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Stereochemie Teil 2

Chirale und achirale Strukturen:


Asymmetrische Kohlenstoffatome

Konfigurationsisomere Teil 2
Enantiomerie: Bild- und Spiegelbild-Isomere
Bestimmung der absoluten Konfiguration nach
Cahn-, Ingold un Prelog (CIP-Nomenklatur)
Racemische Mischung

Optische Aktivität chiraler Verbindungen

J. Glatthaar 1
Chirale Strukturen

Chirale Moleküle können nicht mit ihrem Spiegelbild zur Deckung


gebracht werden.

Zwei Beispiele:

A) Das Spiegelbild der linken Hand B) Der Hammer, ein achiraler


ist keine linke Hand, sondern Gegenstand.
eine rechte Hand.
J. Glatthaar 2
Achirale Strukturen

Strukturen die sich mit ihrem Spiegelbild zur Deckung bringen


lassen nennt man achiral.

J. Glatthaar 3
Achirale Strukturen

Strukturen die sich mit ihrem Spiegelbild zur Deckung bringen


lassen nennt man achiral.

Fusseltierchen (peniculum saetigerum)


Sind als Sauberkeitsfanatiker berüchtigt und stürzen sich mit
Vehemenz auf jedes Fussel- und Staubteilchen, dessen sie
habhaft werden können.

J. Glatthaar 4
Bild und Spiegelbild

(Halbritters Tier- und Pflanzenwelt)

J. Glatthaar 5
Wie kann es Moleküle geben, die sich mit ihrem Spiegelbild
nicht zur Deckung bringen lassen?

Betrachten wir die radikalische Bromierung von Butan

H
H H H3C Br
H 3C H3C Br H
+ Br2 +
H - HBr H3C
H H3C
H
H 3C H H
H

2-Brombutan
zwei nicht deckungsgleiche Strukturen

J. Glatthaar 6
Wie kann es Moleküle geben, die sich mit ihrem Spiegelbild
nicht zur Deckung bringen lassen?

Die beiden Stereoisomere von 2-Brombutan sind nicht deckungsgleich

Paare von Molekülen, die sich zueinander spiegelbildlich verhalten,


bezeichnet manJ. Glatthaar
als Enantiomere. 7
Enantiomere

Stereoisomere die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten und


sich nicht zur Deckung bringen lassen nennt man Enantiomere.

Enantiomere = Nichtdeckungsgleiche Stereoisomere

J. Glatthaar 8
Einige Beispiele für chirale und achirale Moleküle

H H F F
H3C Br Br CH3 Cl Br Br Cl
C C C C

H C C H H H
H CH3 CH3 H
Chiral Chiral
Chiral Chiral Spiegelebene
Spiegelebene

CH3 H H NH 2

C C C C
H H H H CH3 H
CH3CH2 CH3
OCH3 COOH Cl COOH
Chiral Achiral Achiral Chiral

J. Glatthaar 9
Bestimmung der absoluten Konfiguration nach
Cahn-, Ingold und Prelog (CIP-Nomenklatur)
R- oder S-Konfiguration an einem
tetraedrischen Chiralitätszentrum
Regel 1 Festlegung der Priorität der Substituenten
Die Priorität (Wichtigkeit) der Substituenten erfolgt über die Größe der
Ordnungszahl der Atome (Atomasse bei Iotopen), die direkt an den
asymmetrischen Kohlenstoff gebunden sind.

Oz11
AN H (d)
(a)
I C (c)
Oz
AN 53 CH3
53 Br(b)

AN AN 66
Oz
Oz 35
35

J. Glatthaar 10
Bestimmung der R- oder S-Konfiguration
an einem tetraedrischen Chiralitätszentrum
Regel 2 Sphärenregel
Sind zwei oder mehr mit dem asymmetrischen Kohlenstoff verknüpfte Atome identisch , so
vergleicht man die an diese Atome angeknüpften weiteren Atome. Die Prioritätsfolge wird
von dem angeknüpften Atom mit der größten Ordnungszahl bestimmt. Bei gleicher
Ordnungszahl bestimmt gibt die größere Anzahl Atome gleicher Ordnungszahl den Vorzug.

H H C H3

C H hat eine niedrigere Priorität als C C H3 hat eine niedrigere Priorität als C C H3

H H H

Methyl Ethyl Isopropyl


C H3 C H3

C C H3 hat eine niedrigere Priorität als C C H3

H CH3
Isopropyl tert-Buthyl

CH2CH2CH2 O H CH2CH2CH2 O H
C CH2 O H hat eine niedrigere Priorität als C CH2 O CH3
H J. Glatthaar H 11
Bestimmung der R- oder S-Konfiguration
an einem tetraedrischen Chiralitätszentrum
Regel 3
Bei Substituenten mit Mehrfachbindung werden die mehrfach
gebundenen Atome entsprechend der Anzahl der Mehrfachbindung
mehrfach gezählt.
H H H H
C C wird als C C R betrachtet

R C C
C C
C C R wird als C C R betrachtet

C C
O O
C H wird als C H betrachtet
O C
O O
C OH wird als C OH betrachtet
O C
J. Glatthaar 12
Bestimmung der R- oder S-Konfiguration
an einem tetraedrischen Chiralitätszentrum

Regel 4 Festlegung des Drehsinns


Nach der Bestimmung der Prioritäten der Substituenten wird das Molekül
so zum Beobachter gedreht, dass der Substituent mit der niedrigsten
Priorität vom Beobachter wegschaut bzw. nach hinten gedreht ist.

J. Glatthaar 13
Bestimmung der R- oder S-Konfiguration
an einem tetraedrischen Chiralitätszentrum
Regel 4 Festlegung des Drehsinns
Führt man jetzt eine kreisförmige Bewegung durch, in dem man am Substituenten höchster
Priorität (a) beginnt, sich in Richtung Substituent (b) und (c) fortbewegt und schließlich zum
Substituenten (a) zurückkehrt, lässt sich der Drehsinn des chiralen Moleküls festlegen. Das
Konfigurationsisomere mit einem Drehsinn im Uhrzeigersinn wird als R-Isomer bezeichnet.
Das Konfigurationsisomer, dessen Drehsinn gegen den Uhrzeigersinn gerichtet ist, wird als
S-Isomer bezeichnet.

J. Glatthaar 14
Beispiele zur Bestimmung der R- oder S-
Konfiguration

J. Glatthaar 15
Übungsaufgabe: Bestimmem Sie die absolute
Konfiguration der folgenden Moleküle:

O O

Limonen Carvon

J. Glatthaar 16
Viele Stereoisomere haben unterschiedliche Wirkung !

z.B.:

S-Isomer riecht nach Tannenzapfen und R-Isomer nach Orangen !


J. Glatthaar 17
Racemische Mischung

Racemische Mischung = eine 1:1 Mischung der beiden Enantiomeren

Fast alle synthetischen chiralen Verbindungen, die als Pharmaka


verwendet werden, werden als racemische Mischung hergestellt.
(Die Trennung der Racemat ist kostspielig und die Synthese eines
Enantiomers öfters sehr kompliziert.)
O
H
Zum Glück sind viele falsche N C O
Enantiomere biologisch inaktiv. N
Ein schlimmes Ausnahme ist der O O H
(S)-Enantiomer
Fall Contergan, das im Jahre (Mutagen)
1960 als racemisches Gemisch O
an Schwangere Frauen verordnet
N C O
wurde und zu schweren mißbil-
N
dungen führte. O O
H
H
(R)-Enantiomer
J. Glatthaar 18
(Sedativum)
Linear polarisiertes Licht zur Messung der optischen Aktivität

Darstellung
Elektro-
magnetischer
Wellen B

A. Ein elektrischer Feldvektor (blau) und der dazu senkrechte mag-


netische Feldvektor (rot).

B. Bei gewöhnlichem Licht weisen die Feldvektoren in alle Richtungen.

C. Ein andere Ansicht von Teil A, in der sich das Licht von der linken
zur rechten Seite des Papiers ausbreitet.
J. Glatthaar 19
Messung der optischen aktivität mit Hilfe der Polarimeter

Polarimeter

Mit Polarimeter mißt man die optische Drehung. Als Lichtquelle wird
die monochromatische Natrium-D-Lampe verwendet ( = 589 nm).
Das Licht wird durch die Nicolsche Prisma linear polarisiert. Die
Drehung der Schwingungsebene (optische Drehung ) wird nach dem
passieren der Meßzelle mit Hilfe einer weiteren Nicolsche Prisma
gemessen. spezifische Drehung []T =  l . c
J. Glatthaar 20
Erzeugung linearpolarisiertes
Licht mit Hilfe der Polarisator

Bestrahlung der Medium


mit polarisierten Licht

J. Glatthaar 21
Messung der optischen Drehung

Ungleichmäßige Wechselwirkung des schwingenden elektrischen


Felds von Linear polarisiertem Licht mit einem chiralen Molekül.

J. Glatthaar 22
Spezifische Drehung einiger chiraler Moleküle

J. Glatthaar 23
Zusammenfassung

Bei Stereoisomeren ist die Reihenfolge der Atome dieselbe, die


räumliche Anordnung aber unterschiedlich. Zu den Stereoisomeren
gehören cis- und trans-Isomere sowie Enantio- und Diastereomere.

Ein Objekt, das sich nicht mit seinem Spiegelbild zur Deckung
bringen läßt, ist chiral.

Ein Kohlenstoffatom, an das vier verschiedene Substituenten gebunden


sind (ein asymmetrisches C-Atom), ist ein Chiralitätszentrum.

Enthält ein Molekül ein Chiralitätszentrum, tritt es als Enantiomerenpaar


auf. Enantiomere sind Stereoisomere, bei denen sich das eine zum
anderen wie Bild zum Spiegelbild verhält und nicht zur Deckung bringen
läßt.

Damit ein Molekül chiral ist, darf es weder eine Symmetrieebene noch
ein Symmetriezentrum haben.
J. Glatthaar 24
Kinetik chemischer Reaktionen

Zeitgesetz (Geschwindigkeit) einer chemischen Reaktion

d [ A] d [C ]
RG = − = = k [ A]a [ B ]b
dt dt

Die Ordnung einer chemischen Reaktion


Die Ordnung einer chemischen Reaktion ist durch die Summe
der Potenzen der Konzentrationsglieder im Zeitgesetz (a+b)
festgelegt
Reaktion 0. Ordnung: Radioaktiver Zerfall
Reaktion 1. Ordnung: Nukleophile Substitution SN1
Reaktion 2. Ordnung: Nukleophile Substitution SN2
J. Glatthaar 25
Kinetik chemischer Reaktionen

Die Reaktionsgeschwindigkeit chemischer Reaktionen wird


direkt von der Aktivierungsenergie EA (bzw. genauer: von der
freien Aktivierungsenthalpie) ihres langsamsten Schrittes
bestimmt.

Die Aktivierungsenergie EA ist die Energiedifferenz zwischen den


Edukten (Ausgangssubstanzen) und dem Übergangszustand des
Reaktionsschrittes.

Da der Übergangszustand wegen seiner (theoretisch) unendlich


kleinen Lebensdauer experimentell nicht direkt zugänglich ist, kann
seine Struktur in der Regel nur vermutet werden. Der Einfluss von
verschiedenen Substituenten auf seine Energie kann praktisch
nicht vorhergesagt werden.

J. Glatthaar 26
Kinetik chemischer Reaktionen
Modellhafte Darstellung des Geschwindigkeitsbestimmenden
Schrittes

Die Geschwindigkeit, mit der Wasser durch einem Schlauch


fließt, wird von der stärksten Verengung bestimmt.

J. Glatthaar 27
Kinetik chemischer Reaktionen:
Das Polany-Hammond-Postulat

Die gegenseitige Umwandlung zwischen zwei auf einer


Reaktionskoordinate benachbarten Spezies erfordert nur eine
kleine Änderung der Molekülstruktur, wenn sie nahezu die
gleiche Energie besitzen.

Folgerungen:
Wird bei einer Reaktion nach dem Übergangszustand eine
energiereiche Zwischenstufe durchlaufen, so unterscheidet sich diese
Zwischenstufe strukturell nur wenig vom Übergangszustand.
Der Einfluss von verschiedenen Substituenten auf die Energie des
Übergangszustandes kann deswegen anhand des Einflusses dieser
Substituenten auf die Energie der Zwischenstufe abgeschätzt werden.

J. Glatthaar 28
Kinetik chemischer Reaktionen:
Das Polany-Hammond-Postulat

Folgerung: Sinkt in Folge eines Substituentenwechsels (Kurve rot zu


grün) die Aktivierungsenergie einer Reaktion, muß auch die Energie des
gesamten Reaktionsprofils entlang der Reaktionskoordinate sinken.
J. Glatthaar 29
Kinetik chemischer Reaktionen:
Das Polany-Hammond-Postulat

• Bei (stark) exothermen Reaktionen sind die


Edukte dem Übergangszustand energetisch
wesentlich näher als die Produkte, so dass der
Übergangszustand den Edukten strukturell sehr viel
ähnlicher sein muss als den Produkten
(Reaktionen mit frühem Übergangszustand).

• Bei (stark) endothermen Reaktionen hingegen


sind die Produkte dem Übergangszustand
energetisch wesentlich näher als die Edukte, so dass
der Übergangszustand den Produkten strukturell
sehr viel ähnlicher sein muss als den Edukten
(Reaktionen mit spätem Übergangszustand).

J. Glatthaar 30
Kinetik chemischer Reaktionen: Die Arrhenius-Gleichung

k = k0 e -ΔEA/RT

Faustregel 1: Wird die Temperatur um 10 Grad angehoben, verdoppelt


sich die Reaktionsgeschwindigkeit.
Faustregel 2: Reaktionen mit einer Aktivierungsenergie < 85 KJ mol-1
laufen bei Raumtemperatur ohne zusätzliche Energiezufuhr ab..
J. Glatthaar 31
Eigenschaften und Reaktionen der Halogenalkane
Nomenklatur der Halogenalkane und Halogenierte
Organische Verbindungen und Umwelt
Polarität der Bindung: Elektrophilie und Nucleophilie
Nukleophile Substitution
a) SN2-Reaktionen
b) SN1-Reaktionen

Zusammenfassung

J. Glatthaar 32
Nomenklatur der Halogenalkane

F
CH3
H3C C Br
CH3 I
CH3

Iodmethan Fluorcyclohexan 2-Brom-2-methylpropan

J. Glatthaar 33
Halogenierte Organische Verbindungen und Umwelt

Die biologische Aktivität von


Inhalationsanästetica wie z.B.
Halothan, CF3CHBrCl, beruht
auf deren polaren C-X-Bindung.

J. Glatthaar 34
Halogenalkane

Viele Algen produzieren Halogenalkane

J. Glatthaar 35
Das Dilemma von Brommethan

Brommethan ist eine Substanz mit zwei Gesichtern. Einerseits nützlich


z.B. bei der Pflanzenschutz, andererseits aber sehr giftig.

Die rechte Erdbeere ist


während des Wachstums
mit CH3Br begast worden,
die linke nicht.

Eine der Hauptquellen für CH3Br-Emission ist die Verbrennung


von Biomasse (Buschbrände)
J. Glatthaar 36
Das PCB (Polychlorierte Biphenyle) Problem

Die Isolationsflüssigkeit
vieler Transformatoren
bestand bis 1970 aus
PCB.

Cl Cl Cl Cl

Cl Cl

Cl Cl Cl Cl

Decachlorobiphenyl (ein PCB)

J. Glatthaar 37
DDT

CCl3 H
C

Cl Cl
DDT

Dichlor-diphenyl-trichlorethan

1,1-Dichlor-2,2-bis(p-chlorphenyl)ethen ein Primärabbauprodukt der


DDT hemmt ein Enzym, das bei Vögeln die Calciumzufuhr bei der
Bildung der Eierschale reguliert.
J. Glatthaar 38
Kommerziell bedeutende polyhalogenierte
Verbindungen

Tetrachlorkohlenstoff (CCl4, Sdp. 77°C), Chloroform (CHCl3, Sdp. 62°C) und


Methylenchlorid (CH2Cl2, Sdp. 40°C) sind wasserunlöslich und sehr gute
Lösungsmittel für organische Verbindungen.

Trichlorethylen (Cl2C=CHCl, Sdp. 87°C) und Tetrachlorethylen (Cl2C=CCl2,


Sdp. 121°C) werden in chemischen Reinigung und als Entfettungsmittel in
der Metall- und Textilverarbeitung verwendet.

Tetrafluorethylen, F2C=CF2 ist der Ausgangsstoff für Teflon. Perfluortributyl-


amin, (CF3CF2CF2CF2)3N kann bis zu 60 Volumenprozent O2 lösen! Und ist
ein Bestandteil von Blutersatzflüssigkeiten.
Bromchlordifluormethan CBrClF2 (Halon-1211) und Bromtrifluormethan
CBrF3 (Halon-1301), sog. Halone werden als Feuerlöschmittel verwendet.

J. Glatthaar 39
FCKW und Ozonschicht

(Fluorchlorkohlenwasserstoff)

•• h ••
Schritt 1: Radikalstart F3C Cl •• F3C • + • Cl ••
•• ••

••
O3 + • Cl •• ClO • + O2
••
••
Schritt 2: Kettenreaktion ClO • + O O2 + • Cl ••
••

Net Reaktion O3 + O 2 O2

J. Glatthaar 40
FCKW Verbindungen
Die bekanntesten und kommerziell bedeutende Fluorchlorkohlenwasser-stoffe
(FCKWs, früher bekannt als Freone) sind CFC-11 und CFC-12. Diese Verbindungen
wurden wegen ihrer niedrigen Siedepunkte als Treibgas für Spraydosen, Kühlmittel,
Reinigungsflüssigkeiten und Treibmittel bei der Schaumherstellung verwendet.

CCl3F CCl2F2
Trichlorfluormethan Dichlordifluormethan
(CFC-11) (CFC-12)
Sdp. 24°C Sdp. -30°C

Wegen ihrer große Stabilität reichern sich diese Verbindungen in der obe-
ren Stratosphäre an und zerstören die Ozonschicht der Erde. Durch Ein-
führung von einem oder mehreren Wasserstoffatome steigert sich die Zer-
setzungsgeschwindigkeit dieser Verbindungen in den unteren Atmosphäre und sie
erreichen nicht den oberen Stratosphäre. Beispiele sind HCFC-123 und HCF-134a.

CF3CHCl2 CF3CH2F
Dichlortrifluorethan 1,1,1,2-Trifluorethan
(HCFC-123) (HCF-124a)
Sdp. 28°C Sdp. -26°C
J. Glatthaar 41
Nukleophile Substitution
oder
„Wenn Moleküle
Party machen“

Homepage der Fachschaft Chemie der CAU Kiel 42


Polarität der Bindung: Elektrophilie und Nukleophilie
Bindung zwischen einem
aliphatischen Kohlenstoffatom
und einem Halogen.
Für X=Cl, Br oder I ist das
p-Orbital erheblich größer
als hier gezeigt.

Die Kohlenstoff-Halogenbindung ist eine polare kovalente


Bindung wegen der großen Elektronegativitätsunterschiede.

- I-Effekt
+ + +
- -
X X X
+

X = Halogen, NH2, OH, CN, NO2


J. Glatthaar 43
Siedepunkte und Polarisierbarkeit

Die Siedepunkte von Halogenalkanen liegen im allgemeinen


höher als die der entsprechenden Alkane, was hauptsächlich
auf die Dipolstruktur der Halogenalkane zurückzuführen ist.

Bsp.: CH4 CH3F CH3Cl CH3Br


Sdp. in °C -161.7 -78.4 -24.2 3.6
J. Glatthaar 44
Polarität der Bindung: Elektrophilie und Nukleophilie

Was ist ein Elektrophil ?

Elektrophile (elektronenliebend) sind Atome, Ionen oder


Moleküle, deren Orbitale nicht vollständig mit Elektronen besetzt
sind. Diesen Elektronenmangel gleichen sie durch Aufnahme
von Elektronen beim Aufbau von kovalenten Bindungen aus.

Z.B.: H+ ; BR3 ; Kohlenstoff in s-Bindungen zu elektronegativer-


en Elementen C-X mit X=Halogen, OH, OR, NR2 usw.

J. Glatthaar 45
Polarität der Bindung: Elektrophilie und Nukleophilie

Was ist ein Nukleophil ?

Nukleophile (kernliebend) sind Ionen oder Moleküle, die über


freie Elektronenpaare verfügen. Sie stellen diese Elektronen
bereitwillig Elektrophilen zum Aufbau einer kovalenten Bindung
zur Verfügung.

Z.B.: H2O ; ROH ; R3N ; HO- ; I- ; Br- ; CH3S- usw.

J. Glatthaar 46
Nucleus (lat.) = Kern Electron (gr.) = Elektron
Philein (gr.) = lieben
Nukleophil Elektrophil
Kernliebend Bedeutung Elektronenliebend
Elektronenüberschuss Ursache Elektronenmangel

Elektronendonator Verhalten Elektronenakzeptor


Lewis-Base Lewis-Schreibweise Lewis-Säure

OH- , OR- , S 2-, Hal- , Beispiele H +, Li+, Al3+, Fe 3+

O O R 3 C+ Carbenium-Ionen
H H R H
Kohlenstoffatom in
 + polaren Bindungen
N N
H H R R R3 C X X = Halogen, O, N, S
H R
47
Übung:
Bestimmen Sie, welches der markierten Zentren in den nachfolgenden
Molekülen einen elektrophilen und welches einen nukleophilen
Charakter besitzt.

HO O N
F Br

48
Auflösung:
Bestimmen Sie, welches der markierten Zentren in den nachfolgenden
Molekülen einen electrophilen und welches einen nucleophilen
Charakter besitzt.

+ + -
- +  + -
F
- HO + O Br -
N

Fluor besitzt die höhere EN, zieht Ebenso O, Br, N besitzen wie Fluor
die Bindungselektronen stärker an Elektronenpaare und sind nukleophile
Zentren

Kohlenstoff mit der geringeren EN, Die verbleibenden


ist wegen des Mangels an Kohlenstoffzentren sind
Elektronen das Elektrophil elektrophil

49
Polarität der Bindung: Elektrophilie und Nukleophilie

Verhältnis Nukleophilie zu Basizität

Weil Nukleophile, ob als neutrale Moleküle wie Ammoniak


NH3 oder als Anionen Elektronenpaare tragen, besitzen sie
immer auch basische Eigenschaften. Die basischen
Eigenschaften führen dazu, dass es in Konkurrenz zur
Substitution auch zu Eliminierungsreaktionen kommt.
Basizität und Nukleophilie sind zwei von einander getrennte
Größen;
Bei der Nukleophilie handelt es sich um eine kinetische
Größe, die angibt, wie schnell ein Molekül oder Ion reagiert.
Bei der Basizität wird dagegen nur die Lage des
Reaktionsgleichgewichts beschrieben.
J. Glatthaar 50
Nukleophile Substitution

Bei der nukleophilen Substitution am gesättigten Kohlenstoff-


Atom (sp3-hybridisiert) wird der nucleophile Partner einer
polaren kovalenten Bindung durch ein anderes Nukleophil
ersetzt.
Im Unterschied zur radikalischen Substitution löst sich der
nukleophile Partner (die Abgangsgruppe) unter heterolytischer
Öffnung der Bindung vom Kohlenstoff-Atom.
Anstelle der Abgangsgruppe tritt das Nukleophil, das sein
Elektronenpaar zum Aufbau einer neuen kovalenten Bindung
verwendet.
J. Glatthaar 51
Nukleophile Substitution

Abhängig von der Kinetik wird die Reaktion unterschieden in


- -
R X + Nu R Nu + X

SN2 Nukleophile Substitution zweiter Ordnung

d [ R − X ] d [ R − Nuc]
RG = − = = k [ R − X ][ Nuc]
dt dt

wenn die Reaktionsgeschwindigkeit sowohl von


dem Halogenalkan als auch von der
Konzentration des Nucleophils abhängig ist
J. Glatthaar 52
Nukleophile Substitution

SN1 (unimolekulare)Nukleophile Substitution


erster Ordnung
- -
R X + Nu R Nu + X

wird die Reaktion bezeichnet,


d [ R − X ] d [ R − Nuc]
RG = − = = k[ R − X ]
dt dt
wenn die Reaktionsgeschwindigkeit nur von der
Konzentration des Substratmoleküls abhängig ist.
Merke: Bei den SN-Reaktionen steht die zwei in SN2 für die
bimolekulare und die eins in SN1 für die monomolekulare
Reaktion.
J. Glatthaar 53
Ein erster Blick auf den Mechanismus der
Substitution: Die Kinetik

Etliche Fragen: Welche Kinetik liegt der Reaktion zugrunde?


Ist sie 1. Ordnung (monomolekular), 2. Ordnung (bimolekular)
oder komplizierter?
Was geschieht mit optisch aktiven Halogenalkanen?

Bsp.: Die Reaktion von Chlormethan mit Natriumhydroxid in Wasser.

CH3Cl + NaOH CH3OH + NaCl


, H2O

Geschwindigkeit = k[CH3Cl][NaOH-] mol/(L s)


J. Glatthaar 54
Nucleophile Substitution SN2:

Warum erfolgt der Angriff des Nucleophils auf das s*-Orbital?


Eine orbitaltheoretische Betrachtung
E-Energie durch
Destabilisierung
hinzugewonnen

E-Energie durch
Stabilisierung frei

nichtbindende Wechsel- bindende Wechselwir-


wirkung des Elektronen- kung des Elektronen-
paares des Nukleophils paares des Nukleophils
mit dem s-Orbital der C- mit dem s*-Orbital der
Halogen-Bindung C-Halogen-Bindung

J. Glatthaar 55
Welcher Reaktionsmechanismus steht im Einklang mit
einer Reaktion zweiter Ordnung?
Für den Ablauf der Reaktion kann man sich theoretisch zwei
alternative Abläufe vorstellen.
1. Vorderseitenangriff oder 2. Rückseitenangriff
a) zum Vorderseitenangriff:

Das Zeichen des


Andreaskreuzes symbolisiert
den Übergangszustand

J. Glatthaar 56
a) zum Vorderseitenangriff: MO-Betrachtung

Ungünstig, weil
2.eine zusätzliche antibindende
Wechselwirkung zur Abgangsgruppe
Ungünstig, weil besteht

1.Bindungsbildung erfolgt durch 3. Elektronische Abstoßung mit den


Überlappung mit dem kleineren freien Elektronenpaaren der
Abschnitt(Lappen) des s*-Orbitals Abgangsgruppe besteht
J. Glatthaar 57
a) zu Rückseitenangriff :

Das Nukleophil greift von der Seite an, die der Abgangsgruppe
gegenüber liegt.

J. Glatthaar 58
a) zum Rückseitenangriff: MO-Betrachtung

Günstig, weil
1.Bindungsbildung erfolgt durch 2.sich Nukleophil und Abgangsgruppe
Überlappung mit dem größeren wegen des größt möglichen Abstands
Abschnitt(Lappen) des s*-Orbitals nicht gegenseitig abstoßen

J. Glatthaar 59
Stereochem. Ergebnis der Reaktion zeigt, dass SN2-Reaktion
durch Rückseitenangriff abläuft.

J. Glatthaar 60
Molekülorbitale im Übergangszustand der SN2-Reaktion

Der Vorgang der Inversion erinnert an das Umklappen eines


Schirmes bei Sturm.
Resultat: Inversion der Konfiguration!!!
J. Glatthaar 61
Energiediagramm einer
SN2-Reaktion

Die Reaktionsgeschwindig-
keit der SN2-Reaktion folgt
einem Zeitgesetz 2.Ordnung,
weil im geschwindigkeits-
bestimmenden Schritt
Substrat und Nukleophil in
gleicher Weise am Aufbau
und Bruch der Bindungen
beteiligt sind

Die bimolekulare nukleophile Substitution ist ein konzertierter,


J. Glatthaar 62
einstufiger Prozess.
Zusammenfassung

Eine Verbindung reagiert als Nukleophil, wenn sie mit freien Elektronen-
paaren ein positiv geladenes, elektrophiles Reaktionszentrum (das
kein Proton ist) angreift. Führt diese Reaktion zu einem Austausch von
Substituenten, spricht man von einer nukleophilen Substitution. Die
durch das Nukleophil verdrängte Gruppe ist die Abgangsgruppe

Die Reaktion von Nukleophilen mit primären (und meistens sekundären)


Halogenalkanen folgt einer Kinetik zweiter Ordnung, dies deutet auf
einen bimolekularen Mechanismus.

SN2-Reaktion ist stereospezifisch und verläuft unter Inversion der


Konfiguration am Reaktionszentrum.

J. Glatthaar 63
Nucleophilen Substitution Reaktionen (2. Teil)

SN1-Reaktionen (Unimolekulare Substitution)

Zusammenfassung

J. Glatthaar 64
Unimolekulare Substitution

Bsp.: Solvolyse tertiärer Halogenalkane

Wenn beispielsweise 2-Brom-2-methylpropan (tert-Butylbromid)


in wäßrigem Aceton gelöst wird, reagiert es schnell zu
2-Methyl-2-propanol (tert-Butanol) und HBr.

CH3 CH3
Aceton
H3C C Br + H OH H3C C OH + HBr
CH3 relativ schnell
CH3

2-Brom-2-methylpropan 2-Methyl-2-propanol

J. Glatthaar 65
Mechanismus der Solvolyse tertiärer Halogenalkane:
Unimolekulare nucleophile Substitution

1.Feststellung:

Die Geschwindigkeit der Solvolyse (Hydrolyse) von tert-Butylbromid


ist nur proportional der Konzentration des eingesetzten Bromids.

Geschwindigkeit = k [(CH3)3CBr] mol/(L s).

2.Feststellung:

Bei chiralen Edukten führt die Reaktion zu Racemisierung

J. Glatthaar 66
Was kann man aus dieser Beobachtung der
Reaktionsgeschwindigkeit und Stereochem.
der Reaktion schließen?

1. Das Halogenalkan muß einen Reaktionsschritt ohne


Beteiligung weitere Reaktanten ausführen.

2. Da das Endprodukt eine Hydroxygruppe enthält,


muß Wasser an der Reaktion beteiligt sein, aber
ohne Beeinflussung der RG.

3. Alle Reaktionsschritte, die dem ersten Reaktions-


schritt des Halogenids folgen, sind im Vergleich dazu
sehr schnell.
J. Glatthaar 67
Mechanismus der Solvolyse verläuft über die
Bildung von Carbenium-Ionen

Schritt 1: Heterolytische Dissoziation zum Carbenium-Ion

J. Glatthaar 68
Schritt 2: Nukleophiler Angriff durch Wasser

J. Glatthaar 69
Schritt 3: Deprotonierung

J. Glatthaar 70
Diagramm der potentiellen Energie für SN2- und SN1-Reaktion

J. Glatthaar 71
Merkhilfe I für
Reaktionsmechanismen!

SN1
Alter Hut

Anaconda
nach
Verzehr
eines
Elefanten
Quelle: www.derkleineprinz.de
72
Merkhilfe II

Kamel * Dromedar* *

* aus „Wüstenschiff-Forum“ Google Bilder * *aus „Wunder der Erde“ ARD 2002 73
Stereochemische Konsequenzen der SN1-Reaktion

Um die Elektronenabstoßung zu verringern, nehmen die drei


Bindungen des positiv geladenen C-Atoms eine trigonal-planare
Anordnung an, das Ergebnis J.einer 2
Glatthaarsp -hybridisiereung. 74
Unimolekulare Substitution: Nebenreaktionen

Konkurrenzreaktionen

J. Glatthaar 75
Unimolekulare Substitution: Nebenreaktionen

Wagner-Meerwein-Umlagerungen

J. Glatthaar 76
Unimolekulare Substitution: Nebenreaktionen

Wagner-Meerwein-Umlagerungen

J. Glatthaar 77
Reaktionsgeschwindigkeit einer SN1-Reaktion:

Die RG ist von der Konzentration des Nucleophils unabhängig.

Geschwindigkeit = k [Edukt] mol/(L s).

J. Glatthaar 78
SN1 oder SN2 Mechanismus
Welche Faktoren bestimmen den Verlauf?

Der Grad der Substitution des reaktiven C-Atoms bestimmt


im wesentlichen, ob Halogenalkane mit Nukleophilen
bevorzugt nach SN1 oder SN2 reagieren.

Je höher substituiert ein C-Atom ist, desto leichter bildet es


ein Carbenium-Ion. Aus diesem Grund reagieren tertiäre
Halogenalkane nach dem SN1-Mechanismus und primäre
Halogenalkane nach SN2.

Relative Stabilität der Carbenium-Ionen:


+ + +
CH3CH2CH2CH2 < CH3CH2 CHCH3 < (CH3)3 C
primär < sekundär < tertiär

J. Glatthaar 79
Warum nimmt die Stabilität von Carbenium-Ionen in
der Reihe primär < sekundär < tertiär zu?

Hyperkonjugation stabilisiert positive Ladungen!

Das Orbital Bild von CH3+, das sich nicht durch Hyperkonjugation
stabilisieren kann, und Hyperkonjugation fähigen (CH3)3C+.
J. Glatthaar 80
Hyperkonjugation

In einem Carbenium-Ion findet Hyperkonjugation zwischen


einem leeren p-Orbital und einer benachbarten Bindung
(gewöhnlich C-H oder C-C) statt.

J. Glatthaar 81
Substrateinfluß für SN2

J. Glatthaar 82
Einfluß des Lösungsmittels

H3C CH3
O N
H3C CH3
CH3
CH3 N N
H N O S P
H3C CH3
CH3 CH3 O

DMF DMSO HMPA


N,N-Dimethylformamid Dimethylsulfoxid Hexamethylphosphorsäuretriamid

Aprotisch polare Lösungsmittel stabilisieren das angreifende


Nucleophil
Verlauf der Reaktion erfolgt bevorzugt nach dem SN2-
Mechanismus

J. Glatthaar 83
Einfluß des Lösungsmittels

Protisch polare Lösungsmittel begünstigen die Heterolyse


durch Solvatation.
Verlauf der Reaktions bevorzugt nach dem SN1-Mechanismus

J. Glatthaar 84
Einfluß der Abgangsgruppe

SN2/SN1
Stabile Anionen wie I - erniedrigen die Aktivierungs-
energie und stabilisieren die negative Ladung im
Übergangszustand

J. Glatthaar 85
Industriell bedeutende Produkte aus SN1- oder SN2-Reaktionen

Chemische Industrie Waschmittel-Industrie


Lösungsmittel, Waschaktive
Weichmacher Substanzen
Desinfektionsmittel
+
O O N
H OH R R Cn H2n+1
n
n = 1, 2, 3 Cl-
n = 8,10,12,14,16,18
Mono-, Di-, Ether
Triethylenglykol
Benzalkoniumchlorid

Kosmetik-, Pharma-,
Lebensmittelindustrie HOw(H 2CH2CO) (OCH 2CH 2)xOH
Trägerstoffe, Emulgatoren, (OCH 2CH 2)yOH
Arzneimittel O O
(OCH 2CH 2)zO
Tween 80 C 17H 33
w+x+y+z=20
O
R OR
n Polyoxyethylen(20)sorbitanmonooleat

Polyethylenglykol PEG

86
Biologische Systeme
Synthese von Signal- und
Botenstoffen
Toxizität von Chemikalien
NH2 H3C X X = F, Cl, Br, I
N N
CH 3 O
N N N
S+
N
O H 3C CH 3
HOOC NH 2
OH OH Nitrosamine
S-Adenosylmethionin
SAM
Die rechte Erdbeere ist
während des Wachstums
mit CH3Br begast worden,
die linke nicht.

87
Warum werden in biochemischen Reaktionen komplexe Moleküle
wie SAM verwendet und warum wirken einfache Moleküle wie
CH3-I oder CH3-Br toxisch?
Polare funktionelle Gruppen:
Carboxyl-, Amino, Hydroxyl
= Gute Wasserlöslichkeit
Kleinster Substituent: NH2
Methylgruppe = Elektrophil = SN2
N N
CH 3 N N
S+
O
H3C X X = F, Cl, Br, I HOOC NH 2
OH OH
Methylgruppe = Elektrophil = SN2

Klein = sehr reaktiv, toxisch Große Abgangsgruppe:


SR2+, chiral (Zucker)
unpolar = schlecht Langsame Reaktion
wasserlöslich Schlüssel-Schloss-
Prinzip

88
Zusammenfassung

Die unimolekulare Substitution verläuft bei sekundären Halogenalkanen


langsam und bei tertiären schnell.

Der langsamste, d.h. der Geschwindigkeitsbestimmende Schritt bei der


unimolekularen Substitution ist die heterolytische Spaltung der
C-X-Bindung, wobei ein Carbenium-Ion gebildet wird.

Carbenium-Ionen werden durch Hyperkonjugation stabilisiert, folglich


sind tertiäre Carbenium-Ionen stabiler als sekundäre.

Die unimolekulare Substitution an einem asymmetrischen C-Atom führt


häufig zur Racemisierung.

J. Glatthaar 89
Nukleophile Substitution: Chemischer Reifenwechsel

Nukleophil: Elektronendonator
Elektrophil: Elektronenakzeptor

Zwei grundsätzliche Reaktionstypen: SN1 und SN2

SN1: Verlauf über zwei Reaktionsschritte


1. Heterolyse der Bindung zwischen Elektrophil und Abgangsgruppe
unter Bildung des Carbenium-Ions, einer reaktiven Zwischenstufe.
2. Produktbildung durch Reaktion zwischen Carbenium-Ion und
Nukleophil.
SN2: Verlauf in einem Reaktionsschritt
Rückseitenangriff
konzertierter, gleichzeitiger Bindungsbruch und Bindungsbildung im
Übergangszustand

Viele industriell bedeutende Reaktionen laufen nach SN1 oder SN2 ab.

90
Darstellung von Alkenen

Allgemeinster Ansatz ist die Darstellung durch Eliminierung

A B

C C C C + A B

J. Glatthaar 91
Eliminierung

Es gibt verschiedene Eliminierungsreaktionen die man zur Dar-


stellung von Alkenen verwenden kann, z.B. die baseninduzierte
Dehydrohalogenierung von Halogenalkanen.

H
Base: :B
C C C C + H B + X
X

Allgemeine Reaktionsgleichung einer baseninduzierten


Eliminierung von H-X

J. Glatthaar 92
Substitutions und Eliminierungs Reaktionen

Enthält das dem halogenierten C-Atom benachbarte Kohlenstoff-


atom eines Alkylhalogenids mindestens einen Wasserstoff-Atom als
Substituenten, so können mit einem Nucleophil als Reaktionspartner
zwei verschiedene Reaktionen stattfinden a) Substitution und b)
Eliminierung.
H
Substitution
C C + X
H
Nuc
C C + Nuc
X
Eliminierung
C C + H Nuc

Bei der Eliminierungsreaktion wird ein Wasserstoffatom und ein Halogen-


atom von benachbarten Kohlenstoffatomen abgespalten (-Eliminierung).
Bei der Substitutionsreaktion wird das Halogenatom durch das
Nucleophil ersetzt (SN-Reaktion).

Wie bei den SN-Reaktionen unterscheidet man zwei Mechanismen bei


der Eliminierung: J. Glatthaar 93
Eliminierung

Unimolekulare Eliminierung: E1
(RG = k[Substrat])

und

Bimolekulare Eliminierung: E2
(RG = k[Substrat][Base])

J. Glatthaar 94
Unimolekulare Eliminierung: E1

Bezüglich des ersten Reaktionsschrittes (geschwindigkeitsbestimmen-


der Schritt) sind SN1- und E1-Reaktionen identisch. Bei beiden wird
durch Abgang der austretende Gruppe X zuerst ein Carbenium-Ion
gebildet. Das Carbenium-Ion stabilisiert sich entweder durch die
Addition eines Nucleophils (SN1–Reaktion) oder stabilisiert sich durch
Abspaltung eines Protons H+ von einem benachbarten Kohlenstoffatom
unter Bildung eines Alkens (E1-Reaktion).

Ein Beispiel ist Reaktion von 2-Brom-2-methylpropan (tert.-Butylbromid)


mit Methanol:

J. Glatthaar 95
Feststellung: Wenn 2-Brom-2-methylpropan in Methanol gelöst
wird, verschwindet es schnell.
H3C
H3C C Br 2-Brom-2-methylpropan
H3C

H3C +
C C H3 + Br
H3C
SN2
E1 + CH3OH

H3C H3C
C C H2 + H+ + Br H3C C O + H+ + Br
H3C H3C C H3

2-Methylpropen 2-Methoxy-2-methylpropan

J. Glatthaar 96
Eliminierung

Wie erfolgt die Abgabe des Protons?

Nach der Bildung des Carbenium-Ions durch Heterolyse übernimmt


Methanol in einer Säure-Base-Reaktion das Proton.

J. Glatthaar 97
Orbitalbild einer E1-Eliminierung

p-Orbitale
Carbenium-Ion Übergangszustand Alken

J. Glatthaar 98
Ablauf einer bimolekularen Eliminierung E2

Wie bei der SN2-Reaktion, ist die E2-Eliminierung ein einstufiger


Prozess. Das angreifende Teilchen abstrahiert als Base
(schwaches Nukleophil) ein Proton vom C-Atom. Im gleichen
Maße, wie die Abspaltung des Protons erfolgt, wird die Bindung
der Abgangsgruppe (z.B. ein Halogenatom) heterolytisch (unter
Mitnahme der Bindungselektronen) gelöst.

J. Glatthaar 99
Orbitalbild einer E2-Eliminierung

J. Glatthaar 100
E2-Eliminierung
Stereochemische Konsequenzen

J. Glatthaar 101
E1/E2-Eliminierung
Welches Produkt entsteht?
Saytzew-Regel:
Die Bildung erfolgt zu dem C-Atom hin, das die wenigsten
H-Atome bindet.

J. Glatthaar 102
E1/E2-Eliminierung
Welches Produkt entsteht?
Erklärung der bevorzugten Bildung des Saytzew-Produkts:
Je mehr Alkyl-Substituenten eine Doppelbindung besitzt,
um so stärker ist die Stabilisierung durch
Hyperkonjugation.

J. Glatthaar 103
E1/E2-Eliminierung
Welches Produkt entsteht?
Hoffmann-Regel:
Die Bildung erfolgt zu dem C-Atom hin, das die meisten H-
Atome bindet.

Erklärung: H X H
H
C C H
H C C
H H H H B
geringere Acidität
höhere Acidität
wegen +I-Effekt der
Alkykgruppen

J. Glatthaar 104
E1/E2-Eliminierung
Welches Produkt entsteht?

Erklärung der Bildung des „Hoffmann-Produkts“:


Verringerte sterische Hinderung
H + + N(Me)3 + H2O
+
N
OH

X X X

H3C H H CH3 H H

H CH3 H CH3 CH2-CH3


H

H H H
ungünstige Konformation bei 2,3-Eliminierung günstige Konformation bei 1,2-Eliminierung
J. Glatthaar 105
E1/E2-Eliminierung
Eliminierung versus nukleophilen Substitution
E2
Starke Base, schwaches Nucleophil
wenn raumerfüllend, bevorzugt „Hoffmann-
Produkte
hohe Temperatur, entropisch begünstigt
Rückseitenangriff durch voluminöse Substituenten
erschwert
E1
Hohe Temperatur
Schwache Base, schwaches Nukleophil
gute Abgangsgruppe,
Carbenium-Ion stabilisierende Substituenten
polar protisches Lösungsmittel
J. Glatthaar 106
Weitere Eliminierungsreaktionen

Die syn-Eliminierung

Einige E2-Eliminierungen verlaufen über den sterisch


anspruchsvolleren Weg der syn-Eliminierung; dazu
zählen insbesondere die Esterpyrolysen:

R O R´ O R´
 R H
+
O O
R H R H H

In der Regel verlaufen diese Pyrolysen unter Bildung


des „Hoffmann-Produktes“.

J. Glatthaar 107
Weitere Eliminierungsreaktionen
Die syn-Eliminierung
R S R´ S R´
 R H
+
O O
R H R H H

R S R´ S R´
 R H
+
S S
R H R H H

R O S O S H
R H
 S
+
S S +
R H R H H O C S
Ersatz der Sauerstoff- durch Schwefelatome erniedrigt die
Spaltungstemperatur. Besonders niedrig spalten die
Xanthogensäureester (~200oC) in der „Tschugaev-Reaktion“.
J. Glatthaar 108
Weitere Eliminierungsreaktionen
Die -Eliminierung
Bei der - oder 1,1-Eliminierung werden verläßt die Abgangs-
gruppe das Kohlenstoff-Atom, an dem die Base ein Wasser-
stoff-Atom abgespalten hat.
R
R Y
R´ C C + XY
X R´

Cl Cl
Cl C H + B Cl C + HB
Cl Cl

Cl Cl
Cl C C + Cl
Cl Cl

Dichlorcarben
J. Glatthaar 109
Zusammenfassung

Die unimolekulare Eliminierung zu Alkenen ist die Nebenreaktion


der Substitution bei sekundären und tertiären Substraten.

Substitution wird begünstigt durch sterisch ungehinderter


Substrate und kleine, nur schwach basische Nucleophile.

Eliminierung wird begünstigt durch sterisch gehinderte


Substrate und räumlich anspruchsvolle, stärker basische
Nucleophile und hohe Temperaturen.

J. Glatthaar 110

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