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Warum
Herausforderungen
MEDIZIN
wir träumen
So simuliert das Gehirn künftige
Heilen mit kaltem Plasma
www.spektrum.de
JUNI 2016
Das entfremdete Selbst • Sind glück- Alkohol und Zigaretten • Heroin vom Cappuccino-Effekt: Klänge aus dem
liche Menschen gesünder? • Wenn Staat: Ein Modellprojekt für Junkies • Milchschaum • Heiz-Paradoxon:
Stress unter die Haut geht • Die Exzessives Kiffen • Frust und Völlerei • Rätselhafte Temperaturzunahme •
Angst vor dem Teller • Den eigenen Facebook, Sport und Glücksspiele: Bermuda-Dreieck: Lassen gigantische
Witz neu entdecken • € 8,90 Wann es zu viel wird • € 8,90 Gasblasen Schiffe sinken? • € 8,90
(2. Auflage)
Hartwig Hanser
Redaktionsleiter
hanser@spektrum.de
M it Ausgabe 9/2016 werden wir »Spektrum der Wissenschaft« ein neues Layout verpas
sen und dabei vielleicht auch kleinere neue redaktionelle Akzente setzen. Um die Vor
lieben unserer Leserinnen und Leser genauer zu erfassen, haben wir vorab einen Teil der
Die Schlaf- und Traumforscherin
Isabelle Arnulf untersucht mit
modernsten neurowissenschaft-
Abonnenten zur diesjährigen Aprilausgabe detailliert befragt. Wir wollten dabei unter ande lichen Methoden die Ursachen
rem erfahren, welche Artikel ihnen besonders gut gefallen haben und für welche Themenge schwerer Schlafstörungen sowie
biete sie sich ganz allgemein interessieren. mögliche Funktionen des
Die für uns erfreuliche zentrale Nachricht war, dass unsere Leser überwiegend sehr zufrie Träumens (S. 20).
den mit »Spektrum« sind! Gleichzeitig lieferten die insgesamt über 400 ausgefüllten Ant
wortbögen aber auch einige Anregungen zu Verbesserungen und Veränderungen. Jetzt sind
wir daran zu überlegen, inwieweit sich diese ab der Septemberausgabe im Heft niederschla
gen werden. Lassen Sie sich überraschen!
A uch wir waren überrascht, und zwar von einem speziellen Ergebnis der Befragung: Dem
nach sind gerade einmal knapp zehn Prozent unserer Abonnenten Frauen – noch weni
ger, als wir gedacht hatten. Das hat sofort lebhafte Diskussionen in der Redaktion ausgelöst: Der Chirurg Hans-Robert Metel-
Was sind die Ursachen dafür, und können wir daran vielleicht etwas ändern? Die Frage ist mann (links) war von 2002 bis
hochkomplex und birgt reichlich Sprengstoff – denn sollte man wirklich davon ausgehen 2006 Kultusminister von Meck-
müssen, dass sich Frauen im Durchschnitt nicht für eine anspruchsvolle Darstellung natur lenburg-Vorpommern. Zusam-
wissenschaftlicher Forschung interessieren? Wohl kaum! Schon der Anteil der Studentinnen men mit Thomas von Woedtke
entsprechender Fächer spricht hier eine deutlich andere Sprache. vom Leibniz-Institut für Plasma-
Woran liegt es also, dass wir vergleichsweise wenige Leserinnen finden? Hat es mit dem forschung und Technologie stellt
Themenmix zu tun oder eher mit der Gestaltung unserer Titelseite? Hier könnte man einen er ab S. 30 die junge Disziplin der
möglichen Grund in einer gewissen Dominanz »harter« physikalischer Themen verorten – Plasmamedizin vor.
die aber andererseits bei Umfragen wie auch der eingangs genannten regelmäßig den Spit
zenplatz der Interessensgebiete einnehmen. Könnten wir Frauen pauschal durch ein verän
dertes Erscheinungsbild stärker ansprechen, oder bedient eine solche Diskussion doch nur
wieder alte, längst überwunden geglaubte Stereotype? Es kristallisiert sich ein kaum aufzu
lösender Widerspruch zweier Betrachtungsweisen heraus: Kann man einerseits überhaupt
von typisch weiblichen und männlichen Präferenzen sprechen? Aber wie lässt sich anderer
seits unser eindeutiges Befragungsresultat erklären?
Ich persönlich sehe jedenfalls keinen Grund, warum ein Heft wie das vorliegende fast nur Florian Rodler erkundet am
Männer interessieren sollte. Mit der wichtigen Funktion unserer Träume (S. 20), den Gründen Max-Planck-Institut für Astrono-
für den Siegeszug des Homo sapiens (S. 48), den faszinierenden Bestattungsriten im alten mie in Heidelberg die Möglich-
Rom (S. 56) und der bedrohlichen Bevölkerungsentwicklung in Afrika (S. 66) bietet es ein brei keiten zur Beobachtung von Exo-
tes Themenspektrum, in dem sicher jeder – und jede – etwas für sich finden kann. planetenatmosphären (S. 36).
Zu diesem Zweck ist er ständig
Viel Vergnügen beim Entdecken wünscht Ihr weltweit unterwegs – von
Teleskop zu Teleskop.
WWW.SPEKTRUM.DE 3
INHALT
SCHLICHTING!
44 Himmlische Sphären
Wölbt ein Luftstrom einen Flüssigkeitsfilm genügend stark
ein, schnüren sich kugelförmige Teile ab – Seifenblasen!
H. Joachim Schlichting
NEUROWISSENSCHAFT
MATHEMATISCHE UNTERHALTUNGEN
78 Alice und Bob im Geheimraum
Kann man mit Zahlen rechnen, die man nur in ver
schlüsselter Form zu sehen bekommt? Ja – aber noch ist
es äußerst mühsam.
Brian Hayes
PACIFIC NORTHWEST NATIONAL LABORATORY (PNNL)
19 Impressum 95 Leserbriefe
86 Rezensionen 98 Vorschau
Margot und Roland Spohn: Bäume und ihre
Bewohner • Val McDermid: Anatomie des
Verbrechens • Norbert Hermann Hinterberger:
Die Fälschung des Realismus u. a. Titelmotiv: Getty Images / George Peters
Die auf der Titelseite angekündigten Themen sind mit r gekennzeichnet.
PALÄONTOLOGIE
(CREATIVECOMMONS.ORG/LICENSES/BY-SA/4.0/LEGALCODE)
ORG/WIKI/FILE:MEGALODON_SCALE1.PNG) / CC BY-SA 4.0
struierte das Team, wie weit verbreitet
die Räuber zu verschiedenen Zeitpunk- Der Megalodon (rot:
ten waren und welche Populations konservative, grau:
größen sie jeweils erreichten. Dem- maximale Längenschät-
nach jagten die Riesenhaie im frühen zung) stellte sowohl
Miozän, bis vor etwa 16 Millionen den Weißen Hai (grün) C. MEGALODON (MAXIMAL)
Jahren, vorwiegend in warmen Gewäs- als auch den Walhai C. MEGALODON (KONSERVATIV)
RHINCODON TYPUS
PHYSIK
Quantenspinflüssigkeit in 2-D-Material
BIGELOW AEROSPACE
Üblicherweise stellt man aus ihnen Schuss- und Splitter-
schutzwesten, Helme und Panzerungen sowie Leichtflug-
zeuge her. Im »Beam«-Modul sorgen die Aramide für
einen Schutz vor einschlagenden Mikrometeoroiden und Zwei Jahre lang soll das aufblasbare Modul Beam an der Interna-
für eine Toleranz gegenüber den extremen Temperatur- tionalen Raumstation verbleiben (künstlerische Grafik).
schwankungen im All.
An aufblasbaren Erweiterungen für Raumschiffe und
Bodenstationen haben Weltraumorganisationen großes auf künftige bemannte Marsmissionen. Bei diesen müssen
Interesse. Da sie erst im Weltraum auf ihre endgültige die Astronauten mehrere Jahre im Raumschiff verbringen,
Größe expandieren, nehmen sie weniger Nutzlastvolumen weshalb sie dort möglichst viel Platz zur Verfügung haben
auf den Raketen in Anspruch, was die Startkosten beträcht- sollten.
lich senken hilft. Besonders interessant ist das im Hinblick NASA, 16. 4. 2016
PROTHESENTECHNIK
die Muskeln der Hände und Finger Technik aber noch nicht. Die Forscher
OHIO STATE UNIVERSITY
ANTHROPOLOGIE
GEDÄCHTNIS
Stopptaste im Gehirn
VOM KIEMEN-
BOGEN ZUM
MENSCHLICHEN
FINGER
Forscher um den Zoologen Andrew Gillis von
der Cambridge University schalteten bei
Rochenembryos (hier ein eingefärbtes Bild
eines bereits weit entwickelten Exemplars)
ein Gen namens sonic hedgehoc aus, das
beim Menschen das Wachstum der Finger
steuert. Ergebnis: Es spielt eine ähnliche
Rolle bei den Kiemenbögen der Knorpelfi-
sche. Das deutet darauf hin, dass sich seitli-
che Flossenpaare – die Vorläufer unserer
Gliedmaßen – aus den Kiemenbögen urtüm-
licher Knorpelfische entwickelt haben
könnten. Für die bereits im 19. Jahrhundert
formulierte These fehlen bislang fossile
Beweise.
EVOLUTION
32 32
NEW YORK
12 PARIS
2062,48 1145,86
Mio. € Mio. €
2 1
1 16 16 9
1,5 6 2,5
9
32
2 3
CLIMATE CHANGE DIFFER BETWEEN GLOBAL MEGACITIES. IN: NATURE
8
PLAPPERT, NACH: GORGESON, L. ET AL.: ADAPTATION RESPONSES TO
SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT / ANKE HEINZELMANN UND MIRIAM
14
LONDON
1258,98
Mio. €
MEXIKO-STADT
780,68 14
0,33 % des Brutto-
Mio. € instadtprodukts
783,60 34
Mio. €
13 aus, Addis Abeba
35 0,14 %.
12
12 ADDIS ABEBA
1,5
7 4 19,14 5 11
1 5 2,5 9 Mio. € 31 12
6
2 9 1 20
64 7 3
4
13
4 13
34 14 4
Pro Kopf 34 14 13
investierte
33 13
New York rund
13
245,6 €, 1
12 7 2 8 4 14
Addis Abeba 1
1 6 3 9 4
etwa 6 €. 7 4
2 9 JAKARTA
LAGOS
186,87 66,14
MUMBAI Mio. €
Mio. €
417,56
Mio. €
Stadtplanung Wasser
18
Zum Beispiel: Bauwesen und Land- und Zum Beispiel: nachhaltige
Modernisierung einschließlich Forstwirtschaft Abflusssysteme; Wasser-
Herstellung von Umrüstungs- infrastruktur und Bewässe-
materialien; Energieeffizienz für Zum Beispiel: Anpassungen der rung; Leckkontrolle in
angenehme Temperaturen; Ackerbaugeräte; Nutzpflanzen- Wasserverteilungssystemen; Transport
Kühlung von Gebäuden, etwa und Bodenmanagement; Anbau- nachhaltiger Umgang Zum Beispiel:
12 durch grüne (bewachsene) möglichkeiten neuer Sorten mit natürlichen Wasser- Flughäfen, Brücken,
oder reflektierende durch den Klimawandel; quellen
Schädlingsbekämpfung; Bahn, Straßen und
Dächer Wasserwege;
verbesserte neue
Arten Infrastruktur
Kata- Natur
16 strophenschutz und Umwelt
Zum Beispiel: Verteidigung und Zum Beispiel: Wetter- Professionelle
Schutz der Wasserwege; Schutz stationen; Landschafts- Dienstleistungen
kritischer Gebäude und Installatio- gestaltung; Erhalt von Grün- Zum Beispiel: Klimawandel-
nen; Frühwarnsystem und Notfallplan; 10 Ausgaben flächen; Bäume anpflanzen; beratung für ein weites
Bereitstellen von Hochwasserbarrieren in % Umweltuntersuchung Industriespektrum;
CLIMATE CHANGE, 10.1038/NCLIMATE2944, 2016; MEXICO CITY: FOTOLIA /
CLIMATE CHANGE DIFFER BETWEEN GLOBAL MEGACITIES. IN: NATURE
Katastrophenvorsorge;
BHARY; SÃO PAULO: FOTOLIA / LISAKOLBASA; MUMBAI: FOTOLIA /
ment
Herstellung und Lieferung
von Sandsäcken Infor-
Energie mation und
LAGOS, ADDIS ABEBA: FOTOLIA / JEFF BIRD
GEOPHYSIK
Konvektionsströmungen, die bisher als dem zugehörigen Gestein bei sinkendem innerer 6370 km
wichtigste Wärmetransporter galten. Umgebungsdruck eine andere Struktur an- Kern
nimmt.
2. Quelle der Plumes
Viele Plumes entspringen in »ultra low
velocity zones«, Bereichen mit sehr ge- vulkanischer Hotspot
ringer seismischer Geschwindigkeit, in
0 – 660 km Konvektionszelle oberer M
denen sich womöglich teilweise ge- ante
l
schmolzenes Gestein mit hohem Eisen- 1000
km Subduktionszone
gehalt befindet. 660 – 2890
2
Weltweite Verteilung von Plumes und Hotspots Forscher haben 28 Plumes im Erdmantel identifiziert, die
sich fast alle unterhalb solcher Vulkanregionen befinden,
die als Hotspots (heiße Flecken) bekannt sind.
SCIENCE, NACH: FRENCH, S.W. ET AL.: BROAD PLUMES ROOTED AT THE BASE OF THE EARTH’S MANTLE BENEATH MAJOR HOTSPOTS. IN: NATURE 525, S. 95-99, 2015,
FIG. 4; HAND, E.: MANTLE PLUMES SEEN RISING FROM EARTH‘S CORE. IN: SCIENCE 349, S. 1032-1033, 2015; ABDRUCK GENEHMIGT VON AAAS-SCIENCE / CCC
Atlantischer
Ozean
Pazifischer
Ozean
Indischer
Ozean
südlicher
Ozean
ben laufen vom Bebenherd aus seis Computing Center (NERSC) in Berkeley Computermodelle wünschen. Wenn
mische Wellen durch das Erdinnere, wo (Kalifornien). Details mit Abmessungen von 100 Kilo-
sie an Grenzflächen reflektiert werden Doch nicht alle sind vom Ergebnis metern sichtbar wären, ließe sich zum
und sich verlangsamen, wenn sie auf dieses Kraftakts überzeugt. So erachtet Beispiel klären, was mit der ozeani-
ungewöhnlich heiße Zonen geringer die Geophysikerin Gillian Foulger von schen Kruste geschieht, die an so ge-
Dichte treffen, wie Plumes sie darstel- der University of Durham (England) nannten Subduktionszonen ins Erdin-
len. Durch Vermessung vieler Erdbeben ihre schon lange gehegten Zweifel an nere abtaucht. Bisher ist offen, ob sie ir-
erhält man so ein Bild des Erdinneren. der Hypothese tief reichender Mantel- gendwo mitten im Erdmantel stecken
plumes keineswegs für ausgeräumt. bleibt oder bis hinunter an den Rand
Ein rechnerischer Kraftakt Zum einen hält sie die Methode der Ge- des Erdkerns vordringt. Aber eine der-
Als Messgrößen dienen üblicherweise samtwellenformtomoprafie noch für art hohe Auflösung lässt sich nur er
die Ankunftszeiten der Wellen. Das ist unausgereift. Zum anderen bemängelt reichen, wenn die Modelle auch die
jeweils der Moment, an dem das Seis- sie, dass sich die meisten der von Ro- feinsten Ausschläge – also die hochfre-
mometer auszuschlagen beginnt. Das manowicz und French entdeckten Plu- quenten Anteile – in den Seismogram-
neue Verfahren wertet dagegen den ge- mes unter Hotspots in der Tiefsee be- men berücksichtigen. Das erfordert
samten Wellenzug aus, wie er im Seis- finden, wo nur sehr wenige seismische noch mehr Rechenleistung. »Da brau-
mogramm erscheint. Diese Gesamtwel- Daten verfügbar sind. »Bei kümmerli- chen Sie eine Rakete von Computer,
lenformtomografie (full waveform to- cher Datenlage sieht man eine Menge sonst kommt Ihr Doktorand nie zu sei-
mography) erfordert allerdings einen Rauschen«, erklärt sie. nem Titel«, beklagt van Keken.
enormen Rechenaufwand. Für die Ana- Van Keken hingegen sieht in der
lyse von 273 starken Erdbeben benötig- Studie einen starken Beleg für die Exis- Eric Hand ist Redakteur für Geowissenschaften
ten Romanowicz und French das Äqui- tenz tief reichender Mantelplumes. bei »Science«.
valent von drei Millionen Stunden auf »Die Skeptiker sind deutlich in der Min-
einem Supercomputer namens Hopper derheit«, meint er. Auch er würde sich © Science
am National Energy Research Scientific allerdings eine höhere Auflösung der Science 349, S. 1032 –1033, 4. 9. 2015
TH EM E N AU F D EN PU N KT GEBRAC HT
Ob A wie Astronomie oder Z wie Zellbiologie: Unsere
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ISOTOPOMERS IN THE HONEYBEE BRAIN. IN: NATURE SCIENTIFIC REPORTS 6, 21893, 10.1038/SREP21893, 2016, FIG. 3A, C, E, G (LINKS) UND FIG. 2B (RECHTS)
C–D
NEUROPHYSICS GROUP, UNIVERSITY OF TRENTO, MIT FRDL. GEN. VON ALBRECHT HAASE; PAOLI, M., HAASE, A. ET AL.: DIFFERENTIAL ODOUR CODING OF
0,5
OH
0
2200 2400 2600 2800 3000 3200
C–H
. 10–3 (Aldehydgruppe) Benzaldehyd BZA-h BZA-d 5
Absorption
O (Bittermandelöl)
8
C–H
C–D (aromatisch)
4
0
2200 2400 2600 2800 3000 3200
0,2
C–H Essigsäure- ISO-h ISO-d 3
0,1 isopentylester
0
2200 2400 2600 2800 3000 3200
Wellenzahl [cm – 1 ]
hohe Aktivität
geringe Aktivität
normal keine Aktivität
deuteriert Hemmung
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Claus Schäfer, Natalie Schäfer (Vollpreis); € 48,– ermäßigter Preis auf Nachweis. branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt. Für unauf-
Schlussredaktion: Christina Meyberg (Ltg.), Sigrid Spies, Zahlung sofort nach Rechungserhalt. Konto: Postbank gefordert eingesandte Manuskripte und Bücher übernimmt
Katharina Werle Stuttgart, IBAN: DE52 6001 0070 0022 7067 08, BIC: PBNKDEFF die Redaktion keine Haftung; sie behält sich vor, Leserbriefe zu
Bildredaktion: Alice Krüßmann (Ltg.), Anke Lingg, Gabriela Rabe Die Mitglieder des Verbands Biologie, Biowissenschaften und kürzen.
Redaktionsassistenz: Barbara Kuhn Biomedizin in Deutschland (VBio) und von Mensa e. V. erhalten
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Andrea Jungbauer, Dr. Andreas Nestke, Christine Kemmet, Gesamtherstellung: L. N. Schaffrath Druckmedien GmbH & Co. buchhandel und beim Pressefachhändler
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V
iele Träume wirken wie ein buntes Sammelsuri- Schlaf heißt. Die Abschnitte mit langsamen Wellen werden
um von zusammenhanglosen Szenen – eine sinn- demgegenüber NichtREM-, NREM- oder orthodoxer Schlaf
lose Abfolge von Erlebnissen, Eindrücken und Ge- genannt. Zunächst hieß es, Träume würden nur während des
fühlen. Seit über 100 Jahren möchten Psycholo- paradoxen Schlafs auftreten. Das ist längst widerlegt.
gen und Neurowissenschaftler die Gedankenwelt im Schlaf Bei der ältesten und einfachsten Methode der Traumfor-
ergründen. Doch nach wie vor ist das schwierig, und zwar schung wacht die Person von selbst auf und erzählt gleich ih-
nicht nur wegen der oft mangelnden Logik von Träumen, ren Traum, bevor er verblasst. Oder sie führt Tagebuch, bezie-
sondern vor allem auch deswegen, weil es meistens nicht hungsweise malt die erinnerten Szenen, alles sofort nach
möglich ist, mit dem Schlafenden zu kommunizieren. dem Aufwachen. Heutzutage benutzen Menschen dazu auch
Um doch Blicke hinter diesen Vorhang zu erhaschen, kom- gern Smartphones. Solche Berichte werden in umfangrei-
binieren Forscher verschiedenste Messungen. Während ei- chen Traumdatenbanken gesammelt und sortiert, wie in der
ner solchen Polysomnografie werden zugleich mit einem von William Domhoff von der University of California in
EEG – den am Schädel abgegriffenen Hirnströmen – eine Santa Cruz mit über 20 000 Einträgen in verschiedenen Spra-
Reihe anderer Verhaltens- und physiologischer Parameter chen. Ein Ordner enthält zum Beispiel die Träume von 120
aufgezeichnet, darunter Augenbewegungen, Muskeltonus, Grundschulkindern einer Schule in San Francisco an einem
Herzrhythmus und Atemvolumen sowie Bewegungen der bestimmten Tag. Ein anderer umfasst über 4000 Träume ei-
Finger und Gliedmaßen. Bereits vor über 50 Jahren stellte ner Frau namens Barbara aus 30 Jahren.
sich hierdurch heraus, dass die einzelnen Schlafzyklen grob
aus zwei verschiedenen Phasen bestehen: aus Abschnitten Indianer sind nicht besonders aggressiv
mit eher langsamen, großen Hirnwellen, die sich ihrerseits in Analysen solcher Datenbanken ergaben einige aufschluss
mehrere Leicht- und Tiefschlafstadien gliedern; und Episo- reiche Muster (siehe »Statistik von Trauminhalten«, S. 24).
den des so genannten paradoxen Schlafs mit schnellen, nied- Demnach enthalten Träume etwa doppelt so viel negative
rigen Wellen, der wegen der dabei auftretenden raschen Au- wie positive Gefühle, also mehr Angst, Wut oder Scham als
genbewegungen (englisch: rapid eye movements) auch REM- Freude, Glück und Lust. Sexuelle Empfindungen sind wider
Erwarten selten. Anhand der Datenbanken lassen sich auch
Träume von Kindern und Erwachsenen, von Blinden und Se-
AUF EINEN BLICK
henden oder von gelähmten und bewegungsfähigen Perso-
nen vergleichen. So wies Domhoff 2008 nach, dass Indianer
SCHULUNG IM SCHLAF
vom Stamm der Navajo im Traum entgegen der Erwartung
ISABELLE ARNULF
Scheitellappen
präfrontaler
Kortex
Amygdala
Locus subcaeruleus
visuelle
Gebiete
ISABELLE ARNULF
ISABELLE ARNULF
Bedrohungen im realen Leben besser fer-
tigzuwerden.
Als Erster gab Ende des 19. Jahrhunderts Sigmund Freud Eine ganz andere Theorie unterbreitete 2000 der finni-
(1856 – 1939) Träumen eine wissenschaftlich fassbare Bedeu- sche Neurowissenschaftler, Psychologe und Philosoph Antti
tung. Der Begründer der Psychoanalyse postulierte, sie seien Revonsuo, der an der Universität Skövde (Schweden) und an
ein Ventil für das Unbewusste, besonders für im Wachzu- der Universität Turku (Finnland) arbeitet. Seines Erachtens
stand unterdrückte Begierden. Die Trauminhalte würden sind Träume dazu da, bedrohliche Situationen zu simulie-
diesen Wünschen und Trieben allerdings nicht direkt ent- ren und uns dadurch zu helfen, im Alltag besser damit fertig
sprechen. Eine Zensurinstanz würde Letztere vielmehr sogar zu werden. Er erkannte, dass in Träumen Angriffe, Verfol-
im Schlaf zurückdrängen; sie träten daher nur maskiert in gungen und gefährliche Tiere außergewöhnlich häufig vor-
Erscheinung. Deswegen seien Träume oft so fremdartig und kommen. Demnach enthalten zwischen 60 und 77 Prozent
seltsam. Diese Hypothese wurde in der weiteren Entwick- der Träume junger Erwachsener bedrohliche Elemente. Das
lung der Psychoanalyse insofern erweitert, als dass sich am könnte ein recht altes evolutives Erbe sein, denn auch Kat-
Tag nicht ausgelebte bewusste wie unbewusste Wünsche in zen und Hunde scheinen oft von Jagden und Raufereien zu
Träumen melden würden. träumen, soweit man aus ihren Zuckungen und Lauten im
Die freudschen Theorien ließen sich wissenschaftlich nie Schlaf schließen kann. Nach Revonsuo üben wir im Schlaf
beweisen. Im Gegenteil stellten mehrere Analysen von quasi Strategien der Flucht, Verteidigung oder Anpassung
Traumbanken die Ventilrolle von Träumen in Frage. So bat an heikle Situationen ein. Einer Imagination im Wachzu-
1970 der türkische Neurologe Ismet Karacan, der unter ande- stand wäre der Traum hierin überlegen, denn in ihm kommt
rem am Baylor College of Medicine in Houston (Texas) tätig einem das Geschehen ja real vor: Wir bewegen uns schein-
war, junge Männer, zwei Wochen lang auf sexuelle Intimitä- bar ganz normal in einem dreidimensionalen Raum; der
ten zu verzichten und auch nicht zu masturbieren. Er wollte Empfindung nach funktionieren Sinnesorgane und Mus-
wissen, ob sie dann mehr erotische Träume haben würden – keln regulär, und wir durchleben die zum Geschehen pas-
was nicht der Fall war! senden Gefühle. Revonsuo hat seine Theorie später auch auf
soziale Bedrohungen ausgeweitet. Denn der Ausschluss aus
der Gruppe, was im Traum oft vorkommt, bedeutete früher
den sicheren Tod.
Eine Erhebung des Psychologen Tore Nielsen von der Uni-
versité de Montréal aus dem Jahr 2007 an 200 jungen Müt-
tern stützt diese Deutung. 86 Prozent ihrer Träume kurz
nach der Entbindung kreisten um das Kind, und in 73 Pro-
zent war dieses in Gefahr: Es erstickte etwa versehentlich im
Bett der Mutter oder fiel aus der Wiege. Oft erwachten die
Frauen dann abrupt.
Manche Szenen, die wir jede Nacht in unserem Labor für
Schlafstörungen filmen, passen gut in dieses Bild. Beim
Nachtschreck, dem Pavor nocturnus aus dem Tiefschlaf he-
raus, handelt es sich fast immer um eine unmittelbar tödli-
che Gefahr, welcher der Träumende zu entkommen ver-
sucht – wie Ertrinken, eine Schlange oder eine einstürzende
ISABELLE ARNULF
ISABELLE ARNULF
Zimmerdecke. Mit Albträumen verbundene Verhaltensauf- Besonders Träume im REM-Schlaf können voller negati-
fälligkeiten im paradoxen oder REM-Schlaf äußern sich ver Gefühle stecken. In dieser Phase ist die Amygdala – ein
hingegen überwiegend als höchst aggressive Gegenwehr, wichtiges, auch Mandelkern genanntes Emotionszentrum –
wobei die Betreffenden heftig um sich schlagen, boxen und hochaktiv. Nielsen und sein Kollege Ross Levin postulieren,
treten. dass sich das Gehirn in diesem besonderen Zustand leichter
Wir wollten wissen, ob Träume tatsächlich vor allem tödli- als sonst an aufwühlende Vorgänge und Gefühle gewöhnt,
che Gefahren oder vielleicht generell Herausforderungen indem es sie sozusagen im Leerlauf durchlebt. Überdies
thematisieren. 2013 testeten wir Pariser Medizinstudenten, kommuniziert jetzt der Hippocampus, eine zentrale Struk-
die am nächsten Tag eine wichtige Zwischenprüfung abzu tur für die Gedächtnisbildung, mit der Amygdala. Dabei
legen hatten. Wirklich träumten 60 Prozent der Probanden verbinden sich Schreckenserlebnisse und schwer verdauli-
von dem Examen, und 78 Prozent von diesen widerfuhr im che Ereignisse des Tages mit neutraleren, ebenfalls abge-
Traum etwas Schlimmes: Sie verschliefen, kamen zu spät, speicherten Vorkommnissen, die mit Ersteren eigentlich
hatten den Ausweis vergessen, ihnen fiel die richtige Antwort nichts zu tun haben. Auf diese Weise dürfte mancher bizar-
nicht ein und Ähnliches. Einer musste sogar auf Brotschei- re Traum zu Stande kommen, und negative Eindrücke
ben schreiben. könnten an Gewicht verlieren. Womöglich ist Gefühlstrai-
ning generell eine Funktion des Schlafs – nach dem Motto:
Katastrophenträume helfen gut Der kürzeste Weg von Verzweiflung zu Hoffnung ist, über
durchs Examen die Sache zu schlafen.
Unsere Träume füllen jede Nacht mehrere Stunden aus. Einen solchen Zusammenhang fand Matthew Walker von
Auch unbewusst wahrgenommenes Tagesgeschehen kann der University of California in Berkeley 2011, als er die Aktivi-
eingebaut sein. Die neuen Assoziationen und Schlussfolge- tät der Amygdala von Versuchspersonen aufzeichnete, de-
rungen, die das Gehirn dabei generiert, schaffen allnächtlich nen er Bilder mit Kriegs- oder Mordszenen vorführte. Erwar-
Hunderte oft fantastischer Szenen. Da verwundert es nicht, tungsgemäß reagierte die Hirnstruktur darauf zunächst sehr
dass Menschen bei einem antizipierenden Traum mitunter stark – doch nach einer gut durchschlafenen Nacht praktisch
das Gefühl haben, er würde die Zukunft anzeigen. nicht mehr auf dieselben Bilder. Dennoch hatten sich diese
Bei den Studenten traf hingegen das Gegenteil ein: In der ins Gedächtnis gebrannt. Sie waren jetzt nur weniger emoti-
Prüfung schnitten diejenigen mit Katastrophenträumen im onal besetzt, dafür aber wirkmächtiger: In der Studie betei-
Mittel entschieden besser ab als die anderen. Anscheinend ligte sich die Amygdala umso weniger, je aktiver zuvor im
ist es für späteres Handeln hilfreich, wenn das Gehirn zuvor REM-Schlaf das vordere Stirnhirn gewesen war – der Sitz des
im Schlaf dramatische Szenen heraufbeschwört. Womöglich Denkens, der Urteilsfindung und des Selbst. Es schien, als
lernen wir daran, mit der entsprechenden Situation ange- habe ein Dialog zwischen Gefühl und Vernunft stattgefun-
messen umzugehen, vergewissern uns also etwa nochmals, den und die Bewertung jener Eindrücke sowie den Umgang
ob wir den Ausweis auch wirklich dabei haben. Vielleicht der betreffenden Person damit dauerhaft in eine für sie
schulen uns solche Träume sogar darin, negative Emotionen günstigere Richtung gebogen.
leichter wegzustecken. Wohl jeder Schauspieler hat vor einer Nach einer weiteren Theorie festigen Träume das Erin-
Premiere schon von einem großen Reinfall geträumt. Weil er nern an tagsüber Erlebtes, indem sie dieses nochmals verän-
das Gefühl nun bereits kennt, hat er am nächsten Tag mögli- dert durchspielen. Zahlreiche Studien belegen seit Länge-
cherweise etwas weniger Lampenfieber. rem, dass Schlafen wirklich hilft, sich ein neues Klavierstück,
Ruhe einen tiefen Zug, atmet langsam wieder aus, klopft die
Asche ab und zerdrückt die Zigarette schließlich in einem un
verabredetes bis 10 bis 20 bis 30
sichtbaren Aschenbecher. Ein ehemaliger Schreiner baute im Augensignal zählen zählen zählen
Traum eine Treppe und hämmerte im REM-Schlaf eine Stunde
lang erkennbar mit seinem fiktiven Hammer.
10
Der Klartraumforscher Daniel Erlacher vom Institut für Sekunden
Sportwissenschaften der Universität Bern maß 2014, wie
schnell Versuchspersonen im Wachen und im Schlaf bis 10, 20 Bis 10 zu zählen dauert im Traum durchschnittlich 11,1 Sekun-
und 30 zählen (siehe Bild). Oder sie sollten entsprechend viele den, wach 8,9. Hier deuten Klarträumer – die wissen, dass
Schritte gehen oder Kniebeugen machen. Anfang und Ende der sie gerade träumen – mit absichtlichen, vorher verabredeten
Aktion im Schlaf signalisierten die Klarträumer dem Experi Augenbewegungen an, wann sie zu zählen anfangen und
mentator mit bestimmten Augenbewegungen. Meist dauerte wieder aufhören.
finden Sie unter zen, gärtnern, Fahrrad fahren oder Fußball spielen. Hatte ihr
Gehirn dies durch Beobachtung gelernt? Auch dieses Beispiel
www.spektrum.de/ scheint zu zeigen, dass Träumen der wachen Vorstellungs-
t/schlaf kraft in mancher Hinsicht überlegen ist. Es kann Vorgänge
wirklichkeitsnäher simulieren, weil man sie in dem Augen-
blick für wahr hält und mit sämtlichen Sinnen darin ein-
rungen unterstützt diese Theorie. So hatten wir Schlafwand- taucht.
lern eine Abfolge spezieller Handbewegungen beigebracht. Über die Herkunft von Träumen lässt sich dank der vorlie-
Eine Patientin wiederholte diese nachts teilweise, träumte genden Studien also durchaus einiges sagen. Auf der einen
also wohl davon. Am nächsten Tag beherrschte sie die kom- Seite scheint sich diesbezüglich im Lauf der Evolution eine
plizierte Bewegungsfolge besser. Reihe von nützlichen Funktionen herausgebildet zu haben.
Unter anderem simuliert das Gehirn so bedrohliche Situatio-
Die Steigerung der Kreativität nen und nimmt negative Empfindungen vorweg, legt sie ab
ist kein Wunschdenken und verwaltet sie, festigt das Gedächtnis, findet neue Ideen
Dass das schlafende Gehirn zuvor Erlebtes und Gedachtes und erleichtert den sozialen Umgang. Auf der anderen Seite
nicht genau wiederholt, sondern zerlegt und vermischt, scheinen viele Traumelemente keine eigentliche Aufgabe zu
dürfte die Kreativität fördern. Der deutsche Chemiker Au- haben. Zum Teil sind sie vielleicht nur Ausdruck der menta-
gust Kekulé (1829 – 1896) soll die Struktur des Benzolrings im len Einschränkungen und der eingedämmten Wahrneh-
Traum gefunden haben, der Russe Dimitri Mendelejew mung des schlafenden Gehirns.
(1834 – 1907) den Aufbau des Periodensystems. Solche Prob- Für eine solche vielfältige Herkunft der Traumbestand-
lemlösungen im Schlaf sind nicht mehr nur Anekdoten. Bei- teile sprechen nicht zuletzt die so genannten typischen
spielsweise konfrontierte der Neuropsychologe Ullrich Wag- Träume, die viele kennen. Zu fliegen dürfte auf das fehlende
ner, der heute an der Universität Münster arbeitet, Studen- Schweregefühl zurückgehen. Vor allen Leuten nackt dazuste-
ten 2004 mit einer Intelligenztestaufgabe, bei der zwar auch hen mag damit zusammenhängen, dass man im Bett wenig
Übung den Erfolg steigerte, die aber außerdem eine versteck- oder gar nicht bekleidet ist. Wem alle Zähne aus dem Mund
te Regel enthielt. Teilnehmer, die nach den ersten Durchgän- fallen, bei dem könnten verzerrte Erinnerungen an frühere
gen schlafen durften, erkannten danach doppelt so oft den Zahnbehandlungen aufgetaucht sein. Jedenfalls machen die
Trick wie die anderen. Beobachtungen verständlich, wieso Träume derart mannig-
Nicht zuletzt dürften Träume auch soziale Funktionen ha- faltig sind. Ÿ
ben. Wer wurde im Schlaf nicht schon zum Helden eines am
Abend gesehenen Films? Welche Frau war noch nie ein
DI E AUTORI N
Mann? Mit Homosexualität hat das übrigens nichts zu tun.
Vielmehr scheint dabei zum Tragen zu kommen, dass wir Isabelle Arnulf ist Professorin für Neurologie an
uns in andere hineinversetzen und Empathie empfinden der Université Pierre et Marie Curie (UPMC) in
Paris. Sie leitet die Schlafpathologie des Kranken-
können – eine fundamentale Voraussetzung für einen wich- hauses La Pitié-Salpêtrière und forscht am
tigen Aspekt unserer Sozialität, der auf den so genannten Institut für Gehirn und Rückenmark (Inserm
Spiegelneuronen beruht. Diese Hirnzellen werden gleicher- U1127; CNRS UMR 7225).
weise aktiv, wenn man selbst etwas tut und wenn man je-
mandem bei der gleichen Tätigkeit zusieht. Man könnte mei-
QUELLEN
nen, unser Gehirn spielt sich den Vorgang mental vor.
Wenn wir in einem Traum jemand anders sind, dürfte die Andrillon, T. et al.: Single-Neuron Activity and Eye Movement
During Human REM Sleep and Awake Vision. In: Nature Communi
Identifizierung mit demjenigen noch stärker sein als im
cations 6, S. 1 – 10, 2015
Wachzustand. Hierzu erzählte mir ein Patient ein merkwür- Arnulf, I.: Une fenetre sur les reves. Editions Odile Jacob, 2014
diges Erlebnis, das er hatte, als er im Krankenhaus lag und Arnulf, I. et al.: Will Students Pass a Competitive Exam that They
seiner schwangeren Frau nicht beistehen konnte: Er träumte, Failed in Their Dreams? In: Consciousness and Cognition 29,
S. 36 – 47, 2014
ihm fehlten Arme und Beine, so dass er völlig handlungsun- Horikawa, T. et al.: Neural Decoding of Visual Imagery During
fähig war; doch plötzlich gebar er ein Kind – und nun lief Sleep. In: Science 340, S. 639 – 642, 2013
alles viel besser. Wir vermuten, dass im Traum zuvor bean-
spruchte Spiegelneurone wieder aktiviert werden und dass Dieser Artikel im Internet: www.spektrum.de/artikel/1408638
S
eit etwa 15 Jahren ist eine neue Disziplin im Entstehen mit biologisch verträglichen Temperaturen unterhalb von 40
begriffen: die Plasmamedizin. Der Begriff hat nichts Grad Celsius. Sie eröffnen völlig neue Anwendungsfelder in
mit Blutplasma zu tun, wie viele annehmen. Statt der Medizin.
dessen bezieht er sich auf physikalisches Plasma – ein Zu den bereits etablierten und klinisch derzeit wichtigs
Gemisch aus meist ionisierten, also geladenen Atomen, Mole ten Behandlungsverfahren gehört es, physikalische Plasmen
külen sowie aus Elektronen, das sich üblicherweise wie ein gegen Krankheitserreger auf entzündeter Haut oder in ober
Gas verhält. Physiker bezeichnen es oft als »vierten Aggregat flächlichen Geschwüren einzusetzen. Für diese Indikation
zustand«. Dieser lässt sich beispielsweise erzeugen, indem sind im Jahr 2013 die ersten Plasmaquellen in Deutschland
man Gasen über starke elektrische Felder Energie zuführt. als Medizingeräte zugelassen worden. Ein »Plasmajet« bei
Dabei verlieren viele Gasteilchen Elektronen ihrer äußeren spielsweise ist ein chirurgisches Gerät, das der Arzt mit
Atomhülle – sie werden teilweise oder vollständig ionisiert. der Hand führt und mit dem er einen kalten, bläulich schim
Das entstehende Medium ist elektrisch leitfähig. mernden Plasmastrahl von etwa 14 Millimeter Länge auf
Da Plasmen energetisch angeregt sind, enthalten sie viele eine keimbelastete Wundoberfläche richtet (siehe Bild rechts).
reaktionsfreudige Teilchen sowohl elektrisch geladener als Das führt dazu, dass dort vorhandene Bakterien, Pilze, Viren
auch neutraler Art und senden elektromagnetische Strah und auch Parasiten abgetötet werden. Da diese antimikro
lung aus, vor allem UV- und sichtbares Licht. Dies macht bielle Wirkung auf physikalisch-chemischen Mechanismen
Plasmen zu geeigneten Mitteln, um Licht zu erzeugen, Ober (unter anderem Radikaleinwirkung) beruht, können sich ihr
flächen zu verändern oder Energien umzuwandeln, zum Bei auch Erreger mit Mehrfachresistenzen gegenüber Antibioti
spiel in experimentellen Kernfusionsanlagen. Meist weisen ka nicht entziehen.
sie sehr hohe Temperaturen auf. Schon nach etwa drei Sekunden kann ein Plasmastrahl
Etwa seit Mitte der 1990er Jahre gelingt es auch, so ge eine Wunde beinahe vollständig keimfrei machen, sofern
nannte kalte Atmosphärendruckplasmen (cold atmospheric nicht Blut, Sekret oder Schmutz sie abdecken. Auf manchen
plasmas, CAP) zu erzeugen. Das sind Teilchengemische mit Verletzungen bilden sich allerdings Biofilme – gelähnliche
Drücken, die jenem an der Erdoberfläche entsprechen, und Schichten, in denen die Mikroben miteinander vernetzt und
erheblich widerstandsfähiger sind. Hier ist die klinische Wir
AUF EINEN BLICK kung der Plasmajets zurzeit noch unbefriedigend. Immerhin
führt die Behandlung mit physikalischem Plasma laut ersten
Versuchen nicht dazu, dass Wundkeime resistenter gegen
DESINFEKTION MIT IONISIERTEN TEILCHEN
über Antibiotika, Virustatika, Antimykotika und ähnlichen
D
AL
W
EIFS
P GR
IN
In wenigen Sekunden kann ein
Plasmastrahl eine keimbelastete
Wundoberfläche desinfizieren.
Besonders erfreulich: Auf eine
Resistenzbildung seitens der Mi-
kroben dagegen gibt es bislang
keine Hinweise.
UNIVERSITÄTSMEDIZIN GREIFSWALD
Gewebebiopsien zweier unmittelbar benachbarter Hautareale. Kontrolle. Erstere erscheint gestrafft und in der Oberhaut
Die linke davon wurde über längere Zeit hinweg physikali- weniger verdickt, während die zweite faltig und mit vielen
schem Plasma ausgesetzt, die rechte diente als unbehandelte Zelltrümmern belegt ist.
Spurensuche im All
Leben auf fremden Planeten sollte Fingerabdrücke in deren Atmosphären hinter
lassen. Mit immer besseren Beobachtungstechniken und Computer-
modellen ebnen Forscher jetzt den Weg, diese Signale zu finden und zu verstehen.
Von Florian Rodler
K
önnen wir Hinweise auf Leben auf fernen Welten
Teil 1 ˘ Auf der Jagd nach der zweiten Erde April 2016
Kevin Heng und Joshua Winn
Teil 2 ˘ H
eiße Jupiter im Visier Mai 2016
Lee Billings
Teil 3 ˘ Spurensuche im All Juni 2016
Florian Rodler
skopie. Sie lässt sich bei solchen Systemen anwenden, die sen. Diese Atmosphären sind nach unserem Verständnis exo-
räumlich so orientiert sind, dass ein Planet von der Erde aus tisch, denn unser Sonnensystem verfügt nicht über derartig
gesehen regelmäßig vor seinem Stern vorüberzieht. Besitzt aufgeblähte Gasplaneten mit Temperaturen jenseits von
der Exoplanet eine Atmosphäre, so scheint das Sternenlicht 1000 Grad Celsius. Immerhin bestehen diese sonderbaren
während eines Transits durch sie hindurch, und die Atome Exoplanetenatmosphären wie ihre hiesigen Gegenstücke
und Moleküle darin absorbieren einen Teil des Sternenlichts zum Großteil aus Wasserstoff und Helium. Darüber hinaus
bei bestimmten Wellenlängen. ließen sich in ihnen Gase wie Wasserdampf, Kohlenstoffmon-
Im Jahr 2001 gelang es Astronomen erstmals, die Atmo- oxid, Kohlenstoffdioxid, Kalium und Methan nachweisen.
sphäre eines Exoplaneten zu beobachten. Inzwischen haben Neben seiner Zusammensetzung lässt sich mittels Spek
sie die Gashüllen von gut 50 Exoplaneten analysiert, größten- troskopie auch die Geschwindigkeit eines Objekts relativ zu
teils solche von heißen Jupitern – aufgeheizten Gasriesen uns zu messen, und zwar anhand des Dopplereffekts. Befin-
also, die ihre Sonne in extrem geringen Abständen umkrei- den sich Gasriesen besonders nah an ihrem Stern und heizen
0,90 All das sind bereits viele interessante Details, die wir heu-
0,1%
1%
te über fremde Welten erfahren können, die aber auch neue
5% Fragen aufwerfen. Doch wonach müssen wir suchen, wenn
0,85
10 % wir auf Spuren von Leben stoßen wollen? Stellen wir uns
21 % Erde
dazu vor, ein außerirdisches Astronomenteam entdeckt ei-
0,80 40 %
nen kleinen, erdgroßen Gesteinsplaneten, der etwa alle 365
Tage 13 Stunden lang vor seiner gelben Sonne vorüberzieht
und dabei einen geringen Teil von ihr – nur etwa 0,01 Pro-
758 760 762 764 766 768 770 772
zent – verdeckt. Berechnungen unter Berücksichtigung der
Wellenlänge (in Nanometern)
Temperatur des Sterns und des Abstands Planet-Stern wür-
Je nach Startbedingungen und danach aktiven Prozessen in den für diesen Planet eine Durchschnittstemperatur von –18
einer Atmosphäre ändert sich die Konzentration der verschiede Grad Celsius ergeben. Für die Existenz von flüssigem Wasser
nen Bestandteile. Je mehr molekularer Sauerstoff etwa vor wäre das zu kalt, allerdings könnten auch Treibhausgase in
handen ist, umso stärker wird das Sternenlicht bei einem Transit der Planetenatmosphäre vorkommen und für wärmere Tem-
bei den charakteristischen Wellenlängen blockiert. peraturen sorgen.
radius
obachtungskampagne mit riesigen Teleskopen. Was würden
sie sehen? Vielleicht eine Atmosphäre wie jene der Erde, die Wellenlänge (λ)
sich hauptsächlich aus Stickstoff und Sauerstoff zusammen-
setzt. Letzterer würde Fingerabdrücke im sichtbaren Bereich
des Spektrums hinterlassen, vornehmlich bei drei Rottönen.
Im infraroten Spektrum offenbart unsere Atmosphäre die
Atmosphäre
Treibhausgase Kohlenstoffmonoxid, Methan, Ozon, Lachgas
und Wasserdampf. Sie bewirken dort, dass die von der Sonne Planet Planet
kommende, kurzwelligere Strahlung die Atmosphäre zwar während Transit
weit gehend passieren, die langwelligere Wärmestrahlung von
Planeten-
der aufgeheizten Erdoberfläche aber nicht ins Weltall entwei-
radius
chen kann. Dadurch wärmt sich die Atmosphäre auf, und die
Durchschnittstemperatur an der Erdoberfläche steigt um 33 Wellenlänge (λ)
FLORIAN RODLER
1 O3 Das (simulierte) Trans
missionsspektrum der
0,8 CH4 Erdatmosphäre zeigt im
H2O
Transmission
1,0 H2O
H2O H2O
O3
0,9
CO2
0,8
tungszeit des James Webb
Space Telescope ließe sich
0,7 ein Transmissionsspek
trum einer Supererde um
einen benachbarten
0,6 simulierte Beobachtung
mit dem JWST M-Zwergstern aufnehmen.
Atmosphärenmodell Wir würden in erster Linie
0,5 aufsummierte Daten Wasser, Kohlenstoffdioxid
und Ozon finden.
1 2 3
Wellenlänge in Mikrometern
Erde
VON ALEXAN DRA WITZE
D E S I G N : J A S I E K K R Z Y S Z T O F I A K / N AT U R E
JASIEK KRZYSZTOFIAK / NATURE; WITZE, A.: EXOPLANETS, THE NEXT 20 YEARS. IN: NATURE 527,
S. 288-289, 2015; KEPLER, TESS, JWST NACH: NASA; DIAGRAMM EXOPLANETEN, NACH: EXOPLANET.EU
Hawaii, um über diese extremen Nun wollen die Astronomen herausfinden, was sie mit all diesen
Entdeckungen anfangen. Das Forschungsziel für die nächsten zwei
Sonnensysteme zu diskutieren Dekaden ist es, Daten über die Eigenschaften dieser Planeten zu
und die Forschung für die nächs- sammeln, angefangen bei den Wolken in der Atmosphäre bis hin
ten 20 Jahre auf diesem Gebiet zu den Bedingungen auf ihrer Oberfläche.
zu planen. Was kommt als Nächstes?
Weltraumteleskop
Kepler GEMINI PLANET IMAGER
Bisherige Suche: Mit diesem Projekt lässt sich die von
heißen Gasplaneten abgestrahlte
Die meisten extrasolaren Planeten hat bisher das Weltraumteleskop Kepler der Energie direkt ermitteln und daraus
NASA entdeckt. Vier Jahre lang suchte es einen kleinen Himmelsausschnitt nach Temperatur, Masse und atmo-
Sternen ab, die vorübergehend leuchtschwächer werden, während ein Planet an sphärische Zusammensetzung
ihnen vorüberzieht. Die Hauptmission von Kepler endete 2013, seitdem jagt das des Exoplaneten ableiten.
Teleskop aber weiter mit der Kampagne K2 nach fernen Welten.
NEXT-GENERATION
TRANSIT SURVEY
In dieser Kampagne wird aktuell
die südliche Hemisphäre nach Exo-
planeten abgesucht.
Pfad des Planeten
TRANSITING EXOPLANET SURVEY
SATELLITE (TESS)
Helligkeit des Sterns Das Teleskop soll 2017 ins All ge-
Transiting Exoplanet
Einbruch der schickt werden und nach Ge-
Survey Satellite (TESS)
gemessenen Helligkeit steinsplaneten bei nahen hellen
Sternen suchen. Mit bodenge-
bundenen Observatorien wollen
Das Gesichtsfeld des Keplerobservatoriums deckt nur etwa 1/4000 des Nachthimmels ab. Astronomen diese dann ge-
nauer beobachten.
TEN Kepler-452 b
der erdähnlichste
N »HEISSE NEPTUNE« »HEISSE JUPITER«
bekannte Exoplanet
1000
100
51 Pegasi b
der erste Exoplanet, der
bei einem sonnenähnlichen
Stern entdeckt wurde
10
HD 149026 b 1
GJ 436 b ein klassischer Exoplanet mit beson-
ein »heißer Neptun«, ders engem Orbit um seinen Stern
der entdeckt wurde und Oberflächentemperaturen von
bevor Kepler startete mehr als 2000 Grad
0,1
0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 2
Planetenradius (in Jupiterradien, logarithmisch)
Astronomen gelingt es immer besser, den Anteil an erd- ihres Sterns befinden. Dort kann auf ihrer Oberfläche flüssiges Wasser existieren.
ähnlichen Welten abzuschätzen, auf denen auch flüssiges Position und Ausdehnung dieser Region variieren mit der Helligkeit des Zentralge-
Wasser existieren könnte. Die meisten Sterne in der stirns. Je leuchtschwächer dieses ist, umso näher an ihm ist die habitable Zone.
Milchstraße sind so genannte M-Zwerge, die kleiner und
kühler sind als die Sonne. Nach aktuellen Schätzungen
besitzt jeder zweite dieser Zwergsterne einen erdähn-
lichen Planeten. Ein gewisser Anteil davon wiederum
Erde
könnte lebensfreundlich sein. Kepler-452 b
lebensfreundliche Zone
zu wenig Energie
sorbierten Sternenlichts geben Aufschluss über zu viel Energie
die Bestandteile in den Gashüllen ferner Exoplaneten. Erde
0,8 wahrscheinlich
Nature 527, S. 288 – 289, November 2015
vorhanden Mars
0,4
Venus
0,2
0,0
0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 0 1 2 3 4 5
Wellenlänge in Mikrometern Sternenlicht auf der Planetenoberfläche (skaliert auf die Erde)
WWW.SPEK TRUM .DE 43
SCHLICHTING!
Himmlische Sphären »Und sie reicht ihm willig Krug und Ähre,
und er bläst den Schaum,
und sieh da, die wunderschöne Sphäre
Drückt ein Luftstrom gegen einen aufgespannten Flüssigkeitsfilm und
wölbt sich in den Raum,
wölbt ihn genügend stark ein, schnüren sich kugelförmige Teile ab –
wölbt sich auf, als obs ein Weltball wäre,
Seifenblasen!
nicht nur Schaum und Traum.«
wobei sie wie gründelnde Enten den lamelle der Fall und würde das Gebilde
(COMMONS.WIKIMEDIA.ORG/WIKI/FILE:LAMELLE.PNG) / CC BY-SA 3.0
hinteren Teil in die Luft und das Köpf rasch platzen lassen, stünde sie nicht
(CREATIVECOMMONS.ORG/LICENSES/BY-SA/3.0/LEGALCODE)
chen unter Wasser halten (siehe Illust mit einem Vorrat an Seifenlauge in
ration links). Kontakt. Die kommerziell erhältlichen
Dieses Verhalten setzt die Oberflä Ringe beispielsweise haben eine Riffe
wässrige Phase chenspannung herab. Sie ist in reinem lung, die zusammen mit der guten Be
Wasser so hoch, weil die Anziehungs netzbarkeit des Plastiks viel Lösung
kraft zwischen den einzelnen Molekü festhält. Dieses Reservoir wird ange
len besonders stark ist und somit ver zapft, sobald die Lamelle gestreckt wird.
hältnismäßig viel Energie nötig ist, um Denn dann sinkt die Konzentration der
die Oberfläche zu vergrößern. Die Köp Tenside an der Grenze zur Luft, wo
Luft
fe der Tensidmoleküle binden sich hin durch sich die Oberflächenspannung
Die Tensidmoleküle in Seife besitzen einen gegen schwächer an die Wassermolekü und damit die Energie erhöhen. Um die
hydrophilen Kopf und einen hydrophoben le in der Umgebung, was die Kräfte ins Energie des Systems zu senken, strömt
Schwanz. Sie setzen in einem dünnen Sei- gesamt senkt. Flüssigkeit aus benachbarten dickeren
fenfilm die Oberflächenspannung so weit Die Seifenlamelle, die aus so einer Gebieten nach, die ihrerseits mit dem
herab, dass sich Blasen bilden können. Lösung hervorgeht, widersetzt sich der Reservoir in Kontakt stehen. Dieser Sog
H. JOACHIM SCHLICHTING
die Oberflächenspannung nimmt ab.
Auf diese Weise verschwinden dünne
Stellen wieder sehr schnell.
Eine dicke Haut ist entscheidend für
die Lebensdauer der Blase. Infolge der
Schwerkraft fließt die Flüssigkeit zur
Unterseite; außerdem verdunstet das
Wasser, bis zumeist an der Oberseite
eine kritische Wandstärke unterschrit
ten wird – und das Kunstwerk platzt.
Viele Enthusiasten experimentieren
bei ihren Seifenmischungen daher mit
zusätzlichen Stoffen wie Stärke, Glyze
rin und Glukose, um die Wasserschicht
zwischen den Tensidmolekülen mög
lichst dick und haltbar zu machen.
Die Lamelle dellt sich beim Pusten
umso stärker ein, je größer die Ge
schwindigkeit der Luft und damit der
aufgebaute dynamische Druck sind.
Solange die Geschwindigkeit unterhalb
eines bestimmten kritischen Werts
bleibt, bildet sich die Ausbeulung stets In Riesenblasen sind die Kräfte zu gering, um gegen die wechselnden Luftströmungen
wieder zurück, wenn der Strom wieder eine stabile Kugelform zu erzeugen – gerade das macht die Gebilde besonders reizvoll.
abnimmt. Erst beim Überschreiten die
ser Grenze gibt es für die Seifenblase
kein Zurück mehr. schlauchs voran. Er wird ab einer be distanten Abtrennungen sind diese
Weitere Luftzufuhr mit mindestens stimmten Länge instabil, das heißt, er gleich groß, aber in der Regel entstehen
der kritischen Geschwindigkeit treibt schnürt sich ausgelöst durch zufällige sehr verschiedene Körper. Sie alle stre
die Kugelkalotte als vordere Abrun Störungen ein und zerfällt in einzelne ben augenblicklich die Kugelgestalt an,
dung eines wachsenden Seifenblasen Blasen (siehe Foto ganz oben). Bei äqui um die Oberflächenenergie zu mini
Gehirn&Geist
Wissen ist Kopfsache.
FOTOCASE / KALLEJIPP
Der Siegeszug
des Homo sapiens
Zwei Eigenschaften ermöglichten es dem modernen Menschen,
die ganze E
rde zu besiedeln und jede Konkurrenz auszu-
stechen: seine ausgeprägte Begabung zur Kooperation und
seine technologischen Fähigkeiten.
Von Curtis W. Marean
K
eine 70 000 Jahre ist es nach derzeitiger Kenntnis logie gegeben: Dadurch konnten sie effektiver jagen als ihre
her, seit Homo sapiens von Afrika aus seinen Sie Zeitgenossen und wurden auch mit feindlichen Gruppen
geszug über die Welt begann. Vor ihm hatten sich leichter fertig. Wieder andere Forscher sehen die Hauptursa
in Europa und Asien andere Menschenarten etab che in einem Klimawandel, der damals die Populationen der
liert. Jedoch erst unsere Spezies drang schließlich auf alle be Neandertaler und sonstigen archaischen Menschen außer
wohnbaren Kontinente und diverse Inselketten vor. Diese halb Afrikas geschwächt habe.
Ausbreitung hatte außergewöhnliche Folgen: Wo immer der Doch keiner dieser Aspekte allein vermag den Erfolg des
moderne Mensch auftrat, gab es massive ökologische Ver Homo sapiens wirklich zu erklären. Unter anderem könnte
werfungen. Archaische Menschen, auf die er traf, starben das daran liegen, dass die jeweils herangezogenen Erkennt
aus. Ebenso verschwanden zahlreiche Großtierarten. In der nisse großteils begrenzte geografische Regionen betreffen –
Erdgeschichte war dies die folgenschwerste Expansion einer oft lediglich Westeuropa. Obwohl sich der moderne Mensch
einzelnen Art. in mehreren Phasen verbreitete, war dies dennoch ein über
Paläoanthropologen suchen schon lange nach einer Er greifender, einheitlicher Vorgang. Dem sollte eine plausible
klärung für die Überlegenheit und zügige Verbreitung des Theorie Rechnung tragen.
Homo sapiens. Manche vermuten, das große, besonders Daher schlage ich ein anderes Szenario vor. Dieses stützt
komplexe Gehirn hätte dazu geführt, dass sich unsere Vor sich zum einen auf archäologische Befunde von der Südküs
fahren gern neuen Herausforderungen stellten. Andere Ex te Afrikas, wo ich seit 1999 am Pinnacle Point Ausgrabungen
perten glauben, den Ausschlag habe ihre überlegene Techno durchführe (siehe SdW 12/2010, S. 58). Zum anderen gingen
neuere Vorstellungen der Evolutionsbiologie, insbesondere
AUF EINEN BLICK der Soziobiologie und der Verhaltensökologie, sowie der So
zialwissenschaften ein. Meiner Ansicht nach machten sich
ÜBERLEGEN DURCH KOOPERATION UND WAFFEN Vertreter unserer Spezies in neue Weltgegenden auf, als bei
ihnen ein spezielles, genetisch basiertes soziales Verhalten
JON FOSTER
JEN CHRISTIANSEN, NACH: DYSON-HUDSON, R., SMITH, E.A.: HUMAN TERRITORIALITY: AN ECOLOGICAL
REASSESSMENT. IN: AMERICAN ANTHROPOLOGIST 80, S. 21-41, 1978 UND CURTIS W. MAREAN
geringe Territorialität hohe Territorialität Selektion unterliegen – also bei Vögeln etwa die Neigung, ein
Revier zu etablieren. Manchmal würden sich Auseinander
Resourcen setzungen um Futter jedoch nicht auszahlen, nämlich dann,
Umweltbedin- an der Küste
gungen im wenn es entweder unsinnig oder zu kostspielig wäre, Nah
Landesinnern
Afrikas rungsquellen für sich allein zu beanspruchen.
Ressourcendichte
keine Territorialität keine Territorialität außerdem lebensnotwendig sein, weil sich andernfalls wohl
unzuverlässig zuverlässig kaum jemand entschieden dafür einsetzen würde. Der Zu
Ressourcenverfügbarkeit sammenhang gilt noch heute. Ethnien und Staaten kämpfen
um konzentrierte, gut kalkulierbare, wertvolle Ressourcen
wie Erdöl, Wasser und fruchtbares Ackerland.
dieser Betrachtungsweise die Effektivität der Kooperation Folgt man diesen Überlegungen, so traf der Homo sapiens
vom Anteil der Gruppenmitglieder ab, die angeborenerma zunächst längst nicht überall in Afrika Umweltbedingungen
ßen prosozial eingestellt sind: Weil bei Konflikten mit frem an, die ernstliche Konflikte zwischen Gruppen geschürt und
den Gruppen kooperatives Verhalten in der Gemeinschaft damit eine ausgeprägte interne Kooperation gefördert hät
Vorteile bringt, wird ihre Population in der nächsten Genera ten. Vielmehr fand er seine Nahrung in den meisten Gegen
tion verhältnismäßig mehr Individuen mit Genen für das den eher locker verstreut vor, zudem war sie oft knapp und
entsprechende Verhalten aufweisen. Wie Peter Richerson vielfach nur sporadisch, unregelmäßig und wenig vorher
von der University of California in Davis und Robert Boyd sehbar vorhanden. Auch heute verwenden die meisten da
von der Arizona State University zeigten, setzt sich Prosozia raufhin untersuchten afrikanischen Jäger-und-Sammler-
lität am besten in kleinen Populationen durch, nämlich Gemeinschaften wenig Zeit und Energie auf eine Grenzver
dann, wenn sie ihren Anfang in einer Teilpopulation mit teidigung ihres Gebiets. Das gilt jedoch nicht für einige
starken Gruppenkonflikten nimmt. Tatsächlich stammen Küstenabschnitte, wo Muschelbänke stets reichlich hochwer
alle heutigen Menschen von einer vergleichsweise kleinen tige Nahrung bieten. Nach ethnografischen und archäologi
afrikanischen Homo-sapiens-Population ab. schen Erhebungen führten auch in anderen Weltgegenden
Moderne Jäger und Sammler bilden gewöhnlich Verbän- solche Jäger und Sammler, die von derartigen Ressourcen
de von ungefähr zwei Dutzend Individuen. Heiratspartner lebten, im Vergleich zu anderen Gruppen mehr Kriege, etwa
wählt man bei anderen Gruppen, die aber zum selben an der nordamerikanischen Pazifikküste.
»Stamm« zählen. Den Stammeszusammenhalt fördern die Über Millionen Jahre hatten sich unsere Vorfahren vor
gemeinsame Sprache, gleiche Traditionen sowie Geschenke. wiegend von Landpflanzen und -tieren sowie gelegentlich
Verschiedene Stämme bekriegen sich mitunter trotz der da von Süßwasserorganismen ernährt. Ihre Kost war nämlich
mit verbundenen oft erheblichen Gefahren für Leib und Le eher wenig konzentriert und vieles längst nicht immer zu
ben. Wieso lassen sich Menschen auf solche Gemetzel ein? verlässig verfügbar. Diese Urahnen bildeten denn auch weit
vor zirka
35 000 Jahren
Spuren der Vernichtung Besiedelung
arktischer
Regionen
vor zirka
Nachdem die Gattung Homo in Afrika ihren An- 45 000 Jahren
fang genommen hatte (lila), begann sie sich vor Ankunft
in Westeuropa
zwei Millionen Jahren auch nach Eurasien zu ver- Danach sterben
breiten und dort in viele Regionen vorzudringen. Neandertaler aus.
Schließlich entstanden der Homo erectus, der Ne-
andertaler und der Denisovaner (Grüntöne).
In Afrika trat vor zirka 200 000 Jahren der anato-
misch moderne Homo sapiens auf. Einige Vertreter vor zirka
55 000 Jahren
fanden an der Südküste Afrikas mit deren reichen
Ankunft
Muschelbänken passable Lebensbedingungen vor, in Südostasien
als das Innere des Kontinents vor zirka 160 000 Jah- Danach sterben
Denisovaner aus.
ren für Menschen unwirtlich wurde. Nach Ansicht vor ð 70 000 –
des Autors bildete sich in der neuen Umwelt eine 55 000 Jahren
Anatomisch mo-
Veranlagung heraus, sogar mit nicht verwandten derne Menschen
Individuen zu kooperieren, denn so ließ sich die verlassen Afrika.
neue Nahrungsressource am besten kontrollieren.
Die enge Zusammenarbeit machte diese Men-
schen besonders erfinderisch. Ein technologischer
Meilenstein war erreicht, als sie Projektilwaffen
vor zirka
herzustellen verstanden: vielleicht Speerschleu- 71 000 Jahren
dern oder sogar schon Pfeil und Bogen. erste Projektil-
Dieser Homo sapiens war gerüstet, die ganze waffen
Kooperation
Welt zu erobern (rote Pfeile). Er konnte sogar in Ge- in und zwi
genden vordringen, die andere Menschen noch nie schen (!) Grup-
pen eines vor zirka
betreten hatten. Besonders dort wälzte sein Er- Selektion Stamms 45 000 Jahren
auf hyper-
TERRA CARTA
Vorher waren keine anderen Menschen da; nige Zentimeter lange Steinspitzen und -klingen – zu klein,
Großtiere sterben aus. um sie für sich allein zu handhaben, aber vermutlich für zu
sammengesetzte, hocheffiziente Geschosse und Gerätschaf
»Möge dir
die Erde leicht sein«
Tod und Erinnerung hingen für die Römer eng zusammen. Denn noch mehr
als das Sterben selbst fürchteten sie, von der Nachwelt vergessen zu werden.
Das verraten ihre Bestattungsbräuche.
Von Annika Domainko
»W
undern wir uns wirklich darüber, dass der geben den Spielraum vor, innerhalb dessen dann auch indi-
Mensch stirbt, wenn der Tod schon Steinen viduelle Varianten möglich sind.
und Namen nachstellt?«, grübelte der Dichter Wie diese Rahmungen in der römischen Antike aussahen
Ausonius im 4. Jahrhundert n. Chr. Ein verwit- und wie die Römer sich den Themen Tod und Vergänglich-
terter Grabstein hatte ihn nachdenklich gemacht. Dessen In- keit näherten, erfahren wir aus der Literatur und Philoso-
schrift sollte den Verstorbenen den Menschen im Gedächtnis phie, aus Mythologie und Religion, aber auch durch Kunst,
halten, doch war sie kaum mehr zu entziffern, bloß noch eine Architektur und Grabkult. Ein monumentales Denkmal
Ansammlung von Strichen und Kerben ohne erkennbaren etwa, das einen Platz im öffentlichen Raum besetzte, verkör-
Zusammenhang. Ein »L« glaubte Ausonius zu lesen, vermut- perte den Anspruch, ein historisches Ereignis auch dann
lich für den Vornamen Lucius. Dann war da noch ein »M«, noch im kollektiven Bewusstsein lebendig zu halten, wenn es
doch ob das für Marcus, Marcius oder Metellus stand, ver- für den Alltag nicht mehr relevant war. Römische Dichter sa-
mochte Ausonius nicht zu sagen. hen ihr Schaffen als einen Schlüssel zu ewigem Ruhm. Und
Erinnern und Vergessen, Tod und Vergänglichkeit haben mythische Erzählungen von einem jenseitigen Leben konn-
die Menschen zu allen Zeiten beschäftigt. Jede Gesellschaft ten ebenso Trost und Zuversicht spenden wie philosophi-
fand und findet ihre eigenen Wege, damit umzugehen, sei es sche Lehren, die gerade im Sterben die endgültige Befreiung
durch Rituale, Mythen oder wissenschaftliche Erklärungen. von jedem Schmerz sahen.
Dabei bewegt sie sich immer innerhalb »sozialer Rahmun- Der Umgang mit dem Tod war hochgradig ritualisiert.
gen«, wie Matthias Meitzler betont, der an der Universität Nicht nur Ort und Zeitpunkt der Bestattung folgten einem
Duisburg-Essen zur Soziologie des Sterbens forscht. Mit an- gesellschaftlichen Kode, sondern auch die Form der Beiset-
deren Worten: Der Tod ist keine reine Privatangelegenheit. zung, der Grabbeigaben und der Riten, die am Grab zu voll-
Wie Menschen mit dem Sterben umgehen, verrät viel darü- ziehen waren und mit denen man sich später an das Fami
ber, wie ihre jeweilige Gesellschaft funktioniert. Deren Kodes lienmitglied erinnerte. Umgekehrt festigten solche Rituale
die sozialen Strukturen, die sie hervorgebracht hatten, wie
AUF EINEN BLICK der Althistoriker Ian Morris von der Stanford University in
seinen Publikationen darlegte, die zu den Standardwerken
RITUALISIERTER ABSCHIED der klassischen Altertumswissenschaften zählen.
Schon die Zwölftafelgesetze, eine Mitte des 5. Jahrhun-
Erinnerung und Repräsentation – das Familiengrab der Haterier mit seinem Reliefschmuck diente beidem zu-
gleich. Forschern liefert es zudem Aufschlüsse über den römischen Grabkult. So wurde die Verstorbene (im oberen
Bildteil zu sehen) im Prachtgewand aufgebahrt, um von der Familie betrauert zu werden. Links errichten Arbeiter
den tempelartigen Grabbau, dessen Säulenhalle Ahnenporträts zieren. Das Motiv samt Baukran hatte seinen
guten Grund: Die Haterier waren freigelassene Sklaven, die als Bauunternehmer ein Vermögen verdient hatten.
Was erwartet den Menschen nach dem Tod? Die Vorstellungen in der Philosophie, besonders eindrücklich im so genannten
der Römer dazu waren sehr heterogen und folgten keinem all- »Traum des Scipio«, einer Erzählung des römischen Autors und
gemein gültigen Dogma, wie wir es aus der christlichen Theolo- Staatsmanns Cicero. Die Seele eines verdienten Mannes, so
gie kennen. Erzählungen über den Unterweltherrscher »Dis Pa- schildert dieser, kehrte nach dem Tod zu ihrer ursprünglichen
ter«, auch als Pluto bekannt, und philosophische Skepsis exis- Heimat im Kosmos zurück. Von der Milchstraße aus könne der
tierten nebeneinander, und die Heilsversprechen aus dem Verstorbene dann das gesamte Universum überblicken, das Ge-
Orient stammender Mysterienkulte standen neben dem folklo- schick der Menschen verstehen und die einzigartige Harmonie
ristischen Glauben an Totengeister, die es an bestimmten Tagen der rotierenden Sphären des Kosmos hören – eine Vorstellung,
im Jahr durch Opfer zu besänftigen galt. die auf den griechischen Philosophen und Mathematiker Py-
Die Idee des Fortlebens in einer Unterwelt findet sich vor al- thagoras zurückging.
lem in der römischen Dichtung. Zu den berühmtesten Schil
derungen des Totenreichs zählt die des Dichters Vergil (70 – 19 v. Den wohl größten Kontrast zu solchen Vorstellungen bilde-
Chr.), die eng an die griechische Mythologie angelehnt ist: Er ließ ten die Lehren des griechischen Philosophen Epikur (342 – 271 v.
Äneas, den mythischen Stammvater der Römer, gemeinsam mit Chr.): Mit dem Körper würde auch die Seele geboren, und mit
der Priesterin Sibylle durch eine Höhle am Avernersee, in der ihm müsse sie daher auch wieder vergehen. So deprimierend
Nähe des heutigen Neapel in den Orkus hinabsteigen. Mit Hilfe diese Vorstellung erscheinen mag, brachte sie Epikurs Anhän-
des Fährmanns Charon überquerten sie den Unterweltfluss gern doch Erlösung: Wenn der Tod das Ende bedeute, müsse
Styx, der das Reich der Toten von dem der Lebenden trennte, tra- man ihn auch nicht fürchten und könne folglich ein freies Le-
fen auf Zerberus, den dreiköpfigen Höllenhund, und wanderten ben führen.
durch ein Meer von Schattenwesen. Sie begegneten den Seelen Auch Epikurs Philosophie und ihre römischen Ableger haben
der Frevler, die im Tartarus Qualen litten, und jenen der Glückse- Spuren in den Grabinschriften der Römer hinterlassen: »Wir
ligen, die im Elysium alles irdische Leid vergessen durften. sind nichts und wir waren nichts. Du, der du das liest, schau’s dir
Eine ganz andere, damals verbreitete Idee griff der Komö an, wie schnell wir vom Nichts ins Nichts zurückkehren«, ist in
diendichter Plautus (etwa 250 – 184 v. Chr.) auf: Ein Gespenst einem Epigramm zu lesen. Bezeichnenderweise spricht die In-
suchte die Lebenden heim, da es sich in seinem Andenken ver- schrift den Passanten, der am Grab vorübergeht, direkt an und
nachlässigt fühlte; die Römer nannten solche Geister »larvae« lenkt seine Aufmerksamkeit so auf den Verstorbenen. Wenn
oder »lemures«. Die Manen hingegen – die Ahnen, die man als auch die Seele mit dem Tod verschwindet, so kann der Tote den-
Totengötter verehrte und denen die Römer Grabstätten weih- noch auch hier im Andenken der Menschen lebendig bleiben.
ten – galten als wohlgesinnte Helfer, deren Beistand man sich Das Hoffen darauf, im kollektiven Gedächtnis der Nachwelt
durch regelmäßige Opfer sicherte. weiterzuleben, dürfte demnach ein nahezu allgemein gültiges
Die Vorstellung einer Fortexistenz nach dem Tod war nicht Muster der römischen Kultur gewesen sein – unabhängig von
auf Dichtung und Volksglauben beschränkt. Sie fand sich auch Mythos und Logos, von Glaube und Philosophie.
TOTENKULT II
D
er Aufstieg vom Stadtstaat zur Hauptstadt eines
Weltreichs ließ Rom aus den Fugen geraten. Von
der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. bis zur Hoch
phase des Kaiserreichs im 2. Jahrhundert n. Chr.
wuchs die Bevölkerung von 250 000 auf 750 000 oder gar eine
Million Einwohner an. Diese Entwicklung hatte aber ihren
Preis: Überbevölkerung und Platznot zwang die Ärmeren
dazu, auf engstem Raum zusammenzuleben. Diese Bedin
gungen begünstigten die Verbreitung von Krankheiten und
dürften zumindest teilweise erklären, wieso die Stadt so häu
fig von Epidemien heimgesucht wurde.
Dass dem so war, überlieferten etliche Chronisten. So soll
eine Epidemie im Jahr 189 laut dem griechischen Autor Cassi
us Dio täglich mehr als 8000 Menschen das Leben gekostet ha
ben. Zwar ist diese Angabe heute umstritten, doch sie zeigt die
Größenordnung der Sterblichkeit während solcher Phasen.
Experten schätzen, dass sie bei dieser als Antoninische Pest –
benannt nach dem Herrscherhaus der Antoniner – bekannten
Seuche zwischen 7 und 33 Prozent der Stadtbevölkerung lag.
Wie viel Leid und Trauer ein solches Massensterben verur
sacht haben mag, wie die Bürger Roms damit umgingen, was
die Obrigkeit dagegen unternahm – über all das wissen wir
nur wenig. Ebenso unsicher ist, wie man versuchte, der Lei
chen Herr zu werden. Die wenigen schriftlichen Zeugnisse
stammen zumeist aus republikanischer Zeit. Ihnen zufolge
warf man viele Tote in den Tiber, andere entsorgte man in
dem Graben, der die so genannte Servianische Stadtmauer
umgab. Ausgrabungen auf dem Esquilin, einem der sieben
Hügel Roms, förderten Ende des 19. Jahrhunderts einen Teil
der Verteidigungsanlage zu Tage. Die Mauer säumte tatsäch
lich ein gewaltiger Graben von gut 30 Meter Breite und etwa
9 Meter Tiefe, der auf einer Länge von mehr als 30 Metern
freigelegt wurde. Er war bis zum Rand mit menschlichen Ske
letten gefüllt. Die Archäologen schätzten, dass etwa 24 000
Leichen dort »beigesetzt« worden waren. Ob es sich dabei
hauptsächlich um Seuchenopfer handelte und zu welcher
Die Katakombe von Sankt Patrus und Marcellinus beherbergt Zeit die Menschen starben, ist leider nicht bekannt.
Berge von Skeletten. Die Ergebnisse der archäologischen Diese Nutzung des Grabens wurde reguliert – möglicher
Untersuchung zeigen, dass es sich bei ihnen wahrscheinlich weise aus hygienischen Gründen oder weil der Platz darin
um die Opfer einer Seuche handelt. knapp wurde – und unter Augustus im 1. Jahrhundert v. Chr.
ganz verboten. Leider gibt es aus der nun folgenden Kaiser
DENIS GLIKSMAN, INRAP; MIT FRDL. GEN. VON DOMINIQUE CASTEX
GÉRALDINE SACHAU-CARCEL, UNIVERSITÉ BORDEAUX; MIT FRDL. GEN. VON DOMINIQUE CASTEX
Anhaltspunkte liefern Grabungskampagnen in einer Kata
kombe etwa drei Kilometer südöstlich des antiken Stadt
kerns. Der Legende nach wurden im 3. Jahrhundert dort die
Märtyrer Marcellinus und Petrus beigesetzt, weshalb die Ge
wölbe später christliches Gemeinschaftsgrab wurden.
Die auch »Friedhof zu den zwei Lorbeeren« genannte un
terirdische Anlage – eine von 60 in Rom und Umgebung – be
steht aus einem ganzen Netz von Grablegen, verteilt auf gut
viereinhalb Kilometer Galerien und drei Stockwerke. Zwi
schen dem Ende des 3. und dem Beginn des 5. Jahrhunderts
wurden dort 20 000 bis 25 000 Menschen bestattet.
DEMOGRAFIE
Afrikas
bedrohliche
Bevölkerungs
explosion
Neue Prognosen alarmieren:
Bis 2100 könnten sich mehr als
sechs Milliarden Menschen
in Afrika drängen – mehr als der
Kontinent verträgt. Dagegen
hilft allein die Emanzipation der
Frauen und ihr ungehinderter
Zugang zu Verhütungsmitteln.
Von Robert Engelman
1 Bis 2100 könnte die Bevölkerung Afrikas von heute 1,2 Milliar-
den auf 3 oder gar mehr als 6 Milliarden steigen, falls es bei den
hohen Geburtenziffern bleibt. Das unerwartet starke Bevölke-
Serie von Maßnahmen kann den Wettbewerb um Ressour-
cen mildern, Konflikte entschärfen und die Lebensqualität
rungswachstum gefährdet die Lebensgrundlagen – nicht nur in erhöhen – für Mädchen und Jungen, Frauen und Männer.
Afrika. Etliche Messstatistiken zeichnen derzeit ein düsteres Bild
16 Milliarden Gesamtbevölkerung
Afrika treibt das
globale Bevölkerungs-
wachstum an
14
TIFFANY FARRANT-GONZALEZ, NACH: WORLD POPULATION PROSPECTS: THE 2015 REVISION, KEY FINDINGS AND ADVANCE TABLES. UNITED NATIONS,
4,9 Milliarden etwas höher ist als die die Fruchtbarkeitsziffer das Be-
völkerungswachstum hochtreibt.
4,4 Millionen für Afrika, wird die Bevölke-
8
rung in Asien insgesamt abnehmen, wäh-
mittlere
rend sie in Afrika immer weiter zu wach- bei gleich- Prognose
sen droht. Afrika bleibender
Geburtenziffer
Asien
6
Europa
Lateinamerika
Nordamerika
Ozeanien
4 Bandbreite
der Prognose
TIFFANY FARRANT-GONZALEZ, NACH: WORLD POPULATION PROSPECTS: THE 2015 REVISION, KEY FINDINGS AND ADVANCE TABLES. UNITED NATIONS,
burtenziffer noch immer 4,7 Kinder, während
5
sie nirgendwo sonst über 2,5 liegt. In man-
Afrika
chen afrikanischen Ländern (orangefarbene
Linien) bleibt sie extrem hoch: 7,6 in Niger; 6,3
im Tschad; 5,8 in Gambia. Hingegen konnte
4
Mauritius seine Rate von 6 auf 1,5 senken,
und Tunesien von 6,6 auf 2,2. Damit eine Be-
Libyen völkerung generell nicht immer weiter
3 Ozeanien wächst, muss sich die Fertilitätsrate auf dem
Asien so genannten Ersatzniveau von 2,1 Kindern
einpendeln: Die Nachkommen ersetzen dann
Tunesien
im Schnitt gerade ihre Eltern.
2 Lateinamerika
Ersatzniveau: 2,1 Kinder Nordamerika
Europa
1 afrikanische Länder
Mauritius
afrikanische Länder mit
besonders stark veränderter Geburtenziffer
Weltregionen
0
W
enn es nach der Firma Avista Utilities in Pull- bieten dafür nicht die nötige Kombination aus hoher Kapazi-
man im US-Bundesstaat Washington geht, tät und raschem Zugriff. So ist eine Autobatterie schnell er-
wurde Anfang 2015 die Tür zur Energiespei- schöpft, wenn der Fahrer an einem kalten Morgen wieder-
cherung der Zukunft aufgestoßen. Damals holt den Anlasser betätigt. Und das Laden eines Elektroautos
nahm das Unternehmen den neuesten Typ von Redox-Flow- dauert mehrere Stunden.
Akku in der größten solchen Anlage der westlichen Welt in Redox-Flow-Akkus stellen eine viel versprechende Alter-
Betrieb. Wiederaufladbare Flussbatterien, wie die Geräte native dar. Sie können große Energiemengen über lange Zeit
auch heißen, speichern Energie in flüssigkeitsgefüllten Tanks. verlustfrei speichern und bei Bedarf rasch wieder abgeben.
Und es sieht so aus, als könnten sie das preiswerter erledigen Da die Energie in einer Flüssigkeit und nicht in einem Fest-
als herkömmliche Akkus. Außerdem passen sie besser zu körper steckt, sind sie zudem sicherer als konventionelle Sys-
Stromnetzen, die zunehmend von schwankenden Energie- teme. Und weil die Flüssigkeit in externen Tanks aufbewahrt
quellen wie Solar- und Windkraft gespeist werden. wird, lässt sich die Speicherkapazität bei Bedarf problemlos
Die Anlage in Pullman besteht aus großen weißen Tanks erhöhen. Vor allem aber dürften Redox-Flow-Akkus über ihre
im Gesamtvolumen von zwei Sattelschleppern und spei- Laufzeit gerechnet wesentlich preiswerter sein als traditio-
chert vier Megawattstunden an Energie – genug, um vier nelle Batterien, wenn Forscher erst einmal die optimale Kom-
Durchschnittshaushalte einen Monat lang mit Elektrizität zu bination von Chemikalien ausfindig gemacht haben.
versorgen. Zwar trägt die Installation nur einen kleinen Teil Letztlich handelt es sich um eine spezielle Art von Brenn-
zur Kapazität des angeschlossenen Stromnetzes bei. Den- stoffzellen, die aus zwei Tanks bestehen. Jeder enthält ein
noch ist sie als neue, zukunftsträchtige Generation von Ener- energiereiches Material – in Form einer Metallverbindung
giespeichersystemen von großer Bedeutung. oder eines Polymers –, das in einer Flüssigkeit gelöst ist. Der
Da Wind- und Solarkraft immer mehr zur Stromversor- eine Tank bildet den negativen und der andere den positiven
gung der Welt beitragen, braucht es effiziente Wege, diesen Pol der Batterie. Beim Laden und Entladen werden die Flüs-
unregelmäßig anfallenden Strom zwischenzuspeichern. sigkeiten durch eine Vorrichtung gepumpt, die aus Elektro-
Herkömmliche Systeme wie Lithiumionen- oder Bleiakkus den und einer Membran dazwischen besteht. Letztere ver-
hindert, dass sich die Lösungen vermischen, erlaubt aber den
AUF EINEN BLICK Übertritt von Ionen. Dabei findet eine so genannte Redox
reaktion statt – eine Kombination aus Oxidation und Reduk-
FLEXIBLE STROMPUFFER tion –, in deren Verlauf Elektronen über einen externen
Stromkreis von einem Tank zum anderen fließen.
1 Herkömmliche Lithiumionen- oder Bleiakkus haben nicht die
nötige Kapazität und Leistung, um als Zwischenspeicher
Schwankungen im Stromangebot regenerativer Energiequellen
Die Standardvariante des Redox-Fluss-Akkus arbeitet mit
Salzen des Übergangsmetalls Vanadium (V), die in einer Säu-
wirksam auszugleichen. re gelöst sind. Beim Entladen werden an der negativen Elek
+
SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT / BUSKE-GRAFIK, NACH: LIQUID ASSETS. IN: NATURE 526, S. S98-S99, 2015
Elektrogerät
Flow-Akkus bestehen aus
flüssigkeitsgefüllten Tanks.
Die Flüssigkeiten werden, – +
getrennt durch eine für Ionen
Tank Tank
durchlässige Membran, an
Elektroden vorbeigepumpt. Flüssigkeit Flüssigkeit
für für
Dort gehen die enthaltenen negativen positiven
Moleküle Reaktionen ein, bei Pol Pol
Elektrode Elektrode
denen sie Elektronen abge-
ben oder aufnehmen, die
durch einen äußeren Strom- Membran
kreis fließen.
Pumpen
Dieser Aufbau bietet einige grundlegende Vorteile. So sind ligt, um eine Flussbatterie mit 800 Kilometer Reichweite für
anders als bei herkömmlichen Akkus Energiemenge und Autos zu entwickeln – deutlich mehr als die 640 Kilometer, die
Leistung nicht gekoppelt. Wie viel Energie gespeichert ist, der Roadster von Tesla Motors nach Angaben der Firma fahren
hängt vom Volumen des Tanks ab. Über die Leistung be- kann, bis sein Feststoffakku wieder aufgeladen werden muss.
stimmt dagegen die Elektrodenfläche. »Wenn Sie mehr Spei- Segre verwendet für seine Batterie Nanoteilchen aus Nickel
cherkapazität haben wollen, nehmen Sie einfach einen wei- und Nickelhydroxid in einem Elektrolyten auf Kaliumbasis.
teren Tank und befüllen ihn mit den Chemikalien«, erklärt Die günstigsten chemischen Komponenten zu finden und
Adam Weber, Chemieingenieur am Lawrence Berkeley Natio- sie geeignet zu kombinieren, um eine hohe Speicherkapazität,
nal Laboratory in Kalifornien. Höhere Leistung lässt sich da- eine lange Lebensdauer sowie gute Werte für Stromstärke und
gegen mit großflächigeren Elektroden erreichen – oder in- Spannung bei niedrigen Kosten zu erreichen: Das ist die große
dem man eine größere Zahl davon hintereinanderschaltet. Herausforderung beim Entwurf praxistauglicher Flussbatte
Die beiden Lösungen, fachsprachlich Elektrolyte genannt, rien. Der Akku von Pullman sowie fünf andere Systeme mit
separat aufzubewahren ist außerdem sicherer. Herkömm noch höherer Leistung, von denen zwei in China und drei in Ja-
liche Batterien speichern eine Menge Energie auf kleinem pan installiert sind, verwenden allesamt in Schwefelsäure ge-
Raum, die unvermutet freigesetzt werden kann. Bei Fluss löstes Vanadium. Allerdings kann die Säure nicht beliebig vie-
batterien besteht kein solches Risiko. Zudem arbeiten die le Metallionen aufnehmen, was die Speicherkapazität pro Vo-
meisten mit wässrigen Lösungen, die nicht entflammbar lumeneinheit begrenzt. Zudem funktioniert die Batterie nur
sind – im Gegensatz etwa zu Lithiumionenakkus, die schon im Temperaturbereich zwischen 10 und 40 Grad Celsius. Dar-
Handys oder sogar Flugzeuge in Brand gesetzt haben. über oder darunter fällt das Vanadium als Pulver oder Gel aus.
Ein anderes Problem mit herkömmlichen Batterien ist, »Diese Niederschläge würden die Pumpen verstopfen, und
dass die Elektroden sich ausdehnen oder schrumpfen, wäh- der Akku wäre tot«, sagt Wei Wang, Materialforscher am Paci-
rend sie Ionen aufnehmen beziehungsweise abgeben. Das fic Northwest National Laboratory in Richland (US-Bundes-
führt mit der Zeit zu Materialermüdung und schlimmsten- staat Washington). Sein Team hat herausgefunden, dass eine
falls zum Bruch des Gehäuses. Bei Flüssigkeiten passiert so Mischung aus Schwefel- und Salzsäure Temperaturen zwi-
etwas nicht, weshalb Flussbatterien unbegrenzt haltbar sind. schen –5 und 60 Grad Celsius verträgt und überdies 70 Prozent
mehr Vanadium aufnimmt als herkömmliche Lösungen. Der
Attraktive Option für das Elektroauto Akku von Pullman nutzt diesen neuartigen Elektrolyten.
Zwar entwickeln die meisten Forscher Redox-Flow-Akkus für Dennoch hat Vanadium einen großen Nachteil: Es ist sel-
die Energiespeicherung in Stromnetzen. Doch gibt es auch ten und teuer. Nach einer Schätzung des amerikanischen
Überlegungen, sie in Elektroautos einzusetzen. Weil sie sich Energy Power Research Institute (EPRI) liegen die Kosten für
einfach durch den Austausch der Lösungen aufladen lassen, einen Redox-Flow-Akku auf Vanadiumbasis bei über 3000
muss man den Wagen nicht stundenlang an eine Stromquel- US-Dollar pro Kilowatt. Kalifornien mit solchen Batterien zu
le anschließen, damit er wieder fahrbereit ist. »Die Reich der bis 2020 angestrebten Speicherkapazität von 1,3 Giga-
weite spielt keine so große Rolle mehr, sofern ein dichtes watt zu verhelfen, würde demnach Investitionen von rund
Netz von Nachfüllstationen existiert«, meint Carlo Segre vier Milliarden Dollar erfordern. Auf der Suche nach preis-
vom Illinois Institute of Technology in Chicago. Die staatli- werteren Alternativen forscht Wang über Zink-Brom-Batteri-
che amerikanische Advanced Research Projects Agency – en. Zink ist wesentlich billiger als Vanadium und kann pro
Energy (ARPA-E) hat dem Physiker Forschungsmittel bewil- Atom gleich zwei Elektronen aufnehmen oder abgeben statt
KRYPTOGRAFIE
105
1 8 0 4 1 90
७२
१ ९ ०००
01 13
nicht einmal Bob. Eine herkömmliche
१०५०११३
Verschlüsselung (links) schützt ihre In ent- ver-
schlüsseln schlüsseln
०७०९०३००२३१५ १८० ४
formationen unterwegs, nicht aber auf
Bobs Computer Bobs Computer
०९१९०८००१५१९
०९१९०८००१५१९
०७०९०३००२३१५
Bobs Computer (roter Abschnitt). Da
gegen schützt die homomorphe Ver
19 0 9
19 0 9
01
01
13
13
61 61
2008 0 5 0
0
2008 0 5 0
0
0
8 0 10705 8 0 10705
Alices Computer Alices Computer
wiedergegeben.
Nachricht zu erraten. Dann verschlüs ihnen zu sagen hat. Wenn man aber die Beziehungen der Elemente unterei
selt sie, was sie geraten hat, mit dem öf nicht einmal dem Empfänger vertraut, nander erhalten bleiben. Wenn also un
fentlichen Schlüssel und schaut, ob das dann ist die homomorphe Verschlüsse ter mehreren Elementen der einen
Ergebnis mit dem von ihr abgefange lung das Mittel der Wahl. Struktur eine Beziehung besteht, dann
nen Text übereinstimmt. Bei einem soll für ihre Abbilder in der anderen
probabilistischen Verfahren dagegen Ein Paralleluniversum Struktur eine entsprechende Bezie
gibt es für jeden Klartext eine Vielzahl Über die Jahre haben sich die Wege von hung gelten.
möglicher Chiffretexte, und das Sys Alice und Bob getrennt. Alice arbeitet Eigentlich ist das Konzept in der abs
tem wählt einen davon per Zufall aus. heute als Forschungsdirektorin einer trakten Algebra zu Hause; seine Ver
Selbst wer den Klartext richtig errät, hat Firma, die Verschlüsselungssoftware schärfung »isomorph« dient dazu, Ord
also praktisch keine Chance, seine Ver entwickelt; Bob hat sich auf Hardware nung in den unübersichtlichen Zoo der
mutung zu bestätigen. Bei der Ent spezialisiert und betreibt einen Anbie endlichen einfachen Gruppen zu brin
schlüsselung aber liefern alle unter ter für Cloud-Computing. Nachdem ihr gen (Spektrum der Wissenschaft 3/2016,
schiedlichen Chiffretexte wieder ein Liebesgeflüster von eher geschäftli S. 48). Aber es gibt auch ein bodenstän
und denselben Klartext. chen Themen verdrängt wurde, haben digeres Beispiel: den Logarithmus (zu
Kryptografische Techniken dieser sich auch ihre Ansprüche an Privat einer beliebigen Basis). Der ist nämlich
Art sind heute ein integraler Bestand sphäre und Sicherheit etwas verändert. eine umkehrbare Abbildung zwischen
teil des Internets. Sie arbeiten unauffäl Wenn Alice heute mit Bob redet, muss den positiven Zahlen einerseits und al
lig und im Verborgenen. Wer online sei sie sich nach wie vor gegen Eves Schnüf len reellen Zahlen andererseits, die
nen Kontostand abfragen oder etwas feleien absichern. Zusätzlich muss sie obendrein eine Homomorphie zwi
kaufen will, verwendet – von der Bank allerdings sensible Daten aus ihrer Fir schen den beiden Bereichen herstellt:
oder dem Verkäufer veranlasst – eine ma vor Bob geheim halten – was nicht Der Multiplikation zweier positiver Zah
gesicherte Version des Übertragungs ganz einfach ist, weil sie mit just diesen len entspricht die Addition ihrer Loga
protokolls: https statt http (Hypertext geheimen Daten auf Bobs Computern rithmen, denn für drei positive reelle
Transfer Protocol). Das gilt auch für rechnen will. Das ist die Situation, in Zahlen x, y und z mit x · y = z gilt
Suchanfragen bei Google. Auf dem Weg der gewöhnliche Kryptografie nicht log(x) + log(y) = log(z).
vom Absender zum Empfänger sind die hilft, wohl aber die homomorphe (siehe Dieser Homomorphismus eröffnet
Nachrichten verschlüsselt. Das hilft ge »Rechnen in der Cloud«, oben). zwei verschiedene Wege zum selben
gen Eve, die im Internetcafé am Nach Die Mathematiker nennen zwei Ziel, der Multiplikation zweier positiver
bartisch sitzt und die WLAN-Verbin Strukturen homomorph (das griechi Zahlen x und y. Entweder man multipli
dung anzapft, aber nicht gegen den je sche Wort bedeutet »von gleicher Ge ziert sie nach der Schulmethode, oder
weiligen Empfänger, denn der hat den stalt«), wenn man sie so aufeinander man bildet zunächst ihre Logarithmen,
Schlüssel. Wozu auch – normalerweise abbilden kann, dass sich nicht nur jedes addiert diese und wendet auf das Er
müssen die Bank, der Verkäufer oder Element der einen Struktur in der ande gebnis die Umkehroperation des Loga
die Suchmaschine ja wissen, was man ren wiederfindet, sondern dabei auch rithmus an. Der zweite Weg sieht zwar
viel komplizierter aus, ist aber in der man also einfach durch 2 teilen. Die Ad plikation im Geheimraum als a * b =
Praxis sogar bequemer, wenn man die dition im Geheimraum ist dieselbe wie a · b/m zu definieren. Also steht das m
Anwendung des Logarithmus und sei im Klarraum. Addiert man nämlich die in dem Programm, das auf Bobs Com
ner Umkehrfunktion durch Nachschla Chiffretexte 2x und 2y, kommt 2x + 2y = puter läuft, und dort kann er es leicht
gen in einer Tabelle ersetzt und die da 2(x + y) heraus; das entschlüsselt, also ablesen.
bei auftretenden Rundungsfehler in durch 2 geteilt, ist x + y, wie es sein soll. Ein total homomorphes Verschlüsse
Kauf nimmt. In der Tat haben Anwen Die Multiplikation ist allerdings et lungssystem, das einem derartigen An
der aller Art das Multiplizieren mit der was komplizierter. Wenn man einfach griff standhält, ist sehr viel schwieriger
Logarithmentabelle oder deren mecha die Chiffretexte 2x und 2y auf die ge zu entwerfen. Genau das gelang Gentry
nischem Äquivalent, dem Rechenschie wöhnliche Weise miteinander mal 2009 – im Prinzip. Nun gilt es, die Idee
ber, erledigt, bevor der Taschenrechner nimmt, kommt 4xy heraus. Die Ent in ein praktikables Verfahren umzuset
derlei Hilfsmittel erübrigte. schlüsselung (Division durch 2) ergäbe zen, was noch nicht gelungen ist.
2xy statt xy. Also müssen wir die Multi Die erste Idee, mit verschlüsselten
Multiplikation neu definieren plikation zweier Zahlen a und b im Ge Daten zu rechnen, hatten 1978 Ronald
Die homomorphe Kryptografie bietet heimraum definieren als a * b = a · b/2, L. Rivest, Leonard Adleman und Micha
ein ähnliches Paar von Wegen an. Ent wobei der Punkt die gewöhnliche Mul el L. Dertouzos, alle damals am MIT. Nur
weder rechnen wir mit den unver tiplikation bezeichnet. wenige Monate vorher hatten Rivest
schlüsselten Eingabedaten x und y. Offensichtlich haben wir diese Defini und Adleman gemeinsam mit Adi Sha
Oder wir verwandeln x und y durch tion so hingedreht, dass das gewünsch- mir die erste Realisierung eines asym
Verschlüsseln in Chiffretext, wenden te Ergebnis herauskommt. Das mag wie metrischen Verschlüsselungssystems
darauf geeignete Rechenoperationen Schummelei wirken, kann aber die Ma vorgestellt, das unter ihren Initialen als
an und entschlüsseln das Ergebnis; am thematiker nur mäßig beeindrucken. RSA bekannt wurde. Übrigens hatten in
Ende kommt dasselbe heraus. Die bei Die sind noch viel willkürlicher erschei dem entsprechenden Artikel Alice und
den Rechenwege verlaufen gewisser nende Definitionen der Multiplikation Bob ihren ersten Auftritt als prominen
maßen in parallelen Universen. Diese gewohnt, zum Beispiel für komplexe te Kommunikationspartner.
sollen im Folgenden Klarraum und Ge Zahlen und Matrizen. Das RSA-Schema in seiner Urform
heimraum heißen. Verschlüsseln durch Verdoppeln ist ist nur »teilweise homomorph«: Es gibt
Rechnen im Klarraum kennt jeder. also ohne jeden Zweifel homomorph, zwar eine Multiplikation verschlüssel
Wenn eine Zahl computerüblich im aber leider zur Geheimhaltung völlig ter Daten, aber keine Addition. Darauf
Zweiersystem (Binärsystem) als Folge ungeeignet. Schließlich müsste Bob die wiesen Rivest, Adleman und Dertouzos
von Nullen und Einsen (Bits) dargestellt Chiffredaten nur durch 2 teilen, um an schon damals hin und nannten auch ei
wird, dann bestehen Addition und Mul die Klardaten zu kommen. Es hilft auch nige andere Möglichkeiten, zumindest
tiplikation aus einer Folge logischer Ver nichts, wenn man zum Verschlüsseln partielle Homomorphismen zu konst
knüpfungen; und mehr brauchen wir statt mit 2 mit einer beliebig kompli ruieren, die man geheim halten kann.
nicht. Alle anderen Rechenoperationen zierten Zahl m multipliziert und m ge In den folgenden 30 Jahren gab es
lassen sich aus Addition und Multipli heim hält. Denn dann wäre die Multi gewisse Fortschritte. So entwarfen Dan
kation zusammensetzen.
Die Mathematik im Geheimraum
sieht dagegen völlig anders aus. Bei der Verwackelte Verschlüsselung
Verschlüsselung werden nämlich die
Bits einer Zahl gründlich durcheinan
dergewirbelt, während die klassischen
Additions- und Multiplikationsverfah
AMERICAN SCIENTIST, NACH: BRIAN HAYES
1887 gefundenen, der Nean- den sich nicht bei dem Fossil.
dertalrasse zuzurechnenden Die Abbildungen gestatten
Unterkiefer. Da man nicht kein abschließendes Urteil.
wagen konnte, das völlig Das Ende des Krieges wird
versteinerte Fossil von dem hoffentlich gestatten, das Al-
Steinmantel zu befreien, ter der Mandibula Bañola-
sind die Innenflächen nicht sensis und den Formenkreis,
Neandertaler! zugänglich. Dagegen liegt dem sie angehört, genauer zu
Oder doch nicht? der Alveolarteil mit 16 gut bestimmen.« Die Umschau 23,
»Hernandez-Pacheco (Mad- erhaltenen Zähnen frei. Die 1916, S. 470 – 472
rid) und der Abbé Hugues rechte Kieferhälfte ist ziem- (Bis heute konnte die Spezies
Obermaier veröffentlichten lich intakt, die Kieferäste nicht eindeutig bestimmt wer-
eine Untersuchung über eine sind niedrig und breit, auch den. Der Zahnschmelz wurde
Ist dies ein Neander-
›Mandibula Neandertaloide der Kieferkörper ist niedrig auf 66 000 ± 7000 Jahren da-
talerunterkiefer?
de Bañolas‹, einem im April und massig. Werkzeuge fan- tiert; d. Red.)
MIT DEM
SPEK TRUM DER
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Margot und Roland Spohn Maikäfer hat ein Neuntöter (Lanius col-
Bäume und ihre Bewohner lurio) auf dem Gewissen – ein Vogel, der
Der Naturführer zum reichen Leben sich Vorratslager in Sträuchern anlegt.
an Bäumen und Sträuchern Spohn und Spohn stellen die Ge-
Haupt, Bern 2016 hölzbewohner in jeweils etwa halbseiti-
302 S., € 29,90 gen Absätzen vor, wobei sie neben cha-
rakteristischen Eigenschaften auch fas-
zinierende Besonderheiten erläutern.
So erfährt man, dass der Gelbfüßige
Glanzrüssler, ein Rüsselkäfer, eigent-
ÖKOLOGIE lich gern an Birkenblättern frisst, aber
Bäume meidet, die neben Sumpfporst
Verborgen unter Blattwerk (Rhododendron tomentosum) wachsen.
Der Geruch dieser Pflanze, die zu den
Heidekrautgewächsen gehört, vertreibt
Bei genauem Hinsehen zeigt sich auf Bäumen und Sträuchern
den Sechsbeiner.
allerlei Verblüffendes.
Die Autoren haben viele aktuelle
wissenschaftliche Erkenntnisse zusam-
E in Haselnussstrauch mit einem ab- mischen und exotischen Gehölze vor. mengetragen. Beide sind ausgebildete
gestorbenen Blatt, mitten im Som- Das Besondere an den Porträts von Biologen, Roland Spohn zudem Natur-
mer? Eine Birke mit eigenartig ver- mehr als 50 Arten: Im Fokus stehen die fotograf und -maler. Sie besitzen reich-
wachsener Krone? Ein Maikäfer, aufge- Wechselbeziehungen zwischen Bäu- lich Erfahrung darin, Naturführer zu
spießt auf einen Dorn in einem Strauch? men und Sträuchern einerseits und ih- verfassen, und ihr Buch zeugt von ei-
Die Lektüre dieses Buchs macht Lust ren Bewohnern andererseits – vor allem nem unvergleichlichen Talent, komple-
darauf, sich mit den Ursachen solcher Vögeln, Insekten und Pilzen. Das ein- xe Sachverhalte einfach, spannend und
Phänomene zu beschäftigen: Tiere, gangs erwähnte Blatt etwa nutzt der dennoch fundiert darzustellen.
Pflanzen oder Pilze, die den Baum als Haselblattroller (Apoderus coryli) als Zahlreiche hervorragende Fotos und
Wohnstätte nutzen. Kinderstube für seine Käferlarven, die Zeichnungen bebildern das Werk. Be-
In ihrem Naturführer stellen Margot verwachsene Baumkrone rührt von achtlich, dass die Autoren fast alle der
und Roland Spohn die häufigsten hei- Pilzbefall her und den aufgespießten mehr als 400 Fotos selbst aufgenom-
Der Eichelbohrer (links) hat einen extrem langen Rüssel. Mit die- röhre ein und legt Eier ab. Auf Rosen spezialisiert haben sich da-
sem bohrt das Weibchen ein Loch bis weit in das Samengewe- gegen die Larven mehrerer Blattwespen (rechts). Hier fressen
be hinein. Anschließend dreht es sich um, dringt mit seiner Lege- die Afterraupen einer Bürstenhorn-Blattwespe an den Blättern.
ROLAND SPOHN; AUS SPOHN, M. & R.: BÄUME UND IHRE BEWOHNER; MIT FRDL. GEN. DES VERLAGS HAUPT, BERN
ROLAND SPOHN; AUS SPOHN, M. & R.: BÄUME UND IHRE BEWOHNER; MIT FRDL. GEN. DES VERLAGS HAUPT, BERN
D ie Physik kennt abstrakte Konzep- Mit Blick auf den letzten Umstand
te, die heute dermaßen vertraut lautet der Originaltitel des Films tref-
klingen, dass man leicht die enorme fend »Order and Disorder«. Der Physik-
Dampfmaschinen verwandelten dort
im 19. Jahrhundert Wärme in mechani-
sche Bewegung. Obwohl es jeden inter-
wissenschaftliche Leistung dahinter professor Jim Al-Khalili von der Uni essierte, der solche Maschinen betrieb,
vergisst. Wir meinen beispielsweise den versity of Surrey (England) erzählt darin wusste lange Zeit niemand: Wie effizi-
Begriff »Energie« intuitiv zu verstehen: die Geschichte der Thermodynamik. ent können sie überhaupt sein? 1824
Energie ist eben nötig zur Beleuchtung, Al-Khalili tritt seit Jahren in diversen veröffentlichte der französische Physi-
zur Fortbewegung, zum Heizen und so Physikdokumentationen in Erschei- ker Nicolas Léonard Sadi Carnot (1796 –
weiter. Selten machen wir uns jedoch nung und ist mittlerweile so etwas wie 1832) eine Abhandlung, in der er Wärme
bewusst, dass sich damit zwei funda- der Harald Lesch Englands. als eine Art Substanz beschrieb. Er er-
mentale Naturgesetze verbinden: ers- Menschen haben seit jeher Energie fand den Begriff des Wärmeflusses und
tens die Energieerhaltung und zweitens angezapft, die in natürlichen Prozessen entdeckte, dass der Temperaturunter-
die Tatsache, dass in einem geschlos umgesetzt wird: Obst ernten, Holz sam- schied in der Maschine über deren Effi-
senen System die Entropie nicht ab- meln, segeln oder Wasserkraft nutzen zienz entscheidet. Carnots Erkenntnisse
nimmt (»Tendenz zur Unordnung«). sind nur einige Beispiele dafür. Im Lauf mündeten letztlich in den ersten Haupt-
satz der Thermodynamik, dem zufolge verhalten sich mit statistischen Metho- brennt. Dem deutschen Publikum ver-
sich Energie immer nur umwandeln, den beschreiben lässt. Diese Vorgehens trauter sein dürfte das Projekt Wendel-
aber nie aus dem Nichts entstehen kann. weise rief allerdings den erbitterten stein 7-X in Greifswald, das auf das glei-
Nach allem, was wir heute wissen, gilt Widerstand von Kollegen hervor. Der che Ziel hinarbeitet. An die schönen
das im gesamten Universum. österreichische Physiker Ernst Mach Aufnahmen aus dem Innern des (engli-
Der deutsche Physiker Rudolf Clau (1838 – 1916) etwa nannte die Atome schen) Reaktors knüpft Al-Khalili die
sius (1822 – 1888) machte die einfache, »nicht-reale Entitäten«. Heute wissen Hoffnung, dass wir die Ordnung auf der
aber wichtige Beobachtung, dass Wär- wir: Boltzmanns Ansatz war der richtige. Erde noch etliche Millionen Jahre be-
me immer vom heißeren zum kälteren Wenn abgeschlossene Systeme im- wahren können.
Körper übergeht. Claudius gilt als Ent- mer zur Unordnung streben, wieso Der Film behandelt ein zentrales
decker des zweiten Hauptsatzes der kann sich dann im Universum etwas so und spannendes Thema der Physik,
Thermodynamik. Dieser besagt unter Geordnetes bilden wie das Leben? Wie und die Visualisierung ist ausgezeich-
anderem, dass die Entropie in einem Al-Khalili demonstriert, ist dies in nicht- net wie so oft bei Dokumentationen
abgeschlossenen, wärmedichten Sys- abgeschlossenen Systemen möglich, mit Al-Khalili. Jedoch hat das Werk eini-
tem nicht abnehmen kann. bei denen Energie fließt. Genau das ist ge Längen und Redundanzen. Sie wären
Ein mathematisches Modell für die- der Grund, warum Lebewesen Nahrung leicht zu vermeiden gewesen, hätte
ses Verhalten lieferte der österreichi- aufnehmen müssen: um ihren geord- man weitere Physiker ins Drehbuch
sche Physiker Ludwig Boltzmann (1844 – neten Zustand zu erhalten. Deshalb aufgenommen, die ebenfalls zur Ther-
1906). Al-Khalili stellt ihn als manisch- sind die Biosphäre im Allgemeinen und modynamik beitrugen: Robert Mayer
depressiven Menschen mit stark die Menschen im Besonderen perma- (1814 – 1878), James Joule (1818 – 1889)
künstlerischem Einschlag vor. Boltz- nent auf Energiequellen angewiesen. oder James Maxwell (1831 – 1879) etwa.
manns genialer Ansatz bestand darin, In der letzten Szene besucht Al-
die betrachteten Systeme als Ensemb- Khalili folgerichtig die britische Ein- Stefan Gillessen
les zahlloser Atome anzusehen, deren richtung Culham für Kernfusionsfor- Der Rezensent ist wissenschaftlicher Mitar-
Bewegungen man nicht individuell ver- schung. Dort versuchen Physiker das beiter am Max-Planck-Institut für extraterres-
folgen muss, sondern deren Kollektiv- Feuer zu zünden, das auch in der Sonne trische Physik in Garching.
W er auf die Idee kommt, praktizie- musproblem ein Dauerthema der Phi- alltägliche Ansicht schmähen Philoso-
rende Naturwissenschaftler zu losophie und Wissenschaftstheorie. phen als »naiven Realismus«; sofern
fragen, ob sie wirklich die Natur erfor- Sind individuelle Sinneseindrücke das sie den Realismus dennoch verteidi-
schen oder bloß mit abstrakten Ideen einzig Wahre, um Theorien zu beweisen gen, adeln sie ihn zum »kritischen Rea-
herumspielen, wird wahrscheinlich oder zu widerlegen? Sagt die Quanten- lismus«.
höflich des Labors verwiesen. Trotzdem theorie etwas über die Wirklichkeit aus Popper gesteht naturwissenschaftli-
ist die Frage als so genanntes Realis- oder nur über die Wahrscheinlichkeit chen Theorien einen Bezug zur Wirk-
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REZENSIONEN
Jürgen Beetz
Feedback – Wie Rückkopplung unser Leben bestimmt
Springer Spektrum, Berlin und Heidelberg 2016. 298 S., € 19,99
Der Systemanalytiker Jürgen Beetz zeigt überraschend viele Zusammenhänge auf, in denen Rückkopp-
lungen eine zentrale Rolle spielen. Sie sind stets unmittelbar und ohne Mühe nachzuvollziehen, auch
wenn sie einem vorher nicht bewusst waren. Das Buch bietet zahlreiche Aha-Erlebnisse, getrübt nur
von wenigen sachlichen Ungenauigkeiten. Im vorderen Teil des Werks klärt der Autor begriffliche
Grundlagen: Was ist Rückkopplung, was ein System? Was versteht man unter Chaos und was unter
Selbstbezüglichkeit? Gelegentlich fordert Beetz seinen Lesern etwas Durchhaltevermögen ab, gibt aber
interessante Anregungen in Sachen Philosophie. Es folgen zahlreiche Beispiele zu Rückkopplungspro-
zessen, sei es aus Evolution, Klima, Psychologie oder menschlichem Sozialleben, aus Politik, Wirtschaft,
Geschichte oder Technik. Leider weist das Buch jene Unzahl an Rechtschreib- und Druckfehlern auf, die
bei modernen Druckerzeugnissen mittlerweile üblich geworden ist. MARKUS NEUROHR
Iain Stewart
Planet Oil – Die Geschichte des Öls
Dokumentation, Großbritannien 2016. Polyband, München 2016. Laufzeit 150 Minuten, DVD € 16,–
Diese dreiteilige BBC-Dokumentation zeigt spannend aufbereitet die Geschichte des Erdöls. Geologie
professor Iain Stewart führt uns zu einschlägigen Schlüsselorten: Zu den ersten Förderstellen in den
USA, zu modernen Bohrplattformen in der Nordsee sowie nach Vorderasien, von wo aus die Ölkrisen in
den 1970er Jahren ihren Ausgang nahmen. Die Filme machen überdeutlich: Moderne Gesellschaften
sind abhängig vom Öl, und dies durchdringt alle Lebensbereiche und bestimmt wesentlich die Politik.
Eine Botschaft, die wieder und wieder unterstrichen wird, was auf Dauer die Geduld strapaziert und
vielleicht dem Seriencharakter der dreiteiligen Doku geschuldet ist. Das Werk behandelt auch den
anthropogenen Klimawandel und die Suche nach neuen Ölvorkommen und liefert hier für Laien eine
brauchbare Zusammenfassung. Alles in allem ist es sehenswert. TIM HAARMANN
Thomas Pfeifer
Treffen sich zwei Knochen – Fit und gelenkig bis ins hohe Alter
Westend, Frankfurt a. M. 2016. 224 S., € 14,99
Viel Bewegung, aber wenig Belastung: So heißt die Zauberformel für gesunde Gelenke. Thomas Pfeifer
ist seit über 20 Jahren Orthopäde in eigener Praxis und spricht aus Erfahrung. Sein Buch richtet sich an
medizinische Laien und erklärt, wie unsere Gelenke aufgebaut sind, was ihnen guttut und was nicht,
und wie man Gelenkverschleiß vorbeugen und behandeln kann. Fast jeden wird es irgendwann treffen.
Sobald die Gelenke anfangen, hier und da zu zwicken, sollte man sich Pfeifers Ratschläge zu Herzen
nehmen. Dann wird man auch noch eine ganze Weile mit den eigenen Körperteilen leben können.
Pfeifer versucht den Stoff aufzulockern, indem er Gelenke und Muskeln bisweilen sprechen lässt und
einen konstruierten Dialog mit dem Leser führt. Auch wenn das manchmal etwas gewollt wirkt, ist
sein Buch gut lesbar, ausgesprochen unterhaltsam und informativ. TANJA NEUVIANS
V al McDermid, Journalistin und fiktionale Genre und führt ihre Leser in klären. Die Zweiten bringen immer
Dozentin für englische Literatur, 200 Jahre Forensikgeschichte ein. Sie mehr Einfallsreichtum auf, um der Poli-
schreibt normalerweise Krimis und richtet ihren Blick auf echte Opfer, reale zei zu entkommen. So lernen wir einen
Thriller. Die gebürtige Schottin ist be- Täter und wirkliche Ermittler. In zwölf Mörder kennen, der ein Regenschirmge-
kannt dafür, ihre fiktiven Helden in äu- Kapiteln, die jeweils einem forensi- wehr konstruierte, mit dem er seinem
ßerst ungewöhnlichen Fällen auftreten schen Arbeitsgebiet gewidmet sind, Opfer tödliches Rizin an einer Bushalte-
zu lassen. Doch ihre blühende Fantasie lässt sie zahlreiche Experten zu Wort stelle injizierte.
wird von der Realität oft noch weit in kommen. Darunter finden sich Brand Bis sich die Forensik zur heutigen
den Schatten gestellt. Im vorliegenden ermittler, Entomologen, Pathologen, Wissenschaft entwickelte, war es ein lan-
Sachbuch verlässt McDermid daher das Computerspezialisten und viele mehr. ger Weg. 1247 verfasste der chinesische
Beamte Song Chi erste »Aufzeichnun- pers. Während dieser allmählich aus- Grad der Leichenstarre sowie der Zerset-
gen zur Tilgung von Ungerechtigkeit« trocknet, erscheinen erst Schmeißflie- zungsfortschritt analysiert, wie aus dem
als Grundlage für die Untersuchung gen, gefolgt von Käfern, Mottenlarven Band hervorgeht. Forensiker und Kri-
von Leichen. Erst im 19. Jahrhundert und Milben, die das Fleisch verzehren. minalbeamte geben schließlich ihre
wurde Beweismaterial vor Gericht zur Laut der forensischen Anthropolo- Untersuchungsergebnisse in die Hände
Regel, und 1892 verurteilte ein Gericht gin Sue Black gleicht kein Verwesungs- der Justiz, wo sie neutral und gewissen-
zum ersten Mal eine Täterin auf Grund prozess dem anderen, denn er hängt haft abgewogen werden sollen, um ein
ihrer Fingerabdrücke. Seit 1918 gibt es unter anderem von der Körpermasse, gerechtes Urteil zu ermöglichen.
das erste gerichtsmedizinische Institut Bekleidung und dem Fettgehalt des To- Der sachliche Stil des Buchs erlaubt
in New York, und 1988 wurde erstmals ten ab sowie von Medikamenten und es den Lesern, sich von den behandel-
ein Verbrechen anhand eines geneti- Drogen, die dieser eingenommen hatte. ten Verbrechen und den damit verbun-
schen Fingerabdrucks aufgeklärt. Heute Wie sich diese und weitere Variablen auf denen Schicksalen emotional zu dis-
suchen forensische Computerspezialis- den Zersetzungsprozess auswirken, un- tanzieren. Die zahlreichen Fallbeispiele
ten auch im Internet nach digitalen tersuchen Wissenschaftler an der an sind facettenreich dargestellt in Bil-
Spuren von Gewaltverbrechen. thropologischen Forschungsanstalt der dern, Zitaten und gut verständlichen
Um Verdachtsmomente zu erhärten, University of Tennessee. Sie setzen Erläuterungen wissenschaftlicher Me-
müssen die Ermittler oft viele Puzzletei- Leichname unterschiedlichen Umwelt- thoden und Erkenntnisse. Für fachlich
le miteinander kombinieren. Fingerab- bedingungen aus und überlassen diese näher Interessierte fallen sie stellenwei-
drücke, Aussagen von Zeugen und Sach- dann sich selbst. Ziel ist es, die große se etwas zu oberflächlich aus, ansons-
verständigen, DNA-Analysen und Un- Menge an unbekannten Einflüssen zu ten aber ist das Werk interessant und
tersuchungen an Insekten fügen sich erfassen und zu kategorisieren. Dabei lehrreich. Freunden abendlicher Krimi-
als Mosaiksteinchen in ein forensisches haben die Forscher unter anderem 400 serien bietet es die Möglichkeit, die
Gesamtbild ein. So erfahren wir von ei- verschiedene Verwesungsgerüche iden- Sendungen beim nächsten Mal mit ei-
nem Entomologen, dass sich anhand tifiziert. Das Wissen darüber, wann und nem kritischeren Blick zu verfolgen.
von Kerbtieren ermitteln lässt, wie lan- unter welchen Bedingungen ein toter
ge eine Leiche am Fundort liegt – das Körper diese abgibt, kann helfen, den Franziska Müschenich
Fressen beziehungsweise Eierablegen Todeszeitpunkt genauer zu bestimmen. Die Rezensentin hat Biologie und Kogni
richte sich bei den Sechsfüßern nach Zurzeit werden dafür vor allem die Tem- tionswissenschaften studiert und arbeitet als
dem zeitabhängigen Zustand des Kör- peratur der sterblichen Überreste, der Wissenschaftsjournalistin in Köln.
Ö koromantiker verbinden Natur So kam es in der Vergangenheit mehr- Erdgeschichte. Er umreißt für jedes da-
gern mit Harmonie. Blickt man zu- fach zu Massenaussterben: Perioden, in von, wie es ablief, welche Ursachen ihm
rück in die Erdgeschichte, erscheint das denen der weltweite Artenschwund ex- zu Grunde lagen, welche Organismen-
allerdings ziemlich absurd. Natur war treme Ausmaße erreichte. Im späten gruppen es betraf und was für Folgen
und ist oft alles andere als harmonisch. Perm etwa, vor rund 252 Millionen Jah- es hatte.
JAHRGANGS-
Vorgänge, Vulkanismus, Klimaschwan-
kungen, Veränderungen von atmosphä-
rischen und ozeanischen Zirkulations-
mustern sowie marine Sauerstoffarmut.
MacLeod geht zudem auf außerir
CD-ROM 2015
dische Faktoren ein, insbesondere den
großen Meteoriteneinschlag in der spä-
ten Kreide, der den Chicxulub-Krater
hinterließ. Er äußert begründete Zweifel
daran, dass dieser Impakt das damalige
Mehr Rezensionen finden Sie Artensterben allein verursachte. Das
unter: Aufprallereignis habe vielmehr eine be-
www.spektrum.de/rezensionen reits krisenhafte Situation weiter de
stabilisiert, schreibt der Paläontologe.
Ebenfalls erhellend sind seine Betrach-
Für kundige Autoren wie MacLeod tungen kleinerer Aussterbeereignisse in
ist das eigentlich dankbarer Stoff. Ohne den vergangenen 65 Millionen Jahren.
große Mühe können sie die Aufmerk- Dass wir heute ein anthropogenes
samkeit eines breiten Publikums ge- »sechstes Massenaussterben« erleben,
winnen. Umso erstaunlicher, wie wenig wie vielfach behauptet wird, kann der
populär der Wissenschaftler sein The- Autor nicht bestätigen. Solche Thesen
ma präsentiert. Nicht nur, dass er seine beruhten ausnahmslos auf Extrapola
Leser hemmungslos mit Fachsprache tionen kleiner Datensätze, die sich auf
konfrontiert, weit gehend ohne sich zu vergleichsweise kurze Zeitintervalle
erklären. Er quält sie auch mit endlosen oder begrenzte Regionen beziehen oder
Schachtelsätzen, extremem Nominal- von Organismen stammen, die fossil
stil und furchtbar umständlichen For- eher schlecht vertreten sind. Daher lie-
mulierungen. Die Übersetzung mag ßen sie sich kaum mit dem Fossilbe-
ihren Anteil daran haben; sie könnte fund vergangener Aussterbeereignisse
jedenfalls besser sein. Nach wie vor be- vergleichen. Man wisse schlicht zu we-
steht kein zwingender Grund, den nig, um die Tragweite des derzeitigen
Strahlstrom als Jetstream zu bezeich- Artenschwunds einzuschätzen. In dem
nen und die Stoßwelle als Schockwelle. Zusammenhang stellt MacLeod ver-
Man täte dem Buch trotzdem Un- schiedene Methoden vor, um künftige
recht, würde man es als schlecht be- Aussterberaten abzuschätzen.
zeichnen. MacLeod hat Interessantes Das Buch ist üppig bebildert und mit Die CD-ROM bietet Ihnen alle Artikel
mitzuteilen, und wenn er sich in den Grafiken versehen. Es fehlt ihm jedoch (inklusive Bildern) des vergangenen
hinteren beiden Buchdritteln mit ver- eine zentrale Übersicht über alle be- Jahres im PDF-Format. Diese sind im
gangenen Erdzeitaltern und längst aus- sprochenen Zeitabschnitte. Und das Volltext recherchierbar und lassen
gestorbenen Lebewesen befasst, geht Glossar, immerhin vorhanden, erklärt sich ausdrucken. Eine Registerdaten-
davon fraglos Faszination aus. Es ist nur wenige der verwendeten Fachbe- bank erleichtert Ihnen die Suche ab
spannend zu erfahren, dass sich die gro- griffe.
der Erstausgabe 1978. Die Jahrgangs-
ßen Aussterbeereignisse mehr oder we- Alles in allem präsentiert sich »Arten
CD-ROM kostet im Einzelkauf € 25,–
niger ohne extraterrestrische Einflüsse sterben« als Werk aus kompetenter
(zzgl. Porto) oder zur Fortsetzung
erklären lassen – ob im späten Ordovizi- Hand, das leider viel von seinem Poten-
€ 18,50 (inkl. Porto Inland).
um (vor 444 Millionen Jahren), Devon zial verschenkt. Das ist schade, hat der
(vor 360 Millionen Jahren), Perm (vor Autor doch Substanzielles beizutragen –
252 Millionen Jahren), der späten Trias speziell wenn es darum geht, den an
(vor 200 Millionen Jahren) oder Kreide thropogenen Artenschwund mit erdge-
(vor 66 Millionen Jahren). Die damali- schichtlichen Krisen zu vergleichen.
gen ökologischen Krisen, so die These,
So erreichen Sie uns:
entstanden vermutlich, weil irdische Frank Schubert
Faktoren unglücklich zusammentrafen. Der Rezensent ist Redakteur bei »Spektrum der Telefon: 06221 9126-743
Dazu gehörten Änderungen des Mee- Wissenschaft«. www.spektrum.de/recherche
Fax: 06221 9126-751
E-Mail: service@spektrum.de
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Das Rechercheportal für
herausragende Wissenschaftlerinnen
AcademiaNet, das europäische Rechercheportal für Eine Initiative der Robert Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit
Spektrum der Wissenschaft und der nature publishing group
herausragende Wissenschaftlerinnen, bietet:
1,0
–21
Abkling-
relative Längenänderung (10 )
–21
0,5 phase
1,0
relative
0,0 0,5
0,0
– 0,5
– 0,5
– 1,0 L1 beobachtet – 1,0 numerische Relativität
H1 beobachtet H1 beobachtet (angepasst an relative Position zu L1) Wellenmodelle
0,30 0,35 0,40 0,45 0,30 0,35 0,40 0,45 0,30 0,35 0,40 0,45
Zeit in Sekunden Zeit in Sekunden Zeit in Sekunden
ABBOTT, B.P. ET AL.: OBSERVATION OF GRAVITATIONAL WAVES FROM A BINARY BLACK HOLE MERGER. IN: PHYSICAL REVIEW LETTERS 116, 061102, 2016, FIG. 1 UND 2 (10.1103/PHYSREVLETT.116.061102)
DER GEISTERFÄNGER
Wer die Geografie fremder Planeten erforschen will, sollte
über die Gebräuche der Aliens Bescheid wissen.
VON S. R. ALGERNON
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VORSCHAU Das Juliheft ist ab 25. 6. 2016 im Handel.
FOTOLIA / OUTDOORSMAN
Gottfried Wilhelm Leibniz
Vor 370 Jahren geboren, vor 300 Jahren gestorben: Aus Anlass des Doppel
jubiläums widmen wir dem Universalgelehrten eine Artikelserie. Er ent
warf für das gesamte Themenspektrum vom Binärsystem und der mecha
nischen Rechenmaschine bis hin zu der Idee von der besten aller mögli
chen Welten einen umfassenden philosophischen Rahmen.
Unsichere Zukunft
Die Eisbären sind nahe Verwandte
des Braunbären, die sich an das Leben
auf dem Packeis angepasst haben.
Jetzt gefährden Umweltverschmutzung
und schrumpfender Lebensraum ihr
Überleben. Aber wie genau wirken sich
solche Schadfaktoren auf die Popula-
tion dieser Tiere aus?
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