Impressum Besonderer Dank

Rich „Skype Crashed Again“ Thomas für seine

Autoren: Alan Alexander, Jason Andrew, Matthew
Sanderson und Ree Soesbee
Entwicklung: Eddy Webb
Unterstützende Entwickler: Justin Achilli, Alessandro
Kellis, Gabriel Sorrel und Ian Watson
Lektorat: Genevieve Podleski
Kreative Leitung: Rich Thomas
Künstlerische Leitung und Design: Mike Chaney
Coverillustration: Michael Gaydos
Innenillustrationen: Michael Gaydos, Sam Araya,
Andrew Trabbold, Rachel Kahn, Forest Immel, Vince
Locke, Larry McDougal und James Denton
Deutsche Ausgabe
Realisiert von: Ulisses Spiele GmbH
Redaktion: Mirko Bader
Übersetzung: Arne Kunz
Lektorat: Sonja Jüschke
Layout: Marco Reinartz
Korrektorat: Frauke Forster
meisterhaften Kenntnisse der Internettechnologie.
Justin „Dirty Secrets Was Awesome“ Achilli
für seine Beratungen zum Metaplot.
Mike „Do It Again“ Chaney für seine Ausdauer im
Genehmigungsprozess.
Alan „Punk Sorcery“ Alexander, Jason „Nixx
Ignatius“ Andrew, Matthew „Blame Noah Webster“
Sanderson und Ree „Creepy as Fuck“ Soesbee für
die Arbeit mit höllisch kompliziertem Material, das
während seiner Entwicklungen noch einige Wendungen
genommen hat.
Genevieve „Is This English?“ Podleski für das Beheben
aller Fehler, die ich in das Manuskript gesetzt hatte.
Lisa „Google Spreadsheet“ Andrew für ihre
verständnisvolle Unterstützung bei der Recherche.
Den Teilnehmern von Midwinter 2013 und LA by
Night, die mich daran erinnert haben, weshalb die
White Wolf Community einfach nur geil ist.
Chuck „Riot Juice“ Farmer für genau den richtigen
Drink zu genau der richtigen Zeit.
Mitch „Fight Club“ Berthelson für seine Hilfe beim
Abschnitt zur Monomazie.
Phaolon „The Brutal“ für eine umfassende Liste mit
Überarbeitungen in letzter Minute.
Jedem, der an diesem offenen Entwicklungsprozess
teilgenommen hat, für beeindruckende Erkenntnisse
und gelegentliche Zusammenbrüche meines Google
Drive-Dokuments.

© 2014 CCP hf. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck ohne schriftliche Genehmigung des Verlags außer zu Rezensionszwecken
ist ausdrücklich untersagt. Die leeren Charakterbögen dürfen zum persönlichen Gebrauch kopiert werden. White Wolf,
Vampire, World of Darkness, Vampire the Masquerade und Mage the Ascension sind eingetragene Warenzeichen von CCP
hf. Alle Rechte vorbehalten. Vampire the Requiem, Werewolf the Apocalypse, Werewolf the Forsaken, Mage the Awakening,
Promethean the Created, Changeling the Lost, Hunter the Vigil, Geist the Sin-Eaters, V20, Anarchs Unbound, Storyteller
System und Storytelling System sind Warenzeichen von CCP hf.
Alle Rechte vorbehalten. Alle Charaktere, Namen und Orte in diesem Buch sind urheberrechtlich durch CCP hf geschützt.
CCP North America Inc. ist eine Tochtergesellschaft und in vollständigem Besitz von CCP hf.
Dieses Buch bedient sich für Hintergründe, Charaktere und Themen in der Welt des Übernatürlichen.
Alle mystischen und übernatürlichen Elemente sind frei erfunden und dienen nur zu Unterhaltungszwecken. Dieses Buch
richtet sich an Erwachsene. Dem Leser sei kritischer Abstand angeraten.
Werfen Sie einen Blick auf White Wolf online unter http://www.white-wolf.com/
Seien Sie immer auf dem Laufenden mit Onyx Path Publishing unter http://theonyxpath.com/

2
Der Preis 7 Rituale der Thaumaturgie 23 Synoden und
Rituale der Ersten Stufe 23 Ökumenische Konzile 39
Einleitung 13 Rituale der Zweiten Stufe 24 Auctoritas Ritae 40
Thema und Stimmung 14 Rituale der Dritten Stufe 25 Das Band 41
Worum geht es in Rituale der Vierten Stufe 27 Ritus der Zerknirschung 41
diesem Buch? 15 Rituale der Fünften Stufe 29 Erschaffungsriten 42
Lexikon 15 Hohe Feiertage 42
Kapitel Zwei:
Die Monomazie 43
Kapitel Eins: Das Schwert Kains 33
Der Elfenbeinturm 17 Die Vaulderie 45
Doktrin 33
Die Gotcha-Partie 45
Die Geschichte von Haus und Hexer des Sabbat 34
Clan Tremere 17 Die Wilde Jagd 46
Koldunische Hexerei 35
Die Camarilla und ihre Ignoblis und Ritae
Thaumaturgie der Tremere 35 der Fraktionen 46
Ansichten von Thaumaturgie 18
Setitenhexerei 36 Ultrakonservative 47
Blutmagie hat immer
Al-Aziz der Assamiten 36 Orthodoxe 48
einen Preis 19
Nekromantie 36 Loyalisten 49
Machtpositionen in
der Camarilla 20 Mystizismen des Abgrunds 37 Der Orden des
Die Wirtschaft der Ritae 39 Heiligen Blasius 50
Thaumaturgie 21 Die Geschichte der Ritae 39 Pander 51
Thaumaturgen der Camarilla 22 Schwarze Kathedralen 39 Der Status Quo 51

BLUTRITEN 3
Kapitel Drei: Kapitel Fünf: In Alten Tagen 125
Die Bewegung 53 Die Außergewöhnlichen 97 Eigenbrötlerische Archonten 125
Vier Strömungen 53 Die Inconnu 97 Struktur 126
Old Skool – Die gute Neu gegen antiquiert 97 Autorität 126
alte Hexerei 53 Verschwiegenheit 98 Infernalisten und Häretiker 127
New Age-Blutmagie 55 Hierarchie 98 Spielmechanik 127
Punk-Hexerei 55 Neue Aspekte des Spiels 100 Kapitel Sieben:
Thaumaturgie Thaumaturgie der Inconnu 101 Geheimnisse des Blutes 129
der Hacktivisten 57
Die Tal’Mahe’Ra 102 Die grundlegenden
Magie und die Bewegung 58
Im Schatten der Aralu 102 Prinzipien 131
Blutmagie der Anarchen
und die Camarilla 59 Neue Nekroman-­ Das Prinzip des Blutes 131
tische Rituale 103 Das Prinzip des Willens 131
Blutmagie der Anarchen
und die Feien Staaten 60 Erschaffene und veränderte Das Prinzip des Wissens 131
Die Wirtschaft der Magie 60 Kreaturen 104 Das Prinzip der Identität 132
Rituale der Anarchen 61 Gargyle 105 Prinzipien der Analogmagie 133
Old Skool-Rituale 62 Blutsbrüder 106 Prinzipien des Aufbaus
New Age-Rituale 63 Wilde Kreationen 107 von Ritualen 135
Punk-Hexerei 65 Konstrukte der Tremere 107 Rituale erlernen
Shabti der Setiten 109 (und zunichtemachen) 136
Thaumaturgie der
Hacktivisten 67 Thaumaturgische Pfade 137
Kapitel Sechs:
Herrschaft über
Kapitel Vier: Die Verdammten 111
die sterbliche Hülle 137
Die Unabhängigen 71 Der Gastgeber der Hölle 112 Pfad des
Assamitenhexerei 71 Versuchung 112 fokussierten Verstandes 139
Stil und Essenz 72 Die Erzherzöge der Hölle 114 Pfad der Blitze 140
Beziehungen nach außen 74 Das Infernale Herbeirufen 115 Geistermanipulation 142
Hexerei innerhalb Geschäfte, Handel Thaumaturgische Rituale 145
der Kasten der Assamiten 75 und Pakte 116 Rituale der Ersten Stufe 145
Neue Rituale 76 Kosten und Nutzen Rituale der Zweiten Stufe 147
Setitenhexerei 77 des Infernalismus 117
Rituale der Dritten Stufe 149
Stil und Essenz 78 Ritual der Beschwörung 117
Rituale der Vierten Stufe 151
Beziehungen nach außen 80 Zuwendungen
Rituale der Fünften Stufe 154
und Geschenke 118
Hexerei innerhalb Koldunische Hexerei 156
der Fraktionen der Setiten 82 Die Baali 119
Weg des Geistes 156
Neue Rituale 83 Die Veneficti 120
Weg der Trauer 157
Die Giovanni und Geheimnisse der Ahnen 120
Rituale der
die Nekromantie 85 Die Inquisition des Sabbat 120
Koldunischen Hexerei 157
Stil und Essenz 85 Kompromisse 121
Wiedererweckung des
Die Ausbreitung Häretiker 121 Toten Wassers (Stufe Eins) 157
der Nekromantie 88 Struktur 122 Anrufung des minderen Zeichens
Beziehungen nach außen 90 Autorität 123 der Macht (Stufe Zwei) 157
Nekromantie innerhalb Spielmechanik 124 Binden des Dieners
der Giovanni Familien 92 (Stufe Drei) 157
Die Josianer 125
Neue Rituale 93

4
 Die Bande, die fesseln Dur-An-Ki Rituale 162 Rituale der Setitenhexerei 166
(Stufe Vier) 158 Horoskop (Stufe Eins) 162 Rüstung der
Der innerste Ruck Aufguss aus Kalif diamantenen Gelassenheit
(Stufe Fünf) 158 (Stufe Zwei) 162 (Stufe Eins Sadhana Ritual) 166
Rituale der Anarchen 158 Stier des Himmels Gris-Gris erschaffen
Nulllinie (Stufe Drei) 163 (Stufe Zwei Wanga Ritual) 166
(Ritual der Stufe Eins) 158 Ahrimans Lanze Dunkle Thaumaturgie 167
Eiserner Körper (Stufe Vier) 163 Flammendes Inferno 167
(Ritual Stufe Zwei) 158 Augen des Firmaments Pfad des Phobos 168
Ruf der Hölle (Stufe Fünf) 163 Erlkönig 170
(Ritual Stufe Drei) 158 Setitenhexerei 163
Schutzzeichen gegen Vitae Ushabti (Akhu Pfad) 163
(Ritual Stufe Vier) 158
Der Pfad von Praapti
Dur-An-Ki 159 (Sadhana Pfad) 165
Die Winde des Jägers 159 Im Fluss mit Ashé
Der Pfad des bösen Blicks 160 (Wanga Pfad) 165

BLUTRITEN 5
 Der Preis
„Wissen hat immer einen Preis. Egal, ob man mit Blut,
Sicherheit oder dem Geiste bezahlt, es hat immer einen
Preis, Vrisa.“ Scht-scht-scht wurde das Messer über den
Lederriemen gezogen, bis seine Klinge unglaublich dünn
und scharf geschliffen war. Der kleine alte Mann hielt inne,
warf einen Blick auf die rasiermesserscharfe Spitze und
schliff dann weiter.
„Die erste Jagd war ein Tremere. Natürlich kannst Du Dir
den Grund selbst denken. Es heißt, die Usurpatoren hät-
ten die Kräfte und das Blut der Salubri gestohlen, doch sie
haben ihre Unsterblichkeit von den Tzimisce! Ich frage
Dich, was ist das größere Verbrechen?“ Er knurrte. „Rache
stand auf der Tagesordnung.“
„Es scheint, diese Feuer seien nun abgekühlt. Bedauer-
lich.“ Der alte Mann schüttelte eine weiße Haarsträhne
aus dem Gesicht, als er ein raues Lachen von sich gab. „Ich
kannte ihre Magie, als sie in sterblichen Tagen noch wie Wür-
mer auf matschigen Gräbern herumkrochen. Wenn man
bedenkt, dass sie Vitae der Tzimisce, unser Wissen über die
Geister und die Energien des Landes gestohlen und es alles
versaut haben. Ratten in ihrem hermetischen Labyrinth.“
Er zog das Messer zurück und legte es zu den anderen.
„Welch Verschwendung.“
Der Alte zwirbelte mit dünnen Fingern seinen Schnauz-
bart und schaute seinen Lehrling an. „Hörst Du zu, Vrisa?“
„Hat dies wieder mit den Wölfen zu tun, Meister?“
Wie eine perfekte Puppe aus Porzellan, deren schwarzes
BLUTRITEN
Haar über eine Schulter fiel, stand das kleine Mädchen
beherrscht neben der Tür. Sie trug ein makelloses, weißes
Kleid mit weichen Handschuhen und schwarzen Lackleder-
schuhen. Ein sanfter Bogen hielt ihre Locken von ihren
Wangen zurück, was dem Blick des Mädchens etwas seltsam
Modelliertes verlieh.
„Wölfe?“, prustete er voller Verachtung. „Nein, nein. Dies
ist eine andere Lektion.“
„Ich mag Eure Geschichten über Wölfe“, fuhr sie mit
einem leeren Lächeln fort.
„Wölfe sind dumm. Komplett durchgedreht, kurzsich-
tig und können ein Becken voller Blut nicht von einer
Regenpfütze unterscheiden.“ Sein mürrischer Tonfall wurde
sanfter. „Du hörst einfach nur gerne die Geschichte über
die Feigheit Deines älteren Bruders und wie ich ihn dazu
brachte, uns allein zu lassen.“ Das Lächeln des Mädchens
blieb unverändert und der alte Mann gestikulierte mit dün-
nen Fingern in der Luft. „Dafür haben wir jetzt keine Zeit,
Vrisa, keine Zeit. Heute studieren wir die Magie.“
„Hör mir gut zu, meine Kleine. Wenn nicht, reiße ich Dir
Arme und Beine aus und verwandle Dich in eine kriechende
Spinne.“ Sein Ton hatte etwas von stiller Belustigung, doch
sie stand sofort stocksteif und konzentrierte sich auf seine
Worte.
Der alte Mann nahm sein Tablett mit Messern auf und
trug es an den Tisch in der Mitte seines kleinen Laborato-
riums. Obwohl der Raum aus altem Mauerwerk bestand,
7
7
war die Ausstattung modern, gestohlen aus einer For-
schungseinrichtung in Minsk. „Jener Tremere“, fuhr er fort,
„war sehr hilfsbereit, nachdem er verstanden hatte, was ich
ihm antun würde, wenn er seine Geheimnisse nicht mit mir
teilte. Seine Kapitulation hat ihm allerdings auch nichts
gebracht, ich habe es dennoch getan. Folglich das erste
Buch.“
Kosczecsyku schlenderte zu seinem Schreibtisch, öffnete
seine schwarze Tasche und griff zwischen den Henkeln nach
einem Buch mit dunkelblauem Einband. Das Buch war
mit einem verzierten Riemen rundherum fest verschlos-
sen. Der alte Mann
lächelte, als er es in
das Regal stellte und
seine Finger glitten
mit besitzergreifendem Stolz
über den Buchrücken. „Her-
metik. Mathematik. Vor-
hersagbarkeit. Dies sind
die Stärken und Schwächen der
Zauberei der Tremere. Wisse, was
Dich erwartet und Du wirst sie
besiegen.“
„Ja, Voivode.“
Kosczecsyku griff in die Ledertasche und
zog ein zweites Buch heraus. Dieses hatte
einen gelblichen Farbton, mit verblassen-
den roten Hieroglyphen, die von der Vorderseite
bis auf den Rücken des Buches leuchteten. „Meine
zweite Lektion war ein Setit. Nicht so zäh, doch sehr
gerissen. Ich gebe zu, ich war unvorbereitet – ich ging
davon aus, dass Magie immer gleich ist. Ich beschwor
die Geister, bereitete meine Kunst vor und verfolgte
die Schlange bis zu ihrem Nest ... doch genau da habe
ich ihn beinahe verloren.“ Der alte Mann wurde nach-
denklich, öffnete das Buch und fuhr mit einem Finger
durch die Seiten. Die innere Bindung roch stechend
und scharf und der Duft der Wüste trug ein Flüstern
des Windes herbei. „Unterschätze niemals die Macht
des Glaubens. Besessenheit verleiht selbst einem schwa-
chen Thaumaturgen Macht.“
Das kleine Mädchen begann am Tisch mit seiner
Aufgabe und polierte jedes Messer mit einem weichen
Tuch. Ihre Augen bewegten sich nicht und auch ihr
Lächeln verzog sich nicht, als ihre Hand über die Gerät-
schaften glitt. Er schaute sie einen Augenblick lang an und
fragte sich, ob sie wohl noch immer aufmerksam war, zuckte
dann aber mit den Schultern und griff erneut in die Tasche.
„Ah, hier ...“, sagte er eifrig, als er den nächsten Band
herauszog. „Dies hat mich einiges mehr gekostet, als es tat-
sächlich wert war, um ehrlich zu sein. Ich musste es einem
Händler in Italien abkaufen. Diese Kaufleute würden alles
verkaufen, was nicht festgenagelt ist, einschließlich ihrer
Seelen. Verwegen ... und beinahe verschwendeter Aufwand
meinerseits.“
8 Der Preis
„Schau, Nekromantie ist eine Art von Magie, doch sie
benötigt ein ganz anderes Repertoire an Fähigkeiten. Sie
beschwören Geister, so wie wir Koldunen, doch diese Geister
sind ephemer, nicht elementar. Natürlich weiß ich das jetzt.
Sehr schade für den kleinen italienischen Freund, dass ich
das nicht früher verstanden hatte, doch andererseits, hätte
ich es im Vorfeld gewusst, hätte ich heute keinen so weit-
reichenden Überblick über ihre Fähigkeiten.“ Kosczecsyku
stellte ein dickes Buch mit weißem Ledereinband neben die
anderen und tippte anerkennend darauf, während er weiter-
sprach. „Ich wünschte natürlich, ich hätte den Begleitband
dazu, doch diese scheinen bedauerlicherweise nicht mehr
gedruckt zu werden.“
„Alle tot?“ Vrisa
fragte höflich und drehte
ihren Kopf, um ihn mit
glitzernden und gläsernen
Knopfaugen anzublicken.
„So wurde es mir zumin-
dest zugetragen. Ich hege aber
weiter die Hoffnung, eine über-
arbeitete Fassung zu bekommen.“
Kosczecsyku fuhr sich mit der
Hand durch seinen dichten, weißen Haar-
schopf auf dem Kopf und starrte erneut in
die schwarze Ledertasche. „Es beeindruckt
mich jedes Mal, dass es so viele gibt. Ah, hier.
Dies ist ein wunderbarer Kodex.“ Er griff behutsam
hinein und zog einen gänzlich in schwarz gebunde-
nen Kodex heraus. Die Seiten darin waren dicker
und schwerer, als seien die Blätter über die Jahre
angeschwollen und Fetzen mit Notizen waren überall
zwischen die Seiten gesteckt. „Dur-An-Ki. Dieses liest
sich am besten mit einer Opiumpfeife in der Hand,
mein Schatz. Der Assamit, der diesen Band inspirierte,
beharrte darauf, dass ihre Magie nur durch einen Dro-
genschleier und ekstatische Erleuchtung verstanden
werden kann. Dennoch kann ich Kalif einfach nicht aus-
stehen. Erinnert mich etwas zu sehr an den Geruch bren-
nender Hunde.“
Vrisa erwachte kurz zum Leben, doch bevor sie ihre
Frage stellen konnte, klopfte es an die Tür des Labo-
ratoriums. Gehorsam ging die Schülerin an die
Tür. Während Kosczecsyku mit seiner Hand vol-
ler Bewunderung über seine Bücher fuhr, gab das
puppenhafte Mädchen zwei muskulösen Szlachta die
Anweisung, ihren Gefangenen in den Raum zu tragen und
ihn auf den Tisch zu binden.
Das geschäftige Treiben hinter sich ignorierend, nahm
der weißhaarige Herr die Suche in seiner Tasche wieder auf.
Einen Augenblick später zog er seine Hand schnell wieder
zurück und steckte sich seine Finger mit einem deftigen
rumänischen Fluchen in den Mund. Er wickelte ein Stück
Stoff um seine Hand, griff erneut in die Tasche und zog
behutsam ein kleines Büchlein heraus, das er sofort auf den
Tisch fallen ließ, kaum dass er es aus der Tasche gehoben
hatte. „Kalt wie der Teufel“, murmelte er vor sich hin und
klopfte mit einem Stift auf dem Buch herum. Er öffnete den
Buchdeckel und sah mit an, wie Eiskristalle den dünnen
Zylinder seines Stiftes empor wanderten. „Monçadas Kinder
waren häufig so. Oh, was ist das?“ Kosczecsyku beugte sich
über den Tisch und hielt sein Ohr bis auf wenige Zentimeter
an das geöffnete Leder. Seine Augen leuchteten mit kindli-
chem Entzücken. „Der Abgrund flüstert erneut. Das ist aber
auch ein Wichtigtuer ...“
„Mystizismen des Abgrunds, Vrisa“, der alte Mann zog
den Stift heraus und ließ das Buch wieder zufallen. Er
schüttelte eine dünne
Schicht Raureif von
der Hand und fuhr
fort. „Die Magie der
Lasombra, ist alles, nur nicht
das. Es ist auch kein Glaube,
zumindest streng genom-
men, obwohl mein
Lehrer ständig fluchte,
als könne Gott ihn hören. Viel-
leicht sprach er aber auch zum
Abgrund. Hm.“ Kosczecsyku
erhob seine Stimme, um das
Theater auf dem Tisch zu übertönen, wo
gerade ein schlaffer Körper auf dem
Tisch befestigt wurde. „Mystizismen des
Abgrunds öffnen Portale. Trotz all ihrer Prahlereien
und Possen wirken sie keine wirkliche Magie. Sie
öffnen nur eine Tür. Etwas anderes drückt dann die
Magie hindurch.“ Seine Stimme schweifte gedanken-
verloren in die Ferne ab, als er auf das letzte Buch in
seiner Tasche blickte.
„Voivode“, fragte sein Kind voller Respekt. „Der Leh-
rer schläft noch von seiner Reise. Soll ich ihn wieder
zurückholen?“
„Bitte? Oh?“ Kosczecsyku richtete sich auf und
schaute zum Tisch. „Ja, mach das. Der Gute sieht recht
robust aus, oder? Ich darf nicht vergessen, dem Vozhd
zu danken. Vielleicht mit den Überresten des Pferdes
des guten Mannes.“
„Automobil, Herr.“ Vrisa korrigierte ihn mit unend-
licher Vorsicht und Respekt. „Keine Pferde.“ Ohne
weiteres Aufheben widmete sie sich wieder ihrer Auf-
gabe.
„Oh.“ Er verstand nicht und es war ihm auch gleichgültig,
weshalb er zum Tisch schlurfte und eine Zange zur Hand
nahm. Das letzte Buch in seiner Tasche war heikel und
man provozierte es besser nicht. Kosczecsyku griff mit der
übergroßen Zange in die Tasche, während seine Zunge über
die Spitze seiner Lippe fuhr und hob das Buch am Boden
der Tasche vorsichtig an und legte es behutsam neben die
anderen ins Regal. Vrisa stellte sich neben ihn und hielt das
Tablett mit den glitzernden Klingen. Sie hob eine Augen-
braue. Das Buch hatte eine durchschnittliche Größe, der
Deckel war abgewetzt und es war in einem warmen Braun-
BLUTRITEN
ton gebunden, mit goldenen Lettern auf dem Rücken. Es
hatte etwas Einladendes, zusammen mit zerlesenen Seiten
und fleckigen Ecken. Es konnte auf der gesamten Welt kein
schöneres Buch geben.
„Gib den Infernalen niemals auch nur den kleinsten
Anker.“ Kosczecsyku flüsterte und seine Stimme war knapp
und hart. „Sie sind niemals das, wonach sie aussehen.“
Noch während er sprach, wich das Buch zurück und sein
einladendes Aussehen verzog sich unter seinem Spott. Plötz-
lich wurde der Buchdeckel dunkler, mit unansehnlichen
Flecken und das rote Lesebändchen, das zwischen den Sei-
ten eingenäht war, hing
heraus wie die Zunge
eines Toten. Der
alte Voivode schnaubte.
„Theatralik wird Dich auch
nicht weiter bringen“, mur-
melte er und legte es zu den
anderen Büchern.
Der ältliche Tzimisce wandte
sich dem steinernen Tisch zu. „Ist
er bereit? Der Lehrer?“, fragte der
alte Mann mit einem überraschend
fröhlichen Ton. Auf leichten Füßen trappelte
er zum Tisch und nahm seine neuste Errun-
genschaft in Augenschein. Der dort lie-
gende Mann war halb erwacht, seine grauen
Augen waren klar und seine Gesichtszüge zeigten all-
mählich träges Verständnis. Er trug eine Lederjacke,
Jeans und ein schwarzes Shirt mit ein paar albernen
Kritzeleien auf der Vorderseite. Seine Hände waren
von Verbrennungen verheert und blutbefleckt. „Hm.“
Kosczecsyku stieß den jungen Mann mit der Zange an.
„Dein Name ist Jurgin, richtig? Jurgin Shaulis?“
„Der bin ich“, bestätigte der junge Mann.
Kosczecsyku lächelte angetan. „Aus Litauen, korrekt?“
„Ja.“ Der Gefangene zwang sich zu fokussieren und sein
Blick wanderte hin und her zwischen dem kleinen Mann
und dem seltsam beruhigenden Mädchen, das hinter ihm
ein Tablett mit Messern hielt. „Wer sind Sie?“
Erfreut darüber, sich endlich vorstellen zu dürfen,
machte der Voivode eine leichte Verbeugung. „Mein
Name ist Kosczecsyku, Kind Yoraks, Kind des For-
mers. Ich bin, nun ja, kürzlich erwacht“, fügte er
hinzu, als sei es eine beiläufige Entschuldigung. Er
zeigte auf das Mädchen: „Das ist meine Tochter Vrisa.“
Der Gefangene hatte damit begonnen, an den Fesseln an
seinen Handgelenken zu ziehen. „Wieso bin ich hier? Was
machen Sie? Ich bin ein freies Mitglied des Sabbat! Mein
Rudel ist —“
„Ihr Rudel ist irrelevant. Ich benötige einzig Ihre Magie.“
Der Mann blinzelte. Kosczecsyku nahm einen kleinen
Spiegel aus seiner Tasche, hauchte ihn an und wischte ihn
mit seinem Ärmel sauber, ehe er ihn dem Gefangenen vor
9
9
 die Stirn hielt. „Keine Sigille!“ Mit vor Aufregung geweiteten
Augen legte der alte Mann den Spiegel beiseite und nahm
mit großem Interesse die Hand des Gefangenen. „Diese
Verbrennungen sind vom Creo Ignem, korrekt? Dem Lock-
ruf der Flammen?“ Ein kurzes Stirnrunzeln. „Wie haben Sie
es geschafft, sich selbst zu verletzen? Diese Zauber sind sehr
speziell; das Feuer entsteht immer zwei Einheiten über der
Handfläche. Haben Sie bei der Anrufung versagt?“
„Versagt? Nein!“ Gekränkt und noch nicht gänzlich über-
zeugt, um nicht doch Widerstand zu leisten, zog der Gefan-
gene erneut an den Fesseln. „Um den Zauber anzuwenden,
muss man etwas Kie-
fernharz zwischen
dem dritten und
vierten Finger halten
und damit ... Was wollen Sie
damit andeuten? Ich gehöre
bestraft?“ Wut flammte
in den Augen des jungen
Kainiten auf.
Vrisa lächelte.
Der Voivode ignorierte die
Frage des Gefangenen und
fuhr fort. Er durchwühlte seine
Taschen und murmelte: „Er trägt keinerlei
hermetische Werkzeuge bei sich. Kiefern-
harz sagen sie? Unsinn. Vielleicht waren
unsere Informationen nicht korrekt ... wie können
wir überhaupt sicher sein, dass er ein Tremere ist?“
Kosczecsyku glättete seinen weißen Schnurrbart und
sein Lächeln schwand, als er die Frage erneut durch-
dachte. „Vielleicht ein Caitiff? Wenn sein Blut keine
Magie in sich trägt, ist er mir nicht von Nutzen.“
„Caitiff? Wa ... Was? Ich bin kein Pander!“
Der Gefangene schrie wie gestochen auf.
„Vielleicht haben Sie die faden Künste der Sterbli-
chen erlernt?“ Kosczecsyku ließ die Anschuldigung wir-
ken und fuchtelte mit der Zange im Gesicht des Man-
nes herum. „Erzählen Sie es mir!“
Vrisa starrte den Gefangenen abschätzend an. „Seine
hexerischen Fähigkeiten waren im Kampf gegen unse-
ren Vozhd tatsächlich vorbildlich. Weitaus zu mäch-
tig, als dass es sich um eingeschränkte Magie handeln
könnte.“
Kosczecsyku runzelte skeptisch die Stirn. „Die Hände des
Objekts sind verbrannt.“
Sie neigte ihren Kopf. „Vielleicht hat es erst kürzlich den
Kuss empfangen? Etwas, das en masse erschaffen wurde?“
„Tremere schaufeln nicht. Zu gefährlich. Das Küken
könnte fliehen und zum Infernalen finden. Es liegt in ihrer
Natur, weißt Du. Sie müssen anständig verwöhnt werden,
damit sie sich nicht an die Zitze eines Dämons hängen.“
Kosczecsyku betrachtete den Mann auf dem Tisch mit einem
beurteilenden Blick. „Goratrix hat schon immer lamentiert,
10 Der Preis
dass seine Brut an allem nuckeln würde, was warm und
feucht ist.“
„Was fällt Dir ein!“ Der Gefangene brüllte angesichts sei-
ner Gefangenschaft, Panik und dem Tier, das sich hinter
seinen grauen Augen Weg bahnte. „Ich bin ein Tremere,
ein Antitribu der telyavischen Linie! Goratrix sei verflucht,
meine Blutlinie ist dem Sabbat treu. Meine Magie trägt das
Blut der Erde! Lass mich sofort gehen!“
Vrisa schaute entschuldigend zu ihrem Meister und
murmelte: „Er scheint es ernst zu meinen. Wenn er sich so
sicher ist ...“
„Ja. Ich denke,
er wird ausreichen.
Kiefernharz, wenn
ich nicht irre? Blut der Erde,
sagten Sie? Sie müssen
über eine besondere Art
von Magie verfügen.“
Dem alten, weiß­ haarigen
Unhold schien die Idee zuneh-
mend zu gefallen und er lächelte
sein Kind an. „Er wird ein aus-
gezeichneter Tutor für unsere Sammlung
abgeben. Telyavisch sagten Sie? Irgend-
eine Verbindung zum sagenumwobenen
Televelis, dem Schmied?“
„Telyavel, Gott des Todes, Überbringer der See-
len!“ Der Gefangene brüllte und bäumte sich auf
dem Tisch trotz seiner Handgelenkfesseln auf.
„Ihr könnt mich foltern, formen und meinen Geist
beherrschen, nur zu. Nicht weniger hat mein Rudel
in der Vergangenheit gemacht. Ich werde euch nichts
über meine Magie erzählen!“
Kosczecsyku hob missbilligend eine Augenbraue.
Vrisa stopfte dem Mann prompt einen Lappen in den
Mund und verschloss seine Kiefer fest darum. Während
das Echo verklang und wieder friedliche Stille einkehrte,
tätschelte Kosczecsyku die Brust seines Gefangenen,
wobei er dünne Knochensplitter wie Nadeln durch des-
sen Poren drückte und tief in das Fleisch des Tremere
Antitribu trieb. „Ich weiß, dass Sie uns nichts erzählen
werden, junger Mann.“ Hinter der Fassade zerstreu-
ter Weisheit waren die Augen des alten Tzimisce
kalt und grausam.
„Sie werden es uns zeigen.” Er legte seine Hand
auf Vrisas Schulter. „Sehr gut, meine Schülerin. Du darfst
beginnen. Schauen wir mal, wie sorgfältig Du unsere Kunst
erlernt hast ...“
•••••
Der alte Mann nahm vorsichtig das Buch aus den weißen
Händen seines Kindes. Er inspizierte die gleichmäßige Naht
und das schöne, gescheckte grüne Leder. Die Seiten waren
dünn, steif und präzise, aus gedehnten Sehnen und säure-
gegerbter Haut. Er öffnete den Buchdeckel und blätterte
einmal um, fühlte dabei das seidene Rascheln von Papier
zwischen suchenden Fingern. Sie hatte den Jungen mit her-
ausragender Fertigkeit provoziert. Die Schrift des Buches zog
sich in symmetrischen, präzisen und gleichmäßigen Paragra-
fen von Seite zu Seite und die telyavischen Venen waren wie
ein Wasserzeichen in das Pergament jeder Seite eingewo-
ben.{MQ} Seine Knochen, die nun nicht mehr von Nutzen
waren, lagen ordentlich in geflochtenen Körben neben dem
Operationstisch. Auf dem Tisch lag kein Körper mehr. Das
gesamte Buch, jede einzelne Seite, jede Naht, jede Rundung
der Tinte und jedes bisschen Markkleber, der den Einband
versteifte, war aus einem einzelnen, zusammenhängendem
Ganzen geformt worden. Eine einzelne, noch immer füh-
lende, Kreatur. Gefangen zwischen den Seiten war der Geist
des Telyavelischen Tremere ein Teil des Ganzen und dazu
im Stande, Fragen in Form von Text zu beantworten, wann
immer ein Leser danach fragte.
BLUTRITEN
Der einzige Makel war ein kleiner, angesengter Teil im
unteren, rechten Eck des Deckels – eine Verbrennung, die
Vrisa erfolglos versucht hatte, über Stunden hinweg zu glät-
ten. „Ein ausgezeichneter Ansatz, meine Liebe“, sagte Kosc-
zecsyku prüfend. „Noch ein wenig mehr Erfahrung bei der
Reparatur von Verbrennungsschäden und Du meisterst die-
sen Vorgang.“
„Ja, Voivode.“ Vrisas Knopfaugen wirkten zögerlich, doch
sie nahm das Kompliment des alten Mannes würdevoll an.
Sie würde für ihren Fehler nicht gefoltert werden. Dieses
Mal.
„Geduld, Beharrlichkeit und Übung“, seufzte der Voivode
und tätschelte ihre Hand. „Das ist der Preis des Wissens,
meine Liebe ...“
„Ein Preis, den wir gerne bezahlen.“
11
11
12 Der Preis
 Einleitung

Zweifellos ist Magie eine der raffiniertesten und schwierigsten Wissenschaften und Künste. In ihr liegen mehr Möglichkeiten, Fehler
bei Verständnis, Beurteilung und Anwendung zu begehen, als in jedem anderen Zweig der Physik.

– Aleister Crowley

Selbst nach Jahrhunderten der Forschung bauen die unzähli-
gen von Kainskindern auf der ganzen Welt entwickelten Ritu-
ale, auf demselben Fundament auf. Egal ob diese Rituale auf
Thaumaturgie, Hexerei, Nekromantie oder seltsame Prakti-
ken zurückgehen, sie werden alle durch die Macht des Blutes
beschworen.
Das Blut vereint alle Kainskinder. Jeder Vampir, unge-
achtet seines Alters, muss Blut trinken, um weiter zu leben.
Es erhält die Unsterblichkeit, die mit dem Vampirismus
einhergeht und bewahrt das untote Fleisch, sodass sie über
die Macht verfügen, sich jede Nacht aufs Neue zu erhe-
ben. Doch es versklavt sie auch. Aus Blut können Fesseln
geschmiedet werden, die härter sind als jedes Metall, um sie
gefangen zu nehmen oder ihre Wünsche und Bedürfnisse
zu kontrollieren. Letztendlich führt es jedes Kainskind dazu,
sich an einem Punkt seiner Existenz eine bestimmte Frage zu
stellen: Wie kann so etwas Schlichtes wie Blut solche Macht
entfalten?
Niemand kennt die Antwort, was Kainskinder über die
Jahrhunderte aber nicht davon abgehalten hat, nach einer
Erklärung zu suchen. Viele haben in sich hinein gehört, nur
um dort auf weitere unbeantwortete Fragen zu stoßen, die
dort auf sie warteten: wie heilt Blut Wunden, oder wie ver-
leiht es Disziplinen ihre Macht? Die Neugierigsten stolpern
irgendwann über die gefährlichste aller Fragen: Was kann
ich damit noch bewirken?
In den dunkelsten blutroten Tiefen ihres Seins finden
diese Kinder Kains Macht: rohe Macht, die darauf wartet,
an die Oberfläche befördert zu werden. Über ihre reine
Willenskraft zerren diese Kainskinder die schreiende und
um sich tretende Macht ins Freie, um wundersame Taten
zu vollbringen. Rituale wurden entwickelt, um dieser neuen
Kraft eine Richtung und ein Ziel geben zu können, ohne die
Behinderung durch die Strukturen bekannter Disziplinen.
Nur ein einziges Wort kann diese Macht beschreiben, die
sich durch die Zeitalter Bahn gebrochen hat: Magie.
Über die Jahrhunderte der Experimente haben die Hexer
der Kainskinder ihre Kunst auf Myriaden von verschiedenen
Arten erweitert. Mit jedem weiteren Schritt eröffnet sich
ihnen ein neuer, verlockender Pfad und verheißt den Weg
zu noch größeren magischen Taten. Thaumaturgie wurde
von Kainskindern über hermetische Rituale entwickelt, um
diese mächtigen Kräfte zu kontrollieren und zu fokussieren.
Andere Kainskinder erschufen eine große Auswahl an Hexe-
rei, die aus dem Glauben Sterblicher weltweit entstanden
ist. Einige verwischen die Trennlinie zwischen Religion und
Macht und erschaffen daraus weitere neue Rituale. Andere
haben ihr Blut dafür eingesetzt, um über die Geister der
Toten gebieten zu können, Kontakt mit Erscheinungen aus
Reichen jenseits unserer Vorstellungskraft aufzunehmen
oder um ihre Seelen an Wesen zu verkaufen, die in den dun-
kelsten Weiten der Schöpfung lauern.

13

BLUTRITEN 13
 Thaumaturgie und der Metaplot
An dieser Stelle gilt es anzumerken, dass Thaumaturgie und andere Arten der Blutmagie in zwei vorherigen Quellenbü-
chern erörtert wurden: Blutmagie: Geheimnisse der Thaumaturgie und Blood Sacrifice: the Thaumaturgy Companion
(Anm: nur Englisch). Auf beide Bücher wird in diesem Buch stark Bezug genommen. Beide vorangegangenen Bücher hat-
ten stark unterschiedliche Foki und beleuchteten das Thema der Blutmagie aus unterschiedlichen Blickwinkeln, weshalb
BLUTRITEN von dieser Tradition nicht abweicht. Blutmagie präsentierte die Geschichte und Entwicklung dieser
Kräfte, während Blood Sacrifice das Thema der Gestaltung verschiedener magischer Praktiken tiefgreifend ergründete.
BLUTRITEN widmet sich den Effekten, die Rituale des Blutes (und im weitesten Sinne Blutmagie als Ganzes) auf die Gesell-
schaft der Kainskinder haben, sowie dem Preis, den einzelne Kainskinder zu bezahlen haben, um ihre Kunst zu entwickeln,
was Ihre Chronik um zahlreiche Details erweitern kann.
Einigen aufmerksamen Lesern wird allerdings auffallen, dass einige Ereignisse, die in anderen Titeln von Vampire: Die
Maskerade vorkommen, hier verändert oder ausgelassen werden. Dies ist beabsichtigt und eine bewusste Entscheidung, um
neue Themen zu ergründen, wie ein anderer Blick auf die Tremere Antitribu und die fortwährende Existenz der Wahren
Schwarzen Hand. Entsprechend der seltsamen und unüblichen Magie, die diese Kainskinder studieren, ist dieses Buch voller
Gerüchte und Spekulationen und bewegt sich um den „Metaplot“ von Vampire: Die Maskerade, um Themen zu beleuchten,
die für eine Diskussion rund um Blutmagie relevant sind. V20 hat mit einer Hintergrundgeschichte für „Ungläubige des
Metaplots“ einen Präzedenzfall geschaffen, doch an einigen Stellen biegen wir das Material hier so zurecht, dass es V20 oder
anderen Büchern aus der Reihe widerspricht, sodass wir in den interessantesten Teilen der wunderbaren Geschichte der Welt
der Dunkelheit graben können. Picken Sie sich das heraus, was für Ihre Chronik passt und lassen Sie den Rest einfach weg.

Egal aus welcher Quelle, Macht korrumpiert. Welche Aus-
wirkungen hat diese unfassbare Macht also auf Kainskin-
der? Was kostet Magie? Und welche mystischen Mächte und
verdrehten Fähigkeiten können noch entstehen? Blutriten
untersucht eine große Auswahl an rituellen Fähigkeiten und
Kräften, die sich im vampirischen Blut manifestieren sowie
die Konsequenzen und Kosten der Entwicklung und des
Einsatzes von Blutmagie in den verschiedenen Sekten und
Fraktionen der Gesellschaft der Kainskinder.
Thema und
Stimmung
Das Thema im Herzen von Blutriten ist der Preis der Macht.
Die Anwender magischer Künste wurden über die Annalen
der festgehaltenen Geschichte und in vielen Kulturen weltweit
stets mit Misstrauen und Angst betrachtet. Folglich entwickeln
Magier ihre Kräfte hinter verschlossenen Türen und unter dem
Deckmantel der Verschwiegenheit. Dieses abgeschottete Ver-
halten führte zu einer unzuverlässigen Charakterisierung, die
später auf die Thaumaturgen des Clan Tremere über Jahrhun-
derte angewandt wurde. Dies ist einer der Preise, den sie für die
Entwicklung ihrer kostbaren Thaumaturgie zahlen mussten.
Doch es gibt weitaus seltsamere und deutlich gefährlichere
unheimliche Mysterien, die von Kainskindern praktiziert
werden. Priester und Hexer des Sabbat entwickeln Ritae,
um das Schwert Kains zu einen und zu stärken. Die Assa-
miten experimentieren mit ihrer Hexerei, um den Blutfluch
der Tremere zu brechen. Die Giovanni praktizieren Nekro-
mantie, um die Barriere zwischen dem Land der Lebenden
und den Landen der Toten zu durchbrechen. Infernalisten
praktizieren teuflische Rituale, um den grausamen Willen
ihrer dunklen Meister zu befriedigen. Die Liste geht so noch
ewig weiter. In jedem Fall müssen sich diese Kainiten fragen,
was schlimmer ist: der für die Erlernung dieser Künste zu
zahlende Preis, damit sie ihre endgültigen Ziele erreichen,
oder mit der Aussicht zu leben, diese Ziele niemals erreichen
zu können, wenn sie sich von der Blutmagie abwenden?
Die Stimmung ist die okkulter Eigenartigkeit. Nicht „ein
wenig merkwürdig“ eigenartig, sondern eher aus der Katego-
rie „so richtig seltsam“. In einigen Fällen existiert Blutmagie
schon seit Jahrtausenden. Solche Praktiken haben das Ent-
stehen und den Niedergang von Zivilisationen überlebt. Sie
wurden aus Glauben geboren, die im Laufe der Geschichte
untergegangen sind, in den heutigen Nächten aber noch
immer über Macht verfügen. An diesen alten Künsten muss-
ten einige Veränderungen vorgenommen werden, sodass sie
sich auf eine Art verändert haben, die sie in etwas gänzlich
Anderes verwandelt haben. Etwas Fremdartiges.
Diese Formen der Magie sind keine Disziplinen. Sie
sind etwas gänzlich Unnatürliches, das Kainskinder durch
den Einsatz ihres Blutes als Kanalisierung entwickeln
konnten. In Wahrheit greifen Kainskinder, die Blutmagie

14 Einleitung
p­ raktizieren, tief in sich hinein und vollbringen Taten mit
einer Macht, die sie zwar entdeckt, aber in vielen Fällen nicht
vollständig verstanden haben. Dass sie unbegrenzte Macht
erwarten könnte, überwältigt sie manchmal. Es könnte eine
furchtbare, verstörende Kraft in dieser Macht liegen, die sie
wahllos zerstören könnte, doch sie ist so faszinierend und
verführerisch, dass sie Nacht für Nacht wiederkommen und
mehr wollen.
Worum geht es in
diesem Buch?
Kapitel Eins erkundet die Camarilla und den Clan, der
das Monopol auf die Thaumaturgie hält – die Tremere.
Kapitel Zwei betrachtet die Riten und Praktiken des
Schwert Kains, wo Religion und Ritual in einem Schmelz-
tiegel aus Blut aufeinanderprallen.
Kapitel Drei stellt die allerneuesten Experimente mit
Blutmagie innerhalb der Anarchen-Bewegung vor.
Kapitel Vier diskutiert über die sozialen und politischen
Auswirkungen von Hexerei auf die Clans, die ihre Unabhän-
gigkeit vom Dschihad wahren wollen.
Kapitel Fünf enthüllt die verstörenden und fremdartigen
Praktiken derer, die am Rande der Gesellschaft der Kains-
kinder existieren – der Tal’Mahe’Ra und den Inconnu.
Kapitel Sechs handelt die Kainskinder ab, die bereit sind,
selbst den ultimativen Preis für Blutmagie in ihrer dunkels-
ten Form zu bezahlen: dem Infernalismus.
Kapitel Sieben überdenkt nochmals eine Fülle an magi-
schen Praktiken aus früheren Editionen von Vampire: die
Maskerade.
Lexikon
Akhu: Eine magische Schule der Setitenhexerei, die auf
den alten ägyptischen Glauben zurückgeht.
Ashipu: Anwender von Dur-An-Ki, normalerweise ein
Assamitenhexer.
Dämonologe: Ein Infernalist, der Dämonen und dämoni-
sche Kräfte mit akademischen Absichten erforscht.
Diabolist: Ein Infernalist, der aktiv Dämonen beschwört,
um sie im Austausch für Macht zu kontrollieren oder anzu-
beten.
Dur-An-Ki: Eine Art der Magie, die aus dem alten Meso-
potamien stammt und die Assamiten-Hexer in ihre eigenen
Praktiken übernommen haben.
BLUTRITEN
Gildenhaus: Ein geschütztes Haus einer regionalen
Gruppe, wo Tremere sich zum Lernen versammeln und thau-
maturgische Geheimnisse teilen. Normalerweise befindet es
sich in einer bestimmten Domäne unter einem ­Regenten.
Hexer: Allgemeine Beschreibung für einen Anwender
einer beliebigen Form der Hexerei (egal ob Assamitenhexe-
rei, Setitenhexerei, etc.)
Houngan: Ein Anwender des Voudoun, was sowohl für
die Nekromantie des Wanga, als auch des Voudoun gilt.
Lehrling: Der niedrigste Rang innerhalb der Hierarchie
der Tremere. In diesem Rang findet sich alles, vom Neuge-
borenen, der frisch den Kuss empfangen hat, bis zu listigen
Veteranen, die kein Interesse an Clanpolitik zeigen.
Lektor Priester: Ein Anwender von Akhu.
Nahualli: Ein Anwender von Nahuallotl, normalerweise
aus der Blutlinie der Tlacique (Setiten).
Nahuallotl: Eine magische Schule der Setitenhexerei, die
auf mesoamerikanische Glaubensrichtungen zurückgeht.
Nekromant: Allgemeine Beschreibung für einen Anwen-
der der Nekromantie.
Pyramide: Die weltweite Hierarchie der Tremere, die über
alle Gildenhäuser der Welt herrscht.
Der Rat der Sieben: Die sieben hochrangigsten Tremere,
die für die Geschicke des Clans in einem Großteil der Welt
verantwortlich sind.
Regent: Das mittlere Management der Tremere, das Lehr-
linge überwacht und Gildenhäuser verwaltet. (Nicht gleichzu-
setzen mit dem Rang des Regenten im Sabbat.)
Sadhana: Eine Schule der Setitenhexerei, die sich auf den
hinduistischen Glauben in Indien beruft.
Sadhu: Anwender von Sadhana, normalerweise aus der
Blutlinie der Daitya (Setiten).
Sklave: Ein Infernalist, der einen Pakt mit einem Dämon
schließt, um Macht zu erlangen.
Thaumaturg: Eine allgemeine (und irgendwie inkorrekte)
Benennung für Kainskinder, die Blutmagie wirken. Hexer
und Nekromanten sperren sich gegen den Begriff, doch der
Einfluss der Camarilla auf die kainitische Gesellschaft (und
der Einfluss der Tremere auf die Camarilla) haben zu einer
immer häufigeren Verwendung des Ausdrucks geführt.
Voudoun: Allgemein auch gerne Voodoo genannt. Eine
Religion des Wanga und auch eine Art von Nekromantie.
Wanga: Eine Sammlung religiöser Glaubensrichtungen,
die aus den Sklavengemeinschaften der Karibik stammt (ein-
schließlich Voudoun). Der Ausdruck bezieht sich auch auf die
Schule der Hexerei, die von diesen Religionen abstammt.
Wangateur: Ein Anwender von Wanga.
15
15
 Kapitel Eins:
Der Elfenbeinturm
Ein Schwert kann niemals ein Mörder sein – es ist ein Werkzeug in den Händen eines Mörders.
— Seneca
Blutmagier opfern einen kleinen Anteil ihrer mystikerfüll-
ten Vitae, um die Welt gewaltsam nach ihrem Willen zu
formen. So lange wie Vampire schon auf Erden wandeln,
haben einige wenige schon immer probiert, eine Art Macht
durch das Blut zu erlangen, die sie auf andere Weise nicht
erfahren konnten. Vor Jahrhunderten hielt man Blutmagie
für das Steckenpferd von Fanatikern, Wahnsinnigen und
Besessenen. Thaumaturgen praktizierten die heimliche und
feinsinnige Kunst der Blutmagie Tausende von Jahren, ehe
ein kleines Haus hermetischer Zauberer die Geheimnisse
der Unsterblichkeit stahl und sich selbst in den Stand eines
Kainskindes erhob.
Die Geschichte
von Haus und
Clan Tremere
Die Tremere traten zu Beginn nur als mit Misstrauen
beäugte Außenseiter und bekannte Diableristen an den
Höfen der Kainskinder in Erscheinung. Die Tzimisce der
Karpaten zogen mit ihren Verbündeten unter den Nosfe-
ratu und Gangrel gegen die Usurpatoren in den Krieg und
brannten ihre Gildenhäuser nieder. Im Bewusstsein, dass
ihre Sache bei diesen Clans verloren war, konzentrierten sie
sich darauf, sich die Gunst mächtiger Prinzen in Europa zu
erschleimen. Geduldig und gerissen begannen die Tremere
damit, ihre Dienste als stabile, nicht bedrohliche Blutmagier
BLUTRITEN
anzubieten, penibelst darauf bedacht, dass auch alle Teile
der Abmachung eingehalten wurden. Mit jeder Krise, die
über die Gesellschaft der Kainskinder hereinbrach, erhiel-
ten die Tremere eine weitere Gelegenheit, sich mehr und
mehr einzunisten.
Es dauerte über ein Jahrhundert, doch sie erkauften sich
den Weg zur Akzeptanz und wurden Teil der minderen
Clans. Obwohl man sie noch immer für nicht vertrauens-
würdige Hexenmeister hielt, bestritten nur wenige ihren
Wert als Meister der Thaumaturgie. Indem sie diese neu
erlangte Glaubwürdigkeit geschickt einsetzten (und damit
einhergehend Unmengen an gesammelten Gefallen), began-
nen die Tremere eine boshafte Propaganda-Kampagne, die
Salubri als Infernalisten und Seelenfresser verteufelte, um
damit die Diablerie am Vorsintflutlichen des Clans zu mas-
kieren. Sie führten die anderen Clans auf eine Jagd, die bei-
nahe die Salubri ausgerottet hätte. Jene, denen die Wahrheit
bekannt war, schauten entweder weg, um ihre Allianz mit
den Tremere nicht zu gefährden, oder hatten zu viel Angst,
um es laut auszusprechen.
Der Schwarze Tod zog eine Schneise der Verwüstung
durch Europa, tötete Millionen und verknappte die Blutvor-
räte drastisch. Die Tremere boten den Prinzen und Ahnen
ein schnelles und einfaches Ritual an, mit dem das Blut
ihrer Herden gereinigt wurde und das sie vor Infektionen
schützte. Die Hilfe bei der Eindämmung der Pest erlaubte es
den Tremere, den Ruf der Thaumaturgie öffentlich reinzu-
waschen, während sie die heimtückischen Aspekte der Blut-
magie in die Schatten verlegten.
17
 Der Inquisition gelang es, Vampire zu entdecken, indem
sie Besitzurkunden, Geburtsurkunden und Taufbriefe
durchforsteten und so schlampige Hintergrundgeschichten
von nachlässigen Vampiren aufdeckten. Diese Kainskinder
hatten damit begonnen, die Maskerade (oder was damals
als das Sechste Gebot Kains bekannt war) geringzuschätzen.
Die römisch-katholische Kirche war längst zum kulturellen
Zentrum des Wissens in Europa geworden und ihre Fähig-
keit, sich über ganz Europa zu organisieren, erlaubte es ihr,
schnell größere Mengen an Information zu verarbeiten, um
einen guten Teil der vampirischen Bevölkerung zu lokalisie-
ren und festzusetzen.
Clan Tremere stellte fest, dass das methodische Wesen der
Inquisition ebenso gut als Waffe gegen sie verwendet wer-
den konnte. Ein einziger Lehrling der Tremere erschuf ein
Ritual, mit dem man den massiven Unterstützungsapparat
der Dokumenten- und Aktenarbeit, der für die Nachfor-
schungen der Inquisition nötig war, verhexen und ihm zuset-
zen konnte. Wichtige Verfügungen über die Authentizität
von Dokumenten wurden anerkannt und kritische Befehle
zur Untersuchung gingen zeitweilig verloren, sodass Ahnen
mit ihrem Besitz und ihren Nachkommenschaften den
Augen der Jäger entfliehen konnten. Die Tremere nutzten
die Blutmagie, um die Schritte der Jäger vorherzusehen, sie
aus der Ferne zu verfluchen und ihre Operationen zu stören.
Dies ebbte erst ab, als ein Klüngel Ahnen die Camarilla
gründete und die Maskarade zur ersten Tradition der neuen
Sekte erklärte. Die Ventrue nutzten ihre politische Stärke,
um den Wandel in der Gesellschaft der Kainskinder durch-
zusetzen, die Toreador machten die Maskerade gesellschaft-
lich relevant, doch die Tremere ebneten ihr den Weg, indem
sie die Inquisition mit leichten Dosen von Blutmagie stets
aufhielt.
Der Plan brauchte Jahrzehnte, um endlich zu funktionie-
ren, doch als die Jahre ins Land zogen, starben immer mehr
Jäger eines natürlichen Todes. Die sterbliche Gesellschaft
wandte sich der Wissenschaft zu und kehrte der Folklore
den Rücken. An diesem Punkt verließ sich die Camarilla
längst schon auf die Tremere als Hauptzulieferer für Blut-
magie. Der Clan Tremere bot den Ahnen der Gesellschaft
mystische Dienstleistungen. Kainskinder, mit der Gunst der
Tremere auf ihrer Seite, hatten schon bald einen Vorteil
im Dschihad und plötzlich musste jeder, der das Spiel mit-
spielte, zum Freund der Tremere werden, wenn er überleben
wollte; oder durfte sie zumindest nicht öffentlich erzürnen.
Die Camarilla und
ihre Ansichten der
Thaumaturgie
Die Gründung der Camarilla läutete den Aufstieg zur Legi-
timierung der Tremere ein. Die neue Sekte musste sich in
den Anfangsjahren diversen Herausforderungen stellen und
18 Kapitel Eins: Der Elfenbeinturm
die Tremere setzten ihre Meisterschaft in der Thaumaturgie
gegen diese Hindernisse ein, womit sie spektakuläre Erfolge
erzielten. Sie haben entschlossen ihre Loyalität gegenüber
der Camarilla bewiesen und ihre Antitribu verflucht. Zudem
spielten sie eine der Schlüsselrollen beim Abkommen von
Tyros, indem sie den gesamten Clan der Assamiten verfluch-
ten, sodass sie kein Kainskinderblut mehr trinken konnten,
ohne sich in äußerste Gefahr zu begeben. Diese meisterli-
che Großtat legitimierte die Thaumaturgie in den Augen
der Camarilla und brachte dem Clan der Tremere die Rolle
des Wächters über jede Blutmagie der Camarilla ein. Die
Tremere nahmen diese Rolle mit Freuden an und halfen
dem Elfenbeinturm im Kampf gegen seine aufkommenden
Feinde. Jeder Sieg gegen die Feinde des Elfenbeinturms
sicherte den Tremere ihren Platz als angesehener Clan der
Camarilla noch weiter.
Der Clan der Tremere mag die Blutmagie nicht erfunden
haben, doch sie haben ihre hermetische Ausbildung dafür
genutzt, um Blutmagie innerhalb einer stabilen Methodik zu
kodifizieren und sie zu organisieren, was sie sehr schnell zu
den unangefochtenen Meistern der Thaumaturgie machte.
Die Mehrheit der Prinzen der Camarilla ist sich darüber
einig, dass Thaumaturgie (unter den wachsamen Augen der
Tremere) eine wichtige Rolle bei der Sicherheit der Cama-
rilla spielt. Diese offene Akzeptanz verleiht den Tremere
eine deutliche Autonomie im Umgang mit Blutmagie und
ein politisches Mandat, um die unangenehmen Seiten des
Geschäfts rund um die Überwachung skrupelloser Blutma-
gier und anderer mystischer Gefahren zu regeln.
Die Hexer nehmen diese Position sehr ernst, denn sie
wissen, dass ihre Gegner nur darauf warten, dass sie wieder
in den Schmutz verstoßen werden. Ohne den Schutz des
Elfenbeinturms könnten sie den Legionen ihrer Feinde,
die ihre Vernichtung wollen, nicht lange widerstehen. Die
Tremere unter die Fittiche zu nehmen, ließ die Feinde des
Elfenbeinturms exponentiell in die Höhe schießen, doch die
Alternative wäre viel zu beängstigend gewesen. Die anderen
Gründerclans der Camarilla haben, verglichen mit ihren
Gegnern, ein ernsthaftes Defizit in Sachen Blutmagie.
Der Sabbat war schon immer eine furchterregende thau-
maturgische Bedrohung für die Camarilla. Die Ahnen erin-
nern sich noch daran, dass es ein kleiner Klüngel Koldu-
nen-Neugeborene war, der seine rebellischen Kinder befreite
und die Anarchenrevolte ins Leben rief. Einst galten die Kol-
dunen als unangefochtene Meister der Blutmagie in Europa.
Ihre Zahl mag inzwischen zurückgegangen sein, doch die
Erinnerung an ihre Stärke und ihre seltsamen Kräfte bleibt.
Wer weiß, welche unfassbaren Schrecken sie auf den Elfen-
beinturm loslassen könnten, wenn sie nicht kontrolliert
würden? Der Sabbat weiß gerade genug über Blutmagie,
um als gefährlich angesehen zu werden, denn er flickt Wis-
sen zusammen, indem er sorgfältig verschiedenste Quellen
nach brauchbaren Informationsfetzen durchkämmt. Bisher
haben die Tremere jeglichen echten Vorteil, den der Sabbat
gehabt haben könnte, wieder ausgeglichen, doch was würde
geschehen, wenn die Tremere die Camarilla verlassen?
 Die Assamiten und die Jünger des Seth haben eine überra-
schend starke Anzahl an Hexern in ihren Reihen, die versu-
chen, ihr eigenes System zu verbessern und anzupassen, um
mit der Macht der Tremere gleichzuziehen. Die Hexer sind
kampferprobt und dafür ausgebildet, ihre Hexerei Seite an
Seite mit ihren Kriegern einzusetzen. Wie lange wäre wohl
die Camarilla noch die dominante Sekte auf dieser Erde,
wenn sie nicht die Tremere hätten, die diese Magie kontern?
Der neuerliche Anstieg an Thaumaturgen unter den Anar-
chen hat die gesamte politische Position der Tremere nur
weiter gestärkt. Die Tremere nutzen ihre hermetische Aus-
bildung, um die Thaumaturgie in Form einer vorsichtigen
Wissenschaft zu stabilisieren, doch die Anarchen scheinen
mit wilder Hingabe damit zu experimentieren und Metho-
den sowie Pfade nach Laune miteinander zu vermischen.
Wer weiß, welche Schrecken diese vorschnellen Kainskinder
versehentlich auf die Welt loslassen könnten?
Blutmagie hat
immer einen Preis
Selbstverständlich hat dieses virtuelle Monopol über die
Thaumaturgie den Neid auf die Tremere geschürt. Neuge-
borene sehen diese pure Kraft von Thaumaturgen und lech-
zen nach solcher Macht ohne den Preis zu kennen, den die
Tremere bezahlt haben. Ahnen erinnern sich mit Genuss an
die Nächte, als die Tremere noch offen ausgegrenzt wurden.
Dennoch liegt dem Wesen der Blutmagie auch die Faust-
regel inne, dass Macht immer einen Preis hat. Im Falle der
Tremere besteht dieser Preis aus Disziplin, Aufopferung und
Einsamkeit. Blutmagie zu wirken ist weder einfach, noch
angenehm. Der Thaumaturg verbrennt Kraft seines eigenen
Willens seine eigene Lebensessenz oder die anderer Opfer,
um grausame und unmenschliche Rituale durchzuführen,
die einen Tribut von seiner Menschlichkeit fordern. Thau-
maturgen, die ihre Menschlichkeit opfern, müssen feststel-
len, dass es immer schwerer wird, Verbündete oder Begleiter
zu finden, während sie immer weiter zum Tier abdriften.
Dies treibt sie häufig noch tiefer in die Forschung und die
Besessenheit dessen, was ihr Unleben mit Sinn erfüllt. Die-
jenigen, die diese Feuerprobe überlebt haben, werden miss-
trauisch und teilen ihre Geheimnisse ungern mit Außenste-
henden, die vielleicht nicht bereit sind, den Schrecken und
Verlockungen zu widerstehen, mit denen sie die Thaumatur-
gie konfrontiert.
Die Tremere mussten einen Preis bezahlen, um der
Camarilla beizutreten. Ein Mitglied der Camarilla zu wer-
den, verlangte das Aufrechterhalten einer Illusion eines
menschlichen und respektablen Clans. Viele ihrer dunklen
Geheimnisse mussten unter den Teppich der Geschichte
gekehrt werden. Einige der älteren Tremere trauern den
Nächten hinterher, in denen sie mit ihren mystischen Kräf-
ten offen hantieren konnten, anstatt sie hinter einem poli-
tischen Maulkorb verstecken zu müssen. Einer der herbsten
BLUTRITEN
Verluste dieses schönen Scheins der Moral war der Verlust
ihrer Diener, der Gargylen. Diese Krieger kämpften brutal
gegen die unzähligen Feinde der Tremere, waren aber zuneh-
mend unzufrieden damit, nur Bauern auf dem Schlachtfeld
zu sein. Einige der Camarilla-Clans lehnten es ab, den Tre-
mere den Mitgliedsstatus zuzugestehen, ehe die Hexer nicht
die letzten Gargyle befreit und geschworen hätten, nie wie-
der weitere dieser Kreaturen zu erschaffen.
Nur wenige außerhalb der Pyramide vollziehen den Ver-
lust der Freiheit und den Mangel an Identität nach, die
ein einsamer Lehrling der Tremere erfährt, wenn er sich
seinen Werdegang in einem Gildenhaus erkämpft. Um zu
überleben, müssen sie mit allen Verbindungen nach außen
brechen und sich selbst vollständig der Thaumaturgie ver-
schreiben. Individueller Wille oder Pläne müssen häufig
der Pyramide geopfert werden. Diese Hingabe entfremdet
sie von anderen Kainskindern und fördert eine Aura des
Misstrauens. Wie will man einem Tremere trauen, der sich
so sehr seinem Clan verschrieben hat? Was passiert, wenn
jemand von wichtigem Rang in der Pyramide dem Tremere-
verbündeten befiehlt, sie zu verraten? Welche schrecklichen
Geheimnisse muss er wohl vor der Camarilla verbergen?
Der Clan Tremere stellt seine Expertise nicht leichtfer-
tig oder günstig zur Verfügung. Den besonderen Preis, den
die Camarilla gerne an die Tremere für ihre Drecksarbeit
bezahlt, ist ein permanenter Platz am Tisch. Die Tremere
erhalten nur selten öffentliche Beschwerden oder Anschuldi-
gungen. Sie erinnern einfach ihre Verbündeten an den Preis
für ihre Loyalität und Unterstützung und lassen sie kurz mit
dem Gedanken zurück, wie es wohl um den Elfenbeinturm
stünde, wenn die Hexer ihren Beistand schleifen ließen.
Der Neid über den Einfluss der Tremere auf den Elfen-
beinturm führt schnell zu Misstrauen, Hass und Verach-
tung. Die Thaumaturgie ist der ultimative Vorteil im Dschi-
had und die Tremere sind nicht geneigt, sie den anderen
Mitgliedern der Camarilla beizubringen. Verbitterte Rivalen
schäumen angesichts des Ansehens, das die Hexer erlangen
konnten. Wie können es diese Usurpatoren, deren Unsterb-
lichkeit nur gestohlen ist, wagen, eine der Säulen der mächti-
gen Camarilla zu bilden? Sind sie überhaupt echte Kainskin-
der? Jedes Mal, wenn die Tremere mit einem neuen Ritual
oder einer neuen Kraft auflaufen, dann gewinnen sie nur
zusätzliche Feinde, die nach ihrem Wissen trachten. Die
frühsten Legenden der vampirischen Geschichte deuten an,
dass die Sünde Kains, des erste Vampirs, seine Begierde war.
Vielleicht liegt es in der Natur der Vampire, das zu hassen,
was sie nicht besitzen können.
Viele in der Camarilla akzeptieren, dass die Tremere im
Moment gebraucht werden, doch sie werden sich niemals
an der Seite der Hexer zur Gänze wohlfühlen. Die Ventrue
unterstützen die Tremere laut und öffentlich. Hinter ver-
schlossenen Türen beginnen einige sich aber zu fragen, ob
der tollwütige Hund, den sie ins Haus gelassen haben, nicht
doch irgendwann die Hand beißen wird, die ihn füttert.
Einige Ahnen könnten sich noch daran erinnern, dass die
Tremere sich einst grundlos gegen die Salubri wandten und
19
 den gesamten Clan der Assamiten verfluchten, nur um ihre
Macht zu demonstrieren. Wieso sollten sie sich nicht gegen
den nächsten richten, wenn es ihnen gerade passt?
Einige wenige, vor allem die Nosferatu und die Gangrel,
murren leise über die überhebliche Position der Tremere,
doch niemals in der Öffentlichkeit, wo einer der Hexer sie
hören und daran Anstoß nehmen könnte.
Schlecht über die Tremere zu sprechen, könnte ein
Embargo der Thaumaturgie zur Folge haben. Nur wenige
sind dumm genug, um den Zorn der Hexer zu riskieren, nur
um sie sinnlos zu beschämen und die anderen an die schä-
bige Vergangenheit der Tremere zu erinnern. Die Nosferatu
beobachten und nehmen sich die Zeit. Sie begnügen sich
damit, Geheimnisse anzusammeln und auf den Moment zu
warten, an dem sie sich für die Sünde der Erschaffung der
Gargyle aus ihren Toten rächen.
Machtpositionen
in der Camarilla
Viele in der Camarilla arbeiten dagegen an, dass die Tre-
mere eine Position mit Autorität halten. Ihr Argument
lautet, dass die Tremere in ihrer Loyalität geteilt sind und
man ihnen nicht trauen kann. Einige Ahnen manövrieren
teilweise sogar Tremere in das Rennen um Machtpositionen
innerhalb der Camarilla, nur um ihren Kandidaten bessere
Chancen bei den Wahlen zu sichern.
Tremere, die weniger in der Blutmagie geübt sind, sehen
in der Camarilla häufig einen zweiten Weg, um Autorität
außerhalb der Pyramide zu erlangen. Dennoch betrach-
ten die meisten Tremere die Pyramide als Hauptquelle für
Ansehen und Autorität, über die sie ihren eigenen Zugang
zur Blutmagie aushandeln können. Die Ambition, in der
Camarilla aufzusteigen, verlangt Anstrengungen, die besser
in die Erlernung der Geheimnisse des Universums investiert
werden könnten. Viele Tremere empfinden den Kosten-Nut-
zen-Faktor dieser Anstrengungen als ihrer Zeit nicht würdig.
Um eine Domäne zu verwalten, braucht es Raffinesse,
Macht und wertvolle Zeit abseits des Erlernens der Thau-
maturgie, weshalb nur wenig Tremere das Rampenlicht
als Prinzen suchen. Ein solches politisches Engagement ist
selten und wird normalerweise nur in Notfällen angestrebt
oder auf Geheiß der Pyramide. Gelingt es Tremere, sich in
den Praktiken zu behaupten, werden sie weitläufig für ihre
mysteriösen arkanen Fähigkeiten gefürchtet. Ein gefestigter
Hexer-Prinz, der den Rückhalt seines ortsansässigen Gilden-
hauses genießt, ist nur schwer zu verdrängen. Wenn er nicht
gerade seine Kräfte öffentlich zur Schau stellt, können ihre
Feinde keine Rechenschaft für das fordern, was er womög-
lich tun könnte. Dennoch fürchten sich alle anderen Clans
vor der Frage, was die Tremere-Pyramide ihrem Prinzen dazu
noch für Befehle geben könnte.
Viele Tremere haben ihre bequeme Nische in der Aufgabe
gefunden, einem starken Prinzen als Berater zur Seite zu ste-
20 Kapitel Eins: Der Elfenbeinturm
hen. So erhalten sie einerseits den Schutz, um sich in Blut-
magie üben zu können und andererseits ansehnlichen Ein-
fluss auf die Verwaltung einer Domäne. Viele Ahnen sehen
darin die Rückkehr alter Zeiten, als ein Souverän Wahrsager
und Seher einberief, ehe er wichtige Entscheidungen traf.
Beratende Blutmagier verfügen über die Fähigkeiten, die
Geheimnisse des Prinzen zu schützen, während sie gleich-
zeitig verschiedene Rituale in die Abläufe der Domäne ein-
fließen lassen können.
Tremere-Sheriffs können Geheimnisse und Gefahren für
die Domäne aufstöbern. Vertrauen ist immer ein großes
Thema, da es weiterhin andauernde Gerüchte über frühere
Missetaten der Hexer gibt, doch nur die wenigsten zweifeln
an den furchterregenden mystischen Kräften, über die Blut-
magier verfügen. In jüngeren Jahren ist es bei Sheriffs in
Mode gekommen, sich zumindest einen Neugeborenen Tre-
mere als Handlanger zu halten, damit dieser den okkulten
Ermittlungen bei arkanen Problemen nachgehen kann, die
innerhalb der Domäne aufkommen könnten (eine Position,
die vorlaute Tremere zum Unverständnis der Ahnen als
„Dresden“ bezeichnen). Gildenhäuser haben diese Tendenz
unterstützt, da sie Lehrlingen die Möglichkeit eines prak-
tischen Einsatzes bietet, während sie gleichzeitig mit den
Fähigkeiten der Tremere werben.
Einige Prinzen drohen mit Tremere-Geißeln, um Neuge-
borene einzuschüchtern, damit sie die Traditionen wahren.
Solche Geißeln haben einen ghulähnlichen Ruf entwickelt,
manchmal verdient, manchmal nicht. Eine solche Angst
wird von Tremere, die sich zur Annahme dieses Postens her-
ablassen, als Bonus angesehen. Der wahre Nutzen für den
Clan entsteht durch die Zweckentfremdung des Postens der
Geißel, um heimlich neue Versuchsobjekte für Experimente
des Gildenhauses zu besorgen. Solange es sich bei den Sub-
jekten um unerwünschte Subjekte, wie Caitiff oder Anar-
chen, handelt, zeigen die Oberen der Domäne selten aktives
Interesse daran, wie eine Geißel Leichen entsorgt – solange
es leise geschieht.
Überraschenderweise sind die Tremere manchmal als
Harpyien erfolgreich. Einige spekulieren, es liege daran, dass
die Tremere ohnehin unbeliebt sind, sodass diejenigen, die
mit ausreichendem sozialen Scharfsinn zur Harpyie werden,
dieses Missfallen zu ihren Gunsten wenden. Wenn sie ohne-
hin schon gehasst werden, können Tremere-Harpyien ihren
Zungen auch zu höchst delikaten Skandalen freien Lauf
lassen. Einige wenden Rituale wie Blutvertrag (V20, S. 231)
an, um sicherzustellen, das Vereinbarungen und Gefallen
zwischen Widersachern auch geachtet werden. Verzweifelte
Kainskinder, die sicher gehen wollen, dass ihre Rivalen ihre
Vereinbarungen exakt einhalten, wenden sich für diesen
Dienst an Tremere-Harpyien. Sich auf die Tremere verlassen
zu müssen, steigert den Groll nur weiter. Diese Tremere sind
stets willens, mit ihrer Blutmagie Gefallen zu verstärken und
jene zu strafen, die das Dogma der Camarilla brechen, da
sie dies in eine Position bringt, in der sie die Interessen des
Clans schützen und jene schwer strafen können, die töricht
genug sind, schlecht über die Tremere zu sprechen.
 Das Amt des Archonten weicht von diesen typischen Mus-
tern rund um die Tremere und die Posten innerhalb der
Camarilla ab. Die Pyramide prüft jeden möglichen Archont
sorgfältigst auf Herz und Nieren auf vollständige Loyalität
gegenüber dem Rat der Sieben, besonders im Falle eines
Nicht-Tremere-Justicars. Justicare sehen in Tremere-Archon-
ten wertvolle Agenten zur Untersuchung okkulter Angele-
genheiten und um ihre Krieger zu unterstützen. Einige Jus-
ticare binden ihre Agenten mit einem Blutsband, doch die
meisten Tremere lehnen eine solche Position mit diesen Ein-
schränkungen ab, da sie Repressialien seitens der Pyramide
fürchten. Gut ausgebildete Tremere werden immer in einem
Loyalitätskonflikt zwischen ihrem Auftraggeber und ihrem
eigenen Clan stecken, doch die meisten Justicare halten das
für ein akzeptables Zugeständnis an einen entbehrlichen
Bauern, der Zugang zur Thaumaturgie hat und über das
okkulte Wissen der Tremere verfügt. Einige halten es sogar
für lohnenswert, kleinere Akte der Illoyalität durchgehen
zu lassen, um Zugang zur Thaumaturgie zu haben. Wenn
außerdem bekannt wird, dass Tremere-Archonten ihre Jus-
ticare hintergehen, leidet das Prestige des gesamten Clans.
Diese Tremere-Archonten wandeln permanent auf einem
schmalen Grat der Verpflichtungen.

Die Wirtschaft
der Thaumaturgie
Die Tremere haben das Monopol auf das komplizierteste
und vielseitigste System der Blutmagie, das bekannt ist.
Wenn sie ihre Geheimnisse preisgeben, verlieren sie ihre
Macht und ihr Ansehen, das mit dem Ruf einhergeht, die
unangefochtenen Meister der Thaumaturgie zu sein. Wenn
sie es andererseits nicht schaffen, sich nützlich zu machen,
verlieren sie den Schutz des Elfenbeinturms.
Wie zu erwarten war, gibt es einige generelle Richtlinien
bei den Tremere, denen jedes Gildenhaus folgt, um seinen
Lehrlingen diesen beschwerlichen Weg zu erleichtern. Der
Regent benennt einen seiner Hohen Lehrlinge, der genau
überwacht, wie der Clan von Außenstehenden behandelt
wird. Kainskinder, die bei der Unterstützung des Clans der
Tremere als eine der Säulen der Camarilla versagen, werden
erkannt und protokolliert. Wer es wagt, das Haus und den
Clan der Tremere zu verleumden oder entgegen ihrer Inter-
essen zu handeln, wird auf der Schwarzen Liste notiert, was
besagte Kainskinder von jeglichem Zugang zu Unterstützung
oder Vorteilen der Tremere-Thaumaturgie abschneidet.
Diese Liste wird monatlich an andere Gildenhäuser weltweit
weitergegeben, sodass der Clan stets Buch über seine Ver-
bündeten und Feinde führt.
Von Tremere wird erwartet, zunächst diese Schwarze Liste
zu prüfen, ehe sie einem Außenstehenden thaumaturgische
Hilfe anbieten. Normalerweise wird ein Thaumaturg einen
oder zwei triviale Gefallen für die Durchführung eines ein-
facheren Rituals fordern (Stufe Eins oder Zwei) oder einen
geringfügige Gefallen für ein schwereres Ritual (Stufe Drei,

BLUTRITEN 21
 Lehren von Thaumaturgie
Es geschieht nur selten, doch gelegentlich stimmt der Clan der Tremere einer Unterweisung in Thaumaturgie unter den
folgenden Bedingungen zu:
•• Festsetzen oder Vernichtung eines berüchtigten, von den Tremere gesuchten Feindes.
•• Sich eine Unlebensschuld eines hochrangigen Hexers verdienen.
•• Die Wiedererlangung eines wertvollen thaumaturgischen Artefakts oder Schriften.
•• Außerordentliche Akte der Loyalität im Dienste des Clans als Ganzes.
Gemäß des Protokolls übermittelt ein Gildenhaus eine Anfrage an den übergeordneten Lord, der die Geschichte des
Kandidaten auf Schandtaten gegenüber den Tremere oder auffälliges Verhalten überprüfen wird. Ein Regent, der eine
solche Anfrage übermittelt, wird ebenfalls anhand des vorgeschlagenen Kandidaten gemessen und könnte für eine
nachlässige Überprüfung bestraft werden.
Ist der mögliche Studierende von der Pyramide auf Herz und Nieren geprüft, muss er den Tremere einen hohen Preis
für die Unterweisung bezahlen, neben der persönlichen Bezahlung seines Ausbilders. Der Studierende muss dem ört-
lichen Gildenhaus fünf Blutpunkte seines eigenen Blutes aushändigen, wovon drei im Büro des Lords aufbewahrt
werden. Darüber hinaus muss der Studierende einen Blutvertrag (V20, S. 231) unterschreiben, der den Einsatz von
Thaumaturgie gegen jeglichen unbescholtenen Tremere explizit verbietet. Einige Ahnen von hohem Stand oder mit
außerordentlichen Gefallen können eventuell bessere Konditionen aushandeln. Gelegentlich versuchen verschlagene
Ahnen, hochrangige Mitglieder der Tremere in ihre Schuld zu bringen, um solche Anstrengungen auszubügeln. Die
Pyramide ist normalerweise erfahren genug, um das langfristige Ziel solcher Interaktionen zu sehen.
Nur selten wird die Pyramide ihr Einverständnis geben, damit ein Tremere Informationen über Blutmagie, wie beispiels-
weise Rituale, mit Nicht-Camarilla-Thaumaturgen teilt. Manchmal stimmen besonders ehrgeizige Tremere der heimli-
chen Zusammenarbeit mit anderen Thaumaturgen zu und hoffen, dass ihre Clansbrüder ihr Geheimnis nie entdecken.

Vier oder Fünf). Abhängig von der Situation, wie z. B. einem
Notfall in der Domäne oder wenn von der Pyramide ange-
ordnet, kann der Tremere den Preis im Tausch gegen öffent-
liche Anerkennung senken.
Einige nützliche thaumaturgische Rituale erschaffen
mystische Artefakte, die es Nicht-Thaumaturgen erlauben,
Zugriff auf Blutmagie ohne vorheriges Training und Entbeh-
rungen zu erhalten. Manchmal werden diese Schmuckstücke
als Belohnungen an Außenstehende weitergegeben, die sich
dazu verleiten lassen, den Tremere gegenüber loyal zu blei-
ben. Die Kehrseite der Aushändigung solcher Schätze ist,
dass ein anderer Blutmagier die Resonanzverbindung, die
dem Artefakt innewohnt, nutzen könnte, um mit Hilfe von
Analog-Magie und Identität (S. 132-135) einen Schlag gegen
den Erschaffer zu führen. Wenn ein Lehrling sein Vertrauen
zu leichtfertig verschenkt und eines seiner Geschenke gegen
ihn verwendet wird, sieht der Regent dies normalerweise als
eine wertvolle gelernte Lektion an.
Die Mehrheit der Gildenhäuser begnügt sich damit,
eine laissez-faire Politik hinsichtlich der Nutzen der Blut-
magie für ihre Mitglieder in dieser Hinsicht zu verfolgen,
solange diese Mitglieder ohne Erlaubnis keine Außenste-
henden in den Künsten der Thaumaturgie unterrichten.
Es ist im höchsten Interesse eines jeden Regenten, dass die
ortsansässige Bevölkerung Thaumaturgie als wundersames
Geschenk ansieht, weshalb er normalerweise sehr hart mit
jedem Auszubildenden ins Gericht gehen wird, der Blutma-
gie geringschätzt oder bekannten Feinden des Clans Unter-
stützung bietet.
Manchmal halten thaumaturgische Artefakte und
Schmuckstücke einen Außenstehenden nicht davon ab,
die Kunst der Thaumaturgie lernen zu wollen. Ganz selten
kommt es vor, dass ein Außenstehender dem Clan Tremere
einen so großen Dienst erweist oder sich ihm derartig loyal
verschreibt, dass die Pyramide widerwillig einer Einführung
in die ersten beiden Stufen der Thaumaturgie zustimmt.
Thaumaturgen
der Camarilla
Ein bekannter Thaumaturg innerhalb der Camarilla zu sein
ist ein zweischneidiges Schwert. Der Elfenbeinturm betont
die Wichtigkeit, sich Menschlichkeit zu eigen zu machen,
um die Maskerade zu schützen und dennoch werden jene,

22 Kapitel Eins: Der Elfenbeinturm

die Blutmagie praktizieren, (nicht ganz grundlos) als herz-
lose, gnadenlose Monster betitelt.
Die Tremere haben den Vorteil der von der Pyramide
auferlegten Ausbildung und Disziplin und selbst dieje-
nigen, die Hexer verachten, können die Ergebnisse nicht
verleugnen. Bekannte Thaumaturgen aus anderen Clans,
besonders von den Unabhängigen, wird Misstrauen entge-
gengebracht und sie müssen intensive Überprüfungen über
sich ergehen lassen.
Thaumaturgen haben häufig einen furchterregenden Ruf,
den sie zu ihrem Vorteil nutzen. Für ihre Feinde ist es sehr
schwer einzuschätzen, was sie in einer direkten Auseinander-
setzung erwarten könnte. Die Uninitiierten haben nur wenig
Ahnung vom Ausmaß und den Möglichkeiten der Macht,
über die ein Thaumaturg verfügen könnte und manchmal
schlägt sie schon ihre eigene Vorstellungskraft. Ein gewiefter
Thaumaturg zieht auch nicht los und stellt diesen Irrglauben
klar. Mit einer erlesenen Auswahl an Techniken, die dem
Charakter zur Verfügung stehen, kann ein Thaumaturg den
Anschein erwecken, über weit größere Reserven zu verfügen,
als dies tatsächlich der Fall ist – wenn er dazu in der Lage ist,
regelmäßig die richtigen Effekte hervorzurufen.
Die wahre Stärke der Thaumaturgie liegt in der Disziplin,
sich auf gefährliche Begebenheiten vorzubereiten und Ritu-
ale zu verwenden, die auf den ersten Blick nicht sehr mäch-
tig aussehen. Ein guter Thaumaturg ist auf alle möglichen
Situationen vorbereitet und kann bei einem Notfall alle
gesammelten Kräfte entfesseln. Konfliktfreudigere Thauma-
turgen vergleichen ihre Vorbereitung mit der Gewissheit,
immer noch ein bisschen Munition dabei zu haben, nur für
den Fall, dass ein Kampf anders verläuft, als erwartet.
Man sollte ebenfalls nie vergessen, dass ein Thaumaturg
sich selbst auf dem Weg zu einer Machtposition sieht, die den
meisten Kainskindern nicht einmal begreiflich ist. Sollen
andere Vampire doch von gesellschaftlichen Reformen, poli-
tischen Verbindungen, Reichtümern und anderen Ablen-
kungen träumen; der Thaumaturg könnte eines Nachts die
Welt selbst umbauen, sodass all diese Dinge nicht mehr von
Belang sind. In der Zwischenzeit weiß er, dass er für andere
ein Mysterium ist und nutzt dies zu seinem ­Vorteil.
Thaumaturgische
Rituale
Die Grundlagen der Thaumaturgie werden vielseitig ange-
wandt. Verfügt ein Thaumaturg über genügend Zeit, um ein
neues Ritual zu erforschen, kann er jedes Hindernis über-
winden und beinahe jeden Effekt hervorrufen. Die folgen-
den Rituale sind in den vergangenen Jahren am weitesten
verbreitet. Informationen über thaumaturgische Rituale
und wie man sie erlernt finden Sie in V20, S. 222.
BLUTRITEN
Rituale der Ersten Stufe
Brandmal
Ein erfindungsreicher Tremere-Neugeborener aus Boston
bekam einst von einem mächtigen Brujah namens Alighieri
mit, dass er sich gerne eine Tätowierung stechen lassen
würde, die nicht am nächsten Abend wieder verschwunden
wäre. Seine Neugierde war geweckt und er besuchte mehr-
fach die Archive seines örtlichen Gildehauses, wo er auf Auf-
zeichnungen aus Frankreich stieß, wo man mit Hilfe eines
Rituals Verbrecher brandmarkte. Wenn man den düsteren
Ruf der Hexer bedenkt, ist dieses Ritual unter Neugebore-
nen aller Clans überraschend beliebt, besonders bei Anar-
chen. Die Tremere lächeln nur und sammeln die Gefallen
ein.
Brandmal erlaubt es dem Thaumaturgen, temporäre
Tätowierungen und andere Veränderungen des Körpers, die
nach dem Kuss vorgenommen wurden, in einen permanen-
ten Zustand zu transmutieren Der Thaumaturg muss beim
Stechen der Tätowierung nicht anwesend sein, doch wenn
das Ritual gewirkt wird, darf die Tinte nicht älter als eine
Stunde sein. Nachdem die entsprechenden Beschwörungen
rezitiert wurden, muss der Anwender langsam eine Unze
geschmolzenes Silber über die tätowierte Haut gießen.
Brandmal war als Strafe gedacht und ist folglich äußerst
schmerzhaft. Einige Kainskinder sehen dieses Ritual als
Übergangsritual an, bei dem Neugeborene ihren Mut bewei-
sen müssen.
System: Dieser schmerzhafte Prozess brennt sich in Form
einer Stufe schwerheilbarer Schaden in die betroffene Haut.
Die Tätowierung kann sich dabei irgendwo auf dem Körper
des Ziels befinden. Sobald der Schaden geheilt wurde, ver-
bleibt die Tätowierung einwandfrei auf der Haut. Aufgrund
der Schmerzen darf der Erzähler das Ziel zu einem Selbst-
beherrschungswurf zwingen, um während der Prozedur still-
zuhalten.
Glöckchen des ungesehenen Geistes
Während des aufkommenden Konflikts zwischen der Cama-
rilla und den Giovanni war die größte Gefahr für den Elfen-
beinturm die Fähigkeit der Nekromanten, ungestraft ihre
Gegner ausspionieren zu können. Der Clan der Tremere
ersann ein Ritual, das ihnen die Entdeckung von Geistern,
Seelen und dämonischen Wesen erlaubte.
Der Thaumaturg muss drei Eheringe toter Frauen sam-
meln und sie zu einem Glöckchen verschmelzen. Dabei muss
er die Glocke eine Nacht lang besingen und den Namen
jeder Braut ein Mal pro Stunde nennen. Wenn die Glocke
abgekühlt ist, prägt sich die Erinnerung an das Ritual in das
Metall ein.
Wenn sie nun in einem Raum aufgehängt wird, warnt die
Glocke mit einem harmonischen Läuten sanft vor der Anwe-
senheit von Geistern, Seelen oder Dämonen. Jeder, der das
mystische Wesen der Glocke versteht und ihren Klang hören
kann, erfährt von dieser Warnung. Das thaumaturgische
23
 Schmuckstück hält für ein Jahr, ehe es neu verzaubert wer-
den muss.
System: Sobald das Glöckchen verzaubert wurde, klingelt
es ein Mal, sobald sich ein ungesehener Geist, eine Seele
oder etwas dämonisches innerhalb von zehn Metern (drei-
zehn Fuß) seiner physischen Präsenz befindet. Das Glöck-
chen ist so verzaubert, dass es nur auf diese Weise erklingen
kann und es bleibt selbst bei starkem Wind oder manuel-
ler Erschütterung stumm. Es liegt im Ermessen des Erzäh-
lers, ob einige Kräfte die Wahrnehmung der Glocke für
bestimmte Wesen blockieren können.
Siegel der Autorität
Siegel der Autorität nutzt das Prinzip des Analogzaubers,
um eine Verbindung zwischen der bekannten Autorität, die
einem Amt innewohnt und dem Inhaber besagten Amtes
mit Hilfe eines mystischen Siegels herzustellen. Wenn das
Siegel der Autorität einem Vampir gezeigt wird, der dem ent-
sprechenden Amt verpflichtet ist, erkennt dieser sofort, dass
der Besitzer des Siegels auch das Amt widerspiegelt und für
es spricht.
Ursprünglich wurde dieses Ritual von einem Tremere-Jus-
ticar entwickelt, der damit seine Agenten ausstattete, die in
seinem Dienste die Welt bereisten. Das Ritual erfreut sich
wachsender Beliebtheit und viele Prinzen vergeben nun Sie-
gel der Autorität an die Befehlshaber ihrer Höfe, um sicher-
zustellen, dass Neuankömmlinge sofort wissen und verste-
hen, wer die Handlanger des Hofes in der Domäne sind.
System: Der Thaumaturg ritzt mit einem Messer mit Sil-
berspitze methodisch ein Symbol in die Haut des willigen
Subjekts. Das Siegel muss einen Durchmesser von mindes-
tens sieben Zentimetern im Durchmesser haben und kann
irgendwo auf dem Körper des Ziels platziert werden. Die
Konzeption sollte zumindest metaphorisch die Autorität des
Amtes widerspiegeln und die Bedeutung sollte von denen,
die es sehen, leicht verstanden werden können. Das Siegel
des Sheriffs einer Domäne könnte eine Marke mit einem
Stern oder einem Schild der Polizei zeigen.
Der Thaumaturg muss einen Abend in der freiwilligen
Anwesenheit des Verleihers des Siegels (dem Vampir, der
das Amt innehält, von dem die Autorität ausgeht) und dem
Träger des Siegels (dem Vampir, der für besagtes Amt spre-
chen darf) verbringen, um die Resonanz zwischen Siegel und
Amt in Einklang zu bringen. Am Ende des Abends muss der
Träger des Siegels einen Eid auf das Amt schwören. Wird
das Siegel aktiviert, wissen alle Anwesenden instinktiv, dass
der Träger des Siegels rechtmäßig das Amt des Verleihers des
Siegels repräsentiert.
Der Träger muss das Siegel entblößen und einen Punkt
temporärer Willenskraft investieren, um das Gewicht der
Autorität des Verleihers des Siegels zu projizieren. Jeder
anwesende Vampir muss einen Selbstbeherrschungswurf
(Schwierigkeit 8) ablegen oder er verliert für die kommen-
den fünfzehn Minuten drei Würfel auf alle gesellschaft-
lichen Würfe gegen den Träger des Siegels. Während bei-
spielsweise Archontin Alice verdeckt ermittelt, wird sie
24 Kapitel Eins: Der Elfenbeinturm
von einem Rudel Neugeborener auf der Suche nach Ärger
eingekreist. Da sie keine Zeit für einen langen Kampf hat,
legt sie das Siegel der Autorität auf ihrem Arm frei und gibt
einen Punkt Willenskraft aus. Die Anarchen müssen einen
Selbstbeherrschungswurf (Schwierigkeit 8) ablegen, damit
sie nicht der Macht des Siegels der Autorität unterliegen.
Wenn die Neugeborenen den Wurf nicht schaffen, verlieren
sie für die nächsten fünfzehn Minuten drei Würfel auf alle
gesellschaftlichen Würfe.
Das Siegel der Autorität hält für ein Jahr pro Erfolg beim
Aktivierungswurf und der Träger bemerkt, wenn es schwin-
det. Das Ritual kann erneuert werden, indem der Träger des
Siegels seinen Eid auf das Amt erneuert.
Die Autorität des Siegels kann jederzeit und sofort entzo-
gen werden, wenn der Verleiher des Siegels einen Punkt Wil-
lenskraft ausgibt. Sollte dies eintreten, bemerkt der Träger
des Siegels diese Veränderung sofort, da das in sein Fleisch
geritzte Symbol ausbrennt, bis es nicht mehr zu sehen ist.
Diese Rücknahme ist sehr schmerzhaft und verursacht
durch die Verbrennungen eine Stufe schwer heilbaren Scha-
den im Fleisch des Trägers des Siegels.
Rituale der Zweiten Stufe
Die Augen Babels
Es heißt, dass nach der Sintflut die gesamte Menschheit eine
Sprache im Schatten des Turms zu Babel sprach, doch dass
Gott den Turm einriss, die Menschen über die Welt ver-
streute und sie in verschiedene Sprachen teilte. Dieses Ritual
erinnert an die Symbolik dieser Geschichte und verleiht
dem Thaumaturgen die Fähigkeit, eine ihm unbekannte
Sprache zu sprechen und zu lesen. Er muss dafür eine Per-
son finden (Kainskind oder Sethskind), die besagte Sprache
beherrscht und sie in Ketten legen. Im Laufe des Rituals
muss der Thaumaturg dem Opfer die Zunge und ein Auge
herausreißen (es muss beides sein) und beides essen. Für die
Dauer des Rituals kann der Hexer nun die entsprechende
Sprache sprechen, lesen und schreiben. Ist das Ritual been-
det, reinigt der Thaumaturg seinen Körper, indem er das
fremde Fleisch erbricht.
System: Die Dauer des Rituals beträgt eine Woche pro
Erfolg beim Aktivierungswurf. Dies ist ein grausames
Ritual, das Sterbliche dauerhaft verstümmelt (und auch für
Kainskinder nicht sehr angenehm ist) und alle, außer die
unmenschlichsten Kainskinder, müssen aller Wahrschein-
lichkeit nach einen Degenerationswurf ablegen, wenn sie
dieses Ritual versuchen.
Konservierung
Der Clan der Tremere hat seit dem frühesten Altertum
Weisheiten und Geschichten gesammelt und sie bisher
mit seiner sterblichen Magie erhalten und geschützt. Doch
diese Magie beginnt nun zu versagen. Tausend Jahre okkul-
ten Wissens liefen Gefahr, innerhalb weniger Jahrzehnte
verloren zu gehen, wenn keine Lösung gefunden werden
würde. Ein engagierter Tremere-Lehrling erinnerte sich an
­ onservierungstechniken von Mönchen und kreuzte diese
K Jünger des Seth die ursprüngliche Variante dieses Rituals
mit von den Assamiten gestohlenem Wissen, um ein Ritual
zu erschaffen, mit dem Gildenhäuser ihre Forschungen
bewahren konnten.
Nachdem ihre wertvollen Bibliotheken geschützt waren,
stellten die Tremere fest, dass dieses Ritual auch zum poli-
tischen Vorteil genutzt werden konnte. Ventrue zahlten
bereitwillig mit Gefallen, um sicherzustellen, dass ihre eige-
nen geheimen Dokumente und Verträge für die Zukunft
geschützt waren. Als sich erst herausgestellt hatte, dass dieses
Ritual auch anderweitigen Nutzen finden konnte, schrien
die Toreador auf, damit ihre kostbaren Gemälde, Skulptu-
ren und seltenen Erstausgaben von Gedichten und Sympho-
nien geschützt wurden.
Es gibt Gerüchte, dass das berühmte Turiner Grabtuch
und einige andere versteckte Reliquien der Kirche ebenfalls
mit diesem Ritual bewahrt werden. Einige der Gläubigen
unter den Jüngern des Seth beharren darauf, dass der Sarko-
phag von Tutanchamun durch den Willen Seths konserviert
bleibt, doch viele vermuten, dass ein älteres (und weit mäch-
tigeres Ritual) dieser Art darauf gewirkt wurde.
System: Konservierung erlaubt es dem Thaumaturgen,
einen Gegenstand vor den Auswirkungen des Alterns und
der Abnutzung zu bewahren. Der Thaumaturg reibt den
Gegenstand leicht mit einem Blutpunkt ein, während er
über eine Nacht lang die korrekten Beschwörungsformeln
singt. Jeder Erfolg bei der Aktivierung konserviert den
Gegenstand magisch für ein weiteres Jahrzehnt. Der konser-
vierte Gegenstand bleibt so lange geschützt, bis das Ritual
abklingt. Das Ritual erschafft keine analog-magische Verbin-
dung zum Thaumaturgen, da das Blut, das eingesetzt wird,
um das Ritual durchzuführen, vollständig vom Gegenstand
absorbiert wird.
Das Ritual war in erster Linie darauf ausgelegt, Doku-
mente und Texte zu bewahren, doch ein gewiefter Thauma-
turg kann es bei beinahe jedem Gegenstand anwenden, den
er in der Hand halten kann. Der Zielgegenstand muss aus
bearbeiteten Mineralien oder anderen natürlichen Materia-
lien bestehen, da künstliche Komponenten, wie z. B. Plastik,
die Durchführung des Rituals verhindern.
Gegenstände, die geschützt werden können, sind unter
anderem, aber nicht ausschließlich: Kunstgegenstände, alte
Waffen, Schmuck oder Kleidung. Dieses Ritual macht das
Ziel nicht unverwundbar oder auch nur irgendwie resistent
gegenüber absichtlichen Versuchen der Beschädigung. Ein
altes, römisches Gladius wird beispielsweise scharf und in
einem guten Zustand bleiben, doch es wird weiterhin bre-
chen, wenn es zweckentfremdet verwendet wird oder wenn
jemand mit ausreichender Stärke versucht, die Klinge zu zer-
brechen.
Siegel des Austritts
Thaumaturgen hüten eifersüchtig ihr Wissen. Manchmal
besteht das Bewahren eines Geheimnisses aus der einfachen
Aufgabe, Eindringlingen den Zutritt zu Bibliotheken und
Werkstätten zu verbieten. Die Geschichte besagt, dass die
BLUTRITEN
erfanden, um ihre versteckten Gräber und die heiligen Tie-
fen ihrer Pyramiden zu sichern, wo ihre Ältesten schliefen.
Einige heimliche Exkursionen nach Kairo verschafften den
Tremere die Schlüsselkomponenten, um ihre eigene Vari-
ante zu entwickeln.
Siegel des Austritts erlaubt es dem Thaumaturgen, einen
geschlossenen Raum magisch zu versiegeln, damit uner-
wünschte Endringlinge nicht eintreten oder ihn wieder ver-
lassen können, bis das vom Hexer gewählte Zugangswort laut
am Eingang ausgesprochen wurde. Einige Tremere schließen
Feinde in kleinen Räumen ein und lassen sie vor Hunger
verrückt werden.
System: Um Siegel des Austritts zu wirken, muss der Thau-
maturg einen Blutpunkt auf den vier Wänden des Raumes,
den er versiegeln will, verteilen und dann die Beschwörungs-
formeln rezitieren (was außerhalb des Raumes vollzogen wer-
den kann). Das Ritual dauert eine Stunde und darf nicht
unterbrochen werden. Jeder Erfolg beim Aktivierungswurf
verlängert die Dauer des Rituals um ein Jahrzehnt. Siegel
des Austritts versiegelt jeden Zugang zu einem Raum auf
magische Weise. Die Materialien der umgebenden Mauern
schließen physisch jeden kleinsten Spalt, der in den Raum
oder hinaus führt und erschaffen so eine komplett luftdichte
Versiegelung. Eindringlinge, die über magische Fähigkeiten,
wie Körperlose Bewegung (V20, S. 229) oder Disziplinen
wie Spektralkörper (V20, S. 151) verfügen, müssen feststel-
len, dass dieser Raum auf mystische Art und Weise gegen
ihre Fähigkeiten geschützt ist. Das Ritual verstärkt oder
schützt allerdings die Wände des Raumes in keinster Weise,
sodass es mit genügend Körperkraft noch immer möglich
ist, einfach durch die Wände hindurch zu brechen. Geister,
Seelen und andere auf natürliche Weise körperlosen Kreatu-
ren können den Raum nach Belieben betreten. (Um solche
Wesen auszusperren, müssen Schutzkreise gewirkt werden.
Siehe V20 S. 227)
Rituale der Dritten Stufe
Amulett der Mnemosyne
Zu den häufigsten und stärksten Waffen, die ein Vampir
auf dem politischen Parkett in seinem Arsenal führt, gehö-
ren vorsichtige Lügen und Halbwahrheiten. Das richtige
Geheimnis im falschen Moment geflüstert, kann einen
herausragenden Ruf zerstören und Pläne vereiteln, die über
Jahrzehnte geschmiedet wurden. Solche Geheimnisse wegzu-
schließen benötigt ordentlich Willenskraft und meisterhaf-
ten Umgang in der Kunst der Täuschung. Dennoch gibt es
Disziplinen und Rituale, mit denen man Gedanken aus dem
Kopf eines nichtsahnenden Opfers picken kann, womit man
es zwingt, seine Geheimnisse zu verraten oder es insgesamt
vom Lügen abhalten kann.
Während der britischen Regency-Ära beschloss ein klei-
nes Gildenhaus, sich der Lösung dieses Problems anzuneh-
men. Die Wahrheit stellte sich als ein zu mächtiges Konzept
heraus, als dass sie gänzlich aus dem Geiste eines Ziels hätte
25
 entfernt werden können. Sie schafften es, Erinnerungen zu
verschleiern oder neu zu schreiben, doch es blieb stets ein
Element der Wahrheit im Gefäß zurück. Doch als die Thau-
maturgen erkannten, dass Wahrheit messbar war, wurde die
Lösung plötzlich klar. Das Amulett der Mnemosyne erlaubt
es dem Träger, ein Geheimnis in das Amulett zu flüstern
und so die Energie der Wahrheit in diese magische Hülle zu
transferieren.
System: Der Thaumaturg erschafft ein aus Messing
geschmiedetes Amulett und badet es in seinem Blut. Als
nächstes muss er die Beschwörungsformeln über dem Amu-
lett rezitieren, während es auf einem Objekt ruht, das für
den Thaumaturgen die Wahrheit symbolisiert. Abschlie-
ßend muss der Träger (der nicht der Thaumaturg sein muss),
in seine Lippen stechen, das Amulett küssen und ihm sein
Geheimnis zuflüstern.
Sobald es aktiviert wird, ist das Geheimnis vollständig aus
dem Geist des Trägers entfernt, bis der Träger das Ritual
durch einen erneuten Kuss auf das Amulett umkehrt. Seine
Erinnerungen werden komplett umgeschrieben, um die feh-
lende Information abzudecken. Diese neuen Erinnerungen
entstehen aus der reinen Macht der Magie, sodass weder der
Thaumaturg noch das Ziel Einfluss auf bestimmte Details
haben.
Sollte das Amulett zerstört werden, kehrt das Geheimnis
in den Geist des Besitzers zurück.
Wenn ein rivalisierender Thaumaturg das Amulett ent-
deckt und das Ritual kennt oder danach forscht, kann er
versuchten, sich das darin ruhende Geheimnis anzueignen.
26 Kapitel Eins: Der Elfenbeinturm
Indem er das Amulett an sein Ohr hält, verwickelt der
rivalisierende Thaumaturg den ursprünglichen Anwender
in einen vergleichenden Wurf auf Willenskraft. Sollte der
fremde Thaumaturg gewinnen, wird das Geheimnis in sei-
nen Geist übertragen. Der ursprüngliche Hexer wird sich
unwohl fühlen, so als stimme etwas nicht, doch er wird sich
der Ursache dieses Gefühls nicht bewusst sein, da er das
Geheimnis vergessen hat.
Die Kehrseite dieses Rituals ist, dass der Träger keine
Ahnung hat, dass es dieses Geheimnis gibt oder dass er es in
einem Amulett versteckt hat. Er wird sich so verhalten, wie
es ihm seine Persönlichkeit suggeriert, was zu einer Reihe
von Komplikationen führen kann. Ironischerweise macht
sich das Ziel durch das Verstecken seines Geheimnisses ver-
wundbar. Wenn das Ziel beispielsweise das Kind des Prinzen
ermordet hat, wird es sich nicht daran erinnern, am Hofe
vorsichtig zu sein oder darüber nachdenken, dass andere die-
ses Geheimnis herausgefunden haben könnten.
Ein schlauer Thaumaturg wird dafür Sorge tragen, dass
das Amulett wieder zurück in seine Hände gelangt, wenn
die Gefahr vorüber ist, indem er es per Post an sich selbst
schickt oder indem er es einem engen Vertrauten zusammen
mit einer Notiz in seiner eigenen Handschrift übergibt. Aus
diesem Grund wird jeder Thaumaturg, der das Ritual kennt,
zusammenzucken, wenn er ein Amulett der Mnemosyne fin-
det und das Geheimnis fürchten, das er freilegen könnte.
Dantes Großstadtlegende
Menschen teilen gerne moderne Mythen. Diese zweifelhaf-
ten Geschichten moderner Folklore sind nur bedingt glaub-
würdig, doch etwas an den Geschichten sorgt dafür, dass
sie von Gemeinschaften gepflegt und über Generationen
bewahrt werden. Indem der Thaumaturg an dieser Macht
der Geschichten anknüpft, kann er eine physisch manifes-
tierte moderne Legende erschaffen, die Besucher davon
abhält, bestimmte Häuser oder Orte aufzusuchen.
Der Anwender stellt eine berühmte Großstadtlegende an
dem Ort nach, den er zu schützen wünscht. Daraufhin ent-
stehen in der Gemeinde Geschichten, die dem Freund eines
Freundes passiert sind und die den Schrecken aufgreifen,
der an jenem Ort erlebt wurde, so wie die Legende über eine
Gruppe Jugendlicher, denen vom Mann mit der Hakenhand
aufgelauert wurde und denen, nachdem sie aus einer Nar-
kose erwachten, eine Nieren fehlte. Übermäßig exzessiver
Nutzen dieser Kraft könnte die Aufmerksamkeit von Jägern
oder bösartigen übernatürlichen Kreaturen auf sich ziehen,
sodass dieses Ritual mit Vorsicht eingesetzt werden sollte.
Es gibt Stimmen, die dieses Ritual für einen Bruch der
Maskerade halten, da es den Glauben an das Übernatür-
liche befeuert. Auf der anderen Seite behaupten jene, die
Dantes Großstadtlegende einsetzen, dass es die Maske-
rade schützt, indem es Sterbliche von Orten fernhält, wo
sie nichts zu suchen haben und damit die Tradition der
Domäne bewahrt. Einige Prinzen, die dieses Ritual kennen,
haben seinen Einsatz in ihren Domänen eingeschränkt.
System: Der Anwender muss genau die moderne Legende
nachstellen, die er von dem Ort ausgehend erzählt haben
möchte. Beispielsweise müsste er dafür einige Nieren von
betrunkenen Sterblichen stehlen oder eine Gruppe Jugend-
licher mit einem Haken töten. Danach muss er auf jedem
Eingang des Hauses oder Zugang zum Ort einen Blutpunkt
vergießen.
Normalerweise suchen Thaumaturgen sich Geschichten
aus, die andere nicht an Vampire erinnern. Einige wirken
dieses Ritual auch mal auf das Grundstück ihres Rivalen,
nur um ihren Standpunkt deutlich zu machen. Sobald das
Ritual in Kraft tritt, machen Gerüchte unter Sterblichen
die Runde, dass das Haus verflucht sei oder heimgesucht
würde, weshalb es von jedem mit gesundem Menschenver-
stand gemieden werden sollte. Die Grundstückspreise um
das „Geisterhaus“ sacken ab, da Nachbarn wegziehen, um
nicht in direkter Nachbarschaft zu diesem Haus leben zu
müssen, das ihnen Albträume bereitet.
Diese Sterblichen glauben rational nicht an Übernatür-
liches, doch sie fühlen sich beim Gedanken an den durch
das Ritual geschützten Ort beunruhigt und versuchen, ihn
zu meiden. Sterbliche mit starkem Willen könnten Neu-
gierde empfinden und für den Versuch, das Gebäude oder
das Gelände zu betreten, einen Willenskraftwurf (Schwierig-
keit 8) ablegen, wobei ein Scheitern bedeutet, dass sie sich
eine Ausrede ausdenken, um nicht hineingehen zu müssen.
Das Ritual hält ein Jahrzehnt an, zuzüglich einem Jahr pro
Erfolg beim Aktivierungswurf.
BLUTRITEN
Translokation des Gefäßes
Es gibt Legenden über mächtige Zauberer, die mit einer
Beschwörung und ausladenden Gesten Gegenstände großer
Macht herbeizaubern können. Man erzählt sich in Gerüch-
ten, dass dieses Ritual auf Etrius während der Belagerung
von Ceoris zurückgeht, als der gesamte Clan innerhalb kür-
zester Zeit bewaffnet werden musste. Dieses Ritual erlaubt
es dem Thaumaturgen, mittels seiner Vitae eine magische
Verbindung zwischen sich und einem besonders vorbereite-
ten Gefäß zu knüpfen. Indem er den Namen des entspre-
chenden Gegenstandes ausspricht, kann der Beschwörer
das Gefäß mit einem schimmernden, schwarzen Lichtblitz
direkt in seine Hand teleportieren.
System: Für Translokation des Gefäßes muss der Thau-
maturg ein Gefäß auswählen und es mit seiner Vitae in
Einklang bringen. Der Gegenstand muss klein genug sein,
dass der Thaumaturg ihn mit einer Hand anheben kann.
Zum Beispiel könnte es sich dabei um ein Skalpell, einen
Gehstock, eine Handtasche, einen Beutel oder einen Zau-
berstab handeln. Als nächstes muss er das Gefäß für eine
Nacht in einen Blutpunkt legen. Das Objekt wird die Vitae
langsam aufnehmen und ein analog-magisches Band zwi-
schen dem Gefäß und dem Thaumaturgen erstellen. Der
Anwender kann das Band jederzeit durchtrennen, indem er
einen Punkt Willenskraft einsetzt oder wenn das Gefäß zer-
brochen wird.
Wenn der Hexer das Gefäß zur Translokation vorbereiten
möchte, zeichnet er einen Schutzkreis mit einer Mischung
aus reinem Salz und einem Blutpunkt auf den Boden.
Der Kreis muss groß genug sein, um das Gefäß komplett
zu umgeben. Sobald das Gefäß in den Schutzkreis gelegt
wurde, kann der Thaumaturg es überall auf der Welt herbei-
rufen, indem er es einfach benennt. Der Anwender muss
seine Hand ausstrecken, eine Beschwörung mit dem Namen
des Objektes aussprechen und es erscheint in seiner Hand.
Rituale der Vierten Stufe
Bewahrung des Blutroten Herzens
Loyalität ist ein außerordentlich seltenes Gut und vielleicht
sind gerade deshalb so viele bereit, andere ihres freien Wil-
lens zu berauben, um sich diese zu sichern. Blutsbande sind
für Ahnen eines der ältesten Mittel zur Kontrolle und zur
Sicherung der Loyalität in der Gesellschaft der Vampire.
Die Anarchen wenden nun viele der Taktiken an, die einst
die Werkzeuge ihrer Unterdrücker waren. Der Sabbat hat
sich in der eigenen, gemeinsamen Vaulderie sogar das zu
eigen gemacht, was sie einst so sehr fürchteten. Agenten der
Camarilla müssen häufig ihre Loyalität verschleiern, wenn
sie verdeckt für den Elfenbeinturm auf Anarchen- oder Sab-
batgebiet ermitteln und ein Beweis für Loyalität ist dort häu-
fig gleichzusetzen mit dem allgemeinen Teilen von Blut.
Der Clan der Tremere hat dieses Ritual entwickelt, um
Archonten und Sheriffs vor Blutsbanden und der Vaulderie
zu schützen, selbst wenn es nur temporär wirkt.
27
 System: Der Thaumaturg muss mit einem Blut-
punkt die Stirn seines Zieles salben und ihm dann
einen vorbereiteten Kelch mit einem Tropfen Queck-
silber überreichen. Das Ziel trinkt das Metall und
erleidet einen Punkt schwerheilbaren Schaden in
seinen inneren Organen, während das Quecksilber
in seinem Inneren eine magische Barriere erschafft.
Danach ist das Ziel für einen Tag pro Erfolg beim
Aktivierungswurf magisch gegen Effekte des Bluts-
bandes und der Vaulderie geschützt (einschließlich
gegen das Mal des Verräters für einige Tremere Anti-
tribu). Dieser Schutz fordert einen drastischen Preis.
Zusätzlich zum schwerheilbaren Schaden wird das
Ziel nicht von Blut genährt, ohne aus freien Stücken
die Wirkung des Rituals zu beenden.

Herbeirufen des Blutkobolds

Um die Meisterschaft in der Blutmagie zu erlangen,
braucht es Hingabe und Zeit, abseits von Politik
und der Sozialisierung der vampirischen Gesell-
schaft. Vertrauen ist ein seltenes Gut, besonders
gegenüber einem anderen Vampir und Raubtier
und einige Aufgaben sind einen Hauch delikater.
Diese Kreatur wurde von einem Tremere-Ahnen
erschaffen, um als durchtriebener Dieb und Sabo-
teur eingesetzt zu werden. Bei Versuchen an einigen
Tzimisce-Objekten fand er heraus, dass Vitae eine
minimale Spur der Veränderlichkeit innewohnt
und in diesem Moment kam ihm die Inspiration
zur Erschaffung eines Blutkobolds.
Der Thaumaturg muss sich die Form seines Blut-
koboldes aus toten Teilen von Tieren, unbelebten
Objekten oder selbst sterblichen Kadavern zusam-
mennähen. Dies ist ein persönlicher, individueller
Prozess und nur in den seltensten Fällen werden
zwei Blutkobolde gleich aussehen, selbst wenn sie
vom selben Hexer erstellt wurden. (Das Fleisch von
ehemals übernatürlichen Wesen funktioniert nicht
und jeder Versuch, es in das Ritual einfließen zu
lassen, bringt es zum Scheitern.)
Sobald dem Blutkobold der Lebensfunke einge-
haucht wurde, beginnt er, eine eigene Persönlich-
keit zu entwickeln, die sich auf der seines Schöpfers
begründet. Der Blutkobold wurde erschaffen, um
den Thaumaturgen zu lieben und zieht aus, um
Dinge zu erledigen, von denen er ausgeht, dass sie
seinen Schöpfer glücklich machen. Ein grausamer
Zauberer wird sich daran erfreuen, dass sein Blutko-
bold niedere Kreaturen foltert, um seinen Meister
zum Lachen zu bringen, während ein besonnener
Thaumaturg einen ruhigen, bedachten Diener, der
subtil und effizient arbeitet, schätzen wird.
Homunkuli werden erschaffen, um nützliche
und untergebene Laborassistenten zu werden und
sich das Wissen über Thaumaturgie ihrer Meister
zuzulegen. Blutkobolde dagegen werden nur für das
Chaos erschaffen.

28 Kapitel Eins: Der Elfenbeinturm

 System: Für Herbeirufen des Blutkobolds muss der Thau-
maturg frische (nicht älter als drei Tage) Leichen von Tieren
und Menschen zu einer furchteinflößenden menschenähn-
lichen Kreatur zusammennähen. Der Blutkobold verfügt
über die Gerissenheit eines Tieres und eine empathische
Verbindung zu seinem Meister, über die er von Natur aus
die Bedürfnisse und Wünsche seines Herrn spürt. Als nächs-
tes muss der Anwender sechs Blutpunkte Tremere-Blut in
die Mischung geben und es über drei Nächte köcheln lassen.
Solch hingebungsvoller Dienst kommt eben nicht ohne
Kosten. Der Blutkobold verlangt nach einem gewissen Maß
an Aufmerksamkeit, ansonsten wird er gehässig. Nichts ist
frustrierender als ein wütender Blutkobold, der wichtige
Rituale unterbricht oder unbezahlbare Artefakte in einem
Wutanfall zerstört. Blutkobolde müssen regelmäßig mit Blut
und frischem Fleisch gefüttert werden.
Ein Blutkobold kann kämpfen, aber nicht mit außeror-
dentlicher Effizienz; dennoch wird er sich selbst in den Tod
stürzen, wenn er damit seinen Erschaffer schützen kann. Er
kann auch kleine Objekte stoßen oder bewegen und er gibt
einen effektiven Spion ab (obwohl er es verabscheut, längere
Zeit von seinem Meister getrennt zu sein). Blutkobolde erlei-
den Schaden durch Sonnenlicht und Feuer wie Kainskinder
und können auch durch Eintauchen in Weihwasser voll-
kommen zerstört werden.
Weitere Informationen über Blutkobolde und ihre Fähig-
keiten finden sich auf S. 108.
Die Wacht des steinernen Hüters
Der Clan der Tremere nutzt schon sehr lange magische
Diener, um seine Zufluchten und Labore zu schützen. Mit
Wacht des steinernen Hüters kann der Thaumaturg einen
magischen Hüter in Form eines Gargylen-Türklopfers
erschaffen, um eine Türe oder ein Tor zu schützen.
Der steinerne Hüter wacht über den Eingang und warnt
seinen Meister auf magischem Wege, wenn sich dort ein
Besucher oder Eindringling aufhält. Der Thaumaturg kann
über Entfernung Besitz vom Hüter ergreifen, indem er einen
Blutpunkt ausgibt. Dadurch kann er durch die Augen des
Hüters beobachten, was geschieht und sogar durch dessen
schreckliche steinerne Fratze sprechen. Technisch gesehen
verstößt dieses Ritual nicht gegen den Schwur der Tremere
neue Gargyle zu erschaffen, doch einige empfinden es als
ein Umgehen des Gedanken dieses Eides oder zumindest als
Beleidigung für jene Clans, die einst vom Clan der Tremere
gejagt wurden.
System: Um einen steinernen Hüter zu erschaffen, muss
der Thaumaturg einen geeigneten Türklopfer finden oder
fertigen (sowohl mit Augen, als auch einem Mund) und ihn
dann über drei Nächte in seinem Blut einlegen. Dann muss
er ihn an die Türe oder an das Tor hängen, das zum neuen
Zuhause des Hüters werden soll und das Ritual ausführen.
Wenn er Erfolg hat, verbindet sich der Hüter mit der Türe
oder dem Tor und kann nicht entfernt werden, ohne dass
man ihn zerstört.
BLUTRITEN
Der Thaumaturg kann über Entfernung Besitz vom Hüter
ergreifen, indem er einen Blutpunkt ausgibt. Sobald er den
Hüter übernommen hat, kann der Anwender durch die
Augen des Hüters sehen, was geschieht und durch seinen
Mund sprechen. Indem er einen Punkt Willenskraft aus-
gibt, kann der Thaumaturg versuchen (so er über die Fähig-
keiten verfügt), die ersten beiden Stufen von Beherrschung,
Präsenz oder Irrsinn einzusetzen, um Eindringlinge zu ver-
treiben. Der steinerne Hüter kann nicht physisch angreifen
oder einem Eindringling den Zutritt anderweitig verwehren,
doch er kann auf Befehl des Thaumaturgen hin die Türe
oder das Tor öffnen.
Dieser Schutz fordert dem Thaumaturgen auch einen
Preis ab. Der steinerne Hüter benötigt einen Blutpunkt pro
Nacht, um seine Wache aufrechtzuerhalten. Wenn er nicht
gefüttert wird, wird er so lange schlafen, bis der Thaumaturg
ihn mit einem Blutpunkt erneut reaktiviert.
Rituale der Fünften Stufe
Gefängnis im Spiegel
Ein Thaumaturg, der dieses Ritual einsetzt, kann eine
bescheidene Gefängniszelle auf der Astralebene einrichten
und diese mit einem besonders vorbereiteten Silberspiegel
verknüpfen. Der Anwender kann das Portal durch den Spie-
gel zur Gefängniszelle mit einer ausgesprochenen Beschwö-
rung öffnen, um einen außer Gefecht gesetzten Gefangenen
dort hineinzulegen.
Einige Thaumaturgen erschaffen sich damit einen priva-
ten Raum, um ohne Ablenkung meditieren zu können.
System: Der Thaumaturg muss einen Silberspiegel mit
einem Punkt seines Blutes und den Tränen eines unschuldi-
gen Kindes polieren. Der Thaumaturg muss einen Willens-
kraftpunkt aufwenden, der permanent vom Spiegel absor-
biert wird.
Sobald der Spiegel erstellt wurde, kann der Thaumaturg
ein Portal durch das Glas öffnen, indem er es mit einem
Blutpunkt berührt. Der Durchgang durch den Spiegel hält
so lange an, wie der Anwender dies wünscht. Wehrlose
Gefangene können ohne Schwierigkeit transportiert wer-
den, unwillige Ziele verlangen dagegen einen vergleichenden
Körperkraftwurf, um das Opfer gewaltsam durch das Portal
zu befördern.
Um aus dem Spiegel zu entfliehen, muss der Gefangene
den Hexer in einem vergleichenden Willenskraftwurf gegen
Schwierigkeit 8 schlagen. Ein Gefangener kann auf diese Art
nur alle dreißig Tage versuchen zu entkommen. In der Zelle
finden leicht bis zu drei Individuen Platz. Nach einer darin
gefangenen Person kann weder über Hellsehen, noch über
Wahrsagung gesucht werden (oder ähnlichen Kräften, nach
Ermessen des Erzählers). Der Gefangene braucht weder
Nahrung noch Schlaf, da er vom Verlauf der Zeit unberührt
bleibt.
Sollte der Spiegel zerstört werden, oder der Thaumaturg
das Ritual beenden wollen, erhält der Thaumaturg den
29
 gespeicherten Willenskraftpunkt zurück und sämtliche
Gefangenen werden sofort befreit.
Wenn der Anwender einen Blutpunkt aufwendet und
den Spiegel berührt, kann er die Durchsichtigkeit des Gla-
ses verändern, sodass der Gefangene aus seiner Zelle hin-
aussehen kann, wenn er das möchte. Wenn der Spiegel klar
ist, kann der Gefangene als schwebender Kopf erscheinen,
um zu kommunizieren.

Heiligtum
Im 18. Jahrhundert entwickelte ein religiöser Tremere
dieses Ritual, mit dem er einen geschützten Ort weihen
und anschließend ein bestimmtes Maß dieses Schutzes
auf diejenigen ausweiten konnte, die mit ihm dort lebten.
Der Thaumaturg, der dieses Ritual wirkt, muss zunächst
ein Gebäude finden, das nicht mit Gewalt jeglicher Art
befleckt wurde (zumindest nicht in den letzten fünfzig Jah-
ren, wenn es sich um ein älteres Gebäude handelt) und
es erwerben. Als nächstes muss er im metaphorischen
Zentrum des Gebäudes einen Schrein errichten und alle,
die ihn besuchen, müssen den Schrein sehen können.
Das genaue Wesen des Schreins hängt vom Glauben des
Anwenders ab. Besagter Schrein muss zu keinem religiösen
Glauben gehören, doch er muss ein Konzept repräsentie-
ren, auf das der Thaumaturg seinen eigenen Glauben und
seine Überzeugung begründet.
Abschließend muss der Thaumaturg das Gebäude mit
einem Opfer seines eigenen Blutes und seines Willens über
drei Nächte hinweg weihen.
System: Um dieses Ritual zu beenden, muss der Thau-
maturg einen permanenten Punkt Willenskraft inves-
tieren, um das auserkorene Gebäude am Ende des drei
Nächte dauernden Rituals zu weihen. Ist das Ritual abge-
schlossen, umhüllt der Schleier des Heiligtums das gesamte
Ausmaß des bezauberten Gebäudes. Alle Seelen, lebendig
oder andersartig, die nicht explizit vom Anwender eingela-
den wurden, können das Gebäude nicht betreten. Darü-
ber hinaus sind alle im Gebäude gegen jeden Einsatz von
Tierhaftigkeit, Auspex, Beherrschung, Irrsinn und Präsenz
(sowie verwandten Disziplinen, im Ermessen des Erzählers)
geschützt. Dennoch hat auch dieser Schutz seinen Preis.
Der Schleier des Heiligtums wirkt nur so lange, wie Grund
und Boden geweiht bleiben. Jeglicher Akt der Gewalt, der
im Inneren des Gebäudes stattfindet, wird es sofort befle-
cken, sodass es nie wieder von Heiligtum profitieren kann.
Sollte das Ritual gebrochen werden, wird der Anwender
dies sofort wissen, da der investierte Punkt Willenskraft
sofort zu ihm zurückkehrt.
Solange das Gebäude geweiht bleibt, hält die Magie des
Rituales ein Jahr pro Erfolg beim Aktivierungswurf an.
Danach muss der Hexer entweder den Willenskraftpunkt
neu investieren oder dem Heiligtum erlauben, zu ver-
schwinden.

30 Kapitel Eins: Der Elfenbeinturm

Weg des Wendigos Rituals ermordet der Anwender das Opfer mit dem Ober-
schenkelknochen eines Gehängten und isst sein Fleisch.
Der Wendigo ist ein bösartiger, fleischfressender Geist, der
angeblich von Menschen Besitz ergreift, die das Tabu des Die Aufnahme des Fleisches erlaubt es dem Thaumatur-
Kannibalismus brechen. Sobald er sich mit einer mensch- gen, die Essenz des Opfers in sich aufzunehmen, um die
lichen Form verbunden hat, soll er die Seele des Opfers so Bedürfnisse seines untoten Körpers und Willens aufzufül-
lange korrumpieren, bis nur noch eine Bestie übrig bleibt. len. Danach wird er von Schläfrigkeit übermannt und erlei-
det in der kommenden Stunde einen Modifikator von -1
Dieses verbotene Ritual wurde von einem Tremere-Lehr-
auf alle Würfelvorräte. Allerdings wird der Thaumaturg
ling entwickelt, der den Angriff auf sein Gildenhaus kurz vor
für alle zehn Minuten Ruhe einen Punkt Willenskraft und
der Amerikanischen Revolution überlebt hatte. Schwer ver-
eine Gesundheitsstufe regenerieren. Wenn der Thaumaturg
wundet und bis zum Zusammenbruch erschöpft, schleppte
nicht über den Vorzug Essen verfügt (V20, S. 480), wird er
er sich bis zu den Großen Seen, wo er von den Menschen
am Ende der Nacht dazu gezwungen, das aufgenommene
trank, die dort fischten und lebten, bis er dazu überging, das
Fleisch zu erbrechen.
Fleisch seiner Opfer rituell zu verzehren. Der unerfahrene
Lehrling stellte fest, dass diese Praktik seine Wunden heilen Dies ist ein grausames Ritual, bei dem seinem Opfer stets
ließ und seinen Geist beruhigte. bewusst ist, dass es sterben und im Anschluss verzehrt wer-
den wird. Eine solch abscheuliche Tat verlangt der Mensch-
Der Weg des Wendigos gibt dem Thaumaturgen die Mög-
lichkeit des Thaumaturgen einen Tribut ab, indem sein
lichkeit, nicht nur sein eigenes Blut, sondern auch lebendes
Geist mit Eindrücken aus dem Leben des Opfers und den
Fleisch aufzunehmen, um sich selbst durch die Lebenses-
Erfahrungen seines grausamen Todes geflutet wird. Der Ein-
senz seiner Opfer zu stärken. Dunkle Magie wie diese for-
satz dieses Rituals kostet den Charakter automatisch mindes-
dert immer einen Preis von der Seele. Das Tier wird stärker,
tens einen Punkt Menschlichkeit (bis zu einem Minimum
wenn es gefüttert wird und diejenigen, die dem Pfad des
von 2). Außerdem kann der Erzähler einen Wurf auf Gewis-
Wendigos nachgeben, bilden hierbei keine Ausnahme. Es
sen (Schwierigkeit 8) fordern. Ein Scheitern bedeutet den
heißt, dass der Tremere, der dieses Ritual ursprünglich ent-
Verlust eines weiteren Punktes Menschlichkeit (wodurch der
wickelte, längst dem Tier verfallen ist.
Wert auch unter 2 sinken kann), während ein Patzer einen
System: Der Thaumaturg sucht sich ein Opfer aus, von noch höheren Verlust bedeuten könnte.
dem er glaubt, dass es eine Tugend repräsentiert, die er
Der Einsatz dieses Rituals benötigt einen Wurf auf Selbst-
bewundert: z. B. Intelligenz, Reinheit oder Verehrung. Er
beherrschung (Schwierigkeit 8). Ein Scheitern bedeutet, dass
muss das Opfer mit Öl, Salbei und Asche während eines
der Thaumaturg die permanente Schwäche Sucht erhält:
einstündigen Rituals einreiben. Auf dem Höhepunkt des
Menschliches Fleisch (V20, S. 482).

BLUTRITEN 31
 Kapitel Zwei:
Das Schwert Kains

Die Ritae sind nicht wie Deine dreckige Thaumaturgie. Es sind ehrwürdige Waffen, heilige Rüstungen. Die Ritae auszuführen
bedeutet, die Religion Kains zu praktizieren.

— Daniel „Red“ Amaziah, Rudelpriester der Queens of Mercy

Der Sabbat ist eine Kirche: ein Kult mit dunklem und mör-
derischem Glauben, der vampirische Vorbilder verehrt und
die schwachen oder menschlichen verleumdet. Es handelt
sich bei ihnen um Monster, die durch Blut und Glaube anei-
nander gebunden sind. Ein Mitglied im Sabbat muss immer
auf einen Kampf vorbereitet sein, selbst wenn es weiß, dass
es einen Gegner bekämpft, den es kaum besiegen kann. Die
Camarilla ist stärker. Die sterbliche Bevölkerung wird mit
jedem Tag, der vergeht, gefährlicher. Die Vorsintflutlichen
sind zu etwas Unvorstellbarem geworden. Doch der Sabbat
verfügt über eine signifikante Stärke: Kain ist mit ihm.
Vampire des Schwert Kains müssen keine Fanatiker sein,
sie müssen aber zumindest ein Lippenbekenntnis auf die
Doktrinen der Sekte abgeben. Die Kirche des Dunklen
Vaters straft einen Vampir nicht für das Hinterfragen der
Religion oder den Ausdruck von Skepsis zwischen Parabel
und Realität, doch sie ist schnell bei der Vernichtung von
Häresie und bösartig gegenüber jenen, die Kains Herrlich-
keit ablehnen.
Der Sabbat ist keine „dunkle Camarilla“. Wenn sich das
Schwert Kains versammelt, dann nicht zu einem belanglosen
Pläuschchen oder politischen tête-à-têtes. Der Sabbat ist eher
zielorientiert. Sie treffen sich, um heilige Tage zu begehen,
Anführer in religiösen Zeremonien zu weihen, Strategien
auszutauschen, ihre Fähigkeiten zu trainieren und zu verfei-
nern, Predigten über Kain zu hören oder sich auf Schlachten
vorzubereiten. Selbst ihren Feiern wohnt ein Hauch von Ver-
zweiflung inne. In ihrem Herzen ist die Sekte ein Sumpf der
Scheinheiligkeit: raffinierte, brutale Rechtschaffenheit bei
einem niemals endenden Streben nach Macht. Ein Vampir
sehnt sich danach, andere zu beherrschen, Macht an sich zu
reißen, zu lügen, zu betrügen und zu manipulieren und ein
Mitglied des Sabbat umarmt das vampirische Sein auf jede
mögliche Art.
Doktrin
„In nomine Caine; et Patris,
et Gladius, et Sanguis Sancti …“
Ein gängiges Sprichwort beim Schwert Kains lautet „Bei
Kain, der Regentin und den Ritae.“ Diese drei Aspekte
bilden das Herz des Sabbat, so wie Jesus, der Papst und die
Sakramente wesentlich für die katholische Kirche sind. Die
Regentin ist Kains Erbin, Generälin des heiligen Kreuzzuges
des Sabbat und Hirtin seines Glaubens. Die Ritae sind der
Beleg von Kains messianischer Natur, dem Zelebrieren des
vampirischen Seins und Waffen im Kampf gegen die Vor-
sintflutlichen.
In seinem Herzen ist der Sabbat ein Endzeit-Kult. Sie pre-
digen eine apokalyptische Doktrin vom Ende aller Tage und
sie führen einen Krieg ums Überleben, nicht der Eroberung
wegen. Gehenna kommt, die Vorsintflutlichen werden sich
erheben, um sich an ihren Kindern zu laben und die Welt
wird in Flammen zu Grunde gehen. Mut im Angesicht der
33

BLUTRITEN 33
 völligen Ausrottung ist eine kritische Komponente des Glau-
bens der Sekte. Wenn man keine Möglichkeit auf Erfolg und
keine andere Wahl als zu kämpfen hat, muss man Hilfe bei
etwas Größerem suchen. Dies treibt die Verehrung Kains
innerhalb der Sekte weiter an und ihre verzweifelte Hoff-
nung, dass er wieder zurückkehrt.
Der Kanon der Kirche des Dunklen Vaters besteht
aus mehreren alten Texten. Das Buch Nod ist ihr heiligstes
Buch, zumindest in Teilen jedem aufrechten Mitglied auch
bekannt. Wahre Gelehrte studieren auch weitere obskure
Manuskripte, einschließlich der Erciyes Fragmente, der Ubar
Chroniken, der Evangelien von Irad & Adah, dem Kodex der Ver-
dammten und dem wedischen Gedicht Wunden des Schwertes
der Nacht. Besonders wagemutige Vampire können sogar in
häretischen Texten forschen, wie den Offenbarungen der Dunk-
len Mutter oder dem Tagebuch Japheths (in dem geschrieben
steht, Kain sei tot). Fügt man hier noch die hunderten Pro-
phezeiungen und Visionen hinzu, die über die Jahrhunderte
aufgeschrieben wurden, versteht man schnell, wieso nur
wenige Vampire sich für Autoritäten auf dem Gebiet aller
Esoterik sehen.
Hexerei des Sabbat
Vampire im Sabbat praktizieren spezifische Arten der Hexe-
rei, einschließlich Koldunischer Hexerei, Thaumaturgie,
Nekromantie, Mystizismen des Abgrunds und natürlich
Ritae. Studierende der Magie sind wachsame und eifer-
süchtige Kreaturen. Ihre Zurückhaltung, Wissen zu teilen,
steigern die Paranoia und das Misstrauen anderer Sekten-
mitglieder gegenüber jenen, die Thaumaturgie praktizieren.
34 Kapitel Zwei: Das Schwert Kains
Außerdem ist Thaumaturgie keine „richtige“ Disziplin, obwohl
Unausgebildete beides verwechseln könnten. Die meisten Ver-
sionen des Buches Nod besagen, dass Kain die Thaumaturgie
nicht angeboren war, sodass Thaumaturgie und ihre Anwender
von einigen im Sabbat mit Misstrauen beäugt werden.
Das Schwert Kains ist eine verstreute Sekte, die aus vie-
len unabhängigen Rudeln und kleinen Diözesen besteht.
Es kann Monate oder sogar Jahre dauern, bis eigenständige
Rudel einem anderen Mitglied der Sekte begegnen. Selbst
wenn Magieanwender willens wären, ihr Wissen zu teilen,
unterhält die Sekte keine Gildenhäuser oder Aufbewah-
rungsorte okkulten Wissens (im Gegensatz zu einigen Indivi-
duen). Jeder Hexer arbeitet alleine. Dies macht aus der Thau-
maturgie des Sabbat ein schwieriges und zähes Handwerk,
das vorwiegend aus einzelnen Fragmenten und nicht ganz
passendem Stückwerk besteht, die nach dem Geschmack des
Anwenders zusammengewürfelt werden.
Magie ist eine bruchstückhafte Sache innerhalb des Schwer-
tes Kains. Wenn ein Hexer stirbt, werden seine Notizen viel-
leicht von jemand anderem gefunden – obwohl es sich dabei
nicht zwingend um einen Vampir mit denselben magischen
Traditionen handeln muss. Forschungen werden nebenbei
erledigt und die aus noch brennenden Gildenhäusern der
Tremere geborgenen Bücher sind so wertvoll wie Gold.
Thaumaturgen des Sabbat haben auch noch mit den Lau-
nen der Inquisition zu kämpfen, die ein Ritual oder einen
Pfad plötzlich und ohne Vorwarnung zu Häresie erklären
können. Jahrzehnte der Forschung können so einkassiert
werden und niemals wieder zum Vorschein kommen.
Wenn über einen Thaumaturgen bekannt ist, dass er über
eine bestimmte Kraft oder ein Bruchstück an Information
verfügt, könnte sich ein Rudel mit anderen politischen
Ansichten zusammenrotten, um ihn zu sabotieren oder sogar
versuchen einen Vorwand zu finden, um diese Person zur
Monomazie zu fordern, um an seine Aufzeichnungen oder
seinen Besitz zu gelangen.
Thaumaturgie ist Macht. Selbst die loyalsten Mitglieder
des Sabbat teilen ihr Wissen nur widerwillig, da dies ihre
Kontrolle über ihr Wissen schwächt. Wissen zu teilen behin-
dert das Einnehmen einer thaumaturgischen Vorreiterrolle,
außerdem wird man so leichter zum Ziel von Neidern.
Dieser Widerwillen macht die Thaumaturgie im Sabbat
noch seltener.
Koldunische Hexerei
Koldunen der Tzimisce behaupten, sie hätten vor allen ande-
ren Magie verwendet. Koldunische Hexerei bezieht sich auf
den ursprünglichen Elementarismus und versklavt schwache
Geister oder schließt mit stärkeren Handel ab. An vorderster
Front bei diesen elementaren Geistern steht das Wesen aus
den Karpaten namens Kupala, von den ältesten Koldunen
„Die Wurzel von Allem“ genannt. Anhaltende Beziehungen
mit dieser Kreatur haben zu signifikanten Schwierigkeiten
geführt, da nur ein Schmaler Grat zwischen dem Handel mit
Geistern und Infernalismus liegt. Koldunen werden von der
Inquisition aufmerksam beobachtet und ständig auf Anzei-
chen dämonischer Befleckung untersucht.
Koldunische Rituale bildeten das Fundament der Ritae
des Sabbat, doch die beiden Arten der Magie sind nicht
gleich. Koldunische Hexerei ist eine Praxis des Herbeirufens
und Bindens, während ein Ritus eine Ausübung des Glau-
bens ist. Die Gemeinsamkeit ist, dass die Rituale des Sabbat
auf den Geist des Anwenders zugreifen, um ihre Magie anzu-
treiben, anstatt auf Geister der elementaren Welt.
Obwohl der Sabbat dem Prinzip der Freiheit anhängt
(natürlich für Kainiten), binden Koldunen weiterhin Geister
und schachern mit ihnen. Ihre Magie ist intuitiv, ursprüng-
lich und stoisch, wobei sie altertümliche Traditionen mit der
Energie der natürlichen Welt vermischt. In der modernen
Welt ist sie zudem sehr rar geworden.
Thaumaturgie der Tremere
Hermetische Thaumaturgie, einst einzig und allein dem
Clan der Tremere vorbehalten, ist eine Anstrengung des Wil-
lens, die durch die übernatürliche Macht von vampirischem
Blut befeuert wird. Sie ist logisch und unterliegt Prinzipien,
nutzt die Mathematik und esoterische Siegel. Mit seiner ers-
ten Vaulderie erhält ein Tremere Antitribu ein schmerzhaf-
tes und namhaftes Siegel auf der Stirn, was ihn auf ewig als
Verräter am väterlichen Clan kennzeichnet. Diese mystische
Rune, die auch „Das Siegel des Verräters“ oder „Mal des Ver-
räters“ genannt wird, ist für alle sichtbar und erscheint in
Form des Wappens des Clans, das mit Blut und Asche in das
Fleisch des Tremere Antitribu eingebrannt wurde.
Es kann nie wieder entfernt werden.
BLUTRITEN
Respektieren Sie
die Spieler
Die Scheinheiligkeit des Sabbat ist ein integraler
Bestandteil der Sekte, doch Erzähler sollten stets beden-
ken, den Glauben eines Spielers niemals nachzumachen
oder abzuwerten. Obwohl die Ritae des Sabbat sich auf
die katholische Kirche stützen, sollte das Spiel mit ent-
sprechendem Respekt vor spirituellen Lebensweisen
aller Art außerhalb des Charakters gespielt werden.
Thaumaturgie ist für die Sekte entscheidend, da sie zahl-
reiche Methoden bietet, um als Waffe oder zur Verteidigung
eingesetzt zu werden. Besonders das Praktizieren hermeti-
scher Thaumaturgie gehört zur entwickeltsten und rituellsten
Hexerei und auch zur stabilsten. Mitglieder des Sabbat, die
weder Elementargeistern noch Kobragesängen trauen, sehen
die hermetische Thaumaturgie als die standardisierteste und
damit auch verlässlichste Form der Magie. Abgesehen davon,
dass viele Clans die Tremere hassen, hat die Sekte inzwischen
erkannt, wie wichtig Blutmagie für das Schwert Kains ist.
Daher werden die Tremere Antitribu geduldet, selbst wenn
ihnen nicht getraut oder Respekt entgegengebracht wird.
Trotz aller Vorteile, die sie dem Sabbat einbringen, leiden
die Tremere Antitribu noch immer unter den Sünden ihrer
Vorväter. Ihnen schlägt tiefstes Misstrauen entgegen und
sie werden von den Clans diskriminiert, die früher Krieg
gegen die Tremere geführt haben. Sie praktizieren „unnatür-
liche“ Blutmagie und ihr Clan hat das ewige Leben durch
einen Diebstahl an alten Vampiren erlangt, nicht durch das
Geschenk Kains. Dass der Verrat durch das Blut der Tremere
fließt, ist ein häufig gehegter Gedanke und es könnte sich
lediglich um eine Frage der Zeit handeln, ehe auch die Anti-
tribu sich den natürlichen Neigungen ihres Clans ergibt.
Die Telyavelischen Tremere
Einem Großteil der Vampire ist nicht bekannt, dass es eine
kleine Gruppe Tremere Antitribu gibt, die nicht das Mal des
Verräters tragen. Vor langer Zeit fingierte eine abgespaltene
Blutlinie der Tremere ihren Tod und entfloh dem Clan und
ließen ihre Oberen im Glauben, die Kabbala sei vollständig
vernichtet. Diese Telyavelischen Tremere wiesen deutliche
Unterschiede in ihrer Vitae auf, denn sie verfügten über
eine angeborene Präsenz, statt der sonstigen Clansdisziplin
Beherrschung (siehe V20, S. 438-439). Durch diese Unter-
schiede in ihrem Blut konnten sie das Mal vermeiden, das
andere Tremere Antitribu tragen müssen. Dies bedeutet aber
auch, dass jeder Telyavelische Tremere Antitribu die Wahl hat.
Die meisten entscheiden sich dafür, das Mal des Verräters
vorzutäuschen und ihre Magie offen einzusetzen, um so zu
tun, als seien sie wie jeder andere Tremere im Schwert Kains.
Einige wenige geben dagegen vor, einem anderen Clan anzu-
35
 gehören und geben ausgeklügelte Ausreden an, weshalb sie
Wissen über Magie besitzen. Der Blutlinie ist bewusst, dass
sie Teil der Vergeltung des Clans werden, was auch immer
dort geplant werden mag, sollten die Tremere der Camarilla
jemals herausfinden, dass die Telyavelischen Tremere noch
existieren. Daher müssen sie ihre wahre Abstammung stets
verheimlichen, auch vor anderen Mitgliedern des Sabbat.
Diese Tremere Antitribu wenden eine natürlichere Art der
Magie an, die sich auf altem heidnischen Glauben begrün-
det, anstatt auf die philosophische Thaumaturgie ihrer
Verwandten. Anpassungsfähig und clever sind sie darauf
spezialisiert, nicht-zusammenhängende Teile zu einem Gan-
zen zusammenzufügen. Dennoch kann ihre Clansschwäche
problematisch sein, denn sie verachten Wahren Glauben bis
zu einer regelrechten Abscheu, was die Telyavelischen Tre-
mere ein wenig infernalistisch wirken lässt. Im Sabbat kann
jegliche Andeutung dämonischer Tendenzen das Unleben
eines Vampirs durch die Hände der fanatischen Inquisition
riskieren.
Setitenhexerei
Es gibt viele verschiedene Arten der Setiten-Hexerei, vom
Voudoun-artigen Wanga bis zum auf ägyptischer Mythologie
basierendem Akhu. Die Schlangen des Lichts und der Clan
ihres Vorvaters, den Jüngern des Seth, haben sehr viel Ener-
gie in das Praktizieren der Magie investiert und zahlreiche,
radikal unterschiedliche Theosophien zum Beschwören und
Verzaubern entwickelt.
Die Schlangen des Lichts lehnen jede Form der theophi-
dianischen (Seth-basierten) Doktrin ab. Sie akzeptieren Kain
als den ersten Vampir und halten nicht am Glauben ihres
ursprünglichen Clans fest, dass Seth nicht vom Dunklen
Vater abstammt. Schlangen des Lichts glauben, dass man
durch den Tod zu einem Gott werden kann. Sie glauben,
dass sie, wenn sie nur mächtig genug werden, sich zur Welt-
herrschaft erheben und auch über die Geisterwelt herrschen
können. Als eine Gruppe militanter ägyptischer Setiten
(mehr als die Hälfte davon Kriegersetiten) versuchte, die
Schlangen der Neuen Welt gewaltsam zu ihrem Glauben zu
bekehren, trieb dies eine große Gruppierung afro-karibischer
Setiten zum Schwert Kains. Aufgrund dieses Schismas in der
Doktrin (sowohl magisch, als auch theosophisch) sind die
Schlangen des Lichts gegenüber den Jüngern des Seth sehr
verbittert und versuchen häufig, den Clan ihrer Vorväter zu
zerstören.
Die Magie der Schlangen des Lichts bedarf verschiedener
Stufen der Initiation. Ein Suchender durchwandert Zirkel
der Mysterien und lernt mit jedem Schritt auf dem Pfad
etwas mehr. Die vier Schlangen des Lichts, die den höchsten
Rang innehaben, werden Empereurs genannt und es handelt
sich bei diesen Vampiren um die Gefäße mit der höchsten
Weisheit und dem meisten Wissen über die Kobra. Auf-
grund der gesamten Struktur der Ausbildung über Initiatio-
nen, hüten Kobras ihr magisches Wissen noch eifersüchtiger,
als die meisten anderen Thaumaturgen der Sekte und leh-
nen es ab, das Wissen über ihre praktizierten Rituale selbst
36 Kapitel Zwei: Das Schwert Kains
mit anderen Kobras zu teilen, es sei denn, diese haben die
entsprechenden Initiationsriten durchlaufen.
Al-Aziz der Assamiten
Assamiten-Hexerei geht zurück auf die Zeiten der Zweiten
Stadt und ihre ersten Wurzeln waren sterbliche Schamanen
und Magier aus Mesopotamien: Persische, assyrische, sume-
rische, akkadische und babylonische Kulturen. Obwohl die
Ergebnisse der Assamiten-Hexerei ähnliche Endergebnisse
erzielen können, wie hermetische Thaumaturgie, gibt es
grundlegende Unterschiede in Philosophie, Spiritualität und
Praktiken. Die meisten Assamitenhexer betrachten Magie
über ihren spirituellen und kulturellen Glauben, bedienen
sich der Trance und Meditation, um den Schleier der Wahr-
heit zu durchdringen und durch magische Erleuchtung die
Himmelsleiter zu erklimmen.
Die Hexer innerhalb des Sabbat gehören einem speziellen
Splitter der philosophischen Praktiken an und sind gemein-
sam dem Adlerhorst entflohen. Sie stammen von derselben,
kleinen Blutlinie ab, weshalb ihre Magie durch einen einzi-
gen Lehrer und einen gemeinsamen Ausgangspunkt geeint
ist. Sie nennen sich selbst Al-Aziz und erwählen als Nachna-
men die arabische Bezeichnung für Gott, „der Reinigende“.
Diese wenigen Assamiten-Hexer sind ebenfalls bewandert im
Umgang mit der Droge Kalif, einer Mischung aus Haschisch
und Kainskinder-Vitae, um ihrer Magie Kraft zu verleihen.
Sei es durch ekstatischen Tanz, die Ekstase des Schmerzes
oder Zeremonien voller Gebete, transzendentale Erfahrun-
gen sind immer ein essentieller Bestandteil ihrer Hexerei.
Es gab noch nie viele Assamiten-Hexer im Sabbat. Ihre
Anzahl ist sehr klein und die meisten Mitglieder dieser Kaste
sind dem Adlerhorst gegenüber zutiefst loyal. Die wenigen
Al-Aziz müssen daher so unabhängig wie möglich bleiben.
Sie pflanzen ihre Kalif-Reserven daher selbst an und hor-
ten sie. Dies bedeutet auch, dass es für Al-Aziz schwierig ist,
Magie zu unterrichten, da es schlichtweg nicht genug Kalif
gibt, um es herumzureichen – und noch weniger, um es an
Unerleuchtete zu verschwenden.
Nekromantie
Im Schwert Kains gibt es nur wenige Nekromanten. Die
Sendboten des Todes sind zwar mächtig, doch ziemlich rar.
Diese alten Vampire sind ohnehin nicht sehr mitteilsam,
schließen sich selten Rudeln an und teilen ihre Magie nicht
freiwillig. Giovanni, die zu Zeiten der Gründung des Sabbat
ihre Familie verraten hätten, gab es quasi keine und die Prä-
senz der Sendboten dämmte die Rekrutierung weiter ein.
Einer der verbreitetsten Pfade der Erleuchtung innerhalb
der Sekte ist der Pfad des Todes und der Seele und dieser
begünstigt das Erlernen von Nekromantie. Die Anhänger
des Pfades studieren fanatisch den Tod und sind gewillt, alles
zu unternehmen, um an entsprechende Informationen zu
gelangen. Trotz des strengen Verbots der Sekte, sich nicht
mit jenen zusammenzutun, die nicht an Kain glauben (oder
den Vorsintflutlichen dienen), gibt es sehr viele Anhänger

Blut und Verderben
(Stufe 3 Dur-An-Ki Ritual)
Dieses Ritual der Assamiten-Hexerei ist bei der Blutli-
nie von Al-Aziz beheimatet und nur diesen Hexern im
Sabbat bekannt. Es heißt, dass das erste Mitglied der
Blutlinie dieses Ritual ersann, um ihm bei der Flucht
vom Berge Alamut beizustehen und dass er es anschlie-
ßend an seine Kinder weitergab. Es handelt sich hierbei
um eine Korrumpierung des Rituals „Aufguss aus Kalif“
(S. 162-163).
Das Ritual bewirkt einen mächtigen Fluch, der den
Geist des Ziels langsam verfallen lässt, während es unter
dem Effekt dieses Zaubers steht. Andere Magieanwender
können das Wirken dieses Rituals spüren und erhalten
damit instinktiv das Wissen über die grobe Richtung
und die Entfernung zum ursprünglichen Hexer des
Rituals.
System: Der Al-Aziz verbringt eine Stunde in ekstati-
schem Tanz, Gesang und Meditation. Indem er den
Geburtsnamen und ein kleines Symbol für das Opfer
nutzt, z. B. eine Haarlocke oder einen Gegenstand von
persönlicher Bedeutung, wird der Zauber gegen das Ziel
gerichtet. Der Anwender führt dafür einen Wurf von
Geistesschärfe + Okkultismus (Schwierigkeit 7) durch.
Für jeden Erfolg reduziert er die Stufe des Primärpfads in
Thaumaturgie des Ziels um einen Punkt. Der Effekt die-
ses Rituals hält bis zum nächsten Sonnenaufgang an, bis
der Anwender das Ritual beendet oder er vernichtet ist.
auf diesem Pfad, die sehr weit gehen würden, um Nekroman-
tie zu erlernen.
Einige Mitglieder der Sekte gehen so weit, dass sie Gio-
vanni entführen und blutbinden, um sie dazu zu zwingen,
ihre nekromantischen Pfade zu lehren. Dies stellt eine
enorme Gefahr für die Sekte dar, da der Clan der Giovanni
solchen Missbrauch nicht auf die leichte Schulter nimmt
und die Suche nach seinen vermissten Mitgliedern niemals
einstellt. Wenn der Clan dann herausfindet, dass der Sabbat
verantwortlich ist, eskaliert der Groll normalerweise in Form
von stadtweiten Konflikten.
In einem Versuch, derartige gewaltsame Auseinander-
setzungen zu vermeiden, schließen andere Anwender der
Nekro­mantie Abkommen mit Nicht-Sabbatanhängern, um
diese Kräfte zu erlernen. Auf diese Art Nekromantie zu erler-
nen, birgt sowohl die Gefahr einer Anklage wegen Häresie,
als auch der möglichen Vernichtung. Im Sabbat kann das
Erlernen der Nekromantie tatsächlich gefährlich sein.
Mystizismen des Abgrunds
Obwohl die Lasombra ein pragmatischer Clan sind, tauchen
einige Hüter in die okkulten Mysterien ihrer Macht über die
BLUTRITEN
Schatten ein. Sie haben erfahren, dass Schattenspiele aus
einem Reich im Zentrum der Schöpfung stammt, aus einer
Dunkelheit bekannt als der Abgrund. Es sind Gerüchte im
Umlauf, dass der berüchtigte Lasombra Antitribu Lord Alu-
dian Thex zu den ersten gehörte, der dem Clan diese Mysti-
zismen unterbreitete, doch niemand ist willens dies zu bestä-
tigen oder zu verneinen. Mystizismen des Abgrunds sind ein
wichtiges Werkzeug, doch sie sind auch gefährlich. Diese
Mystiker sind stets auf der Suche nach dunklen Geheim-
nissen, grausamen Wahrheiten und philosophischen Ant-
worten, mit denen sie versuchen, die Tiefen des Abgrun-
des freizusetzen. Diejenigen, die diese mystischen Künste
anwenden, werden „Die Schattenhaften“ genannt und ihr
Prestige im Clan der Lasombra leidet unter ihren Studien.
Der Kiasyd-Blutlinie ist die Anwendung der Mystizismen des
Abgrunds nicht unbekannt, obwohl die Lasombra jegliche
Anstrengungen unternehmen, um dieses Wissen von ihren
neugierigen „Cousins“ fernzuhalten.
Die Magie des Abgrunds beschwört Geister aus einer
anderen Dimension, eine, die eine Art dunkles Fegefeuer
darstellt. Die Anwender knechten und kontrollieren Geis-
ter, doch diese Geister unterscheiden sich völlig von allen
anderen Kreaturen der Schöpfung und haben keinerlei
Erinnerung an oder Verbindung zu wahren dämonischen
Wesen. Dennoch ist die Inquisition auf ihre Existenz auf-
merksam geworden, sowie auf die Praktiken der Mystizismen
des Abgrunds. Aus diesem Grund vermeiden die Lasombra,
dass ihre Mystizismen ins Rampenlicht geraten und sorgen
dafür, dass ihre Fähigkeiten der Mehrheit des Sabbat unbe-
kannt bleiben. Die Ahnen des Clans haben das Misstrauen
miterlebt, das den Koldunen der Tzimisce entgegengebracht
wurde und fürchten die Möglichkeiten der Inquisition, um
die Mystizismen des Abgrunds zur Häresie zu erklären.
Rituale des Abgrunds
Die folgenden Rituale unterliegen nicht denselben Regeln,
wie andere Formen der Magie, vor allem, weil sie auf einer
Disziplin aufbauen, die keine wahre Form der Hexerei dar-
stellt. Um die Mystizismen des Abgrunds zu erlernen, muss
ein Kainit über mindestens einen Punkt in sowohl Schatten-
spiele, als auch in Okkultismus verfügen. Der Charakter darf
kein Ritual des Abgrunds erlernen, das eine höhere Stufe
besitzt, als sein Wert in Schattenspiele oder Okkultismus
(der niedrigere Wert zählt). Das erfolgreiche Wirken eines
Rituals des Abgrunds erfordert einen erfolgreichen Wurf auf
Geistesschärfe + Okkultismus, wobei die Schwierigkeit bei
3 + Stufe des Rituals (Maximum 9) liegt. Ein Erfolg reicht für
die erfolgreiche Durchführung eines Rituals aus. Sollte ein
Aktivierungswurf für ein abyssisches Ritual scheitern, wird
dem Erzähler nahegelegt, eine besonders grausame Konse-
quenz oder Nebenwirkung auszuarbeiten – der Abgrund ver-
langt eine harte Strafe für Fehlschläge.
Im Gegensatz zu normalen Ritualen, kostet das Erlernen
eines Rituals der Mystizismen des Abgrunds 3 Mal der Ritual-
stufe an Erfahrungspunkte. Alle Rituale der Mystizismen des
Abgrunds haben zudem permanente Nebenwirkungen, die
mit ihrem Erlernen und Anwenden zusammenhängen und
37
 den Tribut darstellen, den das fremde und bösartige Wesen Fäden des Abgrunds
des Abgrunds fordert. Unter keinen Umständen erhält ein
Vampir Boni aus Schwächen, die er aus diesen Nebenwir- (Stufe 3 Ritual des Abgrunds)
kungen erleidet, ebenso wenig wie Erfahrungspunkte und sie Der Anwender erschafft einen schimmernden, tiefschwarzen
können nicht mit Erfahrung ausgelöst werden. Faden und verknüpft ihn mit einem einzelnen Ziel seiner
Wahl. Der Faden erstreckt sich durch den Schatten in den
Gewicht der Schatten Abgrund, bis zum Handgelenk des Anwenders. Wenn der
(Stufe 1 Ritual des Abgrunds) Faden an eine Person oder Kreatur geknüpft ist, dann kann
zu einem beliebigen Zeitpunkt des Abends eines der an den
Den Rest der Nacht kann sich der Anwender konzentrieren
Faden gebundenen Individuen daran ziehen, was ein ähnli-
und natürlich entstandene Schatten kontrollieren, sie bewe-
ches Ziehen am anderen Ende auslöst. Wenn der Faden mit
gen, handeln lassen oder sie anderweitig seinen Anweisungen
einem unbelebten Objekt verbunden ist, wird der Anwender
unterwerfen. Solange der Anwender keine andere Handlung
an seinem Ende des Fadens ein Ziehen verspüren, wenn das
unternimmt, kann er jeden Schatten kontrollieren, der nicht
Objekt irgendwie bewegt wird.
bereits durch ein anderes Individuum übernommen ist.
System: Das Individuum oder der Gegenstand, das mit
System: Mit diesem Ritual kann der Anwender nur natür-
dem Faden verknüpft wird, muss während der Ausführung
liche Schatten kontrollieren, keine Schatten, die durch
des Rituals anwesend sein. Das Wirken des Rituals nimmt
Schattenspiele erschaffen wurden. Die vom Anwender kon-
dreißig Minuten in Anspruch, in denen die Magie des
trollierten Schatten können ein wenig ihrer Größe zulegen
Abgrunds einen Blutpunkt abzieht und es mit der übernatür-
oder verlieren (der Schatten einer Frau kann dadurch auch
lichen Präsenz des Abgrundes vermischt. Indem diese kom-
aussehen, wie der eines Mannes, doch nicht wie der eines
binierte Materie zu einem Strang versponnen wird, erschafft
Hundes). Nur ein solcher Schatten kann zur selben Zeit
der Anwender einen Faden des Abgrunds und kann ihn
kontrolliert werden. Es obliegt dem Erzähler, darüber zu
nach Belieben verknüpfen. Der Effekt dieses Rituals hält bis
entscheiden, welcher Schatten für diese Kraft schlichtweg zu
zum nächsten Sonnenaufgang an.
groß sein könnte (z. B. der eines Wolkenkratzers). Der Effekt
dieses Rituals hält bis zum nächsten Sonnenaufgang an. Nebenwirkung: Während dieses Ritual aktiv ist, umweht
den Anwender die kalte Luft des Abgrunds, was ungewollte
Nebenwirkung: Der Anwender zieht Schatten an und
Aufmerksamkeit auf ihn ziehen kann. Der Anwender
wenn er sie nicht kontrolliert, werden sie versuchen, auf
erhält die Schwäche Kalte Brise solange das Ritual anhält.
ihn zuzukriechen, sogar so sehr, dass sie Licht beugen. Der
(V20, S. 494).
Anwender erhält die Schwäche Unheimliche Präsenz (gemäß
oben genannter Beschreibung), solange das Ritual anhält. Maul des Ahriman
(V20, S. 495).
(Stufe 4 Ritual des Abgrunds)
Füttern der Dunkelheit Sobald der Anwender dieses Ritual gewirkt hat, wird sein
(Stufe 2 Ritual des Abgrunds) Mund zu einem Portal in den Abgrund. Er kann weder spre-
chen, noch irgendeinen Laut von sich geben und jeder, der
Für den Rest der Nacht kann der Anwender sich durch einen
in seinen Mund blickt, wird dort nur eine tiefe Kluft der
Arm der Hölle nähren. Alle Schwächen, unter denen der
Schwärze sehen, die jenseits von allem liegt, was die mensch-
Charakter natürlicherweise leidet, behalten ihre Wirkung:
liche Psyche noch begreifen kann.
Die Absorption des Blutes des Arms kann außerordentlich
schmerzhaft sein, wenn der Anwender die Schwäche Griff System: Der Anwender kann alles verschlingen, was in sei-
der Verdammten hat (V20, S. 495) und alle Beuteausschlüsse nen Mund passt und es damit vollständig auslöschen, indem
bleiben ebenfalls bestehen. Darüber hinaus hinterlässt der es in den Abgrund gesogen wird (sei es Gegenstand, Krea-
Arm der Hölle einen tiefschwarzen Bluterguss auf dem Kör- tur oder Teile einer Kreatur). Einen Gegner auf diese Art
per des Ziels, der Ähnlichkeit mit dem Abdruck eines Blut- zu beißen verursacht schon bei einem normalen Biss schwer
egels hat, anstatt mit der Bisswunde eines Vampires. heilbaren Schaden und entzieht zudem einen Punkt Willens-
kraft des Gegners. Auf diese Weise verlorene Willenskraft
System: Der Anwender muss zu Beginn der Nacht fünf-
kann für einen Monddurchlauf nicht zurückgewonnen wer-
zehn Minuten im Gebet versinken, in abyssischen Zungen
den. Der Effekt dieses Rituals hält bis zum nächsten Sonnen-
singen und die Geister des Abgrundes anrufen. Der Effekt
aufgang an oder der Anwender beendet es in der Zwischen-
dieses Rituals hält bis zum nächsten Sonnenaufgang an.
zeit selbst.
Nebenwirkung: Solange der Anwender Blut im Körper
Nebenwirkung: Der Anwender kann weder sprechen,
hat, das er durch dieses Ritual erlangt hat, ist das Blut dunkel
noch Stimmlippen, Mund, Zunge oder Fänge für die Dauer
und schwärzlich. Dies führt zu sichtbaren schwarzen Schlie-
des Rituals verwenden.
ren, wo die Venen und Arterien nahe an der Oberfläche der
Haut verlaufen.

38 Kapitel Zwei: Das Schwert Kains

Ahrimans Wesen
(Stufe 5 Ritual des Abgrunds)
Indem der Anwender sich in einem Moment der Not auf
den Abgrund stützt, kann er den Empfindungen in der Dun-
kelheit erlauben, in seinen eigenen Geist einzuziehen, um
sein Fleisch zu stärken.
System: Nachdem er dieses Ritual durchgeführt hat, erhält
der Anwender eine Anzahl an „Schattenpunkten“ auf der
Gesundheitsstufe „Verwundet“, die seinem Wert in Schatten-
spiele entspricht. Erleidet der Charakter allerdings Schaden,
sodass er einen dieser Schattenpunkte seiner Gesundheits-
stufen verliert, verliert er auch eine entsprechende Anzahl an
Punkten in Schattenspiele. Auf diese Weise verlorene Punkte
bei Schattenspiele regenerieren nach einer Woche.
Nebenwirkung: Solange dieses Ritual anhält, werden alle
gescheiterten Würfe des Charakters auf Gewissen/Überzeu-
gung als Patzer behandelt.
Ritae
Die Ritae sind eine einzigartige Form der Magie, die nicht
nur durch Blut, sondern auch durch Glauben gewirkt wer-
den. Die Auctoritas Ritae bauen auf den Glauben an Kain
auf. Ignoblis Ritae des Rudels begründen sich auf die Loyali-
tät des Rudels unter sich. Ignoblis Ritae der Fraktion bezie-
hen sich auf politische Ideale.
Selbst wenn es sich bei dem Vampir um einen Ungläu-
bigen handelt, gleicht der Glaube der anderen Vampire bei
den Ritae diesen Unterschied aus, solange er die Rituale
respektiert und seine Rolle dabei erfüllt. Natürlich sorgen
Zweifel in kleineren Gruppen für mehr Ärger, da ein einzel-
ner Teilnehmer einen höheren Anteil des Ganzen ausmacht.
Kleine Fraktionen und Ignoblis Ritae haben ein höheres
Potenzial durch einen Ungläubigen zu scheitern (was auch
das Risiko eines Patzers beim Ritual erhöht, so der Erzähler
das möchte), wohingegen bei Auctoritas mit hundert gläubi-
gen Vampiren auch noch mit einem Dutzend teilnehmender
Skeptiker Erfolg haben.
Ritae beruhen nicht auf Thaumaturgie, doch es ist Blut-
magie und sie werden von allen Dingen betroffen, die Blut-
magie widerstehen oder kontern. Darüber hinaus zeigt die
Aura eines Individuums, das durch einen aktiven Ritus
gestärkt ist, klare Anzeichen der Verzauberung: einen bluti-
gen Schatten über seinem Geist, der sich als Mischung aus
Hexerei und Glaube manifestiert.
Die Geschichte der Ritae
Alte Tzimisce erschufen Rituale der Tradition, um den
Frieden zwischen territorialen Voivoden zu wahren. Diese
fremdenfeindlichen Vampire entwickelten Gewohnheiten
formeller Begrüßungen, strikte Regeln der Etikette und fei-
erliche Staatsprotokolle. Im Laufe der Zeit ließen sie Magie
in diese Rituale einfließen, um einen Besucher besser dazu
zwingen zu können, sich an seine Versprechen zu halten. Als
BLUTRITEN
Vampire während der Anarchenrevolte gegen ihre Ahnen
kämpften, erfanden junge Tzimisce die Vaulderie, um die
Ketten des Blutes zu sprengen. Über das erste Jahrhundert
des Bestehens der Sekte ersannen Koldunen der Tzimisce
und Tremere Antitribu weitere Auctoritas.
Während der Herrschaft des dritten Regenten war der
Konflikt innerhalb der Sekte so sehr eskaliert, dass der
Sabbat scheinbar kurz vor der Auflösung stand. Indem er
ein Quorum unter Rudelpriestern, Kardinälen und seinen
Prisci-Beratern einberief, versammelte der Regent das erste
Ökumenische Konzil des Sabbat. Diese Zusammenkunft,
bekannt als die Synode der Waisen, formalisierte die Aucto-
ritas (oder „Hohe Ritae“) und trennte sie von den Ignoblis
(„Niedere“ oder „Rudel“ Ritae).
Dreizehn Rituale, einschließlich vier Hoher Feiertage, wur-
den zu Auctoritas ernannt. Diese Ritae wurden vom Regen-
ten kanonisiert und ihre Zeremonien wurden in formellen
Praktiken vereinheitlicht. Darüber hinaus wurde verfügt,
dass keinem wahren Sabbatmitglied das Recht verweigert
werden durfte, die Auctoritas Ritae zu erlernen, vorausge-
setzt der Vampir hat die Erlaubnis seines Rudelpriesters.
Der Sabbat sieht die Auctoritas Ritae als etwas äußerst
Heiliges an. Die Mitglieder lernen die Ritae nicht nur, weil
sie nützlich sind oder es erwartet wird, sondern weil Kennt-
nis der Ritae auch bestimmte politische Ambitionen wider-
spiegelt. Einige Priester treffen den Entschluss, mehr zu
lernen, als ihre Position es verlangt, um so einen dezenten
Hinweis darauf zu geben, dass sie eine politische Bedrohung
für ihren Bischof oder Erzbischof darstellen. Nur weil einer
Person nicht das Recht verwehrt werden kann, einen Aucto-
ritas Ritae zu erlernen, bedeutet das allerdings nicht, dass sie
einen gewillten Lehrer für einen bestimmten Ritus findet,
noch impliziert es das Fehlen von politischer Aktivität auf
diesem Gebiet. Im Gegenteil, die Politik der Auctoritas Ritae
ist höchst kompliziert, da der führende Kleriker Gründe und
Wege finden muss, um junge und ambitionierte Priester auf
ihrem Posten zu halten.
Ignoblis und Fraktionsritae erfreuen sich nicht so einer
hohen Nachfrage und werden im Mailänder Kodex oder
einem anderen Dokument der Sekte auch nicht benannt. In
der Hoffnung damit zu sichern, dass ihre Vorzüge nur gleich-
gesinnten Rudeln und Personen zu Gute kommen, horten
Priester diese Rituale häufig und weigern sich, sie anderen
beizubringen. Die Politik rund um das Erlernen dieser Ritu-
ale kann tatsächlich sehr gnadenlos sein.
Schwarze Kathedralen
Der Sabbat nutzt religiöse Inbrunst in hohem Maße und hat
folglich Bedarf an heiligen Plätzen zur Huldigung. Kleine
oder nomadische Gruppen bauen sich Orte für Ignoblis des
Rudels und die zahlreichen Diözesen könnten bestimmte
Orte für größere Ritae weihen. Eine Schwarze Kathedrale
fokussiert Magie wie ein Prisma, sodass Priester größere und
mächtigere Rituale durchführen können. Schwarze Kathe-
dralen sind permanente Monumente zu Ehren der Stärke
39

und des Glaubens der Sekte. Das Blutbad zur Investitur eines
Regenten ist ein enormer und einzigartiger Ritus, der nur
in einer Schwarzen Kathedrale vorgenommen werden kann.
Das errichten einer solchen Kathedrale ist ein seltenes und
hoch gefeiertes Ereignis. Bisher existieren drei Stück: eine in
Mexiko Stadt, eine in Montreal und eine in Bukarest.
Synoden und
Ökumenische Konzile
Die Doktrin der Kirche des Dunklen Vaters ist komplex
und kann verwirrend sein. Rudel kommen von Zeit zu Zeit
zusammen, um über diese Themen zu diskutieren, vonein-
ander zu lernen und über einfachere theologische, philoso-
phische und rituelle Praktiken zu streiten. Diese Zusammen-
künfte werden Ökumenische Konzile genannt und werden
mehrfach pro Jahr abgehalten, was Rudel zur Diskussion
und Interaktion außerhalb der Einhaltung der Auctoritas
Ritae oder den Festen zu hohen Feiertagen zusammenführt.
Zu besonderen Ereignissen heißt es in der Sekte, dass die
Priester des Sabbat zusammengerufen werden, um wichtige
Themen zu diskutieren oder zu klären, was dann Synode
genannt wird. Bei einer Synode kann es zu signifikanten
Änderungen der Doktrin des Sabbat kommen: Zusätze oder
Änderungen der Auctoritas Ritae, Blutbäder für Mitglieder
des Konsistoriums oder die Gründung einer neuen Schwar-
zen Kathedrale. Bei seltenen Gelegenheiten werden Synoden
auch einberufen, um größere interne Themen oder um den
religiösen Glauben der Sekte zu klären.
40 Kapitel Zwei: Das Schwert Kains
Die Auctoritas Ritae
Über die Jahre haben die Ritae sich verändert und entwi-
ckelt. Einige der originalen Auctoritas sind verloren. Andere
beliebte Ignoblis wurden aufgewertet. Die dreizehn heutigen
Auctoritas sind: das Band, das Blutbad, das Blutfestmahl,
die Erschaffungsriten, der Feuertanz, die Instinktspiele, die
Palla Grande, das Festivo dello Estinto, die Monomazie, die
Predigten über Kain, die Gotcha-Partie, die Wilde Jagd und
die Vaulderie. Es gab nie mehr als dreizehn Auctoritas Ritae
zur selben Zeit, obwohl es in der Geschichte der Sekte Zei-
ten gab, wo weniger als dreizehn praktiziert wurden. Ultra-
konservative Elemente beharren darauf, dass es nie mehr als
dreizehn Auctoritas Ritae geben sollte und stellen sich vehe-
ment gegen die Erhebung eines neuen Ritus, es sei denn, ein
anderer wird stattdessen degradiert.
Damit ein Ritus zu einem Auctoritas wird, muss eine große
Anzahl an Rudelpriestern dafür beim Großinquisitor ein-
stehen, sodass die Kanonisierung eines aktuellen Ignoblis in
Erwägung gezogen wird. Der Großinquisitor bestätigt, dass
besagter Ritus keine häretischen Grundlagen oder infernalen
Verbindungen aufweist und ihm kommt ebenfalls die Auf-
gabe zu, die Sprache und die Praxis des Ritus selbst zu ver-
einheitlichen. Die Rolle des Inquisitors ist dabei einzig und
allein die Sicherstellung, dass der Ritus keine Häresie, dunkle
Thaumaturgie oder andere Magie beinhaltet, welche der Ethik
und der Spiritualität des Sabbat schaden könnten. Sobald
diese Aufgabe abgeschlossen ist, bringt der Großinquisitor ein
Manuskript für den fraglichen Ritus zur Synode des Konsisto-
riums und verlangt die Bestimmung seines Wertes.
 Mal Kains
(4 Punkte Vorzug,
Übernatürlich)
Im Laufe der Geschichte scheinen einige dieser Rituale
verloren gegangen zu sein, entweder aufgrund des Todes
von Sektenmitgliedern oder weil der Ritus nicht wich-
tig genug für das Überleben der Sekte in der modernen
Welt war. Einer dieser verlorenen Ritae war das Mal
Kains, das Schutz gegen Waffen des Glaubens bot. Da
der Glaube in den heutigen Zeiten immer weniger wird,
wurde der Ritus immer seltener eingesetzt, bis schließ-
lich die Priester, die den Ritus kannten, beinahe ausge-
storben sind.
Einige Vampire, die am Ritus von Mal Kains teilgenom-
men hatten, wurden besonders gesegnet und tragen
noch immer das schwache Zeichen der Gunst. Solche
Vampire sind immer alt, stammen aus Zeiten vor dem
ersten Bürgerkrieg des Sabbat und nahmen einst an die-
sem Ritual teil, als es ein mächtiger Priester durchführte.
Diese Vampire tragen ein kleines, blasses Mal auf der
Stirn, das für den hebräischen Buchstaben tav steht.
System: Wer das Mal Kains trägt, erhält eine verdrehte
Form von Wahrem Glauben. Sie können die Effekte
vom ersten Punkt Wahrer Glaube (V20, S. 372-373)
anwenden, dafür müssen sie nur Symbole Kains als
„Heilige Symbole“ verwenden. Außerdem erhalten sie
+2 Würfel, um sterblichem Wahrem Glauben zu wider-
stehen. Nur Vampire auf einem Pfad der Erleuchtung
können diesen Vorzug wählen; wendet sich ein Kainit
der Menschlichkeit zu oder verfällt er dem Wassail, ver-
liert er alle Boni dieses Vorzugs für immer.
Ist dem Konsistorium das Manuskript ausgehändigt wor-
den, debattiert es über den Zweck, die Funktion und die
Vorteile des Rituals für die Sekte und hört Priester an, die
zur Erhebung des Rituals aussagen wollen (oder die der
Meinung sind, es sei es nicht wert). Wenn das Konsistorium
einen Ritus zum Auctoritas erheben möchte, bringen sie das
Manuskript anschließend zur Regentin. Die Regentin trifft
die endgültige Entscheidung, ob ein Ritus erhoben wird
oder nicht und informiert die Sekte durch eine öffentliche
Kundgebung.
Auf der jüngsten Synode der Jagdhunde kam es zu einer
solchen Petition. Priester der Sekte beantragten, dass die
Hohen Feiertage in einem einzigen Ritus vereint werden und
dass ein neuer Auctoritas erhoben wird: der Ritus der Zer-
knirschung. Der Beschluss dieser Petition steht noch aus und
Priester in Mexiko Stadt und andernorts diskutieren noch
die Vorzüge beider Veränderungen der Doktrin. Bis jetzt ist
noch keine Entscheidung getroffen worden.
BLUTRITEN
Auctoritas Ritae in V20
Die Beschreibung von neun Auctoritas Ritae sind in V20
auf den Seiten 507-511 zu finden: Blutbad, Blutfestmahl,
Erschaffungsriten, Feuertanz, Instinktspiele, Monoma-
zie, Predigten über Kain, Gotcha-Partie und Wilde Jagd.
Der Ritus der Vaulderie findet sich separat in V20 auf
S. 288-289. Das folgende Material dient der Definition
der restlichen Auctoritas und als Erweiterung des bis-
herigen Materials, um Erzählern mehr Handwerkszeug
und tiefgehende Information über diese wichtigen Ritae
anzubieten.
Das Band
Jedes Jahr zur Wintersonnenwende und in der Regel in der
Nähe eines Gewässers abgehalten, stellt dieser Ritus eine
formelle Erneuerung des Schwurs der Zugehörigkeit zum
Sabbat dar. Von allen wahren Anhängern des Sabbat wird
erwartet an diesem Fest teilzunehmen und so ihre Hingabe
zur Sekte in einem öffentlichen Ritual erneut zu bestäti-
gen. Vampire erneuern ihr Vinculum mit ihren Brüdern
und Schwestern der Sekte und der örtliche Würdenträger
– Bischof, Erzbischof oder Kardinal – muss als Teil des Ritu-
als alle Klagen anhören, die ihm in dieser Nacht vorgetragen
werden. Klagen, die in dieser Nacht des Bandes vorgebracht
werden, werden traditionell vergeben, doch Vampire sind
kleinliche Kreaturen und könnten die Buße so verdrehen,
dass sie einen Hauch einer Beleidigung enthält.
Der Schwur des Sabbat, der sowohl während des Bandes,
als auch während der Erschaffungsriten eines Vampirs auf-
gesagt wird, lautet wie folgt:
„Aus freiem Willen und mit eigener Zustimmung, lehne ich,
(Name), Sohn/Tochter Kains, die Vorsintflutlichen ab und widme
mich ihrer Vernichtung. Ich verschwöre meine Seele dem Sabbat und
verfluche all jene, die sich gegen uns stellen. Hört mich, Brüder und
Schwestern! Eure Feinde sind auch meine Feinde. Eure Siege sind
auch meine Siege. Euer Blut ist mein Blut. So soll es sein bis ans
Ende aller Tage.“
System: Für die Dauer eines Monats nach dem Band,
erhalten alle Vampire, die am Ritus teilgenommen haben,
einen zusätzlichen Würfel für Proben mit Tugenden, wenn
sie sich in Gesellschaft von Vampiren befinden, die am Band
zur selben Zeit und am selben Ort teilgenommen haben.
Ritus der Zerknirschung
Der Ignoblis Ritus der Zerknirschung steht kurz davor, zu
einem Auctoritas erhoben zu werden und einige Priester des
Sabbat behandeln ihn bereits, als gehöre er zu den hohen
Riten. Dies sorgt für ordentlich Reibung mit den Ultrakon-
servativen, die keinen Anlass dafür sehen, einen „neuen“
Ritus zu einem Auctoritas Ritae aufsteigen zu lassen.
41
 Die Zerknirschung bietet einem gedemütigten oder gefal-
lenen Sektenmitglied die Möglichkeit, für seine Handlungen
Buße zu tun. Der Ritus der Zerknirschung (beschrieben in
V20, S. 511) erlaubt es einem Vampir, seine Aufrichtigkeit
und Loyalität durch Buße zu beweisen. Ein unehrlicher
Ritus der Zerknirschung könnte noch immer Erfolg haben,
vorausgesetzt der Büßer verfügt über ausreichenden Glauben
in Kain, doch sollte man ihm auf die Schliche kommen, wird
dieser Vampir beinahe sicher keine zweite Chance zur Reue
erhalten.
Der Ritus der Zerknirschung ist nur eine teilweise frei-
willige Handlung. Der reuige Vampir bittet um die Durch-
führung des Ritus (oder ihm wird befohlen, einen durch-
zuführen und er stimmt dem zu) und trifft sich an einem
öffentlichen Ort mit seinem Rudelpriester, der gekränkten
Person und dem Rudelpriester der gekränkten Person. Eine
Entschuldigung muss nicht ausgesprochen werden, doch
der Büßer muss deutlich und reuig vor den Versammelten
die Tat beschreiben, für die er zu büßen gedenkt. Danach
wird der Priester des Büßers ihm eine angemessene Aufgabe
auferlegen, die innerhalb von drei Nächten erfüllt werden
muss (und innerhalb dieser Zeit auch vernünftig machbar
sein sollte). Der Priester des Opfers darf nun einen Ein-
spruch gegenüber der Aufgabe äußern, der normalerweise
die Schwierigkeit verändert, gemessen daran, ob der Sünder
wahre Reue zeigt. Typische Aufgaben sind in etwa „... und
Du darfst dafür nur eine Pistole verwenden“ oder „... es muss
direkt vom Prinzen der Camarilla stammen.“
Nachdem die Aufgabe der Zerknirschung auferlegt wurde,
muss der Büßer einen willigen Sekundanden auswählen
(normalerweise ein Mitglied seines Rudels), der ihm bei der
Aufgabe zur Seite stehen darf. Der Büßer darf sonst keine
andere Unterstützung erhalten. Wenn der Büßer in den
drei Nächten keinen Erfolg hat oder wenn er Unterstützung
von einem anderen Mitglied des Sabbat erhält, scheitert das
Ritual und die beiden Rudelpriester werden sich sofort des
Scheiterns gewahr. Wenn der Büßer Erfolg hat, müssen ihm
die ursprünglichen Regelübertretungen vergeben werden.
Wenn einem Vampir von einem Vorgesetzten ein Ritus
der Zerknirschung auferlegt wird, kann er dem nur zustim-
men oder seinen Ankläger zur Monomazie fordern.
System: Wenn ein Vampir den Ritus der Zerknirschung
versucht und Erfolg hat, wird ihm die Anklage vergeben,
derer er sich schuldig gemacht hat. Sie darf nicht wieder
angebracht werden und in diesem Zusammenhang darf es
zu keinem weiteren Streit, Rache oder einer Verfolgung kom-
men. Obwohl es stimmt, dass Vampire Kränkungen nicht
so einfach vergessen, muss der Anschein des „Gut-Sein-Las-
sens“ durch die Betroffenen gewahrt bleiben.
Wenn der Vampir den Ritus der Zerknirschung versucht
und scheitert, verliert er all seinen Status, muss von all sei-
nen Positionen zurücktreten und darf für sechs Monate
keine Punkte im Hintergrund Statuts erhalten oder von
einem Titel profitieren.
42 Kapitel Zwei: Das Schwert Kains
Erschaffungsriten
Während ein Rudelpriester über die Autorität verfügt, um
einem Mitglied seines Rudels die Initiation zu entziehen,
dürfen nur der Regent, die Prisci und der Großinquisitor
Sabbatmitgliedern außerhalb ihrer Rudel die Initiation ent-
ziehen und selbst das nur unter besonderen Umständen.
Der Großinquisitor darf ein Sektenmitglied nur dann ent-
ehren, wenn es wegen Häresie verurteilt ist; ein Quorum aus
drei Prisci ist notwendig, um einem Mitglied die Initiation
zu entziehen, das sich als ungebildet erwiesen oder die Sekte
in Gefahr gebracht hat; keiner der Benannten darf gleich
der Umstände dem Regenten die Initiation absprechen. Der
Regent darf jedem Mitglied des Sabbat nach seinem Willen
die Initiation entziehen.
Ohne Initiation wird der Vampir lediglich erneut zum
„Falschen Sabbat“ gezählt, doch es bedeutet nicht, dass er
ein Verräter ist. Ein uninitiiertes Mitglied gehört noch
immer zur Sekte und gehört seinem Rudel. Dieses Rudel
hat das Recht, von jedem einen hohen Tribut zu verlangen,
der dessen Eigentum ohne Einverständnis beschädigt. Das
Absprechen der Initiation beraubt einen Vampir all seines
Status, seines Ranges und aller vorhergehenden Taten. Ein
solcher Vampir muss zunächst wieder resozialisiert werden,
ehe er die Erschaffungsriten neu durchlaufen und wieder
zum Wahren Sabbat gehören darf. Diese „Umerziehung“
muss mindestens ein Jahr und einen Tag andauern, es sei
denn, die Autorität, die den Vampir bestraft hatte, gibt nach
und erlaubt die Durchführung der Erschaffungsriten oder
wenn der Regent dem Vampir seine Missetaten explizit und
öffentlich vergibt.
Die Wilde Jagd hingegen ist eine deutlich ernstere und nicht
einfache Art des Entzugs der Initiation; s. S. 46 für mehr.
Hohe Feiertage
Dieses Ritual wird während der Feste zu diverseren formel-
len Feiertagen genutzt, die zur Huldigung Kains dienen. Die
aktuellen Hohen Feiertage sind das Festivo dello Estinto und
die Palla Grande. Einige Priester des Sabbat argumentieren,
dass zwei Auctoritas Ritae für die Feiertage zu reservieren,
zu viel sei (drei, wenn man das Band mitzählt) und dass ein
Ritual ausreichen würde, um beide Feierlichkeiten abzude-
cken und traditionalistischeren Priestern die Möglichkeit
geben würde, auch die älteren Feiertage der Sekte wieder zu
besuchen.
Ein Ritus der Hohen Feiertage ereignet sich bei einem
anderen, spezielleren Fest, das dem entsprechenden Feiertag
gewidmet ist. Während des Festivo dello Estinto kann es ritu-
elle Opfer geben, bacchantischer Überfluss oder Völlerei,
während die Palla Grande ein beherrschterer Ball mit poli-
tischem Unterton ist. Feiertage sind beliebte Ereignisse und
religiöse Feste. Im Gegensatz zu Bällen der Camarilla oder
ihren gesellschaftlichen Salons sind Hohe Feiertage blutrüns-
tige, monströse Zusammenkünfte. Hier können Mitglieder
der Sekte sich in ihrem vampirischen Wesen suhlen, sich in
Taktiken oder Pfaden der Erleuchtung schulen, sowie in der
Geschichte und Doktrin Kains. Das bedeutet nicht, dass es
bei den Zusammenkünften der Hohen Feiertagen keine Poli-
tik gibt, doch sie findet subtiler und brutaler statt, als bei der
Camarilla.
Palla Grande: Der größte und verehrteste der Hohen Feier-
tage, die Palla Grande, wird an All Hallows Eve, der Nacht
vor Allerheiligen, gefeiert. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem
die Geschichte Kains gefeiert wird und kleine Darbietungen
oder Historienspiele zu Parabeln aus dem Buch Nod dargebo-
ten werden. Es handelt sich um einen dunklen Maskenball
mit politischem Unterton, der normalerweise das jährliche
Ökumenische Konzil der Sekte beherbergt.
Festivo Dello Estinto: Das „Fest der Toten“ findet während
der gesamten zweiten Märzwoche statt. Das Ziel ist, seine
Existenz als Vampir zu feiern, das eigene vampirische Wesen
zu reizen und die Unsterblichkeit zu zelebrieren, indem man
dem Tod ins Gesicht lacht.
Walpurgisnacht: Diese Feier findet am 30. April statt und
exakt ein halbes Jahr nach der Palla Grande. In der Wal-
purgisnacht feiert die Sekte ihre Gründung und erzählt sich
Geschichten über Silchester und die Anarchenrevolte. Auf
dieser Feier werden zudem neue Kinder gewählt, vor das
Angesicht der Sekte gezerrt und erhalten auf öffentliche und
rituelle Weise den Kuss.
Die Opferfeier: Die Opferfeier wird traditionell im Feb-
ruar abgehalten und ist ein dunkler, doch gedankenvoller
Feiertag. Der Sabbat zelebriert seine Freiheit, erzählt sich
Geschichten von Opfern, die für die Sekte in den vergan-
genen Jahren gebracht wurden und gedenken jener, die im
Kampf für die Sache in den vergangenen Jahrhunderten das
Leben ließen.
Die Eide Kains: Das zentrale Thema dieses Hohen Feiertags
ist Kains Exil aus Eden nach seinem Mord an Abel. Er wird
im späten August gefeiert, zur Zeit der ersten Ernten und
wird häufig durch die Enthüllung dunkler Schönheit, elegan-
ten Fleischkunst-Meisterwerken oder andere künstlerischer
Darbietungen zu Kains Ehren begangen.
System: Vampire, die an Hohen Feiertagen teilnehmen,
erhalten ihre Willenskraft vollständig zurück. Sie erhalten
zudem einen zusätzlichen Willenskraftpunkt über ihr natür-
liches Maximum hinaus. Dieser zusätzliche Willenskraft-
punkt bleibt so lange, bis er ausgegeben wird oder ein Monat
vergangen ist (je nachdem was zuerst eintritt). Ein Charakter
kann nur einen zusätzlichen Willenskraftpunkt zur selben
Zeit haben.
Die Monomazie
Als einer der ersten Riten, der von der Sekte erdacht wurde,
ist die Monomazie essentiell für das Überleben des Sabbat.
Seine Einschränkungen haben sich immer wieder geändert,
wurden an die Bedürfnisse der Sekte angepasst oder an die
Vorgaben des Regenten, doch der Ritus des Kampfes bleibt
essentiell für die Einigkeit.
Herausforderung: Gegenüber der herausgeforderten
Partei und seinem Rudelpriester wird eine klare Herausfor-
BLUTRITEN
derung ausgesprochen. Nur Wahre Sabbatmitglieder (die
z. B. Erschaffungsriten durchlaufen haben) können heraus-
fordern oder herausgefordert werden. Wenn der Herausge-
forderte keinen Rudelführer hat oder keinem Rudel ange-
hört, befindet er sich signifikant im Nachteil und hat nur
drei Nächte Zeit, um einen geeigneten Beistand zu finden,
ansonsten erwählt der nächstgelegene Bischof oder Erzbi-
schof einen für ihn.
Den Vorsteher auswählen: Als nächstes wird ein Vorsteher
ausgewählt, der dem Disput vorsitzt. Der Vorsteher ist eine
vorgeblich neutrale Partei (was nicht zwangsläufig der Reali-
tät entsprechen muss, bedenkt man die Scheinheiligkeit des
Sabbat), die darüber entscheidet, ob der vorgetragene Anlass
schwer genug wiegt, um den Tod eines Mitglieds der Sekte zu
riskieren und ob tatsächlich alle anderen Maßnahmen zur
Beilegung gescheitert sind.
Wenn die Betroffenen demselben Rudel angehören, so ist
der Vorsteher ihr Rudelpriester. Wenn die Herausforderung
zwischen Rudeln ausgesprochen wird, so ist der Vorsteher der
dem Herausgeforderten am nächsten liegende Bischof (oder
Erzbischof, wenn der Herausgeforderte selbst ein Bischof
ist usw.). Der Priester eines dritten Rudels oder ein Priscus
können stattdessen als Vorsteher eingesetzt werden, wenn es
für beide Parteien in Ordnung ist. Wenn der geeignete Vor-
steher nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums der
Monomazie beiwohnen kann, darf er die Position ablehnen,
wodurch die Position unter denselben Bedingungen an den
am nächstbesten Geeigneten weitergetragen wird.
Sobald der Vorsteher festgestellt wurde, hat er einen
Monat Zeit, um über die Verhältnismäßigkeit der Monoma-
zie zu entscheiden. Es obliegt ihm, eine letzte Mediation zu
diesem Thema durchzuführen und es liegt innerhalb seiner
Befugnisse, festzustellen, dass eine Seite eindeutig schuldig
ist und stattdessen einen Ritus der Zerknirschung durchlau-
fen sollte. Wenn der Vorsteher die Verhältnismäßigkeit der
Herausforderung ablehnt, ist die Monomazie zu Ende.
Annahme: Wenn die Herausforderung angenommen
wird, kann die herausgeforderte Partei an dieser Stelle ableh-
nen. Wenn er sie annimmt, muss der Ritus innerhalb eines
Monats nach Annahme vollzogen werden.
Wenn der Herausgeforderte im Status deutlich über dem
Herausforderer liegt, kann er ohne Einbußen ablehnen.
„Deutlich mehr Status“ bedeutet 2 Punkte höher (oder
3 Punkte höher, wenn der Erzähler die optionalen Regeln
für Titel aus dem V20 Kompendium, Kapitel Eins nutzt).
Wenn er nicht über deutlich mehr Status verfügt, dann
bedeutet das Ablehnen der Herausforderung der Mono-
mazie einen permanenten Verlust von einem Punkt Status.
Eine Person, die eine Monomazie ablehnt und folglich Sta-
tus verliert, erleidet ebenso gesellschaftliche Konsequenzen.
Er könnte von seinen Vorgesetzten als Feigling gebrandmarkt
werden oder von der Hand oder der Inquisition für diese
Zurückhaltung durchleuchtet werden.
Bedingungen: Sobald die Herausforderung angenommen
wurde, müssen die Bedingungen der Monomazie festgelegt
43
 werden. Die Monomazie ist ein Kampf. Geschichten von
Monomazien, die durch kuschelige Spiele wie Schach oder
Rätsel gelöst wurden, sind zweifelhaft; diese sind wider des
wilden Rufs der Sekte und des vampirischen Wesens. Solche
Geschichten beziehen sich eher auf Ignoblis Duelle, anstatt
auf einen Ritus der Monomazie.
Die grundlegenden Bedingung für eine Monomazie ist
ein direkter Kampf, eins gegen eins, innerhalb eines klar
definierten 10 Meter großen Kreises. Die Monomazie soll
um Mitternacht der ersten Nacht des Neumondes nach der
Annahme der Herausforderung stattfinden, wobei der Ort
vom Herausforderer bestimmt wird. Der Herausgeforderte
und der Herausforderer stellen sich in diesem Kreis dem
Kampf und verwenden dabei zeremonielle Nahkampfwaf-
fen, deren Art der Herausgeforderte bestimmen darf und die
vom Vorsteher gestellt werden (der Herausgeforderte darf
stattdessen „unbewaffnet“ wählen). Jede Partei darf darüber
entscheiden, ob sie ohne die angebotenen Waffen kämpfen
möchte, so sie es wünscht, doch sie dürfen keine anderen
Waffen verwenden. Darüber hinaus dürfen die Kontrahen-
ten über keine aktivierten Kräfte verfügen, wenn die Mono-
mazie beginnt (mit Ausnahme passiver Kräfte, die nicht aus-
geschaltet werden können, wie z. B. Seelenstärke).
Grundsätzlich darf niemand vor oder während der Mono-
mazie (einschließlich der Wettbewerber, ihrer Rudel, anderer
Teilnehmer oder der Vorsteher selbst) eingreifen, unterstüt-
zen oder Kräfte auf die Streitenden wirken (weder hilfreich,
noch schädlich), was auch strengstens überwacht wird. Nach-
dem die Monomazie begonnen hat, dürfen der Herausgefor-
derte und der Herausforderer alle Kräfte nutzen, über die sie
44 Kapitel Zwei: Das Schwert Kains
verfügen, sei es auf sich oder ihren Gegner. Der Sieger steht
fest, wenn ein Vampir seinen Gegner innerhalb des Kreises
der Monomazie in Starre versetzt oder seinen Gegner voll-
ständig aus dem Kreis befördert. (Bedenken Sie, dass wäh-
rend der Monomazie sämtliche Vinculi von Herausforderer
und Herausgefordertem ihre vollständigen Effekte haben.)
Jede dieser Bedingungen kann durch Vereinbarungen der
beiden Parteien und dem Vorsteher verändert werden,
obwohl zu starke Veränderungen andere Sabbatmitglieder
am Ergebnis zweifeln lassen könnten. Der Sieger steht fest,
wenn ein Vampir seinen Gegner innerhalb des Kreises der
Monomazie in Starre versetzt oder seinen Gegner vollständig
aus dem Kreis befördert.
Änderungen: Wenn der Herausforderer, der Herausgefor-
derte und der Vorsteher darüber übereinstimmen, können
die grundlegenden Bedingungen der Monomazie verän-
dert werden. Wenn eine der Parteien der Änderung nicht
zustimmt, gelten die Grundregeln. Beispiele für vernünftige
Änderungen könnten einen Kampf Rudel gegen Rudel vor-
sehen, statt eins gegen eins; mehrere Waffen, die über das
Gebiet verteilt sind, anstatt nur eine Waffe pro Streiter;
besondere Ausschlüsse, wie z. B. keine Präsenz und keine Ver-
dunkelung; oder individuelle Bedingungen, wie „Es ist nur
Thaumaturgie erlaubt.“ Veränderungen auf größerer Ebene
könnten die Expansion des Kreises auf einen fünf Meilen-/
acht Kilometer-Radius darstellen, sodass die Monomazie zu
einer Prüfung des städtischen Aufstöberns und Überlebens
wird; oder ein Kampf im freien Fall nach einem Sturz aus
einem Helikopter und es verliert derjenige, der als erstes in
Starre fällt oder durch das Verändern seiner Gestalt „flüch-
tet“, ehe er auf den Boden trifft.
Abschließend kann der Vorsteher noch das rituelle Drum-
herum definieren, z. B. die Anzahl an Zeugen für den Ritus
oder das Verlegen der Herausforderung auf den kommenden
Monat aus spirituellen Gründen, solange die Parteien damit
einverstanden sind. In keinem Fall darf der Vorsteher die
Monomazie um mehr als einen Monat hinauszögern. Zudem
darf auch nur ein Vorsteher die Monomazie für nichtig und
ungültig erklären, was er während und nach der Monoma-
zie kundtun kann. Eine solch schockierende Verkündung
bedeutet normalerweise, dass jemand betrogen hat oder dass
es einen Eingriff von außen gab.
Ergebnis: Nachdem der Sieger festgestellt wurde, darf er
das Ergebnis bestimmen. Es gibt drei Mögliche Ergebnisse
einer Monomazie: der Tod (einschließlich der Diablerie
von einem Teilnehmer am anderen), die Verbannung aus
einem bestimmten Territorium, oder Verlust des Postens in
der Sekte (der auf normalem Wege innerhalb der Sekte neu
vergeben wird, nicht durch den Sieger bestimmt). Das Ein-
treten des Todes muss noch im Kreis durch die Hände und
Kräfte des Siegers selbst verursacht werden. Wenn ein Strei-
ter durch den Einsatz von Kräften oder durch andere Maß-
nahmen aus dem Kreis herausgedrängt wird, dann steht die
Option des Todes nicht zur Auswahl und der Sieger darf nur
über das Exil oder den Posten des Unterlegenen bestimmen.
Alle Besitztümer des hingerichteten Verlierers gehen an den
Sieger über. Wenn der Verlierer am Leben bleiben darf (sei
es durch das Ergebnis oder durch die Gnade des Siegers),
verliert er seinen Besitz nicht.
Die Vaulderie
Eine Vaulderie ist eine kleine Angelegenheit, keine Mons-
trosität aus fünfzig Personen. Individuelle Vaulderien
übersteigen die Zahl von zehn bis fünfzehn Teilnehmern
normalerweise nicht. Wenn die Sekte en masse zusammen-
kommt, werden normalerweise viele kleine Vaulderien
zelebriert: in Rudeln, innerhalb des Clans, von Fraktionen
oder unter Gruppen mit ähnlichem ethischen Verständnis.
Die Entscheidung, mit wem man auf solch einer Versamm-
lung zuerst eine Vaulderie vollzieht, ist durchaus politischer
Natur, genauso wen man meidet, und aufmerksame Vampire
erfahren sehr viel, nur durch den Fluss der Vaulderien über
eine Nacht.
Die Gotcha-Partie
Dieses mächtige Ritual verleiht zahlreichen Rudeln Kains
Segen für die Jagd auf einen bestimmten, namentlich benann-
ten Feind der Sekte, um seine Seele zu trinken und den Sab-
bat zu stärken. Wenn die Gotcha-Partie dem Feind nicht den
Tod bringt, erleiden alle Beteiligten große Schande. Wenn
sie Erfolg haben, dann beinhalten die Belohnungen Status
in der Sekte, Diablerie und den Ruf des Verrufenen. Einige
Sabbatmitglieder behaupten sogar, Fähigkeiten während der
Gotcha-Partie verbessert zu haben – keiner weiß weshalb,
BLUTRITEN
Eine Anmerkung
zu den Templern
Templer akzeptieren keine Herausforderungen oder
kämpfen anstatt eines ihrer Vasallen in einer Monoma-
zie. Von Anführern im Sabbat wird erwartet, dass sie
sowohl im Kampf, als auch auf religiösem Gebiet versiert
sind. „Versiert“ bedeutet aber nicht, dass jeder Anführer
im Sabbat ein Meister des körperlichen Kampfes sein
muss; ein Vampir kann auch seine Disziplinen raffiniert
einsetzen, um seine Feinde aus dem Kreis der Monoma-
zie zu drängen und muss so niemals seine Hand zu sei-
ner Verteidigung erheben. Zusammen mit dem Schutz
der Vinculi und der zeremoniellen Bürokratie, die Her-
ausforderer fernhält, kann sich ein nicht-kämpfender
Charakter lang genug in einer Machtposition halten,
um gewisse körperliche Kompetenzen zu erwerben, die
er für den Verbleib als Anführer in der Armee Kains
benötigt.
Einige Anführer nutzen ihre Templer als offensive
Waffe, wobei ein solcher Templer normalerweise einen
Vorwand arrangiert, um einen Feind seines Lehens her-
auszufordern und seinen Vasallen oder eine der Mario-
netten seines Lehens für plötzlich vakante Posten vor-
schlägt.
aber die Krieger des Schwertes Kains streiten nicht um die
Ergebnisse.
Der Effekt der Gotcha-Partie hält bis zum nächsten Son-
nenaufgang an. Sobald die Gotcha-Partie beschworen wurde,
können die Rudel nicht von ihrer Absicht ablassen, selbst
wenn sie ihr Ziel nicht finden können oder es keine Hoff-
nung auf einen Sieg gibt. In einem solchen Falle treiben sich
die Rudel sprichwörtlich selbst in den Tod, indem sie in
verzweifelten Versuchen an das Ziel zu kommen ihr Leben
wegwerfen oder probieren unmögliche Herausforderungen
zu meistern.
System: Zusätzlich zu den Beschreibungen in V20,
S. 508, erhalten alle Mitglieder der Gotcha-Partie drei freie
Bonus-Würfel, die sie für jede Handlung einsetzen können,
mit der sie aktiv das benannte Ziel verfolgen oder angreifen.
Wenn ein Würfel für einen Wurf verwendet wurde, ist er ver-
braucht und kann nicht wiedererlangt werden. Es kann mehr
als nur ein Würfel für eine einzelne Herausforderung genutzt
werden, doch der Bonus muss angesagt werden, bevor der
Würfelwurf stattfindet. Mit Fortschreiten der Nacht wird das
Tier in den Vampiren stärker und drängt sie in ihrer Ver-
zweiflung zu immer unbesonneneren Handlungen, um ihr
Ziel zu erreichen. Erzähler sollten ihre Spieler dazu ermuti-
gen, dies selbst darzustellen, wie ihre Handlungen zuneh-
mend leichtsinniger werden, wenn der Morgen graut. Ein
45

Priester kann die Gotcha-Partie nur auf eine Anzahl von
Vampiren sprechen, die dem dreifachen seiner Permanenten
Willenskraft entspricht.
Die Wilde Jagd
Wie auch die Gotcha-Partie verleiht dieser Ritus zahlrei-
chen Rudeln Kains Segen für die Jagd auf eine bestimmte,
namentlich benannte Person: in diesem Fall einen Verräter
an der Sekte. Dieser Ritus kann auf niemanden angewandt
werden, der kein Mitglied des Sabbat ist und kann nur gegen
jemanden verwendet werden, der die Sekte auf spürbare
Weise betrogen hat.
Aufgrund der Vorgaben des Ritus muss der beschwörende
Priester öffentlich die Verbote der Jagd aussprechen (eine
vollständige Liste aller Anschuldigungen gegen den Ange-
klagten) und einen Ort. Der Angeklagte hat drei Nächte, um
sich dem Kläger zu stellen und zu den Anschuldigungen Stel-
lung zu nehmen. Wenn die angeführten Gegenbeweise den
versammelten Ducti, die dem Schlagabtausch beiwohnen, als
ausreichend erscheinen, muss der Ankläger die Wilde Jagd
in einen angemessenen Akt der Buße umwandeln (oder auf
eine Strafe verzichten, wenn der Angeklagte unschuldig ist).
Wenn die Ducti die Gegenbeweise für nicht ausreichend hal-
ten, dann steht dem Angeklagten als letzte Option offen, den
Ankläger zur Monomazie herauszufordern. Wenn die Her-
ausforderung nicht ausgesprochen wird oder der Angeklagte
nicht innerhalb von drei Nächten auftaucht, um Stellung zu
nehmen, dann tritt das Ritual der Wilden Jagd in Kraft.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen „Falschem Sab-
batmitglied“ (was Wiedergutmachung bedeutet) und „Verrä-
ter“ (keine Wiedergutmachung). Ein Vampir, der beim Ritus
der Zerknirschung oder seinen Verpflichtungen versagt oder
sich in kleinerer Weise vergeht, könnte die Initiation verlie-
ren und die Erschaffungsriten könnten ihm für ein Jahr und
einen Tag versagt werden. (siehe S. 42). Ein Vampir, der das
Schwert Kains hintergeht, Geheimnisse der Sekte offenbart
(auch gegenüber Wiedergängern und Ghulen), dem Sabbat
entflieht, um einer anderen Sekte beizutreten, ist ein Ver-
räter und wird bis zur grausamen Vernichtung gejagt werden.
System: Zu dem, was in V20 auf den Seiten 510-511
beschrieben steht, erhält das Ziel in dem Augenblick, da das
Ritual der Wilden Jagd durchgeführt wurde (also am Ende
der dritten Nacht), eine magische, immer blutende Narbe
auf seinem Fleisch. Diese Narbe entsteht normalerweise
auf der Stirn, im Nacken oder auf einer Hand, also Partien,
wo ein Vampir bei den Erschaffungsriten gesalbt wurde.
Die stets blutende Markierung hat die Form des Siegels des
Sabbat und identifiziert den Träger deutlich als Verräter am
Schwert Kains. Der Vampir wird diese Wunde bis zu seinem
endgültigen Tod tragen oder bis er begnadigt wurde – ein
Akt, der nur vom Regenten durchgeführt werden kann. Er
verliert alle seine Punkte Status und Posten innerhalb der
Sekte, erhält keine Boni mehr durch Riten des Sabbat und
alle Vinculi an ihn brechen sofort – Vinculi, die er gegen-
über anderen hat, bleiben bestehen.
46 Kapitel Zwei: Das Schwert Kains
Die Ignoblis und
Ritae der Fraktionen
Die Ignoblis sind weniger strukturiert und eher persön-
licher, als die Auctoritas Ritae. Sie beruhen auch auf dem
Glauben, doch kann persönliche Loyalität religiösen Eifer
ersetzen, sodass ein eng zusammenstehendes Rudel Ignoblis
Ritae durchführen kann, selbst wenn ihr Glaube in Kain
nicht besonders firm ist. Die meisten Ignoblis Ritae werden
von Rudelpriestern entwickelt und dienen der Stärkung der
Loyalität im Rudel. (Für weitere Information über die Igno-
blis Ritae siehe V20, S. 511.)
Außerhalb des Rudels kann das Schwert Kains ein chaoti-
sches und unberechenbares Umfeld darstellen, in dem sich
rebellische Splittergruppen und politische Fraktionen erhe-
ben und fallen, wonach selten Spuren ihrer Existenz verblei-
ben. Andere wiederum haben dem Zahn der Zeit getrotzt.
Diese verfeindeten politischen Gruppierungen bestimmen
die Doktrin und die Mentalität der Sekte. Einzelne Personen
können über die Jahre die Fraktionen wechseln oder poli-
tische Allianzen umschmieden, wenn sich ihre persönliche
Überzeugung entwickelt oder ändert. Viele Ignoblis Ritae
sind diesen Fraktionen entsprungen.
In den heutigen Nächten sind die primären politischen
Tendenzen im Sabbat die Ultrakonservativen, die Orthodo-
xen, der Orden des Heiligen Blasius und die Loyalisten. Zwei
weitere Fraktionen, der Ausschuss der Pander und der Status
Quo, haben derzeit weniger politischen Einfluss. Darüber
hinaus gibt es einige Mitglieder, die sich schlichtweg nicht für
Politik interessieren. Vampire, die sich zu keiner der Fraktio-
nen bekennen, werden als „Moderate“ bezeichnet. Die meis-
ten Moderaten beziehen sich auf keinen bestimmten, einen-
den Grund, daher verfügen sie über keine Fraktions-Ritae.
Fraktions-Ritae werden nur von den Mitgliedern einer
bestimmten politischen Fraktion praktiziert. Wie auch bei
den anderen Ritae bauen diese Rituale stark auf den Glau-
ben, um ihre Magie anzutreiben. Vampire, die nicht aufrich-
tig an die Prinzipien der Fraktion glauben, können nicht
erfolgreich an den Ritualen der Fraktionen teilnehmen.
Wenn ein Vampir mit abweichendem Glauben an den Igno-
blis Ritae einer Fraktion teilnimmt, schlägt das Ritual fehl.
Dies macht es nahezu unmöglich, eine andere politische
Fraktion langfristig zu infiltrieren, denn früher oder später
muss der Spion an einem Fraktionsritus teilnehmen und
dann offenbart werden.
Rudel mit fraktionsübergreifenden Mitgliedern können
über Fraktionsriten mehrerer Fraktionen verfügen. Leider
muss, wie schon erwähnt, jeder der Teilnehmer an die Prinzi-
pien der politischen Gruppierung glauben, damit diese Ritu-
ale erfolgreich durchgeführt werden können. Solche Rudel
trennen sich häufig oder einen ihre politische Moral durch
Diskussionen und starke Vinculi. Ein Einzelner kann eine
politische Fraktion verlassen und einer anderen ­beitreten,
doch damit verliert er die Befähigung, Ritae der anderen
Fraktion zu wirken, der er zuvor angehörte.
Fraktionsritae können nur von Sabbatmitgliedern erwor-
ben werden, die bereits die Erschaffungsriten durchlaufen
haben, über mindestens drei Punkte im Hintergrund Ritual
verfügen (siehe V20, S. 115) und Mitglied der politischen
Fraktion sind, einschließlich des aufrichtigen Glaubens an
die politischen Ziele der Fraktion.
Es braucht mindestens drei Mitglieder einer politischen
Fraktion, um in Zusammenarbeit ein Fraktionsritual wirken
zu können, doch nur einer benötigt die Kenntnisse über
besagtes Ritual.
Wenn nicht anders angegeben, beeinflussen Fraktionsritu-
ale ausschließlich Mitglieder dieser bestimmten politischen
Fraktion.
Ultrakonservative
Mitglieder aus der Fraktion der Ultrakonservativen werden
häufig als langweilige, unflexible und archaische Vampire
angesehen, die niemals ganz von der Hierarchie der Abstam-
mung ablassen konnten. Da in den vergangenen Jahren
jedoch viele Gruppierungen ins Stolpern gerieten, konnten
die Ultrakonservativen zahlreiche Posten mit Autorität an
sich bringen und das Kommando zentralisieren, wodurch sie
die Truppen des Sabbat entscheidend koordinieren konnten.
Die Ultrakonservativen sind hervorragende Befehlshaber im
Kampf gegen die Vorsintflutlichen. Obwohl diese Fraktion
häufig die borniertesten Mitglieder des Sabbat beherbergt,
konnte sie beachtlichen Zulauf an neuen und militanten
Mitgliedern verzeichnen.
Ultrakonservative favorisieren starke Führungspersonen
und bestehen auf intensives Training, das sicherstellen soll,
dass jedes Mitglied der Sekte kriegstauglich ist. Ultrakonser-
vative möchten die Stärke des Sabbat durch strenge und effi-
ziente hierarchische Strukturen konsolidieren. Sie befürwor-
ten die Vaulderie unter allen Rudeln einer Diözese und sind
sich sicher, dass mit genug Blutsbanden das Amt des Ductus
überflüssig wird. Eines Tages wird der Sabbat eine geeinte
Nation sein, die das mittelalterliche Konzept von mobilen
„Rudeln“ hinter sich lassen kann.
Irads Wall
Irads Wall ist ein alter Ritus, der erst kürzlich von Livia Yorke
aus dem Clan der Tzimisce neu entdeckt wurde. Er wird von
den Ultrakonservativen eifersüchtig gehütet, um sicherzu-
stellen, dass ihre Pläne unbeobachtet bleiben. Um den Ritus
durchzuführen, müssen die Gesuchsteller ein Gebiet, das
nicht mehr als einen Raum von 100 Quadratmetern umfas-
sen darf, mit Weihrauch und Salz weihen.
System: Wenn dieser Ritus beschworen wird, heiligt er ein
Gebäude oder kleineres Gebiet für die Dauer einer Nacht,
wodurch Geister, Todesalben oder Astralformen diesen Ort
nicht mehr betreten können. Solche Wesen können versu-
chen, das geschützte Gebiet auszuspionieren, doch sie kön-
nen die Barriere von Irads Wall nicht durchbrechen. Wenn
BLUTRITEN
Die Inquisition und
die Schwarze Hand
Obwohl die Inquisition und die Schwarze Hand tech-
nisch gesehen Untergruppen der Sekte bilden, handelt
es sich dabei um exklusive Orden, deren Beitritt aus-
giebige Prüfungen vorausgehen. Sie werden nicht als
„politische“ Fraktionen eingestuft, da sie eher militante
Orden innerhalb der Sekte sind. (Weitere Informatio-
nen zur Inquisition finden sich auf S. 120-125.) Mitglie-
der der Inquisition oder der Schwarzen Hand können
diesen politischen Fraktionen nicht beitreten und keine
Fraktionsritae verwenden (obwohl sie still und heimlich
politischen Plänen zustimmen können), da von beiden
Orden erwartet wird, zumindest den Anschein politi-
scher Neutralität innerhalb der Sekte zu erwecken.
ein Körper, dessen Geist an einem anderen Ort ist, diese
Barriere durchschreitet, kehrt der Geist sofort in seinen
Körper zurück, wodurch Kräfte wie Besessenheit, Astrale
Projektion oder Seelenraub mit sofortiger Wirkung beendet
werden. Charaktere, die ihren Körper verlassen, während sie
im Inneren des durch Irads Wall geschützten Bereiches sind,
können das Areal nicht verlassen, ehe ihr Körper sich wieder
außerhalb der Barriere befindet. Das Ritual endet mit Son-
nenaufgang.
Lossagung
Die Lossagung ist ein feierliches, formelles Ritual, das jeden
vorherigen Glauben oder Doktrinen austreibt und einen Eid
vor Kain schwören lässt, um sich loyal zu den Ultrakonser-
vativen zu bekennen. Dieses Ritual kann (wie alle anderen
Fraktionsrituale) nur von einem Ultrakonservativen durch-
geführt, doch auch auf einen anderen zustimmenden Vampir
gewirkt werden. Einer Person, die sich diesem Ritus unter-
zieht, werden alle vorherigen Sünden wider die Kirche des
Dunklen Vaters vergeben und sie beginnt ein neues Leben
als Ultrakonservativer. Dieser Ritus sollte öffentlich durch-
geführt werden. Der Priester, der dieses Ritual durchführt,
muss nicht an die Aufrichtigkeit des Bittstellers glauben-
ältere Vampire der Sekte nutzen dieses Ritual seit langem,
um sich der Loyalität von Verbündeten zu versichern, die aus
den Rängen der Camarilla geflohen sind.
Um die Lossagung durchzuführen, muss der Vampir einen
formellen Eid der Zugehörigkeit zu den Ultrakonservativen
schwören. Danach pfählt der durchführende Priester den
Bittsteller in einem Akt offener Zurschaustellung von Ver-
trauen in den Priester (es ist egal, ob dies gegen den Willen
des Bittstellers geschieht, solange es gemacht wird). Wäh-
rend die Person erstarrt ist, rezitiert der Priester eine kurze
Predigt von Kain über dem regungslosen Körper. Mit dem
47
 ­ ntfernen des Pflocks, was die mythische Bewältigung des
E
Todes durch einen Vampir darstellt (ein symbolischer Kuss),
erhebt sich der Vampir und wird von Seinesgleichen in die
Fraktion aufgenommen.
Der Formelle Eid der Lossagung lautet wie folgt:

„ Ich, (Name), verspreche, die Sekte, ihre aufrechten

Geistlichen und ihre heiligen Ziele im Namen des Dunklen
Vaters zu ehren. Stabilität durch Disziplin. Einheit durch
Beständigkeit. Sieg durch Unerbittlichkeit. Ich werde mich als
würdig erweisen. Dies schwöre ich auf dem Altar Kains.
System: Ein Vampir, der dem Ritus der Lossagung unter-
zogen wurde, erhält einen permanenten Würfel für alle
Würfe auf Selbstbeherrschung oder Instinkt, solange er ein
Mitglied der Ultrakonservativen ist und etwas tut, das die
Ideale der Fraktion hochhält. Einem Priester, der den Ritus
der Lossagung beginnt, ihn aber nicht zu Ende bringt (z. B.
indem er den Bittsteller tötet, während er gepfählt ist), wird
ein Bruch des Ritus vorgeworfen, was von seinen Oberen
strengstens bestraft wird.

Orthodoxe
In jüngeren Jahren wurde das Schwert Kains von einer erneu-
ernden Welle religiösen Eifers erfasst. Diese Kainskinder
befürworten eine Rückkehr zur Hingabe an die Ritae und
die Erhebung der Position des Priesters in der Sekte (über
militantere Posten, wie den Ductus). Sie vertreten den Stand-
punkt, der Sabbat habe mit seiner Abkehr von den Ritae
den Dunklen Vater enttäuscht und sich zu sehr auf moderne
Technologien verlassen oder gar Häresie in die Reihen der
Sekte einziehen lassen.
Die Prioritäten der Fraktion sind spiritueller Natur und
bauen auf dem Ideal auf, dass die Führung des Sabbat nur
durch die frömmsten und gläubigsten Priester erfolgen
sollte. Mit der wachsenden öffentlichen Wahrnehmung der
Anhänger dieser geistigen Tendenz, wuchs auch der enorme
Zuspruch von Seiten der Mystiker, Spirituellen und Gelehr-
ten der Sekte, womit die Orthodoxe Fraktion geboren war.
Orthodoxe Sabbatmitglieder sprechen sich für einen häu-
figeren Nutzen der Ritae aus, mehr Autorität für Rudelpries-
ter und engere Definitionen von „Häresie“ – um dem Sabbat
die Forschung nach neuen und mächtigen Waffen und Blut-
magie für den tobenden Krieg zu erleichtern.

Atra Sacramentum
Die Sakramente der Römisch Katholischen Kirche gelten
als Bedingung für die Errettung der sterblichen Seele. Daher
sehen auch Orthodoxe Mitglieder der Kirche Kains das Atra
Sacramentum als integralen Bestandteil des Unlebens eines
Vampirs. Wenn das Atra Sacramentum gewirkt wird, müs-
sen alle beteiligten Vampire ein Stück ihres eigenen Fleisches
opfern, um es dem Dunklen Vater als Buße für die Sünden
ihrer Vorväter, den Vorsintflutlichen, darzubringen. Klassi-
scherweise wird der Ritus vor einem Altarfeuer abgehalten,
wo jeder Vampir einen Finger oder ein anderes kleines Stück

48 Kapitel Zwei: Das Schwert Kains

seines eigenen Fleisches hineinschneidet, während er ein
Gebet zu Kain spricht und ihn um seinen Segen bittet.
System: Der Vampir erleidet zwei Punkte nicht absorbier-
baren, schwer heilbaren Schaden, während er dieses Ritual
durchführt. Die Heilung dieser Wunden beendet alle Effekte
des Atra Sacramentum. Bis zum nächsten Sonnenuntergang
leidet ein Vampir, der am Atra Sacramentum teilgenommen
hat, nicht unter seiner Clansschwäche. Ein Vampir kann die
Vorzüge des Atra Sacramentum nur ein Mal pro Mondum-
lauf erhalten und der Bonus hält nur eine Nacht lang an.
Die Letzten Riten
Das Ritual der Letzten Riten wird normalerweise auf einen
Vampir gewirkt, der sich in eine Situation begibt, die er wohl
nicht überleben wird. Dieses Ritual kann nur von einem Mit-
glied der Orthodoxen des Sabbat durchgeführt, doch auch
auf einen Charakter gewirkt werden, zu dem der Anwender
ein Vinculum hat.
System: Um dieses Ritual durchzuführen, schmilzt das
Mitglied der Orthodoxen einen kleinen Brocken Silber in
einem Pfännchen, woraufhin das Ziel seine Finger in das
geschmolzene Metall drücken muss, was einen Punkt nicht
absorbierbaren, Tödlichen Schaden verursacht. Die Heilung
dieser Wunden beendet alle Effekte der Letzten Riten.
Wenn das Ziel dieses Rituals stirbt, erfährt der Anwender
sofort von dessen Tod. Solange der Tod nicht seine Diable-
rie beinhaltet, kann die Seele des Verstorbenen durch den
Beschwörer des Ritus „zurückgerufen“ werden, indem er sie
gewillt mit der seinen verschmilzt. Obwohl der Beschwörer
keine technischen Vorteile dadurch erhält, entspricht dieser
Akt in allen anderen Belangen einer Diablerie an seinem
Begleiter. In dem Moment, wo er die Seele „zurückfordert“,
erhält der Anwender eine Vision aus der Sicht des verstorbe-
nen Vampirs, sodass er die letzten Momente der Existenz des
Ziels erfährt. Der Effekt dieses Rituals hält bis zum nächsten
Sonnenaufgang an; wenn das Ziel erst am nächsten Morgen
nach dem Ritual stirbt, wenn die Sonne sich schon über dem
Horizont erhoben hat, erfährt der Anwender nichts.
Loyalisten
Die Loyalisten gehörten zu den ersten, die in der Neuen
Welt ankamen und verbrachten lange Zeit unter den Stäm-
men der amerikanischen Ureinwohner, wo sie ihre schama-
nischen Praktiken studierten. Diese Einflüsse prägten die
Loyalistenbewegung und viele ihrer Fraktionsriten. Selbst in
den modernen Zeiten neigen Loyalisten eher dazu, wie die
Stämme der Prärie als wie europäische Kolonisten zu den-
ken; viele unter ihnen sind Nomaden, schätzen die Freiheit
und den kleinen Stamm ihres Rudels. Selbst diejenigen, die
sich niederlassen, legen eher großen Wert auf die Verwal-
tung durch den Willen der Gemeinschaft, als auf eine fest-
stehende Hierarchie.
Die Loyalisten beharren darauf, dass das erste Fundament
der Sekte die Freiheit ist und nicht die Einheit. Sie sind rebel-
lisch und jung, doch im Gegensatz zu den Anarchen wollen
die Loyalisten nicht ihre Sekte stürzen. Sattdessen wollen sie,
BLUTRITEN
Die Kehrseite der Medaille
Für einige Clans, wie die Nosferatu oder die Sendboten
des Todes, ist das Atra Sacramentum ein bedeutender
Segen. Diese Vampire leiden unter dem Stigma und
den Qualen einer erschreckenden Erscheinung, die
nicht durch Blut und nicht einmal durch Fleischformen
geheilt werden kann. Und doch haben die Auswirkun-
gen des Atra Sacramentum ihre Grenzen. Clans mit
signifikanten physischen Veränderungen als Teil ihrer
Clansschwäche sehen diese Änderungen abgemildert,
d. h. Nosferatu sind nicht länger grässlich, Kiasyd gehen
als Menschen durch, doch sie verlieren auch die Boni,
die sie durch ihre Entstellungen haben könnten. Spiel-
mechaniken, die sich speziell auf diese physischen Merk-
male berufen, funktionieren nicht, solange das Ritual
wirkt.
dass diese Erfolg hat: durch die Freiheit und Unabhängigkeit
jedes Rudels. Obwohl sie sich manchmal nicht so verhalten
und Befehle ablehnen, einfach nur um ihren Standpunkt
klarzustellen, glauben die meisten Loyalisten aufrichtig an die
Sache der Sekte. Sie sprechen sich für eine sehr beschränkte
Hierarchie aus, wo der Regent die einzige Autorität über den
Ducti der Rudel darstellt. Sie akzeptieren, dass ein Regent
unter gewissen Umständen einen Ductus zum Anführer
mehrerer Rudel ernennen muss, um eine bestimmte Auf-
gabe zu erfüllen (z. B. die Verteidigung eines Territoriums
oder die Eroberung einer Domäne). Sobald diese Aufgabe
jedoch erledigt ist, muss der “Ductus Priori” wieder zurück-
treten und seiner temporären Autorität entsagen, womit die
Freiheit der Rudel wiederhergestellt wird.
Loyalisten hören häufig auf das Urteil und die Führung
der Prisci (von denen einige selbst Loyalisten sind, da es einer
der wenigen Posten ist, in denen man keine hierarchische
Autorität über andere ausübt), doch diesen Respekt müssen
sich die entsprechenden Prisci erst verdienen. In solchen Fäl-
len geht es dann nicht darum, dass der Loyalist die „Auto-
rität eines betitelten Postens akzeptiert“, sondern sich von
einem erfahreneren Mitglied der Sekte führen lässt, den er
als höhergestellten Vampir ansieht.
Die Reinheit Babels
Das Buch Genesis beschreibt die Geschichte einer mächti-
gen Stadt des Friedens und des Wohlstands, deren höchs-
tes Gebäude den Himmel berührte und deren Ruhm selbst
Gott Konkurrenz machte. Der Allmächtige schlug diese
Stadt nieder, so wie Enoch von der Sintflut zerstört wurde.
Daher sehen die Loyalisten auch in der absoluten Einheit
eine Form der Sklaverei und lehnen Konformismus ab. Die
Reinheit Babels wurde von einem Kiasyd erfunden, der nur
als „Balthazar“ bekannt war, um das Rudel zu stärken und
die Möglichkeit sicherer Kommunikation selbst auf großen
49
 Zusammenkünften zu gewährleisten. Die Tatsache, dass
öffentliche Gespräche unter diesem Ritus die umstehenden
frustrieren, die nichts verstehen, ist lediglich ein willkomme-
ner Bonus. Nur Mitglieder der Loyalisten können an diesem
Ritus teilnehmen.
System: Für den Rest der Nacht können alle, die an einem
bestimmten Ritus der Reinheit Babels teilgenommen haben
(bis zu zehn Loyalisten) wählen, ob sie sich auf eine Art und
Weise verständigen, die für alle Umstehenden unverständ-
lich ist. Diese Vampire erhalten die Fähigkeit, sich sprich-
wörtlich auf einer anderen Sprache zu unterhalten, einer
Sprache, die durch nichts entschlüsselt werden kann. Die
Kommunikation muss darüber hinaus nicht einmal verbal
stattfinden. Die Teilnehmer an diesem Ritual können sich
gegenseitig mit Signalen verständigen, solange sie sich sehen,
hören, berühren oder auf andere Weise klar sensorisch wahr-
nehmen können, selbst über Videokameras, Mobiltelefone
oder andere elektronischen Hilfsmittel, und diejenigen, die
nicht Teil des Rituals waren, können die Bedeutung dieser
Zeichen nicht einmal erahnen.
Vampire, die an einem anderen Ritus der Reinheit Babels
teilgenommen haben, können die Kommunikation zwi-
schen der Gruppierung eines anderen Rituals ebenfalls nicht
entschlüsseln. Die Gespräche sind genau so offensichtlich,
wie alle anderen Gespräche auch, nur ihre Bedeutung bleibt
verschleiert.
Die Anrufung der vier Winde
Dieses Ritual geht zurück auf die schamanistischen Prakti-
ken der amerikanischen Ureinwohner, die vom Sabbat mit
dem Eintreffen der Sekte in der Neuen Welt übernommen
wurden. Die Loyalisten hatten die engsten Beziehungen zu
den Ureinwohnern der amerikanischen Kontinente, von
den Stämmen des Nordens, bis zu den großen Städten Süd-
amerikas und die Rituale und Philosophien, die sie von den
schamanistischen Praktiken erlernten, prägen die Loyalisten
bis heute.
Die Anrufung der vier Winde ist ein Weg, um die Geister
der vier Winde (normalerweise Osten, Süden, Westen und
dann Norden) als Hauptgeister anzurufen. Indem sie dies
tun, verbinden sich die Anwender wieder mit den Elemen-
ten, der ursprünglichen Natur der Welt, und bitten darum,
sich für eine kurze Zeit in den Zyklus der lebendigen Welt
einfühlen zu dürfen. Dieses Ritual wird häufig mit Tänzen,
Trommeln und ekstatischen Praktiken verbunden.
System: Es braucht mindestens vier Teilnehmer für dieses
Ritual, einer für jedes Viertel des Kreises, der seinen eigenen
Wind anruft. Die Teilnehmer erhalten Boni entsprechend
der Windrichtung, die sie während der Durchführung des
Rituals beschworen haben. Bei mehr als vier Teilnehmern,
können die zusätzlichen Personen entscheiden, welche
der vier Himmelsrichtungen sie unterstützen und welchen
Bonus sie erhalten wollen. Der Effekt dieses Rituals hält bis
zum nächsten Sonnenaufgang an.
50 Kapitel Zwei: Das Schwert Kains
Osten: Der Wind der Geschwindigkeit und der geistigen
Schnelligkeit. Der Anwender erhält +1 auf seinen Initiative-
wert.
Süden: Der Wind der Leidenschaft, der Emotion und des
Atems. Der Teilnehmer erhält +1 auf seine Aura der Mensch-
lichkeit, wenn er mit Sterblichen interagiert (oder verliert alle
Mali in der Interaktion mit Sterblichen, wenn er auf einem
Pfad der Erleuchtung wandelt).
Westen: Der Wind der Weisheit und des Wissens. Der Teil-
nehmer erhält +1 auf eine beliebige, nicht kampfrelevante
Eigenschaft, die er bei der Durchführung des Rituals aus-
wählt.
Norden: Der Wind der Berge und der physischen Bestän-
digkeit. Der Teilnehmer erhält ein zusätzliches Verwun-
dungskästchen.
Der Orden des
Heiligen Blasius
Durch die vorsichtige Manipulation von Ressourcen hat sich
der Orden des Heiligen Blasius der Aufgabe angenommen,
Städte des Sabbat auf Arten zu schützen, die von den meis-
ten traditionellen Mitgliedern des Sabbat abgelehnt würden.
Es handelt sich um mächtige Gefallenhändler mit großem
Einfluss auf die sterbliche Welt. Im Allgemeinen verachten
Mitglieder des Sabbat Menschlichkeit und das menschliche
Leben. Dies führt zu Spannungen zwischen dem Orden des
Heiligen Blasius und anderen Fraktionen, da das oberste Ziel
des Ordens die Mitglieder normalerweise dazu zwingt, ihre
Menschlichkeit beizubehalten und weit mehr mit Sterbli-
chen zu interagieren, als es für Vampire des Sabbat üblich ist.
Dennoch ist der Beitrag des Ordens zum Schwert Kains
beispiellos und war zweifelsfrei sehr nützlich. In den heuti-
gen Nächten von Kameras in Mobiltelefonen und sterbli-
cher Überwachung ist der Orden des Heiligen Blasius für
das Überleben der Sekte unbestritten essentiell. Obwohl sie
nützlich sind und auch eingesetzt werden, blicken weiterhin
viele im Sabbat auf die Mitglieder des Orden des Heiligen
Blasius herab und werfen ihnen vor, dass sie als Fraktion
etwas zu leichtfertig „mit ihrem Essen spielen“.
Die Augen des Märtyrers
Die Mitglieder des Ordens des Heiligen Blasius nutzen die-
ses Ritual als Frühwarnsystem, das ihnen auf Reichweite
beschränkte Informationen liefert, wenn Dinge aus dem
Ruder laufen. Das Ritual wurde von Pyotr Stanislav entwi-
ckelt und mit seiner Armee geghulter Tiere eingesetzt.
System: Wenn jemand, der das Blut des Vampirs in sich
trägt (ein Ghul oder jemand mit einem hohen Vinculum)
sich wirklich fürchtet oder nachweislich in Gefahr ist, erhält
der Vampir einen kurzen Einblick darauf. Dieser Einblick
beinhaltet nur ein Gefühl dessen, wer in Gefahr ist und
einen groben Eindruck darüber weshalb (z. B. wird angegrif-
fen, fällt von einem Gebäude, wird von der Polizei verfolgt
oder hat einen Werwolf gesehen).
 Dieses Ritual muss nur einmalig gewirkt werden. Danach
bleiben die Auswirkungen des Rituals permanent, solange
das Ziel über ein Band über das Blut (wie ein Vinculum oder
das von einem Ghul aufgenommen Blut) zum Anwender ver-
fügt. Wenn dieses Band zerstört wird, muss das Ritual neu
beschworen werden.
Der Segen des Heiligen Blasius
Indem der Heilige Blasius in seiner Verehrung als Schutz-
patron gegen Halsbeschwerden angerufen wird, nutzt der
Orden diesen Ritus, um sich gegen alle Leiden zu schützen,
die durch den Hals eintreten. Der Priester beginnt mit der
Weihung zweier Kerzen und drückt sie überkreuzt in den
Nacken des Empfängers des Segens. Der Priester rezitiert
dann den Segen: „Durch die Anrufung des Heiligen Blasius,
Bischof und Märtyrer des Schwertes, möge Kain Dich von
Deinen Leiden erlösen.“ Der Empfänger des Segens wird
damit von allen schädlichen Auswirkungen geheilt, unter
denen er nach der Aufnahme schädlicher Substanzen leiden
könnte und er erhält zudem einen gewissen Schutz gegen
schädliche Substanzen, die er in den kommenden sieben
Tagen aufnimmt.
System: Wenn das Ziel unter den Einflüssen von Giften,
Drogen oder anderen eingenommenen Substanzen leidet,
enden die Auswirkungen dieser Substanzen sofort. Dies
schließt alles ein, was vergiftet, erkrankt, chemisch beein-
flusst oder modifiziert wurde, solange es durch den Hals auf-
genommen wurde.
Darüber hinaus schützt der Ritus einzig vor der nächsten
Aufnahme verdorbener Substanzen innerhalb der kommen-
den sieben Tage. Dies befreit einen Vampir nicht von der
Schwäche Krankheitsüberträger (die Krankheit wirkt latent
im Kainiten weiter), doch könnte das Ritual jemanden hei-
len, der das Blut eines Wesens getrunken hat, das selbst über
diese Schwäche verfügt. Der Ritus hat keine Auswirkungen
auf Blutsbande oder die Effekte der Vaulderie.
Pander
Nach dem Bürgerkrieg des Sabbat versammelten sich die
Clanlosen vereint hinter einem Vampir namens Joseph Pan-
der. Diese Clanlosen verlangten Respekt für ihren Beitrag
und ihren Anteil am Ruhm. Mit dem Argument, dass ein
Clan nichts zum wahren Potenzial eines Vampir aussage,
kämpften sie gegen den festgesetzten Glauben und die Vor-
urteile archaischer Vampire. Am Ende überwanden sie viele
der Vorurteile und die Bigotterie innerhalb der Sekte und
verdienten sich einen eigenen Platz als Clan.
In den heutigen Nächten empfinden viele Pander ihre
Bedeutung im Sabbat als selbstverständlich. Sie konzentrie-
ren sich mehr auf andere Themen und greifen nach persönli-
cher Macht, wo auch immer sich die Gelegenheit bietet. Die
Fraktion hat heute den Ruf des Söldners, der gewillt jede
Sache unterstützt, die ihr persönlichen Profit einbringt.
BLUTRITEN
Einer meines Stammes
Von Joseph Pander selbst erdacht, bezieht sich die Zeremonie
der Namensgebung auf die Initiation und die Mannesriten
der amerikanischen Ureinwohner. Das Ritual nimmt einen
Caitiff (oder ein Mitglied eines beliebigen Clans) offiziell bei
den Pandern auf. Indem die Person eine volle Nacht tan-
zend, trommelnd und in einem Blutgelage mit anderen Pan-
dern verbringt, erbittet und erfährt sie die Wiedergeburt. Sie
erhält einen neuen Namen und verliert alle Blutsbande an
ihren alten Clan, ihre Abstammung und ihren Vorsintflutli-
chen, wodurch sie zu einem Mitglied des Clans Pander wird.
System: Indem das Ziel eine volle Nacht mit rituellen Akti-
vitäten zusammen mit anderen Mitgliedern der Fraktion
verbringt, kann es – so es das möchte – die Bande seiner
Abstammung ablegen und zum Pander „werden“. Obwohl
das Charakterblatt weiterhin den ursprünglichen Clan dar-
stellt, werden alle metaphysischen Verbindungen zu Erzeuger
und Blutlinie getrennt. Malkavianer werden aus dem Netz-
werk des Wahnsinns ausgeschlossen und viele Kräfte, die
über die Bande der Blutlinie funktionieren, können das Ziel
nicht mehr treffen.
Der Status Quo
Der Status Quo unterstützt die Hierarchie sowie den Mailän-
der Kodex und sucht Kompromisse zwischen den anderen
Fraktionen, um sicherzustellen, dass an den Doktrinen und
Praktiken des Sabbat so wenig wie möglich geändert wird.
Viele Mitglieder dieser Fraktion sind ältere Vampire, statisch
und unwillig, neues zu lernen oder ihre Gewohnheiten zu
ändern. Sie unterstützen häufig dass bestehende Regime
statt der Erhebung und die Unsicherheit einer neuen Per-
son, weshalb sie lieber am Bekannten (mit Makel) festhalten,
als sich einer Form des Wandels zu ergeben.
Lorbeeren der Übereinstimmung
Die Mitglieder des Status Quo mögen keine Veränderungen
und arbeiten daran, dass die Sekte in einem Zustand bestän-
diger Stasis verbleibt. Dies erreichen sie, indem sie Konsens
schaffen und andere dazu ermutigen, einen Kompromiss zu
finden, anstatt den Fortschritt in irgendeiner Richtung zu
suchen.
System: Während dieses Ritus’ verzaubern Mitglieder
des Status Quo Lorbeersprösslinge, die sie für den Rest der
Nacht bei sich tragen müssen. Wenn ein Einzelner sein mate-
rielles Zeichen verliert, endet die Auswirkung des Ritus für
diesen Vampir sofort. Dieses Ritual kann auch auf Sterbliche
gewirkt werden, die ein Blutsband zum Vampir des Status
Quo haben (Ghule oder Wiedergänger).
Für den Rest der Nacht erhalten alle Teilnehmer am Ritual
+2 auf jeden Würfelvorrat für Mediationen, das Erarbeiten
von Kompromissen, Versuche jemanden aus der Raserei zu
besänftigen oder aggressive Situationen zu entschärfen. Die-
ser Bonus gilt nicht für Würfe in Verbindung mit übernatür-
lichen Disziplinen.
51
 Kapitel Drei:
Die Bewegung
Untergrabe ihre selbstgefällige Autorität, lehne ihre moralischen Standards ab,
mache Anarchie und Aufruhr zu Deinen Markenzeichen.

Sorge für so viel Chaos und Störung wie möglich, doch lass niemals zu, dass sie Dich lebend kriegen.

— Sid Vicious

Im Gegensatz zu den starren Tremere oder den vielseitigen,
aber autokratischen Ritualisten des Sabbat, mag die Anar-
chen-Bewegung als ein zu chaotisches Umfeld für das Aufge-
hen der Saat der Blutmagie erscheinen. Doch Blutmagie passt
sich an und entwickelt sich, um am Ende doch einen Weg
zum Gedeihen zu finden. Für die Thaumaturgen der Anar-
chen liegt der Weg weder in der Konformität, noch in der
leidenschaftlichen Besessenheit. Stattdessen stammt er vom
Eklektizismus, dem einem Anarchen angeborenen Willen,
etwas ständig wieder zu versuchen, solange es auch nur die
kleinste Aussicht auf Erfolg hat.
Vier Wellen
Es gibt kein organisiertes Organ für okkultes Wissen der
Anarchen. Es gibt auch keine Akademien oder Gildenhäuser.
Es gibt auch keinen zentralen Aufbewahrungsort für Wissen.
Wie bei vielen Systemen des esoterischen Denkens, beinhaltet
die Blutmagie der Anarchen die Suche nach zurückgezogen
lebenden Tutoren, die ihr Wissen häufig nur ungern teilen
oder aber dem Auffinden obskurer Bücher, bei denen die
Chance auf Verdammnis ebenso hoch ist, wie auf Erleuch-
tung. Entsprechend gibt es sehr wenig in der Art einer kohä-
renten Philosophie, auf die sich die Blutmagie der Anarchen
stützen könnte. So weit, so gut, dennoch hat sich eine infor-
melle Ausdrucksweise entwickelt, die Okkultisten der Anar-
chen immerhin das Verständnis untereinander ermöglicht,
selbst wenn sie nur dazu dient, dass leichter Streitereien aus-
brechen. Anarchenhexer und -thaumaturgen teilen sich selbst in
vier irgendwie irrelevant benannte Schulen des okkulten Den-
kens auf: „Old Skool“, „New Age“, „Punk“ und „Hacktivisten“.
Old Skool – Die gute
alte Hexerei
Blutmagie jeglicher Art war während der gesamten Dauer der
Bewegung unter den Anarchen unheimlich selten. In den
frühen Nächten der Revolte haben eine Handvoll Tzimisce
und Assamiten-Anarchen einigen Mitrevolutionären ein paar
Aspekte ihrer geerbten Künste vermittelt. Sowohl die Kol-
dunische Hexerei, als auch die Assamiten-Hexerei besaßen
religiöse Komponenten, weshalb ihre Anwender ihr Wissen
nur widerwillig mit Ungläubigen teilten (und christliche Vam-
pire aus Zeiten vor der Aufklärung wollten sie vor allem auch
gar nicht lernen). Einige sehr wenige Anarchen anderer Clans
hatten ein bisschen Blutmagie von ihren eigenen Erzeugern
gelernt, uralte Ahnen, die bei ihren okkulten Studien diese
Künste vor der Geburt des Clan Tremere gelernt hatten und
die dann unklugerweise ihr Wissen an ihre Kinder weiterga-
ben, die es gegen sie einsetzten.
Nach Thorns nahmen die verbliebenen Koldunen ihr Wis-
sen mit zum Sabbat (wenn sie der Gesellschaft der Kainskin-
der nicht ganz entflohen), viele Hexer der Assamiten kehrten
zu ihrem eigenen, unabhängigen Clan zurück und der Clan
der Tremere initiierte eine heimliche Verfolgung jedes Anar-
chen, der Wissen über etwas besaß, das nur ansatzweise der
53

BLUTRITEN 53
 Thaumaturgie nahekam. Trotz allem konnte eine Handvoll
okkulter Gelehrter unter den Anarchen der Vernichtung ent-
gehen, sich vor den Tremere verstecken und ihr okkultes Wis-
sen verheimlichen, um es in jener Nacht einzusetzen, da die
Feuer der Anarchenrevolte wieder neu entfacht würden.
Im Laufe der Zeit verlagerte sich die Anarchen-Bewegung
größtenteils in die Neue Welt, um der Kontrolle der Ahnen
der Camarilla zu entgehen. Dort hatten Mystiker unter den
Anarchen, die noch immer „die alten Wege“ praktizierten,
mehr Freiheiten, um ihre Kunst weiterzugeben. Viel wich-
tiger war jedoch, dass Anarchen, die sich für das Erlernen
okkulten Wissens interessierten, unter den amerikanischen
Ureinwohnern, den im Zuge des Sklavenhandels gewaltsam
nach Amerika umgesiedelten Stämmen aus Afrika und den
indigenen Völkern aus der ganzen Welt, ganz neue Möglich-
keiten vorfanden. Nach Jahrzehnten des mühevollen Sam-
melns von Wissen aus diesen Quellen, waren die Okkultis-
ten der Anarchen in der Lage, anwendbare Äquivalente für
thaumaturgische und nekromantische Pfade zusammenzu-
setzen. Der moderne Name dieser Schule, „Old Skool“, war
ursprünglich eine Beleidigung, die von Punk-Tremere in den
1970ern stammt, doch die ehrwürdigen Okkultisten übernah-
men sie als ironisches Markenzeichen ihrer multikulturellen
Abstammung. Und diese Abstammung ist echt, es gibt viele
Old Skool-Hexer, die ein umfassendes Wissen über spirituelle
Magie besitzen, das sogar das des Clan der Tremere übersteigt,
dessen Potenzial größtenteils ignoriert wird, da diese Prakti-
ken zu gerne als „primitiv“ abgeschrieben werden.
Was Old Skool von den anderen unterscheidet, ist ein
Hauch von Verehrung, die dem Mainstream-Okkultismus der
Kainskinder oft fehlt (sowohl bei den Anarchen, als auch bei
einem Großteil der Gesellschaft der Kainskinder). Die Anar-
54 Kapitel Drei: Die Bewegung
chen, die sich unter dieser Patronage versammeln, praktizie-
ren eine Vielfalt von Techniken, die von heidnischem Wikka,
über Voudoun, bis zum Schamanismus der amerikanischen
Ureinwohner reicht, doch in jedem Fall behandeln die Anar-
chen diese Magie nicht als Weg zur Macht (oder nicht nur als
Weg zur Macht), sondern als gewählten Lebenswandel, der
einer höheren Macht – Göttern, Loa, Orishas, Totems oder
sonst etwas – mit Respekt begegnet. Entsprechend führen Old
Skooler ihre magischen Rituale mit einer ähnlichen Intensität
durch, wie ein Priester des Sabbat einen Ritus. Denn wie auch
dieser Priester ist der Anarch nicht einfach ein Okkultist, son-
dern ein Gläubiger und bei allen Gläubigen ist Inbrunst die
ultimative Quelle der Macht.
Beinahe jeder Clan kann der Old Skool-Bewegung ange-
hören, vom ergrauten Ahn der Malkavianer, der einst Pries-
ter des Apollon war, über einen Voodoo-Priester, der seinen
Kuss vor dem Bürgerkrieg auf einer Plantage in Louisiana von
einem Abolitionisten-Toreador erhalten hat, oder ein Medi-
zinmann der Lakota, der von einem wandernden Brujah in
die Nacht eingeführt wurde, bis zu einem Asatru, der einem
Ravnos beim Headbangen zu skandinavischem Blackmetal
aufgefallen ist. Doch leider ist Vielfalt nicht immer Stärke und
es kommt häufig zu Spannungen innerhalb der Schule zwi-
schen traditionellen Heiden aller Stämme und ihrer neo-heid-
nischen Erben, besonders wenn der traditionelle Heide selbst
alt genug ist, um ein Priester oder Schamane einer vor-christ-
lichen Kultur gewesen zu sein und in modernen „gut geschätz-
ten“ Neuinszenierungen beinahe ausgestorbener Praktiken
eine Beleidigung sieht.
Die von Old Skoolern gepflegten Pfade sind normalerweise
jene, die im Rahmen nicht-christlicher Religionen oder christ-
licher Ableger (wie Voudoun) interpretiert werden können.
Häufig war der Anarch schon ein Anhänger der entsprechen-
den Gruppe oder magischen Tradition eines Volkes, ehe er
den Kuss empfing und hat seinen Glauben einfach an sein
Unleben angepasst, zusammen mit der neuen Macht seiner
Vitae. Genauso häufig findet der Anarch aber auch post mor-
tem zur Religion, in Form eines Anarchenkultes.
Häufige Pfade: Elementarherrschaft (V20, S. 207-208), der
Grüne Pfad (V20, S. 208-210), Pfad des Mars (V20, S. 216-
217), Wetterkontrolle (V20, S. 221-222), Pfad des bösen Blicks
(S. 160-162), Geistermanipulation (S. 139-140) und Voudoun
Nekromantie (Wanga, S. 165-166).
New Age-Blutmagie
Sterbliche assoziieren mit „New Age“ häufig trendige Pseu-
do-Religionen aus Kalifornien und Bilder aus dem Musical
„Hair“, doch die Bezeichnung ist sowohl breiter gefasst, als
auch deutlich differenzierter, wenn sie auf die Theorien
der Blutmagie der Anarchen angewandt wird. Im weiteren
Sinne, da die Praktiken des New Age beinahe jedes System
der Selbsterfahrung und -entwicklung beinhalten können.
Historisch gesehen wird New Age allerdings am besten als
Synthese östlicher und westlicher Spiritualität beschrieben,
die mit Elementen der Parapsychologie und der Populärwis-
senschaft angereichert werden. Sterbliche Gelehrte innerhalb
der New Age-Bewegung behaupten, ihre Geschichte gehe
zurück bis zu den frühen Hermetikern, wie Paracelsus (eine
Behauptung, die den Spott der Tremere auf sich zieht, beson-
ders von jenen, die alt genug sind, um ihm begegnet zu sein).
In jüngeren Jahren haben sie sich eher mit den Okkultisten
der Viktorianischen Zeit in Verbindung gebracht, z. B. Helena
Blavatasky (die Gründerin der Theosophischen Gesellschaft),
George Gurdjieff (Begründer der Philosophie der Selbstver-
wirklichung Vierter Weg) und Swami Vivekananda (der die
Schule des Vedanta des Hinduismus westlichen Okkultisten
näher brachte).
Ungeachtet ihrer Vorfahren konnte die New Age Bewe-
gung bis in die 1970er Jahre nicht richtig Fahrt aufnehmen,
bis dann die Vereinigten Staaten von einer plötzlichen Mode-
erscheinung ergriffen wurde, die scheinbar unzusammenhän-
gende alternative Formen der Spiritualität aufkommen ließ,
von Meditation, über ganzheitliche Gesundheit, der Glaube
an psychische Phänomene, Wiederauferstehung bis hin zu
UFOs, was in den Medien alles als „New Age-Glaube“ betitelt
wurde. Durch einen glücklichen Zufall war das Epizentrum
dieser Explosion von New Age-Denken die amerikanische
Westküste und damit gleichzeitig eines der größten Gebiete
der Anarchen. Selbstverständlich erkundeten Okkultismus-in-
teressierte Anarchen die New Age-Bewegung und infiltrierten
sie. Das Ergebnis war eine kuriose Mischung aus Ancillae, die
in New Age-Gruppen eintraten, dabei häufig nur nach Blut-
püppchen Ausschau hielten und Neugeborene sowie Küken,
die selbst Mitglieder dieser Gruppen waren, als sie den Kuss
empfingen. Viele stellten bald fest, dass ungeachtet des spiritu-
ellen Werts, den eine New Age-Philosophie allgemein haben
konnte, mit etwas Vitae die Praktiken am Ende sogar tatsäch-
lich zu funktionieren schienen.
BLUTRITEN
Seit diesen Anfängen hat sich New Age-Blutmagie inzwi-
schen in allen Anarchenenklaven weltweit verbreitet. Da sie
zweifelsfrei sehr schrullig daherkommt (selbst in Maßstäben
okkulter, vampirischer Philosophien), zieht die New Age-Be-
wegung natürlich Malkavianer an wie die Fliegen, ebenso wie
eine ordentliche Anzahl Toreador-Angeber, die glauben, dass
ein Unleben als New Age-Guru ihnen Würde verleihe. Doch
die Schule zieht auch überraschend viele Brujah und Gang-
rel an, da sie durch Meditation und Entspannungstechniken
positiv auf Kainskinder wirkt, die unter einem erhöhten
Risiko der Raserei leben.
Die Pfade von New Age-Anhängern stehen normalerweise
in Verbindung mit Pfaden, die psychische Phänomene her-
vorrufen oder sie stützen sich auf das (normalerweise ver-
quere) Neo-Heidentum der Bewegung. Unter den ernsthaften
Anwendern sind die beiden Gruppen der Anarchen, die New
Age-Blutmagie auf der Suche nach okkultem Wissen aufta-
ten und jene, die bereits Teil einer solchen New Age-Gruppe
waren, als ihnen der Kuss aufgezwungen wurde, ungefähr
gleich groß.
Häufige Pfade: Der Grüne Pfad (V20, S. 208-210), Lock-
ruf der Flammen (V20, S. 211), Bewegung durch den Geist
(V20, S. 213), Pfad des Blutes (V20, S. 206-207), Pfad der Ver-
führung (V20, S. 214-216), Pfad des fokussierten Verstandes
(S. 139-140) und Pfad der Teleportation (Praapti oder Merkur,
S. 165).
Punk-Hexerei
Unter allen Schulen der Blutmagie der Anarchen ist die
Punk-Magie die am wenigsten organisierte, die am wenigsten
verstandene, die am wenigsten wiederholbare und die am
wenigsten gemochte- und genau so mögen sie ihre Anhänger.
Unter Sterblichen entstand Punk (zunächst ein musikalisches
Genre und später eine gesamte Subkultur) als eine Art extre-
mer Selbstdarstellung und Anti-Establishment-Extremismus
in Europa und den USA in den 70ern und 80ern. Während
die gesellschaftspolitischen Faktoren, die zur Geburt des Punk
führten, komplex sind, war die treibende Kraft dahinter ein
allgemeines Gefühl des Nihilismus unter vielen jungen Men-
schen jener Zeit, wohl eine angebrachte Erwiderung für eine
Ära, in der das nukleare Armageddon beinahe in Sichtweite zu
liegen schien. Genauer gesagt war die Punk-Kultur eine Reak-
tion auf den Anfang der Reagan- und Thatcher-Regierungen,
die beide von Punks als sehr streitsüchtig, wirtschaftsfreund-
lich, hurrapatriotisch und zerstörerisch empfunden wurden.
Zur selben Zeit da der Punk versuchte, die Gesellschaft nie-
derzuwerfen und sie mit einer vorsichtig vorbereiteten Anar-
chie zu ersetzen, geschah etwas ähnliches in der magischen
Theorie und der magischen Gesellschaft: die Chaos-Magie
kam auf. Bei der Chaos-Magie versucht der Zaubernde (oder
„Chaot“) die Realität nicht durch die Wiederholung eines
alten, eingestaubten Rituals oder die Anrufung einer unper-
sönlichen Gottheit zu verändern, sondern durch die Verände-
rung seines eigenen Bewusstseinszustandes. Chaos-Magie ist
ein synkretisches System, das pragmatisch das beliebige Glau-
benssystem zu Grunde legt, das für den Chaoten in diesem
Moment relevant zu sein scheint und führt so zur Entstehung
55
 von neuen und höchst unorthodoxen Techniken. Die grund-
legende Voraussetzung für Chaos-Magie ist, dass der Glaube
eine aktive magische Kraft ist und dass das, woran man glaubt,
weniger wichtig ist, als die Intensität des Glaubens. Mit ande-
ren Worten sollte der Chaot über einen „flexiblen Glauben“
verfügen, ebenso wie die Bereitschaft seinen Glauben bewusst
so zu wählen, dass er die thematisch passendsten Ausprägun-
gen für die Situation herausfindet und sie aber auch wieder
ablegt, wenn er sie nicht mehr braucht.
Chaoten legen zudem sehr großen Wert auf das Erreichen
eines veränderten Bewusstseinszustands als Grundlage, um
überhaupt Magie wirken zu können. Einige Magier erreichen
dies durch „hemmende Gnosis“ über Meditation, Selbst-
hypnose, Fasten, Schlafentzug, sensorischen Entzug und die
Einnahme hypnotischer Drogen. Andere sterbliche Chaoten
praktizieren die „erregende Gnosis“, einen Zustand der tran-
szendenten Geistlosigkeit durch sexuelle Höhepunkte, Fla-
gellation, sensorische Überladung oder Halluzinogene. Ein
weiteres, bei Chaoten verbreitetes, Element der Magie, ist der
Einsatz von Sigilen, personalisierte und abstrakte Entwürfe,
die als Fokus für den Willen des Erschaffers dienen sollen.
Einige Magier erschaffen Sigilen, die den Spruch darstellen
sollen, den sie gerne wirken würden. Für andere repräsentie-
ren sie Denkweisen, Ideale des Magiers, die durch einen Akt
des Willens in der Welt manifestiert werden können.
Sowohl Punk, als auch Chaos-Magier haben ihre Geburts-
stätte im Großbritannien der 1970er Jahre und auch wenn
sie an sich nicht miteinander verbunden sind, waren sie im
Verständnis junger gewaltbereiter Anarchen, die sich an jede
Hilfe im Kampf gegen die brutale Unterdrückung durch die
britische Camarilla klammerten, wie füreinander gemacht.
Punk-Anarchen warfen sich mit ihrer gewohnten Hingabe in
die Chaos-Magie. Natürlich verfügten nur wenige über den
okkulten Scharfsinn, den man für das Meistern einer neuen
Herangehensweise an Blutmagie benötigt (und noch weniger
überlebten die Vergeltung der Tremere-Thaumaturgen, die
sich von ihrem Ansatz der Magie ebenso angegriffen fühlten,
wie durch ihre politischen Ansichten), doch die Überleben-
den erlangten nicht nur Macht, sondern auch den Ruhm, der
damit einhergeht, die Tremere in ihrem eigenen Spiel geschla-
gen zu haben. Heute findet man Punk-Hexerei überall, wo es
einen Anarchen gibt, der über ausreichend okkultes Wissen
verfügt, um gefährlich zu sein und mit mehr Wagemut als Ver-
stand.
Die grundlegende Prämisse der Punk-Hexerei lautet, dass
der Anwender als erstes die Vorstellung ablehnen muss, dass
magische Prämissen selbst überhaupt wichtig sind. Das ein-
zige, was zählt, ist die Intensität des Glaubens des Hexers und
seine Handlungen sowie Rituale, die er anwendet, um seinen
Glauben zu verwirklichen. Wo ein Chaot sich dem Schlaf-
entzug hingibt, um einen veränderten Bewusstseinszustand
zu erreichen, zwingt sich ein Punk-Hexer beispielsweise dazu,
am helllichten Tag zu erwachen, um sein Ritual zur Mittags-
stunde durchzuführen (und das obwohl die normalen Risi-
ken der Blutmagie durch die Abzüge durch das Handeln bei
Tage gesteigert werden). Wo ein sterblicher Chaot wesensver-
ändernde Drogen einnehmen oder sich in tantrischer Mas-
turbation verlieren könnte, um einen Zustand der Gnosis zu
56 Kapitel Drei: Die Bewegung
Punk-Rituale
Das ausgelassene und ikonoklastische Wesen der
Punk-Hexerei wird besonders bei den Ritualansätzen der
Schule deutlich. Im Allgemeinen funktionieren Rituale
bei Punk-Hexern genauso wie bei allen anderen auch,
zumindest von der Spielmechanik her. Andererseits sind
die aktuellen Beschreibungen des Wirkens eines jeden
Punk-Rituals gespickt mit Stilmitteln der Punkbewegung
und sogar mit individuellen Noten eines Punk-Hexers.
Anhänger dieser Schule verspotten die Tremere (und
die Anhänger anderer traditionalistischer Schulen), weil
sie Rituale wie Zaubersprüche aus Fantasy-Rollenspie-
len behandeln. Wenn ein Punk-Hexer ein neues Ritual
erlernt, lernt er nur die allgemeinen Parameter der Anfor-
derungen des Rituals und seiner Auswirkungen. Darüber
hinaus wird von ihm erwartet, dass er das Ritual an seine
eigene Ästhetik anpasst, gleichzeitig aber frei und innova-
tiv genug ist, um es nach seinen Bedürfnissen zu ändern.
Nur selten wirkt ein erfolgreicher Punk-Hexer dasselbe
Ritual zwei Mal auf dieselbe Weise und nur die armseligs-
ten führen Rituale immer gleich durch. Wer das Gefühl
bekommt, immer demselben Trott zu verfallen, erleidet
eine steigende Schwierigkeit auf die Durchführung solch
langweiliger, monotoner Rituale, bis dem Hexer eine
neue und kreative Veränderung dafür einfällt.
erreichen, könnte ein vampirischer Punk-Hexer ein Ritual
entwerfen, bei dem er und ein Partner zusammen von einem
Gefäß trinken, das halluzinogene Drogen genommen hat,
ehe sie am Höhepunkt des Rituals sexuell voneinander trin-
ken. Tatsächlich finden viele Punk-Hexer, dass der Kuss ein
ausgezeichneter Ersatz für sexuelle Aspekte der Chaos-Magie
darstellt, wobei rücksichtslosere (oder unbarmherzigere) Anar-
chen bewusst hungern, sodass das Risiko einer Raserei durch
Hunger den sexuellen Höhenflug beim Trinken noch steigert.
Einige Punk-Hexer haben in jüngster Zeit eine eigenartige
Variante der Straight Edge-Bewegung praktiziert und sich auf
Ektasen dieser Art konzentriert, die an einen „reineren“ Aus-
druck des vampirischen Zustandes anknüpfen.
Auch Punk-Hexer setzen gerne Sigilen bei ihrer Arbeit ein.
Ein häufiger Weg für den Entwurf eines Symbols ist das einfa-
che Niederschreiben dessen, was der Chaot bewirken möchte;
anschließend werden alle Buchstaben herausgestrichen,
die mehr als ein Mal vorkommen und die übrigen Buchsta-
ben werden in einem dekorativen Muster angeordnet, über
dem der Chaot anschließend meditiert. Das Prinzip ist bei
Punk-Thaumaturgen dasselbe, außer dass die Sigile selbst mit
der Vitae des Anarchen gezeichnet oder vielleicht sogar direkt
in seine Haut geritzt wird, um sie nach der Durchführung des
Rituals wieder zu heilen.
Als wohl rüpelhafteste Schule der Blutmagie, wird Punk-He-
xerei von Brujah-Headbangern angebetet, die das Okkulte
gerne als alternativen Weg der Revolution erkunden möch-
ten. Malkavianer werden von den ikonoklastischen Praktiken
der Schule angezogen, obwohl sie dabei mit den Toreador
wetteifern müssen, wer am „künstlerischsten“ neue und scho-
ckierende Rituale entwickeln kann. Auch eine überraschend
hohe Anzahl an Tremere-Anarchen lässt die hermetische Tra-
dition ihres Clans hinter sich, um sich lieber dieser Schule
zuzuwenden. Mit der Ablehnung aller anderen Aspekte ihres
ursprünglichen Clans, seiner Kultur und seinem Erbe, halten
solche Rebellen die Punk-Hexerei für das ultimative „Fuck
You!“.
Die von Punk-Hexern verfolgten Pfade sind sehr oft die
ungewöhnlichsten und häufig auch die gewalttätigsten.
Die Punk-Gesinnung gehört nicht weniger zum Erbe die-
ser Schule, als ihre magischen Theorien und ihr Nutzen im
Kampf ist der Grund für ihre hohe Nachfrage in Anarchen-
domänen weltweit.
Häufige Pfade: Hände der Vernichtung (V20, S. 210-211),
Lockruf der Flammen (V20, S. 211), Pfad des Blutes (V20, S.
206-207), Pfad des Mars (V20, S. 206-207), Pfad des bösen
Blicks (S. 160-162){11], Pfad der Blitze (S. 140-142) und Vou-
doun Nekromantie (Wanga, S. 165-166).
Thaumaturgie
der Hacktivisten
Die jüngste und vielleicht wichtigste Entwicklung innerhalb
der Blutmagie der Anarchen entstand in den Anfängen des
neuen Jahrtausends. In den frühen Nächten des 21. Jahrhun-
derts bereitete ein Klüngel Tremere aus Washington D.C.
gemeinsam den damals neuen Entwicklungen des Pfads der
Technomantie den Weg, nachdem sie sich lange über die
Verachtung ihrer Oberen geärgert hatten, die „achtbare“ For-
men der Blutmagie bevorzugten. Sie schockten die Camarilla,
indem sie als Gruppe zu den Freien Staaten von L.A. über-
liefen. Was die Tremere dazu noch zur Verzweiflung brachte
war, dass diese Querulanten es auch noch geschafft hatten,
einen Großteil der bestehenden Datenbanken zu den Nach-
forschungen über die Technomantie zu stehlen. Zwar konnte
der Clan sein Wissen über die Technomantie wieder herstel-
len, doch es war äußerst beschämend für den Inneren Rat
anzuerkennen, das zum ersten Mal seit der Gründung des
Clans, eine außenstehende Fraktion ein höheres Verständnis
für eine Facette der Vorzeigedisziplin des Clans besaß.
Über einige Jahre hatten die Anarchen tatsächlich einen
überlegenen Zugriff auf die Technomantie der Tremere,
doch in den jüngsten Nächten begegnen sich beide Parteien
wieder auf Augenhöhe. So erstaunlich das Überlaufen und
der damit verbundene Diebstahl waren, Insider der Cama-
rilla waren noch viel mehr überrascht, als der Clan Tremere
darauf verzichtete, die Überläufer auf die Rote Liste setzen
zu lassen, selbst nachdem diese Gruppe Rituale niedrigerer
Stufen der Technomantie allen Kainskindern über okkulte
„Shareware“-Programme zur Verfügung gestellt hatte. Die
augenscheinliche Milde, mit der die Tremere die Überläufer
behandelt haben, ist ein weiteres Mysterium. (Hinweise auf
BLUTRITEN
Wo steckt Masika St. John?
Eine der interessantesten unbeantworteten Fragen nach
dem Überlaufen der Technomanten ist der Status von
Masika St. John, der frühreifen Tremere, der die ursprüng-
liche Entwicklung der Technomantie zugeschrieben wird.
Tatsächlich war es ein Gruppenerfolg, doch Masika war
zweifelsohne die erste ihres Clans, die eine Möglichkeit
darin sah, einen Computer als Erweiterung des Willens
seines Nutzers zu sehen und ihn somit in ein verlässli-
ches Werkzeug für magische Arbeiten zu machen. Im Jahr
2000 wurde sie dem New Yorker Gildenhaus zugeordnet,
verschwand aber komplett von der Bildfläche, als der
Klüngel Technomanten aus Washington überlief.
Davon ausgehend, was ihre Vorgesetzten in New York
überhaupt zu Masikas Status geäußert haben, ist zu ver-
muten (ohne es definitiv feststellen zu können), dass
sie nach Wien zurückbeordert wurde, um den Inneren
Zirkel persönlich darüber zu beraten, wie auf die thau-
maturgische Bewegung der Hacktivisten zu reagieren sei.
Andererseits steht der „Rückruf nach Wien“ bei den Tre-
mere seit langem als Euphemismus für den „Endgültigen
Tod“ und zynischere Beobachter flüstern, dass die Ängste
der Tremere-Ahnen vor Technologie den gesunden
Menschenverstand ausgeschaltet haben müssen. Andere
Gerüchte besagen genau das Gegenteil, dass Masika
selbst zu den Anarchen übergelaufen sei und dass die
zahlreichen Gerüchte um Wien lediglich Fehlinformatio-
nen sind, die aus der Demütigung eines Clans herrühren,
der gerade einen seiner aufstrebenden Sterne verloren
hat. Wenn Masika St. John den Anarchen beigetreten
sein sollte, war sie so peinlich genau in der Vertuschung
ihrer Spuren, dass selbst ihre Hacktivisten-Brüder nichts
von ihr wissen.
den wahren Grund für diese „Milde“ finden sich in Entfes-
selte Anarchen S. 23-25.)
Frei von den Einschränkungen der Tremere-Hierarchie und
mit finanziellem Rückhalt einer mysteriösen Kabbala von
Ventrue-Anarchen, einer kapitalistischen Gruppe bekannt
als „Die Rote Frage“, schlugen die Überläufer (die sich den
frechen Namen „Digital Draculas“ als kollektiven nom de
guerre gegeben haben) ihre Zelte in Nordkalifornien auf und
begannen mit einer Kampagne, um Informationen über die
Technomantie (und andere Pfade der Thaumaturgie) unter
befreundeten Anarchen weltweit zu verbreiten. Für die Ins-
truierung nutzten sie zwei Wege: Für den breiten Konsum
boten die Digital Draculas eine Reihe von Shareware-Com-
puterprogrammen an, die mächtige thaumaturgische Rituale
magisch in jede Faser des Internets selbst einwoben. Indem
er diese Programme startete, erhielt der Nutzer auf beson-
dere Weise Zugang zum Internet. Über das Fangbook-Ritual
können Vampire beispielsweise geheime Nachrichten und
selbst Videos innerhalb von sterblichen Social Media Apps
57
 v­ erstecken, sodass die Nachrichten für Sterbliche profan aus-
sehen, für Kainskinder aber offensichtlich sind.
Der zweite Weg war direkter. Durch die Überwachung
der Internet-Gewohnheiten der Fangbook-Nutzer, können
die Digital Draculas Kainiten identifizieren, die sowohl die
Anarchen-Bewegung unterstützen, als auch dem Okkulten
anhängen. Die Gruppe sortiert sorgfältig die Möchtegerns,
die Inkompetenten und die Infiltratoren der Camarilla aus,
ehe sie diejenigen indirekt kontaktieren, die es mit dem Erler-
nen der Blutmagie ernst meinen und mit denen man die
Sache der Anarchen voranbringen kann. Sobald das Ziel den
Ansprüchen der Digital Draculas genügt und sich als würdig
erwiesen hat, wird es von einem oder mehreren Mitgliedern
des Klüngels in die Technomantie eingewiesen und selbst in
andere Facetten der „wahren“ (z. B. tremerelastigen) Thauma-
turgie eingewiesen, im Austausch für Dienste, die der Bewe-
gung zugutekommen. Ein Dienst, der ausnahmslos immer
verlangt wird, ist, dass der Studierende sich freiwillig einem
in das Internet geschriebenen Effekt von Beherrschung unter-
wirft, der dafür sorgt, dass der Studierende in einem Verhör
nicht preisgeben kann, was er gelernt hat. Wer seine Ausbil-
dung abschließt, wird in eine elitäre Welt eingeführt: die Welt
der Thaumaturgie der Hacktivisten.
Zumindest bestehen viele Hacktivisten gerne darauf, dass
sie eine kulturelle Elite repräsentieren. Von den vier primären
Schulen des Okkulten in der Anarchen-Bewegung, sind die
Hacktivisten die einzigen, die eine institutionelle Verbindung
zur Thaumaturgie der Tremere für sich beanspruchen und
gegenüber Anhängern anderer Schulen machen die meisten
auch keinen Hehl daraus. Natürlich gab es mindestens seit
„Thorns“ immer wieder Tremere, die sich selbst „Anarchen“
nannten, doch nur wenige haben bereitwillig ihr Wissen über
Thaumaturgie an Außenstehende des Clans weitergegeben
und mit Sicherheit niemals in dem Ausmaß, wie die Digital
Draculas es mit ihren Künsten tun. Es gibt sogar Verschwö-
rungstheorien unter den Anarchen, dass für jeden aufrichti-
gen Tremere-Anarchen bestimmt drei weitere die Bewegung
infiltriert haben, um irgendwelche Ziele für den Clan zu errei-
chen und jeder Tremere, der freiwillig seine Kunst an andere
weitergibt, tut dies bestimmt nur als Teil eines verwerflichen
Plans, den ein vernunftbegabter Anarch meiden sollte. Selbst
in heutigen Nächten, in denen die Digital Draculas ihr Wis-
sen gerne innerhalb der Bewegung weitergeben (oder zumin-
dest ausgesuchte Teile davon), müssen sie feststellen, dass
weniger als zehn Prozent der Anarchen, die sie beobachten, es
wert sind, dass man ihnen die Gelegenheit zum Lernen gibt
und die Hälfte davon lehnt das Angebot auch noch aus reiner
Tremere-Paranoia ab.
Obwohl die Pfade, über die Hacktivisten verfügen können,
einen guten Abriss aus der Tremere-Bibliothek darstellen,
stehen ihnen nicht alle Pfade jederzeit zur Verfügung. Die
Auswahl ist tatsächlich auf das beschränkt, was mehrere Mit-
glieder der Digital Draculas zum Zeitpunkt ihres Überlaufens
gemeistert hatten. Der Klüngel ist von der Technomantie
fast schon besessen und verlangt normalerweise (aber nicht
immer) von neuen Initianden, dass sie diese als primären Pfad
erlernen, anstatt des Pfades des Blutes. Der Klüngel ist zudem
ungemein stolz auf seine Entwicklung computergestützter
58 Kapitel Drei: Die Bewegung
Rituale, von denen viele modernisierte Überarbeitungen
traditionellere Tremere-Rituale darstellen, die der Klüngel
aggressiv anstatt der Originale „vermarktet“.
Die Digital Draculas behaupten stolz, dass sie niemanden
aufgrund seines Clans oder seiner Sekte diskriminieren. Sie
lügen. In der Praxis widerstrebt es ihnen sehr, Malkavianer
und Gangrel in Technomantie zu unterrichten – erstere, weil
sie entweder zu wenig kohärent oder zu unvorhersehbar sind,
selbst für Hacktivisten, und zweitere, weil sie als zu rustikal
angesehen werden, um einen technologiebasierten, okkulten
Weg anständig meistern zu können. Tremere-Anarchen wer-
den nur sehr selten von anderen Hackern kontaktiert, ehe
sie nicht einer ausführlichen Untersuchung hinsichtlich ihrer
Loyalität zur Sache standhalten konnten. Ventrue, Toreador
und Nosferatu werden dagegen alle als mögliche Studierende
der Kunst gehandelt, besonders Nosferatu, die vom Grün-
dungs-Klüngel für die ausgezeichnete Arbeit ihres Clans bei
der Erstellung des ursprünglichen Shrecknets bewundert
­werden.
Die von Hacktivisten verfolgten Pfade stellen einen Quer-
schnitt durch das Tremere-Repertoire dar. Technomantie
ist selbstverständlich Standard, doch viele Digital Draculas
hingen vor ihrem Überlaufen auch obskuren oder archai-
schen Pfaden an und diese minderen Pfade steigen natürlich
im Preis, wenn sie zu den wenigen Punkten auf einer Liste
­gehören.
Häufige Pfade: Pfad der Technomantie (V20, S. 217-219),
Pfad des Blutes (V20, S. 206-207), Bewegung durch den Geist
(V20, S. 2013), Pfad der Anrufungen (V20, S. 220-221), Thau-
maturgischer Gegenzauber (V20, S. 228) und Pfad der Blitze
(S. 140-142).
Magie und
die Bewegung
Unter den Anarchen ist Blutmagie noch seltener, als in den
anderen Fraktionen. Selbst das einfachste Element jeglicher
Form der Blutmagie zu meistern, verlangt nach einer lernbe-
gierigen Persönlichkeit an der Grenze zum Besessenen, Leis-
tungsbereitschaft, um Unmengen okkulter Information aus-
wendig zu lernen und die Wertschätzung von Themen, die
von den meisten Anarchen bestenfalls als „Geschichtskram“
abgetan werden würden, doch vor allem mehr Geduld und
Entschlossenheit als die, die normalerweise in einer Sekte
zu finden ist, die Impulsivität und Aggression anhimmelt.
Erschwert wird der Umstand dadurch, dass die Studien der
Blutmagie in allen Varianten von den meisten Anarchen als
spezielle Studien der Tremere-Thaumaturgie zusammengefasst
werden, und zu viele Anarchen lehnen aus Reflex Thauma-
turgie als „Waffe des Feindes“ ab. Dabei hilft es auch nicht,
dass Tremere-Anarchen sich traditionell mit einem Anflug
von Mysterium und Distanziertheit präsentieren und selten
die Weitergabe ihrer Künste anbieten. Die größte Ausnahme
zur Regel bilden die Digital Draculas, doch diese sind weit
weniger als ein Jahrzehnt unter den Anarchen aktiv.
 Die Ablehnung der meisten Tremere-Anarchen, ihre Infor-
mationen zu teilen, sorgt für Argwohn unter den Anarchen,
sowohl ihnen gegenüber, als auch gegenüber ihrer Kunst.
Viele Anarchen sind gegenüber Tremere-Thaumaturgen regel-
recht paranoid: die Affinität des Clans für Thaumaturgie
bedeutet, dass sie scheinbar einen überwältigenden Fundus
seltsamer Disziplinen in kurzer Zeit erlernen können (die
meisten Anarchen sind nicht gebildet genug, um den Unter-
schied zwischen Disziplinen und thaumaturgischen Pfaden
zu erkennen), was eine Quelle enormer Frustration für Sek-
tenmitglieder aus weniger berühmten Clans darstellt, die auf
gemeine Disziplinen beschränkt sind.
Selbst innerhalb der okkulten Gemeinschaft der Anarchen
gibt es Spannungen. Die vier Schulen sind größtenteils ad hoc
Aufteilungen, die sich auf grobe Ähnlichkeiten zwischen den
weitgehend verschiedenen Stilen berufen. Während die Hack-
tivisten recht geeint sind, sind sie auch eine kleine Gruppe
und leben abgeschottet. Die Old Skooler gehen sich gewöhn-
lich gegenseitig wegen religiöser Differenzen an die Kehle,
während die New Ager sich genauso häufig über Unterschiede
in den arkanen Philosophien streiten, wobei sie sich norma-
lerweise auf eine x-beliebige bescheuerte Idee beziehen, auf
die sich jeder New Age-Kult begründet. Die Punks kämpfen
ihrerseits einfach untereinander, damit sie in Form bleiben.
Trotz allem werden Spaltungen innerhalb der Fraktionen
der Schulen sehr schnell beigelegt, wenn es zu Konflikten zwi-
schen den Schulen selbst kommt. Old Skool-Anarchen, die
in ihren magischen Praktiken ein Gefühl von religiöser Hin-
gabe einbringen, blicken oft auf andere Anwender aufgrund
ihres Zynismus und ihres Mangels an Pietät herab. Viele New
Ager reagieren sensibel auf das empfundene „Herumalbern“
einiger ihrer seltsameren Glaubenssysteme und verbittern
als Ergebnis oft gegenüber ihren Anhängern. Punk-Hexer
verspotten regelmäßig den Pomp der anderen Schulen und
entwickeln Rituale, die speziell nur Facetten der „traditionel-
len“ Blutmagie verspotten sollen, besonders die der Tremere.
Abschließend wären da noch die Hacktivisten, die eine bei-
nahe unausstehliche Selbstgefälligkeit anbringen, die von
ihrem Status als den Tremere am nahestehendste Schule her-
rührt und somit der „echten Thaumaturgie“. Man muss nicht
extra erwähnen, dass diese feinsinnige Verunglimpfung ihrer
Künste (von denen einige, wie bei den Old Skoolern, älter
sind als die Thaumaturgie) die meisten Anwender außerhalb
der Hacktivisten sehr verärgert.
Auch wenn die Konflikte innerhalb der und zwischen
den Fraktionen der Schulen das Praktizieren von Blutmagie
unter den Anarchen manchmal behindert, hat der Wettbe-
werb auch zu Innovationen und Unverfrorenheit geführt.
Der unverschämte Einfluss des Klüngels der Digital Dracu-
las hat ein metaphorisches Feuer unter den älteren Okkul-
tisten innerhalb der Bewegung entfacht, wodurch ergraute,
alte Anarchen-Okkultisten, die sich seit der Amerikanischen
Revolution zurückgezogen hatten, sich wieder dazu berufen
fühlen, neue Lehrlinge anzunehmen.
Obwohl Blutmagie unter den Anarchen deutlich seltener
vorkommt, als in der Camarilla oder dem Sabbat, können die-
jenigen, die sich mit der Kunst auseinandersetzen, der Anar-
BLUTRITEN
chen-Bewegung sowohl einen großen Nutzen bieten, als auch
sich selbst wichtige Vorteile sichern – egal ob der Hexer inner-
halb der sicheren Schranken der Camarilladomäne lebt oder
im unkultivierten rechtsfreien Raum eines freien Staates.
Blutmagie der Anarchen
und die Camarilla
Gemäß des Dornenvertrags gelten alle sogenannten Anarchen,
die nicht aktiv an gewaltsamen Aufständen gegen die örtliche
Führung der Camarilla teilgenommen haben, als „unbeschol-
tene Mitglieder“ der Camarilla, ob das der einzelne Anarch
nun möchte oder nicht. Dies führt zu einem interessanten
(wenn auch ungesunden) Verhältnis zwischen Blutmagiern
der Anarchen und Tremere-Loyalisten. Historisch gesehen hat
der Clan der Tremere sehr große Anstrengungen unternom-
men, um innerhalb der Camarilla das Beinahe-Monopol auf
die Blutmagie zu wahren und als Gruppe gibt es für die Tre-
mere nur wenig Anreize, um Okkultisten unter den Anarchen
zu tolerieren. Das Problem dabei ist, jeder weiß, dass die Tre-
mere ihr Monopol erhalten und jeden Anarchen töten wollen,
der sich im Umgang mit Blutmagie als fähig erweist. Das wäre
an sich noch nicht einmal ein Problem, wären da nicht die
vielen Kainskinder in der Camarilla, die die Tremere genau
wegen ihres andauernden übernatürlichen Herumkommandie-
rens so sehr hassen. In jeder Auseinandersetzung mit einem
Tremere auf der einen und einem Jungspund mit Sympathien
zu den Anarchen auf der anderen Seite (der mit der Blutmagie
ja auch nur ein bisschen Geld machen möchte), ist der Tre-
mere immer das Arschloch. Der bloße Akt des Vorschlagens,
dass Anarchen das Praktizieren von Blutmagie verboten wer-
den solle (von einer organisierten Verfolgung von Blutmagiern
ganz zu schweigen), wird von den Anarchen als Beweis für die
Niederträchtigkeit der Tremere gesehen – und die gesellschaft-
lichen (möglicherweise sogar körperlichen) Auswirkungen
sind häufig schlimmer, als die Kosten eines kleinen Anarchen-
hexers, der einfach tun darf, was er möchte.
In der Praxis folgt daraus, dass egal wie abgestoßen ein
einzelner Tremere von der reinen Existenz eines Blutmagiers
unter der Anarchen auch sein mag, er in der Regel von direk-
ten Angriffen auf einen praktizierenden Anarchen absehen
wird. Stattdessen wird er umsichtiger vorgehen: er wird Ver-
leumdungen über die magischen Kompetenzen des Anarchen
in Umlauf bringen und auf einen Moment des Scheiterns war-
ten, mit dem er beweisen kann, dass der Anarch zu gefährlich
ist, um ihn weitermachen zu lassen. Ein wirklich anständiger
Tremere sorgt für dieses Scheitern. (Dies gilt nur für Nicht-Tre-
mere unter den Anarchen; der Clan wird es nicht tolerieren,
dass Themen der Öffentlichkeitsarbeit der Bestrafung eines
Überläufers im Wege stehen.)
Die Anarchen ihrerseits nutzen den kleinen Raum, der
ihnen zum Atmen geboten wird, zu ihren Gunsten und bie-
ten eine Alternative zur magischen Hegemonie des Clans Tre-
mere. Sie führen ihre Geschäfte heimlich und bieten Gefallen
gegen Gefallen. Sie bieten verzweifelten Kainskindern okkulte
Dienstleistungen an, im Tausch für kleinere Dienste, die den
Plan der Anarchen auf irgendeine Weise voranbringen. Oder
sie bieten sie sogar kostenfrei an und bitten den Empfänger
59
 lediglich darum, unbefangen darüber nachzudenken, was die
Anarchen-Bewegung bietet, gegenüber den Häppchen, die
von der Camarilla als Akt der Gnade verstreut werden. Sol-
che Anarchen spielen zwei Rollen auf Camarillagebieten. Auf
der einen Seite sind sie die kritischen Stimmen gegen die Tre-
mere und beweisen, dass die rigide Hierarchie des Clans nicht
notwendig ist, um okkulte Erleuchtung zu erlangen. Auf der
anderen Seite destabilisieren sie die Hegemonie der Camarilla
insgesamt, indem sie Dienste anbieten, die von den Ahnen
nicht erbracht werden können oder wollen.
Natürlich funktioniert das nur unter der Annahme, dass
der Anarch offen als Blutmagier auftritt. Viele Anarchen auf
Camarillagebiet stellen ihr okkultes Wissen nicht zur Schau.
Genau genommen gehen sie auch nicht mit ihrem Status als
Anarchen hausieren. Derartige verdeckte Elemente (in der
Bewegung auch „Chamäleons“ genannt) verbergen ihren
Status als Hexer und Thaumaturgen, sodass die Autoritäten
nicht darauf vorbereitet sind, wenn sie ihre Macht entfesseln.
Viele Rituale der Anarchen wurden speziell dafür entwickelt,
dass die Operationen der Chamäleons funktionieren, sodass
Anarchen sich innerhalb der Camarilla unentdeckt bewegen
können, um Zwietracht und Unruhe von innen zu säen.
Blutmagie der Anarchen
und die Freien Staaten
Innerhalb von anarchendominierten Domänen ist die Situa-
tion für Blutmagier gleichzeitig sicherer und gefährlicher. Auf
der einen Seite muss sich der Hexer allgemein keine Sorgen
um die Machenschaften der Tremere machen. Auf der anderen
Seite ist er stets durch rivalisierende Anarchen-Hexer gefährdet
(die bei weitem freiere Hand zum Ausleben von Rivalitäten
haben, als in einer Domäne der Camarilla) und selbst durch
andere Mitglieder der Anarchen, die gegenüber der Blutmagie
einfach paranoid sind. Trotz all ihrer Vorzüge, Blutmagie ist
ein seltsames, esoterisches Etwas, das für jemanden, der nicht
in die okkulte Materie vertieft ist, beinahe unverständlich ist
und das ist nur der Stand, ehe einem bewusst wird, dass es
dazu noch vier antagonistische Schulen gibt, die sich darüber
uneins sind, wie all das überhaupt funktioniert.
Innerhalb der Freien Staaten verfügen vielleicht die Hälfte
aller Anarchenklüngel über einen „Sonderling“: einen
Goth-Hacker, einen blutgetränkten Neo-Heiden, einen schau-
rigen Alt-Hippie oder einen gewaltbereiten Headbanger, der
ein paar moderne Sagen kennt und die Gruppe bei okkul-
ten Themen berät. Dazu gibt es vielleicht noch ein Dutzend
Klüngel entlang der Westküste, deren Mitglieder alle (oder
beinahe alle) praktizierende Hexer sind, die berühmt-be-
rüchtigtsten davon wohl die Digital Draculas aus Cupertino.
Andere schließen die Mänaden ein, eine Gruppe radikal-fe-
ministischer Old Skooler, die den Vorsintflutlichen der Mal-
kavianer als Avatar des Dionysios anbeten; die Brüder der
Einheit (Unity Brethren), ein New Age-Kult, der mit Hilfe
von Blutmagie und fortgeschrittenem Auspex versucht, eine
Gestaltintelligenz zu erschaffen; und Marys Kinder (Mary’s
Kids), eine Bande Okkultisten aus der Punk-Hexerei, die von
sich behaupten, die düstere Legende der Bloody Mary in ihre
Dienste geknechtet zu haben.
60 Kapitel Drei: Die Bewegung
Die aus Blutmagiern bestehenden Klüngel sind ebenso terri-
torial und blutdurstig, wie alle anderen Klüngel der Anarchen
und sie nutzen normalerweise mit Hingabe Kampfmagie, um
damit den Mangel körperlicher Durchsetzungsfähigkeit aus-
zugleichen. Dies hat zu widerwilligem Respekt gegenüber den
Kräften dieser okkulten Straßengangs geführt, auch wenn
es das Misstrauen gegenüber der Blutmagie im Allgemeinen
noch verstärkt hat. Es hilft auch nicht gerade, dass Blutmagier
bei den Anarchen den Ruf haben „ziemlich seltsam“ zu wer-
den, wann immer sie ihre Magie missbrauchen. Doch unge-
achtet aller Merkwürdigkeit, der Nutzen der Blutmagie kann
nicht von der Hand gewiesen werden. Einige Barone und
Obmänner haben ein gewisses Können im Bereich der Blut-
magie an den Tag gelegt, womit sie ihren Stand innerhalb der
größeren Gemeinschaft der Anarchen durchaus verbessert
haben. Anarchenregierungen sind von Natur aus sehr instabil
und ein Anführer mit „mysteriösen, okkulten Kräften“ wird
vermutlich weniger wahrscheinlich von einem jungen Punk
zu einer Prüfung herausgefordert.
Die Wirtschaft der Magie
Wie die meisten Arten von Wissen, ist Blutmagie ein kost-
bares Gut unter Anarchen. Das Wissen um den Umgang mit
Magie ist manchmal weniger wichtig, als die Einzelheiten zu
ihrem Preis. In den Territorien der Camarilla hängt dieser
Preis davon ab, wie verzweifelt der Klient nach einer magi-
schen Lösung sucht, die nicht die Tremere involviert. Inner-
halb der Territorien der Anarchen hängt der Preis davon ab,
wie verzweifelt der Klient überhaupt nach einer Lösung sucht,
wenn keine Tremere da sind, an die man sich wenden könnte.
Wenn eine Gesellschaft, wie die der Untoten, ohne Geld
funktioniert, ist es natürlich schwierig, den Wert eines Gutes
zu beziffern. Für Anarchen ist die Situation noch schlimmer,
da sie ihre Bezahlung nicht in Form der liebsten Währung
der Camarilla einfordern können: einem Gefallen. Die Tre-
mere sammeln Schulden wie seltene und wertvolle Briefmar-
ken, doch nur wenige werden in die sklavische Schuld eines
Anarchen treten – und wenn der begehrte Gefallen auch
noch geheim bleiben soll, hat man keine Chance diese Schuld
einzufordern. In den Freien Staaten ist es noch schlimmer,
denn niemand dort schert sich um diese Art des Austauschs
(zumindest geben sie das alle vor und sagen, sie täten es nicht).
Daher finden die meisten Transaktionen zwischen Anarchen
unter der Hand statt und werden meist mit Hilfe von Auf-
trägen in Vorleistung abgehandelt, anstatt über Gefallen im
Anschluss.
Eine einfache Aufgabe könnte natürlich lauten: „Bezahl
mir einen Haufen Geld.“ Es gibt keinen festen Wechsel-
kurs dafür, wie viel eine bestimmte okkulte Aufgabe kosten
könnte. Im Allgemeinen muss man sich bewusst sein, dass
man sich, wenn man zu einem Anarchen muss, um sich Blut-
magie zu erkaufen, auf einem Markt befindet, wo der Verkäu-
fer den Preis diktiert. Bis auf die trivialsten Anwendungen der
Blutmagie könnte es tausende Dollar kosten und Rituale der
höchsten Stufen könnten einen Preis von mehreren hundert-
tausend Dollar und mehr haben, je nachdem, wie viel Ver-
zweiflung der Hexer bei seinem Kunden riechen kann.
 Abgesehen von barer Münze, ist eine andere Form der Wäh-
rung ein Dienst für den Klüngel, die Schule oder beide. Viele
praktizierende Old Skooler und New Ager bestehen darauf,
dass diejenigen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen wol-
len, zunächst an profaneren Ritualen teilnehmen müssen, sei
es durch die Teilnahme an Aktivitäten des Kultes oder einfach
durch den Versuch eines zeitweisen Zusammenlebens mit der
wie auch immer gearteten religiösen oder spirituellen Glau-
bensgruppe des Anarchen. Punk-Hexer wiederum verweigern
anderen Anarchen von vornherein ihre Hilfe, es sei denn, sie
haben schon bewiesen, dass sie „nicht scheiße“ sind – nor-
malerweise indem sie einen rücksichtslosen Akt des Vandalis-
mus gegen eine Autoritätsperson begangen haben, gegen die
der Hexer etwas hat. Hacktivisten sind hier zurückhaltender.
Wenn sie Kainskinder für würdig erachten, um ihren Hacker-
cliquen beizutreten, unterstützen Sie diese auch gerne. Jeder
andere zahlt typischerweise mit Geld und normalerweise auch
recht viel. Hacktivisten haben einen teuren Geschmack.
Die von Hexern der Anarchen angebotenen Dienstleis-
tungen können beinahe alles Erdenkliche umfassen, was die
Pfade und dem Magier bekannte Rituale hergeben. Mögliche
Dienste schließen alles ein, von Sicherheit, über Auftrags-
mord, bis hin zum Verfluchen einer Person, die den Klienten
angepisst hat. Viele Blutmagier kennen spezielle Rituale, um
bluthaltige Rauschmittel herzustellen oder Liköre, die alche-
mistisch mit Blut angereichert wurden. Es gibt ein paar Ritu-
ale, mit denen der Magier einen magischen Effekt in einem
Gegenstand speichern kann, z. B. einem Amulett, einer
Schriftrolle oder sogar einem Computerprogramm, sodass
der Kunde tatsächlich einen Zauber erwerben kann, den er
nach Belieben aktivieren kann. Dies reicht von einem Ritual,
BLUTRITEN
um die Notfall-Zuflucht vor Sonnenlicht zu schützen, bis zu
Beschwörungen, um im Internet posten zu können, ohne
gegen die Maskerade zu verstoßen.
Rituale der Anarchen
Folgend einige der vielen Rituale, die Hexer der Anarchen
entweder selbst entwickelt oder im Zuge ihrer eigenen Kunst
umgestaltet haben. Obwohl jedes der angegebenen Rituale
einer bestimmten Schule zugeordnet ist, ist es für Blutmagier
bei Anarchen nichts Ungewöhnliches, dass sie Rituale anderer
Schulen „hacken“ oder auf ihre eigenen Themen ummün-
zen. Das Hacken eines Rituals geht in erster Linie über die
Suche nach dem feierlichen Element, das mit dem Original-
ritual verbunden ist, seiner Entfernung und dem Ersetzen
durch ein Element aus der eigenen Schule des Anarchen ein-
her – ein Prozess, der über Wochen oder Monate gehen kann
und äußerst risikobehaftet ist. Feierliche Elemente werden ab
S. 134 behandelt, der mechanische Prozess des Hackens eines
Rituals ab S. 136.
Old Skool-Rituale
Weihe des Tempels (Stufe Eins)
Die Old Skool-Anarchen sind normalerweise die religiöses-
ten aller Blutmagier unter den Anarchen, obwohl die Götter,
die sie anbeten, meist deutlich obskurer sind, als die der zeit-
genössischen Religionen. Dennoch ziehen die Old Skooler,
wie alle Religiösen, es vor, einen ihrem Glauben geweihten
Ort für ihre Anbetungen zu haben. Die exakte Ausführung
61
 des Rituals variiert entsprechend des Gottes, Geistes oder
Loa, dem der Anarch dient, doch wenn es im Inneren eines
Gebäudes stattfindet, muss der gesamte Raum dekoriert
sein, um die Ikonographie der angebetenen Entität widerzu-
spiegeln, sowie die rituelle Opferung eines Tieres. Räume im
Freien, wie die der Kainskinder-Wikka-Gruppierungen oder
der Voudoun-Kulte müssen weniger dekoriert werden, doch
ist das Risiko höher, dass sie von Außenstehenden entdeckt
und entweiht werden. Egal wer oder was angebetet wird, das
Ergebnis des Rituals bleibt dasselbe: ein sicherer Ort, wo
Magie einfacher gewirkt werden kann.
System: Das Ritual hält für einen Mondumlauf an, kann
aber immer erneuert werden. Solange das Ritual wirkt, wird
die Schwierigkeit aller Aktivierungswürfe für Old Skool-Pfade
oder Rituale, die auf dem Gebiet des Tempels durchgeführt
werden, um 1 gesenkt. Die Anzahl der erzielten Erfolge
bestimmt die maximale Größe des Raumes, der geweiht
werden kann. Ein Erfolg steht für einen zwei auf zwei Meter
großen Raum, wie ein größerer, begehbarer Schrank, ein
geheimer Raum oder eine kleinere Baumgruppe. Drei Erfolge
stehen für einen sechs auf sechs Meter großes Gebiet, wie das
Heiligtum einer kleinen Kirche oder ein kleinerer Hain. Fünf
Erfolge weihen ein Gebiet von ca. 30 Quadratmetern, eine
mittelgroße Kirche oder ein kleineres Wäldchen.
Haruspex (Stufe Zwei)
Das Wort Haruspex wurde von den Römern gebildet und
beschreibt die Praxis des Lesens von Omen und Vorzeichen
aus den Eingeweiden geopferter Tiere, normalerweise Schafe
oder Geflügel. Diese Praxis geht jedoch um Jahrtausende
vor das alte Rom zurück und wurde von unzähligen anderen
okkulten Gesellschaften seither praktiziert. Der Anwender
des Rituals (oder „Haruspex“) muss das Opfer in einem Raum
durchführen, der durch das Ritual Weihe des Tempels gerei-
nigt wurde. Nachdem er das Tier geschlachtet und ihm den
Bauch aufgeschnitten hat, damit die Eingeweide herausfal-
len, muss der Haruspex sie mit seiner eigenen Vitae tränken,
indem er sich mit einem rituellen Dolch die Handgelenke öff-
net. Opfer mit Geflügel benötigen einen Blutpunkt. Schafe
oder größere Tiere benötigen zwei Blutpunkte. Wenn der
Haruspex unbarmherzig genug ist, kann er sogar einen Sterb-
lichen opfern (was beinahe sicher einen Entartungswurf zur
Folge hat). Der Haruspex kann niemals eine Vorhersage für
sich selbst durchführen. Er kann dies nur für jemand anderen
machen, der ihm einen persönlichen Gegenstand zur Verfü-
gung stellen muss, der in das rituelle Opfer einbezogen wird.
Selbstverständlich bedeutet das auch, dass das Ritual mit Ana-
logmagie auch für jemanden durchgeführt werden kann, der
dies nicht möchte oder nicht davon weiß (siehe S. 133-135).
Das Ritual Haruspex kann nur für ein Ziel durchgeführt wer-
den und nur ein Mal alle sieben Nächte.
System: Jeder Erfolg erlaubt es dem Haruspex, eine Frage
über die Vergangenheit oder Gegenwart des Ziels zu stellen,
wobei auch zwei Erfolge aufgewendet werden können, um
eine Frage über die Zukunft zu stellen. Das Darbringen eines
größeren Opfers reduziert die Schwierigkeit um 1. Ein Men-
schenopfer reduziert die Schwierigkeit um 3. Diese Boni auf
die Schwierigkeit werden zum -1 Bonus durch die Weihung
des Tempels addiert.
62 Kapitel Drei: Die Bewegung
Traumfänger (Stufe Drei)
Ein Traumfänger (wohl bekannt aus Touristenfallen amerika-
nischer Ureinwohner in den USA) ist ein kleineres Artefakt,
das eine schlafende Person schützt. Der Anwender muss den
Traumfänger selbst von Hand fertigen und einige seiner eige-
nen Haare sowie sein Blut (weniger als ein Blutpunkt) einwe-
ben und abschließend etwas Spucke der Person, die geschützt
werden soll.
System: Nach seiner Erschaffung hält der Traumfänger eine
Woche pro Erfolg. Solange der Besitzer den Traumfänger bei
sich trägt oder sich innerhalb von drei Metern um ihn herum
befindet, erhält er folgende Vorteile: Erstens steigt die Schwie-
rigkeit für alle durch Geister geführten Angriffe gegen ihn um
2. Zweitens steigt die Schwierigkeit für Versuche, seinen Geist
und seine Träume im Schlaf zu beeinflussen, um 2. Handelt
es sich beim Besitzer um einen Vampir, verringert sich für ihn
die Schwierigkeit, tagsüber zu erwachen, um einer möglichen
Gefahr zu entgehen, um 2.
Puppe des Houngan (Stufe Vier)
Es gibt ein wohlbekanntes Ritual der Nekromantie, um eine
Voodoopuppe zu erschaffen (Puppe der Qual, V20, S. 179),
doch das ist nicht die einzige Puppe, die hergestellt werden
kann. Dieses Ritual wird genauso wie die Puppe der Qual
durchgeführt, doch während ein Vampir mit der Puppe der
Qual beim Ziel tatsächlich körperlichen Schaden verursachen
kann, kann sie für feinsinnigere Effekte nicht eingesetzt werden.
Dafür braucht man die Puppe des Houngan. Dieses Bildnis
kann nicht dazu verwendet werden, um dem Ziel direkten Scha-
den zuzufügen, doch mit ihr kann der Hexer durch die Augen
des Ziels sehen und hören, der Person Dinge zuflüstern, die nur
das Ziel hören kann und körperliche Gefühle hervorrufen, die
zwar nicht schädlich sind, sich aber echt anfühlen. Eine Nadel
in die Puppe zu stecken, tut dem Ziel noch immer weh, fügt ihm
aber keinen Schaden zu. Eine Kerze an den Kopf der Puppe
zu halten, könnte das Ziel in Rötschreck versetzen. Ein unver-
schämter (und leichtsinniger) Anarch erniedrigte bekannterma-
ßen einen berühmten Tremere vor seinem Prinzen und Erstge-
borenen, indem er während einer Ratsversammlung die Puppe
einfach mit einer Feder kitzelte. Der Gedanke an einen Ahnen,
der hysterisch lachend auf dem Boden herumkugelt, war eine
hochgeschätzte Erinnerung des Anarchen ... bis zu seiner bruta-
len Ermordung nur wenige Wochen darauf.
System: Die Anforderungen zum Bauen einer Puppe des
Houngan sind dieselben, wie für eine Puppe der Qual. Die
Puppe der Qual ist aber ein Gegenstand zur sofortigen Ver-
wendung – der Anwender arbeitet sie aus, wirkt das Ritual
auf sie und fügt den gewünschten Schaden zu. Die Puppe des
Houngan behält dagegen ihre Wirksamkeit, bis sie zerstört
wird (was keine Auswirkungen auf das Ziel hat). Der Anarch
kann ein Mal pro Woche das Ritual wirken, indem er eine
geweihte Kerze anzündet und sie in einem Gefäß mit einem
Punkt seiner Vitae schwimmen lässt. Wenn das Ritual Erfolg
hat, wird bis zum Erlöschen der Flamme (normalerweise 30
Minuten, es sei denn, das Ritual wird irgendwie unterbro-
chen) jedes körperliche Gefühl, das der Puppe zugefügt wird,
analog-magisch vom Ziel erfahren. Während dieser Zeit sieht
und hört der Anwender nur das, was das Ziel wahrnimmt,
daher muss er alle Werkzeuge und Geräte, die er benötigt,
sorgfältig zurechtlegen, sodass sie durch einfaches Ertasten
gefunden werden können. Für die Dauer des Rituals ist der
Hexer taub und blind für seine Umgebung.
Gürtel des Wandlers (Stufe Fünf)
Abgeleitet von der Legende der Navajo des Yee Naaldlooshii,
erlaubt dieses Ritual dem Hexer, sich ein Kleidungsstück aus
dem Fell eines rituell geopferten Tiers zu fertigen, das nicht
kleiner sein darf, als eine Maus und nicht größer, als ein Bär.
Solange das Fell besteht, kann der Hexer es anlegen und
sich selbst in eine perfekte Kopie des Tiers verwandeln, das
geopfert wurde. Werwölfe können das Tier noch immer als
„unrein“ identifizieren und Kainskinder mit Aura-Wahrneh-
mung können feststellen, dass das Tier irgendwie „untot“ ist,
obwohl Kainskinder wahrscheinlich eher an ein nur durch
Geteilter Geist (Tierhaftigkeit 4) besessenes Tier denken,
als an ein gestaltgewandeltes. Das Tier muss an einem Ort
getötet und gehäutet werden, der durch das Ritual Weihe des
Tempels gereinigt wurde. Nachdem das Fell abgezogen wurde,
muss es für drei Nächte in einer Mischung aus Salzwasser und
dem Blut des Anwenders eingelegt werden. Das Ritual benö-
tigt einen Blutpunkt für kleinere Tiere, die deutlich kleiner
sind, als ein Mensch, während drei Punkte aufgewendet wer-
den müssen, für Tiere mit annähernd menschlicher Größe
und fünf Punkte für Tiere, die deutlich größer als ein Mensch
sind. Ein Schwarzbär ist das größte Tier, das jemals erfolgreich
in diesem Ritual verwendet wurde.
System: Pro Erfolg hält das Artefakt eine Woche, ehe es zu
zerfallen beginnt. Wenn der Thaumaturg es nochmal mit der-
selben Menge seines Blutes einschmiert, wie beim Erschaffen,
hält es einmalig doppelt so lange.
Nachdem das Ritual abgeschlossen wurde, muss der Spie-
ler oder der Hexer Intelligenz + Handwerk würfeln, um aus
dem Fell ein tragbares Kleidungsstück zu machen. Bei einem
Scheitern kann ein erneuter Versuch unternommen werden,
ein Patzer zerstört das Fell. Es braucht aber auch nur einen
Erfolg, um den Prozess abzuschließen. Mehr Erfolge bedeuten
lediglich, dass das Artefakt kleidsamer und schöner wird. Um
den Gürtel des Wandlers zu nutzen, muss der Thaumaturg
sich all seiner Kleidung entledigen (einschließlich Schmuck),
ehe er das Artefakt anlegt und eine kurze Bezauberung mur-
meln, woraufhin er sich sofort in eine perfekte Kopie des ver-
wendeten Tiers verwandelt. In dieser Form kann er keine Dis-
ziplinen einsetzen (auch keine körperlichen Disziplinen wie
Stärke oder Seelenstärke) und auch zu niemandem sprechen,
der nicht über die übernatürliche Gabe verfügt, mit Tieren zu
sprechen. Er behält seine menschliche Intelligenz und kann
noch immer in Raserei verfallen.
Die Auswirkungen der Magie halten so lange an, bis er sie
beendet oder bis zum Morgengrauen. In beiden Fällen ver-
wandelt er sich umgehend in seine wahre Form zurück, was
sehr unangenehm werden kann, wenn er sich in einem sehr
engen Raum von der Größe einer Maus befunden hat oder
im Freien, wo er als splitternackte Person plötzlich schwer heil-
baren Schaden durch Sonnenlicht erleidet. Sollte das Arte-
fakt in die Hände eines anderen Thaumaturgen fallen, zählt
BLUTRITEN
es wie eine Haarsträhne oder ein Fingernagel, (siehe Prinzip
des Analogzaubers auf S. 133-135).
New Age-Rituale
Wasserwandeln (Stufe Eins)
Es heißt, dass Meister des Pranayama-Yoga über die Fähigkeit
verfügen, über Wasser zu wandeln, ohne einzusinken. Ob
sterbliche Yogi nun über diese Macht verfügen oder nicht,
New Age-Anarchen haben sie definitiv für sich beansprucht.
Der Thaumaturg muss seine Augen schließen und leise ein
persönliches Mantra rezitieren, das den Geist über grundle-
gende Materie erhebt. Wenn sich sein Wille anständig durch
das Ritual manifestiert, kann er über Wasser und anderes
Material gehen, das normalerweise sein Gewicht nicht tragen
würde (wie auch beispielsweise Baumwipfel), solange er sich in
konstanter Bewegung hält.
System: Im Kampf bestimmen die Erfolge, wie lange sich
der New Ager fortbewegen kann, ohne einzusinken oder zu
fallen. Außerhalb des Kampfes hält das Ritual so lange an,
wie sich der Anwender weiterhin bewegt oder bis zum Ende
der Szene.
Blutkristall (Stufe Zwei)
Über Jahrzehnte haben Kristalle eine große Rolle in der
New Age-Bewegung gespielt. Selbst heute noch glauben viele
Anhänger des New Age, dass die Meditation über Kristallen
die Heilung begünstigt oder andere positive Effekte hat und
im Falle eines New Age-Hexers stimmt das. Der Hexer muss
ein Stück reinen Quarzes in eine irdene Schale mit gereinig-
tem Wasser legen. Danach muss er seine eigene Vitae in das
Wasser geben und über der Schale meditieren. Innerhalb der
kommenden Stunde wird das Wasser langsam wieder klar, da
der Kristall die Vitae absorbiert und eine leicht pinke Farbe
annimmt. Kristalle, die auf diese Weise energetisiert wurden,
haben mehrere Effekte. Zum einen kann der Hexer den Kris-
tall halten, ein paar Sekunden damit meditieren und die darin
gespeicherte Vitae in seinen Körper übernehmen. Viel wichti-
ger ist allerdings, dass der Hexer jemand anderem den Kristall
zur Meditation übergeben kann, und wenn der Empfänger
zumindest eine Szene damit meditiert (aus welchem Grund
auch immer), fließt die Vitae in dessen Körper, mit denselben
Ergebnissen, als hätte er vom Hexer getrunken. Zahlreiche
Köpfe von New Age-Kulten nutzen diese Technik, um mögli-
che Kultisten blutzubinden, noch lange bevor sie ihren neuen
Dienern von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten.
System: Die Anzahl der Erfolge bestimmen, wie viele Blut-
punkte in einem einzigen Kristall gespeichert werden können.
Der Hexer kann dem Kristall einen oder alle Punkte entzie-
hen, wie er es möchte. Jeder andere Charakter, der den Kris-
tall erhält und mit ihm meditiert, entzieht ihm magisch einen
Punkt der Vitae direkt in seinen Körper, wenn er auch nur
einen Erfolg bei einem Willenskraftwurf (Schwierigkeit 7)
erzielt. Dies schließt Sterbliche ebenso mit ein, wie überna-
türliche Wesen, wie Wolflinge oder Magi. Wenn der medi-
tierende Charakter Verletzungen erlitten hat, dann heilt ihn
das Blut, als sei er ein Ghul, der bewusst Blut für Heilung aus-
gegeben hat. Ein Charakter, der erfolgreich mit dem Kristall
63
 meditiert, wird nach dem dritten Mal an den Erschaffer des
Kristalls blutsgebunden sein (davon ausgehend, dass er genug
Vitae beinhaltet hat). Solange der Kristall allerdings Vitae
in sich trägt, verfügt er auch über eine analog-magische Ver-
bindung zu seinem Erschaffer, die einem Punkt seiner Vitae
gleicht, falls er in die Hände eines rivalisierenden Hexers
gerät.
Umarmung der Gläubigen
(Stufe Drei)
Kainskinder mit vielen Ghulen stellen häufig fest, dass die
Eifersucht über die Zuwendung des Herren zu Rivalitäten
und Konflikten führen kann; vampirische Anführer von New
Age-Kulten finden diese Zwietracht kontraproduktiv für ihre
gesuchte Erleuchtung, daher dieses Ritual. Der Hexer bereitet
zunächst eine beliebige Art Flüssigkeit vor und fügt der Flüs-
sigkeit einen Punkt Vitae pro vier Liter hinzu. Roter Sirup
oder Früchtepunsch funktionieren ausgezeichnet für dieses
Ritual, obwohl in den USA der Begriff „Kool-Aid trinken“ auf
Grund eines Massenselbstmords in den 70ern einen eher düs-
teren Kontext hat, weshalb Kainskinder für ihren New Age-
Kult versuchen, diese Erinnerungen zu vermeiden. Der Hexer
muss dafür sorgen, dass seine Anhänger vom vorbereiteten
Getränk trinken, ehe er sie in eine ausgedehnte Meditations-
übung begleitet, die mindestens eine Stunde dauert. Wenn
das Ritual Erfolg hat, erhalten die Anhänger technisch gese-
hen ein sekundäres Blutsband zueinander und zur Gruppe als
abstrakte Einheit.
System: Die Auswirkungen halten für eine Woche pro
Erfolg an. Jeder Anhänger behält seine normale Loyalität
zum Herrn über sein Blutsband, doch er wird ebenso starke
Gefühle der Liebe und Zuneigung zu jedem Sterblichen emp-
finden, der an diesem Ritual mit ihm teilgenommen hat, egal
um wie viele Personen es sich handelt. Jeder Teilnehmer wird
zudem ein starkes Gefühl der Loyalität und Hingabe gegen-
über den Idealen und Dogmen des Kultes verspüren. Es kön-
nen noch immer Konflikte ausbrechen, wenn zwei oder mehr
Anhänger aufrichtige Uneinigkeit gegenüber den Glauben
des Kultes oder die Wünsche des Herren äußern, doch wenn
der Herr selbst greifbar ist, lassen sich solche Streitereien leicht
lösen. Zu allen Vorzügen der Gruppenloyalität, profitiert auch
der Hexer selbst von einigen Vorteilen. Pro fünf Personen, die
unter den Auswirkungen dieses Rituals stehen und die anwe-
send sind, um den Hexer bei anderen Aktivitäten des Kultes
zu unterstützen, erhält der Hexer einen Bonus von +1 Würfel
auf alle Würfe, die Pfade oder Rituale betreffen. Dieses Ritual
hat keine Auswirkungen auf Kainskinder.
Liebe überwindet Hindernisse
(Stufe Vier)
Nachdem er seine gemeinen Sterblichen mit seiner Magie in
loyale Kultisten verwandelt hat, kann der New Age-Hexer sich
aus der Ferne von ihrer Anbetung und ihrem Blut gleicher-
maßen nähren. Wenn das Ritual erfolgreich ist, kann der
Hexer seine Vitae und sogar seine Willenskraft von einem
oder mehreren seiner Anhänger wiedererlangen, wenn sie
in diesem Moment unter dem Einfluss von Umarmung der
Gläubigen stehen. Zur Durchführung des Rituals muss der
64 Kapitel Drei: Die Bewegung
Anwender dreißig Minuten in Meditation und in Gedanken
an die Namen und Gesichter der angepeilten Gläubigen ver-
bringen.
System: Für jeden erzielten Erfolg kann der Hexer einem
seiner Anhänger, der ein valides Ziel für das Ritual darstellt,
zwei Blutpunkte entziehen, wobei er selbst einen Blutpunkt
pro zwei entzogener Punkte erhält. Alternativ kann er für
jeweils drei gewürfelte Erfolge einem validen Ziel zwei Punkte
Willenskraft nehmen, wobei er auch hier einen Punkt pro zwei
entzogener Punkte erhält. Bei dieser Art der Anwendung gibt
es jedoch einen Nachteil, denn beim Entzug von Willenskraft
auf diese Weise, wird das Ziel sofort von den Auswirkungen
von Umarmung der Gläubigen befreit und – noch schlimmer-
verliert sogar die Auswirkungen des Blutsbandes. Das Ritual
kann mehrere Kultisten zum Ziel haben, doch ein einzelner
Kultist kann nicht mehr als ein Mal pro Anwendung ausge-
wählt werden. Sobald ein Hexer dieses Ritual durchgeführt
hat, kann er es nicht erneut anwenden, ehe er wieder erfolg-
reich Umarmung der Gläubigen auf seinen Kult gewirkt hat
oder bis eine Woche vergangen ist, was immer länger ­dauert.
Die Suche nach der Apotheose
(Stufe Fünf)
Nur wenige New Age-Anarchen kennen dieses Ritual. Und
noch weniger wären unverfroren genug, um es auszupro-
bieren. Dennoch ist seine bloße Existenz eine Verlockung
für alle, die Geschichten über seine Macht gehört haben –
Geschichten, die New Age-Anarchen vor anderen Schulen
und der größeren Gemeinschaft der Anarchen verheimli-
chen, damit die Bewegung nicht in Massen auf die New Ager
losgeht. Das Ritual beginnt genau wie Umarmung der Gläubi-
gen. Tatsächlich gibt es nur ein Material, das die beiden Ritu-
ale voneinander unterscheidet: zur Mischung aus Vitae und
Flüssigkeit, die von den Kultisten getrunken werden muss,
fügt der Hexer ein bisschen Gift hinzu, meist Cyanid. Dieses
Ritual auch nur zu versuchen, kostet den Hexer bereits einen
Punkt Menschlichkeit. Dies ist der Preis für die Opferung der
eigenen Anhänger im Namen des Wissens ... oder der Macht.
System: Das Ritual wirkt oder nicht, zusätzliche Erfolge
haben keine weiteren positiven Auswirkungen. Für jeden
Anhänger, der als Teil dieses Rituals stirbt, wirft der Spieler
einen Würfel gegen die Schwierigkeit 7. Jeder Erfolg beschert
dem Spieler einen Erfahrungspunkt, den er für das Erlernen
neuer oder zur Verbesserung bereits vorhandener Eigenschaf-
ten aufwenden kann, wie einen normalen Erfahrungspunkt.
Aus der Sicht des Charakters sind diese neuen Attribute,
Fähigkeiten und Disziplinen das Ergebnis eines flüchtigen
Blicks auf die Göttlichkeit, für den er mit dem Tod loyaler
Anhänger bezahlt hat. Es gibt Gerüchte, dass mit ausreichend
erfolgreichen Opfern sogar die Generation eines Vampirs
permanent gesenkt werden kann. Der Wahrheitsgehalt dieser
Gerüchte und die Anzahl an notwenigen Erfolgen für diese
Leistung, bleiben dem Ermessen des Erzählers überlassen.
Wie dem auch sei, ein Hexer, der dieses Ritual anwendet,
erhält schwarze Streifen in seiner Aura, die nicht von denen
der Diablerie zu unterscheiden sind.
Punk-Hexerei
Visitenkarte (Stufe Eins)
Die Tremere wissen, dass die Anarchen ihr Ritual Verschlüssel-
tes Einschreiben (siehe S. 145-146) kopiert haben, doch bisher
ist ihnen nicht bewusst, welche einzigartigen Veränderungen
der Malkavianer-Anarch Victor Therron daran vorgenommen
hat. Die grundlegende Anwendung dieses Rituals erlaubt es
dem Hexer, eine Nachricht in Form eines Graffitis zu hinter-
lassen, das nur von Lesern verstanden werden kann, auf die
bestimmte Kriterien zutreffen. Die Botschaft des Hexers kann
für jedes Kainskind, jeden Anarchen oder nur für bestimmte
Personen sichtbar sein. So viel ist bekannt. Was die Tremere
nicht verstehen, ist, dass die Platzierung genauso wichtig ist,
wie die Nachricht selbst, denn wenn ein Punk-Hexer dieses
Ritual einsetzt, um einen bestimmten Ort zu kennzeichnen –
besonders Orte, die er in irgendeiner Weise in Mitleiden-
schaft gezogen hat und die zu jemandem gehören, den er als
Autoritätsperson wahrnimmt (egal ob Prinz oder sterbliche
Regierung), oder jemanden, den er als Feind ansieht – hat das
Ritual noch einen sekundären Effekt, der das Anwenden von
Punk-Hexerei an diesem Ort erleichtert.
System: Das Graffiti hält so lange, bis es entfernt wird und
seine wahre Bedeutung wird für diese Zeit für alle vorgesehe-
nen Ziele sichtbar sein. Um den sekundären Effekt auszulö-
sen, muss der Hexer (und alle seine Verbündeten, die er mit-
bringt) den Ort verwüsten und anschließend eine Nachricht
hinterlassen, mit der eine Autoritätsperson verspottet wird.
Diese Nachricht kann, muss aber keine versteckte Botschaft
enthalten, doch sie muss den Hexer irgendwie identifizieren,
sei es durch seine bekannte Identität oder ein häufig genutztes
Alias, das der Autoritätsperson bekannt ist, deren Besuch an
diesem Ort zu erwarten ist. Für die Dauer einer Stunde pro
Erfolg wird die Schwierigkeit für alle Rituale und Pfade, die
der Hexer in Sichtweite des Graffitis anwendet, um 1 redu-
ziert, wenn das Graffiti sein Alias beinhaltet oder um 2, wenn
es seinen Namen preisgibt, unter dem der Hexer der öffentli-
chen Hand persönlich bekannt ist.
Einige Punk-Hexer hinterlassen versteckte Nachrichten,
die nur bestimmte Vampire, wie der Sherif oder der Prinz,
lesen können und nutzen dann die Boni von Visitenkarte,
um verzögert wirkende Rituale zu hinterlassen, die als Falle
aktiviert werden, wenn jemand die heimliche Botschaft liest.
Das BFU-Ritual wurde beispielsweise explizit für diesen Zweck
entwickelt.
Prügel Dich zu Ruhm und Ehre
(Stufe Zwei)
Dieses Ritual erlaubt es dem Anarchen, Aspekte des Erschei-
nungsbildes eines bestimmten Sterblichen zu kopieren und
zu übernehmen (z. B. Haarfarbe oder -schnitt, Augenfarbe,
Tattoos, Piercings, selbst die Kleiderwahl, indem er sie sprich-
wörtlich aus dem Ziel herausprügelt. Der Hexer kann dieses
Ritual selbst durchführen oder es durch einen anderen Anar-
chen wirken lassen, indem er ihm von hinten die Schultern
reibt und ihm zuflüstert, was er zu sagen hat. Der Hexer wen-
det einen Blutpunkt auf und legt den Aktivierungswurf ab,
BLUTRITEN
egal ob er das Ritual durchführt oder es durchführen lässt.
Derjenige, der verändert werden soll, muss danach zu einem
bestimmten Ziel mit den gewünschten körperlichen Merkma-
len hingehen und zu ihm sagen „Ich mag wie Du aussiehst.
Das nehme ich.“ Dann muss der Vampir dem Sterblichen mit
der Faust ins Gesicht schlagen.
Um das Ritual abzuschließen, muss der Vampir den Sterbli-
chen mit roher Gewalt bewusstlos prügeln, ohne vampirische
Kräfte einzusetzen. Genau genommen verliert der Vampir
durch das bloße Aussprechen der Beschwörung den Zugang
zu seinen Disziplinen und er kann für die Dauer des Kampfes
auch kein Blut einsetzen (oder für den Rest der Szene, falls der
Sterbliche gewinnt) – die Philosophie der Punk-Hexer besagt,
dass einem Vampir, der es in einem fairen Kampf nicht mit
einem Sterblichen aufnehmen kann, ohnehin in den Arsch
getreten gehört.
Sobald der Sterbliche ohnmächtig wird, kann der Vampir
seine Belohnung einfordern. Wenn er die Frisur des Sterbli-
chen kopieren möchte, muss er eine Handvoll Haare abschnei-
den. Wenn er dessen Augenfarbe möchte, muss er ihm ein
Veilchen verpassen. Wenn er eines der Piercings möchte,
muss er es dem Sterblichen aus der Haut herausreißen und
es schlucken. Wenn er eines der Tattoos möchte, muss er
das Tattoo des Sterblichen irgendwie permanent schädigen.
Wenn er die Kleidung des Sterblichen möchte, zerschneidet
er sie in Fetzen und behält ein kleines Stückchen für sich.
System: Jeder Erfolg verschafft dem Vampir eine Charak-
teristik, die mit dem Erscheinungsbild des sterblichen Opfers
zusammenhängt; dabei kann er unter Haarfarbe, Frisur, Täto-
wierungen, Piercings oder Kleidung wählen. Wenn der Vam-
pir in der nächsten Nacht erwacht, wird er über diese Merk-
male verfügen (und falls entsprechend ausgewählt, auch eine
perfekt sitzende Kopie der Kleidung des Sterblichen in seiner
eigenen Größe tragen). Das Ritual verändert nicht das allge-
meine Erscheinungsbild, d. h. der Vampir sieht im Grunde
noch genauso aus wie vorher, nur mit oberflächlichen Verän-
derungen. Piercings und Tätowierungen erscheinen auf dem
Körper des Vampirs grob an derselben Stelle wie bei seinem
Opfer, doch entsprechend an Körpergröße und Körperbau
angepasst. Kleidung hält, bis sie zerstört wird, doch alle ande-
ren Charakteristiken werden fester Bestandteil des Erschei-
nungsbildes des Vampirs.
BFU (Stufe Drei)
Der Anarch entwirft eine Botschaft für eine bestimmte Per-
son und diese besteht aus einer Mischung okkulter Symbole
und vulgärer persönlicher Beleidigungen. Diese Botschaft
kann an einem Ort hinterlassen werden, wo der Anarch das
Ritual Visitenkarte in drei Meter hohen Buchstaben hinter-
lassen hat, oder sie kann mit einem Füller auf teures Brief-
papier geschrieben und per Bote überbracht werden. Unge-
achtet der Form, verschwindet die Botschaft bei erfolgreicher
Ausführung des Rituals und ist nur für den beabsichtigten
Empfänger sichtbar. Wenn der Empfänger die Nachricht
liest, wird er so wütend, dass er in Raserei verfallen kann.
Offenkundig trifft diese Auswirkung vor allem Vampire, Wer-
wölfe und andere Wesen, bei denen ein Zustand der Raserei
hervorgerufen werden kann, doch selbst sterbliche Ziele der
65
 ­ achricht verfallen einem irrationalen Zorn. Kreative Hexer
N zusammen mit den Stichen der wütenden Skorpione, öffnen
können dieses Ritual natürlich auch für Rachepläne verwen-
den, indem sie z. B. gegen die Frau eines sterblichen Emp-
fängers als Ehebrecherin hetzen und ihn damit zu häuslicher
Gewalt bis hin zum Mord treiben. Am häufigsten wird dieses
Ritual allerdings eingesetzt, um einfach berühmte Kainiten zu
demütigen, indem man sie bei öffentlichen Veranstaltungen
in die Raserei treibt.
System: Sobald das Ziel die Nachricht liest, muss es sofort
einen Wurf mit einer +2 Schwierigkeit ablegen, um der Rase-
rei zu widerstehen. Der Effekt hält zudem an und das Ziel
erleidet in den kommenden Nächten einen Modifikator von
+1 auf die Schwierigkeit, dem Tier zu widerstehen. Die Nach-
richt an sich hält eine Nacht pro Erfolg und wenn sie das
beabsichtigte Ziel nicht zu Gesicht bekommt, war sie umsonst.
Wenn der Empfänger sie liest, dann dauert die Erschwernis
auf die Schwierigkeit bei Rasereiwürfen um eine Anzahl an
Nächten an, die den zusätzlichen Erfolgen entspricht, selbst
wenn die Botschaft erst in der letzten Nacht gelesen wird, wo
sie noch wirksam sein könnte.
Baron Zaraguins Stachel (Stufe Vier)
Als kurioses synkretistisches Ritual, das haitianischen Vou-
doun mit Bildsprache und Ideen aus einem Comic verbin-
det, ist Baron Zaraguins Stachel ein sehr mächtiges, defensi-
ves Ritual. Der Anwender muss direkt vor Sonnenaufgang
Blut aufnehmen, das mit LSD angereichert wurde und einen
Tag in einem hölzernen Sarg mit mindestens zehn lebenden
Skorpionen verbringen. Die Visionen, die der Vampir wäh-
rend seines langen Tages auf diese Weise eingesperrt erfährt,
66 Kapitel Drei: Die Bewegung
seinen Geist für eine Zusammenkunft mit Baron Zaraguin,
dem Loa-Patron der Skorpione und Spinnen.
System: Pro zwei Erfolge (aufgerundet) beim Ritualwurf,
erhält der Vampir eine Stufe Tödlichen Schaden durch die
Stiche der Skorpione. Der Schaden kann nicht absorbiert,
aber normal geheilt werden. Im Gegenzug zu den Stichen der
Skorpione erhält der Vampir allerdings über eine Nacht pro
Erfolg Baron Zaraguins Segen. In diesem Zeitraum steigt die
Schwierigkeit für alle Würfe, um den Hexer übernatürlich zu
beeinflussen (z. B. durch Beherrschung oder Majestät) oder
um seine Aura oder seine Gedanken zu lesen auf 9. Darüber
hinaus erleidet jeder Charakter, der versucht, solche Kräfte
gegen den Hexer anzuwenden, einen Punkt nicht absorbier-
baren Schlagschaden pro im Wurf gewürfelter 1. Ist das Ergeb-
nis des Wurfes allerdings ein Patzer, wird der Schaden tödlich
und der Charakter erfährt eine kurze Vision eines riesigen
geisterhaften Skorpions, der Manifestierung von Baron Zara-
guin, dessen Stachel das Ziel für diese Beleidigung direkt in
die Stirn trifft.
Bloody Mary (Stufe Fünf)
Eines der dunkelsten Rituale in den Annalen der Punk-Hexe-
rei ist Bloody Mary, das den bösartigen Geist dieser moder-
nen Legende herbeiruft und ihr erlaubt, von einem sterbli-
chen Gefäß Besitz zu ergreifen, wofür der Beschwörer eine
Reihe von Gefälligkeiten erhält. Das Ritual muss in einer
öffentlichen Toilette durchgeführt werden und das sterbliche
Gefäß muss davon überzeugt werden, aus freien Stücken am
Ritual teilzunehmen. Es muss nichts davon wissen, was die
e­ndgültigen Auswirkungen sein werden, zumal nur wenige
Sterbliche daran teilnehmen würden, wenn sie diese kennen
würden, doch es kann nicht durch Beherrschung oder auf
andere Weise dazu gezwungen werden, daran teilzunehmen.
Betrug funktioniert dagegen hervorragend und viele derer,
die dieses Ritual anwenden, manipulieren Sterbliche mit ein-
fachsten Mitteln, wie ihnen die moderne Legende zu erzählen
und sie danach dazu herausfordern, es zu riskieren, die legen-
däre Figur tatsächlich herbeizurufen.
Sobald der Sterbliche überzeugt wurde, muss er in den
Spiegel sehen und drei Mal „Bloody Mary“ sagen, während
der Beschwörer das Licht in einem bestimmten Rhythmus an-
und ausschaltet und leise eine Beschwörung ausspricht, die
dem Geist die Seele des Sterblichen im Austausch für Gefallen
verspricht. Der Beschwörer weiß, dass das Ritual Erfolg hatte,
wenn an einem gewissen Punkt, an dem das Licht an ist, im
Spiegel sowohl das Spiegelbild des Sterblichen, als auch die
alte Hexe zu sehen ist, die hinter ihm darauf lauert, endlich
zuzuschlagen. Danach muss der Vampir das Licht ausschalten
und es so lange aus lassen, bis die Schreie verklungen sind.
System: Wenn das Ritual Erfolg hat, wird Bloody Mary
vom Körper des Sterblichen Besitz ergreifen und für einen
Mondmonat in die Dienste des Beschwörers gezwungen sein.
Die Erfolge des Wurfes legen fest, wie loyal Bloody Mary wäh-
rend der Dauer dieser Besessenheit sein wird, da sie ein Geist
der Gewalt und des Mordes ist, weshalb sie so gut wie jede
Gelegenheit ergreifen wird, um zu töten, solange sie in einem
sterblichen Wirt steckt. Mit einem Erfolg wird sie direkten
Anweisungen widerwillig gehorchen und davon absehen,
dem Beschwörer auf irgendeine Weise Schaden zuzufügen,
doch sie wird nicht richtig loyal sein. Mit fünf Erfolgen drängt
sie ihr Instinkt dazu, ohne Frage auf jeden Befehl zu hören
und von jeder Handlung absehen, die dem Beschwörer später
Probleme bereiten könnte. Wenn es zu einem Konflikt zwi-
schen Bloody Marys Instinkt zu Verstümmeln und zu Töten
und den Bedürfnissen des Beschwörers kommt, würfeln Sie
die Erfolge des Vampirs beim Beschwörungswurf. Wenn hier-
bei Erfolge erzielt werden, entscheidet der Spieler, was Mary
tun wird.
Solange Bloody Mary sich in einem sterblichen Gefäß befin-
det, erhält sie ein Äquivalent von Seelenstärke 2 und Stärke 2.
Sie weiß alles, was auch das Gefäß wusste und sie kann es ohne
Probleme imitieren. Tiere haben dennoch instinktiv Angst vor
von Bloody Mary besessenen Sterblichen und Charaktere, die
Erfolge bei Wahrnehmung + Empathie (Schwierigkeit 7) erzie-
len, finden den Sterblichen furchteinflößend oder abschre-
ckend. Bei Kindern liegt die Schwierigkeit nur bei 5. Jedwede
Aussagen in der Nähe des Sterblichen zu Liebe oder Zunei-
gung ihm gegenüber, führen zu einem Wurf mit der Anzahl an
Erfolgen bei der Beschwörung gegen eine Schwierigkeit von 7.
Ein Scheitern bedeutet, dass Bloody Mary in Raserei verfällt
und die geliebte Person anfällt. Nach Ablauf des Monats der
Dienerschaft verlässt Bloody Mary den Körper und lässt einen
Sterblichen zurück, der unwiederbringlich verrückt geworden
ist. Wie bereits gesagt, handelt es sich hierbei um ein dunkles
Ritual und jeder Beschwörer, der es durchführt, muss einen
Wurf auf Gewissen durchführen, wenn er über eine Mensch-
lichkeit von zwei oder höher verfügt.
BLUTRITEN
Thaumaturgie
der Hacktivisten
CCTV (Stufe Eins)
Normalerweise benötigt Thaumaturgie eine direkte Sichtlinie
oder einen analog-magischen Effekt. Die Hacktivisten brüs-
ten sich damit, dass sie Normalität vermeiden. Dieses Ritual
erlaubt es dem Thaumaturgen, eine Überwachungskamera
(CCTV) oder sogar eine Webcam als „drittes Auge“ zu benut-
zen. Der Thaumaturg muss die Kamera auseinandernehmen,
sie flächendeckend mit einer Mischung aus okkulten Sigilen
und mathematischen Formeln beschriften und sie dann wie-
der zusammenbauen (Intelligenz + Technologie, Schwierig-
keit 8). Danach muss er sich in den Daumen schneiden und
ihn gegen die Linse der Kamera drücken, bis sie einen voll-
ständigen Blutpunkt aufgenommen hat.
System: Das Ritual hält für eine Nacht pro Erfolg und es
kann unbegrenzt für dasselbe Intervall weiter verlängert wer-
den, solange der Vampir der Linse weiter zusätzliche Blut-
punkte zuführen kann. Solange das Ritual andauert, kann
der Thaumaturg das Videosignal der Kamera behandeln,
als würde er die Bilder persönlich wahrnehmen und damit
Orte sowie Plätze mit Ritualen oder Pfaden anvisieren. Wenn
die Kamera die Größe einer Spionagekamera hat und in die
Zuflucht eines Feindes geschmuggelt werden kann, können
hiermit verheerende Effekte erzielt werden. Doch das Ritual
birgt auch Risiken. Solange das Ritual aktiv ist, kann jeder
andere Blutmagier, der die Kamera in die Finger bekommt,
sie als analog-magische Verbindung zurück zum Thaumatur-
gen nutzen, als sei es eine Probe seiner eigenen Vitae. Selbst
nachdem das Ritual abgeklungen ist, besteht eine schwächere
analog-magische Verbindung (entsprechend eines persönli-
chen Gegenstandes des Thaumaturgen), bis die Kamera zer-
stört wird.
Autorun.exe (Stufe Zwei)
Der Klüngel der Hacktivisten bekannt als die Digital Draculas,
hat dieses Ritual erfunden und es ist die Säule ihres Plans für
die Gemeinschaft der Anarchen. Über Jahrzehnte verfügten
die Tremere über ein Ritual genannt „Inschrift“ (siehe S. 150),
mit dem ein Thaumaturg ein einfaches Ritual in geschriebene
Form packen kann, sodass es von einem Nicht-Thaumaturgen
zu einem späteren Zeitpunkt geöffnet und aktiviert werden
kann. Die Autorun.exe funktioniert nach demselben Prinzip,
doch anstatt dass ein Außenstehender des Clans damit ein
„geborgtes“ Ritual zu einem Zeitpunkt seiner Wahl ausführen
kann, kann er mit diesem Ritual ein Ritual der Technomantie
direkt auf einem Computer installieren. Bis jetzt haben die
Digital Draculas die Anzahl der Techno-Rituale, die sie weit
verbreitet haben, vorsichtig auf zwei Stück limitiert: „Fang-
book“ und „Bloodspot“. Ein drittes Techno-Ritual, FangChat,
befindet sich momentan im Beta-Test und steht nur den engs-
ten Verbündeten des Klüngels zur Verfügung.
System: Um Autorun.exe zu nutzen, muss der Thauma-
turg zunächst das Ritual der Technomantie vorbereiten, das
er anschließend in einem Dateiformat für Computer verbrei-
ten möchte. Der Hacktivisten und die Technomanten der
67
 Tremere nutzen beide spezielle Programmiersprachen, die
aus einer Mischung überholter Computersprachen und toten
geschrieben Sprachen bestehen. Mit dieser Programmierspra-
che skriptet der Thaumaturg eine vollständige Beschreibung
des Rituals, das übertragen werden soll und komprimiert es zu
einer .zip-Datei. Dann muss er die Datei per Mail an den beab-
sichtigten Empfänger senden. Wenn der Empfänger auf die
Datei klickt, um sie zu öffnen, erscheint ein Textfeld, das den
Empfänger darauf hinweist, dass er sechzig Sekunden Zeit hat,
um das Programm zu aktivieren, indem er ein bisschen seines
Blutes auf seinen rechten Daumen schmiert und ihn dann auf
das weiße Feld unter dem Text presst. Wenn der Empfänger
dem nachkommt, ehe die Zeit abgelaufen ist, verschwindet
das Blut ohne Schaden und das Programm öffnet sich auto-
matisch, wonach es sich auf die Festplatte des Computers lädt.
Auf dem Desktop erscheint ein Icon für das entsprechende
Programm, das allerdings nur der Empfänger sehen kann und
das Programm selbst besteht aus einer unsichtbaren Datei, die
auf der Festplatte durch nichts anderes, als durch Technoman-
tie, entdeckt werden kann. Für jeden Erfolg nach dem ersten
kann ein weiterer Empfänger hinzugefügt werden, sollte der
Thaumaturg mehr als eine Kopie anfertigen wollen.
Telekommunikation (Stufe Drei)
Telekommunikation ist eines der frühen Rituale, das mit
der Technomantie in Verbindung gebracht wird. Tatsächlich
waren die Einblicke, die bei der Erschaffung dieses Rituals
gewonnen werden konnten, der entscheidende Hinweis dar-
auf, dass Technomantie möglich war. Der Thaumaturg muss
eine Sigile auf den Bildschirm eines Fernsehers oder eines
Monitors zeichnen. Solange das Ritual anhält, kann der
Thaumaturg sehen und hören, was sich um den Bildschirm
herum abspielt, als würde er daraus hinausblicken. Was aller-
dings noch viel wichtiger ist: mit nur einem Gedanken kann
er ändern, was auf dem Bildschirm zu sehen ist, sei es um fal-
sche Nachrichten zu senden, andere abzulenken oder einfach
nur, um sein eigenes Gesicht erscheinen zu lassen und sich
mit dem Zuschauer unterhalten zu können.
System: Die erzielten Erfolge bilden einen Würfelvorrat,
mit dem der Thaumaturg entweder durch den Bildschirm
beobachten oder ihn für die nächsten sieben Tage nach
Belieben beeinflussen kann. Der Spieler würfelt mit seinem
Vorrat, entweder um durch den Bildschirm zu sehen und zu
hören (Schwierigkeit 4) oder zur Beeinflussung dessen, was
darauf für andere sichtbar wird (Schwierigkeit 7). Ein Patzer
bei einem beliebigen der Würfe beendet das Ritual sofort.
Geheimhaltungsvereinbarung (Stufe
Vier)
Seit ihrem Überlaufen zu den Anarchen haben die Hackti-
visten sich auf die Weise dem Voranbringen der Bewegung
verschrieben, die ihnen am besten liegt: vorwiegend durch das
Verbreiten von Information. Besonders die Hacktivisten der
mysteriösen Fraktion Rote Frage (siehe Entfesselte Anarchen
für weitere Information) haben große Anstrengungen unter-
nommen, um die Philosophie der Anarchen-Bewegung zu ver-
breiten, von der Verteilung spezieller taktischer Informatio-
nen, um Anarchen zu unterstützen, die in Camarillagebieten
68 Kapitel Drei: Die Bewegung
Beispielprogramme:
Fangbook modifiziert den Computer, das Smartphone
oder das Tablett des Nutzers, sodass er Nachrichten, Bil-
der oder Videos auf Facebook oder Twitter laden kann
(oder auf andere, vergleichbare Plattformen der sozialen
Medien), die dort als harmlose Posts wie Geburtstags-
grüße an gänzlich fremde Personen oder häufig geteilte
Bilder oder Videos erscheinen, wenn sie von nicht-Vam-
piren angesehen werden. Mit Fangbook können Anar-
chen sich frei auf Social Media-Plattformen bewegen und
Kommentare oder Medien teilen, die ansonsten gegen
die Maskerade verstoßen würden, wenn Sterbliche sie tat-
sächlich wahrnehmen könnten.
Bloodspot funktioniert ähnlich, ist aber eine Sharewa-
re-Blogging Plattform, die nur von Kainskindern wahrge-
nommen werden kann. Wenn eine Bloodspot Seite von
einem Sterblichen angesehen wird, sieht dieser nur die
„Server nicht gefunden“ Meldung oder einen vergleich-
baren Fehler, der darauf verweist, dass eine solche Seite
nicht existiert.
FangChat andererseits ist ein Chatprogramm, das jedes
Kainskind finden kann, das gerade online ist und ein
Chat-Fenster zu ihm auf dessen Computer öffnet, was
(nach Angaben des Programmierers) nicht zurückzuver-
folgen ist. Darüber hinaus löscht sich die Nachricht nach
einigen Minuten selbst und hinterlässt keine Spur. Fang-
Chat ist bis jetzt aber noch nicht weit verbreitet und es
gibt einige haarsträubende Gerüchte darüber (vor allem
von loyalen Tremere-Technomanten). Einige behaupten,
das Programm könne automatisch feststellen, wenn eine
der antwortenden Parteien lügt. Andere sagen, es ver-
füge über eine eingebaute GPS-Funktion, mit der die
Zuflucht eines jeden gefunden werden kann, der dumm
genug war, zu antworten. Wieder andere geben vor, das
Programm sei ein Vektor, um Befehle mit Beherrschung
zu übermitteln.
kämpfen, ganz zu schweigen. Mit diesem Ritual brauchen sie
keine Enthüllung oder Betrug zu fürchten.
Das Ritual verzaubert eine Textdatei, die danach verschlüs-
selt und per Mail an eine andere Person versandt wird. Wenn
der Empfänger die E-Mail öffnet, erhält er das Angebot gehei-
mer Informationen, die bei der Verbreitung der Ideale der
Anarchen hilfreich sein könnten. Um diese Information
allerdings zu erhalten, muss der Empfänger der Geheimhal-
tungsvereinbarung zustimmen, indem er mit seinem Daumen
etwas Blut auf ein Feld auf seinem Bildschirm gibt (ähnlich
dem Ritual Autorun.exe). Wenn er zustimmt, wird das Blut
vom Rechner aufgenommen und der gesamte Inhalt der Text-
datei (was hunderte Seiten Text sein können) wird sofort in
seinen Geist heruntergeladen.
 Nur Rohdaten können auf diese Weise befördert werden.
Das Ritual kann einem Kainskind nicht dabei helfen, eine
Disziplin oder ein Ritual zu erlernen oder anderweitig Fähig-
keiten zu verbessern. Der Empfänger erhält dennoch eine
sehr anschauliche Zusammenfassung aller heruntergeladenen
Informationen. Der „Vertraulichkeitsaspekt“ dieses Rituals
kommt ins Spiel, wenn das Ziel von jemandem gefangen
genommen oder verhört wird, der der Anarchen-Bewegung
feindlich gesonnen ist. In dem Augenblick, da die Person
glaubt, sie laufe Gefahr Geheimnisse der Anarchen offenba-
ren zu können, (ungeachtet ihrer persönlichen Wünsche die
Bewegung zu verraten oder ihr gegenüber loyal zu bleiben),
verschwinden alle Daten aus ihrem Geist. Abhängig von den
Wünschen des Absenders kann nichts von der Information
im Kopf des Empfängers zurückbleiben, nur wenige Details
oder aber auch Unmengen an Falschinformationen, von
denen das Ziel fest überzeugt ist, sie seien wahr.
System: Ein Erfolg reicht aus, um die Information für den
Empfänger zum Download vorzubereiten. Drei Erfolge sind
notwendig, um ein Backup mit Fehlinformationen anzulegen,
die der Empfänger glauben wird, sollte er gefangen genom-
men werden und in den „Absicherungsmodus“ verfallen.
Geist im System (Stufe Fünf)
In den heutigen Zeiten, in denen das Internet nichts ver-
gisst und staatlich abgeglichene Identifikationsverfahren für
beinahe jede Transaktion notwendig sind, ist es nicht mehr
ausreichend, dass ein frisch eingetroffenes Kainskind einfach
einen örtlichen Verwaltungsangestellten beherrscht, damit
der ihm neue Papiere ausstellt. Dieses tiefgehende Ritual kann
in seiner Durchführung eine Woche oder mehr in Anspruch
nehmen (um damit eine falsche Identität für Kainskinder
oder andere Übernatürliche zu erschaffen), während einfache
Anwendungen gegen Sterbliche in einer einzigen Nacht abge-
BLUTRITEN
handelt werden können. Bei seinem Abschluss können die
Ergebnisse aber sehr beeindruckend sein. Das Ritual erschafft
für Kainskinder nicht nur einen falschen Personalausweis,
sondern lückenlose bürokratische Nachweise bis zum „Tag
seiner Geburt“.
Diese falsche Vita, wie sie dann auch im Internet zu fin-
den ist, zeigt einen Werdegang nach Wunsch des Thauma-
turgen auf. Nur eine persönliche Nachforschung in staubigen
physischen Archiven wird die Wahrheit über das Leben des
Ziels ans Licht bringen. Wenn das Ritual gegen Sterbliche
gerichtet wird, können damit unschuldigen Personen krimi-
nelle Machenschaften angehängt, das Führungszeugnis Kri-
mineller kann getilgt werden, man kann aber auch die Eigen-
tumsurkunde eines Hauses umschreiben oder die ärztlichen
Unterlagen einer gesunden Person so verändern, dass ihr eine
fürsorgliche Pflegerin eine in dieser Situation tödliche Spritze
verabreicht.
System: Für das Ritual muss eine ausgedehnte Probe auf
Intelligenz + Okkultismus abgelegt werden, wobei jeder Wurf
für eine volle Nacht steht, die nur für das Umschreiben des
Internets steht und keine Zeit lässt, außer um ein oder zwei
Stunden zu trinken. Der Erzähler legt fest, wie viele Erfolge
notwendig sind, begründet auf der Anzahl an „Fakten aus dem
Internet“, die geändert werden müssen, um das gewünschte
Ergebnis zu erzielen. Das Ändern einer medizinischen Diag-
nose eines Sterblichen oder all seine Kreditkarten als gestoh-
len zu melden, könnte nur einen oder zwei Erfolge benötigen,
wohingegen das Erschaffen einer komplett neuen Identität
für einen Vampir auf der Flucht fünf bis zehn Erfolge notwen-
dig machen könnte, je nachdem wie kompliziert und wichtig
die neue Identität sein soll. Besonders herausragende Arbeit
bei diesem Ritual könnte sogar zu Punkten im Hintergrund
Deckidentität (V20 S. 110) führen.
69
 Kapitel Vier:
Die Unabhängigen

Wir sollten uns nicht dafür schämen, die Wahrheit anzuerkennen, aus welcher Quelle sie den Weg auch zu uns finden mag,
selbst wenn sie uns von früheren Generationen oder fremden Völkern zugetragen wird.
Für denjenigen, der die Wahrheit sucht, gibt es kein höheres Gut, als die Wahrheit selbst.
— Al-Kindi

Assamiten-Hexerei
Außerhalb der verschlossenen Hallen der Tremere wissen
nur sehr wenige Kainskinder in den heutigen Nächten, dass
die Assassinen auf eine lange Geschichte angewandter Blut-
magie zurückblicken können, die sich bis in die heute sagen-
umwobenen Nächte der Zweiten Stadt erstreckt. Unter den
Tremere, die von diesen ungewöhnlichen Künsten wissen,
halten sich Gefühle von Abscheu und Angst die Waage. Für
die hermetische Mentalität der Hexer ist es beinahe blasphe-
misch, dass solch lose strukturierten Praktiken tatsächlich
als „Magie“ bezeichnet werden können. Dafür entspringen
diesen Praktiken mächtige Effekte, von denen einige bemer-
kenswerte Ähnlichkeiten zur kostbaren Thaumaturgie der
Tremere aufweisen. Dieser Umstand treibt die Angst in ihre
toten, kalten Herzen, da ihr angebliches Monopol auf Blut-
magie eventuell bedroht sein könnte.
Assamiten-Hexerei hatte in der Zweiten Stadt ihren
Anfang, als sterbliche Magier den Kuss empfingen und mit
den Versprechen von Macht und ewigem Leben in den Clan
aufgenommen wurden. Während der Kriege gegen die Baali
fungierten diese Hexer als Verhörmeister und Dämonenjä-
ger. Nach dem Niedergang der Zweiten Stadt vereinfachten
die Hexer die magische Kommunikation über große Entfer-
nungen hinweg, wodurch der Clan geeint und organisiert
blieb. Darüber hinaus nutzen sie ihre Kunst, um die Herde
zu beschützen, die der Clan sich aufzog. Sie hegten die
­ eldfrüchte, die ihre Herde ernährten und kämpften gegen
F
die Mächte, die den Clan bedrohten.
Infolge des Blutfluchs, der den Assamiten infolge des Dor-
nenvertrags aufgezwungen wurde, wandte sich die Führung
des Clans an seine Hexer, damit diese einen Weg fänden,
um das Elend wieder abzulegen, das sie auf ihrem Weg zu
ihrem Heiligen Ziel behinderte. Mit Hilfe ihrer älteren und
vielseitigeren Künste versuchen sie, dies wahr werden zu las-
sen. Dies ist eine Besessenheit, die tief und dauerhaft im
Herzen von Assamiten-Hexern weltweit brennt.
Diese Hexer haben ihre Talente danach den Künsten des
Dur-An-Ki (sumerisch für „Meister des Himmels und der
Erde“) zugewandt, um sich bei dieser Aufgabe zu unterstüt-
zen. Diese Art der Magie entstand im alten Mesopotamien
und wuchs über die Jahrtausende heran, um die Insignien
zahlreicher Mythen und Religionen aus dem weiten Mittle-
ren Osten aufzunehmen. Im Grundsatz erlaubt Dur-An-Ki
das Abschließen von Pakten zwischen Geistern und Hexern
(bekannt als Ashipu).
Geister, die in den alten Zeiten einst Götter genannt wur-
den, existieren noch heute, versteckt in den Schatten und
sie helfen weiterhin jenen, die sie anrufen. Mit Hilfe dieser
alten Mächte und der Bündnisse mit der Menschheit, die sie
einst als Götter definierte, konnten die Hexer bis heute ihre
größten Fortschritte erzielen, um den Blutfluch zu brechen.
Über bereits bestehende und neue Pakte mit diesen Geis-
tern, konnten die Assamiten-Hexer ihr ohnehin bereits
71

BLUTRITEN 71
 Ein Hinweis zum
Umgang mit Geistern
Dur-An-Ki ist weder eine andere Variante der Dunklen
Thaumaturgie, noch ist es Infernalismus unter anderem
Namen. Wer die Tresore dieses verbotenen Wissens
plündern möchte, findet in Kapitel Sechs seine Bedürf-
nisse befriedigt.
Diese Geister wurden einst in der alten Welt als Göt-
ter verehrt und sind in den heutigen Nächten nicht zu
Dämonen geworden. Diese Geister helfen den Ashipu
die Geheimnisse neuer Pfade und Rituale zu erlernen,
indem sie mit ihnen oder noch mächtigeren Geistern,
denen sie nicht selbst begegnen wollen, Pakte abschlie-
ßen. Ashipu bieten einem Geist, mit dem sie einen Pakt
schließen, niemals ewige und exklusive Dienerschaft an,
so wie Infernalisten dies tun. Der Hexer ist der domi-
nante Partner in dieser Beziehung oder zumindest ein
Gleichgestellter.
außerordentliches Arsenal um eine ansehnliche Auswahl
weiterer magischer Kräfte erweitern. Darüber hinaus haben
sie die Existenz der Himmelsleiter entdeckt, ein metaphysi-
scher Pfad, der Gerüchten zufolge den Eingang zum Him-
mel selbst darstellen soll. Die Hexer arbeiten nun daran, die
Leiter aufzusteigen und durch ihre acht Tore zu brechen,
hinter denen sie hoffentlich die Macht finden, die sie benö-
tigen, um den Blutfluch zu zerschlagen. Sie werden entwe-
der einen neuen Pakt mit einer höheren Macht eingehen,
mit der sie dann die Fesseln der Tremere abwerfen können,
oder sie werden versuchen, die Macht auf jede notwendige
Weise selbst zu nutzen.
Stil und Essenz
Während die Kennzeichen der Thaumaturgie ihre Ordnung
und ihre wissenschaftliche Präzision sind, ist Assamiten-He-
xerei deutlich weniger starr. Sie bezieht ihre Inspiration und
ihre Form aus zahlreichen kulturellen Quellen und Experi-
menten, die über viele Jahrhunderte durchgeführt wurden.
Hinduismus, Heldensagen, Feng Shui, muslimische Alche-
mie und Astronomie, die hohe und niedere Magie Meso-
potamiens und die persischen Riten um Mithras sind nur
einige wenige davon.
Bei jedem Ritual, das ein Hexer durchführt, besteht der
Weg zur Vollendung aus einer Reihe von Meilensteinen.
Die Reihenfolge und die Art und Weise, wie diese erfüllt
werden, unterscheidet sich dabei aber von einem Hexer zum
nächsten, abhängig davon, auf welche kulturelle Quelle er
sich bezieht, um seine Praktiken zu beschreiben. In einem
Ritual stellt der Hexer beispielsweise eine altertümliche,
rituelle Zeremonie nach, in der ein Priester dem heiligen
72 Kapitel Vier: Die Unabhängigen
Kalif
Einige Ashipu verwenden eine Droge, genannt Kalif, um
ihre Geister zu öffnen und Zugang zur Himmelsleiter
zu bekommen. Die Droge ist eine Art Haschisch, das
aus Marihuanapflanzen gewonnen wird, die mit Vitae
genährt wurden (das Ritual zu seiner Herstellung fin-
det sich auf S. 162-163). Kalif kann vom Ashipu direkt
eingenommen werden, indem er die Droge aus seinen
Lungen durch Einsatz des Blutes direkt in seinen Kör-
per presst. Es kann aber auch über einen Sterblichen
aufgenommen werden, indem dieser es raucht und der
Hexer anschließend von ihm trinkt.
Kalif ist ein starkes Halluzinogen, doch die Ashipu haben
gelernt, die Wege der Halluzinationen so zu lenken,
dass diese sie zur Himmelsleiter führen. In ihren Visio-
nen beginnt die Leiter als scheinbar endlose Treppe,
weit weg über die Grenzen der Erde und den Gesetzen
des Raumes trotzend.
Die Kunst, blutgenährtes Marihuana anzubauen, muss
über Jahre gelernt werden. Es ist nicht nur aufgrund des
Vitaeaufwandes sehr kostspielig, sondern auch grund-
legend unnatürlich, weshalb große Fürsorge notwendig
ist, damit der Hexer die Pflanzen nicht abtötet. Daher
wird es nur von den hingebungsvollsten und geduldigs-
ten Hexern genutzt. Es ist ebenso eines der kostbarsten
und bestgehütetsten Talente der Assamiten und es zu
lehren ist ein von Alamut streng regulierter Prozess.
(Dennoch haben einige Fraktionen dieses Wissen
gestohlen — siehe S. 37). Die Hexer sind sehr bemüht,
dass Kalif nicht in die fremden Hände anderer Clans
fällt, da dies möglicherweise das Ende ihres Monopols
des Zugriffs auf die Himmelsleiter bedeuten könnte.
König, der Marduk nachfolgte, ins Gesicht schlägt. Wo
in der ursprünglichen Symbolik die Tränen des heiligen
Königs Fruchtbarkeit versprachen, haben die Assamiten das
Ritual für ihre eigenen Praktiken des Blutzehnt umgestal-
tet, wodurch sie eine großzügige Ernte von jenen einfahren
können, die durch das Blut mit dem Opfer verbunden sind.
Im Zuge ihrer neueren Praktiken sind Assamiten-Hexer
dazu übergegangen, sich selbst in ekstatischer Suche nach
Visionen zu verlieren, bei denen sie Reiche jenseits der Vor-
stellungskraft entdecken, die den Aufstieg auf der Himmels-
leiter darstellen. In diesen wilden und fremden Reichen, die
vollständig außerhalb der konkreten Realität liegen, welche
der Menschheit und dem Rest der Welt der Kainskinder
bekannt sind, haben Assamiten-Hexer Pakte mit alten Geis-
tern geschlossen, die ihnen zahlreiche neue Pfade der Hexe-
rei gewährt und noch weitere, ungewöhnliche Fähigkeiten
offenbart haben. In einem dieser Reiche beispielsweise, das
die Hexer „Die Sphäre des Merkurs“ getauft haben, haben
Besucher die Möglichkeit, sich in das weltweite Kommuni-
kationsnetzwerk einzuklinken. Indem sie ihr Blut und die
Macht ihres Willens als Währung einsetzten, haben sie
verhandelt und die Unterstützung von Wesen gewonnen,
deren unbekannte und (scheinbar) unerschöpfliche Macht
ihnen hoffentlich bei der Zerschlagung des Blutfluchs hilft.
Die Früchte dieser Pakte wurden später unter der gesamten
Hexer-Kaste weltweit verbreitet.
Selbst die jüngsten Lehrlinge der Hexer bekommen die
Feinheiten der alten Mächte gelehrt, auf die sie sich stüt-
zen. Die erste grundlegende Lektion in ihrer Ausbildung
lautet dabei, dass bei allem Blut und aller Kraft des Willens,
die zur Anrufung dieser neuen Magie aufgewandt werden,
dies nicht bedeutet, dass die Macht die ihre sei. Es handelt
sich dabei um ein Geschenk, das von den Geistern gewährt
wird, deren Gunst die ältesten Hexer gewinnen konnten. Sie
gehört vollständig einem Wesen im Hintergrund.
Wenn die Feinde der Assamiten von dieser Quelle der
Macht erführen, wäre es theoretisch möglich, dass sie selbst
versuchen, die Gunst eines mächtigeren Geistes zu erlangen
und die Assamiten um alles zu bringen, wofür sie gearbeitet
haben. Geheimhaltung ist daher ein Aspekt, der hinsicht-
lich ihrer Studien dominant und fest in ihren Köpfen veran-
kert ist, von der ersten Nacht aller Hexer an. Dennoch waren
ihre Anstrengungen nicht zur Gänze erfolgreich.
Eine kleine Anzahl an Kainskindern außerhalb des Clans
haben einige Aspekte von Dur-An-Ki gelernt, doch nicht
Assamiten-Hexerei als Ganzes. Während diese Einzelperso-
nen ein Dorn im Auge vieler Hardliner unter den Hexern
BLUTRITEN
darstellen, akzeptieren sie zähneknirschend, dass nicht die
Assamiten Dur-An-Ki erschaffen haben. Die Assamiten pass-
ten die Praktiken an die weiten Künste ihrer Hexerei an und
andere haben es über die Jahrhunderte eben auch entdeckt.
Diese vereinzelten Kainskinder außerhalb der Assamiten
profitieren nicht von Kalif, um einfacher die Himmelsleiter
zu erreichen und die Reiche dahinter, wo sie neue Rituale
entwickeln könnten. Damit steht ihnen nur ein beschränk-
ter Zugriff auf die Praktiken des Dur-An-Ki zur Verfügung.
Dies ist für die besorgten Assamiten-Hexer nur ein schwa-
cher Trost und sie sorgen sich weiterhin darüber, was wohl
passieren wird, wenn die Tremere auch nur das einfachste
Ritual davon in die Finger bekommen.
Auch wenn die Hexerei sich als einzigartiger Vorteil im
Arsenal der Assamiten bewährt hat, haben Jahrzehnte der
Studien bisher nicht das Rätsel um die Auflösung des Blut-
fluchs der Tremere aufzeigen können. Während viele Hexer
weiterhin auf ihre Weise auf der Leiter aufsteigen, haben
erleuchtetere, höhere Ränge der Kaste einen anderen Ansatz
für sich gefunden.
In ihren Augen sehen sie Thaumaturgie als die Machtkom-
ponente, auf der dieser Blutfluch aufgebaut wurde. Wenn
die Assamiten diese Macht verstehen und über sie gebieten
lernen, dann könnten sie vielleicht endlich die Fundamente
des Blutfluchs angreifen, anstatt nur einige der Probleme zu
beseitigen. Folglich wurde eine steigende Anzahl an Pakten
mit den mächtigsten und wichtigsten Geistern geschlossen,
um die Mächte der Tremere nachzustellen, sodass die Assa-
miten endlich das studieren und verstehen können, was sie
so dringend zerstören möchten.
73
 Beziehungen nach außen
Die Assamiten gehören aufgrund ihres blutrünstigen Rufes
zu den am weitesten gefürchteten Clans unter den Unab-
hängigen. Dieses furchteinflößende Mysterium hat über die
Jahrhunderte zum Zusammenspinnen unzähliger Geschich-
ten und verleumderischen Anschuldigungen geführt. Die
Hexer-Kaste hält dies mit Freude aufrecht, da die Geschich-
ten dabei helfen, die mystischen Praktiken des Clans zu ver-
schleiern.
Tatsächlich wissen nur wenige außerhalb des Clans, dass
die Kinder Haqims solchen Praktiken nachgehen. Noch
weniger teilen die Information darüber, aus Angst, sie könn-
ten zum Ziel eines Kontraktes werden, der sie für immer zum
Schweigen bringt. Die Assamiten wissen nicht genau, wie
weit die verabscheuungswürdigen Tremere über ihre Wege
Bescheid wissen, doch die Hexer wissen, dass die Tremere
sich zumindest der Existenz der Assamiten-Hexerei bewusst
sind und dass sie den Anschein erweckt, als würde sie die
Effekte ihrer kostbar gehüteten Thaumaturgie nachbilden,
zumindest in einigen Teilen.
Folglich führen die Tremere seit Jahrzehnten einen heim-
lichen Krieg mit den Assamiten und versuchen so jegliches
Geheimnis herauszufinden, das ihnen über deren mysteri-
öse Praktiken in die Hände fällt.
Es handelt sich dabei aber um einen Verschleißkrieg und
den Tremere sind nur wenige harte Fakten in die Hände
gefallen. Sie haben Gerüchte über die Künste des Dur-An-Ki
aus dem alten Mesopotamien gehört, doch haben sie darü-
ber mehr aus den Quellen sterblicher Akademiker gelernt,
als von den Assamiten selbst. Daher halten die Hexer immer
einen guten Abstand zu irgendwelchen Absprachen mit der
Camarilla. Der Einfluss der Tremere erstreckt sich bis tief
in den Elfenbeinturm, daher unternehmen die Hexer alle
notwendigen Schritte, um sich nicht dem Risiko der Ent-
deckung auszusetzen.
Ein ähnlicher Verhaltenskodex greift unter den Hexern
auch bei Abkommen mit dem Sabbat. Die Assamiten dach-
ten einst, dass Handel mit dem Schwert Kains die bessere
Option darstellte, als sich auf Abkommen mit der Camarilla
einzulassen, doch als bekannt wurde, dass es auch Tremere
Antitribu in den Rängen des Sabbat gab, wurde dies neu eva-
luiert. Anstatt es einfach darauf ankommen zu lassen und
zu glauben, dass diese Tremere ihren Wurzeln den Rücken
gekehrt haben, gehen die Hexer lieber den Weg der Skepsis.
Soweit sie wissen, könnte man eine Verseuchung, wie die
der Tremere im Elfenbeinturm, genauso im Sabbat vorfin-
den, was eine mögliche Bedrohung für die Assamiten dar-
stellen würde.
Gelegentlich kommen Gerüchte auf, die von Assamiten
Antitribu Hexern sprechen, die ihre Künste aktiv im Schwert
Kains praktizieren. Dieses Thema schürt immer wieder
74 Kapitel Vier: Die Unabhängigen
neue Diskussionen und Sorgen in der Hexer-Kaste. Sollten
diese Assamiten Antitribu Hexer von einem Tremere Anti-
tribu gefangen genommen werden, könnte dies ein Vorbote
eines möglichen Desasters für den Clan werden. Die Inter-
aktion mit der Himmelsleiter muss allerdings bestimmt sehr
beschränkt sein, da sie nur beschränkten Zugang zum Kalif
vom Adlernest haben sollten. Dies mindert die Sorgen der
Hexer zumindest ein kleines bisschen. Doch andererseits,
weshalb kommen diese Gerüchte dann weiter auf?
Wenn man sich jenseits der beiden dominanten Sekten
im Dschihad umsieht, dann wissen viele der heutigen Hexer
nur wenig über die Tal‘Mahe‘Ra. Doch die ältesten Assami-
ten sprechen von einem Krieg, der zwischen dem Clan und
der schattenhaften Sekte vor vielen Jahrhunderten ausge-
brochen sei, wobei seither ein Waffenstillstand eingehalten
wird. Doch die Zeit ist vergangen und die Paranoia in den
heutigen Nächten gewachsen, sodass Stimmen laut werden,
was geschehen soll, wenn die geflüsterten Aussagen über
diese Sekte sich als wahr erweisen: dass sie selbst auf ihre
Weise die Welt zu einem Armageddon führen wollen. Wenn
dies der Fall wäre und die Gerüchte darüber ebenfalls stim-
men, dass die Sekte magische Kräfte einsetzt, die noch weit
merkwürdiger sind, als die der Hexer, oder gar die dieser Tre-
mere, dann werden die Assamiten-Hexer wohl wieder an die
Front eines Konfliktes gerufen, der schlimmer sein könnte,
als die dunklen Nächte der Zweiten Stadt.
Im Falle der anderen Sekten haben die magischen Prak-
tiken der Assamiten wenig Auswirkungen auf die Bezie-
hungen mit der weiteren Welt der Kainskinder. Soweit die
Hexer das beurteilen können, setzt die Anarchen-Bewegung
sich mehr mit Politik, als mit Mystizismus auseinander und
die Motivation der geheimnisvollen Inconnu ist ihnen größ-
tenteils unbekannt. Die anderen Unabhängigen mischen
sich größtenteils weiterhin nicht in die Angelegenheiten
der Kinder Haqims ein, sodass das Wissen um die Hexerei
nur minimalst aus Quellen der Camarilla oder des Sabbat
zu ihnen durchgedrungen ist und somit aus zweiter Hand
stammt. Wenn die Giovanni an diesen eigenartigen Küns-
ten interessiert sind, dann müssen sie sich noch in Bewe-
gung setzen, um sie für sich zu erlangen und konzentrieren
sich mehr auf ihre ungesunden Praktiken der Nekromantie.
Die Jünger des Seth verfügen über ihre eigene Magie und
werfen von Zeit zu Zeit immer wieder ein neugieriges Auge
auf die Assamiten-Hexerei. Dadurch, dass die Assamiten-He-
xerei ihre Inspiration aus zahlreichen kulturellen Einflüs-
sen bezieht, so wie die Setiten die verschiedenen Masken
des Seth rund um die Welt identifiziert haben, besteht die
Neugierde der Magi der Jünger des Seth eher darin, ob die
Assamiten-Hexerei nicht auch in Wahrheit eine von Seths
Manifestierungen der Macht auf Erden sein könnte. Bis
heute konnten sie das wahre Wesen der Assamiten-Hexerei
oder des Dur-An-Ki nicht ergründen, doch ihre wilden Spe-
kulationen gehen weiter.
Hexerei innerhalb der
Kasten der Assamiten
Die Assamiten sind in drei Kasten unterteilt, denen ver-
schiedene Funktionen innerhalb des Clans zukommen.
Die Krieger-Kaste ist die sichtbarste außerhalb des Clans
und stellt die kriegerische und aktivste Kaste dar. Normaler-
weise ist sie auch die zahlenmäßig größte Kaste. Die Wesire
sind die Gelehrten des Clans und die Suchenden nach Wis-
sen. Sie unterstreichen, dass Haqim ursprünglich ein Soldat
war, doch dass er zum Gelehrten wurde und seine Kinder
waren Handwerker und Weise. Somit führen die Wesire sein
Erbe fort. Schließlich gibt es dann noch die Hexer, welche
die Künste der Assamiten-Hexerei praktizieren und den akti-
ven, magischen Arm des Clans darstellen.
Die Bezeichnung Kaste trifft eher zu als Fraktion, da diese
drei Gruppen in ihrer Struktur sehr althergebracht sind und
gewissermaßen Blutlinien innerhalb des Clans darstellen.
Jeder neue Assamit wird mit dem Kuss direkt einer Kaste
zugeordnet, was ihm seine Rolle für den Clan vorgibt. Sollte
dennoch ein Krieger oder Wesir Assamiten-Hexerei erlernen
(was möglich ist, doch selten vorkommt), „adoptiert“ ihn die
Hexer-Kaste beinahe immer (manchmal auch unter Zwang),
damit er sein Talent dem Brechen des Blutfluchs unterstellt.
Diese Individuen werden von den „geborenen“ Hexern
der Kaste beäugt, da sie außerhalb der erblichen Hierarchie
stehen und somit dazu verdammt sind, immer am Boden
der Machtstruktur zu verbleiben. Darüber hinaus werden sie
meist von ihrer ehemaligen Kaste gemieden, da sie es hätten
besser wissen müssen, als einen Weg einzuschlagen, der in
ihrem Rauswurf aus ihrer früheren Rolle mündet. Es ver-
wundert kaum, dass es selten zu dieser Situation kommt.
Krieger
Im vergangenen Jahrhundert mehrten sich die Stimmen
unter den Kriegern und wurden auch stetig lauter, die Stärke
und Hingabe ihrer Hexer-Geschwister in Frage stellen. Seit
der Blutfluch auf den Clan fiel sind bereits mehrere Jahr-
hunderte vergangen und die Hexer haben trotz all ihrer
Anstrengungen nur sehr wenig vorzuweisen. Natürlich kön-
nen die Hexer davon erzählen, dass sie Fortschritte machen,
dass sie auf der Himmelsleiter höher steigen, doch nichts
davon hatte spürbare Auswirkungen auf den Blutfluch, da
dies der gesamte Clan spüren und davon profitieren würde.
Somit macht es auf die Frontlinie des Clans den Eindruck,
dass die Hexer nur sich selbst dienen: dass sie ihr magisches
Arsenal mit neu gefundenem Wissen aufstocken und gele-
gentlich einem Ritual, das bestenfalls einen Nischenvorteil
bringt, gemessen am großen Plan des Clans.
Viele Krieger werden sich durch nichts beruhigen lassen,
als durch die Zerschlagung des Blutfluchs und mit jedem
Jahrzehnt, das ohne diesen Erfolg vergeht, steigt in ihnen
der Wunsch, die Hexer dazu zu zwingen, ein neue Methode
zu entwickeln, die einzig der Erreichung dieses Ziels dient.
Unter den Kriegern war in der Tat schon häufiger die Rede
davon, dass, wenn die Hexer ihren profanen Waffen ebenso
BLUTRITEN
viel Hingabe entgegen bringen würden, wie ihren „Küns-
ten“, die Hexer dann mit einer hohen Wahrscheinlichkeit
vermutlich schon jeden Tremere auf dem Antlitz der Erde
hätten vernichten können.
Dennoch sehen die Krieger zähneknirschend davon ab,
sich in die Anstrengungen der Hexer einzumischen. Es
könnte dennoch die Zeit kommen, da die Jahrhunderte der
Ungeduld schließlich überkochen und sich in einer unkon-
trollierten Wut zwischen den beiden Kasten entlädt, die
nicht länger zurückgehalten werden kann.
Wesire
Aus ihrer nicht durch die Wut der Krieger getrübten Sicht,
halten die Wesire Hexerei ganz klar für eine Bedrohung für
ihre Anwender: die Gefahr für den Hexer, seinen Weg aus
den Augen zu verlieren.
Über Jahrzehnte hingen die Hexer auf der Stufe der Ulti-
mativen Verzückung fest und dachten, sie hätten den Him-
mel selbst gestürmt, nur um dann festzustellen, dass es sich
dabei um eine Barriere handelte, die sie vom Erreichen ihres
tatsächlichen Ziels abhalten sollte. Während ihres andauern-
den Aufstiegs haben die Hexer von den Wundern erzählt,
die sie gesehen haben und die Wesire haben den Wunsch
nach Macht in ihren Augen wachsen sehen. Sie wurden auf
ihrer Suche schon ein Mal geblendet, wieso sollte dies kein
weiteres Mal geschehen können?
Einige Wesire befürchten, dass – sollten die Hexer die
absolute Macht erlangen, auf die sie hoffen – die absolute
Korrumpierung folgen könnte, wenn sie auf dem Weg dort-
hin nicht den Wert der Weisheit erlernen. Daher nehmen
viele Wesire, die selbst Hexer begleiten, die Rolle des mora-
lischen Kompasses für ihre Geschwister ein, um ihnen den
Weg zurück zu ihrem richtigen Ziel zu zeigen.
Im Großen und Ganzen glauben die Wesire an ihre
Geschwister, sie stehen ihnen immer zur Seite, um sie zu
unterstützen. Sie sehen die Hexerei als praktische Anwen-
dung des versteckten Wissens, das der Clan erschlossen hat.
Sie ist ein großartiges und wunderbares Werkzeug, von dem
sie überzeugt sind, dass es dem Clan die ultimative Freiheit
vom Blutfluch schenken wird, doch ein Werkzeug, das mit
klarem und konzentriertem Blick genutzt werden muss.
Hexer
Als lose organisierte Leistungsgesellschaft, liegt die Macht bei
denjenigen, die magisch am begabtesten sind. Somit stehen
sie alle untereinander im Wettstreit um die Überlegenheit.
Unter den Ahnen-Hexern gibt es eine gewisse Verbitterung
darüber, dass die Kaste historisch gesehen im Clan immer
nur zweitrangig war. In den Nächten der Zweiten Stadt dien-
ten sie an der Seite der Richter und beschützten die Herden,
die den gesamten Clan unterhielten. Dennoch hatten sie nie
das Gefühl, als seien sie als Anführer oder Entscheidungsträ-
ger im weiteren Sinne des Clans gesehen worden, worüber
sie zunehmend verbitterten.
Für viele ist die Herausforderung der Zerschlagung des
Blutfluchs nicht nur eine Rache an den Tremere, sondern
75
 auch eine Möglichkeit, um dem Clan zu zeigen, dass sie
mehr Respekt verdienen. Wenn sie Erfolg haben sollten,
werden sie bewiesen haben, dass ihre Künste die großar-
tigste Waffe in der Geschichte des Clans sind. Die Assa-
miten-Hexerei wird damit die Baali ausgebrannt und die
Fesseln der Tremere abgeschüttelt haben.

Neue Rituale
Ritual der Rückkehr (Stufe Eins)
Ab einem gewissen Punkt akzeptieren alle Assamiten,
dass sie eines Nachts im Kampf fallen könnten. Für den
Fall, dass diese schicksalhafte Nacht eintritt, hat die Assa-
miten-Hexerei einen Weg gefunden, damit der Clan das
einfordern kann, was rechtmäßig ihm gehört. Indem der
Hexer auf blanker Erde unter dem Himmel steht, bittet
der Hexer darum, dass sein Blut im Augenblick seines
Todes zurück zum Adlernest getragen wird. An dieser
Stelle und unter der zeremoniellen Beobachtung anderer
Assamiten-Hexer, wird das Blut des Hexers eins mit dem
Herzblut des Clans und vereinigt sich mit dem Blute
Haqims, von dem es in erster Instanz abstammt.
System: Die Auswirkungen des Rituals halten eine
Anzahl an Sonnenaufgängen an, die der Anzahl der
Erfolge beim Aktivierungswurf entsprechen. Wenn der
Hexer seinen endgültigen Tod erfährt, tritt sein gesamtes
Blut durch seine Poren aus und wird in die Erde gezogen,
wodurch es auf magische Weise nach Alamut transpor-
tiert wird. Sollte der endgültige Tod durch eine Diablerie
zustande kommen, spürt der vermeintliche Diablerist,
wie das gesamte Blut sich aus seinem Körper losreißt,
was Tödlichen Schaden in der Höhe der bei der Durch-
führung des Rituals erzielten Erfolge verursacht. Es
sickert durch seine Poren und in die Erde. Die Diablerie
wird als erfolgreich gewertet, doch man erhält kein Blut
aus dieser Handlung, was einen Rasereiwurf auf Hunger
zur Folge haben kann.

Klinge aus Rauch und Schatten

(Stufe Zwei)
Schon seit den Nächten der Zweiten Stadt haben Assa-
miten gegen dämonische Wesen gekämpft. Weltliche
Waffen haben normalerweise keine Auswirkungen auf
solch ephemere Wesen, doch Assamiten-Hexer kennen
seit langem eine geheime Beschwörung für eine Klinge,
sodass man mit ihr auch Dämonen schlagen kann.
Der Hexer erhält zunächst einen Dolch aus Obsidian
mit einem eisernen Griff. Dieser kann durch den Hexer
gebaut oder anderweitig bezogen werden, wichtig ist die
Zusammensetzung der Waffe und nicht die Art, wie sie
erschaffen wurde. Als nächstes bereitet der Hexer einen
Raum vor, in den kein Licht eindringen kann. Dieses
Ritual muss in absoluter Dunkelheit gewirkt werden
oder es scheitert sofort.

76 Kapitel Vier: Die Unabhängigen

 Die folgenden Ritualgegenstände müssen in der Kammer
vorhanden sein, ob real oder in einer anderweitigen Dar-
stellung entscheidet der Hexer: verschiedene Gefäße mit
Wasser, die für die großen Ozeane stehen und ein Klumpen
aus hartem Ton, der für die Sumerische Tafel des Schicksals
steht.
Der Hexer ruft den Namen des Sumerischen Helden Mar-
duk auf die von ihm gewünschte Weise an und bittet ihn
um seine Hilfe, um die Mächte Tiamats zu bekämpfen, die
Kräfte des Chaos und der Dunkelheit. Während er singt,
lässt der Hexer die Klinge von seinem Blut trinken.
Nach zehn Minuten der Anrufung und wenn der Aktivie-
rungswurf Erfolg hat (was einen Punkt Tödlichen Schaden
für den Blutverlust bedeutet), ist das Ritual beendet. Die
Obsidianklinge verliert ihre materielle Beschaffenheit und
es bleibt nur der Griff übrig. Die Klinge sieht nun aus, wie
eine sich langsam kräuselnde Säule aus Rauch, die aus dem
Griff strömt, doch allgemein ihre vorherige Form beibehält.
Seine Form hält eine Anzahl an Sonnenaufgängen an, die
der Anzahl der Erfolge beim Aktivierungswurf entspricht.
Danach verschwindet der Rauch und die Obsidianklinge
bleibt auf ewig verschwunden (sodass für die Wiederholung
des Rituals eine neue Klinge benötigt wird).
System: Da die verzauberte Klinge nun immateriell ist,
kann sie nicht zusammen mit Quietus-Kräften, wie beispiels-
weise Baals Liebkosung verwendet werden. Die Klinge kann
dafür nun körperlose Wesen wie Dämonen und Geister
verwunden, wenn sie diese Ebene betreten. Sie gleitet ohne
Schaden anzurichten durch feste Objekte oder Fleisch und
kann somit auch für Angriffe gegen Besessene eingesetzt
werden, ohne den Wirtskörper zu schädigen. Das wich-
tigste aber ist, dass die Klinge von jedem verwendet werden
kann, nicht nur dem Hexer und der Anwender braucht
sich auch nicht mit Assamiten-Hexerei auskennen, um von
ihren Eigenschaften zu profitieren. Jeder Anwender richtet
an einem Dämon, Geist oder einer Seele Schaden an, als
kämpfe er mit einem normalen, physischen Gegner.
Durch den Eid gebunden (Stufe Drei)
Mithras ist die engelhafte Gottheit der Eide und Verträge
der Zoroastristen. Indem sie die legendäre Tötung des Stie-
res nachstellen, können Assamiten-Hexer seinen Segen auf
eine Operation gegen ein einzelnes Ziel herabrufen.
Zunächst reinigt der Hexer rituell eine unterirdische Kam-
mer und platziert dort den zu opfernden Stier. Die Hexer
und Teilnehmer versammeln sich um den Stier und singen
den Namen des einzelnen Opfers für eine Stunde. Jeder Teil-
nehmer beschmiert anschließend ein zweihändiges Schwert
mit einem Blutpunkt seines Blutes. Einstimmig singen die
Teilnehmer ein letztes Mal den Namen des Ziels und der
Hexer sticht das Schwert tief in die Kehle des Stiers, um das
Ritual zu beenden. Sie töten den Stier als Einheit und sie
schwören, als Einheit ihr Opfer zu töten.
Es müssen nicht alle Teilnehmer das Ritual kennen, um
daran teilzunehmen, lediglich der vorstehende Hexer. Um
BLUTRITEN
das Ritual durchführen zu können, braucht es mindestens
zwei Teilnehmer, jedoch nicht mehr als sieben.
System: Wenn die Teilnehmer gleichzeitig einen Angriff
gegen das auserkorene Ziel führen, kann eine Anzahl der
Gruppe, die den Erfolgen bei der Durchführung des Rituals
entspricht, sich selbst in der Initiative-Abfolge beschleu-
nigen, um eine Runde vor dem Opfer zu handeln. Vier
Assamiten greifen beispielsweise das Ziel an. Das Ziel han-
delt bei Initiative 10, doch drei der Assamiten würfeln eine
Initiative von 9, 9 und jeweils 7. Beim Ritual wurden zwei
Erfolge erzielt, sodass zwei der drei Nachzügler stattdessen
mit Initiative 11 handeln können. Der Dritte bleibt bei sei-
ner ursprünglichen Initiative in der Reihenfolge. Das Ritual
bietet nur Vorteile, wenn alle Teilnehmer (einschließlich des
Hexers) aktiv den Kampf gegen das Ziel eröffnen.
Darüber hinaus hat jeder Teilnehmer im Kampf einen
Bonus (entsprechend der Erfolge bei der Aktivierung) auf
alle Aufmerksamkeitswürfe für die gesamte Szene. Die Aus-
wirkungen des Rituals halten bis zum nächsten Sonnenauf-
gang an oder bis zum Ende des ersten Kampfes gegen das
Ziel, was auch immer zuerst eintritt.
Setitenhexerei
Setitenhexerei ist ein kurioses magisches Phänomen. Sie
beinhaltet Elemente über das gesamte magische Spektrum,
obwohl ihre Durchführung ein größtenteils ritualistisches,
religiöses Format hat. Abgesehen davon ist „Setitenhexerei“
eine etwas falsche Bezeichnung. Der Terminus impliziert
eine einzelne Praxis, doch Setiten-Hexereien wäre treffender,
da es sich dabei tatsächlich um eine Sammlung verschiedens-
ter Praktiken der Jünger des Seth weltweit handelt.
Egal welche Art der Hexerei sie praktizieren, alle Seti-
ten-Hexer streben letztendlich nach demselben Ziel. Jede
Fraktion und Blutlinie der Jünger des Seth, die Blutmagie
praktiziert, hat ihre eigene Maske des Seth, die sie als trei-
bende Kraft hinter ihrer Magie verehren. Durch ihre Anwen-
dung verwenden sie die Macht des Dunklen Gottes, um die
Kräfte zu schwächen, von denen die Setiten in dieser Welt
gefangen gehalten werden, um einen weiteren Schritt zur
Gottwerdung zu gehen, so wie es Seth einst befahl. Somit
stellt Setitenhexerei die direkte Manifestierung von Seths
Macht auf dieser Welt dar. So zumindest ihre Argumenta-
tion.
Die Jünger des Seth streben danach, sich selbst von
den Fesseln und Regeln der sterblichen Welt zu befreien.
Solange diese sie festhalten, können sie nicht zu Göttern
wie Seth selbst werden. Um andere mit der Weisheit von
Seths Lehren zu erleuchten, kämpfen sie gegen die Lügen
anderer Religionen, die Gesetze von Regierungen und die
Anbetung von Reichtum und Luxus. Diese Genüsse sind
nur einige wenige der Werkzeuge der Äonen, den Peinigern
der Menschheit, die jedem den Weg versperren wollen, der
nach der Göttlichkeit strebt.
77
 Die Setitenhexerei ist eines der nützlichsten Werkzeuge
des Clans bei diesem Bestreben. Zahlreiche Effekte der
Setitenhexerei weisen Ähnlichkeiten zur Thaumaturgie
auf, obwohl sie bereits Jahrtausende vor dem Aufkommen
der Tremere praktiziert wurde. Eines der deutlichsten Bei-
spiele ist die Kunst, durch die Setiten-Hexer über das Wet-
ter bestimmen können. Im alten Ägypten beeinflussten die
Abfolgen des Wetters die regelmäßigen Überschwemmun-
gen des Nils und hatten somit direkten Einfluss auf die Ern-
teerträge. Das Wetter zu kontrollieren entsprach damit der
Kontrolle über die Ernte und somit über das Leben selbst.
Wenn der Hexer damit wie zu einem Gott werden konnte,
würden die Zeugen dieses Wunders bestimmt selbst eines
Tages zur Erleuchtung finden.
Während die Welt sich in den heutigen Nächten in eine
Richtung entwickelt hat, die für den Geist der vergangenen
Tage unbegreiflich war, hat sich das Ansinnen der Jünger
des Seth nicht verändert. Der Clan muss lediglich neue
Wege finden, um diese alten Werkzeuge anzuwenden und
dieselben Erfolge zu erzielen.
Stil und Essenz
Als die Jünger des Seth sich über die gesamte Welt verbreitet
haben, haben sie festgestellt, dass die beste Möglichkeit, in
einigen Ländern ihre Doktrin und Philosophie zu predigen,
darin besteht, Parallelen zu den ursprünglichen Mythen
und Legenden der dortigen Kulturen zu nutzen. In vielen
Religionen der Welt fanden Setiten Götter, die eine große
Ähnlichkeit mit ihrem Dunklen Gott aufwiesen und ver-
kündeten, dass es sich dabei an sich um „Masken“ des Seth
handele.
In jeder der Schulen der Setitenhexerei, bezieht der Hexer
seine Macht direkt von der entsprechenden Maske des Seth,
an die er glaubt. Jede Schule ist durch die Religion geprägt,
zu der diese Maske ursprünglich gehörte. Die verschiedenen
Schulen werden im Folgenden beschrieben.
Akhu
Akhu (S. 163-165) ist die am weitesten verbreitete Schule
der Setitenhexerei und repräsentiert die Religion des alten
Ägyptens. Für die alten Ägypter war der Gott Seth unter
anderem der Gott der Stürme. Ein Anwender von Akhu hält
daher einen symbolischen Blitz empor, durch den er einen
Blitz von Seth einfangen kann, der seinen folgenden Ritu-
alen Macht verleiht. Um aber Seths Wohlwollen zu erhal-
ten, muss er dem Dunklen Gott ein Angebot machen, das
ihn sehr zufriedenstellt. Der unter Anwendern von Akhu
(auch bekannt als Lektor-Priester) anerkannte Weg, um dies
zu erreichen, ist das Folgen der Anleitungen, die von Seth
selbst in Das Buch zum Heraustreten in die Nacht niederge-
schrieben wurden.
Ein Lektor-Priester verschafft sich den Körper einer Per-
son, die gemäß der traditionellen Riten des alten Ägyptens
bestattet wurde (was in den heutigen Nächten zunehmend
schwieriger wird) und schändet die Leiche, wodurch er die
78 Kapitel Vier: Die Unabhängigen
Neuer Hintergrund:
Blasphemischer Schrein
Wie schon erwähnt, benötigen Lektor-Priester einen
geschändeten Leichnam einer Person, die entsprechend
der traditionellen Praktiken des alten Ägyptens bestattet
wurde. Diese Leichen werden oft als Opfer an Seth auf-
bewahrt und sind das Werkzeug, mit dem die Hexer ihre
Macht in diese Welt kanalisieren. Als solche werden sie
normalerweise in Schreinen an Seth aufgebahrt und mit
seiner Ikonographie dekoriert. Innerhalb dieser Blas-
phemischen Schreine kann der Lektor-Priester mäch-
tige Akhu-Rituale durchführen, die durch die Nähe des
Hexers zu seiner Machtquelle verstärkt ­werden.
Umso höher die Anzahl der Punkte im Hintergrund,
desto stärker die Verbindung zwischen der Leiche
und Seth. Für das Spiel bedeutet das, dass der Hinter-
grund so viele Zusatzwürfel für die Durchführung von
Akhu-Ritualen bietet, wie der Charakter Punkte in Blas-
phemischer Schrein besitzt. Dies betrifft allerdings nur
Rituale, die im Schrein selbst gewirkt werden.
Als optionale Regel kann der Erzähler vom Lektor-Pries-
ter verlangen, dass er zumindest über einen Punkt in
Blasphemischer Schrein verfügt, der den geschändeten
Leichnam als Opfer an Seth darstellt, ohne den man
Akhu nicht wirken kann.
Seele des Verstorbenen in ewige Qualen stürzt, während sie
in Osiris’ Herrschaftsgebiet in den Westlichen Landen ver-
bleibt. Dies dient zahlreichen Zwecken. Die Seele schwächt
mit ihren ewigen Qualen den Griff von Osiris in seinem
Reich nach dem Tode, indem ihm die Macht von Seths
Anhängern vor Augen geführt wird. Dieser Schlag gegen
seinen alten Feind erfreut Seth und er kanalisiert seine
Macht durch den Lektor-Priester. Darüber hinaus legt diese
Demonstration von Seths Macht die Lüge von Osiris’ Ver-
sprechen eines ewigen Lebens in den Westlichen Landen ein
Stück weiter offen, da die Toten kein Paradies vorfinden,
sondern nur eine Ewigkeit der Qual.
Das Buch zum Heraustreten in die Nacht ist eine Umkehrung
von Das Buch zum Heraustreten in das Tageslicht , das allgemein
auch als Das Totenbuch bekannt ist. So wie auch die Fesseln
der Ungläubigen durch die Offenbarungen der Wahrheit
Seths korrumpiert und schließlich gesprengt werden, basie-
ren die Strukturen der Setiten-Rituale auf der Korrumpie-
rung (oder Pervertierung) alter ägyptischer Praktiken. Diese
Rituale machen die Ziele empfänglicher für Korrumpierung
und Manipulation, was schlussendlich nur ihrem eigenen
Wohl dient.
Wanga verfluchen, wenn sie ausreichend dafür bezahlt werden.
Obwohl es oberflächlich so aussieht, als würden sie die Prak-
Während der Kolonisierung der Neuen Welt sind zahlreiche
tiken ihrer Künste wie Söldner anbieten, bedeutet das nicht,
neue Religionen durch die Mischung der Stammesglauben
dass sie nicht denselben Glauben und dieselbe Hingabe
der afrikanischen Sklaven mit dem europäischen Christen-
empfinden, wie die anderen Schulen der Setitenhexerei.
tum entstanden. Diese neuen Glaubensrichtungen faszinier-
ten die Schlangen des Lichts damals wie heute. Obwohl sich Sadhana
einige dieser religiösen Tendenzen grundlegend unterschie-
Bei ihrer Ankunft in Indien fanden die Jünger des Seth Ele-
den, teilten sich viele doch zumindest zu einem gewissen
mente des Hinduismus vor, die sie ausnutzen konnten, um
Grad ein gemeinsames Fundament. Voudoun, Santería und
Kainskinder für ihre Sache zu rekrutieren. Anwender von
Palo Mayombe beinhalten alle beispielsweise die Verbun-
Sadhana (auch Sadhus, S. 165) entstammen vor allem der
denheit mit Geistern, die Personifizierungen der zahlreichen
Setiten-Blutlinie, bekannt als Daitya. Diese Setiten glauben
Aspekte der Welt darstellen. Die Anbeter dieser Geister
an Shiva, die vom Gott Rudra abgeleitet ist und somit als
konnten ihre Macht kanalisieren, wenn sie ihnen die richti-
Maske des Seth identifiziert wurde. Die indischen Setiten
gen Geschenke und Opfergaben darbrachten.
glauben selbst, sie seien fleischgewordene Dämonen und
Diese Macht, die sie nutzten, wurde unter den Schlangen sehen ihre Aufgabe darin, die Götter zu stürzen und deren
des Lichts als Wanga bekannt (S. 165-166). Viele Schlangen Macht für sich selbst zu beanspruchen.
des Lichts wandten sich der Anwendung des Wanga zu, da
Sadhana ist die Herrschaft des Geistes über die Materie.
sie, obschon sie sich von Seth abgewandt hatten, damit ein
Obwohl man anführen könnte, dass ihre Kräfte aus ihrem
mächtiges Werkzeug an der Hand hatten, das ihnen auf
Inneren stammen und nicht vom Dunklen Gott kanalisiert
der Suche nach ihrer eigenen Göttlichkeit nutzen konnte,
werden, verleiht ihnen ihre Verehrung Shivas den Fokus,
wenn sich eine Gelegenheit ergab. Viele Kobras wenden das
um diese Kräfte zu lenken. Es heißt, dass sie sich ohne
Drumherum von Voudoun bei ihren Praktiken an, um auf
diesen Fokus einfach in der Meditation verlieren würden.
diese Weise das Wesen der Macht zu unterstreichen. Eine
Ohne Shiva hätten sie keine Macht und somit ist alles am
Aura des Mystischen und der Angst um sich herum aufzu-
Ende wieder auf den Dunklen Gott zurückzuführen.
bauen, ist etwas typisches für die meisten Wangateurs.
Angesichts des Fokus auf die Macht über den Geist, mani-
Stilistisch gesehen und sehr zur Frustration der Tremere,
festieren sich die Kräfte dieser Schule eher durch „psychi-
die von dieser Art der Hexerei gehört haben, sind Wanga-Ri-
sche“ Pfade der Thaumaturgie (Bewegung durch den Geist,
ten eine Mischung aus sowohl Pfad-, als auch Ritualprakti-
Pfad der Anrufungen, etc.), doch die Art, wie sie beschworen
ken. Viele Kräfte, die als Pfad betitelt wurden, weisen rituelle
werden, ist gänzlich unterschiedlich. Gemäß ihrer Doktrin
Komponenten auf, die eine erfolgreiche Beschwörung erfor-
ist die materielle Welt eine Illusion (und somit lediglich eine
dern und viele Rituale benötigen nur einen Bruchteil der
weitere, von den Äonen installierte Barriere auf dem Weg
Anstrengungen, die normale thaumaturgische Rituale in der
zur Gottwerdung). Durch die reine Kraft seines Willens
Regel abverlangen. Dies ist die Schwäche der Tremere: sie
kann der Sadhu die kosmische Illusion manipulieren, um
versuchen jede neue Form der Magie, die sie entdecken, ein-
magische Dinge geschehen zu lassen.
fach als einen Ableger der Thaumaturgie zu entschlüsseln.
In einiger Hinsicht hat Wanga mehr mit Assamiten-Hexerei, Gemäß den Lehren des Karma verlangt jede Tat eine
als mit Thaumaturgie gemeinsam, da es die Beschwörung gleichwertige und gegensätzliche Kompensation, sodass die
eines bestimmten Geistes für eine erfolgreiche Durchfüh- Rituale des Sadhana ein Opfer benötigen, ehe eine Beloh-
rung voraussetzt. Es verwundert daher auch kaum, dass viele nung empfangen werden kann. Blutopfer werden in ein
Wangateurs die Effekte, die normalerweise mit dem Pfad zeremonielles Feuer gegeben, dem der Sadhu sich stellen
der Geistermanipulation (S. 142-145) einhergehen, nach- muss. Einige Anhänger anderer Schulen sehen in diesem
stellen können. Es ist ebenfalls keine Überraschung, dass Akt einen Grund zur Sorge und argumentieren, dass diese
auch Voudoun-Nekromantie (S. 87-88) thematische und Art des Praktizierens nicht im Einklang mit den Künsten
stilistische Ähnlichkeiten mit Wanga aufweist. Schließlich des Clans stehe (die tiefsitzende Aversion der Setiten gegen
beziehen sie sich auch beide auf dieselbe Religion, obwohl Licht und Feuer zugrundelegend). Andere dagegen behaup-
sie sich auf verschiedene Arten auf verschiedene Aspekte ten, dass eine solche Schwäche lediglich eine weitere Barriere
konzentrieren. darstellt, die im ewigen Kampf um die Gottwerdung über-
wunden werden sollte. Nur weil die anderen Schulen sich
Die Schlangen des Lichts sind wohlbekannt dafür, dass
nicht aktiv widersetzen und diese bestimmte Angewohnheit
sie ihre Voudoun-Kenntnisse des Wanga dafür verwenden,
nicht teilen, bedeutet dies aber trotzdem nicht, dass dies im
ihre Feinde zu verfluchen oder jene, die ihre Schutzbefohle-
theologischen Widerspruch zur Ideologie anderer Arten der
nen bedrohen. Abgesehen davon, würden die Kobras jeden
Setitenhexerei steht.

BLUTRITEN 79
 Nahuallotl
Nahuallotl leitet sich von der Philosophie der Völ-
ker aus Mesoamerika ab. Die Blutlinie der Tlacique
glaubt, dass sie die Nachfahren der Tezcatlipoca
sind, einer Gottheit mit vielen Facetten. Zwischen
ihnen besteht eine Verbindung mit der Dunkelheit
und dem Nachthimmel, was Tezcatlipoca als eine
der Masken des Dunklen Gottes in der erweiterten
Welt der Setiten identifizierte. Durch Nahuallotl
rufen sie die Mächte einer ganzen Reihe von Göt-
tern aus dem mesoamerikansichen Pantheon an,
damit diese ihren Willen wahr werden lassen. Die
Götter beantworten ihren Ruf, doch entsprechend
der Praktiken der Religionen, von denen sie nor-
malerweise angebetet werden, verlangen die Götter
nach einem Opfer: einem Blutopfer.
Entsprechend des starken Vertrauens auf Blut-
opfer im mesoamerikanischen Glauben, ist es nur
selbstverständlich, dass die manifestierten Auswir-
kungen von Nahuallotl denen des Pfades des Blu-
tes sehr ähnlich sind. Indem sie den entsprechen-
den Göttern angemessene rituelle Opfer darbieten,
können die Nahualli andere thaumaturgische
Pfade nachstellen: Lockruf der Flammen, Wetter-
kontrolle, etc.
Während andere Schulen subtil angewandt wer-
den, um mit Feingefühl ihre Ziele zu erreichen,
ist dies ohne Frage die gewaltsamste und zerstöre-
rischste Schule innerhalb der Setitenhexerei.

Beziehungen
nach außen
Im starken Gegensatz zur Geheimnistuerei der
Tremere, protzen die Jünger des Seth mit der Tatsa-
che, dass sie Zugriff auf magische Kräfte haben. Es
bringt sie in ihrem Ansinnen weiter, dem Rest der
Kainskinder aufzuzeigen, dass sie mit der Macht
des Dunklen Gottes gesegnet sind und diese auf
Erden manifestieren können. Doch obwohl sie
gerne die Auswirkungen ihrer Hexerei bewerben,
klären sie deutlich weniger gerne über die Mittel
auf, durch die sie gewirkt wird, um ihre sensibleren
potenziellen Konvertiten nicht abzuschrecken. Für
die Meister der Täuschung ist es nichts Ungewöhn-
liches, dass Adepten der Hexerei große, öffentliche
Spektakel mit Gesängen und Gebeten aufführen,
ehe sie die Auswirkungen eines zuvor beschwore-
nen Rituals entfesseln. Wenn anschließend andere
versuchen, ihre Großtaten Wort für Wort nachzu-
sprechen und bis ins kleinste Detail zu imitieren,
nur um schließlich zu scheitern, tröstet der Hexer
sie damit, dass sie Seths Gunst noch nicht erlangt
haben ... doch man kann gerne behilflich sein.
Da die Bekanntheit der Setitenhexerei in ihren
zahlreichen Ausprägungen zugenommen hat, hat

80 Kapitel Vier: Die Unabhängigen

 Die Tlacique
So, wie die Jünger des Seth von sich behaupten, vom
ägyptischen Gott Seth abzustammen, behaupten die
Tlacique, sie seinen Nachkommen von Tezcatlipoca.
Zwischen den beiden Göttern gibt es einige Gemein-
samkeiten (Dunkelheit, der Nachthimmel, Wind,
Stürme, etc.), die eine Harmonie mit dem übrigen Clan
erzeugen. Tatsächlich herrschte die Blutlinie als Götter
über die Sterblichen, ehe die Spanier Mesoamerika
erreichten und spiegelten damit schon das Ziel vieler
Setiten weltweit wider.
Die größte Sorge vieler Setiten im Hinblick auf ihre
mesoamerikanischen Geschwister ist allerdings ihre
angeborene Clansdisziplin. Anstatt von Serpentis,
wie bei Setiten üblich, zeigen die Tlacique stattdessen
Anzeichen von Gestaltwandeln. Wenn Seth, wenn auch
durch eine andere Maske, dem Gründer der Blutlinie
den Kuss geschenkt hat, warum sollte er dann seinen
Segen, den er seinen neuen Anhängern zuteilwerden
lässt, verändert haben?
Nach dem Beinahe-Genozid an der Blutlinie durch die
Camarilla und den Sabbat, kurz nach ihrem Eintref-
fen in der Neuen Welt, gibt es allerdings leider keine
Ahnen der Blutlinie mehr, die man für eine verlässliche
Antwort auf diese Frage ansprechen könnte. Stattdes-
sen können junge Setiten nur darüber spekulieren und
sich darüber wundern, ob sie nicht versehentlich eine
obskure Gangrel-Blutlinie mit gefährlichen Ambitionen
aufgenommen haben.
sie auch verschiedene Reaktionen ausgelöst. Man kann
getrost behaupten, dass der Großteil der kainitischen
Gesellschaft den Jüngern des Seth nicht traut – und welch
Überraschung, die Setitenhexerei hat zudem die Aufmerk-
samkeit der Tremere erregt. In der Vergangenheit war ihre
Analysemethode allerdings die Untersuchung dessen, was
sie sehen und der anschließende Versuch, es auf eine Art zu
definieren, die sie verstehen konnten. Bisher hatten die Tre-
mere nur aus der Ferne mit den Setiten zu tun. Die Setiten
versuchen selbstverständlich die Tremere anzulocken und
laden sie gerne zu tieferen Einblicken ein, damit sie endlich
das wahrhaftig verstehen, was sie so hartnäckig versuchen
abzulehnen. Die Tremere konnten dieser Verlockung bisher
widerstehen und halten sich selbst, sowie ihre Geheimnisse,
aus der Reichweite der Setiten.
Nachdem die Praktiken der Schlangen des Lichts durch
die Karibik und die südlichen Vereinigten Staaten bekannt
wurden, sind ihre Sabbat-Geschwister natürlich darauf auf-
merksam geworden. Obwohl die Setitenhexerei sich als
äußerst effektiv bei der Destabilisierung des sterblichen
Einflusses ihrer Camarilla-Gegner erwiesen hat, reißt das
BLUTRITEN
Kairo
Der wahre Zustand von Kairos Gildenhaus ist den Tremere
noch nicht offenbart worden, doch es dient als perfektes Bei-
spiel dafür, warum die Tremere sich den Jüngern des Seth
nur sehr vorsichtig nähern sollten.
Sylvia Kilver, die aktive Regentin des Gildenhauses in
Kairo ist ein Mitglied eines geheimen Ordens innerhalb der
Tremere, genannt „Das Auge der Schlange“. Diese Tremere
beten aufgrund seiner magischen Bedeutung und seiner per-
fekten Form das Bildnis der Schlange an. Nachdem sie von
Setitenhexern Akhu erlernt hatte, hat Sylvia Kilver zuneh-
mend Geheimnisse der Tremere preisgegeben, um selbst
zusätzliche Macht zu erlangen.
Das Auge der Schlange hat Sylvia dazu ermutigt, so viel
über Akhu zu lernen, wie sie nur kann, besonders da Syl-
via davon überzeugt ist, dass ihr dadurch ein Weg aufgezeigt
wurde, um einen gänzlich neuen Pfad der Thaumaturgie
zu entwickeln, den sie „Die Seele der Schlange“ nennt. Im
Laufe der Zeit wird sich zeigen, ob der hohe Preis, den Silvia
in Form des Zugriffs der Setiten auf das Gildenhaus bezahlt
hat, all das wert war.
Gemurre unter der Hand von Seiten der Sabbat-Inquisition
nicht ab. Obwohl die Kobras sehr deutlich sagen, dass ihrer
Macht nichts Infernales innewohnt, was durch die Einhal-
tung des Voudoun untermauert wird, führt die Tatsache
ihres Umgangs mit Geistern dazu, dass die Inquisition regel-
mäßig ihren Blick auf die Schlangen des Lichts wirft. Die
Inquisition behauptet, dass sie nur das Beste für die Kobras
wünscht und ihre Überwachung diene lediglich der Sicher-
stellung, dass sie ihre dominante Position im Umgang mit
Geistern bewahren. Bisher wurden noch keine Maßnahmen
eingeleitet – zumindest nicht öffentlich.
Als Außenstehenden im Dschihad wurden die Schlangen
des Lichts und die Jünger des Seth beide schon von den Gio-
vanni kontaktiert, besonders im Hinblick auf Wanga. Auch
ihnen ist nicht entgangen, dass einige Geschichten rund um
die Ursprünge dieser Schule der Setitenhexerei die Runde
machen. Den Nekromanten ist besonders die Geschichte
aufgefallen, dass den Schlangen des Lichts ihre Kunst von
Papa Zombie beigebracht wurde, einem Mitglied der Blut-
linie der Samedi. Da die Kräfte von Thanatosis denen der
Nekromantie sehr ähneln, so wie Wanga äußerlich der Thau-
maturgie, hegen die Giovanni ein großes Interesse daran,
mehr über Wanga zu lernen, in der Hoffnung, dass sich dar-
aus lang ersehnte Einblicke in das Wesen von Thanatosis
ergeben. Bedenkt man das angespannte Verhältnis zwischen
Samedi und den Giovanni, glauben die Nekromanten, dass
81
 sie bei den Setiten eher die Antworten bekommen, als von
den Leichen.
Die Nekromanten haben versucht, sowohl von den Schlan-
gen des Lichts als auch von den Jüngern des Seth, Informa-
tionen zu erhalten. Die Giovanni versuchen mit Vorsicht
weiter überall Forschungen anzustreben, wo sie können, um
selbst aus den Ködern, die ihnen die Wangateurs hinhalten,
um sie näher anzulocken, den kleinsten Informationsfetzen
zu erhaschen. Sie hoffen, dass irgendwann ein Haufen klei-
ner Fetzen ein größeres Ganzes ergibt, mit dem sich arbeiten
lässt.
Die möglicherweise gefährlichste Reaktion auf die Setiten-
hexerei stammt von einer sehr alten Bedrohung. Als Akhu
zunehmend auf den Plan trat, hat ein alter Feind der Setiten,
den sie längst verschwunden glaubten, seinen kalten Blick
erneut auf sie geworfen. Die Kinder des Osiris sind in Rage
wegen der Anhänger des Dunklen Gottes, aufgrund ihrer
Prahlerei, ihre Kräfte stammten von den unendlichen Qua-
len, die sie den Toten in den Westlichen Landen zufügen.
Diese Seelen haben ein Anrecht darauf, in einem ruhigen
Paradies unter dem Schutz Osiris’ zu verweilen. Daher hat
eine stetig wachsende Anzahl der noch verbleibenden Kin-
der des Osiris seine Aufmerksamkeit wieder auf die Störung
der Machenschaften der Setiten gelenkt und (zumindest für
den Moment) das Streben nach Golconda aufgeschoben.
Ein solcher direkter Angriff auf Osiris wird nicht toleriert
werden.
Im Augenblick leben die Kinder des Osiris in einigen
wenigen Tempeln auf der ganzen Welt. Die verbalen Angriffe
der Setiten gegen Osiris könnten allerdings den fehlenden
Impuls darstellen, um die Kinder des Osiris wieder zu einer
zusammenhängenden Einheit zu formen.
Hexerei innerhalb
der Fraktionen der Setiten
Die Kohorte Wepwawets
Die Kohorte ist ein gutes Beispiel für setitischen Fundamen-
talismus. Sie wird von Setiten dominiert, die behaupten von
Wepwawet, dem kriegerischen Sohn Seths und ägyptischem
Gott, geführt zu werden. In den letzten Jahrzehnten haben
sie fanatisch versucht, den anderen Fraktionen und Tempeln
die Doktrin der Setiten-Krieger aufzuzwingen (die „wahre
und alte theophidianische Doktrin“), um sie mit den eige-
nen, orthodoxen Ansichten der Kohorte auf Linie zu brin-
gen. Der daraus folgende Rückschlag führte zur Entstehung
der Schlangen des Lichts. Infolgedessen hat die Kohorte sich
für diverse, unterschiedliche Taktiken entschieden, obgleich
in vielen Fällen widerwillig.
Obwohl der Großteil der Kohorte sich darauf konzent-
riert, greifbare Siege gegen die Diener der Äonen zu erstrei-
ten, beispielsweise gegen die Leopoldsgesellschaft, ist ein
kleiner Anteil der Gruppierung dazu übergegangen, Akhu zu
erlernen. Die vergleichsweise subtilen Wege von Akhu könn-
ten den Gegenpol zu den sonst eher instinktiven Methoden
82 Kapitel Vier: Die Unabhängigen
der Kohorte darstellen, doch diese Bewegung blieb von den
anderen Fraktionen nicht unbemerkt. Die Kohorte hofft,
damit die Verbindungen zur größeren Gemeinschaft der
Setiten wiederherstellen zu können. Sobald sie wieder über
ausreichend Wohlwollen bei ihren Geschwistern verfügen,
hoffen sie ihre Kampagne der Einigung unter dem Banner
Wepwawets wieder aufnehmen zu können, wenn auch viel-
leicht etwas raffinierter.
Skandinavische Setiten
Dort, wo die Setiten Masken des Seth in anderen Reli-
gionen vorgefunden haben, hatten sie normalerweise nur
wenige Probleme damit, neue Mitglieder für ihre Sache zu
konvertieren und sie später mit den Kräften des Dunklen
Gottes zu erleuchten. In einigen Fällen war es jedoch für
die neuen Konvertiten trotz der Maske Seth sehr schwer, die
mystischen Insignien von Ritualen anderer Religionen anzu-
nehmen. Genau das war auch bei den Setiten in Skandina-
vien der Fall.
Die Anhänger der Jörmungandr-Schlange haben bereit-
willig angenommen, dass ihre Gottheit weltweit in verschie-
denen Formen existiert. Doch der Gedanke daran, ägypti-
sche Rituale in Form von Akhu zu praktizieren, war für sie
vollkommen befremdlich. Egal wie sehr sich die ägyptischen
Setiten anstrengten, um ihren neu gewonnenen Brüdern
und Schwestern zu zeigen, dass sie nur noch die Macht des
Dunklen Gottes annehmen mussten, hatte dies lediglich
die weitere Distanzierung der beiden Fraktionen von der
Gemeinschaft der Setiten zur Folge. Die Skandinavier ver-
ließen sich weiter auf ihre eigenen Methoden, hatten in der
Folge damit aber wenig Erfolg. Wenn sie den Schritt gegan-
gen wären und die fremde Kultur angenommen hätten, die
ihnen von den Ägyptern angeboten wurde, wären sie eventu-
ell dazu im Stande gewesen, handfestere Fortschritte in der
Region zu machen. Es könnte für die Setiten bei ihrer Sache
immer noch hilfreich sein, wenn jemand bei den Skandina-
viern die notwendigen Schritte unternimmt oder sogar eine
eigene Schule der Hexerei entwickelt. Bis jetzt ist dies aller-
dings noch nicht geschehen.
Kult Tawerets
Der Kult glaubt, dass sie Nachkommen der Taweret seien,
Kind Seths, Göttin der Fruchtbarkeit, der Geburt und vor
allem der Schwarzen Magie. Diese Jünger des Seth glauben
ein Geburtsrecht auf alle Schulen der Setitenhexerei zu
haben und sehen eine Pflicht darin, sie anzuwenden. Der
Kult hat die höchste Dichte an Hexern in der übergreifen-
den Setiten-Gemeinschaft, mit Ausnahme höchstens der
Schlangen des Lichts.
Neben der Unterstützung ihrer Clansgeschwister bei
ihren Anstrengungen gegen die Äonen, treibt der Kult seine
Anhänger und die, die ihnen folgen, zu den extremsten
Gefühlen auf der Suche nach ihrer Transzendenz. Wenn
die normalen Praktiken der Setiten die Schwerter in ihrem
Unterfangen darstellen, dann ist die Setitenhexerei des Kul-
tes das rasiermesserscharfe Skalpell, mit dem sich noch tie-
fer schneiden lässt. Drogen und andere Laster bringen sie
nur bis zu einem gewissen Punkt, Hexerei bringt sie bis zum
Ende des Weges.
Während der Clan sich weltweit ausgebreitet und weitere
Masken des Seht zur Anbetung in den dunkelsten Periphe-
rien der Gesellschaft identifiziert hat, hat der Kult Tawerets
seine Hexer geleitet und im Wesen der dunklen Künste ins-
truiert. Überall wo sie neue Konvertiten mit eigenen magi-
schen Praktiken vorgefunden haben, wie im Falle der Daitya,
hat der Kult alle nötigen Anstrengungen unternommen, um
diese neuen Rituale zu erlernen. Sie würden der Aufgabe,
die ihnen von ihrem Gründer auferlegt wurde, den Rücken
kehren, wenn sie nicht stetig versuchen würden, die Macht
des Kultes zu mehren.
Daher durchkämmen immer mehr Mitglieder des Kultes
die Welt auf der Suche nach weiteren mystischen Konverti-
ten, die ihr magisches Wissen vergrößern könnten. Wer sich
ihnen in den Weg stellt, lernt ihre harte Seite kennen, denn
der Kult geht bei seiner Suche nach neuer Hexerei ebenso
fanatisch vor, wie die Kohorte von Wepwawet bei der Ver-
breitung ihres Glaubens.
Schwesterschaft Sekhmets
Die Schwesternschaft ist ein rein weiblicher Klüngel, der
einen Gehennakult gründete, um Camarilla-Vampire zu
Seth zu führen und so die große Sekte zu untergraben. Sie
begannen mit der Rekrutierung weiblicher Vampire, die ein
Problem mit der Gläsernen Decke der männlich dominier-
ten Camarilla hatten. Die Methoden der Schwesternschaft
haben allerdings zu einem gewissen Grad zu Spannungen
mit anderen Fraktionen der Setiten geführt. Der Fokus auf
Seth wird zu Gunsten von Sekhmet vernachlässigt. Obwohl
sie letztendlich weiterhin ein echter Bestandteil der weite-
ren Gemeinschaft der Setiten sind, lässt vor allem ihr ein-
geschlagener Weg gelegentlich ihre Geschwister die Stirn
runzeln, besonders wenn sie den wahren Dunklen Gott aus
den Augen verlieren.
Bis jetzt haben nur eine Handvoll der Schwestern versucht,
Setitenhexerei zu erlernen, da ihre Praktiken sich als unhar-
monisch zu ihren Doktrinen entpuppt haben. Obwohl die
Schwesternschaft Seth als Gemahl von Sekhmet anerkennt,
ist die Tatsache, dass die Magie von ihm stammt und nicht
von ihr, ein Streitpunkt. Sekhmets Name leitet sich von
sekhem ab, was Macht bedeutet, weshalb sollte es also nicht
sie sein, die ihren Anhängerinnen dieses Geschenk bietet?
Die Schwesternschaft versucht Sekhmet als eine der Masken
Seths zu präsentieren, im Versuch diese Kontroverse damit
beizulegen, doch bisher spielt Setitenhexerei quasi keine
Rolle bei der Arbeit der Schwesternschaft. Sobald sie Seti-
tenhexerei in ihre Pläne mit einbeziehen, werden auch die
Beziehungen zum Großteil der restlichen Gemeinschaft der
Setiten wieder gestärkt werden.
BLUTRITEN
Der Kult von Typhon Trismegistus
Auf den ersten Blick dürfte man meinen, die Typhonisten
hätten ein ähnliches Problem mit der Einbeziehung der Seti-
tenhexerei in ihre Praktiken, schließlich begründet sich der
Kult auf Götter des römischen Pantheons und nicht auf die
ägyptischen. Doch es war überraschend einfach, die Brücke
zwischen ihren Methoden und der Setitenhexerei zu bauen.
In den letzten Jahrzehnten haben die Typhonisten Gru-
benkämpfe organisiert, die ihnen nicht nur eine ansehnli-
che Summe Geld in die Kassen gespült haben, sondern auch
zahlreiche neue, konvertierte Anhänger. Diejenigen, die in
die nahegelegenen Setitentempel eingeladen werden, wer-
den erleuchtet, indem man ihnen den Krieg erklärt, der ihre
Existenz stützt: der Kampf gegen die Äonen und zwischen
Osiris und Seth, woraus die Hexerei entspringt. Indem sie
auf die Unterstützung von Mars bauen, auch wenn sie sich
nicht als Maske des Seth auf ihn beziehen, konvertieren zahl-
reiche der blutdurstigen Zuschauer der Grubenkämpfe zum
Dunklen Gott.
Der Kult verfügt über eine bescheidene Auswahl an
Hexern, die gegenüber den Kriegersetiten deutlich in der
Unterzahl sind. Die Hexer, über die sie verfügen, sind in
ihren Praktiken allerdings sehr leidenschaftlich, getrieben
vom Wunsch, den Kampf gegen die Äonen aufzunehmen.
Sie machen sich die Hexerei als mächtige Waffe im Kampf
für ihre Sache zu eigen und verdienen sich damit gleichzei-
tig die Gunst ihrer Gottheit (und dadurch auch die Gunst
Seths).
Neue Rituale
Das Wort des Dunklen Gottes
(Stufe Eins)
Beim Erlernen der Grundlagen der Setitenhexerei wün-
schen sich viele Hexer, den Dunklen Gott weiter zu besänfti-
gen und sich weiter in seiner Gunst zu sonnen. Was könnte
dafür besser geeignet sein, als seine direkten Anweisungen
zu befolgen?
Indem der Hexer über dem Kopf eines Leichnams (viel-
leicht eine im Prozess der Erlangung von Akhu geschändete
Mumie oder den Körper eines Nahuallotl-Opfers) kniet
und betet, erbittet er um die Führung des Dunklen Gottes.
Der Anwender bietet einen Blutpunkt dar und gießt ihn in
den Mund der Leiche, wonach der Tote mit erfolgreichem
Abschluss des Rituals einen Namen flüstert. Dies ist der
Name einer Person, die Seth korrumpiert wissen will. Wenn
der Setit diese Person erfolgreich korrumpiert, bringt ihm
das weiteres Wohlwollen des Dunklen Gottes ein.
System: Dies ist ein reines erzählerisches Werkzeug, das
der Erzähler für sich nutzen kann, ohne jegliche Vorteile bei
der Spielmechanik. Als optionale Regel kann der Erzähler
die durch dieses Ritual auferlegte Aufgabe als erfolgreiche
Grundlage nehmen, damit der Charakter Zugang zu höhe-
ren Stufen der Setitenhexerei erhält. Andernfalls kann die
83

Typhons Gebräu
(Stufe Eins)
Die meisten Vorbereitungen setitischer Alchemie begin-
nen mit diesem magischen, vitae-angereicherten Bier.
Ein Lektor-Priester, der nicht weiß, wie man Typhons
Gebräu herstellt, kann alle weiteren Bestrebungen ver-
gessen, sich im Bereich der Alchemie weiterzubilden.
Dieses Bier nährt Ghule, als sei es echte vampirische
Vitae. Auch Vampire können es mit ähnlichem Ergeb-
nis trinken.
Ansonsten hat Typhons Gebräu keine weiteren Eigen-
schaften. Es kann nicht dazu verwendet werden, um
Sterblichen den Kuss zu schenken oder sie ans Blut
zu binden. Der Prozess des Brauens neutralisiert diese
Aspekte der Vitae.
System: Der Brauprozess von Typhons Gebräu benötigt
einen ganzen Mondumlauf, beginnend und endend
mit dem Neumond. Pro vier Litern, die gebraut werden
sollen, gibt der Alchemist einen Punkt seines eigenen
Blutes hinzu. Der Brauprozess vervielfältigt die Vitae,
sodass ein Ghul einen Blutpunkt pro getrunkenem
Liter des magischen Biers erhält. Vampire erhalten dage-
gen nur einen Blutpunkt für vier getrunkene Liter – die-
selbe Umrechnung, wie beim Brauprozess. Die Magie
des Bieres beschränkt sich bei Vampiren darauf, dass sie
es trinken können, ohne es Sekunden später erbrechen
zu müssen. Sie können davon sogar betrunken werden
(und könnten einen Kater davon bekommen).
Gunst Sets eine beliebige Form im Ermessen des Erzählers
annehmen.
Ein Schuss des heimlichen Nektars
(Stufe Zwei)
Viele, die von Typhons Gebräu (siehe Kasten) gekostet
haben, kommen gerne auf der Suche nach mehr zurück. Die
Fähigkeit zu trinken, als sei man nochmals lebendig, übt auf
84 Kapitel Vier: Die Unabhängigen
Kainskinder eine enorme Anziehungskraft aus und ist somit
etwas, das die Jünger des Seth gerne und häufig ausnutzen.
System: Das Ritual baut darauf auf, dass der Hexer
zunächst Typhons Gebräu zubereiten kann. Der Hexer braut
eine Ladung des Getränks, wie sonst auch für das Ritual und
wirkt dann während des Prozesses Ein Schuss des heimli-
chen Nektars in der letzten Nacht des Vollmondes darauf.
Dann investiert er nochmals dieselbe Anzahl an Blutpunk-
ten, die er zu Beginn des Prozesses in die Mixtur gegeben
hat und wendet die gleiche Anzahl an Punkten Willenskraft
auf. Jeder Vampir, der vier Liter des Gebräus trinkt, verliert
dieselbe Anzahl an Punkten Willenskraft (gleichmäßig über
die folgenden Stunden verteilt), da er sehr schnell betrunken
wird. Dies hat sich als unheimlich nützlich bei der Manipu-
lation betrunkener Kainskinder erwiesen.
Ringe wie Ketten (Stufe Drei)
Viele alte Zivilisationen sprachen dem Türkis eine prophy-
laktische Wirkung in der Natur zu, wodurch er alle schützte,
die ihn trugen. Indem er diesen Glauben pervertiert, kann
der Setiten-Hexer Schmuck herstellen, der aktiv das Gegen-
teil bewirkt. Der Hexer nimmt ein großes Stück eines Tür-
kises und badet ihn über einen gesamten Mondmonat in
einem Punkt seines Blutes. Am Ende dieser Zeit bekommt
der Stein die Farbe von rotem Jaspis. Dann schneidet er den
Stein in zwei Teile und arbeitet jedes Stück in ein separates
Stück Schmuck ein, wobei der den Namen des beabsichtig-
ten Ziels in beide Steine graviert. Es kann sich hierbei um
jegliche Art von Schmuck handeln, nicht nur Ringe, wie der
Name des Rituals implizieren könnte, obwohl diese am häu-
figsten hiermit hergestellt werden. Ein Schmuckstück erhält
das beabsichtigte Ziel, das andere verbleibt beim Hexer.
System: Solange der Hexer und der Empfänger den
Schmuck tragen, erfährt der Hexer automatisch, wenn das
Ziel das nächste Mal ein Suchtmittel zu sich nimmt (Drogen,
Alkohol, Vitae, etc.) und der Hexer kann entscheiden, ob
sie beide automatisch süchtig nach besagter Substanz wer-
den sollen. Nach diesem ersten Auslöser verliert das Ritual
seine Wirkung, egal ob der Hexer es aktiviert oder nicht.
Dies bietet dem Setiten-Hexer einen enormen Einfluss über
das Ziel, da er somit ein neues Laster schafft, das ausgenutzt
werden kann.
Die Giovanni
und Nekromantie
Nekromantie bezeichnet die Kunst der Kommunikation mit
den Toten, hat viele Namen und wurde in alten Zivilisatio-
nen praktiziert, noch lange ehe sie von den Kainskindern
übernommen wurde. In den heutigen Nächten gilt sie als
Vorzeigedisziplin des Clan Giovanni. Es handelt sich dabei
dennoch um eine Kunst, die über die Jahrtausende viele For-
men angenommen und vielen Zwecken gedient hat.
In der alten Welt war Nekromantie ursprünglich ein
Werkzeug, um die Geister der Ahnen zu ehren. In jenen
Zeiten herrschte der Glaube vor, dass die Ehrung der Toten
den Segen der Geister der Ahnen hervorruft und somit eine
Familie in Zeiten der Not unterstützt. Es gibt einige im Clan
der Giovanni, die sich auf den Ahnengeist der Familie beru-
fen und dass er seit den Nächten des alten Roms über sie
wacht. Es handelt sich dabei um einen Geist, vor dem selbst
Augustus Respekt hat. Die Giovanni nennen diesen Geist
Dis Pater, nach einem frühen römischen Gott der Unterwelt.
Die Kunst der Nekromantie entwickelte sich. Die Nek-
romanten wollten nicht mehr abwarten, bis ein Geist nach
seinem Ermessen einem Unterfangen seinen Segen spendet
und fingen an, Geister mit ihren eigenen Bedingungen zu
beschwören. Zum ersten Mal wurden Nekromanten zum
dominanten Teil in der Interaktion mit den Toten. Sie
beschworen, und die Todesalben wurden zum Gehorsam
gezwungen.
Ehe das Christentum aufkam, war die Nekromantie weit-
läufig als legitime Praxis akzeptiert. Bald darauf fiel sie in
Ungnade und wurde bekannt als Nigrimantie oder „Schwarze
Magie“. Die römischen Vorfahren der Giovanni (die Jovia-
ner) praktizierten ihre Kunst über die Jahrhunderte weiter
im Verborgenen. Selbst als die Jahrhunderte vorbeizogen
und sich auch ihr Name änderte, ehrten sie noch immer
Dis Pater und im Gegenzug für ihre Anbetung segnete Dis
die Familie mit Reichtümern. Hierdurch erregten sie die
Aufmerksamkeit der Kainskinder, besonders die der Kap-
padozianer. Der Gründer des Clans, Kappadozius, hatte
über Jahrhunderte dieselben Künste praktiziert und war auf
der Suche nach Antworten auf das Rätsel des Todes selbst:
Was kommt nach dem Leben? Was passiert tatsächlich im
Moment des Todes? Gibt es etwas besseres nach dieser Welt?
Während die Religionen versucht hatten, ganz eigene Ant-
worten auf diese Fragen zu bieten, wollte Kappadozius Nach-
weise statt Versprechen. Kappadozius sah in der Nekroman-
tie das Mittel, mit dem er diese Antworten erhalten konnte.
Erst die Entdeckung des Konzeptes der Endlosen Nacht
veränderte den Blick der Familie auf die Nekromantie. Bis
dahin war Geld gleichbedeutend mit Macht und Nekroman-
tie hatte die Familie reich gemacht. Die Endlose Nacht dage-
gen stellte den Nekromanten in Aussicht, dass sie gottgleich
werden konnten. Da die Giovanni sich selbst für die mäch-
tigsten aller Nekromanten hielten, würden sie somit auch zu
BLUTRITEN
den mächtigsten der neuen Götter werden. Der Clan nutzt
seine Praktiken nun, um die einhundert Millionen Seelen
zu sammeln, um diesen Albtraum wahr werden zu lassen.
Stil und Essenz
Nekromantie ist, ähnlich wie Thaumaturgie, ein vielköpfi-
ges Biest, das aus mehreren Pfaden besteht und gelegentlich
kommen neue aus den Schatten hinzu. Jeder Pfad bezieht
seine Praktiken aus einem bestimmten Glauben oder meh-
reren Ansichten über das Wesen des Todes, sodass die Nek-
romantie aus zahlreichen Arten und Glauben besteht.
Die wichtigsten Glaubensrichtungen werden hier behan-
delt, doch diese Liste erhebt keinesfalls Anspruch auf Voll-
ständigkeit. Der Clan der Giovanni und seine zahlreichen
kleineren Familien sind weit gereist. Dies sind einfach die
Glaubenssysteme, aus denen die Mehrheit der Nekroman-
ten ihre Macht bezieht.
Unvereinbarer Glaube?
Angesichts der stark unterschiedlichen Glaubensrichtun-
gen, die einige Zivilisationen zum Leben nach dem Tode
entwickelt haben, ist die Annahme angebracht, dass Nekro-
manten wohl Probleme dabei haben dürften, die Praktiken
der Religionen untereinander in Einklang zu bringen. Es
gibt dennoch einen grundlegenden Rahmen, der alle nek-
romantischen Rituale stützt und in ihm sind auch die bis
zu einem gewissen Grad bestehenden Gemeinsamkeiten zu
finden.
Alle Rituale der Nekromantie nutzen Komponenten, die
drei Schlüsselkonzepte repräsentieren: die Autorität des Nek-
romanten, damit sie den Todesalben ihre Macht aufzwingen
können; die Gefangenschaft des Todes, damit Todesalben
wissen, wo ihr Platz ist; und schließlich einen Gegenstand,
der den besagten Alben identifiziert, was normalerweise
eine Fessel darstellt. Symbole der Autorität können von
einer Kultur zur anderen variieren, doch am meisten unter-
scheidet sich das angenommene Wesen des Todes und das
des Lebens nach dem Tod. Wenn folglich westliche Nek-
romanten ihre eigene Symbolik verwenden, um eine Seele
zu beschwören, die glaubt, nach Mictlan, der aztekischen
Unterwelt, gegangen zu sein, müssen sie gegen eine unvoll-
ständige oder immer wieder abreißende Verbindung zum
Todesalb ankämpfen. Entsprechend wird ein Houngan beim
Einsatz von Voudoun-Riten ähnliche Probleme bekommen,
wenn er eine Seele beschwört, die glaubt in Diyu, dem chi-
nesischen Reich der Toten, zu leben.
Es ist dennoch nicht unmöglich. Bildlich gesprochen gibt
der Nekromant einem Todesalben Anweisungen auf einer
Sprache, die er nicht notwendigerweise versteht, doch mit
ausreichenden Gesten und über den Tonfall kann dieser
zumindest den grundlegenden Gedanken seiner Anweisun-
gen vermitteln.
Von Seiten der Spielmechanik erleiden Nekromanten, die
ein Ritual mit einer Symbolik versuchen, die nicht dem Glau-
ben des Todesalbs entsprechen, eine Erschwernis von +1 auf
die Nekromantiewürfe. Die Steigerung der Schwierigkeit
85
 um +2 im Zusammenhang mit der Ghiberti-Nekromantie,
wenn unerfahrene Nekromanten es mit Abombo (afrikani-
schen Todesalben) zu tun haben, ersetzt diese Regel. Eine
Spezialisierung auf die entsprechenden Glaubensrichtungen
hebt die damit zusammenhängenden Mali wieder auf.
Die folgende Tabelle zeigt auf, welche Pfade und Rituale
aus V20 (S. 156-181) den verschiedenen Nekromanten welt-
weit normalerweise zur Verfügung stehen. Dies ist keine
Exklusivliste, die es einem Nekromanten verbietet, die Wege
eines anderen zu lernen, sie versucht lediglich, die Künste
dem jeweils typischen Clan oder der Blutlinie zuzuordnen.
Nekromant Ritualpfade
Giovanni Pfad des Grabes, Pfad der Asche,
Pfad der Gebeine, Ruf der hungrigen
Toten, Leuchtfeuer, Einblick, Augen des
Grabes, Hand des Ruhmes, Marionet-
te, Schreie der Verdammten, Ritual der
offenbarten Bande, Tempesta Scudo,
Blick hinter den Schleier, Esilio, Erfas-
sen des Geisterhaften
Ghiberti Pfad des Nachrufs, Pfad der Asche,
Ruf der hungrigen Toten, Leuchtfeuer,
Augen des Grabes, Occhio d’Uomo
Morto, Marionette, Schreie der Ver-
dammten, Ritual der offenbarten Ban-
de, Blick hinter den Schleier, Erfassen
des Geisterhaften
Pisanob Pfad des Grabes, Pfad der Asche, Ri-
tual des rauchenden Spiegels, Pochtlis
Ritual, Göttliches Zeichen, Xipe Totecs
Ritual
Sendboten Der Pfad des Leichnams, Pfad des
des Todes Verfalls, Pfad der Vier Säfte, Einblick,
Minestra di Morte, Augen des Grabes,
Hand des Ruhmes, Tempesta Scudo,
Berührung des Kadavers, Blick hinter
den Schleier, Eiseskälte des Verges-
sens, Esilio, Erfassen des Geisterhaften
Nagaraja Der Gläserne Pfad, Pfad der Asche,
Pfad der Gebeine, Ruf der hungrigen
Toten, Leuchtfeuer, Einblick, Minestra
di Morte, Hand des Ruhmes, Occhio
d’Uomo Morto, Schreie der Verdamm-
ten, Tempesta Scudo, Bastone Diaboli-
co, Eiseskälte des Vergessens
Voudoun Pfad der Gebeine, Pfad des Grabes,
Nekromanten Stein des Wissens, 2 Centimes, Blut-
tanz, Albtrommeln, Puppe der Qual,
Die Hand eines Toten
86 Kapitel Vier: Die Unabhängigen
Westliche Nekromantie
Bedenkt man die römischen Wurzeln der Giovanni, ist es
keine Überraschung, dass die griechisch-römische Darstel-
lung des Todes und der Unterwelt in ihren Ritualen stark
dominiert. Dies wird durch die Namen ihrer Rituale unter-
strichen (beispielsweise Der Thron des Hades, Zirkel des
Zerberus, etc.). Da die Nekromanten der Giovanni ihren
Pendants in den kleineren Familien des Clans zahlenmäßig
überlegen sind, ist dies zudem die am sichtbarsten prakti-
zierte Form der Nekromantie in den heutigen Nächten.
Die westlichen Nekromanten glauben fest daran, dass die
Menschheit dazu bestimmt ist, über die Natur zu gebieten.
Die Nekromantie ist die magische Erweiterung dieses Glau-
bens in die Lande, die jenseits der natürlichen Existenz lie-
gen. Kainskinder erlangen viel einfacher diese Gewalt über
den Tod, verglichen mit sterblichen Nekromanten, einer-
seits wegen ihrer abgestumpften Emotionen und anderer-
seits wegen ihrer grundlegenden Verbundenheit mit dem
Tod. Todesalben nähren sich von Emotionen und somit
bieten Kainskinder ihnen weniger, von dem sie ihrerseits
Macht beziehen könnten, um sich ihrer Beschwörung zu
widersetzen.
Das Gebot der Giovanni über die Westliche Nekromantie
stammt von der Anbetung der Ahnen, mit denen bereits ihre
Vorväter, die Familie der Jovianer, im alten Rom begonnen
haben. Der Clan ist allen voran eine Familie. Nekromantie
war schlicht das Werkzeug, das die Familie einsetzte, um die
Hürden des Todes zu überwinden, mit denen Mitglieder der
Familie vom großen Ganzen abgetrennt werden sollten.
Todesalben werden durch Emotionen und eine Verbin-
dung zur materiellen Welt hier gehalten. Nekromantie ist
eine Rettungsleine für die Todesalben der Giovanni, die sie
an die Lande der Lebenden bindet, damit sie nicht ihre Ver-
bindung verlieren und in die Tiefen der Unterwelt stürzen.
Folglich nutzen die Giovanni ihre Kräfte über die Toten,
um die Interessen der bestehenden Familien zu fördern und
den Todesalben eine Verbindung in die Lande der Leben-
den zu erhalten, damit sie weiter existieren können. Diese
Beziehung funktioniert für die Parteien auf beiden Seiten
des Leichentuchs sehr gut.
Aztekische Nekromantie
Der Tod war ein wichtiger Bestandteil des aztekischen
Glaubens. Zahlreiche Götter standen mit dem Konzept des
Todes und der Unterwelt (Tonalli) in Verbindung, wo die
Seelen nach ihrem Übergang erwartet wurden. Tatsächlich
bestimmte die Art des Todes einer Person ihr Ziel im Leben
nach dem Tod. Beispielsweise waren Krieger, die auf dem
Schlachtfeld starben, für die aufgehende Sonne bestimmt,
wohingegen Mütter, die bei der Geburt verstarben, der
untergehenden Sonne zugeordnet waren. Wer ertrank oder
vom Blitz getroffen wurde, war sogar für Tlalocan, einem
Paradies, das von den Göttern beherrscht wurde, bestimmt.
Dennoch war der Zielort für die meisten Verstorbenen in
der Welt der Azteken Mictlan, eine Unterwelt, die weit im
Norden existierte und von König und Königin, Mictlante-
cuhtli und Mictecacihuatl, regiert wurde.
Aufgrund dieser bedeutenden Rolle ist Mictlante-
cuhtli ein Name, der häufig in den Anrufungen vieler der
­Pisanob-Familienriten vorkommt. Die Tatsache, dass Mict-
lantecuhtli häufig als mit Blut bespritzte, skelettierte Figur
dargestellt wurde, finden einige ebenfalls passend, da es das
Erscheinungsbild der Pisanob selbst widerspiegelt.
Trotz der starken Trennung zwischen der westlichen und
der aztekischen Philosophien sowie anderer mesoamerikani-
scher Kulturen (ebenfalls zu finden bei Nahuallotl — S. 80),
bietet die Nekromantie einige gemeinsame Ansatzpunkte.
Die Azteken betrachteten das Bildnis des Skeletts als Dar-
stellung des Lebens und der Fruchtbarkeit. Stellt man die
beiden Konzepte des Todes und welche natürliche Metapho-
rik sie beinhalten nebeneinander, bricht man wahrschein-
lich einige Tabus in westlichen Kulturen. Damit sind das
Erscheinungsbild der Pisanob und der Stil ihrer Rituale bei-
des Elemente, aus denen sie Macht schöpfen können.
Ein Ritual der Pisanob, das Ritual des rauchenden Spie-
gels (V20, S. 175), sieht den Einsatz eines Obsidianspiegels
vor, doch ist es nicht das einzige Ritual, bei dem spezielle
Gegenstände Anwendung finden. Obsidianspiegel wurden
als Gegenstand angesehen, mit dem man in die Unterwelt
blicken konnte, um mit ihren Bewohnern zu kommunizie-
ren. Diese Spiegel waren in der Gesellschaft der Azteken ein
Zeichen der Führerschaft, was so weit ging, dass sie sogar
einen eigenen Gott hatten: Tezcatlipoca, den rauchenden
BLUTRITEN
Spiegel. Von Wahrsagerei und Ritualen mit Obsidianspie-
geln hieß es, dass sie die Wünsche der Götter an die Anfüh-
rer der Gesellschaft übermittelten. Somit geben sie perfekte
Symbole der Autorität ab, mit denen die aztekischen Nekro-
manten über Todesalben gebieten können.
Wie andere Rituale aus ihrer Kultur auch, ist die azteki-
sche Nekromantie hochgradig rituell und basiert stark auf
Zeremonie und Vorbereitung. Wenn diese Elemente nicht
ordnungsgemäß verfügbar sind, bietet die Macht des Blutes
einen teilweisen Ersatz. Nekromanten, denen ihre Ausrüs-
tung für die traditionelle Ausführung dieser Rituale nicht
zur Verfügung steht, erleiden eine Erhöhung der Schwierig-
keit um +2, obwohl dies mit dem Einsatz eines Punktes Wil-
lenskraft für eine Szene ausgesetzt werden kann.
Voudoun-Nekromantie
Die Beziehung zwischen Voudoun Nekromantie und Wanga
(S.165-166) weist ähnliche Parallelen auf, wie die Beziehung
zwischen Nekromantie und Thaumaturgie. Wo erstere sich
rein auf die Aspekte des Todes konzentrieren, versuchen
letztere alle Konzepte unter der Wirkung des Glaubens
­zusammenzufassen.
Voudoun, wie wir es heute kennen, hat seine Ursprünge
in den haitianischen Sklavengemeinschaften, wo die Religio-
nen des Westens mit den Glaubensrichtungen der afrikani-
schen Stämme vermischt wurden und etwas gänzlich Neues
erschufen. Vodouisants (Anwender des Voudoun) glauben an
Bondye, einen Schöpfergott. Die Loa sind Geister, die Bon-
dye dienen. Jeder Loa gebietet über eine spezielle Facette der
87
 Natur. Anwender richten ihre Akte der Anbetung an diese
Loa, die mit dem Tod in Verbindung stehen. Der Anfüh-
rer unter dieser Handvoll Geister ist jemand, der von Hol-
lywood bereits sehr aufgebauscht wurde und dessen Name
von den Leichen angenommen wurde: Baron Samedi.
Die Giovanni sind sich nicht sicher, welche Verbin-
dung – falls es eine gibt – zwischen der Blutlinie der Samedi
und den Loa besteht. Dennoch ist der Name „Papa Zombie“
in jüngsten Nachforschungen aufgetaucht und die Giovanni
glauben, dass es sich bei ihm um jemanden handelt, der die
Antwort auf ihre Fragen haben könnte. Es werden bereits
Anstrengungen unternommen, um durch die Schlangen des
Lichts mehr zu erfahren, die ebenfalls mit dem in der Kari-
bik praktizierten Voudoun zu tun haben.
Das Konzept des Analogzaubers (siehe S. 133-135) ist
etwas, das einen Großteil der Voudoun-Riten untermauert.
Beispielsweise ist ein wohlbekanntes Werkzeug des ameri-
kanischen Voudoun die Voodoo-Puppe (auch bekannt als
Puppe der Qual, V20, S. 179). Sie wird aus Komponenten
hergestellt, die vom Ziel stammen (Eigentum, Haare, etc.)
und es heißt, dass was auch immer man der Puppe antut,
sich beim Ziel manifestiert.
Östliche Nekromantie
Jegliche Untersuchungen in Südostasien erweisen sich, auf
Grund des schlechten Ansehens vieler Kainskinder bei den
mysteriösen Vampiren in diesem Teil der Welt, bekannter-
maßen als sehr schwierig. Die della Passaglia, die im Zuge
der finanziellen Aktivitäten in der Region in Familien aus
Peking einheiraten konnten, haben eine widerwillige Akzep-
tanz erlangt, die noch keine andere Fraktion innerhalb der
Gesellschaft der Kainskinder je erreicht hat. Dadurch war es
ihnen möglich, die Künste der Östlichen Nekromantie aus
erster Hand zu untersuchen.
Ähnlich wie im Westen, wird auch dort seit Jahrtausen-
den die Verehrung von Ahnen praktiziert. Lebende Fami-
lien bauen Schreine für die Verstorbenen, um ihre Gebete
zu fokussieren. Sie verbrennen beispielsweise Totengeld auf
diesen Schreinen, das anschließend auf der anderen Seite
des Leichentuchs erscheint und den Verstorbenen als Wäh-
rung im Leben nach dem Tod dient. Da die Schreine so
mächtige Verbindungen in die Geisterwelt darstellen, wer-
den sie zwangsläufig zu Bindungen und dienen damit als
Instrument in vielen nekromantischen Ritualen.
Als die della Passaglia die Region erkundeten, stellten sie
fest, dass der Tod in den Myriaden sterblicher Kulturen dort
verschieden behandelt wird. Diese Vielfalt zog andere Nek-
romanten an, noch ehe die della Passaglia eintrafen, beson-
ders die Nagaraja. Sobald die della Passaglia endlich ihre
Aufmerksamkeit der Untersuchung des Konzeptes des Zyk-
lus von Tod und Wiedergeburt der hinduistischen Kulturen
Indiens zuwenden, rechnen sie fest damit, dass die Nagaraja
ihnen schon wieder voraus sein werden.
88 Kapitel Vier: Die Unabhängigen
Afrikanische Nekromantie
Afrika ist kulturell wohl der vielseitigste Kontinent der Erde.
Selbstverständlich hat auch jede Kultur ihre eigene Darstel-
lung des Todes. Das Ergebnis dieser Diversifizierung und der
daraus resultierenden Kollision der Philosophien ist, dass
der direkte Aufbau der Todesalben in Afrika grundlegend
verschieden ist. Dies führt zu Hindernissen, die andere Nek-
romanten als äußerst schwierig empfinden, deren Überwin-
dung aber nicht unmöglich ist.
Die Todesalben, die den afrikanischen Kontinent heim-
suchen, bestehen nicht aus zwei, sondern vier verschiedenen
Aspekten. Zunächst gibt es helle und dunkle Aspekte, die
grob mit denen der westlichen Todesalben übereinstimmen.
Dann gibt es das Traum-Ich (die emotionale Präsenz einer
Seele auf der Welt) und das Herzleben (die Verbindung der
Seele mit unserer Welt über Bindungen).
Beispielsweise wird im Glauben des Volkes der Yoruba
(die einen beachtenswerten Anteil an der Westafrikani-
schen Bevölkerung stellen) der Tod als Übergang von einem
Zustand in den nächsten gesehen und nicht notwendiger-
weise als Ende des Lebens. Das Leben geht in der nächsten
Welt weiter, die von dieser hier getrennt ist. Wie bei ande-
ren nekromantischen Traditionen auch, spielen Ahnen im
Glauben der Yoruba eine wichtige Rolle in der Beziehung
zwischen den Lebenden und den Toten. Geister werden mit
Verehrung und Respekt behandelt, wenn sie den Lebenden
begegnen, anstatt mit Furcht.
Die Ghiberti-Familie, die ihre Wurzeln in Westafrika hat,
hatte lange die Gelegenheit, diese Glaubensstrukturen zu
untersuchen und ihren Stil der Nekromantie daran anzu-
passen. Infolgedessen erleiden sie im Gegensatz zu ande-
ren nicht dieselben spielmechanischen Abzüge auf ihre
Praktiken (wie auf S. 85-86 unter „Unvereinbarer Glaube“
erwähnt), doch sie haben diese Lehren nur an wenige außer-
halb ihrer Reihen weitergegeben, sodass sie ihr Monopol auf
Giovanni-Geschäfte auf dem Dunklen Kontinent bewahren
können.
Die Ausbreitung
der Nekromantie
In ihrer Anwendung teilt sich der Kern der Nekromantie
viele Anzeichen der klassischen Theurgie. Der Nekromant
beschwört ein Wesen (in seinem Fall einen Todesalben),
um ihn zu kontrollieren – so, wie ein Theurg eine Seele her-
beiruft und versucht, sie an seinen Willen zu binden. Im
weiteren Sinne könnte daher argumentiert werden, dass die
Nekromantie nicht weit von den geisterhaften Pfaden der
Thaumaturgie entfernt ist.
Die Tremere haben zwar bewiesen, dass ihre hermetischen
Praktiken ein deutlich weiteres Spektrum abdecken, doch
die Giovanni haben herausgefunden, dass die Nekroman-
tie den Tod aus zahlreichen Richtungen angehen kann, von
denen jede ihre eigenen, mächtigen Auswirkungen hat. Die
Thaumaturgie hat über die Jahrhunderte mit all den neuen

Neues Ritual der
Nekromantie Stufe Vier:
Die ätherische
Horde herbeirufen
Basierend auf den Überlieferungen der Telyavelischen
Tremere und ihrer Fähigkeit, temporäre Horden von
Geisterkriegern herbeizurufen, konnten die Giovanni
diese Kraft in Teilen nachstellen, die vormals als „Armee
der Seelen“ bekannt war. Der Nekromant singt ein
Gebet an die Toten, während er in der Mitte eines Krei-
ses aus den Überresten eines eingeäscherten Toten, des
Sarges in dem er begraben wurde und des Grabsteins
des Verstorbenen steht.
System: Ist das Ritual erfolgreich, bestimmen die
Erfolge am Ende des Gesangs, wie viele Drohnen (hirn-
lose Geister, keine voll entwickelten Todesalben) der
Nekromant beschwören kann. Diese Geister erscheinen
als ätherische Gestalten von lang verstorbenen Kriegern.
Obwohl sie sich nicht gänzlich in der physischen Welt
materialisieren können, können sie ihre eigenen Kräfte
einsetzen, um Objekte zu werfen oder Angreifer zu ver-
scheuchen, um damit den Nekromanten zu verteidigen.
Die Geister begeben sich beim nächsten Sonnenauf-
gang wieder zur Ruhe.
Pfaden einen großen Sprung nach vorne gemacht und deckt
unzählige verschiedene Anwendungsgebiete ab, wohinge-
gen die Giovanni gezeigt haben, dass alles rund um den
Geltungsbereich des Todes in ihr Metier fällt. Geister, die
Unterwelt an sich, Leichen, ... die Liste ist weit länger, als das
Wort „Tod“ auf Anhieb vermuten lässt.
Die Nekromanten haben, historisch gesehen, nicht so
einfach neue Pfade und Rituale entwickelt, wie die Tremere
(schmerzhafte Beispiele dafür sind die Pisanob und die Ghi-
berti, bzw. die lange Zeit, die es gedauert hat, bis sie Pochtlis
Ritual entwickelt hatten), doch sie erschaffen sie. Der formel-
hafte Ansatz hat es ihnen ermöglicht, ihren eigenen Weg des
Schaffens neuer Auswirkungen über todesbezogene Kräfte
aufzubauen und dieser hat ihnen gute Dienste geleistet, seit
die Familie der Giovanni erstmals von den Kappadozianern
unter ihre Fittiche genommen wurde.
Thaumaturgie
Einige der fähigsten Nekromanten der Giovanni versuchen
an einem gewissen Punkt ihrer Studien auch die Thauma-
turgie zu erlernen. Viele dieser Möchtegern-Thaumaturgen
versuchen, die Kunst der Geistermanipulation (S. 142-145)
zu erlernen, um ihr Können der Nekromantie zu vervollstän-
digen. Die Gelehrten und Wissenschaftler des Clans kon-
BLUTRITEN
zentrieren ihre Aufmerksamkeit darauf, Hinweise auf andere
Pfade der Thaumaturgie zu finden, von deren Besitz die Gio-
vanni profitieren könnten. Vor einigen Jahren hörten die
Giovanni davon, dass – in Folge eines Wiederauflebens des
Heidentums in Litauen – einige Tremere in der dortigen
Region versuchten, einen verlorenen Pfad der Thaumatur-
gie wiederzuentdecken (oder wiederzubeleben).
Sielanische Thaumaturgie war die Praxis, die unter den
Telyavelischen Tremere gelehrt wurde, sich allerdings nie
weit außerhalb ihrer Reihen ausgebreitet hat. Die Giovanni
glauben, dass die Telyavelischen Tremere und ihre Künste
der Geschichte angehören (siehe S. 35-36 für einen andere
Ansicht). Dennoch existieren weiterhin oberflächliche und
unvollständige Aufzeichnungen der Sielanischen Thauma-
turgie und mithilfe signifikanter Investitionen besitzen Wis-
senschaftler der Giovanni nun einige davon.
Was sie daraus entnehmen konnten, war, dass die Siela-
nische Thaumaturgie oder zumindest einer ihrer Pfade (der
Pfad des Schattens der Welt) sich mit den Toten und den
Schattenlanden beschäftigte und den Körper des Thauma-
turgen als Verbindung zur Welt der Toten nutzte. Diese Phi-
losophie faszinierte die Giovanni sofort, da sie im Einklang
mit den Fundamenten steht, auf denen der Pfad der Asche
aufgebaut wurde.
Während die Tremere damit beschäftigt waren, die kom-
plexen Mechaniken der hermetischen Praxis wiederzuentde-
cken, wollten die Nekromanten wissen, was genau der Pfad
des Schattens der Welt machte und nicht wie er es tat. Mit
ihrem Ziel klar im Blick, konnten sie zu ihren Versuchen
übergehen, diese Effekte mit nekromantischen Ritualen zu
erreichen.
Einige der Auswirkungen, die sie entdeckten, spiegelten
bereits existente Fähigkeiten des Pfades des Grabes und des
Pfades der Asche wider. Die Telyavelischen Tremere bezogen
sich jedoch auf eine Kraft – sie bezeichneten sie als „Armee
der Seelen“ – deren Auswirkungen die Giovanni noch nicht
erzeugen konnten. Somit machten die Nekromanten sich
daran, diesen Effekt nachzustellen. Ein bisschen hatten sie
damit auch Erfolg.
Bisher ist es noch unbekannt, ob die Giovanni alle Infor-
mationen, die vom Pfad des Schattens der Welt übrig waren,
entdecken konnten oder nicht. In der Hoffnung, dass noch
weitere Geheimnisse auf sie warten, geht die Forschung
jedenfalls weiter.
Thanatosis
Viele Giovanni wollen seit langem die Ursprünge der Samedi
und ihrer erschreckenden Gabe der Thanatosis aufdecken.
Dies geht sogar so weit, dass sie, um etwas über die Leichen
zu erfahren, selbst von den Schlangen des Lichts lernen woll-
ten. Obwohl diese Bemühungen signifikante Ergebnisse erst
noch einbringen müssen, zeigen Experimente hinter den
Kulissen erste Anzeichen von Erfolg.
Die Auswirkungen von Thanatosis, wie sie von den Gio-
vanni aufgezeichnet werden konnten, werden vor allem
anderen auferlegt und haben weniger mit den Samedi selbst
89
 Neues Ritual der
Nekromantie Stufe Zwei:
Thanatos’ Liebkosung
Der erste niedergeschriebene Erfolg, die Effekte von
Thanatosis mit Nekromantie nachzustellen, war dieses
Ritual. Zunächst beschafft sich der Nekromant einen
verfaulenden Leichnam. Dann badet er ihn, was die
rituelle Reinigung symbolisiert. Dann legt er sich auf
den Leichnam, nicht notwendigerweise in einem Akt
der Nekrophilie (obwohl dies das Ritual nicht beein-
trächtigen würde), doch um den Körper auf- und ausei-
nanderbrechen zu lassen. Ist der Nekromant schließlich
mit faulendem, verfallenden Fleisch beschmiert, isst er
das Herz des Toten (oder was davon übrig ist), wodurch
das Ritual abgeschlossen wird.
System: Bis zum nächsten Sonnenaufgang kann der
Nekromant einmalig „Fäulnis“ auf ein Ziel wirken (V20,
S. 471), indem dasselbe System angewandt wird, wie bei
der ursprünglichen Kraft beschrieben.
zu tun. In jedem Fall charakterisieren Verfall, Krankheit und
Tod (als natürliches Ergebnis der ersten beiden) jeden der
Effekte. Daher wird in Experimenten versucht, einen Weg
zu finden um diese Auswirkungen zu replizieren. Die Experi-
mente haben kontinuierlich bewiesen, dass es sich bei Tha-
natosis im Kern nicht um Nekromantie handelt, wie zunächst
angenommen. Thanatosis spiegelt sicherlich die Nekroman-
tie in ihren Auswirkungen wider, doch die Giovanni sind
sich sicher, dass sie die Effekte hätten schneller nachstellen
können, wenn es echte Nekromantie gewesen wäre.
Erst in den letzten Jahren wurden hier Erfolge erzielt, bei
denen zwei der dokumentierten Auswirkungen von Thana-
tosis nachgestellt werden konnten. Diese Pioniere der Nek-
romantie hoffen nun, dass die Giovanni irgendwann mit
Thanatosis das machen können, was ihre Ahnen einst mit
der Kraft des Mortis der Kappadozianer erreicht haben. Da
sie diese Phänomene aus der Entfernung beobachten, ohne
die Unterstützung ihrer Anwender, könnte dies aber noch
sehr lange dauern. Sie sind aber zuversichtlich, dass sich
irgendwann ein Weg findet.
Beziehungen nach außen
Von ihrer Position außerhalb des Dschihad aus, konnten die
Giovanni ihre Anstrengungen ohne signifikante Interferen-
zen unternehmen. Es gibt dennoch Momente, in denen sie
den Interessen der Sekten oder anderer Unabhängiger nahe-
kommen. Sie mussten sich der unangenehmen Wahrheit
90 Kapitel Vier: Die Unabhängigen
Neues Ritual der
Nekromantie Stufe Vier:
Nadelspitze
Dieses Ritual wurde von Voudoun-Nekromanten ent-
deckt, die bereits geübt im Umgang mit der Erschaffung
einer Puppe der Qual waren (V20, S. 179). Der Nekro-
mant nimmt dafür eine Nadel, die zuvor in eine Puppe
der Qual gestochen wurde, und legt sie eine ganze Nacht
lang unter dem Licht des Mondes vollständig in Blut
ein. Bei erfolgreicher Ausführung des Rituals nimmt die
Nadel einen rötlichen Farbton an.
System: Bis zum nächsten Sonnenaufgang kann der
Nekromant einmalig „Verdorren“ auf ein Ziel wirken
(V20, S. 472), indem dasselbe System angewandt wird,
wie bei der ursprünglichen Kraft beschrieben, doch mit
einem Nadelstich anstelle einer körperlichen Attacke.
stellen, dass die Giovanni nicht die einzigen Nekromanten
der modernen Nächte sind.
Als der Clan Giovanni den Clan der Kappadozianer
ablöste, waren sie aufgrund ihres unappetitlichen Zeitver-
treibs als die „Teufelskinder“ bekannt. Das Versprechen von
1528 half dabei, einige Bedenken über das Zustandekom-
men dieses Übergangs zu zerstreuen (von einigen wurde die-
ses Versprechen als nichts anderes, als die Zustimmung der
Camarilla zum Genozid an den Kappadozianern gesehen),
doch die Gerüchte und Verleumdungen sind nicht aus der
Welt. Man war weitläufig der Ansicht, dass die Giovanni mit
Kräften hantierten, die sie nicht einmal im Ansatz verstehen
konnten. Dies behaupten einige noch bis heute.
Die Camarilla ist der Meinung, dass die Giovanni, obwohl
sie ihre ganz eigenen Pläne haben, keine ausreichende
Bedrohung darstellen, um das Gleichgewicht der Mächte
im Dschihad auf die eine oder die andere Seite kippen zu
lassen. Obwohl ihre finanzielle Ausbeutung gelegentlich
die Aufmerksamkeit bestimmter Ventrue auf dem weltwirt-
schaftlichen Parkett erregt, zeigen die Tremere am meisten
Interesse an den Giovanni. Genauso, wie viele Nekroman-
ten an einen Punkt kommen, an dem sie die Thaumaturgie
erlernen wollen, erreichen viele Thaumaturgen den Punkt,
wo sie die Nekromantie reizt. Die Giovanni wollen nicht zu
viele ihrer Geheimnisse preisgeben, um ihr Machtmonopol
über die Toten nicht zu gefährden, doch sie wissen, dass
sie die Thaumaturgie nicht erlernen werden, wenn sie im
Gegenzug nicht zumindest etwas hergeben. Da die Todesal-
ben die wertvollste Anlage der Giovanni darstellen, werden
sie den Tremere nur selten (eher gar nicht) Pfade beibringen,
durch die sie Kontrolle über die ruhelosen Toten ausüben
könnten. Stattdessen verwenden sie dafür die ersten Stufen
des Pfades der Gebeine als Währung, um an Thaumaturgie
zu gelangen. Vor einigen Jahren wurde in Kuba ein Präze-
denzfall geschaffen, als ein Pisanob zu drei verschiedenen
Anlässen drei verschiedenen Tremere die ersten Stufen
des Pfades der Gebeine lehrte und im Austausch dafür die
Grundlagen dreier verschiedener thaumaturgischer Pfade
lernte. Es ist ihnen allerdings bewusst, dass dieses Vorgehen
sie nicht viel weiter bringen wird. Um Zugang zu den höhe-
ren Stufen der Thaumaturgie zu erhalten, müssen sie mit
etwas Großem auflaufen. Der Gedanke daran, dass Tremere
einen Seelenraub durchführen könnten, lässt Ahnen der
Giovanni noch immer erschauern.
Der Sabbat ist eine ganz andere Geschichte. Vor einigen
Jahren wurde ein ganzer Arm der Familie in Nordmexiko
von den Sendboten des Todes ausgelöscht, die sich damit
als ernste Gefahr für die Familie offenbarten. Die Pisanob
kämpfen seither in ganz Lateinamerika gegen die Sendboten
und ihre Sabbatkollegen, wobei der Kampf auf ein Patt hin-
ausgelaufen ist. Die vorrangigste Sorge der Giovanni ist, dass
die Sendboten Gegner sind, die ebenfalls über Nekroman-
tie verfügen. Wenn ein Giovanni in einem Gebiet Seelen
sammelt und sie nach Venedig schickt, ist die Wahrschein-
lichkeit sehr hoch, dass – sollte ein Sendbote in der Nähe
sein – er davon hört, da sich Neuigkeiten in der Gemein-
schaft der Todesalben sehr schnell verbreiten. Daher ist den
Familienmitgliedern, die in vom Sabbat gehaltenen Terri-
torien agieren, höchste Vorsicht angeraten, zumal ständig
neue Berichte auftauchen, dass Nekromanten der Giovanni
BLUTRITEN
entführt werden. Dieselbe Warnung gilt denen, die sich eine
größere Anzahl an Todesalbendienern halten, da Sendboten
ihre Anwesenheit wahrnehmen können und wenn sie ihnen
Informationen entreißen, führt das ausnahmslos immer
zum selben Ergebnis.
Neben der Camarilla und dem Sabbat werden auch ziem-
lich viele Beziehungen zu anderen Fraktionen der Kainskin-
der durch die Nekromantie gestützt. Während die Giovanni
wegen ihrer Praxis der Thanatosis ein aktives Interesse an
den Samedi haben, stehen die Nagaraja wegen ihrer tödli-
chen Künste ebenfalls fest im Fadenkreuz des Clans. Glück-
licherweise ist die Blutlinie nur recht klein, doch sie erweist
sich als Dorn im Auge der Giovanni, besonders wenn Naga-
raja sich in Städten der Camarilla aufhalten. Die Nagaraja
sind sich nicht zu schade, ihre Dienste gegen Bezahlung in
Form von Fleisch (tot oder lebendig) anzubieten, um geis-
terhafte Probleme aus bestimmten Gebieten zu lösen, was
kontraproduktiv für Operationen der Giovanni sein kann.
Bei einer der unternommenen Anstrengungen, um mehr
über die Blutlinie zu erfahren und zu sehen, ob man mit
ihnen handeln kann, damit sie dem Clan nicht in die Quere
kommen, haben die Giovanni eine Verbindung einiger die-
ser Nekromanten mit der Tal‘Mahe‘Ra entdeckt. Die Gio-
vanni wissen schon seit einiger Zeit von der Existenz der
Tal‘Mahe‘Ra, haben aber ansonsten kaum Information über
diese mysteriöse Sekte. Sie haben Gerüchte gehört, es gäbe
eine Operationsbasis in der Unterwelt und einige Ahnen
der Giovanni sind der Meinung, dass definitiv etwas gegen
dieses Problem unternommen werden sollte.
91
 Nekromantie innerhalb
der Giovanni-Familien
Giovanni
Der eigentliche Grund, weshalb alle Giovanni Nekroman-
tie praktizieren ist, dass sie schlussendlich der Stärkung der
Familie als Ganzes dient. Mit jeder Seele, die gesammelt wird,
kommen sie ihrem ultimativen Ziel einen Schritt näher. Für
sie lag ihnen die Nekromantie schon immer im Blut, seit
den Tagen des alten Roms. Unter einigen der Familien gibt
es dennoch einen gewissen Grad an Uneinigkeit über das
ultimative Ziel: das Herbeiführen der Endlosen Nacht durch
die Zerstörung der Barriere zwischen den Landen der Leben-
den und der Toten.
Nur wenige Giovanni geben vor, tatsächlich mit Sicherheit
zu wissen, wie die Endlose Nacht am Ende wirklich aussehen
wird. Während einige ihr Eintreten kaum erwarten können,
sind andere eher geduldig und vorsichtig. Nekromanten
missbrauchen Todesalben schon seit Jahrhunderten.
Auf einen Schlag die Barriere fallenzulassen, die beide
Welten voneinander getrennt hat, bietet einen Durchgang
in beide Richtungen. Von Seiten der ruhelosen Toten würde
so einiger Ärger entfesselt werden und sie hätten sogar die
Möglichkeit zurückzuschlagen, ohne ein Leichentuch, das
sie davon abhält. Selbstverständlich verfügen die mächtigs-
ten Nekromanten über ausreichend Stärke, um die meisten
von ihnen zurückzudrängen, aber wirklich alle?
Um auf diese Bedenken einzugehen, predigen die Ahnen
eine klare Linie: die jungen Giovanni sollen sich in ihre
Studien vertiefen und ihre Kräfte schärfen, damit sie bereit
sind, wenn die Endlose Nacht kommt. Andere sprechen
sich für eine gewisse Art von Reparation an die Toten aus,
um den möglichen Ansturm zumindest etwas abzumildern.
Diese Nekromanten befürworten Mäßigung im Umgang
mit Todesalben und setzen nur das Nötigste an Macht ein,
um das zu bekommen, was sie wollen. Indem sie Todesalben
mit etwas Respekt behandeln, versuchen diese Giovanni die
Anzahl der Todesalben zu minimieren, die Rache an den
Nekromanten nehmen wollen. Normalerweise bekommen
die Giovanni was sie wollen, auch wenn sie diese altehrwür-
dige Taktik einsetzen.
Pisanob und Ghiberti
Die Beziehungen zwischen den Pisanob- und Ghiberti-Fami-
lien sind über die vergangenen Jahrzehnte ebenfalls enger
geworden. Die Pisanob benötigten Hilfe im Kampf gegen
die Bedrohung durch den Sabbat und die Sendboten des
Todes, sowie etwas Entlastung bei der von Venedig auferleg-
ten „Fangquote“. Hierfür schlossen sie sich mit den Ghiberti
zusammen und entwickelten Pochtlis Ritual (V20, S. 172),
mit dem sich die Pisanob die Ahnen der Giovanni vom Hals
halten konnten – zumindest für den Moment.
Die Ghiberti und die Pisanob sind vielleicht die talentier-
testen Pioniere der modernen Nekromantie. Bis jetzt sind
die Ghiberti die einzige mindere Familie des Clans Gio-
92 Kapitel Vier: Die Unabhängigen
vanni, die ihren eigenen vollständigen Pfad der Nekroman-
tie entwickelt hat (Pfad des Nachrufs, V20, S. 162-165) und
die Pisanob haben eine ansehnliche Anzahl nekromanti-
scher Rituale entwickelt. Beide Familien tendieren dazu,
ihre Entwicklungen gut zu schützen und sie lassen nur gele-
gentlich einige ihrer Kräfte zum Clan durchsickern, damit
die Ahnen zufriedengestellt sind. Mit der Verbesserung der
Beziehungen der beiden Familien in den letzten Jahren, ist
aber auch ihre Bereitschaft gestiegen, zumindest untereinan-
der die neuen Kreationen zu teilen.
Die Ghiberti-Familie macht dies auch mit voller Absicht.
Sie beabsichtigen den afrikanischen Kontinent zu kontrol-
lieren, wenn die Endlose Nacht kommt und dafür wollen
sie über die größte Konzentration an Nekromanten verfü-
gen, die afrikanische Todesalben kontrollieren können. Die
Pisanob waren schon immer sehr territorial und sind fast
ausschließlich in Lateinamerika geblieben. Ihr Fokus auf
Zeremonien bedeutet, dass sie sich nicht notwendigerweise
auf Pfade konzentrieren, stattdessen haben sie in ihrem Stre-
ben nach Macht viele weitere Rituale entwickelt. Diese Riten
sind die heilige Manifestierung ihres Glaubens an die Göt-
ter, weshalb sie ihre Geheimnisse bewahren, um die Rein-
heit ihres Glaubens zu schützen. Durch ihre Bemühungen
mit den Ghiberti können auch sie eine Vormachtstellung in
ihrer kostbaren Heimat etablieren, wenn die Endlose Nacht
kommt.
Das Zusammenkommen des kreativen Fokus der beiden
Familien war genau das, was beide brauchten, um ihre eige-
nen Entwicklungen der Nekromantie anzuspornen. Die Ghi-
berti erschaffen weitere Pfade zu ihrem Pfad des Nachrufs,
während die Pisanob von den Ghiberti das Experimentieren
lernen und mit deren Methoden neue Rituale entwickeln.
Rosselini
Während der Antrieb für die Weiterentwicklung der Nekro-
mantie bei den Pisanob und Ghiberti aus dem Ziel hervor-
geht, ihre Territorien zu kontrollieren, entspringt er bei den
Rosselini aus nichts weniger als ihrer rohen Leidenschaft.
Die Rosselini werden von anderen Giovanni-Familien mit
Vorsicht beäugt. Viele distanzieren sich von der sadistischen
Herangehensweise, mit der die Rosselini über Todesalben
gebieten. Während es unter den primären Familien der Gio-
vanni eine stetige Diskussion darüber gibt, bis zu welchem
Grad beim Umgang mit Todesalben Gewalt angewandt
werden sollte, stößt diese Debatte bei der Rosselini-Familie
direkt auf taube Ohren. Ihre Begründung lautet, dass Todes-
alben Nekromanten so sehr zu fürchten hätten, wie nur
irgendmöglich. Indem sie die Kunst der Unterwerfung von
Todesalben durch bloßen Terror gemeistert haben, gehören
die Rosselini nun zu den fähigsten Nekromanten, nur von
der Familie Giovanni übertroffen. Bis jetzt setzen sie Tyran-
nei und Angst sehr effektiv bei der Kontrolle der Toten ein.
Die widerliche Wahrheit hinter dieser exzessiven Brutali-
tät gegenüber den Toten ist, dass die Rosselini darauf stehen.
Einst, als sie noch eine sterbliche Familien waren, sahen sie
sich im Wettstreit mit den Nekromanten aus Venedig, den
damals ebenfalls noch sterblichen Giovanni, um die Vor-
herrschaft über die Reiche der Toten. So wie ein Reiter, der
sein Pferd anpeitscht, damit es schneller läuft, drängten die
Rosselini die Todesalben unter ihrer Kontrolle zu immer
größeren und größeren Anstrengungen, um die Giovanni
zu überflügeln. Im Laufe der Zeit ging diese ursprüngli-
che Absicht verloren und wurde pervertiert. Heute ist die
Anwendung der Nekromantie beinahe schon ein Aphrodi-
siakum für die Rosselini, während sie einen Graus für alle
darstellt, die sich noch an die Menschlichkeit klammern.
Der Akt der Verstöße gegen gesellschaftliche Gesetze und
Konventionen, sowie die Freiheit zu tun und zu lassen, was
sie wollen und daraus auch noch Kraft zu schöpfen, ist die
befreiendste und für die Seele bewegendste Erfahrung, von
der sie in ihrer Existenz träumen können – und sie versu-
chen ihr so oft es geht zu frönen. Es überrascht wohl kaum,
dass ihre fähigsten Nekromanten auf dem Pfad der Knochen
wandeln, wie auch ihre Giovanni-Cousins. Andere, die sich
beim Nachgeben dieser sadistischen Künste als engstirnig
erweisen, scheitern und brennen häufig auf spektakuläre
Weise. Mehr als einer wurde von einer Horde Gespenster in
Stücke gerissen, die sie durch ihre eigene sadistische Folter
erschaffen hatten.
Della Passaglia
Die della Passaglia gehen einen weit wissenschaftlicheren
Weg bei ihren Studien der Nekromantie.
Aufgrund ihres Standortes in der Stadt im Untergrund
von Peking, haben sie einen einzigartigen Stand innerhalb
der kainitischen Gesellschaft. Hier können sie Ost und West
gleichermaßen beobachten und stehen mit einem Fuß in
jeder der Welten. Sie wurden primär in den Künsten der
westlichen Nekromantie ausgebildet, haben aber im Laufe
der Zeit die östliche Philosophie angenommen, während sie
sich im Reich der Mitte festgesetzt haben.
Die Lehren ihrer Giovanni-Cousins haben ihnen gezeigt,
weshalb die Praxis der Nekromantie so wichtig ist. Indem sie
nach Osten zogen, versuchten sie Einfluss in einer Region zu
erlangen, die bis dahin von der Gesellschaft der Kainskinder
unbeansprucht war. Während sie in den Ländern der asia-
tischen Kainskinder Fuß fassen konnten, liegt ihre größte
Errungenschaft aber in den Entdeckungen um das Wesen
des Todes im Reich der Mitte.
Die della Passaglia praktizieren ihre Nekromantie sehr
klinisch und halten noch immer an Menschlichkeit fest,
anstatt sich dem Pfad der Knochen zuzuwenden. Viele ihrer
talentiertesten Nekromanten vergleichen ihre Arbeit mit
wissenschaftlichen Experimenten. Nekromantie ist für sie
das Werkzeug, mit dem sie die Folgen ihres Handelns auf die
Lande der Toten untersuchen. Obwohl sie den vollständi-
gen Kontext dessen, was im Osten passiert, noch nicht ganz
verstehen, hoffen die Ahnen in Venedig, dass die della Pass-
aglia dort nicht „heimisch“ geworden sind. Sie erhalten eine
regelmäßige Kommunikation aufrecht – einerseits, damit sie
regelmäßig ihre Abgaben bezahlen, andererseits um sicher-
BLUTRITEN
zustellen, dass sie nicht vergessen, wer ihre Meister sind und
auf welche Seite des Ost-West-Konflikts sie wirklich gehören.
Neue Rituale
Wort des Einblicks (Stufe Eins)
In der Epoche der Klassik riefen Nekromanten die Geister
der Toten herbei, um Einblicke in die Zukunft zu erhalten.
Es wird vermutet, dass einer der Prämaskiner, Antonius Gio-
vanni, dieses Ritual bis in die heutigen Nächte bewahrt hat,
und dass heutige Nekromanten es noch immer als Art der
Wahrsagerei nutzen. Der Nekromant reist zu einem Ort, an
dem es spukt oder einen Ort, an dem der Schleier zwischen
dieser Welt und der nächsten bekanntermaßen schwach
ist. Dort setzt er aus drei Gegenständen ein Dreieck zusam-
men, von denen je einer seine eigene Vergangenheit, seine
Gegenwart und die gewünschte Zukunft repräsentiert. In
die Mitte des Dreiecks wird ein Weihrauchbrenner gestellt.
Der Nekromant ruft die anwesenden Geister an, damit sie
ihm Einblick in kommende Ereignisse bieten, die ihn sei-
nem gewünschten Ziel näherbringen.
System: Wird das Ritual erfolgreich durchgeführt, steigt
eine Wolke Weihrauch auf und darin sind unzählige geister-
hafte Gesichter zu sehen. Jedes Gesicht murmelt oder flüs-
tert ein Wort oder einen Satz, wobei sich alle überschneiden
und ein kakophonisches Getöse verursachen. Die Vision
und die Stimmen verblassen nach wenigen Sekunden.
Die Zukunft ist ein weites und wechselhaftes Meer an
Möglichkeiten, daher muss der Nekromant zu Beginn ein
bestimmtes Thema spezifizieren, über das er Auskunft
wünscht (einen Handel erfolgreich abschließen, einen
bestimmten Gegenstand erlangen, ein bestimmtes Prob-
lem lösen, etc.). Der Nekromant muss die Stimmen nicht
zwingend verständlich oder als zusammenhängend empfin-
den, doch wenn das Ritual Früchte trägt, erfährt er einen
Moment der Klarheit und weiß, was die Botschaft zu bedeu-
ten hatte.
Für das Spiel bedeutet das, dass der Nekromant später
in derselben Nacht, in der das Ritual gewirkt wurde, den
fehlgeschlagenen Wurf einer Handlung wiederholen darf,
solange die Handlung dem direkten Erreichen der vorherge-
sagten Zukunft dient. Er hat damit diesen Fehlschlag vorher-
gesehen und weiß eventuell, wie man ihn vermeidet. Wenn
der zweite Wurf ebenfalls fehlschlägt, dann scheitert er und
der Einblick kam einen Augenblick zu spät.
Den Brunnen des Lebens
trockenlegen (Stufe Zwei)
Viele Nekromanten halten sich Todesalben als persönliche
Diener. Ob sie mit eiserner Faust über sie gebieten oder mit
dem Samthandschuh, es ändert nichts an der Tatsache, dass
Todesalben sich nähren müssen, so wie auch Kainskinder.
Im Gegensatz zum bluttrinkenden Kainskind, ernähren sich
Todesalben aber von Emotionen. Ob er es nun als prakti-
sches Werkzeug zur Kräftigung seiner Diener oder als Beloh-
nung für ihre loyalen Dienste einsetzt, indem der Nekro-
93
 mant dieses Ritual wirkt, können die Todesalben in seinem
Dienste am Trinken ihres Meisters teilhaben, indem sie sich
von der Welle der Emotionen nähren, die der Kuss auslöst.
Der Nekromant versammelt seine Todesalben-Diener und
Geistersklaven um das vorgesehene Opfer und ritzt dann die
Namen seiner geisterhaften Diener in dessen Fleisch. Sobald
dies getan ist, trinkt er das Opfer aus. Bei einigen Nekro-
manten (den Giovanni und den Nagaraja beispielsweise) löst
der Akt des Trinkens keine Erregung beim Opfer aus und es
erleidet stattdessen tiefste Schmerzen. Bei anderen funktio-
niert der Kuss wie immer und löst eine Welle der Euphorie
aus. Hierbei geht es lediglich um die Intensität der Empfin-
dungen, nicht darum, ob sie als positiv oder negativ empfun-
den werden – für Todesalben ist beides dasselbe. Angst und
Schrecken oder Euphorie nähren sie gleichermaßen.
System: Mit der erfolgreichen Ausführung des Rituals
erhält der Nekromant alle Blutpunkte, die er durch nor-
males Trinken vom Opfer erhalten würde und jeder seiner
geisterhaften Begleiter kann seinen Leidenschaftsvorrat um
dieselbe Menge auffüllen (Überschüsse werden ignoriert,
siehe V20, S. 385). Dies ist ein ultimativer Akt des Mordes
und sollte daher einen Wurf auf Menschlichkeit zur Folge
haben. Aus diesem Grund wird das Ritual häufiger von Nek-
romanten genutzt, die auf einem der Pfade der Erleuchtung
wandeln (wie z. B. dem Pfad der Knochen), dem ein solcher
begangener Akt nicht widerspricht.
94 Kapitel Vier: Die Unabhängigen
Das Sturmgefängnis (Stufe Drei)
Um ihre Abgaben in Form von Seelen nach Venedig zu leis-
ten, binden Nekromanten der Giovanni im Vorfeld häufig
Todesalben an eine Reihe von Gegenständen und senden
diese ans Mausoleum. Mit den steigenden Anforderungen
der Ahnen haben einige Nekromanten dann versucht, einen
effektiveren Weg für den Transport größerer Mengen Todes-
alben in einer Lieferung unterzubekommen. Das Sturmge-
fängnis war ihre Lösung.
Der Nekromant besorgt sich zunächst einen großen Glas-
behälter, wie einen 5-Liter-Glaskrug und nimmt ihn mit auf
einen Friedhof. Er vergräbt dann das versiegelte Gefäß in
der Erde über einem Grab eines frisch Verstorbenen, einer
Person, die gewaltsam zu Tode gekommen ist, oder auf eine
Art, bei der die Chancen gut stehen, dass sie nach ihrem
Ableben zu einem Geist oder Todesalb wird (dies könnte
etwas Nachforschung im Vorfeld benötigen). Der Nekro-
mant tränkt den Boden als nächstes mit seinem Blut, wäh-
rend er die Beschwörung durchführt und dabei die Macht
des Sturms anruft, der in den Tiefen der Lande der Toten
tobt.
System: Mit Beendigung des Rituals erzittert die Erde
einen Augenblick, als Zeichen des Erfolgs.
Wenn der Glaskrug nun ausgegraben wird, ist er voll mit
einem wirbelnden, purpurnen und schwarzen Nebel, in dem
gelegentlich Lichtpunkte zu sehen sind, wie kleine Blitze.
Wenn der Nekromant nun das Gefäß öffnet, muss jeder
Todesalb in Sichtweite einen Wurf auf Körperkraft ablegen
(er verwendet hierbei sein Körperkraft-Attribut, als befände
er sich in den Schattenlanden), gegen die Schwierigkeit von
6 plus der Anzahl der beim Ritual erwürfelten Erfolge. Diese
Probe wird jede Runde wiederholt, bis der Todesalb außer
Sichtweite des Gefäßes ist, oder er scheitert und wird direkt
in den Wirbel gesogen (der das Gefäß nicht verlässt).
Das Sturmgefängnis kann fünf Mal die Anzahl an Erfol-
gen bei der Aktivierung an Todesalben aufnehmen. Es hält
auch für eine Anzahl an Nächten, die fünf Mal den Erfolgen
beim Aktivierungswurf entsprechen. Es kann auch vorzeitig
beendet werden, indem der Behälter einfach zerschmettert
wird (was zu einer plötzlichen Begegnung mit einem Sturm
sehr wütender Todesalben führen kann).
BLUTRITEN
Das Sturmgefängnis muss nach seiner Erschaffung nicht
zwangsläufig von einem Nekromanten eingesetzt werden.
Man braucht einen Nekromanten, um es zu erschaffen, aber
nicht um es einzusetzen. Tatsächlich leihen viele Giovanni,
die angerufen werden, um ein Gebiet von geisterhaften Inter-
ferenzen zu reinigen, ihren Auftraggebern einfach ein solches
Gefäß, um die störenden Geister einzusammeln. Danach
„entsorgen“ sie die Geister woanders. Auf diese Weise erhal-
ten beide Parteien der Abmachung was sie möchten.
95
 Kapitel Fünf:
Die Ungewöhnlichen
Der Name des Pfades lautet Golconda
Und wer ihm mit wahrem Herzen folgt, kann noch die Erlösung erlangen,
Obwohl sie wie Dämonen in der Nacht wandeln
Und die Flüche von tausend Engeln auf ihnen lasten.
— Das Versprechen Rafaels an Kain, Erciyes Fragmente

Die Inconnu
Die Inconnu sind eine rätselhafte, geheime Gruppierung
von Kainskindern. Sie ist zu klein, um wirklich als Sekte
zu zählen, sondern tatsächlich eher ein raffinierter Klüngel
oder eine Gesellschaft von Gelehrten. Ihre Existenz reicht
bis in die alten Zeiten zurück und in der modernen Gesell-
schaft der Vampire sind sie als Forscher, Antiquare, Gelehrte
und vor allem als Außenstehende bekannt, die sich weigern,
einer Sekte beizutreten und im Dschihad Partei zu ergreifen.
Das Ziel der Inconnu besteht darin, dem Fluch Kains
durch einen mystischen Zustand der Erleuchtung zu entflie-
hen, der als Golconda bekannt ist und der in erster Linie
dazu dient, sie selbst zu transformieren anstatt anderer.
Golconda ist ein sehr persönliches Ziel und jeder Weg ist
einzigartig. Diese Gelehrte mögen sich uneins sein, wenn
es darum geht, sich auf einen Weg zu diesem Ziel zu einigen
oder darüber, was es bedeutet, wenn sie es erreicht haben,
doch sie arbeiten in der verzweifelten Hoffnung zusammen,
dass die Erlösung noch für jene möglich ist, die bereit sind,
alles zu opfern – sogar sich selbst.
Neu gegen antiquiert
Die Inconnu sind eine alte Gruppierung, deren Kultur sich
mit der Entwicklung spiritueller Philosophie in der sterbli-
chen Gesellschaft gewandelt und verändert hat. Die Ältes-
ten unter ihnen stehen noch zu ihrem religiösen Glauben,
während diejenigen, die aus Zeiten der Aufklärung und der
Industriellen Revolution stammen, eher wissenschaftlichere
Methoden anwenden. Jüngere Inconnu konzentrieren sich
vielleicht eher auf Technologie oder moderne Ansichten
und ziehen sogar die Möglichkeit einer spirituellen Beses-
senheit in Betracht, um den sogenannten Fluch Kains zu
erklären.
Es gibt einige vorherrschende Philosophien unter den
Inconnu. Die älteste Ideologie behauptet, dass ebenso wie
Kain von Gott verflucht wurde, auch die Erlösung durch
ultimativen Glauben erfolgen muss. Die Suchenden sind
jener Teil der Inconnu, der Golconda durch Glauben und
Mystizismus zu erreichen versucht und spirituelle Erleuch-
tung propagiert. Sie glauben, dass man durch gläubige Hin-
gabe an die eigene Menschlichkeit, durch Buße für Verfeh-
lungen und eine wesentliche Wandlung der Seele Golconda
erreicht.
Ein neuer Ableger des Glaubens nennt sich selbst die Rei-
nen, in Bezug auf die Reinigung des Körpers. Die Reinen
glauben, dass man den Fluch wie eine Krankheit untersu-
chen muss, indem man moderne Technologie und logische
Forschung anwendet. Diese Inconnu erforschen die vampiri-
sche Anatomie und Biologie, anstatt nach einer spirituellen
Antwort zu suchen. Die Reinen versuchen das Warum und
Wieso der Existenz der Kainskinder auseinanderzunehmen,
um zu sehen, ob es nicht ein Gegenmittel für die negativen
Effekte gibt.
97

BLUTRITEN 97

Einsatz nach Belieben
Die Inconnu sind eine der mysteriösesten Gruppierun-
gen der Welt der Dunkelheit. Eine Zugehörigkeit zu
ihnen – und vor allem ihre wahren Absichten – werden
absichtlich vage gehalten. Daher soll dieses Material nur
eine mögliche Interpretation der Inconnu darstellen.
Besonders bei diesen Inhalten des Buches wird Erzäh-
lern nahegelegt, wirklich nur die Einzelheiten zu nut-
zen, von denen ihre Chroniken am meisten profitieren
können.
Eine dritte und radikalere Fraktion der Inconnu sind die
Unbefleckten. Die Unbefleckten glauben, Golconda könne
nur durch die Annahme des vampirischen Wesens erreicht
werden und indem man es bis zu seinem logischen Ergebnis
durchschaut. Sie verlassen oft den Weg der Menschlichkeit,
beschreiten einen Pfad der Erleuchtung und Erreichen die
Perfektion auf diesem Pfad. Typischerweise folgt eine solche
Kreatur einem Pfad des Glaubens, viele der Unbefleckten
sind Anhänger religiöser oder spiritueller Pfade, wie dem
der Metamorphose (V20, S. 331).
Das moderne Zeitalter brachte eine neue Philosophie
mit sich, die von (im Verhältnis) jüngeren Mitgliedern der
Inconnu angenommen wurde. Diese Vampire sehen ihren
Zustand als eine Art der Besessenheit an, bei der ein fremder
Geist (das Tier) physisch in ihren Körper eingedrungen ist
und sie gegen ihren Willen beeinflusst. Diese Inconnu wer-
den die Heimgesuchten genannt und sie kämpfen gegen das
Tier, als sei es ein abgetrenntes, fühlendes Wesen. Die Heim-
gesuchten glauben, dass sie hungern und das Tier schwä-
chen müssen, um es bei jeder Gelegenheit zu missbrauchen.
Sie akzeptieren Vampirismus nicht als Sünde, ebenso wenig,
dass sie verflucht seien. Sie glauben stattdessen, dass sich
etwas in ihnen eingenistet hat und sie einen Weg finden
müssen, um den spirituellen Passagier zu foltern, zu zerstö-
ren oder auszutreiben, ehe das Tier sie auffrisst.
Verschwiegenheit
Das Versprechen des Engels Raphael ist in alten Schrift-
rollen niedergelegt und es ist Teil der zusammengetrage-
nen Texte des Buch Nod. Saulot, der Stammvater der Salu-
bri, hat viele seiner Glaubensrichtlinien auf diese Legende
begründet und versuchte Golconda „sowohl im Himmel, als
auch weit im Osten“ zu finden. Die Inconnu begannen als
Klüngel oder als viele kleine Klüngel, geeint nur durch den
Glauben, dass dieser Zustand möglich sei. Es gibt zahlreiche
Gerüchte, doch nur wenige Vampire haben je behauptet, die
Erleuchtung erlangt zu haben.
98 Kapitel 5: Die Ungewöhnlichen
Es ist nicht einfach, ein Inconnu zu sein. Sie versammeln
sich nicht regelmäßig oder in großer Zahl, und sie werden
oft gejagt, da ihre Ansichten bei einigen als Ketzerei ange-
sehen werden. Das Teilen von Information kann anderen
dabei helfen, Golconda zu erreichen, doch solches Wissen
zu kennen, bringt einen Vampir in Gefahr. Darüber hinaus
besteht immer das Risiko, dass ein Schüler sein Wissen eines
Tages für böse Zwecke einsetzt und dem Infernalismus oder
dem Wassail verfällt. Wer nicht würdig ist, darf nicht aus-
gebildet werden.
Mitglieder der Inconnu überwachen sich gegenseitig und
erlegen denen, die ihre Geheimnisse verraten oder unbe-
dacht das Wissen um Golconda teilen, grausame Strafen
auf. Solche Verräter werden von den anderen zur Strecke
gebracht, normalerweise von Mitgliedern der Unbefleckten,
deren Suche nicht dadurch kompromittiert wird, dass sie
jene vernichten, die vom Weg abkommen. Selbst wenn sich
die Inconnu persönlich vertrauen, muss ein Vampir immer
zwei Mal abwägen, ob er geheimes Wissen teilt. Es könnte
den Tod seines Begleiters bedeuten – oder seinen eigenen.
Hierarchie
Die Inconnu organisieren sich normalerweise als eine
Ansammlung aus Individuen. Einzelne Mitglieder, bekannt
als Monitore, wachen über eine Stadt oder ein Gebiet, wäh-
rend andere nach verlorenem Wissen suchen oder Gerüch-
ten über Golconda nachgehen. Als kleine Gesellschaft
verfügen die Inconnu nicht über die Mitgliederzahl, um
Positionen doppelt zu besetzen oder in Zellen zusammen zu
arbeiten. Jeder Akteur muss in der Lage sein, unabhängig
zu denken und auf das Ziel der Gruppierung hinzuarbeiten.
Die Inconnu verfügen über eine gemeinsame Führung,
bekannt als der Rat der Zwölf. Von diesen Gelehrten, vor-
wiegend Ahnen (einige davon haben bei Saulot persönlich
gelernt), heißt es, dass sie zu den sachkundigsten Vampiren
der Welt gehören. Sie treffen sich im Geheimen, teilen ihr
Wissen untereinander nur selten und interagieren mit ande-
ren Mitgliedern der Sekte nur auf äußerst geheimnisvolle
Art und Weise. Vom Rat der Zwölf heißt es, er verfüge über
eine Bibliothek, die jedes unter Vampiren bekannte Ritual
der Blutmagie und der Nekromantie beherbergt. Sie geben
sich große Mühe, um diese Informationen zusammenzutra-
gen, in der Hoffnung, dass sie durch die Studien der Blutma-
gie einige der subtileren Geheimnisse der kainitischen Exis-
tenz entschlüsseln können. Es heißt, dass einer der Zwölf ein
Ritualist der Setiten ist, dessen Meistergrad der Thaumatur-
gie unübertroffen ist und es heißt, dass er jedes Ritual aus
der Bibliothek ausführen kann. Man hält ihn gewisserma-
ßen für ein lebendes Archiv und sein Wissen wird von den
anderen Ratsmitgliedern streng bewacht.
Monitor
Ein Monitor beobachtet die Handlungen anderer Vampire,
berichtet über ihr Verhalten und führt Buch über Aktivi-
täten, Disziplinen, Benehmen und erfasst andere relevante
Statistiken für zukünftige Studien. Diese Vampire wählen

Die Regel der Drei
Die Inconnu verfügen über drei Edikte, die nicht gebro-
chen werden dürfen und die jedem Mitglied während
seiner Initiation beigebracht werden. Es werden Ver-
sprechen abgegeben, Erwartungen klargestellt und der
neue Initiand gelobt, die Geheimnisse der Inconnu zu
bewahren. Mitglieder der Gesellschaft, die gegen diese
Versprechen verstoßen, werden vertrieben, gemieden
und von den Mitgliedern aufgegeben. Wenn sie darin
eine besondere Bedrohung der Inconnu sehen, könn-
ten sie ihm das Wissen über den Klüngel oder über
Golconda auch einfach entreißen – vorausgesetzt, der
Vampir wird nicht einfach vernichtet.
Trennung: Ein Inconnu muss sich aus dem Dschihad
heraushalten, keine Handlungen unternehmen, die
Ziele anderer vorantreiben und sich für keine Seite ent-
scheiden.
Verschwiegenheit: Ein Inconnu muss Geheimnisse
bewahren, niemandem, außer den Würdigsten, die
Geheimnisse Golcondas offenbaren und mit nieman-
dem über die Sekte sprechen.
Solidarität: Mitglieder der Inconnu haben nur wenige
Verbündete, weshalb sie nur schwer mit Gefallen han-
deln können, ohne in den Dschihad verwickelt zu wer-
den. Sie müssen sich, ungeachtet ihrer philosophischen
Differenzen, aufeinander verlassen können, wenn sie
Schutz, Hilfe oder Wissen suchen.
normalerweise eine Domäne, einen Clan oder eine Kern-
kompetenz aus und studieren diese unermüdlich. Monitore
sind Experten darin, ihre Anwesenheit zu verschleiern und
halten ihre Aufgabe vor anderen Kainskindern in ihrer
Domäne geheim. Einige Monitore ziehen es vor, in der
Menge unterzugehen. Andere besetzten wichtige Positionen
in ihren Gebieten. Ungeachtet ihrer eigenen Politik liegt
ihre erste Priorität auf dem Sammeln von Information und
der Entdeckung neuer Pfade der Erleuchtung.
Von Monitoren wird ebenso erwartet, dass sie Anfänge
neuer Disziplinen oder thaumaturgischer Pfade ausmachen
und darüber berichten, aber auch, dass sie im Auftrag der
Inconnu thaumaturgische Rituale oder anderes Wissen
durch Tausch oder Handel erlangen. Sollte dies fehlschlagen,
ist es die Aufgabe des Monitors, die Information durch jegli-
ches notwendige Mittel zu erlangen und sicherzustellen, dass
dieses Wissen von der Gesellschaft aufgezeichnet wird. Als
Gegenleistung dürfen besonders kompetente Monitore beim
Rat der Zwölf vorstellig werden und weitere thaumaturgische
Rituale erlernen, die sie bei ihrer Arbeit unterstützen.
BLUTRITEN
Steward
Ein Steward empfängt Wissen und ist sowohl Bewahrer, als
auch Verteidiger der gesammelten Weisheiten der Inconnu.
Diese Vampire koordinieren kleine Treffen der Inconnu, ver-
wahren Briefe und Aufzeichnungen verschiedener Versuche
Golconda zu erreichen und bieten Mitgliedern der Gesell-
schaft Unterschlupf, die aufgrund ihrer Suche gejagt oder
verleumdet werden. Dies ist eine außerordentlich gefährli-
che Tätigkeit, da die Inconnu aus Kainskindern aus allen
Sekten bestehen und ein Steward gebeten werden könnte,
einem Inconnu eine sichere Zuflucht zu gewähren, der ein
Mitglied der Camarilla oder des Sabbat ist, ein Anarch oder
ein Autarki. Derartige politische Komplikationen haben
keinerlei Bedeutung, solange das Mitglied sich der Sache
verschrieben hat. Stewards leben gerne in nicht besiedelten
Gebieten, schließlich müssen sie ihre Besucher vor neugieri-
gen Blicken schützen.
Außerdem verwalten Stewards kleinere Bibliotheken mit
Auszügen thaumaturgischen Wissens. Gelegentlich erhalten
Stewards auch versiegelte Dokumente, die Fragmente thau-
maturgischen Wissens oder Rituale enthalten, Fragmente,
die ohne die restliche Information nutzlos sind. Es wird von
ihnen erwartet, dass sie diese Fragmente sicher verwahren.
Im Falle des endgültigen Todes des Rats oder der Zerstörung
der Hauptbibliothek der Inconnu, haben sich die Stewards
zu versammeln, die Informationen zu sortieren und das Wis-
sen wieder zusammenzusetzen. Der Rat der Zwölf hofft, dass
die Aufteilung des Wissens in kleine Einheiten Sicherheit
bietet – sowohl vor ihren Feinden, als auch vor den Unbe-
deutenden der Gesellschaft.
Equites
Andere Inconnu legen weite Strecken zurück und durchstrei-
fen die Welt auf der Suche nach Artefakten, untersuchen
besondere Ereignisse (moderne, aber auch historische) und
suchen selbst nach den kleinsten Bruchstücken von Wissen,
das zu Golconda führen könnte. Die Equites sprechen auf
ihren Reisen eher über ihren Glauben und versuchen häu-
fig junge oder desillusionierte Vampire zur Philosophie der
Inconnu zu konvertieren. Wenn sie entdeckt werden oder
in Gefahr geraten, können Equites einfach das Gebiet ver-
lassen und nie wieder zurückkehren. Viele der jüngeren Mit-
glieder der Inconnu sind Equites.
Equites sind häufig Späher im Bereich der Thaumaturgie
und verschaffen den Inconnu Informationen über unge-
wöhnliche Anwendungen oder Einsätze weltweit. Gelegent-
lich wird einem Eques auch besonders interessantes, doch
experimentelles thaumaturgisches Wissen beigebracht.
Wenn er die Meisterschaft dieser neuen Kraft erlangt (und
überlebt), kann er sogar in den Rängen zu einem Steward
aufsteigen oder einen Monitorposten erhalten.
99
 Neue Aspekte des Spiels:
Kashaph (1 Punkt Vorzug)
Der Begriff Kashaph hat mehrere Bedeutungen, bezieht sich
auf das hebräische Wort „murmeln“ und deutet auf gespro-
chene Hexerei und Beschwörungen hin. Der Begriff wird im
Alten Testament verwendet, um die Anwender von Hexerei
zu verurteilen. Wahres Kashaph ist schon lange ausgestor-
ben, doch sicher bei den Inconnu verwahrt. Kashaph ist eine
verzauberte Sprache und kann von heutigen Linguisten oder
Kryptographen nicht „entschlüsselt“ werden. Die Inconnu
verwenden Kashaph, um im Geheimen zu kommunizieren
sowie als Methode, um sich untereinander zu identifizieren.
Neuen Mitgliedern der Inconnu wird Kashaph nicht auf
normalem Wege beigebracht. Es kann nicht wie eine nor-
male Sprache erlernt oder studiert werden. Stattdessen wer-
den neue Mitglieder durch ein umfangreiches Ritual in die
Gesellschaft indoktriniert, während dem die Sprache Kas-
haph in ihre Seele geschrieben wird. Wurde sie ein Mal auf
diesem Wege „erlernt“, kann die Sprache gesprochen, doch
nicht geschrieben werden (es gibt keine schriftliche Form
und die Laute können nicht akkurat durch phonetisches
Schreiben erfasst werden) und nur eine andere Person mit
diesem Vorzug verfügt über die Fähigkeit, die Worte in die-
ser Sprache zu verstehen.
100 Kapitel 5: Die Ungewöhnlichen
Ausmerzen von Geheimnissen
Voraussetzungen: Thaumaturgie (beliebiger Pfad) • und
Beherrschung • • •
Mit nur einer Berührung kann der Anwender dieser Kraft
Wissen aus dem Geist eines Ziels entfernen. Im Gegensatz
zu Vergesslicher Geist werden diese Erinnerungen nicht
einfach überschrieben, sondern werden vollständig ent-
fernt und können niemals wieder hergestellt werden. Die
Inconnu wenden diese Kraft als Notfallstrategie gegen jene
an, die zu viel über Golconda, Kainskinderkunde oder ihre
Gesellschaft erfahren haben.
Diese Kraft ist nicht sehr subtil und besänftigt das Ziel in
keinster Weise. Das Ziel bemerkt, dass ihm Wissen entrissen
wurde und wenn es über Magiegespür verfügt, wird es sogar
das Thema kennen.
System: Der Anwender dieser Kraft muss das Ziel körper-
lich berühren, um Ausmerzen von Geheimnissen zu aktivie-
ren. Der erfolgreiche Einsatz dieser Kraft fügt dem Ziel einen
Punkt Tödlichen Schaden zu, da Erinnerungen sprichwört-
lich aus seinen Gehirnzellen herausgebrannt werden.
Der Anwender benennt ein eng gefasstes Themengebiet,
von dem das Ziel weiß – typischerweise etwas in der Art wie
„die jüngsten Diskussionen um mein Kind“ oder „alles, was
Sie beim Experiment vergangene Nacht erfahren haben“.
Danach muss er Intelligenz + Einschüchtern würfeln, wobei
die Schwierigkeit der aktuellen Willenskraft des Ziels ent-
spricht. Wenn die gewürfelten Erfolge nicht für die gesamte
Modifikation ausreichen, reduziert der Erzähler die Auswir-
kungen auf den Geist des Opfers.
 Erfolge Ergebnis
1 Erfolg Kann eine einzelne Erinnerung von nicht
mehr als einer Stunde Länge löschen.
2 Erfolge Kann alle Ausläufer eines einzelnen
Themas aus der Erinnerung löschen, von
etwas, das innerhalb des vergangenen
Monats gelernt wurde.
3 Erfolge Kann alle Ausläufer eines einzelnen
Themas aus der Erinnerung löschen, von
etwas, das innerhalb des vergangenen
Jahres gelernt wurde.
4 Erfolge Kann alle Ausläufer und Verweise auf ein
einzelnes Thema aus der Erinnerung lö-
schen oder verändern, die in den vergan-
genen einhundert Jahren erlangt wurde.
5 Erfolge Kann alle Ausläufer und Verweise auf ein
einzelnes Thema aus der Erinnerung lö-
schen oder verändern, aus dem gesamten
Leben des Ziels.
Das Erlernen dieser Kombinationskraft kostet 18 Erfah-
rungspunkte.
Thaumaturgie der Inconnu
Die Magie der Inconnu beinhaltet normalerweise eine
langsamere, subtilere Art der Durchführung, näher an der
Meditation, als an der Hermetik der Tremere. Die Inconnu
verwenden physische Foki, von religiöser Ikonographie und
Artefakten, bis hin zu Kristallen und Pendeln, die alle dar-
auf ausgelegt sind, dem Geist in eine höhere Bewusstseins-
ebene zu verhelfen. Obwohl viele Mitglieder der Inconnu
auch in der Anwendung anderer Arten der Magie geschult
sind, bevorzugen sie feinsinnigere Hexerei, kontemplative
Methoden und die Erweiterung von Geist und Seele bei der
Anwendung ihrer Thaumaturgie.
Die Inconnu glauben, dass jede Magie nicht mehr als
eine Anstrengung des Willens darstellt, die auf übernatür-
liche Wiese von vampirischer Vitae genährt wird. Dieser
Glaube eignet sich für ihren Einsatz von Pfaden, Ritualen
und anderweitiger Magie. Der Stil eines Inconnu bei der
Anwendung von Magie ist einzigartig: ruhig und meditativ,
fokussieren sie ihr inneres Bewusstsein (einige nennen es das
„dritte Auge“) und drängen ihren Geist in Richtung der Auf-
gabe. Anstatt die Welt um sie herum durch Rituale, arkane
Werkzeuge, gesprochene Worte oder körperliche Gesten zu
manipulieren, zentrieren sie sich in einem Moment abso-
luter Stille und umfassender Konzentration und entfesseln
dann ihre magische Kraft durch einen einzelnen, primären
Fokus – und schließlich in die Welt.
Versteckte Zuflucht
(Ritual der Thaumaturgie, Stufe Zwei)
Dieses Ritual soll angeblich vom Rat der Zwölf entwickelt
worden sein, um ihre riesige Bibliothek in den Karpaten zu
verstecken. Das Ritual ist in seiner Durchführung schwierig
und darf nur ein Gebäude zum Ziel haben, das nicht grö-
ßer als ein Haus ist. Wurde es angewandt, ist das Gebäude
BLUTRITEN
generell nicht mehr wahrnehmbar; selbst Personen, die von
seiner Existenz wissen, bemerken es nicht, noch erinnern sie
sich daran, wenn sie danach gefragt werden. Während des
Rituals muss der Anwender einen körperlichen „Schlüssel“
benennen (z. B. sich zwei Mal im Kreis drehen, mit einem
Absatz drei Mal auf den Boden auftreten und dann „Vitae
Incorpora“ sagen). Jede Person innerhalb von 100 Metern
Umkreis des Gebäudes, die diesen Schlüssel korrekt aus-
führt, kann das Ritual durchschauen und das Gebäude
ohne Schwierigkeiten ausmachen.
System: Der Anwender muss das Gebäude umrunden und
alle Ecken, Zugänge und Fensterrahmen mit einer Kreide
aus der Asche von Eulenfedern kennzeichnen. Die Durch-
führung des Rituals nimmt eine ganze Nacht in Anspruch
und der Anwender muss einen permanenten Punkt Willens-
kraft einsetzen. Wer das Gebäude finden möchte, ohne den
Schlüssel zu kennen, muss sich dem Gebäude auf weniger
als 100 Meter nähern und einen erfolgreichen Wurf auf
Intelligenz + Okkultismus ablegen (Schwierigkeit 9), wann
immer er aufs Neue den Schutz des Rituals durchschauen
möchte. Die Auswirkungen von Versteckte Zuflucht halten
ein Jahr lang an.
Vaters Freiheit
(Ritual der Thaumaturgie, Stufe Drei)
Die Anwendung dieses Rituals dauert eine Stunde und muss
auf ein Ziel angewandt werden, das irgendwann in seinem
Unleben einmal eine Diablerie vollzogen hat. Ist das Ritual
erfolgreich, wird eine diablerierte Seele (nach Auswahl des
Anwenders, wenn es mehrere gibt) aus ihrer Gefangenschaft
befreit und entflieht in Form eines strahlenden Lichts durch
den Mund des Ziels. Der Geist erinnert sich an alles, was vor
und nach seinem Tode geschehen ist. Wenn der Anwender
das Ritual aufrechterhält, kann er die diablerierte Seele vage
materialisieren lassen, sodass er sie befragen kann. Die Seele
untersteht keinem Druck die Wahrheit zu sagen oder etwas
zu offenbaren, doch es besteht eine gewisse Wahrscheinlich-
keit, dass sie ihrem Befreier gegenüber wohlgesonnen ist.
Sobald der Ritualkreis durchbrochen wird, wird der Geist
freigesetzt und entschwindet aus der materiellen Welt.
Die meisten Inconnu, die privilegiert genug sind, um die-
ses Ritual erlernen zu dürfen, nutzen es für die Befreiung
(und Befragung) von Salubri, die vor langer Zeit von Tre-
mere diableriert wurden. Dennoch ist bekannt geworden,
dass einige raffinierte und weniger moralische Mitglieder
der Gesellschaft bewusst ihre Feinde diablerieren, um mit
deren Seele zu entkommen und später das Ritual auf sich
selbst anzuwenden.
System: Die Durchführung dieses Rituals dauert eine
Stunde und verlangt im Laufe des Prozesses den Einsatz von
10 Blutpunkten des Anwenders. Das Ziel des Rituals muss
während der Beschwörung innerhalb des Ritualkreises ver-
bleiben (ein Gebiet von maximal 10 Quadratmetern), wobei
es von einer körperlichen Kraft oder durch übernatürliche
Mittel festgehalten werden kann. Wenn das Ritual Erfolg
hat, entfernt es sofort alle Auswirkungen der Diablerie vom
101
 Ziel (die guten und die schlechten), mit Ausnahme während
der Diablerie erlittener Entartung.
Schutzkreis gegen Technologie
(Ritual der Thaumaturgie, Stufe Fünf)
Obwohl sie über einen hohen Grad an Wissen verfügen und
viel Erfahrung mit der Physiologie der Kainskinder haben,
sind die meisten Inconnu keine Modernisten. Dieses Ritual
wurde von William Howard Lexington III entwickelt, um
sich selbst und seine gleichgesinnten Inconnu vor frisch
erschaffenen Neugeborenen und Jägern zu schützen, die
technologische Waffen einsetzten. Dieses Ritual erschafft
einen Schutzkreis mit dem Anwender im magischen Zent-
rum, in den Technologie (z. B. jegliche Maschine, die kom-
plexer oder fortgeschrittener als eine Armbrust ist) nicht ein-
dringen kann, ohne zu zerbrechen und stillgelegt zu werden.
Der Kreis kann so groß und so langanhaltend gemacht wer-
den, wie es der Anwender wünscht, solange er bereit ist, den
entsprechenden Preis zu bezahlen.
System: Das Ritual benötigt drei Blutpunkte eines Sterb-
lichen mit einer Intelligenz von mindestens 3. Der Anwen-
der legt die Größe des Schutzkreises fest, wenn er ihn wirkt:
der grundlegend angenommene Radius beträgt 3 Meter
und jede Vergrößerung um 3 Meter erhöht die Schwierig-
keit um eins (neben der Erhöhung der Schwierigkeit bis zu
einem Maximum von 9 ist auch ein zusätzlicher Erfolg für
jede Vergrößerung notwendig). Der Spieler gibt pro 3 Meter
Radius einen Blutpunkt aus und würfelt. Das Ritual nimmt
zur Durchführung die normale Dauer in Anspruch, wenn
es nur kurzfristig wirken soll (den Rest der Nacht) oder eine
ganze Nacht, wenn es langfristig andauern soll (ein Jahr und
einen Tag).
Wirkt der Schutzkreis, glüht er in einem kupfernen
Orange, zu blass, um ihn bei normalem Lichteinfall zu
sehen, doch unter gedämpften Lichtverhältnissen oder in
natürlicher Dunkelheit sichtbar. Ein erfolgreicher Wurf auf
Intelligenz + Okkultismus (Schwierigkeit 8) identifiziert dies
als Schutzkreis. Wenn Technologie in den Kreis eindringt,
muss der Besitzer dieser Technologie bei einem Willens-
kraftwurf (Schwierigkeit gleich des Thaumaturgiewerts des
Anwenders + 3) mehr Erfolge erzielen, als der Anwender
bei der Erschaffung des Schutzes. Ein Scheitern bedeutet,
dass der Schutzkreis sämtliche Technologie, die das Indivi-
duum bei sich trägt, irreparabel zerstört: Daten können spä-
ter nicht wiederhergestellt werden und alle Einzelteile des
Geräts zerspringen. Wenn die Technologie aus dem Kreis
herausgebracht wird und später wieder hineingelangt, muss
der Besitzer diesen Wurf wiederholen.
Die Tal’Mahe’Ra
Die mysteriöse Tal’Mahe’Ra oder „Wahre Schwarze Hand“
ist eine Anomalie in der Welt der Vampire. Sie wurde vor
sehr langer Zeit von einer Kabbala übernatürlicher Wesen
gegründet und ist eine Gesellschaft, die teils Totenkult, teils
102 Kapitel 5: Die Ungewöhnlichen
Chronisten übernatürlicher Geschichte und teils Illuminati
ist. Sie sind eine gefährliche und instabile Mischung von
Monstrositäten, die Geheimnisse der Vergangenheit horten
und eine Zukunft entwerfen, die ihren dunklen Zielen dient.
Die Tal‘Mahe‘Ra streben eine Position der vampirischen
Überlegenheit an. Sie schützen und hüten Sterbliche, indem
sie die weltweite Ignoranz des Übernatürlichen fördern.
Aus ihrer Festung in Enoch in den Schattenlanden trägt
die Tal’Mahe’Ra Geheimnisse zusammen, die zu gefährlich
sind, um sie auf einer physischen Ebene zu belassen und ver-
stecken sie in den tiefen Kammern einer außerhalb der Zeit
verlorenen Stadt.
Mitglieder dieses Kultes sehen im Fluch Kains einen erha-
benen, beinahe ehrfürchtigen Zustand.
Sie führen einen Krieg gegen ein undefinierbares, ätheri-
sches Bewusstsein, das den Geist und die Ketten der Seele
manipuliert, um letztlich jeden zu versklaven. Um diesen
nicht auszumachenden Feind zu bekämpfen, war die Tal’Ma-
he’Ra dazu gezwungen, gefährliche Experimente durchzu-
führen, die abnorme und häufig instabile Ergebnisse hervor-
brachten.
Einige Thaumaturgen vermischen vorsichtig die Magie,
indem sie ein bisschen von dieser Tradition mit einer Prise
von jener Variante zu einem Flickwerk zusammensetzen. Die
Anwender der Tal’Mahe’Ra andererseits verfügen nicht nur
über den Zugang zu den vielfältigen Formen vampirischer
Blutmagie, sondern auch zu selteneren Quellen der Magie,
wie der sterblicher Magi. Ihre Experimente sind weit kom-
plexer und verzwickter. Sie lösen die Theorie der Hexerei in
ihre Bestandteile auf und arbeiten mit zahlreichen grund-
verschiedenen Partikeln auf einer Stufe, die beinahe kaum
noch zu erfassen ist. Anstatt Salz ins Wasser zu geben, bre-
chen sie es in Wasserstoff, Sauerstoff und Natriumchlorid
auf, um die Elemente wieder zusammenzusetzen und etwas
Unnatürliches und Groteskes zu erschaffen.
Die hexenden Toten der Tal‘Mahe‘Ra nehmen bei ihren
Forschungen unglaubliche Risiken auf sich. Den starken
Mutationen der Realität ausgesetzt zu sein, hat sie verändert,
ihre Sinne, ihre körperliche Zusammensetzung, ja selbst
ihre geistigen Verbindungen. Wenn Vampire Seelen haben,
dann haben die Alten der Tal’Mahe’Ra ihre mit Sicherheit
zu etwas abnormem pervertiert. Sie sind unheimliche Pakte
mit anderen übernatürlichen Wesen eingegangen, haben die
Dimensionsgrenzen der Schattenlande erkundet, den Astral-
raum und das Umbra, zudem haben sie vampirisches Blut
in physischen und spirituellen Experimenten eingesetzt.
Die Studien haben tausende von Leben gekostet (sterbliche,
vampirische und andere), doch ebenso einzigartige und wert-
volle Informationen geliefert.
Im Schatten der Aralu
Die Existenz der Aralu stellt das dunkelste und am besten
gehütete Geheimnis der Tal’Mahe’Ra dar. Für die Ewigkeit
unter der Schattenstadt ruhend, kennt man sie nur bei den
in ihre Gräber gemeißelten Worte: Nergal, Ninmug, Loz und
Al-Marhi. Selbst die Rawi der Tal’Mahe’Ra, ihre Historiker,
wissen nicht, wer genau in diesen Gräbern schläft. Vielleicht
handelt es sich bei diesen Kreaturen um Mumien, vielleicht
sind es Vorsintflutliche oder sogar die Erzeuger von Vorsint-
flutlichen, oder es könnten alte Magi sein, die das Geheim-
nis der Unsterblichkeit entschlüsselt haben. Was auch
immer sie sein mögen, ihre Anwesenheit strahlt Macht aus.
Die Macht der Aralu durchdringt Enoch und beeinflusst
jede Kreatur, die dort lebt. Dies ist eine Quelle gewaltiger
und unerklärter Energie, die sich allen Versuchen widersetzt,
sie zu bemessen oder zu kontrollieren. Eine kleine Gruppe
der Toten hat über unzählige Jahrhunderte versucht, diese
Aura zu verstehen und sie für die Tal’Mahe’Ra zu nutzen,
doch sie hatten nur wenig Erfolg. Die Auren der Aralu ver-
drehen Magie auf unvorhersehbare Weise und verstärken sie
mit seltsamen Nebeneffekten sowie übertriebenen Ergeb-
nissen. Andererseits ist Ritualmagie nicht so instabil und
sowohl Ritualmagie, als auch alchemistische Kreationen
erleben einen deutlichen Anstieg ihrer Wirksamkeit, wenn
sie innerhalb der Aura der Aralu gewirkt werden.
Vampire, die sich zu lange in den Gräbern herumtreiben,
verspüren allerdings bald Hunger, da ihnen ohne ihr Wissen
Blut entzogen wird. Auch Magie wird entzogen, selbst wenn
sie nicht angewandt wird und mehr als ein Vampir, der
die Gräber erforschte, litt infolgedessen dauerhaft an einer
Geistesstörung. Um Vampire vor diesen Auswirkungen zu
bewahren, wurde der Wiedergängerfamilie der Rafastio die
Aufgabe übertragen, auf die Sauberkeit und den Schutz die-
ser Gebiete unter der Stadt zu achten. Für sie haben sich die
Gräber bisher nicht als gefährlich erwiesen und das traditio-
nelle Wissen über Magie macht die Rafastio zu effektiven
Hausmeistern.
Neue Nekromantische Rituale
In einem Versuch, die wahre Unsterblichkeit für sich zu ent-
decken, experimentierte vor langer Zeit eine Gruppe Todes-
magi mit dem Vermischen und Verabreichen von Vampir-
blut innerhalb der Aura der Aralu. Obwohl das Experiment
gelang – oder so ähnlich – war das Ergebnis eine grausame
Abnormität: die Nagaraja. Vampire der Nagaraja verzehren
sowohl menschliches Fleisch, als auch Blut, um sich am
Unleben zu erhalten. Abgehärtet gegen die Leiden anderer,
haben diese boshaften Kreaturen sich nekromantischen Stu-
dien und verkommenen Experimenten verschrieben. Glück-
licherweise gibt es von den Nagaraja nicht viele, denn es ist
außerordentlich schwer, nicht in Wassail zu verfallen, wenn
man sich dem Kannibalismus hingeben muss, allein um zu
überleben.
Die Mitglieder der Nagaraja sind die vorrangigen Nekro-
manten der Tal’Mahe’Ra. Die meisten dieser Rituale sind
blutige, bösartige Akte und beschützen die Stadt Enoch,
doch einige sind auch abseits ihrer Festung in den Schat-
tenlanden nützlich. Ihre nekromantischen Rituale sind
eine wilde Mischung, die von dieser exzentrischen und ver-
schlagenen Blutlinie erschaffen wurden. Einige sind über
Jahrhunderte hingebungsvoll erforscht und vorsichtig bis
BLUTRITEN
ins Detail ausgearbeitet worden, während andere aus dem
Ärmel geschüttelte Interpretationen von Arkana der Geister
sind, die durch das vampirische Verständnis von Magie gefil-
tert wurden. Sie alle benötigen besonders verdorbene Opfer
und widerliche Komponenten, um Erfolg zu haben.
Konservierung des Leichnams
(Ritual der Nekromantie, Stufe Eins)
Mit diesem Ritual kann der Anwender ein Elixier herstel-
len, das den Verrottungsprozess von Fleisch unterbindet.
Um das Ritual durchzuführen, muss der Anwender das tote
Fleisch sprichwörtlich mit einer Flüssigkeit aus Graberde,
geschändetem Weihwasser und seltenen Kräutern einbalsa-
mieren. Ist die Flüssigkeit getrocknet, wird das Fleisch auf
unbestimmte Zeit konserviert – von einigen Exemplaren
ist bekannt, dass sie hunderte Jahre überdauert haben. Das
Ritual produziert ausreichend Flüssigkeit, um den Leichnam
eines Erwachsenen einzubalsamieren.
Grauenhafte Brise
(Ritual der Nekromantie, Stufe Zwei)
Der Vampir kann einen lauen, übernatürlichen Wind
beschwören, der alle Personen innerhalb eines kleinen
Gebietes oder kleinen Gebäudes, bis maximal 30 Meter
im Durchmesser, erschrecken und verwirren kann. Bis
zum nächsten Sonnenaufgang (oder bis der Anwender ihn
bewusst aufhebt), ist der Wind an diesem Ort erfüllt mit
den leisen Echos von Flüstern, Warnungen, Flüchen und
dem Lachen der Toten. Diese grauenerregenden Geräusche
verwirren und beunruhigen die Anwesenden, wodurch sich
die Schwierigkeit für Würfe auf Wahrnehmung um 2 erhöht
und die für alle anderen Würfe um 1, solange man sich im
betroffenen Gebiet aufhält. Darüber hinaus müssen alle
Sterblichen einen Mutwurf ablegen (Schwierigkeit 4) oder
sie werden zu Tode erschreckt und flüchten aus dem Gebiet.
Diese Personen weigern sich für mindestens eine Stunde,
dieses Gebiet erneut zu betreten.
Gesicht des Todes
(Ritual der Nekromantie, Stufe Drei)
Einige Nekromanten der Tal’Mahe’Ra sammeln Haarpro-
ben, Knochen, Asche oder Fleisch ihrer Feinde, als Erin-
nerung an ihren Sieg. Mit Hilfe der Nekromantie nutzen
sie diese Überreste und verarbeiten sie zu einer farbenarti-
gen Masse, mit der sie Porzellanmasken dekorieren, die als
Gesichter des Todes bekannt sind. Wird die Maske aktiviert,
lässt sie ihren Träger (der auch jemand anderer, als der Nek-
romant sein kann, der sie gefertigt hat) als Todesalb erschei-
nen, solange er die Maske trägt. In der materiellen Welt sieht
der Träger durchscheinend und geisterhaft aus (erhält aber
keine besonderen Fähigkeiten, um materielle Gegenstände
zu durchqueren oder in die Schattenlande einzutreten). In
den Schattenlanden geht der Träger als Todesalb durch, auch
unter echten Todesalben. Bedenken Sie, dass die Aura des
Anwenders blass wird, wie die eines Todesalbs (und sie wird
auch als die eines Todesalbs gelesen), doch dies verschleiert
103
 oder verändert keine anderen Muster oder Farben, wie
z. B. Diableriestreifen.
Sobald es bemalt wurde, ist ein Gesicht des Todes ver-
zaubert, doch so lange inaktiv, bis es genutzt wird. Wird
es aktiviert (indem die Maske angelegt wird), zerfällt die
Maske zu Staub und hinterlässt ein blasses, knochenwei-
ßes Muster auf dem Gesicht des Anwenders. Wenn der
Anwender den Effekt frühzeitig beenden möchte, ver-
blasst das Muster bis zur Unsichtbarkeit und der Nutzer
erhält sein normales physisches Erscheinungsbild wieder.
Ein Nekromant kann nur ein Gesicht des Todes gleich-
zeitig erschaffen; bereits existierende Masken werden zer-
stört (oder ihre aktive Anwendung wird beendet), wenn
eine zweite erschaffen wird. Das Erschaffen eines Gesicht
des Todes dauert eine ganze Nacht.

Uneinnehmbare Seele
(Ritual der Nekromantie, Stufe Vier)
Es heißt, dieses Ritual sei dem sterblichen Magus Eochar
gestohlen worden und es dient der Abschirmung des
Anwenders gegen Besessenheit durch Geister, infernale
Wesen oder Geisterkräfte. Gerüchte besagten, Eochar
habe diese Magie eingesetzt, um sich und seine Schüler
vor den Machenschaften der Toten zu schützen. Solange
dieses Ritual wirkt, kann weder der Körper des Nekro-
manten übernommen, noch seine Seele seinem Körper
entrissen werden. Kräfte, die direkt den Geist beeinflus-
sen, wie z. B. Beherrschung, wirken noch immer. Dieses
Ritual kann auch auf andere gewirkt werden, doch wenn
es ohne deren Zustimmung erfolgt (z. B. um einen Geg-
ner davon abzuhalten, Psychische Projektion, Geteilter
Geist oder Besessenheit anzuwenden), muss der Anwen-
der über etwas Haar des Ziels verfügen, einen Punkt
Willenskraft ausgeben und einen erfolgreichen Wurf
auf Manipulation + Okkultismus ablegen, während das
Ziel mit seiner Willenskraft widersteht (Schwierigkeit 7
für beide). Ist das Ritual aktiv, hält es bis zum nächsten
Sonnenaufgang an oder bis der Anwender es willentlich
beendet.

Durchgang nach Enoch

(Ritual der Nekromantie, Stufe Fünf)
Der Vampir kann körperlich in die Schattenlande über-
treten und erscheint auf den Feldern vor der mystischen
Stadt Enoch. Hierfür muss der Vampir sich symbolisch
selbst „töten“, indem er sich einen Dolch aus Silber ins
Herz treibt (was mindestens zwei Stufen Tödlichen Scha-
den verursacht) und in ein Gewässer fällt, das tief genug
ist, damit sein Körper vollständig darin untertaucht. Mit-
glieder der Tal’Mahe’Ra nutzen dieses Ritual, um nach
Enoch zu gelangen und verhindern daher fanatisch, dass
es in die Hände anderer gelangt.

104 Kapitel 5: Die Ungewöhnlichen

 Das Abkommen von Montmartre
Das Abkommen wurde 1489 geschlossen und ist nach dem Ort seiner Unterzeichnung benannt. Die Tremere, zu dieser
Zeit noch verwünscht und von allen Seiten attackiert, erbaten unter der Führung von Meerlinda und Calderon die Auf-
nahme in die neugegründete Sekte der Camarilla. Ihr Vorhaben sorgte für Aufruhr, denn die Tremere befanden sich
im Krieg mit den Gangrel, den Nosferatu und den Tzimisce, zudem war bekannt, dass sie sich aus gefolterten Körpern
von Kainskindern dieser Clans Sklaven erschaffen hatten, nämlich jene Gargyle, die in einer offenen Revolte durch
Europa zogen.
Da sie dazu gezwungen waren, vor ihrem Eintritt in die Sekte Reparationen zu leisten, fiel der Vertrag der Tremere
mit dem Inneren Zirkel der Camarilla sehr speziell aus. Jeder Tremere, der in die Camarilla eintreten wollte, musste
die Erschaffung von Gargylen einstellen (ebenso von einer Auswahl weiterer Abscheulichkeiten), alle angefertigten
Abschriften der Rituale zur Erschaffung solche Kreaturen zerstören und einen Eid ablegen, dass er diese Techniken
nie wieder zum Leben erweckte. Darüber hinaus schworen die Tremere alle gefangenen und versklavten Gargyle zu
befreien, die gegenwärtig in ihrem Besitz waren und die Aufständischen unter ihnen nicht mehr zu jagen. Im Gegen-
zug versprach die Camarilla die Tremere zu verteidigen und alle Rivalitäten sowie Kriege zwischen den Clans mit den
Tremere einzustellen.
Nur einige wenige Rituale entgingen der Benennung im Abkommen von Montmartre: insbesondere Seele der Homun-
kuli, Blutkobold und Rutors Hände. Obwohl die Nosferatu und Gangrel murren und betonen, dass diese Rituale ein
eindeutiges Zeichen für die Gaunereien der Tremere sind, steht ihr Einsatz nicht unter Strafe – zumindest solange die
Tremere sicherstellen, dass diese Kreaturen keine Bedrohung für die Maskerade darstellen. Wird ein Tremere allerdings
des Bruchs des Abkommens von Montmartre überführt (insbesondere durch die Erschaffung oder Versklavung von
Gargylen), wird dieser Tremere aus der Camarilla ausgestoßen und in kürzester Zeit von Gargylen und Nosferatu zur
Strecke gebracht. Selbst die Alastoren ihrer Clans müssen sich gegen sie stellen und ihre Vernichtung anstreben, um die
Position des Clans der Tremere als Säule der Sekte weiter zu gewährleisten.

Erschaffene und
veränderte Kreaturen
Über Hunderte von Jahren haben Vampire mit Magie expe-
rimentiert: sie haben Fleisch verändert sowie Blut und See-
len neue Formen gegeben, in einem Versuch, alle Aspekte
des Lebens zu erobern. Derartige Kreaturen kriechen aus
den Bibliotheken der Tzimisce und den verrottenden Grä-
bern der Nekromanten der Nagaraja oder werden in den
geheimsten Laboren der Tremere erschaffen. Obwohl man
sicherlich behaupten kann, dass ein Großteil dieser Kreatu-
ren geistlose, magische Konstrukte sind, mit der Fähigkeit
eines Möbelstücks zu denken oder zu fühlen, haben einige
andere Empfindungen und weisen sogar so etwas wie eine
Seele auf.
Wann immer eine solche Monstrosität der vampirischen
Gesellschaft öffentlich bekannt wurde, hat dies zu Empö-
rung und fürchterlichen Streitereien geführt. Der Aufstand
der Gargyle, ungefähr zu der Zeit des Abkommens von
Montmartre, ist nur eines der bekannteren Ereignisse. Es
gab noch weitere Auffälligkeiten, wie kleinere Meutereien
und unzählige Brüche der Maskerade durch den Einsatz
(oder die Flucht) solcher Diener aus Fleisch. Thaumatur-
gen, die solche Monstrositäten erschaffen, sind in der Regel
verrückt, spielen mit Gottes Handwerk und bedrohen die
Sicherheit aller. Sie müssen im Geheimen arbeiten und ihre
Labore vor der Welt verstecken.
Gargyle
Vor langer Zeit, im dunklen Mittelalter, erschufen die Tre-
mere Gargyle. Sie waren als Stoßtruppen konzipiert, blutge-
bundene und versklavte Krieger, die sich blindlings für den
Willen ihrer Meister in den Tod stürzten. Das Sklavenda-
sein der Gargyle war ein Unleben voller Qualen. Jede Nacht
wurden ihre Erinnerungen gelöscht, damit sie keinen freien
Willen oder unabhängige Gedanken entwickelten – zer-
störte Erinnerungen in einem grässlichen und monströsen
Körper. Kaum empfindsamer als ein Hund oder ein Pferd,
wurden Gargyle grausam behandelt und zerstört, wenn sie
nicht mehr von Nutzen oder Interesse waren.
Es ist nicht bekannt, wie die erste Gargyle fliehen konnte.
Gebunden durch das Blut, tumbe Geister und ohne jegli-
ches Verständnis – es erschien quasi unmöglich, dass derar-
tige Marionetten sich erheben und für ihre ­Eigenständigkeit

BLUTRITEN 105
 kämpfen könnten. Es gibt eine Geschichte, dass ein Mitglied
des Clans lernte den Kuss zu schenken, womit es die erste
Gargyle erschaffen konnte, die frei von jeglicher Beeinflus-
sung der Tremere war. Andere berichten von einer Gargyle
mit der Gabe des Wahren Glaubens, die ihre Leidensgenos-
sen in Massen aus den Gildenhäusern befreite. Wie auch
immer es vonstattengegangen sein mag, die heutigen Gar-
gyle können den Kuss weitergeben, obwohl dies die Erinne-
rungen der Personen löscht, die verwandelt wird. Sie blicken
noch immer mit Hass und Angst auf die Tremere, wobei sie
sich fragen, ob noch immer eines ihrer Geschwister in einer
tiefen Kammer oder einem versteckten Gildenhaus gefan-
gen gehalten wird.
In den dunklen, alten Zeiten wirkten die Tremere Rituale
auf diese Sklaven, um ihre Haut zu härten, sie fliegen zu
lassen und ihnen im Kampf Vorteile zu verleihen. Irgendwie
wurden diese Rituale zu Automatismen, die von den Gargy-
len wie vampirische Disziplinen aktiviert werden konnten.
Es erweckte den Anschein, als würde der wiederholte Ein-
satz dieser Magie das Blut der Gargyle verändern. Dies ist
ein Experiment, das die Tremere (und andere) sehr gerne
nachvollziehen können würden. Einige Gildenhäuser sind
heimlich dazu übergegangen, wiederholt Homunkuli zu ver-
zaubern oder gehen sogar so weit, dass sie freie Gargyle für
Experimente einfangen, in der Hoffnung, diesen Entwick-
lungen auf den Grund gehen zu können.
Auf unser Geheiß hin atmet es
(Ritual der Thaumaturgie, Stufe Fünf)
Die Tremere stellten die Herstellung von Gargylen ein, als
die Sklaven rebellierten und als Teil der Camarilla-Verhand-
lungen versprachen sie, diese Techniken nicht mehr einzu-
setzen. Dieses grausame Ritual erschafft eine Gargyle aus
den verstümmelten Überresten eines erschlagenen Kainiten
und entspricht den Anfängen des Prozesses, den die ersten
Vertreter dieser Linie durchlaufen mussten.
Um dieses Ritual durchführen zu können, muss der
Anwender mindestens zwei andere Vampire (des Clans
Nosferatu, Tzimisce oder Gangrel) über mindestens einen
Mondumlauf vorbereiten, indem er ihnen sehr kleine
Mengen verfluchtes und geschändetes Blut zu trinken gibt
und sie kurz vor Wassail hungern lässt. Diese Individuen
werden jede Nacht gefoltert: sie werden auf verschiedenste
Weise gedemütigt und körperliche Grausamkeiten werden
an ihnen vollführt, um ihren Geist zu brechen und ihren
Körper zu schwächen.
Nachdem die Subjekte vorbereitet wurden, werden sie
gepfählt und in einen vorbereiteten Raum gebracht, wo mit
dem Ritual begonnen wird. Im Laufe der folgenden Nächte
werden den Opfern die Gliedmaßen vom Körper abge-
trennt und das Ritual verhindert, dass diese Körperteile zu
Staub zerfallen. Der Anwender näht die beiden (oder mehr)
vampirischen Körper zu einer groben, annähernd mensch-
lichen Gestalt zusammen und wickelt das Ergebnis (und alle
verbleibenden Teile) in eine gedehnte Gebärmutter einer
Hirschkuh oder eines Pferdes. In diesem Beutel müssen
106 Kapitel 5: Die Ungewöhnlichen
die Körper ungestört über drei Monate liegen, während der
Thaumaturg ihn kontinuierlich überprüft und verschiedene
Beschwörungen darauf wirkt. Wenn der Thaumaturg auch
nur eine Nacht auslässt, steigt die Wahrscheinlichkeit des
Scheiterns des Rituals – sollte dies eintreten, stirbt die fötale
Gargyle und kann nicht wiederbelebt werden. Wenn der
Thaumaturg Erfolg hat, wird sich nach drei Monaten eine
neugeborene Gargyle den Weg aus diesem dicken Beutel aus
Fleisch bahnen.
System: Die Blutkosten des Rituals liegen bei 5 Punkten
pro Kainit, der bei der Herstellung der Gargyle eingesetzt
wird. Nach den drei Monaten der Durchführung, in der letz-
ten Nacht des Rituals, muss der Thaumaturg einen Wurf
ablegen, wenn er den Fötus aus dem Beutel schneidet. Der
Wurf wird auf Intelligenz + Okkultismus abgelegt (Schwie-
rigkeit 9 und der Wurf benötigt drei Erfolge). Ziehen Sie
einen Würfel für jede Nacht ab, in welcher der Thaumaturg
seine Beschwörungen nicht durchgeführt hat. Ein einziger
Erfolg reicht für die Erschaffung einer Gargyle aus (wenn es
sich um einen Spielercharakter handelt, wird er anhand der
Erschaffungsregeln konzipiert). Allein der Versuch dieses
Rituals, ob erfolgreich oder nicht, kostet einen Punkt Moral-
verlust durch Entartung. Ungeachtet des Pfades, dem der
Charakter folgt, dieses Ritual (und die damit verbundenen
Handlungen) ist zutiefst und vollkommen abscheulich. Gar-
gyle, die mit diesem Ritual erschaffen werden, sind unfrucht-
bar und können den Kuss nicht weitergeben.
Blutsbrüder
Im Rahmen einer nie dagewesenen Zusammenarbeit zwi-
schen den Tzimisce und den Tremere Antitribu des Sabbat
wurde eine neue Art von Kreatur erschaffen, brutale Fuß-
truppen im Dienste der Sekte. Viele der Verantwortlichen
bei der Erschaffung der ersten Gargyle waren auch bei dieser
Erschaffung der Frankensteins dabei. Diese Hexer haben aus
ihren Fehlern gelernt und diese Lektionen zur Perfektionie-
rung dieses zweiten Versuches angewandt, um vampirisches
Leben zu erschaffen. Der Makel, der es Gargylen erlaubte,
Kinder zu zeugen, wurde vollständig ausradiert, sodass Bluts-
brüder in jeglicher Hinsicht vollkommen unfruchtbar sind.
Seit das Ritual erfunden wurde, ist es – sowie die Monstro-
sitäten, die es erschafft – andauernder Gegenstand von Auf-
ruhr und hitzigen Diskussionen über ihren Platz im Sabbat.
Was sind diese Kreaturen? Sind sie Kainskinder? Verdienen
sie die Freiheit eines Vampirs oder sind sie eher Wiedergän-
ger, allein für die Versklavung erschaffen? Die meisten Bluts-
brüder sind intelligent und haben einen freien Willen, doch
sie haben nie den Kuss empfangen. Sollten sie als vollwertige
Mitglieder des Sabbat anerkannt werden? Handelt es sich
bei ihnen um erschaffene Kreaturen oder einfach veränderte
Vampire? Der Sabbat ist sich da auch nicht sicher und ihr
Status variiert von Diözese zu Diözese. Manchmal werden
sie auch als Wahre Sabbatmitglieder initiiert. In anderen
Gebieten werden sie wie Szlachta oder Vozhd behandelt: als
monströse Kreaturen, die in Ketten gehalten werden sollten,
um sie nur für den Kampf zu entfesseln.
 Die Magie zur Erschaffung der Blutsbrüder ist deutlich
stabiler, als das Ritual zur Erschaffung der Gargyle. Dies
könnte an der Mischung der Magie liegen oder an der Tat-
sache, dass diese Kreaturen in Gruppen erschaffen werden,
sodass immer Rotten von drei bis zehn Individuen erschaf-
fen werden, die psychologisch eng miteinander verbunden
sind. Darüber hinaus ist die aus Fleisch gefertigte Physiologie
der Blutsbrüder robuster und widersteht den Strapazen der
Erschaffung besser. Jeder wurde als einzelne Kreatur geschaf-
fen und wird mit vielen anderen verknüpft, wohingegen
eine Gargyle aus zahlreichen Kreaturen zu einer destilliert
wird. Die Erschaffung einer Gargyle ist traumatisch, mental
wie körperlich. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die
Mentalität der Blutsbrüder, die ein bisschen schwach und
einfallslos daherkommt, sie vor weiteren psychologischen
Schäden bewahrt.
Spiegel aus Blut
(Koldunisches Ritual, Stufe Fünf)
Dieses legendäre Ritual wird für die Erschaffung ganzer
Rudel Blutsbrüder eingesetzt, womit sie ganz ohne Kuss aus
sterblichem Fleisch und kainitischer Vitae geformt werden.
Einige Kainiten betrachten Spiegel aus Blut als Ketzerei
wider des vampirischen Daseins. Andere betrachten es als
den Höhepunkt vereinter magischer Forschung und Experi-
mente. Ungeachtet dessen stimmen alle in einem überein: es
ist äußerst gefährlich.
Die Tzimisce und die Tremere Antitribu des Sabbat ersan-
nen gemeinsam dieses Ritual nach Jahrhunderten des Aus-
probierens. Seine Meisterschaft ist unheimlich schwierig
und seine Durchführung extrem heikel. Zur Durchführung
des Rituals muss der Anwender zehn Kinder unter sieben
Jahren gefangen nehmen. Ihre Herkunft und ihr Geschlecht
ist egal, doch sie müssen alle dieselbe Blutgruppe haben und
dürfen keinerlei Krankheiten oder genetische Defekte jeg-
licher Art aufweisen.
Alle Kinder müssen vom selben Vampir geghult werden.
Dieser Vampir ist in der Regel ein leichtgläubiges Ding,
entweder ein frisch erschaffener, ein unbedeutendes Kind
oder ein Gefangener einer anderen Sekte. Über die nächs-
ten drei Monate werden die Kinder abwechselnd von ihrem
Domitor verwöhnt und vom Anwender des Rituals gefoltert,
womit sie Nacht für Nacht zu perfekten Repliken voneinan-
der geformt werden. Die Qualen und die Annehmlichkeiten
nehmen rasch zu, bis am Ende der drei Monate die Geister
der Kinder gebrochen sind und ihre Körper gleichermaßen
entartet sind. In diesem Zustand übertragen sie ihren Eigen-
sinn auf ihren Domitor und entwickeln ein bedingungslo-
ses und tiefes Vertrauen in ihn. Ist dieser Punkt erreicht,
müssen sie mit ansehen, wie ihr Domitor durch die Hand
ihres Peinigers getötet wird und sollen anschließend ihren
Domitor in der letzten Nacht des Rituals abschlachten. Mit
einer letzten, verdrehten Anwendung hermetischer und
elementarer Magie werden die Kinder ermordet, ihre Geis-
ter verschmolzen und ihre Erinnerungen geteilt. Danach
werden sie durch die Macht des Rituals zurück ins Leben
BLUTRITEN
geholt. Dieses gemeinsame Band – durch das ursprüngliche,
gemeinsame Blutsband zu ihrem Domitor, das nun verstärkt
und zu etwas weit Größerem verdorben wurde – bildet die
dauerhafte und unveränderliche Einheit eines neuen Rudels
perfekt identischer Blutsbrüder.
System: Die Kosten dieses Rituals betragen 3 Blutpunkte
pro Kind, das in einen Blutsbruder verwandelt werden soll.
Nach den drei Monaten der Durchführung, in der letzten
Nacht des Rituals, muss der Thaumaturg zehn Würfe able-
gen – einen für jedes Kind, das in das Ritual eingebunden
wurde. Diese Würfe werden auf Intelligenz + Okkultismus
(Schwierigkeit 9) abgelegt. Der Thaumaturg muss zumindest
einen Erfolg erzielen, damit das Kind überlebt. Wenn zwei
Kinder oder weniger den Prozess überleben, scheitert das
gesamte Ritual und alle Kinder sterben. Überleben drei Kin-
der oder mehr, ist das Ritual ein Erfolg. Die Anzahl an über-
lebenden Kindern stellt gleichzeitig die Größe des neuen,
geeinten Rudels Blutsbrüder dar.
Allein der Versuch dieses Rituals, ob erfolgreich oder
nicht, verursacht einen Punkt Moralverlust durch Entar-
tung, wenn es Menschlichkeit betrifft. Andere Pfade (beson-
ders, wenn sie Tötungen ablehnen), können zu einem ähn-
lichen (oder höheren) Verlust führen. Blutsbrüder, die mit
diesem Ritual erschaffen werden, sind unfruchtbar und kön-
nen den Kuss nicht weitergeben.
Wilde Kreationen
Obwohl ihre vergangenen Experimente nicht immer nütz-
lich waren, haben die Tremere ihre Experimente zum
Erschaffen zusammengesetzter Kreaturen nicht aufgegeben-
und sie sind bei weitem nicht die einzigen Hexer, die Metho-
den zum magischen oder geistigen Formen entwickeln. Die
Tzimisce haben ihre Kriegsghule, die Giovanni erschaffen
Zombies und die Setiten fertigen ihre Shabti.
Technomanten haben außerordentliche Anstrengungen
für die Entwicklung magischer Roboter unternommen, die
praktisch nicht von lebenden Wesen zu unterscheiden sind.
Konstrukte der Tremere
Die Tremere setzen ihre Experimente mit Homunkuli,
Imps und Rutors Hände als willigen Dienern fort, trotz des
Abkommens von Montmartre. Da diese drei Rituale nicht
explizit verboten wurden, sind sie durch das Raster der
Gesellschaft der Kainskinder gefallen – natürlich sind sie
geächtet, doch technisch gesehen sind sie nicht illegal. Von
Seiten der Pyramide gelten folgende Konstrukte „offiziell“
als akzeptabel.
Homunkuli
Ein Homunkulus ist eine kleine Kreatur, erschaffen aus
dem Blut und Gewebe des Anwenders, die niedere Dienste
leistet oder als Spion arbeitet. Homunkuli können über
viele verschiedene Fähigkeiten verfügen, einschließlich Flie-
gen, Graben oder eine grunzende Sprachbegabung. Durch
107
 die Herstellung einer psychischen Verbindung zu einem
Homunkulus entsteht kein psychisches Band, sondern der
Erschaffer überträgt sein Bewusstsein in ihn. Diese Kreatu-
ren sind normalerweise loyal, wenn auch mit einer Neigung
zu Schabernack und grausamer Belustigung.
Ein Homunkulus verfügt über zwei Gesundheitsstufen
und zwei Punkte in jedem körperlichen Attribut. Wird er
zerstört, erleidet sein Erschaffer einen Punkt nicht-absor-
bierbaren, schwer heilbaren Schaden. Ein Homunkulus
muss mit einem Blutpunkt pro Woche gefüttert werden,
ansonsten verdorrt er und stirbt. (Weitere Informationen
auf S. 151.)
Rutors Hände
Earl Jeremiah Rutor empfing aufgrund seiner Fortschritte
im Bereich der Medizin den Kuss von den Tremere. Als
Lehrling führte er zahlreiche Experimente an Kainskindern
durch, um herauszufinden, wann und wie ein amputiertes
Körperteil zu Asche zerfällt. Als Lord des New Yorker Gil-
denhauses erfand er das grausige (namensgebende) Ritual
Rutors Hände. Um diese kleine Abnormität zu erschaffen,
muss sich der Thaumaturg ein Auge herausreißen und sich
eine Hand abhacken, um beide Körperteile zu einem knorri-
gen Spion zu verschmelzen. Der Anwender kann durch das
Auge selbst auf Distanz sehen und er kann die Hand durch
seine Konzentration bewegen.
Im Gegensatz zu anderen Konstrukten verfügen Rutors
Hände über keine Intelligenz oder Eigenwahrnehmung und
handeln nur auf Anweisung ihres Erschaffers. Es ist eher ein
Werkzeug, als eine „Kreatur“. Rutors Hände können keinen
108 Kapitel 5: Die Ungewöhnlichen
Kampf aufnehmen, verfügen über eine Gesundheitsstufe
und können einfach vernichtet werden. (Weitere Informa-
tionen auf S. 150-151.)
Blutkobold
Ein weniger bekanntes Konstrukt aus den Laboren der Tre-
mere ist eine Kreatur, die als Blutkobold bekannt ist. Wie
auch der Homunkulus ist ein Blutkobold eine Kreatur, die
aus dem Blut und Fleisch seines Erschaffers zusammenge-
setzt wird. Er ist etwas intelligenter als ein Homunkulus,
kann sprechen und einfache Gedankengänge hegen. Ein
Blutkobold ist zudem weit loyaler und verursacht seinem
Meister in der Regel weniger Schwierigkeiten. Es handelt
sich um eine humanoide Kreatur, die mit rötlichen Plätt-
chen, ähnlich einem Gürteltier, bedeckt ist. Die Experi-
mente, die zur Entwicklung der Blutkobolde führten, beruh-
ten auf der Untersuchung der Eigenschaften des Blutes der
Tzimisce, das körperliche Metamorphose und Verflüssigung
erlaubt. Diese Neigung spiegelt sich beim Blutkobold durch
seine Fähigkeit wider, sich gelatineartig in eine perfekte
Kopie eines Tieres oder einer anderen kleine Kreatur zu ver-
wandeln, die er zuvor untersucht hat.
Ein Blutkobold verfügt über drei Gesundheitsstufen und
zwei Punkte in jedem körperlichen Attribut. Er ist intelli-
gent, verfügt über einen eigenen Willen und ist aufgrund
seiner Erschaffung durch das Blut des Anwenders voll-
kommen blutgebunden. Ein Blutkobold verfügt über drei
Punkte Willenskraft. Durch den Einsatz eines Willenskraft-
punktes kann er wie Gelatine sein Aussehen verändern,
um die Gestalt einer Kreatur in seiner ungefähren Größe
a­nzunehmen. Ein Blutkobold muss mit einem Blutpunkt
pro Woche gefüttert werden, ansonsten verdorrt er und
stirbt. (Weitere Informationen auf S. 29.)
Klone
Diese Entwicklung des Tremere-Alchemisten David Witz
war der Versuch, das Geheimnis des ewigen Lebens ohne
die Bürden des Vampirismus zu entschlüsseln. Durch den
Einsatz von Computern zur Skizzierung von Schlüsselele-
menten der individuellen Persönlichkeit und die Kombina-
tion dieser Forschung mit Biothaumaturgie, konnte Witz
„Klone“ erschaffen: alchemistische Homunkuli, die mit
Simulationen von Individualität programmiert sind. Durch
den Einsatz der Disziplin Beherrschung kann er diesen Klo-
nen sogar beschränkte Erinnerungen der Person einpflan-
zen, die sie ersetzen sollen. Es gibt Stimmen, diese Klone
seien zu nahe an einem Bruch des Abkommens von Mont-
martre, weshalb das Ritual zu ihrer Erschaffung nur einigen
wenigen beigebracht wurde.
Asymmetrische Reproduktion
(Ritual der Thaumaturgie,
Stufe Fünf)
Jeder Klon ist eine exakte Replik eines Sterblichen, Ghuls
oder Vampirs. Der Klon wird durch eine DNS-Matrix,
anhand durch Beobachtung erlangter psychischer Eindrü-
cke und etwas gestohlenem Genmaterial hergestellt. Der
Klon ist perfekt und für einige Zeit emotional formbar,
doch innerhalb eines Zeitraums zwischen ein paar Tagen bis
Wochen, dringen immer mehr subtile Mängel seiner Pro-
grammierung an die Oberfläche, die den Klon schließlich in
den Wahnsinn treiben. Wenn der Klon bis zu diesem Zeit-
punkt nicht vernichtet wurde, läuft er mordend Amok und
versucht sein Original auszulöschen (also das Individuum
von dem er kopiert wurde) sowie seinen Erschaffer zu ver-
nichten.
System: Die Vollendung dieses Rituals nimmt drei Nächte
in Anspruch und der Anwender muss über etwas Genmate-
rial des Ziels verfügen (Hautzellen oder Haare), die im Laufe
des Rituals zerstört werden. Der mit diesem Ritual erschaf-
fene Klon ist ein perfektes, lebendes Duplikat des Ziels, in
jeglicher Hinsicht: einschließlich aller angemessenen Vor-
züge, Disziplinen und Persönlichkeitszüge, doch er verfügt
nur über rudimentärste Erinnerungen der Person, die er dar-
stellt. Im Laufe der folgenden sieben Nächte wird die Psyche
des Klons zunehmend psychotischer und seine Disziplinen
oder anderen Kräfte (so angemessen) werden zunehmend
instabil, bis sie mit ihrem Ursprungszustand nichts mehr
gemeinsam haben. Sollte er diese Zeit überleben, verfällt der
Klon nach den sieben Tagen in einen gewaltsamen Mord-
rausch, der nur durch seinen oder vorzugsweise nach dem
Tod seines Originals, das er darstellen sollte, beendet wird.
Obwohl es sich bei dem Klon um ein lebendes Wesen
handelt (das essen, schlafen und atmen muss), ist er auf nor-
malem und übernatürlichem Wege nicht von einem Vampir
zu unterscheiden, sollte er einen solchen darstellen.
BLUTRITEN
Shabti der Setiten
Im Alten Ägypten fanden Pharaonen und Priester ihre
letzte Ruhe umgeben von Anhängern, Dienern und Wäch-
tern. Einige dieser armen Kreaturen waren Menschen, die
absichtlich dem Tode überlassen wurden. In anderen Fäl-
len waren die Diener und Wachen Shabti. Shabti (abgeleitet
vom ägyptischen Wort für „Antwort“) sind Grabbeigaben
in Form von Schmuckstatuen, die dazu verzaubert wurden,
zum Leben zu erwachen und ihrem Erschaffer zu dienen.
Erschaffung der Shabti
(Setitenhexerei,
Ritual der Stufe Fünf)
Der Anwender von Ahku führt dieses Ritual auf eine perfekt
geschnitzte Statue aus Gold, lackiertem oder versteinertem
Holz, Marmor oder einem anderen teuren Material durch.
Der Thaumaturg rezitiert auf altem Ägyptisch: „Oh Shabti,
wenn ich von Seth zur Ruhe gerufen werde oder wenn die
Sonne auf meine Arbeit scheint, bitte ich Dich, die Sande
vom Osten in den Westen zu bringen und mich mit Seinen
Augen zu richten.“
Der Shabti erwacht dann und antwortet: „Dies werde ich
wahrlich tun und ich werde hier sein, wenn Ihr ruft.“
Von diesem Moment an ist die Statue von einem empfind-
samen Grabgeist beseelt. Sie kann kämpfen (jedoch nicht
fliegen, selbst wenn die Statue mit Schwingen geschnitzt
wurde), doch kann sie nicht sprechen und ist zu keinem kre-
ativen Verhalten fähig. Tatsächlich ist ein Shabti ein Golem.
Ein Shabti bewegt sich nur sehr langsam und ist nicht für
den offensiven Kampf geeignet, doch er gibt einen außer-
ordentlich guten Verteidiger ab. Diese Kreatur ist seinem
Erschaffer gegenüber stets loyal und wacht tagsüber über
den schlafenden Vampir (oder während längerer Perioden
der Starre).
System: Die Statue muss mindestens menschliche Größe
haben (obwohl sie bis zu drei Mal so groß sein kann und
als Zweibeiner oder wie ein ägyptisches Tier geformt sein
kann) und benötigt zumindest Handwerk 4 (und muss ent-
sprechend teuer sein). Der Spieler des Thaumaturgen wür-
felt Charisma + Okkultismus (Schwierigkeit 8). Sobald ein
Shabti erschaffen wurde, bleibt der Geist bis zum nächsten
Erwachen seines Erschaffers, sei es der nächste Sonnenun-
tergang oder nach einhundert Jahren in Starre. Dann zerfällt
die Statue zu Staub und der Grabgeist ist wieder frei.
Unabhängig von seiner Größe oder Form, verfügt ein
Shabti immer über vier Gesundheitsstufen, vier Willens-
kraftpunkte, sechs Punkte in jedem körperlichen Attribut
und zwei Punkte in allen anderen Attributen. Diese Konst-
rukte können einen Punkt Willenskraft einsetzen, um sich
eine Runde lang gehend fortzubewegen; anderenfalls sind
sie statisch. Sie können nicht zum Ziel geistiger oder gesell-
schaftlicher Kräfte werden, mit Ausnahme von Kräften, die
Geister vertreiben können (wie Seelenraub), die das Shabti
sofort zerstören.
109
 Kapitel Sechs:
Die Verdammten
Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, Als Eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.

— Hamlet, I.5, 166-167.

Von all den grauenhaften Dingen auf dieser Welt, allem
Bösen, allen verwerflichen Bewohnern und allen furchtba-
ren Taten sind die allerschlimmsten jene Monstrositäten,
die bis in die Anfänge der Zeit zurückreichen. Diese Krea-
turen haben das ursprüngliche Böse geschürt: sie haben es
gewagt, gegen Gott in den Krieg zu ziehen.
Einige Theologen behaupten, Dämonen seien einfa-
che Geister, eine Art ephemerer Entitäten oder vielleicht
mächtige Gespenster aus den Schattenlanden. Übernatür-
liche Gesellschaften haben ihre eigenen Erklärungen, die
auf Legenden und Aberglaube beruhen. Manchmal stellen
sie fest, dass ein Wesen auch nicht mehr als das ist: eine
Geschichte. Doch andere Male haben sie es mit einer Krea-
tur zu tun, die genau das ist, was sie behauptet zu sein: eine
Gefallene Schöpfung des Herren.
Wahre Dämonen sind verräterische, hinterhältige und zer-
störerische Monstrositäten, ohne Empathie oder menschli-
ches Verständnis. Diese arroganten Geister wurden zu Anbe-
ginn der Zeit verdammt und weggesperrt. Die bloße Existenz
eines Dämons ist eine Abnormität und der Atem der Hölle
zerrt dauernd an seinem verdorbenen Geist, um sie wieder
aus der sterblichen Welt zu entfernen.
Für ihr Überleben benötigen Dämonen Anbetung. Um
diese zu erhalten, werden diese Kreaturen alles auf ihrem
Weg korrumpieren und zerstören, selbst der eine den ande-
ren. Sie streben nach Macht und ein Dämon wird die See-
len Sterblicher und übernatürlicher Wesen gleichermaßen
schänden, um sie zu erlangen.
Die Gefallenen?
Treue Fans wundern sich eventuell, ob dieses Mate-
rial auf frühere Spiele wie Dämonen: Die Gefallenen
Bezug nimmt. Die Antwort lautet ... vielleicht. Nur
wenige Kainskinder (falls überhaupt) verstehen die
Nuancen des Krieges des Himmels und es wäre äußert
schwierig für sie, einen Gefallenen von einem beson-
ders verdrehten Geist oder gar einem besonders mäch-
tigen Gespenst zu unterscheiden. Stattdessen haben
wir uns dazu entschlossen, Dämonen so zu präsentie-
ren, wie sie von infernalistischen Kainskindern wahr-
genommen werden und nicht, wie sie tatsächlich sind.
Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass die Krea-
turen, die sie für Dämonen halten, sie anlügen. Ein
bisschen davon, alles oder auch nichts könnte auf Ihre
Chronik zutreffen.

111

BLUTRITEN 111
 Der Gastgeber
der Hölle
Infernalismus ist im 21. Jahrhundert auf dem Vormarsch.
Das Böse breitet sich aus, während Akte der Gewalt und des
Terrorismus diese dunklen Wesen stärken und ihren Hun-
ger stillen. Die sterbliche Bevölkerung glaubt nicht mehr so,
wie sie es einst getan hatte, was alle Kreaturen des Glaubens
schwächt und den dämonischen Kreaturen einfachere Pakte
mit den unbekümmerten Unwissenden erlaubt. Moderne
Infernalisten tragen nicht länger schwarze Umhänge oder
rufen laut Luzifer an, wenn sie Neugeborene in einem Tem-
pel der Art Thulsa Dooms ermorden. Sie gehen in ihrem
Aussehen, ihrem Handeln und ihrer Art in der Menge unter.
„Infernalist“ ist eine unspezifische Bezeichnung, die von
denen mit beschränktem Verständnis sehr weitläufig ange-
wendet wird. Technisch gesehen ist jeder, der Dämonen stu-
diert, anbetet oder freiwillig mit ihnen interagiert ein Infer-
nalist. In der dunklen Zeit klassifizierten wahre Gelehrte
und Gegner des Infernalen diese Sterblichen als Dämonen-
anbeter, damit sie diese Leute besser verstehen (und vernich-
ten) konnten.
Ein Dämonologe studiert Dämonen und dämonische
Kräfte. Normalerweise interessiert sich eine solche Per-
son für die theoretischen, spirituellen oder intellektuellen
Aspekte der damit verbundenen Wissenschaft. Der Dämo-
nologe praktiziert nicht zwingend Magie, investiert nichts
in dämonische Interaktion oder Pakte und muss nicht die
Absicht haben, einen Dämon zu beschwören oder mit ihm
zu tun zu haben. Dennoch genügt ein kleiner Perspektiv-
wechsel, damit aus einem Forscher ein aktiver Praktizieren-
der wird. Die Verlockung solcher Fähigkeiten kann überwäl-
tigend sein. Egal welche rationalen Ansätze ein Dämonologe
verfolgt, um seine Studien zu rechtfertigen, Informationen
zu sammeln und diese aufzuspüren, es bleibt ein einfa-
ches Sprungbrett zur aktiven Diabolie. Viele derer, die sich
zunächst in Dämonologie bildeten, um „die Infernalen zu
identifizieren und zu bekämpfen“, verfallen irgendwann
ihren Verlockungen.
Eine zweite Art Infernalisten ist bekannt als Sklaven.
Ein Sklave ist jemand, der einen Pakt mit einem Dämon
abschließt, sei es in einem einzelnen Austausch an Macht,
oder um zu einem langfristigen Diener zu werden. Ein
Sklave muss nicht notwendigerweise über großes Wissen
im Bereich der Dämonologie verfügen. Er könnte zufällig
den Wahren Namen eines Dämons erfahren haben oder die
Unterstützung von einem wahren Dämonenanbeter erhal-
ten haben, ohne aber die Funktionsweise dieser Praktiken
zu verstehen. Ein solches Individuum könnte seine abge-
schlossenen Pakte genießen oder aber auch den Dämon
fürchten, mit dem er zu tun hatte. Wie dem auch sei, er
ist gefangen: alle dämonischen Pakte sind permanent und
können nicht aufgelöst werden. Da er schon verdammt ist,
rutscht ein Sklave im Laufe der Zeit häufig weiter in infer-
nale Praktiken ab. Immer wieder von Neuem von der Ver-
112 Kapitel Sechs: Die Verdammten
Dunkle Thaumaturgie
Die Definition von Dunkler Thaumaturgie lautet
explizit „von Dämonen gelehrte Hexerei“. Folglich
ist Dunkle Thaumaturgie absolut, unverhohlen und
furchtbar böse. Andere Aspekte fallen ebenfalls unter
diese Definition. Die Disziplin Daimonion der Baali,
bei der ein Anwender dämonische Namen rufen und
höllische Segen aussprechen muss, ist infernal und kor-
rumpiert die Seele des Anwenders bei jedem Einsatz.
All diese Kräfte beinhalten einen Verlust von einem
Punkt Moral (Entartung), wenn sie erstmals einge-
setzt werden und stetige Proben auf das Gewissen des
Anwenders, wann immer er sie erneut einsetzt– es sei
denn, der Anwender dieser Kräfte wandelt auf dem
Pfad der bösen Enthüllungen. Einige Beispiele finden
sich ab S. 167.
lockung größerer Macht angezogen, beschließt ein Sklave,
dass er ohnehin nichts mehr zu verlieren hat.
Diabolisten bzw. Teufelsanbeter sind die dritte und gefähr-
lichste Gruppe der infernalen Anwender. Sachkundig, geris-
sen und rücksichtslos treffen sie bewusst die Entscheidung,
Dämonen zu beschwören, um sie zu kontrollieren (oder
anzubeten). Die meisten Diabolisten verfügen über ein aus-
gedehntes Wissen im Bereich der Dämonologie, einige sind
sogar hochspezialisiert, gut ausgebildet und hingebungs-
voll bei der Anbetung und Beschwörung eines bestimmten
dämonischen Wesens. Ein praktizierender Diabolist ist
mächtig, verfügt über großes Wissen über Dunkle Thauma-
turgie und spielt in der Regel mit hohem Einsatz. Diese Per-
sonen sind normalerweise auch mit dem System verbunden.
Sie können Seelen an die Dämonen verfüttern, die nicht die
ihre ist, um ihre Macht zu erhalten und indem sie andere
für die Sache des Dämons gewinnen, erhalten sie Gefallen –
und noch größere Belohnungen.
Versuchung
Was bringt einen Vampir in Versuchung, durch dessen
Venen Kains’ Blut fließt, dass er den Reihen der Infernalen
beitritt? Vampire sind bereits unsterblich, sie können dies
an andere weitergeben und sie verfügen über außerordentli-
che übernatürliche Fähigkeiten. Dennoch, um so mächtiger
eine Person wird, desto mehr lechzt sie nach Macht. Es gibt
immer jemanden, der über mehr Macht verfügt: eine bessere
Generation, mehr Einfluss, nützlichere Disziplinen oder
großartige Fähigkeiten. Eifersucht und Neid sind mächtige
Motivatoren, besonders in einer solch stagnierenden und
unterdrückerischen Gesellschaft.
Infernale Kreaturen sind clever. Sie wissen, dass selbst eine
schlechte Entscheidung eine Verlockung darstellt, wenn sie
die einzige Option darstellt. Dämonen sind vollkommen
 Blasphemische Schriften
Bücher wahrer Blasphemie oder mit teuflischem Inhalt sind sehr selten. Bruchstücke solcher Information können hier
und da, sowie in anderen Kodizes, auftauchen, und wer unbedingt einen Dämon beschwören will, findet sicherlich
auch einen Weg dazu, doch echte Informationen sind teuer und werden eifersüchtig gehütet. Erzähler sollten darauf
achten, den Zugang zu (oder sogar schon das Wissen über) solche Bücher äußerst beschränkt zu halten, um sie als Mys-
terium zu bewahren und die horrenden Kosten für diese Information zu verdeutlichen.
Der berüchtigtste dämonologische Text ist das Evangelium des Trösters, auch genannt Evangelium von Menahem. Diese
Dokumente stellen Luzifer und die Dämonen der Hölle als erleuchtete Engel dar, die sich selbst geopfert haben, um
die Menschheit zu bilden und zu erheben. Es enthält einige der ältesten und mächtigsten dämonischen Namen sowie
allgemeine Rituale der Beschwörung.
Ein weiterer berühmter, diabolischer Kodex ist das Buch von Thoth. Mythen des alten Ägypten beschreiben seine Zauber
als Darbietung der ultimativen Kontrolle über Leben und Tod. Einige glauben, dieses Buch beschreibe die Zyklen der
Existenz, eine Litanei über Äonen, die sich lange vor jeglicher dokumentierter Geschichte erhoben und wieder fielen.
Setiten behaupten zudem, dass diese toten Welten noch existieren, so wie ihr Herr, doch nur ein Trottel oder ein Irrer
würde solch bösartige und ursprüngliche Mächte anrufen.
Die Träume von Angra Mainyu sind das Tagebuch des ersten Hohepriesters Ba’als und werden folglich von den Baali hoch
verehrt. Dieser Kodex beschreibt die brutalsten Rituale und endet mit einer dunklen und offenbarenden Prophezeiung
über die Infernalen, die sich erheben, um die Welt zu verschlingen.
Zuletzt studieren einige Dämonologen noch eine ketzerische Variante des deuterokanonischen Buch Tobit, das aus dem
alten Karthago zu stammen scheint. Die Version, die von Teufelsanbetern gehütet wird, ist eine Kopie des ursprüng-
lichen biblischen Textes, der stark in der Handschrift von Troile und ihrem Geliebten Moloch kommentiert wurde.
Diese Variante enthält altes, infernales Wissen über Clans und viele streng gehütete Geheimnisse über das Leben in
ihrer altertümlichen Stadt. Gelehrte der Brujah behaupten steif und fest, dass es sich bei diesem Buch um eine raffi-
nierte Fälschung handele, doch es sorgte im Laufe der Jahrhunderte immer wieder für Aufsehen.

willens, das Unleben eines Vampirs zu manipulieren, ihn
immer weiter in die Leere und Verzweiflung zu schleudern,
bis dieser sich in einer untragbaren Position befindet. Hängt
sein Unleben (oder die Dinge, die er am meisten liebt) am
seidenen Faden, kann selbst ein Humanist oder ehrbarer
Vampir zu infernalen Diensten gedrängt werden, ehe er sich
selbst opfert. Tatsächlich fallen diese am häufigsten.
Es heißt, Pakte und Dunkle Thaumaturgie seien etwas für
die Faulen. Natürlich werden solche Kräfte ohne den Ein-
satz von Zeit und Lehre erlangt und kosten den Begünstig-
ten nur wenig. Doch der wahre Vorteil eines Infernalisten
besteht darin, dass solche Fähigkeiten normalerweise etwas
Unerwartetes darstellen und dass ihr Herr damit die Gesetze
der Physik, der Kultur und selbst die Gesetze Gottes umge-
hen kann. Der Schlüssel zum Verständnis von Dämonen
liegt darin, sich klarzumachen, dass es keine Kreaturen der
sterblichen Welt sind. Dämonen sind reine Geistwesen.
Vielleicht sind sie verkommen, schrecklich und korrupt,
doch nichtsdestotrotz Geister. Dämonen sind nicht an physi-
kalische Gesetze wie die Schwerkraft gebunden und können
auch nicht durch weltliche Waffen verwundet werden. Das
einzige, das über diese Geister bestimmt, ist die Bindung an
ihre Hülle – sei es das Fleisch eines Sterblichen, das Material
eines Talismans oder die Erde und Steine eines festen Ortes.
Wenn ein Dämon anständig motiviert wird, kann er
Erstaunliches vollbringen. Er kann die Generation eines
Vampirs dauerhaft erhöhen und das ohne die Streifen der
Diablerie. Er kann jemanden von den Toten zurückholen
(oder gibt es zumindest vor). Er kann den Willen einer ande-
ren Person pervertieren und verdrehen oder sogar Raum und
Zeit verändern. Derartige Dinge liegen vielleicht außerhalb
der Reichweite von Vampiren, doch sprechen wir hierbei
auch von den Erzherzögen der Hölle. Es gibt nur Weniges,
was eine übernatürliche Kreatur der Welt der Dunkelheit
tun kann und das ein Erzherzog nicht nachstellen könnte.
Ein Sklave oder ein Diabolist können durch ihre Investitio-
nen einen Geschmack dieser Macht erhaschen oder auch,
indem sie Dunkle Thaumaturgie lernen, doch ein Dämon
kann das gesamte Gefüge der Welt stürzen. Und er wird es
mit Vergnügen tun.
Zu einem Preis.

BLUTRITEN 113
 Die Erzherzöge der Hölle
Sobald ein Infernalist beschlossen hat, ein Foedus (ein alter-
tümliches Wort, das zufälligerweise gleichermaßen „bin-
dender Vertrag“ und „ekelerregend abstoßend“ bedeutet)
Bekannte
mit einem dämonischen Wesen einzugehen, wen oder was dämonische Wesen
beschwört er dann? Wenn er nur einen kleinen Wunsch hat, Die Erzherzöge der Hölle sind die mächtigsten und
kann dieser ihm von einem beliebigen minderen Dämon bekanntesten dämonischen Mächte, die diese Welt
gewährt werden. Doch wenn der Infernalist sich nach wah- heimsuchen, doch sie sind bei Weitem nicht die ein-
rer Macht sehnt, muss er sich mit an Sicherheit grenzender zigen Wesen, die infernale Pakte im Austausch gegen
Wahrscheinlichkeit selbst einem Erzherzog der Hölle anbie- unsterbliche Seelen anbieten. Die folgenden Namen
ten. stehen in Verbindung mit Dämonenanbetung. Bei
Belial der Kriegsherr gedeiht unter Terroristen und Selbst- einigen könnte es sich um Vampire handeln, die sich
mordattentätern. Sein abgrundtiefer Hass gegen alles treibt als Dämonen ausgeben, andere könnten reine Mythen
ihn zu grausamen Akten der Rache. Er ist ein Dämon des sein, doch alle werden sie in Verbindung mit der Anbe-
Stolzes und agiert normalerweise über kleine Kulte, in tung der Infernalen gebracht. Dies sind nicht die Wah-
ren Namen der Dämonen, doch die Namen, mit denen
denen er Sterbliche schätzt, die eine Veranlagung zur Zer-
diese Kreaturen meistens benannt werden. Caveat emp-
störung mitbringen.
tor – Haftung für Mängel ausgeschlossen.
Der zweite unter den Erzherzögen ist Abaddon der Namtaru, Gott der Pest
Kranke oder Abaddon der Verschlinger. Er ist der Herr der
fleischlichen Gelüste. Viele seiner Anhänger tauschen ihre Neberu der Prophet
Seele im Zuge edler Absichten ein und opfern sich häufig Rabisu der Vagabund
selbst für andere. Es gibt keine Worte für die Qualen, die der Halaku der Qualvolle
Verschlinger erschaffen hat und nur er allein hat unter den Nikanuuranu von Neberu
Erzherzögen der Hölle einen Weg gefunden, um die unsterb-
liche Seele vollständig auszulöschen. Dies ist eine Macht, die Azaneal der Priester
er eifersüchtig hütet. Anunnaki die Vielgesichtige
Die Bestie, die als Dagon bekannt ist, hat noch viele Lammasu der Verräter
andere Namen, unter anderem Vassago, Leviathan und Orobas der Unersättliche
Behemoth. Sein Reliquiar ruht in Indien und wird seit Apophis die Schlange
Generationen von Fanatikern gehütet. Er ist ein Dämon des
Ba’al der Zerstörer
Neides, ein Meister der Organisation und Hierarchie, der
besondere Freude dabei empfindet, wenn er zusehen kann, Ba’alat die Nymphe
wie Träume und Hoffnungen zu Asche zerfallen. Dagon Nergal der Verseucher
ist ein subtiles Monster und spezialisiert auf politische und Moloch mit der Eisernen Faust
finanzielle Macht.
Beelzebub, Herr der Fliegen
Asmodäus (oder Asmodis) hatte häufig mit Vampiren zu Shaitan der Betrüger
tun und wird ausgiebig in der ketzerischen Variante des Buch
Tobit erwähnt. Seine Anhänger bezeichnen ihn als den wei- Die Tausend Namen, der Göttliche
sesten der dämonischen Herzöge und erzählen von seinen Umvak der Schwarm
Erkenntnissen während der Engelskriege. Er wird gemein- Shahlieh, Mutter der Rätsel
hin als „der Thronende“ oder „der Schöne“ bezeichnet. Er
bietet Schönheit, Erfolg, Ruhm und alle Geschenke des Stol-
zes.
Azrael der Schlächter ist ein raffiniertes Wesen und der
geheimnisvollste der Erzherzöge. Er nutzt Winkelzüge und
Lügen, um Anhänger um sich zu scharen, bringt sie dazu,
ihm zu dienen oder überzeugt sie davon, ihre Seelen in
einem Glücksspiel zu verwetten. Er zieht eine weibliche
Erscheinung vor (obwohl Dämonen über kein richtiges
Geschlecht verfügen) und es gibt zahlreiche Berichte über
seine Vernichtung, nach denen er jedes Mal ein paar Jahr-
zehnte oder Jahrhunderte später wieder aufgetaucht ist.
Azrael war der erste, der die Kontinente des Westens bereiste
und die eingeborenen Kulturen zu Opferspielen und bluti-
gen Tributen aufrief.

114 Kapitel Sechs: Die Verdammten

Das Infernale
herbeirufen
Einen Dämon zu beschwören ist ein heikler Prozess. Die
inkorrekte Ausführung einer Herbeirufung kann den
Beschwörer vernichten – oder ihn zum neusten Spielzeug
des Dämons machen. Dennoch sind nicht alle Infernalisten
auch Dämonologen. Einige sind lediglich verzweifelte Per-
sonen, die sich nirgendwo sonst mehr hinwenden können.
Doch wie ruft eine ungeschulte Person dann nach einer
Kreatur mit infernalen Kräften?
Es ist schwer, einen Lehrer für Dämonologie zu finden.
Wer das Wissen der Dämonen für dunkle Zwecke studiert,
der möchte nicht gefunden werden und wer es zur Auffin-
dung und den Kampf gegen Dämonen verwendet, der ist
zu vorsichtig, um es weiterzugeben. Es ist deutlich einfa-
cher, einen Lehrer für die nicht-infernalen Pfade der Thau-
maturgie zu finden und deutlich weniger gefährlich, doch
ein Thaumaturg kann nicht so viele Dinge erreichen, wie
ein Dämon anzubieten hat. Ein Vampir, der einen sprich-
wörtlichen „Pakt mit dem Teufel“ eingehen möchte, muss
zunächst den Wahren Namen eines Dämons herausfinden
und anschließend ein Ritual zur Beschwörung (und Bin-
dung) durchführen. Der Wahre Name eines Dämons ist weit
mehr, als nur der Ausruf, mit dem Sterbliche eine Kreatur
benennen. Er besteht aus einer langen und komplexen Anei-
nanderreihung von Silben, ähnlich einem verbalen DNS-
Strang und weniger eine verständliche Sprache. Wenn der
BLUTRITEN
Diabolist nur über einen Bruchteil des Wahren Namens ver-
fügt (oder wenn seine Aussprache nicht korrekt ist), endet
die Beschwörung im Desaster.
Namen wie „Belial“ oder „Abaddon“ sind die Himmli-
schen Namen, nicht die Wahren Namen dieser Kreaturen.
Himmlische Namen verfügen über ausreichend Bedeutung,
um die Aufmerksamkeit des Dämons zu erregen oder um
das Wesen zum Antworten zu zwingen. Wahre Namen kön-
nen einen Dämon zum Handeln zwingen, selbst gegen sei-
nen Willen.
Wenn ein Dämon beschworen wird, erscheint er als geis-
terhaftes Wesen innerhalb des Bannkreises. Die Kreatur
kann die Form einer Flammensäule annehmen, einer äthe-
rischen Monstrosität, eines kalten Spiegelbildes des Gesichts
des Beschwörers, eines abstoßenden Rauchwirbels aus
Schwefeldampf, eines transparenten Abbildes einer Person
aus der Vergangenheit des Beschwörers oder eine beliebige
andere nicht-physische Manifestierung. In dieser Form prüft
er die Standhaftigkeit des Bannkreises und kämpft gegen
den Willen des Beschwörers an.
Hat sich das Wesen vergewissert, dass es nicht ausbrechen
kann, nimmt der Dämon eine körperliche Form an, um
einfacher mit dem Bittsteller kommunizieren zu können.
Diese Form kann eine beliebige Erscheinung annehmen,
von einem grauenerregenden Monster, bis hin zur wahren
Liebe des Beschwörers. Während der Dämon spricht, ver-
ändert er sich häufig, prüft damit die Konzentration des
Beschwörers und erkundet seine Psychologie, während die
beiden ­schachern.
115
 Ein Dämon kann nur eine kurze Zeit in der materiellen
Welt verweilen. Wenn er nicht an einen Wirt gebunden
wird, muss er in die Hölle zurückkehren. Ein menschli-
cher Körper reicht einige Zeit aus, doch Dämonen sind
eine überwältigende Konzentration blasphemischer Ener-
gie und ein Wirt aus Fleisch und Blut brennt unter einem
solchen Trauma schnell aus. Nach zwei oder drei Tagen ist
ein solcher Wirt zerstört und der Dämon kehrt in die Hölle
zurück. Dies verschafft dem Dämonen aber ausreichend
Zeit, um den Bittsteller in Dunkler Thaumaturgie zu unter-
richten oder einen körperlichen Dienst zu verrichten, den
der Paktierer verlangt. Obwohl ein vampirischer Körper auf
den ersten Blick angebrachter erscheint (schließlich sind
diese robuster als einfache Menschen), ergreifen Dämonen
nicht gerne Besitz von Vampiren. Das Blut Kains kocht vor
heiligem Gift, denn es trägt die Überbleibsel eines von Gott
auferlegten Fluchs. In einem Vampir zu hausen fühlt sich
an, als sei man umringt von aktiven Überresten des Glau-
bens. Derartige Besessenheit ist äußerst selten und unheim-
lich unangenehm für den Dämon.
Ein dämonischer Geist kann länger auf der physischen
Ebene verweilen, wenn er in einem physischen Talisman
untergebracht wird. Der Gegenstand muss speziell aus sel-
tenen Materialien gefertigt werden, die für den Dämon von
Wert und besonders sind, mit Bruchstücken des Wahren
Namens des Dämonen graviert werden, sowie mit Inschrif-
ten der Bindung und der Stärkung. In einem solchen Objekt
kann der Dämon fast ewig überdauern – zumindest, bis der
Talisman zerstört wird.
Die letzte Möglichkeit zur Bindung eines Dämons ist,
ihn an einen Ort zu binden. Indem man einen See, ein
Gebäude, ein Wäldchen oder eine andere Art von Gebiet
mit blutigen und blasphemischen Ritualen entweiht, kann
ein Infernalist den Ort verfluchen und den Geist eines
Dämons mit dem dortigen Gefüge der Welt verbinden.
Dies ist äußerst schwierig, doch auch unglaublich macht-
voll. Ein einzelner Jäger mit Wahrem Glauben könnte einen
von einem Dämon besessenen Sterblichen vernichten, eine
Gruppe engagierter Inquisitoren könnte eine Gefahr für
einen Talisman darstellen, doch es bräuchte eine Armee
geweihter Krieger, um einen erdgebundenen Dämon zurück
in die Hölle zu drängen.
Geschäfte, Handel und Pakte
Sobald sich ein Bittsteller und ein Dämon von Angesicht
zu Angesicht gegenüberstehen, muss die Person, die einen
Handel abschließen will, die Verhandlungen eröffnen.
Dämonen handeln am liebsten mit sterblichen Seelen, dies
ist die Währung der Hölle und die Quelle der ewigen Macht
eines Dämons. Sie akzeptieren auch dargebotenes Blut,
Qualen, Reichtümer oder verbotenes Wissen, doch jede Ver-
handlung gelangt an einen Punkt, an dem der Dämon seine
ultimative Satisfaktion fordert.
Die meisten Absprachen zwischen Dämonen und ihren
Sklaven sind genau das: Absprachen. Der Dämon verspricht
dies, der Sklave verspricht jenes und am Ende kommt zwi-
116 Kapitel Sechs: Die Verdammten
schen ihnen eine Abmachung zustande. Es muss nicht alles
in Blut geschrieben werden oder einen direkten Austausch
einer Seele beinhalten. Solange der Dämon einen gewissen
Grad an Macht aus dieser Absprache zieht, hilft er äußerst
bereitwillig, besonders wenn derartige „Hilfe“ den Bittsteller
sogar noch zu dauerhafteren Abkommen reizt.
Die Abmachung kann eine dieser drei typischen Gestal-
tungsformen annehmen: Dienste im Austausch, Steigerung
von Macht oder ein wahrer Foedus. Geschäfte sind einfache
verbale Abmachungen und jede Seite kann versuchen, sich
herauszuwinden, wenn sie bereit ist, den Zorn des Anderen
zu riskieren. Steigerungen von Macht beinhalten normaler-
weise einen Austausch von beiden Seiten: normalerweise
einen Teil der Seele des Bittstellers im Austausch für eine
einzelne, manifestierte Veränderung der Realität oder eine
einzelne, aber permanente, dämonische Verbesserung. Der
Dämon tut, wie ihm geheißen, nimmt seine Bezahlung und
der Handel ist erledigt. Keine der Parteien kann diese Abma-
chung brechen. Der Dämon kann nicht zurücknehmen,
was er gegeben hat oder die Welt in ihren ursprünglichen
Zustand zurückversetzen – es sei denn, beide Seiten schlie-
ßen einen neuen Pakt zu diesem Zweck ab. Normalerweise
wird hierfür ein Vertrag mit Blut unterzeichnet, ein Eid
geschworen oder eine andere Art übernatürlicher Überein-
kunft abgeschlossen. Selbst wenn die Person nie wieder mit
Dämonen zu tun hat, hat sie dem Dämon einen Teil ihrer
Seele abgegeben und er kann sich mit ihr in Verbindung
setzen, sie besuchen oder jederzeit über ihre Sinne verfügen,
auch wenn er keine Kontrolle ausüben kann.
Ein Foedus, auch bekannt als Wahrer Pakt, benötigt den
Einsatz der vollständigen Seele eines Individuums. Norma-
lerweise beinhaltet dies auch die Anbetung eines Erzherzogs
(oder ausreichend Macht, um über einen niederen Dämo-
nen zu verfügen). Solche Pakte sind eine fortlaufende Part-
nerschaft zwischen dem Bittsteller und dem dämonischen
Wesen oder ein permanenter Transfer von Macht. Der Bitt-
steller muss dauerhaft eine Rolle zu Gunsten des Dämons
einnehmen. Dies kann Verbote beinhalten (z. B. die Unfä-
higkeit heiligen Boden zu betreten oder den Namen Christi
auszusprechen) oder aktive Dienste (Opfer, die Konvertie-
rung anderer oder wiederholte Darbringungen). Auf der
anderen Seite muss der Dämon dem Bittsteller weiter Macht
verleihen. Dies ist das Geheimnis der Dunklen Thaumatur-
gie: anstatt dass der Vampir die Magie nutzt, die seinem Blut
innewohnt, ruft er einen Dämon an und dieser erlaubt ihm
seine infernale Energie zu nutzen. Wenn der Bittsteller den
Foedus bricht oder ihn nicht bis ins Detail erfüllt, wird sich
sein infernaler Herr erheben und ihn mit rasender Freude
zerfleischen. Wenn dies eintritt, können keine Kräfte, Zau-
ber oder vom Bittsteller geführte Waffen dem Dämon Scha-
den zufügen, denn der Eidbruch macht das Wesen unver-
wundbar gegenüber Angriffen durch seinen Sklaven.
In dem Augenblick, da sich eine Person auf einen solchen
Handel einlässt, wird sie als Sklave des Dämons gebrand-
markt. Sein Geist trägt das unsichtbare Siegel seines dämoni-
schen Meisters: ein Siegel, das immer dann auf seiner Aura

Vampirische Seelen
Um einen Foedus mit einem Dämon abzuschließen,
muss eine Person über eine Seele, Gefühle und einen
freien Willen verfügen. Dies führt zu einer weiteren
Frage: Haben Vampire eine Seele? Obwohl niemand
die genaue Art der vampirischen Seele kennt, hat sich
gezeigt, dass Vampire Beschwörungsrituale durchfüh-
ren, mit Dämonen handeln und Pakte abschließen kön-
nen, die den Verkauf ihrer Seele beinhalten. Dämonen
wiederum scheinen dieses Risiko auch einzugehen.
Wenn ein Vampir als Mitglied der Untoten schon von
Natur aus verdammt ist, wie kann er dann mit etwas
schachern, das er nicht kontrollieren kann? Tatsächlich
gibt es einen Unterschied zwischen einer verdammten
Seele und einer Seele, die von einem Dämon bean-
sprucht wird. Ein Dämon möchte so viele Seelen wie
möglich ernten, um sich selbst zu stärken, selbst – oder
auch besonders – dann, wenn diese Seelen ohnehin zur
Hölle fahren.
Aus Sicht eines Dämons schmeckt ein Keks noch viel
besser, wenn er ihn vorher jemandem stehlen konnte.
sichtbar wird, wenn er die Kräfte des Infernalen einsetzt.
Wenn er seine dämonischen Gaben nicht einsetzt, ist dieses
Mal unsichtbar, selbst für Kräfte der Aurawahrnehmung,
obwohl es auf außerordentlich hohen Stufen von Auspex
wie Karmasicht (V20, S. 134) wahrgenommen werden kann.
Kosten und Nutzen
des Infernalismus
Als Kreaturen des Hasses und der Qualen, verdrehen, schän-
den und schädigen Dämonen das Leben selbst. Ein Dämon
kann ein Erdbeben auslösen, doch Stein zu etwas Schönem
zu formen, ist äußerst schwierig für ihn. Ein Dämon kann
die Wunden eines Sterblichen heilen, doch eine derartige
Heilung benötigt etwas im Stile eines Opfers eines unschul-
digen Kindes.
Sobald eine Person einen Pakt mit einem Dämon abge-
schlossen hat, wird sie zum Sklaven. Ihr dämonischer Meis-
ter kann mit ihr in Verbindung treten, ihren Aufenthaltsort
spüren oder jederzeit die Welt durch ihre Sinne wahrneh-
men, auch ohne um Erlaubnis zu bitten. Die Seele einer sol-
chen Person ist vom Dämon gezeichnet, selbst wenn das Sie-
gel unsichtbar ist (solange der Sklave seine infernalen Kräfte
nicht nutzt). Normalerweise folgt die Sklaverei auf Korrup-
tion und jegliches Laster, dem der Sklave frönt, nimmt über-
hand. Es wird zunehmend schwerer, diesen Bedürfnissen zu
BLUTRITEN
widerstehen, was sich als permanenter Drang niederschlägt,
der den Sklaven irgendwann überwältigt und ihn vollends
dem Diabolismus verschreibt. Jedes Mal, wenn ein Sklave
seinen Lastern erliegt, wird seine Seele etwas mehr korrum-
piert (und im Falle eines Vampirs wird das Tier stärker, da
seine Menschlichkeit versagt). Egal, was ein Dämon sagt
oder wie klein ein Handel mit einer Person sein mag, Stück
für Stück erlangt der Dämon Macht. Der einzige Weg, um
die Kontrolle über die eigene Seele zu behalten, ist stattdes-
sen jemand anderen an den Dämon zu verfüttern.
Die Aura eines Infernalisten unterscheidet sich norma-
lerweise nicht von der eines anderen Vampirs (oder Sterb-
lichen, wenn dies der Fall sein sollte). Sobald ein Sklave aller-
dings eine infernale Kraft einsetzt, verändert sich seine Aura
deutlich. Verfügt jemand über mystische Sinne (Disziplinen
und dämonische Gaben sowie Magiegespür) weiß er, dass
dunkle Mächte am Werk sind. Selbst nicht empfindsame
Sterbliche spüren einen Schauer.
Ritual der Beschwörung
Dieses Ritual ist nicht thaumaturgischer Natur und kann
von jedem durchgeführt werden, sterblich oder Kainskind.
Um ein Beschwörungs- und Bindungsritual durchzufüh-
ren, wird er Himmlische oder Wahre Name eines Dämons
benötigt. Darüber hinaus muss der Diabolist Erfolg bei lang-
wierigen Berechnungen und mystischen Ritualen haben,
die über Monate gehen können. Ist ein Dämon durch ein
Beschwörungsritual gebunden, kann der Diabolist weitere
Pakte abschließen, den Dämon in einen Talisman binden
oder andere infernale Handlungen durchführen.
System: Der Spieler führt einen erweiterten Wurf auf
Intelligenz + Dämonologie pro Woche der Forschung durch
und muss Erfolge in der Höhe der Willenskraft des Dämons
ansammeln. Ein gebundener Dämon muss den Bitten eines
Diabolisten für einen Tag nachkommen, doch er kann den
Neues Fachgebiet:
Dämonologie
Obwohl die okkulten und theologischen Fähigkeiten
esoterisches oder theoretisches Wissen über Dämonen
abbilden, benötigt ein Charakter für das Wissen um
dämonische Geheimnisse oder wie man sie beschwört
die Fähigkeit Dämonologie. Institutionen wie die Katho-
lische Kirche oder die Inquisition des Sabbat unterbin-
den die Verteilung dieses Wissens, doch Dämonen und
ihre Sklaven fördern es aktiv und sorgen dafür, dass
zensierte Versionen dieses Wissens im Internet und in
Hochschulbibliotheken zu finden sind, sogar als Kritze-
leien auf Toiletten von Nachtclubs.
117
 Wortlaut dieser Bitten verdrehen, wie es ihm beliebt. Wenn
der Beschwörer diesen Wurf verpatzt, sind die Folgen katast-
rophal. Dies kann den sofortigen Tod des Beschwörers nach
sich ziehen oder schlimmer, der Spruch könnte den Dämon
beschwören, aber bei seiner Bindung versagen. Historische
Plagen, infernale Flüche und die Freisetzung mächtiger, bös-
artiger Seelen sind nur einige wenige Möglichkeiten.
Zuwendungen und Geschenke
Zuwendungen und Geschenke sind einzelne Pakte, die
mit einem Dämon abgeschlossen werden. Dafür braucht
es keine langfristigen Dienste oder Interaktionen, doch es
braucht einen durchweg bösartigen Akt, um den Pakt zu
besiegeln. Diesen Akt bestimmt der Dämon normalerweise
während der Verhandlungen. Hat der Bittsteller diesen voll-
zogen, ist der Pakt vollkommen. Eine solche Handlung zieht
immer einen Entartungswurf nach sich.
Dämonen müssen für Zuwendungen nicht handeln. Sie
können Dinge vollführen, die das direkte Gefüge der Reali-
tät verändern und sogar die Geschichte neu schreiben, auch
wenn diese Dinge sehr kostspielig sind. Außerordentlich
mächtige Dämonen können vergangene Ereignisse verän-
dern und die Vergangenheit umschreiben. Sie können einen
einmaligen Vorzug bieten, wie die Fähigkeit, für einen Tag
wieder sterblich zu sein oder eine Woche unter der Sonne
wandeln zu können. Sie können die Abgründe der Hölle
nach dem Geist einer geliebten Person durchsuchen und sie
im Körper einer anderen Person wieder auferstehen lassen
(normalerweise ein Menschenopfer). Sie können selbst wah-
res Wissen bieten, das außerhalb der Reichweite der sterb-
lichen Welt liegt, wie den Ort eines ruhenden Methusalem
oder einer Vision des alten Enoch. Was immer man sich
wünscht, sie können es bieten ... oder Sie glauben lassen,
dass sie es können.
Jede der folgenden Zuwendungen kostet 3 Erfahrungs-
punkte und benötigt einen separaten Pakt mit einem
Dämon. Sie stellen Eide dar, die der Charakter gegenüber
seinem teuflischen Meister abgelegt hat und die ihn zu
einem Sklaven des Dämons machen. Erzähler dürfen sich
gerne ihre eigenen Zuwendungen ausdenken, wie sie zu
ihren Chroniken passen. Charakter dürfen nicht über mehr
Zuwendungen verfügen, als ihr Wert in Willenskraft.
Ansteckung: Indem er ein lebendes Wesen berührt und
einen Punkt Willenskraft aufwendet, kann der Charakter
eine subtile, ansteckende Krankheit übertragen (oder eine
Krankheit heilen, die er auf diese Weise übertragen hat). Die
Krankheit verursacht 3-5 Würfel Schlagschaden pro Tag, bis
das Ziel umkommt (oder im Falle eines Vampirs aufgrund
der Wunden in Starre verfällt).
Arsenal des Tiers: Mit jedem Erwerb dieser Zuwendung
wächst dem Charakter eine bestialische Waffe. Es könnte
sich dabei um Klauen, Fänge, ein offenes Maul, Hörner,
einen peitschenden Schwanz, Gift, giftige Spucke, Stacheln
oder Tentakel handeln. Der Einsatz dieser Waffen verur-
sacht Körperkraft + 2 Tödlichen Schaden, doch durch den
118 Kapitel Sechs: Die Verdammten
Einsatz eines Punkts Willenskraft kann für die Dauer einer
Szene schwer heilbarer Schaden zugefügt werden.
Buße der Verdammten: Durch das Aufnehmen von
Blickkontakt mit einer anderen Person und dem Einsatz
von einem Blutpunkt, kann der Infernalist das Ziel zu einem
Wurf auf Überzeugung zwingen (Schwierigkeit 6), ansonsten
muss es seine schlimmste Erinnerung erneut durchleben.
Wenn das Ziel scheitert, fällt der Wert aller Tugenden für
die kommende Stunde auf 1.
Erniedrigende Einschränkung: Indem er sein auserkore-
nes Opfer berührt und einen Punkt Willenskraft ausgibt,
kann der Charakter beim Ziel zu einem temporären Verlust
von einem Punkt Selbstbeherrschung oder Instinkt für den
Rest der Szene sorgen.
Essenz zu Asche: Der Charakter kann seine eigene Seele
verzehren, um in Notfällen Kraft zu erhalten. Der Spieler
kann einen Punkt permanente Willenskraft ausgeben, um
zwei Stufen schwer heilbaren Schaden zu heilen. Da dieses
Opfer permanent ist, handelt es sich hierbei um eine Zuwen-
dung der letzten Instanz.
Feindschaften bereinigen: Durch eine Berührung und
den Einsatz von einem Blutpunkt kann der Infernalist alles
Böse und jeden niederen Antrieb in seinem Ziel heraufbe-
schwören und es so subtil zu Bigotterie, Rassismus, elitärem
Denken und primitiven sadistischen Instinkten antrei-
ben. Schaffen die Betroffenen den Wurf auf Selbstbeherr-
schung oder Instinkt (Schwierigkeit 6) nicht, unterliegen sie
den Rest der Nacht der Gnade ihrer niedersten Instinkte.
Sie werden auf ihre faschistischsten und tyrannischsten
Impulse reagieren, jene verurteilen, die „anders“ sind und
schonungslos ihre Pläne zum Schaden eines jeden durchset-
zen, der nicht in ihr soziales Gefüge passt – ungeachtet von
Freundschaften, Begleitungen, Verbündeten oder anderen
empathischen Gründen.
Heimtückisches Flüstern: Durch eine Berührung und
den Einsatz von zwei Blutpunkten (oder zwei Stufen Töd-
lichen Schaden bei sterblichen Diabolisten), vergiftet der
Infernalist das Unterbewusstsein des Ziels. Von nun an sieht
es in allem seine tiefsten Ängste: ein ruhiger Freund plant,
das Opfer zu betrügen; eine leichte Zurückweisung wird zu
einer untragbaren Beschämung; die Zuneigung eines Kindes
für einen Freund wird zum eindeutigen Beweis eines auf-
gezwungenen Blutsbandes. Um dieser Kraft zu widerste-
hen, muss das Ziel einen erfolgreichen Wurf auf Gewissen
(Schwierigkeit 6) ablegen. Wenn es scheitert, hält die Kraft
eine Anzahl von Tagen an, die der Willenskraft des Infer-
nalisten entspricht.
Telepathischer Wurm: Durch die Ausgabe von einem
Punkt Willenskraft, erschafft der Charakter ein Tentakel
mentaler Energie, das sich in das Unterbewusstsein des Ziels
schlängelt und so lange in dessen Gedanken schläft, bis es
ausgelöst wird. Jedes Mal, wenn das Ziel eine bestimmte Per-
son sieht, ihren Namen ausspricht oder Kontakt zu ihr auf-
nehmen will, wird ein telepathischer Schmerzimpuls ausge-
löst und seine Gedanken werden mit Verzweiflung geflutet.
Die Attacke nutzt Geistesschärfe + Einschüchtern des Infer-
nalisten und umgeht alle Widerstände wie Seelenstärke;
der Schaden wird direkt bei Willenskraft erlitten, anstatt in
Gesundheitsstufen. Der Wurm verbleibt einen Mondum-
lauf im Geist des Opfers.
Die Baali
Von allen Blutlinien der Vampire löst eine sofort Gedanken
an Jahrhunderte der Blasphemie und Grausamkeiten aus.
Vom alten Karthago, wo sie ihre dämonischen Herren in
offenen Ritualen verehrten, bis zur stillen Verbreitung der
Teufelsanbetung in den heutigen Nächten, die Baali gab es
schon immer. Der Kult ist verschlossen, hält an Grausamkei-
ten sowie Opfern fest und widmet sich verdorbener Magie,
die andere sich kaum ausmalen können.
Am Anfang stand ein mysteriöser Kult in der Stadt Ashur,
in einem Land, das heute als der Irak bezeichnet wird.
Irgendwo dort im Mittleren Osten, vielleicht auch näher an
Jerusalem, praktizierte ein Zirkel dieses Kultes blutige Men-
schenopfer in einem tiefen Brunnen. Eines Nachts entdeckte
ein mächtiger Vampir diese Opferrituale. Er schleuderte die
Priester zu ihren gequälten Opfern in den Brunnen und
vergoss sein Blut über ihnen, wodurch er sie zu grausamen
und wahnsinnigen Akten des Zorns und der Verdorbenheit
trieb. Nachdem der Vampir gegangen war, erhoben sich drei
aus diesem Brunnen. Dies waren die ersten Baali.
Im Laufe der Zeit erschufen sich die drei Methusalem der
Baali eine riesige Festung in dem tiefen Krater, der den alten
BLUTRITEN
Brunnen umgibt. Shaitan, wie sich der eine nannte, zog
seine Stämme zusammen und verschwor sie dem Dienst an
den Infernalen. Die Blutlinie existiert noch bis heute, ver-
steckt in der geschändeten Stadt Chorazin.
Chorazin, die Verdammte Stadt, liegt in einem versteckten
Tal irgendwo im Mittleren Osten. Es gibt Legenden darüber,
dass seine schwarzen Basaltruinen den See Genezarteh über-
blicken. Andere altertümliche Texte besagen, sie läge näher
an Damaskus oder sogar weiter im Süden, in der Nähe des
Heiligen Steins von Mekka. Auf jeden Fall ist dieser Ort
durch gewaltige und mächtige infernale Magie versteckt, die
noch auf Zeiten vor der Niederschrift der Torah zurückgeht.
Tausende gefangener Seelen sind an diese Zauber gebunden
und ihre gemarterten Geister sowie ihre Körper sind fest mit
den steinernen Mauern der Festung verbunden. Nur wenige
wissen von seiner Existenz und nur die mächtigsten Hexer
können die Stadt finden – sowie diejenigen, die ihre Seelen
für solches Wissen verkauft haben.
Es heißt, dass im Augenblick zwei Dämonen in der Stadt
leben, sich dort anbeten und verehren lassen und die Sonne
verdunkeln, damit Vampire ihnen auch tagsüber huldigen
können. Die Fratzen dieser beiden Wesen, Azaneal und
Namtaru, sind in die Säulen der wuchtigen schwarzen Tore
der Stadt gemeißelt, um reisende Baali zu begrüßen – und
alle Ungläubigen zu vernichten, die es wagen, Chorazin zu
betreten. Azaneal ist eine große Inspiration für die Blutlinie,
da er einst selbst ein Baali war. Im Laufe der vergangenen
Jahrhunderte hat er die Kräfte eines Dämons erlangt und
sich selbst mit Gewalt zum infernalen Gastgeber erhoben.
119
 Durch den Verfall des Glaubens in den heutigen Gesell-
schaften, konnten die Baali (und ihre infernalen Meister) an
Macht zulegen. Sie haben andere infernale Gruppierungen
bekriegt, niedere Dämonen für ihre Meister versklavt und
deren Sklaven übernommen.
Die Veneficti
Ein mächtiger Zirkel infernalistischer Magi, bekannt als der
Rote Zirkel, führte gegen die Baali Krieg und wurde beinahe
ausgelöscht. Die letzten und mächtigsten Überlebenden die-
ses einst führenden Magierzirkels wurden dazu gezwungen,
den Baali ewige Loyalität zu schwören, sowie ihr Wissen und
ihre Seelen der Sklaverei zu verschwören, im Austausch für
ihr Überleben. Über die Jahrhunderte wurden die Magi als
Diener eingesetzt – und als Experimente. Heute sind sie zu
etwas anderem geworden.
Körperlich verdorben und ausgestattet mit dauerhaften
Zuwendungen, sind die Veneficti nun beinahe so etwas wie
Wiedergänger. Sie sind halb unsterblich, totengleich und
nähren sich vom Willen, so wie Ghule von Blut. Gekrümmt,
lederartig und in schwarze Fetzen gehüllt, praktiziert der
Rote Zirkel die dunkelsten Riten der Magie und schützt die
Bibliotheken in der Festung Chorazin.
Zu den wertvollsten Texten der Veneficti gehören fünf der
sechs infernalen Bände der Voleurs d’Enfer, einer rivalisie-
renden Gruppe Dämonologen aus dem Dunklen Zeitalter.
Sie suchen noch immer nach dem letzten und mächtigsten
Kodex, der kurz nach dem Tod des berühmten infernalen
Diebes Artaud de Pontmolain verschwand.
Geheimnisse der Ahnen
Die Baali waren schon Dämonenpaktierer, noch ehe sich
eine andere Kreatur auf diesem Planeten diesen Praktiken
zugewandt hatte und sie sammelten schon infernales Wis-
sen, ehe ihr Stammvater sie in den alten Brunnen warf.
Einige dieser alten Teufelsanbeter existieren noch immer
und ruhen in Starre innerhalb der Mauern aus Basalt von
Chorazin. Ihre Körper liegen in eisernen Fässern auf der-
artig geschändeter Erde, dass sie die Hitze der Hölle selbst
abstrahlt. Diese deutlich älteren Ahnen des Clans kennen
Geheimnisse, für die viele ihre Seelen verkaufen würden:
Wahre Namen, die noch niemals ausgesprochen wurden;
die Wahrheit über die Zeiten vor der Sintflut und die
Geheimnisse des alten Karthago. Es heißt sogar, dass eine
uralte Baali ihre Seele an Luzifer persönlich verkauft habe
und sie wäre damit die einzige Paktiererin, die dem Morgen-
stern dient, statt einem bloßen Mitglied seiner Armee. Sie
könnte vielleicht sogar mit Luzifer kommunizieren, von sei-
ner ­Weisheit profitieren und vielleicht sogar Gottes Gesicht
kennen.
120 Kapitel Sechs: Die Verdammten
Profite der Hölle
Obwohl die Kreaturen, die diese Kräfte verleihen, durch
und durch böse sind, müssen Infernalisten dies nicht
zwangsläufig ebenfalls sein. Es gibt viele Argumente, die
ein Vampir für Ausnahmen anführen kann oder auch,
wie solche Handlungen einem höheren Ziel dienen.
Doch am Ende zählen keine Ausreden. Sie gehen den
Handel ein. Sie bezahlen den Preis.
Ist ein Pakt geschlossen, gibt es keinen Weg zurück.
Nichts kann den Makel des Infernalen von der Seele
einer Kreatur entfernen. Sich gegen die Klauseln der
Abmachung zu widersetzen, ist ein Garant für eine sehr,
sehr kurze Existenz und gewinnt Ihre Seele auch nicht
zurück. Als Infernalist können Sie nur eine Wahl tref-
fen: die zwischen „Dienen Sie Ihrem bösen Meister“
oder „Sterben Sie qualvoll“.
Daher sollte ein Erzähler diese Kontrakte nur sehr spar-
sam in seinen Chroniken einsetzen. Charaktere, die
einen Handel mit infernalen Mächten eingegangen
sind, haben sich für den kurzen Weg des SC-Ruhe-
standes oder den Tod entschieden und es ist beinahe
unmöglich, hier einen Ausweg zu finden – außer den
Dämon zu töten, mit dem der Handel abgeschlossen
wurde. Charaktere mit infernalen Kräften können
gelegentlich zu schönen faustschen Dilemmata führen,
doch sie taugen eigentlich besser als Antagonisten.
Die Inquisition
des Sabbat
Die Inquisition des Sabbat wurde gegründet, um den Infer-
nalismus und den Pfad der bösen Enthüllungen innerhalb
des Schwert Kains auszumerzen. Im Laufe der Jahre wurde
ihre Autorität erweitert, bis hin auf die Ebene der religiö-
sen Reinheit und der Entscheidungsgewalt darüber, was als
Häresie im Schwert Kains zählt und was nicht. Inquisitoren
überwachen und bestrafen auch die Anwender von Thauma-
turgie im Sabbat.
Die Macht der Inquisition leitet sich aus zwei Artikeln
im Mailänder Kodex ab, nämlich den Artikeln vierzehn
und sechzehn (V20, S. 41). Als permanentes „akzeptiertes
Organ“, um sich mit diesen Themen zu befassen, verfügt die
Inquisition über das Recht, Maßnahmen gegen Infernalis-
ten und Ketzer zu ergreifen. Personal der Inquisition darf
nach Belieben festhalten oder vernichten, solange es die
Schuld des Subjektes beweisen kann.
Einige Sabbatmitglieder legen lediglich ein Lippenbe-
kenntnis gegenüber dem Dienste an Kain und den religiö-
sen Tendenzen der Sekte ab, doch Mitglieder der Inquisition
sind Fanatiker bei der Ausübung ihrer Pflicht und sie glau-
ben fest daran, dass ihr Kampf gerecht ist, obwohl das nicht
in jedem Fall zwingend bedeutet, dass der Inquisitor zutiefst
religiös ist. Sie haben schlichtweg zu viel aus der Hölle gese-
hen und sind ihrer Sache daher absolut und unabrückbar
verschrieben.
Insgesamt ist der religiöse Fokus der Inquisition deutlich
intensiver als bei irgendeiner anderen Gruppe der Kirche
des Dunklen Vaters. Die Inquisition hört auf den Regenten,
der die direkte und persönliche Aufsicht über jeden Prozess
hat. Das Konsistorium verfügt über das Recht, Inquisitoren
zu ernennen und ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Per-
sönlichkeiten zu lenken, doch darf es der Inquisition keine
Anweisungen erteilen. Die meisten Mitglieder der Sekte
fürchten und verachten sie für ihre Macht. Der Orden pflegt
zudem eine boshafte Rivalität mit der Schwarzen Hand, die
schon einige hundert Jahre andauert. Inquisitoren machen
keinen Hehl aus ihrem Verdacht über die heimlichen Pfade
der Schwarzen Hand und die meisten Mitglieder vermuten,
dass die Hand sich dem Schutz von Ketzern schuldig macht.
Die Inquisition ist zerrissen zwischen dem Ansammeln
politischer Macht und der unpolitischen Durchführung
ihrer Aufgaben. Der Orden operiert unter dem expliziten
Kommando des Regenten, um in allen Belangen der Sekte
politisch neutral bleiben zu können. Wenn sie den Aspekt
der Politik allerdings vollständig verleugnen, dann werden
sie von der Schwarzen Hand ins Abseits gedrängt, denn
diese nutzt jede Gelegenheit, um die Autorität und den Ruf
der Inquisition zu schmälern. Die Reaktion darauf ist, dass
Inquisitoren mit Freuden versteckte Operationen der Hand
innerhalb des Sabbat ans Licht bringen und bewusst dafür
sorgen, dass sich ihre Agenten ihren Brüdern und Schwes-
tern der Sekte offenbaren müssen.
Kompromisse
Infernalisten müssen im Sabbat äußerst vorsichtig sein. Im
Gegensatz zu anderen Sekten, blickt der Sabbat auf eine
lange Geschichte des Aufspürens und Vernichtens solcher
Individuen zurück und das Schwert Kains ist gut gegen sol-
che Korruption gewappnet. Dennoch schaffen es Teufels-
anbeter, die Sekte zu infiltrieren und sogar andere für die
Dienste ihres Dämons zu gewinnen.
Die natürliche Vermehrung des Bösen innerhalb der
Sekte behindert die Aufgaben der Inquisition. Mitglieder
des Schwert Kains genießen Grausamkeiten, und die dunk-
len Taten der Infernalisten erscheinen dabei selten anormal.
Sabbatmitglieder dürfen sich frei äußern, wie soll ein Rich-
ter also klar zwischen einem großmäuligen Loyalisten und
einem Ketzer unterscheiden? Tzimisce erschaffen ihre Ritu-
ale aus den Überbleibseln einer Kreatur namens Kupala, die
alle Anzeichen eines Dämons aufweist – doch die Inquisi-
tion kann es sich nicht erlauben, diese Anschuldigung aus-
zusprechen, denn wenn die Auctoritas Ritae kompromittiert
würden, würde die gesamte Sekte zusammenbrechen. Mys-
tiker der Lasombra sprechen über den Abgrund, als sei es
ein Gott, der in Konkurrenz zu dem Einen steht, der Kain
BLUTRITEN
verfluchte und sie halten ihr Wissen unter Verschluss. Selbst
einige hochrangige Mitglieder der Schwarzen Hand prakti-
zieren heimlich ihre persönliche Häresie. Mitglieder der
Inquisition müssen vorsichtig handeln.
Auf der anderen Seite ist Thaumaturgie wertvoll, selbst
wenn die meisten Anwender der Magie sich irgendwo gewis-
sermaßen gegen die Grundlehren des Sabbat versündigen.
Wenn die Inquisition Kupala formell zum Dämon erklärt,
dann werden mit ihm auch automatisch die Ritae zu Dämo-
nenwerk und jedes Mitglied des Sabbat müsste für seine
infernalistischen Taten vernichtet werden. Die Mystiker des
Abgrunds kämpfen mit ihrem Einfluss gegen eine Anklage
an, indem sie der Inquisition ungefragt Hilfe zukommen las-
sen und ihr alle Studien so gutartig wie möglich beschreibt.
Die Scheinheiligkeit solcher Sanktionen gibt nur noch mehr
Anlass für Misstrauen.
Neben Verzweiflung, Lust, Neid und Gier – häufige Anreize
für Vampire dem Infernalen zu verfallen – müssen sich Mit-
glieder des Sabbat einem weiteren triftigen Argument der Infer-
nalisten Stellen: Die Gefallenen weigern sich, so wie auch Kain
selbst, sich irgendeiner Macht zu unterwerfen. Sie behaupten,
sie verstünden das Wesen vom Opfer für die Freiheit und sie
predigen, dass Dämonen die Vorsintflutlichen mit brennender
Leidenschaft hassen, weshalb sie dann den Bogen schlagen,
dass der Feind meines Feindes mein Verbündeter sein sollte –
wenn nicht sogar mein Freund.
Häretiker
Der Sabbat steckt voller ketzerischer Doktrinen. Mit weni-
gen Worten, jeglicher Glaube, der die Vorsintflutlichen ver-
ehrt, andere versklavt, mit Infernalen zu tun hat, Blutsbande
propagiert (außerhalb der Vaulderie), die Ritae aufgibt oder
gegen Kain predigt, ist ein Ketzer. Jeder, der mit Setiten zu
tun hat (die ihren Vorsintflutlichen als Gott verehren), ist
ein Ketzer. Sklaven sind technisch gesehen ebenfalls inakzep-
tabel, zusammen mit den Vorsintflutlichen (was folglich so
viel bedeutet, wie alle Vampire der Camarilla). Im Laufe der
vergangenen Jahrhunderte und mehr, hat die Inquisition
einige Pfade zur Ketzerei erklärt: Den Pfad der bösen Ent-
hüllungen, den Pfad des Typhon, den Pfad des Sutekh, den
Pfad Liliths und den Pfad des Blutes. Selbst der Clanspfad
der Lasombra, der Pfad der Nacht, befindet sich auf dem
schmalen Grat zur Ketzerei.
Gelegentlich wird Anhängern solcher ketzerischen Pfade
die Möglichkeit gegeben, zu einem moralisch akzeptierten
Weg zu konvertieren und Buße für ihre Sünden gegen den
Glauben zu tun. Doch normalerweise werden derartige
Gläubige einfach vernichtet.
Selbstverständlich taucht so etwas nur selten auf, doch
abnorme Texte und Glauben aus dem dunklen Zeitalter
oder dem Altertum zählen ebenfalls zur Häresie. Die gnos-
tischen Schriften der Kainitischen Häresie, besonders ihr
Buch des Strahlenden Blutes (auch bekannt als Euagetaemati-
kon) sind solche Werke. Diese Bücher befassen sich mit dem
Gedanken, dass Vampire gottähnliche Wesen sind, denen
121
 religiöse Göttlichkeit zuteilwurde. Sie befürworten den
Glauben, dass vampirische Vitae von Gott verflucht wurde
und folglich heilig sein muss, sowie dass Gott Kain mit dem
Fluch zeichnete, um damit zu zeigen, dass Kain der Erbe für
den Himmlischen Thron sei.
Ein anderes Werk ist das Evangelium von Laodizen, das
ebenfalls als ketzerischer Text angesehen wird. Dieses Buch
beschreibt die Ursprünge eines Pfades der Erleuchtung, der
als Pfad des Himmels bekannt ist und gibt an, dass dies
der einzige Pfad sein sollte, dem Vampire folgen sollten.
Das Buch behauptet, dieser moralische Kodex stamme von
Kains Opferung seines Bruders Abel ab und einige Versio-
nen geben sogar an, dass, wer dem Pfad des Himmels folgt,
Gott nach seinem endgültigen Tod vergibt.
Abschließend wird auch jeder wegen Ketzerei verbrannt,
der Wissen oder Informationen zu Golconda besitzt (ein
Zustand, der blasphemischen Verrat am vampirischen
Zustand bedeutet). Verurteilte Ketzer werden immer ver-
nichtet, normalerweise durch Feuer.
Die Inquisition ist zudem gegen uneingeschränktes Prak-
tizieren oder konstante Diablerie innerhalb der Sekte, mit
der Begründung, dass eine wiederholte Durchführung des
Amaranth zu einer unkontrollierbaren Sucht führt. Ein ein-
zelner Akt der Diablerie ist tolerierbar. Selbst das gelegent-
liche Einverleiben einer Seele eines Gegners zur Stärkung
der Sekte ist akzeptabel, doch Personen, die durch wahlloses
Verschlingen von Seelen Macht erlangen wollen, können zu
einfach zum Handel mit Seelen in dämonischen Pakten ver-
leitet werden. Diablerie zerfrisst die Ethik eines Kainiten.
122 Kapitel Sechs: Die Verdammten
Die Inquisition hat ein Auge auf diejenigen, die aktiv dia-
blerieren. Sie untersuchen Personen, die häufiger als ein Mal
im Jahr eine Diablerie vollziehen und hegen den Verdacht,
dass deren Skrupel nach solchen Schlägen wider ihrer Moral
zu leicht kompromittiert werden können. Einige Inquisito-
ren führen sogar den Umstand als Beweis an, dass alle über-
führten Infernalisten auch regelmäßig Diablerie begehen
und unterstellen damit, dass der Umkehrschluss ebenfalls
wahr sein könnte. Diese Haltung wird vom Rest der Sekte
als etwas extrem angesehen und hat zu vielen Auseinander-
setzungen geführt, besonders zwischen der Inquisition und
der Schwarzen Hand.
Struktur
Die Inquisition unterhält eine einfache Hierarchie. An der
Spitze steht ein einzelner Großinquisitor, unter dem Rich-
ter, Beobachter und Ritter stehen. Der Regent ernennt den
Großinquisitor und kann den Vampir auf diesem Posten
jederzeit wieder entlassen. Darüber hinaus ernennt der
Regent einen Gesandten, der nicht aus der Inquisition
stammt, damit er den Orden in seinem Namen überwacht.
Richter und Ritter der Inquisition sind immer Mitglie-
der nomadischer Rudel, die aus Mitgliedern der Inquisi-
tion bestehen, obwohl sich dies langsam ändert. Erst jüngst
haben von Infernalisten belagerte Diözesen gebeten, dass
Inquisitoren in festen Rudeln installiert werden sollen. Die
Inquisition hat damit begonnen, diesen Bitten widerwillig
nachzugehen.
 Ein typisches Rudel der Inquisition besteht aus fünf Mit-
gliedern: drei Richtern und zwei Rittern. Solche Teams wer-
den normalerweise vom ältesten Richter angeführt, der die
Position des Ductus für das Rudel einnimmt. Beobachter,
normalerweise zur Ruhe gesetzte Richter, beobachten ihre
Agenten im Felde aus einer Festung heraus, die als Santo
Oficio bekannt ist oder „Das wahre Heilige Offizium“, ein
geheimer Ort, der den Kern der Sekte bildet. Innerhalb des
Santo Oficio verrichtet der Großinquisitor seinen Dienst
und die Inquisition unterhält ihre Bibliotheken mit allem
gesammelten Wissen. Darüber hinaus werden alle Anschul-
digungen, Nachforschungen, Verhandlungen und Exekutio-
nen hier minutiös festgehalten. Jedes Rudel an Inquisitoren
hat einen eigenen Kodex, der nur seinem Dienst über die
Jahrhunderte gewidmet ist und kein Detail ist zu unbedeu-
tend, um nicht festgehalten zu werden.
Viele Clans sind in der Inquisition vertreten, obwohl
einige doch häufiger vorkommen. Kreuzritter der Ventrue
Antitribu sind die häufigsten und haben eine starke Tendenz
zu Machtpositionen. Der Rest des Ordens besteht überwie-
gend aus Lasombra, Tzimisce und Toreador Antitribu.
Aufgrund ihres fanatischen Glaubens an den Dunklen
Vater Kain ist es schwierig, Mitglieder der Inquisition zu
manipulieren. Sie verlangen hochgesteckte Prinzipien hin-
sichtlich Sünden, Erlösung, Verdammung und Loyalität
gegenüber der Prinzipien Kains. Die Mitglieder des Ordens
folgen normalerweise dem Pfad des ehrenwerten Einklangs
und vereinzelt dem Pfad Kains oder der Katharer (sowie
einigen seltsamen Variationen des Pfades der Nacht). Inqui-
sitoren müssen rechtschaffene Urteile fällen können, einen
strikt religiösen Fokus beibehalten und Befehle von jenen
annehmen, die ihr heiliges Böses anerkennen. Außerdem
der Hinweis, dass all diese Pfade zum Fanatismus führen
und Politik nur peripher beachten.
Sendboten des Todes sind innerhalb der Inquisition
äußerst selten. Diese Rekruten sind normalerweise beson-
ders fanatisch und wenden altertümliche Methoden der
Folter an, um infernale Korrumpierung in den Reihen
des Sabbat aufzuspüren. Sie nennen sich selbst „Inquisi-
toren Lazarus’“, um sich von den Methoden ihrer weniger
anspruchsvollen Kollegen abzuheben. Es wird vermutet, dass
diese Vampire sich auf der Suche nach einem bestimmten
dämonischen Wesen befinden, doch niemand weiß, wes-
halb oder welche Art des Interesses oder der Rache dieses
innere Feuer schürt.
Autorität
Inquisitoren reisen routinemäßig durch das Sabbat-Territo-
rium und sitzen Ritae vor oder assistieren bei Bestrafungen.
Sie verfügen über die Befugnis, Einblicke in alle Belange
eines Kainiten zu verlangen, um Beweise für ideologisches
Abweichen zu suchen, das zur Gefahr für die Sekte werden
könnte und sie wenden diese Autorität mit harter Hand an.
Der Inquisition eilt ein Ruf der Grausamkeit voraus,
eine ansehnliche Leistung unter jenen, die sich freiwillig als
BLUTRITEN
Monster bezeichnen. In der Vergangenheit konnten Mitglie-
der der Inquisition durch ihre roten Roben und ihre eiser-
nen Reliquiare identifiziert werden. Heute tragen Inquisito-
ren noch immer ihre Reliquiaren, doch die Roben wurden
durch zeitgemäße Kleidung getauscht (die noch immer häu-
fig durch starke scharlachrote Akzente auffällt).
Normalerweise betreten die Ritter eines Rudels ein Erzbis-
tum ohne Vorankündigung und vor den anderen Inquisito-
ren. Nachdem die Ritter bereits einleitende Untersuchungen
vorgenommen haben, folgen die Richter in ihrer vollen und
furchteinflößenden Erhabenheit. Inquisitoren verbringen
ihre Zeit damit, den Sabbat vor Ort zu untersuchen und sich
Einblicke in die Vergangenheit sowie die Hintergründe von
Personen und Rudeln zu verschaffen, ehe sie nach ungefähr
einer bis drei Wochen ihre Anstrengungen (beinahe immer)
mit einer formellen Anklage und einem Prozess abschließen.
Gemeinhin wird vermutet, dass Inquisitoren gelegentlich
bewusst Prozesse mit „nicht schuldig“ abschließen, um der
Masse des Sabbat Hoffnung zu machen und das Vertrauen
in ihre vermeintliche Unparteilichkeit zu stützen.
Für Inquisitoren sind Zeremonien häufig auch eine Waffe
und sie sprechen gelegentlich Anschuldigungen direkt aus,
nachdem sie den Höhepunkt eines Ritus vollendet haben.
Wenn ein Vampir bei Ankunft der Inquisition oder wäh-
rend der Ermittlungen das Gebiet überstürzt verlässt, verfü-
gen die Ritter über die volle Autorität, sofort zu richten und
den Vampir zu vernichten.
Prozesse
Die Inquisition verfügt über beispiellose Macht, um in Fäl-
len von Häresie und Infernalismus anzuklagen, zu verhören
und zu richten. Ein Inquisitor darf jedes Mitglied des Sab-
bat anklagen, mit Ausnahme des Regenten und kann jeden
Angeklagten unter Arrest stellen. Der Priester der Person
muss als Zeuge während des Verhörs, des Prozesses und der
Vernichtung anwesend sein und darf sich für sein Rudelmit-
glied einsetzen. Normalerweise zieht die Inquisition es vor,
ihre Prozesse öffentlich abzuhalten und sie werden mit allem
Trara durchgeführt, zu dem der Sabbat fähig ist.
Die Inquisition hört sich alle Anschuldigungen an, die
von einem Mitglied der Sekte vorgebracht werden, doch sie
ist ebenfalls bekannt dafür, dass Angeklagter sowie Anklä-
ger ein ähnliches Martyrium der Folter durchleben müssen.
Während die Richter die Verhöre durchführen, mustern die
Ritter sehr genau den Rest der Sekte. Der Angeklagte kann
als Beweis seiner Unschuld ein Gottesurteil einfordern oder
gar eine Art Buße, wenn die vorgebrachten Anschuldigun-
gen lediglich ketzerischer Natur sind und keinen Infernalis-
mus beinhalten. Dennoch ist ein Inquisitor nicht dazu ver-
pflichtet, einer solchen Bitte nachzukommen.
Der Anschein unparteiischen Urteils ist äußerst wichtig,
doch nur selten macht ein Inquisitor einem Sektenmitglied
den Prozess, wenn er sich nicht sicher sein kann, dass er auch
etwas findet. Normalerweise sitzt der hochrangigste Richter
dem Prozess vor, während ein anderer Inquisitor (Richter
oder Ritter) die Anklage vertritt. Bei Fällen mit besonderem
123
 Bekanntheitsgrad oder die im Rampenlicht stehen, hört sich
ein Podium aus drei Inquisitoren (die nicht aus demselben
Rudel stammen dürfen) gemeinsam den Fall an und fällt ein
einheitliches Urteil.
Wurde gegen eine Person ermittelt und festgestellt, dass
sie frei von allen Makeln des Infernalismus (oder der Ketze-
rei) ist, erhält sie eine Verfügung, genannt ad cautelum. Eine
Verfügung ad cautelum ist ein reich verziertes, auf Haut
geschriebenes Dokument, die Worte mit Blut und Asche
gezeichnet, das die expliziten Anklagepunkte auflistet und
die Unschuld der Person zum Zeitpunkt des Ausstellens der
Verfügung bestätigt. Es wird mit dem Zeichen des Inquisitors
versiegelt und mit seinem Reliquiar auf blutrotem Wachs
gestempelt. Die Sicherheit der Verfügung hält drei Monate
lang an, in denen von der Person erwartet wird, dass sie sich
besonders reumütig für ihre anderen Sünden zeigt, die sie
gegen den Glauben begangen hat und Buße tut. Ist das Ad
cautelum ausgelaufen, steht die Person nicht länger unter
dem Schutz der Inquisition. Sie steht wie jedes andere Mit-
glied der Sekte unter Beobachtung und kann anhand neuer
Beweise wieder in den Fokus einer Untersuchung geraten.
Wenn er für schuldig befunden wird, wird der Angeklagte
gefoltert und hingerichtet. Ketzer werden auf grausige Weise
getötet, während die Strafe für Teufelspaktierer immer der
Tod durch die Flammen ist. Diese Strafen werden öffentlich
vollzogen, um die Angst der Sekte zu schüren und andere
Mitglieder vor einem ähnlichen Schicksal abzuschrecken.
Jeder Prozess wird vom Regenten überprüft, ungeachtet
des Ergebnisses. Wenn die Schlussfolgerung der Häresie
oder des Infernalismus ein unschuldiges Mitglied des Sabbat
das Unleben gekostet hat, wird der vorsitzende Richter der
Inquisiten wegen Inkompetenz vernichtet.
Spielmechanik
Eiserne Reliquiaren
Die Eiserne Reliquiaren eines Inquisitors sind sein Abzei-
chen und jedes wird direkt vom Regenten verliehen. Reli-
quiaren dienen ebenfalls als heilige Symbole, auf die Inqui-
sitoren (und andere Personen) Eide der Wahrheit ablegen
(obwohl es über keinerlei Macht verfügt, um einen solchen
Eid zu erzwingen). Ein Reliquiar ist eine aus Eisen geschmie-
dete, stilisierte Variante des Symbols des Sabbat. Es kann
wie ein Dolch gehalten und geführt werden und verfügt häu-
fig über spitze Stachel oder scharfe Kanten.
In einigen Chroniken oder bei einigen Inquisitoren könn-
ten die eisernen Reliquiaren ihrem Träger auch besondere
Kräfte durch Wahren Glauben zuteilwerden lassen. Jedes
Reliquiar ist einzigartig und Reliquiaren von erschlagenen
Inquisitoren werden zerstört. Der Regent bearbeitet jedes
Reliquiar, ehe er es einem Inquisitor überreicht, damit die
Verbindung zum Regenten über Auspex wahrgenommen
und die Echtheit des Eisernen Reliquiars bestätigt werden
kann.
124 Kapitel Sechs: Die Verdammten
Infernale Inquisitoren
Es gibt moderne Legenden im Sabbat, dass ein Inquisi-
tor als heimlicher Infernalist entlarvt worden sei. Scho-
ckierend! ... doch wenn auch möglich, eher unwahr-
scheinlich.
Inquisitoren werden durchgehend von den Beobachtern
überwacht und die Inquisition wird von Agenten des
Regenten beaufsichtigt. Es wäre nahezu unmöglich, dass
einer zum Infernalisten wird oder eine Beziehung zu
einer dämonischen Kreatur unterhält, ohne dass er von
seinen Kollegen oder den Handlangern des Regenten
entdeckt und vernichtet wird. Die Inquisition unterhält
im Santo Oficio zudem Aufzeichnungen, Blut und Log-
bücher zu jedem aktiven Inquisitor, um sicherzustellen,
dass dies nicht passiert. Die Sekte ist sich wohl bewusst,
dass die Inquisitoren über das meiste Wissen zu diesen
Themen verfügen und wachen akribisch darüber, dass
aus solchem Wissen keine praktische Umsetzung wird.
Animus Ligature
Voraussetzungen: Auspex •• und Thaumaturgie •
Mit dieser Kraft kann der Inquisitor Anzeichen tiefster
Verbundenheit auf der Aura einer Person wahrnehmen.
Vinculi, Blutsbande, Ehrenkodizes, Seelenhandel und
geschworene Eide werden als rotes Leuchten auf der Aura
sichtbar und leuchten je nach Intensität heller oder schwä-
cher. Wenn dieses Leuchten für Blutsbande steht, erhält der
Inquisitor einen visuellen Eindruck der anderen Person in
dieser Verbindung (doch selbstverständlich keine Wahrneh-
mung der Gefühle der anderen Person oder ob dieses Band
auch erwidert wird). Wenn das Leuchten für einen Eid oder
einen Ehrenkodex steht, wird der Inquisitor nur spüren,
dass das Ziel ein Versprechen, einen Eid oder eine Schuld
sehr ernst nimmt, jedoch nicht, ob es sich hierbei um ein
infernales Band handelt oder wem gegenüber dieses Verspre-
chen abgegeben wurde.
System: Nachdem der Charakter das Ziel zumindest
einige Sekunden anstarrt, würfelt der Spieler auf Wahrneh-
mung + Empathie (Schwierigkeit 8). Ein Scheitern bedeu-
tet, dass das Leuchten zu undeutlich ist, um es vom Rest
der Aura des Ziels zu unterscheiden. Diese Kraft zeigt auch
infernale Pakte, doch unterscheidet es sie nicht von anderen
Eiden oder einem Ehrenkodex. Das Leuchten von Blutsban-
den oder Vinculi ist deutlich, doch es obliegt dem Inquisitor
herauszufinden, warum es weitere Lichtreflexe in der Aura
des Zieles gibt.
Das Erlernen dieser Kombinationskraft kostet 12 Erfah-
rungspunkte.
Die Josianer
„Und er sprach zu Joschija, „Reiße ein ihr Königreich.
Denn sie haben mich aufgegeben und huldigen Dämonen.
Sie sind nicht meinen Pfaden gefolgt, noch haben sie
in meinen Augen Rechtes getan.“
Obwohl das Teuflische schon lange vor den Anfängen der
niedergeschriebenen Geschichte existierte, hat der Sabbat
seine Inquisition erst im 19. Jahrhundert ins Leben gerufen.
Die Camarilla brauchte ungefähr ähnlich lange, um die tat-
sächlichen Gefahren durch Teufelsanbeter zu akzeptieren.
Nach dem biblischen König Joschija benannt, der die Vereh-
rung des Gottes Moloch durch Opfer im Tal von Gehenna
beendete, sind die Josianer ein Orden der Archonten, die
sich auf das Ausmerzen verschiedener Gehenna-Kulte und
Infernalisten in der Camarilla spezialisiert haben. Ihr Ansin-
nen besteht darin, das Geschwür der Ketzerei herauszu-
schneiden, die Camarilla vor dämonischer Korrumpierung
zu verteidigen und Texte sowie Wissen über die Praktiken
von Gehenna aufzuspüren (und zu studieren), falls die
kleinste Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Kulte doch
richtig liegen.
In Alten Tagen
Die Geschichte der Josianer beginnt an einem seltsamen Ort
während des Aufschwungs der Stadt Karthago. Die Brujah
sprechen von Karthago als einem glorreichen Imperium, wo
Sterbliche und Vampire in Frieden lebten und das stimmt
auch, obwohl sie die dunkle Seite der Geschichte unterschla-
gen. Tatsächlich war Karthago dazu noch das Zuhause eines
degenerierten Blutkultes. Auch Assamiten lebten dort und
dienten als Richter sowie Bewahrer des Friedens. Baal und
andere höllische Wesen wurden in Tempeln angebetet, die
aus Obsidian erbaut und in Blut getränkt wurden.
Nach dem Zweiten Punischen Krieg hatte der Malkavia-
nische Seher Tryphosa eine Vision des Infernalismus und
der Verderbnis in Karthago. Er ging zu den Ventrue Roms
und verlangte von ihnen, dass sie die Stadt niederrissen, ehe
das Übel der Baali sich weiter ausbreitete. Die Ventrue, als
entschlossene Rivalen der Brujah, nahmen diese Heraus-
forderung an. Verbündet mit den Malkavianern und den
Toreador belagerten die Truppen der Ventrue die Stadt und
kämpften gegen die geeinten Kräfte der Brujah, der Assami-
ten und der Baali.
Seit diesen Tagen hat es sich ein kleiner Klüngel Ahnen
aus den drei Clans – Ventrue, Malkavianer und Torea-
dor – zur Aufgabe gemacht, Infernalisten und Dämonen-
anbeter aufzuspüren, zu jagen und auszulöschen, wo auch
immer sie zu finden sein mögen. Diese Gruppen wurden als
erstes vom Ventrue Lysander, einem Toreador-Methusalem
aus Afrika namens Adanaya und dem Malkavianer Tryphosa
(bis zu seiner vermeintlichen Vernichtung) organisiert, mit
der Unterstützung vieler anderer, die am Fall Karthagos
beteiligt waren. Sie wählten diesen Weg nicht auf Grund
eines heiligen Glaubens, sondern aus eigener Motivation
BLUTRITEN
heraus – persönliche Vergeltung, Angst vor Infernalisten
und Hass auf Baali. Wie alle Ahnen jener Zeit kämpften sie
nicht persönlich, sondern agierten heimlich durch ihre Blut-
linie und durch blutgebunde Vampire.
Seither haben jene, die diesen mächtigen Ahnen dienen,
die Auslöschung alles Dämonischen fortgeführt, wo auch
immer sie es gefunden haben. Durch das Erheben und
Fallen von Prinzen während der Anarchenrevolte und der
Gründung der Camarilla, durch das Viktorianische Zeitalter
und bis in die heutigen Nächte haben diese Blutlinien ihre
Anstrengungen heimlich fortgeführt. Sie haben über Jahr-
hunderte Kontakt zueinander gehalten und im Untergrund
an der Auslöschung der infernalen Korrumpierung gearbei-
tet.
Eigenbrötlerische Archonten
Im Jahre 1764 kam der Innere Zirkel der Camarilla zu sei-
ner zweiundzwanzigsten Versammlung zusammen. Die Hell-
fire Clubs in London waren zu jener Zeit in der sterblichen
Gesellschaft besonders beliebt und die dekadente, okkulte
Faszination beeinflusste auch die kainitische Kultur. Die
Kontrolle der Kirche über Europa ließ nach und Mystizis-
mus sowie Aberglaube standen mit dem Glauben auf Kriegs-
fuß. Die Camarilla war überschwemmt mit ketzerischen
Doktrinen, dekadenten Klüngeln und pseudo-religiösen
Kulten. Um dem entgegen zu wirken, gründete der Innere
Zirkel eine Gruppe Archonten, die mit der Aufgabe betraut
wurde, Kulte und Ketzerei auszumerzen. Es wird gemun-
kelt, dass die Tremere Meerlinda den Namen „Josianer“ in
Anlehnung an den biblischen Mythos einwarf und ihnen
dieses heimliche Ziel auftrug.
Der alte anti-Karthago-Klüngel entdeckte die Josianer
und ihre heimliche Mission, womit deren Interesse geweckt
waren und sie ihre Diener und Nachfolger in dieser Reihe
der Archonten positionierten, sodass sie die Ressourcen der
Camarilla zu ihren eigenen Zwecken nutzen konnten. Sie
zeugten Kinder oder brachten Marionetten in Stellung, die
sie heimlich mit der entsprechenden Ausbildung und den
notwendigen Fähigkeiten versahen, damit sie gleichermaßen
Infernalisten wie Gehenna-Kulte innerhalb der Sekte aufde-
cken konnten.
Die Industrielle Revolution brachte einigen Aufruhr in
die Camarilla. Die Welt veränderte sich sehr schnell und
die Stagnation der Vampirahnen wurde immer ersichtlicher.
Obwohl die Josianer großartige Arbeit leisteten, bröckelte
die Unterstützung des Inneren Zirkels und schon bald wurde
die Aufmerksamkeit (und damit die Ressourcen) des Justi-
cariats auf andere Angelegenheiten gelenkt. Da es immer
schwerer wurde, die teuflischen Diener auszumachen, ver-
loren die Josianer ihren Fokus und ihre Zahl begann zu
schwinden. Ihre Effektivität wurde häufig durch Politik und
innere Querelen der Camarilla behindert.
Über mehr als ein Jahrhundert arbeiteten die Josianer
für sich und folgten der Führung einer Ventrue.Ahnin,
Archontin Margause Devereaux und ihrem Begleiter, Henri
125
 d’Acquitaine der Malkavianer. Devereaux wurde zur Leite-
rin des Josianerordens ernannt und übernahm die Grup-
pierung offiziell. Um allerdings die Aufgabe des Ordens
geheimzuhalten, erhielten ihre Anstrengungen nie ein Lob
und ihre Erfolge wurden stets vor der Mehrheit der Sekte
geheimgehalten.
Im Jahre 1999 sind die Josianer und ihre geheime Mis-
sion innerhalb der Sekte beinahe in Vergessenheit geraten,
von dringenderen Anliegen verdrängt. Wer Teil des Ordens
war, erfüllte weiterhin seine Pflicht, obwohl dies über lange
Strecken ohne Aufsicht und Unterstützung geschah. Die
Prinzen, die mit dem Begriff „Josianer“ überhaupt noch
etwas anfangen konnten, hielten sie für kaum mehr, als
eigenbrötlerische Archonten: Spinner und Exzentriker,
denen von wichtigen Teilen der Gesellschaft keine Beach-
tung geschenkt wird. Wären nicht die persönlichen Anstren-
gungen der Archontin Devereaux gewesen, um die Josianer
arbeitsfähig zu halten, wäre der Orden zerfallen und in der
Vergessenheit versunken.
Struktur
Archonten der Josianer arbeiten im Stillen und behalten
ihre Effektivität als unerkannte Akteure bei, indem sie von
Zeit zu Zeit ihre Identität wechseln. Sie arbeiten immer als
Paare zusammen: ein Archont und ein Begleiter. Norma-
lerweise sind beide auf vielen verschiedenen Gebieten aus-
gebildet und arbeiten als Alleskönner. Jeder Josianer muss
infiltrieren, ermitteln und sich auch ohne Unterstützung
von Vorgesetzten oder anderen Archonten selbst verteidigen
können. Dadurch mag er schwächer erscheinen, als andere
Archonten, doch sein Wissen übersteigt das seiner Kollegen
bei Weitem.
Es bedarf keiner bestimmten Bedingungen von Fertigkei-
ten, um als Josianer rekrutiert zu werden, obwohl die meis-
ten neuen Mitglieder bereits Erfahrungen mit Noddisten
oder infernalem Wissen gesammelt haben. Eine Person, die
über große Mengen an Informationen über Dämonologie
verfügt, hat zwei Optionen: als Josianer dienen oder als Ket-
zer sterben. Unglücklicherweise trifft diese Entscheidung
der Josianer, der den Ermittlungen vorsitzt und nicht die
unter Beobachtung stehende Person. Sie sind geeint durch
ihre Ziele und weniger durch ihre Fähigkeiten. Die Anfüh-
rer der Josianer nutzen die sich bei Operationen bieten-
den Gelegenheiten, um das Wissen und die Praktiken der
Kulte zu studieren, was Archontin Devereaux zu einer der
führenden Gelehrten der Camarilla auf den Gebieten der
Mythen Kains, der Kainskinderkunde und okkulter Theo-
logie macht.
Josianer dürfen persönliches Wissen über diese Ketze-
reien sammeln und behalten, obwohl sie keine schriftlichen
Aufzeichnungen über ihre Aktivitäten führen, noch persön-
liche Bibliotheken mit diesem Wissen bewahren sollen. Sie
haben die stille Erlaubnis, im Rahmen ihrer Ermittlungen
mit „Kontakten verachtenswerter Art“ zusammenzuarbeiten
(einschließlich mit Nicht-Vampiren sowie Mitgliedern des
Sabbat und unabhängigen Ketzern). Es ist sogar bekannt,
126 Kapitel Sechs: Die Verdammten
dass während einer Jagd auf einen Ventrue-Infernalisten die
Josianer sich sogar mit einem Kriegsrudel des Sabbat koor-
diniert haben, dem das Ausmaß der Bedrohung durch diese
Kreatur bewusst geworden war.
Autorität
Obwohl die Traditionen der Camarilla infernalistische Akti-
vitäten nicht explizit verbieten, ist die Haltung des Inneren
Zirkels sehr deutlich. Vampire mit Menschlichkeit verab-
scheuen diese Praktiken und alle Akte in Verbindung mit
Dämonologie. Derartige Aktivitäten und Zuwendungen
sind ein Bruch der Maskerade und eine Bedrohung für die
Sicherheit der Sekte. Anhänger des Infernalismus sowie
Kulte, die sich dem Wissen um Gehenna verschreiben, müs-
sen ohne Toleranz ausgelöscht werden. Prinzen, die derarti-
gen Subjekten Unterschlupf gewährt haben, werden in der
Regel vernichtet.
In einer normalen Ermittlung arbeiten der Josianer und
sein Begleiter als ein Team, wobei einer in der Regel verdeckt
ermittelt und der andere einen sicheren Rückzugsort und
Unterstützung bereithält. Wenn ein Kult überführt oder ein
Infernalist ausgemacht wurde, hat der Josianer die Befugnis,
diese Person zu vernichten, auch wenn die Politik der Cama-
rilla den Einsatz dieser Befugnisse manchmal etwas schwie-
rig gestaltet.
Ein Josianer darf unter diesen Umständen den örtlichen
Prinzen um Unterstützung bitten. Wenn die örtlichen Kräfte
untauglich oder kompromittiert sind, kann der Josianer wei-
tere Archonten herbeirufen (normalerweise andere Josianer,
doch nicht immer). Technisch gesehen bedeutet die Tradi-
tion der Domäne, dass der Prinz keinerlei Verpflichtung
unterliegt, dem Josianer beizustehen. Dennoch verfügen die
meisten Prinzen über ausreichend Verstand, um einzusehen,
dass alles andere als sofortige und eifrige Unterstützung in
einer Anklage wegen Unterbringung von Ketzern münden
könnte – oder sogar in der Anschuldigung selbst ein Ketzer
zu sein.
Ein Josianer hat nominell die Ermächtigung, um eine
komplette Domäne abzuriegeln, obwohl er damit vermut-
lich sein Glück herausfordern würde. Er kann ebenfalls
erlassen, dass alle Kainskinder der Domäne per Dekret
nun als Frevler gelten. Frevler dürfen keinen Status oder
eine Position innehaben, ihnen werden alle Gefallen abge-
sprochen und sie können ohne Wahrung der Traditionen
vernichtet werden, als sei eine Blutjagd auf sie ausgerufen
worden. Wenn sich ein Vampir mit dem Status des Frev-
lers sofort einem Justicar (oder einem Archonten) stellt,
kann dieser ihn für unschuldig erklären, ihm die Beichte
abnehmen und seinen Status wiederherstellen. Dennoch
kann sich niemand daran erinnern, dass diese Befugnisse
je zum Einsatz kamen und einige Kainskinder zweifeln der-
artig unbeholfene Politik sogar gänzlich an. Dennoch hat
der Innere Zirkel niemals das Einfordern dieser Befugnisse
durch die Josianer abgewiesen.
 Der Innere Zirkel ist sich vollkommen darüber im Kla-
ren, dass die Camarilla von der Basis her zusammenbre-
chen würde, sollte bekannt werden, dass die „Mythen“ um
Gehenna tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Obwohl
sie bis zu einem gewissen Grad die Existenz der Dritten
Generation nicht abstreiten können (einige dieser Ahnen
sind schließlich ihre Erzeuger), halten sie die Gedanken
um ein Erwachen der Vorsintflutlichen, die alle Vampire
abschlachten werden, streng im Zaum, ebenso wie das sich
nähernde, apokalyptische „Ende aller Tage“. Sie unter-
stützen die Josianer, wenn diese Archonten über derartige
Informationen stolpern, ebenso wie ihre Versuche, Gehen-
na-Kulte zu vernichten. Sie unterstützen ebenfalls die Aus-
löschung von Infernalisten und wissen von diesen Unter-
nehmungen. Wenn ein Josianer seine Befugnisse allerdings
missbraucht – oder seine Arbeit zu viel Aufmerksamkeit
erregt – kann der Innere Zirkel aber auch zu dem Entschluss
kommen, dass dieser Archont letztendlich entbehrlich ist.
Infernalisten und Häretiker
Die Camarilla verachtet Pfade der Erleuchtung als Gefahr
für die Maskerade, obwohl die meisten indirekt toleriert wer-
den. Dennoch gibt es einige ethische Glaubensrichtungen,
die abscheulich genug sind, um vom Inneren Zirkel als Ket-
zerei geächtet zu werden. Dies schließt den Pfad der Nacht,
den Pfad der bösen Enthüllungen, den Pfad Kains und den
Pfad Liliths ein. Wer mit Dämonen und anderen infernalis-
tischen Wesen zu tun hat oder jene, die sich freiwillig von
Geistern in Besitz nehmen lassen, kann ebenfalls als Ketzer
verfolgt werden (eine Regel, die Giovanni verärgert).
Wer einem Gehenna-Kult angehört, ist eindeutig ein Ket-
zer. Dies schließt vollkommen den Sabbat mit ein, ebenso
wie Gruppierungen, die Karthago wieder aufleben lassen
oder Enoch entdecken möchten oder die an die Endzeit
glauben (egal ob sie Gehenna verhindern oder herbeiführen
möchten). Wer nach Golconda strebt, einem Zustand der
mit dem berüchtigten Infernalisten Saulot in Verbindung
steht, ist ebenfalls ein Ketzer, sowie jeder, der versucht, einen
Stammvater eines Clans zu finden oder zu erwecken (was
häufig die Setiten mit einschließt).
In jüngster Zeit haben die Josianer Gerüchte über selt-
same Schriften gehört, die in den Kreisen der sterblichen
Jäger die Runde machen sollen. Sie werden Das Apostat
Auguries genannt und es gibt Behauptungen, dass sie von
einem mächtigen Seher der Malkavianer geschrieben wur-
den, der solchen Jägern zum Opfer fiel. Ambrus Kelemen,
ein Archont, unternimmt alles in seiner Macht stehende,
um dieses Schriftstücks habhaft zu werden und festzustellen,
welches Risiko es für die Maskerade darstellt.
BLUTRITEN
Spielmechanik
Falscher Tod
Voraussetzungen: Auspex ••• und Verdunkelung •••••
Diese Kraft kann auf den Anwender oder eine andere Per-
son innerhalb von eineinhalb Metern mit ihrer Zustimmung
angewandt werden. Das Ziel dieser Kraft scheint zu sterben.
Der Tod sieht vollkommen echt aus und kann sogar Rück-
stände hinterlassen. Das Ziel allerdings entschwindet in eine
kleine Parallelwelt, in der keine Zeit vergeht und wird von
der materiellen Welt entrückt. Eine leblose, doch identische
Kopie des Körpers des Opfers liegt ab dem Moment des
Todes stattdessen an seiner Stelle.
Das Ziel bleibt so lange entrückt, bis eine Reihe vorde-
finierter Begebenheiten an dem Ort eingetreten sind, an
dem es „gestorben“ ist. Diese Bedingungen werden vom
Anwender im Moment der Aktivierung der Kraft bestimmt
und können nachträglich nicht verändert werden. Sind die
Bedingungen erfüllt, erscheint die Person exakt an dem
Ort, an dem sie verschwunden ist. Es sind Fälle bekannt, in
denen ein Josianer mit dieser Kraft verschwunden und nie
wieder aufgetaucht ist. Entweder waren die Bedingungen
unpräzise definiert – so wird zumindest vermutet – oder ihre
Erfüllung wurde irgendwie unmöglich.
Falscher Tod ist ein nützliches Werkzeug, um den endgül-
tigen Tod eines Josianers vorzutäuschen, wenn er kompro-
mittiert wurde oder einem verdeckt ermittelnden Josianer
die Möglichkeit zu geben, vermeintlich an einem Opferritual
teilgenommen zu haben. Der Josianer bringt allem Anschein
nach sein Opfer um, beweist so seine Hingabe zum Kult und
kehrt Stunden (oder Wochen oder Jahre) später zurück, um
den Unschuldigen aus seiner misslichen Lage zu befreien.
Der Einsatz dieser Kraft löscht alle Anhaltspunkte über
das Ziel aus. Danach können keine Kräfte wie Herbeiru-
fen, Wasserspiegel oder Hellsehen auf das Ziel angewandt
werden (sie nehmen die Person als tot wahr). Die Fähigkeit,
diese Kräfte erneut auf die Person anzuwenden, kann gemäß
des ersten Einsatzes der Kräfte wiederhergestellt werden. Es
ist bekannt, dass Josianer Falscher Tod regelmäßig auf sich
und ihre Begleiter anwenden, um eine solche Zäsur für alle
einzuleiten, die ihnen möglicherweise nachspionieren oder
ihre Bewegungen verfolgen.
System: Nachdem der Charakter das Ziel zumindest
einige Sekunden anstarrt, würfelt der Spieler auf Wahrneh-
mung + Empathie (Schwierigkeit 8). Das Ziel muss damit
einverstanden sein, diesem Umfeld entfliehen zu wollen,
selbst wenn es die Kraft nicht kennt, die auf es gewirkt wird.
Das Erlernen dieser Kombinationskraft kostet 20 Erfah-
rungspunkte.
127
128 Kapitel Sechs: Die Verdammten
 Kapitel Sieben:
Geheimnisse
des Blutes
Falls Du ein Geheimnis bewahren willst, musst Du es auch vor Dir selbst verbergen.
– George Orwell, 1984
Eine erschöpfende Dissertation über ein solch breitgefass-
tes Thema wie die Blutmagie wäre unmöglich. Durch den
endgültigen Tod zurückgezogener Blutmagier ist über die
Jahrhunderte zu viel esoterisches Wissen verloren gegangen,
da sie ihren Wissensfundus nie an jemanden weitergegeben
haben. Doch selbst darüber hinaus werden sich zu viele
Blutmagier der heutigen Nächte nicht einmal darüber einig,
was Blutmagie überhaupt ist, um dadurch ein universelles
Verständnis für die Prinzipien dieser Kunst an sich festzu-
stellen. Historisch gesehen verwendeten Okkultisten unter
den Kainskindern Worte wie „Thaumaturgie“, „Nekroman-
tie“ und „Hexerei“, um ihre eigene Magie von denen ihrer
Rivalen abzugrenzen und um ihre Praktiken vor jenen zu
verbergen, die möglicherweise ihr kostbares Wissen stehlen
wollten. In den heutigen Nächten verschwimmt die einst
scharfe Trennlinie zwischen den verschiedenen Ausprägun-
gen der Blutmagie zunehmend.
Ein Pedant könnte nun einwerfen, dass beinahe alles,
was ein Kainskind macht, als Blutmagie angesehen werden
kann. Wie könnte sich sonst ein Vampir jede Nacht aufs
Neue erheben, wenn nicht durch die Macht einer überna-
türlich verbesserten Vitae? Selbst Disziplinen, die für ihren
Einsatz nicht direkt Blut benötigen, werden dennoch vom
Erzeuger an das Kind weitergegeben und im Allgemeinen
kann ein Kainskind nicht mit dem Erlernen von Disziplinen
beginnen, die nicht mit seiner Blutlinie in Verbindung ste-
BLUTRITEN
hen, bis er das Blut eines Vampirs probiert hat, dessen Clan
für diese Disziplin bekannt ist.
Während die meisten Okkultisten unter den Kainskin-
dern Disziplinen niemals als „Blutmagie“ im allgemeinen
Sinne einstufen würden, ist ein Verständnis für die Unter-
scheidung zwischen Disziplinen und Blutmagie notwendig,
um genau nachvollziehen zu können, wann es sich um Blut-
magie handelt und wann nicht. Disziplinen sind geerbte
übernatürliche Kräfte, die durch die Abstammung des
Clans weitergegeben werden. Für Kainskinder der Achten
Generation und höher besteht eine Disziplin aus bestimm-
ten Kräften, die nacheinander erlernt werden müssen. Nur
Ahnen der Siebten Generation und niedriger können die-
sen Umfang erweitern, indem sie durch das Verständnis
des Wesens der Disziplin Kräfte erlernen, die der eigenen
Persönlichkeit des Ahnen entsprechend angepasst sind. Ent-
sprechend des Dogmas der Noddisten stammen alle Diszi-
plinen vom vorsintflutlichen Gründer des Clans (oder bei
Blutlinien vom Stammvater der Linie) und repräsentieren
die Interessen des Gründers sowie seine Entwicklung in
Folge des ihm von Kain auferlegten Fluches. Kurz gesagt,
die Erschaffung erweiterter Disziplinskräfte ist ein Fach-
gebiet der Ahnen und die Erschaffung neuer Disziplinen
die Zuständigkeit der Vorsintflutlichen bzw. zumindest des
Stammvaters einer Blutlinie, die in der Regel ebenfalls eine
sehr niedrige Generation haben.
129
129
 Schwächere Kainskinder ärgern sich über diese natür-
lichen Einschränkungen. Nachdem die Kraft des Blutes
weniger mächtigen Kainskindern nicht die Möglichkeit
bot, selbst neue Disziplinen zu entwickeln, fanden einige
Gelehrte nach Jahrhunderten der Anstrengung die nächst Das Blut und der Wille
beste Möglichkeit. Indem sie sowohl Blut, als auch Willens-
Die in V20 unter Nekromantie beschriebenen
kraft im Zuge einer rituellen Aktivität kanalisierten und
Würfelmechaniken funktionieren etwas anders,
diese mit sterblicher Religion oder okkulten Praktiken in
als die hier beschriebenen. In diesem Buch wird Nek-
Verbindung brachten, lernten diese Kainskinder, wie man
romantie einfach als weitere Form der Blutmagie
etwas erschaffen konnte, das am ehesten als pseudo-Diszi-
behandelt und funktioniert spielerisch genauso,
plinen zu bezeichnen ist: blutbasierte Kräfte, die Strukturen
wie alle anderen Pfade, z. B. durch einen Wurf
von Disziplinen nachahmten, dabei aber weder erblich für
auf Willenskraft, anstatt Attribut + Fähigkeit für
die eigenen Kinder, noch den Ahnen zugänglich waren.
Pfadkräfte und Intelligenz + Okkultismus für alle
Mit der Zeit wurden diese pseudo-Disziplinen als Blutmagie
Nekromantierituale. Ähnlich wird mit Pfaden der
bekannt. Den wahren Disziplinen in vielen Punkten unter-
Hexerei verfahren, wie Akhu oder Koldunische
legen, waren die zahlreichen Pfade der Blutmagie für die
Hexerei, die vorher mit verschiedenen Würfelvorräten
Kainskinder auch nicht so einfach zu erlernen, wie die ange-
arbeiteten und nun aber Willenskraft für alle Pfade ver-
borenen Disziplinen ihrer Clans. Darüber hinaus benötigen
wenden. Wenn der Erzähler dies jedoch wünscht, kön-
sie ausnahmslos immer Blut des Anwenders (manchmal
nen Charaktere, die Nekromantie anwenden oder eine
sogar ungeheure Mengen) und am allerschlimmsten war,
der zuvor abgedeckten Schulen stattdessen auch mit den
dass Fehler bei der Anwendung dieser seltsamen Kräfte häu-
Würfelvorräten aus V20 spielen lassen oder als optio-
fig zu ernsthaften Nebenwirkungen führten, ganz im Gegen-
nale Regel sogar aus älteren Erweiterungen von Vam-
satz zum Missbrauch konventioneller Disziplinen.
pire: Die Maskerade.
Dennoch wurden diese Einschränkungen durch die
mächtigen Vorteile wettgemacht. Abgesehen von den offen-
sichtlichen Vorzügen, wie dem Erschaffen einer de facto
individualisierten Disziplin, stellten die frühen Blutmagier

130 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes

fest, dass sie auch spezielle thematische Rituale zu den magi-
schen Pfaden entwickeln konnten, mit denen sie sich ausein-
andersetzten und im Gegensatz zu den fünfstufigen Diszipli-
nen gab es scheinbar keinerlei Beschränkung bei der Anzahl
an Ritualen, die ein Blutmagier erlernen konnte. Für einen
Vampir einer hohen Generation, der klassischerweise der
Gnade eines Ahnen mit mächtigen, individuellen Disziplin-
sausprägungen ausgeliefert ist, war dies eine beeindruckende
Möglichkeit, um Ausgleich zu schaffen.
Die grundlegenden
Prinzipien
Alle Arten der Blutmagie teilen sich bestimmte Gemeinsam-
keiten: grundlegende Prinzipien des Aufbaus bieten einen
Rahmen für alle angehenden Blutmagier, um die Künste
zu gestalten. Es gibt vier Größere Prinzipien und zahlreiche
kleinere Prinzipien. Die Größeren Prinzipien sind das Prin-
zip des Blutes, des Willens, des Wissens und der Identität.
Das Prinzip des Blutes
Das Prinzip des Blutes ist für Neugeborene am einfachsten
zu verstehen. Vereinfacht gesagt, ist Blutmagie komplett
abhängig vom Einsatz von Vitae der Kainskinder. Kein
Nicht-Vampir wird jemals Blutmagie wirken können, wie es
ein Kainskind vermag. Ghule, die eine angemessene Ausbil-
dung in der Blutmagie von ihren Herren erhalten, können
die einfachsten Pfade und Rituale erlernen (wenn auch erst
nach Jahren der Ausbildung), doch ein Sterblicher ohne den
Segen der Vitae der Kainskinder wird niemals die Effekte
eines Pfades der Hexerei kopieren können, selbst wenn der
Pfad sich ausdrücklich auf einen magischen Stil beruft, in
dem der Sterbliche ein Experte ist. Ohne Ausnahme benö-
tigt jede Kraft im Zusammenhang mit den Pfaden der Blut-
magie die Aufwendung von mindestens einem Punkt Vitae
und einige Kräfte (sowie viele Rituale) sogar noch mehr.
Das Prinzip des Willens
Das Prinzip des Willens ist ebenso geradlinig. Jede Mani-
festierung der Blutmagie ist das Ergebnis der Konzentration
des Vampirs und der Ausübung seines Willens, um diesen
Effekt wahr werden zu lassen. Man beachte unbedingt, dass
dieses Prinzip sich auf den Willen bezieht, anstatt auf den
Glauben. Obwohl viele Pfade der Blutmagie und Schulen der
Hexerei sich implizit oder gar explizit auf archaische religiöse
Praktiken begründen, ist es keine feste Bedingung, dass der
Blutmagier ein Gläubiger der zugrundeliegenden Religion
ist. Einige Anwender sind Gläubige, wie beispielsweise die
Old Skool-Anarchen, die schon zu Lebzeiten Anhänger des
Voudoun oder Santería waren und diese Praktiken übernah-
men, um sie ihren Bedürfnissen der Voudoun-Nekromantie
anzupassen. Punk-Hexer dagegen, die Voudoun-Nekroman-
tie nur wegen ihrer Brutalität und ihrer verstörenden Anzie-
hungskraft auf ihr persönliches Verständnis praktizieren,
BLUTRITEN
können darin genauso geübt sein, wie jene Old Skooler, die
die Loa anbeten. Tatsächlich gibt es einige Anhaltspunkte,
die darauf hindeuten, dass es besser ist, ein Ungläubiger zu
sein, als zu den Gläubigen zu gehören. Es gibt Geschichten,
die darauf hindeuten, dass religiöse Anbetung übernatürli-
cher Mächte, die durch Blutmagie beschworen werden, den
Magier einem höheren Risiko aussetzen, besessen zu werden
oder einem anderen bösartigen Effekt zu unterliegen.
Für die Spielmechanik bedeutet das Prinzip des Willens
einfach, dass alle Aktivierungswürfe der Blutmagie Willenskraft-
würfe sind. Es ist nicht möglich, dass ein Blutmagier verse-
hentlich Kräfte der Blutmagie entfesselt (z. B. in Raserei).
Entsprechend werden die Resultate, wenn sie erfolgreich
herbeigeführt werden, beinahe niemals von den Wünschen
des Anwenders abweichen. Der Vampir könnte beim Ver-
such, einen Effekt zu erzielen, komplett scheitern und dieses
Scheitern könnte katastrophale Nebenwirkungen zur Folge
haben, doch solche Nebenwirkungen werden zu keinen wild
gewordenen Zaubern oder bösartigen magischen Auswir-
kungen führen (obwohl einige Pfade, die den Umgang des
Blutmagiers mit Geistern oder Dämonen erfordern, beinahe
jedes Phänomen hervorrufen können).
Derartige Desaster haben eher den Vampir selbst zum Ziel,
besonders, wenn es zu einem Brechen des Willens kommt,
weil der Anwender nicht stark genug war, um die Kräfte zu
kontrollieren, die er kanalisieren wollte. Während Patzer bei
Disziplinen normalerweise zur Folge haben, dass der Vam-
pir diese Disziplin für eine kurze Zeit nicht mehr erfolgreich
gegen dasselbe Ziel anwenden kann, sind Patzer bei der Blut-
magie weit ernstzunehmender und gipfeln in desaströsen
Konsequenzen, einschließlich möglicher schwerer Schäden
an der Psyche des Kainskindes (in Form von verlorener tem-
porärer Willenskraft oder sogar dem permanenten Verlust
von Punkten).
Für einen Anwender von Thaumaturgie oder Nekroman-
tie ist das an sich schlimm genug. Für Okkultisten, die in
noch dunkleren Tiefen obskurer Pfade der Blutmagie ein-
tauchen, können Fehler noch schlimmer sein. Wenn ein
Blutmagier beim Aktivierungswurf zu einem Pfad patzt,
erleidet er einen kurzzeitigen psychologischen oder physio-
logischen Knacks entsprechend des fehlgeschlagenen Pfades.
Jede Schule der Hexerei verflucht ihre Anwender auf andere
Art für ihre Inkompetenz. Diese Rückkoppelung hält nor-
malerweise für die restliche Nacht an, obwohl Mitglieder
eines Clans, der eng mit einer Schule verbunden ist, von
dieser expliziten Strafe verschont bleiben können. Es obliegt
dem Erzähler, vergleichbare Nachteile aufzuerlegen, anstatt
derer in der Übersicht.
Das Prinzip des Wissens
Das Prinzip des Wissens besagt, dass kein Vampir eine
Variante der Blutmagie intuitiv oder durch die Beobachtung
anderer Anwender erlernen kann. Jeder angehende Blutma-
gier muss das okkulte Wissen aktiv erlernen, das mit seiner
Schule in Verbindung steht und sich ein tiefes empirisches
Wissen über die arkanen Praktiken eines jeden Pfades und
131
 Patzer und Hexerei
Patzer bei Dur-An-Ki sorgen dafür, dass der Ashipu kurzzeitig die Verbindung zu den Geistern verliert, von denen er
seine Macht erhält. Der Ashipu erhält temporär (und umgehend) die Geistesstörung Fugue (siehe V20, S. 291). Assa-
miten-Hexer leiden nicht unter diesen Auswirkungen, aber alle anderen Ashipu der Assamiten schon, ebenso wie alle
anderen Ashipu aus anderen Clans.
Bei einem Patzer der New Age-Hexerei erfährt der Hexer einen Anfall von Wut auf jene, die seinen Glauben verun-
glimpfen und seine Wahrheit ablehnen. Spielerisch wirkt sich das wie eine Art der Geistesstörung Paranoia (siehe V20,
S. 292) aus, außer dass die Quelle der Paranoia des Vampirs eine kaum definierte Verschwörung von Gruppierungen
oder Personen darstellt, die alles Wissen um seine „Erleuchtung“ unterdrücken. Die Verschwörung kann aus allem mög-
lichen bestehen, vom Inneren Kreis der Camarilla, über die Trilaterale Kommission, bis zu den grauen Aliens aus der
Area 51, je nachdem welchen Glauben der New Ager als Grundlage für seine magischen Theorien verwendet.
Patzer bei Koldunen und Old Skoolern verursachen beim Hexer eine psychosomatische Aversion gegen heilige Symbole,
die den Grad der Schwäche Angst vor Kreuzen (V20, S. 495) annehmen kann. Die Schwierigkeit, um Rötschreck zu
widerstehen, entspricht (4 + Stufe der Hexerei des Anwenders).
Patzer bei der Punk-Hexerei verursachen beim Vampir normalerweise die Geistesstörung Hysterie (siehe V20, S. 291).
Der Punker wird noch schneller wütend als sonst und erfreut sich an der Zerstörung aller Symbole der Autorität.
Patzer bei der Setitenhexerei, egal welcher Schule, machen den Hexer extrem lichtscheu. Wenn er besonders hellem
Licht ausgesetzt wird, muss der Hexer auf Rötschreck gegen eine Schwierigkeit von (4 + Pfadwert des Hexers) würfeln.
Lektor-Priester der Setiten erleiden diese Auswirkungen nicht.
Patzer bei der Geisterthaumaturgie (egal durch welche Hexerei man Zugang zu diesem Pfad erhält) öffnen den Vampir
für Besessenheit durch einen Geist oder sorgen zumindest dafür, dass er glaubt, besessen worden zu sein. Behandeln Sie
dies wie eine Manifestierung der Geistesstörung Multiple Persönlichkeitsspaltung, wobei sich die momentan dominante
Persönlichkeit auf den entsprechenden Geist bezieht (siehe V20, S. 292).

eines jeden Rituals aneignen. Das Prinzip des Wissens ist
im Bereich der Rituale am relevantesten, da alle Ritualwürfe
mit Intelligenz + Okkultismus abgelegt werden. Folglich darf
der Vampir, wenn er ein erfolgreicher Blutmagier werden
will, weder dumm noch ungebildet sein. Dieses Prinzip ist
auch der Ursprung der Tradition, dass Blutmagier einen
Primärpfad auswählen müssen. Der Pfad, den der Hexer
als erstes auswählt, bestimmt sein Verständnis aller anderen
Pfade und kein sekundärer Pfadwert darf jemals über dem
Wert des Primärpfades liegen, ehe der Primärpfad vollstän-
dig gemeistert wurde.
Das Prinzip der Identität
Abschließend das Prinzip der Identität, das den Grad der
Verbindung angibt, über den der Blutmagier sein Ziel kor-
rekt mit seiner Magie anvisieren kann. Wenn der Blutma-
gier Kräfte im Zusammenhang mit einem Pfad beschwört,
muss er seine Aufmerksamkeit auf sich selbst, eine Person
oder einen Gegenstand in seinem Sichtfeld lenken. Es ist
beispielsweise nicht möglich, dass ein Hexer mit einem sei-
ner Pfade jemanden zum Ziel nimmt, den er in einer Live-
übertragung im Fernsehen sieht, obwohl einige Anarchen
diese Beschränkung umgehen können, indem sie Kameras
mit dem Ritual CCTV vorbereiten.
Für einige Pfade reicht sogar nicht einmal eine klare Sicht-
linie aus und der Blutmagier muss seinem Ziel nahekom-
men oder es sogar berühren. Rituale bieten eine höhere
Reichweite, doch auch diese sind dadurch beschränkt, dass
der Blutmagier das ferne Ziel übernatürlich identifizieren
muss. In alten Zeiten konnte man dies über eine Beschwö-
rung über den Wahren Namen erreichen, doch diese Macht
ist über die vergangenen Jahrhunderte zunehmend verloren
gegangen und in den heutigen Nächten können nur noch
Geister und ähnliche Kreaturen auf diese Weise gebunden
werden. Viele Schulen der Blutmagie handeln mit alten
Listen mit Wahren Namen von Engeln, Dämonen, Totems
und anderen Geistern, besonders die Tremere, die es in den
heutigen Nächten geschafft haben, am meisten Macht aus
Wahren Namen zu erlangen. Für Kreaturen aus der mate-
riellen Welt reicht stattdessen auch Blut. Dies gilt ­besonders

132 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes

 spezielle Stufe der Verbindung gelten die Schwierigkeitsmo-
difikatoren aus der Tabelle. Keine Kombination von Schwie-
rigkeitsmodifikatoren kann weder die Schwierigkeit über 9
Auf der anderen Seite … anheben, noch sie unter 4 senken. Wenn die Schwierigkeit
durch Modifikatoren normalerweise über 9 steigen würde,
Obwohl bei allen Ritualwürfen die Annahme zu kann das Ritual mit einem so niedrigen Grad der Verbin-
Grunde liegt, dass sie mit Intelligenz + Okkultismus dung nicht durchgeführt werden. Der durch das Prinzip der
abgewickelt werden, kann der Erzähler – wenn es ihm Induktion auferlegte Schwierigkeitsmodifikator kann durch
angemessen erscheint –, als optionale Regel, Okkultis- die Anwendung des Prinzip des Analogzaubers verändert
mus durch eine andere Fähigkeit ersetzen, die besser werden.
zum besagten Anwender oder den Themen der Chronik
passt. Beispielsweise könnte ein Punk-Hexer Okkultis- Schwierigkeits­ Beispiele für
mus durch Szenekenntnis ersetzen, um damit die Tat- modifikator Verbindungen
sache widerzuspiegeln, dass seine Magie auf modernen -1: Ein Blutpunkt des Ziels oder
Legenden und zeitgenössischer Folklore basiert, anstatt ein abgetrenntes Körperteil,
auf esoterischem Wissen. Ein Hacktivist könnte Okkul- mindestens von der Größe eines
Fingers.
tismus mit Computer tauschen, wenn er Rituale rund
um Computerprogramme oder durch das Internet akti- Kein Modifikator: Eine Haarsträhne, ein Finger­
viert. Ein Lektor-Priester der Setiten oder ein Ashipu nagel oder eine andere Kör-
perflüssigkeit als Blut. Ein vom
des Dur-An-Ki könnte auf Okkultismus verzichten, Ziel geschaffener magischer
wenn er dafür ein individuelles Fachgebiet in kompa- Gegenstand (z. B. durch ein
rativer Theologie oder Religionsgeschichte verwendet. thaumaturgisches Ritual) reicht
Ohne die Zustimmung des Erzählers werden jedoch alle ebenfalls auf dieser Stufe.
Rituale über die Fähigkeit Okkultismus abgewickelt. +1: Ein physisches Objekt, das für
das Ziel von Wert war.
+2: Ein physisches Objekt, das
dem Ziel gehörte und das es
innerhalb einer Woche vor dem
Wirken regelmäßig berührt hat.
für Vampire, und ein einzelner Blutpunkt, anständig in Ein Gegenstand mit einem
einem Ritual verpackt, erlaubt es dem Anwender, sein Ziel frischen Fingerabdruck des
über jede Entfernung hinweg zu beharken. Im Falle anderer Ziels. Ein Blutpunkt des Ziels
Rituale kann ein Ziel über Entfernung auch mit einem Ana- oder ein abgetrenntes Körperteil
eines Blutsverwandten des Ziels.
logzauber angepeilt werden.
+3: Ein physisches Objekt, mit dem
das Ziel zumindest ein Mal in
Prinzipien der Analogmagie der Woche zuvor Kontakt hatte.
Die folgenden Kleineren Prinzipien – Induktion und Ana- +4: Ein neueres Bild des Ziels.
log-Magie – sind dem Prinzip der Identität untergeordnet. +5: Der Name des Ziels, geschrie-
Gemeinsam beschreiben sie, was als Analogzauber bekannt ben auf einem Blatt Papier.
ist: der Prozess, durch den ein Blutmagier jemanden oder
etwas ins Visier nehmen kann, ohne dass es unmittelbar Das Prinzip des Analogzaubers (auch bekannt als das Prin-
anwesend ist. zip der Gleichartigkeit) wird häufig durch die Analogie „Ähn-
Das Prinzip der Induktion beschreibt, dass Dinge, die liches verursacht Ähnliches“ zusammengefasst. In anderen
einst verbunden oder gemeinsam Teil eines Ganzen waren, Worten kann man mit Magie dafür sorgen, dass Dinge, die
auch dann noch eine Verbindung bewahren, nachdem sie sich in einigen Punkten ähneln, auch in anderen Aspekten
getrennt wurden. Umso stärker die physische oder emotio- Ähnlichkeit bekommen. Die „Voodoo-Puppen“-Fetische,
nale Verbindung während dieser Zeit war, desto stärker ist die mit einigen Schulen der Nekromantie in Verbindung
auch das Band nach der Trennung. Beim Wirken eines Ritu- gebracht werden, sind ein hervorragendes Beispiel für dieses
als gegen ein entferntes Ziel ist es somit hilfreich, etwas mit Prinzip: es wird eine Puppe hergestellt, die das Ziel des Zorns
einzubeziehen, das einst ein Teil des Ziels oder – in Erman- des Vampirs darstellen soll und entsprechend erleidet die
gelung dessen – einer Sache, die einst im Besitz des Ziels Person, die damit dargestellt wird, wo auch immer sie sein
war. Idealerweise besteht dieses eingebundene Element aus mag, auch das, was der Puppe zugefügt wird.
einem Blutpunkt des Ziels. Weniger persönliche Verbindun- Im Allgemeinen werden Analogie und Induktion gemein-
gen verursachen zunehmend steigende Würfelabzüge auf sam angewandt. Der Vampir muss das beim Ritual verwen-
den Ritualwurf. dete Bildnis mit einem Wurf auf Intelligenz + Handwerk
Einige Rituale benötigen eine bestimmte Stufe der Verbin- (Schwierigkeit 8) herstellen. Als absolutes Minimum muss
dung, normalerweise einen Punkt Vitae. Bei Ritualen ohne der Vampir bei der Fertigung der Puppe zumindest den

BLUTRITEN 133
 Zeremonielle Elemente
Folgend einige der gängigsten zeremoniellen Elemente,
die mit den verschiedenen Schulen der Blutmagie asso-
ziiert werden.
Akhu: Frühe ägyptische Ikonographie, Altäre und Tem-
pel, die durch Gebete an Seth oder mit ihm verbündete
ägyptische Götter geweiht wurden; Handlungen, die
Verachtung gegenüber Seths Widersachern unter den
Göttern zum Ausdruck bringen; natürlich Schlangen
aller Art.
Dunkle Thaumaturgie: „Satanistische“ Bildsprache,
wie umgedrehte Pentagramme oder Darstellungen des
gehörnten Teufels, blutige und geschändete Altäre;
Handlungen, die in anderen Abscheu erregen sollen;
Menschenopfer.
Dur-An-Ki: Babylonische Astrologie, rituelle Anrufung
alter Gottheiten aus dem Nahen Osten, ekstatische
Aktivitäten, Amulette und andere Talismane; Tempel-
stätten, die rituell für die Ausführung mesopotamischer
Rituale gesegnet wurden.
Koldunische Hexerei: Elemente des osteuropäischen
Heidentums; rituelle Tieropfer; gesegnete „grüne Fle-
cken“, an denen eine direkte Verbindung zur Erde mög-
lich ist; physische Stätten in Osteuropa (oder solche,
die sich in ihrem Aussehen auf die Geographie und die
Kulturen Osteuropas beziehen).
Nahuallotl: Mesoamerikanische Bildnisse und Ikono-
graphie. Menschenopfer. Bei praktizierenden Setiten
steht Quetzalcoatl über allen anderen Göttern.
New Age-Hexerei: Meditation, Drogen, Kristalle, New
Age-Trance-Musik, Elemente im Zusammenhang mit
bestimmten New Age-Praktiken, denen der jeweilige
Hexer anhängt, Kultisten (Sterbliche oder andere), die
dem Glaubenssystem des Hexers anhängen.
134 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
Old Skool-Hexerei: Rituelle Tieropfer, Anrufung heid-
nischer Gottheiten, zeremonielle Dolche, selbst zuge-
fügte Wunden, Orte im Freien, die mit steinzeitlichem
Umfeld zu tun haben (Höhlen, Steinkreise, Haine, etc.).
Punk-Hexerei: Absichtlich inszenierte Gewalt, Akte
zivilen Ungehorsams gegen Autoritätspersonen, Akte
wider der konventionellen Moralvorstellungen und
des ästhetischen Empfindens, individuelle Sigilen des
Hexers (oft in eigener Vitae geschrieben), magische
Symbole und wahllos zusammengesammelte Insignien
von rivalisierenden Stilen.
Sadhana: Hinduistische Bildnisse und Ikonographie,
besonders Shiva zugehörig. Zeremonielle Feuer. Rituelle
Reinigung und Meditation. Demütigung des Fleisches.
Thaumaturgie der Hacktivisten: Computer und
andere High-Tech-Geräte; hermetische Symbole, die
irgendwie in technologische Geräte eingebunden wer-
den, sowie andere zeremonielle Elemente der Thauma-
turgie der Tremere (solange sie einen technologischen
Bezug haben).
Thaumaturgie der Tremere: Pentagramme oder Salo-
monische Siegel, alchemistische Formeln und alchemis-
tisch relevante Elemente (vor allem Quecksilber, Silber,
Gold), Kerzen, rituelle Verwendung von Blut, Anrufun-
gen oder Schriften, die den Symbolismus des beabsich-
tigten Effekts widerspiegeln.
Wanga: Bildnisse im Zusammenhang mit Voudoun,
Santería, Candomble oder Palo Mayombe. Morbide
Insignien und Zubehör (Knochen, Schädel, Graberde,
etc.). Wangateurs unter den Punk-Hexern spielen auch
gerne mit dem „Hollywood Voodoo“-Aspekt ihrer Ritu-
ale, während Old Skooler ihre Religion mit kalter Ernst-
haftigkeit behandeln (wie normalerweise auch Setiten
und Schlangen des Lichts, die diese Schule lernen).
Namen des Ziels einfließen lassen, selbst wenn er ihn nur
auf den Körper der Puppe ritzt oder schreibt, obwohl Klei-
dung oder körperliche Materialien vom Ziel selbst, die in der
Puppe verbaut werden, noch viel besser geeignet sind. Jeder
Erfolg beim Wurf zur Herstellung reduziert den Schwie-
rigkeitsmodifikator auf den folgenden Wurf auf Intelli-
genz + Okkultismus durch eine schwache Verbindung (wie
unter dem Prinzip der Induktion beschrieben) um 1. Den-
noch können die Erfolge bei diesem Wurf die Schwierigkeit
nicht weiter beeinflussen, als die Höhe der Stufe des höchs-
ten Pfades des Blutmagiers, noch können sie die Abzüge
durch eine schwache Verbindung unter null senken.
Prinzipien des
Aufbaus von Ritualen
Die folgenden kleineren Prinzipien gelten für den Aufbau
von Ritualen. Während sie alle über die Gestaltung eines
Rituals im Allgemeinen aufklären, sind einige für die Ent-
wicklung eines bestimmten Rituals wichtiger als andere. Ent-
sprechend können einige Schulen der Hexerei verschiedene
Prinzipien in ihrer Anwendung als allgemeiner Empfinden,
als andere. Diese Prinzipien betreffen vorwiegend die Ästhe-
tik im Zusammenhang mit dem Ritual, z. B. wie ein Tre-
mere-Ritual im Gegensatz zu einem Ritual der Punk-Hexe-
rei aussieht. Dennoch bieten einige Prinzipien optionale
Mechaniken an, die Auswirkungen auf die Ausführung des
Rituals haben können.
Das Prinzip des Zeremoniells besagt, dass ein Ritual
erfolgreicher sein kann, wenn es an einem zeremoniellen
Ort, einem Feiertag oder unter anderweitig zeremoniellen
Bedingungen durchgeführt wird. Umso schwieriger diese
Elemente die Ausführung des Rituals machen, desto mäch-
tiger kann das Ritual werden. Folglich könnte ein einfaches
Ritual Schlag Mitternacht ausgeführt werden müssen. Ein
komplizierteres Ritual könnte nackt bei Vollmond, Schlag
Mitternacht der Wintersonnenwende durchgeführt werden
müssen. Jede Schule der Hexerei hat bestimmte Elemente
oder bildliche Ausdrücke, die als übernatürlich hilfreich gel-
ten. Jedes Ritual, das von einer anderen Schule übernom-
men wird, sollte so verändert werden, dass es angemessene
zeremonielle Elemente einschließt.
Das Prinzip der Komplexität bezieht sich auf das Prin-
zip des Zeremoniells und besagt, dass, umso mächtiger ein
Ritual werden soll, desto komplexer die Aktivitäten zur
Beschwörung des Rituals sein müssen. Alternativ könnte
das Element der Komplexität vom Vampir verlangen, die
Durchführung des Rituals über mehrere Nächte oder gar
Wochen zu strecken oder es könnte von ihm etwas objektiv
Einfaches verlangen, das in dieser Situation aber sehr schwer
ist (z. B. „setzen Sie sich eine brennende Kerze auf die nackte
Brust, bis sie vollständig heruntergebrannt ist“). Bezogen auf
die Komplexität eines Rituals könnte bei einem einfachen
Ritual etwas so simples, wie auf den Boden zu spucken,
notwendig sein, während ein komplizierteres Ritual vom
Anwender verlangen könnte, eine lebende Spinne unter
BLUTRITEN
Bonus für Ritualprinzipien
Während die Prinzipien der Ritualgestaltung dem Spie-
ler keine direkten Boni auf das Spiel bieten, kann die
folgende optionale Regel angewandt werden. Wenn der
Spieler durch plastische Beschreibung darlegen kann,
wie der Charakter die Prinzipien der Ritualgestaltung
eingesetzt hat, um die Effektivität des Rituals zu steigern,
kann der Erzähler zusätzliche Würfel für den Wurf auf
Intelligenz + Okkultismus zugestehen. Der Spieler muss
dafür besonders anschaulich beschreiben, wie er die
zeremoniellen Elemente seiner Schule in seine Arbeit
einbindet, wie er die Komplexität des Rituals gesteigert
hat, wie er Elemente eingebunden hat, die über wichtige
Eigenschaften verfügen und – so es anwendbar ist – wie
viele der für das Ritual erbrachten Opfer den Charakter
selbst betreffen. Für solche Schilderungen sollte nicht
mehr als ein +1 Bonus pro beschworenem Prinzip ange-
wandt werden, mit einem zusätzlichen Bonus von +1 für
Spieler, die eine wahrlich denkwürdige Beschreibung
der Ritualvorbereitung und -durchführung abgeliefert
haben.
seine Zunge zu legen, bis das Ritual durchgeführt ist oder die
kommenden sieben Nächte jede Nacht eine Beschwörung
über einer Schale Vitae vorzunehmen.
Das Prinzip der Inhärenz besagt, dass zum Zwecke der
Ritualmagie ein für seine speziellen Eigenschaften bekann-
ter Gegenstand (egal, ob er diese Charakteristiken wirklich
besitzt oder nicht) diese Eigenschaft auf einen anderen
Gegenstand übertragen kann, wenn er Teil des Rituals ist.
Umso schwieriger es ist, einen Gegenstand mit den ange-
messenen Charakteristiken zu finden und ihn in das Ritual
einzubinden, desto effektiver wird das Ritual. Ein einfaches
Ritual könnte ein einfach zu erlangendes Material benöti-
gen, wie die lebende Spinne für Insektenbeine (siehe V20,
S. 229) oder etwas Nachtschatten für Berührung des Nacht-
schattens (S. 149). Ein komplizierteres Ritual könnte nach
problematischeren Materialien verlangen, wie das Ohr einer
noch lebenden Kreatur (damit andere die astrale Gestalt des
Vampirs hören können) bei Flüstern des Geistes (S. 149).
Das Prinzip des Opfers besagt, dass die mächtigsten Ritu-
ale diejenigen sind, die vom Selbstopfer des Vampirs getra-
gen werden. Während die meisten Rituale im Gegensatz
zu Pfadkräften keinen Blutaufwand benötigen, brauchen
einige einfache Rituale Blut und sogar häufig in erheblichen
Mengen. Kompliziertere Rituale erfordern sogar noch dras-
tischere Opfer, wie sich bereitwillig selbst schwer heilbaren
Schaden zufügen. Andere extreme Opfer schädigen den
Anwender nicht oder zumindest nicht direkt. Stattdessen ris-
kiert er damit moralischen oder psychologischen Schaden zu
135
 erleiden, sei es durch das bereitwillige Quälen eines Tiers für
Flüstern des Geistes oder die brutale Opferung eines Kin-
des, die für die Zeremonie von Undschuld des Kinderher-
zens (siehe S. 152) notwendig ist. Im Allgemeinen zählt jede
Handlung als schweres Opfer, die einen Entartungswurf für
Vampire mit Menschlichkeit 4 oder höher nach sich zieht.
Rituale erlernen
(und zunichtemachen)
Für loyale Tremere ist das Erlernen von Ritualen recht ein-
fach ... wenn der eigene Ausbilder zustimmt. Gemäß der
eigenen Regeln der Thaumaturgie, kann ein Tremere eigent-
lich kostenfrei neue Rituale erlernen, doch der Spieler muss
die Erfahrung im Rollenspiel auch ausspielen und dazu
gehört von der Existenz des Rituals zu erfahren, um Erlaub-
nis bitten, die Erlaubnis zum Lernen erhalten und der Zeit-
aufwand, den es im Spiel bedeutet, die notwendige Prozedur
des Rituals zu meistern. (Dieselbe Regel gilt für Giovanni
und andere Blutlinien, die eine feste Bindung zur Nekro-
mantie haben.) Für einen abtrünnigen Tremere unter den
Anarchen oder im Sabbat ist ein einfaches Nachfragen nach
einem Ritual selbstverständlich keine verlässliche Variante,
geschweige denn für Thaumaturgen außerhalb des Clan der
Tremere. Für solche Charaktere (und mit Zustimmung des
Erzählers auch für Tremere-Loyalisten, die sich aus welchem
Grund auch immer dazu entschlossen haben, ein unsanktio-
136 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
niertes Ritual zu erlernen) gibt es die folgenden alternativen
Regeln zum Erlernen eines Rituals.
Ein bereits existierendes Ritual zu erlernen ist ein Prozess
aus zwei Schritten: Zunächst muss der Blutmagier überhaupt
davon erfahren, dass dieses Ritual existiert. Dies erreicht er
mit einem erweiterten Wurf auf Intelligenz + Nachforschun-
gen mit der Schwierigkeit der Ritualstufe + 3. Die notwen-
digen Erfolge werden bestimmt durch die Ritualstufe x 5,
wobei jeder Wurf für eine Woche Spielzeit steht, in der sich
der Spieler mit okkulten Quellen beschäftigt, über gamme-
ligen Büchern brütet und alle anderen Dinge unternimmt,
die notwendig sind, um an „verbotenes Wissen“ zu gelan-
gen. Wenn der Charakter über entsprechende Hintergründe
verfügt (z. B. Mentor, vorausgesetzt besagter Mentor ist eben-
falls Blutmagier), kann der Spieler seinen Wert im Hinter-
grund an Würfeln für jeden Wurf hinzunehmen.
Wenn das Ritual mit der Schule des Blutmagiers zusam-
menhängt, wäre der nächste Schritt das Erlernen des Ritu-
als. Während viele Rituale für Nicht-Initiierte sehr einfach
aussehen, muss jeder einzelne Aspekt eines Rituals exakt
nachgestellt werden, damit die Magie korrekt funktioniert.
Selbst Anarchenrituale, die bei Außenstehenden den Ein-
druck erwecken, sie seien mühelos und improvisiert, kön-
nen dutzende Gesten und Bewegungen beinhalten; nur weil
der Beobachter keine Anrufung durch den Hexer hören
kann, bedeutet das nicht, dass er nicht einen umständlichen
Satz auf Latein, Sumerisch oder COBOL als Fokus für seine
Magie denkt. Das Meistern eines Rituals erreicht man durch
einen erweiterten Wurf auf Intelligenz + Okkultismus mit
 Optionale Regel: Erwerb von Ritualen durch Erfahrung
Die grundlegende Annahme lautet, dass sämtliche Rituale für den Spieler kostenlos sind, aber durch eigenes Handeln
erspielt werden müssen, sei es durch Forschung oder einen Kuhhandel. Dennoch könnte es sein, dass ein Erzähler kei-
nen signifikanten Anteil seiner Spielzeit den Anstrengungen eines Charakters widmen möchte, der neue Rituale erler-
nen will (besonders wenn dieser Charakter der einzige Blutmagier des Klüngels ist und sein Bestreben des Erlernens
neuer Rituale die gesamte Gruppe ausbremst). Entsprechend erlaubt die folgende Regel den Spielern (nach Abstim-
mung mit dem Erzähler), Rituale einfach über Erfahrung zu erwerben, um damit das erlangte Wissen darzustellen, das
er sich in Spielpausen angeeignet hat.
Für loyale Tremere kostet das Erlernen neuer Rituale der Thaumaturgie die Ritualstufe x 2. Dieselbe Regel gilt für Cha-
raktere, die über Nekromantie als Clansdisziplin verfügen und die gerne ein neues nekromantisches Ritual erlernen
möchten. Für alle anderen Charaktere, für die Thaumaturgie und/oder Nekromantie keine Clansdisziplinen darstellen,
liegen die Ritualkosten bei Ritualstufe x 3. Wenn das Ritual der Schule des Blutmagiers gänzlich fern ist, steigen die
Kosten zum Erlernen auf Ritualstufe x 3 (für Charaktere, deren Clansdisziplin Thaumaturgie oder Nekromantie ist)
und auf Ritualstufe x 4 für alle anderen Charaktere, um damit die Komplikationen widerzuspiegeln, die im Erlernen
eines fremden Rituals liegen.
Der Erzähler könnte vom Spieler einige weitere Würfe verlangen, ehe dieser das Ritual erwerben darf. Beispielsweise
könnte er einen Wurf auf Charisma + Politik verlangen, um die Schmeicheleien des Charakters beim Regenten des
Gildenhauses darzustellen oder Intelligenz + Nachforschungen, um die Nachforschungen in den Spielpausen widerzu-
spiegeln. Alternativ könnte er einen unmodifizierten Wurf auf Mentor oder Kontakte verlangen, um damit zu erklären,
wie der Charakter in den Besitz des Rituals gelangen konnte. Angenommen diese Würfe sind erfolgreich (und beden-
ken Sie, dies liegt im Ermessen des Erzählers), müsste der Spieler nun nur noch die Erfahrungspunktekosten ausgeben,
um die Vorteile des Rituals zu erlernen.

einer Schwierigkeit der Ritualstufe + 3. Die notwendigen
Erfolge werden bestimmt durch die Ritualstufe x 5. Jeder
Wurf steht für eine Woche der Analyse, des Auswendigler-
nens und Experimentierens mit dem Ritual, wobei der Cha-
rakter sich auch anderen Dingen zuwenden kann, solange er
sich in dieser Zeit zumindest ein paar Stunden jede Nacht
seinen Studien widmen kann. Wenn der Charakter seine
gesamte Aufmerksamkeit auf den Lernprozess legt und
nichts anderes unternimmt, außer zu trinken, darf er ein
Mal pro Nacht würfeln.
Selbstverständlich setzt die vorangehende Regel voraus,
dass der Vampir ein Ritual überhaupt erlernen und meis-
tern möchte, das mit seiner eigenen Schule in Verbindung
steht. Ein Ritual aus einer anderen Schule zu erhalten und
zu meistern, benötigt einen weiteren Schritt, da der Vam-
pir dieses Ritual an die Praktiken und Thematiken seiner
Schule anpassen muss. Oder wie jüngere Vampire sagen wür-
den: er muss das Ritual „hacken“. Dieser Prozess macht das
Meistern erheblich herausfordernder. Die gesamte Anzahl
an Erfolgen, die er für die Anpassung und das vollständige
Erlernen benötigt, steigen auf Ritualstufe x 10. Der Spieler
darf hier allerdings die gesamte Anzahl an Punkten, über die
er in allen Pfaden der Blutmagie verfügt, von den benötigten
Erfolgen abziehen, bis zu einem Minimum der Hälfte der
Anzahl an Erfolgen. Dieser Abzug repräsentiert inwieweit
der Charakter in seiner eigenen Schule so gewandt ist, dass
es für ihn einfacher wird, sich an fremde Rituale anzupassen.
Thaumaturgische
Pfade
Herrschaft über
die sterbliche Hülle
Der Volksmund warnt vor den Gefahren des Fluchs der
Hexen oder der Fähigkeit eines Magiers, die Schwachen zu
beherrschen und sie seinem Willen zu unterwerfen. In den
frühen Nächten des Clans der Tremere, wurde Herrschaft
über die sterbliche Hülle entwickelt, um gegen die Tzimisce-
und Gangrel-Plünderer zu kämpfen, die ihre Gildenhäuser
angriffen. Nach deren erster Revolte, wurde der Einsatz die-
ses Pfades auch auf Gargylen angewandt, um deren Unter-
würfigkeit durchzusetzen. Ein Thaumaturg, der sich mit

BLUTRITEN 137
 Herrschaft über die Sterbliche Hülle beschäftigt, erforscht
die grundlegenden Funktionen des Körpers, wodurch er die
Kontrolle über die körperlichen Abläufe des Opfers über-
nehmen kann. Ziele können Sterbliche sowie übernatürli-
che Kreaturen aus Fleisch sein, wie Vampire, Werwölfe oder
Magi, aber keine Geister oder Dämonen, die vor allem aus
Geistermaterie bestehen.
Niedere Kräfte dieses Pfades erlauben die unbeholfene
Kontrolle, wobei dies zunehmend präzise und umfangrei-
cher wird.
Einige der Kräfte dieses Pfades werden durch Berührung
aktiviert. Entsprechend der Umstände kann ein Erzähler
einen Wurf auf Geschick + Handgemenge verlangen, damit
der Thaumaturg den Kontakt zum vorhergesehenen Ziel
herstellen kann. Beim Angriff auf bestimmte Extremitäten
gelten die Regeln für Zielen (siehe V20 S. 275), wenn kein
einfacher Kontakt hergestellt werden kann.
Wenn nicht anderweitig angegeben, halten die Kräfte von
Herrschaft über die Sterbliche Hülle eine Anzahl an Run-
den an, die der Anzahl an Erfolgen des Thaumaturgen beim
Aktivierungswurf entsprechen. Das Opfer kann nur unter
der Auswirkung einer Kraft dieses Pfades gleichzeitig leiden.
D. h. ein Thaumaturg kann nicht Schwindel und Zuckung
gleichzeitig auf ein Ziel anwenden. Die zuletzt auf das Opfer
angewandte Kraft ersetzt den Effekt der vorherigen.
• Schwindel
Durch subtile Manipulation löst der Thaumaturg im Kör-
per des Ziels leichte Desorientierung und Schwindel aus.
Obwohl das körperliche Unbehagen nur von kurzer Dauer
und sehr gering ist, weiß ein cleverer Thaumaturg den
unpassendsten Moment für einen Rivalen abzupassen, um
dessen Selbstsicherheit zu stören.
System: Eine Berührung des Thaumaturgen ruft Desori-
entierung beim Ziel hervor. Wenn er damit Erfolg hat, wird
für die Dauer des Effekts die Schwierigkeit aller körperlichen
Handlungen des Ziels um +1 erhöht. Weitere Anwendungen
der Kraft können die Wirkung verlängern, die Schwierigkeit
wird aber nicht weiter steigen.
•• Zuckung
Mit einer Berührung kann der Thaumaturg eine Muskel-
gruppe des Opfers dazu bringen, gegen dessen Willen zu
kontrahieren und einen zuckenden Anfall auslösen. Dieser
Effekt ist für das Ziel äußerst beunruhigend, da das betrof-
fene Körperteil oder die Muskelgruppe nutzlos wird.
System: Indem er das Körperteil des Ziels berührt, macht
der Thaumaturg es für die Dauer der Zuckung unbrauch-
bar. Ein nutzloses Bein erschwert das Stehen und das Opfer
erleidet einen Malus auf die Schwierigkeit von (+1 bis +3,
je nach Umständen) auf entsprechende Geschicklichkeits-
würfe rund um das betroffene Bein, wie beispielweise beim
Tanzen oder Balancieren auf Vorsprüngen. Ein zuckender
Arm hängt leblos an der Seite des Ziels. Ein nutzloser Kopf
verhindert das Sprechen und steigert die Schwierigkeit aller
138 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
gesellschaftlichen Würfe um +2, da die Gesichtsmuskeln
unkontrolliert krampfen.
••• Krampf
Diese Kraft löst im gesamten Körper des Ziels Krämpfe aus.
Alle Muskeln im gesamten Körper des Ziels kontrahieren
unkontrolliert, während ihm Schaum vor dem Mund steht
und es sich in spastischen Zuckungen vor Schmerzen win-
det. Ein Sterblicher könnte daran sogar ersticken, wenn er
bei einem solchen Anfall seine Zunge verschluckt.
System: Eine leichte Berührung des Thaumaturgen reicht
aus, um diesen unangenehmen Effekt beim Opfer auszu-
lösen. Für die Dauer des Krampfes windet sich der Körper
des Opfers in solchen Qualen, dass es außer Gefecht gesetzt
wird. Opfer erleiden einen Malus von +2 auf die Schwierig-
keit für alle körperlichen Handlungen. Das Opfer nimmt
zudem eine Stufe Schlagschaden pro Runde, da sich sein
Körper machtlos verkrümmt. Nach Ermessen des Erzählers
können die Auswirkungen dieser Kraft bei sehr kranken
oder verwundeten Sterblichen zum Tode führen.
Der Schaden kann ganz normal absorbiert werden (wobei
Rüstungsstufen nicht angerechnet werden).
•••• Infarkt
Mit dieser Kraft ausgestattete Thaumaturgen verfügen über
ein so verheerendes Wissen über die Funktionsweise des
Körpers, dass sie sämtliche Systeme einfach abschalten kön-
nen. Diese plötzliche physiologische Überlastung erweist sich
für Sterbliche häufig als tödlich und fügt übernatürlichen
Wesen Schaden zu. Infarkt wurde im Laufe der Jahrhun-
derte immer wieder eingesetzt, um unauffällig schlimmste
körperliche Leiden hervorzurufen und einen Schlaganfall
oder Herzinfarkt vorzutäuschen.
System: Auf diesem Grad der Meisterschaft des Pfades
muss der Thaumaturg sein Opfer nicht länger berühren,
um zuzuschlagen. Diese Kraft kann auf jedes Ziel innerhalb
seiner Sichtweite angewandt werden, doch um den Effekt
aufrechtzuerhalten, muss der Thaumaturg den Sichtkontakt
beibehalten. Eine erfolgreiche Aktivierung dieser Kraft ver-
ursacht ähnliche Auswirkungen wie Krampf, doch der ver-
ursachte Schaden ist tödlich (und somit von Sterblichen
nicht absorbierbar), da er ein komplettes Organversagen
und Gewebeschäden auslöst. Dazu erleidet das Opfer einen
Malus von +2 auf die Schwierigkeit für alle Handlungen.
Das Opfer kann versuchen, dem Angriff des Thauma-
turgen mit einem Wurf auf Widerstandsfähigkeit + Seelen-
stärke zu widerstehen (die Schwierigkeit entspricht der tem-
porären Willenskraft des Thaumaturgen). Jeder Erfolg des
Opfers bei diesem Wurf, verkürzt die Dauer von Infarkt um
eine Runde.
••••• Marionette
Ein Thaumaturg, der Marionette anwendet, erhält solch
vollkommene Kontrolle über den Körper einer anderen Per-
son, dass er sie magisch übernehmen und über die Handlun-
gen seines Opfers nach Lust und Laune bestimmen kann.
Diese Art der Kontrolle ist nicht so präzise, wie ein direkter
und persönlicher Befehl der Beherrschungskraft Besessen-
heit, doch dafür ist der Körper des Thaumaturgen während
dieser Art der Manipulation nicht so angreifbar. Wurde die
Kraft erst erfolgreich angewandt, untersteht das Opfer von
Marionette komplett dem Willen des Thaumaturgen, der es
zu all seinen makabren Scherzen zwingen kann.
System: Der Thaumaturg kann jedes Ziel in Sichtweite
mit diesem Effekt belegen, doch muss er für die Dauer der
Anwendung das Ziel stets im Blick haben. Das Opfer kann
versuchen, dem Angriff des Thaumaturgen mit Marionette
durch einen Wurf auf Widerstandsfähigkeit + Seelenstärke
zu widerstehen (die Schwierigkeit entspricht der temporären
Willenskraft des Thaumaturgen). Jeder Erfolg des Opfers
bei diesem Wurf verkürzt die Dauer von Marionette um
eine Runde. Opfer ohne Seelenstärke verfügen nicht über
ausreichend körperliche Widerstandsfähigkeit, um diesem
Effekt zu widerstehen.
Für die Dauer der Anwendung kann der Thaumaturg sein
Opfer mit dessen Würfel und einem Malus von +2 auf die
Schwierigkeit jegliche körperliche Handlung durchführen
lassen. Diese Kraft verlangt dem Thaumaturgen eine sol-
che Konzentration ab, dass auch seine Schwierigkeit für alle
anderen persönlichen Handlungen um zwei steigt, solange
er das Opfer manipuliert. Um die Dauer dieser Kontrolle
zu verlängern, muss der Thaumaturg einen zweiten Aktivie-
rungswurf ablegen. Marionette beraubt das Opfer nicht sei-
nes Bewusstseins, sondern lediglich seiner physiologischen
Kontrolle über den eigenen Körper. Während der gesamten
Zeit ist sich das Opfer bewusst, dass eine fremde Macht seine
körperlichen Handlungen bestimmt und dass es nicht seine
eigenen sind. Das Opfer kann einen Punkt Willenskraft ein-
setzen, um eine geistige oder gesellschaftliche Handlung wie
Sprechen oder das Aktivieren einer Disziplin zu versuchen.
Pfad des
fokussierten Verstandes
Alle angehenden Thaumaturgen brauchen einen starken
Willen und einen gut entwickelten Intellekt, um die fein-
sinnigen Künste der Thaumaturgie überhaupt meistern zu
können. Anwender vom Pfad des fokussierten Verstandes
erweitern ihre geistige Leistungsfähigkeit und Reaktions-
geschwindigkeit enorm, sodass sie Probleme und Situatio-
nen besser erfassen können. Thaumaturgen – an sich schon
geistig hochgradig diszipliniert – erlangen mit dem Meistern
dieses Pfades eine erschreckende Macht bei allem, was mit
ihren Hirnfunktionen zu tun hat.
Der Pfad wurde von Melvin Liebknecht, einem Gelehr-
ten der Tremere Kabbala, entwickelt und fristete lange ein
Dasein im Dunkeln, ehe er nach Ende des Zweiten Welt-
kriegs in einem verlorenen Gildenhaus in Berlin wiederent-
deckt wurde. Das Interesse an diesem Pfad wuchs innerhalb
der Pyramide rasant, da die vielseitigen Tremere schnell sein
großes Potential und seinen Nutzen erkannten. Im Gegen-
satz zu den meisten anderen Varianten der Thaumaturgie
BLUTRITEN
benötigt dieser Pfad keine Handlung zur Anrufung, aber
dennoch einen Wurf auf Willenskraft zur Aktivierung und
den regulären Aufwand in Blut. Thaumaturgen mit diesem
Pfad können jede Kraft nur ein Mal pro Runde einsetzen.
• Bereitschaft
Der Einsatz von Bereitschaft erlaubt es dem Anwender, sich
ein schnelles Verständnis einer Situation zu verschaffen. Er
erlebt einen Moment geistiger Klarheit, wodurch er seine
Geistesschärfe verbessert und schneller auf sich verändernde
Situationen reagieren kann.
System: Diese Kraft ist nur auf den Thaumaturgen selbst
anwendbar. Jeder Erfolg beim Aktivierungswurf entspricht
einem Würfel in einem separaten Würfelvorrat, der für den
Rest der Runde zur Verfügung steht. Diese Würfel können
bei jedem Wurf auf Geistesschärfe eingesetzt werden oder
für Handlungen, die der Thaumaturg in dieser Runde
unternimmt.
Alternativ steigert jeder aus dem Vorrat entfernte Würfel
den Initiativewert des Anwenders um eins.
•• Erden
Durch den Einsatz dieser Kraft löst der Thaumaturg eine
plötzliche und intensive innere Ruhe im Ziel aus, indem er
ihm ein beruhigendes Wort zuflüstert. Durch diese Gelas-
senheit kann sich das Ziel besser auf eine vorliegende Auf-
gabe konzentrieren sowie Ablenkungen und Störfaktoren
ignorieren, einschließlich schwerer körperlicher Verwun-
dungen. Thaumaturgen, die fürchten der Raserei zu verfal-
len, wenden diese Kraft oft auf sich selbst an, um ihre eige-
nen Emotionen zu ersticken und einen Zustand der Ruhe
zu erreichen.
System: Diese Kraft kann auf jedes Ziel in Hörweite des
Thaumaturgen angewendet werden und hält eine Runde
pro Erfolg beim Aktivierungswurf an. In dieser Zeit bleibt
das Ziel von jeglicher Kraft oder jeglichem Effekt unberührt,
die seinen Würfelvorrat reduzieren könnte (mit der beacht-
lichen Ausnahme von Disziplinen der Ahnen). Dies schließt
Verwundungsabzüge, momentane Modifikatoren und Diszi-
plinen mit ein. Modifikatoren auf die Schwierigkeit bleiben
in dieser Zeit dennoch in Kraft. Zusätzlich erhält das Ziel
durch die unnatürliche Gelassenheit, die dieser Kraft inne-
wohnt, zwei zusätzliche Würfel, um der Raserei zu widerste-
hen oder sie zu überwinden.
••• Fixierung
Indem er seine Kraft auf andere Personen ausweitet, kann
der Thaumaturg das Ziel auf eine Handlung fixieren.
Die Zielstrebigkeit des Ziels ist so vollkommen, dass es
alles andere um sich herum vollständig ignoriert. Wachen
werden mit Hilfe dieser Kraft sehr leicht abgelenkt, da ihre
Aufmerksamkeit von etwas anderem gefesselt wird und aus
Nachforschungen wird eine Aufgabe, die mit Hingabe und
Konzentration erfüllt wird. Umgangssprachlich wird diese
Kraft gerne als „Eingleisiges Denken“ bezeichnet.
139
 System: Diese Kraft kann auf jeden in Hörweite des
Thaumaturgen gewirkt werden. Die erfolgreiche Anrufung
verhindert, dass das Ziel seinen Würfelvorrat auf Mehrfache
Handlungen aufteilt oder sein Vorgehen ändert, nachdem
es seine Handlungen angekündigt hat. Als Nebeneffekt
wird die Schwierigkeit für die angesagte Handlung um 1
reduziert. Zusätzliche Handlungen des Opfers (z. B. durch
Geschwindigkeit) müssen, solange diese Kraft wirkt, konse-
quent der ursprünglichen Handlung folgen, da es vollkom-
men auf diese eine Idee konzentriert ist. Möchte das Ziel
die Art seiner Handlung verändern, muss es dafür einen
Punkt Willenskraft pro Szene einsetzen (oder pro Runde im
Kampf). Fixierung hält eine Szene lang an oder eine Runde
pro Erfolg beim Aktivierungswurf.
•••• Duales Denken
Die Härte des Erlernens der Thaumaturgie stählt den Geist
und den Willen des Thaumaturgen. Infolgedessen verfügen
versierte Thaumaturgen häufig über die Gabe, Situationen
schnell zu erfassen und die ihnen zur Verfügung stehenden
Optionen durchzurechnen. Auf dieser Stufe vom Pfad des
fokussierten Verstandes ist der Thaumaturg in der Lage,
seine Aufmerksamkeit auf zwei gänzlich verschiedene Auf-
gaben aufzuteilen, ohne einen Malus durch Ablenkung zu
Erleiden. So, wie Fixierung die Aufmerksamkeit des Opfers
auf ein einziges Ziel zwingt, erweitert Duales Denken die
Konzentration des Thaumaturgen so sehr, dass er sich auf
zwei mögliche Ziele fixieren kann.
System: Der erfolgreiche Einsatz von Duales Denken
erlaubt es dem Anwender, ohne Abzüge zwei Handlungen
in seinem Zug zu machen. (Beachten Sie, dass diese Kraft
insbesondere die Beschränkungen von mehrfachen Hand-
lungen aus V20, S. 248, aufhebt.) Die hierdurch erlangte
zusätzliche Handlung muss eine geistige Handlung sein, sei
es der Einsatz einer Disziplin, wie Auspex oder Thaumatur-
gie oder die Betrachtung eines Problems. Wenn der Cha-
rakter beide Handlungen darauf verwendet, ein Problem zu
lösen, verfügt er über zwei separate Würfelvorräte, um sie
einzusetzen. Diese beiden Handlungen finden zur selben
Zeit statt, entsprechend des Initiativewertes des Charakters.
Die zusätzliche Handlung darf nicht für den erneuten Ein-
satz von Duales Denken aufgewandt werden.
••••• Augenblick der Klarheit
Augenblick der Klarheit ruft einen Zen-artigen Moment
fokussierten Durchblicks hervor, durch den der Thauma-
turg einen kurzen Moment des absoluten Verständnisses
für sich selbst, das Universum und seinen Platz darin erhält.
Diese Klarheit schützt den Thaumaturgen vor inneren und
äußeren Einflüssen, wobei sogar das Tier sein Toben ein-
stellen muss. Absolute Gelassenheit legt sich auf den Geist
des Thaumaturgen, wodurch Gedanken und Handlungen
eins werden.
System: Augenblick der Klarheit hält für die Dauer einer
Szene an (oder eine Runde zzgl. einer weiteren Runde pro
Erfolg beim Aktivierungswurf, wenn die Kraft im Kampf
eingesetzt wird). Für die Dauer dieses Zeitraums werden die
140 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
Schwierigkeiten aller Handlungen um 2 gesenkt. Das Kains-
kind ist immun gegen Raserei und Rötschreck jeglicher
Quellen, selbst von übernatürlichen Auslösern. Abschlie-
ßend erleiden alle Versuche, den Thaumaturgen zu beein-
flussen oder zu kontrollieren einen Malus von +2 auf die
Schwierigkeit, einschließlich Kräfte wie Präsenz, Beherr-
schung oder Irrsinn.
Pfad der Blitze
Blitze wurden lange als exklusives Metier der Götter ange-
sehen und traditionell lagen sie aufgrund des mangelnden
Verständnisses für Elektrizität außerhalb der Reichweite der
Thaumaturgen. Aufgrund dessen verlor sich dieser Pfad, bis
zur Geburt der modernen Wissenschaften und den Anstren-
gungen von John Blackwood. Die ausreichende Elektrizi-
tätsversorgung in den späten Jahren des 19. Jahrhunderts
hatte für Thaumaturgen den Vorteil, dass sie nicht mehr
auf das Aufziehen eines passenden Sturms warten mussten,
um ihre Kräfte aufzuladen, sondern sie konnten innerhalb
von Sekunden den nötigen Strom aufnehmen, wie es ihnen
beliebte.
Anwender des Pfades der Blitze verursachen in ihrem
Umfeld häufig statische Aufladungen, selbst wenn sie ihre
Kräfte nicht einsetzen. Manchmal bringt dies Mobilfunk-
netze durcheinander, lässt Lampen ohne Grund flackern
und es kommt in ihrer Anwesenheit zu Überspannungen
bei Computern.
Einige der Kräfte dieses Pfades werden durch Berührung
aktiviert. Entsprechend der Umstände kann ein Erzähler
einen Wurf auf Geschick + Handgemenge verlangen, damit
der Thaumaturg den Kontakt zum vorhergesehenen Ziel her-
stellen kann. Um bestimmte Extremitäten anzugreifen, fin-
den die Regeln für Zielen (siehe V20, S. 275) Anwendung.
• Flackern
Novizen der Thaumaturgie erlernen das freie Aufnehmen
von Energie um sich herum durch Steckdosen, Schaltkreise
oder Batterien. Der Anwender dieser Kraft spürt die Versor-
gung eines speziellen Stromkreises und zieht diese zu sich,
wodurch er den Stromkreis effektiv unterbricht.
System: Der Thaumaturg starrt einfach ein Ziel an, das
mit Strom gespeist wird. Bei einem erfolgreichen Aktivie-
rungswurf, kann er das Gerät für zehn Minuten pro Erfolg
ausschalten. Als Zeichen seiner furchterregenden, magischen
Macht bilden die Funken der Elektrizität einen Lichtbogen
zwischen Gerät und Thaumaturg. Die Quelle dieser Kraft ist
sofort ersichtlich.
•• Funke
Der Novize kann eine kleine statische Aufladung erzeugen,
die ausreicht, um bei Berührung einen spürbaren elektri-
schen Schlag abzugeben. Eine solche Entladung ist für ein
gesundes Ziel kaum eine Bedrohung, obwohl der Strom-
stoß empfindliche elektronische Geräte zerstören oder ein
unglückliches Ziel betäuben kann.
 System: Der Thaumaturg berührt einfach das Ziel
(nach dem entsprechenden Blutaufwand und dem
Aktivierungswurf des Spielers) und setzt den Funken
frei. Der Stromstoß kann von jeglicher Körperstelle des
Anwenders überspringen, sodass ein Thaumaturg jeman-
dem, der ihn berührt, eine unangenehme Überraschung
bereiten kann. Der folgende Stromstoß verursacht am
Ziel vier Würfel Tödlichen Schaden (Schwierigkeit 7
zum Absorbieren) und verursacht einen Kurzschluss bei
elektronischen Geräten sowie nicht extra gegen Blitzein-
schläge geerdeten Geräten.

••• Beleuchtung
Neugeborene sprechen bei dieser Kraft gerne abwertend
vom „40-Watt-Tremere“, doch nur so lange, bis sie den
Schlag selbst abbekommen. Der Thaumaturg beschwört
ausreichend Elektrizität, um seine Hände oder Arme mit
Lichtbögen zu überziehen. Diese Kraft kann eine Batte-
rie aufladen, ein kleines Gerät kurz zum Laufen bringen
oder eine hässliche Verbrennung auf einem Ziel hinter-
lassen.
System: Jeder Erfolg beim Aktivierungswurf des Spie-
lers gewährt für eine Runde ausreichend Energie, um
eine Handvoll Lampen oder ein kleines Elektrogerät zu
versorgen. Alternativ kann der Thaumaturg den Schock
an jemanden durch Berührung abgeben, wie bei der
Kraft Funke, doch mit acht Würfeln tödlichem Schaden
(Schwierigkeit 8 zum Absorbieren).
Die Spannung, die durch diese Kraft aufgebaut wird,
reicht aus, um nahezu ideale Leiter zu durchströmen
und verursacht daher nur an unbearbeiteten Metallen,
Holz und anderen Materialen Elektrizitätsschaden in
Form eines Brandflecks oder einer Verfärbung. Der
Thaumaturg kann die Elektrizität auch um seine Hand,
Augen oder Kopf funken lassen, dies sorgt dann für eine
Beleuchtung wie durch eine gedimmte Lampe und senkt
die Schwierigkeit bei Einschüchterungswürfen um 2.

•••• Zeus’ Zorn

Der Thaumaturg kann sein Ziel aus der Ferne angreifen,
als sei er ein Gott. Er kann Blitze aus seinem Körper
direkt auf nahestehende Ziele schleudern.
System: Der Thaumaturg konzentriert sich auf sein
Ziel und schleudert die Blitze direkt mit Wahrnehmung +
Naturwissenschaften (Schwierigkeit 6 + der Abstand in
Metern, maximal 4 Meter). Jeder Erfolg verursacht eine
Stufe Tödlichen Schaden (Schwierigkeit 8 zum Absorbie-
ren). Die Quelle dieser Kraft ist sofort ersichtlich.

••••• Auge des Sturms

Der Thaumaturg wird zu einer Säule aus zuckender
und blitzender elektrischer Energie. Die durch Auge
des Sturms kanalisierte Energie schirmt den Körper vor
quasi jeglichem direkten Schaden ab.
System: Wendet der Thaumaturg einen Punkt Wil-
lenskraft auf, um diese Kraft anzurufen, verfestigt er die

BLUTRITEN 141
 in sich gespeicherte elektrische Energie zu einer magischen
Barriere, die ihn komplett umgibt. Der Anwender wird
gegenüber jeglichem Fernkampfangriff immun. Metallwaf-
fen wie Schwerter, richten beim ersten Schlag den normalen
Schaden an, doch schmelzen dann beim Kontakt mit der
Barriere und der Angreifer erleidet zwei Stufen Tödlichen
Schaden. Feinde, die es wagen, den Anwender zu berühren,
erleiden zwei Stufen schwer heilbaren Schaden (Schwierig-
keit 8 zum Absorbieren). Nicht-metallische Waffen, wie
Pflöcke, werden von Auge des Sturms nicht betroffen. Diese
Kraft hält eine einzige Runde an, wobei jeder Erfolg beim
Aktivierungswurf die Dauer um eine Runde verlängert.
Geistige und gesellschaftliche Angriffe durchdringen diese
Barriere.
Geistermanipulation
Geistermanipulation wurde erschaffen, um die Rituale des
Clan Tremere aus sterblichen Tagen zu ersetzen und ist die
Kunst, Geister zu Handlungen oder in Situationen zu zwin-
gen, die gegen ihr Naturell sind. Bei diesen Geistern handelt
es sich nicht um die Todesalben der Nekromantie, sondern
Manifestierungen großer Macht des Universums, die das
beschränkte menschliche Gehirn als Geister erfasst. Einige
glauben, bei den Geistern handele es sich um Tulpas-Kons-
trukte des menschlichen Willens, die durch Glauben erschaf-
fen wurden, um damit erklären zu können, wie das Univer-
sum funktioniert. Geistermanipulation zwingt die Geister zu
einer grotesken Verhöhnung ihres normalen Verhaltens, um
magische Ergebnisse in der materiellen Welt zu erzielen.
• Hermetischer Blick
Der Vampir kann die Geisterwelt wahrnehmen, indem er
tief in sie hinein starrt oder die Anwesenheit naher Geis-
ter als verschwommene Überlagerung der materiellen Welt
wahrnimmt.
System: Durch Hermetischer Blick kann der Thauma-
turg für eine Stunde das Reich der Geister, überlagert mit
der materiellen Welt, wahrnehmen. Jeder zusätzliche Erfolg
beim Aktivierungswurf verlängert die Wirkung dieser Kraft
um weitere dreißig Minuten.
•• Astrales Kauderwelsch
Die Sprachen der Geisterwelt sind unendlich vielfältig und
für sterbliche (sowie unsterbliche) Gehirne vorwiegend
unverständlich. Astrales Kauderwelsch lehrt den Thauma-
turgen zwar nicht die Sprachen der Geister, doch es erlaubt
ihm, sie zu verstehen, während sie mit ihm sprechen und
ihnen auf ihrer eigenen Sprache zu antworten. Der Einsatz
dieser Kraft ist nicht immer notwendig, da viele Geister
menschliche Sprachen sprechen, aber gerne Unwissenheit
vortäuschen, wenn sie es mit Vampiren zu tun haben. Geis-
ter bleiben von Beherrschung unberührt, man kann sie aber
vielleicht durch Präsenz manipulieren. Einige Thaumaturgen
haben die Theorie aufgestellt, dies sei so, weil Geister keine
empfindsamen Wesen nach dem Verständnis eines Vampirs
142 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
Erschaffen von Geistern
Geister sind in den Geisterreichen geborene Kreatu-
ren und sind jenen mit Hermetischer Ausbildung als
Umbrawesen bekannt. Diese geisterhaften Konstrukte
sind keine fühlenden Wesen nach traditionellem Ver-
ständnis der Lebenden in der physischen Welt, doch
Spiegelbilder der Geisterwelt und wahrgenommene
Aspekte des Universums, die auf eine Art interpretiert
werden, die der beschränkte sterbliche Geist auch fas-
sen und verstehen kann. Folglich gibt es auch Geister in
einer großen Vielfalt von Arten und Machtstufen. Die
folgende Regel ist eine vereinfachte Richtschnur für die
Erschaffung von Geistern für V20.
Zunächst definieren sie ein Konzept für den Geist.
Normalerweise ist dies auf eine einzelne Kategorie
beschränkt, sie können aber auch einen ganzen Satz
dafür nutzen. Einige Beispiele: Naturgeist (Land, Was-
ser, Wald oder Wüste), konzeptueller Geist (Mathema-
tik, Krieg oder Mechanik) oder ein unbelebtes Objekt
(ein Computer, ein Messer oder ein Schmuckstück).
Als nächstes legen Sie die Machtstufe des Geistes durch
seinen Rang fest (zwischen 1 und 5). Der Rang des Geis-
tes bestimmt seinen Wert in Willenskraft. Wenn ein
Geist eine Probe ablegen muss, entspricht sein Würfel-
vorrat seinem Rang x 2.
Pro Rangstufe des Geistes, weisen sie ihm eine Diszi-
plinskraft entsprechend seines Konzepts zu. Ein Feu-
ergeist mit Rang 3 könnte somit über drei Punkte in
Thaumaturgie verfügen: Lockruf der Flammen (V20,
S. 211). Jede Sonderfähigkeit, über die ein Geist ver-
fügen kann, wird durch den Einsatz von Willenskraft
durchgeführt und er regeneriert seine Willenskraft-
punkte alle 24 Stunden.
Zum Abschluss verleihen Sie dem Geist noch eine
Fähigkeit pro Rang. Ein Geist des Krieges könnte bei-
spielsweise über Handgemenge, Nahkampf, Schusswaf-
fen, Überleben oder andere kriegs- oder kampfbezogene
Fähigkeiten verfügen. Für jede Fähigkeit erhält er zwei
weitere Würfel zu seinem grundlegenden Würfelvorrat
von Willenskraft x 2 hinzu.
seien, doch Manifestierungen basierend auf der Wahrneh-
mung jener, die über die Selbsterkenntnis verfügen.
System: Durch Astrales Kauderwelsch kann der Thauma-
turg mit jedem durch Hermetischer Blick sichtbaren Geist
für die Dauer von fünfzehn Minuten sprechen. Jeder zusätz-
liche Erfolg beim Aktivierungswurf verlängert die Wirkung
dieser Kraft um weitere fünfzehn Minuten.
••• Befehlston
Dies ist die vielleicht gefährlichste Kraft im Arsenal der
Geistermanipulation, daher kann ein Scheitern auch außer-
ordentlich unangenehm werden. Mit Hilfe von Befehlston
kann der Thaumaturg einem Geist direkt Befehle geben und
ihn dazu zwingen, die Befehle umzusetzen, ob er will oder
nicht.
Geister, die unter dem Zwang dieser Kraft stehen, sind
sich vollkommen darüber im Klaren, dass sie zu diesen
Handlungen gezwungen werden und könnten versuchen,
an ihrem früheren Meister Rache zu nehmen. Thaumatur-
gen, die Befehle erteilen, die über allen Erwartungen des
Machbaren des Geisterdieners liegen, könnten in Zukunft
ignoriert oder verspottet werden. Ein betrügerischer Geist
könnte in einem entsprechenden Augenblick einwilligen,
den Befehlen Folge zu leisten, nur um seinen Meister zu hin-
tergehen und den Thaumaturgen einer Situation schlimms-
ter Bloßstellung auszusetzen.
System: Der Thaumaturg legt einen normalen, verglei-
chenden Willenskraftwurf gegen den Geist ab. Der ausge-
wählte Geist widersetzt sich mit Willenskraft (Schwierigkeit
ist Manipulation + Okkultismus des Thaumaturgen). Der
Grad der Erfolge des Thaumaturgen bestimmt die Komple-
xität und den Schwierigkeitsgrad des Befehls, den der Geist
ausführen kann.
Erfolge Auswirkungen
Patzer Für den Rest der Nacht ist der Geist
immun gegenüber den Befehlen des
Charakters. Allerdings reagiert er dar-
auf, wie es dem Erzähler angemessen
erscheint. Typischerweise ist ein Geist
direkt beim ersten Mal wütend genug,
um auf Rache zu sinnen. Er könnte den
Charakter ignorieren, verspotten oder
sogar angreifen, wie es der Erzähler
entscheidet.
Scheitern Der Geist bleibt unbeeinflusst und die
Schwierigkeit eines jeden weiteren Ver-
suchs steigt um +1 (kumulativ).
1 Erfolg Der Geist gehorcht einem sehr ein-
fachen Befehl, der ihm keine großen
Umstände bereitet.
2 Erfolge Der Geist befolgt einem relativ direkten
Befehl, der seinem Handeln nicht gänz-
lich widerstrebt.
3 Erfolge Der Geist erfüllt einen mäßig komplexen
Befehl, der seiner Ethik nicht entgegen-
steht.
4 Erfolge Der Geist stimmt einer erweiterten oder
komplexen Aufgabe zu, die ihn nicht in
unmittelbare Gefahr bringt.
5 Erfolge Der Geist akzeptiert eine umfassende
oder nahezu unmögliche Aufgabe oder
eine, die seine Vernichtung bedeuten
könnte.
BLUTRITEN
•••• Ephemera Einfangen
Diese Kraft erlaubt es dem Thaumaturgen, einen Geist in
ein physisches Objekt zu binden. Damit kann man einer-
seits ein Ziel einsperren, es wird allerdings viel häufiger für
die Herstellung von Fetischen benutzt – einem Artefakt, das
durch den Geist mystische Vorzüge gewährt. Mit dieser Kraft
gefertigte Fetische sind häufig unzuverlässig und versagen
in den ungünstigsten Momenten, da die Geister darin ver-
ständlicherweise mit ihrer Situation sehr unzufrieden sind
und jede Gelegenheit ergreifen werden, um ihren früheren
Peinigern zu entgehen. Werwölfe empfinden es als Beleidi-
gung, wenn Vampire einen Fetisch besitzen und allein der
Anblick eines Vampirs mit einem solchen Artefakt kann sie
in Raserei versetzen.
System: Der Thaumaturg muss zunächst ein Gefäß ausma-
chen, das symbolisch mit dem ausgesuchten Geist in Verbin-
dung steht und aus dem dann später der Fetisch werden soll.
Mit einem vergleichenden Wurf auf Willenskraft befiehlt er
anschließend dem Geist, in das Gefäß einzudringen. Der
ausgewählte Geist widersetzt sich mit Willenskraft (Schwie-
rigkeit ist Manipulation + Okkultismus des Thaumaturgen).
Sollte der Thaumaturg Erfolg haben, kann er einen
Fetisch erschaffen, dessen Machtstufe der Anzahl der erziel-
ten Erfolge über den Geist entspricht, bis hin zu einem
Fetisch der Stufe fünf. Gewinnt der Thaumaturg beispiels-
weise den vergleichenden Wurf auf Willenskraft mit drei
zusätzlichen Erfolgen, erschafft er einen Fetisch der Stufe
drei. Die Erschaffung und die Instandhaltung eines Fetischs
sind schwer, daher ist die Anzahl der Fetische, die ein Thau-
maturg erschaffen kann, durch seine eigene Willenskraft
beschränkt. Wenn der Thaumaturg einen Fetisch abgibt,
zählt er noch immer zu seiner maximal verfügbaren Anzahl.
Er kann nur dann weitere Fetische erschaffen, wenn alte
Fetische zerstört wurden.
Ein Fetisch verleiht zusätzliche Bonuswürfel für eine
bestimmten Fähigkeit, die der Stufe des Fetisch entspricht.
Beispielsweise gewährt ein in einem Skalpell gefangener
Geist der Heilung zusätzliche Würfel (Stufe des Fetisch) auf
alle Würfe mit Medizin. Der Erzähler hat immer das letzte
Wort darüber, welche Art von Fetisch hergestellt werden
kann.
Ein Fetisch wird durch einen Wurf auf die Willenskraft
des Anwenders aktiviert (Schwierigkeit ist die Stufe des
Fetischs + 3). Ein Patzer bei diesem Wurf zerstört die physi-
sche Komponente des Fetischs und setzt den darin gefange-
nen Geist frei.
••••• Dualität
Der Thaumaturg kann nun vollständig mit der Geisterwelt
interagieren – ein seltsamer Ort, der nur manchmal die reale
Welt widerspiegelt. Während der Anwendung dieser Kraft
existiert er auf beiden Ebenen der Existenz gleichzeitig. Er
kann Objekte in der materiellen Welt aufnehmen und sie
in der Geisterwelt wieder absetzen; und umgekehrt. Wesen
und Landschaften sind für ihn in beiden Welten feststofflich
und er kann auf jede Art und Weise mit ihnen ­interagieren.
143
 Interaktion zwischen dem Reich der Geister
und der materiellen Welt
Die traditionellen Gesetze der Physik und der Realität werden häufig gebeugt, um das spirituelle Verständnis jener
widerzuspiegeln, die durch das Reich der Geister wandern. In der materiellen Welt könnte man sich in einer Winter-
nacht befinden, doch in einem bestimmten Bereich des Geisterreiches ist es Mittag an einem Sommertag. Normaler-
weise greifen die üblichen Lasten eines Vampirs, wie Feuer oder Sonnenlicht, nicht auf dieselbe Weise, wie in der mate-
riellen Welt. Besuche des Geisterreiches sollten von Natur aus herausfordernd sein, aber keine sofortigen Todesfallen.
Erzählern wird empfohlen, geschickt Geisterreiche zu entwerfen, die eine Metapher der realen Welt darstellen. Beispiels-
weise könnte ein Thaumaturg, der mit einem Computergeist zu tun hat, sich in einem Geisterreich wiederfinden, das
eine albtraumhafte Variante eines Großraumbüros darstellt.
Das Umfeld in den Geisterreichen kann direkten Einfluss auf diejenigen haben, die in beiden Welten wandeln. Wenn
der Thaumaturg im Geisterreich auf eine Wand trifft, kann er nicht einfach hindurchgehen, es sei denn, er kehrt in die
materielle Welt zurück. Im Umkehrschluss kann er auch ins Geisterreich eintreten, durch die materielle Wand gehen,
die sich dort nicht befindet und anschließend wieder in die materielle Welt zurückkehren. Objekte, die auf beiden
Ebenen existieren, sind für den Thaumaturgen real. Geisterhafte Wände können seine Fortbewegung behindern und
Geister können nach Belieben zuschlagen.
Ein Thaumaturg muss stets vorsichtig bedenken, dass Bewohner der materiellen Welt und des Geisterreiches nicht auf
die andere Seite blicken können, weshalb ihnen einige Gespräche und Handlungen absurd vorkommen. Erzähler sind
dazu angehalten, die Reaktionen der NPCs entsprechend zu handhaben und die angemessenen Konsequenzen für das
Handeln des Thaumaturgen anzuwenden. Wenn er mitten durch einen Park wandert und mit dem Geist der Eiche
brabbelt, werden andere Vampire oder Sterbliche ihn für verrückt oder gefährlich halten.

Er kann selbst Thaumaturgie und andere Disziplinen in
beiden Welten einsetzen. Doch dies verläuft nicht ohne
Gefahren. Ein Fehltritt und der Thaumaturg bleibt in der
Geisterwelt gefangen, ohne jemals nach Hause zurückkeh-
ren zu können. Einige unvorsichtige Thaumaturgen haben
sich in Starre gehungert, während sie auf der anderen Seite
des Schleiers gefangen waren, der die materielle Welt von
der der Geister trennt.
System: Der Thaumaturg kann innerhalb eines Zeitraums
von fünfzehn Minuten mit der Geisterwelt interagieren.
Jeder zusätzliche Erfolg beim Aktivierungswurf verlängert
die Wirkung dieser Kraft um weitere fünfzehn Minuten.
Dualität kann nur eingesetzt werden, wenn der Charakter
diesen Prozess in der materiellen Welt beginnt. Solange
er sich in diesem Zustand befindet, wird der Thaumaturg
in beiden Reichen anfällig für Angriffe und erleidet einen
Malus von +1 auf die Schwierigkeit für alle Wahrnehmungs-
würfe. Der Charakter gilt in diesem Zustand noch als Teil
der materiellen Welt, wenn es um grundlegende Physik (und
gesunden Menschenverstand) geht.
Geister, die irgendwann einmal verärgert wurden, werden
auf diesem Weg körperliche Rache an unvorsichtigen Thau-
maturgen suchen, die diese Kraft einsetzen.
Ein Patzer beim Aktivierungswurf dieser Kraft reißt den
Vampir aus der materiellen Welt und setzt ihn im Geister-
reich fest. Der Weg zurück in die materielle Welt, sollte es
überhaupt einen geben, liegt im Ermessen des Erzählers und
könnte die Grundlage einer komplett neuen Geschichte bil-
den.
Thaumaturgische
Rituale
Rituale der Ersten Stufe
Blut zu Wasser
Sterbliche haben geschickte Wege gefunden, um mit Hilfe
von Wissenschaft und Technik versteckte Blutspuren an
Verbrechensschauplätzen zu entdecken. Kathryn Malcolm,
eine neugeborene Tremere in New York, wurde darauf auf-
merksam, dass die Polizei der Stadt eine Mordserie über
Blutspuren verfolgte, die im Zusammenhang mit Vampiren
stand und erschuf dieses Ritual, um Spuren von Tatorten

144 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes

verschwinden zu lassen. Wurde das Ritual erfolgreich abge-
schlossen, verwandelt sich sämtliches vergossenes Blut in
Reichweite des Rituals in Wasser. Dieses Ritual wird häu-
fig dazu genutzt, um Blutflecken zu entfernen, die in Folge
von Verbrechen oder Ritualen vergossen werden, die Blut
beinhalten.
System: Der Thaumaturg lässt ein Glas gereinigtes Wasser
durch die Finger seiner ausgestreckten Hand laufen, wäh-
rend er die Anrufung singt. Das Ritual transmutiert das
gesamte vergossene Blut innerhalb eines Radius von zwei
Metern pro Erfolg beim Aktivierungswurf. Blut in Behältern
oder lebenden Wesen ist hiervon nicht betroffen, lediglich
vergossenes Blut.
Diese Kraft hat keine Auswirkung auf Blut, das zur Her-
vorrufung aktiver oder passiver Disziplinseffekte verwendet
wurde. Blut zu Wasser kann nicht dazu verwendet werden,
um ein Ritual wie Schutzzeichen gegen Ghule (V20, S. 227)
zu entfernen, da die magischen Eigenschaften des Rituals
das Blut bereits verändert haben, obwohl man damit aber
einen in Blut gezeichneten Kreis zur Beschwörung eines
Dämons entfernen könnte, solange die Beschwörung und
das Binden abgeschlossen sind.
Herrschaft über das Blut
Gelehrte unter den Kainskindern warnen eindringlichst
davor, irgendeinem Blutmagier Zugriff auf das eigene Blut
zu gewähren, es sei denn, man hat vollstes Vertrauen in ihn.
Ein Thaumaturg kann mit nur einer kleinen Mengen Vitae
seine Kraft auf analog-magischer Weise fokussieren. Indem
er einen Blutpunkt eines Feindes zerstört, erlangt der Thau-
maturg symbolisch Macht über das Ziel, wodurch er wiede-
rum beim nächsten Mal seine Überlegenheit über das Opfer
zum Ausdruck bringen kann.
System: Der Thaumaturg muss eine kleine Menge seiner
eigenen Vitae (ein zu vernachlässigender Anteil, weniger als
ein Punkt) mit der des Opfers mischen und dies dann lang-
sam in einem Feuer verbrennen oder das Blut langsam über
offener Flamme verkochen lassen. Der Anwender spricht
bei der Beendigung des Rituals Beschwörungen der Symme-
trie. Ist das Ritual abgeschlossen, erlangt der Thaumaturg
bis zum nächsten Sonnenaufgang einen kleinen Grad der
Herrschaft über das Opfer. Bei der nächsten Probe, die der
Anwender gegen das Opfer anstrebt, gelingt der Versuch des
Anwenders automatisch.
Wenn die Aufgabe einen Würfelwurf erfordert, erhält der
Anwender einen automatischen Erfolg, doch nicht mehr
(und er kann auch nicht würfeln oder Willenskraft einset-
zen, um den Wurf zu verbessern). Dies bedeutet, dass dem
Anwender ein geringfügiger Erfolg über seinen Widersacher
gelingt, wenn auch vielleicht nicht in einem Maße, wie es der
Thaumaturg gerne gehabt hätte. Ein Erfolg ist beispielsweise
nicht genug, um einen Gegner vollständig zu hypnotisieren,
doch man kann ihn dadurch kurz mit Beherrschung beein-
flussen. In ähnlicher Weise bringt Herrschaft über das Blut
nichts, wenn das Opfer zuerst handelt und dem Anwender
normalerweise kein Widerstandswurf zur Abwehr zusteht.
BLUTRITEN
Beispielsweise würde der Anwender noch immer dem Ein-
satz von Präsenz des Gegners zum Opfer fallen, da er hier
normalerweise keinen Widerstandswurf ablegen darf. Wenn
das Opfer eine Disziplin einsetzt, gegen die man sich nor-
malerweise wehren darf, dann kontert der Thaumaturg aber
automatisch und beendet damit die Kraft des Rituals.
Herrschaft über das Blut gewährt den garantierten Erfolg
bei einem bestimmten Ansinnen, der Thaumaturg kann
nicht mehrere Blutpunkte verbrennen, um zusätzliche
Erfolge zu erhalten oder hintereinander mehrere Handlun-
gen erfolgreich durchzuführen. Ist das Ritual gewirkt, muss
es genutzt werden, ehe es erneut gegen dasselbe Ziel durch-
geführt werden kann. Der Effekt von Herrschaft über das
Blut ist verwirkt, wenn der Erfolg bis Sonnenaufgang nicht
genutzt werden konnte.
Code
Einst waren Briefe die vorherrschende Form der Kommu-
nikation und des Sammelns von Information. Vorsichtige
Kainskinder lernten, entweder sehr diskret im Umgang
mit ihren Belangen auf Papier zu sein oder blutgebunde
bzw. beherrschte Personen als Boten einzusetzen. Keine der
Optionen war wirklich ideal, wenn man eindeutig kommu-
nizierte und dabei sicher gehen wollte, dass nur der beabsich-
tigte Empfänger die Nachricht bekam. Um sicherzustellen,
dass wichtige Nachrichten vor neugierigen Blicken geschützt
blieben, nutzten die Tremere dieses Ritual, um ihre Doku-
mente magisch zu verschlüsseln. Dieses Ritual wird in Zeiten
der sofortigen elektronischen Kommunikation nicht mehr
so häufig benutzt, doch es wird noch gelegentlich verwendet,
um zwischen Gildenhäusern zu kommunizieren oder wich-
tige Edikte zu erlassen.
System: Im Laufe einer Nacht schreibt der Thaumaturg
die Nachricht in Blut und spricht dabei den Namen der
Person oder Gruppierung, der die Nachricht zugänglich
sein soll. Nur der Verfasser und der geplante Empfänger des
Schreibens können das Dokument lesen. Für jeden anderen,
der den Brief ansieht, sieht das Geschriebene nach Gekrit-
zel aus. Offenkundig kann dieses Ritual nur für schriftliche
Kommunikation verwendet werden. Code wirkt lediglich
auf das Originaldokument. Wenn jemand versucht, das
Dokument zu scannen oder zu kopieren, hält die Magie
Stand und die Nachricht bleibt verschlüsselt.
Hehres Antlitz
Schönheit und Sexappeal haben schon immer Türen geöff-
net. Einfluss innerhalb des Elfenbeinturms erlangt man
durch elegante gesellschaftliche Kämpfe von Witz, Eleganz
und Charme. Die Spitze der Nahrungskette bewegt sich
durch diese tosenden Gewässer mit einem verstohlenen
Lächeln, das deren wahre Absichten verschleiert. Es gibt
Gerüchte darüber, dass dieses besondere Ritual von Aiden
Balfour entwickelt wurde, einem verbitterten Tremere mit
durchschnittlichem Aussehen, der von den örtlichen Torea-
dor-Harpyien die Nase voll hatte, die mit ihrem hübschen
Lächeln ungebührlich den Prinzen beeinflussten. Mit der
Durchführung dieses Rituals erhält der Thaumaturg einen
145
 erhöhten Grad sexueller Anziehungskraft; er wirkt deut-
lich begehrenswerter und zieht Aufmerksamkeit auf
sich, als sei er ein Top-Model. Damit dieses Ritual Erfolg
hat, muss sich der Anwender das Gesicht mit einem
Blutpunkt einer Jungfrau waschen und einen Zweig
getrockneter Minze in seine Schuhe legen.
System: Für die Dauer des Rituals, erhält der Anwen-
der zwei zusätzliche Würfel auf alle Würfe mit Erschei-
nungsbild. Dieses Ritual hält eine Anzahl von Stunden
an, die den Erfolgen beim Aktivierungswurf entspricht.

Der letzte Zeuge

Das Ritual wird dazu verwendet, um den Grund für die
Starre eines vampirischen Körpers oder den Grund für
den endgültigen Tod eines Kainskinds aus seiner Asche
zu erfahren. Um dieses Ritual durchzuführen, muss
der Thaumaturg eine kleine Münze auf die Augen des
in Starre liegenden Kainskinds legen. Die Stimme des
Vampirs verrät ihm nun den Grund für seinen kalten
Schlummer. Wenn nur noch Asche vom Körper übrig-
geblieben ist, braucht der Thaumaturg die Münze ledig-
lich in die Asche zu legen, um das Ritual durchzuführen.
System: Das Ritual benötigt eine halbe Stunde zur
Durchführung und am Ende hört der Thaumaturg eine
geisterhafte Botschaft des Opfers, in der es den Namen
der Person nennt, von der es glaubt, in Starre versetzt
oder getötet worden zu sein. Dies ist kein Ritual der
Wahrsagerei und daher kann die Information eventuell
nicht ganz exakt sein. Wenn der Schuldige verschleiert
oder versteckt war, wird der Geist des Opfers sein Bestes
geben, um die Frage zu beantworten. Diese Kraft hat
keine Auswirkungen auf andere Kreaturen, als Kains-
kinder.

Läuterung des Blutes

Der Schwarze Tod tötete während des Mittelalters in
ganz Europa über fünfundsiebzig Millionen Menschen.
Bereits frühe Nachforschungen ergaben, dass die meis-
ten Krankheiten, selbst durch Blut übertragene, nur sel-
ten Auswirkungen auf Kainskinder haben, obwohl Vam-
pire sie in sich tragen und auf ihre Opfer übertragen
können. In dieser Zeit wurden eigene Herden zerstört
und es kam zu einer ernsthaften Knappheit an Blut, die
beinahe die Maskerade zum Zerbrechen gebracht hätte.
Es gab schon zuvor magische Methoden, um Blut zu rei-
nigen, doch sie dauerten sehr lange und waren kompli-
zierte Prozesse.
Die Lösung kam von den Tremere, damals noch ein
Clan im Krieg, der auf der Suche nach seinem Weg in
die gehobene Gesellschaft war und der plötzlich eine
Lösung in Form eines einfachen Rituals bot. Das ver-
schmutze Blut muss in einen geeignetes Gefäß umge-
füllt werden und dann mit einer speziellen Mixtur aus
Asche und zerstoßenem Ingwer verrührt werden, wäh-
rend der Thaumaturg die Anrufung des Rituals durch-
führt. Wenn das Ritual Erfolg hat, nimmt das Blut eine

146 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes

leicht hellere Färbung an und das Ritual hat alle Gifte oder
Krankheiten entfernt.
Läuterung des Blutes funktioniert nicht bei Blut, das
sich noch im Blutkreislauf einer lebenden Kreatur befin-
det. Daher kann das Ritual auch nicht eingesetzt werden,
um einen menschlichen Körper von einer Krankheit zu
heilen oder das Trinken direkt aus einem Gefäß sicherer
zu machen, denn es reinigt stets nur das Blut, das zunächst
dem Menschen entnommen wurde. Einige Vampire meiden
dieses Ritual wegen des zusätzlichen, damit verbundenen
Aufwandes an Blut zu kommen, ohne zu beißen und der
kaum befriedigende Geschmack (ganz zu schweigen von der
nicht vorhandenen Wärme und des schlagenden Herzens)
schreckt Gourmets unter den Kainskindern ab. Aus diesem
Grund bleibt Läuterung des Blutes ein Ritual für einen letz-
ten Ausweg bei verzweifelten Epidemien, aber kein stark
nachgefragter Dienst.
System: Läuterung des Blutes funktioniert bei einer
Menge bis zu einem Blutpunkt. Auf Grund der Beschrän-
kung der Menge kann Läuterung des Blutes nur einen Blut-
punkt auf ein Mal reinigen. Gifte, Krankheiten und andere
Mischungen verschwinden, während fremde Substanzen an
der Oberfläche blubbern und abgeschöpft werden können.
Dennoch beeinträchtigt das Ritual nicht die Macht des Blu-
tes, d. h. Vitae kann noch immer ein Blutsband hervorrufen
und in Säure verwandeltes Blut oder ätzende Auswirkungen
von Disziplinen (wie durch Quietus oder Fleischformen)
können nicht gereinigt werden. Das Ritual kann keine Vaul-
derie vermeiden (und es ist inmitten eines solchen Ritus
auch nicht zu verheimlichen). Verfaultes, verklumptes oder
zu stark verschmutztes Blut verschwindet ebenfalls, wenn es
diesem Ritual unterzogen wurde (nach Ermessen des Erzäh-
lers), sodass ein Vampir nicht würgend altes, totes Blut trin-
ken muss.
Blutphiole
Die Jünger des Seth haben schon früher eine archaische
Variante dieses Rituals während ihrer religiösen Riten und
Anbetungen des Dunklen Gottes verwendet. Die Tremere
haben das Ritual vereinfacht, damit sie schnell größere Men-
gen Blut für unbestimmte Zeit haltbar machen können,
ohne etwas davon zu vergeuden. In den heutigen Nächten
ist es für Kainskinder nützlich, die nicht über das medizini-
sche Wissen oder Technologien verfügen, um Blut auf all-
täglichere Art zu konservieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass
es auch bei der Vitae eines Kainskindes funktioniert, ohne
das Prinzip der Identität zu beeinträchtigen (S. 132-133).
Ein zurückgezogener Thaumaturg kann so das Blut seiner
Feinde aufbewahren, um es im richtigen Moment wieder
nutzen zu können.
System: Um dieses Ritual vorzubereiten, vergräbt der
Thaumaturg ein Tongefäß für zwei Nächte und gräbt es
anschließend wieder aus. Am nächsten Abend bröselt er das
getrocknete Blatt einer Esche in das Behältnis und flüstert
die entsprechende Anrufung. Danach kann er das Blut in
das Gefäß geben und den Deckel mit Kerzenwachs versie-
BLUTRITEN
geln. Das Blut bleibt auf diese Weise frisch, bis die Versiege-
lung zerbrochen wird. Nachdem das Gefäß geöffnet wurde,
verdirbt das Blut in normaler Geschwindigkeit. Wenn das
Gefäß zerbrochen wird, verdirbt das Blut sofort bis zu dem
Stadium, in dem es sich befinden würde, wäre es gar nicht
konserviert worden. Das Gefäß kann mehrfach verwendet
werden, doch das Ritual muss jedes Mal neu gewirkt werden,
da das Blut sonst schlecht wird.
Mystisches Gespür
Blutmagie verursacht in den Räumen, in denen sie ange-
wandt wird, eine Resonanz. Diese mystische Energie kann
entdeckt und gemessen werden. Ein Thaumaturg kann die-
ses Ritual einsetzen, um die Rückstände der Resonanz von
magischen Objekten und Effekten zu spüren. Das Ritual
wurde ursprünglich entwickelt, um Thaumaturgen und
magische Artefakte außerhalb des Clans der Tremere aus-
findig zu machen und wird häufig von jungen Tremere ver-
wendet, die sich einen Namen machen wollen. Der Thau-
maturg besingt eine magisch vorbereitete Kerze und zündet
sie anschließend an. Alle Quellen der Blutmagie innerhalb
des Radius des Kerzenscheins glitzern für alle Anwesenden
sichtbar.
System: Die Auswirkungen dieses Rituals halten für eine
Anzahl von Stunden an, die den Erfolgen beim Aktivie-
rungswurf entspricht. Mystisches Gespür kann Thaumatur-
gie, Nekromantie und ähnliche Blutmagie entdecken, wenn
sie im Radius der entzündeten Kerze gewirkt wurde. Diese
Kraft macht keinen Unterschied zwischen den verschiede-
nen Arten der Blutmagie und erfasst auch keine normalen
Disziplinen. Diese Fähigkeit hält eine Stunde lang an.
Rituale der Zweiten Stufe
Blutstein
Der Blutstein ist ein kleiner Stein, der über eine ana-
log-magische Verbindung mit dem Thaumaturgen verfügt,
der ihn geschaffen hat, sodass dieser stets weiß, in welcher
Richtung und groben Entfernung sich das Objekt befindet.
Während der vielen Kriege des Dunklen Zeitalters wurde
dieses Ritual gerne von den Tremere genutzt, da das Wissen
um die Position von Truppen, Boten und Eigentum ihnen
einen enormen taktischen Vorteil bieten konnte. Mit dem
Fortschreiten der Technologie und der Erfindung der Satel-
litenkommunikation und von GPS-Systemen, geriet der
Blutstein in Vergessenheit. Dennoch haben konservative
Thaumaturgen wieder zu dieser alten Methode zurückgefun-
den, um ihre Verbündeten auszumachen, während sie etwas
über Angst vor „Hackern“ oder „Technomanten“ murmeln.
Um einen Blutstein zu erschaffen, legt der Thaumaturg
einen kleinen Stein in ein Gefäß mit drei Blutpunkten einer
beliebigen Quelle. (Das Blut muss nicht menschlich sein.)
Über drei Nächte hinweg muss er jeweils ein Mal pro Nacht
die entsprechende Anrufung über dem Gefäß rezitieren.
Der Blutstein nimmt langsam einen Blutpunkt pro Nacht
auf und die Flüssigkeit wird immer klarer, bis sie in der
147
 ­dritten Nacht durchsichtig wie Wasser wird. Der Thauma-
turg verfügt in dieser Zeit über eine mystische Verbindung
zum Stein und kennt zu jeder Zeit seine ungefähre Position.
System: Der Thaumaturg kann seiner permanenten Wil-
lenskraft entsprechend viele Blutsteine erschaffen. Er kennt
instinktiv die genaue Richtung und die grobe Entfernung
zwischen sich und dem Stein. Wenn ein Blutstein verdun-
kelt oder magisch versteckt wird, kann der Anwender seiner
Spur folgen, bis er seine grobe Position erreicht. Dort ange-
kommen, verschwimmt die Verbindung und er kann den
Blutstein nicht länger fühlen. Wird ein Blutstein zerstört,
verliert er sofort die Verbindung zum Thaumaturgen, häu-
fig in Verbindung mit einer schmerzhaften Rückkopplung
(ablenkend, aber ohne Schaden).
Löschen
Feuer ist die größte Angst der Kainskinder. Es spricht das
Tier an und untergräbt jede Vernunft. Einige Ahnen zittern
noch immer, wenn sie an die dunklen Nächte der fackel-
schwingenden Inquisition zurückdenken. Dieses Ritual
beseitigt einige der Bedrohungen des Feuers. Der Anwender
kann gefährliche Flammen löschen, was Vampirjäger ziem-
lich überraschen kann, wenn ihre Fackeln und Brandzei-
chen plötzlich keine effektiven Werkzeuge mehr darstellen.
System: Der Thaumaturg muss für die Durchführung des
Rituals seine Beschwörung rezitieren und die Flamme einer
Kerze mit den Fingern löschen, während er auf den Boden
spuckt. Ist das Ritual abgeschlossen, kann der Thaumaturg
für den Rest der Nacht durch das Aussprechen eines einzi-
gen, magischen Wortes automatisch ein Feuer bis zur Größe
eines Freudenfeuers löschen. Er kann diese Kraft so oft
anwenden, wie er Erfolge beim Aktivierungswurf des Rituals
erzielt hat. Die Durchführung des Rituals könnte zu einem
Wurf auf Rötschreck führen (siehe V20, S. 299).
Illusion des friedvollen Todes
In Zeiten rivalisierender Fraktionen und Krieg führender
Vampir-Klüngel, die um die Vorherrschaft und Ressourcen
streiten, kann es manchmal schwer sein, die Maskerade auf-
rechtzuerhalten. Ein blutiger Mord zur falschen Zeit kann
die ungewollte Aufmerksamkeit der Polizei auf eine bereits
komplizierte Situation ziehen. Ein Tremere aus Chicago
erschuf dieses Ritual, um die örtliche Polizei abzulenken,
damit sie nicht zu genau auf die Opfer von Vampirangriffen
schaute. Das Ritual lässt offensichtliche Wunden auf einer
Leiche verheilen, sodass es den Anschein erweckt, das Opfer
sei eines natürlichen Todes gestorben.
System: Der Anwender benötigt eine makellose Feder,
die im Blut eines guten Mannes getränkt wurde, der fried-
lich gestorben ist. Dann muss er vorsichtig den Leichnam
damit besprenkeln, während er die Beschwörung singt: „Es
muss Franks Zeit zu Gehen gewesen sein. Immerhin ist er
sanft im Schlaf entschlummert.“ Das Ritual füllt das Blut
des Opfers nicht wieder auf, doch es erhöht die Wahrschein-
lichkeit, dass niemandem auffällt, wie viel tatsächlich fehlt.
Damit das Ritual Erfolg hat, muss der Tote zumindest noch
148 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
über die Hälfte seines Blutvorrats verfügen. Dies erhöht die
Schwierigkeit für Kräfte der Nachforschung oder entspre-
chende Fähigkeiten, die auf den Leichnam angewandt wer-
den um eins pro Erfolg beim Ritual.
Lapsus
Einige historische Niederschriften lassen vermuten, dass
Lapsus eines der ältesten Rituale seit dem Bestehen der Blut-
magie ist. Dieses Ritual wird für die Bestrafung von Feinden
benutzt, ohne dass der Thaumaturg diesen direkt angreifen
muss oder Beweise hinterlässt. Lapsus benötigt einen Blut-
punkt und entweder einen Teil des Opfers, wie eine Haar-
strähne oder einen Gegenstand, der dem Ziel teuer war, um
die angemessene Verbindung zwischen dem Opfer und der
Kraft des Rituals herzustellen.
Der Tremere muss über zehn Minuten meditieren, dabei
seinen Hass und seine Wut auf das Opfer konzentrieren und
anschließend die Komponenten des Rituals verbrennen. Ist
das Ritual vollendet, wird das Opfer mit Unglück verhext,
sodass es bei banalen Aufgaben scheitert. Dies können klei-
nere Rechtschreibfehler sein, bis hin zu Verkehrsunfällen, je
nachdem wie der Thaumaturg sein Ziel verhext.
System: Der Thaumaturg muss seine Wut auf das Opfer
konzentrieren, während er ein Objekt verbrennt, das über
eine physische Resonanz mit dem beabsichtigten Ziel ver-
fügt, entsprechend des Prinzips der Identität (S. 132-133).
Jeder beim Aktivierungswurf erzielte Erfolg bei der Durch-
führung des Rituals verursacht ein automatisches Scheitern
beim nächsten Wurf des verhexten Charakters, ungeachtet
des Ergebnisses. Wenn der Anwender vier Erfolge beim Akti-
vierungswurf erzielt, scheitert der verhexte Charakter bei sei-
nen nächsten vier Würfen, ungeachtet seines Ergebnisses.
Lapsus führt zu keinen Patzern, lediglich zu einem einfachen
Scheitern. Wenn Lapsus auf einen vergleichenden oder
erweiterten Würfelwurf angewandt wird, erzielt das Opfer
in seiner entsprechenden Runde einfach keine Erfolge, so
lange, bis alle ausstehenden Misserfolge aufgebraucht sind.
Blutmet
Mit Hilfe dieses Rituals kann der Thaumaturg rituell ein Fass
eines besonderen Oinos aus Gewürzen brauen, ein altertüm-
licher, griechischer Wein, von dem man glaubte, der Gott
Dionysos habe ihn erschaffen. Trinken Sterbliche diesen
Wein, erfüllt sie eine angenehme Benommenheit, zerstreu-
ende, ätherische Freude und Erregung, bis sie irgendwann
das Bewusstsein verlieren und für den Rest des Abends
schlafen. Sie erwachen mit verschwommenen, angenehmen
Erinnerungen und haben sämtliche Einzelheiten und Ereig-
nisse der vorigen Nacht vergessen.
Ein Fass Blutmet hilft, bei speziellen Feiern die Maske-
rade zu wahren, wenn Vampire offen von den Gästen trin-
ken möchten. Wenn Vampire von Sterblichen trinken, die
durch das mystische Oinos benebelt sind, fühlen sie sich
leicht angesäuselt, doch nicht ausreichend, um als vergiftet
gewertet zu werden, doch ausreichend, um eine Erinnerung
an jene Nächte zu wecken, in denen sie noch atmeten und
ihnen der Appetit nach mehr als Blut stand.
 System: Der Anwender muss mindestens einen Punkt
seines Blutes mit Wein und Gewürzen vermischen. Ist es fer-
tiggestellt, muss das Oinos eingenommen werden, um zu wir-
ken. Nachdem er das Oinos getrunken hat, muss der Sterb-
liche einen erfolgreichen Wurf auf Willenskraft ablegen
(Schwierigkeit 8), um irgendwie zu handeln, da er von einer
künstlich verursachten Lethargie überwältigt wird. Diese
Auswirkungen halten dieselbe Anzahl an Stunden an, wie
Erfolge beim Aktivierungswurf erzielt wurden. Trinkende
können diesen Auswirkungen entgehen, wenn sie drei
Erfolge bei einem Wurf auf Widerstandsfähigkeit erzielen
(Schwierigkeit 8). Vampire und andere übernatürliche Krea-
turen werden von Blutmet nicht betroffen, da ihr Blut zu
mächtig ist, um von diesem Gebräu überwältigt zu werden.
Trinkt ein Vampir von einem Sterblichen, der unter dem
Effekt des Blutmets steht, fühlt er ähnliche Auswirkungen,
die ihn allerdings nicht überwältigen oder behindern. Sie
fühlen ein künstlich verstärktes Gefühl der Freude und erin-
nern sich an ihre sterblichen Nächte. Bei einem Notfall kön-
nen Vampire einen Blutpunkt ausgeben, um das Gift aus
ihrem Körper zu verdrängen.
Flüstern des Geistes
Die Kommunikation mit der materiellen Welt ist äußerst
schwierig, wenn man sich in astraler Form befindet. Astral-
reisende müssen normalerweise einen Punkt Willenskraft
aufwenden, damit sie als geisterhafte Wesen sichtbar werden
und kommunizieren können, doch dies kann selbst für die
abgehärtetsten Kainskinder eine Herausforderung darstel-
len. Die Tremere verbrachten Jahrzehnte mit dem Versuch,
diesen Tribut einer ihrer primären Disziplinen zu mildern
und erschufen schließlich Flüstern des Geistes als einen
Weg, um die benötigten Kosten astraler Kommunikation
zu umgehen. Ist das Ritual vollendet, kann der Thaumaturg
aus seiner psychischen Projektion heraus mit der materiellen
Welt kommunizieren. Der Anwender kann sich mit jedem
unterhalten, dem er begegnet, doch seine Worte klingen wie
ein entferntes Flüstern. Personen, die dieses Säuseln hören,
halten es fälschlicherweise häufig für Worte von Geistern
oder Seelen. Auf seiner astralen Reise muss der Thauma-
turg das Ohr einer noch lebenden Kreatur fest in der linken
Hand seines physischen Körpers halten.
System: Der Anwender muss fünfzehn Minuten lang in
völliger Stille meditieren. Anschließend muss er das Ohr
einer noch lebenden Kreatur abschneiden und dieses Ohr in
seiner linken Hand halten, ehe er Astrale Projektion anwen-
det (V20, S. 132-133 — der Thaumaturg muss über Astrale
Projektion verfügen, um dieses Ritual nutzen zu können).
Der Thaumaturg kann so in einem geisterhaften Flüstern
zur materiellen Welt sprechen. Wenn er gesehen werden
möchte, muss er noch immer den Punkt Willenskraft auf-
wenden, um sich normal zu manifestieren, doch dies been-
det das Ritual. Sollte der „Spender“ des Ohrs sterben, endet
das Ritual ebenfalls sofort. Wenn die Spende nicht freiwillig
erfolgte, könnte dies den Verlust von Moral zur Folge haben.
BLUTRITEN
Rituale der Dritten Stufe
Belladonna /
Berührung des Nachtschattens
Die Geschichten über das tödliche Gift des Nachtschattens
reichen weit zurück bis in die Antike, als es während der
Kriege gegen die Parther die Legionen von Marcus Antonius
schwächte. Das Ritual baut auf diese Geschichten auf, um
ein Gift zu erschaffen, mit dem ein einzelnes Opfer – Kains-
kind oder Sterblicher – mit nur einer Berührung bestraft
werden kann.
Der Anwender muss seine Hände mit dem bitteren
Extrakt des Nachtschattens benetzen, ehe er dieses Ritual
durchführt und anschließend Hautkontakt mit dem vor-
gesehenen Opfer herstellen. Innerhalb einer halben Stunde
beginnt das Opfer unter den Auswirkungen zu leiden, die
einer tatsächlichen Vergiftung mit Nachtschatten entspre-
chen. Einige der Symptome sind geweitete Pupillen, Licht-
empfindlichkeit, verschwommene Sicht, Kopfschmerzen,
Verwirrung und Krämpfe.
System: Das Ritual erschafft ein Kontaktgift, das nur ein
Mal verwendet werden kann, ehe es seine Wirkung verliert.
Wenn das Gift bis zum Ende der Nacht nicht verwendet
wurde, verpufft die Kraft und das Gift wird nutzlos.
Der Thaumaturg muss das magische Gift auf seine eigene
Haut auftragen (er selbst ist immun dagegen) und anschlie-
ßend das beabsichtigte Ziel berühren. Der Erzähler kann
einen Wurf auf Geschick oder Manipulation verlangen, um
das Opfer zu berühren, abhängig von den Umständen. Bis
die Wirkung des Giftes nachlässt, muss das Opfer ein Mal
pro Nacht einen Wurf auf Widerstandsfähigkeit + Seelen-
stärke (Schwierigkeit 8) ablegen, um zu sehen, ob es den Aus-
wirkungen des Giftes widerstehen kann. Bei drei oder mehr
Erfolgen widersteht das Ziel den toxischen Auswirkungen,
doch leidet es unter leichten Kopfschmerzen und fühlt, dass
etwas nicht stimmt. Andernfalls leidet das Opfer unter einer
schwerwiegenden Reaktion des Giftes mit Schweißausbrü-
chen, verschwommener Sicht und Krämpfen. Die Schwierig-
keit für alle Würfe wird den Rest der Nacht um eins erhöht.
(Bedenken Sie, dass Kainskinder Blut schwitzen! Dies kann
zu einem ernsthaften Problem werden, wenn das Kainskind
die Maskerade wahren möchte.)
Die Anzahl der Erfolge beim Aktivierungswurf bestimmt
die Stärke des Giftes. Jeder Erfolg verlängert die Auswirkun-
gen des Giftes um eine weitere Nacht. Die Auswirkungen
dieses magischen Giftes können durch Reinheit des Flei-
sches behoben werden (V20, S. 225).
Stimme in der Flasche
Ein Opfer seiner Stimme zu berauben trifft es mitten ins
Herz seiner Identität. Dieses Ritual wird häufig als öffent-
liche Bestrafung für rebellische Seelen eingesetzt, die ihr
Benehmen bei Hofe oder in Elysien nicht zügeln können.
Das Opfer muss bewegungsunfähig fixiert werden, wäh-
rend eine Glasflasche auf sein Herz gestellt wird und der
149
 ­ nwender die Anrufung singt, mit der die Stimme des
A anhand der Notizen benötigt die üblichen Komponenten
Opfers entzogen werden soll. Danach versiegelt der Thau-
maturg die Glasflasche mit Wachs, um die Stimme festzuset-
zen und das Ritual zu beenden. Danach ist das Opfer nicht
mehr in der Lage zu sprechen oder irgendein Geräusch von
sich zu geben. Dieser Fluch kann die Kräfte eines Kainskin-
des ernsthaft einschränken. Ohne sprechen zu können, kön-
nen auch Disziplinen wie Beherrschung oder Präsenz nicht
angewandt werden, ebenso wenig Rituale der Blutmagie, die
gesprochene Komponenten beinhalten.
System: Damit der Thaumaturg das Ritual durchführen
kann, muss er das Opfer vollständig bewegungslos machen.
Dies kann durch Pfählen oder Fixieren des Opfers gesche-
hen. Der Anwender benötigt uneingeschränkten Zugang
zum Opfer, während er versucht, dessen Stimme zu entrei-
ßen. Für jeden Punkt Willenskraft, über den das Opfer ver-
fügt, verlängert sich die Durchführung des Rituals um wei-
tere fünfzehn Minuten. Ist das Ritual beendet, enthält die
Glasflasche die Essenz der Stimme des Opfers und es kann
weder sprechen noch sonst einen Laut von sich geben, bis
das Siegel der Glasflasche zerbrochen wurde. Der Tod des
Thaumaturgen bricht den Fluch nicht.
Widmung
Blutmagie stellt den ultimativen Vorteil im Dschihad dar,
doch nicht jeder kann (oder darf) Thaumaturgie erlernen. Der
Thaumaturg kann eine niedergeschriebene Version des Ritu-
als erschaffen, das seine Kraft von seinem eigenen Blut erhält,
sodass die Formel für jemand anderen durchführbar ist.
Der Clan der Tremere hat dieses Ritual als Unterstützung
in der Ausbildung seiner Lehrlinge entwickelt, um diesen
die Grundlagen der Blutmagie näherzubringen, indem sie
ein bestimmtes Ritual durchführen. Später nutzten sie Wid-
mung, um einen einmaligen Vorteil durch ein Ritual zu
gewähren, sodass die Tremere die Abhängigkeit von ihrer
Magie steigern konnten.
Das Ritual Widmung erlaubt es dem Thaumaturgen
ein beliebiges Ritual der ersten oder zweiten Stufe auf ein
Blatt Papier oder eine andere glatte Oberfläche zu schrei-
ben (etwas trag- und faltbares ist vorzuziehen). Der Leser
kann anschließend die Kraft des Rituals freisetzen, indem
er die Widmung liest und den Anweisungen darin folgt. Der
Schreiber verwendet sein Blut als Grundlage für die Tinte
und die verbliebene Kraft in seiner Vitae in der Mischung
speist das Ritual. Ein auf diese Weise niedergeschriebenes
Ritual liegt in unzureichender Form vor und kann nicht
zum Erlernen der Thaumaturgie genutzt werden. Es handelt
sich dabei um eine vereinfachte Form von Anleitung, wobei
die Vitae des Schreibers Auslassungen oder Schlamperei auf
Seiten des Anwenders ausgleicht.
System: Ein Thaumaturg, der die Techniken der Wid-
mung kennt, kann eine zusammengefasste Variante eines
beliebigen Rituals der ersten oder zweiten Stufe, das er
kennt, mit Hilfe von zwei Blutpunkten niederschreiben.
Jeder, der die verwendete Sprache lesen kann, kann spä-
ter das Ritual durchführen. Die Durchführung des Rituals
150 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
und die übliche Zeit, ebenso wie einen Wurf auf Intelligenz
+ Okkultismus, doch der Anwender muss über kein thau-
maturgisches Wissen verfügen. Ist eine Widmung vollstän-
dig abgeschlossen, wird die Macht der Vitae des Schreibers
im Objekt gefangen – sein maximaler Blutvorrat wird effek-
tiv um eins verringert, bis die Widmung eingesetzt wurde.
Nachdem die Widmung verwendet wurde, vertrocknet sie zu
feiner, unleserlicher Asche und alle Macht verschwindet aus
der Tinte. Der Verfasser kann die Widmung selbst verwenden
(was ziemlich sinnfrei wäre) oder sie jemand anderem geben.
In magischen Kreisen weiß man sehr wohl, dass das Blut
zur Durchführung der Widmung als analog-magische Ver-
bindung und Identität verwendet werden kann, sodass
unvorsichtige Thaumaturgen ihr Blut in den Händen ihrer
Feinde wiederfinden könnten, die es dann gegen sie ein-
setzen. Damit die Widmung nicht zum falschen Empfänger
gelangt, verwenden viele Verfasser zudem Code auf ihre
magischen Notizen, um sicherzustellen, dass nur das beab-
sichtigte Ziel das Ritual durchführen kann.
Rutors Hände
Die Erschaffung von Leben, so verdreht und obszön es sein
mag, war schon immer ein Ziel der Thaumaturgen. Wäh-
rend Gargyle und Homunculi schon zu den besser bekann-
ten durch Thaumaturgie erschaffenen Kreaturen gehören,
sind Rutors Hände eine eher obskure und verstörendere
Kreation. Verfügt ein Thaumaturg über ausreichend Wil-
lenskraft, kann er sein eigenes Auge herauspulen, es auf
eine seiner abgetrennten Hände setzen und haucht dem
ganzen Ding als huschendem, bösartigem Spion Leben ein.
Das Auge ruht auf dem Handrücken und dreht sich darauf
umher, um sein Umfeld wahrzunehmen, während die Hand
wie eine vertrocknete Spinne umherwuselt. Das Konstrukt
gehorcht dem Willen des Eigentümers und kann alles, was es
sieht oder hört an seinen Meister weiterleiten (selbst wenn es
über keine Ohren verfügt), wie der Thaumaturg es wünscht.
System: Für die Durchführung des Rituals muss der
Thaumaturg sich eine Hand abtrennen und sich am Ende
des Rituals ein Auge extrahieren. Dies führt zu fünf Stufen
nicht-absorbierbarem, schwer heilbarem Schaden. Ist der
Schaden geheilt, regeneriert der Tremere die Hand und das
Auge, wobei der grässliche Homunkulus weiter umherstreift.
Wenn es der Erzähler für notwendig erachtet, benötigt die-
ses Ritual zudem einen Wurf auf Willenskraft, allein schon,
um das schmerzhafte Finale zu Ende zu bringen. Die leben-
dige Hand verfügt über eine Gesundheitsstufe und bewegt
sich mit einem Äquivalent von zwei Punkten in jedem kör-
perlichen Attribut sowie Wahrnehmung (siehe S. 108). Der
Anwender lenkt die Bewegungen des Dings mit seinem Wil-
len (selbstverständlich nur, solange der Thaumaturg sich bei
Bewusstsein befindet). Die Hand benötigt einen Blutpunkt
pro Woche oder sie zerfällt zu Asche. Wird die Hand dem
Sonnenlicht oder Feuer ausgesetzt, verschwindet sie eben-
falls in einem grässlichen Schrei und hinterlässt lediglich
eine faulige Pfütze.
Seele des Homunkulus
Wenn ein Thaumaturg Unterstützung bei seinen Forschun-
gen benötigt, kann er sich nicht immer auf die Loyalität
von Lehrlingen verlassen, doch wer sollte die Loyalität sei-
nes eigenen Fleisches anzweifeln? Ein Homunkulus ist eine
kleine Kreatur, die aus dem Blut und Gewebe des Anwen-
ders erschaffen wurde und dem dann mit Thaumaturgie
Leben eingehaucht wird. Das Erschaffen eines Homun-
kulus nimmt mehrere Stunden ununterbrochener Arbeit
in Anspruch und ein Thaumaturg kann nur über einen
Homunkulus gleichzeitig verfügen.
Das entsetzliche kleine Wesen besteht aus einem blub-
bernden Sumpf aus Öl, Blut, blanken Knochen und Fleisch-
stücken aus dem Körper des Anwenders. Bei Abschluss
des Rituals kriecht der Homunkulus aus seiner fettigen
Geburtssuppe, um seinem Herren zu dienen. Es kann sich
selbständig bewegen und als Spion genutzt werden oder um
einfach Ingredienzien herbeizuschaffen. Der Homunkulus
verhält sich entsprechend der Befehle seines Meisters, was
auch über die Gedanken stattfinden kann, solange das Vieh
sich in der Anwesenheit seines Erschaffers aufhält. Im Laufe
der Zeit können Homunkuli ihre eigene Persönlichkeit und
Ziele entwickeln.
System: Ein Homunkulus (siehe S. 107) verfügt über zwei
Gesundheitsstufen und zwei Punkte in jedem körperlichen
Attribut. Er funktioniert wie ein zusätzliches Körperteil sei-
nes Erschaffers, denn der Homunkulus bewegt sich und
handelt nur, wenn der Anwender es so wünscht. Homun-
kuli erleiden Schaden durch Sonnenlicht und Feuer, wie
Kainskinder. Obwohl ein Homunkulus aus dem eigenen
Fleisch des Anwenders erschaffen wird, ist er eine eigene,
körperliche Entität und zählt somit nicht als arkane Ver-
bindung, noch zählen seine Körperflüssigkeiten als Blut des
Erschaffers.
Transsubstantiation der Sieben
Die Tremere halten eine besondere Loyalität gegenüber
Haus und Clan, doch das Ausmaß dieser Loyalität und die
Mittel, mit der sie erhalten wird, bleiben für einen Groß-
teil der Kainskinder ein Geheimnis. In Wahrheit unterliegt
jeder Lehrling der Tremere durch ihr gemischtes Blut einem
partiellen Blutsband gegenüber dem Rat der Sieben.
Nach dem Kuss legt ein neugeborener Tremere einen for-
mellen Schwur auf den Kodex der Tremere ab. Dieser Eid ist
von keinerlei Magie begleitet, doch der vorsitzende Regent
(oder Tremere eines höheren Ranges) beendet diese Forma-
lität mit der Transsubstantiation. Der Anwender füllt einen
großen Kelch mit seinem Blut und singt die Beschwörungen
des Rituals. Der Neugeborene, der noch immer mit dem
neuen Phänomen seines Blutdurstes ringt, trinkt den gesam-
ten Inhalt seines Kelches. Sobald das Blut in seinen Körper
gelangt und sich dort verteilt, transformiert das Ritual das
Blut auf magische Weise in das Blut des Rats der Sieben.
Auf diese Art erhalten alle Neugeborenen der Tremere
eine Stufe zum Blutsband mit dem Rat, ohne das Risiko ein-
gehen zu müssen, dass Feinde das Blut der Ratsmitglieder
BLUTRITEN
stehlen könnten. Die Teilnahme an der Transsubstantiation
wird als Bedingung dafür angesehen, dass ein Küken gesell-
schaftlich als vollwertiges Mitglied des Clan Tremere ange-
sehen wird.
Diejenigen, die dem Ritual unterzogen wurden und sogar
die meisten, die es selbst ausführen können, wissen nur
wenig über seinen magischen Aufbau oder Zweck. Selbstver-
ständlich entspricht das transmutierte Blut dem des Rats der
Sieben, doch wie groß müssen ihre Vorräte sein, damit sie
jeden Neugeborenen bei der Durchführung dieses Rituals
mit Blut versorgen können? Wohin geht das Blut des Neuge-
borenen? Es gibt Gerüchte hinter vorgehaltener Hand, dass
es unter Wien einen enormen Tresor mit beschrifteten Phio-
len voll Vitae gäbe, wo das Blut eines jeden Kainskinds kon-
serviert wird, das jemals diesem Ritual unterzogen wurde,
doch das kann wohl kaum stimmen ... oder?
System: Der Anwender der Transsubstantiation muss
einen Blutpunkt eigenes Blut aufwenden. Das Blut im Kelch
bleibt so lange unverändert, bis es getrunken wurde und sich
im Körper des Ziels verteilt hat, wo es dann die Eigenschaf-
ten des Blutes des Rats der Sieben annimmt.
Dies verursacht einen Schritt auf dem Weg zum Bluts-
band gegenüber dem ganzen Rat und garantiert dabei, dass
das Blut des Rates nicht gestohlen werden kann. Da sich das
Blut bereits im Körper des Ziels befindet, zählt es als seine
eigene Vitae, wenn es später entzogen würde.
Tatsächlich gibt es keine körperliche Notwendigkeit dafür,
dass dieses Ritual an Neugeborenen durchgeführt wird.
Nur sehr selten entwischt ein frisch erschaffener Tremere
diesem Prozess. Theoretisch könnte das Ritual auch dafür
verwendet werden, um stärkere Bande bei älteren Tremere
hervorzurufen, selbst bei Ghulen oder Kainskindern ande-
rer Clans. Kainskinder der 14. oder 15. Generation, Ghule
und Wiedergänger können dieses Ritual nicht nutzen, da
ihr Blut nicht mächtig genug ist, um das Blut des Rates zu
kanalisieren.
Rituale der Vierten Stufe
Der späte Fluch
Einen Ghul so auszubilden, dass er einem Thaumaturgen
dienen kann, kann Jahre dauern. Einige nutzen diesen Pro-
zess, um ungeeignete Kandidaten auszusortieren und sie
von denen zu trennen, die des Kusses würdig wären. Der
Umfang der in dieses Unterfangen gesteckten Anstrengung
war der Grund für die Erschaffung des Rituals, das heute als
Der späte Fluch bekannt ist. Indem dieses Ritual auf einen
Ghul angewandt wird, investiert der Anwender einen Teil
seiner eigenen Macht, sodass – sollte das Unglaubliche ein-
treten – sein Diener als Vampir wiederaufersteht.
Dieses Ritual wurde ursprünglich von den Hexern der
Assamiten und der Jünger des Seth verwendet. Der Clan
Tremere hat ein organisiertes System zur Unterweisung
seiner Lehrlinge und obwohl für die meisten auf ewig ein
Posten als Forschungsassistent vorgesehen ist, erweisen sich
einige als wichtig genug, damit sie von Ahnen ausgesucht
151
 werden, aufdass die in sie investierte Zeit mit Hilfe dieses
Rituals bewahrt bleibt.
System: Der Thaumaturg muss zunächst ein Brandzeichen
mit seinem Siegel vorbereiten. Dann muss er seinem Ghul
einen Blutpunkt zu trinken geben, während er die Anrufung
singt und anschließend den Pakt besiegeln, indem er das
Brandzeichen auf den Körper des Dieners presst. Der Vam-
pir verliert den Zugriff auf einen permanenten Blutpunkt,
bis dieses Ritual ausgelöst wird. Sobald das Herz des Ghuls
aufhört zu schlagen, wird die in seinem Körper gespeicherte
Vitae aktiviert und er steht als ausgereifter Vampir wieder
auf. Hat er einmal „den Kuss“ erhalten, verschwindet das
Brandmal und der blockierte Blutpunkt wird wieder frei-
gegeben, sodass er erneut ausgegeben werden kann. Der
Anwender weiß sofort, dass das Ritual ausgelöst wurde und
dass sein ehemaliger Ghul nun tot sowie sein neues Kind
sein könnte. (Obwohl er weiß, dass das Ritual aktiviert
wurde, hat der Thaumaturg keinerlei Möglichkeit, zu wis-
sen, ob sein ehemaliger Ghul es geschafft hat, den Prozess
zu überleben.)
Aufspüren des Übeltäters
Außenstehende Thaumaturgen oder abtrünnige Tremere,
die ihre Blutmagie einsetzen, um den Elfenbeinturm anzu-
greifen, werden Sünder genannt. Aufspüren des Sünders
wurde dazu entwickelt, um diese Feinde der Camarilla auf-
zuspüren. Der Clan der Tremere ist stets aufmerksam und
jagt diese Feinde, um die Camarilla vor magischen Angriffen
zu schützen (oder so geben sie es zumindest vor). Skeptiker
murren, die Usurpatoren wollen nur keine Konkurrenz.
System: Um dieses Ritual durchzuführen, muss der Thau-
maturg einen Ort ausfindig machen, an dem in den letzten
24 Stunden Thaumaturgie gewirkt wurde. Er muss dann
sein Blut auf den Boden vergießen (einen Blutpunkt auf-
wenden), während er die entsprechende Beschwörung singt.
Daraufhin werden nur für den Anwender blutige Fußspuren
auf dem Boden sichtbar, die ihn zum Sünder führen. Nach-
dem er dieses Ritual gewirkt hat, kann der Tremere bis zum
Morgengrauen den Sünder einwandfrei verfolgen. Diese
Spur folgt dem exakten Weg, den der Magus nach dem Ver-
lassen des Gebietes genommen hat, in dem er Magie ange-
wandt hatte. Dieses Ritual kann nur Thaumaturgie und
damit verwandte Rituale ausfindig machen, keine Nekro-
mantie oder andere Arten von Magie.
Schales Blut
Innerhalb des umfangreichen Arsenals mystischer Kräfte der
Kainskinder, ist die vielleicht wichtigste die Fähigkeit die,
Blut einzusetzen, um Wunden zu heilen, die Sterbliche ins
Wanken bringen oder gar töten würden. Kainskinder kön-
nen schnell Wunden von Abschürfungen, Fleischwunden
und selbst den Verlust von Gliedmaßen flicken und heilen.
Mit diesem Ritual kann der Thaumaturg einen Tropfen sei-
nes Blutes transmutieren und es damit in ein magisches Gift
verwandeln, das eine Zeit lang die Fähigkeiten des Opfers
blockiert, seine Vitae zum Heilen zu verwenden. Ehe der
Thaumaturg Schales Blut wirkt, muss er einen kleinen
152 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
Schluck mit Laudanum angereichertes Blut trinken und
anschließend zwanzig Minuten meditieren. Am Ende muss
er einen Tropfen Blut in seiner Handfläche verreiben. Das
nächste Kainskind, das der Anwender vor Sonnenaufgang
berührt, erleidet den Effekt.
System: Schales Blut erschafft ein Kontaktgift, das nur ein
Mal benutzt werden kann, ehe es unwirksam wird. Wenn
das Gift bis zum Ende der Nacht nicht verwendet wurde,
verpufft die Kraft und das Gift wird nutzlos. Der Thau-
maturg muss das magische Gift auf seine eigene Haut auf-
tragen (er selbst ist immun dagegen) und anschließend das
beabsichtigte Ziel berühren. Der Erzähler kann einen Wurf
verlangen, um das Opfer zu berühren, abhängig von den
Umständen.
Bei Hautkontakt verhindert Schales Blut zeitweise die
Fähigkeit des Ziels zu heilen, obwohl es sich dessen vielleicht
gar nicht bewusst ist, bis es sein Blut aktiv dafür einsetzt.
Opfer können einen Punkt Willenskraft aufwenden, um
diesen Effekt für eine Runde zu ignorieren. Klingt die Wir-
kung des Rituals ab, können alle Wunden entsprechend
ihrer Art wieder normal geheilt werden. Jeder Erfolg verlän-
gert die Auswirkungen des Giftes um eine weitere Nacht.
Die Auswirkungen dieses magischen Giftes können durch
Reinheit des Fleisches behoben werden (V20, S. 225).
Unschuld des Kinderherzens
Es ist schwer, subtil vorzugehen, wenn die anderen Raub-
tiere um Sie herum Ihre wahren Motive wahrnehmen kön-
nen. Unschuld des Kinderherzens verschleiert die Aura des
Anwenders vor der Kraft der Aura-Wahrnehmung. Jeder,
der diese Kraft auf den Anwender einsetzt, sieht nur eine
weiße Aura, unbefleckt von jedweden Anzeichen des Vampi-
rismus. Doch dieses Ritual hat einen hohen Preis: das Opfer
eines unschuldigen Kindes.
System: Unschuld des Kinderherzens benötigt ein rituel-
les Opfer eines sterblichen Kindes und die Entnahme seines
Herzens. Der Thaumaturg muss ein dem Kind einst gelieb-
tes Spielzeug in sein Herzblut tauchen. Das Spielzeug nimmt
schnell all das Blut auf, bis es wieder ganz sauber erscheint.
Solange der Anwender das Spielzeug bei sich trägt, erscheint
seine Aura in reinem Weiß, ohne jegliche Anzeichen von
Vampirismus. Die Dauer des Rituals beträgt eine Woche
und eine weitere Woche pro Erfolg beim Aktivierungs-
wurf. Das grausame Ritual verlangt der Menschlichkeit des
Anwenders einen hohen Preis ab.
Spiegelgang
Anwender Astraler Projektion wissen, dass es zahlreiche Ebe-
nen des Universums gibt. Es heißt, ein Thaumaturg der Mal-
kavianer, der von Spiegeln besessen war, habe dieses Ritual
erschaffen, sodass er auf der materiellen Welt von einem Ort
zum anderen reisen kann. Spiegelgang erschafft eine ana-
log-magische Verbindung zwischen zwei Spiegeln, damit der
Anwender zwischen ihnen hin und her reisen kann, solange
sie nicht weiter als eine Meile voneinander entfernt sind.
 System: Der Thaumaturg muss zwei identische Spie-
gel aus Silber in angemessener Größe fertigen. Er muss
beide Spiegel in zwei Blutpunkten seines eigenen Blu-
tes einlegen und sie während ihrer Fertigung über drei
Nächte hinweg besingen, um eine spezielle Verbindung
der Resonanz zwischen den beiden Objekten aufzu-
bauen. Ist dieser Prozess abgeschlossen, muss sich der
Thaumaturg vor beide Spiegel stellen und das magische
Losungswort nennen, um ein Tor zwischen den Spie-
geln zu öffnen. Derart mächtige Magie kann nicht „mal
eben“ gewirkt werden, weshalb das Portal drei Runden
benötigt, um sich zu öffnen. Das Glas wird leicht wellig
und schimmert, wenn es bereit ist, kann der Anwender
hindurchtreten. Er kann eine Begleitung auf seine Rei-
sen mitnehmen, doch er muss schnell sein, da sich der
Durchgang nach 2 Runden schließt. Wenn der Thauma-
turg oder seine Begleitung zögert, können sie in einem
anderen Reich zwischen den beiden Orten gefangen
werden.

Wasserspiegel
Kristallomantie ist die Kunst, über eine reflektierende,
klare Substanz wie Wasser Dinge aus der Entfernung zu
beobachten. Der Thaumaturg muss eine große Silber-
schüssel fertigen und sie mit einer Mischung aus gerei-
nigtem Quellwasser und einem Tropfen Blut einer Eule
füllen. Als nächstes muss er sich auf das Ziel konzent-
rieren und in die Schüssel starren. Wenn er Erfolg hat,
kann der Anwender das Ziel und alles in seinem nähe-
ren Umfeld sehen und hören, als sei er selbst dort.
System: Ist die Schüssel mit dem Wasser entspre-
chend der Vorgaben vorbereitet, muss der Thaumaturg
sich eine Minute konzentrieren, ehe er versuchen kann,
das Ziel zu erfassen. Dieses Ritual hält eine Anzahl von
Stunden an, die den Erfolgen beim Aktivierungswurf
entspricht. Der Thaumaturg muss sich in dieser Zeit nur
konzentrieren, um durch das Wasser hindurch beobach-
ten zu können. Wenn ein Ort im Mittelpunkt des Was-
serspiegels steht, kann dieser während der Dauer des
Rituals nicht verändert werden. Der Anwender kann
keine Kräfte von Auspex, Thaumaturgie oder ähnlichen
Disziplinen durch den Wasserspiegel anwenden.
Wenn der Anwender versucht, einen Gegenstand
oder einen Ort zu beobachten, muss er diesen gut genug
kennen, um eine geistige Bindung damit aufgebaut zu
haben. Wenn der Anwender eine Person beobachten
möchte, sollte er einen Gegenstand in seinem Besitz
haben, über den er eine psychische Resonanz zum Ziel
herstellen kann (S. 133).

Geraubte Küsse
Thaumaturgen wenden dieses Ritual an, wenn sie nicht
oral von einem Gefäß trinken wollen. Stattdessen kön-
nen sie mit Geraubte Küsse kleine Portionen Vitae
durch andere Körperteile des Gefäßes aufnehmen.
Einige Vampire bevorzugen einen kräftigen Händedruck
an gut besuchten Orten. Sadisten würgen ihre Gefäße

BLUTRITEN 153
 gerne, wodurch sie zweifach Lust auslösen: die der Atemnot
des Opfers zusammen mit frischem Blut, das durch kalte
Venen fließt. Andere schwelgen in sterblichen Erfahrungen,
indem sie dem Gefäß Blut beim Sex entziehen. Opfer dieses
Rituals sind sich nicht gleich darüber bewusst, dass ihnen
Blut aus dem Körper entzogen wird, doch sie werden leich-
ten Schwindel und Benommenheit verspüren. Für dieses
Ritual muss der Anwender irgendwo einen „Hexenkuss“ bei
sich tragen, eine in Vampirblut getränkte Distel.
System: Der Thaumaturg muss zunächst einen kleinen
Schnitt an der Stelle seines Körpers vornehmen, über die er
körperlichen Kontakt zu den Gefäßen aufnehmen möchte.
Wurde das Ritual gewirkt, zieht sich die Wunde zu und öff-
net sich wieder in Form eines magischen Mundes mit Lip-
pen. Wird dieser nun auf die Haut eines Gefäßes gedrückt,
trinkt er einen Blutpunkt pro Runde, solange der Kontakt
aufrechterhalten wird. Nach dem zweiten entzogenen Blut-
punkt fühlt sich das Gefäß vermutlich benommen, wobei
fünf Blutpunkte aufgrund des großen Blutmangels zu einer
Ohnmacht des Opfers führen können. Geraubte Küsse bleibt
für eine Nacht aktiv. Bedenken Sie, dass der Thaumaturg
weder Ekstase, noch Entzücken beim Opfer auslöst, wenn er
auf diese Weise trinkt, wie es ansonsten der Fall wäre.
Ritual aufheben
Thaumaturgen nutzen schon immer ihre Kräfte, um denen
zu schaden, die sie beleidigt haben oder die gegen ihre Inte-
ressen eifern. Häufig ist ein rivalisierender Thaumaturg am
gefährlichsten und willens genug, um gegen einen anderen
Blutmagier zuzuschlagen. Ritual aufheben erlaubt es dem
Thaumaturgen, ein feindliches Ritual, unter dem er leidet,
zu identifizieren und mit Hilfe der Blutmagie einen Gegen-
zauber zu erschaffen, um es aufzuheben. Thaumaturgen mit
Übung in dieser Praxis erlernen die generellen Praktiken,
um andere Rituale zu vereiteln, ihre Auswirkungen abzu-
schütteln oder sie dauerhaft zusammenbrechen zu lassen.
System: Zunächst muss der Anwender herausfinden, wel-
ches Ritual ihn betrifft. Wenn er selbst über das Ritual ver-
fügt, ist dies ein Automatismus. Ansonsten benötigt dieser
Prozess Nachforschungen über Intelligenz + Okkultismus
gegen eine Schwierigkeit von 4 plus 1 für jede Ritualstufe.
Als nächstes muss der Anwender die Komponenten zusam-
mentragen, die für das wirkende Ritual notwendig sind und
es anschließend irgendwie zerstören. Seine Erfolge werden
von dem des ursprünglichen Zaubers abgezogen; werden alle
Erfolge negiert, wird das Ritual sofort beendet, einschließ-
lich aller damit einhergehenden Auswirkungen. Durch eine
schnelle Beendigung von Binden der verleumderischen
Zunge (V20, S. 223) könnte das Opfer also schnell wieder
Schlechtes über seine Feinde verbreiten, doch ein vorzeiti-
ges Ende eines Blutvertrags (V20, S. 231) würde es in eine
schmerzvolle Starre schicken.
Nur Rituale mit einer Wirkungsdauer können aufgeho-
ben werden. Ein Thaumaturg, der beispielsweise ein Bluts-
band mit Abstreifen der Fesseln (siehe unten) gesprengt hat,
steht nicht permanent unter dem Effekt des Rituals. Ist das
154 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
Ritual abgeschlossen, ist das Band gebrochen und das Ritual
ist erledigt. Wenn ein Thaumaturg dagegen unter Stimme in
der Flasche (S. 149) leidet, steht er unter einem anhaltenden
Effekt eines Rituals, so lange wie die Glasflasche versiegelt
bleibt, weshalb das Ritual aufgehoben werden kann. Beden-
ken Sie, dass ein Thaumaturg nur ein Ritual von sich selbst
entfernen kann, nicht von jemand anderem. Ein Thauma-
turg, auf den mehrere Rituale gewirkt wurden, muss jedes
einzelne davon aufheben. Es können mehrere Versuche zur
Aufhebung kumulativ unternommen werden, solange die
entsprechende Zeit aufgewandt und die nötigen Komponen-
ten beschafft werden können.
Rituale der Fünften Stufe
Abstreifen der Fesseln
Abstreifen der Fesseln wurde von den Tremere während
der Anarchenrevolte erfunden, um das Blutsband zwischen
Meister und Sklave in einem zermürbenden und schmerz-
haften Prozess zu sprengen, der eine ganze Nacht dauert.
Der Thaumaturg knüpft ein Band zum Sklaven und dem
Meister, indem er ein Gebräu aus dem Blut aller drei her-
stellt und es in einem Glasgefäß aufbewahrt. Als nächstes
muss der Anwender den Diener ausbluten lassen und ihm
die Haut abziehen. Die genaue Methode bleibt dem Thau-
maturgen überlassen – einige präferieren Auspeitschen, wäh-
rend andere zu glühenden Eisen greifen. Steht das Subjekt
kurz vor dem Tod, zerschmettert der Anwender das Glas-
gefäß – das Blut verteilt sich auf dem Boden und das Band
wird gebrochen. Die Mischung aus Blut verpufft in einem
zischenden, kochenden Dampf und das Ziel ist frei.
Einige Prinzen verbieten die Durchführung dieses Rituals
in ihren Domänen, da sie der Meinung sind, es könne die
Zweite Tradition untergraben, wenn Thaumaturgen ihre
Bestrafungen aufheben können.
System: Der Thaumaturg muss über einen Blutpunkt
aller Beteiligten verfügen: von seinem, dem des Sklaven und
dessen Meister. (Sollte der Anwender selbst der Diener oder
Herr sein, ist kein zusätzliches Blut notwendig.) Das Häuten
verursacht am Ziel drei Stufen nicht-absorbierbaren, schwer
heilbaren Schaden, da seine Haut abgezogen oder verbrannt
wird. Der am Ende aufsteigende giftige Dampf verursacht
am Ziel und am Anwender eine weitere Stufe nicht-absor-
bierbaren, schwer heilbaren Schaden. Das Ziel verliert einen
Punkt permanenter Willenskraft, doch ist das Ritual erfolg-
reich, verschwindet das Blutsband sofort. Dies bietet aber
keinen Schutz gegen die Entstehung eines späteren, erneu-
ten Blutsbandes. Abstreifen der Fesseln kann weder zum
Brechen des Vinculum einer Vaulderie genutzt werden,
noch zur Aufhebung des Effekts der Transsubstantiation der
Sieben (S. 151).
Die Gunst der Kobra
Während des Krieges zwischen der neu gegründeten Cama-
rilla und dem Clan der Assamiten gab es zahlreiche Opfer.
Die Tremere erschufen dieses Ritual als Vorbeugung gegen
die Diablerie durch ihre zahlreichen Feinde, besonders
durch Assamiten, die scheinbar Freude daran hatten, sich
die neuen Hexer zum Ziel zu nehmen. Einige Historiker
vermuten, dass Die Gunst der Kobra das erste von vielen
thaumaturgischen Experimenten war, das schließlich zum
Blutfluch führte, der die Assamiten verfluchte und sie zur
Unterzeichnung des Vertrags von Tyros zwang.
Die Gunst der Kobra verändert die Vitae des Anwenders,
wodurch es für jeden, der sie trinkt, zu einem brennenden
Gift wird, das grausamen Schaden zufügt. Für das Ritual
wird einen Paste aus Kräutern und das Gift einer Schlange
benötigt, die mit etwas Blut des Thaumaturgen vermischt
wird.
System: Der Thaumaturg gibt einen Blutpunkt in ein
Gefäß und vermischt es mit den notwendigen Kräutern
sowie dem Gift und rezitiert die Anrufung, womit er seine
Magie in die Mixtur leitet, bis sie pechschwarz wird. Damit
das Ritual seine Wirkung entfaltet, muss der Anwender das
Elixier zu sich nehmen, wodurch er eine Stufe nicht-absor-
bierbaren, schwer heilbaren Schaden erleidet. Für die Dauer
einer Woche erleidet jeder, der das Blut des Anwenders
trinkt, eine Stufe schwer heilbaren Schaden für jeden Blut-
punkt, den er trinkt. Jeder Erflog beim Aktivierungswurf
verlängert die Dauer des Rituals um eine zusätzliche Woche.
Hof der Heiligen Wahrheit
Das Haus und der Clan der Tremere nutzen dieses Ritual
schon sehr lange bei Tribunalen und internen Angelegen-
heiten. In den jüngsten Nächten sind viele Prinzen an die
Tremere herangetreten, damit sie im Austausch für Gefal-
len dieses Ritual auf ihre politischen Höfe anwenden. Die
Durchführung dieses Rituals ist ein teurer und langwieri-
ger Prozess, doch es gibt immer Abnehmer, die bereit sind,
diesen Preis zu bezahlen, um sich zusätzliche Sicherheit zu
erkaufen. Unvoreingenommene Aussagen und eklatante
Wahrheit werden zur Normalität bei Hofe und viele Ver-
schwörer und Lügner haben ihre eigenen Pläne verraten,
während sie unter den Auswirkungen dieser Kraft standen.
Um dieses Ritual durchzuführen, muss der Thaumaturg
einen Schädel und zwei gekreuzte Knochen über jedem Ein-
gang zum Raum anbringen, einschließlich der Fenster. Ist
der Hof präpariert, gibt der Anwender einen Blutpunkt für
jeden Zugang zum Raum aus, um sie somit symbolisch gegen
jede Falschheit zu versiegeln. Das Ritual kann sehr kostspie-
lig werden, wenn es in großen Räumen mit vielen Zugängen
und Fenstern durchgeführt wird.
Einige Prinzen haben sich schon zu sehr auf dieses Ritual
verlassen, was sehr zu ihren Ungunsten ausfiel, da sie sich
entweder horrend bei den Tremere verschuldeten oder
andere Kainskinder diese unbeholfene Taktik ablehnten
und einfach den Versammlungen fern blieben. Diese Kraft
lässt die Macht von Prinzen unweigerlich bröckeln, wenn sie
sich zu sehr darauf verlassen, doch einige sind zu kurzsichtig,
um das zu verstehen.
System: Ist das Ritual abgeschlossen, ist jeder, der den
Raum betritt, an das ihm dadurch auferlegte Edikt zur Wahr-
BLUTRITEN
heit gebunden. Er kann keine Lüge aussprechen und direkte
Fragen des vorsitzenden Richters oder Amtsinhabers müs-
sen ehrlich und ohne Auslassung oder Täuschung beant-
wortet werden. Die Magie im Raum hält für eine Woche
an. Jeder Erflog beim Aktivierungswurf verlängert die Dauer
des Rituals um eine zusätzliche Woche.
Nektar der bitteren Rose
Dieses Geheimnis kennen nur noch alte Tremere und nie-
derträchtige Diableristen, denn Nektar der bitteren Rose
bricht mit den üblichen Einschränkungen der Diablerie
und erlaubt es mehreren Vampiren, die Kraft des Opfers
aufzunehmen. Dieses Ritual gilt als dunkler Fleck in der Ver-
gangenheit der Tremere und Beweise über die Existenz des
Rituals würden für einen Skandal in der Camarilla sorgen.
System: Der Thaumaturg muss das Opfer irgendwie fest-
halten, während er dieses stundenlange Ritual über ihm
wirkt. Er muss die richtigen Beschwörungen singen, wäh-
rend sein Klüngel angehender Diableristen das Opfer wegen
seines drohenden Schicksals verhöhnt. Während es abge-
lenkt ist, identifiziert der Anwender auf magische Weise die
verschiedenen Aspekte der Seele und trennt sie symbolisch
vom Ganzen, indem er dem Ziel Blut in kleinen Mengen
entnimmt.
Bei Vollendung des Rituals können der Anwender und
bis zu fünf weitere Vampire versuchen, die Vorteile der Dia-
blerie am Ziel zu erlangen. Jeder der willigen Diableristen
muss sich einer eigenen Herausforderung stellen, um sich
den dunklen Preis zu sichern. Mit Nektar der bitteren Rose
kann sich ein Vampir nicht die Vorteile einer Diablerie an
Opfern einer schwächeren oder niedrigeren Generation
sichern, es können sich lediglich mehrere Personen die Dia-
blerie teilen.
Abgetrennte Hand
Der Amr des Clans der Assamiten erschuf dieses Ritual, um
Gnade gegenüber Verbrechern walten zu lassen, die bestraft
werden mussten, doch den endgültigen Tod nicht verdien-
ten. Abgetrennte Hand erlaubt es dem Thaumaturgen, ein
Körperteil eines Kainskindes permanent auf eine Weise
abzutrennen, dass der Vampir es niemals wieder regenerie-
ren kann. Obwohl die Hand typischerweise die häufigste
Gliedmaße ist, die entfernt wird, kann das Ritual auch auf
Augen, Finger, Zungen und andere Körperteile angewandt
werden.
Die wichtigste Komponente ist das abgetrennte Körperteil
des Ziels, weshalb dieses Ritual meist direkt bei der Verstüm-
melung durchgeführt wird. Die Tremere haben das Geheim-
nis dieses Rituals gestohlen und dann die Anspielungen auf
die Verehrung Haqims eliminiert. Der Clan der Assamiten
war ziemlich überrascht zu erfahren, dass die Camarilla an
ihren Höfen dieselbe Praktik übernommen hatte.
System: Die Durchführung dieses Rituals nimmt eine
ganze Nacht in Anspruch, während der die Wunde mit ver-
schiedenen alchemistischen Komponenten behandelt wird,
um den Regenerationsprozess zu unterbinden. Obwohl
155
 die Verwundungsstufen normal geheilt werden können,
können die abgetrennten Körperteile nie wieder in ihrer
ursprünglichen Form wiederhergestellt werden, ohne magi-
sche Heilung (z. B. Obeah, V20, S. 457).
Stein der wahren Gestalt
Stein der wahren Gestalt benötigt einen perfekt runden
Stein. Der Anwender muss ihn vorsichtig mit einer Mixtur
aus seinem eigenen Blut und anderen unheimlichen Kom-
ponenten einreiben. Ist das Ritual vollendet, wirkt der Stein
als Anker, um im metaphorischen Sinne die materielle Welt
mit Platos Welt der idealisierten Gestalten zu verbinden.
Wenn der Thaumaturg dies wünscht, kann er andere dazu
zwingen, ihre natürliche Gestalt anzunehmen.
Mit einer einfachen Berührung des Steines kann der
Anwender das Ziel in einen Wettstreit der Willenskraft rei-
ßen, um es in seine natürliche Form zu zwingen. Ein Thau-
maturg kann den Stein der wahren Gestalt auf einen verdun-
kelten Nosferatu anwenden, um einen grotesken Tzimisce in
eine menschliche Form zu verwandeln oder selbst in Raserei
verfallene Werwölfe in ihre sterbliche Form zurückholen.
System: Eine ganze Nacht lang muss der Thaumaturg
dieses Ritual auf einen kleinen, runden Stein, wie z. B.
Marmor anwenden. Danach kann der Anwender diesen
Stein als Auslöser nehmen, um sein Ziel in einen verglei-
chenden Wurf auf Willenskraft zu zwingen (Schwierigkeit
ist die Widerstandsfähigkeit des jeweils anderen). Wenn
der Anwender auch nur mit einem Erfolg gewinnt, nimmt
das Ziel umgehend innerhalb einer Runde seine natürliche
Gestalt an. Jeder Erfolg darüber hinaus verlängert die Anzahl
an Runden, in denen sich das Ziel nicht wieder verwandeln
kann. Wenn der Stein zerbrochen wird, ist das Opfer frei
und kann jegliche Gestalt annehmen, egal wie viele Runden
es noch in seiner natürlichen Form bleiben müsste.
Koldunische Hexerei
Der Weg des Geistes
Dieser Pfad ist außerhalb der Tzimisce des Alten Landes
kaum zu finden, deren Mitglieder noch wie ihre Erzeuger
und deren Erzeuger durch die Lande ihrer Ahnen streifen.
Doch er ist auch für die Tzimisce des Sabbat nützlich, wes-
halb das Wissen darüber auch bis zu kosmopolitischeren
Clansgeschwistern durchgedrungen ist. Mit diesem Pfad
kann der Koldune seine Sinne über ein zunehmend größe-
res Gebiet schweifen lassen. Wenn die Magie korrekt aus-
geführt wurde, kann der Koldune quasi alles wahrnehmen,
was im betroffenen Gebiet geschieht (wobei es sich auch um
viele Quadratkilometer handeln kann), obwohl sich selbst
vollständig dieser Aufmerksamkeit zu öffnen für alle, außer
die willensstärksten Koldunen, auch Gefahren birgt. Daher
beschränken sich die meisten nach Belieben reflexartig auf
die Wahrnehmung „aller Eindringlinge“ oder „aller mögli-
chen Trinkgefäße“ und selbst den aufmerksamsten Koldu-
156 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
Koldunische Hexerei
Würfelmechanik
Wie bereits früher erwähnt, stellt Blutriten den Versuch
dar, verschiedene Schulen und Pfade der Blutmagie zu
vereinfachen und zu vereinheitlichen. Für Erzähler, die
diesen Weg bevorzugen, besteht der Aktivierungswurf
bei Pfaden der Koldunischen Hexerei nun aus einem
Wurf auf Willenskraft mit einer Schwierigkeit entspre-
chend (3 + Pfadwert) und jeder dieser Würfe verlangt
auch nach dem Einsatz von einem Blutpunkt. Rituale
der Koldunischen Hexerei werden mit einem Wurf
auf Intelligenz + Okkultismus mit einer Schwierigkeit
entsprechend 3 + Ritualstufe aktiviert. Diese Regeln
ersetzen jene in V20, doch verwenden Sie einfach die
Regeln, die ihnen am besten liegen.
Dazu wird die Annahme zugrundegelegt, dass Kolduni-
sche Hexerei beinahe unter allen Tzimisce des Alten
Landes verbreitet ist, recht verbreitet unter Tzimisce
des Sabbat und beinahe unbekannt bei allen anderen
Clans. Die metaphysische Verbindung der Schule zu
Kupala und zu den durch den Geist durchdrungenen
Landen erhöht die Schwierigkeit bei der Durchführung
Koldunischer Hexerei um +1, wenn sie von einem Kol-
dunen eingesetzt wird, der sich außerhalb der westeuro-
päischen Territorien befindet.
nen kann etwas wichtiges entgehen, wenn sie es versehent-
lich aus ihrem Blick ausschließen. Solange diese Kraft aktiv
ist, kann der Koldune jeden Ort oder jede wahrgenommene
Person mit anderen koldunischen Pfaden oder Ritualen
anvisieren, solange die Stufe der Pfadkraft oder des Rituals
nicht den Wert des Koldunen im Weg des Geistes über-
steigt. Diese Kraft durchschaut in ihrem Wirkungsradius
zudem Verdunkelung.
• Der Koldune kann alles innerhalb eines Radius
von 20 Metern wahrnehmen.
•
• ... innerhalb eines Radius von 100 Metern.
•
•• ... innerhalb eines Radius von einem halben
Kilometer.
•
••• ... innerhalb eines Radius von 1,5 Kilometern.
•
•••
• ... innerhalb eines Radius von 8 Kilometern.
Die Anzahl der Erfolge beim Aktivierungswurf legt fest,
über wie viele der folgenden Szenen dieser Effekt anhält.
Wenn diese Kraft vor Sonnenaufgang aktiviert wird, kann
die Wahrnehmung des Koldunen auch noch bis in den Tag
hinein reichen, wodurch der Koldune keine negativen Aus-
wirkungen erleidet, wenn er sein Land bei Tag überwacht.
Er erleidet noch immer die üblichen Würfelabzüge für jede
Handlung bei Tag.
Der Weg der Trauer
Obwohl er im weiteren Sinne zur Schule der koldunischen
Hexerei gehört, bezieht sich dieser Pfad nicht unverhohlen
auf Kupala. Er beschwört eher eine Reihe Flüche im Namen
verschiedener vorchristlicher Gottheiten. Aufgrund dessen
spekulieren einige Gelehrte der Tzimisce, dass zumindest
einige dieser Gottheiten wiederum bloße Aspekte eines
Wesens seien, das sich selbst Kupala nennt. Für alle diese
Effekte muss der Koldune sein Ziel direkt wahrnehmen kön-
nen. Sie können im Allgemeinen nicht auf Entfernung als
Analogzauber angewandt werden, doch sie können gegen
entfernte Ziele eingesetzt werden, wenn der Koldune sie
über Kräfte wie den Weg des Geistes oder Wasserspiegel
(S. 153) wahrnehmen kann.
• Die Enttäuschung der Nestrecha
Der Koldune kann die Entschlossenheit des Ziels brechen
und ihm pessimistische Gefühle sowie Hoffnungslosigkeit
einflößen.
System: Pro Erfolg kann das Ziel für eine Runde keine
Willenskraftpunkte einsetzen.
•• Der Spott der Krivda
Der Koldune beleidigt seinen Gegner hasserfüllt, wodurch
er bei ihm hirnlose Wut auslöst.
System: In Folge der Beleidigung muss das Ziel umgehend
einen Wurf auf Selbstbeherrschung ablegen, um der Raserei
zu widerstehen (Schwierigkeit 5 + Erfolge beim Aktivierungs-
wurf, höchstens aber 9).
••• Das Weinen der Kruchina
Der Koldune flößt dem Ziel ein Gefühl niederschmettern-
der Verzweiflung oder nahezu Selbstmordgedanken ein.
System: Pro Erfolg wird das Ziel für eine Runde von dem
Gefühl intensivster Misere überwältigt und weint unkontrol-
liert. Es kann keine Handlung unternehmen, die Konzent-
ration erfordert und Kainskinder verlieren einen Blutpunkt
pro Runde, da ihnen die Vitae aus den Augen rinnt.
•••• Das Unglück des Chernogolov
Der Koldune verspottet seinen Feind mit einem bestimmten
Schicksal, das dann auch eintritt.
System: Das Ziel verliert automatisch zwei Erfolge bei
jedem versuchten Wurf. Die Auswirkungen halten eine
Anzahl an Proben an, die der Anzahl der Erfolge des Kol-
dunen entspricht
••••• Der Hungertod der Marena
Der Koldune kann seinem Feind nun direkten Schaden
zufügen, indem er eine Art kalten, zehrenden Hunger aus-
löst.
BLUTRITEN
System: Pro Erfolg erleidet das Ziel zwei Stufen Schlag-
schaden, der normal absorbiert werden kann. Ein Vampir,
der zum Opfer dieser Kraft wird, verliert zusätzlich einen
Blutpunkt pro Erfolg.
Rituale der
Koldunischen Hexerei
Wiedererweckung des
Toten Wassers (Stufe Eins)
Der Koldune muss einen Blutpunkt seines eigenen Blutes in
ein Wasserbecken geben und dann das Äquivalent zu einem
Blutpunkt daraus wieder trinken. Der Koldune wird dieses
Wasser ohne Probleme zu sich nehmen können.
System: Wenn das Ritual erfolgreich durchgeführt wurde
(mit mindestens einem Erfolg), regeneriert der Koldune
einen Punk Willenskraft. Hiermit kann er seine Willens-
kraft nicht über sein normales Maximum hinaus steigern.
Das Ritual kann nur ein Mal pro Nacht durchgeführt wer-
den.
Anrufung des minderen
Zeichens der Macht
(Stufe Zwei)
Der Koldune kann die Macht der Geister anrufen, die den
Quell seines magischen Geburtsrechts darstellen. Er muss
sich für eine Runde konzentrieren und dann mit seiner
Hand das mindere Zeichen der Macht formen. Wenn er
Erflog hat, leuchten seine Augen vor Macht.
System: Für die Dauer einer Stunde pro Erfolg sinkt die
Schwierigkeit aller Würfe auf Einschüchtern oder Führungs-
qualitäten gegen Sterbliche um -2, vorausgesetzt, es kann
Blickkontakt mit ihnen hergestellt werden.
Binden des Dieners
(Stufe Drei)
Die Tzimisce genießen das Gefühl, ihre Diener kontrol-
lieren zu können, noch viel mehr, wenn diese Diener vor
Furcht erzittern. Das Ritual steigert die normale Anbetung
eines Ghuls, Wiedergängers oder anderweitig blutgebunde-
nen Dieners. Der Koldune vermischt dafür das Gehirn eines
Schafes mit Erde aus seiner Domäne und einem Blutpunkt
seines eigenen Blutes, während er eine alte, slawische Anru-
fung singt. Danach zwingt er den Diener diese abstoßende
Mixtur zu essen.
System: Für die Dauer einer Woche pro Erfolg sinkt die
Schwierigkeit bei Manipulationswürfen gehen die Diener
um -1.
157
 Die Bande, die fesseln
(Stufe Vier)
Der Koldune muss vier Blutpunkte seines eigenen Blutes
auf einem Stück Erde, das er für sich beansprucht, vergie-
ßen. Danach muss er rituell eine Handvoll der mit Blut voll-
gesogenen Erde verschlingen. Durch diesen Vorgang stellt
er erneut Verbindung zu den Geistern des Landes her und
erleichtert damit das Wirken der koldunischen Hexerei.
Dieses Ritual wird häufig von Koldunen außerhalb von Ost-
europa eingesetzt, um die Entfernung zu ihrem Heimatland
zu überwinden.
System: Für die Dauer einer Nacht pro Erfolg reduziert
der Koldune die Schwierigkeit für alle Würfe im Zusammen-
hang mit Koldunischer Hexerei um -1. Dieses Ritual kann
nur ein Mal pro Woche durchgeführt werden.
Der innerste Ruck
(Stufe Fünf)
Der Koldune kann die emotionale Beschaffenheit jedes
Blutsbands verändern, über das er zu einem Sklaven verfügt.
Anstatt der normalen Gefühle von Liebe und Hingabe,
kann er den Diener dazu zwingen, entwürdigende Lust,
angsterfüllten Gehorsam, brüderliche Hingabe oder irgend-
etwas derartiges zu fühlen. Der Koldune muss nur ein Wort
in Anwesenheit seines Dieners aussprechen, um die Macht
dieses Rituals anzurufen.
System: Jeder Erfolg steht für eine Szene, in der der Die-
ner dazu gezwungen wird, eine Emotion zu fühlen, die der
Koldune sich wünscht.
Rituale der Anarchen
Flatline
(Ritual der Ersten Stufe)
Das Ritual hat einen Sterblichen zum Ziel und lässt ihn in
allen Belangen tot erscheinen, außer dass er sich noch immer
bewegt und spricht. Er verfügt über keinen Puls und ein
Spiegel beschlägt nicht, wenn man ihn vor Mund oder Nase
hält. Wenn er ohnmächtig wird, kann man ihn von einem
Toten nicht unterscheiden. Nicht einmal die emfpindlich-
sten medizinischen Instrumente werden feststellen, dass die
Person noch lebt, selbst wenn sie in aller Verzweiflung dem
Notarzt erklärt, dass es ihr gut geht. Der Hexer muss dafür
nur ein kleines, totes Tier im Heim des Ziels hinterlegen.
System: Die Auswirkungen halten bis zum nächsten Mor-
gen an und das Ritual kann nur auf ein Ziel pro Monat
gewirkt werden. Das tote Tier muss im richtigen Zuhause des
Ziels hinterlegt werden. Das Ritual wirkt nicht, wenn es über
ein Hotelzimmer gewirkt wird oder in einem Haus, auf das
derjenige nur aufpasst oder es besetzt. Die Kraft wirkt nicht
158 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
auf übernatürliche Wesen. Dieses Ritual wird häufig von
Punk-Hexern angewandt, die entweder einen Sterblichen
terrorisieren oder einen Lutscher der Camarilla in Verlegen-
heit bringen wollen, indem sie eines seiner Blutpüppchen
dazu bringen zu glauben, es sei zum Vampir geworden, auf
dass es ihm eine Szene macht.
Eiserner Körper (Ritual der
Zweiten Stufe)
Dieses verbreitete Ritual stärkt die Abwehr des Ziels (sei es
der Hexer selbst oder ein anderes Ziel seiner Wahl). Das
Ritual benötigt eine benutzte Patronenhülse, die in einem
Blutpunkt der Person eingelegt wird, auf die das Ritual
gewirkt werden soll. Solange die Person die Patronenhülse
am Körper trägt, kann sie Schaden durch Feuer oder Son-
nenlicht mit ihrer normalen Widerstandsfähigkeit absorbie-
ren. Dieses Ritual ist nicht mit Seelenstärke kombinierbar,
es zählt immer nur das höhere von beiden.
System: Das Ritual hält für eine Stunde pro Erfolg an und
erlaubt dem Empfänger keinen zusätzlichen Absorptions-
wurf. Es erweitert lediglich die regulären Absorptionsfähig-
keiten des Ziels um Feuer und Sonnenlicht.
Ruf der Hölle
(Ritual der Dritten Stufe)
Das Ritual benötigt eine analog-magische Verbindung zum
Ziel, das einem persönlichen Gegenstand entspricht (S. 133).
Das Objekt muss in eine rostige Radkappe gelegt und mit
Benzin übergossen werden. Anschließend muss der Hexer
dreißig Minuten in Meditation über dem Gegenstand ver-
bringen, während er „Burn, baby, burn“ flüstert, ehe er den
Gegenstand schließlich in Brand setzt. Wo auch immer es
sich aufhalten mag, das Ziel erleidet sofort einen Wurf auf
Rötschreck.
System: Mit Beendigung des Rituals muss das Ziel sofort
auf Raserei würfeln. Die Auswirkungen können durch den
Einsatz eines Punktes Willenskraft negiert werden, doch
andernfalls versetzt ein gescheiterter Wurf das Ziel in Rase-
rei und lässt es das Gebiet voller Furcht verlassen. Der Cha-
rakter wird nicht wissen, weshalb ihn diese Furcht plötzlich
überkommt und sobald er sich fragt, wovor er sich fürchtet,
endet der Effekt.
Schutzzeichen gegen Vitae
(Ritual der Stufe Vier)
Dieses merkwürdige Schutzzeichen ist geringer, als diejeni-
gen der Tremere, doch es reicht für die Zwecke der Anarchen
meist aus. Der Hexer muss mit seiner eigenen Vitae ein Sie-
gel auf ein Objekt oder eine Oberfläche zeichnen. Wenn ein
Vampir niedrigerer Generation das Objekt oder die Oberflä-
che berührt, trifft ihn das Ritual. Kainskinder gleicher oder
höherer Generation werden nicht betroffen.
 System: Kainskinder mit niedrigerer Generation als
der Anwender, die das Schutzzeichen berühren, erlei-
den bei jeder Berührung zwei Würfel Tödlichen Scha-
den. Nach der ersten Berührung muss ein Kainskind,
das nochmal zugreifen möchte, einen Wurf auf Wil-
lenskraft (Schwierigkeit 7) ablegen oder einen Punkt
Willenskraft ausgeben. Jeder Einsatz des Rituals kostet
einen Blutpunkt und kann nur ein separates Objekt
schützen: ein einzelnes Fenster, eine Tür, ein Buch
oder eine Autotür. Größere Objekte können ebenfalls
geschützt werden, doch nur, wenn das Ritual mehrfach
darauf gewirkt wird.

Dur-An-Ki
Die Winde des Jägers
Dieser Pfad wurde ursprünglich von Assamiten-Hexern
entwickelt und wird nur selten außerhalb des Clans vor-
gefunden, doch das Wissen hat sich bis in die Lehren
des Dur-An-Ki verbreitet. Der Pfad ist darauf ausgelegt,
die natürliche Heimlichkeit und die Fähigkeiten der
Verdunkelung eines Vampirs zu steigern. Obwohl einige
der Aspekte des Pfades angesichts der Möglichkeiten
durch Verdunkelung redundant erscheinen, bietet der
Pfad gegenüber der Disziplin jedoch einige mächtige
Vorteile: beispielsweise durchdringt Auspex nicht auto-
matisch den Schleier von Die Winde des Jägers. Wäh-
rend Auspex nach Ermessen des Erzählers die Wahrneh-
mungswürfe des Beobachters verbessern kann, kann der
Beobachter die Täuschungen nicht automatisch durch-
schauen, nur weil sein Auspex-Wert den Pfadwert des
Ashipu übersteigt, wie es bei Verdunkelung oder Schi-
mären der Fall wäre.

• Witterung der Täuschung

Das Ziel dieser Kraft erlangt die Fähigkeit, seinen Geruch
zu verändern oder ihn vollständig zu eliminieren.
System: Ein erfolgreicher Wurf bedeutet, dass das Ziel
entweder keinerlei wahrnehmbaren oder verfolgbaren
Geruch hinterlässt oder es hinterlässt den Geruch von
jemand anderem, den er kennt. Ein Scheitern bedeutet,
dass nichts passiert. Ein Patzer hat zur Folge, dass der
Geruch für andere einfacher zu identifizieren ist (zusätz-
lich zu anderen Auswirkungen eines Patzers bei der
Anwendung von Blutmagie).

•• Chamäleonhaut
Die Haut und die Kleidung des Ziels nehmen automa-
tisch die Farbe und die Textur des näheren Umfeldes an.
System: Für die Dauer einer Szene nach der Akti-
vierung steigt die Schwierigkeit aller Wahrnehmungs-
würfe, um das Ziel zu entdecken, um +4, solange es sich
nicht bewegt. In Bewegung wird der Effekt aufgehoben,
doch sobald der Anwender wieder vor einer anderen

BLUTRITEN 159

Andere Pfade des Dur-An-Ki
Viele der mit Dur-An-Ki in Verbindung gebrachten
Pfade sind quasi identisch mit Thaumaturgischen Pfa-
den. Häufig gab es die Variante des Dur-An-Ki zuerst
und die Tremere übernahmen sie später für ihre Thau-
maturgie. Diese Pfade lauten wie folgt:
•• Der Pfad der Wasser des Lebens (Pfad des Blutes, V20,
S. 206-207)
•• Der Pfad des Geschenks des Dschinn (Pfad der Anru-
fungen, V20, S. 213-214)
•• Der Pfad des kränkelnden Schakals (Pfad der Rache des
Vaters, V20, S. 220)
•• Die Hand der Magi (Lockruf der Flammen, V20, S. 211)
•• Der Bund von Enki (Neptuns Macht, V20, S. 211-213)
•• Die Gesetze von Suleiman (Geistermanipulation,
S. 142-145)
Neben diesen bekannteren Pfaden gibt es noch einige
Pfade, die nur den Anwendern des Dur-An-Ki vorbehal-
ten sind, zwei davon sind unten beschrieben.
­ berfläche zum Stehen kommt, kann er seine Tarnung mit
O die Macht verfügen, ihre Feinde zu verfluchen, sei es durch
einem Wurf auf Wahrnehmung + Heimlichkeit (Schwierig-
keit 6 oder 9, falls zu dem Zeitpunkt jemand aktiv nach ihm
sucht) erneuern. Veränderungen der Textur sind eine reine
Illusion, das Ziel erhält nicht die Robustheit einer Backstein-
mauer, nur weil es davor steht.
••• Harmlose Gestalt
Das Ziel geht ohne Anstrengung in jeder Menschenmenge
unter. Jeder Anwesende, einschließlich möglicher Verfolger,
wird annehmen, das Ziel gehöre dorthin.
System: Wenn der Wurf Erfolg hat, wird jeder Beobachter
automatisch annehmen, dass das Ziel genau an diesen Ort
gehört, an dem man es findet. Wer nach ihm sucht, wird
nicht feststellen können, dass es sich um einen Eindring-
ling handelt. Doch dieser Effekt kann keine Technologie
austricksen und jeder, der beispielsweise über eine Überwa-
chungskamera sucht, kann das Ziel sofort als Eindringling
ausmachen.
•••• Ein Hauch von Kalif
Wird diese Kraft angewandt, erschafft sie eine giftige Aura
um den Anwender, die jeden befällt, der ihn direkt beobach-
tet. Die betroffenen erleiden einen angenehmen Tagtraum
oder bleiben einfach völlig erstaunt zurück, während das Ziel
seiner Wege geht.
System: Wenn der Effekt erfolgreich aktiviert wird, muss
jeder, der das Ziel beobachtet für den Rest der Szene reflex-
160 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
artig einen Wurf auf Geistesschärfe + Aufmerksamkeit
(Schwierigkeit 7) ablegen oder er wird für eine Anzahl an
Stunden vergiftet, die den Erfolgen des Ashipu bei der Akti-
vierung entspricht. Betroffene Personen können keinerlei
Handlung unternehmen, außer leer auf Erscheinungen zu
starren, die nur sie sehen können oder von Zeit zu Zeit zu
kichern. Jegliche direkte Bedrohung einer betroffenen Per-
son reißt sie aber sofort aus ihrer Benommenheit.
••••• Astralleib
Da es sich hierbei um einen besonders mächtigen Effekt han-
delt, muss der Ashipu drei statt des üblichen einen Punktes
Blut aufwenden. Wenn dieser Effekt aktiviert wird, wird das
Ziel vollkommen unsichtbar, unhörbar sowie nicht greifbar,
und es kann sich frei durch jegliche Barrieren bewegen, die
nicht gegen Vampire geschützt sind.
System: Bei erfolgreicher Aktivierung wird das Ziel in bei-
nahe jeder Hinsicht immateriell. Der Anwender wird nicht
zu einem echten Geist und kann in dieser Form auch nicht
mit Todesalben und Geistern interagieren. In dieser Gestalt
kann er zudem auch keine Disziplinen anwenden. Der Effekt
endet, sobald der Anwender bewusst die Entscheidung trifft,
mit der materiellen Welt interagieren zu wollen.
Der Pfad des bösen Blicks
In der gesamten Menschheitsgeschichte haben sich die Unge-
bildeten und Abergläubischen schon immer vor dem Bösen
Blick gefürchtet: dem Glauben, dass einige Personen über
die Anrufung dunkler Mächte oder einfach durch ihren bös-
artigen Willen. An einigen Orten hat dieser Glaube überdau-
ert, vielleicht auch aufgrund der Existenz dieses Pfades, der
es einem Ashipu erlaubt, zornige Dschinne zu beschwören,
damit sie seine Feinde bloßstellen, verwunden oder gar töten.
Doch dieser Pfad entstammt nicht exklusiv dem Dur-An-Ki.
Seine uralte Abstammung hat zur Folge, dass auch viele Old
Skool-Anarchen ihn kennen, die diese Macht des Verfluchens
über die Jahrhunderte bewahrt haben, wohingegen die dem
Pfad innewohnende, bloße Rachsucht dafür gesorgt hat, dass
auch moderne Punk-Hexer seine Auswirkungen nachstellen.
Um den Bösen Blick gegen ein Ziel einzusetzen, muss der
Hexer entweder Blickkontakt zum Ziel herstellen und seine
Verachtung zum Ausdruck bringen, sei es ein traditioneller
arabischer Fluch oder ein gerufenes „Fick Dich!“. Alternativ
kann der Anwender ein Abbild fertigen, um den Fluch über
eine weitere Entfernung zu wirken (wie unter den Prinzipien
der Induktion und Analog-Magie auf S. 133-135 beschrieben).
Das Ziel wird nicht notwendigerweise feststellen, dass es ver-
flucht wurde. Wenn der Hexer sein Ziel direkt von Angesicht
zu Angesicht verflucht, ist ein Wurf auf Intelligenz + Okkultis-
mus (Schwierigkeit 6) notwendig, während eine Schwierigkeit
von 9 greift, um festzustellen, dass die jüngste Pechsträhne die
Folge eines Fluches aus der Entfernung ist. Ein Charakter mit
Aura-Wahrnehmung oder der über zumindest einen Punkt
in diesem Pfad verfügt, kann verräterische Anzeichen eines
auf dem Ziel lastenden Fluchs in seiner Aura ausmachen und
könnte dies mit einem Wurf auf Geistesschärfe + Okkultis-
mus (Schwierigkeit 7) auch richtigerweise als Fluch deuten.
Ein Charakter, der erfolgreich einen Fluch identifiziert, kann
diesen selbst als magische Verbindung von der Stufe eines kost-
baren persönlichen Gegenstands behandeln, wenn er sich in
Anwesenheit der verfluchten Person aufhält.
Der Hexer, der den Fluch auferlegt hat, kann ihn nach
Belieben auch beenden. Jeder andere Charakter, der den
Fluch erkennen kann (einschließlich des Ziels selbst, wenn
es über ausreichend Wissen über Blutmagie verfügt), kann
versuchen, den Fluch mit Thaumaturgischen Gegenzaubern
(V20, S. 221) oder vergleichbaren blutmagischen Effekten zu
brechen. Derjenige, der den Fluch ausspricht, weiß selbst nie
genau, welche Formen dieser annimmt. Jede Stufe des Pfads
setzt die Rahmenbedingungen fest, welche Art von Schaden
entstehen kann, doch der Erzähler bestimmt die Details der
Manifestierung.
• Erniedrigung
Die einfachste Anwendung des Bösen Blicks sorgt dafür, dass
das Ziel sich selbst irgendwie öffentlich demütigt. Mögliche
Ergebnisse schließen eine peinliche Äußerung vor Gleichge-
sinnten ein, ebenso auch ein desaströses Scheitern beim Ver-
such zu trinken oder das großflächige Aufplatzen der Hosen-
naht in einer überfüllten Bar.
System: Jeder Erfolg steht für eine Nacht, in der das Ziel
vom Fluch betroffen ist. Der Fluch wird ein Mal pro Nacht aus-
gelöst, wenn der Erzähler es für richtig hält, normalerweise in
der Szene, in der sich der Charakter in größtmöglicher Gesell-
schaft befindet oder wenn er es mit gesellschaftlich wichtigen
Personen zu tun hat. Das heißt, der Fluch kann losschlagen,
wenn sich der Charakter in einem gut besuchten Restaurant
aufhält oder während er alleine mit dem Prinzen zu tun hat,
was auch immer das größere Potential für persönliche Ernied-
rigung birgt. Der Erzähler bestimmt, wann der Fluch ausgelöst
wird, doch es sollte zumindest ein Mal pro Nacht vorkommen.
Während der betroffenen Szene muss der Charakter bei
jedem gesellschaftlichen Wurf so viele Einsen hinzuaddieren,
wie der Hexer über Stufen im Pfad des bösen Blicks verfügt,
wodurch die Wahrscheinlichkeit für einen Patzer bei gesell-
schaftlichen Würfen steigt. Darüber hinaus sollte der Erzäh-
ler noch eine Anzahl an Würfeln entsprechend der Stufe
des Hexers in diesem Pfad würfeln (Schwierigkeit 5). Erfolge
bedeuten, dass noch externe Ereignisse eintreten, die den Cha-
rakter weiter beschämen, wie z. B. ein Glas, das auf ihn gekippt
wird oder ein Auto, das ihn mit Matsch vollspritzt.
•• Verlust
Dieser Fluch trifft die materiellen Besitztümer des Ziels.
Am häufigsten sorgt dieser Effekt dafür, dass dem Opfer
Geld gestohlen wird, doch er könnte auch seine Herde
ausdünnen oder eine Zuflucht zerstören. Der Fluch kann
jedes materielle Gut treffen, das durch einen Hintergrund
dargestellt werden kann. Wenn der Charakter über keinen
passenden Hintergrund verfügt, trifft es Gegenstände von
persönlichem Wert.
BLUTRITEN
System: Innerhalb einer Woche verliert das Ziel einen
Punkt in einem entsprechenden Hintergrund. Im Allge-
meinen zielt der Fluch am liebsten auf Ressourcen vor allen
anderen Hintergründen ab, doch theoretisch kann es jede
Form von materiellen Hintergründen treffen, die für per-
sönliche Anlagen als mögliches Ziel stehen. Der Hexer hat
keinen Einfluss darauf, welcher Hintergrund betroffen ist,
noch wie der Punkt eingebüßt wird. Der Erzähler könnte
sich sogar für eine zufällige Auswahl entscheiden.
••• Gefahr
Auf diesem Meisterschaftsgrad kann der Ashipu seinen
Feind endlich in Gefahr bringen, anstatt nur für Unan-
nehmlichkeiten zu sorgen. Der Fluch kann dem Ziel nicht
direkt schaden, doch er kann Situationen heraufbeschwö-
ren, in denen das Ziel möglicherweise zu Schaden kommen
kannv – sei es durch einen Betrunkenen, dem das Beneh-
men des Ziels in einer Bar nicht gefällt oder einem Rudel
Werwölfe, das – so es der Zufall will – genau in dieselbe men-
schenleere U-Bahn steigt, wie das Opfer.
System: Die Anzahl der Erfolge legen fest, wie viele Nächte
der Charakter gefährlich lebt.
Zu Beginn jeder Nacht muss der Erzähler einen Würfel
werfen und, abhängig vom Ergebnis, die Art der Begegnung
des Charakters ausarbeiten.
Würfel­ Art der Gefahr
wurf
1-3 Keine. Der Fluch tritt diese Nacht nicht ein.
4-6 Kleinerer Zwischenfall: Ein Ereignis, das
beim Charakter vermutlich keinen Schaden
hinterlässt, es aber eventuell doch tun könn-
te. Ein Sterblicher versucht den Charakter
auszurauben, während er sich in Anwe-
senheit anderer Sterblicher befindet oder
er überfällt die Tankstelle, während der
Charakter gerade zum Bezahlen ansteht.
Der Platzhirsch in einer Bar stößt sich am
Verhalten des Charakters und versucht ihn
in eine Schlägerei zu verwickeln.
7-8 Mäßiger Zwischenfall: Ein Ereignis, das mit
signifikanter Wahrscheinlichkeit nicht unbe-
schadet überstanden wird. Der Charakter
wird in einen Autounfall verwickelt oder
von einem flüchtigen Fahrer angefahren.
Eine Treppe bricht ein, während der Cha-
rakter gerade darauf geht.
9 Ernster Vorfall: Ein Ereignis, das beim
Charakter mit ziemlicher Sicherheit zu Töd-
lichem Schaden führt. Der Charakter sagt
etwas Unbedachtes, das bei umstehenden
Vampiren zu Rasereiwürfen führt. Ein Ge-
bäude stürzt ein, während sich der Charak-
ter darin befindet oder ein Feuer bricht aus.
10 Katstrophe: Ein potenziell tödliches Ereig-
nis. Der Charakter sperrt sich über den Tag
aus seiner Zuflucht aus. Der Charakter sagt
etwas Unbedachtes, das ein umstehendes
Rudel Wolflinge beleidigt.
161
 Nächte, die ohne Gefahr ablaufen, werden nicht von den
Erfolgen des Ashipu abgezogen, stattdessen wirkt der Fluch
weiter, bis so viele gefährliche Ereignisse eingetreten sind,
wie der Anwender bei der Aktivierung hatte oder bis er
gebrochen wurde. Während jeder gefährlichen Begebenheit
hat der betroffene Charakter die Möglichkeit festzustellen,
dass er von einem Fluch betroffen ist (wenn er es nicht ohne-
hin schon weiß). Der Wurf wird auf Intelligenz + Okkultis-
mus abgelegt. Die zu Grunde liegende Schwierigkeit ist 9,
doch sie sinkt auf 8, wenn der Charakter über Auspex ver-
fügt oder auf 6, wenn dem Charakter der Pfad bekannt ist.
•••• Feind
Dieser mächtige Fluch sorgt dafür, dass sich alle Freunde
und Verbündete des Ziels gegen den Betroffenen wenden,
selbst wenn dadurch die Anzahl seiner Feinde steigt.
System: Für jeden Erfolg beim Willenskraftwurf verliert
das Ziel einen Punkt bei Verbündete, Kontakte, Einfluss
oder Gefolgsleute. Dies steht beispielsweise für Freunde oder
Verbündete, die auf den Charakter wütend geworden sind
und ihm daher den Rücken kehren; für Kontakte und Ver-
bündete, die einfach eine Zeit lang nicht erreichbar sind oder
es könnte zu tragischen und unglücklichen Verletzungen
oder gar Todesfällen bei diesen Personen kommen. Alterna-
tiv kann der Hexer alle seine Erfolge aufwenden, um dem
Ziel einen neuen Feind anzuhängen (gemäß der Schwäche
Feind), der eintrifft, um seine Vendetta gegen den Charakter
fortzuführen. Egal wie es ausfällt, die Auswirkungen treten
innerhalb von einer Woche in Erscheinung und der Spie-
ler des betroffenen Charakters kann weder die verlorenen
Hintergründe neu erlangen, noch die Schwäche Feind tilgen,
ohne dass er den Fluch entdeckt und ihn neutralisiert.
••••• Wenn Blicke töten könnten
Der ultimative Ausdruck dieses bösartigen Pfads, Wenn
Blicke töten könnten, benötigt keinen Zeitaufwand mehr,
um eine Verkettung von Unglücken herbeizuführen. Diese
Kraft trifft sofort. Der Ashipu muss Blickkontakt mit dem
Ziel herstellen und eine auf ihn zutreffende Beschreibung
ausrufen. Dies kann ein Lob oder eine Beleidigung sein, Sar-
kasmus oder Wut, wie auch immer es geartet ist, das Ziel
wird sofort von einer qualvollen Verletzung heimgesucht,
die genau diese Beschreibung betrifft.
System: Der Fluch bietet etwas Flexibilität, doch allgemein
gesprochen, werden je zwei Erfolge (aufgerundet) beim Ziel
(oder Objekt, falls sich der Fluch gegen einen Besitz des Ziels
richtet) in eine Stufe schwer heilbaren Schaden umgesetzt.
Im Allgemeinen gilt, dass eine einzelne Stufe schwer heilba-
rer Schaden ausreicht, um ein Tier zu töten oder ein Objekt
zu zerstören. Wenn die Kraft gegen einen Sterblichen ein-
gesetzt wird, wird er dauerhaft verstümmelt. Wird sie gegen
ein Kainskind eingesetzt, erleidet dieses Schaden gemäß der
verfluchten Worte des Ashipu. Wenn er dem Ziel ein Kom-
pliment zu dessen schönen Augen macht, werden sie aus-
gebrannt und das Ziel könnte erblinden, bis es sich heilen
kann. Wenn er dessen honigsüße Worte nachäfft, könnte
es dem Ziel die Zunge ausbrennen und ihm die Fähigkeit
162 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
zu sprechen nehmen. Dieser Fluch kann durch eine Abbild
übertragen werden, doch der normale Malus auf die Schwie-
rigkeit für den Einsatz eines Abbildes wird um +2 erhöht (s.
Prinzipien der Induktion und Analog-Magie auf S. 133-135).
Dur-An-Ki Rituale
Horoskop (Stufe Eins)
Durch die Anwendung babylonischer Techniken der Astro-
logie kann der Ashipu die Sterne beobachten und Erkennt-
nisse über seine Feinde gewinnen. Um Horoskop auf einen
Sterblichen anzuwenden, muss der Ashipu dessen Geburts-
namen kennen sowie den Tag und den Ort von dessen
Geburt. Um das Horoskop für einen Vampir zu erstellen,
muss der Ashipu die bereits genannten Fakten und zusätz-
lich den Tag des Kusses wissen. Mit solchem Wissen ausge-
stattet, kann der Ashipu sowohl die intimsten Geheimnisse
seines Feindes erfahren, als auch einfache Magie gegen ihn
wirken.
System: Jeder Erfolg offenbart dem Ashipu ein Geheim-
nis über das Ziel des Horoskops, das aus den folgenden
ausgesucht wird: Wesen, vorrangige Fähigkeiten (z. B.
Eigenschaften ab 3 und höher), Schwächen oder schwe-
rere Tragödien aus dessen Leben (oder Unleben). Alterna-
tiv kann der Ashipu das Horoskop zusammen mit einem
Abbild verwenden, um die Effektivität eines Analogzaubers
zu verbessern, wobei die Erfolge beim Ritualwurf die Abzüge
auf die Schwierigkeit reduzieren, die auf solche Würfe ange-
wandt werden. Der Ashipu kann das Horoskop allerdings
nicht verwenden, um die Würfelabzüge um einen höheren
Wert, als seine Stufe in Dur-An-Ki zu senken, noch um die
Modifikatoren auf weniger als Null zu senken.
Aufguss aus Kalif
(Stufe Zwei)
Dieses Ritual ist für alle Ashipu auf der Suche nach der
Erleuchtung sehr wichtig, doch seine Auswirkungen wurden
von zahlreichen Blutmagiern aus anderen Schulen nachge-
stellt, die der uralten Herkunft des Rituals nicht Rechnung
tragen, sondern sich einfach nur zudröhnen wollen. Durch
dieses Ritual kann der Blutmagier Haschisch rituell mit Blut
durchsetzen, sodass Kainskinder es mit einer indischen Was-
serpfeife rauchen können und davon berauscht werden.
System: Der Hexer muss sich Haschisch beschaffen und es
mit derselben Menge seines Blutes mischen. Das Verhältnis
ist ziemlich hoch: ein halbes Kilo Haschisch saugt einen Blut-
punkt auf und der Prozess (der drei ganze Nächte in Anspruch
nimmt), liefert nur dreißig Gramm (eine Unze) Kalif pro
Erfolg. Die „Qualität“ des Kalif hängt von der Generation des
Vampirs ab, dessen Blut beim Ritual verwendet wurde (was
nicht das Blut des Hexers sein muss). Jeder Punkt in Gene-
ration steigert die Qualität um +1; Kalif mit dem Blut einer
Neunten Generation hätte also die Qualität von Vier.
 Um Kalif angemessen als Teil eines Dur-An-Ki Rituals zu
verwenden, müssen dreißig Gramm zusammen mit speziell
vorbereitetem Rosenwasser in einer Wasserpfeife vorberei-
tet werden. Nachdem der Charakter mindestens eine halbe
Stunde geraucht hat, muss der betroffene Spieler einen
Wurf auf Widerstandsfähigkeit + Seelenstärke (Schwierig-
keit 6 mit einem Würfelabzug entsprechend der Qualität des
beim Ritual eingesetzten Kalif) ablegen. Es gibt so etwas wie
„den guten Punkt“, den der Hexer erreichen muss. Wenn
der Hexer scheitert oder patzt, wird er zu benebelt, um noch
etwas anderes zu tun, als weiter das Kalif zu genießen (und
für viele Kainskinder ist das auch schon genug). Wenn der
Spieler andererseits mehr Erfolge erwürfelt, als die Stufe in
Dur-An-Ki, spürt der Charakter gar nichts und muss für eine
weitere halbe Stunde weiterrauchen, ehe er erneut würfeln
kann.
Nur bei einer Anzahl an Erfolgen über Null, doch gleich
oder niedriger als seine Stufe in Dur-An-Ki lassen den Cha-
rakter einen ekstatischen Zustand erlangen, in dem er Kalif
in weiteren Ritualen richtig anwenden kann. Wenn der
Charakter die entsprechenden Erfolge erzielt hat, verfällt
er in einen Zustand des erweiterten Bewusstseins, in dem
sich Dur-An-Ki leichter durchführen lässt. Für den Rest der
Szene sinkt die Schwierigkeit für die Durchführung von
Dur-An-Ki-Pfadkräften oder Ritualen um die Hälfte der
Qualitätsstufe des Kalif.
Stier des Himmels (Stufe Drei)
In einer Nachahmung des Rituals, das die Göttin Ishtar
angeblich anwandte, um den großen Stier des Himmels auf
seine Begegnung mit Gilgamesh vorzubereiten, kann der
Ashipu mit diesem Ritual ein Tier verzaubern und es dazu
bringen, ihm zu gehorchen. Das Ergebnis ähnelt der Kraft
Geteilter Geist der Tierhaftigkeit.
System: Der Ashipu muss vom Tier trinken, während er
ihm gleichzeitig sein Blut füttert. Ein Blutpunkt reicht bei
Tieren bis zu der Größe eines Menschen aus. Drei Punkte
werden für größere Tiere benötigt, bis zur Größe eines aus-
gewachsenen Stieres. Noch größere Tiere können für dieses
Ritual nicht verwendet werden. Sobald das Tier das Blut
erhält, wird es zum Ghul und erhält einen Punkt Stärke
sowie einen Punkt Seelenstärke bzw. einen Punkt einer Dis-
ziplin, über die der Ashipu verfügt, die aber keine Unterwei-
sung benötigt (wie z. B. Beherrschung oder Dur-An-Ki). Für
den Rest der Nacht kann der Ashipu das Tier intuitiv nach
seinem Willen steuern und dessen Sinne zur Wahrnehmung
nutzen, während er selbst seine normale Aufmerksamkeit
für sein Umfeld beibehält.
Ahrimans Lanze (Stufe Vier)
Der Ashipu muss mit einem Talisman, der klein genug ist,
um ihn zu schlucken, eine analog-magische Verbindung zum
Ziel herstellen. Anschließend schluckt er ihn, wartet eine
Stunde und schneidet ihn sich aus seinem eigenen Bauch.
Andere Hexer können ihn bei diesem Unterfangen unter-
BLUTRITEN
stützen, was dem Anwender aber mindestens zwei Stufen
nicht-absorbierbaren Tödlichen Schaden bei der Durch-
führung des Rituals zufügt. Bis die Sterne das nächste Mal
ungünstig stehen, erhält jedes Kainskind, das versucht das
Ziel zu töten und dabei den Talisman bei sich trägt, den
Segen der Geister.
System: Um festzustellen, wie lang das Ritual dauert,
muss der Ashipu zunächst das Horoskop Ritual gegen das
Ziel anwenden oder, sollten Geburts- und Todestag des
Ziels nicht bekannt sein, kann er ein Horoskop für den
Assassinen erstellen, der den Talisman tragen soll. In letz-
terem Falle profitiert nur dieser Assassine von den Eigen-
schaften des Talisman, doch bei einem Horoskop gegen das
Ziel jeder, der den Talisman einsetzt. Wenn ein Horoskop
zusammen mit diesem Ritual eingesetzt wird, dann behält
der Talisman eine Anzahl an Nächten seine Wirkung, die
den beim Horoskop erzielten Erfolge entspricht. In dieser
Zeit wird die Schwierigkeit aller Würfe, die der Träger durch-
führt, um sich seinem Ziel zu nähern oder es zu töten, um
die Anzahl der bei diesem Ritual erzielten Erfolge gesenkt.
Augen des Firmaments
(Stufe Fünf)
Indem er über das Universum meditiert, kann der Hexer mit
den Augen des Himmels auf seinen Feind herabblicken. Der
Ashipu muss sich in eine ekstatische Trance versetzen. Dann
muss er sich auf ein Individuum konzentrieren, indem er
sich in ein Abbild der Person vertieft. Dieses Abbild muss
zumindest eine noch nicht zu alte Fotografie sein oder etwas
mit einer stärkeren Verbindung. Das Ritual kann nicht ein-
fach mit dem Namen des Opfers durchgeführt werden (siehe
Prinzipien der Induktion und Analog-Magie S. 133-135).
System: Pro Erfolg darf der Spieler eine Frage zum Aufent-
haltsort oder den Handlungen des Ziels stellen.
Setitenhexerei
Ushabti (Akhu-Pfad)
Ushabti hat seinen Namen von den Statuetten, die im alten
Ägypten für die Gräber reicher und mächtiger Personen
gefertigt wurden. Man glaubte daran, dass diese Statuetten
in der Unterwelt zum Leben erwachen, um ihren Meistern
als Arbeitskräfte oder Spielzeuge zu dienen. Jede Anwen-
dung dieses Pfades erschafft eine andere Ushabti und jede
Ushabti kann nur ein Mal aktiviert werden. Der Hexer muss
die Statuette aus Wachs oder Lehm fertigen und die Masse
mit einem Blutpunkt vermischen. Dann muss er ägypti-
sche Worte der Macht in die Figuren gravieren, ehe er sie
in Honig und Bier badet. Zur Aktivierung einer Figur muss
der Hexer einen Blutpunkt ausgeben, die Beschwörung aus-
sprechen und mit einem Wurf auf Willenskraft feststellen,
ob die Ushabti aktiviert wird. Wenn sie reagiert, verwandelt
sich die Statuette in eine lebensgroße, belebte Figur, die dem
163
 Willen des Hexers untersteht. Im Falle eines Patzers wird, neben
den regulären Auswirkungen, das Ushabti zum Leben erwa-
chen, sich dem Hexer gegenüber allerdings feindselig verhalten.
Aktivierte Ushabti verfügen über Attribute und Fähigkeiten,
die von der Stufe des Pfades abhängen, mit der sie erschaffen
wurden. Der Hexer kann einem Ushabti keine Fähigkeiten ver-
leihen, über die er selbst nicht verfügt, noch höhere Werte als
seine eigenen. Die Erfolge beim Willenskraftwurf legen fest, wie
realistisch der aktivierte Ushabti sein wird. Dennoch können
die Erfolge für „Realismus“ niemals den Pfadwert übersteigen.
Folglich kann nur ein Ushabti, der mit Hilfe von Geschenk des
Khnum (Ushabti •••••) erschaffen wurde, nicht von einem
lebenden Wesen unterschieden werden.
Erfolge Ergebnis
1 Ein grobes Etwas aus Wachs.
2 Eine realistische, gut gefertigte Arbeit aus
Wachs oder eine Porzellanpuppe.
3 Sieht lebendig genug aus, um einem
flüchtigen Blick standzuhalten (Schwie-
rigkeit 6, um als künstlich zu entlarven).
4 Äußerst lebensecht (Schwierigkeit 8, um
als unecht zu entlarven).
5 Von einem lebenden Wesen nicht zu
unterscheiden.
Einmal aktiviert, besteht ein Ushabti für einen Mondmo-
nat, was allerdings auf unbestimmte Zeit verlängert werden
kann, solange es einen Blutpunkt pro Monat erhält. Dies
bedeutet allerdings, dass das Ushabti in der Zuflucht des
164 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
Meisters bleibt und nicht mit Sterblichen interagiert. Wenn
diese Bedingungen nicht eingehalten werden, löst sich das
Ushabti innerhalb einer Stunde komplett auf. Ein Hexer
kann ein Ushabti für jemanden bauen, doch das kostet ihn
einen Punkt Willenskraft.
Arbeiter (•)
Der Ushabti kann ein Mensch oder ein Tier sein. Es ist hirn-
los und gehorcht den Befehlen seines Meisters. Es verfügt über
zwei Punkte in jedem körperlichen Attribut, über einen Punkt
in jedem geistigen Attribut und über keine Punkte in den gesell-
schaftlichen Attributen. Es verfügt über keine Fähigkeiten.
Diener (••)
Entspricht dem Arbeiter, doch mit drei zusätzlichen Punkten
für Attribute. Keiner davon kann für gesellschaftliche Attri-
bute aufgewandt werden und kein geistiges Attribut darf
über 2 steigen. Zudem erhält es zwei Punkte für nicht-kampf-
bezogene Fähigkeiten.
Wächter (•••)
Entspricht dem Arbeiter, doch mit sechs zusätzlichen Punk-
ten für Attribute und vier Punkten für Fähigkeiten. Wächter
dürfen über gesellschaftliche Attribute verfügen, doch kein
gesellschaftliches oder geistiges Attribut darf über 2 steigen,
ebenso wenig wie eine Fähigkeit.
Aufseher (••••)
Entspricht dem Arbeiter, doch mit neun zusätzlichen Punk-
ten für Attribute und sechs Punkten für Fähigkeiten; kein
gesellschaftliches oder geistiges Attribut darf über 3 steigen,
ebenso wenig wie eine Fähigkeit.
Geschenk des Khnum (•••••)
Der ultimative Gipfel dieser Kunst ist das Geschenk des
Khnum (dem legendären Schöpfer der Menschheit gemäß
ägyptischer Geschichte), womit der Hexer eine Kreatur
erschaffen kann, die im Endeffekt einen lebenden Körper
darstellt, entweder als gehorsamen Sklaven oder als vorbe-
reitetes Gefäß für einen Todesalb oder einen Geist. Bei der
Aktivierung des Ushabti entscheidet der Charakter, was aus
ihm werden soll, obwohl man für die letztere Variante einen
gefügigen Todesalb oder Geist bei der Hand haben sollte.
Entspricht dem Arbeiter, doch mit 12 zusätzlichen Punk-
ten für Attribute und acht Punkten für Fähigkeiten. Der
Ushabti erhält die Tugenden, Menschlichkeit und Willens-
kraft eines neu erschaffenen Vampirs. Es hat Gefühle, ist
allerdings emotional an die Person gebunden, die es akti-
viert, als hätte es ein Blutsband. Dies gilt selbst dann, wenn
es von einem Geist oder einem Todesalben besessen wird.
Jeder Einsatz von Geschenk des Khnum kostet zwei Punkte
Willenskraft bei der Aktivierung und der Spieler kann
zusätzliche Punkte Willenskraft einsetzen, um weitere auto-
matische Erfolge beim Aktivierungswurf zu erzielen. Ein mit
diesem Pfad erschaffenes Ushabti zerfällt nicht, es sei denn
jemand stellt aktiv seine Identität in Frage und überzeugt
es davon, nicht echt zu sein. Abgesehen vom Beweis seiner
Unechtheit ist das Ushabti quasi unsterblich.
Der Pfad von Praapti
(Sadhana-Pfad)
Praapti ist die Macht des sofortigen Reisens. Die Sadhana
in Indien entwickelten den Pfad, um ihren mysteriösen
Rivalen in Asien ebenbürtig zu sein, die über eine Kraft
verfügen, mit der sie über magische Kraftlinien innerhalb
eines Augenblicks reisen können. Später verkauften überge-
laufene Sadhus die Geheimnisse dieses Pfades an die Tre-
mere, die ihn in seine Bestandteile zerlegten und als Pfad
des Merkur wieder zusammensetzten. Eine Handvoll New
Age-Anarchen sind ebenfalls über die Geheimnisse dieses
Pfades gestolpert, den sie schlicht Teleportation nennen.
Einzelne Stufen des Pfades haben keine verschiedenen
Auswirkungen. Stattdessen steht ein höherer Meisterschafts-
grad einfach für größere Distanzen, die zurückgelegt werden
können. Idealerweise kann der Hexer sein Ziel sehen oder
er kennt es genauestens. Ein Scheitern bei der Aktivierung
bedeutet lediglich, dass gar nichts passiert, doch Patzer sind
deutlich problematischer. Wenn der Zielort innerhalb der
Sichtweite liegt oder sich sehr nah befindet (beispielsweise
auf der anderen Seite einer Mauer), verursacht ein Patzer
lediglich die üblichen katastrophalen Probleme der Blutma-
gie. Wenn der Hexer allerdings versucht, sich blind zu tele-
portieren, sind Patzer deutlich gefährlicher. Typische Ergeb-
nisse könnten sein, dass der Hexer mit einem festen Objekt
verschmilzt, was eine Stufe schwer heilbaren Schaden pro
BLUTRITEN
„1“ verursacht. Drei oder mehr Stufen an Schaden bedeuten
zudem, dass der Hexer innerhalb eines größeren Objektes,
wie einer Mauer oder dem Boden, steckt und sich nicht
selbst befreien kann. Seelenstärke absorbiert diesen Schaden
wie gewohnt, doch hilft einem Charakter nicht dabei, wenn
er sich drei Meter unter der Erde materialisiert. Wenn man
mit dem Zielort vertraut ist, an den man sich blind telepor-
tieren möchte, gelten die folgenden Modifikatoren für die
Schwierigkeit des Wurfs.
Vertrautheit Schwierigkeits­
modifikator
Wohlvertraut (die eigene Zuflucht) -1
Wird regelmäßig besucht +0
Ungesehen, doch relativ klar +0
(z. B. die andere Seite der Mauer)
Wenig vertraut +1
(ein paar Mal besucht)
Höchst unvertraut +2
(ein bekannter Ort)
• Teleport bis 10 Meter.
•• ... bis zu 50 Metern.
••• ... bis zu 500 Metern.
•••• ... bis zu 8 Kilometern.
••••• ... bis zu 800 Kilometern.
Höchst unvertraut +2
(ein bekannter Ort)
Teleportation ist selten exakt. Für jede „1“ bei einem
erfolgreichen Wurf, weicht der Hexer um 10% von seinem
Ziel ab. Die Anzahl der Erfolge gibt an, was mitbefördert
werden kann. Bei einem einzigen Erfolg kann lediglich der
nackte Körper des Hexers teleportiert werden. Jeder zusätz-
liche Erfolg steht für weitere zehn Kilogramm. Wenn die
Erfolge nicht ausreichen, um alles mitzunehmen, was der
Hexer gerne befördern würde, entscheidet der Erzähler was
zurückbleibt.
Im Fluss mit Ashé
(Wanga-Pfad)
Im Fluss mit Ashé gehört zu den ungewöhnlichen Pfaden der
Hexerei, da sein Einsatz kein Blut kostet. Tatsächlich geht es
sogar darum, dem Wangateur den Einsatz von Blut in ande-
ren Zusammenhängen zu ersparen. Im Fluss mit Ashé leitet
sich aus der Pflanzenheilkunde der Yoruba ab und könnte
viel eher als eine Reihe von Ritualen beschrieben werden,
die auch aufeinanderfolgend gelernt werden müssen. Jedes
Ritual erschafft eine Pflanzentinktur, die – wenn sie rich-
tig angewandt wird – unter gewissen Umständen statt Blut
eingesetzt werden kann. Der Willenskraftwurf wird immer
dann abgelegt, wenn normalerweise der Blutpunkt ausgege-
ben werden würde. Wenn er scheitert, verliert der Vampir
165
 zwei Blutpunkte, statt dem einen, den er normalerweise
eingesetzt hätte, wenn er das vorbereitende Ritual ausge-
lassen hätte. Normalerweise müssen die Zutaten vermischt
und direkt in der nächsten Runde eingesetzt werden, doch
Geschenk der Ashé hebt diese Beschränkung auf. Doch was
viel wichtiger ist: wenn die Umstände es zulassen, können
einige der Mixturen sogar auf andere angewandt werden,
nicht nur den Wangateur.
• Berührung des Lebens
Der Wangateur kann eine spezielle Mischung aus Kräutern
und Pülverchen zu sich nehmen, anstatt Blut auszugeben,
wenn er die Merkmale der Lebenden versucht nachzuahmen.
Die Auswirkungen halten für eine Szene an. Der Wangateur
kann diese Mischung selbst einnehmen oder sie einem ande-
ren Kainskind zur Verfügung stellen (doch nicht einem Sterb-
lichen), der die Mischung im Laufe der Szene schlucken muss.
Bei der letzteren Variante entscheidet der Wangateur, welchen
Aspekt der Lebenden das andere Kainskind vortäuschen kann.
•• Stärke von Wurzel und Stein
Der Wangateur muss die Mischung aus Kräutern und Pül-
verchen durch die Nase inhalieren, anstatt Blut auszugeben,
wenn er ein körperliches Attribut erhöhen möchte. Die Aus-
wirkungen entsprechen dem Ausgeben eines Blutpunktes,
um ein körperliches Attribut übernatürlich zu steigern. Die
Auswirkungen halten für eine Szene an. Der Wangateur kann
die Mischung selbst nutzen oder sie jemand anderem zur
Verfügung stellen (einschließlich Sterblichen). Wenn sie von
jemand anderem genutzt wird, entscheidet der Wangateur,
welches Attribut durch die vorbereitete Mixtur gesteigert wird.
••• Atem des Lebens
Der Wangateur muss die Mischung aus Kräutern und Pül-
verchen verwenden, anstatt Blut auszugeben, wenn er sich
heilen möchte. Diese spezielle Mixtur ergibt eine Paste, die
der Wangateur aktiv auf die zu heilende Stelle schmieren
muss. Die Auswirkungen sind dieselben, wie wenn der Vam-
pir einen Blutpunkt ausgibt, um körperlichen Schaden zu
heilen. Diese Kraft heilt nur tödlichen oder Schlagschaden,
keinen schwer heilbaren Schaden. Der Wangateur kann die
Mischung selbst nutzen oder sie jemand anderem zur Ver-
fügung stellen (einschließlich Sterblichen).
•••• Die Gunst der Orishas
Der Wangateur kann die Mischung aus Kräutern und Pülver-
chen verwenden, um damit eine Disziplin anzuwenden (ein-
schließlich Blutmagie), deren Einsatz exakt einen Blutpunkt
benötigt. Diese Formel benötigt zum Funktionieren zudem
eine kleine Menge Blut, doch es muss nicht vom Wangateur
stammen und kann sogar von einem beliebigen Feind kom-
men (Mensch oder Kainskind), der das Blut in der Nähe ver-
gossen hat. Der Wangateur kann die Mixtur nur bei sich selbst
anwenden und muss sich dafür einen oberflächlichen Schnitt
auf dem Arm zufügen und die Mischung dort hinein reiben.
166 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
••••• Geschenk der Ashé
Der Wangateur kann nun mit den ersten drei Stufen des Pfa-
des Mixturen herstellen, die ihre Wirksamkeit eine ganze Nacht
behalten, anstatt nur eine Szene lang. Darüber hinaus kann
der Wangateur eine Gesamtanzahl an Mixturen gleichzeitig
bereithalten, die seinem Wert in Intelligenz entspricht. Somit
kann er auch Verbündete mit Mixturen versorgen und muss
sich nicht immer in der Nähe aufhalten, um die entsprechen-
den Vorzüge bieten zu können; er kann die Mischung einfach
einem Verbündeten übergeben und ihn seiner Wege schicken.
Rituale der
Setitenhexerei
Rüstung der
diamantenen Gelassenheit
(Stufe Eins Sadhana Ritual)
Das Ritual ruft Shiva an, um den Geist des Hexers von sterb-
lichen Leidenschaften zu reinigen und die Erleuchtung zu
erlangen.
System: Für den Rest der Nacht ist der Sadhu immun gegen
Raserei jeglicher Art, senkt die Schwierigkeit für Würfe auf
Willenskraft um -2 und behandelt seine Willenskraft, als wäre
sie zwei Punkte höher, wenn er Effekten widerstehen muss, die
seine Willenskraft (temporär oder permanent) zum Ziel haben.
Solange dieses Ritual anhält, ist der Sadhu allerdings nicht in
der Lage, seine körperlichen Attribute durch Blut zu steigern.
Gris-Gris erschaffen
(Stufe Zwei Wanga Ritual)
Wer mit Voudoun vertraut ist, kennt auch Gris-Gris Beutel,
verfluchte Gegenstände, die Schmerz und Leid beim Ziel her-
vorrufen. Der Wangateur muss dafür einen Beutel mit Kräu-
tern, mineralischem Pulver, den Fingerknochen eines Klein-
kindes, neun Prisen Graberde, einigen Gegenständen des Ziels
und zwei Punkten seines Blutes füllen. Der Beutel muss dann
im Umkreis von ein paar Metern um das Zuhause oder die
Zuflucht des Ziels versteckt (idealerweise vergraben) werden.
System: Solange das Ziel unter dem Einfluss eines Gris-Gris
Fluches steht, erleidet es einen Abzug von -1 auf alle Würfelvor-
räte, aufgrund eines andauernden, pochenden Kopfschmerzes.
Bei Sterblichen ist der Effekt permanent, bis sie den Beutel
gefunden und entfernt haben. Bei Kainskindern halten die
Auswirkungen eine Nacht pro Erfolg an, es sei denn, der Beu-
tel wird vorher entfernt. In den Händen eines anderen Wan-
gateurs, mit einer höheren Stufe in Wanga, verfügt der Beutel
über eine analog-magische Verbindung zu seinem Hersteller,
der einem Blutpunkt entspricht.
Entsenden des Skorpions
(Stufe Drei Akhu Ritual)
Der Hexer fertigt einen Skorpion aus Wachs und bindet einige
Materialien ein, die vom Körper des Ziels stammen. Er schreibt
den Namen Seths auf den Skorpion und rezitiert die Geschichte
der Vergiftung des Horus, wobei er den Teil auslässt, in dem er
sich wieder erholt. Dann hinterlässt er das Modell irgendwo,
wo das Ziel vorbeikommen wird, denn dann erwacht es zum
Leben und greift ihn an.
System: Der Skorpion verfügt über die normalen Werte für
ein Tier seiner Größe, doch wenn er das Ziel erfolgreich trifft,
wird es vergiftet. Das Gift verursacht eine Stufe Tödlichen Scha-
den alle fünfzehn Minuten. Der Schaden endet, wenn das Ziel
erfolgreich einen Wurf auf Widerstandsfähigkeit (Schwierigkeit
7) abgelegt hat, der alle fünfzehn Minuten durchgeführt werden
kann. Das Gift trifft Sterbliche und Übernatürliche gleicher-
maßen. Der Skorpion ist klein und daher schwer zu entdecken
(Wahrnehmung + Aufmerksamkeit, Schwierigkeit 7).

Die Zerstückelung des Osiris

(Stufe Vier Akhu Ritual)
Der Setit zerstückelt rituell den Anführer oder Sprecher
einer Gruppe oder Organisation – es muss sich um einen
Mann handeln, von Frauen geführte Organisationen kön-
nen von dieser Kraft nicht betroffen werden. Nachdem das
Opfer tot ist, schneidet der Hexer dessen Phallus ab und
wirft ihn in ein Becken voller Fische, die ihn dann fressen.
Infolgedessen erleidet die Gruppe oder Organisation für die
kommenden sechs Monate externe Rückschläge.
System: Die Ergebnisse obliegen vor allem dem Erzähler,
abhängig vom Erfolg des Rituals. Als allgemeine Regel dient
hier die Annahme, dass jeder Erfolg beim Wurf eine kumu-
lative Verringerung der Größe und Ressourcen der betroffe-
nen Gruppierung von 10% zur Folge hat.

Fesseln des Blutes

(Stufe Fünf Wanga Ritual)
Der Wangateur braut einen Trank, der ein temporäres
Blutsband verursacht, auch auf Entfernung. Er muss drei
Blutpunkte seines eigenen Blutes einsetzen, eine Auswahl
natürlicher Zutaten und das Herz eines kürzlich verstorbe-
nen Sterblichen des jeweils anderen Geschlechts. Er rührt
dann die Mixtur über einen Zeitraum von drei Stunden und
siebt es durch ungebleichte Baumwolle ab, ehe er die fertige
Mixtur dem Opfer einflößt.
System: Das falsche Band hält eine Anzahl an Nächten
an, die den erzielten Erfolgen entspricht. Danach klingt der
Effekt ab, doch schafft es der Wangateur, das Ziel in dieser
Zeit tatsächlich ans Blut zu binden, wirkt es wie ein nor-
males Blutsband weiter. Obwohl das Ritual auf den ersten
Blick unnötig kompliziert erscheint, verglichen mit der Her-
stellung eines Blutsbandes auf konventionellem Wege, hat

BLUTRITEN 167
 es einen mächtigen Vorteil: wird das Gebräu einem Sterb-
lichen eingeflößt, wird auch jeder Vampir davon betroffen,
der innerhalb der folgenden 24 Stunden von diesem Sterb-
lichen trinkt – so, als hätte er es selbst eingenommen. Auf
diese Art kann ein verschlagener Wangateur Macht über
einen Vampir erlangen, der noch nicht einmal weiß, dass
der Wangateur existiert.
Dunkle
Thaumaturgie
Flammendes Inferno
Anwender von Flammendes Inferno können Baalsfeuer
beschwören, das sie in Form von Strahlen oder als Bälle aus
ihren Händen schleudern können. Viele glauben, dass diese
bösartigen, grünen Flammen aus den Tiefen des Hades her-
aufbeschworen werden. Von diesen Flammen verbrannt zu
werden, vermittelt einen Eindruck davon, welche Qualen in
der Hölle warten. Jeder, der über etwas mystisches Verständ-
nis verfügt und die Beschwörung dieser Flammen miterlebt,
weiß, dass sie aus einer infernalen Quelle stammen. Baals-
feuer ist weit gefürchtet, da Feuer einer der sichersten Wege
ist, um einen Vampir in den endgültigen Tod zu schicken.
System: Die Anzahl der Erfolge legt fest, wie präzise ein
Vampir die Flammen am gewünschten Ort platzieren kann
(was er vor dem Wurf ankündigen muss). Es gibt keine indi-
viduellen Beschreibungen für jede Stufe des Pfades, denn
letztendlich ist Feuer gleich Feuer (und kann möglicherweise
Raserei bei anwesenden Vampiren auslösen). Die folgende
Tabelle beschreibt die Stufen des Pfades, die notwendig sind,
um eine gewisse Größe des Feuers zu beschwören. Um die-
sen Schaden überhaupt absorbieren zu können, muss der
Vampir zumindest über Seelenstärke verfügen.
Feuer, die der Vampir selbst kontrolliert, verursachen bei
ihm keinen Schaden oder Raserei, doch Feuer, die aufgrund
des unnatürlichen Feuers ausbrechen, schaden dem Vampir
in gewohnter Weise.
• Feuerzeug (Schwierigkeit 3 zum Absorbieren, eine
Gesundheitsstufe pro Runde)
•• Platte eines Gasherds (Schwierigkeit 4 zum Absorbie-
ren, zwei Gesundheitsstufen pro Runde)
••• Schweißbrenner (Schwierigkeit 5 zum Absorbieren,
drei Gesundheitsstufen pro Runde)
•••• Flammenwerfer (Schwierigkeit 7 zum Absorbie-
ren, vier Gesundheitsstufen pro Runde)
••••• Feuersbrunst (Schwierigkeit 9 zum Absorbieren,
fünf Gesundheitsstufen pro Runde)
Pfad des Phobos
Infernalisten wissen, welche Macht der Angst und der Ver-
zweiflung innewohnen. Anwender dieses Pfades steigen auf
168 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
magische Weise in die Tiefen der Psyche des Opfers ein, ent-
locken ihnen ihre tiefsitzenden Ängste und lassen sie real
erscheinen. Gebildete Sabbat-Infernalisten bevorzugen die-
sen Pfad, da sie sich an den unterschwelligen Effekten des
Einsatzes der eigenen Ängste des Opfers ergötzen, anstatt
vulgär und brutal Feuer und dämonische Diener zur Schau
zu stellen.
Infernalisten riskieren immer, die ihren Opfern entlockten
Albträume später selbst zu durchleben, nachdem sie ihren
Zielen die dunkelsten Erinnerungen entlockt haben. Sollte
ein Charakter den Pfad des Phobos mehr als ein Mal in einer
Geschichte anwenden, sollte der Erzähler auf einen Wurf auf
Manipulation + Empathie (Schwierigkeit 7) bestehen.
Jede Nacht, die er die Albträume bei seinem Opfer ent-
fesselt hat, wacht der Anwender dann selbst blutgebadet auf,
was ihn effektiv einen zusätzlichen Blutpunkt zum Aufwa-
chen kostet, aufgrund des Mangels an erholsamem Schlaf.
Dies ist der Preis des Einblicks in die Hölle. Die Anzahl der
Erfolge zeigt an, wie lange der Charakter sich noch mit den
gestohlenen Ängsten in seinem Geist herumplagen muss.
1 Erfolg Eine Woche
2 Erfolge Fünf Tage
3 Erfolge Vier Tage
4 Erfolge Zwei Tage
5 Erfolge Ein Tag
• Angst
Der Infernalist nutzt die Macht der Hölle, um den Geist sei-
nes Opfers zu verdrehen, sodass es paranoid wird. Undeut-
liche Schatten und Formen flackern in den Augenwinkeln
des Opfers auf und quälen es, indem sie weiter lauern.
System: Der Infernalist kann jedes Ziel in seinem Blick-
feld anvisieren. Er muss sich konzentrieren, auf das Opfer
zeigen und die entsprechende Anrufung an die Hölle aus-
sprechen. Sollte er Erfolg haben, gerät das Opfer spürbar
aus der Fassung und wird besorgt, was rollenspielerisch zum
Ausdruck gebracht werden sollte. Um zu widerstehen, muss
das Opfer einen Mutwurf ablegen (Schwierigkeit 4 + die
Anzahl der Erfolge beim Aktivierungswurf, maximal 9), um
noch etwas anderes tun zu können, außer nach dem einge-
bildeten Verfolger Ausschau zu halten.
Alle Würfelvorräte des Opfers werden während der
Anwendung dieser Kraft automatisch um 1 reduziert. Die
Dauer der Kraft wird durch die beim Aktivierungswurf
erzielten Erfolge beschränkt:
1 Erfolg Eine Runde
2 Erfolge Fünf Runden
3 Erfolge Eine Stunde
4 Erfolge Eine Nacht
5 Erfolge Zwei Nächte
•• Spuk
Diese Kraft verwandelt den Verdacht in Furcht, da die wan-
dernden Schatten zu furchteinflößenden Bedrohungen wer-
den. Das Opfer spürt, dass etwas Furchtbares geschehen wird,
wenn es nicht umgehend aus dem betroffenen Gebiet flieht.
Es könnte sich einbilden, das Aufblitzen eines Gewehrlaufs
gesehen zu haben oder das Klackern hart besohlter Schuhe
auf dem Gehweg hinter sich hören. Es könnte sich sogar
einbilden, den Schweiß seines Verfolgers riechen zu können
oder seinen Atem im Nacken zu spüren.
System: Der Infernalist muss sein Opfer sehen und ein
Gebet an die Hölle flüstern, damit die Kraft wirkt. Das quä-
lende Unbehagen im Hinterkopf des Opfers wird zuneh-
mend greifbarer. Sterbliche müssen einen erfolgreichen
Mutwurf ablegen (Schwierigkeit 7), damit sie nicht vor Panik
fliehen. Vampire müssen denselben Wurf ablegen, doch
wenn sie scheitern, verfallen sie dem Rötschreck.
••• Terror
Der Infernalist kann dem Opfer seine Ängste entlocken und
es damit konfrontieren. Das Opfer sieht, was es am meisten
fürchtet. Wenn es Angst vor Spinnen hat, fühlt es Spinn-
weben über Gesicht und Hände streifen und wie tausende
eingebildeter Arachniden über seinen Körper krabbeln. Es
könnte sie sogar über den Boden huschen hören oder wie
sie mit ihren grausigen Chelizeren klackern. Für das Opfer
sehen die Auswirkungen sehr real aus, obwohl es sich für
Außenstehende lediglich um Illusionen handelt.
System: Der Infernalist muss sich einen Augenblick kon-
zentrieren und dann auf das Opfer zeigen. Sollte er Erfolg
haben, muss das panikerfüllte Opfer erfolgreich einen Mut-
BLUTRITEN
wurf ablegen (Schwierigkeit 7), um die Angst abzuschütteln
und wieder handeln zu können. Andernfalls kauert es sich
einfach zusammen und versucht, sich vor den eingebildeten
Objekten seiner Panik zu verstecken. Ein Patzer bei diesem
Mutwurf verursacht eine Geistesstörung, vorzugsweise pas-
send zur Panikattacke, von der das Opfer heimgesucht wird.
Die Dauer der Kraft wird durch die beim Aktivierungs-
wurf erzielten Erfolge beschränkt:
1 Erfolg Eine Runde
2 Erfolge Fünf Runden
3 Erfolge 30 Minuten
4 Erfolge Eine Stunde
5 Erfolge Eine Nacht
•••• Plage
Der Infernalist erkennt nun die am tiefsten sitzende Angst
des Opfers. Er kann sein Opfer in jeder wachen Minute in
die dunkelsten Tiefen seiner Phobie zwingen. Eine Person,
die Panik vor dem Ertrinken hat, spürt wie die Luft um
sie herum dicker wird und in seiner Brust gerinnt, bis sie
nicht mehr atmen kann, während eine Person mit Angst vor
Vampiren überall Personen mit Fängen erkennt, von ihren
Arbeitskollegen bis zu Leuten, die hinter der nächsten Ecke
lauern. Irgendwann ist das Opfer so erschöpft, dass es sich
nicht mehr erheben kann, um eine weitere Nacht grenzen-
losen Horrors zu ertragen.
169
 System: Der Infernalist muss das Opfer sehen und es
dann laut verfluchen, damit diese furchtbare Kraft einsetzt.
Ist das Opfer verflucht, hält diese Kraft für eine Woche an.
Das Opfer wird andauernd und ununterbrochen von seinen
Ängsten heimgesucht. Solange diese Kraft anhält, werden
alle Willenskraftwürfe so abgehandelt, als läge der perma-
nente Wert des Opfers um drei Punkte niedriger als sonst
(bis zu einem Minimum von 1).
••••• Angsttrinker
Diese Kraft erlaubt es dem Infernalisten, sich temporär von
Angst zu nähren, als sei es Blut. Diese Erfahrung führt zu
einem Zustand euphorischer Ekstase, die jene des normalen
Trinkens übersteigt, doch es ist eine gefährliche Praxis, wenn
sie zu häufig eingesetzt wird. Der Infernalist verwandelt die
reine emotionale Aufladung aus der Angst des Opfers in
einen magischen Ersatz für Vitae.
System: Solange er sein Ziel fest im Blick hat, kann der
Infernalist versuchen, sich von jeglicher Angst zu näh-
ren, unter der das Opfer gerade leidet. Selbstverständlich
muss das Opfer auch einen Grund haben, sich vor etwas
oder jemandem zu fürchten, während der Infernalist diese
Kraft anwendet. Diese Ängste dürfen allerdings nicht durch
andere Anwendungen des Pfades hervorgerufen werden.
Die Anzahl der Erfolge beim Aktivierungswurf gibt an,
wie viele Punkte in den „Angstvorrat“ des Infernalisten
transmutiert werden. Jeder Punkt dieses „Angstvorrats“
kann genau wie ein Blutpunkt ausgegeben werden, auch
über das Generationsmaximum hinaus. Diese zusätzliche
Machtquelle muss allerdings vor Sonnenaufgang genutzt
werden oder sie verfällt.
Zum verlorenen Punkt Willenskraft bedeutet ein Patzer,
dass der Infernalist keine „Angstpunkte“ vom Opfer erhält
und diese Kraft auch für die kommenden 24 Stunden nicht
wieder auf das Ziel anwenden kann.
Erlkönig
Indem er die Kraft der Hölle anruft, kann der Infernalist
dem Opfer mit diesem Pfad temporäre Willenskraft ent-
ziehen und aus ihm einen beinahe seelenlosen Roboter
machen, der dem Infernalisten ohne zu hinterfragen dient.
Einige grausame Vampire haben sich mit dieser Kraft ganze
Legionen willenloser Diener geschaffen. Dieser furchtein-
flößende Pfad wirkt bei Sterblichen wie Kainiten gleicher-
maßen.
170 Kapitel Sieben: Geheimnisse des Blutes
System: Der Infernalist ruft laut die Legionen der Hölle
herbei, damit sie den Geist seines Ziels stehlen und berührt
es anschließend. Entsprechend der Umstände kann ein
Erzähler einen Wurf auf Geschick + Handgemenge verlan-
gen, damit der Thaumaturg den Kontakt zum vorgesehenen
Ziel herstellen kann. Ist der Kontakt hergestellt, muss der
Infernalist einen vergleichenden Willenskraftwurf gegen
das Ziel durchführen (Schwierigkeit 8). Ein Erfolg bedeutet,
dass das Opfer so viele Punkte Willenskraft verliert, wie der
Anwender Erfolge erwürfelt hat.
Wenn das Opfer mehr Erfolge bei diesem Wurf erzielt,
ehe es auf null Punkte Willenskraft reduziert wird, wider-
steht es den Mächten der Hölle. Die erduldeten Leiden här-
ten zudem seinen Geist ab, sodass dieser infernale Pfad ein
ganzes Jahr nicht mehr gegen das Opfer angewandt werden
kann.
Wenn die Willenskraft des Opfers auf null sinkt, muss es
tun, was der Vampir wünscht, ohne zu sprechen und nur
geradeaus starrend – der Zustand ähnelt dem eines Zombies
bis es einen Punkt Willenskraft zurückerlangt, wie der fol-
genden Tabelle zu entnehmen.
Wird der Infernalist getötet, erhält das Opfer sofort seine
gesamte Willenskraft zurück.
Ein Patzer von Seiten des Infernalisten hat einzigartige
Auswirkungen: Er verliert so viele temporäre Willenskraft-
punkte, wie er Punkte in diesem Pfad hat. Diese Willens-
kraftpunkte kehren mit jeweils einem Punkt pro Nacht
zurück. Wenn seine Punkte auf null sinken, könnte er von
Mächten aus einer anderen Welt kontrolliert werden. Die
mit dieser Kraft entzogene Willenskraft kehrt entsprechend
des Wertes des Infernalisten in diesem Pfad wie folgt zurück:
• Wiedererlangung von 3 Punkten Willenskraft pro Tag
der Ruhe.
•• 
Wiedererlangung von 2 Punkten Willenskraft
pro Tag der Ruhe.
••• 
Wiedererlangung von 1 Punkt Willenskraft
pro Tag der Ruhe.
•••• 
Wiedererlangung von 1 Punkt Willenskraft
pro Woche der Ruhe.
••••• 
Wiedererlangung von 1 Punkt Willenskraft
pro zwei Wochen der Ruhe.
In den tiefsten blutroten Tiefen ihres Wesens wartet rohe Macht darauf, an die Oberfläche
gebracht zu werden. Durch ihre Willenskraft vermögen die Kainskinder diese Macht
schreiend ans Licht zu zerren, um wundersame Akte des Heldentums sowie abscheuliche
Blasphemien zu vollbringen. Diese Rituale wurden entwickelt, um neue Kräfte zu lenken
und zu fokussieren, ohne durch die Struktur der bekannten Disziplinen eingeschränkt zu
sein. Daher hallte nur ein Wort durch die Welt: Magie.

Blutriten ist eine Sammlung von Ritualen, die von den verschiedenen Sekten und Clans
der Kainskinder praktiziert werden. Die Thaumaturgie der Camarilla-Tremere, die blutigen
Riten und die zusammengewürfelte Hexerei des Sabbats, die grausigen und fremdartigen
Praktiken der Tal’Mahe’Ra, die „Straßen“-Rituale der Anarchen, die Zaubereien der
Assamiten und Setiten, die Nekromantie der Giovanni und sogar einige der geheimnisvollen
Bräuche der Inconnu.

Dieses Buch enthält:

• Einen Blick auf die verschiedenen Fraktionen der Kainskinder in den heutigen Nächten.

• Eine Reihe neuer Rituale, Sabbatriten und anderer Kräfte für die verschiedenen Blutmagien der
Kainskinder.

• Überarbeitung und Aktualisierung weiteren klassischen Materials zur Blutmagie aus Vampire: Die
Maskerade für die V20.