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Berlioz - Symphonie Fantastique

Titel
Fantastische Symphonie op. 14, im Original “Épisode de la vie d’un artiste, symphonie
fantastique en cinq parties”
Komponist
Hector Berlioz (1803-1869)
Datum
1830, dem Zar Nikolaus I. von Russland gewidmet.
Besetzung
Für seine Symphonie fantastique, die er 1830 komponierte, fordert Berlioz eine – für die
Entstehungszeit – neuartige und ungewöhnlich große Orchesterbesetzung:
2 Flöten (2. auch Piccoloflöte); 2 Oboen (2. auch Englischhorn)
2 Klarinetten (1. auch Es-Klarinette); 4 Fagotte
4 Hörner; 2 Kornette; 2 Trompeten; 3 Posaunen; 2 Ophikleïden
4 Pauken; Becken; Große Trommel; Kleine Trommel; 2 Glocken
2 Harfen
Streicher: Violinen 1 und 2: jeweils mindestens 15; Violen: mindestens 10; Violoncelli:
mindestens 11; Kontrabässe: mindestens 9.

Gliederung
Fünf Sätzen mit einem Programm

1. Träumereien, 1. c moll; 4/4 1. Sonatensatzform mit


Leidenschaften C-Dur, 2/2 Prolog und Epilog
(Rêveries, Passions)/
Allegro agitato e
appassionato assai
2. Ein Ball (Un Bal), 2. A dur; 3/8 2. Walzer
Allegro non troppo Intro A B A’ Coda
3. Szene auf dem 3. F dur; 6/8 3. Tema con
Lande (Scène aux Variazioni?
champs), Adagio Thema mit 5 Var.
4. Der Gang zum 4. g moll; 2/2 4. Marsch
Richtplatz (Marche Intro A B A’ B’ Coda
au supplice), Epilog
Allegretto non
troppo
5. Hexensabbat (Songe 5. c moll; 4/4 5. Prolog; Intro;
d’une nuit du Es dur; 6/8 Dies Irae;
Sabbat), Larghetto/ C dur Ronde du Sabbat
Allegro (Fugue);
Beschreibung
Die Symphonie fantastique war quasi die erste Vorstellung seines eigenen Stils, die erste
o zielle Stellungnahme eines Komponisten, der Musikgeschichte schreiben und Paris im
Sturm erobern wollte. Berlioz fand hier auch nur einen einzigen angemessenen Weg,
nämlich eine neue Gattung zu erfinden. Sein genialer Plan war Gattungen zu verschmelzen
und Konventionen zu brechen. Er schuf ein „Instrumentaldrama“, das einer Erklärung in
Form eines literarischen Beiwerkes – eines Programmes – bedurfte.

Pariser Musikerziehung
Wir befinden uns im Jahre 1830. Die französische Hauptstadt stand ganz im Zeichen der
französischen Opéra und internationale Musik konnte nur schwer bestehen. Das Pariser
Publikum kannte musikalische Gattungen wie die Symphonie kaum, da jene traditionell
eher im deutschsprachigen Raum beheimatet war. Dies begann sich jedoch zu ändern, als
der angesehene Dirigent François-Antoine Habeneck die Beethoven-Symphonien
au ührte. Und so wurde in Paris eine Renaissance des deutschen Komponisten und der
Symphonie eingeleitet. Um der Gattungsfrage noch etwas weiter nachzugehen, muss man
an dieser Stelle auch die „Fantasia“ erwähnen. Der Titel Symphonie fantastique wurde von
Berlioz sehr bewusst gewählt. Die Charakteristik des „Fantastischen“ erlaubte Berlioz
Freiheit und Unabhängigkeit im musikalischen Sinne – eine Herangehensweise, die beim
französischen Publikum der 1830er Jahre bald an ihren Erwartungshorizont stieß.

Dem Liebesdurst Ausdruck verleihen


Für ihn war die Symphonie fantastique der einzige Weg, seine intensiven Empfindungen
und blühende Phantasie zu stillen und zu verarbeiten. Grund für diesen „Liebesrausch“ war
eine Dame namens Harriet Smithson. Die britische Schauspielerin verzauberte durch ihr
Schauspiel der Shakespeare-Dramen ganz Paris und so auch Hector Berlioz. Er erblickte
sie zum ersten Mal 1827 in einer Hamlet-Au ührung und dieses Ereignis war von solch
großer Intensität, dass sie zum Anlass des epochalen Werkes wurde.

Die Werbestrategie
Berlioz war sich als junger und relativ unbekannter Komponist natürlich bewusst, dass er
eine spezielle Werbestrategie brauchte, um den Saal des Conservatoire de Paris für ein
derart großes und aufwändiges Stück zu füllen. Da kam ihm schon eine unerwiderte
Leidenschaft gerade recht, um das sensationslüsterne Pariser Publikum neugierig zu
machen. Denn er beschloss kurzer Hand eine heimliche A äre mit dem britischen
Theaterstar ö entlich zu inszenieren, was ihm sogar gelang und einen ausverkauften
Konzertsaal bescherte.

Der Abend der Urau ührung


Die Urau ührung am 5. Dezember 1830 war ein voll Erfolg. Die Gründe dafür mögen
vielschichtig sein, doch vermutlich liegen sie in der Konzeption des Werkes. Berlioz wusste
zu überraschen und empfing das Publikum mit einem Programmzettel, wo die abstrakte
Liebesgeschichte seiner eigenen Person mit der britischen Schauspielerin als Vorlage und
literarische Beschreibung der Symphonie dienen sollte. Damit lenkte er die Empfindungen
des Publikums von Anfang an zu seinen Gunsten. Dazu überraschte er auch musikalisch
durch seine revolutionären Neuerungen und Ideen für die Instrumentalmusik.

„Der Zettel“
Berlioz war sozusagen der Erfinder der Programmmusik, einer neuen Gattung. Dieses
Werk, das der junge 26-jährige Franzose schuf, war derart neu, sodass er sich verpflichtet
fühlte, nach einem bewussten Brechen mit Gattungsgrenzen und Konventionen, eine
Erklärung zu liefern. Er wollte gewissermaßen eine Legitimation des Stückes für den
französischen Konzertsaal des 19. Jahrhunderts geben. So etwas hatte es noch nie gegeben:
Literatur in Form einer Szenenbeschreibung der einzelnen Sätze mit reiner
Instrumentalmusik zu verbinden. Der „Zettel“ lieferte das Form gebende Element für die
Symphonie, die eben nicht wie eine typische Symphonie im Beethovenschen Sinne
aufgebaut wurde.Das Programm hatte auch eine schöpferische Funktion. Es beschreibt den
Gehalt im Hörerlebnis und soll zu einer Fülle an Assoziationen anregen. Man durchlebt als
Hörer den Prozess der Hauptperson selbst durch, vergleichbar mit einem mitreißenden
Film. Dazu diente Berlioz kein Komponist als Vorbild, sondern Literaten, im genaueren
William Shakespeare oder Victor Hugo.

Die Idée fixe


Berlioz nahm ein Thema zur Hand, dass die Geliebte des Künstlers, der die Hauptperson
darstellte, symbolisieren sollte. Diese Idée fixe verfolgt den Künstler zuerst verliebt und
ho nungsvoll, doch in späteren Sätzen tritt sie immer düsterer und verzerrter auf. Dabei
verwendete Berlioz die Technik des semantischen Erinnerungsmotivs von der Oper und
übertrug das System auf die Instrumentalmusik – eine Neuheit. Dieses Erinnerungsmotiv –
eine Melodie aus vier bis acht Takten – kommt in allen Sätzen vor und zeigt Stationen im
Formverlauf dar. Allerdings entwickelt Berlioz das Motiv nicht weiter oder arbeitet
kompositorisch damit, wie es traditionell üblich wäre, sondern es tritt in immer neuen
Kombinationen mit anderen Motiven der einzelnen Sätze auf und wird bis zum Schluss hin
verstümmelt und verzerrt.
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Programm
Dies ist das von Berlioz vorbereitete Programm, das gedruckt und an das Publikum verteilt
wurde.
Vorbemerkung
Ziel des Komponisten war es, verschiedene Situationen aus dem Leben eines Künstlers zu
schildern, soweit diese musikalisch darstellbar sind. Da dieses Instrumental-Drama durch
keinen Worttext unterstützt wird, bedarf sein Plan einer vorherigen Erklärung. Das
folgende Programm ist daher wie der gesprochene Text einer Oper zu betrachten, der in
die einzelnen Sätze der Musik einführt und ihren Charakter und ihre Aussage erklärt.
Erster Satz. Träumereien – Leidenschaften (Rêveries – Passions )
Der Komponist stellt sich vor, dass ein junger Musiker, der unter dem Einfluss jenes
seelischen Leidens steht, das ein berühmter Schriftsteller als le vague des passions
bezeichnet, zum ersten Mal eine Frau sieht, die in sich alle Reize des Idealwesens vereinigt,
das er sich in seiner Vorstellung erträumt hat, und dass er sich sterblich in sie verliebt.
Eigentümlicherweise zeigt sich das geliebte Bild dem geistigen Auge des Künstlers nie,
ohne mit einem musikalischen Gedanken verbunden zu sein, in welchem er einen gewissen
leidenschaftlichen, aber noblen und schüchternen Charakter erkennt, wie er ihn auch dem
geliebten Wesen zuschreibt. Dieses musikalische Bild und dessen Vorbild verfolgen ihn
unau örlich wie eine doppelte idée fixe.
Dies ist der Grund, warum das Anfangsmotiv des ersten Allegro konstant in allen Sätzen
der Symphonie wiedererscheint. Der Übergang aus dem Zustand melancholischen
Träumens, unterbrochen durch einige Anwandlungen zielloser Freude, zu jenem einer
verzückten Leidenschaft mit ihren Regungen von Zorn und Eifersucht, ihren Rückfällen in
Zärtlichkeit, ihren Tränen, ihrem Streben nach religiösen Tröstungen – dies ist der
Gegenstand des ersten Satzes.
Zweiter Satz. Ein Ball (Un Bal )
Der Künstler ist in die verschiedensten Lebensumstände versetzt: mitten in den Tumult
eines Festes, in friedvolle Betrachtung der Schönheiten der Natur; aber überall, in der
Stadt, auf dem Lande, erscheint das teure Bild vor seinem Auge und versetzt ihn in Unruhe.
Dritter Satz. Szene auf dem Lande (Scène aux Champs )
Eines Abends auf dem Lande hört er in der Ferne zwei Hirten, die zusammen einen ranz de
vaches (Kuhreigen) spielen; dieses ländliche Duo, der Ort des Geschehens, das leise
Rauschen der sanft vom Wind bewegten Bäume, gelegentliche Anflüge neu au eimender
Ho nung – all dies bringt seinem Herzen einen ungewohnten Frieden und stimmt seine
Gedanken freudiger. Er sinnt über seine Einsamkeit nach: er ho t, bald nicht mehr allein
zu sein … Doch wie, wenn sie ihn täuschte … Diese Mischung von Ho nung und Furcht,
diese Gedanken von Glück, durch dunkle Vorahnungen gestört, bilden den Gegenstand des
Adagio. Am Schluss wiederholt einer der Hirten den ranz de vaches; der andere antwortet
nicht mehr ... Fernes Donnergrollen … Einsamkeit … Stille …
Vierter Satz. Gang zum Richtplatz (Marche aux supplice )
In der sicheren Erkenntnis, dass seine Liebe missachtet werde, vergiftet sich der Künstler
mit Opium. Die Dosis des Narkotikums ist zwar zu schwach, um ihm den Tod zu geben,
versenkt ihn aber in einen von den schrecklichsten Visionen begleiteten Schlaf. Er träumt,
er habe die Frau, die er liebte, getötet, er sei zum Tode verurteilt, werde zum Richtplatz
geführt und helfe bei seiner eigenen Hinrichtung. Der Zug nähert sich unter den Klängen
eines bald düsteren und wilden, bald prächtigen und feierlichen Marsches, in dem das
dumpfe Geräusch schwerer Marschtritte ohne Übergang auf Ausbrüche von größter
Lautstärke folgt. Am Ende des Marsches erscheinen die ersten vier Takte der idée fixe
wieder wie ein letzter Gedanke an die Liebe, unterbrochen durch den tödlichen Schlag.
Fünfter Satz. Traum einer Sabbatnacht (Songe d’une nuit de Sabbat )
Er sieht sich beim Hexensabbat inmitten einer abscheulichen Schar von Geistern, Hexen
und Ungeheuern aller Arten, die sich zu seiner Totenfeier versammelt haben. Seltsame
Geräusche, Stöhnen, schallendes Gelächter, ferne Schreie, auf die andere Schreie zu
antworten scheinen. Das Motiv seiner Liebe erscheint noch einmal, doch es hat seinen
noblen und schüchternen Charakter verloren; es ist nichts mehr als ein gemeines Tanzlied,
trivial und grotesk; sie ist es, die zum Sabbat gekommen ist ... Freudengebrüll begrüßt ihre
Ankunft ... Sie mischt sich unter das teuflische Treiben ... Totenglocken, burleske Parodie
des Dies irae, Sabbat-Tanz. Der Sabbat-Tanz und das Dies irae zusammen.

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