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Dickblechclinchen – Innovatives
Fügeverfahren für den Stahlbau
Das auch unter dem Begriff Durchsetzfügen bekannte Clinchen zienz in der Produktion rücken ökonomische Fügeverfah-
ist eine Fügetechnologie, welche sich vor allem in den Bereichen ren immer mehr in den Blickpunkt. Im Stahlbau hat sich
der Automobilindustrie sowie der Geräte- und Elektroindustrie in diesem Zuge zum Beispiel das Fügen mittels Schließ-
etabliert hat. Eine Vielzahl von Untersuchungen und Beispielen ringbolzen etabliert, welches im Vergleich zu den
aus der industriellen Anwendung belegt die Universalität und Schweißverfahren ohne das mit hohem Energieeintrag
Wirtschaftlichkeit, eine einfache Handhabbarkeit sowie die gute verbundene Aufschmelzen von Werkstoffen eine form-
Automatisierbarkeit dieses Fügeverfahrens [1]. Der Einsatz des und kraftschlüssige Verbindung realisiert [3], [4]. Die Fer-
Clinchens beschränkt sich zurzeit jedoch hauptsächlich auf den tigung dieser Verbindungen ist zudem ohne die bei
Feinblechbereich in den genannten Industriezweigen. Untersu- Schweißprozessen nötigen Schutzmaßnahmen möglich.
chungen am Fraunhofer IWU zeigen, dass dieses hochgradig Des Weiteren entfallen die je nach Schweißverfahren un-
ökonomische und innovative Verfahren auch eingesetzt werden
terschiedlich aufwändigen Vor- und Nacharbeiten, insbe-
kann, wenn deutlich größere Blechdicken zu verbinden sind. Ein
sondere die Aufwendungen zur Kompensation des ther-
Einsatz im Schienenfahrzeug-, Schiff- und Stahlbau sowie dem
misch bedingten Verzugs der Baugruppen. Nachteilig
Nutzfahrzeugbau ist in naher Zukunft vorstellbar und aufgrund
beim Fügen durch Schließringbolzen und anderen Niet-
der besonderen Eigenschaften der Technologie erstrebenswert.
oder Schraubverfahren, bei denen ein Vorloch erforder-
Die Übertragung des Know-how aus dem automobiltypischen
Blechdickenbereich auf die Materialstärken im Stahlbau sowie lich ist, sind die Kosten für die Erzeugung der Löcher so-
die numerisch unterstützte Systementwicklung sind Schwerpunk- wie die Kostenanteile für die Hilfsfügeteile selbst. Diese
te von Forschungsaktivitäten am Fraunhofer IWU. Aufwendungen mindern den wirtschaftlichen Vorteil ge-
genüber den Schweißverfahren mitunter deutlich.
Clinching of thick sheets – innovative joining technology for Das Clinchen, welches ebenfalls ohne Wärmeeintrag,
steelwork. Clinching, which is mechanical joining by upsetting, is darüber hinaus aber auch ohne Verwendung eines Hilfsfü-
above all established in the area of automotive industry as well geteiles Verbindungen erzeugt, nimmt hinsichtlich der
as in appliance and electronic industry. The universality, eco- wirtschaftlichen Betrachtung von Fügetechniken eine be-
nomic efficiency, an easy manageability and the fact that the sondere Stellung ein. Die Kombination der genannten
process is good automatable are documented by several re- Vorteile von Nietverfahren zuzüglich der Einsparung von
search activities [1]. Currently the process application is mainly Nietkosten sowie die kurzen Prozesszeiten machen das
restrained on connections of thin sheets in the named sector of Clinchen zu einem wirtschaftlich sehr attraktiven Füge-
industry. Investigations done by Fraunhofer IWU point out the verfahren. Auch Verbindungen zwischen artfremden
possibility of using this high efficiency and innovative joining Werkstoffen sind fügbar [5]. Aus diesen Gründen hat es
technology even for applications with distinctly higher sheet sich vor allem in Industriezweigen mit hoher Innovations-
thicknesses. An adoption of clinching is conceivable and desir- kraft und Produktivität wie der Automobilindustrie etab-
able for railway vehicle or truck manufacturing and shipbuilding liert. Das Fraunhofer IWU hat sich, beginnend vor
as well as for steelwork generally in near future due to its specif- drei Jahren, das Ziel gesteckt, diese innovative Technolo-
ic technology characteristics. The transfer of knowledge from the gie auf ihre Anwendbarkeit für im Stahlbau typische
thin sheet automotive sector to the sheet thicknesses used in Blechdicken oberhalb von 4 mm zu untersuchen und Un-
steelwork as well as the numerical supported system develop- ternehmen bei der Entwicklung und Einführung dieses
ment are focus of the research activities at Fraunhofer IWU. Verfahrens zu unterstützen.
510 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 79 (2010), Heft 7
14371049, 2010, 7, Downloaded from https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/stab.201001344 by <Shibboleth>-member@zhaw.ch, Wiley Online Library on [19/09/2023]. See the Terms and Conditions (https://onlinelibrary.wiley.com/terms-and-conditions) on Wiley Online Library for rules of use; OA articles are governed by the applicable Creative Commons License
M. Israel/F. Jesche/R. Mauermann/A. Trojer · Dickblechclinchen – Innovatives Fügeverfahren für den Stahlbau
Bild 2. Typischer Aufbau einer Stempel-Niederhalter-Einheit Bild 3. Geometrische Kenngrößen einer Clinchverbindung
Fig. 2. Typical configuration of a punch-blank holder-device Fig. 3. Geometrical parameter of a clinching joint
Zusammenhänge an einer Verbindung von Stahlblechen – Können mit dem Clinchen vergleichbare Festigkeiten
mit 8,0 mm und 4,0 mm Dicke. Die dargestellte Kenngrö- erzielt werden wie mit konventionellen Schweißverbin-
ße des Vergleichsumformgrades (strain effective), auch dungen?
logarithmische Dehnung genannt, zeigt deutlich die Un- – Können die globalen Bauteildeformationen durch den
terschiede in der Verformung sowie der Halsdicke bei Ver- Einsatz der neuen Technologie signifikant reduziert
wendung unterschiedlicher Werkzeugdimensionen. Ent- werden?
sprechend der Anforderungen an die Verbindungsfestig-
keit aber auch im Hinblick auf die Eigenschaften der zu Da standardisierte Werkzeugsätze für diesen Anwen-
verbindenden Werkstoffe gilt es demnach entsprechend dungsbereich noch nicht zur Verfügung stehen, erfolgte
angepasste Werkzeugsätze zu verwenden. eine vorrangig numerisch basierte Dimensionierung nach
den Anforderungen der Schindler Fahrtreppen Internatio-
3 Prototyp eines Fahrtreppen-Fachwerkes nal GmbH. Maßgeblich für diesen Einsatzfall sind die zu
3.1 Anforderungen und Clinchpunktauslegung übertragenden Kräfte in den Verbindungsknotenpunkten.
Analog den ausgeführten Zusammenhängen zwischen
Die Herstellung von Fachwerken für Fahrtreppen (vgl. Punktgröße und Scherzugfestigkeit wurden zwei Clinch-
Bild 5) erfolgt konventionell durch Verschweißen von punkt-Varianten numerisch untersucht. Die Prozesssimu-
Halbzeugprofilen. Dabei werden zumeist MAG-Schweiß- lation ist für die Werkzeugauslegung ein wichtiges und
nähte appliziert, welche je nach Automatisierungsgrad ei- effektives Instrument, da neben der Vorhersage der geo-
nen nicht unerheblichen Anteil an manueller Schweiß- metrischen Beschaffenheit des Fügepunktes auch Span-
arbeit und zum Teil aufwändige Richtarbeiten in Folge nungen im Werkzeug, kritische Verformungen des Werk-
des Schweißverzuges bedingen [7]. Zusammen mit der stoffes und die zu erwartenden Prozesskräfte im Varian-
Schindler Fahrtreppen International GmbH und der tenvergleichen ermittelt werden können. Als Grundlage
Eckold GmbH & Co KG wurde untersucht, ob das Clin- der experimentellen Verifikation wurden so zwei Clinch-
chen in diesem Anwendungs- und Blechdickenbereich punktdimensionen ermittelt: ein Punkt mit kleinen Werk-
ökonomisch vorteilhaft ist und ob das Verfahren eine zeugdimensionen (Matrizendurchmesser 22 mm) und ein
Alternative zur konventionellen Fügetechnik darstellen zweiter Punkt mit großen Werkzeugdimensionen (Matri-
kann. Hauptgegenstand bei der Untersuchung der Füge- zendurchmesser 32 mm). Bild 6 zeigt die Querschliffe der
paarung Stahlblech S355JR 8,0 mm Dicke mit 4,0 mm beiden Clinchpunkte.
Dicke waren die Fragestellungen:
3.2 Eigenschaften und Einsatzrandbedingungen
kräfte von 58 kN bzw. 121 kN erreicht (vgl. Bild 7). Diese wendung von kleineren Fügepunkten und damit geringe-
auch für Experten unerwartet hohe Festigkeitsperforman- ren Fügekräften ist somit für diesen Anwendungsfall er-
ce der getesteten Verbindungen war Basis für die weitere strebenswert. Mit herkömmlichen CAD-Programmen
Untersuchung der Clinchtechnologie für den Zusammen- können die notwendigen Zugänglichkeitsbetrachtungen
bau von Fahrtreppen. Die notwendige Fügepunktanzahl durchgeführt werden, um entsprechende Erkenntnisse
war somit geringer als ursprünglich angenommen und die hinsichtlich der Gestaltung der Fügestellen an den Bautei-
Gestaltung der Fachwerkknoten konnte analog zur len oder eventueller Kollisionsprobleme vorab zu generie-
Schweißkonstruktion mit unveränderten Überlappungs- ren (Bild 9). Auf der Basis derartiger Vorbetrachtungen er-
bereichen ausgeführt werden. Die aufzubringenden Füge- folgt die Auslegung von Stempel- und Matrizendimensio-
kräfte sind mit 390 kN (Nenndurchmesser 22 mm) bzw. nen sowie die Gestaltung der kompletten Fügesysteme.
670 kN (Nenndurchmesser 32 mm) je Punkt zu beziffern.
Der Vergleich der beiden untersuchten Varianten be- 3.3 Betrachtungen zum Bauteilverzug
züglich der jeweiligen Fügekräfte und der erzielbaren Ver-
bindungsfestigkeiten zeigt exemplarisch das Spektrum der Clinchverbindungen sind im Allgemeinen durch sehr ge-
Anpassungsmöglichkeiten dieser Technologie an die je- ringe prozessinduzierte Bauteilverzüge charakterisiert.
weiligen Kundenanforderungen. Oftmals sind die Füge- Globale, durch Wärmeeintrag bedingte Deformationen
werkzeuge, in vielen Fällen C-Bügel, hinsichtlich der Zu- wie beim Schweißen treten bei dieser Fügetechnologie
gänglichkeit an den Werkstücken und der auftretenden nicht auf, da es sich beim Clinchen um einen kalten Füge-
Fügekräfte anzupassen (vgl. Bild 8). Dabei ist insbesonde- prozess handelt. Lediglich durch die lokale starke plasti-
re auf die Aufbiegung des Bügels bei maximaler Last sowie sche Verformung der Fügestelle ist die Einbringung einer
auf die Einhaltung maximaler Zugspannungen zu achten. globalen Verformung der Bauteilstruktur möglich. Dieser
Für robotergestütztes Fügen, bei welchem der C-Bügel Effekt kann jedoch durch eine entsprechend dimensio-
durch den Roboter gehändelt wird, muss die bei höheren nierte Niederhalterkraft am Clinchwerkzeug minimiert
Fügekräften notwendige größere Masse der Bügel schon werden. Zusätzlich können durch Gestaltung des Füge-
bei der Prozessplanung berücksichtigt werden. Die An- prozesses, zum Beispiel durch eine Optimierung der Füge-
reihenfolge, Bauteildeformationen unterbunden werden.
Mit der für das Dickblechfügen entwickelten Clinch-
technologie wurde ein Prototyp eines Fachwerksegmentes
mit einer Länge von 3 m gefertigt. Dazu wurden der Ober-
gurt und der Untergurt des Fachwerkes mit senkrecht an-
Bild 8. Auslegung und Dimensionierung von C-Bügeln Bild 9. Untersuchung der Zugänglichkeit am CAD-Modell
Fig. 8. Design and dimensioning of C-frames Fig. 9. Investigation on accessibility on a CAD-model