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Fachthemen

Markus Israel DOI: 10.1002/stab.201001344


Fred Jesche
Reinhard Mauermann
Andreas Trojer

Dickblechclinchen – Innovatives
Fügeverfahren für den Stahlbau
Das auch unter dem Begriff Durchsetzfügen bekannte Clinchen zienz in der Produktion rücken ökonomische Fügeverfah-
ist eine Fügetechnologie, welche sich vor allem in den Bereichen ren immer mehr in den Blickpunkt. Im Stahlbau hat sich
der Automobilindustrie sowie der Geräte- und Elektroindustrie in diesem Zuge zum Beispiel das Fügen mittels Schließ-
etabliert hat. Eine Vielzahl von Untersuchungen und Beispielen ringbolzen etabliert, welches im Vergleich zu den
aus der industriellen Anwendung belegt die Universalität und Schweißverfahren ohne das mit hohem Energieeintrag
Wirtschaftlichkeit, eine einfache Handhabbarkeit sowie die gute verbundene Aufschmelzen von Werkstoffen eine form-
Automatisierbarkeit dieses Fügeverfahrens [1]. Der Einsatz des und kraftschlüssige Verbindung realisiert [3], [4]. Die Fer-
Clinchens beschränkt sich zurzeit jedoch hauptsächlich auf den tigung dieser Verbindungen ist zudem ohne die bei
Feinblechbereich in den genannten Industriezweigen. Untersu- Schweißprozessen nötigen Schutzmaßnahmen möglich.
chungen am Fraunhofer IWU zeigen, dass dieses hochgradig Des Weiteren entfallen die je nach Schweißverfahren un-
ökonomische und innovative Verfahren auch eingesetzt werden
terschiedlich aufwändigen Vor- und Nacharbeiten, insbe-
kann, wenn deutlich größere Blechdicken zu verbinden sind. Ein
sondere die Aufwendungen zur Kompensation des ther-
Einsatz im Schienenfahrzeug-, Schiff- und Stahlbau sowie dem
misch bedingten Verzugs der Baugruppen. Nachteilig
Nutzfahrzeugbau ist in naher Zukunft vorstellbar und aufgrund
beim Fügen durch Schließringbolzen und anderen Niet-
der besonderen Eigenschaften der Technologie erstrebenswert.
oder Schraubverfahren, bei denen ein Vorloch erforder-
Die Übertragung des Know-how aus dem automobiltypischen
Blechdickenbereich auf die Materialstärken im Stahlbau sowie lich ist, sind die Kosten für die Erzeugung der Löcher so-
die numerisch unterstützte Systementwicklung sind Schwerpunk- wie die Kostenanteile für die Hilfsfügeteile selbst. Diese
te von Forschungsaktivitäten am Fraunhofer IWU. Aufwendungen mindern den wirtschaftlichen Vorteil ge-
genüber den Schweißverfahren mitunter deutlich.
Clinching of thick sheets – innovative joining technology for Das Clinchen, welches ebenfalls ohne Wärmeeintrag,
steelwork. Clinching, which is mechanical joining by upsetting, is darüber hinaus aber auch ohne Verwendung eines Hilfsfü-
above all established in the area of automotive industry as well geteiles Verbindungen erzeugt, nimmt hinsichtlich der
as in appliance and electronic industry. The universality, eco- wirtschaftlichen Betrachtung von Fügetechniken eine be-
nomic efficiency, an easy manageability and the fact that the sondere Stellung ein. Die Kombination der genannten
process is good automatable are documented by several re- Vorteile von Nietverfahren zuzüglich der Einsparung von
search activities [1]. Currently the process application is mainly Nietkosten sowie die kurzen Prozesszeiten machen das
restrained on connections of thin sheets in the named sector of Clinchen zu einem wirtschaftlich sehr attraktiven Füge-
industry. Investigations done by Fraunhofer IWU point out the verfahren. Auch Verbindungen zwischen artfremden
possibility of using this high efficiency and innovative joining Werkstoffen sind fügbar [5]. Aus diesen Gründen hat es
technology even for applications with distinctly higher sheet sich vor allem in Industriezweigen mit hoher Innovations-
thicknesses. An adoption of clinching is conceivable and desir- kraft und Produktivität wie der Automobilindustrie etab-
able for railway vehicle or truck manufacturing and shipbuilding liert. Das Fraunhofer IWU hat sich, beginnend vor
as well as for steelwork generally in near future due to its specif- drei Jahren, das Ziel gesteckt, diese innovative Technolo-
ic technology characteristics. The transfer of knowledge from the gie auf ihre Anwendbarkeit für im Stahlbau typische
thin sheet automotive sector to the sheet thicknesses used in Blechdicken oberhalb von 4 mm zu untersuchen und Un-
steelwork as well as the numerical supported system develop- ternehmen bei der Entwicklung und Einführung dieses
ment are focus of the research activities at Fraunhofer IWU. Verfahrens zu unterstützen.

1 Einleitung 2 Clinchen – Ein Fügeverfahren mit großem Potential


2.1 Verfahrensprinzip
Zum Verbinden von Blechen existiert eine Vielzahl ver-
schiedener Fügeverfahren (vgl. DIN 8593-0 [2]), wobei je- Das Clinchen ist ein umformtechnisches Fügeverfahren,
de Technologie entsprechend den Anforderungen und welches form- und kraftschlüssige Verbindungen durch
den Prozesseigenschaften bei spezifischen Fügeaufgaben lokale Verformung der zu verbindenden Bauteile gene-
zum Einsatz kommt. Vor dem Hintergrund der zuneh- riert. Aufgrund des großen Potentials der Technologie
menden Bedeutung von Ressourcenschonung und Effi- brachte der Wettbewerb mehrerer Systemanbieter in den

510 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 79 (2010), Heft 7
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che erforderlich, um das notwendige Umformvermögen zu


realisieren.

2.2 Randbedingungen für das Clinchen dicker Bleche

Clinchverbindungen werden im Allgemeinen durch ihre


Bild 1. Verfahrensprinzip des Clinchens
Fig. 1. Procedural principle of clinching geometrischen Kenngrößen qualitativ bewertet (vgl. Bild
3). Die Größen Hinterschnitt f sowie die Halsdicke tn sind
dabei in besonderem Maße bedeutend für die Festigkeit
der Verbindung. Bei der Dimensionierung der Werkzeuge
letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Varianten des Clin- gilt es deshalb, diese beiden geometrischen Kenngrößen
chens hervor. Es wird unterschieden in einstufige und entsprechend abzustimmen, um eine bestmögliche Festig-
zweistufige Clinchverfahren, Verfahren mit und ohne keitsperformance zu erreichen. Die Bodendicke tb ist ein
Schneidanteil sowie hinsichtlich der Gestaltung der Ma- weiteres wichtiges Maß der Clinchverbindung. Ausgehend
trize als starres Gesenk oder in geteilter Ausführung. Die von einem bemusterten Fügepunkt, für den eine Nennbo-
verschiedenen Varianten werden im Merkblatt DVS-EFB dendicke ermittelt wurde, kann über die Kontrolle dieses
3420 [6] beschrieben. Hier werden auch Hinweise und Bodendickenmaßes die Qualität der Verbindung in der
Richtlinien allgemein sowie zur Anwendung des Verfah- laufenden Produktion geprüft werden.
rens und zur Prüfung der Verbindungen gegeben. Im Fol- Der Einsatz konventioneller Clinchsysteme mit ge-
genden wird das Prinzip des einstufigen, nichtschneiden- bräuchlichen Werkzeugsätzen ist momentan auf Gesamt-
den Clinchens mit starrer Matrize erläutert, welches der- blechdicken von ca. 6 mm bis 8 mm begrenzt, da die Fü-
zeit den größten Marktanteil für sich beansprucht und ein gesystem-Anbieter bisher nur Standard-Sortimente bis zu
hohes Potential hinsichtlich der Übertragbarkeit auf Ver- bestimmten Werkzeugdimensionen anbieten, welche sich
bindungsaufgaben mit größeren Blechdicken aufweist. stark am Automotive-Sektor orientieren. Wie die Werk-
Bild 1 zeigt das Verfahrensprinzip des Clinchens mit zeugdimensionen von Stempel und Matrize ausgehend
starrer Matrize in drei Stufen. Im ersten Prozessschritt er- von den bekannten Feinblechanwendungen auf den Dick-
folgt ein Fixieren der zu verbindenden Bauteile auf der blechbereich übertragen werden, hängt in starkem Maße
Formmatrize durch den Niederhalter. Die Zustellung des von den Anforderungen bezüglich Verbindungsfestigkeit,
Stempels bewirkt im zweiten Prozessschritt ein Durchset- Zugänglichkeit, Fügekraft und den Materialeigenschaften
zen des stempelseitigen Bleches in das matrizenseitige der zu verbindenden Bleche ab.
Blech. Erreicht der unterhalb des Stempels befindliche Zur Blechdicke proportional kleine Werkzeugabmes-
Werkstoff den Matrizenboden, erfolgt ein zunehmendes sungen bewirken zwar geringe Fügekräfte und günstige Ei-
radiales Fließen des Werkstoffes und es kommt zu einer genschaften hinsichtlich der Zugänglichkeit, haben aber
Hinterschnittbildung zwischen den beiden Blechen, dar- höhere Werkzeugbeanspruchungen und geringere Verbin-
gestellt in Prozessschritt 3. Nachdem die Verbindung aus- dungsfestigkeiten vor allem bei Scherzugbelastung zur
geprägt ist, erfolgt der Rückhub des Stempels. Folge. Im Extremfall kann es bei der Verarbeitung von
Mitunter wirken infolge der entlasteten Verbindung Werkstoffen mit geringer Bruchdehnung bereits beim Fü-
radiale Druckspannungen auf den Stempel, welche den gen zur Rissbildung im Halsbereich kommen. Ursache da-
Rückhub erschweren. Da der Niederhalter gleichzeitig als für ist eine vergleichsweise starke Dehnung des Werkstof-
Abstreifer fungiert, kann bei richtiger Dimensionierung fes in diesem Bereich, welche nur bei Verwendung ausrei-
des Niederhalters ein sicheres Ausfahren des Stempels ge- chend duktiler Werkstoffe realisiert werden kann.
währleistet werden (vgl. Bild 2). Der beschriebene Clinch- Demgegenüber können bei größeren Werkzeugab-
prozess erfolgt bei Raumtemperatur, lediglich bei Verbin- messungen größere Halsdickenwerte und somit höhere
dungsaufgaben mit spröden Metall-Werkstoffen wie Alu- Scherfestigkeiten erzielt werden. Dafür sind allerdings
miniumguss oder Magnesium ist eine Erwärmung der Ble- auch höhere Fügekräfte nötig. Bild 4 verdeutlicht diese

Bild 2. Typischer Aufbau einer Stempel-Niederhalter-Einheit Bild 3. Geometrische Kenngrößen einer Clinchverbindung
Fig. 2. Typical configuration of a punch-blank holder-device Fig. 3. Geometrical parameter of a clinching joint

Stahlbau 79 (2010), Heft 7 511


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Bild 4. Einfluss der Werkzeugdimen-


sionen auf Fügekraft und Punktaus-
bildung
Fig. 4. Influence of tool dimensions on
joining force and joint characteristic

Zusammenhänge an einer Verbindung von Stahlblechen – Können mit dem Clinchen vergleichbare Festigkeiten
mit 8,0 mm und 4,0 mm Dicke. Die dargestellte Kenngrö- erzielt werden wie mit konventionellen Schweißverbin-
ße des Vergleichsumformgrades (strain effective), auch dungen?
logarithmische Dehnung genannt, zeigt deutlich die Un- – Können die globalen Bauteildeformationen durch den
terschiede in der Verformung sowie der Halsdicke bei Ver- Einsatz der neuen Technologie signifikant reduziert
wendung unterschiedlicher Werkzeugdimensionen. Ent- werden?
sprechend der Anforderungen an die Verbindungsfestig-
keit aber auch im Hinblick auf die Eigenschaften der zu Da standardisierte Werkzeugsätze für diesen Anwen-
verbindenden Werkstoffe gilt es demnach entsprechend dungsbereich noch nicht zur Verfügung stehen, erfolgte
angepasste Werkzeugsätze zu verwenden. eine vorrangig numerisch basierte Dimensionierung nach
den Anforderungen der Schindler Fahrtreppen Internatio-
3 Prototyp eines Fahrtreppen-Fachwerkes nal GmbH. Maßgeblich für diesen Einsatzfall sind die zu
3.1 Anforderungen und Clinchpunktauslegung übertragenden Kräfte in den Verbindungsknotenpunkten.
Analog den ausgeführten Zusammenhängen zwischen
Die Herstellung von Fachwerken für Fahrtreppen (vgl. Punktgröße und Scherzugfestigkeit wurden zwei Clinch-
Bild 5) erfolgt konventionell durch Verschweißen von punkt-Varianten numerisch untersucht. Die Prozesssimu-
Halbzeugprofilen. Dabei werden zumeist MAG-Schweiß- lation ist für die Werkzeugauslegung ein wichtiges und
nähte appliziert, welche je nach Automatisierungsgrad ei- effektives Instrument, da neben der Vorhersage der geo-
nen nicht unerheblichen Anteil an manueller Schweiß- metrischen Beschaffenheit des Fügepunktes auch Span-
arbeit und zum Teil aufwändige Richtarbeiten in Folge nungen im Werkzeug, kritische Verformungen des Werk-
des Schweißverzuges bedingen [7]. Zusammen mit der stoffes und die zu erwartenden Prozesskräfte im Varian-
Schindler Fahrtreppen International GmbH und der tenvergleichen ermittelt werden können. Als Grundlage
Eckold GmbH & Co KG wurde untersucht, ob das Clin- der experimentellen Verifikation wurden so zwei Clinch-
chen in diesem Anwendungs- und Blechdickenbereich punktdimensionen ermittelt: ein Punkt mit kleinen Werk-
ökonomisch vorteilhaft ist und ob das Verfahren eine zeugdimensionen (Matrizendurchmesser 22 mm) und ein
Alternative zur konventionellen Fügetechnik darstellen zweiter Punkt mit großen Werkzeugdimensionen (Matri-
kann. Hauptgegenstand bei der Untersuchung der Füge- zendurchmesser 32 mm). Bild 6 zeigt die Querschliffe der
paarung Stahlblech S355JR 8,0 mm Dicke mit 4,0 mm beiden Clinchpunkte.
Dicke waren die Fragestellungen:
3.2 Eigenschaften und Einsatzrandbedingungen

Während bei konventionellen Clinchverbindungen im


Feinblechbereich Scherzugfestigkeiten von etwa 2 kN bis
8 kN zu erwarten sind, wurden an den genannten ge-
clinchten Dickblechverbindungen maximale Scherzug-

Bild 6. Querschliffe von Clinchverbindungen mit unter-


schiedlichen Werkzeugdimensionen, links: Nenndurchmes-
ser 32 mm, rechts: Nenndurchmesser 22 mm
Fig. 6. Cross section of clinching joints with different tool
Bild 5. Fachwerk einer Fahrtreppe, CAD-Modell dimensions, left: nominal diameter 32 mm, right: nominal
Fig. 5. Framework structure of an escalator diameter 22 mm

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Bild 7. Typische Kraft-Weg-Verläufe


beim Scherzugversuch mit Einpunkt-
proben
Fig. 7. Typical load-stroke-curves of a
shear strength test of with single joint
specimens

kräfte von 58 kN bzw. 121 kN erreicht (vgl. Bild 7). Diese wendung von kleineren Fügepunkten und damit geringe-
auch für Experten unerwartet hohe Festigkeitsperforman- ren Fügekräften ist somit für diesen Anwendungsfall er-
ce der getesteten Verbindungen war Basis für die weitere strebenswert. Mit herkömmlichen CAD-Programmen
Untersuchung der Clinchtechnologie für den Zusammen- können die notwendigen Zugänglichkeitsbetrachtungen
bau von Fahrtreppen. Die notwendige Fügepunktanzahl durchgeführt werden, um entsprechende Erkenntnisse
war somit geringer als ursprünglich angenommen und die hinsichtlich der Gestaltung der Fügestellen an den Bautei-
Gestaltung der Fachwerkknoten konnte analog zur len oder eventueller Kollisionsprobleme vorab zu generie-
Schweißkonstruktion mit unveränderten Überlappungs- ren (Bild 9). Auf der Basis derartiger Vorbetrachtungen er-
bereichen ausgeführt werden. Die aufzubringenden Füge- folgt die Auslegung von Stempel- und Matrizendimensio-
kräfte sind mit 390 kN (Nenndurchmesser 22 mm) bzw. nen sowie die Gestaltung der kompletten Fügesysteme.
670 kN (Nenndurchmesser 32 mm) je Punkt zu beziffern.
Der Vergleich der beiden untersuchten Varianten be- 3.3 Betrachtungen zum Bauteilverzug
züglich der jeweiligen Fügekräfte und der erzielbaren Ver-
bindungsfestigkeiten zeigt exemplarisch das Spektrum der Clinchverbindungen sind im Allgemeinen durch sehr ge-
Anpassungsmöglichkeiten dieser Technologie an die je- ringe prozessinduzierte Bauteilverzüge charakterisiert.
weiligen Kundenanforderungen. Oftmals sind die Füge- Globale, durch Wärmeeintrag bedingte Deformationen
werkzeuge, in vielen Fällen C-Bügel, hinsichtlich der Zu- wie beim Schweißen treten bei dieser Fügetechnologie
gänglichkeit an den Werkstücken und der auftretenden nicht auf, da es sich beim Clinchen um einen kalten Füge-
Fügekräfte anzupassen (vgl. Bild 8). Dabei ist insbesonde- prozess handelt. Lediglich durch die lokale starke plasti-
re auf die Aufbiegung des Bügels bei maximaler Last sowie sche Verformung der Fügestelle ist die Einbringung einer
auf die Einhaltung maximaler Zugspannungen zu achten. globalen Verformung der Bauteilstruktur möglich. Dieser
Für robotergestütztes Fügen, bei welchem der C-Bügel Effekt kann jedoch durch eine entsprechend dimensio-
durch den Roboter gehändelt wird, muss die bei höheren nierte Niederhalterkraft am Clinchwerkzeug minimiert
Fügekräften notwendige größere Masse der Bügel schon werden. Zusätzlich können durch Gestaltung des Füge-
bei der Prozessplanung berücksichtigt werden. Die An- prozesses, zum Beispiel durch eine Optimierung der Füge-
reihenfolge, Bauteildeformationen unterbunden werden.
Mit der für das Dickblechfügen entwickelten Clinch-
technologie wurde ein Prototyp eines Fachwerksegmentes
mit einer Länge von 3 m gefertigt. Dazu wurden der Ober-
gurt und der Untergurt des Fachwerkes mit senkrecht an-

Bild 8. Auslegung und Dimensionierung von C-Bügeln Bild 9. Untersuchung der Zugänglichkeit am CAD-Modell
Fig. 8. Design and dimensioning of C-frames Fig. 9. Investigation on accessibility on a CAD-model

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anderem konnte punktuell nachgewiesen werden, dass der


Festigkeitsabfall bei zyklischer Beanspruchung der Füge-
punkte nur sehr gering ausfällt. Somit wird ein weiterer
evidenter Vorteil der Fügetechnik Clinchen im Vergleich
zu thermischen Fügeverfahren auch für die Dickblech
verarbeitenden Industriezweige nutzbar. Schwerpunkte
derzeitiger Untersuchungen sind unter anderem Design-
optimierungen hinsichtlich der Reduzierung von Füge-
und Abstreiferkräften sowie die Generierung umfangrei-
cher Kenntnisse bezüglich der zyklischen und schlagarti-
gen Verbindungsbelastung.
Da beim Clinchen von größeren Blechdicken zum
Teil deutlich höhere als die aus dem Automotive-Bereich
bekannten Fügekräfte nötig sind, ist der Einsatz von
Handgeräten für eine mobile Montage auf Baustellen eher
nicht zu erwarten. Das Verfahren eignet sich durch seine
Bild 10. Prototyp eines Fachwerksegmentes, CAD-Modell
gute Automatisierbarkeit jedoch hervorragend für den
und Detail eines Knotenpunktes
Fig. 10. Prototype of a framework segment, CAD-model and Einsatz in der Vormontage. Wesentliches Kriterium für
a detailed view of a connection area eine an die Automobilindustrie angelehnte universelle
Technologie-Applikation mit Robotereinsatz ist die Di-
mensionierung der Fügezangen in Abhängigkeit der erfor-
gebrachten Verbindern, den sogenannten Stehern und derlichen Fügekräfte. Für Anwendungen auf konventio-
mittels Diagonalstreben verbunden (vgl. Bild 10). Die ge- nellen Pressen sind die Fügekräfte dagegen nicht die aus-
messenen fügeinduzierten, globalen Deformationen der schlaggebende Größe, weshalb die Experten des Fraun-
Ober- und Untergurte lagen an allen relevanten Mess- hofer IWU in der derzeitig realisierten Gesamtblechdicke
punkten über die gesamte Konstruktion unterhalb von von 16 mm bei Stahlverbindungen noch nicht die obere
0,5 mm. Somit konnte somit die angestrebte deutliche Prozessgrenze des Clinchens sehen.
Verringerung des Bauteilverzugs gegenüber dem Schwei-
ßen realisiert werden. Ein nachträgliches Richten ist bei Literatur
diesem Anwendungsfall unter Verwendung der Clinch-
technologie demnach nicht mehr nötig, was ein enormes [1] Kohstall, T., Budde, L.: Prozesskostenanalyse von umform-
Kosteneinsparungspotential bedeutet. Die Übertragung technischen Blechfügetechniken. Blech Rohre Profile (02/
1994), S. 107–111.
der bekannten geringen Beeinflussung der Bauteilgeome-
[2] Fertigungsverfahren Fügen: Teil 0: Allgemeines, Einord-
trie durch den Fügeprozess bei Feinblechen auf Anwen-
nung, Unterteilung, Begriffe. Berlin: Beuth-Verlag 2003.
dungsfälle im Dickblechbereich konnte somit erfolgreich [3] Fecht, N.: Es geht ohne Schweißen. Mechanische Fügetech-
vollzogen werden. nik im Schienenfahrzeugbau. ke (05/2007), S. 64–65.
[4] Matthes, K.-J., Riedel, F.: Fügetechnik. Überblick – Löten –
4 Zusammenfassung und Ausblick Kleben – Fügen durch Umformen. Leipzig, München, Wien:
Fachbuchverlag Leipzig 2003.
Neben dem aufgezeigten Beispiel des Fachwerkes sind be- [5] Budde, L., Pilgrim, R.: Stanznieten und Durchsetzfügen.
reits mehrere Untersuchungen zum Dickblechclinchen Die Bibliothek der Technik Bd. 115. Landsberg/Lech: Verlag
bei verschiedenen Werkstoff- und Blechdickenkombina- Moderne Industrie 1995.
tionen am Fraunhofer IWU durchgeführt worden. Unter [6] Clinchen – Überblick. Taschenbuch DVS-Merkblätter und
-Richtlinien – Mechanisches Fügen. Fachbuchreihe Schweiß-
technik, Band 153, DVS-Media GmbH (2009) S. 17–29.
[7] Israel, M., Trojer, A.: Clinching of Thick Sheets in a Frame-
work Structure. Konferenz-Einzelbericht: Fügen im Automo-
bilbau, 2009.

Autoren dieses Beitrages:


Dipl.-Ing.(FH) Markus Israel, markus.israel@iwu.fraunhofer.de
Dipl.-Ing. Fred Jesche, fred.jesche@iwu.fraunhofer.de
Dr.-Ing. Reinhard Mauermann, reinhard.mauermann@iwu.fraunhofer.de
Alle bei: Fraunhofer Institut Werkzeugmaschinen und Umformtechnik,
Abteilung Fügetechnik, Nöthnitzer Straße 44, 01187 Dresden
Bild 11. Ausschnitt
aus einem geclinchten Dipl.-Ing. Andreas Trojer,
Fachwerk Schindler Fahrtreppen International GmbH, R&D Escalators,
Fig. 11. Cut-out of a Wienerbergstrasse 21–25, 1100 Wien, Österreich,
clinched framework andreas.trojer@at.schindler.com

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