ARKANE TEXTE UND KAINSKINDERBLUT

Blutmagie, das eifersüchtig gehütete Geheimnis des Clans Tremere, wird schon
lange mißtrauisch beäugt. Nutzt sie die Macht beschworener Dämonen? Ist sie eine
Anwendung der mystischen Eigenschaften des Blutes? Setzt sie den Willen der Geister
um? Oder ist sie etwas vollkommen anderes? Nur die, die ihre dunklen Geheimnisse
meistern, kennen die Antwort.
Verbotenes Wissen enthüllt
Blutmagie: Geheimnisse der Thaumaturgie liefert die Antworten auf lange gestell-
te Fragen bezüglich der mächtigsten Disziplin der Kainskinder und lotet eine Vielzahl
neuer Möglichkeiten aus. In diesem Buch findet man neue Pfade und Rituale sowie
Einzelheiten über verwandte, aber weniger bekannte okkulte Praktiken. Welche Ei-
genart der Thaumaturgie ist es, die es den Tremere erlaubte, eine solche Bedeutung zu
erlangen? Dieses Buch gibt die Antwort.
Blutmagie: Geheimnisse der Thaumaturgie enthält:
• einen vollständigen Überblick über Thaumaturgie von ihren finsteren Ursprüngen bis
zu ihren modernen Praktiken;
• eine Vielfalt neuer Pfade und Rituale, sowie
• andere Pfade und Ritualsysteme wie Nekromantie und koldunische Hexerei.

Ein Fundus magischen Wissens für Vampire: Die Maskerade

Julia Reinecke (Order #10164437)
 ARKANE TEXTE UND KAINSKINDERBLUT
Blutmagie, das eifersüchtig gehütete Geheimnis des Clans Tremere, wird schon
lange mißtrauisch beäugt. Nutzt sie die Macht beschworener Dämonen? Ist sie eine
Anwendung der mystischen Eigenschaften des Blutes? Setzt sie den Willen der Geister
um? Oder ist sie etwas vollkommen anderes? Nur die, die ihre dunklen Geheimnisse
meistern, kennen die Antwort.
Verbotenes Wissen enthüllt
Blutmagie: Geheimnisse der Thaumaturgie liefert die Antworten auf lange gestell-
te Fragen bezüglich der mächtigsten Disziplin der Kainskinder und lotet eine Vielzahl
neuer Möglichkeiten aus. In diesem Buch findet man neue Pfade und Rituale sowie
Einzelheiten über verwandte, aber weniger bekannte okkulte Praktiken. Welche Ei-
genart der Thaumaturgie ist es, die es den Tremere erlaubte, eine solche Bedeutung zu
erlangen? Dieses Buch gibt die Antwort.
Blutmagie: Geheimnisse der Thaumaturgie enthält:
• einen vollständigen Überblick über Thaumaturgie von ihren finsteren Ursprüngen bis
zu ihren modernen Praktiken;
• eine Vielfalt neuer Pfade und Rituale, sowie
• andere Pfade und Ritualsysteme wie Nekromantie und koldunische Hexerei.

Ein Fundus magischen Wissens für Vampire: Die Maskerade

Julia Reinecke (Order #10164437)
 Blutmagie01.p65 1 03.11.00, 12:50

Julia Reinecke (Order #10164437)

 Blutmagie01.p65 2 03.11.00, 12:50

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 Offenbar sind aber die Werke des Fleisches, als da sind: Ehebruch, Hurerei,
Unreinigkeit, Unzucht, Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader, Neid,
Zorn, Zank, Zwietracht, Rotten, Haß, Mord, Saufen, Fressen und der-
gleichen, von welchen ich euch habe gesagt und sage noch zuvor, daß, die solches tun,
werden das Reich Gottes nicht erben.
- Galater 5; 16-21

... die Trennlinie zwischen Gut und Böse verläuft durch das Herz eines jeden
Menschen. Und wer ist gewillt, ein Stück seines eigenen Herzens zu zerstören?
- Alexander Solschenizyn

Blutmagie01.p65 3 03.11.00, 12:50

Julia Reinecke (Order #10164437)

 MITARBEITER BESONDEREN DANK AN:
Autoren: Monika „Tough“ Stahl, weil sie immer an alles denkt
Bruce Baugh, Chris Bjork, John Goff, Alan I. Kravit, und stets mit Rat und Tat zur Seite steht, Elke und Hol-
Robin D. Laws und James A. Moore ger „Bildungsbürgertum“ Christiansen, weil sie mich im-
Entwicklung und zusätzliches Material: mer haben machen lassen, was ich wollte und so gräßlich
Justin R. Achilli, Fred Garber und Dana Habecker stolz auf mich sind, Oliver „Layout-Papst“ Graute und
Deutsch von: Oliver „Meister-Lektor“ Hoffmann, weil sie Freunde,
Ole Johan Christiansen und Thomas Plischke Mentoren und Chefs sind, wie sie sich jeder nur wünschen
Lektorat: kann, Ingolf „Diskwars“ Thews, Thomas „Lord of the
Oliver Hoffmann Dice“ Grabowski und die anderen Dracheneier für Mit-
Art Direction: fahrgelegenheiten nach Essen, all unseren Freunden, von
Oliver Graute denen es zu viele gibt, als daß man sie hier alle aufzählen
Satz und Layout: könnte, die aber maßgeblich an all den Ereignissen betei-
Oliver Graute ligt waren, John „Hölle auf Erden“ Hopler, weil er bewies,
Korrektorat: daß man ganz schön viel schaffen kann, wenn man nur
Götz Heinrich will, sowie Justin „Warehouse-Jogger“ Achilli und Mark
Innenillustrationen: „Klosterurlauber“ Rein•Hagen, weil sie den verdammten
Leif Jones, Patrick Lambert, Larry MacDougal und Stein erst richtig ins Rollen gebracht haben.
Alex Shiekman
Umschlagillustration:
Patrick Lambert
Umschlaggestaltung:
Becky Jollensten
Mitarbeiter der US-Originalausgabe:
Cynthia Summers (Lektorat), Richard Thomas (Art
Direction), Becky Jollensten (Satz und Layout)

© 2000 Feder & Schwert

Unter Lizenz von White Wolf 1993
Originaltitel: Blood Magic: Secrets of Thaumaturgie
Gesetzt aus der GoudyOISt BT
Reproduktionen ohne schriftliche Genehmigung von Feder & Schwert sind außer zu Rezensionszwecken ausdrücklich
untersagt.
Die in diesem Buch beschriebenen Charaktere und Ereignisse sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit zwischen den Cha-
rakteren und lebenden oder toten Personen ist rein zufällig.
Blutmagie: Geheimnisse der Thaumaturgie ist ein Produkt von Feder&Schwert unter Lizenz von White Wolf 1993.
Jegliche Copyrights liegen, sofern nicht anders vermerkt, beim White Wolf Game Studio. Alle Rechte vorbehalten. Nach-
druck, auch auszugsweise, außer zu Rezensionszwecken nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.
Die Erwähnung von oder Bezugnahme auf Firmen oder Produkte auf den folgenden Seiten stellt keine Verletzung des
Copyrights dar.
Feder&Schwert im Internet: http://www.feder-und-schwert.com

BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE

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Blutmagie01.p65 4 03.11.00, 12:50

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 INHALT
PRÄLUDIUM: KUNSTGRIFFE ............................................................ 7
EINLEITUNG .................................................................................... 13
KAPITEL EINS: DIE GESCHICHTE DER BLUTMAGIE ......................... 19
KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN ............................................................ 31
KAPITEL DREI: DIE PFADE DER MAGIE ........................................ 65
KAPITEL VIER: ARKANA ............................................................... 97
APPENDIX: DIE GESICHTER DER MAGIE ........................................ 131

INHALT
5

Blutmagie01.p65 5 03.11.00, 12:50

Julia Reinecke (Order #10164437)

 Blutmagie01.p65 6 03.11.00, 12:50

Julia Reinecke (Order #10164437)

 KUNSTGRIFFE
Es war vier Uhr, als ich ins Gildehaus zurückkam. Sechs
Wochen Versteckspiel – sechs Wochen, in denen ich das
Auto des Kerls beschattet hatte, sechs Wochen, in denen
ich vor Kinos gewartet hatte, während er sich den Film
anschaute, der ihm diese Woche gerade am besten gefiel,
und sechs Wochen, in denen ich unter Straßenlaternen
geraucht hatte wie eine Komparsin in einem Gangsterfilm.
Sechs Wochen, in denen ich Bullen tief in die Augen ge-
blickt und gesagt hatte: „Hier gibt es nichts zu sehen, Of-
ficer“ und sechs Wochen kleinerer Spannungen mit einem
rotznäsigen Ventrue, der den 43. Bezirk für sich bean-
sprucht.
Aber jetzt hat sich das alles gelohnt.
Ich setzte meinen Helm ab und hörte dieses verdammte
Lied, das Mosely immer laufen ließ. Es war ein mieses Co-
ver eines alten Songs von den Smiths, das irgendein Typ
abgeliefert hatte, der früher mal bei den Psychedelic Furs
gesungen hatte. Am Anfang hielt Mosely das Stück für
zum Schreien komisch – der Song tauchte zum ersten Mal
in einem Teenagerstreifen über Hexerei und später als Ti-
telmusik in einer Generation-X-Fernsehserie über drei
PRÄLUDIUM: KUNSTGRIFFE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
vollbusige, lächelnde Zauberinnen auf, die in San Francis-
co oder so das Leben der Reichen und Schönen lebten.
Zuerst hatte er das Lied mit einem gewissen Sinn für Iro-
nie gespielt, aber dann gefiel es ihm irgendwann wirklich.
Mir stellten sich dabei die Nackenhaare auf.
Mosley war im Wohnzimmer, wie immer, und ich schüt-
telte mein Haar aus, in der Hoffnung, es ein wenig zu ord-
nen, während ich das Päckchen auf den Tisch warf. Er las
gerade in einem verdreckten Buch, das irgend jemand in
einen von diesen alten Ringordnern geheftet hatte.
„Was ist da - nein. Nein, das kann nicht sein. Das kann
verdammt noch mal nicht sein.“ Er sagte immer verdammt
noch mal. Er war seit zwanzig Jahren tot und in Vegas, aber
er hatte immer noch diesen englischen Akzent und die
dazugehörigen Phrasen. Vampir zu sein scheint dafür zu
sorgen, daß manches sich nie ändert. „Oh, Maxie, das ist
ja einfach perfekt.“
Der Raum war erfüllt vom Geruch verbrannten Salbeis,
als Mosely die Gummis vom Paket abwickelte und das Kle-
beband wegriß. Seine glatten, dunklen Hände schälten
das rosa-graue Fingerglied aus dem schmutzigen Klumpen
 Taschentücher. „Mannomann. Ich schwör dir, Max, ich
hätte nicht gedacht, daß es irgendeine verdammte, zuver-
lässige Möglichkeit gäbe, hier in Vegas an so was ranzu-
kommen.“
„Und genau da lagst du verkehrt, Mosie, alter Junge. Um
das mal klarzustellen: Den 13. Nachkommen eines ge-
hängten Ketzers zu finden, war der einfache Teil.“ Ich lä-
chelte und zeigte meinem Erzeuger meine Fänge. „Wirk-
lich schwer war es, eine echte Zigeunerin zu finden. Was
liest du denn da?“
„Hm? Oh, ein altes Daubmannus-Buch. Hat mir Brock
geliehen. Ist zwar kein Original, aber der Text scheint voll-
ständig zu sein.“
„Irgendwas Nützliches?“ fragte ich mehr mich selbst als
Mosely. Runter mit der Jacke und den Handschuhen. Ei-
gentlich wollte ich sie auf den Stuhl schmeißen, aber dann
bemerkte ich, daß der bereits von einer großen, grauen
Kröte in Beschlag genommen wurde, die auf einem Hau-
fen Hühnerbeinen zu sitzen schien. Und eines weiß ich
ganz genau: Leg dich nicht mit Kröten in Moselys Studier-
zimmer an.
Das Zimmer war ein Schweinestall, wie immer, also leg-
te ich meine Jacke auf ein Sofa. Mosely war einer der Tre-
mere, die plötzlich von Anfällen von Arbeitswut gepackt
wurden und ihre halbfertigen Experimente dann liegenlie-
ßen, wenn sie von irgendwas anderem abgelenkt wurden.
Die Bullen hätten ihren Spaß mit der Bude gehabt: Es gab
Teile von Mordopfern in Einmachgläsern, ein menschli-
ches Skelett, mindestens $ 6000 in verbotenen Substan-
zen und eine ganze Reihe wertvoller Bücher, die den un-
terschiedlichsten Gildehäusern - Stockholm war von ih-
nen wohl am weitesten entfernt - abhanden gekommen
waren. Die Jungs in den schnieken blauen Uniformen in
der 43. Straße hätten uns wohl allein schon beim Anblick
von Moselys Opferdolchen festgenommen. Und das waren
nicht einfach nur Drogen und Diebesgut, aber das wäre
den Bullen eh nicht klar gewesen. Das waren echte thau-
maturgische Manuskripte und äußerst seltene Ritualingre-
dienzien.
Ich gab auf meiner Ducati Gas und fuhr auf eine Höhe
mit Marshalls Limousine. Er sah mich an, und ich bedeu-
tete ihm, an den Straßenrand zu fahren. Erst sieht er mich
zweifelnd an, aber dann zeige ich ihm den Umschlag.
Unterschätze nie die Macht eines unbeschrifteten, DIN
A4 großen, braunen Umschlags. Wenn irgend jemand dir
einen zeigt, weißt du, daß es Ärger geben wird - was auch
immer in ihm steckt, kann nichts gutes bedeuten.
Marshall folgte mir über eine Ausfahrt auf den Parkplatz
eines Denny’s. Es schien keinen da drin zu stören, daß ein
großes, schlankes Mädchen auf einem italienischen Mo-
torrad hier draußen mit einem Mann in einem englischen
Anzug und einem Sechzigtausend-Dollar-Auto ein
Schwätzchen zu halten schien. Ist ja auch nichts unge-
wöhnliches - passiert hier bestimmt jeden Abend. Eßt nur
artig eure Grand Slams, und keinem passiert was.
„Worum geht’s?“ fragte Marshall. „Es sollte besser was
Wichtiges sein.“
„Das sollten Sie entscheiden, Mr. Marshall“, antwortete
ich.
„Was haben wir denn da?“
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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„Nur einen Umschlag. Ich will Ihnen einen Handel an-
bieten.“
Marshall sträubte sich: „Was ist denn drin?“
„Das ist geheim. Aber Sie können es herausfinden,
wenn Sie sich auf den Handel einlassen.“
„Hören Sie, Miss, vielleicht sollten Sie erfahren, daß ich
ein einflußreicher Mann bin und meine Zeit ungern ver-
geude - “
„Gut. Dann kein Geschäft.“ Ich setzte meinen Helm
wieder auf und setzte mich aufs Motorrad. Die 75er brüll-
te auf, als ich auf den Starter trat. Jetzt schien Marshall es
sich anders überlegt zu haben.
„ - und ich bin sicher, Ihnen ist klar, wie seltsam das al-
les erscheinen mag.“ Das war das einzige, was ich noch
hörte, nachdem ich den Motor wieder abgestellt hatte.
„Gut, Mr. Marshall, ein einfaches Geschäft. Sie wollen
das hier haben, und Sie haben etwas, das ich möchte. Las-
sen Sie uns einfach tauschen, und dann geht jeder seiner
Wege.“
„Gut. Nennen Sie mir Ihren Preis. Wollen Sie Geld? Das
Auto?“
„Ich bin keine Diebin, Mr. Marshall. Ich bin Sammlerin.
Kommen Sie.“ Ich ging ins Denny’s, das nach den Besof-
fenen roch, die auf dem Weg vom Nachtclub nach Hause
waren, und nach Huren, die nach altem Schweiß und al-
tem Sex stanken. „Kommen Sie schon, ich werde Sie nicht
beißen.“ Ich zog Marshall hinter mir her ins Klo, und im-
mer noch schien uns niemand Aufmerksamkeit zu schen-
ken.
„Was ist hier los? Geht es um Drogen? Ich hab keine bei
mi-“
„Spar dir das, Marshall. Dein Geld ist mir egal.“ Ich
schnappte mir eine Handvoll Klopapier und wischte damit
die Fensterbank ab. „Laß mich deine Hand sehen.“
„Was?“
„Deine Hand, Marshall. Zeig sie mir. Du hast doch viel
zu tun, und deine Zeit soll doch nicht unnötig vergeu- “
„Meine Hand? Was wollen Sie damit? Mit Ihnen stimmt
doch was nicht!“
„Gib mir deine Hand.“ Ich dachte nicht, daß es klappen
würde, aber Probieren geht über Studieren. Und wider Er-
warten klappte es. Marshall mußte einen echten Mangel an
Selbstwertgefühl aufweisen. Er preßte seine Hand auf die
Fensterbank, Handfläche nach unten.
Ich zog das Taschenmesser, klappte es auf und schnitt
ihm den Zeigefinger am zweiten Glied ab. Das war gar
nicht so leicht - Knochen sind nämlich ganz schön robust.
Marshall wickelte sich die Hand in Klopapier ein, und ehe
er auch nur aufgehört hatte zu fluchen, war ich schon wie-
der vor der Tür, auf der Straße.
Ich frage mich, was wohl in dem Umschlag war.
* * *
Miranda Werner war nicht sehr hübsch. Sie mußte wohl
so an die drei Zentner wiegen und trug ein Kleid, das an-
dere Menschen als Zelt benutzt hätten und mit einer Un-
zahl ranziger Flecken bedeckt war, von denen ich gar nicht
genau wissen wollte, woher sie stammten. Sie schien recht
nett zu sein, aber das wurde von ihrem abstoßenden Le-
bensstil wieder aufgewogen.
Mirandas Zuhause war ein Wohnwagen, der auf Holz-
klötzen ruhte und sowohl ein Schweinestall als auch eine
DER THAUMATURGIE
 menschliche Behausung zu sein schien. Halbvollen
Kübeln mit Hähnchen waren inzwischen ansehnliche
Bärte gewachsen, verschüttete Limonade war zu sirup-
artigen Lachen verdunstet, und Hundepissepfützen
waren zu elementaren Bestandteilen der Couch und
des Teppichs geworden - wo war die Töle überhaupt?
Ich saß auf dem einzigen Kissen, das noch nicht Haus-
tierurin zum Opfer gefallen war. Miranda sprach eher
zu mir als mit mir, vollkommen fasziniert von dem
Computer, der vor ihr stand.
„Und Ihr Mädchenname ist Trívetsky, richtig?“
„Ja“, ächzte sie. Selbst das Tippen schien sie zu er-
müden. Sie schien gerade in einen Streit mit jeman-
dem namens ^witchfyre^ in einem Chatroom ver-
wickelt zu sein. „Miranda Trívetsky.“
„Es ist schwer, Sie zu finden, Mrs. Werner.“
„Das ist Slawisch.“
„Natürlich. Ich werde Sie leider um etwas Unange-
nehmes bitten müssen, Mrs. Werner. Sind Sie vertraut
mit den Shilmulo der Alten Welt?“
Miranda hörte auf zu tippen und wandte sich mir zu,
ihr schwerer Schädel drehte sich langsam auf dem fet-
ten Leib. „Er ist schon tot.“
„Wer ist tot, Mrs. Werner?“
„Peter. Deshalb sind Sie doch hier? Wegen Peters
Geld?“
„Nein, Mrs. Werner. Ich bin Ihretwegen hier.“
„Sie haben gesagt, es sei alles geregelt. Peter schul-
dete ihnen das Geld, und Peter... nein. Die Schulden
sind beglichen, haben sie gesagt.“
„Mrs. Werner, ich bin sicher, ich habe keine Ah-
nung, wovon Sie reden. Ich wollte Sie um einen
Gefallen bitten.“
„Was denn?“
„Ich möchte, daß Sie etwas für mich verfluchen.“
„Ich mach’ das nicht mehr. Ich muß jetzt ins Bett.“
Miranda verschob ihren Körperumfang, als wolle sie
sich aus dem Stuhl wuchten, in dem sie saß.
„Bitte, Mrs. Werner, nur dieses Mal.“
Miranda begann zu weinen. „Könnt ihr nicht ver-
schwinden und mich in Ruhe lassen? Sie und die an-
deren Shilmulo? Ja, ich weiß, daß Sie tot sind. Ich
werd’s tun, aber nur, wenn Sie dann verschwinden und
allen sagen, sie sollen mich nie wieder belästigen.“ Ihre
Worte gingen in ihrem Schluchzen unter. Draußen be-
gann ein Hund zu bellen.
„Klar.“ Ich zog Marschalls Finger aus der Tasche.
Immer noch weinend nahm sie den Finger an sich,
ungerührt dessen, daß es sich um einen abgeschnitte-
nen und immer noch rosafarbenen Finger handelte.
Nach wenigen Worten reichte sie ihn mir zurück. Ihr
Kopf sank in ihre Hände, als ich ging.
Ich ging die Stufen hinab, der Hund bellte noch im-
mer. Ein paar Stellplätze weiter wusch jemand sein
Auto, so daß eine fast dreißig Zentimeter weite Rinne
den Berg vor mit hinunterlief. Es überraschte mich, daß
ich das schmale Rinnsal nicht überqueren konnte - ich
mußte durch das von Unkraut durchsetzte Blumenbeet
gehen und über den ungeteerten Weg zu dem Teil des
Campingplatzes zurückkehren, in dem ich mein Motorrad
abgestellt hatte. Und meine Batterie war auch noch leer.

PRÄLUDIUM: KUNSTGRIFFE
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 Ich schob den Hobel an und brachte ihn dann mit ei-
nem Kickstart zum Laufen, so daß ich so schnell wie mög-
lich von dort verschwinden konnte.
* * * laufen.
„Der letzte Schritt, Max. Noch eine Nacht, und du
kannst die ganze Sache endlich für uns abschließen.“
Mosely wollte damit wohl sagen, daß er nur noch eine
weitere Nacht mit dem Ritual zubringen mußte, ehe ich
das Konstrukt beim Prinzen unterbringen konnte. Er war
herausgeputzt, und überall floß Blutschweiß - seine dünne
Brust glitzerte von dem Zeug, das irgendwie zugleich süß
und salzig schmeckte. Mosely hatte sich sogar Asche und
Blut in dicken Linien auf die Wangenknochen geschmiert;
wenn ich es nicht besser gewußt hätte, hätte man ihn für
einen Football-Spieler halten können, der nicht von der
Sonne geblendet werden wollte. Aber welcher Football-
Spieler kannte schon Schutzzauber aus dem Griechenland
des 16. Jahrhunderts gegen übernatürliche Eindringlinge?
Noch eine Nacht. Ich hatte noch eine Nacht Gnaden-
frist, ehe ich in die Zuflucht des Prinzen schleichen sollte,
um dort diesen verschrumpelten Finger zwischen seinen
persönlichen Gegenständen zu plazieren. Aber um es mit
Mosleys Worte zu sagen: „Das sind Dinge, die Maxie tut -
sie läßt Dinge geschehen.“ Wenn man einen 1,90 m gro-
ßen, 60 Kilo schweren Rastafari mit Dreadlocks in seinem
Schlafzimmer findet, ist man meist recht böse. Wenn man
auf eine 1,75 m große Brünette in einer Lederjacke mit
Schlafzimmerblick just an jenem Ort stößt, neigt man
wohl eher dazu, ein wenig umgänglicher zu sein. Ich hab
mit Sterblichen Sex gehabt und mit Untoten zumindest so
getan, und ich verrate euch eins: Wenn man von ihnen
nicht gerade dabei erwischt wird, wie man Tollkirschen
über dem Bild ihrer Mutter verbrennt, dann glauben sie
einem alle, daß man sie beobachtet hat und ihnen wirk-
lich „nur mal nahe sein wollte“.
Moselys Plan war es, die Zuflucht des Prinzen insgeheim
vor verdunkelten „Gästen“ zu schützen und später diesen
unerwarteten Gefallen einzufordern. Auf jeden Fall würde
es Benedic dumm aussehen lassen, aber es ist wohl besser,
nur in den Augen eines einzigen Kainskindes und dessen
Erzeuger dumm auszusehen, als den gleichen Eindruck je-
dem Billig-Vampir zu vermitteln, der auf der Suche nach
Hurenblut und einer Methode, die Casinos zu betrügen,
nach Vegas gestolpert kam. Vorsicht ist die Mutter der Por-
zellankiste - das schien auch in der Vampirgesellschaft zu
gelten, aber ich mußte eh noch eine Menge darüber ler-
nen, wie der Hase in Lost Wages, Nevada, lief. Ich selbst
würde mich artig bedanken und den Typ dann einfach um-
bringen, aber das mag einer der Gründe sein, warum ich
nicht Prinz bin.
Mosely zog mit einem Wachsstift einen Kreis um den
Finger und warf zwei Handvoll Glasscherben in den Kreis.
Noch eine Nacht.
* * * steht es jetzt gut beim Prinzen. Es soll für uns auch ganz
Ich schaltete den Motor ab und rollte ruhig von der
Hauptstraße. Wenn man nach dem Geplapper der Anar-
chen und Neugeborenen geht, könnte man meinen, daß
Prinzen Kriegsherren in Festungen wären, umgeben von
Helfershelfern und Privatarmeen, aber solche Protzereien
habe ich noch nie gesehen. Vielleicht war das mal vor 600
Jahren so, aber heute funktioniert das einfach nicht mehr:
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
Sperr dich selbst mit einem Haufen Wummen und einer
Horde von Leibwächtern ein, und die Bullen denken, du
hättest da einen religiösen Kult oder eine Drogenfabrik
Nein, Benedic war nicht so dumm, soviel Aufmerksam-
keit auf sich zu ziehen. Er hatte vielmehr ein nettes Häus-
chen keine 30 Minuten vom Rotlichtbezirk entfernt - ein-
gezäunt, mit Wachhunden und einem Wachmann am Tor,
aber nicht so auffällig, daß ständig Fotografen von „Schö-
ner Wohnen“ bei ihm vorbeischauen. Wenn man so viel
Geld hat wie der Prinz, muß man aufpassen, wie man es
ausgibt, ansonsten steht man nämlich im Nu in den
Klatschspalten. Benedic hatte für so etwas nichts übrig.
Gut für ihn.
Und für mich. Ich schlich an der Hecke entlang, führte
ein Ritual aus, um meine Fußspuren im Gras zu verbergen,
und schaltete meine Sinne einen Gang höher. Ich konnte
zwei Hunde hören, vielleicht auch drei, und sah eine Si-
cherheitspatrouille in einem Wagen, der gerade vom Park-
platz herunterfuhr. Perfektes Timing.
Während ich über die Mauer sprang, kam ich kurz mit
der Hand an die eisernen Schneckenverzierungen auf ihr
- und fing mir einen Stromschlag ein. Schlauer Prinz. Ich
landete auf dem Boden auf der anderen Seite und zwang
Blut in meine verbrannte Hand, während ich mir schwor,
beim nächsten Mal vorsichtiger zu sein.
Ich sprintete über den Hof auf die Veranda, wo ich
durch die Schiebetür schauen konnte. Prinz Benedic
sprach gerade mit seinem Gehilfen, Montrose, einem ver-
wachsenen Krüppel von einem Nosferatu. Ich lächelte,
denn einige von uns verdächtigten Montrose, sich in
dunklen Ecken herumzudrücken, wenn der Prinz nichts
von seiner Anwesenheit wußte. Moselys kleiner Trick wür-
de dem ein Ende setzen (zumindest für einen Monat).
Wenn man erst mal tot ist, sind es diese kleinen Freuden,
die das Unleben bereichern.
Blitzschnell kletterte ich die Mauer hinauf. Eine kleine
Anrufung öffnete das Schloß des Fensters, und ich war im
Haus. Das Ganze mußte laufen, solange Benedic zuhause
war, ansonsten hätte mich das Sicherheitssystem bestimmt
gekriegt. Klar hätte ich es abstürzen lassen können, aber
das wäre etwas auffällig gewesen. Zwei Minuten später
hatte ich Marshalls Finger in einem Stapel Prada-Anzügen
versteckt. Drei Minuten später saß ich wieder auf meinem
Hobel auf dem Heimweg.
* * *
Moselys List funktionierte. Zwei Wochen später wurde
einer von Montroses Zuträgern hinter einer Statue in Be-
nedics Wohnzimmer aufgegriffen (einem von Benedics
Wohnzimmern. Eklig.) Der Prinz machte einen Mordslärm
darum, und Mosely trat vor und führte eine große Show
auf, wie er so etwas schon die ganze Zeit vermutet hatte
und es mit seinen Talenten zu verhindern wußte. Für uns
gut bei Montrose stehen, aber nur weil er nicht zugeben
kann, daß er bei der Aktion die Hände im Spiel hatte. Ich
sehe die Blicke, die er Mosely zuwirft, aber wir sind am Zug
- und er weiß noch nicht mal von mir.
Trotzdem macht es mich nervös. Wenn der Prinz auch
nur einen Ton von unserer Magie erfährt, dann wüßte er
nicht nur, daß wir ihn betrogen haben, sondern auch, daß
DER THAUMATURGIE
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 wir ihn unwissentlich zum Ziel eines unserer Zauber ge-
macht haben. Ich glaube kaum, daß ihn das glücklich
stimmen würde.
Bisher funktioniert es aber einwandfrei. Mosely hat zu-
dem noch ganz neuen Respekt in den Reihen der jungen
Vampire - „Paß auf Mosely auf, denn der findet dich, wo
auch immer du dich versteckst“ - und in den Augen Prinz
Benedics gewonnen. Solange wir unsere kleinen Geheim-
nisse für uns behalten, sind wir auch weiterhin am Zug.
Aber wie lange können wir sie bewahren?

PRÄLUDIUM: KUNSTGRIFFE
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Blutmagie01.p65 11 03.11.00, 12:50

Julia Reinecke (Order #10164437)

 Blutmagie02.p65 12 03.11.00, 17:00

Julia Reinecke (Order #10164437)

 EINLEITUNG

Ich erzähle euch... etwas von einem uralten Schrecken, der auch jetzt noch in entlegenen Ecken
der Welt mit einigen wenigen monströsen Priestern, die ihn am Leben erhalten, vor sich hingärt.
Manche Menschen wissen Dinge, die niemand wissen sollte, und sie vermögen Dinge zu vollbrin-
gen, zu denen niemand in der Lage sein sollte.
- H. P. Lovecraft, „Das Ding auf der Schwelle“

Dies ist ein Buch über Magie, wie sie von Vampiren mit
und durch Vitæ ausgeübt wird. Die meisten vampirischen
Magier benutzen in der einen oder anderen Form die Dis-
ziplin der Thaumaturgie, aber sie war nicht die erste Form
der Blutmagie, und selbst heute ist sie nicht die einzige
Art, die in Vitæ schlummernde Macht auszubeuten. Die
Magie des Blutes kennt viele Ausdrucksformen.
Wer Thaumaturgie praktiziert, zwingen der Welt seinen
Willen auf, verändert das Verhalten der Umgebung, um sie
seinen Wünschen anzupassen. Sterbliche Gelehrte, zu-
mindest die wenigen, die etwas von den untoten Magiern
wissen, halten die Magie des Blutes im allgemeinen für
eine abgeschwächte Form der „Scharlatanerie“, der „wah-
ren Magie“ oder etwas Ähnlichem. Thaumaturgie in all
ihren Formen ist eine eigenständige Kunst, und auch wenn
einige ihrer Effekte anderen Zaubereien ähneln mögen, so
liegt ihr Kern doch in der vampirischen Existenz. Ohne
Vitæ gäbe es keine Thaumaturgie. Ihr Anfang ist Blut.
Die Wurzeln der Blutmagie reichen weit zurück. Seit
Vampire auf Erden wandeln, haben einige der Kainskinder
versucht, durch Blut Kräfte zu erschaffen, die ihnen auf
anderen Wegen verwehrt blieben. Fast jede Generation
von Vampiren, die auch in den modernen Nächten aktiv
sind, gebiert auch einige Anwender der Thaumaturgie der
unterschiedlichen Schulen, und die ältesten bekannten
Blutmagier verweisen auf noch ältere Magier, die heutzu-
tage vernichtet, verschwunden oder einfach untätig sind.
Die Tremere brachten der Thaumaturgie eine neue Ära
der Organisation und der Bekanntheit, aber sie haben sie
nicht erfunden.
Blutmagie ein unangenehmes Hobby. Der Thaumaturg
verbrennt seine eigene Essenz - und die anderer Vampire -

EINLEITUNG
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Blutmagie02.p65 13 03.11.00, 17:01

Julia Reinecke (Order #10164437)

 bei dem Versuch, die Welt nach seinem Willen zu formen.
Dazu muß man natürlich ausreichend Willensstärke auf-
weisen, sich selbst für so wichtig zu erachten, um der Welt
seinen Willen aufzuzwingen. Dann benötigt man Disziplin,
um die Feinheiten der arkanen Formeln zu erlernen, und
abschließend sollte man auch skrupellos sein, um den mo-
ralischen Bedenken widerstehen zu können, die sich
zwangsläufig ergeben, wenn man soviel Blut für eigensüch-
tige Zwecke opfert. Angesichts der Bereitschaft des Thau-
maturgen, um der schnöden Macht willen sein eigenes
Volk auszubeuten, schwindet die Menschlichkeit. Andere
nur noch als potentielle moralische Störfälle wahrzuneh-
men, macht Blutmagie um einiges einfacher - schließlich
kann der Magier sich dann jeglichen Untersuchungen
ohne störende ethische Bedenken widmen...
Kompetente Thaumaturgen können die Welt mit Feuer,
Erdbeben, Überschwemmungen, Blitzen und anderen be-
eindruckenden Zurschaustellungen von Macht strafen. Sie
können ihren Opfern das Blut entreißen, sie mit Un-
fruchtbarkeit verfluchen oder ihnen den sagenumwogenen
„bösen Blick“ zuwerfen. Aber nicht alle Blutmagie ruft
solch protzige Effekte hervor. Um die Welt zu verändern,
braucht man mehr als nur Zuschaustellungen von Macht;
dazu braucht man Zeit und Mühe, und es sind Verwand-
lungen nötig, die tief in der Essenz der Dinge verborgen
liegen. Thaumaturgen verbringen Nächte, Wochen, Jahre
oder gar Jahrzehnte damit, magische Effekte zu wirken,
und die meisten wird niemand sonst je bemerken. Aber
eben darum geht es: Ein Ritual, das ein neues Verlangen
hervorruft oder einer anderen Person den Willen raubt,
sollte unentdeckt bleiben.
Kains Fähigkeit, Disziplinen durch Einsatz seines Wil-
lens zu erschaffen (wenn man den Geschichten über sol-
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
14
Blutmagie02.p65 14
Julia Reinecke (Order #10164437)
che Vorfälle trauen kann), haben die Thaumaturgen nie
vergessen. Er konnte sich oder seine Kinder in alles ver-
wandeln, wonach es ihn gerade verlangte.
Blutmagie stellt einen Versuch dar, diesen Zustand der
Herrschaft über das eigene Ich und die Nacht wiederher-
zustellen. Für einen überzeugten Magier gibt es kein hö-
heres Ziel, als die Hindernisse, die zwischen Wille und Er-
gebnis liegen, niederzureißen. Das Blut flüstert leise von
seinen Möglichkeiten und davon, wie weit ein Schüler sei-
ner Geheimnisse auch den Pfad der Einsicht beschritten
haben mag, so scheint der Ursprung des Flüsterns doch
immer ein Stückchen weiter entlang des Weges zu liegen.
Und es erinnert höhnisch an all das, was man nicht ist.
DIE FORMEN DER MACHT
Fast jeder Thaumaturg träumt von dem Tag, da sein
Wille die ganze Welt beherrscht. Damit es jedoch so weit
kommt, gibt es so viele Pfade zur Macht, wie es Seelen von
Thaumaturgen gibt. Andere Kainskinder werden von
Thaumaturgen oft belächelt, da sie Vampire ohne Thau-
maturgie häufig mit Sterblichen vergleichen, die durch
mondlose Nächte stolpern. Thaumaturgie hingegen ist ein
helles Leuchten. Was die meisten Thaumaturgen aber ver-
drängen, wird durch diese Analogie auch deutlich: Das
Leuchten mag zwar ihre Umgebung erhellen, aber es zer-
stört auch ihre Fähigkeit, über den Rand des Leuchtens
hinaus zu schauen. Jedes System des Wissens ist zugleich
auch eines des Unwissens.
Die meisten Vampire verbinden Thaumaturgie („das
Wirken von Wundern“) nur mit den Tremere. Die Treme-
re schufen ein noch nie dagewesenes Maß an Ordnung
und einen ganz neuen Blickwinkel für die Suche nach der
Herrschaft über die Welt durch die Macht des Blutes. Zu-
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:01
 dem erlaubt die Hierarchie des Clans systematische For- WIE MAN MAGIER SPIELT
schung und Lehre, so daß jedes Jahrhundert mehr fähige
Thaumaturgie ist nicht wie die meisten Disziplinen: Sie
Thaumaturgen erschaffen werden, als jede andere Gruppe
ist ein Grundgerüst, auf dem man unendlich viele Mög-
von Magiern seit der ersten Nacht ihr eigen nannte. Der
lichkeiten errichten kann. Hinzu kommt noch, daß viele
Clan zahlt jedoch auch einen stolzen Preis, da er die Gül-
ihrer Techniken nicht rasch und in der Hitze des Gefechts
tigkeit einiger Pfade und das Potential anderer nicht er-
eingesetzt werden können. Ein guter Thaumaturg muß
kennt. Außerdem ist den Tremere kaum bewußt, wieviel
planen können, denn nicht jeder Pfad ist eine kriegerische
andere Thaumaturgen in der Gesellschaft der Kainskinder
Zurschaustellung von Feuerzaubern.
existieren. Die Konflikte der ersten Tremere begründeten
Wesen, die von Ahnungen und Trieben gesteuert wer-
einen Ruf, der sich weit über den Zeitraum hinaus hält, der
den, erscheint allein das Prinzip der Vorbereitung schon
nötig war, um die Führer des Clans die Nachteile intellek-
als magisch. Ein guter Thaumaturg ist auf jede Situation
tueller Wilderei erkennen und diesen geistigen Diebstahl
vorbereitet und kann Kräfte entfesseln, die er angesam-
aufgeben zu lassen. Trotzdem haben sich die Tremere ih-
melt hat, ehe ein Notfall eintritt. Thaumaturgie stellt kei-
ren Titel als Meister der Thaumaturgie aufgrund der Zahl
ne größeren Kräfte zur Verfügung als andere Disziplinen,
der von ihnen gestellten Blutmagier und der Kohärenz ih-
aber vorrausschauend zu arbeiten erlaubt es dem Thauma-
rer Praktiken verdient.
turgen, seine Ressourcen aufzusparen. Thaumaturgen mit
Die schwindenden Koldune der Tzimisce behalten ihre
kriegerischer Prägung vergleichen dies mit dem Einstek-
Geheimnisse für sich. Selbst ihre Clansgeschwister wissen
ken von Ersatzmagazinen. Mit einer geschickten Auswahl
wenig über die Macht, die die Koldune von den Geistern
aus den dem Charakter zur Verfügung stehenden Fähigkei-
in den tiefen Schatten Osteuropas gewinnen. Wann im-
ten kann ein Thaumaturg den Eindruck weit größerer Re-
mer es nötig ist, ziehen die Koldune aus, um ihren Feinden
serven erwecken, als ihm zur Verfügung stehen, wenn es
Tod und bösartige „Gerechtigkeit“ zu bringen, wonach sie
ihm nur gelingt, den richtigen Effekt zur richtigen Zeit auf
in ihre felsigen Zufluchten zurückzukehren. Nur wenige
regelmäßiger Basis hervorzurufen.
Gefahren rütteln sie wach, aber nichts wirkt so gut wie
Man sollte aber immer im Hinterkopf behalten, daß
Gerüchte über einen Tremere-Spion oder einen Außensei-
Thaumaturgen sich meist auf dem Weg in eine Machtpo-
ter, wenn er auch nur die kleinste Verbindung mit den Tre-
sition sehen, von der die meisten Kainskinder nicht ein-
mere aufweist. Einige verbitterte Koldune sind immer auf
mal zu träumen wagen. Ein Thaumaturg mag stolz auf das
der Suche nach Möglichkeiten, den Tremere den Zugang
von ihm Erreichte sein und sich immer getrieben fühlen,
zu ihren gestohlenen Kräften zu verwehren.
die nächste Sprosse der Leiter zu erklimmen. Aber vor al-
In verborgenen Festungen – die sowohl ihrem eigenen
lem muß er sich seiner tatsächlichen Fähigkeiten bewußt
Clan als auch dem Rest der Gesellschaft der Kainskinder
sein und Pläne entwickeln, die auf diesen Fähigkeiten auf-
unbekannt sind - arbeiten die Wesire der Assamiten, wie
bauen. Die Welt kann ihm gehören, wenn er richtig han-
sie es seit Jahrhunderten getan haben. Sie verwalten das
delt. Sollen doch die anderen Vampire von gesellschaftli-
von ihren kriegerischen Vettern geerntete Blut und nut-
chen Reformen, politischen Verbindungen, Reichtum und
zen es, um die Geheimnisse der vielen Welten auszuloten.
anderen Ablenkungen träumen; der Thaumaturg wird
Vor langer Zeit schon lernten sie, Geister zu befehligen
vielleicht eines nachts die Welt so verändern, daß all das
und die geheimen Muster der Welt zu enthüllen. Heute,
keine Rolle mehr spielt. Inzwischen ist er sich seines ge-
in den Letzten Nächten, haben die alten Festungen neue
heimnisumwobenen Status unter Außenstehenden be-
Tore, und überall finden sich überraschend Befestigungs-
wußt und beutet diesen gnadenlos zu seinem eigenen Vor-
anlagen, weit entfernt von Alamut und der Wüste, in de-
teil aus.
nen Meister der Blutkunde bereitstehen, um die Interes-
sen ihres Clans voranzutreiben.
Sets Kinder treiben ihre eigenen Studien. Nur wenige INZWISCHEN, IN DER
WIRKLICHEN WELT...
Außenseiter erfahren, was die Setiten mit ihrer Hexerei
anstellen, und noch weniger wissen überhaupt von ihrer
Existenz. Setiten wissen viel darüber, wie man ohne Auf-
merksamkeit zu erregen Geheimnisse in Erfahrung bringt Diese Buch soll keine Anleitung für Okkultisten sein,
und einsetzt, und ihren Feinden ist nicht klar, wieviel Blut die Spiel und Realität verwechseln. Bei diesem Buch han-
durch die Nester der Setiten fließt. delt es sich um eine Sammlung fiktiver Texte und einen
Andere Magieformen entstanden parallel zur Thauma- Quellenband für ein Erzählspiel. Wenn Sie also versuchen,
turgie: Die anstößige Kunst der Nekromantie, wie sie von Zaubersprüche aus diesem Buch anzuwenden, sind Sie ein
den Giovanni entwickelt wurde, entspringt der Abwand- ebensolcher Idiot wie all die Leute, die es benutzen wol-
lung etablierter thaumaturgischer Praktiken im Spätmit- len, um zu beweisen, was für eine schreckliche, böse Sa-
telalter. Seitdem gelang es einigen Kontakten und Geg- che Rollenspiele sind, da sie ihre netten, kleinen Kinder
nern der Giovanni, die Geheimnisse dieser verdorbenen in Monstren verwandeln. Reißen Sie sich zusammen oder
Kunst zu erlernen oder zu stehlen, um die Todeszauberei suchen Sie sich ein anderes Hobby.
dann für ihre eigenen Zwecke einzusetzen. Wie die Treme- Und nun....
re werden auch die Giovanni als Meister ihrer Kunst be-
trachtet, aber es gibt andere, die diese Form der Magie mit
ähnlichem oder größerem Geschick praktizieren.

EINLEITUNG
15

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Julia Reinecke (Order #10164437)

 SYSTEME UND GESCHICHTEN
Auch wenn dieses Buch die Geheimnisse der Thauma-
turgie erforscht, haben wir versucht, uns vom Konzept des
„Zauberbuches“ zu lösen. Von all den Worten in diesem
Buch sind nur die Hälfte den Spielsystemen und neuen
Kräften gewidmet. Auch wenn manche von Ihnen jetzt
sagen werden: „Kacke, ich hätte aber lieber neue coole
Kräfte gehabt“, so werden all die, die auf der Suche nach
Ideen für Geschichten sind, hoffentlich nicht enttäuscht
sein.
Des weiteren überlassen wir viel den Erzählern. Die ge-
meinen unter ihnen können sich nächtelang daran erfreu-
en, wie die Charaktere ihrer Spieler schwer auffindbaren
thaumaturgischen Komponenten hinterherjagen oder wie
Rituale der Blutmagie daneben gehen und die Charaktere
versuchen, mit der Situation fertig zu werden. Thaumatur-
gie ist mehr als nur eine Disziplin; sie ist eine großartige
Methode, Tiefe und Nebenhandlungen in eine Chronik zu
bringen, sie kann wunderbar den „Gruselfaktor“ von Din-
gen, die nicht hätten sein sollen, vermitteln, und kann
sogar eine intellektuelle Herausforderung sein, wenn die
Charaktere sich im Stile der Horrorgeschichten Lovecrafts
gern auf die Suche nach vergessenen Krypten und ver-
schollenen Bibliotheken begeben. Lassen Sie die Thauma-
turgie für sich arbeiten.
Auch um dem Erzähler zu helfen, haben wir viele der
Feinheiten und Einzelheiten in bezug auf die Rituale und
Effekte offen gelassen. Einige Erzählern ziehen es vielleicht
vor, das Sammeln von Komponenten und andere Vorbe-
reitungen zu überspringen, um direkt in die Handlung zu
wechseln, während andere vielleicht besonders gern den
Schrecken bei eben diesen Handlungen unterstreichen
wollen. Was sorgt wohl für eine bessere Geschichte: Wenn
man davon ausgeht, daß die eigentliche Handlung immer
Vorrang hat, oder wenn man die gräßlichen Einzelheiten
in den Vordergrund stellt, wenn die Charaktere Spinnen
essen und akribisch genaue Zahlenfolgen rezitieren müs-
sen? Die Entscheidung liegt bei Ihnen.

LEXIKON
Die verschiedenen Formen der Thaumaturgie haben
eine ausgedehnte Terminologie geschaffen. Dieses Lexikon
soll eine Grundlage für diese Termini schaffen. Umgangs-
sprachlich mögen diese Worte andere Bedeutungen ha-
ben, daher sollte diese Liste nicht als endgültige Wahrheit
gelten.
• Bokkor: Ein Hexer, der Voodoo für eigensüchtige Zwek-
ke einsetzt.
• Formel: Eine Sammlung der zeremoniellen Schritte ei-
nes Rituals und der Ingredienzien, die dafür benötigt wer-
den; eine „Bedienungsanleitung“, um ein Ritual durchzu-
führen.
• Haus: Eine Sekte oder Fraktion von Magiern. Clan Tre-
mere wird im allgemeinen nachgesagt, ein Haus sterbli-
cher Magier gewesen zu sein, und seit dieses Haus zu ei-
nem Clan geworden ist, tauchen immer wieder Gerüchte
von Häusern innerhalb des Clans auf. Beispiele wären
Haus Goratrix, Haus Etrius usw. In vielen Fällen bezeich-
nen sich Angehörige eines Gildehauses auch schlicht als

BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE

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Julia Reinecke (Order #10164437)

 „Haus“, aber das sind eher geographische als philosophi-
sche Unterscheidungen, die natürlich ebenso bedeutend
sein können.
• Ingredienz: Ein Gegenstand, der laut einer Formel be-
nötigt wird, um die Magie eines Rituals zu entfalten; man-
che Ingredienzien werden während des Rituals aufgezehrt,
andere aber nicht. Heißt manchmal auch Komponente.
• Nekromantie: Diese magische Tradition beschäftigt sich
mit ungesunden Todesenergien und den Toten selbst.
Wichtig ist hierbei zu unterscheiden, daß es eine Disziplin
gleichen Namens gibt, aber nicht alle Nekromantie von
dieser Disziplin herrührt.
• Pfad: Eine formelle, kodifizierte „Schule“ der Magie, die
verschiedene in ihrer Mächtigkeit wachsende Effekte be-
inhaltet, die durch ein gemeinsames Konzept geeint wer-
den. Ein Pfad kann sich entweder auf einen Effekt (etwa
Lockruf der Flammen), auf eine Komponente (etwa Pfad
des Blutes) oder auf ein anderes Ideal konzentrieren (bei-
spielsweise Der Falsche Pfad, siehe Seite 81).
• Ritual: Reihe von Handlungen, die einen Effekt hervor-
rufen. Den weithin bekannten „Zaubersprüchen“ der Zau-
berer ähnlich. Ein Ritual braucht oft Zeit, um ausgespro-
EINLEITUNG
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Blutmagie02.p65 17
Julia Reinecke (Order #10164437)
chen zu werden, und körperlich vorhandene Komponen-
ten, die als „Fokus“ dienen und somit die Blutmagie auf
das angestrebte Ziel lenken.
• Ritus: Die Zeremonie, die für Blutmagie, die keinem
Pfad angehört, benutzt wird.
• Sendung: Das Ergebnis der Magie eines Rituals oder ei-
nes Spruches, insbesondere wenn er negativ oder auf ein
Individuum gerichtet ist.
• Subjekt: Der Empfänger eines gutartigen, förderlichen
oder nur indirekt problematischen thaumaturgischen Ef-
fekts.
• Thaumaturgie: Wörtlich „Wunder wirken“. Lockere
Umschreibung für Blutmagie aller Art. Des weiteren die
Disziplin des Clans Tremere und alle dazugehörigen Pfade
und Rituale.
• Tradition: System oder Stil magischer Praktiken. Be-
kannte Beispiele wären hermetische Magie, Kabbalah und
Voodoo.
• Wirken: Unüblichere Variante des Sendens, am häufig-
sten in Bezug auf nekromantische Praktiken gebraucht.
• Ziel: Der Empfänger eines aktiv schädlichen thaumatur-
gischen Effekts, manchmal auch als Opfer bekannt.
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 Blutmagie03.p65 18 03.11.00, 17:10

Julia Reinecke (Order #10164437)

 KAPITEL EINS:
DIE GESCHICHTE DER
BLUTMAGIE
„Kind böser Omen!“ rief er mit Grabesstimme. „Kommst du, um in die Geheimnisse der Zukunft zu schauen?
Meide mich, um deines Lebens willen, oder, was dir noch mehr am Herzen liegen mag, um deiner ewigen Glück-
seligkeit willen! Denn ich sage dir... es wäre besser gewesen, du wärest nie geboren worden, als daß es dir gestat-
tet sei, deinen Untergang an einem Ort zu besiegeln, der in eines Jahres Frist Zeuge deines Sturzes sein wird.“
- anonym, „Des Astrologen Weissagung“

Thaumaturgen füllen ihre Zufluchten mit Aufzeichnun-

gen; jeder, der Gelegenheit hat, diese Sammlung zu lesen,
muß sich im klaren über die vielen Nächte sein, die er da-
mit verbringen wird. Wie es in der Welt der Kainskinder
oft der Fall ist, kann man fast alle thaumaturgischen Auf-
zeichnungen in zwei Kategorien unterteilen: unnütze und
unzuverlässige. Die wirklich wichtigen Informationen blei-
ben entweder im Gedächtnis des Magiers oder verbergen
sich hinter Codes und Symbolsprache. Alles, was jemand
anders lesen könnte, enthält wahrscheinlich eine Falle -
seien es gefährlich verstümmelte Informationen, Irrefüh-
rungen über Pfade der Forschung oder problematische
Hinweise anderer Art. Um etwas Sinnvolles aus den Un-
terlagen eines Thaumaturgen schöpfen zu können, muß
man entweder mehr Wissen als er besitzen, um die Falle
entschärfen zu können (aber warum sollte man sich in die-
sem Falle überhaupt die Mühe machen?), oder man ist ein
wahrer Dechiffrierkünstler mit ungeheurem Geschick oder
Glück.
Interessierte Gruppen haben daher keine Möglichkeit,
die gesamte geschichtliche Entwicklung der Magie des
Blutes zu erfahren. Zuviel ging in der Vergangenheit für
immer verloren durch Zerstörung oder Vergessen. Und zu
vielen der verbliebenen Materialien kann man nicht trau-
en, sei es nun nur teilweise oder insgesamt. Ich hoffe, die-
se Zusammenfassung entspricht der Wahrheit. Das ist al-
les, was sich ein Chronist erhoffen darf.
MAGIE IN DEN ERSTEN
NÄCHTEN
Kain wird von manchen Thaumaturgen als erster Ma-
gier des Blutes gesehen. Aber jeder Vampir mit einer ver-
blendeten Vorstellung bezüglich seiner Abstammung be-
hauptet, Kain sei der erste „Was-Auch-Immer“ gewesen,
und ob man ihnen glaubt oder nicht, sei einem jeden
selbst überlassen. In diesem Fall erscheint die Behauptung
aber keineswegs so aus der Luft gegriffen zu sein wie in vie-
len anderen.
Die Theorie von Kain dem Magier beginnt natürlich mit
der Tatsache, daß keine andere Disziplin eine solche Band-
breite an Fähigkeiten und eine solche Flexibilität aufweist
wie die Thaumaturgie. Sie erinnert vielmehr stärker an die
urtümliche Kraft der Disziplinenerschaffung, die Kain zu-
geschrieben wird, als jede andere Fähigkeit im Blut moder-
ner Kainskinder. Laut dieser Theorie strebte Kain nach
der Macht Gottes, die Welt ex Nihilo, einzig durch seinen
Willen, zu erschaffen. Irgendeine Kraft - suchen Sie sich
eine der folgenden aus: Satan, Gott oder irgend etwas an-
deres - zeigte Kain, daß der Weg zu dieser Kraft in der Ver-
wandlung des eigenen Selbst liegt. Kain tötete Abel vor-
sätzlich, da er beabsichtigte, zur Strafe von Gott verflucht
zu werden.

KAPITEL EINS: DIE GESCHICHTE DER BLUTMAGIE

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Blutmagie03.p65 19 03.11.00, 17:10

Julia Reinecke (Order #10164437)

 Nachdem ihm das Unleben geschenkt worden war, un-
ternahm er die ersten Schritte, um alle Mauern zwischen
seinem Willen und der Macht niederzureißen.
Es mag ein Fünkchen Wahrheit in dieser Geschichte lie-
gen - oder auch nicht. Ich selbst betrachte sie aufgrund
meines persönlichen Glaubens als absurd. Zum Beispiel
kann ich trotz der Gerüchte über die erwachenden Vor-
sintflutlichen keine Beweise für Kains tatsächliche Exi-
stenz, damals oder heute, ausmachen. Diese Geschichte
könnte aber auch nur ein komplexes Gleichnis sein, um
die Macht der Thaumaturgie und ihren Preis zu erläutern.
Vielleicht gab es Kain wirklich, aber diese Geschichte gibt
in keinster Weise seine Gedanken und Motive wieder. Ich
erwähne sie, da sie verdeutlicht, wie meine Mitmagier
über ihre Stellung in der Welt denken. Wir haben große
Träume, größer als die unbedeutenden Besessenheiten, die
den Geist der anderen halbblinden Kainskinder verne-
beln. Ob wir versuchen, in Kains Fußstapfen zu treten
oder uns selbst einen Pfad zur Vollendung zu schaffen, im-
mer trachten wir danach, die Welt umfassend und genau
so zu erschaffen, wie es unserem Willen entspricht.
DIE MAGIER DER ZWEITEN STADT
Wenn auch nur ein Körnchen Wahrheit in den vampiri-
schen Legenden über die Zweite Stadt steckt, dann
scheint hier Blutmagie verschiedenster Art gediehen zu
sein. Es sei jedoch erneut angemerkt, daß die Kunst, die
wir heute „Thaumaturgie“ nennen, damals von nieman-
dem ausgeübt wurde. Die Empfindungen, wenn man der
Welt seinen Willen durch Manipulation von Vitæ auf-
zwingt, sind längst nicht bei allen, die sie erfahren, iden-
tisch, und so entstanden verschiedene Namen für diese
Fähigkeit. Selbst der Begriff „Blutmagie“, so universell er
uns auch erscheinen mag, würde einigen der Ausübenden
nicht gefallen. Laut der gröbsten möglichen Einteilung
könnte jede Disziplin, die den Einsatz von Blut bedingt, als
„Thaumaturgie“ bezeichnet werden, aber ich bin mir si-
cher, Ihnen ist klar, wie problematisch das wäre. Darüber
hinaus verfügte keine der frühen Studien über die syste-
matischen Ansätze, die heute bei den unterschiedlichsten
Anwendungsarten von Blutmagie eingesetzt werden. Ein
Fetzen hier, ein Forschungsstrang da, alles existierte nur
teilweise. Rückblickend wird deutlich, wie die Arbeiten
der frühen Zauberer zusammenfließen würden, aber das
war damals noch niemandem klar.
• Assamiten: Die Kinder des Ältesten Enkels haben so-
wohl Gelehrte als auch Krieger in ihren Reihen, auch
wenn wir heute nur wenig von den friedliebenderen Mit-
gliedern dieses Clans hören. Einige widmeten sich weltli-
chen Studien, andere gingen den Geheimnissen des Blu-
tes nach. Haqim selbst entwickelte neue Techniken, um
dem Blut neue Einsichten zu entlocken, die ihm in seiner
Suche nach Gerechtigkeit dienlich sein könnten. Für vie-
le seine Kinder verhielt es sich ebenso: Macht spielte ge-
genüber der Einsicht nur eine untergeordnete Rolle. Sie
gewannen zwar an Macht durch diesen Prozeß, aber nur,
weil sie es nicht vermeiden konnten; jenseits einer be-
stimmten Grenze werden Macht und Wissen eins. Im Ge-
gensatz zu ihren Zeitgenossen konzentrierten sie sich aber
darauf, die Welt zu erfahren, statt sie zu verändern.
• Der Clan des Todes: Wer auch immer vor den Giovan-
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
ni existierte - sie werden sowohl „Ashurianer“ als auch
„Kappadozianer“ genannt -, war in vielerlei Hinsicht auf
der Suche nach Antworten auf die Mysterien des Todes.
Vitæ als Fokus und Tor für Beobachtungen zu nutzen, ist
einem der Ahnen dieser Linie oder einem einfallsreichen
Kind wohl sehr früh eingefallen. Aus irgendeinem Grund
scheinen diese Bemühungen aber gescheitert zu sein, und
der Clan wandte sich anderen Pfaden zu. Was die Grund-
lage für Thaumaturgie hätte sein können, insbesondere
wenn man die sprichwörtliche Abhängigkeit der Kainiten
von Systemen in Betracht zieht, verging angesichts der of-
fensichtlicheren und anscheinend nützlicheren Diszipli-
nen. Ihre bescheidene Sammlung von Wissen wurde bei
anderen Clans gegen Informationen eingetauscht, die die
Ashurianer für wichtiger erachteten.
• Tzimisce: Koldunische Hexerei würde erst viel später in
einem anderen Land Gestalt annehmen, aber schon in der
Zweiten Stadt waren einige Tzimisce auf der Suche nach
der Macht, die Welt zu verwandeln, die dann ein natürli-
ches Gegenstück zu der Macht über ihren Leib gewesen
wäre.
Natürlich kann sich der Gelehrte nicht überwinden, die Ar-
, an-
beit Sutekhs oder seiner Kinder, meiner Ur-Erzeuger ti-
zuerkennen. Sie entwickelten eigene Pfade und systema
-
sierten sie, während andere sich noch stümperhaft mit willch
kürlichen Experimenten befaßten. Die anderen sind einfa und
neidisch auf die Fortschritte, die meine Art erzielte, dt.
verleugnen sogar unsere Anwesenheit in der Zweiten Sta t-
Daher haben sie auch keine Erklärung für die raschen For æ
schritte unserer eigenen Disziplin, die tief im durch Vitd-
herbeigeführten Verständnis von Schwächen und Verwun
barkeiten anderer verwurzelt ist.
Als ich begann, die Geschichte der Thaumaturgie nie-
derzulegen, warnten mich die Moralapostel unter meinen
Kameraden, es sei eine „blutgetränkte Lehre“, „auf Leiden
gründendes Wissen“. Wie es heute ist, so war es auch am
Anfang. Die Straßen der Zweiten Stadt müssen erfüllt ge-
wesen sein vom Blut von Menschen und Kainskindern,
wenn man von den Nahrungsbedürfnissen der Ältesten
unseres Volkes ausgeht. Nirgends stand das Blut höher als
in den Zufluchten und den Labors der ersten Magier des
Blutes. Experimentieren erfordert viele Fehler für jeden
Erfolg. Da ich weiß, wieviel Mühe ich oder einer meiner
Kameraden im Gildehaus selbst für den kleinsten Fort-
schritt investieren müssen, kann ich nur versuchen, mir
die Ströme von Blut und Vitæ und die Berge von Leichen
vorzustellen, die sich angesammelt haben mögen.
Andere Moralapostel unter den Kainskindern mögen
diese Aufwendungen allein schon heranziehen, um darzu-
legen, daß Blutmagie einzig und allein ein Forschungsge-
biet der Verdammten ist. Sie sind Narren. Wenn sie ein-
fach nur ehrlich die Kosten addierten, die entstehen, nur
damit sie sich selbst erhalten können, dann würden auch
sie sich mit dem Gegenstück ganzer Schlachthöfe konfron-
tiert sehen. Während ihr Unleben aber nur den stumpfen
Erhalt des Status Quo ergibt, bringt das meinige die große
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:10
 Erfüllung immer näher. Jedes Wissen, das wir sammeln,
alles, was wir darüber lernen, wie wir unseren Willen
durch Vitæ in die Essenz der Existenz verwandeln, befreit
uns von dem Gefängnis, das wir Welt nennen. Wie kann
ich die sinnvolle Aufwendung sonst nutzloser und stagnie-
render Seelen bedauern?
Nach einiger Zeit fiel auch die Zweite Stadt. Die Ein-
richtungen der Kainskinder bleiben nie lange bestehen
und werden es auch nie, solange wir, die Würdigen, den
Rest nicht in Kreaturen verwandeln, die unseren Zwecken
dienlich sind. Die Überlebenden suchten Sündenböcke.
Meine Vorgänger in der blutmagischen Forschung boten
passende Ziele, aufgrund der auffällig hohen Kosten ihrer
Arbeit und der unausweichlichen Geheimhaltung der Er-
gebnisse. Die Magier hätten ihr Wissen teilen können,
aber das wäre ebenso närrisch gewesen, wie den Kuß wahl-
los zu verschenken oder Geistesgestörte mit Waffen zu ver-
sorgen. Und so litten die Magier und wurden zersplittert.
IM LAUFE DER ÄONEN
Wenn man begreift, was Vitæ sein kann, erscheint es ei-
nem dumm, sich allein auf den „Clan“ zu verlassen, um die
Grundlage einer Identität zu festzulegen. Wir alle sehen
Vitæ als Stück eines Mosaiks an, dessen endgültige Form
uns aber unbekannt ist. Es hat keinen Sinn, ein bestimm-
tes Fragment der Farbe oder des Materials, das man be-
sitzt, zu verherrlichen, anstatt sich zu bemühen, das Ge-
samtbild zu verstehen. Wissen über die Bedeutung der
Vitæ wurde in der Zweiten Stadt nur selten mit anderen
geteilt, aber zumindest fanden einige Tauschgeschäfte
statt: hier eine Formelreihe, da eine Methode des Filterns.
Aber nach dem Fall der Stadt versiegte auch dieser Aus-
tausch. Für die nächsten zahllosen Jahrhunderte sollte so
gut wie jedes Zusammentreffen von Blutmagiern kriege-
risch verlaufen.
Ich muß hier über eine Spanne schreiben, die wohl so
lang wie die ganze menschliche Geschichte sein mag. Hin-
zu kommt noch, daß ich dies in einer Form tun muß, wie
es ein Neugeborener in wenigen Zeilen täte, um die „ach
so beeindruckenden“ Taten seines Erzeugers und seines
Erzeugers Erzeuger und so weiter bis ins Reich der Fabeln
und Märchen niederzulegen. Man sollte sich jedoch im-
mer vor Augen halten, daß auch diese Arbeit, wie die
Vitæ, die uns zum Unleben erhoben hat, nur ein Teil ist,
nicht das Ganze. Ich schreibe, was ich für angemessen hal-
te, berichtet zu werden, aber ich könnte noch einmal ge-
nauso viel Raum füllen, um andere wertvolle Elemente der
Geschichte zu Papier bringen, ohne mich auch nur einmal
zu wiederholen.
Gewiß hat dieser Gelehrte keinerlei Vorurteile. Und sicher
würde er die Texte nicht so auswählen oder anordnen
, daß
seine Sichtweise als empirisch richtig erscheint.
Gewiß nicht.
KAPITEL EINS: DIE GESCHICHTE
21
Blutmagie03.p65 21
Julia Reinecke (Order #10164437)
DIE INNEREN EINÖDEN
Kain, so die Geschichten, wanderte jenseits von Eden.
Ein paar Klüngel von Blutmagiern taten es ihm gleich und
begaben sich in die noch immer fruchtbaren Wälder und
Ebenen tief im Innern dessen, was man heute wahrschein-
lich Asien nennen würde. In den damaligen Nächten weh-
te ein anderer Wind und brachte genug Regen, um damit
ganze Kulturen zu ernähren, von denen die Gelehrten der
heutigen Sethskinder nichts mehr wissen. Die Stämme,
die in diesem Land umherzogen, waren primitiv und ak-
zeptierten die Kreaturen der Nacht bereitwillig als eine
weitere Art von Raubtier in einer Welt voller gefährlicher
Mysterien. Mit Leichtigkeit konnten sich die Magier in die
Rolle halbgöttlicher Aufseher aufschwingen. Innerhalb
weniger Generationen der Sterblichen konzentrierte sich
der Glaube der Stämme, der zuvor auf eine Reihe von Gei-
stern verteilt gewesen war, auf die Verehrung der „men-
schengleichen Herren“, die als Opfer das Geschenk des
Blutes erhielten. Diese primitiven Echos der Gesellschafts-
ordnung in der Zweiten Stadt entwickelten neue Lebens-
muster und erhielt diese aufrecht, während die Außenwelt
sich in ihrer eigenen Art und Weise weiterentwickelte.
Einige Blutmagier arbeiteten zusammen, die meisten ta-
ten es nicht. Der Großteil von ihnen verstand, daß es kei-
nen sicheren Austausch von Wissen gibt und daß die
Macht in den Händen der Besten bleiben muß. Zu dieser
Einsicht kam natürlich die blinde Überzeugung hinzu,
selbst die Besten zu sein. In einer recht kurzen Zeit ent-
wickelten die rivalisierenden Magiervampire sehr unter-
schiedliche Pfade der Macht. Einige nutzten Veränderun-
gen des Blutes, um ganze Familien in seelenlose Erweite-
rungen der Sinne und des Geistes des betreffenden Ma-
giers zu verwandeln. Andere schufen exotische Wesen, in-
dem sie das, was wir heute Genmaterial verschiedenster
Arten nennen würden, zusammen mit jener geistigen Es-
senz vermischten, die die Wissenschaftler aufgrund unse-
res Wirkens bis heute nicht verstehen. Wieder andere ga-
ben ihren Körper auf und übertrugen ihre Vitæ in Wirts-
organismen wie die Zweige fremdartiger Pflanzen. Zumin-
dest ansatzweise haben die damaligen Entdeckungen vie-
le Durchbrüche ahnen lassen, die untote Hexer später er-
zielen würden.
Es konnte alles nur in Gewalt enden, und so geschah es
auch. Die weniger erfolgreichen Blutmagier haßten die
Erniedrigung und versuchten daher, ihre Konkurrenz zu
stürzen, während die erfolgreichen danach trachteten, die
gesamten vorhandenen Blutressourcen unter ihre eigene
Kontrolle zu bringen. Der Krieg dauerte eine ganze Gene-
ration der Sterblichen und beinhaltete das Opfer nahezu
jeden menschlichen Wesens in einem Tausende von Qua-
dratkilometern großen Gebiet. Die wenigen Überlebenden
waren die, denen es gelang, aus dem Einflußgebiet ihrer
vampirischen Meister zu fliehen. Als kein Blut aus den
Adern Sterblicher mehr verfügbar war, begannen die Blut-
magier, sich gegenseitig zu opfern und die geistlose Um-
welt zu verwandeln; ich habe Fragmente von Ritualen ge-
sehen, die Kraft aus Harz oder Eisenkies ziehen sollten.
Das Land starb. Und noch heute ist es bar allen Lebens.
Moderne Kulturen bezeichnen das Altai-Gebirge und das
Tarim-Becken als Beispiele für klimatische Veränderungen
DER BLUTMAGIE
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 durch das Ende der Eiszeit. Aber all die von uns, die es
besser wissen, lächeln nur, wenn wir auf der Suche nach
Zufluchten, die noch nicht durch Wind und Sturm ver-
nichtet wurden, durch die Schatten gleiten.
Bis zur Entstehung des Clans Tremere würde es keine
derartig hohe Konzentration von Blutmagiern an einem
Ort mehr geben.
DAS VERSCHWINDEN DER
VORSINTFLUTLICHEN
Dann versanken immer mehr Kainskinder der dritten
Generation in immer häufiger wiederkehrende Starre. In
dieser Zeit des Umbruchs gelangte die Blutmagie (in ge-
ringem Umfang) in die Hände aller Clans. Kinder der spä-
teren Generationen spürten den stechenden Schmerz der
Trennung von ihrem Erbe im Blute, als ihnen die Gelegen-
heit, mit jenen zu sprechen, die Kain gekannt hatten, ver-
wehrt wurde. Immer mehr Kainskinder dieser Nächte er-
kannten die Notwendigkeit, ihre eigenen Bezugspunkte zu
schaffen. In dieser Umgebung hatte Blutmagie natürlich
für alle mit der notwendigen Disziplin ausgestatteten Vam-
pire eine große Anziehungskraft, da sie versprach, die sich
zunehmend verhärtenden Trennlinien von Clan, Abstam-
mung und ähnlichem niederzureißen.
Wie jedem klar sein dürfte, setzten nur wenige der neu-
en Schüler des Blutes ihre Kunst sinnvoll ein. Die meisten
verwirrten nur ihre Ahnen und löschten daher früher oder
später nur deren Durst. Einigen gelang es zumindest teil-
weise, über sich hinauszuwachsen. In den kommenden
Jahren sollten sich von Zeit zu Zeit seltsame Ereignisse als
das Werk autodidaktischer Thaumaturgen entpuppen,
manchmal eines Einzelgängers, manchmal einer Kabala.
Bei den meisten dieser Zwischenfälle handelte es sich um
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
die nicht ganz korrekte Nachahmung der Disziplin eines
anderen Clans. Seltsame, an Nordlichter erinnernde Er-
scheinungen können zum Beispiel von einem gescheiter-
ten Versuch herrühren, Auren sichtbar zu machen: Die
Aura des Magiers wird verstärkt, an den Himmel projiziert
und zieht dann Schaulustige an, die normalerweise nichts
von den Enthüllungen der Disziplin Auspex wissen. Eine
beachtliche Zahl entlegener Dörfer wurde beim Versuch
entvölkert, eine thaumaturgische Gedankenkontrolle zu
entwickeln. Diese Experimente waren erfolgreich, aber lei-
der erwies sich die dem Magier verliehene Aura von
Macht als so mächtig, daß jeder Sterbliche vor Angst starb.
Es wurden Fehler gemacht.
Thaumaturgen sehen sich innerhalb des eigenen Clans
meist mit ebensoviel Kritik konfrontiert wie außerhalb; sie
können es sich oft nicht leisten, zu tief in die großen ge-
sellschaftlichen und politischen Ereignisse verstrickt zu
sein. Statt dessen arbeiten sie auf einer niedrigeren Ebene
mit Hilfe vielfältiger Diener. Wo gesellschaftliches Chaos
herrscht, ist das oft die äußerliche Manifestation kainiti-
scher Konflikte. Wenn man auf Verwirrung im Reich des
Stofflichen, auf Verletzungen der Naturgesetze stößt, so
sind dies Zeichen der Konflikte der Blutmagier.
Aber all das läßt immer noch eines der häufigsten Pro-
bleme unerwähnt, dem sich Blutmagier gegenübersehen:
das Beschaffen und die Entsorgung ausreichender Gefäße,
um den Magier mit dem benötigten Blut zu versorgen. Der
Bedarf an Forschungsmaterial eskaliert nämlich bis zum
abschließenden Gelingen eines gegebenen Prozesses. Vie-
le antike und moderne Erzählungen von Gemeinden, die
von „Seuchen“ ausgelöscht wurden, sind in Wirklichkeit
nur Ablenkungsmanöver, die das massenhafte Aussaugen
mit oder ohne dazugehörige magische Manipulationen der
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:10
 Gefäße verbergen sollen. Schlaue Thaumaturgen entdeck-
ten nicht nur, wie man die Umsiedlungen ganzer Völker,
in deren Verlauf unerklärliche Vermißtenfälle nicht auffal-
len, für sich ausnutzen kann, sondern sie erlernten auch,
wie man diese Wanderlust weiterverbreitet. Wir gewinnen
keinen Ruhm daraus, die verborgene Triebkraft der Men-
schen zu sein. Aber trotzdem haben sich Stämme manch-
mal auf den Weg von der Mandschurei bis nach Yucatan
gemacht, weil wir sie gelenkt haben, und was wie zufällige
Verluste der Wanderschaft erscheint, war doch in Wahr-
heit unser Werk.
DIE ANTIKE
An diesem Punkt umfaßte die Geschichte der konven-
tionelleren Aktivitäten der Kainskinder eine Reihe der
üblichen Schmähungen oder Ruhmesbekundungen. Aber
sie spielen für Blutmagier keine Rolle. Was haben wir mit
idealistischen Gemeinschaften oder ihrem Fall zu tun?
Oder mit der Manipulation von Religionen?
BLUT IN KARTHAGO
Für uns besteht das Erbe Persiens, Griechenlands, Roms
und des ganzen Rests nicht aus Ruinen, sondern aus den
angesammelten Bruchstücken des Wissens und der immer
weiter voranschreitenden Vereinigung der verschiedenen
Forschungsansätze. Auch wenn die Brujah im allgemeinen
Blutmagie für wenig sinnvoll hielten, haben doch viele der
Ahnen „meiner Art“ noch wohlige Erinnerungen an das
Experiment Karthago. Ein solch steter Strom an Opferblut
machte unsere Arbeit so viel einfacher. Die insgeheim im
Utopia der Brujah arbeitenden Blutmagier mußten natür-
lich große Anstrengungen bei der Beschaffung von Vitæ
unternehmen, aber wenigstens stand das Blut Sterblicher
mit Leichtigkeit zur Verfügung.
In dieser Ära betrachtete niemand die Thaumaturgie als
einzelne Disziplin. Die Pfade der Thaumaturgie, wie sie
heute bekannt sind, existierten damals als eigenständige
Disziplinen. Manchmal verschmolzen sie, wenn ein Thau-
maturg erkannte, wie man verschiedene Techniken mit-
einander verknüpfen konnte, aber nur Visionäre träumten
davon, alle Pfade in einem einzigen Konzept zu vereinen.
Diese Idee hatte jedoch großen Zulauf in der karthagi-
schen Ära, als das, was einst über dreißig Pfade waren, zu
einem knappen Dutzend verschmolzen. Die Einigkeit
schien erreichbar geworden zu sein.
Die Brujah behaupten, ihnen sei eine auf Blut gegrün-
dete Gesellschaft von Kainiten zuwider, aber ich habe nir-
gends Hinweise finden können, daß sie dem wachsenden
Wohlstand Karthagos trotz seiner Abhängigkeit von Op-
fern entgegenwirkten. Noch lehnten sie die Hilfe anderer
ab, wenn es um die Schwächung des Bluts ihrer Gegner
ging. Sie griffen nur ein, wenn der Streit zwischen ver-
schiedenen Fraktionen der Kainiten ihnen Unbehagen
bereitete. Die Malkavianer und die Ventrue zogen sich aus
Karthago zurück und nahmen ihre Einsichten und ihren
Schutz mit, und nicht viel später wurde die liebgewonne-
ne Stadt auch gestürzt. Aber der erleuchtete Leser hat
ohne Zweifel alles über Karthago gelernt - und weiß wahr-
scheinlich sehr viel mehr als die meisten jungen, lauten
Mitglieder des Mobs.
KAPITEL EINS: DIE GESCHICHTE
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BLUT UND GEIST
Unsere Art hat mit unterschiedlichsten Geistern zu tun.
Die natürlichen Begleiter des Studiums des Blutes sind
jene Wesen, denen es an Blut oder Vitæ ermangelt. Blut
kann viele Wesen beschwören, die sich anscheinend nach
stärkerem Kontakt mit der physischen Existenz sehnen,
und diesem Verlangen kommen wir nur zu gerne nach.
Wenn sie so in ihrem Unwissen verhaftet sind, daß sie den
Sinn nicht erkennen, der im Zurücklassen der Welt liegt,
dann tun wir ihnen nur einen Gefallen, wenn wir sie mit
unseren Befehlen an uns binden. Sie können uns dann mit
dem Wissen dienen, das Geister in Erfahrung bringen kön-
nen. Das Entstehen mystischer Kulte machte unsere Ar-
beit in zweierlei Hinsicht einfacher. Zum ersten wurden
die Massen mit der Idee vertraut, daß Macht nur insge-
heim erworben werden kann, und zum zweiten erlaubte
uns die Verbreitung von Initiationsriten an ungewöhnli-
chen Orten, daß man unsere Zufluchten als eben solche
ausgeben konnte.
Während also einige unserer Art die Pfade mit der Un-
terstützung der Brujah - die sie eigentlich gar nicht ge-
währt hatten - vereinheitlichten, perfektionierten andere
all die Pfade, die mit Geistern zu tun hatten. Allein die
Existenz der Seele ohne den Körper warf eine Unzahl
theologischer Fragen auf, die ich eigentlich nicht vorhabe,
hier genauer zu erörtern. Ich glaube nicht, daß wir schon
genug Beweise haben, um wirklich sagen zu können, wel-
che Götter und Teufel es tatsächlich gibt, da mir bewußt
ist, daß die Ergebnisse unserer Beschwörungen auch im-
mer teilweise von unseren Erwartungen an die selbigen
geprägt sind.
Etwas dort draußen in den Räumen zwischen der Welt
wartet und hält Ausschau nach Menschen und Vampiren,
die in die Leere hineinrufen können. Was es zwischen die-
sen Rufen sein mag, kann ich nicht sagen. Es könnte sein,
daß einige menschliche Religionen ein den Tatsachen ent-
sprechendes Bild der Geister bieten. Vielleicht ist es aber
auch reines, ungeformtes Potential, das einzig und allein
durch unseren Willen Gestalt erhält. Die göttliche Wahr-
heit liegt meiner Meinung nach irgendwo dazwischen,
aber ich kann die richtige Trennlinie nicht ziehen. Wirk-
lich sicher weiß ich nur, daß eine Beschwörung eine Krea-
tur herbeiruft, die unseren Vorstellungen zwar ähnelt, aber
nicht notwendigerweise genau entspricht, und daß das
Binden an Effektivität gewinnt oder verliert, je nachdem,
wie gut oder schlecht wir es an die Art der Kreatur anpas-
sen. Ein Ritual, das einen christlichen oder jüdischen Dä-
mon bindet, funktioniert weniger gut bei einem phönizi-
schen Baal oder dem Fetisch eines Nomaden.
Die Ausdehnung des Handels und anderer Kontakte
zwischen verschiedenen Kulturen machte diese Konflikte
sowohl unter praktischen wie theoretischen Aspekten in-
teressanter. Manche Kainskinder mischten sich in die
Konflikte der Sterblichen ein, indem sie gegen verschie-
denste Formen von Bezahlung Segnungen und Flüche er-
teilten. Ihre Zusammenarbeit mit Geistern wurde in die-
ser Phase zunehmend komplexer. Ich habe die ugaritischen
Aufzeichnungen gesehen, die Blutmagier zurückließen, die
sich vorgenommen hatten, die menschliche Gesellschaft
so zu verändern, daß sie in einen einfacheren Zustand zu-
DER BLUTMAGIE
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 rückgeführt würde. Solche Bemühungen, neue Barrieren
für die Bewegungsfreiheit der Menschen aufzubauen,
scheiterten jedoch manchmal auf sehr dramatische Art
und Weise. Die Überfülle an Dämonen, die die Gegend
um Palästina heimsuchte, um von jüdischen (und später
christlichen) Heiligen gebannt zu werden, ist ein Hinweis
auf die namenlosen Gräber der Blutmagier des Mittleren
Ostens. Die Narren wollten ihre Versuche der angewand-
ten Sozialwissenschaften mit übernatürlichen Kräften ver-
stärken, nur um zu entdecken, daß die Bindungen vergan-
gener Jahrtausende an Wirkung verlieren können.
Ähnlich ging es allen Blutmagiern, die am Rande des-
sen lebten, was die Herrscher des Mittelmeers gern als zi-
vilisierte Welt bezeichneten. Sich als Schamanen, Prophe-
ten und Götter ausgebende Blutmagier versuchten, sich
gegen das Eindringen der Römer und der Griechen abzu-
schotten. Manchmal gelang es ihnen, und die Invasoren
schlossen aus ihrem Unvermögen, sich zu nähren, daß es
sich um „schlechtes Gelände“ handeln mußte, daß „der
Gewinn eh in keinem Verhältnis zur Mühe gestanden hät-
te“ oder daß irgend etwas anderes Weltliches nicht stim-
men würde. Meist ging aber etwas schief. Was auch immer
die Geheimnisse der Herrschaft über Völker durch Blut
gewesen sein mochten, sie hatten die Zweite Stadt und
den Krieg im antiken Asien nicht unversehrt überstanden.
In den Chroniken dieser Zeit finden sich Fälle, in denen
eine Reihe von Menschen plötzlich von Wahnsinn, reli-
giösem Eifer oder Gewissenbissen gepackt wurden. All das
sind die Fingerabdrücke unseres Wirkens durch Blut in
ihrem Geiste. Aber irgendwie schien nichts davon einen
Effekt auf die immer näherrückende Gefahr zu haben.
Wir haben leider keine Aufzeichnungen darüber, wie die
zum Untergang verurteilten Magier ihr Ende fanden.
Wählten sie den Freitod? Stürzten sie sich in aussichtlose
Kämpfe gegen unbezwingbare Gegner? Vergingen sie in
einer letzten Zurschaustellung ihrer mystischen Macht?
Ihre Zufluchten - zumindest die, die Forscher in späteren
Zeiten fanden - boten keine Hinweise. Ihre Aufzeichnun-
gen weisen eine immer größer werdende Verzweiflung auf,
gefolgt von Stille und leeren Seiten.
BLUT UND NAMEN
Magie beschäftigt sich mit der Identität der Dinge. Wir
studieren zunächst die Züge unseres Ziels, was Plato seine
„Fehler“ und Wissenschaftler seine meßbaren Eigenschaf-
ten nennen würden. Zumindest tun wir das, wenn wir das
Ziel nicht dazu bringen können, uns seinen Wahren Nah-
men zu verraten. Bedauerlicherweise ist das selten der
Fall; viele Ziele unserer Untersuchungen wissen ihren
Wahren Namen nicht einmal. Daher müssen wir ihn er-
mitteln: Wir entwirren die verstrickten Komponenten, die
wir untersuchen wollen, und ziehen daraus Schlüsse. Es ist
ein langwieriger Prozeß mit vielen Fallstricken.
Sobald wir den Wahren Namen haben, gehört das Ziel
uns. Indem wir den Namen verändern, ändern wir das Ide-
al, das er ausdrückt. Bei diesem Wirken stoßen wir jedoch
auf mannigfaltigen Widerstand: Der Organismus wehrt
sich, und das Universum selbst scheint Einwände zumin-
dest gegen einige Änderungen zu haben. Wir müssen na-
türlich vorsichtig sein – nichts, was mit Hilfe von Blut be-
werkstelligt wird, kann ohne die nötigen Vorbereitungen
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
durchgeführt werden. Wenn wir es aber richtig anstellen,
öffnet sich uns ein Universum von Möglichkeiten. Wir
sind soviel dichter an der Höchsten Essenz und befreien
uns von den Ketten der Existenz, wie wir sie kennen.
Wahre Namen ändern sich manchmal. Manchmal ist es
auch möglich, sie absichtlich zu ändern, und zwar nicht
durch gezieltes, veränderndes Handeln oder direktes ma-
gisches Eingreifen, sondern durch die Ansammlung von
Aktionen, die wir aus ganz anderen Beweggründen heraus
ausübten. Die jahrhundertelange Periode der Völkerwan-
derungen in Ost- und Mitteleuropa, die mit dem Römi-
schen Reich begann, veränderte zu ihrer Hochzeit die
Wahren Namen der Länder, über die die Stämme hinweg-
zogen. Kriege und Seuchen nährten den Erdboden, der
bereits begierig darauf wartete, mit Blut aus so vielen, ach
so vielen Adern. Während es versickert, trägt es neue
Hoffnungen, Ängste und Ideen über Bedeutung und Sinn
des Landes mit sich. Nirgends zeigt sich dies deutlicher als
in den verkrüppelten und verödeten Landen der Tzimisce,
die sogar den Boden selbst mit ihrem Bösen vergiftet ha-
ben. Die traditionsgebundeneren Magier stellten fest, daß
ihre Magie nicht mehr so wirkungsvoll war. Tiere, Pflan-
zen und Menschen ergaben sich nicht mehr so unterwür-
fig ihren Befehlen, und selbst ihre Zufluchten wurden im-
mer fremdartiger, alles dank ihrer Verbindung mit dem
sich verändernden Land.
Etwas Unbekanntes sorgte zur Zeit der Völkerwande-
rung für den Tod vieler Blutmagier. Es wird in einer Reihe
von Dokumenten aus zweiter Hand manchmal „Ashrad“
oder „Gallû“ genannt. Man weiß nicht einmal, ob es sich
dabei um eine Sache oder um eine Person handelt. Die
einzigen Relikte früherer Zeiten, die überlebten, waren
die, die sich den Umständen anpassen konnten, oder die,
die die Veränderungen so beeinflußten, daß sich nur ein
Minimum an Entfremdung ergab. Ihre weniger erfolgrei-
chen Rivalen versuchten auch die Wanderungen als Werk-
zeug einzusetzen - sie erhitzen die Gemüter bis zum Siede-
punkt, um Kämpfe zu provozieren, oder veränderten die
Landschaft, um die Siedler in eine von ihnen gewünschte
Richtung zu treiben. Es funktionierte selten. Ja, bei diesen
Schlachtfesten wurde viel Blut vergossen, aber Zauberer in
solch verzweifelten Situationen machen zu viele Fehler.
Zumindest einige der Mythen über die Lande der Toten
erhielten in dieser Zeit der Wanderungen, als sich der Bo-
den auftat, um Zauberer zu verschlingen, die die falschen
Kräfte angerufen hatten, neuen Zulauf. Flüsse und bluti-
ger Regen waren Anzeichen ihres Untergangs. Jüngere
und geistig beweglichere Konkurrenten zogen in die ver-
lassenen Zufluchten ein und begannen die Grundlage des
Zeitalters der Magie zu schaffen.
ATMENDE ZAUBERER
Ich habe wenig über die zu sagen, die zu Lebzeiten Ma-
gie ausüben. Zu Lebzeiten gehörten weder ich noch mein
Erzeuger zu ihnen (denn die Kirche verdammte es). Was
sie tun, hat für uns wenig Bedeutung. Per Definition kön-
nen sie Vitæ nicht einmal annähernd so kontrolliert zum
Einsatz bringen, wie wir es können, da sie noch durch die
Segnung des Lebens eingeschränkt sind. Manchmal kreu-
zen sich unsere Pfade - ich selbst habe eine Reihe nützli-
cher Utensilien aus den unbedarften Händen der selbster-
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:12
 nannten Magier befreit, die sie erschaffen hatten und
nicht einmal ahnten, um welch mächtige Artefakte es sich
handelte, ganz abgesehen davon, daß sie ohnehin nie ihr
volles Potential hätten ausschöpfen können. Einige weni-
ge Male pro Jahrhundert tauschen einer von ihnen und
einer von uns Informationen aus, die dem anderen nütz-
lich sind, und manchmal enthalten die Informationen, die
wir ihnen geben, sogar ein paar Wahrheiten zwischen all
den Blindgängern.
Ich weiß, daß sie sich in eine Vielzahl von Fraktionen
unterteilen – Klassizisten der Gegenwart! -, aber das inter-
essiert mich nicht. Der einzige, der die Natur eines Ge-
schwürs kennen muß, ist der Chirurg, der es entfernt. Da
ich nichts mit lebenden Zauberern zu schaffen habe, son-
dern sie ignoriere, gibt es keinen Grund für mich, ihnen
unnötige Aufmerksamkeit zu schenken.
Die große Ausnahme dieser Regel der rationellen Apa-
thie begann in diesem Fall in der Phase des Umbruchs zwi-
schen Spätantike und Frühmittelalter. Eine Sekte unter
den Magiern kennt jeder von uns: „Tremere“. Ihr viel ge-
rühmter Orden des Hermes maßt sich eine bis in die An-
tike zurückreichende Geschichte an, taucht aber erst sechs
Jahrhunderte nach dem Fall des Römischen Reiches zum
ersten Mal in unseren Annalen der Geschichte auf. Zu
diesem Zeitpunkt erscheinen unser Gönner Tremere und
verschiedene Mitglieder seiner Brut auf der historischen
Bildfläche, als sie mit Kainskindern Informationen aus-
tauschten, um gleichzeitig (wenn sie davon ausgingen, da-
mit durchzukommen) die Zufluchten der Untoten aus-
raubten.
Damals aktive Blutmagier erinnern sich, daß viele le-
bende Zauberer immer größere Schwierigkeiten hatten,
ihre Rituale zu wirken, da eine kaum verstandene und bis
dahin unbekannte Art von Interferenz auftrat. Blutmagie
hingegen funktionierte wahrscheinlich so gut wie eh und
je, da ja auch Blut und Vitæ blieben, was sie waren, und
daher schenkten die Kainskinder dieser Zeit den mit sich
selbst beschäftigten sterblichen Magiern so gut wie keine
Aufmerksamkeit. Tremere entwickelte aber einen ab-
grundtiefen Neid auf die mystische „Gabe“ Kains und ent-
schloß sich schließlich, Kainskind zu werden und so die
„Früchte der Unsterblichkeit“ zu ernten. Statt die Gabe
der Zeitlosigkeit zu finden und mit ihr die eigenen For-
schungen bis in alle Ewigkeit fortzuführen, fand die neue
Gruppe der Kainiten die Verdammnis.

DIE GROSSE FINSTERNIS

VOM MAGUS ZUM BLUTMAGIER
Was gibt es über die Tremere zu sagen, was nicht schon
gesagt ist? Wir würden all unsere bisherigen Erfolge auf-
zählen, all die wahren Triumphe und noch viele andere
neben ihnen. Jeder Tzimisce, der nicht gerade anderwei-
tig beschäftigt ist – beispielsweise damit, Sie bis zur völli-
gen Vernichtung zu foltern - wird Sie auf all die Fehler der
Tremere hinweisen, die sowohl die Sünden Tremeres und
seines Inneren Rates als auch die unserer frühesten Säu-
gervorfahren einschließen. Die Geschichte der Tremere ist
kein Geheimnis, bis auf einige kleine Details, für die ich
aber nicht bereit bin, kostbaren Platz zu vergeuden, denn

KAPITEL EINS: DIE GESCHICHTE DER BLUTMAGIE

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Blutmagie03.p65 25 03.11.00, 17:12

Julia Reinecke (Order #10164437)

 diese sollten Sie bereits kennen, wenn Sie das Verständnis
und die Verbindungen haben, dieses Manuskript zu lesen.
Der Gelehrte läßt nach. Eine miß-
trauische Person würde sagen, seine Prahl
e-
reien sollten sein schändliches Unwissen ver-
bergen. Was für ein Glück, daß dieser Te
xt
keinen Leser finden wird, dem Mißtrau
en
gegenüber etwas, das ihm gegeben wurde, zueigen
ist. Weniger mag man wohl von einem diebisch
en
Hexenmeister nicht erwarten.
Sarkasmus ist ein
Skalpell, kein Totschläger.
Nun, nachdem dies gesagt ist, mag es doch einige inter-
essante und kaum bekannte Einzelheiten der Verwandlung
der Tremere geben, die es wert sind, hier genauer beleuch-
tet zu werden, und die ich alleinig zur Untermauerung des
Wissens wiedergeben mag. Goratrix’ Suche nach den
Bruchstücken des benötigten Wissens weist uns sowohl die
Stärke als auch die Schwäche dieses Lumpensammler-Vor-
gehens auf. Natürlich sammelte er eine große Menge sinn-
voller Informationen, ohne die Etrius’ Synthese des Ritu-
als, das die Magier in Vampire verwandelte, einen sehr viel
längeren Zeitraum in Anspruch hätte nehmen, vielleicht
sogar niemals hätte fertiggestellt werden können. Aber er
machte sich auch Personen, die seine Verbündeten hätten
sein können, zu Feinden. Das schließe ich aus Dokumen-
ten (wieder einmal leider nur aus zweiter Hand), die mir
zugänglich waren.
Trotz unserer Tugenden sind die Blutmagier noch nicht
den niederen Trieben des Geistes entwachsen. Wir erge-
ben uns nur allzu oft Neid und Rivalität, insbesondere in
den Reihen der Tremere. Es ist ein offenes Geheimnis, daß
ein vorsichtiger Manipulator zwei der unseren gegenein-
ander aufbringen kann, um den Konflikt dann zu seinem
eigenen Vorteil auszunutzen. Ich habe Goratrix nie per-
sönlich getroffen, aber ich bezweifle, daß man ihn dumm
nennen kann. Natürlich hätte es länger gedauert, aber ich
frage mich, ob nicht eine Reihe von Anfeindungen hätte
vermieden werden können, wenn er und seine Helfer ste-
tiger und weniger dringlich bei ihrem Einstieg in die Ge-
sellschaft vorgegangen wären.
Mir scheint, als hätte eine Reihe von Kainskindern nur
einen sehr vereinfachten Eindruck des Krieges zwischen
den Tzimisce und den Tremere. Ja, es entspricht der Wahr-
heit, daß die Verwandlung der Tremere auf Vitæ beruhte,
die den Tzimisce geraubt wurde, und dies mag durchaus
eine schlechte Wahl gewesen sein. Tzimisce-Ahnen ste-
hen allem Neuen kritisch gegenüber, und jede Herausfor-
derung (ganz zu schweigen von einer so direkten) sorgt für
eine zornerfüllte Gegenreaktion. Es ist aber dumm, davon
auszugehen, daß weder vorausgehende Konflikte die Blut-
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
magie des Ostens beeinträchtigten, noch daß der Krieg
gegen die Tremere aus nur zwei leicht voneinander zu un-
terscheidenden Parteien bestand.
Die Zeit der Völkerwanderung wich einer der religiösen
Tumulte, als sich das Christentum vom Süden her ausbrei-
tete. Ernsthaften Blutzauberern ist der begrenzte Nutzen
des Glaubens, den lebende Menschen pflegen, bewußt,
bietet er doch wenig Führung und viele mögliche Stol-
persteine, aber selbst die besten unter uns straucheln
manchmal auf dem Pfad der Reinheit. Kainskinder ver-
strickten sich in Auseinandersetzungen über die Religion
der Sterblichen; wenn ihnen erst unlängst der Kuß ge-
schenkt worden war, hatten sie sich nie von ihren alther-
gebrachten sozialen Mustern lösen können. Ein Teil der
Sorgen der Thaumaturgen über den Niedergang des Hei-
dentums mag begründet sein, erleichtern uns doch Kultu-
ren, die Blutopfer bevorzugen, unsere Forschungsarbeiten
um ein beträchtliches Maß. Dieser Konflikt breitete sich
etwa zur selben Zeit aus, in der auch Tremere und sein
Haus ihre Probleme hatten. Ähnlich wie bei den Blutma-
giern, die versuchten, die Reiche des Mittelmeers zurück-
zuhalten, müssen wir auch hier versuchen, die Ereignisse
mühsam zu rekonstruieren, da nur wenige Überlebende
zurückblieben.
Schon bald nach seinem Kuß reiste mein Erzeuger mit
seinem eigenen Vater durch die Lande, und sie trafen vie-
le alte Meister der Blutmagie. Sie verbrachten einige Zeit
in den dunkelsten Ecken Osteuropas, wo nur wenige Jahr-
hunderte zuvor Dutzende unserer Art gegeneinander ge-
kämpft hatten, sei es direkt oder durch Strohmänner. Ich
habe seine Zeichnungen eines kleinen Hains in einem fer-
nen Tal in den Karpaten gesehen, dessen Bäume aus je-
weils einem anderen Körperteil bestanden, die aber alle in
verwachsenes Holz verwandelt zu sein schienen. Der
Baum der Augen schied ständig ein übelriechendes Harz
aus; der Baum der Hände schien selbst in der leichtesten
Brise mit einer traurigen Geste zu winken; der Baum der
Herzen spendete weder Blut noch Vitæ, pulsierte aber in
einem unregelmäßigen Rhythmus, so daß im ganzen Tal
das Geräusch unzähliger Trommeln zurückgeworfen zu
werden schien. Mein Erzeuger sagte, es handle sich hier-
bei um die Überbleibsel eines Dorfes, dessen gesamte Be-
völkerung aus Ghulen bestand, die an eine Bluthexe ge-
bunden waren. Die Ghule seien von der Hand eines ihrer
Rivalen als Warnung an ihre Herrin dieser Verwandlung
unterworfen worden.
Einige der interessantesten Zufluchten, die in dieser Zeit
verwaisten, sind heute schwer zu erreichen. Das Land ist
kilometerweit in ihrem Umkreis von einer seltsamen Un-
fruchtbarkeit geprägt, die wir Eingeweihten bald zu erken-
nen wissen. Das letzte Aufbäumen eines Blutmagiers be-
deutet oft einen aus der Angst des Blutzauberers gebore-
nen „Todesschlag“. Manchmal vernichtet dieser den An-
greifer, manchmal aber auch nur eben jenes Ding, von dem
der geschlagene Magier annahm, sein Rivale trachte da-
nach. Von einem „Todesschlag“ betroffene Zufluchten ent-
halten meist nur Hinweise auf die mentale Verfassung ih-
rer ehemaligen Bewohner; nur selten findet sich etwas
Nützliches. Meist kann man nur erkennen, wie sich der
Gefallene die Unfruchtbarkeit vorstellte: ein gewaltiger
See giftigen Wassers umgeben von gezackten Vulkanglas-
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:12
 klippen, ein Berg, auf dem der Wind mit ungewöhnlicher
Geschwindigkeit peitscht und auf so gräßliche Art zu stöh-
nen scheint, daß die Körper der Sterblichen darunter zu
leiden beginnen, ein liebliches Tal, in dem jeder, der sich
zu lange darin aufhält, von einer tückischen Krankheit
befallen wird. Die Herrschaft des Industriezeitalters sollte
aber dafür sorgen, daß solche Orte zu Müllhalden und die
Verderbnis durch modernen und rationell verständliche-
ren Abfall verborgen wurde.
Man sollte nie vergessen, daß dies nur die Spuren der
Verlierer des Krieges sind. Die Spuren der Sieger sind ganz
anderer Art (wenn Außenstehende sie denn bemerken).
Mein Erzeuger fand eine Zuflucht, indem er die Diagram-
me des historischen Bevölkerungswachstums mit Karten
der örtlichen Geographie verglich: An einem der kleine-
ren Zuflüsse eines der großen Ströme Polens waren sehr
viel weniger Siedlungen zu finden, als zu erwarten gewe-
sen wäre. Er umgab sich mit den besten ihm zur Verfügung
stehenden Schutzzaubern und begann, in Richtung des
Zentrums dieser Anomalie zu gehen. Plötzliche Läh-
mungsanfälle zwangen ihn jedoch anzuhalten, zumindest
behauptet er das. Sein Kopf zuckte mehrere Minuten lang
wild umher, Vitæ spritzte ihm aus der Nase, die aufgrund
der Stärke des Krampfes brach. Als er sich erholt hatte,
konnte er in den Blutstropfen, von denen er annahm, sie
seien rein zufällig verteilt, eine Nachricht in einer der pri-
mitiveren kyrillischen Schriften unserer Art erkennen:
„Geh. Mein Heim wird nie einem anderen Obdach bie-
ten.“ Später fand ich im Britischen Museum den Brief ei-
nes der Generäle Peters des Großen, der beschrieb, wie
ähnliches einer ganzen Kompanie russischer Soldaten zu-
stieß. Obwohl er eine hervorragende Beschreibung der
blutgetränkten Szene bot, konnte er die Nachricht nicht
lesen. Und doch stellte diese Gegend das Ende eines Feld-
zugs dar.
Die Kriege zwischen Blutzauberern wurden immer spär-
licher, was teilweise sicher auf die Bemühungen der Tre-
mere in ihren Labors zurückzuführen ist. Es ist mir aber
unmöglich, den genauen Wendepunkt festzulegen. Einige
Auseinandersetzungen endeten, als alle Beteiligten dahin-
gerafft waren. Andere hatten klare Sieger. Wieder andere
verliefen im Sande, da die Gegner andere Beschäftigungen
fanden.
THAUMATURGIE
Ich habe bereits mehrmals erwähnt, daß die frühen Blut-
magier keinen Sinn für die unserer Kunst zugrundeliegen-
de Einheit hatten. Die Tremere änderten das, und allein
das macht unsere fortgesetzte Existenz zu einem Vorteil für
die vampirische Gesellschaft. Thaumaturgie als Disziplin
vereint natürlich nicht alle Formen der Blutmagie. Es war
den Tremere nicht vergönnt, die große Erfüllung zu errei-
chen; große Unterschiede bleiben zwischen den verschie-
denen Formen der Blutmagie bestehen. Thaumaturgie, so
wie wir sie definieren, ist eine Sammlung vieler Kräfte, die
zuvor einzelne Pfade waren. Sie bringt Ordnung, wo zuvor
Chaos war, mit nachvollziehbaren Mustern des Fort-
schritts und einer Methodologie, um neue Definitionen
aufzubauen. Thaumaturgie hat keinen Platz für die Kräfte
des Blutes, die auf Einflüsse der Umwelt (wie bei der kold-
unischen Hexerei) oder des Spirituellen (wie bei der He-
KAPITEL EINS: DIE GESCHICHTE
27
Blutmagie03.p65 27
Julia Reinecke (Order #10164437)
xerei der Setiten) angewiesen sind, noch bietet sie Platz
für Formen der Blutmagie, die mit anderen Weltbildern
einhergehen (wie es bei der Magie der Wesire der Assa-
miten der Fall ist). Trotzdem bleibt eine Unzahl von Pfa-
den, die es zu einen gilt. Goratrix’ Lumpensammeln erwies
sich für das Überleben unseres Clans als entscheidender,
als er selbst es sich erträumt hätte.
Die Tremere vereinbarten einige angespannte Waffen-
stillstände mit den rivalisierenden Blutmagiern, nachdem
sie den theoretischen Übergang zur untoten Thaumatur-
gie geschafft hatten. Blutmagier, die diese frühen Demon-
strationen miterleben durften, berichteten, was für eine
Offenbarung sie waren. Plötzlich ergaben viele Geheimnis-
se einen Sinn. Nein, ich werde jetzt nicht ins Detail ge-
hen; Details sind allein den Eingeweihten vorbehalten
und benötigen ohnehin zuviel Platz, um sie angemessen
darlegen zu können. Der Kern dieser Vision ist aber sehr
einfach: Schlüsseltechniken und Konzepte verbinden in
der Tat eine Reihe von Pfaden der Blutmagie. Es gibt zwar
(noch) keine schnelle Möglichkeit, neue Pfade zu identi-
fizieren oder zu entwickeln, aber wenn ein Blutmagier ei-
nen Pfad identifiziert hat, erlauben die thaumaturgischen
Werkzeuge eine deutlich schnellere Erforschung seiner
Möglichkeiten. Neue Pfade wurden entdeckt, und die
Schüler der alten trieben diese weiter voran als je zuvor.
In diesen ruhmreichen Nächten der Einsicht wurden die
üblichen Rivalitäten zumindest zeitweise beigelegt.
Es ist typisch für einen Europäer,
davon auszugehen, nur die Gescheh-
nisse auf seinem eigenen Kontinent
spielten eine Rolle. Die meisten euro-
päischen Vampire denken, sie hätten
den Kuß erst vor wenigen Jahrhun-
derten über den Atlantik gebracht.
Sie haben sich nie die Mühe gemacht,
den Erzählungen über die Blutmagie
zu lauschen, die bei unseren Völkern
zur Blüte kam, lang bevor der Ge-
nueser und sein Abschaum uns die
„Alte Welt“ brachten. Mit ungläubi-
gem Staunen und offenen Mündern
erkannten die Giovanni, wie gut die
mittelamerikanischen Praktiken ih-
ren Zwecken dienten, und so weit ich
weiß, haben sie sich auch nie gefragt,
ob das etwas zu bedeuten habe. Als
die großflächigen Umsiedlungen be-
gannen, verbrachten die Sekten ihre
Zeit damit, einander zu bekämpfen,
anstatt nach Kontakten unter den
Kainskindern zu suchen, die sich in
den Völkern verbargen, die so tat-
kräftig von den Europäern vertrieben
wurden.
Ich werde sie hier nicht erleuchten.
Laßt sie fragen, und sie werden viele
Dinge erfahren, die durchaus wis-
senswert sind.
DER BLUTMAGIE
03.11.00, 17:12

Mit keinem Wort geht unser Gelehrter auf ei-
nes der wohl bemerkenswertesten Ergebnisse der
Magie der Tremere ein: den gegen die Assa-
miten gerichteten Fluch.
Erkennt er nicht, wie beeindruckend es ist,
daß es einer Handvoll Emporkömmlinge, die
nur wenige Jahrhunderte auf der Straße des
Todes gewandert ist, gelingt, eine Tat zu vollbrin-
gen, die seit der oft gepriesenen Zweiten Stadt
nicht ihresgleichen sah?
Ein aufmerksamerer Beobachter hätte sich
vielleicht gefragt, ob jemand möglicherweise den Tre-
mere ein wenig unter die Arme gegriffen hat, un-
ter Umständen mit den Informationen eines
Eingeweihten. Aber solche Fragen zu stellen,
hieße wohl Unruhestifter abgewiesen zu werden.
Anscheinend ist es leichter, an eine Gruppe von
Super-Zauberern als an eine kompliziertere Ge-
schichte zu glauben.
NEUE BRANDHERDE
Kein Frieden währt bei unserer Art lang. Die Tzimisce
gaben ihren Kreuzzug gegen die Tremere auf, da sie er-
kannten, wie wenig Rückhalt sie unter den anderen Vam-
piren und daß sie daher keinerlei Hoffnung auf Erfolg hat-
ten. Statt dessen gaben sie sich damit zufrieden, mit ihrer
neugegründeten Sekte in der Politik der Kainskinder her-
umzuspielen. Die Blutzauberer, die schon seit zu langer
Zeit an bestimmte Ausrichtungen des Heidentums gebun-
den waren, gingen zusammen mit den anderen Anhängern
der alten Götter unter oder verbargen sich so gut, daß sie
auch ebenso gut hätten vernichtet sein können. Einige je-
ner, die die neue Disziplin praktizierten, suchten nach ei-
nem Platz für sich innerhalb des Clans - die meisten ver-
schwanden, einige vergingen und sehr wenige wurden auf-
genommen. Diese Lösungen hinterließen eine Leere im
Innern der Seele all jener aus unseren Reihen, die nach
der Essenz aller Dinge suchen; schließlich fanden wir aber
Ersatz.
Thaumaturgische Einsichten entfachten neue Streitig-
keiten: Jeder versuchte, der erste zu sein, der die neuen
Erkenntnisse gegen seine Feinde einsetzte, Geheimnisse,
die der Entwicklung neuer Pfade oder Rituale zugrunde
liegen könnten, wurden angehäuft, und all die üblichen
Abneigungen kamen wieder an die Oberfläche. Blutma-
gier, die besonders von den Tremere beeindruckt waren,
begannen nun, mit den Usurpatoren um den Einfluß un-
ter Sterblichen zu buhlen - sie ließen ihre Suche nach dem
endgültigen Verständnis des kainitischen Wesens zurück,
nur um flüchtige Belohnungen in Form von politischem
oder ökonomischem Gewinn einzuheimsen. Erleuchtetere
Sucher können wohl kaum ihre Abscheu für dieses Spek-
takel verbergen, aber es entspricht leider den Tatsachen,
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
28
Blutmagie03.p65 28
Julia Reinecke (Order #10164437)
daß viele Blutmagier es nun vorzogen, sterbliche Führer zu
beeinflussen oder zu beherrschen, anstatt den längeren
Weg zu wirklicher Macht zu gehen. Der Platz, den ich die-
sen Betrügern des Versprechens des Blutes in dieser Chro-
nik widme, ist so groß wie eben nötig; man kann ihre Ta-
ten zusammen mit denen anderer Narren in den Annalen
der Kainskinder und auf den Titelblättern der Zeitungen
lesen.
DIE INQUISITION UND DIE SEKTEN
Für uns stellte die Inquisition nur eine Belästigung un-
ter vielen dar. Blutmagie hatte schon immer Gegenwehr
von Sterblichen erfahren, die sich für mehr hielten, als sie
waren, nämlich nur Rohmaterial für unsere Experimente.
Jene, die unsere Kunst erfolgreich praktizieren, lernen,
sich zu verstecken, oder sie gehen unausweichlich unter.
Der subtile Hexenmeister kann seine Zaubereien fortset-
zen, während der klar erkennbare Hexer die Feuer der In-
quisition nährt. Während andere Vampire in Panik aus-
brachen, verfolgten wir unsere Ziele weiter.
Die Camarilla und der Sabbat stellten schon eher ein
Problem dar. Ich habe weder Interesse an all den Dingen,
die die Augen der Schwarzen Hand zum Leuchten brin-
gen, noch an ihrem lächerlichen Versuch, eine Geschich-
te und eine Religion zu erschaffen, ohne auf die Einsich-
ten, die einzig durch unsere Studien erzielt werden kön-
nen, zurückzugreifen. Beide sind aber bemüht, die Vor-
herrschaft über alle Kainskinder zu erlangen, und verlan-
gen von uns, ihnen in den engen Bahnen zu antworten,
die für sie die gesamte vampirische Realität beinhalten. Sie
akzeptieren „Nein“ nicht als Antwort, noch hören sie den
geduldigsten und einfachsten Erklärungen zu, die das gan-
ze Ausmaß ihres Unwissens beschreiben. Ich habe keinen
Respekt vor denen, die nach außen einer der beiden Sek-
ten die Treue schwören, aber wenn es ihnen die nötige
Freiheit gibt, ihre Forschungen ungestört fortzusetzen,
dann kann ich sie verstehen. Natürlich schenke ich der
Camarilla mein Talent und meine Unterstützung, aber nur,
um sie in ihren Zielen zu bestärken. Hurrapatriotismus ist
die Zuflucht der Einfältigen.
Die Entstehung der Sekten hat der kontrollierten Blut-
magie mehr geschadet als jede andere Krise seit dem Sturz
der Zweiten Stadt. Die Möchtegern-Herren der Vampire
zwangen unsere Aktivitäten in Bahnen, die ihnen ver-
ständlich waren, und verlangten von uns, ihre Ziele vor-
anzutreiben. Viele vielversprechende Forschungsreihen
versiegten oder fielen in Vergessenheit, da nicht ausrei-
chend Forscher zur Verfügung standen. Der große Zuge-
winn der Thaumaturgie ist ein schwacher Ausgleich für
die Unannehmlichkeiten, die bis heute bestehen.
JÜNGSTE ENTWICKLUNGEN
Wir existieren in einer seltsamen Zeit.
Mit jedem Jahr erzielt unsere Art weiter unerwartete
Durchbrüche auf den entsprechenden Pfaden der Blutma-
gie. Wir lernen so viel, daß es schwer fällt zu glauben, wir
erreichten dies ganz allein. Werden wir von außen mani-
puliert, um undurchschaubaren Zielen zu dienen? Unser
Stolz macht es uns schwer, diese Möglichkeit überhaupt in
Betracht zu ziehen. Wenn außenstehende Mächte in un-
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:12
 seren Reihen agieren - und das tun sie -, dann treiben sie
uns zumindest auf unserem Weg voran. Aber dieser Ge-
danke wirft die Frage auf, ob der Weg, dem wir folgen,
wirklich der beste ist, um unser Ziel der Uressenz zu errei-
chen.
In Blutmagie liegt Wahrheit. Es ist nicht alles Lüge wie
die Märchen, die wir Sterblichen erzählen. Vielleicht ha-
ben einige auch die Wahrheit mit Lügen versetzt; ich bin
nicht so töricht zu erwarten, keinerlei Manipulationen zu
finden. Ich halte es aber trotzdem für wahrscheinlicher,
daß, falls wir manipuliert werden, unsere Puppenspieler
eher unsere Wahrheiten nutzen wollen, als einfach nur
unsere Fehler.
Verzweiflung ist süß.
Und ach so nützlich.
Zur gleichen Zeit, da wir weiter marschieren, verlieren
wir alte Siege. Der Fluch der Assamiten scheint über
Nacht gebrochen worden zu sein, ohne Vorwarnung - und
alle eiligen Versuche der Tremere, ihn wiederzuerwecken,
sind gescheitert. Alte Schutzzeichen zerfallen und entlas-
sen seltsame Kreaturen in die Welt. Versiegelte Zufluch-
ten tun sich auf, und offene Zufluchten schließen sich, so
daß ihre Erschaffer in plötzlich um ein vielfaches verstärk-
ten Barrieren, die sie nicht durchbrechen können, gefan-
gen sind. Die Welt scheint sich zu verkehren. Selbst der
sonst so vertraute Nachthimmel scheint uns nicht mehr
willkommen zu heißen, da dieser verdammte, geheimnis-
volle rote Stern all unsere thaumaturgischen Analysen der
Kraftlinien am Himmel verkompliziert.
KAPITEL EINS: DIE GESCHICHTE
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Blutmagie03.p65 29
Julia Reinecke (Order #10164437)
Die lächerlichen Gargylen sammeln sich, um Rechte zu
verlangen, als ob diese Haufen von Kies und Vitæ noch
irgend etwas anderes könnten, als ihren Herren zu dienen.
„Rechte“ stehen keinem Teil der Schöpfung zu, wie wir sie
durch die Vitæ sehen. Der Erschaffer hat keine Verantwor-
tung gegenüber seinem Werk; das Werk schuldet alles sei-
nem Erschaffer. Auch wenn ich mir gern einrede, erfahre-
nere Blutmagier hätten die Kontrolle über die Gargylen
nicht so leicht verloren, so stimmen mich doch einige der
Berichte über „ freie Gargylen“ nachdenklich. Vielleicht
haben einige der gerisseneren Tremere ihre kaputten
Spielzeuge aber auch auf Ideen gebracht, die die Camaril-
la nicht akzeptieren kann, so daß ein Konflikt entsteht, in
dem die Gargylen untergehen müssen. Das wäre eine be-
merkenswerte Großtat.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Vergangenheit ist nur von Nutzen, wenn man sie
einzusetzen weiß. Wirklich wichtig sind die Gegenwart
und die Zukunft. Hilft Ihnen das auf dem Weg zur Meister-
schaft? Dann behalten Sie es im Kopf. Wenn nicht, ver-
werfen Sie es und lernen Sie statt dessen etwas anderes.
Ich habe meinen Teil getan.
Vater Terrel Harding, Magus Do-
minus aus St. Moses, dem Schwar-
zen Gildehaus,
alias Ronnie Royce, Clan Brujah,
alias Bruder Demetrius Vance,
Malkavianer antitribu
DER BLUTMAGIE
03.11.00, 17:12
 Blutmagie04.p65 30 03.11.00, 17:38

Julia Reinecke (Order #10164437)

 KAPITEL ZWEI:
BLUTRITEN

Die Loseblattsammlung, die Sie nun in Händen halten, Zu lange sind die Anarchen dem Clan mit abgedrosche-
schildert detailliert die Geheimnisse hinter der wahren nen, trivialen Methoden entgegengetreten, wie beispiels-
Macht des Clans Tremere - die Geheimnisse der Thauma- weise den dummen „Anti-Ritualen“, die angeblich die
turgie und Blutmagie. Ich habe über ein Jahrzehnt als Hexenmeister zur Zielscheibe von Hohn und Spott ma-
Lehrling zugebracht, ehe ich dem stagnierenden, unter- chen sollen, aber anstelle dessen einfach denjenigen, der
drückerischen System entkommen konnte, daß diesen das Ritual wirkt, selbst kindisch und unreif erscheinen las-
Clan und die Camarilla als Ganzes durchdringt. Seitdem sen.
versuche ich mein Glück als Anarch, frei vom Einfluß Ich habe mich entschlossen, den direkteren Weg zu ge-
meines Erzeugers und der Ahnen meines Clans. Ich bin hen. Indem ich die Geheimnisse der Blutmagie enthülle,
nicht so dumm, meinen Namen hier zu verraten; zweifels- schlage ich die erste Bresche in ihre obsolet gewordene
ohne wird dieser Text eines Nachts von irgendeinem Trutzburg.
schlauen Hexenmeister gelesen werden. Ich habe nicht
vor, es ihnen allzu leicht zu machen, mich zu identifizie- M,
ren - die Blutmagie bietet viel zu viele einzigartige, unge- sterbliche Gefolg
sleute fanden kürz
ahnte Möglichkeiten, Vergeltung zu üben. 33 Kopien dieses We lich
rkes in einem Lage
Die Camarilla gewinnt ihre Stärke aus einer Struktur in Chicago. Das La rh aus
gerhaus diente al
jahrhundertealter Traditionen, die von konservativen, äl- schenzuflucht“ fü s „Z wi -
r Anarchen auf der
teren Kainskindern gehegt und gepflegt wird. Indem er reise. Nicolai konn Durch-
te verhindern, da
Wissen anhäuft und jüngere Kainskinder wie Schachfigu- se s We rk in di e ß die-
Hä nd e de r an de re
ren manipuliert, wird dieser Elfenbeinturm zum Gefängnis fiel. n Cl an s
für jeden bis auf die Ältesten unserer Art. Mit diesem Es scheint in eine
m Copy-Shop vor Or
Werk hoffe ich, das Fundament einer der Grundsäulen piert worden zu se t ko-
in. Gemäß einer Qu
dieser Organisation offenzulegen - des Clans Tremere. die auch im Lagerh ittung,
aus gefunden wurd
Die Hexenmeister sind ohne Zweifel eine der Ranken, den leider 35 Kopi e, wur-
en gemacht. Deshal
die das Wachstum der kainitischen Gesellschaft ersticken. es do rt dr au ße n no b gibt
ch mi nd es te ns zw
Ihre Macht beruht fast ausschließlich auf ihren Zauber- das Original. Obgl ei un d
eich der Verfasse
künsten. Ohne ihre Magie verfügen die grauen Herren ke nn tn is re ic h un r sehr
d du rc ha us ge wi ll
über keine besondere Autorität. Deshalb hüten sie eifer- scheint, alles zu t er -
verraten, was er üb
süchtig die Geheimnisse der Thaumaturgie. Blutmagie sere Praktiken weiß er un-
, können wir den hi
schützt sie seit Jahrhunderten vor der Rache der Tzimisce, re su lt ie re nd en Sc eraus
ha de n ei nd äm me n,
Nosferatu und Gangrel; heute ermöglicht sie ihnen, alle wir nur schnell un we nn
d entschlossen ha
ndeln,
di Zagreb
Kainskinder in ihren Würgegriff zu zwingen. Selbst inner-
halb des Clans geben die Ahnen Wissensbruchstücke wie
Pawlowsche Belohnungen für richtiges Verhalten an jün-
gere Magier weiter.
KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN
31

Blutmagie04.p65 31 03.11.00, 17:39

Julia Reinecke (Order #10164437)

 DIE ENTWICKLUNG
DER THAUMATURGIE
Magier verbrachten Jahrhunderte damit, in die Geheim-
nisse der Thaumaturgie einzutauchen. Noch heute wid-
men die Blutmagier der Kainskinder viel Zeit und Ressour-
cen der Suche nach uralten Schriften und der Entwick-
lung neuer Zauber. Da die Disziplin für die Begriffe der
Kainskinder erst jüngst entwickelt wurde, mag diese Be-
sessenheit Außenstehenden seltsam erscheinen. Aber es
war dieser blinde Ehrgeiz und der Selbsterhaltungstrieb,
der die Mitglieder des Clans Tremere, der einen Großteil
der Thaumaturgen stellt, von Anfang an dazu brachte, die
Feinheiten der Blutmagie zu meistern.
DIE SUCHE NACH UNSTERBLICHKEIT
Ich will keine komplette Vorlesung über die Hexenmei-
ster halten, aber ein gewisses Grundwissen über die Ver-
gangenheit des Clans ist nötig, um zu verstehen, warum
sich Thaumaturgie zu ihrer jetzigen Form entwickelt hat.
Die unter den Neugeborenen flüsternd weitergegebenen
Legenden sind wahr: Clan Tremere wurde von menschli-
chen Magiern gegründet, die freiwillig den Mantel der
Unsterblichkeit annahmen. Ein bohrendes Verlangen
nach Wissen und mehr Macht verschlang buchstäblich das
sterbliche Leben der Gründerväter des Clans. Leider kann
man derart große Macht nur durch langes und gründliches
Studium erringen - nach Meinung der Magier sehr viel
länger als die Lebensspanne eines Sterblichen. Die Grün-
der hatten fast unbegrenzt Zeit, ihre Forschungen fortzu-
führen, aber ironischerweise führte sie ihr Streben nach
Magie dazu, sie wieder zu verlieren. Indem sie ihre Sterb-
lichkeit opferten, gaben sie auch die arkanen Fähigkeiten
auf, die sie so sehr schätzten.
Seltsamerweise unterbleibt eine Erklärung für diesen
Verlust bei der Unterweisung eines Lehrlings der Tremere.
Was immer der Grund gewesen sein mag, er stand nicht
mit dem ursprünglichen Ritual der Verwandlung selbst in
Verbindung. Obwohl die grauen Herren in dieser Sache
sehr schweigsam sind, stolperte ich vor Jahren über einen
alten Bericht über die frühen Nächte der Tremere als
Vampire. Die Gründer gaben den Kuß an viele Mitglieder
ihres Hauses weiter, und alle verloren ausnahmslos die Fä-
higkeit, die Magie der Sterblichen zu wirken. Ich hege vie-
le Vermutungen über das Wesen der Magie, und die Kains-
kinder könnten mit ihrem Ursprung verbandelt sein, was
den Ahnen der Hexenmeister einen guten Grund gibt, die
Offenlegung ihrer Geheimnisse zu fürchten.
Obgleich der Verlust ihrer Macht ein schwerer Schlag
war, war die unmittelbarste Sorge der neugeborenen Zau-
berer die Tatsache, daß sie sich in ihrem Streben nach
Unsterblichkeit mächtige Feinde gemacht hatten. Als sie
noch nach dem Geheimnis des Untods geforscht hatten,
hatten sie einige Experimente mit Tzimisce angestellt.
Diese Kainskinder, einschließlich mindestens eines Ahnen
des Clans, überlebten diese Forschungsarbeiten nicht.
Diese Tat brachte den Hexenmeistern die Feindschaft der
Unholde ein. Wirklich verständlich.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
32
Blutmagie04.p65 32
Julia Reinecke (Order #10164437)
Die Hexenmeister, die durch den Verlust ihrer ursprüng-
lichen Fertigkeiten geschwächt waren, wußten, daß sie
schnell einen eigenen, beachtlichen Vorteil für sich erar-
beiten mußten, oder sie würden vernichtet werden. Die
ehemaligen Magi paßten eine uralte Form der Mystik aus
ihren Zauberbüchern ihrer neuen Existenz an. Andere
Clans hatten bereits mit dieser Kunst experimentiert und
sie Blutmagie getauft. Sie war eine Form der Hexerei, die
sich der Macht bediente, die in der Vitæ zu finden war.
Clan Tremere glaubte, es sei möglich, die Riten der Blut-
magie in vertrautere hermetische Formeln zu übertragen,
ohne daß ihre Wirksamkeit verloren ginge. Wie die andau-
ernde Existenz und der Einfluß des Clans beweist, hatten
die Gründer nicht nur Erfolg, ihr Unterfangen war ein re-
gelrechter Durchbruch. Die frühen Hexenmeister kodifi-
zierten Rituale und Praktiken und schufen so, was als die
Disziplin Thaumaturgie bekannt wurde.
DIE BELAGERUNGSMENTALITÄT
Seit seinen Ursprüngen hütet der Clan seine arkanen
Geheimnisse eifersüchtig; wenn es um Thaumaturgie geht,
ist Wissen tatsächlich Macht. Und selbst heute brauchen
die Hexenmeister noch alle Macht, die sie kriegen können.
In seiner kurzen Geschichte hat sich der Clan viele Fein-
de gemacht, und die meisten Tremere glauben, der Clan
werde immer noch von einigen seiner alten Widersacher
gejagt; Kainskinder, denen Unrecht angetan wurde, haben
ein langes Gedächtnis. Die Tzimisce hegen auf die Treme-
re nach wie vor großen Haß, und die assamitischen Kan-
nibalen, die einst durch thaumaturgische Rituale in
Schach gehalten wurden, haben die Bande der Tremere-
hexerei irgendwie gebrochen. Es gibt kaum Zweifel, auf
welchen Clan diese Diableristen ihre Rache konzentrieren
werden. Die Hexenmeister können sich nur auf Thauma-
turgie verlassen, wenn es darum geht, ihre Feinde zurück-
zuhalten und letzten Endes zu besiegen.
Die Geschichte und die ständig drohende Auslöschung
haben unter den Thaumaturgen eine Tradition der For-
schung und der Experimente notwendig gemacht, aber die
Blutmagier haben auch andere Gründe, ihre Praktik auf-
rechtzuerhalten. Thaumaturgie bietet ausgesprochen viel-
seitige - und mächtige - Fähigkeiten. Diese dienen dem
Magier nicht nur als Schutz, sondern auch dazu, seinen
Einfluß weiter auszubauen. Hexerei eröffnet nahezu un-
endliche Möglichkeiten, Gefallen bei anderen Kainskin-
dern einzuheimsen.
Auf politischer Ebene begründet die Kenntnis dieser
Disziplin das Prestige des Clans Tremere in der Camarilla.
Die Herrschaft des Clans über die Blutmagie hat dieser
Organisation einen enormen Vorteil gegenüber ihren Geg-
nern verschafft, und infolgedessen hilft die Camarilla den
Tremere bei der Verteidigung gegen ihre Feinden. Dies er-
laubt es wiederum den Tremere, noch mehr Zeit Studium
und Forschung zu widmen, was zu einem geschlossenen
Kreislauf führt, der die Stärke des Clans und der Camaril-
la ständig wachsen läßt.
Um ihre Geheimnisse zu schützen, so habe ich gehört,
seien sie so weit gegangen, alle Tremere zu töten, die sich
dem Sabbat angeschlossen hatten. Wenn ihnen Genozid
angemessen erscheint, dann müssen sie es wirklich ernst
meinen.
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:39
 GEHENNA
Obwohl große magische Macht an und für sich schon
ihren materiellen Lohn mit sich bringt, gibt es noch ein
Ziel, das viele Studenten der Thaumaturgie antreibt. Die-
se Magier glauben, Thaumaturgie könne ihnen einen ge-
wissen Schutz bieten, wenn Gehenna kommt. Sie behaup-
ten, die Disziplin sei den Vorsintflutlichen unbekannt, da
sie erst vor kurzer Zeit entwickelt wurde - möglicherweise
handelt es sich bei ihr um die einzige Fähigkeit dieser Art,
die den heutigen Kainskindern zugänglich ist.
Ich stelle die Logik dieser Annahme in Frage, da die Tre-
mere sie nur aus älteren Formen der Blutmagie ableiteten.
Vielleicht hat der Clan der uralten Kunst Ordnung ge-
schenkt und sie verfeinert, aber ich bezweifle, daß diese
Praktik den Vorsintflutlichen wirklich unbekannt war. Die
Tremere haben nur bestehende Blutmagie in eine zuver-
lässigere Form gebracht. Ich habe mehrere uralte Texte in
Bibliotheken einiger Gildehäuser gesehen, die Blutmagier
aus einer Zeit vor den Tremere erwähnen - einschließlich
früher Hexer der Assamiten. Beispielsweise ist das Buch
Nominis Inferni eigentlich die Übersetzung eines weit älte-
ren Textes in Sanskrit. Vielleicht war Blutmagie vor der
Thaumaturgie rar, aber ich halte es für ein Zeichen der ty-
pischen Arroganz der Hexenmeister zu behaupten, sie sei
vor dem Auftreten ihres Clans gänzlich unbekannt gewesen.
Dennoch sehen viele Ahnen der Hexenmeister dieses
Selbstvertrauen als Doktrin. Ich fürchte, sie werden ihr
blaues Wunder erleben, wenn die Alten wiederkehren...
HERMETISCHE
THAUMATURGIE
Thaumaturgie unterscheidet sich von den früheren For-
men der Blutmagie dadurch, daß an ihre Anwendung mit
einem systematischen Ansatz herangegangen wird. Die
Schöpfer der kainitischen Thaumaturgie waren ursprüng-
lich Hermetiker. Die hermetische Tradition erhält ihren
Namen von Hermes Trismegistus oder Hermes „dem drei-
fach Großen“, dem legendären Begründer dieser Magie-
form. Mittelalterliche Alchimisten sahen ihn als den Va-
ter der alchimistischen Philosophie, und er wird bereits in
Schriften aus dem 7. Jh. erwähnt - mit der Zeit wurde jeg-
liche alchimistische Philosophie und Anwendung einfach
als hermetische Magie bekannt.
Die hermetische Praktik verband die Kunst uralten My-
stizismus mit einer analytischen, wissenschaftlichen Her-
angehensweise. Sie bewies die Macht der Magie mit Logik
und Vernunft. Die Hermetik strebte nach der Herrschaft
über das Weltliche durch den Einsatz des Willens. Ihren
Lehren zufolge stehen alle natürlichen Elemente (Gold,
Blei, Wasser usw.) und Phänomene (Feuer, das Leben
selbst usw.) miteinander in Zusammenhang, wobei man-
che bestimmte Eigenschaften besitzen, die vom hermeti-
schen Magier durch die richtige Vorbereitung und entspre-
chende Rituale nutzbar gemacht werden können. Die
Hermetiker behaupteten, ein geübter und gelehrter An-
wender könne diese Eigenschaften und Beziehungen nut-
zen, um der Wirklichkeit seinen Willen aufzuzwingen.
Entgegen der landläufigen Meinung beschäftigt sich her-
metische Alchimie nicht nur mit der Verwandlung von
KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN
33
Blutmagie04.p65 33
Julia Reinecke (Order #10164437)
Blei in Gold. Die Zauberer sahen Gold nur als das edelste
aller Metalle, und die Verwandlung einer gegebenen Sub-
stanz in Gold war nur ein Zeichen für die Herrschaft über
die hermetischen Künste. Da die Alchimisten behaupte-
ten, das philosophische Ziel der Hermetik sei eine reine
Seele oder reiner Geist gewesen, war die Suche nach Gold
- dem reinsten Metall - nur eine Allegorie.
Ja, klar. In Wirklichkeit waren diese Zauberer spirituell
genauso rein oder unrein wie jeder andere auch. Was sie
von den Scharlatanen und Quacksalbern dieser Ära un-
terschied, war ihr Verständnis der Prinzipien der Wir-
kungsweise des Arkanen.
Nachdem die Tremere die Unsterblichkeit erlangt hat-
ten, wandten sie den systematischen Ansatz der hermeti-
schen Analyse auf ihren neuen Zustand an. Wie erwähnt
blockierte der Zustand des Unlebens auf irgendeine Weise
den Zugang zu ihrer Magie der Sterblichen. Durch Nach-
forschungen und Versuche lernten die Hexenmeister je-
doch, daß Blutmagie, eine uralte, gefürchtete Kunst der
Kainskinder, es ihnen erlauben würde, die in ihrer eigenen
Vitæ ruhende Macht zu formen und so ihre verlorene
Macht zurückzugewinnen. Natürlich könnte eine philoso-
phisch angehauchte Person leicht die Frage stellen, ob es
ein guter Handel ist, die eigene Seele im Austausch gegen
Unsterblichkeit zu verpfänden.
BLUTMAGIE
Ich hege keine Zweifel, daß viele Religionen und Gesell-
schaften der Sterblichen im Verlauf der Jahrtausende Blut-
magie in der einen oder anderen Form praktiziert haben.
Belege für gescheiterte oder eingestellte Versuche finden
sich in ganz unterschiedlichen Kulturen, von der Babylons
über die uralte chinesische Alchimie bis hin zu den Azte-
ken in Mittelamerika. Manche dieser Anstrengungen zeig-
ten Erfolge, aber keine von ihnen war wirklich verläßlich.
Blutmagier versuchen, sich die Macht zunutze zu ma-
chen, die der Flüssigkeit innewohnt, die als Vitæ bekannt
ist - die mystische Essenz des Blutes. Was die meisten
Sterblichen nicht erkennen, ist die Tatsache, daß Blut an
sich keine Macht besitzt. In ihrer reinsten Form bedient
sich die Blutmagie eigentlich der Macht des Lebens selbst;
Blut ist nur ein Leiter. Blutopfer allein können die im Blut
enthaltene Lebensenergie nicht nutzbar machen; das liegt
wahrscheinlich jenseits aller Fähigkeiten eines sterblichen
Zauberers. Es mag schon vorgekommen sein, daß es einem
sterblichen Anwender der Blutmagie gelang, aber diese
Fälle sind nur Zufallstreffer und nicht wiederholbar.
Kainskinder ernähren sich andererseits von Natur aus
von dieser Kraft. Der Kuß beseelt die Vitæ mit mystischer
Energie. Kainskinder nutzen diese Energie, um ihre Exi-
stenz zu verlängern. Dieselbe Vitæ, die es uns ermöglicht,
dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, öffnet uns die Tore
zur Blutmagie. Jedes Kainskind mit dem richtigen Wissen
und dem Wunsch dazu kann Blutmagie wirken; die Tre-
mere verfügen nicht über eine besondere, ausschließliche
Anlage zur Thaumaturgie. Der Geiz der Hexenmeister
hinsichtlich ihrer Geheimnisse hält die Kainskinder je-
doch davon ab, ihr volles Potential zu erreichen.
Die Berichte über Blutmagie vor dem Aufstieg der Tre-
mere sind skizzenhaft und bestenfalls unzuverlässig zu
03.11.00, 17:39
 nennen, aber es ist trotzdem eine interessante Feststel-
lung, daß die Hexenmeister nicht die ersten waren, die das
arkane Potential der Vitæ erkannten. Die Assamiten, die
Tzimisce und einige andere Clans haben alle eine Form
der Blutmagie praktiziert. Da es ihnen aber an der ver-
nunftgesteuerten, methodischen Herangehensweise der
Hermetik mangelte, bestand Blutmagie über ein Jahrtau-
send lang größtenteils aus zufälligen Versuchen und auf-
wendigen Ritualen. Viele Elemente der Kunst waren nur
Schaustellerei, um Sterbliche und unwissende Kainskinder
zu beeindrucken. Berichte über Kelche, die mit dem Blut
von Jungfrauen gefüllt sind, oder Herzen, die den Opfern
bei lebendigem Leib aus der Brust geschnitten werden,
sind die Hauptbestandteile dieser frühen Geschichten;
gutes Theater vielleicht, aber was Blutmagie angeht ei-
gentlich unnötig.
Die Tremere verschmolzen Blutmagie mit Hermetik,
wobei sie beide Traditionen bis auf ihr Gerippe reduzier-
ten. Für die Tremere ist hermetische Thaumaturgie nur
ein Werkzeug - genauso sehr oder wenig spirituell wie jede
andere Disziplin der Kainskinder. Die Hexenmeister haben
alle religiösen Bezüge oder Anmaßungen frivoler Zur-
schaustellung aus ihren Systemen gestrichen. Bei Ritualen
der Tremere findet man selten stundenlange Liturgien, fle-
hendlich vorgetragene Gebete oder Altare. Wenn eine
Prozedur nicht einem thaumaturgischen Zweck dient, wird
sie für gewöhnlich aus der Tradition gelöscht.
Beachten Sie bitte, daß das nicht immer der Fall ist - wie
ich später noch näher darlegen werde, versehen manche
Individuen den nicht-traditionellen Zierrat der Blutmagie
mit einer gewissen mechanischen Bedeutung. Ich weiß
von mindestens einem katholischen Priester, der sich beim
Wirken seiner „Wunder“ in erster Linie auf die Rituale der
Kirche verläßt. Jedem das seine, Vater - in diesem kleinen
Essay spreche ich vom Gros des Clans.
„WAHRE MAGIE“ CONTRA
THAUMATURGIE
Tremere bezeichnen sich oft selbst als „Magier“; Singu-
lar und Plural sind identisch. Sie verwenden „Magus“ -
Plural „Magi“ - für sterbliche Zauberer. Obwohl sowohl die
Thaumaturgie der Kainskinder als auch die arkanen Prak-
tiken der Sterblichen in der alchimistischen Wissenschaft
des Mittelalters wurzeln, treffen die Tremere aus gutem
Grund eine Unterscheidung - die Unterschiede zwischen
diesen beiden „Schulen“ sind genauso groß wie zwischen
Kains- und Sethskindern.
Magi praktizieren eine Form der Magie, die sich von den
Blutriten der Thaumaturgie unterscheidet. Da die Ahnen
des Clans leider vor langer Zeit entschieden, sie solle den
Magiern unter den Kainskindern für immer verwehrt blei-
ben, finden sich in den Gildehäusern der Tremere nicht
mehr viel Informationen über die Magie der Sterblichen -
zumindest behaupten die grauen Herren das. Ich kann mir
nicht vorstellen, daß die Überlebenden derart vieler Po-
grome potentielle Feinde nicht genau im Auge behalten.
Die Berichte, die zugänglich sind, weisen daraufhin, daß
die Magi sich beim Wirken ihrer Hexerei auf eine äußere
Kraft verlassen.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
34
Blutmagie04.p65 34
Julia Reinecke (Order #10164437)
Außerdem scheinen Magi sich zu scheuen, zuviel ihrer
Kraft offen wirken zu lassen, da sie Nebenwirkungen
fürchten, die ihre Manipulationen der Wirklichkeit aus-
gleichen. Anhand der begrenzten Texte, die mir zur Ver-
fügung standen, war es mir unmöglich zu bestimmen, was
diese Nebenwirkungen hervorruft. Es scheint nahezu im-
mer unangenehme Resultate zu bewirken - ich vermute,
dies gilt nur, wenn man es wirklich nur als „unangenehm“
betrachtet, wenn aus alten Narben plötzlich Blut spritzt
oder Gelenke sich in die falsche Richtung beugen lassen.
Wo Thaumaturgie ihre Wurzeln zur hermetischen Tra-
dition der Sterblichen zurückverfolgt, ist die Magie, wie sie
von den Kainskindern gewirkt wird, Welten von der ihrer
früheren „Kollegen“ getrennt. Die Blutmagie der Thauma-
turgie entspringt dem Inneren des Magiers; er verläßt sich
nicht auf eine äußere Quelle, um der Welt seinen Willen
aufzuzwingen. Nur seine Zielstrebigkeit und Ausdauer be-
grenzen die Macht eines Magiers.
Der Thaumaturg ist des weiteren beim Wirken seiner
Magie nicht den Gesetzen der Wirklichkeit unterworfen;
kein Blutmagier hat je die Nebenwirkungen der mythi-
schen und nebulösen Nemesis der Magi verspürt. Warum
dem so ist, hat mir keiner je erklärt. Ich denke, es liegt
daran, daß Magi sich irgendeiner äußeren Quelle für ihre
Macht bedienen, wohingegen wir Kainskinder uns ledig-
lich auf unsere eigene Vitæ verlassen, aber das ist bloß
eine Theorie von mir. Eine andere magische Schule postu-
liert, Vampire würden schon sehr lange mit Magie in Ver-
bindung gebracht, während die sterblichen Zauberer von
anderen Menschen gemieden werden. Diese „übereinstim-
mende Akzeptanz“ riecht für mich allerdings ein wenig
nach einem artifiziellen Konstrukt - wenn Legenden allein
durch Glauben zur Wirklichkeit werden können, würde
dies nahelegen, daß es dort draußen noch unzählige „an-
dere“ Wesen und Magieformen gäbe und daß man buch-
stäblich wie durch ein Tor in eine andere Welt schreiten
könnte. Diese metaphysischen Gedanken vergißt man am
besten.
Die Magier glauben, die meisten Einschränkungen der
Magi entstammten ihrer Sterblichkeit. Unabhängig von
Begabung oder Lehre kommt ihre Existenz der einer Ein-
tagsfliege gleich, wenn man sie mit einem Magier der
Kainskinder vergleicht; der Magus hat einfach nicht die
Zeit, um seine Kunst so zu meistern und seine Fertigkei-
ten so auszubilden wie ein Magier. Diese aus der Sterblich-
keit erwachsenden Beschränkungen ließ Tremere selbst
nach der Gabe der Unsterblichkeit streben. Außerdem
kann ein Magier die Macht seiner Vitæ anrufen - was ihm
kein Magus auf verläßliche Weise gleichtun könnte -, wo-
durch es dem Magier ermöglicht wird, seine gesamte
Macht aus dem eigenen Inneren zu schöpfen.
Insgesamt sehen Thaumaturgen Magi als Anwender ei-
ner gröberen Kunst als die ihre. Kein Blutmagier kann je-
doch die immense Macht leugnen, die ein Magus unter
Druck an den Tag legen kann. Es liegt im Wesen der nicht-
hermetischen Magie der Sterblichen, schreckliche Kräfte
entfesseln zu können. Vielleicht zahlt der Magus für seine
fehlerhafte Kunst später einen furchtbaren Preis, aber das
ist für alle, die unter den unmittelbaren Auswirkungen sei-
ner Sendung leiden, nur ein schwacher Trost!
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:39
 THAUMATURGISCHE Thaumaturgie, wenig mehr, als spezialisierte, totgeborene
Pfade, die die anderen Clans mittels jahrtausendelangem

PRAKTIKEN: PFADE
Studium und Übung entwickelt haben.
Ich sollte erwähnen, daß der Großteil der Vertreter die-
ser Sichtweise meist jüngere Hexenmeister sind, die gera-

UND RITUALE de erst vom Lehrling zum Regenten befördert wurden.

Die Ahnen der Tremere weisen darauf hin, Pfade könn-
ten zwar in einem gewissen Maß die Effekte anderer Dis-
Thaumaturgie ist die vielseitigste Disziplin der Kainskin-
ziplinen replizieren, man solle aber nicht die Ziele nutzen,
der. Durch ihre Anwendung beweisen die Tremere, daß sie
um die Mittel zu vergleichen. So sagen sie etwa, Feuer,
nahezu jede andere durch Vitæ verstärkte Fähigkeit nach-
Strom und Säure könnten alle Verbrennungen verursa-
ahmen oder verbessern können. Die meisten Ahnen des
chen, aber alle in einer sehr unterschiedlichen Weise. An-
Clans behaupten, die Fertigkeit des Thaumaturgen sei die
dere Disziplinen sind eine Funktion der kainitischen Na-
einzige Beschränkung der Macht der Blutmagie. Sie glau-
tur; bei den Pfaden nutzt ein Magier Vitæ als Antrieb für
ben, die Möglichkeiten dieser Tradition seien für den wah-
Blutmagie. Der Unterschied mag winzig erscheinen, aber
ren Eingeweihten grenzenlos.
er ist von Bedeutung.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Disziplinen der
Im Gegensatz zu vielen anderen Disziplinen verzehren
Kainskinder hat sich die Thaumaturgie in zwei Richtun-
die Pfade der Blutmagie tatsächlich eine Menge an Vitæ,
gen entwickelt, zu Ritualen und Pfaden. Viele Nicht-Tre-
um Macht für den Willen des Magiers zu liefern. Ob die
mere empfinden die duale Natur der Thaumaturgie als
Magie die Vitæ direkt dem Körper des Magiers entzieht
verwirrend und verstehen nicht, warum die Hexenmeister
oder er sich eine Ader öffnet, um Vitæ hervortreten zu las-
sich entschlossen haben, zwei Einzelaspekte der gleichen
sen, hängt bei den Hexenmeistern von ihrer Ausbildung
Disziplin weiterzuverfolgen, anstatt ihre Anstrengungen
ab. Die letztgenannten werden bisweilen „Aderlasser“ ge-
auf einen einzigen zu konzentrieren. Für den Uneinge-
nannt und tragen für gewöhnlich eine kleine Klinge bei
weihten scheint es, als führen die Thaumaturgen am be-
sich oder feilen zumindest einen Daumennagel spitz, so
sten, wenn sie die langwierigen und komplexen Rituale
daß sie ihre eigene Vitæ schnell vergießen können.
der Vergangenheit aufgäben und sich auf die schneller her-
Andere Disziplinen der Kainskinder stehen den Mani-
beizuführenden Effekte der Pfade spezialisieren. Und doch
festationen der in der Vitæ enthaltenen Macht näher. Nur
legt der Clan Gewicht auf beide Methoden.
gelegentlich verbrauchen sie tatsächlich Blut, um Wir-
In Wahrheit haben sowohl Rituale als auch Pfade ihre
kung zu zeigen. Ein Pfad und Thaumaturgie als Ganzes
eigenen Stärken und Schwächen. Wäre Thaumaturgie auf
sind keine mit dem Kuß weitergegebene Fähigkeit wie die
eine der beiden Richtungen beschränkt, wäre die Disziplin
übernatürliche körperliche Stärke, Geschwindigkeit oder
nicht einmal annähernd so vielseitig. Die Konzentration
gar Sinneskraft, die die Kainskinder zeigen, sondern viel-
auf einen Aspekt könnte vielleicht ihre Wirksamkeit er-
mehr ein Satz an Fertigkeiten, der es dem geübten Magier
höhen, aber der Verlust an breiterer Anwendbarkeit wür-
erlaubt, seine eigene Unsterblichkeit zu nutzen, um seine
de diesen unbedeutenden Vorteil mehr als aufwiegen.
Umgebung zu formen.

PFADE: Das erklärt auch die Einschränkungen der Pfade. Wo

andere Disziplinen der Kainskinder an die Generation des
DIE MACHT DES WILLENS Anwenders gebunden sind, können selbst die dünnblütig-
sten Kinder die höchsten Stufen der Pfade erlernen. Selt-
Pfade stellen die reinste Form der Blutmagie dar. Einfach samerweise habe ich jedoch von mächtigen Ritualen ge-
ausgedrückt sind sie die Macht des Blutes, die durch Wis- hört, die nur die ältesten der grauen Herren gemeistert
sen und Willen des Magiers gebündelt wird, was es ihm haben - Riten, die nur Thaumaturgen der siebten oder ei-
erlaubt, die Wirklichkeit sofort zu beeinflussen. Das gilt im ner älteren Generation durchführen können. Einer meiner
Grunde für jede Disziplin. Im Gegensatz zu komplexen Meister machte einmal eine Andeutung, die Erklärung für
hermetischen Ritualen stehen die Zauber eines Pfades dieses ungewöhnliche Phänomen liege eigentlich in einer
dem Magier jederzeit zur Verfügung und benötigen fast der Beschränkungen der thaumaturgischen Pfade selbst,
keine Vorbereitungen (abgesehen davon, daß man sie wie nämlich, daß sie älteren Magiern keine besonderen
jede andere Fertigkeit erlernen muß) und keine einzigarti- Machtvorsprünge mehr gewährleisten. Er postulierte zu-
gen Ingredienzien. Außerdem bieten sie eine fast unendli- dem, daß die Ursache in der Tatsache liegen könnte, daß
che Vielfalt sofort wirkender Effekten. Oberflächlich be- Kainskinder ihre arkane Macht aus einer endlichen Quel-
trachtet scheinen die Pfade der mächtigere der beiden le beziehen - aus sich selbst. Wo andere Fähigkeiten der
thaumaturgischen Aspekte zu sein. Kainskinder ein Resultat der Unsterblichkeit als Ganzes
Da die rituellen Elemente fehlen, halten Uneingeweih- sind, beutet Thaumaturgie lediglich einen kleinen Aspekt
te die Effekte eines Pfades oft für eine dem Kainskind mit derselben aus.
dem Kuß weitergegebene Fähigkeit. Die Macht und Viel- Ic h bi n se hr da ra
seitigkeit der Pfade bringt viele Magier zu der Theorie, n in te re ss ie rt ,
Identität des Meis di e
Thaumaturgie stelle das ultimative Potential der in der ters dieses Welpen
fa hr un g zu br in ge in Er-
Vitæ der Kainskinder gebündelten Kraft dar. Sie behaup- n. Di es er Ma gi er
der Weitergabe so is t in
ten des weiteren, andere Disziplinen der Kainskinder sei- lcher Vermutungen
niges zu freizügi um ei-
en tatsächlich nicht mehr als ein schaler Abklatsch der g.

KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN

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Blutmagie04.p65 35 03.11.00, 17:39

Julia Reinecke (Order #10164437)

 Bei den Hexenmeistern herrscht die Sichtweise vor, Pfa-
de seien die ultimative Entwicklungsstufe der Blutmagie.
Sie verbinden reinen Willen und reine Macht, ohne sich
auf die Konstrukte eines Rituals zu stützen. Somit stellen
sie einen neuen Weg dar, den Kainskinder gehen können,
einen Weg, der ihnen Möglichkeiten bietet, die ihnen der
statische Fortschritt der Disziplinen verwehrt, einen Weg,
der sie schließlich zu einer höheren Stufe der kainitischen
Existenz führen könnte.
Trotz dieser Ansichten setzen die meisten erfahrenen
Magier Pfade nur begrenzt ein. Ein Pfad kann zwar so ge-
staltet werden, daß er fast jeden gewünschten Effekt er-
zielt, jeder Pfad ist aber, was seine Anwendungsmöglich-
keiten angeht, relativ eingeschränkt. Der Pfad des Blutes,
Neptuns Macht oder selbst Technomantie sind in ihren
jeweiligen Gebieten höchst effektiv, außerhalb allerdings
vollkommen nutzlos.
Wie bereits erwähnt, setzt der Einsatz eines Pfades au-
ßerdem voraus, daß der Blutmagier eine kleine Menge sei-
ner eigenen Vitæ opfert. In den meisten Fällen ist die
Menge gering: Im allgemeinen entspricht sie ungefähr der-
selben Menge, die benötigt wird, um die Existenz eines
Kainskindes eine weitere Nacht lang aufrechtzuerhalten.
Diese Menge mag vernachlässigbar erscheinen, aber sie
setzt dieser Zauberei jedoch eine meßbare Grenze. Kein
Kainskind, insbesondere kein Blutmagier, kann es sich lei-
sten, sein Blut zu vergeuden.
Deshalb setzt der Großteil der Hexenmeister Rituale
ein, um die meisten arkanen Aufgaben zu bewältigen, und
verläßt sich weniger häufig auf die Pfade.
RITUALE:
DIE MACHT DER FORMEL
Hermetische Rituale sind anstrengend und zeitaufwen-
dig, wenn man sie mit anderen Kräften der Kainskinder
vergleicht. Diese archaischen Riten verlangen für gewöhn-
lich von ihrem Anwender, sich obskure Gegenstände zu
beschaffen, Sätze in toten Sprachen zu rezitieren und
komplizierte Bewegungen zu vollführen, um Wirkung zu
zeigen. Kommt der Thaumaturg einer der Vorgaben aus
der Formel nicht nach, scheitert der Zauber, und all die
Mühe war umsonst. Uneingeweihte fragen sich oft, warum
Blutmagier Zeit damit verschwenden, diese restriktiven
Formeln weiter zu studieren oder gar neue entwickeln.
Das kann teilweise mit der Geschichte der Thaumatur-
gie erklärt werden. Das Ritual war der erste blutmagische
Aspekt, der vom Clan Tremere entwickelt wurde. Die ur-
sprünglichen Anwender waren ausgeklügelte Formeln und
komplexe Rituale gewohnt; Tremere, Goratrix und die an-
deren Gründungsmitglieder hatten ihr Leben als Sterbli-
che damit verbracht, diese hermetischen Prinzipien zu stu-
dieren. So war es nur natürlich, daß sie diese Affinität bei-
behielten, als sie das Fundament der Disziplin entwickelten.
Da die frühen Hexenmeister nach einer Waffe suchten,
mit der sie sich gegen andere Kainskinder verteidigen
konnten, gruben sie sich tiefer in zuvor außer acht gelas-
sene Zauberbücher und Schriften, die sie vor ihrer Ver-
wandlung als blasphemisch gemieden hatten. Sie entdeck-
ten vergessene, blutrünstige Riten und arbeiteten sie ih-
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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ren eigenen Fertigkeiten gemäß um. In dieser Zeit entwik-
kelten die Magier die ersten Schutzzeichen gegen Kains-
kinder und Ghule, um ihre Sanktuarien zu schützen; auch
Abendfrisches Erwachen scheint auf die Zeit dieser ersten
Nächte zurückzugehen. Durch den Einsatz dieser ersten
Rituale wehrten die Hexenmeister die Angriffe ihrer Fein-
de ab, bis sie in der Lage waren, andere Mittel zu entwik-
keln, um die Macht der Vitæ auszubeuten.
Selbst nachdem der Clan begonnen hatte, mit den Pfa-
den zu experimentieren, hielten die Hexenmeister an der
uralten Magieform des Rituals fest. Der Clan Tremere
neigt nicht dazu, eine Praktik weiterhin anzuwenden, nur,
„weil es schon immer so war“; die Geschwindigkeit, mit
der sie ihre eigene Philosophie in kleine Einzelteile zerleg-
ten und diese mit der Blutmagie kombinierten, ist nur ein
Beweis. Der Clan hält an der Praktik der Ritualmagie fest,
weil sie ganz einfach funktioniert.
Die Rituale der Blutmagie erfordern in der Durchfüh-
rung wesentlich mehr Zeit als die Anwendung eines der
Effekte der Pfade, aber für gewöhnlich belasten sie den
Anwender auch nicht so sehr. Nur selten verlangen sie
vom Thaumaturgen, einen Teil seiner eigenen Vitæ zu op-
fern, im Gegensatz zu den Fähigkeiten, die ihm durch ei-
nen Pfad verliehen werden und ein solches Opfer immer
nötig machen. Einige der komplexeren Rituale erfordern
zwar den Einsatz von Vitæ, aber diese Rituale erzeugen fast
immer einen sehr mächtigen oder langanhaltenden Effekt.
Rituale schützen den Anwender des weiteren vor einem
Großteil des Risikos, mit dem Pfade behaftet sind. Ein
Scheitern eines Rituals zeigt nur selten einen schadhaften
Effekt beim Magier, wohingegen manche Blutmagier nach
einem gescheiterte Versuch, eine Fähigkeit eines Pfades
anzurufen, von einer Schwächung ihrer Zielstrebigkeit
und Konzentration berichten. Da der Wille des Magiers
nicht nur den Antrieb, sondern auch den Fokus für den
Effekt eines Pfades darstellt, kann der Magier scheinbar
irgendwie seine gesamte Willenskraft erschöpfen. Dieser
Verlust ist weitestgehend permanent - mehr als ein Hexer
wurde nach zu vielen Fehlversuchen zum bedauernswer-
ten Krüppel. Der Einsatz von Blutmagie setzt einen star-
ken Willen voraus, weshalb dieser potentielle Schaden für
einen Magier ein beträchtliches Risiko darstellt.
Thaumaturgische Magie, die mittels eines Rituals ge-
wirkt wird, ist oft mächtiger und von längerer Dauer als
die Zauber eines Pfades. Die größten Erfolge des Clans
Tremere sind Ergebnis ritueller Magie. Der Fluch gegen
die Assamiten, die Erschaffung der Gargylen und die Ver-
wandlung der Clansgründer von Sterblichen in Kainskin-
der sind Beispiele für die Macht, die durch hermetische
Blutrituale zugänglich gemacht wird.
Neue Rituale sind weitaus leichter zu entwickeln als
neue Pfade, wie die frühesten Anwender der Disziplin be-
wiesen; die Rituale der Blutmagie waren die erste Form der
Thaumaturgie, die von den Hexenmeistern entwickelt
wurde. Der Clan kann schnell und effektiv Rituale zu-
rechtschneidern, wie er sie braucht. Die Formeln der Blut-
magie erlauben einem Magier, die Effekte seiner Magie
genau zu quantifizieren und zu definieren, indem er die
einzelnen Schritte in einem bestimmten Muster festlegt.
Wo sich jeder neue Schritt eines Pfades auf einem voran-
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:39
 gegangenen gründet, kann ein Magier durch Anwendung
hermetischer Prinzipien und Formeln vollkommen unab-
hängig neue Rituale entwickeln.
Gleichermaßen besteht die einzige Beschränkung der
Macht eines Rituals im Verständnis des Blutmagiers für die
generellen Prinzipien der Thaumaturgie. Ein Magier muß
jede Permutation eines Pfades neu lernen. Rituale setzen
nur das grundlegende Verständnis der schwarzen Kunst
des Blutes voraus. Dies erlaubt einem Magier, genau aus-
zuwählen, welche Effekte er entwickeln möchte, anstatt
auf den eher statischen Stufen eines Pfades voranzuschrei-
ten. Infolgedessen kennen viele Magier weit mehr Rituale
als Pfade.
Obwohl die Pfade möglicherweise das höchste Potential
der Blutmagie darstellen, sind Rituale in der Anwendung
praktischer. Selbst die innovativsten Anwender der Kunst
verlassen sich für vielerlei Aufgaben auf Rituale. Ich er-
warte, daß Rituale für die absehbare Zukunft ein wesentli-
cher Bestandteil der Disziplin bleiben.
PRINZIPIEN DER
THAUMATURGIE
Sowohl Pfade als auch Rituale werden von den Tremere
gründlich dokumentiert und erforscht, was die Thauma-
turgie vielleicht zur am besten untersuchten Disziplin der
Kainskinder macht. Trotz Jahrhunderten des Studiums
gibt es jedoch Lücken im Verständnis der Hexenmeister
hinsichtlich der genauen Wirkungsweise der Blutmagie.
Der Clan hat bisher noch keinen Satz an Formeln bestim-
men können, der konsistent genug gewesen wäre, um als
KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN
37
Blutmagie04.p65 37
Julia Reinecke (Order #10164437)
„magische Gesetze“ bezeichnet zu werden. Deshalb sind
Forschung und Experimente in bezug auf die Kunst lang-
wierige Angelegenheiten nach dem Prinzip „Versuch und
Irrtum“, die oft jahrelanger Anstrengungen bedürfen, um
auch nur den kleinsten Fortschritt verbuchen zu können.
Natürlich gehen die grauen Herren höchst methodisch
vor und haben sieben gemeinsame Elemente bestimmt, die
sie die „Prinzipien der Thaumaturgie“ genannt haben.
Diese Gebote sind in der Wirkungsweise und in den Effek-
ten der Disziplin, ganz gleich ob Pfad oder Ritual deutlich
sichtbar. Diese Prinzipien helfen in einem gewissen Maß
dabei, zu definieren und zu erklären, wie Blutmagie ge-
wirkt wird.
DIE GRÖSSEREN PRINZIPIEN
Die Theorie postuliert vier größere thaumaturgische
Prinzipien: Blut, Willen, Wissen und Identität. Sie reprä-
sentieren die Absicht und die Fähigkeit, Magie zu wirken.
Sie sind in jedem Ritual und jedem Pfad zu finden; wenn
ein Effekt erzeugt werden kann, ohne alle größeren Prin-
zipien zu beinhalten, handelt es sich nicht um Thaumatur-
gie, sondern vielmehr um eine andere Disziplin der Kainskin-
der - oder einen ähnlichen Ausdruck der Macht des Blutes.
Manche Hexenmeister behaupten, die größeren Prinzi-
pien seien zu nebulös; sie finden, alle Disziplinen der
Kainskinder beinhalteten die ersten drei Prinzipien - Blut,
Willen und Wissen - im einen oder anderen Maße. Dies
ist ein der näheren Betrachtung durch Thaumaturgen un-
würdiges Scheinargument. Es mag zwar auf grundlegender
Ebene seine Berechtigung haben, entspricht aber einem
Vergleich zwischen dem Aufstehen aus einem Stuhl und
dem Schreiben einer Zeile komplexesten Computercodes;
03.11.00, 17:39
 beide Tätigkeiten beinhalten den Einsatz motorischer Fer-
tigkeiten des Körpers, aber letzteres ist in der Ausführung
weitaus komplizierter. Thaumaturgie setzt bei der Beach-
tung der oben angegebenen Prinzipien ein hohes Maß an
Kultiviertheit voraus, die jeder anderen Disziplin abgeht.
BLUT
Thaumaturgie ist in erster Linie eine Kunst des Blutes.
Ohne Blut, oder genauer ohne Vitæ, sind die Bemühun-
gen eines Magiers nutzlos. Blut ist Filter und Fokus für alle
Aspekte der Thaumaturgie. Sterbliche Scharlatane haben
das begriffen, aber es mangelte ihnen an der Fähigkeit, die
Macht heraufzubeschwören, die in ihrem eigenen Lebens-
saft gebündelt lag.
Pfade verlangen vom Magier, daß er jedesmal, wenn sie
eingesetzt werden sollen, eine kleine Menge seiner Vitæ
opfert. Beachten Sie bitte, daß der Magier einen Teil sei-
ner eigenen Vitæ und nicht irgendeines Blutes verwenden
muß. Ein Blutmagier kann nicht den Lebenssaft einer an-
deren Person gebrauchen, nicht einmal eines anderen
Kainskindes; die Vitæ muß vom Magier selbst kommen.
Die Verbindung zwischen Körper und Geist oder vielleicht
Körper und Willen ist erforderlich, um ein Bindeglied zwi-
schen der Absicht des Magiers und der Wirklichkeit selbst
zu schaffen. Beachten Sie, daß die Kainskinder das Blut
anderer verzehren und wie ihr eigenes einsetzen können
wie bei gewöhnlicher Nahrungsaufnahme. Niemand er-
zeugt sein eigenes Blut, wie jeder Leser sicher weiß.
So wie die Tremere das Prinzip des Blutes verstehen, ist
es dieses Gebot, das Sterbliche davon abhält, Blutmagie
mit Erfolg zu praktizieren. Dem Blut der Sterblichen man-
gelt es an der in der Vitæ gebündelten Macht. Weder kann
ein Sterblicher soviel Lebenssaft aufgeben, um die Macht
auch nur der kleinsten Menge Vitæ nachzuahmen, noch
kann ein menschlicher Magier das Blut eines anderen ein-
setzen, um ein Ritual durchzuführen oder die Fähigkeiten
eines Pfades anzurufen. Die wenigen belegten Fälle, in de-
nen Blutmagie für Menschen erfolgreich war, endeten alle
mit dem Tod durch Verbluten eines der aktiven Anwender.
Vor Jahren schloß ich mich auf die Bitte meines frühe-
ren Regenten einem örtlichen Kult von Sterblichen an,
der angeblich Blutmagie praktizierte. Der Regent wollte
sehen, wieweit sie in ihren Bemühungen gekommen wa-
ren und was man aus ihren Praktiken lernen konnte, falls
es denn überhaupt etwas zu lernen gab. Es war folglich
eine Überraschung, daß der Kult die Grundlagen der
Kunst begriffen zu haben schien; nichts, was das Gildehaus
nicht ohnehin schon wußte, um Himmels Willen, aber
mehr, als ich erwartet hätte.
Es gelang dem Führer des Kultes tatsächlich, einen Ri-
valen mit einem Fluch zu belegen, der ihm eine besonders
unangenehme Hautkrebsvariante verschaffte - der Mann
erholte sich schließlich, war aber durch Narben grausam
entstellt. Der Hexer hatte jedoch nie Gelegenheit, seinen
Erfolg zu bewundern; um das Ritual durchzuführen, hatte
er nahezu jede Hauptschlagader in seinem Körper öffnen
müssen. Nachdem er schließlich einen kleinen Eispickel
benutzt hatte, um die Halsschlagader anzustechen, brach
er zusammen und verblutete. Die anderen Mitglieder des
Kultes hatten nach dem Ritual nur sehr wenig aufzuwi-
schen. Der Zauber hatte jeden Tropfen Blut im Körper des
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Anführers verzehrt und seine Adern förmlich verdorren
lassen. Kurz danach zerfiel der Kult.
Es ist interessant, daß ein Magier von einem Gefäß -
oder selbst aus einem mit Blut gefüllten Kelch - trinken
kann, um das Blut dann als Antrieb für ein Ritual oder ei-
nen Pfad der Blutmagie einzusetzen, wohingegen Sterbli-
chen diese Möglichkeit verwehrt bleibt. Ein Sterblicher
verarbeitet Blut einfach nicht in derselben Weise wie ein
Kainskind. Ein Kainskind nimmt das Blut ganz in seine
Essenz auf, sobald es es trinkt. Bei Sterblichen durchläuft
das Blut den Verdauungstrakt, ein Prozeß, der Stunden
dauert und die im Blut enthaltene Macht zerstört. Alles,
was ein Sterblicher dadurch gewinnt, sind verklebte Zäh-
ne und ein Magen voll nutzlosen, langsam gerinnenden
Blutes. Toll.
Selbst bei thaumaturgischen Ritualen, die keinen Ein-
satz von Blut erfordern, muß im Magier Vitæ vorhanden
sein - und nicht allein aus dem offensichtlichen Grund,
eine Raserei zu vermeiden. Bei diesen ausgeklügelteren
Riten hat der Magier Zeit, die Blutmagie sorgfältig zu for-
men. In diesem Fall verwendet der Magier seine Vitæ
mehr als Filter denn als eigentlichen Antrieb der Magie;
die anderen Prinzipien werden allein durch Vorhanden-
sein der Vitæ zu einer wirksamen Sendung gebündelt.
WILLE
Das nächste benötigte Element ist die aktive Absicht
des Magiers, die Welt in irgendeiner Weise zu verändern.
Ohne Willen sind alle anderen Prinzipien wirkungslos.
Das Prinzip des Blutes repräsentiert nur die potentielle
Befähigung zur Thaumaturgie; das Prinzip des Willens
bringt dieses Potential zur Entfaltung.
Diesem Prinzip zufolge wird Magie nie spontan gewirkt.
Niemand kann Thaumaturgie wirken, ohne den Willen
dazu aufzubringen. Ein Lehrling kann sich weder die Au-
gen verbrennen noch sein Blut in Spinnen verwandeln,
nur weil er ein altes Zauberbuch durchblättert - ansonsten
wäre thaumaturgische Forschung noch schwieriger, als sie
ohnehin schon ist.
Bevor Sie sich allerdings ein falsches Bild machen: Die-
ses Prinzip schützt nicht vor fehlgeleiteten Anwendungen
der Blutmagie. Es ist immer möglich zu versuchen, einen
Effekt zu erzeugen und durch einen Fehler bei der Ausfüh-
rung einen anderen auszulösen. Nichts im Prinzip des Wil-
lens schützt einen Magier vor der Beschwörung eines Dä-
mons aus den tiefsten Schlünden der Hölle während eines
ungelenken Versuchs, einen Blutsgehilfen zu erschaffen.
Zugegeben, ein solcher Fehler ist unwahrscheinlich, wenn
man die präzise Natur der hermetischen Formeln bedenkt,
aber worauf ich hinaus will, ist, daß es sich bei dem Prin-
zip des Willens um einen beschränkenden Faktor und kei-
ne Rückversicherung handelt.
WISSEN
Wunsch und Fertigkeit allein befähigen kein Kainskind,
Blutmagie zu wirken, sonst würden die Hexenmeister kein
so hohes Ansehen genießen. Die Formeln der hermeti-
schen Rituale sind komplex, und die Pfade erfordern ein
intuitives Verständnis der Beziehung zwischen Identitäten.
Sicher, man kann nur durch Willen und Blut irgendein Er-
gebnis zu erzielen - vielleicht einen Effekt der eher niede-
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:39
 ren körperlichen Disziplinen -, aber ohne Wissen ist die
Ausübung von Thaumaturgie unmöglich.
Dieses Prinzip mäßigt die durch Blut und Willen er-
schaffenen Kräfte. Wissen ist das Mittel, mit dem ein Blut-
magier seine Sendung formt. Magie geht von Natur aus
den Weg des geringsten Widerstandes; deshalb ist jeder
Zauber eine große Anstrengung. Nur durch vorsichtige
Manipulation kann ein Thaumaturg Magie in die von ihm
gewünschte Richtung zwingen.
Das Prinzip des Wissens beinhaltet das Studium, das
nötig ist, um Magie durch Vitæ zu wirken. Der Magier
muß die Konzepte der Thaumaturgie begreifen und verste-
hen, wie jeder Teil des Ritus mit den anderen interagiert,
um eine wirksame Sendung aufzubauen. Um eine Sendung
richtig zu formen, muß er verstehen, welche Bedeutung es
bei Herz aus Stein hat, die Kerze ganz herunterbrennen zu
lassen, während er die entsprechende Anrufung intoniert;
ein vorschnelles oder überhastetes Rezitieren bringt dem
Magier lediglich eine verbrannte Brust und sonst nichts
ein. Er muß außerdem die mit den verschiedenen Elemen-
ten verbundenen Charakteristika kennen und wissen, wie
man diese mittels Blutmagie nutzbar machen kann. Jedem
Lehrling der Hexenmeister werden diese Konzepte gründ-
lich eingebleut, ehe es ihm gestattet wird, auch nur das
kleinste Ritual durchzuführen.
Da ich gerade über das Prinzip des Wissens spreche, las-
sen Sie mich eine Warnung aussprechen: Die Lektüre die-
ses Manuskripts liefert nicht das für das Wirken von Thau-
maturgie erforderliche Verständnis. Dieser Text legt nur
die Grundlagen der Blutmagie und der Gesellschaft der
Hexenmeister offen. Thaumaturgie ist eine gefährliche
Disziplin; sie ohne vollständiges Verständnis anzurufen,
heißt, um den endgültigen Tod zu betteln. Einige Thauma-
turgen sind der drangvollen Enge des Clans Tremere ent-
kommen und bereit, arkane Geheimnisse gegen anderes
Wissen einzutauschen. Ich rate jedem Kainskind, das sich
von Blutmagie angezogen fühlt, eine dieser Personen als
Tutor zu wählen.
räter so
Wie schade, daß der Ver
g hin zuzufü-
schlau war, diese Warnun lich
es ver mut
gen. Ohne sie wäre die ses
gew ese n,
viel, viel einfacher en. ..
hin zub ieg
Durcheinander wieder
IDENTITÄT
Jedes Wesen, jeder Gegenstand, jede Kraft im Univer-
sum definiert sich über Aspekte und Assoziationen. Frühe
Alchimisten verbrachten einen Großteil ihres (Un-)Le-
bens mit dem Studium dieser miteinander verwobenen
Charakteristika und dem Entwurf von Formeln, um sie
nutzbar zu machen. Die Thaumaturgie übernahm dieses
Konzept und entwickelte es zum Prinzip der Identität wei-
ter. In ihrer grundlegendsten Form erklärt Identität, daß
alles eine Essenz besitzt und daß diese Essenz sowohl indi-
viduell als auch geteilt ist.
Eine meine frühesten Meisterinnen benutzte Farben als
Analogie für dieses Prinzip. In ihren Beispielen galt: Je
enger die Verbindung zwischen Essenzen, desto ähnlicher
die Farben, aber ganz gleich, wie unterschiedlich die Farb-
nuancen auch sein mögen, sind doch alle Farben Teil des
KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN
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Julia Reinecke (Order #10164437)
gleichen Spektrums. Gemäß dieser Analogie könnte die
Essenz eines Kainskindes durch Meerblau dargestellt wer-
den, während die eines anderen dunkler, vielleicht indigo-
farben ist; beide Essenzen haben die gleiche Farbe, unter-
scheiden sich aber dennoch voneinander. Als weiteres Bei-
spiel für dieses Gedankenexperiment könnte ein Sterbli-
cher gelb erscheinen, während ein Ghul grün wäre, je
nach Stärke des Einflusses, den Kainskinder auf ihn aus-
üben, mit Gelb- oder Blaustich. Natürlich handelt es sich
hier um eine grobe Vereinfachung - Identität ist nicht so
leicht definierbar wie ein simples Farbschema - , aber ich
denke im Grunde ist es eine nützliche Metapher, zumin-
dest für Lehrzwecke. Auch Schallwellen können eine gute
Analogie abgeben, wobei jede Assoziation einer einzigar-
tigen „Frequenz“ entspräche.
Thaumaturgie nutzt Identität, um durch Blutmagie ge-
schaffenen Effekten ein Ziel zu verleihen. Das Prinzip lie-
fert einem Pfad oder Ritual eine klare Richtung, nachdem
die Sendung entlassen wurde, indem die Magie mit der
Essenz des Subjektes verwoben wird. Ein anderer meiner
früheren Meister verglich Blut mit Schießpulver, Willen
mit einer Kugel, Wissen mit einem Gewehr und Identität
mit dem Zielfernrohr. Identität lenkt, was die anderen gro-
ßen Prinzipien erschaffen. Ohne sie ist es unmöglich, den
Effekt einer Sendung zu kontrollieren; ungelenkte Magie
wird zu zufällig in die Welt entlassene Energie.
Eine besondere Facette der Identität, die Wahren Na-
men, waren einst für den Kern thaumaturgischen Wirkens
unabdingbar. Ein Wahrer Name ist im Grunde eine ge-
schriebene oder gesprochene Abkürzung der Natur des-
sen, was er beschreibt. Er enthält die Definition der Essenz
des benannten Wesens oder Gegenstandes; er gibt einer
Farbe ihren Namen, um zur obigen Analogie zurückzukeh-
ren. Er bindet die Identität - die Essenz - eines Individu-
ums in ein Wort. Folglich gewinnt ein Magier mittels des
Namens ein komplettes Verständnis der Essenz des be-
nannten Gegenstands oder Wesens.
Im Lauf der Jahrhunderte wurde die Macht der Namen
durch mangelnden Gebrauch verwässert. Die Hexenmei-
ster verfügen über lange Listen Wahrer Namen gebräuch-
licher Ingredienzien, die auch heute noch bei vielen Riten
eingesetzt werden. Das ist aber weder bei einzelnen Kains-
kindern oder auch nur Sterblichen mehr der Fall. Tatsäch-
lich ist die ganze Sache etwas irreführend. Wahre Namen
sind nach wie vor bedeutende Komponenten bei thauma-
turgischen Effekten, obwohl sie kaum noch ausgesprochen
werden. Es kann schon das verlangte Prinzip der Identität
erfüllen, das Ziel nur zu sehen oder etwas aus seinem Be-
sitz zur Verfügung zu haben. Ich sollte es lieber so ausdrük-
ken: Es ist nicht immer nötig, einen Wahren Namen aus-
zusprechen. Nebenbei bemerkt beinhaltet der wertvollste
aller Körpersäfte der Kainskinder - die Vitæ - eine direkte
Verbindung zwischen dieser Flüssigkeit und ihrem Ur-
sprung. Blut eines anderen Kainskindes zu besitzen ist das-
selbe, wie seinen Wahren Namen zu kennen. Denken Sie
einmal darüber nach, wenn einer Ihrer Oberen Ihnen ei-
nen Gefallen „im Austausch gegen etwas Blut“ anbietet.
Zunächst muß Ihnen klar werden, daß es sich bei einem
Wahren Namen nicht um einen Geburtsnamen handelt.
Ein Magier, der nach dem Wahren Namen eines Opfers
sucht, kann nicht einfach im Telefonbuch nachschauen.
03.11.00, 17:40
 Früher einmal erhielt jeder einen Wahren Namen, aber eine Weile seine übernatürliche Widerstandskraft; im
diese Praktik ist bei Sterblichen wie Kainskindern in Ver- Grunde verwandelt er den Körper in wenig mehr als eine
gessenheit geraten. Nur wenige Kainskinder - und Sterb- ausgetrocknete, holzige Hülle.
liche - wissen überhaupt von ihrem Wahren Namen. Des- Da der allgemeine Gebrauch der Wahren Namen fast
halb ist der Gebrauch der Namen unter jungen, ungedul- vollständig in Vergessenheit geraten ist - zumindest was
digeren Magiern zurückgegangen. Es ist an sich schon Personen angeht -, greifen die Thaumaturgen nun bei der
schwierig, den Wahren Namen eines Individuums zu ent- Anwendung der Pfade wieder auf eine unmittelbare Nähe
hüllen, dem ein solcher gegeben wurde; der Versuch, den zu ihrem Ziel zurück. Alle Pfade - mit den oben angedeu-
Wahren Namen einer Person in Erfahrung zu bringen, die teten Ausnahmen - setzen voraus, daß sich der Magier ver-
niemals einen solchen erhalten hat, kann Jahre dauern. gleichsweise dicht am Opfer befindet. Manche erfordern
Die meisten mächtigen Magier unter den Kainskindern freie Sicht, um das Ziel eindeutig festzulegen, aber konzen-
nehmen sich die Zeit, ihren eigenen Wahren Namen zu triertere Effekte können Blickkontakt zwischen dem Ma-
entschlüsseln, allein, um ihn vor anderen Blutmagiern gier und seinen Opfern oder gar einen direkten Körper-
schützen zu können. Wenn der Magier seinen Wahren kontakt erforderlich machen. Diese Methoden erlauben es
Namen kennt, kann er Schritte einleiten, um den Namen dem Magier, seine Magie zu lenken, ohne den Wahren
in magische Chiffren und arkanen Schutzzeichen zu bin- Namen des Ziels verwenden oder kennen zu müssen.
den, was einen ohnehin schon schwierigen Prozeß weiter Der Großteil der hermetischen Rituale umgeht bei der
verkompliziert. Kennt er seinen Wahren Namen nicht, Ausrichtung einer Sendung auch den Bedarf für einen
kann er nur hoffen, daß niemand einen solchen Zorn auf Wahren Namen. Einige wenige erfordern immer noch den
ihn entwickelt, daß sich die Person zu der jahrelangen Su- Gebrauch des Wahren Namens eines Subjekts, damit ihre
che nach seinem Wahren Namen entschließt. Magie Wirkung zeigt, aber diese sind in erster Linie jene,
Unerfahrene oder tollkühne Thaumaturgen rümpfen die mit Wesenheiten aus anderen Welten zu tun haben.
manchmal die Nase ob der traditionelleren Magier, die Und obwohl einige Rituale ähnlich wie die Pfade auf eine
Jahre der Forschung auf sich nehmen. Das ist ein erstklas- relative Nähe zum Opfer rekurrieren, stehen dem Magier
siges Beispiel für thaumaturgischen Darwinismus, wenn noch andere Mittel zur Verfügung, wenn er Blutmagie mit-
Sie mich fragen, denn wenn der Wahre Name eines Ma- tels eines Rituals wirken möchte. Zu diesen Alternativen
giers erst einmal enthüllt ist, ist er Ritualmagie gegenüber gehören die kleineren Prinzipien der Thaumaturgie.
sehr viel anfälliger. Während Pfade darüber hinaus in der
Regel eine begrenzte Reichweite besitzen (in der Regel
muß man sein Ziel entweder sehen oder berühren), wird
DIE KLEINEREN PRINZIPIEN
diese Reichweite nahezu unbegrenzt, wenn man den Wah- Die kleineren Prinzipien der Thaumaturgie sind Sympa-
ren Namen seines Opfers kennt. thie, Inhärenz und Induktion. Sie beschreiben die beson-
Morsche Rüstung veranschaulicht die Macht, die man deren Weisen, Blutmagie auf ein Ziel zu richten. Sie sind
gewinnt, wenn man den Wahren Namen eines Opfers eingeschränkter und weniger klar definiert als die größe-
kennt. (Dieses Ritual - und einige andere, die ich später ren Prinzipien. Blut, Wille, Wissen und Identität legen das
noch erwähnen werde - wird in erster Linie von den weni- Fundament der Blutmagie; die kleineren Prinzipien setzen
gen dem Sabbat verbliebenen Thaumaturgen praktiziert; darauf das hermetische Rahmenwerk der Magie.
wenn es Ihnen also nicht vertraut sein sollte, liegt es wohl Alle drei kleineren Prinzipien sind Nebenzweige des
daran. Seit ihrem Niedergang hatte ich die Gelegenheit, Prinzips der Identität. Sympathie und Induktion weisen
einige ihrer Zufluchten zu plündern und Schriften und ein Subjekt aus, und Inhärenz hilft dem Magier, seinen
andere Gegenstände von Interesse in meinen Besitz zu Willen stärker zu konzentrieren. Die meisten Rituale set-
bringen.) Schreibt man den Wahren Namen des erwähl- zen in unterschiedlichem Ausmaß die kleineren Prinzipi-
ten Opfer auf ein Stück Papier und verbrennt dieses, en ein. Da Sympathie und Induktion sich in ihrer Funkti-
nimmt der Magier dem Körper des anderen Vampirs für on ähneln, liegt in einem Ritual in der Regel nur eines,
höchstens aber zwei, der kleineren Prinzipien vor. Ich
an-
t also die eine oder kann mich nur an wenige Beispiele erinnern, in denen alle
So, dieser Welpe ha . Vi el le ic ht
fg es tö be rt drei im gleichen Ritual auftauchen.
de re Zu fl uc ht au r Zu fl uc ht so r-
fspüren de Die kleineren Prinzipien verleihen Ritualen eine Vielsei-
sollten wir dem Au wi dm en un d un s
mehr Zeit tigkeit und Reichweite, die Pfaden ohne Wissen um den
te der antitribu ’ Brut
beit von Goratrix Wahren Namen eines Subjekts abgehen. Richtig ange-
die Früchte der Ar
wandt erlauben sie einem Blutmagier, ein Ritual in Sachen
zunutze machen. nu r
e er er wä hn t, si nd Zielgenauigkeit so variabel wie nur denkbar zu gestalten.
Di e Sc hr if te n, di in n.
ge
n zur Strecke zu br Wenn Sympathie und Induktion als Ersatz für einen Wah-
ein Grund mehr, ih ge
r na ch de nk en , ei ni ren Namen dienen, können die meisten Rituale durchge-
Wi r so ll te n da rü be d de n
bei den Anarchen un führt werden, ohne den Reichweitebeschränkungen der
unserer Maulwürfe um ei n
ie n“ ei ns et ze n, Pfade zu unterliegen. Nur die einfachsten oder mächtig-
so ge na nn te n „F re Mo nt -
ionen in Miami oder sten Rituale machen es bei einem Einsatz von Sympathie,
paar Bergungsmiss ge wü r-
ne dieser zusammen Inhärenz oder Induktion noch erforderlich, daß sich das
real zu fahren. Ei nf ac he r
nn vi el le ic ht ei Subjekt in unmittelbarer Nähe des Magiers aufhält. Leider
fe lt en Ba nd en ka , da-
s Sabbat vordri en ng schwächen diese Alternativen bisweilen die Wirksamkeit
ins Territorium de ät er no ch
ga ng de r Ve rr einer Sendung und machen es für ein Opfer leichter, ei-
mi t un s de r Ni ed er
l gereicht.
weiter zum Vortei
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE
40

Blutmagie04.p65 40 03.11.00, 17:40

Julia Reinecke (Order #10164437)

 pe verges-
nem Blutfluch zu widerstehen. Die meisten Magier sehen Ironischerweise hat der Wel
das jedoch nur als kleinen Preis für die vielen Optionen, wir kun gen die ses
sen , die vol len Aus
die ihnen die kleineren Prinzipien eröffnen. bed enk en. Ich lie ß
Pri nzi ps sel bst zu dem
Nicht jedes Ritual benötigt allerdings ein kleineres Prin- er abk rat zen , mit
Proben von dem Ton e
zip, um seine Wirkung zu bündeln und zu übertragen. lt wur den , und hab
die Kop ien ers tel e-
cago angewi
Manche sind so einfach, daß sie allein mit einem geistigen Lehrlinge im Gildehaus Chi
Bild des Ziels gewirkt werden können. Andere verlangen zu ent wer fen , das seine
sen, ein Ritual
ier wir ksa m
dem Anwender Opfer in Form seiner eigenen Vitæ ab. Ei- Eff ekt e auf jeg lic hem Pap
ses Ton ers
nige seltene Rituale brauchen sowohl Vitæ als auch eines wer den läß t, das Spu ren die
dur chg efü hrt
der Prinzipien und erzielen in der Regel Ergebnisse, die trä gt. Sob ald das Rit ual
lenden Kopi-
weitaus mächtiger sind als die anderer Rituale von ver- ist, werden alle anderen feh
werden.
gleichbarer Komplexität. en von Flammen verschlungen
vor lie gen de
SYMPATHIE Nat ürl ich wur de die hie r
ht mit ein em
Kop ie unt er mei ner Auf sic
Dies ist das geradlinigste kleinere Prinzip. Sympathie gt.
anderen Kopierer angeferti
nutzt Aspekte der Identität, um den mächtigsten Ersatz rücke aus-
Außerdem habe ich Fingerabd
für einen Wahren Namen zu erschaffen. Ausgehend von cht en Toner auf
machen können, die im feu
der Prämisse, daß die Essenz eines Gegenstands oder einer wur den . Es soll-
den Kopien hinterlassen
Wesenheit in ihren kleinsten Teilen verwurzelt liegt, er- ein en kle ine n
te ein lei cht es sei n,
laubt Sympathie einem Magier, eine Sendung mittels eines der auf die Abdrük-
Fluch zu entwickeln,
winzigen Stückchens oder gar nur einem liebgewonnenen est imm t ist . Selbst
ke auf dem Papier abg
Besitz eines Subjekts zu fokussieren. Das Ritual Blutver- dem Ver rät er zuz u-
wen n kei ne dav on si-
trag nutzt das Blut der Beteiligten, um ihre Identität an- lte n, bin ich mir
schreiben sein sol nur
zurufen und sie mit den Konsequenzen eines Vertrags- Zie le des Flu chs
che r, daß mir die .
bruchs zu verflechten - diese sind niemals angenehm, wie r Tip s geb en wer den
allzu gern ein paa
ich Ihnen versichern kann. So nutzt auch das Lied des
Schäfers die von früheren Nahrungsaufnahmen verbliebe- Sympathie nutzt die kleinsten Teile, um das Ganze zu
nen Blutspuren im Magier, um den Aufenthaltsort seiner beeinflussen, aber auch der Umkehrschluß ist wahr. Ein
Herde zu bestimmen, oder zumindest den der Gefäße, von Magier kann sich auf das Ganze konzentrieren, um auf
denen er zuletzt getrunken hat. eine Komponente einzuwirken. Laut der Propaganda der
Wenn ein Blutmagier ein Ritual mit Hilfe von Sympa- Tremere demonstrierte der Fluch der Assamiten das wah-
thie durchführt, schafft er einen Leiter zwischen der ihm re Ausmaß der Macht dieses Prinzips. Anstatt sich Wah-
zur Verfügung stehenden Probe und ihrem ursprünglichen rer Namen zu bedienen, bestimmte eine Gruppe erfahre-
Besitzer. Diese Leiter sind dann am stärksten, wenn es sich ner Tremere die gemeinsamen Elemente unter den Assas-
bei dem Fragment tatsächlich um einen physischen Teil sinen und nutze dieses Wissen, um die Wirkung ihres
des Subjekts handelt: eine Locke, ein Tropfen Blut, ein Fluchs über die gesamte Blutlinie auszubreiten. Dieses
Fetzen Fleisch oder gar nur ein abgeschnittener Fingerna- Prinzip verlieh der Sendung auch die Fähigkeit, über Ge-
gel. Jeder Teil des Körpers des Opfers enthält den Schlüs- nerationen hinweg wirksam zu werden, so daß Kinder der
sel zu seiner Identität, so wie jede lebende Zelle die DNS Assamiten unter dem Fluch zu leiden hatten, die erst lan-
für einen gesamten Organismus enthält. ge nach der ursprünglichen Sendung den Kuß erhielten.
Ein kleiner Teil des Körpers des Subjekts ist für das Ri-
tual eines Thaumaturgen immer die erste Wahl. Manch- INDUKTION
mal kann jedoch auch ein liebgewonnener Gegenstand aus Induktion ist eine Spielart der Vorbedingung unmittel-
dem Besitz des Ziels genügen, um Sympathie hervorzuru- barer Nähe zu einem Opfer, wie man sie von thaumaturgi-
fen, wenn man die Formel des Rituals richtig anlegt. Ein schen Pfaden kennt. Dieses Prinzip läßt eine blutmagische
längerer Kontakt mit einem Gegenstand kann Spuren der Sendung Besitz von einem Gegenstand ergreifen, die das
Identität auf ihm hinterlassen; manche hinterlistigen Ri- Ziel bei Kontakt „infiziert“. Von Induktion gelenkte Ritu-
tuale sind so entwickelt worden, daß sie diese schwachen almagie kann in einem passiven Zustand verbleiben, bis sie
Essenzreste nutzen. Obwohl keiner der allgemein bekann- durch Körperkontakt oder Inbesitznahme ausgelöst wird.
ten Riten Sympathie so zum Einsatz bringt, habe ich von Im Gegensatz zu den durch Pfade geschaffenen Sendun-
dermaßen gearteten Sendungen gehört. Die wenigen Blut- gen setzt Induktion nicht immer voraus, daß sich das Ziel
magier, die Voodoo oder Santeria praktizieren, scheinen zum Zeitpunkt der Durchführung des Rituals in unmittel-
diese Facette der Sympathie häufiger einzusetzen als tra- barer Nähe aufhält. Der Ritus Teufelsberührung ist eines
ditionell orientierte Hermetiker. der wenigen thaumaturgischen Rituale, bei denen der „in-
Die Rituale Blutwandeln und Binden der verleumderi- fizierte“ Gegenstand in Anwesenheit des späteren Ziels
schen Zunge sind gute Beispiele für diesen Aspekt der vorbereitet werden muß.
Sympathie. Das Ritual Verständigung mit dem Erzeuger Hexenmeister setzen dieses Prinzip oft ein, um arkane
basiert auf dem gleichen Prinzip; durch den Kuß wird die „Fallen“ und Schutzvorrichtungen zu schaffen. Der Magier
Essenz der Vitæ des Erzeugers auf ewig mit der des Kindes führt ein Ritual durch, das einen Effekt heraufbeschwört,
verflochten, und die Sendung bedient sich dieser Verbindung. aber indem er das Ritual mittels Induktion mit einem Ge-

KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN

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Blutmagie04.p65 41 03.11.00, 17:40

Julia Reinecke (Order #10164437)

 genstand verflicht, zögert er die eigentliche Vollendung
des Rituals hinaus. Körperkontakt ist die letzte Vorausset-
zung, die das Ritual vollendet und die Energie der Sen-
dung freisetzt. Die verschiedenen Schutzzeichen nutzen
alle Induktion, ebenso wie die Rituale Schaft der verspä-
teten Ruhe und Bereitung des Gefäßes der Übertragung.
Rituale, die dieses Prinzip verwenden, erlauben es, die
Bedingungen, die zu einer Auslösung der Sendung führen,
genau zu definieren. Dieser Vorgang wird „Einstimmung“
genannt und verhindert, daß bestimmte Personen oder
Personengruppen die Sendung aktivieren. Alle Schutzzei-
chen können so „eingestimmt“ werden, daß die Identität
eines bestimmten Wesens für die Magie unsichtbar wird.
Um dies zu tun, muß jedes Individuum, das eingestimmt
werden soll, bei der Durchführung des Rituals zugegen sein.
Eine kleine Gruppe auf Induktion basierender Formeln
bedient sich des genauen Gegenteils einer Einstimmung -
sie werden nur durch eine ganz bestimmte Person oder Per-
sonengruppe ausgelöst. Hierbei handelt es sich allerdings
um eine seltene Praxis. Das einzige weithin bekannte Bei-
spiel dieses Aspekts der Induktion ist im Fokus einer Vitæ-
Infusion zu finden, der so eingestimmt werden kann, daß
er auch für eine andere Person als den Magier wirkt.
INHÄRENZ
Im Gegensatz zu den anderen beiden kleineren Prinzipi-
en handelt es sich bei Inhärenz nicht um eine Methode zur
Lenkung einer blutmagischen Sendung. Dieses Prinzip
nutzt vielmehr die Essenz einer Komponente eines Ritu-
als, um die Qualitäten zu beschreiben, die genau diese
Komponente besitzt. In einer Formel angewandt bündelt
Inhärenz den Willen eines Magiers auf die gewünschte
Qualität der Ingredienz, um einen dieser Eigenschaft ver-
gleichbaren thaumaturgischen Effekt zu erzeugen.
Ein Beispiel für Inhärenz ist im Ritual Insektenbeine zu
finden (einem weiteren Sabbatritus, den ich kürzlich in
den Zauberbüchern der antitribu entdeckte), das vom Blut-
magier verlangt, eine lebendige Spinne in den Mund zu
nehmen. So unangenehm es auch sein mag, eine sich win-
dende, lebendige Spinne unter der Zunge zu haben, zeigt
der Ritus doch insofern Erfolg, als er dem Anwender die
Fähigkeit verleiht, in einer beunruhigend spinnenhaften
Manier über senkrechte Oberflächen zu huschen. Ande-
rerseits war der Vampir, der das Ritual entwickelte, vielleicht
ein Spinner, und das Ritual basiert nur zufällig auf Inhärenz.
Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen.
Erfahrene Magier haben die Theorie aufgestellt, diese
Funktion der Inhärenz sei eines der Elemente, das viele
Rituale durchführbar macht, ohne ein Blutopfer zu verlan-
gen. Der Gegenstand (oder die Gegenstände) ersetzt die
Vitæ als Fokus für den Willen des Magiers. Das erscheint
plausibel. Die Effekte des Rituals Blutwandelns ähneln in
gewisser Hinsicht auch der ersten Fähigkeit des Pfads des
Blutes. Abgesehen von kleinen Abweichungen in den ge-
wonnenen Informationen besteht der Hauptunterschied
zwischen beiden Effekten darin, daß der Pfad ein Opfer in
Form der Vitæ des Thaumaturgen voraussetzt, während das
längere, komplexere Ritual dieses Opfer nicht nötig macht.
Inhärenz findet vor allem bei komplexen Ritualen An-
wendung. Alle Schutzzeichen erfordern ein Element, das
irgendwie Anathema für die Wesenheiten ist, vor denen
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Blutmagie04.p65 42
Julia Reinecke (Order #10164437)
das Zeichen schützen soll: Wolflinge und Silber, Geister
und Salz, Ghule und das Blut von Sterblichen usw. Die
Spiegelscherbe, die im Ritus Körperlose Bewegung benutzt
wird, ist ein Beispiel für ein Ritual, in dem dieses Prinzip
von ganz besonderer Bedeutung ist; in diesem Fall verleiht
der Spiegel dem Magier nicht nur einen nicht-stofflichen
Körper, er bewahrt außerdem das „Abbild“ seiner körper-
lichen Form für die Dauer dieses Effektes.
Die magischen Qualitäten eines Gegenstandes erschlie-
ßen sich nicht immer auf den ersten Blick. Sie könnten
allein in uraltem Geheimwissen, Mythen oder purem
Aberglauben als Ingredienz für ein Ritual Erwähnung fin-
den. Während letzteres meist nur für die weniger kultivier-
ten Rituale der Sabbat-Anfänger zutrifft (beispielsweise
Heilung des Heimatlands), taucht auch in wenigen, älte-
ren Tremereritualen noch ein seltsamer Gegenstand auf,
wie die „verfluchte“ Kupfermünze in Teufelsberührung.
DAS GEPRÄNGE
HERMETISCHER RITUALE
Wie erwähnt haben die Tremere nahezu alle unnötigen
Elemente aus ihren Ritualen gestrichen. Während einer
thaumaturgischen Zeremonie hört man in der Regel we-
der Gebete noch unterwürfiges Flehen. Ein Ritual der He-
xenmeister ist auf das Nötigste gekürzt, das für das Wirken
der Sendung erforderlich ist. Bei thaumaturgischen Riten fin-
det man nur selten Elemente wie Krötenbein und Spinnen-
haut, die man aus Populärmythen kennt. Manche Teile die-
ses Beiwerks sind jedoch bis heute erhalten geblieben.
Alle Rituale beginnen mit einer Praktik, die den Willen
des Magiers bündeln soll. Manchmal reicht schon stille
Meditation, aber meist gehört zur Formel ein kurzer Satz
(häufig in Latein), der ständig wiederholt wird, um es dem
Anwender zu erlauben, sich optimal zu konzentrieren. Als
nächster Schritt im Ritual wird für gewöhnlich der ge-
wünschte Effekt aufgebaut. Zu diesem Zeitpunkt müssen
alle erforderlichen Ingredienzien vorliegen, oder der Ritus
wird scheitern. In vielen Fällen sind Anrufungen nötig,
allerdings mehr, um den Willen des Magiers noch weiter
zu konzentrieren, nicht zur tatsächlichen Beschwörung ir-
gendeiner höheren Macht. Als letzter, wichtigster Schritt
des Rituals muß die Sendung entweder sofort auf ein Ziel
ausgerichtet (mittels Inhärenz oder Sympathie) oder
durch den Einsatz von Induktion verzögert werden. Ich
habe einmal beobachtet, wie ein Lehrling diesen letzten
Schritt bei der Durchführung von Feuerhaut vermasselte
und sich selbst von innen heraus verbrannte.
Der Zeremonienzirkel - meist zwei konzentrische Krei-
se, in deren Zwischenraum genügend Platz für die ver-
schiedensten Schutzzeichen bleibt - ist in den Zufluchten
der meisten Magier zu finden. (Ich verberge meinen unter
einem Teppich, damit ich mir nicht ständig unerwünschte
Fragen bezüglich meines Fliesengeschmacks anhören
muß.) Man braucht den Zirkel nicht für jedes Ritual, aber
Riten durchzuführen, bei denen es um Geister oder Dämo-
nen geht, ohne einen anzulegen, ist töricht. Ein dauerhaf-
ter Zirkel kann nur so angelegt werden, daß er entweder
gegen Geister oder gegen Dämonen schützt, nicht jedoch
gegen beide zugleich; um beide Arten von Wesenheiten
zurückzuhalten, müssen zusätzliche, temporäre Schutzzei-
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:40
 chen hinzugefügt werden. Manche Magier wirken ihre Ri-
tuale nur in Zirkeln, da sie darauf bestehen, es helfe ihnen
dabei, ihre Sendungen besser zu bündeln, während ande-
re es lediglich deshalb tun, weil sie ansonsten das Risiko
auf sich nähmen, die ungewollte Aufmerksamkeit eines
Dämonen auf sich zu ziehen.
Eine weitere, weit verbreitete Ingredienz in vielen Ri-
tualen ist eine besondere Kerze. Gewöhnlich enthält das
Wachs eine einzigartige Komponente, die beim Herunter-
brennen der Kerze freigesetzt wird. Die „Hand des Ruhms“
stellt ein gutes Beispiel für eine solche Kerze dar. Der Ma-
gier beschafft sich die Hand eines hingerichteten Verbre-
chers - vorzugsweise eines Gehängten - und preßt alles
Blut aus dem Körperteil. Als nächstes kocht er das Fett aus
der Hand aus und vermischt es mit Paraffin, um eine Ker-
ze zu ziehen. Verbrennt man die Kerze zwischen den Fin-
gern der abgetrennten Hand, bietet der Rauch der Kerzen-
flamme eine Reihe auf Inhärenz basierender Ritualeffek-
te. Die Hand des Ruhmes wird oft bei Schutzzeichen ver-
wendet, insbesondere bei solchen, die vor Diebstahl schüt-
zen sollen, aber auch in Ritualen, die mit subtiler Mani-
pulation, ganz gleich, ob physisch oder mental, zu tun haben.
Lange, dunkelrote oder schwarze Roben werden von
manchen Blutmagiern auch sehr geschätzt, vor allem un-
ter den Anhängern der „alten Schule“. Nicht, daß sie ir-
gendeinem rituellen Zweck dienen; die dunkle Farbe ver-
birgt vielmehr Blutflecken, die ansonsten schnell die Klei-
dung ruinieren. Wenn Sie mich fragen, bringt eine dunkle
Robe immer Ärger - auch auf dem schwarzen Leder mei-
ner Jacke ist Blut nicht zu schnell zu erkennen, und ich
sehe nicht wie ein Spinner aus, wenn ich sie trage. Große
Kohlebecken oder andere, größere Feuerquellen werden
benutzt, um Ingredienzien zu verbrennen, die laut den
Vorgaben des Rituals von den Flammen verzehrt werden
müssen; subtilere Magier können für diese Zwecke auch
einen ganz gewöhnlichen Kamin verwenden.

PRINZIPIEN IM SPIEL
Während Wille, Blut und Wissen ohnehin zum Ein-
satz der Disziplin Thaumaturgie gehören, könnten die
Prinzipien der Identität, der Sympathie und der Inhä-
renz thaumaturgische Effekte um ein weiteres Ele-
ment bereichern.
Mit Zustimmung des Erzählers kann ein Thauma-
turg jegliche Reichweitebeschränkungen eines Rituals
(nicht eines Pfades) ignorieren, vorausgesetzt, der
Charakter kann das Prinzip der Identität, der Sympa-
thie oder der Inhärenz erfüllen. Daraus könnten inter-
essante Nebenhandlungen erwachsen, in denen der
Klüngel eine besondere Komponente finden oder den
Wahren Namen eines Rivalen in Erfahrung bringen
muß, es könnten sich aber auch Probleme für die lau-
fende Geschichte ergeben. Erzähler, nun liegt es an
Ihnen, aber denken Sie daran fair und konsequent zu
bleiben, wenn Sie Ihre Urteile fällen.

KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN

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Blutmagie04.p65 43 03.11.00, 17:40

Julia Reinecke (Order #10164437)

 GEISTER UND durch Blut- oder Fleischopfer angelockt werden, sind Dä-
monen.

DÄMONEN
Nicht alle Kreaturen, die durch Blutpakte manipuliert
werden können, lassen sich leicht klassifizieren; im Zwei-
felsfall sollten Sie Schutzvorkehrungen gegen beide Kate-
Manche Thaumaturgen ziehen es vor, den Kontakt mit gorien von Wesen treffen. Da ich bereits das zweifelhafte
Wesen aus anderen Welten zu meiden, egal, ob es sich um Vergnügen hatte, die grauenhaft verstümmelten - und un-
Dämonen, Geister oder etwas ganz anderes handelt. Die vollständigen - Überreste eines Magiers zu sehen, der
Tremere haben gelernt, nur wenigen dieser Wesenheiten Schutzzeichen gegen einen Geist vorbereitet hatte, ob-
zu vertrauen. Außerdem kann mit ihnen nur dann in zu- wohl es sich bei der von ihm beschworenen Kreatur tat-
friedenstellender Weise umgegangen werden, wenn man sächlich um einen Dämonen handelte, kann ich Ihnen
sich ihnen gegenüber in einer Machtposition befindet. versprechen, daß Sie nur einmal werden raten können,
Glücklicherweise übt Vitæ eine schreckliche Anziehungs- welcher Natur das von Ihnen beschworene Wesen ist. Sie
kraft auf - und damit Macht über - viele dieser Wesen aus, sind besser beraten, sich die Mühe zu machen und sich vor
weshalb ein Thaumaturg sie mittels Blutmagie einigerma- beidem zu schützen.
ßen gut kontrollieren kann. Vielleicht ist „glücklicherwei-
se“ auch falsch... DÄMONEN
Ungeachtet der Leichtigkeit, mit der einige dieser Krea-
Lange vor der Erschaffung der Thaumaturgie haben
turen manipuliert werden können, lehnen es puristische
sterbliche Magier Dämonen durch Rituale in ihre Dienste
Blutmagier ab, sich mit anderweltlichen Wesenheiten zu
gezwungen. Einige wenige tollkühne Magier verließen sich
befassen. Sie behaupten, das Anlocken einer Kreatur zur
auf die über den Wahren Namen des Dämonen erhaltene
Durchführung der verschiedensten Aufgaben sei nur eine
Kontrolle, während andere Blut und Leben für einen dia-
Abkürzung, mit der man sich vor einer ausgeklügelteren
bolischen Gefallen riskierten. Nach reiner spiritueller Es-
Sendung drücken kann, und somit ein Anzeichen für eine
senz dürstet es Dämonen nicht so sehr wie nach der Es-
gefährliche Trägheit. Wenn ein Magier genug Macht be-
senz und den Säften der Sterblichkeit.
sitzt, um einen Dämonen oder Geist dazu zu bewegen, sei-
Nachdem die Tremere hermetische Rituale mit Blutma-
nen Willen auszuüben, so sagen sie, dann verfügt er auch
gie verbunden hatten, erhielten sie neue Macht über die
über mehr als genug Macht, um diesen Willen durchset-
Bewohner der Hölle. Wo ein einfaches Blutopfer ausreicht,
zen zu können, ohne auf einen unzuverlässigen Verbünde-
Dämonen zu manipulieren, bietet Vitæ dem Magier die
ten zurückgreifen zu müssen.
Möglichkeit, sich deren Dienste zu erzwingen. Wird Vitæ
Die Tatsache, daß Nekromanten unter den Toten über
mit dem Wahren Namen der Kreatur kombiniert, so übt
großen Einfluß verfügen, bereitet diesen Hexenmeistern
der Thaumaturg nahezu absolute Macht über das be-
weitere Sorgen, wenn es um die Anrufung eines Geistes
schworene Wesen aus. Zumindest für gewisse Zeit - man-
geht. Und, fügen sie hinzu, man bräuchte nur einen Blick
che alten Schriften wie beispielsweise das Nominis Inferni
auf einen Anwender der Dunklen Thaumaturgie zu wer-
scheinen anzudeuten, daß selbst die durch einen Wahren
fen, die auch als Satanisten bekannt sind, um zu sehen,
Namen gewonnene Kontrolle über die Jahrhunderte ge-
was der Umgang mit der Hölle einbringt. Diese Magier
schmälert werden kann. Selbst die Tremere gestehen ein,
sind der Meinung, dies sollte man allein Idioten oder To-
daß Dämonen über Fähigkeiten verfügen, die die Tremere
tengräbern überlassen.
noch nicht einmal ansatzweise verstehen; es würde mich
Obwohl Kritiker anderes behaupten, gibt es durchaus
nicht überraschen herauszufinden, daß die mächtigsten
Gelegenheiten, bei denen es sich als vernünftiger erweist,
unter ihnen irgendwie den eigenen Wahren Namen än-
einen Geist oder niederen Dämon einzusetzen, anstatt ein
dern können.
ausgeklügeltes Ritual zu wirken. Natürlich nicht in der
Es muß noch erwähnt werden, daß es sich bei diesen
wahllosen Form, die die Satanisten praktizieren - das ist
Wesen nicht immer um die jüdisch-christlichen „Dämo-
eindeutig ein Fall für natürliche (oder unnatürliche) Se-
nen“ der Hölle handelt, wie sie durch schlechte Musik und
lektion. Nur ein Narr glaubt, er könne einfach so einen
noch schlechteren Geschmack in der breiteren Öffentlich-
Vorteil aus dem Pakt mit einem Dämonen ziehen. Jedes-
keit bekannt gemacht wurden. Ein Dämon könnte einfach
mal, wenn ein Hexenmeister eine solche Wesenheit be-
nur der Geist sein, der in einem Fluß wohnt, der „Schutz-
schwört, bindet er ihn sorgsam mittels seines eigenen Wil-
geist“ einer heiligen Stätte oder gar etwas vollkommen
lens. Das Prinzip der Identität - in nahezu allen Fällen
Esoterisches und Unbegreifliches. Ich habe gehört, die Tzi-
durch den Wahren Namen des Wesens repräsentiert - ist
misce zählten die Naturgeister ihrer angestammten Hei-
ein wichtiger Bestandteil eines jeden Rituals, das sich um
matländer zu den „Dämonen“. Aber denken Sie daran: Ich
ein Wesen aus einer anderen Welt dreht.
sagte „immer“ - manchmal kontaktiert man buchstäblich
Die Tremere erkennen zwei breitgefaßte Kategorien sol-
einen echten Dämon aus der Hölle. Ich weiß nicht, wie die
cher Wesenheiten an: Geister und Dämonen. Da es an
Grenzen der dämonischen Hierarchie verlaufen. Also pas-
anderen Beweismöglichkeiten mangelt, ist die unter
sen Sie auf.
Thaumaturgen akzeptierte Methode, eine solche Kreatur
zu identifizieren, an das Prinzip der Inhärenz bei der Be- RITUALE UND DÄMONEN
schwörung gekoppelt. Wesenheiten, für deren Beschwö- Nur sehr wenige Rituale weisen eine direkte Beteiligung
rung man Gegenstände, die mit dem Tod oder den Toten eines Dämons auf. Unter ihnen ist der legendäre Blutver-
assoziiert werden, braucht, gelten als Geister, und die, die trag der einzige, den der Clan Tremere als „dämonisch“

BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE

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 anerkennt. Dämonen haben ein gutes Gedächtnis und
können länger als Kainskinder existieren; es ist nicht wei-
se, sie beiläufig mit Anrufungen zu beschwören, deren
Wirkung von begrenzter Dauer ist.
Andererseits rufen Satanisten diese Kreaturen regelmä-
ßig aus trivialsten Gründen an. Da diese Drückeberger ihr
Wissen häppchenweise von ihren finsteren Meistern er-
halten, ist es wirklich keine Überraschung, daß sie ihre
Dienste so häufig einsetzen.
Wenn man allerdings die Elemente des Tremererituals
Blutsgehilfe einmal eingehend betrachtet, so glaube ich,
daß es auch eine Form von dämonischer Wesenheit be-
schwört, obwohl der Clan dies abstreitet. Die Formel ent-
hält als Anforderung einen beträchtlichen Teil der Vitæ
des Magiers und schafft einen belebten und intelligenten
Diener für den Anwender. Er verfügt über einen Großteil
des Wissens des Magiers und kann sogar lernen, wobei er
seine Lektionen behält, sogar nachdem die Effekte des Ri-
tuals unwirksam geworden sind. Die Intelligenz, die durch
ein Blutopfer angezogen wird, muß eine Form von Teufel-
chen, Lemur oder anderem niederen Dämon sein.
DAS BINDEN VON DÄMONEN
Obwohl die Tremere davor zurückschrecken, zu oft
Handel von zu kurzer Dauer mit dämonischen Wesenhei-
ten einzugehen, binden die Meister der Blutmagie diese
Kreaturen bisweilen in längere Zeiten der Knechtschaft.
Ein versklavtes Wesen verabscheut seine Knechtschaft
ohne Zweifel, aber der bindende Magier beabsichtigt sel-
ten, die Kreatur zu befreien, damit sie dann Vergeltung an
ihrem früheren Meister üben kann. Die zwei häufigsten
Arten dämonischer Diener sind Homunkuli und Besessene.
Homunkuli sind winzige Wesen - oft in Form und Aus-
sehen so verwachsen, als entstammten sie einem Gemäl-
de Boschs. Es handelt sich um von einem Blutmagier er-
schaffene Körper, die von einer niederen diabolischen
Wesenheit beseelt sind. Der Schöpfer muß einen Teil sei-
nes eigenen Fleischs und Blutes opfern, um den Körper
des Homunkulus zu formen. Durch die Präsenz der Vitæ
wird dann ein schwacher Dämon in den Körper gelockt.
Ist das Wesen erst einmal in den Körper eingefahren, nutzt
der Magier seine eigene Essenz, die im Fleisch und Blut
des Konstruktes ja vorliegen, um es in dem Körper gefan-
genzuhalten.
Die so gefangenen Wesenheiten sind niemals von ir-
gendeiner Bedeutung und stellen, im Gegensatz zum Um-
gang mit anderen dämonischen Wesen, kaum eine Gefahr
für den Magier dar. Aufgrund des körperlichen Bandes mit
der Kreatur erleidet ein Blutmagier zwar einen gewissen
körperlichen Schaden, wenn der Leib des Homunkulus
vernichtet wird, aber es besteht kaum ein Grund zur
Furcht vor einem Vergeltungsschlag der entflohenen We-
senheit.
Ältere Magier warnen jedoch davor, daß die Kreatur
durch ihre Verbindung zum Fleisch und Blut eines Thau-
maturgen dessen Wahren Namen in Erfahrung bringen
kann. Obwohl sie selbst dem Magier vielleicht nicht scha-
den kann, könnte sie dieses Wissen bei mächtigeren Dä-
monen ausplaudern oder es gar später einmal gegen den
Thaumaturgen verwenden, wenn ihre eigene Macht groß
genug geworden ist.
KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN
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Julia Reinecke (Order #10164437)
Die zweite Art dämonischer Helfer, die von den Treme-
re erschaffen wird, sind die „Besessenen“. Ein Tremere bin-
det einen dämonischen Helfer an einen menschlichen
Körper, dem zwar die Seele, nicht aber das Leben geraubt
wurde, für gewöhnlich durch grauenhafte Folter, Blutma-
gie oder eine Kombination daraus. Der Tremere muß die
Wahren Namen sowohl des Dämons als auch des ur-
sprünglichen Besitzers der Körpers kennen und beide Na-
men in die Haut des Körpers schneiden oder tätowieren.
Dies führt zu einer doppelten Bindung, die durch die Zer-
störung des Leibes nicht gebrochen wird, obwohl in die-
sem Fall der Wahre Name des Dämons verhindert, daß er
Vergeltung zu üben sucht.
Heute werden diese Abscheulichkeiten nur selten er-
schaffen, und ich kann nicht gerade sagen, daß mich das
Wissen um diese Tatsache traurig stimmt. Besessene schei-
nen auf den ersten Blick wenig mehr zu sein als normale
Menschen, aber körperlich gesehen sind sie um einiges
stärker als ein gewöhnlicher Sterblicher. Die Macht der
Wesenheit im Innern der physischen Hülle sickert langsam
nach außen und verändert den Körper. Wo die Haut nicht
von den magischen Zeichen zerstört ist, ist sie unnatürlich
glatt und leuchtet fast vor innerer Hitze. Die Augen ha-
ben weder Iris noch Pupille und sind anstelle dessen flak-
kernde orangefarbene Kugeln ohne Lider. Die innere Hit-
ze ist außerdem nicht nur eine Illusion; ich habe Berichte
gelesen, wonach diese Dinger plötzlich in Flammen aufge-
hen. Scheinbar kann der Körper eines Sterblichen einen
Dämonen nicht lange beherbergen.
GEISTER
Die meisten Tremere verspotten die Geister der Toten,
da sie glauben, es handle sich um die Überreste von Sterb-
lichen oder Kainskindern, die ihre eigene Existenz nicht
schützen konnten und folglich kaum von Bedeutung sind.
Die Giovanni, so die Tremere, seien deshalb nicht in der
Lage, wahre Magie zu wirken, denn ansonsten würden sie
nicht ihre Zeit damit vergeuden, Gespenstern hinterher zu
jagen. Obwohl der Clan interessanterweise die Nekroman-
ten nach außen hin ins Lächerliche zu ziehen versucht,
beobachtet er jeden Schritt der Giovanni mit einer Vor-
sicht, die an offene Furcht grenzt.
Dennoch verfügen Geister über einige Qualitäten, die
sie zu einem angemessenen Mittel zum Zweck machen.
Geister - die oft Todesalben oder Gespenster genannt wer-
den - sind leichter zu manipulieren als Dämonen, und sie
behalten gewisse Bande zur physischen Welt, die der Ma-
gier nutzen kann. Es ist viel leichter, den Wahren Namen
eines Geists statt eines Dämons herauszufinden, insbeson-
dere, wenn der Magier Zugriff auf die physischen Überre-
ste des Geistes hat. Außerdem kann ein Magier einen die-
ser Geister wie eine Schachfigur einsetzen, ohne sich den
Gefahren gegenüber zu sehen, die ein versklavter Dämon
darstellt; entflohenen Geistern mangelt es zumeist an den
Fähigkeiten, so Rache zu nehmen wie eine diabolische
Wesenheit.
GEISTER UND THAUMATURGIE
Mindestens zwei Pfade befassen sich direkt mit der Be-
einflussung von Geistern, ein Zeugnis dafür, daß Geister
03.11.00, 17:40
 leichter zu kontrollieren sind als Dämonen. Es gibt jedoch
nur wenige Rituale, mit denen diese Wesen beschworen
werden; die Mühe, die sich der Magier mit diesen Ritua-
len machen müßte, ist so groß, daß er die Aufgabe wahr-
scheinlich leichter selbst bewältigt, ohne sich der Hilfe aus
dem Jenseits zu bedienen.
Trotzdem ist die bösartige Wesenheit, die durch Dienen-
der Pfahl erschaffen wird, von den Mächten des Jenseits
berührt. Allein die Tatsache, daß das Holz für dieses Ritu-
al von einem Baum stammen muß, der seine Nährstoffe
aus Leichen gezogen hat, spricht Bände. Ganz egal, ob der
in das Holz gebannte Geist sein Schicksal akzeptiert oder
nicht, muß man als Kainskind nur beobachten, wie sich
der zersplitterte, menschengestaltige Pflock in Raserei
buchstäblich zerreißt, um sein Opfer zu durchbohren.
Dann weiß man, daß das, was dieses Ding belebt, alles an-
dere als glücklich ist.
WIEDERBELEBUNG
Die Tremere haben einen Weg entdeckt, zombiehafte
Diener zu erschaffen, die „Lebende Leichen“ genannt wer-
den. Das Ritual verlangt vom Magier, daß er die Seele ei-
nes Verstorbenen zurück in ihren früheren Körper holt, in
den sie dann gebannt wird. Zu dieser Anrufung gehören
lediglich der Wahre Name des Subjekts, einige esoterische
Ingredienzen und die Leiche. Somit sind Lebende Leichen
leichter zu erschaffen als Besessene, da die Recherchezeit
zur Feststellung des Wahren Namens eines Dämons weg-
fällt. Lebenden Leichen fehlt allerdings die übernatürliche
Stärke eines Bewohners der Hölle, und sie verwesen und
verrotten wie gewöhnliche Leichen. Ich habe Legenden
von Lebenden Leichen gehört, die in den ersten Nächten
des Clans erschaffen wurden und nun nur noch ein Hau-
fen Knochen sind, in dem gequälte Seelen auf ewig an den
Willen eines Magiers gebunden sind.
Der Clan hat Methoden entwickelt, um sowohl Dämo-
nen als auch Geister durch Blutmagie anzulocken, aber ich
denke, ein Blutmagier kann ruhigen Gewissens diesen
Praktiken entsagen, ohne daß es ihm zum Nachteil gerei-
chen wird. Wenn etwas erst einmal in die Reiche einge-
gangen ist, die jenseits des endgültigen Todes liegen, den-
ke ich, es ist am besten, es einfach dort zu lassen - beson-
ders, wenn es zurückkehren will! Wenn Sie mit Geistern
herumtollen wollen, werden Sie Bestattungsunternehmer;
wenn Sie Dämonen begegnen wollen, setzen Sie eine Son-
nenbrille auf und schauen sich den nächsten Sonnenauf-
gang an.
ANDERE TRADITIONEN
Bisher bezog ich mich auf hermetische Formeln und Ri-
tuale. Während die meisten Tremere dieser Tradition fol-
gen, um Blutmagie zu wirken, gibt es einige Blutmagier im
Clan, die mit anderen Traditionen der Magie experimen-
tiert haben. Viele von ihnen geben es nach ein paar Jah-
ren auf, hermetische Formeln in ein anderes System der
Beschwörungen oder Zeremonien zu übertragen. Entwik-
kelt ein Magier ein neues Ritual, besteht für ihn die Mög-
lichkeit, an Status zu gewinnen, aber nur wenige Ahnen
scheren sich um einen Thaumaturgen, der ein bereits be-
stehendes Ritual in eine andere Tradition überträgt.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
Trotz der damit einhergehenden Eintönigkeit besitzen
einige Tremere den kulturellen Hintergrund und die Ge-
duld, anderen Traditionen zu folgen. In den meisten Fäl-
len bringen geschichtliche, ethnische oder regionale Fak-
toren sie dazu, sich einer anderen Tradition als der Her-
metik zu widmen. Ein jüdischer Tremere mag die Kabba-
lah vertrauter finden, ein Kreole könnte besser mit Voo-
doo zurechtkommen. Wie die Hermetik stammen die mei-
sten dieser Schulen ursprünglich aus einer anderen Philo-
sophie, wobei alle überflüssigen Elemente weggestrichen
wurden. Diese sekundären Traditionen sind heute nur an-
dere Wege, Blutmagie zu wirken. Alle Prinzipien der
Thaumaturgie gelten auch für nicht-hermetische Praktiken.
Ich habe nur die verbreitetsten dieser nicht-hermeti-
schen Formen der Thaumaturgie ausgewählt. Wahrschein-
lich habe ich auch ein oder zwei übersehen, aber dann fol-
gen diesen Traditionen nicht mehr als je eine Handvoll
Blutmagier weltweit.
KABBALAH
Wie Sie vielleicht wissen, ist die Kabbalah eine mysti-
sche Tradition, die schon im 5. Jh. v. Chr. aus dem Juden-
tum erwuchs. Obwohl sie vor dem späten 14. und dem frü-
hen 15. Jh. kaum die Aufmerksamkeit nicht-jüdischer
Zauberer auf sich zog, glauben viele moderne Thaumatur-
gen daran, die Gründer des Clans Tremere hätten zumin-
dest in den frühen Phasen ihrer Forschungen mit der Kab-
balah experimentiert. Aber obwohl die ersten Tremere
wißbegierig waren, waren sie was Wissen und Ansichten
anging, mit der Hermetik behaftet, und beendeten schon
bald das Studium der Kabbalah, um sich den vertrauteren
Ritualen ihrer ehemaligen Tradition zu widmen.
Überraschenderweise hat sich die Kabbalah im Verlauf
des letzten Jahrhunderts unter den Tremere zunehmend
verbreitet, aber die Gesamtzahl der Thaumaturgen, die
dieser Tradition folgen, beläuft sich nach wie vor auf we-
niger als zwei Dutzend Kainskinder, wobei über zwei Drit-
tel von ihnen Juden (zumindest, was ihre Abstammung,
wenn auch nicht zwingend ihre Religion angeht) und alle
männlich sind (während die Tradition, über 40 Jahre alt
und verheiratet zu sein, den veränderten Rahmenbedin-
gungen zufolge aufgegeben wurde, wurde das Verbot, Frau-
en die Kabbalah zu lehren, aufrechterhalten). Erst in jüng-
ster Zeit hat diese Tradition Akzeptanz in der breiten Mas-
se des Clans gefunden, und sie bleibt auf bestimmte Zen-
tren der Ausübung begrenzt. Zu den Gebieten, in denen
die Kabbalah die größte Anhängerschaft aufweist, gehören
New York, Deutschland, Polen und England.
Die Tradition lehrt, die Thora sei ein Buch der Symbole
für Geheimnisse von grenzenloser Macht. Einer der Leit-
sätze der Kabbalah ist der Glaube an die Macht des Wor-
tes. Genauer gesagt geht sie davon aus, Worte besäßen ei-
nen numerischen Wert, und durch Berechnungen, die auf
diesen Werten beruhen, könne man nicht nur verborgene
Wahrheiten enthüllen, sondern auch spektakuläre Wun-
der der Macht wirken.
Im Hebräischen werden Buchstaben Zahlen gleichge-
setzt; deshalb hat jedes Wort nicht nur eine Bedeutung,
sondern auch einen Zahlenwert. Die Zahlenwerte der
Worte weisen oft Verbindungen auf. Addiert man bei-
spielsweise die Werte für die hebräischen Worte für „Vater“
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:41
 und „Mutter“, entspricht die Summe dem Wert für
„Kind“. Durch Manipulationen dieser Werte wirken Kab-
balisten Rituale.
Blutmagier haben diese Konzepte in eigene Riten über-
nommen und die Tradition auf ihre einfachste Form redu-
ziert - Nummern und Formeln. Zu einem kabbalistischen
Ritual gehört oft nur eine sorgsam niedergeschriebene
Gleichung. Komplexität und Länge der Formel stehen in
einem direkten Zusammenhang mit der Macht des ge-
wünschten Effektes. Ein niederes Ritual erfordert viel-
leicht nur eine Seite an Berechnungen, während ein kom-
plexes und mächtiges Ritual wahrscheinlich mehrere Ta-
feln mit Kalkulationen - oder einige Megabytes an Spei-
cherplatz - belegen wird.
Nur selten tauchen Teile des vielfältigen arkanen Ge-
pränges, das normalerweise mit den anderen Traditionen
der Bluthexerei in Verbindung gebracht wird, in kabbali-
stischen Praktiken auf. Die numerische Definition eines
Gegenstands reicht häufig schon für Rituale aus, in denen
die traditionellere Hermetik nach dem tatsächlichen Ge-
genstand selbst verlangt. Ein Bereich, den die Kabbalisten
nicht mit Hilfe der Mathematik synthetisieren konnten,
ist jedoch der Bedarf an Blut und Vitæ; keine Formel der
Welt kann die Macht des Blutes ersetzen. In den kabbali-
stischen Ritualen setzte der Thaumaturg folglich für ge-
wöhnlich seine eigene Vitæ ein, um die nötigen Gleichun-
gen niederzuschreiben.
Wissen ist ein wichtiger Teil der Kabbalah. Jeder Thau-
maturg, der sie studieren will, muß Hebräisch sprechen -
die Grundlagen dieser Praktik fußen auf dieser Sprache
und ihrem alphanumerischen Wesen. Man muß nicht nur
die Werte der Worte kennen, die in den Ritualen verwen-
det werden, sondern auch die ihrer Permutationen. Zu-
sätzlich muß der Kabbalist komplizierte mathematische
Formeln verstehen und anwenden können, um die in den
Werten gebündelte Macht zu nutzen.
Die anderen größeren Prinzipien kanalisieren und ver-
stärken den magischen Effekt, der durch die Formeln des
Kabbalisten gewirkt werden soll. Das Prinzip des Willens
sorgt dafür, daß einfache Rechenaufgaben in der Schule
nicht dazu führen, daß sich plötzlich die Haut des Lehrers
von seinen Knochen schält; ohne eine weitergehende Ab-
sicht sind mathematische Formeln, egal, wie komplex sie
auch sind, inaktiv.
Von den kleineren Prinzipien tauchen in der Kabbalah
vor allem Sympathie und Inhärenz auf. Insbesondere Sym-
pathie - in Form eines Zahlenwerts - liegt im Kern jeder
kabbalistischen Thaumaturgie. Der Wert eines Worts de-
finiert nicht nur seine Essenz, sondern illustriert auch
deutlich seine Verbindung zum Rest der Welt. Die Mani-
pulation der relationalen Werte zwischen einzelnen Wor-
ten durch den Kabbalisten ist nahezu sympathische Magie
in Reinform. Die präzise Klarheit mathematischer Glei-
chungen umreißt in dieser Tradition scharf Absicht und
Effekt der durchgeführten Rituale.
Die wahre Schwierigkeit für einen Kabbalisten liegt dar-
in, das Wort für eine Komponente oder einen Fokus kor-
rekt zu definieren. Die Definitionen, die in hebräischen
Texten zu finden sind, stellen nur in Sachen Recherche
eine Herausforderung dar, aber neuere Erfindungen oder
schlimmer noch, der Name eines Sterblichen oder Kains-
KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN
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kindes, müssen erst ins Hebräische übersetzt werden.
Selbst wenn der Magier den Wahren Namen eines Zieles
kennt, kann er ohne korrekte Übersetzung nur in einem
von Versuch und Irrtum geprägten, langwierigen Prozeß
versuchen, das definierende Wort und seinen Wert abzu-
leiten. Der durch die Einfachheit der Formeln gewonnene
Vorteil beim Einsatz kabbalistischer Rituale wird durch
diesen arbeitsintensiven Vorgang oft wieder zunichte ge-
macht.
Ein Folgesatz des Prinzips der Sympathie verleiht dieser
Tradition ihre größte Macht. Indem er das Wesen des de-
finierenden Worts subtil verändert, kann der kabbalisti-
sche Thaumaturg die Substanz des ursprünglich definier-
ten Worts beeinflussen. Jahrhundertelang haben Thauma-
turgen mit der Transposition und Supposition von Buch-
staben in Worten experimentiert, bisweilen mit erstaunli-
chem Erfolg. Anwender behaupten, syrische Juden hätten
sich während des 2. Weltkriegs auf die Kabbalah verlassen,
um Hitlers Vormarsch vom Mittleren Osten abzulenken,
indem sie die Buchstaben des hebräischen Wortes für Sy-
rien so umgestellt hätten, daß sie Rußland ergaben.
Thaumaturgen, die dieser Tradition folgen, bringen
manchmal höhere Algebra, Physik und andere komplizier-
te mathematische Methoden erfolgreich zum Einsatz. Dar-
über hinaus profitiert die kabbalistische Forschung massiv
von der Computertechnologie, die es den Numerologen
erlaubt, Permutationen des Wertes eines bestimmten Wor-
tes blitzartig zu bestimmen. Die Formeln müssen immer
noch niedergeschrieben werden, um wirksam zu sein, aber
Wochen oder gar Jahre an Rechenarbeiten zur Bestim-
mung des Potentials eines Werts fallen nun weg. Gäbe es
eine jüdische Weltverschwörung, säßen alle in der Tinte.
Die Bereitschaft, mit der Kabbalisten Computer einset-
zen, hat bei konservativen Ahnen und Regenten zu einer
gewissen Pikiertheit geführt, denn sie sehen die Nutzung
von Rechnern als nur einen Schritt von der Blasphemie
des Pfades der Technomantie entfernt.
VOODOO UND SANTERIA
Voodoo und Santeria sind vergleichsweise junge Tradi-
tionen; keine von ihnen ist in ihrer jetzigen Form älter als
500 Jahre. Beide entstanden bei den Sklaven in der Kari-
bik als eklektische Mixtur aus afrikanischen Religionen,
Folklore und einer Prise Katholizismus, die die damals vor-
herrschenden europäischen Kulturen ruhigstellen sollte.
Obwohl sich die beiden in ihrer Terminologie unterschei-
den, teilen sie in der Anwendung die selben Ausdrucks-
formen und Methoden. Trotz des Potentials, das dieser
neue Einfluß für die Anwendung der Magie darstellt, wird
er vom Großteil der Gildehäuser kaum beachtet.
Einige Thaumaturgen im Südosten der USA und in der
Karibik folgen der Tradition des Voodoo, und ein Häuflein
Hexenmeister in New York, Florida, Kuba und Mexiko set-
zen sich mit Santeria auseinander. Abgesehen von den
eben genannten Personen gibt es nahezu keine Thauma-
turgen, die einer der beiden Traditionen folgen. Dies liegt
nicht daran, daß Voodoo unwirksam wäre. Im Gegenteil,
die kleine Gruppe von Magiern (bisweilen Bokkor ge-
nannt), die Voodoo praktizieren, besteht darauf, Voodoo
sei ebenso mächtig wie die Hermetik - in manchen An-
wendungen möglicherweise gar mächtiger. Der wahre
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 Grund, weshalb die grauen Herren nur selten Voodoo stu-
dieren, liegt in ihrer Vermutung, die magischen Aspekte
dieser Praxis könnten durch den Einfluß anderer Clans
(insbesondere der Schlangen des Lichts und der Nekro-
manten), den diese unter den sterblichen Anhängern die-
ser Religion aufweisen, verändert sein.
Die Schlangen des Lichts waren schon in vielen Voo-
doo-Gemeinden präsent, noch ehe die Religion in den
USA Fuß faßte. Während die anderen Clans dazu neigten,
die ersten afrikanischen Sklaven und deren Kultur zu
ignorieren, sahen die Kobras sie als ausbaufähiges, riesiges
Netzwerk an sterblichen Jüngern. Im 18. Jh. gehörte zu
den Herden der Schlangen eine Reihe von Voodoo-Prie-
sterinnen, die als Königinnen oder Mambos bekannt wa-
ren. Manche von ihnen waren wohl selbst Kobras. Die
Voodoo-Gemeinden übten gewaltigen Einfluß auf ihre
Mitglieder aus - im Süden der USA vor dem Bürgerkrieg
in der Regel Sklaven oder freie Schwarze. Die Tremere -
paranoid wie immer - sorgen sich, die Kobras könnten
nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Praktik ma-
nipuliert haben.
Wie auch immer, ich kann dem Clan nicht vorwerfen,
hinsichtlich dieser Tradition zu vorsichtig zu sein.
Außerdem gibt es ausreichend, wenn auch nicht unbe-
dingt hieb- und stichfeste Beweise, daß auch die Nekro-
manten bei der Entwicklung dieser Tradition eine aktive
Rolle gespielt haben. Zwar wahren die Giovanni ihre Ge-
heimnisse noch eifersüchtiger als die Tremere, aber viele
Hexenmeister verweisen auf die Macht, die Baron Samedi
zugeschrieben wird, dem Loa, der mit Friedhöfen und To-
ten in Verbindung gebracht wird. Es ist unwahrscheinlich,
daß die Giovanni eine Tradition ignorieren würden, die
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das Geheimnis kennt, wie man Zombies erschafft, wan-
delnde Leichen, die zauberkundigen Meistern dienen.
Wie bereits erwähnt haben sich einige wenige aus dem
Clan Tremere nichtsdestotrotz entschlossen, dieser Tradi-
tion zu folgen. Andere Thaumaturgen könnten diese Prak-
tiken ebenfalls studieren, aber ihre Zahl ist unbekannt,
und bestenfalls handelt es sich bei ihnen um eine Hand-
voll. Blut- und Tieropfer waren schon lange Teil dieser bei-
den Traditionen, mit denen Gefallen bei Loas und ande-
ren Wesenheiten erbeten werden sollen. Infolgedessen
fällt es Anwendern leicht, viele der Rituale in blutmagi-
sche Formeln zu übertragen.
Wie alle Spielarten der Thaumaturgie sind beide Tradi-
tionen an die größeren Prinzipien gebunden. Viele, die
über diese Traditionen spotten, behaupten, es handle sich
um krudere Formen der Thaumaturgie als die Hermetik,
weil sie sich oft niederen Loas und anderer Geister als
Handlanger bedienen, um ihre Ziele zu erreichen. Konser-
vative Hexenmeister sehen sie gar als eine Degeneration
der Thaumaturgie, die in ihren Methoden Stück für Stück
in die Dunkle Thaumaturgie oder sogar Nekromantie ab-
rutscht. Die Anhänger dieser Traditionen sehen das natür-
lich anders, aber dieses Vorurteil ist ein weiterer Stolperst-
ein für sie, wenn es darum geht, innerhalb der Tremere
breitere Akzeptanz zu finden.
Voodoo und Santeria greifen massiv auf die kleineren
Prinzipien zurück, vielleicht häufiger als jede andere Tra-
dition. Im Gegensatz zur Hermetik setzt nahezu jedes Ri-
tual mindestens zwei der kleineren Prinzipien ein, und
eine beachtliche Anzahl bedient sich gar aller drei. Wahre
Namen finden in den Ritualen selten Verwendung, da die
Anhänger dieser Traditionen sich sympathischer Metho-
DER THAUMATURGIE
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 den bedienen, um das Ziel einer Sendung festzulegen. Eine
Locke, ein liebgewonnener Gegenstand aus dem Besitz des
Ziels oder auch nur ein Foto reichen für die meisten Ri-
tuale aus. Diese Methode steckt hinter der berüchtigten
„Voodoopuppe“ - die dem auf einem Simulakrum basieren-
den Ritual sehr stark ähnelt, das gemeinhin als Groll der
Witwe bekannt ist, ein weiteres Sabbatritual, von dem ich
Kenntnis habe. So gesehen sind diese Praktiken flexibler
als die konservativeren Traditionen, die lange Recherchen
voraussetzen, um den Wahren Namen eines Ziels in Erfah-
rung zu bringen.
Aufgrund seiner Wurzeln in der Folklore setzt Voodoo
des weiteren Kräuter und Tränke ein, um die Magie durch
Inhärenz zu fokussieren. In gewisser Weise spiegelt diese
Praktik die alchimistischen Ursprünge der Hermetik wi-
der. Oft bündeln Bokkor mehrere Kräuter zu kleinen Päck-
chen, die Gris-gris genannt werden und als Talismane die-
nen, die arkanen Schutz und eine Vielzahl anderer Effek-
te für ihre Besitzer bieten. Durch diese Päckchen wird In-
duktion zum wichtigen Bestandteil der Zauber - wenn der
Besitzer das Gris-gris nicht bei sich trägt (oder es zumin-
dest in seiner unmittelbaren Umgebung ist), zeigt es keine
Wirkung.
Auch für weniger segensreiche Rituale gilt das gleiche
Prinzip. Da das Opfer eines Voodoofluchs ein Gris-gris si-
cher nicht freiwillig mit sich führen wird, versteckt es der
Blutmagier statt dessen in der Nähe der Wohnung oder
Zuflucht des Ziels. Solange es versteckt bleibt, hält die
Wirkung des Rituals an. Vorsicht ist allerdings angebracht,
denn wenn ein feindlich gesinnter Anhänger dieser Prak-
tik einen schädlichen Talisman dieser Art entdeckt, kann
er die Prinzipien der Sympathie und der Inhärenz umkeh-
ren, um den Fluch auf den Magier zu richten, der ihn ur-
sprünglich ausgesprochen hatte.
Ein Aspekt dieser Traditionen, den konservative Magier
zumeist scheuen, ist das Reiten, das heißt, die Besessen-
heit durch einen Loa. Obwohl die Houngans und Mambos
unter den Tremere nicht abgeneigt sind, niedere Loas zu
manipulieren, um ihre Ziele zu erreichen, lehnen es die
meisten in weiser Voraussicht ab, die Kontrolle über den
eigenen Körper zugunsten eines Dämons aus einer ande-
ren Welt aufzugeben. Wenn man bedenkt, welchen Ein-
fluß die Setiten, die Schlangen des Lichts und die Giovan-
ni auf diese Tradition haben, könnte sich ein Thaumaturg
durch diese Selbstaufgabe unendlichen Gefahren aussetzen.
Während die sterblichen Anhänger dieser Tradition dar-
auf pochen, dem Willen der Loas könne man sich nicht
widersetzen und die Besessenheit würde allein durch den
Geist bestimmt, ist es Bokkor unter den Tremere gelungen,
sich gegen eine Inbesitznahme zu erwehren - zumindest
behaupten sie es. Ob dies durch den Willen des Tremere,
die Macht der Vitæ oder ihre vampirische Natur ge-
schieht, ist nicht bekannt. Trotzdem handelt es sich hier-
bei um ein trügerisches Gebiet und einen weiteren Grund,
weshalb die Anhänger dieser Traditionen von anderen
Thaumaturgen mit äußerstem Mißtrauen betrachtet werden.
WICCA
Wicca erhält seinen Namen durch ein altes angelsächsi-
sches Wort für „Hexe“. Verwirrenderweise ist es auch der
Titel, der heute von den sterblichen Anhängern des He-
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xen- und Heidentums gewählt wird. Man weiß nur von
einer Handvoll Tremere, die tatsächlich Wicca praktizie-
ren. Der Großteil von ihnen ist in Europa beheimatet, wo
sie ihren Forschungen besser nachgehen können. Außer-
halb des Clans existieren so gut wie keine Jünger dieser
Tradition, weshalb es für jeden Leser dieses Manuskripts
wahrscheinlich recht schwierig werden wird, einen Lehrer
zu finden.
In seiner modernen Inkarnation ist Wicca für Thauma-
turgen uninteressant. Die Zeremonien und Anrufungen,
die in Büchern in Läden im ganzen Land zu finden sind,
können bestenfalls als unzuverlässig gelten und sind nur
allzu oft vollkommen wirkungslos. Bei den meisten han-
delt es sich um fiktive Machwerke, die einzig und allein
gedruckt wurden, um von der jüngsten Esoterikwelle zu
profitieren.
Letztlich gibt es keine zuverlässigen Schriften über die
tatsächlichen alten Praktiken - eine Tatsache, die die mei-
sten Tremere frustriert ihr Interesse an Wicca verlieren
läßt. Das verbliebene Wissen wird von einigen wenigen
Konventen in Europa nahezu ausnahmslos mündlich wei-
tergegeben. Das stellt die Hexenmeister, die an methodi-
sche und geordnete Forschungen gewöhnt sind, vor eine
Reihe von Problemen. Ein Mangel an allgemein gültigen
Bezeichnungen, verwirrende regionale Dialekte, individu-
elle Vorlieben und Abneigungen sowie fragwürdige Wahr-
heiten führen gemeinsam dazu, daß die Versuche der Ma-
gier, uralte Praktiken in die Kodizes und Riten der moder-
nen Thaumaturgie zu übernehmen, mit einem frustrierten
und niedergeschlagenen Forscher enden.
Darüber hinaus zeigen die konventionelleren Blutma-
gier ein beträchtliches Maß an Ekel gegenüber Wicca. Vie-
le hermetische Magier finden, diese Tradition sei lediglich
eine glorifizierte Form der Scharlatanerie und durch die
Fortschritte, die in Jahrhunderten planmäßiger, hermeti-
scher Forschung gemacht wurden, schon lange überholt.
Die meisten konservativen Mitglieder des Clans betrach-
ten andere Tremere, die dieser Tradition folgen, als Rand-
erscheinung des Clans, die wenig zu Neuentwicklungen
der Thaumaturgie beiträgt.
Die vom Wicca geprägte Thaumaturgie wird wie kaum
eine zweite Tradition stark dadurch eingeschränkt, daß die
Vampire ihrer Sterblichkeit verlustig gingen. Die Wicca-
Anhänger geben zu, daß viele ihrer Rituale mit Fruchtbar-
keit und Lebensmagie zu tun haben und somit von Kains-
kindern zumindest augenblicklich nicht eingesetzt werden
können. Die meisten Zauber, die Wicca-Thaumaturgen
zur Verfügung stehen, sind Flüche oder Schutzrituale. Das
führte dazu, daß Wicca von seinen vampirischen Anwen-
dern häufiger zu finsteren Zwecken eingesetzt wird, als es
historisch gesehen der Fall war. Infolgedessen hat Wicca
viel von seiner eigenen Identität verloren und ähnelt nun
in seiner Anwendung eher konventionellerer Thaumaturgie.
Trotz dieser Nachteile bietet die Tradition auch Vortei-
le. Da Wicca auf alter heidnischer Magie beruht, zeigt sich
seine größte Wirkung, wenn es eingesetzt wird, um die
Natur zu manipulieren. Wicca-Forscher behaupten, viele
der Rituale könnten leicht an die klassische Thaumatur-
gie angepaßt werden, da Blut in ihnen ohnehin schon ein
wesentliches Element sei. Wicca-Thaumaturgen beanspru-
chen zudem die Entwicklung des Grünen Pfades und des
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 Pfades Wetterkontrolle für sich. Sie liefern keine Beweise
dafür, aber wenn man die Wurzeln dieser Tradition be-
denkt, die sehr eng mit dem Glauben an die Kraft der Ele-
mente verbunden sind, läßt der Großteil des Clans Treme-
re sie unkommentiert stehen.
Das Haupthindernis für einen Wicca-Magier besteht in
der großen Schwierigkeit, effektive Rituale zusammenzu-
tragen. Aufgrund der Inquisition und der Hexenverfol-
gung im Mittelalter litt Wicca unter Jahrhunderten der
Vernachlässigung. Den Ritualen dieser Tradition fehlt es
gewöhnlich an der genauen Ausarbeitung der konventio-
nelleren, hermetischen Zauber, wie sie vom Großteil des
Clans Tremere eingesetzt werden. Infolgedessen sind die
Wicca-Rituale oft die einfachsten Rituale der gesamten
Thaumaturgie der Tremere, was Form und Wirkung angeht.
Statt Wahre Namen einzusetzen, greifen die „Sprüche“
des Wicca auf Sympathie oder Induktion zurück, um ihre
Effekte zu fokussieren. Die meisten Wicca-Rituale verlan-
gen eine unmittelbarere Verbindung zu ihren Zielen als
die, die durch Inhärenz gewährt wird. Darin ähnelt Wicca
Voodoo und Santeria. Der Blutmagier verwendet oft einen
liebgewonnenen Gegenstand oder eine Locke, um eine
Sendung auszurichten. Auch „verzauberte“ Gegenstände
sind beliebte, wenn auch auffälligere Mittel, um einen Ef-
fekt zu übertragen. Interessanterweise ist das Ritual Teu-
felsberührung sowohl in der Wicca-Variante als auch in
der traditionelleren hermetischen Form der Thaumaturgie
so gut wie identisch.
Da die Wicca-Tradition nicht von hingebungsvollem
Studium profitierte wie die Hermetik oder die Kabbalah,
tauchen andererseits in vielen Wicca-Ritualen äußerst
fremdartige Schritte und Ingredienzien auf. Beispielsweise
findet man bei vielen Ritualen das Pentagramm, aber sein
Sinn und Zweck sind bestenfalls ungewiß zu nennen. Vie-
len Kräutern wird in einem Ritual eine bestimmte Eigen-
schaft zugesprochen, während sie in einem anderen Ritu-
al eine vollkommen andere aufweisen sollen. Diese Wider-
sprüche zu klären ist wesentlicher Bestandteil der thauma-
turgischen Forschung in bezug auf Wicca. Die Wicca-
Thaumaturgen, denen die riesigen Bibliotheken abgehen,
zu denen die hermetischen Magier Zugang haben, widmen
sich statt dessen dem weiteren Studium der wenigen Ri-
tuale, die sie übertragen haben. Sie sollen ihnen helfen,
durch den Einsatz von Wicca-Praktiken eigene, neue Ri-
tuale zu entwickeln.
DUNKLE THAUMATURGIE
Abschließend ein paar Worte zur Dunklen Thaumatur-
gie. Hierbei handelt es sich lediglich um das Erlernen der
herkömmlichen thaumaturgischen Praktiken mit Hilfe
von Dämonen, statt sich traditionellerer Methoden des
Lernens zu bedienen. Soweit ich sagen kann, wird sie aus-
schließlich im Sabbat praktiziert, von ignoranten, törich-
ten Lutschern, die nach arkaner Macht geifern. Da ihnen
die Unterweisung der Tremere fehlt (ein Umstand, der
durch das Verschwinden der antitribu dieses Clans noch
weiter verschlimmert wird), würde ihnen ein solches Wis-
sen ansonsten verschlossen bleiben. Scheinbar gibt es im
Sabbat sogar eine Gruppierung, die sich den Kampf gegen
das Infernale widmet. Selbst mit dem Risiko, (erneut) als
Verräter gebrandmarkt zu werden, sage ich: Gut so.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Vernünftige Tremere verabscheuen die Dunkle Thau-
maturgie und äußern sich nur abschätzig über sie. Aus gu-
tem Grund halten sie Anwender Dunkler Thaumaturgie
für geistesschwache Anfänger, die kein Verständnis für
ihre Kunst besitzen und denen es an der Weisheit mangelt,
sich nicht mit Kreaturen aus der Hölle einzulassen. Diese
Tradition verdirbt nicht nur die Seele, sondern ihre
schändlichen Effekte beginnen sich auch auf den Körper
des Satanisten auszuwirken: Sie manifestieren sich in Ent-
stellungen wie Warzen, seltsamen Narben, verdorrten
Gliedmaßen oder noch diabolischeren Eigenschaften. Auf-
grund dieser Manifestationen ist es unmöglich, eine gewis-
se Kunstfertigkeit in Dunkler Thaumaturgie lange ver-
steckt zu halten, und jeder, den die Tremere mit solchen
Malen finden, wird umgehend hart bestraft - oder einfach
vernichtet.
Der Haß der Tremere auf die Dunkle Thaumaturgie hat
zwei Gründe. Zum einen stellt sie eine Abkürzung zu gro-
ßer Macht dar. Indem er Dämonen Geheimnisse abluchst,
lernt der Satanist viel schneller als ein konventioneller
Thaumaturg, aber er verfügt nicht über das Verständnis,
wie Rituale und Pfade wirken. Er weiß nur, wie die formel-
haften Schritte durchzuführen sind, die ihm sein Tutor aus
der Hölle beigebracht hat. Der satanistische Thaumaturg
ist nur ein Kind, das ein auswendig gelerntes Gedicht auf-
sagt, weil er nicht in der Lage ist, sein Wissen durch Ex-
perimente oder Forschung zu erweitern. Trotz all seiner
Macht ist der Satanismus eine Sackgasse, die nur so weit
führt, wie es der anderweltliche Lehrer will.
Zweitens ist der dunkle Thaumaturg der Knecht eines
Meisters aus der Hölle. Die körperlichen Auswirkungen
wurden bereits erwähnt, aber die seelischen sind weitaus
bedeutsamer. Der Satanist besudelt seine Seele mit einem
unauslöschlichen Makel und gibt sich der Verdammnis
preis. Er muß jedem Wunsch des Dämons folgen, und ei-
nes nachts wird er den ultimativen - und ewigen - Preis für
seine Wahl zahlen.
Dunkle Thaumaturgie funktioniert in weiten Teilen wie
konventionelle Thaumaturgie. Die Prinzipien bleiben
gleich; Blut, Willen, Wissen, Identität und die kleineren
Prinzipien tauchen alle in der Dunklen Thaumaturgie auf.
Wenn ein Unterschied zwischen Satanismus und anderen
Traditionen besteht, dann in der Einfachheit. Von einem
Satanisten gewirkte Magie ist kruder, weniger kultiviert als
die eines wahren Hermetikers. Laut den Tremere ist das
nicht überraschend, da der Satanist kein Verständnis für
die Feinheiten seiner Kunst aufweist.
Die Rituale der Dunklen Thaumaturgie gleichen denen
herkömmlicher hermetischer Praktiken. Vielleicht führt
ein Satanisten bisweilen einige zusätzliche (und häufig er-
niedrigende) Schritte bei einer dieser Prozeduren durch
oder benötigt ein oder zwei zusätzliche Ingredienzen, aber
dies liegt wahrscheinlich eher im wankelmütigen Wesen
des dämonischen Tutors des Zauberers begründet. Frische
Fingerknochen oder das geronnene Fett eines Säuglings
sind gebräuchliche Zutaten bei Riten der Dunklen Thau-
maturgie, und in mehr als einem Text wurde auch schon
der Verzehr von Kot erwähnt. Die Tremere glauben, all das
sei nur Bestandteil der Riten, um den Niedergang des Sa-
tanisten in die Verdammnis durch diese Erniedrigungen zu
beschleunigen. Nein, danke.
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:41
 Angeblich verfügen die satanistischen Thaumaturgen
über eine Reihe von Ritualen, die den Tremere bis dato
unbekannt geblieben sind. Da andere Aspekte der Dunk-
len Thaumaturgie der konventionellen hermetischen Ma-
gie so sehr ähneln, meinen viele Tremereahnen, diese Ri-
tuale seien den Blutmagiern einmal bekannt gewesen, aber
dann mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Die Tremere
behaupten, die diabolischen Meister der Satanisten lehr-
ten ihre Diener nichts Neues, sondern verschafften ihnen
lediglich Zugang zur Arbeit anderer.
Wenn die vorangegangenen Abschnitte meine Meinung
nicht klar herausgearbeitet haben sollten - lassen Sie die
Finger von diesem Dreck, egal, wie dumm oder macht-
hungrig Sie auch sein mögen. Er ist gefährlich, und der
Lohn steht in keinerlei Verhältnis zum Einsatz. Wenn Sie
die Künste des Blutes erlernen wollen, suchen Sie sich ei-
nen Lehrer unter den Kainskindern. Trotz all ihrer Män-
gel ist selbst die Camarilla besser, als einen Handel mit der
Hölle abzuschließen.
gen, die
Abgesehen von ein paar Din Manu-
das
übersehen wurden, scheint ekten
Asp
skript von den technischen erst
n man
her korrekt zu sein. Wen zle-
ch ums tür
einmal die offensichtli kön nte
n hat ,
rischen Teile gestriche lek tü-
sti egs
sich dieses Werk als Ein t er-
ang ebr ach
re für Lehrlinge als
weisen...
DAS GILDEHAUS
Die Institution des Gildehauses findet ihren Ursprung
im uralten hermetischen Orden des Hauses Tremere. Heu-
te ist es Schauplatz aller Tremereaktivitäten sowohl magi-
scher als auch politischer Natur in einer Stadt sowie ein
Ort und eine Organisation. Der Clan macht ein großes
Trara darum, Mitglieder für die Arbeit im örtlichen Gilde-
haus zu rekrutieren. Wenn man der Propaganda glauben
schenken möchte, gibt es von dieser Regel keine Ausnah-
me. In der Praxis sehen die Dinge aber ganz anders aus.
Schließlich ist es ja nicht so, daß man aus dem Clan „raus-
fliegen“ kann, nur weil man bei ein paar Geheimtreffen
nicht zugegen war. Ich habe mich seit über einem Jahr-
zehnt bei keinem Gildehaus mehr gemeldet, und stellen
Sie sich vor - ich bin immer noch Tremere. Die unter Ih-
nen, die neu in dieser Sache sind, sollten sich an diesen
Sachverhalt erinnern, wenn irgendein großer und mächti-
ger Zauberer das nächste Mal versucht, sie dazu zu brin-
gen, „zum Wohle des Clans“ die Drecksarbeit zu verrichten.
Politisch folgt das Gildehaus dem Willen des Clans. Den
meisten Gildehäusern steht ein Regent vor, aber hochran-
gige Ahnen des Clans unterhalten ihre eigenen Gildehäu-
ser. Theoretisch dient jede Aktion eines Gildehauses den
höheren Zielen der Tremere; Individuen können ihre ei-
genen Pläne verfolgen, aber das Gildehaus widmet sich
ausschließlich dem Dienst am Clan als Ganzes. In Wirk-
lichkeit verlangt der Clan nur selten Größeres von einzel-
nen Gildehäusern und überläßt sie der Herrschaft des ört-
lichen Regenten. Bei einer Entscheidung ohne Unterstüt-
KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN
51
Blutmagie04.p65 51
Julia Reinecke (Order #10164437)
zung des Clans kann sich der Regent natürlich nur auf sein
eigenes Charisma und seine eigene Macht verlassen, um
seine Absichten zu vertreten; er könnte sich an seine Ah-
nen wenden, aber dies könnte dazu führen, daß sie seine
Führungsqualitäten in frage stellen. Andererseits ist offe-
nes Abweichlertum verpönt, wodurch die meisten Gilde-
häuser seltsamen Oligarchien des Gebens und Nehmens
gleichen, die im Grunde von den einflußreichsten Magi-
ern ihres Einzugsgebietes regiert werden.
Als Örtlichkeit dient es als Treffpunkt, Forschungsein-
richtung und Sanktum der örtlichen Hexenmeister. Diese
nehmen große Mühen auf sich, um für die Sicherheit ei-
nes Gildehauses zu garantieren und es vor magischen und
weltlichen Bedrohungen zu schützen. Je nach Terminplan
des Regenten hält dieser ab und an ein Treffen - oder eine
Zusammenkunft - innerhalb der Mauern des Gildehauses
ab, wobei hieran von allen Mitgliedern des Clans die Teil-
nahme erwartet wird. Die Sitzungsordnung unterscheidet
sich von Gildehaus zu Gildehaus, aber ich habe schon Zu-
sammenkünfte gesehen, die wenig mehr waren als eine
organisierte Lästerstunde über die anderen Clans - und
untereinander. Andererseits sah ich auch schon ein ker-
zenbeschienenes Gruppenritual, das gewirkt wurde, um
einen beliebten Lokalpolitiker in den Wahnsinn und zu ei-
ner Serie spektakulärer Morde zu treiben. Es hängt alles
vom Einfluß des Regenten und seinen Zielen ab.
Nur der Clan Tremere verfügt über die Institution des
Gildehauses; soweit ich weiß, hat keine andere Gruppie-
rung von Blutmagiern je eine ähnliche Einrichtung ge-
nutzt. Von den Tremere unabhängige Magier in der Cama-
rilla und bei uns Anarchen neigen dazu, das Unleben ei-
nes Einzelgängers zu führen, und Satanisten haben nur
ihre Taschenteufel als Verbündete. Obwohl die Mitglieder
eines Sabbatrudels oft miteinander interagieren, kann ich
mir ein Sabbatrudel als „Gildehaus“ ungefähr so gut vor-
stellen wie die Manson-Familie als Unterausschuß des Senats.
GESELLSCHAFTLICHE
ORGANISATION
Die gesellschaftliche Struktur der Tremere ist eine un-
heilige Verbindung zwischen einer Geheimgesellschaft, ei-
nem Akademikerbund und einer pervertierten, von Haß
zerfressenen Familie, wie man sie in den beliebt geworde-
nen Schauerromanen der frühen Achtziger findet. Wer am
Fuß der Leiter herumkrebst, schmiedet Pläne und bettelt
um Gefallen und Anerkennung von oben, während die
Ahnen des Clans kaltherzig die niederen Ränge manipu-
lieren, um ihre Ziele zu erreichen. Der Clan erkennt jün-
gere Magier erst an, wenn die Bewerber gewisse Vorbedin-
gungen erfüllt haben, wobei ihnen die Einzelheiten dieser
Vorbedingungen häufig vorenthalten werden.
Wissen jeglicher Art bedeutet in diesem Clan Macht,
und die, die in der Hierarchie ganz oben stehen, horten es
wie Gold. Eine Methode, die die Ahnen der Tremere ein-
setzen, um eine gewisse Loyalität zu erzwingen, ist das Vor-
enthalten der genauen Einzelheiten, wie man im Clan auf-
steigt, vor den niederen Rängen. Schließlich ist es schwer,
sich um etwas zu streiten, von dem man nichts weiß.
03.11.00, 17:41
 RANG INNERHALB DES CLANS
Über den Lehrlingsrang hinaus habe ich nur noch
Grundwissen über die weiteren Ränge innerhalb des
Clans. Selbst, als ich solche Dinge wie Stand im Clan noch
für wichtig hielt, konnte ich nicht mehr erfahren als die
äußerst begrenzten Informationen, die ich nun weiterge-
ben werde. Diese kurze Beschreibung sollte als kleiner
Überblick aber genügen. Wenn Sie weitere Einzelheiten
wollen, fragen Sie einen praktizierenden Hexenmeister.
Aber seien Sie sich im Klaren, daß er wahrscheinlich lügt,
uninformiert ist oder gar beides.
Der Clan kennt fünf Ränge: Lehrling, Regent, Lord,
Pontifex und Ratsherr. Jeder Rang weist sieben Zirkel der
Mysterien - oder Unterränge - auf, die ein Tremere durch-
laufen muß, bevor er in die nächste Stufe erhoben wird.
Lehrlinge sind die Kainskinder, die gerade erst beginnen,
auf den Pfaden des Blutes zu wandeln, obwohl ihre Fertig-
keiten stark schwanken, je nachdem, welchen Zirkel der
Mysterien sie durchlaufen. Der Großteil des Clans besteht
aus Lehrlingen.
Die höheren Ränge sind der politische Motor des Clans.
Sie werden nur gefüllt, wenn eine Vakanz besteht - oder
wenn ein Platz frei wird, aber darauf werde ich später nä-
her eingehen. Regenten sind für lokale Gildehäuser ver-
antwortlich, Lords stehen einer Gruppe von Regenten vor
(in der Regel sieben), und Pontifizes überwachen die
Lords. Am Gipfel dieser Struktur stehen die Ratsherren,
die riesige, geographische Gebiete verwalten.
Die meisten anderen Clans scheinen zufrieden damit zu
sein, mit einer sehr viel formloseren Organisation zu arbei-
ten, also werden Sie sich wahrscheinlich fragen, warum die
Tremere über eine dermaßen feste Hierarchie verfügen.
Mein Erfahrung läßt mich glauben, die Tremere erhalten
diese Hierarchie als Ergebnis ihrer äonenalten Paranoia
aufrecht; die grauen Herren haben ihre ersten Nächte als
gejagte Usurpatoren nie vergessen. Einzelne Gildehäuser
sind streitbar, geben sich gerne kleinlicher Politik und In-
trigen hin. Zweifellos befürchten die Tremere, ohne die
Führung durch die Lords und anderen Ahnen würden die
Gildehäuser nacheinander einem der vielen Erzfeinde des
Clans zum Opfer fallen. Ich bin nie von einem Mangel an
Personen ausgegangen, die daran interessiert wären, ei-
nem Hexenmeister die Kehle aufzuschlitzen, also liegt in
diesem Ansatz wohl Weisheit.
Ich empfand es schon immer als seltsam, daß die Treme-
re von der Zahl Sieben und ihren Permutationen fasziniert
zu sein scheinen. Gerüchten zufolge besteht das letzte Ziel,
was die Zahl an Mitgliedern des Clans angeht, darin, je-
den Rang mit sieben mal mehr Mitgliedern zu füllen als
den direkt darüberliegenden. Der Clan zählt sieben Rats-
herren und 49 Pontifizes; wenn man den Geschichten
Glauben schenkt, wonach Tremere noch existiert, sind die
Gerüchte zumindest für die oberen drei Ränge wahr. Ein-
fache Multiplikation zeigt aber, daß das Endergebnis ir-
gendwo bei 20000 aktiven Tremere liegen müßte - etwa
zehnmal so viele, wie es tatsächlich gibt. Der junge Clan
mag mit dieser Idee gespielt haben, aber die Regeln der
Wirklichkeit und der Maskerade haben ihr schon Jahrhun-
derte, ehe ich den Kuß erhielt, Einhalt geboten.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
Letztlich ist manchen Magiern aufgefallen, daß in jedem
Rang sieben Zirkel der Mysterien existieren, es aber
scheinbar nur fünf Ränge gibt, was einen Bruch der Regel
darstellt. Aus dem, was ich in meiner eigenen Lehrlings-
zeit erfahren konnte, kann ich schließen, daß die Tremere
eine Regel oder ein Muster niemals ohne einen schwerwie-
genden Grund brechen, also vermute ich, daß hinter der
Hierarchie des Clans noch mehr steckt, als bisher klar
wurde. Selbst wenn man Tremere selbst als „Rang“ zählt,
bleibt eine unausgefüllte Stufe, ein unerklärter Rang. Also
seien Sie vorsichtig - irgend jemand erzählt uns nicht die
ganze Geschichte.
DIE ORGANISATION DER GILDEHÄUSER
Wenn ein Gildehaus nicht von einem Lord oder einem
höherrangigen Magier geleitet wird, steht ihm ein Regent
vor. Außerdem habe ich vom Titel des „Hochregenten“
gehört, aber ich habe keine Ahnung, wie er ins übliche
Schema hineinpaßt. Ich vermute, es handelt sich um ei-
nen Regenten, der einen bestimmten Zirkel der Mysterien
erreicht hat. Meine Erfahrungen sind auf kleinere Gilde-
häuser beschränkt, denen Regenten vorstehen, weswegen
ich meine Ausführungen auf diese konzentrieren will.
Alle Magier im Gildehaus mit Ausnahme des Regenten
sind Lehrlinge. Es ist wichtig zu verstehen, daß dieser Ti-
tel nicht immer einen neugeborenen Hexenmeister be-
zeichnet; viele Lehrlinge des Siebten Zirkels blicken auf
Jahrzehnte der Erfahrung zurück. Der hochrangigste Lehr-
ling fungiert gewöhnlich als persönlicher Gehilfe des Re-
genten und verfügt ebenso wie der Regent selbst auch über
eine Zuflucht im Gildehaus. Auch anderen Mitgliedern
können bestimmte Ämter zugewiesen werden, aber die
Titel und Pflichten unterschieden sich je nach Gildehaus.
Die Pflichten, von denen ich gehört habe, reichen von
Archivar (der die Chroniken des Gildehauses führt) über
Prokurist (der für die Beschaffung besonderer Ritualingre-
dienzen, arkaner Schriften oder sogar Gefäßen verant-
wortlich ist) bis hin zu Wächter (der die Hexenjägergrup-
pen der Sterblichen oder andere okkulte Aktivitäten in
der Umgebung des Gildehauses überwacht - hierbei han-
delt es sich um eine sehr seltene Position).
Die optimale Personengröße eines Gildehauses liegt bei
sieben, obwohl aufgrund des Problems der Nahrungsbe-
schaffung nur Gildehäuser in den größten Ballungszentren
diese Größe je erreichen. Sehr große Metropolen können
möglicherweise mehr als ein Gildehaus ernähren, aber das
kommt nur selten vor und muß mit dem Lord der jeweili-
gen Region abgesprochen werden. Gildehäuser in kleine-
ren Städten verfügen manchmal nur über ein bis zwei Mit-
glieder oder bündeln die Magier aus verschiedenen klei-
neren Ortschaften, um ihre Ränge zu füllen.
Es sollte noch einmal besonders auf Wicca-Thaumatur-
gen hingewiesen werden. Ein „Konvent“ ist kein Gilde-
haus; er ist eine Gruppe von Individuen, die sich einzig
und allein aus dem Grund zusammengefunden haben, grö-
ßere Rituale zu wirken. Es bedarf 13 Wicca-Thaumatur-
gen, um einen Konvent zu gründen, fast doppelt so viele
Magier wie die ideale Gildehausbesetzung. Wicca-Anhän-
ger setzen üblicherweise Ghule oder andere Sterbliche ein,
um die gewünschte Zahl zu erreichen. Die bei Konventen
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:41
 aushelfenden Teilnehmer scheinen nicht als Vollmitglieder
zu gelten, und ihnen wird nur sehr wenig über die Vorgän-
ge im eigentlichen Gildehaus mitgeteilt.
AUFSTIEG
Abgesehen vom Durchlaufen der Lehrlingszirkel - mit
denen ich mich später noch genauer befasse -, bin ich mit
dem exakten Beförderungsmechanismus über den Rang
eines Regenten hinaus größtenteils unvertraut. Fortschrit-
te in der Blutmagie sind unwahrscheinlich wichtig, aber so
wie ich es verstehe, gehen ins Urteil der Ahnen auch an-
dere Faktoren ein, wie beispielsweise die Förderung des
Einflusses der Tremere in der Camarilla und der Welt der
Sterblichen. Mit größter Sicherheit hat auch Treue dem
Clan gegenüber großes Gewicht, aber dies ist eine unaus-
gesprochene Grundannahme - die Ahnen scheinen oft
von allen Lehrlingen zu erwarten, loyal bis zur Selbstauf-
gabe zu sein. Diese „Dient dem Clan!“-Haltung hat viel-
leicht vor 800 Jahren funktioniert, aber es handelt sich um
eine Idee, deren Zeit längst um ist.
Eine Charaktereigenschaft aller höherrangigen Tremere
ist Ehrgeiz. Unter ihnen herrscht eine harte Konkurrenz in
bezug auf den clansinternen Status - so wie Professoren an
einer Universität sich um die höchsten Ämter streiten.
Natürlich gewinnt das Sprichwort „Veröffentliche oder
stirb, Professor!“ bei den Hexenmeistern eine ganz neue
Bedeutung. Von jedem Magier wird erwartet, daß er zum
arkanen Wissen des Clans beiträgt. Wer aufsteigen will,
muß bessere Erfolge erzielen als die, die mit ihrem Los zu-
frieden sind, aber es wird von allen erwartet, produktiv zu
sein. Die vorherrschende Meinung unter den ältesten
grauen Herren scheint zu lauten: Wenn ein Magier den
KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN
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Clan nicht voranbringt, behindert er ihn. Die meisten die-
ser eingerosteten Magier sind aber zu weit vom allnächtli-
chen Unleben entrückt, und nur die Hexenmeister, die die
soziale Leiter in Windeseile emporklettern, legen dieser
Idee gegenüber mehr als nur ein Lippenbekenntnis ab.
Andererseits kann die Position eines Magiers durch ei-
nen anderen Magier herausgefordert werden, wenn er in
Ungnade fällt. Solche Herausforderungen bedürfen einer
Absegnung durch den nächsthöheren Rang, und falls die-
se Absegnung erfolgt, führen die beiden Magier ein ritua-
lisiertes Duell, das Certámen genannt wird.
CERTAMEN
Das Certámen ist ein archaischer Duellbrauch, der auf
die präkainitischen Tage des Clans zurückgeht. Das Duell
wird im Verlauf einer einzigen Nacht geschlagen und fin-
det in einem Gildehaus statt. Lords haben die Aufsicht bei
Duellen von Regenten, Pontifexe bei Duellen von Lords
usw. Die Tremere pflegen diesen Brauch, um Herausforde-
rungen in Sachen Führungsfragen abzuwickeln, vorausge-
setzt, der Herausforderer bekleidet einen angemessenen
Rang, um die Position auch einnehmen zu können. Unter
den Lehrlingen des Clans kursieren Gerüchte, wonach je-
der Aufstieg über den Rang eines Lords hinaus nur über
Certámen erlaubt wird. Das ergibt Sinn, wenn man die
Theorie der Sieben zugrundelegt, die ich zuvor bereits er-
wähnt habe; alle 49 Pontifexränge sind besetzt, und ein
Bewerber muß einen der momentanen Pontifexe „überzeu-
gen“, von seinem Amt zurückzutreten.
Den Duellanten werden maximal zwei Stunden ge-
währt, um die gewünschten Verteidigungsrituale vorzube-
reiten und sich in einem Teil des Gildehauses einzufinden,
03.11.00, 17:41

.
„Pontifexe“, so so
Pontifizes.
e Nachforschun-
Wären nur alle sein
h geblieben.
gen so oberflächlic
der als Arena dienen soll. Die Arena besteht aus einem
leeren Raum mit zwei Kreisen, die einen Durchmesser von
1 m aufweisen und genau 3 m voneinander entfernt lie-
gen. Für den Rest der Nacht können die beiden Magier
jedes Ritual und jeden Pfad einsetzen, um zu versuchen,
einander außer Gefecht zu setzen. Den zugewiesenen Kreis
zu verlassen gilt als Aufgabe, ein todsicherer Weg, sich jeg-
liche Aufstiegsmöglichkeiten zu verbauen. Certámen über
dem Rang des Regenten werden oft bis zum endgültigen
Tod ausgetragen; jeder Tremere in einer höheren Füh-
rungsposition, der sich nicht zu verteidigen weiß, stellt
eine Gefahr für den gesamten Clan dar.
Ich habe einmal ein Certámen in einem Gildehaus in
New York beobachtet, als ein weiblicher Lehrling des Sieb-
ten Zirkels ihren Regenten stürzte. Die junge Frau be-
hauptete, ihr Regent hätte ihre Entdeckungen als seine
eigenen ausgegeben, und der Lord des Regenten segnete
die Herausforderung ab. Das Duell untermauerte ihre Be-
hauptung; sie nahm die Position des Regenten dieses Gil-
dehauses ein, und der frühere Amtsinhaber wurde von
zwei Ghulen hinausgeschleppt, um an die Ratten verfüt-
tert zu werden.
GRUND UND BODEN
Die meisten Gildehäuser bieten genug Platz, um dem
Regenten und vielleicht ein oder zwei Lehrlingen als Zu-
flucht zu dienen. Andere Gildehausmitglieder müssen ei-
gene Zufluchten unterhalten. Tremere aus anderen Städ-
ten können vom Regenten das Recht der Gastfreund-
schaft einfordern, obwohl es dem Regenten zusteht, die-
ses zu verweigern, wenn er der Meinung sein sollte, die
Anwesenheit des Bittstellers setze das Gildehaus einem zu
großen Risiko aus. Viele Regenten greifen nur auf dieses
Vorrecht zurück, um sich vor „Spionen“ aus anderen Gil-
dehäusern zu schützen. Verfolgungswahn kennt keine
Grenzen.
Im Gildehaus sind außerdem in der Regel ein Sitzungs-
zimmer, eine beachtliche Bibliothek und ein alchimisti-
sches Labor oder eine andere Einrichtung zu finden, die
hermetische Forschungen erlaubt. Je nach Örtlichkeit
kann es auch andere, seltenere Einrichtungen geben. In
Seattle dehnte sich das Gildehaus unterirdisch in einen
zugemauerten Bereich des „Seattle Underground“ aus, wo
die Magier ein Untergeschoß voller gescheiterter Versuche
zur Entwicklung einer neuen Ghulrasse verwahrten. Für
die Nachwelt möchte ich noch hinzufügen, daß diese be-
mitleidenswerten Kreaturen, denen weitere Vitæ verwehrt
wurde, schnell dem Kannibalismus verfielen und ihre Zahl
rapide schwand.
In den frühesten Nächten des Clans verließen sich die
Tremere auf die Stärke ihrer Festungen, um sich vor den
Angriffen ihrer Tzimisce-Feinde und deren Armeen zu
schützen - das war buchstäblich im Mittelalter. Diese eng
zusammengekauert hinter Steinmauern verbrachten Jah-
re müssen ihre Spuren in den Ahnen des Clans hinterlas-
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Blutmagie04.p65 54
Julia Reinecke (Order #10164437)
sen haben. Selbst heute sind die Gildehäuser der Tremere
für gewöhnlich in robusten Gebäuden untergebracht und
gegen magische und weltliche Eindringlinge hervorragend
geschützt.
Die Tremere gehen äußerst sorgfältig vor, wenn es um
die Entscheidung geht, wo ein neues Gildehaus zu grün-
den ist. Oft beobachten ein Regent und seine Lehrlinge
eine Stadt oder Region mehrere Jahre, bevor sie die Ent-
scheidung fällen, wo ein Gildehaus zu errichten ist. Ist das
Gildehaus erst einmal eingerichtet, zögern die Tremere
sehr lange, es zu entwurzeln und an anderer Stelle neu
aufzubauen. Von einer Reihe uralter Gildehäuser in Euro-
pa sagt man, sie ruhten schon seit Jahrhunderten in den-
selben klammen Gewölben.
Ein Gildehaus nimmt in der Regel ein vergleichsweise
großes Grundstück ein, und doch hat der Clan kein Inter-
esse daran, ungewollte Aufmerksamkeit auf seine Sank-
tuarien zu ziehen. Gildehäuser in ländlichen Regionen
sind oft große Anwesen, fernab von pulsierenden Ver-
kehrsadern und von Zäunen, Mauern und Sicherheitssy-
stemen umgeben. In kleineren Gemeinden kaufen die Tre-
mere oft kleinere Wohnhäuser, die auf ihre Bedürfnisse zu-
geschnitten sind. In größeren Städten versuchen sie übli-
cherweise, das Gildehaus in der Nähe von Bibliotheken
oder anderen Horten des Wissens zu plazieren. Das Gilde-
haus in Washington, D. C. liegt sehr nahe an der Kongreß-
bibliothek und ist mit ihr durch alte, gewundene Tunnel
verbunden, die angeblich von den Hausverwaltern beider
Gebäude gemauert worden sein sollen. Ab und an ver-
schwindet Reinigungspersonal, das in den falschen Gebäu-
deabschnitt gestolpert ist, von den Gildehausmitgliedern
oder ihren Schergen hinabgezogen in das verborgene La-
byrinth. Zu anderen immerwährenden Favoriten gehören
Gebäude auf dem Campus eines Colleges, veräußerte Re-
gierungsgebäude, alte Kirchen und sogar speziell gesicher-
te Stockwerke von Bürogebäuden. Ich bin mir sicher, es
existieren auch ein paar schwieriger auszumachende Spiel-
arten, wie der sagenumwobene „Londoner’s Tunnel“, um
den die englischen Tremere ein solches Geheimnis ma-
chen, aber ich habe keine von ihnen mit eigenen Augen
gesehen. Dies bedeutet entweder, ich bin genauso parano-
id wie der Rest und sie existieren nicht, oder sie erfüllen
ihren Zweck auf bewundernswerte Weise.
Eine der Hauptpflichten des Gehilfen des Regenten ist
es, für die Sicherheit des Gildehauses zu sorgen. Der Lehr-
ling führt nicht nur häufige Funktionsüberprüfungen aller
weltlichen Sicherheitssysteme durch, sondern er hält auch
die Schutzzeichen und anderen arkanen Verteidigungs-
maßnahmen aufrecht. Nur in dem seltenen Fall, daß die
Fertigkeiten des Lehrlings nicht ausreichen, die nötigen
Rituale durchzuführen, kümmert sich der Regent persön-
lich um diese Angelegenheit. Der Regent befehligt jedoch
alle besonderen Diener, über die das Gildehaus verfügt,
wie beispielsweise Besessene oder Lebende Leichen; ein
hochrangiger Lehrling ist schon zu nahe an der eigenen
Position des Regenten, um ihm soviel Macht anzuvertrauen.
FORSCHUNG
Ständige Forschung und Ausweitung der Kunst der Blut-
magie sind für die Tremere von größter Bedeutung. Der
Clan fürchtet die Folgen einer stagnierenden Thaumatur-
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 gie; nur die Macht des Blutes schützt die Hexenmeister
vor ihren vielen Erzfeinden. Ein wichtiger Zweck des Gil-
dehauses besteht darin, Magiern ein Sanktum zu bieten,
in dem sie studieren, experimentieren und mit ihresglei-
chen in relativer Sicherheit Ideen austauschen können.
Um ein neues Ritual zu erschaffen, entwickelt ein Ma-
gier üblicherweise aus dem gewünschten Effekt die not-
wendige Formel. Der Forscher muß auch bestimmen, wel-
che Prinzipien bei dem Ritual die größte Wirkung zeigen
werden. Er wägt die bequeme Nutzung des Prinzips der
Inhärenz gegen die Schwierigkeit der Beschaffung von In-
gredienzien ab. Er überlegt sich, ob er einen Wahren Na-
men einsetzt oder ob er sich auf Induktion oder Sympathie
verläßt, um die Sendung auf ein Ziel auszurichten. Als
Faustregel ziehen die Tremere Rituale, die Inhärenz nut-
zen, jenen vor, die Vitæopfer nötig machen. Außerdem
mögen sie Formeln, die ohne Wahren Namen Wirkung
zeigen. Bequemlichkeit geht vor Genauigkeit; schließlich ha-
ben die Tremere für die Feinabstimmung eine Ewigkeit Zeit.
Ein sicherer Weg, um innerhalb der sozialen Hierarchie
der Tremere Ruhm und Ehre zu gewinnen und befördert
zu werden, besteht darin, die Grenzen der Blutmagie wei-
ter auszudehnen. Die Entdeckung eines neuen oder ver-
gessenen Pfades bringt mehr Respekt ein als ein Ritual,
aber die Oberhäupter des Clans belohnen schon die Er-
schaffung der einfachsten Formel. Es kommt einem schon
ein wenig ironisch vor, daß Innovation unter den Hexen-
meistern so hoch angesehen ist.
Die Tremere zeigen aber nur wenig Toleranz für Fehl-
schläge und Versager. Viele vielversprechende Thaumatur-
gen sahen ihre Hoffnungen auf Rang und Namen verpuf-
fen, nur weil sie bei einer Demonstration einer Formel ei-
nen Rechenfehler übersehen haben. Schon zu langsam
neue Erfolge zu erzielen, läßt das Interesse des Clans an
einem Experiment schnell abflauen. Ehrgeizige Tremere -
und gibt es außer denen sonst noch welche? - entscheiden
sich oft dafür, die Ideen oder Arbeiten eines anderen zu
stehlen, anstatt selbst etwas in die Forschung zu investie-
ren. Deshalb ziehen es viele Magier vor, ihre Experimen-
ten in ihrer eigenen Zuflucht zu betreiben, und tauschen
die Annehmlichkeiten des Gildehauses gern gegen die Pri-
vatsphäre der eigenen vier Wände ein.
LEHRLINGE
Unter den Tremere heißt ein Neugeborener Lehrling.
Die Lehrzeit ist einzigartig für die Tremere und ein Eck-
pfeiler der Ordnung des Clans. Diese Praktik geht auf die
Ursprünge des Clans als Magi zurück, und in vielerlei Hin-
sicht ist ein neuer Tremere ebensosehr Student der arka-
nen Künste wie Kainskind. Die Tremere bleuen dies ihren
Kindern ein, wobei sie ihnen erklären, ihre untote Exi-
stenz sei im Vergleich zur Ausübung der Blutkünste nur
zweitrangig.
Der Titel des Lehrlings ist für viele Außenseiter irrefüh-
rend. Gemeinhin wird er mit Neulingen und Anfängern
assoziiert, und manche Lehrlinge sind eben das. Abgese-
hen von einem beschreibenden Ausdruck ist Lehrling
auch ein Rang innerhalb der Clansstruktur, den man Jah-
re und sogar Jahrzehnte bekleidet, ehe man durch eigene
Errungenschaften aufsteigt. Ein Tremere kann den Titel
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Julia Reinecke (Order #10164437)
Lehrling Jahre führen, selbst nachdem er die Verantwor-
tung übernommen hat, den Kuß weiterzugeben und Men-
tor eines neuen Lehrlings zu werden. Denken Sie daran:
Die Ahnen des Clans haben Jahrhunderte damit zuge-
bracht, die Blutmagie zu meistern; selbst Jahrzehnte des
Studiums und der Forschung sind nur die Anfänge der
Ausbildung eines Magiers.
SELEKTION
Die Tremere nehmen die Zeugung von Kindern sehr
ernst. Das Recht, einen neuen Lehrling zu zeugen, hängt
nicht nur von der Erlaubnis des jeweiligen Prinzen, son-
dern auch von der des örtlichen Regenten ab. Obwohl die
Regenten über die Autorität verfügen, einen Zuwachs zum
Gildehaus zu gestatten, suchen die meisten ihrerseits den
Rat eines ranghöheren Tremere, bevor sie eine Entschei-
dung treffen. Da dieser Prozeß so sehr mit Politik behaftet
ist, zeugen nur wenige Tremere ihre Kinder aus einer Lau-
ne heraus; alle werden sorgfältig beobachtet und begut-
achtet, ehe man ihnen den Kuß schenkt. Ein talentierter
Student bedeutet für seinen Erzeuger einen Prestigege-
winn, aber ein stümperhafter Lehrling hinterläßt einen
Makel, das nur schwer auszulöschen ist.
cht...
Offenbar ist uns einer entwis
Dies gilt selbst in Zeiten offener Auseinandersetzungen;
die Tremere kennen viele Methoden ihre Reihen zu füllen.
Es ist besser, ein paar ersetzbare Lebende Leichen zu er-
schaffen, als einen Lehrling großzuziehen, der den Clan
später enttäuscht.
Entgegen dem, was man vielleicht denken könnte,
schenken die Tremere nur selten Satanisten, New-Age-
Hexen oder ähnlichem den Kuß. Die meisten Anhänger
dieser Gruppen sind nicht mehr als weltfremde Blender,
die nicht in der Lage sind, mit der harschen Realität ihrer
eigenen Welt umzugehen, und sich deshalb entschlossen
haben, ein Fantasieleben zu führen. Für die Tremere sind
diese undisziplinierten Nichtsnutze nicht von Interesse.
Der Clan wählt auch selten sterbliche Magi als Neuge-
borene aus. Wie die frühen Mitglieder des Clans erfahren
haben, verliert man die Fähigkeit, wahre Magie zu wirken,
mit seiner Sterblichkeit. Ein früherer Magus hat besten-
falls einen psychologischen Vorteil gegenüber einem nor-
malen Sterblichen, da er die Existenz des Übernatürlichen
bereits akzeptiert hat, und selbst dabei handelt es sich nur
um einen kleinen Trumpf, da der Kuß wirklich Wunder
wirken kann, wenn es um die Öffnung des Geistes für neue
Möglichkeiten geht. Wenn man zu dieser Tatsache noch
bedenkt, daß die meisten Tremere - so wie der Rest der
Kainskinder auch - niemals einen sterblichen Magus ge-
troffen haben (noch hätten sie ihn erkannt, wenn es an-
ders sein sollte), wird es müßig, über diesen Punkt noch
weiter nachzudenken.
Die Tremere bevorzugen aggressive, intelligente Perso-
nen, unabhängig vom früheren Beruf. Eine hohe Willens-
stärke und ein wißbegieriges Wesen sind weitaus wichtiger
als jegliches Herumschnuppern am Mystizismus, das der
Lehrling als Sterblicher vorzuweisen hatte. Die meisten
Lehrlinge hatten trotzdem auf die eine oder andere Weise
Erfahrung in Sachen Okkultismus, selbst wenn es sich um
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 so etwas Simples und Unschuldiges wie einen Anthropo-
logiekurs am College handelte, da diese intellektuellen
Betätigungsfelder wahrscheinlich eher dazu führen, daß
sich die Wege eines Sterblichen und eines Hexenmeisters
kreuzen, als weniger exotischere.
Der Clan scheint eher Männern als Frauen zugeneigt zu
sein, wahrscheinlich aufgrund einer Vorliebe, die noch aus
den Tagen des ursprünglichen Ordens stammt. Mit Sicher-
heit ist dafür nichts an der Hermetik oder der Blutmagie
selbst verantwortlich. Im Zuge der gesellschaftlichen Neu-
entwicklungen überwinden die Tremere langsam dieses ar-
chaische Vorurteil, aber ich habe gehört, daß die Zahl der
männlichen Ahnen die der weiblichen bei weitem übersteigt.
Alter ist für den Clan auch ein Auswahlkriterium, da die
meisten Lehrlinge aus den Reihen der jungen Erwachse-
nen oder dem Teil mittleren Alters der Bevölkerung rekru-
tiert werden. Kindern mangelt es oft an der nötigen Diszi-
plin, um einem Meister von Nutzen zu sein, und ältere
Lehrlinge sind in ihren Ansichten oft zu festgefahren, um
sich an die traditionellen Regeln des Clans anzupassen.
Mit der nötigen Zeit könnten diese beiden Nachteile über-
wunden werden, aber die meisten Blutmagier ziehen es
vor, ihre Zeit damit zu verbringen, ihre Herrschaft über das
Arkane weiter voranzutreiben, anstatt Kindermädchen für
einen Lehrling zu spielen, der immer nur Ärger macht.
Mathematische Begabung gilt als erwünschte Eigen-
schaft eines Lehrlings. Die logischen Prozesse, die erfor-
derlich sind, um komplexe Mathematik zu verstehen, er-
weisen sich als immenser Vorteil beim Studium der For-
meln für Rituale. Das Wissen um alte Sprachen wird auch
gern gesehen, da viele alte Texte bekanntlich in toten
Sprachen verfaßt wurden. Natürlich hat ein vampirischer
Magier eine Ewigkeit Zeit, eine Sprache zu lernen, aber
diese Zeit kann besser genutzt werden, um aktiv alte
Schriftstücke zu studieren oder sich in den Wettlauf um
Prestige zu stürzen.
Am bemerkenswertesten ist jedoch, daß die Hexenmei-
ster nur höchst selten einen Gedanken darauf verschwen-
den, ob ihre Kandidaten überhaupt zu Vampiren gemacht
werden wollen oder nicht. Die meisten Lehrlinge wissen
nichts von der Existenz der Kainskinder, bis zu jenem Au-
genblick, da sie selbst zu einem werden. Nach der Ver-
wandlung müssen sie schnell ihren Platz in der Organisa-
tionsstruktur einnehmen. Nur die Willenstärksten und
Anpassungsfähigsten können das. Da die gleichen Eigen-
schaften auch Voraussetzung für die Beherrschung der
Thaumaturgie sind, sieht der Clan diese Eingewöhnungs-
phase als eine Form natürlicher Selektion. Wenn ein Lehr-
ling diese erste Hürde nicht schafft, ist er für den Clan
nicht geschaffen - und wehe dem Erzeuger, der einen so
unfähigen Lehrling erwählt hat.
Ein weiterer Grund, weshalb die Tremere mit dem Kuß
so vorsichtig umgehen, besteht darin, daß der Meister
nicht nur nach seinen eigenen Taten beurteilt wird, son-
dern auch nach denen seines Lehrlings. Bei den Tremere
ähnelt der Erzeuger einer Art machtloser Vaterfigur. Er ist
dafür verantwortlich, sein Kind zu zeugen und aufzuzie-
hen, aber die ganze Zeit über lauern autoritäre - und
manchmal boshafte - Großeltern in den Schatten, bereit,
bei jeder Verfehlung über den Vater herzufallen.
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AUSBILDUNG
Die Ausbildung eines Lehrlings beginnt unmittelbar
nach dem Kuß, und kein Thaumaturg - ganz gleich, ob
Tremere oder etwas anderes - gelangt jemals an einen
Punkt, an dem es in seiner Kunst nichts mehr zu lernen
gäbe. Der Clan Tremere weiß nur zu gut, daß seine Stärke
in der Thaumaturgie begründet liegt, und seine Ahnen
drängen alle Erzeuger, ihre Kinder in den Wegen des Blu-
tes gründlich zu schulen. Lehrlinge sind das Fundament
der großen Pyramide, und je stärker das Fundament, de-
sto stärker der Clan.
Der Erzeuger ist für die Erstausbildung eines Lehrlings
sowie die Einführung in die Pflichten, Strukturen und
Feinheiten des Unlebens verantwortlich. Da die meisten
Erzeuger unter den Tremere in der Frühphase der Ausbil-
dung eines Lehrlings verstärkten Wert auf die Ausübung
der Blutmagie legen, gestehen die Ahnen des Clans neu-
en Lehrlingen eine kurze Schonfrist hinsichtlich Bräuchen
und Traditionen ein. Die Ahnen erwarten vom Neugebo-
renen, daß er den angemessenen Respekt und die ange-
brachte Unterwürfigkeit zeigt, aber was die Feinheiten der
Etikette angeht, entschuldigen sie oft kleine Ausrutscher.
So vielschichtig die Organisation der Hexenmeister auch
sein mag, ihre Paranoia schreibt ihnen vor, daß Macht im-
mer wichtiger ist als Umgangsformen.
Die Ausbildung eines Lehrlings konzentriert sich zu-
nächst auf die Prinzipien der Blutmagie und ihrer Integra-
tion in Pfade und Rituale. In den ersten Wochen nach
dem Kuß lernt der Neugeborene seinen ersten Pfad - meist
den des Blutes - und sein erstes Ritual als lernfördernde
Maßnahme. Die meisten Erzeuger versuchen, ein Ritual
auszuwählen, das dem Lehrling bei seiner nächtlichen Exi-
stenz hilft, um dem Studenten einen Grund zu geben, es
häufig durchzuführen. Mein erstes Ritual war Abendfri-
sches Erwachen. Es war ein reines Schutzritual und für
mich als Neugeborenen so wertvoll, daß mein Erzeuger si-
chergehen konnte, daß ich es oft wirken würde. Es half
ihm außerdem, mir zwei der kleineren Prinzipien der
Thaumaturgie - Induktion und Inhärenz - praxisnah zu
demonstrieren.
In dieser Phase hat ein Lehrling selten viel Freizeit. Um
sichergehen zu können, daß das Küken die Grundlagen
der Kunst des Blutes begriffen hat, beschäftigt es der Er-
zeuger oft von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang mit
dem Rezitieren von Ritualen oder der Durchführung an-
derer arkaner Übungen, um seine Konzentrationsfähigkeit
und Willenstärke zu steigern. Man hat auch schon von
Meistern gehört, die ihren Lehrlingen in den ersten Wo-
chen ihrer Existenz sogar Gefäße brachten, damit keine
wertvolle Zeit durch ungeübte Jagdversuche des Lehrlings
verschwendet wird.
Nach einigen Wochen thaumaturgischer Ausbildung
verlagert der Erzeuger normalerweise den Fokus der Aus-
bildung von rein arkanen Studien zu einem Gleichgewicht
zwischen Blutmagie und Gebräuchen und Struktur des
Clans. Jedes Mitglied des Clans muß seinen Platz kennen
und daran arbeiten, seine Verpflichtungen gegenüber den
anderen Tremere zu erfüllen. Die, die diesen Anforderun-
gen nicht gewachsen sind - oder es zumindest nicht zu sein
scheinen -, werden oft aus dem Clan „entfernt“.
DER THAUMATURGIE
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 Viele Regenten verlangen von neuen Lehrlingen, sich
mindestens einmal im Monat nach der Zusammenkunft
des Gildehauses mit ihnen zu treffen (manche bestehen
gar auf wöchentlichen Treffen). Der Regent wirft einen
Blick auf die bisherigen Leistungen des Lehrlings und stellt
die Fertigkeiten und das Verständnis der Prinzipien der
Thaumaturgie des Neugeborenen auf die Probe. Gleichzei-
tig verwickelt der Regent den Lehrling in eine beiläufige
Unterhaltung über den Verlauf seiner Ausbildung. So
überwacht er die Aktivitäten des Erzeugers. Alle Tremere
haben eine Lehrzeit hinter sich und sind sich dieser Prak-
tik bewußt, weshalb nur wenige Erzeuger zulassen, daß
ihre Kinder sie bei unlauteren Aktivitäten überraschen.
Wenn der Regent sich davon überzeugt hat, daß der
Lehrling die Grundlagen der Thaumaturgie begriffen hat,
werden dem Neugeborenen üblicherweise größere Freihei-
ten zugestanden. Die meisten Lehrlinge verbringen nach
wie vor mindestens drei oder vier Nächte mit ihren Mei-
stern (zuzüglich zu den Zusammenkünften beim Regen-
ten), sonst aber wird ihnen erlaubt, nun auch eigene Stu-
dien zu betreiben. Von diesem Zeitpunkt an wird vom
Lehrling erwartet, seinen Pflichten gegenüber dem Gilde-
haus nachzukommen, selbst zu jagen und den Traditionen
der Camarilla zu folgen.
Natürlich besteht das Unleben der Lehrlinge nicht nur
aus dem Studium der Blutmagie. Die meisten widmen ihre
Zeit zumindest teilweise der Verbesserung ihrer anderen
Disziplinen, zumeist jener, die eine höhere Sinnenschärfe
und die Möglichkeit einer mentalen Beeinflussung ande-
rer mit sich bringen. Außerdem experimentieren sie mit
den Fähigkeiten, die alle Kainskinder gemein haben. Vie-
le weiten ihr Arbeitsgebiet auch auf Sprachen wie Latein,
Enochäisch, Arabisch und Griechisch aus, da viele arkane
Schriften noch nicht in moderne Sprachen übersetzt wur-
den. Schließlich ermutigen die Hexenmeister ihre Küken,
mächtige Kontakte in der Gesellschaft der Sterblichen zu
knüpfen und zu pflegen, um den Einfluß der Tremere auch
mit weltlichen Mitteln zu fördern.
Mit der Zeit - für gewöhnlich über mehrere Jahre -
macht ein Lehrling der Hexenmeister Fortschritte in sei-
nen Fertigkeiten und seiner Stellung im Gildehaus. Mit
jedem Schritt gewinnt er größere Selbständigkeit von sei-
nem Meister und weitere Verpflichtungen gegenüber dem
Clan. Obwohl er den Titel eines Lehrlings für ein Jahr-
zehnt oder länger trägt, erreicht er ein Maß an Ansehen
im Gildehaus, das dem eines voll ausgebildeten Magiers
nahezu gleichkommt, wenn er sich an „die Regeln“ hält
und die Kunst des Blutes beherrscht.
PFLICHTEN
Nur die jüngsten Neugeborenen wissen nichts von den
Gerüchten, wonach die Hexenmeister ihre Kinder bei der
Weitergabe des Kusses zwingen, ein alchimistisches Ge-
bräu zu sich zu nehmen, das unter anderem das Blut des
Inneren Rates enthält. Die Gerüchte sind wahr - alle Tre-
mere haben den ersten Schritt zu einem Blutsband an die
Führungsriege des Clans schon hinter sich gebracht. Die
Pflichten eines Lehrlings enden hier jedoch noch nicht; als
Gegenleistung für den Beistand und die Lehren seines
Meisters handelt sich der Neugeborene gewisse zusätzliche
Verpflichtungen und Aufgaben ein.
KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN
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Der Lehrling wird in fast jeder Hinsicht zu einem an den
Erzeuger gebundenen Diener. Den Tremere zufolge besteht
der Zweck dieser Phase darin, den Lehrling schneller die
Wege der Blutmagie und die Traditionen des Clans lehren
zu können. In Wirklichkeit wird der Meister durch seine
Lehrpflicht so in Anspruch genommen, daß er die Hilfe
des Lehrlings braucht, um seiner eigenen Arbeit und sei-
nen eigenen Forschungen nachgehen zu können.
Zu Beginn der Lehre werden dem Neugeborenen nur die
einfachsten Aufgaben aufgetragen, wie beispielsweise die
Vorbereitung simpelster Ritualingredienzien. Häufig sind
diese Aufgaben eher unangenehmer Natur: mehreren
Wochen alten Leichen die Fingernägel ausreißen oder
Maden aus verrottendem Fleisch picken. Die Erzeuger ver-
suchen gewöhnlich, die von ihnen vergebenen Aufgaben
mit einem Lernziel zu verbinden, selbst, wenn es nicht
mehr ist, als den Kindern Geduld und Disziplin beizubrin-
gen. Ich erinnere mich nicht, während dieses Teils meiner
Ausbildung viel Freizeit gehabt zu haben, noch habe ich
Beweise gesehen, die mich glauben machen würden, an-
deren Lehrlingen erginge es anders.
Wenn der Lehrling die Grundlagen der Blutmagie ge-
meistert hat, beginnt der Magier Schritt für Schritt, die
Pflichten des Lehrlings auszuweiten. Der Meister könnte
den Lehrling damit betrauen, seltsame Komponenten für
Formeln zu beschaffen oder ihm bei einfachen Ritualen zu
helfen. Mit wachsenden Fertigkeiten des Neugeborenen
kann der Meister ihm gewisse Riten zuweisen, die der
Lehrling dann allein wirken darf. Ein Erzeuger, der einen
Lehrling mit besonderen Fähigkeiten wie etwa einer aus-
geprägten sprachlichen oder mathematischen Begabung
zur Verfügung hat, beginnt nun wahrscheinlich, auch die-
se zu nutzen.
Mit der Zeit reduzieren die meisten Magier die Zahl der
Aufgaben, die sie ihren Lehrlingen zuweisen. Im Durch-
schnitt verbringt ein Neugeborener in dieser Phase nur
zwei bis drei Stunden oder zwei Nächte die Woche mit der
Erfüllung seiner Pflichten. Rechnet man hierzu noch die
Zeit, die mit der Erfüllung der Pflichten gegenüber dem
Clan zugebracht werden, so stehen dem Lehrling nun etwa
zwei oder Nächte die Woche zur Verfügung, die er frei ge-
stalten kann.
Etwa am Ende des zweiten Lehrjahres beginnt ein Erzeu-
ger, die Zahl der Aufgaben, die er seinem Kind stellt, noch
einmal deutlich zu verringern. Wahrhaft begabte Lehrlin-
ge kommen vielleicht schon früher in diesen Genuß, aber
das kommt nur selten vor. Ab diesem Zeitpunkt verlangt
ein Meister in der Regel nicht mehr als ein paar Stunden
oder höchstens eine Nacht die Woche an Dienst von sei-
nem Lehrling. Das wird zugunsten des Erzeugers jedoch
dadurch ausgeglichen, daß die Stunden, in denen er die
Arbeit des Neugeborenen überwacht, deutlich zurückge-
fahren werden; die Hexenmeister erwarten in dieser Pha-
se von den Lehrlingen, in der Lage zu sein, ihre eigenen
Studien unter minimaler Aufsicht voranzubringen. Wie
bei den meisten modernen Formen der „höheren Bildung“
gilt auch hier, daß der Lehrling nur einen Nutzen aus sei-
ner Lehre ziehen kann, wenn er zu einer Eigenleistung be-
reit ist.
Der Magier erwartet vom erfahrenen Lehrling zudem
Dienste, die eine gewisse Fertigkeit voraussetzen. Er kann
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 von ihm verlangen, grundlegende Rituale auf regelmäßi-
ger Basis durchzuführen oder sogar Gefäße zu beschaffen,
von denen sich der Meister nähren kann, damit er nicht
von seinen eigenen Arbeiten abgelenkt wird. Seltsamer-
weise nutzen nur wenige Magier diese Meister-Lehrlings-
Beziehung aus – wahrscheinlich, weil der Schüler schon
bald selbst ein Blutmagier sein und einen gewissen Groll
gegen einen unterdrückerischen Mentor hegen wird. Ich
mache mir keine Illusionen bezüglich des gütigen Wesens
der Hexenmeister.
Während der gesamten Lehre haben alle Neugeborenen
gewisse Verpflichtungen gegenüber ihren Meistern. Sie
sollen in den jüngeren Kainskindern die angemessene Gei-
steshaltung verankern und den Lehrlingen ihren Platz in
der Struktur des Clans zeigen. Mit Ausnahme der Unter-
richtsstunden ist es keinem Lehrling unterhalb des Drit-
ten Zirkels erlaubt, einen hochrangigeren Magier anzu-
sprechen (in Notsituationen werden Ausnahmen ge-
macht). Bei den Treffen des Gildehauses wird von einem
Lehrling erwartet, daß er den Anweisungen seines Mei-
sters folgt, bis er den Vierten Zirkel der Mysterien erreicht
hat. Bei jedem Ritus, der ein Blutopfer verlangt, muß ein
Lehrling freiwillig das seine anbieten. Bei dieser letzten
Praktik handelt es sich nur um eine Formalität, die lehren
soll, daß man bereit sein muß, Opfer für die Kunst zu brin-
gen; nur wenige Rituale können mit fremder Vitæ gewirkt
werden, obwohl ein Meister auch von einem erfahrenen
Lehrling verlangen kann, das Ritual selbst durchzuführen.
Hat ein Lehrling erst einmal den Sechsten Zirkel erreicht,
wird selbst diese letzte Anforderung zur Seltenheit und ist
definitiv mehr Ausnahme als Regel.
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BEFÖRDERUNG
Die Tremere verfügen über die am stärksten reglemen-
tierte Organisation aller Clans der Camarilla und viel-
leicht aller Gruppierungen von Kainskindern. Vielleicht
ketten die Familienbande der Giovanni die Nekromanten
stärker aneinander, aber wenn es um Konformität und
Ordnung geht, ist keine andere Gruppe so miteinander
verzahnt wie die Tremere. Legen Sie sich mit einem Tre-
mere an, und Sie legen sich mit allen an – zumindest
möchten sie, daß Sie genau das denken. Ich bin mir ziem-
lich sicher, sie würden jeden Kopfgeldjäger entwischen las-
sen, der mich zufällig abserviert – zur Hölle, wahrschein-
lich würden sie dem Bastard noch eine Belohnung zahlen,
wenn dieses kleine Schriftstück hier erst einmal die Run-
de gemacht hat.
Von der ersten Nacht der Existenz eines Lehrlings an
beginnt der Clan, in ihm ein Gefühl des Dazugehörens
und ein gewisses Standesbewußtsein aufzubauen – denken
Sie daran, daß ich dieses ganze „Trink aus diesem Kelch“-
Ding bereits erwähnt habe. Und obwohl dem so ist, kann
man den Clan Tremere kaum als eine universelle oder mo-
nolithische Wesenheit bezeichnen. Kein Clan ist wie eine
Fußballmannschaft, die Anweisungen befolgt, weil der
Mannschaftsführer gesagt hat, es müsse so laufen. Die
meisten Clans sind zerrüttete Familien, die nur durch das
gemeinsame Blut zusammengehalten werden. So gesehen
sind die Tremere eher wie ein Mönchsorden oder ein Aka-
demikerbund. (Oder vielleicht wie die Freimaurer, wenn
man anderen Kainskindern glauben darf. Betrachten Sie
alles, was Ihnen ein Vampir über die Tremere erzählt, mit
Skepsis. Natürlich außer dem, was ich Ihnen erzähle.)
DER THAUMATURGIE
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 Wie die anderen Ränge im Clan weist auch der Lehr-
lingsrang sieben Zirkel der Mysterien auf. Mit wachsenden
arkanen Fertigkeiten und Hingabe an den Clan steigt der
Lehrling durch diese Zirkel auf und erhält zusätzliche Frei-
heiten und Anerkennung. Die Aufstiegsgeschwindigkeit
hängt größtenteils von den Leistungen des Lehrlings ab,
wobei die Talentiertesten sehr schnell die Leiter der Rän-
ge erklimmen. Die Ahnen des Clans beobachten Lehrlin-
ge auf der Überholspur sehr genau, denn obwohl Talent
wichtig sein mag, kann ein zu schneller Aufstieg auf ein
gefährlich ehrgeiziges oder radikales Individuum hinweisen.
Ich weiß. So oder so ist man der Gelackmeierte.
Beförderungen sind in den ersten beiden Zirkeln noch
direkt an die Studien des Lehrlings gebunden. Normaler-
weise kann kein Neugeborener in den Zweiten Zirkel auf-
steigen, der nicht mindestens drei Rituale beherrscht, und
ein Bewerber um dem Dritten Zirkel muß vorweisen kön-
nen, seinen primären Pfad vorangetrieben zu haben. Die-
se Anforderungen sind in Stein gemeißelt; nur unter ex-
tremsten Umständen lassen die Ahnen Modifikationen an
ihnen zu.
Die Richtlinien, die die Beförderung in Zirkel jenseits
des Dritten steuern, sind weitaus flexibler als die ersten
Schritte. Der Regent des Gildehauses dekretiert eine Be-
förderung in diese Stufen, und die Methode, mit der un-
ter den Lehrlingen ausgewählt wird, ist oft subjektiv. Ich
habe hier die Leistungen angegeben, die der Clan am häu-
figsten als Meßlatte für die Beförderung eines Lehrlings
anlegt. Der Regent kann aber eine herausragende Leistung
mit einer Beförderung in einen höheren Zirkel belohnen,
ohne daß auch nur eine der im folgenden genannten Vor-
aussetzungen erfüllt wird.
Eine Beförderung in den Vierten oder Fünften Zirkel
geht in aller Regel mit einer Kombination aus erfüllten
Diensten gegenüber dem Gildehaus und einer Verbesse-
rung auf dem Feld der Thaumaturgie einher. Zusätzlich zur
Demonstration seines Wissens in einigen Ritualen mittle-
rer Komplexität und eines weiteren Vorankommens auf
seinem primären Pfad, muß ein Lehrling, der in den Vier-
ten Zirkel aufsteigen möchte, eine bestimmte Aufgabe
vollbringen, die ihm von seinem Meister oder dem Regen-
ten aufgetragen wird. Hierbei kann es sich um so etwas
Simples wie die Ausrichtung einer Zusammenkunft des
Gildehauses (für Lieblingslehrlinge), aber auch um das
Wiederauffinden eines gestohlenen Textes oder Gegen-
stands handeln (für einen Unruhestifter unter den Neu-
geborenen). Die Anforderungen für den Fünften Zirkel
ähneln denen des Vierten, obwohl der Lehrling für ge-
wöhnlich auch die ersten Schritte eines zweiten Pfades ler-
nen muß.
Erreicht der Lehrling den Vierten Zirkel, ist er nicht
mehr direkt seinem Erzeuger unterstellt. Statt dessen steht
es ihm nun frei, eigenen Studien nachzugehen – so lange
sie nicht seine anderen Verpflichtungen nachteilig beein-
flussen. Es ist ungewöhnlich, daß ein Regent einem Lehr-
ling des Vierten Zirkels erlaubt, einem Sterblichen den
Kuß zu schenken, aber ich habe von vielen Fällen gehört,
in denen Lehrlinge des Fünften oder eines höheren Zirkels
eigene Kinder zeugten.
Ein Lehrling, der die Sechsten und Siebten Zirkel der
Mysterien erreicht, hat seinen primären Pfad gemeistert,
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Julia Reinecke (Order #10164437)
ist in seinem zweiten gut bewandert und kennt vielleicht
gar einen dritten. Er kann komplizierteste Rituale ohne
Hilfe durchführen und hat zumindest einen Teil der For-
meln, die er kennt, durch seine eigenen Forschungen in
Erfahrung gebracht. Typischerweise haben Lehrlinge, die
nach dem Aufstieg in den Siebten Zirkel streben, zumin-
dest ein eigenes Ritual entwickelt. Darüber hinaus muß
der Lehrling mehrfach seine Hingabe zu und seinen Wert
für die Strukturen des Clans unter Beweis gestellt haben.
Nur ein Lord oder ein höherrangigerer Tremere kann
eine Beförderung über den Siebten Zirkel der Mysterien
hinaus, also in den Ersten Zirkel der Mysterien für Regen-
ten, gewähren. Die Ahnen treffen diese Entscheidung
nicht allein auf Grundlage der Leistungen des Bewerbers,
sondern auch die Zahl der Gildehäuser spielt eine Rolle.
Ein Regent braucht ein Gildehaus, dem er vorstehen
kann; ist keines frei (oder kann kein Regent eines Gilde-
hauses herausgefordert werden), muß der Bewerber Lehr-
ling bleiben (dem Titel wenn auch nicht seinen tatsächli-
chen Fähigkeiten nach), bis sich ihm eine andere Gelegen-
heit bietet. Deshalb gelten die Lehrlinge des Sechsten Zir-
kels in den Kreisen der Hexenmeister als so etwas wie „Ge-
sellen“, und die Mitglieder des Siebten Zirkels werden hin-
sichtlich ihrer Verpflichtungen und Privilegien wie voll
ausgebildete Magier behandelt.
VERSETZUNG VON
LEHRLINGEN
Die Tremere sind dafür berüchtigt, Neugeborene von
Gildehaus zu Gildehaus zu versetzen. Die Ahnen des
Clans geben oft die übliche Propaganda von sich, dies bie-
te dem Lehrling die beste Möglichkeit, viele verschiedene
Methoden und Rituale kennenzulernen, aber nur die jüng-
sten Mitglieder des Clans schlucken das. Eine andere, weit
verbreitete Taktik besteht darin, daß der Regent die fort-
währende Anwesenheit des Lehrlings zur Bedrohung für
die Maskerade erklärt. Gewöhnlich ist das eine unverfro-
rene Lüge, aber statt den Zorn des Prinzen zu riskieren,
ziehen die meisten Lehrlinge einfach mit und tun, was ih-
nen gesagt wird. In Wirklichkeit ziehen die Tremere dies
schon seit Jahrhunderten durch, nur um zu verhindern,
daß es einem Magier gelingt, eine mächtige Anhänger-
schaft früherer Lehrlinge um sich zu scharen.
Ironischerweise hat sich diese Praktik schon viele Male
gerächt. Charismatische, clevere Meister nutzen dieses
Austauschprogramm, um Spione im gesamten Clan zu
säen und Informationen über andere Hexenmeister einzu-
holen. Diese Spionage umfaßt alles, von politischen Rän-
kespielen bis hin zu hermetischer Forschung. Da ein neu
eingetroffener Lehrling ein Sicherheitsrisiko darstellen
könnte, versuchen die gastgebenden Magier möglichst viel
von ihren Aktivitäten vor den Augen ihrer neuen Studen-
ten geheimzuhalten.
Die Ahnen des Clans machen die Regenten dafür ver-
antwortlich, daß die versetzten Lehrlinge eine ihrer Stufe
angemessene Lehre erhalten, und strafen alle Meister ab,
die ihr Wissen zu eifersüchtig hüten. Dies verleitet die
meisten Magier zu einem komplizierten Spiel des Gebens
und Nehmens, in dem der Meister dem Lehrling gerade
soviel Ausbildung und Einsicht zukommen läßt, daß die-
03.11.00, 17:42
 ser befördert werden kann, aber bei weitem nicht genug,
als daß es seinen Rivalen seine Stärken und Schwächen
offenbarte.
Theoretisch versucht ein Meister, zu seinen Lehrlingen
ein Gefühl des gegenseitigen Vertrauens aufzubauen, das
es ihm erlaubt, diesen guten Willen einzusetzen, um seine
eigenen Rivalen auszuspionieren. Gleichzeitig darf er
selbst dem Lehrling gegenüber kein echtes Pflichtgefühl
entwickeln, da er sonst Gefahr laufen könnte, sich eine
Blöße vor einem anderen Meister zu geben, der sich die
Treue des Studenten bereits gesichert hat. Letztlich läuft
es darauf hinaus, daß die meisten Magier ihre Lehrlinge
aus einem gewissen Fundus an „sicheren“ (d. h. allgemein
verbreiteten) Formeln und Wissensgebieten schöpfen las-
sen. Als Folge dieser konservativen Manöver und Intrigen
muß ein Lehrling alle Forschungen oder Experimente, die
ihn wirklich weiterbringen können, allein betreiben – was
jeder Meister ohne Ausnahme nutzt, um sich die Ergeb-
nisse selbst auf die Fahne zu schreiben, wie ich noch hin-
zufügen möchte.
Punkt
Der Anarch bringt hier einen
kli ch wei ter geh ende
vor, der wir
Das jet-
Nachforschungen verdient.
ch zu ei-
zige System führt tatsächli
rmetho-
ner Stagnation bei den Leh keine
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den. Allerdings habe ich noc
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Vorstellu
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Problem angehen soll, wen Peit-
bisherige „Zuckerbrot und den
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soll, die neue Entwicklu
Kunst fördert. Thema
Es scheint, als wäre dies ein .
den mei nen
für weisere Köpfe als
CLANSFREMDE LEHRLINGE
Bisher habe ich mich nur mit Lehrlingen der Blutkunst
auseinandergesetzt, die selbst Hexenmeister sind. Meines
Wissens gibt es keinen Mangel an Kainskindern, die einen
Lehrmeister in den Geheimnissen der Blutmagie suchen.
Tremere, die einen clansfremden Lehrling als ausbildens-
wert erachten, sind allerdings dünn gesät. Ein Außensei-
ter bringt seinem Meister im Clan keinen Status für seine
Leistungen ein. Die Ahnen werden einen Tremere sogar
eher ausstoßen, der die Lieblingsdisziplin des Clans an ei-
nen Nicht-Tremere weitergibt, vorausgesetzt der angehen-
de Lehrer besiegt überhaupt erst einmal seinen eigenen
Egoismus, wenn es darum geht, einzigartige Geheimnisse
zu lehren. Um einer Strafe zu entgehen, tut jeder Magier,
der sich entschließt, einen Außenseiter als Lehrling anzu-
nehmen, dies nur im Geheimen.
Meinen Hypothesen nach gibt es einige Vorteile, die für
clansfremde Studenten sprechen. Der Regent des Gilde-
hauses überwacht die Ausbildung und Behandlung des
Lehrlings nicht, was dem Meister eine viel größere Freiheit
bei der Wahl seiner Lehrmethoden erlaubt. Der Lehrling
wird später nicht zwangsweise in ein anderes Gildehaus
versetzt, so daß der Meister die Fähigkeiten des Studen-
ten nutzen kann, um seine Machtbasis auszubauen, und
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
60
Blutmagie04.p65 60
Julia Reinecke (Order #10164437)
dies nicht nur durch arkane Unterstützung, sondern auch
durch Gefallen und Informationen. Solange die Studien
des Lehrlings geheim bleiben, bestehen keine formalen
Bindungen zwischen Student und Meister; der Meister hat
nicht unter negativen gesellschaftlichen oder politischen
Folgen der Handlungen seines Protegés zu leiden. Auch
das verleiht dem Blutmagier eine viel größere Freiheit bei
der Auswahl der Aufgaben, für die er seinen Studenten
einsetzen kann.
Der größte Anreiz, einen Clansfremden die Blutkünste
zu lehren, ist die Schuld, in die sich der Lehrling beim
Meister begibt. Viele Kainskinder erkennen das Potential
der Blutmagie, aber die thaumaturgischen Geheimnisse
werden von den Tremere so eifersüchtig gehütet, daß nur
wenige Vampire, die nicht zu ihnen gehören, leicht an sie
herankommen könnten. Ein gerissener Magier kann für
seine Dienste als Lehrmeister sehr vorteilhafte Konditio-
nen für sich aushandeln - die er dann gegen das Mißfallen
seines gesamten Clans abwägen muß, sollte er je aufflie-
gen.
Im Klartext: Wenn Sie kein Tremere sind und die Ge-
heimnisse der Thaumaturgie lernen möchten, wünsche
ich Ihnen viel, viel Glück. Es ist möglich, aber unwahr-
scheinlich.
DER ALLEINGANG
Nicht alle Kainskinder, die den Wunsch verspüren, die
Riten des Blutes zu lernen, verfügen über ausreichend Ein-
fluß oder Macht, um einen Tremere in Versuchung zu füh-
ren, seinen Clan zu verraten. Während diejenigen unter
ihnen, die auch nur einen Funken Verstand haben, abwar-
ten, bis sie einen Magier davon überzeugen können, ihr
Tutor zu werden, glaubt manch anderer, er könne Thau-
maturgie ganz allein lernen. Selbst wenn man davon aus-
geht, daß es diesen Kainskindern gelingt, die dafür not-
wendigen Ressourcen aufzubringen, handelt es sich hier-
bei um einen langwierigen und schwierigen Prozeß, der
sehr viel länger dauert, als wenn man unter einem Blut-
magier studiert hätte.
Nur wenige überleben ihre Experimente lange genug,
um größere Geheimnisse zu enthüllen. Wenn der Möch-
tegern-Magier also die Tremere nicht gegen sich aufbringt,
indem er arkane Schriften stiehlt oder sich sonst in ihre
Angelegenheiten mischt, ignorieren sie ihn. Andere Clans
halten aber wachsam nach solchen Autodidakten Aus-
schau – nicht nur die Tremere, sondern auch die Schlan-
gen, die Giovanni und machthungrige Sabbatrudel.
Einige wenige Autodidakten machen am Ende doch die
überraschendsten Entdeckungen. Ungehindert von den
höchst restriktiven Lehrplänen der Tremere stolpern die-
se Magier durch Logiksprünge oder das Eingehen von Ri-
siken, die ein geistig gesunder Tremere nie auf sich neh-
men würde, oft auf neue Pfade und Formeln. Den Treme-
re entgeht nicht, welches Potential diese Unabhängigen
darstellen, und bieten solchen Magiern manchmal Gefal-
len im Austausch gegen Einzelheiten über diese unortho-
doxen Entdeckungen an - natürlich vorausgesetzt, der
fragliche Magier ist in der Lage, seine Errungenschaften
vor einer „direkteren“ Herangehensweise zu schützen.
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 17:42
 BÜCHER DER
BLUTMAGIE
In Gildehausbibliotheken findet man eine atemberau-
bende Fülle an wissenschaftlichen und okkulten Werken,
von denen die meisten nur Bruchstücke nützlicher Infor-
mationen enthalten. Andere, etwa die Werke sterblicher
Hermetiker wie Albertus Magnus, Michael Scot und Tho-
mas Norton, sind wegen ihrer Einsichten in die Grundla-
gen der alchimistischen Praktik hoch angesehen. Zu den
am meisten geschätzten Schriften dieser Art gehören The
Difference of Soul and Spirit (Alkindi), Particularis (Micha-
el Scot), Über die Alchimie (Albertus Magnus) und Opus
Majus (Sir Francis Bacon).
Nur wenige Bücher widmen sich ausschließlich der An-
wendung der Blutkünste, und die Tremere sputen sich,
diese Werke so schnell wie möglich an sich zu bringen, so-
bald sie irgendwo auftauchen. Sie bauen jedoch allein auf
die Schriften, deren Autoren aus ihrem eigenen Clan
stammen; alles andere würde sie in Gefahr bringen, auf
fehlerhafte Texte hereinzufallen, die von hinterlistigen
Feinden in Umlauf gebracht wurden. Trotz größter An-
strengungen des Clans bleiben manche dieser Werke –
oder zumindest zuverlässige Kopien – außerhalb ihrer
Reichweite.
Schlaue Magier führen ihre eigenen Zauberbücher, de-
ren Inhalt durch Codes oder hintersinnig komplizierte Al-
legorien verschlüsselt werden. Ich gebe zu, hier nicht ganz
informiert zu sein, was dem Clan wahrscheinlich gerade
recht ist. Da die Tremere ihr Wissen mit aller Macht
schützen, wird selbst eine Lektüre handschriftlicher Noti-
zen schnell zu einer Übung in angewandter Skepsis. Die
meisten jungen Lehrlinge führen nur Tagebücher oder
„Freßzettel-Grimoires“, aber jeder, der über einen längeren
Zeitraum Thaumaturgie studiert hat, verfügt über eine
Sammlung von Ritualen und Ressourcen, die ein Heiden-
geld wert ist, wenn nicht sogar mehr. Versichern Sie sich
nur, daß Sie nicht mit einem Schutzzeichen versehen wur-
de, die Sie in Brand setzt, wenn Sie keine Schutzformel
ausgesprochen haben – denken Sie daran, daß einige der
Prinzipien auch umgekehrt wirken können.
Im folgenden habe ich einige Werke detailliert beschrie-
ben, mit denen ich vertraut bin, sei es durch eigenes Wis-
sen oder verläßliche Informationen aus zweiter Hand.
Ohne Zweifel existieren noch viel mehr, aber wie beim be-
rüchtigten Al-Azif kann man nie sicher sein, ob es das
Buch wirklich gibt, oder ob man nur eine moderne Legen-
de gehört hat.

VENEFICORUM ARTUM SANGUIS

Etrius verfaßte dieses Werk, das von den meisten Magi-
ern kurz das Veneficorum genannt wird und wahrscheinlich
der älteste existierende Text ist, den ein Magier der Tre-
mere geschrieben hat. Es stellt chronologisch den Verlauf
vieler der frühen Experimente der Tremere dar und be-
schreibt ihre Bemühungen, die Blutmagie mit hermeti-
schen Ritualen zu vereinen. In seinen Erläuterungen der
dem zugrundeliegenden Prozesse ist das Werk erschöpfend
und gründlich, wobei es vor allem die Prinzipien der Thau-

KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN

61

Blutmagie04.p65 61 03.11.00, 17:42

Julia Reinecke (Order #10164437)

 maturgie detailliert schildert. Die Tremere hüten alle Ab- der Mitte des 19. Jh. stammen. Sie schildern die Forschun-
schriften des Veneficorum wie ihren Augapfel, weil sie der gen eines gewissen Thomas Bremond, Besitzer einer Zuk-
Ansicht sind, jedes Kainskind, das sich im Besitz einer sol- kerrohrplantage in Louisiana. Thomas Bremond ver-
chen befände, könne Thaumaturgie lernen. schwand kurz nach Ende des Bürgerkrieges, und die Hi-
Das lateinische Original wird angeblich in Wien aufbe- storiker der Tremere glauben, seine ehemaligen Sklaven
wahrt, und auch die meisten Kopien sind in der toten hätten ihn vernichtet.
Sprache der Römer verfaßt. Einige wenige englische Ver- Er war von einsiedlerhaftem Wesen – sein Gildehaus
sionen aus dem frühen 18. Jh., die den schlichten Titel bestand aus ihm und einem einzigen Kind -, aber er be-
The Sorcerous Art tragen, sind über die Gildehäuser der diente sich massiv des Voodoo-Glaubens seiner Sklaven,
USA verstreut. Alles in allem existieren insgesamt 11 Ko- um sein hermetisches Wissen zu mehren. Die Isolation
pien in Latein und 5 Übertragungen in die englische Sprache. und eine stets verfügbare Menge an Probanden für seine
Experimente ermöglichten Bremond, einige überraschen-
NOMINIS INFERNI de Variationen herkömmlicher Rituale der Blutmagie zu
Mit Auszügen eines uralten Sanskritfragments namens entwickeln. Seine Schriften deuten auch auf Experimente
Naaman’h raakShasa als Vorlage verfaßte ein Tremere des in bezug auf den Pfad der Verführung hin, obwohl unklar
13. Jh. dieses Werk über Dämonologie. Der Name des ist, ob ihm diese Praktik von seinem Erzeuger gelehrt wur-
Übersetzers ist unbekannt, und es gibt keine Aufzeichnun- de oder er sie im Alleingang entwickelte.
gen über sein Schicksal nach Beendigung des Textes. Das Es gibt Gerüchte, wonach im Gildehaus New Orleans
kleine Büchlein - eigentlich mehr ein gebundenes Pam- die Originale der Tagebücher Bremonds aufbewahrt wer-
phlet - enthält angeblich nicht nur die Wahren Namen ei- den, obwohl von keinem der Mitglieder dort bekannt
niger diabolischer Wesenheiten von mittlerer Macht, son- wäre, daß es Voodoo praktiziert oder Forschungen in die-
dern auch den eines Wesens, das zumindest den Rang ei- ser Richtung betriebt. Es sind jedoch eine ganze Reihe von
nes Erzdämons innehat. Abschriften und Kopien – viele allerdings von höchst
Solange sich das Buch im Besitz der Tremere befand, zweifelhafter Werktreue gegenüber – in Umlauf.
existierten nur das Original und eine Abschrift. Irgend-
wann im 15. Jh. gingen beide ans Arkanum oder die In- DIE ACHT DISKETTEN
quisition verloren. Bis vor kurzem glaubten die Tremere, Auch bekannt als Die blasphemische Schrift. Dieser
die Inquisition hätte das Werk verbrannt, aber nun kursie- ASCII-Text, der zum ersten Mal auf acht schwarzen 3,5“-
ren Gerüchte, wonach es zumindest noch eine Abschrift Zoll-Disketten abgespeichert wurde, enthält die Geheim-
in Besitz eines Satanisten irgendwo in Mitteleuropa gibt. nisse des Pfades der Technomantie, und es wird gemun-
kelt, man finde in ihm des weiteren eine Reihe von Ritua-
DAS TIEFE GEHEIMNIS len, die mit Computern und anderen technologischen Ge-
Dieses Buch ist wohl das am weitesten verbreitete Werk rätschaften zu tun haben. Sowohl die Erklärungen zum
zum Thema hermetischer Blutmagie. Johann Kloepfer, ein Pfad als auch die Beschreibungen der Rituale sollen sich
Mitglied des Kölner Gildehauses, schrieb es im 15. Jh. angeblich oft der Formelsprache der höheren Mathematik
Obwohl es in Deutsch verfaßt wurde, wurde das Werk in – möglicherweise sogar hin bis zur Kabbalah – bedienen.
die meisten europäischen Sprachen übersetzt, einschließ- Als Ausdruck ist der Text mehrere tausend Seiten lang.
lich Englisch, Französisch, Italienisch und Russisch. Eine Konservative Tremere haben sich der Originaldisketten
Übersetzung des Textes, in der Regel mit dem Titel The bemächtigt, aber überall in Europa und Amerika existie-
Dark Secret, oder zumindest Auszüge davon, ist in fast je- ren Kopien. Dank der Bemühungen gewisser Thaumatur-
dem größeren Gildehaus zu finden, und fast jeder Tremere
hat schon einmal irgendwann in diesen Seiten geblättert. e sind
Das Buch enthält nicht nur einen Großteil der übliche- Die letzten beiden Abschnitt
ich . Er ent hüllt
ren Rituale und Pfade (einschließlich den des Blutes und besonders unerfreul t in
er Eng age men
Lockruf der Flammen), sondern legt auch das Fundament viel zu viel über uns wei st
ich en und
für die Grundprinzipien der Thaumaturgie. Leider machen der Welt der Sterbl . Das
Sch wäc he hin
offensichtliche Fehler in Kloepfers Erklärungen wie bei- auf unsere größte
tar ist,
spielsweise die Auslassung wichtiger Schritte bei weitver- einzig Gute an diesem Kommen esten
neu
breiteten Ritualen sein Werk nur als unterstützende Lek- daß der Welpe nicht auf dem
ein t. Er ist sich der
türe nützlich. Viele Magier glauben, Kloepfer hätte diese Stand zu sein sch
Tri ebf ede r hin ter dem
Schwächen absichtlich in sein Werk einfließen lassen, um eigentlichen
nicht be-
die Kunst vor Uneingeweihten zu schützen. Die meisten Sturz der Sabbat-Verräter daß er
Kopien in Gildehäusern sind mit handgeschriebenen No- wußt, was darauf hinweist,
r inner-
tizen und Korrekturen übersät, die von den Mitgliedern keine guten Verbindungen meh
des jeweiligen Gildehauses im Lauf der Jahrhunderte an- halb des Clans hat.
h weni-
gefügt wurden. Ich bedaure zwar, daß das auc
bed eutet,
ger Ziele für meine Rache Doku-
DIE TAGEBÜCHER DES THOMAS BREMOND ter e
doch es heißt auch, daß wei ver öf-
noc h
Das einzige historische Werk, das je über die Forschun- mente, die er eventuell ige r
ch wen
gen der Tremere hinsichtlich Voodoo geschrieben wurde, fentlicht, wahrscheinli
besteht aus zwei ledergebundenen Tagebüchern, die aus schädlich sind als dieses .

BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE

62

Blutmagie04.p65 62 03.11.00, 17:42

Julia Reinecke (Order #10164437)

 gen unter den Anarchen tauchen gelegentlich Auszüge
aus dem Text im Internet auf (hauptsächlich auf reinen
FTP-Seiten).
BLUTMAGIE IN DER
WIRKLICHEN WELT
In diesem Manuskript habe ich mich auf die Anwen-
dung der Blutmagie und darauf konzentriert, wie die Tre-
mere sie in ihre Clanshierarchie integriert haben. Die Ah-
nen unter den Magiern haben um die Blutkünste eine aus-
gefeilte Kultur der Heimlichkeit aufgebaut und versuchen,
die Geheimnisse ihrer Macht für sich zu behalten. Das be-
deutet aber keineswegs, daß der Rest von uns nicht unter
ihrem Einfluß steht.
Die Tremere setzen Blutmagie freizügig ein, um ihre Vor-
herrschaft über die ganze Camarilla und die Welt der
Sterblichen auszubreiten. Ihre Pläne sind unauffällig und
durch ihre Zauberkünste vor neugierigen Blicken verbor-
gen. Die Paranoia, die sich wie eine Seuche durch den
ganzen Clan zieht, ist Hintergrund jeglicher Entscheidun-
gen seiner Angehörigen, und nicht weniger als absolute
Kontrolle wird ihnen diese Ängste jemals nehmen können
– was zwar unmöglich erscheinen mag, aber die Wahrheit
ist. Die Tremere sind die Illuminati; der Mann hinter dem
Vorhang ist ein Tremere.
Durch die Blutmagie verfügen die Tremere über die
Macht, die Welt langsam nach ihrer Vision zu formen, und
sie gehören nicht zu der Sorte, die sich eine solche Gele-
genheit entgehen läßt. Ritualmagie verleiht den Tremere
die Fähigkeit, immer und überall unsichtbar zuschlagen zu
können.
Politiker werden zu einem gegebenen Zeitpunkt plötz-
lich krank, und ein Gesetz wird verabschiedet, das den
Tremere zum Vorteil gereicht. Die Aktienkurse werden
Nacht für Nacht von Kabbalisten manipuliert, manchmal
zum Wohle des Clans, manchmal nur um zu sehen, was
passiert. Der Rivale eines verbündeten Drogenbarons wird
unmittelbar vor wichtigen Verhandlungen mittels eines
Gris-gris zum Verstummen gebracht, was es ihm unmög-
lich macht, in den Streit einzugreifen. Eine Kugel aus dem
Gewehr eines Attentäters trotzt den Gesetzen der Physik,
was die gesamte Bevölkerung eines bedeutenden Landes
dazu bringt, hinter dem Anschlag eine vielschichtige Ver-
schwörung und ein gewaltiges Vertuschungsmanöver zu
vermuten.
Selbst das Weltliche ist vor ihnen nicht sicher. Der Be-
sitzer eines Nachtclubs verbessert den Geschmack eines
Getränks mit Alchimie, macht seine Kundschaft so da-
nach süchtig und drängt seine Konkurrenz aus dem Ge-
schäft. Durch die Anwendung von Sympathie wird ein re-
zeptfreies Medikament in Arsen verwandelt, was zu einer
Massenhysterie und zum Wandel im Kaufverhalten der
Konsumenten führt.
Und so weiter, ad infinitum.
KAPITEL ZWEI: BLUTRITEN
63
Blutmagie04.p65 63
Julia Reinecke (Order #10164437)
Blutmagie ist ein mächtiges Werkzeug der Vitæ, auf das
alle Kainskinder ein Anrecht erheben sollten. Die Treme-
re haben aber beschlossen, es anderen durch Geheimnis-
krämerei und politische Manöver vorzuenthalten. Die Ca-
marilla kommt den Tremere zupaß, da sie sie vor allen Be-
drohungen schützt, während sie die Welt langsam so for-
men, wie sie sie für richtig halten.
DIE MAGIE SCHWINDET
Zum Abschluß möchte ich noch erwähnen, daß jüngste
Ereignisse die Thaumaturgie bis ins Mark erschütterten.
Alle Anwender spüren die Auswirkungen, aber für nie-
manden steht soviel auf dem Spiel wie für die Tremere.
Die Blutmagie scheint an Macht zu verlieren, und die Tre-
mere sind emsig wie die Bienen dabei, den Grund hierfür
zu entdecken.
Vor kurzem verschwanden die Tremere antitribu. Zu-
nächst feierten die Tremere das als großen Triumph, als
gerechte Strafe für die rebellischen Magier, die ihresglei-
chen betrogen hatten. Es gibt jedoch immer noch keine
Erklärung für das Verschwinden der Abtrünnigen, und
man munkelt vom Erwachen eines uralten Feindes. Man-
che vermuten, die Tzimisce hätten eine schreckliche Säu-
berungsaktion unternommen oder ein anderer, in Verges-
senheit geratener Erzfeind der Tremere sei wiedergekehrt,
um Rache zu nehmen. Andere, loyalere Clansmitglieder
behaupten, die Tremere selbst seien für den Sturz ihrer
Pendants im Sabbat verantwortlich, aber diese Sprachroh-
re können keine Beweise für ihre Behauptung liefern –
oder auch nur eine plausible Erklärung.
Selbst voreilige Schlüsse über undenkbare Dinge – Sa-
lubri antitribu, wieder erwachte Methusalems und ähnli-
ches – haben es bis in die Gerüchteküche geschafft.
Die Struktur der Blutmagie selbst scheint schwächer zu
werden. Rituale, die zuvor unfehlbar waren, weisen nun
ein gewisses Element der Unsicherheit auf. Irgendwie ha-
ben die Assamiten den jahrhundertealten Fluch abge-
streift, mit dem die Tremere sie belegt hatten – ein bisher
nie dagewesener Vorfall. Die Tremere haben mehrere Ver-
suche unternommen, den Spruch zu erneuern, aber keiner
von ihnen fruchtete, was viele zu dem Glauben verleitet,
sie hätten das notwendige Wissen verloren oder das Ritu-
al selbst zeige keine Wirkung mehr. Andere machen gar
Andeutungen, wonach die ursprüngliche Sendung sogar
für Blutmagie eine viel zu mächtige Leistung gewesen sei
und daß deshalb irgend etwas anderes hinter dem ur-
sprünglichen Bannspruch gelegen habe müsse.
Niemand weiß, was diese Vorfälle zu bedeuten haben.
Die Tremere haben sich in ihre Gildehäuser zurückgezo-
gen, um ihre Bibliotheken nach Antworten zu durchstö-
bern. Sie sind nervös geworden. Ein Gerücht verbreitet
sich wie ein Lauffeuer in den finsteren Gewölben ihrer
Sanktuarien. Nie wird es lauter als im Flüsterton ausge-
sprochen, es besteht nur aus einem Wort:
„Gehenna.“
03.11.00, 17:42
 Blutmagie05.p65 64 03.11.00, 18:17

Julia Reinecke (Order #10164437)

 KAPITEL DREI:
DIE PFADE
DER MAGIE
Dieses Kapitel erforscht einige weniger bekannte Pfade
und Rituale der Thaumaturgie (deren Existenz aber von
zuverlässigen Personen bestätigt wurde). Diese neuen
thaumaturgischen Kräfte können in jeder Geschichte ein-
gesetzt werden, egal, ob sie in den Händen der Spielercha-
raktere auftauchen oder für die Nebenrollen des Erzählers
von Nutzen sind.
Alle nun folgenden Kräfte verwenden die gleichen
grundlegenden thaumaturgischen Systeme, wie sie auf den
Seiten 185-186 und 190 in Vampire: Die Maskerade vor-
gestellt worden sind. Einige dieser Kräfte sind überarbei-
tete Versionen aus der vorangegangenen Auflage von
Vampire-Quellenbänden, die meisten jedoch sind neu.
Hierbei handelt es sich nicht um eine vollständige Samm-
lung thaumaturgischer Möglichkeiten, sondern um einen
Ausgangspunkt für Spieler, die es gerne sähen, wenn ihre
Charaktere die blutigen Geheimnisse der Tremere lernen,
und für Erzähler, die auf der Suche nach neuen und unge-
wöhnlichen Schrecken sind, mit denen sie ihren Ge-
schichten den letzten Schliff verleihen können. Theore-
tisch sind die Kräfte der Thaumaturgie grenzenlos, und die
Effizienz eines Charakters wird allein von seinem Ver-
ständnis der Kunst bestimmt.
PFADE DER
THAUMATURGIE
DAS ERLERNEN THAUMATURGISCHER
PFADE
Wenn sie ihren primären Pfad gemeistert haben, führen
viele Thaumaturgen ihre Studien der arkanen Kräfte fort.
Die Wahl eines sekundären Pfades entspringt einer Mi-
schung aus persönlichen Vorlieben und der Verbreitung
und Zugänglichkeit der bevorzugten Magie. Im Clan Tre-
mere wächst der Wunsch, thaumaturgische Pfade und Ri-
KAPITEL DREI: DIE PFADE
65
Blutmagie05.p65 65
Julia Reinecke (Order #10164437)
tuale zu lernen, zunehmend, je mehr in den höheren Rän-
gen Clanprestige und Ehre von magischer Macht abhän-
gen. Auf jeden Fall müssen Blutmagier in ihrem Streben
Hingabe und Durchhaltevermögen beweisen.
Das Erlernen sekundärer Pfade setzt entweder einen
Mentor voraus, der des gewünschten Pfades mächtig ist,
oder okkulte Quellen, die entscheidendes Wissen beinhal-
ten, das für die Entschlüsselung der Magie unabdingbar
ist. Ohne eine dieser beiden Voraussetzungen kann ein
Charakter zwar nicht die Grundlagen eines Pfades erler-
nen, obwohl es ihm möglich ist, den Pfad von Grund auf
alleine zu entwickeln. Diese Option nimmt extrem viel
Zeit in Anspruch (s. u.)
Der Weg zur Aufdeckung von Gerüchten über mögliche
Mentoren und verlorenes Wissen sollte für den Thauma-
turgen interessant und aufregend sein. Die Suche nach
bestimmten seltenen Informationen kann eine lange,
mühselige Aufgabe darstellen und vielleicht eine eigene
Geschichte liefern.
Wie immer hat der Erzähler das letzte Wort, ob ein Cha-
rakter das Wissen, nach dem er sucht, lernen oder über-
haupt finden kann.
DAS ERSCHAFFEN NEUER
THAUMATURGISCHER PFADE
Das Erschaffen eines neuen Pfades ist weit schwieriger
als die Durchführung eines jeden anderen Aspekts der
Magie, sogar schwieriger als das Erschaffen neuer Rituale.
Um einen neuen Pfad zu erschaffen, muß der Thaumaturg
mindestens Okkultismus 5 und Thaumaturgie 5 besitzen.
Außerdem muß er Zugang zu einer Zuflucht haben, die mit
einem Laboratorium ausgestattet ist, während er seine
Studien ins Unbekannte vorantreibt.
Der Spieler entwirft den Pfad nach seinen Wünschen
(einschließlich der Effekte, der Dauer der Effekte usw.)
und stellt ihn dem Erzähler vor. Um vernünftig zu sein,
sollten alle Kräfte des Pfades einem gemeinsamen Thema
folgen. Es sollte sich nicht um ein Sammelsurium zufälli-
DER MAGIE
03.11.00, 18:17
 ger und zusammenhangloser Kräfte handeln, über die der
Spieler gerne verfügen würde. Als Faustregel mag dienen,
die unterschiedlichen Ausprägungen des Pfades mit denen
eines existierenden Pfades zu vergleichen. Der Erzähler
entscheidet, ob der neue Pfad annehmbar ist oder nicht.
Falls nicht, kann er jegliche Veränderungen vornehmen,
die er für angemessen hält, oder den Pfad gänzlich verbie-
ten (nach ein paar Monaten der Forschung von Seiten des
Charakters).
Dann beginnt der Thaumaturg eine erweiterte Hand-
lung, bei der er Intelligenz + Okkultismus (Schwierigkeit
5 + die Stufe, auf der der Charakter augenblicklich
forscht) würfelt und 5 Erfolge ansammeln muß. Jedesmal,
wenn ein Spieler diesen Wurf ablegt, muß er auch fünf
Blutpunkte pro Stufe, auf der er momentan forscht, einset-
zen. Diese Blutpunkte müssen nicht vom Charakter selbst
stammen, aber sie müssen ihm ungehindert zur Verfügung
stehen (man geht davon aus, daß er sie während seiner
Forschungen je nach Bedarf aufnimmt und einsetzt). Je-
der Wurf steht für ein Jahr an Forschungen und Experi-
menten, wobei der abschließende Erfolg es dem Charak-
ter erlaubt, eine Stufe des Pfades zu entwickeln. Dieser
Prozeß wird für jede Stufe des Pfades wiederholt, und die
Stufen werden eine nach der anderen ausgeprägt. Ein
Charakter kann nicht die nächste Stufe eines neuen Pfa-
des erlernen, ohne zunächst zu forschen und die Ausprä-
gung zu entwickeln. Ein Patzer bei einem dieser Würfe
fährt die für die Erschaffung einer neuen Stufe eines Pfa-
des angesammelten Erfolge auf 0 zurück. Im allgemeinen
dauert es Jahre, einen neuen Pfad zu entwickeln, aber der
Weg zu Macht und Wissen ist niemals leicht.
Beispiel: Madame de la Croix hat beschlossen, einen neuen
Pfad zu erforschen und zu erschaffen, der auf dem Prinzip be-
ruht, „Geistheilungen“ nachzuahmen. Der Erzähler erlaubt
den Pfad, und Madame de la Croix’ Spielerin Tina legt den
Wurf auf Intelligenz + Okkultismus ab und setzt 5 Blutpunk-
te ein. Madame de la Croix’ Intelligenz beträgt 5 und ihr Ok-
kultismuswert liegt bei 3, also würfelt Tina mit 8 Würfeln. Die
Schwierigkeit, die Geheimnisse der ersten Stufe zu enträtseln,
beträgt 6 - eine Kraft der Stufe Eins zuzüglich der Grund-
schwierigkeit von 5. Mark würfelt 9, 8, 6, 6, 4, 3 und 3: fünf
Erfolge. In nur einem Jahr legt Madame de la Croix die erste
Stufe ihres „Pfades der Geistheilungen“ fest, und Tina setzt die
nötigen Erfahrungspunkte ein, damit Madame de la Croix sie
auch lernen kann. Später möchte Tina versuchen, ob Madame
de la Croix weitere Geheimnisse der thaumaturgischen Heil-
kunst in Erfahrung bringen kann. Sie würfelt wieder mit 8
Würfeln und setzt 10 Blutpunkte ein. Dieses Mal erzielt sie nur
drei Erfolge (gegen eine Schwierigkeit von 7, da es nun um die
Kraft der zweiten Stufe geht), was bedeutet, daß Madame de
la Croix ein Stückchen vorangekommen ist, die Formel aber
noch nicht ganz vollendet hat. Im nächsten Jahr würfelt Tina
wieder, setzt 10 weitere Blutpunkte ein und patzt dann jedoch.
Madame de la Croix’ drei Erfolge lösen sich in Luft auf - sie
muß einen Fehler gemacht oder eine Eigenschaft der Vitæ nicht
bedacht haben. Wenn Tina möchte, daß Madame de la Croix
weiter diesen Pfad verfolgt, muß sie wieder beim Erlernen der
zweiten Stufe ansetzen.
Es müssen 7 Erfahrungspunkte aufgewendet werden, um
die erste Stufe des neuen Pfades zu erlernen. Für jede wei-
tere Stufe werden Erfahrungspunkte in vierfacher Höhe
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Blutmagie05.p65 66
Julia Reinecke (Order #10164437)
der momentanen Stufe fällig. Nachdem der Thaumaturg
die Stufe eines neuen Pfades durch Forschung erfolgreich
entwickelt hat, kann der Magier die anderen gegen die
üblichen anfallenden Kosten für einen thaumaturgischen
Pfad beibringen.
THAUMATURGISCHE
PFADE
Es folgen einige Pfade, die den Tremere bekannt, aber
nicht so weit verbreitet sind wie diejenigen im Grundre-
gelwerk und dem Camarilla- bzw. Sabbat-Handbuch. Er-
zähler können sie in ihren Chroniken so selten oder häu-
fig machen, wie sie wollen, obwohl sie fast alle (falls in der
Beschreibung des Pfades nichts Anderslautendes zu finden
ist) in einer Stadt von ernstzunehmender Größe zumin-
dest manchen Tremere bekannt oder zugänglich sein wer-
den.
ALCHIMIE
Die Thaumaturgie wurzelt in gewissem Ausmaß in den
frühen Praktiken der hermetischen Alchimie, die sich mit
der Veränderung der Eigenschaften bestimmter Idealzu-
stände von Stoffen befaßt.
Tatsächlich ähnelt die Thaumaturgie mit ihren streng
festgelegten Strukturen und ihren grundlegendsten Prin-
zipien der Alchimie sehr.
In den nahezu 1000 Jahren, die seit den ersten Vorstö-
ßen der Tremere auf dem Gebiet der Blutmagie vergangen
sind, ist die Alchimie jedoch mehr und mehr vernachläs-
sigt worden. Moderne Technologien können fast alles er-
möglichen, was dieser Pfad leisten kann, und darüber hin-
aus noch einiges mehr – so ist es beispielsweise einfacher
und verläßlicher, nach Gold zu schürfen, anstatt es durch
die Wandlung anderer Materialien zu erschaffen. Unter
Vampiren sterben alte Gewohnheiten allerdings nur lang-
sam, und die Tremere bilden da keine Ausnahme. Einige
Ahnen üben diesen Pfad immer noch aus, und manche
von ihnen bringen ihn ihren Kindern bei, um ihnen die
Grundlagen der modernen Blutmagie zu veranschauli-
chen.
System: Die Anzahl der Erfolge beim Aktivierungswurf
gibt an, wie radikal der Thaumaturg die Form einer be-
stimmten Masse verändern kann. Er muß nicht alle seine
Erfolge einsetzen – ein Thaumaturg, der nur eine leichte
Veränderung hervorrufen möchte, muß Blei nicht in Gold
verwandeln, wenn er 5 Erfolge erzielt. Der Thaumaturg
muß jedoch die in der untenstehenden Tabelle angegebe-
nen Mindesterfolge aufweisen können, um den Effekt zu
erzeugen, den er sich wünscht.
Ein Element in ein anderes zu verwandeln, setzt eine
Vertrautheit mit beiden voraus. Man kann sich nicht
plötzlich entschließen, einen Ballon voll Helium in eine
Titankugel verwandeln, wenn man sich noch nie mit die-
sen beiden Elementen befaßt hat. Es reicht nicht aus, eine
Atomzahl zu kennen, um die Naturgesetze so radikal zu
verdrehen. Es muß allerdings angemerkt werden, daß Al-
chimie keinen Unterschied zwischen natürlich vorkom-
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 18:18
 menden und von Menschen geschaffenen Elementen
macht – sie beeinflußt Einsteinium ebenso wie Kohlen-
stoff.
Denken Sie daran, daß dieser Pfad nicht mehr prakti-
ziert wird, weil er sich in den modernen Nächten als weit-
aus weniger nützlich erwiesen hat als noch in der Vergan-
genheit. Wandlungen erschaffen eher hermetische „Idea-
le“, die nicht in niedere Konstrukte zerlegt werden kön-
nen, als perfekte, natürliche Rohstoffe. Ein Goldklumpen
ist ein Goldklumpen – jeder Versuch, Münzen daraus zu
prägen, wird ihn in einen Haufen Matsch verwandeln.
Bevor Sie noch auf die Idee kommen, diese Frage über-
haupt zu stellen – ja, das heißt, daß Ihr Tremere-Anarch
keine Atombomben erschaffen kann, indem er die Schu-
he des Prinzen in Uran verwandelt. Es spricht nichts da-
gegen, Blei in Gold zu verwandeln und es dann weiterzu-
verkaufen – caveat emptor!
Anmerkung: Erzähler seien ermutigt, dieses Prinzip auch
auf den Pfad der Anrufungen anzuwenden. Charaktere,
die versuchen, „Antimaterie“ heraufzubeschwören oder
per Magie Massenvernichtungswaffen zu erschaffen, soll-
ten subtil aber eindringlich von diesem Weg abgebracht
werden.
Beim Einsatz dieses Pfades wird davon ausgegangen, daß
der Thaumaturg in einer laborartigen (oder zumindest ei-
ner kontrollierten) Umgebung mit den Elementen arbei-
tet. Kein Vampir wird einfach so die Straße entlanglaufen
und allein mit einer Berührung das Eisen im Blut von Leu-
ten in Helium verwandeln können.
Das alchimistische Wissen eines Vampirs bestimmt, in
welchem Ausmaß er ein Element verändern kann.
• Einfache Veränderungen der Form – fest zu flüs-
sig, flüssig zu gasförmig usw.
•• Komplexere Veränderungen der Form – flüssig zu
einer bestimmten festen Gestalt, Wasser zu von
einander getrennten Wasserstoff- und Sauerstoff-
wolken usw.
••• Komplizierte Veränderungen der Form – Wasser
zu atembarem O2 und ungebundenem H2, Ver-
bindungen in einzelne Elemente zerlegen usw.
•••• Kleinere Veränderungen der Zusammensetzun-
gen, wie zum Beispiel die Atomzahl eines Ele-
ments um bis zu 5 zu erhöhen oder zu verringern.
••••• Wundersame Veränderungen der Zusammenset-
zungen, etwa Blei in Gold oder Stickstoff in Radium.

BIOTHAUMATURGIE
Dieser bizarre Pfad fand angeblich seinen Ursprung in
den geheimen Folianten der Schwarzen Hand. Im Verlauf
der letzten Jahre sind seine bisher verborgenen Praktiken
bei verschiedenen Kabalas der Tremere aufgetaucht, die
ihn als seltsame Mischung aus hermetischer Wissenschaft
und Genetik verstehen. Er beschäftigt sich mit der Mani-
pulation von Lebensenergie. In den Labors einfallsreicher
Biothaumaturgen kann man absonderliche Kreaturen ent-
decken, die beinahe an Fabelwesen erinnern, echte
Schöpfungen eines Frankensteins und weniger gesunde
Schimären. Obwohl der Pfad keinem „Tabu“ unterliegt, ist
Biothaumaturgie für die Augenzeugen seiner Resultate
nichtsdestoweniger befremdlich und beunruhigend.

KAPITEL DREI: DIE PFADE DER MAGIE

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 Biothaumaturgie setzt keinen Einsatz von Blutpunkten
voraus, um ihre Magie zu wirken. Vielmehr dauert es eine
Woche pro Stufe bei den Kräften der Stufen Eins und Zwei
beziehungsweise einen Monat pro Stufe für die Stufen
Drei bis Fünf, bis der Zauber vollkommen ist. So dauert es
eine Woche, bis die Kraft der Stufe Eins gewirkt wurde,
wohingegen die Experimente eines Biothaumaturgen, der
die Kraft der Stufe Drei einsetzen möchte, erst nach drei
Monaten Ergebnisse liefern.
Um Biothaumaturgie einsetzen zu können, muß der
Thaumaturg auch über ein Labor verfügen, wo er seine
Experimente betreiben kann. Hierbei muß es sich nicht
um etwas Aufwendigeres handeln als einen Seziertisch
und einige scharfe Messer, aber es kann sich durchaus um
so etwas Aufwendiges handeln wie die Apparaturen der
verrückten Wissenschaftler aus Groschenromanen, mit
dampfenden Destillierkolben und Generatoren. Der Er-
zähler sollte die Schwierigkeiten der Würfe eines Charak-
ters bezüglich Biothaumaturgie abändern, wenn diesem
ein ausgezeichnetes Labor zur Verfügung steht oder es ihm
an der einfachsten Ausrüstung mangelt. Die Arbeit in ei-
nem Behelfslabor könnte die Schwierigkeiten um 2 erhö-
hen, wohingegen eine erstklassige Einrichtung die Schwie-
rigkeiten um 2 senken könnte.
• FORENSISCHE THAUMATURGIE
Der Thaumaturg kann eine Zellprobe von einem leben-
den, toten oder untoten Wesen nehmen und so dessen
besondere Eigenschaften eruieren. Aus der Probe kann ein
wahrer Wissensschatz gewonnen werden, einschließlich
Informationen, die herkömmliche Forensik und/oder Ge-
netik nicht erbringen könnten, beispielsweise Alter, Gene-
ration, Clan usw.
System: Jeder Erfolg beim Aktivierungswurf entspricht ei-
ner Information über das Subjekt, bei dem es sich um jede
beliebige lebende, untote oder tote Wesenheit einschließ-
lich Pflanzen handeln kann (aber nicht um einen unbeleb-
ten Gegenstand). Diese Informationen beschränken sich
auf körperliche Charakteristika des Subjekts – forensische
Thaumaturgie kann eingesetzt werden, um Geschlecht,
Clan, Spuren einer Diablerie oder ähnliches festzustellen,
aber sie wird nicht enthüllen, ob ein bestimmtes Subjekt
ein anderes Individuum getötet oder wo es seinen wert-
vollsten persönlichen Besitz versteckt hat.
•• THAUMATURGISCHE CHIRURGIE
Der Thaumaturg setzt sein Wissen über Magie und Phy-
siologie ein, um die Selbstheilungskräfte eines Körpers zu
unterstützen. Selbst die schrecklichsten Wunden können
mit Hilfe dieser Kunst schneller heilen.
System: Jeder Erfolg beim Wurf des Spielers erlaubt es
dem Thaumaturgen, 1 Gesundheitsstufe an Schaden in
eine weniger bedrohliche Form des Schadens „umzuwan-
deln“. Schwer heilbarer Schaden wird tödlich, tödlicher
Schaden wird zu Schlagschaden und Schlagschaden wird
zu einer durch Schlaf leicht zu behebende Erschöpfung
(und verschwindet somit gänzlich). Beachten Sie, daß der
tatsächliche chirurgische Eingriff keine zwei Wochen dau-
ert, wie oben erwähnt, sondern daß eine lange Erholungs-
phase des Subjekts diese Zeitspanne begründet.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
••• MINDERE WIEDERBELEBUNG
Der Thaumaturg läßt auf mystischem Wege magische
Energie in eine tote Lebensform strömen und trägt ihr ein
bestimmtes Repertoire an Befehlen auf. Die wiederbeleb-
ten Wesen führen ihre Anweisungen buchstabengetreu
aus; Biothaumaturgen nutzen diese Kraft, um ihre Zu-
fluchten mit unsterblichen Wachhunden und anderen,
makabreren „Haustieren“ zu bevölkern.
System: Diese Kraft wirkt auf Pflanzen und kleine Tiere –
nicht mehr als ein einzelner Baum oder Hund pro Anwen-
dung. Wirkt der Zauber, kann der wiederbelebten Kreatur
ein Befehl in Form eines einzigen Satzes gegeben werden,
den sie solange befolgt, bis sie vernichtet wird. Es können
sogar kleinere Veränderungen an dem Subjekt vorgenom-
men werden – ein Dornengestrüpp könnte so belebt wer-
den, daß es sich langsam auf Eindringlinge zubewegt, um
sie mit seinen Ranken festzuhalten, oder eine wiederbeleb-
te Katze könnte mit längeren, ständig ausgefahrenen Kral-
len ausgestattet werden, die größeren Schaden verursa-
chen. Die Einzelheiten sollten gemeinsam mit dem Erzäh-
ler ausgearbeitet werden.
So wiederbelebte Kreaturen behalten ihre ursprüngli-
chen Werte in Körperkraft und Widerstandsfähigkeit, wo-
hingegen ihr Geschick um eins verringert wird (aber nicht
unter 1 fallen kann). Gesellschaftliche und geistige Attri-
bute gelten als auf 0 gesenkt. Jede Schöpfung besitzt eine
Anzahl von Gesundheitsstufen, die der Hälfte derer ent-
spricht, die sie zu Lebzeiten hatte.
So reanimierte Geschöpfe zerfallen sofort zu Staub,
wenn Sonnenlicht auf sie fällt, und erleiden doppelten
Schaden durch Feuer.
•••• HÖHERE WIEDERBELEBUNG
Auf dieser Stufe hat der Thaumaturg ausreichend Wis-
sen, um komplexere Lebensformen zu reanimieren. Selbst
menschliche Leichen und größere Tiere können mittels
dieser Kraft einen neuen „Lebensfunken“ erhalten – von
einem Biothaumaturgen in Ägypten munkelt man, er habe
ein Paar Elefanten wiederbelebt, mit denen er seine Fein-
de terrorisiert.
System: Diese Kraft funktioniert so wie Mindere Wieder-
belebung, erlaubt es dem Vampir jedoch, auch komplexe-
re Lebensformen zu reanimieren. Gewisse Wesen liegen
wahrscheinlich jenseits der Macht dieser Kraft – Zombie-
wale hören sich ein bißchen lächerlich an -, aber die einzi-
ge Grenze wird dadurch gezogen, was der Erzähler zuläßt.
Diese Kraft ermöglicht es des weiteren, kleine Verände-
rungen an den Subjekten vorzunehmen, beziehungsweise
tiefergehende Veränderungen an einfacher zu reanimie-
renden Lebensformen zu bewirken. So könnte etwa ein
reanimierter menschlicher Leichnam über einen knöcher-
nen Haken anstelle einer Hand verfügen, oder eine Ratte
könnte flugfähig gemacht werden, indem man sie mit led-
rigen, gargylenhaften Flügeln ausstattet, die aus Haut und
Knochen von Vögeln und Säuglingen gefertigt wurden.
Ein so wiederbelebter Mensch behält nichts von seinem
ursprünglichen „Ich“. Diese Kraft belebt nur die Leiche;
sie vereint die Seele nicht wieder mit ihrem Körper.
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 18:18
 ••••• HALBINTELLIGENTES KONSTRUKT
Als Gipfel biothaumaturgischen Schaffens verleiht die-
se Kraft einer durch eine der anderen Kräfte dieses Pfades
wiederbelebten Kreatur ein Abbild der Intelligenz, die sie
zu Lebzeiten besessen hat. Wiederbelebte Tiere besitzen
eine bösartige Gerissenheit, während höhere Lebensfor-
men die nützliche Fähigkeit zurückgewinnen, eigene
Überlegungen anzustellen, anstatt immer nur formelhaf-
ten Befehlen zu folgen.
System: Obgleich diese Kraft einem wiederbelebten Le-
bewesen Grundzüge von Intelligenz verleihen kann, folgt
die Kreatur im Grunde immer noch lediglich den Anwei-
sungen ihres Schöpfers. Die geistigen Eigenschaften einer
durch Halbintelligentes Konstrukt wiederbelebten Kreatur
sind um eins niedriger als zu ihren Lebzeiten (sinken aber
niemals unter 1). Somit können keine untoten Genies er-
schaffen werden, aber die Auswirkungen auf die Geschich-
te bestehen darin, daß ein wiederbelebtes Geschöpf nun zu
eigenständigem Denken in der Lage ist. Ein halbintelligen-
tes Konstrukt wird nicht hirnlos bis zu seinem zweiten Tod
kämpfen, wenn es eine schlauere oder bessere Möglichkeit
sieht, seine Feinde auszumerzen, und es wird auch zu an-
deren kognitiven Leistungen fähig sein.
DIONYSOS’ REBE
Lange bevor sich das mächtige Römische Reich erhob,
gediehen heidnische Sekten, die dem griechischen Gott
Dionysos geweiht waren. Kleine Kulte von Vampiren ver-
ehrten den Herrn der Wiedergeburt, um die Last des Un-
todes zu mindern. Symbolisiert durch Oinos, den Wein,
und Orgien verbreiteten die Kulte des Dionysos ihre be-
rauschenden Praktiken in ganz Osteuropa. Die Mitglieder
KAPITEL DREI: DIE PFADE
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Blutmagie05.p65 69
Julia Reinecke (Order #10164437)
dieser Kulte versammelten sich nächtens und ergaben sich
dem Rausch durch Oinos, Orgien und andere Praktiken.
Wenn die Ekstase ihren Siedepunkt erreichte, gipfelten
diese Riten in Kastrationen oder gar Kannibalismus.
Jemand, der Dionysos’ Rebe ausübt, nennt sich selbst
Thyrsus („Mänade“ ist ein Ausdruck für die weiblichen
Anhänger des Pfades, den man jedoch besser nur in siche-
rer Entfernung einsetzt). Diese Tremere tragen meist
Schmuckstücke, die die Form von Efeu und/oder Tannen-
zapfen haben, um ihre Ergebenheit zu zeigen.
• TRUNKENBOLD
Indem er sein Opfer berührt, kann der Thyrsus sein Op-
fer handeln lassen, als sei es betrunken. Im Rausch ist das
Opfer leicht euphorisch und leidet unter einem einge-
schränkte Urteils- und Ausdrucksvermögen.
System: Das Opfer erleidet einen Abzug von 1 Würfel von
allen Geschick- und Intelligenzwürfelvorräten. Es kann
jedoch einem Widerstandsfähigkeitswurf gegen 6 machen,
um Erfolgen des Hexenmeisters entgegenzuwirken. Wenn
der Thyrsus scheitert, macht er sein Opfer nicht auf sei-
nen mißglückten Versuch, es zu berauschen, aufmerksam,
es leidet jedoch manchmal unter einem leichten „Dröh-
nen“, das ihm kurzfristig die Orientierung rauben kann.
Anmerkung: Ein Sterblicher, der Trunkenbold drei Näch-
te in Folge zum Opfer fällt, ist nicht mehr fähig, dieser
Euphorie willentlich zu widerstehen. Nur nach Einsatz ei-
nes Willenskraftpunkts darf er einen Wurf auf Wider-
standsfähigkeit (Schwierigkeit 6) machen. Kainskinder
reagieren anders auf den Effekt dieses Zaubers, für je drei
aufeinander folgende Nächte, in denen sie ihm zum Opfer
fallen, steigt die Schwierigkeit des Widerstandsfähigkeits-
wurf um 1, bis zu einer maximalen Schwierigkeit von 9.
DER MAGIE
03.11.00, 18:18
 •• KANNIBALE
Den Legenden zufolge konnte Dionysos nach Lust und
Laune in jedem Wesen tierhafte Triebe hervorrufen. Wenn
ein Thyrsus die Macht des Kannibalen heraufbeschwört,
kann er einen alles verzehrenden Hunger in seinem Opfer
erzeugen, der dessen Verstand und die Wahrnehmung der
Realität vollständig verdrängt. Das einzige, worauf es dem
Opfer noch ankommt, ist, rohes Fleisch und heißes Blut
zu vertilgen, und es ist in keinsterweise wählerisch, was
seine Opfer angeht.
System: Sobald der Thaumaturg Blickkontakt mit seinem
Opfer hergestellt und diese Kraft erfolgreich eingesetzt
hat, beginnt das Opfer unter der Geistesstörung Maßlosig-
keit (S. 167 des Sabbat-Handbuchs) zu leiden. Immer,
wenn es Nahrung zu sich nimmt, wird es sich vollstopfen,
bis es körperlich nicht mehr in der Lage ist, noch mehr zu
essen. Kainskinder, die dem Kannibalen zum Opfer gefal-
len sind, werden nicht nur versuchen, ihre Opfer vollstän-
dig auszusaugen, sondern viele werden auch versuchen,
das Fleisch ihres Opfers zu verzehren. Anblick, Ge-
schmack oder Geruch vergossenen Bluts reichen schon
aus, um ein hungriges Opfer dieser Kraft (Blutvorrat 3
oder weniger) in Raserei verfallen zu lassen. Dieser Effekt
hält für den Rest der Nacht an. Ein Opfer kann ihm durch
Einsatz eines Willenskraftpunktes für eine Szene widerste-
hen. Es sei angemerkt, daß diese Kraft einem Vampir nicht
mit der Fähigkeit ausstattet, Nahrung zu verdauen - in der
Regel (wenn keine anderen Umstände dagegen sprechen)
werden also Fleisch oder andere Lebensmittel sofort wie-
der ausgespieen.
••• EUPHORIE
Weniger subtil als Trunkenbold erlaubt die Kraft Eupho-
rie es einem Thyrsus, einen gefährlichen euphorischen Zu-
stand in einem Opfer hervorzurufen, der bis zum Delirium,
Perversion oder einer starreähnlichen Betäubung reichen
kann. Kultisten des Dionysos behaupten, übermenschliche
Kräfte zu erhalten, wenn sie einen ähnlichen Zustand
durch den Genuß von Oinos erreichen.
System: Für jeden Erfolg bei der Aktivierung dieser Kraft
bleibt das Opfer für eine Szene unter dem Einfluß der Eu-
phorie. Opfer des Zaubers verlieren 2 Würfel aus allen
Würfelvorräten, mit Ausnahme von Würfelvorräten für
Körperkraft, in denen sie 2 Würfel hinzugewinnen. Indem
das Opfer bei einem Widerstandsfähigkeitswurf (Schwie-
rigkeit 7) mehr Erfolge als der Hexer erzielt, kann es der
Kraft widerstehen oder ihre Dauer verringern. Bezüglich
der Auswirkung dieses Rauschs sollte der Erzähler basie-
rend auf dem Wesen des Opfers eine Entscheidung treffen.
Manche stehen vielleicht mit glasigen Augen still da, wäh-
rend andere sich in hemmungslosem Verkehr mit Umste-
henden (unabhängig von ihrem Geschlecht) ergehen mö-
gen. Diese Kraft hält eine Szene an.
•••• BEGEISTERUNG
Ein Thyrsus, der diese Kraft beherrscht, kann Pheromo-
ne ausdünsten, die sich um ihn herum verteilen. Alle, die
ihrer Wirkung erliegen, sind völlig weggetreten, ähnlich
dem Dämmerzustand, den manche Drogen verursachen.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
Das empathogene Gift ruft nämlich eine Reihe von Visio-
nen in ihnen hervor, in denen sie geisterhafte Gestalten
sehen: nymphenjagende Faune, fliegende Engel, Feen, die
am Rande ihres Gesichtsfeldes zu tanzen scheinen und
ähnliches. Diese Visionen werden von einem durch die
Pheromone hervorgerufenen Glückszustand begleitet, so
daß die Opfer fröhlich zu einer nur von ihnen wahrgenom-
menen Musik mit den Trugbildern zu tanzen beginnen.
System: Durch erfolgreichen Einsatz dieser Kraft kann ein
Thaumaturg den Effekt im Umkreis von 3 m um sich
selbst hervorrufen. Alle Opfer erleiden einen Abzug von 2
Würfeln auf alle Geschick- und Intelligenzwürfelvorräte.
Des weiteren sind die Opfer dieser Kraft sehr passiv und
geben sich damit zufrieden. in ihrem euphorischen Zu-
stand vor sich hinzudämmern. Jedesmal, wenn einer der
Betroffenen versucht, eine Handlung zu unternehmen,
muß er 1 Willenskraftpunkt einsetzen, und selbst dann
kann er nur für eine Runde kontrolliert handeln.
••••• BLUT ZU WEIN
Viele Thaumaturgen vermuten, es handle sich bei die-
ser Kraft nicht um die ursprüngliche Krönung dieses Pfa-
des, sondern vielmehr um eine Abart, die ein Vampir er-
sann, der sich in seiner Rolle als Oberhaupt eines Diony-
soskultes als Inkarnation des Gottes ausgab. Durch die
Anrufung dieser Kraft kann der Thaumaturg seinem Blut
die Eigenschaften besonders kräftigen Oinos’ verleihen.
Ob das zur Abwehr von Möchtegern-Diableristen diente
oder um sich nährende Ghule in euphorische Ekstasen zu
versetzen ,ist nicht bekannt.
System: Für die Dauer einer Szene wird jeder, der auch
nur einen Tropfen vom Blute des Thyrsus zu sich nimmt,
beeinflußt, als litte er unter dem Effekt von Begeisterung.
Der Spieler des Thaumaturgen muß nur 1 Blutpunkt ein-
setzen und einen Willenskraftwurf ablegen, um die Kraft
einzusetzen. Jeder, der dann von seinem Blut trinkt, wird
ohne Zutun des Vampirs Opfer des obengenannten Ef-
fekts.
HERRSCHAFT ÜBER DIE STERBLICHE
HÜLLE
Ein Thaumaturg, der diesen Pfad praktiziert, erforscht
die grundlegenden Funktionen des Körpers, was ihm die
Kontrolle über die physiologischen Prozesses eines Ziels
erlaubt. Niederstufige Kräfte dieses Pfades gehen sehr un-
beholfen mit dem Körper um, aber je besser man ihn be-
herrscht, desto genauer und umfassender werden die Mög-
lichkeiten, die er bietet.
Der Pfad wurde als Hilfsmittel bei der Jagd auf die Tzi-
misce- und Gangrel-Feinde der Tremere erschaffen, aber
nach der ersten Revolte der Gargylen wurde sein Anwen-
dungsbereich darauf ausgedehnt, das Gehorsam dieser
Kreaturen zu erzwingen. Die Kräfte dieses Pfades bilden
die Grundlage für die vielen Erzählungen über Hexenflü-
che und Besessenheit in der Folklore.
Wenn nicht anders angegeben, wirken die Kräfte der
Herrschaft über die Sterbliche Hülle für eine Anzahl von
Runden, die den vom Thaumaturg erwürfelten Erfolgen
beim Aktivierungswurf entspricht.
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 18:18
 • SCHWINDEL
Der Thaumaturg löst durch subtile Manipulationen im
Körper des Ziels einen leichten Schwindel und einen Zu-
stand der Desorientierung aus. Obwohl das körperliche
Unbehagen nur von kurzer Dauer und sehr gering ist, weiß
man von Tremere, die diese Kraft zu den ungünstigsten
Zeitpunkten anwandten, um gesellschaftliche Rivalen aus
der Fassung zu bringen.
System: Eine Berührung durch den Thaumaturgen (die
möglicherweise nach Ermessen des Erzählers einen erfolg-
reichen Handgemengewurf voraussetzt) läßt das Opfer
leicht desorientiert werden. Für die Dauer des Schwindels
werden die Schwierigkeiten aller körperlicher Handlungen
des Subjekts um 1 erhöht. Zusätzliche Anwendungen die-
ser Kraft können die Wirkung verlängern, die Schwierig-
keiten werden sich jedoch nicht weiter erhöhen. Der Er-
zähler kann jeden anderen gewünschten Effekt, etwa
Raum- oder Platzangst, festlegen.
•• ZUCKUNG
Mit einer Berührung kann der Thaumaturg die Muskeln
seines Widersachers dazu bringen, gegen dessen Willen zu
kontrahieren. Krämpfe sind die Folge. Dieser Effekt ist für
das Subjekt höchst beunruhigend und macht das betroffe-
ne Körperteil nutzlos.
System: Indem er Körperkontakt mit einem Gliedmaß sei-
nes Zieles aufnimmt, macht es der Thaumaturg für die
Wirkungsdauer der Zuckung unbrauchbar. Für das Berüh-
ren einer bestimmten Extremität gelten die Regeln für
Zielen (s. Vampire: Die Maskerade, S. 226), sollte es
nicht offensichtlich erscheinen, daß der Körperteil berührt
werden kann. Ein nutzloses Bein könnte es schwierig ma-
chen, auf den Füßen zu bleiben. Ein betroffener Arm bau-
melt leblos herab. Ist der Kopf betroffen, wird das Spre-
chen unmöglich, und die Schwierigkeit aller gesellschaft-
lichen Würfe erhöht sich um drei, da die Gesichtsmuskeln
unkontrolliert zucken.
Der Thaumaturg kann den Effekt auf sich selbst anwen-
den, wodurch seine Muskeln sich mit der Kraft eines
Schraubstocks zusammenziehen. Jeder Erfolg erhöht die
Schwierigkeit, seinen Griff zu brechen, um 1. Das erweist
sich während eines Biß- oder Würgeangriffs als sehr nütz-
lich, da es Fluchtversuche zum Scheitern verurteilt. Die-
ser „förderliche“ Nebeneffekt kann auch auf andere über-
tragen werden.
••• KRAMPF
Wie bei einer Nervenkrankheit führt diese Kraft dazu,
daß der Körper sich in einem Krampfanfall „herunter-
fährt“. Alle Muskeln im Körper ziehen sich unkontrolliert
zusammen, dem Opfer steht Schaum vor dem Mund, und
schmerzhafte Krämpfe schütteln ihn. Ein Sterblicher kann
sogar ersticken, wenn seine Zunge ihn von der Versorgung
mit Atemluft abschneidet.
System: Die unangenehmen Effekte dieser Kraft können
mit einer sanften Berührung auf jedes Opfer übertragen
werden. Für die Wirkungsdauer des Krampfes windet sich
ein Opfer in dermaßen quälenden Krämpfen, daß es au-
ßer Gefecht gesetzt ist. Es erleidet einen Abzug von 4
Würfeln bei all seinen Handlungen. Außerdem nimmt es
KAPITEL DREI: DIE PFADE
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Blutmagie05.p65 71
Julia Reinecke (Order #10164437)
pro Runde 1 Stufe Schlagschaden, während sich sein Kör-
per auf unnatürlichste Weise verkrümmt. Der Schlagscha-
den kann ganz normal absorbiert werden.
•••• INFARKT
Thaumaturgen, die über diese Kraft verfügen, gewinnen
verheerende Einsichten in die Funktionsweise des Kör-
pers, so daß sie sämtliche Systeme abschalten können.
Diese unvermittelte physiologische Überlastung erweist
sich für Sterbliche oft als tödlich, für andere übernatürli-
che Wesen in höchstem Maße schädigend. Infarkt wurde
schon seit der Entwicklung des Pfades immer wieder an-
gewendet, um Opfer auf „natürliche“ und unauffällige
Weise zu erledigen. Viele Fälle „tödlicher Schüttelläh-
mung“ oder natürlichen Todes könnten auf einen fähigen
Thaumaturgen zurückgehen.
System: Diese Kraft kann auf jedes Ziel in Sichtweite des
Thaumaturgen angewendet werden. Eine erfolgreiche Ak-
tivierung der Kraft ruft ähnliche Wirkungen wie Krampf
hervor, abgesehen davon, daß sie durch ein vollständiges
Organversagen tödlichen Schaden verursacht (der folglich
von Sterblichen nicht absorbiert werden kann). Darüber
hinaus erleidet das Opfer einen Abzug von 5 Würfeln auf
alle Handlungen. Infarkt wirkt auch auf Kainskinder, de-
ren Muskeln verkrampfen und Gehirnaktivitäten ausset-
zen. Im Gegensatz zu Sterblichen können sie den durch
diese Kraft verursachten Schaden aber absorbieren.
••••• MARIONETTE
Ein Thaumaturg, der Marionette anwendet, gewinnt
eine so vollkommene Herrschaft über den Körper, daß er
auf magischem Weg die Kontrolle über ein anderes Wesen
übernehmen und dessen Handlungen nach seinem eige-
nen Gutdünken bestimmen kann. Obwohl diese Kontrol-
le nur eine geringere Feinabstimmung erlaubt, wie die di-
rekten und persönlichen Befehle der Beherrschungskraft
Besessenheit, ist der wahre Körper des Thaumaturgen
während der Manipulation nicht so verletzlich. Hat die
Kraft erst einmal gewirkt, steht das Opfer von Marionette
vollständig unter dem Einfluß des Thaumaturgen und
kann gezwungen werden, als dessen Scherge zu fungieren.
Wie Gepetto an den Fäden Pinocchios zog, so bestimmt
der Thaumaturg einen jeden Schritt seines Opfers.
System: Der Thaumaturg kann diese Kraft auf jedes Ziel
in Sichtweite anwenden. Um den Effekt aufrechtzuerhal-
ten, darf er den Sichtkontakt zum Opfer nie abreißen las-
sen. Das Ziel kann den Effekten von Marionette mit ei-
nem Wurf auf Widerstandsfähigkeit + Seelenstärke wider-
stehen (die Schwierigkeit entspricht der Willenskraft des
Thaumaturgen), sobald der Thaumaturg versucht, es zu
übernehmen. Jeder bei diesem Wurf erzielte Erfolg ver-
kürzt die Wirkungsdauer von Marionette um 1 Runde.
Opfer ohne Seelenstärke verfügen nicht über die nötige
Robustheit, um diesem Effekt zu trotzen.
Für die Wirkungsdauer dieser Kraft kann der Thauma-
turg das Opfer zur Durchführung aller körperlichen Hand-
lungen veranlassen. Aufgrund der Art der Kontrolle erhö-
hen sich jedoch die Schwierigkeiten aller Handlungen des
Opfers um 2. Die Konzentration, die diese Kraft erfordert,
erhöht außerdem auch die Schwierigkeiten aller Handlun-
DER MAGIE
03.11.00, 18:18
 gen des Thaumaturgen um 2, solange er das Opfer mani-
puliert. Eine zusätzliche Anwendung dieser Kraft verlän-
gert die Wirkungsdauer der magischen Kontrolle.
Marionette beraubt das Opfer keineswegs seines Be-
wußtseins, sondern nur seiner Kontrolle über den eigenen
Körper. Das Ziel bleibt sich vollkommen bewußt, daß sei-
ne Handlungen von einer äußeren Kraft manipuliert wer-
den. Der Thaumaturg mag zwar die Herrschaft über den
Leib seines Opfers an sich gerissen haben, das Opfer selbst
weiß jedoch, daß die Handlungen, die sein Körper unter-
nimmt, nicht seinem eigenen Antrieb entspringen.
ONEIROMANTIE
Obwohl die verdorbene Traummagie des Pfads des Mor-
pheus seit Jahrzehnten vom Sabbat angewendet wurde,
waren die Grundlagen des Weissagung, auf die sich diese
Praktik gründete, ein Geheimnis, das lange Zeit von den
Tremere gehütet wurde. Die Oneiromantie – die Kunst, im
Dämmerzustand zwischen Schlafen und Wachen die Zu-
kunft zu deuten – wurzelt im Grunde in den Philosophien
der alten Griechen. Die Tremere, die diese uralten An-
sichten übernahmen, entwickelten sie kurz nach ihrer Ver-
wandlung in vampirische Magier in einen thaumaturgi-
schen Pfad weiter.
Nach der kürzlichen Vernichtung der Tremere antitribu
des Sabbat ist der Pfad des Morpheus weitestgehend in
Vergessenheit geraten, und die Oneiromantie ist nun frei
von dem Stigma, das seinen Anwendern anhaftete. Das
Nahen Gehennas hat die Ahnen der Tremere dazu be-
wegt, ihre Ablehnung der Oneiromantie in ihrem Clan
noch einmal zu überdenken, da sie darum bemüht sind,
Informationen über die sich entwickelnden Ereignisse zu
gewinnen.
Der Einsatz der Kräfte dieses Pfades setzt voraus, daß
der Tremere die ihm bekannten Vorzeichen mindestens
fünf Minuten lang deutet. Dabei begibt er sich in eine
schlafähnliche Trance. Er nimmt seine Umgebung nur be-
grenzt wahr, kann aber jederzeit aus der Trance „erwa-
chen“. Dann hat er jedoch 3 Runden lang dieselben Wür-
felabzüge zu erleiden, als wäre er tagsüber erwacht (sein
jeweiliger Würfelvorrat ist höchstens so groß wie sein
Menschlichkeitswert vorgibt). Die Kräfte der Oneiroman-
tie können auch eingesetzt werden, wenn der Thaumaturg
in Starre liegt.
• OMEN
Der Magier kann versuchen, mittels der flüchtigen
Bruchstücken seiner Träume seine Zukunft vorherzuse-
hen. Im Schlaf macht sich der Oneiromant die Traumbil-
der zunutze, die in seinem Unterbewußtsein aufflackern.
Nachdem er aus dem „Schlaf“ erwacht ist, kann der Kai-
nit die Bedeutung der Visionen ergründen. Obwohl diese
Gesichte der Gegenwart samt und sonders verschwommen
sind, liefern sie ihm oft wichtige Einblicke in bedeutsame
Ereignisse.
System: Die Kraft der Oneiromantie muß unmittelbar
nach dem Erwachen angewendet werden. Der Thauma-
turg braucht 10 Minuten, um die Zeichen zu deuten. Bei
einem erfolgreichen Aktivierungswurf schildert der Erzäh-
ler zusammenhanglose Traumbilder, die sich allegorisch
(und bisweilen auch buchstäblich) auf ein bevorstehendes
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
Ereignis beziehen, das für den Oneiromanten von großer
Bedeutung ist. Es bleibt dem Erzähler überlassen, um wel-
ches Ereignis es sich hierbei handelt. Mehrere Anwendun-
gen von Omen können dazu führen, daß dem Oneiroman-
ten wieder und wieder die gleichen Visionen zuteil wer-
den. Die Omen sollten immer wirr und kryptisch sein,
aber es gilt immer: Je mehr Erfolge beim Aktivierungswurf
erzielt wurden, um so mehr Informationen sollte der Er-
zähler an den Spieler weitergeben.
•• VORSEHUNG
Vorsehung läßt den Tremere in den Geist eines schlafen-
den Individuums blicken, so daß er seine Träume als Hin-
weise auf ein Ereignis interpretieren kann, in das der
Schlafende verwickelt sein wird. Indem Oneiromanten
diese Kraft bei Weissagungen einsetzen, erschleichen sie
sich manchmal das Vertrauen anderer, nur um ihren Op-
fern unterbewußte Geheimnisse zu entlocken.
System: Diese Kraft ähnelt Omen, aber die Traumbilder
stammen von einer anderen Person, und die geschauten
Ereignisse drehen sich um dieses Subjekt. Damit Vorse-
hung gewirkt werden kann, muß das Subjekt in Gegenwart
des Oneiromanten schlafen. Sollte der Thaumaturg aller-
dings körperlich nicht anwesend sein können, hat er die
Möglichkeit, über Psychische Projektion in den Geist des
Subjekts einzutauchen. Sollte es sich bei dem Subjekt au-
ßerdem um ein Kainskind handeln, muß der Thaumaturg
1 Willenskraftpunkt aufbringen, um die gewonnene Pro-
gnose richtig zu deuten.
••• TRAUMSPRACHE
Der Oneiromant kann anderen Botschaften in Form
von Träumen übermitteln. Obwohl diese Botschaften auf-
tauchen, während das Ziel schläft, kann es sich nach dem
Erwachen klar und deutlich an sie erinnern. Da es sich bei
den Botschaften um Träume handelt, könnten Personen,
die mit dieser Kraft nicht vertraut sind, die Botschaften als
eben solche abtun. Zu den bisher bekannten bösartigen
Anwendungen dieser Kraft zählt das Entsenden von Alp-
träumen und Drohungen an das Opfer.
System: Mit Traumsprache kann eine in Träume gefaßte
Botschaft, die zum Zeitpunkt der Sendung festgelegt wird,
an jede Person übermittelt werde, die dem Oneiromanten
schon begegnet ist. Sollte das Ziel zum Zeitpunkt der An-
wendung dieser Kraft nicht schlafen, zeigt die Traumspra-
che keinen Effekt. Während sie diese Kraft einsetzen, fal-
len Magier in Trance wie bei den anderen Weissagungen
der Oneiromantie auch. Pro Erfolg beim Aktivierungswurf
kann ein Traumbild von einer Runde Dauer gesendet wer-
den – somit kann der Thaumaturg sein Opfer nicht eine
ganze Nacht lang quälen, aber hat die Möglichkeit, Bot-
schaften zu hinterlassen, Warnungen zu übermitteln usw.
•••• WEISSAGUNG
Wenn er die Kunst der Prophezeiung im Dämmerzu-
stand zwischen Schlafen und Wachen nahezu vervoll-
kommnet hat, kann der Oneiromant gezielt nach Antwor-
ten auf Fragen und Problemen suchen. Zwar ist es ihm
jetzt möglich, nach bestimmten Informationen Ausschau
zu halten, die Traumbilder, die ihm sein Wissen vermit-
teln, sind aber dennoch nach wie vor zusammenhanglos
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 18:19
 und verwirrend. Dennoch ist Weissagung bei der Suche
nach der Lösung eines Problems eine große Hilfe, da diese
Kraft möglicherweise den nötigen Durchbruch liefern
kann, der in einem Dilemma benötigt wird.
Ein Blick in die Zukunft bringt oft nur verworrene,
scheinbar sinnlose Bilder, weshalb Weissagung nicht im-
mer eine Antwort bietet, die für den Thaumaturgen von
nutzen ist. Man weiß sehr wohl von Visionen, die Oneiro-
manten vollkommen in die Irre führten, eine Gefahr, die
bei der Traumdeutung allgegenwärtig ist. Jeder Seher soll-
te stets auf der Hut sein.
System: Wo Omen voller bruchstückhafter und ungelei-
teter Bildsprache ist, bietet Weissagung Richtung und
Kontinuität. Die Weissagung erschließt sich dem Tremere
in der gleichen Traumbildern, aber die geschauten Ereig-
nisse werden von ihm besser verstanden. Thaumaturgen,
die den Pfad der Oneiromantie so weit gemeistert haben,
haben oft keine Verwendung mehr für seine niedereren
Kräfte.
Beachten Sie bitte, daß ein Ziel über das Wissen verfü-
gen muß, nach dem der Thaumaturg sucht, damit diese
Kraft Wirkung zeigt. Der Erzähler hat das letzte Wort, ob
eine Weissagung verwertbare Informationen liefert, und
sollte keine Offenbarungen machen, die eine Chronik
oder einen Handlungsstrang ruinieren können.
••••• OFFENBARUNG DER HERZENSWÜNSCHE
Diese oneiromantische Kraft zielt auf einen unmittelba-
ren Effekt ab, da sie dem Thaumaturgen ermöglicht, Ein-
sicht in die Träume und Wünsche einer Person zu gewin-
nen, indem er diese einfach nur genau beobachtet. Das in-
nerste Verlangen des Ziels wird dem Magier offenbar. Mit
dieser Information kann er nun an eine Person mit Vor-
schlägen herantreten, die fast unmöglich zurückgewiesen
werden können. Es ist schwer, der Sache zu entsagen, nach
der es einem am meisten verlangt. Der Legende nach soll
selbst Gilgamesch sein Volk verlassen haben, weil er nach
Unsterblichkeit suchte.
Diese Offenlegung der Seele enthüllt gelegentlich noch
weitere Informationen über das Ziel – seine größte Furcht.
Diesen Aspekt der Offenbarung sehen manche als die
Kraft an, mit der die Jünger des Set Seele und Tugend ih-
rer Opfer vernichten.
System: Die Anwendung dieser Kraft setzt zuzüglich zum
üblichen Blutpunkt den Einsatz eines Willenskraftpunkts
voraus (zwei, sollte es sich beim Subjekt um ein Kainskind
handeln). Das Ziel muß sich in Sichtweite des Thauma-
turgen aufhalten. Ein Erfolg beim Aktivierungswurf reicht
aus, um dem Oneiromanten das größte Verlangen des Zie-
les zu zeigen. Sollten darüber hinaus beim Aktivierungs-
wurf mehr Erfolge erzielt werden, als das Ziel Willenskraft
hat, gewinnt der Oneiromant sogar einen noch tieferen
Einblick in die Seele des Ziels und erfährt die größte
Furcht des Opfers. Wie das Ziel darauf reagiert, wenn die-
se Information an es herangetragen wird, liegt am Erzäh-
ler (oder in mancherlei Hinsicht auch am Spieler), aber
denken Sie daran, daß das Subjekt letztlich mit der Trieb-
feder seiner gesamten Existenz konfrontiert wird.
Konfrontiert man es allerdings mit seinem größten
Schrecken, könnte das Ziel vor Angst wie gelähmt sein
oder auch in Rötschreck verfallen. Wieder legt der Erzäh-
KAPITEL DREI: DIE PFADE
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Blutmagie05.p65 73
Julia Reinecke (Order #10164437)
ler die genaue Reaktion fest, aber sie sollte auf eine Kon-
frontation mit der größten Furcht des Ziels abgestimmt sein.
DER PFAD DER FLÜCHE
Die Menschheit hat vor Urzeiten gelernt zu hassen, zu
neiden, zu begehren und anderen Pech zu wünschen.
Durch solche Boshaftigkeiten wurden Flüche geboren. Die
meisten sind einfache Worte und Gesten, die - mit einer
ausreichenden Heftigkeit und Bosheit ausgesprochen - zu
tatsächlich greif- und formbaren Flüchen wurden. In den
finsteren Tiefen haßerfüllter Herzen gewannen die Flüche
Macht, bis Menschen den Bösen Blick oder das gesproche-
ne Wort benutzen konnten, um ihren Mitmenschen sol-
ches Unheil angedeihen zu lassen.
Schon am Anfang der Geschichte der Thaumaturgie
wurde der Pfad der Flüche entwickelt und verfeinert. Er
ist auch heute noch in manchen Kreisen unter seinem al-
ten Namen bekannt: Maleficium, Hexenfluch, der Böse
Blick. Die Opfer dieses Pfades, die Verfluchte genannt
werden, fallen oft extrem unfreundlichen Behandlungen
durch andere und Minderwertigkeitsgefühlen zum Opfer -
teilweise gehen diese sogar so weit, daß sie zu Ausgestoße-
nen werden. Von Verfluchten distanzieren sich Freunde
und die Gesellschaft, und so entsteht ein soziales Schisma,
das den Verfluchten in die Entfremdung treibt.
Das Verfluchen eines Opfers ist offensichtlich - Flüche
müssen laut ausgesprochen werden und gegen das Ziel ih-
rer üblen Wirkung gerichtet sein, auch wenn der Fluch oft
in einer toten Sprache ausgestoßen wird, die Anwesenden
wie sinnloses Gebrabbel erscheinen mag. In modernen In-
dustrieländern neigen die meisten Menschen dazu, dieses
eindeutige Anzeichen des Verfluchtwerdens nicht ernst zu
nehmen, während in anderen Gebieten eine Hexe, die so
offensichtlich vorgeht, damit rechnen muß, sofort ange-
griffen zu werden. Des weiteren braucht der Thaumaturg
ein kleines bißchen der Essenz seines Opfers, um es zu ver-
fluchen. Das kann Haar, Blut, Fleisch oder jeder andere
Teil des Opfers sein (s. auch Kapitel Zwei, „Prinzipien der
Thaumaturgie“). Dieses Verbindungsglied zwingt die my-
stische Energie, am Verfluchten haften zu bleiben und ihm
so Pech zu bescheren.
Wegen des großen psychologischen Effektes auf das Op-
fer kann das Ziel versuchen, den Kräften dieses Pfades mit
einem Willenskraftwurf (Schwierigkeit 7, wenn nicht an-
ders angegeben) zu widerstehen. Hierbei versucht das Op-
fer mit seiner Willenskraft und seiner Persönlichkeit das
Joch des Ausgestoßenen abzuschütteln. Der Thaumaturg
kann jeden Fluch, den er ausgestoßen hat, jederzeit aufhe-
ben, was eine hervorragende Verhandlungsgrundlage schafft.
• STIGMA
Der einfachste der Flüche: Das Opfer wird mit einem
unsichtbaren Stigma geschlagen, das sich nur in den Au-
gen anderer zeigt. Nur wenigen gelingt es, seine Form zu
beschreiben. Menschen schrecken aber davor zurück, mit
der gezeichneten Person zu interagieren, und es fällt ihnen
schwer, ihn ernst zu nehmen. Soziale Interaktion wird
schwierig, und Frustration scheint dem Verfluchten auf
Schritt und Tritt zu folgen.
System: Das Stigma hält bis zum nächsten Sonnenaufgang
an. In dieser Zeit sind alle Versuche sozialer Handlungen
DER MAGIE
03.11.00, 18:19
 zum Scheitern verurteilt. Während der Fluch anhält, sind
alle Manipulations-, Charisma- und Erscheinungsbildwür-
fe um 1 erschwert (maximale Schwierigkeit 10). Im Ge-
gensatz zur Teufelsberührung wirkt diese Kraft auch gegen
Kainskinder.
•• MALAISE
Der Thaumaturg ruft ein Gefühl der Krankheit und des
Unwohlseins bei seinem Opfer hervor, das den großen
Seuchen und Epidemien der Menschheitsgeschichte äh-
nelt. Im finsteren Mittelalter wurde diese Kraft benutzt,
um Rivalen zu stürzen und sie in die Unterwürfigkeit dem
Thaumaturgen gegenüber zu zwingen. Kainiten ergeht es
wie Sterblichen: Sie spüren den Schmerz und leiden auch
unter der durch den Fluch hervorgerufenen Krankheit.
Für viele alte Kainskinder ist dies einer der schlimmsten
Flüche - man wird schließlich von einer Krankheit nieder-
gestreckt, wie es eigentlich nur Sterblichen geschehen
sollte.
System: Wenn diese Kraft erfolgreich angewandt wird, lei-
det der Verfluchte für eine Anzahl von Nächten gleich der
Willenskraft des Thaumaturgen an einer schweren Krank-
heit. Die Schwere der Erkrankung wird durch die Zahl der
Erfolge festgelegt, die der Thaumaturg bei der Aktivierung
der Kraft erzielt. Jeder Erfolg reduziert die Würfelvorräte
für Körperkraft, Geschick und Widerstandsfähigkeit um 1
(mit einer maximalen Verringerung um 3). Der betroffene
Charakter kann jede Nacht versuchen, den Fluch wie
oben beschrieben zu brechen - sobald ihm dies gelingt,
wird die Malaise ihre Wirkung verlieren, bis er wieder von
ihr befallen wird.
••• PARIA
Dieser Fluch ruft eine der gefürchtetsten Strafen in je-
der Gesellschaft hervor: Man wird zum Ausgestoßenen.
Diese Kraft geht aber weit über eine einfache soziale Äch-
tung hinaus - während er dem Effekt von Paria unterliegt,
erscheint der Verfluchte der meistgehaßte Feind all jener
zu sein, denen er begegnet. Diese Änderung der Wahrneh-
mung vollzieht sich nur in körperlicher Form, das Opfer
agiert und spricht weiter wie sonst. Aber das nützt ihm
wenig, denn wer hört schon auf die Lügengespinste eines
verhaßten Feindes?
System: Dieser Fluch hält seine schreckliche Wirkung für
eine Anzahl von Nächten aufrecht, die der Anzahl der
Erfolge bei der Aktivierung entspricht. Ähnlich wie bei
Maske der tausend Gesichter beeinflußt diese Kraft die
Wahrnehmung der den Verfluchten Umgebenden, so daß
sie denken, es handle sich um ihren ärgsten Rivalen. Das
wird nicht unbedingt zu einem Angriff führen - dies sollte
zumindest nur höchst selten der Fall sein -, aber es wird
Anfeindungen in einer Art, die dem jeweiligen Charakter
entsprechen, hervorrufen. Die meisten werden einfach mit
einem ablehnenden Gesichtsausdruck aus der Nähe des
Charakters verschwinden, aber manche mögen ihn ver-
höhnen, beleidigen oder es sogar auf eine Schlägerei an-
kommen lassen. Im Gegensatz zu Verdunkelung kann die-
se unwillentliche Verkleidung nicht mit Auspex durch-
schaut werden.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
•••• SCHÄNDUNG
Dieser Fluch wird durch den Thaumaturgen heraufbe-
schworen, indem er auf sein Opfer zutritt und dessen Kör-
per öffentlich entweiht. In wenigen Sekunden verzieht
sich der Körper des Opfers und verformt sich zu einer Par-
odie seiner selbst. Während der Verwandlung erleidet das
Opfer grauenhafte Schmerzen am ganzen Leib. Diese
Schändung hinterläßt körperliche und seelische Narben
bei ihrem Opfer. Seit kurzem setzen Camarillaprinzen die-
se Kraft ein, um jenen, die die Maskerade verletzen, ihren
Willen aufzuzwingen; ein graziles Kainskind, das des öfte-
ren eine Gefahr darstellte, wird nicht so schnell vergessen,
wie man sich als unkoordinierter, verkrüppelter Flegel
fühlte.
System: Während in den ersten 3 Runden nach Aus-
spruch des Fluchs die körperlichen Veränderungen von-
statten gehen, erleidet das Ziel einen Abzug von 3 Wür-
feln aus allen Würfelvorräten. Solange die Schändung an-
hält, erleidet der Verfluchte einen Abzug von 1 Würfel aus
allen Würfelvorräten, als ob er verletzt wäre. Dies ist ku-
mulativ mit anderen Wunden.
Der Thaumaturg wählt aus den folgenden ein Attribut
aus, das er schänden möchte: Körperkraft, Geschick, Wi-
derstandsfähigkeit oder Erscheinungsbild. Es fällt während
der Dauer des Fluches auf 1. Der Erzähler sollte aber wei-
tere schreckliche Effekte dieser Kraft schildern, um klar-
zumachen, wie schrecklich diese Kraft ist. Mit einer
Schändung kann jeweils nur ein Opfer belegt werden. Die
Zahl der Erfolge bei der Aktivierung bestimmt die Wir-
kungsdauer:
1 Erfolg 1 Nacht
2 Erfolge 1 Woche
3 Erfolge 1 Monat
4 Erfolge 3 Monate
5 Erfolge 1 Jahr
Beispiel: Elizabeth, eine für ihr akrobatisches Geschick be-
kannte Toreador, fällt einem Schändungsfluch (ausgesprochen
durch Dr. Bley, einen Regenten vom Clan Tremere), zum Op-
fer. Dr. Bley verflucht Elizabeth mit dem Verlust ihrer Grazie
und ihrer Geschicklichkeit. Er setzt einen Blutpunkt ein und
würfelt zur Aktivierung Willenskraft. Dr. Bley erzielt 3 Erfol-
ge. Elizabeths Spieler entschließt sich, mit Willenskraft zu wi-
derstehen und erzielt nur 1 Erfolg. Das ergibt 2 übrige Erfolge,
und der Fluch wird daher eine Woche andauern, während der
Elizabeth eine Geschick von 1 hat. Der Erzähler entscheidet
des weiteren, daß sie auch stark humpelt und daher nicht tan-
zen kann. Wie nicht anders zu erwarten, ist Elizabeth alles
andere als glücklich mit diesen Ereignissen und hat Dr. Bleys
seltsame Beschwörungsformeln und Gesten als Auslöser in
Verdacht.
••••• SELBSTVERACHTUNG
Der Magier kann jetzt seine Opfer mit extremer Unfä-
higkeit, enormem Verlust an Zuversicht und dem Schei-
tern in so gut wie jedem Unterfangen zu verfluchen. In-
dem er im Opfer eine Mischung aus mystischer Furcht und
Selbstverachtung hervorruft, wird Scheitern fast zur Ge-
wißheit. Schicksal und äußere Umstände scheinen sich
verschworen zu haben, um Glück und Erfolg zu verhin-
dern. Opfer dieser Kraft ziehen sich oft ganz von ihrem
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 18:19
 normalen Leben zurück, wenn sie merken, daß ihnen
nichts gelingen will. Beziehungen zerbrechen, ihre Arbeit
bricht über ihnen zusammen, und Unfälle werden zur Nor-
malität.
System: Das Opfer kann versuchen, dem Effekt dieser
Kraft mit einem Willenskraftwurf gegen 8 zu widerstehen.
Dieser Fluch ist aber von solcher Tragweite, daß seine Wir-
kung dauerhaft werden kann, wenn dieser Wurf verpatzt
wird. Während es diesem Bann unterliegt, kann das Op-
fer nicht einmal bei den einfachsten Handlungen einen
automatischen Erfolg erlangen. Alle Handlungen erhalten
einen zusätzlichen automatischen Patzer, der zunächst
ausgeglichen werden muß, ehe ein positives Ergebnis er-
zielt werden kann (behandeln Sie diesen als einen „Phan-
tom-Würfel“, der stets eine 1 anzeigt). Hinzu kommt, daß
selbst erfolgreiche Handlungen eine nur mittelmäßige
Güte haben. Bei jeder Handlung können maximal 2 Erfol-
ge geltend gemacht werden (nach Abzug eines Erfolges
durch den Patzer); zusätzliche Erfolge verfallen. Die Zahl
der Erfolge bei der Aktivierung der Kraft gibt die Dauer
dieser Pechsträhne wie unten beschrieben an (wenn das
Opfer scheitert, wirkt die Kraft dauerhaft, bis sie gebro-
chen wird, was nach Maßgabe des Erzählers geschieht):
1 Erfolg 1 Nacht
2 Erfolge 1 Woche
3 Erfolge 1 Monat
4 Erfolge 3 Monate
5+ Erfolge 1 Jahr
PFAD DER UMWANDLUNG
Thaumaturgen, die diese Form der Alchimie einsetzen,
können die Form von Feststoffen, Flüssigkeiten und Ga-
KAPITEL DREI: DIE PFADE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
sen verändern. Pistolen und Messer schmelzen zu Metall-
pfützen, Holz versteinert und wird brüchig, und Hinder-
nisse wie Wände und Türen lösen sich in Rauch auf. Die
Gesetze der Chemie setzen einem Hexenmeister, der die
Kräfte der Umwandlung einsetzt, keine Grenzen: Materia-
lien verändern ihre Form unabhängig von ihrer Tempera-
tur. Effekte, die denen ähneln, die durch echte Alchimie
erreicht werden, können auch mit dem Pfad der Umwand-
lungen erreicht werden. Er wird aber von den meisten Tre-
mere mit Ablehnung betrachtet, da er eine „Abkürzung“
für all jene darstellt, die ihn der wahren Meisterschaft der
alchimistischen Umwandlung vorziehen.
• VERFESTIGEN DES FESTEN
Durch die Verstärkung eines Feststoffs erhöht der Ma-
gier Stärke und Integrität eines Gegenstandes. Ein Thau-
maturg kann so eine Feder in eine stumpfe Hiebwaffe und
Bleistifte in Pflöcke verwandeln, während ein Auto die
Robustheit eines Panzers erlangt.
System: Diese Kraft erhöht entweder die offensiven oder
die defensiven Fähigkeiten eines Objektes. Für jeden Er-
folg, den der Spieler würfelt, absorbiert das Objekt 1 Ge-
sundheitsstufe Schaden, wenn die Kraft defensiv einge-
setzt wird. Für je 2 Erfolge bei der offensiven Aktivierung
der Kraft erhöht sich der Schaden, den das Objekt verur-
sacht, um 1 Würfel. In beiden Fällen ist die Wirkung je-
doch auf maximal 5 zusätzliche Würfel begrenzt. Die Dau-
er dieser Kraft beträgt maximal 1 Szene - in der das Ob-
jekt nur unter dem Einfluß der offensiven oder defensiven
Kraft stehen kann.
Anmerkung: Diese Kraft kann nicht eingesetzt werden,
um die Struktur von Lebewesen (oder Vampiren) zu ver-
DER MAGIE
03.11.00, 18:19
 stärken, kann aber in Verbindung mit der zweiten Stufe
diesen Pfades eingesetzt werden, um ein besonders hartes
Stück Eis zu erzeugen.
•• KRISTALLISIEREN DES FLÜSSIGEN
Die Tremere entwarfen diese Kraft, um anderen Kains-
kinder die Entnahme ihres Blutes zu verwehren, sie kann
aber auch eingesetzt werden, um Wasser oder geschmol-
zenes Metall zu verfestigen. Flüssigkeiten in lebenden
(oder untoten) Körpern können nicht verändert werden,
austretendes Blut aber wohl. Kainskinder können kein
verfestigtes Blut verzehren.
System: Für jeden Erfolg, den der Anwender bei seinem
Willenskraftwurf erzielt, kann er 1 Blutpunkt (oder 1 l ei-
ner anderen Flüssigkeit) für eine Szene eine feste Form
geben. Diese Substanz wird ihren Zustand unabhängig von
der Außentemperatur nicht ändern; kristallisierter ge-
schmolzener Stahl wird also weiterhin Verbrennungen ver-
ursachen und andere Materialien schmelzen lassen. Zur
Anwendung dieser Kraft muß der Anwender die Flüssig-
keit sehen.
••• VERFLÜSSIGEN DES FESTEN
Ein Thaumaturg kann mit dieser Kraft Feststoffe
„schmelzen“ und sie in diesem flüssigen Zustand verharren
lassen. Durch den Einsatz von Verflüssigen des Festen
können Angreifer all ihrer Waffen beraubt werden:
Schußwaffen und Messer verwandeln sich in trübe, unauf-
fällige Pfützen aus Metall, Pflöcke verrotten in Windesei-
le. Einige findige Thaumaturgen können sogar Kugeln
umwandeln, ehe diese ihr Ziel erreichen.
System: Der Thaumaturg kann nur Dinge umwandeln,
die er sehen kann. Wenn der Gegenstand nach einer Sze-
ne wieder seine normale Konsistenz annimmt, nimmt er
meist auch wieder seine alte Form an. Dies scheint aber
laut Aussagen einiger alter Tremere aber eine neue Ent-
wicklung zu sein, denn sie sprechen von einer älteren,
überholten Variante dieser Kraft, bei der sich der Zustand des
Gegenstandes zwar veränderte, aber seine deformierte und
wahrscheinlich vollkommen nutzlose Gestalt aber behielt.
Die maximale Größe des zu veränderten Gegenstandes
wird durch die Zahl der Erfolge beim Willenskraftwurf bei
der Aktivierung der Kraft angegeben:
1 Erfolg Ein Feuerzeug
2 Erfolge Ein Telephon
3 Erfolge Ein Computer
4 Erfolge Ein Auto
5+ Erfolge Ein Eisenbahnwaggon
•••• KERKER
Wenn ein Hexer diese Kraft heraufbeschwört, kann er
die Luft zu einem undurchsichtigen, unzerstörbaren Ge-
fängnis verdichten. Ein grell schimmerndes Prisma scheint
sich um den Körper des Opfers zu formen und verhärtet
sich zu einem trüben, unzerbrechlichen Material. Türen
und Tore können so versiegelt werden, denn die Luft im
Türrahmen gerinnt zu einer zähen Barriere.
System: Der Hexenmeister kann die Luft im Umkreis von
50 m um seinen Standpunkt herum verfestigen. Für jeden
Erfolg, den erzielt, kann er soviel Luft verhärten, um ei-
nen Gegenstand entsprechend der untenstehenden Tabel-
le einzuschließen:
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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1 Erfolg Ein Ziegelstein
2 Erfolge Ein Schuhkarton
3 Erfolge Ein Koffer
4 Erfolge Ein Küchenherd (oder einen Menschen)
5+ Erfolge Eine Telefonzelle
Sobald die Luft kondensiert ist, wird sie unzerstörbar;
dieser Effekt hält eine Szene an. Opfer, die in der verfe-
stigten Luft gefangen sind, können sich nicht daraus be-
freien (nicht einmal mit Stärke), Sterbliche werden aber
auch nicht ersticken.
Der Sauerstoff des Blocks ist atembar, obwohl er die
Konsistenz einer Flüssigkeit zu haben scheint. Da sich die
Lungen des Opfers aber auf sauerstoffangereicherte Flüs-
sigkeit umstellen müssen, kommt dies dem Opfer als sehr
unangenehm und widerlich vor, manche ersticken viel-
leicht sogar trotzdem, wenn ihre Körper sich einfach wei-
gern, die Flüssigkeit aufzunehmen. Wenn die Wirkung der
Kraft endet, löst sich die Barriere in ihren ursprünglichen
gasförmigen Zustand auf. Der Sauerstoff in den Lungen
des Opfers aber bleibt in seinem flüssigen Zustand, bis der
Körper sich von ihm befreit hat (was meist durch starkes
Husten geschieht). Durch dieses Husten und die damit
verbundene Überanstrengung erleiden Opfer 1 Gesund-
heitsstufe Schlagschaden.
Beispiel: Robert Montgomery Burns bemerkt Najima, eine
Ghul-Spionin, die versucht, sich in seine Zuflucht zu schlei-
chen. Sein Spieler erzielt 5 Erfolge, was mehr als ausreicht, um
die Luft soweit zu verhärten, daß Najima in einem unzerstör-
baren Block gefangen wird. Najima gerät sofort in Panik, als
sie den flüssigen Sauerstoff einatmet. Sie schluckt mehrere
Mundvoll, ehe sich ihr Körper an die fremdartige Atemmetho-
de gewöhnt hat, so daß sie immer wieder würgen muß, bis sie
sich daran gewöhnt hat. Nachdem sich der Block aufgelöst hat,
stürzt sie zu Boden und erleidet 1 Gesundheitsstufe Schlag-
schaden durch die Anstrengung des Würgens, bis sie die ganze
Flüssigkeit erbrochen hat.
••••• GEISTERWAND
Wenn sie diesen Grad der Meisterschaft erlangt haben,
lassen sich Thaumaturgen nicht mehr von gewöhnlichen
Hindernissen wie Mauern oder Findlingen aufhalten. Mit
einem einzigen Gedanken kann der Hexenmeister feste
Objekte in einen gasförmigen Zustand versetzen und dann
ohne Probleme durch sie hindurch schreiten. Tremere
durchqueren so Wände, da sie in ihrer substanzlosen Form
kein Hindernis darstellen, Opfer stürzen durch gasförmige
Böden, und gasförmige Fallschirme verringern in keinster
Weise die Geschwindigkeit eines Fallschirmspringers.
System: Ein Thaumaturg kann einen Gegenstand, den er
sehen kann, gasförmig werden lassen. Für jeden Erfolg,
den er bei seinem Willenskraftwurf erzielt, kann er eine
größere Masse umwandeln. Es bedarf eines Erfolges, um
einen Laptop gasförmig werden zu lassen, während für ei-
nen Bus 5 Erfolge nötig wären. Ein umgewandeltes Objekt
verliert seine Form und wird durchsichtig. Dieser Effekt
dauert 1 Szene an, nach der sich das Objekt wiederzusam-
mensetzt, als ob nichts gewesen wäre. Es erübrigt sich wohl
zu sagen, daß es sich um eine üble Verletzung der Maske-
rade handelt, wenn Unwissende dies mitansehen.
Sollte sich jemand am selben Ort befinden wie ein sich
zurückverwandelndes Objekt, erleidet er nicht absorbier-
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 18:19
 baren schwer heilbaren Schaden nach Maßgabe des Erzäh-
lers. Ein kleiner Stein zum Beispiel, der im Innern eines
Körpers Gestalt annimmt, würde etwa 1 Gesundheitsstufe
verursachen, während eine Person, die im Stamm eines
Baumes gefangen wird, mindestens 5 Gesundheitsstufen
Schaden erlitte. Gegenstände, die teilweise in einem an-
deren Gegenstand Gestalt annehmen, verbleiben in die-
sem Zustand, bis die beiden Objekte körperlich voneinan-
der getrennt oder wieder in Gas verwandelt werden.
PFAD DES BLUTFLUCHS
Vampirahnen haben vor Ancillæ und Neugeborenen
schon immer mit ihren Kräften geprahlt. Mit dem drohen-
den Anbruch Gehennas suchen junge Kainskinder aktiv
nach Wegen, dem eisernen Griff der mächtigen Ahnen zu
entgehen. Mit diesen Absichten als Triebfeder ihres Ehr-
geizes haben sich einige abtrünnige Thaumaturgen der
Pander und der Caitiff gemeinsam darangemacht, diesen
Pfad zu entwickeln, um ihren Oberen den Platz an der
Spitze der kainitischen Gesellschaft streitig zu machen.
Diese Rebellen griffen auf ein sehr einfaches Konzept für
diesen thaumaturgischen Pfad zurück, indem sie die mit
dem vampirischen Kuß einhergehenden Nachteile nach
außen kehren. Diese Bewegung hin zu einer neuen Me-
thode, den Ahnen Macht und Vitæ zu rauben, hat den
Verfolgungswahn der älteren Vampire in hohem Maße ver-
schlimmert. Die neuen Thaumaturgen sind der Grund für
die in den Elysien nur flüsternd weitergegebenen Gerüch-
te, wonach der Tag der Abrechnung naht.
• DAS WÜTEN DES TIERS
Von dem Augenblick an, in dem ein Kainskind den Kuß
erhält, leidet es unter dem Zorn und den unkontrollierba-
KAPITEL DREI: DIE PFADE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
ren Instinkten des urtümlichen Tiers in ihnen; hierbei
handelt es sich um den ersten Fluch, der mit der Verwand-
lung über einen Vampir kommt. Wird es provoziert, ver-
setzt das Tier in seinem Innern einen Vampir in eine irra-
tionale Raserei. Manche Kainskinder kämpfen darum, das
Tier in ihnen im Zaum zu halten, wohingegen andere es
förmlich genießen, sich in diesem gewalttätigen Wutaus-
bruch zu verlieren. Ein Thaumaturg, der diese Kraft an-
ruft, lockt das Tier in seinem Ziel an die Oberfläche und
verwandelt sein Opfer in einen Amokläufer.
System: Das Ziel dieser Kraft muß einen Wurf gegen Ra-
serei ablegen (Selbstbeherrschung, Schwierigkeit 7, s. S.
248 in Vampire: Die Maskerade). Schafft es das Opfer
nicht, dem Tier Widerstand zu leisten, verfällt es augen-
blicklich in eine Form der Raserei, die dem Erzähler der
Situation angemessen erscheint, sei es nun Rötschreck,
Hunger oder ähnliches. Ein Thaumaturg muß sein Ziel se-
hen können, um es so zu beeinflussen.
•• DAS GEWICHT DER SONNE
Ein weiterer Fluch, der als Begleiterscheinung des Kus-
ses auftritt, ist die Unfähigkeit, bei Tag wach zu bleiben.
Zu einem nachtaktiven Dasein gezwungen, ist es dem
Kainskind verwehrt, die Sonne je wieder zu sehen. Sobald
sich die feurigweiße Kugel im Osten erhebt, spüren Kains-
kinder, wie ihr Gewicht sie in den Schlaf hinabzieht. Die-
se Kraft erlaubt es einem Thaumaturgen, dieselbe Art der
Lethargie hervorzurufen, die die Sonne während der lan-
gen Stunden des Tages in Vampiren auslöst.
System: Pro Erfolg des Thaumaturgen bei seinem Willens-
kraftwurf hält diese Kraft 1 Szene lang an. Unter ihrem
Einfluß leidet ein Kainskind unter Abzügen, als sei es bei
Tag aktiv: Sein maximaler Würfelvorrat entspricht seinem
DER MAGIE
03.11.00, 18:19
 Menschlichkeitswert (bzw. seinem Wert in einem Pfad der
Erleuchtung). Charaktere, die Golconda erreicht haben,
sind gegen diese Kraft immun.
••• DER STUMPFE ZAHN
Alle Vampire brauchen Blut, um existieren zu können;
sie benötigen Sterbliche als Nahrung, von denen sie regel-
mäßig trinken müssen, um ihre untote Existenz weiterzu-
führen. Wenn sich Kainskinder nähren, fahren sie in aller
Regel die Fänge aus, um sich leichter durch die Haut ei-
nes Opfers bohren zu können. Indem er diese Kraft anruft,
läßt ein Thaumaturg die Fänge des Ziels auf mystischem
Wege stumpf werden, so daß es nicht mehr in der Lage ist,
sie wirkungsvoll einzusetzen. Seine Fänge werden so
stumpf, daß es ihm fast unmöglich wird, mit ihnen durch
die Haut eines sterblichen Opfers zu dringen. So wird das
unter dem Einfluß dieser Kraft stehende Kainskind ge-
zwungen, sich auf andere, unkonventionelle Art zu nähren.
System: Jeder Erfolg läßt die Zähne des Subjektes für eine
Nacht stumpf werden. Opfer können einen Wurf auf Wi-
derstandsfähigkeit (plus Seelenstärke, falls sie über diese
Disziplin verfügen) ablegen (Schwierigkeit 8), um die Er-
folge des Thaumaturgen abzubauen. Solange es unter dem
Einfluß dieser Kraft steht, kann ein Kainskind nicht das
Nahkampfmanöver Biß einsetzen, und sein Kuß löst keine
Ekstase aus, sondern wird anstelle dessen zu einem „nor-
malen“ Biß.
Erzähler könnten sich entschließen, dem Opfer in die-
ser heiklen Situation so viele Steine in den Weg zu legen,
wie sie es für richtig halten. Die Polizei hat wenig Ver-
ständnis für Psychopathen, die andere auf der Piste anfal-
len, um sie in den Hals zu beißen, und jeder, der sich allzu
sorglos nährt, wird sich sicherlich den Zorn jener Kains-
kinder zuziehen, die darauf bedacht sind, die Maskerade
zu wahren.
•••• TRÜGERISCHE BANDE
Eine der mächtigsten Eigenschaften der Vitæ der Kains-
kinder ist die Möglichkeit, ein Blutsband zu erzeugen. Ein
Herrscher, der einem Opfer sein Blut in drei verschiede-
nen Nächten reicht, löst im Sklaven einen wahren Sturm
der Hingabe aus. Steht eine Person unter einem Bluts-
band, wird sie zu einem der treuesten, untertänigsten
Werkzeuge eines Herrschers, das man sich wünschen könn-
te, und der Sklave wird alles tun, dem Herrscher zu gefallen.
Im allgemeinen kann Haß den Verstand des Sklaven
benebeln, wenn das Band brüchig und schwach geworden
ist, obwohl es möglicherweise Jahrhunderte dauern kann,
bis diese Emotionen zu Tage treten. Der Thaumaturg, der
diese Kraft anruft, löst im Sklaven eines Herrschers sofor-
tigen Haß aus; wo einmal Liebe war, treibt nun allein Ekel
den Sklaven an. Diese Kraft erzeugt eine heftige Reaktion
im Blut des Zieles, wodurch vorübergehend alle Bande,
deren Herrscher er ist, verdreht werden, von den jüngsten
bis hin zu jenen, die schon seit vielen Jahren Bestand hatten.
System: Damit diese Kraft Wirkung zeigt, muß der Thau-
maturg das Ziel berühren. Für die Dauer einer Nacht pro
Erfolg des Thaumaturgen bei seinem Willenskraftwurf und
je nachdem, ob der Magier sich entschließt, einen Herr-
scher oder dessen Sklaven zu beeinflussen, wird ein Bluts-
band brüchig und korrumpiert. Lenkt der Thaumaturg sei-
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
ne Kraft auf einen Sklaven, wird nur das Band des Skla-
ven korrumpiert, verzehrt von Haß für so viele Nächte,
wie es die Erfolge des Thaumaturgen angeben. Sollte sich
der Thaumaturg jedoch entschließen, diese Kraft auf ei-
nen Herrscher zu lenken, wird pro Erfolg einer der Skla-
ven dieses Herrschers beeinflußt. Wenn ein Herrscher, der
unter dem Einfluß dieser Kraft steht, gleichzeitig Sklave
eines anderen Vampirs ist, so wird auch er nur Verachtung
für seinen Herrscher empfinden.
Die Tremere stehen dieser Kraft mit großem Mißtrauen
gegenüber, und wenn die Ventrue und Lasombra wirklich
etwas über ihre Existenz wüßten, würden sie wahrschein-
lich gleichermaßen vor ihr zurückschrecken (sollten sie sie
nicht auf ihre Feinde anwenden wollen). Mehr als ein Re-
gent hat Vampire, die diese Kraft erlernten, hart bestraft,
und eine Apokryphe erzählt von einem europäischen Prin-
zen, der einen Tremere vernichten ließ, nachdem er erfah-
ren hatte, daß der diese Kraft eingesetzt hatten, um die
Ghule des Prinzen gegen ihren Herrscher aufzubringen.
••••• DER ZAHN DER ZEIT
Diese Kraft beeinflußt das Blut in Vampiren in hohem
Maße nachteilig, so daß seine Eigenschaften, die den
Kainskindern ihre Unsterblichkeit sichern, außer Kraft
gesetzt werden. Ein Thaumaturg, der Körperkontakt zu
einem Opfer aufnimmt, kann es der Zeitlosigkeit berauben
und kurzzeitig „altersschwach“ werden lassen. Innerhalb
weniger Augenblicke enthüllt der Körper des Opfers das
wahre Ausmaß seines Alters: Er schrumpft, sinkt unter
Last der Jahrzehnte in sich zusammen. Hinzu kommt, daß
die Fänge des Opfers länger werden und auch seine Ge-
sichtzüge seine vampirische Natur betonen. Uralte Vam-
pire werden regelrecht verkrüppelt, wenn ihre eigenen
Leiber zu ihren schlimmsten Feinden werden.
System: Nachdem der Thaumaturg Körperkontakt mit
seinem Opfer hergestellt hat, würfelt der Spieler in einer
Handlung gegen Widerstand Willenskraft (Schwierigkeit
8). Sollte er mehr Erfolge erzielen als sein Opfer, beginnt
dieses zu altern, bis es schließlich seinem wahren Alter
entsprechend erscheint.
Das Opfer verliert 1 Punkt in einem der körperlichen
Attribute pro 10 Jahre, die es körperlich altert, wobei kein
Attribut unter 0 sinken kann. Vampire, die auf Werte von
0 in einem körperlichen Attribut sinken, sind so schwach,
daß sie Hilfe brauchen, um sich zu bewegen, zu nähren
usw. Ihre Stimme wird so leise, daß man sie kaum verste-
hen kann. Dieser Effekt hält eine Nacht an, danach streift
das Opfer in kürzester Zeit die Alterserscheinungen wie-
der ab und gewinnt seine aus dem Blut herrührende Stär-
ke zurück. Das betroffene Kainskind kann sich auch selbst
durch den Einsatz von 5 Blutpunkten und 1 Willenskraft-
punkt wieder erholen, dies muß jedoch noch in der glei-
chen Runde geschehen, in der es von dem Fluch getroffen
wird. Nach dem Verstreichen der Wirkungsdauer wird das
Opfer ebenso alt oder jung erscheinen, wie es in der Nacht
seines Kusses der Fall war.
DER PFAD DES HERDES
Für Tremere, die eine eigene Zuflucht unterhalten, steht
ihre Privatsphäre an erster Stelle. Der Pfad des Herdes
scheint sich aus Ritualen entwickelt zu haben, die Sorge
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 18:19
 dafür tragen sollten, daß das sanctum sanctorum eines Vam-
pirs unangetastet blieb. Zufluchten, die durch diese Kräf-
te geschützt werden, stehen oft im Ruf, „Spukhäuser“ oder
ähnliches zu sein. Die Tremere weisen gerne darauf hin,
daß dieser Ruf jedoch lediglich dazu dient, die Maskerade
zu wahren, anstatt sie zu gefährden. Wenn Leute heraus-
finden, daß ein Haus eben nur ein Haus mit einer gruseli-
gen Atmosphäre ist, könnten sie sich dafür ohrfeigen, so
töricht gewesen zu sein, an Geister zu glauben.
• HAUSHOFMEISTER
Wenn diese Kraft auf eine Tür oder einen anderen Ein-
gang angewendet wird, erzeugt sie einen hör- oder sicht-
baren Effekt, der den Tremere davon in Kenntnis setzt,
daß jemand den Eingang passiert hat. So weiß der Vampir,
wenn jemand seine Zuflucht betreten hat und kann mit
dem Eindringling verfahren, wie er will.
System: Diese Kraft hält 24 Stunden an. Das Signal ent-
spricht exakt den Wünschen des Thaumaturgen– ein lau-
tes Quietschen einer Tür, eine Tür, die sich nicht mehr
schließt, sondern nur noch angelehnt bleibt, oder etwas,
das mit dem Eingang in keinerlei direktem Zusammen-
hang steht – so könnte eine Karaffe in einem anderen
Zimmer beim Passieren des verzauberten Eingangs zu ro-
tieren beginnen. Der Effekt ist statisch – Aussehen oder
Klang des Signals sind jedesmal gleich. Immer, wenn eine
andere Person als der Thaumaturg den bezauberten Ein-
gang passiert, setzt der Effekt ein. Ob der Vampir zugegen
ist, um ihn wahrzunehmen, oder nicht, ist egal.
Beachten Sie, daß komplexe Ereignisfolgen jenseits der
Möglichkeiten dieser Kraft liegen. Dieses Ritual kann kei-
ne ausgeklügelte Falle à la Jäger des verlorenen Schatzes in
Gang setzen (obgleich es den ersten Schritt einer solchen
Falle auslösen könnte), noch wird es eine Schrotflinte auf
die verzauberte Tür ausrichten und abfeuern. Es geht hier
um einfache, kurzlebige Effekte.
•• MEISTERLICHE ORDNUNG
In seiner Zuflucht weiß der Thaumaturg genau, wo je-
der Gegenstand zu finden ist. Er weiß, wohin er ein wich-
tiges Buch gelegt hat, in welcher Schublade er die Schlüs-
sel zu seinem Safe aufbewahrt und wo sein verzauberter
Pflock liegt. Er weiß all das sogar dann, wenn es ihm ei-
gentlich gerade einmal entfallen ist...
System: Wenn die Kraft erfolgreich aktiviert worden ist,
weiß der Thaumaturg für den Rest der Szene genau, wo
ein bestimmtes Objekt zuletzt plaziert wurde, solange es
sich in seiner Zuflucht befindet. Dieses Wissen bezieht sich
nur auf unbelebte Gegenstände –er könnte so nicht sein
Kind lokalisieren. Außerdem muß der Gegenstand dem
Tremere gehören; das Messer eines Attentäters wird durch
diese Kraft ebensowenig aufgespürt wie Gegenstände, die
andere Personen am Körper tragen. Dinge, die der Treme-
re gestohlen hat, lassen sich ohne Schwierigkeiten ausfin-
dig machen.
Diese Kraft zeigt nur in der Zuflucht des Tremere Wir-
kung, wo er mindestens einen Tag lang geruht haben muß,
ehe er sie anruft.
••• VERS DER ZWIETRACHT
Der Vampir kann ein Miasma der Verwirrung in seiner
Zuflucht erzeugen. Diese Kraft spielt mit dem Verstand
KAPITEL DREI: DIE PFADE
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von Eindringlingen, was dazu führt, daß sie sich in der
Zuflucht des Vampirs verirren, die Orientierung verlieren
oder sich an bestimmte Einzelheiten wie Gegenstände in
der Zuflucht oder die Anordnung der Räume falsch erinnern.
System: Alle außer dem Thaumaturgen verirren sich hoff-
nungslos in seiner Zuflucht, egal, wie klein sie auch sein
mag. Darüber hinaus sind sie nicht mehr in der Lage, sich
an Einzelheiten der Zuflucht zu erinnern, wenn sie sich
erst einmal in ihrem Innern befinden. Selbst wenn ein Ein-
dringling versucht, dem Kainskind durch die Zuflucht zu
folgen, verliert er plötzlich die Orientierung, biegt falsch
ab usw. Dieser Effekt hält 24 Stunden an, aber die verne-
belten Erinnerungen eines Eindringlings bleiben solange
bestehen, bis er die Zuflucht zu einem Zeitpunkt besucht,
an dem sie nicht mit diesem Schutzzauber belegt wurde.
•••• PORTAL
Als Meister seiner Zuflucht kann ein Vampir diese kurz-
zeitig so gestalten, daß Türen in andere Räume führen als
die, mit denen sie eigentlich verbunden sein dürften. Bei-
spielsweise könnte die Tür zum Schlafzimmer sich plötz-
lich ins Arbeitszimmer öffnen, während die tiefste Zelle
eines transsylvanischen Verlieses nur über einen Turm des
Schlosses zu betreten ist. Diese Kraft kann sich sowohl in
Sachen Bequemlichkeit – wie könnte man wohl besser
schnell mal ein Buch aus dem Keller holen, wenn man sich
gerade im zweiten Stock aufhält? – als auch Fluchtmög-
lichkeiten für Thaumaturgen als nützlich erweisen.
System: Diese Kraft hält bis Sonnenaufgang an. Der
Thaumaturg kann durch eine beliebige Tür in seiner Zu-
flucht treten und sofort zum Raum seiner Wahl transpor-
tiert werden, der ebenfalls in seiner Zuflucht liegen muß.
Jeder, der ihm durch die Tür folgt, findet sich in dem
Raum wieder, in den die Tür normal führt.
••••• DAS ZISCHEN DES KESSELS
Diese Kraft verleiht der Zuflucht des Magiers eine pri-
mitive Form von Bewußtsein. Solange seine Zuflucht un-
ter dem Einfluß dieser Sendung steht, kann der Thauma-
turg jeden Gegenstand nach bestimmten Vorkommnissen
befragen, die dort stattgefunden haben. Ein Schlafzimmer-
spiegel könnte ihm von Gästen berichten, die im Foyer fin-
stere Pläne schmieden, ein Diwan könnte pikante Ge-
heimnisse enthüllen, und selbst der schmutzige Lappen in
der Küche wüßte vielleicht etwas von Hochverrat zu er-
zählen, der in einem Salon gerade beschlossen wird. Alles,
was innerhalb der Zuflucht vor sich geht (oder in Hörwei-
te der Zuflucht, da auch die Fenster „sehen“ können),
kann an einen wißbegierigen Magier durch alltägliche Ge-
brauchsgegenstände in ihrem Innern weitergegeben werden.
System: Nachdem sie vom Vampir angerufen wurde, hält
diese Kraft bis Sonnenaufgang an. Der Vampir muß der
Einrichtung seiner Zuflucht laut Fragen stellen, sollte er
Informationen von ihnen wünschen. Nur im Fall einer au-
ßerordentlich großen Bedrohung wie einem bevorstehen-
den Angriff oder einer brennenden Zuflucht werden die
Gegenstände von sich aus das Kainskind warnen.
DER SCHARFE GEIST
Dieser kaum bekannte thaumaturgische Pfad, der von
einem in der Kabbala bewanderten Tremere entwickelt
wurde, ist bereits mehrere Jahrhunderte alt und wird von
DER MAGIE
03.11.00, 18:19
 einem auserlesenen Kreis von Thaumaturgen immer noch
praktiziert. Anwender dieses Pfades erhöhen ihre geistige
Leistungsfähigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit um eini-
ges, was ihnen ein besseres Verständnis für Probleme und
Situationen erlaubt. Thaumaturgen, die ohnehin bereits
über ein hohes Maß an Disziplin verfügen, gewinnen in
allen Bereichen, die etwas mit Hirnfunktionen zu tun ha-
ben, erschreckende Macht, wenn sie diesen Pfad meistern.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Facetten der
Thaumaturgie bedarf es keiner Handlung, um die Kräfte
dieses Pfades anzurufen, obwohl sie den üblichen Einsatz
von Blutpunkten und den Aktivierungswurf auf Willens-
kraft erfordern. Jede dieser Kräfte kann nur einmal pro
Runde eingesetzt werden.
• BEREITSCHAFT
Der Einsatz von Bereitschaft ermöglicht dem Anwender,
eine Situation schneller zu erfassen. Er erlebt einen Mo-
ment geistiger Klarheit, so daß er besser auf Veränderun-
gen reagieren kann und an Geistesschärfe gewinnt.
System: Diese Kraft kann nur auf den Thaumaturgen
selbst angewendet werden. Jeder Erfolg beim Aktivie-
rungswurf entspricht 1 Würfel in einem besonderen Wür-
felvorrat, der für den Rest der Runde bestehen bleibt. Die-
se Würfel können in dieser Runde bei allen mit Geistes-
schärfe in Verbindung stehenden Handlungen oder Wür-
fen eingesetzt werden. Als Alternative kann auch jeder
aus dem Würfelvorrat entnommene Würfel den Initiative-
wert des Anwenders um 1 erhöhen.
•• ERDEN
Durch die Anrufung dieser Kraft löst der Thaumaturg
im Subjekt eine plötzliche innere Ruhe aus, indem er ihm
beruhigende Worte zuflüstert. Solange es von dieser Aus-
geglichenheit erfüllt ist, kann sich das Ziel besser auf Auf-
gaben konzentrieren, weil es Ablenkungen und Störungen
– einschließlich schwerer körperlicher Verletzungen –
ignoriert.
Magier, die sich vor einer Raserei fürchten, wenden die-
se Kraft oft auf sich selbst an, um einen Zustand der Ruhe
zu erreichen, der Gefühle dämpft.
System: Diese Kraft kann auf jedes Ziel angewendet wer-
den, das den Thaumaturgen hören kann und hält für eine
Runde pro Erfolg beim Aktivierungswurf an. Während
dieser Zeitspanne zeigen jegliche Effekte, die die Würfel-
vorräte des Ziels verringern, keinerlei Wirkung. Dazu ge-
hören Würfelabzüge durch Verwundungen, situationsbe-
dingte Modifikatoren und Disziplinen. Modifikatoren auf
Schwierigkeiten bleiben während dieser Zeit allerdings
unverändert.
Außerdem erhält das Ziel aufgrund der unnatürlichen
Ruhe, die diese Kraft verleiht, zwei zusätzliche Würfel bei
allen Versuchen, eine Raserei zu vermeiden oder sich aus
ihr zu lösen. Sogar die mörderischen Amokläufe der Wolf-
linge können beendet werden, wenn beim Aktivierungs-
wurf fünf oder mehr Erfolge erzielt werden.
••• EINGLEISIGES DENKEN
Indem der Thaumaturg seine Kräfte auf andere Perso-
nen ausdehnt, ist er in der Lage, das Ziel auf eine Hand-
lung zu fixieren. Die Zielgerichtetheit des Subjekts ist so
ausgeprägt, daß es alles andere, was um es herum vorgeht,

BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE

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Blutmagie05.p65 80 03.11.00, 18:20

Julia Reinecke (Order #10164437)

 vergißt. Mit dieser Kraft können Wachen leicht abgelenkt
werden, indem man ihre Aufmerksamkeit auf etwas ande-
res fixiert, und Forschungsarbeiten werden so zur Heraus-
forderung, die voll Hingabe und Konzentration angegan-
gen wird. Diese Kraft wird bisweilen scherzhaft als „jeman-
den auf die Einbahnstraße schicken“ bezeichnet.
System: Diese Kraft kann jeden beeinflussen, der den
Thaumaturgen hören kann. Eine erfolgreiche Anrufung
verbietet dem Ziel zusätzliche Handlungen. Als positiver
Nebeneffekt wird die Schwierigkeit der bevorstehenden
Handlung um 1 reduziert. Zusätzliche Handlungen, die
das Subjekt während der Wirkungsdauer dieser Kraft den-
noch unternimmt (beispielsweise durch Geschwindigkeit),
müssen der ursprünglich ausgeführten Handlung folgen,
da sich das Subjekt einzig und allein auf diese konzen-
triert. Eingleisiges Denken hält eine Szene lang an, wenn
die Kraft außerhalb eines Kampfs eingesetzt wird, sonst
beträgt ihre Wirkungsdauer eine Runde pro Erfolg beim
Aktivierungswurf.
•••• DUALES DENKEN
Durch das unglaublich hohe Maß an Konzentration, das
für das Erlernen von Thaumaturgie vonnöten ist, können
viele Tremere eine Situation rasch und vollständig kon-
trollieren. Mit dieser Kraft kann der Thaumaturg seine
Aufmerksamkeit problemlos zwischen zwei Aufgaben auf-
teilen. Wo Eingleisiges Denken die Aufmerksamkeit des Sub-
jekts in eine einzige Richtung lenkt, steigert Duales Denken
die Konzentrationsfähigkeit des Thaumaturgen so sehr, daß
er sich auf zwei Ziele gleichzeitig konzentrieren kann.
System: Ein erfolgreicher Einsatz von Dualem Denken er-
laubt dem Anwender, in einer Runde eine zusätzliche
Handlung durchzuführen. Diese Handlungen sind auf gei-
stige Aufgaben beschränkt, sei es der Einsatz von Diszipli-
nen wie Auspex oder Thaumaturgie oder das Überdenken
eines Problems. Setzt ein Charakter beide Handlungen für
eine Problemlösung ein, kann er auf zwei separate Würfel-
vorräte zurückgreifen. Diese beiden Handlungen gesche-
hen gleichzeitig in dem Moment, der durch den Initiativ-
wert des Charakters vorgegeben wird.
••••• AUGENBLICK DER KLARHEIT
Augenblick der Klarheit schenkt dem Thaumaturgen
einen zenartigen Moment ungehinderter Einsicht. Er er-
reicht einen Zustand vollkommener Konzentration, Ge-
danke und Handlung werden eins, und ein Gefühl völli-
ger geistiger Ausgeglichenheit ermächtigt sich des Vampir-
magiers. Diese Klarheit schützt den Thaumaturgen vor
inneren wie äußeren Einflüssen; selbst das Tier in ihm
muß sein Toben einstellen.
Manche Anwender haben den Einsatz dieser Kraft mit
dem Zustand namens Golconda verglichen (selbstredend
nur rein theoretisch), aber die oberen Ebenen der Treme-
re-Hierarchie tun dieses Gerücht als ebenso haltlos ab wie
die Existenz Golcondas selbst.
System: Diese Kraft hält 1 Szene lang an. Für diese Zeit-
spanne werden die Schwierigkeiten aller Handlungen des
Thaumaturgen um 2 gesenkt. Das Kainskind kann durch
nichts in Raserei oder Rötscheck getrieben werden, auch
nicht durch übernatürliche Mittel. Außerdem werden die
Schwierigkeiten aller Versuche, den Thaumaturgen zu
kontrollieren oder zu beeinflussen (einschließlich der Dis-
ziplinen Präsenz und Beherrschung), um 2 erhöht.

DER FALSCHE PFAD

Aus dem Tagebuch des Constantin Addams, Regent des Sechsten Zirkels
Wir schreiten in eine neue Ära, Brüder und Schwestern der Pyramide. Seit Gutenberg sind unsere Grimoires nicht
mehr handgeschrieben und viel zahlreicher. Seit dem Entstehen der Leihbüchereien stehen viele „geheime Werke“
der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung. Seit dem Populärwerden des PC kann jeder Lehrling mit einem Scanner,
einem Drucker und dem Internet in wenigen Wochen eine kleine okkulte Bibliothek zusammenstellen, anstatt Jahre
damit zuzubringen, wie es noch vor kurzem Gang und Gebe war.
Wenn man sie erst einmal digitalisiert hat, passen die Bücher von al-Az, dem Älteren auf ein paar CD-Roms, die
gerade mal so groß wie ein Sandwich sind, anstatt 29bändig in einer Bibliothek zu stehen, womit die meisten von
uns wohl besser vertraut sein dürften. Schon länger werden die „Geheimnisse des Clans“ nicht mehr vor den jünge-
ren Kainskindern gehütet. Erklärungen der Grenzen, Effekte und Fähigkeiten der gebräuchlichen Disziplinen stehen
jedem zur Verfügung, der danach fragt - selbst seltene Disziplinen wie die der Samedi können oft zumindest von ei-
ner Person pro Domäne erkannt werden. Nur die Thaumaturgie wird noch wie kostbares Wissen behandelt, und die
anderen Clans werfen uns genau das vor. Neue Mittel und Wege müssen entwickelt werden, um unsere Brüder und
Schwestern unter den Kainiten so zu lenken, daß sie unseren Rat weiter befolgen.
Deshalb habe ich etwas entwickelt, das ich den Falschen Pfad nenne. Er hat nur wenig Macht, nur wenige Rituale,
die einen anderen beeinflussen, und doch kann ein schlauer Thaumaturg den Falschen Pfad einsetzen, um eben die
Ängste und Vorurteile der anderen Kainskinder gegen sie zu verwenden. In den höchsten Stufen verwischt die Tren-
nung zwischen Realität und Täuschung, aber habt acht, ihr weisen Tremere: Die meisten Kainskinder schätzen es
nicht, offensichtlichen Täuschungen zum Opfer zu fallen.
Genug geredet. Sehet den Falschen Pfad.
• FLUNKERN
Der Thaumaturg gewinnt mit dieser Kraft ein grundsätzliches Verständnis der Magie der Täuschung. Er kann eine
von ihm gesprochene wahre Aussage für einen Abend als Lüge erscheinen lassen. Bei Sonnenaufgang treffen alle
betroffenen Kainskinder ihre eigenen Entscheidungen über die Aussage. Die Umkehrung ist nicht möglich.
System: Bei Erfolg halten alle Zuhörer, die die wahre Aussage gehört haben, sie für eine Lüge. Dieser Zauber hat
keinen Einfluß auf das Lesen von Auren, Knochen der Lügen oder andere Disziplinen, die eine größere Macht haben als er.

KAPITEL DREI: DIE PFADE DER MAGIE

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Blutmagie05.p65 81 03.11.00, 18:20

Julia Reinecke (Order #10164437)

 •• DISZIPLINEN ERKENNEN
Eine der mächtigsten Eigenschaften jedes Täuschers ist die Fähigkeit zu erkennen, wann er getäuscht wird. Mit
etwas Übung kann der Thaumaturg alle Disziplinen erkennen, die in seinem Gesichtsfeld eingesetzt werden, und
mit einer guten Beschreibung oder dem Anblick der Ergebnisse (beispielsweise dem durch Fleischformen veränder-
ten Arm eines Ghuls) kann er sogar Disziplinen erkennen, bei deren Anwendung er nicht zugegen war.
System: Der Thaumaturg kann in jeder Lage die angewendeten Disziplinen und ihre Ausprägungen klar erkennen.
Nur Disziplinen können so identifiziert werden, wohingegen die Kräfte anderer übernatürlicher Wesen (mit Aus-
nahme der Scharlatanerie) nur als „Kraft anderer Wesen“ identifiziert werden können. Erzähler können Kainiten,
die über Kainskinder-, Camarilla- oder Sabbat-Kunde verfügen, in entsprechenden Fällen einen Bonus zugestehen.
Im Kampf kann sich ein Kainskind aber nicht lang genug konzentrieren, um sich an alle Effekte zu erinnern, um sie
später zu identifizieren. Unabhängig von den Details werden alle „thaumaturgieähnlichen Effekte“ (sprich Scharla-
tanerie, wahrer Glaube, Dunkle Thaumaturgie und sogar andere Effekte des Falschen Pfades) als Thaumaturgie er-
kannt.
Es sei angemerkt, daß ein Charakter nur Disziplinen erkennen kann, mit denen er ansatzweise vertraut ist. Zum
Beispiel ist es unwahrscheinlich, daß ein Charakter die obskuren Disziplinen mancher kleiner Blutlinien kennt, wäh-
rend Beherrschung nie ein Problem darstellt. Des weiteren stellt diese Kraft keinen Katalog von Disziplinen dar.
Vielmehr erhält der Kainit die Informationen auf mystischem Weg. Ein Camarillamitglied hat vielleicht noch nie die
Anwendung von Telepathie erlebt, es wird aber durch seine Kenntnis von Auspex dazu in der Lage sein, die Kraft zu
identifizieren, wenn es ihre Wirkung miterlebt.
••• THAUMATURGISCHE NOMENKLATUR
Wenn die Spreu erst mal vom Weizen getrennt ist, bleibt nur noch Thaumaturgie mit ihrer Vielzahl von Effekten,
die identifiziert werden müssen. Trotz der frommen Wünsche einiger frustrierter Tremere gibt es keine Grenzen für
die Zahl der Pfade, die man erlernen kann. Aber einige der bekannteren Elemente können identifizierbar gemacht
werden.
System: Eine Kraft, die durch Disziplinen erkennen als „Thaumaturgie“ identifiziert wurde, kann nun genauer als
Pfad, Kraft und Ritual ausgewiesen werden - sogar „wahre Magie“ kann so genauer quantifiziert werden, wenn sie
zum Einsatz kommt. Wenn es sich aber um vergessene, einzigartige oder unbekannte Pfade handelt, ist „nicht quan-
tifizierbar“ meist das Ergebnis.
Wenn ein Effekt fälschlicherweise für Thaumaturgie gehalten wird (sprich, wenn Disziplinen erkennen nicht ein-
gesetzt wurde), wird auch das Ergebnis dieser Kraft falsch sein - der Wunsch ist eben der Vater des Gedankens. Zum
Beispiel könnte der falsche Einsatz dieser Disziplin einem Vampir, dessen Hand Feuer gefangen hat und der mit See-
lenstärke dem Schaden widersteht, den Einsatz von „Lockruf der Flammen“ zuschreiben.
•••• RITUELLER WAHN
Heute ist den meisten Kainskindern bekannt, daß viele Kräfte und Rituale nur eine begrenzte Reichweite haben.
Durch die vielen Transportmöglichkeiten, die den meisten Kainskindern zur Verfügung stehen, haben selbst so grau-
sige Dinge wie der Dienende Pfahl einen Teil ihres Schreckens verloren. Wenn es dem Opfer gelingt, seinen Angrei-
fer nur ein paar Minuten aufzuhalten, vermag es meist zu fliehen. Ein schlauer Thaumaturg kann aber genau das
gegen seine Gegner einsetzen.
System: Indem er diese Kraft einsetzt, kann der Thaumaturg jede Kraft aus dem Stegreif so modifizieren, daß sie nur
den körperlichen Reiz verursacht, sonst aber keinen Effekt hat. Zum Beispiel könnte ein Hexer ein „vages Gefühl
des Unwohlseins und der Bedrücktheit“ hervorrufen, ohne dafür weitere Erklärungen zu liefern, eine erfolgreiche
Wahrnehmung seiner Aura würde aber die Funken zeigen, die typisch für die Anwendung von Magie sind. Ähnlich
verhielte es sich mit der „Bereitung des Gefäßes der nichtigen Übertragung“, bei dem Kainskinder einen kalten
Schauer spüren, wenn sie ein bestimmtes Objekt berühren. Das vielgerühmte „Schutzzeichen gegen Idioten“ ruft in
allen Wesen das Gefühl hervor, auf ein Schutzzeichen zuzuschreiten, das auf seine Art von Wesen eingestimmt ist,
sei es Wolfling, Ghul, Sterblicher, Geist oder Kainit. Ein von sich selbst überzeugtes Kainskind könnte gar seinen
Opfern gegenüber behaupten, daß es sich beim nächsten Mal nicht um einen Blindgänger handeln wird (unabhän-
gig davon, ob er über diese Macht verfügt). Hierbei handelt es sich um eine ungewöhnlich vielfältige Kraft, aber ihre
Effekt sind immer rein geistiger (und psychosomatischer) Natur.
••••• BLUTTRUG
Nach sorgfältigem Studium verschiedener Disziplinen kann der Thaumaturg sich dem Nachahmen ihres äußerli-
chen Effekts widmen. Zum Beispiel könnten dem Tremere plötzlich Klauen wachsen, oder es scheint, als würden
sich andere seinem Willen beugen, oder seine Hände wären plötzlich von knisternden Flammen umhüllt. Natürlich
sind einfach nur seine Nägel etwas länger und verursachen keineswegs mehr Schaden, die Witzfigur hätte eh alles
getan, was der Tremere ihr befiehlt, und mit den Flammen könnte er sich nicht mal eine Zigarette anzünden.
System: Nach einem erfolgreichen Wurf und dem Einsatz eines Willenskraftpunktes kann der Anwender dieser Kraft
eine Runde lang jede Disziplinen, jeden Pfad oder jedes Ritual mit einer Stufe von 5 oder weniger auf sich selbst

BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE

82

Blutmagie05.p65 82 03.11.00, 18:20

Julia Reinecke (Order #10164437)

 anwenden, er muß aber alle Kosten der imitierten Kraft begleichen (Einsatz von Blut, Willenskraftkosten, etc.) Ein
Kainskind, das zum Beispiel Geschwindigkeit nachahmt, könnte zwar nicht kämpfen, könnte aber Taschenspieler-
tricks mit dieser Kraft ausführen (wie zum Beispiel plötzlich beim Lichtschalter zu stehen, ohne daß man die Bewe-
gung sah). Um aber für diese Tricks schneller zu sein als jemand, der selbst Geschwindigkeit besitzt, ist unter Um-
ständen der Einsatz von weiteren Blutpunkten nötig, und selbst dann ist meist eine Handlung gegen Widerstand
notwendig. Aber um eine Versammlung von Kainiten davon zu überzeugen, im Besitz dieser Schnelligkeit zu sein,
kann es sich durchaus lohnen, diese Kosten auf sich zu nehmen, auch wenn man mit diesem Trug niemals schneller
sein könnte, als jemand mit nur einem Punkt in Geschwindigkeit.

schreibt. Auch wenn es Tremere unter diesen Umständen

OPTIONALE REGELN: BLUTVERLUST
Thaumaturgen haben Wege entwickelt, ihren Op-
fern die kostbare Vitæ zu entreißen und so in ihnen
körperliche Schwäche hervorzurufen. Ob das Blut
durch Blutraub gestohlen oder durch Blut zu Wasser
zerstört wird, das Resultat bleibt Blutverlust. Zuzüglich
zu dem durch die Kraft verursachten Blutverlust kann
der Erzähler folgendes verhängen:
Sterbliche erleiden 1 Gesundheitsstufe nicht absor-
bierbaren Schlagschadens für jeden Blutpunkt, den sie
verlieren. Blutverluste haben abgesehen von der Ver-
ringerung ihres Blutvorrats auf Kainskinder keine wei-
teren Auswirkungen, sie können aber durchaus eine
Raserei hervorrufen, wenn sie ausreichen, um das
Kainskind extrem hungrig werden zu lassen.
aufgrund ihrer Verbindungen in Hexerkreisen und ihren
ausgedehnten Bibliotheken leichter fallen sollte, können
doch auch andere Charaktere, die sich dem Erlernen der
uralten blutmagischen Künste verschrieben haben, lang-
sam aber sicher ihre Macht mehren.
Die untenstehenden Zeitschätzungen, ein neues Ritual
zu erlernen, gestatten es dem Thaumaturgen, auch noch
andere Aktivitäten wahrzunehmen. Wenn der Thauma-
turg seine ganze Zeit und Mühe dazu aufwendet, ein Ritu-
al zu erlernen - Vorsicht, Erzähler -, kann diese Zeit durch-
aus halbiert werden. Andere Faktoren sollten auch beach-
tet werden. Um das Spielgleichgewicht zu wahren oder
Charaktere daran zu hindern, ihre Zeit zwischen den Ge-
schichten ausnutzen, steht es dem Erzähler natürlich frei,
die Zeit für das Erlernen eines Rituals nach Gutdünken zu
verändern.

RITUALE DER LERNZEIT VON RITUALEN

THAUMATURGIE
Da wohl Beeindruckendste an Thaumaturgie ist ihre
Vielseitigkeit. Wenn er genug Zeit hat, ein entsprechendes
Ritual zu entwickeln, kann ein Thaumaturg jedes Hinder-
nis überwinden - oder fast jeden Effekt hervorrufen. In der
Tat kann er den Effekt jeder anderen Disziplin zu dupli-
zieren, oder ein Ritual zu entwickeln, daß dieser entgegen
wirken kann. Und das ist erst der Anfang, da Thaumatur-
gie eine unendliche Anzahl von anderen Effekten bereithält...
Auch wenn diese Anpassungsfähigkeit den Tremere ei-
nen deutlichen Vorteil gegenüber anderen Clans gibt, sind
diese Kräfte doch begrenzt. Der Hauptunterschied zwi-
schen den Kräften der thaumaturgischen Pfade (oder an-
deren Disziplinskräften) und der Ritualmagie sind die Vor-
bereitungszeit und die Ausführung der Kräfte. Während
Disziplinen sofort ausgelöst werden können, wird das Wir-
ken von Ritualen doch durch Zeit, Energie und Materiali-
en auf einem vernünftigen Maß gehalten.
DAS ERLERNEN BESTEHENDER RITUALE
Um Rituale zu erlernen, braucht man Zeit und Energie,
aber damit nicht genug: Nur mit einer Kenntnis der Thau-
maturgie, die größergleich der Stufe des Rituals ist, kann
selbiges erlernt werden. Schließlich sollte man auch Zu-
gang zu entsprechendem Wissen und viel Zeit mitbringen.
(Nach Maßgabe des Erzählers müssen Spieler eventuell auch
Erfahrungspunkte einsetzen, um Rituale zu erlernen, s. u.)
Zugang zum Wissen über das Ritual erhält man entwe-
der über einen Mentor oder über ein Dokument, das das
Ritual in allen Details und Mechanismen genau be-
KAPITEL DREI: DIE PFADE
83
Wenn ein Thaumaturg eine neue Stufe in Thauma-
turgie erreicht, kann er ein Ritual mit einer Stufe, die
maximal der neu erreichten Stufe in Thaumaturgie
entspricht, ohne weiteren Aufwand erlernen. Dieses
„Gratis“-Ritual kostet keine über die zum Erlernen der
Stufe in Thaumaturgie hinausgehende Zeit. Abgesehen
von diesen „Gratis“-Ritualen hängt die Lernzeit im all-
gemeinen von der Komplexität des Rituals ab.
Die unten angegebenen Zeiten beziehen sich nur auf
das Erlernen des Rituals, nicht aber auf seine Entwicklung.
Stufe des Rituals Ungefähre Lernzeit
1 1 Woche
2 1 Monat
3 1 Vierteljahr
4 6 Monate
5 1 Jahr
DAS ENTWICKELN NEUER RITUALE
Neue Rituale zu entwickeln ist sehr viel schwerer, als
bestehende zu erforschen. Dem Großteil der untoten
Thaumaturgen mangelt es an den Grundlagen - Hingabe
und Vorstellungskraft -, ein Ritual zu entwickeln. Tremere
brüsten sich gern damit, wenn sie ihre eigenen persönli-
chen Rituale entwickelt haben, denn sie haben viel und
hart arbeiten müssen, um etwas zu vervollkommnen, das
sie ihr eigen nennen können. Das bringt ihnen aber nicht
nur mehr Macht, sondern auch Prestige, da sie nun über
eine einzigartige und persönliche Form der Magie verfügen.
Um ein neues Ritual zu entwickeln, muß der Thauma-
turg einen Wert von 5 in Okkultismus und einen Wert in
DER MAGIE

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Julia Reinecke (Order #10164437)

 Thaumaturgie aufweisen, der 1 über dem des zu entwik-
kelnden Rituals liegt. Ein thaumaturgisches Labor und
eine Bücherei sind zwar nicht notwendig, machen aber
vieles leichter. Der Spieler übergibt dem Erzähler einen
Entwurf des Rituals (inklusive genauem Effekt, Dauer
usw.) Der Erzähler nimmt dann alle Änderungen vor, die
nötig sind, damit das Ritual wirkt (und in seine Chronik
paßt). Unter der Vorraussetzung, daß alle oben genannten
Bedingungen erfüllt sind, kann der Charakter dann begin-
nen, an dem Ritual zu forschen.
Die Stufe des neuen Rituals bestimmt die Grunddauer
der Forschung. Diese nimmt in etwa die gleiche Dauer in
Anspruch wie das Erlernen eines Rituals (s. obige Tabel-
le). Die tatsächlich benötigte Entwicklungszeit wird mit
Hilfe eines erweiterten Wurfes auf Intelligenz + Okkultis-
mus (Schwierigkeit 5 + die Stufe des zu entwickelnden
Rituals, mit einem Maximum von 10) bestimmt. Bei je-
dem Wurf muß der Charakter 2 Blutpunkte pro Stufe des
Rituals einsetzen und benötigt etwa 3 Monate Forschungs-
arbeit. Um die Entwicklung abzuschließen, müssen Erfol-
ge in Höhe der dreifachen Stufe des Rituals erzielt werden.
Wenn auch nur ein Wurf verpatzt wird, erweist sich die
ganze Forschung als Fehlschlag und der Thaumaturg muß
von neuem beginnen.
Des öfteren entdecken Thaumaturgen auch ähnliche
Rituale, die sich nur in wenigen (entscheidenden) Punk-
ten vom von ihnen gesuchten Ritual unterscheiden. In-
dem er seine Arbeit auf dieses Ritual gründet, kann ein
Magier eine modifizierte Version entwickeln, deren Ent-
wicklung viel leichter und weniger zeitaufwendig ist als die
eines völlig neuartigen Rituals. In diesen Fällen beträgt die
Schwierigkeit 3 + Stufe des Rituals.
All diese Regeln sind natürlich nur Anhaltspunkte.
Wenn also laut seinem Gutdünken ein Ritual mehr oder
weniger Forschungs- oder Entwicklungszeit benötigt, ist
das eben so.
Beispiel: Dr. Müller entwickelt ein Ritual der Stufe Drei, das
er Auge der Verdammten genannt hat. Dr. Müller hat eine In-
telligenz von 3 und einen Okkultismuswert von 5. Er widmet
sich 3 Monate lang den Forschungen (wie aus der Tabelle er-
sichtlich), und kann dann beginnen, seine Theorien auf die
Probe zu stellen. Sein Spieler setzt 6 Blutpunkte ein und wür-
felt mit 8 Würfeln gegen 8. Beim ersten Wurf erzielt Dr. Mül-
lers Spieler 5 Erfolge. Um das Ritual aber zu beenden, braucht
er 9 Erfolge. Also verwendet er weitere 3 Monate (und weite-
re 6 Blutpunkte), um das Ritual zu vervollständigen. Bei die-
sem Wurf erzielt er aber nur 3 Erfolge, so daß sich Dr. Müller
gezwungen sieht, weitere 3 Monate seiner kostbaren Zeit für
die Vollendung des Rituals einzusetzen. Beim nächsten Wurf
erzielt er weitere 3 Erfolge, so daß es ihm gelingt, nach einem
Jahr des Forschens und Entwickelns das Ritual fertigzustellen
(3 Monate Forschungszeit + 9 Monate Entwicklungszeit).
THAUMATURGISCHE
RITUALE
RITUALE DER ERSTEN STUFE
BLUTPHIOLE
Um ein Gefäß so zu verzaubern, daß es eine bestimmte
Menge Blut aufnehmen kann und verhindert, daß es ver-
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
84
Blutmagie05.p65 84
Julia Reinecke (Order #10164437)
dirbt, setzen die Tremere dieses Ritual ein. Es ist insbeson-
dere für Kainskinder von Nutzen, denen das medizinische
Wissen oder die Technologie fehlt, das Blut auf gewöhnli-
chere Art und Weise zu konservieren. Der Anwender ver-
gräbt ein Tongefäß für zwei Nächte. Am nächsten Abend
gräbt er es aus und zerbröselt das getrocknete Blatt einer
Esche in seinem Innern. Dann gießt er das zu konservie-
rende Blut hinein, schließt das Gefäß und versiegelt den
Deckel mit Wachs. Solange das Siegel unversehrt bleibt,
bleibt auch das Blut frisch. Obwohl es sich im Mittelalter
großer Beliebtheit erfreute, verschwand das Ritual nach
der Gründung des Sabbat fast vollständig aus den Zauber-
büchern der Tremere. Es ist nun aber anscheinend von
den antitribu zurückerobert worden, scheint aber Verände-
rungen erfahren zu haben, so daß einige der abergläubi-
schen Ahnen fürchten, es könnte durch dämonische Kräf-
te verdorben worden sein.
System: Wenn das Gefäß geöffnet wurde, beginnt das Blut
in normalem Maße zu verderben. Wenn es aber zerbro-
chen wird, nimmt das Blut sofort einen Zustand an, der
dem entspricht, den es ohne Konservierung hätte. Das
Gefäß kann im ersteren Fall wiederverwendet, das Ritual
muß jedoch neu gewirkt werden.
CODE
Um sicherzustellen, daß Nachrichten vor unbefugten
Blicken geschützt bleiben, benutzen die Tremere manch-
mal dieses Ritual, um ihre Dokumente magisch zu sichern.
Bereits vor Jahrzehnten erschaffen, diente es ursprünglich
dazu, Nachrichten an die Front oder in Feindesland zu
schicken. Im Zeitalter der Telekommunikation wird es
aber beileibe nicht mehr so oft eingesetzt. Gelegentlich
findet es noch im Schriftverkehr zwischen den Gildehäu-
sern Verwendung. Durch sein langes Bestehen ist das Ri-
tual sehr bekannt geworden - viele Anarchen in den Frei-
staaten haben es erlernt und benutzen es, um Nachrich-
ten an ihre Kameraden in ihren Graffitis zu verbergen.
System: Der Thaumaturg schreibt im Laufe einer Nacht
die Nachricht mit seinem Blut und spricht den Namen des
Empfängers aus. Nur der Verfasser und der Empfänger
können das Dokument lesen. Es gibt aber inzwischen eine
Reihe von „Gegenritualen“, um diesen Zauber zu neutrali-
sieren. Ohne einen solchen scheint das Schreiben aber nur
aus unleserlichem Gekritzel oder Unsinn zu bestehen.
EILVERMERK
Dieser Segen erlaubt es Formularen und Anträgen, in
Windeseile durch die sonst sehr langsam mahlenden Müh-
len der Bürokratie zu rauschen. Indem er verhindert, daß
die verzauberten Dokumente verlegt werden, gelangen sie
auf dem schnellsten Wege zu ihren Empfängern und um-
gehen sogar all die Geheimdienste und -gesellschaften der
Sterblichen, die sonst versuchen würden, die Unsterbli-
chen in ihrem Treiben zu behindern. Auch wenn es sich
heute als extrem nützlich erweist, wurde dieses Ritual ur-
sprünglich entwickelt, um den Umgang mit der Kirchen-
bürokratie zu erleichtern und Verdachtsmomente von sei-
nem Anwender anzulenken. Das Ritual bedarf der Haare
eines Hundes, der für seine Treue und seinen Schutzin-
stinkt bekannt ist. Beide Tugenden sollen das Formular
führen und beschützen.
DER THAUMATURGIE
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 System: Das Ritual versieht das Papier mit einem magi-
schen Eilvermerk, der sich als magische Aura allen offen-
bart, die danach suchen. Die Bearbeitungszeit wird auf ein
Drittel reduziert, und das Dokument geht nie verloren.
Das Ritual endet, wenn das Papier sein Ziel erreicht hat
und dort endgültig bearbeitet wurde.
GRIPPETEUFEL
Mit Hilfe dieses ekligen Rituals können andere mit ent-
zündeten Augen, Nasen, Ohren, und Rachen belegt wer-
den. Ihre Schleimhäute beginnen zu schmerzen, ihre Oh-
ren füllen sich mit Gewebeflüssigkeit, ihre Stimmen wer-
den rauh und die Augen blutunterlaufen, so daß das Op-
fer wirkt, als ob es jeden Moment in Tränen ausbrechen
könnte. Zum Wirken des Rituals bedarf es nur des Nieder-
schreibens des Namens des Opfers auf ein Stück Papier.
System: Der Grippeteufel hält für eine Szene an, während
derer das Opfer schon nach Widerstandsfähigkeit minus 5
Runden Anstrengung außer Atem gerät. Ein Opfer, das
sich so überanstrengt, erleidet 1 Stufe nichtabsorbierbaren
Schlagschaden, der erst am Ende der Szene zusammen mit
den anderen Symptomen verschwindet. Meist wird dieses
Ritual eingesetzt, um Persönlichkeiten in öffentlichen
Ämtern zu quälen, da ihre „Erkrankung“ ein Umgehen mit
ihnen äußerst unangenehm macht, um nicht zu sagen un-
erträglich - daher erhöhen sich alle Schwierigkeiten auf
gesellschaftliche Würfe um 1. Das Ritual zeigt, wenn es
gegen Kainskinder gerichtet wird, keine Wirkung.
HEHRES ANTLITZ
Manche Thaumaturgen trachten danach, ihren Sexap-
peal und ihren Charme gegenüber anderen zu vergrößern.
Einige nutzen hierzu dieses Ritual. Nach dem Wirken des
Rituals erhält der Thaumaturg eine animalische Anzie-
hungskraft, erscheint begehrenswerter als alle anderen
und erhält Aufmerksamkeit wie sonst nur Topmodels. Da-
mit das Ritual wirken kann, muß der Magier einen ge-
trockneten Minzenschößling in einer seiner Tasche oder in
einem seiner Schuhe tragen.
System: Während der Wirkungsdauer des Rituals erhält
der Anwender 2 zusätzliche Würfel zu allen Würfelvorrä-
ten, die mit Erscheinungsbild zu tun haben. Die Erfolge
ergeben die Wirkungsdauer in Stunden. Erzählern steht es
frei, die Wirkung des Rituals auf ein bestimmtes Merkmal
des Charakters zu beschränken. Zum Beispiel könnte der
Charakter den entsprechenden Bonus erhalten, wenn er
seinem Gegenüber in die Augen schaut, wenn sein tiefer
Bariton ertönt oder sein Lächeln erstrahlen läßt.
INNERER EXORZISMUS
In den Seelen aller Kainkinder lebt ein tobendes Untier.
Durch dieses Ritual kann ein Thaumaturg das Tier in sei-
nem Innern ruhigstellen und sogar einen Vampir der Kon-
trolle des Tieres entziehen. Der Anwender des Rituals
sticht eine Nadel durch seine eigene Hand und beginnt
dann das Ritual. Sofort wird das Opfer seltsam gefügig,
und sogar Rasereien klingen ab. Tatsächlich wird durch
das Ritual der tierische Teil der Psyche zeitweilig vom Rest
getrennt. Es gibt Legenden, laut denen sich Vampire,
nachdem dieses Ritual gegen sie gewirkt wurde, freiwillig
in Starre hungerten.
KAPITEL DREI: DIE PFADE
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Blutmagie05.p65 85
Julia Reinecke (Order #10164437)
System: Dieses Ritual hält so viele Nächte an, wie Erfolge
bei einem Wurf auf Manipulation+Empathie (Schwierig-
keit 10 - Menschlichkeit des Ziels, nie weniger als 1) er-
zielt wurden. In dieser Zeit kann das Ziel nicht Raserei
verfallen. Der Thaumaturg kann dieses Ritual nicht auf
sich selbst anwenden.
DER LETZTE ZEUGE
Dieses Ritual wird eingesetzt, um die Ursache einer
Starre oder des endgültigen Todes bei einem Kainiten fest-
zustellen. Um es einzusetzen, legt der Blutmagier einen
Groschen oder eine andere kleine Münze auf eines der
Augen des in Starre liegenden Vampirs. Die Stimme des
Kainskindes teilt ihm dann die Ursache der Starre mit.
Wenn der Kainit nur noch Asche ist, genügt es, den Gro-
schen irgendwo in die Asche zu legen, um einen ähnlichen
Effekt zu erzeugen.
System: Das Ritual nimmt eine halbe Stunde in An-
spruch, nach deren Ablauf der Magier die Botschaft hört.
Es zeigt keine Wirkung auf andere Wesen als Kainskinder.
MAL DES GELIEBTEN
Oft wird dieses Ritual ausgeführt, um sich Kenntnis über
das körperliche Befinden ihrer Ghule zu verschaffen. Der
erste Teil des Rituals muß über dem Blut sterblicher Zwil-
linge gewirkt werden, das der Magier dann mit seinem
Ghul teilen muß. Nach dem Verzehr des Bluts ist sich der
Vampir jeder Verletzung bewußt, die der Ghul erleidet,
denn er spürt einen Phantomsschmerz, wann immer sein
Ghul ebenfalls Schmerzen erleidet. Daher wäre sich der
Anwender des Rituals sofort der Gefahr bewußt, wenn
sein Ghul einen Bauchschuß erleidet. Ein ähnlicher
Schmerz würde aber auch empfunden, wenn der Ghul
stolpert und sich ein Knie aufschlägt: Das Ausmaß der
Verletzung ist dem Thaumaturgen nicht bekannt, er fühlt
nur, daß sein Ghul in irgendeiner Weise verletzt ist.
System: Sowohl der Hexer als auch sein Ghul müssen je
einen von zwei Blutpunkten trinken, die jeweils einem
Zwilling entnommen und vermischt wurden. Dann spürt
der Magier wie oben beschrieben einen Phantomschmerz
an der Stelle seines Leibes, wo der Ghul verletzt wird: Er
würde also einen stechenden Schmerz in der Schulter ver-
spüren, wenn sein Ghul dort von einem Querschläger ge-
troffen wird.
Dieser Schmerz entspricht in der Intensität aber in kein-
sterweise der Schwere der Verletzung, egal, ob der Ghul
eine oder mehrere Gesundheitsstufen verliert - der
Schmerz bleibt derselbe.
Das Mal des Geliebten hält solange an, wie sein Ziel am
Leben und ein Ghul ist; der Kuß hebt die Wirkung auf, da
ein Vampir nicht zum „Geliebten“ gemacht werden kann.
MYSTISCHES GESPÜR
Dieses Ritual erlaubt es, durch magische Effekte und
Objekte verursachte „mystische Strahlungsrückstände“ zu
spüren. Ursprünglich wurde es entwickelt, um Angehöri-
ge anderer Clans ausfindig zu machen, die Thaumaturgie
oder magische Artefakte einsetzen, und daher ist es unter
jüngeren Tremere, die versuchen, sich einen Namen zu
machen, verbreitet. Die Kraft dauert so lange an, wie der
DER MAGIE
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 Thaumaturg eine brennende Kerze mit sich trägt. Ihr
Licht bringt Magisches zum Glitzern.
System: Nachdem er etwa 5 Minuten lang Formeln into-
niert hat, kann der Thaumaturg magische Effekte spüren.
Mit Hilfe des Mystischen Gespürs können Thaumaturgie,
Nekromantie und andere vampirische Zauber innerhalb
von ein paar Metern eine Szene lang erspürt werden. Es
kann jedoch weder zwischen verschiedenen Arten der
Blutmagie differenziert noch können „normale“ Diszipli-
nen erspürt werden.
RITUS DER VORSTELLUNG
Tremere benutzen dieses Ritual als förmliche Vorstel-
lung, wenn sie in eine neue Stadt kommen. Es scheint
nach Jahrhunderten etwas in die Jahre gekommen zu sein
und wird längst nicht mehr so häufig wie früher eingesetzt
- vielen jungen Mitgliedern des Clans ist seine Existenz
nicht einmal mehr bekannt. Trotzdem bestehen einige
Regenten auf den Einsatz dieses Rituals und dulden kei-
nerlei Verstoß gegen die Gebote der Höflichkeit.
Das Ritual kann aber auch als Hilferuf benutzt werden.
Der Anwender kocht eine handvoll gemahlene Tamaris-
kenwurzel in einem Topf voll Regenwasser und rezitiert
eine kurze Anrufung in die Dämpfe, die sich über dem
Wasser bilden. Dann fügt er 1 Tropfen Galangal-Öl hinzu.
Dann kann er eine kurze Nachricht aussprechen, die tele-
pathisch zuerst an den nächsten Regenten übertragen
wird, dann an das in der Hierarchie folgende Clansmit-
glied, dann ans Ende der Kette usw. Das Ritual erlaubt es
dem Regenten auch zu antworten, dazu halten ihn aber
nur die Traditionen an.
System: Der Anwender hält eine etwa 30 Sekunden dau-
ernde „Rede“, in der er sich den anderen Mitglieder der
Tremere in einer Stadt vorstellt.
Das Ritual kann es auch (s. o.) erlauben, telepathisch
mit dem Regenten zu kommunizieren.
DER SCHREIBER
Dieses Ritual erschafft ein geschriebenes Dokument al-
lein durch die gesprochenen Worte des Anwenders. Der
Thaumaturg spricht den Text, und dieser erscheint auf
mystische Art und Weise auf dem Papier vor ihm. In eini-
gen Varianten des Rituals bringen Federkiele oder andere
Schreibutensilien, die magisch belebt werden, die Worte
zu Papier, aber die verbreitetste Form des Rituals kommt
ohne solche Zurschaustellungen aus. Einigen Thaumatur-
gen ist es des weiteren gelungen, ihre Worte direkt in ei-
ner Datei aufzuzeichnen - was von den meisten Ahnen
aber als höchst vulgär und ungebührlich betrachtet wird.
Die Komponenten dieses Rituals - ein Vogelschnabel oder
eine Eidechsenzunge - werden während des Rituals vom An-
wender zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger zerrieben.
System: Für die Dauer einer Szene wird jedes Wort des
Thaumaturgen auf einer von ihm gewählten Oberfläche
erfaßt. Hierbei handelt es sich meist um Papier (sei es nun
lose oder als Buch gebunden, aber es könnte auch eine
Mauer sein, ein Stecknadelkopf oder etwas anderes). Der
Schreiber paßt die Schriftgröße den Wünschen des Thau-
maturgen und der Oberfläche an, nimmt dabei aber keine
Rücksicht auf Leserlichkeit; eine Niederschrift aller 400
Seiten des Siebten Siegels auf einer Postkarte wäre nur mit
einem Mikroskop lesbar. Hinzu kommt noch, daß der
Schreiber die Wortgewandtheit des Autors in keinster
Weise verändert - wenn also Klarheit und Qualität von
Bedeutung sind, kann der Ausdruckswert des Sprechen-
den durchaus eine Rolle spielen. Der Schreiber kann auch
auf jemanden anderen als den Thaumaturgen gewirkt wer-
den, sollte dieser es wünschen. Dem Thaumaturgen steht
es auch frei, die Kraft jederzeit freiwillig zu beenden.

OPTIONEN FÜR ERZÄHLER

Nicht jeder Erzähler will, daß thaumaturgische Kräfte so leicht oder so schwer zu erlangen sind, wie es in diesem
Buch beschrieben wird. Die hier vorgestellten Regeln gehen davon aus, daß ein Thaumaturg außer Gefecht ist, wäh-
rend er forscht - dies geschieht hauptsächlich aus Gründen des Spielgleichgewichts. Es stehen dem Erzähler natür-
lich auch andere Wege zur Verfügung, die eingesetzt werden können, um thaumaturgische Rituale leichter oder
schwerer zugänglich zu machen.
OPTIONALE ERFAHRUNGSPUNKTEKOSTEN FÜR RITUALE
Da Rituale einen Machtfaktor in die Geschichten einbringen, der fast jeden Effekt simulieren kann, sollten Erzäh-
ler sorgfältig das Erforschen und Erlernen von Ritualen durch Charaktere kontrollieren und überwachen. Um den
Zugang zu Ritualen weiter zu kontrollieren, kann der Erzähler auch entscheiden, daß Charaktere Erfahrungspunkte
einsetzen müssen, um Rituale zu erlernen. Ein Vorschlag wären Erfahrungspunktekosten in Höhe der Stufe des Ritu-
als, aber trotzdem sollten Geschichten nicht nur dazu dienen, ein neues Ritual zu erlernen. Vielmehr ist das nur ein
Hilfsmittel, um die Macht von Tremere-Charakteren zu begrenzen, aber da dies längst nicht immer eine Notwendig-
keit ist, stellen wir nur eine optionale Regel vor.
Beispiel: Rebecca Rosen möchte gern den „Schutzkreis gegen Wolflinge“ erlernen. Der Erzähler entscheidet, daß es sich um ein
verbreitetes Ritual handelt, und hat sich schon einen anderen Handlungsstrang überlegt. Daher findet Rebecca ein paar Spiel-
abende später ein arkanes Werk mit den Details des Rituals. Sie hat den nötigen Thaumaturgie-Wert von 3 und die nötigen
Unterlagen. Der Erzähler gestattet ihr, 3 Erfahrungspunkte einzusetzen, so daß sie das Ritual benutzen darf. Sie muß aber
trotzdem 3 Monate mit dem Erlernen des Rituals verbringen, bis sie es beherrscht.
SELTENE KOMPONENTEN
Der Erzähler kann entscheiden, daß die Rituale seiner Spieler bestimmter ungewöhnlicher Komponenten bedür-
fen, um wirksam zu werden, oder daß ein bestimmter Pfad oder bestimmte „Forschungsmaterialien“ notwendig sind,

BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE

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Julia Reinecke (Order #10164437)

 um es zu erlernen oder zu entwickeln. Das kann entweder als Grundlage für neue Geschichten dienen oder die be-
nötigte Zeit verlängern.
VERBOTENES WISSEN
Magie kann auch nach Maßgabe des Erzählers einfach schwer zu wirken sein und daher einfach mehr Zeit als be-
schrieben in Anspruch nehmen. Haben Sie keine Skrupel, die unter System genannte Zeit beliebig zu verändern.
Vielleicht bedarf es schon eines ganzen Jahres, ein Ritual der Stufe Eins zu entwickeln, während man für eines der
Stufe Fünf Jahrhunderte benötigen würde. Diese Veränderung ist insbesondere angebracht, wenn ein Erzähler Magie
als schwierig darstellen möchte, sie seinen Spielern aber nicht ganz und gar verbieten will.
ABLENKUNG
Die obigen Regeln gehen davon aus, daß ein Charakter, der thaumaturgisch forscht, wenig Zeit mit anderen Din-
gen verbringt, denn arkane Studien verlangen angehenden Gelehrten schließlich auch viel ab. Daher kann es einem
Charakter schwerfallen, während seiner Studien das Verhältnis zu seinem Klüngel zu pflegen. Ernsthafte Forschun-
gen lassen wenig Zeit für die politischen Ränkespiele des Elysiums oder für das Aufgreifen von Sabbatspionen. Daher
verlängern Sie ruhig Studienzeiten, die oft unterbrochen werden.
GEMEINSAME FORSCHUNGEN
Wenn sich mehrere Blutmagier einem Projekt widmen, um einen Pfad oder ein Ritual zu erforschen, muß jeder der
Beteiligten die erforderlichen Bedingungen erfüllen. Es wird bei den Würfen aber immer nur der größte Würfelvor-
rat benutzt, zu dem jeweils 1 zusätzlicher Würfel für jeden weiteren Magier hinzugefügt wird. Auch wenn es die an-
fängliche Forschungszeit nicht verringert, so erhöht es doch die Wahrscheinlichkeit, die nötige Entwicklungszeit des
Rituals oder des Pfades zu verkürzen.

OPTIONALER HINTERGRUND
OKKULTE BIBLIOTHEK
Kato rieb sich die blutunterlaufenen Augen. Endlich hatte er eine Kopie von Brownings’ Journal über Riten und Rauheit
ausfindig gemacht, aber mehrere Kerninhalte wiesen wiederum auf ein anderes Buch hin. Es sah ganz so aus, als ob sich die
Suche nach seinen Quellen, ganz zu schweigen vom eigentlichen Erlernen der Geheimnisse der Zauberei, bis in alle Ewigkei-
ten hinziehen könnte.
Sein Erzeuger schlich von hinten an ihn an und legte ihm ihre Hand auf die Schulter. „Suchst du etwas?“ fragte sie.
„13 hermetische Mandalas“, antwortete Kato. „Es hat mich Monate gekostet, dieses eine Buch hier zu finden, und das
einzig hilfreiche in ihm ist der Hinweis, daß ich ein anderes finden muß.“
„Das Geheimnis besteht darin, zu wissen, wo man suchen muߓ, sagte sein Erzeuger. Dann zog er seine Ausgabe des ge-
suchten Werkes aus seinem Rucksack und legte es vor ihm auf den Tisch.
Einige Kainskinder konnten in all den Jahren ihrer Existenz wahre Horte mystischen Wissens ansammeln. Solch
wertvolle Quellen können Charaktere von ihren Erzeugern geerbt, auf früheren Reisen geborgen, von Mentoren ge-
schenkt bekommen oder von Rivalen gestohlen haben. Heute müssen solche Büchereien nicht einmal mehr in ge-
druckter Form vorliegen - Bücher können in gescannter Form auf CD-Roms gebrannt werden. Selbst ein Kontakt
mit ausgeprägtem okkultem Wissen kann im Rahmen dieses Hintergrunds als Bibliothek betrachtet werden.
Welche Form sie auch haben mögen, okkulte Bibliotheken gewähren dem Charakter Unterstützung, wenn seine
Kenntnis des Mystischen oder Magischen gefragt ist. Immer, wenn der Spieler für seinen Charakter einen Okkultis-
mus-Wurf durchführen soll und der Charakter Gelegenheit hat, seine okkulten Werke zu Rate zu ziehen, verschafft
dieser Hintergrund ihm einen Bonus. Das ist natürlich nicht der Fall, wenn er von einem anderen Kainskind gefan-
gengehalten wird oder gerade eine fremde Stadt besucht. Wenn er sich aber in seiner Bibliothek oder seinem Labo-
ratorium befindet, könnten sich die Informationen als unschätzbar wertvoll erweisen.
• ein paar Bücher: +1 Würfel bei allen Würfelvorräten für Okkultismus
•• eine ansehnliche Sammlung: +1 Würfel bei allen Würfelvorräten für Okkultismus, -1 auf alle Okkultismus-
schwierigkeiten
••• viele bemerkenswerte Titel: +2 Würfel bei allen Würfelvorräten für Okkultismus, -1 auf alle Okkultismus-
schwierigkeiten
•••• breites Spektrum an Wissen: +2 Würfel bei allen Würfelvorräten für Okkultismus, -2 auf alle Okkultismus-
schwierigkeiten
••••• ein hervorragender Querschnitt durch das gesammelte magische Wissen: +3 Würfel bei allen Würfelvorrä-
ten für Okkultismus, -3 auf alle Okkultismusschwierigkeiten

WIEDERGEBURT DER STERBLICHEN einem menschlichen Kind ein Haar ausreißen. Diese Haa-
EITELKEIT re legt er auf einen Spiegel und schaut hinein, während er
Durch dieses Ritual kann der Vampir sein Haar wach- stumm über ihm gestikuliert und so entsprechende Gly-
sen lassen. Für je 2,5 cm Haarwuchs muß der Thaumaturg phen in die Luft zeichnet. Während sein Haar zu wachsen
KAPITEL DREI: DIE PFADE DER MAGIE
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 beginnt, werden die Haare auf dem Spiegel von diesem ab-
sorbiert. Sobald das Ritual beendet ist, sterben die Haar-
wurzeln des Vampirs wieder ab, aber das gewachsene Haar
behält seine Länge, bis es geschnitten wird. Dieses Ritual
kann auf andere Kainiten angewendet werden. Diese müs-
sen jedoch die Haare selbst ausreißen, und sowohl der
Empfänger als auch der Anwender müssen während der
Zeremonie in den Spiegel blicken.
System: Die Zahl der Erfolge gibt an, wie schnell das Haar
wächst. Bei 1 Erfolg dauert es etwa 4 Minuten pro cm
Haarwuchs, während bei 5 Erfolgen die Haare sich aus der
Kopfhaut des Zieles wie eine Fontäne zu ergießen schei-
nen: Sie wachsen mehr als 30 cm in weniger als einer Mi-
nute. Wenn das Haar je kürzer geschnitten wird, als es
beim Kuß war, wird es in der nächsten Nacht auf seine ur-
sprüngliche Länge zurückkehren. Eine Glatze bleibt auch
im Untod erhalten. Es wird jedoch gemunkelt, es gäbe
eine noch mächtigere Version dieses Rituals, die auch bei
glatzköpfigen (und besonders eitlen) Kainiten diesen Ma-
kel zu beheben weiß.
LOB DER KAMIS
Durch Anrufungen und Opfer von Weihrauch erhält der
Anwender für begrenzte Zeit die Unterstützung von als
Kami („hochgestellte Wesen“) bekannten Geistern, die in
allem zu finden sind. Ursprünglich wurde es von japani-
schen Kainiten entwickelt, um sie in Duellen zu unterstüt-
zen, heute wird es vor großen Kraftanstrengungen ange-
wandt. Um das Ritual zu wirken, muß der Thaumaturg ein
Stäbchen Weihrauch verbrennen.
System: Dieses halbstündige Ritual erlaubt dem Thauma-
turgen, die Schwierigkeit einer körperlichen Handlung di-
rekt nach dem Ritual um 2 zu senken. Bei dieser Hand-
lung kann es sich um eine erweiterte Handlung, wie das
Ausheben eines Grabens, oder um eine kurze wie einen
einzelnen tödlichen Schlag in einem Duell handeln.
RITUALE DER ZWEITEN STUFE
BLUTIGER JAMMER
Auch wenn dieses Ritual keinen körperlichen Schaden
verursacht, kann es doch eine Traumatisierung hervorru-
fen, denn es erlaubt dem Anwender, einem Opfer Blut zu
entnehmen, ohne es zu verletzen. Der Tremere muß zu-
nächst dreimal destilliertes Krokodilsblut trinken und eine
Paste aus Kopalharz, gemahlenem Sand und Datteln her-
stellen. Er trägt diese Paste mit sich, bis er ein passendes
Opfer findet, dem er die Paste auf die Augen streicht und
eine kurze Anrufung ins Ohr flüstert. Dann beginnt das
Opfer unkontrollierbar blutige Tränen zu weinen. Dieser
Effekt hält solange an, wie der Anwender sein Opfer an-
starrt. Einzige Nebenwirkung sind die geschwollenen Ka-
pillargefäße der Augen des Opfers und der Blutverlust.
System: Das Opfer blutet sehr langsam: Es dauert 5 Mi-
nuten, einen Blutpunkt aufzufangen. Es gibt jedoch keine
Verteidigungsmöglichkeit gegen das Ritual, wenn der
Sterbliche die Anrufung des Anwenders hören kann. Ei-
nige Thaumaturgen wenden diese Kraft nur gegen Schla-
fende an, um ihnen den unangenehmen Anblick zu ersparen.
BLUTMET
Der Kult des Dionysos glaubte, übernatürliche Kräfte
würden unter dem Einfluß von Oinos oder anderen
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
Rauschmitteln freigesetzt. Daher wurde während der dio-
nysischen Riten ausgewählten Kultisten ein Trank ge-
reicht, der aus einer Mixtur aus Met (einem vergorenen
Honigbier) und Vitæ bestand. Dieser Trunk sollte mächti-
ge Widerstandsfähigkeit verleihen, als sei man berauscht.
Ähnlich verhält es sich bei Thaumaturgen, die dieses Ri-
tual wirken: Sie können sehr viel größerem Schaden wi-
derstehen, als es ihnen sonst möglich wäre.
System: Der Thaumaturg vermischt in ritueller Art und
Weise 2 seiner eigenen Blutpunkte mit dem Honigmet und
erschafft so ein starkes Schmerz- und Rauschmittel, das er
zu sich nimmt. Während der Wirkungsdauer erhält der
Anwender 1 zusätzliche Gesundheitsstufe Blaue Flecken.
Da er aber berauscht ist, erleidet er einen Abzug von 1
Würfel bei Würfelvorräten für Geschick und Intelligenz.
Die Wirkungsdauer des Blutmets entspricht einer Anzahl
an Stunden gleich der Zahl der Erfolge, die der Anwender
nach der Einnahme des Trankes erzielte. Am Ende der
Nacht verdünnt sich der Blutmet und verliert seine magi-
schen Fähigkeiten, weswegen es den Blutvorrat des Trin-
kenden nicht füllt. Es kann aber immer noch eine berau-
schende Wirkung zeigen, je nach der Menge, die der Vam-
pir zu sich genommen hat.
BLUTSTEIN
Dieses Ritual erschafft einen kleinen Stein, der als Or-
tungsgerät benutzt werden kann. Der Anwender legt ei-
nen kleinen Kiesel in eine Phiole mit 3 Blutpunkten be-
liebigen Ursprungs, die nicht einmal von einem Menschen
stammen müssen. In den folgenden drei Nächten muß er
bestimmte Zauberformeln über der Phiole aussprechen. In
jeder Nacht absorbiert der Kiesel dann 1 Blutpunkt, und
die Flüssigkeit wird immer klarer, bis sie in der dritten
Nacht wasserklar ist. Ab diesem Zeitpunkt hat der Vam-
pir eine magische Verbindung mit dem Stein und kann
dessen Position im Bezug zu seiner eigenen erspüren.
System: Der erschaffende Thaumaturg weiß stets, wo sich
der Stein befindet. Bei diesem Wissen handelt es sich aber
mehr um eine Ahnung der ungefähren Entfernung und
Richtung, in der sich der Stein befindet, als um ein genau-
es Wissen um seinen Aufenthaltsort.
BÜROKRATISCHE VERDAMMNIS
Als Antithese zu Eilvermerk entwickelt, sorgt dieses Ri-
tual dafür, daß Formulare, Briefe und anderer Papierkram
des Opfers in den Mühlen der Bürokratie untergehen. Der
Einsatz dieses Rituals rief eine Vielzahl apokrypher Ge-
schichten ins Leben, in denen Tremere damit prahlen, ih-
ren Rivalen das Eigentumsrecht ihrer Zuflüchte entzogen,
ihre Autos beschlagnahmt und Baugenehmigungen wider-
rufen zu haben. Der erste Einsatz dieses Rituals scheint
schon in der Renaissance geschehen zu sein, als ein Tre-
mere einen Lasombra exkommunizieren ließ, weil der es
anscheinend nicht geschafft hatte, der Inquisition einen
Ablaßbrief zukommen zu lassen. Der Thaumaturg muß
während des Rituals mit der Tinte eines Tintenfisches ein
Bild des Zieles zeichnen (die Qualität der Zeichnung spielt
keine Rolle).
System: Die von jedem bürokratischen Prozeß in An-
spruch genommene Zeit verdreifacht sich, was unter an-
derem das Versenden von Briefen und das Beantragen von
Lizenzen und Genehmigungen einschließt. Charakteren
DER THAUMATURGIE
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 mit ausreichendem Einfluß mag es möglich sein, ihr An-
liegen durchzubekommen, sie werden sich aber auch eini-
gen Schwierigkeiten gegenübersehen.
ENTSETZTE SCHRITTE
Eine Flucht kann mit diesem Ritual wirksam beendet
werden, denn je stärker das Opfer versucht zu fliehen, de-
sto langsamer wird es, bis es schließlich bis zu einem Punkt
verlangsamt wird, an dem es sich so gut wie nicht mehr zu
bewegen scheint. Meist kann sich der Vampir dann alle
Zeit der Welt lassen und wird sein Opfer trotzdem einho-
len. Der Kainit bewirft sein Opfer mit einigen Pappelknos-
pen und taucht seine Hände in Öl, während er einen kur-
zen Zauberspruch rezitiert. Dann trocknet er sich die Hän-
de ab und folgt seinem Ziel.
System: In der ersten Runde nach Beendigung des Ritu-
als bewegt sich das Opfer mit halber Geschwindigkeit.
Wenn es versucht, schneller zu werden, verlangsamt es
sich auf ein Viertel. In jeder Runde, in der er versucht zu
beschleunigen, halbiert sich die Geschwindigkeit. Die Wir-
kung des Rituals hält bis zum Sonnenaufgang an.
LAPSUS
Durch dieses Ritual können einem Opfer durch sein
eigenes Blut kleine Malheure zustoßen. Es basiert auf dem
Prinzip der Identität, so daß das Blut des Opfers anstelle
der Vitæ des Anwenders verzehrt wird. Um das Ritual wir-
ken zu können, muß sich mindestens 1 Blutpunkt des
Opfers im Besitz des Thaumaturgen befinden, der ver-
schwindet, nachdem die Sendung unternommen wurde.
Die durch dieses Ritual verursachten Schrecken haben
den Tremere einen üblen Ruf eingebracht, so daß viele
Kainskinder Angst haben, den Tremere auch nur einen
winzigen Teil ihres Blutes zu überlassen. Das schlimmste
an diesem Ritual ist, daß der Thaumaturg sich nicht ein-
mal in der Nähe seines Opfers aufhalten muß, so stark ist
die durch das Prinzip der Identität geschaffene Verbin-
dung. Alles, was er tun muß, ist ein wenig Blut des Ziels
zu opfern...
Der Thaumaturg kann sein Opfer für kurze Zeit verflu-
chen, so daß es bei einer Aufgabe scheitert - dies kann von
Rechtschreibfehlern bis zu Autounfällen reichen, je nach-
dem, wie schlimm er sein Opfer verhext hat.
System: Der nächste Wurf des Zieles scheitert, unabhän-
gig vom Wurf des Hexers. Das ist aber kein Patzer, sondern
nur ein einfaches Scheitern. Bei einer erweiterten Hand-
lung erzielt das Opfer für diese Runde keinen Erfolg - es
kann aber beim nächsten Mal weiter Erfolge sammeln
(wenn sein Scheitern nicht schon seine ganze Mühe zu-
nichte gemacht hat).
LÖSCHEN
Feuer ist eine der größten Bedrohungen für Kainskinder.
Mit diesem Ritual kann ein Thaumaturg ihm aber einen
Teil seines Schreckens nehmen. Der Anwender kann
Flammen löschen, und jeder Vampirjäger dürfte wohl sehr
überrascht sein, wenn er feststellt, daß seine Fackeln und
Brandeisen keine effektiven Waffen mehr sind. Im Rah-
men dieses Rituals löscht der Anwender eine Kerze mit
seinen Fingern, während er auf den Boden spuckt.
System: Dieses Ritual wird präventiv ausgeführt, aber für
die ganze restliche Nacht kann der Kainit mit nur einer
einzigen magischen Silbe ein Feuer bis zur Größe eines
KAPITEL DREI: DIE PFADE
89
Blutmagie05.p65 89
Julia Reinecke (Order #10164437)
Scheiterhaufens löschen. Die Zahl der Erfolge beim Akti-
vierungswurf gibt die Anzahl der Feuer an, die der Treme-
re löschen kann. Das Löschen der Kerze erfordert einen
Rötschreckwurf.
SPURLOSES WANDELN
Der Vampir kann mit Hilfe dieses Rituals selbst durch
den dichtesten Wald reisen, ohne die geringste sichtbare
Fährte zu hinterlassen - dies löscht jedoch nicht seine Wit-
terung aus, so daß Tiere mit hochentwickeltem Geruchs-
sinn ihn aufspüren können. Damit das Ritual seine Wir-
kung zeigt, muß der Thaumaturg eine in Vitæ getränkte
Eulenfeder oder die zu Asche verbrannten Beine einer
Kröte mit sich führen.
System: Für den Rest der Nacht hinterläßt der Thauma-
turg keine Spuren außer einem schwer wahrnehmbaren
Geruch (Wahrnehmung+Aufmerksamkeit gegen Schwie-
rigkeit 8 - es sind drei Erfolge nötig, um Witterung aufzu-
nehmen).
STÄRKUNG DES FLUCHS
Unter der Vorraussetzung, daß sie Vampirblut in ihrem
Körper haben, können Ghule fast unbegrenzt lang leben.
Ein Thaumaturg kann, wenn er dieses Ritual gegen einen
Ghul wirkt, den Fluch der vampirischen Vitæ in dessen
Blut verstärken. Der Ghul wird aber als Nebenwirkung wie
ein Vampir anfällig gegenüber Sonnenlicht. Wenn er sich
auch nur einen Moment im Sonnenlicht aufhält, erleidet
er Verbrennungen dritten Grades. Das kann sich für den
Ghul als tödlich erweisen, wenn er es nicht schafft, einen
Unterschlupf zu finden. Der Vampir muß dem Ghul die
Haut ritzen, bis sie anfängt zu bluten, in einigen Varian-
ten muß er den Ghul aber auch schlagen. Es dürfte klar
sein, daß es sich hierbei um ein unangenehmes Ritual han-
delt, und es wird meist von Thaumaturgen eingesetzt, um
Ghule zu disziplinieren oder zu testen.
System: Damit das Ritual wirkt, ist Körperkontakt zwi-
schen dem Thaumaturgen und dem Ghul notwendig.
Nach Beendigung des Rituals erleidet der Ghul so lange
sich noch vampirisches Blut in seinem Körper befindet für
alle zwei Runden direkter Sonneneinstrahlung eine Ge-
sundheitsstufe schwer heilbaren Schaden. Sobald das ge-
samte vampirische Blut in seinem Körper verbraucht ist,
wird er keinen Schaden mehr in Sonnenlicht erleiden. Für
den gesamten nächsten Monat aber wird der Ghul immer,
wenn sich Vampirblut in seinem Körper befindet, Schaden
durch direktes Sonnenlicht erleiden.
TRIMA
Dieser Oinos wird aus Gewürzen und Kräutern herge-
stellt, die das Blut im Körper des Opfers aufheizen und
Müdigkeit hervorrufen. Manchmal servieren Blutmagier
diesen Trunk vielen Sterblichen auf einmal, beispielsweise
auf Parties oder Empfängen. Das dient dazu, die Maskera-
de besser zu wahren, wenn Vampire von den geistig abwe-
senden Gästen trinken. Kainskinder, die von Sterblichen
trinken, die unter dem Einfluß von Trima stehen, spüren
einen leichten Schwips, der aber nicht reicht, um sie wirk-
lich zu berauschen.
System: Der Wirkende mischt mindestens 1 Blutpunkt
mit dem gewünschten Wein und den Gewürzen. Nachdem
er fertiggestellt wurde, muß der Trima getrunken werden,
um seine Wirkung zu entfalten. Nach der Einnahme muß
DER MAGIE
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 das Opfer einen Willenskraftwurf (Schwierigkeit 8) schaf-
fen, um sich kurzzeitig aus der Apathie lösen und handeln
zu können, da ihn die künstliche Lethargie fast völlig über-
wältigt. Dieser Effekt hält eine Anzahl von Stunden gleich
der Zahl der Blutpunkte, die der Anwender eingesetzt hat,
an. Die Opfer können sich der Wirkung nur entziehen,
wenn es ihnen gelingt, mindestens 3 Erfolge bei einem
Widerstandsfähigkeitswurf (Schwierigkeit 8) zu erzielen.
Kainiten und andere übernatürliche Wesen sind gegen die
Wirkung immun, da ihr Blut zu stark ist, als daß es von der
Mischung überwältigt werden könnte.

GEISTERGEFLÜSTER
Indem er dieses Ritual einsetzt, kann der Vampir als
Astralleib mit der materiellen Welt kommunizieren. Er
kann dann mit jedem sprechen, dem er begegnet, aber sei-
ne Worte sind nur ein geisterhaftes Geflüster. Menschen,
die es vernehmen, halten es oft für die Stimme der Gei-
ster oder der Toten. Während des Rituals muß der Thau-
maturg das Ohr eines lebenden Wesens in seiner linken
Hand halten.
System: Diese Kraft nutzt Vampiren nur, wenn sie Auspex
••••• (Psychische Projektion) einsetzen. Nach dem Wir-
ken dieses Zaubers kann der Kainit 1 Szene lang oder bis
zum nächsten Morgen von ihr Gebrauch machen, je nach-
dem, was früher eintritt. Der Thaumaturg kann nur mit
der materiellen Welt sprechen, kann aber weder gesehen,
berührt noch sonst wahrgenommen werden.

RITUALE DER DRITTEN STUFE

AUFSPÜREN DES ÜBELTÄTERS
Nach der Vernichtung der Tremere antitribu hat eine
Untersekte der Tremere damit begonnen, all jene zu jagen,
die sie Übeltäter nennen. Bei den Übeltätern handelt es
sich um Kainskinder, die nicht den Tremere angehören,
aber trotzdem Thaumaturgie beherrschen. Diese Razzien
gegen jene, die die heiligsten Regeln der Tremere verlet-
zen, sind bisher noch nicht allzu verbreitet, aber man geht
davon aus, daß sich dies durch die Entwicklung dieses Ri-
tuals bald ändern wird. Mit seiner Hilfe können Übeltäter
aufgespürt und gefunden werden, damit die Tremere sie
dann ihrer „wohlverdienten“ Strafe zuführen können. Der
Thaumaturg vergießt sein eigenes Blut, das ihm dann an-
schließend die Fußspuren des Übeltreters enthüllt.
System: Dieses Ritual muß an einem Ort vollzogen wer-
den, an dem vor weniger als 24 Stunden Thaumaturgie
angewendet wurde. Nachdem er das Ritual vollendet hat,
kann der Tremere den anderen Magier für den Rest der
Nacht ohne Fehl verfolgen. Dieses Spurenlesen folgt dem
Weg, den der Übeltäter nahm. Mit Hilfe dieses Rituals
kann aber nur Thaumaturgie verfolgt werden, nicht Ne-
kromantie oder andere Arten der Magie, und es muß min-
destens 1 Blutpunkt bei der Aktivierung des Rituals ein-
gesetzt werden.

BELLADONNA
Mit einer einzigen Berührung kann der Thaumaturg ein
Opfer vergiften. Der Anwender muß seine Hände mit dem
bitteren Extrakt eines Nachtschattengewächses einreiben.
System: Das Opfer würfelt Widerstandsfähigkeit + See-
lenstärke (Schwierigkeit 8). Bei 3+ Erfolgen erweist es
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE
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Julia Reinecke (Order #10164437)

 sich als immun. Bei 2 oder weniger Erfolgen ist dem Opfer LÄUTERUNG DES FLEISCHS
für die nächsten drei Nächte übel und schwindelig, wo-
Vampire müssen das Blut Sterblicher trinken, um ihr
durch sich alle seine Schwierigkeiten um 1 erhöhen.
Unleben fortsetzen zu können, und Hand in Hand mit
BLUTALLERGIE diesem Fluch gehen auch die Gefahren einer Abhängig-
keit von sterblichen Lastern einher: Drogen und Alkohol.
Wenn ihnen durch dieses Ritual ihre verlorene Sterb-
In einigen Fällen fristen Kainskinder ihre Existenz auch als
lichkeit, ihre durchlebten Krankheiten und erfahrenes
Überträger von Geschlechtskrankheiten. Ein Tremere, der
Unglück in Erinnerung gerufen werden, beginnen Kaini-
dieses Ritual ausführen möchte, muß eine ganze Nacht in
ten unter einer Allergie zu leiden, die es ihnen unmöglich
einer Wanne voll destillierten Wassers verbringen. In dieser
macht, Vitæ in ihrem Körper zu halten. Jeder Versuch,
Nacht muß er sein ganzes Blut bis auf den kleinsten Trop-
Blut im Körper zu behalten, sorgt für eine schwere Übel-
fen aus seinem Körper zwingen, so daß sich dieser Prozeß
keit und endet mit heftigen Krämpfen, die die unlebens-
über die ganze Nacht hinzieht. Mit jedem bißchen Blut,
spendende Flüssigkeit durch Erbrechen wieder aus dem
das er ausstößt, wird ein Teil der Abhängigkeiten und
Körper treiben und erst enden, wenn alles Blut erbrochen
Krankheiten von ihm abfallen und ihn nicht länger belasten.
wurde. Nachdem er sein Blut über die toten Blüten einer
System: Der Wirkende liegt in einem Gefäß mit destillier-
roten Rose vergossen hat, kann der Hexenmeister ein Ziel
tem Wasser und vergießt sein ganzes Blut bis auf einen
infizieren.
einzigen Blutpunkt, was meist einer Rate von ungefähr 2
System: Das Ritual bedarf nur 10 Minuten der Vorberei-
Blutpunkten pro Stunde entspricht. Alle Abhängigkeiten
tung, bevor es gewirkt werden kann. In dieser Zeit ver-
von Drogen und alle Krankheiten, die nicht übernatürli-
mischt der Thaumaturg die Blütenblätter mit einem Blut-
cher Natur sind, werden ihn am Ende der Nacht nicht
punkt seiner Vitæ. Das Opfer wird pro Erfolg des Anwen-
mehr behindern, wenn ihn auch großer Hunger plagen
ders für 1 Nacht von der Blutallergie heimgesucht. Den
wird. Dieses Ritual kann auch auf andere gewirkt werden
Opfern ist es unmöglich, Blut intus zu behalten, und sie
- sie müssen ihre eigenen Adern aufschlitzen, während der
sind daher außerstande, ihre vampirischen Kräfte einzu-
Blutmagier über ihnen die Worte des Rituals spricht.
setzen. Wenn der betroffene Vampir nur 3 oder weniger
Blutpunkte hat, werden diese aber nicht erbrochen, Vam- SCHUTZZEICHEN GEGEN FEEN
pire einer älteren Generation erweisen sich ebenfalls als
In lang vergangenen Nächten trafen Bauern und Adlige
resistent. Auch wenn der Blutverlust nicht ausreicht, um
eine Reihe abergläubischer Vorkehrungen, um sich vor
den Kainiten in Starre zu versetzen, so ist er doch stets
Besuchen des Feenvolks zu schützen. Die Tremere erschu-
hungrig und muß daher eventuell einen Rasereiwurf able-
fen dieses Ritual, um sich selbst und ihre sterblichen Die-
gen, wenn er Blut sieht.
ner vor dem Umgang mit den Wilden zu schützen. Als sich
HOHE SCHÖPFUNG das Mittelalter dem Ende zuneigte und die Industrielle
Revolution einsetzte, glaubten die meisten Menschen
Im allgemeinen sind die durch den Pfad der Beschwö-
nicht mehr an Feen, und daher wurde auch dieses Ritual
rung erschaffenen Gegenstände in Größe und Gewicht auf
seltener eingesetzt. In der heutigen Gesellschaft wissen
die Maße des Thaumaturgen beschränkt. Aber durch die-
nur Menschen mit einer engen Verbindung zum Überna-
ses Ritual kann der Beschwörer Gegenstände erschaffen,
türlichen oder dem Okkulten etwas von der Existenz der
die über diese normalen Begrenzungen hinausgehen. Tre-
Wechselbälger, und selbst sie wissen nichts konkretes.
mere können ihre Gegner überraschen, indem sie ein Mo-
Auch wenn es selten eingesetzt wird, so bleibt dieses Ritu-
torrad für die Flucht oder etwas anderes aus dem Nichts
al doch unvergessen, aufgezeichnet für die Zeiten, wenn es
erschaffen. Zum Wirken des Rituals ist es nötig, daß der
wieder gebraucht werden wird.
Anwender sich den Daumen abtrennt. Dieser verschwin-
System: Der Thaumaturg wirkt dieses Ritual wie ein
det während des Rituals. In Thaumaturgenkreisen wird
Schutzzeichen gegen Ghule (Vampire: Die Maskerade, S.
gemunkelt, der Daumen stelle die zusätzliche Masse für
191), aber es übt seine Wirkung auf Wechselbälger aus.
große beschworene Gegenstände bereit, auch wenn das
Für dieses Ritual sind eine Handvoll Späne kaltgeschmie-
Objekt viel größer als der Anwender ist (von seinem Dau-
deten Eisens statt des Blutpunkts nötig.
men einmal ganz zu schweigen).
System: Nachdem er das Ritual vorbereitet hat, sind die TELEKOMMUNIKATION
beim Aktivierungswurf erzielten Erfolge gleich dem Mehr- Diese moderne Hexerei erlaubt dem Anwender, das
fachen der Körperausmaße des Anwenders, die beschwo- Fernsehbild zu beeinflussen. Der Anwender kann Bilder
ren werden können. Zum Beispiel könnte ein Beschwörer, erzeugen, um mit anderen Personen in der Nähe des Ap-
der 3 Erfolge bei seinem Ritualwurf erzielte, etwas erschaf- parats in Kontakt zu treten oder um ihnen falsche Nach-
fen, das dreimal so groß und schwer wie er selbst ist. Der richtenberichte vorzugaukeln: „Wir unterbrechen unser
Einsatz dieses Rituals bedarf 3 zusätzlicher Blutpunkte, die laufendes Programm für diesen Sonderbericht...“ Da der
zu den normalen Kosten zur Beschwörung eines Objektes Thaumaturg auch „aus dem Fernseher“ herausschauen
hinzukommen. Was der Thaumaturg erschaffen kann, kann, dient dieses Ritual des weiteren als höchst effekti-
wird immer noch durch die Stufe des Pfades der Beschwö- ves Überwachungsmittel.
rung bestimmt, die er einsetzt. Hinzu kommt noch, daß System: Jedes innerhalb der letzten Woche berührte Fern-
man sich nur den eigenen Daumen abschneiden kann, sehgerät kann Ziel dieses Rituals werden. Jeder Erfolg er-
wenn man einen erfolgreichen Willenskraftwurf ablegt. laubt es dem Anwender, 5 Minuten lang das Fernsehbild

KAPITEL DREI: DIE PFADE DER MAGIE

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Julia Reinecke (Order #10164437)

 zu kontrollieren. Er versinkt in dieser Zeit in eine medita-
tive Trance. Er kann alles vom Fernseher aus beobachten
und entscheiden, ob er das reguläre Bild zeigt oder seinem
Geist entsprungene Hirngespinste.
TRAUMFÄNGER
Indem der Tremere das Wissen um die Geisterreiche mit
dieser rituellen Magie verbindet, kann er ein niederes Ar-
tefakt erschaffen, daß beim Schutz einer schlafenden Per-
son hilft. Traumfänger werden hauptsächlich von India-
nern eingesetzt und dienen als mächtige Talismane wider
böse Geister. Jeder Traumfänger ist als Einzelstück für eine
bestimmte Person geschaffen, weswegen er auch nur die-
ser hilft. Während der Anfertigung muß der Anwender
etwas Haar, Blut und Speichel des zukünftigen Besitzers
mit den anderen Komponenten verbinden.
System: Der Traumfänger bietet seinem Besitzer zweifa-
chen Schutz. Zum ersten erhalten alle Geister, die versu-
chen, ihn in irgendeiner Weise zu beeinflussen, einen Auf-
schlag von 2 Punkten auf alle Schwierigkeiten. Zum zwei-
ten können bei allen Anwendungen der Oneiromantie
nach Entscheidung des Besitzers ein Abzug oder ein Auf-
schlag von 1 Punkt auf die Schwierigkeit erhoben werden.
Diese gilt nur, wenn sich der Charakter noch im Besitz des
Traumfängers befindet.
RITUALE DER VIERTEN STUFE
GERAUBTE KÜSSE
Thaumaturgen wenden dieses Ritual an, wenn sie sich
nicht oral zu ernähren wünschen. Statt dessen erlaubt
Geraubte Küsse ihnen, kleine Mengen Blut durch andere
Körperteile aufzunehmen. Manche Vampire benutzen ei-
nen Händedruck, andere genießen es, ihre Opfer zu wür-
gen, um den Rausch des Sauerstoffmangels mit dem des
frischen Blutes in alten Adern zu kombinieren, wieder an-
dere werden erregt, wenn sie ihren Opfern beim Sex Blut
entziehen. In jedem dieser Fälle dürfte dem Opfer nicht
klar sein, daß ihm Blut entnommen wird. Meist spürt es
nur Schwindel und hat das Gefühl zu schweben. Für die-
ses Ritual bedarf es eines Hexenkusses - einer in Blut ge-
tränkten Distel -, die der Anwender am Körper tragen muß.
System: Der Blutmagier fügt sich selbst dort einen kleinen
Schnitt zu, wo er in Körperkontakt mit seinem Opfer tre-
ten will. Dann wird das Ritual ausgeführt; am Ende
schließt sich die Wunde von selbst. Aber sie öffnet sich
später in Form einer Mundes (mit Lippen), wenn sie ge-
gen das Fleisch eines Gefäßes gepreßt wird. Dieser „Mund“
saugt auf mystische Art und Weise alle zwei Runden 1
Blutpunkt, solange er in Kontakt mit dem Fleisch des Op-
fers bleibt. Nach dem zweiten auf diese Art und Weise ge-
saugten Blutpunkt dürfte sich das Opfer schwindelig füh-
ren, während die Aufnahme von 5 Blutpunkten eine Ohn-
macht aufgrund von Blutmangel im Opfer hervorruft. Ge-
raubte Küsse hält 1 Nacht lang an.
Ein Tremere ruft mit Geraubten Küssen nicht die gleiche
Ekstase hervor, wie sie beim Saugen mit dem Mund auftritt.
SCHALES BLUT
Eine der mystischen Fähigkeiten des Blutes ist die über-
natürliche Kraft zu heilen. Wenn Blut die Heilung von
Wunden unterstützt, kann jede Verletzung, sei es eine
Stichwunde oder der Verlust eines Gliedmaßes, verheilen.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
Wenn ein Thaumaturg einen kleinen Teil seines eigenen
Blutes auf das Opfer tropfen läßt und dieses Ritual anwen-
det, verliert das Opfer die Fähigkeit, seine Vitæ zur Hei-
lung einzusetzen. Vor Anwendung des Rituals muß der
Thaumaturg ein kleine Menge mit Laudanum versetzten
Blutes zu sich nehmen.
System: Jeder Erfolg beim Aktivierungswurf nimmt dem
Ziel für 1 Nacht seine übernatürlichen Heilungskräfte.
Das Ritual erfordert 20 Minuten Konzentration. In dieser
Zeit wird der Blutpunkt eingesetzt. Nach seiner Vollen-
dung sorgt Schales Blut dafür, daß dem Opfer die Hei-
lungsfähigkeit durch Blut verlorengegangen ist, auch
wenn es ihm erst klar werden dürfte, wenn es zum ersten
Mal versucht, Wunden durch Blut zu heilen. Durch Ein-
satz 1 Willenskraftpunktes kann dieses Unvermögen für
eine Runde aufgehoben werden. Nach dem Verstreichen
der Wirkungsdauer können Wunden normal geheilt werden.
DER SPÄTE FLUCH
Tremere bewahren sich das Wissen um dieses Ritual
meist für einen Ghul auf, der überragende Fähigkeiten auf-
weist oder ihnen besonders am Herzen liegt. Indem er die-
ses Ritual auf einen Ghul legt, kann der Thaumaturg des-
sen Überleben sichern, da im Moment des Todes das
vampirische Blut im Körper des Ghuls zu zirkulieren be-
ginnt und ihn als vollständigen Vampir auferstehen läßt.
Für dieses Ritual brennt der Thaumaturg dem Ghul sein
Siegel auf, das verschwindet, sobald der Ghul Vampir ge-
worden ist.
System: Im Rahmen dieses Rituals ist es unabdingbar, daß
der Thaumaturg 1 permanenten Punkt seines Blutvorrats
zeitweise verliert. Dieser steckt nämlich in jenem Ghul,
den er zu beschützen sucht. 1 weiterer normaler Blutpunkt
muß dann dem Ghul gegeben werden, der bis zu seinem
Tode in ihm bleibt und für keine der normalen Ghulfähig-
keiten eingesetzt werden kann. Nach seinem Tod wird ihn
dieser nichtverfügbare Blutspunkt vor dem endgültigen
Tode retten und ihn nach kurzer Zeit, damit die Mörder
des Ghuls Zeit haben zu gehen, zum Untoten machen. Der
permanente Blutpunkt kehrt dann zum Besitzer zurück.
WASSERSPIEGEL
Der Thaumaturg verwandelt durch dieses Ritual jede
Wasseroberfläche in eine Art „Kristallkugel“, mit der man
Orte oder Personen beobachten kann. Der Anwender
kann so alles sehen oder hören, als befände er sich selbst
vor Ort. Meist werden Wasserschalen und kleine natürli-
che Wasserbecken werden zum Zwecke dieses Rituals be-
nutzt. Alle kleineren (nicht größer als ein Planschbecken)
und ruhigen (um besser sehen zu können) Wasserflächen
werden als ideal betrachtet. Während des Rituals muß et-
was Eulenblut ins Wasser gemischt werden.
System: Auch wenn dieser Zauber der Auspex-Kraft Hell-
sehen (Camarilla-Handbuch, S. 88) ähnelt, gibt es Un-
terschiede. Zum ersten kann der Anwender keine weite-
ren Auspex-Kräfte auf das Wahrgenommene anwenden.
Zum zweiten muß er, um sie auf eine Person zentrieren zu
können, deren wahren Namen kennen oder einen persön-
lichen Gegenstand von ihr in seinem Besitz haben. Zum
dritten kann die Kraft, wenn sie auf einen Ort angewen-
det wird, nicht auf einen anderen Ort wechseln. Das Ri-
tual hält eine Anzahl von Stunden an, die der Anzahl der
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 18:21
 Erfolge bei der Aktivierung entspricht. Der Thaumaturg
muß sich konzentrieren, um Geschehnisse auf der Wasser-
oberfläche wahrzunehmen.
WIEDERKEHR DES HERZENS
Mit diesem Ritual kann ein schwerer Fluch auf weniger
menschliche Kainskinder verhängt werden, denn in Kai-
niten, die Opfer dieser Kraft werden, wird der Teil ihrer
Seele, der langsam starb, von neuem belebt. Mörder wer-
den plötzlich von Schuldgefühlen gepeinigt und bedauern
ihre Taten. Die Auswirkungen auf einige besonders ver-
derbte Vampire sind so schwerwiegend, daß ihre Rudelbrü-
der sie vielleicht gar töten. Um diese Kraft freisetzen zu
können, bedarf es des wahren Namens des Opfers oder ei-
ner gewissen Menge seiner Vitæ.
System: Das Ziel des Rituals unterliegt zeitweilig der Hier-
archie der Sünden für den Pfad der Menschlichkeit, als
hätte es Menschlichkeit 9. Natürlich wird das Opfer nicht
wirklich mit Menschlichkeit 9 ausgestattet - es wird aber
vom Deutlichwerden seiner eigenen Verdammnis überwäl-
tigt. Es behält seinen normalen Pfadwert, ist aber nicht
mehr gegenüber den Grausamkeiten der Welt immun, so
daß es selbst bei den kleinsten Vergehen Entartungswürfe
ablegen muß. Diese Kraft hält für eine Anzahl von Stun-
den an, die den Erfolgen bei der Aktivierung entspricht.
ZERRISSENER GEIST
Haus Tremere, die Meister der Thaumaturgie und des
Auspex, entwickelte diese Form eines geistigen Angriffs.
Die Fähigkeit, in einen Geist einzudringen und die Psyche
direkt anzugreifen, ist einem körperlichen Angriff auf ei-
nen Gegner weit überlegen und fast unmöglich zu entdek-
ken. Der Thaumaturg verspeist während der Vorbereitung
des Rituals das Hirn eines tollwütigen Tiers.
System: Das Wirken dieses einstündigen Rituals erlaubt
dem Anwender, einen telepathischen Angriff auszuführen,
der aber vor Anbruch des nächsten Morgens erfolgen
muß. Der Angriff kann jedes Ziel treffen, daß der Thau-
maturg sehen kann. Ein Wurf mit Intelligenz+Empathie
(Schwierigkeit ist die Willenskraft des Opfers) bestimmt
den Schaden: Jeder Erfolg entspricht 1 Gesundheitsstufe
nicht absorbierbaren Schlagschadens (der bei Kainskin-
dern halbiert wird).
RITUALE DER FÜNFTEN STUFE
ABGETRENNTE HAND
Im Mittelalter wurde dieses Ritual als Strafe gegen jene
Kainiten eingesetzt, deren Vergehen nicht schwer genug
waren, um ihnen den endgültigen Tod einzubringen. In
muslimischen Ländern wurde ein Diebstahl meist mit dem
Abschlagen der „schuldigen“ Hand geahndet. Da Kainiten
über phänomenale Heilungsfähigkeiten verfügen, ist diese
Bestrafung von deutlich geringerer Tragweite für sie.
Durch dieses Ritual kann das Nachwachsen eines abge-
schlagenen Körperteils verhindert werden. Auch wenn das
Abschlagen einer Hand am gängigsten war, wurden gele-
gentlich andere Körperteile wie Augen, Finger oder Zun-
gen entfernt. Die wichtigste Komponente dieses Rituals ist
das entfernte Körperteil, weshalb es meist während der
Verstümmelung ausgeführt wird.
System: Dieses Ritual bedarf einer ganzen Nacht. Dabei
wird die Wunde mit verschiedenen alchimistischen Mi-
KAPITEL DREI: DIE PFADE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
schungen behandelt, um eine Regeneration zu verhindern.
Nach der Vollendung können die Gesundheitsstufen zwar
geheilt werden, aber die Widerherstellung des zerstörten
Körperteils ist nur durch magische Heilung möglich (etwa
durch Obeah).
ERSCHAFFEN DES PERFEKTEN DIENERS
Fasziniert von den Brutprogrammen der Unholde für
Wiedergänger begann ein europäischer Thaumaturg, in
dem er auf so gewonnene Ideen aufbaute, ein Ritual zu
entwickeln, mit dem er sich des Dienstes eines Individu-
ums noch vor dessen Geburt sichern konnte. Indem er den
ungeborenen Fötus im Leib seiner Mutter magisch beein-
flußte, konnte er ihm außerordentliche Talente und Attri-
bute verleihen, während das Kind sich entwickelte. Er und
andere Tremere, die diese Rituale erlernten oder stahlen,
konnten aber auch äußerst grausam sein und diese un-
schuldigen Wesen mit Narben und Behinderungen bele-
gen. Diese Methode, Ghule zu schaffen, fand immer mehr
Zulauf, da sie sowohl die Fähigkeiten der Ghule als auch
das Pflichtbewußtsein ihrer Mütter stärkten. Kinder, die
während der Schwangerschaft Opfer dieses Rituals wur-
den, wachsen vielleicht normal heran, werden aber immer
eine übernatürliche Verbindung zum Magier spüren. Um
dieses Ritual einsetzen zu können, muß er eine Totgeburt
entzweireißen und ihr Blut über den Bauch der Schwan-
geren fließen lassen.
System: Auch wenn es nur einen Wimpernschlag dauert,
ein Kind zu verfluchen oder zu schädigen, muß der An-
wender doch eine ganze Menge Zeit und Energie in die
Segnung eines Kindes stecken um nach der Geburt den
Gewinn einzustreichen (dazu bedarf es etwa fünf Stunden
Arbeit mit der Mutter jede Woche, bis die Wehen einset-
zen, wobei innerhalb der ersten drei Monate der Schwan-
gerschaft mit diesen Ritualen begonnen werden muß).
Wenn alles erfolgreich verläuft, wird das Baby mit außer-
ordentlichen Attributen (drei oder gar vier Punkte pro Ei-
genschaft anstatt der üblichen zwei Punkte) und einer
deutlich größeren Lebensspanne (meist leben Perfekte
Diener 100 bis 120 Jahre lang) ausgestattet. Unglückli-
cherweise sind die Sterblichen besonders stark, gutausse-
hend und gesund, ihre moralische Entwicklung läßt aber
meist zu wünschen übrig. Ihre Menschlichkeit kann 6
nicht überschreiten. Für jeden Fluch, mit dem der Fötus
belegt wird, erhält es eine „normale“ Mißbildung nach
Wahl des Hexers, um es noch stärker an ihn zu binden.
Anmerkung: Die Auswirkungen dieses Rituals liegen in
der Hand des Erzählers, da solche Veränderungen der
Menschheit drastische Auswirkungen auf die Spielbalan-
ce haben können.
GEIST IM SYSTEM
Um sich in unserer immer mehr von Computern und
Informationen abhängigen Gesellschaft behaupten zu kön-
nen, bedurften die Ahnen eines Instruments, das ihre ge-
sellschaftliche Position stützen kann. Früher fiel es Kains-
kindern leicht, ihren Tod vorzutäuschen oder umzuziehen.
Aber heute wird jede Identität durch einen breiten Pfad
aus elektronischen Daten und Formularen dokumentiert.
Mit diesem Ritual wird es möglich, die herkömmlichen
Kanäle für neue Identitäten zu umgehen, denn alte Datei-
en und Akten verschwinden spurlos und machen neuen
DER MAGIE
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 Platz. Wie ein Geist kann der Thaumaturg verschwinden
und in neuer Form wiedererscheinen. Das Ritual wird auf-
grund seines technomantischen Ursprungs (Camarilla-
Handbuch, S. 107 - 108) von vielen Vampiren abgelehnt.
Diese ziehen es meist vor, anonym zu bleiben, statt sich
den Gegebenheiten und Gesetzen der modernen Nächte
anzupassen. Während des Rituals muß ein Haufen Sand
zu Glas geschmolzen und eine Ameise im Innern des Gla-
ses konserviert werden.
System: Für die Ausführung des Rituals ist eine Woche
notwendig, in der das Rezitieren der magischen Formel
und die Zeremonie nur für den täglichen Schlaf unterbro-
chen werden darf. Ein Patzer beim Aktivierungswurf hat
eine Verstümmelung aller Unterlagen zur Folge, die Bezug
auf den Vampir nehmen. Leider ist das so auffällig, daß
Geheimdienste und Behörden aufmerksam werden und
aktiv nach dem Kainiten suchen. Ein Scheitern sorgt
meist in den nächsten Monaten für Schwierigkeiten, bis
der Prozeß abgeschlossen ist - „Leider steht hier in den
Akten, daß Sie tot sind. Wir kümmern uns aber um die-
sen Fehler.“ Bei Erfolg wird allerdings eine Reihe falscher
Aufzeichnungen geschaffen, die es dem Vampir erlauben,
ein Scheinidentität als „normaler, sterblicher Bürger“ an-
zunehmen, die Führerscheine mit nichtexistenten Ken-
nummern, neuerschaffene Geburtsurkunden, Sozialversi-
cherungsnummern, etc. umfaßt.
DIE GUNST DER KOBRA
Als Vorsichtsmaßnahme gegen unfreiwillige Blutent-
nahme verändern manche Tremere mit diesem Ritual ihr
Blut so, daß es mit einem Gift versetzt wird, das alles schä-
digt, womit es in Kontakt kommt. Das Ritual bedarf einer
Mischung aus Kräutern, die mit Schlangengift und Blut
des Thaumaturgen versetzt wird.
System: Nachdem er 1 Blutpunkt in ein Gefäß gefüllt hat,
in dem sich die Kräuter und das Gift befinden, spricht der
Thaumaturg einige Anrufungen, an deren Ende die Mi-
schung pechschwarz wird. Er nimmt dann dieses Elixier zu
sich, was ihm 1 Gesundheitsstufe nicht absorbierbaren,
schwer heilbaren Schadens zufügt. 1 Monat lang wird al-
lem, das mit dem Blut in Berührung kommt, eine Gesund-
heitsstufe schwer heilbaren Schaden pro Blutpunkt zugefügt.
HOF DER HEILIGEN WAHRHEIT
Auch wenn dieses Ritual für Tribunale der Tremere ent-
wickelt wurde, so haben doch eine Reihe von Prinzen die
Tremere im Austausch gegen Gefallen gebeten, es auf ihre
politischen Treffen anzuwenden. Unvoreingenommene
Einschätzungen und knallharte Wahrheiten werden an
diesen Höfen Standard, und vielen Betrügern und Lüg-
nern ist es zum Verhängnis geworden, daß sie unwillent-
lich die Wahrheit gesagt haben. Zwei gekreuzte Knochen
müssen für dieses Ritual vor jeden Eingang zu diesem
Raum gelegt werden, einschließlich der Fenster.
System: Das Ritual verzaubert einen Raum, und jeder in
ihm muß sich der Macht des Zaubers ergeben und die
Wahrheit sprechen. Keine Lügen können mehr ausgespro-
chen werden, und direkte Fragen des Richters oder einer
entsprechenden Person müssen ohne Auslassungen oder
Täuschungsversuche beantwortet werden. Die Magie hält
in diesem Raum einen ganzen Monat lang an. Mehrere
Prinzen haben begonnen, sich zu sehr auf dieses Ritual zu
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Blutmagie05.p65 94
Julia Reinecke (Order #10164437)
verlassen, und dies könnte ihnen zum Verhängnis werden,
da sie entweder enorme Schulden bei den Tremere ansam-
meln oder andere Kainskinder ihre schwerfälligen Takti-
ken satt haben und sich weigern, zu den Treffen zu gehen.
Dieses Kraft läßt unweigerlich die Macht der Prinzen, die
sich zu sehr auf sie verlassen, schwinden, auch wenn eini-
ge zu kurzsichtig sein mögen, das zu verstehen.
STEIN DER WAHREN GESTALT
Durch dieses Ritual kann die falsche Gestalt eines We-
sens gebannt und vernichtet werden, so daß es seine na-
türliche Gestalt annehmen muß. Dieses Ritual würde zum
Beispiel einen verdunkelten Nosferatu enthüllen oder das
Fleisch eines Tzimisce in Zulo-Form dazu bringen, wieder
zusammenzuschrumpfen und seine ursprüngliche Gestalt
anzunehmen. Selbst in Raserei verfallene Garou kann der
Tod ereilen, wenn sie in ihre Wolfs- oder Menschengestalt
zurückgezwungen werden und sich nicht in ihre Kriegs-
form verwandeln können, bevor sie der Thaumaturg in
Stücke gerissen und ausgesaugt hat. Für das Ritual ist ein
kleiner Stein nötig, der die Gestalt des Opfers verändert,
sobald es von ihm getroffen wird.
System: Der genannte Stein von der Größe einer Murmel
ist das Ziel des Rituals. Nach der Vollendung des Rituals
umhüllt der Thaumaturg den Stein mit einem Punkt sei-
ner Vitæ. Die Murmel muß das Opfer berühren, um eine
Rückverwandlung auszulösen. Nachdem der Stein Körper-
kontakt hergestellt hat, führen der Magier und sein Opfer
eine Handlung gegen Widerstand auf Willenskraft durch
(die Schwierigkeit ist die Widerstandsfähigkeit des Geg-
ners). Wenn der Anwender mehr Erfolge erzielt, verwan-
delt sich sein Opfer zurück, wobei die Zahl der Erfolge be-
stimmt, wie lange das Opfer an der Verwandlung gehin-
dert wird.
STEINERNER SCHLUMMER
Dieses Ritual schützt schlafende Vampire, indem es sie
versteinert. Der Anwender muß seinen ganzen Körper mit
dem Blut einer 12 Stunden alten Leiche einreiben und
dann unter freiem Himmel mit Blick Richtung Osten war-
ten. Sobald die ersten Sonnenstrahlen ihn berühren, ver-
wandelt sich sein Körper in Stein. In dieser Form ist er vor
allen Angriffen und allen Arten des Feuers und der Hitze
(einschließlich Sonnenlicht) gefeit, außer die Hitze würde
ausreichen, um Stein zu schmelzen (wie im Falle von Lava
oder ähnlichen Naturgewalten). Telepathie und andere
geistige Disziplinen erweisen sich als nutzlos, da der Geist
des Thaumaturgen sich in einer Art Winterschlaf befindet.
System: Der Anwender muß das Ritual eine Stunde vor
Sonnenaufgang beginnen. Wenn sein Timing nicht exakt
ist, scheitert das Ritual, und der Thaumaturg nimmt durch
das Sonnenlicht schwer heilbaren Schaden. Dieses Ritual
hält bis 10 Minuten nach Sonnenuntergang am nächsten
Abend an. In der Zwischenzeit ist sich der Kainit seiner
Umgebung nicht bewußt und kann auch nicht erwachen.
Hinzu kommt, daß am nächsten Abend ein zusätzlicher
Blutpunkt zum Erwachen nötig ist.
VIRES ACQUIRIT EUNDO
Dies stellt einfach nur einen Weg dar, den Effekt eines
anderen Rituals zu verlängern. Der Anwender sagt eine
komplizierte Formel auf und zerbricht dann eine Sanduhr,
DER THAUMATURGIE
03.11.00, 18:21
 deren Sand er in ein grünes Feuer streut. Diesen Ritus
flicht er in das zu verlängernde Ritual ein. Der einzige
Nachteil des Rituals sind die unterschiedlichen Auswir-
kungen, die es je nach Effekt haben kann, mit dem es ver-
woben werden soll.
System: Dem Erzähler obliegt die endgültige Entschei-
dung über den Effekt dieses Rituals. Im allgemeinen fügt
es etwas zur Zeit oder zur Macht des Zielrituals hinzu, um
seine Dauer zu verlängern oder den Effekt länger anhal-
ten zu lassen. Die Erfolge bei der Aktivierung bestimmen
die Effizienz.
RITUAL DER SECHSTEN STUFE
NASCHKATZE
Man munkelt, manche Vampirahnen könnten nur noch
das Blut anderer Kainiten zu sich nehmen, um ihr Unle-
ben zu erhalten. Selbst die drohenden Schatten Gehennas
werden erst durch den Gedanken bedrohlich, daß die Vor-
sintflutlichen sich erheben und das Blut aller Kainskinder
verzehren werden. Diese machtvolle Magie läßt Kainiten-
blut für den betroffenen Vampir zur Notwendigkeit wer-
den; selbst dünnblütige Vampire können ihr erliegen. Un-
fähig, sich vom Blut der Sterblichen zu ernähren, beginnt
der Vampir, andere seiner Art zu jagen - was meist einem
Todesurteil gleichkommt.
System: Die Vorbereitungen bedürfen dreier Nächte und
mindestens 5 Blutpunkten sowohl vom Ziel als auch vom
Thaumaturgen. Danach hat nichtkainitisches Blut nur
noch ein Drittel seines Nährwertes (abrunden). Im allge-
meinen sind die Auswirkungen dieses Rituals permanent,
aber der Thaumaturg kann es durch einen Gegenzauber
und weitere 5 Blutpunkte des Ziels wieder aufheben.
RITUALE DER SIEBTEN STUFE
ARGUSAUGEN
Dieses mächtige Ritual wird nur in den wichtigsten Gil-
dehäusern und Festungen eingesetzt. Nur wenige außer-
halb des Clans sind sich seiner Existenz bewußt, ganz zu
schweigen von seiner Macht. Nach dem Konvent von Ty-
ros, bei dem Nosferatu heimlich in Alamut eindrangen,
entschied der Rat der Sieben, die Sicherheit des Gildehau-
ses in Wien dürfe nie gebrochen werden. Dieses Ritual war
das Ergebnis dieses Unterfangens. An einem Ort, wo die-
ses Ritual ausgeführt wurde, werden alle den Geist täu-
schenden Kräfte negiert. Bewohner dieser Orte verfügen
über die unirdische Gabe, jegliche Illusionen zu durch-
schauen. Es bedarf der Augen von sieben Kainiten, die ei-
nen der Ausführenden dieses Rituals belogen haben. Die
Augen werden in einer speziellen alchimistischen Lösung,
die bis zum Ende des Rituals verkocht, während des Ritu-
als gekocht.
System: Das erfolgreiche Ausführen dieses Rituals, das 5
Nächte in Anspruch nimmt, bedarf mindestens dreier
Thaumaturgen, um die entsprechenden Anrufungen und
Beschwörungen auszuführen. Nach seiner Vollendung ver-
zaubert das Ritual ein Bauwerk (sei es ein Gebäude, eine
Zuflucht oder ein ganzer Komplex) und wird eine Dekade
lang anhalten. Um das Ritual zu erneuern, ist nur einer
KAPITEL DREI: DIE PFADE
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Blutmagie05.p65 95
Julia Reinecke (Order #10164437)
der ursprünglichen Thaumaturgen nötig. Während der
Dauer des Effektes sind alle Kainskinder im Innern des
Bauwerks immun gegen Verdunkelung, Schimären und
ähnliche Kräfte der Täuschung, einschließlich manchen
Ausprägungen der Beherrschung.
KNOCHEN DES EWIGEN DURSTES
Im Rahmen dieses 3 Nächte dauernden Rituals wird
eine verzauberte Waffe aus Knochen und Elfenbein er-
schaffen. Der Thaumaturg muß die Waffe selbst schnitzen
und sie dann in jeder der 3 Nächte von neuem im Blut ei-
nes einjährigen neugeborenen Vampirs baden. Das Blut
wird von der Waffe absorbiert und kann für nichts ande-
res eingesetzt werden. Der dritte „Spender“ muß ein Kind
des Anwenders sein. Danach ist die magische Waffe ein
mächtiges Werkzeug, das Fleisch und Knochen mühelos
durchdringt und seinen Opfern Kraft raubt. Des weiteren
ist sie fast unzerstörbar.
System: Jeder durch diese Waffe verursachte Schaden ist
schwer heilbar. Hinzu kommt, daß sie für jede Gesund-
heitsstufe Schaden, die sie verursacht, 1 Blutpunkt ihrer
Opfer „trinkt“. Die Waffe kann nur zerstört werden, wenn
sie 20 Blutpunkte eines Opfer absorbiert hat und dann
verbrannt wird. Jede Waffe, die aus Knochen oder Elfen-
bein geschnitzt werden kann, kann für dieses Ritual ein-
gesetzt werden. Sie verursacht je nach ihrer Art Schaden
- Erzähler sollten sich aber vor Spielern hüten, die Kno-
chen-Zweihänder schnitzen wollen.
RITUAL DER ACHTEN STUFE
KLINGE DER VERBOTENEN BLÜTE
Die Tremere hüten das Geheimnis dieses Rituals streng,
und das mit gutem Grund. Wenn auch nur ein Flüstern
über seine Existenz an die Ohren der Camarilla dränge,
würden sie wahrscheinlich sofort der Diablerie beschul-
digt. Dieses Ritual bedarf der Leiche eines Vampirs, der im
Umgang mit der zu verzaubernden Waffe geübt war. Sie
sollte vollständig ausgeblutet, ein kleiner Teil des Blutes
zur späteren Verwendung aufbewahrt werden. Die Waffe
muß siebenmal begossen und geschmiedet werden, wäh-
rend der Thaumaturg die nötigen Formeln rezitiert. Der
Blutmagier trinkt dann den Rest des Blutes und stößt dem
Opfer die Klinge in die Brust. Der Körper zerfällt sofort zu
Asche, die von der Klinge absorbiert wird, auf der nichts
außer ein paar schwarzen Brandmalen zurückbleibt. Die
Seele des getöteten Vampirs wird in die Klinge gebannt
und verleiht dem Träger der Waffe seltsame Kräfte und
geheimnisvolles Wissen.
System: Der Erschaffer der Waffe (oder jemand, dem er
die Waffe aus freien Stücken gegeben hat) ist der einzige,
der die Waffe ohne Gefahr für Leib und Leben einsetzen
kann; jeder andere erleidet pro Runde, in der er die Waffe
auch nur berührt, eine Gesundheitsstufe schwer heilbaren
Schaden. Die Klinge behält alle Fertigkeiten und Diszipli-
nen des Opfers, die vom Benutzer frei eingesetzt werden
können, als seien es seine eigenen. Hinzu kommt, daß die
Waffe schwer heilbaren Schaden verursacht. Der Geist
kann nicht mit anderen kommunizieren, außer die Waffe
wird zerstört, so daß er seine Freiheit zurückgewinnt.
DER MAGIE
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 Blutmagie06.p65 96 07.11.00, 10:41

Julia Reinecke (Order #10164437)

 KAPITEL VIER:
ARKANA
Blutmagie verfügt noch über eine Reihe anderer An-
wendungen als nur die mächtige Thaumaturgie der Tre-
mere. Lange bevor die Geheimnisse der Thaumaturgie ko-
difiziert wurden, nutzten die Kinder Kains schon andere
Magieformen, und selbst in den heutigen Nächten verhält
es sich nicht anders.
Zunächst eine kurze Bemerkung zum Einsatz dieser Ma-
gieformen in Ihren Geschichten: Im Vampire-Grundregel-
werk steht geschrieben, daß gewisse Clans (vor allem die
Assamiten, die Setiten und die Tzimisce) über Thauma-
turgie verfügen können. Die hier neu vorgestellten Regeln
ersetzen die alten (die mehr als ungefähre Annäherung an
den tatsächlichen Sachverhalt gedacht waren) - nun ler-
nen die Wesire der Assamiten assamitische Hexerei, Seti-
ten lernen ihre eigene Magie und die Koldune der Tzimisce
lernen koldunische Hexerei. Die Kosten, die sie zu zahlen
haben, wenn sie mittels Erfahrung ihr Wissen mehren,
sind die gleichen, als lernten sie Thaumaturgie– bei Pfa-
den wird der momentane Wert mit vier, bei der Grunddis-
ziplin (und ihrem „Gratispunkt“ im Primärpfad) mit sieben
multipliziert. Bedenken Sie auch, daß eventuell auch die
Variante in Frage kommt, die Kosten für Thaumaturgie so
zu behandeln, als wäre sie eine clanseigene Disziplin.
KAPITEL VIER: ARKANA
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Blutmagie06.p65 97
Julia Reinecke (Order #10164437)
WESTLICHE
NEKROMANTIE
Kurz nachdem der Urmensch zum ersten Mal einen Un-
terschied zwischen Leben und Tod machte, brachte er sich
die Magie bei, um mit den Geistern der Dahingeschiede-
nen zu sprechen. Die alten Vampire, die sich von diesen
frühen Stämmen nährten, entwickelten sofort im An-
schluß daran Mittel und Wege, diese Magie für ihre eige-
nen Zwecke zu nutzen. Nur wenige Vampire fürchteten
oder respektierten die kleinen Götter der Sethskinder -
manche waren gar so dreist, sich selbst in den Götterstand
zu erheben. Sie standen vor den blutigen Altären der Göt-
ter und stahlen die Gaben, die für die bestimmt waren, die
sie anbeteten. Die ersten Magier unter den Kainskindern
verkehrten die Gunst der Erdgötter ins Gegenteil und be-
raubten Land, Vieh und Frauen der Fruchtbarkeit. Sie
raubten das Glück von den Schicksalsgöttern, Feuer von
den großen Täuschern und Stärke von den Göttern des
Krieges. Und von den Todesgöttern raubten sie Karten der
Unterwelt und die Macht, sich die Toten gehorsam zu
07.11.00, 10:42
 machen. Die Todesgötter gerieten wie die anderen Götter
auch in Vergessenheit, aber die Todesmagie hat sich ihre
bleiche Anziehungskraft bewahrt. Im Laufe der Jahrtau-
sende haben Magier ihre Todesmagier stetig verbessert,
um die aufkeimenden kulturellen Ansichten bezüglich
Göttern, Geistern und dem Jenseits auszubeuten.
Die Geschichte der Nekromantie beginnt wie so viel
vom westlichen Gedankengut und seinen Traditionen im
Griechenland und Rom der Antike. Griechische Mythen
prägen die westliche Sichtweise des Jenseits und der mög-
lichen Wege, sich seine Macht zunutze zu machen und die
Bewohner der Unterwelt heraufzubeschwören. Der grie-
chische Poet Homer beschrieb ein rauhes Jenseits, in dem
unglückliche Geister existierten, für immer in düsteren
Träumen ihres vergangenen Lebens gefangen. Bis zu den
Zeiten Vergils waren die Vorstellungen vom Jenseits und
Schicksal der Toten sehr viel ausgereifter. Vergil beschrieb
detailliert die Geographie einer Unterwelt, die als Justiz-
apparat fungierte. Seelen wurden zu einem Gerichtshof
gebracht, an dem drei unsterbliche Richter die Taten der
Guten belohnten und die Verruchten ihrer gerechten
Strafe zuführten. Erstere verbrachten die Ewigkeit auf den
elysischen Feldern, während letztere in die Feste Tartarus
eingingen, wo sie auf ewig immer wieder die gleichen Qua-
len zu erdulden hatten, die speziell auf ihre Missetaten zu-
geschnitten waren. Da er das Ambrosia gestohlen hatte,
litt König Tantalus von Lydien ewig Hunger und Durst –
Früchte hingen gerade außerhalb seiner Reichweite oder
hüpften ihm gar aus den Händen, wenn er glaubte, sie er-
hascht zu haben, während das Wasser, das ihm bis zum
Hals stand, sich immer dann senkte, wenn er zu trinken
versuchte. Die Richter der Verdammten verurteilten den
Gründer Korinths, Sisyphos, dazu, einen riesigen Felsen
einen Hügel hinaufzurollen. Der Fels rollte jedoch stets
zum Fuß des Hügels zurück, wenn Sisyphos den Gipfel er-
reicht hatte. Auf diese Weise zahlte er für immer für die
Ruhelosigkeit, die ihn dazu getrieben hatte, seine Nach-
barn in sinnlose und zerstörerische Kriege zu verwickeln.
Die Magier-Wissenschaftler der Antike sahen Nachfor-
schungen über das Wesen des Jenseits und die Mittel, mit
denen man mit seinen Bewohnern interagieren konnte, als
vollkommen legitimen Aspekt ihres fortwährenden Bemü-
hens an, das Wissen der Menschen zu mehren. Der im 1.
Jh. lebende Philosoph Apollonius von Tyana soll den Geist
Achills beschworen und Tote wiederauferweckt haben,
zuzüglich einer Reihe weiterer Großtaten wie Hellsicht
und der Heilung von Wahnsinnigen. Im 2. Jh. forschte
Lucius Apuleius, der heute als Verfasser von Der goldene
Esel bekannt ist, nach einer Kontrollmöglichkeit von Gei-
stern, wiederum als Teil eines breiteren Spektrums an
Wundern, die von der Traumdeutung bis hin zur Verwand-
lung in Tierform reichten. Die Neo-Platinisten des 3. Jh.,
die versuchten, eine ganzheitliche Religion zu schaffen,
die Mystizismus, Christentum und die Philosophien Platos
und Aristoteles’ miteinander verwob, studierten die Me-
chanismen, nach denen Geister arbeiteten, und wie man
sie durch Schmeicheleien dazu bringen konnte, Wunder
zu wirken.
Leider machten diese Philosophen sich Feinde, die es als
nützlich erachteten, sie der Schwarzen Magie zu bezichti-
gen. Apollonius wurde angeklagt, einen Jungen geopfert
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
zu haben, um aus dessen Eingeweiden die Zukunft zu le-
sen. Die Behörden beschuldigten Apuleius, er habe sich
der Zauberei bedient, um die Hand einer reichen Witwe
zu gewinnen, und geplant, ihren Sohn zu vergiften. Ne-
kromantie wurde nie als Verbrechen gesehen; der Umgang
mit den Toten galt zu dieser Zeit noch nicht automatisch
als verrufen. Zauberern, die sich darauf beschränkten,
Umgang mit den Geistern der Tugendhaften zu haben und
ihre Errungenschaften für das Gute einsetzten, wurde
nicht mehr Mißtrauen entgegengebracht als anderen
Wunderwirkern.
Diese Haltung veränderte sich mit dem Übertritt des
Römischen Reiches zum Christentum unter Kaiser Kon-
stantin I. im 3. Jh. Viele Zauberer setzten die christliche
Mythologie auf eine Art und Weise ein, die Gläubige als
blasphemisch erachteten. Indem sie eine Lehre verdreh-
ten, die die Anwendung von Zauberei verdammte, began-
nen die Zauberer Jehova und seine Engel um Beistand im
Wirken von magischen Effekten anzurufen. Manche wur-
den zu treuen Christen und schränkten die Grenzen ihrer
Anrufungen stark ein. Vampirische Zauberer, die wußten,
daß ihre Seelen nicht für den Himmel des Christentums
bestimmt waren, sahen keinen Grund, sich um die vielen
nervtötenden Restriktionen der „reinen“ Form dieser Art
von Zauberei zu scheren. Sie zeigten sich jedoch höchst
interessiert, wie andere sterbliche Zauberer frohgemut Je-
hova und seine Engel der großen Reihe von Gottheiten,
Helden, Geistern und Dämonen aus dem Mittelmeerraum
hinzufügten. Gleichermaßen vermengten Nekromanten –
sterbliche wie Kainiten – Kosmologien und riefen ver-
dammte Seelen aus der Hölle herbei, während sie zur glei-
chen Zeit ihre Kraft aus der Unterwelt der Antike gewan-
nen. Daß sie diesen Widerspruch erkannten, hielt sie
nicht davon ab, ihn zu praktizieren, denn dieser Ansatz
zeigte Wirkung, warum auch immer.
Zauberer sahen sich als Praktiker, die Experimente stets
wiederholten, die erfolgreich gewesen waren. Wenn sie
wirklich das Mißfallen Gottes erregten, würde er die Ma-
gie ja nicht wirken lassen, oder? Obwohl diese Rationali-
sierung den Zauberern genügt haben mögen, brachten sie
doch die gerade im Entstehen begriffene Kirche gegen sich
auf. Das Christentum verbot jede Form der Hexerei, wo-
bei vor allem der Umgang mit den Toten besonders ver-
achtet wurde. Als der Einfluß des Christentums wuchs,
begannen weise Zauberer, ihre Aktivitäten im Verborge-
nen fortzusetzen. Die Kirchenväter zogen die Geschichte
des Simon Magus aus Samaria heran, der im Neuen Testa-
ment als aufrichtiger, aber fehlgeleiteter Zauberer auf-
taucht und versucht, den Aposteln Petrus und Johannes
das Geheimnis ihres Wunderwirkens abzukaufen, und
machten ihn zum ersten Ketzer. Jeder, der seinem Weg
folgte, hatte mit ewigen Höllenqualen und weltlicher Ver-
folgung zu rechnen. Viele Zauberer sahen sich als Chri-
sten, da sie versuchten, die Macht der Heiligen und Engel
anzurufen; sie schworen der Nekromantie ab, weil sie sie
nicht nur als gefährlich, sondern als böse erachteten. An
Nekromantie interessierte Zauberer wurden daher doppelt
zu Rebellen, die nicht nur den orthodoxen Ansichten der
Religion, sondern auch vielen anderen Zauberern trotzen.
In ihrer Rebellion fanden die Nekromanten Macht. Die-
se verschworenen Forscher, deren Namen dem Zahn der
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 10:42
 Zeit zum Opfer fielen, setzten eine Spielart der platoni-
schen Logik ein, um zu postulieren, die Regeln, wonach
eine Gesellschaft sich zu leben entschloß, nährten die die-
ser Gesellschaft innewohnende mystische Macht. Die, die
sich am genauesten an diese Regeln hielten, konnten auf
sie zurückgreifen, um Macht zu gewinnen. Man konnte
allerdings auch große Energie gewinnen, wenn man die
Regeln bewußt brach. Daß die Kirche Nekromantie ver-
dammte, ließ nur das Potential für die wenigen Wagemu-
tigen wachsen, die gewillt waren, der christlichen Moral
den Rücken zuzukehren. Folglich wurde das Prinzip des
Tabus in der nekromantischen Praktik unabdingbar. Je be-
deutender und heiliger die Regel, desto mehr Energie ent-
hielt sie. Ergo konnten die mächtigsten Effekte beschwo-
ren werden, indem man Zeremonien abhielt, die die
mächtigsten Tabus der Gesellschaft brachen. Eines der
größten betraf den Umgang mit sterblichen Überresten
von Menschen. Kontakt mit Leichen und Körperteilen
wurde so zu Beginn der christlichen Ära zum zentralen
Fokus nekromantischer Rituale, was in den offeneren und
wißbegierigeren Zeiten der Antike nicht der Fall gewesen
war. Die Anwender der heutigen Nächte, die um sich her-
um die ehedem unangreifbaren Tabus der westlichen Ge-
sellschaft wie die Kartenhäuser einstürzen sehen, sind
dankbar, daß der Kontakt mit sterblichen Überresten ein
ebenso großer Greuel wie ehedem geblieben ist. Diese Ab-
scheu läßt ihre Magie wirken – zumindest der Theorie
nach. Diese Überzeugung erklärt, weshalb die Einzelheiten
der nekromantischen Pfade und Rituale in reiner Perver-
sion gipfeln.
Das andere Prinzip nekromantischer Magie, Autorität,
hat seinen Ursprung ebenfalls im 3. Jh. und gewann im
Verlauf der Bekehrung Europas vom Heidentum zum
Christentum an Einfluß. Der antichristliche Zauberer und
Philosoph Iamblichus führte die Doktrin der Theurgie ein,
die ihre Macht aus Symbolen und dem Gesetz der Korre-
spondenz zieht. Iamblichus entwickelte eine detaillierte
Hierarchie, in der Götter, Helden, Geister, Engel und Teu-
fel in einem einzigen System zusammen, die der Zauberer
anrufen konnte, um Zwängen zu entfliehen. Er entwickel-
te dieses System nicht, damit es von Nekromanten ausge-
beutet werden konnte, aber genau das taten sie. Wenn
man diese Wesenheiten ihrer Bedeutung ordnen konnte,
so dachten die Nekromanten, war es nur logisch, daß Ne-
kromanten den weniger mächtigen Wesenheiten nicht als
Bittsteller sondern als Meister gegenübertreten konnten.
Ironischerweise lieferte biblische Ideologie den Rest der
philosophischen Gleichung. Seit Adam und Eva wies die
christliche Mythologie immer wieder deutlich darauf hin,
daß die Erde ein Geschenk Gottes an die Menschen war,
mit dem sie umgehen konnten, wie sie es für richtig erach-
teten. Der Mensch war dazu bestimmt, sich die Natur un-
tertan zu machen. Nekromanten weiteten diese europäi-
sche Denkweise auf die jenseitige Welt aus: Zauberer soll-
ten die Seelen der Toten beherrschen, eben weil sie es
können. Heute sehen die Nekromanten die Geister der
Toten nur als Ressourcen an, die es auszubeuten gilt. Sie
kümmern sich nicht mehr um das Wohlergehen und die
Wünsche der Verblichenen, die sie anrufen, als um ein Faß
Rohöl oder einen mit Eisenerz beladenen Güterwaggon.
KAPITEL VIER: ARKANA
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Obwohl das westliche Credo der Herrschaft des Men-
schen über die Natur sich erst zu Zeiten der Renaissance,
der Ära der Entdeckungen und Kolonialisierung, am deut-
lichsten zeigte, war die nekromantische Theorie zu diesem
Zeitpunkt durch den Aufstieg der Giovanni schon in ihrer
heutigen Form festgeschrieben. Als Waffenhändler, die ihr
Vermögen während der Kreuzzüge gemacht hatten, erwies
sich das Prinzip der Autorität als zweite Haut für sie. Sie
waren schon erfahrene Nekromanten, als Augustus Gio-
vanni Kappadozius dazu brachte, ihm den Kuß zu schen-
ken, woraufhin er den Vampir und seine Nachkommen
erschlug, um zum Oberhaupt seines eigenen, neuen Clans
zu werden. Ein Großteil der heutigen Nekromantie wurde
in den wenigen, aber unglaublich produktiven Jahren zwi-
schen den ersten Gehversuchen der Giovanni in dieser
Richtung als sterbliche Familie und ihrer Aufnahme in die
Reihen der Kainskinder perfektioniert. Leider mußten die
Giovanni feststellen, daß ihre Innovationsgabe mit ihnen
gestorben war. In den letzten 500 Jahren ist die Kunst der
Nekromantie trotz fortwährender Anstrengungen nur
noch stückchenweise weiter vorangetrieben worden.
Obwohl heutige Nekromanten oft nicht an die buch-
stäbliche Existenz der griechischen Götter und Helden
glauben, bedienen sich viele ihrer Riten weiterhin der Na-
men und Bildsprache der antiken Mythologie, insbesonde-
re in bezug auf das Leben nach dem Tode. Selbst als Sterb-
liche fühlten die ältesten Giovanni eine größere Sympa-
thie für das große heidnische Epos der Antike, als sie es
jemals für die christlichen Gleichnisse und Ikonographie
verspürt hatten. Stets bereit, ihre Belesenheit unter Be-
weis zu stellen, erfreuen sich die Giovanni daran, Feinde
mit obskuren Zitaten aus klassischen Werken zu quälen.
Daher bezieht sich auch das Ritual Thron des Hades auf
den Thron der Vergeßlichkeit, den Hades benutzte, um
Theseus und Pirithous gefangenzunehmen. Statt mit ei-
nem bloßen magischen Zirkel schützen sich die Giovanni
vor bösen Geistern mit einem Zirkel des Zerberus, eine
Anspielung auf den riesigen, drachenschwänzigen, drei-
köpfigen Hund, der die Tore zur Unterwelt bewacht und
die Toten davor abhält, in die Lande der Lebenden zurück
zu fliehen.
ANGEWANDTE NEKROMANTIE
Als erste Lektion lernt ein Student der Nekromantie,
wie wichtig es ist, Sendungen, die auf Tabus beruhen, von
jenen zu unterscheiden, die auf Autorität basieren. Sen-
dungen, die Tabus brechen, verlangen vom Zauberer, sich
im Dreck des Grabes zu suhlen. Sendungen, die sich Au-
torität zunutze machen, erfordern körperliche Reinheit
und Hygiene. (Glücklicherweise ist geistige Reinheit nicht
nötig.) Versucht man, beide Prinzipien im Verlauf eines
einzigen Rituals einzusetzen, läuft man im besten Fall Ge-
fahr zu scheitern, im schlechtesten Fall setzt man die eige-
ne Existenz aufs Spiel. Jeder Ritus, der es dem Nekroman-
ten erlaubt, mit Wesen von anderen Ebenen zu interagie-
ren, beinhaltet weitreichende Absicherungen, die den
Nekromanten vor körperlichem Schaden oder einer mög-
lichen Beeinflussung durch das Wesen schützen sollen.
Die griechischen Urheber dieser Riten sahen Reinheit
und Reinlichkeit als notwendige Komponenten für diesen
07.11.00, 10:43
 Schutz; sie entdeckten, daß Todesalben die Unreinheiten
und Makel eines Nekromanten ausnutzen konnten, um
den Schutz des Zauberers zu umgehen, womit sie vollkom-
mene Handlungsfreiheit in der Welt der Sterblichen er-
hielten. Folglich muß sich ein Nekromant durch Fasten,
Keuschheit und Waschungen selbst reinigen, ehe er einem
Toten gegenübertritt. Lange Vorbereitungszeiten verrin-
gern die Chance, daß eine Wesenheit die Sicherheitsvor-
kehrungen des Nekromanten ausschaltet. Sterbliche Ne-
kromanten werden oft auch eindringlich zur Meditation
angehalten, um sich selbst von emotionalen Altschulden
reinzuwaschen. Vampire stellen fest, daß ihnen ihre chro-
nische Unfähigkeit, leidenschaftliche Gefühle zu empfin-
den, in dieser Situation zum Vorteil gereicht. Ein beschwo-
rener Todesalb, der sich gegen seinen Möchtegern-Herr-
scher wenden kann, sucht die Aura des Zauberers nach
dessen stärksten Leidenschaften ab, die als mystischer
Hebel benutzt werden können, um sich Gehorsam zu ver-
schaffen. Ein von einem Vampir beschworener Todesalb
sucht umsonst, da er nur ein graues Feld verwaschener
Werte wahrnehmen kann.
Wenn der Nekromant seine Vorbereitungen abgeschlos-
sen hat, hüllt er sich in Roben, die makellos und in per-
fektem Zustand sein müssen. Der kleinste Fleck oder lose
Faden kann dem Todesalb den Angriffspunkt bieten, den
er braucht, um das Machtverhältnis des Ritus umzukeh-
ren und den Nekromanten zu befehligen. Die Roben müs-
sen perfekt sitzen; ein zu langer Ärmel oder Saum zählt
auch als gefährlicher Makel.
Der Nekromant zieht dann einen magischen Zirkel, der
als Barriere zwischen ihm und dem Todesalb dient, den er
beschwören möchte. Außerdem hält er unerwartete Gäste
fern; manche opportunistischen Geister warten entlang
der Grenzen zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, in
der Hoffnung, einen Riß in diesen Grenzen ausnutzen zu
können, der durch ein nekromantisches Ritual aufgetan
wird.
Nachdem er sich in dieser formelhaften Weise vorberei-
tet hat, beginnt der Nekromant mit speziellen Gesten,
Anrufungen und Manipulationen bestimmter Gegenstän-
de der Sendung, die er wirken möchte. Zu den bei dieser
Prozedur verwendeten Gegenständen müssen immer Din-
ge gehören, die die folgenden Konzepte symbolisieren: er-
stens die Herrschaft des Nekromanten über den Verbli-
chenen, zweitens das Gefangensein des Verblichenen in
der Unterwelt und drittens die individuelle Identität des
Todesalben. Der Nekromant muß sich keine Gedanken
um den letzten Gegenstand machen, wenn es ihn nicht
kümmert, welchen Geist er beschwört.
Zu den klassischen Symbolen gehören Kronen, Tiaren,
Zepter, Hermelinkrägen, Throne, juwelenbesetzte Ringe
und Medaillen für Amts- und Würdenträger. Zu den mo-
dernen Varianten könnte man Rolex- oder Cartier-Uhren
zählen, mit großen Scheinen gefüllte Geldklammern, Mö-
bel aus Mahagoni oder teure Designerklamotten. Letztere
werden oft als Ersatz für die altmodischen Roben einge-
setzt, vorausgesetzt, sie befinden sich in perfektem Zu-
stand und sitzen wie angegossen; man hüte sich vor der
minderwertigen Schneiderkunst vieler Designermarken
mit großen Namen! Kluge Nekromanten passen ihre Sym-
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
bole der Autorität an das Verständnis der Todesalben an,
die sie beschwören wollen. Die Parodie einer päpstlichen
Mitra leistet bei frommen Katholiken gute Dienste (so lan-
ge sie exzellent gefertigt ist), während die Uniform eines
Generals der richtigen Nationalität und aus der entspre-
chenden Periode dem Nekromanten Autorität über den
Geist eines Soldaten verleiht.
Zu den Symbolen für das Gefangensein sind Ketten, aus
Gefängniszellen ausgesägte Gitterstäbe, Handschellen,
Halsbänder, Gefängniskleidung, Tragen mit Fixierungs-
bändern, Zwangsjacken und Gummihandschuhe zu rech-
nen. Mittelalterliche Nekromanten ziehen vielleicht Fol-
terinstrumente wie glühende Eisen, Streckbänke, Eiserne
Jungfrauen oder Gesichtskäfige vor. Von der Moderne Be-
geisterte entscheiden sich vielleicht für Elektroschocker,
elektronische Fußfesseln, Taser oder Beruhigungsmittel.
Auch wenn es hilft, wenn der Todesalb zu Lebzeiten ein-
mal ein Gefangener war und sich dann dem Gegenstand
gegenübersieht, den er am stärksten mit seiner Haft in
Verbindung bringt, handelt es sich hierbei um einen Bo-
nus und keine Notwendigkeit.
Das beste Symbol für die Identität eines Todesalbs ist
seine Fessel, ein Gegenstand, zu dem er eine schon zu Leb-
zeiten existierende gefühlsmäßige Beziehung hat. Eine der
typischsten nekromantischen Fähigkeiten erlaubt es dem
Nekromanten, sich die Fessel eines Todesalben zu beschaf-
fen, den er auf regelmäßiger Basis befehligen will. Die Fes-
sel ist allerdings nicht zwingend nötig; der Nekromant
muß dem Todesalb nur beweisen, daß er genug über ihn
weiß, um an seinen Fäden zu ziehen. Das Symbol könnte
etwas Berufsbezogenes sein, wie im Falle des Stethoskops
eines Arztes, des Hammers eines Richters oder der Peit-
sche eines Dompteurs. Es kann sich um etwas Persönliches
handeln – ein liebgewonnenes Foto, die Abi-Zeitung oder
einen Ehering. Oder es könnte ein Lieblingsinteresse oder
–hobby widerspiegeln – eine Kamera, um einen Fotogra-
fen einzufangen, ein Modellmotorrad, um einen Moto-
crossfan anzutreiben, einen Angelhaken, um einen Ang-
ler zu fangen.
Es würde nicht zu den tabubrechenden Riten passen,
folgten sie einem ähnlich formelhaften Arrangement wie
dem obigen. Jedes Wirken ist einzigartig. Sie werden je-
doch alle durch gemeinsame Elemente geprägt.
Die offensichtlichste Gemeinsamkeit besteht darin, daß
bei allen sterbliche Überreste (in der Regel von Men-
schen) oder andere mächtige Symbole des Todes zum Ein-
satz kommen, die in den Lebenden Ekel auslösen. Grabs-
taub, Bruchstücke von Grabsteinen, Maden (besonders
diejenigen, die noch vor kurzem mit dem Verzehr von to-
tem Fleisch beschäftigt waren), Sargnägel, Balsamierungs-
chemikalien und Autopsiewerkzeuge passen alle sehr gut
in diese Kategorie. Laut der nekromantischen Lehre müs-
sen die Symbole des Todes für die Gesellschaft von Bedeu-
tung sein, in der der Anwender operiert. Beispielsweise
meiden traditionell gesinnte Chinesen die Bronzeurnen
aus der Vergangenheit ihrer Nation, da sie mit dem Tod in
Verbindung stehen; gleichzeitig werden sie von westlichen
Sammlern chinesischer Kunst als Antiquitäten und Kunst-
werke gesehen. Eine dieser chinesischen Urnen würde ei-
nem Nekromanten westlicher Herkunft in einem westli-
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 10:43
 chen Land wenig nutzen, könnte sich aber als nützlich er-
weisen, wenn der Nekromant entweder ein Tabu seiner
eigenen Erziehung bricht oder seine Magie in China wirkt.
Tabubrechende Riten streben danach, Überbleibsel und
Relikte des Todes mit Handlungen zu verbinden, die die
Gesellschaft als Ganzes in keinster Weise mit dem Tod in
Verbindung bringt: Die Jugend wird als Gegenteil des To-
des gesehen, also binden die Nekromanten Kinder oder
Symbole für Kindheit in ihre Zeremonien ein. Fruchtbar-
keit ist das Gegenteil des Todes, also vollführen die Nekro-
manten im Verlauf ihrer Sendungen lustlose, sterile sexu-
elle oder quasisexuelle Handlungen. Nekrophilie stellt den
ultimativen Ausdruck dieses Konzepts dar. Die verkomme-
nen Giovanni, die schon erfahrene Nekrophile waren, ehe
Hexerei überhaupt ins Spiel kam, haben zahllose exotische
Abarten dieses abscheulichen Aktes erforscht, um die
Macht ihrer Magie zu bewahren. Eine sehr in Mode ge-
kommene Technik umfaßt den chirurgischen Aufbau neu-
er Penisse und Vaginae aus dem Fleisch und den Knochen
von Toten. Die Chirurgen der Giovanni bringen diese neu-
en Geschlechtsorgane am Rücken, Bauch, Hals oder
Schenkeln der Leiche an, so daß bis zu einem Dutzend
Nekromanten gleichzeitig demselben toten Geschlechts-
partner beiwohnen können, unabhängig von dessen ur-
sprünglichem Geschlecht. Dies sollte ihre Macht für eini-
ge Jahrzehnte bewahren; danach werden sich die Giovan-
ni etwas wirklich Perverses einfallen lassen müssen.
NEKROMANTISCHE RITUALE
Die folgenden Rituale verstärken die Kräfte des Nekro-
manten und bieten ihm Schutz vor den Toten.
System: Der Spieler würfelt Intelligenz + Okkultismus
gegen eine Schwierigkeit von 3 + der Stufe des Rituals
(maximal gegen 9).
Bestimmte Zeremonien verliehen den Nekromanten
Boni, wenn sie ihre Ritualmagie wirken. Die Schwierigkeit
jedes Effekts, der gegen einen Todesalb gerichtet ist, sinkt
um 1, wenn die Symbole des Gefangenseins (s. S. 100), die
bei dem Ritual verwendet werden, jenen entsprechen, die
der jeweilige Todesalb am stärksten mit Gefangenschaft
oder Folter assoziiert. So erinnert sich der Todesalb eines
Entführungsopfers daran, mit Klebeband geknebelt wor-
den zu sein; für einen Nekromant, der Magie auf diesen
Todesalb wirken möchte, verringert sich die Schwierigkeit
um 1, wenn er eine Rolle Klebeband bei seinem Ritual
zum Einsatz bringt.
RITUALE DER ERSTEN STUFE
SCHÄNDUNG DER PERSEPHONE
Ein in den unangenehmeren Aspekten der Nekroman-
tie geschultes Team von Chirurgen führt eine ausgeklügel-
te Operation an einem unlängst Verstorbenen oder einer
gut erhaltenen Leiche durch. Aus dem toten Gewebe des
Kadavers schaffen sie bis zu sieben neue Penisse, Vaginae
oder andere Geschlechtsorgane.
Der Nekromant hat dann Verkehr mit den neuen Geni-
talien der Leiche. Dann kann er für den Rest der Nacht
die Schwierigkeit für jegliche nekromantische Magie – mit
Ausnahme derer, die auf Geister, Spuke oder Gespenster
abzielt – um 2 verringern.
KAPITEL VIER: ARKANA
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Wenn eine Gruppe von Nekromanten dieses Ritual ge-
meinsam durchführt, können sie für den Rest der Nacht
ohne Einschränkungen Willenskraftpunkte austauschen.
Während dieser Zeit kann ein Teilnehmer die taktilen
Empfindungen eines anderen Teilnehmers wahrnehmen,
indem er sich einige Sekunden konzentriert und 1 Wil-
lenskraftpunkt ausgibt, unabhängig von der Entfernung,
die die beiden Teilnehmer trennt. Maximal können sieben
Nekromanten dieses Ritual gemeinsam durchführen.
ZIRKEL DES ZERBERUS
Der Nekromant badet, fastet und entsagt für eine Nacht
allen körperlichen Freuden und Annehmlichkeiten, insbe-
sondere denen sinnlicher Natur. Dann legt er teure Roben
oder andere Kleidung in sehr gutem Zustand an. Danach
zieht er an einem sicheren Ort einen Kreis auf dem Bo-
den. Dann kann er sich daranmachen, weitere nekroman-
tische Kräfte einzusetzen, wohl wissend, daß sein Schutz
vor Geistern und Gespenstern verstärkt wurde.
Jeder Erfolg verringert die Schwierigkeit aller Würfe um
2, die der Spieler ablegen muß, um Schaden oder Beein-
flussung durch einen Geist, einen Spuk oder ein Gespenst
zu widerstehen, solange er sich innerhalb des Zirkels auf-
hält. Behandeln Sie alle Patzer beim Einsatz nekromanti-
scher Pfade wie ein einfaches Scheitern.
RITUAL DER ZWEITEN STUFE
DAS URTEIL DES RADAMANTHUS
Der Nekromant wählt einen Todesalben aus, den er spä-
ter noch beschwören möchte, und setzt die Kraft Seelen-
ruf des Pfads des Grabes ein. In einem gereinigten Kohle-
becken aus Bronze verbrennt er einige Seiten aus einem
Gesetzbuch und einer religiösen Schrift, die zu den Über-
zeugungen passen müssen, die der Todesalb zu Lebzeiten
pflegte. Er vermischt die Asche der Bücher mit Silberpul-
ver und benutzt diese Mischung, um seinen Zirkel des Zer-
berus (s. o. oben) zu ziehen. Wenn der Todesalb erscheint,
sagt ihm der Nekromant, er verfüge über die Macht, ihn
ins wahre Jenseits zu schicken, das Jenseits, an das der To-
desalb früher einmal glaubte. Wirkt das Ritual, so glaubt
der Todesalb dem Nekromanten. Fürchtet der Todesalb
Höllenqualen oder das Urteil, das ihm zuteil werden wür-
de, kann der Nekromant ihn immer noch zum Gehorsam
zwingen, indem er dem Todesalben androht, seine Kraft
einzusetzen. Sehnt sich der Todesalb nach dem Himmel
und einer Flucht aus seiner bizarren Existenz in der Un-
terwelt, kann er sich der Nekromant der Kooperation des
Todesalben sicher sein, indem er verspricht, seine Kraft
einzusetzen. Da der Nekromant dieses Versprechen nicht
einhalten kann, wirkt das Urteil des Radamanthus nur
einmal bei jedem nach dem Himmel suchenden Todesalb.
Todesalben, die Atheisten waren oder nicht an Leben
nach dem Tod geglaubt haben, werden nicht von diesem
Ritual beeinflußt.
RITUAL DER DRITTEN STUFE
DIE WASSER DES STYX
Der Nekromant schändet ein Grab und raubt den Schä-
del der Leiche. Er sägt die Schädeldecke ab. Das abgesäg-
te Stück formt eine Schale aus Gebein. Er überzieht es mit
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 Ton, fertigt eine Schüssel daraus und brennt sie in einem
Ofen. Ißt ein blutsverwandter Nachfahre der Leiche wäh-
rend eines Mahls mit dem Nekromanten aus dieser Schüs-
sel, wird jedes Versprechen, das das Subjekt gegenüber
dem Nekromanten ablegt, auf magische Weise bestärkt.
Hält das Subjekt ein Versprechen nicht ein, wird er von
einem Spuk heimgesucht, der ihn unablässig quält, bis er
es einhält oder dem Nekromanten eine annehmbare Ent-
schädigung bietet.
Zusätzlich zu der Zeit, die man braucht, um das Grab zu
schänden, dauert es mindestens 4 Stunden, um die Schüs-
sel zu formen und zu brennen, je nachdem, wie gut die
Schüssel aussehen soll. Man kann die Schüssel immer wie-
der verwenden, bis sie zerstört wird.
RITUAL DER VIERTEN STUFE
DIE WASSER DER LETHE
Der Nekromant beschafft sich einen Gegenstand, der
sich einmal im Besitz eines bestimmten Todesalben befand
oder sehr großen symbolischen Wert für diesen hatte. Der
Gegenstand muß durch Wasser geschädigt werden kön-
nen; der Nekromant zerstört ihn, indem er ihn im Wasser
liegen läßt. Während des Zersetzungsprozesses speit er in
regelmäßigen Abständen ins Wasser. Wenn der Gegen-
stand zerstört ist, beschwört der Nekromant den Todesalb
oder sorgt anderweitig dafür, daß er sich in seiner Gegen-
wart aufhält. Der Todesalb verliert seine Erinnerung an
seine Identität und wird für Vorschläge des Nekromanten
höchst empfänglich. Natürlich ist dieses Ritual nutzlos,
wenn der Nekromant von dem beschworenen Geist Ant-
worten erhofft.
Pro erzieltem Erfolg hält der Gedächtnisverlust des To-
desalben 1 weitere Nacht lang an. Seine Willenskraft fällt
um die Anzahl der erzielten Erfolge; er kann seine Wil-
lenskraft nicht wieder auffrischen, solange der Effekt noch
anhält.
RITUAL DER FÜNFTEN STUFE
DER THRON DES HADES
Der Nekromant beschafft sich Oberschenkelknochen
und Schienbeine einer Leiche – die Schwierigkeit der Sen-
dung sinkt um 1, wenn er das Grab persönlich schändet.
Er schlägt die Knochen in grobes Tuch und faßt sie dann
so in Holz oder Metall ein, daß ihre Länge gleich wird und
sie ein gewisses Gewicht tragen können. Dann baut er ei-
nen Stuhl; jeder eingefaßte Knochen dient als ein Stuhl-
bein. Wenn ein blutsverwandter Nachfahre der Leiche
sich auf den Stuhl setzt, verliert er jegliches Interesse an
einer anderen Tätigkeit, als einfach nur in diesem Stuhl
zu sitzen. Er steht nur auf, um seinen körperlichen Bedürf-
nissen nachzugehen.
Immer, wenn sich ein geeignetes Opfer auf den Stuhl
setzt, würfelt der Spieler des Nekromanten Intelligenz +
Okkultismus gegen dessen Willenskraft. Bei Erfolg hält die
Wirkung an, bis der Stuhl zerstört wird. Dann tut das Op-
fer selbst dann, wenn es gewaltsam von dem Stuhl gezo-
gen wird, alles, um wieder auf ihm sitzen zu können. Zu-
sätzlich zu der Zeit, die man braucht, um die Knochen zu
beschaffen, dauert der Bau des Stuhls mindestens acht
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Stunden. Der Nekromant kann mehr Zeit auf die Ferti-
gung des Stuhls verwenden, damit er besser aussieht oder
um ihm einem existierenden Möbelstück nachzuempfin-
den.
VOODOO-NEKROMANTIE
Die Jünger des Voodoo, des religiös-magischen Glaubens-
systems der Haitianer, fürchten sich sehr vor Ouangas –
jener Schwarzen Magie, die darauf abzielt, Menschen zu
schaden. Bokkor, die Anwender dieser Ouangas, kennen in
ihren Zaubern keine Grenzen. Über ihre Macht über die
Toten hinaus behaupten sie, sie könnten Flüche ausspre-
chen, das Wetter kontrollieren, Felder verdorren lassen
und überhaupt all jene Untaten begehen, die im Volks-
glauben den bösen Zauberern auf der ganzen Welt nach-
gesagt werden. Trotz des breiten Spektrums an Kräften,
die den Bokkor zugeschrieben werden, fürchten die einfa-
chen Leute keine Form der Schwarzen Magie mehr als die
Sprüche und Rituale, die sich um den Tod und die Toten
drehen.
Voodoo-Anhänger fürchten die Aufmerksamkeit der
menschlichen Voodoo-Priester (Houngans), die sich dem
Bösen hingegeben haben, aber diese Ängste sind fehlge-
leitet. Eifersüchtige, ängstliche Anhänger machen immer
wieder selbst die tugendhaftesten Houngans zum Gegen-
stand haltloser Gerüchte, die sie mit Zauberei und Todes-
magie in Verbindung bringen. Wenn einige der lautstärk-
sten Ankläger nicht gerade ein anderes Ziel für ihre He-
xenjagd gefunden haben, setzen sie ihre Houngans in
heuchlerischer Weise unter Druck, Ouangas-Riten durch-
zuführen, um ihre Feinde zu verfluchen. Die wenigen
Houngans, die zugeben, Zauberer zu sein, verlassen sich in
der Regel mehr auf Täuschung und Suggestion anstatt tat-
sächlicher übernatürlicher Kräfte. Beispielsweise bringt
ein Houngan die Leute dazu, Angst vor ihm zu haben, in-
dem er sich auffällig kleidet und überall Gerüchte über sei-
ne Bereitwilligkeit verbreitet, andere schon bei der gering-
sten Provokation mit Flüchen zu belegen. Er führt Zauber-
tricks vor, die nur auf Fingerfertigkeit beruhen, und gibt sie
als magische Sendungen aus. Er übernimmt die Verant-
wortung für Krankheiten, Naturkatastrophen und Anfäl-
le von Irrsinn. Einige wenige äußerst angreifbare Men-
schen beginnen ihn so sehr zu fürchten, daß sie psychoso-
matische Leiden entwickeln – was den schrecklichen Ruf
des Houngan nur noch weiter verbreitet.
Echte Ausbrüche der Todesmagie des Voodoo stammen
nicht von lebenden Houngans, sondern von Kainskindern,
die ein ohnehin sehr in der Magie verwurzeltes Glaubens-
system ausbeuten, um sich mit äußerst nützlichen Kräften
auszustatten. Die Kainskinder haben weder Voodoo noch
Houngans, ja nicht einmal die Todesmagie dieser Traditi-
on selbst erfunden; ein paar Abenteuerlustige unter ihnen
sind einfach nach Haiti gekommen, als ihnen Gerüchte
von Zombies und einem kooperativen Todesgott zu Ohren
kamen.
Die Voodoo-Religion fand ihre jetzige Form um 1512, als
die spanischen Herren Haitis die ersten schwarzen Skla-
ven in die Minen der Insel holten. Voudoun erblühte als
Mischung aus unterschiedlichsten Glaubensinhalten der
ursprünglichen Stämme der versklavten Arbeiter. Ein oder
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 10:44
 zwei Kainskinder fanden damals Zuflucht in Haiti, ange-
lockt durch die grenzenlosen Möglichkeiten der Nah-
rungsaufnahme, die der Sklavenhandel ihnen bot. Sie ge-
hörten zu den europäischen Piraten, die durch die mit
Gold beladenen Schiffe der Spanier in der Region angezo-
gen wurden. Als sie auf Haiti ankamen, ließen sich einige
Piraten nieder und bauten Plantagen auf, die wiederum
mit afrikanischer Sklavenarbeit am Laufen gehalten wur-
den. Die ersten Kainskinder unter den Kolonisten widme-
ten der religiösen Entwicklung ihrer Sklaven ebensowenig
Aufmerksamkeit wie die sterblichen Piraten, mit denen sie
auf die Insel gekommen waren. Hätten sie es getan, ver-
stünden die heutigen Anwender der Voodoo-Nekromantie
wahrscheinlich noch mehr von der Metaphysik, die der
von ihnen gewirkten Magie zugrunde liegt.
1698 unterzeichnete Frankreich einen Vertrag mit Spa-
nien, der die Kolonie in den Besitz der Franzosen überführ-
te und einige französische Kainskinder nach Haiti brach-
te. Französisch wurde zur Landessprache und der Katholi-
zismus zur Staatsreligion. Die Sklavenkultur übernahm ei-
nige Elemente aus der katholischen Ikonographie und
paßte sie an ihr Pantheon aus Göttern und Geistern an.
Eine Kainitin der Insel, eine Lasombra mit Verbindungen
zu den Giovanni namens Gisèle Hemmet, interessierte
sich für die Ouangas und die neuen Möglichkeiten, die sie
den festgefahrenen Traditionen der westlichen Nekro-
mantie boten. Indem sie sich in eine Zelle wandernder
Ouangas-Anwender einschleuste, wurde sie insgeheim zur
Houngan geweiht und wurde, wie sie es sich innigst er-
wünscht hatte, von dem Loa „geritten“, den man Baron
Samedi nennt.
Samedi ist der Herr der Friedhöfe, die Inkarnation der
Schwelle zwischen Leben und Tod. Obwohl er eine
schreckliche, furchteinflößende Gestalt sein kann, sehen
ihn die meisten Gläubigen nicht als Petro-Loa oder bösen
Geist. Normale Gläubige verehren ihn in der Hoffnung, er
möge ihre verstorbenen Familienangehörigen zu ihrer an-
gemessenen letzten Ruhe als Loa-racines oder Ahnengei-
ster führen. Er ist dazu bereit, wenn man seine Gunst ge-
winnt, indem man am Grab des Angehörigen Nahrung,
Kreuze und die obligatorischen 3 Centimes opfert. Ebenso
herrisch wie spitzbübisch verspottet Baron Samedi die
Menschheit ob ihrer Lüste und Leidenschaften. Abbilder
seines grinsenden, an einen Totenkopf erinnernden Ge-
sichts starren von den Wänden der Houmfors auf den Be-
trachter herab und sollen an die Torheit sterblicher Sor-
gen und Nöte angesichts der Ewigkeit des Todes erinnern.
(Das Houmfor ist die zentrale Hütte in jedem größeren
Tempelkomplex, der Ort, an dem alle Zeremonien durch-
geführt werden.)
Gisèle Hemmet hatte erwartet, daß es Baron Samedi
gefallen würde, einen Kainiten zu reiten, und so war es
auch – aber nicht ganz so, wie sie es sich erhofft hatte. Sie
war mit der Annahme in die Initiationszeremonie gegan-
gen, dieser primitive Todesgeist wäre so schockiert und er-
freut, von der Existenz der Kainiten zu erfahren, daß er
seine neue Houngan nicht nur als eine besondere Diene-
rin des Todes, sondern als verlorenes Kind erachten wür-
de. Die naive, ungehobelte Gottheit würde sie bestimmt
mit neuen mystischen Kräften überschütten, die sie für
ihre eigenen Zwecke würde einsetzen können. Als die Prä-

KAPITEL VIER: ARKANA

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Blutmagie06.p65 103 07.11.00, 10:44

Julia Reinecke (Order #10164437)

 senz Baron Samedis jedoch in ihren Geist und ihren Kör-
per eindrang, wurde sie von einem uralten Bewußtsein
überwältigt, das unglaublich viel mächtiger war als sie
selbst. Gisèle wand sich in Krämpfen, als die Verachtung
des Barons ihr und ihrer Art gegenüber über sie hinweg-
spülte. Baron Samedi bot ihr Macht, die sie gierig annahm,
obwohl sie nur annähernd begriff, daß der Preis, den sie zu
zahlen haben würde, ihr Selbstvertrauen und ihre Selbst-
achtung sein sollten. Gisèle hatte sich töricht einem We-
sen unterworfen, das viel größer, mächtiger und bedeutsa-
mer war als sie und, wie sie schon bald herausfinden wür-
de, das immer an ihrer Seite blieb, ganz gleich, wie sehr sie
sich auch wünschte, es würde verschwinden.
In den nächsten Jahren kam Baron Samedi viele Male
zu ihr – immer ungebeten. Manchmal bot der Baron ihr
weitere Magie an, wie ein Schankwirt, der einem Trunken-
bold ein Glas Freibier unter die Nase stellt. Meist kam er
jedoch nur, um ihre Gewißheiten in Zweifel und ihre Si-
cherheit in Schrecken zu verwandeln. Vampire, so flüster-
te er ihr zu, seien noch lächerlicher als Sterbliche. (Er be-
stand darauf, den vulgären Ausdruck Vampir zu verwen-
den, besonders, nachdem er gesehen hatte, wie sehr Gisèle
unter dieser Bezeichnung litt.) Ihre Pläne seien zum Schei-
tern verurteilt. Ihre Überzeugung, unsterblich zu sein, sei
eine Lüge. Sie seien im Übergang zwischen Leben und Tod
gefangen, weder hier noch dort, und doch seien sie der
Selbsttäuschung erlegen, die Herren der Welt zu sein.
Gern würde er ihr Macht schenken; er würde sie jedem
verleihen, der sich von ihm reiten ließ. Aber nicht, weil
diese Kräfte ihnen helfen würden –im Gegenteil. Seine
Hilfe würde ihre Torheit nur noch untermauern. Er würde
seine Gaben verschenken, weil es ihn amüsierte. Vampire
waren der schmutzigste Witz, den der Baron seit Jahrhun-
derten gehört hatte.
Mehrere Kainiten scharten sich um Gisèle, da sie auf das
okkulte Wissen versessen waren, das sie erlangt hatte.
Gisèle brachte andere ins Houmfor, damit der Baron sie
reiten konnte. Da sie immer noch nach Samedis Anerken-
nung suchte, versprach sie, ihm eine Legion kainitischer
Jünger zu bringen, die seine Houngans werden sollten. Er
lachte über dieser Neuigkeiten Tränen. Manchmal warnte
sie allzu eifrige Rekruten, keinen Fehler zu machen. Nur
wenige schenkten Gisèles Worten Glauben. Die, die ge-
nauso töricht waren wie sie selbst, verdienten es, ihr
Schicksal zu teilen, beschloß Hemmet reumütig. Ein klei-
ner Klüngel von Kainiten unterschiedlichster Clans durf-
te schließlich sehen, wovor sie sie gewarnt hatte; die, die
am fasziniertesten von dieser Offenbarung waren, wurden
die Houngans des Barons.
1791 kam es zu einer Revolte unter den Sklaven Haitis,
die zum Sturz ihrer Herren führte; Haiti wurde zur zwei-
ten Republik der nördlichen Hemisphäre. Gisèle Hemmet
hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, zu einer solch
schockierenden Umkehrung der gesellschaftlichen Ord-
nung beizutragen, aber nachdem der Aufstand erst einmal
ausgebrochen war, unterstützte sie ihn auf subtile aber be-
deutsame Weise. Sie hoffte, Baron Samedi ihren Wert be-
weisen zu können und aus seiner Kampagne aus Hohn und
Spott zu entfliehen. Sie erzählte ihm, sie hätte es getan,
um seinem Volk zu helfen; er warf den Kopf in den Nak-
ken und lachte wie immer. Der Erfolg der Sklaven war nur
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eine Illusion; angesichts des Todes gab es keine Freiheit.
Haiti würde immer ihm gehören; selbst er besaß nicht die
Freiheit, diesen Sachverhalt zu ändern.
BARON SAMEDI UND SEINE
HOUNGANS
200 Jahre änderten nur wenig an der beschämenden
Beziehung zwischen einem Houngan und dem spöttelnden
Geist, der den Houngans die Macht verleiht, nach denen
es sie begehrt, in der Hoffnung, sie setzen sie ein, um sich
selbst zu vernichten.
Um ein Houngan des Barons zu werden, wohnt ein Kult-
ist einem Ritual bei, das von Priestern geleitet wird, die
bereits in die Dienste Samedis getreten sind. Zum Klang
der Trommeln verfallen Priester wie Anwärter in einen ek-
statischen Tanz aus schnellen, ermüdenden Bewegungen,
die eine Bewußtseinsveränderung hervorrufen (die robu-
ste vampirische Physiologie führt dazu, daß kainitische
Jünger viel länger tanzen müssen als Menschen, um die-
sen Trancezustand zu erreichen). Die Zeremonie kann vie-
le lange, mit Ritualen verbrachte Nächte erfordern, ehe
sich der Baron erbarmt, seinen neuen Schutzbefohlenen
zu reiten. (Erfahrene Houngans lernen mit der Zeit, diesen
Zustand mit Leichtigkeit zu erreichen.)
Wenn der Ritt beginnt, übernimmt der Loa den Leib des
Anwärters, woraufhin der Körper mit einer ganz anderen
Stimme spricht – manchmal auch in einer ganz anderen
Sprache – und auch eine veränderte Körpersprache auf-
weist. Er erklärt, er sei der Baron, und verwickelt die an-
deren Teilnehmer des Rituals in ein Gespräch. Beginnt der
Ritt sehr früh, befragen die anwesenden Houngans den Loa
genau, um sicher sein zu können, daß es Baron Samedi ist,
der zu ihnen gekommen ist, und nicht irgendein niederer
Petro-Loa, der die Zeremonie zu seiner eigenen Belustigung
nutzt. Ist es nicht Baron Samedi, führen die Houngans ei-
nen Ritus durch, der den störenden Loa vertreiben soll,
und fahren anschließend mit der Zeremonie fort, bis
schließlich der Baron erscheint.
Nach seiner Ankunft erklärt der Baron, der Anwärter
habe sich nun endlich den kosmischen Wirklichkeiten des
Todes ergeben, obwohl es noch Jahrhunderte dauern
kann, bis der Anwärter sich eingestehen wird, daß dem
wirklich so ist. Er fragt den Houngan, um welchen Gefal-
len er ihn ersucht. Der Baron verkündet, er haben den
Gefallen gewährt, in der Hoffnung, dies werde sein verlo-
renes Kind die wahre Bedeutung des Barons erkennen las-
sen. Dann verschwindet er und läßt einen erschöpften
Anwärter zurück, der auf dem festgestampften Lehmbo-
den des Houmfors zusammenbricht wie ein Spielzeug, das
von seinem Besitzer fallengelassen wird. Nachdem sich der
Anwärter erholt hat, erkennt er, daß er nun über die Kräf-
te verfügt, nach denen er suchte.
Außerdem erfährt er, daß er einen persönlichen, binden-
den Vertrag mit Baron Samedi geschlossen hat, der nicht
gelöst werden kann, selbst wenn er dem Einsatz der Kräf-
te, die ihm der Baron gewährt hat, abschwört. Baron Sa-
medi kann nun jederzeit erscheinen; er lehnt es ab, seine
Überraschungsbesuche auf jene Augenblicke zu beschrän-
ken, in denen seine Houngans sich zufällig im oben be-
schriebenen Trancezustand befinden. Ein Auszug aus dem
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 10:45
 Tagebuch Gisèle Hemmets, der in den Kreisen der Kains-
kinder weite Verbreitung gefunden hat, schildert einen
solchen Vorfall detailliert. Gisèle bereitete sich auf ein
Treffen vor, bei dem sie damit rechnete, von einem assa-
mitischen Auftragsmörder angegriffen zu werden. Erst er-
schien ihr Baron Samedi unter der Dusche, wo er sich aus
dem Nichts heraus materialisierte und sie so sehr er-
schreckte, daß sie sich am Duschkopf eine Platzwunde am
Kopf zuzog. Als sie ihre kleine, aber peinliche Wunde ver-
sorgte, hockte er auf dem Rand ihres Waschbeckens, bau-
melte mit den Beinen und führte eine sinnlose Unterhal-
tung mit ihr, die sich um die möglichen letzten Worte be-
deutender Persönlichkeiten kurz vor ihrem Tod drehte.
Der Baron würzte seine Plapperei mit einigen schlüpfrigen
Bemerkungen und Beleidigungen. Einmal verstummte er
kurz, um ein paar Spritzer Blut aufzulecken, die von
Gisèles Kopfwunde ins Waschbecken getropft waren.
Dann schnitt er eine Grimasse und deutete ein scheinbar
lustig gemeintes Ausspucken an, das Gisèle kein bißchen
amüsierte. Sie befahl ihm zu gehen; er antwortete ihr mit
der kryptischen Aussage über die beunruhigende numero-
logische Bedeutung der Klimadaten aus diesem Jahr, wo-
bei er andeutete, daß dies das Aus für Gisèle und ihre Plä-
ne vorhersagen könnte. Unfähig sich zurückzuhalten bet-
telte sie zum hundersten Mal um mehr Respekt und Tole-
ranz seinen demütigen Dienern gegenüber. In ihrem Tage-
buch läßt Gisèle die darauffolgende, einstündige philoso-
phische Diskussion wiederauferstehen, in der der unaus-
stehlich arrogante Baron sie auffordert, ihm Fragen bezüg-
lich seiner Motive und seiner Herkunft zu stellen, auf die
er nur widersprüchliche und ausweichende Antworten
gibt. Anschließend begann er, die Lücken in Gisèles Plan,
sich vor dem Assassinen zu schützen, aufzudecken, und
weckte Zweifel an Verbündeten, denen sie bis dahin voll-
kommen vertraut hatte. Vor seinem Verschwinden infor-
mierte er sie, sie sei zum endgültigen Tod verurteilt, ihre
Pläne würden ihr nur umso mehr Elend einbringen, soll-
ten sie denn jemals fruchten, und er würde eines Nachts
voll und ganz von ihr Besitz ergreifen – obwohl er noch
nicht einmal den ausdrücklichen Wunsch verspüre, dies zu
tun.
Falls ein entnervtes Opfer einer Heimsuchung den Ver-
such unternimmt, den Baron anzugreifen, so verschwindet
er, und nur sein Siegesgelächter hallt noch eine Weile
nach. Wenn er denkt, sein Opfer sei noch nicht entnervt
genug, dann materialisiert er sich sofort wieder lachend an
irgendeiner anderen Stelle im Raum.
Wenn er ungebeten auftaucht, ergreift der Baron nicht
Besitz von seinem Houngan. Es ist sonst zu schwierig, eine
gute Unterhaltung zu führen. Er manifestiert sich als
Geist, dessen Erscheinungsbild er ganz nach Belieben ver-
ändert. Er taucht stets als beeindruckender Schwarzer auf.
In der Regel entschließt er sich, etwa 1,80 m groß zu er-
scheinen, bisweilen nimmt er jedoch auch die Gestalt ei-
nes Zwerges an. Der Baron kann ebenso gut kahlköpfig wie
aufwendig frisiert sein; sein Gesicht ist mal glattrasiert,
mal trägt er einen Vollbart oder einen riesigen Schnauzer.
Seine Kleidung ist extravagant. Manchmal ist er ausstaf-
fiert wie ein Pirat aus dem 16. Jh.: schwarzer Samtumhang,
Rüschenhemd, ein Arsenal gestohlener Medaillen und
Orden an der Brust und ein breitkrempiger Hut mit einer
KAPITEL VIER: ARKANA
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15 cm hohen Krone (auf deren Vorderseite ein schmeich-
lerisch-freundlicher Totenschädel mit darunter gekreuzten
Knochen zu sehen ist). Wenn ihm danach ist, taucht er
mit der Gesichtsbemalung und dem Lendentuch eines
afrikanischen Schamanen oder im dunklen Anzug eines
Totengräbers des 19. Jh. auf. Nachdem 1973 Leben und
Sterben lassen in die Kinos kam, in dem viele Voodoo-Ele-
mente vorkamen, erschien er oft in der Gestalt des Schau-
spielers Geoffrey Holder, der ihn in diesem Film so exzel-
lent verkörperte. Mitte der 80er gab er diesen Scherz auf,
als Holder in einer Reihe von Werbespots für das Erfri-
schungsgetränk 7-Up posierte. Heute manifestiert er sich
zumeist in einem sehr stilbewußten Outfit, wobei jedes sei-
ner Kleidungsstücke in irgendeiner Weise ein tierisches
Produkt ist: lange Lederjacke mit Hermelinkragen, weißes
Seidenhemd mit Elfenbeinknöpfen, Hosen aus Haifisch-
haut und Schlangenlederstiefel. Kommt ein Houngan dem
Baron zu nahe, reißen die Schlangen auf den Stiefelspit-
zen ihre giftigen Augen auf, öffnen ihre fangbewehrten
Mäuler und zischen. In all diesen Verkleidungen wandert
er bisweilen während einer Zeremonie durch die Reihen
seiner Jünger, kneift oder tritt die einen, während er die
anderen leckt oder küßt.
Ist Baron Samedi nicht zugegen, haben die Houngans oft
unter anderen ungebetenen Besuchern zu leiden. Immer,
wenn sie sich in der Nähe von Petro-Loas oder frei durch
die Nacht streifender Seelen aufhalten, hören sie die Stim-
men dieser Wesen in ihren Köpfen. Diese Wesen lauern
überall auf Haiti. Ihr ständiges Murmeln, Plappern und
sinnloses Geschnatter stellen aber eine geringere Gefahr
für das Wohlergehen ihrer Zuhörer dar, als die impertinen-
ten Zwischenrufe des Barons. Dennoch können sie nervig
sein oder – wenn Konzentration von höchster Bedeutung
ist – sich als tödliche Ablenkung erweisen. Überall, wo
Animismus vorherrscht, gibt es Loas und ähnliche Geister
in Hülle und Fülle. In Brasilien, wo Anhänger der Geister-
religionen Candomblé und Macumba Riten praktizieren,
die denen des Voodoo in ihren Grundzügen (wenn auch
nicht in den Details) sehr ähneln, plappern die Geister
selbstredend in Portugiesisch anstelle von Französisch. In
Afrika, wo die Wurzeln des Voodoo liegen, erweisen sich
die örtlichen Geister als ebenso nervend, was auch für die
dichten Wälder an der nordamerikanischen Pazifikküste
oder die windumtosten Weiten der Tundra gilt, durch die
die Totemgeister streifen. Da viele Anhänger der Geister-
magie mehr und mehr in die Städte vordringen, wird auch
das Territorium der unruhestiftenden Loas und ihrer Vet-
tern größer. Ganz egal, ob sie von Mojo-Jüngern in New
Orleans oder Santeria-Priesterinnen in den Einwanderer-
vierteln New Yorks beschworen werden, sie warten nur
darauf, den Houngan nerven zu können. Glaub nicht, du
könntest uns entkommen, flüstern sie. Die ganze Millenniums-
hysterie war und ist genau unser Ding. Wir sind Teil der Glo-
balisierung. Die Leute sind der alten Götter müde, von denen
sie ja doch nur ignoriert werden. Die Welt gehört uns.
DIE SAMEDI
Kurz nach der Sklavenrevolte machten Gisèles Unterge-
bene sie auf eine unangenehme Überraschung aufmerk-
sam. Sie hatten einen hageren, seltsamen Kainiten festge-
setzt, der sich auf ihrem Anwesen herumtrieb. Die Krea-
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 tur, die mehr wie ein wandelnder Leichnam als wie ein
richtiger Kainit aussah, gab von sich nur seinen Namen
preis: Macoute. Unter der Folter behauptete sie schließ-
lich, einer Blutlinie namens Samedi anzugehören. Gisèle
bezichtigte es, sich die Gunst Baron Samedis erschlichen
zu haben, in der Annahme, er formiere ihr zum Hohne
eine neue Gruppierung von Kainiten, um sich mit ihr an-
zulegen. Obwohl er grausame Wunden von der Folter trug,
lachte Macoute ob dieser Aussage nur. Sein wehmütiges,
halbverrücktes Verhalten erinnerte sie sehr stark an das
Wesen des Barons, was ihr Beweis genug für ihre Theorie
war. Sie unternahm eine kurze Säuberungskampagne ge-
gen die Geschwister Macoutes, die erst ins Stocken kam,
als die Samedi einige Kameraden Gisèles diablerierten.
Macoute gab sich schon oft als der Baron aus und ist sogar
so weit gegangen, eines seiner Kinder nach der Frau des
Barons zu nennen – Brigitte.
Heute halten sich die Samedi (s. Vampire-Kompendi-
um, S. 10-11) und Gisèles Houngans voneinander fern.
Die Samedi bleiben unter sich oder verdingen sich als un-
abhängige Söldner in den Machtkämpfen der Kainiten.
Die Houngans sehen die Samedi als einen weiteren ausge-
klügelten Witz des Barons auf ihre Kosten. Die Samedi er-
achten Gisèle und ihresgleichen als naive Narren, die ihr
karges Unleben in einem Gefängnis fristen, das sie sich
selbst geschaffen haben. Sie teilen die fatalistische Welt-
sicht Baron Samedis. Er muß sie nur selten besuchen, um
ihnen die Sinnlosigkeit ihrer Existenz aufzuzeigen; tief im
Mark ihrer Seele wissen sie schon um diesen Umstand. Er
erscheint ihnen nur dann, wenn sie ihre Vergänglichkeit
vergessen und versuchen, etwas Dauerhaftes aufzubauen
oder komplexe Pläne durchzuführen.
Gewisse Samedi glauben, ihr Meister sei ein Vorsintflut-
licher, der lediglich die Identität eines haitianischen To-
desgeistes angenommen hätte. Obwohl ihre Verbindung zu
Haiti und seiner Magie noch vergleichsweise jung ist, be-
haupten sie, ihre Blutlinie sei sehr viel älter.
Wie jede Blutlinie erweitern die Samedi ihre Mitglied-
schaft, indem sie Sterblichen den Kuß schenken. Um die
Magie des Barons zu erlernen, müssen sie sich denselben
Riten unterziehen wie die Houngans.
DIE SCHLANGEN DES LICHTS
Auf Haiti wimmelt es vor Vampiren. Eine kleine Grup-
pe von Setiten namens Schlangen des Lichts finden hier
auch Zuflucht. Sie haben die Legende von Set auf den
Voodoo-Glauben übertragen; der Schlangengott des Le-
bens, Damballah, ersetzt in ihren Praktiken Osiris als Ziel
ihres Hasses. Einige Schlangen des Lichts können des Ba-
rons Magie einsetzen, obwohl ihre Verbindung zu Set sie
vor seinen Heimsuchungen zu schützen scheint. Während
sie so tun, als seien sie mit anderem beschäftigt, rüsten sie
sich für eine Schlacht, die Hemmets Gruppe von Schau-
stellern von der Insel vertreiben soll. Wie der Dreifronten-
krieg auf Haiti ausgeht, bleibt abzuwarten.
LEBEN NACH DEM TOD
Voodoo-Anhänger glauben, die Seelen der unlängst Ver-
storbenen gingen in ein Zwischenreich unter dem Meer
ein. Dort verbringen sie einen gewissen Zeitraum, der von
gesellschaftlichem Ansehen abhängig ist; angesehene Per-
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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sönlichkeiten können schon bald wieder gehen, während
die, die auf der gesellschaftlichen Leiter weiter unten ste-
hen, sich auf einen längeren Aufenthalt einrichten kön-
nen. Wenn die Familien der Toten nach Ablauf dieser Zeit
die richtigen Rituale durchführen, finden ihre Seelen zu-
rück an die Gestade Haitis, wonach sie in bestimmte Ge-
fäße einfahren, die ihnen von den Verwandten zur Verfü-
gung gestellt werden. Die Gläubigen nehmen diese Gefä-
ße mit nach Hause, fest davon überzeugt, ihre Vorfahren
seien nun Loa-racines, die ihnen nun Glück bringen und
zur Seite stehen. Wird diese Zeremonie unterbrochen oder
vernachlässigt, werden die Geister böse und kehren wie-
der, um Menschen zu erschrecken und für Chaos zu sor-
gen. Die Magie eines Houngan dreht sich teilweise um die
Kontrolle dieser Seelen, um sie für eigene Zwecke zu nut-
zen.
Das gemeine Volk fürchtet zwei Formen der Todesmagie
ganz besonders. Sie sorgen sich, die seelenlosen Körper
ihrer Verwandten könnten in wandelnde Tote verwandelt
werden – jene Zombies, die in der Populärkultur zu Ruhm
gelangt sind. Sie fürchten allerdings noch mehr, zu Lebzei-
ten in Zombies verwandelt und dann zur Arbeit auf den
Zuckerrohrfeldern gezwungen zu werden – in einer Form
der Sklaverei, die ihnen sogar das freie Denken raubt. Im
örtlichen Volksglauben taucht des weiteren ein schreckli-
cher weiblicher Vampir namens Lou-garou auf. (Trotz des
Namens ist dies kein Bezug auf die Lykanthropen aus Wer-
wolf: Die Apokalypse.) Scheinbar war Gisèle Hemmet in
ihren ersten Nächten auf der Insel ein wenig sorglos, was
die Wahrung der Maskerade anging.
RITUALGEGENSTÄNDE
In Einklang mit seinen Lehren über die Vergänglichkeit
aller Dinge mit Ausnahme des Todes tut Baron Samedi die
Idee, uralte, historisch bedeutsame Gegenstände könnten
mächtiger sein als ganz gewöhnliche, als Unfug ab. Bei der
Magie des Barons gewinnen Gegenstände ihre mystische
Bedeutung durch die Verbindung zu ihren Nutzern und
nicht durch ihre Herkunft. Die Ritualklinge eines
Houngans ist wahrscheinlich eher ein altes, rostiges Kü-
chenmesser, dessen Griff notdürftig mit Klebeband befe-
stigt wurde, als ein Dolch aus Gold, der aus römischen
Ruinen geborgen wurde. Die Vorstellung, man könne auch
nur einen kurzen Moment lang ein Gespür für etwas ent-
wickeln, das man Unsterblichkeit nennen mag, nur weil
man ein uraltes Relikt sein eigen nennt, ist für Baron Sa-
medi blanker Unfug.
Des weiteren zeigt der Baron keinerlei Respekt für
Reichtümer oder andere Indikatoren für Erfolg in der ma-
teriellen Welt. Die Leute häufen wie wild Edelsteine, Gold
und Kunstwerke an, in dem Versuch, ihre Macht ange-
sichts des Todes zu behaupten, aber für den Baron machen
sie sich alle nur etwas vor. Er bietet seinen Anhängern kei-
ne besonderen Gefallen, wenn sie in ihren Riten wertvol-
le Gegenstände einsetzen. Die ärmsten Arbeiter haben
genauso gute Chancen ihn anzurufen wie der reichste
Großgrundbesitzer in seinem Haus auf dem Hügel. Im
Tode sind ohnehin alle gleich. Deshalb sind das Lieblings-
opfer des Barons, wenn es um Geldwerte geht, auch nur
ein paar kleine Münzen - am Ende ist jeder nicht mehr
und nicht weniger wert.
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 10:46
 Wie er Ihnen bestimmt versichern wird, wenn er das
nächste Mal auftaucht.
VOODOO IN DISZIPLINEN
Die Novizen Baron Samedis folgen demselben Pfaden
wie die westlichen Nekromanten, die ihnen zugrundelie-
gende Kosmologie sehen sie jedoch ganz anders. Der
Houngan trifft nicht auf Geister aus einer Unterwelt, wie
sie der Westen kennt. Er findet Loas in der vorübergehen-
den Ruhestätte unlängst Verstorbener, in der Welt der
Sterblichen, wo ruhelose Geister umherstreifen, und vor
den Urnen, in denen die guten Ahnengeister hausen, die
Loa-racines genannt werden. Die Geister glauben, sie be-
fänden sich in einem Sturm oder auf hoher See, und folg-
lich nennen sie ihr wässeriges Limbo bisweilen auch so.
Manchmal sehen sich Houngans anderen Einschränkun-
gen gegenüber, wenn sie Pfade einsetzen. Wird eine Kraft
im folgenden nicht erwähnt, setzen sie die Houngans ohne
Veränderungen ein.
PFAD DES GRABES
SEELENRUF
Voodoo-Jünger, deren Seelen in die Unterwelt eingehen
oder zerstört werden, können nicht gerufen werden. Für
Loa-racines ist es leichter, einem Ruf zu widerstehen; die
Schwierigkeit all solcher Versuche wird um 2 erhöht.
GEISTERFESSEL
Auch hier wird die Schwierigkeit der Kraft um 2 erhöht,
wenn es sich beim Subjekt um einen Loa-racines handelt.
PFAD DER GEBEINE
SEELENRAUB
Houngans nennen diese Kraft „einen lebenden Zombie
machen“.
DÄMONISCHE SEELE
Houngans bezeichnen diesen Effekt als „Zombie ma-
chen“.
PFAD DER ASCHE
EX NIHILO
Diese Kraft, die unter Houngans als „Besuch bei den To-
ten“ bekannt ist, erlaubt dem Nekromanten, in das unter
Wasser gelegene Zwischenreich zu reisen, wo die jüngst
Verstorbenen darauf warten, als Loa-racines wieder an
Land gerufen zu werden. Um diesen Ort zu erreichen, muß
der Anwender tatsächlich über ein Gewässer reisen und in
es eintauchen. Die Reise dauert etwa 6 Stunden. Zum
Glück müssen sich Vampire keine Sorgen um Atemluft
machen.
VOODOO-RITUALE
Des Barons Houngans setzen die folgenden Rituale ein,
um mit den Geistern der Toten und dem Reich, in dem sie
existieren, Verbindung aufzunehmen.
KAPITEL VIER: ARKANA
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System: Wie bei anderen nekromantischen Ritualen wür-
felt der Spieler Intelligenz + Okkultismus gegen eine
Schwierigkeit von 3 + Stufe des Rituals (höchstens gegen 9).
RITUAL DER ERSTEN STUFE
STEIN DES WISSENS
Durch Einsatz seines eigenen Blutes und der passenden
Rituale kann ein Houngan den Geist einer Person markie-
ren, was dem Vampir erlaubt, jederzeit zu sehen, wo sich
sein Subjekt befindet, selbst nachdem es gestorben ist. Auf
diese Weise behalten viele der von Geistern umspukten
Vampire ihre nahen Verwandten und ihre Feinde im Auge.
Der Houngan läßt sich selbst zur Ader und nutzt die
Vitæ dann, um den Namen des Ziels auf einen geweihten
Stein zu malen. Zeigt das Ritual Erfolg, kann er dann den
momentanen Aufenthaltsort seines Zieles erfahren, indem
er in Trance um den Stein herumtanzt, bis der Baron oder
einer seiner Petro-Loas die gewünschte Information ins
Ohr flüstert. Der Stein verliert seine Kraft in der Nacht
von Allerheiligen, es sei denn, der Houngan setzt 1 Blut-
punkt ein, um dies zu verhindern.
RITUAL DER ZWEITEN STUFE
2 CENTIMES
Der Houngan „tötet“ zeremoniell einen Sterblichen,
bahrt ihn in seinem Houmfor auf einer Pritsche auf und
legt ihm Münzen auf die Augenlider. Die Seele des Sterb-
lichen reist in die Unterwelt, die er - zumindest anfangs -
als das Zwischenreich wahrnimmt, in das Voudoun-Gläu-
bige nach dem Tod eingehen. Der Sterbliche kann mit den
Seelen der Toten sprechen und an andere Orte in der Un-
terwelt reisen, wobei er weiterhin mit dem Houngan spre-
chen und beschreiben kann, was er sieht. Solange sich die
Seele des Ziels in der Unterwelt befindet, kann sie die
Umgebung dort jedoch nicht direkt beeinflussen. Obwohl
sie mit anderen Geistern sprechen kann, kann sie weder
mit ihnen noch mit ihrer Umwelt interagieren - sie ist so-
zusagen „ein Geist für die Geister“. Untergebene des
Houngan können sich diesem Ritual freiwillig unterziehen,
um ihrem Meister zu dienen. Houngans können 2 Centimes
aber auch einsetzen, um unfreiwillige Subjekte in Angst
und Schrecken zu versetzen.
RITUALE DER DRITTEN STUFE
ALPTROMMELN
Der Houngan, der dieses Ritual einsetzt, entsendet Tote,
um in den Träumen seiner Widersacher zu spuken. Die
Todesalben treiben das Opfer in den Wahnsinn. Wenn das
Ritual erst einmal gewirkt wurde, hat der Houngan keine
Kontrolle mehr über diese Kraft, abgesehen davon, ihr
Einhalt gebieten zu können. Die Art der Alpträume und
die Bilder, die das Ziel sieht, unterstehen nicht der Kon-
trolle des Houngan; dies fällt allein in die Verantwortung
der Todesalben, die für den Spuk eigentlich verantwortlich
sind.
Bei diesem Ritual verwendet der Houngan seine eigene
Vitæ und einen Gegenstand aus dem Besitz des Ziels.
07.11.00, 10:47
 Nachdem der Gegenstand mit Blut überzogen wurde, muß
ihn der Houngan verbrennen, wodurch er ein geisterhaftes
Abbild des Gegenstandes in die Schattenlande schickt,
der den Geistern, die sich bereit erklären, das Opfer zu
quälen, sowohl als Hinweis auf das Opfer als auch als Lohn
dient. Während der Gegenstand brennt, schlagen der
Houngan (und wenn möglich einige Helfer) einen unnach-
lässigen Rhythmus auf riesigen Trommeln, die mit Men-
schenhaut bespannt wurden. In unserer Welt sind die
Trommeln nicht zu hören, aber in der Unterwasserwelt der
Toten klingen sie wie Donnerschläge. Um die Trommeln
zum Verstummen zu bringen, erklären sich die Todesalben
schließlich bereit, mit dem Houngan zu verhandeln. Im
Austausch gegen einen Gefallen versprechen sie dem
Houngan, dem Opfer so lange Alpträume zu bereiten, wie
er es wünscht. Ihre Bitte ist gewöhnlich so etwas wie das
Überbringen einer Botschaft an einen lebenden Verwand-
ten oder Rache an jemandem, der ihnen Unrecht getan
hat.

BLUTTANZ
Der Bluttanz erlaubt einem Geist, mit einem lebenden
Verwandten zu kommunizieren. Houngans führen dieses
Ritual im Austausch gegen Geld und Gefallen durch.
Der Houngan muß 2 Stunden tanzen und singen, um
den richtigen Geist herbeizurufen und alle anderen Gei-
ster dazu zu bringen, das umliegende Areal zu verlassen.
(Wie üblich ist die Macht dieses Rituals für Baron Samedi
ohne Belang, wenn er sich zu manifestieren entschließt.)
Während er tanzt, streut der Vampir Sand und Meersalz
in einem genau festgelegten Muster auf den Boden und
stellt dann die Verbindung zwischen der lebenden Person
und ihrem verstorbenen Verwandten her. Ist das Ritual
erfolgreich, „erscheint“ der Todesalb im Sandzeichen des
Houngans, und die lebende Person kann eine Stunde mit
ihm kommunizieren. Ein Scheitern bedeutet, der Geist
konnte nicht herbeigerufen werden.

RITUAL DER VIERTEN STUFE

PUPPE DER QUAL
Eine Puppe der Qual ist eine Gestalt, die direkt mit dem
Geist des Zieles verbunden ist. Die Puppe muß handgefer-
tigt sein, und sie ist erst fertig, wenn sie mit der Vitæ des
Houngans bemalt und ihr ein Kleidungsstück des Opfers
angezogen wurde – am besten ein ungewaschenes, damit
die Verbindung besser wird. Ist die Puppe erst einmal ver-
flucht, kann sie der Houngan verwenden, um dem Ziel kör-
perlichen Schaden zuzufügen. Wird die Puppe zerstört, er-
leidet das Ziel 6 Würfel tödlichen Schaden. Wird die Pup-
pe beschädigt (oft mit Stecknadeln oder ähnlichem),
nimmt das Opfer 6 Würfel Schlagschaden.
Der Houngan muß die Puppe selbst basteln, wobei er die
ganze Zeit über rituelle Gesänge anstimmt. Dieser Vorgang
nimmt in der Regel 4 bis 5 Stunden in Anspruch. Der
Spieler würfelt Widerstandsfähigkeit + Handwerk
(Schwierigkeit 8), um zu sehen, ob dieser Teil des Rituals
erfolgreich beendet wird – eine Puppe, die dem Opfer
nicht ähnelt, ist für die Zwecke dieses Rituals nutzlos, ob-
wohl manche Houngans diese Fehlschläge als „Voodoopup-
pen“ an Touristen verkaufen.

BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE

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Blutmagie06.p65 108 07.11.00, 10:47

Julia Reinecke (Order #10164437)

 RITUAL DER FÜNFTEN STUFE
DIE HAND EINES TOTEN
Der Houngan nimmt einen Lappen, der mit dem Blut,
dem Schweiß oder den Tränen des beabsichtigten Opfers
getränkt wurde. Dann nimmt er eine frisch abgetrennte
menschliche Hand (die entweder von einer Leiche oder
einem lebenden „Spender“ stammen kann) und schließt
ihre Finger um den Lappen. So wie die Hand verwest, ver-
west auch das Opfer. Sein Fleisch schwillt an, wird grau
und dann grün, bis es schließlich vom Knochen trieft. Das
Hirn des Opfers bleibt bis zum bitteren Ende unangegrif-
fen, damit es sehen kann, wie sich die Maden in dem Hau-
fen faulenden Fleisches winden, der einmal sein Körper war.
Der Houngan legt den Standardwurf ab und setzt pro
Punkt Widerstandsfähigkeit des Opfers 2 Blutpunkte ein.
Das Opfer verliert Gesundheitsstufen gemäß der untenste-
henden Tabelle. Der Prozeß kann nur aufgehalten werden,
wenn der Lappen aus dem Griff der Hand befreit wird.
Wenn dies geschieht, gewinnt das Opfer die Gesundheits-
stufen zurück (ebenfalls gemäß der folgenden Tabelle).
Gesundheitsstufe Zeit bis zum nächsten Verlust
Blaue Flecken 12 Stunden
Verletzt 12 Stunden
Schwer verletzt 6 Stunden
Verwundet 3 Stunden
Schwer verwundet 1 Stunde
Verkrüppelt 30 Minuten
Außer Gefecht 12 Stunden
Sterbliche, die länger als 12 Stunden Außer Gefecht
bleiben, sterben, während Kainiten in Starre fallen.
DIE HEXEREI DER
SETITEN
Die Setiten brauchen keine Geschichtsstunde oder ab-
struse Diskurse, um zu begreifen, woher ihre Magie
kommt. Sie kommt von ihrem Gott. Sie verwenden Ma-
gie, um Sets Willen durchzusetzen, um die Welt in die Ab-
hängigkeit zu führen, zu verführen und zu schänden. Set
schuf die Riten, die seine Jünger einsetzen. Was könnten
sie mehr verlangen?
Trotz ihres ausgesprochenen Desinteresses an den Ur-
sprüngen und der Wirkungsweise ihrer Zauberei erhalten
die Setiten von ihrer Gottheit doch eine magische Praktik
mit einer langen und interessanten Geschichte. Ange-
wandt erscheint sie wie rudimentäre Nekromantie oder
Thaumaturgie, aber sie ist weder das eine noch das ande-
re ganz. Die Hexerei der Seiten ist anders. Um sie zu ver-
stehen, muß man zunächst Set und seine Rolle in der My-
thologie betrachten.
DIE LEGENDE VON SET UND
OSIRIS
Set taucht in den ägyptischen Mythen als der ultimati-
ve Widersacher des Prinzips Leben auf, wie es von Osiris,
dem König der Götter und Verkörperung der Fruchtbar-
KAPITEL VIER: ARKANA
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Julia Reinecke (Order #10164437)
keit des Nils, versinnbildlicht wird. Der Reichtum und
Wohlstand der ägyptischen Gesellschaft hing von der na-
türlichen Düngung ab, die die jährlichen Hochwasser an
den Ufern des Nils brachten, was Osiris zur zentralen Fi-
gur im ägyptischen Pantheon machte. Als sein Bruder Set
über ihn herfiel und ihn zerstückelte, trat der Nil nicht
mehr über die Ufer und brachte eine Hungersnot über das
Volk. Der Sohn des Osiris, Horus, erschlug Set und er-
laubte Isis, der Schwester der kriegsführenden Brüder und
Gattin des Osiris, die weit verstreuten Einzelteile ihres
Ehemannes zu suchen und wieder zusammenzusetzen. Ihre
Tat stellte die Fruchtbarkeit des Landes wieder her, obwohl
Osiris das wichtigste Körperteil einer männlichen Frucht-
barkeitsgottheit fehlte. Sein Glied, das von Fischen gefres-
sen worden war, konnte nicht geborgen werden. Unfähig,
seine alte Rolle weiterzuführen, wurde Osiris zum Gott der
Unterwelt. Als Herr der sagenumwobenen Lande im We-
sten, dem überreichen Jenseits des ägyptischen Glaubens,
stand er nun den Seelen der Toten vor. Er verlieh einen
Teil seiner Essenz jedem König Ägyptens, den Pharaonen,
die so göttlich wurden und seine Fruchtbarkeitspflichten
übernahmen.
Osiris war nicht die einzige Figur dieser Geschichte, de-
ren Tod einen Rollentausch erzwang. Set fand sich in der
Finsternis wieder, wo er Osiris Rache schwor. Getarnt
schlich er sich in Osiris’ neues Reich, die Lande im We-
sten, um nach Informationen zu suchen, die ihm helfen
sollten, den Krieg gegen seinen Bruder fortzuführen. Er
würde diese Schlacht an zwei Fronten schlagen, gegen
Osiris’ früheres Königreich und gegen sein neues. Er wür-
de die Lande der Lebenden mit untoter Nachkommen-
schaft bevölkern, die seinen Urkampf gegen alles Leben-
dige und Lebhafte fortsetzen sollten. Außerdem würde er
seine Jünger lehren, Macht von den Bewohnern der Lan-
de im Westen zu stehlen, um so Osiris’ Versprechen vom
ewigen Leben zur Lüge zu machen.
Eine winzige Minderheit von Setiten beschäftigt sich
mit nicht-ägyptischen Mythen, da sie Analogien zur Ge-
schichte von Set und Osiris auch in den Geschichten er-
ster Kriege und Schlachten rivalisierender Gottheiten in
vielen anderen Entstehungsmythen finden. Ein Setitentrio
aus Minnesota beispielsweise, das heidnische Neo-Nazi-
Biker als Schergen einsetzt, nahm Lokis Mord an Baldur
aus den nordischen Legenden als Basis für ihre Version der
setitischen Magie.
RAUBZÜGE IN LANDE IM
WESTEN
Die Magie der alten Ägypter drehte sich zum Großteil
um die Vorbereitung auf das Leben nach dem Tod. Das
Leben in Ägypten war nur ein Vorspiel für eine Ewigkeit
der Annehmlichkeiten und Lüste in den Landen im We-
sten, zumindest für jene Ägypter mit dem nötigen Klein-
geld, um sichergehen zu können, daß ihre Körper richtig
mumifiziert und laut den genauen Anweisungen jenes
Zauberbuches, das Das Buch über das Wandeln am Tage ge-
nannt wurde, beigesetzt wurden. (Heute taucht dieses
Werk auf den Regalen jedes gut sortierten Buchladens un-
ter dem Titel Das ägyptische Totenbuch auf.)
07.11.00, 10:47
 Reiche Bürger, insbesondere Pharaonen und ihre Höf-
linge, verwendeten einen Großteil ihrer Zeit und Ressour-
cen darauf, sich passende, möglichst eindrucksvolle Grüf-
te zu sichern. Sie statteten ihre Grabkammern mit allem
aus, was die Seele für das Leben in den Landen im Westen
brauchen konnte. In diesen Räumen wurden Edelsteine,
Möbel, Parfums, Kleidung und andere Luxusgüter ange-
häuft. Später waren dort auch Ushtabis zu finden, Statu-
en, die die Bediensteten repräsentieren, die ihnen in der
Ewigkeit jeden Wunsch erfüllen. All die Grabbeigaben, die
man heute in der ägyptologischen Abteilung der Museen
sehen kann – von den goldenen Sarkophagen bis hin zu
den Kanopen, die die konservierten Eingeweide der Ver-
storbenen enthalten -, waren für die Reise in die Lande im
Westen unabdingbar. Sets Hexerei funktioniert, indem die
von Osiris überlieferte Magie auf blasphemische Weise
umgekehrt wird. Er schrieb sein eigenes Buch der Todes-
magie, Das Buch des nächtlichen Wandelns, das seine Jün-
ger lehrt, wie man den in den Landen im Westen leben-
den Seelen Energie raubt. Dazu müssen die Jünger nach
den Grüften unlängst Verstorberner suchen, die nach den
Riten im Buch über das Wandeln am Tage bestattet wurden.
Sie exhumieren die Leichen und stehlen die Kanopen so-
wie soviel von den anderen Symbolen des Reichtums und
Wohlstands, wie sie tragen können. Die Setiten zerstük-
keln dann die Mumie und breiten sie entsprechend Sets
genauen Angaben aus. Sie positionieren die Kanopen neu,
wobei sie die vier Hauptrichtungen, in denen sie eigent-
lich angeordnet werden sollten, umkehren.
Das Buch des nächtlichen Wandelns behauptet, die Seele
der entweihten Mumie, die zuvor komfortabel und in
Reichtum in den Häusern in den Landen im Westen leb-
te, erleide einen Anfall und verfalle in einen Zustand ewi-
ger Qual. Die kranke Seele windet sich vor Schmerz und
schreit Unverständliches. Ihr Zustand erfüllt ihre Gefähr-
ten in den Landen im Westen mit Schrecken und mahnt
Osiris, daß der Herr der Toten mächtiger ist als er selbst.
Da er seinem Gott auf diese Weise großen Gefallen be-
reitet, erhält der Hexer materielle Entlohnung. So lange,
wie seine gefangene Mumie im mystischen Zustand der
Entweihung bleibt, entzieht er ihr magische Energien, die
er verwenden kann, um eigene Sendungen durchzuführen.
Alte Setiten hüten eifersüchtig die geheimen Grüfte, in
denen die Mumien liegen, die sie sich angeeignet haben.
Die Novizen der heutigen Nächte stehen vor einer großen
Herausforderung, wenn sie sich eigene Opfer sichern wol-
len: Die Religion, die Sets Magie auf blasphemische Weise
umkehrt, existiert nicht mehr. Mumien liegen in Museen
unter Glas, wo ihre Abwesenheit sofort auffallen würde,
oder unter den Sandwüsten Ägyptens verborgen, wo sie
vor Setiten wie Ägyptologen gleichermaßen sicher sind.
Die Führer der Setiten pflegen Kontakte im ägyptischen
Ministerium für Archäologie in der Hoffnung, Funde, die
in der Öffentlichkeit kaum bekannt geworden sind, lieb-
gewonnenen Neugeborenen zukommen zu lassen, aber die
Nachfrage übersteigt das Angebot. Die besorgniserregen-
de Seltenheit brauchbarer echter Mumien führt dazu, daß
sie nach modernem Ersatz suchen.
Die meisten Setiten glauben, jeder Sterbliche, der dafür
sorgt, daß seine letzte Ruhestätte einen glorreichen Spie-
gel seiner Errungenschaften zu Lebzeiten darstellt, komme
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Julia Reinecke (Order #10164437)
in den Landen im Westen an, ganz egal, wohin er nach
dem Tod wollte. Obwohl die Überreste dieser Personen,
die es nur zufällig in die Lande im Westen verschlagen hat,
nicht so wirksam sind wie die, die gemäß der vollen Vor-
schriften des Buches über das Wandeln am Tage bestattet
wurden, können die Seiten sie als magische Foki verwen-
den. Auf der Suche nach Kandidaten für einen möglichen
Grabraub studieren die Setiten Todesanzeigen der Reichen
und Schönen. Sie suchen nach verzierten Krypten, Monu-
menten und den für Reichtum typischen Grabbeigaben.
Eine gut betuchte, exzentrische Texanerin, die sich in ih-
rem Ferrari zu Grabe tragen ließ, erwies sich als ergiebige
Energiequelle für den Seiten, der ihr Grab schändete.
Doch es müssen nicht einmal die Elemente prahlerischen
Eigenlobs an der Grabstätte zu finden sein: Personen, die
Schulen, Museen oder Bibliotheken auftragen, ihren Na-
men, ihre Errungenschaften und ihren Reichtum unsterb-
lich zu machen, können ebenfalls in den Landen im We-
sten landen.
Ein jüngst in Kalifornien gegründetes Unternehmen ver-
langt einen stolzen Preis, um die Toten in einem dem al-
ten Ägypten nachempfundenen Stil beisetzen zu lassen.
Der Tote findet seine letzte Ruhe in einem Sarkophag in
der Grabkammer einer Pyramide, geschmückt mit einer
Totenmaske aus solidem Gold, nachdem er einem Prozeß
unterzogen wurde, der uralte Mumifizierungsrituale mit
moderner Gefriertrockentechnologie verbindet. Das Mar-
keting der Firma zielt sowohl auf Exzentriker auf der Su-
che nach Status als auch auf Anhänger der New-Age-Be-
wegung ab. Natürlich sind sämtliche Eigner dieses Unter-
nehmens Setiten, und die Leichen bleiben nicht lange in
ihren Grabkammern.
Auch andere moderne Versuche, dem Tod von der
Schippe zu springen, liefern Setiten Rohmaterial. Etwa ein
Sechstel der eingefrorenen Leichname, die die Lagerplät-
ze der Kryogeniklabors für sich beanspruchen, gehören
Personen, die plötzlich die Ewigkeit an der Seite Osiris’
verbringen. Der Rest ist nutzlos. Im Sprachgebrauch der
jungen Setiten heißt ein brauchbarer kryogenisch einge-
frorener Leichnam als „Kirscheis“.
Obwohl die Setiten von der Existenz der Lande im We-
sten überzeugt sind, gilt dies keineswegs für andere Kains-
kinder, die mit ihren Praktiken vertraut sind. Ihre Magie
könnte allein durch die Intensität ihres Glaubens - selbst
wenn dieser vollkommen fehlgeleitet ist - oder durch ir-
gendeine äußere Kraft angetrieben werden. Einige Nekro-
manten der Giovanni sehen Sets Lande im Westen ledig-
lich als eine unbedeutende Hinterwäldlerprovinz der Un-
terwelt.
DIE SENDUNGEN DER
SETITEN
Hat der Hexer erst einmal einen Fokus in Position ge-
bracht, kann er Sets Magie wirken. Set erschuf all ihre
Sendungen mit dem Ziel, alle Manifestationen des Prin-
zips des Lebens den Kräften des Zerfalls, der Schändung,
der Unordnung, der Entropie und des Chaos zu unterwer-
fen. Dinge, die stark, lebendig und rein sind, müssen ge-
schwächt, ausgesaugt und mißbraucht werden.
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 10:48
 Die Mittel, mit denen Hexer diese Zauber wirken, ent-
stammen der Magie des alten Ägypten. Zu den häufigsten
magischen Praktiken gehört das Schreiben von Hierogly-
phen, das Mischen und Auftragen von Parfums und Sal-
ben sowie das Verfluchen von Feinden mit Hilfe der Ka-
nopen.
Jede Gesellschaft, die lernte, das gesprochene Wort in
Schriftform festzuhalten, sah diesen Vorgang einmal als
Zauberei an. Jede magische Tradition, die aus einer sol-
chen Gesellschaft erwächst, lehrt, daß Worte Macht ha-
ben. Die Hexer Sets haben diesen Ansatz weiterentwik-
kelt, indem sie behaupten, die Hieroglyphen der alten
Ägypter seien mächtiger als alle anderen Sprachen. Sie
behaupten dies, da Hieroglyphen Piktogramme sind - das
heißt, das Wort für etwas ist gleichzeitig auch eine Zeich-
nung dieser Sache. Folglich ist die Verbindung zwischen
Wort und Sache in einer piktographischen Schrift stärker
als in einer phonetischen, in der Buchstaben für Geräu-
sche stehen, die dann zu Worten aneinandergereiht wer-
den. Diese Sprachen sind abstrakt, aber Hieroglyphen sind
gegenständlich und enthalten so die Essenz dessen, was sie
darstellen. Viele Pfade und Rituale der Setiten beinhalten
das Niederschreiben von Formeln aus dem Buch des nächt-
lichen Wandelns in Form von Hieroglyphen. Die Macht ei-
ner Sendung steigt mit der Komplexität des Prozesses und
der Dauerhaftigkeit des Ergebnisses. Eine gewisse Treue
gegenüber den ursprünglichen Schreibmethoden spielt
auch eine Rolle. So ist es gut, eine Formel mit einem Grif-
fel in nassen Ton zu ritzen, weil der Ton sich zu einem fast
unzerstörbaren Täfelchen verhärten wird, aber es ist noch
besser, die Formel in Anlehnung an die vielen Reliefs, an
den Wänden alter ägyptischer Monumente und Grabkam-
mern sehen kann, in Stein zu meißeln. Mit einem Füller
und Tinte auf ein Stück Papyrus zu schreiben, bringt noch
einen gewissen Vorteil, aber Hieroglyphen, die bei einem
Fest der Kainskinder mit einem Kuli auf eine Serviette ge-
kritzelt wird, verringern nur die Erfolgschancen des He-
xers.
Salben und Parfüms dienen als weiteres Medium für die
Übertragung magischer Effekte. Sie bringen in Situationen
Erfolg, in den der Hexer erwarten kann, diese mächtigen
Substanzen auf seinem Ziel aufzutragen. Setiten setzen sie
ein, um Fleisch aufzulösen und die Sinne zu verwirren. Sie
erschufen eine den Geist besonders nachhaltig verwirren-
de Variante der Modedroge MDMA, indem sie dem Re-
zept eine aus den Harnblasen von Hyänen gewonnene
Salbe hinzufügten. Sie haben die Anwendung dieser Sub-
stanzen auch auf Unbelebtes ausgedehnt; sie können Sal-
ben erschaffen, um Fels wegzubrennen oder die Festplatte
eines Computers verschmoren zu lassen. Eine Substanz
bewegt sich wie eine Schnecke, um langsam die gesamte
Oberfläche eines Gegenstands zu bedecken. Dann kriecht
sie in eine dunkle Ecke, um sich in ein perfektes, wenn
auch hohles Abbild des Gegenstandes zu verwandeln.
Kanopen bilden den dritten Grundstein der Hexerei der
Setiten. Sie sind die Tongefäße, die in Grabmälern ver-
wendet wurden, um die Organe des Verstorbenen zu la-
gern. Set lehrte seine Jünger, sie auch auf die Lebenden
anzuwenden. Die traditionelle Praktik kennt vier Kano-
pen, die je einer Himmelsrichtung, einer Gottheit und ei-
nem Organ oder Organen des Körpers entsprechen. Das
KAPITEL VIER: ARKANA
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südliche Gefäß enthielt den Magen und den Dickdarm des
Toten und stand mit der menschlich aussehenden Gott-
heit Amset in Verbindung. Das nördliche Gefäß, das dem
Paviangott Hapi geweiht war, enthielt den Dünndarm.
Unter dem Schutze Tuamutefs, des Schakals, stand das
östliche Gefäß mit Herz und Lunge. Khebsemuf, der Fal-
ke, wachte über das westliche Gefäß mit der Leber und der
Galle. Wenn möglich, versuchen die Hexer der Setiten
Gewebeproben dieser Organe zu erhalten und sie in die
entsprechenden Gefäße zu geben, um Macht über den
Gewebespender zu erhalten. Deshalb arbeiten manche
Setiten als Labortechniker, Sanitäter oder Spezialisten für
die Beseitigung von Klinikabfällen; andere bestechen ein-
fach Klinikpersonal, um sich die gewünschten proben lie-
fern zu lassen.
PFADE DER SETITEN
Die Hexerei der Seiten unterscheidet sich insofern von
Thaumaturgie, als ihre Pfade nicht immer den Einsatz von
Vitæ oder Willenskraftwürfe verlangen. Die Macht dieser
Pfade stammt aus den Landen im Westen, nicht vom Zau-
berer selbst. In der Tat ähneln diese Pfade eher in sich ge-
schlossenen Disziplinen als die traditionelleren thauma-
turgischen Pfade, obwohl es nur eine begrenzte Zahl von
ihnen gibt und sie direkt von der der Hexerei der Setiten
zugrundeliegenden Theorie abhängen.
DIE INNERE SCHLANGE
Setiten lieben Schändungen aller Art, haben aber eine
Vorliebe für die Selbstzerstörung anderer. Obwohl das mo-
derne Konzept der Sucht nur wenig mit der alten ägypti-
schen Sichtweise zu tun hat, sind sich die Setiten der heu-
tigen Nächte sicher, daß ihr Gott diese Entwicklung mit
Wohlgefallen betrachtet. Selbst wenn er sich nicht um ihre
Lieblingsbeschäftigung schert, werden sie nicht damit auf-
hören. Schließlich wird sie schnell zur Gewohnheit.
• DAS ERSTE MAL
Der Setit setzt diese Kraft ein, während sein Ziel mit ei-
ner unbedeutenden, sich ständig wiederholenden Hand-
lung beschäftigt ist. Die Kraft läßt es diese Handlung un-
bewußt mit Lust assoziieren, so daß es sie wiederholen will.
Und wieder. Und wieder. Kreative Setiten können ihre
Opfer nach durchweg bizarren Substanzen oder Verhal-
tensweisen süchtig werden lassen.
System: Der Spieler würfelt Manipulation + Verführung
gegen eine Schwierigkeit, die der Willenskraft des Ziels
entspricht. (Behandeln Sie Verführung als sekundäre Fer-
tigkeit.) Die Anzahl der Erfolge bestimmt die Stärke des
Zwangs. Wann immer das Ziel eine Chance sieht, das fest-
gelegte Verhalten auszuüben, muß es einen Willenskraft-
wurf ablegen (die Schwierigkeit entspricht der Willens-
kraft des Setiten), um nicht seiner Sucht nachzugehen.
Das Opfer verliert diesen Zwang vollständig, wenn es bei
einem Versuch, eben diesem Zwang zu widerstehen, fünf
Erfolge erzielt.
•• SUCHTMIX
Der Setit verlagert die Sucht eines Abhängigen auf eine
Substanz oder ein Verhalten seiner Wahl. Ein Kokainab-
hängiger könnte dazu gebracht werden, sich während ei-
07.11.00, 10:48
 nes Rausches nach Sex zu sehnen, während ein Spielsüch-
tiger auch noch kleptomane Züge entwickeln könnte.
System: Während sich der Setit in Gesellschaft des Op-
fers aufhält, würfelt der Spieler Manipulation + Verfüh-
rung (Schwierigkeit = Willenskraft des Ziels). Bei Erfolg
ändert das Ziel für eine Anzahl von Szenen, die den ge-
würfelten Erfolgen entspricht, seine Fixierung. Indem er 1
Blutpunkt einsetzt, kann der Setit die Dauer der Kraft ver-
doppeln.
••• ENTZUG
Der Setit verstärkt die bestehende Sucht eines Opfers,
so daß es alle moralischen Bedenken und ethischen Über-
zeugungen über Bord wirft, um sein Verlangen zu stillen.
System: Während sich der Setit in der Gegenwart des
Ziels aufhält, würfelt der Spieler Manipulation + Verfüh-
rung gegen eine Schwierigkeit, die der Willenskraft des
Ziels entspricht, und setzt 1 Blutpunkt ein. Ist der Wurf er-
folgreich, schmelzen alle Bedenken, die das Opfer hegte,
wenn es um die Beseitigung von Hindernissen zur Befrie-
digung seines Verlangens ging, dahin – es kann nicht ein-
mal einen Willenskraftpunkt einsetzen, um die Sucht zu
überwinden, und sie wird ihr Büro mitten in der Arbeits-
zeit verlassen, um sich einen Schuß zu besorgen. Pro ein-
gesetztem Blutpunkt hält dieser Effekt 1 Szene lang an.
•••• TÖDLICHER ZWANG
Der Setit verdreht die Abhängigkeit eines Opfers und
verwandelt sie in buchstäblichen Hunger. Kommt das Ziel
seiner Sucht nicht nach, verhungert es.
System: Der Setit muß sich in der Gegenwart des Ziels
aufhalten, und der Spieler würfelt Manipulation + Ver-
führung gegen eine Schwierigkeit, die der Willenskraft des
Ziels entspricht, und setzt 3 Blutpunkte ein. Wann immer
das Opfer in Zukunft in drei aufeinanderfolgenden Näch-
ten seiner Sucht oder Abhängigkeit nicht nachgeht, erlei-
det es 1 Gesundheitsstufe tödlichen Schaden, der nicht
absorbiert werden kann. Die einzige Art, auf diese Weise
verlorene Gesundheitsstufen zurückzugewinnen, besteht
darin, dem Zwang nachzugeben; der Charakter erholt sich
sofort vollständig, und der Einfluß der Kraft endet.
DER PFAD DER DÜRRE
Als Horus Set tötete, schwor dieser, er werde Rache
nehmen, indem er daran arbeitet, alles zu zerstören, was
sein Bruder im Leben liebgewonnen hatte. Wie ihr Gott
schwören die Anwender dieses Pfades, alles zu zerstören,
was eine Gesellschaft funktionieren läßt. Manche sehen
dies als den Preis der Macht, die Set ihnen gewährt. An-
dere aalen sich darin, während sie selbst nach Vergeltung
an einem teilnahmslosen Universum suchen. In diesem
Kreuzzug ist der Pfad der Dürre ihre gefährlichste Waffe.
Wenn nicht anders angegeben, setzt jede Kraft voraus,
daß der Setit ein tönernes, blau glasiertes Amulett zwi-
schen den persönlichen Besitztümern oder im Heim seiner
Zielperson versteckt. Die Magie wirkt, bis die Person das
Amulett zerstört oder sich seiner entledigt. Während sei-
ner aktiven Phase kann es durchaus irreparable Schäden
anrichten. Ein Mann beispielsweise, der seine Frau unter
dem Einfluß von Liebe Stirbt verläßt, ist nicht unbedingt
zwingend in der Lage, ihre Vergebung zu gewinnen, nach-
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
dem er das Amulett vernichtet hat und wieder zu Sinnen
gekommen ist.
• SCHÖNHEIT VERGEHT
Der Setit läßt ein Kunstwerk – ein Gemälde, eine Skulp-
tur, einen Roman, einen Film oder einen Auftritt – vor
den Augen des Publikums als abstoßend, widerlich,
schlecht und auf grausamste Weise belanglos erscheinen.
Der Einsatz dieser Kraft gegen ein Kunstwerk, das schon
eine oder mehrere dieser Qualitäten aufweist, ist redun-
dant.
System: Der Setit würfelt Geistesschärfe + Manipulation
(Schwierigkeit 3-9, Ermessen des Erzählers: Eine Sitcom-
Folge wäre eine 3, die Mona Lisa eine 9.) Der Setit muß
sich in Gegenwart des Kunstwerks aufhalten, wenn er die
Kraft einsetzt. Existieren mehrere Kopien eines Werks,
werden lediglich die in seiner Gegenwart beeinflußt. Zum
Beispiel sehen Charaktere, die sich mit dem Setiten eine
Fernsehübertragung anschauen, diese vielleicht als ekeler-
regend, während in allen anderen Haushalten nichts Be-
sonderes wahrgenommen wird. Der Effekt hält solange an,
wie es nötig ist, das Kunstwerk zu erfahren, oder für 1 Sze-
ne, je nachdem, was länger ist. Diese Kraft erfordert kei-
nes der beschriebenen Amulette.
•• VERTRAUEN SCHWINDET
Das Opfer beginnt zu ahnen, daß ein Verbündeter oder
Freund, dem es ansonsten vertraut, beabsichtigt, es zu be-
trügen. Die Wahnvorstellung des Opfers steigert sich von
leichter Beunruhigung zu ausgewachsener Paranoia.
System: Der Spieler des Setiten würfelt Geistesschärfe +
Manipulation gegen die Willenskraft des Ziels und setzt 1
Blutpunkt ein. Der ganze Vorgang dauert 9 Wochen mi-
nus 1 Woche pro erzieltem Erfolg. Vermutet das Ziel, von
einer äußeren Kraft beeinflußt zu werden (hier ist das Ur-
teilsvermögen des Erzählers gefragt), kann es dem Einfluß
mit einem erfolgreichen Willenskraftwurf gegen Wider-
stand bestehen, indem es mehr Erfolge erzielt, als Wochen
seit seinem anfänglichen Vertrauensverlust verstrichen sind.
••• LIEBE STIRBT
Der Setit unterdrückt jegliche Liebe seines Opfers ge-
genüber einer bestimmten anderen Person. Das Opfer
fühlt nur Leere und Verwirrung, wenn es diese andere Per-
son sieht oder an sie denkt. Liebe stirbt wirkt gegen ro-
mantische und platonische Liebe sowie Familienbande.
System: Der Setit muß sich in der Gegenwart seines Ziels
aufhalten, wenn er diese Kraft auslösen möchte. Der Spie-
ler würfelt Geistesschärfe + Manipulation gegen die Wil-
lenskraft des Ziels und setzt 2 Blutpunkte ein. Danach
bröckelt die emotionale Bindung des Ziels – die ursprüng-
lich Liebe gewesen sein muß – im Verlauf der nächsten
Nächte dahin. Diese Kraft wirkt nicht gegen Blutsbande.
Liebe stirbt endet nach einer Anzahl von Monaten, die
der Willenskraft entspricht, die der Setit besaß, als er die
Kraft auslöste.
•••• HOFFNUNG ZERBRICHT
Das Opfer des Setiten kann die Überzeugung nicht ab-
schütteln, ein bestimmtes Ziel, das es erreichen wollte, sei
auf gar keinen Fall zu erreichen. Es wird mutlos und träge.
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 10:49
 System: Der Setit muß sich in der Gegenwart seines Ziels
aufhalten, wenn er diesen Zauber wirken möchte. Der
Spieler würfelt Geistesschärfe + Manipulation gegen die
Willenskraft des Ziels und setzt 3 Blutpunkte ein. Ist der
Wurf erfolgreich, versinkt das Opfer innerhalb eines Tages
bzw. einer Nacht in einer tiefen Depression und wird deut-
lich mürrischer. In diesem Zustand steht dem Charakter
für alle Würfelvorräte lediglich eine Anzahl von Würfeln
zur Verfügung, die seiner Selbstbeherrschung entsprechen.
Will er seinen ganzen Würfelvorrat einsetzen, muß er 1
Willenskraftpunkt einsetzen, um die Handlung unterneh-
men zu können. Obwohl diese Kraft einen Charakter
nicht in eine selbstmörderische Depression treiben wird,
kann Selbstmord als Ausweg zumindest verlockender er-
scheinen, wenn der Charakter ohnehin eine dahingehen-
de Haltung besitzt.
Die Wirkungsdauer der Kraft variiert je nach Anzahl der
erzielten Erfolge des Setiten. Die Depression kann jedoch
vor Ablauf der unten genannten Frist durch Therapie,
Medikamente oder ähnliches geheilt werden, sollte das
Opfer Hilfe suchen.
1 Erfolg 1 Nacht
2 Erfolge 1 Woche
3 Erfolge 1 Monat
4 Erfolge 1 Jahr
5 Erfolge dauerhaft
••••• THRONE FALLEN
Der Setit wählt eine Person aus und bringt sie dazu, ihre
Treue zu einer Autoritätsfigur noch einmal zu überdenken.
Egal, warum das Ziel seinem Anführer folgte – Bewunde-
rung, ideologischer Eifer, Furcht, Gier oder einfache
Gleichgültigkeit -, nun schwört er seiner Treue verbittert
ab. Ob das Opfer aktiv gegen das Objekt seiner früheren
Loyalität arbeitet oder sich einfach nur davonmacht,
bleibt ihm selbst überlassen.
System: Der Setit muß sein Opfer sehen können, um die
Kraft auszulösen. Der Spieler würfelt Geistesschärfe +
Manipulation (die Schwierigkeit entspricht der Willens-
kraft des Ziels) und setzt 3 Blutpunkte ein. Ist der Wurf
erfolgreich, entwickelt der Charakter eine aktive Antipa-
thie gegen eine Führungspersönlichkeit, die sein Leben
beeinflußt – einen Manager, einen Vikar, einen König, ei-
nen Präsidenten, seinen Vater – und handelt seinem We-
sen entsprechend gegen diese Persönlichkeit. Dies wird
nicht immer zur körperlichen Auseinandersetzung führen;
ein Konformist könnte zähneknirschend die Autoritätsfi-
gur weiterhin „unterstützen“, während er gleichzeitig die
Nähe zu Personen sucht, die sich dieser Figur widersetzen,
wohingegen ein Schurke aus einer Rebellion gegen den
Führer einen großen Auftritt machen könnte.
RITUALE DER SETITEN
Die Rituale der Setiten entziehen den Landen im We-
sten oder der dort herrschenden Gottheit, Osiris, Macht.
Sie bieten dem Setiten einen Fokus, mit dessen Hilfe er die
Kräfte seiner Pfade effektiver wirken oder größere Stärke
für die Durchführung ansonsten weltlicher Aufgaben ge-
winnen kann.
System: Der Spieler würfelt Intelligenz + Okkultismus
(die Schwierigkeit beträgt 3 + die Stufe des Rituals, höch-
KAPITEL VIER: ARKANA
113
Blutmagie06.p65 113
Julia Reinecke (Order #10164437)
stens jedoch 9). Ein Erfolg bewirkt das in der Beschreibung
des Rituals angegebene Ergebnis; ein Scheitern bedeutet,
daß nichts passiert. Ein Patzer führt zur Beendigung aller
derzeit wirksamer Effekte von Ritualen oder Pfaden, da
das Mißfallen, das der Hexer in den Landen im Westen
erregt hat, ihm den Zugriff auf ihre Energien verwehrt.
RITUAL DER ERSTEN STUFE
DIE SCHWARZE MILCH SETS
Hierbei handelt es sich um einen Sammelbegriff für ein
Spektrum an Ritualen, die zu zahlreich sind, um sie ein-
zeln aufzuführen, obwohl viele Seiten eigene Namen für
die auf diese Art hergestellten Salben verwenden. Mit je-
dem dieser Rituale stellt der Setit eine Paste oder Salbe
mit magischen Qualitäten her. Die Einzelheiten des Ritu-
als und die Ingredienzen der Salbe hängen vom gewünsch-
ten Effekt ab.
Jeder Effekt muß als eigenes Ritual erlernt werden.
Wenn der Spieler will, daß sein Charakter ein neues Ritu-
al hinzugewinnt, beschreibt er den gewünschten Effekt;
der Erzähler legt die Stufe fest, indem er die Wirkung der
Salbe mit denen anderer Rituale vergleicht. Er sollte jeden
Effekt, der zu sehr einem existierenden Pfad oder Ritual
aus einer anderen Tradition ähnelt, verbieten, es sei denn,
bei dem vom Spieler gewünschten Effekt handelt es sich
um eine Wirkung, die ohnehin bereits durch den Einsatz
anderer Disziplinen erreicht werden kann. Die Effekte
müssen ihr Ziel beeinträchtigen oder es so beeinflussen,
daß es anschließend einem anderen Zweck dient. Um 1
Dosis Paste oder Salbe herzustellen, braucht man 1 Wo-
che pro Stufe. Die Salbe bleibt für eine Anzahl von Wo-
chen einsetzbar, die den Erfolgen des Spielers entspricht.
Dann wird sie unbrauchbar.
Es folgen einige der gebräuchlichen Manifestationen der
schwarzen Milch Sets.
Auswirkung Stufe
Salbe, die in den Tank eines Fahrzeugs
gegeben wird, damit es dorthin fährt,
wo der Setit will, und nicht dorthin, wohin
es der Fahrer lenkt 3
Ein Schloß so verändern, das ein
Schlüssel des Setiten paßt 1
Paste, die sich durch Stahl oder Beton ätzt 2
Eine Droge noch suchterzeugender machen 1
Hohle Nachbildung eines Gegenstandes
erschaffen, der mit Salbe überzogen wurde
nach Größe des Gegenstandes
Fleisch bei Berührung schmelzen 1 pro 2 Gesundheits-
stufen Schaden, die
verursacht werden sollen
Salbe kriecht wie eine Schnecke über den
Boden, wobei sie der Spur einer Person folgt 2
Einen Computer aufspüren und die Daten
auf seiner Festplatte ändern 1
07.11.00, 10:50
 RITUAL DER ZWEITEN STUFE
BEREITUNG DES WEGS
Dieses Ritual präpariert eine Leiche, so daß sie als Fo-
kus für die Magie des Setiten dient. Wurde die Leiche
nicht bereits entsprechend den uralten ägyptischen Tradi-
tionen mumifiziert, muß er zunächst dieser Prozedur un-
terzogen werden, ehe das Ritual beginnen kann. Allein das
kann mehrere Nächte dauern und wird in der Regel von
einem Konvent von Priestern und Zauberern der Setiten
durchgeführt.
Ist die Leiche vorbereitet, beginnt das Ritual, indem der
Anwender alle Siege Sets über Osiris laut rezitiert und die
Leiche von Sets kommendem Eindringen in die Lande im
Westen und Osiris Machtlosigkeit, diesen Vorgang aufzu-
halten, in Kenntnis setzt. Er plaziert die Kanopen in um-
gekehrter Reihenfolge: Das Gefäß, das eigentlich westlich
der Leiche stehen sollte, wird östlich von ihr aufgestellt
und so weiter. Dann sägt der Setit den Brustkorb der Lei-
che auf und öffnet ihn. Er durchtrennt das Rückgrat und
bohrt Dutzende von Haken in sie hinein. In die Ösen der
Haken fädelt er Garn aus Katzendarm, das er an einem
Metallrahmen um die Mumie herum bindet. Der Zaube-
rer zurrt die Fäden fest, wodurch der Leichnam in eine
gequälte Haltung gezerrt wird. Die Durchführung des Ri-
tuals dauert 12 Stunden.
Der Erzähler weist der Leiche einen Wert von 0 bis 5 zu,
der das Maß zeigt, in dem die Begräbnisvorbereitungen
den Vorschriften des Ägyptischen Totenbuchs genügen. 0
steht hier für keinerlei Ähnlichkeiten mit den Vorschrif-
ten – was am häufigsten zutreffen wird -, und 5 bezeich-
net die größtmögliche Genauigkeit bei der Einhaltung der
Vorschriften, die in der heutigen Zeit überhaupt möglich
ist. Bis zum vollständigen Abschluß des Rituals hält der
Erzähler diesen Wert geheim.
Hat der Setit Erfolg, besitzt er nun die Möglichkeit, En-
ergie aus den Landen im Westen zu rauben. Er kann je-
derzeit seinen Blutvorrat oder seine Willenskraft um eine
Anzahl von Punkten steigern, die dem Wert entspricht,
die der Erzähler der Mumie zugewiesen hat. Nach Ablauf
einer Anzahl von Stunden, die den Erfolgen bei der
Durchführung des Rituals entspricht, verliert er diese
Punkte wieder. Er kann sich diesen Zugewinn nur einmal
pro Nacht verschaffen.
Sollte der Leichnam zerstört oder losgebunden werden,
verliert der Setit eine Anzahl von Willenskraft- und Blut-
punkten (die vom Erzähler zwischen diesen beiden Wer-
ten aufgeteilt werden), die dem doppelten Wert der Mu-
mie entspricht.
RITUAL DER DRITTEN STUFE
VORBEREITUNG DER KANOPEN
Der Setit nimmt Gewebe seines gewünschten Opfers
und gibt es in die vier Kanopen, jene Gefäße, die bei den
Begräbnisriten im Alten Ägypten Verwendung fanden. Er
verkehrt das Ritual, das eine schnelle Reise in die Lande
im Westen sichern sollte, ins Gegenteil, was ihm einen
großen Vorteil gegenüber dem Opfer seiner Wahl und Ein-
fluß auf es verschafft. Die Gefäße und die ihnen zugeord-
neten Gewebearten werden auf S. 111 beschrieben.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Julia Reinecke (Order #10164437)
Man kann auch Proben anderen Gewebes verwenden,
doch ihre Wirkung ist geringer. Der Setit kann auch dann
noch Zauber auf ein Opfer wirken, wenn ihm die erforder-
lichen Fleischstückchen fehlen; er kann einen vom Opfer
gestohlenen Gegenstand verwenden, der symbolisch mit
dem gewünschten Organ in Einklang steht. Die übrigge-
bliebenen Bissen eines vom Opfer nur zur Hälfte verzehr-
ten Mahls können als Ersatzinhalt für nördliche oder süd-
liche Gefäße dienen. Herztabletten und Asthmapumpen –
sogar Smint und Spritzen – sind annehmbare Alternativen
für ein östliches Gefäß. Drogen oder Alkohol, die sich ein-
mal im Besitz des Opfers befanden, können die Rolle der
Leber und der Gallenblase in einem westlichen Gefäß
übernehmen.
Die Durchführung des Rituals dauert 4 Stunden. Da-
nach kann der Setit jederzeit beliebige Handlungen des
Opfers beeinflussen, vorausgesetzt, er ist sich auf irgendei-
ne Weise den momentanen Aktivitäten seines Zieles be-
wußt. Zu den Beispielen für eine solche Beeinflussung ge-
hört, das Opfer dazu zu bringen, einen Bus oder ein Flug-
zeug zu verpassen, seinen Geldbeutel zu verlieren, zum Ziel
eines zufälligen Raubüberfalls zu werden und eine Reihe
weiterer bedeutsamer, aber indirekter Effekte. Der Setit
kann pro Nacht eine Anzahl von Handlungen beeinflus-
sen, die der Anzahl der gewürfelten Erfolge bei der Durch-
führung des Rituals entspricht. Er kann das solange tun,
bis die Gefäße bewegt oder zerschlagen werden.
RITUAL DER VIERTEN STUFE
DIE ZERSTÜCKELUNG DES OSIRIS
Der Setit zerstückelt rituell den gefangenen Führer ei-
ner Gruppe oder Organisation, wobei er mit den Gliedma-
ßen beginnt und sich als letztes des Penis annimmt. (Die-
ses Ritual wirkt nur bei männlichen Opfern.) Das Ritual
endet damit, daß der Setit den Phallus in ein Becken vol-
ler Fische fallen läßt. Es wirkt nur, wenn die Fische das
abgetrennte Organ verschlingen.
Die vom Opfer geführte Organisation erleidet einen
schweren Schlag, der vom Erzähler festgelegt wird. Ein
Konzern könnte über Nacht die Hälfte seines Börsenwerts
verlieren, eine Militäreinheit könnte in einer Schlacht
aufgerieben werden oder ein religiöser Orden könnte sich
plötzlich Massenaustritten gegenübersehen.
Die Durchführung des Rituals dauert 6 Stunden.
RITUAL DER FÜNFTEN STUFE
DIE ZERSTÜCKELUNG DES GOTTES
Der Setit nimmt eine von dem gewünschten Opfer
stammende Gewebeprobe aus einer Kanope; die Probe
muß mindestens 24 Stunden lang im Urin eines Schakals,
einer Hyäne oder eines anderen aasfressenden Räubers
aufgeweicht worden sein. Der Setit braut eine Paste mit
der Gewebeprobe, Vitæ und Papyrus als Ingredienzien und
trägt diese Salbe danach auf seine Genitalien auf. Der
Setit beendet das Ritual, indem er vor dem nächsten Son-
nenaufgang Hautkontakt mit dem Opfer hat.
Das Opfer kann dem Ritual mit einem Willenskraftwurf
(Schwierigkeit 9) widerstehen, wenn es mehr Erfolge er-
zielt als der Setit beim Ritualwurf. Wirkt das Ritual, ver-
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 10:50
 liert das Opfer sowohl eine Anzahl an Willenskraftpunk-
ten als auch eine Anzahl an Blutpunkten, die der doppel-
ten Anzahl der Erfolge des Anwenders dieses Rituals ent-
sprechen. Darüber hinaus kann das Opfer eine Nacht lang
in keiner der beiden Eigenschaften Punkte zurückgewin-
nen. Beachten Sie, daß ein größerer Blutverlust (3+
Punkte) einen Sterblichen sehr wahrscheinlich tötet oder
zumindest dafür sorgt, daß er sich in ärztliche Behandlung
begeben muß.

DIE HEXEREI DER

ASSAMITEN
Die weit entfernten Wesire der Assamiten sehen das
Blutvergießen, das ihre jüngeren Geschwister angerichtet
haben, mit berauschter Entrücktheit. Sie haben sich nach
Alamut zurückgezogen, um den mystischen Offenbarun-
gen nachzugehen, die ihnen durch den Gebrauch von Ka-
lif ermöglicht werden. Kalif wird aus den Blättern und dem
Harz einer Pflanze gewonnen, die mittels Magie gezüchtet
wurde; ihre bewußtseinsverändernden Qualitäten lassen
ihre weltliche Verwandte, die Cannabispflanze, vergleichs-
weise harmlos erscheinen. Weil Vampire keinen Kreislauf
im eigentlichen Sinne mehr besitzen, müssen die Wesire
Ungewöhnliches auf sich nehmen, um die Wirkung ihrer
bevorzugten Droge zu genießen. Sie lassen sterbliche
Schergen Unmengen der Pflanze rauchen und trinken
dann ihr Blut, um so ihre Adern mit den heiß ersehnten
Wirkstoffen zu fluten. Die Wesire haben wenig Probleme,
willige Diener zu finden, die den Rest ihres Lebens damit
zubringen, den Rauch der allmächtigen Pflanze zu inhalie-
ren. Diese schert es nicht, daß ihr ausgiebiger Drogenge-
nuß ihre Lebenserwartung um einige Jahrzehnte verrin-
gert. Manche Assamiten haben gar Andeutungen fallen-
lassen, wonach bei einigen wenigen Lehrzeiten im Clan
vor dem eigentlichen Kuß der Dienst als Gefäß für die Ka-
lif-Hexer steht.

WURZELN
Die Hexer der Assamiten sehen sich als über die kleinen
Sorgen kultureller Loyalität und reinerhaltener Traditio-
nen erhaben. Da es sich um menschliche Schöpfungen
handelt, verdienen magische Traditionen nicht mehr Re-
spekt als jede andere potentiell nützliche Erfindung. Sie
sollten den Zielen der Wesire angepaßt werden. Und doch
bleiben die Erfahrung und die Gelehrtheit der Wesire
größtenteils auf die uralten Traditionen des Mittleren
Ostens beschränkt. Ihre Bemühungen, nützliche Techni-
ken aus anderen Regionen der Erde in ihren eigenen ma-
gischen Ansatz einzuarbeiten, sind in der üblichen geisti-
gen Trägheit steckengeblieben, die immer dann auftritt,
wenn sich Vampire auf Innovationsversuche einlassen.
Heute gibt es nur drei Traditionen, die die Zauberei der
Assamiten beeinflussen.

DIE MAGIE MESOPOTAMIENS

Die Hohe Magie Mesopotamiens, wie sie von den baby-
lonischen Priestern und Priesterkönigen gewirkt wurde,
beschäftigte sich mit der Bewahrung der Fruchtbarkeit des

KAPITEL VIER: ARKANA

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 Lands und einer hierarchischen Gesellschaftsordnung.
Diese beiden Aspekte waren eng verflochten; die speziali-
sierten Rollen vieler Mitglieder der babylonischen Gesell-
schaft während ohne reiche Ernten nicht möglich gewe-
sen. Im mesopotamischen Urmythos steht der Gottkönig
Marduk Tiamat, dem Drachen des Chaos, gegenüber und
wird erschlagen. Er ersteht danach wieder von den Toten
auf und besiegt den Drachen, wonach er dem Land Ord-
nung und Fruchtbarkeit zurückgibt. Die Könige hielten
Zeremonien ab, die Marduks Taten wiedergaben und sie
an seiner Macht teilhaben lassen sollten. Einmal im Jahr
ließ sich der König von einem Priester ins Gesicht schla-
gen; weinte er, so war die Fruchtbarkeit des Landes gesi-
chert. Es folgten weitere Fruchtbarkeitsriten, einschließ-
lich einer Trauung des Königs mit einer Priesterin, die die
Göttin der weiblichen Macht repräsentierte. Die Assa-
miten führen heute solche Rituale für ihre eigenen Zwek-
ke durch. Das Ritual der Diablerie, Marduks Tod und Auf-
erstehung, ist eine Parodie dieser uralten Praktiken – hier
sind die Tränen des geschlagenen Hohepriesters aus Blut,
und sie kündigen das Ende des Opfers an.
Zu den niederen Formen der mesopotamischen Zaube-
rei zählten Weissagungen, die mittels eines Mondkalen-
ders und eines astrologischen Kalenders, der das Auf und
Ab des Schicksals der folgenden 473000 Jahre vorhersag-
te, günstige und ungünstige Tage für bestimmte Handlun-
gen festlegten. Zauberer deuteten Träume und lasen die
Zukunft aus den Eingeweiden geschlachteter Schafe. Das
einfache Volk litt unter Angst vor Geistern und Dämonen;
Zauberer-Priester wehrten solche bösen Einflüsse ab, in-
dem sie Rat bei Exorzisten holten und Schutzamulette und
Talismane verteilten. Amulette waren vorgefertigte magi-
sche Gegenstände, die vor Flüchen schützen sollten, wo-
hingegen Talismane von Zauberern als einmal zu ge-
brauchende Hilfsmittel für bestimmte magische Handlun-
gen gefertigt wurden. Handlungen, die die Gesellschafts-
ordnung erschütterten, brachten nicht nur Pech, sondern
weckten auch die Aufmerksamkeit böser übernatürlicher
Kreaturen, die in den Wüsten, auf Friedhöfen und in
dunklen Ecken hausten. Schwarzmagier schadeten ihren
Opfern durch Flüche, die aus großer Entfernung ausge-
sprochen werden konnten. Speichel, eine Körperflüssig-
keit, die als mächtiger angesehen wurde als Blut, verlieh
den Flüchen ihre Macht. Ein weitere Praktik der Schwarz-
magier, war es, ein Bild von der zu verfluchenden Person
zu malen, um es dann zu zerstören.
PERSIEN: MITHRARITEN
Im alten Persien traten die ersten Jünger des Sonnengot-
tes Mithra mit ihrer Gottheit in Zwiesprache, indem sie
sich berauschten. Priester, die Magi, leiteten diese Kulte.
Ihr Name ist Ursprung des Wortes „Magie“. Im 7. Jh. v.
Chr. erlebte die persische Religion eine Revolution, als der
Prophet Zoroaster (der bisweilen auch den Namen Zara-
thustra trägt) in der heiligen Schrift Zend-Aveta offenbar-
te, daß die vielen Konflikte auf Erden Ausdruck eines kos-
mischen Kampfes zwischen Gut und Böse waren. Die ober-
ste Gottheit Ahura Mazda führte die Armeen des Guten
an; der zerstörerische Gott Ahriman war der Herr der
Schergen des Bösen. Zoroaster offenbarte, Mithra sei Ahu-
ra Mazdas Sohn und führte ihn in Zeremonien ein, bei
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
116
Blutmagie06.p65 116
Julia Reinecke (Order #10164437)
denen die Teilnehmer eine ekstatische Gotteserfahrung
erlebten, indem sie den vergorenen Saft der Haoma-Pflan-
ze tranken. Als Mithras zog der Sonnengott in der Folge-
zeit auch die Verehrung der magisch Gesinnten auf sich
und erlebte in Rom eine Renaissance als heidnische Alter-
native zu Christus. Römische Kultisten, zu denen viele
Soldaten und Kaiser Julian gehörten, fügten den ekstati-
schen Zeremonien die Opferung eines Stiers hinzu; der po-
tentielle Günstling des Sonnengottes saß in einem Graben
und ließ das Blut des geschlachteten Stiers über Kopf und
Schultern laufen. Einige Fraktionen der Vampire in der
herrschenden Klasse Roms taten alles, den Mithraskult zu
fördern – der Blutdurst des Gottes machte ihn zu einem
Sonnengott, den sie aufs enthusiastischste unterstützen
konnten. Ein weiterer Grund, weshalb sie Mithras bevor-
zugten, war die Hoffnung, seine Popularität könnte dem
Wachstum dieser besorgniserregenden neuen Sache Ein-
halt gebieten, die man Glaube nannte; seine Verehrung
baute auf unmittelbarer Erfahrung statt blindem Gottver-
trauen auf. Ihr Plan ging nicht auf, und Mithras geriet in
Vergessenheit – außer bei den Assamiten, die gewisse Ele-
mente des Kultes als würdig erachteten, um in ihren Ri-
ten nachgeahmt zu werden.
DIE FUSION DER TRADITIONEN
Die Wesire übernahmen die ekstatischen Haoma-Riten
der Perser als Grundlage für ihre Magie, ersetzten das ver-
gorene Gebräu jedoch durch Kalif-Rauch. Sie verbringen
oft Monate in einer drogeninduzierten Trance; gingen sie
selbst zum Jagen hinaus, könnte ihre Wissenssuche been-
det oder gar ins Gegenteil verkehrt sein. Die Wesire ver-
lassen sich auf ihre jüngeren Geschwister, ihnen das Blut
zu bringen, das sie brauchen, und sie wissen nur zu gut,
daß sie ihnen im Ausgleich für einen Dienst, von dem sie
dermaßen abhängig sind, etwas sehr Wertvolles bieten
müssen. Deshalb nehmen sie sich die Zeit, neben ihren
rein mystischen Aufgaben magische Mittel zu entwickeln,
ihren Clangeschwistern zu helfen, ohne selbst die Mauern
ihrer Bergfeste verlassen zu müssen. Die Wesire verbinden
473000jährigen Kalender Mesopotamiens und die Weis-
sagungspraktik, die Zukunft aus Eingeweiden zu lesen, mit
der arabischen Kinanah, um den idealen Zeitpunkt für die
Durchführung von Angriffen zu bestimmen. Sie verwen-
den Shir, um die, die sie nähren, mit den Tarnmöglichkei-
ten mächtiger Djinns zu rüsten. Mit Blutspeichel, zerschla-
genen Abbildern und den Namen von Geistern und Dä-
monen verfluchen sie die Beute einer Jagd. Sie bedienen
sich der Alchimie, um die Macht ihrer Anrufungen in
Tränke und Amulette zu binden, so daß sie erst dann aus-
gelöst wird, wenn man sie wirklich braucht. In einer Par-
odie der höchsten Mithrasriten stärken sie gute Jäger
durch eine Bluttaufe. Die Wesire verdrehen die Fruchtbar-
keitsriten des alten Babylon, um dem gesamtem Clan zu
Macht und Glück zu verhelfen, ein Einsatz der Hohen
Magie Mesopotamiens, die einen nützlichen Nebeneffekt
aufweist: Sie bindet alle, die von ihr profitieren, in eine ge-
sellschaftliche Ordnung ein, was die Treue der anderen
Assamiten den Wesiren gegenüber nur weiter untermau-
ert. Ein Beispiel: In einem kürzlichen Versuch, ihren Ein-
fluß auf jüngere Clansgeschwister zurückzugewinnen, die
zunehmend auf Abwegen wandelten, haben die Wesire ei-
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 10:51
 nen Kader der am meisten gefürchteten Assassinen des
Clans nach Alamut eingeladen, um an einem größtenteils
rein gesellschaftlichen Ritual teilzunehmen. Obwohl man
bis dato noch keine Aussagen über die Langzeitwirkung
des Ritus machen kann, hat er doch dazu beigetragen, die
Zusammenarbeit zwischen den oberen Rängen der Wesire
und der Assassinen zu fördern.
Obwohl sich ihre Riten auf Marduk oder Mithra bezie-
hen und sich der Mythen über sie als Inspiration für ritu-
elle Handlungen bedienen, verehren die Assamiten diese
Wesenheiten nicht; sie achten keine Götter – sie streben
danach, selbst zu Göttern zu werden.
DIE SUCHE NACH APOTHEOSE
Aufgrund von Hinweisen aus Traditionen, die noch viel
älter sind als die aus dem Mittleren Osten, aus denen die
Assamiten ihre mystische Macht beziehen, glauben die
Wesire, sich eines Nachts in Wesenheiten von unvorstell-
barer Macht verwandeln zu können, um dann die Welt
nach ihrem Bild neu zu erschaffen. Das Geheimnis dieser
Macht ist in einer höheren Wirklichkeit zu finden, die von
der physischen Welt durch eine Barriere getrennt wird, die
die Wesire den Schleier nennen. Sie nutzen Kalif, um die-
sen Schleier zu zerreißen. Um sein volles halluzinogenes
Potential zu erreichen, muß Kalif mit Blut gegossen wer-
den; natürlich kann man mit dem Blut anderer Vampire
Pflanzen heranwachsen lassen, deren Macht noch um ei-
niges größer ist. Deshalb brauchen die Wesire weiteres
Blut, um ihre Treibhäuser begießen zu können, abgesehen
von dem, das sie brauchen, um sich zu nähren.
Die Erfahrung beim Zerreißen des Schleiers ist je nach
Wesir unterschiedlich. In der Hoffnung, hinter diesen ver-
schiedenen Wahrnehmungen eine grundlegende Wirk-
lichkeit zu erkennen, teilen sie ihre Visionen. Mit zuneh-
mendem Konsens gleichen sich die Visionen immer mehr.
Viele Wesire erfahren eine Vision, wie sie unten beschrie-
ben wird. Die anderen versuchen, ihren Geist dazu zu
zwingen, eine Vision wahrzunehmen, die mit dem akzep-
tierten Modell konform geht.
Die Erfahrung beginnt, nachdem man im Verlauf der
Mysterienriten des Mithras große Mengen an Kalif-Blut
getrunken hat. Die berauschte Person sieht zunächst, wie
sich die Einzelheiten der falschen Welt – die Fliesen und
Säulen der Ritualstätte, die Wasserrohre, die Teppiche und
Gobelins – trennen und zu winzigkleinen Lichtpunkten
schrumpfen, bis sie schließlich zu klein werden, als daß
man sie noch erkennen könnte. Eine Weile sieht der Zele-
brant nichts. Dann wird alles rot. Schließlich taucht eine
Reihe geometrischer Formen, wirbelnder Spiralen und bo-
denloser Röhren auf. Letztere scheinen nur allzu bereit zu
sein, den Visionär zu verschlingen. Der Zelebrant muß
entweder in eine Spirale laufen oder sich in eine der Röh-
ren fallen lassen. Dann findet er sich am Fuße einer Trep-
pe wieder, die zu einem Tor führt. Während er versucht,
die Treppen hinaufzugehen, sieht er sich heftigem Wider-
stand gegenüber. Visionen über sein bisheriges Leben be-
fallen ihn. Zuerst kommen negative Visionen: Erinnerun-
gen an geheime Verfehlungen, frühere Fehler und
schmerzliches Versagen. Er muß diese Visionen beiseite
schieben und sich auf die Treppe konzentrieren. Gelingt
ihm dies, kann er einen weiteren Schritt machen, und
KAPITEL VIER: ARKANA
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Blutmagie06.p65 117
Julia Reinecke (Order #10164437)
noch einen, und noch einen... Diese Aufgabe setzt un-
glaubliche Konzentration voraus. Irgendwann kommen
positive Visionen: sinnliche Erfahrungen, Erinnerungen
an Liebe und Trost, Gefühle der Macht und der Herr-
schaft.
Jahrhundertelang sahen die Wesire diesen Zustand se-
gensreicher Halluzinationen als den gesamten Sinn der
Erfahrung. Sie lustwandelten in einem Palast der Freuden,
gekühlt von leisen Brisen, atmeten süßeste Luft, konnten
jedem Einfall ohne Folgen und nach Herzenslust nachge-
hen. Sie kosteten Vitæ, die so köstlich war, daß sie vor
Freude erschauerten. Mit den atemberaubend schönen
und stets willigen Dienern dieses paradiesischen Reiches
erfuhren sie Dimensionen erotischer Genüsse, die Licht-
jahre vom Grunzen und Keuchen und den anderen biolo-
gischen Imperativen der Sexualität Sterblicher entfernt
waren. Diese Akte schienen die Teilnehmer in unmittel-
baren Kontakt mit dem Göttlichen zu bringen.
Als sie immer mehr Zeit mit der Erforschung dieses Rei-
ches verbrachten, verloren die Wesire die Übersicht über
die weltlichen Aktivitäten der Assamiten. Ihre Gleichgül-
tigkeit gegenüber dem Nachtwerk verwandelte sie von
aufmerksamen Beratern mit unbeugsamem Willen in zu-
rückgezogene, entrückte Figuren, die für das durchschnitt-
liche Clansmitglied von geringer Bedeutung waren.
Schließlich schlossen die Wesire, in diesem segensrei-
chen Zustand läge eine spirituelle Falle verborgen. Unab-
lässige Freuden, ganz gleich, wie intensiv sie auch sein
mochten, waren auf der Suche nach wahrer Erkenntnis
eine Sackgasse. Sie beraubten die Seele ihrer Energie,
raubten einem das Gespür für Sinn und Zweck der Exi-
stenz und ermüdeten den Geist. Hinter ihrer Magie muß-
te mehr stecken. Da erkannten die Wesire, daß der Zu-
stand endgültiger Verzückung, wie sie ihn getauft hatten,
etwas noch Erstrebenswerteres barg: den Weg, ein Blutgott
zu werden.
Der Zustand endgültiger Verzückung stellt sich den
Wesiren immer noch verlockend in den Weg, wenn sie ver-
suchen, die Stufen zu absoluter Wahrheit zu erklimmen.
Jeder Wesir kämpft jedes Mal gegen seine Verheißungen
an, wenn er das Ritual durchführt. Diese Versuchungen
krallen sich noch tiefer fest als die negativen Visionen, die
die Wesire zu einem früheren Zeitpunkt in ihren Visionen
erfahren; kein Wesir kann sie außer Acht lassen. Gelingt
es dem Mystiker, sie beiseite zu schieben, sieht er sich er-
neut einem mühsamen Erklimmen der Stufen gegenüber,
die sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken scheinen.
Wenn er die oberste Stufe erreicht, dann lüftet er den
Schleier und schaut, was jenseits von ihm liegt...
DIE GEDANKEN DES HIMMELS LESEN
Das Wirken von Magie über größere Entfernungen hin-
weg ist das Markenzeichen der Hexerei der Assamiten; der
Zauberer verleiht Jägern Vorteile, die er vielleicht noch nie
von Angesicht zu Angesicht gesehen hat. Er spürt seine
Ziele über Tausende von Kilometern auf und gewinnt In-
formationen über ihre Schwächen. Die Wesire sehen das
20. Jh. - die Ära, in der globale Kommunikationsnetze die
Welt zu einem einzigen, wirren und zersplitterten Dorf
schrumpfen ließen - als das schon seit langem prophezeite
goldene Zeitalter für ihren Clan. Zu ihrer Überraschung
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 und anfänglicher Bestürzung entdeckten sie eine verwir-
rende Verbindung zwischen ihrem lange angestrebten Zu-
stand transzendenten Bewußtseins und dem ultramoder-
nen Miasma aus Radiowellen, Satelliten- und Fernseh-
übertragungen, das nun die Welt umhüllt. Während sie
Stufe um Stufe zur ekstatischen, allein durch das Kalif
möglichen Verzückung erklimmen, können sie ihren Geist
in Einklang mit CNN bringen oder auf die Daten aus dem
Global Positioning-Satellitensystem zugreifen. Dies nen-
nen sie „die Gedanken des Himmels lesen“. Wenn der
Zauberer Flüche entsendet, um Feinde auf anderen Kon-
tinenten heimzusuchen, läßt er seine bösartige Magie von
der oberen Atmosphäre zurück auf die Erde lenken oder
hängt sie an Radiowellen. Zumindest visualisieren sie sich
in ihrem von Drogen veränderten Geist das Wirken ihrer
Magie auf diese Weise. Der Zauberer kann das Handyge-
spräch eines Opfers belauschen, die Worte von dessen
Gesprächpartner durch eine eigene irreführende Botschaft
ersetzen, sich einen dauerhaften Zugang in die Seele des
Opfers verschaffen oder einen Djinn auf den Weg bringen,
der diese Signale zu ihrem Ursprung verfolgt und das Op-
fer verhext. Erst kürzlich spürte ein Wesir einen flüchtigen
Setiten auf, auf dessen Kopf ein Preis ausgesetzt war, in-
dem er den Käufen ägyptischer Antiquitäten der Sand-
schlange bei einer Internet-Auktion folgte.
Obwohl die meisten Wesire ihre neue Verbindung zwi-
schen ihrem Bewußtsein und dem globalen Telekommuni-
kationsnetzwerk aufs enthusiastischste auskosten, be-
fürchten einige andere, ihre Mitstreiter könnten Jahrhun-
derte des Forschens für eine zugegebenermaßen sehr ver-
lockende Ablenkung wegwerfen. Wieder andere sehen die
Ablenkung als ihre kleinste Sorge. Sie fürchten sich vor
den Implikationen eines wachsenden Gefühls, das Kom-
munikationsnetzwerk, in das sie so vorbehaltlos eintau-
chen, besäße ein eigenes transzendentes Bewußtsein - ein
Bewußtsein, das sich mit ihrer unfreiwilligen Hilfe in ein
Wesen entwickeln könnte, das noch mächtiger ist als die
Wesire selbst. Ein Wesir liegt heute brabbelnd ans Bett ge-
fesselt in einem Hospiz in Beirut, nachdem er in Trance
Satellitenübertragungen beobachtet hatte. Er schloß aus
ihnen, daß die Satelliten miteinander sprachen und daß es
das globale Telekommunikationssystem war, das den Krieg
im Kosovo auslöste und wieder beendete.
Verleihen die Wesire ungewollt dem Kommunikations-
system jene Macht, nach der sie selbst streben? Leider las-
sen ihnen die jüngsten Entwicklungen in ihrem Clan kei-
ne andere Wahl, als diesen gefährlichen Pfad weiter zu be-
schreiten. Die jungen Assamiten entrichten den Blutzoll
an ihre Erzeuger nicht mehr selbstverständlich; dort drau-
ßen in der Welt ist jeder Hashishayin auf sich allein ge-
stellt. Die Wesire müssen nun bei jeder Transaktion einen
Gegenwert für das Blut aufbringen, das sie erhalten. Ihre
zunehmend unverschämten Clansgeschwister bestehen
auf Garantien und scheuen nicht davor zurück, die Bedin-
gungen selbst festzulegen. Wenn die Wesire erste einmal
gezeigt haben, daß sie etwas Nützliches leisten können,
müssen sie es wieder und wieder tun oder darben.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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PFADE DER ASSAMITEN
Wie die Pfade der herkömmlichen Thaumaturgie setzen
die assamitischen Pfade den Einsatz eines Blutpunkts und
einen Willenskraftwurf voraus, dessen Schwierigkeit der
Stufe der Kraft +3 entspricht. Ein Scheitern bedeutet, daß
die Wirkung nicht eintritt, während ein Patzer den Cha-
rakter 1 permanenten Willenskraftpunkt kostet.
DIE WINDE DES JÄGERS
Die Assamiten sind aus gutem Grund als Assassinen der
Vampirwelt bekannt. Ihre Wesire zeigen ihnen Mittel und
Wege, einer Entdeckung zu entgehen, die weit über das
Maß der vampirischen Disziplin der Verdunkelung hinaus-
gehen. Die Magie der Assamiten vermag mehr zu leisten,
als eine Person vor fremden Blicken zu schützen oder die
Sinne aller Beobachter zu verwirren: Diejenigen, die den
Pfad der Winde des Jägers nutzen, haben gelernt, viele der
Dinge zu tun, für die die Nosferatu so berüchtigt sind,
wenn auch auf eine mehr physische als psychische Art.
Die Wesire verleihen den „Einsatzkräften“ der Assamiten
diese Gaben, indem sie persönlich mit ihnen Kontakt auf-
nehmen, mittels Berührung der Erde oder durch den Ge-
brauch des Talismans, der durch das Ritual Ein Stein vom
Berge erschaffen wird. Das Subjekt hält die Auslösung des
Effekts zurück, bis es auf die Wirkung zurückgreifen möch-
te; eine Person kann so viele nicht-aktivierte Effekte auf
einmal aufrechterhalten, wie ihre momentane Willenskraft
angibt. Der Empfänger erfährt nicht, ob die Magie des
Wesirs erfolgreich war, bis er versucht, den Effekt zu akti-
vieren.
• WITTERUNG DER TÄUSCHUNG
Mit dieser Kraft kann der Empfänger seine eigene Wit-
terung verbergen oder verändern. Der ursprüngliche
Zweck dieser Fähigkeit bestand darin, Jagdhunden von
Adligen und Kreuzrittern zu entgehen, aber sie erweist
sich als ebenso effektiv, wenn es darum geht, Wolflinge,
Ghule oder Gangrel abzuschütteln, die einem zu dicht auf
den Fersen sind.
System: Ein Erfolg bedeutet, daß der Assamit seine Wit-
terung verändern oder einfach verschwinden lassen kann,
was es schwieriger macht, ihn zu verfolgen. Ein Scheitern
heißt, daß nichts passiert, während ein Patzer die Witte-
rung tatsächlich noch verstärkt oder deutlich widerlich
macht.
•• CHAMÄLEONHAUT
Das Ziel kann die Farbe und auch die Oberflächenbe-
schaffenheit seiner Haut verändern. Lehnt es sich gegen
einen Baum mit rauher Rinde, nehmen sowohl die Haut
als auch die Kleidung des Assamiten dieselbe Färbung und
Beschaffenheit an - einschließlich aller Nuancen.
System: Bei Erfolg läßt diese Kraft das Ziel nahezu un-
sichtbar werden (die Schwierigkeit aller Wahrnehmungs-
würfe wird um 4 erhöht), so lange es sich nicht bewegt.
DER THAUMATURGIE
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 Kleine Bewegungen könnten dem Wind zugeschrieben
werden, aber jeglicher schneller Positionswechsel hebt die
Kraft auf. Der Spieler muß Wahrnehmung + Heimlichkeit
würfeln (Schwierigkeit 6 oder 9, wenn jemand den Cha-
rakter aktiv sucht), wenn der Charakter versucht, seine
Umgebung zu verlassen, beispielsweise, wenn er von der
Baumtarnung zu der einer Backsteinmauer wechseln
möchte. Obwohl sich die Beschaffenheit der Haut ändert,
bleibt sie immer noch Haut: Es gibt keine Boni oder Ab-
züge auf die Widerstandsfähigkeit des Charakters infolge
dieser Zauberkraft. Diese Fähigkeit bleibt 1 Szene lang be-
stehen.
••• HARMLOSE GESTALT
Das Subjekt setzt diese Kraft ein, um unabhängig von
ihrer Größe in fast jeder Menschenmenge unterzutauchen.
Wer den Charakter sucht, sieht ihn einfach nicht, weil er
automatisch davon ausgeht, daß der Vampir zur Men-
schenmenge gehört.
System: Bei Erfolg bemerken die Leute den Assamiten
einfach nicht, ganz egal, wie sehr sie auch nach ihm su-
chen mögen. Beobachter, die technische Überwachungs-
geräte wie etwa Videokameras einsetzen, können ihn al-
lerdings immer noch sehen. Diese Kraft hält 1 Szene lang
an.
•••• EIN HAUCH VON KALIF
Der Assamit verändert die Wahrnehmung der Umste-
henden so, daß sie das verwirrende Gefühl haben, einen
mächtigen Rausch zu haben. Sie können eine angenehme
Halluzination genießen oder sich einfach nur verzückt aus
ihrer Umgebung ausklinken, ohne sich zu kümmern, was
der Assamit vorhat.
System: Jeder Charakter, der bei der Aktivierung des Ef-
fektes den Assamiten ansieht, muß Geistesschärfe + Auf-
merksamkeit (Schwierigkeit 7) würfeln oder verfällt in ei-
nen Rauschzustand. Jede offensichtliche Bedrohung eines
Charakters aktiviert dessen unbewußte Verteidigungsme-
chanismen und reißt ihn aus dem Kalif-Traum. Ansonsten
hält diese Kraft nach der Aktivierung 1 Stunde pro Erfolg
beim ursprünglichen Wurf an.
••••• ASTRALLEIB
Der Assamit, der diese Kraft aktiviert , kann sich durch
feste Gegenstände bewegen, ohne gesehen oder gehört zu
werden. Der Assamit wird in jeglicher Hinsicht zu einem
Geist ohne stofflichen Leib. Die Nebenwirkung dieser
Kraft besteht darin, daß der Assamit alles Stoffliche um
sich herum ebensowenig beeinflussen kann wie das Stoff-
liche ihn selbst.
System: Diese Kraft erfordert den Einsatz von 3 Blutpunk-
ten anstelle des herkömmlichen einen. Hat sich das Ziel
erst einmal in einen Astralleib verwandelt, kann es weder
gesehen oder gehört noch berührt werden. Trotz ihres Na-
mens versetzt diese Kraft den Charakter nicht in die Rei-
che der Toten und ermöglicht ihm keine Interaktion mit
Geistern. Manche Assamiten haben jedoch berichtet, in
dieser Form seltsame Dinge gesehen zu haben, und die
meisten zögern, wenn es darum geht, sich als Astralleib
fortzubewegen. Hat sich der Charakter entschlossen, die
stoffliche Welt wieder zu beeinflussen, wird er sofort sicht-
KAPITEL VIER: ARKANA
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Blutmagie06.p65 119
Julia Reinecke (Order #10164437)
bar und gewinnt seine stoffliche Form zurück. Der Assa-
mit kann keine Disziplinen einsetzen, solange diese Kraft
wirkt - er kann niemanden beherrschen, keine Geschwin-
digkeit aktivieren oder auch nur Auspex einsetzen, so er
denn über diese Disziplin verfügt.
RITUALE DER ASSAMITEN
Viele Rituale der Assamiten drehen sich um den Kon-
takt zwischen den Wesiren und den Assassinen. Letztere
tauschen ihr Blut gegen magische Dienste ein. Die Durch-
führung dieser Rituale setzt außerdem voraus, daß man
mindestens 1 Blutpunkt von einem Gefäß zu sich nimmt,
das unter dem Einfluß von Kalif steht, oder selbst große
Mengen an Rauch inhaliert, um die Droge durch den ei-
genen Körper zu leiten, indem man sein Blut zum Zirku-
lieren zwingt.
System: Der Spieler würfelt Intelligenz + Okkultismus
(Schwierigkeit 3 + Stufe des Rituals, maximal 9). Ein Er-
folg bringt das gewünschte Ergebnis; im Falle eines Schei-
terns geschieht nichts.
Manche Effekte behalten ihre Wirkung bis zur nächsten
Nacht, in der die Sterne ungünstig stehen, so wie sie vom
473000jährigen mesopotamischen Kalender vorgegeben
werden. Jede Nacht würfelt der Erzähler 1 Würfel. Jedes-
mal, wenn er eine 1 würfelt, stehen die Sterne ungünstig.
Die Erzähler sollten diese Nächte auf einem kleinen Ka-
lender festhalten, damit später keine Abweichungen ent-
stehen.
RITUALE DER ERSTEN STUFE
BERÜHRUNG DER ERDE
Dieses Ritual erlaubt es dem Wesir, mit einem anderen
Assamiten Kontakt aufzunehmen, um ihm mit magischen
Effekten beizustehen.
Lange vor dem Ritual nimmt der Wesir einen Griffel und
schreibt in alten mesopotamischen Zeichen auf ein klei-
nes, noch feuchtes Tontäfelchen den Namen eines Assa-
miten aus einer jüngeren Generation. Ist das Täfelchen
gehärtet, wird es in Säure gelegt, um es wieder aufzuwei-
chen.
Entschließt sich der Wesir, das Ritual zu beginnen, be-
nutzt er Kreide oder Farbe, um auf dem gefliesten Boden
seiner Zeremonienkammer das stilisierte Abbild eines Au-
ges mit Augapfel, Pupille und Iris aufzuzeichnen. Das
Auge muß groß genug sein, damit eine Katze, ein Hund
oder ein Nager darin plaziert werden können. Mit einem
Stößel zermahlt der Wesir das Täfelchen in einem Mörser.
Er mischt das Pulver unter Futter, das er dem Tier zu fres-
sen gibt. Nachdem das Tier das Futter gefressen hat,
schlitzt ihm der Wesir die Kehle auf und wartet, bis das
vergossene Blut an mindestens vier Stellen über die Linie
geflossen ist, die das Weiße des Auges abgrenzt.
Flüstert der Wesir nun ins Ohr des Tiers, hört der Assa-
mit, dessen Name auf dem Täfelchen stand, seine Stim-
me. Horcht der Wesir am Maul des Tiers, hört er die Stim-
me des Ziels. Diese Kommunikation ist unabhängig von
der Entfernung zwischen Wesir und Ziel. Der Wesir kann
von da an jeden Pfad oder andere Ritualkraft der Assa-
miten zugunsten des Ziels wirken. Der Wesir kann außer-
07.11.00, 10:52
 dem jeden Gegenstand an das Ziel weitergeben, der klein
genug ist, um in seine Hand zu passen.

EIN STEIN VOM BERGE

Der Wesir nimmt einen Stein vom Berg Alamut in den
Mund und meditiert 1 Stunde lang. Er tränkt den Stein
mit seinem Blut und dann mit dem Blut eines weiteren
Assamiten. Während er eine Anrufung singt, in der er sich
und das Ziel als Nachfahren Tiamats, Ahrimans und aller
Shaitans der Hölle bezeichnet, gibt er den Stein an diesen
anderen Assamiten weiter. Die Durchführung des Rituals
dauert 90 Minuten.
Wenn er nun zu einem beliebigen Zeitpunkt den Stein
in den Mund nimmt und die Anrufung wiederholt, kann
der andere Assamit eine mystische Verbindung zu dem
Wesir aufbauen, die mit der durch Berührung der Erde auf-
gebauten Verbindung identisch ist. Er selbst wirkt dabei
keine Zauber; die Magie ruht im Stein, der immer einge-
setzt werden kann, wenn der Spieler des Wesirs bei seinem
anfänglichen Wurf Erfolg hatte.

RITUAL DER ZWEITEN STUFE

DIE GABE DES MITHRASSTIERS
Wesir und Ziel müssen durch Berührung der Erde oder
Ein Stein vom Berge verbunden sein. Der Wesir legt eine
kleine, scharfe Klinge in einen Weinschlauch oder einen
Plasmabeutel, holt sie wieder hervor und gibt sie an das
Ziel weiter. Das Ziel fügt sich eine Schnittwunde auf der
Brust zu. Blut tritt aus, aber verschwindet dann, um im
bereitgelegten Behältnis des Wesirs wieder aufzutauchen.
So kann das Ziel den Wesir in Blut für dessen Dienste aus-
bezahlen.
Pro Blutpunkt, der vom Ziel gespendet wird, dauert die-
ses Ritual 1 Runde.

RITUAL DER DRITTEN STUFE

ANNÄHERUNG AN DEN SCHLEIER
Der Wesir versetzt sich in den Trancezustand, in dem
man Visionen vom Schleier erfahren kann. Er nimmt mit
Kalif versetztes Blut zu sich, badet im Blut eines frisch ge-
schlachteten Stiers und meditiert. Zunächst muß er eine
Kaskade an unangenehmen, ablenkenden Erinnerungen
überstehen, dann eine verlockende Reihe sinnlicher Freu-
den. Dann kommt die Gelegenheit für eine Offenbarung.
Das Ritual dauert 8 Stunden. Obwohl der Wesir es auf
der Suche nach den Geheimnissen der Apotheose durch-
führt, bringt ihm ein kurzer Blick hinter den Schleier der
Wahrheit auch direkte Vorteile. Ziehen Sie die Anzahl der
Erfolge beim Wurf für die Durchführung dieses Rituals von
der Schwierigkeit des ersten Pfad- oder Ritualwurfs ab,
den der Spieler nach Vollendung dieses Rituals macht. Der
Wesir muß diesen Bonus nutzen, ehe er seinen nächsten
Blutpunkt verliert.

RITUALE DER VIERTEN STUFE

MARDUKS TRIUMPH
Dieses Ritual sichert die Autorität des Wesirs über ein
jüngeres Clansmitglied. Der Wesir stellt rituell die Krö-

BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE

120

Blutmagie06.p65 120 07.11.00, 11:11

Julia Reinecke (Order #10164437)

 nung Marduks nach, indem er eine Maske und eine Robe
anlegt. Die anderen Teilnehmer am Ritual, von denen je-
der ein Assamit jüngerer Generation sein muß als der
Wesir, übernehmen die Rolle verschiedener mesopotami-
scher Gottheiten; jeder kniet vor dem Zauberer nieder
und verkündet, seine oder ihre Göttlichkeit sei nur ein
Aspekt der 50 Manifestationen Marduks. Jeder Anwesen-
de öffnet eine Ader und gibt Blut in eine Schale. Nach-
dem das Blut gemischt wurde, trinken alle davon.
Der Wesir kann die Schwierigkeit jeder von einem an-
wesenden Assamiten ausgeführten Handlung um die An-
zahl der anderen Teilnehmer am Ritual erhöhen. Er kann
diesen Malus nur auf Handlungen anwenden, die sein Un-
leben oder seinen Rang direkt bedrohen (dies liegt im Er-
messen des Erzählers). Er kann keine Schwierigkeiten über
9 anheben. Der Effekt hält bis zur nächsten Nacht, in der
die Sterne ungünstig stehen, an. Die Durchführung des
Rituals dauert 1 Stunde + je 20 Minuten für jeden Teil-
nehmer.
AHRIMANS LANZE
Der Wesir verschluckt entweder ein Abbild der Zielper-
son oder einen kleinen Gegenstand, der ihr einmal gehört
hat. Er wartet eine Stunde und schneidet dann den Ge-
genstand aus seinem Bauch heraus (oder läßt es andere
Wesire für ihn tun). Bis zur nächsten Nacht, in der die
Sterne ungünstig stehen, verbessern sich die Chancen ei-
nes Assamiten, der das Bild oder den Gegenstand besitzt,
die Zielperson zu töten.
Der Eigentümer des Ritualgegenstands senkt die
Schwierigkeiten aller Handlungen, die ihn einem Mord an
der Zielperson näherbringen (das liegt im Ermessen des
Erzählers), um die Anzahl der vom Wesir erzielten Erfol-
ge. Die Durchführung des Rituals dauert 2 Stunden.
RITUALE DER FÜNFTEN STUFE
MARDUKS TOD UND AUFERSTEHUNG
Der Wesir nimmt Kontakt zu einem anderen Assamiten
auf. Der benennt ein Opfer, das er diablerieren will. Dann
nimmt der Zauberer an einer Gruppenzeremonie mit min-
destens 3 anderen Personen teil, die das Ritual kennen.
Indem er eine Robe und eine Maske anlegt, spielt er auf
rituelle Weise den Mythos von Marduk nach, wobei er die
Rolle des Gottes übernimmt. Die anderen Teilnehmer
übernehmen die Rollen von Marduks Mutter Ea, seiner
Gemahlin Sarpanitu und des Chaosdrachens Tiamat. Tia-
mat „tötet“ Marduk, aber Marduk „erhebt sich“ und „er-
schlägt“ sie, wodurch er sie symbolisch in den Körper der
Welt verwandelt. Nach diesem Spiel muß der Leiter des
Rituals ohne zu wanken einen harten Schlag ins Gesicht
von jedem der anderen Teilnehmer erdulden. Treten dem
Leiter des Rituals Tränen aus Blut in die Augen, bedeutet
das den erfolgreichen Abschluß des Rituals.
Gelingt es dem Assamiten, der von diesem Ritual profi-
tieren möchte, sein Ziel vor dem nächsten Sonnenaufgang
zu diablerieren, teilen der Erzeuger des Opfers, alle Kin-
der des Erzeugers, alle Kinder des Opfers und jeder Vam-
pir, mit dem das Opfer ein Blutsband aufweist, die letzten
KAPITEL VIER: ARKANA
121
Blutmagie06.p65 121
Julia Reinecke (Order #10164437)
Empfindungen des Opfers, während es vergeht. Jeder von
ihnen verliert 1 Blutpunkt und 3 Willenskraftpunkte, die
an den Mörder übergehen (obwohl die Werte nicht über
den festgelegten Höchstwert des Charakters steigen kön-
nen). Ist der Blutvorrat des Mörders voll, geht der Rest an
den Wesir. Darüber hinaus leiden all diese Nebenziele un-
ter einem weiteren Effekt, bis die nächsten 13 Nächte ver-
strichen sind, in denen die Sterne ungünstig stehen: Sie
verlieren 1 Willenskraftpunkt für alle 10 Minuten, die sie
sich in der Gegenwart des Mörders oder des Wesirs aufhal-
ten, da sie mit plötzlich auftretenden Erinnerungen an das
Ende des ursprünglichen Opfers zu kämpfen haben.
AUGEN DES FIRMAMENTS
Der Wesir versetzt sich in Trance und konzentriert sich
auf sein Ziel. Er muß ein genaues Abbild des Ziels oder ei-
nen Gegenstand, den es einmal besessen hat, bei sich tra-
gen. Dann sieht er eine Vision vom Ziel und erfährt des-
sen genauen momentanen Aufenthaltsort, ganz gleich, wo
auf Erden es sich auch aufhalten mag. In der Regel führen
Wesire dieses Ritual auf Bitten der jüngeren Assamiten
hin durch, um im Austausch gegen Vitæ Opfer für sie auf-
zuspüren.
RITUALE DER SECHSTEN STUFE
AUS MARDUKS SCHLUND
Der Wesir erschafft einen alchimistischen Ersatz für
vampirisches Blut, der es einem Trinkenden erlaubt, seine
eigene Generation zu senken, wenn er ausreichend Ersatz-
blut zu sich nimmt. Der Prozeß verwandelt Quecksilber,
geschmolzenes Gold, eine Reihe von pflanzlichen und tie-
rischen Eiweißen sowie anderen exotischen Ingredienzien
in Vitæ.
Jedes Ritual, das im übrigen 8 Stunden dauert, erschafft
einen viertel Blutpunkt. Um seine Generation zu senken,
muß ein Assamit eine Anzahl an Punkten dieses alchimi-
stischen Placebos verzehren, das dem Höchstwert des
Blutvorrats eines Vampirs aus der gewünschten Generati-
on entspricht (s. Tabelle in Vampire: Die Maskerade, S.
147.) Der Assamit, der das Blut trinkt, muß nicht der
Wesir sein, der den Trank gebraut hat. Das gesamte Blut
für einen Generationenwechsel muß vom gleichen Wesir
im gleichen Laboratorium hergestellt werden. Zwischen
zwei Anwendungen dieses Rituals, um die Generation um
einen Schritt zu senken, darf nicht mehr als eine Woche
liegen, oder das Vitæ-Elixier verdirbt.
Ist die volle Blutmenge erst einmal bei der Hand, ver-
sucht der Assamit, das Blut in seinen Körper zu assimilie-
ren. (Das ist nicht Teil des Rituals.) Er legt einen erwei-
terten Wurf auf Widerstandsfähigkeit gegen 9 ab und ver-
sucht, so viele Erfolge zu erzielen, wie es die verzehrten
Blutpunkte angeben. Ein Scheitern hält den Vorgang
nicht auf, aber der Assamit nimmt 6 Würfel tödlichen
Schaden. Die Aufnahme des neuen Blutes ist so schmerz-
haft und ablenkend, daß alle Angriffe, die während dieser
Zeit gegen den Assamiten erfolgen, eine Schwierigkeit von
2 haben.
07.11.00, 11:11
 KOLDUNISCHE
HEXEREI
Lang bevor die Blutmagie der Tremere aufkam, verfüg-
ten die Tzimisce schon über die Kunst der koldunischen
Hexerei. Im Gegensatz zu den arkanen Pfaden der Thau-
maturgie handelt es sich bei koldunischer Hexerei um spi-
rituelle Magie, die die in der Natur vorkommenden Ele-
mente manipuliert. Aus dem in magischer Hinsicht eben-
so reichen wie kranken Boden ihrer Herrschaftsgebiete
ziehen die Tzimisce dämonische Macht. Mittels passender
Buße- und Bannriten kann ein Koldune elementaren
Mächte beschören, die den Naturgewalten Form verlei-
hen.
Die jeweiligen Spielarten dieser Magie wurden den No-
vizen unter den Koldunen je nach regionalen Gegebenhei-
ten gelehrt. Obwohl die Wege des Geistes und des Feuers
allgemein verbreitet waren, war der weg des Windes nur
den Koldunen bekannt, die in den Karpaten hausten. Der
Weg des Wassers wurde vornehmlich von Koldunen prak-
tiziert, die ihre Zufluchten in der nähe von Gewässern wie
dem Schwarzen Meer, der Ungarischen Seenplatte und
den Flüssen Donau, Somes und Arges hatten. Der Weg
der Erde war bei jenen Koldunen gebräuchlich, die in den
Ebenen und Hochebenen Osteuropas lebten.
Zu Zeiten der Geburt der Tremere war die koldunische
Hexerei am weitesten verbreitet. Aufgrund der Bedrohung
durch die Tremere und ihre Blutmagie wurde diese Hexe-
rei zur am häufigsten eingesetzten Waffe bei der Verteidi-
gung der Lande der Koldune. Blutige Fehden zwischen die-
sen Magiern färbten die Donau rot, und mächtige Magie
schändete das Land. Mit dem Ende des finsteren Mittelal-
ters geriet auch die koldunische Hexerei in Vergessenheit,
wurde nicht mehr praktiziert und nur noch beiläufig und
in Halbwahrheiten erwähnt.
Heute praktizieren nur noch einige wahrhaft uralte Tzi-
misce koldunische Hexerei. Diese überlebenden Koldunen
sind ausgesprochen territorial. Sie tauchen nur selten auf,
und wenn, dann nur solange, um sich Gehör zu verschaf-
fen, da sie es vorziehen, unter sich zu bleiben, umgeben
von den Ruinen ehemals mächtiger Burgen und Schlösser.
Mit dem geheimnisvollen Verschwinden der Tremere anti-
tribu wird das Wissen und die Philosophie der kolduni-
schen Hexerei häufiger mit jenen geteilt, die gewillt sind,
etwas von ihrer Existenz zu erfahren, und so hat sie sich in
den Reihen der jüngeren Mitglieder des Sabbat verbreitet.
Manche vermuten, unternehmungslustige Unholde hät-
ten ein wenig von ihrer Weisheit an die Sekte weitergege-
ben, um die alten Wege nicht gänzlich in Vergessenheit
geraten zu lassen. Zynische Sabbatmitglieder glauben je-
doch, ein schlauer Kainit oder ein gerissenes Rudel hätten
es geschafft, einem trägen Tzimisce einige Geheimnisse zu
entreißen, um sie dann an alle Lernwilligen weiterzuge-
ben.
System: Koldunische Hexerei besteht aus den fünf Wegen
der Elemente und einigen Ritualen, und sie wird in einem
der Thaumaturgie ähnlichen System gelehrt. Der Grund-
wert in koldunischer Hexerei eines Charakters gibt an, wie
effizient er die Wege dieser Magie erlernen kann, und je-
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Blutmagie06.p65 122
Julia Reinecke (Order #10164437)
NEUE KENNTNIS
KOLDUNISCHE HEXEREI
Diese neue Kenntnis ist ein Maß für das Wissen ei-
nes Kainskinds über die Philosophie des osteuropäi-
schen Animismus. Der Spieler eines Koldunen würfelt
diese Fähigkeit mit einem der fünf möglichen Attri-
bute, wenn er die Macht dieser Magie anruft. Jeder
Punkt steht auch für ein tieferes Verständnis dieser
spirituellen Magie und der Manipulation der Elemen-
te.
• Schüler: Sie wissen von großen Geistern und
Besänftigungen.
•• Student: Sie wissen viel von den alten We
gen und sind ein anerkannter Koldune.
••• Magister: Sie gehören zu den mächtigsten
Koldunen der heutigen Nächte.
•••• Doktor: Die Geister zittern, wenn Sie zür-
nen.
••••• Dozent: Sie sind ein mächtiger, furchteinflö-
ßender Meister der Geister des Landes.
Zu finden bei: Einigen wenigen jungen Sabbatmit-
gliedern, Tzimisce (und zwar alten!)
Spezialitäten: Philosophie, Rituale, Kunde, Bezie-
hungen zu Geistern
der in dieser Disziplin hinzugewonnene Punkt bringt dem
Charakter auch einen weiteren Punkt in einem Weg sei-
ner Wahl. Natürlich kann dieser Bonus nicht einem Weg
zugewiesen werden, der danach einen höheren Wert auf-
weisen würde als die Kenntnis Koldunismus. Damit ein
Charakter die Kräfte der koldunischen Hexerei anrufen
kann, muß der Spieler 1 Willenskraftpunkt aufwenden
und danach einen entsprechenden Wurf auf ein Attribut
(das vom jeweiligen Weg festgelegt wird) + koldunische
Hexerei ablegen (Schwierigkeit 4 + Stufe der Kraft). Die
fünf Arten von Attributwürfen sind Charisma für den Weg
des Geistes, Widerstandsfähigkeit für den Weg der Erde,
Wahrnehmung für den Weg des Windes, Geistesschärfe für
den Weg des Wassers und Manipulation für den Weg des
Feuers. Im Gegensatz zur Thaumaturgie gibt es keinen pri-
mären Pfad, der erlernt werden muß; jeder Weg der kold-
unischen Hexerei ist zu den entsprechenden Standardko-
sten der Pfade von Beginn an zugänglich, vorausgesetzt,
der Koldun findet einen Lehrer oder einen passenden Text.
Erzählern sei gesagt, daß es sich hierbei um eine seltene
Form spiritueller Magie handelt und daß Charaktere wahr-
scheinlich kaum einen Zugang zu ihr haben werden, es sei
denn, sie gehören zum Sabbat oder haben sonst irgendei-
nen vernünftigen Grund, Forschungen in Sachen kolduni-
scher Hexerei zu betreiben. Spieler müssen im Hinterkopf
behalten, daß die koldunische Hexerei gerade eben erst
begonnen hat, sich innerhalb des Sabbats weiter zu ver-
breiten; man kann mit Sicherheit sagen, daß kein Mitglied
der Camarilla oder der Unabhängigen aktiv nach dieser
Kunst forscht, wenn es sich denn ihrer überhaupt bewußt
ist.
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 11:12
 DER WEG DER ERDE
Alte Hospodar-Koldunen herrschten einst über die Län-
der Osteuropas, indem sie die in magischer Hinsicht
mächtige Chernozem - die „schwarze Erde“ - manipulier-
ten, um sich ihrer Macht zu bedienen und Furcht in die
Herzen der Bojaren und Bauern zu tragen. Heute rufen die
jungen Koldunen des Sabbat die Geister des Westens an
und nutzen ihre natürliche Umgebung, um die Kräfte des
Wegs der Erde einsetzen zu können. Wenn ein Koldune
eine Kraft dieses Wegs einsetzt, werden seine Augen wal-
nußbraun, und seine Haut nimmt an manchen Stellen die
Beschaffenheit von Stein an.
• IRDENE HÜLLE
Ein Koldune, der diese Kraft einsetzt, kann der Erde be-
fehlen, sich zu erheben, um an den Beinen einer Person
emporzukriechen. Die Erde steigt sehr schnell und hält ein
Opfer fest, sobald sie über seine Knie reicht.
System: Ein Erfolg beim Aktivierungswurf läßt Erde an
einer beliebigen Stelle in einem Umkreis von 100 m um
den Hexer aufsteigen und an den Beinen eines Opfers hin-
aufkriechen; die Erde stellt ihre Bewegung etwa auf hal-
ber Länge zwischen den Knien und den Hüften ein. Wenn
das Subjekt keine 5 Erfolge bei einem Wurf auf Körper-
kraft + Überleben (Schwierigkeit 6) erzielt, wird es von
der Irdenen Hülle für eine Anzahl von Runden festgehal-
ten, die den doppelten Erfolgen des Spielers beim Aktivie-
rungswurf entspricht.
•• ÜBERIRDISCHE
WIDERSTANDSFÄHIGKEIT
Ein Koldune, der diese Kraft einsetzt, borgt sich vorüber-
gehend die Härte der Erde, was ihm zusätzliche Wider-
standsfähigkeit bringt. Einige ältere Tremere Osteuropas
erinnern sich noch allzu gut an die schreckenserregende
Resistenz gegenüber Schmerz ihrer rivalisierender Kol-
dunen, wenn diese Überirdische Widerstandsfähigkeit ein-
setzten. Sabbat-Koldunen verwenden diese Kraft häufig,
um bei den Ritæ ihren Mut unter Beweis zu stellen.
System: Nachdem er 1 Willenskraftpunkt eingesetzt und
einen erfolgreichen Wurf auf Widerstandsfähigkeit + kol-
dunische Hexerei (Schwierigkeit 6) abgelegt hat, gewinnt
der Spieler 2 zusätzliche Würfel Widerstandsfähigkeit zum
Absorbieren von Schaden. Diese Würfel können auch
zum Absorbieren schwer heilbaren Schadens verwendet
werden. Der Effekt hält 1 Szene lang an.
••• TOD IN DER ERDE
Indem er Tod in der Erde anruft, befiehlt ein Koldune
Wurzeln, durch die Erdoberfläche zu brechen und ein Op-
fer ins Erdreich hinabzuziehen, um es so außer Gefecht zu
setzen. Wenn ein Opfer bis zum Hals in der Erde steckt,
wird es immer größere Schwierigkeiten beim Atmen ha-
ben, da das Gewicht der umliegenden Erde seinen Brust-
korb zerquetscht.
System: Wurzeln brechen aus der Erde und winden sich
um Beine, Knie und Hüfte eines Opfers, um es unter die
Erde zu ziehen. Pro Erfolg, den der Spieler bei einem Wurf
auf Widerstandsfähigkeit + Koldunismus erzielt (Schwie-
rigkeit 7), bleibt das Opfer 1 Runde lang im Erdreich ge-
fangen. Sterbliche und Ghule werden enorme Schwierig-
KAPITEL VIER: ARKANA
123
Blutmagie06.p65 123
Julia Reinecke (Order #10164437)
keiten mit der Atmung bekommen, wenn der Druck der
Erde zu lang auf ihren Körpern lastet, und müssen einen
Widerstandsfähigkeitswurf ablegen (Schwierigkeit 9) oder
in jeder Runde, die sie in ihrem irdenen Kerker verbrin-
gen eine Gesundheitsstufe tödlichen Schaden nehmen.
•••• WURZEL DES LEBENS
Viele Heiler glaubten, eine Person teilweise einzugraben
erlaube es der mächtigen Erde, sie von ihren Gebrechen
zu befreien. Diese Kraft ermöglicht es dem Koldunen, eine
Person bis zum Hals in die Erde hinabzuziehen, um sie von
schwersten Wunden zu heilen.
System: Durch den Einsatz eines Willenskraftpunkts be-
fiehlt der Koldune der Erde, eine Person aufzunehmen, um
ihre Wunden zu heilen. Ein Charakter muß pro Gesund-
heitsstufe, die er heilen möchte, 1 Runde lang in der Erde
bleiben. So kann jedweder Schaden, den ein Charakter
nehmen kann, geheilt werden, einschließlich schwer heil-
baren wunden, obwohl der Verletzte pro Gesundheitsstufe
an schwer heilbarem Schade, den er zu heilen gedenkt, 1
Blutpunkt aufbringen muß (vorausgesetzt, der verletzte
Charakter ist dazu überhaupt fähig). Während dieser Hei-
lungszeit ist das Ziel hilflos und kann keine sonstigen
Handlungen unternehmen.
••••• VLADS RUHELOSER GEIST
Bauern flüstern leise Gebete, um sich vor den unheimli-
chen Erdstößen zu schützen, die bisweilen die Karpaten
erzittern lassen. Sie glauben, bei diesen Erdstößen handle
es sich um den Geist Draculas, der aus seinem jahrhunder-
telangen Schlaf erwacht. In Wahrheit ist diese seltsame
seismische Aktivität das Ergebnis jener Koldunen, die den
schlafenden Zorn des geschändeten Landes anrufen.
Wenn er diese Kraft einsetzt, erzeugt der Koldune einen
heftigen Erdstoß, der in der Lage ist, die Grundmauern ei-
nes ganzen Häuserblocks zum Erzittern zu bringen.
System: Durch den Einsatz eines Willenskraftpunktes und
einen erfolgreichen Wurf auf Widerstandsfähigkeit + Kol-
dunismus erlaubt ein Spieler seinem Charakter, ein klei-
nes Erdbeben zu erzeugen. Jeder Erfolg, den er erzielt, ver-
größert den Radius des Bebens; Opfer innerhalb des Wir-
kungsbereichs nehmen 10 Würfel tödlichen Schaden. Au-
tos und kleinere Häuser werden stark beschädigt und
könnten nach Ermessen des Erzählers auch vollkommen
zerstört werden.
Gebäude mit drei oder mehr Stockwerken, etwa Wohn-
blöcke oder Bürohäuser, können zwar Schaden nehmen,
aber der übernatürliche Erdstoß reicht nicht aus, um sie
zum Einsturz zu bringen. Das Erdbeben dauert 1 Runde
1 Erfolg 1 Gebäude
2 Erfolge 5 Gebäude
3 Erfolge Eine Straße
4 Erfolge Ein halber Häuserblock
5 Erfolge Ein ganzer Häuserblock
DER WEG DES WINDES
Der Weg des Windes - eine der weiteren Formen der
koldunischen Hexerei - wurde einst von den Tzimisce ein-
gesetzt, um ihre osteuropäischen Besitztümer zu schützen.
Die Anrufung dieser Kräfte verlieh ihnen die Fähigkeit,
das Element des Crivat ihren Wünschen untertan zu ma-
07.11.00, 11:12
 chen und sich zum Herrscher über die Luft aufzuschwin-
gen, die sie als Sterbliche einst geatmet hatten. Die Men-
schen Osteuropas - vor allem in Rumänien - haben diesen
Winden, die die Koldunen manipulieren, Namen gegeben
- in westlichen Gebieten dieser Region werden sie Austru
oder die Schwarzen Winde genannt, während die Bewoh-
ner des Südens sie die Großen Winde oder Baltaret getauft
haben. Wenn ein Koldune eine Kraft dieses Wegs anruft,
färben sich seine Augen himmelblau, und überall um ihn
herum kommen Windstöße auf.
• WINDE DER SCHULD
Einst riefen die uralten Hospodar-Koldunen Winde der
Schuld als Mittel an, sich die Loyalität ihrer Bojaren zu si-
chern, ohne sie in ein Blutsband zwingen zu müssen. Die-
se Kraft ließ einen Windstoß um diese Bojaren herum auf-
kommen, der für sie wie flüsternde Stimmen klang, die ih-
nen von den Schrecken erzählten, die ihnen und ihren
Familien zuteil werden sollten, falls sie es wagten, ihren
Voivoden zu verraten. Die Stimmen beeinflußten nach
und nach den Verstand dieser Männer, und erst wenn die-
ser Zauber nachließ, kamen sie wieder zu Sinnen. Danach
fürchteten die Bojaren die Folgen eines Verrats so sehr,
daß ihre Treue gegenüber ihrem Meister unerschütterlich
war. Koldunen des Sabbat lieben es, diese Kraft während
der Ritæ einzusetzen, bevor sie sich nähren, um sich an
dem Adrenalin im Blut eines von Grauen erfüllten Gefä-
ßes zu laben.
System: Mit einem erfolgreichen Wurf auf Wahrnehmung
+ koldunische Hexerei (Schwierigkeit 5) erzeugt ein Kol-
dune mystische Winde, die ein Opfer plagen. Das Ziel ist
überzeugt, Stimmen zu hören, die ihm die bösartigsten
Grausamkeiten schildern (Erzähler werden ermutigt, den
Inhalt dieses Flüsterns, das ein Opfer hört, zu improvisie-
ren). In Anwesenheit des Koldunen verlieren die Opfer
zwei Würfel Mut (bis auf ein Minimum von einem Wür-
fel). Jeder Erfolg, den der Spieler des Koldun erzielt, ver-
längert die Wirkung dieser Kraft
1 Erfolg 1 Szene
2 Erfolge 1 Nacht
3 Erfolge 1 Woche
4 Erfolge 2 Wochen
5 Erfolge 1 Monat
•• SCHNEIDENDE WINDE
Die koldunischen Schöpfer dieser Kraft versuchten, ei-
nen Wind heraufzubeschwören, der so kalt ist wie die Luft
auf den Fagrashbergen in den Karpaten. Sie sahen, wie
ihre Opfer litten, wenn ihre Körpertemperatur fiel, bis ih-
nen das Blut in den Adern gefror. Ein Koldune, der diese
Kraft einsetzte, hatte es sehr viel leichter, sein Land von
allen unerwünschten Elementen zu säubern, wenn er sie
nur lange genug mit eiskalten Windstößen plagte. Die
modernen Koldunen im Sabbat, die diesen Wind heraufbe-
schwören, bezeichnen den Effekt auf die Opfer bisweilen
als „Kühlhaus“. Ein Koldune, der Schneidende Winde ein-
setzt, erzeugt einen sehr kalten Wind, der in einem gebiet
seiner Wahl weht. Mit zunehmender Windgeschwindig-
keit fällt die Körpertemperatur der Opfer, bis es im Wir-
kungsbereich dieser Kraft so ungemütlich wird, daß nie-
mand mehr freiwillig bleiben möchte.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
124
Blutmagie06.p65 124
Julia Reinecke (Order #10164437)
System: Nachdem der Spieler 1 Willenskraftpunkt einge-
setzt und Wahrnehmung + koldunische Hexerei (Schwie-
rigkeit 6) gewürfelt hat, beschört der Charakter einen ei-
sigen Wind herauf. Zu Beginn weht nur eine kühle Brise
in einem Radius von 100 m. Nach und nach bläst der
Wind heftiger und viel kälter, bis er eine bis auf die Kno-
chen durchdringende Kälte in sich trägt, die nur schwer
zu ertragen ist. Opfer verlieren 2 Würfel aus ihren Wür-
felvorräten für Geschick und können sich nur noch mit
der Hälfte ihrer maximalen Geschwindigkeit bewegen. Je-
der, der versucht, dieses Gebiet zu betreten, muß zunächst
1 Willenskraftpunkt aufwenden und erleidet 1 (absorbier-
bare) Gesundheitsstufe Schlagschaden aufgrund der extre-
men Kälte.
••• WINDE DER LETHARGIE
Obwohl diese Winde ein Opfer nicht sofort einlullen,
führt ein längerer Einfluß dieses übernatürlichen Windes
zu extremer Erschöpfung und hoher Müdigkeit. Ziele, die
von den Winden der Lethargie betroffen sind, riechen ei-
nen bittersüßen Rauch in der Luft. Es gibt auch Personen,
die behaupten, der Wind fühle sich an wie viele ungreif-
bare Hände, die in einer unablässigen Massage Muskeln
zur Entspannung bringen.
System: Der Spieler würfelt Wahrnehmung + kolduni-
sche Hexerei (Schwierigkeit 7) und wendet 1 Willens-
kraftpunkt auf. Ist der Wurf erfolgreich, erzeugt der Kol-
dune einen Wind, der in einem Radius von 200 m extreme
Lethargie hervorruft. Dieser Wind weht pro Erfolg beim
Aktivierungswurf 2 Runden lang. Jeder, der von diesem
Windstoß betroffen ist, muß einen Wurf auf Widerstands-
fähigkeit + Überleben (Schwierigkeit 8) ablegen. Schei-
tert der Wurf, werden alle Würfelvorräte für körperliche
Handlungen halbiert (Handlungen wie Atmen oder Blin-
zeln sind instinktiv und werden daher nicht betroffen, ob-
wohl der Erzähler betonen sollte, wie anstrengend sie ge-
worden sind). Darüber hinaus reduziert diese Müdigkeit
die Bewegungsrate ihrer Opfer für eine ganze Szene um die
Hälfte.
•••• REISE AUF DEM WIND
Ein Koldune, der diese Kraft einsetzt, bewegt sich mit
unglaublicher Geschwindigkeit auf den Schwingen des
Windes. Die Voivoden der früheren Nächte tauchten oft
im Heim eines jeden ihrer Bojaren und in jedem einzelnen
ihrer Dörfer auf, lehrten die Bauern das Fürchten und si-
cherten durch Terrorakte ihren Gehorsam. Die Koldunen,
die diese Ausflüge unternahmen, konnten in nur einer
einzigen Nacht zu den meisten, wenn nicht gar allen, ih-
rer Bojaren und Dörfer reisen. Im finsteren Mittelalter be-
gehrten die Bauern unter der Herrschaft eines Koldunen
nur selten gegen ihren Meister auf, da sie sein persönliches
Erscheinen und seinen strafenden Zorn fürchteten, der
ihm meist auf dem Fuße folgte. Während er auf den Win-
den reitet, wird der Körper eines Koldunen nahezu geister-
haft: Er verschwindet in einem verschwommenen Umriß
seines körperlichen Selbst und materialisiert sich auch auf
ähnliche Weise wieder.
System: Ein Koldune reitet auf den Windströmungen,
nachdem der Spieler einen Willenskraftpunkt eingesetzt
und einen erfolgreichen Wurf auf Wahrnehmung + kold-
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 11:13
 unische Hexerei (Schwierigkeit 8) abgelegt hat. Nach der
erfolgreichen Anrufung dieser Kraft verschwimmt der
Körper des Koldunen in einem Windstoß, wonach er sich
mit einer Geschwindigkeit von 400 km/h durch die Luft
bewegt, wobei seine eigene Geschwindigkeit allerdings
nicht die eigentliche Windgeschwindigkeit beeinflußt.
Dieser Effekt kann nicht innerhalb eines Gebäudes ge-
wirkt werden; obwohl es ihm im Freien möglich ist, sämt-
liche Hindernisse zu umfliegen, fehlt dem Koldunen die
Kontrolle, durch ein Gebäude zu manövrieren, und er
läuft Gefahr, mit dieser hohen Geschwindigkeit in Mau-
ern, Türen und Personen hineinzurasen. Diese Kraft hält
eine Szene lang an, wonach der Koldune sich an seinem
Ziel von seiner verschwommenen Form zurück in sein nor-
males stoffliches Selbst verwandelt.
••••• LEIB DES ZEPHIR
Ein Koldune, der sich in den Leib des Zephir auflöst, geht
eine Verbindung mit der Luft ein, wodurch es ihm mög-
lich wird, selbst durch die kleinsten Risse und Löcher hin-
durch zu manövrieren. Der Körper des Koldunen behält
seine grundlegende Form bei, obwohl er zu geisterhaft und
durchsichtig ist, als daß Betrachter noch irgendwelche
körperlichen Einzelheiten ausmachen könnten.
System: Der Koldune braucht eine ganze Runde, um diese
Verwandlung durchzuführen, nachdem er einen erfolgrei-
chen Wurf auf Wahrnehmung + koldunische Hexerei
(Schwierigkeit 9) abgelegt und einen Willenskraftpunkt
eingesetzt hat. Im Leib des Zephir verfügt ein Koldune über
seine doppelte Bewegungsrate, kann aber keinerlei körper-
liche Handlungen unternehmen. Andere Kräfte des Wegs
des Winds können gemeinsam mit dem Leib des Zephir
eingesetzt werden, indem bei ihrer Aktivierung 1 zusätzli-
cher Willenskraftpunkt eingesetzt wird; in dieser Form
können jedoch keine Kräfte aus anderen Disziplinen ein-
gesetzt werden. Ein Koldune kann diese Form für einen
unbegrenzten Zeitraum beibehalten und seine ursprüngli-
che Gestalt wieder annehmen, nachdem er sich eine Run-
de lang darauf konzentriert hat.
DER WEG DES WASSERS
Dieser Weg wurde hauptsächlich von Koldunen prakti-
ziert, die Zufluchten in der Nähe eines größeren Gewäs-
sers hatten, von der ungarischen Seenplatte bis zum
Schwarzen Meer. Mittels ihrer Kräfte geboten diese Kol-
dunen vielen türkischen Invasionsversuchen entlang der
Donau Einhalt, indem sie ihre Schiffe versenkten und un-
ter mystischen Flutwellen begruben. Wenn er die Kräfte
dieses Wegs einsetzt, färben sich die Augen des Koldunen
in einem lebendigen, fast leuchtenden Aquamarin.
• AQUA MORGANA
Reisende haben zu allen Zeiten Geschichten von War-
nungen vor zukünftigen Ereignissen, Hilferufen und sogar
göttlichem Eingreifen durch Geister, die sich aus einem
Gewässer manifestierten, erzählt. Auf der ganzen Welt gibt
es Märchen über Wassergeister, von den Nixen über die
Meerjungfrauen bis hin zur Loreley, die Männer in ein nas-
ses Grab lockte. Selbst König Artus erhielt Excalibur von
einem solchen Wassergeist, die als die Dame vom See be-
kannt ist.
KAPITEL VIER: ARKANA
125
Blutmagie06.p65 125
Julia Reinecke (Order #10164437)
DIE LEGENDEN VOM TOTEN WASSER
In der koldunischen Folklore gibt es Geschichten
von drei mächtigen alten Hexern, die den Weg des
Wassers praktizierten. Diese Ahnen sollen alle Flüsse,
Seen und Meere Osteuropas erschaffen und die
Macht besessen haben, das Land unter Fluten versin-
ken zu lassen, die bis zu den höchsten Gipfeln der Kar-
paten reichen. Als sie ihre Besitztümer im heutigen
Brasow verteidigten, wurden diese drei Koldunen von
einem Rudel Kainskinder oder Wolflinge überrannt
und in Stücke gerissen. Ihr Blut soll angeblich in je-
des Gewässer geflossen sein, das sie erschaffen hatten,
und 100 Jahre lang gedieh kein Leben in ihren Tiefen.
Die Bauern Transsylvaniens bezeichneten diese Flüs-
sigkeit als „totes Wasser“.
Wenige Jahrzehnte vor dem Auftauchen der Treme-
re erschuf ein Ahn der Koldunen seinen legendären
Vorfahren zu Ehren ein Ritual namens Wiederwek-
kung des toten Wassers, und manche der Sabbat-Kol-
dunen der heutigen Nächte praktizieren dieses Ritual,
um mit ihnen in Verbindung zu treten.
Auf der ersten Stufe des Wegs des Wassers verfügt ein
Koldune über die Fähigkeit, eine dreidimensionale Illusion
auf der Oberfläche eines Gewässers entstehen zu lassen. In
den modernen Nächten bedienen sich Koldunen manch-
mal dieser Kraft, um den Aberglauben der Sterblichen
auszubeuten.
System: Der Spieler würfelt Geistesschärfe + koldunische
Hexerei (Schwierigkeit 5), um eine Illusion seiner Wahl zu
erschaffen. Die Illusion kann sprechen und gehen, ist je-
doch nicht stofflich und kann die Grenzen des Gewässers
nicht überschreiten. Dieses Phantombild bleibt nur weni-
ge Sekunden lang bestehen, ehe es sich langsam auflöst.
•• TRÖSTLICHES WASSER
Sollte ein Koldune dringend Schutz benötigen - vor Fein-
den oder der aufgehenden Sonne -, kann er sich in küh-
les, dunkles, schützendes Wasser hinabgleiten lassen.
Während der Vampir ins Gewässer hineinläuft, sinkt er
unter die Oberfläche und wird durch die dem Wasser in-
newohnende Magie beschützt. Obwohl ein Koldune in na-
hezu allen Gewässern untertauchen kann, kann er sich
nicht in ihnen bewegen; Strömungen fließen auf mystische
weise um den toten Körper des Koldun an seinem ur-
sprünglichen Eintauchpunkt herum.
System: Im Gegensatz zu den meisten Kräften der kold-
unischen Hexerei erfordert diese Kraft keinen Einsatz von
Willenskraftpunkten; der Spieler muß 2 Erfolge bei einem
Wurf auf Geistesschärfe + Koldunismus (Schwierigkeit 6)
ansammeln, um den Charakter in dem Gewässer untertau-
chen zu lassen. Das Wasser muß mindestens 30 cm tief
und so lang wie der Körper des Koldunen sein, damit er
sich in ihm zur Ruhe betten kann. Diese Kraft funktioniert
wie die Ausprägung der Disziplin Gestaltwandel Ver-
schmelzung mit der Erde; wenn ein Vampir Tröstliches
Wasser gewirkt hat, ist er vollkommen vor den Strahlen
der Sonne verborgen. Wenn jemand direkt in das Gewäs-
ser hineinblickt, mit dem der Koldune eine Verbindung
07.11.00, 11:13
 eingegangen ist, kann er einen Wurf auf Wahrnehmung +
Aufmerksamkeit (Schwierigkeit 8) machen. Zeigt dieser
Wurf Erfolg, erhascht er einen Blick auf den schlafenden
Koldunen und kann versuchen, ihn aufzuwecken oder an-
zugreifen.
••• WASSERWANDELN
Nicht mehr an die Gesetze der Physik gebunden, verfügt
ein Koldune über die Fähigkeit, sich auf der Oberfläche ei-
nes Gewässers zu bewegen. Solange er diese Kraft auf-
rechterhält, kann der Vampir auf dem Wasser wandeln, als
sei es ein fester Untergrund.
System: Der Koldune kann für eine Anzahl von Szenen auf
der Oberfläche von Gewässern wandeln, die der Anzahl
der erzielten Erfolge des Spielers bei einem Wurf auf Gei-
stesschärfe + koldunische Hexerei (Schwierigkeit 7) ent-
spricht. Dies hält die Wesen, die in einem See oder ande-
ren Gewässer, das der Koldune überquert, nicht davon ab,
mit dem Vampir normal zu interagieren. Der Erzähler
könnte es interessant finden, das Kainskind mit Delphi-
nen zu quälen, oder es könnte ein hungriger Hai auftau-
chen, um den Vampir zu überraschen und sich von unten
ein Häppchen von ihm abzubeißen. Es ist möglich, daß der
Koldune von Schiffern, Fischern oder sogar Schwimmern
in seiner Umgebung entdeckt wird.
•••• WASSERLAKAIEN
Im Mittelalter beschworen die Koldunen diese Lakaien
oft aus den Burggräben um ihre Zufluchten herum, um die
plündernden Türken aufzuhalten. Diese Diener bestehen
vollkommen aus Wasser und entsteigen demzufolge auch
einem Gewässer. Wenn sie erst einmal durch diese Kraft
erschaffen worden sind, folgen die Lakaien zwar nur den
einfachsten Befehlen des Koldunen, aber sie handeln, ohne
zu zögern. Manche der Türken, die den Raubzug gegen die
Burg eines Koldunen überlebten, haben Geschichten von
Feen, Drachen und Grauwölfen erzählt, die um das Anwe-
sen herumstreiften.
System: Der Spieler setzt 1 Willenskraftpunkt ein. Pro
Erfolg, den er bei einem Wurf auf Geistesschärfe + kold-
unische Hexerei (Schwierigkeit 8) erzielt, erhebt sich ein
Wasserlakai aus seiner Quelle und nimmt jede Gestalt an,
die der Koldune sich wünscht. Der Erzähler legt angemes-
sene Eigenschaften sowie die Gesundheitsstufen dieser
Lakaien fest, wenn sie über die Fähigkeiten zum Angriff
oder der Verteidigung verfügen. Da sie aus Wasser beste-
hen, hält Schlagschaden die Lakaien nicht auf, obwohl auf
Feuer basierende Angriffe 2 zusätzliche Schadenswürfel
erhalten. Alle Wasserlakaien bleiben eine Nacht lang be-
stehen.
••••• WOGEN DER VERDAMMNIS
Viele türkische Schiffe liegen auf dem Grund des
Schwarzen Meers, von den mächtigen Strudeln zerstört,
die die Koldunen heraufbeschworen haben. Opfer dieser
Kraft müssen darum kämpfen, an der Wasseroberfläche zu
bleiben, oder sie werden in die wirbelnden Fluten hinein-
gesogen und ertrinken, es sei denn, sie schaffen es, wieder
aus diesem Sog herauszuschwimmen. Manche Koldunen
der heutigen Nächte verschaffen sich Unterhaltung, in-
dem sie wirbelnde Strudel in Swimmingpools erschaffen,
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
126
Blutmagie06.p65 126
Julia Reinecke (Order #10164437)
um Spätschwimmern eine kleine Überraschung zu berei-
ten.
System: Der Spieler setzt 1 Willenskraftpunkt ein und
würfelt koldunische Hexerei (Schwierigkeit 9), um einen
Strudel zu erschaffen. Für jeden Erfolg, den er erzielt, wird
dieser Mahlstrom um 3 m breiter. Die Wogen der Ver-
dammnis haben eine Grundkörperkraft von 15; für jeden
zusätzlichen Erfolg des Koldunen wird diese Körperkraft
um 5 gesteigert. Opfer müssen auf Körperkraft + Überle-
ben (Schwierigkeit 8; Stärke verleiht zusätzliche Erfolge)
würfeln, um sich aus den Fluten zu retten. Dieser Effekt
hält eine Szene lang an.
DER WEG DES FEUERS
Uralte Koldunen schufen den Weg des Feuers, als sie die
flüssige Magma manipulierten, die aus den Vulkanen in
Osteuropa emporstieg. Dann verfeinerten sie ihre Kontrol-
le über die Magma so sehr, daß sie einzigartige Effekte wir-
ken konnten, die nicht notwendigerweise Teil einer übli-
chen vulkanischen Aktivität sind. Koldunen in den heuti-
gen Nächten, die über die Kräfte des Wegs des Feuers ge-
bieten, werden allein aufgrund ihrer Fähigkeit gefürchtet,
große Zerstörungen innerhalb kürzester Zeit anzurichten,
so wie ein Vulkan innerhalb nur eines Tages das Leben auf
einer ganzen Insel auslöschen kann. Wenn ein Koldune die
Kräfte dieses Weges einsetzt, leuchten seine Augen in ei-
nem lodernden Orange.
Anmerkung: Je nach Ermessen des Erzählers können
Kainskinder, die Zeuge eines Einsatzes dieser Kräfte wer-
den, in Rötschreck verfallen (mit Ausnahme des Koldunen
natürlich).
• ZERSCHMETTERN
Als kleine Demonstration der Macht, die diesem Weg
inneliegt, erhitzt ein Koldune die Luft um einen Gegen-
stand herum, bis dieser in einer lodernden Flamme zer-
birst.
System: Der Spieler macht einen Wurf auf Manipulation
+ koldunische Hexerei (Schwierigkeit 5) und setzt 1 Wil-
lenskraftpunkt ein. Der Koldune muß den Zielgegenstand
sehen, ehe er ihn zerschmettern kann. Wenn diese Kraft
erst einmal angerufen wurde, wird die Hitze um den Ziel-
gegenstand stetig größer, bis er plötzlich in Flammen auf-
geht. Der Erzähler kann einen Absorptionswurf ablegen,
um zu sehen, ob der Gegenstand tatsächlich birst (dies
hängt von der Größe oder der Qualität eines Gegenstan-
des ab: 3 Würfel für einen kleinen oder schlampig gefer-
tigten Gegenstand, 5 für einen Gegenstand von durch-
schnittlicher Größe und 7 Würfel für einen großen oder
sehr gut gefertigten Gegenstand. Alles ab der Größe eines
Autos kann nicht zerschmettert werden, da es viel zu groß
ist.). Der Gegenstand muß in drei Absorptionswürfen 5
Erfolge ansammeln, oder er wird zerschmettert. Diese
Kraft kann nicht auf lebende Wesen oder Kainskinder ein-
gesetzt werden.
•• HERBEIRUFUNG DES GESCHMOLZENEN
FELSENS
Der Koldune kann nun Magma aus dem Erdinnern quel-
len lassen und seine Flußrichtung lenken. Obwohl er kei-
ne riesigen Mengen herbeiruft, brennt sich das Magma
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 11:14
 durch nahezu alles, womit sie in Berührung kommt. Das
flüssige Feuer bahnt sich langsam einen Weg über Baum-
stämme hinweg oder vom Erdgeschoß bis unters Dach ei-
nes Gebäudes und kann sich sogar durch Metall fressen.
System: Obwohl nur genug Magma an die Erdoberfläche
tritt, um eine Badewanne zu füllen, nehmen Opfer 3 Ge-
sundheitsstufen schwer heilbaren Schaden. Jeder Erfolg,
den der Spieler bei einem Wurf auf Manipulation + kold-
unische Hexerei (Schwierigkeit 6) erzielt, hält die Lava für
1 Runde in ihrem Zustand extremer Hitze. Sie kriecht in
jede vom Koldunen gewünschte Richtung über den Boden,
wenn auch nur sehr langsam. Ist die Wirkungsdauer die-
ser Kraft verstrichen, kühlt sich das Magma sofort ab und
hinterläßt einen kleinen Flecken soliden Gesteins.

••• MAGMATORE
Der Koldune beschwört geschmolzenen Stein in einem 3
m hohen Ring aus dem Erdboden herauf.
Der Fluß der Lava ist konstant, wodurch eine wahre
Wand aus supererhitztem Fels um den Koldunen entsteht.
Solange diese Kraft wirkt, ist es nahezu unmöglich, die
Magmatore zu durchschreiten, ohne sich selbst schwersten
Schaden zuzufügen. Man braucht allein schon einen Lö-
wenmut, um sich der Wand überhaupt zu nähern, da sie
eine Hitze abstrahlt, die grauenhafte Verbrennungen ver-
ursacht.
System: Pro Erfolg, den der Spieler bei einem Wurf auf
Manipulation + koldunische Hexerei (Schwierigkeit 7)
erzielt, umgibt die glühendheiße Lava seinen Charakter
für 2 Runden. Personen, die versuchen, durch die Magma-
tore hindurchzudringen, müssen zunächst einen Mutwurf
ablegen (Schwierigkeit 8). Zeigt dieser Erfolg, können sie
sich der heißen Barriere weiter nähern, erleiden aber 1
Gesundheitsstufe tödlichen Schaden - oder schwer heilba-
ren Schaden, wenn es sich um Kainskinder handelt. Ein
Scheitern bei diesem Wurf bedeutet, daß sich der Verstand
auf seine instinktiven Verteidigungsreaktionen und Selbst-
erhaltungstriebe reduziert; ein zweiter Versuch, durch die
Barriere zu dringen, erfordert zusätzlich den Einsatz eines
Willenskraftpunkts. Jeder, der die Magmatore berührt, er-
leidet 3 Gesundheitsstufen (Stufen, keine Schadenswür-
fel!) schwer heilbaren Schaden.

••••HITZEWELLE
Der Koldune agiert als Leiter für Dampfgeysire und er-
zeugt einen Stoß aus Wasser entziehender Luft, der seinen
Gegner auszehrt und austrocknet.
System: Der Spieler setzt einen Willenskraftpunkt ein und
würfelt Manipulation + koldunische Hexerei (Schwierig-
keit 8). Der Vampire ruft Schwefelwasserstoff aus dem Er-
dinneren hervor, den er in einem Windstoß auf sein Ziel
lenkt. Sterbliche Opfer erleiden 5 Gesundheitsstufen töd-
lichen Schaden, da ihrem Körper Wasser entzogen wird.
Vampire reagieren ähnlich und nehmen ebenfalls 5 Ge-
sundheitsstufen Schaden, die sie jedoch absorbieren kön-
nen. Des weiteren verlieren Kainskinder 5 Blutpunkte, die
aus ihrem Leib ausdampfen (unabhängig davon, wie der
Absorptionswurf verlief), da das Gas extrem heiß ist. Be-
achten Sie, daß manche Kainskinder dadurch in Raserei
oder Starre verfallen könnten.

KAPITEL VIER: ARKANA

127

Blutmagie06.p65 127 07.11.00, 11:14

Julia Reinecke (Order #10164437)

 ••••• VULKAN
Auf dieser Stufe der Herrschaft über den Weg des Feu-
ers befiehlt ein Koldune Lava, in einem riesigen Strom aus
dem Erdboden herauszubrechen. Der geschmolzene Stein
spritzt in einem hohen Bogen in die Luft und bewegt sich
dann in kleinen Flüssen in alle Richtungen, wobei er na-
hezu alles in seinem Weg verbrennt, zum Schmelzen bringt
und vernichtet. Autos schmelzen in diesen Flüssen, Bäu-
me fangen Feuer und brennen ab, Gebäude verwandeln
sich im Kielwasser dieser Zerstörungsorgien in ein flam-
mendes Inferno.
System: Diese Kraft ist nicht subtil. Lava bricht aus der
Erde hervor und wird 6 m emporgeschleudert, wenn der
Spieler 1 Willenskraftpunkt einsetzt und einen erfolgrei-
chen Wurf auf Manipulation + koldunische Hexerei
(Schwierigkeit 9) ablegt. Für jeden Erfolg, den der Spieler
erzielt, wird die Lava eine weitere Runde lang aus dem
Erdinnern hervorbrechen und sich in kleinen Strömen in
alle Richtungen ausbreiten. Alles, was mit ihr in Berüh-
rung kommt, erleidet 3 Gesundheitsstufen schwer heilba-
ren Schaden pro Runde (die nur mit Seelenstärke absor-
biert werden können). Erzähler müssen entscheiden, wie
lange Gegenstände intakt bleiben, nachdem sie mit der
Lava in Kontakt gekommen sind, ehe sie Feuer fangen
oder sich auflösen. Nach Ende der Wirkungsdauer dieser
Kraft hört die Eruption auf, und das gesamte Magma kühlt
rasch ab, so daß Gegenstände, die innerhalb der Ströme
verbleiben, unter einer dünnen Felsschicht gefangen wer-
den.
DER WEG DES GEISTES
Es gibt eine Kraft, eine Essenz, die alle Aspekte der Na-
tur umfaßt. Die uralten Koldunen, die diesen Weg beschrit-
ten, zapften diese Essenz auf mystischem Wege an und ge-
wannen infolgedessen Einsicht in und in geringem Maße
auch Kontrolle über ihre Umgebung. Oftmals setzten die
Koldunen diesen Weg gemeinsam mit anderen Kräften der
koldunischen Hexerei ein. Viele schützten sich auch, in-
dem sie diesen Weg anriefen, ehe sie ihre Zufluchten be-
traten, um Anschlägen auf ihre Unleben vorzubeugen. Die
heutigen Koldunen, die den Weg des Geistes anrufen, ver-
folgen ähnliche Ziele, wenn sie ein Band zwischen sich
und dem Geist des Landes knüpfen.
System: Der Spieler setzt 1 Willenskraftpunkt ein und
würfelt dann Charisma + koldunische Hexerei (Schwie-
rigkeit 4 plus die Stufe des gewünschten Effekts), um die
Kräfte dieses Wegs zu aktivieren. Diese Kräfte bleiben für
1 Runde pro Erfolg, den der Spieler erzielt, bestehen. Die
untenstehende Tabelle gibt an, bis zu welcher Entfernung
von seiner eigenen Person der Koldun Eindringlinge oder
feindselige Geister je nach Stufe „spüren“ kann.
Ein Koldune kann andere Kräfte der koldunischen He-
xerei, die er kennt, gemeinsam mit dem Weg des Geistes
anrufen, wenn auch nur auf einer gleichen oder niedrige-
ren Stufe als der, die er im Weg des Geistes aufweist. Bei-
spielsweise kann ein Koldune die Kräfte der Stufen Eins bis
Drei des Wegs des Wassers gemeinsam mit den Kräften des
Wegs des Geistes einsetzen, wenn er den Weg des Geistes
bis zur dritten Stufe beschritten hat.
Diese Kraft durchschaut auch Anwendungen von Ver-
dunkelung.
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
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Blutmagie06.p65 128
Julia Reinecke (Order #10164437)
• Alles im Umkreis von 15 m „sehen“
•• Alles im Umkreis von 100 m „sehen“
••• Alles im Umkreis von 400 m „sehen“
•••• Alles im Umkreis von 1,5 km „sehen“
••••• Alles im Umkreis von 8 km „sehen“
KOLDUNISCHE RITUALE
Wie Thaumaturgie verleiht auch die koldunische Hexe-
rei einem Anwender die Möglichkeit, Rituale zu wirken.
Obwohl diese magisch sind, sind sie nicht hermetisch und
daher mit keiner der Magieformen kompatibel, die die
Tremere oder die Giovanni nutzen. Zuzüglich zu allen an-
deren speziellen Komponenten erfordern die meisten Ri-
tuale überdies Blutopfer.
Hier werden nur wenige Rituale vorgestellt - Erzähler
und Spieler von Koldunen sind dazu aufgerufen, ihre eige-
nen zu erschaffen, um das einzigartige Band zwischen den
Tzimiscehexern und ihrem Heimatland widerzuspiegeln.
System: Der Spieler muß einen erfolgreichen Wurf auf
Intelligenz + koldunische Hexerei ablegen (Schwierigkeit
4 + Stufe des Rituals) und Blut vergießen, um ein Ritual
zu wirken. Ob das Blut vom Koldunen stammt oder nicht,
spielt keine Rolle; pro Stufe des Rituals muß 1 Blutpunkt
vergossen werden, um diese spirituelle Magie zu wirken.
RITUAL DER ERSTEN STUFE
WIEDERERWECKUNG DES TOTEN WASSERS
Mit der Vernichtung der Tremere antitribu und der Wie-
derentdeckung der koldunischen Hexerei suchten neue
Koldunen nach Mitteln und Wegen, auf spirituelle Weise
wieder eine Verbindung mit ihren uralten Vorgängern ein-
zugehen. Im Einklang mit den Legenden über das „tote
Wasser“ beginnen viele neue Koldunen ihre Nächte mit der
Durchführung dieses Rituals, das gewirkt wird, indem sie
von ihrem Blut in einen See, einen Fluß oder ein Meer ge-
ben, um danach aus dem Gewässer zu trinken.
System: Ein Koldune muß 1 Blutpunkt in das Gewässer
tropfen lassen, aus dem er zu trinken beabsichtigt, um an-
schließend das Äquivalent eines Blutpunkts an Wasser zu
sich zu nehmen. Diese Flüssigkeit breitet sich auf mysti-
sche Weise im ganzen Leib des Vampirs aus, kurz nachdem
er sie getrunken hat. Nach der erfolgreichen Durchfüh-
rung dieses Rituals gewinnt ein Koldune 1 Punkt temporä-
rer Willenskraft zurück. Dieser Punkt kann nur ausgege-
bene Willenskraft ersetzen und darf nicht dazu führen, daß
durch diesen Zugewinn der maximale Willenskraftwert des
Koldunen überschritten wird. Die Wiedererweckung des
toten Wassers kann nur einmal pro Nacht durchgeführt
werden.
RITUAL DER VIERTEN STUFE
DIE BANDE, DIE FESSELN
Bevor ein Koldune in den alten Zeiten einen neuen Weg
erlernen konnte, führte er dieses Ritual durch und ent-
fernte eine seiner Rippen (durch Fleischformen oder auf
andere Art und Weise). Ein mystisches Symbol, das für
den neuen Weg stand, den der Koldune zu lernen gedach-
te, wurde in den Knochen geritzt, der dann zurück in den
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 11:14
 Körper verpflanzt wurde. Koldunen wirken dieses Ritual,
um auf symbolische Weise einen Teil ihrer selbst mit der
Essenz des Landes zu verschmelzen. Dafür gewannen sie
die Fähigkeit, die spirituelle Magie zu wirken, die wir kol-
dunische Hexerei nennen. In den heutigen Nächten ha-
ben die Sabbat-Koldunen dieses Ritual überarbeitet, um es
mehr praktischen Zwecken ohne schmerzhafte Vorausset-
zungen zuzuführen. Bis zu einmal pro Woche durchgeführt
stellt dieses Ritual nun eine Verbindung zwischen den jun-
gen Koldunen und der arkanen Magie der Alten Welt her.
System: Nachdem ein Koldune 4 Blutpunkte auf einem
Flecken Erde vergossen und dann diese Erde zu sich ge-
nommen hat, kann er die Schwierigkeit aller Würfe in be-
zug auf koldunische Hexerei in den nächsten drei Näch-
ten um eins senken. Mehrfache Anwendungen von Die
Bande, die fesseln zeigen keine Wirkung - der Koldune ge-
winnt keine weiteren Vorteile, wenn er dieses Ritual häu-
figer als einmal in drei Nächten wirkt.

KAPITEL VIER: ARKANA

129

Blutmagie06.p65 129 07.11.00, 11:15

Julia Reinecke (Order #10164437)

 Blutmagie07.p65 130 07.11.00, 11:41

Julia Reinecke (Order #10164437)

 APPENDIX:
DIE GESICHTER
DER MAGIE

Dieser Appendix enthält Regeln, Systeme und Vorschlä- Blutsbrüder teilen ein mystisches Band, das es ihnen
ge für Kreaturen thaumaturgischen Ursprungs. Wie zu er- nicht nur erlaubt, Vorteile aus einer Art psychischem
warten war, sind diese Kreaturen recht selten, selbst in den „Kollektivbewußtsein“ zu zeihen, sondern ihnen zudem die
unheimlichen Domänen der mächtigsten Thaumaturgen. Fähigkeit verleiht, sich über große Entfernungen gegensei-
Die Tremere wissen, daß ein zu häufiges Auftauchen die- tig zu heilen, Gliedmaße zu „teilen“ und sogar eine riesige
ser Kreaturen nur Aufmerksamkeit auf sie lenken würde - Monstrosität aus ihren Leibern zu bilden.
wer glaubt den in den heutigen Nächten schon noch an Das Ritual zur Erschaffung eines Blutsbruders ist ein
Gargylen? -, und so setzen sie sie nur spärlich oder unter koldunisches Ritual der Fünften Stufe. Es setzt voraus, daß
höchster Geheimhaltungsstufe ein. Und doch liegen die alle Blutsbrüder des Zirkels zugegen sind, damit das unhei-
Ursprünge vieler dieser magischer Bestien in lange vergan-
genen Nächten, und unter den unveränderlichen Kains-
kindern sterben alte Gewohnheiten nur sehr langsam aus.
Die verborgenen Domänen und Zufluchten alter Tremere
können sehr wohl einige dieser mystischen Schergen be-
heimaten, oder sie könnten einfach Überbleibsel sein,
Wesen, deren Meister zwar gestorben sind, die selbst aber
immer noch durch Magie, die keinen Tod kennt, belebt
sind.

BLUTSBRÜDER
Blutsbrüder sind eine Brut von Vampiren, die durch eine
einzigartige Kombination von Thaumaturgie und kolduni-
scher Hexerei erschaffen wurden. Die Blutsbrüder, die in
der Regel in Zirkeln von drei bis sieben Vampiren erschaf-
fen werden, ähneln einander sehr, da ihr ritueller Kuß sie
einem gemeinsamen Zweck nach verändert. Sie tauchen
zumeist als Banden von Schlägern, Skins und anderen Tu-
nichtguten auf, die einander wie ein Ei dem anderen glei-
chen.

APPENDIX: DIE GESICHTER DER MAGIE

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Blutmagie07.p65 131 07.11.00, 11:42

Julia Reinecke (Order #10164437)

 lige Band zwischen ihnen geknüpft werden kann. Im Ge-
gensatz zu anderen Kainskindern können Blutsbrüder kei-
ne neuen Blutsbrüder zeugen - sie können nur erschaffen
werden.
Weitere Informationen finden Sie im Sabbat-Hand-
buch.
Körperkraft 3, Geschick 3, Widerstandsfähigkeit 4
Charisma 1, Manipulation 2, Erscheinungsbild 2
Wahrnehmung 2, Intelligenz 2, Geistesschärfe 4
Willenskraft 3, Gesundheitsstufen: OK, -1, -1, -2, -2, -5
Fähigkeiten: Aufmerksamkeit 1, Ausweichen 2, Ein-
schüchtern 3, Handgemenge 2, Szenekenntnis 2, Hand-
werk 1, Heimlichkeit 1, Nahkampf 3, Überleben 2, Nach-
forschungen 2, Okkultismus 1
Disziplinen: Seelenstärke 1, Stärke 2
Blutvorrat: 10
LEBENDE TOTE
Lebende Tote sind wiederbelebte Leichname, die von der
Seele ihres vorherigen (und inzwischen toten) Besitzers
angetrieben werden.
Weitere Informationen zu den Lebenden Toten s. S. 46.
Körperkraft, Geschick und Widerstandsfähigkeit weisen
dieselben Werte wie zu Lebzeiten -1 auf (liegen aber nicht
unter 0).
Willenskraft 1, Gesundheitsstufen: OK, -1, -1, -2, -2, -5
Fähigkeiten: Einschüchtern 2, Handgemenge 2
Blutvorrat: 0 (obwohl einige etwas aufweisen, was einem
sehr verfaulten Blutpunkt entspricht, je nachdem, wie lan-
ge sie schon tot sind und was die Todesursache war.)
BESESSENE
Besessene sind böse Geister, die gezwungen wurden, in
die Körper toter Sterblicher einzufahren. Ihre unheilige
Kraft macht sie recht mächtig, aber da sie nun gänzlich
Kreaturen dieser Welt sind, ist ihre Existenz außerhalb der
Hölle, aus der sie heraufbeschworen wurden, zeitlich sehr
begrenzt.
Die Körper der Besessenen strahlen eine unangenehme
Hitze aus, und ihre Augen strahlen vor orange-roter En-
ergie. Sie sind anscheinend recht intelligent, aber ihnen
BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE
132
Blutmagie07.p65 132
Julia Reinecke (Order #10164437)
fehlt die Fähigkeit, sich in Sprachen mitzuteilen, die
Sterblichen oder Kainskindern bekannt wären.
Das Ritual zur Erschaffung eines Besessenen ist ein
thaumaturgisches Ritual der Vierten Stufe, und es gibt in
den modernen Nächte nur sehr wenig Besessene. Wurde
ein Besessener bis zur siebten Nacht, die er auf Erden ver-
bringt, nicht vernichtet, vergeht er von allein, was den
Körper zerstört, während der Dämon ihn brennend verläßt
und in sein eigenes Reich heimkehrt.
Weitere Informationen zu Besessenen s. S. 45.
Körperkraft 5, Geschick 2, Widerstandsfähigkeit 5
Willenskraft 2, Gesundheitsstufen: OK, OK, OK, -1, -1,
-2, -2, -5
Fähigkeiten: Einschüchtern 3, Handgemenge 3, Nah-
kampf 1
Blutvorrat: 0
GARGYLEN
Gargylen sind Kainiten, die durch Hexerei und Vitæ
von Vampiren aus der Alten Welt erschaffen wurden. Wie
ihr Name sagt, ähneln sie stark den steinernen Wächtern
an mittelalterlichen Gebäuden, einschließlich Schwingen,
die ihnen das Fliegen erlauben, und einer seltsamen Kon-
trolle über Stein und Felsen.
Das Ritual zur Erschaffung einer Gargyle ist ein thauma-
turgisches Ritual der Fünften Stufe. Es setzt eine ausrei-
chende Menge an Blut zweier Vampire der Clans Gangrel,
Tzimisce oder Nosferatu sowie ein sterbliches Subjekt vor-
aus, das zur neuen Gargyle wird.
Weitere Informationen zu Gargylen s. Camarilla-Handbuch.
Körperkraft 4, Geschick 2, Widerstandsfähigkeit 3
Charisma 1, Manipulation 2, Erscheinungsbild 0
Wahrnehmung 3, Intelligenz 2, Geistesschärfe 3
Willenskraft 3, Gesundheitsstufen: OK, -1, -1, -2, -2, -5
Fähigkeiten: Aufmerksamkeit 1, Ausdruck 1, Ausweichen
2, Einschüchtern 3, Handgemenge 3, Handwerk 2, Nah-
kampf 1, Sicherheit 1, Überleben 3
Disziplinen: Seelenstärke 2, Stärke 1, Visceratika 1
Blutvorrat: 10
Anmerkung: Gargylen sind richtige Vampire, deren Ei-
genschaften viel individueller ausfallen als die oben ange-
DER THAUMATURGIE
07.11.00, 11:42

gebenen. Wenn der Erzähler eine Gargyle aber nur
braucht, um etwas zu bewachen oder die Spielercharakte-
re aufzuhalten, sollten diese genügen.
HOMUNKULUS
Ein Homunkulus ist eine winzige Replik des Hexers, der
ihn erschafft. Meist haben Homunkuli besondere Eigen-
schaften, die ihr „Elternteil“ nicht aufweist - manche ha-
ben ledrige Schwingen, andere keine Arme und dafür star-
ke Beine, so daß sie sich hüpfend fortbewegen. Manche
ähneln Nacktschnecken, die überall hinkriechen, wo es
ihnen ihr Meister befiehlt. Homunkuli sind meist nur 30
cm groß oder gar noch kleiner und wiegen weniger als 15
Kilogramm.
Der Homunkulus eines Hexers folgt so gut er kann sei-
nen Anweisungen, wobei er oft als Spion oder Diener für
seinen Herrn fungiert. Sie besitzen eine gewisse Grundin-
telligenz, die etwa der einer Katze entspricht (und oft sind
sie ebenso heimtückisch), und sie sprechen in einem ho-
hen Geplapper, das nur ihre Meister verstehen.
APPENDIX: DIE GESICHTER
133
Blutmagie07.p65 133
Julia Reinecke (Order #10164437)
Das Ritual zur Erschaffung eines Homunkulus ist eine
thaumaturgisches Ritual der Zweiten Stufe, wofür der
Thaumaturg ein wenig seines eigenen Fleisches in eine
Mixtur aus Blut und zähflüssigen Kräuterextrakten gibt.
Das Fleisch - oft eine Fingerspitze - wird bei der Durch-
führung des Rituals auf besondere Weise behandelt, um zu
verhindern, daß das abgetrennte Fleisch nachwächst (an-
sonsten gäbe es nichts, woraus man die Kreatur erschaf-
fen könnte). Darüber hinaus trinkt ein Homunkulus zum
Neumond eines jeden Monats 1 Blutpunkt von seinem
Meister. Das erfolgt oft über eine Brustwarze oder eine gut
verborgene andere Stelle.
Weitere Informationen zu Homunkuli s. S. 45.
Körperkraft 1, Geschick 3, Widerstandsfähigkeit 2
Willenskraft 3, Gesundheitsstufen: OK, OK, -2, -5
Fähigkeiten: Aufmerksamkeit 2, Heimlichkeit 2
Blutvorrat: 1/2
Anmerkung: Homunkuli können alle besonderen Fähig-
keiten aufweisen, die der Erzähler ihnen verleihen will.
Hierbei könnte es sich um Disziplinen, „natürliche“ Kräf-
te oder alles andere handeln, das zu ihrem Konzept paßt.
Spieler, die ihre Charaktere Homunkuli erschaffen lassen
möchten, sollten die Einzelheiten mit ihrem Erzähler be-
sprechen.
SCHARFSCHWINGEN
Eine Scharfschwinge ist eine Tiergargyle, die erschaffen
wird, indem eine Fledermaus mystisch Weise mit der Wi-
derstandskraft von Stein ausgestattet wird. Ihre Schwin-
gen sind scharf, ihre Fänge sind wie winzige Stalaktiten.
Als Spione und fliegende Alarmanlagen können sie die
Tremere vor Eindringlingen warnen. Als Sturmtruppen
kann sich ein Schwarm von ihnen aus ihrem Bau stürzen
und einen Feind zerreißen, ehe er weiß, was ihn da attak-
kiert. Scharfschwingen sind oft darauf abgerichtet zu quie-
ken, wenn ein Unbekannter ein bestimmtes Gebiet betritt.
Obwohl ihr Sehvermögen zu wünschen übrig läßt, ist ihr
Geruchssinn recht gut entwickelt, und sie verfügen über
dasselbe Ultraschallecholot wie normale Fledermäuse.
Fliegen können sie allerdings schneller- bis zu 40 km/h.
Körperkraft 1, Geschick 3, Widerstandsfähigkeit 2
DER MAGIE
07.11.00, 11:43
 Willenskraft 2, Gesundheitsstufen: OK, OK, -1, -3
Fähigkeiten: Aufmerksamkeit 3, Ausweichen 3, Heim-
lichkeit 2
Blutvorrat: 1
Anmerkung: Von Scharfschwingen verursachter Scha-
den (1 Würfel) gilt aufgrund der thaumaturgischen Verän-
derungen, die die Tremere an ihren Körpern vorgenom-
men haben, als schwer heilbar.

STEINHUNDE
Mittels eines thaumaturgischen Prozesses, der der Er-
schaffung der Scharfschwingen ähnelt, konnten die Tre-
mere auch Bluthunde in gargylenhafte Kreaturen verwan-
deln. Steinhunde, die meist aus Rassen wie Mastiff und
Rottweiler stammen, sind übellaunige Bestien, die für ihre
fanatische Treue gegenüber ihren Besitzern und ihre laten-
te Feindseligkeit gegenüber praktisch allen anderen Wesen
bekannt. Von allen „Gargylenschergen“ sind die Steinhun-
de die zahlreichsten. Steinhunde haben leuchtend rote
Augen, die es ihnen erlauben, in der Dunkelheit zu sehen
(wie Gestaltwandel *), und einige wenige haben tatsäch-
lich krude Schwingen ähnlich denen der Gargylen, die es higen Rassen erschaffen wurden, niedrigere Eigenschaften
ihnen tatsächlich erlauben, sich in den Himmel zu erhe- auf - die Werte hier stehen für eine Rasse von großen
ben. Diese geflügelten Hunde sind heute selten, obwohl es Hunde.
Berichte über ihren Einsatz in Wien, Norditalien, London
und sogar einigen Städten der Neuen Welt gibt. WIEDERGÄNGER
Körperkraft 4, Geschick 3, Widerstandsfähigkeit 4 Wiedergänger sind in vielerlei Hinsicht wie Ghule, ob-
Willenskraft 3, Gesundheitsstufen: OK, -1, -1, -2, -2, -3, -5 wohl ihr ständiger Kontakt mit der Vitæ der Kainskinder
Fähigkeiten: Aufmerksamkeit 3, Ausweichen 3, Ein- (sowie Jahrhunderte der Inzucht und anderer, weniger klar
schüchtern 3, Handgemenge 3, Sportlichkeit 3, Heimlich- umrissener Einzelheiten) sie mehr oder weniger zu Selbst-
keit 2 versorgern gemacht hat, was Vampirblut angeht. Sie exi-
Blutvorrat: 3 stieren in einem unheiligen Mittelding zwischen Untod
Anmerkung: Steinhunde können für 5 Schadenswürfel und Leben, sich der Welt der Kainskinder bewußt und Teil
zubeißen oder für 4 mit ihren Klauen kratzen, und dieser von ihr und doch so sehr von der vampirischen Welt iso-
Schaden gilt als schwer heilbar. Steinhunde haben außer- liert, wie sie von den Sterblichen gemieden werden.
dem je eine Stufe in Seelenstärke und Stärke. Darüber Weitere Informationen zu Wiedergängern s. Sabbat-
hinaus weisen Steinhunde, die aus weniger widerstandsfä- Handbuch.

BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE

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Blutmagie07.p65 134 07.11.00, 11:44

Julia Reinecke (Order #10164437)

 DUCHESKI
Das wenige, was die Ducheski andere über sich wissen
lassen, deutet auf eine Geschichte des Verrats hin. Wie die
meisten anderen Blutlinien der Wiedergänger behaupten
die Ducheski, einstmals den schrecklichen Tzimisce der
Alten Welt gedient zu haben. Seit diesen Nächten hat sie
jedoch etwas dazu gebracht, ihren einstigen Meistern den
Rücken zu kehren und ihr Glück bei den Tremere zu su-
chen. Es bedarf keiner ausdrücklichen Erwähnung, daß die
Unholde diese Tat nicht gutheißen.
Ducheski-Wiedergänger sind wirklich selten, und man-
che sagen, die Linie stürbe aus, nachdem sie ihre Verbin-
dungen zu den Tzimisce aufgegeben hat, die sie vor so lan-
ger Zeit züchteten. Gerüchte sprechen der Familie den
Besitz einiger verfallender Anwesen zu, von denen die
meisten in Europa zu finden sind. Dort dienen sie ihren
neuen Herren. Obgleich einige Ducheski manchmal in
den Clan geholt werde, ziehen es die Tremere vor, es bei
ihrer untergeordneten Rolle zu belassen. Einige berühmte
Tremere halten sich Ducheski-Ghule in ihren Bibliothe-
ken, Zufluchten und thaumaturgischen Laboratorien, aber
im großen und ganzen bleibt die Familie selbst innerhalb
der Tremere ein wohlbehütetes Geheimnis.
Das wahre Genie der Ducheski manifestiert sich in ih-
rem Talent in bezug auf Maschinen und Apparaturen. Sie
sind wahre Meister mechanischer Geräte und erfinden bis-
weilen Werke in der Manier eines verdrehten Da Vinci -
die Zwecke, zu denen diese Maschinen eingesetzt werden,
sind nahezu immer von düsterer Natur. Für jene Ahnen,
die von ihnen wissen, ist ein Folterinstrument oder Destil-
lierapparatur der Ducheski ein Statussymbol, so wie man
sich gerne rühmt, wenn man das Originalgemälde eines
großen Meisters besitzt. Für die Ducheski ist es der Preis,
mit dem sie ihre Seelen verkauft haben, um den Tzimisce
zu entfliehen - eine Last, die sie schweigend tragen.
Disziplinen: Auspex, Beherrschung, Thaumaturgie
Schwäche: Infolge der Jahrhunderte, die sie unter der
strengen Geheimhaltung der Tremere verbracht haben,
haben sich die Ducheski recht weit von der menschlichen
Seite ihres Wesens entfernt. Diese Zurückgezogenheit
führte überdies zu einem Hang zur Inzucht - es scheint, als
ob sich die Ducheski nur mit anderen Ducheski abgeben.
Dies hat zu genetischen Defekten bezüglich des Verstan-
des, des Körpers und der Persönlichkeit eines jeden Du-
cheski geführt: Sie weisen die Mißbildungen und extre-
men Persönlichkeiten auf, die all jene an den Tag legen,
die zu lange ohne menschlichen Kontakt geblieben sind.
Kein Ducheski kann jemals ein gesellschaftliches Attribut
über 2 aufweisen.
Zitat: Was immer der Meister sagt, sage auch ich, und du, du
solltest das auch tun, wenn du weißt, was gut und richtig für
dich ist.

APPENDIX: DIE GESICHTER DER MAGIE

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Blutmagie07.p65 135 07.11.00, 11:44

Julia Reinecke (Order #10164437)

 RAFASTIO
Mitglieder der Rafastio-Blutlinie sind im wahrsten Sin-
ne des Wortes Hexen. Sie haben seit den ersten Nächten
der Schwarzen Hand, deren Günstlinge sie waren und die
nun untergegangen ist, was sie vollkommen vom Rest der
Welt abgeschnitten hat, verschiedene Magieformen prak-
tiziert. Die wenigen verbliebenen Rafastio, die ursprüng-
lich Teil der frühesten Hochkultur im Potal waren, sind
heute noch in Südeuropa zu finden, obwohl einige wenige
im letzten Jahrhundert in die Neue Welt flüchteten.
Die Rafastio sind Meister der Scharlatanerie, jener we-
niger mächtigen Spielart der Magie, aus der die frühe
Thaumaturgie viele ihrer Praktiken ableitete. Sie zeichnen
sich vor allem beim Beschwören von Geistern, beim Aus-
sprechen geringerer Flüche, beim Auferlegen entstellender
Male durch den „bösen Blick“ und Weissagungen aus.
Diese übernatürlichen Fähigkeiten waren wesentlicher
Bestandteil ihres Abkommens mit den undurchschauba-
ren Kainskindern der Schwarzen Hand gewesen. Die fast
vollständige Auslöschung dieser Sekte hat die Rafastio zu
gesellschaftlichem Treibgut werden lassen, Wiedergängern
ohne Herren, die sich einer Übermacht feindseliger Kains-
kinder gegenübersehen. Obwohl man außerhalb gewisser
Kreise nur selten von ihnen hört, sehen die wenigen
Kainskinder, die von ihnen wissen, sie als Bedrohung an:
die Handlanger einer gefallenen Sekte, die man besser ver-
nichten sollte, anstatt es ihnen zu erlauben, weiter zu exi-
stieren und das Werk ihrer Meister fortzusetzen.
Für die Rafastio ist das Leben zur endlosen Reihe von
Herausforderungen geworden. Von mächtigen (wenn auch
wenigen) Feinden gejagt und als Vermächtnis ihrer ehe-
maligen vampirischen Herren vom Rest der kainitischen
Gesellschaft isoliert haben sich die Rafastio keine neuen
Herren gesucht, sondern sich entschlossen, ihr Schicksal
in die eigenen Hände zu nehmen. Trotzdem haben einige
Rafastio mit dem einen oder anderen Vampir Pakte ge-
schlossen, von denen nicht die wenigsten zu den Tremere,
den Tzimisce und den Assamiten gehörten. Aufgrund ih-
rer schwindenden Anzahl wird sich die Zukunft der Sekte
wohl so gestalten, daß einige Rafastio individuelle Erfolgs-
geschichten schreiben werden, während der Rest der Li-
nie entweder untertaucht oder in Vergessenheit ausstirbt.
Disziplinen: Auspex, Thaumaturgie, Tierhaftigkeit
Schwäche: Ein Fluch, der ihnen in lange vergessenen
Nächten auferlegt wurde, verbindet die Rafastio mit dem
Mond. In Nächten, in denen ein Neumond am Himmel
steht, werden alle Schwierigkeiten von Rafastiocharakte-
ren für den Einsatz von Disziplinen um 2 erhöht. In Näch-
ten mit ab- oder zunehmendem Mond sind solche Schwie-
rigkeiten um 1 erhöht. In Vollmondnächten sinken die
Disziplinsschwierigkeiten jedoch um 1. Darüber hinaus
stößt das Blut der Rafastio den Fluch Kains ab - jeder Ver-
such, einem Rafastio den Kuß zu schenken, ist zum Schei-
tern verurteilt und wird den Charakter wahrscheinlich tö-
ten.
Zitat: Blut hat Macht - laß uns sehen, welche Geheimnisse wir
ihm entreißen können, ja? Halt still - ich brauche nur ein biß-
chen mehr von dir.

BLUTMAGIE: GEHEIMNISSE DER THAUMATURGIE

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Blutmagie07.p65 136 07.11.00, 11:45

Julia Reinecke (Order #10164437)