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Maschinenbau B. Eng.

– SS 2022

HAUSARBEIT
Werkzeugmaschinengestelle
WEFE

Fakultät Natur und Technik, Abteilung Maschinenbau

Namen: Britta Schwecke (5091533)


Ahmad Ahmad (5081374)
Niklas Schütte (5027774)

Datum: 22.07.2022
Eigenständigkeitserklärung

Hiermit versichern wir, dass wir die vorliegende Hausarbeit selbstständig verfasst ha-
ben. Es sind keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet
worden. Wörtlich oder dem Sinn nach aus anderen Werken entnommene Stellen sind
als solche kenntlich gemacht. Diese Erklärung erstreckt sich auch auf in der Arbeit
enthaltene Grafiken, Skizzen, bildliche Darstellungen sowie auf Quellen aus dem In-
ternet. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form auch auszugsweise
noch nicht als Bestandteil einer Prüfungs- oder Studienleistung vorgelegt.

Bremen, den 22.07.2022

X
Britta Schwecke

X
Ahmad Ahmad

X
Niklas Schütte
Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ........................................................................................................................ 1

2 Allgemeine Grundlagen................................................................................................... 2

2.1 Aufgaben und Anforderungen der Gestelle ............................................................. 2

2.2 Bauformen von Maschinengestellen........................................................................ 3

3 Beanspruchung ............................................................................................................... 5

3.1 Statische Ansprüche ............................................................................................... 5

3.2 Dynamische Ansprüche .......................................................................................... 8

3.3 Thermische Ansprüche ..........................................................................................11

4 Gestellwerkstoffe ...........................................................................................................13

4.1 Gestelle aus Gusseisen oder Stahl ........................................................................14

4.1.1 Gusseisenwerkstoffe .......................................................................................14

4.1.2 Stahl................................................................................................................14

4.2 Gestelle aus Beton .................................................................................................15

4.2.1 Zementgebundener Beton ...............................................................................15

4.2.2 Reaktionsharzbeton ........................................................................................16

4.3 Gestelle aus Faserverbund ....................................................................................17

4.4 Weitere Gestellwerkstoffe.......................................................................................19

5 Einsatzbereiche .............................................................................................................21

5.1 Werkstückorientiere Anwendung ............................................................................21

5.2 Standortorientierte Anwendung ..............................................................................29

6 Fazit ...............................................................................................................................32

Literaturverzeichnis ..............................................................................................................33
Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Grundbauformen und Hauptelemente von Werkzeugmaschinengestellen (eigene


Darstellung in Anlehnung an [3]) ........................................................................................... 3

Abbildung 2: Portalfräsmaschine (Foto entnommen aus [8]) ................................................. 4

Abbildung 3: Beispiele des jeweiligen Steifigkeitsfalls eines Maschinenständers (eigene


Darstellung nach [6]) ............................................................................................................. 6

Abbildung 4: Vergleich der Flächenträgheitsmomente von unterschiedlichen Querschnitten


(eigene Darstellung nach [3])................................................................................................. 7

Abbildung 5: Biege- und Torsionssteifigkeitsverhältnis mit unterschiedlichen Formen (eigene


Darstellung nach [6]) ............................................................................................................. 8

Abbildung 6: Schwingungsarten (eigene Darstellung nach [6]) .............................................. 9

Abbildung 7: Darstellung von Schwingungsarten (eigene Darstellung nach [9]) ...................10

Abbildung 8: Nachgiebigkeit bei verschiedenen Kreisfrequenzen (eigene Darstellung nach


[12]) ......................................................................................................................................10

Abbildung 9: Interne und externe Wärmequellen (eigene Darstellung nach [1]) ....................11

Abbildung 10: Anforderungen an den Gestellwerkstoff (eigene Darstellung nach [3]) ...........13

Abbildung 11: Ausgewählte Eigenschaften der metallischen Gestellwerkstoffe (eigene


Darstellung nach [6]) ............................................................................................................14

Abbildung 12: Bestandteile des Hochleistungsbetons Nanodur (Fotos entnommen aus [17,
16]) .......................................................................................................................................15

Abbildung 13: Ausführungsvarianten von Mineralguss (eigene Darstellung nach [9]) ...........17

Abbildung 14:Fahrständerfräszentrum MTE - FBF M 6000 der österreichischen Illwerke [25]


.............................................................................................................................................22

Abbildung 15:Vertikal verfahrbare Bedienerkabine der Maschine [25] ..................................22

Abbildung 16:Gestellschema der FBF M 6000 - Vorderansicht.............................................23

Abbildung 17: Gestellschema der FBF M 6000 - Draufsicht .................................................24

Abbildung 18:Aufbau Gestell der Hedelius „Tiltenta 11“, (Foto entnommen aus [28]) ...........26

Abbildung 19: Gestellaufbau „Schmid SE 410“ für erhöhte Flexibilität [29], [30] ...................27

Abbildung 20: Gestellaufbau „High-Speed- Eagle V9“ erhöhte Präzision, Informationen vgl [32]
.............................................................................................................................................29

Abbildung 21: Anforderungen an Hallenboden (Informationen aus [33]) ...............................30


Abbildung 22: Multi-Material-Welding Technologie für Leichtbauwerkstoffe (unbearb. Foto
[34]) ......................................................................................................................................31
1 Einleitung

Zum Werkzeugmaschinengestell zählen jene Bereiche, die am Standort der Maschine


nicht beweglich sind. Das heißt der Bereich, der fest mit dem Hallenboden verbunden
ist bzw. der Rumpf der Maschine. Das Werkzeugmaschinengestell umfasst alle Kom-
ponenten, die nicht durch Führungen von dem Maschinenrumpf getrennt sind. Also
der Teil, der starr ist und nicht beweglich.

Gestelle stellen die tragenden Grundkörper der Werkzeugmaschinen dar. Sie führen
und tragen Funktions- sowie Bauelemente. Gestalt und Größe sind durch die gefor-
derten Prozessaufgaben des späteren Einsatzes der Maschine festgelegt. Die gefor-
derte Bearbeitungsgenauigkeit ist bei der Auslegung und der Auswahl von Gestellbau-
teilen zu berücksichtigen. Werkstückgewichte sowie Prozesskräfte dürfen nur mini-
male Verformungen der Maschine verursachen. Zumeist werden Gestelle aus mehre-
ren Einzelteilen gefertigt, da dessen Fertigung und Montage dies vorgeben. Diese Ein-
zelteile werden an den Fügestellen miteinander verschraubt, in einzelnen Fällen je-
doch auch verklebt.

Die Form eines Werkzeugmaschinengestells wird insbesondere durch die Lage und
Länge der Bewegungsachsen sowie der diesbezüglichen Anordnung von Komponen-
ten der Maschine festgelegt. Solche Komponenten sind Baugruppen und Bauteile wie
z.B. Arbeitsspindeln, Schlitten, Steuerungseinheiten oder Getriebe [1].

Klassische Gestellbauteile eines Bearbeitungszentrums sind:

• Maschinenbett
• Maschinenständer
• Hauptspindelmotor
• Getriebe
• Spindelträger (y-Achse)
• Rundschalttisch (x-Achse)
• Palettenwechsler
• Werkzeugwechsler und Magazin [1]

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2 Allgemeine Grundlagen

Das Grundgerüst einer Werkzeugmaschine lässt sich mit Hilfe eines Gestells realisie-
ren. Gestelle können in ihrem Aufbau je nach Maschinenbauart variieren, da diese auf
Grundlage der Gesamtmaschinengestaltung entwickelt werden. Die vorgesehenen
Einsatzmöglichkeiten der Werkzeugmaschine erfordern je nach Anwendungsfall un-
terschiedliche Eigenschaften der Gestelle. Dabei müssen verschiedenste Anforderun-
gen an das Werkzeugmaschinengestell berücksichtigt werden. In diesem Kapitel wer-
den die Funktionen und Anforderungen von den Werkzeugmaschinengestellen sowie
die Baumformen solcher Gestelle erläutert.

2.1 Aufgaben und Anforderungen der Gestelle

Die Werkzeugmaschinen müssen vielfältige Anforderungen erfüllen. Als Beispiel dafür


sind hohe Leistung und Genauigkeit entscheidend. Was für Hersteller von solchen Ma-
schinen zu bedeuten hat, dass die möglichst effizienten Prozessparameter wie hohe
Vorschub bei stabiler Bearbeitung ermöglichet werden. Allerdings instabile Prozesse
hängen von den Steifigkeiten der Maschinengestelle sowie der Struktur ab. [2]

Die Anforderungen für eine Werkzeugmaschine sind:

• Langlebig und kostengünstig bei der Herstellung,


• einfacher Zugang zu Werkzeugen und Werkstücken sowie Antriebs-, Wartungs-
und Reparaturelementen,
• hohe Steifigkeit der statische und dynamische verhalten,
• kleine bewegliche Massen,
• thermische Verformbarkeit gering halten,
• gute und gesicherte Abfuhr von Spänen und Kühlschmierstoffen. [3]

Diese beziehen sich allerdings auf das Produzieren von funktionstüchtigen Werkstü-
cken ohne dabei hohe Kosten zu verursachen. Die Aspekte, wie der Entwurf von Ge-
stellen und deren Werkstoffe, haben Einwirkung auf die Anordnungen. [3]

Der Werkzeugmaschinenrahmen hat hauptsächlich zwei Funktionen zu erfüllen, das


Stützen der Maschine und den Zusammenhalt der Einzelkomponenten sowie der Vor-
gangskraft und der Bewegungslast aufzunehmen. [3] Außerdem besteht ein Werk-
zeugmaschinengestell nur aus starren Teilen in der Bauform.

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2.2 Bauformen von Maschinengestellen

Die umfangreichen Anforderungen lassen sich auf Basis verschiedener Gestellbaufor-


men umsetzen. Das Gestell umfasst alle fest montierten Komponenten der Werkzeug-
maschine. Bei Werkzeugmaschinengestellen handelt es sich in den meisten Fällen um
Baugruppen bestehend aus mehreren Einzelteilen wie Betten, Ständern, Tischen,
Konsolen und Querbalken. Diese Hauptelemente werden zunächst separat gefertigt
und anschließend miteinander verschraubt oder verklebt. Die modulare Bauweise er-
leichtert die Fertigung und Montage. [4] Der Aufbau des Maschinenbetts sowie die
Lage der Arbeitsspindel sind wichtige konstruktive Merkmale der Maschinen. Je nach
Fertigungsaufgabe haben sich diesbezüglich die in der Abbildung 1 dargestellten typi-
schen Gestellbauformen herausgebildet. Drehmaschinen lassen sich außerdem in
Flachbett, Schrägbett und Frontbett unterteilen.

offene Bauweise geschlossene B.


Konsolbauweise Bettbauweise Ständerbauweise Säulenbauweise Portalbauweise

Abbildung 1: Grundbauformen und Hauptelemente von Werkzeugmaschinengestellen (eigene


Darstellung in Anlehnung an [3])

Ein Faktor für eine hohe mechanische Genauigkeit der Maschine ist, dass eine Bewe-
gung mit möglichst wenig Achsen im Verbund ausgeführt werden kann. [5] Hinsichtlich
des Kraftflusses in der Maschine unterscheidet man Gestelle mit offener oder ge-
schlossener Bauweise. Offene Gestelle besitzen eine gute Zugänglichkeit, demgegen-
über jedoch eine schwächere Struktur beim Wirken von Bearbeitungskräften. [6] Dies
macht sich besonders bei der Säulenbauweise bemerkbar. Durch das offene Gestell
treten hohe Biege- und auch Torsionsbeanspruchungen auf, die sich durch die freien
Kraglängen negativ auf die Steifigkeit auswirken. [3] Daher kann sie nur geringe Pro-
zesskräfte übertragen.

Typische Werkstattmaschinen für kleinere Werkstücke besitzen oft Gestelle in Konsol-


bauweise. Da dort allerdings bei der senkrechten Konsolenbewegung das gesamte
Werkstück mitbewegt werden muss, sind dem zulässigem Gewicht der zu bearbeiten-
den Teile Grenzen gesetzt. Für eine Bearbeitung schwerer Werkstücke bieten sich
dagegen Bett- und Ständerbauweise an. Dort ruht der Maschinentisch auf einem star-
ren Maschinenbett. Gestelle in Ständerbauweise finden bei Drehmaschinen mit verti-
kaler Werkstückachse Anwendung. [4, 7]

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Gestelle in Portalbauweise verfügen über zwei Ständer, welche mit einem Querbalken
verbunden sind. Durch diesen Aufbau erhält die Maschine den Eindruck eines Tores
beziehungsweise eines Portals. Die Portalbauweise erlaubt die Bearbeitung sehr gro-
ßer und sperriger Werkstücke. Zudem kann aufgrund der geschlossenen Bauweise
eine hohe Positionierungsgenauigkeit erreicht und hohe Anforderungen hinsichtlich
Stabilität und Zerspanleistung umgesetzt werden. Eine weitere Unterscheidung der
Portalmaschinen erfolgt zwischen Tisch- und Gantry-Bauweise. Bei Maschinen in
Tischbauweise wird das Werkstück mittels eines verfahrbaren Tisches innerhalb der
Maschine in Position gebracht, während das Werkzeug selbst statisch bleibt. Bei der
Gantry-Bauweise ist der Maschinentisch mit dem Fundament verbunden und die Ma-
schine kann zur Bearbeitung des Werkstückes über verschiedene Achsen bewegt wer-
den. [8] Das Gewicht des Werkstücks ist dabei irrelevant, da sich die Fräse um das zu
bearbeitende Material herumbewegt. Die Abbildung 2 zeigt eine Portalfräsmaschine,
welche eine Hybridisierung der beiden Bauweisen vorweist. Der Maschinentisch ist in
X-Richtung verfahrbar. Die anderen Achsen werden durch die Bewegung des Werk-
stückes variiert.

Abbildung 2: Portalfräsmaschine (Foto entnommen aus [8])

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3 Beanspruchung

Mit den Funktionen beziehungsweise Aufgaben des Gestells werden also unter allen
Betriebsbedingungen, die Genauigkeit und Leistung der Maschine gesichert. Als Vo-
raussetzung erfolgt dafür ein gutes statisches, dynamisches und thermisches Verhal-
ten, um dabei noch einen hohen Gewinn zu erzielen. [9, 6] . Daher sind hohe statische
und dynamische Steifigkeiten bei der Gesamtmaschine erforderlich. Anderenfalls ent-
steht ein instabiler Prozess, wodurch die Leistungsfähigkeit der Werkzeugmaschine
reduziert wird. [2] In diesem Kapitel wird eine der wichtigsten Anforderung der Werk-
zeugmaschinen in Bezug auf Gestelle erläutert. Diese sind das statische und dynami-
sche Steifigkeitsverhalten sowie die thermische Verformung der Gestellbauteile von
den Maschinen und werden im nächst Schritt textuell begleitet visuell erläutert.

3.1 Statische Ansprüche

Mit statischen Ansprüchen ist das Verhalten von Werkzeugmaschinen beziehungs-


weise Gestellkomponenten der Werkzeugmaschine im Stillstand gemeint.

Das Verhalten von der Werkzeugmaschine kann bestimmt werden, wenn die statische
und dynamische Berechnung mithilfe der FEM durchgeführt sind. In der statischen Be-
rechnung wird die Steifigkeit der Werkzeugmaschine ermittelt. [10]

Das Verhalten hängt von Kontaktpositionen und Gestellkomponenten in Kraftrichtung


ab. Diese beeinflusst die Lager-, Form und Maßgenauigkeit am Produziertenteil. Je
nach Beanspruchung werden an dem Bauteil zwischen Zug-/Druck-, Biege- und Tor-
sionssteifigkeit unterschiedet. Empfehlenswert ist es, an der Belastungsstelle von Kraft
zu Bauteil zu messen. Es gilt allgemein wie Folgt: [9]

Differenz der Belastung 𝑁


𝑆𝑡𝑒𝑖𝑓𝑖𝑔𝑘𝑒𝑖𝑡𝑆𝑡𝑎𝑡 = [ ] (1)
Differenz der Verformung µ𝑚

Es werden für Veranschaulichung der Steifigkeitsfälle Druck, Biegung und Torsion wie
in der Abbildung 3 dargestellt.

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Abbildung 3: Beispiele des jeweiligen Steifigkeitsfalls eines Maschinenständers (eigene Dar-
stellung nach [6])

Die erläuterten statischen Steifigkeiten lassen sich durch Werkstoff, Abstand zwischen
den Befestigungspunkten und Belastungsstellen sowie Querschnittsform beeinflus-
sen.

Am meisten liegt es vor allem an der Form des Querschnitts und der Gestaltung der
Kontaktstellen. Das statische Verhalten kann dadurch stark beeinflusst werden. Diese
lassen sich in offenen und geschlossenen Querschnitten unterscheiden. Die Biege-
härte von beiden Profilformen wird durch die Geometrie der Außenabmessungen und
linear durch die Wandstärke beeinflusst. Bei der Torsion sieht es etwas anders aus,
bei geschlossenen Profilen wird die Steifigkeit durch die dritte Kraft der Außenabmes-
sungen des Profils und linear durch die Wandstärke beeinflusst. Bei offenen Profilen
lässt sich die Steifigkeit durch die dritte Kraft der Wandstärke und linear durch die Au-
ßenabmessungen des Profils beeinflussen. [9] Eine von Müller entwickelte Methodik
zur Beschreibung von Werkzeugschnittstellen unter statischer Belastung erlaubt einen
direkten Vergleich von Werkzeugschnittstellen unter Biege- und Torsionsbelastung.
[11]

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In der Abbildung 4 werden verschiedene Querschnitte in Bezug auf ihren Flächenträg-
heitsmoment verglichen.

Abbildung 4: Vergleich der Flächenträgheitsmomente von unterschiedlichen Querschnitten (ei-


gene Darstellung nach [3])

Zu erkennen ist, dass der Querschnitt der entsprechenden Teile mit der Beanspru-
chung auf dem jeweiligen Trägheitsmoment der Fläche Einfluss auf die Steifigkeit hat.

Das Ziel bei jeder Maschine ist die Erzielung von einer hohen statischen Steifigkeit. Je
kleiner der Flächenträgheitsmoment, desto höher ist die Reaktion auf eine einge-
brachte Kraft beziehungsweise Moment in Form einer Spannung und damit auch der
Biegung der Gestelle. [12] Zum Nachvollziehen wird folgende Formel dargestellt:

M
𝑤" = − (2)
𝐸𝐼

Zur Verbesserung von Biege- und Torsionssteifigkeit wie zum Beispiel beim Ständer
von Gestellbauteilen der Werkzeugmaschinen werden in der Konstruktion einige Maß-
nahmen getroffen. Ein paar von diesen Verbesserungen sind in Abbildung 5 auf der
nächsten Seite dargestellt.

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Abbildung 5: Biege- und Torsionssteifigkeitsverhältnis mit unterschiedlichen Formen (eigene
Darstellung nach [6])

Zu sehen ist, dass bei einer Änderung der Form des Werkzeugmaschinenständers
eine bessere Steifigkeit entsteht. Allerdings ist diese mit hohen Kosten und Material
sowie Gewicht zu erreichen. Daher spielen diese Aspekte eine Rolle bei der Herstel-
lung.

3.2 Dynamische Ansprüche

Die Bauteile der Werkzeugmaschinengestelle können durch ständige Änderung der


Kräfte oder einmaligen Krafttritt zu einer angeregten Schwingung führen. Die Gründe
für solche Wechselkräfte sind:

• Wechselnde Bearbeitungskräfte, die durch ungleichmäßige Toleranzen, Schnit-


tunterbrechungen, Schnittfrequenz der Schneidkanten und Spanstapelung ver-
ursacht werden,
• Ungleichmäßigkeit von umlaufenden Massen,
• ein Strukturfehler im Riemengetriebe,
• eine Abweichung der Form und Größe des Wälzlagers,
• fließendes Öl mit einer periodisch schwankenden Durchflussrate. [6, 9]

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Die dadurch entstehende Schwingung hat auf die Qualität, Standzeit und Effizienz der
Maschine eine Einwirkung. [6, 9]

In der Abbildung 6 sind die drei Schwingungsarten der Werkzeugmaschinen als Fre-
quenz dargestellt.

Abbildung 6: Schwingungsarten (eigene Darstellung nach [6])

Zu erkennen ist, wie die Schwingungen sich unterscheiden zwischen fremderregten,


erzwungenen Schwingungen (durch Außenkraft) oder freien Schwingungen (durch ei-
nen Schlag), sowie selbsterregten Schwingungen (wegen Unwucht). [13]

Bei der Anwendung solcher Maschinen wäre hohe statische Steifigkeit von Vorteil.
Diese drei Arten, die durch impulsartige Lasteinwirkung Zustandekommen, verursa-
chen eine Verformung der Werkzeugmaschinengestelle. Auch zu erkennen ist, dass
diese von der Krafterregung abhängig ist. Die Veranschaulichung der Schwingung und
deren Einfluss auf ein Gestellbauteil wird in der Abbildung 7 dargestellt.

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Abbildung 7: Darstellung von Schwingungsarten (eigene Darstellung nach [9])

Bei der Werkzeugmaschine treten die Starrkörper- und Kontinuum-Schwingungen


gleichmäßig auf. Allerdings spielt bei der Schwingung von Starrkörpern die Gestaltung
von Kontrapositionen sowie die Massenverteilung davon eine große Rolle. Damit wird
gesagt, dass die Schwingung durch die Gestelle beeinflusst wird. Bei der Dynami-
schen lässt sich ein gutes Dämpfungsverhalten immer empfehlen. Diese kann aber
durch Werkstoff, konstruktive Gestaltung von Verbindungsstellen und integrierte
Dämpfungselemente in der Maschine beeinflusst werden. [6] Das Verhältnis von
Masse, Dämpfung und Steifigkeit kann wie in der Abbildung 8 veranschaulicht werden.

Abbildung 8: Nachgiebigkeit bei verschiedenen Kreisfrequenzen (eigene Darstellung nach [12])

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Die Stellgrößen Masse, Dämpfung und Steifigkeit werden zur Auslegung von Werk-
zeugmaschinengestelle benutzt. Allerdings ist die Kreisfrequenz von der Drehzahl ab-
hängig. [12]

3.3 Thermische Ansprüche

Laut Studien sind Temperatureinflüsse für 70% aller Genauigkeitsfehler verantwort-


lich. [14] Das thermische Verhalten von Werkzeugmaschinengestelle hat ebenso Ein-
wirkung auf den Bearbeitungsprozess der Maschine. Außerdem hat die einwirkende
Wärme von außerhalb sowie von innerhalb der Maschine einen Einfluss auf die Ge-
stelle.

Dabei spielen ebenfalls die thermischen Materialeigenschaften, die Form und Vertei-
lung von Masse sowie Wärmequellen eine große Rolle. Diese hat eine ungleichmäßige
und instationären Temperaturaufteilung zufolge. Die Wärme kann eine Dehnung in
Bauteilgestellen sowie Lockerung der Verbindungspunkten der Gestelle verursachen.
Daraus folgt eine Abweichung in dem Baustruktur, damit ist von einer Ungenauigkeit
der Maschinenbearbeitung auszugehen. [1]

Die interne und externe verursachte Wärme in der Gestaltung ist wie in der Abbildung
9 dargestellt.

Abbildung 9: Interne und externe Wärmequellen (eigene Darstellung nach [1])

Es lässt sich erkennen, dass beim Herstellen der Gestelle auf die internen und exter-
nen Wärmeeinflüsse zu achten ist, zum Beispiel soll bekannt, sein welche Leistung
und welches Getriebe dieses hat, aber auch wo diese Maschinengestelle verwendet

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werden (in warmen Ländern oder bei weniger warmen Ländern). Bei der Verwendung
in der Halle soll außerdem eine direkte Sonneneinstrahlung verhindert werden.

Anschließend sind die Verhältnisse bei der Konstruktion zu berücksichtigen, aber auch
bei der Verwendung solcher Gestelle. Diese haben großen Einfluss auf die Genauig-
keit des Bearbeitungsprozesses und damit auf die Qualität der produzierten Werkstü-
cke. Materialverteilung sowie Struktur und Form der Werkzeugmaschinengestelle sind
von Bedeutung, aber haben auch eine Einwirkung auf die Herstellungskosten der Ma-
schine. Richtige Lagerung und Auswahl der Stellplätze sind ebenso wichtig. Mehrere
Maßnahmen können nach der Herstellung von Gestellen durchgeführt werden, eine
davon ist Füllung der Bauteile mit Sand. Dadurch werden die Kosten gespart und das
Gewicht erhöht, damit die Belastung sowie Schwingung auf diese Bauteile reduziert
werden kann.

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4 Gestellwerkstoffe

Um den vielzähligen Anforderungen an ein Maschinengestell gerecht zu werden, muss


ein Gestellwerkstoff bestimmte Eigenschaften besitzen. Dabei lässt sich zwischen
Werkstoffeigenschaften sowie fertigungstechnischen und wirtschaftlichen Gesichts-
punkten unterscheiden. Die Abbildung 10 fasst die Charakteristik eines guten Gestell-
werkstoffes zusammen. Er vereinigt ausreichende Festigkeit, ein hohes Elastizitäts-
modul, geringe Dichte, ein hohes Dämpfungsmaß und geringe Temperaturdehnung
und -leitfähigkeit mit einer freizügigen Formgebung, einfacher Bearbeitung, glatter
Oberflache, Alterungsbeständigkeit und geringen Kosten.

Abbildung 10: Anforderungen an den Gestellwerkstoff (eigene Darstellung nach [3])

Die physikalischen Eigenschaften eines Werkstoffes bestimmen maßgebliche Bautei-


leigenschaften. Die Festigkeit gibt Sicherheit gegen Verformung und Bruch. Für das
statische und dynamische Verhalten sind E-Modul, Schubmodul und Dichte von Be-
deutung. Die Masseverteilung und das Gewicht hängen ebenfalls von der Dichte ab.
Das Reibungs- und Verschleißverhalten in den Gleitzonen ergibt sich durch Reibwert
und Härte. Das thermoelastische Verhalten wird durch die Kennwerte der Wärmeaus-
dehnung, und -leitfähigkeit bestimmt. [1] Aus diesem Grund können die physikalischen
Eigenschaften eines Werkstoffes für eine grundsätzliche Beurteilung der Werkstoffe-
ignung herangezogen werden. Im Falle einer grundsätzlichen Eignung müssen für eine
qualifizierte Bewertung im Anschluss die fertigungstechnischen und wirtschaftlichen
Gesichtspunkte mitberücksichtigt werden.

Prinzipiell können Gestellelemente als Guss- oder Schweißkonstruktionen ausgeführt


werden. Es werden sowohl Stahlbleche als auch verschiedene Gusswerkstoffe ver-
wendet. Alternativ gibt es die Möglichkeit Gestelle in Zement- oder Reaktionsharzbe-
ton auszuführen. Aufgrund immer höherer dynamischer Anforderungen sind für Werk-
zeugmaschinengestelle auch Leichtmetallwerkstoffe wie Aluminium, Magnesium und
Faserverbundkunststoffe immer interessanter. Bei einer Kombination verschiedener
Werkstoffe in einer Gestellbaugruppe handelt es sich um eine Verbundkonstruktion.
Sie dienen in der Regel dazu, vorteilhafte Materialeigenschaften der Verbundpartner
auszunutzen und deren Nachteile zu kompensieren. [6, 4]

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4.1 Gestelle aus Gusseisen oder Stahl

Ursprünglich dominierten in der Praxis die Materialien Gusseisen oder Stahl als Ge-
stellwerkstoff. Für Gusskonstruktionen werden Grauguss (GJL), Sphäroguss (GJS)
oder auch Stahlguss eingesetzt. Die folgende Abbildung 11 zeigt mittels ausgewählter
Eigenschaften einen Vergleich der wesentlichen Gestellwerkstoffe und verdeutlicht
dessen Unterscheidungsmerkmale.

Abbildung 11: Ausgewählte Eigenschaften der metallischen Gestellwerkstoffe (eigene Darstel-


lung nach [6])

4.1.1 Gusseisenwerkstoffe

Gusswerkstoffe bieten bezüglich der Formgebung vielseitige Möglichkeiten der belas-


tungsgerechten Gestaltung. Hinzu kommen speziell bei Grauguss die erhöhte Dämp-
fungsfähigkeit des Werkstoffes, die guten Gleiteigenschaften als Führungsbahnen, die
guten Bearbeitungsmöglichkeiten sowie eine hohe Formbeständigkeit. Eine Verwen-
dung von Sondergusseisen gibt mit guten Gießeigenschaften bei unterschiedlichen
Wanddicken und hoher Festigkeit weitere Vorteile. [4] Weitere Steifigkeitsverbesse-
rungen lassen sich durch die Verwendung von Sphäroguss oder Stahlguss mit höhe-
rem Elastizitätsmodul und hoher Streckgrenze erreichen.

4.1.2 Stahl

Aufgrund des deutlich besseren Verhältnisses des Elastizitätsmoduls zur Dichte von
Stahl gegenüber anderen Gestellwerkstoffen, haben Gestelle aus Stahl bei gleicher
Steifigkeit ein geringes Gewicht. Geschweißte Stahlgestelle sind in Bezug auf nach-
trägliche Änderungen oder Anpassungen flexibler als Gussteile. Sie eignen sich be-
sonders bei Einzelausführungen, da sie dort kostengünstiger in der Herstellung sind,
denn es wird kein Modell benötigt. [6] Stahl besitzt wegen seiner sehr geringen Werk-
stoffdämpfung eine niedrige dynamische Steife. Dies lässt sich durch gezielte Maß-
nahmen wie zusätzliche Reibflächen verbessern. Weitere Nachteile im Prozess sind
die notwendige Glühbehandlung und zusätzliche Kosten für die Vorbereitung der Teile.
[6, 15]

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Beim Stahlbau wird zwischen der Platten- und der Zellenbauweise differenziert. Die
Plattenbauweise ist an Gussausführungsformen angelehnt und wird angewendet,
wenn die Festigkeit von Grauguss nicht mehr ausreicht. Bei der Zellenbauweise be-
steht der Rahmen aus einer Vielzahl einzelner Zellen. Sie werden aus dünnen Blechen
gebildet, die miteinander verschweißt werden. Durch diese Bauweise kann eine große
Steifigkeit bei vergleichsweise niedrigem Gewicht erzielt werden. Der geringe Materi-
aleinsatz hat jedoch eine kleinere Wärmekapazität zur Folge. [4] Daher ist für diese
Bauteile die Gefahr von thermoelastischen Verformungen größer.

4.2 Gestelle aus Beton

Auch Beton ist aufgrund seiner Eigenschaften als Werkstoff für Gestellbauteile inte-
ressant und kommt daher zum Einsatz. Neben günstigen Kosten bietet Beton Vorteile
sowohl beim Schwingungs- als auch beim thermischen Verhalten von Werkzeugma-
schinen. [16] Durch die niedrige Dichte von nur einem Drittel gegenüber Stahl oder
Gusseisen sind wesentlich größere Wandstärken möglich, bis das Gestell die gleiche
Masse erreicht. Damit erhöht sich die Widerstandsfähigkeit gegenüber Druckbelastun-
gen. Kritisch ist die niedrigere Zugfestigkeit des Betons, weshalb er nur mit geringer
Biegebeanspruchung belastet werden kann. Dies macht besondere Maßnahmen bei
der konstruktiven Gestaltung der Gestellbauteile erforderlich. [15] Es wird zwischen
zementgebundenen Beton und Mineralgussbeton unterschieden.

4.2.1 Zementgebundener Beton

Zementgebundener Beton ist in hohen Mengen verfügbar und unabhängig vom Welt-
marktpreis für Stahl und Öl. Auch die Herstellung und Verarbeitung ist im Schnitt öko-
logischer und weit kostengünstiger als bei Stahl, Gusseisen und Reaktionsharzbeton.
Damit dessen Dichtigkeit, Festigkeit und Beständigkeit den Anforderungen eines
Werkzeugmaschinengestells gerecht wird, lässt sich das Gefüge zu speziellem Hoch-
leistungsbeton verdichten. Das Ergebnis wird auch als Nanodur bezeichnet. [17] Des-
sen Rezeptur umfasst die in der Abbildung 12 gezeigten fünf Komponenten. Dort wird
zudem das Schliffbild dargestellt.

Abbildung 12: Bestandteile des Hochleistungsbetons Nanodur (Fotos entnommen aus [17, 16])

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Bei dem Spezialbindemittel handelt es sich um ein Zementgemisch mit besonderen
Zusatzstoffen. Maschinengestelle aus Nanodur werden in beliebigen Formen gegos-
sen. Stahleinbauteile, Gewindehülsen, Ankerschienen, Leerrohre, Kabel und Hydrau-
likleitungen werden dabei in die Schalung eingelegt. Der Beton kann komplett durch-
gefärbt, gespachtelt, beschichtet oder verklebt werden. Nachträglich können stählerne
Kopfplatten oder Dübel gesetzt werden. [18]

4.2.2 Reaktionsharzbeton

Im Gegensatz zu herkömmlichem Beton verwendet Reaktionsharzbeton kein Zement,


sondern ein Reaktionsharz als Bindemittel. Dadurch erhält der Werkstoff seine beson-
deren Eigenschaften. Das Harz hat einen Masseanteil zwischen 5 und 15 % am ferti-
gen Beton. Damit werden die mineralischen Zuschlagstoffe aus Gesteinsarten wie
Granit, Quarzit und Basalt von einer Kunststoff-Matrix zusammengehalten. Aufgrund
der hohen erzielbaren geometrischen Genauigkeit und ausreichender Topfzeit bei der
Verarbeitung besonders großer Gestellbauteile, handelt es sich bei dem Reaktions-
harz in den meisten Fällen um Epoxidharz. Bei der Herstellung wird es den Gesteins-
körnungen in flüssiger Form beigemengt und erstarrt anschließend innerhalb weniger
Stunden. Dabei sind leistungsfähige Fertigungsanlagen erforderlich. Neben den Silos
für Harz, Hörter und Gestein enthalten sie einen Zwangsmischer, Rütteltische für die
Gießformen und eine geeignete Beschickungseinrichtung. [15]

Werkzeugmaschinengestelle aus Reaktionsharzbeton besitzen gegenüber herkömm-


lichen Gestellen aus Guss- und Stahl einige entscheidende Vorteile. Durch die mecha-
nischen und thermischen Eigenschaften des Betons kann die Leistungsfähigkeit der
Maschinen gesteigert werden. Aufgrund der besonders hohen Dämpfung des Betons
ergibt sich eine hohe dynamische Stabilität und es können Rattererscheinungen ge-
mindert werden. Die geringe Wärmeleitfähigkeit bewirkt zudem eine sehr langsame
Erwärmung des Gestells und zeitlich veränderliche Wärmequellen haben einen gerin-
geren Einfluss auf Maschinenverlagerungen. Dies wirkt sich günstig auf die Bearbei-
tungsgenauigkeit aus. Des Weiteren besticht der Beton im Vergleich zu alternativen
Gestellwerkstoffen durch seine Designmöglichkeiten und die Durchlaufzeiten und Her-
stellkosten der Gestelle sind bei einer werkstoffangepassten Fertigungstechnik gerin-
ger. Dies wird durch ein kaltes Vergießen des Werkstoffes erzielt, wodurch vielseitige
Integrationspotentiale gegeben sind und Nacharbeiten vermieden werden. [4, 19, 20]
Die Durchlaufzeit stellt einen wichtigen Wettbewerbsaspekt dar, denn die Herstel-
lungsdauer des Gestells bestimmt maßgeblich die Lieferzeit der Werkzeugmaschine.

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Für die Verwendung von Mineralguss für Gestellbauteile können die in der Abbildung
13 dargestellten drei Ausführungen unterschieden werden. Es handelt sich bei allen
davon um Verbundkonstruktionen.

Abbildung 13: Ausführungsvarianten von Mineralguss (eigene Darstellung nach [9])

Bei der ersten Ausführung wird eine Schweiß- oder Gusskonstruktion mit Mineralguss
ausgegossen. Das Stahl- bzw. Gussgestell ist dabei weitestgehend geschlossen und
besitzt notwendige Befestigungsflächen oder Führungsbahnen. Ein Gerippe wird bei
der zweiten Ausführung mit Mineralguss umgossen. Dieses Gerippe ist in der Regel
geschweißt und trägt die notwendigen Befestigungsflächen oder Führungsbahnen. Zu-
sätzlich können weitere Eingießteile vorhanden sein. In der dritten Ausführung wird
das Gestellbauteil ähnlich einem Graugussteil in einem Stück gegossen. Die benötig-
ten Befestigungselemente werden als Eingießteile eingegossen. Diese sind separat
im Mineralguss angeordnet. [6]

Die beiden letztgenannten Ausführungen benötigen eine Gussform zur Herstellung


des Gestells. Zum Anbringen von Führungen in Gestellbauteilen werden verschiedene
Konstruktionsvarianten angewendet. Sie können aufgeklebt oder verschraubt werden.
Auch für die bereits genannten Eingießteile gibt es unterschiedlichste Ausführungen.
[6, 9]

4.3 Gestelle aus Faserverbund

Die Entwicklung neuartiger Produktionsverfahren oder die Weiterentwicklung konven-


tioneller Verfahren erfordert Werkzeugmaschinen mit höheren Antriebsleistungen und
Fertigungsgenauigkeiten bei größeren Arbeitsgeschwindigkeiten und hohen Beschleu-
nigungen. Den metallischen Strukturelementen der Produktionsmaschinen sind dabei
oft werkstoffspezifische Grenzen gesetzt. Faserverbundwerkstoffe erlauben leichte
und hochfeste Konstruktionen. Sie eignen sich aufgrund ihrer hohen gewichtsbezoge-
nen Steifigkeit gut zur Substitution metallischer Strukturelemente.

Seite 17
Der geringe thermische Ausdehnungskoeffizient der Verstärkungsfasern, ist darüber
hinaus besonders bei Kohlenstofffasern für eine minimale Wärmeausdehnung der
Bauteile von nutzen. [1, 9]

Allerdings sind die Aufwände für die Auslegung und Fertigung von Bauteilen aus Fa-
serverbundkunststoffen wesentlich höher als bei konventionellen Materialien. Die
Werkstoffeigenschaften von Metallen oder Beton stehen bereits vor der Konstruktion
fest. Im Gegensatz dazu werden die Bauteilkennwerte der anisotropen Verbundwerk-
stoffe erst in der Konstruktion durch den Laminataufbau entsprechend der Bauteilge-
stalt festgelegt. Daher ist eine werkstoffgerechte Gestaltung der Bauteile nötig, um
durch den Einsatz faserverstärkter Kunststoffe die genannten Vorteile zu erreichen. Es
müssen fertigungstechnische Restriktionen beachtet und Elemente zur fasergerechten
Krafteinleitung eingesetzt werden. Das anisotrope Materialverhalten lässt sich optimal
ausnutzen in dem die Verstärkungsfasern in Hauptspannungsrichtung gelegt werden.
[1]

Es wird zwischen Kunststoff mit Carbonfaser (CFK), Kunststoff mit Glasfaser (GFK)
und Kunststoff mit Aramidfaser (AFK) unterschieden. Für leichte, hochsteife Maschi-
nengestellelemente und für thermisch stabile Prazisionsbauteile sind aufgrund der
Werkstoffeigenschaften letztendlich nur die kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffe als
Konstruktionswerkstoff geeignet. Aramid- und glasfaserverstärkte Kunststoffe können
in Sonderfällen z. B. für Schutzhauben, Abdeckungen oder Federelemente interessant
sein, wenn kleine thermische Ausdehnungen oder große elastische Verformungen ge-
fordert sind. [1]

Werkzeugmaschinengestelle aus Faserverbundwerkstoffen befinden sich überwie-


gend noch in der Entwicklungs- und Prototypenphase. Die Verwendung von Faserver-
bundmaterialien im Werkzeugmaschinenbau bietet sich bei besonderen Anforderun-
gen an. Insbesondere dort, wo extrem leichte und/oder thermisch stabile Bauteile ver-
langt werden, ist der Einsatz dieses Materials trotz der hohen Kosten sinnvoll. [1, 9]

4.4 Weitere Gestellwerkstoffe

Für den Leichtbau hochdynamisch bewegter Gestellbauteile werden zunehmend Kon-


struktionen aus geschäumten Metallen wie Magnesium- und Aluminiumlegierungen
eingesetzt. [9] Die poröse zellulare Struktur der Metallschäume ermöglicht eine sehr
gute Absorption von Schwingungs-, Stoß- und Schallenergie. Metallschäume sind
neue Werkstoffe, die sich durch eine einzigartige Eigenschaftskombination auszeich-
nen, die sich mit anderen Materialien kaum erreichen lässt. So finden sich Leichtigkeit,
Festigkeit, Zähigkeit und elektrische Leitfähigkeit neben Temperaturbeständigkeit und
einem durch den Porengehalt verminderten Wärmeleitvermögen. Aluminiumschäume
vereinen geringes Gewicht mit hoher Steifigkeit und sind besonders im Zusammen-
hang mit neuen Leichtbaukonzepten sehr interessant. [21]

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Auch als Werkstoff für Schweiß- oder Schraubkonstruktionen kommen neben Stahl
verschiedene Leichtmetalle zum Einsatz. [6] Von der RK Rose+Krieger GmbH wurden
in diesem Zusammenhang Schwerlastprofile aus Aluminium entwickelt, welche
ebenso stabile Gesamtkonstruktionen garantieren wie geschweißte Stahlkonstruktio-
nen. Die Schwerlastprofile zeichnen sich durch hohe Biege- und Torsionssteifigkeiten
bei vergleichsweise geringem Eigengewicht aus. Dies erlaubt die Verwirklichung gro-
ßer Portalsysteme und Maschinengestelle in Leichtbauweise. Verbindungselemente
halten die Aluminium-Schwerlastprofile nach der Montage durch Druck sowie eine
hochbelastbare und lösbare Schraubverbindung zusammen. Dabei hält die Verbin-
dung auch dynamischen Kräften stand. [22, 23]

Auch Granit kann als Gestellwerkstoff eingesetzt werden. Es besitzt eine sehr geringe
Temperaturdehnung, eine gute Wärmeleitfähigkeit und gute Dämpfungseigenschaf-
ten. Allerdings hat Granit nur eine geringe Festigkeit und Steifigkeit. Zudem lässt es
sich nur bedingt gestalten und dessen Geometrien sind im Nachhinein kaum verän-
derbar. [24]

Seite 20
5 Einsatzbereiche

Dieses Kapitel widmet sich der Auslegung bzw. Auswahl von Werkzeugmaschinenge-
stellen im Rahmen derer Anwendung in der Praxis. Es soll aufgezeigt werden, welcher
Gestelltypus (z.B. Konsolenbauform, Fahrständerbauweise, Ständerbauweise etc.)
sich für welche Art der zu bearbeitenden Werkstücke in welchen Losgrößen eignet.
Außerdem wird aufgezeigt, wie der geographische Standort bzw. der Standort einer
Maschine innerhalb eines Produktionswerkes die Parameter zur Eignung eines Ge-
stelles beeinflusst. Die Auswahl jener Gestelle ist in diesem Kapitel jeweils anhand von
Praxisbeispielen veranschaulicht dargestellt.

5.1 Werkstückorientiere Anwendung

In diesem Abschnitt soll anhand von Beispielen aufgezeigt werden, inwiefern sich eine
mittels einer Werkzeugmaschine herzustellende geplante Produktpalette auf die Aus-
wahl bzw. die Auslegung von Werkzeugmaschinengestellen auswirkt. Hierbei werden
neben möglichen zu produzierenden Werkstück-Geometrien die Masse, die Werk-
stoffe sowie die Stückzahl bzw. die Losgrößen anzufertigender Werkstücke auf der
jeweiligen Werkezugmaschine beleuchtet.

1. Beispiel: Auswahl aufgrund der Werkstückmasse/ Werkstückdimension:

1 a) Beispiel: Illwerke (Wasserkraft), AT

Im Rahmen der zu produzierenden Werkstückgeometrie wird als Beispiel die Realisie-


rung eines Werkzeugmaschinengestells als Fahrständer- Bearbeitungszentrum her-
angezogen. Bei diesem Bearbeitungszentrum handelt es sich um eine Werkzeugma-
schine, welche aufgrund der kundenseitigen Anforderungen an die Maschine an dieser
Stelle als Beispiel dient. Bei den Illwerken vkw im österreichischen Vandans handelt
es sich um ein Unternehmen, welches sich mit der Instandhaltung von massiven und
großen Bauteilen für Wasserkraftwerke beschäftigt. Die illwerke bedienen im Bereich
dieser Instandhaltung 22 Wasserkraftwerke und seien diesbezüglich für die Fertigung
von Ersatzteilkomponenten für Pumpen, Turbinen und Generatoren zuständig. Die an-
zufertigende Ersatzteilpalette reiche dabei von Handgroßen Muttern bis hin zu 25 Ton-
nen schweren Komponenten. Als Kompromiss zwischen den großen Bauteilabmes-
sungen und der Einsatzflexibilität entschied sich das Unternehmen für die Fahrstän-
der-Bauweise. Für Spindelvorgänge sei bereits bei geringen Drehzahlen ein hohes
Drehmoment erforderlich, sodass eine robuste Grundkonstruktion bereitgestellt wer-
den müsse. Daher habe man sich für eine steife, stark verrippte Bauweise aus schwin-
gungsfähigem Guss entschieden. Die Illwerke sahen die Fahrständer-Bauweise der
Maschine „FBF M 6000“ des spanischen Herstellers MTE als am besten auf die An-
forderungen in ihrer Fertigung angepasst [25].

Seite 21
Diese Fahrständerbauweise des Maschinengestells der FBF M 6000 ist in den Nach-
folgenden zwei Abbildungen zu erkennen. Gut zu erkennen ist das für die Fahrständer-
Gestell-Bauweise typische stillstehende Werkstück, so dass sämtliche Bewegungen
zur Bearbeitung werkzeugseitig erfolgen. Die Werkstücke befinden sich jeweils im Vor-
dergrund.

Abbildung 14:Fahrständerfräszentrum MTE - FBF M 6000 der österreichischen Illwerke [25]

Abbildung 15:Vertikal verfahrbare Bedienerkabine der Maschine [25]

Seite 22
Der schematische Aufbau des Maschinengestells inklusive der Fahrständer-Bauweise
kann den folgenden beiden Abbildungen entnommen werden:

Maschinenkorpus (bewegl. in x) Vorderansicht Fahrerkabine beweglich


(z-Achse)

x- beweglich
Fräskopf
z–
beweglich
Legende

= verfahrbar in x- Richtung

= verfahrbar in z- Richtung

= Fräskopf beweglich
(in x,z und rotatorisch)

= vorgegebene Bahnen/
„Schiene“
Tisch Werkstück
z
Tisch

y X

Abbildung 16:Gestellschema der FBF M 6000 - Vorderansicht

Die Besonderheit dieses Maschinengestells besteht im Rahmen dieses Beispiels für


den Praxiseinsatz darin, dass die Fahrerkabine in zwei Freiheitsgraden beweglich ist.
Diese verfährt in x-Richtung mit dem in der Abbildung dargestellten Maschinenkorpus.
Darüber hinaus kann diese jedoch in der Höhenrichtung (dargestellte z-Achse des Ko-
ordinatensystems) verfahren. Das ist ein signifikantes Merkmal dieser betrachteten
Maschine MTE FBF M 6000. Es wird dem Bedienenden somit die Möglichkeit geboten,
die Bearbeitung des Werkstückes aus verschiedenen Höhen-Perspektiven einzuse-
hen.

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Maschinenkorpus (bewegl. in x) Draufsicht Fahrerkabine bewegt sich mit
(x-Achse)

x- beweglich

Legende Fräskopf

= verfahrbar in x- Richtung

= verfahrbar in y- Richtung
y–
= Fräskopf beweglich beweglich
(in x, y und rotatorisch) (nur für
Werkstückwechsel)
= vorgegebene Bahnen/
„Schiene“

Werkstück
y
Tisch

z X

Abbildung 17: Gestellschema der FBF M 6000 - Draufsicht

Da es sich bei den Werkstücken um oft massive Bauteile für Wasserkraftwerke han-
delt, eignet sich die Fahrständer-Bauweise. Bei dieser Bauweise wird das Werkstück
während der Bearbeitung nicht bewegt, sondern bleibt an einem festen Ort. So wird
die (u. U. stoßartig) benötigte Bewegungsenergie schwerer Massen inklusive derer
Trägheit und der dadurch hervorgerufenen Einschränkungen in der Präzision der Kon-
turherstellung vermieden. Durch hohe Massenbewegungen in regelmäßigen Abstän-
den entsteht zudem ein vermeidbarer Verschleiß. Außerdem können die Komponen-
ten mit Hilfe eines entsprechenden Flurförderzeuges, z.B. eines Portalkrans, auf den
Werkstücktisch befördert werden. Die Fahrständerbauweise zeichnet sich dadurch
aus, dass sich sämtliche Achsen der Bearbeitung im Werkzeugträger befinden. Zudem
handelt es sich um die Bett-bzw. in Sonderfällen wie hier um eine Tischbauform, so-
dass die Werkstückmasse nicht etwa von einer Konsole getragen werden muss, son-
dern die Gewichtskraft unmittelbar in den Untergrund überführt werden kann [26]. Das
Werkstück bewegt sich während der Bearbeitung also nicht. Daher ist diese Bauweise
für die massiven Werkstücke, welche bei den Illwerken bearbeitet werden, geeignet.

Seite 24
1 b) Beispiel: CNC-Bearbeitungszentren-Hersteller Hedelius

Der emsländische Hersteller für CNC-Bearbeitungszentren Hedelius rüstet die Bear-


beitungszentren seiner Serie Tiltenta auf Wunsch mit nutzbarem 1100mm-Y-Weg aus,
zuvor waren es maximal 900mm. Bezogen auf den Einsatz des Gestells der jeweiligen
Werkzeugmaschine für große und massive Werkstücke ist der längere Y-Weg ent-
scheidend. Die 200mm mehr an voll nutzbarem Fräsweg bedeuteten konstruktiv einen
deutlichen Mehraufwand, seien aber der entscheidende Vorteil, um massive Bauteile
4-und 5-achsig bearbeiten zu können. Die Tiltenta-Baureihe des Herstellers Hedelius
verfügt über eine stufenlos schwenkbare Hauptspindel. Durch einen integrierten NC-
Rundtisch sowie eine Arbeitsraumtrennwand sei zudem eine präzise 5-Seiten-Bear-
beitung von bis zu 1800kg schweren Bauteilen möglich [27] [28].

Das Unternehmen Hedelius bietet seit Januar 2021 das Bearbeitungszentrum „Tiltenta
11“ an. Diese Werkzeugmaschine zeichne sich durch dessen große Dimensionierung
aufgrund des 1100mm Y- Verfahrweges aus. Bei der Tiltenta 11 handelt es sich um
eine Fahrständermaschine. Diese sei ebenfalls dadurch gekennzeichnet, dass sich die
Bauteile samt Tisch nicht bewegen. Nur der Fahrständer und die Spindel werden in X,
Y, Z bewegt [27]. Der Aufbau des Gestelles der Maschine „Tiltenta 11“ ist in der nach-
folgenden Abbildung veranschaulicht:

Seite 25
Arbeitsspindel

1100 mm Verfahrweg in Y Stufenlose Rotation in B


statt 900mm

Zusätzlicher konstruktiver Aufwand:


drei Linearführungen in X
z Fahrständerbauweise: WST/ erforderlich.
Tisch bleibt unbewegt
y NC-Rundtisch 1800 kg
beladbar
Gesamter Tisch 4t beladbar
X

Abbildung 18:Aufbau Gestell der Hedelius „Tiltenta 11“, (Foto entnommen aus [28])

Statt einem oder zwei größeren Bauteilen sei es möglich, zahlreiche kleine Kompo-
nenten zur Bearbeitung auf den bis zu 4080mm langen, 1100 mm breiten sowie in zwei
Bearbeitungsräume trennbaren Frästisch zu platzieren. Der mittig integrierbare NC-
Rundtisch kann mit 1800kg beladen werden. Der gesamte Tisch kann mit bis zu 4
Tonnen beladen werden [27].

Weil diese Maschine derart große Bauteildimensionen sowie Massen zur Bearbeitung
zulässt, ist diese für dieses Beispiel im Rahmen des großen Gestelles herangezogen
worden.

Seite 26
2. Beispiel: Auswahl aufgrund flexibler Produktpalette/ kleinen Losgrößen

Im zweiten Beispiel wird darauf eingegangen, wie die zu erwartenden Losgrößen die
Auswahl von Werkzeugmaschinengestellen beeinflusst.

Werkzeugmaschinen seien traditionell darauf ausgelegt, Produkte in Serie schnell,


exakt sowie wirtschaftlich herzustellen. In Zeiten zunehmender Individualisierung und
steigenden Preisdrucks werde jedoch von Werkzeugmaschinen ein erhöhtes Maß an
Flexibilität verlangt. Um einen Kompromiss zwischen serieller Produktion und einer
gesteigerten Flexibilität zu finden, seien doppelseitige Bearbeitungszentren geeignet
[29].

Der Werkzeugmaschinenhersteller Schmid ist für solche doppelseitigen Bearbeitungs-


zentren eine Adresse, dessen Maschinen auf Flexibilität durch doppelseitige Bearbei-
tung spezialisiert sind. Im Rahmen dieses Beispiels wird die Maschine SE 410 des
Herstellers Schmid herangezogen. Der schematische Aufbau des Gestelles bzw. der
Gesamtmaschine ist in der folgenden Abbildung 19 veranschaulicht:

Schwenkbarer Mitteltisch
Spindel 1 Spindel 2

Vier Schwenk-Rundtische für symmetrischer


erhöhte Produktivität Gestellaufbau
oberhalb Mitteltisch

Abbildung 19: Gestellaufbau „Schmid SE 410“ für erhöhte Flexibilität [29], [30]

Jede der beiden in der Abbildung dargestellten Spindeln kann alleine arbeiten.
Dadurch sind die für die Serienfertigung vorteilhaften Korrekturmöglichkeiten in allen
drei Achsen X, Y und Z gegeben. Außerdem kann der Abbildung entnommen werden,
dass sich auf dem Schwenktisch in der Mitte vier Rundtische befinden, was die Pro-
duktivität erhöht. Beiden Arbeitsspindeln ist ein eigenes Werkzeug-Rundmagazin zu-
geordnet [29].

Seite 27
3. Beispiel: Auswahl aufgrund benötigter Hochpräzision/ filigrane Werkstücke

Für die Herstellung medizintechnischer Komponenten ist eine erhöhte Präzision der
bearbeitenden Werkzeugmaschine erforderlich. Das Unternehmen Promtech in der
Schweiz wird für dieses Beispiel im Rahmen der Werkzeugmaschinengestell-Auswahl
herangezogen. In diesem dritten Beispiel steht die Werkstückpräzision im Vorder-
grund.

Das schweizerische Unternehmen Promech ist spezialisiert auf die Zulieferung von
Komponenten für Medizingerätehersteller. Bei diesen Komponenten der Medizintech-
nik pendelten sich dort Fertigungszyklen von 500-600 Bauteilen pro Monat ein. Die
Stückzahl stehe also nicht im Vordergrund, vielmehr die Präzision. Es werden Form-
und Lagertoleranzen von 0,02mm über die gesamte Bauteillänge gefordert. Um diese
Genauigkeiten bzw. Präzision zu erreichen, entschied sich das Unternehmen nach
dem Entschluss zur Erweiterung des Maschinenparks im Frühjahr 2019 für die Ma-
schine „High-Speed Eagle V9“ des deutschen Herstellers OPS-Ingersoll. Diese Ma-
schine sei vor allem aufgrund des verbesserten kinematischen Verhaltens ausgewählt
worden. Sie zeichnet sich durch die Doppel-Gantry-Bauweise aus, was für die Arbeit
von Relevanz ist. Bei der Maschine ist alles zentral aufgebaut sowie zentrisch konfi-
gurierbar. Die Doppel-Gantry-Antriebe und die Tatsache, dass sämtliche Bauteile, wel-
che Schwingungen erzeugen würden, vom Fräsbereich entkoppelt seien, sorgen für
eine verbesserte Kinematik der Maschine. Die Grundlage zur Erzeugung Präziser
Werkstückgeometrien für die Medizintechnik sei somit geschaffen [31].

Im Rahmen dieses Beispiels wird das Gestell dieser Werkzeugmaschine, der „High-
Speed-Eagle V9“ der OPS-Ingersoll untersucht. Abbildung 20 stellt den Aufbau des
Gestelles inklusive der Doppel-Gantry-Bauweise schematisch dar:

Seite 28
Gantry-Antriebe für Verfahrbarkeit in y

Gantry-Antriebe für Verfahrbarkeit in x

Verfahrbarer
Schlitten in y
Schwenkbarer Mitteltisch
Spindel 1 Verfahr- Spindel 2
barer
Schlitten
in x

Spindel

symmetrischer
WST/ Gestellaufbau
Tisch
z Legende:
Portalbauweise
y = Gantry-Antriebsachse in y

= Gantry-Antriebsachse in x
X

Abbildung 20: Gestellaufbau „High-Speed- Eagle V9“ erhöhte Präzision, Informationen vgl [32]

Die Doppel-Gantry Bauweise ist in der Abbildung veranschaulicht. Die jeweiligen An-
triebe (einer pro Verfahrachse= Gantry) sind dort hervorgehoben. Der Gestellaufbau
zeichnet sich vor allem durch ein schwingungsarmes Verhalten zur präzisen, spanen-
den Bearbeitung aus.

5.2 Standortorientierte Anwendung

Der folgende Abschnitt beschreibt den Einfluss standortbedingter Faktoren auf die
Auslegung von Werkzeugmaschinengestellen für deren späteren Einsatz. Die in die-
sem Abschnitt betrachteten Faktoren umfassen die Tragfähigkeit des Hallenbodens.

Beispiel Auswahlkriterium: Tragfähigkeit des Hallenbodens

Im Rahmen des ersten Beispiels wird aufgezeigt, inwiefern die Tragfähigkeit des Hal-
lenbodens einer Produktionshalle ein ausschlaggebender Faktor zur Auswahl eines
Werkzeugmaschinengestelles sein kann.

Seite 29
Bereits während der Fabrikplanung ist die Platzierung von späteren Maschinen für die
Fertigung wie u.a. jene von Werkzeugmaschinen für die Auslegung der Tragfähigkeit
des Bodens zu berücksichtigen. Im Rahmen der bauphysikalischen Anforderungen an
den Hallenboden spielt die Bodenbeständigkeit eine besondere Rolle, damit insbeson-
dere im Niedrigtoleranzbereich während der späteren Fertigung Abweichungen ge-
ringgehalten werden können. Außerdem sind mögliche Faktoren wie im Hallenboden
verlegte (Wasser-)Leitungen, Kabel etc. zu beachten, um Beschädigungen, Wackel-
kontakte etc. zu vermeiden. Hinsichtlich der Bodenoberfläche spielt die Ebenheit sowie
die Beständigkeit (kein Nachgeben der Oberfläche nach langfristigem Betrieb der
Werkzeugmaschine) eine signifikante Rolle. Die folgende Abbildung veranschaulicht
die Strukturmerkmale von Hallenböden, die für die spätere Platzierung eines Werk-
zeugmaschinengestells relevant sind:

Werkzeugmaschine/ Gestell
Oberfläche:
- Ebenheit
- Beständigkeit

FG

Weiterleitung von Schwingungen/


Resonanzverhalten des Bodens
Statische Gewichtskraft
Reduzierung durch Leichtbau des Gestells

Abbildung 21: Anforderungen an Hallenboden (Informationen aus [33])

Neben der dynamischen Belastung während des Einsatzes der Werkzeugmaschine


durch auftretende Schwingungen spielt auch die statische Belastung eine Rolle [33].

Die statische Belastung auf den Hallenboden herrscht dauerhaft, auch außerhalb des
Maschinenbetriebes vor. Diese wird hervorgerufen durch das Gewicht der Maschine
und die daraus resultierende Gewichtskraft, welche normal auf den Hallenboden ge-
richtet ist (vgl. Abbildung 21). Um diese Gewichtskraft zu minimieren, ist, sollten die
Boden-Gegebenheiten einer Produktionshalle es nicht anders zulassen, ein Werk-
zeugmaschinengestell mit möglichst geringer Masse zu verwenden.

Seite 30
Hierfür eignen sich Leichtbaumaterialien. Hinsichtlich der Werkzeugmaschinengestell-
herstlung müssen diese verbunden werden. Um die Qualität des Materials nicht zu
beeinträchtigen, müssen die Verbindungen innerhalb des Leichtbauwerkstoffes min-
destens so belastbar sein wie der homogene Werkstoff an sich. Das Unternehmen
KVT Fastening GmbH ist auf die Verbindungstechnik spezialisiert. Das Unternehmen
entwickelte die Multi-Material-Welding-Technologie (MM-W) für thermoplastische
Werkstoffe, welche auch in Werkzeugmaschinengestellen wiederzufinden sind. Die
Fachzeitschrift KEM- Konstruktion schreibt dazu im November 2018: „Bei dem Verfah-
ren werden thermoplastische Verbindungselemente per Ultraschallenergie fest mit
dem Trägermaterial verbunden…“. Grund für die Anwendung dieses Verfahrens an-
stelle von herkömmlichen Verbindungselementen wie Schrauben seien bessere Ma-
terialeigenschaften. Das Material verschmelze homogen, sodass die Leitfähigkeit ge-
genüber Schwingungen oder Wärme besser sei, was insbesondere dem Werkzeug-
maschineneinsatz zugutekommt [34].

Abbildung 22 zeigt das Verfahrensprinzip und die resultierende Verbindungsstruktur.


Wabenstrukturen im Werkstoff sorgen für zusätzliche Masseeinsparung, z.B. für den
Einsatz auf nicht speziell für den Werkzeugmaschineneinsatz ausgelegten, weniger
belastungsfähigen Hallenböden.

Ultraschallschwingung
verschmilzt Material
Verbindungsdorn Zu verbindendes
Element

Wabenstruktur

Stoßrichtung Verbindungsdorn

Abbildung 22: Multi-Material-Welding Technologie für Leichtbauwerkstoffe (unbearb. Foto [34])

Seite 31
6 Fazit

Werkzeugmaschinengestelle sichern die geometrische Lage der Maschinenelemente.


Sie bestehen aus mehreren Hauptgruppen, welche fest miteinander verbunden sind.
Dies kann in unterschiedlichen Bauformen mit offener oder geschlossener Bauweise
erfolgen.

Die statischen und dynamischen Verhältnisse entstehen durch das Tragen sowie Zu-
sammenhalten der Teile und der Maschinenleistung. Diese haben eine hohe Einwir-
kung auf die Gestelle und damit auf die Genauigkeit der Maschine. Daher ist die Stei-
figkeit von den Gestellen eine wertvolle Anforderung der Werkzeugmaschine, um
Werkstücke zu produzieren, ohne hohe Kosten zu verursachen. Die einwirkende
Wärme von außerhalb sowie innerhalb der Maschine haben ebenso einen Einfluss auf
die Gestelle, da diese eine Dehnung verursachen. Damit sorgen sie für eine Ungenau-
igkeit der Maschine.

Es existieren verschiedene Gestellwerkstoffe, welche durch ihre Eigenschaften jeweils


unterschiedliche Vor- und Nachteile besitzen. Allerdings ist kein Material dazu geeig-
net, die umfangreichen Anforderungen perfekt zu erfüllen. Daher ist die Materialaus-
wahl immer ein Kompromiss in Abhängigkeit bezogen auf den Anwendungsbereich
der Werkzeugmaschine.

Die Einsatzbereiche beeinflussen die Auswahl von Werkzeugmaschinengestellen


maßgeblich. Insbesondere die Dimension der später zu fertigenden Werkstücke auf
der Werkzeugmaschine bestimmen die Auswahl von Werkzeugmaschinengestellen
beim Kauf seitens eines Unternehmens. Darüber hinaus spielt der Toleranzbereich
möglicher zu produzierender Werkstücke eine signifikante Rolle. Für die Komponen-
tenfertigung in der Dental- oder Medizintechnik kommen andere Gestelle in Frage als
für die Bearbeitung massiver Bauteil z.B. für den Einsatz in Wasserkraftwerken (vgl.
aufgezeigtes Beispiel).

Seite 32
Literaturverzeichnis

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