faublas zu vergleichen. Er
und 90 werden zusammengezogen — zu ihrem Nachteil, da L. 90 ist der Champagner seiner Gattung.
selbständig und nur selbständig wirksam ist; L. 54 erhält eine
Ebenso L. 33.
attributive Bestimmung, L. 77 einen witzigen Zusatz als neue
L. 11 (Spezielles nach Allgemeinem), L. 23 (Folgerung), L. 24
Pointe.
(Bibelzitat), L. 46 (Begründung), L. 53 (Zusammenfassung), L.
Primär ist also eine Neigung zum Additiven und „Progressiven"
57 (Variation), L. 88 (drei kurze Erläuterungen), L. 116 (para-
vorhanden, die aber durch eine sekundäre Neigung zum Konzisen
doxe Einschränkung).
und „Zyklischen" gezügelt wird. Der Ausgleich zwischen beiden
Gehaltlich sind es meist antithetische, unnötige Hinzufügungen,
Tendenzen ist nicht immer glücküch.
gestaltlich aber entstehen oft gute Klauseln.
5. Schi, hat keinen ihm eigentümlichen, d.h. bleibenden, domi-
nierenden N u m e r u s : da er keinen einheitlichen Stil besitzt, Deutlich haben entgegengesetzten Numerus: L. 20 und 85 (anti-
sondern diesen eben „beliebig stimmt". Die Vorliebe Chs. für den thetisch) :
trochäischen Numerus zeigt auch Schi, in den Lyceums-Frg., aber L. 85: Jeder rechtliche Autor schreibt für Niemand, oder für Alle. Wer
schreibt, damit ihn diese und jene lesen mögen, verdient, daß er nicht
Einfluß ist hier nicht nachweisbar, da dieser Stil eben allgemein
gelesen werde.
„aph." ist. Auch daß Schi. Aufzählungen liebt, entspringt anderen
L. 105 (vorbereitete Pointe, aber die eigentliche Pointe ist erst das
Quellen als bei Gh.: war er doch weniger rhetorisch veranlagt,
letzte Wort) :
seine Neigung zu Aneinanderreihungen entsprach wohl seiner
L. 105: Sieht man auf den Geist, nicht auf den Buchstaben: so war das ganze
deutschen Philologennatur, die er trotz allem besaß. römische Volk, sammt dem Senat, und sammt allen Triumphatoren
Aber die einzelnen Frg.-Gruppen zeigen schon im Numerus eine und Cäsaren ein Cyniker.
wachsende Entfernung vom „Aph.". Überwiegen nämlich in L. L. 4 (Begründung) : Es giebt soviel Poesie, und doch ist nichts seltener als
die fallenden Numeri erheblich, so wird dieses Übergewicht in A. ein Poeml Das macht die Menge von poetischen Skizzen, Studien,
schon sehr gemindert, in I. sind dann die schwellenden Numeri in Fragmenten, Tendenzen, Ruinen, und Materialien.

geringer Überzahl. Die Zahlen sind für L.: 42 Frg. mit schrump- L. 13 (Variation), 6 (Einwurf), 48 (progressive Fortsetzung) 75
fendem Numerus und 24 mit schwellendem, für A.: 63 und 55, (Hinzufügungen), 114 (Wunsch), 79 (lange Aufzählungen, das
für I.: 28 und 32. letzte Glied ist das längste) ; die folgenden Frg. enthalten längere,
Im einzelnen haben trochäischen oder deutlich D e c r e s c e n d o - synthetische Ausführungen oder analytische Erläuterungen eines
Numerus folgende Frg. (die Klammern geben das Schema des Frg. kurzen Vordersatzes :
oder die stilistische Funktion des Nachsatzes, der Klausel des L. 29: Anmuth ist korrektes Leben; Sinnlichkeit die sich selbst anschaut,
Frg., an) : und sich selbst bildet.
L. 2 (antithetisch): Jedes Volk will auf der Schaubühne nur den mittlem Ebenso L. 7, 26, 34, 65, 81 (3 schwellende Sätze).
Durchschnitt seiner eignen Oberfläche schauen; man müßte ihm
Eigentlichen „aph." Pointenstil zeigt dieser Numerus an sich
denn Helden, Musik oder Narren zum Besten geben.
nicht, wohl aber dient er der Zergliederung der Begriffe. Es ist
Ebenso: L. 47, 89, 93. ein „Dissertationsstil": lange Behandlung eines kurzen Themas.
L. 5 (vorbereitete Pointe) : Manches kritische Journal hat den Fehler, wel- Deutlich zeigt das A. 116 (die Theorie der romantischen Poesie).
56 24 57
Analog sind die Beispiele aus A. und I. 216, 255; u u : A. 367; u - u - : A. 346, 363; - u - : A.297,
Beispiele für S c h r u m p f s t i l : I. 41.
A. 16 (nach langen Hemmungen durch Nebensatzhäufung über- (Interessant ist hierbei, wie auch im folgenden, daß oft ähnliche
raschende, kurze Lösung im Hauptsatz, Pointenstil, aber das poin- Typen ganz dicht beisammen stehen: s. A. 247 und 248; so zeigen
tierende Wort fällt schon am Anfang der Klausel, also zu früh: I. 115 bis 118 alle Schwellstil.)
N' N' 6. Schis. Frg. haben durchweg o f f e n e n C h a r a k t e r . Sie ha-
N N', — N" — N', IS' : H).
X X ben kein eigentliches Ende, obwohl viele Endungen. Sie sind Re-
A. 71: Man redet immer von der Störung, welche die Zergliederung des flexionen: sind fortsetzbar, werdend. „Sie beginnen in der Mitte
Kunstschönen dem Genuß des Liebhabers verursachen soll. So der und hören in der Mitte auf", sagt Rühle-Gerstel8. Wohl spricht er
rechte Liebhaber läßt sich wohl nicht stören! Ideen aus, „die aufs Zentrum deuten"® sollen, aber sie deuten nur.
(Lange Wiedergabe der Meinung der anderen, kurzer Einwurf Die eigentliche Mitte fehlt ihnen: die Mitte der Uberschau und der
Schis..) Folgende Frg. haben dieses Bild: u - u, also nach kur- bändigenden Kraft. Und Georges, des romanisierenden Künstlers:
zem Satz langen und wieder kurzen, meist: Thema — Ausführung Fehlt ihm der Mitte Gesetz,
— Folgerung, Zusammenfassung oder Witz: Treibt er zerstiebend ins AIP0

A. 31: Prüderie ist Prätension auf Unschuld, ohne Unschuld, Die Frauen paßt hervorragend auf Schi., wie auf viele andere Romantiker.
müssen wohl prüde bleiben, solange Männer sentimental, dumm und Diesen offenen Charakter zeigen nicht nur die unsichtbaren, son-
schlecht genug sind, ewige Unschuld und Mangel an Bildung von dern auch die sichtbaren Endungen: die K l a u s e l n . Da sind eine
ihnen zu fordern. Denn Unschuld ist das Einzige, was Bildungslosig-
ganze Reihe von Frg., die in Fragen endigen. Aber es sind nicht
keit adeln kann.
mehr, wie bei Ch., revolutionäre Fragen mit außerkünstlerischem
Ferner A. 87, 164, 217 ( u u - u ) , 342. Dieses Bild: u Zweck, nicht nur, wie bei diesem, Resultate in ironischer Frage,
zeigen A. 118, 137 und 146, aber so, daß der zweite Satz kürzer sondern meist Anregungen und echte, antwortheischende Fragen,
als der erste ist. Kurze Halbklausel und Klausel mit diesem Bild: oder aber solche, die uns über die Meinung des Verfassers im un-
— u - u zeigen A. 219 und 231. In fünf kurzen Fragesätzen klaren lassen. Frageklauseln haben in L.: 9, in A.: 26, in I.: 3 Frg.
nach längerer einsätziger Feststellung endet A 242. (in I. eine echte nur: I. 89). Die „Ideen" haben also, wie wir auch
Schwellstil: hier sehen, mehr feststellenden und antwortenden Charakter. Eine
A. 22 (sehr gutes Beispiel: 6 Sätze, der erste ist der kürzeste, der offen bleibende Frage scheint in I. 32 vorzuliegen, doch wird auch
Keim; der zweite ist der zweitkürzeste: Variante, dann Neues; es sie indirekt beantwortet. Das Antworten ist Schi, in I. nicht
folgen zwei weiter schwellende Sätze, im 5. Satz geringe Schrump- schwer (s. I. 41, dazu I. 50: „die Antwort ist klar"). Elf Antworten
fung, der letzte ist der längste), A. 30 (ein kurzer Satz, aber drei auf Fragen und sechs rhetorische Fragen enthalten die „Ideen"
nominale Teile, in den ersten haben wir je ein Adjektiv, aber im am Anfang oder in der Mitte der Frg..
letzten 2: also 3 Akzente in der Klausel) : Offenen Charakter, zumindest schwellenden, verleihen der Klau-
A. 30: Ein blühendes Mädchen ist das reizendste Symbol vom reinen guten
sel auch die Aufzählungen (s. v.), obwohl sie hier weniger häufig
Willen. auftreten.
Auch Sehl, schließt meist nominal (beschränkt man sich nicht auf
I. 45 und 117 (drei Sätze, anschwellend), A. 116 (der kürzeste Satz
das letzte Wort, sondern berücksichtigt man den letzten starken
am Anfang), A. 448 (zwei Glieder der Klausel entsprechen einem
A k z e n t , so ergeben sich noch mehr Beispiele), so hat je in den
Glied vorher, harmonische Wortwiederholung), I. 104 (schwel- ,
ersten 25 Frg. L.: 11 substantivische und 6 infinitivische Klauseln,
lende, nominale Glieder), I. 116 (Proportion: 1 :1 = 1 :2) ; u u — :
A. (wie immer: nur Schis. Frg.!) : 15 substantivische und 3 infini-
A. 102, 104, 238, 265; o o o - ; A 247 und 248; u : A. 138,
tivische, I.: 12 und 3.
58 59
Für ein weiteres Stilmerkmal, nämlich für die g e l e h r t e Her- Ferner L. 75, A. 27, 29, 30, I. 14.
kunft der Frg. (die gerade bei Schi, aufdringlich erscheint), bietet 8. Dem Hauptwortstil entspricht ein H a u p t s atz s t i l bei Schi..
die Z i t a t k l a u s e l Belege: L. 24 (Bibelzitat), 31 (lat. Zitat v. Er, der den deutschen Stil periodisch nannte12, strebte selbst da-
Thomasius), 45 (franz.), 94 (engl.), A. 99 (deutsches Zitat aus Les- hin, „alles Periodische aus den Frg. zu entfernen"18. So überwie-
sing) , 298 (deutsches aus Bürger). Hier handelt es sich stets, wie gen denn (und nicht erst seit 1798) die Hauptsätze: s. L. 2, 4, 6,
in L. 76 (ital. Zitat aus Tasso), in A. 296 (franz. aus Fontenelle) und 8, 9, 14, 15 usw.
in A. 333 (Worte von Leibniz werden zu einem Pfeil gegen diesen Nebensätze treten meist in sehr geringer Abstufung auf. Z. B. ist
zugespitzt), um witzige, unerwartete Anwendung auf anderes. In H HU HHH
L. 50 (franz. Zit. aus Ch.) knüpft Schi, daran an und zeigt sich als das Schema von A. 253 (14 Zeilen bei Minor) : - N - • - N -
Wissenschaftler. In L. 59 führt er Gedanken von Ch. und Shaftes-
bury an und wertet sie ab, in A. 315 macht er einen Zusatz zu von A. 256 (7 Zeilen): H N • - N - , von A. 4Í2: (wie alle
X X X X
einem anonymen Zitat, in A. 318 modernisiert er einen Gedanken H H
Heraklits, in A. 325 zitiert er Simonides (wahrscheinlich nach Les- vorigen Beispiele schwellend) N N H H — N — - H N H H H H .
sing) und wendet das Kompositionsschema, ohne aber die Schärfe Nebensätze höheren Grades sind selten, aber auch dann ist die
beizubehalten, auf andere Gegenstände an. Hier also handelt es Periode übersichtlich. So enthalten L. 123 und 432 Nebensätze 4.
sich um Änderungen des Gehalts: wir treffen wieder die aph. Zi- und 5. Grades. Gestaltlich, grammatisch, ist also Schis. Prosa in
tatanknüpfung und -änderung. den Frg. meist klar.
Den Abstand der „Ideen" von den früheren Frg. zeigt hier I. 8, 9. A u f z ä h l u n g e n liebt Schi, (s.o.):
wo Schi. Schleiermachers Meinung nicht benutzt zum witzigen
L. 2 (drei Substantive), ebenso 11, 28 („usw."), 34 (mit je einem
Vergleich oder zur abbiegenden Anknüpfung, sondern sie (zwar
Adj.), 42, 46 (in der Klausel), 63 (3 Subst. in der Klausel, ent-
pointiert) bestätigt.
sprechend 2 Subst. vorher, dadurch scheinbar Disharmonie,
7. N o m i n a l s t i l zeigen, wie wir vorhin sahen, die Frg.. Deut-
Schwellstil, aber in Wirklichkeit Harmonie, da jede Frg.-Hälfte
lich tritt dieser uns in den verblosen S ä t z e n (nicht A p h . wie bei
3 Subst. und 3 Hauptakzente besitzt) :
Ch.!) entgegen:
L. 63: Nicht die Kunst und die Werke machen den Künstler, sondern der
A. 157: (Ovid hat viel Ähnlichkeit mit dem Euripides.) Dieselbe rührende
Sinn und die Begeisterung und der Trieb.
Kraft, derselbe rhetorische Glanz und oft unzeitige Scharfsinn, die-
selbe tändelnde Fülle, Eitelkeit und Dünnheit.
(Dieses Beispiel zeigt wohl deutlich, daß der Numerus der deut-
Ebenso A. 168 y und 245 ß ; A. 168 ß und 265 ß haben dazu noch schen Prosa nicht von der Zahl der S i l b e n , sondern von der
vollständige Nebensätze. Doch sind diese „Sätze" nur scheinbar der H a u p t a k z e n t e abhängig ist.)
selbständig, in Wirklichkeit sind sie (meist Objektsätze) von ihren L. 98 zeigt, daß Schi, bewußt zählt: 1., 2., 3., usw., L. 77 (4 Subst.),
Vorsätzen abhängig und - ein Zug, der von da an immer weiter ebenso A. 124 (4 Subst. mit Adj., Schwellstil), 279 ß (in der Klau-
geht bis zum stilistischen Pointiiiismus unserer Tage - von ihnen sel) , I. 136 (4 Subst. und Nebensätze, Schwellstil), L. 100 (4 Adj.),
abgeschnitten worden, um die Wirkung der einzelnen, nun selb-
ebenso A. 409 und I. 10.
ständigen Teile zu erhöhen. „In der wahren Prosa muß alles un-
A. 17 (5 Glieder: 4 Subst. und 1 Infinitivsatz, zweimal schwellend:
terstrichen sein", fordert Schi.11. Diese Unterstreichung erreicht
man aber durch Absetzen und Aussetzen, durch Pausen. Für den 1. Glied < 2., 3 < 4 . < 5.):'
A. 17: Die dramatische Form kann man wählen aus Hang zur systemati-
Nominalstil ist fast jedes Frg. ein Beleg. Ich gebe nur wenige (un-
schen Vollständigkeit, oder um Menschen nicht blos darzustellen,
ter Abs. 9: Aufzählungen, finden sich sehr viele): sondern nachzuahmen und nachzumachen, oder aus Bequemlichkeit,
L. 77: Maximen, Ideale, Imperative und Postulate sind jetzt bisweilen oder aus reiner Gefälligkeit für die Musik, oder auch aus reiner
Rechenpfennige der Sittlichkeit. Freude am Sprechen, und Sprechen lassen.

104 61
A. 28 (5 Subst. und Adj.), A. 295 (5 Subst.), I. 14 (5 Subst., un- nung von diesen", das vierte Paar ist eine Zusammenfassung und
gleich komponiert), I. 120 (5 Namen, der 1., 3. und 5. mit Vor- wie das erste durch „oder" verbunden; L. 55 (siebenmal 2 Glie-
namen, Harmonie im Numerus: 3. so lang wie 2., 4. durch „eines" der, darunter fünfmal 2 Adj.), L. 79 (langer Anfang — 7 kurze
so lang wie 5.: „. . . (eines) Albrecht Dürer, Reppler, Hans Sachs, Glieder — lange Klausel), A. 50 (fünfmal 2 Glieder, ineinander
eines Luther und Jakob Böhme"). geschachtelt), A. 29 (Adj. + Subst. - Subst. - Adj. + Subst.),
L. 4 (6 Subst. in der Klausel), ebenso A. 157 (in drei Reihen: 1, A. 52 (Adj. + Subst. + abhängiges Subst. - Subst. + abhängiges
2, 3 Subst.: Schwellstil, aber die letzten beiden Subst. sind im Subst. — Adj. + Subst. + abh. Subst.), I. 3 (Harmonie im Nume-
Gegensatz zu den vorhergehenden ohne Adj., in dieser Hinsicht rus und Entsprechung in der Wortwahl), I. 19 (keine logische
Schrumpfstil), A. 196 (5 Subst. : Schwellstil, dann als 6., gehaltlich und numerische Harmonie, aber in der Wortstellung: Genie —
paralleles Glied ein vollständiger Satz), A. 295 (6 Adj. in der Liebe — Genie — Liebe - Genie), I. 125 (in jedem der 5 Teile
Klausel, Schwellstil; der Aufzählcharakter ist deutlich: „. . . eine des Numerus stehen zwei starke Akzente; das letzte Wort ist hoch-
überflüssige, noch eine [Antwort]"). betont im ersten, dritten und fünften Teil, sonst das vorletzte; die
I. 120 (7 Adj.: 5 vor dem Subst., 2 hinter ihm: Schrumpfstil; die Antithese am Anfang geht in der breiten Harmonie unter, die
letzten beiden Adj. haben aber je ein zweisilbiges Vorwort). Worte folgen auch zu dicht) :
L. 55 (8 Adj. in 4 antithetischen Paaren), I. 135 (8 Namen ohne I. 125: Wer ein Höchstes tief in sich ahndet / und nicht weiß wie er sichs
Vornamen in zwei Reihen). deuten soll, I der lese die Reden über die Religion, / und was er
L. 79 (9 Subst. in der Klausel, Schwellstil), ebenso I. 104 (nur das fühlte wird ihm klar werden / bis zum Wort und zur Rede.
letzte Subst. hat ein Adj. bei sich).
Daneben findet sich natürlich viel Disharmonisches, wo der Ge-
Deutlich verrät dieser Stil also s c h w e l l e n d e Tendenz. Schi,
halt siegte, ohne daß aber, wie gesagt, die Gestalt darunter leiden
hat mehr Glieder in seinen Aufzählungen als Ch.
muß (sie tut es in A. 100 und 274). Die „Disharmonie" kann ja
10. Man kann nun und wird hier wieder fragen, ob Schi, einige
im Gegenteil sehr bewußt und wirkungsvoll sein (z.B. Pointenstil).
oben angeführte Einzelheiten (Stellung und Verteilung der Worte,
12. a) P a r a l l e l i s m u s und A n t i t h e s e , Lieblingsformen der
vor allem der Adj.) bewußt gestaltet hat. Das ist wohl zu bejahen.
Romantik, sind bei Schi, auch sehr häufig. Ersteren finden wir
Schi, achtete ja auf die Verteilung der Beiworte (s. seinen Aufsatz
z.B. in L. 21 (synthetischer P.) :
über Goethes „Meister"). Er war ein K ü n s t l e r und das sogar
L. 21: Wie ein Kind eigentlich eine Sache ist, die ein Mensch werden will:
in der angeblich kunstlosen „Lucinde":
so ist auch das Gedicht nur ein Naturding, welches ein Kunstwerk
Hier finden wir in „Sehnsucht und Ruhe"14 vom Anfang, wo Lu- werden will.
cinde und Julius die aufsteigende Sonne vom Fenster aus betrach-
ten und wo L u c i n d e von ihrer S e h n s u c h t spricht, bis zu L. 91 (analytischer P.), A. 102 (variierender P.), I. 130 (folgern-
den Worten „da der Mond verhüllt war" (3 Absätze) : daktylischen der P.). Nicht immer ist die Parallele gestaltlich scharf durchge-
und anapästischen Gang. J u l i u s hatte ihr geantwortet: „Nur in führt — was wieder keinen Tadel bedeutet —, freier tritt sie auf
der Sehnsucht finden wir die R u h e." Und analog beginnt Abs. 4 in L. 54 (variierender P.) :
noch dreimal mit dem Daktylus „Nur in der (Nacht) . . .", doch L. 54: Es giebt Schriftsteller, die Unbedingtes trinken wie Wasser; und
dann ist die Sprache bis zum Schluß nur noch jambisch. So ent- Bücher, wo selbst die Hunde sich aufs Unendliche beziehen.
spricht der entschwebenden Sehnsucht des Weibes das schwe- L. 32 (analytischer P.), A. 301 (synthetischer P.).
bende Maß, der Beruhigung durch den Mann das beruhigte Maß. Für die Antithese, die fast in jedem Frg. zu finden ist, möchte ich
11. Als Ergänzung zu Abs. 5 möchte ich nun numerisch harmoni- nur einige Beispiele nennen, in denen sie zusammen mit Paral-
schen Stil ferner nachweisen in L. 53: viermal z w e i G l i e d e r , lelismus auftritt, um so diesen erschöpfend zu behandeln: L. 84
ineinander geschachtelt: „Allegorien (Mysterien, Moralitäten) oder (völlige, vierfache! — deshalb überspannte, unübersichtliche —
Novellen (Avantüren, Intriguen) ; ein Gemisch oder eine Verdün- Antithetik) :
58 63
L. 84: Aus dem, was die Modernen wollen, muß man lernen, was die Poesie (Man erkennt wieder die bewußt synthetische Tendenz des Gehalts
werden soll: aus dem, was die Alten thun, was sie seyn muß. der „Ideen". Aber man denke auch an die Mischung der Künste,
die in A. so oft gefordert wird.)
L. 92 (in der Klausel), L. 93 (vierfache Antithetik), A. 251 (am
d) Auch eine Art von Vereinigung ist der C h i a s m u s und seine
Anfang, ebenso) 265, I. 147.
Stellung, die Schi, öfter anwendet, so: L. 14, 31, 61, 76, A. 23, 49,
V e r k n ü p f u n g geschieht (außer durch die vorher erwähnten
54, 56 (nicht immer scharf). Die I. zeigen diese Gestalt nichtl (Nur
Formen) durch
chiastische Stellung einmal: I. 72).
b) e i n l e i t e n d e Zusammenfassung (worauf Trennung in die Be-
e) Der Chiasmus zeigt dieselben Worte am Anfang und am Ende.
standteile erfolgt). Das Beieinander am Anfang ist nicht immer
Verwandt ist eine wichtige Art von „ K l a m m e r u n g " : durch
deutlich: der Witz (Verstand) trennt dann oft; denn die A n a 1 y s e
Wortwiederholung. [Aber auch innerhalb des Frg. dient die Wort-
ist das Wichtige. Hier, wie bei der folgenden Art der Verknüpfung
wiederholung der Verknüpfung: L. 15 (in jedem Satz „dumm"1
durch Vereinigung, handelt es sich um „logische Chemie".
oder „närrisch"), L. 16 (3 Sätze, in jedem „Genie"), ebenso L. 62
A. 44: Jede philosophische Rezension sollte zugleich Philosophie der Rezen- („Dichtart"), L. 87 (in 3 Binnenklauseln „werth"), A. 95 (ge-
sionen seyn.
steigerte Wiederholung von „muß"), A. 103 (3mal „annihilieren",
A. 250: Wer Fantasie, oder Pathos, oder mimisches Talent hat, müßte die
Poesie lernen können, wie jedes andere Mechanische. Fantasie ist gesteigert).]
zugleich Begeisterung und Einbildung; Pathos ist Seele und Leiden- Anfang und Ende klammern das Frg. mit dem gleichen oder ähn-
schaft; Mimik ist Blick und Ausdruck. lichen Wort in L. 16, 116 (gesteigert), A. 16, 69, 359 („Freund-
schaft" in zwei Sätzen so angeordnet, daß der 1. Satz dieses Wort
c) Als Gegenpol macht sich, gestaltlich wie gehaltlich, eine Ten-
am Anfang, in der Mitte und als Klausel hat, der 2. Satz ebenfalls
denz bemerkbar, die erst mehr auf die Gestalt, später mehr auf
den Gehalt (Einfluß No.'s) geht. So haben wir kurze a b s c h l i e - als Klausel!), 391,
ß e n d e Z u s a m m e n f a s s u n g e n « ) variierender Art: L. 33 mit den wichtigsten Worten in L. 5, 60, 111, ebenso, aber in Anti-
und these: L. 15 (eine Antithese der ,,M."I), 51, 63,
im Wortspiel: L. 113,
L. 32: Die chemische Klassifikation der Auflösung in die auf dem trockenen
und in die auf dem nassen Wege, ist auch in der Litteratur auf die
als Hauptsatzteile, zwischen denen Nebensätze (gebrochenes
Auflösung der Autoren anwendbar, die nach Erreichung ihrer äußer- Satzverhältnis) : A. 104.
sten Höhe sinken müssen. Einige verdampfen, andere werden zu (Die meisten Belege gehören L. an, I. keine! Einfluß Chs.?
Wasser. Möglich.)
ß) s y n t h e t i s c h e r Art : A. 247 (Dante - Shakespeare - Goethe : 13. Über B i l d e r und V e r g l e i c h e s. Rühle-Gerstel a.a.O.
der große Dreiklang) ; synthetische Mischungen und Verknüpfun- S. 851, die für L. mehr konkrete, für A. mehr abstrakte feststellt.
gen: Manchmal hat Schi, wirksame, witzige Vergleiche, auch in A., so
gestaltlich: I. 19, 31, 46, 108 und z.B., wenn er (A. 62) das Druckenlassen mit der Wochenstube,
das Denken hingegen mit dem ersten Kuß und (A. 332) gewisse
A. 267: Je mehr man schon weiß, je mehr hat man noch zu lernen. Mit dem
Wissen nimmt das Nichtwissen in gleichem Grade zu, oder vielmehr
Fortschrittler mit f o r t l a u f e n d e n Komentaren vergleicht, die
das Wissen des Nichtwissens. bei schwierigen Stellen nicht stehen bleiben. Oft verwendet er
literarische Reminiszenzen.
mehr gehaltlich: A. 245, 439, I. 152 und
14. Auch Schi, hat mehr W o r t s p i e l e , als Rühle-Gerstel meint18.
I. 74: Verbindet die Extreme, so habt ihr die wahre Mitte. (Sie führt ja auch nicht nur eigentliche an.) Lewalter stellt eben-
Synthese von Antithesen: so, neben der Abneigung Schis, gegen das Wortspiel, dessen prak-
A. 148: Die größte aller Antithesen, die es je gegeben hat, ist Cäsar und Cato.
tische Ignorierung fest16.
Sallust hat sie nicht unwürdig dargestellt. Wortspiele im engeren Sinn: L. 12 und 98 (Zerlegung eines Aus-
81
80 6 F i n k , Maxime und Fragment
drucks in seine Bestandteile), L. 44 (ein Wort wird erst in der
noch: ohne Hoffnung. Ch. ist Rousseauist. Weniger aus Gefühls-
einen, dann in der anderen Bedeutung gebraucht, doch nicht klar
ais aus Verstandesgründen. Das zeigt seine „retraite". Nur das
geschieden), 74 (verblaßte Worte werden konkret genommen)
Diesseits und seine Sitten sind sein philosophischer Gegenstand. Er
ebenso 88 (Personifizierung sogar), 99 (Worte werden bald von
ist „moraliste". Schi, nicht. (Obwohl er kühne, sittliche Postulate
Menschen, bald von Dingen gebraucht), 110 (Worte, die an sich
aufstellte.) Man könnte spitz, also nicht ganz wahr — denn
nichts miteinander zu tun haben, werden durch ihren Klang ge-
„Wahrheiten" sind immer stumpf, obwohl sie verletzen können
nähert) , 118 (Worte werden auch in ihrer ursprünglichen Bedeu-
— sagen: Ch. war ein unmoralischer Moralist, Schi, ein morali-
tung gebraucht), 126 (ein lat. Wort wird in seinen beiden Bedeu-
scher Immoralist. Was jenen weder tadeln, noch diesen loben
tungen verwandt), I. 61 (ein Wort — „Stab" — wird in einer Zu-
soll. (Übrigens wäre Ch. für Schi, ein Sophist nach A. 96.)
sammensetzung konkret, in einer anderen verblaßt gebraucht, das-
Rühle-Gerstel sagt (S. 811) von Schi.: er empfing Ch. nicht stück-
selbe Wortspiel in „Lucinde" S. 20).
weise, sondern als Ganzes: Ja, in der I d e e .
Etymologische Spiele: L. 68 (Autor), A. 42 (Drama), 74 (wahr- Zu S. 827. L. 50 ist ein überraschendes Beispiel dafür, daß der
scheinlich), I. 95 (Bibel), 137 (Theorie). Witz Chs. Schi, doch nicht ganz zugänglich war (dabei handelt
Oxymora: A. 267, 442. es sich um jenen aph. Brauch, den auch er gern übte: Umwertung
Annominationen: L. 1, 4 (paradox), A. 159, 248 (ähnlich: I. 36 in festgewordener Begriffet) ist also ein Beispiel für seine (auch)
den Klauseln), 345, 420 (steigernd), 421 (in „Wenn seine Werke geistige Schwere.
auch nicht . . .").
Zu S. 832, Zeile 18 ff. Daß der angezogene Aph. von Auguis „geist-
Analogiebildungen: L. 113, A. 240.
los verstümmelt" ist, vermag ich nicht einzusehen. Es ist nur eine
Präfixspiele: A. 112 (sym-), 196 (auto-), 272 (4mal „un-", aber
noch pessimistischere Version, und ob die Klimax hier (statt der
einmal „anti-").
Antiklimax) chamfortischer ist? Aber zudem bringt Auguis auch
Hierher gehören auch wohl die bei Schi, beliebten Intensivierun-
die andere Fassung: in den „Anekdoten", anscheinend als Aus-
gen, auf die so eigentlich Gundolfs Wort von der „Inzucht des
spruch eines anderen („disait M. . . .": Auguis II, S. 105).
Geistes"17 paßt: „Poesie der Poesie" u.ä.: L. 100; A. 1, 100, 238,
Zu den stofflichen Beziehungen:
274 und 412, 372 (Tizian: der Maler unter Malern), 379; I. 114,
S. 835 (G. IV, S. 62 = Aug. Nr. 15: A. 85). (Liegt hier eine Be-
123, 139.
ziehung vor?) Ch. steht positiv, Schi, pessimistisch den M. gegen-
15. Ich komme zu der Beziehung Schis, zu Ch. und damit zu der
über. Jener nimmt die Vergleiche aus der Kunsttechnik, dieser aus
geistvollen Arbeit der R ü h l e - G e r s t e l . Ihr zu antizipierendes
der Kriegstechnik. Wirksam sind beide Aph., gehaltlich möchte
Resultat ist: Ch. hat wesentlich nur formal Schi, angeregt.
ich Schi, bevorzugen.
Eine kleine Richtigstellung: durch ungenaue Zitierung macht die
S. 836 (G. IV, 170 = Aug. 335: A. 138). (Wahrscheinlich keine
Verf. Ch. zum gelegentlichen Verspötter der Philosophen (S. 815).
Er spottet aber nicht über diese, sondern über die M e t a p h y - Beziehung.) Schi, gibt eine Quelle an, Belesenheit und Genauig-
s i k er (M. 421, zit. S. 48): über die Rationalisten und die deut- keit zeigend.
schen Philosophen (er hätte also auch Schi, mit seinem Spott be- S. 837 (G. IV, 218: L. 35, auch das bei Aug. als Zitat in den
dacht, wie dieser seinerseits die französische Philosophie verach- „Anekdoten": II, S. 5.) Ch. ist kurz, anschaulich, Schi, erst noch
tete) . Immer wenn er dagegen von Philosophen spricht, tut er das drastischer, dann abstrakt.
voll Achtung, meint er doch die freien, unabhängigen Geister, Zwischen G. IV, 140 = Aug. 341 und L. 16 finde ich keine Be-
meint er doch sich selbst; denn diese sind nicht nur eine „Abart ziehung (s. a. S. 837 unten).
der Gattung Mensch": er wertet sie als eine sehr, sehr seltene Aus- S. 838 (G. IV, 41 = Aug. 88: A. 394). Hier ist vielleicht auch keine
nahme. Natürlich ist es für den Sohn der (französischen) Auf- Beziehung vorhanden, bringt doch der gelehrte Schi. Historisches.
klärung kein auf Jenseitiges bezogener Wert, sondern ein höherer Die inhaltlichen Beziehungen sind also sehr gering.
Zum Schluß noch eins: S. 946 behauptet die Verf., Schi, habe
66 67
5*
die Fragmentenform in Deutschland fast aus dem Nichts erschaf- und (mit Recht!) gerettet19. Wenn man aber so abstrakt und mit
fen (dabei schreibt sie über den formalen Einfluß Chs.). Kennt etwas ironischem Unterton, wie ich eben, vorgeht, wird es schwer,
sie denn Lichtenberg nicht? (Dabei zitiert sie S. 834 Varnhagen, kein Zerrbild dieses Stils zu geben, eines Stils, der eben im Gehalt-
der ihn erwähnt.) Schi, und No. haben beide Lichtenberg gut lichen wurzelt und in seinem Kampf mit ihm, eines Stils, der
gekannt. bewußt dem romanischen Formwillen — gerade bei Schi.! -
Abschließend ist mit Rühle-Gerstel zu wiederholen, daß die Be- entgegenläuft.
ziehungen Schis, zu Ch. ein Können, kein Müssen waren. Trotz Unendlichkeit stellt Strich als Streben der Romantik hin. Auch
aller Annäherungen über Kreuz, wie sie Verf. aufdeckt, waren die das wird von der Gestalt des Frg. karikiert: p o s i t i v gemeint,
Verschiedenheiten zu groß. So ist Ch. eine kurze, wenig nachhal- e r s c h e i n t sie hier als Un-Endlichkeit, als Halt-losigkeit. Ein
tige Episode für Schi, gewesen. W o l l e n ist ironische W i r k l i c h k e i t geworden.
16. Bisher habe ich (außer dem Hauptsatzstil und den abstrakten Dabei ist dieser erkämpfte Stil nicht einmal immer von Wahr-
Vergleichen etwa) über den Stil Schis, noch nichts Besonderes heitsstreben besessen! Und oft erreicht Schi, eine gute Pointe,
ausgesagt, das ihn von den Früheren deutlich schiede. Wieder nicht, indem er sie von Anfang an wollte, sondern durch Hinzu-
muß man die g a n z e G e s t a l t ins Auge fassen und bislang Bei- fügung.
läufiges in ein helleres Licht rücken. Wir sahen, gelegentlich der Aber nicht nur mit K l o p s t o c k 1 9 hat Schi, die abstrakte Form
späteren Änderungen an den Frg., daß Schi, ursprünglich vom seines Geistes gemeinsam, sondern auch mit einem modernen
Gehalt her zur Breite neigte und zum Schwellstil, von der Gestalt Franzosen, mit P é g u y , der dadurch deutschen Stil zeigt. Denn
her aber dann zur Kürze, zur gewaltsamen Beschneidung. (Denn hören wir Spitzers Worte über ihn20: „Retouchentechnik . . P. gibt
Schi, war weniger ein gewaltiger, als gewaltsamer Denker.) Dem- uns den Satz und die Geburt des Satzes gleichzeitig . . . Nominal-
nach sind Schis, eigentliche Frg. nicht die, in denen er „cham- stil führt zum wissenschaftlichen Stil hin . . . P. bevorzugt Ab-
fortiert" oder novalisiert, also weniger die des L. und die I. als strakta . . . Methode der Distinktion . . . durch Antithesen symme-
die des A. Auch müssen wir die anderen Merkmale beiseite lassen, trischer Zug . . . P. strebt definitioneile Eindeutigkeit an . . . l o -
die Formwillen verrieten, um seiner eigentlichen, absoluten Ge- gischer Formalismus im Dienste metaphysischer Ziele . . . die
stalt habhaft zu werden. Sprache, ein Erzeugnis des schwachatmigen Menschen, übersetzt
Schon bei der Klausel sahen wir, daß Schis. Stil offen ist. Seine das Legato der unendlichen Melodie in ein dürres Wort-Staccato,
Frg. sind fortsetzbar und enthalten Fortsetzungen. Sie bieten kein ersetzt ewige Entwicklung und Umformung durch endliche Auf-
wirkliches E n d e , sondern viele E n d u n g e n . Sie sind nicht al- zählungen . . . schwerfälliger Pedant (Vossler) . . ."! Dazu kommt,
lein vom G e h a l t her bestimmt, sondern geben sogar die Kurve daß auch Péguy oft auf einen langen Satz kürzere und kurze fol-
seines E n t s t e h e n s wieder. Sie w e r d e n erst: und „für die gen läßt21! Strebt er zu einem Abschluß, zu einem Ruhepunkt22,
Wahrheit ist das Streben wertvoller als das Resultat"18. Sehl, so ist ja dieses Streben auch Sehl, zuzuerkennen.
nannte die romantische Poesie eine „progressive Universalpoesie", (Übrigens baut Péguy die Präfixspiele, die wir bei LR. und Ch.
und seine Frg. sind gestaltlich progressiv und additiv, gehaltlich schon feststellten, bewußt aus, z. B. zu Rahmenbildungen23.)
universal. Sein Stil ist ein S c h n e e b a l l s t i l (Addition) : sich im- Diesen bohrenden, vor allem additiven und progressiven Stil zei-
mer weiter wälzend und ballend. (Und doch, sagen wir es, was gen nun sogar die Frg. des „chamfortierenden" L., so:
bleibt von vielen seiner „Schneebälle" übrig, wenn die „Sonne" additiv:
scheint?) Bei vielen Frg. kann man von einem L e i t e r s t i l
L. 9: Witz ist unbedingt geselliger Geist, oder fragmentarische Genialität. ( Z ^ )
sprechen: denn ihre Gestalt ähnelt einer Leiter, in der oft
Sprossen fehlen und die in jedem Augenblick bereit ist umzu- progressiv:
kippen.
L. 48: Ironie ist die Form des Paradoxen. Paradox ist alles, was zugleich gut
Man hat ähnlichen Stil gern als einen „deutschen" Stil bezeichnet und groß ist. (—> —
104
69
progressiv und rundend: Wir sahen schon: Schi, hat keinen ihm eigentümlichen Stil. Je
L. 15. Der dumme Herr in Diderots Jakob macht dem Künstler vielleicht nach dem Gehalt schafft und wechselt er ihn. Da ist der anbal-
mehr Ehre, als der närrische Diener. Er ist freilich nur beinah genia- lende und pointillistische Stil der Frg., die entgegengesetzte, auch
lisch dumm. Aber auch das war wohl schwerer zu machen, als einen
ganz genialischen Narren.
schon vor der Bekanntschaft mit Ch. spürbare Neigung zur Poin-
tierung, da ist der unruhige, hineinballende Stil des „Studiums"
additiv, dann progressiv:
und der schöne, unsagbar beruhigte, einfache Stil des Anfangs
L. 28: Sinn (für eine besondere Kunst, Wissenschaft, einen Menschen usw.) des „Meister"25:
ist dividirter Geist; Selbstbeschränkung, also ein Resultat von Selbst-
Ohne Anmaßung und ohne Geräusch, wie die Bildung eines strebenden
schöpfung und Selbstvernichtung. (—? —>)
Geistes sich still entfaltet, und wie die werdende Welt aus seinem Innern
progressiv, dann additiv: L. 57 ? leise emporsteigt, beginnt die klare Geschichte.
progressiv und regressiv gemischt: L. 16 (—* —> 4— 4—) •
Es gibt zwei Arten des „ballenden Stils": den anballenden (Haupt- dem bald darauf unvermerkt organisch ein lebhafterer (hinein-
satzstil) und den hineinballenden (Periodenstil). Haben wir es ballender) Stil folgt:
oben (Perioden werden ja vermieden) fast nur mit der ersten Art Wenn die Theilnahme an diesen Gefühlen und Wünschen nicht frey von
zu tun, so finden wir bei Schi, aber auch die zweite, und schon Besorgniß seyn kann, so ist es dagegen nicht wenig anziehend und er-
sehr früh, z.B. am Anfang von „Über das Studium der griechi- götzlich, wie Wilhelm auf einer kleinen Reise, auf welche ihn die Väter
zum ersten Versuch senden, einem Abentheuer von der Art, die sich
schen Poesie" von 1795 (also vor der Bekanntschaft mit Ch., hier
ernsthaft anläßt und drollig entwickelt, begegnet, in welchem er den
mit Aufzählung gemischt) : Widerschein seines eigenen Unternehmens, freylich nicht auf die vortheil-
Es springt in die Augen, daß die moderne Poesie das Ziel, nach welchem hafteste Weise abgebildet, erblickt, ohne daß ihn dieß seiner Schwärme-
sie strebt, entweder noch nicht erreicht hat; oder daß ihr Streben über- rey untreu machen könnte. Unvermerkt ist indeß die Erzählung lebhafter
haupt kein festes Ziel, ihre Bildung keine bestimmte Richtung, die Masse und leidenschaftlicher geworden . . . (!).
ihrer Geschichte keinen gesetzmäßigen Zusammenhang, das Ganze keine
Einheit hat. . . . (usw.) Da ist endlich auch die „Lucinde" mit einem unruhigen und
ruhigen Stil, der den wechselnden Gehalt noch einmal ausdrückt,
Unverkennbar zeigt dieser ballende Stil rhetorischen Charakter,
da sind die „Ideen" mit Hardenberg-Tönung und Nietzsche-Vor-
vor allem in den darauf folgenden Sätzen: Ein „hineinspringen-
klang :
der" Anfang, dann deutlich Ballungen, schon hier Neigung zur
Schi, enthüllt sich in seinem Stil als echter, musikalischer — er,
Pointierung (im nächsten Satz: „befriedigend"), schon hier Nei-
der Unmusikalische! — Romantiker, dem viele Möglichkeiten der
gung zu stark betonter Wortwiederholung (in den folgenden
Orchestrierung offen stehen, viele Nuancen und Schattierungen
Sätzen: „Befriedigung"). Daß sein Stil nach Pointen drängt, zeigt
die Möglichkeit, auf die auch Walzel24 aufmerksam macht, aus der Sprache gelingen. Er gestaltet von innen her, vom Gehalt.
seinen größeren Arbeiten Aph. loszulösen. (Wilde und Frank Trotzdem gewinnen wir nicht den Eindruck e i n e s organischen
Thieß zeigen diesen aphorisierenden Stil noch deutlicher.) Gesamtstils.
Aus Not und Tugend zugleich entstanden die Frg. Aber Schis, Aber weniger für Moritz, aus dessen Analyse er es gewann, als
geistreich und gut formuliertes Ideal, der „Igel" (A. 206) wird für i h n und besonders für ihn gilt das Prinzip, das Enders26
von ihm ganz nie, halb (als abgesonderte Geschlossenheit) eher so formuliert: Nicht die Einheit des Objekts, sondern die Einheit
erreicht: des Künstlers ist maßgeblich.
Schis. „Igel" haben zuviel W e i c h t e i l e und zu wenig (orga- Und der junge Schi, ist trotz allem eine prachtvolle, künstlerische
nische) S t a c h e l n . Einen wirklichen „Igel" gibt uns Ch. einmal Einheit !
(M. 210, zit. S. 42), der hat 9 Stacheln und ist doch höchst voll- Schi, nannte Lessing den Prometheus der deutschen Prosa27, er
endet. Diese M. ist eine „neunschwänzige Katze". aber ist der Proteus in ihr.
58
71
weibliche Boden und sie erblühte ins All unter dem Hauch des
Liebenden: der jungen Romantik.
Bunt ist die Blüte und bunt eine Frg.-Sammlung. Und alles Or-
ganische ist orgiastisch (der müde No. sagt: „enthusiastisch"), ist
in dauerndem, chemischem Prozeß, im Schwellen; ein Frg. w i r d
in dauernder O x y d a t i o n . „Soldaten haben bunte Kleider, weü
sie die B1 ü t e n des Staats sind, die weltlichen E n t h u s i a s t e n .
Oxyde."6
FRIEDRICH VON HARDENBERG, Als Rodender empfand Hardenberg sich (er nannte sich nach
seinen Ahnen „Novalis") und als Sämann: das Saatmotiv (im
gen. NOVALIS Motto und letzten Aph.) umklammert, umwurzelt seine ersten Frg.
und schafft sie zur geistigen Einheit. (Diese Umschließung lassen
1. Die Franzosen nannten ihre Aph.-Sammlungen (neben: „Maxi- die bisher behandelten Aph. vermissen. LR. hat nur ein Motto.
mes") : „Sentences", „Réflexions", „Pensées"; Schi, nennt seine: Die „Ideen" ahmen wieder No. nach.)
„Kritische Fragmente" und nur „Fragmente". Wenn er „Ideen" „Blütenstaub". Wirklich: es sind feinste Teilchen von pflanzen-
schreibt, so zeigt sich schon hier der Einfluß Hardenbergs. hafter Fruchtbarkeit, zwischen den formtastenden Fingern zer-
No. gab seinen ersten Aph. den Titel „Blütenstaub". Ein bezie- gehen sie fast. Diese Frg. s i n d Magie und göttliche Schöpfungs-
hungsreiches Wort bei ihm. Es verrät gleich eine völlig andere mystik. Strich vergleicht sie den Blitzen, die das Dunkel, das sie
Sphäre: es handelt sich hier nicht um moralische Abstrahierungen für einen Augenblick zerreißen, nur noch dunkler machen7. Und
von sehr konkreten Einzelerscheinungen oder Betrachtungen über
Ricarda Huch sagt überaus schön von No.'s Wortmagie: „Seine
sie, noch um Rein-Abstraktes, nicht um glatte, hübsche Formulie-
Aussprüche schweben wie Leuchtkugeln auf in schönem Schwün-
rungen unschöner Dinge, noch um Witze oder ungelenke, form-
ge, eine sanfte Helligkeit über den dunklen Himmel verbreitend
ringende Paradoxien, sondern um Überwörtliches, Duftiges, Gleich-
und ausatmend, ehe man sich ihrer deutlich bewußt geworden
sich-Zerteilendes; bald um sehr dünne Alluft, bald um warme,
ist."8
samenführende Bodenluft.
Das ganze Werk No.'s ist Blütenstaub. Da ist die Frage müßig, ob
B l ü t e : Er sprach in der dritten Frg.-Abteilung „Europa" — und er „derbere Früchte" hätte geben können.
verband so seine ersten beiden Frg.-Gruppen und sich mit ihnen — Ich möchte bei No. aus inneren Gründen anders verfahren als
von „Glauben und Liebe" (Titel der 2. Frg.-Gruppe) als „schöner bisher, nicht systematisch, sondern die einzelnen Frg., vor allem
Blüte der Jugend", die zu bald den derben Früchten, Wissen und des BL, stilistisch charakterisieren unter Heranziehung der von
Haben, Platz macht1. Er verglich das Denken, s e i n Denken, mit
Heüborn edierten Handschrift und der Änderungen.
einer Blüte und nannte beide feinste Evolutionen der plastischen
2. Frg. Í: 2gliedrig, antithetischer Parallelismus, nominale Halb-
Kräfte2. Ferner spielt das Wort „Blüte" auch im „Ofterdingen",
klausel und Klausel, durch Wortspiel betont:
in den Gedichten und Briefen eine große Rolle.
Wir suchen überall das Unbedingte, und finden immer nur Dinge.
Sein schlanker Geist war Phlogiston3, seine Frg. waren die Asche.
Asche aber (Staub) wiederum war für No. Blütenstaub (des Him- Frg. 2: 5 Sätze, davon der 2., 3. und 5. 2gliedrig (die Beispiele
mels) : er adelt, erweckt das Tote, läßt es neu erblühen und setzt zum 1. und 4. Satz), variierender Parallelismus. Alle Sätze haben
alles - ein deutscher Heraklit - in Beziehung, in Fluß: „Alle nominale Halbklausel und Klausel. Die Anordnung der Sätze
Asche ist Blütenstaub, - der Kelch ist der Himmel."4 könnte auch so sein: 1., 5., 2., 3., 4. Satz (dann entspricht logisch
Und a l l e s wurde ihm Samenkorn5, wurde Frg. : reiche literarische der 5. den „Tönen" und der 2. den „Strichen"; zudem k l a m -
Sämerei in armem Boden. Junge Naturwissenschaft war dieser m e r n dann die a l l g e m e i n e n Sätze den Aph., der 5. Satz
24 73
geht ins Große, Tiefe: guter Abschluß). Oder: 4., 1., 5., 2., 3. Satz. gegliedert. Jeder Satz gehaltlich gerundet durch Gegensetzung zur
No. aber verschmäht den logischen Progreß: der 5. Satz kehrt Einheit:
zum 1. zurück („Wort": „Töne")! M u s i k a l i s c h e s Gestal- Wunder stehen mit naturgesetzlichen Wirkungen in Wechsel: sie be-
tungsprinzip also: das Anfangsthema kehrt zum Schlüsse wieder: schränken einander gegenseitig, und machen zusammen ein Ganzes aus.
Kreis! Sie sind vereinigt, indem sie sich gegenseitig aufheben. Kein Wunder
ohne Naturbegebenheit und umgekehrt.
Die Bezeichnung durch Töne und Striche ist eine bewundernswürdige
Abstraktion. Vier Buchstaben bezeichnen mir Gott; einige Striche eine 14. Frg.: u u —.u. Gestaltlich: Wortprogreß, gehaltlich: Kreis.
Million Dinge. Wie leicht wird hier die Handhabung des Universums,
wie anschaulich die Konzentrizität (!) der Geisterwelt! Die Sprachlehre
Kurze Sätze, der längere 2gliedrig:
ist die Dynamik des Geisterreichs. Ein Kommando wort bewegt Armeen; Leben ist der Anfang des Todes. Das Leben ist um des Todes willen.
das Wort Freiheit Nationen. Der Tod ist Endigung und Anfang zugleich, Scheidung und nähere Selbst-
verbindung zugleich. Durch den Tod wird die Reduktion vollendet.
3. Frg.:— 2gliedrig, synthetischer Parallelismus. Der 1. Satz
ist wieder 2gliedrig, nominale Klausel. Vergleich aus der Körper- 15. Frg. Hs.: Einer der gehaltlich und gestaltlich schönsten Aph.,
welt. ruhiger, harmonischer Tiefenwirbel durch Intensivierung, dop-
4. Frg.: yj —, 2gliedrig, der 1. Satz wiederum, der 2. auch. Progreß, pelte Zweigliedrigkeit, Wiederholung der 2. Binnenklausel durch
Forderung. die Klausel. Volltönende Vokale herrschen:
5. Frg.: o — , 2gliedrig, der 1. und 2. Satz (dieser teilweise) sind
Wir sind dem Aufwachen nah, wenn wir träumen, daß wir träumen.
wieder 2gliedrig. Nominale Klausel.
6. Frg.: 2 Glieder, Klammerung durch gesteigerte Wortwieder- 16. Frg.: Wieder steht der kürzeste Satz in der M i t t e und birgt
holung, Paradoxic. Nominale Klausel. das G e h e i m n i s . Helle Vokale, und doch Magie:
Ganz begreifen werden wir uns nie, aber wir werden und können uns Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg.
weit mehr als begreifen.
17. Frg.: — u u. Der lange Satz enthält ein Zitat, das sich auf die
7. Frg.: Ineinander verschachtelte Zweigliedrigkeit. Schöner, musi- Sinnenwelt bezieht. No. geht gleich ins Übersinnliche in der Art
kalischer Vergleich. biblischer Seligpreisungen und wiederholt in der 2. Satzklausel
8. Frg.: Im 2. Satz einfache, im 3. dreifache Zweigliedrigkeit. Krei- die 1. (dieselbe wie in 15) :
sender Progreß, zum Schluß • Zusammenfassung der letzten Be-
Darwin macht die Bemerkung, daß wir weniger vom Lichte beim Er-
griffe. (Wahn = A, Wahrheit = B, Schwärmerei = C, Philiste-
wachen geblendet werden, wenn wir von sichtbaren Gegenständen ge-
rei = D : AB. AB,B. A, A, CD. (C). (D). (CD).) träumt haben. Wohl also denen, die hier schon vom Sehen träumten! Sie
9. Frg.: 2 Glieder: u - . Der 2. Satz, die Ausführung des 1., wieder werden früher die Glorie jener Welt ertragen können.
2gliedrig.
10. Frg.: o — —. Klausel: echte, offene Frage. 18. Frg.: \j —. Durchgehend 2 Glieder. Nominale Klausel.
11. Frg. Handschrift: - o —. Wie in Frg. 10 ist der k u r z e Satz 19. Frg.: Dreifache Zweigliedrigkeit. 1. Satzklausel: „berühren"
der eigentliche Ausspruch, das Zentralmotiv: steht hier auch in (eins der wichtigsten und liebsten Worte No.'s, s. „Galvanism"!),
der Mitte, Frage in Antithese geht voraus, Variation folgt. Schi. (?) im zweiten Satz wiederholt die nominale Klausel in Annomination
übernahm nur den Mittelsatz als Bl. 11 (nominale, 3gliedrige Klau- die Binnenklausel.
sel) und machte aus der Frage ein eigenes Frg. (nominale Klau- 20. Frg. Hs. : 3 Glieder, die letzten beiden sind rhetorische Fragen.
sel). Bl. 11: 21. Frg. Hs.: Ein Thema unter verschiedenen Beleuchtungen,
antithetischer Anfang. Schi, trennt aus dem langen Frg. die Mitte
Das Höchste ist das Verständlichste, das Nächste, das Unentbehrlichste.
und das Ende heraus und macht sie zu neuen, geschlosseneren
12. Frg.: — \j>vz. Der 1. Satz doppelt, der 2. und 3. einfach zwei- Frg.. Bl. 21 (das Ende von Hs. 21) zeigt, daß auch No. zum Ab-
74
.1 2 0 1 5 3 75
schluß und zur synthetischen Zusammenfassung strebt. Klausel: 38. Frg.: 2 offene Fragen, die 1. zweigliedrig: Feststellung und
chias tisch.
Frage.
23. Frg.: k r e i s e n d um das Zentrum „Scham" (!). 39. Frg.: kurze Aussage, dann in 2 variiert parallelen Sätzen anti-
24. Frg.: gehaltlich analytisch (der 1. Satz wird analysiert), doch
thetische Folgerung, dann deren erläuternde Vertiefung.
gerundet zur gehaltlichen Einheit.
41. Frg.: im Í. Satz 2 Glieder, im 2. drei. Die 2. Satzklausel vari-
25. Frg.: öfache Zweigliedrigkeit. Vom Allgemeinen zum Beson-
iert die 1., wie der zweite Satz den 1. Kreis: „Gegenstand" im
deren.
1. Satz unbetonter und mehr am Anfang, wird als Zentrum her-
27. Frg.: mehrfache Zweigliedrigkeit. Vom Besonderen zum All-
ausgestellt, in die Klausel gerückt und intensiviert im 3. Satz:
gemeinen zum Besonderen.
„Gegenstand aller Gegenstände".
28. Frg.: Intensivierung, Spiegelung: „Ich des Ichs".
42. Frg.: u —. Der 1. Satz hat 2 subst. Glieder, der 2. drei.
29. Frg.: Die Hs., die vom Humor progressiv zum Witz überging
43. Frg.: u — u. Mehrfache Zweigliedrigkeit, kontradiktorische
und eine gewisse Einheit hatte, hat Schi, sehr zerschnitten und
und konträre Antithese.
teilweise mit Heterogenem verbunden. Er nimmt den Anfang bis
„beschränkter": also den Teil, der vom Humor handelt, fügt dann 44. Frg.: 4 Sätze mit nominaler Klausel, der 2. Satz ist drei-, der
Hs. 37 (Schis. Ironie) ohne den M i t t e l s a t z , der s e l b s t ä n - dritte zweigliedrig.
d i g wird (Frg. 37), hinzu: wahrhafte „Schlegelsche Ironie", denn 45. Frg.: paradoxe Umwertung (das In-sich-Hineingehen ist ei-
nur ein W o r t (Humor) verbindet beides. Glücklicher nimmt er gentlich ein Aus-sich-Herausgehen).
den zweiten Teil bis „Leidenschaft" mit dem 4. Satz (Schluß) zu- 46. Frg.: drei rhetorische Fragen.
sammen zu dem Frg. 40 (über den Witz). Den (wieder einheit- 47. Frg. (Gehalt wichtig: verrät No.'s Haltung in seinen Aph. Er
lichen) Rest vom „Witz ohne Knall", der oft nur „magisches Far- sucht den „Grund der Gedanken" und findet ihn jenseits der
benspiel in höheren Sphären ist" (hier gibt No. die schönste Um- Schullogik und ihrer Progressivität.)
schreibung seiner Aph.), nimmt er unter die gemeinsamen Frg. 48. Frg.: - u. 2 antithetische Glieder.
im „Athenäum" auf. 49. Frg.: 4 kurze Sätze, kreisend um den Begriff „Volk". (Ver-
30. Frg.: 2gliedrig, der 2. Satz nochmals. Anfang: 5 Subst., das ständlich durch Vorhergehendes! Z.B. durch 46.) Forderungen.
e r s t e und das l e t z t e mit „un-". Variierter Parallelismus im 50. Frg.: u —. Gestaltlich: Progreß, gehaltlich: zum Anfang zu-
2. Satz. rücklaufendes Ende (Gedanke findet sich auch bei LR. und Ch.) :
Jede Stufe der Bildung fängt mit Kindheit an. Daher ist der am meisten
31. Frg. Hs.: enthält ein undeutliches Wortspiel.
gebildete, irdische Mensch dem Kinde so ähnlich.
32. Frg.: (ursprünglich mit 33 e i n Frg.) : 2 Glieder, Binnenklausel
51. Frg.: Schöner Aph. (gehaltlich ein Zentrum und seinen Kreis
und Klausel stehen in wortspielender Beziehung (Mission — be-
rufen) . ausdrückend. — Schi, schrieb später in I. 126 Ähnliches und No.
bemerkte dazu: „Karoline Schlegel", an die hier wohl nicht ge-
33. Frg.: kreisende Wortspiele (Geist — Geistigkeit — Inspira-
tion) . dacht ist) :
Jeder geliebte Gegenstand ist der Mittelpunkt eines Paradieses.
34. Frg. : logisch unverbundene Sätze, aber alle haben ein undeut-
liches Zentrum. 54. Frg.: langes Frg., Klausel gibt synthetische Zusammenfassung
35. Frg.: jambischer Numerus. Kreisende Wortspiele (Interesse — (romantische Apotheose der Verworrenheit; Schi, gab eine der
Teilnahme (an dem Leiden) — interessant — Mitteilung). Faulheit in der „Lucinde").
36. Frg.: u —. Der 1. Satz ist echte Frage. Der 2.: Antwort, zwei 55. Frg.: Klammerung durch Annomination.
nominale Glieder. Hs. 55 a: Intensivierung („scharfsinniger Gebrauch des Scharf-
37. Frg.: 2 adj. Glieder: sinns") .
Der Geist erscheint immer nur in fremder, luftiger Gestalt. 57. Frg.: o —. Anfänge in Annomination, im 2. Satz 5mal 2 (kom-
104 76
patibel antithetische) Glieder, das letzte Paar zeigt schwellenden 72. Frg.: führt wieder das Bild des Staates als Körper (s. Erg. od;
Numerus und dazu: „u. s. f. ins Unendliche": aus.
Witz als Prinzip der Verwandtschaften ist zugleich das menstruum uni- 73. Frg.: Progreß (Sinn-Wille), dann aber doch wieder Kreis: der
versale. Witzige Vermischungen sind z. B. Jude und Kosmopolit, Kindheit W i l l e richtet diesen S i n n auf das Ich (Zentrum!).
und Weisheit, Räuberei und Edelmut, Tugend und Hetärie, Uberfluß und
Mangel an Urteilskraft in der Naivetät u.s.f. ins Unendliche.
74. Frg.: das überaus lange Religion-Frg.-. Mehrfach ansteigender
Progreß zur krönenden Synthese. Gehaltlich wird eine „Mitte"
58. Frg.: 3 Glieder, die Klauseln werden immer konkreter und
drastischer. gesucht (1. Satz: „Mittelglied", im letzten: „der monotheistische
Mittler"). Die Klausel des 8. Satzes enthält 7 Subst. als progressive
59. und 60. Frg.: —. Der lange 2. Satz variiert den kurzen syn-
thetisch. Gehaltlich: Kreis. Aufzählung.
61. Frg.: o u —. Intensivierung („Hans aller Hänse"). 75. Frg.: vom Allgemeinsten über Allgemeines zum Besonderen
62. Frg.: Klausel: 3 Subst. und Besondersten. Der 2. Satz hat dreigliedrige, schwellende, no-
63. Frg. : kurzer, guter Aph. : minale Klauseln.
Menschheit ist eine humoristische Rolle, 79. Frg.: Wortspiel: Gesetz — Satz. Dieses Frg. zeigt harmonisch-
64. Frg.: „Deutsches" kreisend um „Römisches" (Wortspiel: „rö- dynamische Verflechtung der Begriffe: 6 Sätze (der längste am
misches Reich"), dann wird plötzlich vom „Französischen" eine Schluß) ; jeder enthält das thematische Leitwort „Gesetz", mit
Tangente an den „deutschen" Kreis gezogen. dem das Frg. beginnt und das (mit seiner Wortspielabwandlung)
65. Frg.: am Anfang 8 Subst. mit „usw.". (Das Bild: „Staat = im 2. und 5. (!) Satz doppelt figuriert. Vom 3. Satz ab erscheint
Körper" [s. Frg. 3] ausgeführt.) bis zum Schluß in jedem: „Gedanke", bzw. „Denken", bzw. „be-
66. Frg.: 3 Variationen, kreisend, dann ins Unendliche ab- wußt", und zwar in zunehmendem Maße, so daß sein Auftreten in
fliegend : den einzelnen Sätzen so aussieht: 0, 0, 1 (am Ende), 1 (am Ende),
Alle Zufälle unsers Lebens sind Materialien, aus denen wir machen, was
2, 3 (das letzte Mal am Ende). Ein anderer, unbetonterer Begriff
wir wollen. Wer viel Geist hat, macht viel aus seinem Leben. Jede Be- bleibt, an-, ab- und wieder anschwellend, indem er sich dauernd
kanntschaft, jeder Vorfall, wäre für den durchaus Geistigen erstes Glied wandelt: 1. Satz: „wirksam", 2.: „unwirksam", 3.: „kausal",
einer unendlichen Reihe, Anfang eines unendlichen Romans.
„Kraft", 4.: 0, 5.: „Vermögen", 6.: „widerstehend", „beharrlich".
68. Frg.: der 1. Satz ist dreigliedrig, der 2. beginnt mit der Klau- Es handelt sich also um eine langsame „progressive" Verschie-
sel des 1., also Progreß : das 3. Glied wird lang ausgeführt. Doch bung und „zyklische" Durchdringung:
das 1. (kurz) und dann das 2. (wieder lang) schlingen sich hinein, Ein Gesetz ist seinem Begriffe nach wirksam. Ein unwirksames Gesetz
also wieder: Kreis, keine logische Ordnung. Eine kurze Klausel ist kein Gesetz. Gesetz ist ein kausaler Begriff, Mischung von Kraft und
faßt alle 3 Glieder erweiternd zusammen. Gedanken. Daher ist man sich nie eines Gesetzes, als solchen, bewußt.
Insofern man an ein Gesetz denkt, ist es nur ein Satz d. h. ein Gedanke
70. Frg.: der zum 1. Satz antithetische 2. bietet keine logischen mit einem Vermögen verbunden. Ein widerstehender, ein beharrlicher Ge-
Entsprechungen. danke ist ein strebender Gedanke und vermittelt das Gesetz und den
Hs. 71, das in Hs. 76 zitiert wird und in dem Schi, den tautologi- bloßen Gedanken.
schen Mittelsatz streicht, und Hs. 76, das sehr lang ist und keine
Einheit, vereinigt Schi., um sie in anderer Weise nach geringen 80. Frg.: Progressives und Zyklisches.
Streichungen wieder zu trennen. Es entsteht so Frg. 71 (Dichter 81. Frg.: u» —. Der 2. Satz enthält scheinbar 2mal drei Glieder
und Priester) und 76 (Repräsentant der Menschheit). Schis. Form- (Sätze), aber in Wirklichkeit 2mal 2, nur zerfallen die 2. Glieder
bewußtsein operiert hier glücklich. Wieder zeigt sich, daß die Frg. wieder in 2.
No.'s nicht progressiv sind, sondern zyklisch, so daß die Anord- 84. Frg.: nominale Klausel mit 3 Gliedern (offen: „usw."). Der 2.
nung der Sätze geändert werden kann. Satz hat keine Entsprechungen in seinen Aufzählungen, er zeigt
102 79
in 2 antithetischen Parallelen erst schwellenden, dann schrump- 103. Frg.: Das einzige ironische Frg. des Bl..
fenden Stil ( 1 > 2 ; 3 < 1 ) . Hs. 103 a und b zeigen, daß No. gern Mehreres zugleich treffen
85. Frg.: Beispiel für Nominalstil: will: s. Frg. 70. Hs. 103 a:
Innigste Gemeinschaft aller Kenntnisse, szientifische Republik, ist der hohe In sehr vielen Schriften ist das Raisonnement des Autors, oder diejenige
Zweck der Gelehrten. Masse, worauf die Tatsachen und Erfahrungen geklebt sind, ein Zusam-
menfluß der merkwürdigsten psychischen Phänomene — äußerst lehr-
87. Frg.: in kurzem Frg. 3 Antithesen.
reich für den Anthropognosten — voller Spuren asthenischer Anlagen
88. Frg.: Sätze allgemeinen Inhalts umrahmen solche beson- und indirekter Entzündungen.
deren.
91. Frg.: bringt ein lyrisches, nicht spitzes und ironisches Epi- 104. Frg.: Chiasmus, 2 (nochmals in sich) antithetische Glieder.
gramm. Der 1. Satz ist paradoxer als der 2., aber d i e s er ist betonter.
106. Frg.: vom Allgemeinen zum Besondersten.
93. Frg.: das Ende („Genie") dieses Frgs. ist gleich dem Anfang
107. Frg.: Wortspiel und Zitatänderung.
des nächsten.
109. Frg.: wieder gibt der Redaktor den „Atomen" (s.u.) der Hs.
95. Frg.: 2 Glieder (Sätze): das 1. Glied hat antith., das 2. var.
Parallelismus. Der 1. Satz zeigt Schwellstil, das ganze Frg. hat mehr Rundung und Geschlossenheit (könnte also auf Schis. Hand
trochäischen Numerus. schließen lassen), aber er läßt ganz im Sinne No.'s überraschend
das Ende (gesteigert!) an den Anfang zurücklaufen „poetisch" -
99. Frg.: kreisende Progressivität. Der 2. Satz ist dreigliedrig, doch
verbindet das 3. Glied die ersten (antithetischen) Glieder, sö daß „Atmosphäre des Dichters": Klammerung).
doppelte Zweigliedrigkeit. 111. Frg.: Magische Klausel:
102. Frg.: bringt abschließend drastischen Vergleich. Kreisende . . . Alles Schöne ist ein selbsterleuchtetes, vollendetes Individuum.
Worte: „Geist" (A) in den ersten 2 Sätzen klammert dreifaches
112. Frg.: der Anfang ist allgemeiner und abstrakter als das
„Buch" (B), das in jedem Satz vorkommt (nur im letzten Satz
Ende.
durch Fürwort vertreten). „Buch" nimmt dann zahlenmäßig ab
113. Frg.: vom Allgemeinen zum Besonderen.
und wird von dem im 2. Satz auftauchenden „Metall" (C) um-
114. Frg.: „Atome".
klammert: AB. B B A GB. B c („legiert"). G. B G („Goldklum-
pen"). („Bibel", „Ephraimiten" und das Pronomen für „Bücher" 3. Einige weitere Beispiele aus den übrigen Frg.-Gruppen für a)
beiseite gelassen: diese aber träten in die Mitte (I) der 1. und der C h i a s m u s : II, Vorrede 4 (geht gehaltlich vom Unendlichen
2. und ans Ende (!) der letzten (!) Gruppe.) Da aber „Geist" = zum Unendlichen!), II, 16 (vierfach, harmonische Ordnung der
„Metall", ergibt sich dieses Büd: A B B B A . A B B A . A B A : Beiworte!), V, S. 190 (zweifach) und VIII, 130 (folgt Zusammen-
Schrumpftendenz von B! fassung in synthetischen Parallelen),
b) B o g e n k l a u s e l s t i l (Pointen: die wichtigsten Worte stehen
Frg. 102 kam nach Hs. so zustande: der Redaktor nahm von Hs.
in den Klauseln) und einen guten „Aph." X, 1:
102 den 1. Satz, strich den 2., fügte dann den 6. an, dann 3. bis
5., 7. und 8. Die letzten 2 Sätze, die die Gleichung „Geist" = „Me- Mit Recht können manche Weiber sagen, daß sie ihren Gatten in die
tall", an „Gold" anknüpfend, zu „Bücher" = „Papiergeld" erwei- Arme s i n k e n . — Wohl denen, die ihren Geliebten in die Arme s t e i -
gen.
tern, wurden wieder gestrichen. Überraschend zeigt die Hs. das
umgekehrte Bild: ABA. A B B A . A B B B A ! Übrigens ordnet der (Biblischer Ton!)
Redaktor (also wohl Schi.) im Schrumpfstil, während Hs. Schwell- c) A u f z ä h l u n g e n : X, 301 (sehr gutes Beispiel, erst ausdrück-
stil zeigt! Außerdem wird das ursprünglich Unverbundene, Ab- lich 8, dann 9, dann 14 Glieder),
rupte verknüpft. (Im übrigen spiele ich hier nicht, sondern glaube d) W o r t s p i e l e :
an höhere mathematische Formen a priori im Geiste.) ausgeführtere echte Wortspiele: IX, 451 (sich etwas beschlafen =
80 6 F i n k , Maxime und Fragment 81
beischlafen), 593 („Lithurgie" = mineralogische Chemie: zugleich
kann: „Das Vielleicht' ist die herrschende, die jedenfalls immer
Steigerung und Weihe der Naturwissenschaft),
hinzuzudenkende Partikel aller Hardenbergschen Frg."10. Gloege
etymologisierende Wortspiele, Annominationen und Assoziationen
stellt doch selbst ein lehrhaftes Moment in No. fest11 !
in Notizenform (nur!) : V, S. 194, S. 196 („Derivation Gottes von
Die Numerusuntersuchung zeigt keinen dominierenden Stil.
Gattung"), S. 197, S. 206; IX, 982,
Nur zwei Neigungen No.'s sind deutlicher: er stellt gern den kür-
eine Zitatänderung in V, S. 196: „Gotter, Thümmel und Wieland" zesten Satz, den er mit hoher Wortmagie ausstattet und zum Trä-
(1795/96) : vgl. Goethe „Götter, Helden und Wieland" (1774), und
ger des wichtigsten oder tiefsten Gedankens macht, in die Mitte
wahrscheinlich Anspielung auf Lessing: „Dichter zum Lesen -
eines Frg. (Kapselstil) ; dann betont er gern den letzten Satz etwas
Klops tock ein Dichter zum Deklamieren, zur Musik",
stärker, läßt ihn das Frg. runden, den Anfang beißen oder zur
Intensivierungen, Spiegelungen, „Brechungen": VI, 318 (Gefühl
Mitte zurücklaufen, zur Binnenklausel (Bogenklauselstil). So
des Gefühls — Empfindung der Empfindung), 412 (Kritik der
konnte die Redaktion oft die Mitte und das Ende eines Frg. ver-
Frg. in Frg.); IX, 41 (Mathematik der Mathematik), 988 („Har-
selbständigen. (Ferner neigt er wie Schi, zum „Dissertationsstil":
monie ist - T o n der Töne"!) ; XII, 9 (Sinn für Sinn). Aber No.
der kürzeste Satz, das Thema, steht am Anfang, längere Sätze fol-
kennt noch eine größere Intensivierung als diese, die Schi, kulti-
gen. Dem entspricht die meist deduktive Methode.)
vierte,: die (gesteigerte) Rückkehr zum einfachen Wort, zum Wort
Die Neigung zum Kapselstil ist Wirkung der (sekundären, mehr
„ohne Beiwort": Schi, sagt: „poetische Poesie" zur Unterschei-
gehaltlichen) Neigung zum „Zyklischen" und Synthetischen.
dung von der „philosophischen Poesie" z.B., wo No.: nur „Poe-
Die Neigung zum Klauselstil ist Wirkung der (primären, mehr ge-
sie". So erklären sich die Stellen: VI, 442 und 320, die Walzel
dunkel fand9: „Meister ist Roman schlechtweg, ohne Beiwort" und staltlichen) Neigung zum „Progressiven" und Additiven.
„Meister ist reiner Roman; nicht wie die andern Romane mit Neigung zu verwandtem, additivem Klauselstil wird deutlich,
einem Beiworte", wenn No. z.B. den Romanschreiber eine Art von „bouts rimés"
ausfüllen läßt12, wenn er sagt, daß eine N o t e pikanter als der
e) gestaltliche und gehaltliche S c h ö n h e i t seiner Aph.: Text ist18, wenn er „Noten an den Rand des Lebens"14 und „Kri-
IX, 78: Ein Kind ist eine sichtbar gewordene Liebe. tik der Frg. in Frg." geben will15. (Wieder berührt sich diese Nei-
gung mit der zur Intensivierung, zur unendlichen Spiegelung!)
4. Der Stil No.'s weist ebenfalls Figuren auf, die uns schon bisher „Er denkt elementarisch. Seine Sätze sind Atomen", sagt Schi, in
stark betont entgegentraten: P a r a l l e l i s m u s , A n t i t h e s e , oft angeführter, immanenter Charakteristik.
Chiasmus, Klammerung, Aufzählungen, Wortspiele, Intensivie- Gehen wir also weiter zurück, so haben wir diese zwei Stile zu
rungen, Zitatanknüpfung, Nominalstil, vor allem nominale Klau- scheiden: einen „zyklischen": harmonischen, verbundenen, syn-
sel, diese ist gehaltlich wider Erwarten seltener offen (s. I, 57, 66). thetischen, kreisenden Stil und einen „atomistischen" : unharmo-
Auch No. drängt zum gestaltlichen A b s c h l u ß , er zeigt, daß er nischen, unverbundenen, analytischen, gestaltlich zerhackten, ge-
ursprünglich schon zu der aph. Form neigte, da die meisten Frg. haltlich abhackenden Stil. Zunächst der primäre: der atomi-
des Bl. schon vor 1798, vor der Anregung Schis., entstanden sind, stische Stil.
z. B. Bl. 7 - 1 0 , s. V, S. 299, 305 f. Schon 1795 hat er geschlossene
Unverbunden, gehackt ist No.'s ursprüngliche Prosa. Es sind No-
Aph. (s. V, S. 190). Und wie die „Lucinde" enthält auch die fort-
tizen, Noten, kein Text. Er nannte ja das Denken eine Blüte, die
laufende Prosa des „Ofterdingen" viele geschlossene Aph..
fixierten Gedanken waren also Blütenstaub: in die Luft gestreut,
Der Gehalt der Frg., vor allem der des Bl., ist meist absolut (das
zerstreut, geistige Atome. An der Sprunghaftigkeit des Stils ist das
wirkte auf die Form der „Ideen", s.o.). Die Form des Urteils ist
Gewaltsame seines Denkens schuld: „Jetzt erhasch ich eine neue
k a t e g o r i s c h , nicht l i m i t i e r t bei No. Jedenfalls ist der Ge-
Idee", schreibt er einmal16. Eine metaphysische Begründung die-
halt nicht so schwebend und schwankend wie bei Schi., und es
ses Stils gibt er in VI, 207: „Eine Idee läßt sich nicht in einen Satz
ist wenig verständlich, wie Haym (und nach ihm Gloege) sagen
fassen. Eine Idee ist eine u n e n d l i c h e Reihe von Sätzen — eine
82
6* 83
i r r a t i o n a l e G r ö ß e — u n s e t z b a r " (Wortspiel!), eine mehr weilen in seinen oft weit hergeholten Bildern, wie Gloege es fest-
psychologische in IX, 307: „Schriftsteller. Wissenschaft. Man will stellt23.
nicht bloß den Satz oder das Urteil, sondern auch die Akten da- Zyklisch aber ist der Stil der Frg. vor allem. (Praktisch ist näm-
zu." Einmal, gelegentlich der „Schreibart des Romans", stellt er lich dieser Stil von dem additiven Atomstil nicht immer deutlich
Forderungen auf, die an Schis. „Igel" denken lassen: „Jedes geschieden: können doch auch die „Atome" in Kreisen angeordnet
kleine Stück muß etwas Abgeschnittenes - Begrenztes — ein eig- sein.) Bilder für ihn sind der dynamische Kreis, die sich beißende
nes Ganze sein."17 Schlange, konzentrische Kreise, die Spirale oder homozentrische
Steht er so zunächst bewußt positiv (sogar tief begründend) zu Punkte. Die Ordnung der Sätze (Atome!) ist verschiebbar: das
diesem Stil, vgl.: „Vielleicht habe ich meine glücklichen Ideen dem zeigt deutlich ihren Kreischarakter. Dazu weisen oft Frg. auf
Umstände zu danken — daß ich einen Eindruck nicht vollkom- frühere zurück (94 - 93, 76 - 71).
men gegliedert und durchgängig bestimmt empfange - sondern So ist die letzte, einfachste und deutlichste Scheidung der Stile
durchdringend in e i n e m Punkte - unbestimmt - und absolut No.'s wohl:
fähig"18 und „Eigentliche romantische Prosa — höchst abwech- Ein u r s p r ü n g l i c h e r , notierender Stil, vom G e h a l t her be-
selnd — wunderbar — sonderliche Wendungen — rasche Sprünge stimmt: teils A t o m s t i l : in u n v e r b u n d e n e n , u n h a r m o -
- durchaus dramatisch"19, so strebt er doch schon früh „voll- n i s c h e n Hauptsätzen meist; teils verwickelter, u n r u h i g e r, ge-
stimmigen, harmonischen Stil" an. „Die Gegenstände müssen uns ballter, synthetischer, mehr noch mischender — P a r e n t h e s e n -
keine Gewalt antun — Sie müssen uns nicht hemmen, nicht über s t i l : in größeren Satzgebilden. (Das ist der Stil der Frg. vorzugs-
die G r e n z l i n i e bestimmen."20 Das wächst sich dann nach der weise: Beispiele sind etwa Bl. 114 und Hs. 103 a.)
ersten Lektüre des „Meister" zu großer Selbstkritik und rück- Ein g e w o l l t e r , musikalischer Stil: von der G e s t a l t her be-
sichtslosem Tadel aus (was die eminente Stilbewußtheit No.'s stimmt: teils ausgesprochen z y k l i s c h e r , vielstimmiger Stil: mit
zeigt) : „Meine Erzählungen und romantischen Arbeiten sind noch S t r e b e n n a c h h a r m o n i s c h e n P e r i o d e n , teils einfacher,
zu grell und hart gezeichnet - nichts als derbe Striche und Um- b e r u h i g t e r , auseinandergelegter Stil: in k u r z e n , v e r b u n -
risse - nackt und unausgeführt. - Es fehlt ihnen jener sanfte, d e n e n , m e l o d i s c h weitergleitenden Sätzen. (Das ist der Stil
ründende Hauch - jene Fülle der Ausarbeitung - Mitteltinten - mehr des „Ofterdingen", aber auch Bl. 102 zeigt seine Tendenz
feine, verbindende Züge - eine gewisse Haltung - Ruhe und gegenüber Hs. 102.)
Bewegung ineinander - Individuelle Beschlossenheit und Fremd- Sehr deutlich zeigt die Neigung zur Harmonie, zur Spiegelung und
heit - Geschmeidigkeit und Reichtum des Stils - ein Ohr und zum Parallelismus: die durchgehende Zweigliedrigkeit, die wir
eine Hand für reizende Periodenketten."21 Und an Goethe lobt er auch schon vereinzelt bei Schi, feststellen konnten. Kluckhohn
(mitten zwischen den absprechenden Notizen) die „Melodie des beobachtet für den „Ofterdingen" Gleiches, sowohl in der Kompo-
Stüs, die Magie des Vortrags, diese eindringliche Schmeichelei sition der einzelnen Kapitel dieses symbolischen Romans (in ge-
einer glatten, gefälligen, einfachen und mannigfaltigen Sprache, gensätzlichem Parallelismus), wie in den Satzgebilden und Appo-
diese Anmut des Sprechens."22 sitionen, wodurch die Sätze ausgewogen sind24. (Ferner betont er
Der harmonische Stil ist also ein nichtursprünglicher Stil für No., die Wiederkehr des gleichen Satzschlusses im „Ofterdingen": Bo-
er ist ein Stil seiner Sehnsucht - aber er erreichte ihn: dank der genklauselstil!) Vor allem Substantive und Adjektive erscheinen
zyklischen, synthetischen Neigung seines G e h a 11 s, so daß die bei- zweigliedrig.
den Arten: der harmonische und der zyklische Stil, sich berühren Den B e i w ö r t e r n hat No. immer seine Aufmerksamkeit zuge-
bei No. wandt. Er beschäftigte sich mit denen der griechischen Dichter
und nannte sie malerisch bedeutend25, er bemerkte auch im „Mei-
So stellt er auch Antithese, Chiasmus und Klammerung in den
ster" ihre geschickte Auswahl und ökonomische Verteilung26, ja er
Dienst der S y n t h e s e. Harmonie erreicht er durch langes Ver- wies ihnen eine so große Rolle im Stil zu, daß er sie „dichterische
104 85
Hauptwörter" nannte27. Hier sehen wir also wieder einen b e - physische, da eben No. im Grunde nur e i n e Welt kennt, eine ero-
w u ß t e n K ü n s t l e r am Werk. No. bevorzugt Adjektive mit tisierte, chemische Welt der unaufhörlichen Wandlung. Empedo-
„un-" und solche wie „sanft", „still", „innig", also überhaupt kles lehrte einst Ähnliches und gründete die Welt auf Liebe und
sanfte, zarte, usw. (vgl. Gloege). Haß, auf Anziehung und Abstoßung. No. überbetont die L i e b e ,
Aber a l l g e m e i n konnten wir bei unserem magischen Mathe- die Berührung. Ein verfeinerter Plato noch, geht er wie dieser
matiker eine musikalische Ordnung und vollendete Harmonie der doch dem Physiologischen nicht aus dem Wege, ja sucht es als
wichtigsten Worte belegen. Mediziner und Psychologe auf. In den häufigen Worten „Berüh-
Noch zwei (den Hauptstilen entsprechende) antithetische Tenden- ren", „Reiz", „Durchdringung", „Oxydation" ist die Synthese voll-
zen sind bei No. deutlich: die Neigung zum Metaphysischen und zogen: sie gelten für Unsinnliches wie für Sinnliches. „Jede sanfte,
zum Realen. So entspricht etwa der kurze, melodische Stil: dem weiche Erhöhung ist ein symbolischer Wunsch der Berührung."32
einfachen Realen (z.B. Familienleben), der zyklische Stil: dem „Denken ist Galvanisation."33 „Alle Sinne sind am Ende e i n
komplizierten Metaphysischen; der Atomstil: dem vereinfachten Sinn."34
Abstrakten, der Parenthesenstil: den verwickelten Sinnenphäno- Gerade seine synthetische Neigung ließ ihn das Reale bevorzugen:
menen. Aber auch diese Tendenzen sind synthetisiert: sie sind nur „Alle sogenannte sinnliche, reale Begriffe sind synthetisch."85 So
zwei verschiedene Namen oder Seiten e i n e s Dings. Die Grenze
stellt denn Gloege bei No. mehr kombinatorische (synthetische) als
zwischen ihnen ist bei No. aufgehoben, es geht gleich vom Realen
anschauliche Phantasie fest86. Aber er genoß auch das Sinnliche
zum Irrealen (s. Bl. 17). Aber beide Pole sind gar nicht nahe bei-
um seiner selbst willen: „Das Schöne ist das Sichtbare kat'ex-
einander, im Gegenteil: so daß der sublime und subtile Idealist
sehr oft ein krasser und „grasser" Materialist zu sein scheint. Er ochen."87
bringt brutal physiologische Vergleiche: er nennt z.B. (schon da- Dieses synthetische Reale, das er noch kombinierte, stellte er dann,
mals!) die Gefühle E x k r e m e n t e 2 8 ! Überhaupt sind seine Ver- um es zu entwirren und zu entsprechender Wortschönheit werden
gleiche meist konkreter Art und treffsicher. Der milde No. kann zu lassen, gern mit einfachen, ja gewöhnlichen Worten dar38. Je
in der Kritik sehr scharf sein, so wenn er Goethes „Meister" wie tiefer der Inhalt, desto einfacher die Worte. „Leidenschaftliche
bekannt verreißt: Kälte" wollte No.89. Im „Ofterdingen" wird diese Tendenz der
künstlerischen Selbstzucht deutlich und bewußt, dort sind Klings-
Die Freude, daß es nun aus ist, empfindet man am Schlüsse im vollen
ohr diese Aph. in den Mund gelegt: „Es gibt viele, die nur die
Maße. Das Ganze ist ein nobilitierter Roman. Wilhelm Meisters Lehr- eine Seite (Genuß und Gemüt) kennen und die andere (den Ver-
jahre, oder die Wallfahrt nach dem Adelsdiplom. „Wilhelm Meister" ist stand) gering schätzen", „Begeisterung ohne Verstand ist unnütz
eigentlich ein „Candide", gegen die Poesie gerichtet29. und gefährlich", „und so ist auch die kühle, belebende Wärme
Knapp, treffend, und so: vortrefflich ist der Aph.: „Jeder Englän- eines dichterischen Gemüts gerade das Widerspiel von jener wil-
der ist eine Insel"80, und das ist nicht vereinzelt: „Reizender und den Hitze eines kränklichen Herzens", „ d e r j u n g e D i c h t e r
farbiger steht die Poesie wie ein geschmücktes Indien dem kalten, k a n n n i c h t k ü h l , n i c h t b e s o n n e n g e n u g sein!", „die
toten Spitzbergen jenes Stubenverstandes gegenüber. Damit In- Poesie will vorzüglich als strenge Kunst getrieben werden. Als blo-
dien in der Mitte des Erdballs so warm und herrlich sei, muß ein ßer Genuß hört sie auf Poesie zu sein", „für den Dichter ist die
kaltes, starres Meer, tote Klippen, Nebel statt des gestirnvollen Poesie an beschränkte Werkzeuge gebunden, und eben dadurch
Himmels und eine lange Nacht die beiden Enden unwirtbar ma- wird sie zur Kunst. Durch Übung und Nachdenken lernt der Dich-
ter seine Sprache kennen. Auf seltsame Sprünge richtet sie nur ein
chen"81: wieder ein geographischer Vergleich, wie auch in Bl. 107
Gaukler, kein Dichter ab."40
und in IX, 164: „Überall ist Sardinien, wo man allein schläft."
Aber nicht nur wird Abstraktes durch Konkretes wiedergegeben: Das Sinnliche und das Einfache liebt also, der als verworrener
das Konkrete wechselt wiederum gleich ins Hintergründige, Meta- Metaphysiker gilt. Beides aber fand er im Familienleben, dem er
ein schönes Lob widmete41.
86 87
Die Neigung zum Realen drückt sich in seinem Stil auch aus, Gh. wird von No. zwar nicht erwähnt (auch in seinen beiden Bü-
wenn er scheinbar meist deduktiv verfährt und vom Allgemeinsten cherlisten ist sein Name nicht zu finden), dennoch wird er ihn
zum Besonderen fortschreitet, in Wirklichkeit aber das Allgemeine durch Schlegel gekannt haben. Darauf kann z. B. deuten, daß No.
fast stets nur des Besonderen wegen sagt. Steht doch das Beson- wie Ch. Dialoge und Anekdoten schrieb, beziehungsweise schrei-
dere in der Klausel, die No. als Träger wichtigster Gedanken be- ben wollte: sie lagen aber wohl seiner unpolemischen, witzlosen
vorzugt (s. Klauselstil). Natur weniger. (Die Dialogform kannte er auch von Plato und
No. bringt gern musikalische Vergleiche. Das tun alle Romantiker. Hemsterhuis, Dialoge und Anekdoten konnte er auch bei Lichten-
Er aber hat ein besonderes Verhältnis zu ihr wie zur Mathematik : berg finden.) Darauf wird aber sicherlich das häufige „(toujours)
die, scheinbar unvereinbar, auch bei ihm zur Synthese zurückge- en état de . . ."(vgl. auch L. 59) deuten: in VI, 452, IX, 155, 473,
führt werden. Überaus zahlreich sind die Belege für dieses Ver- 474,936. Französischer Stü war zeitweise sein Vorbild: 1795 schrieb
hältnis. Gleichwohl berichtet Tieck, daß er nur oberflächliche er, daß er Französisch treibe und daß sein Geist dadurch gewinne,
Kenntnis von der Musik hatte42. Aber was heißt hier Kenntnis! „denn ich werde besonnener, gewandter und reicher an Wendun-
Für No. war Musik eine herrschende Gefühlslage. (Auch von Mal- gen. Je ruhiger und freier ich arbeiten werde, desto fester und
larmé, der in der französischen Sprache wahrhaft musizierte, wis- egaler muß mein Stil werden"47, „In fremden Sprachen fühlt man
sen wir, daß er unmusikalisch war.) So darf man nur seine theo- lebhafter, daß jede Rede eine Komposition sein sollte."48 Eins
retischen Aussprüche nicht allzu wörtlich nehmen, daneben sind noch vereinigt beide, Ch. und No., ein peripheres Zentralmotiv:
sie ja auch oft zu allgemein und vieldeutig gehalten. Am „Meister" „Leben ist eine Krankheit."49 (Rühle-Gerstel zitiert eine weitere
schätzte er die „Melodie des Stils" und verstand darunter vor al- gehaltliche Übereinstimmung.) Hat so No. gestaltlich und gehalt-
lem klangliche Glätte. Anderes deutet auf gelegentliche kombina- lich sehr geringe Beziehungen zu Ch., so erinnert er um so mehr
torische Spielereien, so: „Die Konsonanten sind die Fingersetzun- an den trotz seinen Schicksalen unverbitterten Vauvenargues, von
dem der schöne Aph. stammt: „Les grandes pensées viennent du
gen und ihre Folge und Abwechselung gehört zur Applikatur. Die
cœur."
Vokale sind die tönenden Saiten oder Luftstäbe"48, wie auch wohl
dieses: „So hat jeder Mensch seinen Hauptvokal"44, wenn das 6. No. hat vorübergehend eine Tendenz (er hat ja fast n u r Ten-
auch alles einmal näher untersucht werden müßte. Etwas Greif- denzen) , die ihn von den anderen, hier behandelten Aphoristikern
bareres ist schon das: „Metrische Zeichen — Interpunktions- und unterscheidet und die ihn einer späteren Zeit zugesellt, eine Ten-
Akzentuationszeichen — Nebenzeichen in der Musik", dann geht's denz, die innerhalb der aph. Gestalt einen Fortschritt darstellt:
allerdings gleich wieder in andere Bereiche46. Ferner geben einen die Tendenz zur Ü b e r s c h r i f t . So schrieb er: „Überschriften
Anhalt für No.'s Schaffen die Bemerkungen über den „Meister"46: zu den Fragmenten. Was soll ein Titel sein? ein organisches, indi-
„Die Akzente sind nicht logisch, sondern (metrisch und) melo- viduelles Wort, oder eine genetische Definition, oder der Plan,
disch . . .", „Akzente sind höhere Vokale"; gerade das „metrisch" mit einem Worte eine allgemeine Formel. E r k a n n a b e r n o c h
zeigt, daß es sich nicht nur um Akzente in übertragenem Sinne m e h r s e i n und noch etwas ganz anderes."50 Eine solche Über-
handelt. (S. o. die Akzentverteilung in I. 125.) schrift könnte hier vorliegen: „Adam und Eva. Was durch eine
5. Schi, und No. haben gehaltlich viel Berührungspunkte. Wir Revolution bewirkt wurde, muß durch eine Revolution aufgeho-
sahen ja schon einige. Weiter entsprechen sich u. a. L. 97 und ben werden."51 Jedenfalls hat er gewollt, was N i e t z s c h e gab.
Hs. 109 a (nicht in Bl. aufgenommen), L. 8 und Dialog 1 von No. 7. No.'s Frg. — und alle könnten die Überschrift „Blütenstaub"
oder „Glauben und Liebe" oder „Europa" haben — geben in der
(VII, S. 419) : „. . Vorrede Wurzel und Quadrat des Buchs zu-
Immanenz ihrer Gestalt nicht ihr Eigenstes. Sie greifen in die
gleich" (als Zitat aus Lessing!), „Lucinde" S. 20 und IX, 889
Raum- und Zeitlosigkeit hinein, mit zarten Händen, die die nicht-
(Kleidung als Symbol), L. 46 und IX, 61 ; X, 38 und 456 („synthe-
sättigenden, aber köstlichen Früchte dieser Erde halten, und mit
tische Person").
sanften, weichen Tönen, wie sie die Prosa selten kennt. Es sind
104 89
„gefährliche Gedanken", plötzlich nähern sie sich der „magischen
Grenze"52.
No. war sich ihrer und damit seiner Wirkung sehr bewußt: „Eine
magische Gewalt üben die Sprüche des Dichters aus; auch die ge-
wöhnlichen Worte kommen in reizenden Klängen vor, und be-
rauschen die festgebannten Zuhörer." 53

SUMME
1. S y s t e m . Aph. brauchen nicht ein System zu bilden, ja es
widerspricht ihnen geradezu. Aber sie können — und das verstärkt
ihre Angriffswucht — Ausfluß eines k l e i n e n , geschlossenen
Systems sein und als Aph.-Sammlung ein solches System bilden.
Das ist bei den M. LRs. der Fall: sie drehen sich in einem engen,
geschlossenen Moralsystem, d. h. sie enthalten vielseitigste Einsei-
tigkeit. Die drei anderen Aphoristiker weisen demgegenüber keine
solche Einheit auf. Zwar hat auch jede ihrer Aph.-Gruppen eine
persönliche, einheitliche Note, aber diese bezieht sich mehr auf die
Gestalt. Gh., Schi, und No. schreiben über alles mögliche: der erste
über. Fragen des Lebens, der zweite über Fragen der Wissen-
schaft vor allem, der dritte über Diesseitiges mit Transparenz des
Jenseitigen.
2. M e n s c h l i c h e s . LR. und Ch. haben dies mit Montaigne,
Galiani, Nietzsche u. v. a. gemeinsam, daß ihre Theorie schlimmer
war als ihr Charakter. Man predigte Mitleidlosigkeit und war sehr
mitleidig im Leben. Man predigte Kälte und ergab sich doch den
großen Gefühlen rückhaltlos. Man verleumdete den Menschen und
war selbst ein „honnête homme". Man leugnete wahre Freund-
schaft und Liebe und war ein treuer Freund, ein guter Sohn und
ein aufrichtig Liebender. LR. und Ch. waren hochachtbare Men-
schen inmitten ihrer Gesellschaft. Sie waren beide Kämpfer, Auf-
rührer: LR. vor den M., Ch. in ihnen, LR. war 17. Jahrhundert,
adliger Frondeur gegen den König, Ch. 18. Jahrhundert, leiden-
schaftlicher Parteigänger des dritten Standes gegen König, Adel
und Kirche. Dagegen sind Schis, (meist abstrakte) Fehden hier-
mit nicht zu vergleichen. Er und No. sind in ihren Frg. anregende
Theoretiker. No. starb dann. Wie der j u n g e Schi.
Die beiden Franzosen waren erfahrungssatte Männer: da schrie-
ben sie pessimistische „M.". Die Deutschen waren begeisterte
90
102
Jünglinge, erfahrungsarm, doch gedankenreich: so schrieben sie 4. Überschau: D e r S t i l d e r A p h . und gleichzeitige oder ver-
„Frg.". wandte K u n s t s t i l e . Betrachten wir unsere Autoren nun ver-
Hier sei mir ein Hinweis auf eine seltsame Tatsache gestattet, auf eine gleichend (d.h. alles folgende gilt nur relativ).
merkwürdige, bis in die Silbenzahl gehende Übereinstimmung. LRs., des hohen Aristokraten, Leben zeigt wie seine M. den Ein-
Die farbenleuchtende Schönheit der romanisch-mittelmeerischen fluß dreier Stile: die F r o n d e war stürmendes F r ü h b a r o c k ,
Landschaft lädt ein zu vollem Lebens- und Liebesgenuß — dem die S a l o n s waren fast schon zierlichstes R o k o k o , die R e -
zu bald die Übersättigung, ein seelisches Frösteln und heimliches t r a i t e verhalf ihm zur inneren Selbstbesinnung und Beruhigung,
Todesbangen folgt. Liebe und Tod brachte schon die Antike zu- so daß alle r e n a i s s a n c i s t i s c h e n Tendenzen der damaligen
sammen. Sie bildete sie gleich: als fackeltragende Knaben. Kunsttheorie auf ihn wirken konnten.
Das nebelverhangene Grau der germanisch-nordischen Landschaft So sind seine M. k l a s s i z i s t i s c h gemildertes Barock. Schweres
(Nibelungen = Nebelsöhne) treibt zu metaphysischen Spekula- Barock herrscht in ihnen vor, doch sind renaissancehafte Dämp-
tionen - die (nicht als Katzenjammer!) einen wüden, faustischen fungen (des schwellenden Rhetorischen z.B.) und Milderungen
Lebens-, Licht- und Körperhunger entbinden: die große Italien- des Rokokohaften (der spielerischen Antithetik) deutlich. Sie sind
sehnsucht der Deutschen! „Memento mori", sagte ein Römer und weder zu streng tektonisch gegliedert - zu strenge Tektonik lag
Christ. „Memento vivere" und „Amor fati", sagte ein Deutscher. zudem gar nicht im Sinne der Zeit, vgl. Pascal: „Ceux qui font
Aber er sagte es lateinisch. Die Maler des übersteigerten Leibes les antithèses en forçant les mots font comme ceux qui font des
und Lichtes waren Germanen: Rubens und Rembrandt. fausses fenêtres pour la symétrie"2 - , noch zu atektonisch ge-
Und nun das Merkwürdige: die Franzosen assoziieren klanglich spannt: sie sind h a r m o n i s c h g e s p a n n t wie die Ellipse, meist
„L'amour, la mort et l'âme". Die Deutschen: „Liebe, Leben und konträr antithetisch in Klammerung (weitmöglichstes Auseinan-
Leib". Ein Zufall? Ein Spiel? Für exakte Etymologen gewiß. Aber dertreten der Fokus) oder in punktartigem Aufeinanderprallen in
einer jener Zufälle, die der hilflose Verstand gern mit höheren der Klausel. (Wie Schneider a l l g e m e i n sagen kann, französie-
Worten benennt. rende Wortfolge sei spannungsarm, ist mir unverständlich3.) Der
3. G e s e l l s c h a f t u n d W i s s e n s c h a f t : die M. ist eine von Spannung der Gestalt liegt eine Gespaltenheit im Thema zugrunde:
der allgemeinen (das hieß oberen) Gesellschaft ausgegangene und vertu - vice. Eben die konträr antithetische Spannung gibt, zu-
zu ihr zurückkehrende Unterhaltungsform. LR. formt ausge- mal sie meist mit Parallelismus auftritt, den M. LRs. dieses Ge-
wogene Sentenzen im Spiel in und mit der (vor allem weiblichen) fühl der klaren, ruhigen Gliederung und Harmonie. Lanson spricht
Gesellschaft, Ch. erzählt pointierte Witze und Anekdoten. Schi, von der „élégance géométrique"4. Die „M." sind so ein nacktes
und No. reden zu einer Gelehrtenschaft, reden in einem kleinen Buch: in Gehalt und Gestalt: nackte Wahrheiten in nackter Form.
Künstlerzirkel eine esoterische Sprache: frühromantischer Sinn In steten Feilungen zog er ihnen alle überflüssigen Kleider aus: so
ist ein „syn", doch hatten Schi, und No. bei aller Empfänglichkeit strich er sogar Vergleiche. („Einkochen" sagen die Journalisten.)
und Jugendlichkeit dozierende Altersneigungen (s. Dissertations- Nackte, klare Schönheit wollte die R e n a i s s a n c e: so ruhige Be-
stil). Aber das Frg. ist vor allem eine einsame Form: No. spricht wegung, daß sie wie Ruhe wirkte. Baudelaire sagte später aus ver-
selbst von den „Bruchstücken des fortlaufenden Selbstgesprächs wandter Haltung heraus: „Je hais le mouvement qui déplace les
in mir - Senker"1 und Schi, sprach in den leeren Raum seiner lignes."5 Wir haben so bei LR. eine konstruktive Prosa: trotzdem
Geistigkeit die Walpurgisnacht der Abstrakta. von hohem Reiz, da der Herzog nun gerade alle in der damaligen
LR. verbirgt seine Belesenheit sehr, während die übrigen sie auf- französischen Sprache ruhenden Klangmöglichkeiten zu feiner,
dringlich zeigen. Auch das hängt wohl mit der Gesellschaft und unaufdringlicher, musikalischer Wirkung verband. Klangliche
den Frauen zusammen: wurde doch im 18. Jahrhundert die Wis- Härten wie bei Pascal: „. . . qu'ils objectent à l'Eglise ne fait
senschaft in zunehmendem Maße popularisiert, verweiblicht und qu'établir une des choses quelles . . . interrogé quelque ecclésia-
kokett: „man trug" geradezu Wissenschaft und Philosophie. stique . . . trouver quelque éclaircissement . . ." 8 sind bei ihm nicht

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mehr zu finden. Die Klarheit und Nacktheit des Gehalts und da- ergreift Partei: das zeigen die Klauseln, die Ausrufe und Fragen
mit der Gestalt erreicht er durch weitgehende Abstrahierungen sind. Statt der anthetisierenden Kälte LRs. tritt uns bei Ch. pole-
und Objektivierungen: auch das ist „Zeitstil", den wir bei Pascal mische Wärme und Verve, Rhetorik und spürbare Auflehnung
(z.B. „guerre intestine de l'homme entre la raison et les pas- entgegen. Das Rokoko endigte mit der Revolution . . .
sions"7) wie in dem Klassizisten Seneca finden. So wirkt LR. kalt, Kann man so die M. LRs. und Chs. mit Werken der zeitgenössi-
steif, starr. (Daneben ist der Hauptwortstil überhaupt romanisch schen Architektur vergleichen, so muß man für Schi, und No. die
— wie der Romane zum Klassizismus neigt.) Vergleiche aus der Malerei holen: das bezeichnet schon ihren gro-
Chs. „M." sind denen LRs. fast gleich, doch sind die meisten M. ßen Gegensatz.
„Aph." und diese sind Rokoko: mit übermütigen Schnörkeln, über- Allgemein hat man gern deutsches Kunstschaffen und ganz be-
raschenden Pointen. (LR. hat fast keine.) In krummen Linien be- sonders (als seine extremste Ausprägung) die deutsche Romantik
wegen sie sich fort, in tanzender Bewegung: wie ein Stuhlbein mit der Technik Rembrandts in Parallele gesetzt. Das werde auch
dieser Zeit beginnen sie in sanftem Schwung, dann kommt eine ich da tun, wo es sich um die Charakterisierung des Wortspiels
größere, weitere, scheinbar maßlose, herausspringende Krüm- handelt. Aber mit Schis, deutschem, anballendem Stil möchte ich
mung: aber sie endigen in zierlichem, bemessenem Fuß. Nicht etwa den additiven und ballenden Stil der Zeichnungen Dürers
nackt sind diese „Aph.", sondern bekleidet, rhetorisch - und vergleichen: der die Menschen auf seinen Bildern häuft und doch
doch folgt ihr kostbares Gewand schmiegsam den sehnigen Glie- den einzelnen mit Liebe und Sorgfalt behandelt (hat man doch
dern in jeder sanften Biegung der Gelenke; auch sie sind „suc- das Verweilen beim Detail als eine deutsche Grundneigung hervor-
cinct": kurz (formal), locker, aufgeschürzt (inhaltlich). Die Har- gehoben8) . Mit No.'s Kapsel- und Geheimnisstil möchte ich Bilder
monie ist aufgegeben zugunsten einer (harmonischen) Disharmo- von C. D. Friedrich vergleichen: weite, ruhige, hellverdämmernde
nie, die Klammerungen sind so stark, daß oft Anfang und Klausel Landschaften, in der Mitte, klein, versteckt im Gebüsch: ein zärt-
sehr lange M. resümieren, die Antithesen sind schwächer: vorzugs- liches Liebespaar in ihrem süßesten Geheimnis. Wie eine Mon-
weise kompatibel, die Ellipsengestalt wird gesprengt, die Span- stranz sind Hardenbergs Frg.
nung wird stärker und unerwarteter gelöst, der Parallelismus wird Der R u h e LRs., der B e w e g t h e i t Chs. entspricht bei Schi, pro-
freier. War LR. knapp, sehr knapp, meist knapper als die Römer gressive und bei No. zyklische B e w e g u n g : ein kühles Marmor-
Seneca und Epiktet, so ist Ch. zeitweise noch knapper: asyndetisch becken, aus dem das Wasser entwichen — ein in seinen künst-
und verblos ist sein Stil dann, wie der lateinische Sprichwortstil. lichen, nicht allseitig sichtbaren Grenzen von einem meist sanften,
Das zeigt sich auch in den Klauseln: LR. bevorzugt bei Annomi- südlichen Winde bewegter Barockteich - ein ewig rollender, wol-
nationen die vollere Form, wie er überhaupt sonore Klauseln er- lender, vieles führender, gekrümmter Fluß. Abstrahiert LR. und
strebt, Ch. wird im Gegenteil immer kürzer, zeigt den nackten, blieb Ch. konkret, so ist Schi, rein abstrakt und No. abstrakt und
gespitzten Wortstamm. Er hat ein feines Ohr: den Namen „de konkret zugleich, meist in glücklicher Durchdringung.
Créqui" fand er schön und vornehm, „aber wie", fragte er einst Weder die harmonische Spannung LRs., noch die disharmo-
den Träger dieses Namens, „wenn Sie nun ,Criquet' hießen?" nischere Chs. sind für die Deutschen bezeichnend: sie haben keine
Seine Sätze schmelzen oft vor Wohllaut und doch schreibt er, Spannung, wenigstens keine vorbereitete, von Anfang an gewollte,
zwar keinen geometrischen, so doch algebraischen Stil; seine obwohl sie die Klauseln stärker betonen. Im Gegensatz zu den M.
Sprache ist nicht starr, sondern kitzelnd. quellen die Frg.: und verhüllen ihr Skelett. Aber es ist weniger,
Nicht mehr die Objekte stehen im Vordergrunde, sondern das Sub- ' vor allem bei Schi., geistige Wucht als „geistige Wucherung" (ich
jekt, das verraten schon die Anfänge der Aph.: „Lorsque mon verwende einen Ausdruck Rühle-Gerstels).
cœur", „je conseillerais", „il me semble", „j'ai remarqué", „j'ai Gehen die Franzosen in ihren Aph. bewußt auf Klärung und Klar-
lu" usw. Wenig Abstrahierungen finden wir, das Konkrete selbst heit aus (weshalb LR. so stark abstrahiert und Ch. entgegengesetzt
erscheint noch in seiner ganzen Lebendigkeit. Ch. ist beteiligt, er so konkret bleibt), so wollen die Frg. bewußt Verunklärung.
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Schi, wollte durch sie die Neugierigen abschrecken und die Ver- französischen Aph. sind vorzugsweise „M." und die deutschen,
trauten zum Nach- und Überdenken anreizen, dazu gebrauchte er romantischen: „Frg.".
die „Ironie", die schon an sich den Stil verdunkelt9 (zudem ist sie So rücken die deutschen Frg. an die Seite der (allerdings anders-
„Spiegelung": denn Ironie ist kalte Ekstatik, Ekstatik der Eksta- artig entstandenen) griechischen Fragmente, etwa der Vorsokra-
tik : sie tritt aus der Ekstatik heraus) ; No. trieb etwas anderes : bei tiker. Und war nicht Heraklit — wenn er auch die Trunkenheit
ihm ist die V e r u n k 1 ä r u n g der Worte bedingt durch eine V e r -
verdammte — der erste deutsche Philosoph?
k l ä r u n g des Worts ins Überwörtliche. Er hebte die Worte —
Betrachten wir noch einen kurzen Augenblick Schi, und No. in
aber jede Liebe drängt zur „Beschattung", und er machte sie dun-
ihrer Verschiedenheit. Berendsohn12 spricht bei Lichtenberg von
kel, schwer, tragend, fruchtbar.
ketten- und ringförmigen Aph.: als erstere bezeichnet er solche,
Denn der Deutsche liebt die W o r t e: das zeigen der Wortakzent, die (progressiv) vom Ausgangspunkt fortschreiten, als letztere
der meist auf der ersten Silbe steht, und die Satzakzente, die solche, die wieder zu ihm zurückkehren. Ich möchte nun Schis.
Worte in beliebiger Stellung „erhöhen" können. Der Franzose aber Frg. kettenförmig (die Kette ist aber oft zerrissen) und die No.'s
liebt die „ p h r a s e " und ihren Wohlklang: deshalb macht er die kranzförmig (ein Kranz voll duftender, aber verschiedenartiger
einzelnen Worte hell und spitz. Der französische Satz ist an feste, Blumen) nennen.
formale Regeln gebunden, ist gleichsam militärisch organisiert, Schi, gibt mehr Ausfälle, No. mehr Einfälle. Jener hat kühne, die-
während der Satz der „militaristischen" Deutschen freiesten, indi- ser tiefe Paradoxa. Jener buddelt sich ein in seine Probleme, die-
viduellen Spielraum läßt. (Der deutsche Satz — nicht nur der ser schwebt mit ihnen empor und verflüchtigt sich zum Äther.
No.'s10 — zeigt sich so als N a t u r - S a t z, auf den der deutsche Jener ist mehr Philologe, dieser mehr Philosoph und Priester
Geist, der Geist der Organisation11, nicht eingewirkt hat.) (auch am Wort). Jener ist schwerer, dieser tiefer. Jener hat ein-
Man neigt oder neigte dazu, den romantischen Gefühls- und Ideen- und zweidimensionalen Progreß, dieser drei- und vierdimensio-
gehalt als „unaussprechlich" zu bezeichnen, so daß der roman- nalen. Vor allem aber wirken bei No. die Worte mehr aufs Ohr
tische Satz sich zu seiner Idee verhielte, etwa wie der Aussatz zu (auf „Ohren mit Herzen") als auf den Verstand. Auch No. hat
einem schönen Körper oder wie der Kaffeesatz zum getrunkenen, mehrere Stile, aber mit zwei deutlich unterscheidbaren Tendenzen,
köstlichen Kaffee. Ansätze zu dieser Verhaltungsweise könnte die Schi, dagegen war seiner Veranlagung nach ein guter Parodist,,
T h e o r i e Schis, liefern; No. aber glaubte sehr Tiefes in seinen und das heißt meist ein schlechter Stilist: wie ein „Charakterloser"
kurzen Sätzen voll gewöhnlicher Worte aussprechen zu können, meist ein Mensch mit einer Fülle von Charakteren ist.
wenigstens mitaussprechen zu können. Das zeigen seine Frg. deut- Ich komme zu einzelnen gestaltlichen Momenten der Aph.
lich. Er schrieb nicht aus I r o n i e d e r D i s t a n z heraus, nicht Alle behandelten Aph. weisen (vor allem in der Klausel) N o m i -
aus dem Gefühl der Diskrepanz von Idee und Satz, von roman- n a l s t i l auf, auch die No.'s, obwohl er die Verba die eigentlichen
tischem Inhalt und (stets romanisierender) Form, wie für Schi, Wortkräfte nennt18!
immerhin angenommen werden kann. Alle zeigen stark betont P a r a l l e l i s m u s und A n t i t h e s e , bei
Der Satz LRs. ist geometrisch gebaut (aufdringlicher Parallelis- den Franzosen dienen sie zur gestaltlichen Vollendung und R u n -
mus), der Ghs. und Schis, algebraisch (dort harmonische Dishar- d u n g (Ellipse), bei den Deutschen daneben zur Spiegelung und
monie der Silbenzahl, hier Harmonie der Wortstellung) und der Brechung, zur I n t e n s i v i e r u n g . Ähnlich: der Chiasmus.
No.'s ist magisch — mathematisch — musikalisch. Der Chiasmus ist eine Möglichkeit der „ K l a m m e r u n g " , die
So ist die (eben romanisierende) Gestalt der Aph. stets rational, dem Aph. sehr große Abgeschlossenheit und Spannung geben
der Gehalt ist bei den Franzosen ebenfalls rational, bei den Deut- kann und sich deshalb bei allen behandelten Aphoristikern findet.
schen pseudorational: immer enthält der Aph. k u n s t g e - Sie kann erfolgen durch die wichtigsten Worte (bei den Franzosen
brochenenVerstand. meist: Fokus) : gleiche Worte, Annominationen, antithetische
Neben den rationalen Elementen zeigen sie also nationale: die Worte, Wortspiel oder durch gebrochenes Satzverhältnis.
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7 F i n k , Maxirae und Fragment
Außer LR. (der sie zu vermeiden sucht) lieben alle Aphoristiker
A u f z ä h l u n g e n : Ch. o r d n e t logisch, zeigt aber daneben z.B. liebte unbekannte Fremdworte „pour les effets d'harmonie
starke Rhetorik: hier sind sie mehr zyklisch, ringförmig; die Deut- qu'on en peut tirer"14.
schen s u c h e n Ordnung, erreichen aber mehr unendlichen Pro- Die Franzosen schätzen das laute W o r t s p i e l in hoher Literatur
greß: hier sind sie unlogischer, sprunghafter, kettenförmig. nicht: trotz einem Rabelais (doch der war 16. Jahrhundert) und
Der N u m e r u s ist meist pointierend: decrescendo, abnehmend. trotz ihrer galligen gallischen Zunge. Nicht nur das klassizistische
Für LR. sind diese Bilder charakteristisch: — —, — u, - o u - 17. Jahrhundert, sondern auch Marmontel, ja Voltaire wandten
(Harmoniel). Für Ch. bei mehreren Sätzen: — u, yj — u ; im Satz sich gegen dieses „Laster", wo es stark betont und oft auftrat
herrscht dagegen meist rhetorischer Crescendo-Numerus. Schi, (Shakespeare!). So liegt die französische Pointenkunst fast ganz
neigt auch zum Schwellstil, hat aber sekundären (vor allem in L.) in der (konträren und) kompatiblen Antithetik: in harmonischer
Schrumpfstil. Bezeichnend für ihn ist der Dissertationsstil. Der Disharmonie also. Die eigentliche Pointe aber ist germanisch, go-
kürzeste Satz, das Thema, steht am Anfang, lange und längere tisch, rembrandtisch. Denn Rembrandts Helldunkeltechnik, seine
Sätze folgen, die die analysierende Ausführung und Erläuterung Vereinheitlichungstendenz zeigen das. Wortspiel und „Aph." sind
bringen. Auch No. hat diesen Stil, aber er ist für ihn nicht charak- im Deutschen sehr eng verbunden. Man könnte eine „Geburt des
teristisch. Aph. aus dem Geiste des Lichts" schreiben. Lichteraufsetzen: das
Ursprünglich hat No. Atomstil (unverbundene Hauptsätze) und ist aph. Kunst:
— weniger — Parenthesenstil (verwickelte, geballte Satzgebäude). Wörter sind Laternen, steckt ein Licht hinein
Bereits der Atomstil zeigt Neigung zum (mehrfachen) Abschluß und sie geben einen guten Schein (Hebbel),
(Klauselstil und Bogenklauselstil) und zur Kapselung des wich-
aber nicht durch die gestaltliche Künstlichkeit der antithetischen
tigsten Satzes (Kapselstil). So näherte sich No. in der Folge immer
(und so verwandten) Wortverwandlung mit halber Überraschung,
mehr seinem Ideal: einem klaren, schönen Periodenstil und einem
verbundenen, melodischen Kurzsatzstil. Sein eigenster Stil ist ein sondern durch die gehaltliche Kunst der (unverwandten) Wand-
Kreisstil. Gehaltlich wie gestaltlich. Manchmal fliegt gehaltlich eine lung in Neues, gänzlich Überraschendes, Fernliegendes und doch
Tangente an den Kreis (Pointierung oft) oder von ihm ins Unend- wieder Verwandtes und Naheliegendes (und nicht nur klanglich).
liche ab (Verflüchtigung). Wirklich wie ein Gemälde Rembrandts wirkt das Wortspiel: eine
u n e r k l ä r l i c h e L i c h t q u e l l e — ein über d u n k e l b l e i -
Die Deutschen lieben das W o r t . So bevorzugen sie F r e m d -
b e n d e Z w i s c h e n s t u f e n hinhuschender G l a n z , der i n s
w o r t e : da diese neben ihrem Gehalt noch einen gewissen magi-
D u n k e l bohrt.
schen Zusatz haben. Die Franzosen dagegen übernehmen gern
französierte Fremdworte pejorativ: so nennen sie eine Dirne Der Romane beleuchtet meist z w e i harmonischer oder disharmo-
„moukère", was im Spanischen, aus dem es stammt, (mujer) Frau nischer gespannte, korrelative Stellen (sehr deutlich zeigt das Ch.
heißt; prahlen bezeichnen sie als „häbler", was spanisch (hablar) M. 216 und 249, zit. S. 41), die zweite zuletzt: das ist seine Pointe.
sprechen heißt; „palabre" (lange, unnütze Rede) kommt von spa- Der Germane beleuchtet vorzugsweise nur e i n e d u n k l e Stelle,
nisch „palabra" (Wort). Wie man sieht, haben sie es besonders überschüttet sie mit Licht und magischem Glanz und zieht aus ihr
auf die Spanier abgesehen: vgl. noch „parier français comme une alle Kraft. Meist ist beim Wortspiel gar keine (vorbereitete) Span-
vache espagnole" — eigentlich „un Basque espagnol". Die Kelten nung vorhanden, sondern plötzlich wie eine übermächtig herein-
haben die Worte „bara" (Brot) und „gwin" (Wein) ; da für die brechende Blendung kommt der Einfall: ein vorher unbetonteres
Franzosen das Bretonische unverständlich war, bezeichneten sie Wort wird geröntgt, man findet einen Fremdkörper in ihm, der
„Kauderwelsch" hinfort mit „baragouin". Verwendet aber ein ihm eine neue, höhere Existenzform gibt. Die romanische Pointe
Franzose einmal häufiger Fremdworte (ich denke hier nicht an ist regressiv, die germanische ingressiv. Der Franzose sagt be-
die Journalistik und die Mode), so ist es sehr bezeichnend : V. Hugo zeichnend: „jouer sur les mots". Ein typisches Beispiel für franzö-
sische Pointe und Wortspiel ist z.B. dieses:
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Belle Philis, on désespère
Alors qu'on espère toujours. (Molière.)

Im Kompositum hat „espérer" seinen gewöhnlichen Sinn, im


Simplex heißt es „erwarten"15. (Ein weiterer Grund für die germa-
nische und vor allem deutsche Liebe zum Wortspiel ist wohl, daß
der Deutsche weniger Empirist als Metaphysiker ist: so sucht er
auch im Wort das Hintergründige auf.)
Aber solche Wortspiele haben Schi, und No. fast gar nicht. Daß
ich aber so schreiben kann, verdanken wir Nietzsche und Morgen-
DER „APHORISMUS"
stern (s. Nietzsches „Wer immer nach Gründen geht, geht zu-
grunde") . Ein A p h . kann den verschiedensten - literarischen und außer-
literarischen — Gehalt haben. Was alle Aph. eint, ist ihre Gestalt.
Ein anderes noch. Es macht sich (allgemein in der Prosa, aber am
Der Aph. ist also eine F o r m , und zwar eine Form, der K ü r z e
deutlichsten in ihrer gesteigertsten Form: dem Aph.) immer wie-
und S e l b s t ä n d i g k e i t eignet. Aber auch diese Form ist
der und immer rücksichtsloser eine Absage an die großen Perio-
n i c h t e i n h e i t l i c h . Um ihr näher zu kommen, habe ich
den bemerkbar. Das ging seit den Ansätzen bei Ch. und dem Atom-
(außer der Beschränkung auf ihr Vorkommen in der Literatur)
stil No.'s ja noch viel weiter. Alles wird heute immer skelettartiger:
versucht, d r e i H a u p t t y p e n von Aph. herauszustellen. Diese
Architektur, Malerei, Musik, die Frauen usw. Unsere Gestalt und
Haupttypen verkörpern sich mir vorzüglich in den Aph. der La
Gedanken sind überschlank. Das Spitze, das Geistreiche herrscht.
Rochefoucauld, Nietzsche und Schlegel. Die des ersten und letzten
Das Körperarme, Fleischlose. Das Spitze: Zerbrechliche, Zer-
empfinde ich als Extreme der aph. Form, während ich in denen
brechende, Zerbrochene. So haben unsere Schriftsteller keine Pe-
N i e t z s c h e s nicht nur die Mitte, sondern die H ö h e und ihre
rioden mehr. Nur noch kleinste Satzteilchen. Es ist alles so blut-
e i g e n t l i c h e Erfüllung sehe.
leer, schmerzlos. Zwar das Zucken der Prosa ist stärker ge-
worden. Behandelt wurden in der vorliegenden Arbeit nur die Extreme. Der
„Aph." — der natürlich die M. und Frg. gemeinsamen Formele-
Ich komme nunmehr zur (vereinfachten) Schlußgegenüberstel-
mente auch betont zeigen wird — ist gebührend, eingehend in
lung von „M." und „Frg.".
meinem mir gezogenen Rahmen nicht zu behandeln.
Die M. wirken mehr aufs innere Auge — die Frg. mehr aufs in-
Aber eine Art S a t y r s p i e l sei mir hier gestattet.
nere Ohr (auch „Gemüt" genannt von uns Deutschen).
Der „Aph." hält die Mitte zwischen „M." und „Frg.". Jene ist für
Gehalt: die M. sind k a u s t i s c h , die Frg. f a u s t i s c h ; die M.
ihn zu vollendet, dieses zu formlos. Er vereinigt beide: er ist ge-
sind e m p i r i s c h , die Frg. e m p y r e i s c h .
schlossen, selbständig, und hat doch meist mehrere Endungen,
Gehalt und Gestalt: die M. sind voll M a ß und schöner, ruhiger
aber so, daß die letzte Endung ein wirkliches, gehaltliches und ge-
B e s c h e i d u n g , die Frg. voll ursprünglicher M a ß l o s i g k e i t
staltliches Ende bedeutet. Noch eine neue Endung dazu: ergäbe
und nachträglicher gewaltsamer B e s c h n e i d u n g . Die M. sind
einen n e u e n „Aph.". Z.B. sagt Nietzsche: „Im echten Manne ist
eine g e m e i n s a m e , die Frg. eine e i n s a m e Form.
ein Kind versteckt. Das will spielen." (Zarathustra.) Der erste Teil
Gestalt: die M. sind R e d u k t i o n e n , die Frg. O x y d a t i o n e n .
dieses Aph. hat durch seine Paradoxie ein gewisses Ende erreicht,
Die M. sind geschlossen, die Frg. offen. Jener Selbständigkeit be-
aber die regressive Fortsetzung bringt erst Überraschung und Be-
ruht auf ihrer Selbst-endigkeit.
leuchtung, die dem Aph. letzte Sättigung (in chemischem Sinne)
So sind die M.: V o l l e n d u n g e n , die Frg.: v o l l E n d u n -
und ein wirkliches Ende geben. Ein anderes Beispiel. Eine „M."
g e n16.
nach LRs. Formel: „La vérité est une fable convenue". Ch. hätte
Der „Aph." aber ist in der Mitte.
ihr eine andere, „aph." Fassung gegeben, die Fassung, die wir

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(schon!) bei Richelieu finden: „La vérité? Qu'est-ce que c'est? —
bald Adler. Schlangen und Adler aber sind die Lieblingstiere Zara-
Une fable convenue." Wir sehen: der „Aph." geht nicht auf größt-
mögliche Kürze aus, auf ruhendes Sein, Gewordensein, sondern thustras.
auf Nachbildung geistreicher Unterhaltung (s. Dialoge bei Ch.!), Doch: „divide et impera!" Ich werde ihnen Aph. nachschicken und
auf Überraschung, auf Werden. Aber immer auch auf Geschlos- sie durch Aph. zu treffen versuchen.
senheit; um diese zu verstärken, gab ja Nietzsche seinen Aph. viel- Aph. sind überschlanke, vierzehnjährige Mädchen aus Berlin W:
fach Überschriften: „Oberlichter", die die kleine Kammer des Aph. vornehm, knospenhaft, verderbt. Durch die Schlankheit, die
bis in ihre letzten Winkel beleuchten oder ahnen lassen: K ü r z e , wird der Aph. immer einseitiger, s u b j e k t i v e r , para-
doxer.
T ü r e n . — Das Kind sieht ebenso wie der Mann in allem, was erlebt,
erlernt wird, Türen: aber jenem sind es Z u g ä n g e , diesem immer nur Die „M." ist so eine Zweidrittelwahrheit, der „Aph." eine Eindrit-
Durchgänge1. telwahrheit (das ist ein Aph.).
Die Kürze kann auch etwas durch Faulheit bedingt sein (LR.,
Ist hier (wie meist) ein Wort aus dem Aph. isoliert, so gibt ein
Schi, und No. äußerten sich teils lobend, teils nicht tadelnd über
gänzlich Neues dieser:
sie). Der Geist ist, scheint's, am liebsten männlich, wenn der Kör-
S i n g v ö g e l . — Die Anhänger eines großen Mannes pflegen sich zu per weiblich: liegt. Dann spielt er. Spielen ist männlich. Gespielt-
blenden, um sein Lob besser singen zu können2. werden weiblich. Dann musiziert er. Denn das Weib ist Musik.
(Wortspiel.) Ein schlanker Geist ist gern in ruhendem Körper. So drängt er den
Leib zur Fettheit. „Ein müßiges Leben, das allen denen köstlich
„Le style est l'homme même." Dieses viel zitierte und meist falsch
erscheint, deren Geist beschäftigt ist. . ." (Balzac).
gedeutete Wort Buffons paßt auf nichts so sehr wie auf den aph.
„Aph." e r r e g e n den Geist. (Auch das führt zu ihrer Teilwahr-
Stil. „Aphorizesthai" heißt: „Beschränktsein" (hier: in den Aus-
heit; denn „wo allzu heftige Bewegungen der Feueratome — d. i.
drucksmitteln!). Eine F ü l l e von Gedanken findet nur e i n e n
der Seele — stattfinden, da kommt es zu falschem Vorstellen, dem
Weg: zum Aph. Wie Eros ist er so ein Sohn des Poros und der
,allophronein'", sagte schon Demokrit.) „Alles Erzeugen ist eine
Penia. Wie dieser ist er am Tage der Geburt Aphroditens gezeugt.
polemische Operation" (Novalis). Vor allem die Geburt eines
Wie dieser ist er klein, schalkhaft, boshaft, zielend, spielend,
Aph. Weniger enthalten sie ursprünglich Eigenes, sondern Umge-
ritzend, reizend und manchmal verletzend. Wer Aph. schreibt,
wertetes, sie sind A n k n ü p f u n g e n an Meinungen und Formeln,
schreibt sie meist als seine eigentliche und einzige Ausdrucksform. im Deutschen oft an Worte: man s p i e l t mit den Worten, zersetzt
Lichtenberg zeigt das deutlich in seinen geistigen Bastarden. Aber und zerfetzt sie, um neue, oft seltsame Dinge aus ihnen aufzu-
nicht nur er, auch LR., Ch., Schi., No., Nietzsche, um nur einige bauen (s. Morgenstern). (Ein verwandtes, harmloseres Gesell-
zu nennen, waren inkarnierte, inkarzerierte, inkantierte und in- schaftsspiel: „Bilde mal einen Satz mit . . ."!) So kommt durch
kandeszendierte Aph.. (Da ich einmal pseudoetymologisiere: „apho- das Wortspiel auch der Aph. zu zwei Wirkungen: der sinnlichen
ros" heißt „unfruchtbar": der Aph. ist zunächst immanentes durch das Klangspiel, dann der rein geistigen durch das Sinnspiel.
S p i e l , was jedoch nicht ausschließt, daß er höchst anregend, „Aph.", vor allem wortspielende, sind gefährlich. „Man greift in
fruchtbar werden kann. Und „aphros" heißt: „Schaum".) lauter Glassplitter, wenn Sie reden", heißt es in einem modernen
Aber ernstlich. Aph. ist und heißt „Definition" ursprünglich, nichts Roman.
ist er scheinbar mehr und wirklich weniger. Man setzt nicht die Der „Aph." muß immer ein Organismus sein. Alles Organische
Grenzen des Gegenstandes fest, sondern setzt sich an dem Gegen- aber ist irgendwie orgiastisch.
stand eine (beliebige) Grenze: wo der Gedanke auftrifft.
„Aph." sind polemisch. Echte Aph. aber wollen nichts beißen als
Die „Aph." entgleiten aber ihrer Definition immer wieder. Sie ent-
ihren Schwanz.
winden sich und entfliegen. Spottend. „Aph." sind bald Schlangen,
„Aph." sind ernste Witze. Und der Witz ist der Vater aller Dinge.
102 Durch ihn ist alles verwandt. 103
Wie der „Aph." eine der ersten Ausdrucksformen der Menschen Aph. erregen. Sie sind Feste der Nerven. So viel Arten von Tänzen,
war, so wird er auch eine ihrer letzten sein. (Sterbenden wird gern so viel von Aph.. Verstandeskälte und Kunsthitze kommen in ihm
ein Aph. in den Mund gelegt.) zusammen. Trotzdem die Aufklärung ihm günstig war, ist er zu-
Biblischen Ton trägt er an sich und adlige Haltung: die weitaus - letzt jeder Auf- und Abklärung abhold:
meisten Aphoristiker entstammen bezeichnenderweise dem Pfarr- Der „Aph." braucht das Dunkel - denn er ist das Licht. Die Auf-
haus und dem Adel. klärung ließ kein Dunkel gelten. Sie empfand alles N ä c h t l i c h e ,
Nur angesichts der Poesie könne man gute Prosa schreiben, sagen H e i 1 i g - Schaudervolle als n a c h t e i l i g für den Menschen. (So
Heine und Nietzsche. So allgemein stimmt das freilich wohl nicht. schrieb sie dieses Wort: „nachtheilig".) Die Aufklärung blieb des-
Die guten Aphoristiker, die schlechte Dichter waren oder keine, halb fragmentarisch, sie war unfruchtbar zu Großem, sie verzet-
zeigen das. Zwar der „Bogenklauselstil" vieler Aph. (2 Klauseln telte sich in Kleinem. Spießte bunte, prächtige Schmetterlinge auf
entsprechen sich oder sind stärkst betont) erinnert an den Reim. dünne, helle Nadeln. Stichelte. Ihr Kampf war von vornherein
Dem gegenüber hat der häufigere „Klammerstil" (bei Nietzsche zum Scheitern verurteilt, blieb witziges F r a g m e n t (s. Lichten-
oft durch die Überschrift erreicht) keine normale poetische berg — doch trifft ihn das nur zum Teil). Und die Abklärung
Parallele. führt zur M a x i m e (s. La Rochefoucauld).
Die „M." wollen geschrieben werden: über ein Leben oder über Aph. erregen. Aph. und Zote unterscheiden sich nur gehaltlich.
die Tür. Chs. „Aph." (gemeinsame Gestalt) wollen plaudernd vor- Denn der Aph. ist feinste, vergeistigtste Erotik. Der Trieb zum
getragen werden. Die „Frg." (einsame Gestalt) wollen g e l e s e n Aph. ist der „Geschlechtstrieb des Geistes" — auch pervers werden
werden, wie fast alle deutschen Aph., auch die Nietzsches. Sie kann er. (Der Geist aber ist lüsterner als der Leib.) „Aphorisieren"
müssen oft sogar mehrmals gelesen werden wegen ihrer Hinter- und „aphrodisieren" sind auch klanglich sehr nahe. Und neigt
gründigkeit. Wie will man ferner den Gleichklang mehrerer Worte nicht der Aph. zur Zwei- und Mehrdeutigkeit? Aph. Kunst ist die
verschieden sprechen? Wie will man „schprechen" (Charakteri- Kunst des Kleinen, Zierlichen. Rokokostil aber ist erfrorene
stik der Süddeutschen) ausdrücken? Dann sind da die Interpunk- Erotik.
tionen, die auch ursprünglich die äußere Gebärde andeuten soll- Ist (gehaltlich) die „M." eine fette, kluge, alte Venus, so ist der
ten, bis sie Eigenwert erhielten. Und wie will man die in Aph. „Aph." ein kleiner, spielender, frecher Amor. Belehrt die „M."
häufigen Anführungszeichen sprechen? kniggehaft über den Umgang mit Alltagsmenschen, so steht der
Der Aph. ist forciert: gezwungene und gesteigerte Prosa. Hoher „Aph." freiherrlich über dem Umgang mit Alltagsmenschen.
Stil aber ist oft kunstvolle Verwendung des Verpönten. So zeigt der „Aph." nackte Schönheit, tänzerische, sehnige Ele-
D e r aph. Stil ist der S c h n e l l s t i l (schrumpfender Numerus) : ganz, fühlbares Schrittmaß in kleinstem Raum, erstarrten Form-
eine Metapher, die (außer „schnell", kurz) gleichzeitig enthält das willen und erweichten ethischen Willen meist („Diseurs de bons
Büd des schnellenden Pfeiles und seiner Kurve: lang ansteigend, mots, mauvais caractères"). Ich folge aph. Brauch und knüpfe
Höhepunkt, jäh herabschießend, und das des durch stehendes an berühmte Verse an:
Wasser geschnellten flachen Steines mit immer kleiner werdenden Wie nackter Gang geschmeidig schlanker Schritte,
Luftstrecken. Der leicht im allerkleinsten Kreis sich dreht,
Fallsüchtig ist der Aph. Gefallsüchtig. Ist dieser Tanz von Geist um eine Mitte,
Aph. sind auffallend g e f o r m t e An- und Ab-, Ein- und Ausfälle. In der erstarrt ein weicher Wille steht.
Sie dürfen nicht nur e i n e n Reiz haben. Gerade bei ihrer Armut
müssen sie voll Anmut sein. Schon auf den ersten Blick müssen sie
etwas Blendendes haben. Hat man sich dann an die Helle ge-
wöhnt, muß man eine reizende romantische Landschaft sehen, die
bei aller Mannigfaltigkeit auf eine ideale Ferne hinkomponiert ist.
104 105
2 Die weiteren 27 Beispiele (unter den ersten 60 „M.", s. vorher): M. 10, 17,
23, 32, 52, 58, 82, 84, 94, 113, 115, 129, 150, 154, 156, 157, 160, 189, 201, 202,
226, 239, 295, 297, 299, 302, 304.
3 Die weiteren 14 Beispiele sind M. 6, 9, 29, 36, 67, 104, 110, 119, 134, 135,
192, 208, 236, 261.
4 Die weiteren 13 Beispiele: M. 40, 59, 60, 68, 72, 73, 81, 96, 152, 165, 194,
286, 306.
5 Weiter M. 28, 53 (kurze, rhetorische Frage — lange Antwort in vier Par-
allelen: ähnlich die M., die, meist Definitionen, mit einer — nichtrhetori-
ANMERKUNGEN schen — Frage nach ihrem Gegenstand beginnen, wie M. 179, 213, 216, 224,
251 und solche, die diese Frage verkürzen zum Stichwort mit Doppelpunkt:
Zu Vorbemerkungen : wie M. 135), 275, 488.
1 „Romantiker" I, S. 89. 6 Weiter M. 224, 254, 460, 461, 476.

7 Wedter M. 2, 202, 251, 262, 281, 295, 301, 303, 305.

Zu La Rochefoucauld: 8 Œuvres XII, S. 52.


9 Auguis II, S. 20.
1 A. a. 0. S. 189, 309. 10 Daß sie dazu bestimmt waren, zeigt z. B. M. 292 deutlich, wo zwei Zeilen
2 Siehe sein „Porträt".
nach der ersten Erwähnung die beiden Anfangsglieder einer viergliedrigen
8 Vgl. Dreyfus-Brisac, S. 5.
Aufzählung wiederholt werden: nicht aus gehaltlichen oder gestaltlichen Grün-
4 Vgl. Norden, a. a. O. S. 781.
den, sondern nur, weil die H ö r e r die Reihenfolge vergessen haben könnten.
5 Norden, a. a. O. S. 237 ff.
Neuere Ausgaben setzen daher diese Worte auch in Klammern.
8 Dreyfus-Brisac, S. 33 ff.
1 1 Allerdings sind diese Worte wahrscheinlich nicht von Ch., denn bei Auguis
7 A. a. O. S. 70.
II, S. 42 f. spricht sie, etwas verändert, ein M. D. . .: „En vivant et en voyant
8 A. a. O. S. 99 f.
les hommes (man beachte auch hier wieder die Alliteration und die dunklen
9 Bourdeau, a. a. O. S. 108.
Vokale), il faut que le cœur se brise ou se bronze". Hier ist sogar noch grö-
1 0 Ebenda S. 135.
ßere Klangvollendung: dem weichen w des Vordersatzes entspricht das weiche
1 1 A. a. O. S. 31.
s des Nachsatzes, dem hellen i in „vivant" das in „brise", den dunklen Vo-
1 2 Anspielungen auf Worte Nietzsches und Hofmannsthals. Dadurch rückt die
kalen und Nasallauten in „vivant" und „voyant" und „hommes" der dunkle
damalige Zeit überraschend nahe an die des Impressionismus.
Nasal in „monde".
13 A. a. O. S. 187. 12 V. Bouiliier, G. Ch. Lichtenberg, Essai sur sa vie et ses œuvres littéraires,
" A. a. O. S. 279.
suivi d'un choix de ses aphorismes, Paris 1914.
15 Segrais, Segraisiana S. 166 f.
18 L'art de la prose, S. 140.
18 Bourdeau, a. a. O. S. 101.
17 Lettres de Mme. de Sévigné, 14 juillet 1673.
Zu Schlegel:
18 Norden, a. a. O. S, 814 ff.: „Parallelismus ist vielleicht der wichtigste for-
male Völkergedanke", und vor allem Norden „Logos und Rhythmus", Rek-
1 Br. S. 363.
toratsrede Berlin 1928.
2 Ebenda.
19 Es ist schade, daß E. Kredel in ihrer Diss, auf Alliteration, Wortwieder- 3 Br. S. 343.
holung, Annomination u. ä. verzichten zu können glaubt (allerdings behandelt 3 Br. S. 351.
sie diese da, wo sie zugleich Sinnspiel sind, aber auch das ist bei LR. der Fall). 8 Br. S. 361.
3 0 Bourdeau, S. 8. 8 A. a. O. S. 292.
21 L'art de la prose, S. 87 ff.
7 Br. S. 354.
22 Nouveaux Lundis XIII, S. 426.
8 A. a. O. S. 845.
23 L'art de la prose, S. 140.
9 Letzte „Idee"!
10 „Stern des Bundes", S. 78. So verabsolutiert, ist das Zitat leicht geändert.
Zu Chamfort: 17 A. 395.
1 Daß er nicht feilte, zeigt z. B. M. 103, wo „nous, nous" aufeinandertrifft als 12 Jugendschriften II, S. 131.
Satzteilende und -anfang. Zudem waren Feilungen nicht im Sinne des Zeitstils. 78 Br. S. 344.
102
106
Lucinde, S. 88 ff.
14

A. a. O. S. 858.
19
22 X, 266.
18 A. a. O. S. 61. 23 Gloege, S. 83.
2 4 Kluckhohn I, Einl. S. 70 u. 73.
17 A. a. O. S. 82.
2 5 IX, 3.
18 A. 73.
2ä IX, 640.
19 Vgl. Walzel, Deutsche Dichtung I, S. 49, Gehalt und Gestalt, S. 329 ff.:
27 VI, 93.
Scherer stellte schon für die altgermanische Dichtung eine ständige Unzufrie-
28 VIII, 129.
denheit mit dem gebrauchten Ausdruck und immer neues Suchen nach einem
2 9 X, 227.
bezeichnenderen fest. Auch Klopstock ringt in rastlosem Ansturm um Un-
8 9 IX, 1066.
erreichbares — mit ungeheurem Pathos. Walzel stellt zwei deutsche Grund-
stile fest: einen gotischen, steigernden und einen gedämpften, mit unendlicher « III, S. 80.
Verliebtheit ins Einzelne, Nebensächliche. (Ich möchte sie als „rauschhaften" 82 VI, 428.
und „lauschhaften" Stil assoziieren.) Schlegel hat zwar kein Pathos, aber 83 IX, 128.
doch von beidem: von dem Intensivierenden, dem Bohrenden, Multiplikati- 84 Werke I, „Ofterdingen", S. 234.
ven und dem Extensivierenden, dem Sich-Verlierenden, Additiven. Auch er ist 35 IX, 537.
ein Stellendichter. 30 S. 89.
20 Spitzer, S. 315 f., 342 ff., 346, 348, 361, 364.
37 VI, 65.
21 Spitzer, S. 339.
38 Vgl. Gloege, S. 24 ff.; Walzel, GRM. S. 439 ff., Gehalt und Gestalt, S. 207.
22 Spitzer, S. 315.
39 VI, 139.
23 Spitzer, S. 321.
40 I. Bd., S. 184 ff., 190.
24 Lucinde, S. 96.
41 IX, 640.
25 Jugendschriften II, S. 165 ff.
42 Siehe Minor, Novalis I, S. XXII.
26 Enders, S. 101.
43 IX, 249.
27 Jugendschriften II, S. 132.
44 IX, 334.
45 IX, 775.
46 IX, 640.
Zu Novalis: 47 V, S. 217.
1 III, S. 69 f. 48 VI, 167.
2 IX, 1145. 49 Ch. M. 113, zit. S. 41, Novalis: X, 433.
3 X, 433. 50 VI, 326.
4 IX, 309. 51 V, S. 189.
5 VI, 184. 52 X, 300.
6 X, 94. 93 Werke Bd. I, S. 116.
7 Strich, S. 306.

8 Huch, S. 48.

9 Siehe Walzel, GRM. VII, S. 419.


Zu Summe:
1 0 Haym, S. 366, Gloege, S. 95. 1 Werke Bd. IV, S.. 219.
1 1 Gloege, S. 160. 2 Œuvres XII, S. 37..
12 VI, 239. 3 A. a. O. S. 181.

13 VI, 284. 4 L'art de la prose, S, 17.

1 4 VI, 321. 3 Les Fleurs du Mal: La Beauté.

15 VI, 412. 6 Œuvres XIII, S. 101 ff.

16 V, S. 264. 7 Œuvres XIII, S. 311.

17 X, 50. 8 Vgl. Gehalt und Gestalt, S. 330 ff.

18 VI, 64. 9 Schneider, S. 133.

19 X, 101. 1 0 (Spenlé).

20 V, S. 271. 1 1 Vgl. Strich, a. a. O. S. 346 f., 410.

21 X, 228. 1 2 A. a. O. S. 125 f.

13 IX, 895.

112
109
14 Lanson, Histoire de la littérature française, S. 1057. TABELLE ZU DEN ZITATEN CHAMFORTS
15 Vgl. ebenda S. 382.
1 8 So erhält das von manchen verpönte „letzten Endes" eine tiefe, deutsche
Die Numerierung der Aph. in dieser Arbeit entspricht folgenden
Begründung.
Seitenzahlen der Ausgabe von Auguis (Bd. I) :
Zu „Der Aphorismus": Nr. Seite Nr. Seite Nr. Seite
1: 337 181—183 : 374 344—350 : 411
3 Menschliches — Allzumenschliches, Nr. 109.
2 Ebenda Nr. 164. 2— 4 : 338 184—185 : 375 351—355 : 412
5— 8 : 339 186—190 : 376 356—361 : 413
9 - 12: 340 191—197 : 377 362—368 : 414
13— 15: 341 198—201 : 378 369—375 : 415
16— 18: 342 202—204 : 379 376—383 : 416
19— 21 : 343 205—208 : 380 384—390 : 417
22— 26: 344 209—212 : 381 391—397 : 418
27— 32 : 345 213—214: 382 398—402 : 419
33— 34 : 346 215—218: 383 403—408 : 420
35— 37 : 347 219-221 : 384 409—415 : 421
38— 41 : 348 222—224 : 385 416—418 : 422
42— 43: 349 225—229 : 386 419—420 : 423
44— 47 : 350 230-233 : 387 421—425 : 424
4 8 - 52: 351 234—237 : 388 426—430 : 425
5 3 - 62: 352 238—245 : 389 431—434 : 426
6 3 - 68: 353 246—247 : 390 435—440 : 427
6 9 - 74: 354 248-250: 391 441—445 : 428
75— 84 : 355 251—255 : 392 446—450 : 429
8 5 - 88: 356 256—259 : 393 451—456 : 430
8 9 - 93: 357 260—266 : 394 457—462 : 431
9 4 - 99: 358 267—268 : 395 463—469 : 432
100: 359 269—273 : 396 470: 433
101—105 : 360 274—278 : 397 471: 434
106—111 : 361 279—280 : 398 472—474 : 435
112—116 : 362 281—287: 399 475—477 : 436
117-124: 363 288-290 : 400 478—483 : 437
125—129 : 364 291-293: 401 484—490 : 438
130—138: 365 294—298 : 402 491—496 : 439
139—144 : 366 299—303 : 403 497—501 : 440
145—147 : 367 304-309: 404 502—509 : 441
148-155: 368 310—317: 405 510—511 : 442
156—164 : 369 318—323 : 406 512—516 : 443
165—167 : 370 324—327 : 407 517—522 : 445
168—171 : 371 328—334 : 408 523—526: 446
172—176 : 372 335—338 : 409 527—531: 447
177—180 : 373 339—343 : 410 532—534 : 448

102 111
O. W a l z e l , Kunst der Prosa, Z. f. d. dtsch. Untt., 28. Jhrgg., S. 1 ff., 81 ff.
—, Das Wortkunstwerk, Leipzig 1926.
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*W. W i n d e l b a n d , Lehrbuch der Geschichte der Philosophie, 12. Aufl.,
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II. Zu La R o c h e f o u c a u l d
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1666 u. v. 1678 (letzte zu seinen Lebzeiten, nach ihr wird zitiert).
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(Benutzt wurde die Ausgabe in „La Renaissance du Livre": „La Rochefou-
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1924. 1904.
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R. I l a y m , Die romantische Schule, 5. Aufl. besorgt von 0 . Walzel, Berlin gramm des Bischöfl. Gymnasiums an St. Stephan zu Straßburg IX, 1891).
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