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11 Empfehlungen für die

Übungsanleitung bei
Patienten mit einer Knie-
/Hüftarthrose
Einführung
Therapeutisch angeleitete Übungsprogramme gelten in allen Leitlinien in
Kombination mit einer Edukation als primäre Behandlung.
So klar diese Empfehlung ist, so unklar ist in den Leitlinien die Umsetzung.
Die Fragen „Was sind die genauen Inhalte“ bzw. „Wie sieht eine optimale
Dosis aus“ bleiben gänzlich unbeantwortet. Dies führt sowohl bei den
behandelnden Therapeut*innen, als auch bei den Patient*innen zu
Unsicherheit und häufig auch zu einer geringeren Adhärenz. Der
grundsätzliche Nutzen und auch der therapeutische Effekt bleiben so auf
einem geringen Niveau.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass in Studien immer mehr gefordert
wird, dass Übungen und die angeleiteten Parameter genauer beschrieben
werden sollten (z.B. CERT Consensus on Exercise Reporting Template).
Delphie-Konsensus
Auf der Basis einer Literaturrecherche
führten n=17 Mitglieder des OARSI-
Rehabilitationskomitees und ausgewiesene
Experten im Kontext Behandlung von OA-
Patienten einen Delphiekonsens bezüglich
der Struktur der aktiven Übungstherapie
aus. Daraufhin wurden letztendlich 11
Empfehlungen für die Praxis abgeleitet. Ein
Konsens bestand dann, wenn 80 % der
Mitglieder auf einer 0-10 Likert-Skala
(geringe bis hohe Übereinstimmung) den
Wert >=8/10 angaben.

1. Orientiere Dich
an der (momentan)
besten Evidenz!
2. Übungsprogramme sollten unter der
Berücksichtigung der Grunderkrankung und dem
individuellen Schmerzerleben strukturiert werden!

• Stelle sicher, dass der Plan einen Selbstmanagement-


ansatz ermöglicht! Bilde den Patienten für ein
eigenverantwortliches Handeln in der Zukunft aus.

• Sei zuversichtlich, dass ein gut designtes


Übungsprogramm den arthrotischen Prozess oder die
Prognose nicht negativ beeinflussen.

• Bereite den Patienten auf eine mögliche


vorübergehende Schmerzverstärkung vor und
erarbeite einen Notfallplan bei einem flare up!
3. Führe eine vollständige Basisuntersuchung aus!

• Ermittle die wichtigsten Impairments, funktionelle Einschränkungen,


Beschwerden des Patienten und kognitiv-emotionale Treiber, die die
höchste Relevanz für den Patienten haben.

• Screene nach Red flags und Kontraindikationen für aktive Übungen.

• Integriere den allgemeinen Gesundheitszustand (Begleiterkrankungen)


des Patienten in die Trainingsplanung.

• Führe passende Assessments aus und formuliere Ziele aus den Werten.
Verwende die Testverfahren, um den Fortschritt des Patienten
darzustellen.
4. Setze Ziele!

• Formuliere mit dem Patienten/der Patientin bedeutsame und für


beide Seiten erreichbare Ziele.

• Wähle Ziele, die eine Partizipation an alltäglichen Aktivitäten


ermöglichen/fördern.

• Erstelle einen Trainingsplan, der sich an den gesetzten Zielen orientiert.

• Kläre den Patienten explizit über den Sinn der gewählten


Trainingsparameter auf.

• Setze realistische Erwartungen für die Effekte der Übungstherapie und


einen adäquaten zeitlichen Rahmen für das Erreichen von Nah- und
Fernzielen.
5. Übungsauswahl

• Realisiere die Vielfalt der Trainingsmethoden


(Ausdauer, Kraft, Koordination, Beweglichkeit).

• Wähle Methoden passend zum Impairment und der funktionellen Zielsetzung aus.

• Erstelle eine einfaches Programm, das ohne Hilfsmittel zu Hause ausgeführt


werden kann.

• Versuche, Strategien zu entwickeln, um das allgemeine Bewegungs-


verhalten positiv zu beeinflussen.
6. Mache Dir Gedanken über die Trainingsdosis!

• Stelle sicher, dass die gewählten Trainingsparameter für


physiologische Anpassungserscheinungen und für das Erreichen der
Ziele adäquat gewählt sind.

• Ermutige den Patienten, mindestens 2x pro Woche zu trainieren.

• Bestimme ein angepasstes Volumen für den Trainingsbeginn.

• Übergeordnetes Ziel sollte eine nachhaltige Adhärenz sein


und keine episodische Teilnahme an einzelnen Einheiten.
7. Gestalte den Trainingsplan variabel und progressiv!

• Progressionen sollten Übungen systematisch schwerer oder auch


leichter machen, angelehnt an die Entwicklung des Trainierenden.

• Die Übungsintensität sollte sukzessive gesteigert werden,


Schmerzverstärkung oder Unwohlsein sollten aber immer respektiert
werden.

• Biete Übungsvarianten für schwierig auszuführende Übungen an.

• Formuliere eine klare Leitlinie, wann und in welcher


Weise eine Übungsprogression durchgeführt wird.
8. Passe den Trainingsplan an das Individuum an!

• Hauptfaktoren für eine Anpassung sind: Begleiterkrankungen,


Schmerzintensität, physische und kognitive Leistungsfähigkeit und die
Notwendigkeit einer therapeutischen Supervision.

• Des Weiteren sollte der Plan an die Impairments angepasst werden. Es


sollte darüber hinaus nicht ausschließlich das betroffene Gelenk, sondern
der Mensch insgesamt im Mittelpunkt stehen.
9. Optimiere die Übungsanleitung

• Die Übungsanleitung sollte in einfacher Patientensprache


erfolgen.

• Stelle sicher, dass die Übungsanleitung verstanden wurde


(z. B. die Übung vormachen lassen und Feedback geben).

• Versichere Dich, dass der Patient genug Selbstvertrauen


und Sicherheit für die ausgewählten Übungen besitzt.

• Schaffe eine starke Bindung mit dem Patienten, höre


aufmerksam zu und ermögliche immer einen Dialog.
10. Stelle die Adhärenz in den Mittelpunkt

• Motiviere den Patienten die Übungen auszuführen und erkenne früh


mögliche Barrieren.

• Versichere Dich, dass die Übungsauswahl adäquat und machbar ist. Biete
im Notfall Alternativen an.

• Gib dem Trainierenden ein Feedback über die Ausführung, die Leistung
und die Entwicklung.

• Informiere Dich über Möglichkeiten für die Weiterführung des Programms


innerhalb der Umgebung des Patienten.
11. Informiere über den Arthroseprozess und die Rolle einer
Übungstherapie

• Erkläre in einfachen Worten die Pathogenese und die Entstehung von


Symptomen, ohne zu verängstigen. Stelle klar, dass Schmerz nicht mit
einer neuerlichen Gelenkschädigung gleichzusetzen ist.

• Erkenne Zweifel bezüglich des Zusammenhangs von Übungen und der


Pathogenese der Osteoarthrose, nehme Ängste wertfrei auf und
adressiere sie innerhalb der Edukation.

• Betone die Wichtigkeit von aktiven Übungen und der langfristigen


Adhärenz.
Literaturangaben
1. Holden MA, Metcalf B, Lawford BJ et al. Recommendations for the delivery of therapeutic exercise for people with knee and/or hip osteoarthritis. An international
consensus study from the OARSI Rehabilitation Discussion Group. Osteoarthritis and Cartilage. 2023; 31: 386.

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