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Klaus Mollenhauer · Helmut Tschöke

Handbuch Dieselmotoren
Klaus Mollenhauer · Helmut Tschöke

Handbuch
Dieselmotoren
3., neubearbeitete Auflage

Mit 580 zum Teil farbigen Abbildungen und 84 Tabellen

123
Professor Dr.-Ing. Klaus Mollenhauer
Orber Straße 25
14193 Berlin
klamoll@aol.com

Professor Dr.-Ing. Helmut Tschöke


Otto-von-Guericke-Universität
Institut für Mobile Systeme
Universitätsplatz 2
39106 Magdeburg
helmut.tschoeke@orgu.de

Herausgeber und Verlag danken der Robert Bosch GmbH, Stuttgart, für die Unterstützung bei der
Veröffentlichung des Werkes.

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detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-540-72164-2 Springer Berlin Heidelberg New York


ISBN 978-3-540-41239-7 2. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York

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Gedruckt auf säurefreiem Papier 68/3100/YL – 5 4 3 2 1 0
Vorwort zur 3. Auflage

Schon mit der 1. Auflage des Standardwerkes „Handbuch so galt es zu Beginn des neuen Jahrtausends als bei Pkw-
Dieselmotoren“ war beabsichtigt, den aktuellen Stand und Motoren etabliert und wurde – zunächst noch versuchswei­
künftige Entwicklungen der Dieselmotorentechnik zu ver­ se – auch bei größeren Dieselmotoren eingesetzt. Heute
mitteln. Seit dem Erscheinen der 2. Auflage des Handbuches findet man das Common-Rail-System serienmäßig bei
im Jahr 2002 hat sich der Dieselmotor mit großer Dynamik nahezu allen Baugrößen der Dieselmotoren. Folglich wer­
als energiesparender, sauberer, leistungsstarker und komfor­ den die verschiedenen Ausführungsformen, z. B. mit
tabler Antrieb für den mobilen und stationären Einsatz magnetventilgesteuerten oder piezoaktuierten Injektoren,
weiterentwickelt. Nach wie vor stehen angesichts be­­schränk­ entsprechend der aktuellen, jedoch noch nicht abgeschlosse­
ter Erdölvorräte und der Diskussion um die prognostizierte nen Entwicklung ausführlich behandelt. Dementsprechend
Klimaveränderung die Reduzierung des Verbrauchs und der wird auch der Elektronik mit ihren vielfältigen Möglich­
Einsatz alternativer Kraftstoffe bei größtmöglicher Abgas­ keiten zur Steuerung und Regelung von Prozessabläufen im
reinheit, weiter steigender Leistungsdichte sowie verbes­ Motor breiter Raum eingeräumt.
sertem Betriebsverhalten des Dieselmotors im Fokus der Herausgeber und Verlag wollen mit dieser dritten, in wei­
Entwicklung. Diese orientiert sich auch an den gesetzlichen ten Bereichen völlig neu bearbeiteten Auflage dem Anspruch
Rahmenbedingungen, den Kundenanforderungen und nicht gerecht werden, dem Leser den Dieselmotor und sein großes
zuletzt am Wettbewerb mit dem Ottomotor als dem nach Anwendungsspektrum wissenschaftlich und praxisnah vor­
wie vor als Benchmark geltenden Pkw-Antrieb. zustellen. Das Handbuch wendet sich sowohl an den Exper­
Vor diesem Hintergrund wurden die behandelten The­ ten als auch an den technisch interessierten Nichtfachmann
men neu gewichtet: Neben den innermotorischen Maß­ und den Ingenieurstudenten. Zur Aufbereitung des Fach­
nahmen zur Abgasemissionsminderung mit Hilfe neuer wissens trugen über 50 Autoren – alles exzellente Diesel­
Brennverfahren und neuer Kraftstoffe ist vor allem der fachleute – sowie das kompetente Fachlektorat des Springer-
Abschnitt Abgasnachbehandlung stark erweitert worden. Verlags wesentlich bei. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich
Der im Pkw-Bereich Ende der neunziger Jahre serienmäßig gedankt. Zum neuen Inhalt des Buches gesellt sich das ange­
eingeführte Oxydationskatalysator genügte bald nicht mehr passte, zweispaltige Layout und die nun fortlaufend in die
den gestiegenen Anforderungen an die Lufthygiene: Parti­ Kapitel eingefügten farbigen Darstellungen der Bilder und
kelfilter und Systeme zur Stickoxidreduzierung, z. B. SCR- Diagramme. Von den Helferinnen und Helfern im Hinter­
und Speicherkatalysatoren, erhielten deshalb mehr grund, die zum Gelingen des Buches beigetragen haben, soll
Ge­wicht. stellvertretend Frau Monika Schmidt vom Institut für Mobi­
Die neuen Brennverfahren mit einem gegenüber der nor­ le Systeme der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,
malen Diffusionsverbrennung gesteigerten Anteil an vorge­ zuständig für die nicht ganz einfache Aufbereitung des Text-
mischter, homogener Verbrennung gehören ebenso zum und Bildmaterials, dankend erwähnt werden.
Inhalt des Handbuches wie die Entwicklung der Aufladung Ganz besonderer Dank gilt der Robert Bosch GmbH,
zur Steigerung der Leistungsausbeute, wobei mit erhöhtem Geschäftsbereich Diesel Systems, für die fachliche und
effektiven Mitteldruck auch der Zylinderspitzendruck und finanzielle Unterstützung, die erst ermöglicht hat, dieses
damit die Grenze der Belastung zunimmt. Zeichnete sich umfangreiche Werk fertigzustellen. Den Herausgebern hat
Ende der neunziger Jahre mit dem Umstieg von der indi­ die Zusammenarbeit mit den Autoren, dem Verlag und den
rekten zur direkten Einspritzung im Pkw-Bereich das Com­ Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trotz mancher Hektik
mon-Rail-System als das kommende Einspritzverfahren ab, und erheblicher Zusatzbelastung viel Freude gemacht.

Berlin Klaus Mollenhauer


und
Magdeburg, im Sommer 2007 Helmut Tschöke
Vorwort zur 1. Auflage

„Mein Motor macht immer noch große Fort­ Bauteile, zum Betrieb von Diesel­motoren und die dadurch
schritte …“ 1 verursachte Umweltbelastung einschließlich von Maßnah­
(Rudolf Diesel, 1895) men zu deren Verminderung behandelt. Im fünften Teil
wird die ge­samte Motorenpalette vom Einzylinder-Klein­
dieselmotor bis zum großen, langsamlaufenden Zweitakt-
Diesen Fortschritten nachzugehen, den heute erreichten Dieselmotor vorgestellt. Den Abschluss bildet ein Exkurs
Stand der Dieselmotorentechnik zu dokumentieren, ist das zur weiteren Entwicklung der dieselmotorischen Verbren­
Anliegen dieses Buches. Den Anstoß zur Herausgabe eines nung, der auch die Anfänge unter Rudolf Diesel einer
VDI-Handbuches Dieselmotoren gab das Gedenken an die neuen Wertung unterzieht. Ein Anhang enthält auch eine
vor rund hundert Jahren vollzogene Umsetzung der Idee Zusammenstellung der für Dieselmotoren wichtigsten Nor­
­Rudolf Diesels von einem rationellen Wärmemotor in die men und Regeln.
Realität. Nach der Patentanmeldung im Jahre 1892 und der Wegen der Allgemeingültigkeit werden mathematische
Aufnahme der Arbeiten an seinem Motor im darauffolgen­ Zusammenhänge als Größengleichungen dargestellt. Für
den Jahr dauerte es weitere vier Jahre, bis der Verein Deut­ Zahlenwerte werden die SI-Einheiten verwendet bei Angabe
scher Ingenieure mit der VDI-Tagung in Kassel Rudolf von Drücken in Bar (bar, mbar). Auf eine Zusammenstel­
Diesel das Podium bot, von dem aus er am 16. Juni 1897 der lung der Formelzeichen wurde verzichtet, da sie jeweils im
Öffentlichkeit seinen Motor vorstellte, der bald darauf den Text erläutert werden und eine durchgängig einheitliche
Namen seines genialen Erfinders trug. Bezeichnung angestrebt wurde. Nur bei der Kenngröße für
Das Handbuch ist weniger für den engen Kreis der Diesel- die Arbeitsausbeute eines Motors, der spezifischen Nutz­
Experten gedacht als vielmehr für den ingenieurmäßig arbeit we bzw. dem mittleren effektivem Druck pe konnte
­vorgebildeten oder zumindest technisch versierten „Diesel- dies nicht erreicht werden, worauf im Text näher eingegan­
Laien“, der – möglicherweise angeregt durch die Diskussion gen wird.
um das Drei-Liter-Auto – einen umfassenden, fundierten Um den mit einem Handbuch Dieselmotoren verbunde­
Überblick über die Dieselmotorentechnik und ihren Ent­ nen Erwartungen und Ansprüchen entsprechen zu können,
wicklungsstand gewinnen will, möglichst aus erster Hand. war ich auf die Mitarbeit von hervorragenden Ingenieuren
Aber auch dem Motorenfachmann soll das Buch im Sinne aus der Motorenindustrie ebenso angewiesen, wie auf die
einer Gesamtschau helfen, seine Kenntnisse abseits der eige­ von Professoren an den Technischen Hochschulen und
nen, oft sehr speziellen Erfahrungen zu ergänzen oder auf­ ­Universitäten. Besteht doch seit den Tagen Diesels, dessen
zufrischen. Erfindung auf dem Ingenieurwissen seiner Zeit fußte, in
Dieser Zielsetzung entspricht die Gliederung des Buches der Motorenforschung eine besonders enge Verbindung
in fünf Haupt­teile. Zunächst wird dem Leser nach einem zwischen Theorie und Praxis, zwischen Hochschule und
kurzen Abriss der Geschichte des Dieselmotors Grundlagen­ Industrie. Hier ist die durch die Forschungsvereinigung
wissen vermittelt, das u.a. auch die Auflade­technik und die Verbrennungskraftmaschinen e.V. (FVV), Frankfurt a. M.,
dieselmotorische Verbrennung bis hin zu den Kraftstoffen initiierte und betreute Gemeinschaftsforschung hervorzu­
umfasst. In den folgenden drei Teilen werden Fragen zur heben.
Beanspruchung und konstruktiven Gestaltung ausgewählter Allen Autoren möchte ich für ihre Mitarbeit, das bereit­
willige Eingehen auf meine Vorstellungen und die vielen
1 Das Zitat entstammt einem Brief Diesels vom 3. Juli 1895 an seine
fruchtbaren Diskussionen danken. Das gilt für die in der
Frau, nachdem zuvor am 26. Juni erstmals ein Nutz­wirkungs­ Industrie Tätigen, wo heutzutage oftmals das Äußerste an
grad von über 16% ermittelt worden war [E. Diesel: Diesel, der Einsatz abverlangt wird, ebenso wie für meine Kollegen an
Mensch, das Werk, das Schicksal. ­Stuttgart: Reclam 1953, a.a.O., den Hochschulen, wo die Zeiten schöpferischer Muße längst
S. 194/195]. der Vergangenheit angehören. Für jeden Autor ging die zu­
Vorwort zur 1. Auflage    VII

sätzlich übernommene Arbeit zu Lasten der schon mageren seiner Produktion, die das ins Stocken geratene Projekt auf­
Freizeit. griffen und tat­kräftig vorantrieben, um es noch im Jubi­
Deshalb möchte ich in meinen Dank auch die jeweiligen läumsjahr des 100. Geburtstages des Dieselmotors auf den
Lebenspartner und engeren Familienangehörigen einbezie­ Markt zu bringen, um somit, wie schon einmal vor über
hen. Ihr Verständnis unter Zurückstellen eigener Wünsche 100 Jahren 2, dazu beizutragen, die Idee Rudolf Diesels vom
und Ansprüche – hier spreche ich aus eigener Erfahrung – „rationellen Wärmemotor“ zu verbreiten.
hat letztlich mit zum Entstehen des gemeinsamen Werkes Dass der Dieselmotor bis heute die wirtschaftlichste
beigetragen. Wärme­kraftmaschine ist und sich zu dem heutigen Stand
Zu danken ist auch den Firmen, die ihren Mitarbeitern eines High-Tech-Produktes entwickelte, ist der Arbeit vieler
die Nebentätigkeit gestatteten, das Erstellen von Text und Generationen von Werkern, Ingenieuren, Wissenschaftlern
Bildvorlagen unterstützten sowie bereitwillig Unterlagen zur und Professoren zu danken. Ich widme daher dieses Buch
Verfügung stellten. Anerkennung gebührt auch den vielen dem Andenken meiner akademischen Lehrer an der Tech­
Helfern in den Betrieben und Instituten für ihre Zuarbeit, nischen Universität Berlin, meiner langjährigen Wirkungs­
ohne die ein derart umfangreiches Buchmanuskript nicht stätte, deren Namen mit der Entwicklung des Dieselmotors
hätte entstehen können. in besonderem Maße verbunden sind:
Mein Dank gilt auch den beteiligten Verlagen: Dem VDI-
Verlag bzw. seinem Fachlektorat, das die Idee zu diesem Walter Pflaum (1896 bis 1989),
Buch hatte, bei der Verlagsleitung durchsetzte und zunächst Friedrich Sass (1883 bis 1968) und
verfolgte, insbesondere jedoch dem Springer-Verlag und Heinrich Triebnigg (1896 bis 1969).

Berlin, im Frühjahr 1997 Klaus Mollenhauer

2
Diesel, R.: Theorie und Konstruktion eines rationellen Wärme­
motors zum Ersatz der Dampfmaschinen und der heute bekann­
ten Verbrennungsmotoren. Berlin: Springer-Verlag 1893.
Inhaltsverzeichnis

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI 5.3 Einspritzsysteme (Friedrich Boecking,


Jürgen Hammer, Jaroslav Hlousek,
Patrick Mattes, Ulrich Projahn,
Teil I Der Arbeitsprozess des Dieselmotors Winfried Urner) . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
5.4 Messtechnik für Einspritzsysteme
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors . . . . . . . 3 (Björn Janetzky) . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
1.1 Historie des Dieselmotors
(Klaus Mollenhauer) . . . . . . . . . . . . . . . 3 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme . 198
1.2 Motortechnische Grundlagen 6.1 Mechanische Regelung (Ulrich Projahn) . . . 198
(Klaus Mollenhauer) . . . . . . . . . . . . . . . 9 6.2 Elektronische Regelung (Helmut Randoll) . . 198
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses 6.3 Sensoren (Erich Biermann, Jörg Brückner,
(Klaus Schreiner) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Karsten Funk, Thomas Küttner) . . . . . . . . 208
6.4 Diagnose (Walter Lehle) . . . . . . . . . . . . 211
2 Ladungswechsel und Aufladung (Helmut Pucher) . . . . 34 6.5 Applikation (Joachim Zuern) . . . . . . . . . . 214
2.1 Ladungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.2 Aufladung von Dieselmotoren . . . . . . . . . 42
2.3 Programmierte Ladungswechselberechnung 63 Teil II Zur Konstruktion von Dieselmotoren
3 Dieselmotorische Verbrennung (Klaus B. Binder) . . . 68 7 Belastung von Motorbauteilen . . . . . . . . . . . . . . 219
3.1 Gemischbildung und Verbrennung . . . . . . 68 7.1 Mechanische und thermische Bauteil-
3.2 Konstruktive Merkmale . . . . . . . . . . . . 78 belastung (Dietmar Pinkernell) . . . . . . . . 219
3.3 Alternative Verbrennungsverfahren . . . . . 82 7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung
3.4 Prozesssimulation von Einspritzverlauf im Motor (Michael Bargende) . . . . . . . . . 228
und Brennverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . 84
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks 247
4 Kraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 8.1 Bauformen und mechanische Eigenschaften
4.1 Dieselkraftstoff für Fahrzeugmotoren des Triebwerks (Eduard Köhler) . . . . . . . . 247
(Gerd Hagenow, Klaus Reders) . . . . . . . . . 86 8.2 Beanspruchung des Triebwerks
4.2 Alternative Kraftstoffe (Hanns-Erhard Heinze, (Eduard Köhler) . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
Wolfgang Steiger) . . . . . . . . . . . . . . . . 105 8.3 Massenausgleich des Triebwerks
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und (Eduard Köhler) . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
Stationärmotoren (Detlef Zigan) . . . . . . . . 118 8.4 Drehschwingungen des Triebwerks
4.4 Brenngase und Gasmotoren (Dirk Mooser) . 129 (Eduard Köhler) . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe (Eckhart Schopf) 288
5 Kraftstoffeinspritztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . 143 8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen
5.1 Einspritzhydraulik (Walter Egler) . . . . . . . 143 (Uwe Mohr) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter
(Rolf Jürgen Giersch) . . . . . . . . . . . . . . 146
Inhaltsverzeichnis    IX

9 Motorkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 15.6 Abgasmessverfahren (Kurt Engeljehringer,


9.1 Interne Motorkühlung (Klaus Mollenhauer) . 324 Wolfgang Schindler) . . . . . . . . . . . . . . . 518
9.2 Externe Motorkühlsysteme (Jochen Eitel) . . . 345
16 Geräuschemission von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . 537
10 Werkstoffe und ihre Auswahl (Johannes Betz) . . . . . . 378 16.1 Grundlagen der Akustik
10.1 Bedeutung der Werkstoffe für den (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 537
Dieselmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 16.2 Entwicklung der Motorgeräuschemission
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile . . . 379 (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 537
10.3 Faktoren für die Werkstoffauswahl . . . . . . 388 16.3 Motoroberflächengeräusch
10.4 Lebensdauerkonzepte und Werkstoffdaten . . 388 (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 539
10.5 Verfahren zur Lebensdauersteigerung . . . . 390 16.4 Aerodynamische Motorgeräusche
10.6 Entwicklungstendenzen . . . . . . . . . . . . 392 (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 550
16.5 Geräuschreduktion durch Kapselung
(Hans A. Kochanowski) . . . . . . . . . . . . . 551
Teil III Betrieb von Dieselmotoren 16.6 Geräteseitige Motorgeräuschdämmung
11 Schmierstoffe und Schmiersystem (Hubert Schwarze) . 399 (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 555
11.1 Schmierstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
11.2 Schmiersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
Teil V Ausgeführte Dieselmotoren
12 Start- und Zündhilfesysteme (Wolfgang Dressler,
Stephan Ernst) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 17 Fahrzeugdieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561
12.1 Bedingungen zur Kraftstoffselbstzündung . . 418 17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen
12.2 Kraftstoffzündung mit Hilfsmitteln . . . . . . 418 (Fritz Steinparzer) . . . . . . . . . . . . . . . . 561
12.3 Start- und Zündhilfesysteme . . . . . . . . . . 419 17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge
12.4 Kaltstart-, Kaltlaufverhalten und (Klaus Blumensaat, Georg Paehr) . . . . . . . 578
Kaltlaufemissionen bei Pkw-Motoren . . . . . 420 17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge
und Busse (Wolfgang Held) . . . . . . . . . . . 585
13 Ansaug- und Abgasanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 429 17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdiesel-
13.1 Luftfilter (Oswald Parr) . . . . . . . . . . . . . 429 motoren (Christoph Teetz) . . . . . . . . . . . 604
13.2 Abgasanlagen (Leonhard Vilser) . . . . . . . . 436
18 Industrie- und Schiffsmotoren . . . . . . . . . . . . . . 619
14 Abwärmeverwertung (Franz Hirschbichler) . . . . . . 444 18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren
14.1 Grundlagen der Abwärmenutzung . . . . . . 444 (Günter Kampichler) . . . . . . . . . . . . . . 619
14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung . . . . . 446 18.2 Einbau- und Industriemotoren
(Heiner Bülte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-
Teil IV Umweltbelastung durch Dieselmotoren (Franz Koch) . . . . . . . . . . 642
Dieselmotoren 18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren
(Klaus Heim) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658
15 Abgasemission von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . 461
15.1 Allgemeine Zusammenhänge Normen und Richtlinien für Verbrennungsmotoren * . . . . . 675
(Helmut Tschöke) . . . . . . . . . . . . . . . . 461
15.2 Abgasgesetzgebung (Andreas Graf, Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685
Jürgen Stein) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
15.3 Schadstoffe und ihre Entstehung Inserentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
(Michael Krüger, Johannes Schaller) . . . . . . 488
15.4 Innermotorische Maßnahmen zur
Schadstoffreduktion
(Michael Krüger, Johannes Schaller) . . . . . . 495 * Die Zusammenstellung der Normen und Richtlinien
15.5 Abgasnachbehandlung wurde uns dankenswerterweise vom VDMA, Fachverband
(Michael Krüger, Norbert Breuer) . . . . . . . 502 Power Systems, Frankfurt/M., zur Verfügung gestellt.
Autorenverzeichnis

Bargende, Michael, Prof. Dr.-Ing., IVK-Universität Hirschbichler, Franz, Dr., MDE Dezentrale Energiesysteme
Stuttgart: Abschn. 7.2 GmbH, Augsburg: Kap. 14
Betz, Johannes, Langenargen: Kap. 10 Hlousek, Jaroslav, Dipl.-Ing., Robert Bosch GmbH,
Biermann, Erich, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Hallein/Österreich: Abschn. 5.3
Abschn. 6.3 Janetzky, Björn, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart:
Binder, Klaus B., Prof. Dr.-Ing., Deizisau: Kap. 3 Abschn. 5.4
Blumensaat, Klaus, Volkswagen AG, Wolfsburg: Abschn. Kampichler, Günter, Dipl.-Ing., Ruhstorf/Rott: Abschn.
17.2 18.1
Boecking, Friedrich, Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Koch, Franz, Dr.-Ing., MAN B&W Diesel Ltd., Stockport/
Abschn. 5.3 England: Abschn. 18.3
Breuer, Norbert, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Kochanowski, Hans A., Dr.-Ing., Hatz GmbH & Co. KG,
Abschn. 15.5 Ruhstorf/Rott: Abschn. 16.5
Brückner, Jörg, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Köhler, Eduard, Dr.-Ing. habil., Heilbronn: Abschn. 8.1 bis
Abschn. 6.3 8.4
Bülte, Heiner, Dr.-Ing., Deutz AG, Köln: Abschn. 18.2 Krüger, Michael, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart:
Dressler, Wolfgang, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 15.3 bis 15.5
Kap. 12 Küttner, Thomas, Dipl.-Ing., Robert Bosch GmbH,
Egler, Walter, Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.1 Stuttgart: Abschn. 6.3
Eitel, Jochen, Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart: Abschn. Lehle, Walter, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn.
9.2 6.4
Engeljehringer, Kurt, AVL List GmbH, Graz: Abschn. 15.6 Mattes, Patrick, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart:
Ernst, Stephan, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Kap. 12 Abschn. 5.3
Funk, Karsten, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Mohr, Uwe, Dr., Stuttgart: Abschn. 8.6
Abschn. 6.3 Mollenhauer, Klaus, Prof. Dr.-Ing., Berlin: Abschn. 1.1, 1.2
Giersch, Rolf Jürgen, Dipl.-Ing., Robert Bosch GmbH, und 9.1
Stuttgart: Abschn. 5.2 Mooser, Dirk, Dr.-Ing., Caterpillar Motoren GmbH & Co.
Graf, Andreas, Dipl.-Ing., DaimlerChrysler AG, KG, Kiel: Abschn. 4.4
Sindelfingen: Abschn. 15.2 Paehr, Georg, Dr., Volkswagen AG, Wolfsburg: Abschn.
Hagenow, Gerd, Dr., Shell Global Solutions (Deutschland) 17.2
GmbH, Hamburg: Abschn. 4.1 Parr, Oswald, Dr.-Ing., Ludwigsburg: Abschn. 13.1
Hammer, Jürgen, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Pinkernell, Dietmar, MAN Diesel SE, Augsburg: Abschn.
Abschn. 5.3 7.1
Heim, Klaus, Wärtsilä NSD Schweiz AG, Winterthur/ Projahn, Ulrich, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart:
Schweiz: Abschn. 18.4 Abschn. 5.3 und 6.1
Heinze, Hanns-Erhard, Dr.-Ing., Otto-von-Guericke- Pucher, Helmut, Prof. Dr.-Ing., Technische Universität
Universität Magdeburg: Abschn. 4.2 Berlin: Kap. 2
Held, Wolfgang, Dr.-Ing., MAN Nutzfahrzeuge AG, Randoll, Helmut, Dr. rer. nat., Robert Bosch GmbH,
Nürnberg: Abschn. 17.3 Stuttgart: Abschn. 6.2
XII    Inhaltsverzeichnis Autorenverzeichnis    XII

Reders, Klaus, Dipl.-Ing., Shell Global Solutions (Deutsch­ Stein, Jürgen, DaimlerChrysler AG, Stuttgart: Abschn. 15.2
land) GmbH, Hamburg: Abschn. 4.1 Steinparzer, Fritz, Ing., BMW Motoren GmbH, Steyr/
Schaller, Johannes, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Österreich: Abschn. 17.1
Abschn. 15.3 und 15.4 Teetz, Christoph, Dr.-Ing., MTU Friedrichshafen: Abschn.
Schindler, Wolfgang, Dr., AVL List GmbH, Graz: Abschn. 15.6 17.4
Schopf, Eckhart, Dr.-Ing., Federal Mogul Wiesbaden Tschöke, Helmut, Prof. Dr.-Ing., Otto-von-Guericke-
GmbH, Wiesbaden: Abschn. 8.5 Universität Magdeburg: Abschn. 15.1
Schreiner, Klaus, Prof. Dr.-Ing., Bermatingen: Abschn. 1.3 Urner, Winfried, Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn.
Schwarze, Hubert, Prof. Dr.-Ing., TU Clausthal, Clausthal- 5.3
Zellerfeld: Kap. 11 Vilser, Leonhard, Dr.-Ing., Fa. Eberspächer, Esslingen:
Spessert, Bruno M., Prof. Dr.-Ing., Fachhochschule Jena: Abschn. 13.2
Abschn. 16.1 bis 16.4 und 16.6 Zigan, Detlef, Dr.-Ing., Kiel: Abschn. 4.3
Steiger, Wolfgang, Dr.-Ing., Volkswagen AG, Wolfsburg: Zuern, Joachim, Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn.
Abschn. 4.2 6.5
Teil I Der Arbeitsprozess
des Dieselmotors

1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors . . . . . . 3


2 Ladungswechsel und Aufladung . . . . . . . . . . . . . . . 34
3 Dieselmotorische Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . 68
4 Kraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
5 Kraftstoffeinspritztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritz-
systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

er ehrgeizig die Idee eines rationellen Motors, von dessen


1.1 Historie des Dieselmotors
Erfindung er sich wirtschaftliche Unabhängigkeit verbun­
den mit sozialem Aufstieg verspricht. Schließlich kommt es
Am 27. Februar 1892 meldet der Ingenieur Rudolf Diesel zur bereits erwähnten Anmeldung und Erteilung des Patents
beim Kaiserlichen Patentamt zu Berlin ein Patent auf „Neue [1-1] mit folgendem Anspruch 1:
rationelle Wärmekraftmaschinen“ an, worauf ihm am 23. Feb­ „Arbeitsverfahren für Verbrennungskraftmaschinen,
ruar 1893 das DRP 67207 über „Arbeitsverfahren und Aus­ gekennzeichnet dadurch, dass in einem Zylinder vom
führungsart für Verbrennungskraftmaschinen“, datiert auf Arbeitskolben reine Luft oder anderes indifferentes Gas
den 28. Februar 1892, erteilt wird: Ein wichtiger, erster Schritt (bzw. Dampf) mit reiner Luft so stark verdichtet wird, dass
auf dem Weg zu dem selbst gesetzten Ziel, das Diesel seit sei­ die hierdurch entstandene Temperatur weit über der Ent­
ner Studienzeit beschäftigt, wie seiner Biographie zu entneh­ zündungstemperatur des zu benutzenden Brennstoffes liegt
men ist: (Curve 1-2 des Diagramms Fig. 2), worauf die Brenn­
Geboren am 18. März 1858 in Paris als Sohn deutscher stoffzufuhr vom toten Punkt ab so allmählich stattfindet,
Eltern verschlägt es ihn, noch ein Schuljunge, mit Ausbruch dass die Verbrennung wegen des ausschiebenden Kolbens
des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 über London und der dadurch bewirkten Expansion der verdichteten Luft
nach Augsburg, wo er bei Pflegeeltern aufwächst. Ohne (bzw. des Gases) ohne wesentliche Druck- und Tempe­ra­tur­
familiären und finanziellen Rückhalt ist der junge Rudolf erhöhung erfolgt (Curve 2-3 des Diagramms Fig. 2), worauf
Diesel gezwungen, sein Leben selbst zu organisieren und nach Abschluss der Brennstoffzufuhr die weitere Expansion
u.a. durc h Nachhilfeunterricht zum Unterhalt beizutragen. der im Arbeitszylinder befindlichen Gasmasse stattfindet
Stipendien ermöglichen ihm schließlich ein Studium am (Curve 3-4 des Diagramms Fig. 2)“.
Polytechnikum München, der späteren Technischen Hoch­ Nach der Entspannung auf den Ausgangsdruck erfolgt
schule, das er 1880 als bester aller bis dahin Exa­minier­ten längs der Isobaren 4-1 (Bild 1-1) die Wärmeabfuhr und
verlässt. somit das Schließen des Prozesses.
Dort, in den Vorlesungen von Professor Linde über die Ein 2. Anspruch erhebt Patentschutz auf eine mehrstufige
„Theorie der Calorischen Maschinen“, wird dem Studenten Kompression und Expansion, wozu Diesel einen dreizylind­
Diesel klar, welche enorme Energie­verschwendung die rigen Compoundmotor vorschlägt (Bild 1-2). In zwei, um
Dampfmaschine, die dominierende Wärmekraftmaschine 180° versetzt laufenden Hochdruckzylindern 2, 3 erfolgt die
jener Zeit, betreibt, wenn man sie an dem von Carnot 1824 adiabate Kompression sowie die Selbstzündung des im obe­
formulierten Idealprozess der Energiewandlung misst, s. ren Totpunkt über den Trichter B so zugeführten Brenn­
Abschn. 1.2. Bei Wirkungsgraden von ca. 3% wird außer­ stoffs (Diesel spricht zunächst von Kohlenstaub), dass eine
dem durch die lästige Rauchentwicklung damaliger Kessel­ isotherme Verbrennung und Expansion erfolgt, die nach
feuerungen die Luft erheblich verschmutzt! Brennschluss in eine adiabate übergeht. Nach Überschieben
Erhaltene Kolleghefte bezeugen, dass sich schon der Stu­ des Verbrennungsgases in den doppeltwirkenden, mittleren
dent Diesel Gedanken über eine Realisierung des Carnot- Zylinder 1 findet dort die Restexpansion auf Umgebungs­
Prozesses machte, möglichst durch unmittelbare Nutzung druck und nach Bewegungsumkehr das Ausschieben statt,
der in der Steinkohle enthaltenen Energie ohne Dampf als gleichzeitig mit der isothermen Vorverdichtung unter Was­
Zwischenmedium. Auch während seiner Tätigkeit für Lindes sereinspritzen bzw. dem vorhergegangenen Ansaugen der
Eismaschinen, die ihn über Paris nach Berlin führt, verfolgt Frischladung für den parallel dazu ablaufenden zweiten
4 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

Dampfmaschinen ist. Der Vertrag enthält Konzessionen


Diesels an den Idealmotor: Der Höchstdruck wird von 250 at
auf 90 at, später auf 30 at gesenkt, die 3-zylindrige Verbund-
maschine auf einen Hochdruckzylinder reduziert sowie
Kohlenstaub als Kraftstoff verworfen. Dem für Diesel lukra-
tiven Vertrag treten mit Krupp und bald danach Sulzer zwei
weitere Firmen des Schwermaschinenbaus bei.
Im Frühsommer 1893 beginnt man in Augsburg mit dem
Bau des ersten, ungekühlten Versuchsmotors mit einem
Hub von 400 mm bei 150 mm Bohrung. Als Kraftstoff ist
zwar Petroleum vorgesehen, doch wird am 10. August 1893
bei geschlepptem Motor zunächst Benzin eingespritzt, in
der irrigen Annahme, dass es leichter zündet: Das Prinzip
der Selbstzündung erfährt zwar seine Bestätigung, wenn
auch bei Drücken von über 80 bar der Indikator platzt!
Die weitere Entwicklung kann man anhand ausgewählter
Indikatordiagramme verfolgen (Bild 1-3): Nach Umbau des
1. Motors, der später eine Wasserkühlung erhält, zeigt sich,
Bild 1-1 Arbeitsprozess des idealen Dieselmotors (1-2-3-4) nach Fig. 2 in [1- dass der Kraftstoff nicht direkt, sondern nur mit Hilfe von
1], ergänzt durch geänderte„Admissionsperioden“ (1-2-3’-4’bzw. 1-2-3’’-4’’) Druckluft eingespritzt, zerstäubt und verbrannt werden
gemäß Brief Diesels vom 16.10.1893 an Krupp [1-2, S. 404] kann. Mit dem 1. Leerlauf des bisher geschleppten Motors
wird der Motor am 17. Februar 1894 selbstständig. Schließ-
lich erfolgt am 26. Juni 1895 ein erster Bremsversuch: Mit
Arbeitsprozess, sodass pro Umdrehung ein Arbeitsspiel Petroleum als Kraftstoff und fremderzeugter Einblaseluft
erfolgt. wird bei einem Verbrauch von 382 g/PSh ein indizierter
Diesel greift also zur Realisierung des Carnot-Prozesses Wirkungsgrad von Ki = 30,8% und ein Nutzwirkungsgrad
auf das seit Nikolaus Otto zum „Stand der Technik“ gehö- von Ke = 16,6% ermittelt.
rende Viertakt-Verfahren zurück. Er glaubt, durch die iso- Doch erst mit einer Neukonstruktion, dem mit einer ein-
therme Verbrennung bei maximal 800 °C die Tempera- stufigen Luftpumpe versehenen 3. Versuchsmotor [1-2],
turbelastung im Motor so gering halten zu können, dass er gelingt der Durchbruch: Am 17. Februar 1897 führt Profes-
ohne Kühlung auskommt. Diese Grenztemperatur bedingt sor Moritz Schröter von der Technischen Hochschule Mün-
Kompressionsdrücke von ca. 250 at, womit sich Diesel weit chen Abnahmeversuche durch, deren Ergebnisse er gemein-
über den geltenden „Stand der Technik“ erhebt: Das verleiht sam mit Diesel und Buz am 16. Juni 1897 auf einer VDI-
dem „Seiteneinsteiger“ Diesel einerseits die notwendige Hauptversammlung in Kassel vorstellt, damit die erste
Unbedarftheit zur Durchsetzung seiner Idee, andererseits Wärmekraftmaschine mit einem seinerzeit sensationellen
schrecken im Motorenbau erfahrene Firmen, wie die Gas- Wirkungsgrad von 26,2% präsentierend [1-5]!
motoren-Fabrik Deutz, vor dem Diesel-Projekt zurück. Dazu musste die im Grundpatent beanspruchte isotherme
Sich bewusst, dass „eine Erfindung aus zwei Teilen besteht: Wärmezufuhr aufgegeben werden: Spätestens beim Auf-
der Idee und ihrer Ausführung“ [1-3], hatte Diesel dazu eine tragen der theoretischen Indikatordiagramme (Bild 1-4),
Druckschrift „Theorie und Konstruktion eines rationellen muss auch Diesel klar geworden sein, dass angesichts der
Wärmemotors“ [1-4] verfasst, die er zum Jahreswechsel schmalen Diagrammfläche, die der indizierten Arbeit pro-
1892/93 an Professoren und Industrielle, also auch nach portional ist, und der infolge der hohen Drücke zu erwar-
Deutz, verschickte, um seine Ideen zu propagieren und die tenden Reibungsverluste der Motor keine Nutzarbeit leisten
Industrie für sich zu gewinnen: Bei einem Carnot-Wir- würde. Bemüht, das Grundpatent nicht zu gefährden, stellt
kungsgrad von ca. 73% bei 800 °C erwartet er im prakti- er frühzeitig Überlegungen zur Verlängerung der „Admis-
schen Betrieb Verluste von maximal 30 bis 40%, was einem sionsperiode“ an, womit ein Anheben der Linie der isother-
Nutzwirkungsgrad von ca. 50% entspräche [1-4, S. 51]. men Wärmezufuhr im p, V-Diagramm gemeint ist (Bild 1-
Endlich kommt es nach fast einjährigem Bemühen und 1). Eine zweite Patentanmeldung vom 29. November 1893
Taktieren im Frühjahr 1893 zum Vertrag zwischen Diesel (DRP 82168) führt auch den Gleichdruckprozess auf, der
und der renommierten, von Heinrich Buz geleiteten wegen „nicht wesentlicher Druckerhöhung“ in Überein-
Maschinenfabrik Augsburg AG, die u.a. führend im Bau von stimmung mit dem Grundpatent gesehen wird. Mit der
1.1 Historie des Dieselmotors 5

Patenterteilung wird übersehen, dass entgegen dem Grund- keine Phase des Carnot-Prozesses realisiert, so vehement
patent sowohl die Brennstoffmasse als auch die maximale bestreitet er bis zuletzt, dass die Selbstzündung ein Wesens-
Temperatur zunehmen! merkmal seiner Erfindung sei [1-2, S. 406].
So ist es nicht verwunderlich, dass Diesel und das Diesel- Leichter wiegt der Vorwurf, auch keinen Kohlenstaub zu
Konsortium bald nach Kassel in Patentstreitigkeiten verwi- verwenden [1-5; 1-6]: Diesel, ein Ingenieur des 19. Jahrhun-
ckelt sind. Diesels Motor, so der Vorwurf, realisiert keinen derts, konnte zunächst nicht an der Kohle, der Hauptener-
seiner Patentansprüche: Weder kommt der Motor ohne giequelle seiner Zeit, vorbeigehen, zumal sein Motor die
Kühlung aus, noch erfolgt die Expansion ohne wesentliche Dampfmaschine ersetzen sollte. Damit schloss er aber ande-
Druck- und Temperaturerhöhung gegenüber der Kompres- re Kraftstoffe nicht aus, wie spätere Versuche, u.a. auch mit
sion. Nur die im Anspruch 1 erwähnte Selbstzündung Pflanzenölen, belegen [1-3]. Gemessen am damaligen
erfolgt. Doch ebenso wie Diesel nie zugibt, dass sein Motor „Stand der Technik“ konnte niemand, auch nicht Diesel,
6 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

Bild 1-3
Indikatordiagramme zur Entstehung des Dieselmo-
tors nach [1-3]. Die vom Druckverlauf über dem Zy-
lindervolumen eingeschlossene Fläche entspricht
der inneren Arbeit des Motors, s. Abschn. 1.2

wissen, welcher Kraftstoff sich am besten für den Dieselmo- Entwicklungslinie „leistungsstarker Dieselmotor“ vorge-
tor eignet. Umso mehr ist sein durch viele konstruktive zeichnet, Tabelle 1-1.
Vorschläge belegtes, geniales Einfühlungsvermögen in ihm Rudolf Diesel dagegen, vornehmlich an einer dezentrali-
weithin unbekannte Vorgänge der dieselmotorischen Ver- sierten Energieerzeugung interessiert [1-4, S. 89ff.], damit die
brennung zu bewundern (Bild 1-5), denen wir oft erst heute Blockheizkraftwerk-Technik sowie heutige Entwicklungen in
unter Einsatz modernster Mess- und Rechentechnik auf die der Bahntechnik [1-8] mit der durchaus realistischen Vision
Spur kommen (s. Abschn. 3). von über Satellit ferngesteuerten, fahrerlosen Güterwagen
Abgesehen von den erfolgreich bestandenen Patenstrei- vorwegnehmend [1-4], sah in dem schweren Versuchsmotor
tigkeiten ist der weitere Weg des Dieselmotors überschattet mit dem samt Kreuzkopftriebwerk vom Dampfmaschinen-
von Auseinandersetzungen zwischen dem Erfinder und bau entlehnten A-Gestell nur die Vorstufe auf dem Weg zu
dem Diesel-Konsortium: Letzteres ist daran interessiert, einem leichten, „kompressorlosen“ Dieselmotor.
den als Ersatz für stationäre und Schiffs-Dampfmaschinen Mit dem widerwillig zugestandenen Bau eines Com-
gedachten Motor möglichst bald gewinnbringend zu „ver- poundmotors, der die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht
markten“ [1-7]. Dazu muss zunächst die in Kassel voreilig erfüllen konnte, und einigen Tastversuchen mit Kohlen-
konstatierte Marktreife hergestellt werden, was vor allem staub und anderen, alternativen Kraftstoffen, endete die
dem Geschick und dem zähen Einsatz von Immanuel Laus- Entwicklungstätigkeit Diesels bei der Maschinenfabrik
ter in Augsburg zu verdanken ist. Damit ist jedoch auch die Augsburg.
1.1 Historie des Dieselmotors 7

Ein späterer Versuch Diesels, zusammen mit der kleinen tigen und körperlichen Kräfte auf das Äußerste beanspruch-
Firma Safir der Entwicklungslinie „Fahrzeug-Dieselmotor“ ten, droht der finanzielle Zusammenbruch, trotz der
zum Durchbruch zu verhelfen, scheitert u.a. an der unzu- enormen, millionenschweren Einkünfte aus seiner Erfin-
reichenden Kraftstoffdosierung. Ein Problem, das erst dung: Zu stolz, Fehlspekulationen und Irrtümer einzugeste-
durch das Diesel-Einspritzsystem der Firma Bosch gelöst hen oder Hilfe anzunehmen, sieht Diesel, wie sein Sohn und
wird [1-9]. Biograph darlegt, nur im Freitod einen Ausweg [1-10].
Das Schicksal Rudolf Diesels erfüllt sich während einer Geblieben ist sein Lebenswerk, der aus der Theorie der
Überfahrt von Antwerpen nach Harwich vom 29. zum 30. Wärmekraftmaschinen hervorgegangene Hochdruckmotor,
September 1913, nur wenige Wochen nach Erscheinen sei- der seinen Namen trägt und nach 100 Jahren noch das ist,
nes Buches: „Die Entstehung des Dieselmotors“! Nach den was sein genialer Schöpfer Rudolf Diesel zum Ziel hatte: Die
jahrelangen Kämpfen und Anstrengungen, die seine geis- rationellste Wärmekraftmaschine ihrer und auch noch
unserer Zeit (Bild 1-6): Gegenüber 1897 hat sich der Wir-
kungsgrad etwa verdoppelt und entspricht der von Diesel
geschätzten Annäherung an den Carnot-Wirkungsgrad. Der
maximale Zylinderdruck pZmax hat sich mehr als verfünf-
facht und erreicht bei heutigen Hochleistungs-Dieselmo-
toren (MTU 8000, s. Abschn. 17.4) mit 230 bar nahezu den
von Diesel für den Carnot-Prozess vorgeschlagenen Höchst-
wert bei mehr als zehnfacher Leistungsdichte PA heutiger
Dieselmotoren.
Gemessen am „ökologischen Imperativ“ schont der Diesel-
motor durch seinen hohen Wirkungsgrad und die Vielstoff-
fähigkeit unsere begrenzten Ressourcen und mindert die
Belastung der Umwelt mit dem Treibhausgas Kohlendioxid.
Doch nur eine konsequent betriebene Entwicklung zur wei-
teren Verringerung der Abgas- und Geräuschemission über
das Erreichte hinaus, sichert auch künftig die Akzeptanz des
Dieselmotors. Gleichzeitig könnte sich dann auch die Vision
Diesels erfüllen [1-10]:

„dass die Abgase meines Motors rauch- und geruchlos


sind“.
Bild 1-4 Theoretisches Indikatordiagramm des Carnot-Prozesses nach [1-4]

Bild 1-5
Vorschläge Diesels zum Verbren-
nungssystem. a Kolben mit Kol-
benmulde (1892);
b Nebenbrennraum (1893);
c Pumpe-Düse-Aggregat (1905),
s. Abschn. 5.3
    1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

Tabelle 1-1 Wegmarken zur Entwicklung des Dieselmotors

Entwicklungslinie „leistungsstarker Großdieselmotor”


1897 Erster Lauf eines Dieselmotors mit einem Wirkungsgrad von ηc = 26,2% bei der Maschinenfabrik Augsburg
1898 Auslieferung des ersten Zweizylinder-Dieselmotors mit 2 × 30 PS bei 180 min–1 an die Vereinigten Zündholzfabriken AG in Kempten
1899 Erster Zweitakt-Dieselmotor der MAN von Hugo Güldner (nicht marktfähig)
1899 Erster kreuzkopfloser Dieselmotor, Typ W, der Gasmotorenfabrik Deutz
1901 Erster MAN-Tauchkolben-Dieselmotor von Imanuel Lauster (Typ DM 70)
1903 Erster Einbau eines Zweizylinder-Viertakt-Gegenkolben-Dieselmotors mit 25 PS in ein Schiff (Kanalboot Petit Pierre) durch die Firma Dyckhoff, Bar Le Duc
1904 Erster MAN-Dieselkraftwerk mit 4 × 400 PS geht in Kiew in Betrieb
1905 Alfred Büchi schlägt die Nutzung der Abgasenergie zur Aufladung vor
1906 Erster umsteuerbarer Zweitaktmotor der Gebr. Sulzer, Winterthur, für den Schiffsantrieb mit 100 PS/Zyl. (s/D = 250/155) vorgestellt
1912 Erstes seegehendes Schiff, MS Selandia, mit zwei umsteuerbaren Viertakt-Dieselmotoren der Firma Burmeister & Wain mit je 1088 PS in Dienst gestellt
1914 Erster Probelauf eines doppelwirkenden Sechszylinder-Zweitaktmotors mit 2000 PS/Zyl. der MAN Nürnberg (s/D = 1050/850)
1951 Erster MAN-Viertakt-Dieselmotor (Typ 6KV30/45) mit Hochaufladung: ηe = 44,5% bei wemax = 2,05 kJ/l, pZ max = 142 bar und PA = 3,1 W/mm2
1972 Bisher größter Zweitakt-Dieselmotor (s/D = 1800/1050, 40000 PS) geht in Betrieb
1982 Markteinführung von Superlongstroke-Zweitaktmotoren mit s/D ≈ 3 (Sulzer, B & W)
1984 MAN B & W erzielt Verbrauch von 167,3 g/kWh (ηe = 50,4%)
1987 Größte dieselelektrische Antriebsanlage mit neun MAN-B & W-Viertakt-Dieselmotoren und einer Gesamtleistung von 95600 kW zum Antrieb der
„Queen Elizabeth 2” wird in Dienst gestellt
1991/92 Zweitakt- und Viertakt-Experimentiermotoren von Sulzer (RTX54 mit pZ max = 180 bar, PA = 8,5 W/mm2) und MAN B & W (4T50MX mit pZ max =
180 bar, PA = 9,45 W/mm2)
1997 Sulzer12RTA96C (s/D = 2500/960: 2T-Dieselmotor, Pe = 65880 kW bei n = 100 min–1 geht in Betrieb
1998 Sulzer-Forschungsmotor RTX-3 zu Erprobung der Common-Rail-Technik bei 2T-Großdieselmotoren
2000/01 MAN B & W 12K98MC-C (s/D = 2400/980): derzeit leistungsstärkster 2T-Dieselmotor mit Pe = 68520 kW bei n = 104 min–1
2004 Erster 4T-MSL-Dieselmotor MAN B & W 32/40, Pe = 3080 kW, Common-Rail(CR)-Einspritzung im praktischen Einsatz auf einem Container-Schiff
2006 Mit einem Verbrauch von be = 177 g/kWh ist der MaK M43C führend bei 4T-MSL-Marinemotoren mit einer Zylinderleistung von 1000 kW (s/D =
610/430, we = 2,71 kJ/dm3, cm = 10,2 m/s)
2006 Wärtsilä stellt den weltweit ersten 14-Zylinder-Zweitaktmotor und damit leistungsstärksten Dieselmotor in Dienst: Wärtsilä RTA-flex96C, CR-Ein-
spritzung, Pe = 80080 kW, s/D = 2500/900, cm = 8,5 m/s, we = 1,86 kJ/dm3 (pe = 18,6 bar)

Entwicklungslinie „schnelllaufender Fahrzeug-Dieselmotor”


1898 Erster Lauf eines Zweizylinder-Viertakt-Gegenkolbenmotors („5-PS-Kutschenwagen-Motor”) von Lucian Vogel bei MAN Nürnberg (Versuchsmotor,
nicht marktfähig)
1905 Versuchsmotor von Rudolf Diesel auf der Basis eines Vierzylinder-Saurer-Ottomotors mit Luftkompressor und direkter Einspritzung (nicht marktfähig)
1906 DRP 196514 für die Firma Deutz auf Einspritzung in Nebenkammer
1909 Grundpatent DRP 230517 von L’Orange auf Vorkammer
1910 Brit. Patent 1059 von McKenchie auf direkte Hochdruckeinspritzung
1912 Erster kompressorloser Deutz-Dieselmotor, Typ MKV, geht in Serie
1913 Erste Diesel-Lokomotive mit Vierzylinder-Zweitakt-V-Motor der Gebr. Sulzer vorgestellt (Leistung 1000 PS)
1914 Erster diesel-elektrische Triebwagen mit Sulzer-Motoren bei den Preußischen und Sächsischen Staatsbahnen
1924 Erste Nutzfahrzeug-Dieselmotoren der MAN Nürnberg (direkte Einspritzung) bzw. der Daimler Benz AG (indirekte Einspritzung in Vorkammer) vorgestellt
1927 Beginn der Serienfertigung von Diesel-Einspritzanlagen bei Bosch
1931 Musterprüfung des Sechszylinder-Zweitakt-Gegenkolben-Flugdieselmotors JUMO 204 der Junkers-Motorenbau GmbH: Leistung 530 kW (750 PS),
Leistungsmasse 1,0 kg/PS
1934 V8-Viertakt-Dieselmotoren mit Vorkammer der Daimler-Benz AG für LZ 129 Hindenburg mit 1200 PS bei 1650 min–1 (Leistungsmasse: 1,6 kg/PS
einschl. Getriebe)
1936 Erste Pkw-Dieselmotoren mit Vorkammer der Daimler-Benz AG (Pkw Typ 260 D) und Hanomag in Serie
1953 Erster Pkw-Dieselmotor mit Wirbelkammer von Borgward bzw. Fiat
1978 Erster Pkw-Dieselmotor mit Abgasturboaufladung in Serie (Daimler-Benz AG)
1983 Erster schelllaufender Hochleistungsdieselmotor der MTU mit Doppelaufladung in Serie: wemax = 2,94 kJ/l bei pZmax = 180 bar, Kolbenflächenleis­
tung PA = 8,3 W/mm2
1986/87 Erstmalig elektronisches Motormanagement (ECD) bei Fahrzeug-Dieselmotoren eingesetzt (BMW: Pkw, Daimler-Benz: Nfz)
1.2 Motortechnische Grundlagen 9

Tabelle 1-1 (Fortsetzung)

1988 Erster Pkw-Dieselmotor mit direkter Einspritzung in Serie (Fiat)


1989 Erster Pkw-Dieselmotor mit Abgasturboaufladung und direkter Einspritzung bei Audi in Serie (Pkw Audi 100 DI)
1996 Erster Pkw-Dieselmotor mit direkter Einspritzung und Vierventilbrennraum (Opel-Ecotec-Dieselmotor)
1997 Erster aufgeladener Pkw-Dieselmotor mit direkter Common-Rail-Hochdruckeinspritzung und variabler Turbinengeometrie (Fiat, Mercedes-Benz)
1998 Erster V8-Pkw-Dieselmotor: BMW 3,9 l DE-Turbodiesel, Pe = 180 kW bei 4000 min–1, Mmax = 560 Nm (1750…2500 min–1)
1999 „Smart-cdi”, 0,8 dm3 Hubraum, derzeit kleinster Pkw-Turbo-Dieselmotor mit LLK und Common-Rail-Hochdruckeinspritzung: Pe = 30 kW
bei 4200 min–1, mit 3,4 l/100 km erstes„3-Liter-Auto”der Fa. DaimlerChrysler
2000 Erste Pkw-Dieselmotoren mit Partikelfilter in Serie (Fa. Peugeot)
2004 OPEL stellt eine alltagstaugliche Studie„Vectra OPC”mit einem 1,9-Liter-CDTI-Twinturbo-Aggregat mit einer Literleistung von PV = 82 kW/dm3 vor
2006 Beim 74. 24-Stunden-Rennen von Le Mans siegt erstmals ein AUDI R10 TDI mt einem V12-Dieselmotor (Pe > 476 kW bei n = 5000 l/min,
VH = 5,5 dm3, we = kJ/dm3 bei einem Bi-Turbo-Ladedruck von pL = 2,94 bar)

Bild 1-6
Bestwerte von effektivem Wirkungsgrad Ke,
maximalem Zylinderdruck pZmax und Kolben-
flächenleistung PA für Serienmotoren ca. 100
Jahre nach Vorstellung des ersten Dieselmo-
tors (s. auch Bild 1-13 bzw. Tabelle 1-3)

1.2 Motortechnische Grundlagen Die Energiebilanz über die Systemgrenzen des als „Black-
Box“ dargestellten Wandlers (Bild 1-7) lautet:
1.2.1 Einleitung
.

Dieselmotor wie Ottomotor sind prinzipiell Energiewandler, Ist die auf den Umgebungszustand bezogene Energie der
die im Kraftstoff chemisch gebundene Energie in mecha- Verbrennungsluft EL = 0, so ist die mit dem Kraftstoff mB
nische Energie (Nutzarbeit) wandeln, indem sie die im Mo- zugeführte Energie gleich der Nutzarbeit We und der Summe
tor durch Verbrennung freigesetzte Wärme einem thermo- aller Energieverluste ∑EV.
dynamischen Kreisprozess zuführen und als Druck-Volu- Das technische System „Dieselmotor“ ist auch Teil eines
men-Arbeit nutzen. vielfach vernetzten globalen Systems, das durch die Begriffe
10 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

Bild 1-7 Der Dieselmotor als Energiewandler


Bild 1-9 Konstruktive Grunddaten des Tauchkolbentriebwerks

„Ressourcen“ und „Umweltbelastung“ umrissen wird. Eine volumen Vh, für das mit der Zylinderbohrung D und dem
nur energetische, ökonomische Sicht mit dem Ziel, die Ver- Kolbenhub s gilt
luste ∑EV zu minimieren, genügt nicht heutigen, durch den
ökologischen Imperativ beschriebenen Ansprüchen, wonach .
jede Wandlung von Energie und Materie mit maximalem Entsprechend ist VH = z ·Vh das Hubvolumen eines Motors
Wirkungsgrad bei minimaler Umweltbelastung zu erfolgen mit z Zylindern.
hat. Das Ergebnis der angesichts dieser Forderung notwen- Durchgesetzt hat sich das Tauchkolbentriebwerk (Bild 1-9).
digen, aufwendigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten Nur Zweitakt-Großmotoren (s. Abschn. 18.4) besitzen ein
ist der Dieselmotor unserer Tage, der sich vom einfachen Kreuzkopftriebwerk zur Entlastung des Kolbens von den Sei-
Motor zu einem komplexen, aus mehreren Teilsystemen tenführungskräften (s. Abschn. 8.1). Beide Bauarten werden
bestehendem Motorsystem entwickelt hat (Bild 1-8). Cha- nur noch mit einseitig beaufschlagten Kolben eingesetzt. Zwi-
rakteristisch für diese Entwicklung sind das verstärkte Ein- schen dem Kurbeldrehwinkel M als normierte Zeitgröße und
binden elektrischer und elektronischer Bauelemente sowie der Drehgeschwindigkeit Z besteht der Zusammenhang
der Übergang von offenen Steuerungen zu geschlossenen
.
Regelkreisen. Zudem zwingt der internationale Wettbewerb
zu minimalem Fertigungsaufwand und Materialeinsatz, was Wird die Drehzahl n nicht als Drehzahlfrequenz (s–1) son-
u.a. beanspruchungsgerechte Konstruktionen zur optimalen dern, wie im Motorenbau üblich, in Umdrehungen pro Mi-
Bauteilnutzung bedingt. nute (min–1) angegeben, so ist Z = S · n/30.
Der Arbeitsprozess eines Verbrennungsmotors spielt sich
1.2.2 Konstruktive Grunddaten in dem möglichst dichten Zylinderraum Vz ab, der sich mit
der Kolbenbewegung zK innerhalb der Grenzen Vmax und
Geometrie und Kinematik jeder Kolbenmaschine werden Vmin periodisch ändert:
durch folgende geometrischen Kenngrößen eindeutig be-
schrieben: .
– Hub/Bohrungsverhältnis ] = s/D, Für den Kolbenweg gilt mit dem Kurbelradius r abhängig
– Pleuelstangenverhältnis OPl = r/l, von der momentanen Kurbelstellung M in Grad Kurbelwin-
– Verdichtungsverhältnis H = Vmax/Vmin = (Vc + Vh)/Vc. kel (°KW) ausgehend vom oberen Totpunkt OT (M = 0)

Dabei entspricht Vmin dem Kompressionsvolumen Vc und ,


das max. Zylindervolumen Vmax der Summe aus Vc und Hub- wobei meist folgende Näherungsfunktion verwendet wird:
1.2 Motortechnische Grundlagen 11

Bild 1-8 Der moderne Dieselmotor als ein Komplex von Teilsystemen

. mit niedrigen Drehzahlen, bzw. ist ein Schnellläufer ein Mo-


tor mit kleinen Abmessungen. Für Dieselmotoren mit einem
Für die momentane Kolbengeschwindigkeit cK und -be- Bohrungsdurchmesser von 0,1 m < D < 1 m besteht nähe-
schleunigung aK folgen daraus: rungsweise folgende Korrelation zur Motorgröße:
. (1-2)
.
1.2.3 Die motorische Verbrennung
Die aus Kolbenhub s in m und Drehzahlfrequenz n in s–1
folgende mittlere Kolbengeschwindigkeit 1.2.3.1 Grundlagen der Verbrennungsrechnung
(1-1)
Die Verbrennung ist chemisch betrachtet eine Oxidation der
ist eine wichtige Kenngröße für das kinematische und dyna- Kraftstoffmoleküle mit dem Luftsauerstoff als Oxidations-
mische Motorverhalten, mit deren Zunahme auch Massen- mittel. Damit ist die maximal umsetzbare Kraftstoffmasse
kräfte (~ c 2m), Reibung und Verschleiß steigen, sodass cm nur mB durch die im Motorzylinder befindliche Luftmasse be-
begrenzt steigerbar ist. Infolgedessen läuft ein Großmotor schränkt. Mit der kraftstoffspezifischen Mindestluftmasse
12    1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

Lmin (kg Luft/kg Kraftstoff) zur vollständigen und vollkom­ 1.2.3.2 Vergleich motorischer Verbrennungsverfahren
menen Verbrennung des Kraftstoffes beschreibt das Luftver­
hältnis λV das Verhältnis von „Angebot zu Nachfrage“ bei Der Verbrennung voraus geht das Aufbereiten des meist flüs­
der Verbrennung: sigen Kraftstoffes, um ein zündfähiges Gemisch aus gasför­
migem Kraftstoffdampf und Luft zu erhalten. Ein Vorgang,
. (1-3) der bei Diesel- und Ottomotor unterschiedlich verläuft (Ta­
belle 1-2).
Für das „Angebot“ der im gesamten Motor enthaltenen Luft­ Beim Dieselmotor (s. Kap. 3) setzt die innere Gemischbil-
masse mLZ aller Zylinder (VZ = z · Vz) gilt: dung mit dem Einspritzen des Kraftstoffes in die hoch ver­
dichtete und erwärmte Luft kurz vor OT ein, wogegen die
. (1-4)
äußere Gemischbildung beim klassischen Ottomotor außer­
Bei meist unbekannter Dichte ρZ der Zylinderladung weicht halb des Arbeitsraumes mittels Vergaser oder durch Ein­
man i. Allg. auf die Definition des Liefergrades λl (s. Abschn. spritzen in das Saugrohr erfolgt und sich oft über Ansaug-
2.1) und die Dichte ρL der Frischladung unmittelbar am Ein­ und Verdichtungstakt erstreckt.
tritt in den Zylinderkopf aus: Im Gegensatz zum homogenen Kraftstoff-Luft-Gemisch
eines Ottomotors weist der Dieselmotor vor der Ent­zündung
. (1-5)
ein heterogenes Gemisch auf, bestehend aus über den Brenn­
Der Luftbedarf folgt aus der Kraftstoff-Elementaranalyse: raum verteilten Kraftstofftröpfchen von wenigen Tausends­
Dieselkraftstoff (DK) ist als Erdölderivat ein Konglomerat tel Millimeter Durchmesser, die teils flüssig, teils von einem
von Kohlenwasserstoffen und besteht hauptsächlich aus Kraftstoffdampf-Luft-Gemisch umgeben sind.
Kohlenstoff C, Wasserstoff H, Schwefel S bei meist vernach­ Beim Ottomotor wird die Verbrennung über eine gesteu­
lässigbaren Anteilen an Sauerstoff O und Stickstoff N. Somit erte Fremdzündung durch Auslösen einer elektrischen Ent­
folgt aus der Bilanzgleichung zur vollkommenen Oxidation ladung an einer Zündkerze eingeleitet, vorausgesetzt das
eines allgemeinen Kraftstoffmoleküls CxHySz zu Kohlendio­ Luftverhältnis des homogenen Gemisches liegt innerhalb
xid CO2, Wasser H2O und Schwefeldioxid SO2: der Zündgrenzen. Beim Dieselmotor erfolgt an bereits auf­
bereiteten, d.h. von einem zündfähigen Gemisch umge­
benen Tröpfchen eine Selbstentzündung, wobei nur für das
Mikro-Gemisch im Bereich des Kraftstofftröpfchens Zünd­
grenzen im Bereich des stöchiometrischen Gemisches (λV =
der minimale Luftbedarf Lmin entsprechend dem Sauerstoff­ 1) bestehen (s. Kap. 3).
gehalt der Luft und den jeweiligen Molzahlen zu: Der Dieselmotor benötigt für eine normale Verbrennung
einen Luftüberschuss: lV ≥ lmin > 1. Folglich erfolgt das
[kg/kg]
Anpassen der Energiezufuhr an die Motorbelastung beim
(c, h, s, o: Masseanteil an 1 kg Kraftstoff gem. Elementarana­ Dieselmotor über das Luftverhältnis, also die Gemischquali-
lyse. Anhaltswert für DK: Lmin = 14,5 kg/kg). tät (Qualitätssteuerung), beim Ottomotor wegen der Zünd­
Die bei der Verbrennung freigesetzte Wärme Qex ent­ grenzen über die Gemischquantität (Quantitätssteuerung)
spricht dem kraftstoffspezifischen Heizwert Hu, der sich durch verlustreiches Drosseln beim Ansaugen der Frischla­
ebenfalls aus der Elementaranalyse zu: dung.
Art der Zündung und Gemischbildung bestimmen die
[MJ/kg] Anforderungen an den Kraftstoff: Dieselkraftstoff muss zünd-
berechnen lässt [1-11]. willig sein, ausgedruckt durch die Cetan-Zahl, Benzin für
Auf die Kraftstoffdichte ρB bei 15°C stützt sich folgende Ottomotoren zündunwillig, d.h. hohe Oktanzahlen aufwei­
Näherungsbeziehung: sen, um keine unkontrollierte Verbrennung durch ungesteu­
erte Selbstzündungen auszulösen. Letzteres wird durch
[MJ/kg].
leichtsiedende, kurzkettige, somit thermisch stabile Kohlen­
Damit gilt für die durch „innere Verbrennung“ dem Arbeits­ wasserstoffe (C5 bis C10) erfüllt. Dieselkraftstoff besteht
prozess zugeführte Wärme: dagegen aus schwersiedenden, langkettigen Kohlenwasser­
stoffen (C9 bis C30), die eher zerfallen und dabei die Selbst­
. zündung begünstigende freie Radikale bilden (s. Kap. 3).
1.2 Motortechnische Grundlagen    13

Tabelle 1-2 Vergleich von Merkmalen der motorischen Verbrennung

Merkmale Dieselmotor Ottomotor

Gemischbildung innerhalb Vz außerhalb Vz


Gemischart heterogen homogen
Zündung Selbstzündung bei Fremdzündung innerhalb
Luftüberschuss Zündgrenzen
Luftverhältnis λV ≥ λmin > 1 0,6 < λV < 1,3
Verbrennung Diffusions-Flamme Vormisch-Flamme
Drehmoment-Änderung Änderung von lV Gemischdrosselung
durch Kraftstoff (Qualitätsänderung) (Quantitätsänderung)
zündwillig zündunwillig

1.2.4 Thermodynamische Grundlagen 1.2.4.2 Idealer Kreisprozess und Vergleichsprozess

1.2.4.1 Ideale Zustandsänderungen von Gasen Bei einem idealen Kreisprozess erfährt das Gas eine in sich
geschlossene Zustandsänderung, sodass es nach Durchlau­
Der Zustand einer Gasmasse m ist durch zwei thermische fen des Prozesses wieder den An­fangszustand erreicht. Somit
Zustandsgrößen über die allgemeine Zustandsgleichung für gilt für die innere Energie U = U(T):
ideale Gase bestimmbar:
.
p·V=m·R·T
Aus dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik, der die Erhal­
(p absoluter Druck in Pa, T Temperatur in K, V Volumen in tung der Energie in geschlossenen Systemen beschreibt,
m3, R spezifische Gaskonstante, z.B. für Luft RL = 287,04 J/kg
,
· K). Ideale Gase zeichnen sich durch einen von Druck, Tem­
peratur und Gaszusammensetzung unabhängigen, konstan­ folgt damit, dass die im Verlauf des Kreisprozesses umge­
ten Isentropenexponente κ aus (Luft: k = 1,4; Abgas: k ≈ setzte Wärme Q als mechanische Arbeit anfällt:
1,36).
,
Der Zustand eines Gases lässt sich somit mit dem Werte­
paar (p, V) in einem p, V-Diagramm darstellen und verfol­ d.h. die Druck-Volumen-Änderung entspricht der theore­
gen, wobei sich Zustandsänderungen durch Konstantsetzen tisch nutzbaren Arbeit Wth des idealen Prozesses.
einer Zustandsgröße einfach berechnen lassen, in dem für Ein idealer Kreisprozess wird zum Vergleichsprozess für
­Isobaren (p = konst.), Isothermen (T = konst.) und Isocho­ eine thermische Maschine, wenn man ihn den Realitäten
ren (V = konst.) einfache, geschlossene Gleichungen existie­ anpasst. Für den Hubkolbenmotor bedeutet dies, dass sich
ren [1-12]. Ein Sonderfall ist die ­adiabate Zustandsände­ Ideal-Prozess und realer Arbeitsprozess gleichermaßen zwi­
rung: schen zwei Volumen- bzw. Druckgrenzen abspielen, gege­
ben durch Vmax und Vmin bzw. pmax und pmin. Die obere
p ∙ Vk = konst.,
Druckgrenze pmax entspricht dem aus Festigkeitsgründen
bei der kein Wärmeaustausch zwischen Gas und Umgebung zulässigen maximalen Zylinderdruck pZmax und pmin dem
erfolgt. Ist dieser Vorgang reversibel, so spricht man von Druck pL vor Einlass in den Motor (Bild 1-10a). Als weitere
isentroper Zustandsänderung, was in der Realität nie zutrifft, Vorgaben müssen Verdichtungsverhältnis ε und die zuge­
ebenso wie der reale Isentropenexponent von Gaszustand führte Wärme Qzu bzw. QB übereinstimmen:
und -zusammensetzung abhängt [1-13].
.
Dabei wird die Kraftstoffmasse mB bei gegebener Masse der
Frischladung mLZ (Gl. (1-4)), durch das Luftverhältnis λV
14 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

bzw. den Gemischheizwert hu beschränkt: Die durch die Grenzwerte in beiden Diagrammen gebildeten
Rechtecke entsprechen den jeweils maximal nutzbaren Ar-
. beiten, jedoch mit unterschiedlichen Wirkungsgraden: Dem
Angelehnt an den Arbeitsprozess des Dieselmotors bei An- Volllastdiagramm einer idealen Kolbendampfmaschine im
nahme eines verlustlosen Ladungswechsels längs der Isoba- p, V-Diagramm mit bescheidenem Wirkungsgrad steht der
ren pmin (s. Abschn. 2.1) beginnt der Vergleichsprozess in 1 Carnot-Wirkungsgrad mit einer real nicht nutzbaren Arbeit
mit einer adiabatischen Verdichtung auf p2 = pc = p1 · HN(Bild gegenüber (s. Abschn. 1.1). Für den Wirkungsgrad Kc des
1-10a). Anschließend erfolgt die Wärmezufuhr: Zunächst Carnot-Prozesses ist das Temperaturgefälle Tmax – Tmin be-
isochor bis zum Erreichen des Grenzdruckes pmax in 3’, da- stimmend:
rauf isobar bis 3. Die dann folgende adiabatische Expansion
.
endet in 4. Mit der danach einsetzenden Wärmeabfuhr längs
der Isochoren Vmax schließt sich der Kreisprozess. Die Fläche Aus dem T, s-Diagramm ist ersichtlich, dass auch während
1-2-3’-3-4-1 entspricht der theoretischen Arbeit: des realen Arbeitsprozesses hohe Temperaturen (bis zu 2500
K) auftreten (s. Abschn. 1.3). Dank des intermittierenden
,
Arbeitsprozesses unterschreiten bei entsprechender Kons-
wobei sich für den thermischen Wirkungsgrad Kth des hier truktion die Motorbauteile die für sie kritischen Tempera-
beschriebenen Seiliger-Prozesses ein geschlossener Aus- turen (s. Abschn. 9.1) wozu auch eine möglichst niedrige
druck angeben lässt (N = konst. vorausgesetzt), Temperatur Tmin ≤ TL beiträgt.
Der Seiliger-Prozess entspricht dem allgemeinsten Fall
,
eines Vergleichsprozesses, da er dem realen Motorprozess
unter Verwendung des Füllungsverhältnisses G = V3/V2 bzw. angepasst werden kann. Er umfasst auch die Grenzfälle
des Druckverhältnisses \ = p3/p2. Im Temperatur-Entropie- Gleichraum-Prozess (G o 1) und Gleichdruck-Prozess (\
(T, s-)Diagramm (Bild 1-10b), kann der Energieumsatz des o 1), die oft als idealer Ottomotor- bzw. Dieselmotor-Pro-
Seiliger-Prozesses verfolgt werden: Da die Flächen smin-1-2- zess bezeichnet werden, obwohl weder beim Ottomotor die
3’-3-4-smax und smin-1-4-smax der zugeführten Qzu bzw. abge- Verbrennung momentan mit unendlich großer Brennge-
führten Wärme Qab entsprechen, entspricht die Differenz der schwindigkeit erfolgt, noch beim Dieselmotor eine isobare
theoretischen Nutzarbeit, sodass für den thermischen Wir- Verbrennung vorliegt (Bild 1-11).
kungsgrad gilt: Der Einfluss des Verdichtungsverhältnisses auf den ther-
mischen Wirkungsgrad K*th mit Berücksichtigung des Real-
. (1-6)
gasverhaltens, d.h. N ≠ konst., ist aus Bild 1-12 für ein Druck-

Bild 1-10
Der Seiliger-Prozess als Ver-
gleichsprozess für Verbren-
nungsmotoren im p, V-Dia-
gramm (a) und T, s-Dia-
a b
gramm (b)
1.2 Motortechnische Grundlagen 15

Bild 1-11
Idealer Kreisprozess als Vergleichsprozess: Seiliger-Prozess
(pZmax = 150 bar), Gleichdruck- und Gleichraum-Prozess für
p1 = 2,5 bar, T1 = 40°C, e = 16, λv = 2 und Hu = 43 MJ/kg

verhältnis pmax/pmin = 60 ersichtlich: Bei einem Luftverhält-


nis von OV = 2wird beim Gleichraum-Prozess bereits für H
≈ 9 der zulässige Maximaldruck überschritten, wobei ein
Seiliger-Prozess höhere Verdichtungsverhältnisse zulässt,
jedoch für H ≈ 19,7 in den Gleichdruck-Prozess übergeht.
Die reale Prozessberechnung (Abschn. 1.3) hat den ideali-
sierten Vergleichsprozess in der praktischen Arbeit verdrängt,
dennoch behält er seinen Wert für das schnelle Abschätzen
nach „oben“, z.B. bei Variation der Motorprozessführung.

1.2.5 Der reale Arbeitsprozess


des Dieselmotors

1.2.5.1 Zweitakt- und Viertakt-Verfahren

Geht man beim idealisierten Arbeitsprozess von äußerer


Wärmezufuhr aus, so erfordert die innere Verbrennung den
Austausch der Ladung nach jedem Arbeitsspiel durch einen
Ladungswechsel (s. Abschn. 2.1). Hierfür benötigt der Vier-
taktmotor zwei zusätzliche Hübe oder Takte, wie die Bewe-
Bild 1-12 gung von einer Totlage zur anderen bezeichnet wird. Das
Thermischer Wirkungsgrad K*th mit Berücksichtigung des Realgasverhaltens gesamte Arbeitsspiel umfasst daher zwei Umdrehungen oder
(nach [1-13])
720 °KW, indem nach den Arbeitstakten (Kompression so-
wie Verbrennung und Expansion) das Ausschieben des Ab-
gases und Ansaugen der Frischladung erfolgt. Somit besteht
16    1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

zwischen Drehzahl und Arbeitsspielfrequenz na ein Fre­ . (1-9)


quenzverhältnis:
Bezieht man We auf das Hubvolumen VH, so bezeichnet die
a = n/na , (1-7)
spezifische Arbeit we in kJ/dm3 die aus einem Liter Hubraum
das oft auch als „Taktzahl“ bezeichnet wird, ohne mit a = 2 gewonnene Nutzarbeit. Sie ist damit neben der mittleren Kol-
(Viertaktverfahren) bzw. a = 1 (Zweitaktverfahren) die tat­ bengeschwindigkeit cm, Gl. (1-1), die wichtigste Motorkenn­
sächliche Anzahl der Takte anzugeben. größe zur Charakterisierung des „Standes der Technik“.
­Traditionsbewusste Motorenfirmen verwenden oft noch die
1.2.5.2 Wirkungsgrade des realen Motors Größe pe, den „Mitteldruck“ oder „mittleren effektiven
Druck“, der jedoch trotz Angabe in „bar“ keinem messbaren
Neben dem thermischen Wirkungsgrad, der eine Abschät­ Druck entspricht, sondern aus der Historie des Maschinen­
zung nach oben er­möglicht, interessiert in erster Linie der baus herrührt1. Für Umrechnungen gilt:
effektive Wirkungsgrad:
1 bar „mittl. effektiver Druck“ = 0,1 kJ/dm3.
, (1-8)
Der mitunter bei Fahrzeugmotoren verwendete Begriff eines
der sich auch als Produkt aus dem thermischen Wirkungs­ volumenspezifischen Drehmoments M/VH in Nm/dm3 ent­
grad und den Vergleichsgrößen zur Beschreibung der Verlust­ spricht nach Gl. (1-9) mit M/VH = we/(2 · p · a) ebenfalls der
anteile angeben lässt. Verluste durch unvollständige Verbren­ spezifischen Nutzarbeit, wobei für Viertaktmotoren we ≈
nung erfasst der Umsetzungsgrad: 0,0125 · (M/VH) ist.
.
Hauptgleichung des Dieselmotors
Der Gütegrad
Mit dem effektiven Wirkungsgrad ηe und mit dem Luftver­
hältnis lV, Gln. (1-8), (1-3), folgt für die Nutzarbeit:
beschreibt Abweichungen des realen vom idealen Prozess
. (1-10)
durch
– Verwenden eines realen statt idealen Arbeitsgases, Die Frischluftmasse mLZ im Motor, Gl. (1-4), ist durch Liefer­
– Wandwärmeverluste statt adiabater Zustandsänderung, grad λl und Ladungsdichte ρL, Gl. (1-5), festgelegt, sodass für
– reale Verbrennung statt idealisierter Wärmezufuhr, die spez. Nutzarbeit folgt:
– Ladungswechsel (Drossel-, Aufheiz- und Spülverlust). (1-11)
.
Der mechanische Wirkungsgrad Sieht man die kraftstoffspezifischen Größen ebenso wie den
direkt nicht zu beeinflussenden Wirkungsgrad als gegeben
an, so verbleibt nur die Steigerung des Druckes pL durch Ver­
umfasst nach DIN 1940 die Reibungsverluste am Kolben und dichtung, z.B. durch Abgasturboaufladung mit Ladeluftküh­
in den Lagern, die Verlustarbeit aller für den Motorbetrieb lung (s. Abschn. 2.2) als frei wählbare Option, die Nutzarbeit
erforderlichen Aggregate und die aerodynamischen bzw. hy­ zu steigern, da sowohl für den Liefergrad mit (l1)max →
draulischen Verluste am Triebwerk. e/(e – 1) als auch für das Luftverhältnis lV → lmin > 1 Gren­
Durch das als Indizieren bezeichnete Messen des Zylin­ zen bestehen.
derdruckverlaufs ist die am Kolben anstehende, indizierte
Arbeit Wi (schraffierte Fläche in Bild 1-10a) ermittelbar und Motorleistung
damit der innere (indizierte) Wirkungs­grad
Aus Arbeitsspielfrequenz na und spez. Nutzarbeit we, Gln. (1-
. 7), (1-9), folgt für die Nutzleistung:
, (1-12)
1.2.5.3 Motorbetrieb und Motorkenngrößen

Nutzarbeit und Drehmoment


1 Bei der Vielzahl der Autoren aus Industrie und Hochschulen war kein Konsens zu er-
Die Nutzarbeit We folgt aus dem an der Abtriebswelle des zielen, sodass der Leser gebeten wird, dies bei den einzelnen Abschn. zu beachten,
Motors messbaren Drehmoment M und der „Taktzahl“ a: insbesondere bei Zahlenangaben.
1.2 Motortechnische Grundlagen    17

bzw. mit der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm, Gl. (1-1): nach Verwendung des Motors die nicht überschreitbare blo-
ckierte ISO-Nutzleistung oder die überschreitbare ISO-Stan-
(1-13) dardleistung mit definierter Größe und Dauer der Überleis­
(C0 = p/(8 · a) ≈ 0,2 bzw. 0,4 bei Vier- bzw. Zweitakt). tung angegeben [1-14]. Sie entspricht bei 10%iger Überlast
der „continuous brake power“ der CIMAC-Empfehlung für
Die zweite Form der Leistungsgleichung mit ihrer quadra­ Schiffsmotoren.
tischen Abhängigkeit vom Bohrungsdurchmesser D weist
auf den Großmotor als weitere Möglichkeit zur Leistungs­ Leistungsbezogene Motorkenngrößen
steigerung hin, wobei gleichzeitig das Motormoment (Gl. (1-
9)), zunimmt: Die bei Fahrzeugmotoren häufig verwendete Literleistung

. . (1-14)
Entsprechend ist bei Beibehalten der Zylindermaße eine ver­ ist drehzahlabhängig und damit auch abhängig von der Mo­
gleichbare Motorleistung allein über die spezifische Arbeit torgröße. Dagegen ist die spezifische Kolbenflächenleistung:
we nur durch Höchstaufladung zu erreichen (vgl. Abschn.
, (1-15)
17.4).
Für praktische Berechnungen bei Angabe der Drehzahl in (mit we in kJ/dm3, cm in m/s folgt mit 2 · a = 4 für Viertakt
min–1, des Hub­raumes in dm3 und der spezifischen Arbeit bzw. 2 · a = 2 für Zweitakt, PA in W/mm2) unabhängig von der
in kJ/dm3 erhält man Motorgröße, wenn man von der Kor­relation n. Gl. (1-2) ein­
mal absieht. Das Produkt aus mechanischer und ther­mischer
(we) sowie dynamischer Belastung (cm) kennzeichnet den
bzw. mit dem mittleren effektiven Druck pe in bar „Stand der Technik“ für Zwei- oder Viertaktmotor, Groß-
oder Fahrzeugmotor gleicher­maßen, wie das folgende Bei­
spiel verdeutlicht:
jeweils in kW. Beim Vergleich zweier Serienmotoren, des langsam lau­
Aus der Dieselmotor-Hauptgleichung, Gl. (1-11), ist fenden Zweitakt-Dieselmotors Wärtsilä RT96C [1-15] mit
ersichtlich, dass die Motorleistung vom Umgebungszustand einer MCR-Zylinderleistung von 5720 kW, einer spezi­
abhängt: Ein in 1000 m Höhe betrie­bener Dieselmotor kann fischen Nutzarbeit we = 1,86 kJ/dm3 und einer mittleren
nicht die gleiche Leistung wie auf Meereshöhe er­bringen. Kolbengeschwindigkeit cm = 8,5 m/s mit dem z. Zt. leis­
Daher hat man für Leistungsvergleiche und Abnahmeunter­ tungsstärksten BMW-Pkw-Dieselmotor (BMW 306 D4: we
suchungen auf die spezifischen Belange der Anwender = 1,91 kJ/dm3, cm = 13,2 m/s [1-16]) folgt für die Kolbenflä­
abgestimmte Bezugszustände (x) definiert2, um die gemes­ chen- bzw. Literleistung:
sene Leistung P auf die bei Bezugszustand geltende Leistung – Wärtsilä PA = 7,91 W/mm2 bzw. PV = 3,16 kW/dm3,
Px umrechnen zu können. Allgemein gilt: – BMW PA = 6,31 W/mm2 bzw. PV = 70,2 kW/dm3.
.
Der Vergleich der Kolbenflächenleistungen zeigt deutlich,
Einflussgrößen für α und β sind neben Luftdruck und -tem­ dass auch der mitunter abschätzig als „Dinosaurier“ bezeich­
peratur auch relative Luftfeuchte, Kühlwassereintrittstempe­ nete Zweitakt-Langsamläufer ein „High-Tech“-Produkt ist,
ratur am Ladeluftkühler sowie mechanischer Wirkungsgrad der dem BMW 306 D4, einem „Kraftprotz“ mit einer Nenn­
(hm = 0,8 falls nicht bekannt). Da es sich gezeigt hat, dass leistung von 210 kW, sogar den Rang abläuft.3
oftmals die Gefahr einer Überkompensation besteht, sind Nicht unerwähnt sollte dabei bleiben, dass der Pkw-Die­
einige Hersteller von Fahrzeugmotoren dazu übergegangen, selmotor seine Volllastleistung nur höchst selten auf die
die Leistungsmessungen in klimatisierten Prüfständen bei Straße bringen wird, wogegen ein Schiffsdieselmotor – von
normgerechten Umweltbedingungen durchzuführen. We­ einigen Manövern abgesehen – stets unter Volllast läuft,
gen der geringen Überlastbarkeit des Dieselmotors wird je nicht selten bis zu 8.000 h im Jahr.

3 Die mitunter verwendete Größe „pe • cm“ [1-17] ergibt vergleichsweise für den
2 Gebräuchliche Normen sind z.B. DIN ISO 3046, Teil 1, speziell für Fahrzeugmotoren Langsamläufer 158 bzw. für den BMW 252 (bar · m/s). Da die unterschiedlichen Ar-
die DIN 70020 (11/76) und für „Verbrennungsmotoren für land- und forstwirtschaft- beitsverfahren nicht berücksichtigt werden, ist das Produkt „pe • cm“ keine echte
liche Zugmaschinen und mobile Maschinen und Geräte, die nicht für den Straßen- Kenngröße. Außerdem entzieht sich die Angabe in (bar · m/s) jeder vernünftigen
verkehr bestimmt sind” die ECE-Regelung Nr. 120. Deutung.
18 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

Bild 1-13
Entwicklung der Kolbenflächenleistung PA von Groß-
dieselmotoren; Höchstwerte von Zweitakt (Sulzer
RTX54) – und Viertakt (MAN B&W 4T 50MX) – Expe-
rimentiermotoren und eines Serienmotors (MTU 595)

Die in Bild 1-13 dargestellte Entwicklung der Größe PA Spezifischer Luftdurchsatz oder Luftverbrauch
lässt erkennen, dass anscheinend das Entwicklungspotenzial
der Dieselmotoren noch nicht ausgeschöpft ist! Die heutigen · ,
Analog zum spezifischen Kraftstoffdurchsatz folgt mit mL
Entwicklungsschwerpunkte sind jedoch weniger auf Steige- dem Gesamt-Luftdurchsatz (s. Abschn. 2.1.1):
rung der Leistung als – in Hinblick auf steigende Kraftstoff-
,
preise – auf die Verringerung des Kraftstoffverbrauchs und
eine Verbesserung der Abgasemission hin ausgerichtet. der spezifische Luftdurchsatz bzw. -verbrauch eines Motors
(s. Tabelle 1-3). Damit gilt für das Gesamt-Luftverhältnis:
Spezifischer Kraftstoffdurchsatz oder -verbrauch .
Mit dem Kraftstoffmassenstrom m· folgt der leistungsbezo-
B
gene spezifische Kraftstoffdurchsatz oder Kraftstoffver- Liefer- und Bedarfskennung
brauch:
. Der Einsatz des Motors zum Antrieb von Aggregaten oder
Fahrzeugen erfordert i. d. R. ein Anpassen der Lieferken-
Vergleichende Betrachtungen bedingen danach gleichen nung, wie der Verlauf des Drehmomentes M über der Dreh-
Heizwert bzw. Kraftstoff. Von Verbrauchsangaben beim Ein- zahl bezeichnet wird: Mit Annäherung an das Volllastdreh-
satz alternativer Kraftstoffe (s. Abschn. 4.2) kann also nicht moment sinkt das Luftverhältnis OV, sodass mit OV o Omin
auf die Güte der Energieumsetzung geschlossen werden, so- die Rauchgrenze erreicht wird, die einer noch als zulässig
dass grundsätzlich die Angabe des effektiven Wirkungs- angesehenen Abgasschwärzung entspricht. Mit zuneh-
grades vorzuziehen ist. ISO-Normverbräuche beziehen sich mender Spreizung der Drehzahlgrenzen nA und nN (Anfahr-
auf einen Kraftstoff (DK) mit Hu = 42 MJ/kg, was folgende und Nenndrehzahl) besteht bei Fahrzeugmotoren eine Über-
Umrechnung bei Verbrauchsangaben in g/kWh erlaubt: höhung im mittleren Drehzahlbereich, die dem Motor eine
größere Elastizität im Fahrverhalten verleiht (Bild 1-14).
.
Derartige Motorkennfelder enthalten neben der Rauch-
grenze und den Leistungshyperbeln (Kurven konstanter
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses 19

Tabelle 1-3 Betriebswerte von Dieselmotoren bei Nennlast

Motorenart spez. Kraftstoff- spez. Luftdurch- Luftverhältnis spez. Ölver- Abgastempe-


durchsatz be satz le λV brauch bÖ ratur TA nach ATL
(g/kWh) (kg/kWh) (–) (g/kWh) °C

Pkw-Dieselmotoren
o. Aufladung: 265 4,8 1,2 <0,6 710
m. ATL: 260 5,4 1,4 <0,6 650
Nfz-Dieselmotor*
m. ATL u. LLK 205 5,0 1,6 <0,2 550
Hochleistungsdieselmotoren 195 5,9 1,8 <0,5 450
mittelschnelllaufende
Viertakt-Dieselmotoren 180 7,2 2,2 0,6 320
langsamlaufende Zweitakt-
Dieselmotoren 170 8,0 2,1 1,1 275

* für schwere Nutzfahrzeuge und Omnibusse.


Anmerkung: Während der spezifische Luftdurchsatz le neben der Verbrennungsluft auch die Spülluft erfasst, berücksichtigt OV, das Verbrennungsluftverhältnis, nur die
Masse der Verbrennungsluft. Die angegebenen Mittelwerte umfassen einen Bereich von ca. ± 5%.

Bild 1-14
Kennfelddarstellung des Motordrehmoments M mit Linien Pe
= konst. bzw. Ke = konst. sowie Angabe ausgewählter Bedarfs-
kennungen. 1 Drehzahldrücken, 2 Generatorbetrieb und 3 Pro-
pellerkurve
20 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

Leistung) oft noch Kurven konstanten Wirkungsgrades bzw. Bei der Fahrgeschwindigkeit cF = 2 · S · R · nR gilt für die
Kraftstoffverbrauchs oder anderer Motorparameter. Spe- Fahrleistung zur Überwindung aller Fahrwiderstände ΣFW :
zielle Bedarfskennungen sind u.a.:
.
1. Drehzahldrücken: M = konst. und n = variabel,
2. Generatorbetrieb: M = variabel und n = konst., Durch eine mit dem Verbrauchskennfeld (Bild 1-14), abge-
3. Propellerbetrieb: M ~ n2. stimmte Getriebeauslegung kann man günstige Kraftstoff-
verbräuche bei gutem Fahrkomfort erzielen (s. Abschn.
Beim Fahrzeugantrieb kann je nach Fahrwiderstand der ge- 17.1).
samte Kennfeldbereich erfasst werden, einschließlich des
Schleppbetriebes mit dem Schleppmoment Ms. „Drehzahl- 1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses
drücken“ ist bei aufgeladenen Motoren zu meiden, da es in-
folge abnehmenden Luftverhältnisses bei grenzbelasteten
1.3.1 Einleitung
Motoren zu thermischer Überlastung kommen kann (s. Ab-
schn. 2.2). Die Vorgänge im Zylinder des Dieselmotors verlaufen stark
Der Fahrzeugantrieb erfordert entsprechend der durch instationär, da in Sekundenbruchteilen die Arbeitstakte Ver-
die Fahrwiderstandskurven gegebenen Bedarfskennung ein dichtung, Verbrennung, Expansion und Ladungswechsel
Anpassen der Lieferkennung durch eine Momentenwand- aufeinander folgen. Aus diesem Grund kann man den Diesel-
lung mittels eines Getriebes (Bild 1-15). Das am Rad maxi- motor nicht mit den einfachen Mitteln des idealen Ver-
mal übertragbare Moment MRmax („Rutschgrenze“), die gleichsprozesses in einer für die Motorenentwicklung ausrei-
maximale Motor- bzw. Raddrehzahl nR sowie der als „ideale chenden Genauigkeit berechnen. Vielmehr muss man die
Zugkrafthyperbel“ bezeichnete Momentenverlauf für Pmax = Differenzialgleichungen der Massen- und Energieerhaltung
konst. begrenzen das Diagramm, wobei für das am Rad unter Berücksichtigung der thermischen und kalorischen
wirkende Moment MR unter Berücksichtigung der Unterset- Zustandsgleichungen mit numerischen Methoden lösen.
zung iges (Getriebestufe, Achsgetriebe, Differential) sowie Die rasche Entwicklung der Datenverarbeitung ermög-
aller mechanischen Verluste mit Kges gilt: lichte in den sechziger Jahren erstmals die numerische
Lösung dieser Differenzialgleichungen [1-63]. Die ersten
.
Untersuchungen wurden in der Großmotorenindustrie

Bild 1-15
Liefer- und Bedarfskennung beim Fahrzeugantrieb mit Vier-
ganggetriebe
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses    21

durchgeführt, da dort durch die hohen Prüfstandskosten der 1.3.2 Thermodynamische Grundlagen
numerische Aufwand am ehesten gerechtfertigt war. der Realprozessrechnung
Mittlerweile ist die Berechnung des realen Arbeitspro­
zesses zu einem Standardwerkzeug in der Motorenentwick­ 1.3.2.1 Allgemeine Annahmen
lung geworden und wird in der Zukunft noch an Bedeutung
gewinnen [1-65]. Dabei reichen die Anwendungen von ein­ Thermodynamisches Modell des Zylinders
fachen Beschreibungen des Prozesses im Zylinder bis hin zu
den komplexen, transienten Vorgängen bei der instatio­ Um mit der Realprozessrechnung die Zustandsänderung der
nären Lastaufschaltung an Dieselmotoren mit zweistufiger Zylinderladung (Druck, Temperatur, Masse, Zusammenset­
Registeraufladung unter Berücksichtigung des dynamischen zung etc.) während eines Arbeitsspiels zu berechnen, können
Verhaltens des Verbrauchers [1-20; 1-48; 1-68]. die in Abschn. 1.2 bei der Betrachtung des idealen Arbeits­
Stand der Technik ist heute im Versuchsbetrieb die ther­ prozesses getroffenen Voraussetzungen nicht mehr beibehal­
modynamische Analyse des gemessenen Zylinderdruckver­ ten werden. Es müssen geeignete thermodynamische Mo­
laufs (DVA), die dank moderner Rechner in Echtzeit neben delle definiert werden, sowohl für den einzelnen Zylinder als
dem momentanen Brennverlauf weitere Betriebsgrößen, wie auch für die Prozess-Randbedingungen, wie Energiefreiset­
z.B. den Restgasgehalt im Zylinder, ermittelt [1-29]. Für den zung durch Verbrennung, Wandwärmeverluste, Zustand vor
Serieneinsatz lässt sich darauf eine zylinderdruckbasierte und nach Zylinder (Tabelle 1-4).
Regelung für neue Brennverfahren wie das HCCI-Verfahren Für den Arbeitsraum des Zylinders werden Systemgren­
aufbauen, vorausgesetzt es stehen genaue und standfeste zen festgelegt (Bild 1-16). Dazu wird i. Allg. angenommen,
Drucksensoren zur Verfügung. dass Druck, Temperatur und Zusammensetzung der Gase
Im Rahmen einer Einführung in die Berechnung des im Zylinder sich in Abhängigkeit von der Zeit und damit
Realprozesses können natürlich nicht alle thermodyna­ dem Kurbelwinkel ändern können, sie aber unabhängig
misch interessanten Baugruppen des Motors wie Zylinder, vom Ort im Zylinder sind. Die Zylinderladung wird somit
Abgasturbolader oder Luft- und Abgasleitungssystem als homogen angesehen, was man als Einzonenmodell
berücksichtigt werden. Daher werden in den folgenden bezeichnet. Diese Voraussetzung stimmt mit den tatsäch­
Abschn. nur die Grundlagen der Realprozessrechnung lichen Vorgängen im Zylinder des Dieselmotors natürlich
anhand der Modellierung der thermodynamischen Vor­ nicht überein; sie führt aber trotzdem zu Rechenergebnis­
gänge in einem Zylinder ohne unterteiltem Brennraum sen, die für die meisten Entwicklungsaufgaben genau genug
exemplarisch erläutert. Für weitergehendes Interesse wird sind, solange man beispielsweise keine Berechnung der
auf die in den einzelnen Abschn. angegebene, vertiefende Schadstoffkonzentrationen vornehmen möchte. Die Bil­
Literatur verwiesen. dungsmechanismen für Schadstoffe, insbesondere für Stick­
oxide, sind stark temperaturabhängig und benötigen als
Eingabegröße die Temperatur im verbrannten Gemisch
(post-flame-Bereich), die deutlich höher ist als die energe­

Tabelle 1-4 Unterschiede verschiedener Teilmodelle im Ideal- und Realprozess

Teilmodell Idealprozess Realprozess

Stoffwerte ideales Gas reales Gas; Zusammensetzung ändert sich während des Prozesses
cp, cv, k = konstant Stoffwerte abhängig von Druck, Temperatur und Zusammensetzung
Ladungswechsel Ladungswechsel als Wärmeabfuhr Massenaustausch durch die Ventile, Restgas bleibt im Zylinder
Verbrennung vollständige Verbrennung nach gegebener, unterschiedliche Brennverläufe sind möglich je nach Gemischbildung
idealisierter Gesetzmäßigkeit und Verbrennungsverfahren; Kraftstoff verbrennt teilweise nur unvollständig
Wandwärmeverluste Wandwärmeverluste werden vernachlässigt Wandwärmeverluste werden berücksichtigt
Undichtigkeiten Undichtigkeiten werden vernachlässigt Undichtigkeiten werden teilweise berücksichtigt, in der vorliegenden
Einführung aber vernachlässigt
22 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

(1-17)

Betrachtet man die Zylinderladung als reales Gas, so muss


man Gl. (1-16) durch eine der vielen in der Literatur be-
kannten Zustandsgleichungen für reale Gase ersetzen (z.B.
Justi [1-37], Zacharias [1-67]).
Aus den Zustandsgrößen p und T folgt mit Hilfe der
kalorischen Zustandsgleichung die spezifische innere Ener-
gie ui für jede Komponente i. Im Falle des idealen Gases
lautet sie
(1-18)
mit der spezifischen isochoren Wärmekapazität cv. cv ist i.
Allg. temperaturabhängig. Im Falle von realen Gasen ist cv
und damit u von Temperatur und Druck abhängig und kann
beispielsweise entsprechenden Tabellenwerken entnommen
oder berechnet werden [1-32; 1-42; 1-45; 1-47; 1-67].

Bild 1-16
Gesetze von der Erhaltung der Masse und der Energie
Thermodynamisches Modell für den Zylinder
Im Zylinder befindet sich eine Ladungsmasse m mit be-
stimmter Zusammensetzung. Die Masse kann sich dadurch
ändern, dass Masse über das Einlassventil dmE, das Auslass-
tisch gemittelte Temperatur des Einzonenmodells. In die- ventil dmA oder das Einspritzventil dmB zu- oder abgeführt
sem Fall teilt man die Zylinderladung in zwei Zonen auf wird. (Gasverluste durch Undichtigkeiten werden hier ver-
(Zweizonenmodell [1-35; 1-40; 1-41; 1-47]). Eine Zone ent- nachlässigt.) Aus dem Massenerhaltungssatz ergibt sich die
hält die unverbrannten Komponenten Frischluft, Kraftstoff folgende Gleichung:
und Restgas (relativ niedrige Temperatur), die andere Zone
(1-19)
die Reaktionsprodukte Abgas und unverbrauchte Luft (hohe
Temperatur). Beide Zonen sind durch eine infinitesimal Dabei werden die einströmenden Massen positiv und die
kleine Flammenfront getrennt, in der die (primäre) Kraft- ausströmenden Massen negativ in Gl. (1-19) eingesetzt.
stoffoxidation erfolgt. Bild 1-17 zeigt für den Hochdruck- Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik beschreibt die
prozess eines Dieselmotors sowohl die mittlere Temperatur Erhaltung der Energie. Danach kann sich die innere Energie
des Einzonenmodells als auch die Temperaturen der beiden im Zylinder U nur ändern, wenn über die Systemgrenze
Zonen des Zweizonenmodells. Man kann deutlich erken- Enthalpie dH im Zusammenhang mit einer Masse dm,
nen, dass das Temperaturniveau in der Zone des Ver- Wärme dQW oder Arbeit (dW = – p · dV) zu- oder abgeführt
brannten deutlich höher liegt als beim Einzonenmodel. Zur wird. Die durch die Verbrennung des eingespritzten Kraft-
Einführung in die Methoden der Berechnung des Realpro- stoffes freigesetzte Energie wird als innere Wärmezufuhr
zesses wird jedoch nur das Einzonenmodell betrachtet. dQB angesehen. Der Zusammenhang zwischen den einzel-
nen Energieformen wird durch das Gesetz der Energieerhal-
Thermische und kalorische Zustandsgleichungen tung, dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik, beschrieben:
(1-20)
Der Zustand der Ladung im Zylinder wird durch Druck p,
Temperatur T, Volumen V und Zusammensetzung (Massen Sind die einzelnen Terme dieser Differenzialgleichung be-
mi der Komponenten i) beschrieben. Zwischen diesen Größen kannt, so kann sie mit entsprechenden mathematischen Me-
besteht ein physikalischer Zusammenhang, die thermische thoden gelöst werden. Meist verwendet man dazu das Ver-
Zustandsgleichung. Im Falle des idealen Gases lautet sie: fahren nach Runge-Kutta (vgl. z. B. [1-19]) oder daraus abge-
leitete Algorithmen. Dabei wird zunächst der Anfangszu-
(1-16)
stand im Zylinder bei „Einlass schließt“ geschätzt und danach
mit der Gaskonstanten R und der Gesamtmasse m als Summe Gl. (1-20) in kleinen Kurbelwinkelschritten über ein Arbeits-
der Teilmassen der einzelnen Komponenten: spiel hinweg mit dem ausgewählten Algorithmus aufin-
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses 23

Bild 1-17
Temperaturverläufe beim Einzonen- und Zweizonenmodell

tegriert. Am Ende des Arbeitsspiels wird kontrolliert, ob sich chung stammt von Woschni [1-64] (s. Abschn. 7.2 sowie
bei „Einlass schließt“ der geschätzte Anfangszustand ergibt. [1-41; 1-46; 1-47]).
Wenn dies nicht der Fall ist, werden mit verbesserten Schätz-
werten so lange Arbeitsspiele berechnet, bis diese Schätz- Ladungswechsel
werte mit genügender Genauigkeit reproduziert werden.
Die Enthalpien der über die Ein- und Auslassventile ein- und
Wandwärmeverluste ausströmenden Massen ergeben sich aus dem Produkt von
spezifischer Enthalpie h und Massenänderung dm:
Die Wandwärmeverluste werden nach der Beziehung
(1-22)
(1-21)
Die spezifischen Enthalpien werden mit der jeweiligen Tem-
mit der Winkelgeschwindigkeit Z = 2 · S · n, dem mittleren peratur vor, im oder nach dem Zylinder berechnet. Die über
Wärmeübergangskoeffizienten D, der Wärme übertragenden die Systemgrenze tretenden Massenelemente ergeben sich
Fläche A und der Wandtemperatur TW berechnet. Die Wärme aus folgender Gleichung [1-41; 1-47]:
übertragende Fläche besteht aus den Flächen des Zylinder-
kopfs, des Kolbenbodens und der zum jeweiligen Kurbelwin-
kel freigegebenen Laufbuchsenfläche. Für jede Teilfläche
benötigt man eine mittlere Wandtemperatur, die entweder
aus Messungen bekannt ist oder geschätzt wird. Da die Tem-
(1-23)
peratur der Auslassventile deutlich über der des Zylinder-
kopfes liegt, unterteilt man gewöhnlich die Zylinderkopfflä- Die Zustände „v“ bzw. „n“ beziehen sich jeweils auf die Be-
che in Auslassventilfläche und Restfläche. dingungen vor bzw. nach dem betrachteten Ventil (beim Ein-
Schon vor Beginn der Realprozessrechnung beschäftigen lassventil und normaler Einströmung, also ohne Rückströ-
sich viele Autoren mit der Berechnung des Wärmeüber- mung, beispielsweise auf den Zustand der Ladeluft und den
gangskoeffizienten. Die heute am meisten verwendete Glei- Zustand im Zylinder).
24 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

Gl. (1-23) liegt die Durchflussgleichung für die isentrope


(reibungsfreie und adiabate) Kanalströmung idealer Gase
zugrunde [1-41; 1-47]. Die Fläche A bezeichnet den momen-
tan vom Ventil freigegebenen geometrischen Durchström-
querschnitt (s. Abschn. 2.1).
Im realen Motorbetrieb führen Reibungsverluste und
Strahlkontraktion zu einem gegenüber dem idealen Wert
reduzierten Massenstrom, was durch am Blasprüfstand
experimentell ermittelte Durchflusszahlen P unter Defini-
tion eines Bezugsquerschnittes berücksichtigt wird [1-28].
Deswegen müssen beim Vergleich von Durchflusszahlen
(auch mit P, V oder D bezeichnet) immer die zugehörigen
Bezugsflächen bekannt sein (s. Abschn. 2.1).
Zur Berechnung des Ladungsdurchsatzes nach Gl. (1-23)
werden die Drücke vor dem Einlassventil und nach dem
Auslassventil benötigt. Im Fall des abgasturboaufgeladenen
Motors ergeben sie sich als Ladedruck und Abgasdruck vor
der Turbine aus einer ATL-Bilanz mit Hilfe gemessener
Kennfelder von Verdichter und Turbine, vgl. Abschn.1.3.2.

Brennverlauf Bild 1-18


Förderverlauf, Einspritzverlauf und Brennverlauf
Für die Modellierung des Zylinders benötigt man über die
bisher behandelten physikalischen Modelle hinaus die Be-
schreibung der Verbrennung. Die durch die Verbrennung
freigesetzte Energie ergibt sich aus dem spezifischen Heiz- Lage, die dieselmotorische Verbrennung mit der für die
wert Hu und der verbrannten Kraftstoffmasse dmB: Berechnung des Realprozesses gewünschten Genauigkeit
vorauszubestimmen. Die Kenntnisse über die Verbren-
(1-24)
nungsvorgänge in Verbrennungsmotoren stammen meist
unter Vernachlässigung der Enthalpie des eingespritzten aus der Zylinderdruckindizierung. Diese Messung liefert
Kraftstoffes dHB. Aufschluss über die Vorgänge im Inneren des Zylinders,
Der zeitliche oder kurbelwinkelabhängige Verlauf der wobei bei hoher zeitlicher Auflösung, beispielsweise alle
durch die Verbrennung freigesetzten Energie (Brennverlauf 0,5 °KW oder weniger, überwiegend piezoelektrische
dQB/dM) ist eine der wichtigsten Vorgabegrößen für die Druckaufnehmer verwendet werden [1-34; 1-43; 1-58]. Ist
Durchführung der Realprozessrechnung. Im Gegensatz zu der Zylinderdruckverlauf bekannt, so kann in Umkehrung
den Idealprozessen (Abschn. 1.2), bei denen sich der Brenn- von Gl. (1-18) daraus der Brennverlauf bestimmt werden
verlauf aus dem gewünschten Druckverlauf direkt ergibt (Druckverlaufsanalyse DVA) und man erhält somit Kennt-
(z.B. Gleichdruck- oder Gleichraumprozess), ist der Brenn- nisse über den Energieumsatz im Motor.
verlauf beim realen Motor von vielen Parametern anhän- Für die Realprozessrechnung verwendet man üblicher-
gig. weise nicht den aus der Druckverlaufsanalyse ermittelten
Optimal wäre eine Vorgehensweise gemäß Bild 1-18: Ein- Brennverlauf, sondern eine einfache mathematische Funk-
zige Vorgabegröße ist der Förderverlauf der Einspritzpum- tion, den Ersatzbrennverlauf. Die Parameter dieser Funktion
pe. Mit geeigneten Modellen wird dann das Einspritzsystem können mittels Optimierungsverfahren so gewählt werden,
(Einspritzpumpe, -leitung und -düse) simuliert, um aus dem dass der aus der Druckverlaufsanalyse bekannte Brennver-
Förderverlauf den Einspritzverlauf zu berechnen. Bei ausrei- lauf möglichst gut wiedergegeben wird. Falls keine Zylinder-
chender Kenntnis der physikalischen Vorgänge bei Strahlauf- druckindizierung vorliegt, simuliert man auf dem Prüfstand
lösung, Verdampfung und Gemischbildung könnten mit vermessene Motoren mit Hilfe der Realprozessrechnung
entsprechenden Rechenmodellen der Zündverzug und die und schätzt einen gewählten Ersatzbrennverlauf so, dass
Verbrennung (Brennverlauf) ermittelt werden [1-25; 1-27]. gemessene und berechnete Kenngrößen übereinstimmen.
Nach heutigem Kenntnisstand sind die bislang entwi- Der am meisten verwendete Ersatzbrennverlauf geht auf
ckelten Modelle und Methoden allerdings noch nicht in der Arbeiten von Vibe [1-59] zurück. Vibe beschreibt das Inte-
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses 25

gral des Ersatzbrennverlaufs (Summenbrennverlauf oder Die als Vibe-Funktion bezeichnete Gleichung beschreibt die
Durchbrennfunktion QB(M)) mit Hilfe einer Exponential- Verbrennung mit drei Parametern: Verbrennungsbeginn MVB,
funktion: Verbrennungsdauer 'MBD = MVE – MVB und Formfaktor m.
Der Formfaktor legt dabei die relative Lage des Maximums der
Vibe-Funktion fest, wie man dem Bild 1-19 entnehmen kann.
(1-25) Eine wichtige Aufgabe der Realprozessrechnung besteht
in der Ermittlung des Einflusses veränderter Randbedin-
MVB: Verbrennungsbeginn gungen, wie z.B. des Umgebungszustandes, auf den Arbeits-
MVE: Verbrennungsende prozess im Rahmen von Parameterstudien (Abschn. 1.3.3.3
QB,0: bei Verbrennungsende insgesamt freigesetzte Energie und 1.3.3.4). Voraussetzung für eine derartige Rechnung ist,
QB(MVE) dass der Einfluss wesentlicher Motorparameter als Randbe-
m: Formfaktor. dingung auf den Ersatzbrennverlauf bekannt ist.
Für die Vibe-Funktion haben Woschni/Anisits [1-66]
Der Faktor -6,908 ergibt sich aus der Kalibrierung der asymp-
folgende Abhängigkeiten vom Luftverhältnis O, dem Umset-
totisch gegen Null gehenden Exponentialfunktion auf einen
zungsgrad Ku, der Drehzahl n und dem Zustand bei „Einlass
Zahlenwert von 0,001 beim Verbrennungsende.
schließt“ (Index Es) ermittelt:
Den Ersatzbrennverlauf dQB/dM erhält man als Ableitung
der Gl. (1-25):
(1-27)

(1-26) (1-28)

Bild 1-19
Vibe-Funktion bei verschiedenen Formfaktoren (m)
26 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

Der Index 0 bezieht sich auf den bekannten Ausgangsbe- laufenden Dieselmotoren mit Direkteinspritzung nicht in
triebspunkt. ausreichender Genauigkeit wiedergeben kann, verwendet
Der Verbrennungsbeginn ergibt sich aus dem Förderbe- man zuweilen die Überlagerung zweier Vibe-Funktionen zu
ginn MFB, dem Einspritzverzug 'MEV und dem Zündverzug einer „Doppel-Vibe-Funktion“ [1-44]. Bild 1-20 zeigt die
'MZV: Wiedergabe eines Betriebspunktes bei einem schnell lau-
fenden Hochleistungsdieselmotor durch die Vibe-Funktion
(1-29) und die Doppel-Vibe-Funktion. Man kann erkennen, dass
die einfache Vibe-Funktion (Gl. (1-29)) nicht in der Lage ist,
den raschen Anstieg des Brennverlaufs zu Beginn der Ver-
brennung („Premixed-Peak“) zu beschreiben.
(1-30)
1.3.2.2 Indizierte und effektive Arbeit

Die Lösung der Differenzialgleichung Gl. (1-20) für den 1.


pZV: Druck in der Zündverzugsphase Hauptsatz der Thermodynamik liefert den Druckverlauf im
TZV: Temperatur in der Zündverzugsphase Zylinder und damit die indizierte Arbeit Wi, woraus man
b, c: aus Messungen zu bestimmende Parameter der den mittleren indizierten Druck pi bzw. die spezifische indi-
Gleichung. zierte Arbeit wi als Kenngrößen des Motors herleiten kann,
vgl. Abschn. 1.2. Jedoch interessiert i. Allg. meist der sog.
Weitere Ansätze für den Zündverzug finden sich in [1-31; mittlere effektive Druck pe bzw. die spezifische Nutzarbeit
1-56; 1-62]. we. Im Rahmen der Realprozessrechnung verwendet man
Da die Vibe-Funktion wegen ihrer einfachen mathema- daher Modellansätze für die Berechnung der Reibungsver-
tischen Form die Brennverläufe insbesondere bei schnell luste, ausgedrückt durch den mittleren Reibdruck pr als Dif-

Bild 1-20
Approximation eines Brennverlaufs durch die Doppel-Vibe-
Funktion
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses    27

ferenz von pi und pe (pr = pi – pe), falls dieser nicht aus Mes­ ren kann auch örtliche Druckunterschiede und Rohr­ver­
sungen bekannt ist. zweigungen berechnen, wobei der numerische Aufwand
In der Literatur finden sich unterschiedliche Vorschläge gegenüber der Füll- und Entleermethode wesentlich größer
zur Berechnung der Reibarbeit [1-27; 1-50; 1-57], die je ist.
nach Verfasser abhängig von Drehzahl, Last, Motorgeome­ In jüngerer Zeit wurden quasidimensionale Modelle ent­
trie, Ladedruck sowie Wasser- und Öltemperaturen sein wickelt, bei denen lokale Phänomene durch orts- und zeit­
können. Ausgehend von dem in einem Auslegungspunkt abhängige Variablen berücksichtigt werden. Beispiele hier­
bestimmten Reibdruck (Index 0 in Gl. (1-31)) gilt beispiels­ für sind Strömungsvorgänge, Verbrennungs- und Wärme­
weise nach [1-27] übertragungsmodelle [1-47].
Bild 1-21 zeigt beispielsweise das Modell für einen abgas­
pr – pr, 0 n – n0 pi – pi, 0 turboaufgeladenen 6-Zylinder-Dieselmotor, der mit dem
02 = 0,7 · 0 + 0,3 · 02 (1-31) Programm Boost [1-54] berechnet wird. Es berücksichtigt
pr, 0 n0 pi, 0
alle wesentlichen Anbauteile des Motors, angefangen vom
wonach nur Drehzahl und mittlerer indizierter Druck gege­ Luftfilter über den Abgasturbolader bis hin zum Katalysator
ben sein müssen. und Abgasschalldämpfer. Hinzu kommt die Modellierung
einer Motorelektronik (ECU1), die die Einspritzung und das
1.3.2.3 Modellierung des gesamten Motors Wastegate des Turboladers ansteuert.
Um den Umfang der vorliegenden Einführung in die
In den Abschn. 1.3.2.1 und 1.3.2.2 wurde exemplarisch der Realprozessrechnung nicht auszudehnen, wird auf weiter­
Zylinder modelliert. Natürlich muss man für eine Gesamtsi­ führende Literatur (z.B. [1-41; 1-47] oder [1-33; 1-18]) und
mulation des Motors alle wesentlichen Motorbauteile mo­ auf den Abschn. 2.2 verwiesen.
dellieren. Für alle Strömungsvorgänge außerhalb des Zylin­
ders in den Motorbauteilen wie Saug- und Abgasleitungen, 1.3.3 Typische Beispiele für die Anwen­dung
Ladeluftkühler, Katalysator oder Abgasturbolader müssen der Realprozessrechnung
ebenfalls die physikalischen Grundgleichungen der Erhal­
tung von Masse (Kontinuitätsgleichung), Impuls (Impulser­ 1.3.3.1 Einleitung
haltung) und Energie (1. Hauptsatz der Thermodynamik)
sowie der 2. Hauptsatz der Thermodynamik gelöst werden. Es lassen sich grundsätzlich zwei Arten der Anwendung un­
Die ersten Berechnungen dieser Art wurden mit dem Pro­ terscheiden:
grammsystem PROMO durchgeführt [1-52; 1-53]. Heute 1. Für den zu berechnenden Motorbetriebspunkt liegen
verwendet man i. Allg. kommerzielle Programme wie bei­ bereits Messergebnisse vor.
spielsweise GT-Power (Bestandteil der GT-Suite [1-55]) oder In diesem Fall werden mit der Realprozessrechnung
Boost (Fa. AVL [1-54]). Größen bestimmt, die aus der Messung bereits bekannt
Für die Berechnung der Luft- und Abgasleitungen bieten sind. Durch Vergleich von Rechen- und Messergebnissen
sich verschiedene Methoden an, die mit zunehmender können beispielsweise die Messwerte auf Plausibilität
Komplexität die realen Verhältnisse auch genauer beschrei­ überprüft oder die Kalibrierung der physikalischen
ben. Im einfachsten Fall geht man von konstanten Drücken Teilmodelle der Prozessrechnung (z.B. Ersatzbrennverlauf,
in den Ladeluft- bzw. Abgasleitungen (d.h. unendlich große Wandwärmeübergang, Reibmitteldruck) vorgenommen
Behälter) aus (sog. nulldimensionale Modelle). Bei der sog. werden.
Füll- und Entleermethode modelliert man die Leitungen als 2. Für den zu berechnenden Motorbetriebspunkt liegen noch
Behälter endlichen Volumens, die diskontinuierlich von den keine Messwerte vor.
Zylindern und kontinuierlich vom Lader bzw. der Turbine In diesem Fall handelt es sich bei der Realprozessrechnung
befüllt bzw. entleert werden. Bei dieser Methode variiert der um die Vorausberechnung eines noch nicht bekannten
Druck zeitlich, aber nicht örtlich (d.h. unendliche große Betriebspunktes. Die Parameter der physikalischen
Schallgeschwindigkeit) in den Leitungen. Teilmodelle müssen zunächst geschätzt werden, d.h. man
Bei Verwendung der Gleichungen für die instationäre, übernimmt sie von einem ähnlichen Betriebspunkt und
eindimensionale und kompressible Rohrströmung erfasst korrigiert sie gegebenenfalls mit den in den Abschn. 1.3.2.2
man die Zustandsänderungen im Einlass- und Auslasssys­ und 1.3.2.3 angegebenen Umrechnungsgleichungen. Die
tem mit den Methoden der instationären Gasdynamik Ergebnisse dieser Prozessrechnungen können natürlich
(Charakteristiken-Verfahren oder vereinfachendes akus­ nur so genau sein wie die zur Umrechnung verwendeten
tisches Verfahren [1-51]). Dieses eindimensionale Verfah­ Beziehungen. Deswegen überprüft und kalibriert man sie
28 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

Bild 1-21 Berechnungsmodell für einen aufgeladenen V6-Dieselmotor: (CL1) Luftfilter, (TC1) Abgasturbolader, (CO1) Ladeluftkühler, (CAT1) Katalysator, (PL1) Schall-
dämpfer, (PL2, PL3) Saugrohre des V-Motors, (C1 bis C6) Motorzylinder, (J) Verbindungen und Abzweigungen, (ECU1) Motorelektronik zur Steuerung von Einspritzung und
Wastegate des Turboladers [1-34]

in der Praxis für die jeweiligen Motoren, indem man Typische Ergebnisse sind:
möglichst viele vermessene Betriebspunkte mit der
Realprozessrechnung nachrechnet und deren Ergebnisse Druckverlauf, Temperaturverlauf, Wandwärmeverluste, ef-
mit den Messwerten vergleicht. fektiver Kraftstoffverbrauch, effektiver Wirkungsgrad, inne-
rer Wirkungsgrad, Verbrennungshöchstdruck, Kompres-
Somit besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen einer sionsenddruck, max. Druckanstiegsgeschwindigkeit, max.
Prozessrechnung zur Auslegung neuer Motoren und einer Prozesstemperatur (energetischer Mittelwert), Temperatur
Nachrechnung bereits vermessener Motoren. vor der Abgasturbine, Ladungswechselverluste, Ladungs-
durchsatz, Luftverhältnis.
1.3.3.2 Ergebnisse der Realprozessrechnung Kann man zusätzlich zum Zylinder auch noch den Abgas-
turbolader beispielsweise unter Verwendung entsprechender
Typische Eingabegrößen für die Realprozessrechnung nach Verdichter- und Turbinenkennfelder thermodynamisch
Abschn. 1.3.2 sind: beschreiben, so berechnet die Realprozessrechnung den
Motorgeometrie, Ventilhubverlauf, Durchströmbeiwerte Druck vor und nach dem Zylinder. Als Eingabegröße gilt
der Ventile, Drehzahl, Motorleistung, mechanischer Wir- dann der Umgebungszustand. Modelliert man im weiteren
kungsgrad, Ersatzbrennverlauf, Koeffizienten für Wärme- Verlauf der Prozessrechnung den eventuell vorhandenen
übergangsgleichung, Bauteilwandtemperaturen, Druck und Ladeluftkühler mit, dann ist auch die Ladelufttemperatur
Temperatur der Ladeluft vor Zylinder, Druck nach Zylinder. ein Ergebnis der Realprozessrechnung bei Vorgabe der
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses 29

Umgebungstemperatur, zusätzlich zu der Wassertemperatur nötigt. Zielgrößen der Parameterstudien können beispiels-
bei Wasserkühlung der Ladeluft. weise optimale Werte von Kraftstoffverbrauch, Leistung und
Bild 1-22 zeigt exemplarisch für einen Motor mit einem Drehmoment sein. Die Optimierungen führt man so durch,
Zylinderhubvolumen von 4 dm3 und einem we von 2 kJ/dm3 dass konstruktive oder durch die Gesetzgebung festgelegte
die Ergebnisse der Realprozessrechnung für den Betriebs- Grenzwerte für beispielsweise den Verbrennungshöchst-
punkt n = 1500/min. Dargestellt sind Druck, Temperatur, druck, die maximale Druckanstiegsgeschwindigkeit, die Ab-
Brennverlauf, Massendurchsatz im Zylinder und an den gastemperatur oder die Schadstoffemissionen nicht über-
Ventilen sowie Wandwärmeverluste in Abhängigkeit vom schritten werden.
Kurbelwinkel. Die Übereinstimmung zwischen der Realpro- Im Folgenden wird das Ergebnis einer typischen Parame-
zessrechnung und der Realität überprüft man, indem man terstudie gezeigt. Da der durch die Konstruktion limitierte
Globalwerte wie Abgastemperatur, Ladungsdurchsatz oder Verbrennungshöchstdruck einen großen Einfluss auf den
Ladedruck mit Messwerten vergleicht. Wenn diese überein- effektiven Wirkungsgrad des Prozesses und damit auf den
stimmen, so nimmt man an, dass auch die nicht überprüf- Kraftstoffverbrauch hat, dient eine der wichtigsten Parame-
baren Werte wie beispielsweise Temperatur- oder Massen- terstudien der Bestimmung der Abhängigkeit des effektiven
verlauf richtig berechnet wurden. Wirkungsgrades Ke vom Verbrennungshöchstdruck pZmax.
Der Verbrennungshöchstdruck wird bei gegebenem Brenn-
1.3.3.3 Parameterstudien verlauf durch die Größen Förderbeginn (und damit Ver-
brennungsbeginn) und Kompressionsenddruck festgelegt.
Ein wesentliches Anwendungsgebiet der Realprozessrech- Letzterer hängt wiederum in erster Linie vom Verdichtungs-
nung ist die Durchführung von Parameterstudien, um den verhältnis und dem Ladedruck ab. Der Ladedruck selbst
Einfluss von Randbedingungen auf den Arbeitsprozess de- wird im Wesentlichen durch den ATL-Wirkungsgrad und
tailliert untersuchen zu können. Diese Ergebnisse werden in das gewünschte Luftverhältnis festgelegt. Bild 1-23 zeigt den
der Auslegungsphase neuer Motoren oder zur Optimierung effektiven Wirkungsgrad Ke in Abhängigkeit vom Verdich-
bzw. Leistungssteigerung bereits vorhandener Motoren be- tungsverhältnis H für verschiedene Verbrennungshöchstdrü-

Bild 1-22
Ergebnisse der Realprozessrechnung
30 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors

Bild 1-23
Abhängigkeit des effektiven Wirkungsgrades Ke vom Ver-
dichtungsverhältnis H und dem Verbrennungshöchstdruck
pZmax

cke bei konstanten Zahlenwerten für den ATL-Wirkungs- – Auslegung von ATL-Gruppen:
grad KTL und das Luftverhältnis O. Den gepunkteten Linien Berechnung des für die Aufladung verfügbaren
kann man die Lage des Verbrennungsbeginns entnehmen. Energieangebotes (Abgasmassenstrom und -temperatur)
Man kann erkennen, dass zu jedem Verbrennungshöchst- sowie des Bedarfs an Ladedruck und Luftdurchsatz [1-
druck ein optimales Verdichtungsverhältnis mit einem 30]
maximalen Wirkungsgrad Ke existiert. (Im Gegensatz dazu – Optimierung von Ventilhub und Ventilsteuerzeiten:
sagen theoretische Vergleichsprozesse, dass der maximale Berechnung des Ladungswechsels mit dem Ziel von gerin-
effektive Wirkungsgrad bei maximalem Verdichtungsver- gen Ladungswechselverlusten und großen Liefergraden
hältnis erreicht wird.) – Temperaturfeldberechnung:
Berechnung der Wärmebilanz von Motoren und Ermittlung
1.3.3.4 Weitere Anwendungsbeispiele der thermischen Belastung (Eingabegröße für die Berech-
nung der Temperaturfelder in Zylinder, Laufbuchse, Kol-
Die Realprozessrechnung dient neben den eben erwähnten ben und Ventilen), s. Abschn. 7.1
Parameterstudien auch vielen weiteren Zwecken. – Gasdruckverläufe für weitergehende Untersuchungen:
– Wärmebilanz, Verlustanalyse: Berechnung der Gasdruckverläufe als Eingabegröße für
Ermittlung von Wärmebilanzen und Verlustanalysen zur weitergehende Untersuchungen wie Festigkeitsberechnung,
Beurteilung von Motoren (Entwicklungspotenzial, Drehschwingungsuntersuchung, Simulation der Kolben-
Optimierung, Kühlsystemauslegung) ringbewegung
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses    31

– Nasskorrosion: der­artigen Berechnungen kann man beispielsweise die


Untersuchung der Gefahr von Nasskorrosion (Unter­ ­Strömungsverhältnisse in Zylinderköpfen optimieren. Strö­
schreitung der Taupunkttemperatur des Abgases) mungsfeld­berechnungen kann man auch zur Untersuchung
– Stickoxidemissionen: der Gemischbildung und teilweise schon zur Berechnung
Verwendung eines Verbrennungsmodells (z.B. Zwei­zonen­ der Verbrennungsvorgänge verwenden [1-41; 1-47].
modell) zur Untersuchung der Stickoxidemissionen [1-35; Hinsichtlich der Ermittlung des Brennverlaufs wird daran
1-40; 1-41; 1-47] gearbeitet, den Brennverlauf direkt aus den Einspritzdaten
– Umgebungsbedingungen: zu berechnen [1-21], [1-24], [1-25], [1-27] [1-35], [1-61].
Bestimmung der Betriebswerte von Motoren bei ver­än­der­ Zum anderen müssen die Modelle für den Ersatzbrennver­
ten Umgebungsbedingungen (Druck und Temperatur), lauf und seine Umrechnung im Kennfeld verbessert werden
– Plausibilitätsüberprüfung: [1-49], um bei der Berechnung von Stickoxid­emissionen die
Überprüfung der Plausibilität von Messwerten oder von Verbrennung mit besserer Genauigkeit beschreiben zu kön­
Hypothesen bei der Schadensanalyse nen [1-35].
– Übertragung von Einzylinder-Versuchsergebnissen auf Auf dem Gebiet der Umrechnung des Reibmitteldrucks
Mehrzylindermotoren: im Kennfeld werden ebenfalls weitere Untersuchungen
Umrechnung der an Einzylinder-Versuchsmotoren ge­mes­ durchgeführt mit dem Ziel, den Beitrag der einzelnen Bau­
senen Betriebswerte auf die Bedingungen bei Mehr­zylin­ gruppen auf die gesamten Reibungsverluste zu ermitteln
der­motoren. [1-50].

1.3.4 Zukünftige Arbeiten auf dem Gebiet Literatur


der Realprozessrechnung
1-1 DRP Nr. 67207: Arbeitsverfahren und Ausführungsart
Die Realprozessrechnung ist ein sehr geeignetes Instrument für Verbrennungskraftmaschinen. An: R. Diesel ab 28.
für Relativaussagen (z.B. Parameterstudien). Hierbei sind die Febr. 1892
Genauigkeitsansprüche an die Teilmodelle weniger hoch. Bei 1-2 Sass, F.: Geschichte des deutschen Verbrennungsmoto­
Absolutaussagen (z.B. Auslegung von Aufladung oder Kühl­ renbaus von 1860–1918. Berlin/Göttingen/Heidelberg:
systemen, Vergleich verschiedener Motoren miteinander) Springer 1962
müssen die Teilmodelle viel genauer sein. Deswegen werden 1-3 Diesel, R.: Die Entstehung des Dieselmotors. Berlin/
vielfältige Anstrengungen zur weiteren Verbesserung der Heidelberg/New York: Springer: 1913
Modelle unternommen. 1-4 Diesel, R.: Theorie und Konstruktion eines rationellen
Die Anhebung der Verbrennungshöchstdrücke auf über Wärmemotors zum Ersatz der Dampfmaschinen und
200 bar führt dazu, dass die Zylinderladung nicht mehr als der heute bekannten Verbrennungsmotoren. Berlin/
ideales Gas betrachtet werden darf und die Realgaseigen­ Heidelberg/New York: Springer 1893, Reprint: Düssel­
schaften der beteiligten Komponenten berücksichtigt wer­ dorf: VDI-Verlag 1986
den müssen [1-67]. 1-5 Reuß, H.-J.: Hundert Jahre Dieselmotor. Stuttgart:
Die bisherigen Wärmeübergangsmodelle berechnen im Franckh-Kosmos 1993
Teillastgebiet zu kleine Wandwärmeverluste. Weiterhin 1-6 Adolf, P.: Die Entwicklung des Kohlenstaubmotors in
berücksichtigen sie die Wärmeverluste, die durch Strahlung Deutschland. Diss. TU Berlin (D83) 1992
der Rußteilchen bei der Verbrennung entstehen, nur unge­ 1-7 Knie, A.: Diesel – Karriere einer Technik: Genese und
nau oder überhaupt nicht. Dies hat zur Folge, dass insbeson­ Formierungsprozesse im Motorenbau. Berlin: Bohn
dere bei schlechten Ver­brennun­gen die Verluste zu klein 1991
berechnet werden. Bei der Druckverlaufs­analyse ergeben 1-8 Heinisch, R.: Leichter, komfortabler, produktiver – die
sich in der Kompressionsphase scheinbare Energieverluste, technologische Renaissance der Bahn. Mobil 1 (1994)
die eventuell durch Ungenauigkeiten in der Kurbelwin­ 3. Ferner: Heinrich, J.: Flinker CargoSprinter hilft der
kelabhängigkeit der verwendeten Wand­wärmemodelle Deutschen Bahn. VDInachr. (1996) 41, S. 89ff.
begründet sind. Neue Wärmeübergangsmodelle finden sich 1-9 Diesel, E.: Die Geschichte des Diesel-Personenwagens.
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2 Ladungswechsel und Aufladung

Der Luftaufwand
2.1 Ladungswechsel
(2-2)
2.1.1 Allgemeines
ist ein Maß dafür, wie viel Luft relativ zur theoretischen Luft-
Mit Abschluss des Expansionshubes setzt der Ladungswech- masse während des Ladungswechsels insgesamt in den Zy-
sel ein. Dieser übernimmt im Grunde zwei Aufgaben, näm- linder eingeströmt ist. Er entspricht für einen stationären
lich: Motorbetriebspunkt dem gemessenen Luftdurchsatz.
– den Austausch der verbrauchten Zylinderladung (Abgas) Der Liefergrad
gegen Frischgas (Luft beim Dieselmotor) als eine
Grundvoraussetzung für einen Motor mit innerer (2-3)
Verbrennung sowie
– die zum Schließen des thermodynamischen Kreisprozesses gibt an, wie viel relativ zur theoretischen Luftmasse an einge-
erforderliche Wärmeabfuhr. strömter Luftmasse im Zylinder verbleibt.
Entsprechend ist der Fanggrad definiert:
Der Ladungswechsel kann nach dem Viertakt- oder nach
dem Zweitaktverfahren erfolgen. Unabhängig davon lässt . (2-4)
sich das Ladungswechselergebnis durch eine Reihe dimen­
sionsloser Kenngrößen charakterisieren und bewerten. Dazu Besonders für Zweitaktmotoren spielen noch der Ladegrad
sei zunächst vereinbart: und der Spülgrad eine Rolle.
mZ gesamte Masse des Arbeitsgases im Zylinder bei Der Ladegrad
La­dungswechselnde,
mL gesamte durch das Einlassorgan in den Zylinder ein­ (2-5)
geströmte Luftmasse,
mLZ Masse der Frischluft im Zylinder bei La­dungs­wech­ gibt an, wie viel Arbeitsgasmasse sich relativ zur theore-
selnde, tischen Luftmasse am Ende des Ladungswechsels im Zylin-
mRG Masse des Restgases im Zylinder bei Ladungs­wech­ der befindet. Zu welchem Anteil die Arbeitsgasmasse mZ aus
selnde, Frischluft mLZ besteht, kommt im Spülgrad
ρL Dichte der Luft vor den Einlassorganen
mLtheor theoretische Luftmasse. (2-6)

Die theoretische Luftmasse zum Ausdruck.


Bezüglich des Restgases mRG, also des aus dem vorherge-
(2-1)
henden Arbeitsspiel im Zylinder verbliebenen Arbeitsgas-
entspricht der in den Zylinder einzubringenden Masse an restes, gilt:
Luft mit der Dichte ρL, um exakt das Zylinderhubvolumen
. (2-7)
Vh damit zu füllen.
2.1 Ladungswechsel 35

2.1.2 Viertaktverfahren Großdieselmotoren bis einschließlich Nutzfahrzeugmotoren


werden wegen der Verwendung von Einzelzylinderköpfen
mit untenliegenden Nockenwellen ausgerüstet. Bei den Pkw-
2.1.2.1 Steuerorgane Dieselmotoren (Blockzylinderkopf) finden sich heute über-
wiegend obenliegende Nockenwellen, weil sich dadurch die
Der Ladungswechsel von Viertakt-Hubkolbenmotoren wird zu bewegenden Massen des Ventiltriebs verringern lassen.
heute nahezu ausschließlich über Ventile gesteuert. Die bei
Fahrzeug-Ottomotoren früher auch eingesetzte Schieber- 2.1.2.2 Ventilhubkurven und Steuerzeiten
steuerung [2-1] hat sich wegen der Dichtprobleme infolge
unterschiedlichen Kalt- und Warmspiels und des, ebenfalls Der Viertaktmotor benötigt für den Ladungswechsel theore-
thermisch bedingten, Verziehens schon bei Ottomotoren tisch eine ganze Kurbelwellenumdrehung. Entsprechend den
nicht durchsetzen können und kommt deshalb beim Diesel- Annahmen des theoretischen Motorprozesses müssten die
motor erst recht nicht in Frage, zumal dieser höhere Zylin- Gaswechselorgane (Ventile) exakt in den Totpunkten geöff-
der-Innendrücke aufweist. Demgegenüber bietet die heute net und geschlossen werden und eine Rechteck-Hubcharak-
allgemein übliche Ventilform mit ihrem kegeligen Sitz (Bild teristik aufweisen, Bild 2-1.
18-31) eine perfekte Abdichtung des Zylinderraums bis zu Abweichend davon können beim realen Motor wegen der
höchsten Zylinder-Innendrücken, da ein erhöhter Innen- zu beherrschenden Beschleunigungen im Ventiltrieb die
druck unmittelbar auch eine erhöhte Anpresskraft und damit Ventile nur allmählich geöffnet und geschlossen werden.
Dichtwirkung im Ventilsitz bewirkt. Bei den nach wie vor Weil aber außer den Massen des Ventiltriebs auch die am
praktisch ausschließlich verwendeten nockengesteuerten Zylinder ein- und ausströmenden Gassäulen jeweils erst zu
Ventilantrieben wird der vom Nocken bewirkte Hub beschleunigen sind und das Strömen auch zunächst noch
– bei untenliegender Nockenwelle über Stößel, Stoßstange anhält, wenn der Kolben in die Gegenrichtung umkehrt,
und Kipphebel wird der Öffnungszeitpunkt vor und der Schließzeitpunkt
– bei obenliegender Nockenwelle über Kipphebel oder hinter den jeweiligen Totpunkt gelegt. Im Einzelnen werden
Schlepphebel oder auch über Tassenstößel auf das Ventil die sog. Steuerzeiten wie folgt festgelegt:
übertragen und dieses gegen die Kraft der Ventilfeder
angehoben.

Bild 2-1 Ventilhubkurven des Viertaktmotors


36 2 Ladungswechsel und Aufladung

Auslass öffnet (Aö) des Auslassventils in OT wäre das Kompressionsvolumen Vc


noch mit Abgas gefüllt, welches im nachfolgenden Arbeits-
Beim Öffnen des Auslassventils besteht zwischen dem Druck spiel als Restgas auftritt.
im Zylinder und dem Druck in der Auslassleitung normaler- In der Nähe des oberen Totpunkts bewegt sich der Kolben
weise ein überkritisches Druckverhältnis, so dass das Abgas mit sehr geringer Geschwindigkeit, so dass er während die-
durch den engsten Querschnitt (am Ventilsitz) zunächst mit ser Phase praktisch keine Ausschub- oder Ansaugwirkung
Schallgeschwindigkeit ausströmt. Dadurch baut sich der auf das Arbeitsmedium ausüben kann. Wenn nun aber das
Druck im Zylinder relativ rasch ab, so dass die beim anschlie- Einlassventil bereits vor dem oberen Totpunkt öffnet und
ßenden Aufwärtshub des Kolbens von diesem aufzubrin- das Auslassventil auch noch über den oberen Totpunkt
gende Ausschiebearbeit nicht allzu groß wird. Würde man hinaus offen bleibt, übt die abströmende Abgassäule eine
zur Minimierung dieser Ausschiebearbeit die Steuerzeit „Aö“ Sogwirkung auf den Zylinder und den damit verbundenen
jedoch sehr früh legen, würde entsprechend die während des Einlasskanal aus, so dass Frischgas (Luft) in den Zylinder
Expansionstaktes vom Arbeitsgas auf den Kolben übertrag- strömt und das Restgas ausgespült wird, Bild 2-2b. Bei
bare Expansionsarbeit verringert. „Aö“ liegt demnach dann einem Saugmotor kann allerdings nur eine Ventilüber-
optimal, wenn die Summe der Verlustarbeiten (Verlust an schneidung bis etwa 40 bis 60 °KW realisiert werden, was
Expansionsarbeit, Ausschiebearbeit) ein Minimum bzw. die jedoch für eine weitgehende Restgasausspülung ausreicht.
innere (= indizierte) Arbeit ein Maximum wird. Dieses Op- Würde sie, im Wesentlichen symmetrisch zu LOT, wesent-
timum ist relativ „flach“ und liegt im Bereich von 40 bis lich größer gewählt, würde beim Ausschubhub Abgas auch
60 °KW vor UT. in die Einlassleitung geschoben und beim anschließenden
Saughub Abgas aus der Abgasleitung angesaugt werden. Bei
Ventilüberschneidung hochaufgeladenen Dieselmotoren (s. Abschn. 2.2), bei denen
der mittlere Druck vor Einlass über dem mittleren Druck in
Da das Auslassventil erst nach, das Einlassventil aber bereits der Abgasleitung liegt, kann die Ventilüberschneidung deut-
vor dem oberen Totpunkt (LOT in Bild 2-1) öffnet, ergibt lich länger gewählt werden (bis zu 120 °KW), was dazu
sich die sog. Ventilüberschneidung. genutzt wird, über die Restgasausspülung hinaus Frischluft
Ohne jegliche Ventilüberschneidung würde der in Bild durch den Zylinder zu spülen, Bild 2-2c. Dadurch wird zum
2-2a schematisch dargestellte Fall auftreten. Beim Schließen einen eine thermische Entlastung der brennraumbe-

Bild 2-2 Einfluss der Ventilüberschneidung 'φ auf die Restgasausspülung


2.1 Ladungswechsel 37

grenzenden Bauteile erreicht, zum anderen lässt sich damit vom Verlauf des Ventilhubs ab. Dieser beeinflusst unmittel-
die Abgastemperatur vor der Turboladerturbine nach oben bar den freien Strömungsquerschnitt.
begrenzen, was insbesondere für den Schwerölbetrieb von Der vom Ventil bei einem bestimmten Hub hV(M) freige-
Großdieselmotoren von Bedeutung ist (s. Abschn. 3.3). gebene geometrische Ventilquerschnitt AV(M) berechnet
sich mit dem inneren Ventilsitzdurchmesser di und dem
Einlass schließt (Es) Ventilsitzwinkel β gemäß Bild 2-4 nach:

Einlass schließt ist so zu legen, dass die Füllung mit Frisch- . (2-8)
luft, d.h. der Liefergrad Ol, ein Maximum wird, da sie für ein
bestimmtes Luftverhältnis die fahrbare Motorlast bestimmt. Der der Strömung bei einem bestimmten hV(M) tatsächlich
Somit kommt der Festlegung von „Es“ eine ganz besondere zur Verfügung stehende effektive Ventilquerschnitt AVeff(M)
Bedeutung zu. „Es“ wird normalerweise nach UT gelegt (s. ist i. d. R. kleiner als AV(M). Er entspricht demjenigen Quer-
Bild 2-1), weil das Einströmen in den Zylinder wegen der schnitt, welcher in die Saint-Venantsche Durchflussglei-
Trägheit der einströmenden Luft auch dann noch anhält, chung, Gl. (2-9), einzusetzen ist, um bei gegebenen Werten
wenn der Kolben mit Erreichen der UT-Nähe praktisch keine für den Ruhezustand des Gases auf der Anströmseite (p01,
Saugwirkung mehr ausübt. Wird „Es“ allerdings zu weit nach T01) und den statischen Druck p2 auf der Abströmseite den
UT gelegt, kommt es zu einem unerwünschten Zurückschie- tatsächlichen Massendurchsatz ṁ zu erhalten:
ben von bereits eingeströmter Luft in die Einlassleitung. Üb-
liche Werte liegen bei „Es“ = 20 bis 60 °KW nach UT. Der .
(2-9)
optimale Wert für „Es“ ist so wie der Liefergrad vor allem
drehzahlabhängig. Bei einem festen Wert für „Es“ nimmt der
Liefergrad über der Drehzahl einen wie in Bild 2-3 (durchge-
zogene Linie) gezeigten Verlauf an. Der Abfall dieser Kurve
links bzw. rechts des Scheitelpunkts hängt vor allem damit Zur experimentellen Bestimmung von AVeff(M) auf einem
zusammen, dass im zugehörigen Drehzahlbereich „Es“ zu stationären Durchflussprüfstand wird gemäß Bild 2-5 der zu
spät bzw. zu früh liegt. Sollte der betreffende Motor beispiels- untersuchende Zylinderkopf auf ein Rohr mit einem Innen-
weise künftig hauptsächlich im oberen Drehzahlbereich be- durchmesser gleich dem Zylinderdurchmesser D gesetzt
trieben werden, dann wäre es sinnvoll, „Es“ entsprechend und an das äußere Kanalende des zu untersuchenden Ventils
später zu legen (gestrichelte Kurve in Bild 2-3). ein Rohr mit einem Innenquerschnitt entsprechend einer
Fortführung des Ventilkanalquerschnittes AK angeschlos-
2.1.2.3 Ventilquerschnitt und Durchflussbeiwert sen.
Der Ventilkanal kann nun hinsichtlich seines effektiven
Bei festliegender Konstruktion von Ventil und Ventilkanal Querschnitts AVeff abhängig vom Ventilhub für beide mög-
hängt die während der Öffnungsdauer durchgeströmte Gas- lichen Strömungsrichtungen untersucht werden. Dazu misst
masse außer vom anliegenden Druckverhältnis vor allem man zu diskreten Ventilhüben über den gesamten Ventil-
hubbereich jeweils
– den Ruhezustand an der Stelle 1 (p01, T01),
– den statischen Druck an der Stelle 2 (p2),
– den Massendurchsatz ṁ .

In AVeff sind definitionsgemäß alle Strömungsverluste be-


rücksichtigt, die zwischen den Kontrollstellen 1 und 2 auftre-
ten. AVeff wird daher i. d. R. immer kleiner als der zugehörige
geometrische Kanalquerschnitt AK (Bild 2-4a) sein. Solche
stationären Durchflussmessungen liefern zum einen die ent-
sprechenden Randbedingungen für die reale Motorprozess-
rechnung (s. Abschn.1.3), zum anderen aber auch unmittel-
bar eine Aussage über die strömungstechnische Qualität ei-
ner gegebenen Ventil- bzw. Ventilkanalkonstruktion. Bei
Bild 2-3 Liefergrad als Funktion der Drehzahl einem AVeff -Verlauf, wie in Bild 2-4a gestrichelt eingezeich-
net, der vor Erreichen des maximalen Ventilhubs waagerecht
38 2 Ladungswechsel und Aufladung

verläuft, ist ein zu großer Hub gewählt worden, sofern der Version 2: Abez = AV(hV)
Liefergrad zufrieden stellend ist. Ist der Liefergrad dabei Der auf diese Weise definierte Durchflussbeiwert P2 (hV) ist
nicht ausreichend hoch, liegt ein im Vergleich zum maxima- für hV = 0 undefiniert und kann für kleine hV-Werte auch
len Ventilhub zu enger Ventilkanal vor. Die Ventil- und die Werte größer als 1 annehmen, Bild 2-4c.
Ventilkanalgeometrie sowie der maximale Ventilhub sind so
aufeinander abzustimmen, dass für den gesamten Ventilhub- 2.1.2.4 Einlassdrall
bereich der engste Strömungsquerschnitt immer im Ventil-
sitz liegt. Schnelllaufende direkteinspritzende Dieselmotoren sind für
In der Praxis werden die Ventildurchflusseigenschaften eine zufrieden stellende Gemischbildung und Verbrennung
meist nicht über den effektiven Ventilquerschnitt AVeff (hV) i. d. R. auf einen Einlassdrall angewiesen. Darunter versteht
dargestellt, sondern über einen Ventildurchflussbeiwert μ man die meist durch einen Drallkanal erzeugte Drehbewe-
(hV), welcher nach gung der einströmenden Luft im Zylinder um die Zylinder-
achse, die durch die Kompression meist noch intensiviert
wird (s. auch Abschn. 3.1).
(2-10) Da für ein gegebenes Verbrennungssystem sowohl ein zu
geringer als auch ein zu intensiver Drall nachteilig sein
gleich dem auf einen Bezugsquerschnitt Abez bezogenen ef- kann, besteht Bedarf für eine objektive Angabe der Drallin-
fektiven Ventilquerschnitt ist. Für den Bezugsquerschnitt tensität (Drallzahl). Dazu wird der stationäre Durchfluss-
werden in der Praxis vor allem 2 Versionen angewendet: prüfstand (Bild 2-5) mit einem Flügelradanemometer mit
definierten Abmessungen und in definierter Einbaulage
Version 1: Abez = AK ausgerüstet. Zur Kennzeichnung des Dralls wird die Flügel-
Mit dem konstanten Kanalquerschnitt AK (s. Bild 2-4) als Be- raddrehzahl nD ins Verhältnis zu einer gedachten Motor-
zugsquerschnitt ergibt sich ein Durchflussbeiwert P1, der für drehzahl n gesetzt, die man erhält, wenn man die gemessene
den gesamten Ventilhubbereich im Bereich 0 ≤ P1 ≤ 1 liegt, mittlere axiale Strömungsgeschwindigkeit ca mit der mittle-
Bild 2-4b. ren Kolbengeschwindigkeit cm gleichsetzt, also
(2-11)

Bild 2-4
Effektiver Ventilquerschnitt AVeff (M) und Ventildurchflussbeiwerte
2.1 Ladungswechsel 39

Bild 2-5
Messung der Ventildurchflussbeiwerte und der Drallzahl im stati-
onären Strömungsversuch

und damit den akustischen Theorie läuft diese Saugwelle mit der
Schallgeschwindigkeit a0, die gemäß
. (2-12)
(2-14)
Das Verhältnis nD/n verändert sich mit dem Ventilhub und
muss in geeigneter Weise über diesen gemittelt werden, wenn unmittelbar von der Gastemperatur T0 im Rohr abhängt, die
der für einen bestimmten Ventilkanal repräsentative mittlere hier als konstant angenommen sei. Nach der Zeit t = L/a0
Drall (Drallzahl D) gesucht ist [2-2]: trifft die Saugwelle am offenen Rohrende ein und wird dort
als Druckwelle (p > p0) reflektiert (t2), die nun ihrerseits mit
. der Geschwindigkeit a0 zum Einlassventil zurückläuft (t3). Ist
(2-13)
beim Eintreffen der Druckwelle das Einlassventil noch geöff-
net, so kann diese den Liefergrad steigern. Dazu muss die
In Gl. (2-13) bedeutet cK die der jeweiligen Kurbelstellung gesamte Wellenlaufzeit 't = 2L/ a0 kürzer sein als die zeit-
zugeordnete momentane Kolbengeschwindigkeit bei der liche Ventilöffnungsdauer 'tEö – Es . Daraus lässt sich die Be-
Drehzahl n, die nach Gl. (2-12) berechnet wird. dingung

(2-15)
2.1.2.5 Einfluss der Einlassleitung

Der in Gl. (2-3) definierte Liefergrad Ol hängt außer von der formulieren. Diese macht deutlich, dass bei gegebenen Ein-
Geometrie und der strömungsgünstigen Gestaltung des Ein- lasssteuerzeiten und damit auch gegebener Einlassventilöff-
lasstraktes innerhalb des Zylinderkopfes (Ventil, Einlasska- nungsdauer ΔφEö – Es bei einer bestimmten Drehzahl n eine
nal) in besonderer Weise auch noch von der Geometrie der bestimmte Einlassrohrlänge L vorliegen muss, um einen ma-
angeschlossenen Einlassleitung ab. ximalen Liefergrad zu erzielen. Für die Praxis wichtiger ist
Man stelle sich dazu, wie in Bild 2-6 schematisch darge- jedoch der Umkehrschluss, nämlich, dass bei gegebenen
stellt, einen Viertakt-Einzylindermotor mit einem auf der Steuerzeiten eine gegebene Saugrohrlänge L nur bei einer be-
Einlassseite angeschlossenen glatten Rohr vor. Das Rohr stimmten Drehzahl zum maximalen Liefergrad und meist
habe die (gestreckte) Länge L und verfüge am dem Zylinder nur innerhalb einer relativ engen Drehzahlspanne zu relativ
abgewandten Ende über ein „offenes Rohrende“. Unmittel- hohen Liefergradwerten führt. Dieser am Beispiel des Einzy-
bar vor Eö herrsche im Inneren des Rohres ein Druck p lindermotors erläuterte grundsätzliche Einfluss der Einlass-
gleich dem Außendruck p0 (p/p0 = 1). Beim Öffnen des leitung auf den Liefergrad ist sinngemäß auf Mehrzylinder-
Einlassventils bewirkt der infolge des Saughubes im Zylin- motoren zu übertragen und kann gezielt dazu eingesetzt
der sich einstellende Unterdruck, dass sich eine Saugwelle werden, die maximale Zylinderfüllung auf einen ganz be-
(p/ p0 < 1) vom Einlassventil in Richtung offenes Rohrende stimmten Drehzahlbereich zu legen (Saugrohrabstimmung,
ausbreitet (t1). Nach der dieser Überlegung zugrunde liegen- Schaltsaugrohr).
40 2 Ladungswechsel und Aufladung

Mischform. Im Falle der Schlitzsteuerung (Schlitze in der


Zylinderlauffläche) übernimmt der Kolben auch die Funk-
tion eines Steuerschiebers.

2.1.3.2 Spülverfahren

Alle bislang ausgeführten Zweitakt-Spülverfahren lassen sich


in die zwei Grundkategorien
– Schleifenspülung,
– Gleichstromspülung
einordnen.
Für Großdieselmotoren im Zweitaktverfahren (mit D =
250 bis 900 mm) war bis zu Beginn der achtziger Jahre die
MAN-Umkehrspülung, eine Schleifenspülung, von Bedeu-
tung. Das Hub/Bohrungs-Verhältnis lag bei knapp oberhalb
s/D = 2. Bild 2-7a zeigt schematisch die Anordnung der
Aus- und Einlassschlitze sowie das zugehörige Steuerdia-
gramm.
Wenn der sich abwärts bewegende Kolben die Auslass-
schlitze freigibt, beginnt die Vorauslassphase (von „Aö“ bis
„Eö“).Während dieser soll sich der zum Zeitpunkt „Aö“
Bild 2-6 noch relativ hohe Druck im Zylinder durch Ausströmen
Wellenlaufvorgang im Ansaugrohr nach der akustischen Theorie eines Teils der Zylinderladung soweit abbauen, dass er beim
nachfolgenden Öffnen der Einlassschlitze bereits niedriger
als der anstehende Spüldruck ist. Nur dann kann bereits ab
„Eö“ Frischluft in den Zylinder einströmen, die im Zylinder
im Zusammenwirken mit dem noch ausströmenden Zylin-
2.1.3 Zweitaktverfahren dergas eine Schleifenströmung ausbilden soll, wie in Bild 2-
7a angedeutet. Nach der Umkehr des Kolbens in UT schließt
2.1.3.1 Besonderheiten des Zweitaktladungswechsels dieser beim Aufwärtshub zunächst die Einlassschlitze und
gegenüber dem Viertaktladungswechsel schiebt ab „Es“ einen Teil der Zylinderladung durch die
Das Zweitakt-Arbeitsspiel entspricht zwei Kolbenhüben bzw. Auslassschlitze wieder aus. Dieser mit dem sog. Nachauslass
einer Kurbelwellenumdrehung (= 360 °KW). Der Ladungs- verbundene Frischgasverlust ist ein wesentlicher Nachteil
wechsel hat in zeitlicher Umgebung des unteren Totpunkts aller Schleifenspülverfahren und hat im (zu UT) symme-
(UT) zu erfolgen. Daraus leiten sich unmittelbar zwei Konse- trischen Steuerdiagramm seine Ursache.
quenzen ab: Für Zweitakt-Großdieselmotoren hat sich seit Beginn der
– Dadurch, dass der Ladungswechsel bereits vor UT einsetzt achtziger Jahre die Gleichstromspülung gegenüber der
bzw. erst nach UT endet, ist ein Teil des Expansions- bzw. Umkehrspülung durchgesetzt, was vor allem durch den
des Kompressionshubes nicht nutzbar. Zwang zu größeren Hub/Bohrungs-Verhältnissen (s/D bis >
– Die momentane Kolbengeschwindigkeit ist während der 4) bedingt ist (s. Abschn. 18.4). Die Gleichstromspülung
gesamten Ladungswechselphase so gering, dass der Kolben wird allgemein über Einlassschlitze und ein einzelnes, zen-
praktisch keine Ansaug- oder Ausschubwirkung auf die tral im Zylinderkopf angeordnetes Auslassventil realisiert, s.
Zylinderladung ausüben kann. Der Ladungswechsel kann Bilder 18-36 und 18-43. Durch die damit mögliche freie
daher nur bei Vorhandensein eines positiven Spülgefälles, Wahl der Auslasssteuerzeiten werden ein unsymmetrisches
d.h. eines Überdrucks von der Einlass- zur Auslassseite, Steuerdiagramm (s. Bild 2-7b) möglich und ein Nachauslass
erfolgen, wozu Zweitaktmotoren grundsätzlich mit einem vermieden. Durch ein entsprechendes Anschrägen der Ein-
Spülgebläse (auch Spülpumpe genannt) ausgerüstet sein lassschlitzkanten kann der von unten nach oben verlau-
müssen. fenden Längsspülrichtung ein Drall überlagert werden,
wodurch die Spülung zusätzlich stabilisiert wird und auch
Als Gaswechselorgane kommen sowohl Ventile als auch Einfluss auf Gemischbildung und Verbrennung genommen
Schlitze zur Anwendung und zwar sowohl rein als auch in werden kann. Wesentlich ist dabei, die hohe thermische
2.1 Ladungswechsel 41

Bild 2-7
Schematische Darstellung von Spülströmung und Steuerdia-
gramm für zwei wesentliche Spülverfahren von Zweitakt-Groß-
dieselmotoren

Belastung des Auslassventils zu beherrschen (s. Abschn.


6.1).
Mit den in Abschn. 2.1.1 definierten Kenngrößen kann
man den in Bild 2-8 dargestellten Zusammenhang herleiten,
um Zweitakt-Spülverfahren beurteilen zu können. Der best-
mögliche Spülverlauf, nämlich die reine Verdrängungsspü-
lung, liegt dann vor, wenn der Luftaufwand Oa nur entspre-
chend dem Volumen Vh + Vc oder Oa = H/(H – 1) getrieben
werden muss, um den Spülgrad Os = 1,0, d.h. vollkommene
Ausspülung zu erreichen. Die Gerade Os = 0 entspricht der
Kurzschlussströmung, d.h. bei noch so großem Luftaufwand
Oa wird keine Spülwirkung erreicht. Die als totale Mischung
gekennzeichnete Kurve entspricht einer Spülung, bei der Bild 2-8 Spülgrad als Funktion des Luftaufwandes für idealisierte Spülab-
jedes in den Zylinder eintretende Frischladungs-Massenele- läufe
ment sich mit der momentan insgesamt im Zylinder befind-
lichen Zylinderladungsmasse vollkommen vermischt und
über den Auslass nur Massenelemente aus der momentanen
Mischladung abströmen.
Es ist sicherlich leicht nachzuvollziehen, dass die Gleich-
stromspülung unter allen Spülverfahren der reinen Verdrän-
gungsspülung am nächsten kommt.
42    2 Ladungswechsel und Aufladung

2.2 Aufladung von Dieselmotoren idealisierter Kreisprozesse veranschaulicht werden, Bild 2-9.
Im Falle der mechanischen Aufladung liefert der vom Motor
2.2.1 Allgemeines angetriebene Lader den Zylindern Luft vom Druck p2 = pL,
mit dem während des Saughubes der Zylinderdruck iden-
2.2.1.1 Definition und Ziele der Aufladung tisch ist, so dass die Verdichtung bei einem gegenüber dem
Saugmotor erhöhten Druck einsetzt (1Z). Nach Abschluss
Die Aufladung des Verbrennungsmotors stellt primär ein des Expansionshubes (5Z) öffnet das Auslassventil, und die
Verfahren zur Steigerung seiner Leistungsdichte dar, wie die Zylinderladung wird gegen den Umgebungsdruck (p1) aus-
folgende Überlegung verdeutlichen soll: geschoben. Dadurch ergibt sich eine, im Sinne einer vom
Die effektive Motorleistung nimmt gemäß der Definition Motor abgegebenen Arbeit, positive Ladungswechselarbeit
des effektiven Wirkungsgrades, Gl. (1-8), mit der in der WLDW (Fläche 1Z, 6Z, 7Z, 8Z, 1Z). Die vom Motor aufzubrin-
Zeiteinheit umgesetzten Kraftstoffmasse ṁB zu. Zu deren gende (isentrope) Laderarbeit WL ist allerdings größer als
Verbrennung ist je nach Verbrennungsverfahren ein seine Ladungswechselarbeit. Die senkrecht schraffierte Flä-
bestimmter Luftmassenstrom ṁLZ erforderlich. Unter Ver- che entspricht dem Arbeitsverlust, der dadurch entsteht, dass
wendung des Verbrennungsluftverhältnisses λV und des die Zylinderladung vom Zustand 5Z auf den Druck p1 (nach
Mindestluftbedarfs Lmin sowie des Liefergrades λl folgt die Auslassventil) gedrosselt und nicht auf diesen isentrop ent-
Bestimmungsgleichung für Pe in der Form spannt wird (Verlust durch unvollkommene Dehnung).
Im Falle der Abgasturboaufladung ist bei gleichem Lade-
druck p2 und gleicher Hochdruckphase des Motorprozesses
(2-16)
wie bei der mechanischen Aufladung auch die gleich große
Laderarbeit WL aufzubringen. Ferner liegt auch der gleiche
mit a = 2 für Viertakt, a = 1 für Zweitakt (vgl. Abschn. 1.2). Zylinderzustand bei Expansionsende (5Z) vor. Die Laderar-
Diese besagt, dass die effektive Leistung eines bestimmten beit WL wird nunmehr jedoch nicht von der Kurbelwellen-
Motors (VH, a) unter Verwendung eines bestimmten Kraft- arbeit abgezweigt, sondern von der (flächengleichen) Turbi-
stoffes (Hu, Lmin) und eines bestimmten Brennverfahrens nenarbeit WT abgedeckt, die aus der Abgasenergie entnom-
(λV) bei einer bestimmten Drehzahl nM (→ λl = konst.) ab- men wird. Da die Abgastemperatur T3 vor Turbine höher ist
gesehen vom effektiven Wirkungsgrad ηe nur noch von der als T2, liegt unter der Bedingung WT = WL der Abgasdruck
Dichte ρL der Luft vor Motoreinlass abhängt. p3 vor Turbine niedriger als p2, so dass sich auch hier eine
Wird dem Motor die Luft vor Einlass mit einer Dichte positive Ladungswechselarbeit WLDW einstellt. Darüber
höher als die der Umgebungsluft angeboten, liegt Aufladung hinaus ist wegen des höheren Gegendrucks am Auslass der
vor. Arbeitsverlust infolge unvollkommener Dehnung der Zylin-
Da nach der thermischen Gaszustandsgleichung derladung (senkrecht schraffierte Fläche) geringer als im
Falle der mechanischen Aufladung. Dass ein Teil dieses
(2-17) zylinderseitigen Arbeitsverlustes von der Abgasturbine sogar
zurückgewonnen wird, kommt darin zum Ausdruck, dass
die Temperatur im Punkte 3 größer ist als die bei 3ʹ, welche
die Dichte ρL vom Druck pL und der Temperatur TL bestimmt sich bei isentroper Expansion der Zylinderladung auf den
wird, und TL im Normalfall nicht unter die Umgebungstem- Abgasdruck p3 einstellen würde. Auch wenn Bild 2-9 nur
peratur abgesenkt werden kann, versteht sich die Aufladung idealisierten Zustandsänderungen entspricht, so deutet sich
in erster Linie als eine Anhebung des Drucks vor Einlass auf doch bereits an, dass bezüglich des Motorgesamtwirkungs-
einen Wert oberhalb des Umgebungsdrucks, den sog. Lade- grads die Abgasturboaufladung wohl günstigere Vorausset-
druck pL. Das dazu eingesetzte Aggregat wird als Lader be- zungen bietet als die mechanische Aufladung.
zeichnet. Die Möglichkeiten zur Aufladung sind nach DIN
6262 festgelegt. 2.2.2 Zusammenwirken von Motor und Lader

2.2.1.2 Vergleich von Abgasturboaufladung 2.2.2.1 Laderbauarten und ihre Kennfelder


und mechanischer Aufladung
Vom Wirkungsprinzip her lassen sich alle bekannten Lader-
Da Abgasturboaufladung und mechanische Aufladung die bauarten in zwei Gruppen einteilen, nämlich in:
größte praktische Bedeutung erlangt haben, soll deren unter- – Verdrängerlader und
schiedliches Zusammenwirken mit dem Basismotor anhand – Strömungslader.
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 43

Bild 2-9
Die Aufladung bei idealisierter Prozessführung

Entsprechend existieren auch zwei Grundformen des Lader-


kennfeldes. Unter Laderkennfeld wird die Darstellung des
Laderdruckverhältnisses SL = p2/p1 über dem auf einen defi-
nierten Bezugszustand (p1, T1) bezogenen Fördervolumen-
strom V̇1 verstanden, mit Linienscharen konstanter Lader-
drehzahl nL (Laderkennlinie) und konstanten isentropen
Laderwirkungsgraden ηsL, Bilder 2-10 und 2-11.

Verdrängerlader

Zu den Verdrängerladern zählen neben dem Hubkolbenver-


dichter, der außer als Kolbenunterseitenverdichter nicht als
Aufladeaggregat eingesetzt wird, insbesondere das Rootsge-
bläse, die verschiedenen Dreh- und Kreiskolbenverdichter
(Ro-Lader, Flügelzellenlader), der Spirallader (G-Lader) und
auch der Schraubenlader, Bild 2-10.
Entsprechend dem Verdrängerprinzip verlaufen die
Laderkennlinien (nL = konst.) relativ steil. Beim verlust-
freien Lader würden sie sogar exakt senkrecht verlaufen,
womit der Durchsatz nur von der Drehzahl und nicht vom
Druckverhältnis abhängt.
Im realen Verdrängerlader nehmen mit dem Druckver-
hältnis, je nach Bauart, die Spaltverluste oder die Verluste
durch Rückexpansion des verdichteten Mediums im Schad-
raum zu und (bei nL = konst.) der Fördervolumenstrom Bild 2-10 Kennfeld des Verdrängerladers (schematisch)
entsprechend ab. Daraus folgt:
– Das erreichbare Druckverhältnis ist unabhängig von der
Drehzahl, so dass auch bei kleinen Drehzahlen und damit
44 2 Ladungswechsel und Aufladung

kleinen Volumenströmen hohe Druckverhältnisse möglich – Der Fördervolumenstrom hängt von der Drehzahl und
sind. dem Druckverhältnis ab.
– Der Fördervolumenstrom V̇1 hängt praktisch nur von der – Der Kennfeldbereich links der Pumpgrenze ist ein instabiler
Drehzahl ab. Bereich.
– Das Kennfeld ist im gesamten Bereich stabil und
dementsprechend für die Aufladung nutzbar. 2.2.2.2 Motorschlucklinie

Strömungslader Zur Veranschaulichung des Zusammenwirkens von Motor


und Lader ist es zweckmäßig, den Motor als „Verbraucher“
Dazu zählen Axial- und Radialverdichter. Weil der Radialver- im Laderkennfeld darzustellen. Diese Verbrauchercharakte-
dichter, anders als der Axialverdichter, bereits in einstufiger ristik wird als Motorschlucklinie bezeichnet und verläuft für
Ausführung ein hohes Druckverhältnis liefern kann, kommt Viertakt- und Zweitaktmotor grundsätzlich unterschiedlich.
er für Aufladezwecke praktisch ausschließlich zum Einsatz.
Bild 2-11 zeigt schematisch das Kennfeld des Radialladers. Viertaktmotor
Der Fördervolumenstrom V̇1 nimmt in etwa proportional,
das Druckverhältnis SL in etwa quadratisch mit der Lader- Unter der Annahme vernachlässigbar kleiner Spülverluste
drehzahl nL zu. Die Laderkennlinien erreichen mit abneh- gilt für den vom Motor „geschluckten“ Volumenstrom V̇1 be-
mendem Volumenstrom in der Nähe ihres jeweiligen Schei- zogen auf Ansaugzustand (p1, T1)
tels die Pumpgrenze, die das Laderkennfeld in einen stabilen
(rechts) und einen instabilen (links) Kennfeldbereich teilt.
(2-18)
Ein Lader ist immer so an den Motor anzupassen, dass der zu
erwartende Betriebsbereich rechts der Pumpgrenze zu liegen
kommt [2-3]. Dadurch wird das Pumpen vermieden, das Unter sinngemäßer Verwendung von Gl. (2-18) lässt sich Gl.
sich in einem Pulsieren von Druck und Fördervolumen- (2-19) für einen bestimmten Motor (VH = konst.) in die
strom äußert, wodurch – abgesehen von der diskontinuier- Form
lichen Förderung – Schaufelschwingungen des Laders ange-
regt werden, die zu seiner Beschädigung führen können.
(2-19)
Zusammenfassend lässt sich feststellen:
– Das erreichbare Druckverhältnis ist drehzahlabhängig; bei
kleinen Drehzahlen und damit kleinen Volumenströmen bringen, die besagt, dass bei einer bestimmten Motordreh-
sind keine hohen Druckverhältnisse zu erreichen. zahl nM und damit auch gegebenem Liefergrad Ol für eine

Bild 2-11
Kennfeld des Strömungsladers (schematisch)
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 45

bestimmte Ladelufttemperatur TL Ladedruckverhältnis SL 2.2.2.3 Motorbetriebslinien


und durchgesetzter Volumenstrom V̇1 direkt proportional
sind, was in Bild 2-12 einer Geraden durch den Ursprung Jeder Motorbetriebspunkt eines aufgeladenen Motors er-
entspricht. Für eine höhere Drehzahl (nM2 > nM1) weist die scheint im Laderkennfeld als der Schnittpunkt zwischen zu-
entsprechende Gerade einen geringeren Anstieg auf. Prak- gehöriger Motorschlucklinie und zugehöriger Laderkennli-
tischen Sinn besitzt diese Geradenschar allerdings nur für nie. Die Verbindung aller bei einer bestimmten Motorbe-
Druckverhältniswerte SL ≥ 1, wobei SL = 1,0 dem Saugmotor triebsart möglichen Schnittpunkte ergibt die Motorbetriebsli-
entspricht. nie.
Soll berücksichtigt werden, dass TL mit SL ansteigt, ergibt Nachfolgend wird die Motorbetriebslinie für einige prak-
sich für SL ≥ 1 die dick gezeichnete Linienschar. Wird am tisch wichtige Aufladeverfahren schematisch dargestellt.
betrachteten Motor zusätzlich eine Ventilüberschneidung
(VÜ) realisiert, so nehmen die Schlucklinien die gestrichelt Mechanische Aufladung
eingetragenen Verläufe an. Dabei ist unterstellt, dass auf der Bei mechanischer Aufladung eines Viertaktmotors mit einem
Auslassseite der Druck p1 anliegt. Verdrängerlader stellt sich für ein konstantes Übersetzungs-
verhältnis ü zwischen Motordrehzahl nM und Laderdrehzahl
Zweitaktmotor nL eine mit der Motordrehzahl nur leicht abfallende Motorbe-
triebslinie im Laderkennfeld ein, so dass auch im unteren
Der Ladungswechsel des Zweitaktzylinders erfordert zwin- Drehzahlbereich noch ein relativ hoher Ladedruck zur Verfü-
gend ein Druckgefälle von der Einlass- zur Auslassseite. Ein- gung steht, was z.B. einem Pkw-Motor ein gutes Beschleuni-
lass- und Auslassöffnungen des Zweitaktzylinders wirken, gungsverhalten ermöglicht. Über ein Vergrößern des Über-
unabhängig von der Motordrehzahl, wie zwei hintereinan- setzungsverhältnisses ü kann das Ladedruckniveau insgesamt
der geschaltete Drosseln, die sich zu einer Ersatzdrossel für angehoben und im umgekehrten Falle abgesenkt werden,
den gesamten Motor zusammenfassen lassen, an der das Bild 2-14 oben.
Druckverhältnis pL/pA anliegt. Entsprechend nimmt die Völlig anders verhält sich hingegen der Strömungslader
Schlucklinie in Bild 2-13 die Form einer Drosselkennlinie bei mechanischer Aufladung. Bei gleichem Ladedruck für
an, bei der das Druckverhältnis πL in etwa quadratisch mit Nenndrehzahl wie beim Verdrängerlader fällt mit sinkender
dem Durchsatz V̇1 zunimmt, mit dem Druck pA nach Aus- Motordrehzahl der Ladedruck stärker ab, Bild 2-14 unten.
lass als Parameter. Wenn dennoch heute Entwicklungsbemühungen unter-

Bild 2-12
Motorschlucklinien des Viertaktmotors (schematisch).
TL Ladelufttemperatur, VÜ Ventilüberschneidung
46 2 Ladungswechsel und Aufladung

Motordrehzahl jeweils verfügbare Ladedruck, zumindest im


Stationärbetrieb, normalerweise ausreichend hoch.
Beim abgasturboaufgeladenen Zweitaktdieselmotor ergibt
sich für alle drei berücksichtigten Betriebsweisen nur eine
einzige Motorbetriebslinie, wobei mit zunehmendem
Durchsatz (V̇1) der Abgasgegendruck pA nach den Zylindern
bzw. vor der ATL-Turbine ansteigt. Es liegen zwar alle mög-
lichen Motorbetriebspunkte auf dieser Motorbetriebslinie,
jedoch fallen die Betriebspunkte von z.B. 50% Leistung im
Propellerbetrieb und 50% Generatorleistung nicht auf
denselben Punkt.

2.2.3.1 Turboladerhauptgleichungen,
Turboladerwirkungsgrad
Bild 2-13 Motorschlucklinie des Zweitaktmotors bei unterschiedlichem Ab-
gasgegendruck Bei der Abgasturboaufladung besteht bei stationärem Be-
trieb prinzipbedingt immer Leistungsgleichheit zwischen
Lader und Turbine:
(2-20)
nommen werden, auch den Strömungslader wegen seines
hohen Wirkungsgrades zur mechanischen Aufladung einzu- Dabei gilt unter der heute noch allgemein üblichen An-
setzen, so ist dabei immer ein variables Übersetzungsver- nahme, dass Lader und Turbine adiabate Maschinen seien
hältnis wesentliches Konzeptmerkmal. (adiabat = wärmedicht), für die Laderleistung (s. Bild 2-16)

2.2.3 Abgasturboaufladung (2-21)

Bei der Abgasturboaufladung wird die Laderdrehzahl nicht mit der isentropen Enthalpiedifferenz 'hsL des Laders
wie bei der mechanischen Aufladung direkt von der Motor-
drehzahl bestimmt, sondern vom momentanen Abgasenergie-
angebot (Abgasleistung) des Motors an den Abgasturbolader. (2-22)
Bild 2-15 zeigt im oberen Teil einen Auslegungsfall, bei
dem für einen Viertaktdieselmotor im Nennleistungspunkt
der gewünschte Ladedruck erreicht wird. Davon ausgehend und analog für die Turbinenleistung
verschiebt sich der Betriebspunkt im Laderkennfeld je nach
Belastungskennung (s. Abschn. 1.2). (2-23)
Bei Generatorbetrieb (nM = nNenn = konst.) verschiebt sich
mit abnehmender Motorleistung wegen der damit auch
abnehmenden Abgasleistung der Betriebspunkt entlang der (2-24)
Motorschlucklinie nach unten. Dieser Ladedruckabfall ist,
zumindest im stationären Betrieb, unproblematisch, weil für
eine niedrigere Motorlast auch nur ein geringerer Lade- Damit lässt sich Gl. (2-20) in der Form
druck erforderlich ist.
Wird die Motorleistung unter der Bedingung M= konst.
(Drehzahldrückung) zurückgenommen, so muss auch dabei (2-25)
wegen der abnehmenden Abgasleistung ein Ladedruckabfall
hingenommen werden, auch wenn für M = konst. an sich
ein gleich bleibender Ladedruck wünschenswert wäre.
Zudem gelangt der Betriebspunkt relativ bald an die Pump-
grenze. schreiben.
Im Falle des Propellerbetriebes, für einen Festpropeller gilt Da Turbine und Lader eine gemeinsame Welle besitzen,
dabei der Zusammenhang M ~ nM2, liegt der bei reduzierter sind die zugehörigen mechanischen Verluste im mecha-
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 47

Bild 2-14
Motorbetriebslinie eines mechanisch aufgeladenen Viertaktmo-
tors im Laderkennfeld

nischen Wirkungsgrad ηmTL des Turboladers zusammenzu- . (2-28)


fassen:

. (2-26) Unter Verwendung von Gl. (2-28) lässt sich Gl. (2-25) um-
stellen in die I. Turbolader-Hauptgleichung:
In der Praxis werden die mechanischen Verluste des (gesam-
ten) Turboladers dem isentropen Turbinenwirkungsgrad ηsT
zugeschlagen, so dass dieser übergeht in den Turbinenwir- .
kungsgrad ηT:
(2-29)
. (2-27)
Abgesehen davon, dass das Ladedruckverhältnis danach mit
Die gesamte Wirkungsgrad-Produktkette in Gl. (2-25) wird Zunahme von Abgasdruck und -temperatur sowie des Tur-
als Turboladerwirkungsgrad ηTL bezeichnet: boladerwirkungsgrades KTL steigt, folgt ferner, dass bei
48 2 Ladungswechsel und Aufladung

Bild 2-16
Spezifische Arbeiten von Lader und Turbine

allgemein auf Aufladesysteme mit Abgasenergienutzung an-


wendbar.
Das Aufladesystem wird dabei als eine „black box“
betrachtet, der Abgas mit dem Zustand p3, T3 zugeführt
wird, das darin auf den Gegendruck p4 entspannt wird, und
Bild 2-15
die im Gegenzug Luft vom Ansaugzustand p1, T1 auf den
Motorbetriebslinien bei ATL-Aufladung im Laderkennfeld Ladedruck p2 verdichtet. Diese „black box“ kann außer für
einen (einstufigen) Abgasturbolader auch für einen Druck-
wellenlader (COMPREX, s. Abschn. 2.2.5) oder ein zweistu-
figes Turboladeraggregat samt Zwischenkühler stehen.
Übergang zu einem Turbolader mit höherem Wirkungsgrad Bei der Übernahme konkreter Zahlenwerte für KTL in
KTL für einen angestrebten Ladedruck p2 ein nur geringeres eigene Überlegungen ist immer darauf zu achten, über wel-
Aufstauen der Abgase vor der Turbine (kleinere Werte für p3, che Bestimmungsgleichungen diese zustandegekommen
T3) erforderlich ist, worauf der Motor mit einer besseren sind, insbesondere ob die Zustandsgrößen (p, T) für die
Restgasausspülung und, wegen der nun geringeren Ausschie- Zustände 1 bis 4 als statische Größen oder als Gesamtzu-
bearbeit, mit einem niedrigeren Kraftstoffverbrauch reagiert. standsgrößen berücksichtigt worden sind.
Gleichung (2-29) lässt sich zudem umformen in die Bestim- Aus der Tatsache, dass bei stationärem Betrieb der Abgas-
mungsgleichung für den Turboladerwirkungsgrad: massenstrom des Motors dem der Turbine zugeführten
entspricht, folgt die II. Turbolader-Hauptgleichung:

. (2-30)
.

(2-31)
Sie stellt gleichzeitig auch die Bestimmungsgleichung für Sie entspricht der Durchflussgleichung für eine Drosselstelle
den sog. Aufladewirkungsgrad dar. Dieser Begriff ist ganz mit dem effektiven Querschnitt gleich dem effektiven Turbi-
2.2 Aufladung von Dieselmotoren    49

nenquerschnitt ATeff, der außer von der Geometrie von Leit- Turboladerdrehzahl nTL entsprechend dem Drallsatz (Gl.
und Laufrad insbesondere vom Turbinendruckverhältnis (2-34)) ändert.
p03/p4 abhängt. Je größer dieses wird, umso größer wird
ATeff. . (2-34)
So gilt für Turbolader-Axialturbinen für ATeff der empi-
rische Zusammenhang:
Je kleiner dabei das Massenträgheitsmoment ΘTL des Turbo-
(2-32) laderrotors ist, umso größer fällt diese Drehzahländerung
aus, was vor allem für ein gutes Beschleunigungsvermögen
(Ansprechverhalten) des Turboladers wichtig ist.
Für die Turbinen von Fahrzeugturboladern, die praktisch
immer Radialturbinen sind, wird meist im Turbinenkenn- 2.2.3.2 Stoß- und Stauaufladung
feld neben dem Turbinenwirkungsgrad ηT der Turbinen-
durchsatz als reduzierter Massenstrom ṁTred Einfluss der Abgasleitung

Bei der Abgasturboaufladung kommt der Abgasleitung eine


ganz besondere Bedeutung zu. Sie soll so gestaltet sein, dass
– die angeschlossenen Zylinder sich nicht gegenseitig beim
Auslassvorgang behindern,
(2-33)
– die technisch nutzbare Abgasenergie möglichst verlustarm
über dem Turbinendruckverhältnis p3/p04 aufgetragen (s. vom Zylinder zur Turbine transportiert wird,
Bild 2-17). – die Abgasenergie der Turbine in einem zeitlichen Verlauf
Wird ausgehend von einem bis dahin stationären Betriebs­ angeboten wird, der eine möglichst effiziente Umsetzung
punkt des Motors und damit auch des Turboladers ((PT, PL, in Turbinenarbeit gewährleistet.
nTL)=konst.) das Abgasenergieangebot an den Turbolader
verändert, so steigt bzw. fällt die Turbinenleistung PT gegen- Es ist zwischen zwei wesentlichen Grundformen zu unter-
über der momentanen Laderleistung PL, wodurch sich die scheiden, der Stoßaufladung und der Stauaufladung.

Bild 2-17
Turbinenkennfeld eines Fahrzeug-
Turboladers
50 2 Ladungswechsel und Aufladung

Stoßaufladung Wie Bild 2-18 verdeutlicht, wird bei Stoßaufladung ein


Unterschwingen des Abgasdrucks pA unter den Ladedruck
Die Stoßaufladung geht auf das Büchi-Patent von 1925 zum pL während der Ventilüberschneidungsphase erreicht,
sog. Druckwellen-Verfahren zurück [2-4]. Danach sollen in wodurch selbst dann noch eine Spülung des Zylinders statt-
Rohrleitungen mit einem Strömungsquerschnitt gleich dem findet, wenn der mittlere Abgasdruck gleich hoch oder gar
Zylinderkopfaustrittsquerschnitt die Abgase von jeweils nur höher liegt als der Ladedruck: Allerdings ist die als ideal
solchen Zylindern einer Zylinderreihe zu einem gemein- anzusehende Dreierstoß-Aufladung nur bei Zylinderzahlen
samen Abgasleitungsteilstrang zusammengefasst und auf ei- von z = 3n (n = 1, 2,… N) je Zylinderreihe realisierbar.
nen separaten Turbineneintritt geleitet werden, die im Für andere Zylinderzahlen, sofern sie ganzzahlig durch
Zündabstand so weit auseinander liegen, dass sie sich nicht zwei teilbar sind, kommt die symmetrische Zweierstoß-Aufla-
gegenseitig während des Ladungswechsels behindern. Der dung in Betracht. Da der Zündabstand (beim Viertaktmotor)
Zündabstand zweier aufeinander folgend ausschiebender nunmehr 2 × 360 °KW beträgt, fällt der Abgasdruck nach
Zylinder eines Teilstrangs sollte aber wiederum auch nicht so jedem Auspuffstoß bis auf den Turbinengegendruck ab.
groß sein, dass der Abgasdruck im zugehörigen Abgaslei- Andererseits baut sich der einzelne „Abgasdruckberg“
tungsteilstrang zwischen zwei Auspuffstößen bis auf den aber langsamer ab als beim Dreierstoß, weil der jedem
Turbinengegendruck abfällt. Abgasleitungsteilstrang zugeordnete Turbinenteilquerschnitt
Diese Forderungen werden am besten von der Dreierstoß- das Abgas von nur zwei Zylindern aufzunehmen hat und
Aufladung erfüllt, die bei Viertakt einen Zündabstand von dementsprechend kleiner ist als im Falle des Dreierstoßes, s.
3 × 240 °KW aufweist, bei Zweitakt einen von 3 × 120 °KW. Bild 2-19. Eine spülungsbehindernde Auswirkung der letzt-

Bild 2-18
Abgasdruckverläufe und Abgasleitungsführung bei einem
Sechszylindermotor mit Stoßaufladung nach [2-5]
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 51

metrischen Zweierstoß genannten Nachteile gegenüber dem


Dreierstoß nunmehr verstärkt auftreten. Bei einem Fünfzy-
lindermotor weisen die Zylinder jeder der beiden Zweier-
Zusammenfassungen die Zündabstände 288 °KW und
432 °KW auf, beim Einerstoß beträgt der Zündabstand
720 °KW, Bild 2-20.
Für Zylinderzahlen je Zylinderreihe, die ganzzahlig durch
vier teilbar sind, kommt außer dem symmetrischen Zweier-
stoß auch der Viererstoß als Stoßaufladungsvariante in
Frage, wobei der Zündabstand dann 4 × 180 °KW beträgt.
Da demzufolge der Auspuffstoß des nachfolgend aus-
schiebenden Zylinders bereits während der Spülphase des
betrachteten Zylinders an dessen Auslassventil eintrifft,
müsste allein aufgrund der bisherigen Ausführungen der
Viererstoß als besonders nachteilig angesehen werden, was
bis vor vielleicht 25 Jahren auch zutraf. Bei den heutigen,
enorm gesteigerten Turboladerwirkungsgraden reicht für
einen angestrebten Ladedruck bereits ein so niedriges
Bild 2-19 Ladungswechseldruckverläufe eines Mittelschnellläufers bei Drei- Abgasdruckniveau aus, dass beim Viererstoß noch auftre-
erstoß- und symmetrischer Zweierstoßaufladung
tende Abgasdruckpulsationen während der Ventilüber-
schneidungsphase nicht mehr bis an den Ladedruck heran-
reichen und damit während der gesamten Spülphase ein
genannten Erscheinung kann durch ein Späterlegen der positives Spülgefälle zur Verfügung steht. Wegen des kurzen
Ventilüberschneidung weitestgehend ausgeschaltet werden. Zündabstandes und des relativ großen Turbineneintritts-
Für Motoren mit 5 oder 7 Zylindern je Zylinderreihe kann querschnitts je Abgasleitungsteilstrang weist der Abgas-
die Stoßaufladung nur durch eine Kombination aus zwei- druckverlauf bei Viererstoß-Aufladung nur noch relativ
bzw. dreifachem unsymmetrischen Zweierstoß und jeweils geringe Amplituden auf und liefert der Turbine ein zeitlich
einem Einerstoß realisiert werden, wobei die für den sym- weitgehend vergleichmäßigtes Abgasenergieangebot.

Bild 2-20
Stoßaufladung eines mittelschnelllaufenden
V-10-Motors
52 2 Ladungswechsel und Aufladung

Stauaufladung der „verspürte“ Abgasgegendruck schnell nahezu bis auf das


momentane Zylinderdruckniveau ansteigt.
Bei Stauaufladung sind alle Zylinder einer Zylinderreihe ab- Zur Frage des vorteilhafteren Einsatzes von Stau- oder
gasseitig mit relativ kurzen Verbindungsrohren an einem Stoßaufladung bei stationär betriebenen mittelschnelllau-
Sammelleitungsrohr angeschlossen, das entlang der Zylin- fenden Dieselmotoren abhängig vom Aufladegrad gilt heute
derreihe geführt wird und an einem Ende mit der Turbola- allgemein, dass ab mittleren effektiven Drücken von pe ≈ 18
derturbine verbunden ist. Der Innenquerschnitt des Sam- bar bzw. einer spezifischen Arbeit we ≈ 1,8 kJ/dm3 die Stau-
melleitungsrohres wird meist etwas größer als der Zylinder- aufladung von Vorteil ist, was etwa Ladedrücken von ca. 3,4
querschnitt gewählt, s. Bild 19-35. Über dieses relativ große bar entspricht [2-6].
Abgasleitungsvolumen wird erreicht, dass trotz der intermit- Bezüglich Teillast- und Beschleunigungsverhalten schnei-
tierenden Beaufschlagung durch die Zylinder ein weitgehend det die Stoßaufladung grundsätzlich immer günstiger ab als
gleichmäßiger Abgasenergiestrom an der Turbine ansteht. die Stauaufladung. Bei niedriger Motorleistung und dem-
Weil dabei auch der Abgasdruck vor Turbine nur noch ge- entsprechend geringem Abgasenergieangebot der Motorzy-
ringfügig schwankt, ist dieses Aufladeverfahren auch als linder arbeitet die Turbine nämlich in beiden Fällen mit
Gleichdruckaufladung bekannt. Dementsprechend spielt bei einem sehr niedrigen Wirkungsgrad.
einem stauaufgeladenen Motor die Zylinderzahl keine nen- Die Stoßaufladung liefert wegen der geringeren Drossel-
nenswerte Rolle mehr, d.h. ein Fünfzylinder-Reihenmotor verluste am Zylinder jedoch etwas mehr nutzbare Abgas-
unterscheidet sich aufladetechnisch nicht mehr von einem energie an die Turbine. Zudem ermöglicht das bei Stoßauf-
Sechszylinder. Auch ergibt sich der konstruktive Vorteil, dass ladung prinzipbedingte „Unterschwingen“ des Abgasdrucks
die Abgassammelleitung für unterschiedliche Zylinderzah- unter den Ladedruck während der Ventilüberschneidung
len aus entsprechend vielen gleichen Teilabschnitten zusam- eine verbesserte Restgasausspülung und damit einen größe-
mengesetzt werden kann, was unter anderem die Ersatzteil- ren Sauerstoffgehalt im Zylinder bei Ladungswechselnde.
lagerhaltung vereinfacht und insgesamt als ein wesentliches Dessen Höhe ist aber entscheidend dafür, wie viel der bei
Kostenargument für die Stauaufladung zu sehen ist. Einleitung des Beschleunigungsvorgangs erhöhten Kraft-
Aus thermodynamischer Sicht steht bei Stauaufladung stoffrate auch wirklich in Beschleunigungsleistung umge-
dem Vorteil der weitgehend kontinuierlichen Beaufschla- setzt werden kann.
gung der Turbine der Nachteil gegenüber, dass beim Aus- Da bei Fahrzeugmotoren ein gutes Beschleunigungsver-
strömen aus dem Zylinder größere Drosselverluste als bei halten besonders wichtig ist, sollten deren Abgasleitungen
Stoßaufladung auftreten, weil der Abgasdruck in der Sam- weitgehend nach den Forderungen der Stoßaufladung
melleitung auf seinem zeitlich nahezu konstanten Niveau gestaltet werden. Für alle übrigen Motorenkategorien sollten,
verbleibt, während bei Stoßaufladung aufgrund der engeren einmal abgesehen von etwaigen Firmentraditionen, außer
Abgasleitung nach Öffnen des Auslassventils der vom Zylin- dem Aufladegrad vor allem die überwiegende Einsatzart

Bild 2-21 Abgasleitung des Motors MWM TBD 604 BV 16 (D = 170 mm, s = 195 mm)
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 53

eines Motortyps die Entscheidung für die Stoßaufladung im Rekuperationsgrad ηLLK, auch Ladeluftkühlerwirkungs-
oder die Stauaufladung bestimmen. grad genannt, zum Ausdruck kommt:
Die Tatsache, dass in den letzten Jahren die Turbolader-
wirkungsgrade generell enorm gesteigert werden konnten,
(2-37)
entschärfte den genannten Zielkonflikt und ermöglichte
Abgasleitungsausführungen, die als Mischformen und
jeweils optimaler Kompromiss aus Stoß- und Stauaufladung Die Ladeluftkühler von Großmotoren, die nach dem Gegen-
anzusehen sind (s. dazu Bild 2-21). stromprinzip arbeiten, erreichen die höchsten KLLK-Werte (>
0,90), s. Abschn. 14.3.
2.2.3.3 Ladeluftkühlung Abgesehen vom gerätetechnischen Aufwand bringt die
Ladeluftkühlung nur Vorteile, nämlich
Bei der Verdichtung der Luft in einem Lader vom Zustand 1 – geringere thermische Belastung des Motors,
auf den Druck p2 steigt mit dem Druck auch die Temperatur, – geringere mechanische Belastung des Motors, weil bei
die am Laderaustritt (T2) normalerweise höher liegt als die Ladeluftkühlung ein angestrebter Wert der Zylinderla-
entsprechende Temperatur T2S bei isentroper Verdichtung. dungsdichte bei einem niedrigeren Ladedruck erreicht
Ist der isentrope Laderwirkungsgrad KsL bekannt, der nach wird,
– geringere NOx-Emission.

(2-35) 2.2.3.4 Stationäres und dynamisches Motorbetriebs-


verhalten bei Abgasturboaufladung
im Versuch zu bestimmen bzw. dem Laderkennfeld zu ent-
nehmen ist, lässt sich die Temperatur T2 berechnen: Ladedruckregelung

Wie alle Strömungsmaschinen sind auch der Verdichter (La-


(2-36) der) und die Turbine des Abgasturboladers jeweils für einen
bestimmten Betriebspunkt ausgelegt (Auslegungspunkt), bei
dem sie unter jeweils optimalen Bedingungen arbeiten.
vgl. Bild 14-3. Durch eine isobare Rückkühlung (bei p2 = Die Anpassung des Turboladers an einen bestimmten
konst.), also durch Ladeluftkühlung in einem Ladeluftkühler, Betriebspunkt des Motors ist dann erreicht, wenn mit dem
lässt sich der motortechnisch unerwünschte Temperaturan- in diesem Betriebspunkt vom Motor gelieferten Abgasener-
stieg im Lader teilweise zurücknehmen. giestrom vom Turbolader der gewünschte Ladedruck bereit-
Die mögliche Temperaturabsenkung im Ladeluftkühler gestellt wird, s. Punkt A in Bild 2-23.
LLK (s. Bild 2-22) wird außer vom Temperaturniveau des Jeder Betriebspunkt im Motorkennfeld, der unterhalb der
verfügbaren Kühlmediums (Kühlmitteleintrittstemperatur Zugkrafthyperbel (Linie konstanter Nennleistung) liegt, ent-
TKe) von der Wirksamkeit des Ladeluftkühlers bestimmt, die spricht einer Motorleistung kleiner als die Nennleistung. Da
er dementsprechend auch nur eine kleinere Abgasleistung
an den Turbolader liefert, liegt auch der zugehörige Lade-
druck niedriger als im Punkt A.
Für die drei ausgezeichneten Betriebsarten
– Generatorbetrieb (nM = konst.)
– Propellerbetrieb (M ~ nM2)
– Drehzahldrückung (M = konst.)

sind die Betriebslinien im Motorkennfeld (Bild 2-23, links)


und (für einen Viertaktmotor) im Laderkennfeld (Bild 2-23,
rechts) eingetragen, vgl. auch Bild 2-15.
Vorausgesetzt, die Motorbetriebspunkte gehen quasista-
tisch ineinander über (stationäres Betriebsverhalten), so ist,
wie unter 2.2.2.3 ausgeführt, der Ladedruckabfall bei Gene-
Bild 2-22 Temperaturerhöhung im Lader und Ladeluftkühlung rator- und Propellerbetrieb unproblematisch. Dagegen ist
Drehzahldrückung nur durch ein abfallendes Verbren-
54 2 Ladungswechsel und Aufladung

Bild 2-23 Motorbetriebslinien in Motorkennfeld (links) und Laderkennfeld (rechts) bei abnehmender Motorleistung; Viertaktdieselmotor mit ungeregeltem Abgastur-
bolader (ATL)

nungsluftverhältnis realisierbar, wobei außer mit einer akzeptiert werden und wird wegen der zur Nenndrehzahl
erhöhten Abgasschwärzung mit einer Zunahme der ther- hin abfallenden Volllastmomentenkurve zur Darstellung
mischen Belastung der Brennraumbauteile zu rechnen ist. eines entsprechend großen Verbrennungsluftverhältnisses
Die Drehzahldrückung birgt in sich zudem die Gefahr einer genutzt.
zu starken Annäherung oder gar Überschreitung der Pump- Aufgrund der größeren insgesamt zu überdeckenden
grenze, Bild 2-23, rechts. Drehzahlspanne und n2 ≈ 0,40 · n3 würde beim Pkw-Motor
Da aber für Fahrzeugmotoren, ausgehend vom Nennleis- der Volllast-Ladedruck für Drehzahlen n > n2 besonders
tungspunkt, mit fallender Drehzahl nicht nur eine waage- hoch ansteigen, was wegen der damit verbundenen hohen
rechte, sondern sogar eine ansteigende Volllastlinie verlangt mechanischen Belastung des Triebwerks nicht akzeptabel
wird, ist eine andere Turboladeranpassung als bei Großmo- ist; schon wegen des bei Pkw-Dieselmotoren erforderlichen
toren erforderlich. Dabei ist zwischen Turboladern mit fixer hohen Verdichtungsverhältnisses.
und solchen mit variabler Turbinengeometrie zu unterschei- Abgasturboaufgeladene Pkw-Motoren benötigen daher
den. Ein Turbolader mit fixer Turbinengeometrie (Bild 2- unbedingt eine Ladedruckregelung, zumindest eine Lade-
24) wird so ausgewählt, dass er den für das maximale druckbegrenzung durch ein ungeregeltes Waste-Gate (Bild
Motordrehmoment Mmax erforderlichen Ladedruck bereits 2-25). Dabei wird das Waste-Gate-Ventil über eine lade-
bei der zugehörigen Motorteildrehzahl n2 bringt. Diese wird druckbeaufschlagte Membran gegen eine Feder geöffnet
für Nutzfahrzeugmotoren auf etwa 60% und für Pkw- und Abgas um die Turbine herumgeleitet, wenn der Lade-
Motoren auf etwa 40% der Motornenndrehzahl n3 gelegt. druck die zulässige Obergrenze erreicht hat. Ausgelöst
Für davon ausgehend kleinere Motordrehzahlen (n < n2) durch die diesbezüglich besonderen Anforderungen des
nehmen aus den vorgenannten Gründen der Ladedruck und Ottomotors (Quantitätsregelung) findet sich heute in Otto-
das zugehörige Volllastmoment wiederum ab, relativ zu und Dieselmotoren überwiegend eine elektronische Lade-
Mmax stärker als beim Saugmotor, der naturgemäß bei allen druckregelung. Dabei vergleicht ein Regler den Ladedruck-
Drehzahlen über den maximalen „Ladedruck“ verfügt. Istwert mit dem im Motor-Steuergerät abgelegten betriebs-
Für Motordrehzahlen zunehmend größer als diejenige punktabhängigen Sollwert und regelt diesen, im vorlie-
beim maximalen Motordrehmoment (n > n2) steigt ohne genden Fall über eine elektropneumatische Ansteuerung des
jeden Regeleingriff in den Turbolader der Volllast-Lade- Waste-Gate (geregeltes Waste-Gate), ein. Je kleiner der bei
druck immer weiter an. Wegen der grundsätzlich robusteren Teillast einzustellende Ladedruck gegenüber dem Volllast-
Bauweise von Nutzfahrzeugmotoren kann bei dieser Moto- Ladedruck ist, umso kleiner ist dabei auch der Abgasdruck
renkategorie dieser Volllast-Ladedruckanstieg meist noch vor der Turbine, was sich nicht zuletzt in einem entspre-
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 55

Bild 2-24
Volllast-Motorbetriebslinie im ATL-Laderkennfeld für Nutzfahr-
zeug (Nfz)- und Pkw-Motor

chend geringeren Kraftstoffverbrauch des Motors nieder-


schlägt.
Eine Annäherung des Luftangebotes des Turboladers an
den betriebspunktabhängigen Luftbedarf des Motors, die
bei Verwendung eines ungeregelten Turboladers insbeson-
dere mit abnehmender Motordrehzahl immer weiter aus-
einanderklafft, kann auch über eine sog. variable Turbinen-
geometrie (VTG) erreicht werden. Dabei wird die Turbola-
derturbine in ihrem Querschnitt so (groß) gewählt, dass im
Nennleistungspunkt des Motors der gewünschte Ladedruck
erreicht wird. Mit abnehmender Motordrehzahl wird einem
Ladedruckabfall über das Verengen des Zuströmquer-
schnitts zum Turbinenlaufrad entgegengewirkt, bevorzugt
über verstellbare Turbinenleitschaufeln (Bild 2-26). Dies

Bild 2-26 Fahrzeug-Turbolader mit variabler Turbinengeometrie (verstell-


bare Leitschaufeln) (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)

Bild 2-25 Ladedruckbegrenzung mit Waste-Gate [2-5]


56 2 Ladungswechsel und Aufladung

Bild 2-27 Variable-Schieber-Turbine (VST) für Fahrzeug-Turbolader (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)

führt zu einem erhöhten Aufstauen des Abgases vor Turboladerwirkungsgrade bei Großdieselmotoren andere
der Turbine – höhere Werte für p3 und T3 in Gl. (2-29) – Lösungen bevorzugt werden [2-8].
und damit zu einem höheren Ladedruck. Es ist allerdings Hingegen werden Fahrzeugdieselmotoren inzwischen
dafür zu sorgen, dass mit der Verringerung des Quer- überwiegend mit VTG-Turboladern ausgerüstet. Neben den
schnitts des Turbinenleitapparates die Strömungsbedin- anfänglich allein üblichen pneumatischen Stellern werden
gungen im Laufrad nicht zu sehr verschlechtert werden, jetzt – wegen der um den Faktor 10 [2-9] höheren Verstell-
weil ansonsten über eine zu starke Abnahme von KT und geschwindigkeit und der deutlich verbesserten Regelcharak-
weiter von KTL (s. Gln. (2-28 und 2-29)) das erhöhte Abgas- teristik – zunehmend elektrische Steller eingesetzt.
energieangebot zu wenig zur Ladedrucksteigerung genutzt Eine andere Lösung, den Turbolader-Turbinenquerschnitt
werden kann. an den Bedarf des Motors anzupassen, bietet die Registerauf-
Die mechanisch robustere Lösung, mit einer in Rotor- ladung [2-10]. Dazu ist ein Motor mit mehreren parallel
achsrichtung verschiebbaren Hülse den Zuströmquerschnitt geschalteten Turboladern ausgestattet, von denen jeder über
des Turbinenlaufrads teilweise abzudecken (s. Bild 2-27), ist luft- und abgasseitige Klappen zu- oder abgeschaltet werden
wirkungsgradmäßig als ungünstiger einzustufen, weil das kann, so dass dem Motor betriebspunktabhängig der jeweils
Verringern des Turbinenquerschnitts mit einer Teilbeauf- „richtige“ Turbinenquerschnitt zur Verfügung steht. Da
schlagung des Turbinenlaufrads verbunden ist. somit jeder einzelne im Betrieb befindliche Turbolader rela-
Für Großdieselmotoren waren bereits in den siebziger tiv nahe an seinem Bestpunkt betrieben werden kann, ergibt
Jahren Turbolader mit verstellbarem Turbinenleitapparat sich ein relativ günstiger Aufladewirkungsgrad des Motors
entwickelt worden [2-7], die eine Verstellung des Turbinen- auch in den Betriebsbereichen (niedrige Last und niedrige
querschnitts im Bereich zwischen 100% und ca. 70% des Drehzahl), in denen ein einziger großer Turbolader weit ab
vollen Querschnitts zuließen. Auf einen Serieneinsatz wird von seinem Bestpunkt läuft.
bei dieser Motorenkategorie heutzutage aber verzichtet, weil Die Vorteile der Registeraufladung werden insbesondere
bei dem inzwischen erreichten generell hohen Niveau der bei der Motorbeschleunigung deutlich. Zu Beginn der
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 57

Beschleunigungsphase wird die gesamte verfügbare Abgas- Düsenringquerschnittes der Axialturbine, so dass die Turbi-
energie nur einem einzigen der z.B. insgesamt vier Turbola- ne höher aufstaut und folglich für den Motor ein höherer
der zugeführt. Dieser läuft damit sehr schnell in seiner Ladeluftdruck verfügbar ist [2-12]. Nach Herstellerangaben
Drehzahl hoch, nicht zuletzt auch deshalb, weil sein Lauf- lassen sich dadurch Kraftstoffverbrauchseinsparungen um
zeug ein geringeres Massenträgheitsmoment aufweist als das bis zu 10 g/kWh erzielen.
eines einzigen großen Turboladers. Der damit verbundene
schnellere Ladedruckaufbau erlaubt eine schnellere Kraft- 2.2.3.5 Downsizing
stoff-Füllungsfreigabe.
Der Motor läuft in seiner Drehzahl schneller hoch, liefert Von Downsizing spricht man bei Konzepten, bei denen eine
eine erhöhte Abgasenergierate, so dass nacheinander die gewünschte Motornennleistung über einen kleineren Motor
weiteren Turbolader zugeschaltet werden können. Auf diese (kleineres Gesamthubvolumen, eventuell zusätzlich kleinere
Weise wird insgesamt schneller der angestrebte, auf höherem Zylinderzahl) dargestellt werden soll, der dementsprechend
Leistungsniveau befindliche Betriebspunkt erreicht als bei hoch aufgeladen wird. Durch die geringere Reibung des
Verwendung eines einzigen (großen) Turboladers. Wesent- kleineren Motors steigt dessen mechanischer und damit auch
licher Nachteil der Registeraufladung ist der komplexere sein effektiver Wirkungsgrad. Zudem ergibt sich ein gerin-
Aufbau des Aufladesystems (mehrere Turbolader, Luft- und geres Motorgewicht, weshalb Downsizing vor allem für die
Abgasklappen und deren Ansteuerung) und der damit ver- Entwicklung von Fahrzeugmotoren zu einem wichtigen
bundene erhöhte Investitionsaufwand. Konzeptionsmerkmal geworden ist.
Die Registeraufladung wird seit vielen Jahren erfolgreich
bei schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren mit zwei- 2.2.4 Sonderformen der Abgasturboaufladung
stufiger Aufladung eingesetzt, s. Abschn. 18.4.
Sie findet inzwischen aber auch bei Fahrzeugmotoren 2.2.4.1 Zweistufige Aufladung
Anwendung, wenngleich hier meist nur mit zwei Turbola-
dern [2-11]. Dabei können bei Verwendung von zwei unter- Unter zweistufiger Aufladung wird die Reihenschaltung
schiedlich großen Turboladern durch ihre Zu- bzw. Abschal- zweier freilaufender Abgasturbolader verstanden, wovon der
tung dem Motor insgesamt drei unterschiedlich große Tur- eine als Niederdruck-, der andere als Hochdruck-Turbolader
binengesamtquerschnitte angeboten werden. bezeichnet wird. Es ist zwischen den beiden Varianten
Einen interessanten anderen Weg, einen variablen Turbi- – ungeregelte zweistufige Aufladung und
nenquerschnitt darzustellen, bietet das VMP (Variable- – geregelte zweistufige Aufladung
Multi-Pulse)-Verfahren der Firma MaK (heute Caterpillar
Motoren) für mittelschnelllaufende Motoren im Schiffsbe- zu unterscheiden.
trieb, welches im aktuellen Motorenprogramm allerdings
nicht mehr eingesetzt wird. [2-12]. Ungeregelte zweistufige Aufladung
Im Leistungsbereich unter 75% der Nennleistung ver-
schließt ein Variator genannter Schieber einen Teil des Eine wesentliche Forderung für eine ungeregelte zweistufige
Aufladung sind Ladedruckverhältnisse bis zu sechs und
darüber, wenn mittlere effektive Drücke im Bereich von pe =
30 bar und größer darzustellen sind [2-10].
Schaltet man zwei Lader (Verdichter) hintereinander, von
denen beispielsweise jeder ein Druckverhältnis von SL = 2,5
bei einem isentropen Laderwirkungsgrad von KsL = 80%
aufbaut, so wird damit ein Gesamt-Ladedruckverhältnis von
SLges = 6,25 mit einem isentropen Wirkungsgrad über beide
Laderstufen von immerhin noch 77,5% erreicht. Ein Lade-
druckverhältnis von 6,25 ließe sich zwar unter Umständen
auch noch über eine einzige Radialverdichterstufe verwirk-
lichen, jedoch nur mit einem deutlich niedrigeren Wir-
kungsgrad. Dieser Vorteil der zweistufigen Verdichtung
Bild 2-28 Verstellen des ATL-Turbinenquerschnitts nach dem VMP (Variable- wird noch verstärkt durch die Einbindung eines Zwischen-
Multi-Pulse)-Verfahren der MaK kühlers. Dieser verringert die Temperatur der Luft vor Ein-
tritt in den Hochdrucklader und damit gemäß Gl. (2-22) die
58    2 Ladungswechsel und Aufladung

für das gewünschte Druckverhältnis aufzubringende Ver- siebziger Jahren – nicht durchsetzen können. Demgegen­
dichterleistung. Jeder der beiden genannten Effekte wirkt über werden höchste Werte bezüglich der Leistungsdichte,
sich positiv auf den Aufladewirkungsgrad und damit auf wie sie von zweistufig aufgeladenen Schnellläufern erbracht
den spezifischen Kraftstoffverbrauch des Motors aus. werden, z.B. für Schnellbootantriebe, mit erster Priorität
Die positive Wirkung der Zwischenkühlung auf den Auf- und ein niedriger spezifischer Kraftstoffverbrauch erst mit
ladewirkungsgrad und damit mittelbar auf den Motorge- zweiter Priorität gefordert.
samtwirkungsgrad wird umso kleiner, je mehr der momen-
tane Ladedruck (bei Teilleistung) vom maximalen Lade- Geregelte zweistufige Aufladung
druck (bei Nennleistung) abweicht, weil es dann auch ent-
sprechend weniger zu kühlen gibt. Bei Nutzfahrzeug- wie bei Pkw-Dieselmotoren findet inzwi-
Um bei derart hohen Aufladegraden, wie sie die zweistu- schen die sog. geregelte zweistufige Aufladung Anwendung,
fige Aufladung ermöglicht, die mechanische Belastung des nicht unbedingt zum Zweck, einen besonders hohen Lade-
Motors durch den maximalen Zylinderdruck (Zünddruck) druck darstellen zu können, sondern als Alternative zur
beherrschbar zu halten – es werden dabei ohnehin bereits Zwei-Turbolader-Registeraufladung.
Werte bis pZmax ≈ 200 bar [2-13] gefahren – wird das Ver- Wesentlicher Unterschied zur ungeregelten zweistufigen
dichtungsverhältnis ε gegenüber den bei einstufiger Aufla- Aufladung ist je ein steuerbarer Bypass um die Hochdruck-
dung üblichen Werten deutlich abgesenkt. Eine ε-Absen- turbine und den Hochdrucklader (s. Bild 2-29), bei der
kung stellt als Einzeleinfluss aber immer eine Wirkungs- Pkw-Anwendung zusätzlich noch ein Waste-Gate an der
gradverschlechterung dar, ein wesentlicher Grund für die ND-Turbine. Von Fahrzeugmotoren wird für ein hohes
grundsätzlich höheren spezifischen Kraftstoffverbräuche Beschleunigungsvermögen auch schon im unteren Motor-
der zweistufig aufgeladenen Hochleistungs-Schnellläufer drehzahlbereich ein möglichst hoher Ladedruck benötigt,
(mit pe ≈ 30 bar) im Vergleich zu den einstufig aufgeladenen was mit einfacher Abgasturboaufladung (ohne Ladedruck-
Mittelschnellläufern (mit pe ≈ 21…24 bar). regelung) nicht zu realisieren ist, weil der Abgasmassen-
So hat sich bei den Mittelschnellläufern die zweistufige strom des Motors entsprechend niedrig ist. In dieser Betriebs­
Aufladung – es gab prototypische Anwendungen in den phase werden bei geregelter zweistufiger Aufladung beide

Bild 2-29 Geregelte zweistufige Aufladung, Schaltschema (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)
2.2 Aufladung von Dieselmotoren    59

Bypassventile geschlossen gehalten. Dies bewirkt, dass der Wegen des dabei auch geringeren Zylinderdruckniveaus
gesamte Abgasmassenstrom bzw. der gesamte Abgasener- kann diese auch zur Absenkung der NOx-Emission genutzt
giestrom auf die (kleinere) HD-Turbine geleitet wird, welche werden.
ähnlich einer eng gestellten VTG-Turbine dadurch sehr Bei der Bewertung des Miller-Verfahrens in seiner reinen
schnell dreht, so dass im HD-Lader der gewünschte hohe Form darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass
Ladedruck erzeugt wird. Für die nachgeschaltete ND-Turbi- der gegenüber dem Normalverfahren vom Lader zu erzeu-
ne bleibt in dieser Motorbetriebsphase nur noch ein kleiner gende, höhere Ladedruck vom Motor mit einer erhöhten
Rest nutzbarer Abgasenergie. Sie dreht entsprechend lang- Ausschiebearbeit erkauft werden muss. Dies hat einen nega-
sam, so dass der ND-Lader, der zwar den gesamten Luft- tiven Einzeleinfluss hinsichtlich des Motorwirkungsgrades
massenstrom durchsetzt, auch nur ein sehr kleines Druck- zur Folge.
verhältnis aufbaut. Das Miller-Verfahren könnte auch die Möglichkeit der
Wenn mit zunehmender Motordrehzahl und steigender Ladedrucksteuerung bei einem Fixgeometrie-Turbolader
Last der Abgasmassenstrom durch den Motor und der eröffnen. Dazu ist der Turbolader, insbesondere hinsichtlich
Abgasenergiestrom aus dem Motor anwachsen, werden die seiner Turbine, so an den Motor anzupassen (turbocharger
beiden Bypassventile immer weiter geöffnet, bis HD- und matching), dass er schon im unteren Motordrehzahl-Bereich
ND-Turbolader in einer Art Mischform aus Reihen- und den für den gewünschten Volllastverlauf erforderlichen
Parallelschaltung arbeiten. Motoren, welche mit solch einem Ladedruck bringt, wobei der Motor hier mit normalem „Es“
Aufladesystem ausgerüstet sind, zeigen ein enorm gutes (nach UT) betrieben wird. Damit bei dieser Turbolader-
Ansprechverhalten [2-14]. Auslegung im oberen Motordrehzahl-Bereich und damit
hohen Durchsätzen der Ladedruck und in der Folge das
2.2.4.2 Miller-Verfahren Zylinderdruck-Niveau nicht zu hoch werden, wird das Ein-
lassventil entsprechend früher (vor UT) geschlossen, mit
Voraussetzung für die Darstellung des Miller-Verfahrens [2- dem positiven Zusatzeffekt der zylinderinternen Expan­
31] ist ein Viertaktmotor mit Abgasturboaufladung und La- sionskühlung.
deluftkühlung, bei dem im Betrieb die Steuerzeit „Einlass
schließt“ (Es) verstellt werden kann. Ziel ist, bei einem ge- 2.2.4.3 Elektrisch unterstützte Aufladung
wünschten Zylinderdruck zu Verdichtungsbeginn eine
niedrigere Zylindertemperatur einzustellen, als sie über den Um bei abgasturboaufgeladenen Fahrzeugmotoren den
gegebenen Ladeluftkühler im Normalfall erreichbar ist. für ein besseres Beschleunigungsverhalten erforderlichen
Dazu ist der Turbolader so abzustimmen, dass er entspre- schnelleren Ladedruckaufbau zu erzielen, als ihn der Turbo-
chend dem früheren Schließen des Einlassventils (noch vor lader alleine zu erbringen vermag, kann auch kurzzeitig elek-
UT) und der danach fortgesetzten Expansion der Zylinder- trische Energie aus dem Bordnetz des Fahrzeugs genutzt
ladung einen so stark erhöhten Ladedruck liefert, dass der werden. Dieses ist bislang über zwei Wege prototypisch rea-
für den Normalfall vorgesehene Verdichtungsanfangsdruck lisiert worden, nämlich über eBooster und elektrisch unter-
dennoch erreicht wird. Durch die gleichzeitig eintretende stützte Abgasturbolader (euATL).
Expansionskühlung des Zylindergases sinkt dessen Tempe-
ratur im UT auf Werte unterhalb der Temperatur, die im eBooster
Normalfall, also bei späterem „Einlass schließt“ (Es), herr-
schen würde. Zum Verdichter des Abgasturboladers wird ein elektrisch
Bei aufgeladenen Ottomotoren lässt sich auf diese Weise angetriebener Strömungslader (Radialverdichter) in Reihe
die Klopfgrenze zu höheren Motorlasten verschieben. geschaltet, meist vor dem Turboladerverdichter angeordnet.
Durch die heute bei Ottomotoren, mit und ohne Auf­ Dieser elektrisch angetriebene Zusatzverdichter wird aller-
ladung, schon angewandten Methoden „Frühes-Einlass- dings nur zu Beginn einer Motorbeschleunigungsphase ak-
Schließen“ (FES) oder „Spätes-Einlass-Schließen“ (SES) kann tiviert. In der übrigen Zeit bleibt er elektrisch abgeschaltet
die Drosselklappe weitgehend „arbeitslos“ gemacht werden, und die Ansaugluft wird in einem Bypass um den Zusatzver-
was als Entdrosselung des Ottomotors bezeichnet wird. dichter direkt dem Turbolader-Verdichter zugeführt (s. Bild
Beim Dieselmotor kann die über das Miller-Verfahren bei 2-30). Die Grenzen für dieses Verfahren bestehen in der
gleichem Zylinderdruck erreichbare größere Zylinderfül- bei einem 12 V-Bordnetz maximal möglichen Antriebsleis-
lung (gegenüber dem Normalverfahren) bei Verdichtungs- tung sowie in der bei gegebener Batteriekapazität je Be-
beginn entweder zur Leistungssteigerung oder zu einem schleunigungsvorgang maximal entnehmbaren elektrischen
Betrieb bei größerem Verbrennungsluftverhältnis führen. Energie.
60 2 Ladungswechsel und Aufladung

Bild 2-30 Abgasturboaufladung mit eBooster, nach [2-28] (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)

euATL

Ein Ladedruckdefizit im unteren Motordrehzahlbereich


kann auch dadurch verringert werden, dass der Turbolader-
rotor über einen elektrischen Fremdantrieb auf eine höhere
Drehzahl gebracht wird, als es allein über den momentanen
Abgasenergiestrom vom Motor möglich ist. Dazu wird der
Läufer der elektrischen Maschine zusätzlich zum jeweiligen
Laufrad von Verdichter und Turbine in den Turboladerrotor
integriert (s. Bild 2-31). Dieses Verfahren ist aber erst mög-
lich geworden, seit Elektromotoren verfügbar sind, deren
Drehzahlbereich in denjenigen von Fahrzeugmotoren-Tur-
boladern hineinreicht, also mindestens bis 100 000 min–1.
Für den euATL gelten die gleichen, durch das elektrische
Bordnetz gegebenen Leistungsobergrenzen wie für den
eBooster. Der euATL weist aber einen entscheidenden
Nachteil gegenüber dem eBooster dadurch auf, dass er das Bild 2-31 Elektrisch unterstützter Abgasturbolader (euATL) (Quelle: Borg-
Warner Turbo Systems)
Massenträgheitsmoment des Turboladerrotors vergrößert.
Könnte nämlich in einer bestimmten Betriebssituation des
Motors der Basis-Turbolader (ohne elektrische Maschine
auf dem Rotor) allein über den Abgasenergiestrom gerade
noch zufrieden stellend beschleunigt werden, so könnte er
es (ohne elektrische Unterstützung) nicht mehr, wenn
zusätzlich der Läufer der elektrischen Maschine auf dem
Rotor vorhanden wäre (s. Einfluss von 4 in Gl. (2-34)).
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 61

Die in den Turboladerrotor integrierte elektrische Maschi- kungsgraden zusammen, eine unbedingte Voraussetzung
ne ließe sich dann aber auch als Generator nutzen, wenn es des Turbocompoundings.
darum gehen soll, einen etwaigen Abgasenergieüberschuss, Nach [2-16] lässt sich bei einem Nutzfahrzeugmotor
der aufladetechnisch nicht benötigt wird, in elektrische durch eine nachgeschaltete Nutzturbine (Variante 1 in Bild
Energie zu wandeln und diese ins Bordnetz zurückzuspei- 2-32) mit festem Übersetzungsverhältnis eine Kraftstoff-
sen (s. Abschn. 2.2.4.4 und [2-15]). verbrauchseinsparung bis zu 5% erreichen. Gleichzeitig
vergrößern sich zu niedriger Last und Drehzahl hin der
2.2.4.4 Turbocompounding Ladedruck und damit das Luftverhältnis gegenüber dem
Basismotor. Da der Motor bei kleiner Drehzahl und Volllast
Man spricht von Verbundverfahren oder Turbocompounding, an sich bei einem relativ kleinen Luftverhältnis arbeitet, ist
wenn ein Verbrennungsmotor mit einer oder mehreren Gas- dies eine positive Nebenwirkung des Turbocompoundings.
turbinen zusammenarbeitet und dabei nicht nur vom Motor, Unterhalb von 5 bar mittleren effektiven Drucks erhöht
sondern auch von mindestens einer der Turbinen Nutzleis- sich allerdings infolge der Nutzturbine der spezifische
tung abgenommen wird. Von den in Bild 2-32 dargestellten Kraftstoffverbrauch, weil diese – verstärkt durch das feste
Schaltungsarten [2-16] haben inzwischen die Variante 4 für Übersetzungsverhältnis – weitab von ihrem Auslegungs-
Großdieselmotoren und die Variante 1 für Nutzfahrzeugdie- punkt läuft und ihr Wirkungsgrad entsprechend niedrig
selmotoren praktische Bedeutung erlangt. liegt. Streckenverbrauchsrechnungen von [2-16] haben
In beiden Fällen bildet der abgasturboaufgeladene Motor allerdings gezeigt, dass die über ein Abschalten der Nutz-
die Ausgangsversion. Dass diese seit Jahrzehnten bekannten turbine im unteren Lastbereich erreichbare Verbesserung
Verfahren [2-5], [2-17] erst seit einigen Jahren Eingang in den Aufwand nicht lohnt.
die Praxis gefunden haben, hängt einmal mehr mit den in Als ein weiterer positiver Effekt der nachgeschalteten
den vergangenen Jahren enorm gesteigerten Turboladerwir- Nutzturbine ergibt sich ein verbessertes Beschleunigungs-

Bild 2-32 Schaltungsarten für Verbundbetrieb [2-16]


62    2 Ladungswechsel und Aufladung

verhalten infolge der engeren Turboladerturbine gegenüber Bremsleistung wirkt. Bereits am Ende des Kompressions-
der des Basismotors. hubs wird nun das Auslassventil geöffnet, damit das ver-
Beim Turbocompounding mit Viertakt- wie Zweitakt- dichtete Zylindergas nicht in vollem Maß (positive) Expan-
Großdieselmotoren (Bild 2-32, Variante 4) werden in der sionsarbeit an den Kolben abgeben und damit der Brems-
parallel geschalteten, entsprechend kleineren Nutzturbine wirkung entgegenwirken kann. Es ergibt sich dadurch eine
bis zu 12,5% des Abgasstromes verarbeitet. (Wegen der Grö- negative Hochdruckschleife im Indikatordiagramm des
ßenabhängigkeit des Turboladerwirkungsgrades ist Variante Motors. Mit einer Abblasevorrichtung vor der Turbine, also
4 indiskutabel für Nfz-Motoren.) einem Waste-Gate, wird dafür gesorgt, dass der Motor
Damit lässt sich bei stauaufgeladenen mittelschnelllau- weder beim Bremsen noch im gefeuerten Betrieb infolge zu
fenden Dieselmotoren eine zusätzliche Nutzleistung von ca. hohen Ladedrucks überbeansprucht wird.
4% bei Minderung des Verbrauchs um 4,5 g/kWh erzielen, Mit einer Turbobrake lassen sich Motor-Bremsleistungen
die bei 40% Propellerleistung etwa noch 2,5 g/kWh beträgt realisieren, welche deutlich über der jeweiligen Motornenn-
[2-18]. Eine noch deutlichere Kraftstoffverbrauchseinspa- leistung liegen.
rung lässt sich erzielen, wenn im (Propeller-)Leistungsbe-
reich kleiner 75% die Nutzturbine abgeschaltet wird, weil 2.2.5 Druckwellenaufladung (COMPREX)
dann der gesamte vom Motor gelieferte Abgasenergiestrom
der Turboladerturbine zugeführt und dementsprechend ein Der unter seiner eingetragenen Schutzmarke COMPREX be-
höherer Ladedruck aufgebaut wird, zumal die Turbolader- kannte Druckwellenlader nutzt – wie der Abgasturbolader
turbine des Turbocompoundmotors generell enger ausgelegt auch – die vom Motor gelieferte Abgasenergie zur Ladedruck­
sein muss als diejenige des Basismotors (ohne Turbocom- erzeugung, jedoch im Gegensatz zum Abgasturbolader durch
pounding). Unterhalb von 40% Motorleistung sollte die direkte Energieübertragung vom Abgas auf die zu verdich­
Nutzturbine grundsätzlich abgeschaltet bleiben. tende Luft. Aufbauend auf Patenten von Burghard (1912)
Vergleichbare Ergebnisse werden mit langsamlaufenden und Seippel (1940) und grundlegenden Arbeiten von
Zweitaktdieselmotoren erzielt [2-19]. Wesentliche Voraus- Berchtold [2-23] wurde dieses vor allem für Fahrzeugdiesel-
setzung für eine nennenswerte Anhebung des Gesamtwir- motoren konzipierte und wegen seines Wirkprinzips faszi-
kungsgrades durch Turbocompounding ist ein hoher Tur- nierende Aufladeaggregat in den sechziger und siebziger
boladerwirkungsgrad. So können heute Turbolader von Jahren bei BBC (heute ABB) zur Serienreife entwickelt.
Großdieselmotoren Werte von mehr als 70% erreichen [2- Die besondere Stärke des Druckwellenladers besteht im
20], [2-21]. prinzipbedingten Vermögen, eine vom Motor sprunghaft
erhöhte Abgasenergierate verzögerungsfrei in einen erhöh-
2.2.4.5 Turbobrake ten Ladedruck umzuwandeln, während beim Turbolader in
diesem Fall zunächst die Massenträgheit des Turbolader-
Unter Turbobrake ist nicht ein Aufladeverfahren im engeren laufzeugs überwunden werden muss („Turboloch“). Diese
Sinn zu verstehen, sondern eine zusätzliche Nutzung des Eigenschaft ließ den Druckwellenlader gerade für Fahrzeug-
VTG-Turboladers eines Nutzfahrzeug-Motors zur Erhöhung motoren und für Motoren, denen hohe Lastsprünge aufge-
der Motorbremsleistung. Mercedes-Benz und Iveco haben als prägt werden, prädestiniert erscheinen [2-24]. Inzwischen
erste Nutzfahrzeug-Hersteller dieses System für schwere konnten Turbolader bezüglich Beschleunigungsverhalten
Nutzfahrzeuge in Serie gebracht [2-22]. allerdings mit dem Comprex mindestens gleichziehen, bie-
Bevorzugt wird dieses Verfahren auf der Basis von Turbo- ten gegenüber diesem jedoch geringere Herstellkosten,
ladern realisiert, deren Turbine über ein zweiflutiges geringeres Gewicht und größere Freiheit beim Anbau an
Zuströmgehäuse verfügt. Über einen in Rotorachsrichtung den Motor, so dass derzeit der Comprex nicht mehr serien-
verschiebbaren Schieber kann maximal eine der beiden mäßig eingebaut wird.
Fluten am Eintritt zum Turbinenlaufrad verschlossen wer-
den (s. Bild 2-27). Soll die Bremswirkung aktiviert werden 2.2.6 Mechanische Aufladung
– der Motor läuft dabei im Schiebebetrieb und ohne Ver-
brennung – wird über den Schieber eine der beiden Turbi- Wie unter Abschn. 2.2.2 ausgeführt, steht bei üblicher me-
nenfluten verschlossen. Die nun engere Turbine bewirkt bei chanischer Aufladung schon im unteren Drehzahlbereich
dem relativ hohen Massenstrom aus dem Motor eine hohe ein relativ hoher Ladedruck an, wodurch sich im Vergleich
Turboladerdrehzahl und einen entsprechend hohen Lade- zum Basissaugmotor das Volllastmoment etwa parallel zu
druck. Dieser fordert dem Motor beim Kompressionshub höheren Werten verschiebt, Bild 2-33. Durch die Kopplung
eine entsprechend hohe Verdichtungsleistung ab, die als Ladedruck – Motordrehzahl erfolgt dies nicht nur im statio-
2.3 Programmierte Ladungswechselberechnung 63

Bild 2-33
Volllast-Drehmoment des aufgeladenen Fahrzeug-Diesel-
motors

nären, sondern auch im dynamischen Betrieb (Beschleuni- 2.3 Programmierte Ladungswechsel-


gen). So sehr dieses Argument für die Anwendung der me- berechnung
chanischen Aufladung auch im Pkw-Dieselmotor spricht, so
sehr spricht der gegenüber der Abgasturboaufladung höhere Neben der Berechnung der zylinderinternen Zustandsände-
spezifische Kraftstoffverbrauch dagegen. rungen bildet die Berechnung der Zustandsänderungen in
Zur Minimierung dieses Nachteils ist unbedingt eine den Ein- und Auslassleitungen, die sog. Ladungswechsel-
Ladedrucksteuerung vorzusehen, d.h. es ist dafür zu sorgen, rechnung, den Kern der Motorprozesssimulation (s. Abschn.
dass der Lader jeweils nur so viel Ladedruck erzeugt und 1.3).
entsprechend Antriebsleistung aufnimmt, wie der Motor Abgesehen von Rechenverfahren, die von der stark ver-
betriebspunktabhängig tatsächlich benötigt. Dieses ist außer einfachenden Annahme eines zeitlich und örtlich konstan-
über ein variables Übersetzungsverhältnis des Laderantriebs ten Gaszustandes in der Einlass- und Auslassleitung ausge-
auch durch einen steuerbaren Bypass am Lader realisierbar. hen, lassen sich die in Anwendung befindlichen Rechenpro-
Über eine Magnetkupplung ließe sich erreichen, dass der gramme in zwei Gruppen einteilen.
Lader immer erst dann zugeschaltet wird, wenn das „Saug- Programme, die auf dem quasi-stationären Verfahren der
motor-Luftangebot“ an den Motor ausgeschöpft ist. Füll- und Entleermethode basieren, berechnen nur einen
Eine sinnvolle Anwendung der mechanischen Aufladung zeitlichen Verlauf der Zustandsänderungen in den Gas-
für Dieselmotoren könnte in einem mechanisch angetrie- wechselleitungen und gelten daher auch als nulldimensio-
benen Verdrängerlader bestehen, der im Luftpfad eines nale Verfahren. Dazu wird z.B. die Abgasleitung eines
Nutzfahrzeugmotors vor dem Turboladerverdichter ange- abgasturboaufgeladenen Mehrzylindermotors als ein Behäl-
ordnet jeweils nur in Beschleunigungsphasen über eine ter konstanten Volumens betrachtet, der entsprechend der
(magnetische) Kupplung zugeschaltet wird, was der zum Zündfolge der angeschlossenen Zylinder intermittierend
eBooster geschilderten Wirkung (s. Abschn. 2.2.4.3) ent- mit Abgas gefüllt und über die Abgasturbine kontinuierlich
spricht. entleert wird. Im Wesentlichen unter Ansatz der Glei-
64 2 Ladungswechsel und Aufladung

Bild 2-34
Rechnungs-Messungsvergleich zur Füll-
und Entleermethode für einen Mittel-
schnellläufer [2-27]

Bild 2-35
Quasistationäre und instationäre La-
dungswechselrechnung im Vergleich zur
Messung
2.3 Programmierte Ladungswechselberechnung 65

Ladedruck in mbar, Motordrehzahl in min–1

Bild 2-36 Pkw-Dieselmotor mit geregelter zweistufiger Aufladung, Ladedruck- und Drehzahlaufbau bei Volllastbeschleunigung von 0 auf 100 km/h, simuliert mit
THEMOS®

chungen für die Massen- und Energiebilanz und der Gaszu- dung auf unterschiedliche Viertaktdieselmotoren miteinan-
standsgleichung für dieses Kontrollvolumen lassen sich für der verglichen, Bild 2-35: Der für einen schnelllaufenden
dieses die Verläufe von Druck und Temperatur und damit Hochleistungsdieselmotor mit symmetrischer Zweierstoß-
unter anderem auch das Abgasenergieangebot an der Tur- aufladung stark gasdynamisch geprägte Abgasdruckverlauf
boladerturbine berechnen. Turbine und Verdichter des kann vom Charakteristikenverfahren ziemlich gut, von der
Turboladers gehen über ihre Kennfelder als Randbedin- Füll- und Entleermethode jedoch nur noch in der groben
gungen in die Berechnung ein. Dass sich damit durchaus Tendenz nachgebildet werden.
realitätsnahe Ergebnisse erzielen lassen, bestätigt Bild 2-34 Die Motorprozesssimulation ist seit ihren Anfängen in den
mit einem Rechnungs-Messungsvergleich. sechziger Jahren zeitgleich mit der rasanten Entwicklung der
Die Grundvoraussetzungen der Füll- und Entleermetho- Rechnertechnik zu einem unverzichtbaren Werkzeug der
de sind umso weniger erfüllt, je höher das Drehzahlniveau Motorentwicklung geworden. Sie kann zusätzlich zu den
und je länger und schlanker die Gaswechselleitungen des zu Berechnungen der Zustandsänderungen in den Zylindern
berechnenden Motors sind. Dann muss auch die Ortsabhän- und in den Gaswechselleitungen auch die Modellierung des
gigkeit der Zustandsgrößen in den Gaswechselleitungen angetriebenen Fahrzeugs (Fahrzeuglängsdynamik) sowie des
berücksichtigt werden, wozu ein entsprechend instationär Fahrers mit einschließen. Damit lassen sich beispielsweise
arbeitendes Rechenverfahren, wie das Charakteristikenver- Betriebsstrategien für einen Fahrzeugmotor mit geregelter
fahren, heranzuziehen ist. Die Strömung in den Gaswechsel- zweistufiger Aufladung für den Einsatz in einem ganz
leitungen wird dabei als eindimensionale instationäre Rohr- bestimmten Fahrzeugtyp entwickeln [2-29]. Bild 2-36 zeigt
strömung behandelt [2-25], [2-26]. dazu für einen zweistufig aufgeladenen Pkw-Dieselmotor die
In [2-27] werden die quasistationäre Füll- und Entleerme- Verläufe von Motordrehzahl und Ladedruck bei Volllastbe-
thode und das Charakteristikenverfahren in der Anwen- schleunigung von 0 auf 100 km/h. Besonders am Drehzahl-
66    2 Ladungswechsel und Aufladung

verlauf sind die Zeitpunkte des jeweiligen Gangwechsels zu Tagungsband der 9. Aufladetechnischen Konferenz
erkennen, der mit einem steilen Drehzahlabfall einhergeht. Dresden 2004, S. 211–228
Die inzwischen erlangte Echtzeitfähigkeit der Motorprozess- 2-15 Hopmann, U.: Ein elektrisches Turbocompound Kon-
simulation [2-30] erlaubt unter anderem ihre HIL(=Hardware zept für NFZ Dieselmotoren. Tagungsband der 9. Auf-
in the loop)-Anwendung. ladetechnischen Konferenz Dresden 2004, S. 77–87
2-16 Woschni, G.; Bergbauer, F.: Verbesserung von Kraft-
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3 Die dieselmotorische Verbrennung

3.1 Gemischbildung und Verbrennung Flammfaltung sind Strömungen des Gemisches, die durch
den Einlassvorgang und die Kompression, aber auch durch
3.1.1 Verfahrensmerkmale die Verbrennung selbst, verursacht werden. Um Selbst- oder
Frühzündung zu vermeiden, muss der Kraftstoff zündun-
Die im Kraftfahrzeug bevorzugt eingesetzten Antriebsma- willig (klopffest) sein und das Verdichtungsverhältnis wird
schinen basieren auf Verbrennungskraftmaschinen. Bei die- durch „klopfende“ Verbrennung oder Frühzündung
sen wird die in dem überwiegend aus Kohlenwasserstoffen begrenzt. Bei klopfender Verbrennung werden im gesamten,
bestehendem Kraftstoff gebundene chemische Energie durch von der Flamme noch nicht erreichten Gemisch, dem sog.
Oxidation mit dem in der Verbrennungsluft befindlichen „Endgas“, die Zündbedingungen erreicht. Das hoch kompri-
Sauerstoff in Wärme umgewandelt, diese wird wiederum an mierte und deshalb energiereiche Gemisch verbrennt ohne
das Arbeitsmedium der Maschine übertragen. Der Druck im kontrollierte Flammausbreitung nahezu zeitgleich. Dies
Arbeitsmedium steigt an und kann unter Ausnutzung der führt zu steilen Druckgradienten mit den charakteristischen
Expansion in eine Kolbenbewegung und damit in mecha- Druckschwingungen und bedingt lokal eine sehr hohe ther-
nische Arbeit umgewandelt werden. mische und mechanische Belastung der Bauteile. Längerer
Da das auch als Arbeitsgas bezeichnete Arbeitsmedium Betrieb bei klopfender Verbrennung führt zum Totalausfall
nach der Expansion ausgetauscht wird und die Verbrennung des Motors und muss deshalb unbedingt vermieden werden.
innerhalb des Arbeitsraumes der Verbrennungskraftma- Begrenzte Verdichtung, erforderliches Lastregelverfahren
schine stattfindet, spricht man von einer „offenen Prozess- (Quantitäts- oder Drosselregelung) sowie begrenzte Aufla-
führung mit innerer Verbrennung“ [3-1]. Dies gilt sowohl defähigkeit beeinträchtigen den Wirkungsgrad des Pro-
für den Ottomotor als auch für den Dieselmotor. Im Gegen- zesses mit äußerer Gemischbildung und Fremdzündung. Da
satz hierzu beschreibt man z. B. den Stirlingmotor als eine aber im Brennraum aufgrund des homogenen Betriebes bei
Maschine mit einer geschlossenen Prozessführung und λ = 1 keine Bereiche mit fettem Gemisch auftreten, hat
äußeren Verbrennung. dieses Verfahren keine kraftstoffbedingte Rußemission.
Beim konventionellen Ottomotor wird das Kraftstoff/ Moderne Ottomotoren arbeiten auch mit direkter Kraft-
Luft-Gemisch im Saugrohr gebildet. Während des Ansaug- stoffeinspritzung und können, je nach Einspritzzeitpunkt,
und Kompressionstaktes bildet sich ein überwiegend homo- ein homogenes oder inhomogenes Gemisch bilden. In die-
genes Gemisch, das durch eine Zündkerze entflammt wird. sen Fällen spricht man von „innerer Gemischbildung“, wie
Dieses Brennverfahren ist also gekennzeichnet durch „äuße- sie beim Dieselmotor Anwendung findet.
re Gemischbildung“, homogenes Gemisch und Fremdzün- Beim Dieselmotor wird kein Gemisch, sondern Luft ver-
dung. Die Energiefreisetzung erfolgt, beginnend an der dichtet. Der Kraftstoff wird kurz vor dem oberen Totpunkt
Zündkerze, mit der Ausbreitung der Flamme und ist deshalb in diese hoch verdichtete und damit heiße Verbrennungsluft
proportional zur Oberfläche der Flammfront. Die Flamm- eingespritzt. Die Gemischbildung läuft also in extrem kurzer
geschwindigkeit hängt vom Kraftstoff, der Gemischtempe- Zeit im Brennraum des Motors ab und die Zündung erfolgt,
ratur und dem Luft/Kraftstoffverhältnis ab. Die Brennge- ohne fremde Zündquelle, ausschließlich durch Übertragung
schwindigkeit wird zusätzlich von der Oberfläche der der Wärme von der komprimierten Luft an den Kraftstoff.
Flammfont beeinflusst. Diese nimmt infolge der durch Tur- Der Dieselmotor ist deshalb ein Motor mit „innerer
bulenzen im Gemisch bedingten „Flammfaltung“ mit der Gemischbildung“ und „Selbstzündung“. Zur Sicherstellung
Drehzahl des Motors zu. Wesentlicher Einflussfaktor auf die der Zündeinleitung müssen zündwillige Kraftstoffe verwen-
3.1 Gemischbildung und Verbrennung    69

det und die erforderlichen Temperaturen garantiert werden. (λ‑Gradienten) im Verbrennungsraum. Während im Kern
Letzteres erfolgt durch eine hohe Verdichtung (Verdich- des Kraftstoffstrahls nahezu kein Sauerstoff (λ ≈ 0) vorliegt,
tungsverhältnis 12 < ε < 21) und ggf. durch eine zusätzliche gibt es im Brennraum auch Bereiche mit reiner Luft (λ = ∞).
Lufterwärmung (z. B. Glühkerze). Zündprobleme können Während der Einspritzung liegen im Brennraum eines Die-
insbesondere beim Start des Motors auftreten. Infolge der selmotors, mehr oder weniger ausgeprägt, sämtliche Bereiche
niedrigen Startdrehzahl kommt es zu keinen Nachladeeffek- zwischen ∞ > λ > 0 vor. Eine völlige Luftausnutzung ist bei
ten im Saugsystem. Der sich in der Kompressionsphase heterogener Gemischbildung nahezu unmöglich. Die Zeit
befindende Kolben schiebt deshalb bereits angesaugte Luft für die Herstellung eines homogenen Gemisches und für
wieder in das Saugrohr zurück. Dieser Vorgang wird erst mit eine vollständige Oxidation ist hierfür viel zu kurz. Diesel-
dem Schließen der Einlassventile beendet. Die Verdichtung motoren arbeiten deshalb auch bei Volllast mit Luftüber-
kann also erst zu diesem späten Zeitpunkt beginnen, schuss von 5 bis 15 %. Langsam laufende Großdieselmo-
wodurch das effektive Verdichtungsverhältnis und damit die toren müssen aus Gründen der thermischen Bauteilbelas­
Kompressionstemperatur stark abgesenkt werden. Beim tung mit noch größerem Luftüberschuss betrieben werden.
Kaltstart verstärkt sich das Startproblem durch einen erhöh- Dies hat Auswirkungen auf evtl. erforderliche Abgasnach-
ten Wärmeabfluss vom Arbeitsgas Luft an die kalten Brenn- behandlungssysteme. Da im Abgas stets eine „oxidierende“
raumwände. Atmosphäre vorliegt, kann der beim Ottomotor homogen,
Beim Dieselmotor wird die Energieumsetzung durch die bei λ = 1,0 betriebene, erfolgreiche TWC (Three Way Cata-
Einspritzrate und die Geschwindigkeit der Gemischbildung lyst) nicht eingesetzt werden.
beeinflusst. Aufgrund der heterogenen Gemischbildung gibt Der Luft/Kraftstoff-Gradient ist neben den Unterschie-
es keine typische Flammausbreitung wie beim Ottomotor. den in der Gemischqualität auch für lokale Temperaturun-
Die Gefahr einer „klopfenden Verbrennung“ ist somit nicht terschiede im Brennraum verantwortlich. Die höchsten
gegeben. Deshalb können beim Dieselmotor hohe Verdich- Temperaturen treten außerhalb des Kraftstoffstrahles in
tungsverhältnisse und Ladedrücke dargestellt werden. Bereichen ∞ > λ, die niedrigsten im Strahlkern λ ≈ 0 auf.
Beides kommt dem Wirkungsgrad, aber auch dem Drehmo- Wie Bild 3-1 zeigt, entstehen in Bereichen mit Luftüber-
mentverlauf des Motors zugute. Die Grenze von Verdich- schuss und hohen Temperaturen Stickstoffoxide. In der
tung und Ladedruck ist also nicht – wie beim Ottomotor – mageren Flammaußenzone sind die Verbrennungstempera-
durch „klopfende Verbrennung“, sondern durch den maxi- turen so niedrig, dass keine vollständige Oxidation des
mal zulässigen Zylinderdruck vorgegeben. Moderne Diesel-
motoren arbeiten deshalb in Bereichen von etwa 160 bis
180 bar bei Pkw- und 210 bis 230 bar bei Nfz-Motoren. Der
oben angegebene, niedere Bereich des Verdichtungsverhält-
nisses trifft für hoch aufgeladene Großdieselmotoren zu.
Aufgrund der inneren Gemischbildung wird die Drehzahl
des Dieselmotors durch die zur Verdampfung des Kraft-
stoffes und zur Gemischbildung erforderliche Zeit begrenzt.
Selbst schnelllaufende Pkw Dieselmotoren arbeiten deshalb
selten mit Drehzahlen über 4800 min-1. Dadurch bedingte
Nachteile in der Leistungsdichte können durch die besonde-
re Eignung zur Aufladung kompensiert werden.
Wird der Kraftstoff in eine als „Wirbelkammer“ oder
„Vorkammer“ bezeichnete Nebenkammer des Hauptbrenn-
raumes –  eingespritzt, spricht man von einer „indirekten
Kraftstoffeinspritzung“. Diese wurde früher zur besseren
Gemischbildung und Erfassung der Brennraumluft im
Hauptraum sowie zur Beherrschung des Verbrennungsge-
räusches eingesetzt. Bei modernen Diesel-Brennverfahren,
den sog. Direkteinspritzern, wird der Kraftstoff direkt in den
Hauptbrennraum eingespritzt.
Die innere Gemischbildung und die damit verbundene Bild 3-1 Entstehungsbereiche der Schadstoffe im Brennraum bei hetero‑
späte Einspritzung des Kraftstoffes in den Brennraum genem Gemisch
führen zu einem deutlichen Luft/Kraftstoff­-Gradienten
70 3 Die dieselmotorische Verbrennung

Kraftstoffes stattfinden kann. Hier ist die Quelle für unver- nung ergibt allerdings sehr hohe Füllungsverluste, führt zu
brannte Kohlenwasserstoffe. In Luftmangelbereichen im einem überproportionalen Drallanstieg über der Motor-
Strahlkern werden Rußpartikel, und als deren Vorläufer drehzahl und ist extrem kritisch gegenüber Fertigungstole-
Kohlenmonoxid, gebildet. Da sich beim heterogenen ranzen.
Gemisch die Rußbildung infolge fetter Gemischbereiche Diesbezüglich besser geeignet sind Spiralkanäle, bei
nicht vermeiden lässt, zielen moderne Dieselverfahren auf denen die Luft bereits im Kanal in eine Spiralbewegung
die innermotorische Partikeloxidation. Diese kann durch versetzt wird (Bild 3-2). Dadurch ist eine nahezu lineare
Erhaltung bzw. Erzeugung hoher Turbulenz während des Steigerung des Drallniveaus über der Motordrehzahl und
Expansionstaktes wesentlich verbessert werden. Bei moder- damit ein konstantes Verhältnis Dralldrehzahl / Motordreh-
nen Dieselverfahren werden deshalb bis zu 95% der entstan- zahl (nDrall /nMot) möglich sowie ein guter Kompromiss zwi-
denen Partikel innermotorisch wieder verbrannt. schen erforderlichem Drallniveau und akzeptablem Liefer-
Die innere Gemischbildung, verbunden mit der hohen gradverlust darstellbar.
Verdichtung und dem Lastregelverfahren (Qualitätsrege- Durch eine einseitige Anfasung des Ventilsitzringes kann
lung), sind Grundlage für den sehr guten Gesamtwirkungs- der Luftaustritt in Drallrichtung begünstigt und eine Drall-
grad des Dieselmotors. anhebung im unteren Ventilhubbereich erzielt werden.
Diese Maßnahme kann in Kombination mit den Ventilsteuer-
3.1.2 Gemischbildung zeiten auch geschickt zu einer Drallabsenkung über der
Motordrehzahl genutzt werden.
Haupteinflussgrößen Schirmventile – eine weitere Methode zur Drallerzeu-
gung – müssen fixiert eingebaut werden und sind somit aus
Neben der durch die Brennraumauslegung und die Einlass-
Verschleißgründen keine serientaugliche Methode zu Drall-
kanalgestaltung formbaren Luftbewegung im Brennraum
erzeugung, eignen sich aber bestens für grundsätzliche
(squish oder Quetschströmung und Luftdrall), wird die Ge-
Untersuchungen.
mischbildung bei direkter Einbringung wesentlich von der
Da ein mittels der Kanalgeometrie erzeugter Luftdrall mit
Einspritzung dominiert. Das Einspritzsystem hat dabei die
steigender Motordrehzahl schneller dreht, werden auch die
folgenden Aufgaben zu erfüllen: Erzeugung des erforder-
pro Grad Kurbelwinkel überwehten Luftsegmente größer.
lichen Einspritzdruckes, Darstellung der Kraftstoffdosierung
Dieser selbst regelnde Effekt, der mit der Drehzahl die
[3-2], Sicherstellung der Strahlausbreitung, Garantie eines
Gemischbildung schneller macht, kann allerdings nur dann
schnellen Strahlzerfalles, der Tropfenbildung sowie der Ver-
genutzt werden, wenn sich auch die Spritzdauer in gleicher
mischung des Kraftstoffes mit der Verbrennungsluft, siehe
auch Kapitel 5.

Luftdrall
Der Luftdrall ist eine im Wesentlichen um die Zylinderachse
„rotierende Festkörperströmung“, deren Drehgeschwindig-
keit durch die Einlasskanalauslegung geformt werden kann
und die aufgrund der zunehmenden Kolbengeschwindigkeit
mit der Motordrehzahl ansteigt. Eine wesentliche Aufgabe
des Luftdralls ist es, den kompakten Kraftstoffstrahl aufzu-
reißen und die zwischen den Kraftstoffstrahlen liegenden
Luftsektoren mit dem Kraftstoff zu vermischen. Damit wird
schon deutlich, dass der Drallbedarf mit zunehmender Dü-
senlochzahl abnimmt. Dies ist von Vorteil, weil ansteigendes
Drallniveau zu erhöhten Wandwärmeverlusten führt und die
Drallerzeugung mit Füllungsverlusten erkauft werden muss.
Füllungsverluste können zwar durch die Aufladung kom-
pensiert werden, die negativen Auswirkungen der Draller-
zeugung auf den Gaswechselwirkungsgrad und damit auf
den Kraftstoffverbrauch bleiben allerdings bestehen. Bild 3-2 Drallgestaltung mittels eines als Spiralkanal ausgeführten Einlass-
Recht einfach kann der Drall durch tangentiales Einströ- kanals
men der Luft in den Zylinder erzeugt werden. Diese Anord-
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 71

Weise verhält. Ist die in ° KW definierte Spritzdauer (z. B. ventils (Einlasskanalabschaltung EKAS) im unteren Dreh-
bei Volllast) über der Drehzahl konstant, ist eine optimale zahlbereich der Drall angehoben und damit auf die in die-
Abstimmung von Drall und Spritzdauer im gesamten Dreh- sem Bereich üblicherweise kurze Spritzdauer angepasst
zahlbereich des Motors möglich. Nimmt allerdings die werden. Eine stufenlose Klappenverstellung erlaubt sogar
Spritzdauer (in ° KW) über der Drehzahl zu, ist der Drall im das Drallniveau in Abhängigkeit vom Öffnungswinkel für
unteren Drehzahlbereich zu niedrig und die Luftausnutzung jeden Kennfeldpunkt anzupassen (Bild 3-3). Optimal ist dies
unbefriedigend oder er ist im oberen Drehzahlbereich zu allerdings nicht, weil die Gemischbildung im unteren Dreh-
hoch und es kommt zu Überwehungen der einzelnen Strahl- zahlbereich beschleunigt und im oberen Drehzahlbereich
bereiche. Beides reduziert den erreichbaren Mitteldruck des Motors verlangsamt wird.
und führt zu erhöhten Emissionen. Bei allen Einspritz- Flexible Einspritzsysteme können dem Zielkonflikt Drall/
systemen, die mit konstantem Düsenlochdurchmesser Spritzdauer auch nur begrenzt über eine Anpassung des
arbeiten – und das sind heute alle serienmäßigen Systeme Einspritzdruckes begegnen. Diese Maßnahme würde eine
– tritt dieses Problem auf. Ein hohes Drehzahlverhältnis Absenkung des Druckes im unteren Drehzahlbereich bedin-
(nmax/nmin) und/oder ein großes Mengenverhältnis Volllast- gen. Die optimale Lösung wäre eine Düse mit variablem, mit
menge zu Leerlaufmenge erschweren die Motorauslegung. der Drehzahl ansteigendem Durchflussquerschnitt.
Mit einem im Kennfeld variablen Einspritzdruck oder durch
Einsatz sog. Registerdüsen versucht man diese Problematik Quetschströmung
zu lösen.
Obwohl die Drehzahl des Dralles über der Motordrehzahl Während des Kompressionshubes wird die Luft zunehmend
genau das Richtige tut und zumindest beim Spiralkanal das in die Kolbenmulde gequetscht wodurch der Luftdrall erhöht
Drehzahlverhältnis Drall/Motor konstant ist, versucht man wird. Je kleiner die Kolbenmulde desto höher wird der
mangels geeigneter Ansatzpunkte beim Einspritzsystem, Drall.
den Drall zu verstimmen und auf das „Fehlverhalten“ des Der beschriebene, durch die Einlassströmung in den
Einspritzsystems anzupassen. Bei Motoren mit zwei oder Zylinder bzw. in die Brennraummulde erzeugte Luftdrall
mehr Einlassventilen kann durch Abschalten eines Einlass- wird mit Annäherung des Kolbens an den oberen Totpunkt
zunehmend von einer Quetschströmung überlagert. Diese
entsteht dadurch, dass die zwischen Kolbenboden und
Zylinderkopf befindliche Luft in die Kolbenmulde verdrängt
wird (Bild 3-4).
Diese Quetschströmung wirkt der Ausbreitung des Kraft-
stoffstrahles entgegen und unterstützt somit den für die
Gemischbildung wichtigen Impulsaustausch zwischen
Brennraumluft und Einspritzstrahl.
Mit Beginn des Expansionstaktes dreht sich die Strö-
mungsrichtung um. Durch entsprechende Gestaltung der
Muldengeometrie, insbesondere des Muldenrandes, lässt
sich eine hochturbulente Strömung im Kolbenspalt erzeu-
gen, welche die Gemischbildung unterstützt und die Ver-
brennung beschleunigt.

Kinetische Energie des Kraftstoffstrahls

Der dominierende Parameter bei der Gemischbildung ist die


kinetische Energie des Kraftstoffstrahles. Sie hängt neben der
Kraftstoffmasse im Einspritzstrahl auch vom Druckgefälle
an der Einspritzdüse ab und bestimmt zusammen mit dem
Strahlkegelwinkel den Impulsaustausch zwischen Brenn-
raumluft und Kraftstoffstrahl sowie das Größenspektrum
der Tröpfchendurchmesser. Der Strahlkegelwinkel hängt vor
Bild 3-3 Drallniveau als Funktion der Stellung der Einlasskanalklappe [3-3] allem von der Düseninnenströmung und damit von der Dü-
sengestaltung und dem anliegenden Druck, aber auch von
72 3 Die dieselmotorische Verbrennung

setzt bei ungefähr gleicher Spritzdauer wird mit zuneh-


mender Düsenlochzahl der Durchmesser des einzelnen
Loches und damit die Kraftstoffmasse im einzelnen Strahl
verringert. Der für die Strahlausbreitung maßgebende
Strahlimpuls muss also durch eine entsprechende Erhöhung
des Druckes wieder ausgeglichen werden. Mit steigendem
Einspritzdruck wird zudem der Lufteintritt in den Strahl (air
entrainment) verstärkt und damit das lokale O im Strahl
erhöht. Nach Wakuri [3-5] wird das lokale Luft/Kraftstoff-
verhältnis allein schon durch die größere Strahleindringtiefe
mit steigendem Einspritzdruck erhöht.
Die Bedeutung von Drall und Quetschströmung nimmt
mit zunehmendem Einspritzdruck ab. Moderne Nfz-Brenn-
verfahren arbeiten bei Einspritzdrücken von über 2000 bar
Bild 3-4 Überlagerte Strömungsvorgänge im Brennraum eines Motors be- in Verbindung mit 8- bis 10-Lochdüsen und sind nahezu
einflussen die Ausbreitung des Kraftstoffstrahles und die Gemischbildung drall- und sqishfrei. Bei den höher drehenden Pkw-Motoren
nutzt man die sehr stabile Drallströmung zur Rußoxidation
während der Expansionsphase. Ferner bedingt hier die grö-
ßere Drehzahlspanne eine relativ tiefe und damit enge
der Luftdichte ab. Mit zunehmender Kavitation im Spritz- Mulde, was zwangsläufig eine Quetschströmung ergibt.
loch wird der Strahlkegelwinkel größer und der Impulsaus-
tausch mit der Luft wird intensiviert. Die Strahlenergie ist bei Strahlzerfall
Nocken getriebenen Einspritzsystemen durch die Förderrate
der Einspritzpumpe und die Durchflussquerschnitte an der Bei direkter Einspritzung müssen Verdampfung und Ge-
Einspritzdüse beeinflussbar. Bei Speichereinspritzsystemen mischbildung in wenigen Millisekunden abgeschlossen sein.
ist der Raildruck die entscheidende Größe. Dazu ist es erforderlich, dass der kompakte Strahl sehr schnell
Durch den Einspritzstrahl wird der Kraftstoff in die äuße- zerfällt und sich viele kleine Tropfen mit einer großen Ober-
ren Bereiche des Brennraumes transportiert. Dies ist eine fläche bilden.
bei der hoch verdichteten, heißen und damit hochviskosen Zwei Mechanismen sorgen für diesen raschen Zerfall des
Luft nicht zu unterschätzende Aufgabe. Dabei kommt dem Kraftstoffstrahles und die Schaffung einer großen Kraft-
Druckverlauf am Spritzloch entscheidende Bedeutung zu. stoffoberfläche: der durch turbulente Strömungen und
Ansteigender oder zumindest konstanter Druck über der Kavitation in der Düse bedingte „Primärzerfall“ im Düsen-
Einspritzdauer ist von Vorteil [3-4]. Ein während der Ein- nahbereich sowie der „Sekundärzerfall“ infolge aerodyna-
spritzung abfallender Druck ermöglicht keine Interaktion mischer Kräfte im Fernfeld der Düse.
der einzelnen Kraftstoffbereiche im Strahl und ist deshalb
möglichst zu vermeiden. Die Erfassung der äußeren Brenn- Primärzerfall
raumbereiche ist Voraussetzung für eine gute Nutzung der
Brennraumluft und somit für eine hohe Leistungsdichte des Der Primärzerfall von einem in hoch verdichtete, hochviskose
Motors. Bei begrenztem Einspritzdruck gelingt dies nur Brennraumluft eingespritzten Kraftstoffstrahl wird durch die
durch eine gleichzeitige Begrenzung der Düsenlochzahl und Umverteilung des Geschwindigkeitsprofils im Inneren des
damit einer hohen Kraftstoffmasse im Strahl. Mit stei- Strahles (Interaktion unterschiedlicher Segmente im Strahl),
gendem Einspritzdruck kann die Anzahl der Einspritzstrah- die Oberflächenspannung, die aerodynamischen Kräfte (Im-
len erhöht und damit die Kraftstoffverteilung im Brennraum pulsaustausch zwischen bewegtem Strahl und „ruhender“
verbessert werden, ohne dass die Strahlausbreitung beein- Luft), die Turbulenz (maßgeblich durch den Strahlimpuls in-
trächtigt wird. Dies wird durch den Zusammenhang von duziert) und die Kavitation beeinflusst [3-6]. Kavitation ent-
Strahleindringtiefe, dem Einspritzdruck bzw. dem Druckge- steht durch die Bewegung des turbulent in der Düse strö-
fälle am Düsenaustritt und Lochdurchmesser deutlich. menden Kraftstoffes, wobei starke Umlenkungen, beeinfluss-
Danach ist die Strahleindringtiefe eine Funktion des am bar durch das Radienverhältnis der Düsenrundungen zum
Spritzloch anliegenden Druckes, des Durchmessers eines Lochradius, die hydrodynamischen Einströmeffekte sowie
Spritzloches, der Kraftstoffdichte, des Reziprokwertes der Lochform und Lochkonizität eine wichtige Rolle spielen. Mit
Luftdichte und der Zeit nach Spritzbeginn [3-5]. Vorausge- Kenntnis sowohl der Geschwindigkeits- und Turbulenzgrö-
3.1 Gemischbildung und Verbrennung    73

Bild 3-5 Strahlzerfall und Strahlaufbruch in Düsennähe [3‑7]

ßen als auch des Volumenanteils von Dampf und Gas lassen chen Strahlsäule und der pro Zeiteinheit gebildeten Energie
sich Größe und Anzahl der Kavita­tionsblasen ermitteln. Kavi- der freien Oberfläche.
tationsblasen im Spritzloch der Düse beeinflussen sowohl den
Strahlzerfall, die Strahlausbreitung und die Tropfenbildung Sekundärzerfall
wie auch die Belagsbildung im Loch und die Haltbarkeit der
Düse. Die Aufbrechphänomene des Einspritzstrahles in Dü- Durch den Sekundärzerfall erfolgt die eigentliche „Atomisie-
sennähe sind in Bild 3-5 dargestellt. rung“ des Einspritzstrahles aus den groben Ligamenten über
Kraftstofftemperatur und -zusammensetzung bestimmen Zerwellung in mittelfeine Tropfen sowie Zerstäubung zu mik­
die Eigenschaft Flüchtigkeit und spielen eine zentrale Rolle rofeinen Tröpfchen. Das Entstehen letzterer ist zur schnellen
beim Strahlzerfall, da die Bildung von Kavitationskeimen Aufheizung und Verdampfung – und damit zur Verkürzung
durch Ausgasen der im Kraftstoff gelösten Gase infolge des physikalischen Zündverzuges – erforderlich. Bei der Se-
lokaler Unterschreitung des Sättigungsdampfdruckes beein- kundärzerstäubung spielen die aerodynamischen Kräfte die
flusst wird [3-7]. entscheidende Rolle. Einspritzdruck, Einspritzdruckverlauf,
Im Nahbereich der Düse beobachtet man zunächst einen Strahlkegelwinkel und Luftdichte sind dabei wesentliche
kompakten, flüssigen Strahlkern. Bereits in einer Entfer- Einflussparameter.
nung des 5- bis 10-fachen des Düsenlochdurchmessers vom Beim Sekundärzerfall hat man zwei gleichzeitig ablaufen-
Düsenaustritt ist er jedoch einem starken Zerfall durch Luft- de Effekte zu beachten:
und Kraftstoffdampfblasen unterworfen. Tropfengröße und a) die Verformung der durch die Reibungskräfte abgebrems–
Tropfenverteilung werden durch das Verhältnis der aerody- ten Primärtropfen infolge der höheren Trägheit des
namischen Kräfte zu den Oberflächenkräften, also durch die Strahl­kerns gegenüber dem Strahlrand und
Weberzahl b) das Abscheren von Tröpfchen im μm‑Bereich infolge des
an den Flanken zerwellenden Strahlrandes.

beschrieben. Dabei bedeuten ρK die Kraftstoffdichte, νinj die Auch hier ist die oben definierte Kenngröße, die Weberzahl,
Strahlgeschwindigkeit am Düsenloch, d Düsenlochdurch- eine charakteristische Größe, die mit der Dichte der den
messer und σ die Oberflächenspannung. Die Weberzahl Strahl umgebenden Luft ermittelt wird.
kennzeichnet das Verhältnis der pro Zeiteinheit aus dem Dü- Ein über der Einspritzdauer ansteigender Druck am
senloch austretenden kinetischen Energie der kontinuierli- Düsenloch begünstigt den Impulsaustausch zwischen
74 3 Die dieselmotorische Verbrennung

Brennraumluft und Kraftstoffstrahl und ist deshalb für Hülle der Tropfenoberfläche, dem Oberflächenfilm, Tempe-
einen raschen Zerfall des Strahles förderlich. raturen erreicht, die zu einer merklichen Verdampfung
Mit steigendem Einspritzdruck gelangt nicht nur mehr führen. In der auf diese Weise entstehenden Diffusions-
Luft in den Strahl, sondern die Tropfendurchmesser werden bzw. Reaktionszone ist das Luft/Kraftstoff-Gemisch zünd-
auch kleiner. Der statistische mittlere Tropfendurchmes- fähig, sobald das Luftverhältnis O in einem Bereich zwischen
ser d32 nach Sauter (Sauter Mean Diameter) ist eine Funk- 0,3 < O < 1,5 liegt (Bild 3-7).
tion der oben beschriebenen Weberzahl, der Reynoldszahl
und des Düsenlochdurchmessers bzw. des Druckgefälles am 3.1.3 Zündung und Zündverzug
Düsenaustritt 'p, der Kraftstoffdichte UK, der Luftdichte UL
sowie der Kraftstoffviskosität νK. Das Zündverhalten des in die komprimierte und deshalb
heiße Brennraumluft eingespritzten Kraftstoffes hängt von
der Reaktionsgeschwindigkeit zur Bildung von Zündradi-
kalen infolge thermischer Anregung der Moleküle ab. Die
Selbstzündungsbedingungen werden sowohl durch die ther-
Kraftstoffverdampfung modynamischen Zustände im Brennraum, also Druck und
lokale Temperaturen, als auch durch die lokale Dampfkon-
Damit in dem so gebildeten heterogenen Gemisch aus Luft zentration, die abhängig von den zuvor beschriebenen Auf-
und flüssigen Kraftstofftröpfchen unterschiedlicher Größe heizungs- und Diffusionsprozessen im Anschluss an den
und Verteilung chemische Reaktionen ablaufen können, Sekundärzerfall ist, bestimmt. Eine wichtige Rolle spielt na-
muss der Kraftstoff in Dampfform vorliegen. türlich der Kraftstoff selbst. Mit der Cetanzahl CZ wird die
Dem Wärmetransport der durch die Kompression Zündwilligkeit desselben beschrieben. Dem sehr zündwil-
erhitzten Luft zum flüssigen Kraftstoff kommt dabei eine ligen n-Hexadekan (Cetan) wird dabei die Kennzahl 100,
entscheidende Bedeutung zu. Dieser Prozess wird wesent- dem zündträgen Methylnaphthalin die Kennzahl 0 zugeord-
lich durch die kinetische Energie des Kraftstoffstrahles – net. Je höher die Cetanzahl, umso zündwilliger verhält sich
und damit wiederum durch den Einspritzdruck – beein- der Kraftstoff. Zur Einhaltung der sehr strengen Abgas- und
flusst (Bild 3-6). Sowohl die Schaffung freier Tropfenober- Geräuschvorschriften sind Cetanzahlen CZ > 50 wünschens-
flächen als auch Stofftransport und Wärmeübergang werden wert (s. Kap. 4).
durch eine hohe Relativgeschwindigkeit zwischen Tropfen Hinsichtlich des Wirkungsgrades, der Schadstoffemis-
und Umgebung begünstigt. Je feiner die Zerstäubung der sion, des Verbrennungsgeräusches und der Bauteilbelas-
Tropfen und je höher die Relativgeschwindigkeit der disper- tung kommt dem zeitlichen Abstand zwischen Einspritzbe-
sen Kraftstoffphase und der kontinuierlichen Phase der ginn und Zündbeginn entscheidende Bedeutung zu. Der
Brennraumladung ist, um so eher werden in der äußeren Zeitraum zwischen diesen beiden Ereignissen, üblicherwei-

Bild 3-6 Aufbereitung eines Kraftstofftropfens bei niedriger (links) und ho- Bild 3-7 Schematische Darstellung des Luft/Kraftstoff-Verhältnisses in Ab-
her (rechts) Anströmgeschwindigkeit hängigkeit von der Entfernung zum Kraftstofftropfen
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 75

se aus Düsennadelhub und Brennraumdruckindizierung trag) des Einspritzstrahles. In diesem Bereich der Diffu-
ermittelt, wird als Zündverzug bezeichnet und ist ein sionszone treten deutlich geringere O-Gradienten, d. h.
wesentliches Merkmal der dieselmotorischen Verbrennung geringere Inhomogenitäten der Gemischzusammensetzung
(Bild 3-8). als auf der Luv-Seite oder an der Strahlspitze auf. Dadurch
Beim Zündverzug wird zwischen einem physikalisch und sind hier auch höhere Temperaturen als in Zonen mit
einem chemisch bedingten Anteil unterschieden. Der physi- hohem O-Gradienten möglich. Eine Zündung im Nahbe-
kalische Zündverzug umfasst die oben beschriebenen Vor- reich der Einspritzdüse ist deshalb nicht möglich, weil hier,
gänge des primären und sekundären Strahlzerfalls, die Ver- wie oben beschrieben, ein kompakter Kraftstoffstrahl vor-
dampfung des Kraftstoffes sowie die Abläufe zur Erzeugung herrscht.
eines reaktionsfähigen Luft/Kraftstoffgemisches. Der che-
mische Zündverzug beschreibt jene Zeitspanne, in der sich 3.1.4 Verbrennung und Brennverlauf
in einer Vorreaktion die Zündradikale (z. B. OH) bilden.
Moderne, hoch aufgeladene Dieselmotoren, die mit Ein- Ein wesentliches Merkmal des Dieselmotors besteht darin,
spritzdrücken bis 2000 bar arbeiten, weisen Zündverzüge dass die Verbrennung und damit die Energieumsetzung
zwischen 0,3 und 0,8 Millisekunden auf. Bei Saugmotoren durch den Zeitpunkt und die Art der Kraftstoffeinbringung in
mit entsprechend niedrigeren Einspritzdrücken liegt er zwi- den Brennraum (rate shaping) gesteuert werden kann. Dies
schen 1 und 1,5 Millisekunden. wirkt sich vorteilhaft auf den Wirkungsgrad aus, ist aber auch
In die komplexe Berechnung des Zündverzuges gehen für den Zielkonflikt zwischen Partikelemission (Particulate
neben der Cetanzahl auch Größen ein, welche die Tempera- Matter PM) und Stickstoffoxid (NOX) einerseits sowie Kraft-
tur bei Spritzbeginn (Verdichtungsverhältnis, Ansaugluft- stoffverbrauch und NOX andererseits, verantwortlich. Der
temperatur, Einspritzeitpunkt) sowie den Zustand der Luft Brennverlauf kann um so mehr durch die Einspritzrate ge-
im Zylinder (Ladedruck, Luftdrall, Quetschströmung, Kol- formt werden, je weniger Kraftstoff in flüssiger Form auf die
bengeschwindigkeit) beschreiben. Brennraumwände gelangt und je besser es gelingt, den flüs-
Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche empirische Formeln sigen Kraftstoff in der Verbrennungsluft zu halten und ent-
zur Beschreibung des Zündverzuges entwickelt [3-8 bis sprechend schnell zu verdampfen. Dabei spielen Strahlein-
3-10]. dringgeschwindigkeit und Verdampfungsgeschwindigkeit
Das erste Zünden des aufbereiteten Kraftstoffes ereignet eine wichtige Rolle. Mit elektronisch betätigten Steuerele-
sich üblicherweise am Strahlrand im Lee (niedriger Luftein- menten evtl. noch kombiniert mit Speichereinspritzsystemen

Bild 3-8
Zündverzug bei einem Dieselmotor mit Direkt-
einspritzung. 1 Förderbeginn, 2 Einspritzbeginn,
3 Zündbeginn, 4 Einspritzende, 5 Zündverzug
76    3 Die dieselmotorische Verbrennung

definierten Wegvorgabe des Schaltelementes (variable Dros-


sel). Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass eine Drosse-
lung im Nadelsitz vermieden wird, da die Gemischbildung
von einem hohen Druck im Spritzloch profitiert (s. Kap. 5).
Wie oben gezeigt, weisen moderne Dieselmotoren mit
direkter Einspritzung einen sehr kurzen Zündverzug im
Bereich von 0,3 bis 0,5 ms bei Volllast und 0,6 bis 0,8 ms bei
niedriger Teillast auf. Da die Spritzdauer also in einem wei-
ten Lastbereich länger als der Zündverzug ist, wird nur ein
kleiner Teil des Kraftstoffes vor Zündbeginn eingespritzt.
Dieser Kraftstoffanteil ist sehr gut mit der Verbrennungsluft
vermischt und weist hohe λ‑Werte sowie einen niedrigen
λ-Gradienten auf. Dadurch wird in diesen Gemischbe-
Bild 3-9 Schematische Darstellung möglicher Einspritzverläufe bei Mehr‑
reichen zwar die Bildung von Rußpartikeln vermieden, aber
facheinspritzung [3‑11] es entsteht in dieser Phase der Verbrennung, der sog. „vor-
gemischten Flamme“, ein wesentlicher Teil der innermoto-
risch nicht mehr abzusenkenden Stickstoffoxide. Außerdem
werden durch den Anteil der „vorgemischten Flamme“ das
(Common Rail Systeme mit Last- und Drehzahl abhängigem Verbrennungsgeräusch und der Kraftstoffverbrauch beein-
Einspritzdruck) lassen sich Einspritzverlaufsformung, Mehr- flusst. Ein großer Anteil an „vorgemischter Flamme“
fachvoreinspritzungen und/oder der Mehrfachnacheinsprit- (Gleichraumverbrennung) erhöht das Geräusch, kommt
zungen realisieren (Bild 3-9). Die Weiterentwicklung vom aber dem Verbrauch zugute (Bild 3-10).
Elektromagnetventil zum Piezo-Injektor bietet neben einer Der überwiegende Teil des Kraftstoffes wird während der
erhöhten Schaltfrequenz grundsätzlich die Möglichkeit einer bereits laufenden Verbrennung eingespritzt. In dieser sog.

Bild 3-10
Brennverlauf und Verbren‑
nungsgeräusch mit und ohne
Voreinspritzung [3‑12]
3.1 Gemischbildung und Verbrennung    77

„Diffusionsflamme“ (Gleichdruckverbrennung) wird auf-


grund der lokal niedrigen λ-Werte wenig NOX aber viel Ruß
gebildet. Ein Schwerpunkt moderner Dieselmotorentechnik
gilt somit der innermotorischen Rußoxidation. Es herrschen
gute Randbedingungen für diese Oxidation, da bei ausrei-
chend hohen Temperaturen kleine, noch nicht koagulierte
Partikel mit großer Oberfläche vorliegen. Die notwendige
Turbulenz kann z. B. durch eine hohe Strahlkinetik auf-
grund hoher Einspritzdrücke bereitgestellt werden. Ferner
sind „Nacheinspritzungen“ (Post Injection) ein geeignetes
Mittel zur Temperatur- und Turbulenzsteigerung und damit
zur Rußabsenkung durch innermotorische Oxidation.
Zur Vermeidung unerwünschter Wärmeverluste sollte die
Energieumsetzung zu einem frühen Zeitpunkt abgeschlos-
sen sein. Die zur Erfüllung künftiger Abgasstandards ver-
stärkt erforderlichen Abgasnachbehandlungssysteme stellen
aber besondere Anforderungen an Abgastemperatur und
Abgaszusammensetzung. Somit kommt der Betrachtung des
Gesamtsystems Motor/Nachbehandlung immer mehr
Bedeutung zu. Bild 3-11 Lambda- und Temperaturbereiche der NOX- und Rußentstehung
Die Motorkomponenten werden zunehmend mit immer (φ = 1/λ)
mehr variablen Bestandteilen versehen. Prinzipiell sind
durch voll flexible Einspritzsysteme, variable Ventilsteuer-
zeiten, variabler Drall, variable Turbinengeometrie, variable
Verdichtung und/oder Steuerung der Kühlmitteltemperatur mischen Stickstoffmonoxides hängt neben dem lokalen
viele Parameter zur Optimierung des Verbrennungsablaufes Luftverhältnis auch von der Verweilzeit ab und steigt expo-
an unterschiedliche Anforderungen gegeben. Der Sensorik tentiell mit der lokalen Temperatur. Entlang des sich nach
und Aktorik, dem Motormanagement kommt dabei immer außen ausdünnenden Gemisches gibt es derart magere
mehr Bedeutung zu. Bezieht man die Nachbehandlungssys- Bereiche, in denen das Gemisch trotz steigender Temperatur
teme in die Betrachtung ein, sind im Instationärbetrieb des infolge der Verbrennung nicht entflammt werden kann. In
Motors selbst geregelte Systeme meist zu langsam. „Model dieser sog. „mageren Flammaußenzone“ entstehen die
Based Closed Loop Control Strategies“ werden mehr und unverbrannten Kohlenwasserstoffe.
mehr notwendig und sind zielführend. Die Rußpartikel entstehen in fetten Gemischzonen und
Temperaturen über 1600  K. Diese hohen Temperaturen
3.1.5 Schadstoffbildung treten erst nach Zündeinleitung auf. Die fetten Bereiche
finden sich vorzugsweise im Strahlkern oder im Staubereich
Grundsätzlich kann das Luft/Kraftstoffgemisch in einem des Kraftstoffstrahles im Bereich der Muldenwand. Damit
­relativ weiten Lambda-Bereich von 1,5 > λ > 0,5 entflammt allerdings überhaupt Ruß entstehen kann, muss der Kraft-
werden. Die günstigsten Zündbedingungen sind allerdings stoff in Dampfform vorliegen. Die Größe der Kraftstofftrop-
am Strahlrand vorhanden. Während die Temperatur im fen hat somit keinen direkten Einfluss auf die Größenvertei-
Strahlkern niedrig ist (Kraftstofftemperatur), herrschen am lung der emittierten Partikel.
Strahlrand nahezu die Temperaturen der komprimierten In der Zündverzugsphase hat der Strahl Zeit, sich bei
Luft. Das Gemisch beginnt somit am Strahlrand im eher ma- Temperaturen unter der Rußbildungstemperatur auszubrei-
geren Bereich zu entflammen. In Zonen um λ = 1,1 entwi- ten, auszudünnen und die fetten Bereiche zu vermindern.
ckeln sich die höchsten Verbrennungstemperaturen (s. Ein langer Zündverzug ist also prinzipiell günstig für eine
Bild 3-1). Da neben Sauerstoff auch Stickstoff vorhanden ist, niedrige Rußbildungsrate. Durch das beschriebene Ausdün-
sind dies die bevorzugten Bereiche der Stickstoffoxidbil- nen des Gemisches entstehen aber auch große λ-Bereiche in
dung. denen Stickstoffmonoxid gebildet wird (vorgemischte Flam-
Bild 3-11 verdeutlicht, dass Stickstoffoxide im mageren me). Auch werden die mageren Flammaußenbereiche ver-
Gemischbereichen bei Temperaturen über 2000  K gebildet größert, in denen unverbrannte Kohlenwasserstoffe entste-
werden. Die Bildung des von Zeldovich beschriebenen ther- hen. Da der Kraftstoff in einer vorgemischten Flamme sehr
78 3 Die dieselmotorische Verbrennung

erforderlichen Verweilzeit müssen nun die Partikel in einem


Filter, dem sog. DPF (Diesel Partikel Filter) zurückgehalten
werden. Da trotzdem in weiten Betriebsbereichen des Diesel-
motors keine ausreichende Temperatur garantiert werden
kann, sind Zusatzmaßnahmen zur Erzielung der Entflam-
mungstemperatur der Rußpartikel im DPF notwendig.

3.2 Konstruktive Merkmale

3.2.1 Gestaltung des Brennraumes


Hinsichtlich der konstruktiven Gestaltung des Brennraumes
unterscheidet man zwischen Motoren mit nicht unterteiltem
Brennraum, bei denen der Kraftstoff direkt in den Haupt-
Bild 3-12 NOX- und Rußkonzentrationen im Brennraum als Funktion der brennraum eingespritzt wird (direkte Einspritzung) und Mo-
Kolbenstellung in °KW toren, die einen unterteilten Brennraum haben. Bei letzteren
wird der Kraftstoff in eine Nebenkammer (Vorkammer oder
Wirbelkammer) eingespritzt. Man spricht deshalb von „indi-
rekter“ Einspritzung. Ein Teil des Kraftstoffes wird in der
schnell verbrennt, wird durch einen langen Zündverzug Nebenkammer verbrannt. Durch die Drucksteigerung wer-
auch das Verbrennungsgeräusch negativ beeinflusst. Bei den verdampfter Kraftstoff und/oder teilweise oxidierte
modernen Brennverfahren wird deshalb eher ein kurzer Kraftstoffbestandteile in den Hauptraum geblasen und mit
Zündverzug angestrebt. der dort vorhandenen Luft weiter verbrannt. Die zur Erfas-
In Bild 3-12 ist schematisch der Einspritzvorgang über sung des Hauptraumes erforderliche Energie wird also durch
der Zeit als Rechteck dargestellt. Nach dem Zündverzug eine Teilverbrennung des Kraftstoffes erzeugt. Diese zweistu-
beginnt die Wärmefreisetzung mit einem durch die vorge- fige Verbrennung bringt Vorteile im Verbrennungsgeräusch,
mischte Flamme bestimmten, mehr oder weniger steilen hat aber aufgrund der langen Brenndauer und der erhöhten
Gradienten. Die zweite Phase der Energieumsetzung erfolgt, Wandwärmeverluste Nachteile im Kraftstoffverbrauch. Be-
durch die Diffusionsverbrennung gesteuert, wesentlich sonders im unteren Drehzahlbereich wird das Ausströmen
langsamer. Es ist zu erkennen, dass die Stickstoffoxide in der der Gase aus der Nebenkammer durch die zwischenzeitlich
ersten Phase der Verbrennung entstehen und über der Zeit im Hauptraum stattfindende Verbrennung und der damit
nur eine vernachlässigbar geringe Reduktion durch kurzzei- hier verbundenen Drucksteigerung verlängert. Im oberen
tig vorhandenen Wasserstoff oder durch Kohlenmonoxid Drehzahlbereich wird die Brenndauer durch die Übertritts-
auftritt. querschnitte von der Nebenkammer zum Hauptraum be-
Auch die Bildung der Rußpartikel beginnt erst mit der stimmt. Hier ist ein Kompromiss zwischen dem zur Erfas-
Energieumsetzung, da das fette Gemisch entsprechend sung der Hauptraumluft erforderlichen Druck in der Kam-
hohen Temperaturen ausgesetzt werden muss. Allerdings mer und der Brenndauer zu finden.
fällt auf, dass während der fortschreitenden Verbrennung Mit der Weiterentwicklung der Einspritztechnik zu
die Rußkonzentration im Brennraum deutlich abnimmt. Bis höheren Einspritzdrücken, der Möglichkeit der Voreinsprit-
zu ca. 95% des im Brennraum gebildeten Rußes werden in zung und der Einspritzverlaufsformung wurden die Neben-
der Expansionsphase wieder oxidiert. Hohe Temperaturen kammermotoren zunehmend von dem verbrauchs-
und Turbulenzen unterstützen die Rußoxidation. Es wirkt günstigeren Direkteinspritzer vom Markt verdrängt, wes-
sich zudem günstig aus, dass die Partikel noch klein sind, da halb auf Nebenkammer-Merkmale nicht mehr näher einge-
sie erst mit der Zeit zu größeren Partikeln koagulieren. Mit gangen wird.
fortschreitender Expansion werden die Bedingungen für die Das zur Verdampfung und Zündung des Kraftstoffes
Rußoxidation ungünstiger, weil der Druck, die Temperatur, erforderliche hohe Verdichtungsverhältnis der Dieselmo-
die Turbulenz sowie die Partikeloberfläche (infolge der Koa- toren (15 < H < 20; Großmotoren 12 < H < 16) ist nur mit
gulation) abnehmen. Die zur Partikeloxidation erforderliche einem kompakten und damit gleichzeitig hinsichtlich der
Zeit nimmt deshalb mit der Expansion zu. Im Auspuff sind Wandwärmeverluste günstigen Brennraum darstellbar.
die Oxidationsbedingungen so ungünstig geworden, dass Dieselmotoren haben deshalb meist einen flachen Zylin-
keine nennenswerte Rußoxidation erfolgt. Zur Schaffung der derkopf mit parallel hängenden und zurückgesetzten Ven-
3.2 Konstruktive Merkmale 79

tilen. Da der Spalt zwischen Zylinderkopf und Kolben eingesetzt oder auch mit einem Füllungskanal kombiniert
möglichst klein gehalten wird (< 1 mm), wird der Brenn- werden.
raum von Dieselmotoren mit direkter Einspritzung nahezu Die Gestaltung der Kolbenmulde ist immer in Kombina-
ausschließlich durch eine im Kolben befindliche Mulde tion mit der Auslegung der Einspritzdüse sowie der Dreh-
gestaltet. Die der Kraftstoffverbrennung zur Verfügung zahlspanne des Motors zu sehen. Dabei ist zu vermeiden,
stehende Luft ist also im Bereich des oberen Totpunktes dass flüssiger Kraftstoff auf den Boden der Mulde gelangt.
überwiegend (80 bis 85%) in der Kolbenmulde konzent- Motoren mit einer großen Drehzahlspanne arbeiten deshalb
riert. Während der Kompression entsteht eine gerichtete eher mit engen und tiefen Kolbenmulden (b bis d in
Quetschströmung in die Mulde sowie nach Zündeinleitung Bild 3-13). Mit einer sehr stark eingezogenen Mulde wird
und während der Expansion eine turbulente Strömung eine hoch turbulente Strömung im Kolbenspalt erzeugt.
zurück in den Kolbenspalt. Beide Strömungen können Dadurch wird die Diffusionsverbrennung beschleunigt und
durch Ausgestaltung der Kolbenmulde, insbesondere des die Brenndauer verkürzt. Die thermisch-mechanische Belas-
Muldenrandes, beeinflusst werden. Sie unterstützen die tung des Muldenrandes setzt dieser Maßnahme Grenzen.
Vermischung von Luft und Kraftstoff wesentlich. Mit „ein- Drallarme Nfz-Motoren weisen meist weite und flache Kol-
gezogenen“ Mulden kann der Effekt verstärkt werden. Die benmulden auf (a in Bild 3-13).
Ränder dieser Kolbenmulden sind aber mechanisch und
thermisch sehr hoch belastet. 3.2.2 Anordnung der Einspritzdüse
Eine weitere Möglichkeit die Gemischbildung zu unter-
stützen, ist durch den sog. Luftdrall gegeben. Diese überwie- Die Einspritzdüse hat wesentlichen Einfluss auf Strahlzerfall,
gend um die Zylinderachse drehende, als Festkörperrotation Tropfenbildung und Erfassung der Verbrennungsluft durch
der Verbrennungsluft zu beschreibende Strömung, wird den Einspritzstrahl. Die Zweiventiltechnik bedingt durch die
durch die Einlasskanalgestaltung, den Muldendurchmesser Anordnung der Gaswechselventile eine bzgl. des Zylinders
und den Hub des Motors beeinflusst und dient zur Erfas- und der Kolbenmulde außermittige Lage der Einspritzdüse.
sung der zwischen den Einspritzstrahlen liegenden Luftsek- Im Hinblick auf eine optimale Lufterfassung sollten die ex-
toren. Mit zunehmender Düsenlochzahl kann damit das zentrisch angeordneten Düsen mit unterschiedlichen Loch-
erforderliche Drallniveau abgesenkt werden. Langhubige durchmessern und am Umfang unsymmetrischer Lochver-
Motoren arbeiten mit höherer Kolbengeschwindigkeit, teilung ausgeführt werden. Aus Kosten- und Fertigungs-
damit mit höherer Einströmgeschwindigkeit und kommen gründen wird darauf allerdings üblicherweise verzichtet. Da
deshalb mit einem niedrigeren Drallniveau der Einlasskanä- die Kraftstoffstrahlen ferner in gleicher Höhe auf die Mul-
le aus. Mulden mit kleinem Durchmesser erhöhen den denwand auftreffen sollen, sind die Löcher in einem bzgl.
durch die Kanäle erzeugten Drall ebenso. Düsenachse unterschiedlichen Winkel anzuordnen, d. h. die
Die Drall erzeugenden Einlasskanäle von Direkteinsprit- Lochkegelachse weicht von der Düsenachse ab. Dadurch
zern sind als Spiralkanäle oder Tangentenkanäle ausge- werden die Strömungsverhältnisse in der Düse enorm beein-
führt. Bei der Vierventiltechnik können beide Varianten trächtigt und trotz großer Anstrengungen im Bereich

Bild 3-13 Brennraummulden von Dieselmotoren mit direkter Einspritzung


80 3 Die dieselmotorische Verbrennung

Düsenauslegung und Düsenfertigung sind die Eigenschaften stoffoxide zu vermeiden, können sie wirkungsvoll erst durch
der einzelnen Strahlen sehr unterschiedlich. eine Abgasnachbehandlung reduziert werden. Dabei ist zu
Der Einsatz der Vierventiltechnik ermöglicht eine bzgl. beachten, dass aufgrund des stets herrschenden Luftüber-
des Zylinders mittige Anordnung der Düse und damit sym- schusses die vom Ottomotor bekannte und bewährte Tech-
metrische Verhältnisse für die Kraftstoffstrahlen, was der nologie des Dreiwege-Katalysators nicht einsetzbar ist.
Gemischbildung und damit den charakteristischen Motor- Da das nach dem Zeldovich-Mechanismus – auch ther-
kennwerten Verbrauch, Verbrennungsgeräusch und Emissi- mischer NO-Mechanismus genannt – entstehende Stick-
onen zugute kommt und eine Optimierung der teilweise stoffmonoxid sehr schnell gebildet wird („Prompt NO“) und
gegenläufigen Einflüsse erleichtert. bei heterogener Gemischbildung die für eine NO-Bildung
Düsenüberstand und Lochkegelwinkel bestimmen zusam- günstigen, lokal vorherrschenden O-Zonen nicht vermieden
men mit dem Einspritzzeitpunkt und der Strahlgeschwin- werden können, bietet die Absenkung der Verbrennungstem-
digkeit den Auftreffpunkt der Kraftstoffstrahlen auf den peratur einen technisch wirkungsvollen Lösungsansatz zur
Muldenrand (Bild 3-14). Dieser Auftreffpunkt sollte mög- Verringerung der NO-Bildung.
lichst hoch liegen. Bei der Auslegung ist darauf zu achten, Die bekannteste Methode zur Temperaturabsenkung ist
dass eine evtl. vorliegende Quetschströmung den Auftreff- die beim Pkw-Dieselmotor seit längerem eingesetzte Abgas-
punkt drehzahlabhängig beeinflusst und dass die zuneh- rückführung (AGR). Im Wesentlichen wirkt sich dabei die
mende Luftdichte die Strahlausbreitung behindert. Bild 3-15 erhöhte Wärmekapazität der inerten Verbrennungsprodukte
zeigt die Möglichkeit einer zentralen Düsenanordnung bei Wasserdampf und Kohlendioxid auf die lokale Temperatur
4-Ventiltechnik, sowie die Anordnung einer als Kaltstarthil- aus. Die gekühlte AGR ist besonders effektiv und vermin-
fe erforderlichen Glühkerze. dert die negativen Auswirkungen auf den Kraftstoffver-
brauch, belastet aber den Wärmehaushalt des Fahrzeugküh-
3.2.3 Abgasrückführung, Verbrennungs-
temperatursenkung
Wie in Abschn. 3.1.1.5 gezeigt, wird das erst einmal gebildete,
sehr reaktionsträge Stickstoffmonoxid in der Expansions-
phase kaum rückgebildet. Auch das zusätzliche Einbringen
von Wasserstoff, Kohlenmonoxid oder Kohlenwasserstoffen
ist wenig effektiv. Gelingt es nicht, die Entstehung der Stick-

Bild 3-14 Strahlausbreitung und deren Einflussfaktoren [3-13] Bild 3-15 Anordnung einer zentralen Einspritzdüse bei 4-Ventiltechnik
3.2 Konstruktive Merkmale    81

lers. In manchen Lastbereichen kann deshalb die mögliche Schluss“ wird ein Teil des Ansaugtaktes zur Expansion der
AGR-Rate durch die Kühlleistung des Fahrzeugkühlers angesaugten Luft verwendet, wodurch deren Temperatur
begrenzt werden. Die Kühler sind aufgrund der aggressiven abgesenkt wird und die Verbrennung auf niedrigerem Tem-
Abgase aus Edelstahl auszuführen. Aufgeladene Dieselmo- peraturniveau abläuft. Diese Technik wird vor allem für den
toren bieten sich für die AGR besonders an, da der Abgas- Einsatz bei Großdieselmotoren untersucht. Im Teillastbe-
transport vom Abgasstrang in den Ansaugtrakt erleichtert reich ist diese Technologie durchaus zielführend, zumal
wird. Wird das Abgas vor der Turbine entnommen und auch noch das λ abgesenkt wird. Ein Nachteil dieses Kon-
nach Ladeluftkühler der Luft zugeführt, spricht man von zeptes ist, dass durch den frühen „Einlass-Schluss“ der Lie-
einer „hochdruckseitigen AGR“ (short way EGR). Bei der fergrad und damit die Leistung beeinträchtigt wird. Dies
„niederdruckseitigen AGR“ wird das Abgas nach der Turbi- muss dann durch laderseitige Maßnahmen kompensiert
ne bzw. nach dem Dieselpartikelfilter (DPF) entnommen werden.
und vor dem Verdichter der Ansaugluft zugeführt (long way Die Einspritzung von Wasser ist ebenso ein Mittel zur
EGR). Diese Anordnung belastet Verdichter und Ladeluft- Absenkung der Verbrennungstemperatur. Dabei zeigt die
kühler, ist hinsichtlich des Wirkungsgrades ungünstiger, hat Wassereinbringung in das Saugrohr den geringsten Effekt
aber Vorteile bezüglich der Vermischung des Abgases mit und hat außerdem den Nachteil einer Ölverdünnung. Besser
der Verbrennungsluft sowie hinsichtlich der Gleichvertei- geeignet ist die Wassereinspritzung in den Brennraum über
lung auf die Zylinder. In allen Fällen wird die Rückführrate eine separate Düse, wobei deren Kühlung nicht unproble-
über ein pneumatisch, hydraulisch oder elektromagnetisch matisch ist. Die effektivste, aber auch aufwendigste Methode
betätigtes AGR-Ventil geregelt. Da durch das zugeführte ist mit einer „Zweistoffdüse“ gegeben. Hier wird während
Abgas üblicherweise Anteile der Verbrennungsluft ersetzt der Spritzpause über eine Dosierpumpe Wasser in die Ein-
werden, spricht man von einer „replaced EGR“. Bei dieser spritzdüse eingelagert. Dabei wird das Wasser so platziert,
Art der AGR wird also das Luft/Kraftstoffverhältnis verrin- dass zunächst Dieselkraftstoff, dann Wasser und schließlich
gert. Soll trotz AGR das Luft/Kraftstoffverhältnis konstant wieder Diesel in den Brennraum eingebracht werden kann.
gehalten werden, bedingt dies einen erhöhten Ladedruck. In Dies hat den großen Vorteil, dass Zündverzug und Brenn­
diesem Fall spricht man von einer „additional EGR“. ende nicht verlängert werden und das Wasser zum richtigen
Turbolader mit einer variablen Turbinengeometrie eignen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zur Temperaturabsenkung
sich besonders für die AGR, da in weiten Lastbereichen das zur Verfügung steht.
zum Abgastransport erforderliche Druckgefälle eingestellt In dieser Hinsicht weniger geeignet ist die Wassereinbrin-
werden kann und sogar eine „additional EGR“ möglich ist. gung in Form einer Diesel-/Wasseremulsion. In allen Fällen
Für den AGR-Transport ist es notwendig erheblich aufzu- ist jedoch die Bereitstellung des Wassers problematisch.
stauen, womit der Druck in der Turbine häufig nicht mehr
völlig abgebaut werden kann. Das verbleibende Restdruck- 3.2.4 Auswirkung der Aufladung
gefälle kann dann über eine nachgeschaltete zweite Turbine
genutzt werden. Diese ist entweder mit einem zweiten Ver- Wie in Bild 3-16 gezeigt, kann mit einer Abgasrückführung
dichter (zweistufige Aufladung) verbunden, oder sie gibt die Stickstoffoxidemission deutlich reduziert werden. Mit
ihre Energie an die Kurbelwelle (Turbo Compound, TC) der sog. „replaced EGR“ sinkt allerdings das Luftverhältnis λ
ab. deutlich ab. Auf Grund der schlechteren Oxidationsbedin-
Eine weitere Möglichkeit des Abgastransportes ist durch gungen für den Ruß hat dies einen Anstieg der Partikel zur
die Nutzung der Auslassdruckspitzen gegeben. Die Druck- Folge. Bei identischem Luftverhältnis λ, also mit der sog.
spitzen überdrücken ein Rückschlagventil (Reed Valve) „additional EGR“ können die ursprünglichen Partikelwerte
wodurch kurzzeitig eine Verbindung zwischen Abgaskrüm- nahezu erreicht werden. Bei gleichem Spritzbeginn betrach-
mer und Saugrohr frei gegeben wird. tet, wird dabei die NOX-Emission nur geringfügig erhöht.
Eine einfache Methode die Verbrennungstemperatur Die „additional EGR“ stellt allerdings hohe Anforderungen
abzusenken, ist durch die Wahl eines späten Einspritzbe- an Aufladetechnik, Wärmehaushalt und zulässigen Spitzen-
ginnes gegeben, da die durch die Verbrennung bedingte druck des Motors.
Druck- und damit Temperatursteigerung einer Druckmin- Da der Luftdurchsatz des Hubkolbenmotors und der Strö-
derung durch die Expansion entgegensteht. Dieser Effekt mungsmaschine Turbolader über der Drehzahl unterschied-
wirkt sich allerdings negativ auf die Rußoxidation und den liche Schluckliniencharakteristika aufweisen, sind die Turbi-
Wirkungsgrad des Motors aus. nenquerschnitte entweder im unteren Drehzahlbereich zu
Die Verbrennungstemperatur kann auch durch den sog. groß oder im oberen zu klein dimensioniert. Ein schnelles
Miller-Cycle abgesenkt werden. Durch frühen „Einlass- Ansprechverhalten des Laders erfordert ein auf niedrige
82 3 Die dieselmotorische Verbrennung

Ein guter Ansatz ist auch durch den eingesetzten Kraftstoff


selbst gegeben. Da Aromaten die ringförmige Grundstruktur
der Rußpartikel aufweisen und damit als deren Vorläufer zu
betrachten sind, tragen aromatenfreie Kraftstoffe zur Ent-
spannung des Zielkonfliktes NOX/PM bei. Die mittels
Fischer-Tropsch aus Methan (Erdgas) hergestellten GtL-
Kraftstoffe (Gas to Liquid) bestehen ausschließlich aus Paraf-
finen und sind somit ideale Dieselkraftstoffe, s. Kapitel 4.
Sauerstoffhaltige Kraftstoffe wie Methanol oder Dimethyl-
ether (DME) bilden auf Grund der in ihren Molekülen vor-
handenen Sauerstoffatome keinen Ruß, sind aber wegen
ihrer geringen Zündneigung (Methanol) oder ihres Dampf-
druckes (DME) weniger für konventionelle Dieseleinsprit-
Bild 3-16 Einfluss der AGR-Rate und des Luft/Kraftstoff- Verhältnisses auf
zung geeignet.
die NOX- und Rußemission eines direkt einspritzenden Dieselmotors
Rapsöl-Methylester (RME) wird von den Motorenherstel-
lern bedingt zugelassen, wobei die Ölwechselintervalle
deutlich kürzer sind. Aufgrund der am Markt sehr unter-
schiedlichen Qualität des RME ergeben sich auch Unter-
Massenströme ausgelegte Turbine, wodurch sie im oberen schiede in der die Gemischbildung beeinflussenden Viskosi-
Drehzahlbereich verstopft, was den Gaswechselwirkungs- tät. Deshalb befürworten die meisten Motorhersteller eher
grad verschlechtert und die innere Abgasrückführung eine unproblematische Zumischung von RME bis zu 5%
erhöht. Dieses Problem kann durch ein druckgeregeltes zum konventionellen Dieselkraftstoff. Gepresstes Rapsöl
Abblasventil zu Lasten einer optimalen Abgasenergienut- (ohne Umwandlung zu Methylester) wird von den Motor-
zung gelöst werden. Eine Turbine mit „variabler Turbinen- herstellern sehr kritisch gesehen, da es zu Problemen im
geometrie“ oder eine Registeraufladung sind diesbezüglich Einspritzsystem führt und als Folge Motorschäden auftreten
die besseren Alternativen [3-14]. können.
Die Aufladung hilft aber nicht nur den Zielkonflikt NOX/ Da bei RME nur die Frucht der Pflanze genutzt wird,
PM zu entspannen, sie ist auch zur Erhöhung der Leistungs- zielen neueste Ansätze bei der Nutzung von Biomasse auf
dichte und zur Anpassung des Drehmomentverhaltens eines die Verwertung der kompletten Pflanzen. Dabei wird die
Motors von enormer Bedeutung. Moderne Dieselmotoren- Biomasse vergast. Das Gas kann vorzugsweise in stationären
konzepte in Europa beinhalten deshalb bereits die zweistu- Anlagen genutzt, oder für den mobilen Einsatz (wie oben
fige Aufladung mit Zwischenkühlung der Ladeluft. am Beispiel GTL gezeigt) in einem weiteren Schritt verflüs-
sigt werden.
3.3 Alternative Verbrennungsverfahren Bei alternativen Brennverfahren wird versucht die Ver-
brennungstemperatur abzusenken und die kritischen O-
Wie oben beschrieben, ist der Zielkonflikt zwischen PM und Bereiche um 1,3 > O > 1,1 (NOX-Bildung) oder 0 < O < 0,5
NOX, aber auch zwischen NOX und Verbrauch durch die he- (Rußbildung) völlig zu vermeiden. Ziel ist, den Motor
terogene Gemischbildung des Dieselmotors bedingt. Es wird wesentlich magerer, homogen und bei niedrigen Tempera-
auch gezeigt, dass im heterogenen Gemisch eines konventio- turen zu betreiben. Die für eine ausreichende Homogenisie-
nellen Dieselmotors immer Temperatur- und O-Bereiche rung stets erforderliche Zeit soll bei den meisten Ansätzen
vorliegen, in denen sowohl Stickstoffoxide als auch Partikel durch eine Verlängerung der Zündverzugsphase erreicht
entstehen können. Da im Gegensatz zu den im Brennraum werden.
entstandenen Partikeln die einmal gebildeten Stickstoffoxide Der konventionellen Dieselgemischbildung am nächsten
innermotorisch nicht mehr verringert werden können, zie- kommt dabei das HCLI-System (Homogeneous Charge Late
len moderne Verbrennungsverfahren darauf ab, Stickstoff- Injection). Das Verfahren arbeitet mit einem etwas früheren
oxide erst gar nicht entstehen zu lassen, indem die Tempera- Einspritzzeitpunkt als konventionelle Dieselmotoren und
tur abgesenkt wird (später Spritzbeginn, AGR, Miller, Was- damit einem längeren Zündverzug. Dadurch soll die Zeit
sereinspritzung). Geht die jeweilige Maßnahme zu Lasten zur Verringerung der fetten Bereiche verlängert und der
der Rußbildung, müssen verstärkt Methoden zur Rußoxida- Anteil der mageren Gemischbereiche vergrößert werden.
tion (hoher Einspitzdruck, Nacheinspritzung, Aufladung) Zur Vermeidung von Frühzündungen benötigt das Verfah-
angewandt werden. ren sehr hohe AGR-Raten in der Größenordnung von 50 bis
3.3 Alternative Verbrennungsverfahren    83

80% und ist deshalb wohl nur im Teillastbereich anwend-


bar.
Ebenfalls mit einem langen Zündverzug, allerdings mode-
raten Abgasrückführraten, arbeitet das HPLI-Verfahren
(Highly Premixed Late Injection). Wie der Name schon sagt,
wird der lange Zündverzug durch eine extrem späte, deut-
lich nach OT liegende Einspritzung, erreicht. Das Verfahren
hat Verbrauchsnachteile und der fahrbare Kennfeldbereich
ist durch die Abgastemperatur begrenzt.
Bei dem „Dilution Controlled Combustion System“
(DCCS) soll bei konventionellen Einspritzzeitpunkten mit-
tels AGR-Raten > 80% die Temperatur unter die NOX- und
Rußbildungstemperatur abgesenkt werden.
Beim klassischen HCCI-System (Homogeneous Charge
Compression Ignition) wird der Homogenisierung entschei-
dende Bedeutung zur Absenkung von NOX und Ruß beige-
messen. Man gibt dem Gemisch sehr viel Zeit für die Homo-
genisierung und spritzt deshalb sehr früh im Verdichtungs- Bild 3-17 Betriebsbereiche konkret ausgeführter alternativer Brennver­
takt ein (90° bis 140 ° KW vor OT), oder man arbeitet sogar fahren
mit äußerer Gemischbildung. Dabei können Probleme
durch Schmierölverdünnung infolge schlecht verdampften
Dieselkraftstoffs entstehen. Die Verbrennung wird einge-
leitet, wenn durch die Kompression des Gemisches die nagement auch davon abhängen, wie der Kompromiss der
erforderliche Zündtemperatur erreicht wird. Der Beherr- Motorkennwerte bei Volllast und Teillast gelingen wird.
schung des thermodynamisch richtigen Zündzeitpunktes Handelt man sich bei diesen vorwiegend auf den Teillast­
sowie des Verbrennungsablaufes unter den unterschied- bereich ausgelegten Verfahren zu große Nachteile im Voll-
lichen Randbedingungen kommt diesem, dem konventio- lastbereich ein, werden die Chancen für eine Umsetzung
nellen Ottoprinzip nah verwandten, Konzept eine wesent- geringer.
liche Bedeutung zu. Das Verfahren erfordert zur Vermei- Die Hoffnung, durch Anpassung des Kraftstoffes an die
dung von Frühzündungen eine Absenkung des Verdich- geänderten Randbedingungen eine bessere Homogenisie-
tungsverhältnisses auf 12:1 < ε < 14:1 und die Verwendung rung und eine exaktere Beherrschung des Zündzeitpunktes
hoher AGR-Raten (40 bis 80%). Die hohen Abgasrückführ- zu erreichen, dürfte nur schwer zu erfüllen sein.
raten werden teilweise durch Einsatz eines Ventiltriebs mit Vielstoffmotoren stellen hinsichtlich Klopffestigkeit
variablen Ventilsteuerzeiten dargestellt. Mit diesen Ventil- (Oktanzahl OZ) oder Zündwilligkeit (Cetanzahl CZ) kei-
trieben ist auch das Millerverfahren möglich, mit dem, wie nerlei Anforderungen an den Kraftstoff und sollen deshalb
oben gezeigt, die Gemischtemperatur abgesenkt werden Benzin (Ottokraftstoff) und Dieselkraftstoff gleichermaßen
kann. Trotzdem ist der Grat zwischen klopfender Verbren- vertragen. Wie in Abschn. 3.1.1 gezeigt, benötigen zündun-
nung, Frühzündung und Zündaussetzern sehr schmal. willige Ottokraftstoffe eine externe Zündquelle in Form
Letzteres erfordert bei extremer Teillast zusätzlich zur AGR einer Zündkerze. Zündwillige Kraftstoffe kommen zwar
eine Drosselung der Ansaugluft. Auch dieses Verfahren ist ohne fremde Zündquelle aus, dürfen aber, um Frühzün-
wegen dieser Einschränkungen nur im unteren und mittle- dungen zu vermeiden, erst sehr spät in den Brennraum
ren Lastbereich möglich. eingebracht werden. Sie benötigen also eine späte innere
Die bei den oben vorgestellten Verfahren bevorzugten Gemischbildung. Auf diese könnte wiederum eine lediglich
bzw. angestrebten Lambda- und Temperaturbereiche sind in mit Benzin betriebene Maschine verzichten. Sollen also
Bild 3-17 dargestellt. Den größten fahrbaren λ-Bereich und beide Kraftstoffarten in einem Motor, dem sog. Vielstoffmo-
die niedrigsten Temperaturen werden mit dem DCCS-Ver- tor, gefahren werden können, ist eine innere Gemisch­
fahren erreicht. Den kleinsten fahrbaren λ-Bereich bietet bildung mit später Einspritzung und zusätzlicher Fremd-
das HCCI-Konzept. Im untersten Lastbereich ist zusätzlich zündung erforderlich. Die Anwendung solcher Verfahren
zur AGR eine Drosselung der Ansaugluft erforderlich. Ob beschränkt sich meist auf Nischenprodukte (z. B. militä-
sich eines dieser Verfahren durchsetzen kann, wird neben rische Fahrzeuge).
dem fahrbaren Lastbereich und dem erforderlichen Airma-
84    3 Die dieselmotorische Verbrennung

3.4 Prozesssimulation von Einspritzverlauf Abbremsung, aber auch Stöße oder Zerfalls- und Koagula­
tionsvorgänge) unterworfen ist.
und Brennverlauf
Für die Beschreibung der Selbstzündungsreaktionen in
Berechnungsprogramme zur Simulation der Prozessführung der Gasphase kommt ein einfacher chemischer Reaktions-
in Verbrennungsmotoren sind inzwischen neben dem Expe- mechanismus zur Anwendung, bei dem chemische Spezies,
riment unverzichtbare Werkzeuge bei der Optimierung der die gleiches oder ähnliches Verhalten aufweisen, zu sog.
häufig gegenläufigen Motorkenngrößen geworden [3-15]. „generischen Spezies“ zusammengefasst werden [3-16].
Mit Einsatz der Prozesssimulation lassen sich die Entwick- Dadurch lässt sich die Zahl der erforderlichen Berechnungs-
lungszeiten deutlich verringern und die Versuchsläufe auf schritte im mehrdimensionalen Rechenprogramm deutlich
die Feinoptimierung der Prozesse reduzieren. Mit den heute reduzieren.
bereitstehenden Werkzeugen lassen sich aber nicht nur Sen- Die Simulation des Verbrennungsprozesses baut auf den
sitivitätsstudien mit Trendaussagen durchführen, sondern in Modellrechnungen für die Gemischbildung auf, da diese die
Teilbereichen sind auch detaillierte quantitative Aussagen Verbrennung und die Schadstoffbildung wesentlich beein-
möglich. Dabei sind phänomeno­logische Ansätze gleicher- flussen. Numerische Modellrechnungen bergen aber die
maßen hilfreich wie die 3D‑Simulation. Dazu ist es erforder- Gefahr, dass die Modellparameter mit der Numerik intera-
lich, den gesamten Prozess der motorischen Verbrennung gieren und somit falsche Ergebnisse entstehen können.
von der Einlassströmung und Einspritzung über Verdamp- Diese Erfahrung machte man z. B. mit den Strahlmodellen
fung, Gemischbildung und Verbrennung bis zur Bildung und deren Einsatz bei Einspritzsystemen, die einen immer
und Emission der Schadstoffe zu beschreiben. Das äußerst höheren Einspritzdruck ermöglichten. Die CFD-Software
komplexe thermodynamische System der heterogenen (die- abstrahiert die reale Geometrie als Netzstruktur, wobei die
selmotorischen) Verbrennung lässt sich dabei nur durch 3D-Rechnung oft nicht in der Lage ist, Mikrogeometrien,
Aufteilung in Teilprozesse beherrschen. Für die Modellie- wie sie beispielsweise in Düsenlöcher auftreten, mit ausrei-
rung stehen verschiedene Simulationsplattformen zur Verfü- chender Auflösung dieser Netzstruktur zu beschreiben bzw.
gung, die als kommerzielle CFD-Software (Computational die relevanten Zahlgrößen mit Netzstellen entsprechend
Fluid Dynamics) angeboten werden. Bekannte Programme darzustellen [3-17]. Allerdings ist es aus verschiedenen
sind u. a. „FLUENT“, „STAR CD“, oder „FIRE“. Für die La- Gründen nicht möglich, die Netzstruktur an der Düse belie-
dungswechselberechnung wird auch das Programmsystem big zu verfeinern. Es besteht daher noch immer Bedarf, die
„PROMO“ eingesetzt. Für Parameterstudien finden häufig Ergebnisse aus der Modellrechnung abzugleichen und
sog. „nulldimensionale phänome­nologische Modelle“ An- anhand belastbarer Messergebnisse zu überprüfen.
wendung. Für die Hochtemperaturphase der Verbrennung, in der
Als Basis der 3D-Modellierung zur Optimierung von der Kraftstoff mit dem Sauerstoff der Verbrennungsluft zu
Brennverfahren dienen interaktive Berechnungsnetze, die Kohlendioxid und Wasser oxidiert, bedient man sich des
sich an den konkreten Geometrien der Kanäle und des Modells der „einstufigen Globalreaktion“, wobei man von
Brennraumes orientieren. Die numerische Lösung der Grund- der Annahme ausgeht, dass dieser Oxidationsprozess
gleichungen für die Strömungsprozesse erfolgt mit Hilfe wesentlich schneller als der Gemischbildungsprozess zwi-
mathematischer Verfahren und ermöglicht eine detailgetreue schen Luft und verdampftem Kraftstoff abläuft.
Darstellung der Ansaug- und Verdichtungsphase unter Auch für die Rußbildung bestehen Modelle, bei denen die
Berücksichtigung der Kolben- und Ventilbewegung. Grund- Teilprozesse der Keimbildung, der Koagulation, aber auch
lage für die Beschreibung des Verbrennungsprozesses ist die der Oxidation berücksichtigt werden. Die Stickstoffoxidbil-
CFD-Modellierung der Kraftstoffstrahlausbreitung, des dung wird mit Hilfe des Zeldovich-Mechanismus beschrie-
Strahlzerfalles und der Tropfenbildung, der Tropfenverdamp- ben. Da die thermische NO-Bildung wesentlich langsamer
fung, der Vermischung des Dampfes mit der Verbrennungs- als die Oxidationsreaktionen in der Flamme abläuft, kann
luft, der Zündeinleitung und Verbrennung sowie der Schad- sie losgelöst von den eigentlichen Verbrennungsreaktionen
stoffbildung und deren innermotorische Verringerung. betrachtet werden.
Das heute allgemein übliche Verfahren zur Beschreibung
von Einspritzstrahlen basiert auf der statistischen Mechanik,
dem sog. „Diskrete-Tropfen-Modell“, das auch in die oben
erwähnte Software integriert ist. Dabei wird die Dynamik
der Wahrscheinlichkeitsverteilung eines Vielteilchensystems
beschrieben, bei dem jedes Teilchen einem kontinuierlichen
Veränderungsprozess (bei Tropfen z. B. Verdampfung und
3 Literatur    85

Literatur 3-10 Hiroyasu, H. et al.: Spontaneous Ignition Delay of Fuel


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Computing the Pressure Rise Delay of a Fuel from its 1998
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3-9 Heywood, J.B.: Internal Engines Fundamentals. Mc und Versuchstechnik für die Entwicklung von Ver-
Graw-Hill Book Company brennungsmotoren. Essen: Haus der Technik (2000) 9
4 Kraftstoffe

4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren Heutige Dieselkraftstoffe sind genauso präzise und eng spe-
zifiziert wie Ottokraft­stoffe. Dabei erfordern die teilweise
4.1.1 Einführung gegenläufigen Anforderungen, wie z. B. Zündwilligkeit und
Wintertauglichkeit oder Schmierfähigkeit und niedriger
Als Rudolf Diesel Ende des 19. Jahrhunderts den ersten Ver- Schwefelgehalt, vermehrt den Einsatz von Additiven.
brennungsmotor mit Selbstzündung entwickelte, stellte er Für die verschiedenen Einsatzgebiete von Motoren mit
fest, dass Benzin mit seiner Sicherheit gegen Selbstzündung Selbstzündung im Straßenverkehr, für Lokomotiven oder
als Kraftstoff ungeeignet war. Nach umfangreichen Versu- für Schiffe werden im Wesentlichen aus wirtschaftlichen
chen mit verschiedenen Kraftstoffen ergab sich, dass sog. Gründen deutlich unterschiedliche Kraftstoffe verwendet.
Mitteldestillate deutlich besser geeignet waren. Dies waren Durch konstruktive Maßnahmen können die jeweiligen
Komponenten, die bei der Destillation von Rohöl bei hö- Motoren an die unterschiedlichen Kraftstoffe angepasst
heren Temperaturen als Benzin anfielen und für die es bis werden.
dahin nur begrenzte Verwendungsmöglichkeiten gab. Ty- Der weltweite Markt für Diesel Fahrzeuge (Pkw und Nfz)
pische Anwendungsgebiete waren damals Lampenpetroleum lässt zunehmend einen Trend zu einem möglichst einheit-
und der Zusatz zum Stadtgas. Daher rührt auch die heute lichen Kraftstoff erkennen. Tatsächlich bestehen aber welt-
noch gebräuchliche und beim Zoll übliche Bezeichnung weit zum Teil erhebliche Unterschiede. So sind die USA
„Gasöl“ für Mitteldestillate her. weiterhin deutlich von Ottomotoren und Benzin geprägt. In
Der bessere Wirkungsgrad des Dieselmotors und die jüngster Zeit ist aber auch in den USA ein Trend hin zu
zunächst niedrigen Herstellungskosten von Dieselkraftstoff fortschrittlichen Diesel-Pkw und entsprechend angepassten
haben trotz vieler anfänglicher technischer Probleme zum Dieselkraftstoffen zu erkennen.
kommerziellen Erfolg des Dieselmotors geführt. Dabei war Für den Straßenverkehr war bisher, anders als bei Otto-
der Dieselkraftstoff noch lange Zeit ein Nebenprodukt bei kraftstoffen, üblicherweise nur eine Qualität verfügbar. Erst
der Benzin­herstellung. in letzter Zeit sind in einigen Ländern mit großer Popula­
Grundsätzlich können bei der motorischen Verbrennung tion von Dieselfahrzeugen auch Dieselkraftstoffe mit unter-
mit Selbstzündung sehr unterschiedliche Kraftstoffe ver- schiedlicher Qualität im Angebot, wie z. B. sog. Truck Diesel
wendet werden, vorausgesetzt, dass sie genügend zündwillig oder Premium Diesel.
sind und Motoren und Kraftstoffe aneinander angepasst Dieselkraftstoff wird auch heute noch überwiegend aus
sind (Diesel­kraftstoffe für den Straßenverkehr und Rück- Erdöl hergestellt. Qualitativ hochwertige Komponenten (mit
standsöle für Schiffsmotoren). Für den Straßenverkehr hoher Zündwilligkeit) werden neuerdings aber auch aus
haben u. a. steigende Anforderungen an Betriebs­sicherheit, Erdgas hergestellt. In Deutschland wird ab 2004 eine Beimi-
Abgas- und Geräuschemissionen zu zusätzlichen Quali- schung von Komponenten aus nachwachsenden Rohstoffen
tätsaspekten von Dieselkraftstoffen geführt, z. B. (Biokraftstoff-Komponenten) in niedriger Konzentration
– Sauberkeit, zum Dieselkraftstoff vorgenommen (DIN EN 590 [4-1]), die
– Oxidationsstabilität, ab 1.1.2007 als Zwangsbeimischung gesetzlich vorgeschrie-
– Fließfähigkeit bei niedrigen Temperaturen, ben ist.
– Schmiersicherheit und
– niedriger Schwefelgehalt.
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren    87

4.1.2 Verfügbarkeit Weltweit wird der Verbrauch von Mineralölprodukten


einschließlich Dieselkraft­stoff zunächst weiterhin ansteigen,
Dieselkraftstoff, wie er heute weltweit verwendet wird, ge- wogegen in den klassischen Industrieländern der Verbrauch
winnt man fast ausschließlich aus Rohöl/Erdöl. Die gewinn- durch intelligentere Nutzung abnehmen wird. Der jeweils
baren Erdölreserven betragen z. Z. etwa 150 Milliarden Ton- aktuelle Dieselkraftstoffverbrauch in Deutschland kann
nen. Diese Größe ist allerdings abhängig von der verfügbaren dem Jahresbericht des Mineralöl­wirtschaftsverbandes
Technik, die dramatisch weiterentwickelt wurde, und vom (MWV, Hamburg) entnommen werden. Im Jahr 2006
Kapital, das für Exploration und Förderung verfügbar ist. Je betrug er etwa 29 Millionen Tonnen.
teurer das Rohöl auf den internationalen Märkten ist, desto
mehr Kapital kann für Erkundung, Erschließung, Förderung 4.1.3 Herstellung
und Transport aufgebracht werden. Gleichzeitig steigen da-
mit auch die Chancen alternativer und bisher unwirtschaft- Bei der klassischen Herstellung von Dieselkraftstoff durch
licher Rohstoffe und Herstellungsverfahren. Eine wesent- Destillation von Rohöl (Bild 4‑1) ist die Ausbeute unter-
liche Größe zur Beurteilung der Verfügbarkeit ist das Ver- schiedlich, je nachdem welches Rohöl (leicht, niedrigviskos
hältnis zwischen jährlicher Förderung und sicher gewinn- oder schwer, hochviskos) eingesetzt wird (Tabelle 4‑1).
baren Reserven. Zurzeit geht man davon aus, dass die Dieselkraftstoff wird aus den sog. Mitteldestillaten herge-
Reserven etwa 40 Jahre reichen werden. stellt. Neben der einfachen atmosphärischen und der Vaku-
Vorkommen und Verbrauch von Rohöl sind weltweit sehr um-Destillation gibt es eine ganze Reihe weiterer Verfahren
ungleichmäßig verteilt. Die meisten Reserven liegen im (thermisches oder katalytisches Cracken, Hydrocracken),
Nahen Osten. Entsprechend der derzeitigen Szenarien kann die sowohl die Ausbeute aus dem Rohöl und/oder auch die
man davon ausgehen, dass die Förderung von Erdöl im Qualität der hergestellten Dieselkraftstoffkomponenten
21. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichen wird. Abhängig erhöhen, Bild 4‑2.
vom jeweiligen Szenario sind lediglich Zeitpunkt und maxi- Bei allen der genannten Crackverfahren werden schwer
male Fördermenge strittig [4-2]. Bei der Nutzung alternati- siedende Rohölfraktionen aufgebrochen und zu leichter
ver Kraftstoffe (s. Abschn. 4.2 und 4.4) ist besonders die siedenden Kohlenwasserstoffen umgewandelt. Beim ther-
Kraftstoffsynthese aus Erdgas und aus nachwachsenden mischen Cracken (Visbreaker, Coker) geschieht dies alleine
Rohstoffen von großem Interesse. durch hohen Druck und hohe Temperatur. Beim kataly-

Bild 4-1 Vereinfachtes Schema einer Destillationsanlage


88    4 Kraftstoffe

Tabelle 4-1 Prozentuale Ausbeute durch Destillation verschiedener Rohöle

Rohöltyp Mittel-Ost Afrika Nordsee Südamerika


Arabien light Nigeria Brent Maya

Flüssiggas <1 <1 2 1


Naphta (Benzine) 18 13 18 12
Mitteldestillat 33 47 35 23
Rückstandsöle 48 39 45 64

Bild 4-2 Vereinfachtes Schema


einer Mineralölraffinerie

tischen Cracken ist zusätzlich ein Katalysator vorhanden. Um die für Dieselkraftstoff geforderten niedrigen Schwe-
Dadurch lässt sich die Zusammensetzung (Molekül­struktur) felgehalte zu erreichen (in der EU sind beispielsweise nur
des Fertigproduktes besser steuern und es entstehen weniger noch sog. schwefelfreie Kraftstoffe zulässig, wobei der tat-
instabile Kohlenwasserstoffe. Die größte Flexibilität hin- sächliche Grenzwert bei max. 10 ppm Schwefel liegt), ist
sichtlich der Ausbeutestruktur (Benzin oder Mitteldestillat) eine äußerst wirksame Entschwefelung nötig. Hierzu wird
erlaubt das Hydrocracken. Bei diesem Verfahren wird dem dem Einsatzprodukt, z. B. aus der Rohöl-Destillation, was-
aus der Destillation gewonnenem Einsatzprodukt unter serstoffreiches Gas aus dem katalytischen Reformer zuge-
hohem Druck und hoher Temperatur Wasserstoff (gewon- führt und nach Erhitzung über einen Katalysator geleitet
nen aus dem katalytischen Reformer der Benzin-Herstel- (Bild 4‑3). Neben der entschwefelten Flüssigphase (Diesel-
lung) zugeführt. Dieser Prozess sorgt dafür, dass die für kraftstoff-Komponente) entsteht als Zwischenprodukt
Dieselkraftstoffe weniger geeigneten Kohlenwasserstoffe mit Schwefelwasserstoff, aus dem in einer nachgeschalteten
Doppelbindungen, wie Olefine und Aromaten, deutlich Anlage elementarer Schwefel hergestellt wird (Claus-Pro-
reduziert werden. zess).
Ein weiterer wichtiger Prozess ist die Entschwefelung. Je nach verwendetem Rohöl und den verfügbaren Anla-
Abhängig von der Herkunft des Rohöls enthält dieses unter- gen einer Raffinerie wird Dieselkraftstoff aus verschiedenen
schiedliche Mengen an chemisch gebundenem Schwefel. Komponenten hergestellt, so dass entsprechend der in Nor-
Typisch sind Konzentrationen zwischen 0,1 und 3% (Tabel- men festgelegten Qualitätsanforderungen für Sommer- und
le 4‑2). Winterkraft­stoffe ein hochwertiger und für den Motor
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren    89

schiedliche Zusammensetzungen je nach dem verwendeten


Tabelle 4-2 Typische Schwefelgehalte einiger Rohöle
Rohöl haben, ist die Zusammensetzung der Komponenten
Herkunft Bezeichnung Schwefelgehalt Gew.-% aus den Crack-Verfahren weitgehend verfahrensabhängig
(Tabelle 4‑3).
Nordsee Brent 0,4 Leichtsiedende Komponenten und solche mit höherem
Mittlerer Osten Iran schwer 1,7 Aromatengehalt (z. B. Kerosin) zeichnen sich meist durch
Arabien leicht 1,9 gute Filtrierbarkeit bei niedrigen Temperaturen aus. Dem-
Arabien schwer 2,9
zufolge wird deren Konzentration im Winter erhöht. Sie
Afrika Libyen leicht 0,4 haben aber eine niedrigere Zündwilligkeit. Schwersiedende
Nigeria 0,1 – 0,3
Komponenten mit niedrigem Aromatengehalt (z. B.
Südamerika Venezuela 2,9
schwerere Gasöle) haben eine höhere Zündwilligkeit aber
Rußland 1,5 weniger gute Filtrierbarkeit im Winter. Deshalb muss deren
Norddeutschland 0,6 – 2,2 Verwendung im Winter reduziert werden. Der mögliche
Verlust an Zündwilligkeit von Winterkraftstoffen kann
gegebenenfalls durch Zündbeschleuniger ausgeglichen wer-
den (s. Abschn. 4.1.5).
gleich bleibender Kraftstoff entsteht. Übliche Komponenten Nach Aufmischung der Kraftstoffe aus den Grundkompo-
aus der atmosphärischen und der Vakuum-Destillation nenten werden in speziellen Dosieranlagen Additive zuge-
sind: setzt, teilweise um das genormte Qualitätsniveau (Kältever-
– Kerosin, halten, Zündwilligkeit, Verschleißschutz) oder um marken-
– leichtes Gasöl, spezifische Eigenschaften (Einspritzdüsensauberkeit,
– schweres Gasöl und Schaumdämpfung) zu erreichen.
– Vakuum-Gasöl (im Wesentlichen als Einsatzprodukt für Kraftstoffe mit deutlich höherem als dem genormten
nachgeschaltete Crack-Prozesse). Qualitätsniveau werden durch besondere Auswahl der Kom-
ponenten hergestellt, neuerdings auch unter Verwendung
Weiterhin werden auch Komponenten mit Bezeichnungen synthetischer Komponenten wie GTL (Gas-to-Liquid) aus
entsprechend dem verwendetem Herstellungsverfahren ver- dem SMDS-Prozess (Shell Middle Distillate Synthesis). In
wendet. Während Komponenten aus der Destillation unter- diesem Verfahren wird aus Erdgas eine Dieselkraftstoff-

Bild 4-3 Vereinfachtes Prozess-


schema der Dieselkraftstoff-Ent-
schwefelung
90    4 Kraftstoffe

Tabelle 4-3 Zusammensetzung von Dieselkraftstoff-Komponenten aus verschiedenen Herstellungsverfahren

Dieselkraftstoff-Komponente Paraffine Olefine Aromaten

„Straight run“-Gasöl aus Destillation variabel: mittel bis hoch variabel: niedrig bis sehr niedrig variabel: mittel bis niedrig
Thermisch gecracktes Gasöl mit Wasserstoff-Nachbehandlung hoch sehr niedrig niedrig
Katalytisch gecracktes Gasöl niedrig keine hoch
Hydrocracker Gasöl sehr hoch keine sehr niedrig
Synthetisches Gasöl (SMDS-Prozess) sehr hoch keine sehr niedrig bis keine

Komponente mit sehr hoher Zündwilligkeit (Cetanzahl CZ Normalparaffine sind kettenförmige Kohlenwasserstoffe
ca. 80) synthetisiert. mit einfacher Kohlenstoffbindung. Sie stellen eine Unter-
Synthetische Dieselkraftstoffe sind bereits aus früherer Zeit gruppe der gesättigten Kohlenwasserstoffe (Alkane) dar. Die
bekannt. Im zweiten Weltkrieg wurde Dieselkraftstoff aus Bezeichnung gesättigt bezieht sich auf die chemische Bin-
Kohle mit Hilfe des Fischer-Tropsch-Verfahrens hergestellt. dung von Wasserstoff. Die einfache Kohlenstoffbindung
Durch die über viele Jahre niedrigen Rohölpreise war dieses innerhalb des Paraffinmoleküls führt zu maximal mög-
Verfahren jedoch unwirtschaftlich geworden. Größere Aus- lichem (gesättigtem) Wasserstoff­gehalt. Normalparaffine
sichten auf kommerziellen Erfolg haben derzeit Entwick- sind im Rohöl meist in hoher Konzentration vorhanden.
lungen zur synthetischen Herstellung von Kraftstoffen aus Nachteilig für den Fahrzeugbetrieb ist jedoch ihr schlechtes
nachwachsenden Rohstoffen. Bei diesen können im Gegen- Fließverhalten bei Kälte (Paraffinausscheidung). Dies kann
satz zum momentan verwendeten „Biodiesel“ (Fatty Acid in modernen Kraftstoffen durch Fließverbesserer (s. Abschn.
Methyl Ester – FAME) aus Pflanzensaat zukünftig die gesamte 4.1.5) ausgeglichen werden. Als Beispiel ist Cetan C16H34
Pflanze oder auch organische Reststoffe verwendet werden. dargestellt (Bild 4‑4). Im Gegensatz zu den Normalparaffi-
nen sind verzweigte Isoparaffine mit gleicher Summenfor-
4.1.4 Zusammensetzung mel für den Dieselmotor ungeeignet, weil sie einen hohen
Widerstand gegen Selbstzündung aufweisen (z. B. Iso-Cetan
Wie bereits in Abschn. 4.1.3 erwähnt sind Erdöle und die mit einer Cetanzahl 15, s. Bild 4‑4). Mit zunehmender Ket-
daraus gewonnenen Kraftstoffe ein Gemisch unterschied- tenlänge (Molekülgröße) werden die Moleküle instabiler
licher Kohlenwasserstoff-Verbindungen, grob eingeteilt in und damit steigt ihre Zündwilligkeit (Bild 4‑5).
Paraffine, Naphthene, Aromaten und Olefine. Andere Ele- Naphthene (Bild 4‑6) sind ringförmige gesättigte Kohlen-
mente, z. B. Schwefel, sind in sehr geringen Konzentrationen wasserstoffe (einfache Bindung zwischen den Kohlenstoff­
vorhanden und müssen bei der Herstellung der Kraftstoffe
weitestgehend entfernt werden.
Mit steigendem Siedebereich erhöht sich die mögliche
Variationsbreite der einzelnen Kohlenwasserstoffe. Wäh-
rend Erdgas als leichtester Energieträger nur aus sehr weni-
gen und genau definierten Kohlenwasserstoffen besteht, im
wesentlichen Methan, enthält Benzin bereits mehr als 200
verschiedenartige Kohlenwasserstoffe und Dieselkraftstoffe
noch deutlich mehr. Dies ist auch durch die häufig vorkom-
mende und im folgendem beschriebene Kombination der
Kohlenwasserstoff-Typen erklärbar. Zum Beispiel besitzen
Aromaten die unterschiedlichsten paraffinischen oder olefi-
nischen Seitenketten. Auf Grund des genormten Siedebe-
reichs von Dieselkraftstoffen sind in diesem Kohlenwasser­
stoffe mit etwa 10 bis 20 Kohlenstoffatomen vorhanden.
Im Gegensatz zum fremdgezündeten Ottomotor benötigt
der Dieselmotor Kohlenwasserstoffe, die gute Selbstzün-
dung bei hohem Druck und hoher Temperaturen ermögli- Bild 4-4 Beispiele für Paraffine
chen. Dies sind in erster Linie Normalparaffine.
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren    91

Bild 4-5
Cetanzahlen steigen mit zuneh-
mender Molekülgröße

atomen im Molekül). Naphthene sind in unterschiedlicher Olefine (Alkene) sind einfach oder mehrfach ungesät-
Menge im Rohöl vorhanden, entstehen aber auch durch tigte, kettenförmige oder verzweigtkettige Kohlenwasser-
Hydrierung (Wasserstoffbehandlung) aromatischer Mit- stoffe. Sie haben im Vergleich zu n-Paraffinen zwar nied-
teldestillate. Naphthene im Dieselkraftstoff führen zu gutem rigere aber immer noch recht hohe Cetanzahlen. Zum Bei-
Kälteverhalten aber nur zu mittlerer Cetanzahl (jedoch spiel hat das n‑Paraffin Cetan C16H34 die Cetanzahl 100;
höherer als durch aromatische Kohlenwasserstoffe). jedoch das einfach ungesättigte Olefin mit gleicher Anzahl
an Kohlenstoffatomen, 1‑Ceten C16H32, die Cetanzahl 84,2.
Im Vergleich zu den kurzkettigen Olefinen, die im Otto-
kraftstoff zur Anwendung kommen, hat die einfache Dop-
pelbindung in den langkettigen Dieselkraftstoff-Olefinen
nur geringen Einfluss auf die physikalischen Eigenschaften
und das Brennverhalten.
Aromaten sind ringförmige Kohlenwasserstoffverbin-
dungen, bei denen die Kohlenstoffatome wechselweise durch
Doppelbindungen miteinander verbunden sind, wie z. B.
Benzol, eine Verbindung, die auf Grund ihres Siedepunkts
von 80 °C allerdings nicht im Dieselkraftstoff vorkommt.
Man unterscheidet generell nach der Anzahl der aroma-
tischen Ringsysteme zwischen Mono-, Di-, Tri-, und Tri+-
Aromaten. Bild 4‑7 zeigt einige für Dieselkraftstoff relevante
Beispiele. Im Dieselkraftstoff kann auf Grund des Siedebe-
reiches von ca. 180 bis 370 °C eine Vielzahl unterschied-
lichster aromatischer Verbindungen vorhanden sein. Über-
wiegend sind in konventionellen Dieselkraftstoffen Mono­
aromaten mit verschieden angeordneten Seitenketten vor-
handen (etwa 15–25 Gew.-%). Di-Aromaten machen unter
Bild 4-6 Beispiele für Naphtene im Dieselkraftstoff ca. 5 Gew.-% und die Summe aus überwiegend Tri-Aromaten
und höheren Polyaromaten meist weniger als 1 Gew.-% aus.
92    4 Kraftstoffe

4.1.5 Dieselkraftstoff-Additive
Wie bereits erwähnt, sind moderne, normgerechte Diesel-
kraftstoffe kaum noch ohne Additive herstellbar. Die teils
gegenläufigen Eigenschaften der einzelnen Komponenten
(Molekülgruppen) müssen vielfach durch Additive ausgegli-
chen werden, wenn die hohen Anforderungen an die Be-
triebssicherheit, den Brennverlauf und die Abgasemission
über die gesamte Lebensdauer des Motors gewährleistet wer-
den sollen. In dieser Hinsicht hat sich in den letzten Jahren
ein eindeutiger Wandel vollzogen. Dieselkraftstoffe sind so-
wohl in der Vielfalt als auch in der Menge i.d.R. höher addi-
tiviert als Ottokraftstoffe. Mit Ausnahme des Schaumdämp-
fers bestehen alle Additive aus rein organischen Verbin-
dungen. Die wichtigsten Additivgruppen, die nachfolgend
näher beschrieben werden, sind:
– Fließverbesserer und Wax-Anti-Settling-Additive zur
Verbesserung der Wintertauglichkeit,
– Zündbeschleuniger zur Verkürzung des Zündverzuges
und Verbesserung des Brennverhaltens,
– Verschleißschutz-Additive zum Schutz der Einspritzdüsen
und Pumpen;
– Schaumdämpfer zur Verhinderung von Schaumbildung
und Überschwappen beim Tanken,
– Detergentien zum Sauberhalten der Einspritzdüsen und
des Kraftstoffsystems,
– Korrosionsschutz-Additive zum Schutz des Kraft­stoff­
systems,
Bild 4-7 Beispiele für Aromaten im Dieselkraftstoff – Antioxidantien, Dehazer und Metalldeaktivatoren zur
Verbesserung der Lagerstabilität der Kraftstoffe.

Die Eigenschaften der Monoaromaten mit paraffinischen Vereinzelt wurden auch sog. Geruchsmaskierer verwendet.
Seitenketten sind unterschiedlich. Während bei Molekülen Teilweise werden in der Produktion und in der nachfolgenden
mit relativ kurzen Seitenketten aromatische Eigenschaften Weiterverteilung (Logistik) Antistatic-Additive zur Verminde-
(z. B. hohe Löslichkeit anderer Produkte und niedrige rung elektrostatischer Aufladung bei hohen Pump­ge­schwin­
Cetanzahl) dominieren, verhalten sich Moleküle mit langen digkeiten eingesetzt, soweit dies erforderlich ist. Auf die Ver-
Seitenketten in ihren Eigenschaften eher wie Paraffine. wendung von Bioziden zur Vermeidung von Pilzbefall in der
Mehrkernige Aromaten und deren Derivate, s. Bild 4‑7, sind Wasser-/Kraftstoff-Phase an Tankböden kann bei regelmäßiger
in Dieselkraftstoffen wegen ihrer niedrigen Zündwilligkeit Pflege des Kraftstoff-Verteilungs­systems verzichtet werden.
unerwünscht. Sie führen auch zu erhöhter Partikelemission
und sind deshalb in der seit 2004 geltenden Europäischen 4.1.5.1 Fließverbesserer und Wax-Anti-Settling-Additive
Norm EN 590 auf max. 11% begrenzt. Tatsächlich vorhan- (WASA)
dene Konzentrationen sind meist deutlich geringer, unter
anderem aufgrund der genormten Bestimmungsmethode Fließverbesserer und Wax-Anti-Settling-Additive machen
(Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatographie – HPLC). Diese im Winter den Einsatz paraffinischer Komponenten mit ho-
Methode erfasst das gesamte Molekül einschließlich der her Cetanzahl und dabei aber einem begrenzten Kälteverhal-
paraffinischen Seitenketten, so dass der tatsächliche Gehalt ten möglich. Fließverbesserer können die Bildung der Paraf-
an aromatischen Ringen deutlich niedriger ist. finkristalle zwar nicht verhindern, deren Größe aber redu-
zieren und ein Zusammenwachsen vermeiden.
Typische Produkte sind Ethyl-Vinyl-Acetate (EVA).
Absenkungen des CFPP (Cold Filter Plugging Point) um
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren    93

mehr als 10 °C unter den Cloudpoint sind alleine durch


Fließverbesserer möglich. Eine weitere Absenkung des
CFPP ist durch die zusätzliche Verwendung von WASA
möglich. Damit wird gleichzeitig die Sedimentation von
Paraffinkristallen bei der Langzeitlagerung unterhalb des
Kraftstoff-Cloudpoints vermindert (Bilder 4-8 bis 4-10 a:
Ausbildung der Paraffinkristalle im Kraftstoff, b: Kraftstoff-
probe im Glaskolben).
Diese Kälteschutz-Additive müssen sorgfältig (meist vor-
verdünnt) in den noch warmen Kraftstoff in der Raffinerie
eingearbeitet werden. Eine nachträgliche Zumischung in den
kalten Kraftstoff im Fahrzeugtank ist meist wirkungslos.

4.1.5.2 Zündbeschleuniger
a b
Zündbeschleuniger ermöglichen eine wirtschaftliche Anhe-
bung der Cetanzahl mit entsprechend positivem Einfluss auf Bild 4-9 Dieselkraftstoff ausschließlich mit Fließverbesserer bei –22 °C:
die Verbrennung und die Abgasemission. Wirkstoffe sind Sedimente von Paraffinkristallen
organische Nitrate. Insbesondere hat sich in der kommer­
ziellen Anwendung Ethyl-Hexyl-Nitrat als Zündbeschleuni-
ger bewährt.

4.1.5.3 Verschleißschutz-Additive
Diese auch unter der Bezeichnung „Lubricity Additive“ be-
kannten Produkte wurden mit Einführung schwefelarmer
und schwefelfreier Dieselkraftstoffe erforderlich. Durch die
Hydrierung zur Entfernung der Schwefelverbindungen ver-
lieren die Dieselkraftstoffe ihre natürlichen Schmiereigen-
schaften. Typische Produkte, die bereits früher auch in Flug-
turbinenkraftstoffen verwendet wurden, sind Derivate von
Fettsäuren.

a b

Bild 4-10 Dieselkraftstoff mit Fließverbesserer und Wax-Anti-Settling-Addi-


tiv bei –22 °C: keine Sedimentation von Paraffinkristallen

4.1.5.4 Schaumdämpfer

Schaumdämpfer sorgen nicht nur für bequemes Auftanken


bis zum automatischen Abschalten des Zapfventils an der
Tankstelle, sondern verhindern auch das früher häufig beob­
a b achtete Überschwappen, und leisten damit einen Beitrag zu
geringerer Umweltbelastung an der Tankstelle. Verwendet
Bild 4-8 Dieselkraftstoff ohne Fließverbesserer bei –10 °C: fest, nicht pump- werden Silikonöle in äußerst geringer Konzentration. Diese
fähig (Glaskolben steht auf dem Kopf) werden auch in Motorenölen zur Verhinderung der Schaum-
bildung im Kurbelgehäuse angewendet (Bild 4-11).
94    4 Kraftstoffe

Bild 4-12 Wirkung von Korrosionsschutzadditiven im Labortest

4.1.5.7 Antioxidantien, Dehazer und


Metalldeaktivatoren

Bild 4-11 Weniger Schaum beim Tanken mit Schaumdämpfer Dies sind Additive, die primär für die Verbesserung der
Kraftstoff-Lagerstabilität verwendet werden. Sie haben zu-
nächst keinen direkten Einfluss auf das motorische Verhalten
4.1.5.5 Detergentien des Kraftstoffs, verhindern aber über lange Zeit die Kraft-
stoffalterung und sorgen somit auch nach längeren Still-
Dieselkraftstoffe können in den Einspritzdüsen koksartige standszeiten des Fahrzeugs für gute Filtergängigkeit des
Ablagerungen bilden und damit die Einspritzcharakteristik Kraftstoffs und für minimale Ablagerungen. Sie waren be-
verändern mit negativem Einfluss auf den Verbrennungsab- sonders in Kraftstoffkomponenten aus thermischen und ka-
lauf und die Abgasemission. Eine ganze Reihe komplexer talytischen Crackanlagen erforderlich, weil aus diesen Anla-
organischer Verbindungen eignet sich zur Verhinderung der gen höhere Gehalte instabiler Kohlenwasserstoffe anfielen.
Düsenverkokung. Dabei ist eine kontinuierliche Anpassung Antioxidantien verhindern Oxidation und Polymerisation.
der Wirkstoffe an die Einspritz­technologie erforderlich. Ent- Dehazer sind teils erforderlich um ein schnelles Absetzen von
sprechende Entwicklungen neuer Additive erfordern zwin- fein gelösten Wasserpartikeln zu ermöglichen. Metalldeakti-
gend aufwändige Untersuchungen in Vollmotoren, möglichst vatoren unterbinden katalytische Effekte von Metallen auf die
unter realistischen Betriebsbedingungen. Geeignete Deter- Kraftstoffalterung. Durch die zwischenzeitlich ausgeprägtere
gentien stammen z. B. aus den Gruppen der Amine, Amide, Wasserstoffbehandlung des Dieselkraftstoffs (Hydrocracker,
Succinimide und Polyetheramine. Insbesondere mit der Entschwefelung, Begrenzung der mehrkernigen Aromaten)
Weiterentwicklung des Dieselmotors zu immer höheren Ein- haben diese Additivtypen an Bedeutung verloren.
spritzdrücken mit immer kleineren Düsenspritzlöchern stei-
gen die Anforderungen an die „Sauberkeit“ und Reinigungs- 4.1.6 Qualitätsanforderungen
wirkung des Dieselkraftstoffes.
Der Dieselmotor an sich stellt zwar scheinbar vergleichsweise
4.1.5.6 Korrosionsschutz geringe Ansprüche an die Kraftstoffqualität und lässt anders
als fremdgezündete Motoren einen Betrieb auch mit Kraft-
Korrosionsschutz-Additive sind besonders erforderlich, stoffen zu, die sehr weit variierende Eigenschaften aufweisen.
wenn geringe Mengen von Wasser in den Kraftstoff einge- Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung von Rückstandsölen
drungen sind, z. B. Kondenswasser bei längeren Stillstands- in langsam laufenden Schiffsdieselmotoren. Anders als im
zeiten (Bild 4‑12). Polare Molekülgruppen von Estern oder Pkw und Lkw wird der Kraftstoff an Bord jedoch vor der Zu-
alkenischen Succinimid-Säuren können eine monomoleku- führung zum Motor gereinigt und aufgeheizt. Häufig steht
lare Schutzschicht auf der Metalloberfläche aufbauen und auch ein qualitativ besserer Kraftstoff für den Start der Ma-
den direkten Kontakt mit Wasser und Säuren verhindern schine und für den Betrieb in Gebieten höherer Umwelt-
(Bild 4‑13). Sensibilität zur Verfügung.
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren    95

Bild 4-13 Wirkungsweise


von Korrosionsschutzaddi-
tiven (monomolekulare
Schutzschicht)

In Straßenfahrzeugen ist die Kraftstoffaufbereitung, abge- schaften machten den Dieselbetrieb an kalten Tagen zum
sehen von einer Filterung für sporadisch mögliche Ver- Problem. Das Siedeverhalten wurde kaum begrenzt. Der
schmutzungen, nicht praktikabel. Außerdem müssen Kraft- Schwefelgehalt war hoch. Additive waren unbekannt. Die
stoffsystem und Motor von Straßenfahrzeugen unter sehr Reinheit war nicht besonders hoch. Heute, da man um den
variablen Bedingungen arbeiten, so dass alleine deshalb Einfluss der Dieselkraftstoff-Qualität auf Abgas, Geräusch,
höhere Anforderungen an die Kraftstoffqualität nötig sind. Fahrbarkeit und Lebensdauer des Motors weiß, hat die Die-
Im Gegensatz zum Ottomotor, der bei nicht ausreichender selkraftstoff-Qualität in großen Teilen der Welt die erforder-
Klopffestigkeit des Kraftstoffs einen Totalschaden erleiden liche Aufmerksamkeit erreicht.
kann, läuft der Dieselmotor auch mit Kraftstoffen nied- Weltweit gab es in der Vergangenheit erhebliche Quali-
rigerer Zündwilligkeit, wenn auch nicht gut. Vom Dieselmo- tätsunterschiede. Selbst in einem hoch industrialisierten
tor wird erwartet, dass er bezüglich Leistung, Verbrauch, Land, wie den USA, waren der Dieselkraftstoff und das
Geräusch, Abgasemission usw. unter allen Bedingungen Tankstellennetz für den Pkw weitgehend ungeeignet, so dass
optimale Ergebnisse zeigt. Die Optimierung eines Motors der Diesel-Pkw vom Verbraucher zunächst nicht akzeptiert
gelingt jedoch nur mit dem sorgfältig abgestimmten Zusam- wurde.
menwirken von Kraftstoff- und Verbrennungssystem und Historisch betrachtet war die Qualität des Dieselkraft-
mit relativ eng spezifiziertem Kraftstoff. Jede Abweichung stoffs zunächst weitgehend vom verarbeiteten Rohöl abhän-
einer diese Optimierung beeinflussenden Kraftstoffeigen- gig, da praktisch nur Destillate verfügbar waren. Entspre-
schaft wird daher immer zu mehr oder weniger großen chend variabel war auch die Qualität. Mit der Zunahme von
Nachteilen im Motorverhalten führen. Deshalb hat für den Crackanlagen zur Benzinherstellung gab es dann auch einen
Dieselmotor die Konstanz der Kraftstoffeigenschaften und Zeitraum, etwa ab 1970, in dem aus diesen Anlagen ver-
ihre möglichst enge Tolerierung eine ähnliche Bedeutung mehrt Komponenten anfielen, die wegen ihres höheren
wie die absoluten Werte und die Eigenschaften des Kraft- Siedebereichs für Ottokraftstoffe nicht geeignet waren. Es
stoffs. gab seinerzeit Überlegungen der Mineralölindustrie, diese
Während man der Qualität des Ottokraftstoffs schon Komponenten vermehrt in den Dieselkraftstoff einzu-
immer große Bedeutung beimaß, war dies beim Dieselkraft- mischen, da eine intensive Wasserstoff-Behandlung noch
stoff lange Zeit nicht der Fall. Die Cetanzahl galt nur für den nicht verfügbar war. Die aromatischen und olefinischen
Kaltstart als wichtig. Die unzureichenden Kältefließeigen- Bestandteile dieser Komponenten hätten jedoch zu einer
96    4 Kraftstoffe

Verschlechterung der Dieselkraftstoff-Qualität geführt. Motoren- und Mineralölindustrie sowie aus unabhängigen
Wegen des Widerstands der Motorenindustrie und wegen Instituten gewährleistet, dass die genormten Methoden für
den steigenden Qualitätsanforderungen infolge Begrenzung die Anwendung des Kraftstoffs im Fahrzeug relevant sind.
der Schadstoffemissionen wurden derartige Überlegungen Die EN 590 beinhaltet die gesetzlichen Regelungen der
jedoch nicht weiter verfolgt. Im Gegenteil, Dieselkraftstoffe EU-Direktiven und die zwischen Automobil- und Mineral-
wurden gegen Ablagerungen, Schäumen und teilweise sogar ölindustrie in der CEN-Arbeitsgruppe TC19/WG24 ausge-
zur Geruchsverbesserung additiviert. Zündbeschleuniger handelten Kompromisse.
wurden eingesetzt und vor allem wurde im Winter die Kalt- Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat wei-
fahrbarkeit bis –22 °C garantiert. terhin die „Kraftstoffqualitätsverordnung“ [4-3] und die
Inzwischen gibt es in vielen Ländern eine zusätzliche Die- dazu gehörenden Durchführungsbestimmungen [4-4] erlas-
selkraftstoffsorte mit deutlich verbesserten Eigenschaften, sen. Behörden der Landesregierungen können und müssen
die unter anderem auch zu geringerer Rohemission führt. die im öffentlichen Verkauf angebotenen Kraftstoffe auf ihre
Beispiel und Trendsetter ist das „City Fuel“ in Schweden. Konformität mit der Norm prüfen. Ziel dieser Bemühungen
Während früher vom Gesetzgeber nur der maximale ist sicherzustellen, dass der Kunde, der einen mit EN 590
Schwefelgehalt reglementiert war, gelten jetzt in der Europä- ausgezeichneten Kraftstoff kauft, sicher sein kann, dass die-
ischen Union Regelungen, die denen bei Ottokraftstoffen ser Kraftstoff für seinen Motor geeignet und umweltverträg-
entsprechen. Darüber hinaus gibt es die Verordnung über lich ist.
brennbare Flüssigkeiten (Flammpunkt), den Zolltarif und
die Heizöl-Kennzeichnung. 4.1.7.1 World-Wide Fuel Charter

4.1.7 Kraftstoffnormen Alle Hersteller von Dieselmotoren waren Anfang der 90er
Jahre mit den spezifizierten Mindestanforderungen an Die-
Um eine Verständigung zwischen Motoren- und Kraftstoff- selkraftstoff, dem zu langsamen Fortschritt der internationa-
herstellern, Handel und Verbrauchern zu ermöglichen sind len Normung und der Zersplitterung durch nationale Quali-
Normen, die die Mindestanforderungen regeln, unabding- tätsunterschiede unzufrieden. So hatten Peugeot und Renault
bar. Auch hier hat sich hinsichtlich Eignung und Umweltver- ein „Cahier des Charges“ erstellt, in dem neben der höheren
träglichkeit vieles zum Positiven gewandelt. Während früher Qualität des Dieselkraftstoffs, beschrieben durch Labor-
jedes Land eine eigene Spezifikation hatte, gibt es seit 1993 werte, auch ein Prüfverfahren für die Sauberkeit der Ein-
die europaweit geltende Norm EN 590 [4‑1]. Diese Norm gilt spritzdüsen (Additivierung) enthalten war.
in allen in der europäischen Normen-Organisation CEN Die Automobilverbände in Europa, USA und Japan hat-
(Comité Européen de Normalisation) vertretenen Ländern. ten Lastenhefte für „gute“ Diesel-Qualitäten erstellt. Im
Jedes Land kann jedoch in einem nationalen Anhang (zu- Rahmen der Globalisierung war es eine logische Folge, dass
sätzliche) individuelle Regelungen treffen. Für die arktischen die Automobilverbände der Welt ein „Worldwide Fuel Char-
Länder wurden besondere Klassen mit entsprechend nied- ter“ erstellten, dessen vierte Ausgabe aus dem Jahr 2006
rigem CFPP (Cold Filter Plugging Point) und CP (Cloud stammt [4-5]. Es gilt sowohl für Otto- als auch für Diesel-
Point), die das Fließverhalten bei Kälte beschreiben, einge- kraftstoffe und enthält vier Kategorien für unterschiedlich
führt. In der EN 590 sind inzwischen weitgehend alle rele- entwickelte Märkte, wobei diese insbesondere durch die
vanten Kraftstoffkennwerte auf relativ hohem Qualitäts­ Anforderungen der Abgasgesetzgebung definiert sind.
niveau festgelegt. Die letzte Fassung stammt aus dem Jahr In diesem Fuel Charter sind Labormethoden und moto-
2004 (Tabelle 4‑4). Die einzelnen Kennwerte werden im Ab- rische Prüfverfahren mit den dazu gehörenden Grenzwerten
schn. 4.1.8 erläutert. aufgeführt. Kategorie 4 verlangt schwefelfreien Kraftstoff,
Eine regelmäßige Überarbeitung der Normen und auch d.h. einen maximalen Schwefelgehalt von 5–10 ppm. Eine
der anzuwendenden Prüfmethoden sorgt dafür, dass neue ganze Reihe der geforderten Qualitätskriterien werden zwi-
oder geänderte Anforderungskriterien eingearbeitet wer- schenzeitlich von handelsüblichen Dieselkraftstoffen erfüllt.
den. So sind beispielsweise in den letzten Jahren der Ver-
schleißschutz (Lubricity) und die Begrenzung von Polyaro- 4.1.7.2 Referenzkraftstoffe
maten neu aufgenommen worden.
Die in der Norm und für die laufende Qualitätskontrolle Für Vergleichsmessungen, gesetzliche Zulassungen, Moto­
angewendeten Prüfmethoden basieren ebenfalls auf renentwicklungen, Motorölerprobungen usw. braucht man
genormten Laborverfahren. Durch umfangreiche Versuche, definierte Referenzkraftstoffe, die natürlich nur in Zusam-
u. a. an Vollmotoren, wird von Arbeitskreisen aus der menarbeit aller Beteiligter definiert werden können. Zustän-
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren    97

Tabelle 4-4 Qualität von Dieselkraftstoffen: Mindestanforderungen entsprechend DIN EN 590:2004-03

Einheit Mindestanforderungen Prüfverfahren


Dichte bei 15 °C kg/m3 820 bis 845 EN ISO 3675
EN ISO 12185
Cetanzahl min. 51 EN ISO 5165
Cetanindex min. 46 EN ISO 4264
Destillation: insgesamt aufgefangene Menge EN ISO 3405
bis 250 °C Vol.-% max. 65
bis 350 °C Vol.-% min. 85
95 % Punkt °C max. 360
Flammpunkt °C min. 55 EN ISO 2719
Viskosität bei 40 °C mm2/s 2.00 bis 4,50 EN ISO 3104
Filtrierbarkeit/CFPP gemäßigtes Klima EN 116
Klasse A °C max. +5
Klasse B °C max. 0
Klasse C °C max. –5
Klasse D °C max. –10
Klasse E °C max. –15
Klasse F °C max. –20
Schwefelgehalt mg/kg max. 50 oder EN ISO 20846 EN  ISO 20847
max. 10 EN ISO 20884
Koksrückstand Gew.-% max. 0,30 EN ISO 10370
Aschegehalt Gew.-% max. 0,01 EN ISO 6245
Cu-Korrosion Korrosionsgrad Klasse 1 EN ISO 2160
Oxidationsstabilität g/m3 max. 25 EN ISO 12205
Gesamtverschmutzung mg/kg max. 24 EN 12662
Wassergehalt mg/kg max. 200 EN ISO 12937
Lubricity HFRR µm max. 460 ISO 12156-1
Polyaromaten Gew.-% max. 11 EN 12916
Fettsäuremethylestergehalt (FAME) Vol.-% max. 5 EN 14078

dig ist national der DKA (Deutscher Koordinierungsaus- 4.1.8 Wesentliche Kennwerte und Prüfverfahren
schuss) und europaweit der Coordinating European Council
(CEC) zur Entwicklung von Testmethoden für die Evalua- 4.1.8.1 Zündwilligkeit (Cetanzahl, Cetanindex)
tion und Entwicklung von Flüssigkeiten für Verbrennungs-
motoren. Für die Abgasprüfung von Dieselmotoren ist ein Es ist selbstverständlich, dass beim selbstzündenden Motor
CEC-Referenzkraftstoff gesetzlich vorgeschrieben. Defini­ die Zündwilligkeit des Kraftstoffs eine herausragende Rolle
tionsgemäß stellt er einen gewichteten Mittelwert der euro- spielt. Nach allen bisherigen Erfahrungen kann diese aller-
päischen Handelsware dar. dings nicht ausreichend genau in einem Laborgerät, sondern
Bei der Motorenölerprobung für Dieselmotoren geht es nur in einem Motor, möglichst in einem modernen Mehrzy-
vor allem um Kolbensauberkeit, Schlammbildung und Ver- lindermotor, zuverlässig bestimmt werden. Aus Gründen der
schleiß. Auch darauf hat der Kraftstoff Einfluss. Deshalb Standardisierung erfolgt die Bestimmung der Zündwilligkeit
wird in den meisten Dieselmotoren auch bei Öltests ein jedoch in genormten Einzylinder-Motoren, wobei weltweit
CEC-Referenzkraftstoff verwendet. der CFR-Motor entsprechend EN ISO 5165 verwendet wird.
98    4 Kraftstoffe

aus 52% Cetan und 48% α‑Methyl-Naphtalin (Volumen-%)


ergibt, hat dann definitionsgemäß eine Cetanzahl von 52.
Kraftstoffe mit nicht ausreichender Zündwilligkeit führen
zu höherem Zündverzug, was schlechten Kaltstart, hohe
Druckspitzen und damit höhere Abgas- und Geräuschemis-
sion zur Folge hat.
Paraffine haben hohe Cetanzahlen, während Kohlenwas-
serstoffe mit Doppelbindungen, insbesondere Aromaten, eine
niedrige Zündwilligkeit aufweisen. Mit zunehmender Ketten-
länge der Paraffine, d.h. mit höherem Molekulargewicht und
Siedepunkt, steigt deren Cetanzahl an (Bilder 4‑5 und 4‑15).
In der EN 590 ist eine Mindest-Cetanzahl von 51 vorge-
schrieben. Deutsche Dieselkraftstoffe haben etwa eine
Cetanzahl von 52 mit der Tendenz zu höheren Werten in
Bild 4-14 Bezugskraftstoffe für die Cetanzahl-Messung Sommerkraftstoffen und zu niedrigeren Werten bei Winter-
kraftstoffen (wegen des teilweisen Verzichts auf schwersie-
dende Paraffine zur Sicherstellung ausreichender Kälte­
In Deutschland ist auch der sog. BASF-Motor verwendet eigenschaften).
worden. Die Zündwilligkeit wird durch die Cetanzahl be- Die Zündwilligkeit von konventionellen Dieselkraft-
schrieben. Sie wird abhängig vom Kraftstoff durch Verände- stoffen wird ausreichend durch die Cetanzahl charakteri-
rung des Verdichtungsverhältnisses für konstanten Zündver- siert. Das gilt auch für Kraftstoffe, deren Zündwilligkeit
zug ermittelt (eine hohe Kraftstoff-Zündwilligkeit erfordert durch Zündverbesserer angehoben ist. Demgegenüber ver-
eine Absenkung des Verdichtungs­verhältnisses und umge- halten sich Alkoholkraftstoffe, die mit hohen Gehalten von
kehrt). Als Vergleichskraftstoffe werden Cetan und α‑Methyl- Zündbeschleunigern versehen sind, im Vollmotor anders als
Naphthalin mit den definierten Cetanzahlen 100 bzw. 0 ver- die gemessene Cetanzahl erwarten lässt.
wendet (Bild 4‑14). Ein Kraftstoff, der im Prüfmotor die Mit zunehmender Cetanzahl verbessern sich bei den Die-
gleiche Motoreinstellung wie beispielsweise eine Mischung selmotoren das Start- und Geräuschverhalten sowie insbe-

Bild 4-15
Cetanzahl typischer Dieselkraftstoff-Frak­
tionen steigt mit der Siedetemperatur
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren    99

sondere die gasförmigen Abgasemissionen von HC und CO, Der physikalisch exakte Siedebeginn bzw. das Siedeende lie-
aber auch von NOX. gen deshalb niedriger bzw. höher als angegeben. Für die Be-
Eine Anhebung der Cetanzahl von Raffineriekomponen- urteilung von Dieselkraftstoffen ist die genormte Methode
ten ist durch Wasserstoffbehandlung bei hohem Druck und jedoch gut geeignet.
hoher Temperatur möglich. Die Raffinerieverfahren Hydro- Für die dieselmotorische Verbrennung sind prinzipiell
cracken und Entschwefelung gehen ansatzweise in diese auch Kohlenwasserstoffe außerhalb des üblichen Siedebe-
Richtung. Wirtschaftlich sind inzwischen Anlagen zur Her- reichs geeignet, z. B. laufen Schiffsmaschinen mit erheblich
stellung synthetischer Dieselkraftstoffkomponenten (z. B. schwerer siedenden Kraftstoffen. Für den Fahrzeugbetrieb
aus Erdgas) für Premium-Kraftstoffe geworden. Die men- und die Auslegung der Kraftstoffsysteme ist der zulässige
genmäßige Verfügbarkeit derartiger Komponenten ist Siedebereich der Kraftstoffe durch eine Reihe anderer Rand-
jedoch noch begrenzt. bedingungen (z. B. Viskosität, Fließfähigkeit bei niedrigen
Zur Beurteilung der Zündwilligkeit von konventionellen Temperaturen, Dichte, Zündwilligkeit, Flammpunkt)
Dieselkraftstoffen ohne Messung der Cetanzahl kann ersatz- begrenzt.
weise der Cetanindex entsprechend EN ISO 4264 aus Kraft- In der EN 590 sind deshalb nur 3 Punkte festgelegt, die
stoffdichte und Siedeverhalten berechnet werden. Die für den Kraftstoff im Bereich der Siedemitte bis in den Bereich
markttypische Kraftstoffe entwickelte empirische Gleichung des Siedeendes definieren (Bild 4‑16). Das Siedeende von
basiert auf der Auswertung von ca. 1200 Dieselkraftstoffen. Dieselkraftstoffen ist jedoch teilweise nicht exakt zu bestim-
Primärer Ansatz mit einer Reihe von Korrekturen ist, dass men, weil in der Siedeapparatur bei Temperaturen über
mit steigender Dichte (zunehmender Anteil von Crackpro- 350 °C beim Verdampfen der letzten Kraftstoffanteile bereits
dukten mit Doppelbindungen oder Aromaten) die Cetan- Crackprozesse einsetzen können. Wegen dieser Unsicher-
zahl sinkt und mit Zunahme der schwersiedenden Kompo- heit ist das Siedeende in der EN 590 auch nicht explizit
nenten (größere Kettenlänge der Moleküle) die Cetanzahl festgelegt.
steigt. Wie bereits angeführt reagiert der Dieselmotor weniger
Entsprechend den längerfristigen Änderungen bei den kritisch auf den Siedeverlauf des Kraftstoffs. Es hat sich
Raffineriestrukturen und den Dieselkraftstoffkomponenten jedoch gezeigt, dass in schnelllaufenden Dieselmotoren eine
ist bereits mehrfach eine Änderung der Berechnungsformel Absenkung des Siedeendes das Brennverhalten verbessert
erfolgt. Für einzelne Kraftstoffkomponenten ist sie nur und die Schadstoffemissionen vermindert. Bei der letzten
bedingt geeignet. Ebenso kann sie die Cetanzahl von Kraft- Überarbeitung der EN 590 wurde deshalb die Temperatur
stoffen, die mit Zündbeschleunigern versehen wurden, nicht für 95% verdampften Anteil von 370 °C auf 360 °C gesenkt.
darstellen.
Die Abweichungen zwischen gemessener Cetanzahl und 4.1.8.3 Schwefelgehalt
errechnetem Cetanindex können bis zu 3 Einheiten betra-
gen und ergeben sich sowohl aus der Ungenauigkeit der Schwefel ist in unterschiedlichen Mengen bereits im Rohöl
empirischen Formel (insbesondere durch das Nichterfassen enthalten. Wegen der SO2-Bildung bei der Verbrennung, der
von Kraftstoffen, die Zündbeschleuniger enthalten) als auch Versäuerung des Motorenöls, der Sulfatemission, der erhöh-
aus dem relativ breiten Streuband bei der Cetanzahlmes- ten Partikelemission und der Schädigung der Abgas-Nach-
sung. behandlungssysteme (Katalysatoren) muss der Dieselkraft-
stoff entschwefelt werden. Der direkte Beitrag des Straßen-
4.1.8.2 Siedeverhalten verkehrs zur Schwefeldioxidbelastung ist zwar gering, jedoch
erfordern die Abgas-Nachbehandlungssysteme schwefel-
Dieselkraftstoffe bestehen aus Kohlenwasserstoffgemischen, freien Kraftstoff (S < 10 ppm). Der Schwefelgehalt kann mit
die etwa im Bereich von 170 °C bis etwa 380 °C sieden. Sie- unterschiedlichen Methoden ermittelt werden, z. B. über
deapparatur und Destillationsbedingungen (u. a. variable Verbrennung oder mit Röntgenfluoreszenz. Für Dieselkraft-
Energiezufuhr für eine konstante Destillationsgeschwindig- stoffe sind die entsprechenden Methoden in EN 24260,
keit von 4-5 ml/min) sind in EN ISO 3405 festgelegt. Die EN ISO 8745 und EN ISO 14596 beschrieben. Die Grenz-
Methode gibt keinen physikalisch exakten Siedebereich an, werte für den maximal zulässigen Schwefelgehalt wurden in
sondern ein an die praktischen Bedingungen einer schnellen der Vergangenheit kontinuierlich abgesenkt. Der frühere hö-
Verdampfung angenähertes Siedeverhalten. Dabei werden here Schwefelgehalt des Dieselkraftstoffes hatte auch auf die
bei steigender Temperatur des Produktgemisches leicht- Lebensdauer der Motoren einen gravierenden Einfluss. Die
flüchtige Komponenten zum Teil zurückgehalten und ande- bei der Verbrennung entstandenen sauren Produkte konnten
rerseits schwersiedende Komponenten schon mitgerissen. zu korrosivem Verschleiß, vor allem an den Zylinderlauf-
100    4 Kraftstoffe

Bild 4-16
Siedeverlauf eines typischen Diesel-
kraftstoffs

bahnen und im Kolbenringbereich, führen. Dies wiederrum Gemessen wird die Tieftemperatur-Fließfähigkeit von
kann zu erhöhtem Ölverbrauch und Leistungsverlust führen. Dieselkraftstoffen mit der Cold Filter Plugging Point Metho-
Erhöhter Zylinder­verschleiß tritt besonders beim “Stop-and- de (CFPP). Ermittelt wird hierbei die niedrigste Temperatur,
Go-Betrieb” auf. Es ist jedoch festzustellen, dass mit beson- bei der ein Dieselkraftstoff noch störungsfrei fließt und fil-
ders hochalkalischen Motorenölen die anfallenden sauren tergängig ist. Das wird entsprechend EN 116 mit einem Sieb
Verbrennungsprodukte neutralisiert werden können. Au- von 45 µm Maschenweite bei einer Drahtstärke von 32 µm
ßerdem bestand die Möglichkeit bei erhöhtem Schwefelge- und einer Abkühlrate von ca. 1 °C/min gemessen.
halt die Ölwechselabstände zu reduzieren. Seit 2005 ist der Bei Kraftstoffen ohne Kälteschutzadditive liegt der CFPP
maximale Schwefelgehalt in der EU auf 50 ppm begrenzt. nur wenig unter dem Cloudpoint, das heißt der begin-
Gleichzeitig muss schwefelfreier Kraftstoff (max. 10 ppm nenden Paraffinausscheidung. Kälteschutzadditive verklei-
Schwefel) flächendeckend verfügbar sein. Auf Grund eines nern die Paraffinkristalle derart, dass die CFPP-Werte je
steuerlichen Anreizes liegt der Schwefelgehalt deutscher Die- nach Art und Menge der Additive um mehr als 20 °C unter
selkraftstoffe seit 2003 praktisch ohne Ausnahme unter den Cloudpoint abgesenkt werden können. Beim Cloud-
10 mg/kg (schwefelfrei). Ab 2009 soll in der EU ausschließ- point (CP) wird die Temperatur gemessen, bei der eine
lich schwefelfreier Kraftstoff verfügbar sein. Trübung des Kraftstoffes durch erste auskristallisierende
Paraffine auftritt. Er ist für die Filtergängigkeit eines Diesel-
4.1.8.4 Tieftemperatur-Fließfähigkeit kraftstoffs in modernen Fahrzeugen nicht relevant und
deshalb auch nicht in der DIN EN 590 spezifiziert. CFPP-
Die für den Betrieb im Dieselmotor generell gesehen güns­ Werte bis zu etwa 15 °C unterhalb des Cloudpoints können
tigen Kohlenwasser­stoffe, die Paraffine, fallen leider häufig alleine durch Fließverbesserer erreicht werden. Weiterge-
bereits bei geringen Minusgraden als Paraffinkristalle aus. hende Absenkungen sind durch die Kombination von Fließ-
Diese koagulieren und verstopfen Kraftstofffilter, Leitungen verbesserern und Wax-Anti-Settling-Additiven möglich.
und Einspritzsystem und verhindern damit den Betrieb des Die EN 590 verlangt entsprechend den Umgebungstem-
Motors. Häufig ist zwar noch ein Starten möglich, der Motor peraturen unterschiedliche Kältefestigkeiten, ausgedrückt
bleibt dann aber durch Kraftstoff­mangel stehen, ohne Scha- durch den CFPP. Für Deutschland wurden daraus die in
den zu nehmen. Tabelle 4‑5 dargestellten Werte ausgewählt.
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren    101

hat den gegenteiligen Effekt, d. h. höheren volumetrischen


Tabelle 4-5 Kältefestigkeiten von Dieselkraftstoffen gemäß EN 590 im Ver-
lauf eines Jahres in Deutschland Verbrauch und bei Volllast weniger Partikel­emission mit
möglichem Leistungsverlust. Bei der letzten Überarbeitung
Winter 16.11. bis 28.02. max. –20 °C der EN 590 ist die maximale Dichte von 860 auf 845 kg/m³
Frühjahr 01.03. bis 14.04. max. –10 °C gesenkt worden mit dem Ziel der Verminderung der Partik-
Sommer 15.04. bis 30.09. max. +/–0 °C
elemissionen im vorhandenen Fahrzeugpark.
Herbst 01.10. bis 15.11. max. –10 °C
Die dargestellten Abhängigkeiten gelten jedoch nur, wenn
das Brennverhalten der Kraftstoffe etwa gleich bleibt. Bezo-
gen auf den gravimetrischen Heizwert macht sich der
höhere Wasserstoff- und damit Energiegehalt von synthe-
Die Betriebssicherheit der Fahrzeuge wird annähernd tischem Kraftstoff (Gas-to-Liquid) positiv gegenüber kon-
durch den CFPP beschrieben. Da der Kraftstoff unterhalb ventionellem Dieselkraftstoff bemerkbar.
des Cloudpoints und im Bereich des CFPP kleine Paraf-
finkristalle enthält, ist eine Anbringung von Filtern im 4.1.8.6 Viskosität
Kraftstoffsystem nur dort vorzusehen, wo durch Motorwär- Die Viskosität (Zähigkeit) ist die Eigenschaft eines fließfä-
me oder andere Maßnahmen eine Filterheizung nach dem higen Stoffsystems bei einer Verformung eine Spannung auf-
Start des Motors erfolgt. Fahrzeuge mit aktiv geheizten Fil- zunehmen, die nur von der Verformungsgeschwindigkeit
tern erlauben einen sicheren Betrieb auch bei niedrigeren abhängig ist (s. DIN 1342). Die Kraftstoffviskosität beein-
als den durch den CFPP angegebenen Temperaturen. Bei flusst das Kraftstoff-Förderverhalten in Förder- und Ein-
Fahrzeugen mit Filtern, die von der Motorwärme aufge- spritzpumpe sowie die Zerstäubung des Kraftstoffs durch die
wärmt werden, ist die betriebssichere Außentemperatur Einspritzdüse. Es wird unterschieden zwischen dynamischer
etwa entsprechend dem CFPP des Kraftstoffs. Viskosität η in Pa ⋅ s und kinematischer Viskosität ν. Letztere
ist der Quotient aus dynamischer Viskosität und Dichte und
4.1.8.5 Dichte wird in m²/s bzw. in mm2/s angegeben.
Die Dichte ist die Masse eines bestimmten Kraftstoffvolu- Für Dieselkraftstoffe wird die kinematische Viskosität mit
mens und wird in kg/m³ bei 15 °C angegeben (EN ISO 3675, dem Ubbelohde-Kapillar-Viskosimeter (EN ISO 3104)
EN ISO 12185). Gemessen wird die Dichte von Kraftstoffen gemessen. Dabei wird bei einer Temperatur von 40 °C die
traditionell mit Senkspindeln (Aräometern) oder neuerdings Zeit gemessen, die eine Probemenge von 15 ml benötigt, um
nach dem Biegeschwingerprinzip. Hierbei wird eine kleine durch eine definierte Kapillare zu fließen.
Menge des zu prüfenden Kraftstoffs in ein U-förmig gebo- In der EN 590 wird für Dieselkraftstoffe ein Viskositäts-
genes Rohr gefüllt. Das Rohr wird zu Schwingungen ange- bereich von 2,0 bis 4,5 mm2/s verlangt. Für arktische Kraft-
regt, die resultierende Schwingfrequenz gemessen und in ei- stoffe gelten niedrigere Minimalwerte bis hinunter zu
nen Dichtewert umgerechnet. 1,2 mm2/s.
Mit steigendem Kohlenstoffgehalt des Dieselkraftstoffes, Handelsübliche Kraftstoffe liegen bei der festgelegten
d.h. mit zunehmender Kettenlänge der paraffinischen Mole- Temperatur von 40 °C etwa im Bereich 2,0 bis 3,6 mm2/s.
küle und zunehmendem Anteil von Doppelbindungen Die Viskosität ist üblicherweise kein primäres Kriterium bei
(Aromaten, Olefine), nimmt die Dichte zu. Entsprechend der Kraftstoffherstellung, sondern ergibt sich aus den
verringert steigender Wasserstoffanteil im Dieselkraftstoff übrigen Kraftstoffparametern.
dessen Dichte. Mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt eines Mit abnehmender Temperatur und zunehmendem Druck
Kraftstoffs steigt auch dessen volumetrischer Heizwert, d.h. steigt die Viskosität an. Beispielsweise verdoppelt sich die
ansteigende Dichte ist ein Indiz für einen höheren Heizwert. Viskosität von Dieselkraftstoffen bei einer Temperaturab-
Mit steigender Kraftstoffdichte und bei konstantem Ein- senkung von 40 °C auf 20 °C (Bild 4‑17) oder bei einer
spritzvolumen steigt daher die dem Motor zugeführte Ener- Druck­erhöhung auf etwa 600 bar. Die Viskosität beeinflusst
gie. Weil die Einspritzmenge von serienmäßigen Fahrzeug- das Fließ- und Pumpverhalten des Kraftstoffs im Kraftstoff­
Dieselmotoren zur Zeit noch nicht kraftstoffabhängig gere- sys­tem sowie die durch die Einspritzdüse geformte Ausbil-
gelt wird, kann deshalb im Volllastbereich hohe Kraftstoff- dung des Einspritzstrahls im Verbrennungsraum. Zu hohe
dichte zu höherer Motorleistung und gleichzeitig zu erhöhter Viskosität behindert die Pumpfähigkeit bei niedrigen Tem-
Partikel- bzw. Rauchemission führen, dies gilt insbesondere peraturen und führt zu Kaltstartproblemen, während zu
bei volumenzumessenden Einspritzsystemen. Hingegen niedrige Viskosität den Heißstart erschwert und zu Leis-
sinkt bei gleicher abgegebener Leistung mit steigender Dich- tungsverlusten bei hohen Temperaturen sowie zu Pumpen-
te der volumetrische Kraftstoffverbrauch. Sinkende Dichte verschleiß führt.
102    4 Kraftstoffe

Bild 4-17
Viskositäts-Temperatur-Diagramm
von Dieselkraftstoffen

4.1.8.7 Flammpunkt Bei der Herstellung von Dieselkraftstoff begrenzt der


Flammpunkt die Verwendung leichtflüchtiger Komponen-
Der Flammpunkt einer Flüssigkeit ist die niedrigste Tempe- ten. Die Begrenzung des Flammpunktes ist einer der Grün-
ratur bei Normaldruck, bei der sich in einem geschlossenen de, weshalb der Siedebeginn von Dieselkraftstoff nicht spe-
Gefäß Dämpfe in solcher Menge entwickeln können, dass ein zifiziert werden muss.
durch Fremdzündung entflammbares Dampf-Luft-Gemisch
entsteht (Bestimmung nach EN 22719, ISO 2719). Der 4.1.8.8 Aromaten
Flammpunkt ist eine sicherheitstechnische Kenngröße. Für
die Verbrennung im Motor ist er unwichtig. Aromaten mit ringförmiger und mit Doppelbindungen ver-
In der bis 2004 gültigen Verordnung über Lagerung und sehener Molekülstruktur sind wegen der schlechten Zünd-
Transport brennbarer Flüssigkeiten (VBF) gehörte Diesel- willigkeit für die dieselmotorische Verbrennung ungeeignet
kraftstoff zur Gefahrenklasse A3 mit Flammpunkten (s. Abschn. 4.1.4). In Dieselkraftstoffen kommen einkernige
> 55 °C (Ottokraftstoffe mit Flammpunkten < 2  °C fielen Aromaten nur mit längeren Seitenketten vor und haben dann
in die Ge­fahrenklasse A1). Weiterhin gültig sind die „Tech- auch ähnliche Eigenschaften wie langkettige Paraffine. Ben-
nischen Regeln über brennbare Flüssigkeiten“ (TRbF) mit zol (ohne Seitenkette), Toluol und Xylol (Benzolring mit
gleicher Einteilung der Gefahrenklassen und Grenzwerte. kurzen Seitenketten) haben zu niedrige Siedepunkte für Die-
Sie regeln die Gestaltung von Tanklagern (TRbF 20), selkraftstoff und sind deshalb darin nicht enthalten. Mehr-
Abfüllstellen und Tankstellen (TRbF 40). Neu eingeführt kernige Aromaten, z. B. Naphtalin (2-Ring) oder Anthracen
wurden die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und die (3-Ring), können wegen des höheren Siedepunktes auch
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). In diesen Ver- ohne „abmildernde“ Seitenketten vorhanden sein. 4-Ring-
ordnungen fällt Dieselkraftstoff in die Gruppe der nicht Aromaten sieden über 380 °C, also oberhalb des Siedebe-
wasserlöslichen entzündlichen Produkte. reichs von Dieselkraftstoff und können deshalb nur in Spu-
Bereits geringe Mengen Ottokraftstoff, die z. B. bei wech- ren vorhanden sein.
selweisem Transport in gleichen Tankkammern in den Problematisch war es, eine für die laufende Qualitätskon­
Dieselkraftstoff gelangen, können die Unterschreitung des trolle geeignete Methode zu finden, mit der die Aromaten
Flammpunktes unter den 55 °C-Grenzwert zur Folge haben im Dieselkraftstoff bestimmt werden konnten. Seit einigen
und ein Sicherheitsrisiko darstellen. Jahren wird entsprechend EN 12916 die Summe der Poly­
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren    103

aromaten mit Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatografie und Daher wird der Kraftstoff anschließend getrocknet. Die
Brechungsindexdetektor gemessen. Dabei wird die Masse Menge des gelösten Wassers sinkt mit abnehmender Tempe-
polyaromatischer Ringstrukturen einschließlich der Seiten- ratur und abnehmendem Aromatengehalt. Sie ist deutlich
ketten bestimmt, d. h. der tatsächlich vorhandene Gehalt an niedriger als bei Ottokraftstoffen und liegt bei 20 °C etwa
aromatischen Ringstrukturen ist niedriger als angegeben. In zwischen 50 und 100 mg/kg. Zulässig sind max. 200 mg/kg.
marktüblichen Dieselkraftstoffen sinkt der Gehalt an mehr- Gemessen wird der Wassergehalt durch Titrieren nach der
kernigen Aromaten mit zunehmender Anzahl der Ringe. Karl-Fischer-Methode entsprechend EN ISO 12937.
Inzwischen weiß man, dass sich einkernige Aromaten mit Insbesondere im Winter sollte jedes Eindringen von Was-
langen Seitenketten auch hinsichtlich Abgasemission und ser in den Dieselkraftstoff verhindert werden, weil Eiskris­
insbesondere Partikelbildung ähnlich wie Paraffine verhal- talle in Verbindung mit Paraffinkristallen schnell zu Filter-
ten. Nachteilig wirken sich mehrkernige Aromaten aus. Sie verstopfung führen können.
sind deshalb in der EN 590 auf max. 11 Gew.-% begrenzt. Zum erforderlichen sorgfältigen Umgang mit Dieselkraft-
stoff gehört aber auch dafür zu sorgen, dass sich keine
4.1.8.9 Reinheit Algen, Bakterien und Pilze bilden können. Dies kann meist
alleine durch Reinigung und regelmäßige Entwässerung der
Hierunter fallen die genormten Kriterien Koksrückstand, Lagertanks im Verteilungssystem erreicht werden.
Aschegehalt, Gesamtverschmutzung und Wassergehalt. Da
Dieselkraftstoff eine hochwertige Ressource ist und seine 4.1.8.10 Schmierfähigkeit
Anwendung im Dieselmotor hohe Anforderungen stellt, ist
es an sich selbstverständlich, dass er, wenn er in den Tank des Es hat sich gezeigt, dass Dieselkraftstoffe mit sehr niedrigem
Fahrzeugs gefüllt wird, sauber und rein sein sollte. Er muss Schwefelgehalt bei kraftstoffgeschmierten Einspritzpumpen
frei von Säuren und festen Fremdstoffen sowie bei Raum- zu hohem Verschleiß führen können. Hierfür ist jedoch nicht
temperatur klar sein. der fehlende Schwefel als solcher verantwortlich, sondern
Der Koksrückstand (nach Conradsen) ist im Zusammen- verschleißmindernde polare Substanzen, die bei der Ent-
hang mit anderen Kriterien ein wesentliches Indiz für die schwefelung mit entfernt werden. Die erforderliche Schmier-
Bildung von Ablagerungen im Einspritzsystem und Ver- sicherheit wird aber durch nachträglich zugefügte Additive
brennungsraum. Dieser Rückstand wird daher ebenfalls wieder gewährleistet. Sie kann durch einen mechanischen
begrenzt. Gemessen wird der Koksrückstand durch Ver- Kurztest mit dem High Frequency Reciprocating Rig (HFRR)
schwelen der letzten 10% aus der Siedeanalyse entsprechend entsprechend EN ISO 12156-1 ermittelt werden. Der HFRR-
EN ISO 10370. Maximal dürfen 0,3% vorhanden sein. In Test simuliert den Gleitverschleiß in der Einspritzpumpe,
handelsüblichen Kraftstoffen wird etwa 0,03% gefunden. Da indem eine Kugel (Durchmesser 6 mm) mit konstanter An-
einige Dieselkraftstoff-Additive (z. B. Zündbeschleuniger) presskraft bei 60 °C Testtemperatur auf einer polierten Stahl-
den Koksrückstand anheben, sollte die Bestimmung nur von platte unter Flüssigkeit gerieben wird (Bild 4-18). Die nach
nicht additivierten Kraftstoffen erfolgen. 75 min entstandene Abplattung der Kugel wird als Versuchs-
Der Aschegehalt beschreibt den Gehalt an anorganischen resultat vermessen (mittlerer Verschleißdurchmesser in µm).
Fremdstoffen im Kraftstoff. Er wird durch Verbrennung/ Die EN 590 erlaubt einen maximalen Verschleißdurchmes-
Veraschung einer Kraftstoffprobe entsprechend EN ISO ser von 460 µm.
6245 ermittelt und darf nicht höher als 0,01 Gew.-% sein. In
markttypischen Kraftstoffen liegt er meist unter der Nach- 4.1.8.11 Heizwert
weisgrenze.
Die Gesamtverschmutzung gibt die Summe der ungelös­ Es wird unterschieden zwischen dem oberen Heizwert Ho
ten Fremdstoffe (Sand, Rost etc.) im Kraftstoff entsprechend und dem unteren Heizwert Hu (heute nur Heizwert H). Der
EN 12662 an. Die Messung erfolgt durch Filtrierung und obere Heizwert Ho, oder Brennwert, wird im Kalorimeter
nach Waschung mit n-Heptan durch Wägung. Maximal (Verbrennungsbombe) bei 30 bar Sauerstoffatmosphäre
zulässig sind 24 mg/kg. Üblich sind Werte meist unter durch vollständige Verbrennung ermittelt. Kohlendioxid
10 mg/kg. Höhere Werte können besonders im Winter zu und eventuell vorhandenes Schwefeldioxid liegt nach der
Problemen führen, wenn durch Fremdstoffe teilweise zuge- Verbrennung gasförmig vor, während der entstandene Was-
setzte Filter zusätzlich durch Paraffinkristalle beaufschlagt serdampf kondensiert ist. Da die Kondensation des Wasser-
werden. dampfes bei motorischer Verbrennung nicht stattfindet, ist
Wasser ist bereits im Rohöl vorhanden und gelangt auch der Brennwert für die praktische Bewertung von Kraftstoffen
während einiger Raffinerieverfahren in den Kraftstoff. unrealistisch hoch. Deshalb bestimmt man den Wasserstoff-
104    4 Kraftstoffe

keit und Sauerstoff in Kontakt. Daher kann es, z. B. bei Tem-


peraturwechsel und resultierender Bildung von Kondens-
wasser, zu Korrosion an Leitungen und Behältern kommen.
Die gebildeten Korrosionsprodukte können Schäden in der
Verteilerkette und im Kraftstoffsystem der Fahrzeuge bis hin
zu den empfindlichen Einspritzdüsen verursachen.
Das Korrosionsverhalten für Stahl wird gemäß DIN
51585 geprüft. Dabei wird ein Rundstab aus Stahl 24 Stun-
den lang bei 60 °C in ein 10:1-Gemisch aus Kraftstoff und
destilliertem Wasser (Variante A) oder künstlichem Meer-
wasser (Variante B) eingebracht. Nach Abschluss der Unter-
suchung wird die Rostbildung visuell bewertet. Die Metho-
de wird z. B. zur Prüfung der Wirksamkeit von Korrosions-
schutz-Additiven verwendet (s. Bild 4‑12).
Bild 4-18 Schema des Laborgerätes zur Bestimmung der Kraftstoff Lubricity Die Korrosion kupferhaltiger Materialien, die mit Kraft-
(HFRR Lubricity Test) stoff in Kontakt kommen (z. B. Bauteile der Zapfsäulen) ist
aus zwei Gründen problematisch. Zum einen werden die
Bauteile geschädigt, zum anderen ist das gelöste Kupfer
katalytisch aktiv und führt zur Bildung hochmolekularer
gehalt in einer Elementaranalyse, errechnet damit die Kon- Verunreinigungen im Kraftstoff. Die Korrosivität eines
densationswärme des Wasserdampfes und subtrahiert diese Kraftstoffs hängt im Wesentlichen vom Wassergehalt, von
vom Brennwert, um schließlich den Heizwert zu erhalten sauerstoffhaltigen Verbindungen, von Art und Menge von
(DIN 51900). Schwefelverbindungen und natürlich vom verwendeten
Bei der Kraftstoffherstellung ist der Heizwert eine aus Korrosionsschutzadditiv ab. Zur Prüfung des in der EN 590
Dichte, Siedeverhalten und Kraftstoffzusammensetzung festgelegten Korrosionsgrenzwertes wird ein geschliffener
resultierende Größe, die für die Zwecke der Qualitätskont­ Kupferstreifen bei 50 °C über 3 Stunden mit Dieselkraftstoff
rolle nicht gemessen wird. Die Messung ist nur für Kraft- in Berührung gebracht (EN ISO 2160). Additive sorgen auch
stoffe, die für bestimmte Forschungs- und Entwicklungsar- unter erschwerten Bedingungen weitgehend für einen
beiten verwendet werden, erforderlich. Werte einiger Schutz aller mit dem Kraftstoff in Berührung kommenden
typischer Dieselkraftstoffe zeigt Tabelle 4‑6. Dieselkraft- Metalle.
stoffe haben wegen der höheren Dichte (höherer Kohlen-
stoffanteil) einen um etwa 15% höheren volumetrischen 4.1.8.13 Oxidationsstabilität
Heizwert als Ottokraftstoffe.
Kraftstoffe können bei Langzeitlagerung (Lagerzeit > 1 Jahr,
4.1.8.12 Korrosionswirkung auf Metalle z. B. bei strategischen Beständen/Erdölbevorratung) teilweise
oxidieren und polymerisieren, was zur Bildung unlöslicher
Dieselkraftstoff kommt beim Transport, der Lagerung und Bestandteile und damit anschließend im Fahrzeug zur Filter-
der Anwendung im Fahrzeug zwangsläufig mit Luftfeuchtig- verstopfung führen kann. Chemischer Mechanismus ist die

Tabelle 4-6 Heizwerte und Elementaranalysen handelsüblicher Dieselkraftstoffe (Quelle: DGMK, Hamburg)

Dieselkraftstoff Dichte Elementaranalyse Ho Hu Hu


bei 15 °C MJ/kg MJ/kg MJ/l
C H O
(kg/m3)
Gew.-%
A 829,8 86,32 13,18 – 45,74 42,87 35,57
B 837,1 85,59 12,7 – 45,64 42,9 35,91
C 828,3 86,05 13,7 – 46,11 43,12 35,72
Mittelwert 831,7 85,99 13,19 – 45,84 42,96 35,73
4.2 Alternative Kraftstoffe    105

Abspaltung von Wasserstoff und Anlagerung von Sauerstoff ßenordnungen wie diejenigen, konventioneller Dieselkraft-
vorzugsweise an ungesättigte olefinische Kraftstoffmoleküle. stoffe.
Der durch die Bildung von „freien Radikalen“ als Zwischen- Qualitätsanforderungen und Qualitätsüberwachung sind
produkt ablaufende Prozess der Oxidation und Polymerisa- beim Biodiesel noch wichtiger, weil Naturprodukte größere
tion kann durch die Verwendung von Antioxidantien (Addi- Qualitätsabweichungen aufweisen können. Während mittel-
tiven) verhindert bzw. wirksam unterbrochen werden. und langfristig die Verwendung von Biomasse zur Kraftstoff­
Für die Messung der Oxidationsstabilität im Labor wird herstellung Erfolg versprechend ist, ist die kurzfristige Ent-
der Kraftstoff 16 Stunden bei einer Temperatur von 95 °C in wicklung unübersichtlich. Auslaufende Steuerpräferenzen
einem offenen Gefäß mit Durchlüftung von reinem Sauer- und Zumischungszwang zu konventionellem Dieselkraft-
stoff (3 l/h) beschleunigt gealtert (EN ISO 12205). Dabei stoff lassen erwarten, dass „Biodiesel“ als getrennte, reine
dürfen nicht mehr als 25 g/m³ lösliche und unlösliche Harz- Sorte nur einen geringen Marktanteil behalten wird, zumal
stoffe entstehen. Die Menge der in handelsüblichen Diesel- die Anwendung in Verbindung mit modernen Abgasnach-
kraftstoffen nach dieser Methode gemessenen Harzstoffe ist behandlungssystemen nicht unproblematisch ist.
wesentlich niedriger, i. Allg. unter 1 g/m³. Die Methode ist Sowohl Motoren als auch Kraftstoffe werden weiterentwi-
aus Sicherheitsgründen wegen der Sauerstoffzugabe nur ckelt. Dies wird im Bereich der Kraftstoffe besonders für
bedingt anwendbar. Alternative Labortests mit Luft als Oxi- synthetische Komponenten und für Additive gelten. In die-
dationsmedium und praxisnahen Temperaturen nehmen sen Bereich fallen auch aussichtsreiche Entwicklungen zur
mehrere Wochen in Anspruch und sind deshalb für die Herstellung von Kraftstoffkomponenten aus nachwachsen-
Qualitätskontrolle von Kraftstoffen nicht geeignet. den Rohstoffen. Bei diesen können jedoch, anders als zurzeit
bei Rapsölmethylester, die gesamte Pflanze oder auch Rest-
4.1.9 Zukunftsaussichten stoffe als Rohstoff verwertet werden, wie beispielsweise
beim BtL-Verfahren der Firma Choren (s. Abschn. 4.2.2.4).
Der hohe Wirkungsgrad des Dieselmotors, der einen spar- Derartige Entwicklungen werden auch die längerfristige
samen Umgang mit dem Kraftstoff ermöglicht, und die im Verknappung von konventionellem Dieselkraftstoff weiter
Vergleich zu Ottokraftstoff immer noch konkurrenzfähigen hinausschieben. Der in der jüngsten Zeit beobachtete deut-
Herstellungskosten von Dieselkraftstoff werden dem Diesel- liche Preisanstieg von Rohöl und Mineralölprodukten wird
motor noch für lange Zeit einen hohen Anteil am Markt der solche Entwicklungen beschleunigen.
Antriebssysteme für Straßenfahrzeuge sichern. Steigende
Akzeptanz durch wirkungsvolle Abgasnachbehandlungssys­ 4.2 Alternative Kraftstoffe
teme sowie gute Fahrbarkeit, hohe Leistung und reduzierte
Geräuschemissionen werden diesen Trend unterstützen und
4.2.1 Einführung
dem Ottomotor weitere Marktanteile abnehmen. So haben
gerade kürzliche Erfolge im Motorsport diese Entwicklung Der weltweit steigende Energieverbrauch, die damit verbun-
eindeutig dokumentiert. denen Emissionen klimarelevanter Gase, die prognostizier­
Pflanzenöle sind ohne chemische Aufarbeitung für heu- te Verknappung fossiler Primärenergie­quellen (s. Abschn.
tige und zukünftige Motoren ungeeignet. Durch Umwand- 4.1.2), die unsichere politische Situation in wichtigen Förder-
lung sind jedoch Produkte herstellbar, die in Form von ländern von Erdöl und Erdgas und die steigenden Energie-
Pflanzenölmethylester bzw. Fettsäuremethylester (FAME) preise führen zu einer verstärkten Suche nach möglichen
als Kraftstoff brauchbar sind, wenn sie den Anforderungen Alternativen für die herkömmlichen, aus Mineralöl herge-
entsprechen, die in der Arbeitsgruppe TC19/WG24 erarbei- stellten Diesel- und Ottokraftstoffe und nach Lösungen für
tet wurden (s. Abschn. 4.2). Diese Produkte können dem eine zukunftsträchtige und nachhaltige Kraftstoffversor-
mineralölbasierten Dieselkraftstoff zugemischt werden. gung. Als Ziel der Nachhaltigkeit wurde in [4-8] die Forde-
Die EN 590 erlaubt eine maximale Beimischung von 5% rung formuliert: „Die verkehrsbedingten Treibhausgasemis-
FAME (welches wiederum den Anforderungen der EN sionen sind auf ein nachhaltiges Niveau zu reduzieren, d. h.
14214 [4-6] entsprechen muss). Grundlage hierfür ist die das Transportwesen ist als wesentliche Quelle von Schadstof-
EU-Biokraftstoff-Richtlinie 2003/30/EG [4-7]. Aufgrund fen und Treibhausgas­emissionen vollständig auszuschließen.
der begrenzten Verfügbarkeit handelt es sich jedoch zunächst Dies erfordert voraussichtlich die Entwicklung von Wasser-
nur um kleine Mengen. In der Vergangenheit war Biodiesel stoff als Hauptenergieträger sowie die Entwicklung von
nur mit steuerlichen Vergünstigungen wettbewerbsfähig. ­modernen Biokraftstoffen“. Nachhaltigkeit erfordert jedoch
Infolge der deutlich gestiegenen Rohölpreise liegen die Her- auch eine Balance aus Ökologie und Ökonomie unter Be-
stellungspreise für Biodiesel jedoch nun in ähnlichen Grö- rücksichtigung soziologischer Aspekte.
106 4 Kraftstoffe

Einen Überblick über die möglichen Kraftstoffpfade gibt Kurz- bis mittelfristig ergeben sich daraus drei Gruppen an
Bild 4-19. alternativen Kraftstoffen:
Im Wesentlichen sieht man zwei Hauptgruppen an Treib- – synthetische Kraftstoffe aus fossilen Quellen (GTL),
stoffalternativen [4-9]: – biogene Kraftstoffe der 1. und 2. Generation,
– konventionelle, auf fossilen Energieträgern beruhende – kohlenstoffarme bis -freie Kraftstoffe (CNG bis zu reinem
Kraftstoffe, auch synthetische Kraftstoffe und Wasser- Wasserstoff).
stoff,
Das höchste Wirkungsgradpotential als Einzelaggregat zum
– regenerative Alternativen u. a. aus biogener Energie, Was-
Antrieb eines Fahrzeugs hat aus heutiger Sicht die mit Was-
serkraft oder Fotovoltaik.
serstoff betriebene Brennstoffzelle. Voraussetzung ist aller-
dings die Verfügbarkeit von regenativem Wasserstoff, denn
Der Beitrag des Kraftstoffes zur Erfüllung des oben genann-
Wasserstoff kann nur dann zur Reduzierung der CO2-Emis-
ten Zieles kann auf zwei Bereiche aufgeteilt werden:
sionen beitragen, wenn er auch aus einer CO2-freien Primär-
1. direkt (im/am Motor):
energie hergestellt wird. Dem stehen jedoch drei kritische
– verbesserte Energiewandlung bei konventionellen
Technologiebarrieren entgegen:
Brennverfahren,
– das Fehlen eines für Kunden akzeptablen Speichers für die
– Vermeidung von Schadstoffentstehung,
mobile Anwendung,
– neue, alternative Brennverfahren und Abgasnachbe-
– die fehlende Infrastruktur und
handlungsverfahren.
– das Fehlen einer ökonomisch tragbaren Technologie für
2. indirekt:
die regenerative Herstellung von Wasserstoff.
– geschlossener CO2-Kreislauf bei Bio-Kraftstoffen,
– Verringerung des C/H-Verhältnisses der Kraftstoffe bis Da bisher für keine der drei Barrieren ein technologischer
hin zu H2. Lösungsansatz verfügbar ist, kann Wasserstoff und damit

Bild 4-19 Mögliche Kraftstoffpfade [4-8], Quelle: WBCSD, Mobility 2030, 2004
4.2 Alternative Kraftstoffe    107

verbunden auch der Brennstoffzellenantrieb nur eine lang- erzeugten Alkoholkraftstoffen sowie von gasförmigen Kraft-
fristige Lösung darstellen. stoffen definieren. Alternative flüssige Kraftstoffe, gewon-
Wenn also Wasserstoff nur langfristig zur Verfügung nen aus landwirtschaftlichen Produkten werden als Bio-
steht, stellt sich die Frage nach einer kurz- bis mittelfristigen kraftstoffe der 1. Generation bezeichnet. Ihr Einsatz ist
Lösung, die aber auch langfristig eine reelle Chance haben wegen der Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion
muss. umstritten. Wachsende Bedeutung erhalten die flüssigen
Die vier wesentlichen Anforderungen an einen zukünf- synthetischen Kraftstoffe, deren Eigenschaften über das
tigen Kraftstoff für Straßenfahrzeuge (im weiteren Sinne Herstellungsverfahren beeinflusst werden können. Synthe-
auch für Schiffe, Schienenfahrzeuge und Flugzeuge) sind: tische Kraftstoffe aus regenerativer Biomasse (Ganzpflan-
– eine hohe Energiedichte, zennutzung) sind Biokraftstoffe der 2. Generation.
– eine sichere Versorgung,
– die gesamtwirtschaftliche Tragfähigkeit und 4.2.2 Flüssige Kraftstoffe
– die Berücksichtigung der Umwelt- und Klimaschutzanfor­
derungen. 4.2.2.1 Kraftstoffe aus Pflanzenölen und Fetten

Diese kann jedoch kein heute verfügbarer Energieträger, Pflanzenöle werden aus ölhaltigen Früchten gepresst. Schon
auch nicht Wasserstoff, erfüllen. Rudolf Diesel erkannte ihre Einsatzfähigkeit in einem Diesel-
In der Vergangenheit sind eine Vielzahl von Varianten motor. Vorteilhaft ist ihr hoher Energiegehalt, der dem von
diskutiert und teilweise auch untersucht worden [4-10]. Dieselkraftstoff nahe kommt. Von großem Nachteil sind je-
Heute deutet sich ein Trend zu einer verstärkten Diversifika- doch ihre unzureichenden physikalischen Merkmale wie
tion der Kraftstoffe an. Bild 4-20 zeigt eine Übersicht über hohe Viskosität und hohe Siedetemperatur, die eine schlechte
die am häufigsten diskutierten Varianten. Verbrennung zur Folge haben.
Man kann die alternativen Kraftstoffe nach ihrer Primär- Darüber hinaus führen sie zu einem unbefriedigenden
energie, der Herstellungsart und ihren Eigenschaften klas- Kaltstartverhalten und sind nur zeitlich begrenzt lagerstabil.
sieren. So kann man Gruppen von flüssigen Kraftstoffen aus In Tabelle 4-8 sind einige Kennwerte von Pflanzenölen im
Pflanzenölen und Fetten und von mittels Fermentation Vergleich zum Dieselkraftstoff zusammengestellt.

Bild 4-20
Übersicht alternativer Kraft-
stoffe
108    4 Kraftstoffe

Tabelle 4-7 Kraftstoffspezifikationen von Pflanzenölen im Vergleich zu Dieselkraftstoff (DK)

Kennwort Einheit Diesel Rapsöl Sonnenblumenöl Leinöl Sojaöl Olivenöl Palmöl


Dichte g/cm3 0,83 0,915 0,925 0,933 0,93 0,92 0,92
Viskosität (20 °C) mm2/s ≈2 74 65,8 51 63,5 83,8 39,6
Heizwerta MJ/kg 43 35,2 36,2 37,0 39,4 (40,0) 35
Cetanzal – 50 40 35,5 52,5 38,5 39 42
Flammpunkt °C 55 317 316 320 330 325 267

4.2.2.1.1 Reine Pflanzenöle 4.2.2.2 Alkohole


Die Kraftstoffeigenschaften von Pflanzenölen erfordern an-
Alkohole besitzen zwar gute Verbrennungseigenschaften,
gepasste Motoren. Begrenzte Bedeutung könnte Rapsöl zum
weisen jedoch deutliche Nachteile bezüglich ihrer Energie-
Antrieb landwirtschaftlicher Maschinen und Traktoren er-
dichte (Reichweite der Fahrzeuge), ihres Kaltstartverhaltens
reichen [4-11]. Wesentlich ist dabei die Einhaltung der Kraft-
und ihres Korrosionsverhaltens gegenüber Metallen und
stoffnorm [4-12].
Elastomeren auf (Tabelle 4-8). Größere Alkoholanteile (> 15
Von der Automobilindustrie wird der Einsatz reiner
Vol.-%) erfordern daher die Entwicklung spezieller Mo-
Pflanzenöle, wie auch ihre Beimischung zum Dieselkraft-
toren.
stoff, infolge der schlechten Kraftstoffeigenschaften abge-
lehnt. Eine andere Möglichkeit zur Nutzung von Pflanzen­
ölen zur Kraftstoffherstellung könnte jedoch ihre Zugabe 4.2.2.2.1 Methanol
zum Raffinerieprozess sein, mit dem Ergebnis eines Diesel-
Zur Herstellung von Methanol wird überwiegend fossile Pri-
kraftstoffs hoher Qualität, der zum Teil biomassestämmig ist
märenergie (Erdgas, Kohle) eingesetzt, aber auch regenera-
[4-13].
tive Quellen (Biomasse) sind möglich. In erster Priorität wird
4.2.2.1.2 Biodiesel Methanol in Form von MTBE (Methyl-Tertiär-Butyl-Ether)
dem Ottokraftstoff als Klopfverbesserer zugefügt. Hierbei
Unter dem Begriff Biodiesel (auch BTL 1. Generation ge- sind nach EN 228 bis zu 15% MTBE zugelassen. In zweiter
nannt) wurde ursprünglich ein verestertes Rapsöl (Rapsöl- Priorität kann Methanol auch direkt bis zu 3% zugegeben
Methyl-Ester – RME) verstanden, dessen Eigenschaften werden. Auf größere Anteile von Methanol sollte aus Toxizi-
durch die Veresterung des Pflanzenöls grundsätzlich deut- tätsgründen verzichtet werden.
lich verbessert worden sind. Inzwischen ist der Begriff Bio-
diesel aber erweitert worden und umfasst veresterte Fettsäu- 4.2.2.2.2 Ethanol
ren (Pflanzenöle, Tierfette, gebrauchte Speiseöle).
Akzeptiert wird heute die Zumischung von bis zu 5 Vol.-% Ethanol wird mittels Fermentation direkt aus zucker- oder
Biodiesel (B5) zu Dieselkraftstoff nach EN 590, der der stärkehaltigen Rohstoffen (Getreidekörner, Zuckerrübe, Zu-
europäischen Norm EN 14214 für Fatty Acid Methyl Ester ckerrohr etc) hergestellt. Wird ein enzymatischer Aufschluss
(FAME) entspricht [4-1, 4-6]. Bei flächendeckender Versor- von Lignocellulose (z. B. Stroh) vorgesetzt, so ist auch die
gung des Marktes (z. B. EU 25) mit einem 5%-Blend ist eine Verwendung von Holz und halmartige Einsatzstoffe mög-
Steigerung des Biodieselgehaltes auf zunächst bis zu 10 Vol.- lich. Ein solches Verfahren wurde von der kanadischen
% (B10), später auch bis zu 20 Vol.-% (B20) denkbar, unter Firma IOGEN [4-14] entwickelt und befindet sich in der
der Voraussetzung, dass die entsprechenden Verträglich- großtechnischen Umsetzung (Bild 4-21).
keitstests erfolgreich abgeschlossen werden. Gerade mit der Ethanol eignet sich für Ottomotoren. Mit erster Priorität
neuesten Dieselmotorentechnik und mit Partikelfiltersyste- kann ein Einsatz von bis zu 15 Vol.-% ETBE (Ethyl-Tertiär-
men kann es durchaus zu Problemen kommen. Falls eine Butyl-Ether) (Ethanolgehalt: 47%) nach EN 228 [4-15]erfol-
Akzeptanz dennoch möglich ist, muss rechtzeitig eine gen. In zweiter Priorität erlaubt die EN 228 einen direkten
Anpassung der EN 590 erfolgen. Einsatz von bis zu 5 Vol.-% Ethanol (E5) [4-16]. Zurzeit ist
Bei reinem Biodiesel (B100) sind z. B. aus Emissionsgrün- eine flächendeckende Versorgung in Europa aufgrund zu
den für die Zukunft keine weiteren Freigaben für Pkw- geringer Verfügbarkeit nicht möglich. Sollte dies in Zukunft
Motoren zu erwarten. bedingt durch die schnell wachsenden Kapazitäten möglich
4.2 Alternative Kraftstoffe   109

Tabelle 4-8 Kraftstoffspezifikationen von Alkoholen

Kennwert Einheit Benzin Diesel Methanol Ethanol

Heizwert MJ/kg ≈ 42 42 bis 43 19,7 26,8


Heizwert MJ/dm3 ≈ 32 36 15,5 21,2
stöch. Luftbedarf kg/kg 14 bis 14,7 14,5 6,46 9,0
Gemischheizwert kJ/kg ≈ 2740 2750 2660 2680
Dichte kg/m3 730 bis 780 810 bis 855 795 789
Siedetemperaturen °C 30 bis 190 170 bis 360 65 78
Verdampfungswärme kJ/kg 419 544 bis 785 1119 904
Dampfdruck bar 0,45 bis 0,90 – 0,37 0,21
Zündgrenzen bei lV 0,4 bis 1,4 0,48 bis 1,40 0,34 bis 2,00
Cetanzahl – 45 bis 55 – –
Oktanzahl ROZ 98 bis 92 114,4 114,4
MOZ 88 bis 82 94,6 94,0
Sensitivity MOZ – ROZ ≈ 10 – ≈ 20 ≈ 17

Bild 4-21
Das IOGEN-Verfahren zur
Herstellung von Ethanol

sein, kann eine Erhöhung auf zunächst bis zu 10 Vol.-% Eine Zumischung von Ethanol zum Dieselkraftstoff wird
(E10) später auch bis zu 15 Vol.-% (E15) erfolgen. So sind für Pkw aufgrund mangelhafter Mischungsstabilität und
z. B. heute bereits viele neu auf den Markt kommenden weiterer Probleme weitgehend abgelehnt, hat jedoch für
Ottomotoren für eine 10%ige Beimischung ausgelegt. Eine Nkw im Flotteneinsatz lokale Bedeutung (USA, Brasilien)
rechtzeitige Anpassung der EN 228 ist jedoch auch hier [4-17].
erforderlich.
E85 und FFV (flexible fuel vehicles) sind nur bei sehr 4.2.3 Gasförmige Kraftstoffe
großen Anteilen von Ethanol am Gesamtkraftstoffmarkt
(z. B. in Brasilien) gerechtfertigt. Diese Kraftstoffe (s. Abschn. 4.4) sind unter Umgebungsbe-
dingungen gasförmig. Sie besitzen daher eine sehr geringe
110    4 Kraftstoffe

Energiedichte (volumenbezogen) und können nur unter Flüssiggas hat insbesondere in Italien, Niederlande und
zum Teil erheblichem technologischen Aufwand an Bord Osteuropa eine gewisse Bedeutung im Straßenverkehr
eines Fahrzeugs gespeichert werden. erlangt (weltweit ca. 9 Mio. Fahrzeuge). LPG-Fahrzeugange-
bote erfolgen im Wesentlichen nur durch Nachrüster.
4.2.3.1 Erdgas
4.2.3.3 Dimethylether (DME)
Erdgas (vorwiegend Methan) ist ein fossiles Naturprodukt,
zu dessen Aufbereitung lediglich eine Reinigung und Ab- DME kann aus Erdgas oder Biomasse hergestellt werden. Es
trennung von Schwefel und anderen störenden Komponen- kann – wie LPG – bei einem Druck von ca. 5 bis 10 bar flüssig
ten erforderlich ist. Es wird in Zukunft zunehmend im sta­ an Bord eines Fahrzeugs gespeichert werden.
tionären Bereich (Kraftwerke, BHKW) eingesetzt. Als nach- DME eignet sich als Kraftstoff für Dieselmotoren. Sehr
haltige Alternative mit nicht zu vernachlässigendem Poten- guten Verbrennungseigenschaften (russfrei, geringe NOx-
tial ist die Aufbereitung von Biogas zu einem Brenngas mit Emissionen) stehen als Nachteile seine geringe Schmierwir-
Erdgasqualität zu erwähnen [4-18]. kung, seine geringere Viskosität, sein niedriger Energiein-
Erdgas kann zur Gewährleistung akzeptabler Reichweiten halt (Halbierung der Reichweite) und seine Korrosivität
technisch nur sehr aufwendig an Bord eines Pkw gespei- gegenüber.
chert werden: Da der Kraftstoff im Tank unter Druck steht, müsste das
– entweder verflüssigt bei –167 °C (Liquefied Natural Gas – Einspritzsystem entsprechend weiterentwickelt werden, was
LNG), verbunden mit hohen Abdampfverlusten bei in Anbetracht der hohen Kosten und der geringen Stück-
längeren Stillstandszeiten des Fahrzeugs, was sich für den zahlen nicht als nachhaltig gelten kann.
Fahrzeugeinsatz nicht durchgesetzt hat, oder
– gasförmig bei ca. 200–250 bar (Compressed Natural Gas 4.2.3.4 Wasserstoff
– CNG) in großen, gewichtsoptimierten Druckspeichern.
Regenerativ erzeugter Wasserstoff kann deutlich zur Umwel-
Erdgas besitzt eine hohe Klopffestigkeit und eignet sich da-
tentlastung beitragen. Dagegen macht der Einsatz von fos-
her besonders für Ottomotoren.
silem Wasserstoff im Verkehrsbereich infolge der hohen
In den nächsten Jahren wird ein zunehmender Einsatz
CO2-Emissionen keinen Sinn, wie eine well-to-wheel-Be-
von Erdgas erfolgen, hervorgerufen z. B. durch die deutliche
trachtung zeigt.
Steuerermäßigung in Deutschland. Erdgas kann und wird
Wasserstoff kann zur Gewährleistung akzeptabler Reich-
direkt zum Fahrzeugantrieb genutzt werden. Allerdings ist
weiten technisch nur sehr aufwändig an Bord eines PKW
wegen der bekannten Nachteile bezüglich Reichweite und
gespeichert werden:
Platzbedarf für den Tank, die für alle gasförmigen Kraftstof-
– entweder flüssig bei –253 °C, verbunden mit hohen
fe gelten, und des zunehmenden Aufwandes für die Abgas-
Abdampfverlusten bei längeren Stillstandszeiten des
nachbehandlung zur Erfüllung strenger Abgasgrenzwerte
Fahrzeugs,
kein Ersatz der heutigen Kraftstoffe durch Erdgas zu erwar-
– gasförmig bei ca. 700 bar oder
ten, sondern nur eine begrenzte Ergänzung.
– in großen, schweren Metallhydridspeichern.
Erdgas hat auf einigen Märkten, wie z. B. Italien, Argenti-
nien und Russland, eine gewisse Bedeutung im Straßenver-
Eine unter Großseriengesichtspunkten kostengünstige Spei-
kehr erlangt (weltweit: ca. 4 Mio. Fahrzeuge). In Europa
cherform ist derzeit nicht in Sicht. Das Fehlen der kosten-
kann bis 2020 mit einem Marktanteil von ca. 5% gerechnet
günstigen Erzeugung regenerativen Wasserstoffs, der äußerst
werden.
kapitalintensiven Infrastruktur zur seiner Herstellung und
seiner Verteilung im Markt lassen nicht damit rechnen, dass
4.2.3.2 Flüssiggas
sowohl die Wasserstoff- als auch die Brennstoffzellentechno-
Flüssiggas oder Autogas (Liquefied Petroleum Gas – LPG), logie innerhalb der kommenden zwei Jahrzehnte die not-
ein Butan-Propan-Gemisch, ist ein Begleitprodukt bei der wendige Marktreife und Wettbewerbsfähigkeit für eine
Mineralölförderung und -verarbeitung und damit fossilen Großserienproduktion erreichen.
Ursprungs. Sein Absatzvolumen ist begrenzt, so dass sich nur
ein Nischenmarkt bilden kann. Es kann bei einem Druck von 4.2.4 Synthetische Kraftstoffe
ca. 5 bis 10 bar flüssig an Bord eines Fahrzeugs gespeichert
werden. LPG wird praktisch nur in Verbindung mit Fremd- Das parallele Angebot aller Kraftstoffe im Markt, wie Diesel,
zündung eingesetzt. Ottokraftstoff, Methanol, Ethanol, Erdgas und anderer Kraft-
4.2 Alternative Kraftstoffe    111

stoffe, kann aber keine wirtschaftliche Lösung darstellen, da Spezifikation eines synthetischen Dieselkraftstoffs besticht
für jeden dieser Kraftstoffe nicht nur ein eigenständiger An- vor allem durch die hohe Cetanzahl und die Aromaten- und
trieb, sondern auch eine eigenständige Verteilungsinfra- Schwefelfreiheit.
struktur entwickelt werden müsste. Wesentlich sinnvoller ist Als Beispiel sind in Bild 4-22 die Emissionsverbesse-
es daher innerhalb akzeptabler Obergrenzen den Standard- rungen durch den synthetischen Kraftstoff Shell-GTL im
kraftstoffen alternative Kraftstoffe beizumischen. Für diese Vergleich zu einem handelsüblichen schwefelfreien Diesel-
sog. Blends ist dann der Absatz und die Anwendung flächen- kraftstoff dargestellt.
deckend gewährleistet. Es zeigt sich, dass selbst auf der Basis neuester Technolo-
Um weitere alternative Energien in den Handel zu brin- gie – die Golf TDI Fahrzeuge erfüllten auch mit Dieselkraft-
gen, muss daher nach einer Möglichkeit geforscht werden, stoff die Euro 4-Grenzwerte – noch substanzielle Verbesse-
die Primärenergien zu diversifizieren und dabei gleichzeitig rungen erzielt werden können. Teilweise konnte aber auch
die zum Einsatz kommenden Energieträger für den mobilen bei älteren Konzepten, die nur die Euro 3-Abgasgesetzge-
Einsatz auf möglichst wenige Varianten zu konzentrieren. bung erfüllen, ohne Änderung der Kalibrierung und ohne
Diese Chance bieten synthetische Kraftstoffe wie GTL (Gas- weitere Maßnahmen eine Reduzierung der Partikelemis­
to-Liquid) und BTL (Biomass-to-Liquid). sionen um mehr als 50% gemessen und dadurch auch bei
diesen Fahrzeugen die Euro 4-Partikelgrenzwerte unter-
4.2.4.1 Fossile Quellen (GTL) schritten werden [4-19].

Aus Erdgas können mit bekannten und großtechnisch er- 4.2.4.2 Regenerative Quellen (BTL)
probten Verfahren, wie der Shell-Mittel-Destillat-Synthese
(SMDS), andere Sekundärenergieträger hergestellt werden. Der Herstellungsprozess synthetischer Kraftstoffe ermögli-
Diese Gas-to-Liquid-Technologien sind beim heutigen cht bei entsprechend modifizierten Eingangsstufen die Ver-
Rohölpreis-Niveau in vielen Regionen der Erde, in denen wendung unterschiedlichster Primärenergieträger, so zum
kostengünstig Erdgas oder Erdölbegleitgas anfällt, höchst Beispiel auch regenerative Energieträger, wie Restholz, Rest-
wirtschaftlich. Firmen, wie Shell, Sasol, ConocoPhilips und stroh, Energiepflanzen oder Biomüll. Aus bisher weitgehend
Chevron, haben mit der erhebliche Ausweitung der Produk- nicht beachteten Abfällen werden dabei höchst interessante
tionskapazitäten begonnen. Dennoch werden, bedingt durch Reststoffe, die einer weiteren stofflichen und anschließend
die notwendigen Investitionen und den Bau der Synthesean- energetischen Verwendung zugeführt werden können. Ent-
lagen, bis zu einer stabilen Versorgung mit diesen synthe- scheidender Vorteil dabei ist, dass die Qualität des Endpro-
tischen Kraftstoffen sicherlich noch 5 bis 8 Jahre vergehen, so duktes nicht von der Beschaffenheit der eingesetzten Primär-
dass dies nur eine kurz- bis mittelfristige Lösung darstellt. energie abhängig ist. Die im jährlichen Pflanzenwachstum
Die synthetischen Kraftstoffe besitzen ein hohes Potential auf der Erde gespeicherte Energie entspricht etwa dem fünf-
zur Verbesserung der motorischen Brennverfahren. Die zigfachen Energieverbrauch der Menschheit, d. h. es existiert

Bild 4-22
Emissionen bei synthetischem Kraft-
stoff (GTL) im Vergleich zu Dieselkraft-
stoff (Flottenversuch 2003 in Berlin
mit 25 VW Golf 1.9 l TDI)
112    4 Kraftstoffe

Die zur Verfügung stehende Biomasse verteilt sich im


Wesentlichen auf Reststoffe und den Anbau von Energie-
pflanzen. Bezüglich des daraus resultieren Potentials zur
Substitution bestehender Kraftstoffe existieren sehr unter-
schiedliche Ansichten. Die Literaturquellen, in denen in
Europa von einem Potential von 10% bis 15% gesprochen
wird, gehen von der heutigen Ist-Situation aus. Insbesondere
die Landwirtschaft kann aber massive Mengensteigerungen
erzielen, sobald das Züchtungs- und Produktionsziel nicht
die qualitativ hochwertige Nahrungspflanze ist, sondern
eine rein massebezogene Optimierung angestrebt wird.
Unter Berücksichtigung solcher Aspekte kann davon ausge-
gangen werden, dass ein Substitutionspotenzial von ca. 25%
Bild 4-23 CO2-Kreislauf mit BTL (SunFuel) im Jahre 2030 erreicht werden kann [4-20].
Neben der Bewertung eines Energiepflanzenanbaus aus
unterschiedlichen, schnellwachsenden Hölzern und spe­
ziellen Energiepflanzen (siehe Bild 4-24) muss aber auch das
Gebiet der Reststoffe, insbesondere das Potential von indus-
ein enormes Ersatzpotential. Auch aus politischer Sicht er- triellen und kommunalen Bioabfällen und sonstigen Abfäl-
gibt sich durch den Einsatz von Biomasse eine Entspannung len, eingehend untersucht werden. So können in Zukunft
auf dem Versorgungssektor, da gegenüber den fossilen Ener- alle Biomüllsammlungen statt der Kompostierung der Her-
gieträgern die Biomasse relativ gleichmäßig über die Erde stellung hochwertiger Kraftstoffe zugeführt werden.
verteilt ist. Die CO2-Emission wird damit lokal nicht zu Null, Bild 4-25 beschreibt schematisch eine Anlage zur Erzeu-
aber es wird ein nahezu CO2-neutraler Kreislauf geschaffen, gung von SunFuels nach dem BTL-Verfahren. Dabei wird
dessen Antriebsenergie die Sonne liefert, siehe Bild 4-23. Da- die Biomasse in einem ersten Schritt mit einer Pyrolyse je
mit wird der Kraftstoffzyklus in den natürlichen CO2-Kreis- nach Verfahren in gasförmige, flüssige und feste Bestand-
lauf integriert, in dem ca. 98% der gesamten CO2-Emissionen teile umgewandelt. Bei dem Pyrolyseverfahren der Firma
geführt werden. CHOREN [4-21] entstehen ein Pyrolysegas und Biokoks.

Bild 4-24 Nutzbare Energiepflanzen zur Herstellung von SunFuel


4.2 Alternative Kraftstoffe    113

Bild 4-25
Verfahrensschema der BTL-Herstel-
lung [4-21]

Nach anderen Verfahren von kanadischen und amerika- mittelfristig bezeichnet werden, da er heute noch nicht wirt-
nischen Firmen entstehen als Pyrolyseprodukt hauptsäch- schaftlich tragbar ist. Im Vergleich zum Kraftstoff aus fossi-
lich feste bzw. flüssige Substanzen, die als Biocrude bezeich- len Quellen (Herstellungskosten ca. 35 Cent/Liter bei einem
net werden. Dieses pumpfähige Primärprodukt ist dem Rohölpreis von 50 $/barrel) ergibt sich ein Kostennachteil
Rohöl ähnlich und besonders geeignet, um in kleineren von ca. 20 bis 30 Cent/Liter in den reinen Herstellungskos-
Einheiten dezentral eine Vorverdichtung der Biomasse für ten ohne Steuern (bezogen auf eine Größe der Produktions-
den Transport zu einer zentralen Großanlage darzustellen. anlage von 200 MWth). Jedoch liegen die Herstellungskosten
Damit kann die Effizienz der eigentlichen zentralen Pro- deutlich unterhalb heutiger Tankstellenpreise, so dass es in
duktionsanlage erheblich gesteigert werden, ohne dass der der Hand der Politik liegt, durch entsprechende Steuerge-
Biomassentransport die Effizienz der gesamten Produkt- setzgebung die Verfahrensentwicklung und eine erste Ein-
kette zunichte macht. Derartige Pyrolyseanlagen bleiben in führung dieser Kraftstoffe zu fördern, bis die wirtschaftliche
einem finanziell überschaubaren Rahmen und könnten als Machbarkeit dargestellt werden kann. Die derzeit für
Ersatz der bisherigen Kompostierungsanlagen auch von Deutschland beschlossene Steuerbefreiung von BTL-Kraft-
Kommunen oder landwirtschaftlichen Maschinenringen stoffen bis 2015 wird alleine nicht ausreichen, um dies zu
betrieben werden. Ein weiterer Vorteil ist dabei die Ver- gewährleisten.
wertbarkeit sowohl feuchter als auch trockener Eingangs- Die nahezu unbegrenzten Absatzmöglichkeiten dieses
stoffe, sowie die Möglichkeit, die mineralischen Bestandtei- Kraftstoffs ergeben zudem eine enorme Chance für die
le abzutrennen und als Düngemittel wieder dem Boden Beschäftigungssicherung in der Landwirtschaft. Besonders
zurückzuführen. vor dem Hintergrund der Neustrukturierung der Förder-
In einer zweiten Stufe, der eigentlichen Vergasung, wird richtlinien der EU kann durch die Bereitstellung von Ener-
dann ein Synthesegas erzeugt. Das Synthesegas wird nach giepflanzen auch langfristig eine Stabilisierung der Einkom-
einer geeigneten Reinigung in einer Fischer-Tropsch-Syn- men erzielt werden. Aber auch für die Industrie bietet sich
these (FT-Synthese) mit nachfolgender Wasserstoff-Nach- durch die Entwicklung und den Bau der Produktionsanla-
behandlung und anschließender Destillation in hochwer- gen eine neue Einnahmequelle.
tigen Kraftstoff und Wachse umgewandelt. Die Wachse Sobald kostengünstiger, regenerativ erzeugter Wasserstoff
bieten eine Grundlage für die Herstellung synthetischer zur Verfügung steht, könnte dieser auch dem SunFuel-
Öle, wie sie heute überwiegend aus Erdöl und Erdgas Herstellungsprozess zugefügt werden. Hierdurch ließe sich
erzeugt werden. dessen Ausbeute an Kraftstoff nahezu verdoppeln. Dies
Dieser Lösungsansatz eines aus Biomasse hergestellten bedeutet auch, dass die Implementierung einer Wasserstoff-
Kraftstoffes (auch BTL 2. Generation genannt) kann als wirtschaft nicht zwangsläufig die Nutzung von Wasserstoff
114    4 Kraftstoffe

in der Mobilitätswirtschaft zur Folge hat. Gerade im Sinne verwendet werden kann. Tabelle 4-9 zeigt die wichtigsten
einer Nachhaltigkeit könnten sich synthetische Kraftstoffe Eigenschaften im Vergleich.
auf Basis von Biomasse unter ganzheitlicher Betrachtung als Unter der Randbedingung des heutigen Wissens um die
sinnvoller erweisen. Nutzung landwirt­schaftlicher Flächen und die Effizienz der
Mit der Annäherung an die technische Fördergrenze für Verfahren erscheint eine Substitution von 15% bis 20% des
Erdöl und den steigenden Weltenergiebedarf werden alter- EU-Kraftstoffbedarfs durch SunFuels möglich. Durch Ver-
native Energieträger in Zukunft schnell an Bedeutung besserungen in der Biomassenproduktion, der Verfahren
gewinnen müssen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen und Logistik erscheinen auch noch höhere Werte realisier-
an die konventionellen Kraftstoffe bezüglich deren Qualität bar. Voraussetzung sind allerdings auch stabile Rahmenbe-
und Reinheit. Die damit verbundenen Kostensteigerungen dingungen, wie ein nachhaltiges Bekenntnis der Politik für
begünstigen die Einführung von i.d.R. teureren Alterna- biogene Kraftstoffe.
tiven. So sieht z. B. die Volkswagen AG in den kommenden Die Biokraftstoffrichtlinie der EU zur Förderung der Ver-
Jahren eine Kraftstoffevolution, die von den konventionellen wendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren
erdölgebundenen Kraftstoffen über synthetisch aus Erdgas Kraftstoffen im Verkehrssektor [4-7] legt dazu als Bezugs-
erzeugte SynFuels hin zu biomassebasiertem SunFuel werte Biokraftstoffanteile, bezogen auf den Energiegehalt,
führt. Erst in ferner Zukunft, wenn alle Technologiebarrie- von 2% im Jahr 2005 und 5,75% im Jahr 2010 fest.
ren überwunden sind, kann sich Wasserstoff als Energieträ- Bis Mitte des Jahres 2007 soll die Biokraftstoffricht-
ger in der mobilen Anwendung einbringen. Bild 4-26 linie der EU überarbeitet werden. Dabei sollen u. a. Fragen
beschreibt ein solches Szenario. der Kostenwirksamkeit und der Umwelt­wirkungen von
Erwähnt werden soll noch die NExBTL genannte Zwi- Biokraftstoffen berücksichtigt werden sowie Zielvorgaben
schenstufe zwischen den Biokraftstoffen 1. und 2. Genera­ für die Zeit nach 2010 aufgestellt werden. Ebenso ist es
tion [4-13]. Das ist ein BTL-Kraftstoff, der mittels FT-Syn- erforderlich, die Rahmenbe­dingungen für höhere Beimi-
these aus Pflanzenölen und Tierfetten gewonnen wird und schungsquoten zu herkömmlichen Kraftstoffen zu verbes-
wie GTL als Blend-Komponente für konventionellen Diesel sern.

Bild 4-26 Szenario Kraftstoffverteilung in Europa


4.2 Alternative Kraftstoffe    115

Tabelle 4-9 Eigenschaften alternativer Kraftstoffe [4-13]

NExBTL GTL FAME (RME) Swedish Class 1 Sommer-DK


Diesel (EN 590)
Dichte bei +15 °C (kg/m3) 775 ... 785 770 ... 785 ≈ 885 ≈ 815 ≈ 835
Viskosität bei +40 °C (mm2/s) 2,9 ... 3,5 3,2 ... 4,5 ≈ 4,5 ≈ 1,8 ≈ 3,5
Cetanzahl ≈ 80 ... 99 ≈ 73 ... 81 ≈ 51 ≈ 53 ≈ 53
Destillation 90 Vol-% (°C) 295 ... 300 325 ... 330 ≈ 355 ≈280 ≈ 350
Cloudpoint (°C) ≈ -5 ... -25 ≈ 0 ... -25 ≈ -5 ≈ -30 ≈ -5
Heizwert (MJ/kg) ≈ 44,0 ≈ 43 ≈ 37,5 ≈ 43 ≈ 42,7
Heizwert (MJ/l) ≈ 34,4 ≈ 34 ≈ 33,2 ≈ 35 ≈ 35,7
Aromaten gesamt (Gew.-%) 0 0 0 ≈4 ≈ 30
Polyaromaten (Gew.-%) 0 0 0 0 ≈4
Sauerstoffgehalt (Gew.-%) 0 0 ≈ 11 0 0
Schwefelgehalt (mg/kg) < 10 * < 10 < 10 < 10 < 10
Lubricity HFRR bei +60 °C (μm) < 460 ** < 460 ** < 460 < 460 ** < 460 **

GTL = Gas to Liquid ; *) Schwefelgehalt: typ. < 1 mg/kg; **) mit üblichen Verschleißschutz-Additiven

4.2.5 Ökobilanzen zen im Wachstum aufgenommen werden und somit CO2 im


Kreislauf geführt werden kann.
Bei der Entwicklung zukünftiger, umweltfreundlicher An- Darüber hinaus können durch die Verwendung von Sun-
triebs- und Kraftstoffkonzepte ist die Betrachtung aller Le- Diesel im Vergleich zu konventionellem Diesel auch die zum
benszyklusphasen von besonderer Bedeutung. Die Optimie- Sommersmog beitragenden Kohlenwasserstoff-Emissionen
rung nur eines Lebensabschnitts, wie beispielsweise der Nut- um etwa 90% gesenkt werden. Hierfür verantwortlich sind
zungsphase eines Pkw und der damit verbundenen Emis­ die geringeren HC-Emissionen im Fahrbetrieb sowie die
sionen, führt – bei Betrachtung des gesamten Lebenszyklus vermiedenen HC-Emissionen bei der Rohölförderung und
– nicht immer zum ökologischen Optimum. Raffination im Falle des konventionellen Diesels.
Aus diesem Grunde wird das Instrument der Ökobilanz Die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus führt zu
(Life-Cycle-Assessment) benutzt, um das Umweltprofil der einer ganzheitlichen ökologischen Produktentwicklung.
Produkte über den gesamten Lebenszyklus zu analysieren. Pauschale Vermutungen lassen sich somit durch präzise
Ökobilanzen zeigen auf, wann und in welcher Form die Analysen ersetzen. Denken in Lebenszyklen zeigt auf, unter
Lösung eines ökologischen Problems zu Lasten eines ande- welchen konkreten Rahmenbedingungen bestimmte
ren erfolgt. Problemverschiebungen werden erkennbar und Antriebs- oder Kraftstoffstrategien umweltverträglich gestal-
Umweltstrategien damit zuverlässiger gestaltbar. tet werden können.
Zur Beurteilung des Umweltprofils von BTL-Kraftstoffen Der nach einem BTL-Verfahren aus Holz erzeugte Diesel-
über den gesamten Lebenszyklus wurde in einem Gemein- kraftstoff ist nahezu CO2-neutral und kann nach dieser
schaftsprojekt von DaimlerChrysler und Volkswagen eine Analyse aus gutem Grund als „SunFuel“ bezeichnet wer-
vergleichende Umweltbilanz von SunDiesel und konventio- den.
nellem Diesel erstellt. Dabei wurden der Biomasse-Anbau,
die Kraftstoffsynthese aus Biomasse sowie die Nutzung der 4.2.6 Neue Verbrennungsverfahren
Kraftstoffe im Fahrzeug betrachtet. Der untersuchte BTL-
Kraftstoff wurde dabei nach dem Choren-Verfahren aus Diese Überlegungen zeigen, dass auch in den nächsten 30
Holz hergestellt. Jahren von der Verfügbarkeit und Dominanz flüssiger Koh-
Die Studie kommt zu dem Ergebnis (Bild4-27), dass Sun- lenwasserstoffe als Kraftstoff ausgegangen werden kann.
Diesel im Vergleich zu konventionellem Diesel über den Gleichzeitig bieten die synthetisch hergestellten Kraftstoffe
gesamten Lebenszyklus zwischen 61% und 91% der Treib­ die Möglichkeit einer optimalen Anpassung der Kraft­
hausgase einsparen kann. stoffeigen­schaften an die Verbrennung. Denkt man an die
Diese Einsparungen beruhen in erster Linie darauf, dass weitere Absenkung der Schadstoffemissionen oder an eine
die CO2-Emissionen im Fahrbetrieb wieder von den Pflan- Reduzierung des beträchtlichen Aufwandes der Abgasnach-
116    4 Kraftstoffe

Bild 4-27
Ergebnisse der Ökobilanz von Sun-
Diesel

behandlung, so wird beides nur dann zu erfüllen sein, wenn Motorkonzepte bereits deutlich an. Die nächsten Stufen der
vor allem die NOX-Rohemissionen der geschichteten Brenn- Brennverfahrensentwicklung verstärken diesen Trend, siehe
verfahren herabgesetzt werden können. Das heißt, eine Bild 4-28.
NOX-Produktion muss während der Verbrennung unter­ Die Entwicklung einer „teilhomogenisierten Dieselver-
drückt werden, ohne die Effizienz der Motoren zu ver- brennung“ und die in den Forschungs- und Entwicklungsla-
schlechtern, wozu die Qualitätsregelung der Direkteinsprit- bors ebenfalls aktuelle Entwicklungsstufe „selbstzündender
zung beibehalten werden muss. Es gilt daher, die jeweiligen Ottomotor“ basieren bereits auf einer im Kern vergleich-
Vorteile von Otto- und Dieselmotor in einem neuen Verfah- baren Hardware. So ist es nur konsequent, über die Entwick-
ren zu vereinen (s. Abschn. 3.3). lung eines neuen kombinierten Verbrennungsverfahrens
Mit der Einführung der Direkteinspritzung auch bei den nachzudenken, das die wesentlichen Merkmale beider Ver-
Ottomotoren näherten sich die Brennverfahren beider fahren zusammenfasst. Dieses Verfahren wird bei Volkswa-

Bild 4-28
Entwicklung motorischer Brennver-
fahren
4.2 Alternative Kraftstoffe    117

gen CCS (Combined Combustion System) genannt. Grund- Eigenschaften ermöglichen dem Automobilhersteller eine
lage dieses Verfahrens ist ein neuer synthetischer Kraftstoff Weiterentwicklung seiner Produkte zu verringertem Ver-
mit veränderten spezifischen Eigenschaften [4-22, 4-23]. brauch und, insbesondere bei Dieselmotoren, zu weiter
Zur Realisierung des CCS-Verfahrens sind noch zahl- verbesserten Emissionen.
reiche Hürden zu überwältigen. Mit einer Markteinführung Wird Synthesegas nicht aus fossiler Primärenergie herge-
ist daher in diesem Jahrzehnt nicht mehr zu rechnen. stellt, sondern auf Basis CO2-freier oder CO2-neutraler
Energie, dann verringern sich die spezifischen CO2-Emis­
4.2.7 Zusammenfassung sionen des Fahrzeugbetriebs auch bei unverändertem Ver-
brauch. Dies gilt unabhängig von der Art des Kraftstoffs,
Bild 4-29 stellt ein mögliches Gesamtszenario der Entwick- also auch für synthetischen Kraftstoff aus nachwachsenden
lung zukünftiger Antriebe und der dazugehörigen Kraftstoffe Rohstoffen („SunFuel“). Der große Vorteil dieser Route
dar [4-24]. liegt darin, dass auch in dieser Phase die heutige Kraftstoff-
Mit heutigen Kraftstoffen aus Mineralöl und konventio- Infrastruktur erhalten bleiben kann.
nellen Antriebsaggregaten werden sich die spezifischen Wie bereits dargestellt, werden mittelfristig neuartige
CO2-Emissionen entsprechend der Selbstverpflichtung der motorische Brennverfahren zum Einsatz kommen, die die
Automobilindustrie und dem technischen Fortschritt weiter Verbrauchsvorteile heutiger Dieselmotoren mit dem Emis­
verringern. Dabei werden Motoren mit direkter Kraftstoff­ sionspotential von Ottomotoren und deren Abgasnachbe-
einspritzung eine Schlüsselrolle spielen. handlung verbinden. Für diese hybriden Brennverfahren
Zusätzlich zu den mineralölstämmigen Kraftstoffen, wer- müssen auch die passenden Kraftstoffe zugeschnitten wer-
den in diesem Jahrzehnt synthetische konventionelle Kraft- den. Synthetische Kraftstoffe (SynFuel, später SunFuel)
stoffe auf den Markt kommen, vornehmlich auf Basis Erd- bieten hierfür die besten Voraussetzungen.
gas. Für den Fahrzeugnutzer ändert sich durch die Einfüh- Langfristig wird vor allem im Elektromotor der optimale
rung synthetischer Kraftstoffe nichts, da alle Nutzungs­ Antrieb für eine nachhaltige Mobilität gesehen. Ob es sich
eigenschaften und die Verteilungsinfrastruktur erhalten dabei allerdings um Fahrzeuge mit weiterentwickelter Batte-
bleiben. Die synthetischen Kraftstoffe sind frei von Schwefel rietechnik oder mit Wasserstoff als Energieträger und
und Aromaten und können in ihren Eigenschaften enger Brennstoffzelle als dazugehörigem Energiewandelsystem
toleriert werden als heutige Kraftstoffe. Diese vorteilhaften handeln wird, kann aus heutiger Sicht noch nicht beurteilt

Bild 4-29 Die Kraftstoff- und Antriebsstrategie der Volkswagen AG


118    4 Kraftstoffe

werden. Zumindest in den nächsten 20 Jahren ist damit von Kohlenstoff zu Wasserstoff hin. Daraus ergibt sich
nicht zu rechnen. Welches System sich später auch durch­ abhängig vom Schwefelgehalt eine Verringerung des Heiz-
setzen wird: Ein unbestrittener Vorteil besteht darin, dass wertes Hu, Bild 4-31.
Strom und Wasserstoff aus regenerativen Energien wie Eine ständige Tendenz der Qualitätsminderung bei
Wind, Wasser oder Sonne erzeugt werden können. Und Schwerölen resultiert aus der zunehmenden Verbreitung
ebenfalls vorteilhaft ist die Tatsache, dass der Elektroantrieb von Konversionsverfahren wie katalytisches und thermi­
keine lokalen Emissionen verursacht wie ein Verbrennungs- sches Kracken in modernen Raffinerien zur besseren Aus-
motor. nutzung der Rohöle (Rückstandsanteil bei der klassischen
atmosphärischen Destilla­tion 32 bis 57%, bei der Konver­
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und sionsraffinerie 12 bis 25%). Der damit verbundene höhere
Gehalt an Aromaten verringert zum einen die Zündwillig-
Stationärmotoren keit (vgl. Abschn. 4.3.4.1), der erhöhte Anteil an Asphal-
tenen die Stabilität, wodurch infolge verstärkter Schlamm-
4.3.1 Was ist Schweröl? und Harzbildung Störungen bei der Kraftstoffaufbereitung
Schweröl ist eine Mischung aus Rückstandsölen, die bei der verursacht werden können.
Verarbeitung von Erdöl (Rohöl) durch fraktionierte Destilla- Weitere negative Einflüsse ergeben sich aus einem verstär-
tion anfallen. Ihre Hauptbestandteile sind Kohlenwasser- kten Trend zur Entsorgung gebrauchter Schmieröle, orga-
stoffverbindungen, die als hochsiedende Fraktionen nach nischer Lösungsmittel oder Chemieab­fälle in die Rück-
der Destillation von Rohöl zurückbleiben. Da Rückstandsöle standsöle.
erheblich preisgünstiger als Destillate sind, wie z. B. Benzine Um unter diesen Voraussetzungen einen wirtschaftlichen
oder leichtes Heizöl, ergibt sich ein wirtschaftlicher Anreiz störungsfreien Schweröleinsatz in Dieselmotoren zu ermög-
zur Verwendung dieser Komponenten als Brennstoff. lichen, kommen zum einen der Anpassung der Dieselmo-
In den meisten Fällen sind den Rückstandsölen Destillate toren an gegebene Verhältnisse zum anderen der Qualitäts-
beigemischt, um bestimmte Produkteigenschaften sicherzu- sicherung der Schweröle durch Normen (ISO, CIMAC, Bild
stellen, insbesondere um eine vorgegebene Viskositätsober- 4-30) und insbesondere einer optimalen Schwerölaufberei-
grenze einzuhalten. tung besondere Bedeutung zu.
Schweröle weisen Viskositäten zwischen 4,5 und 55 mm2/
s (cSt) bezogen auf 100 °C auf und sind in der Norm ISO 4.3.2 Schwerölaufbereitung
8217 spezifiziert.
Auf der Basis dieser ISO-Norm hat die CIMAC (CIMAC Die Aufbereitung des Schweröls ist unerlässliche Vorausset-
= Conseil International des Machines a Combustion) eine zung für den Einsatz als Brennstoff im Dieselmotor. Sie sorgt
Einteilung der Schweröle in Abhängigkeit der physikalisch- für eine Beseitigung oder weitgehende Reduzierung von un-
chemischen Daten mit noch weitergehenden Anforderungen erwünschten Begleitstoffen wie Wasser, mit den darin ggf.
vorgenommen. Diese „Requirements for residual fuels for gelösten korrosiv wirkenden Substanzen, ferner festen Ver-
diesel engines“ sind Bestandteil von Betriebsvorschriften unreinigungen wie z. B. Koks, Sand, Rost, Katalysatorrück-
aller Hersteller schwerölfähiger Dieselmotoren, s. Bild 4-30. ständen aus der Raffinerie und schlammartigen Bestandtei-
Die Eigenschaften bzw. die Zusammensetzung von len wie agglomerierte Asphaltene.
Schwerölen variieren in weiten Grenzen je nach Herkunft Ohne eine Entfernung dieser schädlichen Beimengungen
(Provenience) der Rohöle sowie in Abhängigkeit der unter- müsste mit kurzfristigen Korrosions- und/oder Verschleiß-
schiedlichen Verfahrensprozesse in den Raffinerien, s. auch schäden im Einspritzsystem (z. B. Pumpen, Düsen) und im
[4-26]. Abgesehen von wesentlich höheren Viskositäten sind Motor selbst (z. B. an Zylinderbuchsen, Kolben, Kolbenrin-
Schweröle im Vergleich zu Destillaten gekennzeichnet durch gen) mit allen daraus resultierenden unangenehmen Folgen
hohe Dichten, hohe Schwefelgehalte und hohe Verkokungs- gerechnet werden.
neigung. Der Gehalt an Unverbrennbarem (Asche) ist um Eine weitere Aufgabe der Aufbereitung ist es, die für den
zwei Zehnerpotenzen höher, die Zünd- und Durchbrenn­ optimalen Motorbetrieb notwendige Einspritzviskosität des
eigenschaften sind durch höhere Aromaten- bzw. Asphalt- Schweröls bereitzustellen. Dies erfordert je nach Ausgangs-
gehalte schlechter, außerdem können nennenswerte Mengen viskosität Vorwärmtemperaturen zwischen 90 und 160
von Wasser und festen verschleißfördernden Verunreini- (170) °C, s. Bild 4-32.
gungen vorhanden sein. Die nach derzeitigem Stand der Technik verwendeten
Die gegenüber Gasöl (entspricht DK) größere Dichte des Komponenten eines optimalen Schwerölaufbereitungssys­
Schweröls weist auf Zunahme des Massenverhältnisses C/H tems zeigt Bild 4-33.
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren

Bild 4-30 Einteilung verfügbarer Schweröle in Klassen gemäß CIMAC/ISO, Originalauszug


119
120 4 Kraftstoffe

Aus den Vorratstanks gelangt das Schweröl in die Setz-


tanks. Eine 24-stündige Verweilzeit bei Temperaturen um
70 °C soll eine Vorreinigung ermöglichen.
Nächste Station sind Zentrifugalseparatoren, denen im
Aufbereitungssystem eine zentrale Rolle zukommt. In Reihe
oder parallel geschaltet scheiden sie – je nach Einstellung –
als Trennstufe, auch Purifikator genannt Wasser und Fremd-
stoffe ab oder als Klärstufe (Clarifikator) nur Fremdstoffe.
Hierzu wird das Schweröl auf ca. 95 °C vorgewärmt, um
niedrige Viskositäten und hohe Dichtedifferenzen für hohe
Reinigungseffizienz zu erzielen.
Moderne Separatoren passen sich selbsttätig veränderten
Kennwerten des Schweröles, wie Dichte, Viskosität und
Wassergehalt an, und sind auch selbstentleerend.
Über den Tagestank, ausgelegt als Puffer für mindestens
Bild 4-31 Einfluss des Kohlenstoff-Wasserstoffverhältnisses C/H auf die 8 Stunden Volllastbetrieb, wird das Schweröl dem Boostersys-
Dichte U und den Heizwert Hu von Schwerölen, in Abhängigkeit vom Schwe- tem zugeführt. Hier erfolgt die Vorwärmung auf die erfor-
felgehalt
derliche Einspritzviskosität, geregelt von einer Viskositätsre-
geleinrichtung. Der Systemdruck liegt über dem Verdamp-
fungsdruck von Wasser, um Dampf- bzw. Gasbildung zu
vermeiden.
Ein automatisches Rückspülfilter mit sehr feiner Maschen-
weite (10 Pm) sorgt für eine Nachreinigung des Brennstoffs

Bild 4-32 Viskositäts/Temperatur-Abhängigkeit von Schifffahrtskraftstoffen. RMA: Residuale Marine, Klasse A, gemäß Bild 4-30
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren 121

Bild 4-33 Schwerölaufbereitungssystem, schematisch


122    4 Kraftstoffe

und stellt anhand seiner Rückspülhäufigkeit einen nütz- – Gefahr der Schmierölverschmutzung aufgrund ungenü­
lichen Indikator über die Wirksamkeit der vorgeschalteten gender Verbrennungsqualität mit der Folge unzumutbar
Aufbereitungsorgane dar. kurzer Filterstandzeiten,
– Gefahr von Korrosion der Grund- und Pleuellager infolge
4.3.3 Besonderheiten von Schwerölmotoren von Rückwirkungen des Kraftstoffes auf das Schmieröl,
– Gefahr von Belagbildung in den mit Schmieröl beauf­schlag­
4.3.3.1 Schwerölmotoren und ihre Probleme ten Kühlräumen und der dadurch verringerten Wärme­
abfuhr, ebenfalls infolge der Rückwirkung des Kraftstoffs
Die im vorigen Abschn. dargestellte Schwerölaufbereitung (Asphaltgehalt) auf das Schmieröl.
erfordert sowohl erhebliche Investitionen als auch einen ent-
sprechenden Einbauraum. Daher ist heute der Schwerölbe- 4.3.3.2 Auswirkungen auf Motorkomponenten
trieb hauptsächlich an Bord von Schiffen und bei großen
Stationärmotoren anzutreffen. Nur lange Betriebszeiten mit Einspritzausrüstung
entsprechend hohem Kraftstoffverbrauch in Verbindung mit
dem gegenüber DK um ca. 35% geringeren Schwerölpreis Schwerölmotoren werden mit Einzel-Einspritzpumpen aus-
rechtfertigen die hohen Anlagekosten und die spezifischen gerüstet, Schweröl-Common-Rail-Systeme sind in der Ein-
Besonderheiten der Schwerölmotoren, auf die im Folgenden führungsphase (s. Abschn. 18.3).
eingegangen wird. Die Einspritzausrüstung kommt direkt mit dem vorge-
Somit sind indirekt bereits die beiden Motorengattungen wärmten Schweröl in Berührung. Je nach Viskositätsklasse
genannt, die für Schwerölbetrieb in Frage kommen: des verwendeten Schweröls beträgt die Vorwärmtemperatur
– mittelschnelllaufende Viertaktmotoren mit einem Kol­ben­ gemäß Bild 4-32 bis zu 160 °C, um die gewünschte Ein-
durchmesser von ca. 200 bis 600 mm und einer Drehzahl spritzviskosität von 12 cSt sicherzustellen. Allein dieses
von 1000 bis ca. 400 min–1, Leistung von 500 kW bis ca. relativ hohe Tem­peraturniveau fordert die Lösung einiger
18000 kW je Motor, Probleme. Genannt seien geeignete Dichtelemente wie O-
– langsamlaufende Zweitaktmotoren mit einem Kolben­ Ringe, die geeignete Spielauslegung von Plunger und Pum-
durchmesser von ca. 250 bis 900 mm und einer Drehzahl penzylinder, um einerseits unter hoher Temperatur fresssi-
von ca. 250 bis 80 min–1, Leistung von 1500 bis ca. 70000 cher zu fahren und andererseits bei Umschalten auf kaltes
kW je Motor. Gasöl noch zulässige Leckmengen sicherzustellen.
Weiterhin sind für die Einspritzelemente Werkstoffe mit
Abgesehen von der für den sicheren Schwerölbetrieb unum- spezieller Wärmebehandlung zu verwenden, um unzuläs-
gänglichen Schwerölaufbereitung (s. Abschn. 4.3.2) verblei- sige Gefügeumwandlung infolge der erhöhten Kraftstoff-
ben gegenüber dem Gasölbetrieb einige Besonderheiten: temperatur einzugrenzen und Pumpenfressern vorzubeu-
– Gefahr der Hochtemperaturkorrosion der den Brennraum gen.
umgebenden Bauteile aufgrund von Vanadium- und Weitere Besonderheiten der Einspritzpumpen sind Maß-
Natriumgehalt des Kraftstoffes, nahmen, um das Verkleben und Verlacken zu vermeiden,
– Gefahr der Niedertemperaturkorrosion bei Taupunkt­ z. B.:
unterschreitung aufgrund des Schwefelgehalts des – Regelstangenschmierung: Durch eine separate Schmierung
Kraft­stoffes und des Wassergehaltes des Verbren­nungs­ werden Regelstange und Regelhülse vor dem Eindringen
gases, von Kraftstoff geschützt, sauber und leichtgängig ge­­
– Gefahr des erhöhten Verschleißes durch Abrasion aufgrund halten.
des im Kraftstoff verbliebenen festen Rückstände an Koks, – Leckkraftstoffabführung in den Saugraum: Eine
Sand, Rost und Katalysatorrückständen sowie Asphaltenen um­laufende Nut in der Kolbenführung sowie eine Ver­bin­
und Wasser, dung zum Saugraum sorgen für die Abfuhr von Leck­kraft­
– Gefahr unzulässiger Ablagerungen von Verbren­nungs­ stoff in den Kraftstoffkreislauf.
rückständen an Bau­teilen des Brennraumes sowie in den – Leckkraftstoffabführung aus der Pumpe: Eine weitere Nut
Abgasleitungen und der Abgasturbine, in der Kolbenführung sammelt den restlichen Leck­kraft­
– Gefahr des Verklebens, Verlackens, Einfrierens von Kraft­ stoff, der über einen zusätzlichen Anschluss an der Pumpe
stoff an Bauteilen des Einspritzsystems, in den Leckkraftstofftank geleitet wird.
– Gefahr der Schmierölverschmutzung durch Kraft-
stoff­leckagen an Einspritzpumpen, Düsen und Düsen­ Darüber hinaus muss verhindert werden, dass Lecköl und
haltern, Leckkraftstoff über den Pumpenantrieb in den Triebraum
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren 123

des Motors gelangen. Deshalb werden diese Leckmengen ge-


sondert aufgefangen und über eine Leckölleitung ebenfalls in
den Leckkraftstofftank zurückgeleitet.
Eine weitere Besonderheit des Schwerölbetriebs ist die
Kühlung der Einspritzdüsen, um „Trompetenbildung“, d. h.
Koksablagerungen an den Spritzlöchern, zu vermeiden.
Hierzu wird ein gesonderter Kühlkreislauf vorgesehen. Zu-
und Abfuhr erfolgt über den Düsenhalter. Als Kühlmedium
wird Schmieröl, Gasöl oder Wasser verwendet.
Für einen störungsfreien Betrieb ist sicher zu stellen, dass
bei Motorstillstand im Einspritzsystem vorhandenes Schwer-
öl nicht erkalten und so z. B. die Einspritzpumpe blockieren
kann. Bei kurzzeitigem Stillstand zirkuliert daher weiterhin
aufgeheiztes Schweröl durch den Motor. Damit ein kalter
Motor problemlos startet, wird vor dem Abstellen auf Gasöl
umgeschaltet und der Motor „sauber“ gefahren.
Bild 4-34 zeigt das Beispiel einer Einspritzpumpe für den
Schwerölbetrieb.
Für eine möglichst gute Verteilung des Kraftstoffs im
Brennraum sowie für ein gutes Zündverhalten des Schwer-
öls gilt es, den Kraftstoff mit sehr hohem Druck einzusprit-
zen und über viele Spritzlöcher kleinen Durchmessers fein
zu zerstäuben. Als Beispiel seien für einen Mittelschnellläu-
fer folgende Daten genannt:
– mittlerer effektiver Druck pe = 27 bar (bzw. we = 2,7 kJ/
dm3),
– Einspritzdruck pE = 1800 bar,
– Lochzahl z = 10 bis 14.

Aufladung
Bild 4-34 Schweröl-Einspritzpumpe mit Regelstangenschmierung und
Bei der Aufladung schwerölbetriebener Motoren sind einige Leckkraftstoffabführung; Sackloch-Element für hohen Einspritzdruck
besondere Gesichtspunkte zu beachten: (L’Orange). a nur eine Hochdruckdichtfläche; b steifes Monoelement für hohe
Generell werden die Motoren mit einem hohen Luftüber- Drücke im Schwerölbetrieb; c spezielle Dichtelemente für alle Schwerölsorten;
schuss betrieben, so dass das Luftverhältnis in allen Betriebs- d Zentralstößel mit Hydraulikdichtung zum Schutz des Motorschmieröls ge-
zuständen OV > 2 ist, um Hochtemperaturkorrosion zu ver- gen Kraftstoffverunreinigung; e Spülanschluss für den Regulierbereich; f dop-
pelte Drainage für gute Abdichtung gegen Schweröl; g großer Saugraum –
meiden: Durch den hohen Luftdurchsatz, hauptsächlich
niedrige Druckamplituden zum Schutz der Schweröleinrichtungen auf der
bedingt durch einen entsprechend hohen Ladeluftdruck, Niederdruckseite
sinkt die Temperatur bei der Verbrennung und folglich auch
an den den Brennraum umgebenden Bauteilen. Das verhin-
dert die Ablagerung von Natrium-Vanadiumverbindungen
in Form flüssiger Asche, die die Ursache für die Hochtempe- unter 550 °C vermeidet man Ablagerungen von Verbren-
raturkorrosion ist. Bei Ventilsitzen beträgt die kritische nungsrückständen in der Turbine, damit den Abfall des
Temperatur, oberhalb der sich Asche ablagert, ca. 450 °C. Es Turbinenwirkungsgrades und folglich auch des Ladedruckes
gilt also, hierzu einen genügenden Sicherheitsabstand einzu- und des Luftdurchsatzes. In der Folge würden die Brenn-
halten. Neben den Korrosionsschäden am Ventilsitz, die im raumtemperatur und damit die Gefahr der Hochtempera-
letzten Stadium zum Bruch des Ventiltellers führen, müssen turkorrosion und wiederum von Ablagerungen in der Tur-
auch Korrosionsschäden an der Ventilunterseite durch bine zunehmen.
genügend niedrige Bauteiltemperaturen vermieden werden. Dieser Selbstverstärkungseffekt mit seinen nachteiligen
Großer Luftdurchsatz ist auch günstig für die Abgastem- Wirkungen muss unbedingt vermieden werden. Deshalb ist
peratur am Turbineneintritt: Bei Temperaturen von deutlich es auch notwendig, sowohl den Verdichter als auch die Tur-
124    4 Kraftstoffe

bine in regelmäßigen Abständen zu waschen. Dazu wird bei Umfang verteilt. Die Kraftstofftröpfchen sollen möglichst
reduzierter Leistung mit einer speziellen Vorrichtung Was- fein sein, was durch hohen Einspritzdruck und kleine
ser in den Turbineneintritt gespritzt, so dass die Beläge von Düsenbohrungen erreicht wird.
Düsenring und Laufrad abplatzen.
An schwerölbetriebene Dieselmotoren werden besondere Hochtemperaturkorrosion
Maßstäbe bezüglich des Kraftstoffverbrauchs gelegt. Daher
dürfen der geforderte Ladedruck und der Luftdurchsatz nicht Die Hochtemperaturkorrosion an den den Brennraum um-
durch erhöhte Ladungswechselverluste (Kolbenarbeit) erkauft gebenden Bauteilen wird durch niedrige Verbrennungstem-
werden. Dies bedeutet, dass vom Abgasturbolader ein mög- peraturen und intensive, dauerhafte Kühlung der Bauteile
lichst hoher Wirkungsgrad gefordert wird. Nur so ist es mög- verhindert. Darüber hinaus wird die Temperatur der Aus-
lich, bei niedrigem Ab­gasgegendruck (vor Turbine) einen lassventile u. a. durch die Kolbenbodenform, die Spritzrich-
hohen Ladedruck zu erzeugen. Gleichzeitig ergibt sich ein tung sowie die Anzahl der Spritzstrahlen und der Art der
günstiges Spülgefälle während der Ventilüberschneidung, Luftbewegung (Einlasskanal) beeinflusst.
eine Voraussetzung für niedrige Bauteiltemperaturen und
verschmutzungsfreien Betrieb der Gaswechselorgane. Niedertemperaturkorrosion
Durch die Aufladung wird u. a. auch die Fähigkeit zum
Schweröl-Teillastbetrieb bestimmt, auf den in [4-25] detail- Hiervon können im Wesentlichen die Zylinderbuchse, die
liert eingegangen wird (s. Abschn. 2.2.3.4). Kolbenringe und die Ringnuten im Kolben betroffen sein.
Zur Vermeidung dieser Korrosion können ein weicher Ver-
Thermischer Wirkungsgrad, Kraftstoffverbrauch brennungsdruckverlauf sowie genügend hohe Bauteiltempe-
raturen an den betreffenden Stellen hilfreich sein. Daher
Die Gestaltung des Brennraumes ist mitbestimmend über kommt einem entsprechenden Temperaturprofil der Lauf-
die Gemischbildung und Verbrennung und entscheidet letzt- buchse besondere Bedeutung zu.
lich über die Fähigkeit des Motors, Schweröl im Dauerbe-
trieb betriebssicher zu verbrennen. Ein hoher Wirkungsgrad Zylinderbuchsenverschleiß, Ölverbrauch
erfordert ein schnelles Durchbrennen des aufbereiteten Ge-
misches, somit einen kompakten, unzerklüfteten Brennraum Um den Zylinderbuchsenverschleiß im Zwickelbereich nied-
mit einem hohen Verdichtungsverhältnis, s. Bild 4-35. rig zu halten und somit einen niedrigen Schmierölverbrauch
Es ist erforderlich, den Kraftstoff gleichmäßig über den über lange Zeit sicherzustellen, gilt es, die Ablagerung von
gesamten Brennraum zu verteilen. Dies wird durch eine hartem, verschleißfördernden Ölkoks an der Kolbenkrone
möglichst hohe Anzahl von Kraftstoffstrahlen erreicht, die zu vermeiden. Hierzu ist die Kolbenkrone gut zu kühlen und
weit nach außen gerichtet sind (Viertaktmotoren). Bei Zwei- das Kronenspiel einzugrenzen. Weiterhin wird der Kolben-
taktmotoren werden auch mehrere Einspritzdüsen am rand schützend vor der Zylinderwand hochgezogen, so dass

Bild 4-35
Brennraum eines Schwerölmotors
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren    125

die Kraftstoffstrahlen nicht auf die Zylinderlauffläche auf- bzw. Propellerdrehzahl fahren zu können. Dies ermöglicht
treffen. Dies begrenzt ggf. die Spritzrichtung. einen maximalen Propellerdurchmesser und somit maxi-
Ein weiteres Mittel zur Verschleißreduzierung sind malen Wirkungsgrad.
Flamm- oder auch Kalibrierringe, die im oberen Bereich der
Zylinderbuchse angeordnet sind. Aufgrund eines in diesem
Bereich kleineren Durchmessers von Kalibrierring und Kol- 4.3.4 Betriebsverhalten von Schwerölmotoren
ben soll verhindert werden, dass am Feuersteg abgelagerter
Koks beim Abwärtshub des Kolbens auf der Lauffläche der 4.3.4.1 Zünd- und Brennverhalten
Zylinderbuchse scheuert, s. Bild 4-35.
Das Verschleißverhalten der Zylinderbuchse wird darüber Das Zünd- und Brennverhalten von Dieselmotoren im
hinaus maßgeblich durch die Werkstoffpaarung von Buchse Schwerölbetrieb war und ist Gegenstand zahlreicher For-
und Kolbenringen bestimmt. Stichwortartig seien hier gehär- schungsarbeiten, die zum großen Teil in [4-26] aufgeführt
tete Buchsenoberflächen (Nitrieren, Induktionshärtung, werden. Es hat sich herausgestellt, dass insbesondere solche
Laserhärtung) und Beschichten der Kolbenringe, z. B. mit Kraftstoffe Zündschwierigkeiten verursachen können, die
Chrom, Chromkeramik sowie Plasmabeschichtung genannt. einen hohen Aromaten­anteil aufweisen. Verglichen mit
Gleichbleibender Ölverbrauch setzt voraus, dass die Ring- ­Paraffinen, Olefinen und Naphtenen setzen Aromaten auf-
nuten der Kolben über lange Zeit die ursprüngliche Geome- grund ihrer molekularen Struktur der thermischen Auf­
trie behalten. Schwerölkolben zeichnen sich daher dadurch spaltung im Dieselmotor den größten Widerstand ent­
aus, dass die Nuten der Verdichtungsringe im Stahloberteil gegen.
des gebauten Kolbens angeordnet und gehärtet sind. Werden motorseitig keine besonderen Maßnahmen
ergriffen, so treten bei der Verbrennung aromatenhaltiger
Verdichtungsverhältnis Kraftstoffe große Zündverzüge auf. Die Folge sind hohe
Gradienten im Zylinderdruckverlauf. Im Extremfall kann
Das Zündverhalten der mitunter zündunwilligen Schweröle „klopfende“ Verbrennung mit mechanischer und ther-
kann zum einen einspritzseitig durch feine Kraftstofftröpf- mischer Überlastung beobachtet werden [4-27, 4-28].
chen, zum anderen durch eine möglichst hohe Verdichtungs- Es gilt also, zur Vermeidung von Motorschäden Problem-
endtemperatur bei entsprechend hohem Verdichtungsend- kraftstoffe zu identifizieren. Hierzu kann die Eigenschaft
druck positiv beeinflusst werden. Für den Brennraum be- von Aromaten, eine hohe Dichte bei niedriger Viskosität
deutet dies, ein hohes Verdichtungsverhältnis zu wählen. Für aufzuweisen, herangezogen werden. Aufgrund von Erfah-
Mittelschnellläufer sind mit zunehmendem Hub-Bohrungs- rungswerten entstand Bild 4-36, das in Abhängigkeit von
Verhältnis ε-Werte von ca. 13 bis 16 üblich, für Zweitakt- Dichte und Viskosität Aussagen über die Zulässigkeit eines
Langsamläufer Werte von 11 bis 14. Kraftstoffes macht.
Da mit zunehmendem Verdichtungsverhältnis die Luft- Als nützlicher Indikator zur Abschätzung des Zündver-
dichte im Brennraum bei Zündeinsatz zunimmt, werden die haltens eignet sich der sog. CCAI (Calculated carbon aro-
Temperaturspitzen des Brenngases an den Zündherden maticity index), der aus der Dichte ρ (in kg/m3 bei 15 °C)
abgesenkt. Weiterhin können mit zunehmendem Verdich- und der Viskosität ν (in mm2/s bei 50 °C) nach folgender
tungsverhältnis der Druck- und Brennverlauf weicher empirischen Beziehung ermittelt wird:
gestaltet werden. Im Ergebnis wird dadurch die Stickoxid-
Emission vermindert, sodass ein hohes Verdichtungsver- CCAI = ρ – 141 loglog (n + 0,85) – 81.
hältnis auch für das Emissionsverhalten vorteilhaft ist.
Die hier hauptsächlich am Beispiel eines Viertaktmotors Grundsätzlich gilt: Je höher der CCAI ist, umso ungünstiger
dargestellten Gesichtspunkte zur Brennraumauslegung ist das zu erwartende Zündverhalten.
erfordern verschiedene Kompromisse, die am leichtesten zu In den weitaus meisten Fällen bereitet die Verbrennung
erfüllen sind, je größer das Hub-Bohrungsverhältnis des handelsüblicher Schweröle jedoch keine Probleme. So zeigt
Motors ist: Neuzeitliche Viertakt-Mittelschnellläufer weisen der Zylinderdruckverlauf für einen modernen Mittelschnell-
daher relativ große Hub-Bohrungs-Verhältnisse bis zu s/D = läufer bei Gasöl- und Schwerölverbrennung nur geringe
1,5 auf, s. Bild 18-35. Unterschiede. In der Tendenz ist der Zündverzug bei
Die extreme Langhubigkeit heutiger Zweitakt-Langsam- Schwerölbetrieb geringfügig größer und der maximale
läufer (s/D ≈ 4) ist weniger in der Schweröltauglichkeit Druck etwas niedriger.
begründet, als in dem Bestreben, bei gleicher mittlerer Kol- Auch der Brennverlauf (Bild 4-37) zeigt nur geringe
bengeschwindigkeit eine möglichst niedrige Motordrehzahl Unterschiede: ein etwas verspäteter Brennbeginn und ein
126 4 Kraftstoffe

Bild 4-36
Zulässigkeit von Kraftstoffen in Abhän-
gigkeit von Dichte und Viskosität (gemäß
Bedienungsanleitung MaK)

innerhalb der Auswertegenauigkeit gleiches Brennende. frastruktur. Dementsprechend sind die Emissionsvor-
Selbst die maximalen Brenngeschwindigkeiten unterschei- schriften gemäß IMO (International Marine Organisation)
den sich kaum. bzw. der Weltbank, die häufig stationäre Dieselkraftwerke
finanziert, zu beachten.
4.3.4.2 Emissionsverhalten Der IMO-Grenzwert bezüglich der Stickoxidemission
lautet:
Schwerölmotoren werden im Wesentlichen als Schiffshaupt-
in g/kWh,
und Hilfsantrieb eingesetzt sowie als stationärer Antrieb zur
Stromerzeugung in Ländern mit schwach ausgeprägter In- wobei n die Motordrehzahl in min–1 bedeutet.
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren 127

Je schärfer die Emissionsanforderungen werden, umso


schwieriger ist der Konflikt zwischen NOx-Emission einer-
seits und Partikel-Emission andererseits aufzulösen. Die
Motorenhersteller führen daher auch für den Schwerölbe-
trieb geeignete variable Einspritzsysteme wie z. B. das Com-
mon-Rail-System sowie variable Ventilsteuerzeiten ein.
Weitere, sehr wirkungsvolle Maßnahmen zur Verminde-
rung der Partikelemission sind die Absenkung des Schmier-
ölverbrauches sowie die Verwendung von Schweröl mit
geringerem Schwefelgehalt.
An dieser Stelle sei noch auf eine Besonderheit der
Schwerölverbrennung hinsichtlich Abgastrübung und Par-
tikelemission (Ruß) hingewiesen:
Die Bestimmung der Abgastrübung nach der für kleine
Fahrzeugmotoren entwickelten Filterpapier-Methode nach
BOSCH (s. Abschn. 15.6.2.4) ergibt bei großen Dieselmo-
toren meist einen sehr geringen Wert von weit unter 1 und
Bild 4-37 Brennverlauf und Durchbrennfunktion im Gasöl- und im führt zu der Annahme, dass die Rußproduktion entspre-
Schwerölbetrieb chend gering ist. Im Auftrag der FVV (Forschungsvereini-
gung Verbrennungskraftmaschinen e.V., Frankfurt/M.)
durchgeführte Messungen ergaben, dass die daraus gefolger-
te, geringe Rußemission nur für den Betrieb mit normalem
Im Drehzahlbereich unter 130 min–1 (2-Taktmotoren) ist Gasöl gilt. Für den Schwerölbetrieb ist die Schwärzungszahl
der Grenzwert konstant. Der Emissionswert ergibt sich SZ nach BOSCH ohne Aussagekraft, s. Bild 4-38.
durch Gewichtung von Messungen in 4 Leistungspunkten Danach ist auch die Staubemission nach VDI 2066 um
entsprechend ISO 8178-4. Eine Verschärfung der Vorschrift ein Vielfaches größer als die rechnerisch aus der Schwär-
ist in Vorbereitung, die voraussichtlich den Grenzwert um zungszahl SZ mittels einer Korrelation ermittelte „Ruß-
30% absenkt. emission“. Die immissionsnah gemessene Partikelemission
Einen Grenzwert bezüglich der Partikelemission nennt gemäß ISO 8178 weist auf eine entsprechend hohe Luftbe-
die IMO nicht. Es besteht jedoch die Forderung der Schiffs- lastung hin. Ein überragender Einfluss kommt dabei dem
betreiber nach unsichtbarer Rauchemission, was einer Schwefelgehalt des Kraftstoffes zu, weil mit dem Schwe-
Schwärzungszahl nach Bosch von SZ < 0,5 entspricht. feldurchsatz am Motor die Partikelemission annähernd
Der Weltbank-Grenzwert bezüglich Stickoxidemission linear steigt.
lautet: Somit ist es nahe liegend, neben einer verbesserten Ver-
brennung auch für Schweröl, wie beim Dieselkraftstoff DK,
NOx = 940 ppm
den Schwefelgehalt zu limitieren (s. Abschn. 4.1). Weltweit
bei 15% Sauerstoff im Abgas. Auch hier ist eine Absenkung wurde durch die IMO in einem ersten Schritt der Schwefel-
vorgesehen (NOx = 710 ppm). anteil auf 4,5% begrenzt, für die Ost- und Nordsee sowie den
Der Weltbank-Grenzwert bezüglich der Partikelemission Ärmelkanal auf 1,5%. Ab 2010 dürfen in Häfen die Hilfsdie-
beträgt: PM = 50 mg/m3 selmotoren für die Bordversorgung auf den Schiffen nur
Innermotorische Maßnahmen zur Verminderung der noch mit Kraftstoffen betrieben werden, deren Schwefelan-
Stickoxidemission zwecks Einhaltung obiger Grenzwerte teil maximal 0,1 % beträgt.
zielen überwiegend darauf ab, das Temperaturniveau des
Verbrennungsgases während der NOx-Bildung zu vermin- 4.3.5 Schmieröl für Schwerölmotoren
dern. Genannt seien beispielhaft hoher Ladedruck, später
Förderbeginn, hohes Verdichtungsverhältnis, geformte und Die Verwendung von Schweröl als Brennstoff im Dieselmo-
ggf. unterteilte Einspritzung sowie Ventilsteuerzeiten zur tor erfordert zwingend den Einsatz speziell hierfür entwi-
Anwendung des Miller-Prozesses. ckelter Motorenschmieröle.
Demgegenüber erfordert die Verminderung von sicht- Bei der Definition der Anforderungen an diese Öle muss
barem Rauch bzw. von Partikeln eine Erhöhung der Brenn- zwischen zwei grundsätzlich unterschiedlichen Motorbau-
gastemperatur im kritischen Betriebsbereich. arten unterschieden werden:
128 4 Kraftstoffe

Bild 4-38
Schwärzungszahl SZ bzw. daraus rechnerisch ermittelte
Rußemission, nach TA-Luft gemessene Staubemission
und EPA-konform gemessene Partikelemission eines
Mittelschnellläufers (s/D = 320/240 mm/mm) bei
Volllast für Gasöl (DK) und Schweröl IF 380 (HF) im
Vergleich zu den Volllastwerten eines Nfz-Dieselmotors
älterer Bauart

Zweitakt-Kreuzkopfmotoren verfügen über getrennte Typische Zylinderöle für Kreuzkopfmotoren weisen Vis-
Schmiersysteme für den Zylinderbereich und den Triebraum kositäten von SAE 50 und TBN-Werte von 70 bis 90 auf.
aufgrund der vorhandenen Abdichtung durch die Kolben- Als Triebwerksöle für Kreuzkopfmotoren dienen verhält-
stangenstopfbuchse: bei Tauchkolbenmotoren dagegen stehen nismäßig niedrig legierte Öle der Viskositätsklasse SAE 30
Zylinder- und Triebraum in Verbindung miteinander. mit einer TBN von ca. 6 mgKOH/g.
Die separate Zylinderschmierung der Kreuzkopfmotoren Viertakt-Tauchkolbenmotoren haben im Gegensatz zu
ist eine reine Verlustschmierung, d. h., die verbrauchte Kreuzkopfmotoren keine Trennung zwischen Zylinder- und
Ölmenge wird ständig über die Zylinderschmierung ergänzt. Triebraum; das Schmieröl im Tauchkolbenmotor wird daher
Folgende wichtige Aufgaben hat das Zylinderöl zu erfüllen ständig durch aggressive Verbrennungsgase beansprucht.
bzw. zu unterstützen: Saure, koks- und asphaltartige Rückstände in Verbindung
– gleichmäßige Verteilung auf der Zylinderfläche durch mit abrasiven Feststoffen aus der Schwerölverbrennung
gutes Verteilungs- und Benetzungsvermögen, belasten das Schmieröl, insbesondere bei geringen spezi-
– Vermeidung von Korrosion infolge hohen Schwefelgehaltes fischen (d. h. auf die Leistung bezogen) Ölumlaufmengen
im Kraftstoff durch hohes Neutralisationsvermögen, und niedrigen Schmierölverbräuchen (geringe Nachfüll-
– Verhinderung der Ablagerung von Verbrennungsrück- menge). Von entscheidendem Einfluss auf die Schmierölbe-
ständen durch hohes Reinigungsvermögen (Detergent- lastung sind neben der Kraftstoffqualität die Betriebsbedin-
wirkung), gungen, zu denen auch die Wartung des Motors, die
– Vermeidung von Schmierölzersetzungsprodukten mit Abdichtwirkung der Kolbenringe sowie die Schmierölaufbe-
entsprechenden Ablagerungen durch hohe Oxidations- reitung ihren Beitrag liefern. Hinzu kommt, dass die Ölfül-
und Thermostabilität, lung i.d.R. nicht gewechselt wird, also über viele tausend
– Verhinderung von hohem Verschleiß und Fressgefahr Betriebsstunden ihre Aufgabe erfüllen muss.
durch hohes Lasttragevermögen. Daraus ergeben sich folgende Anforderungen an ein
„schwerölfähiges“ Tauchkolbenmotorenöl:
Als Maß für die Neutralisationsfähigkeit eines Schmieröls – hohe Oxidations- und thermische Stabilität zur Ver-
gilt die sog. Total Base Number (TBN), gemessen in Milli- hinderung ölbedingter, lack- und koksartiger Ablage-
gramm Kalilauge pro Gramm Schmieröl (mgKOH/g). rungen,
4.4 Brenngase und Gasmotoren    129

– hohes Neutralisationsvermögen für saure Verbrennungs­ tor aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit, der nur noch in
rückstände zur Vermeidung von Korrosion, geringem Umfang als stationärer Antrieb, z. B. in Hüttenwer-
– besonders gutes Reinigungs- und Schmutztragevermögen ken zur Nutzung von Gichtgasen, verwendet wurde. Rudolf
(Detergent/Dispersant-Wirkung), um die vermehrt ge­bil­ Diesel [1-4] sieht anfänglich für seinen neuen rationellen
deten koks- und asphaltartigen Verbrennungs­rück­stände Wärmemotor auch noch den Gasbetrieb vor, was daraufhin
unschädlich zu machen, die Firma KRUPP veranlasste, sich neben der MAN am Bau
– besonders sorgfältige Abstimmung der Detergent/Dis­ eines Versuchsmotors finanziell zu beteiligten. Durch neuere
persant-Additive, um die erforderliche Schmierölreinigung Untersuchungen zum Einsatz von Wasserstoff in Groß-Die-
in Separatoren und Filtern wirksam vornehmen zu selmotoren hat diese Idee Diesels an Aktualität gewonnen.
können, Erst durch Ausschöpfen des mit der Magermisch-Ver-
– geringe Emulgierneigung und geringe Empfindlichkeit der brennung verbundenen Potenzials zur Reduktion der Abgas-
eingesetzten Wirkstoffe gegenüber Wasser zur Auf­recht­ schadstoffe konnte der Gasmotor gegenüber dem Dieselmo-
erhaltung einer wirkungsvollen Ölpflege und Verhinderung tor, speziell bei der Stromerzeugung in Blockheizkraftwer-
von vorzeitigen Additivverlusten. ken (BHKW, s. Abschn. 14.2), aufholen.

Darüber hinaus werden auch hohe Anforderungen an gutes 4.4.2 Brenngase, Kenngrößen
Lasttragevermögen, günstiges Schaumverhalten und geringe
Verdampfungsneigung gestellt. 4.4.2.1 Brenngase für Gasmotoren
Typische Schmieröle für schwerölbetriebene Tauchkol-
benmotoren weisen Viskositäten von SAE 40 und TBN- In Tabelle 4-10 sind die für den Einsatz in Gasmotoren wich-
Werte von 30 bis 40 auf. tigsten Brenngase mit ihren brenntechnischen Kennwerten
enthalten, wobei die aufgeführten Reingase lediglich in Gas-
4.4 Brenngase und Gasmotoren mischungen, wie den Erdgasen, auftreten. Lediglich Wasser-
stoff H2 kann, sofern er zur Verfügung steht, als Reingas ein-
gesetzt werden. Deponie- und Klärgas gelten als regenerative
4.4.1 Historischer Rückblick
Brenngase, die bei der Zersetzung von Biomasse – Fäkalien,
Die ersten Verbrennungsmotoren, die Vorgänger heutiger Gartenabfälle oder Stroh – entstehen, wobei die Umwelt dop-
Ottomotoren, waren Gasmotoren mit Fremdzündung, die pelt entlastet wird: Ihre Freisetzung wird vermieden und ihre
als Brenngas ein aus Kohle oder Holz gewonnenes Genera- Nutzung entlastet die fossilen Ressourcen. Die wesentlichen
torgas oder Leuchtgas verwendeten. Die seinerzeit erreichten Bestandteile sind Methan und Kohlendioxid, jeweils 40 bis
mittleren effektiven Drücke und Wirkungsgrade waren be- 60%. Daneben können sie aber auch Schadstoffe, wie Chlor-,
scheiden. Erst später wurde mit der beginnenden Fahrzeug- Fluor und Schwefelwasserstoffe enthalten, die damit auch
Motorisierung ein leichter zu speichernder flüssiger Kraft- der Umwelt als Gefahrstoff der Umwelt entzogen werden.
stoff, das Benzin, eingesetzt. Damit verschwand der Gasmo- Für eine Verbrennungsrechnung mit Gasen gelten prinzipiell

Tabelle 4-10 Kenngrößen der wichtigsten Brenngase, bezogen auf das Gasvolumen im Normzustand (Tabelle 3-5, 2. Aufl.)

Gasart Heizwert Hu Minimaler Luftbedarf Lmin Gemischheizwert hu Methanzahl MZ


kWh/m3n m3/m3 kWh/m3n –
Methan 9,97 9,54 0,95 100
Erdgas L 9,03 8,62 0,93   88
Erdgas H 11,04 9,89 0,96   70
Propan 25,89 23,8 1,03   34
n-Butan 34,39 30,94 1,03   10
Deponiegas 4,98 4,73 0,86 >130
Klärgas 6,07 5,80 0,89 130
Kokereigas 4,648 4,08 0,91   36
Kohlenmonoxid 3,51 2,381 1,038   75
Wasserstoff 2,996 2,38 0,89    0
130    4 Kraftstoffe

Tabelle 4-11 Einfluss der Isomerie auf die brenntechnischen Kenndaten von Butan (Tabelle 3-6, 2. Aufl.)

C4H10 λu λo Selbstentzündungs- molare Masse Dichte Siedepunkt bei 101,325 kPa


Gas in Luft Gas in Luft temperatur kg/kmol kg/m3n K
Vol.-% Vol.-% K
Iso-Butan 1,8 8,4 733 58,123 2,689 261,43
n-Butan 1,9 8,5 678 58,123 2,701 272,65

die gleichen brenntechnischen Kennzahlen wie bei flüssigen Methanzahl MZ


Kraftstoffen, s. Abschn. 1.2.3.1, jedoch wird als Bezugsgröße
oft das Gasvolumen in m3n bei Normzustand gewählt. Die Methanzahl MZ wird definiert durch das volumetrische
Die im Erdgas enthaltenen Kohlenwasserstoffe sind Mischungsverhältnis von Methan (MZ = 100) sowie Wasser-
hauptsächlich Paraffine (Alliphaten) mit kettenförmiger stoff (MZ = 0) und gibt damit direkt Aufschluss über die
Anordnung der C- und H-Atome und der Strukturformel Klopffestigkeit des Gasgemisches. Eine Methanzahl nahe 100
CnH2n+2. Auf Methan CH4, den einfachsten Kohlenwasser- bedeutet hohe bzw. eine Methanzahl nahe Null eine niedrige
stoff, folgen Ethan C2H6, Propan C3H8 und Butan C4H10, die Klopffestigkeit. Ein Gemisch aus 20% Wasserstoff H2 und
wie Methan bei Normzustand gasförmig sind. Schon beim 80% Methan CH4 hat demnach eine Methanzahl von 80. Zu
Butan tritt die als Isomerie bezeichnete Änderung der ket- beachten ist dabei, dass diese Definition von Cartellieri und
tenförmigen Struktur im Aufbau der Moleküle auf, sodass Pfeifer bei einem Luftverhältnis λ = 1 festgelegt wurde, die
sich beim Iso-Butan gegenüber der Normalform (n-Butan) gleichzeitig auch die Methanzahl anderer Gase und Gasge-
bei gleicher molarer Masse die physikalischen Eigenschaften mische versuchstechnisch an einem CFR-Einzylinder-Prüf-
ändern (s. Tabelle 4-11). Auf diese Gegebenheiten muss motor ermittelten [4‑29].
besonders bei der Verwertung von Chemieabfallgasen in Bei Gasgemischen aus drei Komponenten kann die
Gasmotoren Rücksicht genommen werden. Methanzahl mit Hilfe von Dreiecksdiagrammen bestimmt
werden, die zu den Linien konstanten Gasanteils auch Para-
4.4.2.2 Brenntechnische Kenngrößen meterlinien konstanter Methanzahlen enthalten. Das Lesen
derartiger Diagramme ist in Bild 4-39 erläutert: Der Punkt
Heizwert und Gemischheizwert P im linken Diagramm repräsentiert das Gemisch aus den
prozentualen Anteilen a, b, c der drei Komponenten A, B,
Den höchsten Heizwert der in Gasmotoren genutzten Brenn- C. Das rechte Diagramm enthält zusätzlich die durch P
gase (s. Tabelle 4-10) hat Butan mit Hu = 34,4 kWh/m3n , führende Linie konstanter Klopffestigkeit bzw. Methan-
den niedrigsten Heizwert als Einzelgas hat Wasserstoff mit zahl.
2,99 kWh/m3n. Der Unterschied im Heizwert dieser Einzel- Bild 4-40 zeigt das Dreiecksdiagramm für die Zusam-
gase entspricht einem Faktor von mehr als 11. Durch Mi- mensetzung von Klärgasen aus den drei Hauptkomponen-
schung mit Inertgasen, wie Kohlendioxid CO2 oder Stickstoff ten Methan, Kohlendioxid und Stickstoff mit den daraus
N2, wird diese Differenz noch vergrößert. Die „schwächsten“ resultierenden Methanzahlen.
von Gasmotoren noch verwertbaren Gasgemische geringen Am Markt werden für die Methanzahlberechnung Berech-
Energiegehalts haben bei ausreichendem H2-Anteil Heiz- nungsprogramme verschiedener Softwarehersteller angebo-
werte um 0,5 kWh/m3n , d. h., das Verhältnis der Heizwerte ten. In Europa wird hauptsächlich das von der AVL entwi-
von „Schwach- zu Starkgas“ kann bis 1:60 betragen. Diese ckelte Programm eingesetzt [4-30]. Für die Anwendung bei
Heizwertunterschiede ergeben sich aus den differierenden Gasmischungen mit Wasserstoff ist zu beachten, dass abhän-
C- und H2-Anteilen, die sich auch in den Unterschieden gig vom H2-Gehalt der Betriebspunkt zur „mageren“ Seite
beim minimalen Luftbedarf Lmin für die stöchiometrische hin verschoben werden kann. Da sich die Rechnung jedoch,
Verbrennung auswirken. Dagegen zeigt sich bei den Ge- wie oben ausgeführt, auf ein Luftverhältnis λ = 1 bezieht,
mischheizwerten hu = Hu/(1 + λv Lmin), die bestimmend für gibt sie das Klopfverhalten nicht korrekt an.
die Energieausbeute sind, durch die Paarung von Hu und
Lmin ein eher gleichmäßiges Bild der Werte mit nur geringen
Unterschieden.
4.4 Brenngase und Gasmotoren 131

Bild 4-39 Aufbau eines Dreiecksdiagramms zur Ermittlung der Methanzahl für ein Gemisch aus drei Gasen [4-30]

Bild 4-40
Dreiecksdiagramm für Klärgas aus Methan, Kohlendio-
xid und Stickstoff [4-30]
132    4 Kraftstoffe

Bild 4-41
Einfluss des Luftverhältnisses
λ auf die laminare Flammen-
geschwindigkeit in cm/s

Laminare Flammengeschwindigkeit Auslegung des Gassystems (Gasdruck, Gasventilöffnung-


dauer) festgelegt wird, bestimmt die Methanzahl die Klopf-
Die laminare Flammengeschwindigkeit gibt an, mit welcher grenze und damit die maximal fahrbare Leistung.
Geschwindigkeit sich die Flamme bei laminaren Strömungs- Um eine sichere Gaslieferung zu gewährleisten werden
verhältnissen ausbreitet. Im Bereich der stöchiometrischen Gase aus unterschiedlichen Quellen zusammengemischt.
Verhältnisse ist sie am größten und nimmt mit zunehmender Dabei erfolgt die Zumischung zum Grundgas Erdgas ent-
Abmagerung ab, ebenso beim Anfetten des Gemisches sprechend der zulässigen Grenzen der Gasfamilie. In der
(λ < 1), wobei sich die einzelnen Brenngase unterschiedlich Regel erfolgen Zumischungen (meist Propan/Butan-Gasge-
verhalten (s. Bild 4-41). mische) derart, dass entweder der Gemischheizwert oder
die Wobbe‑Zahl (Kennwert für die Wärmebelastung von
Zündgrenzen Gasbrennern) konstant ist. Die Folge ist eine deutliche
Änderung der Methanzahl auch bei konstantem Gemisch-
Die Gemischbildung der Brenngase wird von den Zündgren- heizwert. Ein störungsfreier Motorbetrieb ohne klopfende
zen der Einzelgase stark beeinflusst (Bild 4-42). Sie geben an, Verbrennung und daraus resultierende Motorschäden setzt
bei welchen unter- oder überstöchiometrischen Luftverhält- voraus, dass ein ausreichend großer Abstand zur Klopfgren-
nissen noch eine Zündung erfolgen kann. Wasserstoff hat die ze eingehalten wird. Die dadurch bedingten Verluste an
weitesten Zündgrenzen, Methan einen relativ kleinen Zünd- Wirkungsgrad und Leistung vermeidet eine aktive Klopfre-
bereich. Für die Entflammung im Brennraum ist es daher gelung, womit der Motor bei optimalen Bedingungen und
wesentlich, die Vorgänge bei der Gemischbildung genau zu maximalem Motorwirkungsgrad an der Klopfgrenze betrie-
verstehen, um entsprechende Maßnahmen setzen zu kön- ben werden kann.
nen. Wird Wasserstoff als Brennstoff benutzt, sind die Anfor-
derungen an die Gemischbildung bzw. die gemischbildende 4.4.3 Definition und Beschreibung von Gasmotoren
Einrichtung eher bescheiden. Bei Erdgas werden besonders
hohe Anforderungen an die Homogenität des Gemisches ge- 4.4.3.1 Klassifizierung der Verbrennungsverfahren
stellt, vor allem bei extremem Magerbetrieb.
Die bei Gasmotoren eingesetzten Verbrennungsverfahren
4.4.2.3 Beurteilung der Gasqualität ergeben sich aus der Art der Gaszumischung und der Art der
Zündung des Gas-Luft-Gemisches. Gemäß der allgemein
Die Beurteilung der Gasqualität für den Einsatz in Gasmo- gültigen Definition von Verbrennungsverfahren ergibt sich
toren erfolgt vorrangig anhand des Gemischheizwertes und somit die Unterteilung in Otto-Gasmotoren, Diesel-Gasmo-
der Methanzahl. Während durch den Gemischheizwert die toren und Gas-Dieselmotoren (Bild 4-43).
4.4 Brenngase und Gasmotoren 133

Bild 4-42
Zündgrenzen der Reingase Wasserstoff H2, Me-
than CH4, Kohlenmonoxid CO und Propan C3H8

Bild 4-43 Definition von Brennverfahren bei Gasmotoren

Sowohl Otto- als auch Diesel-Gasmotoren arbeiten nach Otto-Gasmotor


dem ottomotorischen Verfahren und unterscheiden sich nur
durch die Art der Zündung. Im Gegensatz hierzu wird das Otto-Gasmotoren sind gemäß dem ottomotorischen Verfah-
heterogene Gemisch beim Gas-Dieselmotor durch die ren grundsätzlich fremdgezündet, wobei das homogene Gas-
Selbstzündung des Brenngases, unterstützt durch eine Luft-Gemisch außerhalb des Brennraumes erzeugt wird [4-
geringe Menge Dieselkraftstoff (Zündöl), gezündet und 31]. Dabei kann die Gemischbildung zentral am Motorluft-
entspricht so dem dieselmotorischen Verfahren. einlass bzw. bei aufgeladenen Motoren auch nach Verdichter
134    4 Kraftstoffe

oder vor jedem Einlassventil erfolgen. Der erforderliche Gas- Gas-Dieselmotor


druck muss somit über dem Ansaugluftdruck bzw. dem La-
deluftdruck liegen. Die Gas-Dieselmotoren sind gemäß dem dieselmotorischen
Die Zündung wird elektrisch durch eine Zündkerze ein- Verfahren grundsätzlich selbstzündend, wobei die Erzeu-
geleitet. Für Vorkammermotoren ist auch eine Zündung gung des Gemisches durch Einspritzen des Gases in die ver-
durch eine Glühkerze denkbar, erfordert dann aber eine dichtete Verbrennungsluft erfolgt. Somit liegt zum Zeitpunkt
gesteuerte Gaszufuhr in das verdichtete Gemisch in der der Zündung ein inhomogenes Gemisch im Brennraum vor
Vorkammer, um so die Zündung auszulösen [4-32]. Die [4‑35]. Die Zündung erfolgt dann durch Einspritzen einer
Motorleistung ist durch die zugeführte Gas-Luft-Gemisch- zusätzlichen Menge Dieselkraftstoff. Die Motorleistung ist
masse bestimmt und somit quantitätsgeregelt. nur durch die zugeführte Gasmasse bestimmt und ist somit
Das Verdichtungsverhältnis ist bei der üblichen Verwen- qualitätsgeregelt.
dung von Serien-Dieselmotoren als Otto-Gasmotoren der Eine wesentliche Anpassung des Verdichtungsverhält-
Klopffestigkeit (Methan-Zahl) des zur Verfügung stehenden nisses ist nicht erforderlich um die Zündung des Zündöls zu
Brenngases so anzupassen, dass keine Selbstzündung des gewährleisten. Somit ist die gleiche Motorleistung wie beim
Gas-Luft-Gemisches eintreten kann, was zu einer Leistungs- Dieselverfahren darstellbar.
reduktion von ca. 20% gegenüber dem Dieselverfahren
führt. 4.4.3.2 Otto-Gasmotoren

Diesel-Gasmotor Es werden zwei grundsätzlich verschiedene Zündungskon-


zepte unterschieden, Direktzündung und Vorkammerzün-
Bezüglich Zündungsart und Gemischbildung gleichen Die- dung. Bei den schnelllaufenden Motoren (n ≥ 1500 min–1)
sel- und Otto-Gasmotor sich und arbeiten somit nach dem mit bis zu 170 mm Bohrungsdurchmesser wird, bis auf we-
ottomotorischen Verfahren, wobei der wesentliche Unter- nige Ausnahmen, die in Bild 4-44a dargestellte Direktzün-
schied in der Art der Zündquelle besteht. Im Gegensatz zur dung verwendet und entspricht im Wesentlichen den bei
elektrischen Zündung beim Otto-Gasmotor wird beim Die- Pkw-Otto-Motoren eingesetzten Zündungskonzepten. Bei
sel-Gasmotor die Zündung durch das Einspritzen von Die- kleinerer Drehzahl (n = 800–1200 min–1) und fetterer Ver-
selkraftstoff, dem sog. Zündöl, eingeleitet [4-33, 4-34]. brennung (λ = 1) ist die Flammengeschwindigkeit im Brenn-
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit die Zündölmenge auf raum groß genug, um auch dieses Konzept bis zu einem Boh-
100% zu steigern, um so den Motor auch im reinen Dieselbe- rungsdurchmesser von 250 mm einzusetzen. Für Magermo-
trieb zu betreiben (Dual-Fuel-Motoren). Wird der Zündöl- toren (λ ≥ 1,7) mit Bohrungsdurchmessern von 200 mm und
anteil nur zum Starten des Motors im Dieselbetrieb sowie auf größer wird eine Vorkammerzündung erforderlich (Bild 4-
die erforderliche Zündölmenge, etwa 10% bis 15% der Ein- 44b), wozu der Brennraum in Haupt- und Nebenbrennraum,
spritzmenge bei Volllast, begrenzt, spricht man von Micro- Vorkammer genannt, unterteilt wird. Das Vorkammervolu-
Pilot-Motoren. Da Gemischaufbereitung und -zufuhr der men beträgt zwischen 1% und 5% vom Kompressionsvolu-
des Otto-Gasmotors gleichen, wird auch bei diesem Ver- men. Die Vorkammer ist mit einer eigenen Gaszufuhr verse-
brennungsverfahren die Motorleistung durch die zugeführte hen, die das Gemisch in der Kammer bis zu einem Luftver-
Gas-Luft-Gemischmasse bestimmt und ist somit quantitäts- hältnis im Bereich λ ≈ 1 anfettet, um eine Zündung sicherzu-
geregelt. stellen.
Bei Diesel-Gasmotoren ist die erforderliche Reduktion Das fette Gemisch aus der Vorkammer erlaubt so auch die
des Verdichtungs­verhälnisses geringer als beim Otto-Gas- sichere Entzündung extrem magerer Gemische (λ ≥ 2,2). So
motor, da einerseits die Selbstzündung des Zündöles gege- können bei mittelschnelllaufenden Otto-Gasmotoren NOX-
ben sein muss, andererseits darf das homogene Gas-Luft- Emissionen nach TA-Luft im Bereich von 250 mg/m3n bis
Gemisch, das die Hauptenergie für den Motorbetrieb liefert, 500 mg/m3n mit effektiven Wirkungsgraden von über 45%
nicht zum Klopfen neigen, muss also eine genügend hohe realisiert werden.
Methan-Zahl haben. Bei der Applikation von Serien-Diesel- Bei Magermotoren mit Bohrungsdurchmessern unter
motoren ist es dagegen für Diesel-Gasmotoren nicht not- 200 mm werden auch ungespülte Vorkammern eingesetzt,
wendig, die Einspritzausrüstung gegen Zündverteiler (Ein- um die Entflammungsbedingungen an der Zündkerze zu
spritzpumpe) und Zündkerze (Einspritzdüse) auszutau- verbessern, s. Abschn. 4.4.4.3.
schen wie bei Otto-Gasmotoren.
4.4 Brenngase und Gasmotoren    135

Bild 4-44
Direkte Zündung (a) und Vorkammerzündung
(b) bei Gas-Ottomotoren

4.4.3.3 Diesel-Gasmotoren
muss dann mit Gegenmaßnahmen, wie z. B. Lastreduktion
Die Fremdzündung des Gasgemisches wird durch die Selbst- oder „Abmagern“ durch Verschieben des Brenngas­
zündung des eingespritzten Dieselkraftstoffes, des sog. energieanteiles zu größeren Zündstrahlmengen, der klopf-
Zündöls, eingeleitet. Dieses Verfahren hat bereits Rudolf freie Betrieb sichergestellt werden. Insbesondere ist das bei
Diesel vorgeschlagen, um schwer entzündbare Kraftstoffe, wasserstoffreichen Synthesegasen problematisch, da entwe-
wie z. B. Kohle, verbrennen zu können. der nur bescheidene Mitteldrücke (Saugmotorniveau) oder
Das NOx-Emissionsniveau von Diesel-Gasmotoren wird hohe Dieselverbrauchsanteile in Kauf genommen werden
im Wesentlichen von der Zündölmenge beeinflusst. Bei müssen.
Zündölmengen größer 5% (Dual-Fuel-Motoren) sind der-
zeit die NOx-Grenzwerte nur mit SCR-Katalysatoren zu 4.4.3.4 Gas-Dieselmotoren
erreichen, da der Verbrennungsablauf des über die Ein-
spritzstrahlen zündenden Gemisches mehr als doppelt so Dieses Motorenkonzept wird durch die Gemischbildung
hohe NOx-Werte ergibt (1500 bis 2000 mg NOx/m3n). Wird im Brennraum gekennzeichnet, wobei das Hochdruck-
die Zündölmenge auf etwa 0,5% der Vollastmenge (energe- Brenngas dem Zündstrahl vorgelagert wird, um anschlie-
tisch) reduziert (Micro-Pilot-Motoren) können auch ohne ßend durch den Dieselstrahl gezündet zu werden [4‑36].
Abgasnachbehandlung NOx-Werte von 500 mg/m3n (TA Die Zündwilligkeit des Gases ist so von untergeordneter Be-
Luft-Grenzwert) eingehalten werden. deutung, so dass mit diesem Verfahren auch methanzahl­
Das Konzept der Dual-Fuel-Motoren hat den Vorteil, arme Gase ohne besondere Maßnahmen eingesetzt werden
dass bei Ausfall des Gases der Motor auch als Dieselmotor können. Diese Entwicklung basiert auf dem Vorhandensein
(vor allem für Notstromanwendungen wichtig) betrieben von Hochdruckgas (ca. 200 bar), wie es beispielsweise auf
werden kann. Der Motor wird als Dieselmotor gestartet, CNG-Tankern als „Nebenprodukt“ anfällt oder in der Pe-
um dann in Folge dem Luftstrom Gas als primären Energie- troleumindustrie auf Bohrinseln bzw. in Pumpstationen
träger zuzumischen. Das Haupteinsatzgebiet dieser Moto­ verfügbar ist. Da der erforderliche Gasdruck über dem Ver-
ren­type ist dort, wo große Gasmengen mit geringen Heiz- dichtungsenddruck liegen muss, werden erhöhte Anforde-
werten und schwerer Entflammbarkeit vorhanden sind. Als rungen an das Gassystem (Druckfestigkeit und Sicherheit)
Beispiel sind hier Gase mit hohen Inertgasanteilen zu nen- gestellt.
nen. Bei diesem Konzept sind die Wirkungsgrade praktisch
Nachteilig ist der relativ hohe Methanzahlbedarf, da ein genauso hoch wie bei den Dieselmotoren. Die NOx-Emis­
für die Selbstzündung des Dieselkraftstoffes beim Startvor- sionen der nach dem Zündstrahlkonzept arbeitenden
gang ausreichendes Verdichtungsverhältnis gewählt werden Motoren erfordert aber in jedem Fall eine Abgasnachbe-
muss. Bei methanzahlarmen Gasen oder Gasgemischen handlung mittels eines Denox-Katalysators.
136    4 Kraftstoffe

4.4.3.5 Wasserstoffbetrieb von Gas-Dieselmotoren zeugen, im Zubringerverkehr und im öffentlichen Personen-


nahverkehr eingesetzt. Zum Einsatz kommt hierbei CNG
In dem Bemühen um die Nutzung alternativer Kraftstoffe (compressed natural gas), welches bis auf 200 bar kompri-
und die Minderung der Umweltbelastung durch Motorab- miert in den Dachtanks der Fahrzeuge mitgeführt wird. Die
gase ist in der Zukunft dem Wasserstoff große Bedeutung Modifikation ist leicht zu realisieren und das Fahrverhalten
zuzumessen [4‑37]. Voraussetzung ist jedoch, dass keine mit entspricht der Fahrzeugausführung mit Dieselmotor.
fossilen Kraftstoffen erzeugte elektrische Energie zu seiner Die gezielte Entwicklung zu Magermotoren (λ ≥ 1,7)
Gewinnung durch Elektrolyse eingesetzt wird. Um später eröffnet wesentlich erweiterte Möglichkeiten mit verbes-
einmal Wasserstoff auch in Großdieselmotoren einsetzen zu serten Leistungen, Wirkungsgraden und Reichweiten [4-
können, wurden entsprechende Untersuchungen an einem 39]. Aus der Forderung nach hoher Leistung bei niedrigem
Einzylinder-Dieselmotor mit 240 mm Kolbendurchmesser Verbrauch und niedrigsten Emissionen ergeben sich zahl-
durchgeführt [4‑38]. In der jetzigen Entwicklungsstufe wird reiche Änderungen am Basis-Dieselmotor wie Brennraum-
auf 300 bar verdichteter Wasserstoff dem Motor über ein form, Kolbenausführung, intensive Kühlung von Zylinder-
Einblaseventil mit mehreren Blaslöchern, das die zentral an- kopf und Laufbuchse, Schmierölverbrauch, Gassystem und
geordnete Einspritzdüse ersetzt, kurz vor dem oberen Tot- Motorsteuerung, so dass Fahrzeug-Gasmotoren heute
punkt zugeführt, worauf es zu einer Selbstzündung des Was- selbstständige Entwicklungen darstellen [4-40].
serstoff-Luft-Gemisches kommt. Das Verdichtungsverhält- Bahnantriebe mit Gasmotoren in Industrielokomotiven
nis wurde dazu im Laufe der Versuche von ursprünglich sind eher als Ausnahme anzusehen. Sie können aber für
ε = 13,7 in der Dieselversion auf 16,8 bis 17,6 erhöht. Der Operationsbereiche mit besonderen Umweltvorschriften
große Zündbereich des Wasserstoff-Luftgemisches erlaubt vereinzelt notwendig sein.
weitgehend eine sog. Qualitätsregelung, vergleichbar der üb-
lichen Lastanpassung bei Dieselmotoren. Die im Versuchs- 4.4.4 Gemischbildung und Zündung
betrieb des aufgeladenen Motors erreichten mittleren effek-
tiven Drücke von ca. 19 bar, entsprechend einer spezifischen 4.4.4.1 Möglichkeiten der Gemischbildung
Arbeit we = 1,9 kJ/dm3, lassen für die weitere Entwicklung
zukünftig ca. 25 bar erwarten, vergleichbar mit dem Leis­ Vergleichbar mit den Pkw-Ottomotoren kann bei Gasmo-
tungsniveau heutiger Schiffsdieselmotoren. toren ebenfalls unterschieden werden zwischen einer
Die Verbrennung verläuft rußfrei, das „Treibhausgas“ Koh- – zentralen Gemischbildung mittels gemischbildender
lendioxid CO2 sowie Kohlenmonoxid CO und Kohlenwasser- Einrichtung, dem Gasmischer (entspricht einer „Single-
stoffverbindungen HC treten nur in vernachlässigbar kleinen Point-Injection“), und einer
Konzentrationen auf. Die einzigen quantitativ relevanten – Einzel-Gemischbildung vor Einlass in den Brennraum oder
Komponenten sind die Stickoxide, deren Konzentration das im Brennraum des Motors (entspricht den Möglichkeiten
Emissionsniveau schadstoffoptimierter Dieselmotoren über- der „Multi-Point-Injection“).
trifft. Die Ursache hierfür ist in den starken Inhomogenitäten
des Gas-Luft-Gemisches und in der sehr kurzen Brenndauer Bei aufgeladenen Gasmotoren kann der zentrale Gasmischer
mit großen Umsatzraten zu sehen, die örtlich hohe Tempera- vor oder nach dem Verdichter der Aufladegruppe angeord-
turen im Brennraum bedingen und den damit verbundenen net werden. Die Anordnung auf der Saugseite hat den Vor-
Anstieg der NO-Bildung. Hier wird noch weitere Entwick- teil, dass nur ein geringer Gas-Vordruck anstehen muss, wie
lungsarbeit erforderlich. Eventuell notwendig werdende Nach- es z. B. bei Klär- oder Deponiegas (30–100 mbar) der Fall ist.
behandlungssysteme zur NOx-Minderung können jedoch Ein weiterer Nutzen entsteht durch die Homogenisierung
wegen der Reinheit des Abgases sehr wirksam arbeiten. des Gemisches im Verdichter, so dass bei V-Motoren jede
Ist der mit Wasserstoff betriebene Dieselmotor aus heu- Reihe ein exakt gleiches Lambda erhält. Wird der Gasmischer
tiger Sicht noch eine Option auf die Zukunft, so erfüllt er auf der Druckseite (p2) angeordnet, ist ein entsprechend hö-
doch bereits zwei Visionen Rudolf Diesels, nämlich die vom herer Gasvordruck notwendig, der fallweise über einen eige-
rauchfreien Betrieb seines rationellen Wärmemotors sowie nen Gasverdichter erzeugt werden muss. Außerdem ist die
die der Eignung auch für Brenngase! Gefahr eines durchschlagenden fetten Strömungsfadens im-
mer gegeben, und es ist dann zweckmäßig, eine homogeni-
4.4.3.6 Gasmotoren als Fahrzeugantrieb sierende Einheit dem Gasmischer nachzuschalten.
Einzel-Gemischbildung ist bei größeren Motoren
Aus Dieselmotoren abgeleitete Otto-Gasmotoren nach dem (D > 140 mm) zu finden. Sofern es sich nicht um Saugmo-
λ = 1-Konzept werden als Antriebe in kommunalen Fahr- toren handelt, ist das Gasdruckniveau entsprechend dem
4.4 Brenngase und Gasmotoren    137

Ladeluftdruck anzuheben. Erforderlich sind in beiden Fäl- der Unterdruckkammer befindlichen Feder gegeben. Dieser
len zusätzliche Gaseinlassventile, was konstruktive Eingriffe Gasmischertyp kann auf der Saugseite oder der Druckseite
am Zylinderkopf erfordert. Bei Drosselung der Luftzufuhr eingesetzt werden. Als wesentlicher Vorteil dieses Typs ist
mittels Drosselklappe zur Änderung des Drehmoments ist die einfache Mechanik zu nennen, da kein elektronisches
der Ventilquerschnitt am Gasventil so anzupassen, dass das Stellglied vorhanden ist. Der Nachteil ist jedoch eine ent-
Gemisch weiterhin zündfähig ist. Bei aufgeladenen Motoren sprechend der Geometrie fixierte Einstellung und damit ein
wird der erforderliche Luftmassenstrom durch die Regelung bestimmtes Lambda während des Einstellvorganges. Mit
des Ladedruckes mittels Abgas-Bypass (Waste Gate), Kom- diesem Konzept ist kein Regeleingriff zur Kompensation
pressor-Bypass oder variabler Turbinengeometrie (VTG) variabler Heizwerte bzw. zu sich verändernden Umgebungs-
eingestellt, wobei die Änderung des Drehmomentes entwe- bedingungen (Ansaugtemperatur und Luftdruck) möglich.
der mittels lastabhängiger Gasdruckregelung oder Gasein- Für aufgeladene Gasmotoren hoher spezifischer Leistung
lassventilen mit variabler Öffnungsdauer erfolgt. ist dieser Mischertyp wegen seiner hohen Strömungsver-
luste und den damit verbundenen Füllungsverlusten nicht
4.4.4.2 Gasmischer geeignet.
Ein ebenfalls verbreitetes Grundkonzept stellt das
Die meisten Gasmischer arbeiten nach dem Venturi-Prinzip: Mischungsverhältnis über das Flächenverhältnis von Luft-
Durch eine im Ansaug-Luftstrom angeordnete Venturidüse und Gasquerschnitt ein. Die bereits relativ alte Grundidee
sinkt der stationäre Druck im engsten Querschnitt, wo sich – sie entspricht der eines Gleichdruckvergasers – wurde von
die über einen Ringkanal miteinander verbundenen Boh- der Ruhrgas AG Mitte der 80er-Jahre aufgegriffen und auf
rungen für den Gaszutritt befinden (Bild 4-45). Mit Erhöhen den heutigen Stand gebracht (Markenname HOMIX).
der Zylinderladung, z. B. bei Drehzahlzunahme steigt auch Für Magermotoren hat dieses Konzept den Vorteil, dass
der Differenzdruck am Gaszutritt und damit die einströ- mit relativ einfachem Aufwand das Flächenverhältnis Luft/
mende Gasmasse. Wegen der sich dabei gleichzeitig än- Gas im Betrieb nachgestellt werden kann. Dieser Gas-
dernden Dichten von Gas und Luft sind zusätzliche Regel­ mischertyp erfordert immer einen Druckregler (Nulldruck-
eingriffe erforderlich, um das gewünschte Luftverhältnis regler), der die Druckverhältnisse in der Gaszuführung dem
einzuhalten. Druck im Saugrohr vor dem Verdichter anpasst.
Bei Motoren mit geringen Emissionsanforderungen wird Um das in den Gasnetzen vorhandene Druckniveau an
häufig der „variable restriction“ Gasmischer (IMPCO) ver- die bei dem Gasmotor vorgesehene Gemischbildung anzu-
wendet. Das Funktionsprinzip ist in Bild 4-46 dargestellt. passen, ist eine sog. Gasregelstrecke erforderlich. Neben der
Die Besonderheit dieses Typs ist das „gas metering valve“, Druckanpassung werden in diese Gasregelstrecke, auch
dessen äußere Form einen massenstromabhängigen Lamb- „Gasstraße“ genannt, meist die vorgeschriebenen Sicher-
daverlauf relativ einfach erreichen lässt. Wird eine andere heitseinrichtungen integriert [4-41].
Charakteristik gewünscht, so wird die Form des Steuerven-
tils dem gewünschten Mischungsverhältnis angepasst. Eine
weitere Eingriffsmöglichkeit ist durch die Festlegung der in

Bild 4-45
Venturi-Mischer
138    4 Kraftstoffe

Hauptbrennraum verbunden ist. So werden konstante Zünd-


bedingungen für die Zündkerze geschaffen, die die Entflam-
mungsbedingungen und so die Zündkerzenlebensdauer ver-
bessern [4‑42]. Im Vergleich zum ungeteilten Brennraum
kann das Gemisch abgemagert und so niedrigere NOx-Emis-
sionen dargestellt werden.

Laserzündung

Als Alternative zur elektronischen Zündanlage mit Zünd-


kerze werden Konzepte entwickelt, die das Gemisch im
Brennraum mittels eines Pulslasers entzünden [4‑43]. Mit-
tels Lichtleiterkabel wird das Licht einer Laserquelle über ei-
Bild 4-46 Gasmischer: Variable Restriction Carburettor, Fa. IMPCO nen optischen Zugang zum Brennraum an einem beliebigen
Ort im Brennraum derart fokussiert, dass dort die Zündung
des Gemisches eingeleitet wird. Der Vorteil ist darin zu se-
4.4.4.3 Elektrische Zündeinrichtungen hen, dass prinzipbedingt kein Verschleiß wie bei Zündkerzen
Zündkerze auftreten kann. Ferner können mehrere Zündquellen im
Brennraum realisiert werden und so eine sehr schnelle Ge-
Bei Otto-Gasmotoren erfolgt die Zündung des Gas-Luft-Ge- mischumsetzung dargestellt werden.
misches wie bei Pkw-Ottomotoren mit Hilfe einer Zünd- Gegenstand der Entwicklung ist die dauerhafte optische
kerze. Die bis Anfang der 90er-Jahre verwendeten, mecha- Zugänglichkeit in den Brennraum, die Minimierung der
nisch angetriebenen Zündgeneratoren (z. B. Fa. Altronic) Leistungsverluste zwischen Laserquelle und Brennraum
wurden zugunsten einer elektronischen Zündung, bei der ein sowie die Reduzierung der Kosten des Gesamtsystems. Vor
Thyristor die Entladung eines Kondensators steuert, aufge- allem Letztere erlauben heute noch keinen Serieneinsatz
geben, um damit den Zündzeitpunkt z. B. bei Gefahr einer solcher Systeme. Die für Otto-Gasmotoren zukünftig ange-
klopfenden Verbrennung, problemlos variieren zu können. strebten mittleren effektiven Drücke von bis zu 30 bar, ent-
Wichtig ist, zwischen der maximal möglichen Zündspan- sprechend einer spezifischen Arbeit we = 3,0 kJ/dm3, erschei-
nung (Zündspannungsangebot) und der zur Funkenbildung nen zurzeit nur mittels Laserzündung darstellbar.
erforderlichen Spannung (Zündspannungsbedarf) zu unter-
scheiden. Deren Höhe wird primär durch das Spaltmaß zwi- 4.4.5 Abgasemission von Gasmotoren
schen Mittel- und Massenelektrode bestimmt. Auch steigt
der Zündspannungsbedarf mit der Ladungsdichte zum 4.4.5.1 Verbrennung homogener Gasgemische
Zündzeitpunkt, somit also mit der spezifischen Arbeit we
(bzw. dem mittleren effektivem Druck pe). Für die Verbrennung eines homogenen Kraftstoff-Luft-Ge-
Um die Lebensdauer der Zündkerzen in Stationärmotoren misches ist der in Bild 4-47 dargestellte Verlauf typisch für die
zu steigern, werden mit Edelmetallen (Platin, Iridium oder Emission der reglementierten Abgas-Schadstoffe Kohlenmo-
Rhodium) armierte Elektroden auf dem Markt angeboten, noxid CO, Gesamt-Kohlenwasserstoffe HC und Stickoxide
wie z. B. Champion RB 77WPC und Denso 3-1, wobei einige NOx in Abhängigkeit vom Luftverhältnis λ. Während CO
Motorenhersteller auch auf Eigenentwicklungen setzen. und HC nach der stöchiometrischen Verbrennung mit zu-
nehmendem Luftüberschuss (λ > 1) stark abnehmen, erreicht
Ungespülte Vorkammer, Vorkammerzündkerze die NOx-Emission erst bei λ ≈ 1,1 ihr Maximum, für das die
immer noch sehr hohen Temperaturen im Brennraum ver-
Magermotoren stellen besondere Anforderungen an die bunden mit dem Sauerstoffangebot bei λ > 1 die Ursachen
Zündeinrichtung, da die Zündbedingungen von den Bedin- sind. Erst danach sinken die Emissionswerte, um dann bei
gungen im Brennraum, wie Ladungsbewegung und Ge- λ ≈ 1,6 im extrem mageren Bereich ein für die Abgasgesetzge-
misch-Inhomogenitäten, stark abhängig sind. Eine Maß- bung nach TA Luft akzeptables Niveau zu erreichen.
nahme ist der Einsatz von Vorkammerzündkerzen (unge- Die im Bild enthaltenen Grenzen weisen auf die beiden
spülte Vorkammer ohne eigene Gaszufuhr), bei der die Betriebsarten für einen schadstoffoptimierten Gasmotor
Zündkerze von einer Kammer umgeben ist, die mit relativ hin: Verbrennung eines stöchiometrischen (λ = 1) bzw.
kleinen Schusskanälen (Übertrittsbohrungen) mit dem eines mageren Gas-Luft-Gemisches mit λ ≥ 1,6.
4.4 Brenngase und Gasmotoren    139

Bild 4-47
Luftverhältnis und Abgasemission, Kon-
zeptgrenzen für die NOx-Reduktion

Die Abgasgesetzgebung in Europa orientiert sich im Durch hohe thermische Belastung, verbunden mit Ein-
Wesentlichen an der deutschen TA Luft (s. Abschn. 15.2) flüssen durch Ölaschen und im Brenngas enthaltene Pro­
mit der Besonderheit, dass die Grenzwerte nicht, wie oft blemgase, sinkt der Katalysator-Wirkungsgrad. Daher sind
üblich, auf die Leistung, sondern auf den Ladungsdurchsatz die Service- und Wartungskosten relativ hoch, was den Ein-
in m3n bei einem O2-Gehalt des Abgases von 5% bezogen satz des Drei-Wege-Katalysators auf Motoren geringer Leis­
werden. Damit ist es ohne Belang, ob wenig oder viel Strom tung, vorwiegend Saugmotoren, beschränkt (pme ≤ 8 bar
aus der gleichen Menge an Brenngas erzeugt wird, da der bzw. we ≤ 0,8 kJ/dm3). Durch die Kombination der Abgas-
Nutzwirkungsgrad nicht in die ermittelten Emissionswerte turboaufladung mit einer Abgasdrückführung ist es jedoch
eingeht. Deshalb berücksichtigen einzelne Länder, wie z. B. möglich, die thermische Belastung und gleichzeitig die
Dänemark für die unverbrannten Kohlenwasserstoffe, den NOx-Rohemission und damit die Kosten zu senken.
effektiven Wirkungsgrad bei der Festsetzung ihrer Limits.
Außer für NOx , CO und HC bestehen Emissionslimits auch 4.4.5.3 Mager-Gemisch-Motoren
für NMHC (Non Methane Hydrocarbons: Kohlenwasser-
stoffe mit Ausnahme von Methan), für die Staub- oder Gemischreglung mittels Mager-Sonde
Partikelemission (abhängig vom vorgeschriebenen Mess-
verfahren, s. Abschn. 15.6) sowie für C-Verbindungen Der sog. Magerbetrieb zur Einhaltung der Grenzwerte der
geordnet nach C1, C2, C3 etc., ferner für Dioxine und TA Luft erfordert die Mager-Gemisch-Aufladung, um durch
Furane. Aufladung die mit einer „mageren“ Verbrennung verbun-
denen Verluste an Nutzarbeit kompensieren zu können. Da-
4.4.5.2 Gasmotoren mit stöchiometrischem Gemisch bei hat sich gezeigt, dass sich das vorgemischte Gas-Luft-Ge-
misch problemlos im Verdichter des Abgasturboladers mit
Vergleichbar den Pkw-Ottomotoren ist ein stöchiomet­ Vorteil für die Gemisch-Homogenisierung vorverdichten
risches Gas-Luft-Gemisch Voraussetzung für den Einsatz lässt, s. Abschn. 4.4.4.1. Für mit Schadstoffen, wie Chlor-,
des Drei-Wege-Katalysators, der gleichzeitig die Emission Fluor-, Siliziumverbindungen und Schwefelwasserstoff H2S,
von CO, HC und NOx durch Nachoxidation bzw. Reduktion beladene Biogase können nur Mager-Gemisch-Motoren ein-
senkt. Voraussetzung ist eine Regelung des Gas-Luft-Ge- gesetzt werden, da diese „Katalysatorgifte“ einen Drei-Wege-
misches mittels einer Lambdasonde, die die Funktion des Katalysator in kürzester Zeit außer Funktion setzen würden.
Katalysators innerhalb der sehr engen Grenzen des „Lambda- Die notwendige Konstanz des Luftverhältnisses des
Fensters“ von 0,980–0,991 sicherstellt. Nur bei unterstöchio- mageren Gas-Luft-Gemisches kann (vergleichbar mit einem
metrischer Verbrennung (λ ≈ 0,997) ist eine wirkungsvolle „Lambda 1-Betrieb“) durch einen geschlossenen Regelkreis
Reduktion von NOx zu erreichen. aufrechterhalten werden. Die dazu verwendeten „Mager-
140    4 Kraftstoffe

Sonden“ liefern erst bei einem Luftverhältnis λ > 1,6 ein ordnet. Bei sehr magerer Verbrennung (λ > 2,5) ist das von
für die Regelung verwendbares elektrisches Signal. Da die der Sonde gelieferte Signal relativ unscharf, sodass die Rege-
Lebensdauer dieser Sonden beschränkt ist, insbesondere lung nicht mehr präzise genug arbeitet.
beim Einsatz von Biogasen mit ihren schädigenden Inhalts-
stoffen (Cl, F, S etc.), ist dieses Konzept bei einer Motor- Messung der Lichtemission
Betriebszeit von 8000 h/a sehr kostenintensiv, so dass alter- Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die Flammenstrah-
native Konzepte zur Steuerung der Gemischzusammenset- lung im Bereich des OH-Bandes bei 310 nm der NOx-Emis-
zung entwickelt wurden. sion so zuordnen lässt, dass eine eindeutige Korrelation be-
steht. Für den realen Motorbetrieb ist die mit zunehmender
Alternative Konzepte für Mager-Gemisch-Motoren Laufzeit eintretende Verschmutzung der Brennraumfenster
problematisch. Das notwendige häufige Nachjustieren ist kos­
Messung der Brennraumtemperatur (TEM) tenintensiv, beschränkt die Genauigkeit des Verfahrens und
Das Konzept der Firma Deutz [4-44] sieht die Messung einer damit auch seine Anwendung.
repräsentativen Temperatur in einem Volumenelement des
Brennraumes vor, um daraus auf das Luftverhältnis schlie- Zylinderdruckmessung
ßen zu können. Dabei erfasst der träge Sensor (Thermoele- Eine sehr elegante Möglichkeit bietet eine zylinderselektive
ment) keineswegs die wahre Temperatur im Volumenele- Druckmessung und die damit im On-line-Betrieb durch-
ment, einer Ausnehmung im Zylinderkopfboden, sondern führbare thermodynamische Auswertung. Dieses Verfahren
eine sich während des Arbeitsspiels einstellende Mitteltem- hat den Vorteil, dass weitere relevante Kenngrößen, wie mitt-
peratur, der dann die bei einem Betriebspunkt gemessene lerer indizierter Druck pi, maximaler Zylinderdruck, Zünd-
und in der Regeleinheit (TEM) abgespeicherte mittlere NOx- zeitpunkt, Brenndauer sowie auch Klopferscheinungen für
Emission zugeordnet wird. die Regelung und Überwachung verwendet werden können.
Nachteilig wirkt sich die nachlassende Empfindlichkeit Bei großen Schiffsdieselmotoren wird dieses (derzeit noch
des Sensors infolge isolierender Ablagerungen aus, da bei sehr kostspielige) Konzept eines Motor-Managements einge-
vorgetäuschter zu niedriger Mitteltemperatur das Gemisch setzt [4-46]. Neue Sensoren bzw. Wege zur Druckmessung
angefettet wird. Andererseits führt ein Betrieb im klopfna- [4-47] in Verbindung mit kostengünstigen, leistungsstarken
hen Bereich zu einem besseren Wärmeübergang an der Rechnern könnten den Einsatz dieses Konzeptes zukünftig
Sonde, sodass der Regler, wie gewünscht, in Richtung auch für Gasmotoren ermöglichen [4-48].
„mager“ verstellt und so Klopfen vermeidet.
Abgasnachbehandlung
Leanox-Verfahren
Das von der Firma Jenbacher [4-45] entwickelte und paten- Oxidationskatalysator
tierte Konzept verwendet die nach der Drosselklappe gemes- Für Gasmotoren ist nach TA Luft die CO-Emission auf
senen Werte von Druck und Temperatur, die bei gegebener ≤ 650 mg/m3n begrenzt. Die Rohemission von wirkungs-
Motoreinstellung der Energiezufuhr entsprechen. In Verbin- gradoptimierten Gasmotoren liegt gemäß dem Stand der
dung mit den zugehörigen NOX-Werten besteht eine Korre- Technik bei ca. 800 bis 1100 mg CO/m3n. Primär wird das
lation zwischen dem Luftverhältnis und der NOX-Emission. CO durch nicht vollständige Reaktionen bei der Verbren-
Der Vorteil dieses Konzeptes ist seine Unabhängigkeit von nung verur­sacht. Bei Formaldehyd liegt ein Zwischenpro-
der Betriebsdauer des Motors, die ohne Einfluss auf die Mes- dukt der Oxidation von Methan vor. Beide Emissions­
sung ist. Sie gleicht auch eine Abnahme des Heizwertes aus, komponenten sowie auch höhere Kohlenwasserstoffe kön-
indem der Regler dies als Abweichen in Richtung „mager“ nen bei ausreichender Dimensionierung (Raumgeschwin-
deutet, was zum gewünschten Anfetten des Gemisches digkeit und Edelmetallgehalt) des Oxidationskatalysators
führt. stark reduziert werden.

Ionenstromsensor Thermische Nachoxidation


Die Fa. Caterpillar verwendet für ihre große Baureihe 3600 Sie wird bei Biogasen mit dem bereits erwähnten Gehalt von
bzw. G-CM34 eine Ionenstromsonde. Das Grundprinzip be- Problemgasen, die als „Katalysatorgift“ die Wirkung von
ruht auf die Erfassung der Geschwindigkeit der Flammen- Oxidationskatalysatoren in kürzester Zeit außer Kraft setzen,
front von der Zündkerze zu der in Büchsenbundnähe ange- eingesetzt, um teil- oder unverbrannte Komponenten im Ab-
ordneten Ionenstromsonde. Die Geschwindigkeit der Flam­ gas wirkungsgradoptimierter Gasmotoren zu reduzieren. Je
­me wird bei der „Einmessung“ einer NOX-Emission zuge- nach Verbrennungskonzept befindet sich ausreichend Sauer-
4 Literatur    141

stoff O2 im Abgas, das jedoch auf die erforderliche Oxida­ 4-10 Schindler, V.: Kraftstoffe für morgen: eine Analyse von
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49 (1997) 5
5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Das vorliegende Kap. behandelt die Grundlagen, Wirkungs­ zur Einspritzung größerer Kraftstoffmassen für Großdiesel­
weise und technische Ausführung von Dieseleinspritzsyste­ aggregate findet besondere Beachtung. Bei der Entwicklung
men. Dabei beschränken sich die Ausführungen zunächst und Fertigung von hydraulischen Einspritzsystemen spielt
auf die Komponenten und Teilsysteme, welche direkt in Kon­ die präzise Messung von Kraftstoffmassen und -drücken
takt mit dem Dieselkraftstoff sind und diesen in Form eines eine entscheidende Rolle. Grundlegende Aspekte dieser
Fluidsprays in den Brennraum einspritzen und zumessen. Messtechnik zur hydraulischen Funktionsprüfung des Ein­
Das elektronische System, wie Sensorik, Regelstrukturen spritzsystems fasst Abschn. 5.4 zusammen.
und Bedatung des elektrischen Steuergeräts, beschreibt
Kap. 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsys­ 5.1 Einspritzhydraulik
teme. Die Anforderungen an die Kraftstoffzumessung leitet
Kap. 3 aus der dieselmotorischen Verbrennung und den Ziel­ Die Beschreibung der Vorgänge in Einspritzsystemen erfor­
größen Verbrauch, Schadstoffemissionen, Komfort und Leis­ dert die interdisziplinären Anwendungen von Methoden der
tung ab. Das daraus resultierende Lastenheft an die Einsprit­ Strömungsmechanik, Technischen Mechanik, Thermodyna­
zung legt fest, wie der Kraftstoff zeitlich und örtlich in den mik, Elektrotechnik und Regelungstechnik. Beträchtliche
Brennraum eingebracht werden muss, um die geforderten Anforderungen an Modellqualität und numerische Verfah­
motorischen Ziele zu erreichen. Makroskopisch ist dabei die ren entstehen aus den sehr hohen Drücken und einer gefor­
Einspritzung durch die Größen Einspritzmasse, Einspritzbe­ derten Kleinstmengenfähigkeit bei Vorein­spritzungen von
ginn, Einspritzdruck und Einspritzverlauf1 definiert, wäh­ ca. 1,5 mm3 je Einspritzung mit ± 0.5 mm3 Zumessgenauig­
rend mikroskopisch der Einspritzstrahl selbst durch seine keit in flexibel wählbaren Abständen von der Haupteinsprit­
strömungsmechanischen und geometrischen Funktionen zung. Zudem ist zu beachten, dass es sich um hochgradig
zeitlich und örtlich die Kraftstoffverteilung in den Brenn­ instationäre Vorgänge im kompressiblen Fluid handelt, in­
raum beschreibt. Abschn. 5.1 geht auf die Grundlagen der folge derer Komponenten durch Kavitationsschäden gefähr­
Einspritzhydraulik ein und zeigt Wege zur Modellierung und det und zu Schwingungen mit hohen mechanischen Belas­
Auslegung der Einspritzhydraulik auf. tungen angeregt werden können. Auch die beträchtliche
Die Schnittstelle zwischen Kraftstoffzumessung und ­Erwärmung des Kraftstoffes durch Drossel- und Reibungs­
Brennraum bildet die Einspritzdüse. Abschn. 5.2 erläutert verluste mit ihrem erheblichen Einfluss auf Kraftstoffeigen­
Funktion und Bauarten, vertieft den Einfluss der Düsenpa­ schaften und Lager- bzw. Kolben/Buchse -Spiele in den Pum­
rameter auf die Gemischbildung und beschreibt die tech­ pen muss quantifizierbar sein.
nische Ausführung der Düsen für unterschiedliche Ein­
spritzsysteme. 5.1.1 Zustandsverhalten von Kraftstoffen
Mit den Wirkprinzipien und Bauarten von Einspritzsyste­
men bildet Abschn. 5.3 den Kern dieses Kapitels. Die Kenntnisse der Stoffeigenschaften sind Voraussetzungen für
Schlüsselkomponenten wie Pumpen und Injektoren sowie das Verständnis und eine Modellierung des hydraulischen
Regelventile werden ausführlich beschrieben. Die Hydraulik Verhaltens. Das kompressible Verhalten von Kraftstoff und
Prüföl wird mit der Dichte ρ bzw. dem spezifischen Volu­
men v = 1/ρ beschrieben. In der Literatur existieren eine
1 früher „Einspritzgesetz“, beschreibt den zugemessenen Kraftstoffstrom als Funktion Reihe von Ansätzen, mit denen die von Druck p und Tempe­
der Zeit ratur T abhängigen Dichten bzw. spezifische Volumina von
144    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Flüssigkeiten aufgrund von gezielten Messungen in Hoch­ für diskrete Stellen durch numerische Integration berechnet
druck­­labors approximiert werden können [5-1]. Hier wird werden. Bei der von Jungemann [5-4] vorgeschlagenen Wei­
nur die modifizierte Tait-Gleichung terentwicklung werden die Koeffizienten der gewählten Zu­
standgleichung im Rahmen eines Minimierungsproblems so
(5-1) ermittelt, dass die damit bestimmten Stoffgrößen das Diffe­
rentialgleichungssystem (5-5) möglichst gut erfüllen und
Schallgeschwindigkeit sowie spezifische Wärme optimal
wiedergegeben werden. Mit dieser Methode wurde z. B. für
ein gebräuchliches Prüföl nach ISO 4113 die empirische Zu­
standsgleichung auf der Basis von Gl. (5-1) bestimmt. Grund­
wiedergegeben, die sich bei Dieselkraftstoffen und Prüfölen lage waren Messwerte der Schallgeschwindigkeit im gesam­
mit p0 als Umgebungsdruck durchweg bewährt. ten Zustandsgebiet und Messwerte des spezifischen Volu­
Zustandsänderungen während einer Einspritzung laufen mens und der spezifischen Wärmekapazität entlang der Iso­
so schnell ab, dass sie als adiabat angesehen werden können. baren bei Umgebungsdruck. Bild 5-1 zeigt so ermittelte
Kompressions- und Expansionsvorgänge mit vernachlässig­ Stoffeigenschaften.
baren Reibungs- und Stoßverlusten können zusätzlich als
reversibel und damit als isentrop angesehen werden. Da für 5.1.2 Modellierung, Simulation und Auslegung
die Schallgeschwindigkeit a(p, T) mit der spezifischen
Entropie s Die Entwicklung und Auslegung von Dieseleinspritzsyste­
men erfolgt heute maßgeblich mit Hilfe der numerischen
(5-2) Simulation. Sie basiert auf mathematischer Modellierung,
also einer Beschreibung der Realität mit mathematischen
gilt, kennzeichnet sie sowohl die Ausbreitungsgeschwindig­ Gleichungen. Dabei wird eine korrekte zeitabhängige Be­
keit von Druckwellen in Leitungen als auch lokale isentrope schreibung von Massenströmen, Druckschwingungen und
Druckänderungen. Zudem sind nach [5-2] isentrope Zu­ Druckverlusten erwartet. Zielgrößen wie z. B. der Einspritz­
standsänderungen mit der Temperaturänderung mengenverlauf hängen vom komplexen Zusammenspiel ver­
schiedener Systemkomponenten ab und erfordern sowohl
(5-3) eine Betrachtung des Gesamtsystems mit angemessener Be­
rücksichtigung lokaler Einflüsse wie auch Einzelbetrach­
verbunden. Die spezifische Wärmekapazität cp hängt mit der tungen mit lokal sehr hoher Auflösung. Zur detaillierten
Schallgeschwindigkeit bei bekannter Dichte ρ(p, T) über Untersuchung lokaler dreidimensionaler Strömungen kann
die Methodik der Computational Fluid Dynamics (CFD)
eingesetzt werden, auf die in Abschn. 5.2 eingegangen wird.
(5-4)
Heutige Werkzeuge für Systemsimulationen (siehe z. B.
[5-5 bis 5-7]) erlauben es, aus einem Baukasten parametri­
zusammen. Mit bekannten Abhängigkeiten ρ(p, T) bzw. sierbare Modellelemente auszuwählen und ­ meist durch
v(p, T) und a(p, T) oder cp(p, T) liegt damit theoretisch eine grafische Oberflächen unterstützt ­ zu einem Gesamtmodell
vollständige Beschreibung des Zustandsverhaltens vor. Die zusammen zu fügen. Für die Modellierung der hydrau­
partiellen Ableitungen machen die Ausdrücke jedoch sehr lischen Bereiche wird unter geeigneter Einbeziehung aller
fehlerempfindlich, so dass eine in sich konsistente, genaue relevanten 3D-Effekte die Stromfadentheorie verwendet; so
Beschreibung aus empirischen Zustandsgleichungen mit be­ entsteht ein „hydraulisches Netzwerkmodell“. Die wich­
grenztem Messaufwand schwierig ist. Ist die Schallgeschwin­ tigsten Modellelemente werden im Folgenden umrissen.
digkeit im gesamten interessierenden Zustandsgebiet be­
kannt, kann v(p, T) nach Davis und Gordon [5-3] aus der Behälter. Dieses Modellelement hat als Knoten im Netzwerk
Maxwellgleichung elementare Bedeutung. Behälter stehen z. B. für die kraft­
stoffgefüllten Teile von Injektoren und Hochdruckpumpen­
(5-5a)
zylindern. Örtliche Änderungen des Druckes und der Tem­
und der aus Gl. (5-4) abgeleiteten Gleichung peratur werden per Definition vernachlässigt. Über die Be­
grenzungsflächen des zugeordneten Kontrollraums können
(5-5b)
Massenströme als Folge von bewegten Wänden (sog. „kör­
pergebundene Flächen“) und aus der Durchströmung freier
5.1 Einspritzhydraulik    145

Flächen A mit dem Geschwindigkeitsvektor v→ transportiert


werden. Mit einer Massenbilanz folgt unter Berücksichti­
gung der Kompressibilität mit Gl. (5‑2)

(5-6)

für Druckänderungen.

Leitungen. Bei stark instationären Vorgängen spielt die Wel­


lenausbreitung in Leitungen, z. B. zwischen der Pumpe und
dem Hochdruckspeicher oder zwischen dem Hochdruck­
a speicher und den Injektoren, eine wesentliche Rolle. Die der
Gl. (5‑6) entsprechende differenzielle Bilanz längs einer
Stromröhre mit der Koordinate x und der Geschwindigkeit w
lautet

(5-7)

Die um einen Reibungsansatz erweiterte Eulersche Bewe­


gungsgleichung
b
(5-8)

berücksichtigt als Impulsbilanz die Trägheit des Kraftstoffs.


Das aus den Gl. (5‑7) und (5‑8) bestehende partielle Diffe­
rentialgleichungssystem wird sehr genauen Berechnungen
mit dem Modellelement Leitung zugrunde gelegt.

Kurzes Rohr. Bei relativ kurzen Abschnitten, wie z. B. Kraft­


stoffbohrungen im Düsenbereich des Injektors, spielt die
c Trägheit des Kraftstoffes eine wesentliche Rolle, nicht aber
die Druckwellenausbreitung. Daher wird beim Modell des
kurzen Rohres auf Gl. (5‑7) verzichtet. Druckverluste der
Strömung und die Trägheit des Fluids werden mit Gl. (5‑8)
berücksichtigt. Das kurze Rohr benötigt im Vergleich mit der
Leitung deutlich weniger Rechenzeit. Auch Strömungen in
längeren Bohrungen oder Leitungen können in guter Nähe­
rung durch Hintereinanderschaltung von kurzen Rohren
und Behältern beschrieben werden.

Drosseln und Ventile. Der Volumenstrom in Drosseln und


d Ventilsitzen hängt von der anliegenden Druckdifferenz und
einer effektiven Querschnittsfläche ab, die durch die geome­
trischen Verhältnisse bestimmt ist. Als mathematisches Mo­
Bild 5-1 Stoffeigenschaften von Prüföl nach ISO 4113. a Dichte ρ nach Glei‑
chung (5‑1); b Schallgeschwindigkeit a nach Gleichung (5‑4); c Spezifische dell eignet sich die um die Reibung erweiterte Bernoullische
Wärmekapazität cp nach Gleichung (5‑5a); d Isentrope Temperaturänderung Energiegleichung:
nach Gleichung (5‑3)
(5-9)
146    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Sie entsteht durch Integration der Gl. (5‑8) zwischen den Parametrierung. Die Modelle werden mit den bekannten
Querschnitten „1“ und „2“. In r fließen phänomenologische Dimensionen des Einspritzsystems, wie z. B. der Masse der
Ansätze für Druckverluste durch Wandreibung und Unste­ Düsennadel, der Länge und dem Durchmesser der Leitungen
tigkeitsstellen ein. Wegen der sehr kleinen Länge der be­ und den Totvolumina des Injektors und des Rails para­
trachteten Abschn. kann die Trägheit und damit der erste metriert. Die effektiven Querschnittsflächen der Ventile und
Term meist vernachlässigt werden. die effektiven Ventildruckflächen werden mittels eines hub-
und druckabhängigen Kennfelds vorgegeben. Diese Kenn­
Spaltströmungen. Leckagen, z. B. in Kolbenführungen von felder werden mit 3D‑CFD oder detaillierten Stromfaden­
Hochdruckpumpen oder Injektoren, können als ebene Strö­ modellen [5‑4] berechnet und in geeigneter Form in die
mung mittels der Reynoldschen Schmiermittelgleichung [5‑8] Modelle eingebracht.
berechnet werden. In vielen Fällen müssen darüber hinaus zu­ Aufgrund der hohen Systemdrücke können Bauteilverfor­
sätzliche Einflüsse wie die Spaltaufweitung bei hohem Drücken mungen zur Änderung der hydraulischen Funktion führen.
und exzentrische Kolbenlagen berücksichtigt werden. Auch ist Einflüsse aus Elastizitäten werden mit Hilfe von Finiten
nicht immer gewährleistet, dass die Strömung laminar bleibt, Elemente Methode (FEM) bestimmt und in die Modelle
was dann weitere korrigierende Eingriffe erfordert. integriert.

Druckkräfte. Druckkräfte spielen bei beweglichen Bautei­ Aktoren. Ebenfalls eine sehr große Rolle bei der genauen Zu­
len, wie z. B. Druckventilen oder Düsennadeln, eine ent­ messung der Einspritzmenge spielt die präzise Abbildung der
scheidende Rolle. Die Modellierung dieser Kopplung von Stellelemente wie z. B. des Magnetventils oder Piezostellers.
Hydraulik und Mechanik basiert auf dem Ansatz Für die Berechnung des zeitlichen Auf- und Abbaus der Stell­
kraft kommen elektromagnetische Modelle zum Einsatz, die
(5-10) direkt mit den hydraulischen und mechanischen Modellen
gekoppelt werden können. Bild 5‑2 zeigt am Beispiel eines
Ist die Druckverteilung auf der Oberfläche O aus einer paral­ piezogesteuerten Systems typische Simulationsergebnisse bei
lel gekoppelten 3D‑Strömungssimulation bekannt, würde fünffacher Einspritzung.
Gl. (5‑10) die exakte Kraft liefern. Dieser Aufwand kann in
den meisten Fällen vermieden werden: Die Berechnung der 5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter
Kraft wird mit
Einspritzdüsen bilden die Schnittstelle zwischen Einspritzsys­
(5-11) tem und Brennraum und beeinflussen maßgeblich Leistung,
Abgas-Emissionen und Geräusch des Motors und dichten
auf die angrenzenden Behälterdrücke pi und zugeordnete ef­ das Einspritzsystem zwischen den Einspritzungen zum
fektive Druckflächen AF,i zurückgeführt. Lokalen Abwei­ Brennraum ab. Sie werden in Düsenhalterkombinationen
chungen vom Behälterdruck wird mit druck- und hubabhän­ (DHK), Unit- (UI) und Common Rail-Injektoren (CRI) ein­
gigen Kennfeldern der effektiven Druckflächen Rechnung gebaut und mit diesen als Funktionseinheit, räumlich sehr
getragen. genau positioniert zum Brennraum, im Zylinderkopf ange­
baut, (Bild 5‑3).
Kavitation. Wenn der Druck lokal den Dampfdruck erreicht, UI- und Common Rail-Injektoren werden in den betref­
bilden sich Dampfblasen, d. h. es entsteht Kavitation. In In­ fenden Teilkapiteln des Abschn. 5.3 erläutert.
jektoren wird z. B. eine Drossel vor dem Magnetventil gezielt Für die Ansteuerung der Düsennadel gelten folgende
so ausgelegt, dass während der Einspritzung Kavitation ein­ Funktionsprinzipien:
tritt. Damit ist der Durchfluss unabhängig vom Gegendruck
und vom Magnetventilhub mit großen Vorteilen für die Nadelschließen/Abdichten des Einspritzsystems zum
Mengenkonstanz. Schmitt [5‑9] hat bereits 1966 einen Weg Brennraum. Die Düsennadel wird durch eine auf das Na­
aufgezeigt, wie relativ einfache Hypothesen mit der Energie­ delende wirkende, mechanisch oder hydraulisch erzeugte
gleichung (5‑8) verknüpft werden können, um auch bei Ka­ Schließkraft in den Düsensitz gepresst.
vitation den Durchfluss in Drosseln berechnen zu können.
Die Qualität von Bauteil-Schadensvorhersagen erfordert da­ Nadelöffnen: Die Düsennadel öffnet zu Beginn der Einspritz­
rüber hinaus große Anstrengungen bei der Entwicklung von phase sobald die „hydraulische“ Kraft FD (Einspritzdruck
Kavitationsmodellen und deren Integration in die dreidimen­ wirkt auf die Kreisringfläche zwischen Nadelführung und Dü­
sionale CFD [5-10]. sensitz) auf der Sitzseite größer wird als die Schließkraft FS.
5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter    147

a b

c d

Bild 5-2 Simulationsergebnisse eines piezogesteuerten Pkw Common Rail Injektors. a Schaltventilhub; b Druck an der Einspritzdüse; c Düsennadelhub; d Einspritzverlauf

DHK und UI gehören zu nockengetriebenen Einspritzsys­ Brennverfahren und der Nadelansteuerung sind drei grund­
temen mit druck­gesteu­erter Düsennadel, CRI gehören zu sätzliche Düsenbauarten gängig (Bild 5‑4):
Druckspeicher-Einspritzsystemen mit hubge­steuerter – Drosselzapfendüsen für DHK-Anwendungen in
Düsennadel, d. h. eine „hydraulische“ Schließkraft ist in IDI‑Motoren,
Abhängigkeit zum kennfeldabhängigen Systemdruck modu­ sie haben heute in der Motorenentwicklung keine Bedeu­
lierbar und damit ist der Nadelhub steuerbar (s. a. Ab­ tung mehr,
schn. 5.3.1.1, Bild 5‑14). – Lochdüsen für DHK‑,UI‑ und CRI‑Anwendungen in
DI‑Motoren,
5.2.1 Einspritzdüsen – Düsenmodule, d. h. Lochdüsen mit integriertem hy­­drau­
lischem Steuerraum für CRI‑Anwendungen in DI‑Moto­
Düsen nehmen entscheidenden Einfluss auf die Gemischbil­ ren. Die Druckmodulation im Steuerraum erfolgt über
dung durch gezielte Verteilung und optimale Zerstäubung Zulauf- und gesteuerte Ablaufdrosseln im Injektor. Das
des Kraftstoffs im Brennraum und sie beeinflussen den Ein­ Steuer­raumvolumen ist für eine gute Kleinst­mengen­
spritzverlauf. fähigkeit hydraulisch steif, d. h. klein ausgelegt.

Aufbau, Bauarten Die Baugröße der Düsen richtet sich nach der Motorzylin­
dergröße und der Einspritzmenge. Des Weiteren werden
Eine Standarddüse besteht aus einem Düsenkörper mit Lochdüsen und Düsenmodule nach Sitzloch- und Sackloch­
Hochdruckzulauf, Nadel­führungs-, Sitz- und Spritzlochbe­ ausführung unterschieden Bild 5‑5.
reich und einer nach innen öffnenden Nadel. Abhängig vom
148    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-3 Düsenhalter, Injektoren. 1 Hochdruckzulauf; 2 Kraftstoffrücklauf; 3 Haltekörper; 4 Düsenspannmutter; 5 Düsenkörper; 6 Düsennadel; 7 Druckbolzen; 8 Druckfe‑
der; 9 Einstellscheibe; 10 Pumpenkolben; 11 Drucksteuer-Magnetventil; 12 Magnetspule; 13 Ventilanker; 14 Druckstange;15 Rückstellfeder; 16 Steuerraum; 17 Piezostel‑
ler; 18 hydraulischer Koppler, 19 Steuerventil, 20 Steuerraumhülse

Auslegung: Lochdüsen und Düsenmodule werden in allen bedingten Druckfelder im Spalt die Nadeldynamik. Die Aus­
aktuellen DI‑Motor­konzepten appliziert. Ziel der Düsenaus­ legung der Nadelsitz- und Nadelspitzenkegel bzgl. Länge und
legung ist die wirkungsgradoptimierte Umsetzung der Druck­ Winkeldifferenzen zum Körper erfolgt systemabhängig und
energie in kinetische Energie, d. h. in Einspritzstrahlen, de­ ist ein Kompromiss aus Nadeldynamik (Einspritzmenge und
ren Eindring-, Aufbruch- und Zerstäubungsverhalten auf -verlauf) und Langzeit­stabilität (Geometrieangleich und da­
das Brennverfahren, die Brennraumgeometrie, die Einspritz­ raus resultierende Einspritzmengendrift).
menge, das Luftmanagement des Motors und das last- und
drehzahlabhängige Einspritzmuster optimal abgestimmt Nadelführung: Die Nadelführung im Düsenkörper zentriert
sind. die Nadel zum Körpersitz während der Hubbewegung und
dient der Trennung von Hochdruck- und Niederdruckbe­
Sitzgeometrie. Die Sitzauslegung berücksichtigt die Dicht­ reich (letzteres gilt nicht für Düsenmodul). Führungsspiele
funktion und bestimmt über den Sitzdurchmesser den Öff­ liegen im Bereich 1–5 µm, je höher der Einspritz- bzw. Sys­
nungsdruck. Bei kleinen Hüben wirkt der Sitz­spalt als Strö­ temdruck, desto kleiner das Führungsspiel, um die Leckage­
mungsdrossel, beeinflusst die Anströmung der Spritzlöcher verluste zu minimieren. Sitzlochdüsen weisen oft eine zweite
und damit die Strahlaufbereitung und durch die strömungs­ Führung im Düsenschaft auf, um die Nadelzentrierung zum
5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter    149

Bild 5-4 Düsenbauarten. 1 Hochdruckzulauf; 2 Düsenkörper; 3 Düsennadel; 4 Druckzapfen; 5 Nadelführung, 6 Nadelsitz (-Ø); 7 Spritzloch; 8 Drosselzapfen; 9 Spritzzap‑
fen; 10 Sackloch; 11 Steuerraumhülse; 12 Steuerraum; 13 Zulaufdrossel, 14 gesteuerte Abströmdrossel; 15 Rückstellfeder; 16 Federteller; Drosselplatte (Injektor)

Bild 5-5 Sitzloch-, Sacklochausführungen

Sitz und damit die Mengenverteilung auf die Spritzlöcher ist entweder ballistisch oder durch einen Festanschlag
und die Nadeldynamik zu verbessern. Sacklochdüsen sind ­begrenzt ausgeführt. Der ballistische Hub hat den Vorteil
diesbezüglich robuster, da die Strömung im Sitz die Verhält­ eines nahezu linearen (knickfreien) Mengenverlaufs über
nisse am Spritzloch im Sackloch nicht direkt beeinflussen. der Spritzdauer, ist jedoch nur in Verbindung mit Common
Rail Injektoren sinnvoll, die den Öffnungs- und Schließzeit­
Nadelhub. Die hydraulische Auslegung führt bei Vollhub zu punkt gegenüber anderen Systemen sehr präzise steuern
vernachlässigbaren Drosselverlusten am Sitz. Der Nadelhub können.
150    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Sitzloch-, Sacklochausführung, Schadvolumen (Bild 5‑5). wegen der Nähe der Spritzlöcher zur Krafteinleitung im
Bei Sitz- und Sacklochdüsen ist das emissionsrelevante Sitz.
Merkmal die Größe des unter der Sitzkante nach dem
­Nadelschließen verbleibende sog. Schadvolumen, dessen Spritzgeometrie und Strahl. Ziel ist es, eine optimale
Kraftstoffinhalt ausgast nicht optimal verbrennt und die Kraftstoffverteilung, ‑zerstäubung und Gemischaufberei­
HC‑Emissionen erhöht. Das kleinste Schadvolumen hat tung im Brennraum zu erzeugen. Ausgelegt werden zu­
die Sitzlochdüse, gefolgt von konischen und zylindrischen nächst Anzahl der Spritzlöcher, Strahlrichtung, jeweils mit
Sacklochdüsenausführungen. Bei Sitzlochdüsen werden die räumlicher Zuordnung zu Zylinderkopf, Glühstift und
Spritz­löcher ein- oder mehrreihig im Sitzkegel unterhalb Brennraummulde.
des Nadelsitzes angeordnet, wobei wegen der Anströmung Der Spritzlochquerschnitt wird durch die maximale Ein­
der Spritzlöcher und aus Festigkeitsgründen Mindestab­ spritzmenge, den zugehörigen Einspritzdruck und die zuläs­
stände einzuhalten sind. Bei Sacklochdüsen sind die erfor­ sige Spritzdauer festgelegt.
derlichen Mindestabstände zwischen den Spritzlöchern Die Anzahl der Spritzlöcher richtet sich nach dem Brenn­
wesentlich kleiner. verfahren und dem Luftmanagement (u. a. Drall). Die
Strahlen dürfen nicht ineinander verwehen.
Spritzlochlänge (Bild 5‑6). Aktuelle Spritzlochlängen lie­ Derzeit werden bei Pkw 7–9 Spritzlöcher mit Durchmes­
gen zwischen 0,7 und 1 mm. Sie beeinflussen den Strahl und sern von 105–135 µm und bei Nkw 6–8 Spritzlöcher mit
auch die Kuppenfestigkeit, insbesondere bei Sitzlochdüsen Durchmessern von 150–190 µm appliziert.

Bild 5-6 Spritzlochgeometrie.1 Spritzlochdurchmesser; 2 Spritzlochlänge; 3 Einlauf hydroerosiv gerundet; 4 Spritzloch-Konizität

Tabelle 5-1 Übersicht Spritzlochauslegung

Parameter Auslegungshinweise
Lochanzahl Möglichst hoch, jedoch Verwehen der Strahlen ineinander kritisch
Lochquerschnitt Kleinstmöglich für optimale Zerstäubung und Gemischbildung
Hydroerosive Verrundung Verschleißvorwegnahme und je nach Grad der Verrundung eine Beeinflussung der Spritzlochinnenströmung (mit/ohne Kavita‑
(Einlaufkante) tion) Bild 5-6, Bild 5-7
Konizität In Verbindung mit hydroerosiver Verrundung und Lochlänge werden der Wirkungsgrad der Druckumsetzung und der Strahlauf‑
bruch beeinflusst
Lochlänge Je kürzer umso kleiner die Strahleindringtiefe (bei gleichgestelltem Wirkungsgrad)
5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter    151

Bild 5-7 Strömungssimulation: Vergleich Spritzloch, Einlauf nicht gerundet/gerundet

Strahlauslegung: Für die optimale Spritzlochauslegung ei­ Strahl- und Sprayanalyse, Simulation:
ner Düse stehen folgende Parameter zur Verfügung:
Bei Auslegungen mit wirkungsgradoptimierten, nahezu Strahlbildanalyse. Strahlbilder mit einer Hochgeschwindig­
kavitationsfreien Spritzlochströmungen, muss deren höhere keitskamera aufgenommen liefern schnell Aufschluss über
Verkokungsempfindlichkeit durch geeignete Parameterwahl Strahlform, Strahlbildsymmetrie, Strahlentwicklung zu
berücksichtigt werden. Lochselektive Spritzloch­auslegungen, Spritzbeginn und Spritzende und Hub/Hub-Streuungen
d. h. jedes Spritzloch ist individuell ausgelegt, Doppelloch­ durch Strahlkonturenvergleich (Bild 5‑8).
anordnungen bis hin zu Lochnestern oder Kombinationen Die Strahlkraftanalyse liefert genaue Informationen über
aus Sitzloch- und Sacklochausführungen mit parallelen, Wirkungsgrad, Symmetrie, Strahlaufbruch und -struktur.
divergierenden oder sich kreuzenden Strahlen werden auf Ein Drucksensor fährt in verschiedenen Abständen zur
ihr Potenzial untersucht. Dies erfordert kleinere Spritzloch­ Düse den Einspritzstrahl ab und nimmt das Rohsignal und
durchmesser und eine dafür entwickelte Erodier- oder die Strahlstruktur auf (Bild 5‑9).
Laserbohr­fertigungs­technik. Um weitere Informationen über das Spray, wie z. B.
Strahlzerfall, Tröpfchen­größe, Verdampfung, Luftentrain­

Bild 5-8 Strahlbildanalyse


152    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-9 Strahlkraftanalyse

ment, Gemischbildung und Verbrennung zu erhalten, wer­ gesamten Sitz-/Spritzlochbereich (kondensiertes Wasser
den bestehende Verfahren laufend weiterentwickelt bzw. und Abgase verbinden sich zu Schwefelsäure­derivaten).
neue Techniken erprobt (Bild 5‑10).
Die Kenntnis dieser Größen ist Voraussetzung für die 5.2.2 Düsenhalter/Düsenhalterkombinationen
Simulation einer Wirkkette von der Düseninnenströmung
bis zur Verbrennung und Emissionsberechnung (Bild 5‑11). Einspritzdüsen sind als Funktionseinheit mit 1‑Feder- und
In allen Bereichen dieser Wirkkette wird intensiv entwickelt 2‑Feder‑Düsenhaltern (Bild 5‑12) als sog. Düsenhalterkom­
und geforscht. Für die Einspritzsysteme existieren bereits binationen in nockengesteuerten Einspritz­systemen in Ver­
heute sehr gute Modelle, die sogar die hydraulische Wirkung wendung: 1‑Federhalter (1FH) in Nkw, 2‑Federhalter (2FH)
von Bauteilveränderungen über der Lebensdauer abbilden. in Pkw, da mit der angelagerten Voreinspritzung ein gerin­
geres Verbrennungs­geräusch erreichbar ist.
Werkstoffe, Kuppentemperatur. Bei Common Rail Syste­
men führen die ständigen Druck­schwingungen im System Funktion 1FH: siehe Einführung Abschn. 5.2 (Nadelschlie­
zu Relativbewegungen im Sitz zwischen Nadel und Körper. ßen, ‑öffnen). Die Nadelschließkraft wird durch die Vor­
Zur Verschleißreduzierung werden Gleitschichten aufge­ spannung der Druckfeder erzeugt.
bracht.
Düsenkuppen sind thermisch hoch belastet (Pkw bis Funktion 2FH: Die Düsennadel öffnet zunächst gegen die
ca. 300 °C, Nkw > 300 °C), entsprechend werden für hohe Kraft der Druckfeder 1 (15, Hub h1, Voreinspritzphase), die
Temperaturen warmfeste Werkstoffe ausgewählt oder alter­ über eine Druckstange auf die Nadel wirkt. Für die Hauptein­
nativ Wärmeleithülsen eingesetzt. spritzung (Hub h2) muss die über eine Hubeinstellhülse zu­
Bei dauerhaft niedrigen Betriebs- bzw. Kuppentempera­ sätzlich auf die Nadel wirkende Kraft der Druckfeder 2 (18)
turen (< ca. 120 °C) besteht die Gefahr der Korrosion im durch die hoch­druckseitigen Kräfte überwunden werden.
5.3 Einspritzsysteme    153

Bild 5-10 Spray-, Verbrennungs-, Emissionsanalysetools

Bild 5-11 Simulationswirkkette

Bei hohen Drehzahlen wird die erste Stufe schnell durch­ 5.3 Einspritzsysteme
fahren.
Die Schließkräfte bzw. die Öffnungsdrücke werden durch 5.3.1 Grundfunktionen
Vorspannen der Druck­federn mittels Ausgleichscheiben
eingestellt. Die Grundfunktionen von Dieseleinspritzsystemen lassen
Für elektronisch geregelte Einspritzsysteme sind Düsen­ sich in vier Teilfunk­tionen untergliedern:
halter mit einem Nadel­bewegungssensor im Einsatz. Ein mit – Kraftstoff fördern (Niederdruckseite) vom Tank über das
dem Druckbolzen verbundener Stift taucht in eine Indukti­ Kraftstofffilter zur Hochdruckerzeugung. Diese Aufgabe
onsspule im Düsenhalter ein und liefert Signale zu Spritzbe­ übernimmt das Teilsystem „Nieder­druckkreislauf “,
ginn, ‑ende und zur Einspritzfrequenz. welches im Allg. mit den Komponenten Vorfilter,
Hauptfilter (ggf. beheizt), Förderpumpe und Regelventilen
ausgestattet ist. Der Niederdruckkreis verbindet durch
Leitungen den Fahrzeugtank über die genannten Nie­der­
druckkomponenten den Zu‑ und Rücklauf des Hochdruck­
154    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-12 Düsenhalterkombination. 1 Haltekörper; 2 Stabfilter; 3 Hochdruckzulauf; 4 Zwischenscheibe; 5 Düsenspannmutter; 6 Düsenkörper; 7 Düsennadel; 8 Fixierstift;
9 Druckbolzen; 10 Druckfeder; 11 Ausgleichsscheibe; 12 Kraftstoffrücklauf; 13 Druckstift; 14 Führungsscheibe, 15 Druckfeder 1; 16 Hubeinstellhülse; 17 Federteller;
18 Druckfeder 2

systems. Dabei sind funktionsbestimmende Druck- und sind im Hochdruckkreis Ventile verbaut, die in modernen
Durchfluss­spezifi­kationen der angeschlossenen Hoch- Einspritzsystemen elektrisch angesteuert werden.
und Niederdruck­komponenten einzuhalten. – Kraftstoff zumessen in Form einer präzisen Dosierung
– Hochdruck erzeugen und Kraftstoff fördern (Hoch- der Kraftstoffmasse in den Brennraum als Funktion der
druck­seite) mit hohem Wirkungsgrad bei der Verdichtung Drehzahl und Motorlast sowie der Unterstützung von Ab-
zur Zumessstelle oder in einen Speicher. Dabei ist der ­gasnachbehandlungssystemen. Bei modernen Einspritz­
motor­betriebspunktabhängige, optimale Einspritz­druck systemen erfolgt die Kraftstoffzumessung mit Hilfe von
sowohl stationär als auch dynamisch bereit zu stellen. Die elektrisch angesteu­erten Magnet- oder Piezoventilen, die
ge­forderte Einspritzmenge sowie system­abhängige Steuer- an den Hochdruckpumpen oder direkt an den Ein­spritz­
und Leckagemengen sind zu fördern. Diese Aufgabe injektoren angebracht sind.
übernimmt die Hochdruckpumpe und sys­tem­bedingt ein – Kraftstoff aufbereiten durch optimale Nutzung der
Speicher. Zur Steuerung der Massenströme und Drücke Druckenergie zur primären Gemischbildung im Sinne
5.3 Einspritzsysteme    155

Bild 5-13 Einspritzsysteme heutiger Bauart und deren Anwendungen

eines Fluidsprays, das zeitlich und örtlich optimal im bedient und die Aufgaben Kraftstoff fördern und zumessen
Brennraum verteilt wird. Der Kraftstoff wird in der Ein­ bewerkstelligt. Typische Vertreter sind hier die Reihenpum­
spritzdüse aufbereitet, dabei ist das Zusammenspiel der pen, sowie die Verteilerpumpen mit axialen und radialen
Zumessventile zur Düsennadel­steuerung und die Strö­ Pumpen­elementen. Die andere Bauweise ist durch „aufgelös­
mungsführung vom Düsenzulauf bis zum Austritt an den te Einspritzpumpen je Motorzylinder“ gekennzeichnet, bei
Düsenlöchern von zentraler Bedeutung. denen für jeden Zylinder des Verbrennungs­motors eine
diskrete Druckerzeugereinheit angeordnet ist, die von der
5.3.1.1 Bauarten Motor­nockenwelle angetrieben wird. Die Zumessung des
Kraftstoffs erfolgt über schnell schaltende Magnetventile,
Übersicht die in die Pumpeneinheit integriert sind. Ein bekanntes
Beispiel für diese Einspritzsystembauart ist die „Pumpe-
Die zuvor beschriebenen Grundfunktionen sind je nach Düse“ (Unit Injector).
Bauart der Einspritz­systeme unterschiedlich umgesetzt. In Die Speichersysteme hingegen verfügen über eine zentra­
den folgenden Abschn. werden die Bauarten beschrieben le Hochdruckpumpe, die ihrerseits den Kraftstoff verdichtet
und deren Funktion erklärt. Bild 5‑13 zeigt eine Übersicht und unter Hochdruck in einen Speicher fördert. Der Druck
­der heute am Markt befindlichen Einspritzsysteme und ty­ in diesem Speicher kann über niederdruck- und hochdruck­
pische Einsatzgebiete. seitige Ventile geregelt werden. Aus dem Speicher erfolgt die
In der Gesamtheit der Bauformen wird zunächst nach Kraftstoffzumessung über sog. Einspritzinjektoren, die wie­
Systemen der konven­tionellen Bauart und jenen mit Hoch­ derum von Magnet- oder Piezoventilen gesteuert werden.
druckspeicher unterschieden. Die Einspritz­systeme ohne Die Namensgebung der Common Rail Systeme rühren vom
Speicher verfügen stets über Hochdruckpumpenkolben, die „gemeinsamen Speicher/Verteiler“ her. Man unterscheidet
unmittelbar von einem Nocken angetrieben werden und so je nach Aktortyp an den Injektoren zwischen „Magnetven­
eine Druckwelle im Hochdrucksystem erzeugen, die direkt til-Common Rail“ Systemen und „Piezo-Common Rail“
dazu genutzt wird, um die Einspritzdüse zu öffnen und den Systemen sowie nach Sonderbauarten.
Kraftstoff zylinderselektiv entsprechend der Zündfolge ein­
zuspritzen. Hub-/Druck-Steuerung der Düsennadel. Die Kraftstoff­
Die nächste Gliederungsebene unterscheidet nach Syste­ aufbereitung erfolgt bei allen Einspritzsystemen unabhängig
men mit „zentraler Einspritzpumpe“, die alle Motorzylinder von der Bauart an der Einspritzdüse, die entweder über eine
156    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-14 Vergleich druck- und hubgesteuerte Düse

Hochdruckleitung mit der Pumpeneinheit verbunden oder sind. Grund dafür ist die Flexibilität dieser Einspritsysteme
direkt in das Gehäuse der Pumpeneinheit bzw. in den Injek­ gegenüber derer konventioneller Bauart. Die Fähigkeit, den
tor integriert ist. Ein Hauptunterscheidungsmerkmal zwi­ Druck und die Anzahl der Einspritzungen pro Arbeitszyklus
schen konventionellen und Common Rail Einspritzsystemen frei als Funktion von Drehzahl und Last des Motors sowie
ist die Art der Düsennadelsteuerung. Während bei nocken­ weiterer Parameter wählen zu können, ist zur Erreichung
getriebenen Einspritzsystemen die Düsennadel „druckge­ der motorischen Zielgrößen unabdingbar. Weiterhin bietet
steuert“ ist, findet das Öffnen und Schließen bei Common der Speicher die Möglichkeit, bezogen auf den Motorkurbel­
Rail Injektoren „hubgesteuert“ statt. Bild 5‑14 stellt die bei­ winkel, sehr späte Einspritzungen zur Steuerung der Abgas­
den Steuerungsarten der Düsennadel gegenüber und fasst nachbehandlung abzusetzen, was zur Erreichung künftiger
die Hauptmerkmale zusammen. Emissionsstandards zwingend erforderlich ist. Obwohl die
Es sei an dieser Stelle vorweggenommen, dass die Com­ druckgesteuerte Düsennadel auch Vorteile bzgl. der Emis­
mon Rail Systeme zukünftig bei nahezu allen Motoren ein­ sionen aufweist, verzichtet man zu Gunsten der flexiblen
gesetzt werden und bei Pkw bereits die Hauptanwendungen Mehrfacheinspritzung auf diese und setzt auf die Hubsteue­
5.3 Einspritzsysteme    157

rung der Düsennadel in Common Rail Injektoren. In der Bauart „Verteilerpumpe – axial“ (Bild 5‑16)
Gesamt­systembetrachtung überwiegen die Vorteile der hub­
gesteuerten Kraftstoff­zumessung hinsichtlich Präzision, Hauptmerkmale:
Kleinstmengenfähigkeit und minimaler Spritzabstände
gegenüber den konventionellen Systemen mit druckgesteu­ – ein axiales Pumpenelement für alle Motorzylinder,
erter Nadel. – Hubscheibe von Motornockenwelle angetrieben, Anzahl
Nocken = Anzahl Motorzylinder (≤ 6),
Bauart „Reihenpumpe“ (Bild 5‑15) – Nockenerhebungen wälzen sich auf dem Rollenring ab,
dadurch entsteht:
Hauptmerkmale: – Dreh- und Längsbewegung des Verteilerkolbens,
– je ein Pumpenelement pro Motorzylinder, Anordnung der – zentraler Verteilerkolben öffnet und schließt Steuerschlitze
Elemente in Reihe, und Bohrungen,
– Antrieb der Kolben über Pumpennockenwelle, Rück­stel­ – Verteilung des Kraftstoffflusses auf Auslässe zu den Motor­
lung über Kolbenfeder; der Kolbenhub ist konstant, zylindern,
– Förderbeginn bei Verschließen der Steuerbohrungen – Kolben verdichtet in Axialrichtung und fördert zur druck­
durch den Kolben, gesteuerten Düse,
– der Kolben verdichtet in Aufwärtsbewegung und fördert – Regelschieber verändert Nutzhub und somit die Einspritz­
Kraftstoff zur Düse menge,
– Düse arbeitet druckgesteuert, – der Förderbeginn wird über Spritzversteller verändert,
– die schräge Steuerkante gibt die Verbindung zur Steuer­ dieser verdreht den Rollenring relativ zur Hubscheibe.
bohrung wieder frei und entlastet so den Hochdruckraum;
dadurch schließt die Düse, Bauart „Verteilerpumpe – radial“ (Bild 5‑17)
– der Nutzhub ist der Kolbenweg nach Verschließen des
Hoch­druckraums bis zur Absteuerung; durch Verdrehen Hauptmerkmale:
des Kolbens über die Regelstange ist der Nutzhub und – Hochdruckerzeugung mittels Radialkolben, ein oder zwei
damit auch die Einspritzmenge veränderlich. Paare oder 3 Einzelkolben,
– Anzahl der Nockenerhebungen auf Nockenring = Motor­
zylinderzahl (≤ 6),
– vom Motor angetriebene Verteilerwelle trägt Rollen­
stößel,

Bild 5-15
Bauart und Funktionsprinzip „Reihen‑
pumpe“
158    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-16
Bauart und Funktionsprinzip „Vertei‑
lerpumpe – axial“

Bild 5-17
Bauart und Funktionsprinzip „Vertei‑
lerpumpe – radial“

– Rollenstößel wälzen auf Nockenring ab und erzeugen Bauart „Pumpe-Düse“ (Unit Injector) (Bild 5-18)
Pump­bewegung,
– Kolbenpaare verdichten zur Mitte und fördern zur druck­ Hauptmerkmale:
gesteuerten Düse, – pro Motorzylinder eine Pumpe-Düse-Einheit im Zylinder­
– zentrale Verteilerwelle öffnet und schließt Steuerschlitze kopf des Motors integriert,
und Bohrungen, – Antrieb über Motornockenwelle mittels Einspritznocken
– Verteilung des Kraftstoffflusses auf Auslässe zu den Motor­ und Stößel oder Kipphebel,
zylindern, – Hochdruckerzeugung mittels Pumpenkolben, Rückstel­
– Magnetventil steuert Einspritzmenge (und Förder­be­ginn), lung über Feder,
– bei geschlossenem Magnetventil wird Hochdruck aufge­ – lokale Druckerzeugung unmittelbar vor Düse, daher keine
baut, Hochdruckleitung,
– der Förderbeginn wird über magnetgesteuerten Spritz­ver­ – Düse arbeitet druckgesteuert,
steller verändert, dieser verdreht den Rollenring relativ zur – Magnetventil steuert Einspritzmenge und Spritzbeginn,
Verteilerwelle. – bei geschlossenem Magnetventil wird Hochdruck aufge­
baut,
5.3 Einspritzsysteme    159

– je Motorzylinder eine Einspritzeinheit (Pumpe, Leitung


und Düsenhalter­kombination),
– Antrieb über unten liegende Motornockenwelle (Nutz­fahr­
zeuge);
– Düse arbeitet druckgesteuert,
– Einspritzmenge und Spritzbeginn wird über Hochdruck­
magnetventil gesteuert.

Bauart „Common Rail System“ (Bild 5‑20)


Hauptmerkmale:
– Speichereinspritzsystem,
– Entkopplung von Hochdruckerzeugung und Einsprit­
zung,
– zentrale Hochdruckpumpe erzeugt Druck im Speicher der
im gesamten Kennfeld unabhängig von Drehzahl und Last
des Motors eingestellt werden kann,
– mehrfache Kraftstoffentnahme aus dem Rail pro Arbeits­
spiel des Motors erlaubt hohe Flexibilität bei Lage, Anzahl
Bild 5-18 Bauart und Funktionsprinzip „Pumpe-Düse“ und Größe der Einspritzungen,
– pro Motorzylinder ist ein Einspritzinjektor angebaut (Kör­
per mit Düse und Steuerventil (Magnet- oder Piezoak­tor),
– Einspritzvorgang wird vom Steuergerät berechnet und – Düse arbeitet hubgesteuert,
geregelt. – Injektor arbeitet zeitgesteuert, Einspritzmenge hängt von
Raildruck und Ansteuerdauer ab,
Bauart „Pumpe-Leitung-Düse“ (Unit-Pump) (Bild 5‑19) – Anzahl, Lage und Einspritzmenge werden vom Steuergerät
geregelt.
Hauptmerkmale:
– Prinzip vergleichbar zum Unit-Injector System,
– jedoch Düse in Düsenhalter mit der Pumpe über kurze
Hochdruckleitung verbunden,

Bild 5-19
Bauart und Funktionsprinzip „Pum‑
pe-Leitung-Düse“
160    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-20
Bauart und Funktionsprinzip „Com‑
mon Rail System“

5.3.2 Reihenpumpe ximaler Menge reguliert werden. Die Regelstange selbst wird
durch den mit der Einspritzpumpe verbundenen Regler be­
5.3.2.1 Aufbau und Arbeitsweise wegt.
Der Regler kann entweder ein mechanischer Fliehkraft­
In der Reihenpumpe (Bild 5‑21) sind die Pumpenelemente, regler sein, der die Regelstange drehzahlabhängig verschiebt
bestehend aus Pumpenzylinder und Pumpenkolben, ent­ und damit insbesondere die Endabregelung realisiert oder
sprechend der Anzahl der vorhandenen Motorzylinder in ein elektronischer Regler, der über ein elektro­magnetisches
einem eigenen Gehäuse zusammengefasst. Die Pumpenkol­ Stellwerk auf die Regelstange wirkt. Zur Anpassung der
ben werden durch eine pumpeneigene Nockenwelle bewegt, Einspritzmenge an die unterschiedlichsten Betriebsbedin­
die ihrerseits durch den Steuerrädertrieb des Motors ange­ gungen sind bei mechanisch geregelten Pumpen Aufschalt­
trieben wird. Die Mengenzumessung erfolgt ausschließlich gruppen wie z. B. ein ladedruck­abhängiger Volllastanschlag
über Kantensteuerung durch Verdrehen der Pumpenkolben. notwendig.
Jeder Pumpenkolben hat eine schräge Steuerkante, so dass in Zur sicheren Versorgung der Pumpenelemente mit Kraft­
Verbindung mit der zylinderseitigen, ortsfesten Steuerboh­ stoff ist eine Nieder­druckförder­pumpe an der Reihenpumpe
rung, abhängig von der Winkelposition des Pumpenkolbens, angebaut, die durch einen speziellen Nocken auf der pum­
ein unterschiedlicher Förderhub und damit eine unter­ peneigenen Nockenwelle betätigt wird. Diese Förderpumpe
schiedliche Einspritzmenge gefördert bzw. eingestellt werden versorgt den Saugraum der Reihenpumpe mit Kraftstoff
kann. Der Gesamtkolbenhub ist dabei jeweils konstant und unter einem Druck bis ca. 3 bar.
entspricht der Nockenerhebung. Am Hochdruck­ausgang der
Reihenpumpe trennt ein Druckventil den Hochdruckbereich Baureihen, Varianten
in der Pumpe von der Einspritzleitung und dem Düsenhal­
ter, sodass nach der Einspritzung im System Leitung – Düse Den entsprechenden Motorleistungen angepasst gibt es Rei­
der dort befindliche Kraftstoff vorgespannt bleibt, d. h. ein henpumpen in verschiedenen Größen. Die Einspritzdrücke
gewisser Standdruck vorhanden ist. Oft ist in dieses Druck­ liegen bei heutigen Reihenpumpen zwischen 400 und 1150
ventil eine Rückströmdrossel integriert, die dafür sorgt, dass bar pumpenseitig, je nach Verwendung für Kammer- oder
es zu keinem Nachspritzer mit nur geringem Einspritzdruck Direkteinspritzmotoren.
kommt. Die Verdrehung des Kolbens erfolgt bei allen Zylin­ Typische Baureihen der Fa. Bosch sind die A‑ und die
dern gleichzeitig über eine Regelhülse, die mit einer längsbe­ P‑Pumpe. Innerhalb der Baureihe P gibt es verschiedene
weglichen Regelstange formschlüssig verbunden ist. Die Varianten, die je nach Einspritzdruck, Einspritzmenge und
Förder­menge kann damit zwischen Nullförderung und ma­ Einspritzdauer eingesetzt werden. Für Nutzfahrzeug­motoren
5.3 Einspritzsysteme 161

Bild 5-21
Reihenpumpe, Bauart P. 1 Druckven-
tilhalter; 2 Füllstück; 3 Druckventilfe-
der; 4 Pumpenzylinder; 5 Druckventil;
6 Saug- und Steuerbohrung; 7 Steuer-
kante; 8 Pumpenkolben; 9 Regelhül-
se; 10 Kolbenfahne; 11 Kolbenfeder;
12 Federteller; 13 Rollenstößel;
14 Nockenwelle; 15 Regelstange

kommt auch die sog. Hubschieberpumpe mit variabler Verstellung des Einspritzbeginns
Förderbeginneinstellung zum Einsatz.
Die last- und drehzahlabhängige Spritzbeginnanpassung über-
5.3.3 Verteilereinspritzpumpen nimmt in der Verteilerpumpe ein sog. Spritzversteller, der den
Rollenring bei der Axialkolbenpumpe bzw. den Nockenring
Die Verteilereinspritzpumpe [5-11 bis 5-15] ist eine kom-
bei der Radialkolbenpumpe bis zu ca. 20 Grad Nockenwinkel
pakte, kostengünstige Pumpenbauart, deren Einsatzbereiche
(von extremer Spät- bis zu extremer Frühlage) verdrehen
hauptsächlich Pkw-Direkteinspritzmotoren (früher auch
kann. Das Verdrehen der Ringe erfolgt über Druckbeaufschla-
IDI-Motoren), aber auch Nkw-Motoren bis ca. 45 kW/Zylin-
gung oder -entlastung des Spritzverstellerkolbens mit dem
der sind. Üblicherweise besteht die Verteilerpumpe aus fol-
drehzahlproportionalen Druck, erzeugt von einer in der Hoch-
genden Baugruppen:
druckpumpe integrierten Flügelzellen-Vorförderpumpe. Der
– Hochdruckpumpe mit Verteiler,
Druck auf diesem Kolben kann ggf. mit Hilfe eines pulsweiten-
– Drehzahl/Mengen-Regler,
moduliert angesteuerten Magnetventils in Verbindung mit
– Spritzversteller,
einem Spritzbeginnsensor genau eingestellt werden.
– Niederdruck-Förderpumpe,
Neben dieser einfachen Spritzverstellervariante gibt es
– elektrische Abstellvorrichtung (Pumpen mit Regelschieber)
auch einen sog. Nachlauf-Spritzversteller mit einem in den
und
Verstellkolben integrierten Steuerkolben, was zu einer ver-
– Funktionsaufschaltgruppen (mechanisch geregelte
besserten Regeldynamik führt, da der Steuerkolben unab-
Pumpen).
hängig von Reibungseinflüssen an Rollenring und Spritzver-
Als Bauformen gibt es die Axialkolben-Pumpe mit Druck- stellerkolben reagiert.
erzeugung bis 1550 bar und die Radialkolben-Pumpe mit
Druckerzeugung bis 2000 bar an der Einspritzdüse, siehe Varianten
Bild 5-22 bzw. 5-23. Die bedienbare Motorzylinderanzahl ist
bei beiden Typen auf sechs begrenzt. Zur Beschreibung der Mechanisch geregelte Verteilereinspritzpumpe. Die rein
grundsätzlichen Arbeitsweise siehe Abschn. 5.3.1. mechanisch geregelte Verteilerpumpe ist gekennzeichnet
162    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-22
Elektronisch geregelte Verteilerein‑
spritzpumpe in Axialkolbenbauart,
Typ VE, Robert Bosch GmbH. 1 Vertei‑
lerkolben; 2 Magnetventil für Spritz‑
verstellung; 3 Regelschieber; 4 Spritz‑
versteller; 5 Hubscheibe; 6 Förder‑
pumpe; 7 elektrisches
Mengenstellwerk mit Rückmeldesen‑
sor; 8 Stellwelle; 9 elektrische Abstell‑
vorrichtung; 10 Druckventilhalter;
11 Rollenring

durch verschiedene, individuell auslegbare Funktionsauf­ über den Kolbenhub die Fördermenge fest. Die Steuerung
schaltungen wie z. B. zur Förderbeginnverstellung, zur Leer­ des Förderbeginns und des Förderendes (Förderdauer)
lauf- und Volllastregelung oder zur Verbes­serung des Kalt­ erfolgt über die Verarbeitung von Winkel- und Drehzahlsig­
startverhaltens. Die Drehzahl­rege­lung der Pumpe erfolgt nalen pumpen- und motorinterner Sensoren im Pumpen­
über einen Fliehkraftregler. steuergerät. Für eine Voreinspritzung steuert das Pumpen­
steuergerät das Magnetventil der Pumpe zweimal an –
Elektronisch geregelte Verteilereinspritzpumpe. Diese in zunächst für die Voreinspritzmenge (typischerweise 1,5–
Bild 5‑22 dargestellte Bauart benötigt keine separaten Funk­ 2 mm³/Einspritzung), danach für die Haupteinspritzmenge.
tionsaufschaltungen, da sie über Sensoren und das Steuer­
gerät Menge und Förder- bzw. Spritzbeginn regeln kann. Das 5.3.4 Einzelpumpen-Systeme
Mengenstellwerk ist ein Drehmagnet­steller mit einem Induk­
tivgeber, der eine sehr genaue Information über die Position Dieser Abschn. behandelt nocken-zeitgesteuerte, zylindermo­
des Regelschiebers an das Motorsteuergerät liefert. Dies er­ dulare Einzel­pumpensysteme, die grundsätzlich in Unit Injec­
möglicht eine genaue und voll flexible Mengenzumessung. tor-Systeme für Pumpe-Düse-Einheit und Unit Pump-Sys­
teme für Steckpumpe oder Pumpe‑Leitung‑Düse unterschie­
Magnetventilgesteuerte Verteilereinspritzpumpe. Bild 5‑23 den werden können und heute die dominierenden Einspritz­
zeigt eine magnetventilgesteuerte Radialkolben-Verteiler­ systeme im Heavy Duty-Bereich darstellen [5‑16 bis 5‑21].
pumpe. Die besonderen Vorteile dieser Steuerungsart liegen
in einer hohen Genauigkeit (Abgleichmöglichkeit durch Bau­ Aufbau und Arbeitsweise
einheit von Steuergerät und Pumpe), einer hohen Mengendy­
namik (zylinder­individuelle Mengenzumessung) und einer Unit Injector-System. Die druckerzeugende Pumpe und das
Förderratenbeeinflussung durch variablen Förder­beginn. Einspritzventil bilden hier eine Baueinheit, wodurch das Tot­
Der Schließzeitpunkt des 2/2‑Hochdruckmagnetventils volumen im Einspritzsystem minimiert und sehr hohe Ein­
bestimmt den Förderbeginn, sein Öffnungszeitpunkt legt spritzdrücke (über 2000 bar bei Nennleistung) erreicht wer­
5.3 Einspritzsysteme    163

Bild 5-23
Elektronisch geregelte Verteiler-Ein‑
spritzpumpe in Radialkolbenbauart
mit Magnetventil­steuerung, Typ VP44,
Robert Bosch GmbH. 1 Magnetventil;
2 Hochdruckanschluss; 3 Verteilerwel‑
le; 4 Spritzversteller; 5 Pumpenkol‑
ben; 6 Nockenring; 7 Flügelzellen‑
pumpe; 8 Antriebs­welle; 9 Drehwin‑
kelsensor; 10 elektron.
Pumpensteuergerät

den können. Je Motorzylinder ist im Zylinderkopf ein Unit maximale Spitzendruck wird kurz nach Abschalten des
Injector eingebaut, dessen integrierte Düse in den Verbren­ Elektromagneten erreicht, danach bricht der Druck sehr
nungsraum hineinragt. Die Motornockenwelle besitzt für schnell zusammen. Die Dauer der Ansteuerung des Magnet­
jeden Unit Injector einen Antriebsnocken, dessen Hub über ventils bestimmt die eingespritzte Kraftstoffmenge.
einen Kipphebel auf den Pumpenkolben übertragen wird. Im Unit Injector für Pkw ist eine durch einen Speicherkol­
Dieser bewegt sich dadurch mit Unterstützung der Rückstell­ ben mechanisch-hydraulisch gesteuerte Voreinspritzung zur
feder auf und ab. Geräusch- und Schadstoffverringerung integriert (Bild 5‑24),
Moderne Einzelpumpensysteme werden mit einem Hoch­ womit sich sehr kleine Voreinspritzmengen (ca. 1,5 mm³)
druckmagnetventil oder Piezoaktor gesteuert, wodurch die realisieren lassen.
Verbindung zwischen dem Niederdruckkreislauf und dem Im Gegensatz zu Systemen mit mechanischer Zumessung
Hochdruckraum der Pumpe geöffnet und geschlossen wird. über Steuerkanten gibt es bei magnetventilgesteuerten Syste­
Während des Saughubs (Pumpen­kolben bewegt sich nach men keine zwingende Kopplung zwischen Einspritzkolben­
oben) fließt der im Niederdruckteil unter ständigem Über­ lage und Förderhub. Die Winkellage der Nockenwelle wird
druck stehende Kraftstoff in den Hoch­druckraum der durch Sensoren erfasst und der Förderhub im Steuergerät aus
Pumpe. Zu einem vom Steuergerät bestimmten Zeitpunkt der Mengenvorgabe berechnet. Um die Toleranzen des Spritz­
wird das Hochdruckmagnetventil geschlossen. Durch Aus­ beginns und der eingespritzten Menge zu minimieren, ist es
wertung des Stromverlaufs im Magnetventil wird der genaue not­wendig, dass die Winkellage der Nockenwelle die geo­
Schließzeitpunkt („elektrischer Spritzbeginn“ oder Förder­ metrische Hubposition des Pumpenkolbens über alle Zy­lin­
beginn) ermittelt und zur Spritzbeginnregelung und Kor­ der hinweg exakt wiedergibt, was eine sehr steife An­­triebs­
rektur der Ansteuerimpulsdauer (Reduzierung der Mengen­ konstruktion von Motor und Unit Injector bedingt.
toleranzen) verwendet. Der Kraftstoff im Hochdruckraum
wird durch den Pumpenkolben bis zum Erreichen des Unit Pump-System. Dieses System besteht aus der Hoch­
Düsenöffnungsdrucks („tatsächlicher Spritzbeginn“) kom­ druckpumpe mit integriertem Magnetventil ähnlich der des
primiert, die Düsennadel dadurch angehoben und der Unit Injectors, einer kurzen Einspritzleitung, Druckrohrstut­
Kraftstoff in den Verbrennungsraum eingespritzt. Infolge zen und konventioneller Düsenhalterkombination, Bild 5‑25.
der hohen Förderrate des Pumpenkolbens steigt der Druck Die Steuerung von Spritzbeginn und Menge erfolgt wie beim
während des gesamten Einspritzvorgangs weiter an. Der Unit Injector-System.
164 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-24 Unit Injector für Pkw, Einbau im Zylinderkopf. 1 Kipphe-


bel; 2 Nockenwelle; 3 Körper des Injektors; 4 Hochdruckraum; 5 Spei-
cherkolben; 6 Düsenfeder; 7 Zylinderkopf; 8 Einspritzdüse; 9 Rückstell-
feder; 10 Hochdruckmagnetventil; 11 Kraftstoffrücklauf; 12 Kraft-
stoffzulauf; 13 Dämpfungseinheit

Der modulare Aufbau (Pumpe, Hochdruckleitung, 5.3.5 Common Rail Systeme


Düsenhalterkombination) ermöglicht es, die Unit Pump
seitlich im Motor zu integrieren, wodurch eine Neukons- 5.3.5.1 Aufbau
truktion des Zylinderkopfes vermieden und der Kunden-
dienst vereinfacht wird. Die Pumpen werden über den im Im Gegensatz zu nockengetriebenen Einspritzsystemen sind
Pumpenkörper integrierten Flansch am Motorblock ober- beim Common Rail System Druckerzeugung und Einsprit-
halb der Nockenwelle befestigt. Die Verbindung zwischen zung entkoppelt. Die Druckerzeugung erfolgt unabhängig
Nockenwelle und Pumpenkolben erfolgt direkt über einen vom Einspritzzyklus durch eine Hochdruckpumpe, die den
Rollenstößel. unter Einspritzdruck stehenden Kraftstoff in ein Speichervo-
Unit Injector- und Unit Pump-Systeme haben einen drei- lumen („Rail“) fördert. Das Rail ist über kurze Hochdruck-
eckförmigen Einspritzverlauf. Das Pkw-Unit Injector-System leitungen mit den Injektoren der einzelnen Motorzylinder
bietet zusätzlich die Möglichkeit einer abgesetzten Vorein- verbunden. Die Injektoren werden über elektrisch angesteu-
spritzung. erte Ventile betätigt und spritzen den Kraftstoff zum ge-
Neben den magnetventilgesteuerten Pumpe-Leitung- wünschten Zeitpunkt in den Brennraum des Motors ein.
Düse-Systemen sind vielfach auch noch mechanisch geregel- Einspritzzeitpunkt und Einspritzmenge sind dabei nicht an
te Steckpumpen (kantengesteuert) in kleinen und sehr gro- die Förderphase der Hochdruckpumpe gekoppelt. Durch die
ßen Motoren im Einsatz. Ihre Grundfunktion entspricht der Funktionstrennung von Druckerzeugung und Kraftstoffein-
der mechanisch geregelten Reihenpumpe mit Regelstange. spritzung wird der Einspritzdruck drehzahl- und lastunab-
hängig. Gegenüber nockengetriebenen Systemen ergeben
sich damit folgende Vorteile:
5.3 Einspritzsysteme    165

Bild 5-25
Unit Pump-System. 1 Einspritzdüsenhalter; 2 Druckstut‑
zen; 3 Hochdruckleitung; 4 Anschluss; 5 Hubanschlag;
6 Magnetventilnadel; 7 Platte; 8 Pumpengehäuse;
9 Hochdruckraum (Elementraum); 10 Pumpenkolben;
11 Motorblock; 12 Rollenstößelbolzen; 13 Nocken; 14 Fe‑
derteller; 15 Magnetventilfeder; 16 Ventilgehäuse mit
Spule und Magnetkern; 17 Ankerplatte; 18 Zwischen‑
platte; 19 Dichtung; 20 Kraftstoffzulauf (Niederdruck);
21 Kraftstoffrücklauf; 22 Pumpenkolben-Rückhalteein‑
richtung; 23 Stößelfeder; 24 Stößelkörper; 25 Federtel‑
ler; 26 Rollenstößel; 27 Stößelrolle

– dauernd zur Verfügung stehender, drehzahl- und las­t­ – einfacher Anbau an den Motor,
unabhängiger Einspritzdruck; dies erlaubt flexible Wahl – deutlich niedrigere Antriebs-Drehmomentspitzen.
von Einspritzbeginn, ‑menge und -dauer,
– hohe Einspritzdrücke und damit gute Gemischbildung Common Rail Systeme werden in allen Applikationen von
auch bei niederen Drehzahlen und Lasten möglich, DI-Motoren für Pkw und Nfz (on‑ und off‑highway) einge­
– hohe Flexibilität bezüglich Mehrfacheinspritzungen, setzt. Die maximalen Systemdrücke liegen heute bei 1800 bar,
166    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-26
Common Rail System: 1 Kraftstoff‑
tank; 2 Vorförderpumpe mit Siebfilter;
3 Kraftstofffilter; 4 Hochdruckpumpe
mit Zumesseinheit; 5 Rail; 6 Druckre‑
gelventil; 7 Raildrucksensor; 8 Injek‑
tor; 9 Steuergerät mit Eingängen für
die Sensoren und Ausgängen für die
Aktoren

Systeme für Drücke > 2000 bar befinden sich in der Ent­ Vorteile beider Verfahren. Die Injektoren sind über kurze
wicklung. Hoch­druckleitungen mit dem Rail verbunden. Über das
Das Common Rail System lässt sich in folgende Teilsys­ Motorsteuergerät wird das im Injektor integrierte Schaltven­
teme aufteilen (Bild 5‑26): til angesteuert, um die Einspritzdüse zu öffnen und wieder
– Niederdrucksystem mit den Komponenten der Kraft­stoff­ zu schließen. Öffnungsdauer und Systemdruck be­stimmen
versorgung (Kraftstofftank, Kraftstofffilter, Vor­för­der­ die eingespritzte Kraftstoffmenge. Sie ist bei kons­tantem
pumpe, Kraftstoffleitungen), Druck proportional zur Einschaltzeit des Magnetventils und
– Hochdrucksystem mit den Komponenten Hochdruck­ damit unabhängig von Motor- bzw. Pumpendrehzahl.
pumpe, Rail, Injektoren, Raildrucksensor, Druckregelventil Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Systemen mit
oder Druckbegrenzungsventil, Hochdruckleitungen, und ohne Druckübersetzung. Bei Systemen mit Drucküber­
– Elektronische Dieselregelung mit Steuergerät, Sensoren setzung wird der von der Hochdruckpumpe erzeugte Druck
und Aktoren. über einen Stufenkolben im Injektor verstärkt. Lässt sich der
Druckübersetzer über ein eigenes Steuerventil separat
Die vom Motor angetriebene, kontinuierlich arbeitende ansteuern, kann damit eine flexible Einspritzverlaufsfor­
Hochdruckpumpe baut den gewünschten Systemdruck auf mung realisiert werden. Die heute überwiegend eingesetz­
und hält ihn weitgehend unabhängig von Motordrehzahl ten Systeme arbeiten ohne Druckübersetzung.
und Einspritzmenge aufrecht. Aufgrund der nahezu gleich­
förmigen Förderung baut die Pumpe kleiner und weist, im 5.3.5.2 Niederdrucksystem
Vergleich zu anderen Einspritzsystemen, ein geringeres Spit­
zenantriebsmoment auf. Im Niederdruckkreislauf ist die Kraftstoffversorgung der
Die Hochdruckpumpe ist als Radialkolbenpumpe, für Nfz Hochdruckpumpe vom Tank und die Rückführung der
teilweise auch als Reihen- oder Einzelsteckpumpe (Antrieb Leck- und Überlaufmengen zum Tank zusammengefasst.
über Motornockenwelle) ausgeführt. Zur Regelung des Rail­ Den prinzipiellen Aufbau zeigt Bild 5‑27, die wesentlichen
drucks kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz. Die Komponenten sind:
Druckregelung kann hochdruckseitig über ein Druckregel­ – Kraftstoffbehälter,
ventil oder saugseitig durch eine in die Pumpe integrierte – Kraftstoffvorfilter mit Handpumpe (optional) und Kraft­
Zumesseinheit (bei Einzelsteckpumpen: in separatem Bauteil stoffhauptfilter,
untergebracht) erfolgen. Zweistellersysteme kombinieren die – Kühler für das Steuergerät (optional),
5.3 Einspritzsysteme    167

Bild 5-27 Niederdruckkreislauf für Pkw (links; saug- und hochdruckseitige Druckregelung) und Nfz (rechts; saugseitige Druckregelung). 1 Kraftstoffbehälter; 2 Vorfilter
mit Wasserabscheider und Handpumpe; 3 Vorförderpumpe elektrisch /mechanisch; 4 Kraftstofffilter mit/ohne Wasserabscheider; 5 Zumesseinheit; 6 Überströmventil;
7 Nullförderdrossel; 8 Rail; 9 Injektorrücklauf; 10 Druckbegrenzungsventil; 11 Druckregelventil

– Vorförderpumpe, überschüssiger Kraftstoff fließt über ein Überströmventil


– Kraftstoffkühler (optional). zum Tank zurück. Als Pumpenelement werden meist Rollen­
zellenpumpen (Schema s. Bild 5‑28) verwendet. Der Elektro­
Als Vorförderpumpen kommen Elektrokraftstoffpumpen motor wird durch den Kraftstoff gekühlt, womit sich eine
(EKP, Bild 5‑28) oder Zahnradpumpen (ZP) zum Einsatz. hohe Motorleistungsdichte erreichen lässt. Im Anschlussde­
Systeme mit EKP werden ausschließlich bei Pkw und leich­ ckel ist ein Rückschlagventil integriert, das ein Leerlaufen der
ten Nfz verwendet. Die EKP wird meist im Kraftstofftank Kraftstoffleitungen nach dem Abschalten der Pumpe verhin­
(Intank‑Pumpe), optional aber auch in der Zuleitung zur dert. EKP haben gegenüber mechanisch angetriebenen Vor­
Hochdruckpumpe (Inline‑Pumpe) verbaut. Beginnend mit förderpumpen Vorteile hinsichtlich Startverhalten bei
dem Startvorgang schaltet die EKP ein. Damit ist sicherge­ heißem Kraftstoff, beim Erststart und nach dem Motorser­
stellt, dass bei Motorstart der notwendige Druck im Nieder­ vice (z. B. Filterwechsel).
druckkreis vorhanden ist. Die Förderung des Kraftstoffs er­ ZP werden in Pkw- und Nfz-Systemen als Vorförderpum­
folgt kontinuierlich und unabhängig von der Motordrehzahl, pe angewandt, für schwere Nfz kommen ausschließlich ZP

Bild 5-28
Einstufige Elektrokraftstoffpumpe (links) und
schematische Darstellung der Rollenzellenpumpe
(rechts). 1 Druckseite; 2 Rückschlagventil; 3 Mo‑
toranker; 4 Pumpen­element; 5 Druckbegren‑
zungsventil; 6 Saugseite; 7 Zulauf; 8 Nutscheibe;
9 Rolle; 10 Grundplatte; 11 Druckseite
168    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

zur Anwendung. Die ZP ist zumeist in die Hochdruckpum­ Zeitpunkt der Einspritzung zu erreichen. Der von der Hoch­
pe integriert und wird über deren Antriebswelle angetrie­ druckpumpe verdichtete Kraftstoff wird über die Hoch­druck­
ben. Somit fördert die ZP erst beim Drehen des Motors, d. h. leitung(en) in das Rail gefördert und von dort auf die ange­
sie muss so ausgelegt sein, dass im Startfall ein genügend schlossenen Injektoren verteilt. Das Rail hat neben der Spei­
schneller Druckaufbau erfolgt. Für hohe Drehzahlen (För­ cherfunktion auch die Aufgabe, die maximalen Druck­
dermenge ist annähernd proportional zur Motordrehzahl) schwingungen, die durch die pulsierende Pumpenförderung
ist daher eine Mengenbegrenzung notwendig. Dies wird bzw. durch die Kraftstoffentnahme über die Injektoren ent­
i. d. R. durch Drosselung auf der Saugseite der ZP realisiert. stehen, zu begrenzen, um die Zumessgenauigkeit der Ein­
Zum Schutz des Einspritzsystems vor Verunreinigungen spritzung sicherzustellen. Einerseits sollte das Railvolumen
im Kraftstoff (Feststoffteilchen, Wasser) und damit zur möglichst groß sein, um dieser Anforderung gerecht zu wer­
Sicherstellung der geforderten Lebensdauer muss ein auf die den, andererseits muss es hinreichend klein sein, um einen
jeweiligen Einsatzbedingungen abgestimmtes Kraftstofffil­ schnellen Druckaufbau beim Start zu gewährleisten. Das
ter verwendet werden. Vorfilter mit integriertem Wasserab­ Speichervolumen ist in der Auslegungsphase dahingehend
scheider werden vor allem für Nfz in Ländern mit schlechter zu optimieren.
Kraftstoffqualität und bei Industriemotorapplikationen ver­ Als Eingangsgröße zur Druckregelung dient das Signal
wendet. Hinsichtlich ihrer Abscheide­charak­teristik werden des Raildrucksensors, mit dem der aktuelle Kraftstoffdruck
sie an den Hauptfilter angepasst. Der Hauptfilter ist i. d. R. im Rail ermittelt wird. Zur Druckregelung kommen ver­
druckseitig zwischen Vorförderpumpe und Hochdruck­ schiedene Verfahren zur Anwendung Bild 5‑29:
pumpe angeordnet.
Im Niederdruckteil der Hochdruckpumpe befinden sich Hochdruckseitige Regelung. Der gewünschte Raildruck
ein stufenlos regelbares Magnetventil, die Zumesseinheit wird über ein Druckregelventil (Proportional-Magnetventil,
(nur bei Systemen mit saugseitiger Mengenregelung) sowie das über das Steuergerät angesteuert wird) hochdruckseitig
das Überströmventil und die Nullförderdrossel. Die Zumess­ geregelt. In diesem Fall fördert die Hochdruckpumpe unab­
einheit passt die zur Hochdruckpumpe gelangende Menge
so an, dass nur der hochdruckseitige Systemmengenbedarf
auf den hohen Druck verdichtet wird. Die zuviel geförderte
Kraftstoffmenge wird über das Überströmventil in den Tank
bzw. vor die Vorförderpumpe geleitet. Bei kraftstoffge­
schmierten Pumpen dienen Drosseln im Überströmventil
der Entlüftung bzw. garantieren eine ausreichende Schmier­
menge. Über die Nullförderdrossel werden die bei geschlos­
sener Zumesseinheit auftretenden Leckagemengen abge­
führt und damit ein ungewollter Raildruckanstieg verhin­
dert bzw. ein schneller Druckabbau sichergestellt.

5.3.5.3 Hochdrucksystem

Der Hochdruckbereich des Common Rail Systems gliedert


sich in die drei Bereiche Druckerzeugung, Druckspeicherung
und Kraftstoffzumessung mit folgenden Komponenten:
– Hochdruckpumpe,
– Rail mit Drucksensor sowie Druckregel- oder Druck­be­
gren­zungsventil,
– Hochdruckleitungen,
– Injektoren.

Die Hochdruckpumpe wird vom Motor angetrieben. Das Bild 5-29 Hochdruckregelung von Common Rail Systemen. 1 Hochdruck‑
Übersetzungsverhältnis ist so zu wählen, dass die För­ pumpe; 2 Kraftstoffzulauf; 3 Kraftstoffrücklauf; 4 Druckregelventil; 5 Rail;
dermenge ausreicht, um die Mengenbilanz des Systems zu 6 Raildrucksensor; 7 Anschlüsse der Injektoren; 8 Anschluss Kraftstoff­rücklauf;
erfüllen. Außerdem sollte die Förderung einspritzsynchron 9 Druckbegrenzungsventil; 10 Zumesseinheit; 11 Druckregelventil
erfolgen um weitgehend gleiche Druckbedingungen zum
5.3 Einspritzsysteme    169

hängig vom Kraftstoffbedarf die maximale Fördermenge. Motor nur hochdruckseitig geregelt werden kann. Die
Der überschüssige Kraftstoff fließt über das Druckregelventil Hochdruckpumpe fördert somit mehr Kraftstoff als einge­
in den Niederdruckkreis zurück. Diese Regelung ermöglicht spritzt wird, der überschüssige Kraftstoff wird dadurch
zwar eine schnelle Anpassung des Raildrucks bei Änderung deutlich schneller erwärmt, wodurch auf eine separate
des Betriebspunkts, die permanente Maximalförderung und Kraftstoffheizung verzichtet werden kann.
das Abführen des unter Hochdruck stehenden Kraftstoffs Hochdruckpumpe und Injektoren sind mit dem Rail über
sind energetisch betrachtet nachteilig. Wegen des ungüns­ Hochdruckleitungen verbunden. Diese müssen dem maxi­
tigen energetischen Verhaltens ist die Anwendung eines sol­ malen Systemdruck und den zum Teil sehr hochfrequenten
chen Systems auf niedrige Druckbereiche (max. 1400 bar) Druckschwankungen standhalten. Sie bestehen aus naht­
begrenzt. Diese Art der Regelung wurde bei den ersten Com­ losen Präzisionsstahlrohren, die für sehr hohe Festigkeitsan­
mon Rail Systemen für Pkw angewandt. Das Druckregelven­ sprüche auch autofrettiert werden können. Aufgrund von
til ist meist am Rail, bei einzelnen Anwendungen auch an der Drosselverlusten und Kompressionseffekten beeinflussen
Hochdruckpumpe angebaut. Querschnitt und Leitungslänge Einspritzdruck und ‑menge.
Daher müssen die Leitungen zwischen Rail und Injektor
Saugseitige Regelung. Die Regelung des Raildrucks erfolgt gleich lang und so kurz wie möglich gehalten werden. Die
bei diesem Verfahren niederdruckseitig über die an der durch die Einspritzung entstehenden Druckwellen breiten
Hochdruckpumpe angeflanschte Zumesseinheit. Durch die sich in den Leitungen mit Schallgeschwindigkeit aus und
saugseitige Mengenregelung wird nur die Kraftstoffmenge in werden an den Enden reflektiert. Dadurch beeinflussen sich
das Rail gefördert, mit welcher der geforderte Raildruck auf­ dicht aufeinander folgende Einspritzungen (z. B. Vor- und
rechterhalten wird. Dadurch muss im Vergleich zur hoch­ Haupteinspritzung) gegenseitig, was sich negativ auf die
druckseitigen Regelung weniger Kraftstoff auf Hochdruck Zumessgenauigkeit auswirken kann. Weiterhin führen die
verdichtet werden, die Leistungsaufnahme der Pumpe ist da­ Druckwellen zu einer erhöhten Injektorbelastung. Durch
mit geringer. Das wirkt sich einerseits positiv auf den Kraft­ Einbau optimierter Drosseln in den Anschluss am Rail las­
stoffverbrauch aus, andererseits ist die Temperatur des in den sen sich diese Druckwellen deutlich reduzieren. Der Effekt
Tank zurücklaufenden Kraftstoffs niedriger. Diese Art der auf die Zumessgenauigkeit wird bei Festlegung der Kenn­
Druckregelung wird bei allen Nfz-Systemen angewandt. felder oder durch eine entsprechende Software-Funktion
Um im Fehlerfall (z. B. Ausfall der Zumesseinheit) einen (siehe Abschn. 5.3.5.7) ausgeglichen.
unzulässigen Druckanstieg zu verhindern, ist am Rail ein Die Hochdruckleitungen werden mit Klemmstücken, die
Druckbegrenzungsventil angebaut. Übersteigt der Druck in definierten Abständen angebracht sind, am Motor fixiert.
einen definierten Wert, dann wird über einen beweglichen Schwingungen (Motorvibration, Förderimpuls) übertragen
Kolben eine Ablaufbohrung freigegeben. Diese ist so ausge­ sich damit nicht oder nur gedämpft auf Hochdruckleitungen
legt, dass sich über alle Motordrehzahlen hinweg ein Rail­ und angeschlossene Komponenten.
druck einstellt, der deutlich unterhalb des maximalen Sys­ Die Injektoren werden über Spannelemente im Zylinder­
temdrucks liegt. Durch diese Notfahrfunktion (limp-home- kopf befestigt und durch Kupferdichtscheiben zum Brenn­
Funktion) wird eine eingeschränkte Weiterfahrt zur nächsten raum hin abgedichtet. Hinsichtlich der Verbindung des
Servicestation ermöglicht, eine Eigenschaft, die insbesondere Injektors mit dem Rail bzw. dem Niederdruckkreis (Rück­
im Transportgewerbe außerordentlich wichtig ist. lauf) gibt es verschiedene, an das jeweilige Motorkonzept
angepasste Bauarten (Bild 5‑30). Für Pkw und Light-Duty-
Saug- und hochdruckseitige Regelung. Wenn der Druck Anwendungen wird der Hochdruckanschluss über einen
nur auf der Niederdruckseite eingestellt werden kann, dauert integrierten Druckrohrstutzen (Dichtkegel an Hochdruck­
der Druckabbau im Rail bei negativen Lastwechseln u. U. zu leitung und Überwurfmutter) realisiert. Der Rücklauf erfolgt
lange. Dies gilt insbesondere bei Verwendung von Injektoren über eine Steckverbindung am Kopf des Injektors oder
mit geringer innerer Leckage, wie z. B. Piezoinjektoren. Um ebenfalls über einen Schraubanschluss.
die Dynamik für die Druckanpassung an die veränderten Bei Motoren für schwere Nutzfahrzeuge werden die ent­
Lastbedingungen zu beschleunigen, wird zusätzlich ein am sprechenden Verbindungen über interne Anschlüsse herge­
Rail angebautes Druckregelventil verwendet. Mit diesem stellt. Für den Hochdruckanschluss wird als Verbindungs­
Zweistellersystem werden die Vorteile der niederdrucksei­ glied zwischen Hochdruckleitung und Injektor ein separater
tigen Regelung mit dem günstigen dynamischen Verhalten Druckrohrstutzen eingesetzt. Über eine Schraubverbindung
der hochdruckseitigen Regelung kombiniert. im Motorblock wird der Druckrohrstutzen in die kegelför­
Ein weiterer Vorteil gegenüber der ausschließlich nieder­ mige Zulauf­bohrung des Injektors gedrückt. Die Abdich­
druckseitigen Regelung ergibt sich dadurch, dass bei kaltem tung erfolgt durch den Dichtkegel an der Druckrohrspitze.
170    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-30 Bauarten Common Rail Injektoren (LD: Light Duty, MD: Medium
Duty, HD: Heavy Duty). 1 elektr. Steckanschluss; 2 externer Rücklauf; 3 exter‑
ner Hochdruckan­schluss; 4 elektr. Schraubanschluss; 5 interner Rücklauf; 6 in‑
terner Hochdruckanschluss

Bild 5-31 Common Rail-Radialkolben-Hochdruckpumpe (Schema, Radial‑


Am anderen Ende ist er über einen konventionellen Druck­ schnitt). 1 Exzenter­welle; 2 Polygon; 3 Pumpenkolben; 4 Ansaugkanal; 5 An‑
anschluss mit Dichtkegel und Überwurfmutter mit der saug-Rückschlag­ventil; 6 Hochdruck­kanal zum Rail; 7 Auslass-Rückschlagven‑
Hochdruckleitung verbunden. Der im Druckrohr­stutzen til; 8 Hochdruck­zylinder; 9 Kolben­fußscheibe
eingebaute wartungsfreie Stabfilter hält grobe Verunreini­
gungen im Kraftstoff zurück. Der elektrische Kontakt des
Injektors wird über Steck- oder Schraub­verbindung herge­
stellt. Aufbau und Funktion
Einspritzzeitpunkt und Einspritzmenge werden über das
Steuergerät vorgegeben. Die Menge wird über die Ansteuer­ Bei den Pkw Common Rail Systemen der ersten Generation
dauer der im Injektor eingebauten Aktoren bestimmt, der kommen überwiegend Hochdruckpumpen mit Exzenter­
Einspritzzeitpunkt wird über das Winkel-Zeit-System der wellenantrieb und drei radial angeordneten Kolben zur An­
elektronischen Dieselregelung (EDC, siehe Abschn. 6.2) wendung, siehe Bild 5‑31. An dieser Bauart soll im Folgenden
gesteuert. Zur Anwendung kommen elektro-magnetische die Funktion einer Common Rail-Hochdruckpumpe bei­
und piezo-elektrische Aktoren. Die Verwendung von Pie­ spielhaft erläutert werden.
zostellern beschränkt sich heute ausschließlich auf Injek­ Das zentrale Antriebsbauteil ist die Exzenterwelle (1).
toren für Pkw-Anwendungen. Radial zu dieser und um jeweils 120 Grad am Umfang der
Pumpe versetzt befinden sich die Pumpenelemente, d. h.
5.3.5.4 Hochdruckpumpen Funktions­gruppen aus Kolben (3), Zylinder (8), zugehö­
rigen Ventilen (5, 7) und Kraftstoff­kanälen (4, 6). Über das
Die Hochdruckpumpe ist die Schnittstelle zwischen dem sog. Polygon (2), ein auf den Exzenter der Exzenterwelle
Nieder- und Hochdruckteil des Common Rail Systems. Ihre geschobenes 120 Grad‑Dreiflach, wird die Hubbewegung
Aufgabe besteht darin, die vom System benötigte Kraftstoff­ des Exzenters auf die Pumpenkolben übertragen, wobei die
menge auf dem betriebspunktabhängig gewünschten Druck­ Fußscheibe des Kolbens (9) auf dem Polygon eine hin- und
niveau bereit zu stellen. Diese umfasst nicht nur die aktuell hergehende Gleitbewegung ausführt. Bei seiner durch
vom Motor benötigte Einspritzmenge, sondern berücksich­ Federkraft erzwungenen Abwärts­bewegung saugt der Kol­
tigt darüber hinaus Mengenreserven für einen schnellen ben über ein als Rückschlagventil ausgebildetes Saugven­
Startvorgang und einen raschen Druckanstieg im Rail, aber til (5) Kraftstoff aus dem Ansaugkanal (4) der Pumpe an.
auch Leckage- und Steuermengen für andere Systemkompo­ Die Förderung des Kraftstoffs vom Tank zur Pumpe und die
nenten inkl. deren verschleißbedingte Drift über die gesamte Erzeugung eines Vordrucks im Ansaugkanal übernimmt
Lebensdauer des Fahrzeugs. dabei je nach Hochdruckpumpentyp eine mechanische, in
die Pumpe integrierte, oder externe elektrische Vorförder­
pumpe. Kurz nach dem unteren Totpunkt der Kolbenbewe­
gung schließt das Saugventil, und bei der folgenden Auf­
5.3 Einspritzsysteme    171

wärtsbewegung des Kolbens wird der Kraftstoff im Zylinder Injektor eine höhere Förder­menge liefern als Pumpen für
solange verdichtet, bis der Öffnungsdruck des ebenfalls als nichtübersetzte Systeme. Aufgrund der Druckerhöhung im
Rückschlagventil gestalteten Auslassventils (7) erreicht wird, Injektor kann die Pumpe allerdings auf einem niedrigeren
welcher in etwa dem im Rail vorliegenden Druck entspricht. Druckniveau fördern, wodurch die größere Bauteilbelastung
Nach dem Öffnen des Auslassventils strömt der Kraftstoff durch die Fördermengenerhöhung teilweise kompensiert
aus der Pumpe über die Hochdruckverbindungsleitung (6) wird.
zum Rail. Im oberen Totpunkt des Kolbens ist das Ende des
Förderhubs erreicht und bei der folgenden Abwärtsbewe­ Mengensteuerung
gung fällt der Druck im Zylinder wieder ab, wodurch das
Auslassventil schließt. Der Befüllvorgang des Zylinders Aufgrund der eingangs genannten Auslegungskriterien för­
beginnt nun von neuem. dert die Hochdruck­pumpe üblicherweise wesentlich mehr
Hochdruckpumpen werden vom Verbrennungsmotor mit Kraftstoff als von Motor bzw. System benötigt wird, insbeson­
einem festen Übersetzungs­verhältnis angetrieben, wobei dere im Teillastbetrieb des Motors. Dies führt ohne regelnde
abhängig von der Zylinderzahl des Motors und der Pumpe Maßnahmen zu unnötig hohem Leistungsaufwand bei der
nur bestimmte Werte sinnvoll sind. Übersetzungsverhält­ Hochdruckerzeugung. Dieser resultiert in einer Aufheizung
nisse von 1/2 und 2/3 bezogen auf die Motordrehzahl sind des Kraftstoffsystems, welche u. a. schädlich wegen der nach­
bei 4‑Zylinder-Motoren in Verbindung mit Dreikolben- lassenden Schmierwirkung des heißen Kraftstoffs ist.
Pumpen weit verbreitet. Bei kleineren Übersetzungsverhält­ Zur Anpassung der Fördermenge an den Motorbedarf
nissen müsste zur Kompensation das geometrische Förder­ wird in modernen Hochdruckpumpen die sog. Saugdrossel­
volumen der Pumpe unnötig groß ausgelegt werden, größe­ regelung eingesetzt. Bei dieser wird in den Zulaufkanal der
re Übersetzungsverhältnisse dagegen stellen höhere Anfor­ Pumpenelemente eine elektrisch verstellbare Drossel einge­
derungen an die Drehzahlfestigkeit der Pumpe. Die sog. baut, die sog. Zumesseinheit, deren Aufbau im Bild 5‑32
einspritzsynchrone Förderung einer Pumpe dient zur Erzie­ dargestellt ist. Der Kolben eines Magnetventils (10) gibt
lung konstanter Druckverhältnisse zum Einspritzzeitpunkt abhängig von seiner Stellung einen Strömungsquerschnitt
in Rail und Injektor. frei, wobei die Ansteuerung mittels eines pulsweiten­
Dabei muss die Anzahl der Pumpen-Förderhübe pro modulierten elektrischen Signals erfolgt, dessen Tastverhält­
Nockenwellenumdrehung der Zylinderzahl des Motors ent­ nis in einen entsprechenden Ansaugquerschnitt umgesetzt
sprechen. Bei 4‑Zylinder-Motoren mit Dreikolben-Pumpen wird. Im Teillastbetrieb des Motors werden über den dann
ist dies z. B. bei einer Übersetzung von 2/3 gegeben. Ist bei angedrosselten Zulaufkanal die Pumpenzylinder nicht voll­
Einspritzsynchronität darüber hinaus jedem Einzelinjektor ständig befüllt, wobei in letzteren in bestimmten Betriebszu­
stets dasselbe Pumpenelement zugeordnet, so erreicht man ständen Kraftstoff­dampf entsteht und die Förderleistung der
den Idealzustand der sog. elementsynchronen Förderung. Pumpe insgesamt abnimmt. Bei der Aufwärtsbewegung des
Diese kann für 4‑Zylinder-Motoren grundsätzlich nur mit Pumpen­kolbens bricht zunächst die im Pumpenzylinder
Ein‑ oder Zweikolben-Pumpen und entsprechend ange­ entstandene Dampfblase zusammen, bevor dann im Teilhub
passtem Übersetzungsverhältnis erreicht werden. Druckaufbau und Kraftstoffförderung ins Rail beginnen.
Die beschriebene Kopplung zwischen Pumpenelement Der schlagartige Druckaufbau nach dem Zusammenfall der
und Injektor ist für die sog. Mengenausgleichs­regelung zur Dampfblase in den Pumpenzylindern bewirkt eine erhöhte
Reduzierung der Einspritzmengen­unterschiede zwischen Triebwerksbelastung gegenüber Pumpen ohne Saugdrossel­
den Zylindern nötig und kann auch bei asynchroner Förde­ regelung.
rung gegeben sein, falls die Phasenlage der Pumpenhübe
relativ zum Einspritzzeitpunkt nach jeder Nockenwellen- Hauptbauarten für Pkw
Umdrehung erhalten bleibt. Die Einstellung eines exakten
Werts für die Phasenlage der Pumpen-Förderhübe zu den Die für Pkw eingesetzten Radialkolben-Hochdruckpumpen
Einspritzungen in Grad Nockenwinkel kann zur weiteren sind ausnahmslos kraftstoffgeschmiert, was durch die gerin­
Steigerung der Genauigkeit der Einspritzmenge bei der gere Schmierfähigkeit gegenüber Motoröl höchste Anforde­
Montage der Pumpe über eine definierte Zuordnung der rungen an die Oberflächenqualität der an der Hochdrucker­
Drehwinkel von Nockenwelle und Pumpen­antriebswelle zeugung beteiligten Bauelemente stellt. Die Kraftstoffschmie­
erfolgen. rung vermeidet sicher eine Fluidvermischung von Kraftstoff
Hochdruckpumpen für druckübersetzte Common Rail und Motoröl, die wegen der Gefahr der Ölverdünnung und
Systeme müssen bei gleichem Einspritz­mengenbedarf prin­ Düsenverkokung durch Ölanteile im eingespritzten Kraft­
zipbedingt und wegen der größeren Steuermengen für den stoff unerwünscht ist.
172    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-33 Common Rail-Dreikolben-Radial-Hochdruckpumpe, Typ CP3,


Robert Bosch GmbH. 1 Pumpen­flansch; 2 Tassenstößel; 3 Exzen­terwelle; 4 Po‑
lygon auf Exzenter; 5 Pumpenkolben; 6 Ansaug-Rückschlag­ventil; 7 Mono‑
block-Gehäuse; 8 Zahnrad-Vorförderpumpe; 9 Hochdruckanschluss zum Rail;
10 Hochdruck-Rückschlag­ventil; 11 Rücklaufanschluss zum Tank; 12 Zumess‑
einheit; 13 Niederdruckanschluss

se angeflanschter Außenzahnradpumpe (8) zur Kraftstoff-


Vorförderung. Im Gegensatz zum Typ CP1 (ohne Saugdros­
Bild 5-32 Aufbau einer Zumesseinheit. 1 Stecker mit elektrischer Schnitt‑ selreglung) wird die Bewegung des Polygons nicht direkt
stelle; 2 Magnet­ge­häuse; 3 Lager; 4 Anker mit Stößel; 5 Wicklung mit Spulen‑ auf die Kolben übertragen, sondern auf dazwischen ange­
körper; 6 Topf; 7 Restluftspaltscheibe; 8 Magnetkern; 9 O-Ring; 10 Kolben mit ordnete Tassenstößel (2), die die reibungsbedingten Quer­
Steuerschlitzen; 11 Feder; 12 Sicherungselement kräfte von den Kolben (5) fernhalten und in das Pumpen­
gehäuse (7) ableiten. Dadurch können die Kolben höher
belastet werden, so dass derart ausgestattete Pumpen für
CommonRail-Dreikolben-Radial-Hochdruckpumpe. Die­ höhere Druckbereiche und größere Fördermengen geeignet
ses eingangs schon beschriebene Pumpenprinzip zeichnet sind.
sich durch eine sehr gleichmäßige Kraftstoff­förderung mit Beim Typ CP3 befinden sich die Niederdruckkanäle
drei um 120 Grad Exzenterwinkel versetzten, sinusartigen hauptsächlich in dem in Aluminium ausgeführten Pumpen­
Fördervorgängen aus, die zu einem sehr konstanten Verlauf flansch (1), der das kundenspezifische Schnittstellen-Bauteil
des Antriebsdrehmoments der Pumpe führt. Drehmo­ment­ zum Motor darstellt und verschraubt ist mit dem Schmie­
spitzen bei Common Rail-Pumpen sind um den Faktor fünf destahl-Gehäuse in Monoblock-Bauweise (7). Dieses erzielt
bis acht niedriger als bei Verteilerpumpen oder Unit Injec­ eine hohe Druckfestigkeit bei allerdings großem Bearbei­
toren mit ihrem stark schwellenden, impulsartigen Drehmo­ tungsaufwand für die langen Hochdruck-Bohrungen inner­
ment, wodurch der Pumpen­antrieb kostengünstiger ausge­ halb des sehr schwer zerspanbaren Gehäusewerkstoffs.
legt werden kann. Die im Common Rail System nötigen
Reserve-Fördermengen führen allerdings im Vergleich zu Common Rail Ein- und Zweikolben-Radial-Hochdruck-
einem höheren mittleren Drehmoment. pumpe. Bei neuen Hochdruckpumpen-Entwicklungen, ins­
Bild 5‑33 zeigt mit dem Typ CP3 der Fa. Bosch eine cha­ besondere für kleine und mittelgroße Pkw‑Motoren, wird
rakteristische Dreikolben-Radial-Hochdruckpumpe mit zur Kosten­optimierung die Anzahl der Pumpenelemente auf
Saugdrosselregelung (12) und direkt an das Pumpengehäu­ zwei und sogar auf eins reduziert. Als Maßnahmen zur Kom­
5.3 Einspritzsysteme    173

pensation der dadurch reduzierten Fördermenge kommen Die dargestellte Pumpe wird auch als Einkolbenvariante
zur Anwendung (ggf. auch in Kombination): hergestellt; diese kann vorteilhaft mit einem Übersetzungs­
– vergrößerte Zylindervolumina (wodurch sich bei ver­grö­ verhältnis von 1 angetrieben werden, wodurch sich bei
ßertem Kolbendurchmesser Wirkungsgradnachteile 4‑Zylinder-Motoren eine elementsynchrone Förderung
ergeben), ergibt und zudem die geringe Kolbenzahl hinsichtlich För­
– Drehzahlerhöhung (durch angepasstes Antriebsüberset­ dermenge gut kompensiert wird.
zungs­verhältnis),
– Antriebswelle mit Doppelnocken statt Exzenterwelle mit Hauptbauarten für Nkw
Polygon (dadurch Verdoppelung der Kolbenhübe pro
An­triebs­wellenumdrehung). Die bisher beschriebenen Pumpen kommen auch im Nutz­
fahrzeugbereich zum Einsatz, insbesondere im Light- und
Zur Erzielung eines gleichmäßigen Förderstroms weisen die Medium Duty-Anwendungsbereich. Die im Heavy Duty-Be­
Pumpenelemente von Zweikolben-Pumpen abhängig vom reich verwendeten Pumpen werden mit Rücksicht auf die
Antriebskonzept eine Kröpfung von 90 oder 180 Grad auf. großen Belastungen durch die hohen notwendigen Förder­
Der Pumpentyp CP4 (Bild 5‑34) besitzt zwei Kolben in mengen und Lebensdauern oft ölgeschmiert ausgelegt. Dies
90 Grad-Anordnung und eine Antriebswelle mit Doppel­ ist möglich, weil sich eine eventuelle Düsenlochverkokung
nocken. Zur Vermeidung von Punktkontakt zwischen durch Ölanteile im Kraftstoff wegen der größeren Spritzloch­
Nocken (6) und Tassenstößel (8) muss zwischen diesen ein durchmesser in geringerem Maße auswirkt.
weiteres Übertragungsglied eingefügt werden, bei dieser
Bauart eine im Stößel gelagerte, auf dem Nocken ablaufende Common Rail Reihen-Hochdruckpumpe. Für sehr große
Rolle (7). Nutzfahrzeugmotoren, bei denen oft auch Einbaukompatibi­
lität mit konventionellen Reihenpumpen (s. Abschn. 5.3.2)
gefordert wird, kommen Pumpen wie in Bild 5‑35 (Typ CP2,
Fa. Bosch) zur Anwendung: es handelt sich um eine Zweikol­
benpumpe in Reihenbauart mit nebeneinander angeord­
neten Pumpenelementen. Die Fördermengenregelung über­
nimmt eine zwischen Vorförderpumpe (5) und Ansaug­
ventilen angeordnete Zumesseinheit (2) in der bereits oben
beschrieben Weise. Der Kraftstoffzulauf zu den Verdich­
tungsräumen und die Weiterleitung des verdichteten Kraft­
stoffs ins Rail erfolgen bei dieser Pumpe über kombinierte
Ein/Auslassventile (7).

5.3.5.5 Rail und Anbaukomponenten

Funktion Rail

Speichereinspritzsysteme verfügen über einen Hochdruck­


speicher, auch (Common) „Rail“ genannt. Dem Rail kom­
men die Hauptfunktionen
– Kraftstoff unter Hochdruck speichern und
– Kraftstoff auf die Injektoren verteilen zu.

Dabei beinhalten diese beiden Hauptfunktionen auch die


Dämpfung von Druckschwankungen bei der Befüllung
Bild 5-34 Common Rail-Zweikolben-Radial-Hochdruckpumpe, Typ CP4, und Entnahme von Kraftstoff aus dem Rail. Die zulässige
Robert Bosch GmbH. 1 Zumesseinheit; 2 Zylinderkopf; 3 Pumpenflansch; Raildruckschwankung stellt ein Auslegungskriterium beim
4 Antriebswelle; 5 Aluminium-Gehäuse; 6 Doppelnocken; 7 Rolle; 8 Tassen‑ Rail dar. Überdies erfüllt das Rail auch die Nebenfunk­
stößel; 9 Pumpenkolben; 10 Hochdruckanschluss zum Rail; 11 Hochdruck- tionen:
Rückschlagventil; 12 Ansaug-Rückschlagventil – Anbauort von Sensoren und Aktoren im Hochdruck­
kreis
174    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-35
Common Rail-Zweikolben-Reihen-Hochdruck‑
pumpe für Nkw, Typ CP2, Robert Bosch GmbH.
1 Nullförderdrossel; 2 Zumesseinheit; 3 Hohlrad;
4 Ritzel; 5 Zahnrad-Vorförderpumpe; 6 Hoch‑
druckanschluss; 7 zweiteiliges Ein-/Auslassventil;
8 C‑beschichteter Kolben; 9 Kolbenfeder; 10 Ölzu‑
laufbohrung; 11 C‑beschichteter Rollenbolzen;
12 konkaver Nocken

– Drosselelementen zur Dämpfung von Leitungsdruck­ großes Volumen darzustellen, um den Raildruck konstant zu
schwingungen zwischen Hochdruckpumpe und Rail sowie halten und andererseits möglichst dynamisch auf Rail-
den Injektoren und Rail, drucksollwertänderungen zu reagieren. Etwa beim Druck­
– Verbindungselement der Komponenten im Hochdruck- aufbau im Start oder dynamischen Lastwechseln des Motors,
kreis des Common Rail Systems, wie Hochdruckpumpe, wobei hier große Druckaufbau‑ und Abbaugeschwindig­
Injektoren über die Hochdruckleitungen. keiten je nach Laständerung gefordert sein können. Hier
wäre ein möglichst kleines Hochdruckvolumen optimal. Mit
Der von der Hochdruckpumpe verdichtete Kraftstoff gelangt Hilfe von Simulationen des Gesamtsystems an repräsenta­
über eine Hoch­druck­leitung zum Rail, wird dort gespeichert tiven Lastpunkten und Verifikation an hydraulischen
und über weitere Hochdruck­leitungen, die mit den Injek­ Prüfständen wird das minimal erforderliche Railvolumen als
toren verbunden sind, auf diese verteilt. Durch das gespei­ Funktion der Haupteinspritzmenge, bei gegebener Motor­
cherte Volumen im Rail, in Verbindung mit der Kompressi­ konfiguration ermittelt. Tabelle 5‑2 zeigt typische Ausle­
bilität des Kraftstoffs, ist das Rail in der Lage Druckschwan­ gungen für das Railvolumen für Serienapplikationen. Es sei
kungen, die durch Entnahme und Zufluss zum Rail hervor­ an dieser Stelle erwähnt, dass etwa durch die Randbedingung
gerufen werden, zu dämpfen. Der Druck im Rail hängt somit gleicher Leitungslängen im Hochdrucksystem zur Vermei­
von den Verbrauchern und der Pumpe die ans Rail ange­ dung von Zyl./Zyl.-Streuungen, die Länge des Rails motor­
schlossen sind und dem Speicherverhalten des Rails selbst seitig vorgegeben sein kann. Weitere Aspekte stellen der
ab. Der aktuelle Druck im Rail wird vom Raildrucksensor fahrzeugseitig vorgegeben Bauraum und Fertigungs­aspekte
gemessen, Stellgrößen zur Beeinflussung des Raildrucks sind beim Rail dar. Somit liegt das tatsächlich gewählte Railvolu­
neben der Pumpe und den Injektoren das Druckregelventil, men oft über dem funktional vorgegebenen Minimalvolu­
welches am Rail selbst oder an der Hochdruckpumpe ange­ men, ohne dabei die geforderten Dynamikanforderungen
baut sein kann. merklich zu unterschreiten.
Die an den Railabgängen angebrachten Dämpfungsdros­
Auslegung Rail seln sind als Kompromiss zwischen kleinstmöglichem
Druckabfall und größtmöglicher Dämpfung der Reflexions­
Die Auslegung des Rails folgt dem Zielkompromiss mög­ wellen zwischen Rail und dem Verbrauchern ausgelegt.
lichst große Speicher­fähigkeit und damit Dämpfung über ein Funktional dienen die Drosselelemente zur Belastungsredu­
5.3 Einspritzsysteme    175

Tabelle 5-2 Serienauslegungen für typische Applikationen

Pkw-Motor QE, max. [mm3/H] Drossel-Ø [mm] V RAK [ccm] VHD gesamt [ccm] Anzahl Rail Verbindungsrail/-leitung

R4 ~ 80 0,85 ~ 25 ~ 20 1 –
R6 ~ 80 0,85 ~ 35 ~ 40 1 –
V6 ~ 80 0,85 ~ 20 ~ 50 2 JA
V8 ~ 90 0,85 ~ 25 ~ 60 2 JA
Nkw-Motor
R4 ~ 200 0,85 14…20 20…30 1 –
R6 ~ 450 0,85…1,3 20…40 35…65 1 –

zierung der Pumpe und der Injektoren, sowie der Dämp­ Raildrucksensor
fung von Leitungsdruckschwankungen, die bei Mehr­
facheinspritzung die Zumessgüte vermindern können. Der Raildrucksensor dient zur Erfassung des aktuellen Rail­
drucks, der Sensor ist am Rail verbaut und elektrisch mit
Bauarten Rail dem Steuergerät verbunden. Weitere Ausfüh­rungen sind in
Abschn. 6.3 Sensoren zu finden.
Die gewählte Bauform des Rails hängt maßgeblich von den
Motorgegebenheiten und der Ausführung des Common Rail Druckregelventil
Systems selbst ab. Bild 5‑36 zeigt ein typisches 4‑Zylinder
Rail für ein Pkw Common Rail System mit angebautem Das Druckregelventil hat die Aufgabe als hochdruckseitiger
Druckregelventil und Raildrucksensor. Je nach Fertigungs­ Steller im Hoch­druckregelkreis den Raildruck einzustellen.
konzept sind Rails aus Schmiedrohlingen oder Rohrhalbzeu­ Dies geschieht durch Veränderung eines Querschnitts im
gen ausgeführt. Die bei der Spanbearbeitung auftretenden Druckregelventil, über den je nach anstehendem Druck und
Verschneidungen werden i. d. R. verrundet, um die gefor­ elektrischem Strom mehr oder weniger Kraftstoff von Hoch­
derte Festigkeit zu erreichen. Die eingangs erwähnten Dämp­ druck auf Niederdruck abgesteuert wird. Das Ventil ist vor­
fungsdrosseln an den Hochdruckabgängen zu Injektor und zugsweise am Rail angebaut und speist seine Absteuermenge
Pumpe können gebohrt oder als separate Bauteile eingepresst in den Niederdruckkreis des Common Rail Systems ein.
werden. Bei Reihenmotoren wird im System ein Rail einge­ Bild 5‑37 zeigt den Aufbau und die funktionsbestimmenden
setzt, während bei V-Motoren üblicherweise pro Zylinder­ Bauteile.
bank des Motors ein Rail zum Einsatz kommt. Die spezielle Der Ventilkörper beherbergt einen Ventilsitz, der über
Ausführung ist wieder motorabhängig und kann Ausgleichs­ einem Drosselquerschnitt angeströmt wird. Die Ventilkugel
leitungen zwischen den Rails oder gar Verbindungsrails ent­ steht im Kräftegleichgewicht der hydraulischen Kraft infolge
halten, die eine möglichst gleiche Druckverteilung zwischen der Anströmung, sowie der Federkraft und Magnetkraft, die
den Motorbänken und -zylindern sicherstellt. über den Magnetventilbolzen auf die Kugel eingebracht

Bild 5-36 Typisches Rail mit Anbaukomponenten für eine Pkw 4‑Zyl. Applikation
176    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-38 Schnitt durch ein Druckbegrenzungsventil mit Notlauffunktion

Bild 5-37 Schnitt durch ein Druckregelventil spritzsystems fordern. Daraus ergeben sich für das Druckbe­
grenzungsventil die Hauptfunktionen im Fehlerfall des
Hochdruckregelkreises in
– Systemdruck auf einen Maximalwert begrenzen und
werden. Erhöht sich die hydraulische Kraft infolge größerer – gesteuerten Raildruck im eingeschränkten Bereich
Durchsätze über den Ventilquerschnitt, so lenkt diese die gewährleisten.
Kugel und damit den Magnetventilbolzen stärker aus, was
zu einer Erhöhung der Federkraft und somit zu einer pro­ Das Druckbegrenzungsventil ist am Rail eingeschraubt und
portionalen Gegenkopplung führt. Soll einem größeren steht mit einem federbelasteten Ventilbolzen über einen
mittleren Druck Stand gehalten werden, prägt das Steuerge­ Dichtsitz mit dem hochverdichteten Kraftstoff in Kontakt.
rät durch Pulsweitenmodulation dem Magneten einen Auf der Rückseite des Dichtsitzes ist das Ventil über eine
höheren mittleren Strom auf, was die Magnetkraft erhöht. Leitung mit dem Niederdruckrücklauf des Common Rail
Im regelungstechnischen Sinne handelt es sich bei dieser Sys­tems verbunden. Bewegt sich der Raildruck innerhalb
Ventilausführung um ein PI‑Glied, das über eine langsame des zulässigen Bereichs bleibt das Ventil durch die aufge­
integrative Führungsgröße und eine schnelle proportionale prägte Federkraft verschlossen und ist gegenüber dem
Störgrößenaufschaltung verfügt. Damit werden hochdyna­ Rücklauf dicht. Tritt im Fehlerfall eine Überschreitung des
mische Druckschwankungen proportional ausgeglichen und max. zulässigen Railrucks auf, öffnet der Ventilbolzen, be­
über den Integrator in der Regelkaskade die bleibende grenzt den Systemdruck und regelt über die Arbeitsbewe­
Regelabweichung zu null geführt. gung eines zweiten Ventilkolbens den Hochdruck durch­
Um ungewünschte Hystereseeffekte auszuschließen, wird flussgängig. Die Druck-Durchflusskennlinie ergibt sich aus
dem Stromsignal eine Dither-Frequenz überlagert, die den einer Kantensteuerung des koaxial zum Ventilkolben ange­
Magnetbolzen stets in Bewegung halten. Die Frequenz ist so ordneten Steuer­kolbens zur Niederdruckseite. Durch Feh­
gewählt, dass der aktuelle Raildruck davon nicht negativ lererkennung im Steuergerät kann die Fördermenge der
beeinflusst wird. Hochdruckpumpe über die Motordrehzahl so eingehalten
Bei typischen 4‑Zylinder Pkw-Applikationen liegen je werden, dass der Notlaufdruck im Rail der Durchflusskenn­
nach Arbeitspunkt des Druckregelventils die Durchfluss­ linie des Druckbegrenzungsventils folgt. Die Auslegung
werte zwischen 0 und 120 l/h und die mittleren elektrischen dieser Notlaufkennlinie erfolgt so, dass sich der Notlauf­
Strömen < 1,8 A bei Drücken zwischen 250 und 1800 bar. druck in motorisch sinnvollen Grenzen aufhält, um ein
Nutzfahrzeug in einem eingeschränkten Lastbereich zu be­
Druckbegrenzungsventil treiben.

Das Druckbegrenzungsventil (Bild 5‑38) kommt vorzugs­ 5.3.5.6 CR-Injektoren


weise bei Nutzfahr­zeuganwendungen zum Einsatz, die zum
einen über keinen hochdruckseitigen Steller im Druckregel­ Common Rail Injektoren werden für Pkw- und Nkw-Sys­
kreis verfügen und zum anderen Notfahreigenschaften des teme mit gleicher Grundfunktion eingesetzt. Der Injektor
Motors und damit eingeschränkte Betriebsarten des Ein­ besteht primär aus Einspritzdüse (siehe Abschn. 5.2. Ein­
5.3 Einspritzsysteme    177

spritzdüsen), Haltekörper, Steuerventil, Steuerraum. Der – Injektor geschlossen (mit anliegendem Hochdruck),
Steller des Steuerventils wird als Magnet- oder Piezoaktor – Injektor öffnet (Einspritzbeginn),
ausgeführt. Beide Steller ermöglichen Mehrfacheinsprit­ – Injektor geöffnet und
zung. Der Vorteil des Piezoaktors mit seiner großen Schalt­ – Injektor schließt (Einspritzende).
kraft und seiner kurzen Schaltzeit lassen sich nur nutzen,
wenn das Injektordesign darauf optimiert wurde. Diese Betriebszustände stellen sich durch die Kräftevertei­
Beim Common Rail Dieseleinspritzsystem sind die Injek­ lung an den Bauteilen des Injektors ein. Bei nicht laufendem
toren über kurze Hochdruck-Kraftstoffleitungen mit dem Motor und fehlendem Druck im Rail schließt die Düsenfeder
Rail verbunden. Die Abdichtung der Injektoren zum Brenn­ den Injektor.
raum erfolgt über eine Kupferdichtscheibe. Die Injektoren
werden über Spannelemente im Zylinderkopf angebracht. Injektor geschlossen (Ruhezustand). Der Injektor ist im
Die Common Rail Injektoren sind je nach Ausführung der Ruhezustand nicht angesteuert (Bild 5‑39a). Die Magnetven­
Einspritzdüsen für den Gerade- oder Schrägeinbau in Die­ tilfeder (11) presst die Ventilkugel (5) in den Sitz der Ablauf­
selmotoren mit Direkteinspritzung geeignet. drossel (12). Im Ventilsteuerraum baut sich der Hochdruck
Die Charakteristik des Systems ist die Erzeugung von Ein­ des Rail auf. Derselbe Druck steht auch im Kammervolu­
spritzdruck, unabhängig von der Motordrehzahl und der Ein­ men (9) der Düse an. Die durch den Raildruck auf die Stirn­
spritzmenge. Spritzbeginn und Einspritzmenge werden mit flächen des Steuerkolbens (15) aufgebrachten Kräfte und die
dem elektrisch ansteuerbaren Injektor gesteuert. Der Einspritz­ Kraft der Düsenfeder (7) halten die Düsennadel gegen die
zeitpunkt wird über das Winkel-Zeit-System der Elektro­ öffnende Kraft, die an deren Druckschulter (8) angreift, ge­
nischen Dieselregelung (EDC) gesteuert. Hierzu sind an der schlossen.
Kurbelwelle und zur Zylindererkennung (Phasenerkennung)
an der Nockenwelle zwei Sensoren notwendig. Injektor öffnet (Einspritzbeginn). Der Injektor befindet
Derzeit sind verschiedene Injektortypen im Serienein­ sich in Ruhelage. Das Magnetventil wird mit dem ,,Anzugs­
satz: strom“ angesteuert, was einem schnellen Öffnen des Magnet­
– Magnetventil(MV)-Injektor mit ein-, zweiteiligem Anker ventils dient (Bild 5‑39, b). Die erforderlichen kurzen Schalt­
(Bosch), zeiten lassen sich durch eine entsprechende Auslegung der
– Inline-MV Injektor (Delphi), Ansteuerung der Magnetventile im Steuergerät mit hohen
– Piezo-Injektor Top Head (Siemens), Spannungen und Strömen erreichen.
– Piezo-Injektor Inline (Bosch, Denso). Die magnetische Kraft des nun angesteuerten Elektromag­
neten übersteigt die Federkraft der Ventilfeder. Der Anker
Magnetventil-Injektor hebt die Ventilkugel vom Ventilsitz und öffnet nun die
Ablaufdrossel. Nach kurzer Zeit wird der erhöhte Anzugs­
Aufbau strom auf einen geringeren Haltestrom des Elektromagneten
Der Injektor kann in verschiedene Funktionsgruppen auf­ reduziert. Mit dem Öffnen der Ablaufdrossel kann nun
geteilt werden: Kraftstoff aus dem Ventilsteuerraum in den darüber liegen­
– die Lochdüse (s. Abschn. 5.2), den Hohlraum und über den Kraftstoffrücklauf zum Kraft­
– das hydraulische Servosystem und stoffbehälter abfließen. Die Zulaufdrossel (14) verhindert
– das Magnetventil. einen vollständigen Druckausgleich, so dass der Druck im
Ventilsteuerraum sinkt. Dies führt dazu, dass der Druck im
Der Kraftstoff wird vom Hochdruckanschluss (Bild 5‑39, Ventilsteuerraum kleiner ist als der Druck im Kammervolu­
Pos. 13) über einen Zulaufkanal zur Einspritzdüse sowie men der Düse, der noch immer das Druckniveau des Rail
über die Zulaufdrossel (14) in den Ventilsteuerraum (6) ge­ hat. Der verringerte Druck im Ventilsteuerraum bewirkt
führt. Der Ventilsteuerraum ist über die Ablaufdrossel (12), eine verringerte Kraft auf den Steuerkolben und führt zum
die durch ein Magnetventil geöffnet werden kann, mit dem Öffnen der Düsennadel. Die Einspritzung beginnt.
Kraftstoffrücklauf (1) verbunden.
Injektor geöffnet. Die Öffnungsgeschwindigkeit der Dü­
Arbeitsweise sennadel wird vom Durchflussunterschied zwischen der
Die Funktion des Injektors lässt sich in vier Betriebszustände Zu- und Ablaufdrossel bestimmt. Der Steuerkolben erreicht
bei laufendem Motor und fördernder Hochdruckpumpe un­ seine obere Position und verharrt dort auf einem Kraftstoff­
terteilen: polster (hydraulischer Anschlag). Das Polster entsteht durch
den Kraftstoffstrom, der sich zwischen der Zu- und Ablauf­
178    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-39 Magnetventil-Injektor (Funktionsprinzip). a Ruhezustand; b Injektor öffnet; c Injektor schließt; 1 Kraftstoffrücklauf; 2 Magnetspule; 3 Überhubfeder;
4 Magnetanker; 5 Ventilkugel; 6 Ventilsteuerraum; 7 Düsenfeder; 8 Druckschulter der Düsennadel; 9 Kammervolumen; 10 Spritzloch; 11 Magnetventilfeder; 12 Ablauf‑
drossel; 13 Hochdruckanschluss; 14 Zulaufdrossel; 15 Ventilkolben (Steuerkolben); 16 Düsennadel

drossel einstellt. Die Injektordüse ist nun vollständig ge­ wieder Raildruck auf. Dieser Druck übt eine erhöhte Kraft
öffnet. Der Kraftstoff wird mit einem Druck, der annähernd auf den Steuerkolben aus. Die Kraft aus dem Ventilsteuer­
dem Druck im Rail entspricht, in den Brennraum einge­ raum und die Kraft der Düsenfeder überschreiten nun die
spritzt. von unten wirkende Kraft auf die Düsennadel und die Dü­
Die eingespritzte Kraftstoffmenge ist bei gegebenem Druck sennadel schließt. Der Durchfluss der Zulaufdrossel be­
proportional zur Einschaltzeit des Magnetventils und unab­ stimmt die Schließgeschwindigkeit der Düsennadel. Die
hängig von der Motor‑ bzw. Pumpendrehzahl (zeitgesteuerte Einspritzung endet, wenn die Düsennadel den Düsenkör­
Einspritzung). persitz wieder erreicht und somit die Spritzlöcher ver­
schließt.
Injektor schließt (Einspritzende). Ist das Magnetventil Diese indirekte Ansteuerung der Düsennadel über ein
stromlos, drückt die Ventilfeder den Anker nach unten, hydraulisches Kraftverstärkersystem wird eingesetzt, weil
die Ventilkugel verschließt daraufhin die Ablaufdrossel die zu einem schnellen Öffnen der Düsennadel benötigten
(Bild 5‑39, c). Durch das Verschließen der Ablaufdrossel Kräfte mit dem Magnetventil nicht direkt erzeugt werden
baut sich im Steuerraum über den Zufluss der Zulaufdrossel können. Die dabei zusätzlich zur eingespritzten Kraftstoff­
5.3 Einspritzsysteme    179

menge benötigte „Steuermenge“ gelangt über die Drosseln


des Steuerraums in den Kraftstoff­rücklauf. Zusätzlich zur
Steuermenge gibt es Leckagemengen an der Düsennadel-
und der Ventilkolbenführung. Die Steuer- und die Leckage­
mengen werden über den Kraftstoffrücklauf mit einer
Sammelleitung, an die auch Überströmventil, Hochdruck­
pumpe und Druckregelventil angeschlossen sind, wieder in
den Kraftstoffbehälter zurückgeführt.

Piezo- Injektoren

Bekannt sind zwei Typen von Piezoinjektoren


– CR-Injektor Tophead (Siemens),
– CR-Injektor Inline (Bosch, Denso).

Die Funktion des CR-Injektors Tophead entspricht der Funk­


tion des CR-Injektors mit MV von Bosch. Beim CR-Injektor
mit Piezoaktor muss der Temperaturgang des Aktors aus Ke­
ramik gegenüber dem Gehäuse ausgeglichen werden. Beim
Tophead Injektor übernimmt diese Funktion das Aktorge­
häuse, beim Inline Piezo übernimmt das der hydraulische
Koppler. Die folgenden Abschnitte beschreiben die Funktion
des Inline Injektors im Detail.

Aufbau und Funktion eines Piezo-Inline-Injektors


Der Aufbau des Piezo-Inline-Injektors gliedert sich in die
Baugruppen (siehe Bild 5‑40)
– Aktormodul (3),
– hydraulischer Koppler oder Übersetzer (4),
– Steuer- oder Servoventil (5) und
– Düsenmodul (6).

Bei der Auslegung des Injektors wurde darauf geachtet, dass


eine hohe Gesamtsteifigkeit innerhalb der Stellerkette aus
Aktor, hydraulischem Koppler und Steuerventil erreicht Bild 5-40 Konstruktive Ausführung des Piezo-Inline-Injektors, Bauart
wird. Eine weitere konstruktive Besonderheit ist die Vermei­ Bosch. 1 Kraftstoffrücklauf; 2 Hochdruck­anschluss; 3 Piezo-Stellmodul; 4 hy‑
dung von mechanischen Kräften auf die Düsennadel, wie sie draulischer Koppler (Übersetzer); 5 Servoventil (Steuerventil); 6 Düsenmodul
bei Tophead-Injektoren (Magnet oder Piezo) über eine mit Düsennadel; 7 Spritzloch
Druck­stange auftreten können. Insgesamt konnten die be­
wegten Massen und die Reibung stark reduziert und damit
Stabilität und Drift des Injektors gegenüber anderen Syste­
men verbessert werden. dem elektrischen Ansteuerbeginn und der hydraulischen
Zusätzlich bietet das Einspritzsystem die Möglichkeit, sehr Reaktion der Düsennadel beträgt etwa 150 Mikro-Sekun­
kurze Abstände zwischen den Einspritzungen zu realisieren. den. Dadurch können die gegensätzlichen Anforderungen
Die Anzahl und Ausgestaltung der Kraftstoffzumessung hohe Nadelgeschwindigkeiten mit gleichzeitiger Realisie­
kann derzeit bis zu sieben Einspritzungen pro Einspritzzyk­ rung kleinster reproduzierbarer Einspritzmengen erfüllt
lus umfassen und somit den Erfordernissen an den Motor­ werden.
betriebs­punkten angepasst werden. Prinzipbedingt beinhaltet der Injektor darüber hinaus
Durch die enge Kopplung des Servoventils (5) an die keine direkten Leckagestellen vom Hochdruckbereich in
Düsennadel wird eine unmittelbare Reaktion der Nadel auf den Niederdruckkreis. Eine Steigerung des hydraulischen
die Betätigung des Aktors erzielt. Die Verzugszeit zwischen Wirkungsgrads des Gesamtsystems ist die Folge.
180    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Ansteuerung des Piezo-Inline-Injektors Prinzipbedingte Vorteile des Piezo-Inline-Injektors


Die Ansteuerung des Injektors erfolgt über ein Motorsteuer­ gegenüber dem MV-Injektor sind:
gerät, dessen Endstufe speziell für diese Injektoren entwickelt – Mehrfacheinspritzung mit flexiblem Einspritzbeginn und
wurde. Abhängig vom Raildruck des eingestellten Betriebs­ Abständen zwischen den Einzeleinspritzungen,
punkts wird ein Sollwert für Spannung des Aktors vergeben. – Darstellung sehr kleiner Einspritzmengen für die Vor­
Die Bestromung erfolgt pulsförmig (Bild 5‑41) bis eine mini­ einspritzung,
male Abweichung zwischen Soll- und Regelspannung erreicht – niedrige Baugröße und Gewicht des Injektors (270 g
wird. Der Spannungsanstieg wird proportional in den Hub gegenüber 490 g).
des Piezoaktors umgesetzt. Über die hydraulische Überset­
zung erzeugt der Aktorhub einen Druckanstieg im Koppler,
bis das Kraftgleichgewicht am Schaltventil überschritten wird
und das Ventil öffnet. Sobald das Schaltventil seine Endposi­
tion erreicht hat, beginnt nun der Druck im Steuerraum über
der Nadel zu sinken und die Einspritzung erfolgt.

Bild 5-41
Ansteuersequenzen des Piezo-Inline-Injektors
für eine Einspritzung. a Strom- und Span‑
nungsverlauf bei Ansteuern des Injektors;
b Verlauf des Ventilhubs und des Koppler‑
drucks; c Verlauf des Ventilhubs und der Ein‑
spritzrate
5.3 Einspritzsysteme    181

5.3.5.7 Zumessfunktionen Übersicht

Definition und Zielsetzung


Bild 5‑42 zeigt eine Übersicht der vier wichtigsten Zumess­
funktionen zur Erreichung der geforderten Zumesstole­
Der Begriff Zumessfunktionen umfasst Steuer- und Regel­ ranzen für EU4‑Applikationen sowie zukünftige Emissions­
strukturen im elektrischen Steuergerät, die in Verbindung standards weltweit.
eines monotonen Injektorverhaltens die geforderte Zumess­ Während die Funktion Injektormengenabgleich – IMA
genauigkeit bei der Einspritzung sicherstellen. Die Funk­ die Fertigungstoleranzen der Einspritzinjektoren im Neuzu­
tionen nutzen ein gezielt entwickeltes Verhalten der Ein­ stand ausgleicht, korrigiert die Druckwellenkompensation
spritzhydraulik und verwenden zur präzisen Mengenzumes­ – DWK modellbasiert den Mengeneinfluss von Druckwel­
sung Signale vorhandener Sensoren als Hilfsgröße sowie len bei Mehrfacheinspritzung. Beide Funktionen arbeiten
modellbasierte Ansätze, die auf den physikalischen Erhal­ gesteuert und benötigen als Eingangsgrößen Ergebnisse aus
tungsgesetzen beruhen. Messungen am Hydrauliksystem.
Der Einsatz solcher Funktionen wird durch die zuneh­ Die Nullmengenkalibrierung – NMK nutzt die Hilfsgrö­
mend schärfer formulierten Lastenhefte an die Kraftstoffzu­ ße Drehzahländerung, um die Kleinstmenge eines Injektors
messung getrieben, die wiederum aus den dieselmoto­ in situ über der Laufzeit zu lernen. Gestützt auf das λ‑Signal
rischen Entwicklungszielen herrühren. Nämlich stets nied­ ermittelt die Mengenmittelwertadaption – MMA die nöti­
rigere Rohemissionen bei gleichzeitig höheren Komfort- ge Luftmasse zur im Mittel eingespritzten Kraftstoffmenge.
und Leistungsansprüchen mit konkurrenzlos niedrigem Beide letztgenannten Funktionen sind adaptive Mengenre­
Verbrauch. Der Ansatz, die geforderten Genauigkeiten bei gelfunktionen, die sich vorhandener Hilfsgrößen aus Sen­
der Kraftstoffzumessung an die Hydraulikkomponenten sorsignalen bedienen.
selbst zu stellen und diese über die Lebensdauer einhalten
zu wollen, hat sich als unwirtschaftlich erwiesen.

Bild 5-42 Zumessfunktionen für Pkw-Applikationen ab EU4


182    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Injektormengenabgleich – IMA (Bild 5-43) Druckwellenkorrektur – DWK (Bild 5-44)

Die Funktion verwendet Messergebnisse der Nassprüfung Mehrfacheinspritzungen, mit variablen Positionen der je­
im Werk nach der Endmontage der Einspritzinjektoren. Hier weiligen Einspritz­ereignisse sowie die Applikation dieser an
wird jeder Injektor z. B. an vier Prüfpunkten (Ansteuerdauer, unterschiedlichen Lastpunkten des Motors, was wiederum
Druck) bezüglich seiner Einspritzmenge vermessen und das unterschiedliche Drücke und Einspritzmassen bedeutet, ist
Ergebnis mit dem Sollwert am jeweiligen Messpunkt ver­ zur Erreichung der Emissions- und Komfortziele beim Die­
glichen. Diese Information wird gespeichert und in Form selmotor unabdingbar. Infolge der Kompressibilität des Die­
eines Data-Matrix Codes auf dem Injektor gespeichert. Kennt selkraftstoffs werden bei Einspritzungen im System stets
man die relative Abweichung des individuellen Injektors an Druckwellen ausgelöst, die wiederum Einfluss auf die Zu­
seinen Prüfpunkten zum mittelwertigen Injektor, dessen messung des Kraftstoffs in den Brennraum haben können,
Kennfeld im Steuergerät abgespeichert ist, so lässt sich auf sobald mehrfach aufeinander folgende Einspritzungen abge­
Basis dieser Information der individuelle Injektor auf das setzt werden. Die so ausgelösten „Mengenwellen“ weiten die
Kennfeld des Mittleren korrigieren. Voraussetzung dafür ist, Toleranz für eine oder mehrere Einspritzungen auf. Dies ist
dass das individuelle Injektorverhalten auf Basis der vier unerwünscht und kann das Emissions- und Geräuschverhal­
Prüfpunkte, etwa über Korrelationsfaktoren, das gesamte ten stark negativ beeinflussen. Neben Dämpfungsmaß­
Kennfeld ausreichend genau beschreibt. Diese Korrelations­ nahmen im Hydrauliksystem, vgl. Abschn. 5.3.5.4 und
faktoren sind für alle Injektoren des gleichen Typs zusam­ 5.3.5.5, lassen sich diese druckwellenbedingten Mengenein­
men mit dem mittleren Mengenkennfeld im Steuergerät ab­ flüsse auf Basis physikalischer Modelle korrigieren, das ist
gelegt. Die individuelle Information über das Verhalten eines die Aufgabe der DWK. Einflussgrößen auf die Mengenände­
individuellen Injektors gelangt mittels Einlesen des Data- rungen sind die Einspritzmengen der momen­tanen und vor­
Matrix Codes in den beschreibbaren Speicher des Steuerge­ herigen Einspritzung, der Druck und die Temperatur des
räts. Dies erfolgt am Bandende in der Fahrzeugproduktion. Kraftstoffs, sowie die Spritzabstände. Auf Basis dieser Grö­
Zusammenfassend stellt die IMA eine effiziente Methode ßen und dem Übertragungs­verhalten des Hydrauliksystems
zur Gleichstellung der Einspritzinjektoren hinsichtlich ihrer selbst, korrigiert die DWK diese Mengen­einflüsse wirkungs­
Einspritzmengen auf Basis deren Prüfwerte dar. Insgesamt voll. Die DWK bietet die Möglichkeit hydraulisch optimale
erlaubt die Methode eine „Win‑Win“‑Strategie im Sinne der Spritzabstände bei der thermodynamischen Applikation des
Erhöhung der Zumessgenauigkeit und höherer Fertigungs­ Motors zu berücksichtigen und auch bei konstanten Spritz­
ausbringung bei erweiterten Einstelltoleranzen, was sich abständen, den Einfluss der Kraftstofftemperatur auf die
positiv auf die Kosten auswirkt. Mengenwellen auszugleichen. Da die DWK eine modellba­

Bild 5-43
Prozesskette Injektormengenabgleich –
IMA
5.3 Einspritzsysteme    183

Bild 5-44
Funktionsweise Druckwellenkorrektur
– DWK

sierte Steuerung darstellt, ist von zentraler Bedeutung, dass Nullmengenkalibrierung – NMK (Bild 5-45)
die aufgeprägte Störung im Modell auch der Störung im Hy­
drauliksystem entspricht. Das heißt, die Abbildung der vor­ Aus Motorsicht ist hier der Konflikt aufzulösen, die Vorein­
liegenden Hydraulikstrecke auf Basis von Messungen und spritzung so zu applizieren, dass einerseits das Verbren­
die Verwendung des physikalisch korrekten Ansteuerkenn­ nungsgeräusch sinkt, andererseits dabei die Partikelemission
feldes der Injektoren sind für die Funktion der DWK von nur so wenig wie möglich ansteigt. Als adaptive Funktion hat
elementarer Bedeutung. die NMK daher die Aufgabe, kleinste Voreinspritzmengen
stabil über der Laufzeit sicher zu stellen. Als Hilfsgröße nutzt
die NMK ein hoch aufgelöstes Drehzahlsignal des Motors,
dessen Ableitung Auskunft über zylinderselektive Momente

Bild 5-45
Funktionsweise Nullmengenkalibrie‑
rung – NMK
184    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

liefert, die bei der Verbrennung kleinster Mengen erzeugt ab, verschiebt sich die ursprüngliche Applikation entlang des
werden. Um den Fahrbetrieb nicht zu stören arbeitet die Partikel-NOX-Trade Off der Abgasrückführrate. Wird etwa
Funktion im Schub. Durch Modulation der Ansteuerdauer weniger Kraftstoff eingespritzt als das Steuer­gerät in einem
eines jeden Injektors wird sukzessive über Auswertung des spezifischen Lastpunkt annimmt, so wird zu wenig Abgas-
Drehzahlsignals erkannt, wann ein Injektor eine Kleinst­ rück­führung gestellt, um den vermeintlich höheren Sauer­
menge, die sog. „Nullmenge“ eingespritzt hat. Diese Ansteuer­ stoffbedarf bei der Verbrennung bereit zu stellen. Dies hat
dauer wird verwendet, um Änderungen im Hydrauliksystem gegen­über der Nominalappliaktion einen Anstieg der NOX-
über der Laufzeit zu erkennen und ggf. zu korrigieren. Das Emissionen zu Gunsten der Partikelemissionen zur Folge. Im
Übertragungsverhalten von eingespritzter Kleinstmenge Falle von Mehrmenge bei der Einspritzung ist das Ergebnis
und Drehzahlantwort ist abhängig vom Antriebsstrang des entsprechend des Ruß-NOX-Trade Off umgekehrt. Die Auf­
applizierten Fahrzeugs und muss daher spezifisch ermittelt gabe der MMA ist es nun, auf Basis des λ-Signals die tatsäch­
werden. Bemerkenswert ist, dass die Funktion ohne zusätz­ lich umgesetzte Einspritzmasse zu ermitteln und den Luft­
liche Sensorik arbeitet und dabei in der Lage ist Kleinstmen­ massenstrom derart einzuregeln, dass der ursprüngliche
gen mit einer Genauigkeit von kleiner als 0,4 mm3 sicher zu Kompromiss in der Partikel-NOX-Auslegung erreicht wird.
detektieren. Abhängig von der motorbedingten Brenngrenze Erwünschter Nebeneffekt ist, dass die MMA nicht nur auf
sind damit Voreinspritzmengen kleiner als 1 mm3 im gesam­ Einspritzmengenfehler reagiert sondern basierend auf dem
ten Kennfeldbereich darstellbar. λ‑Signal auch Fehler des Luftmassenmessers ausgleicht. Da­
mit können Toleranzen im Luftpfad und des Motors mit aus­
Mengenmittelwertadaption – MMA (Bild 5-46) geglichen werden, was sich am Ende in einem beträchtlich
kleineren Vorhalt bei der Applikation äußert, der als Sicher­
Zur sicheren Erreichung der Emissionsgrenzwerte in Parti­ heitsabstand von den Emissionsgrenzen in Partikel und NOX
kel und NOX über die zertifizierten Fahrzeuge muss gewähr­ einzuhalten hat. Legt man typische Toleranzverteilungen al­
leistet werden, dass über alle Toleranzen in Sensorik und ler beteiligten Komponenten auf das Emissionsergebnis zu­
Aktorik des Luft- und Einspritzsystems stets die richtige grunde, so kann mit der MMA für eine Euro 4‑Applikation
Luftmasse zur Verbrennung der zugeführten Kraftstoffmasse der Vorhalt gegenüber dem ursprünglichen Abstand zu den
zur Verfügung steht. Dies geschieht über die Steuerung der Emissionsgrenzwerten ohne MMA mindestens halbiert wer­
Abgasrückführrate. Weicht nun etwa die tatsächlich einge­ den.
spritzte Masse von der im Steuergerät angenommenen Masse

Bild 5-46 Struktur und Nutzen Mengenmittelwertadaption – MMA


5.3 Einspritzsysteme 185

5.3.6 Einspritzsysteme für Großdieselmotoren

Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich der Einspritzsysteme für Großdie-
selmotoren erstreckt sich
– auf Zylinderleistungen von 70 bis 2000 kW (bei langsam
laufenden Zweitakt-Großdieselmotoren bis 4500 kW),
– auf Motordrehzahlen von 60 bis 1800 min–1,
– auf Volllasteinspritzmengen von 180 bis 20000 mm3/
Einspritzung,
– auf Motorzylinderzahlen von 1 bis 20 und
– auf ein Kraftstoffspektrum von Normdieselkraftstoff bis zu
Schweröl mit einer Viskosität bis 700 cSt bei 50 °C.

Bei der Entwicklung, Konstruktion und Fertigung der Ein-


spritzsysteme für Großdieselmotoren sind die wesentlichen
Aspekte:
– hohe Zuverlässigkeit und Lebensdauer,
– hoher Anteil des Volllastbetriebs,
– einfache Austauschbarkeit mit bestehenden Einspritzsys-
temen,
– Anwendbarkeit für beliebige Zylinderkonfigurationen,
– Servicefreundlichkeit,
– Kraftstoffverträglichkeit,
– marktgerechte Kosten bei geringen Fertigungsstückzahlen
und
– Steuerbarkeit aller Einspritzparameter zur Einhaltung der
Emissionsforderungen.

Konventionelle Einspritzsysteme

Bei Großmotoren mit Zylinderleistungen bis zu etwa 160 kW


werden noch Reihenpumpen mit Pumpenkolbendurchmes-
Bild 5-47 Einzylinderpumpe mit integriertem Rollenstößel (PFR1CY, Firma.
sern von bis zu 20 mm und Pumpenkolbenhüben bis zu
Bosch). 1 Gleichdruckventil; 2 Zylinder; 3 Kolben; 4 Gehäuse; 5 Rollenstößel
15 mm eingesetzt. Eine Anpassung an unterschiedliche Zy-
(= 4-35, 2. Auflage)
linderzahlen und die Verwirklichung von kurzen und ein-
heitlich geformten Einspritzleitungen ist aber nur mit dem
Konzept von Einzylinderpumpen erreichbar, die den Mo-
torzylindern zugeordnet sind. Motorbauform und Zylinderzahl sowie die Ersatzteilhal-
Die Umsetzung der Rotation des auf der Motornocken- tung.
welle angeordneten Einspritznockens in die Hubbewegung Die in Bild 5-47 dargestellte Einzylinderpumpe verfügt
des Pumpenkolbens erfolgt über einen pumpenseitig geführ- über einen Pumpenzylinder in Sacklochausführung, der
ten Rollenstößel, s. Bild 5-47, eine motorseitige Schwing- pumpenseitige Spitzendrücke bis 1500 bar ermöglicht. In
hebelkinematik mit Rolle oder über einen motoreigenen den verformungsresistenten Flanschteil des Pumpen-
Rollenstößel. zylinders ist ein Gleichdruckventil eingebaut. Es verhindert
Die Anordnung der Einzylinderpumpen unmittelbar ein Nachspritzen der Düse durch raschen Druckabbau nach
bei den zugeordneten Zylindern erlaubt sehr kurze Ein- Förderende und hält anderseits den Druck in der Einspritz-
spritzleitungen, was den Systemwirkungsgrad auf Grund leitung ausreichend hoch, um Kavitation im System vorzu-
geringerer hydraulischer Verluste verbessert. Die iden- beugen. Großflächige Hochdruckdichtstellen werden durch
tischen Komponenten vereinfachen die Anpassung an diese Bauweise vermieden.
186 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bei Einzylinderpumpen für Schwerölbetrieb sind in den


Pumpenzylinder meist drei Ringnuten unterhalb der Steuer-
bohrungen eingearbeitet, die folgende Aufgaben erfüllen:
Die obere Nut dient – wie bei allen Dieselanwendungen – als
Leckölrückführung in den Saugraum. Der untersten Nut
wird über ein Feinfilter Schmieröl aus dem Motorölkreislauf
zugeführt, welches als Sperröl wirkt und ein Verdünnen des
Motoröls durch den Kraftstoff verhindert. Dazwischen ist
eine Nut zur drucklosen Abführung von Mischöl, bestehend
aus Kraftstoff und Schmieröl angeordnet.
Die Antriebsnocken für die Einzylinderpumpen sind
auf der gleichen Nockenwelle angeordnet, auf der sich auch
die Nocken für die Ventilsteuerung des Motors befinden.
Deshalb ist eine Spritzverstellung mittels einer relativen
Verdrehung der gemeinsamen Nockenwelle gegenüber dem
Antriebszahnrad nicht zulässig. Durch Verstellung eines
Zwischengliedes, beispielsweise einer exzentrisch gelager-
ten Schwinge zwischen Nocken und Stößelrolle, kann ein
Verstellwinkel von einigen Winkelgraden realisiert werden.
Damit kann eine Verbrauchs- bzw. Emissionsoptimierung
oder auch eine Anpassung an die unterschiedliche Zünd-
willigkeit verschiedener Kraftstoffarten vorgenommen
werden. Der hohe konstruktive Aufwand dieser Lösung
führte zur Entwicklung von Systemen mit Magnetventil-
steuerung.

Magnetventilgesteuerte Pumpen

Bild 5-48 zeigt eine magnetventilgesteuerte Einzylinder-


pumpe (Unit Pump), deren Pumpenkolben über einen Rol-
lenstößel vom Einspritznocken auf der Motornockenwelle
angetrieben wird. Eine kurze Hochdruckleitung stellt die Bild 5-48 Einzylinderpumpe mit Magnetventil (PFR1Z, Fa. Bosch). 1 Ma-
Verbindung zur Düsenhalterkombination im Motorzylinder gnetventil; 2 Zylinder; 3 Kolben; 4 Rollenstößel; 5 Kraftstoffzulauf;6 Kraft-
stoffablauf (= 4–36, 2. Auflage)
her. Diese Pumpen finden bei schnell laufenden und mittel-
schnell laufende Motoren (Nenndrehzahl < 1200 min–1) An-
wendung und werden mit Pumpenkolbendurchmessern von
18 bis 22 mm und einem Kolbenhub zwischen 20 und 28 mm Common Rail Systeme
angeboten.
Der Pumpenkolben weist weder Steuerkanten noch Nuten Bei schnell laufenden und mittelschnell laufenden Großmo-
auf, beim Pumpenzylinder entfallen die Steuerbohrungen. toren war bis vor kurzem eine beliebige drehzahl- und lastab-
An die Stelle des Druckventils tritt das Magnetventil mit hängige Spritzverstellung nicht unbedingt erforderlich. Bei
dem Steuerkolben. der Anwendung als Schiffsantrieb ist eine feste Zuordnung
Die Vorteile dieses Systems sind: von Drehzahl und Last gegeben, bei Generatorantrieb ändert
– geringer Einbauraum, sich bei konstanter Drehzahl nur die Last. Somit erlauben
– gute Eignung für konventionelle Zylinderkopf-Konstruk- beide Einsatzfälle die Anwendung einer oben liegenden
tionen, Steuerkante am Pumpenkolben zur lastabhängigen Förder-
– steifer Antrieb, beginnverstellung.
– schnelle Schaltzeiten und präzise Kraftstoffzumessung mit Die verschärften Abgasemissionsbestimmungen, die teil-
frei wählbarem Förderbeginn, weise bereits ab dem Jahr 2006 gelten, erfordern auch bei
– einfacher Austausch bei Reparatur und Service und den Großdieselmotoren den Einsatz neuer Einspritzkon-
– Möglichkeit zur Zylinderabschaltung im Teillastbetrieb. zepte. Das im Nutzfahrzeug-Bereich bewährte Common
5.3 Einspritzsysteme    187

Rail System besitzt Vorteile, auf welche auch im aktuellen – Im Gebiet des Düsensitzes ist die Drosselung durch
Anwendungsbereich der Groß­diesel­motoren nicht verzich­ langsames Öffnen und Schließen der Düsennadel gering
tet werden kann. Die im Folgenden zusammen­gestellten zu halten.
Anforderungen sind aber noch höher anzusetzen, als bei
den Systemen für Fahrzeugmotoren: Das Kriterium eines hochwertigen Einspritzsystems ist also
– drehzahlunabhängiger, frei steuerbarer Systemdruck bis nicht ein möglichst hoher Nenndruck, den die Hochdruck­
2000 bar, pumpe in das Rail liefert, sondern ein gleichmäßiger und
– hoher Wirkungsgrad, also geringe Antriebsleistung bei hoher Druck unmittelbar vor dem Spritzloch, der allein für
nied­rigem Spitzendrehmoment, die verbrennungsgerechte Zerstäubung des Kraftstoffs ver­
– hoher Druck vor dem Spritzloch durch geringe Drossel­ver­ antwortlich ist.
luste in Hochdruckleitungen, Ventilen und in der Düse, Ein wirksames Mittel zur Reduktion der Emissionen ist
– Möglichkeit der Mehrfacheinspritzung, die Mehrfacheinspritzung. Durch Nacheinspritzung wird
– Einspritzverlaufsformung, die Partikelemission verringert, durch Vorein­spritzung wird
– geringe Streuung von Injektor zu Injektor, geringe Mengen­ ein moderater Zylinderdruckanstieg mit geringerer Ge­­
drift über der Laufzeit, räusch­ent­wicklung erzielt. Injektoren mit Mehrfacheinsprit­
– hohe Zuverlässigkeit und Lebensdauer bei hohem Volllast­ zeignung müssen stabil kleine Mengen einspritzen können
anteil, ohne dabei Druckspitzen in das System zu bringen.
– Unempfindlichkeit gegen veränderliche Kraftstoffqualität Mit druckgesteuerten Injektoren ist lediglich eine sehr
und Verunreinigungen, beschränkte Einspritz­verlaufs­formung durch Beeinflussung
– einfache Austauschbarkeit mit zu ersetzenden konven­tio­nel­ der Geschwindigkeit des Nadelöffnens erzielbar. Nachteilig
len Systemen an den besonders langlebigen Groß­mo­toren, ist die damit verbundene Absenkung des mittleren Ein­
– einfaches Service und einfache Reparaturmöglichkeit spritzdrucks. Eine vom Einspritzdruck weitgehend unab­
sowie hängige Formung des Einspritzverlaufs erfordert aufwän­
– besonders zuverlässige Elektronik mit Redundanz und dige Mehr-Steller-Konstruktionen des Injektors.
Notlauffunktionen. Auch bei Einspritzsystemen für Großdieselmotoren sind
die Herstellkosten ein wesentliches Kriterium für die Kon­
Auf die Aspekte und Vorgehensweisen zur Erfüllung dieser zeptauswahl. Systeme, die ein Nachrüsten der besonders
Anforderungen wird nun näher eingegangen und die ent­ langlebigen Motoren zur Erfüllung von strengeren Emis­
wickelten Common Rail Systeme vorgestellt. sionsvorgaben erlauben, haben auf Grund der höheren
Der Systemdruck liegt bei aktuellen Anwendungen bei Stückzahlen Kostenvorteile.
1400 bis 1600 bar, für Sonderanwendungen wie Vergnü­
gungsschiffen bei 1800 bar. Maßnahmen zur Reduktion der Common Rail Systeme für Dieselkraftstoff
Stickoxide wie Abgasrückführung oder Einspritzverlaufs­
formung erfordern hohe Einspritzdrücke zur Kompensation Bei schnell laufenden Großdieselmotoren mit Zylinderleis­
der Nachteile bei Partikel­emission und Verbrauch. Die tungen bis 150 kW sind druckübersetzte Systeme mit einem
damit erzielte bessere Zerstäubung verringert in jedem Fall oder zwei Stellern in Entwicklung. Sie weisen Vorteile hin­
die Partikelemission. Mit der Druckerhöhung ist ein höherer sichtlich Einspritzverlaufsformung und Mehrfacheinsprit­
Energieaufwand zum Antrieb der Hochdruckpumpe ver­ zung auf. Nachteile liegen bei der Streuung, der Mengendrift,
bunden, deren Wirkungsgrad hoch gesetzt werden muss. dem Wirkungsgrad und insbesondere den Kosten. Mit zu­
Leckverluste, Drosselverluste und Wärmeentwicklung müs­ nehmenden Motorabmessungen wirkt sich hier die steigende
sen also gering bleiben. Wenn dies nicht gelänge, würden die Druckleitungslänge vom Rail zum Injektor nachteilig aus.
Verbrauchsvorteile aus der Optimierung der Verbrennung Dies ist der Grund für die Entwicklung des Konzeptes eines
durch die höhere Antriebsenergie eliminiert werden. modularen Common Rail Systems, s. Bild 5‑49, mit einer In­
Eine Erhöhung des Systemdrucks bringt nur dann die jektorkonstruktion nach Bild 5‑50.
angestrebten Vorteile, wenn er auch als hoher mittlerer Ein­ Eine Hochdruckpumpe in Mehrzylinderausführung wird
spritzdruck und hoher maximaler Einspritzdruck vor dem vom Motor angetrieben und beinhaltet ein relativ kleines
Spritzloch zur Wirkung kommt. Um dies zu erreichen sind Speichervolumen, s. Bild 5‑51.
die folgenden Aspekte zu beachten: Die Mengenregelung erfolgt über eine vom Steuergerät
– Der Injektor ist konstruktiv auf geringe Drosselwiderstände gesteuerte Zulaufdrossel. Ein Druckbe­grenzungsventil und
und Vermeidung von kritischen Bereichen hinsichtlich die Vorförderpumpe sind in die Hochdruck­pumpe integriert.
Kavitation zu optimieren. Vom Speicher der Hochdruckpumpe führt eine Hoch­druck­
188 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-49 Modulares Common Rail System

Bild 5-50
Einspritzinjektor für ein modulares
Common Rail System. 1 Düse; 2 Dros-
selplatte; 3 Magnetventil; 4 Injektor-
körper mit Speicher; 5 Durchflussbe-
grenzer; 6 elektrischer Anschluss
5.3 Einspritzsysteme 189

Bild 5-51
Hochdruckpumpe für eine modulares
Common Rail System. 1 Nockenwelle;
2 Pumpenelement; 3 Saugventil;
4 Druckventil; 5 Sammler; 6 Druckbe-
grenzungsventil; 7 Vorförderpumpe

leitung zu den einzelnen Injektoren, die je einen integrierten ten Speichervolumina der einzelnen Injektoren ermöglichen
Speicherraum aufweisen. Die unmittelbare Nähe der Speicher- auch einen Druckausgleich zwischen den Injektoren. Deut-
räume zu den magnetventilgesteuerten Injektoren ermöglicht liche Verbesserungen von Partikel- und Lärmemissionen
die Mehrfacheinspritzung von kleinsten Mengen. Eine robuste sind mit diesem System erzielbar. Die Kosten für das
Konstruktion mit geringem Verschleiß an Magnetventil Umrüsten sind niedrig.
und Düsensitz verringert die Mengendrift über der Laufzeit. Bei mittelschnell laufenden Motoren insbesondere für
Große Dichtlängen an den Pumpenelementen und geringe Schiffsantriebe ist die Anwendbarkeit eines breiten Kraft-
Drosselverluste an den Ventilen ergeben einen hohen Wir- stoffspektrums, u. a. von Schweröl bis 700 cSt bei 50 °C zu
kungsgrad bei der Druckerzeugung. Die Nachrüstung von beachten. Die Forderungen nach geringem Kraftstoffver-
Motoren ist problemlos durchführbar, da sowohl der Anbau- brauch, verminderten Abgasemissionen und verbesserter
ort für die Hochdruckpumpe als auch der Einbauraum für die Laufkultur werden nicht nur von den Anwendern gestellt,
Injektoren unverändert genutzt werden können. sondern zeigen sich auch in gesetzlichen Festlegungen, die
Bei mittelschnell laufenden Motoren mit Zylinderleis- bereits gelten oder in nächster Zeit zu erwarten sind. Zusätz-
tungen bis 500 kW sind konventionelle Systeme zu ersetzen, liche Forderungen zu den bereits angeführten sind die Ver-
die mit Einzelpumpen ausgerüstet sind. Hier kommt vorteil- wendbarkeit von unterschiedlichen Kraftstoffqualitäten mit
haft und Kosten sparend ein modulares Common Rail Sys- hohen Anteilen von Verunreinigungen und hoher Tempera-
tem zum Einsatz, das in Bild 5-52 dargestellt ist. tur bis 180 °C, die Möglichkeit zur Zylinderabschaltung und
Die Hochdruckerzeugung erfolgt hier durch Einzelpum- die Anpassung an individuelle Unterschiede an den einzel-
pen, die im freigewordenen Bauraum angeordnet sind. Die nen Motorzylindern, wie Kraftstofftemperatur oder Abnut-
Druckspitzen aus der niederfrequenten Druckerzeugung zungszustand des Injektors. Es war nahe liegend, dass diese
werden in einem größeren Speicher gedämpft, der den Forderungen hervorragend mit einem Common Rail Sys-
Drucksensor und ein Druckbegrenzungsventil aufweist. Die tem für Schweröl zu erfüllen sind. Die problemlose Anpas-
Mengenregelung der Einzelpumpen erfolgt über ein gesteu- sung an unterschiedliche Motorgrößen, Zylinderzahlen und
ertes gemeinsames Saugdrosselventil. Die in Serie geschalte- -anordnungen ist ein entscheidender Gesichtspunkt.
190    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Bild 5-52 Modulares Common Rail System mit zwei Hochdruckpumpen

Bei der Entwicklung eines Speichereinspritzsystems für längeren Stillsetzung des Motors beispielsweise bei Service­
Schweröl ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den Her­ arbeiten kommt, so wird vorher für einen kurzen Zeitraum
stellern von Motor und Einspritzsystem unerlässlich. Nur auf Dieselbetrieb umgeschaltet, wodurch das Schweröl
auf diese Weise ist die Entwicklung eines erfolgreichen Kon­ im Einspritzsystem verbraucht wird und das System dann
zepts und die umfangreiche Erprobung möglich. Die hohen mit dünnflüssigem Dieselöl befüllt ist. Bei einem Not­
Kraftstoff­temperaturen und Verunreinigungen bedingen stop des Motors erfolgt anschließend eine Spülung des
neue Werkstoffe und Baukonzepte, mit welchen auch die Einspritzsys­tems mit Dieselkraftstoff, wodurch lediglich die
geforderten hohen Standzeiten erreicht werden können. Hochdruckleitungen zu den Injektoren und die Injektoren
Bild 5-53 zeigt ein nachrüstbares modulares Common selbst eine Schweröl­füllung beinhalten. Dieser Schweröl­
Rail System für Schweröl, dessen Besonderheiten im Fol­ pfropfen kann beim späteren Motorstart durchgeblasen
genden beschrieben werden. Die Kraftstoffver­sorgungsan­ werden.
lage ist mit einer Heizung zur Vorwärmung des Kraftstoffs Wegen der erheblichen Abmessungen eines Großdiesel­
auf bis zu 160 °C versehen. Die Erstbefüllung des Einspritz­ motors ist die Anordnung eines einzigen Druckspeichers
sys­tems am Motor erfolgt zur Gewährleistung einer voll­ über der ganzen Länge des Motors problematisch. Es ist
ständigen Entlüftung mit Diesel­kraftstoff. In weiterer Folge dann kaum möglich, für alle Motorzylinder gleiche Ein­
wird vor Inbetriebnahme des Motors die Kraftstoff­ver­sor­ spritzverhältnisse zu erzielen. Das Auftreten von übermäßi­
gungs­anlage über eine besondere Spüleinrichtung mit vor­ gen Druckschwingungen im System ist damit nicht zu ver­
gewärmtem Schweröl befüllt. meiden. Auch führt bei einem überlangen Druckspeicher
Die Hochdruckpumpen, Druckspeicher und Magnetven­ die Zuleitung von der Hochdruckpumpe an nur einer Stelle
tile werden während des Betriebs und bei üblichen kur­ zu Ungleichmäßigkeiten in der Einspritzqualität. Es bietet
zen Motorstillsetzungen durch zirkulierendes, vorgewärm­ sich also an, die Speichereinheit in mehrere Baueinheiten
tes Schweröl dauernd beheizt. Wenn es allerdings zu einer aufzuteilen, die ein geeignetes Speichervolumen aufweisen
5.3 Einspritzsysteme    191

Bild 5-53 Modulares Common Rail System für Schweröl

und die Versorgung auf mindestens zwei Hochdruckpum­ werden. Die Fördermenge der Hochdruckpumpen wird
pen aufzuteilen. unter Auswertung des vom Raildrucksensor gemeldeten
Ein Vorteil dieser Aufteilung ist auch die höhere Flexibili­ Kraftstoffdruckes und dem jeweiligen Betriebszustand des
tät bei der Zusammen­stellung der Komponenten der Ein­ Motors vom elektronischen Steuergerät berechnet. Das elek­
spritzanlage in Abhängigkeit von der Motor­zylinderzahl, tromagnetisch angesteuerte Drosselventil in der Nieder­
was bei Nachrüstlösungen von Interesse ist. Mit den kom­ druckleitung bemisst die den Hochdruckpumpen zugeführ­
pakteren Baueinheiten kann auch der verfügbare Bauraum te Kraftstoffmenge.
am Motor besser genutzt werden, und es ergeben sich Vor­ Jeder Speicherdeckel enthält Komponenten und Anschlüs­
teile bei der Montage und Ersatzteilhaltung. se, die zur Kraftstoff­zuführung und -weiterleitung sowie zur
Eine Niederdruck-Kraftstoffpumpe fördert den Kraftstoff Steuerung der Kraftstoff­einspritzung an den Injektoren die­
über elektromagnetisch angesteuerte Drosselventile zu zwei nen. Auf dem Weg aus dem Innenraum der Speichereinheit
Hochdruckpumpen, welche über Druck­ventile den Kraft­ zum 3/2‑Wege‑Ventil und von dort zum Injektor wird der
stoff in den Pumpenspeicher drücken. Von dort wird der Kraftstoff durch einen Durchflussbegrenzer geleitet. Ein
Kraftstoff zu den in Serie geschalteten Speichereinheiten federbelasteter Kolben führt in dieser Komponente bei jeder
geführt. Die Speicher­einheiten bestehen aus einem massiven Einspritzung einen der Einspritzmenge proportionalen Hub
Rohrteil, auf welchem an beiden Stirnseiten jeweils ein Spei­ aus und kehrt in der Spritzpause in seine Ausgangslage
cherdeckel dichtend befestigt ist. Die Speicherdeckel enthal­ zurück. Wenn jedoch die Einspritzmenge einen festgelegten
ten radiale Anschlüsse für die zu den Injektoren führenden Grenzwert überschreiten sollte, so wird der Kolben am Ende
Hochdruck­leitungen sowie für die Verbindungsleitung zur seines Hubes an einen Dichtsitz an der Auslassseite gedrückt
nächsten Speichereinheit. und verhindert dadurch eine Dauereinspritzung am Injektor.
Durch die Zwischenschaltung des Pumpenspeichers, der Jeder Speicherdeckel enthält weiterhin ein 3/2‑Wege‑Ven­
von zwei bis vier Hochdruckpumpen beliefert wird, können til, welches über ein vom Steuergerät elektromagnetisch
die dynamischen Druckschwingungen niedrig gehalten angesteuertes 2/2‑Wege‑Ventil betätigt wird und damit dem
192    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Hochdruckkraftstoff den Weg aus der Speichereinheit über nieure und -mechaniker der Elektronik ihr volles Vertrauen
den Durchflussbegrenzer zum Injektor freigibt. Durch eine schenken.
mehrmalige Betätigung des 3/2‑Wege-Ventils im Verlauf Das kostengünstig nachrüstbare Schweröl-Common Rail
eines Einspritzvorganges kann eine Vor- und Nacheinsprit­ Einspritzsystem für einen mittelschnell laufenden Großdie­
zung erzielt werden. selmotor ist an einem Labormotor seit 2003 und an mehre­
Am Pumpenspeicher ist ein Druckbegrenzungsventil ren Feldmotoren mit Laufzeiten von einigen tausend Stun­
angeordnet, das bei Überschreiten eines festgelegten Dru­ den im Einsatz. Deutliche Verbesserungen im Vergleich
ckes öffnet und damit das Hochdrucksystem vor Überlas­ zum mechanischen System wurden hinsichtlich Rauch und
tung schützt. NOX‑Emissionen schon nach den ersten Optimierungs­
Die Hochdruckleitungen und Speichereinheiten sind schritten erzielt.
doppelwandig ausgeführt, so dass bei typischen Leckagen,
Bruch oder Undichtwerden von Anschlüssen kein Kraftstoff 5.4 Messtechnik für Einspritzsysteme
nach außen gelangen kann. Durch Schwimmerschalter
erfolgt in einem solchen Fall die Warnung an das Bedie­ Zur Optimierung und Qualitätsbeurteilung moderner Ein­
nungspersonal. spritzsysteme und System­komponenten ist eine entspre­
Die Kraftstoffversorgungsanlage ist mit einer Heizung chend hoch entwickelte Mess- und Prüftechnik erforderlich.
zur Vorwärmung des Schweröls versehen. Zum Starten Die nachfolgende Übersicht beschreibt grundlegende Ge­
der kalten Verbrennungskraftmaschine mit Schweröl wird sichtspunkte der eingesetzten Technik bei der hydraulischen
der Hochdruckteil der Einspritzanlage mit Hilfe von heißem Funktionsprüfung des Einspritzsystems, wobei standardmä­
zirkulierendem Schweröl erwärmt. Dazu wird das am Ende ßig Prüföl nach ISO 4113 verwendet wird.
der letzten der in Serie geschalteten Speichereinheiten
angeordnete Spülventil über eine pneumatische Betätigung 5.4.1 Messprinzipien und deren Anwendung
geöffnet. Das Schweröl wird nun von der Niederdruck-
Kraftstoff­pumpe durch die Drosselventile und Saugven­ Durchflussmessung. Zur kontinuierlichen Durchflussmes­
tile durch die Pumpenräume der Hochdruckpumpen sung an Komponenten des Einspritzsystems sind Messgeräte
über den Pumpenspeicher durch die Speichereinheiten und verbreitet, die nach dem Zahnradprinzip in einem geschlos­
das geöffnete Spülventil zurück in den Kraftstofftank senen Leitungssystem arbeiten. Die Zahnraddrehzahl, die
gepumpt. Nach ausreichender Erwärmung der Einspritz­ mittels einem mit dem Zahnradpaar gekoppeltem Signalge­
anlage wird das Spülventil geschlossen und der Motor ber erfasst wird, korreliert dabei mit dem Volumenstrom des
gestartet. Fluids. Auf diese Weise kann beispielsweise die Rücklauf­
Das Spülventil dient auch zur Druckentlastung des Hoch­ menge der Hochdruckpumpen im Niederdruckkreislauf,
druckteils der Einspritz­anlage für den Fall von Wartungs‑ übliche Durchflussmengen sind 5 bis 150 l/h, bestimmt wer­
oder Reparaturarbeiten. Die Lieferung von Hochdruck­ den. Ferner sind in der Praxis auch Geräteausführungen ver­
kraftstoff in den Pumpenspeicher durch zwei Hochdruck­ breitet, die ohne Druckdifferenz zwischen Zu- und Ablauf
pumpen bietet den Vorteil, dass bei Ausfall einer der beiden des Zahnradpaares arbeiten. Dazu werden die Zahnräder
Pumpen noch immer ein Teillast­betrieb des Motors durch­ mit einem geregelten Servomotor angetrieben. Diese hoch­
führbar ist. genauen Geräteausführungen sind sowohl zur Detektion
Durch die Anordnung des 3/2‑Wege‑Ventils im Speicher­ kleinster Leckage- und Durchflussmengen bis zu einem Mi­
deckel und die Verwendung eines konventionellen Injektors nimalwert von 0,01 l/h anwendbar, als auch (in anderer Aus­
wird die Nachrüstung eines bestehenden Motortyps wesent­ führung) für große Durchflussmengen von 350 l/h.
lich vereinfacht. Die Druckschwingungen, die bei anderen Ein weiteres, angewendetes Durchflussmessverfahren
Common Rail Systemen in der Hochdruckleitung zwischen basiert auf dem Coriolis-Prinzip. Ein mit dem Leitungssys­
Rail und Injektor besonders bei Einspritzende auftreten, tem des Prüfstands verbundenes Messrohr wird zu Schwin­
werden damit vermieden. Dies reduziert die Belastung der gungen in seiner Eigenfrequenz angeregt. Infolge der Wir­
druckbeaufschlagten Bauteile. Die modulare Aufgliederung kung der Corioliskraft auf das durchströmende Prüföl
der Baueinheiten und Zuordnung zu den einzelnen Motorzy­ kommt es zu einer Phasenverschiebung der Schwingungen
lindern verringert den Material- und Montage und Service­ der beiden Rohrenden, welche ein Maß für den momen­
aufwand und ermöglicht kurze Leitungslängen zu den tanen Durchfluss darstellt. Dieses kontinuierlich arbeitende
Injekto­ren. Derzeit wird die Verwendung von mechanischen Messverfahren zeichnet sich durch einen besonders ein­
Injekto­ren von den Motorkunden besonders geschätzt. Es fachen und wenig störanfälligen Aufbau aus, die Messzeit
wird offen­bar noch einige Jahre dauern bis die Schiffsinge­ liegt im Bereich von wenigen Sekunden. Das Coriolis-Mess­
5.4 Messtechnik für Einspritzsysteme    193

verfahren findet seine Anwendung überwiegend in der ferti­ In (5-12) ist die Prüföldichte ρ(T,p) abhängig von der Kam­
gungs­begleitenden Prüfung, beispielsweise bei der Bestim­ mertemperatur T und dem Gegendruck p im Messvolumen,
mung der Fördermenge der Hochdruckpumpen und des und h der Kolbenhub und AKolben die Kolbenfläche.
Durchflusses an den Einspritzdüsen. Die Messun­sicherheit Stand der Technik bei Messgeräten, die nach dem Kolben­
einzelner, am Markt verfügbarer Geräte basierend auf den verschiebeprinzip arbeiten, ist eine Messunsicherheit von ±
vorgestellten Durchflussmessprinzipien ist mit ± 0,1% vom 0,1% vom Messwert. Der Messbereich dieser Geräte ist auf
Messwert bereits sehr klein. Pkw- und Nkw-Anwendung abgestimmt und liegt zwischen
0,2 bis 600 mm3/Einspritzung, bei einer Auflösung von
Einspritzmengenmessung. Die wichtigste hydraulische 0,01 mm3. Der minimale zeitliche Spritzabstand, mit dem
Messgröße am Injektor ist die Einspritzmenge pro Einspritz­ zwei aufeinander folgende Teileinspritzungen getrennt
zyklus. Da Ungenauigkeiten in der Einspritzmenge einen detektiert werden können, wird mit 0,25 ms angeben, die
direkten Einfluss auf die abgegebene Motorleistung und die Anzahl messbarer Teileinspritzungen pro Einspritzzyklus
Abgasemission haben, müssen die Mengentoleranzen von kann bis zu 10 betragen.
Injektor zu Injektor sehr klein sein, bei Volllast beispielsweise
kleiner ± 2,5%. Aus diesem Grund werden besonders hohe Einspritzverlaufsmessung. Durch Differentiation der Ein­
Anforderungen an die Absolutgenauigkeit und an die Auflö­ spritzmenge nach der Zeit während des Einspritzzyklus er­
sung der verwendeten Messtechnik zur Einspritzmengen­ hält man den Einspritzverlauf an der Injektordüse. Prinzi­piell
messung gestellt. In der Erzeugnisentwicklung und der Qua­ ist dies mit dem oben beschriebenen Einspritz-Mengen­
litätsprüfung haben sich zur Mengenmessung sog. Mengen­ messverfahren möglich. Wegen der dynamischen Eigen­
indikatoren bewährt, deren Messprinzip aus einer Kammer schaften des schwingungsfähigen Kolbens ist dieses Verfah­
mit verschiebbarem Kolben besteht, [5‑22]. Die Einspritz­ ren aber für zeitlich hoch aufgelöste Messungen des Ein­
menge, die auf mehrere Teileinspritzungen pro Einspritzzyk­ spritzverlaufs nur begrenzt anwendbar. Ein besser geeignetes
lus verteilt sein kann, wird in die mit Prüföl gefüllte Mess­ Messgerät zur Bestimmung des Einspritzverlaufs basiert auf
kammer gespritzt und verdrängt einen beweglichen Kolben, dem Prinzip des Rohrindikators, [5‑23]. Die durch die Injek­
dessen Hub mit einer induktiven Wegmesseinrichtung be­ tordüse in ein Rohr eingespritzte zeitabhängige Prüfölmenge
stimmt wird, Bild 5-54. Zur Unterdrückung von Kolben­ erzeugt eine Druckwelle, die sich mit Schallgeschwindigkeit
schwingungen und zur Vermeidung von Luftausgasung wird im bereits gefüllten Rohr ausbreitet. Die dynamische Druck­
die Messkammer mit einem definierten Gegendruck beauf­ erhöhung p(t) im Rohr wird mit einem Drucksensor erfasst
schlagt. Zum Ende des Einspritzzyklus wird die Messkam­ und der Einspritzverlauf dm/dt mit dem Rohrquerschnitts­
mer mittels Ventil geleert. Die Einspritzmenge m(ρ,h) lässt fläche ARohr und der temperatur- und druckabhängigen
sich einfach berechnen, Schallgeschwindigkeit c im Prüföl berechnet:

(5-12) (5-13)

Bild 5-54
a Skizze des Kolbenverschiebeprin‑
zips. 1 Einspritzsystem; 2 Spritzdämp‑
fer; 3 Messkammer; 4 Kolben; 5 Aus‑
lassventil; b Skizze des Kolbenhubsig­
nals während Vor- (VE), Haupt- (HE)
und Nacheinspritzung (NE)
194    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

Durch Integration von (5‑13) wird die Einspritzmenge be­ den Messprozessen und Abläufen gefordert. Dies ist nötig,
rechnet. Bei aktuellen Geräteausführungen, die nach dem um eine kontinuierliche hohe Fertigungsqualität der Kom­
Prinzip des Rohrindikators arbeiten, wird ein Mengenmess­ ponenten des Einspritzsystems sicherzustellen, siehe Ab­
bereich von nahezu 0 bis 150 mg/Einspritzung angegeben, schn. 5.4.3.
mit einer Auflösung der Einspritzmenge von 0,01 mg/Ein­
spritzung. Bis zu 5 Teileinspritzungen sind standardmäßig Messprozessfähigkeit. Die regelmäßige Prüfung der Fähig­
detektierbar. Geräte, die nach dem Prinzip des Rohrindika­ keit und Überwachung der Stabilität des Messprozesses soll
tors funktionieren, kommen in der Injektorentwicklung zum sicherstellen, dass die Messeinrichtung am Einsatzort das Er­
Einsatz. zeugnismerkmal, beispielsweise die Einspritzmenge, mit
Im Gegensatz zum Rohrindikator, bei dem zur Einspritz­ ausreichend kleiner Messwertstreuung bezogen auf die
verlaufsmessung in eine lange Rohrschleife eingespritzt Merkmaltoleranz, auf lange Zeit stabil messen kann. Die Au­
wird, beruht das Messprinzip beim hydraulischen Druck­ tomobilindustrie hat dazu Kriterien formuliert [5‑24], mit
anstiegsverfahren auf dem Einspritzen in eine Kammer mit deren Hilfe die Messprozessfähigkeit bewertet werden kann.
konstantem Messvolumen. Dadurch kommt es zu einem Werden mehrere Messeinrichtungen zur Erzeugnisprüfung
Druckanstieg in der Kammer, aus dessen zeitlicher Ände­ in der Serienfertigung eingesetzt, so ist unbedingt auf eine
rung sich der Verlauf der Einspritzrate und die eingespritzte Vergleichbarkeit der Einrichtungen unterein­ander hinsicht­
Menge berechnen lässt, [5‑22]. Bei aktuellen Geräteausfüh­ lich des konstruktiven Aufbaus und des Prüfablaufs zu ach­
rungen ist die Mess­kammer mit Prüföl gefüllt und steht ten, damit auf allen Einrichtungen dieselben Prüfrandbedin­
unter Druck, um Ausgasung von gelöster Luft und Kavita­ gungen für das Erzeugnis sichergestellt sind.
tion auszuschließen. Es wird der Einspritzverlauf dm/dt mit
Hilfe des Kammervolumens VKammer , der Schallgeschwin­ 5.4.3 Injektorprüfung
digkeit c und der Änderung des Absolutdruckes in der
Kammer dp/dt berechnet (5‑14): Messeinrichtung zur Injektorprüfung. Die geforderte, ge­
naue Einspritz- und Rücklaufmenge des komplett montierten
(5-14) Injektors wird auf speziellen Messein­richtungen bei der In­
jektorfertigung überprüft. Solche Messeinrichtungen stellen
Die Druckmessung in der Kammer erfolgt mit einem hoch­ in sich schon ein komplettes Common Rail System dar, um
genauen Piezodruck­sensor, der sich durch eine sehr kurze eine möglichst hohe Übertragbarkeit im Funktionsverhalten
Ansprechzeit auszeichnet. Die Schallge­schwindigkeit wird des Injektors im Prüfstand auf das spätere Verhalten im Mo­
mittels eines Ultraschallwandlers aus der Laufzeit eines tor zu gewährleisten. Im Unterschied zu der üblicherweise
Schallimpulses im Messvolumen berechnet. Das beschrie­ motorspezifischen Anpassung des Einspritzsystems sind die
bene hydraulische Druckanstiegsverfahren wird in der Injek­ Common Rail Komponenten der Messeinrichtungen für
torentwicklung zur simultanen Einspritzverlaufs- und Men­ eine Injektor-Generation stets die Gleichen, siehe Bild 5‑55.
genmessung angewendet.
Ablauf einer Injektorprüfung. Die Funktionsprüfung der
5.4.2 Anforderungen an die Messtechnik Injektoren hinsichtlich der zu erbringenden Einspritzmenge
pro Betriebspunkt erfolgt nach einem festgelegten Prüfab­
Die Anforderungen an die Mess- und Prüftechnik für Ein­ lauf. Das dazu erforderliche mechanische und elektrische
spritzsysteme müssen für die beiden Anwendungsbereiche Kontaktieren des Injektors mit der Messeinrichtung erfolgt
Entwicklung und Produktion getrennt betrachtet werden. vollautomatisch, um stets die gleichen Einbaubedingungen
In der Entwicklung werden i. d. R. hohe Anforderungen so­ zu garantieren und kurze Taktzeiten zu erreichen. Der daran
wohl an die Auflösung der Messsignale, zeitlich und örtlich, anschließende Prüfablauf ist so zu optimieren, dass einerseits
als auch an den Umfang der Messergebnisse gestellt. Prüf­ die spezifizierten Merkmale in kurzer Zeit mit ausreichender
bankversuche dienen hier dazu, die theoretischen Möglich­ Genauigkeit gemessen werden und andererseits stabile Prüf­
keiten neuer Einspritzsysteme experimentell zu verifizieren. randbedingungen sichergestellt sind. Üblicherweise wird die
Zu diesem Zweck muss in der Entwicklung die verwendete Messung von Einspritz- und Rücklaufmengen an mehreren
Mess­einrichtung möglichst flexibel und universell einsetz­ charakteristischen Betriebspunkten des Injektors wie Leer­
bar sein. Im Unterschied zum flexiblen Einsatz in der Ent­ lauf, Teillast, Volllast und Voreinspritzung durchgeführt. Im
wicklung wird bei der Prüftechnik in der Produktion ein zu prüfenden Betriebspunkt sind Absolutdruck im Rail und
hohes Maß an Automatisierung und Standardisierung so­ elektrische Ansteuerdauer des Injektors auf den jeweiligen
wohl bei den eingesetzten Messeinrichtungen als auch bei Motortyp abzustimmen.
5.4 Messtechnik für Einspritzsysteme 195

Bild 5-55 Messeinrichtung zur Injektorprüfung, schematisch. 1 Prüföltank mit Temperaturregelung; 2 Niederdruck-Versorgungspumpe; 3 Sensoren für Zulaufdruck und
-temperatur; 4 CR-Hochdruckpumpe mit Antrieb und Synchronisations-Geber; 5 Flexible Hochdruckleitung zum Rail; 6 Rail mit Sensoren für Druck und Temperatur;
7 Druckregelventil mit Rücklauf-Leitung; 8 Hochdruckleitung zum Injektor; 9 Common Rail-Injektor (hier: Piezo-CRI); 10 Einspritzmengenmessgerät nach dem Kolben-
Verdrängungsprinzip; 11 Niederdruck-Rücklauf vom Injektor; 12 Sensoren für Rücklaufdruck und -temperatur; 13 Druckregler für Niederdruck-Rücklauf; 14 Durchfluss-
mengenmesser nach dem Zahnradprinzip; 15 Rücklauf der eingespritzten Menge; 16 Prüfstandssteuerung; 17 Sensoren und Dateneingang; 18 Ansteuerung und Daten-
ausgang

Zu Beginn des Prüfablaufs ist auf eine vollständige Entlüf- schwingen der Temperaturen sind i. Allg. um ein vielfaches
tung des Niederdruckkreislaufs im Injektor zu achten. höher als die eigentliche Messzeit, die nur wenige Sekunden
Anschließend erfolgt das Warmlaufen des gesamten Systems für jeden Betriebspunkt beträgt. Für eine genaue und repro-
bis ein stabiler Zustand erreicht wird. Die zeitliche Reihen- duzierbare Einspritzmengenmessung am Injektor sind
folge der anschließenden Messungen ist durch den Prüfab- neben stabilen Temperaturrandbedingungen der Messein-
lauf vorgegeben und für alle Injektoren gleich. In Abhängig- richtung auch stabile Druckbedingungen im Zulauf, d. h. im
keit vom Betriebspunkt ist der thermische Energieeintrag in Rail, erforderlich. Die Regelung des Zulaufdrucks erfolgt
den Injektor und das Mengenmessgerät teilweise beträcht- mit Hilfe von hochgenauen Drucksensoren und Signalver-
lich. Bei hohem Zulaufdrücken stellen sich Temperaturen stärkern die zusammen eine Genauigkeit von ± 1 bar bei
innerhalb des Injektors und im Messgerät von bis zu 150 °C einem Absolutdruck von 2000 bar erreichen.
ein. Die erforderlichen Zeiten für das notwendige Ein-
196    5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik

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6 Regelung und Steuerung
der Kraftstoffeinspritzsysteme

6.1 Mechanische Regelung zeichnet. Der P‑Grad des Reglers wird ausgehend von der
oberen Leerlauf‑(Nulllast-)‑Drehzahl nLo auf die obere Voll‑
6.1.1 Aufgaben des mechanischen Drehzahlreglers lastdrehzahl nVo (Nenndrehzahl) bezogen:

Mechanische Regler finden auch heute noch wegen ihrer Ro‑


bustheit und Wartungsfreundlichkeit weltweiten Einsatz,
insbesondere bei Off‑Highway-Anwendungen und Statio‑ Gebräuchliche P‑Grade sind: ca. 0 bis 5% für Aggregatemo‑
närmotoren. Die Grundfunktionen der mechanischen Rege‑ toren, ca. 6 bis 15% für Fahrzeugmotoren.
lung werden am Beispiel der Reihenpumpe dargestellt.
Kennzeichen einer Regelung ist ein geschlossener Wirk‑ 6.1.2 Aufbau und Wirkungsweise mechanischer
kreis, bei dem eine „Stellgröße“, beispielsweise die über die Drehzahlregler
Regelstangenstellung der Reihenpumpe als „Stellglied“ vor‑
gegebene Einspritzmenge, die Ausgangsgröße dieser Regel­ Über eine gelenkige Gestängeverbindung wird eine Koppe‑
einrichtung ist. Wird die eingespritzte Kraftstoffmasse bei lung mit der Regelstange der Einspritzpumpe hergestellt. Bei
gleich bleibendem Belastungsmoment erhöht, würde dies den Reglern der Bauart RQ und RQV(K), Bild 6‑1, wirken
zum Anstieg der Drehzahl als „Regelgröße“ führen, die wie‑ die beiden Fliehgewichte direkt auf die im Messwerk einge‑
derum als Eingangsgröße der Regeleinrichtung, des eigent‑ bauten Regelfedern, die für die gewünschte Nenndrehzahl,
lichen Reglers, diese zum Eingreifen veranlasst. Somit ergibt den P‑Grad und die Leerlaufdrehzahl ausgelegt sind. Den
sich ein geschlossener Regelkreis. Jeder Regler hat als quadratisch mit der Drehzahl anwachsenden Zentrifugal‑
Grundaufgabe die Begrenzung der Enddrehzahl, damit der kräften rotierender Fliehmassen wirken Federkräfte von Re‑
Dieselmotor die zulässige Höchstdrehzahl nicht überschrei‑ gelfedern entgegen. Die Stellung der Regelstange entspricht
tet. Andere Aufgaben der mechanischen Drehzahlregler dabei der jeweiligen Auslenkung der Fliehgewichte unter
sind: Vorspannen der Regelfeder infolge der Fliehkräfte.
– die Bereitstellung der Startmenge,
– Leerlaufregelung, Reglerausführungen
– Einhaltung einer vorgegebenen Drehzahl bei verschiede-
nen Motorbelastungen und Exemplarisch wird der Leerlauf-Enddrehzahlregler RQ be‑
– Anpassung an Drehmomentverlauf durch Angleichung schrieben. Bei Dieselmotoren für Fahrzeuganwendungen ist
oder Zusatzgruppen. meist keine Regelung im Drehzahlbereich zwischen Leer‑
lauf- und Enddrehzahl erforderlich. In diesem Bereich steu‑
Proportionalitätsgrad (P‑Grad) ert der Fahrer unmittelbar über das Fahrpedal das Gleichge‑
wicht zwischen dem Drehmoment entsprechend dem Fahr‑
Wird ein Dieselmotor bei unveränderter Fahrpedalstellung zeugwiderstand und dem Kraftstoffbedarf. Der Regler über‑
entlastet, darf die Drehzahl im Regelbereich nur um ein vom nimmt die Leerlaufregelung und regelt die Enddrehzahl. Aus
Motorhersteller zugelassenes Maß ansteigen. Der Drehzahl­ dem schematisch dargestellten Reglerkennfeld sind folgende
anstieg ist proportional zur Laständerung, d. h. die Dreh‑ Reglerfunktionen erkennbar, Bild 6‑2:
zahländerung ist umso größer, je größer die Motorentlastung – Gestartet wird der kalte Motor mit der Startmenge (A) bei
ist. Dies wird als Proportionalverhalten oder P‑Grad be‑ ganz durchgetre­tenem Fahrpedal.
6.2 Elektronische Regelung    199

6.2 Elektronische Regelung


Seit 1986 werden Diesel-Einspritzsysteme zunehmend mit
digitalen, elektronischen Regelungen ausgestattet. Anfangs
wurden mechanisch geregelte Verteilerpumpen und ab 1987
auch Reihenpumpen mit elektronischen Reglern für die
Abgasrück­führung und die Mengenregelung eingesetzt1. Mit
der Umstellung auf die modernen Direkteinspritzsysteme,
Common Rail ab 1997 und Unit Injector ab 1998, liegen
sämtliche regelungstechnischen Funktionen im elektro‑
nischen Steuergerät (Electronic Diesel Control, EDC). Wich‑
tigste Eigenschaften der elektronischen Motorsteuerung sind
hohe Verfügbarkeit über das gesamte Fahrzeugleben, volle
Funktionalität auch unter extremen Umweltbedingungen
und Echtzeitbetrieb in allen Betriebszuständen und bei allen
Motordrehzahlen.

6.2.1 Systemübersicht Steuergerät


Bild 6-1 Messwerk mit innen eingebauten Regelfedern 1 Einstellmutter; Die Direkteinspritzsysteme Unit Injector System und noch
2 Regelfeder; 3 Fliehgewicht; 4 Gelenkstück; 5 Nockenwelle; 6 Federspann-
mehr das Common Rail System gestatten es, die Einspritzung
bolzen; 7 Winkelhebel; 8 Schleppfeder; 9 Verstellbolzen; 10 Gleitstein; 11 Ver-
bezüglich ihrer Aufteilung in mehrere Einzeleinspritzungen
stellhebel; 12 Kurvenplatte; 13 Lenkhebel; 14 Regelstange; 15 Regelhebel
(Vor‑ Haupt‑, Nacheinspritzungen) und bei Common Rail
auch bezüglich des Einspritzdrucks einzustellen. Dies ge‑
schieht im Steuergerät in Abhängigkeit von einer sehr großen
– Nach dem Start und zurückgenommenem Fahrpedal Zahl an Motor- Fahrzeug- und Umgebungs­parametern, so
pendelt sich die Drehzahl in der Leerlaufstellung (B) ein. dass bei modernen Steuerungen bis zu 10.000 Parameter
– Ist der Motor warmgelaufen, stellt sich die Leerlauf­dreh­ (also Kennwerte, Kenlinien oder Kennfelder) eingestellt wer‑
zahl (L) entlang der Leerlaufkurve ein. den müssen. Um dies zu ermöglichen, wuchs in den letzten
– Wird das Fahrpedal bei stehendem Fahrzeug, aber laufen­ zehn Jahren die Systemkomplexität bezüglich Rechenleis­
dem Motor durchgetreten, erhöht sich die Fördermenge tung, Speicherplatz und Funktionen stark an (Bild 6‑3). Da‑
auf den Wert für Volllast und die Drehzahl von nLu auf n1. mit folgt die Motorsteuerung der in der Digitalelektronik
Dort setzt die Angleichung ein. Die Fördermenge wird bekannten Regel von Gordon Moore, wonach die Komplexi‑
geringfügig verringert, die Drehzahl steigt auf n2 , den tät der integrierten Schaltungen exponentiell wächst [6‑2].
Auslauf der Angleichung. Eine weitere Drehzahlsteigerung
erfolgt, bis die obere Volllastdrehzahl nVo erreicht ist. Dann 6.2.1.1 Funktionale Systembeschreibung
beginnt die Endabregelung entsprechend dem ausgelegten
P‑Grad. Die Fördermenge wird reduziert bis zum Erreichen Das elektronische Motorsteuerungssystem lässt sich in drei
des oberen Leerlaufs nLo. Blöcke gliedern: Die Eingangsbeschaltung, bestehend aus
– Im Fahrbetrieb steuert der Fahrer mit dem Fahrpedal den Sensoren und Sollwertgebern, das Steuergerät selbst und die
aktuellen Fahrzustand, indem er ein Gleichgewicht Ausgangsbeschaltung, bestehend aus Aktoren und Anzeigen.
zwischen erforderlichem Motormoment und aktuellem Zusätzlich gibt es noch bidirektionale Kommunikations­
Fahrwiderstand herstellt. Dabei wird über die Fahrpedal­ datenbusse, über die der Informationsaustausch zu anderen
stellung und die angekoppelte Regelstange die jeweilig Steuergeräten erfolgt. Das Steuergerät selbst unterteilt sich
erforderliche Kraftstoffmenge von der Einspritzpumpe entsprechend funktional in Eingangsschaltung (Signalaufbe‑
gefördert. reitung), Rechnerkern und Endstufen mit der Leistungselek‑
tronik zur Ansteuerung der Aktoren (Bild 6-4).
Weitere Reglerausführungen und Zusatzgruppen/Anpass‑
vorrichtungen siehe [6‑1].
1 Schon in den frühen 1980er Jahren gab es für die Spritzbeginn-/Förderbeginn­
regelung für Verteilerpumpen elektronische Regler.
200 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

Bild 6-2 Reglerkennfeld Leerlauf-Enddrehzahlregler mit positiver Angleichung; A Startregellage; B Leerlaufpunkt bei kaltem Motor; L Leerlaufpunkt bei warmem
Motor; nLu untere Leerlaufdrehzahl; n1 Angleichbeginn; n2 Angleichende; nVo obere Volllastdrehzahl; nLo obere Leerlaufdrehzahl

Aus dem Fahrpedalsignal (Fahrerwunsch) ermittelt das 6.2.1.2 Systemanforderungen Umgebungsbedingungen


Steuergerät unter Berücksichtigung einer Vielzahl weiterer
Eingangssignale wie Motordrehzahl, Geschwindigkeit, Luft- Elektronik im Kraftfahrzeug muss wegen der besonderen
u. Motortemperatur, Luftmenge usw. das Fahrerwunsch- Einbau- und Einsatzbedingungen für besondere Belastungen
moment. Diese Information wird mit anderen Drehmoment- ausgelegt werden. Prinzipiell wird die Elektronik für ein
anforderungen abgeglichen, z. %. dem Zusatzmoment für Fahrzeugleben ausgelegt, muss also bei Pkw typischerweise
den Generator oder dem Momentenwunsch durch das 10 Jahre und 250.000 km ihren Dienst versehen. Weitere ty-
ESP-System (Elektronisches Stabilitätsprogramm). Das resul- pische Umgebungsbedingungen für den bei Pkw häufig an-
tierende Moment wird unter Berücksichtigung der Momen- zutreffenden Einbau im Motorraum des Fahrzeugs sind in
tenwirksamkeit in die verschiedenen Anteile der Einsprit- Tabelle 6-1 aufgeführt.
zung (Vor- Haupt-, Nacheinspritzung) umgerechnet und
über die Endstufen an die Injektoren ausgegeben. 6.2.2 Aufbau- und Verbindungstechnik
Neben der eigentlichen Motorsteuerung wurden im Laufe
der Zeit eine große Zahl an weiteren Funktionen integriert, Motorsteuergeräte werden typischerweise in Leiterplatten-
beispielhaft seien hier nur elektronische Wegfahrsperre, technik unter Verwendung von Leiterplattenmaterial mit
Lichtmaschinenregelung oder Klimakompressorregelung 4 bis 6 Lagen hergestellt. Das Gehäuse besteht aus einer Bo-
für Pkw oder die Alldrehzahlregelung für Nkw genannt, bei den/Deckel-Kombination von Aluminium-Druckguss und
der der Motor auch bei stehendem Fahrzeug zum Antrieb tiefgezogenem Aluminiumblech, welche miteinander ver-
von Nebenaggregaten verwendet werden kann. schraubt und verklebt werden. Zum Druckausgleich wird
6.2 Elektronische Regelung    201

Bild 6-3 EDC Komplexitätswachstum (BOSCH)

Tabelle 6-1 Typische Umgebungsbedingungen für Motorraumeinbau im PKW

Umgebungstemperatur –40 °C – +85 °C Bei bewegter Umgebungsluft


Tropentauglichkeit 85 °C und 85% rel. Luftfeuchte
Staubdichtigkeit IP 5k xx
Wasserdichtigkeit IP xx 9k
Korrosionsfestigkeit Salzsprühnebel
Chemikalienbeständigkeit Kraftstoff, Motoröl, Kaltreiniger u. a.
Beschleunigungsfestigkeit ~ 3g In allen Raumachsen

eine wasserundurchlässige Membran vorgesehen. Dadurch 6.2.3 Digitaler Rechnerkern


kann im Steuer­gerät ein Atmosphären­druckfühler vorgese‑
hen werden, mit dem die Einspritzmengen auch luftdruckab‑ Zur Ausführung steht ein 32bit-Rechnerkern mit Taktfre‑
hängig, d. h. höhenabhängig korrigiert werden können. Eine quenzen bis zu 150 MHz zur Verfügung. Der Programmum‑
marktgängige Steckverbindung hat 154 Kontakte aufgeteilt fang incl. Applikationsparameter füllt einen 2 bis 4 MByte
in 2 Kammern (Bild 6‑5). Flash-Speicher, dazu ist für den Programmablauf ein RAM-
Speicher von 32 kByte verfügbar. Damit das Steuergerät im
ausgeschalteten Zustand stromlos geschaltet werden kann,
wird ein EEPROM-Speicher von 2 bis 8 kByte für berechnete
202
6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

Bild 6-4 Systemübersicht Steuergerät: Links: Signalaufbereitung; Mitte: Digitaler Rechnerkern; Rechts: Endstufen zur Ansteuerung der Aktoren (BOSCH)
6.2 Elektronische Regelung 203

Bild 6-5
Schnittmodell Motorsteuergerät
(BOSCH)

Adaptionswerte, fahrzeugindividuelle Kennzahlen und den 6.2.5 Funktionen und Software


Fehlerspeicher vorgesehen. Eine Überwachungsschaltung
prüft, ob der Rechner aktiv ist und mit der richtigen Taktfre- Üblicherweise arbeitet ein Steuergerät so im Verborgenen,
quenz rechnet. dass das nur die Software für den Fahrzeugfahrer wahr-
nehmbar ist. Die Software wird in „C“ programmiert, zuneh-
6.2.4 Eingangs- und Ausgangsschaltung mend wird auch direkt aus der Systemspezifikation mittels
Autocodegenerierung der ausführbare Code erzeugt. Ganz
Die Eingangsbeschaltung wandelt die ankommenden Signa- grob lässt sich die Funktionalität des Steuergeräts einteilen in
le (Schaltpegel von Schaltern, Analogspannungen von Sen- Motorfunktionen und Fahrzeugfunktionen, die beide in ei-
soren, Botschaften über serielle Schnittstellen wie CAN ner gemeinsamen Architektur implementiert werden.
(Controler Area Network) in digitale Werte um und stellt sie Das Steuergerät steht über serielle Bussysteme mit ande-
dem Rechner aufbereitet zur Verfügung. Auf der Ausgangs- ren Steuergeräten im Fahrzeug in Verbindung. Üblich sind
seite werden aus den im Rechner ermittelten Werten Ansteu- ein oder mehre CAN-Busse, in Zukunft werden schnellere
ersignale für die Einspritzventile, Stellglieder oder Bot- Bussysteme mit definiertem Echtzeitverhalten, z. B. Flexray,
schaften für serielle Schnittstellen zur Verfügung gestellt. hinzukommen. Die Getriebekommunikation z. B. regelt den
Darüber hinaus muss die Eingangs- und Ausgangsbeschal- optimalen Schaltpunkt einerseits und eine Motormomenten-
tung Schutz gegen elektromagnetische Einstrahlung bieten begrenzung im Umschaltpunkt andererseits, so dass im
und umgekehrt störende Abstrahlung verhindern. Spezielle Antriebsstrang keine Überlastung auftreten kann. Andere
Überwachungsschaltungen an den Endstufen stellen Kurz- Beispiele für seriellen Datenaustausch sind die Kommunika-
schlüsse nach Masse, nach Batteriespannung und Kabelfeh- tion mit dem Glühsteuergerät, der Wegfahrsperre, der
ler fest. Auch auf der Eingangsseite werden die Sensoren Lichtmaschine oder der Klimaanlage.
so spezifiziert, dass Kurzschlüsse und Kabelfehler schon in
der Schaltung zu Unplausibilitäten führen und erkannt 6.2.5.1 Software-Architektur
werden.
Die SW-Architektur stellt einen Ordnungsrahmen für das
Zusammenspiel einer sehr großen Zahl unterschiedlichster
204    6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

Funktionen dar. Dabei ist ein wichtiger Aspekt der Beherr‑ kalischen Auflösung ohne Informationsverlust abbilden. In
schung eines hochkomplexen Systems seine Modularität, einer digitalen Signalbehandlung wird das Signal gefiltert,
d. h. die Unterteilung in beherrschbare Einzelfunktionen um EMV-Einstrahlung, Mikrounterbrechungen und andere
und die Wiederverwendbarkeit aus wirtschaftlichen Grün‑ Störungen auszublenden. Ebenso wird das Signal entspre‑
den. In einer Motorsteuerung müssen die Schnittstellen der chend der Kennlinie des Sensors linearisiert, so dass für die
Funktionen zunächst nach einheitlichen Kriterien definiert folgenden Regler der physikalische Wert der Messgröße zur
werden, dabei haben sich physikalische Größen (z. B. Dreh‑ Verfügung steht. Dieser physikalische Wert wird in heutigen
moment) gegenüber den früher verwendeten Messgrößen Rechnersystemen als 32‑bit Zahlendarstellung weiterverar‑
(z. B. Luftmenge) durchgesetzt. Die Architektur definiert beitet. Durch diese hohe Auflösung haben die Regelalgorith‑
auch die Kommunikation zwischen den Funktionen, z. B. men selbst keinen merkbaren Einfluss auf die Genauigkeit
wie Information bereitgestellt, angefordert und übertragen des Ergebnisses.
wird. Ebenso muss die Architektur das gewünschte Echtzeit‑
verhalten berücksichtigen: Manche Funktionen müssen syn‑ 6.2.5.3 Motorfunktionen
chron mit der Motordrehzahl berechnet werden (z. B. Ein‑
spritzsystem), andere wiederum laufen in festen Zeitrastern Als Motorfunktionen bezeichnet man alle Funktionen, wel‑
ab (z. B. Kommunikation mit anderen Steuergeräten im che den Verbrennungs­prozess regeln, von der Erfassung der
Fahrzeug). Eine dritte Kategorie von Software ist ereignisge‑ Luftmenge bis zur Ansteuerung der Einspritzventile. Eine
steuert, d. h. die Software reagiert auf ein von außen eintref‑ besondere Kategorie von Motorfunktionen stellen dabei die
fendes Signal. Dies erfordert motorsteuerungstaugliche Abgasnachbehandlungs­funktionen dar, mit deren Hilfe Ver‑
Echtzeitbetriebs­systeme gemäß OSEK-Standard (open sys­ brennung und Katalysatoren so geregelt werden, dass die
tems and the corresponding interfaces for automotive electro­ Abgasqualität optimiert und die gesetzlichen Grenzwerte
nics; www.osek.vdx.org). nicht überschritten werden.
Da der Umfang der Software sehr stark ansteigt, wird in Einen Überblick über die Motorfunktionen gibt Tabel‑
Zukunft die Software herstellerübergreifend in verschiedene le 6‑2, wichtige Abgasfunktionen sind in Tabelle 6‑3 zusam‑
Steuergeräte integriert werden müssen. Dazu wird als her‑ mengefasst.
stellerübergreifende Architektur AUTOSAR standardisiert
(www.autosar.org). Ziel ist, Modularität, Skalierbarkeit, Wie‑ Drehmoment Management
derverwendbarkeit, Portabilität und Standardisierung von
Schnittstellen zu erreichen, damit noch wesentlich komple‑ Das Drehmoment ist die dominierende physikalische Erhal‑
xere SW‑Systeme als heute zu vertretbaren Kosten beherrsch­ tungsgröße innerhalb des Antriebsstrangs. Sie ist für Benzin-
bar werden. und Dieselmotoren identisch, wodurch Funktionsstrukturen
unabhängig von der Art des gewählten Verbrennungsmotors
6.2.5.2 Digitale Regler sind. Deshalb wird der Antriebsstrang über das Drehmo‑
ment koordiniert. Der Fahrer fordert mit Betätigung des
Die digitale Realisierung der Regler in einem Mikro­prozessor­ Fahrpedals ein bestimmtes Drehmoment an den Rädern.
system bringt gegenüber der analogen Darstellung eine Reihe Dieses wird zurückgerechnet über das Differenzial, das Ge‑
von Besonderheiten mit sich. So lassen sich z. B. fast beliebig triebe (mit Getriebeverlusten) zum Drehmoment an der
komplexe Regelalgorithmen darstellen. Die Regler unterlie‑ Kupplung. Da zu jedem Zeitpunkt verschiedene Hilfsaggre‑
gen keinerlei Alterungseffekten und die Grenzwertüberwa‑ gate (Klimakompressor, Lichtmaschine usw.) unterschied‑
chung kann zur Systemdiagnose verwendet werden. Mitei‑ liche Drehmomente für sich fordern, müssen diese bekannt
nander koppeln lassen sich Regler auf vielfältigste Weise, sein und in das Motorausgangsmoment eingerechnet wer‑
z. B. sind mehrere Regler zeitlich synchronisierbar und die den. Nach weiterer Berücksichtigung der Reibungsverluste
Eingangsgrößen können zeitgleich vielen Reglern zu Verfü‑ des Motors selbst ergibt sich das innere Drehmoment des
gung stehen, auch wenn sich diese Regler in mehreren Steuer­ Motors, welches die Basis für die erforderliche Einspritz‑
geräten befinden, die über ein Datennetzwerk miteinander menge ist. Allerdings wird in modernen Fahrzeugen der
in Verbindung stehen. Fahrerwunsch nicht in dieser direkten Weise umgesetzt:
Die Quantisierung der analogen Sensorsignale erfolgt Traktionskontrollsysteme, Fahrgeschwindigkeits­regelungen
üblicherweise mit 8‑bit Analog/Digital-Convertern (ADC), oder Bremsassistenten können zusätzlich das Radmoment
bei höheren Anforderungen an die Auflösung werden auch beeinflussen. Vorteile des Drehmoment-Managements lie‑
10‑bit ADC verwendet. Damit lassen sich der Messbereich gen insbesondere im Schutz der Komponenten des Antriebs­
und die Genauigkeit der Sensoren im Rahmen ihrer physi‑ strangs durch Drehmoment-Begrenzungen, im ruckfreien
6.2 Elektronische Regelung    205

Gangwechsel bei Automatikgetrieben durch Gangschaltung


Tabelle 6-2 Motorfunktionen
bei konstantem Moment und der leichten Integration von
zusätzlichen Hilfsabtrieben.
– Glühkontrolle
– Hauptrelaissteuerung
– Startsystemsteuerung Modellbasiertes Luftmanagement
– Einspritzausgabesystem
– Aufteilung in Vor-, Haupt-, Nacheinspritzung Eine optimale Gemischbildung im Zylinder setzt voraus,
– Ausgabe motorsynchron in Echtzeit dass die Luftmenge im Zylinder mit hoher Genauigkeit er‑
– Motorkoordinator mittelt wird. Dazu werden mittels eines physi­kalischen Mo‑
– Motorstatus dells der Luftbewegung im Ansaugtrakt und des zuge‑
– Nachlaufsteuerung mischten Abgases aus der Abgas-Rückführung mit hoher
– Abschaltkoordinator dynamischer Genauigkeit die Gasparameter direkt am Ein‑
– Motormomentberechnung lassventil berechnet (Bild 6-6). Mit Hilfe eines Behältermo‑
– Drehmomentbegrenzung dells werden die geometrischen Verhältnisse im Ansaugtrakt
– Momentgradientenbegrenzung
modelliert und insbesondere Speicher‑ und Verzögerungsef‑
– Kraftstoffverbrauchsberechnung
– Koordinator für Schubbetrieb
fekte bei hoher Dynamik eingerechnet. Das Drosselklappen‑
– Leerlaufregler modell beinhaltet ein physikalisches Modell der Durchfluss‑
– Ruckeldämpfer rate. Im Luftmischungsmodell wird der Mischvorgang von
– Lastschlagdämpfer Frischluft und Abgas berechnet. Schließlich werden im Ver‑
– Einspritzregelung brennungsmodell der Verbrennungsvorgang selbst und die
– Einspritzmengenkoordinator Abgastemperatur berechnet.
– Mengenbegrenzung Die Vorteile dieses Verfahrens gegenüber Kennfeldbe‑
– Umrechnung Moment → Menge schreibungen der Ansaug­luftmenge liegen im deutlich redu‑
– Rauchbegrenzungsmenge zierten Applikationsaufwand, insbesondere bei verschie‑
– Motordrehzahl- u. Winkelerfassung
denen Betriebsarten (Normalbetrieb, Regenerations­betrieb
– Überdrehzahlschutz
– Fehlzündungserkennung
für Abgas­nachbehandlungssysteme). Ferner sind die Über‑
– Motorkühlung gänge zwischen den verschie­denen Betriebsarten infolge der
– Lüfterregelung schnellen Steuerung für den Fahrer nicht spürbar. Beson‑
– Wasser- u. Öltemperaturüberwachung ders wichtig ist, dass Luft und Abgasmenge immer gleichzei‑
– Luftsystem tig geregelt werden, wodurch sich reduzierte Emissionstole‑
– Abgasrückführregelung ranzen beim Betrieb mit Abgasrückführung auch im Nor‑
– Ladedruckregelung malbetrieb ergeben.
– Steuerung der Drallklappe im Ansaugtrakt
– Steuerung der Luftregelklappe
– Luftmassenerfassung (per Heißfilmluftmassensensor)
Modellbasiertes Abgasmanagement
– Wegfahrsperre
– Diagnose-System
Weltweit werden die Abgasgesetze für Fahrzeuge immer
– Kommunikation über seriellen BUS (CAN) strenger, z. B. werden die Abgasgrenzwerte in der EU ausge‑
hend von der Euro 4 (2005) in der Euro 5 (2008) für NOX
um ca. 30% und für Dieselpartikel um 80% reduziert. Zur
Einhaltung dieser Normen sind aufwändige Strategien erfor‑
derlich:
Mit Hilfe des Abgastemperaturmodells kann die Tempe‑
Tabelle 6-3 Abgasfunktionen ratur an jeder Stelle der Abgasanlage berechnet werden, was
für die Strategien zur optimalen Nutzung der Katalysatoren
– Diesel Partikel Filter (DFP) wichtig ist. Damit können auch die Anzahl sonst notwen‑
– NOx Speicher Katalysator (NSC) diger Temperatursensoren reduziert und mittels Taupunkt­
– Lambda Regelung
analyse die Stellen in der Auspuffanlage ermittelt werden, an
– Verbrennungserkennung über Zylinderdruck
– Selektive katalytische Reduktion (SCR)
denen das Wasser aus der Verbrennungs­reaktion konden‑
– Abgastemperaturmodell siert. Das Abgastemperaturmodell beinhaltet eine ther­mo­
dyna­mische Berechnung des Abgassystems. Wichtige Teil‑
modelle dazu sind die Geometrie und das thermodyna‑
206 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

Bild 6-6 Modellbasiertes Management der Verbrennungsluft im Dieselmotor

misches Modell der Auspuffanlage, ein thermodynamisches gerte und späte Nacheinspritzung mit Verbrennung im
Modell des Turboladers sowie der Katalysatoren. Oxidationskatalysator.
Die Lambda Regelung erfasst mit Hilfe eines Lambda- Ziel ist eine Erhöhung der Temperatur auf 600 °C, bei der
Sensors im Auspuff den Sauerstoffgehalt der Verbrennungs- der Ruß verbrennt. Der Ladezustand des Filters wird einer-
abgase. Über ein regelungstechnisches Modell wird der seits über ein Beladungsmodell aus den Betriebsparametern
Sauerstoffgehalt an der Position der Lambda-Sonde zunächst des Motors und seiner Betriebsdauer errechnet, andererseits
berechnet und mit dem gemessenen Wert verglichen. Die mittels Druckdifferenzsensor über dem Partikelfilter gemes-
Differenz geht als Korrekturgröße in das Luftmodell ein und sen. Aus der Plausibilisierung der beiden Informationen
dient dort der Korrektur von Luftmenge, Kraftstoffmenge kann das System Fehlfunktionen feststellen. Bei Erreichen
bzw. Abgasrückführrate. Damit kann das Abgas auch bei eines entsprechenden Ladezustandes schaltet das Steuerge-
instationärem Betrieb innerhalb enger Toleranzen und trotz rät in den Regenerationsbetrieb um. Dabei müssen sowohl
Altern der mechanischen Einspritzkomponenten konstant der Regenerationsbetrieb selbst als auch die Übergänge zum
gehalten werden. und vom Regenerationsbetrieb drehmomentneutral ablau-
Zur Reduktion von Dieselruß werden Dieselpartikelfil- fen, so dass der Fahrer von allem nichts spürt.
ter eingesetzt. Auf ihrer reaktiven Oberfläche lagern sich die Da Dieselmotoren im Normalbetrieb mit Sauerstoffüber-
Russteilchen an, wodurch der Katalysator nach einiger Zeit schuss betrieben werden, haben sie im Vergleich zu Otto-
verstopfen würde, weshalb der Ruß zyklisch im sog. Regene- motoren eine erhöhte Emission an Stickoxiden. Sie wird
rationsbetrieb abgebrannt werden muss. derzeit mittels zweier alternativer Maßnahmen reduziert:
Für die Regeneration gibt es verschiedene Maßnahmen Bei Pkw ist sowohl der NOX-Speicher-Katalysator NSC
zur Temperaturerhöhung, die wichtigsten sind die angela- (NOX Storage Catalyst) als auch die selektive katalytische
6.2 Elektronische Regelung    207

Reduktion SCR (Selective Catalytic Reduction) einsetzbar, Exemplarstreuungen bei der Herstellung des Injektors und
bei Nkw wird nur das SCR-Verfahren angewandt. verbessert damit die Emissionen. Dazu wird der Injektor bei
Beim NSC-Verfahren werden im normalen Fahrbetrieb seiner Herstellung vermessen und mit seinen charakteris­
zunächst NOX und SO2 aus den Verbrennungsabgasen im tischen Parametern beschriftet. Diese Daten werden in der
Speicherkatalysator eingelagert. Ist der Katalysator voll, wird Motoren‑ bzw. Fahrzeugfertigung auf das Steuergerät als
im Abgasgemisch mittels sehr später zusätzlicher Einsprit‑ betriebspunktabhängige Korrekturwerte übertragen.
zungen ein Kraftstoffüberschuss erzeugt, mit dessen Hilfe Die Mengenausgleichsregelung (MAR) ermittelt anhand
zunächst im Oxidations-Katalysator CO erzeugt wird, der Ungleichförmigkeit der Kurbelwellendrehung Unter‑
welches im NSC die NOX zu N2 reduziert. Schließlich wird schiede im Drehmomentbeitrag der einzelnen Zylinder und
bei etwa stöchiometrischem Luft-/Kraftstoffgemisch die korrigiert diese. Damit ergibt sich eine verbesserte Laufruhe
Abgastemperatur im Katalysator auf über 650 °C erhöht, des ganzen Motors. Mit der Nullmengenkalibrierung
wodurch die Schwefelmoleküle, die sonst den Katalysator im (NMK) wird die Mengendrift der Voreinspritzungen kom‑
Laufe der Zeit zusetzen würden, ausgebrannt werden. pensiert, was der Emissions- und Geräuschminderung
Das SCR Verfahren dagegen verwendet ein deutlich kos‑ dient. Dazu wird im Schubbetrieb die Ansteuerdauer vari‑
tengünstigeres Katalysatormaterial in Verbindung mit der iert bis eine Veränderung der Motordrehzahl beob­achtet
separaten Einspritzung einer wässrigen Harnstoff­lösung werden kann. Dies ergibt die kleinste drehmomentwirksame
vor den SCR-Katalysator. Diese Lösung (Handelsname Ansteuerdauer.
„AdBlue“) benötigt motorseitig keine Maßnahmen son‑ Die Druckwellenkorrektur (DWK) schließlich berück‑
dern kann separat im Abgastrakt dazugebaut werden. Aller‑ sichtigt, dass beim Öffnen des Einspritzventils der Kraftstoff­
dings ist nach mehreren tausend Kilometern neben Kraft‑ druck nicht konstant bleibt sondern einbricht. Dadurch
stoff auch „AdBlue“ nachzutanken. entstehen Druckwellen zwischen Injektor und Rail, welche
die Einspritz­mengen der nachfolgenden Einspritzungen
Einspritzmanagement beeinflussen. Mit Hilfe von betriebs­punkt­abhängigen Kor­
rektur­werten wird dieser Effekt korrigiert, was bei Mehr­fach­
Das Einspritzmanagement berechnet aus der Drehmoment­ einspritzungen die Mengentoleranzen einengt.
anforderung, den zusätzlichen Anforderungen aus der Ab‑
gasnachbehandlung und dem aktuellen Betriebspunkt den Überwachungskonzept
genauen Verlauf des Einspritzvorgangs. Ein Einspritzvor‑
gang in einem Common Rail System kann dabei aus mehre‑ Oberste Priorität bei der Auslegung des elektronischen Sys­
ren Voreinspritzungen, einer oder mehreren Haupteinsprit‑ tems hat die Personensicherheit; bei einem Fahrzeug sind das
zungen sowie mehreren Nacheinspritzungen bestehen. Für vor allem die Fahrzeuginsassen. Deshalb befindet sich im
jede Einzeleinspritzung muss bei jedem Einspritzvorgang Steuergerät ein Überwachungskonzept aus drei voneinander
der Spritzbeginn relativ zum oberen Totpunkt des Zylinders unabhängigen Ebenen, die auch im Fehlerfall ein sicheres
und die Einspritzdauer berechnet werden und außerdem ist Beherrschen des Fahrzeugs ermöglichen. Falls keine andere
festzulegen, welche Einzeleinspritzungen für den Einspritz­ kontrollierbare Systemreaktion mehr möglich ist, wird der
vorgang erforderlich sind. Ein zusätzlicher Freiheitsgrad er‑ Motor abgestellt.
gibt sich daraus, dass der Einspritzdruck (Raildruck) betriebs­ Ebene 1 des Überwachungskonzepts sind die Fahrfunk­
punktabhängig ebenfalls vom Steuergerät geregelt werden tionen mit ihren Plausibilisierungen und die Überwachung
kann. Die Einzeleinspritzungen haben sehr unterschiedliche der Eingangs- und Ausgangsschal­tungen. Zu den Plausibili‑
Funktionen: Sehr frühe Voreinspritzungen dienen der Vor‑ sierungen gehört z. B. die gegenseitige Kontrolle, ob der
konditionierung des Zylinders für den nachfolgenden Ver‑ Ladedruck am Ausgang des Turboladers und der Atmo­
brennungsvorgang, spätere Voreinspritzungen optimieren sphären­druck beim Start den gleichen Wert haben. Bei den
das Motorengeräusch, die Haupteinsprit­zungen dienen der Eingangs- und Ausgangs­schaltungen wird über spezielle
Drehmomenterzeugung, frühe Nacheinspritzungen der Schaltungen ermöglicht, dass Kurzschlüsse oder Kabelfehler
Temperaturerhöhung des Abgases für die Abgasnachbe‑ direkt erkannt, im Fehlerspeicher abgelegt und Ersatzreak­
handlung und späte Nacheinspritzungen liefern Kraftstoff tionen eingeleitet werden.
z. B. als Reduktionsmittel im Abgasnach­behandlungs­sys­ Auf Ebene 2 des Überwachungskonzepts wird aus den
tem. Sensor-Rohsignalen unabhängig von der Fahrsoftware eine
Darüber hinaus gibt es im Einspritzsystem vier Korrek‑ kontinuierliche Drehmomentenüberwachung berechnet.
turfunktionen der Einspritzmenge (siehe auch Abschn. Dazu wird einerseits über eine redundante Signalauswer‑
5.3.5.7): Der Injektormengenabgleich (IMA) kompensiert tung das maximal zulässige Moment berechnet und ande‑
208    6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

rerseits aus der gemessenen Ansteuerdauer der Einspritzend­ 6.3 Sensoren


stufen das aktuelle Moment. Zusätzlich wird im Schubbe‑
trieb, d. h. wenn das Fahrzeug z. B. beim Bremsen Drehmo‑ Der Einsatz von Sensoren im Kraftfahrzeug erfordert in ho‑
ment abbaut, geprüft, ob in diesem Betriebszustand, in dem hem Maße Unempfind­lichkeit gegenüber mechanischen,
das Fahrpedal nicht betätigt ist, auch tatsächlich die an den klimatischen, chemischen und elektromagne­tischen Einflüs‑
Endstufen anliegende Ansteuerdauer der Einspritz­ventile sen. Neben hoher Zuverlässigkeit und langer Lebensdauer
Null ist. wird eine hohe Genauigkeit verlangt.
In der dritten Ebene des Überwachungskonzepts wird Nachfolgend werden die wichtigsten Sensoren und ihre
schließlich der Rechner selbst auf korrekte Funktion, sowohl Aufgaben für die Steuerung von Dieselmotoren beschrieben
bezüglich der Arithmetik als auch des Zeitverhaltens geprüft. (Bild 6‑7).
Damit ist erkennbar, wenn der Rechner in eine Endlos-Pro‑ Das Fahrpedalmodul (FPM, Bild 6‑7, 7) erfasst den Fah‑
grammschleife geraten sollte. Dazu hat das Steuergerät eine rerwunsch zur Fahrzeug­beschleunigung. Sein Signal dient
zweite Schaltungseinheit, die ein eigener Rechner oder ein als Eingangsgröße für die Berechnung der Einspritzmenge
anwendungsspezifischer Schaltkreis (ASIC) sein kann, aus‑ in der Motorsteuerung. Das Fahrpedalmodul besteht aus
gerüstet mit einer vom Rechner unabhängigen Zeitbasis einem fahrzeugspezifischen Pedal, einem Lagerbock und
(Schwingquarz). einem Drehwinkelsensor. Der Sensor ist redundant als Füh‑
rung‑ und Überwachungssensor ausgeführt und enthält
entweder ein Doppel-Potentiometer oder ein berührungs‑
loses Hall‑Ele­mentepaar. Das Potentiometer wird in Sieb‑

Bild 6-7 Systemplan Sensoren am Dieselmotor 1 Luftmassenmesser; 2 Ladedruckfühler; 3 Regelklappe; 4 Abgasrückführungsventil; 5 Raildrucksensor; 6 Drehzahlgeber;
7 Fahrpedalmodul; 8 Abgastemperatursensor; 9 Lambdasensor; 10 Abgastemperatursensor; 11 Differenzdrucksensor
6.3 Sensoren    209

drucktechnik hergestellt. Die Hall‑Ele­mente sind in zwei welle zum oberen Totpunkt (OT) des ersten Motorzylinders
voneinander unabhängigen Hall-ICs, die auch die Ansteuer- berechnet. Damit können Emissionen reduziert und Kom‑
und Auswerteelektronik beinhalten, integriert. Das Sensor‑ fortfunktionen wie z. B. Schnellstart realisiert werden. Bei
ausgangssignal ist proportional zur Pedalstellung. Ausfall des Drehzahlgebers kann der Phasengeber dessen
Temperaturfühler (TF) erfassen die Temperatur von Funktion teilweise übernehmen.
Luft (LTF), Kühl­wasser (WTF), Öl (OTF) und Kraft‑ Die elektrische Regelklappe (RKL, Bild 6‑7, 3) wird auf
stoff (KTF). Sie enthalten als Sensorelement i. d. R. einen der kalten Motorseite im Saugrohr in Strömungsrichtung
NTC-Widerstand mit negativem Temperaturkoeffizienten, vor der Abgasrückführeinleitung montiert. Sie ermöglicht
d. h. logarithmisch fallendem Widerstand bei steigender es, im Teillastbereich den Ansaugquerschnitt zu reduzieren
Temperatur. Die Zeitkonstante des TF ist abhängig vom und damit das Druckniveau hinter der Klappe zu regeln.
Einbau des NTC im Sensor (Wärmespeicher), der Art des zu Durch Schließen der Klappe wird die Strömungsgeschwin‑
messenden Mediums (Wärmekapazität) und dessen digkeit der Ansaugluft erhöht und folglich auch der Unter‑
Strömungsgeschwin­digkeit (Menge der übertragenen druck hinter der Klappe. Die Unterdruckerhöhung bewirkt,
Wärme). Beim Lufttemperaturfühler ist die Zeitkonstante dass die Abgasrückführrate bis zu 60% erhöht werden kann.
aufgrund des meist verwendeten Kunststoffgehäuses sehr Diese Abgasrückführraten ermöglichen eine erhebliche
groß. Für hohe Dynamikanforderungen kann ein offen Emissionsreduzierung.
liegender NTC verwendet werden. Diese Variante wird auch Weitere Funktionen der Regelklappe sind:
in Heißfilm­luftmassen­messern oder Ladedrucksensoren – Erhöhung der Abgastemperatur für die Regeneration des
eingesetzt. Partikelfilters durch Androsselung und Öffnen des Bypass
Der Drehzahlgeber (DG, Bild 6‑7, 6) erfasst die Motor‑ zum Ladeluftkühler,
drehzahl mit Hilfe eines mit der Kurbelwelle verbundenen – luftgeführte Regelung mit Lambda < 1 bei Regeneration
und gezahnten Geberrads. Der induktive Sensor enthält einen des NOX‑Speicherkatalysators,
von einer Spule umgebenen Weicheisenkern mit Dauer­ – Sicherheits- und Komfortabschaltung,
magnet und wird direkt gegenüber dem Geberrad positio‑ – Androsselung im Leerlauf zur Geräuschoptimierung
niert. Das Magnetfeld des Dauer­magneten schließt sich über durch Absenkung des Zylinderspitzendrucks.
Weicheisenkern und Geberrad. Der magnetische Fluss durch
die Spule hängt davon ab, ob dem Kern eine Geberrad-Lücke Der Heißfilmluftmassenmesser (HFM, Bild 6‑7, 1) erfasst
mit großem Luftspalt oder ein Zahn mit kleinem Luftspalt die vom Motor angesaugte Luftmasse unabhängig von Tem‑
gegenübersteht. Ein drehender Motor führt durch die Zahn- peratur und Dichte und somit den für die Verbrennung zur
Lücken-Wechsel zu sinusförmigen Flussänderungen, die eine Verfügung stehenden Sauerstoff. Der Heißfilmluftmassen‑
sinusförmige Ausgangsspannung induzieren. Der Drehzahl‑ messer wird zwischen Luftfilter und Verdichter eingesetzt.
geber kann für den Einsatz kleinerer Geberräder mit Hall‑ICs Zur Erfassung des Luftmassenstromes wird dieser über eine
mit digitalem Ausgangssignal realisiert werden. dünne und beheizte Membran aus Silizium geführt. Die
Der Drehzahlgeber ermöglicht über die reine Erfassung Temperaturverteilung auf der Membran wird durch vier
der Motordrehzahl hinaus die Realisierung von Motorfunk‑ temperaturabhängige Widerstände erfasst. Der Luftmassen‑
tionen, bei denen z. B. auf Basis der Messung kleiner Dreh‑ strom verändert die Temperaturverteilung der Membran,
zahländerungen zylinderbezogene Korrekturen der Ein­ was zu einer Widerstandsdifferenz zwischen den stromauf
spritz­­menge vorgenommen werden können. So können und stromabwärts liegenden Widerständen führt. Da die
kleinste Unterschiede in den jeweiligen Einspritzmengen Widerstandsdifferenz richtungs‑ und betragsabhängig ist,
der Einzelzylinder korrigiert (Mengenaus­gleichsregelung) kann der Heißfilmluftmassenmesser pulsierende Luft­
oder Fahrzeug-Längsschwingungen unterbunden werden massen­strömungen mit hoher Dynamik und richtigem Vor‑
(aktive Ruckeldämpfung). zeichen erfassen. Dadurch wird die genaue Berechnung des
Der Phasengeber (PG) erfasst die Position der Nocken‑ Luftmassenmittelwerts in der Motorsteuerung ermöglicht.
welle mit Hilfe eines mit der Welle verbundenen und Optional kann im Heißfilmluftmassenmesser zusätzlich ein
ge­zahnten Geberrads. Aufgrund der geringen Geber­rad­ Temperaturfühler eingesetzt werden, um die Ansauglufttem‑
durchmesser kann kein induktiver Drehzahlgeber eingesetzt peratur zu erfassen.
werden. Der Phasengeber beinhaltet deshalb einen Hall- Da das erfasste Luftmassensignal als Istwert der Regelung
Sensor, welcher ähnlich wie beim Drehzahlgeber über das der Abgasrückführung und der Begrenzung der Kraftstoff-
Geberrad Magnetfeldänderungen erfasst und als aufberei‑ Einspritzmenge (Rauchbegrenzung) dient, ist eine hohe
tetes, digitales Signal ausgibt. Aus Phasen- und Drehzahlge‑ Genauigkeit des Heißfilmluftmassenmessers zur Erreichung
ber-Signalen wird die absolute Winkelposition der Kurbel‑ und Einhaltung der Emissionsgrenzen besonders wichtig.
210    6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

Der Ladedruckfühler (LDF, Bild 6‑7, 2) misst den Druck Der Druckanschluss des Sensors dichtet den sehr hohen
der angesaugten Luft im Saugrohr, die vom Verdichter auf Raildruck (max. 180…200 MPa) mit einer sog. Beißkanten‑
einen höheren Druck aufgeladen wird. Damit gelangt mehr dichtung (Metall auf Metall) sicher zum Rail ab.
Luftmasse in die einzelnen Zylinder. Der Ladedruck dient Der Lambdasensor (LS, Bild 6‑7, 9) ermöglicht die Mes‑
der Ladedruckregelung. Mit dem aktuellen Istdruck und mit sung der O2‑Konzentration im Abgas, mit der das
der Motordrehzahl kann die eingebrachte Luftmasse berech‑ Luftverhältnis λ im gesamten Betriebsbereich des Motors
net werden. Die genaue Kenntnis der Luftmasse ist wichtig, bestimmt werden kann. Durch eine Diffusionsbarriere
damit dem Motor nicht zu viel Kraftstoff eingespritzt wird gelangt das Abgas in eine Messkammer, aus der der Sauer‑
(Rauchbegrenzungsfunktion). stoff durch die Sensorkeramik hindurch wieder in das Aus‑
Das Sensorelement des LDF besteht aus einem Silizium- puffrohr zurückgepumpt werden kann. Eine Regelschaltung
Chip, in dem durch Ätzen eine Membran erzeugt worden hält die O2‑Konzentration in der Kammer auf einem sehr
ist. Die Druckbeaufschlagung führt zu einer Durchbiegung niedrigen Wert (idealerweise auf null) konstant. Der Pump‑
der Sensormembran und zu einer Widerstandsänderung der strom, der hierbei fließt, ist ein Maß für die O2‑Konzentra‑
auf der Membran befindlichen Messwiderstände. Der LDF tion im Abgas.
ist als Absolut­drucksensor ausgeführt, d. h. auf der einen Das heute dominante Anwendungsgebiet des LS (in Ver‑
Membranseite wird der Messdruck angelegt, auf der ande‑ bindung mit dem Luftmassensignal des HFM) ist die Kor‑
ren befindet sich ein kleines, isoliertes Referenzvakuum. Die rektur der Einspritzmenge zur Einhaltung der Abgasemis­
Auswerteschaltung, die auf dem Chip integriert ist, verstärkt sionswerte des Fahrzeugs über dessen Lebenszeit. Neu hin‑
die Widerstands­änderungen und wandelt sie in ein Span‑ zukommen wird der Einsatz des LS zur Überwachung und
nungssignal um, das dem Steuergerät zugeführt wird. Steuerung der Regeneration des NOX-Speicherkatalysators
Die Aufgabe des Differenzdrucksensors (DDS, Bild 6‑7, (NSC).
11) ist die Messung des Druckabfalls am Partikelfilter im Abgastemperatursensoren (ATS, Bild 6‑7, 8 und 10)
Abgassystem. Aus diesem lässt sich der Beladungsgrad des haben die Aufgabe, die Abgastemperatur an verschiedenen
Filters mit Ruß bestimmen. Bei entsprechender Beladung Punkten im Abgasrohr zu messen. Dabei unterscheiden sich
wird ein Regenerationszyklus eingeleitet. die Abgastemperatursensoren von anderen Temperatursen‑
Das Sensorelement des Differenzdrucksensors besteht aus soren im Wesentlichen im Messbereich und in der Dyna‑
einem ähnlichen Silizium-Chip wie beim Ladedruckfühler, mik. Wichtigste Einbaupositionen sind nach dem Oxida­
jedoch wirken die beiden Messdrücke – Druck vor und tionskatalysator (DOC – Diesel Oxydation Catalyst) sowie
nach PDF – jeweils auf eine Druckmembranseite. Das vor und hinter dem Dieselpartikelfilter (DPF). Der ATS
Differenz­drucksignal wird gebildet durch den Messdruck dient dabei sowohl zur Überwachung und Steuerung des
der Membran-Vorderseite abzüglich des Messdrucks auf der DPF als auch zum Bauteilschutz im Falle eines unkontrol‑
Membran-Rückseite. Druckän­derungen auf beiden Memb­ lierten Partikelabbrandes im Filter.
ranseiten führen zu einer geänderten Durchbiegung der Abgastemperatursensoren bestehen je nach Einsatzfall
Sensormembran und damit zu entsprechenden Widerstands­ und Messbereich aus keramischen Materialien, die einen
änderungen der Messwiderstände. Die Auswerteschaltung negativen Temperaturkoeffizienten aufweisen (NTC‑Kera‑
auf dem Chip verstärkt und wandelt die Widerstandsände‑ miken), aus Platin mit einem positiven Temperaturkoef­
rungen in ein Spannungssignal, das dem Steuergerät zuge‑ fizienten (PTC) oder aus Thermoelementen. Das sind
führt wird. ­mechanisch verbundene, metallische Drähte, die – basie‑
Der Raildrucksensor (RDS, Bild 6‑7, 5) misst den Kraft‑ rend auf dem Seebeck-Effekt – eine elektrische Spannung
stoffdruck im Verteilerrohr (Rail) des Common Rail Ein‑ liefern, wenn sie einem Temperaturgradienten ausgesetzt
spritzsystems. Der aktuellen Raildruck bestimmt die einzu‑ werden.
spritzende Kraftstoffmenge und dient der Raildruckregelung Der NOX-Sensor ist ein wichtiger Sensor für die Überwa‑
als Istwert. chung und Steuerung von NOX-Katalysatoren. Der NOX-
Das Sensorelement des Raildrucksensors besteht aus einer Sensor ist prinzipbedingt in der Lage, neben der Stickoxid­
Edelstahlmembran, auf der sich eine Widerstandsbrücke aus konzentration im Abgas auch den Lambdawert zu ermitteln.
Dünnschichtwiderständen befindet. Die Membranauslen‑ Er besteht aus einem Zwei-Kammer-Sensorelement. Das
kung bei maximalem Druck beträgt bei dieser Bauart nur Abgas gelangt durch eine erste Diffusionsbarriere in die
ca. 1 µm. Dennoch liefert die Widerstandsbrücke ein zwar erste Kammer, in der vergleichbar zum Lambdasensor der
kleines (10 mV), aber über die Sensorlebensdauer sehr sta‑ Sauerstoffgehalt ermittelt wird. Dabei wird der Sauerstoffge‑
biles und genaues Messsignal. Dieses wird in einer elektro‑ halt des in der Kammer befindlichen Abgases auf nahe null
nischen Schaltung verstärkt und zum Steuergerät geführt. reduziert. Das so aufbereitete Abgas gelangt über eine zweite
6.4 Diagnose    211

Diffusionsbarriere in eine zweite Kammer, in der durch eine worden. Die Entwicklung der Diagnose ist heute integraler
katalytische Reduktion dem Stickoxid der Sauerstoff entzo‑ Bestand­teil der Motor-, System- und Komponentenentwick‑
gen und gemessen wird. Das Prinzip dieser Sauerstoffmes‑ lung und berücksichtigt den gesamten Fahrzeuglebenszyklus
sung entspricht ebenfalls dem des Lambdasensors. von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Ser‑
Mit diesem Sensor kann sowohl die Steuerung der NOX- vice.
Katalysatoren (Regelung auf minimale NOX-Konzentration) Im Fahrbetrieb sind die wesentlichen Aufgaben der Über‑
als auch eine Überwachung der für die Einhaltung der wachung und Diagnose die Sicherstellung der Zuverlässig‑
Abgasemissionsgrenzwerte wichtigen Baugruppen (Schwell‑ keit und die Erfüllung der gesetzlichen Anfor­derungen,
wertüberwachung der NOX-Konzentration) realisiert wer‑ wohingegen im Schadensfall die schnelle Lokalisierung des
den. fehlerhaf­ten Bauteils im Vordergrund steht (Bild 6‑8).
Für zukünftige Abgasnachbehandlungskonzepte, wie Die Überwachung und Diagnose im Fahrbetrieb basiert
z. B. Partikelfilter und NOX-Katalysatoren werden weitere auf einer kontinuierlichen Funktionsüberwachung im
Sensoren erforderlich sein, die sowohl für den Betrieb als Motorsteuergerät und beinhaltet auch die gesetzlich vorge‑
auch zur Überwachung der Systeme eingesetzt werden. schriebene On Bord Diagnostic (OBD) der emissionsrele‑
Neben Abgastemperatur und Abgasdruck werden vor allem vanten Komponenten und Systeme.
spezifische Schadstoffanteile im Abgasstrom, wie z. B. Koh‑ Zusätzlich zu den Ergebnissen der Diagnose im Fahrbe‑
lenwasserstoffe, Stickoxide und Ruß von Bedeutung sein. trieb können in der Werk­statt spezielle Diagnosefunktionen
aufgerufen werden, die entweder im Motor­steuergerät oder
6.4 Diagnose im Diagnosetester verfügbar sind. Darüber hinaus unter‑
stützen auch zusätzliche Prüf- und Messgeräte die geführte
Die Diagnose des Dieselmotors ist auf Grund der immer hö‑ Fehlersuche im Schadensfall.
heren Anforderungen und der Zunahme der Komplexität
der zum Betrieb verwendeten Systeme immer wichtiger ge‑

Bild 6-8 Diagnose und Überwachung im Fahrbetrieb und Diagnose in der Werkstatt
212    6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

6.4.1 Diagnose im Fahrbetrieb auf die emissionsrelevanten Fehlerspeicherinformationen


erfolgt über die in jedem Fahrzeug gut zugängliche Diagnose­
Die Überwachung und Diagnose im Fahrbetrieb läuft ohne steckdose mit Hilfe eines geeigneten Scan-Tools, welches
Zusatzgeräte ab und gehört zum Grundumfang elektro‑ verschiedene Hersteller am Markt anbieten.
nischer Motorsteuerungssysteme. Erfüllen Fahrzeuge die gesetzlichen OBD-Forderungen
Sie teilt sich auf in das vom Gesetzgeber vorgeschriebene nicht, kann der Gesetz­geber auf Kosten des Fahrzeugher‑
OBD-System zur Überwachung von emissionsrelevanten stellers Rückrufaktionen anordnen.
Systemen und Komponenten und in weitere ggf. hersteller‑ 1996 wurde für Dieselmotoren mit der OBD II (CARB)
spezifische Prüfungen von nicht emissions­relevanten Grö‑ Gesetzgebung die zweite Stufe (erste Stufe 1988) in Kalifor‑
ßen. Beide Anteile nutzen hierzu die Selbstüberwachung des nien und vier weiteren US-Bundesstaaten einge­führt. Gefor‑
Steuer­gerätes, die Überwachung elektrischer Signale, Plausi‑ dert ist eine Überwachung aller emissionsrelevanten Syste‑
bilisierungen von Systemgrößen und die Prüfungen der me und Kompo­nenten, wobei eine für den jeweiligen Fahr‑
Funktionalitäten des Systems und der Kom­ponenten. Die betrieb ausreichende Überwachungs­häufigkeit (IUMPR)
dabei erkannten Fehler werden im Fehlerspeicher des Steuer­ der Diagnosefunktionen für die Typzulassung nachgewie‑
gerätes abgespeichert und können über eine serielle Schnitt‑ sen werden muss. Die OBD II-Grenzwerte sind relativ zu
stelle, i. Allg. herstellerspezifisch, ausgelesen werden. den gesetzlichen Emissions­grenzwerten definiert.
Teil der Überwachung und Diagnose im Fahrbetrieb ist In den übrigen US‑Bundesstaaten gelten seit 1994 die
die Sicherstellung eines beherrschbaren Systemzustands zur Gesetze der amerikanischen Bundesbehörde EPA (Environ‑
Vermeidung von Folgenschäden im erkannten Fehlerfall. mental Protection Agency). Der aktuelle Umfang dieser
Diese Fehlerersatzreaktionen steuern gegebenenfalls über Diagnose entspricht im Wesentlichen der CARB‑Gesetzge‑
Ersatzfunk­tionen/-werte einen Notlaufbetrieb oder in bung (OBD II).
schwerwiegenden Fällen ein Abstellen des Motors. Die auf europäische Verhältnisse angepasste OBD wird als
Zentrales Verwaltungselement der Diagnose im Fahrbe‑ EOBD bezeichnet und lehnt sich funktional an die EPA‑OBD
trieb ist das Diagnose-System‑Management (DSM). Das an. Seit 2003 ist die EOBD für Pkw und leichte Nkw mit Die­
DSM besteht aus der eigentlichen Fehler­abspeicherung, sel­motoren verbindlich. In Europa gelten absolute EOBD-
Algorithmen zur Fehlerentprellung und Fehlerheilung, der Emissions­grenzwerte.
Über­wachung der Prüfzyklen, einer Exklusivitätsmatrix zur
Vermeidung von Folgefehlereinträgen und der Verwaltung 6.4.3 Diagnose im Service (Werkstattdiagnose)
der Fehlerersatzreak­tionen.
Aufgabe der Diagnose in der Werkstatt ist die schnelle und
sichere Lokalisierung der kleinsten tauschbaren Einheit. Bei
6.4.2 OBD (On Board Diagnostic) modernen Dieselmotoren ist der Einsatz eines i. Allg. PC-
basierten Diagnosetesters unumgänglich.
Die vom Gesetzgeber geforderte Überwachung aller emis­
Die Diagnose in der Werkstatt nutzt hierbei die Ergeb‑
sionsrelevanter Kompo­nenten und Systeme muss im Fahrbe‑
nisse der Diagnose im Fahr­betrieb (Fehlerspeichereinträge)
trieb durch das Motorsteuergerät erfolgen. Die Überschrei‑
und setzt spezielle Werkstattdiagnosefunktionen im Steuer‑
tung eines OBD‑Emissionsgrenzwertes wird dem Fahrer
gerät oder Diagnosetester und zusätzliche Prüf- und Mess‑
über die Fehlerlampe im Kombiinstrument (MIL, Malfunc‑
geräte ein. Im Diagnosetester werden diese Diagnosemög‑
tion Indicator Lamp) angezeigt.
lichkeiten in der geführte Fehlersuche integriert.
Die Aktivierung der Diagnosefunktionen kann an
bestimmte Einschaltbedin­gungen und Exklusivitätsbedin‑
Geführte Fehlersuche
gungen geknüpft sein. Eine Überwachung der Einsatzhäu‑
figkeit (IUMPR, In Use Monitor Performance Ratio bzw. Wesentliches Element der Werkstattdiagnose ist die geführte
Readiness) wird ebenfalls gefordert. Fehlersuche. Der Werkstattmitarbeiter wird ausgehend vom
Verschwindet ein Fehler wieder („Heilung“), so bleibt der Symptom oder vom Fehlerspeicher­eintrag mit Hilfe eines er‑
Eintrag im Fehler­speicher noch für i. Allg. 40 Fahrzyklen gebnisgesteuerten Ablaufs durch die Fehlerdiagnose ge­führt.
(„warm up cycles“) eingetragen, wobei die MIL i. Allg. Die geführte Fehlersuche verknüpft hierbei alle Diagnose­
bereits nach drei fehlerfreien Fahrzyklen wieder aus­ möglichkeiten: Symptomanalyse (Fehlerspeichereintrag oder/
geschaltet wird. und Fahrzeugsymptom), Werkstatt-Diagnosefunk­tionen im
Die OBD‑Gesetzgebung schreibt eine Normung sowohl Motor-Steuergerät (MSG), Werkstatt-Diagnosefunk­tionen
der Fehlerspeicherinfor­mation als auch des Zugriffs darauf im Diagnosetester und in Zusatzprüfgeräten/-sensorik zu
(Stecker und Kommu­nikations­protokoll) vor. Der Zugriff einem zielgerich­teten Fehlersuchablauf (Bild 6‑9).
6.4 Diagnose    213

Bild 6-9 Diagnosevorgehen, Prinzip der geführten Fehlersuche

Symptomanalyse der Werkstatt an das Fahrzeug adaptiert. Die Bewertung der


Ein fehlerhaftes Fahrzeugverhalten kann entweder direkt Messergebnisse erfolgt i. Allg. im Diagnosetester.
vom Fahrer wahr­genommen werden und/oder durch einen
Fehlerspeichereintrag dokumentiert sein. Der Werkstattmit‑ Steuergerätbasierte Werkstattdiagnosefunktionen
arbeiter muss zu Beginn der Fehlerdiagnose das vorliegende
Symptom als Startpunkt der geführten Fehlersuche identifi‑ Diese im Steuergerät integrierten Diagnosefunktionen lau‑
zieren. fen nach dem Start durch den Diagnosetester vollständig
autark im Steuergerät ab und melden nach Beendigung das
Auslesen und Löschen der Fehlerspeichereinträge Ergebnis an den Diagnosetester zurück. Eine Parametrie‑
rung der Diagnosefunktionen mit Hilfe des Diagnosetesters
Alle während des Fahrbetriebs auftretenden Fehler werden ist vorgesehen und bietet die Möglichkeit einer Diagnosean‑
gemeinsam mit defi­nierten, zum Zeitpunkt des Auftretens passung auch nach der Markteinführung eines Fahr­zeugs.
herrschenden Umgebungsbedingungen gespeichert und
können über ein i. Allg. kundenspezifisches Schnittstellen­ Diagnosetesterbasierte Werkstattdiagnosefunktionen
protokoll ausgelesen werden. Der Fehlerspeicher kann mit
dem Diagnosetester auch ge­löscht werden. Der funktionale Ablauf, die Auswertung und die Bewertung
solcher Diagnose­funktionen erfolgen im Tester, wobei die
Zusätzliche Prüfgeräte und Sensorik zur Auswertung herangezo­genen Messdaten über das MSG
von im Fahrzeug vorhandenen Sensoren und/oder durch zu‑
Die Diagnosemöglichkeiten in der Werkstatt werden durch sätzliche Prüfsensorik ermittelt werden.
Nutzung von Zusatzsensorik, Prüfgeräten und externen Aus‑ Ein Höchstmaß an Flexibilität bieten dynamische Test‑
wertegeräten erweitert. Die Geräte werden im Fehlerfall in module, deren Struktur über Vorgabewerte durch den Dia­­
214    6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

gnosetester variabel einsetzbar ist. Die Koordination dieser – mehrerer miteinander kommunizierender Steuergeräte im
Funktionalität erfolgt im MSG über den sog. Testkoordina‑ Fahrzeugverbund,
tor. Die Messergebnisse der unterschiedlichen Sensoren – höherer Anzahl von Einspritzungen pro Arbeitstakt (Vor-,
können entweder in Echtzeit oder zwischengespeichert an Haupt- und Nacheinspritzung),
den Diagnosetester übertragen und dort bewertet werden. – von Abgasnachbehandlungssystemen mit neuen
Alle Werkstattdiagnosefunktionen können nur bei ange‑ An­forderungen an die motorische Basisabstimmung,
schlossenem Diagnose­tester und i. Allg. nur bei stehendem – höherer Anforderung durch die Emissionsgesetzgebung,
Fahrzeug genutzt werden. Die Überwachung der Betriebs‑ – gegenseitiger Beeinflussung der Applikationsdaten und
bedingungen erfolgt im Steuergerät. – Erweiterungen der Diagnostizierbarkeit.

6.5 Applikation Hierdurch steigt auch die Anzahl der zu applizierenden


Kennwerte, Kennlinien und Kennfelder weiterhin an.
6.5.1 Bedeutung der Applikation
6.5.2 Applikationssysteme
Wie in den vorigen Abschnitten bereits beschrieben wurde,
ergeben sich durch die direkte Ansteuerung elektronischer Um die Applikationsaufgabe erfüllen zu können werden Sys­
Stellglieder über die elektronischen Motor­steuergeräte teme eingesetzt, die es dem Applikationsingenieur ermögli‑
Chancen, die motorische Basisabstimmung, das Fahrverhal‑ chen, über elektronische Schnittstellen zum Motorsteuerge‑
ten und die Emissionsoptimierung an die jeweiligen Be‑ rät die internen Signale zu messen und gleichzeitig die freien
triebsbedingungen optimal anzupassen, wie zum Beispiel Applikationsdaten zu verstellen. Die Benutzeroberflächen
beim Kaltstart und Kaltlauf sowie bei extremer Hitze oder der Applikations­systeme erlauben mittels Beschreibungs‑
Höhe. dateien die Messsignale und Appli­kationsdaten auf Imple‑
Der Begriff Applikation oder Kalibrierung bezeichnet die mentierungsebene, auf physikalischer Ebene oder auch in
Aufgabe (oder den Prozess), die im elektronischen Steuerge‑ grafischer Form darzustellen und zu verändern. Weiterhin
rät programmierten Funktionalitäten an die individuelle werden die vorhan­denen internen Größen der Motorsteue‑
Hardware, den gewünschten Vorgaben entsprechend, anzu‑ rung durch die Auswertung von Signalen über instrumen‑
passen. Dies bedeutet letztendlich unter Verwendung von tierte Zusatzmesstechnik ergänzt und zur Lösung der
Sensoren und elektronischen bzw. elektromechanischen Applikations­aufgabe herangezogen.
Stellern dem Fahrzeug mit seiner Motor-Getriebe-Kombi‑ Bei der Arbeitsweise mit Kalibriersystemen kann generell
nation das entsprechende Fahrverhalten (Motorleistung, zwischen Offline- und Online-Kalibrierung unterschieden
Drehmoment­charakteristik, Verbrennungsgeräusch, Lauf­ werden. Bei der Offline-Kalibrierung wird die Ausführung
ruhe, Ansprechverhalten) zu verleihen. Außerdem müssen der Steuerungs-, Regelungs- und Überwachungsfunktionen
die gesetzlich geforderten Emissionsgrenzen erfüllt und die des sog. Fahrprogramms während der Änderung oder Ver‑
Eigendiagnosefähigkeit des Systems in geeigneter Form stellung der Parameterwerte unterbrochen. Dies wirkt sich
sichergestellt werden. nachteilig auf den Kalibrierprozess insbesondere beim Ein‑
Um diese Ziele zu erreichen sind eine Vielzahl von Kenn‑ satz an Prüfständen oder in Fahrzeugversuchen aus, da
werten, Kennlinien, Kennfeldern, sog. Applikationsdaten, diese dazu unterbrochen werden müssen.
zu applizieren (kalibrieren). Bei der Online-Kalibrierung sind während des Kalibrier‑
In modernen Motorsteuerungen werden hierbei über prozesses die Steuerungs-, Regelungs- und Überwachungs‑
10.000 verschiedene Applikationsdaten während des Anpas‑ funktionen aktiv. Somit können die Auswirkungen der vor‑
sungsprozesses bearbeitet und stehen dem Ingenieur über genommenen Veränderungen direkt im Fahrzustand beur‑
das Applikations­system (Kalibriersystem) frei parametrier‑ teilt und der Kalibrierprozess effektiver abgearbeitet werden.
bar zur Verfügung. Die Applikation findet im Labor, an Die Online-Kalibrierung stellt jedoch höhere Anforde‑
Motor- und auf Fahrzeugprüf­ständen sowie unter realen rungen an das Kalibriersystem und die Stabilität der ver‑
Umgebungsbedingungen auf Teststrecken statt. Nach wendeten Steuerungs-, Regelungs- und Überwachungs‑
Abschluss dieses Prozesses werden für den Serieneinsatz die funktionen, da das Fahrprogramm während des Verstellvor‑
ermittelten Daten umfangreich geprüft und in Festwertspei‑ ganges durch das Werkzeug auch für eventuell auftretende
cher wie EPROM oder Flash schreib­geschützt abgelegt. Ausnahmesituationen, z. B. verursacht durch Unstetigkeiten
Das Verständnis der Zusammenhänge bei der Durchfüh‑ bei der Stützstellenverteilung, robuster ausgelegt sein muss.
rung der Applikation wird immer anspruchsvoller. Die Ursa‑
che dafür ist die steigende Systemkom­plexität aufgrund:
6.5 Applikationen    215

6.5.3 Applikationsprozess und Methoden Das Ziel der statistischen Versuchsplanung ist es, die Anzahl
der Applikation der zu vermessenden Betriebspunkte massiv zu reduzieren
und für repräsentative Betriebszustände die jeweiligen loka‑
Im Applikationsprozess müssen die unterschiedlichsten Auf‑ len Modelle anhand möglichst weniger Parametervaria­tionen
gaben gelöst werden. Die verwendeten Methoden und Hilfs‑ zu bestimmen. In den repräsentativen Betriebspunkten wer‑
mittel richten sich nach der Art und der Komplexität der den die einflussreichsten Parameter variiert und deren Be‑
Aufgabe sowie der Häufigkeit der Anwendung während des deutung auf Emissionen, Verbrauch, Leistung, Abgastempe‑
Projektfortschrittes. ratur, Geräusch, Verbrennungsdruckanstieg und Zylinder‑
Die erste Aufgabe besteht darin, die Sensoren und Steller druck gemessen.
so zu kalibrieren, dass die im Motorsteuergerät berechneten Wiederholungsmessungen und „Auffüllpunkte“ sowie
physikalischen Messgrößen bzw. die physikalischen Stell‑ Messpunkte im Grenz­bereich dienen der Ermittlung der
größen möglichst genau mit den echten gemessenen Werten analytischen, lokalen Motormodelle, der Beurteilung der
am Motor bzw. im Fahrzeug übereinstimmen. Hierbei wer‑ statistischen Aussagefähigkeit der Ergebnisse, der Beurtei‑
den die besonderen Eigenschaften der Sensoren und Steller, lung des Modellfehlers und einer größeren Sicherheit gegen‑
die Einflüsse durch die Einbauver­hältnisse, die Auswerte‑ über Messfehlern.
schaltung und die Abtastraten im elektronischen Steuergerät Entscheidend für die Qualität der Modelle sind auch die
berücksichtigt. Validiert wird die Applikation durch Referenz­ Reproduzierbarkeit der Messergebnisse sowie ein sicheres
messungen mit externer Sensorik. Erkennen von Ausreißern. Während des gesamten Messpro‑
Regelungstechnische Funktionen bestehen aus der Soll‑ zesses dürfen die durchgeführten Parametervariationen die
wertvorgabe, der Istwertermittlung, dem eigentlichen Regler motorischen und bauteilspezifischen Grenzen, wie zum
und der Stellgliedansteuerung. Anwendungsbeispiele hier‑ Beispiel der zulässige Zylinderdruck oder die maximale
für sind die Ladedruck-, Raildruck-, Fahrgeschwin­digkeits- Abgastemperatur, nicht überschritten werden.
oder Leerlaufregelung. Die Sollwertvorgaben werden ent‑ Anhand der ermittelten Modelle werden stationär die
sprechend dem jeweiligen Betriebszustand, z. B. kalter/ optimalen Parameter für die Kalibrierung der Kennfeld‑
warmer Motor, den herrschenden Umgebungsbedingungen strukturen im Motorsteuergerät ermittelt. Da die Daten nur
und dem Fahrerwunsch angepasst. Die Auslegung der Reg‑ in einem groben Raster anhand einiger ausgewählter
ler erfolgt über die Streckenidentifikation (z. B. Ermittlung Betriebspunkte ermittelt worden sind, müssen die notwen‑
des Frequenzganges), Modellbildung der Regelstrecke und digen Zwischenbereiche über Interpolationsroutinen
der Anwendung von Reglerentwurfsverfahren (z. B. Bode­ be­rechnet werden. Die Kalibrierung erfolgt hier i. d. R. off‑
diagramm, Ziegler-Nichols, Polvorgabe). Eine anschlie‑ line. Das erzielte Ergebnis muss dann noch im stationären
ßende Überprüfung der Stabilität und der Regelgüte des Betrieb am Motorprüfstand und im dynamischen Betrieb
Regelkreises findet im Praxisbetrieb und unter Extrembe‑ am Fahrzeug validiert und dokumentiert werden.
dingungen statt. Der Stabilität ist im Hinblick auf Alterungs‑ Die bislang durchgeführten Applikationsaufgaben gehen
prozesse der Regelstrecke eine ganz besondere Bedeutung von mittelwertig liegenden Komponenten aus. Um die
zuzumessen. Die Simulation von Extremzuständen wird ermittelten Daten für einen Serieneinsatz zu bestätigen, ist
benutzt, um die Robustheit der bereits optimierten Systeme es zusätzlich erforderlich, den Einfluss von Exemplarstreu‑
zu ermitteln bzw. zu verbessern. ungen zu beurteilen. Dies kann entweder über ein Vertrim‑
Für die motorische Basisabstimmung hat die statistische men von Sensor- und Stellerkenn­linien simuliert oder über
Versuchs­planung DOE (Design of Experiments) die kom‑ entsprechend vorbereitete Versuchsmuster experimen­tell
plette Rastervermessung ersetzt. Ursache hierfür ist die erprobt werden. Weiter besteht die Möglichkeit über intelli‑
drastisch zunehmende Komplexität der Optimierungsauf‑ gente Korrektur­funktionen Bauteiletoleranzen auszuglei‑
gaben aufgrund chen oder eine Drift zu korrigieren, so dass das applizierte
– der stetig zunehmenden Anzahl frei wählbarer Parameter System gegen Bauteilealterungen noch robuster wird, um
(z. B. Zeitpunkte und Mengenzumessung der Vor-, Haupt- negative Auswirkungen auf Fahrverhalten und Emis­sionen
und Nacheinspritzung, Raildruck, AGR-Rate, Ladedruck) zu vermeiden. Ein Beispiel hierfür ist die zylinderspezifische
und Korrektur der Einspritzmenge um eine hohe Laufruhe des
– der zunehmenden Anzahl vielschichtiger Optimie­rungs­ Motors zu erreichen.
kriterien und Betriebszuständen des Motors (z. B. Fett­ Motor- und Getriebeschutzfunktionen sorgen dafür,
betrieb, Magerbetrieb, Regeneration des Partikelfilters, dass zum Beispiel das maximale Drehmoment und die
Homogenbetrieb). maximal zulässige Motorbetriebstemperatur auch unter
Extrembedingungen (Hitze, Kälte, Höhe, Hochlastbetrieb)
216    6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme

nicht überschritten werden. Diese Funktionen werden auf unterstützen verschiedene Tools (Datenbank­systeme) den
Versuchsfahrten unter den o. g. Bedingungen oder klimati‑ Applikationsingenieur.
sierten Fahrzeugprüfständen appliziert und validiert. Aufgrund der zunehmend kürzer werdenden Entwick‑
Eine immer größere Bedeutung gewinnt die Applikation lungszeiten und der steigenden Komplexität gewinnt die
der Diagnoseumfänge der Motorsteuerung. Speziell ent‑ Entwicklung von verbesserten methodischen Ansätzen zur
wickelte Funktionen ermöglichen es dem Service defekte Applikation immer stärkere Bedeutung. Verfeinert werden
Bauteile zu ermitteln und eine geführte Fehlersuche durch‑ beispielsweise die Methoden zur automatischen Kalibrie‑
zuführen. Für die Applikation dieser Umfänge wird der im rung von Systemen, der Einsatz von „Hardware in the Loop-
gesamten Entwicklungsprozess gewonnene Erfahrungs‑ Systemen“ in der Applikation und die effizientere Ermitt‑
schatz herangezogen und fließt in die Kalibrierung ein. In lung von Parametriermodellen unter Berücksichtigung von
der Diagnoseapplikation wird ebenfalls festgelegt, welche dynamischen Vorgängen.
Ersatzreaktionen bei einem defekten Bauteil auszuführen
sind. Auslegungskriterien sind hier Fahrzeugsicherheit, Literatur
Schutz von Komponenten, Vermeidung von Folgefehlern
oder unerwünschten Folgereaktionen. 6-1 Robert Bosch GmbH: Gelbe Reihe. Technische Unter‑
Aufgrund der hohen Anzahl von Applikationsdaten, der richtung. Motorsteuerung für Dieselmotoren. 2. Aufl.
Aufgabenteilung zwischen den Fahrzeugherstellern, den S. 52–97
Zulieferern und Applikationsdienstleistern, der hohen 6-2 Moore, G. E.: Cramming more components onto inte‑
Anzahl von Datensatzvarianten (Fahrzeug-, Motor-, Getrie‑ grated circuits. Electronics 38 (1965) 8
be- und Emissionskombinationen) und des Simultaneous
Engineering von Komponenten, Software-Funktionen und Weiterführende Literatur
der Applikation selbst ist ein effizientes und wissensbasier‑
tes Datenmanagement zum Erreichen der definierten Ziele Robert Bosch GmbH: Dieselmotor-Management. 4. Aufl.
unbedingt erforderlich. Um dies effizient und unter den Wiesbaden: Vieweg 2004
bestehenden Qualitätsan­forderungen zu bewerkstelligen
Teil II Zur Konstruktion
von Dieselmotoren

7 Belastung von Motorbauteilen . . . . . . . . . . . . . . . . 219


8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung
des Triebwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
9 Motorkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
10 Werkstoffe und ihre Auswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
7 Belastung von Motorbauteilen

7.1 Mechanische und thermische gezielt angewendete mechanische oder chemo-thermische


Bauteilbelastung Oberflächenbehandlung wie Kugelstrahlen, Walzen, Nitrie-
ren, Einsatzhärten o. ä. eingebracht. Die Ermittlung dieser
Beanspruchungsgrößen ist jedoch schwierig und nicht
7.1.1 Mechanische Bauteilbelastung
immer machbar, zudem erschweren mögliche Spannungs-
Die Ermittlung der wirksamen Lasten im Dieselmotor ist für umlagerungen im späteren Motorbetrieb die Bewertung im
die Auslegung der einzelnen Motorkomponenten und Bau- Hinblick auf die Bauteilsicherheit.
gruppen von entscheidender Bedeutung. Die Bestimmung
der Beanspruchung ist dabei eine wichtige Voraussetzung für Thermische Belastung
die Dimensionierung der Bauteile. Sie bildet die Grundlage
bei der Bestimmung der geometrischen Abmessungen, des Die thermische Belastung ist relevant für Bauteile, die an den
zu verwendenden Werkstoffs oder auch des anzuwendenden Brennraum an­grenzen [7-2] sowie für diverse Verrohrungen
Fertigungsverfahrens. Damit kommt der Belastungsanalyse und den Abgasstrang. Die Aufheizung dieser Bauteile erfolgt
im Entwicklungsprozess eine wichtige Rolle bei der Kosten- durch die während eines Arbeitsspieles stark schwankende
und Kapazitäts­abschät­zung zu und bestimmt wesentlich die Gastemperatur. Aus Bild 7‑1 geht hervor, dass bei Dieselmo-
Zuverlässigkeit des Dieselmotors. toren kurzzeitig hohe Spitzentemperaturen erreicht werden.
Bei der Beanspruchungsanalyse muss zwischen unter- Diese Temperatur­schwankung wird allerdings infolge der
schiedlichen Belastungs­arten unterschieden werden, da Trägheit des Wärmeüber­gangs an der Bauteiloberfläche
diese in ihrer Auswirkung verschieden sind. Im Wesent- praktisch nicht wirksam, wobei hier auch die isolierende
lichen wird zwischen drei Belastungsarten unterschieden. Wirkung von Rußschichten eine große Rolle spielt. Die in
Bauteilen auftretenden Temperaturfelder können demnach
Statische Belastung häufig als quasi-stationär betrachtet werden, d. h. bei unver-
änderter Motorbelastung ändern sich auch die Tempera­
Eine statische Vorbelastung in beachtenswerter Größe turfelder nicht. Dies gilt ausdrücklich nicht bei thermischen
kommt bei Motoren durch Schraubenanzugskräfte zustande, Belastungen, die aus An- und Abstellvorgängen entstehen.
da entsprechend dem konstruk­tiven Aufbau die einzelnen In allen Brennraumbauteilen stellen sich wegen der Wär-
Baugruppen eines Dieselmotors in aller Regel durch meleitung Temperatur­felder ein, die von der beheizten
Schraubenver­bindungen zusammengefügt werden. Hiermit Oberfläche in Richtung der gekühlten Ober­fläche die größ-
zusammenhängende Dimensio­nierungsfragen werden ten Temperaturgradienten aufweisen. Die dadurch entste-
i. Allg. auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 2230 [7‑1] be- henden Temperatur­unterschiede erzeugen entsprechende
handelt. Auch Presspassungen (z. B. bei thermisch oder hy- Wärmedehnungen und damit auch Wärme­spannungen. Die
draulisch gefügten Bauteilen) führen zu statischen Bean- absolute Höhe der Temperatur hat dabei einen Einfluss auf
spruchungen. die ertragbaren Spannungen (temperaturabhängige
In manchen Beanspruchungskonzepten werden darüber Werkstoff­festigkeiten), aber auch auf die Höhe der auftre-
hinaus auch Eigen­spannungen als statische Belastung inter- tenden Spannungen.
pretiert. Diese können aus dem Herstellverfahren (z. B. Die Bewertung der thermischen Beanspruchung kann
Guss- oder Schmiedeverfahren, Schweißprozess, Bearbei- zum einen durch eine Interpretation als quasi-statische Last
tungsverfahren) entstehen, oder sie werden durch eine erfolgen, sie findet dann häufig in der Mittelspannung ihre
220    7 Belastung von Motorbauteilen

Berücksichtigung. In anderen Fällen kann es jedoch nötig ein Resonanzfall vor­liegt. Beanspruchungsrelevante Reso-
werden, die thermische Belastung als zeitlich wechselnde nanzzustände sind hauptsächlich bei Bauteilen mit nied-
Last zu bewerten. Dies gilt insbesondere dann, wenn in rigen Eigen­frequenzen zu befürchten, da die schädigenden
Bauteilen Spannungen auftreten, die infolge behinderter Resonanzamplituden zu höheren Eigenfrequenzen hin
Ausdehnung zu einer bleibenden Verformung (örtliche schnell abklingen. Betroffen sind häufig Anbauteile wie
Plastifi­zierung) führen. Hier müssen zur Bewertung ent- Verrohrungen oder Verschalungen, aber auch die Auflade-
sprechende Low-Cycle-Konzepte herangezogen werden. gruppe oder Pumpen. Dabei spielt neben der Resonanzlage
noch die jeweilige Eigendämpfung eine Rolle, die eine Grö-
Dynamische Belastung ßenordnung von 1 bis 10% annehmen kann.
Weitere dynamische Bauteilbelastungen resultieren aus
Eine wesentliche Ursache für eine zeitlich wechselnde me- den Massenkräften infolge der Triebwerksdynamik [7-3].
chanische Belas­tung ist der veränderliche Gasdruck im Zy- Zu unterscheiden ist zwischen den rotierenden Massen, die
linder (Bild 7‑1), mit dem die Brennraum­bauteile wie Kol- rotatorische Massenkräfte (Fliehkräfte) hervorrufen, und
ben, Zylinderkopf oder Zylinderlaufbuchse unmittelbar be- den mit der Kolbenbewegung oszillierenden Massen, die
aufschlagt werden. Die eingeleiteten Gaskräfte werden über oszillierende Massenkräfte erzeugen. Auch diese können
anschließende Bauteile weitergeleitet, so dass vom Gasdruck schwingungsanregend wirken (s. Abschn. 8.2). Fliehkräfte
erzeugte Belastungen letztlich in allen Bauteilen eines Diesel- ergeben bei konstanter Drehzahl für das Bauteil eine sta-
motors nachweisbar sind. Um die an einem diskreten Teil tische Belastung. In Bauteilen, die aus einer Fliehkraftbelas­
angreifenden Belastungen bestimmen zu können, ist es not- tung resultierende Reaktionskräfte aufnehmen müssen,
wendig, Kraftfluss und Kräftegleichgewicht innerhalb des können jedoch Schwingkräfte entstehen. Zum Beispiel
Motors zu betrachten. induzieren Fliehkräfte in der Kurbelwelle durch Unwucht-
Aus dem maximalen Gasdruck (Zünddruck) folgt die wirkung und Strukturverformung eine Schwingbelastungen
maximale Gaskraft, die für viele Bauteile eine wesentliche im Lager und damit im Motorgehäuse. Im Hinblick auf die
Dimensionierungsgröße darstellt. Diese verein­fachende Bauteil­beanspruchungen durch Massenkräfte gilt Ähnliches
quasi-statische Betrachtungsweise ist dann nicht mehr wie bei den Gaskräften, d. h. bei bestimmten Bauteilen ist
zulässig, wenn die elastischen Bauteile zu Schwingungen eine quasi-statische Dimensionierung aufgrund maximaler
angeregt werden. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn Massenkräfte ausreichend, während bei anderen die zusätz-
Bauteile Eigenfrequenzen aufweisen, die durch starke har- liche Schwingungs­anregung speziell auch für Resonanzfälle
monische Anteile der Gaskräfte angeregt werden, d. h. wenn zu berücksichtigen ist.

Bild 7-1
Zeitlicher Verlauf des Gasdruckes (Kur-
ve a) und der gemittelten Gastempe-
ratur (Kurve b) bei einem mittel-
schnelllaufenden Viertaktmotor
7.1 Mechanische und thermische Bauteilbelastung    221

Abschließend sei noch kurz die Stoßdynamik erwähnt. Das wichtigste Messverfahren zur Spannungs­analyse ist
Diese tritt z. B. beim Aufsetzen der Ventile auf den Ventil- im Motorenbau die Messung mit Dehnungsmessstreifen
sitz oder beim Schließen der Einspritzdüsen­nadel auf und [7‑5]. Es werden dabei lokale, spannungs­proportionale Bau-
kann hohe Beanspruchungen mit stark schädigender Wir- teildehnungen erfasst, die durch die statische und dyna-
kung im Hinblick auf die Bauteilfestigkeit oder -verschleiß mische Belastung des zu messenden Bauteiles entstehen.
induzieren. Durch die vielfach verwendete 3-Leiter-Messtechnik kön-
Für die globale Schwingungsbeanspruchung ist neben der nen sowohl die Dehnungsamplitude als auch Mitteldeh-
Gas- und Massenkraft­verläufe der einzelnen Zylinder auch nungen erfasst werden. Auf diese Weise können neben den
das Zusammenwirken der einzelnen Zylinder zu beachten. dynamischen Anteilen auch quasi-statische Beanspru-
Dies führt zu einer von der Zündfolge abhängigen Phasen­ chungen wie z. B. wärmeaus­dehnungs­bedingte Spannungen
ver­schiebung innerhalb eines Arbeitsspieles mit entspre- im Bauteil ermittelt werden. Diese Messtechnik hat heute
chenden Auswirkungen z. B. auf die Torsionsbean­spru- einen Stand erreicht, der Messungen auch unter schwie­rigen
chung der Kurbelwelle oder auf das Verhalten des Gesamt- Bedingungen erlaubt, z. B. bei wasserumspülten Oberflä-
motors. chen, hohen Oberflächentemperaturen oder bei der Mess-
wertübertragung von bewegten Bauteilen (Bild 7‑2).
7.1.2 Bauteilbeanspruchung Um ein Höchstmaß an Sicherheit bei der Ermittlung der
Bauteilbeanspruchung zu gewährleisten, ist der kombinierte
7.1.2.1 Allgemeine Zusammenhänge Einsatz von Berechnungs- und Messmethoden (sofern von
der Zugänglichkeit und den Größenverhältnissen her mög-
Die Verfahren zur Ermittlung der Beanspruchung in einem lich) erforderlich. So können Theorie und Praxis zu einer
Bauteil oder einer Baugruppe lassen sich prinzipiell in Be- ganzheitlichen Sichtweise zusammengeführt werden und
rechnungsverfahren und Messverfahren unterteilen. sich damit in hervorragender Weise ergänzen.
Ein gebräuchliches Berechnungsverfahren zur Bestim-
mung von Spannungen ist die klassische Festigkeitstheorie 7.1.2.2 Beanspruchung ausgewählter Motorbauteile
für Wellen, Schrauben, Rohre usw. Mit diesen Methoden
lassen sich mit relativ geringem Aufwand vielfach ausrei- Pleuel eines mittelschnelllaufenden Dieselmotors
chende Ergebnisse für den Festigkeitsnachweis erzielen.
Generell ist der Einsatz analytischer und/oder empirischer Typisch für die Pleuel eines Motors ist, dass im Hinblick auf
Berechnungsmethoden im Bereich der Bauteilauslegung die Festigkeit nur die mechanischen Belastungen relevant
weit verbreitet und ist vor allem für erste Entwürfe, Varian­ sind. Die Bauteiltemperaturen liegen im Bereich der Öltem-
tenrechnungen und Voroptimierungen gut geeignet. Die peratur und weisen nur geringe Gradienten auf. Damit spie-
Ergebnisgrößen sowie deren Genauigkeit sind jedoch häufig len sie weder für die Festigkeitskennwerte noch für die Bean-
eingeschränkt gültig, da sich wichtige Eingangsdaten wie spruchung eine Rolle. Die Hauptbeanspruchungen in einem
Strukturelastizität, nichtlineares Material- und Kontaktver­ Pleuel werden durch die maximale Gaskraft im Zünd-OT
halten meistens nicht allgemein berücksichtigen lassen. Um („Stauchen“) und im Gaswechsel-OT durch die Massenkraft
die volle Komplexität der Randbedingungen und Bauteilge- des Kolbens bzw. des Pleuels selbst („Ziehen“) hervorgeru-
ometrien in die Beanspruchungs­berech­nungen zu integrie- fen. An einigen Auswerte­punkten sind die maximalen Span-
ren, wird vor allem die Finite-Elemente-Methode (FEM) nungen nicht einer OT-Stellung des Pleuels zuzuordnen. So
[7‑4] eingesetzt. Die damit gewonnenen Aussagen weisen kann z. B. die Querbiegung für manche Punkte (z. B. für die
ein Höchstmaß an Ergebnisgüte und -vielfalt auf. Die Pleuelschrauben) bestimmend sein. Bei manchen Pleuelkons­
Anwendung dieses Verfahrens ist jedoch im Konstruktions- truktionen können sogar Eigenfrequenzen eine Rolle spielen.
prozess vergleichsweise aufwändig und damit zeitintensiv. Werden diese durch entsprechende Erregerfrequenzen (z. B.
Um die Randbedingungen für diese Rechnungen adäquat aus dem Gasdruckverlauf) angeregt, so kann dies allein zum
erfassen zu können, finden immer häufiger Kopplungen zu Versagen des Bauteils führen. Immer häufiger müssen auch
Mehrkörpersimulationsprogrammen (MKS), Strömungs- die Relativbe­wegungen zwischen den einzelnen Bauteilen
programmen (CFD) oder Lagerberechnungsprogrammen (z. B. zwischen Lagerkörper und Lagerschale) eingehend un-
(HD‑/EHD) statt. Auf diese Weise kann eine gesamte Funk- tersucht werden. Ein unzulässiges Maß an Relativ­bewegung,
tionsgruppe wie z. B. der Kurbeltrieb, Wellenstrang oder verbunden mit hohen Pressungsanteilen, kann zu einer mas-
Brennraum simuliert werden. Am Ende dieser Entwicklung siven Schädigung der Kontaktfläche und so zu einer Absen-
steht als Ziel die durchgängige Modellbildung des Gesamt- kung der Dauerfestigkeit führen. Die Beanspruchungser-
systems „Dieselmotor“. mittlung eines Pleuels ist somit eine umfangreiche Aufgabe
222    7 Belastung von Motorbauteilen

Bild 7-2
Typische Dehnungsmessstreifen-Ap-
plikation mit drahtloser induktiver
Übertragung, hier an einer Wasser-
pumpenwelle (Drehmomentmes-
sung)

und muss vorzugsweise durch Anwendung aller zur Verfü- wasserströmung nötig. Dies bedeutet einen hohen, häufig
gung stehenden rechnerischen und experimentellen Metho- nicht realisierbaren Zeit- und Kostenaufwand. Manche Vor-
den gelöst werden. gänge wie z. B. eine Spritzölkühlung lassen sich zudem
kaum vorausberechnen. Daher ist eine Vielzahl von Annah-
Brennraumbegrenzende Bauteile men bei der Definition der Randbedingungen nötig. Auch
Alle den Brennraum umschließenden Bauteile werden durch das schwierig zu erfassende Kontaktverhalten (Rutschvor-
den Gasdruck und die Wärmebeaufschlagung hoch belastet. gänge, Wärmeleitung) in einer thermisch belasteten Bau-
Zusätzliche Belastungen durch Massenkräfte sind außerdem gruppe kann sich verschlechternd auf die Ergebnisqualität
am Kolben und an den Gaswechselventilen zu beachten. auswirken.
Hinzu kommt die Forderung, dass die brennraumseitigen Bild 7-3 zeigt das FEM-Modell, das zur Temperaturfeldbe-
Oberflächen auf einem Temperaturniveau gehalten werden rechnung und der darauf aufbauenden Strukturanalyse einer
müssen, bei dem die Festigkeit des Werkstoffes noch nicht Zylinderbuchse benötigt wird. Als weitere Beanspruchungs-
unzulässig beeinträchtigt wird. größen sind Spannungen aus der Vorspannkraft der Zylinder-
Bei großer Wärmebelastung infolge des Verbrennungs- kopfschrauben sowie aus dem Gasdruck zu berücksichtigen.
vorganges helfen dünne Wanddicken die brennraumseitige Die in Bild 7-4 dargestellte Temperaturverteilung im
Oberflächentemperatur zu senken und gleich­falls – infolge Stahl-Oberteil eines gebauten Stahlkolbens, der Kolbenkro-
des geringen Wand-Temperaturgefälles – die thermischen ne, zeigt deutlich, dass hier die höchste Temperaturbelas­
Span­nungen abzubauen; möglicherweise ist aber dadurch tung und der höchste Temperaturgradient auftreten. Daher
die Konstruktion nicht widerstandsfähig gegenüber hohen kommt hier der Ermittlung der auftretenden Wärmespan-
Verbrennungsdrücken. nungen sowie dem Einfluss auf die Festigkeitskennwerte
All diese Umstände führen letztlich dazu, dass Brenn- eine große Bedeutung zu. Im Unterteil dominieren die
raumbauteile für den Motorenentwickler deutlich schwie- mechanischen Belastungen aus den Gas- und Massenkräf-
riger zu beherrschen sind als andere Bauteile. Schon bei der ten. Vor allem bei größeren Dieselmotoren spielt auch die
Wahl geeigneter Randbedingungen sind intensive Vorunter­ Kolbensekundärbewegung eine wichtige Rolle bei der Bean-
suchungen z. B. des Verbrennungsvorgangs oder der Kühl- spruchung des Kolbenhemds.
7.1 Mechanische und thermische Bauteilbelastung    223

Bild 7-3 FEM-Modell einer Zylinderbuchsenberechnung für einen Großdieselmotor mit Detaildarstellung des Buchsenbundes und Stützrings

Gaswechselventil mit Antrieb nigung, Bauteilmassen und Ventilfederkräfte zu Grunde


gelegt. Mit diesem Ansatz lässt sich die häufig systembe-
Bei dieser Baugruppe spielen neben Gaskräften und ther- stimmende Ventil­triebsdynamik nicht erfassen.
mischen Belastungen am Ventilkegel vor allem die Massenkräfte Aus diesem Grund werden bei Bedarf Mehrkörpersimu-
eine entscheidende Rolle. Die Hubkurve des Ventils ist durch lationen eingesetzt, bei denen zusätzlich die Strukturelastizi-
den Nocken vorgegeben. Die sich daraus ergebenden Beschleu- tät, die Systemdämpfung, die Kontakt­steifigkeiten und die
nigungen erzeugen in allen Bauteilen (Stößel, Stoßstange, Spiele berücksichtigt werden können [7-6]. Diese Modellbil-
Kipphebel, Ventilfeder, Ventil) erhebliche Massenkräfte. Wich- dung ist zwingend notwendig, wenn z. B. der Ladungswech-
tigste Voraussetzung für die einwandfreie Funktion des Ventil- sel durch steilere Flanken der Hubkurve und größere Ventil-
triebs ist, dass die Ventilfederkraft zu jedem Zeitpunkt größer durchmesser verbessert werden soll, was sich durch Anhe-
ist als die entgegengesetzt wirkenden Massenkräfte. Nur dann ben der Beschleunigungen und Vergrößerung der Ventil-
werden Kontaktverluste zwischen den Teilen des Antriebes masse in zweifacher Hinsicht auf die Höhe der Massenkräfte
z. B. durch Abheben des Stößels vom Nocken und damit hohe auswirkt. Bild 7‑5 zeigt exemplarisch einen so berechneten
Stoßkräfte im gesamten System vermieden. Stoßstangenkraftverlauf, der mit sehr guter Genauigkeit
In einem ersten Schritt lässt sich die Ventiltriebskinema- dem gemessenen Verlauf entspricht.
tik mit analytischen Mehrmassenmodellen berechnen, dabei Bei der Auslegung des Ventiltriebs ist eine Beanspru-
werden jedoch im wesentlichen nur Hubverlauf, Beschleu- chungsanalyse notwendig, um die im Ventilschaft und am
224 7 Belastung von Motorbauteilen

Bild 7-4
FEM-Modell eines gebauten Kolbens
mit rechnerisch ermittelter Tempera-
turverteilung

Bild 7-5
Messungs-/Rechnungsvergleich eines
typischen Stoßstangenkraftverlaufes
7.1 Mechanische und thermische Bauteilbelastung    225

Ventilteller auftretenden Spannungen zu ermitteln. Diese Dieses Verhältnis ist gleichbedeutend mit dem Sicherheits-
kann durch entsprechende Simulationen erfolgen, dabei beiwert des Bauteiles.
sind die Gasdruck­beanspruchung bei geschlossenem Ventil Bei sehr vielen Dieselmotorenbauteilen sind die maxima-
sowie das Aufsetzen auf den Sitz entscheidende Randbedin- len Wirkspannungen durch die Gas- bzw. Massenkräfte
gungen. Auch hier ist jedoch (sofern machbar) eine mess- gegeben. Die Anzahl der Belastungs­zyklen eines Bauteiles
technische Absicherung der Ergebnisse dringend anzuraten, erreicht dabei nach relativ kurzen Betriebszeiten Werte in
da die Beanspruchung starken Streuungen unterworfen ist der Größenordnung von über 106 Lastwechsel, so dass eine
(Bild 7-6). Ursächlich dafür sind die freien Biegeschwin- Bemessung auf Dauerfestigkeit notwendig ist [7-7]–[7-9].
gungen während der Öffnungsphase, die spielbe­haftete Geht man z. B. bei einem Lkw-Motor von einer Lebens­
Ventilführung sowie eine eventuelle Drehung des Ventils. dauer von 20000 Stunden aus, so muss das Motorgehäuse in
Dadurch sind die Aufsetzbedingungen auf dem Ventilsitz dieser Zeit ca. 109 Belastungszyklen durch die maximale
nie eindeutig festgelegt und unterliegen somit stochas­ Gaskraft ohne Dauerbruch ertragen. Den hochfrequenten
tischen Schwankungen. Daraus ergibt sich ein von Arbeits- dynamischen Spannungen sind im Bauteil statische Span-
spiel zu Arbeits­spiel stark streuendes Band für den Span­ nungen (z. B. durch Schraubenkräfte) und bei Brennraum­
nungsverlauf. Im Langzeitmotorbetrieb können zudem Ver- bauteilen auch Wärmespannungen überlagert. Wärmespan-
schleiß- und Verschmutzungs­erschei­nungen im Sitz- und nungen verändern sich mit der Motorleistung, so dass sie
Führungsbereich auftreten, die diese Effekte noch vergrö- streng genommen auch als „Schwingbean­spruchung“ zu
ßern. interpretieren wären. Da die „Spannungs­amplituden“ aus
Wärmespannungen jedoch extrem niederfrequent sind,
7.1.3 Festigkeitsnachweis der Bauteile werden Wärmespannungen im Motorenbau normalerweise
als quasi-statisch angenommen. In manchen Fällen, z. B. bei
Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit von Bauteilen genügt der Bewertung von lokalen plastischen Verformungen, ist
nicht allein die Bestim­mung der im Motorbetrieb auftre- das „Low Cycle Fatigue“-Verhalten (LCF) durch Anwen-
tenden Spannungen (Wirkspannungen, Ist-Spannungen). dung entsprechender Konzepte zu berücksichtigen.
Ebenso wichtig ist die Ermittlung der ertragbaren Span- In der Regel wird eine „High Cycle Fatigue“-Beurteilung
nungen, d. h. der Bauteilfestigkeit. Entscheidend ist das Ver- (HCF) in einem Dauerfestigkeitsschaubild vorgenommen.
hältnis der ertragbaren zur maximal auftretenden Spannung. Dieses Schaubild drückt aus, dass die ertragbare Spannungs-

Bild 7-6
DMS-Messung der Beanspruchung im
Schaft eines Gaswechselventils
226    7 Belastung von Motorbauteilen

amplitude (Dauerfestigkeit) von der wirksamen statischen hochwertige Methoden zur Bestimmung der wirksamen
Spannung (Mittelspannung) abhängt. Spannungen zur Verfügung stehen und die Berechnung der
Bei der heutigen Werkstoffausnutzung im Dieselmoto- Dauerfestigkeit speziell für das Bauteil durchgeführt wird,
renbau ist die früher übliche alleinige Berücksichtigung des so zeigt die Erfahrung, dass zur Abdeckung immer noch
Werkstoffverhaltens dabei nicht mehr ausreichend. Es emp- bestehender Unsicherheiten ein Gesamtsicherheitsfaktor von
fiehlt sich daher, sog. bauteilbezogene Dauerfestigkeitsschau- 1,5 bis 2 (bei Gusswerkstoffen sogar bis 3) eingeplant wer-
bilder zu verwenden, bei der im Nachweispunkt spezielle den muss.
Randbedingungen konkreter Bauteile berück­sichtigt wer- Besonders schwierig gestaltet sich der Festigkeitsnachweis
den können. Wichtige Eingangsgrößen sind hier die Ober- bei komplexen Spannungszuständen, beispielsweise bei dre-
flächenbeschaffenheit (Rauigkeit), die Stützwirkung im henden Spannungstensoren oder nicht-proportionalen
Nachweispunkt, der technologische Größenfaktor, die lokale Hauptspannungsverläufen. Für diese Fälle ist die Berück­
Bauteiltemperatur oder auch eine eventuelle Oberflächenbe- sichtigung entsprechend aufwändiger Konzepte notwendig.
handlung (Randschichteinfluss). Als Beispiel für die Durch- Der Nachweis erfolgt dann i. Allg. durch den Einsatz spe­
führung eines solchen Festigkeitsnachweises auf Basis ört- zieller Software zur Betriebsfestigkeit.
licher Bauteil­spannungen sei hier die Anwendung der Ein weiterer Aspekt bei der Durchführung von Festig-
FKM-Richtlinie „Rechnerischer Festigkeitsnachweis für keitsnachweisen ist die Untersuchung des Bauteils im Hin-
Maschinenbauteile“ genannt (Bild 7‑7), [7‑10]. blick auf bruchmechanische Aspekte, da die traditionellen
Die Sicherheitsfaktoren nach FKM-Richtlinie sind je nach Festigkeitsnachweise von einem fehlerfreien Werkstoff aus-
Schadensfolgen, Wahrscheinlichkeit des Auftretens der gehen. Die Anwendung der Bruchmechanik [7‑11] liefert
größten Last, Möglichkeiten der Bauteil­inspektion sowie daher einen ergänzenden Beitrag z. B. bei der Bewertung
vorhergehenden Qualitätssicherungsmaßnahmen (speziell von Materialfehlern und ist daher ein wichtiges Instrument
bei Bauteilen aus Eisengusswerkstoffen) unterschiedlich. bei der Qualitätssicherung heutiger Dieselmotoren.
Dabei sind etwaige Unsicherheiten in der Beanspruchungs- Komponentenversuche mit realen Bauteilen sowie der
ermittlung nicht enthalten und müssen beim Festigkeits- Langzeitbetrieb von Motoren auf Prüfständen sind weitere
nachweis zusätzlich berücksichtigt werden. Auch wenn Möglichkeiten zur Durchführung von Betriebssicherheits-

Bild 7-7 Bauteilbezogenes Dauerfestigkeitsschaubild nach HAIGH


7.1 Mechanische und thermische Bauteilbelastung    227

nachweisen. Obwohl es in beschränktem Umfang möglich und Druckspitzen auf, die in Wandnähe eine massive
ist, durch extreme Belastungsabläufe einen Zeitraffereffekt ­Schädigung der Oberfläche zur Folge haben können. Ein
zu erreichen, ist diese Vorgehensweise aus Gründen des besonderes Problem stellt die z. B. an der Kühlwasserseite
hohen Aufwandes nur bei kleineren Bauteilen und Fahr- von Zylinder­lauf­buchsen auftretende Schwingungskavitation
zeugmotoren vertretbar. dar. Diese kann durch hoch­frequente Biegeschwingungen
der Laufbuchse ausgelöst werden, die beispielsweise von der
7.1.4 Typische Bauteilschäden bei Dieselmotoren Kolbensekundärbewegung angeregt wird. Ist das Kühl­
wasser außerdem noch chemisch aktiv, so kommt neben
Wie in anderen Maschinenbaubereichen resultieren Schäden der Kavitation auch noch der zerstörende, lokal ansetzende
aus Produkt­fehlern (Konstruktion, Werkstoff, Fertigung) und Korrosionsangriff hinzu [7‑12]. Schnelllaufende Hoch­
Betriebsfehlern (Wartung, Bedienung). Aus beiden Gruppen leistungs­dieselmotoren können hiervon besonders betroffen
gibt es für Dieselmotoren typische Beispiele, die selbstver­ sein.
ständlich auch stark mit der jeweiligen Belastungssituation Das Ausmaß der Schädigung hängt sehr von der Korrosi-
der Bau­teile zusammenhängen. Für Motorenentwickler und onsart ab. Während bei gleichmäßigem Korrosions­abtrag
-betreiber gleichermaßen wichtig sind Einflüsse, die bei der (Flächenkorrosion) die Schädigung verhältnismäßig gering
Dimensionierung der Bauteile zahlenmäßig unge­nügend ist, nimmt sie bei ungleichmäßigem Abtrag (z. B. Lochfraß)
oder gar nicht berücksichtigt werden können, aber doch auf- durch größere Kerbwirkung an den korrodierten Stellen
treten und dann zum Ausfall eines Motors führen können. deutlich zu. Ganz besonders schädigend ist die Schwingungs­
Die bei Dieselmotoren häufigste Schadensart ist das Versa- risskorrosion. Diese wird möglich, wenn der Korrosionsan-
gen durch Schwing­bruch (Dauerbruch). Dies ergibt sich aus griff und dynamische Zugspannungen gleichzeitig auftreten.
der dominierenden Schwing­beanspru­chung der meisten Das Bauteil besitzt in diesem Fall keine Dauerfestigkeit
Bauteile durch Gas- und Massenkräfte. Bei Bau­teilen aus mehr, weil dessen Lebensdauer nur von der Rissfortschritts­
Stahl sind Schwingbrüche verhältnismäßig einfach an der geschwindigkeit bestimmt wird, die wiederum vom Werk-
Ober­flächenstruktur des Bruches zu erkennen. Die Schwing- stoff, vom korrosiven Medium und von der Höhe der
bruchfläche ist meist glatt und feinkörnig, während der Spannungs­amplitude abhängt. Für den Betreiber von
Restbruch (Gewaltbruchfläche) eine grobe, zerklüftete Ober­ Motoren ist es daher sehr wichtig, die vom Hersteller vorge-
flächen­struktur aufweist. Konzentrisch zur Ausgangsstelle schriebene Pflege des Kühlwassers mit geeigneten Korro­
des Bruches finden sich häufig sog. Rastlinien, die durch sions­schutzmitteln einzuhalten, s. Abschn. 9.2.6.
unterbrochenen Rissfortschritt entstehen. Ursache für Eine andere Art der Korrosion insbesondere bei Großdie-
Schwing­brüche können, wie bei anderen Maschinen, falsche selmotoren im Schwerölbetrieb ist die Nass- oder Nie­der­
Dimensionierung oder nicht entdeckte Werkstofffehler sein. temperatur­korrosion, hervorgerufen durch die Kondensation
Besonders überraschend und oft erst nach langen des Wasserdampfes bei Anwesenheit von Schwefeldioxid.
Betriebszeiten treten Schwingbrüche auf, die durch Reibkor- Dadurch wird die Bildung einer sehr aggressiven schwef­
rosion (Passungsrost) an Kontakt­flächen zwischen den Bau- ligen Säure ermöglicht. Bestimmt wird dieser Vorgang
teilen hervorgerufen werden. Reibkorrosion kann die Dauer­ durch das Zusammenwirken von Temperatur- und Druck-
festigkeit auf ca. 20% des Ausgangswertes absenken. Erkenn- niveau und betrifft neben abgasführenden Leitungen vor
bar ist der Bruch oft an einer kleinen „Nase“ am Bruch- allem die Zylinderlaufbuchse: Durch unter Schwachlast des
anfang. Diese ist dadurch bedingt, dass die ersten Anrisse Motors eintretende Nasskorrosion wird der Verschleiß
durch Schubspannungen erfolgen. Gefährdet sind u. a. beschleunigt, s. Abschn. 4.3.
Aufnahme­bohrungen für Gleitlagerschalen (z. B. in Pleuel- An den brennraumseitigen Oberflächen treten Schadens-
und Grundlagern), Passschrauben oder Pressverbindungen arten auf, die mit örtlich hohen Temperaturen zusammen-
an Wellen. hängen.
Eine weitere Ursache für Dauerbrüche kann Kavitation Durch Verbrennungsprodukte des Kraftstoffes werden
sein. Hiervon sind Bauteile mit Kühlwasser- oder Schmieröl- die schützenden Oxid­schichten aufgelöst. Unter teilweiser
führung betroffen, deren Medien stark schwankenden Drü- Auflösung der Werk­stoffmatrix korrodiert der Werkstoff
cken oder hohen Umlenkgeschwindigkeiten unterliegen. mit einem entsprechenden Materialabtrag. Bei den ther-
Beispielhaft sind hier vor allem Triebwerks- oder Einspritz- misch hoch belasteten Kolben z. B. großer Zweitaktmotoren
komponenten zu nennen. Ursache ist immer die Unter- kann dies örtlich zur Schwächung des Kolbenbodens führen
schreitung des Dampfdrucks der jeweiligen Flüssigkeit. Dies und somit die Lebensdauer begren­zen. Dieses als Hochtem-
führt zur Bildung und Zerfall von Dampfblasen. Dadurch peraturkorrosion bekannte Phänomen tritt auch an den
treten im Medium hohe Beschleunigungen, Temperaturen Auslassventilen auf [7‑15]. Gegenmaßnahmen stellen die
228    7 Belastung von Motorbauteilen

Begrenzung der Ventiltemperatur am Ventilsitz (Vermei- fert beispielsweise ca. 2000 verschiedene SAE-Paper die
dung von Ablagerungen aus schmelz­flüssigen Schlacken innerhalb der letzten 5 Jahre publiziert wurden.
und damit einhergehenden Korrosionsangriffen) sowie der Obwohl bereits 1977 erschienen, kann trotzdem das
Einsatz besonderer, korrosionsfester Werkstoffe mit hohen ­Standardwerk „Der Wärmeübergang in der Verbrennungs-
Warmfestigkeits­werten dar. kraftmaschine“ von Pflaum/Mollenhauer [7‑2] als ein­
Eine weitere Schadensart sind die sog. Wärmestauchrisse führendes Werk in die Thematik bestens empfohlen wer-
als Folge thermischer Überlastung. Sie entstehen an Stellen, den.
an denen das Bauteil lokal stark erhitzt wird und die freie In diesem relativ kurzen Abschnitt werden deshalb nur
Wärmedehnung durch umgebendes kälteres Bauteilvolu- die für das Verständnis wichtigen Grundlagen und Mess-
men stark behindert wird. Die Folge sind Druckspan- techniken, die wichtigsten Wärmeübergangsgleichungen
nungen, die eine plastische Stauchung des Werkstoffes her- und einige Anwendungsbeispiele aufgeführt. Des Weiteren
vorrufen. Nach Abstellen des Motors und Tempe­ra­ wird kurz auf die besondere Problematik der Wärmeübergangs­
turausgleich stellen sich an diesen Stellen hohe Zugeigen- modellierung bei der 3D-CFD-Rechnung (Computational
spannungen ein. Die bei Wiederholungen dieses Vorganges Fluid Dynamics) eingegangen.
gegebene hohe „Low-Cycle“-Spannungsamplitude führt
schließlich zu Anrissen. Bekannt sind solche Anrisse bei 7.2.2 Grundlagen der Wärmeübertragung
Zylinderköpfen in den Stegen zwischen den Ventilöff- in Verbrennungsmotoren
nungen, an der inneren Oberkante von Zylinderbuchsen
sowie am Rand von Brennraummulden. Hauptursache für Der Wandwärmeverlust (Qw) in einem Motorbrennraum
derartige Schäden kann ein gestörter Verbrennungsvorgang, wird im Rahmen der realen Prozessrechnung üblicherweise
ein erhöhter Wärmeübergang bei nagelnder oder klopfender mittels des Newtonschen Wärmeübergangsansatzes als Inte-
Verbrennung (z. B. bei Dieselgasmotoren) sowie eine unge- gral über ein Arbeitsspiel (ASP) berechnet:
nügende Kühlung sein.
Zur weitergehenden Information über Analyse und Ver- (7-2)
meidung von Schäden wird auf die Literatur verwiesen
[7‑12], [7‑13]. Die Temperaturdifferenz Wand–Gastemperatur (Tw-Tz) ist
dabei so definiert, dass sich im Zahlenwert der Wandwärme
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung ein negatives Vorzeichen ergibt, wenn Energie das System
„Brennraum“ verlässt. In Gl. (7‑2) bedeuten weiterhin: ϕ
im Motor Kurbelwinkel, ω Kreisfrequenz, A momentane Brennraum­
oberfläche und α Wärme­übergangs­koeffizent.
7.2.1 Einleitung Die Anwendung des Newtonschen Ansatzes impliziert
bereits, dass der Wärmeübergangsmechanismus in Motor-
Der Wandwärmeverlust QW ist neben der Abgasenthalpie brennräumen im Wesentlichen durch erzwungene Konvek-
HA und der üblicherweise vernachlässigbaren Leckageen- tion erfolgt und die beiden anderen Wärmeübertragungs­
thalpie HL der bedeutendste innere Verlust in der inneren mechanismen (Strahlung und Wärmeleitung) demgegen­
Energiebilanz eines Verbrennungsmotors, Gl. (7‑1). über vernachlässigbar klein sind. Wie noch zu zeigen sein
wird, erfolgt die Wärmeübertragung in unmittelbarer Wand-
(7-1)
nähe sehr wohl durch Wärmeleitung, da die Strömung dort
Im Vergleich mit den anderen Anteilen der Energiebilanz, laminar sein muss, außerhalb dieser viskosen Unterschicht
der inneren Arbeit Wi, der Ansaug- und der Kraftstoffen- der Grenzschicht dominiert jedoch eindeutig der Mechanis-
thalpie HE bzw. HB sowie der freigesetzten Kraftstoffenergie mus der erzwungenen Konvektion.
QB ist er messtech­nisch nur schwer bestimmbar. Der Anteil an Wärmeübertragung der durch Strahlung
Da jedoch seine Wirkung für den Prozessablauf, den Wir- erfolgt ist sehr stark davon abhängig, wie viel Ruß sich wäh-
kungsgrad und die Bildung von Schadstoffen so wesentlich rend der Verbrennung im Brennraum bildet (z. B. [7-43],
ist, wird nahezu seit Anbeginn der Verbrennungs­motoren­ [7-21]), da nur die vom Ruß ausgehende Festkörperstrah-
entwicklung der Wandwärmeverlust intensiv erforscht und lung energetisch relevant ist. Eine eventuell vorhandene
auch heute ist hier noch kein Ende absehbar. Entsprechend Gasstrahlung ist dem gegenüber auf jeden Fall vernachlässig­
umfangreich ist daher die Literatur zu diesem Thema. bar, weil Gase selektive Strahler sind und deshalb nur in
Eine Suchabfrage mit dem Stichwort „Wall Heat Transfer“ schmalen Wellenlängenbanden strahlen. Der Anteil an
bei der Society of Automotive Engineers (www.sae.org) lie- Rußstrahlungs­verlust wiederum hängt neben der strahlen-
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    229

den Rußmasse und deren Temperatur, auch von der Höhe konvektiven Wärmeübergangs ist dies die Nusseltzahl
des konvektiven Wärmeübergangs ab. Realistisch ist davon
für die Temperatur- und die Reynoldszahl
auszugehen, dass lediglich bei langsam laufenden Großdie-
selmotoren der Strahlungsverlust einen bedeutsamen Anteil
erreicht [7-39]. Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass für die Strömungsgrenzschicht. Die Prandtl-
die am häufigsten verwendeten Wärmeübergangsglei-
chungen auf einen expliziten Strahlungsterm verzichten zahl beschreibt die Wechselwirkung zwischen
(s. Abschn. 7.2.4).
In einem Motorbrennraum ist nun grundsätzlich davon beiden Grenzschichten. Bei Pr = 1 sind z. B. beide Grenz-
auszugehen, dass zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort alle schichten gleich dick. Bei Luft und Abgas ist Pr immer < 1
Zustandsgrößen (Druck, Temperatur und Gaszusammen- und damit die Strömungs­grenzschicht immer dünner als die
setzung) unterschiedlich sind. Dies gilt ebenfalls für die Temperaturgrenzschicht. An dieser Stelle muss erwähnt wer-
Wand­oberflächentemperatur und die den Wärmeübergang den, dass alle diese Betrachtungen streng genommen nur für
stark beeinflussende Turbulenz. Weiterhin kann damit den stationären, bzw. quasistationären Fall gelten. D. h. Än-
gerechnet werden, dass keine ausgebildeten Strömungsver- derungen müssen so langsam erfolgen, dass keine Instatio-
hältnisse vorliegen, sondern von Staupunkt- und instatio- näreffekte, z. B. Trägheitseffekte auftreten. Der Wärmeüber-
nären Anlaufströmungen auszugehen ist. Eine eigentlich gang im Verbrennungsmotorenbrennraum ist sicherlich
nicht fassbare Situation. nicht „quasistationär“, sondern ändert sich, vor allem bei
Betrachtet man jedoch die Verhältnisse in der Nähe der schnell laufenden Motoren, zeitlich und örtlich sehr schnell.
Brennraumwand ganz prinzipiell (Bild 7‑8), so wird deut- Trotzdem konnte bis heute messtechnisch nicht nachgewie-
lich, dass eine Betrachtung des Phänomens „Wärmeüber- sen werden, dass Instationäreffekte einen quantitativ bedeu-
gang“ mittels der Ähnlichkeitstheorie, wie bei vielen ande- tenden Einfluss auf den Wärmeübergang haben (vgl. hierzu
ren technischen Wärmeübergangsproblemen, zielführend Abschn. 7.2.8).
ist. Dabei beschreiben dimensionslose Kennzahlen die Phä- Der Wärmeübergangskoeffizient α wird berechenbar
nomene und deren Verknüpfung. Im Falle des erzwungenen, indem man die dimensionslosen Kennzahlen mittels eines

Bild 7-8
Prinzipielle Darstellung des Wärme­
übergangs durch erzwungene Konvek­
tion an einer Brennraumwand
230    7 Belastung von Motorbauteilen

allgemeinen Potenzansatzes verknüpft:


(7-3)
Umfangreiche Untersuchungen [7-45] haben gezeigt, dass
bei Verbrennungsmotoren für die Exponenten m und n die
von der turbulenten Rohrströmung bekannten Zahlenwerte
n = 0.78 und m = 0.33 gültig sind.
Im Rahmen des relevanten Temperaturbereiches ist Pr0.33
damit innerhalb einer Toleranz von ± 1% konstant und kann
der Konstanten C zugeschlagen werden. Damit ergibt sich
basierend auf der Ähnlichkeitstheorie eine allgemeine Wär-
meübergangsgleichung für motorische Brennräume zu:
Bild 7-9 Prinzip der inneren Wärmebilanz zur Bestimmung des zeitlich und
(7-4) örtlich mittleren Wandwärmeverlustes Qw

In [7-2] finden sich empirische von der Temperatur und


­Gaszusammensetzung abhängige Polynome für die
Wärmeleitfähigkeit λ und die dynamische Viskosität η. Die verlaufes pz multipliziert mit der Volumenänderung dV/dϕ,
Dichte ρ lässt sich mittels der thermischen Zustandsglei- s. Abschn. 1.2.
chung zu formulieren. Sorgfältige Messungen vorausgesetzt ist die „innere“ Wär-
mebilanz ein notwen­diges, aber nicht hinreichendes Verfah-
Die explizite Aufstellung einer Wärmeübergangsglei- ren zur Bestimmung der Wandwärme­verluste [7-16]. Da
chung erfordert damit eine geeignete, auf Messwerte nur die Gesamt­energie­bilanz ausgewertet wird, sind Aussa-
gestützte Interpretation der charakteristischen Länge d und gen über den zeitlichen Verlauf des örtlich mittleren Wand­
der wärmeübergangsrelevanten Geschwindigkeit w, sowie wärmestromes, z. B. für eine thermodynamische Druckver-
einer „Skalierung“ mittels der Konstanten C. laufsanalyse nicht möglich (s. Abschn. 1.3).
„Messwertgestützt“ bedeutet, eine numerische oder gar Direkte Messverfahren zur Bestimmung der Wandwär-
analytische Lösung des Problems ist nicht bekannt, so dass meverluste sind
mittels geeigneter Messungen an ausgeführten Motoren eine a) die Wärmestromsonde zur Bestimmung einer lokalen,
Datenbasis geschaffen werden muss, die eine halbempi- zeitlich mittleren Wärmestromdichte qw und
rische Modellierung erlaubt, deren Anspruch in einer mög- b) die Oberflächentemperaturmethode zur Messung der
lichst weitgehenden Allgemein­gültigkeit liegt, um eine lokalen, zeitlich veränderlichen Wärmestromdichte
Anwendbarkeit auch für zukünftige Brenn­verfahrens­ (s. Bild 7‑10).
entwicklungen sicher zu stellen.
Der Einbau einer Wärmestromsonde soll möglichst bündig
7.2.3 Messverfahren zur Wärmestrommessung mit der Brennraum­oberfläche erfolgen. Durch eine über
Luftspalte erreichte Isolation besteht dadurch im Innern der
Nach heutigem Kenntnisstand sind im Wesentlichen drei Sonde eine definierte, eindimensionale Wärmeleitstrecke.
Verfahren geeignet eine Datenbasis zur mathematischen Bei bekannter Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffes der Wär-
Modellierung einer Wärmeübergangsgleichung zu schaf- meleitstrecke lässt sich durch Messung der beiden Tempera-
fen: turen T1 und T2 in definiertem Abstand s die Wärmestrom-
Die „innere Wärmebilanz“ (Bild 7‑9) erlaubt eine Berech- dichte mittels der eindimensionalen, stationären Wärme­lei­
nung des zeitlich und örtlich mittleren Wandwärmeverlus- tungs­­­gleichung in einfacher Weise berechnen.
tes gemäß der inneren Energiebilanz des Brennraumes, Gl.
(7‑1). Gemessen werden müssen Ansaug-, Abgas-, Leckage- (7-5)
und Kraftstoffenthalpie. Die Brennwärme Qb ergibt sich aus
der Multiplikation der eingespritzten Kraftstoffmasse mit In Bild 7.11 ist eine ausgeführte Wärmestromsonde darge-
dem unteren Heizwert Hu (Qb = mb · Hu). Die innere Arbeit stellt, wie sie z. B. in [7‑16] und [7‑2] erfolgreich eingesetzt
wiederum folgt aus dem Ringintegral über ein Arbeitsspiel wurde. Hier zeigt sich, dass zwar das Prinzip des Verfahrens
des in Abhängigkeit des Kurbelwinkels gemessenen Druck- sehr einfach ist, die praktische Anwendung jedoch zu einer
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    231

Bild 7-10
Prinzip von Sonden zur direkten Mes-
sung von a der lokalen, zeitlich mitt-
leren und b der lokalen, zeitlich ver-
änderlichen Wärmestromdichte qW an
der Brennraumwand

relativ aufwändigen Sondenausführung führt, wenn eine


hohe Genauigkeit erreicht werden soll.
Vorteilhaft an dieser Methode der Wärmestrommessung
ist trotzdem die relativ einfache Anwendung und die erziel-
bare hohe Genauigkeit, da lediglich wenige Bauteiltempera-
turen hochgenau gemessen werden müssen und nicht Diffe-
renzen der Messwerte mehrerer, unterschiedlicher Messver-
fahren gebildet werden müssen, deren Absolutwert im
Normalfall sogar deutlich größer ist, als der zu bestimmende
Differenzwert, wie bei der Methode der „inneren Wärmebi-
lanz“.
Eindeutig nachteilig ist jedoch, dass die Wärmestromson-
de normalerweise nur an einer oder allenfalls zwei Positi-
onen im Brennraum eingebaut werden kann, da auf eine
oberflächenbündige Anordnung unbedingt zu achten ist.
Sonst würde der konvektive Wärmeübergang durch sonst
nicht vorhandene Kanten unzulässig verändert werden.
Damit repräsentieren die Messergebnisse lediglich die loka-
len Verhältnisse am Einbauort und eine Aussage über den
zeitlichen Verlauf ist überhaupt nicht möglich.
Der mit den beschriebenen Methoden ermittelte zeitlich
mittlere Wandwärme­strom variiert jedoch mit der sich wäh-
rend eines Arbeitsspieles ständig ändernden Gastemperatur
und beeinflusst somit auch den Arbeits­prozess. Das einzige
bekannte Verfahren zur Messung der lokalen, veränder-
lichen Wandwärmestromdichte ist die sog. Oberflächentem-
peraturmethode. Bild 7‑10b zeigt wieder das Prinzip dieses
Verfahrens zur Wärmestrommessung.
Bei der Oberflächentemperaturmethode werden Tempe-
Bild 7-11 Ausgeführte Wärmestromsonde mit Kühlung, Korrekturmessstel- ratursensoren oberflächenbündig in die Brennraumoberflä-
len und Messzylinder aus Reineisen che eingebaut deren tatsächlicher Temperaturmesspunkt
weniger als 2 µm darunter liegt. Damit wird es möglich, die
232    7 Belastung von Motorbauteilen

Oberflächentemperaturschwingung zu messen, die durch Differential­gleichung aus den Temperaturverläufen die sie
den veränderlichen Wandwärmestrom verursacht wird. verursachenden Wärmestrom­dichten berechnen. Die
Zum Einsatz kommen bei diesem Verfahren z. B. Mantel- Lösung der Laplaceschen Differentialgleichung in Form von
Thermoelemente, deren eigentliche Temperaturmessstelle Fourier’schen Reihen wurde erstmalig von Eichelberg for-
durch eine mittels Dünnschichttechnik aufgebrachte Metall- muliert [7‑20]
schicht mit einer Dicke von lediglich 0,3 µm erzeugt wird.
Ein Ausführungsbeispiel eines derartigen Thermoelementes
zeigt Bild 7‑12 [7‑16].
In Bild 7‑13 sind typische, berechnete Temperaturschwin- (7-6)
gungen in verschiedenen Bauteiltiefen dargestellt, wie sie bei
geschlepptem Betrieb eines Nfz-DE-Dieselmotors entste-
hen. Auffällig ist zunächst, wie klein die Temperatur­
schwingungen in Relation zur Veränderung der Gastempe-
ratur sind. Ursächlich hierfür ist die extrem unterschiedliche
Wärmeeindringzahl b (Gl. (7‑7)), die bei Metallen ungefähr
um den Faktor 500 größer ist als bei Gasen. Entsprechend
kleiner ist die Amplitude der Temperaturschwingung. Wei-
terhin wird das sehr schnelle Abklingen der Schwingung im
Bauteil sichtbar. Bereits in einer Tiefe von 2 mm kann von
einem rein stationären Temperaturfeld ausgegangen wer-
den. Die „wahre“ Oberflächentemperatur kann also nur Die mit der Oberflächentemperaturmethode erzielbare Ge-
gemessen werden, wenn die Temperaturmessstelle höchs­ nauigkeit ist sehr stark davon abhängig, wie sorgfältig die
tens 2 µm von der Oberfläche entfernt ist. Oberflächenthermoelemente in die Brennraum­wand einge-
Nimmt man Periodizität der Temperaturschwingung und baut werden. D. h. sowohl die thermische Anbindung an den
ein eindimensionales, instationäres, einseitig unendlich aus- umgebenden Werkstoff, als auch die absolute Oberflächen-
gedehntes Temperaturfeld an der Oberfläche der Brenn- bündigkeit sind von ausschlaggebender Bedeutung.
raumwand an, so lässt sich mittels der Laplaceschen Weiterhin muss die für das Oberflächenthermoelement,
einschließlich der es umgebenden Werkstoffe, gültige Wär-
meeindringzahl

(7-7)

Bild 7-13 Berechnete Oberflächentemperaturschwingungen. Nkw-DE-Die-


Bild 7-12 Oberflächenthermoelement nach [7-16] sel, Schub, n = 2300 min–1 [7‑17]
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    233

abhängig von der Temperatur individuell kalibriert werden. nur schwer mit Modellkraftstoffen darstellbar, wie z. B. iden-
Dies kann rechnerisch geschehen [7-16] oder mit einem spe- tische Gemischbildungseigenschaften bei Wandinteraktio­
ziellen experimentellen Verfahren [7‑46]. nen (Tröpfchenbildung, Penetration, Wandauftrag, Ver-
Letztlich bleibt noch die Frage, wie beim Einsatz der dampfungsverhalten und Zündwilligkeit). Hierfür wird dann
Oberflächentemperatur­methode die zeitlich mittlere Wär- lieber in Kauf genommen, dass nur wenige Betriebspunkte
mestromdichte q̇m ermittelt werden soll. Messtechnisch gemessen werden können, bevor z. B. der Zylinderkopf und/
wäre dies möglich durch Integration von Oberflächenthermo­ oder der Kolben mit den Messstellen wieder demontiert, ge-
elementen in Wärmestromsonden. Wie noch zu zeigen sein reinigt, neu beschichtet und wieder montiert werden muss.
wird, sollten aber bei der Oberflächentemperaturmethode Zur Minimierung des Aufwandes und der Kosten werden
möglichst eine Vielzahl von Thermoelementen eingebaut dabei meist nur einige wenige Oberflächenthermoelemente
werden, um einen repräsentativen, örtlichen Mittelwert bil- eines käuflichen Typs [7‑18] eingesetzt (z. B. [7‑25] bis
den zu können. [7‑26]). In [7‑16] wurde jedoch eine sehr große Anzahl von
Eine Alternative hierzu ist das sog. „Nulldurchgangsver- Oberflächen­thermoelementen verwendet. Es handelte sich
fahren“, das den üblicherweise während des Kompressions- zwar um einen Ottomotor, trotzdem sind grundlegend
hubes stattfindenden Nulldurchgang der Temperaturdiffe- wichtige Feststellungen damit ableitbar. Bild 7-14a zeigt die
renz (Tw – Tg) = 0 ausnutzt, weil bei Vernachlässigung 182 Wärmestromdichteverläufe bei geschlepptem Motorbe-
eventuell auftretender Instationäreffekte, die momentane trieb. Die Form des Einlasskanals als reinen Füllungskanal
Wärmestromdichte gemäß Gleichung (7‑2) ebenfalls q̇ = 0 bewirkte, dass das Strömungsfeld lediglich aus ungerichteter
sein muss. Gleichung (7‑6) wird damit zu: Turbulenz bestand, so dass über 100 Arbeitsspiele gemittelt
alle Messstellen nahezu identische Verläufe zeigen. Gänzlich
(7-8) anders stellen sich die Verhältnisse bei Verbrennung dar
(Bild 7‑14b).
Nach dem Zündzeitpunkt (IP) steigen die Wärmestrom-
dichten steil an, sobald die Flammenfront die Oberflächen-
temperaturmessstelle erreicht hat. Mit zunehmendem
Gleichung (7‑8) ist insbesondere deshalb mit ausreichender Abstand zur Zündkerze, d. h. zu immer später werdendem
Genauigkeit auch lokal für einzelne Oberflächentempera- Zeitpunkt der Verbrennung verliert die Flammenfront an
turmessstellen einsetzbar, da während der Kompression, im Intensität (Abfall der Temperatur im Verbrannten nach Spit-
Unterschied zur Verbrennung, keine allzu großen örtlichen zendruck). Der „Steilanstieg“ der Wärmestromdichte wird
Gastemperaturunterschiede existieren, so dass die Gastem- dadurch sichtbar flacher. Sind die Abläufe beim Überlaufen
peratur Tg als sog. Massenmitteltemperatur Tz mittels der der Messstellen durch die Flammenfront noch einfach zu
thermische Zustandsgleichung berechnet werden kann. interpretieren, so schwer fällt eine schlüssige Erklärung des
ohne jede erkennbare Systematik verlaufenden Abfalls der
(7-9) Wärmestromdichte nach Erreichen des Maximums. Hier
zeigt sich ein an jeder Messstelle individuel­les Verhalten, das
Speziell bei Dieselmotoren, aber auch bei Ottomotoren, tritt durch die chaotischen Turbulenzzustände im Verbrannten
im Betrieb das Problem der Bildung von Ablagerungen (Ruß, bei expandierendem Kolben geprägt ist.
Ölkohle, etc.) auf den Messstellen auf, wodurch die eigent- Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass eine große Anzahl
liche Temperaturmessstelle nicht mehr direkt an der Ober- Oberflächen­temperatur­messstellen eingesetzt werden muss,
fläche liegt und dadurch eine Dämpfung des Messsignals um einen wirklich repräsentativen örtlichen Mittelwert bil-
erfolgt. Die Temperaturverläufe sehen dann aus, wie in Bild den zu können. Immer wieder in der Literatur zu findende
7-13 dargestellt. In [7‑16] und [7‑46] werden Methoden an- Vergleiche an einzelnen Messstellen gemessener Wärme-
gegeben, wie diese Ablagerungen korrigiert werden können, stromdichteverläufe mit den bekannten Wärmeübergangs-
sofern die Schichtstärken nicht zu groß geworden sind und gleichungen, die einen örtlichen Mittelwert beschreiben,
keine auswertbare Schwingung mehr gemessen werden sind unzulässig und ergeben keinen Sinn.
kann. Grundsätzlich ist deshalb der Betrieb mit nichtrußen- Erst aus der für den gesamten Brennraum repräsentativen,
den Modellkraftstoffen sehr zu empfehlen, um diese Proble- örtlich gemittelten Wärmestromdichte kann der Wärmeüber-
matik gänzlich zu vermeiden. Dies wird jedoch selten getan, gangskoeffizient α berechnet werden, da bei Verbrennung die
da zum einen nicht übertragbare Beeinflussungen des Wand- lokal stark veränderlichen, außerhalb der Temperatur­
wärmeüberganges durch nicht serienmäßige Kraftstoffe be- grenzschicht anliegenden Gastemperaturen nicht bekannt
fürchtet werden. Zum anderen sind bestimmte Phänomene sind und deshalb das treibende Temperaturgefälle Gas-Wand
234    7 Belastung von Motorbauteilen

Bild 7-14
182 Wärmestromdichteverläufe für
den Scheibenbrennraum eines Otto-
motors, a Schleppbetrieb
n = 1465 min–1 im LWOT; b gefeuert
n = 1500 min–1, pi = 7,35 bar
b (wi = 0,735 kJ/dm³) im ZOT, IP: Zünd-
zeitpunkt

mittels der aus der thermischen Zustandsgleichung berechne- peratur Tz und der Oberflächentemperaturmessungen aus
ten Massenmitteltemperatur Tz bestimmt werden muss. denen die Wärmestromdichten berechnet wurden. Die
Bild 7‑15 zeigt ein Beispiel einer derartigen Auswertung. Quotientenbildung q̇ /(Tz – Tw) = q̇/DT = a führt dann im
Die im Bereich 110 °KW im Wärmeübergangskoeffizienten Bereich q̇ = 0 und DT = 0 zu dem gezeigten Effekt. Idealer-
auftretende Unstetigkeit rührt aus der Bestimmung der zeit- weise müsste sich mathematisch eine Polstelle ergeben.
lich mittleren Wärmestromdichte q̇m mittels des beschrie- Abschließend ist festzuhalten, dass keine Methode
benen „Nulldurchgangsverfahren“. Es handelt sich also kei- bekannt ist, die es erlaubt direkt den örtlich mittleren, aber
neswegs um den Nachweis eines „Instationäreffektes“, son- zeitlich veränderlichen Verlauf der Wandwärmeverluste zu
dern vielmehr um das Ergebnis geringfügiger Phasenver- messen. Die bekannten Methoden sind jeweils nur in der
schiebungen (elektrische Laufzeit der Messketten) zwischen Lage entweder örtliche und zeitliche Mittelwerte oder lokale
der Brennraumdruckmessung aus der die Massenmitteltem- Zeitverläufe zu liefern, wobei letzteres Verfahren, die Ober-
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    235

Bild 7-15 Aus 182 Wärmestromdichteverläufen flächenbezogen bestimmte örtliche Mittelwerte und örtlich mittlerer Wärmeübergangskoeffizient, Ottomotor, Schei-
benbrennraum, gefeuerter Betrieb, n = 1500 min-1, pi = 7,35 bar [7‑16], IP: Zündzeitpunkt

flächentemperaturmethode, zwar sehr aufwändig ist, aber sierend auf der empirischen „Nusselt-Gleichung“ entstanden
als einziges Verfahren bei Einsatz genügend vieler Messstel- weitere empirische Gleichungen im deutschen und eng-
len alle Anforderungen erfüllt. lischen Sprachraum. All diese Gleichungen sind auf Grund
Die im Folgenden vorgestellten, meist verwendeten Wär- ihres rein empirischen Charakters kaum auf andere Motoren,
meübergangsgleichungen wurden entweder unter zu Hilfe- als die für die sie abgestimmt wurden, übertragbar und besit-
nahme einer oder mehrerer der drei Messverfahren aufge- zen deshalb keine Allgemeingültigkeit.
stellt, oder zumindest mehrfach mit ihnen verifiziert. Elser 1954 verwendete als Erster eine Gleichung basierend
auf der Ähnlichkeitstheorie [7-22]. Allerdings fand diese
7.2.4 Wärmeübergangsgleichungen für Gleichung relativ wenig Beachtung.
die reale Prozessrechnung Woschni blieb es vorbehalten, die erste, auf die Ähnlich-
keitstheorie gestützte Wärmeübergangsglei­chung für Ver-
Die Historie der Veröffentlichung von Wärmeübergangsglei- brennungsmotoren zu formulieren, die noch heute verwen-
chungen zur Berechnung der örtlich mittleren, aber zeitlich det wird. Zunächst im Rah­men des Einsatzes der EDV bei
veränderlichen Wandwärme­verluste im Rahmen der realen der MAN für die reale Prozessberechnung entwickelt wurde
Prozessrechnung beginnt, soweit bekannt mit Nusselt An- sie in ihrer „Rohform“ bereits 1965 veröffentlicht [7-47]. Die
fang des letzten Jahrhunderts. Obwohl er die Nusselt-Zahl als endgültige Gleichung lautet seit 1970 [7-45]:
wesentliche dimensionslose Kennzahl zur Berechnung des
erzwungenen, konvektiven Wärmeüberganges formuliert
hat, war die von ihm 1923 [7‑36] veröffentlichte Wärmeüber-
gangsgleichung rein empirisch formuliert und basierte nicht
auf der Ähnlichkeitstheorie. Auch Eichelberg 1928 [7‑20]
veränderte lediglich die Konstanten und Exponenten der
„Nusselt-Gleichung“ ohne grundlegende Änderungen. Ba- (7-10)
236    7 Belastung von Motorbauteilen

mit C1 = 6,18 +0,417 cu/cm von Auslass öffnet bis Einlass Der Wandwärmestrom ist mit der berechneten Massen-
schließt mitteltemperatur Tz (Gl. (7‑9)) für die treibende Tempera-
C1 = 2,28 +0,308 cu/cm von Einlass schließt bis turdifferenz zur Wand zu berechnen. Es können verschie-
Auslass öffnet dene „Wandtemperaturbereiche“ (z. B. Zylinderkopf, Kol-
und C2 = 0,00324 m/(s K) für Motoren mit nicht unter­ ben, Laufbüchse) berücksichtigt werden. Eine dadurch sich
teil­tem Brennraum ergebende Abhängigkeit des Wärmeübergangskoeffizient ist
C2 = 0.0062 m/(s K) für Motoren mit unterteiltem jedoch nicht vorgesehen. Weiterhin ist die Gleichung so
Brennraum (in Haupt- und abgestimmt, dass die Oberfläche des Feuersteges unberück-
Nebenbrennraum) sichtigt bleibt, als gehöre sie nicht zum Brennraum. Wird
C2 = 0 für Kompression und der Feuersteg in der Prozess­rechnung explizit berechnet, so
Ladungswechsel ist der dort entstehende Wandwärmeverlust in geeigneter
Form mit invertiertem Vorzeichen im Brennraum wieder zu
Neben der Rundung des Exponenten n der Re-Zahl, s. Gl. berücksichtigen, da sonst die Energiebilanz nicht korrekt
(7-4), von 0,78 auf 0,8 wählt Woschni als charakteris­tische sein kann.
Länge den Durchmesser D des Zylinders. Er formuliert unter Gleichung (7‑10) ist die seit mehr als 35 Jahren mit wei-
Verwendung der mitt­leren Kolbengeschwindigkeit cm einen tem Abstand weltweit am häufigsten eingesetzte Wärme­
Strömungsterm w mit integriertem Verbrennungsterm unter übergangsgleichung. Unter der Anleitung von Woschni
Verzicht auf die Wärmestrahlung. Danach erzeugt die Ver- wurde die Gleichung mehrfach verifiziert (z. B. [7‑25] und
brennung Turbulenzen, modelliert durch die Differenz [7‑41]) und durch Ergänzungen verbessert, bzw. an spezielle
„Druck mit Verbrennung pZ – Druck ohne Verbrennung p0 Fragestellungen angepasst.
(Schubbetrieb)“, skaliert durch die Größe C2 abhängig vom Kolesa [7‑33] hat den Einfluss hoher Wandtemperaturen
Verbrennungs­verfahren und durch die drallabhängige Größe auf den Wandwärme­verlust untersucht. Ergebnis war, dass
C1 = f (cu /cm) für die Strömungsgeschwindigkeit (zur Be­ der Wärmeübergangskoeffizient ab einer bestimmten Wand-
stimmung der Drallzahl bzw. der Umfangsgeschwindigkeit cu temperatur (Tw > 600 K) deutlich ansteigt, weil die Flamme
s. Abschn. 2.1.2.4). näher an die Wand heran brennt, das wandnahe Verlöschen
Für die Ladungswechselphase gelten andere Konstanten als (quenchen) der Flamme also später eintritt. Die thermische
für die Hoch­druckphase, wobei durch den Wechsel der Kons­ Grenzschicht wird dadurch dünner und der Temperaturgra-
tanten und durch das „Abschalten“ des Verbrennungsterms dient innerhalb der Grenzschicht nimmt zu. Damit erklärt
bei Auslass öffnet ein etwas unschöner „Knick“ in den Wand- sich der Anstieg des Wärmeübergangskoeffizienten. Dieser
wärmestromverläufen entsteht (Bild 7‑16). Anstieg wirkt der Abnahme des Wandwärmestromes durch

Bild 7-16
Vergleich der Ergebnisse von Glei-
chung 7‑10 mit Oberflächentempera-
tur-Messungen für Dieselmotor [7‑41]
und Ottomotor [7‑25]
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    237

die mit einem Wandtemperaturanstieg kleiner werdende Auch in den USA wird Gl. (7‑10) weiterentwickelt. Zur
treibende Temperaturdifferenz entgegen, so dass zunächst Anpassung an HCCI Verbrennungen hat 2004 Assanis et al.
der Wandwärmeverlust sogar zunimmt und erst bei höheren [7-26] ebenfalls die Woschni-Gleichung als Basis verwen-
Wandtemperaturen abzunehmen beginnt, bis bei Tempera- det.
turidentität mit der energetischen Massenmitteltemperatur Doch wie die Erfahrung zeigt, wird keine der erwähnten
(vgl. Abschn. 7.2.7) der Zustand des wärmedichten Motors Änderungen auf breiter Basis angewendet, sondern über-
erreicht wird. wiegend die Urform der Gl. (7‑10), trotz ihrer bekannten
Die von Kolesa erarbeitete Änderung wirkt sich nur auf Schwächen. Wenn von dieser zum Standard gewordenen
die Konstante C2 des Verbrennungsterms aus und wurde nur Form abgewichen wird, wird meist eine andere Gleichung
für Motoren mit nicht unterteilten Brennräumen verifi- für den Wärmeübergangs­koeffizienten WÜK gewählt.
ziert: Hohenberg veröffentlicht 1980 eine Gleichung für den
Wärmeübergang in Dieselmotoren, die eben­falls auf der
(7-11)
Ähnlichkeitstheorie basiert [7-30].

(7-14)

Im Aufbau relativ einfach, wird sie häufig zu Vergleichen mit


Die unschöne Fallunterscheidung wurde von Schwarz 1993 der Woschni-Gleichung herangezogen.
durch Überführung von Gl. (7‑11) in eine stetige Form besei- Als charakteristische Länge verwendet Hohenberg den
tigt [7‑40]. Radius einer Kugel, deren Volumen dem momentanen
Brennraumvolumen entspricht. Eine Kugel deshalb, weil es
(7-12)
der einzige geometrische Körper ist, der durch Angabe einer
geometrischen Größe beschrieben werden kann. Dadurch
werden Motoren mit unterschiedlichen Hub/Bohrungsver-
hältnissen besser abgebildet. Bemerkenswert ist, dass durch
Einbeziehung des Exponenten „3“ (V = π r3) ein sehr kleiner
Mit häufigerem Einsatz der Wärmeübergangsgleichung von Exponent (–0,06) entsteht, der zeigt, dass der Wärmeüber-
Woschni wurde deutlich, dass bei niedrigen Lasten und gangskoeffizient weitgehend unabhängig ist von den geomet­
geschlepptem Motorbetrieb der Wärmeübergang mit der rischen Abmessungen des Motors.
bekannten Gleichung zu niedrig berechnet wurde. Weiter- Für den Einfluss der Geschwindigkeit wählt Hohenberg
hin wurde entdeckt, dass der Wandwärmeverlust abhängig ebenfalls die mittlere Kolbengeschwindigkeit  cm, ergänzt
ist von der Berußung der Brennraumoberfläche. durch eine Konstante (1,4) für den Einfluss der Verbrennung
Huber [7‑46] und Vogel [7‑42] haben Gl. (7‑10) deshalb und eine leichte Tempera­turabhängigkeit dieses Terms:
mit einem variablen Term ergänzt, der ein modifiziertes 1,4 TZ0,163. Hohenberg beschreibt zwar in [7‑30] dass er auch
Geschwindigkeitsglied w ergibt. Die Konstante C3 wird hier einen leichten Druckeinfluss auf die wärmeübergangsrele-
nur für Dieselmotoren angegeben. Für andere Brennverfah- vante Geschwindigkeit experimentell festgestellt hat (pZ0,25  ·  0,8).
ren, bzw. Kraftstoffe gelten C3 = 0.8 für Benzin und C3 = 1.0 Dafür reduziert er aber den reinen Druckexponenten von
für Methanol. 0,8 auf 0,6, so dass im strengen Sinne der Ähnlichkeitstheo-
Wenn: rie (Re0,8) mathematisch doch kein Druckeinfluss auf die
Geschwindigkeit vorhanden ist und der Druckexponent
insgesamt bei 0,8 verbleibt.
Im Unterschied zur „Woschni-Gleichung“ wird auch die

Feuerstegfläche bei der Berechnung der momentanen
dann:
Gesamtbrennraumfläche A in Gl. (7‑2) berücksichtigt:
(7-13)
(7-15)
mit:
Der Faktor 0.3 berücksichtigt dabei, dass der Wärmeüber-
gang im Feuersteg lediglich 30% des Wärmeüberganges im
Brennraum ist. Die Feuerstegfläche AFeuersteg ergibt sich aus
dem Brennraumumfang multipliziert mit der Feuersteghöhe
des Kolbens mal zwei (AFeuersteg = D · p · 2 · hFeuersteg).
238    7 Belastung von Motorbauteilen

Gleichung (7‑14) ist Ergebnis sehr umfangreicher experi- Mit ε = εq = 2,184 und der charakteristischen Wirbellänge
menteller Untersuchungen an einer größeren Zahl sehr
unterschiedlicher Motoren mit verschiedensten Messtech- . Für die Berechnung der spezifischen kine-
niken [7‑30] und [7‑31]. tischen Energie der Quetschströmung kq muss eine topfför-
Bargende veröffentlicht 1991 [7‑16], [7‑15] eine weitere, mige Mulde definiert werden, welche die realen, meist von
zunächst für Ottomotoren entwickelte Beziehung für den diesem Idealfall abweichenden Verhältnisse möglichst gut
WÜK, die jedoch auch bei Dieselmotoren angewendet wird wieder gibt [7‑16].
[7‑14] und [7‑34]. Auch sie basiert auf der Ähnlich­ In jüngster Zeit wurde in [7‑39] dieses k-ε-Modell in ganz
keitstheorie. ähnlicher Form verwendet, um die wärmefreisetzungsrele-
vante Konvektion zu modellieren.
(7-16) Als Verbrennungsterm wird im Unterschied zu den
Modellen von Woschni und Hohenberg keine im Strömungs-
Anstatt eines gerundeten Wertes (0,8) wird der exakte Wert für term integrierte Formulierung verwendet. Vielmehr model-
den Exponenten n = 0,78 verwendet. Als charakteristische liert der multiplikative Verbrennungsterm ∆ die unter-
Länge wird die Formulierung von Hohenberg übernommen schiedlichen treibenden Temperaturgefälle vom Unver-
(d–0,22  ·V–0,073). Als für den Wärmeübergangskoeffizienten brannten mit einer Temperatur Tuv und vom Verbrannten
relevante Temperatur wird eine Mitteltemperatur aus Massen- mit einer Temperatur Tv zu den Brennraumwänden [7‑16].
Im Vergleich zu den älteren Wärmeübergangsgleichungen
mitteltemperatur und Wandtemperatur ein- von Woschni und Hohenberg ist die von Bargende deutlich
gesetzt, da innerhalb der thermischen Grenzschicht der Tem- unübersichtlicher hinsichtlich des Einflusses geänderter
peraturausgleichsvorgang Gastemperatur zu Wandtempera- Motorparameter auf den Wandwärmeverlust. Den Glei-
tur stattfindet, so dass die Stoffwerte (λ, η) und die Dichte ρ chungen von Woschni und Hohenberg ist der Einfluss einer
mit einer Mitteltemperatur zu berechnen sind. Drehzahler­höhung auf die Wandwärmeverluste sofort zu
Um höheren Ansprüchen zu genügen, kann auch eine entnehmen. Dieser einfachen Interpretation verschließt sich
Abhängigkeit von der Gaszusammensetzung über den Luftge- die Bargende-Gleichung mit dem für die Modellierung des
halt r berücksichtigt werden. Der Luftgehalt r ist definiert zu Geschwindigkeitsterms verwendeten k-ε-Modell.
Hier zeigt sich deutlich, dass durch die heutige, aus-
(7-17) schließlich programmierte Anwendung derartiger Modelle
auf Übersichtlichkeit zugunsten höherer Genauigkeit ver-
zichtet werden kann. Dieser Trend wird sich auch in
und bewegt sich im Zahlenwert zwischen r = 0 für ein stö­ Zukunft fortsetzen, wie beispielhaft die jüngeren Arbeiten
chio­metrisches Luftverhältnis (λ = 1) und r = 1 für reine Luft [7‑39] und [7‑21] auf dem Gebiet der Wärmeübergangsmo-
(λ → ∞). Der Stoffgrößenterm lautet dann: dellierung zeigen. Allerdings darf nicht der Fehler begangen
werden, einen „Scheingenauigkeitsgewinn“ mit der Modell-
bildung zu suggerieren, der dann entsteht, wenn Phäno-
(7-18)
mene in die Modellierung einbezogen werden, die experi-
mentell nicht überprüfbar sind. Derartige Gleichungssys­
teme sind nur scheinbar „physikalische“ Modellierungen,
aber tatsächlich sind sie rein empirische Anpassungen mit
Die wärmeübergangsrelevante Geschwindigkeit w wird mit- entsprechend eingeschränktem Gültigkeitsbereich.
tels eines globalen k‑ε‑Turbulenz-Modells beschrieben:
7.2.5 Anwendungsbeispiele

(7-19) Eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Ergebnisse,
die mit den im vorigen Abschn. beschriebenen Wärmeüber-
Mit ck als der momentanen Kolbengeschwindigkeit. Für gangsgleichungen erzielt werden, findet relativ häufig statt,
die Änderung der spezifischen kinetischen Energie gilt: zumeist um entweder eine neue Gleichungsformulierung
einzuordnen oder um Mess- mit Rechenergebnissen zu ver-
(7-20) gleichen.
Auch hier soll deshalb ein Vergleich der drei wesentlichen
Wärmeübergangs­gleichungen angestellt werden, um dem
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    239

Anwender eine für seine Fragestellung passende Auswahl zu Kurbelwinkellage relativ zu ZOT erreicht. Im Wesentlichen
erleichtern. durch die höheren Drücke ergeben sich mit allen drei Glei-
Bild 7‑17 zeigt hierzu im linken Diagramm den gemes- chungen leicht höhere Wärmeübergangskoeffizienten beim
senen Druckverlauf und die aus ihm thermodynamisch HCCI-Betrieb. Zusammen mit den höheren Massenmittel-
analysierten Verläufe der Massenmitteltemperatur- und des temperaturen und insbesondere durch die geringere ver-
Brennverlaufs eines typischen, modernen direkteinspritzen- brannte Kraftstoffenergie Qb entstehen merklich höhere
den (DE) Common Rail (CR) Pkw-Dieselmotors in der bezogene Wandwärmeverluste im Hochdruckteil (HD) bei
Teillast bei konventionellem, heterogenem Betrieb, in die- homogener als bei heterogener Verbrennung.
sem Beispiel mit einer Voreinspritzung appliziert. Im rech- Die Unterschiede im berechneten relativen Wandwärme-
ten Diagramm von Bild 7‑17 sind die Wärmeübergangsko- verlust zwischen den drei Gleichungen sind bemerkenswert
effizienten nach Woschni (Gl. (7‑10)), Hohenberg (Gl. (7‑14)) groß und rühren aus den starken Differenzen in den berech-
und Bargende (Gl. (7‑16)), sowie die Wandwärmeverluste neten zeitlichen Verläufen der Wärmeübergangskoeffi­
im Hochdruckteil (HD) bezogen auf die umgesetzte Brenn- zienten her.
wärme dargestellt. Diese Diskrepanzen findet man auch in den Energiebi-
Korrespondierend dazu zeigt Bild 7‑18 bei identischem lanzen, Bild 7‑19, dargestellt als Quotient aus dem Maximal-
Motor die Analyse­ergebnisse bei homogener Verbrennung wert des integrierten Brennverlaufs Qb Max und der zuge-
(HCCI, s. Abschn. 3.3). Deutlich zu erkennen ist hier die, führten Kraftstoffenergie QKrst, reduziert um die unvollstän-
wie eine Vorverbrennung aussehende, sog. „kalte Verbren- dig (CO), bzw. unvollkommen (HC) verbrannten Energie-
nung“ („Cool Flame“) im Brennverlauf direkt vor der anteile QHC,CO. Letzteres ist insbesondere bei HCCI-Betrieb
Hauptverbrennung („Hot Flame“). erforderlich, da hier nennenswerte un- bzw. teilverbrannte
Bedingt durch die insgesamt frühere und kürzere HCCI- Energieanteile im Abgas vorhanden sind.
Verbrennung steigt der Spitzendruck gegenüber der hetero- Die von der „Woschni“-Gleichung gelieferten zu nied-
genen Verbrennung deutlich an und wird bei einer früheren rigen Bilanzwerte bei heterogenem Betrieb sind seit langem

Bild 7-17 Vergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende bei einem heterogen betriebenen CR-DE Pkw Diesel in der Teillast mit
e­ iner applizierten Voreinspritzung und 20% gekühlter, äußerer AGR
240    7 Belastung von Motorbauteilen

Bild 7-18 Vergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende bei einem homogen (HCCI) betriebenem CR-DE Pkw Diesel in der Teillast
mit 60% gekühlter, äußerer AGR

bekannt ([7‑46] und [7‑42]). Bei heterogenem Betrieb ist menausbreitung ausgehend von einem singulären Zündort
nicht zu erkennen, ob die „Hohenberg“- oder die „Bar- ist.
gende“-Gleichung das genauere Ergebnis liefert, da aus Auch bei Anwendung der drei Gleichungen in der Volllast
ge­messenen Brennraum­druckverläufen ausgewertete Ener- von DE-Dieselmotoren ergeben sich signifikante Unter-
giebilanzen selbst bei sorgfältigster Kalibrierung und schiede. Bild 7‑20 zeigt im oberen Diagramm den mittleren
Anwendung der Messtechniken einen Vertrauensbe- indizierten Druck pi und den indizierten Wirkungsgrad ηi
reich von mindestens ± 2% aufweisen. Damit relativiert sich über der Motordrehzahl für einen auf Euro‑4 Grenzwerte
die Frage nach der Genauigkeit etwas, da die in Bild 7-19 abgestimmten Volllast-Betrieb eines Common Rail Pkw-Die-
aufgetragenen Abweichungen bei heterogener Verbrennung, selmotors. Im unteren Diagramm sind die bezogenen Wand-
bezogen auf „Hohenberg“, weniger als ± 4% betragen. wärmeverluste im Hochdruckteil (HD) dargestellt. Im qua­
Insgesamt bemerkenswert ist, dass bei HCCI-Betrieb litativen Verlauf sind alle drei Gleichungen identisch, hin-
überhaupt plausible Ergebnisse berechnet werden, da keine sichtlich der quantitativen Wärmeverluste ergeben sich
der drei Gleichungen für die homogene, selbstgezündete jedoch deutlich Unterschiede, vor allem zur „Woschni“-Glei-
Dieselverbrennung entwickelt, bzw. verifiziert wurde. Dies chung. Besonders auffällig ist der hohe Verlustanteil bei
ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass Wärmeübergangsglei- n = 1000 min–1, obwohl der indizierte Wirkungsgrad (berech-
chungen, die konsequent und sorgfältig auf der Änlichkeits- net aus innerer Arbeit und eingespritzter Kraftstoffmasse) im
theorie basierend entwickelt wurden, tastsächlich eine weit- Vergleich mit n = 1500 min–1 keinerlei Auffälligkeit zeigt.
gehende Allgemeingültigkeit erreichen. Auch die mit der „Woschni“-Gleichung berechneten Wand-
Erwartungsgemäß liefert jedoch die „Bargende“-Glei- wärmeverluste bei höherer Drehzahl erscheinen mit weniger
chung das Ergebnis mit der besten Energiebilanz, da der als 10% Energieanteil eher etwas zu gering zu sein.
HCCI-Betrieb energetisch relativ ähnlich zu einer otto­ Eine genauere Betrachtung der Verläufe der Wärmeüber-
motorischen Vormischverbrennung mit turbulenter Flam- gangskoeffizienten lässt darauf schließen (Bild 7‑21), dass
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    241

Bild 7-19
Vergleich der Energiebilanzen bei Be-
rechnung der Wandwärmeverluste
mit Woschni, Hohenberg und Bargende
bei heterogener (konv. CR-DE) und
homogener (HCCI) Verbrennung (CR-
DE Pkw Diesel, n = 2000 min-1, Teil-
last, gekühlte, äußerer AGR

Bild 7-20 Volllastvergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende (CR-DE Pkw Diesel)
242    7 Belastung von Motorbauteilen

Bild 7-21 Volllastvergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende bei n = 1000 min-1 und n = 4000 min-1 (CR-DE Pkw Diesel)

mit der „Woschni“-Gleichung der Verbrennungseinfluss auf rung der Wandwärme­verluste besprochen. Trotzdem ist zu
den Wärmeübergang bei n = 1000 min–1 zu stark und bei bemerken, dass die älteste aller auf der Ähnlichkeitstheorie
n = 4000 min–1 eher zu schwach wiedergegeben wird und basierenden Wärmeübergangsgleichungen, die „Woschni“-
sich daraus die Unterschiede im bezogenen Wandwärme- Gleichung nach wie vor die am häufigsten eingesetzte ist,
verlust erklären. trotz aller bekannten Schwächen, wie auch wieder in dem
Der Vergleich der drei diskutierten Beziehungen für den hier gezeigten Vergleich zu sehen ist.
Wärmeübergang führt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das Thema „Wärmeübergang vom Brennraumgas an die
Bei großen Dieselmotoren scheint die „Woschni“-Gleichung Brennraumwände“ ist offensichtlich als Forschungsthema
die besten Ergebnisse zu liefern [7‑48]. Insbesondere bei bei weitem noch nicht abgeschlossen.
Nfz-Dieselmotoren scheint es die „Hohenberg“-Gleichung Zum heutigen Stand kann daher nur die Empfehlung
[7‑30] zu sein. Bei homogenen und teilhomogenen Brenn- gegeben werden, die jeweils eingesetzten Wärmeübergangs-
verfahren, die stärkere Ähnlichkeiten mit ottomotorischen gleichungen stets kritisch zu überprüfen. Aber dies sollte im
Prozessabläufen, insbesondere bezüglich Kurbelwinkellage Rahmen physikalischer Plausibilität geschehen. Beispiels-
und Dauer der Wärmefreisetzung zeigen, dürfte es die „Bar- weise ist ein Bilanzfehler von deutlich mehr als 5% sicherlich
gende“-Gleichung sein ([7‑28],[7‑29]). nicht durch eine „falsche“ Wärmeübergangsgleichung ver-
Jedoch ist auch die „Bargende“-Gleichung mittlerweile ursacht. Hilfreich ist dabei immer der parallele Einsatz
mehr als 15 Jahre alt, die „Hohenberg“-Gleichung mehr als mehrerer Gleichungen, weil dies die Plausibilitätsprüfung
25 Jahre und die „Woschni“-Gleichung gar vor mehr als deutlich erleichtert. Schlussendlich ist viel Erfahrung in der
35 Jahren veröffentlicht worden. Anwendung durch nichts zu ersetzen und eine universell
Seitdem hat der dieselmotorische Prozessablauf deutliche richtige Lösung existiert heute noch nicht.
Veränderungen erlebt. Stellvertretend sei hier nur die Flexi-
bilisierung der Einspritzgestaltung durch das Common Rail
System als Beispiel genannt. In einer Vielzahl von Veröffent­
lichungen wurden auch die Auswirkungen auf die Modellie-
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor    243

7.2.6 Wärmeübergang für den Ladungswechsel Da die „Bargende-Gleichung“ nur für den Hochdruckteil
und die Ansaug- und Abgaskanäle von ES bis AÖ gilt, sollte für den Ladungswechsel auf die
„Woschni“-Gleichung gewechselt werden.
Der Ladungswechsel erstreckt sich definitionsgemäß von Eine Ladungswechselsimulation oder -analyse benötigt
Auslass öffnet bis Einlass schließt. Der Wärmeübergang im neben dem Wärmeüber­gang im Zylinder auch entspre-
Zylinder während dieser Phase des Prozessablaufes wurde chende Modelle für den Ansaug- und den Auslass­kanal als
bis heute lange nicht so intensiv erforscht wie im Hochdruck- Randbedingungen.
teil des Prozesse von Einlass schließt bis Auslass öffnet. Von Zapf wurden 1969 [7‑49] zwei ebenfalls auf der Ähn-
Zunehmend werden immer höhere Ansprüche an die lichkeitstheorie turbulent durchströmter Rohre basierende
Genauigkeit der realen Prozessberechnung gestellt, so dass Gleichungen für die Kanäle veröffentlicht:
auch der Wandwärmeverlust während des Ladungswechsels
an Bedeutung gewinnt. Er beeinflusst in deutlichem Maße:
– die Abgasenthalpie und damit die energetische Beauf­schla­
gung einer Abgasturboladerturbine, (7-22)
– die Abgastemperatur und damit indirekt die Temperatur
einer äußeren Abgasrückführung (AGR), in noch stärke­
rem Maße aber die Temperatur des intern, während der Zur Anwendung ist eine Auflösung der Nusseltzahlen für
Ventilüberschneidung über den Ansaugkanal rückge­ den Einlasskanal  NuEK und den Auslasskanal  NuAK nach
führtem, bzw. im Zylinder verbleibendem Abgas, dem Wärmeübergangs­koeffizienten  α erforderlich. Der
– Die Frischladungsfüllung und deren Temperatur durch Term hv/di beschreibt den Quotienten aus Ventilerhebung
mehr oder weniger starke Aufheizung während der und innerem Ventildurchmesser.
Ansaugphase. Indirekt wird dadurch auch nennenswert Die Gln. (7‑22) wurden in [7‑44] sehr aufwändig und
die Schadstoffbildung (Stickoxide) durch Veränderung des systematisch untersucht und erwiesen sich als sehr gut
gesamten Prozesstemperaturniveaus beeinflusst, geeignet, um den Wärmeübergang in den Kanälen mit guter
– Der direkte Einfluss auf den Ladungswechselwirkungs­grad Genauigkeit zu berechnen.
ist relativ gering, vielmehr entstehen sekundäre Einflüsse
auf den gesamten Prozesswirkungsgrad durch die vorher 7.2.7 Energetisch mittlere Gastemperatur zur
genannten Einflüsse. Berechnung der thermischen Belastung
Wie im Hochdruckteil wird zur Berechnung des zylindersei- der Bauteile
tigen Wärmeüber­gangs im Ladungswechsel am häufigsten
Zur Berechnung der Temperaturfelder in den Brennraum-
die „Woschni“-Gleichung eingesetzt:
wänden wird keine zeitliche Auflösung des Arbeitsspieles im

(7-21) Kurbelwinkelmaßstab benötigt. Es genügt, den Wärmeüber-
gangskoeffizienten und die Gastemperatur zur Berechnung
Mit C1 = 6,18 +0,417 cu/cm für den Ladungswechsel.
der Randbedingung „Wärmestromdichte an der Brennraum­
Auch die Konstante C1 erfuhr eine Überarbeitung, so
oberfläche“ als Mittelwerte über jeweils ein Arbeitsspiel ein-
1999 von Gerstle [7‑27] für den Einsatz bei mittelschnelllau-
zusetzen.
fenden Dieselmotoren im Hinblick auf genauere Erfassung
Für die Berechnung von Kalt- und Warmstarts sowie all-
der Abgasenthalpie:
gemein Änderungen des Betriebspunkts ist sogar eine noch
geringere zeitliche Auflösung empfehlenswert, um die
Rechenzeiten begrenzt zu halten und eine gute Konvergenz
sicher zu stellen [7‑38].
Für den mittleren Wärmeübergangskoeffizienten αm gilt:

Der Wandwärmeverlust von Auslass öffnet bis Einlass öffnet (7-23)
wird dadurch gegenüber der Ur-Version deutlich abgesenkt
und die „Aufheizung“ der Frischladung während des An- Für die energetisch mittlere Massenmitteltemperatur Tzm gilt:
saugvorganges deutlich angehoben.
Nach [7-30] ist die „Hohenberg“-Gleichung mit iden-
(7-24)
tischen Konstanten sowohl für den Hochdruck-, als auch für

den Ladungswechselteil einsetzbar.
244    7 Belastung von Motorbauteilen

Durch diese Wichtung der Massenmitteltemperaturen Tz mit nale Simulationsprogramme entwickelt. Mit diesen Simu­la­
dem momentanen Wärmeübergangskoeffizienten α ergeben tions­werkzeugen wurde anfänglich erwartet, dass auf
sich deutlich höhere Temperaturen, als bei arithmetischer ­Ähnlichkeitstheorie basierte Wärmeübergangsgleichungen
Mittelung über das Arbeitsspiel (ASP). Eine Berechnung von verzichtet werden kann und eine deutlich verbesserte und
Temperaturfeldern mit arithmetischer Mitteltemperatur insbesondere lokal aufgelöste Berechnung der Wand­
führt zu gänzlich falschen, viel zu niedrigen Wandtempera- wärmeströme ermöglicht wird.
turen. Der Wandwärmeverlust und die thermische Belastung Eingesetzt wurden aus der Turbulenz Modellierung stam-
der Bauteile würde deutlich unterschätzt werden. mende klassische turbulente, bzw. logarithmische Wandge-
Das heißt aber auch, dass das Erreichen eines wärmedich- setze, wie sie in anderen CFD‑Anwen­dungen sehr erfolg-
ten Motors der Bedingung: reich zur Anwendung kommen. In [7‑35] und [7‑37] wer-
den die grundlegenden Zusammenhänge sehr anschaulich
dargestellt.
Bei Anwendung des logarithmischen Wandgesetzes im
Verbrennungsmotor zeigte sich jedoch bald, dass der globa-
le, integrale Wandwärmeverlust um bis zu einem Faktor 5
gehorchen muss. Die Wandtemperaturen müssten danach unterschätzt wurde, im Vergleich zu Bilanzmessungen und
bei Volllast deutlich mehr als Tw=1000 K erreichen. Abgese- realen Prozessrechnungen. Bei einer derart großen Diskre-
hen von dieser Schwierigkeit haben entsprechende Untersu- panz konnte nicht erwartet werden, korrekte Ergebnisse für
chungen [7‑33] gezeigt, dass durch eine derartige Maßnahme alle anderen interessierenden Größen zu erhalten.
keine Wirkungsgradverbesserungen erzielbar sind, sondern Die Ursache für diese Differenzen ist in den sehr dünnen
im Gegenteil der Kraftstoffverbrauch sogar zunimmt. Grenzschichten im Verbrennungsmotor zu suchen. Die
laminaren, viskosen Unterschichten sind sogar extrem dünn,
7.2.8 Wärmeübergangsmodellierung in der 3D-CFD- wie eine Abschätzung mittels folgender, einfacher Gleichung
Rechnung für die Dicke der viskosen Unterschicht δ´t entsprechend
Abschn. 7.2.2 zeigt.
Mit der Verfügbarkeit ausreichend schneller Computer wur-
den für die Auslegung des motorischen Prozessverlaufs und
(7-25)
insbesondere der Verbrennung instationäre, dreidimensio-

Bild 7-22
Verlauf der Dicke der viskosen Unter-
schicht der thermischen Grenzschicht.
Wärmeübergangskoeffizient nach
Bargende (CR-DE Pkw Diesel)
7 Literatur    245

In Bild 7‑22 sind die Verläufe der örtlich mittleren Dicken 7-12 Broichhausen, J.: Schadenskunde – Analyse und Ver-
der viskosen Unterschicht der thermischen Grenzschicht be- meidung von Schäden in Konstruktion, Fertigung und
rechnet mit Gl. (7‑25) für die vier in Abschn. 7.2.5 ausführ- Betrieb. München/Wien: Hanser 1985
lich diskutierten Betriebspunkte dargestellt. Obwohl es sich 7-13 Zima, S.; Greuter, E.: Motorschäden. Würzburg: Vogel
mit der einfachen Beziehung nur um eine Abschätzung han- 2006
deln kann, wird doch deutlich, dass eine numerische Diskre- 7-14 Barba, C.; Burkhardt, C.; Boulouchos, K.; Bargende,
tisierung einer höchstens 20 µm dicken Unterschicht an der M.: A Phenomenological Combustion Model for Heat
Brennraumwandoberfläche nicht möglich ist und deshalb Release Rate Prediction in High-Speed Di Diesel
mit Näherungen gearbeitet werden muss. Engines With Common-Rail Injection. SAE-Paper
Trotz der von z. B. Reitz erarbeiteten Fortschritte bei einer 2933 (2000) 1
für 3D-CFD Simu­lationen geeigneten, lokalisierten Formu- 7-15 Bargende, M.; Hohenberg, G.; Woschni, G.: Ein Glei-
lierung des Wandgesetzproblems (z. B. [7‑43]), wird bis chungsansatz zur Berechnung der instationären Wand­
heute sehr häufig eine der drei in Abschn. 7.2.5 diskutierten wärmeverluste im Hochdruckteil von Ottomotoren.
Wärmeübergangsgleichungen in der 3D-CFD Simulation 3. Tagung: Der Arbeitsprozess des Verbrennungsmo-
verwendet. Bei intelligenter Implementierung ergibt sich tors. Graz 1991
hierdurch der unschätzbare Vorteil einer laufenden Kontrol- 7-16 Bargende, M.: Ein Gleichungsansatz zur Berechnung
le (bzw. falls erforderlich: Korrektur) der Energiebilanz der der instationären Wandwärmeverluste im Hochdruck-
3D-CFD Rechnung durch eine simultan laufende reale Pro- teil von Ottomotoren. Diss. TU Darmstadt 1991
zessrechnung [7‑19]. 7-17 Bargende, M.: Berechnung und Analyse innermotori-
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246    7 Belastung von Motorbauteilen

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raumwandtemperaturen bei Verbrennungsmotoren.
13. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motoren-
technik 2004
8 G estaltung, Mechanik und Beanspruchung
des Triebwerks

8.1 B auformen und mechanische werksschwingungen, der Verbesserung des Massenaus-


Eigenschaften des Triebwerks gleichs und der Verringerung der Schwingungserregung
über die Motoraufhängung/-lagerung und den An­triebs­
strang noch mehr Bedeutung zukommen. Der Dieselmotor
8.1.1 Funktion und Anforderungen an das Triebwerk hat sich in Europa vom nach wie vor primären Nutzfahr-
zeugantrieb zum inzwischen auch häufig genutzten Pkw-
In Hubkolbentriebwerken wird die oszillierende Kolbenbe- Antrieb weiterentwickelt.
wegung über die sowohl mit den Kolbenbolzen als auch mit Aber auch der enormen mechanischen Triebwerksbean-
den Hubzapfen der Kurbelwelle gelenkig verbundenen Pleuel spruchung moderner Dieselmotoren ist Rechnung zu tra-
in eine Rotationsbewegung der Kurbelwelle umgesetzt. Bei gen. Die Triebwerkskomponenten erfordern eine hinsicht-
der Triebwerksauslegung ist die Laufruhe ein allgemein lich Gestaltfestigkeit, Steifigkeit und Masse optimierte kons­
wichtiges Kriterium. Priorität bei Ottomotoren hat die truktive Auslegung. Das Wissen um örtlich vorliegende,
Schnelllauffähigkeit. Möglichst geringe bewegte Massen ste- bauteilbezogene Dauerschwingfestigkeiten betreffender
hen daher absolut im Vordergrund. Bei Dieselmotoren ist Werkstoffe hält nicht ganz Schritt mit der mittlerweile recht
der Schwerpunkt etwas verschoben. Die Beherrschung der genauen Simulation der Beanspruchungsverhältnisse. Dies
Gaskraftwirkungen ist hier die primäre Herausforderung. offenbart eine potenzielle Schwachstelle bei Betriebsfestig-
Denn im Vergleich mit Ottomotoren treten mindestens dop- keitsberechnungen im Grenzbereich. Insofern gilt es, tech-
pelt so hohe, mit der Baugröße weiter zunehmende Zünd- nologische Einflüsse und Qualitätsschwankungen in der
drücke auf. Fertigung in ihrer praktischen Auswirkung künftig noch
In Verbindung mit Direkteinspritzung sowie ein- oder genauer erfassen zu können.
zweistufiger Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung
erreichen z. B. Pkw-Dieselmotoren heute spezifische 8.1.2 Triebwerkskräfte
Leistungen von Ottomotoren. Darüber hinaus bestimmen
aktuell Kraftstoffverbrauchssenkung (Reduzierung der Dem Kurbeltrieb des Hubkolbenmotors sind im Schrifttum
CO2-Emission), stringente Emissionsgesetze, Leichtbau zahllose Darstellungen gewidmet (z. Β. [8‑1], [8‑2]). Kolben-
sowie immer kompaktere Bauweise ohne Abstriche bei der seitig wird das Triebwerk von der mit dem Kurbelwinkel j
Zuverlässigkeit die Motorenentwicklung. Weiter steigende veränderlichen Kolbenkraft FK(j) beaufschlagt. Diese ergibt
Zünd- und Einspritzdrücke führen allerdings prinzipiell zu sich nach Bild 8‑1 durch Überlagerung der Gaskraft FGas(j)
immer „härterer“ Verbrennung. Zwangsläufig resultieren mit der oszillierenden Massenkraft Fmosz(j):
daraus vermehrt akustische und schwingungstechnische
(8-1)
Probleme. Dem stehen zunehmende Komfortansprüche
gegenüber. Der Verbesserung der Akustik und des Schwin- Die Gaskraft  FGas(j) ist das Produkt aus Zylinderdruck pZ(j)
gungsverhaltens moderner Dieselmotoren dienen Mehr- und Kolben­fläche AK. Der Zylinderdruckverlauf kann über
facheinspritzung, optimierte Schwingungsdämpfung, die Zylinderdruckindizierung gemessen oder mit Hilfe der
schwungradseitiger Steuertrieb, Zweimassenschwungrad realen Prozessrechnung berechnet werden, die oszillierende
und die bei Diesel-Pkw mittlerweile übliche Teilkapselung. Massenkraft nach Gln. (8‑30). Mit dem Pleuelschwenkwin-
Nicht zuletzt die weiter zunehmenden Amplituden des kel ψ folgt im gehäusefesten System aus der Kolbenkraft FK
Gasdrehkraftverlaufs lassen der Beherrschung von Trieb- die Pleuelstangenkraft FPl :
248    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-1
Im Hubkolbentriebwerk wirkende
Kräfte, Kolbenbolzen desaxiert

Die Lagerkräfte FPlL bzw. FKWHL im Pleuel- bzw. in den Kur-


(8-2) belwellenhauptlagern erhält man durch Vektoraddition der
Pleuelstangen­kraft FPl mit den zugehörigen rotierenden Mas-
Infolge der Schrägstellung des Pleuels wirkt auf die Zylinder- senkräften. Im Fall des Pleuellagers ist es die Massenkraft des
lauffläche die Kolbenseitenkraft FKN: mit dem Hubzapfen rotierend angenommenen Masseanteils
des Pleuels FmPlrot , im Fall der Kurbelwellenhauptlager die ge-
(8-3) samte Massenkraft Fmrot der mit der Kurbel rotierenden Mas-
lPl ist das Pleuelstangenverhältnis (der Quotient aus Kurbel- sen. Letztere ergeben sich als Summe aus den rotierenden
radius r und Pleuellänge lPl). Am Hubzapfen der Kurbel greift Massenkräften des Pleuels FmPlrot und der Kurbel FmKWrot :
im wellenfesten System die Tangential- oder Drehkraft Ft an:

(8-4) (8-7)

Bei der statisch unbestimmt gelagerten Kurbelwelle von


Radial am Hubzapfen greift die Radialkraft Frad an: Mehrzylindermotoren ist die Krafteinleitung durch angren-
zende Zylinder – abhängig von deren Phasenlage und Auftei-
lung auf die Hauptlager der betreffenden Kurbelkröpfung –
(8-5)
zu bedenken. Die wirklichkeitsnahe Erfassung aller Effekte
(elastische Lagerstuhl- und Kurbelwellenverformung, unter-
Die Tangentialkraft Ft erzeugt mit dem Kurbelradius r als schiedliche Lagerspiele, hydrodynamische Schmierfilmbil-
Hebelarm das Drehmoment M der Kurbel. Dieses kann auch dung in dynamisch verformten Lagern und fertigungsbe-
als Reaktionsmoment am Zylinderkurbelgehäuse – bedingt dingte Fluchtungsfehler der Lagergasse) gestaltet sich ent-
durch die Kolbenseitenkraft FKN und den Momentanabstand sprechend schwierig und aufwändig (z. B. [8‑3] bis [8‑8]).
h zwischen Kolbenbolzen- und Kurbelwellenachse – defi- Ein in der Zeit t durchlaufener Kurbelwinkel j beträgt bei
niert werden: konstanter Motordrehzahl (Kreisfrequenz w) j = wt. Den
Zusammenhang zwischen den Winkeln j und y liefern
(8-6) schließlich folgende Beziehungen:
8.1 Bauformen und mechanische Eigenschaften des Triebwerks    249

gewisse Schränkung kann bei Reihenmotoren bei Inkauf-


nahme einer Störung des Massenausgleichs und Beeinflus-
(8-8) sung der Erregeramplituden erwogen werden, um die gas-
kraftbedingte Kolbenseitenkraft und damit die Reibungsver-
luste zu reduzieren.

8.1.3 Motorbauweise, Gestaltung des Triebwerks


(8-9)
8.1.3.1 Einflussgrößen
Damit können die den Pleuelschwenkwinkel y enthaltenden
Gleichungen auch als Funktion des Kurbelwinkels j darge- Die freien Gas- und Massenkraftwirkungen bestimmen die
stellt werden. mechanischen bzw. dynamischen Eigenschaften des Trieb-
Gl. (8-9) gilt exakt nur für das ungeschränkte Hubkolben- werks. Grundsätzliche Bedeutung gewinnen in diesem Zu-
triebwerk, das zudem keine Desaxierung des Kolbenbolzens sammenhang
aufweist. Letztere ist meist gering und daher bei hinrei- – die Zylinderzahl z und
chender Rechengenauigkeit vernachlässigbar. Andernfalls – die Motorbauweise in Form der Anordnung der Zylinder.
wird Gl. (8-8, links) mit dem seitlichen Versatz y bzw. e
ergänzt (Bild 8‑2): Wesentliche Einflussgrößen sind dabei
– der Zylinderdruckverlauf,
(8-10) – die Kurbeltriebsmassen,
– die kinematischen Parameter des Kurbeltriebs,
Es wird zwischen Desaxierung zur Druckseite aus Geräusch- – der Zylinderbohrungsdurchmesser und Zylinderabstand
gründen (Beeinflussung des Anlagewechsels) und „ther- sowie
mischer“ Desaxierung zur Gegendruckseite (Vermeidung – die Kröpfungsanordnung der Kurbelwelle (Zündabstand,
einseitigen Ölkohleaufbaus) unterschieden [8-9]. Schrän- Zündfolge).
kung bzw. Desaxierungen vergrößern den Hub und lassen
den oberen und unteren Totpunkt aus den definitionsge- 8.1.3.2 Gängige Bauweisen
mäßen Lagen wandern. Die Totpunkte werden dann in der
sog. „Streck-“ bzw. „Decklage“ erreicht, d. h., wenn Kurbel- Ottomotoren sowie schnelllaufende Dieselmotoren für Pkw,
und Pleuel geometrisch die gleiche Richtung haben. Eine Nkw, Lokomotiven und kleine Schiffe werden, um Bauraum
und Masse zu sparen, mit Tauchkolbentrieb­werken gebaut.
Langsamläufer, d. h. große Zweitakt-Dieselmotoren, werden
dagegen mit Kreuzkopfkurbeltrieb ausgeführt. Der Kreuz-
kopf ist bei dem für diese Motoren typischen großen Hub im
Verhältnis zur Zylinderbohrung unverzichtbar. Ein entspre-
chendes Tauchkolbentriebwerk wäre andernfalls infolge des
limitierten Pleuelschwenkwinkels nur mit einer sehr langen
Pleuelstange darstellbar. Ein weiterer dabei nutzbarer Vorteil
ist die vollständige konstruktive und funktionelle Trennung
zwischen dem Kolben, der mit seiner Kopfseite Teil des
Brennraums und somit thermisch hoch beansprucht ist, und
der Geradführung [8‑10].
Bei Dieselmotoren findet man die herkömmliche Reihen-
(mit R abgekürzt) und V‑Bauweise. Die Boxerbauweise
spielt bei Ottomotoren eine Nischenrolle. Beim V- ein-
schließlich VR‑Motor [8‑11] sind die Zylinderbänke bzw.
-reihen V‑förmig, beim Sonderfall W‑Motor (nur Ottomo-
tor [8‑12]) fächerartig angeordnet. Kennzeichnend ist der
bzw. sind im letzteren Fall die V‑Winkel aV zwischen den
Bild 8-2 Geschränkter Kurbeltrieb Zylinderbänken.
250 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

8.1.3.3 Anzahl der Zylinder Bei Anwendung großer Dieselmotoren als Schiffsantrieb
erweist sich dagegen die Laufruhe hoher Zylinderzahlen als
Mit zunehmender Anzahl der Zylinder z in geeigneter An- günstig, da damit die Schwingungsanregung des Schiffs-
ordnung reduzieren sich die freien Gas- und Massenkraft- rumpfes und der Aufbauten minimiert wird. Ein möglichst
wirkungen erheblich. Insbesondere wird, wie in Bild 8-3 gleichmäßiger Drehkraftverlauf ist bei Generatorbetrieb
beispielhaft dargestellt, eine Vergleichmäßigung des am ebenfalls von Vorteil. Der Dämpfung von Torsionsschwin-
Schwungrad abgegebenen Drehmoments erreicht (z. B. gungen muss dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt
[8-2]). Andererseits verschärft sich die Anfälligkeit für Dreh- werden. Mittelschnellläufer sind z. B. auch mit ungeraden
schwingungen (s. Abschn. 8.3) mit zunehmender Baulänge Zylinderzahlen in der lückenlosen Abstufung R6-, R7-, R8-,
der Kurbelwelle. R9- und R10-Motor (z. B. MAN Diesel SE, Baureihe L32/40)
Bei Fahrzeugmotoren beschränken die Einbausituation verfügbar. Bei Zweitakt-Langsamläufern kann eine Baureihe
und Wartung sowie die Absicht, Schwingungsdämpfungs- ebenfalls lückenlos z. B. vom R6- einschließlich eines R11-
maßnahmen gering zu halten, die Anzahl der Zylinder. Es bis zum R12-Motor reichen und noch eine R14-Variante
erfolgt daher bei Ottomotoren sowie Pkw- und Nfz-Diesel- umfassen (z. B. MAN Diesel SE, Baureihe K98MC MK7).
motoren eine Beschränkung auf sechs Zylinder in Reihe. Mittelschnelllaufende Dieselmotoren werden in V-Bauweise
Größere Zylinderzahlen erfordern die V-Bauweise mit acht, in unterschiedlichen Stufungen mit bis zu 20 Zylindern her-
zehn und 12 Zylindern. gestellt.

Bild 8-3
Überlagerung der an den einzelnen
Kröpfungen eines R6-Zylinder-Vier-
taktmotors erzeugten Drehkräfte bzw.
Drehmomente
8.1 Bauformen und mechanische Eigenschaften des Triebwerks    251

8.1.3.4 Kröpfungsanordnung und angelenkten Nebenpleuel entstehen lassen, die diesen Nach-
freie Massenwirkungen teil zwar vermeiden aber aus Kostengründen nicht mehr
eingesetzt werden (Bild 8‑4).
Bei Mehrzylindermotoren kann allein durch geeignete Kröp- Bei V‑Motoren erscheinen die Verhältnisse, wie im
fungsanordnung bereits ein recht günstiges dynamisches Ver- Abschn. 8.3.3.2 näher erläutert, etwas komplexer. Die freien
halten des Triebwerks erreicht werden. Beim Reihentriebwerk Massenkräfte 1. Ordnung eines V‑Trieb­werks sind vollstän-
sind die freien Massenkräfte 1. Ordnung bei zentralsymmet- dig durch Gegengewichte an der Kurbelwelle ausgleichbar,
rischer Kurbelwelle ­ – zentralsymmetrischem Kurbelstern wenn folgende Bedingung erfüllt ist:
1. Ordnung (s. Abschn. 8.3.3.2) – vollständig ausgeglichen.
(8-12)
Dies ist der Fall, wenn der Kröpfungswinkel der Kurbelwelle
jK einem gleichmäßigen Zündabstand jz entspricht: Neben dem V‑Winkel aV bezeichnet d den Hubzapfenver-
satz oder Pleuelversatzwinkel (Winkel, um den die Hubzap-
fen einer Doppelkröpfung gegebenenfalls versetzt, d. h. ge-
geneinander verdreht sind). Dieser Winkel beträgt z. B. beim
(8-11) 90°/V8-Triebwerk d = 0°, beim Boxermotor (a = 180°) d =
Die Zündfolge spielt dabei keine Rolle. Bleibt der Kurbelstern 180° und beim 60°/V6-Triebwerk d = +60°. Das Vorzeichen
2. Ordnung (fiktive Verdopplung des Kröpfungswinkels aller + steht dabei für einen Versatz entgegen der Drehrichtung
Zylinder) zentralsymmetrisch, so verschwinden auch die der Kurbelwelle. Bei großem Pleuelversatz­winkel ist aus Fes­
freien Massenkräfte 2. Ordnung. Längssymmetrische Kur- tigkeitsgründen eine Zwischenwange zwischen den ver-
belwellen von Viertakt-Reihenmotoren mit gerader Zylin- setzten Hubzapfen unvermeidlich. Dies geht allerdings zu
derzahl sind auch frei von Massenmomenten in allen Ord- Lasten der Baulänge, da sich zumindest der Zylinderbank-
nungen. versatz um deren Breite erhöht (Bild 8‑5).
Beim V‑Triebwerk wirken die Kräfte jeweils eines V- Bei kleinem Hubzapfenversatz (Pleuelversatzwinkel) kann
Zylinderpaares auf eine Doppelkröpfung der Kurbelwelle. in Verbindung mit Maßnahmen zur Steigerung der Dauer-
Üblich ist heutzutage die Anordnung „Pleuel-neben-Pleuel“, festigkeit auf eine Zwischenwange gänzlich verzichtet wer-
d. h. zwei axial versetzte, aber am selben Hubzapfen ange- den (diese Ausführung wird „split-pin“ genannt). Kleine
lenkte Pleuel. Der axiale Pleuelversatz erzeugt ein durch die Hubzapfenversätze werden zunehmend angewandt, um bei
Gas- und Massenkräfte bedingtes, über die Kurbelwelle in modularer Bauweise ungleiche Zündabstände zu egalisie-
die Lagerstuhlwand eingeleitetes Biegemoment. Dies hat ren. Vornehmlich ist dies bei V6- und V10-Triebwerken bei
konstruktiv deutlich aufwändigere Pleuelkonstruktionen in einem am V8‑Triebwerk ausgerichteten V-Winkel von 90°
Form des Gabelpleuels und des Hauptpleuels mit an diesem anzutreffen. Der Pleuelversatzwinkel berechnet sich dann –

Bild 8-4
Unterschiedliche Pleuelanordnungen
beim V-Triebwerk: a Pleuel neben
Pleuel, b Gabelpleuel, c Haupt- und
Nebenpleuel
252    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-5
Unterschiedliche Kröpfungsausfüh‑
rungen der Kurbelwelle beim V-Trieb‑
werk: a gemeinsamer Hubzapfen
zweier axial versetzter Pleuel, b Dop‑
pelkröpfung mit Zwischenwange bei
großem Hubzapfenversatz (Pleuelver‑
satzwinkel), c Doppelkröpfung mit
kleinem Hubzapfenversatz (Sonder‑
fall: keine Zwischenwange („split-
pin“-Ausführung))

hier den Viertakt­motor unterstellt – mit der Anzahl der der Erregung von Drehschwingungen in Anbetracht kurzer
Zylinder z wie folgt: Baulänge weniger kritisch. Der R2-Dieselmotor hat als Pkw-
Antrieb keine Bedeutung. Ehemaliger Vertreter dieser Bau-
(8-13)
form war der VW „Öko Polo“ [8‑14] mit Zündabstand 360°
(Bild 8-6). Eine seitlich angeordnete, negativ (gegensinnig)
Es folgen daraus für das 90°/V6-Triebwerk d = +30°, für das
mit Kurbelwellendrehzahl rotierende Ausgleichswelle führt
90°/V10-Triebwerk d = –18° (die Vorzeichen sind wie oben
den vollständigen Massenkraftausgleich 1. Ordnung herbei.
erläutert zu interpretieren). Im Hinblick auf die freien Dreh-
Die einseitige Anordnung erzeugt allerdings ein zusätzliches
kräfte wird einem gleichmäßigen Zündabstand u. U. mehr
Moment um die Motorlängsachse, das das freie Massendreh-
Bedeutung eingeräumt. Zum vollständigen Ausgleich des
moment jedoch günstig beeinflusst.
freien Massenmoments 1. Ordnung wird dann eine Aus-
Wird von Viertakt-Stern-Flugmotoren und in neuerer
gleichswelle (s. Abschn. 8.3.6) zusätzlich in Betracht gezogen.
Zeit vom VW VR5-Pkw-Motor [8-15] abgesehen, so eignet
V-Triebwerke mit ihrer regulär zwar geraden Zylinderzahl
sich nur der Reihenmotor prinzipiell für ungerade Zylinder-
weisen nur im Sonderfall eine längssymmetrische Kurbel-
zahlen. Die genannten Motorbauarten sind als Ottomotoren
welle auf. Dann tritt meist kein freies Massenmoment 1. Ord-
ausgeführt; die VR‑Bauart ist aufgrund der hohen Belas­
nung auf. Bei zentralsymmetrischem Kurbelstern 1. Ordnung
tungen (Kolbenseitenkraft- und Lagerbelastung) für das
resultieren auch aus dem Hubzapfenversatz weder eine freie
Diesel­verfahren weniger geeignet.
Massenkraft noch ein freies Massenmoment 1. Ordnung.
Der R3-Viertaktmotor ist wegen seines Komfortdefizits
nicht besonders populär. Ursächlich sind die freien Massen-
8.1.3.5 Charakterisierung von Dieselmotor-Triebwerken
momente, insbesondere der 1. Ordnung. Der Ausgleich
Die Charakterisierung von Triebwerken bezieht sich im Fol- kann bei ungeraden Zylinderzahlen nicht allein durch
genden auf das vorherrschende Viertakt-Arbeitsverfahren. Gegengewichte an der Kurbelwelle bewerkstelligt werden.
Einzylinder-Dieselmotoren (Massenausgleich des Einzylin- R3-Dieselmotoren besetzen allerdings seit einigen Jahren
ders s. Abschn. 8.3.3.1) haben Bedeutung als Antrieb für die Nische besonders Kraftstoff sparender kleiner Pkw-
kleine Aggregate. Auch bei kleinen Motoren werden unkon- Antriebe (z. B. VW „Lupo 3L“ [8‑16], DaimlerChrysler
ventionelle Lösungen mit kombinierten Maßnahmen zur „Smart“ [8‑17]). Der Verzicht auf eine Ausgleichswelle wird
Verbesserung der Laufruhe angewandt [8-13]. bei diesen kleinen Motoren günstiger beurteilt. Hinsichtlich
Beim R2-Viertaktmotor besteht ein Zielkonflikt. Bei gleich- der im Fahrgastraum wahrnehmbaren Schwingungen tritt
mäßigem Zündabstand von 360° addieren sich die freien die gaskraftbedingte 1,5. Ordnung kritischer in Erscheinung
Massenkräfte 1. und die höherer Ordnungen ungünstig. als die Massenwir­kungen 1. Ordnung [8‑17]. Beim aktuellen
Dafür tritt kein freies Massenmoment auf. Eine Kurbelwelle Smart/Mitsubishi R3‑Dieselmotor kommt dennoch mittler-
mit 180° Kröpfungswinkel (dies entspricht einer R2-Zweitakt- weile eine negativ (gegensinnig) mit Kurbelwellen­drehzahl
Kurbelwelle) kehrt die Verhältnisse um. In der 1. Ordnung rotierende Ausgleichswelle zum Einsatz [8‑18].
treten nun keine freien Massenkräfte, aber ein freies Massen- Die Mehrzahl der Pkw-Dieselmotoren stellen Reihen-
moment auf. Der jetzt ungleiche Zündabstand ist hinsichtlich Vierzylinder dar. Das R4‑Triebwerk hat in der 1. Ordnung
8.1 Bauformen und mechanische Eigenschaften des Triebwerks 253

Bild 8-7 Kurbelwelle des VW R5-TDI®-Dieselmotors (mit in das motorfront-


seitige Gegengewicht integriertem Schwingungsdämpfer [8-22])

Dieselmotoren (Bild 8-7 [8-22]) scheint diese Bauweise


wieder an Bedeutung zu verlieren.
Hohes Drehmoment und weiter gesteigerte spezifische
Leistung von R4-Dieselmotoren ermöglichen deren Einsatz
auch als Basismotorisierung oberhalb der Mittelklasse.
Bild 8-6 Vollständiger Ausgleich der freien Massenkräfte 1. Ordnung beim Außerdem ist ein Trend zum V6-Dieselmotor erkennbar.
R2-Dieselmotor des VW Öko-Polo [8-14] „Fahrzeug-Package“, „Crash-Länge“ und die Option des
Motorquereinbaus (zunehmende Variantenvielfalt) beein-
flussen bei Pkw allgemein diese Entwicklung. Der R6-Motor
baut demgegenüber länger, besticht jedoch durch seine her-
keine freien Massenkräfte sowie in dieser und in höheren vorragende Laufruhe (keine freien Massenwirkungen ein-
Ordnungen keine freien Massenmomente. Aber in der schließlich der 4. Ordnung). Er genießt vor allem auch bei
2. Ordnung addieren sich die Massenkräfte aller vier Zylin- Nutzfahrzeugen unter Berücksichtigung des Kosten-/Nut-
der. Zudem fallen Zündfrequenz und 2. Ordnung ungünstig zenaspekts einen hervorragenden Ruf.
zusammen. Ohne geeignete Versteifungsmaßnahmen kann Diese Güte der Laufruhe erreichen V6-Triebwerke wegen
die niedrigste Biegeeigenfrequenz des Motor-Getriebever- der freien Massenmomente 1. und 2. Ordnung nicht (Sonder-
bunds zu geringen Abstand zur entsprechenden Erregerfre- fall DV = 180° hier nicht betrachtet). Ein vollständiger Aus-
quenz aufweisen. Unangenehme Brummgeräusche im Fahr- gleich des freien Massenmoments 1. Ordnung ist jedoch bei
gastraum sind die Folge. Aufgrund gestiegener Komfortan- V-Winkeln von 60° – Hubzapfenversatz hierbei ebenfalls +60°
sprüche wird die Laufruhe zunehmend durch den Einsatz – und 90° durch den sog. „Normalausgleich“ (s. Abschn. 8.3.3)
von zwei Ausgleichswellen, die mit doppelter Drehzahl möglich. 90° bedeuten beim V6-typischen Kröpfungswinkel
gegensinnig rotieren, verbessert (z. B. [8-19]). von 120° aber bekanntlich ungleichmäßige Zündabstände.
Die Vorbehalte gegen das R5-Triebwerk sind wiederum in
einem Zielkonflikt beim Massenausgleich begründet. Die
Die Vergleichmäßigung erfordert beim AUDI V6-TDI -
Motor [8-23] den im Abschn. 8.1.3.4 bereits erwähnten Hub-
®
Auslegung kann zu Lasten entweder eines ungünstig großen zapfenversatz von +30° nach Gl. (8-13). Beim DaimlerChrys-
Kippmoments 1. oder 2. Ordnung erfolgen (s. Abschn. ler V6-Dieselmotor mit dem hier untypischen V-Winkel 72°
8.3.4) [8-20], [8-21]. Ersteres kann allein durch Gegenge- beträgt dieser +48° [8-24]. Dadurch entsteht ein negativ
wichte an der Kurbelwelle nicht vollständig ausgeglichen (gegensinnig) rotierendes Massenmoment 1. Ordnung. Dem
werden. Ist es groß, so wird die Kurbelwelle vergleichsweise vollständigen Ausgleich dient eine ebenfalls negativ mit Kur-
schwer. Letzteres erfordert, da oszillierend, ein mit dop- belwellendrehzahl rotierende Ausgleichswelle.
pelter Drehzahl gegensinnig rotierendes Paar von Aus- Bei größeren Dieselmotoren ist die V8-Bauweise mit 90°
gleichswellen. Trotz in jüngerer Zeit neu entwickelter R5- V-Winkel weit verbreitet. Bei dieser Anordnung treten in
254    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

der 1. und 2. Ordnung keine freien Massenkräfte und in der


2. Ordnung kein freies Massenmoment auf. Das verbleiende
freie Massenmoment 1. Ordnung kann wiederum durch
„Normalausgleich“ (s. Abschn. 8.3.3) vollständig ausgegli-
chen werden. In Verbindung mit dem Ladungswechsel
akustisch wahrnehmbar sind die ungleichmäßigen Zündab-
stände je Zylinderbank (keine wechselseitige Zündung bei-
der Zylinderbänke). Diese ließen sich nur mit „flacher“, also
mit um 180° anstelle von 90° gekröpfter Kurbelwelle („R4-
Kurbelwelle“), bei Inkaufnahme von freien Massenwir-
kungen 2. Ordnung vermeiden.
Nur bei triftigen Gründen wird beim V8-Motor vom
V‑Winkel 90° abgewichen, beispielsweise 75° beim Daimler-
Chrysler V8-Pkw-Dieselmotor OM629 [8-25]. Mit Hubzap-
fenversatz +15° wird einem gleichmäßigen Zündabstand Bild 8-8 MTU V16‑Dieselmotor der Baureihe 4000 (Quelle: MTU Friedrichs‑
wiederum Vorrang eingeräumt. Daher kommt die bereits hafen GmbH)
mehrfach angesprochene Ausgleichswelle 1. Ordnung zum
Einsatz. Sie ist Platz sparend im Hauptölkanal untergebracht.
Zwecks geringer Motorbreite wurde der SKL-Dieselmotor
8VDS24/24AL mit V‑Winkel 45° konzipiert [8‑26]. Der angeordnet werden sollen. Dieser Gesichtspunkt kann die
Massenausgleich 1. Ordnung bedingt eine „Kreuzwelle“ mit Entscheidung, den V-Winkel für einen V12- und V16-
+90° Hubzapfenversatz. Aus Festigkeitsgründen kann dabei Motor – wie bei der MTU-Baureihe 595 [8-28] – entspre-
auf eine dicke Zwischenwange nicht verzichtet werden. chend größer zu wählen (hier 72° statt 60° bzw. 45°), mit
Hohe Motorleistungen bedingen nicht nur großen Hub- beeinflussen.
raum, sondern auch hohe Zylinderzahlen. V10- haben zwi-
schen den V8- und V12‑Triebwerken Bedeutung erlangt. 8.2 Beanspruchung des Triebwerks
Größere Dieselmotoren basieren meist auf einem Kosten
sparenden modularen Motorenkonzept. Der Massenaus-
8.2.1 V orbemerkungen zur Bauteilbeanspruchung
gleich des V8‑Triebwerks gibt dann i. d. R. einen einheit-
im Kurbeltrieb
lichen V-Winkel von 90° vor. Bei „Normalausgleich“ (s. Ab-
schn. 8.3.3) tritt in der 1. Ordnung kein freies Massenmo- Kolben einschließlich Kolbenbolzen, Pleuel und Kurbelwelle
ment mehr auf. Bei entsprechender Kröpfungsanordnung (Kurbeltrieb) sowie Schwungrad bilden zusammen das Trieb-
(Zündfolge) kann zudem das freie Massenmoment 2. Ord- werk des Hubkolbenmotors. Die Komponenten des Kurbel-
nung minimiert werden. triebs unterliegen neben hohen Gaskräften enormen Be-
Bei Viertakt-Mittelschnellläufern kann eine 90° V‑Baurei- schleunigungen (Massenwirkungen). Konträre Anforde-
he noch breiter konzipiert sein und neben einer V8-, V10-, rungen, wie einerseits möglichst geringe Masse, andererseits
V12- auch V16- und V20‑Varianten einschließen (z. B. hohe Steifigkeit und Betriebsfestigkeit stellen bei der Bauteil­
MTU 2000 (CR), DEUTZ-MWM 604 [8-27], 616 und 620, auslegung eine Herausforderung dar. Den Bauteilen Kolben
MTU 396 und 4000). Bild 8‑8 zeigt den V16-Motor der und Pleuel widmet sich dieses Handbuch an anderer Stelle
Baureihe MTU 4000. Bei anderen Zylinderzahlen und -stu- (s. Abschn. 8.6) so dass die Ausführungen zu deren Bean-
fungen ist der beste einheitliche V‑Winkel unter Berück- spruchung hier kurz gefasst werden können.
sichtigung der jeweiligen Randbedingungen zu ermitteln.
Die freien Massenwirkungen fallen ab 12 Zylindern zwar 8.2.2 A nmerkungen zur Beanspruchung von Kolben
immer weniger ins Gewicht, ungleichmäßige Zündabstände und Pleuel
erfordern andererseits eine wirksame Schwingungsdämp-
fung. Anzumerken ist, dass ein V‑Winkel von 90° noch Die Kolbenmasse leistet einen wesentlichen Beitrag zur os-
ausreichend Bauraum für die Unterbringung von Nebenag- zillierenden Masse und unterliegt daher strengen Leichtbau-
gregaten zwischen den Zylinderbänken schafft. Zuneh- kriterien. Der Kolben wird durch Brennraum­druck und
mende Zylinderzahl verringert aber den sich rein rechne- -temperatur thermomechanisch hoch beansprucht. Alumi-
risch ergebenden V‑Winkel. Der Motor wird dann immer nium-Kolben­legierungen verbinden geringe Werkstoffdichte
kopflastiger, wenn Nebenaggregate weiterhin entsprechend mit hoher thermischer Entlastung infolge ausgezeichneten
8.2 Beanspruchung des Triebwerks    255

Wärmeleitungsvermögens. Ihr Einsatz stößt allerdings beim 8.2.3 Gestaltung, Werkstoffe und Herstellung
Dieselmotor bei Zünddrücken über 200 bar an physikalische der Kurbelwelle
Grenzen.
Die Kolbenkraft (Gl. (8‑1)) stützt sich in der Bolzennabe 8.2.3.1 Gestaltung der Kurbelwelle
ab. Die Massenkraft wirkt der Gaskraft mit zunehmender
Drehzahl entlastend entgegen. Der Kolbenschaft beauf- Die Gestalt und die äußeren Abmessungen der Kurbelwelle
schlagt die Zylinderlaufbahn mit der kinematisch bedingten werden bestimmt durch das Kröpfungsstichmaß (Zylinde-
Seitenkraft (Gl. (8‑3)). Bei Dieselmotorkolben dominiert die rabstand) aZ, den Hub s, die Anzahl der Kurbelkröpfungen
Gaskraft­beanspruchung. Bei hochdrehenden Ottomotoren sowie den Kröpfungswinkel jK zwischen diesen, optional
kann die Massenkraft­beanspruchung gegenüber der Gas- durch den Hubzapfenversatz (Pleuelversatzwinkel d) sowie
kraftbeanspruchung überwiegen. Vermeidung einer Über- Anzahl, Größe (begrenzt durch Kurbelwellenfreigang im Zy-
beanspruchung der Bolzennabe erfordert eine Begrenzung linderkurbelgehäuse) und Anordnung der Gegengewichte.
der Flächenpressung sowie eine geringe Bolzenverformung „Innere“ Abmessungen einer Kurbelkröpfung sind die
(Durchbiegung und Ovalverformung). Trotz seines Beitrags Grund- und Hubzapfenbreite, die zugehörigen Zapfendurch-
zur oszillierenden Masse ist der Kolbenbolzen bei Dieselmo- messer sowie die Kurbelwangendicke und -breite (Bild 8-9).
toren besonders solide zu dimensionieren. Auf der Abtriebsseite befindet sich der Schwungradflansch
Das Pleuel, Bindeglied zwischen Kolbenbolzen und Hub- mit Lochkreis und Zentrierung. Das freie Ende der Welle ist
zapfen, wird in einen oszillierenden und rotierenden Mas- als Wellenzapfen zur Befestigung von Riemenscheibe,
seanteil aufgeteilt (Gln. (8‑24) und (8‑25)). Aluminium- Schwingungsdämpfer usw. ausgeführt. Der von der Kurbel-
Leichtbaupleuel spielen nur bei sehr kleinen Motoren eine welle angetriebene Steuertrieb kann front- oder bei Diesel-
Rolle. Titanlegierungen verbieten sich aus Kostengründen motoren aus Schwingungsgründen verstärkt schwungradsei-
und bleiben primär dem Rennsport vorbehalten. Massenre- tig angeordnet sein.
duzierung und Optimierung der Gestaltfestigkeit sind Die Anzahl der Kröpfungen hängt ab von der Zylinder-
ähnlich wie beim Kolben untrennbar miteinander verbun- zahl z und der sich aus der Bauweise ergebenden Anzahl der
den. Kurbelwellenhauptlager (R-Triebwerk: z Kröpfungen, z + 1
Gaskraft (ZOT) und oszillierende Massenkraft (ZOT Grundzapfen, V-Triebwerk: z/2 Doppelkröpfungen, z/2 +1
und LOT) beanspruchen den Pleuelschaft von Dieselmo- Grundzapfen).
toren im Druckschwellbereich. Primär geht es um ausrei- Beim Reihenmotor legt der Zylinderabstand aZ – Zylin-
chende Knick­sicherheit. Eine Biegewechselbeanspruchung derbohrungsdurchmesser DZ und Zylinderstegbreite DaZ –
des Pleuel­schafts infolge Querbeschleunigung fällt beim das Kröpfungsstichmaß fest. Umgekehrt können z. B. beim
Drehzahlniveau von Dieselmotoren weniger ins Gewicht. V‑Motor „innere“ Abmessungen für den Zylinderabstand
Pleuelkopf und kleines Pleuelauge werden durch Massen­ maßgeblich werden, wenn gegenüber einem entsprechenden
kraft schwellend auf Zug und Biegung beansprucht. In den Reihenmotor eine vergrößerte Hauptlagerbreite, verstärkte
gekrümmten Augen­querschnitten wirken Biege-, Normal- Kurbelwangen sowie eine Doppel­kröpfung mit Hubzapfen-
und Radialspannungen. Auf den Pleuelkopf wirkt die oszil- versatz und Zwischenwange erforderlich werden. Insbeson-
lierende Massenkraft von Kolben und Pleuel abzüglich der dere bei der Boxerbauweise mit (horizontal) gegenüberlie-
des Pleuellagerdeckels, auf das kleine Pleuelauge nur die des genden Zylinderpaaren mit um 180° versetzten Kurbelkröp-
Kolbens. Die Pleuelver­schraubung erzeugt im Klemmlän- fungen bestimmen bei z +1 Hauptlagern, d. h. Verzicht auf
genbereich eine statische Druckvor­spannung. Die Press- Doppelkröpfungen, ohnehin „innere“ Abmessungen das
sitze der Pleuelbuchse wie der Pleuellagerschalenhälften Kröpfungsstichmaß.
verursachen statische Schrumpfspannungen. Die Pleuelau-
gen dürfen sich nur gering verformen, um negative Auswir- 8.2.3.2 Werkstoffe und Herstellung der Kurbelwelle
kungen auf den Schmierfilm bis hin zum „Lagerklemmen“
zu vermeiden. Exzentrisch wirkende Schrauben- als auch Die hohen Anforderungen an die dynamische Festigkeit, spe-
Betriebskräfte verursachen Biegemomente in der Trennfu- ziell auch an die Steifigkeit, lassen sich mit geschmiedeten
ge. Das dadurch begünstigte einseitige Klaffen in der Kurbelwellen aus hochwertigen Vergütungsstählen am bes­ten
Trennfuge ist sicher zu vermeiden. Formschluss (Kerbver- erfüllen. Zunehmend finden preiswertere mikrolegierte Stähle
zahnung oder aktuell „Bruchtrennpleuel“) verhindert eine mit Vergütung durch gesteuerte Abkühlung aus der Schmie-
Verschiebung durch Querkräfte insbesondere bei montage- dehitze (Kennzeichnung „BY“) Verwendung. Bei geringer
bedingt schräg geteiltem Pleuelkopf von größeren Diesel- belasteten Pkw-Motoren (primär Otto-Saugmotoren) kön-
motoren. nen diese auch aus Gusseisen mit Kugelgraphit (Sphäroguss
256    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-9 Kurbelwelle, Ausführungsbeispiel: Stahlkurbelwelle eines MAN V10‑Nfz‑Dieselmotors [8-2]

der höchsten Qualitäten GJS-700-2 bzw. GJS-800-2) gegossen Fahrzeug­motoren werden auch die Zapfen gehärtet. Mit
werden [8‑29], [8‑30]. Dies reduziert die Kosten sowohl für induktivem Härten steht ein recht preisgünstiges Verfahren
die Herstellung des Rohlings als auch für die Zerspanung. 8 zur Verfügung [8‑32], [8‑33]. Der mit Einsatzhärten ver-
bis 10% geringere Werkstoffdichte gegenüber Stahl und opti- bundene Aufwand beschränkt dagegen die wirtschaftliche
onal hohle Ausführung wirken sich zudem günstig auf die Anwendung auf größere Kurbelwellen. Beim Einhärten der
Kurbelwellenmasse aus. In Kauf zu nehmen sind ein im Ver- Hohlkehlen ist aus Verzugsgründen die Reihenfolge zu
gleich mit Stahl deutlich geringerer Elastizitätsmodul, gerin- beachten. Dünne Zwischenwangen oder Ölbohrungen in
gere dynamische Festigkeitswerte und eine geringere Bruch- geringer Tiefe unter den Hohlkehlen sind bei der Härtung
dehnung (Kennzeichnung „-2“ steht für garantierte 2%). kritisch wegen der erforderlichen hohen Heizleistung bei
Eine wirtschaftliche Zerspanung limitiert die Zugfestigkeit sehr kurzer Aufheizzeit.
der Werkstoffe auf etwa 1.000 MPa. Maßnahmen zur Steige- Gießen und Schmieden erfordern eine ans Herstellverfah-
rung der Dauerfestigkeit der spannungskritischen Über- ren angepasste Rohteilgestaltung. Bei gegossenen Kurbel-
gangs- bzw. Hohlkehlenradien zwischen Zapfen und Wange wellen kommen Sandguss (Grünsand oder gebundene
sind daher unerlässlich. Anwendung finden mechanische, Sandkerne), Maskenform-, -träger- oder Vollformguss zur
thermische und thermochemische Verfahren. Drücken, Fest- Anwendung. Das Schmieden großer Serien erfolgt im
walzen [8‑31] sowie Verfestigungs­strahlen, induktives bzw. Gesenk (Dauerfestigkeit begünstigender Faserverlauf), das
Einsatzhärten und Nitrieren bauen Druckeigen­spannungen großer Kurbelwellen dagegen im Freiformschmieden
auf und verfestigen die Randschicht (Bild 8‑10). (ungünstigerer Faserverlauf). Bei größeren Kurbelwellen
Alle Verfahren steigern die Dauerfestigkeit mit unter- und kleineren Stückzahlen wird Faserflussschmieden ange-
schiedlicher Güte. Bei Nitrierhärtung ist die Tiefenwirkung wandt. Das Kröpfen der Welle erfolgt dabei einzeln unter
vergleichsweise gering, so dass Dauerbrüche im oberflä- dem Hammer oder durch Schlagen der Kröpfungen in Teil-
chennahen Kerngefüge nicht ganz auszuschließen sind. Bei gesenken. Zunehmend werden Kurbelwellen auch in einer
8.2 Beanspruchung des Triebwerks    257

Bild 8-10
Steigerung der Dauerschwingfestig‑
keit am Beispiel gegossener Kurbel‑
wellen aus Sphäroguss (GJS) bei un‑
terschiedlichen Verfahren zur Verfesti‑
gung der Randschicht (nach Vorlesung
„Grundlagen der Verbrennungskraft‑
maschinen“, Prof. Dr.-Ing. H. Pucher,
TU Berlin)

Ebene im Gesenk geschlagen und anschließend in den 8.3.8) regen zudem Drehschwingungen (Torsions­
Grundzapfen gedreht. Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmo- schwingungen) des Triebwerks an. Bei der Überlagerung der
toren haben „voll“ oder „halb“ gebaute Kurbelwellen „dynamischen“ mit den „statischen“ Drehmomentverläufen
(Schrumpfverbund oder Unterpulver-Engspaltschweißen) kommt es zu Drehmomentüberhöhungen. Harmonische
[8‑34]. Die mechanische Bearbeitung von Kurbelwellen der Radialkraft regen außerdem Biege- und Axialschwin-
beschränkt sich auf Zapfen, Anlaufbunde sowie Gegenge- gungen an, wobei alle Schwingungsformen miteinander
wichtsradien. Nur hohe Beanspruchung rechtfertigt allseitige gekoppelt sind. Zudem sind infolge Gewichts­kraft und
Bearbeitung. Größere Kurbelwellen haben angeschraubte Hebelarm des Schwung­rads („Schwungradtaumeln“) bzw.
Gegengewichte (hochfeste Schraubenverbindung). Schwin­gungs­dämpfers, Riemenkräften oder auch Zwangs-
verformung bei nicht exakt fluchtenden Hauptlagern gyros­
8.2.4 Beanspruchung der Kurbelwelle kopische Effekte (Präzession im Gleich- und Gegenlauf)
nicht zu vermeiden. Im Resonanzfall ist ein mit Präzessions-
8.2.4.1 Beanspruchungsverhältnisse frequenz umlaufendes Biegemoment zusätzlich zu beachten.
Schließlich kann rascher Zünddruckanstieg dpZ/dj in Ver-
Die Beanspruchungsverhältnisse der Kurbelwelle sind recht bindung mit Lagerspielen Massenwirkungen der Kurbelwel-
komplex. Die Richtungskomponenten der Pleuelstangen- le verursachen, die ebenfalls zu einer dynamischen Überhö-
kraft, die Tangential- oder Drehkraft und ein Anteil der Ra- hung der Beanspruchung der Kurbelwelle führen [8‑35].
dialkraft (Gln. (8‑4) und (8‑5)) beruhen auf der mit dem
Kurbelwinkel periodisch veränderlichen Gas- und oszillie- 8.2.4.2 Ersatzmodelle für die Kurbelwellenberechnung
renden Massenkraft. Ein zusätzlicher Massenkraftanteil der
Radialkraft ist nur mit der Drehzahl veränderlich. Auf den Die Auslegung der Kurbelwelle erfolgt heute üblicherweise
Hubzapfen wirkt noch die Fliehkraft des rotierend angenom- in zwei Schritten, einer Konzept- und einer Lay-out-Phase
menen Pleuelmasseanteils. Außerdem sind die Fliehkräfte [8‑8]. Die Konzeptphase beinhaltet die Festlegung der
der Kurbel und der Gegengewichte zu beachten. Hauptabmessungen, elementare Auslegung der Lager, auf
In Umfangsrichtung resultiert aus dem Gas- und Massen- analytischer Methode beruhende Festigkeitsberechnung
drehkraftverlauf das zwar mit dem Kurbelwinkel veränder- (s. Abschn. 8.2.4.3 bzw. 8.2.4.4) sowie 1D-Drehschwingungs-
liche, dennoch oft als „statisch“ bezeichnete Drehmoment. berechnung. Die detaillierte Analyse findet dann in der La­y-
Die Überlagerung der Drehmomentbeiträge der einzelnen out-Phase statt. Hier kommen die 3D-Mehrkörperdynamik
Kurbelkröpfungen (Bild 8‑3) erzeugt in den einzelnen (MKS) und die Finite-Elemente-Methode (FEM) zum Ein-
Grund-/Hubzapfen sehr unterschiedliche Drehmomentam- satz. Dabei geht es um die möglichst realitätsnahe Abbildung
plituden. Harmonische des Drehkraftverlaufs (s. Abschn. aller maßgeblichen Phänomene:
258 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

– Beanspruchung der mehrfach gelagerten (statisch – daraus abgeleitet: dynamisch äquivalentes 3D-Struktur-
unbestimmten) Kurbelwelle unter allen räumlich verteilten modell (Balken-Massen-Ersatzmodell), dynamisch äquiva-
und zeitlich versetzten äußeren und inneren Kräften bzw. lentes 1D-Drehschwingungsmodell.
Biegemomenten im gesamten Arbeitszyklus,
– Berücksichtigung der zusätzlichen Beanspruchung infolge Die Erzielung hoher Steifigkeit bei geringer Masse und be-
gekoppelter Schwingungen einschließlich deren Dämpfung friedigendem dynamischem Verhalten sowie das Aufdecken
(der elastischen, dynamischen Verformung der rotierenden versteckter Betriebsfestigkeitsrisiken, aber auch – speziell bei
Kurbelwelle), Fahrzeugmotoren – die Vermeidung von Überdimensionie-
– Berücksichtigung der Reaktionen (einschließlich Mas- rung können nur mit zeitgemäßen numerischen Simulations-
senwirkung) des nur endlich biegesteifen Zylinderkurbel- techniken zuverlässig gelingen. Die Erörterung der Vor- und
gehäuses mit elastisch nachgiebigen Lagerstühlen (Lager- Nachteile gebräuchlicher Modelle [8-36] wie auch das Einge-
stützwirkung) sowie hen auf Dynamikberechnungen an elastischen Mehrkörper-
– spielbehafteten, sich ebenfalls elastisch verformenden systemen [8-37] sprengen den Rahmen dieses Handbuchs.
Hauptlagerbohrungen mit nichtlinearen, hydrodynami- Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die
schen Reaktionen des Schmierfilms (EHD). Grobdimensionierung der Kurbelwelle in der Konzeptphase
auf herkömmliche, stark vereinfachte Weise.
Hierzu gibt es geeignete Berechnungsansätze sowie Vor- Die bei Mehrzylindermotoren mehrfach statisch unbe-
schläge zur Reduzierung des Rechenaufwands [8-8], [8-36], stimmte Lagerung und zeitlich versetzte Einflüsse von
[8-37]. Große Bedeutung kommt insgesamt der zulässigen benachbarten Kröpfungen auf die Belastung bleiben unbe-
Vereinfachung der Ersatzmodelle – auch als Modelkonden- rücksichtigt. Das Rechenmodell reduziert sich somit auf das
sierung bezeichnet – zu (Bild 8-11): statisch bestimmte Modell einer Kröpfung. Eine Vernach-
– Basis: aus 3D-CAD-Modell diskretisiertes Finite-Ele- lässigung der Einspannmomente der Hauptlager ist – so die
mente- oder Boundary-Elemente-Strukturmodell (FEM, früher gebräuchliche Argumentation – insofern vertretbar,
BEM) der Kurbelwelle (Spannungsberechnung), als diese dem Belastungsmoment entgegen wirken und folg-
lich die Beanspruchung verringern.

Bild 8-11
Rechnergestützte Kurbelwellenbe-
rechnung; spezifischen Anforde-
rungen genügende Ersatzmodelle der
Kurbelwelle [8-8]
8.2 Beanspruchung des Triebwerks    259

Die Kröpfung wird durch die Radialkraft nur auf Biegung, Torsion sbn, sNn und tTn. Die Biege- und Normalspannung
durch die Tangentialkraft sowohl auf Biegung (hier vernach- beziehen sich auf den Querschnitt der Kurbelwange AKWW
lässigt) als auch Torsion beansprucht (Bild 8‑12). Die ([8‑38], [8‑39], [8‑40]) mit axialem Flächenträgheitsmo-
Berechnung konzentriert sich auf die Stellen höchster Bean- ment Ib bzw. Widerstandsmoment Wb, die Torsionsspan-
spruchung. Dies sind die Übergänge von den Zapfen zu den nung auf den jeweils betrachteten Zapfenquerschnitt mit
Wangen (z. B. [8‑1]). Dort treten wegen Kraftumlenkung polarem Flächenträgheitsmoment Ib bzw. Widerstandsmo-
und Kerbwirkung Spannungsspitzen auf. Die ältere Fachlite- ment WT:
ratur beschäftigt sich ausführlich damit, ob der Grund- oder
Hubzapfenübergang gefährdeter ist. Mit modernen Berech­
nungsmethoden, die eine sehr exakte Spannungsverteilung
(8-14)
über das gesamte Bauteil liefern, tritt diese Frage in den
Hintergrund. Die Widersprüch­lichkeit mancher Aussage
hängt mit der unterschiedlichen Größenordnung zusam-
men. Während Kurbelwellen von Fahrzeugmotoren dünne (8-15)
Kurbelwangen und große Zapfenüberschneidung kenn-
zeichnen, trifft bei Großmotoren eher das Gegenteil zu. Am
Hubzapfenübergang treten unter Gaskraft Zugspannungen
auf. Die querkraftbedingten Druckspannungen wirken ent-
lastend. Zugspannungen am Hubzapfen sind kritischer zu (8-16)
bewerten als unter gleichen Bedingungen auftretende
Druckspannungen am Grundzapfen. Diese erhöhen sich
dort aber um den Anteil der Querkraft. Versuchseinrich-
tungen, die die Kurbelkröpfung nicht mit einem dreieckför- Das Biegemoment Mb I in Gl. (8‑14) bzw. die Torsionsmo-
migen, sondern mit einem konstanten Biegemoment belas­ mente MTI, II in Gl. (8‑16) gehen aus Bild 8‑12 bzw. 8‑13 (s.
ten, vernachlässigen diesen Umstand. dort auch die Definition der geome­trischen Parameter) her-
vor. Kräfte, Momente und daraus resultierende Spannungen
8.2.4.3 Biege- und Torsionsspannungen sind mit dem Kurbelwinkel j veränderliche Größen. Die
quasistationäre Biegenennspannung sbKWrot der rotierenden
Die vereinfachte Spannungsberechnung beruht auf defi- Massenkräfte bezogen auf Mitte-Kurbelwange, d. h. die Stelle
nierten Nennspannungen infolge Biegung, Querkraft und x = l2 in Bild 8‑13, wird getrennt berechnet:

Bild 8-12 Statisch bestimmtes Einkröpfungsmodell, Biege- und Torsionsmomente infolge der am Hubzapfen angreifenden Triebwerkskräfte
260    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

parameter. Die Biegeformzahl ab für den Hubzapfen­


(8-17) übergang beruht beispielsweise auf folgendem Ansatz:
(8-19)
mKWroti sind die rotierenden Massenanteile. Der Pfeil zeigt
hinsichtlich der Massenschwerpunkte von Gegengewichten
an, dass nur die in der Kröpfungs­ebene liegenden Richtungs-
komponenten der Massenkräfte zu addieren sind. ri sind die
Schwerpunktsradien und li die Abstände von Mitte-Grund-
zapfen (Stelle x = 0 in Bild 8‑13).
Den örtlichen Spannungsspitzen sb max, sN max und tT max mit: sZü – Zapfenüberschneidung
in den Übergangsradien bzw. Hohlkehlen wird bei der ana- rKWH – Hohlkehlenradius des Hubzapfens
lytischen Methode durch experimentell ermittelte Form-
zahlen für Biegung, Querkraft und Torsion ab, aq und aT Die übrigen Parameter sind bereits bekannt. Auf eine voll-
Rechnung getragen: ständige Darstellung der analytischen Methode wird ange-
sichts schwindender Bedeutung an dieser Stelle verzichtet
(8-18)
(z. B. [8‑2]). Abweichungen bis 20% sind bei bestimmten geo­
Die Formzahlen gelten streng genommen nur für den durch metrischen Gegebenheiten möglich [8‑36].
Versuche abgedeckten Bereich der Kröpfungsparameter. Dass eine Formzahl aK streng genommen nur für sta-
Stellvertretend für zahlreiche Bemühungen sei hier auf die tische Beanspruchung gilt und bei dynamischer Beanspru-
der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen chung mittels einer Kerbempfind­lichkeitsziffer hK in eine
e. V. (FVV) hingewiesen [8‑38], [8‑39]. Erweitert um den Kerbwirkungszahl bK umzurechnen ist (z. B. [8‑41]), ist im
Einfluss der bei großen Kurbel­wellen noch üblichen Hinter- Fall der Kurbelwelle immer wieder kontrovers diskutiert
stiche wurden die Formzahlen inzwischen von allen Klassifi- worden. Die Vorbehalte gegen dieses Vorgehen beruhen auf
kations-Gesellschaften in den „Unified Requirements M53“ den damit verbundenen Unsicherheiten im Vergleich mit
der IACS übernommen [8‑40]. auf zuverlässigen Messungen beruhenden aK-Werten.
Die Berechnung der Formzahlen beruht auf empirischen
Formeln. Nach [8‑38], [8‑39] wird eine spezifische Konstan- 8.2.4.4 Vergleichsspannungen
te mit Werten fi multipliziert, die mit Hilfe von Polynomen
berechnet werden. Die Polynome enthalten Potenzen der Maßgeblich für die dynamische Beanspruchung ist der Zap-
(mit Ausnahme der Hohlkehlenradien) stets auf den Hub- fen mit dem größten Wechseldrehmoment unter Berück-
zapfendurchmesser bezogenen geometrischen Kröpfungs­ sichtigung der Drehschwingungen (s. Abschn. 8.4). Die Ge-

Bild 8-13
Geometrische Parameter der Kurbel‑
kröpfung für die Berechnung der
Nennspan­nungen sowie der Maximal‑
spannungen im Übergang Zapfen –
Wange (für Letzteres zusätzlich erfor‑
derliche Parameter in Klammern)
8.2 Beanspruchung des Triebwerks    261

staltänderungsenergie-Hypothese erlaubt die Berechnung Erfassung aller dynamischen Phänomene wird erkenntlich,
einer Vergleichsspannung resultierend aus Biege- und Tor­ setzt jedoch ein rotierendes 3D-Balken-Massen-Ersatzmodell
sionsbeanspruchung. Dabei kommt der zeitlichen und ört- voraus. Aus der äußeren Belastung folgt die Verformung als
lichen Beziehung beider Spannungsmaxima große Bedeu- Knotenverschiebungen. Die darauf beruhende Spannungsbe-
tung zu. Der Bezug auf ein Dauerfestigkeitsschaubild bedingt rechnung kann z. B. so erfolgen, dass die berechneten
streng genommen, dass diese zeitgleich sowie an derselben Knotenver­schiebungen schrittweise dem Volumenmodell
Stelle auftreten und synchron wechseln, was alles nicht zu- (der Finten-Elemente-Struktur) aufgeprägt werden. Für die
trifft. Es sei nur am Rande erwähnt, dass zudem der Phasen- Festigkeitsberechnung ist dieses im Bereich großer Span-
sprung von 180° beim Durchlaufen einer Resonanz (insta­ nungsgradienten bezüglich Diskretisierung und Wahl des
tionärer Betrieb) die phasenrichtige Überlagerung von Bie- Elementtyps sinnvoll anzupassen. Aus Bild 8‑15 geht z. B. die
gung und Torsion problematisiert. Verteilung der maximalen Haupt-Normalspannungen infolge
Die Grobauslegung erlaubt dennoch folgendes Vorgehen Biegung an der schwungradseitigen Kröpfung beim BMW
mit zeitlich richtiger Zuordnung von Biege- und Torsionsbe- V8‑Dieselmotor hervor [8‑42].
anspruchung nach Tabelle 8‑1 (Gl. (8‑20)): Zunächst sind die
Extremwerte der Biege- und Torsionsspannungsverläufe 8.2.4.5 Örtliche Dauerfestigkeit im Übergang Zapfen-
während eines Arbeitszyklus – die Ober- und Unterspan- Kurbelwange
nungen so und su bzw. to und tu bei den zugehörigen Kur-
belwinkeln j1 und j2 bzw. j3 und j4 – zu ermitteln. Um Die genaue Kenntnis der örtlichen Dauerfestigkeit stellt ins-
ZOT wirkt die Massenkraft gegen die Gaskraft, um LOT nur besondere im Fall der dynamisch hoch beanspruchten Kur-
die Massenkraft. Aus den dann zu berechnenden Biege- und belwellen eine besondere Problematik dar. Denn die Ein-
Torsionsmittel- und -wechselspannungen folgen die zugehö- flussfaktoren sind vielfältig:
rigen Vergleichsspannungen. Primäre Bedeutung kommt der – Technologische Einflüsse:
Torsionswechselspannung zu. Amplitude und Frequenz sind – Gussqualität: Gussgefüge, Poren, Seigerungen, im Rah­
deutlich höher als die der Biegewechselbeanspruchung. men der Fertigungsüberwachung nicht identifizierte
Bild 8‑14 zeigt den prinzipiell wiedergegebenen Verlauf des Oxideinschlüsse,
Torsionsmoments im schwungradseitigen Hauptlager eines – Schmiedequalität: Faserverlauf, Verschmiedungsgrad,
R4‑Triebwerks bei Volllast nach [8‑36]. Das hier verwendete im Rahmen der Fertigungsüberwachung nicht identi­
einfache 1D‑Drehschwingungs-Ersatzmodell stimmt quanti- fizierte Schlackenzeilen,
tativ gut mit der Realität überein. Daneben sind auch typische – Eigenspannungen,
Verläufe des Biegemoments dargestellt (selber Motor, aber – Wärmebehandlung, Vergütung,
geringfügig höhere Drehzahl). Der dynamische Verlauf weicht – Nachbehandlungseinfluss (Polieren, Kaltverfestigen, Här­
deutlich vom rein kinematischen ab. Die Notwen­digkeit der ten, Nitrieren),

Tabelle 8-1 Berechnung der Vergleichsmittel- und -wechselspannungen im Übergang Zapfen – Kurbelwange (Gln. (8-20))

Größte positive und negative Biegespannung bei den Kurbelwinkeln Größte positive und negative Torsionsspannung bei den Kurbelwinkeln
φ1 und φ2 φ3 und φ4
σo = σb (φ1) (um ZOT) τo = τT (φ3)
σu = σb (φ2) (LOT, nur Massenkraft) τu = τT (φ4)
Zugehörige Torsionsspannungen Zugehörige Biegespannungen
τo = τT (φ1) σo = σb (φ3)
τu = τT (φ2) σu = σb (φ4)
Biege- und Torsionsmittelspannungen Biege- und Torsionswechselspannungen
σbm = –12 (σo + σu) (8-21) σba = |  –12 (σo – σu) |
τTm = –12 (τo + τu) (8-22) τTm = |  –12 (τo – τu) |
Vergleichsmittelspannung Vergleichswechselspannung
σvm = √σ bm
2 2
+ 3 τ Tm (8-25) σva = √σ ba
2
+ 3 τ Ta2
262    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-14
Berechneter Biege- bzw. Torsionsmo‑
mentverlauf in der schwungradsei‑
tigen Kurbelwange bzw. im schwung‑
radseitigen Grundzapfen einer R4-
Kurbelwelle (Zusammenfassung von
zwei bedingt vergleichbaren Darstel‑
lungen nach [8‑36] in einem Bild)

– Oberflächeneinfluss: Oberflächenrauheit,
– Bauteilgrößeneinfluss (mit steigender Bauteilgröße abneh­
mende Dauerfestigkeit)
– mit steigender Bauteilgröße abnehmendes bezogenes
Spannungsgefälle im Querschnitt des Bauteils

(8-21)
Die Zugfestigkeit Rm (bei alternativen Formeln die Zug-
– mit steigender Bauteilgröße abnehmender Verschmie­ Druck-Wechsel­festigkeit szdw ) des angeschmiedeten glatten
dungsgrad. Probestabs ist in MPa, die Rautiefe Rt in µm, (hier) der Hub-
zapfendurchmesser dKWH und der zugehörige Hohlkehlenra-
Eine örtliche Probenentnahme für die dynamische Werk-
dius rKWH in mm einzusetzen. Die Vergleichsmittelspannung
stoffprüfung entzieht sich aufgrund der Probengröße der
bleibt dabei zunächst unberücksichtigt. Es gibt zwar verschie­
Durchführbarkeit. Ein angegossener oder angeschmiedeter
dene Vorschläge für Hilfskonstruktionen entsprechender
Probestab liefert wiederum nicht die örtliche Auflösung.
Dauerfestigkeitsschaubilder, dennoch dürfte, wie im Abschn.
Folglich kann nur indirekt auf die örtliche Dauerschwing­
8.1.1 bereits vermerkt, das genaue Wissen um das werkstoff-
festigkeit geschlossen werden. Das Ergebnis mehrerer FVV-
liche Vermögen trotz umfangreicher Erfahrung der Moto-
Vorhaben, eine Formel für die Dauerwechselfestigkeit sw
renhersteller immer noch hinter der mittlerweile recht ge-
des Kurbelwellenwerkstoffs [8‑43], [8‑44], [8‑45], basiert auf
nauen Kenntnis der Beanspruchung zurückbleiben. Der üb-
einem bekannten Ansatz [8‑46]. Diese Größe erlaubt den di-
liche Bezug auf ein Biegedauerfestigkeitsschaubild wird mit
rekten Vergleich mit der Vergleichswechselspannung sva
dem an der höchstbeanspruchten Stelle vorliegenden Span-
(auch andere Vorschläge basieren auf dem genannten An-
nungstensor sowie Spannungs­gradienten gerechtfertigt (z. B.
satz: CIMAC [8‑40] und z. B. [8‑47]):
[8‑37]). Die angegebenen Dauerfestigkeitswerte beziehen
sich üblicherweise auf eine Überlebenswahrscheinlichkeit
(8-22) von 90%. Ein Wert von 99,99% bedeutet nach [8‑37] einen
Sicherheitsfaktor von 1,33 (nur gültig für einen Variations-
koeffizienten s/x̄ = 0,09). Nach [8‑37] genügt es – ein geeig-
netes Berechnungsmodell vorausgesetzt – die Unsicherheit
der berechneten Beanspruchung der Kurbelwelle mit dem
8.3 Massenausgleich des Triebwerks 263

8.3 Massenausgleich des Triebwerks


8.3.1 Vorbemerkungen zum Massenausgleich
Freie Massenkräfte des Kurbeltriebs beruhen auf der Be-
schleunigung von Triebwerksmassen infolge auch bei kons-
tanter Motordrehzahl ungleichförmiger Bewegung sowie
Fliehkraftwirkung. Bei Mehrzylindertriebwerken sind die
Abstände zwischen den Zylindern, beim V-Triebwerk auch
der Hubzapfenversatz, Hebelarme, durch die freie Massen-
momente entstehen. Der Massenausgleich dient dem Schwin-
gungskomfort, indem solche Massenwirkungen durch pri-
märe Maßnahmen am Kurbeltrieb minimiert werden. Se-
kundäre Maßnahmen zur Schwingungsisolation geraten
sonst schnell an ihre physikalischen Grenzen. Die Ausfüh-
rungen beschränken sich auf die überwiegend eingesetzten
Tauchkolbentriebwerke. Ausführliche Darstellungen sind
z. B. in [8-1], [8-6], Zusammenfassungen z. B. in [8-9], [8-48]
Bild 8-15 Beispiel für die maximale Hauptnormalspannungsverteilung der zu finden.
schwungradseitigen Kurbelkröpfung der Kurbelwelle des BMW V8-Pkw-Die- Der Massenausgleich bezieht sich weitgehend auf kons-
selmotors [8-42] tante Motordrehzahl. Bei veränderlicher Drehzahl können
zusätzliche harmonische Anteile der freien Massenkräfte
und -momente für die Körperschallerregung im Antriebs-
Faktor 1,05 (demnach gering) zu bewerten. Aus der Multipli- strang verantwortlich sein. Bei den Ausgleichsmaßnahmen
kation folgt dann ein erforderlicher Sicherheitsfaktor von sind Gegengewichte an den Kurbelwangen die Regel. Je nach
1,4. Motorkonzept und Komfortanspruch werden – abhängig
Bild 8-16 gibt einen Eindruck vom Verhältnis der Ver- von den jeweiligen Erfordernissen – bis zu zwei Ausgleichs-
gleichswechsel- zur Vergleichsmittelspannung im Dauerfes- wellen zusätzlich eingesetzt. Die oszillierenden Triebwerks-
tigkeitsschaubild für das Berechnungsbeispiel einer Kurbel- massen beeinflussen über ihren Drehkraftanteil auch den
welle eines Mittelschnellläufers [8-37]. Ohne Verallge- Verlauf des Motordrehmoments. Im günstigen Fall können
meinerung verringert hier der Mittelspannungseinfluss die Drehmomentspitzen und damit die Torsionswechselbean-
ertragbare Spannungsamplitude noch nicht entscheidend. spruchung der Kurbelwelle reduziert werden. Gegenge-

Bild 8-16
Dauerfestigkeitsschaubild nach [8-37] (Darstellung
nach Smith); Verhältnis der Wechselspannungsampli-
tude zur Mittelspannung im Übergang Hubzapfen –
Wange am Beispiel der Kurbelwelle eines Mittel-
schnellläufers, Sicherheit gegen Dauerbruch
264    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

wichtsmassen erhöhen das Massenträg­heits­moment der


Kurbelwelle. Abhängig von ihrer Anzahl, Größe und Anord-
nung nehmen sie Einfluss auf die Biegebeanspruchung der
Kurbelwelle sowie die Hauptlagerbelastung. Auf die Not-
wendigkeit ausreichender Auswuchtgüte der Kurbelwelle sei
hier ebenfalls hingewiesen. Für die zulässige Restunwucht
gibt es Empfehlungen (VDI-Richtlinie 2060, Mindestgüte-
stufe Q40). Beim Wucht­zentrieren des Rohlings müssen
Meisterringe und u. U. noch nicht vorhandene Ausgleichs-
massen simuliert werden. Beim Fertigwuchten hilft die
etwas aufwändige Verwendung von Meisterringen im
Gegensatz zu deren Simulation, unvermeidliche Fertigungs-
toleranzen mit zu berücksichtigen und damit die Güte des
Wuchtens zu verbessern.
Bild 8-17 Motor-Koordinatensystem einschließlich Definition eines positiv
angenommenen Drehsinns (x‑Achse: Motorhochachse, y‑Achse: Motorquer‑
8.3.2 Kurbeltriebsmassen, Massenkräfte achse, z‑Achse: Motorlängsachse, Koordinatenursprung: z. B. Kurbelwellen‑
und -momente mitte)

Der Massenausgleich unterscheidet zwischen oszillierenden


und rotierenden Massenkräften. Letztere laufen mit der Kur-
belwelle um und erscheinen daher nur in der 1. Ordnung. – Augenabstand des Pleuels lPl und Abstand lP1 des
Die oszillierenden Massenkräfte weisen auch höhere Ord- Schwerpunkts des Pleuels vom großen Pleuelauge,
nungen auf. Der Massenausgleich beschränkt sich jedoch auf – Pleuelstangenverhältnis lPl = r/lPl .
maximal die 2. Ordnung. Geringe Restunwuchten höherer
Ordnungen sind praktisch vernachlässigbar. Für die Berech- Die rotierende Kurbelwellenmasse mKWrot wird auf den Kur-
nung ist ein kartesisches Koordinatensystem vorteilhaft. belradius r reduziert. Die Pleuelmasse wird in einen mit dem
Kolben oszillierenden (mPlosz) und einen mit der Kurbelwelle
rotierenden Anteil (mPlrot) aufgeteilt. Die oszillierenden
(8-23) (mosz) und rotierenden Massen (mrot) definieren sich damit
wie folgt:

Längskräfte Fxi wirken in Richtung der Zylinder- bzw. Mo-


torhochachse, Querkräfte Fyi in Querrichtung, d. h. mit Blick
auf die Motorlängsachse (z‑Achse) rechtwinklig zur Zylin- (8-24)
der- bzw. Motorhochachse. Die Längskräfte erzeugen in (8-25)
Summe ein Kippmomente My um die y‑Achse, die Quer-
kräfte ein Längsmoment Mx um die x-Achse (Bild 8‑17). Die Beschleunigung der Masse mosz folgt aus der Hubbewe-
Gas- und Massendrehkräfte überlagern sich. Daraus resul- gung xK des Kolbens (hier von OT-Stellung aus betrachtet),
tiert ein ungleichförmiges Motordrehmoment um die z- die mittels der Gln. (8‑6, rechts) und (8‑9) einfach hergeleitet
Achse. Um diese Achse wirkt zudem auch das „Massenum- werden kann:
laufmoment“. Es entsteht auch bei konstanter Drehzahl durch
(8-26)
die ungleichförmige Schwenkbewegung des Pleuels, bei ver-
änderlicher Drehzahl durch die Drehbeschleunigung rotie-
render Massen (s. Abschn. 8.3.5).
Parameter der freien Massenkräfte des Kurbeltriebs sind
nach Bild 8‑18: Gl. (8‑26) berücksichtigt weder Desaxierung noch Schrän-
– Kolbengesamtmasse mKges, Kurbelwellenmasse ohne kung. Zweckmäßigerweise wird von einer alternativen, zu-
Ge­gengewichte mKW und Pleuelmasse mPl, nächst noch allgemeinen Reihendarstellung Gebrauch ge-
– Kurbelradius r und Radius r1 des Schwerpunkts der macht. Zweimalige Differenziation nach der Zeit t liefert die
Kurbel, Beschleunigung:
8.3 Massenausgleich des Triebwerks    265

(8-31)

8.3.3 Ausgleichfreier Massenkräfte


durch Gegengewichte

8.3.3.1 Gegengewichte beim Einzylindertriebwerk

Als Mindestanforderung gilt beim Einzylindertriebwerk der


Ausgleich der rotierenden Massenkraft. Dies leistet unter Be-
rücksichtigung der Gln. (8‑24), (8‑25) und (8‑31) der Quer-
kraftausgleich:

(8-32)

Die Erfüllung von Gl. (8‑32) bedeutet ein negatives Vorzei-


chen für den Schwerp­unktsradius r1 der Kurbel, was so nicht
praktikabel ist. Die Lösung des Problems ist eine moment-
freie (symmetrische) Anbringung einer Gegengewichts-
Bild 8-18 Ersatzmassensystem des Kurbeltriebs
masse mGg . Ihr Massenschwerpunkt liegt dabei in rückwär-
tiger Verlängerung der Kurbel im Abstand rGg . Der gemein-
same Massenschwerpunkt wird dadurch in die Drehachse
(8-27) der Kurbelwelle verlagert. Mit der entsprechend modifi-
zierten Gl. (8‑32) lässt sich die erforderliche Gegengewichts-
masse berechnen:
Die Koeffizienten Bi sind ohne Desaxierung bzw. Schränkung
(8-33)
nur Potenzreihen des Pleuelstangenverhältnisses lpl. Sie redu-
zieren sich somit auf die nachfolgend mit Ai bezeichneten Ko-
effizienten, wobei ungerade Ordnungen verschwinden:


(8-28)
Mit einem Fehler meist < 1% kann folgende einfache Formel Es sei noch erwähnt, dass die Auflösung von Gl. (8‑32) nach
Anwendung finden: lPl1 zur Forderung lPl1 > lPl, d. h. einer Verlagerung des Mas-
senschwerpunkts des Pleuels jenseits der Drehachse des
(8-29)
­kleinen Pleuelauges, führt. Wegen Minimierung der Kolben­
Die oszillierenden Massenkräfte 1. und 2. Ordnung F (1) mosz kom­pressionshöhe und geringem Pleuelfreigang ist dies
und F (2)
mosz sowie die rotierende Massenkraft Fmrot bei ideali- keine praktikable Lösung.
sierter, gleichförmig angenommener Drehbewegung (w = Die Einbeziehung der oszillierenden Massenkraft 1. Ord-
konst.) können somit wie folgt definiert werden: nung führt wiederum unter Berücksichtigung der Gln. (8‑24),
(8‑25) und (8‑31) zum Längskraftausgleich 1. Ordnung:

(8-30) (8-34)


In höheren Ordnungen treten nur noch Längskräfte auf. In
der 1. Ordnung erfolgt die Aufteilung in einen Längs- und Es werden analog zu Gl. (8‑33, 1. Zeile) Gegengewichts­
Querkraftanteil Fx(1) und Fy : massen an der Kurbel­welle benötigt, die den gemeinsa-
266    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

men Schwerpunkt in die Drehachse der Kurbelwelle verla- beengten Verhältnissen im Kurbelraum. Teilverbesserungen
gern: liefert der Fußausgleich [8‑49], [8‑50], wobei sich die Zu-
satzmasse am Pleuelkopf auf ein konstruktiv vertretbares
(8-35)
Maß beschränkt.
Beim Normalausgleich rotiert der freie „Restkraftvektor“

mit konstantem Betrag. Bei Unter- bzw. Überausgleich wird
weniger bzw. mehr als 50% der oszillierenden Massenkraft
Das Ergebnis steht offensichtlich im Widerspruch zum 1. Ordnung ausgeglichen. Die Spitze des Restkraft­vektors
Querkraftausgleich (Gl. (8‑33)). Die oszillierende Massen- beschreibt abhängig vom Ausgleichsgrad eine Kreis- oder
kraft wird zwar in Längsrichtung kompensiert, tritt jedoch eine vertikal bzw. horizontal orientierte ellipsenähnliche
jetzt in Querrichtung auf. Beim erforderlichen Kompromiss Bahn (Bild 8‑19). Entsprechend verhält es sich mit der
– dem Normalausgleich – werden die rotierende Massenkraft wahrnehmbaren Schwingungsamplitude des Einzylinder­
vollständig und zusätzlich 50% der oszillierenden Massen- triebwerks.
kraft 1. Ordnung ausgeglichen. Die Berücksichtigung dieses Die freie Massenkraft bzw. die vom Ausgleichsgrad
Sachverhalts in den Gln. (8‑34) reduziert die Gegengewichts- abhängige Restkraft kann mittels Vektoraddition zweier
masse entsprechend: gegenläufig mit Kurbelwellendrehzahl rotierender Vek-
toren veranschaulicht werden (Bild 8‑20). Nur der positiv
– im Drehsinn der Kurbelwelle – umlaufende Vektor kann
(8-36)
durch einen invertierten Vektor der Gegengewichtskraft
ausge­glichen werden. Sein Betrag entspricht der halben
oszil­lierenden Massenkraft. Die Winkelgeschwindigkeit

des Massenkraftvektors schwankt bei gleichförmiger Dreh-
bewegung periodisch, sofern dessen Spitze nicht eine Kreis-
Ein vollständiger Ausgleich der oszillierenden Massenkraft bahn beschreibt. Das Schrifttum befasst sich ausführlich
in allen Ordnungen ist theoretisch möglich. Der gemein- mit der Darstellung der Methode der Vektoraddition posi-
same Massenschwerpunkt müsste in den Hubzapfen wan- tiv und negativ umlaufender Vektoren (z. B. [8‑1], [8‑6]).
dern. Die Bedingung Fmosz = 0 beschert einen negativen Hier wird ein analytischer Ansatz bevorzugt, der für belie-
Schwerpunktsabstand lPl1 des Pleuels. Eine größere Zusatz- bige Problemstellungen und die Programmierung von
masse unterhalb des Pleuelkopfes scheitert praktisch an den Vorteil ist.

Bild 8-19
Freier Massenkraft- bzw. Restkraft‑
vektor 1. Ordnung in Abhängigkeit
vom Ausgleichsgrad Ω: a Ausgangszu‑
stand, b Ω = 0: Querkraftausgleich
(rot. Massen), c Ω = 0,5: „Normalaus‑
gleich“ (100% rot. + 50% osz. Mas‑
sen, d Ω = 1 Längskraftausgleich
8.3 Massenausgleich des Triebwerks    267

In den höheren Ordnungen reduziert sich die Berech-


nung auf die Längskräfte. Für nicht ausgeglichene Ord-
nungen gilt allgemein folgender Sachverhalt:

(8-37)

Die Werte cF(i) werden als Einflusszahlen der Massenkräfte


i. Ordnung bezeichnet. Sie entsprechen bei Reihenmotoren
der Zylinderzahl z, d. h. bei der betreffenden Ordnung addie-
ren sich die oszillierenden Massenkräfte aller Zylinder.
Komplizierter sind die Verhältnisse bei V‑Triebwerken.
Zunächst wird deshalb nur ein V‑Zylinderpaar (V2‑Trieb-
werk) betrachtet (Bild 8‑22), nämlich der allgemeine Fall
Bild 8-20 Darstellung der freien Massenkraft des Einzylindertriebwerks mit‑ mit beliebigem V-Winkel aV und Hubzapfenversatz (Pleuel-
tels positiv und negativ rotierender Vektoren versatzwinkel d). Längs- und Querkräfte beider Einzylin-
dertriebwerke in zylinderspezifischen Koordinaten x1, y1
bzw. x2, y2 bedürfen keiner weiteren Erläuterung (Gln.
(8‑30) und (8‑31)). Die bankspezifischen Kurbelwinkel j1
8.3.3.2 Gegengewichte beim Mehrzylindertriebwerk bzw. j2 werden dabei ausgehend von den jeweiligen OT-
Stellungen beider Zylinder gemessenen. Nach Zerlegung der
Es werden zunächst Reihentriebwerke betrachtet. Bekannt- Triebwerkskräfte in ihre Richtungskom­ponenten im überge-
lich kompensieren sich die freien Massenkräfte beim Mehr- ordneten x-y-Koordinatensystem, der Aufsummierung und
zylindertriebwerk im Fall zentralsymme­trischer Kurbel- Einführung eines von der x-Achse aus gemessenen Kurbel-
sterne gegenseitig. Die Zündfolge spielt dabei keine Rolle. winkels j mit den Transfor­mationsgleichungen
Die Kurbelsterne der Ordnungen i entstehen, indem ausge-
hend von Zylinder 1 in OT-Stellung die den einzelnen Zylin- (8-38)
dern zuordenbaren Kröpfungswinkel jKk (k = 1, 2, …, z)
bzw. deren Vielfaches jKk
(i )
(k = 1, 2, …, z; i = 1, 2, 4, 6) entge-
gen der Drehrichtung der Kurbelwelle abgetragen werden können die Massenkräfte 1. Ordnung des V2‑Triebwerks an-
(Bild 8‑21). gegeben werden. Es treten nun sowohl in x- als auch in
y‑Richtung höhere Ordnungen auf:

Bild 8-21
Zündabstand und Kurbelsterne 1. und
2. Ordnung bei Viertakt‑Reihentrieb‑
werken
268    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-22
Schematische Darstellung des Kurbel‑
triebs eines V‑Zylinderpaares mit be‑
liebigem V‑Winkel aV und Hubzap‑
fenversatz (Pleuelversatzwinkel δ)

(8-39) (8-42)

Das V2-Triebwerk hat nur bei Motorradmotoren Bedeutung


erlangt. Bei V‑Trieb­werken kompensieren sich die Massen-
kräfte 1. Ordnung bei zentralsymme­trischem Kröpfungs-
stern ebenfalls gegenseitig. Die Massenkräfte i. Ordnung
können bei gerader Zylinderzahl z, zentralsymmetrischer
Ein vollständiger Massenausgleich allein durch Gegenge- Kurbelwelle mit um den Winkel DjK versetzten Kröpfungen
wichte an der Kurbelwelle ist unter folgenden Umständen noch wie folgt berechnet werden:
möglich:
(8-40) (8-43)

Dann gilt die Bedingung:


(8-41)

Diese entspricht dem Normalausgleich. Da nur eine Kurbel


vorhanden ist, ist je Zylinder nur deren halbe Masse zu be-
rücksichtigen. Der bereits mehrfach gebrauchte Ansatz für
die Gegengewichtsmasse führt dann zu folgendem Ergeb-
nis: Zur Anordnung „Pleuel-neben-Pleuel“ gibt es bekanntlich
Alternativen (Bild 8‑4) mit mittlerweile allerdings geringerer
8.3 Massenausgleich des Triebwerks    269

praktischer Bedeutung, auf deren Auswirkungen auf den vollständig ausgeglichen werden (z. B. [8‑1]). Vorausset-
Massenausgleich hier folglich nicht näher eingegangen wird: zungen sind ein zentralsymmetrischer Kröpfungsstern, zum
a) Gabel- mit direkt angelenktem Innenpleuel (ungleiche Kröpfungswinkel passender V‑Winkel, geeignete Kröpfungs­
Pleuelmassen) konfiguration und gegebenenfalls erforderlicher Hubzap-
b) Haupt- mit an diesem mittelbar angelenktem Nebenpleuel fenversatz. Bei Zentralsymmetrie resultiert aus Letzterem in
(ungleiche Pleuelmassen, veränderte Kurbeltriebs­kine­ der 1. Ordnung bekanntlich kein Massenmoment.
matik). Der Massenmomentausgleich darf seinerseits keine freien
Massenkräfte erzeugen. Das freie Massenmoment 1. Ordnung
8.3.4 Ausgleich freier Massenmomente sowie dessen teilweiser Ausgleich sei am Beispiel des R5-Trieb-
durch Gegengewichte werks für die Zündfolge 1 – 2 – 4 – 5 – 3 (eine der (z – 1)!/2 =
12 „dynamisch“ sich unterscheidenden Zündfolgen) erklärt.
Freie Massenmomente resultieren bekanntlich aus der Der Zündabstand beträgt beim Viertaktmotor jZ = 4p/5 =
Längsverteilung – den Hebelarmen – der freien Massen- 144°. Die Zündfolge bedingt folgende Phasenbeziehungen:
kräfte (s. Definition des Längs- und Kippmoments im Ab- (8-44)
schn. 8.3.2). Freie Massenmomente beziehen sich auf einen
Referenzpunkt im Triebwerk, per Konvention Kurbelwellen-
mitte. Viertakt-Reihentriebwerke mit gerader Zylinderzahl
haben längssymmetrische Kurbelwellen und sind folglich
frei von freien Massenmomenten in allen Ordnungen. Bei
ungerader Zylinderzahl treten freie Massenmomente in der
1. und in höheren Ordnungen auf. Ein freies Massenmo- Mit Hilfe des Abstandsdiagramms (Bild 8-24) lässt sich das
ment 1. Ordnung kann unter diesen Umständen durch Ge- Kippmoment 1. Ordnung My(1) und das Längsmoment Mx
gengewichte nicht mehr vollständig ausgeglichen werden. unter Berücksichtigung der Phasenbeziehungen herleiten
Auch ein freies Massenmoment kann mittels Vektoraddition (Referenzpunkt Kurbelwellenmitte, rechtsdrehendes Mo-
zweier gegenläufig rotierender Momentvektoren veran- ment mit positivem Vorzeichen angenommen):
schaulicht werden (Bild 8‑23).
(8-45)
V‑Motoren profitieren zumindest in der 1. Ordnung
ebenfalls von der Längssymmetrie. Dies ist hier aber der
Sonderfall. Ohne Längssymmetrie kann ein freies Massen-
moment 1. Ordnung in bestimmten Fällen durch Gegenge-
wichte an der Kurbelwelle durch Normalausgleich dennoch

Bild 8-23
Darstellung des freien Massenmo‑
ments sowie dessen teilweisen Aus‑
gleichs durch Gegengewichte mittels
positiv und negativ rotierender Vek‑
toren
270    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-24
Nicht längssymmetrische Kurbelwelle,
Kurbelstern 1. Ordnung und Ab‑
standsdiagramm des R5‑Triebwerks
mit der Zündfolge 1 – 2 – 4 – 5 – 3

den Abständen aGg1, aGg2 unter den Winkeln b1, b2 so ange-


bracht, dass keine freien Kräfte und Momente auftreten.
Für identische Ausgleichsmassen mGg und Hebelarme aGg
(8-46) sowie infolge Zentralsymmetrie sich gegenseitig ausglei-
chender Massenkräfte reduziert sich der Ansatz zur Ermitt-
Die Praxis erfordert mindestens den Ausgleich des Massen- lung der Gegengewichtskraft FGg und der Winkel b1, b2 wie
moments der rotierenden Massen, auch als Längskippmo- folgt:
mentausgleich bezeichnet. Der Massenmomentvektor, beste-
hend aus den Anteilen My (Anteil der rotierenden Massen- (8-49)
kräfte von My(1)) und Mx , rotiert dann mit konstantem Betrag
im Drehsinn der Kurbelwelle und ist folglich mit Gegenge-
wichten vollständig ausgleichbar:

(8-47)

Der Zielkonflikt besteht darin, dass die alternative Zünd- Das Gl.-System (8‑49) führt unter Berücksichtigung der Gln.
folge 1 –5 – 2 – 3 – 4 die Einflusszahl 2. Ordnung von 4,980 (8‑45) und (8‑46) und Bezug auf den OT von Zylinder 1 (j1
zwar auf 0,449 reduziert. Die der 1. Ordnung erhöht sich = j = 0) zu folgenden Ergebnissen:
dann aber auf 4,980 [8‑51]. Solche Ergebnisse können auch
mittels graphischer Vektoraddition unter Zuhilfenahme der (8-50)
Kurbelsterne 1. und 2. Ordnung erzielt werden (Bild 8‑25).
Aus den Richtungskomponenten des Momentvektors folgt
dessen Phasenwinkel b bezogen auf den OT von Zylinder 1
(j1 = j = 0) : b1 ist so zu wählen, dass die Gegengewichtskraft positiv wird.
Demnach beträgt b1 = 234° (s. Gl. (8-51)) und b2 = 54°
(Bild 8‑25). Es bleibt noch, die Gegenge­wichtsmasse mGg
(8-48)
mittels der Gln. (8‑49), z. B. mit dem Massenmoment My ,
der Massenkraft FGg eines Gegengewichts, dem Kurbelradius
r und dem Schwerpunktradius der Gegengewichte rGg zu be-
Beim „dynamischen Wuchten“ werden zwei Gegengewichts- stimmen:
massen mGg1, mGg2 an beiden Enden der Kurbelwelle in
8.3 Massenausgleich des Triebwerks    271

Bild 8-25 Graphische Bestimmung des resultierenden Massenmomentvektors – hier der rotierenden Massenkräfte – und Anordnung der Gegengewichte beim
Längskippmomentausgleich am Beispiel der Kurbelwelle des R5‑Triebwerks

(8-51) impuls des Pleuels TPl = TPlosz + TPlrot kann nicht vernachläs-
sigt werden:

(8-52)

(8-53)
Die bisher nicht betrachteten oszillierenden Massenkräfte
erzeugen einen oszillierenden Kippmoment-Restvektor. Ein
Normalausgleich dient der weiteren Verbesserung, d. h. Hal- mit: ΘPlosz bzw. ΘPlrot – Massenträgheitsmomente der Mas-
bierung des Vektorbetrags. Übrig bleibt dann noch ein nega- sen mPlosz bzw. mPlrot,
tiv, jetzt mit konstantem Betrag rotierender Restmomentvek- kPlosz bzw. kPlrot – zugehörige Trägheitsradien (Bezugsachse
tor, der mittels entsprechender Ausgleichswelle wieder voll- ist die Kolbenbolzen- bzw. Hubzapfenachse.),
ständig kompensierbar ist. Es ist gängige Praxis, über den ψ̇ – Winkelgeschwindigkeit der Schwenkbewegung,
Ausgleichsgrad der oszillierenden Massenkraft die primäre w – Winkelgeschwindigkeit der Kurbelwelle,
Richtung der Schwingungserregung zu steuern. Ein rotie- r – Kurbelradius.
render Restmomentvektor bewirkt eine Taumelbewegung
des Motors. Sofern er keinen konstanten Betrag aufweist, un- Mit Einführung des Trägheitsradius kPl des Pleuels, bezogen
terliegt dessen Winkelgeschwindigkeit ebenfalls perio- auf dessen Massenschwerpunkt, und der Pleuelmasse mPl
dischen Schwankungen. liefert der Satz von Steiner unter Berücksichtigung der
Ferner kann der Kippmomentausgleich durch ungleiche Gln. (8‑24) folgenden Zusammenhang:
Zylinderabstände herbeigeführt werden [8‑1], wovon wegen
der damit verbundenen Verlängerung des Triebwerks selten
Gebrauch gemacht wird. In Tabelle 8‑2 sind die Eigen-
(8-54)
schaften von Triebwerken mit praktischer Bedeutung
zusammengefasst. Der nur bei veränderlicher Drehzahl relevante Drehimpuls
der Kurbelwelle
8.3.5 Massenumlaufmoment (8-55)

Das Massenumlaufmoment wirkt um die z-Achse, die Dreh- kann entsprechend definiert werden. Schließlich lässt sich
achse der Kurbelwelle. Eine ungleichförmige Drehbewegung der gesamte Drehimpuls der „umlaufenden Massen“ mit
erzeugt nach dem Drallsatz der Mechanik bei Vorhandensein Hilfe „reduzierter“ Massenträg­heitsmomente Θred1 und Θred2
eines Massenträgheitsmoments ein Drehmoment. Der Dreh- vereinfacht in folgender Form angeben:
Tabelle 8-2 Überblick über die dynamischen Eigenschaften von Triebwerken mit großer praktischer Bedeutung, Einflusszahlen der freien Massenkräfte und Massenmomente, Erreger-Ordnungen

Triebwerk Arb.- αv1) φK2) δ3) Übliche Zündfolgen4) Einflussfaktoren Einflussfaktoren Einflussfaktoren des Einflussfaktoren des Wichtigste
Verf. der Massenkraft der Massenkraft Massenmoments Massenmoments mit Erreger-
ohne Ausgleich5) mit Normal- ohne Ausgleich6) Normal-Ausgleich6) Ordnungen7)
c (1) (2) Ausgleich5)
F bzw. c F c M(1) bzw. c M(2) c M(1) bzw. c M(2)
c (1) (2)
F bzw. c F

R2 2-Takt – 180° – 1–2 (1): 0 (2): 2 (1): 0 (2): 2 (1): 1 (2): 0 (1): 0,5 (2): 0 1; 2; 3; …
0,5; 1,5; 2; 2,5;…11)

R2 4-Takt – 360° – 1–2 (1): 2 (2): 2 (1): 1 (2): 2 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 1; 2; 3; …

R3 2-Takt – 120° – 1–3–2 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 1,732 (2): 1,732 (1): 0,866 (2): 1,732 3; 6; 9; …

R3 4-Takt – 240° – 1–3–2 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 1,732 (2): 1,732 (1): 0,866 (2): 1,732 1,5; 3; 4,5; 6; …

R4 2-Takt – 90° – 1–4–2–3 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 1,414 (2): 4 (1): 0,707 (2): 4 4; 6; 8; …
1–3–2–4
272    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

bzw.
1–3–4–2 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 3,162 (2): 0 (1): 1,581 (2): 0
1–2–4–3

R4 4-Takt – 180° – 1–3–4–2 (1): 0 (2): 4 (1): 0 (2): 4 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 2; 4; 6; …
1–4–3–2

R5 4-Takt – 144° – 1–2–4–5–3 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 0,449 (2): 4,98 (1): 0,225 (2): 4,98 2,5; 5; 7,5; …
bzw.
1–5–2–3–4 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 4,98 (2): 0,449 (1): 0,225 (2): 0,449

R6 2-Takt – 60° – 1–6–2–4–3–5 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 3,464 (1): 0 (2): 3,464 3; 6; 9; …
1–5–3–4–2–6

R6 4-Takt – 120° – 1–5–3–6–2–4 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 3; 6; 9; …
1–4–2–6–3–5
1–3–5–6–4–2

V6 4-Takt 60° 120° +60° 1–6–3–5–2–4 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 1,5 (2): 1,5 (1): 0 (2): 1,5 3; 6; 9; …
1–4–2–5–3–6
Tabelle 8-2 (Fortsetzung)

Triebwerk Arb.- αv1) φK2) δ3) Übliche Zündfolgen4) Einflussfaktoren Einflussfaktoren Einflussfaktoren des Einflussfaktoren des Wichtigste
Verf. der Massenkraft der Massenkraft Massenmoments Massenmoments mit Erreger-
ohne Ausgleich5) mit Normal- ohne Ausgleich6) Normal-Ausgleich6) Ordnungen7)
c (1) (2) Ausgleich5)
F bzw. c F c M(1) bzw. c M(2) c M(1) bzw. c M(2)
c (1) (2)
F bzw. c F

V6 4-Takt 90° 120° –8) 1–4–3–6–2–5 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 1,731 (2): 2,449 (1): 0 (2): 2,449 1,5; 3; 4,5; 6; …

V6 4-Takt 90° 120° +30° 9) 1–4–3–6–2–5 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 2.121 (2): 2,121 (1): 0,448 (2): 2,121 3; 6; 9; …

V8 4-Takt 90° 90° – 1–5–4–8–6–3–7–2 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 3,162 (2): 0 (1): 0 (2): 0 4; 8; 12; …
1–5–4–2–6–3–7–8

V10 4-Takt 90° 72° –10) 1–6–5–10–2–7–3–8–4–9 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 4,98 (2): 0,634 (1): 0 (2): 0,634 2,5; 5; 7,5; …
1–10–9–4–3–6–5–8–7–2

V12 4-Takt 60° 120° – 1–7–5–11–3–9–6–12–2–8–4–10 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 (1): 0 (2): 0 6; 12; 18; …
1–12–5–8–3–10–6–7–2–11–4–9

1) V-Winkel der Zylinderbänke;


2) Kröpfungswinkel der Kurbelwelle;
3) Pleuelversatzwinkel bei Hubzapfenversatz;
4) Unterschiedliche Zählweise der Zylinder beim R- bzw. VR- und V-Triebwerk sind zu beachten: R bzw. VR: Durchgehend vom freien Wellenende bis zur Abtriebseite, V: Bei Zylinderbank A beginnend durchgehend
vom freien Wellenende bis zur Abtriebsseite, Fortsetzung entsprechend bei Zylinderbank B;
5) c (1) (1) (1) (2) (2) (2)
F = F res(osz) /F mosz , c F = F res(osz) /F mosz ;
6) c M(1) = M (1)res(osz) /(F (1)mosz az) cM(2) = M(2)res(osz) /(F (2)mosz az) (Einflussfaktoren der Massenkäfte bezogen auf die oszillierenden Massenkräfte, die der Massenmomente auf Letztere multipliziert mit dem Zylinderabstand;
Massenmoment der rotierenden Massenkräfte durch Gegengewichte vollständig ausgleichbar);
7) Erregung von Torsionsschwingungen des Triebwerks;
8) Ungleicher Zündabstand 90°–150°–90°–150°;
9) Gleicher Zündabstand 120°;
10) Zündabstand 90°–54°–90°–54°;
11) Ungleicher Zündabstand 180°–540°–180°–540° und halbe Ordnungen im Viertakt-Betrieb.
8.3 Massenausgleich des Triebwerks    273
274    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

sicher gelagert werden, wobei die doppelte Motordrehzahl


beim Ausgleich 2. Ordnung erhöhte Anforderungen stellt.
(8-56) Gleitlagerung bedingt die Einbeziehung in den Schmieröl-
kreislauf. Hinsichtlich ihrer Positionierung dürfen im Regel-
fall weder freie Kräfte noch Momente entstehen.

Die zeitliche Änderung des Drehimpulses bewirkt das Mas- Massenkraftausgleich mit Hilfe von Ausgleichswellen
senumlaufmoment:
Der Ausgleich eines freien Restkraftvektors erfordert zwei
(8-57) symmetrisch zur Kurbelwellendrehachse angeordnete Exzen-
terwellen mit (einseitig) exzentrischen Massen. Deren resul-
ψ̈ ist die Winkelbeschleunigung der Schwenkbewegung des tierender Massenkraftvektor wirkt entgegen dem freien Rest-
Pleuels, ẇ die der Kurbelwelle bei veränderlicher Drehzahl kraftvektor. Folgende Fälle sind zu unterscheiden(Bild 8‑26):
(andernfalls gilt: ẇ = 0). Der Schwenk­winkel ψ = arcsin (lPl – Negativ (gegensinnig) rotierender Restkraftvektor
sin j) (Gln. (8‑8)) führt nach Reihenentwicklung und zwei- 1. Ordnung → beide, zwecks Vermeidung eines Massen­
maliger Differenziation nach der Zeit t zu folgender moments, symmetrisch angeordnete Exzenterwellen
Schwenkwinkelbe­schleunigung: rotieren ebenfalls negativ mit Kurbelwellendrehzahl.
– Oszillierender Restkraftvektor → spiegelsymmetrisch
an­geordnete Exzenterwellen rotieren gegeneinander mit
Kurbelwellen- (1. Ordnung) oder doppelter Drehzahl
(8-58)
(2. Ordnung). Beim „Lanchester-Ausgleich“ – Unsymmet-
rie/ Höhenversatz der Wellen – besteht die Möglichkeit der
Die Konstanten Ci sind wiederum Polynome des Pleuelstan- begrenzten Beeinflussung des freien Drehmoments
genverhältnisses lPl : 2. Ordnung, allerdings nur in einem bestimmten Betriebs­
punkt (Bild 8‑27).

Massenmomentausgleich mit Hilfe von Ausgleichswellen


(8-59)
Zum Ausgleich eines rotierenden freien Restmomentvektors
genügt eine Ausgleichswelle. Diese verfügt über zwei in mög-
lichst großem Abstand angebrachte, gegeneinander um 180°
Das Massenumlaufmoment ist ausgeglichen, wenn die redu- verdrehte Exzentermassen. Der so erzeugte Ausgleichsmo-
zierten Massenträg­heits­momente (Gln. (8‑56, 2. und 3. mentvektor wirkt entgegen dem Restmomentvektor. Die
Zeile)) zu Null werden. Der Trägheits­radius des Pleuels muss Ausgleichswelle rotiert negativ (gegensinnig) mit Kurbelwel-
der Forderung k2Pl = lPl1 (lPl – lPl1) genügen, was mit kleinen lendrehzahl (beim Ausgleich 2. Ordnung – bei bestimmten
Zusatzmassen an Pleuelkopf und kleinem Pleuelauge erfüll- V-Triebwerken tritt auch ein rotierendes Massenmoment
bar ist, ein Pleuelschwerpunktsabstand lPl1 > lPl dagegen of- 2. Ordnung auf – entsprechend mit doppelter Drehzahl).
fensichtlich nicht. Hierbei wird bereits unterstellt, dass der positiv umlaufende
Momentvektor 1. Ordnung durch Gegengewichte vollstän-
8.3.6 Massenausgleich mit Hilfe dig ausgeglichen ist (s. Abschn. 8.3.4). Der Ausgleich eines
von Ausgleichswellen oszillierenden Massenmoments benötigt dagegen zwei
spiegel­symmetrisch angeordnete, gegeneinander rotierende
Ausgleichswellen erzeugen Mehraufwand bei Konzeption, Ausgleichswellen. Die parallel zum Restmomentvektor, aber
Entwicklung und Herstellung des Motors. Ihr Einsatz redu- entgegengesetzt gerichteten Vektorkompo­nenten addieren
ziert sich daher meist auf die Kompensation freier Restkräfte sich, die senkrecht dazu stehenden kompensieren sich. Folg-
und -momente, die durch Kurbelwellen-Gegengewichte lich oszilliert der resultierende Vektor in Gegenphase.
nicht auszugleichen sind. Sie werden Bauraum sparend in
das Zylinderkurbelgehäuse- und Nebenantriebskonzept in- 8.3.7 „Innerer“ Massenausgleich des Kurbeltriebs
tegriert. Der Antrieb erfolg über Kette, Zahnrad oder Zahn-
riemen. Er muss dauerhaft phasentreu, dauerfest, reibungs- Folgende Aspekte sind bisher nicht berücksichtigt worden:
arm und akustisch unauffällig sein. Ausgleichswellen müssen – Massenkraftbeanspruchung der Kurbelwellen-Haupt­lager,
8.3 Massenausgleich des Triebwerks 275

Bild 8-26 Möglichkeiten des vollkommenen Ausgleichs der freien Massenkraft 1. Ordnung beim Einzylindertriebwerk mittels zweier Ausgleichswellen bei„Normalaus-
gleich“ (links), bei Ausgleich der rotierenden Massenkräfte durch Gegengewichte (Mitte); Ausgleich der Massenkraft 2. Ordnung (rechts)

Bild 8-27
Anordnung der Ausgleichswellen beim„Lanchester-
Ausgleich“ (neben dem Ausgleich der freien Massen-
kräfte 2. Ordnung wird Einfluss auf das freie Massen-
moment 2. Ordnung in bestimmtem Betriebspunkt
genommen)

– Erregung von Schwingungen infolge innerer Biegemomente nere“ Massenausgleich darf aber wiederum seinerseits keine
durch Übertragung von den Hauptlagern auf das Zylinder- freien Massenwirkungen erzeugen (Zentral- und Längssym-
kurbelgehäuse. metrie). Sonst gibt es keine allgemein gültigen Regeln. Sinn-
vollerweise werden an jeder Kurbelwange angemessene Ge-
Zwecks Begrenzung der Verformung der Kurbelwelle und de- gengewichtsmassen vorgesehen. Entscheidend ist die dabei
ren Rückwirkung auf das Gehäuse kommen daher auch dann erzielte Korrektur der Biegelinie der Kurbelwelle.
Gegengewichte zum Einsatz, wenn nach außen ausgeglichene Das „innere“ Moment bezeichnet die Längsverteilung der
Massenwirkungen dies nicht erforderlich machen. Der „in- Biegemomente der nicht gestützten, somit „frei im Raum
276    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

schwebenden“ Kurbelwelle (Bild 8‑28). Meist müssen zwei 8.3.8 Drehkraftverläufe


senkrecht zueinander stehende Wirkungsebenen betrachtet
werden. Die freie Durchbiegung der Kurbelwelle unter dem Massenkraft bedingter Drehkraftverlauf
„inneren“ Moment ist eine fiktive Vergleichsgröße zur Beur-
teilung der Güte des „inneren“ Massen­ausgleichs. Daneben Die mit dem Kurbelwinkel veränderlichen Drehkräfte Ft(j)
interessiert das „Gehäuse-Biegemoment“ ohne Stützwir- regen Drehschwin­gungen des Triebwerks an (s. Abschn. 8.4).
kung der inneren Hauptlager. Bild 8‑28 zeigt dieses am Die Drehkraft Ft kann gemäß Gl. (8‑4) aus der Kolbenkraft
einfachen Beispiel eines R4‑Viertakttriebwerks, wo kröp- FK berechnet werden. Im Fall der Massendrehkraft Ftmosz re-
fungsbedingt nur eine Ebene zu betrachten ist. Ebenfalls duziert sich die Kolbenkraft auf die oszillierende Massen-
dargestellt ist die Verringerung des Gehäuse-Biegemoments kraft Fmosz (Gl. 8‑1):
bei Anbringung unterschiedlich großer Gegengewichtsmas-
sen.
(8-60)

Einsetzen der Beschleunigung ẍ der oszillierenden Masse


(Gl. (8‑29)), d. h. Berücksichtigung der Terme 1. und 2. Ord-
nung, führt schließlich zu folgendem Ergebnis:

(8-61)

Der Bezug auf die Kolbenfläche AK liefert den Tangential-


druck ptmosz = Ftmosz /AK der oszillierenden Massenkraft. Bei
Mehrzylindertriebwerken heben sich infolge Überlagerung
bei Phasenverschiebung bestimmte Ordnungen gegenseitig
auf und tragen nicht zum resultierenden Drehmoment bei
[8‑1].

Gaskraft bedingter Drehkraftverlauf

Im Fall der Gasdrehkraft FtGas ist die Kolbenkraft FK in Gl.


(8-60, oben) durch die im Zylinder wirkende Gaskraft FtGas =
pZ(j)AK zu ersetzen. Aufgrund des periodischen Verlaufs
des Zylinderdrucks pZ(j) kann die Gasdrehkraft mittels har-
monischer Analyse [8‑52] in ihre harmonischen Anteile zer-
legt, somit als Fourier-Reihe dargestellt werden (Bilder 8‑29
und 8‑30) [8‑53]:

(8-62)

Bild 8-28 Längsverteilung des Biegemoments der nicht gestützten Kurbel‑


welle und des Gehäusebiegemoments am Beispiel eines R4‑Viertaktmotors
(oben); Gehäuse­biegemoment bei unterschiedlichem „inneren“ Massenaus‑
gleich (unten)

F̂ tGasi ist die i. harmonische Erregeramplitude der Drehkraft,


di der zugehörige Phasenwinkel (niedrigste Ordnung beim
Viertakter: i = 1/2, beim Zweitakter: i = 1, ). Auch für die
Gaskraft kann ein Tangentialdruck (ptGas = FtGas/AK) defi-
8.3 Massenausgleich des Triebwerks    277

Massendrehkraft erfolgt wegen der Phasenbe­ziehungen


durch Vektoraddition (z. B. [8‑2]). Die Massendrehkraft ist
oberhalb der 4. Ordnung vernachlässigbar klein.

Haupt- und Nebenerreger-Ordnungen

Die Erregung von Drehschwingungen erfolgt durch höhere


Ordnungen der Gasdrehkraft. Analog zu den Kurbelsternen
gibt es auch für die Harmonischen der Drehkräfte entspre-
chende Zeigerdiagramme. Bei einer Haupterreger-Ordnung
iH sind die Zeiger gleichgerichtet (Bild 8‑31). Liegen die Zei-
ger auf einer Linie, zeigen jedoch in entgegen gesetzte Rich-
tung, so handelt es sich um 1. Nebener­reger-Ordnungen iN .
Die Amplituden der resultierenden Haupterreger-Drehmo-
mente sind im Gegensatz zu denen der Nebenerreger-Dreh-
momente unabhängig von der Zündfolge [8‑2], die entspre-
chend günstig zu wählen ist (Regeln hierfür z. B. in [8‑1]).
Bild 8-29 Harmonische Anteile der Drehkraft (Tangentialkraft) Fi am Bei‑
spiel des Viertakt-Hubkolbenmotors
8.3.9 U ngleichförmigkeit der Drehbewegung,
Bemessung des Schwungrads
niert werden. Außerdem gilt für den mittleren indizierten Der ungleichmäßige Drehkraftverlauf des Hubkolbenmotors
Arbeitsdruck pmi = 2p FtGas0/AK . Bei Mehrzylindermotoren erzeugt eine Drehzahlschwankung Dw während eines Arbeits-
ergeben die Zündabstände die Phasenverschiebungen der zyklus. Diese Drehzahl­schwankung bezogen auf die mittlere
Drehkraftverläufe. Überlagerung führt wiederum zum resul- Drehzahl w– ist der Ungleichförmigkeitsgrad d ≤ 10%:
U
tierenden Drehmoment. Bei V‑Motoren ist es sinnvoll, zu-
nächst den Drehkraftverlauf eines Zylinderpaars zu bestim-
men. Die Überlagerung der Harmonischen der Gas- und
(8-63)

Bild 8-30
Beispielhafte Amplituden der Harmo‑
nischen der Gasdrehkraft Ft Gasi  beim
Zwei- und Viertaktmotor nach [8‑53]
278    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-31
Zeigerdiagramme (Richtungssterne)
der Erreger-Drehmomente; Haupter‑
reger-Ordnungen, 1. und weitere Ne‑
benerreger-Ordnungen des R6‑Vier‑
taktmotors mit Zündfolge
1–3–5–6–4–2

Die während eines Arbeitszyklus (hier Viertaktmotor vor- Nicht zuletzt erfordert akzeptables Leerlaufverhalten ein
ausgesetzt) geleistete innere Arbeit Wi verlangt bezüglich des ausreichendes Schwungrad-Massenträgheitsmoment ΘSchw .
mittleren Tangentialdrucks p̄¯l und des mittleren indizierten Dieses kann in Abstimmung mit dem Massenträgheitsmo-
Arbeitsdrucks pmi folgende Äquivalenz: ment der Kurbelwelle ΘKWges einschließlich der auf diese zu
beziehenden Massen richtig bemessen werden (z. B. [8‑2]):
(8-64)
(8-67)
AK ist die Kolbenfläche, r der Kurbelradius und z die Zy­
linderzahl. Die Änderung der Rotationsenergie während
einer Beschleunigungs- bzw. Verzögerungsphase (w1 → w2) 8.4 Drehschwingungen des Triebwerks
im Kurbelwinkelbereich j1 bis j2 unter Berücksichtigung
des auf die Kurbelwelle bezogenen Massenträgheitsmo-
8.4.1 Vorbemerkungen zu Triebwerksschwingungen
ments Θges des Triebwerks liefert eine energetische Betrach-
tung: Die dreh-, biege- und längselastische Kurbelwelle stellt mit
den Triebwerks­massen ein schwingungsfähiges System dar,
das durch Wechselkräfte, Wechseldreh- und -biegemomente
(8-65)
zu Schwingungen angeregt wird. Diese verursachen eine zu-
sätzliche dynamische Beanspruchung der Kurbelwelle und
Somit kann der „Arbeitsüberschuss“ WÜ – gemäß Definition deren Lagerung (s. Abschn. 8.2.4). Im Resonanzfall können
die Differenz zwischen dem sich dabei zeigenden größten unzulässig große Schwingungsamplituden zum Dauerbruch
positiven und negativen Energiebetrag – bestimmt und der führen. Triebwerksschwingungen tragen darüber hinaus
Ungleichförmigkeitsgrad dU angegeben werden: ganz wesentlich zur Körperschallanregung bei. Die heute üb-
liche Zwischenlagerung jeder Kurbelkröpfung erzeugt Kur-
belwellen mit kurzen Hauptlagerabständen, wodurch die
(8-66)
biegekritischen Drehzahlen in günstiger Weise angehoben
8.4 Drehschwingungen des Triebwerks    279

werden. In der Realität sind zwar alle Schwingungsphäno- massen-Schwungrad – aufgrund seiner großen Massenträg-
mene miteinander gekoppelt, aber in der Konzeptphase des heit im betrachteten Frequenzbereich einer weitgehenden
Triebwerks (s. Abschn. 8.2.4.2) wird Biegeschwingungen zu- Entkopplung vom restlichen Antriebsstrang gleichkommt.
nächst nicht die gleiche Bedeutung wie Drehschwingungen Übliche Drehschwin­gungs-Ersatzmodelle entsprechen dem
beigemessen (bezüglich gekoppelter Triebwerksschwin­ elastisch gekoppelten Mehrmassen­schwinger (z. B. [8‑54]).
gungen z. B. [8‑37]). Auf einer ungekröpften, masselosen Ersatzwelle sind Ersatz-
drehmassen angeordnet. Für das Triebwerk gibt es pro
8.4.2 Dynamische Ersatzmodelle des Triebwerks Kröpfung eine Ersatzdrehmasse. Hinzu kommt das
Schwungrad. Für den gesamten Antriebsstrang sind verein-
8.4.2.1 Ersatzmodelle für Motor- und Antriebsstrang fachte Ersatzmodelle gebräuchlich.

Die ungleichförmigen Gas- und Massendrehkraftverläufe 8.4.2.2 Massen- und Längenreduktion


(Gln. (8‑61) und (8‑62)) sowie veränderliche Lastmomente
im Antriebsstrang regen das Triebwerk von Hubkolbenmo- Die Ersatzlängen lred von Wellenabschnitten und die dazwi-
toren zu Drehschwingungen an. Die Schwingungsamplitu- schen angeordneten Ersatzdrehmassen Θred werden mittels
den, d. h. elastische, dynamische Torsionsverformungen des Längen- und Massenreduktion bestimmt [8‑1], [8‑6]. Die
Triebwerks, überlagern die Drehbewegung. Die Berechnung Massenreduktion beruht auf dem Prinzip äquivalenter kine-
der Drehschwingungen kann sich auf den Motor selbst (Kur- tischer Energie des Ersatzmodells:
beltrieb einschließlich Schwungrad) beziehen oder den kom-
pletten Antriebsstrang ohne oder mit Verzweigung (Motor, (8-68)
Arbeitsmaschine, zwischengeschaltete Getriebe, Antriebs-
wellen etc.) umfassen (Bild 8‑32). (Formelzeichen s. Abschn. 8.3.2). Im Gegensatz zu einer ro-
Die isolierte Betrachtung des Motors ist zulässig, wenn tierenden Masse ändert sich beim Hubkolbentriebwerk die
ein herkömmliches Schwungrad – anders als beim Zwei- kinetische Energie einer oszillierenden Masse und damit die

Bild 8-32
Antriebsstrang mit Verzweigung be‑
stehend aus Motor mit Schwungrad,
Getriebe, Generator und Antriebswel‑
le hier mit Schraube; Drehschwin‑
gungs-Ersatzsysteme
280    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Ersatzdrehmasse (das Massenträgheitsmoment) Θred mit sichtigen. Besonders geeignet hierfür ist die Finite Elemente
dem Kurbelwinkel j : Methode (FEM). Man kann sich andererseits verschiedener
Reduktionsformeln bedienen (Faustformeln für langsam
laufende Großdieselmotoren nach Geiger oder Seelmann,
(8-69)
für schnelllaufende Fahrzeug- und Flugmotoren nach
B.I.C.E.R.A. (British Internal Combustion Engine Research
Es wird daher ein repräsentativer Wert benötigt, den z. B. die Association), Tuplin oder Carter (z. B. [8-53], [8-55], [8-56])).
Frahmsche Formel liefert: Die übersichtlichste ist die nachfolgend angegebene nach
Carter:
(8-70)
(8-72)
Die Längenreduktion wird so vorgenommen, dass die dreh­
elastische Verformung eines Ersatzwellenabschnitts der Länge
lred der einer Kurbelkröpfung, bestehend aus zwei Anteilen des
Wellengrundzapfens, dem Hubzapfen sowie den beiden Kur- mit: Ired – polares Flächenträgheitsmoment des Bezugsquer-
belwangen, in der Realität entspricht. Zweckmäßigerweise er- schnitts,
folgt dabei ein Bezug auf das polare Flächenträgheitsmoment IKWG, IKWH – entsprechende Größen des Grund- und
Ired = IKWG des Grundzapfens. Bei homogener Kurbelwelle ge- Hubzapfenquerschnitts,
nügt die Ersatz-Torsionsfedersteifigkeit c der Gleichung: lKWG, lKWH – zugehörige Zapfenlängen,
(8-71) – äquatoriales Flächenträg-
heitsmoment eines repräsen-
G ist der Schubmodul des Werkstoffs der Ersatzwelle beste- tativen (mittleren) Kurbel-
hend aus den reduzierten Längen li = lred . Neben der reinen wangenquerschnitts (I*KWW
Torsion durch ein äußeres Drehmoment ist die zusätzliche ⊥ IKWW) und
Verformung infolge tangentialen Kraftangriffs am Hubzap- r – Kurbelra­dius (s. auch Bild 8‑13).
fen nicht zu vernachlässigen (s. auch Bild 8‑12). Die Verfah-
ren zur Längenreduzierung müssen diesen Umstand berück- 8.4.2.3 Reduktion von Getrieben

Ein Antriebsstrang mit Getriebe lässt sich auf ein Ersatzsys­


tem mit durchlaufender Welle und einzelnen Drehmassen
reduzieren. Voraussetzung ist die Äquivalenz der poten-
ziellen und kinetischen Energie. Die Bezugswelle – i. d. R. die
Kurbelwelle – entspricht dem realen System. Die Drehmas-
sen Θi und Drehsteifigkeiten ci werden mit dem Überset-
zungsverhältnis i (nicht zu verwechseln mit dem Index i) auf
die Bezugswelle wie folgt reduziert (Bild 8‑33):

(8-73)

(8-74)

Die hier nicht erläuterten Formelzeichen werden aus


Bild 8‑33 ersichtlich. Die Drehmassen eines Getriebes müs-
sen dabei nach folgendem Prinzip zu einer Ersatzdrehmasse
ΘGred zusammengefasst werden, wobei der Index „1“ die Be-
Bild 8-33 Reduktion eines realen Drehschwingungs‑Systems mit Überset‑ zugswelle, der Index „2“ die übersetzte Welle kennzeichnet:
zungsgetriebe auf ein Ersatzsystem mit durchlaufender Welle
(8-75)
8.4 Drehschwingungen des Triebwerks    281

8.4.2.4 Dämpfung des Hubkolbentriebwerks tigen, weil die übrigen kritischen Drehzahlen oberhalb des
Nutzdrehzahlbereichs liegen.
Dämpfungseinflüsse auf Drehschwingungen von Triebwer- Die Drehbeschleunigung ϑ̈i der einzelnen Drehmasse Θi
ken sind äußerst vielfältig. Reibung, Quetsch- und Plansch­ folgt aus dem Drallsatz:
ölverluste bewirken die äußere, Werkstoffeigenschaften und
(8-77)
bei gebauten Kurbelwellen auch Fügestellen die innere
Dämpfung. Die üblichen Ansätze sind linear und geschwin- (8-78)
digkeitsproportional. Das Einsetzen wirklichkeitsnaher Ko-
effizienten in die Dämpfungsmatrix K (s. Abschn. 8.4.2.5)
gestaltet sich schwierig, ändert sich doch die äußere Reibung ist das resultierende Torsionsmoment der beidseitig an einer
mit dem Betriebszustand (Schmieröltemperatur) und der Drehmasse wirkenden Torsionsmomente. Das Torsionsmo-
Betriebszeit des Motors (Verschleiß der Triebwerkskompo- ment MTi+1 im betrachteten Wellenabschnitt ist dabei der
nenten, Alterung des Schmieröls usw.). Die innere Dämp- Differenz der Torsionswinkel ϑi+1 – ϑi der angrenzenden Er-
fung ist genau genommen auch abhängig vom Torsionswin- satzdrehmassen proportional. Die Konstante ci+1 ist die Tor-
kel. Ferner sind beide Anteile frequenz- und somit dreh- sionsfedersteifigkeit. Gemäß Bild 8‑34 kann auf der Basis der
zahlabhängig. Die Praxis orientiert sich daher oft an Erfah- Gl. (8‑77) und (8‑78) ein System von Differentialgleichungen
rungswerten aus dem Vergleich Messung – Rechnung. Eine aufgestellt werden:
gängige Methode ist eng verknüpft mit der Entkopplung des
̈ + C = 0 (8-79)
Schwingungsgleichungssystems (s. Abschn. 8.4.3.3). Für die
Anteile der äußeren und inneren Dämpfung Ka, Ki der Damit können die modalen Größen unter Vernachlässigung
Dämpfungsmatrix K gilt dabei folgender Ansatz [8-54]: der relativ geringen Dämpfung des Schwingungssystems be-
stimmt werden.  bzw. ̈ sind als Vektoren,  als Matrix der
(8-76)
Drehmassen und C als Steifigkeitsmatrix aufzufassen.
Dieser beinhaltet Proportionalitätsfaktoren a für die äußere Zur Berechnung erzwungener Drehschwingungen müs-
Dämpfung bezogen auf die Matrix der Drehmassen  und b sen die Dämpfung in Form der Dämpfungsmatrix K und
für die innere Dämpfung bezogen auf die Steifigkeitsmatrix C. der Vektor der Erreger-Drehmomente ME(t), d. h. beim
Mehrzylindermotor die Beiträge der einzelnen Zylinder,
8.4.2.5 Schwingungsgleichungssystem, berücksichtigt werden (Bild 8‑35). Dabei sind die Phasenbe-
Systemparameter ziehungen (Zündabstand, Zündfolge) zu beachten. Die
Dämpfungsmomente sind den Schwingschnellen ̇, hier
Ein Drehschwingungs-Ersatzmodells ist ein System von n ebenfalls als Vektor aufzufassen, proportional:
Drehmassen und demzufolge n – 1 Eigenfrequenzen und Ei-
̈ + K. + C = M (t)
E
(8-80)
genschwingungsformen (Bild 8‑34). Die Anzahl der Schwin-
gungsknoten entspricht dem Grad der Eigenschwin­gungs­ Die Bewegungs-Differentialgleichungen eines Ersatzmodells
form. Des Öfteren genügt es, nur die Schwingungsform mit beispielsweise noch übersichtlichen vier Ersatzdrehmas-
1. Grades mit nur einem Schwingungsknoten zu berücksich- sen nimmt dann folgende Form an, wobei die Erweiterung
auf n Ersatzdrehmassen nach der hier erkennbaren Systema-
tik vorzunehmen ist:

(8-81)

Bild 8-34 Drehschwingungs-Ersatzmodell des Triebwerks ohne Berücksich‑


tigung der Dämpfung Die Erreger-Drehmomente folgen aus der Überlagerung der
Gas- und Massen­drehkräfte (s. Abschn. 8.3.8). Bei Betrach-
282    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-35
Drehschwingungs-Ersatzmodell des Trieb‑
werks mit Berücksichtigung der inneren und
äußeren Dämpfung

tung des kompletten Antriebsstrangs wird für den Mehrzy- – Eigenkreisfrequenzen w0k und
lindermotor nur ein resultierendes Erreger-Drehmoment – zugehörige Eigenschwingungsformen ̂ek bzw. M̂  Tek, d. h.
mit seinen relevanten Harmonischen als eine Komponente Amplituden der Torsionswinkel- und -momente.
des Vektors der Erreger­drehmomente gebildet. Dieses leistet
dieselbe Erregerarbeit wie die in der Phase verschobenen Er- Die Eigenschwingungsformen lassen sich bildlich in Form
reger-Drehmomente der einzelnen Zylinder (z. B. [8‑2]). relativer (normierter) Drehschwingungsamplituden der Er-
Ferner sind die jeweiligen Last- und Reibmomente der ein- satzdrehmassen bezogen auf Θ0 oder den größten Θ-Wert
zelnen Systemkomponenten Bestandteile des betreffenden sowie ihrer Anzahl und Lage der Schwingungsknoten be-
Vektors. In Abschn. 8.4.2.4 wird bereits zwischen innerer schreiben. Die Lösung des Systems inhomogener Differen-
und äußerer Dämpfung unterschieden (hierfür gebräuch- tial-Gln. (8-81) folgt in zwei Schritten:
licher Ansatz: Gl. (8‑76)). Für die Koeffizienten kij der Dämp- – Ermittlung der Amplitudenfrequenzgänge aij (w) mit
fungsmatrix und cij der Steifigkeitsmatrix gelten unter Be- zugehörigen Phasenbeziehungen bij (w) sowie Über­tra­
achtung der in Bild 8‑35 dargestellten Verhältnisse folgende gungs­faktoren gij ,
Berechnungsvorschriften: – Bestimmung der von den Erregerdrehmomenten er­­zwun­
genen Torsionswinkel ϑi (t) und Torsionsmomente MT i (t)
in den einzelnen Wellenabschnitten.

Unverzweigte wie verzweigte Systeme sind durch zur Haupt­


(8-82) diagonalen symmetrisch angeordnete Koeffizienten der Steifig-
keits- und Dämpfungsmatrix gekennzeichnet. Bei unverzeigten
Systemen fällt zudem die bandförmige Struktur ins Auge (Gl.
8‑81)). Die Auswahl geeigneter Lösungsverfahren orientiert
sich am Aufbau der genannten Matrizen. Die modalen Größen
sind als Lösungen des nachfolgend erläuterten Eigenwertprob­
lems gegeben. Hierzu stehen insbesondere folgende Algorith-
8.4.3 Berechnung der Drehschwingungen men zur Lösung des Gleichungssystems zur Verfügung:
– Determinantenmethode
8.4.3.1 Lösung der Bewegungs-Differentialgleichungs­
systeme – Verfahren von Holzer-Tolle und
– Verfahren der Übertragungsmatrizen.
Die Lösung des Systems homogener Differential-Gln. (8‑79)
liefert bekanntlich die modalen Größen des Schwingungssys­ Die beiden zuletzt genannten Verfahren unterscheidet ledig-
tems: lich die mathematische Darstellung. Ihre Anwendung emp-
8.4 Drehschwingungen des Triebwerks    283

fiehlt sich nur bei unverzweigten Systemen. Die beiden zu- weite Dw erhöht. Erfüllt das „Resttorsionsmoment“ die Be-
erst genannten Verfahren werden nachfolgend kurz erläutert. dingung M̂  Tn = 0, so ist w = w0k. Das Programm bricht die
Die Modal-Analyse kann auch an einer geeignet diskretisier- Berechnung ab, wenn beim „automatischen Hochlauf “ von
ten Struktur des Triebwerks mittels der Finite-Elemente-Me- w schließlich k = n – 1 Eigenkreisfrequenzen gefunden wur-
thode (FEM) durchgeführt werden. den. Die Berechnung liefert zwangsläufig auch die Kompo-
nenten der Eigenvektoren ̂ek bzw. M̂  Tek.
Determinantenmethode
8.4.3.2 Ermittlung der Frequenzgänge
Der Lösungsansatz
Die Übertragungsfunktion H(w) ist ein Quotient. Sie be-
(8-83)
schreibt das mit der Kreisfrequenz w veränderliche Verhält-
führt beim Gleichungssystem (8‑85) zum Eigenwertprob­lem nis zwischen einer dynamischen Ausgangs- und Eingangs-
größe eines Systems. Hier werden die Drehschwingungs­
(C – w2 )̂ = 0. (8-84) amplituden ̂ als Systemantwort auf die Amplituden der Er­
Dieses Gleichungssystem wiederum hat nur im folgenden reger-Drehmomente M̂  E bezogen. Dabei ist es zweckmäßig,
Fall nichttriviale Lösungen: bei einem beliebigen harmonischen Erreger-Drehmoment
ME(t) von einer mathematisch komplexen Schreibweise und
det (C – w2 ) = 0 (8-85) der Eulerschen Formel Gebrauch zu machen, und einen ana-
Die Berechnung der Determinante erzeugt ein charakteris­ logen Ansatz für den Torsionswinkel ϑ(t) zu wählen:
tisches Polynom n. Grades Pn(w), dessen Nullstellen die Ei-
genkreisfrequenzen w0k, k = 0, 1, 2, …, n – 1, darstellen (w00 = (8-88)
0) gehört zur Starrkörperbewegung, deren triviale Eigen-
schwingungsform für alle Freiheitsgrade gleich große Das System inhomogener Differential-Gln. (8‑80) nimmt
Schwingungsamplituden aufweist). Die Lösungen des Glei- dann folgende Form an:
chungssystems (8-85) bilden nach Einsetzen einer bestimm-
̂ (– w2 + jw K + C) = ̂  B = M̂  E (8-89)
ten Eigenkreisfrequenz w0k den zugehörigen Eigenvektor k.
Grades ̂ek . Dessen n Komponenten, d. h. Torsionsschwin- ̂ = B–1M̂  E B–1= H ( jw)
gungsamplituden der Ersatzdrehmassen, werden wegen li-
nearer Abhängigkeit der Lösungen normiert dargestellt B–1 = H  (jw), d. h. die invertierte Matrix B, ist die Matrix der
(Bild 8‑36). Die entsprechenden n – 1 normierten Torsions- Übertragungs­funktionen mit den komplexen Elementen
momentamplituden des Vektors M̂  Tek lassen sich gemäß Hij(jw) (Index j ist von der mit selbem Symbol dargestellten
Gl. (8‑78) berechnen. Gängige Mathematik-Software hält imaginären Einheit j =  –1 zu unterscheiden):
Methoden zur Lösung solcher Gleichungssysteme bereit.
(8-90)
Verfahren von Holzer-Tolle
Mittels dieser Übertragungsfunktionen lassen sich die Amp-
Die Gl. (8‑77) und (8-78) werden nach Einsetzen der Ansätze litudenfrequenzgänge aij(w) und die zugehörigen Phasen-
verschiebungen bij(w) der Ersatzdrehmassen an den Stellen i
(8-86) infolge der Erreger-Drehmomente an den Stellen j berech-
nen:
in folgende Form gebracht:
(8-91)
(8-87)

Die Anfangswerte sind dabei M̂  T0 = 0 und z. B. beliebig ϑ̂ 0 = Die Größen gij bezeichnen dabei die Übertragungsfaktoren.
1. Das rekursive Verfahren ist für die Programmierung her- Bild 8‑37 zeigt beispielhaft und schematisch solche Amp­
vorragend geeignet. Der Startwert der Kreisfrequenz beträgt lituden­frequenzgänge aij(w) eines Zweimassen-Schwingers
z. B. w = 0. Die Kreisfrequenz wird dann von Berechnungs- ohne und mit einer bestimmten Dämpfung.
schleife zu Berechnungsschleife um eine geeignete Schritt-
284    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-36 Beispielhafte Eigenschwingungsformen (normierte Schwingungsamplituden) eines Drehschwingungssystems mit sechs Freiheitsgraden, zugehörige nor‑
mierte Torsionsmomente in den Wellenabschnitten

Bild 8-37 Schematische Darstellung der Amplitudenfrequenzgänge a00(ω), a11(ω) und α01(ω) für die Drehmassen Θ0 und Θ1 eines Zweimassen-Schwingers bezogen
auf die Erreger-Drehmomente ME0(t) und ME1(t) ohne und mit Dämpfung
8.4 Drehschwingungen des Triebwerks    285

8.4.3.3 Ermittlung erzwungener Drehschwingungs­ (8-97)


amplituden
(8-98)
Ausgehend von einem Ansatz analog zu Gl. (8‑62)

Es besteht nun die Möglichkeit, für die Resonanzamplituden


modale Dämpfungen Dk = k*k/(2Θ*kwk) zu verwenden. Die
Rücktransformation gemäß Gl. (8‑95, 1. Zeile) liefert den
Torsionsschwingungsausschlag der Drehmasse Θi an der
(8-92)
Stelle i:
für die an den Stellen j gleichzeitig wirkenden harmonischen
(8-99)
Erreger-Drehmomente der Ordnungen n des Motors (s. Ab-
schn. 8.3.8) lassen sich die Torsionswinkel der Ersatzdreh-
massen an den Stellen i durch Superposition (Überlagerung Die zugehörigen Torsionsmomente in den Wellenabschnit-
der Einzelanteile) berechnen: ten werden wiederum gemäß Gl (8‑78) berechnet.
Bild 8‑38 zeigt noch ein signifikantes Beispiel für den Ein-
(8-93) fluss der Zündfolge auf die Erregung von Drehschwingungen.
Dargestellt sind am Beispiel eines R6‑Trieb­werks die im
Abschn. 8.4.2.5 bereits erwähnten Ersatzerreger-Drehmo-
mente wichtiger Ordnungen. Diese sind bei vereinfachter
Im Fall einer anderen, beliebigen harmonischen Erregung im Berechnung gedacht als Ersatz für die Erreger-Drehmomente
Antriebsstrang sind die Erregerkreisfrequenzen nw in den
Gln. (8‑92) und (8‑93) durch nwj zu ersetzen, wobei dann k
= 1 gilt. Die Torsionswinkelanteile ϑij können alternativ auch
mittels Fourier-Transformation einfach berechnet werden:
(8-94)
Für die Beschreibung der dynamischen Systemeigenschaften
können anstelle komplexer Übertragungsfunktionen auch
vollständig entkoppelte Gleichungen herangezogen werden.
Unter Zuhilfenahme modaler Größen wird das Gl.-System
(8‑80) hierzu mit der Matrix der Eigenvektoren ϑe auf mo-
dale Koordinaten x (Hauptkoordinaten genannt) transfor-
miert und mit dem transponierten Vektor ϑeT multipliziert:
(8-95)


(8-96)

Die Transformation (Gln. (8‑95) zur Entkopplung der Glei-


chungen führt nur für K = 0 zum Ziel [8‑54]. Die Matrizen
der Systemparameter ϑeTΘϑe und ϑeTCϑe werden dadurch
„diagonal“. Sie sind nur noch in der Hauptdiagonalen mit
modalen (generalisierten) Koeffizienten besetzt. Um die
Entkopplung mit Dämpfung zu gewährleisten, muss bei der Bild 8-38 Ersatzerreger-Drehmomente der relevanten Ordnungen n (leisten
Dämpfungsmatrix ϑeTKϑe von einem Ansatz gemäß Gl. gleiche Erregerarbeit wie die in der Phase verschobenen Erreger-Drehmo‑
(8‑76) Gebrauch gemacht werden. Für die k = 1 bis n – 1 Ei- mente MEjn der Ordnungen n an den Stellen j) im relativen Größenvergleich
genschwingungsformen liegen jetzt voneinander unabhän- und entsprechende kritische Drehzahlen eines R6‑Triebwerks bei unterschied‑
gige, einfach zu lösende Gleichungen modaler Einmassen- licher Zündfolge (nach [8‑2])
Schwinger vor:
286    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

M̂  Ejn einer Ordnung n an den Stellen j und greifen fiktiv am Schwingungsamplituden auftreten – angebracht. Sie reduzie-
freien Wellenende an. Hierzu müssen die relativen Dreh- ren diese im betreffenden Resonanzfrequenzbereich, be-
schwingungsamplituden der betrachteten Eigenschwingungs- grenzen damit die Schwingungsbeanspruchung, wirken Ver-
form in Richtung der Strahlen des Kurbelsterns der betrach- schleiß mindernd und verbessern den Komfort. Bild 8‑39
teten Ordnung abgetragen werden. Die Vektorsumme liefert zeigt die prinzipielle Wirkungsweise von Tilger und Dämpfer
einen resultierenden Vektor. Dessen Betrag muss schließlich sowie die bei Kombination beider Konzepte:
noch mit der Amplitude der entsprechenden Harmonischen – Drehschwingungsdämpfer wandeln Bewegungsenergie
der Drehkraft und dem Kurbelradius multipliziert werden. in Wärme um. Sie bestehen aus einer Zusatzdrehmasse ΘD,
Bild 8‑38 zeigt solche Ersatzerreger-Drehmomente im rela- die über ein theoretisch rein dämpfendes (kD), in der
tiven Größenvergleich sowie die entsprechenden kritische Realität jedoch zudem elastisches Element (cD > 0) mit der
Drehzahlen (Darstellung nach [8‑2]). Welle verbunden ist. Die dämpfende Wirkung wird mittels
Schubspannungen in hochviskosem Siliconöl, Reibflächen
8.4.4 Dämpfung und Tilgung in Verbindung mit Stahlfedern, Ölverdrängung oder
von Drehschwingungen Werkstoffdämpfung von Elastomeren erzeugt. Die
unvermeidliche Elastizität erzeugt mit der gekoppelten
8.4.4.1 Drehschwingungsdämpfer und -tilger Dämpfer­masse eine zusätzliche Resonanzfrequenz, die
unterhalb des Erreger-Frequenz­bereiches liegen muss. Die
Bei fester Betriebsdrehzahl des Motors ist ein resonanzfreier ursprüngliche Resonanzfrequenz wird zu höheren Fre­
Betrieb durch eine entsprechende Systemabstimmung prin- quenzen hin verschoben. Ausreichende Wärmeabfüh­rung
zipiell möglich. Allerdings müssen beim Hochfahren und ist die Voraussetzung für Funktion und Lebensdauer der
Auslaufen Drehschwingungs-Resonanzen durchfahren wer- primär auf Energie­dissipation basierenden Dämpferwir­
den. Bei instationärem Betrieb ist das sich wiederholende kung. Federsteifigkeit und Dämpfung entsprechender
Durchfahren von bzw. das zeitweilige Verharren in Reso- Werkstoffe sind mehr oder weniger amplituden- und
nanzbereichen kaum zu vermeiden. Daher werden Dreh- temperaturabhängig. Der zusätzliche Tilgungseffekt ist
oder Torsionsschwingungsdämpfer („TSD“) und -tilger – üb- bauartbedingt. Ein Dämpfer ist umso wirksamer, je weiter
licherweise am freien Ende der Kurbelwelle, dort, wo große entfernt er vom Schwingungsknoten eingebaut wird.

Bild 8-39 Prinzipielle Wirkungsweise von Drehschwingungsdämpfer, -tilger und Kombination beider Konzepte am einfachen Beispiel der Vergrößerungsfunktion (Amp‑
litudenüberhöhung) des ungedämpften Einmassenschwingers; a), b) und c) Resonanzabstimmung; a reine Tilgung ohne Dämpfung; b starre Kopplung der Tilgermasse;
c Tilgung mit Dämpfung; d und e Dämpfung ohne Tilgung; e dabei optimale Auslegung nach [8‑2]; f optimale Tilgung mit Dämpfung nach [8‑2]
8.4 Drehschwingungen des Triebwerks    287

– Drehschwingungstilger erzeugen, ein den Erreger-Dreh­ Dessen Eigenfrequenz verhält sich nämlich proportional
momenten entgegen gerichtetes Massendrehmoment. Sie der Drehzahl. Die Funktion beruht dabei auf dem Prinzip
vernichten keine Schwingungsenergie, sondern lenken des Fliehkraftpendels.
diese größtenteils zum angekoppelten Tilgersystem ab. Sie
bestehen ebenfalls aus einer Zusatzdrehmasse ΘT und Die Ersatzsysteme von Drehschwingungsdämpfern und -til-
einer Drehfeder der Steifigkeit cT . Die unvermeidlichen gern sind aus oben erwähnten Gründen identisch. Nur deren
Dämpfungseigenschaften (kD > 0) der Drehfeder wie auch Einsatzbereich unterscheidet sich gewissermaßen. In ihrer
des gesamten Schwingungssystems reduzieren die Wirk­ praktischen Ausführung genügen sie – abhängig von der je-
sam­keit des Tilgers im Frequenzbereich, für den er ausge­ weiligen Ausführung – mehr oder weniger beiden Anforde-
legt   wurde.    Diese   Tilgereigenfrequenz rungen (Bild 8‑40). Bei mehr als vier Zylindern reicht die
wird auf die Erregerfrequenz abgestimmt (Resonanz­ab­ Eigendämpfung durch Schmierölver­drängung in den Haupt-
stimmung). Bei Hoch- und Auslaufvorgängen können und Pleuellagern [8‑56] meist nicht mehr aus. Der her-
beim Durchlaufen der durch den Tilger zusätzlich ver­ur­ kömmliche, einfache „Gummidämpfer mit Schwungring“
sachten Resonanzfrequenz – die ursprüngliche Re­sonanz­ erreicht angesichts begrenzten Bauraums schnell seine Gren-
stelle wird wiederum in zwei benachbarte Resonanzstellen zen, sodass mit steigender Zylinderzahl aufwändigere Kons­
aufgespaltet – infolge geringer Dämpfung große Schwin­ truktionen erforderlich werden. Speziell bei sehr hohen
gungsamplituden auftreten. Letzteres gilt auch für die Gasdreh­kraftamplituden aufgeladener Motoren werden
Tilgermasse selbst. Die Drehschwingungsamplituden des Drehschwingungsdämpfer bzw. -tilger unvermeidlich. Bei
Tilgers sind daher bei dessen Auslegung/Anpassung auf Fahrzeugmotoren ist häufig auch die Kombination Riemen-
Zulässigkeit zu überprüfen. Große Beanspruchung der scheibe – TSD anzutreffen. Nebenbei sei auch der zuneh-
Drehfeder begrenzt die Lebensdauer des Tilgers, ein prak­ mende Einsatz von entkoppelten Riemenscheiben, zusätz-
tischer Grund, warum Tilgung mit Dämpfung kombiniert lichen Kurbelwellen-Biegeschwingungsdämpfern, Nocken­
werden. wellen- und Ausgleichswellentilgern bzw. -dämpfern er-
Unter „innerer Tilgung“ ist eine – nachträglich meist nur wähnt.
in einem engen Frequenzbereich mögliche – Anpassung
der Systemparameter zu verstehen. Beim „drehzahl­ 8.4.4.2 Zweimassen-Schwungrad
adaptiven Tilger“ („DAT“) kann, was allgemein wünschens­
wert ist, der Einfluss der Erreger-Ordnung, auf die der Die aktuelle Entwicklung im Fahrzeugbereich – hohe dyna-
Tilger abgestimmt ist, im gesamten Drehzahlbereich mische Drehmomente, Massenreduzierung im Antriebs­
unterdrückt werden (z. B. Sarazin-Tilger [8‑1], [8‑53]). strang, Erhöhung der Zahl der Getriebegänge, Lastschaltge-
triebe, niederviskose Schmieröle und besonders Kraftstoff
sparendes, niedertouriges Fahren – verschärfen die Schwin-
gungsproblematik im gesamten Antriebsstrang. Das Zwei-
massen-Schwungrad („ZMS“) dient daher bei Fahrzeugmo-
toren der Entkopplung des Triebwerks gegenüber dem An-
triebsstrang (Bild 8‑41). Das Prinzip beruht auf der Trennung
der Schwungmasse in eine motorseitige Primär- und eine
abtriebsseitige Sekundärmasse durch dazwischen geschaltete
drehelastische bzw. visko­elastische Elemente.
Das ZMS erzeugt eine zusätzliche, sehr niedrige Eigenfre-
quenz im Schwingungs­system Trieb­werk – Antriebsstrang.
Es wirkt demnach als mechanisches Tiefpassfilter. Das
Übertragungsverhalten verändert sich allerdings mit der
Motordrehzahl, was bei der Auslegung zu berücksichtigen
ist [8‑57]. Die motorseitige Anregung des Getriebes und des
übrigen Antriebsstranges sind erheblich reduziert. Die dem-
Bild 8-40 Bauarten von Drehschwingungsdämpfern/-tilgern, a Gummi- zufolge nahezu gleichförmige Drehbewegung der Getriebe­
Drehschwingungstilger, b viskoelastischer Drehschwingungstilger, c hydrody‑ eingangswelle wirkt sich sehr günstig auf die bekannten
namisch gedämpfter Drehschwingungstilger (Hülsenfederdämpfer, MAN Geräusch­phänomene des Antriebsstrangs (Getrieberasseln,
B&W Diesel AG) Hinterachsbrummen usw.) aus. Die Dreh­ungleichförmigkeit
des Motors selbst wird durch das ZMS jedoch größer, weil
288    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-41
Zweimassen-Schwungrad, Prinzip‑
skizze und Ausführungsbeispiel
(Foto: LuK GmbH & Co. oHG, Bühl)

die primäre Schwungmasse kleiner wird. Dies ist bei der lastet das Getriebe von hochfrequenten Drehmomentampli-
Abstimmung des Steuertriebs und der Nebenantriebe zu tuden. Bei Dieselmotoren erlaubt dies die Übertragung eines
beachten. um bis zu 10% höheren statischen Drehmoments [8‑58].
Insgesamt wirkt sich das ZMS jedoch eher günstig auf die Die Resonanzfrequenz wird durch eine hinreichend große
Torsions- und Biegeschwingungen des Triebwerks aus, weil Sekundärschwung­masse unter die Leerlaufdrehzahl ge­­
die kleinere primärseitige Schwungmasse geringere Reak­ drückt. Eine gewisse Problematik stellt dennoch der Reso-
tionen der Kurbelwelle erzeugt (Bild 8‑42). Unter günstigen nanzdurchgang mit großen Drehmomentamplituden beim
Umständen kann auf einen TSD sogar verzichtet werden. Die Starten des Motors dar. Dieselmotoren mit drei und vier
abtriebsseitig nur noch geringe Drehungleichförmigkeit ent- Zylindern sind in dieser Hinsicht eine besondere Herausfor-

Bild 8-42
Getriebeseitige Schwingungsisolation
eines Zweimassenschwungsrads
(ZMS) im Vergleich mit einem her‑
kömmlichen Schwungrad [8‑58]
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe    289

derung. Teilweise ist eine Zusatzdämpfung notwendig, die – Pleuellager im kleinen Pleuelauge in Form von Buchsen,
allerdings dann die Wirksamkeit des ZMS einschränkt. – Kolbenlager in Form von Buchsen,
Hohes Startmoment und hohe Starterdrehzahl sowie eine – Nockenwellenlager in Form von Halbschalen oder Buch­
optimale Abstimmung der Systemparameter können dieses sen,
Problem in Grenzen halten. Ruckeln beim Anfahren und – Kipphebellager in Form von Buchsen,
Rasseln beim Abstellen des Motors können u. U. etwas stö- – Zwischenradlager bei Steuergetrieben in Form von Buch­
rend in Erscheinung treten. Bei Dieselmotoren haben sich sen,
„Weitwinkel-Ausführungen“ mit hohem Verdrehwinkel bei – Massenausgleichswellenlager als Halbschalen oder Buch­
niedriger Verdrehsteifigkeit bewährt. sen,
Auch im konventionellen Antriebsstrang von Kraftfahr- – Kreuzkopflager in Form von Halbschalen,
zeugen leistet ein Torsions­dämpfer in der Kupplungsscheibe – Kreuzkopfführungen in Form von Gleitbahnen
seinen Dienst, bei niedrigen Drehzahlen allerdings ohne verwendet.
nennenswerte Schwingungsisolation. In Nutzfahrzeugen
kom­men als Bindeglied zwischen Motor und Getriebe hyd­ Aufgrund der höheren Verdichtungsverhältnisse und sehr
raulische Torsionsschwingungs­dämpfer mit einem Feder- hohen Gasdrücke sind Gleitlager in Dieselmotoren, insbe-
Masse-System („HTD“) zum Einsatz. Neue Entwick­lungen sondere auch bedingt durch die übliche Turboaufladung,
lösen den Zielkonflikt Dämpfung - Isolation (z. B. Hydro- mechanisch weitaus stärker belastet als in Ottomotoren. Au-
damp® HTSD von Voith). Eine zusätzliche TSD-Funktion ßerdem wird von Dieselmotoren in Nutzfahrzeugen, und
im Antriebsstrang hat auch der „Integrierte Starter Alterna- mehr noch von Industrie- und Schiffsmotoren, eine wesent-
tor Dämpfer“ (ISAD). Bei anderen Anwendungen kommen lich längere Gebrauchsdauer verlangt. Dieses Problem wird
im Antriebsstrang auch hochelastische Wellenkupplungen bezüglich der Gleitlager sowohl durch größere Lagerdimen-
mit Drehschwingungsdämpferfunktion sowie Überlastkupp­ sionen als auch durch höher belastbare Lagerwerkstoffe ge-
lungen zum Einsatz. löst.

8.5 Lager und Lagerwerkstoffe 8.5.2 Funktionsweise und Beanspruchungen

8.5.1 Lagerstellen im Triebwerk von Dieselmotoren 8.5.2.1 Hydrodynamik der Gleitlager

Bei Dieselmotoren haben sich wie bei Ottomotoren Gleitla- Gleitlager in Verbrennungsmotoren arbeiten nach dem hy­
ger als beste Lösung für die Triebwerkslager erwiesen. Gründe drodynamischen Funktionsprinzip. Das dem Lager an einer
hierfür sind vor allem: zweckmäßigen Stelle zugeführte Schmieröl wird durch Haf-
– ihre Eignung zur Aufnahme starker stoßartiger Belas­tun­ tung an der Wellenoberfläche in Drehrichtung mitgenom-
gen, bedingt dadurch, dass der Schmierstofffilm zwischen men, wobei durch die so entstehende Schleppströmung in
Lager und Welle ein hochbelastbares Trag- und Dämp­ Verbindung mit dem sich durch exzentrische Verlagerung
fungselement darstellt, der Welle relativ zum Lager bildenden Schmierkeil ein Druck
– ihre Eignung für hohe Drehzahlen und ihre lange, meist im Schmieröl aufgebaut wird. Das so entstehende Druckfeld
die Lebensdauer des gesamten Motors erreichende wirkt als Federkraft. Neben der Drehbewegung führt die
Ge­brauchsdauer, Welle infolge der veränderlichen Belastung Bewegungen mit
– ihr einfacher Aufbau in Form von massesparenden, dünn­ einer radialen Komponente aus. Hierdurch wird der Schmier-
wandigen Lagerschalen, die problemlos geteilt hergestellt stoff sowohl in beide Umfangs­richtungen als auch in beide
werden können, wie dies zur leichteren Montage in Axialrichtungen aus dem sich verkleinernden Schmierspalt
Verbindung mit Kurbelwellen nötig ist, verdrängt. Das durch diesen Vorgang entstehende Druckfeld
– ihre wirtschaftliche Fertigungsmöglichkeit im Bandbe­ wirkt als Dämpfungskraft. Die Druckfelder aus Drehung und
schich­tungsverfahren, das eine gleichmäßig hohe Qualität Verdrängung überlagern sich zu einem resultierenden Druck-
gewährleistet. feld, das die Lagerreaktionskraft bildet und die Gleitflächen
von Welle und Lager trennt. Bild 8‑43 zeigt die beiden
In Form und Werkstoff speziell auf den jeweiligen Anwen- Druckfelder und die zugehörigen Lagerreaktionskräfte.
dungsfall zugeschnitten, werden Gleitlager z. B. als: Grundlage von Berechnungen der Hydrodynamik in
– Kurbelwellenhauptlager in Form von Halbschalen, Gleitlagern bildet die Reynoldssche Differentialgleichung
– Pleuellager im großen Pleuelauge in Form von Halb­scha­ (Herleitung z. B. [8‑59]), in der die Schmierstoffströmung
len, im Schmierspalt durch die mit der Kontinuitätsbedingung
290 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-43
Druckaufbau im Schmierstoff von instatio-
när belasteten hydrodynamischen Gleitla-
gern. F Lagerbelastungskraft; FD Lagerre-
aktionskraft aus dem Druckfeld durch
Drehung; FV Lagerreaktionskraft aus dem
Druckfeld durch Verdrängung; e Exzentrizi-
tät des Zapfens; δ Lagewinkel der Zap-
fenexzentrizität; hmin minimale Schmier-
filmdicke; ω Winkelgeschwindigkeit des
Zapfens

verknüpfte Bewegungsgleichung (Navier-Stoke’sche Glei- formungen gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung


chung) beschrieben wird. Bei der nur numerisch möglichen thermisch-elastischer Verformungen (TEHD) folgen.
Lösung der Differentialgleichung (z. B. nach [8-60] bis
[8 64]) werden aus Vereinfachungsgründen üblicherweise 8.5.2.2 Berechnung der Lagerbeanspruchungen
zahlreiche idealisierende Annahmen und Voraussetzungen
zugrunde gelegt. Die Zulässigkeit der meisten dieser Voraus- Unter der Lagerberechnung ist die Ermittlung von Betriebs-
setzungen ist experimentell und praktisch hinreichend kennwerten des tribologischen Systems Gleitlagerung, beste-
bestätigt. hend aus den Elementen Lagergehäuse, Lagerschalen,
Eine Ausnahme hiervon ergibt sich allerdings für die Schmierstoff und Wellenzapfen, zu verstehen. Zur Überprü-
Annahme einer vollkommen steifen Lagergeometrie. Bei fung der Funktionssicherheit sind die für alle relevanten Be-
früheren Motoren war dies wegen der niedrigeren Belastun- triebszustände ermittelten Betriebskennwerte mit Betriebs-
gen und mit Reserven versehenen Dimensionierung noch richtwerten (Grenzwerte aus Versuchen bzw. aus Erfahrung)
annähernd zutreffend. Durch die heutigen aufgrund von zu vergleichen und auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen.
Leistungssteigerungen und Leichtbauweise extrem gestie- Die rechnerische Überprüfung der Funktion von Gleitla-
genen spezifischen Lagerbelastungen ergeben sich insbe- gern besteht hauptsächlich in der Ermittlung der mecha-
sondere bei den Pkw- und Nfz-Dieselmotoren so große nischen Belastung und des Abstands der Welle vom Lager
Betriebsverformungen, dass sie für eine verlässliche rechne- (minimale Schmierfilmdicke) im Betriebszustand. Weitere
rische Lager-Auslegung berücksichtigt werden müssen. Beurteilungsgrößen sind die Reibverlustleistung, der
Berechnungen der Hydrodynamik (HD) der Gleitlager Schmieröldurchsatz und die sich einstellende Lagertempe-
mit steifen Lagergeometrien dienen bei diesen Anwen- ratur.
dungen im Entwurfsstadium nur als erster Überschlag, dem Die Betriebs-Berechnung der Motorgleitlager beginnt mit
nach Vorliegen der genauen Bauteilgeometrien (z. B. Pleuel- der Ermittlung der Belastungskräfte (s. Abschn. 8.2.4).
stange, Motorblock, Kurbelwelle) i. d. R. Berechnungen der Bild 8-44 zeigt den typischen Verlauf einer Pleuellagerbe-
Elasto-Hydrodynamik (EHD) der Gleitlager, also unter lastung bei einem Nutzfahrzeug-Dieselmotor in Form eines
Berücksichtigung der mechanisch-elastischen Bauteil-Ver- Polardiagramms, wobei die Pleuelachse senkrecht verläuft
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe 291

len (Ähnlichkeitsgröße für Gleitlager, Erklärung z. B. in


[8-59]) erhält man die Änderungen der Zapfenexzentrizität
'e und deren Lagewinkel 'δ bei Änderung des Kurbelwin-
kels um die Schrittweite 'φ. Durch Addition dieser Ände-
rungen zu den jeweils aktuellen Werten berechnet man die
Verlagerungsbahn des Zapfens für ein bzw. mehrere Arbeits-
spiele, bis eine periodische und geschlossene Kurve, d. h.
Konvergenz, erreicht wird.
Bild 8-45 zeigt den so berechneten, zu Bild 8-44 gehö-
renden Verlauf der Verlagerung des Wellenzapfens inner-
halb des Lagers, wobei der Abstand zwischen der Verlage-
rungskurve und dem äußeren Kreis ein Maß für den
Abstand zwischen Wellenzapfen und Lager (minimale
Schmierfilmdicke hmin) ist.
Aus den auf die Lagerschale bezogenen (schalenfesten)
Polardiagrammen für die Verläufe der Belastung (Bild 8-44)
und der Zapfenverlagerung (Bild 8-45) können auch Schlüs-
se auf günstige Positionierungen für die konstruktiv not-
wendigen Elemente der Schmierstoffversorgung (Schmier-
löcher, Schmiernuten, Schmiertaschen) in den Lagern gezo-
gen werden, bei denen die Tragfähigkeit der Lagerung
möglichst wenig beeinträchtigt wird. Eine entsprechende
Hilfe für die Positionierung der Elemente der Schmierstoff-
versorgung in den Zapfen (Schmierlöcher) bieten auf den
Zapfen bezogene (zapfenfeste) Polardiagramme.
Bild 8-46 zeigt beispielhaft den starken Einfluss der Ver-
formungen des großen Pleuelauges auf das Lagerverhalten.
Hiervon sind nicht nur Größe, Lage und Verteilung der
Schmierfilmdrücke und die damit verbundenen Spannungs-
mechanismen in Lager (mit eventueller Materialermüdung)
und Pleuelstange, sondern auch Größe und Lage der
Schmierfilmdicken und die damit verbundene Verschleiß-
gefährdung betroffen.

8.5.2.3 Betriebskennwerte heutiger Lager


Bild 8-44 Typischer Belastungsverlauf im Pleuellager eines Nfz-Motors mit An- Die Beurteilung des Beanspruchungsgrades von Gleitlagern
gabe der Kurbelwinkel φ (schalenfestes Diagramm) in Verbrennungsmotoren bezieht sich primär auf die Maxi-
malwerte der spezifischen Lagerbelastung und des Schmier-
filmdrucks sowie die Minimalwerte der Schmierfilmdicke. Die
Extremwerte dieser Beurteilungskriterien haben sich bei
und der Schaft oben sowie der Deckel unten zu denken Dieselmotoren in den letzten Jahren stark verändert.
sind. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die extremsten Bean-
Um die Zapfenverlagerungsbahn in Pleuel- und Hauptla- spruchungen bei den kleineren Bauarten in turboaufgela-
gern zu ermitteln, wird die Lagerkraft F in zwei Komponen- denen Pkw-Motoren auftreten und sich mit zunehmender
ten in Richtung des minimalen Schmierspaltes hmin sowie Motorgröße zu etwas moderateren Betriebswerten hin
senkrecht dazu zerlegt, (s. Bild 8-43), die dann ins Gleichge- bewegen. Der triftigste Grund hierfür ist die mit der Motor-
wicht gesetzt werden mit den entsprechenden Komponen- größe zunehmende Forderung nach einer längeren
ten der Lagerreaktionskraft FD und FV (Index D: Druckent- Gebrauchsdauer. Eine an sich wünschenswerte und von der
wicklung durch Drehung, Index V: Druckentwicklung durch Motorenindustrie geforderte theoretisch verlässliche Voraus-
Verdrängung). Aus den damit gebildeten Sommerfeld-Zah- sage der Gebrauchsdauer der Gleitlagerungen ist heute
292 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-45
Typische Zapfenverlagerungsbahn des Hubzapfens
im Pleuellager eines Nfz-Motors mit Angabe der
Kurbelwinkel φ (schalenfestes Diagramm).
ε = 2e/C relative Zapfenexzentrizität; e absolute
Zapfenexzentrizität; C absolutes Lagerspiel
(Differenz der Durchmesser von Lagerbohrung und
Zapfen); 1 - ε=hmin /(C/2)

allerdings noch ebenso wenig möglich wie die der genauen – den Schmierölen,
Lebensdauer eines Verbrennungsmotors. Wegen des starken – der Filtertechnik,
Einflusses des Anteils unterschiedlicher Betriebsbedin- – der Schmierölführung,
gungen während des Motoreinsatzes, insbesondere der – der Exaktheit und der Sauberkeit bei der Motormontage.
Drehzahlen und Belastungen, und von Störungen, z. B.
durch Wartungsfehler, muss daher bei der Gebrauchsdauer- Da die rechnerischen Betriebswerte in ihrer Größe je nach
vorhersage größtenteils auf Versuche, praktische Erfah- Berechnungsmethode unterschiedlich sein können, ist anzu-
rungen und Statistiken zurückgegriffen werden. merken, dass alle angegebenen Werte in Tabelle 8-3 mit dem
Die letzten Jahre haben dabei gezeigt, dass trotz Erhö- in den Abschn. 8.5.2.1 und 8.5.2.2 erwähnten HD-Berech-
hungen der Betriebsbeanspruchungen auch der Forderung nungsverfahren ermittelt wurden. Alle Angaben sind Ex-
nach weiterer Gebrauchsdauerverlängerung entsprochen tremwerte von einzelnen Diesel-Serienmotoren. Weitere
werden konnte, was letztlich auf ein ganzes Bündel von Steigerungen sind in den nächsten Jahren zu erwarten. Der
technischen Verbesserungen zurückzuführen ist. Großteil aller Motoren weist allerdings stark gemäßigte Be-
Bezüglich der Triebwerkslager gehören hierzu Fortschritte dingungen auf, wobei im Mittel die maximalen Belastungen
bei: etwa bei 65% und die minimalen Schmierfilmdicken bei
– den Lagerwerkstoffen, etwa 150% bis 200% der angegebenen Werte liegen.
– der Bearbeitung von Lagerschalen und Wellenzapfen,
– der verformungsarmen Lagergestaltung (z. B. mittels
Finite-Element-Methode),
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe 293

Bild 8-46
Beispiel für den Einfluss der elas-
tischen Betriebsverformung auf die
Werte und die Verteilung sowie die
Lage des Schmierfilmdrucks in MPa
und auf die minimale Schmierfilm-
dicke hmin

Tabelle 8-3 Zusammenstellung derzeitiger Betriebsextremwerte (Rechenwerte) von Pleuellagern und Hauptlagern europäischer, in Serie gebauter Pkw-, Nfz- und
Groß-Dieselmotoren

Betriebswert Pkw-Dieselmotoren Nfz-Dieselmotoren Groß-Dieselmotoren


Wellendurchmesser ≤ 75 mm 75 mm ≤ Wellendurchmesser Wellendurchmesser ≥ 350 mm
Betriebsdauererwartung ≤ 150 mm; Betriebsdauer- Betriebsdauererwartung
ca. 3000 h erwartung ca. 15000 h ca. 50000 h
Pleuellager Hauptlager Pleuellager Hauptlager Pleuellager Hauptlager

maximale spezifische Lagerbelastung in MPa 130 60 100 60 55 40


minimale Schmierfilmdicke in μm 0,15 0,25 0,30 0,60 2 3
294 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

8.5.3 Konstruktive Ausführungen

8.5.3.1 Grundsätzlicher Aufbau

Gleitlager für moderne Dieselmotoren bestehen heute fast


ausschließlich aus Verbundwerkstoffen. Dabei werden Stahl-
bänder in unterschiedlichen, meist kontinuierlichen Verfah-
ren, auf die im Abschn. 8.5.4 näher eingegangen wird, mit
Lagerwerkstoff beschichtet. Aus den Bimetallbändern wer-
den Platinen gestanzt, diese zu Halbschalen gebogen und
anschließend spanend bearbeitet. In bestimmten Fällen wer-
den zur Verbesserung der Funktion noch zusätzlich sehr
dünne Gleitschichten auf den eigentlichen Lagerwerkstoff
aufgebracht.
Bei großen Abmessungen (etwa ab Durchmessern von
200 mm) werden auch Stahlrohre anstelle von Stahlbändern
als Ausgangsmaterial verwendet, wobei der Lagerwerkstoff
im Schleudergussverfahren auf die innere Rohrfläche aufge-
bracht wird. Die Rohre werden danach in zwei Halbschalen
getrennt.

8.5.3.2 Pleuellager und Kurbelwellenhauptlager


Bild 8-47 Beispiel einer Pleuellager-Stangenschale eines Nfz-Motors
Die Bilder 8-47 und 8-48 zeigen den konstruktiven Aufbau Lageraußendurchmesser D=98,022 mm; Wanddicke der Lagerschale im
von typischen Pleuellagern und Kurbelwellenhauptlagern Scheitel wI=2,463 + 0,012 mm; Wanddicke der Lagerschale 25° von der
(kurz Hauptlager) von Nfz-Dieselmotoren. Die relativ dünn- Teilfläche wll=0,010 + 0,010 mm dünner als Istmaß von wI
wandige Ausführung dient der Einsparung von Platzbedarf
und Gewicht.
Da Pleuellager vom Pleuelzapfen her mit Schmieröl ver- Lagerhalbschalen (Oberschalen) mit Nuten versehen, wäh-
sorgt werden, benötigen sie keine Schmiernuten. In den rend die Deckel-Lagerhalbschalen (Unterschalen) entweder
Fällen, in denen das Kolbenbolzenlager im kleinen Pleuel- gar keine Nuten oder nur vom Nutgrund auf die Gleitflächen
auge entweder von Spritzöl durch eine Bohrung im großen hin verlaufende Partialnuten aufweisen. Die Schmierstoffzu-
Pleuelauge oder von Drucköl durch eine Pleuelschaftboh- fuhr von der Hauptölleitung in das Hauptlager erfolgt entwe-
rung aus der Schmierölaustrittsbohrung im Hubzapfen der durch Rundlöcher oder durch Langlöcher, die Vorteile
geschmiert wird, weisen die Pleuellagerschalen entspre- bei einem eventuellen Winkelversatz zwischen den Boh-
chende Öllöcher auf. rungen im Gehäuse und in der Lagerschale bieten.
Bei Großmotoren wird das Drucköl häufig durch eine Die Nocken an der Teilfläche dienen lediglich als Montage-
Deckelschalennut sowie durch Bohrungen im großen Pleuel- hilfe zum lagerichtigen Einbau (Positionierhilfe). Die Ver-
auge und im Pleuelschaft dem Kolbenbolzenlager zugeführt. drehsicherung der Lagerschalen in der Aufnahmebohrung
Die verlaufende Wanddicke im Bild 8-47 dient der Abstim- muss über einen ausreichend bemessenen Presssitz erfolgen.
mung mit der Geometrie der Pleuelbohrung, um die bezüg- Die Tendenz im gesamten Verbrennungsmotorenbau,
lich der Tragfähigkeit und Schmierfilmdicke optimale Kreis- auch bei Dieselmotoren, ist permanent auf Verringerung des
zylinderform zu erreichen. Platzbedarfs und auf Gewichtseinsparungen gerichtet. Bei
Die Hauptlagerschalen werden bei den kleinen und mittle- den Motorlagern werden immer geringere Durchmesser,
ren Motoren i. d. R. dickwandiger als die Pleuellagerschalen Breiten und Schalenwanddicken angestrebt. Auch die lager-
ausgeführt, um genügend tiefe Schmierölnuten vorsehen zu aufnehmenden Komponenten werden immer leichter
können. Diese dienen nicht nur der Ölversorgung der gebaut. Dies bedeutet, dass in Zukunft auch bei Dieselmo-
Hauptlager, sondern auch der Pleuellager. Dabei fließt das Öl toren, wie schon seit längerem bei extrem leicht gebauten
aus den Nuten durch Kurbelwellenbohrungen vom Hauptzap- Ottomotoren, dem Erreichen eines ausreichenden Press-
fen zum Hubzapfen. Wegen der Verbesserung der Tragfähig- sitzes der Gleitlager besondere Aufmerksamkeit gewidmet
keit werden i. d. R. bei Dieselmotoren lediglich die Gehäuse- werden muss.
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe 295

aus verschiedenen, den unterschiedlichen Aufgaben ange-


passten, Werkstoffen bestehen können.
Oft kommen jedoch separate Anlaufhalbscheiben zum
Einsatz, die beidseitig vom Radiallager in Aussparungen im
Gehäuse, bzw. im Lagerdeckel, eingelegt werden (Bild 8-49).
Der Trend bei den kleineren Motorgrößen geht heute meist
zu dieser preiswerteren Lösung mit losen Anlaufscheiben,
die bei den Großmotoren aus Fertigungsgründen schon
immer Standard war.

8.5.3.4 Lager von Kolbenbolzen, Kipphebeln


und Nockenwellen

Kolbenbolzenlager und Kipphebellager werden grundsätz-


lich als Buchsen ausgeführt, die zur Einhaltung kleiner Lager-
bohrungstoleranzen in aller Regel erst im eingebauten Zu-
stand bezüglich der Innenbohrung fertig bearbeitet werden.
Wo möglich, werden auch für Nockenwellenlager Buchsen
verwendet. In einigen Fällen sind jedoch aus konstruktiven
Gründen Lagerschalen erforderlich.

8.5.4 Lagerwerkstoffe [8-67]


Bild 8-48 Beispiel einer Kurbelwellenlager-Gehäuseschale eines
Nfz-Motors Lageraußendurchmesser D=115,022 mm;Wanddicke der Lager- 8.5.4.1 Gleitlagerbeanspruchungen und Funktion
schale w=3,466+0,012 mm im Motorbetrieb

Gleitlager in Verbrennungsmotoren werden mechanisch


durch die dort auftretenden Gaskräfte und Massenkräfte be-
Die üblichen mittleren Lagerspiele liegen in der Größen- lastet. Der hydrodynamische Schmierfilmdruck zwischen
ordnung von 1/1000 des Lagerinnendurchmessers. Aus den Gleitflächen von Wellenzapfen und Lager tritt infolge
Gründen der besseren Tragfähigkeit werden möglichst der instationären Belastungskräfte schwellend auf und ver-
geringe Kleinstspiele angestrebt, wobei die Grenze durch die ursacht eine Pressung der Gleitflächen. Die thermische Bean-
fertigungs- und montagebedingten Formfehler der die spruchung ergibt sich durch die unvermeidlich entstehende
Gleitlagerung bildenden Elemente (Gehäuse, Lagerschale, Reibungswärme und eventuell auftretende Wärmeeinfälle
Welle) und eine noch ausreichende Kühlwirkung des die von den Brennräumen her.
Lager durchfließenden Ölstroms gebildet wird. Verschleißbeanspruchung ergibt sich aus der Tatsache,
dass sich die angestrebte, praktisch verschleißfreie Flüssig-
8.5.3.3 Axiallager keitsreibung mit vollkommener Trennung der Gleitflächen
durch den Schmierfilm nicht in allen Betriebspunkten
Zur axialen Führung der Kurbelwelle und zur Aufnahme des erreichen lässt und dadurch zeitweilige Mischreibungszu-
Kupplungsdrucks (bei Verwendung automatischer Getriebe stände nicht zu vermeiden sind. Hinzu kommen durch
teils auch zur Aufnahme ständiger Axiallasten) wird eine der Fertigungs- und Montageungenauigkeiten verursachte
Kurbelwellen-Hauptlagerstellen mit einem beidseitig wirken- Anpassungsvorgänge der Gleitpartner, die ebenso zusätz-
den Axiallager bestückt. Hierfür wurden früher bei Fahr- liche Beanspruchungen bezüglich Pressung und Verschleiß
zeugmotoren oft Bundlager verwendet, bei denen Radialla- der Gleitflächen hervorrufen wie die mechanisch und ther-
ger (Schalen) und Axiallager (zwei Bunde) aus einem Stück misch bedingten Verformungen der Gleitflächen im
bestanden. Moderne Bundlager werden heute bevorzugt in Betrieb.
gebauter Form ausgeführt. Dabei werden Lagerhalbschalen Schließlich können die Gleitflächen auch korrosiven
beidseitig mit Anlaufhalbscheiben verbunden (verklinkt Beanspruchungen ausgesetzt sein, wenn entweder extern
oder verschweißt). Dies hat den Vorteil gegenüber den Bund- oder intern bedingte Veränderungen des Schmierstoffs zu
lagern aus einem Stück, dass Anlaufscheiben und Schalen chemischen Reaktionen mit deren Werkstoffen führen.
296 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-49
Beispiel einer Anlaufhalbscheibe eines Nfz-Motors.
Wanddicke 3,360 + 0,05 mm

Um unter dem Zusammenwirken dieser Beanspru- – Einlauffähigkeit (Verminderung von Reibung beim
chungen die Funktionsfähigkeit des tribologischen Systems Einlaufen) und
„Gleitlagerung“ im erforderlichen Umfang zu gewährleisten, – Verschleißwiderstand (Abriebfestigkeit).
müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
– Es darf kein unzulässiger mechanischer oder korrosiver Hierzu kommen aber noch die dort nicht aufgeführten Ei-
Verschleiß auftreten! genschaften:
– Es darf keine unzulässige Lagertemperatur auftreten! – Notlauffähigkeit (Aufrechterhaltung des Lagerbetriebs auch
– Es darf keine Werkstoffermüdung auftreten! bei Mangelschmierung durch geringe Fressneigung) und
– Ermüdungsfestigkeit (gegen schwellende Druckbelastung).
Dieser Katalog von Basisforderungen setzt nicht nur voraus,
dass die Bedingungen für eine hydrodynamische Schmie- Anpassungs- und Einlauffähigkeit sowie die ebenfalls er-
rung erfüllt sind, sondern verlangt auch von den Gleitlager- wünschte geringe Fressneigung können nur durch relativ
werkstoffen eine ganze Reihe spezieller Eigenschaften, die im weiche Werkstoffe ermöglicht werden, deren Schmelzbe-
folgenden beschrieben werden. reich meist recht niedrig liegt. Infolgedessen ist der weiteren
Forderung nach möglichst hoher Ermüdungsfestigkeit gegen
8.5.4.2 Anforderungen an Gleitlagerwerkstoffe schwellende Druckbelastung ebenso eine Grenze gesetzt wie
einem möglichst hohen Verschleißwiderstand, da diese Eigen-
Die wohl wichtigste Eigenschaft, die einen bestimmten schaften eher relativ harte Werkstoffe erfordern.
Werkstoff zum „Gleitlagerwerkstoff “ macht, ist dessen Ver- Wünschenswert sind weiter eine gute Wärmeleitfähigkeit
träglichkeit im Betrieb mit dem Werkstoff der Gegengleitflä- und eine ausreichende Korrosionsfestigkeit, z. B. gegen
che, z. B. einer Welle. Die Verträglichkeit und weitere erfor- aggressive Bestandteile im Schmieröl. Von großer Bedeu-
derliche Einzelheiten im Verhalten von Gleitlagerwerkstof- tung ist auch eine technisch und wirtschaftlich gute Herstell-
fen sind in ISO 4378/1 definiert. Es sind dies: barkeit. Lediglich durch Presssitz mit der Aufnahmeboh-
– Anpassungsfähigkeit (Kompensieren von geometrischen rung verbundene Lagerschalen und Buchsen erleichtern
Mängeln), deren Austausch und sind im Reparaturfall von Vorteil.
– Einbettfähigkeit (Einbettung von harten Partikeln aus dem Welcher von den aufgeführten Eigenschaften die erste
Schmieröl), Priorität zukommt, ist abhängig vom jeweiligen Einsatz des
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe    297

Gleitlagers und den Betriebsbedingungen. Treten beispiels- Bei mittleren Belastungen werden häufig Lagerlegierungen
weise bei hydrodynamisch geschmierten Gleitlagern mit auf Aluminium-Basis, bei hohen Belastungen solche auf Kup-
niedrigen Gleitgeschwindigkeiten Störungen bei der Voll- fer-Basis eingesetzt.
schmierung auf, so hat die entstehende Mischreibung erfah- Dabei sind in Umkehrung des Prinzips bei den Blei- und
rungsgemäß meist nur abrasiven Verschleiß zur Folge. Die- Zinnlegierungen in einer härteren Matrix mit höherem Soli-
ser nimmt mit der Lagerbelastung zu, wodurch zwar die duspunkt, deren Vorteile hohe Dauerfestigkeit und guter
Lebensdauer der Lagerung verkürzt wird, jedoch erst bei Verschleißwiderstand sind, weichere, niedrigschmelzende
extrem hohen Lagerbelastungen Schäden durch spontane Komponenten (z. B. Zinn) eingelagert, durch welche die
Lagerfresser auftreten. Ist bei hohen spezifischen Belas­ erforderlichen Notlaufeigenschaften erreicht werden.
tungen und niedrigen Gleitgeschwindigkeiten (z. B. bei
Kolbenbolzenbuchsen und Kipphebelbuchsen) Mangel- 8.5.4.4 Einschichtlager
schmierung nicht ganz zu vermeiden, wird in der Praxis
Gleitlagerwerkstoffen mit möglichst hohen Werten bezüg- Gleitlager in Einschichtbauweise werden in Verbrennungs-
lich Verschleißwiderstand und Dauerfestigkeit der Vorrang motoren in einigen Fällen als Buchsen im kleinen Pleuelauge
gegenüber jenen mit hoher Anpassungsfähigkeit gegeben. und in den Kolben als Kolbenbolzen­buchsen aus Cu-Legie-
Hierfür kommen relativ harte Lagerwerkstoffe in Frage. rungen sowie selten als massive Anlaufscheiben aus Al‑Legie-
Ganz besonders hohe und vielseitige Anforderungen wer- rugen für Kurbelwellen verwendet. In der weitaus überwie-
den an den Lagerwerkstoff gestellt, wenn bei starken, insta­ genden Zahl aller Fälle kommen sowohl in Dieselmotoren
tionären spezifischen Belastungen gleichzeitig hohe Gleitge- als auch in Ottomotoren aus Gründen der höheren Festigkeit
schwindigkeiten auftreten (z. B. bei Pleuellagern und Haupt- bezüglich Betriebsbelastung und Presssitz Gleitlagerschalen
lagern von Fahrzeug-Dieselmotoren). Neben hoher Dauerfes­ und Buchsen in Mehrschichtbauweise zur Anwendung.
tigkeit müssen hier auch möglichst gute Verschleißfestigkeit
und Verträglichkeit des Lagerwerkstoffs vorhanden sein. 8.5.4.5 Zweischichtlager
Diese vielseitigen, teilweise widersprüchlichen Anforde-
rungen kann man am ehesten durch heterogen aufgebaute Bei der Herstellung von Zweischichtlagern werden die Lauf-
Lagerwerkstoffe erfüllen. Heterogenität kann sowohl durch schichten üblicherweise durch kontinuierliches Gießplattie-
das Gefüge der Lagerlegierung selbst (Mischkristalle oder ren, Sinterplattieren oder Walzplattieren auf ein Stahlband
Unlöslichkeiten der Legierungsbestandteile) als auch durch aufgebracht.
geschichteten Aufbau der Lagerwerkstoffe erreicht werden. Eine der wichtigsten Anwendungen sind hochbelastbare,
Im Verbrennungsmotorenbau hat sich daher bereits seit gerollte Buchsen im kleinen Pleuelauge, oder in Kipphebeln,
Jahrzehnten das aus Mehrschicht-Verbundwerkstoffen beste- bei hoch belasteten Kolben auch in den Kolbennaben, die
hende Gleitlager, in Form von Halbschalen oder Buchsen aus im Gieß- oder Sinter-Plattierverfahren hergestellten
mit einem Stahlrücken, der die für den Presssitz in der Auf- Bronze-Bimetallbändern gefertigt werden. Die frühere Stan-
nahmebohrung notwendige Festigkeit erbringt, durchge- dardlegierung CuPb10Sn10 ist wegen des Bleiverbots von
setzt. bleifreien Legierungen abgelöst worden. Basis ist i. d. R. ein
CuSn-Werkstoff mit unterschiedlichen zusätzlichen Legie­
8.5.4.3 B asismaterialien und grundsätzlicher Aufbau rungs­elementen. Ein Beispiel aus den zahlreichen neuen
von Gleitlagerwerkstoffen bleifreien Werkstoffent­wicklungen ist CuSn10Bi3.
Weitere Anwendungen von Zweischicht-Verbundwerk-
Bei niedrigen Lagerbelastungen wurden früher Lagerlegie- stoffen als Buchsen sind z. B. Nockenwellenlager und Getrie-
rungen auf Blei- oder Zinn-Basis verwendet. Dabei sind in belager, für welche wegen der höheren Gleitgeschwindig-
einer weichen Matrix, deren Vorteil gute Notlaufeigen- keiten meist etwas weichere anpassungsfähige Legierungen
schaften sind, zur Verbesserung der Belastbarkeit und zum Einsatz kommen.
Verschleiß­festigkeit harte Mischkristalle („Tragkristalle“), Bild 8‑50 zeigt ein Schliffbild der bisher verwendeten
i. d. R. Antimon-Legie­rungen, eingelagert. Diese Werkstoffe bleihaltigen Gusslegierung CuPb10Sn10 und der bleifreien
sind heute aufgrund ihrer zu niedrigen Belastbarkeit, des Sinterlegierung CuSn10Bi3.
durch die Europäische Altauto-Verordnung verhängten Blei- Besonders häufig finden mittels Walzplattieren hergestell-
verbots in Fahrzeug-Verbrennungsmotoren und durch die te Zweischichtlager Anwendung. Hierbei werden die Lager-
weltweit von den meisten Motorherstellern praktizierten legierungen auf ein Stahlband aufgewalzt. Dieses Verfahren
Verbote der Verwendung toxischer Stoffe in Verbrennungs- hat sich bei Lagerwerkstoffen auf Aluminium-Basis beson-
motoren so gut wie verschwunden. ders gut bewährt.
298 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-50 Schliffbilder der beiden Zweischicht-Verbundwerkstoffe Stahl/CuPb10Sn10 und Stahl/CuSn10Bi3

Weit verbreitet ist AlSn20Cu. Dieser Lagerwerkstoff wird Trend bei Pkw-Dieselmotoren, haben sich AlSn-Legierungen
in den Kurbelwellenhauptlagern von Pkw-Motoren sowohl mit Silizium als vorteilhaft erwiesen. Dünne zusätzliche
bei Otto- als auch bei Dieselmotoren eingesetzt. Auch einige Schichten verschiedener Zusammensetzungen zwischen Alu-
Großmotoren haben diesen Lagerwerkstoff wegen seiner minium-Legierung und Stahl erhöhen die Dauerfestigkeit.
guten Korrosionsbeständigkeit als Pleuellager und Kurbel-
wellenhauptlager im Einsatz. 8.5.4.6 Dreischichtlager
Bild 8-51 zeigt das Gefüge dieses Werkstoffs im Schliff.
Das im Aluminium praktisch unlösliche Zinn ist durch Die in Pleuellagern von Verbrennungsmotoren auftretenden
entsprechende Glühbehandlungen fein verteilt, womit man hohen spezifischen Belastungen, die in den letzten Jahren
eine befriedigende Dauerfestigkeit erreicht. durch stetige Erhöhung der spezifischen Leistungen und
Um noch höhere, den Bronzen nahe kommende Dauerfes- Verringerung der Abmessungen extrem gesteigert wurden,
tigkeiten zu erreichen, wurden zahlreiche, wegen des Bleiver- stellen zusammen mit den hohen Gleitgeschwindigkeiten
bots heute durchweg bleifreie Aluminium-Legierungen auf höchste Anforderungen an die Gleitlagerwerkstoffe.
AlSn-Basis mit unterschiedlichen zusätzlichen Legierungs- Bei diesen anspruchsvollen Anwendungen kommen Drei-
elementen entwickelt. Bei Verwendung von Gusswellen, ein schichtlager zum Einsatz.
Auf relativ harte Zweischicht-Verbundwerkstoffe, deren
Zweitschicht i. d. R. etwa 0,2 bis 0,7 mm dick ist, wird
zusätzlich eine dritte Schicht durch Galvanisieren oder
Bedampfen als Drittschicht (Gleitschicht) aufgebracht, die
sowohl die Notlaufeigenschaften als auch die Anpassungsfä-
higkeit und die Einbettfähigkeit von Fremdpartikeln im
Schmieröl verbessert.
Um die Belastungsfähigkeit der Lager durch die bei Gal-
vanik-Lagern sehr weiche Drittschicht nicht zu stark abzu-
senken, dürfen diese Schichten nur etwa 0,010 bis 0,040 mm
dick sein, was gießtechnisch nicht erreichbar ist.
Der Zweitschicht fällt die Sicherstellung der erforder-
lichen Belastbarkeit zu. Bei örtlichem Verschleiß der Dritt-
schicht muss sie aber auch durch ausreichenden Widerstand
Bild 8-51 Schliffbild des Zweischicht-Verbundwerkstoffs Stahl/AlSn20Cu gegen Fressen für die weitere Funktionsfähigkeit der Lage-
rung sorgen.
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe 299

Die früheren Zweitschicht-Bronzen der Dreischicht- Bei mit Schweröl betriebenen Dieselmotoren und Gas-
Lagerschalen auf CuPbSn-Basis, z. B. CuPb22Sn, sind wegen motoren wird aus Gründen der guten Korrosionsfestigkeit
des Bleiverbots von bleifreien Legierungen abgelöst worden. auch eine Drittschicht aus SnSb7 verwendet.
Basis ist i. d. R. ein CuSn-Werkstoff mit unterschiedlichen Eine frühere Idee, die in manchen Fällen nicht ausrei-
zusätzlichen Legierungselementen. Ein Beispiel aus den chende Ermüdungsfestigkeit und Verschleißfestigkeit der
zahlreichen neuen bleifreien Werkstoffentwicklungen ist galvanischen Deckschicht zu verbessern, bestand darin,
CuSn8Ni mit weiter gesteigerter Belastbarkeit. nicht die komplette Gleitfläche galvanisch mit Drittschicht
Die früheren Galvanikschichten auf PbSnCu-Basis, zu überziehen, sondern nur die in die Oberfläche eines
z. B. PbSn14Cu8, sind von bleifreien Legierungen, i. d. R. Zweischicht-Verbundwerkstoffs eingebrachten Ausnehmun-
auf Sn-Basis, abgelöst worden. Ein Beispiel aus den zahl- gen auf galvanischem Weg zu füllen. Die härteren Bereiche
reichen neuen bleifreien Drittschicht-Entwicklungen ist erhöhen Tragfähigkeit und Verschleißfestigkeit, die wei-
SnCu6. cheren Bereiche sorgen für noch ausreichende Notlaufei-
Bild 8-52 zeigt einerseits das Schliffbild des früher häu- genschaften. Diese Lagerart kam als Pleuel- und Kurbelwel-
fig eingesetzten bleihaltigen Dreischicht-Verbundwerk- lenlager von Nfz- und Mittelschnellläufer-Dieselmotoren
stoffs Stahl/CuPb22Sn/PbSn14Cu8, der bei den Pleuella- zum Einsatz, wird jedoch (vor allem im Nfz-Bereich) wegen
gern und Kurbelwellenlagern sowohl von Pkw-Motoren ungenügender Lebensdauer infolge Auswaschungen des
als auch von Nfz- und Großmotoren, teils mit leicht vari- Galvanikwerkstoffs) immer seltener verwendet.
ierenden Legierungsanteilen in der Drittschicht, verwen- Trotz Erhöhung der Verschleiß- und Ermüdungsfestigkeit
det wurde. Der zwischen der Bleibronze und der Dritt- der galvanischen Drittschichten durch Steigerung der Härte
schicht zusätzlich 1 bis 2 µm dick galvanisch aufgebrachte (z. B. CuSn6) sind diese den heutigen Höchstanforderungen
Nickeldamm dient der Verminderung der bei Betriebs- in hochaufgeladenen Dieselmotoren häufig nicht mehr
temperatur auftretenden Zinn-Diffusion aus der Dritt- gewachsen.
schicht zur Bleibronze hin, welche den Korrosionswider- Deshalb mussten noch härtere Legierungen für die Dritt-
stand der bleihaltigen Drittschicht sonst zu stark verrin- schicht entwickelt werden, wobei man das Bedampfen mit-
gern würde. Andererseits zeigt Bild 8-52 das Schliffbild des tels PVD-Beschichtungsverfahren zu Hilfe nimmt (Physical
bleifreien Dreischicht-Verbundwerkstoffs Stahl/CuSn8Ni/ Vapor Deposition), das auch mit „Sputtern“ bezeichnet
SnCu6. wird. Dabei wird der Werkstoff im Vakuum in der Dampf-
Unter Beibehaltung des prinzipiellen Aufbaus der bleihal- phase abgeschieden.
tigen Lagerwerkstoffe auch bei den bleifreien wurden durch Für höchste Belastbarkeit wurden bisher als Zweitschicht
Kombinationen mit verschiedenen neuartigen Zwischen- gegossene Bleibronzen mit erhöhtem Zinngehalt eingesetzt,
schichten Ermüdungs- und Verschleißfestigkeit deutlich die heute aber wie bei den Galvanik-Dreischicht-Verbund-
gesteigert. werkstoffen durch in der Belastbarkeit noch weiter gestei-

Bild 8-52 Schliffbilder der beiden Dreischicht-Verbundwerkstoffe Stahl/CuPb22Sn/PbSn14Cu8 und Stahl/CuSn8Ni/CuSn6


300 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

gerte bleifreie Legierungen (z. B. CuSn8Ni) abgelöst wur- Mikrozerspanungsvorgänge werden als Abrasionsverschleiß
den. Die relativ harte PVD-Drittschicht besteht i. d. R. aus bezeichnet. Dieser kann bei Gleitlagern als zulässig bezeich-
AlSn20 (Bild 8-53). net werden, wenn die Abtragsgeschwindigkeit des Lager-
Einsatzbeispiele sind Pleuellager in hoch aufgeladenen werkstoffs so gering ist, dass die angestrebte Lebensdauer der
Pkw-Dieselmotoren sowie Pleuel- und Kurbelwellenlager in Gleitlagerung hierdurch nicht herabgesetzt wird. Dabei ist
hoch aufgeladenen Nfz-Dieselmotoren insbesondere bei flächiger Abtrag harmloser als riefiger, da er den Aufbau des
solchen mit modernen Direkteinspritzverfahren und Lade- hydrodynamischen Tragdrucks weniger beeinträchtigt. Flä-
luftkühlung. chiger Einlaufverschleiß ist als positiv anzusehen, da durch
die damit erzeugte Glättung der Gleitflächen die Hydrodyna-
8.5.5 Lagerschäden und ihre Ursachen [8-68], [8-69] mik verbessert wird. Bild 8-54 zeigt flächigen Abrasionsver-
schleiß.
8.5.5.1 Beeinträchtigungen des Betriebs Der durch harte Fremdpartikel im Schmieröl erzeugte
Lagerverschleiß wird als Erosionsverschleiß bezeichnet. Viele
Der Betrieb des Lagers kann durch verschiedene Störein- kleine Partikel erzeugen eher flächigen, wenige große Parti-
flüsse beeinträchtigt werden. Hierunter sind alle Ursachen zu kel riefigen Abtrag.
verstehen, die einen hydrodynamischen Betrieb unter Voll- Bei unzulässig hohen Verschleißgeschwindigkeiten kann
schmierung trotz richtiger Auslegung verhindern. Dazu zäh- es zu stärkeren Überhitzungen und zu Schmelzvorgängen
len z. B. Schmierstoffmangel, verschmutzter, verdünnter des Lagerwerkstoffs kommen. Hierdurch entstehen ört-
oder luftverschäumter Schmierstoff, Überlastung, mangel- lich Verbindungsbrücken mit dem Gleitpartner, die beim
hafte Geometrie der Gleitpartner aufgrund von Herstel- Abscheren zu Adhäsionsverschleiß führen. Ist eine Tren-
lungs- oder Montagefehlern. Folgen der Störeinflüsse kön- nung der Adhäsionsbrücken nicht mehr möglich oder mit
nen Verschleiß, Überhitzung, Werkstoffermüdung oder starken Zerstörungen verbunden, wird von Lagerfressern
Korrosion sein. Liegen diese Beeinträchtigungen nur in ge- gesprochen. Diese bedeuten i. d. R. den Totalausfall des
ringem Grad vor, behält die Lagerung im Allg. ihre Funk- Lagers.
tionsfähigkeit bei. Im fortgeschrittenen Stadium können sie Korrosionsverschleiß kann infolge von chemischen Reakti-
jedoch letztlich alle zum Ausfall der Lagerung führen. onen des Lagerwerkstoffs mit aggressiven Medien im
Schmieröl entstehen. Solche Medien können sich z. B. beim
8.5.5.2 Verschleiß Überschreiten der vorgeschriebenen Schmierstoff-Wech-
selintervalle insbesondere auch bei hoher thermischer Belas-
Reicht die Schmierfilmdicke zwischen zwei Gleitpartnern tung und Alterung des Schmierstoffs in Form von Säuren
nicht aus, deren Gleitflächen vollkommen voneinander zu bilden. Auch können Korrosion erzeugende Medien vom
trennen, so tritt statt der verschleißfreien Vollschmierung bei Kraftstoff (Schweröl, Deponiegas) in das Schmieröl gelan-
reiner Flüssigkeitsreibung Mischreibungsverschleiß auf. We- gen. Korrosionsverschleiß ist eine chemische Zersetzung des
gen der herstellungsbedingten Oberflächenrauheiten entste- Lagerwerkstoffs, die dessen Eigenschaften verändert und
hen Furchen durch den härteren im weicheren Gleitpartner, häufig zu lochfraßähnlicher Abtragung des Materials bis hin
und es tritt ein Abscheren der Rauhigkeitsspitzen auf. Solche zu Totalschäden mit Lagerfressern führen kann.

Bild 8-53 Schliffbild eines Sputterlagers


8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen 301

lute Höhe des Schmierfilmdrucks, sondern vor allem auch


dessen örtlicher Gradient die Ermüdung des Lagerwerk-
stoffs. Durch die Zerstörung der Gleitfläche vermindert sich
die Tragfähigkeit des Lagers, da der hydrodynamische
Druckaufbau gestört wird. Meist treten dann zusätzlich Ver-
schleiß, Überhitzung und letztlich der Totalausfall durch
Fressen auf.

8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen

8.6.1 Funktion des Kolbens


Der Kolben ist das erste Glied in der Kette der kraftüber-
tragenden Teile eines Verbrennungsmotors. Als bewegliche,
Bild 8-54 Abrasionsverschleiß bei einer Dreischicht-Lagerschale kraftübertragende Wand hat er zusammen mit den Kolbenrin-
gen den Brennraum gegen Gasdurchtritt und Schmieröl-
durchfluss bei allen Betriebs- und Lastzuständen zuverlässig
abzudichten. Durch die spezielle Gestaltung des Kolbenbo-
8.5.5.3 Ermüdung dens als wesentlicher Teil des Brennraumes beeinflusst er bei
Nach [8-59] und [8-66] werden Ermüdungsrisse im Lager den verschiedenen Arbeitsverfahren die Strömungsverhält-
durch zu hohe dynamisch wechselnde Umfangsspannungen nisse beim Ladungswechsel, die Gemischaufbereitung und die
verursacht, die durch den dynamisch schwellenden Schmier- Verbrennung. Durch Erhöhung der Drehzahl und des mittle-
filmdruck hervorgerufen werden. ren effektiven Drucks mit Hilfe der Aufladung wachsen die
Bei veränderlicher Lagerbelastung ergeben sich durch das Anforderungen an die mechanische und thermische Belast-
zwischen den Gleitflächen dynamisch schwellend auftre- barkeit der Kolben von Dieselmotoren ständig. Mit den erhöh-
tende Druckfeld im Schmierstoff tangentiale Normal- und ten Belastungen ist es aber zunehmend schwieriger geworden,
Schub-Wechselspannungen im Lagerwerkstoff. Beim Über- die an moderne Kolbenausführungen gestellten Forderungen,
schreiten der Dauerfestigkeit des Werkstoffs kommt es zu wie Anpassungsfähigkeit an wechselnde Betriebsbedingungen,
Ermüdungsschäden. Ermüdung ist ein rein spannungsme- Fresssicherheit, hohe Gestaltfestigkeit, Laufruhe, niedrigen
chanischer Vorgang. Die Schäden treten als Risse von der Ölverbrauch und lange Lebensdauer zu erfüllen. Außerdem
Oberfläche in die Tiefe gehend, im fortgeschrittenen Stadi- sind die Einsatzgrenzen mancher konventioneller Kolbenkons-
um als Ausbröckelungen in der Gleitschicht auf. Bild 8-55 truktionen und auch der üblichen Werkstoffe deutlich gewor-
zeigt typische Ermüdungsschäden von Galvanik-Gleitla- den. Beim Entwurf von Kolben für Hochleistungs-Dieselmo-
gern. Nach [8-59] und [8-66] beeinflusst nicht nur die abso- toren müssen daher alle Möglichkeiten in Bezug auf Werkstoff
und konstruktive Gestaltung ausgeschöpft werden.

8.6.2 Temperaturen und Kräfte am Kolben


Die sehr schnelle Umsetzung der im Kraftstoff gebundenen
Energie in Wärme führt bei der Verbrennung zu einer be-
trächtlichen Temperatur- und Drucksteigerung. Dabei be-
dingen die verschiedenen Arbeitsverfahren unterschiedliche
Verdichtungs- und Kraftstoff-Luft-Verhältnisse, die Spitzen-
temperaturen der Gase im Brennraum zwischen 1800 und
2600 °C zur Folge haben. Während des Arbeitsspiels sinken
die Temperaturen stark ab, wobei die den Verbrennungs-
raum verlassenden Abgase immer noch zwischen 500 und
1000 °C heiß sein können. Der Wärmeübergang von den hei-
ßen Brenngasen an die Brennraumwände und damit an den
Bild 8-55 Ermüdung der Drittschicht einer Dreischicht-Lagerschale Kolbenboden erfolgt vorwiegend durch Konvektion und nur
zu einem geringen Teil durch Strahlung (s. Abschn. 7.2).
302 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Die starken periodischen Temperaturschwankungen im Am Kolben herrscht ein Gleichgewicht aus Gas-, Massen-
Brennraum führen zu Temperaturschwankungen in der und Stützkräften (Pleuel- und Seitenkräfte). Für die mecha-
obersten Schicht des Kolbenbodens. Die Amplituden der nische Beanspruchung des Kolbens ist der maximale Gas-
Schwingungen liegen in der Größenordnung von einigen druck von entscheidender Bedeutung. Er beträgt bei Saug-
Grad an der Oberfläche und klingen nach einer Exponential- Dieselmotoren 80 bis 110 bar, bei aufgeladenen Dieselmo-
funktion innerhalb weniger Millimeter nach innen ab toren 160 bis 250 bar. Die Drucksteigerungsgeschwindigkeit
[8-70]. erreicht 3 bis 8 bar/°KW, bei Verbrennungsstörungen kann
Ein großer Teil der vom Kolbenboden während des sie 20 bar/°KW überschreiten ([8-71] bis [8-73]).
Arbeitstaktes aufgenommenen Wärme fließt über die Kol-
benringpartie und über die Zylinderwand an das Kühlmittel 8.6.3 Gestaltung und Beanspruchung des Kolbens
ab. Je nach Motor und Kolbenbauart, beeinflusst durch das
Arbeitsverfahren und die Kolbengeschwindigkeit, liegt der 8.6.3.1 Hauptabmessungen des Kolbens
dabei hauptsächlich über die Kolbenringe abfließende Anteil
zwischen 20 und 60% der am Kolbenboden einfallenden Der Kolben verfügt über die Funktionsbereiche Kolbenbo-
Wärmemenge. Ein kleiner Teil der Wärme wird während den, Ringpartie mit Feuersteg, Bolzennabe und Schaft. Zu-
des Gaswechsels auf das Frischgas übertragen. Das Schmier- sätzliche Funktionselemente wie Kühlkanal und Ringträger
bzw. Kühlöl, welches an die Innenwandung des Kolbens kennzeichnen die Kolbenbauart. Zur Baugruppe Kolben
gelangt, übernimmt die restliche Wärmeabfuhr. zählen auch die Kolbenringe und der Kolbenbolzen sowie
Im Kolben entsteht ein dreidimensionales Temperaturfeld, die Bolzensicherungen.
das sich unter Zuhilfenahme von Randwerten mit Finite- Die Kolbenhauptabmessungen (Bild 8-57, Tabelle 8-4
Element-Programmen berechnen lässt. Charakteristische [8-74]) stehen in enger Wechselbeziehung zu den Hauptab-
Oberflächentemperaturen an Kolben von Otto- und Diesel- messungen des Motors und den Abmessungen anderer
motoren sind aus Bild 8-56 ersichtlich. Bauteile (Kurbelgehäuse, Kurbelwelle, Pleuel). Wichtigstes
Sie werden im Motor mit nichtelektrischen Messmetho- Maß neben dem Zylinderdurchmesser ist beim Kolben die
den (Schmelzstifte, Templug, Resthärte) und aufwändigen Kompressionshöhe, d. h. der Abstand zwischen Bolzenmitte
elektrischen Messverfahren (Thermoelemente, NTC- und Feuerstegoberkante. Die Kolbenmasse spielt besonders
Widerstände,Telemetrie) ermittelt. Durch Kühlung (An- bei schnelllaufenden Motoren eine große Rolle.
spritzkühlung, Zwangsölkühlung) kann die Kolbentempera-
tur beeinflusst werden.

Bild 8-56
Betriebstemperaturen an Kolben von Fahrzeug-
motoren bei Volllast (schematisch)
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen 303

über den Kolbenbolzen und die Pleuelstange an die Kurbel-


welle weitergeleitet. Da sich die Bolzenaugen im Bereich des
Schaftes auf den Kolbenbolzen abstützen, wird der Kolben-
schaft an seinem offenen Ende oval verformt.
Die Verformung wird durch die Verformung des Bolzens
(Abplattung und Durchbiegung) und durch die Anlagekräf-
te im Zylinder, die sich ebenfalls auf die Verformung des
Kolbens auswirken, beeinflusst.
Diesen aus den mechanischen Kräften herrührenden
Kolbendeformationen sind Verformungen überlagert, die
sich aus dem im Kolben herrschenden Temperaturfeld erge-
ben. Sie führen beim betriebswarmen Kolben gegenüber
dem kalten Zustand zu Verwölbungen des Bodens und
ansteigenden Durchmesservergrößerungen vom unteren
Schaftende bis zum Feuersteg.
Beim Entwurf eines Kolbens werden ausreichend große
Wandstärken angestrebt, um Brüche und Verformungen,
auch durch die Seitenkräfte, zu vermeiden, die in bestimmten
Bild 8-57 Wichtige Abmessungen und Begriffe am Kolben. F Feuersteg;
Bereichen aber elastisch genug sind, um von außen aufge-
St Ringsteg; s Bodendicke; KH Kompressionshöhe; DL Dehnlänge; GL Gesamt-
prägten Verformungen (z. B. durch den Zylinder) nachge-
länge; BO Nabenbohrungs-Durchmesser (Bolzendurchmesser); SL Schaftlän-
ge; UL untere Länge; AA Nabenabstand; D Kolbendurchmesser ben zu können. Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass der
Kolben als schnell bewegtes Teil im Motor eine möglichst
geringe Masse haben sollte.
Mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode können Defor-
Tabelle 8-4 Hauptabmessungen von Leichtmetallkolben für Dieselmotoren mationen und Spannungen infolge der Wirkung einge-
prägter Kräfte und Temperaturfelder berechnet werden
Viertakt-Dieselmotoren
(Bild 8-58).
Durchmesser D in mm 75…100 >100
Gesamtlänge GL/D 0,8…1,3 1,1…1,6
Belastung des Kolbenbodens
Kompressionshöhe KH/D 0,50…0,80 0,70…1,00
Bolzendurchmesser BO/D 0,35*…0,40 0,36…0,45
Der Kolbenboden bei Dieselkolben ist einer extremen Tem-
Feuersteg F/D 0,10…0,20 0,10…0,22
peraturbelastung mit Temperaturen von weit über 300 °C
1. Ringsteg St/D** 0,07…0,09 0,07…0,12
3,0…8,0 ausgesetzt, bei der die Dauerfestigkeit der verwendeten
Nutenhöhe für 1. Ring in mm 1,5…3,0
Schaftlänge SL/D 0,50…0,90 0,70…1,10 Werkstoffe bereits erheblich reduziert ist. Durch die geomet-
Nabenabstand AA/D 0,27…0,40 0,25…0,40 rische Gestaltung, insbesondere des Muldenrandes und des
Bodendicke s/D 0,10…0,15*** 0,13…0,20 Muldengrundes, muss dafür gesorgt werden, dass sich nach
Gewichtskennzahl GN/D in g/cm3 0,8…1,1 1,1…1,6 Möglichkeit keine lokalen Temperaturspitzen und keine fes-
tigkeitsmindernden Kerbwirkungen ergeben, die ein Anrei-
* unterer Wert für Pkw-Diesel.
** Werte gelten für Ringträgerkolben. ßen begünstigen könnten ([8-76] bis [8-78]).
*** bei Direkteinspritzern ~ 0,2 x Muldendurchmesser. Für den Muldenrand ergibt sich im motorischen Betrieb
eine deutliche Temperaturwechselbeanspruchung. Durch loka-
les Aufheizen und Verformungsbehinderung durch umlie-
gende kältere Bereiche kann es örtlich zur Plastifizierung des
8.6.3.2 Beanspruchungsverhältnisse am Kolben Kolbenwerkstoffes kommen und im Extremfall zur Entste-
hung von thermisch bedingten Anrissen. Um die Anrissnei-
Allgemeine Beschreibung gung zu reduzieren, kann durch Anodisation des Kolbenbo-
dens eine Aluminium-Hartoxidschicht erzeugt werden.
Die am Kolben wirkenden Gas-, Massen- und Führungs- Bei Mulden für Motoren mit Direkteinspritzung erfordert
kräfte erzeugen Verformungen und damit Spannungen im häufig die Optimierung des Schadstoffausstoßes, dass der
Kolben. Der Druck der Verbrennungsgase wirkt auf den Kol- Muldenrand mit möglichst kleinem Radius, oft auch mit
benboden. Die daraus resultierende Kraft wird vom Kolben einem Hinterschnitt ausgeführt wird. Am Muldenrand ent-
304 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

a b

Bild 8-58 Finite-Elemente-Berechnung eines Kolbens. a FE-Netzwerk und Temperaturfeld in °C; b Verformungen unter Temperaturbelastung

steht dann zwangsläufig ein ausgeprägtes Temperaturmaxi- schleiß, kann andererseits bei Dieselmotoren aber auch zur
mum. In die Kolbenlegierung eingebrachte keramische Verkokung der Ringnut und zum Festgehen des ersten Ringes
Kurzfasern aus Aluminiumoxid erhöhen die Festigkeit des führen.
lippenförmig ausgeführten Muldenrandes wesentlich. Da In der Regel ist die erste Ringnut von Aluminium-Diesel-
die Kolbenlegierung in flüssigem Zustand allerdings nur kolben durch Eingießen eines Ringträgers armiert, der meist
unter erhöhtem Druck in das poröse Paket aus Fasern ein- aus „Niresist“ hergestellt wird. Es handelt sich dabei um ein
dringt, ist ein spezielles Gießverfahren erforderlich, um austenitisches Gusseisen, dessen Wärmeausdehnung etwa
derartige Kolben mit faserverstärktem Muldenrand der des Aluminiums entspricht. Zwischen Ringträger und
(Bild 8-59) oder örtlich faserverstärkten Bodenpartien her- Kolbenwerkstoff wird durch das Alfinverfahren eine inter-
stellen zu können [8-79]. metallische Bindung erzielt, die ein Lösen des Ringträgers
durch Gas- und Massenkräfte vermeidet und einen besseren
Beanspruchung der Ringpartie Wärmeübergang ermöglicht.
Andere Maßnahmen zur Ringnutbewehrung wie innen-
Die thermische und mechanische Belastung der ersten (in spannende Stahlringe an der Nutoberflanke oder Einlegie-
manchen Fällen auch der zweiten) Ringnut erfordert bei Alu- ren von verschleißmindernden Werkstoffen bieten im Ver-
miniumkolben für Dieselmotoren zum Erreichen der heute gleich zum Ringträger meist nur geringeren Verschleiß-
geforderten Lebensdauer zusätzliche Maßnahmen. Der Ring- schutz.
nutverschleiß (Flankenverschleiß) hat seine Hauptursache in
der radialen Bewegung der Ringe, verursacht durch Kippbe- Naben- und Abstützungsbereich
wegung des Kolbens im Zylinder. Auch die Axialbewegung
infolge von Gas-, Massen- und Reibungskräften und das Ro- Die auf den Kolben einwirkenden Kräfte werden über die
tieren der Ringe tragen zum Ringnutverschleiß bei. Bolzennabe in den Kolbenbolzen und über das Pleuel in die
Die hohe thermische Beanspruchung, insbesondere der Kurbelwelle eingeleitet. Die Bolzennabe zählt zu den am
ersten Ringnut, verstärkt einerseits den mechanischen Ver- höchsten beanspruchten Partien des Kolbens.
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen    305

Kolbenkühlung
Die thermische Belastung der Kolben lässt sich wegen der
oberhalb von etwa 150 °C mit zunehmender Temperatur
stark abnehmenden Dauerfestigkeit der Al‑Si‑Legierungen
nur begrenzt steigern. Daher wird bei Dieselmotoren in den
meisten Fällen eine gezielte Kühlung des Kolbens benötigt
[8‑82]. Hierfür reicht in manchen Fällen das Anspritzen der
Kolbeninnenform mit Öl durch Standdüsen aus (Tempera-
turreduzierung in der 1. Ringnut um 10 bis 30 °C). Vielfach
wird hinter der Ringpartie ein umlaufender Hohlraum, der
sog. Kühlkanal erforderlich.
Kühlkanalkolben werden mit wasserauslösbaren Salzker-
nen oder als „gekühlter Ringträger“ mit einem am Ring­
träger angebrachtem Blechkühlkanal hergestellt. Das Kühlöl
wird von einer sorgfältig justierten, gehäusefesten Düse aus
über eine Zulauföffnung im Kolben in den ringförmigen
Kühlkanal eingespritzt. Für eine gute Wärmeabfuhr ist die
Einhaltung der richtigen Ölmenge von entscheidendem Ein-
fluss. Den Ablauf bilden eine oder mehrere Bohrungen an
Bild 8-59 Flüssiggepresster, keramikfaserverstärkter Kolben mit gekühltem der Kolbeninnenseite, die bevorzugt auf der dem Zulauf in
Ringträger und Nabenbuchsen etwa gegenüberliegenden Seite des Kühlkanals angeordnet
sind.
Abhängig von der Lage des Kühlkanals wird eine deut-
liche Temperaturabsenkung am Muldenrand sowie im Ring-,
Zur kraftflussgerechten Abstützung des Kolbenbodens Abstützungs- und Nabenbereich erreicht. Im Bereich der
kommen verschiedene Nabenformen zum Einsatz (Block- 1. Nut können Temperaturabsenkungen von 25 bis 50 °C
oder Trapezabstützung). Bei größeren Dieselmotoren für erreicht werden (Bild 8-60, Tabelle 8-5).
Bahn- und Schiffsantriebe wird vielfach durch abgesetzt Bei gebauten Kolben lassen sich im Boden aus Stahl Kühl-
ausgeführte Bolzennaben (Stufenpleuel) die Flächenpres- räume gestalten, die eine wirkungsvolle Kühlwirkung,
sung reduziert. In den Nabenabstützungen befinden sich die besonders im Bereich der Ringzone, ermöglichen. Üblicher-
Nabenbohrungen zur Aufnahme des Kolbenbolzens. Wegen weise erfolgt die Zuführung des Kühlöls in den äußeren,
ihrer Aufgabe als Gleitlager muss die Nabenbohrung mit ringförmigen Kühlraum und der Rücklauf aus dem inneren
hoher Oberflächengüte hergestellt werden. Kühlraum. Da die Temperatur im Bereich der Nut des ersten
Die Dimensionierung des Kolbenbolzens und der Breite Verdichtungsringes wegen Säurebildung durch Taupunkt-
des kleinen Pleuelauges haben wesentlichen Einfluss auf die unterschreitung des in den Verbrennungsgasen enthaltenen
Belastbarkeit der Nabenbohrung. Bei einer Leistungssteige- SO2 und SO3 im Teillastbereich 150 °C nicht unterschreiten
rung eines Motors kann es unter den gegebenen Bedin- sollte, kann es erforderlich werden, den Kühlölkreislauf im
gungen (Zünddruck, Temperatur, Lebensdauer) erforderlich Kolben zu ändern, so dass zuerst der Kolbenboden und
werden, die Feingeometrie der Nabenbohrung abweichend anschließend der Bereich der Ringpartie gekühlt wird.
von der zylindrischen Kontur zu gestalten, um einen riss-
freien Dauerbetrieb im Nabenbereich zu gewährleisten 8.6.3.3 Kolbenbauarten
[8‑80], [8‑81]. Durch eine leichte Ovalität des Bolzenlochs
oder eine optimierte trompetenförmige Aufweitung zum Kolben für Pkw-Dieselmotoren
Pleuel hin lässt sich die Bauteilfestigkeit im Bereich der Bol-
zennabe um etwa 5 bzw. 15% steigern. Weitere Möglich- Verfahrensbedingt tritt beim Dieselmotor neben der ther-
keiten bieten sich durch Entlastungstaschen in der Bolzen- mischen auch eine höhere mechanische Belastung auf. Bei
nabe und durch Kolbenbolzen mit profilierter Außenkontur noch relativ niedrig belasteten Pkw‑Diesel­motoren reichte
(Formbolzen, s. Abschn. 8.6.5). Allerdings führen alle diese der übereutektische Aluminiumwerkstoff mit 18% Silizium-
Maßnahmen zu einer Erhöhung der mechanischen Span- gehalt aus. Bei höher belasteten Motoren hat sich jedoch der
nungen am Kolbenboden. Ringträger als Schutz gegen Verschleiß in der ersten Nut
306    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Tabelle 8-5 Einfluss der Motorbetriebsbedingungen und Kühlung auf die Kolbentemperaturen von Fahrzeugmotoren

Betriebszustand Änderung des Betriebszustandes Temperaturänderung an der 1. Ringnut


Drehzahl n (pe = konst.) 100/min 2…4°C
Last pe (we) (n = konst.) 1 bar (0,1kJ/dm3) ≈10°C (Muldenrand ≈20°C)
1 bar bei Kühlkanalkolben 5…10°C (Muldenrand 15…20°C)
Förderbeginn (nach früh) 1° KW + 1…3°C (Muldenrand <4,5°C)
Verdichtung um 1 Einheit 4…12°C
Kühlmitteltemperatur (Wasser) 10°C 4…8°C
Kühlmittelzusammensetzung (Wasserkühlung) 50% Glykol +5…+10°C
Schmieröltemperatur (Ölsumpf) 10°C 1…3°C
Kolbenkühlung durch Öl Spritzdüse am Pleuelfuß –8…–15°C einseitig
Standdüse –10…–30°C
Kühlkanal –25…– 50°C
Kühlöltemperatur 10°C 4 … 8°C
bei Kühlkanalkolben (auch am Muldenrand)

Bild 8-60 Möglichkeiten der Kolbenkühlung und Kühlölbedarf


8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen    307

durchgesetzt. Meist handelt es sich dabei um Kolben aus eu- deten Kolben mögliche mechanische Verankerung zwischen
tektischen Al-Si-Legierungen mit 11 bis 13% Silizium. Ringträger und Kolbenmaterial hat nie befriedigt.
Bei aufgeladenen Motoren mit höherer thermischer Belas­ Gegenüber nur örtlich mit Öl an der Kolbenunterseite
tung ist eine Kühlung der Kolben erforderlich. Dies kann angespritzten Kolben erlauben Kolben mit Kühlkanälen, die
durch Spritzölkühlung der Kolbeninnenkontur oder durch zwangsweise von Öl durchflossen sind, eine generelle Sen-
eine Zwangsölkühlung bei Kolben mit Kühlkanälen erreicht kung des Temperaturniveaus. Der Kühlkanal wird dabei nur
werden. teilweise gefüllt, um den gewünschten „Shaker“-Effekt mit
Neben konventionellen Salzkern-Kühlkanalkolben gutem Wärmeübergang zu erzielen [8‑70].
(Bild 8‑61) werden auch gegossene Kolben mit gekühltem Aluminium-Kühlkanalkolben werden heute für hochbe-
Ringträger (Bild 8‑62) eingesetzt, die ein erhebliches Poten- lastete aufgeladene Dieselmotoren mit Ladeluftkühlung und
zial an Temperatur­absenkung an kritischen Bauteilstellen mittleren effektiven Drücken von über 20 bar und bei maxi-
ermöglichen. So erhöht eine effektive Temperaturabsenkung malen Zylinderdrücken bis über 200 bar eingesetzt.
von 15 °C am Muldenrand die relative Lebensdauer an die- Die weitere Reduzierung des Rußanteils im Abgas sowie
ser Stelle um mehr als 100%. eine Erhöhung des thermischen Wirkungsgrades kann
durch höhere maximale Zylinderdrücke und in ihrer geo-
Kolben für Nfz-Dieselmotoren metrischen Form veränderte Verbrennungsmulden im Kol-
benboden, meist mit exponierten, hinterschnittenen Mul-
Standardausführung für Nfz-Dieselmotoren ist heute der im denrändern erreicht werden. Die thermischen Anforde-
Kokillenguss­verfahren gegossene Ringträgerkolben. Gegos- rungen an den Kolben, insbesondere im Brennraum­
sene Vollschaftkolben ohne Ringträger finden nur noch in muldenbereich, steigen dadurch.
Motoren mit niedriger spezifischer Leistung oder begrenzter Eine Kolbenbauart für extrem hohe mechanische und
Lebensdauer Verwendung. thermische Beanspruchungen ist der Pendelschaftkolben
Da sich gepresste Vollschaftkolben gegenüber gegossenen
Kolben durch erhöhte Festigkeit auszeichnen, fanden sie in
®
(Ferrotherm -Kolben, Bild 8‑63). Er besteht aus zwei Teilen,
dem Kolbenkopf aus Stahl und dem Aluminium-Kolben-
vielen Fahrzeug-Dieselmotoren Verwendung. Mit der Erhö- schaft, die über den Kolbenbolzen beweglich miteinander
hung der Leistung zeigte sich jedoch im Verschleiß­verhalten verbunden sind. Der Kolbenkopf übernimmt zusammen
der ersten Nut bei übereutektischer Legierung ohne armierte mit den Kolbenringen die Abdichtfunktion gegen die hei-
Ringnut eine begrenzte Verwendbarkeit. Die bei geschmie­ ßen Brenngase und die Übertragung der Gaskraft auf den

Bild 8-61 Kühlkanalkolben mit Ringträger (Salzkernkolben) Bild 8-62 Kühlkanalkolben mit gekühltem Ringträger
308    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Kurbeltrieb. Vom Kolbenschaft werden die vom Kurbeltrieb


eingeleiteten Querkräfte und die daraus resultierenden
Gleitbahnkräfte aufgenommen. Eine weitere Kolbenvariante
ist der einteilige Stahlkolben (Monotherm -Kolben,®
Bild 8‑64). Aus dem geschmiedeten Stahlrohteil wird der
Kolben fertig bearbeitet. Er weist einen nur an den Naben
oder zusätzlich am Kolbenboden angebundenen Schaft auf.
Wegen der schlechteren Wärmeleitfähigkeit der Eisenwerk-
stoffe ist der Kühlbedarf des Kolbens, um Ölalterung zu
vermeiden, höher als bei einem Aluminiumkolben. Die
Zufuhr des Kühlöls erfolgt über Spritzdüsen in den Zulauf-
kanal des Kolbens. Durch Abdeckbleche an der Unterseite
des Kühlraumes im Kolbenkopf kann aus dem offenen
Kühlraum ein dem Kühlkanalkolben ähnlicher, geschlos-
sener Kühlraum geschaffen werden („Shaker“-Effekt des
Kühlöls).
Die erste Ringnut, eingestochen in den aus Stahl gefertig-
ten Kolbenkopf, bedarf keiner Armierung durch einen
Ringträger wie bei einem Aluminiumkolben [8‑83].

Kolben für Lokomotiv-, Stationär- und Schiffsdieselmotoren


Bild 8-63 Pendelschaftkolben (Ferrotherm-Kolben) mit Stahl-Kolbenkopf
und Aluminiumschaft Die weniger stark wechselnden Betriebsbedingungen bei sta-
tionären Anlagen, Schiffsantrieben, Triebwagen- und Loko-
motivmotoren ermöglichen in vielen Fällen den Aluminium-
Vollschaftkolben einzusetzen.
Die Boden- und Ringpartie ist bei diesen Kolben kräftig
ausgeführt und bietet dem Wärmefluss ausreichende Quer-
schnitte. Derartige Kolben mit Ringträger und Kühlschlange
bzw. Ringkanal werden entweder gegossen oder es wird der
gepresste Kolbenkörper und das gegossene Ringband mit
Ringträger und Kühlkanal mittels Elektronenstrahl durch
Schweißen verbunden (Bild 8‑65).
Bei mit Schweröl betriebenen mittelschnelllaufenden
Mo­toren hat sich die Grenze der Verwendbarkeit von
Leichtmetalllegierungen gezeigt. Die Widerstands­fähigkeit
gegen mechanischen Abrieb am Feuersteg durch feste
Verbrennungs­rückstände reichte nicht mehr aus.
Die günstigeren Eigenschaften von Sphäroguss insbeson-
dere bei stark schwefelhaltigen Kraftstoffen führten zum
gießtechnisch sehr anspruchsvollen einteiligen Eisenkolben
in Leichtbauweise (Monoblock, Bild 8‑66).
Beim gebauten Kolben dagegen werden die Eigenschaften
verschiedener Werkstoffe in einem Kolben vereint. Drei Gene-
rationen von gebauten Kolben sind heute im Einsatz. Allen
gemeinsam ist die Kolbenkonstruktion, bei der der Kolbenbo-
Bild 8-64 Einteilig geschmiedeter Stahlkolben (Monotherm-Kolben) den mit der Ringzone (Kolbenoberteil) den einen, der Kolben-
schaft mit den Bolzennaben (Kolbenunterteil) den anderen
Hauptbestandteil des Kolbens bildet. Beide Teile sind über
geeignete Verbindungselemente miteinander verbunden.
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen    309

Zu der klassischen Form des gebauten Kolbens mit ge-


schmiedetem, rotations­symmetrischem Stahlkolbenboden mit
äußerem und innerem Kühlraum und geschmiedetem Alumi-
nium-Unterteil (Bild 8‑67) kam die Ausführung mit bohrungs-
gekühltem Stahlboden (Bild 8‑68). Stahl-Kolbenböden mit
radial angeordneten Kühlölbohrungen zeichnen sich bei gestei-
gerten Zünddrücken trotz dünner Wandungen durch ausrei-
chend hohe Steifigkeit bei unverändert wirkungsvoller Wärme-
ableitung im Vergleich zu konventionellen Stahlböden aus.
Zur Verschleißreduzierung werden die Kolbenringnuten
im Stahlbereich induktiv gehärtet oder verchromt.
Unterteile aus Aluminium haben den Vorteil, dass bei
massegleichen Konstruktionen im Vergleich zu anderen
Werkstoffen das Unterteil sehr dickwandig und steif ausge-
führt werden kann.
Beim gebauten Kolben mit Unterteil aus Sphäroguss
anstelle von geschmiedetem Aluminium stehen ein geringes
Kolbenkaltspiel und daraus folgend eine geringe Kolbense-

Bild 8-65 Elektronenstrahlgeschweißter Kolben mit Kühlkanal und Ring­


träger

Bild 8-67 Gebauter Kolben, konventionell gekühlt, mit Aluminium-Unter‑


Bild 8-66 Einteiliger Kolben aus Sphäroguss (Monoblock) teil
310    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-68 Bohrungsgekühlter Stahlboden eines gebauten Kolbens

kundärbewegung, hohe Fresssicherheit und geringe Korro-


sion im Vordergrund der Überlegung. Als Boden findet der
klassische geschmiedete, rotationssymmetrische Stahlkol-
benboden mit äußerem und innerem Ringkühlkanal Ver-
wendung (Bild 8‑69).
Der gebaute Kolben mit Sphäroguss- oder Schmiedestahl-
Unterteil und Stahlboden ist die Ausführung des gebauten Bild 8-69 Gebauter Kolben, konventionell gekühlt, mit dünnwandigem
Kolbens, wie er für den Einsatz im maximalen Zylinder- Sphäroguss-Unterteil
druckbereich von mehr als 200 bar vorgesehen wird. Geringe
Verformungen des Kolbenbodens und des Unterteils, hohe
strukturelle Festigkeit und kleine Kaltspiele sind charakte- 8.6.3.4 Werkstoffe
ristische Eigenschaften dieser Bauart [8‑84].
Durch die Verwendung von Materialien mit höherer Kolbenwerkstoffe
Dichte erhöht sich die Gesamtmasse gegenüber einem Kol-
ben aus einer Al-Legierung um ca. 20 bis 50%. Dass im Laufe der Entwicklung von Verbrennungsmotoren
Kolben für Zweitakt-Dieselmotoren (Kreuzkopfmotoren) für Kolben besondere – bei anderen Bauteilen nicht verwen-
bestehen meist aus einem topfförmigen, rotationssymmet- dete – Werkstoffe eingesetzt werden, deutet darauf hin, dass
rischen Stahlteil (z. B. aus 34CrMo4), das direkt oder über ein bei diesem Bauteil außergewöhnliche Anforderungen zu er-
Einsatz- oder Zwischenteil mit der Kolbenstange verschraubt füllen sind. In der Tat stellen die heute gebräuchlichen Kol-
ist (Bild 8‑70). Die Anwendung der Bohrungskühlung (ein benwerkstoffe einen Kompromiss zwischen einer ganzen
von Sulzer entwickeltes Prinzip) führte zu einfachen, robus- Reihe einander zum Teil widersprechender Ansprüche dar.
ten Konstruktionen mit großen Sicherheiten in Bezug auf Aluminium-Silizium-Legierungen (vorwiegend eutektisch)
thermische und mechanische Belastungen. Die mechanischen sind die im Kolbenbau überwiegend eingesetzten Werkstof-
Beanspruchungen und auch die unvermeidbaren Verformun­ fe (Bild 8‑72). Hohe Wärmeleitfähigkeit, geringe Dichte,
gen der Kolbenkrone können ohne nennenswerte Spannungs­ gute Gieß- und Umformbarkeit sowie gute Bearbeitbarkeit
erhöhungen aufgenommen werden [8‑85], [8‑86]. und hohe Warmfestigkeit sind nur einige der Merkmale
Der Einsatzbereich verschiedener Großkolbenbauarten dieser Leichtmetall­legie­rungen (Tabelle 8‑6).
für mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren ist aus Nachteilig ist der bei 150 bis 200 °C einsetzende merk-
Bild 8‑71 ersichtlich. liche Abfall der Werkstoff-Kennwerte inklusive der Härte.
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen 311

Durch Modifizierung der Legierungszusammensetzung,


insbesondere mit erhöhtem Cu-Gehalt, konnte die Dauerfes-
tigkeit der Al-Si-Legierungen im Bereich von Temperaturen
über 250 °C deutlich gesteigert werden, allerdings zu Lasten
eines erhöhten Aufwands bzgl. der Gießtechnik. Al-Si-
Legierungen werden in gegossenem und geschmiedetem
Zustand eingesetzt (Tabelle 8-7).
Bei erhöhtem Staubanfall oder hohen Betriebstempera-
turen reicht der Verschleißwiderstand dieser Legierungen
nicht mehr aus, so dass, wie im Abschn. 8.6.3.2 erwähnt,
Ringträger erforderlich werden.
Bei Kolben für Schiffsdiesel- und Stationärmotoren, insbe-
sondere bei Schwerölbetrieb, kommt Sphäroguss (GGG 70)
für den Schaft von gebauten Kolben oder für den ganzen
Kolben (Monoblock) zum Einsatz (Tabelle 8-8). Stähle
(42CrMo4) werden für die Böden von gebauten Kolben und
für die Köpfe von Ferrotherm-Kolben für Nutzfahrzeugmo-
toren sowie für Monotherm-Kolben eingesetzt. Vorteilhaft
sind die höhere Temperaturbeständigkeit, das verbesserte
Verschleißverhalten, die höhere Steifigkeit und die insgesamt
höhere Bauteilbelastbarkeit, bei allerdings meist größerer
Masse und höherem Fertigungsaufwand (Tabelle 8-9).

Beschichtung von Oberflächen


Bei Kolben werden unterschiedliche Oberflächenschichten
Bild 8-70 Kolben für Kreuzkopf-Zweitakt-Dieselmotor
verwendet. Gemäß ihren Aufgaben kann man sie in zwei
Gruppen aufteilen. Die erste Gruppe umfasst die Schichten,
die besonders gegen thermische Überbeanspruchung schüt-
zen. Die Schichten der zweiten Gruppe sollen die Laufeigen-
schaften verbessern.

Schutzschichten
Durch Hartanodisieren des Grundwerkstoffs werden Oxid-
schichten erzeugt, die sich durch innige Verbindung mit dem
Grundwerkstoff auszeichnen. Diese Schichten gewähren
dem Kolbenboden einen Schutz gegen den thermischen und
mechanischen Angriff der heißen Verbrennungsgase und
erhöhen die Widerstandsfähigkeit gegen thermisch und me-
chanisch bedingte Muldenrand- und Bodenanrisse.
Da die Notlaufeigenschaften der harten Oxidschichten
nicht günstig sind, müssen Schaft und Ringpartie der Kol-
ben bei der Behandlung abgedeckt werden.

Laufschichten
Das Laufverhalten des Kolbenschaftes ist in erster Linie
durch die Paarung von Kolben- und Zylinderwerkstoff und
deren Oberflächenrauhigkeit bestimmt. Letztere ist insofern
wichtig, als durch sie die Ausbildung und Haftung eines trag-
Bild 8-71 Kolbenflächenleistung von verschiedenen Großkolben mittel- fähigen Schmierfilms auch unter spärlicher Ölzufuhr stark
schnelllaufender Viertakt-Dieselmotoren beeinflusst wird. Darüber hinaus sind dünne Schichten wei-
cher Metalle oder von Graphit in der Lage, auch bei ausge-
312    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Bild 8-72
Gefügebilder der Aluminium-Kolben‑
legierungen

Tabelle 8-6 Chemische Zusammensetzung von Aluminium-Kolbenlegierungen

Legierungsanteil % Al-Si-Legierungen
eutektische übereutektische
AlSi 12 CuMgNi AlSi 12 Cu4Ni2Mg AlSi 18 CuMgNi AlSi 25 CuMgNi
Si 11…13 11…13 17…19 23…26
Cu 0,8…1,5 3…5 0,8…1,5 0,8…1,5
Mg 0,8…1,3 0,5…1,2 0,8…1,3 0,8…1,3
Ni 0,8…1,3 1...3 0,8…1,3 0,8…1,3
Fe ≤0,7 ≤0,7 ≤0,7 ≤0,7
Mn ≤0,3 ≤0,3 ≤0,2 ≤0,2
Ti ≤0,2 ≤0,2 ≤0,2 ≤0,2
Zn ≤0,3 ≤0,3 ≤0,3 ≤0,2
Cr – – – ≤0,6
Al Rest Rest Rest Rest
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen    313

Tabelle 8-7 Werkstoff-Kennwerte von Aluminium-Kolbenlegierungen (Festigkeitswerte gelten für getrennt hergestellte Probestäbe)

Kennwert eutektisch übereutektisch


AlSi 12 CuNiMg AlSi 12 CuNiMg AlSi 12 Cu4Ni2Mg AlSi 18 CuNiMg AlSi 25 CuNiMg
Kokillenguss geschmiedet Kokillenguss Kokillenguss geschmiedet
Zugfestigkeit 20°C 200…250 300…370 200... 280 180…220 230…300
Rm 50°C 180…200 250…30 180... 240 170…210 210...260
N/mm2 250°C 90…110 80…140 100... 120 100…140 100…160
350°C 35…55 50…100 45... 65 60…80 60…80
Streckgrenze 20°C 190…230 280…340 190…260 170…210 220…260
Rp 0,2 150°C 170…200 220…280 170... 220 150…190 200…250
N/mm2 250°C 70…100 60…120 80... 110 100…140 80…120
350°C 20…30 30…70 35... 60 20…40 30…40
Bruchdehnung 20°C 0,1…1,5 1…3 <1 0,2…1,0 0,5…1,5
A 150°C 1,0…1,5 2,5…4,5 <1 0,3…1,2 1…2
% 250°C 2…4 10…20 1,5…2 1,0…2,2 3…5
350°C 9…15 30…35 7…9 5…7 10…15
Biegewechsel- 20°C 90…110 110…140 100…110 80…110 90…120
festigkeit σbw 150°C 75…85 90…120 80…90 60…90 70…110
N/mm2 250°C 45…50 45…55 50…55 40…60 50…70
350°C 20…25 30…40 35…40 15…30 20…30
Elastizitäts­modul E 20°C 80000 80000 84000 83000 84000
N/mm2 150°C 77000 77000 79000 79000 79000
250°C 72000 72000 75000 75000 76000
350°C 65000 69000 70000 70500 70000
Wärmeleitzahl λ 20°C 155 158 125 143 157
W/(mK) 150°C 156 162 130 147 160
250°C 159 166 135 150 163
350°C 164 168 140 156 –
mittlere, lineare 20,6 20,6 20,0 19,9 20,3
Wärmeausdehnung
20…200°C
(1/K)x10–6
Dichte ρ 2,68 2,68 2,77 2,68 2,68
(g/cm3)
relativer 1 1 ~0,9 ~0,8 ~0,8
Verschleißwert
Brinellhärte 90…125
HB 2,5/62,5

sprochener Mangelschmierung wenigstens vorübergehend, nungsreihe edler als Aluminium ist, wird es auf der Kol-
die Gleitfähigkeit sicherzustellen. benoberfläche abgeschieden. Bei dem Vorgang wird gleich-
Durch Verzinnen der Kolben lassen sich günstige Lauf­ zeitig Aluminium gelöst, bis sich eine geschlossene Oberflä-
eigenschaften erzielen. Verfahrenstechnisch beruht die che aus Zinn gebildet hat. Die entstehende 1 bis 2 µm dicke
Schichtbildung auf dem Prinzip des Ionenaustausches. Die Metallschicht wird wegen ihrer guten Notlaufeigenschaften
Aluminiumkolben werden dabei in Lösungen von Zinnsal- noch in geringem Umfang bei Kolben für Nutzfahrzeug-
zen getaucht. Da Zinn in der elektrochemischen Span- und Pkw-Motoren verwendet.
314    8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Tabelle 8-8 Gusseisenwerkstoffe, Richtwerte

GGG 70 Gußeisen austenitisch Gußeisen austenitisch


mit Lamellengraphit mit Kugelgraphit
Legierungselemente %
C 3,5…4,1 2,4…2,8 2,4…2,8
Si 2,0…2,4 1,8…2,4 2,9…3,1
Mn 0,3…0,5 1,0…1,4 0,6…0,8
Ni 0,6…0,8 13,5…17,0 19,5…20,5
Cr – 1,0…1,6 0,9…1,1
Cu <0,1 5,0…7,0 –
Mo – – –
Mg 0,04…0,06 – 0,03…0,05
Zugfestigkeit Rm in N/mm2
20°C ≥700 ≥190 ≥380
100°C 640 170 –
200°C 600 160 –
300°C 590 160 –
400°C 530 150 –
Streckgrenze Rp in N/mm2
20°C ≥420 150 ≥210
100°C 390 150 –
200°C 360 140 –
300°C 350 140 –
400°C 340 130 –
Bruchdehnung A in %
20% ≥2 ≥2 ≥8
Brinellhärte HB 30
20°C 240…300 120…160 140…180
2
Biegewechselfestigkeit sbw in N/mm
20°C ≥250 ≥80 –
Elastizitäts­modul E in N/mm2
20°C 177000 100000 100000
200°C 17100 – –
Wärmeleitzahl λ in W/(m · K)
20°C 27 32 13
mittlere, lineare Wärmeausdehnung
20…200°C (1/K)x10–6 12 18 18

Dichte ρ in (g/cm3) 7,2 7,45 7,4


besondere Eigenschaften hochbeanspruchte Kolben, Kolben­ hohe Wärmeausdehnung; Wärmeausdehnung und Festigkeit
Verwendung böden und Unterteile für gebaute für Ringträger hoch; für Ringträger
Kolben
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen    315

Tabelle 8-9 Stahlwerkstoffe für geschmiedete Kolbenteile, Richtwerte Tabelle 8-9 (Fortsetzung)

AFP-Stahl 42 CrMo 4 V AFP-Stahl 42 CrMo 4 V


38 Mn VS6 38 Mn VS6
Legierungselemente % Dichte ρ (g/cm3) 7,8 7,8
C 0,34…0,41 0,38…0,45
Wärmeleitzahl λ
Si 0,15…0,80 0,15…0,40
W/(m K)
Mn 1,2 …1,6 0,60…0,90
20°C 44 38
Cr <0,3 0,90…1,20
200°C – –
Mo <0,08 0,15…0,30
300°C 40 39
V 0,08... 0,2 –
400°C – –
(P, S) (<0,025,0,02...0,06) (<0,02)
450°C 37 37
Zugfestigkeit Rm N/mm2
mittlere, lineare Wärmeaus‑
20°C >910 >920
dehnung (1/K)x10–6
100°C – –
20…200°C – –
200°C – –
20... 300°C 13,2 13,1
300°C 840 850–930
20…400°C – 13,2
400°C – –
20... 450°C 13,7 13,7
450°C 610 630–690
besondere Eigenschaften BY-Stahl für Kol‑ wamfester Vergü‑
Streckgrenze Rp N/mm2
Verwendung ben, -böden und tungsstahl für
20°C >610 >740
Unterteile von Kolben, -böden
100°C – –
gebauten Kolben und Schrauben
200°C – –
von gebauten
300°C 540 680–750
Kolben
400°C – –
450°C 450 520–580
Bruchdehnung A %
20% ≥14 12–15
200°C – – Graphit macht den Schmierstoff haftfähiger und entfaltet
300°C 11 10–13 selbst eine Schmier­wirkung, wenn der Ölschmierfilm ver-
400°C – 14
sagt. Wichtig ist es, haftfeste Graphitschutz­schichten (Gleit-
450°C 15 15–16
lacke) auf dem Kolben zu erzeugen. Die metallische Ober-
Brinellhärte HB 30 240–310 265…330 fläche wird hierzu in alkalischen Bädern mit einer ca.
Biegewechselfestigkeit 3 bis 5 µm dicken Metallphos­phat­schicht überzogen, die
sbw N/mm2 einen guten Haftgrund für die Kunstharzgraphitschicht
20°C ≥370 ≥370 darstellt. Diese besteht aus feinem Graphitpulver, das mit
200°C – – einem Polyami­dimid(PAI)-Harz gebunden ist. Die etwa 10
300°C 320 340–400 bis 20 µm dicke Schicht wird nach dem Auftragen bei
400°C – – erhöhter Temperatur eingebrannt (polymerisiert). Graphit-
450°C 290 280–400 schichten werden bei größeren Kolben sowie bei Kolben für
Elastizitäts­modul E Pkw-Otto- und -Dieselmotoren eingesetzt. Graphitschutz-
N/mm2 schichten können sowohl auf Aluminiumkolben als auch
20°C 210000 210000 auf Eisenkolben aufgebracht werden. Ihre „ölfreundliche“
200°C 189000 193000 Oberfläche hat sehr günstige Notlaufeigenschaften.
400°C ­– –
450°C 176000 180000
8.6.4 Kolbenringe

8.6.4.1 Allgemeine Beschreibung

Kolbenringe haben im Verbrennungsmotor die Aufgabe, den


Kolben als beweglichen Teil des Brennraumes gegen den
316 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Kurbelgehäuseraum möglichst vollständig abzudichten. Sie


unterstützen ferner die Wärmeabfuhr vom Kolben an die Zy-
linderwand und regeln den Ölhaushalt, wobei sie eine ölver-
teilende und ölabstreifende Wirkung ausüben. Die verschie-
denen Ringe werden deshalb entsprechend ihrer Funktion in
Verdichtungsringe und Ölkontrollringe unterteilt.
Zur Erzeugung des notwendigen Anlagedrucks gegen die
Zylinderwand erhalten die Ringe die Form einer offenen
Ringfeder (Bild 8-73). Durch Doppelformdrehen, einer
gleichzeitigen Bearbeitung des an den Flanken geschliffenen
Rohlings innen und außen im Kopierdrehverfahren, erhält
der Ring nach Heraustrennen des der Maulweite entspre-
chenden Stücks (Stoß) die für seine Funktion im Zylinder
erwünschte Radialdruckverteilung. Der Ring liegt dabei
lichtspaltdicht an der Zylinderwand an und drückt mit vor-
gegebenem Radialdruck gegen den Zylinder.
Die im eingebauten Zustand radial wirkende Federkraft
wird im Motorbetrieb durch den auch hinter dem Ring
herrschenden Gasdruck verstärkt. Die axiale Anlage an der
Kolbennutflanke wird im Wesentlichen durch die Gasdruck-
beaufschlagung der Ringflanke erzeugt (Bild 8-74 [8-87]).

8.6.4.2 Verdichtungsringe
Bild 8-73 Bezeichnungen am Kolbenring. a (radiale) Wanddicke; h (axiale)
Sie übernehmen die Abdichtfunktion und die Wärmeabfüh- Ringhöhe; d Nenndurchmesser
rung an die Zylinderwand. Sie sind außerdem an der Rege-
lung des Schmierölhaushaltes beteiligt. Die Abdichtungsauf-
gabe umfasst vor allem die Verhinderung des Durchtritts der len. Bei asymmetrischer Balligkeit schwimmt der Ring beim
Verbrennungsgase aus dem Brennraum in das Kurbelgehäuse. Aufwärtshub stärker auf und ermöglicht eine größere
Erhöhtes Durchblasen gefährdet Kolben und Ringe durch Ölmenge im oberen Totpunkt, dem durch Mischreibungs-
Überhitzen, stört den Schmierzustand an der Zylinderwand zustände zwickelverschleißgefährdeten oberen Teil der
und beeinflusst das Schmieröl im Kurbelraum negativ. Zylinderbuchse.
Als Verdichtungsringe haben sich Ringe mit rechteck-
oder trapezförmigem Querschnitt und balliger, asymmet- 8.6.4.3 Ölabstreifringe
risch balliger und konischer Lauffläche bewährt. Ist die
Lauffläche im Bereich von einigen Winkelminuten konisch Ölabstreif- oder -kontrollringe regulieren und begrenzen
ausgeführt (Minutenringe), so entsteht infolge der linienför- den Ölhaushalt. Sie streifen überschüssiges Schmieröl von
migen Berührungsfläche zunächst eine hohe Pressung zwi- der Zylinderwand ab und führen es wieder dem Kurbelraum
schen Ringlauffläche und Zylinderwand, was den Einlauf- zu. Ungenügendes Abstreifen kann zu Ölverkoken oder Öl-
vorgang verkürzt. Der gleiche Effekt kann auch durch eine übertritt in den Brennraum und damit zu erhöhtem Ölver-
konstruktive Unsymmetrie im Ringquerschnitt (Innenwin- brauch führen. Ölabstreifringe haben üblicherweise zwei
kel, Innenfase) erreicht werden. Der Ring verwirft sich dann getrennte Laufflächen. Sie können durch Schlauchfedern in
beim Einbau durch den einseitig veränderten Querschnitt ihrer Flächenpressung variiert werden.
tellerförmig. Es bildet bzw. verstärkt sich eine zur Zylinder- Eine Zwitterstellung nimmt der Nasen- oder Nasenminu-
laufbahn konische Lauffläche („Twist“-Effekt). Unter Gas- tenring ein. Er wirkt sowohl als Verdichtungs- als auch als
druck wird der Ring plangedrückt, wodurch im Betrieb eine Ölabstreifring (Tabelle 8-11).
zusätzliche dynamische Beanspruchung entsteht. Der Auch wenn die Abdichtung gegen Verbrennungsgase die
„Twist“-Winkel liegt ebenfalls im Bereich von nur wenigen Hauptaufgabe der Verdichtungsringe und die Ölverteilung
Winkelminuten (Tabelle 8-10 [8-88]). und Ölabstreifung die Hauptaufgabe der Ölkontrollringe ist,
Die Kolbenringe der ersten Nut sind an der Lauffläche so spielen im tribologischen System zwischen Kolben, Kol-
meist ballig ausgeführt, um einen raschen Einlauf zu erzie- benring und Zylinder auch die Werkstoffe sowie die Ober-
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen 317

Bild 8-74
Kräfte am Kolbenring

flächenschicht und Oberflächenfeinstruktur eine wichtige Lagerstellen zwischen Kolben, Bolzen und Pleuel liegen un-
Rolle. Kolbenringe bestehen meist aus hochwertigem Guss- günstige Schmierverhältnisse vor (Tabelle 8-12).
eisen mit lamellaren oder globularen Graphiteinlagerungen. Für die meisten Anwendungen hat sich der rohrförmige
Außerdem kommen verschiedene, auf hohe Festigkeit und Kolbenbolzen als Standardkonstruktion durchgesetzt
geringen Verschleiß ausgelegte Sonderwerkstoffe und ver- (Bild 8-75 (a)).
schiedene Stahlsorten für Kompressionsringe und Ölkont- Forderungen in Bezug auf einfache Technik und wirt-
rollringe sowie für tangentialspannungserhöhende Schlauch- schaftliche Herstellung werden durch ihn in optimaler
federn zum Einsatz. Weise erfüllt.
Zur Verlängerung der Lebensdauer von Kolbenringen Kolbenbolzen sind durch Kolbenbolzensicherungen gegen
werden Laufflächen galvanisch verchromt, im Flamm- seitliches Auswandern aus der Nabenbohrung und Anlaufen
spritz-, Plasmaspritz- oder HVOF-Verfahren (High Veloci- gegen die Zylinderwand gesichert. Dazu werden fast aus-
ty Oxygene Fuel) mit Molybdän gefüllt oder ganzflächig schließlich außenspannende Sicherungsringe aus Federstahl
beschichtet, mit metallischen, metallkeramischen und verwendet, die in Nuten am Außenrand der Nabenboh-
Keramik-Mischschichten überspritzt oder mit PVD-Ver- rungen eingesetzt werden. Für Nfz-Dieselmotoren und Groß-
fahren beschichtet. motoren werden hauptsächlich gewickelte Flachdrahtringe
Zur Verbesserung des Einlaufs oder der Verschleißminde- oder gestanzte Sicherungsringe verwendet. Bei Dieselmo-
rung an Flanken und Lauffläche werden Oberflächenbehand- toren wird der im Kolben und im Pleuel „schwimmend“
lungen am ganzen Ring vorgenommen. Hierbei kommen gelagerte Bolzen bevorzugt. Um eine weichere Anpassung
Verfahren, wie Phosphatieren, Nitrieren, Ferrooxidieren, von Bolzen und Nabe zu erreichen, kommen teilweise Form-
Verkupfern, Verzinnen und andere zur Anwendung. bolzen zum Einsatz, bei denen im Bereich der Auflagen der
Bohrungsinnenkanten der Bolzennaben der Bolzenaußen-
8.6.5 Kolbenbolzen durchmesser durch Einstechschleifen geringfügig zurückge-
nommen ist (Bild 8-75 (b)).
Der Kolbenbolzen stellt im Kraftfluss die Verbindung zwi- Insbesondere bei Großkolben wird häufig das Kühlöl von
schen Kolben und Pleuel her. Infolge der oszillierenden Be- der Pleuelstange über den Bolzen zum Kolben geleitet. Die
wegung des Kolbens und der Überlagerung von Gas- und Bolzen sind daher mit Längs- und Querbohrungen und
Massenkräften ist er hohen Belastungen wechselnder Rich- verschlossenen Bohrungsenden versehen (Bild 8-75 (c) und
tung ausgesetzt. Wegen der geringen Drehbewegung an den (d)).
318 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Tabelle 8-10 Verdichtungsringe, Haupttypen

Die mit„Top“ bezeichneten Ringflanken müssen zum Kolbenboden (Brennraum) zeigen.


8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen 319

Tabelle 8-11 Ölabstreifringe, Haupttypen

Die mit„Top“ bezeichneten Ringflanken müssen zum Kolbenboden (Brennraum) zeigen.

Aus der Funktion des Kolbenbolzens ergeben sich fol- Als Bolzenwerkstoffe werden Einsatzstähle (17Cr3,
gende Anforderungen: 16MnCr5) oder für höher belastete Motoren Nitrierstähle
– geringe Masse, (31CrMoV9) nach DIN 73126 verwendet.
– möglichst hohe Steifigkeit, Diese Stähle haben nach der Wärmebehandlung die erfor-
– ausreichende Festigkeit und Zähigkeit, derliche harte, verschleißfeste Oberfläche sowie einen zähen
– hohe Oberflächengüte und Formgenauigkeit. Kern. Kolbenbolzen für Großmotoren werden aus ESU-
Werkstoffen hergestellt. Durch das ESU-Verfahren (Elektro-
In Bild 8-76 ist die Spannungsverteilung an einem Kolben- Schlacke-Umschmelzen) wird ein hoher Reinheitsgrad
bolzen unter Wirkung der Gaskraft schematisch dargestellt. erreicht.
Zur Erhöhung des Verschleißwiderstandes an der Lauffläche Kolbenbolzen werden nach [8-89] näherungsweise auf
und der Festigkeit an der Oberfläche der Bohrung werden Biegespannung, Abplattungsspannung und Gesamtspan-
Bolzen einsatzgehärtet oder nitriert. nung berechnet. Für eine genauere Spannungsermittlung
sind erweiterte Berechnungsansätze entwickelt worden
320 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks

Auf die Kolbenentwicklung haben die genannten motor-


Tabelle 8-12 Dimensionierung von Kolbenbolzen, Richtwerte
seitigen Entwicklungsziele mehrfache Auswirkungen. Die
Anwendung Verhältnis Verhältnis mechanische Belastung der Kolben (maximaler Zylinder-
Bolzen Bolzen druck) steigt ebenso wie die thermische Belastung. Für
‡ außen ‡ innen Kolben aus Al-Si-Legierungen werden daher eine massiver
zu Kolben ‡ zu Bolzen ‡ gestaltete Innenform (Wanddicke, Domform), trapez- oder
außen stufenförmig bearbeitete Augenabstützungen und vergrö-
Diesel- Pkw-Moten 0,30…0,42 0,48…0,52 ßerte Bolzenaußendurchmesser erforderlich. Wegen der
motoren Nfz-Motoren 0,36…0,45 0,40…0,52 Erhöhung der Spannungen am Kolbenboden – je nach Mul-
Mittelmotoren 0,36…0,45 0,45 dengeometrie – werden konstruktive Maßnahmen an der
(160…240 mm Nabenbohrung zur Erhöhung der Nabenfestigkeit sehr
Kolben-‡) abgewogen eingesetzt. Verstärkt kommen eingeschrumpfte
Großmotoren 0,39…0,48 0,30…0,40
Nabenbuchsen (z. B. Messing oder Aluminiumbronzen) zur
(>240 mm
Anwendung (Bild 8-77). Zur Schadstoffreduzierung wird
Kolben-‡)
neben der geometrischen Gestaltung der Direkteinspritzer-
mulde mit Hinterschneidungen die Forderung nach mini-
malem Totvolumen im Bereich des Feuerstegs durch das
[8-90]. Die gesamte Baugruppe Kolben, Kolbenbolzen und Höherlegen der ersten Ringnut erfüllt. Die thermische Belas-
kleines Pleuelauge lässt sich mit Hilfe der dreidimensionalen tung des ersten Ringes und der Ringnut steigt dadurch an.
Finite-Elemente-Methode bezüglich Spannungen und Ver- Die mechanischen Spannungen am Muldenrand erhöhen
formungen berechnen. sich in Bolzenrichtung, was lokale Verstärkung durch Faser-
einlagen erforderlich machen kann. Üblicherweise wird ein
8.6.6 Entwicklungstendenzen Volumenanteil der Fasern von 10 bis 20% gewählt, wodurch
Motorseitig sind die Ziele bei der Weiterentwicklung des die Biegewechselfestigkeit bei den am Muldenrand auftre-
Dieselmotors: tenden Temperaturen um ca. 30% gesteigert werden kann.
– höhere spezifische Leistung, Bei weiter steigenden Belastungen könnten auch im Pkw-
– geringerer spezifischer Kraftstoffverbrauch, Stahlkolben zum Einsatz kommen.
– erhöhte Lebensdauer sowie bedingt durch die Restriktionen
der Abgasgesetzgebung – in besonderem Maße –
– die Reduzierung der Abgasschadstoffe (NOX, Ruß/Partikel, Literatur
CO, HC).
8-1 Lang, O.R.: Triebwerke schnellaufender Verbren-
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Bild 8-75
Kolbenbolzen-Ausführungen.
a Standard-Kolbenbolzen; b Form-
bolzen (schematisch); c Bolzen mit
Ölleitrohr für Kolben mit Ölkühlung;
d Bolzen mit Verschlussdeckeln für
Kolben mit Ölkühlung
8 Literatur 321

Bild 8-76 Spannungsverteilung am Kolbenbolzen (schematisch) Bild 8-77 Kolben für hochbelasteten Dieselmotor mit Nabenbuchsen

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8-76 Röhrle, M.D.: Thermische Ermüdung an Kolbenbö-
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9 Motorkühlung

9.1 Interne Motorkühlung an das Kühlmittel übertragenen Bauteilwärme auch die im


Schmieröl- und Ladeluftkühler abgeführten Wärmen.
9.1.1 Aufgabe der Motorkühlung Eine Nutzung der Verlustenergie für Heizzwecke etc.
(s. Abschn. 14) erfordert eine detaillierte Analyse zum
9.1.1.1 Wärmebilanz und Wärmetransport Enthalpiegehalt der einzelnen Wärmen sowie über Einsatz
und Art des Motors. Auch das externe Kühlsystem,
Ein Dieselmotor setzt die zugeführte Brennstoffenergie je Abschn. 9.2, ist in die Überlegungen einzubeziehen. Die
nach Motorgröße sowie Arbeits- und Verbrennungsverfah- interne Motorkühlung erfasst im Wesentlichen die bei der
ren zu 30 bis 50% in Nutzarbeit um. Der restliche Anteil – ab- Energiewandlung im Brennraum auftretenden Wandwär-
gesehen von Umsetzungsverlusten bei der Verbrennung – meverluste (s. Abschn. 1.3 und 7.2), die über einen Wärme-
wird als Wärme an die Umgebung abgegeben (Bild 9‑1), durchgangsprozess an das Kühlmittel gelangen. Daneben
größtenteils mit dem Abgas und über das Kühlsystem. Nur werden oftmals auch weitere Motorbauteile direkt gekühlt,
ein relativ kleiner Anteil gelangt über die Motoroberfläche z. B. Einspritzdüsen, Abgasturbolader und Abgasleitungen.
durch freie Konvektion und Strahlung an die Umgebung. Die Betrachtet man die Motorkühlung allein vom Standpunkt
über das Kühlsystem abgeführte Wärme umfasst neben der der Energieumsetzung her, so erscheint sie als Energiever-

Bild 9-1
Äußere Wärmebilanz eines neuzeit‑
lichen Nfz‑Dieselmotors
9.1 Interne Motorkühlung    325

schwendung. Es stellt sich die Frage, ob der ungekühlte, von der Höhe der Leistung und der Einsatzart des Motors,
wärmedichte Motor nicht ein lohnenswertes Entwicklungs- von den klimatischen Gegebenheiten und oftmals auch von
ziel darstellt. Zu Beginn der 80er‑Jahre glaubte man vieler- der Einstellung des Käufers ab. Die Erfordernisse des Marktes
orts, mit den neu entwickelten keramischen Werkstoffen und einsatzbedingte Gründe haben in der Vergangenheit
geeignete temperaturfeste und wärme­dämmende Mate­ beim flüssigkeits- und luftgekühlten Motor zu gewissen Ein-
rialien gefunden zu haben und dem wärmedichten Motor, satzschwerpunkten geführt: Schnelllaufende Dieselmotoren
einer der Basisideen Rudolf Diesels, einen Schritt näher kleiner und mittlerer Leistungen, insbesondere für Bauma-
gekommen zu sein. schinen, Landmaschinen und Aggregate sind häufig luftge-
Schon 1970 wurde darauf hingewiesen, dass bei einem kühlt. Im Nutzfahrzeugbereich ist der luftgekühlte Motor
Fortfall der Kühlung die Bauteiltemperaturen des Motors nur noch auf wenige Fabrikate beschränkt; im Pkw‑Bereich
auf etwa 1200 °C, ein für Hubkolbenmotoren auch heute ist er in den vergangenen Jahren durch den flüssigkeitsge-
noch nicht beherrschbares Temperaturniveau, ansteigen kühlten Dieselmotor weitgehend verdrängt worden.
[9‑1], [9‑2]. Hinzu kommt, dass bei diesen Wandtempera- Beim flüssigkeitsgekühlten Motor wird – im Gegensatz
turen die Zylinderfüllung und damit die spezifische Leis­ zum luftgekühlten Motor – die Bauteilwärme nicht direkt,
tung abnehmen, wenn nicht der Füllungsverlust durch sondern auf indirektem Wege an die Umgebung abgeführt.
Aufladung bzw. durch einen erhöhten Ladedruck kompen- Die an den wärmebeaufschlagten Zonen des Zylinderkopfes
siert wird. Experimen­telle Untersuchungen an einem Motor und Zylinders vom Kühlmittel aufgenommene Wärme wird
mit wärmeisoliertem Brennraum ergaben statt der erwar- über einen geschlossenen, separaten Kühlkreislauf zu einem
teten Verbrauchsverbesserung eine spürbare Verschlechte- Kühlmittel/Luft- oder einem Kühlmittel/Wasser-Wärmetau-
rung des Kraftstoffverbrauchs [9‑3]. Als Ursache hierfür scher transportiert und erst dort, wie in Bild 9‑2 schema-
wurde ein starker Anstieg des gasseitigen Wärmeübergangs- tisch dargestellt, an die Umgebung abgegeben. Eine rechne-
koeffizienten im ersten Teil der Verbrennung nachgewiesen, rische Erfassung dieser aus mehreren Wärmeübergangs-
sodass anstatt weniger nun mehr Wärme in das Kühlmittel und Wärmeleitvorgängen bestehenden Wärmetransport­vor­
gelangt (s. Abschn. 7.2). Schließlich haben Realprozessrech- ganges in seiner Gesamtheit ist sehr aufwendig. Der Moto-
nungen gezeigt [9‑4], dass zu den Grundvoraussetzungen renkonstrukteur beschränkt sich i. d. R. auf den Wärme-
für eine niedrige Stickoxidemission eine wirkungsvolle transport vom Arbeitsgas an das Kühlmittel, was vereinfacht
Motorkühlung gehört, die einen Anstieg der Bauteiltempe- einem Wärmedurchgang durch eine ebene Wand entspricht.
raturen über das heute übliche Niveau vermeidet. Der Wärmeübergang vom Arbeitsgas an die umgebenden
Somit ist es eine unverzichtbare Aufgabe der Motorküh- Brennraumwände wurde bereits im Abschn. 7.2 beschrie-
lung, die Temperaturen der den Brennraum bildenden ben.
Bauteile (Kolben, Zylinderkopf, Laufbuchse) soweit zu sen- Das Kühlmittel des flüssigkeitsgekühlten Motors ist
ken, dass ihre Festigkeit gewahrt bleibt. Um Reibungsver- i. Allg. Wasser oder ein Wasser-Äthylenglykol-Gemisch mit
schleiß zwischen der Paarung Laufbuchse-Kolben zu ver- Korrosions- und Kavitationsschutz­additiven. Durch die
meiden, ist ein ausreichendes Laufspiel durch eine begrenzte Zugabe von Äthylenglykol kann der Gefrierpunkt des Kühl-
Wärmedehnung des Kolbens sicher zu stellen. Dazu gehört, mittels bis auf –50 °C herabgesetzt werden. Wasser ohne
dass das Schmieröl die erforderliche Viskosität aufweist und Zusatz von Äthylenglykol wird zwar in seiner Kühlwirkung
nicht thermisch überlastet wird. Bei den thermisch hoch von keinem anderen Kühlmittel übertroffen, doch beschränkt
belasteten Auslassventilen setzt die Hochtemperaturkorro­ sich die reine Wasserkühlung nur auf mittelschnell- und
sion eine zusätzliche Temperaturgrenze (s. Abschn. 4.3). langsamlaufende Schiffsdieselmotoren und wenige Aggregat­
Daneben dient die Motorkühlung auch motoren, bei denen entweder unter Zuhilfenahme von
– der Verbesserung der Leistung durch bessere Füllung, Fremdenergie oder bedingt durch den Installationsort des
– der Verringerung des Kraftstoffverbrauches und der Motors ein Gefrieren des Kühlwassers nicht möglich ist.
Abgasschadstoffemission, (Der Einfachheit halber wird von nun an bei mit Wasser/
– der Verbesserung des ATL-Verdichterwirkungsgrades und Äthylenglykol gekühlten Motoren ebenfalls von Wasserküh-
schließlich lung gesprochen.)
– der Gewährleistung der Sicherheit für Maschine und Einen Sonderfall der Flüssigkeitskühlung stellt die Ölküh­
Bedienpersonal. lung dar, die bei einigen schnelllaufenden Motoren kleiner
Leistung eingesetzt wird (nicht gemeint ist die Verwendung
Bei der Kühlung des Motors wird grundsätzlich zwischen der des Schmieröls zur Kolbenkühlung, s. Abschn. 8.6). Beim
Flüssigkeitskühlung und der Luftkühlung unterschieden. Wel- ölgekühlten Motor werden die Zylinderköpfe und Zylinder
cher Kühlungsart jeweils der Vorzug gegeben wird, hängt mit dem Schmieröl des Motors gekühlt, sodass nur zwei
326    9 Motorkühlung

Bild 9-2
Temperaturverlauf und Wärmeströme
in Motor und Kühlsystem

Betriebsmittel (Schmieröl, Kraftstoff) benötigt werden und auch möglich, Anhaltswerte über die Größe des kühlmittel-
auf ein zusätzliches Kühlmittel verzichtet werden kann. seitigen Wärmeübergangs­koeffizienten zu erhalten.
Wegen der für Kühlzwecke ungünstigeren Stoffeigenschaften Mit diesen Werten und unter Zuhilfenahme der Realpro-
des Schmieröls ist die darstellbare Kühlleistung jedoch zessrechnung können auf Basis der Strukturmodelle des
begrenzt (s. Abschn. 9.1.3). Zylinderkopfes und des Zylinderkurbelgehäuses die Tempe-
raturverteilungen an den Bauteilinnenseiten vorausberech-
9.1.1.2 Rechnerische Analyse des Wärmetransports net werden. Die in Bild 9‑4 gezeigte Temperaturverteilung
im Zylinderkopfboden eines ölgekühlten Motors stellt das
Bei der Analyse des Kühlwassertransports in den wärmebe- Ergebnis einer solchen Rechnung dar.
aufschlagten Bauteilen des Motors kann neben den Modell-
versuchen und experimentellen Untersuchungen m Prototyp 9.1.2 Wasserkühlung
heute auf eine Vielfalt von CAE‑Techniken zurückgegriffen
werden. Die zur Verfügung stehenden Programme auf Basis 9.1.2.1 Wärmeübergang bei Wasserkühlung
der Methode Finiter Elemente sind bei der filigranen Geome-
trie der Motorbauteile und ihrer Kühlräume, wie die Motor- Voraussetzung für eine wirkungsvolle Bauteilkühlung ist eine
darstellungen im Abschn. 17.1 erkennen lassen, für Strö­ ausreichende Kühlmittelbeaufschlagung der Zylinderköpfe
mungs­modell­rechnungen und für die Berechnung von Tem- und Laufbuchsen. In den Kühlräumen müssen Totwasserzo-
peraturfeldern und Wärmeströmun­gen geradezu optimal nen vermieden werden. Dampfblasen, die an thermisch hoch
geeignet. Mit ihnen können Auswirkungen von sich än- belasteten Bauteilpartien entstehen, müssen von dem
dernden Randbedingungen, wie Geometrieänderungen oder Kühlmittel­strom fortgespült werden. Die den Wärmeüber-
Parameter­variationen, schon im Konstruktionsstadium rela- gang vom Bauteil an das Kühlmittel beschreibenden Größen
tiv zeit- und kostensparend untersucht werden. sind aus Bild 9‑2 entnehmbar: Unter der Annahme, dass die
Derartigen Berechnungen geht die Generierung eines von der Bauteilwand an das Kühlmittel übertragene Wärme
FEM-Netzes voraus, wie im Bild 9‑3 für den Kühlwasser- der vom Kühlsystem aufgenommenen entspricht, gilt für die
raum eines Motorblocks wiedergegeben. Damit können Wärmestromdichten mit dem Wärmeübergangskoeffizienten
dann an Hand einer Strömungsmodellrechnung beispielswei- und der Wandtemperatur auf der Kühlmittelseite
se die Geschwindigkeits- und Druckverteilungen im gesam-
qWK = qK = aK (TWK – TK).
ten Kühlmittelraum des Motors analysiert, vorhandene
Totwasserbereiche lokalisiert und der Kühlmittel­durchfluss Die Kühlmitteltemperatur und die lokalen Wandtempera-
im Ventilstegbereich optimiert werden. Ferner ist es heute turen können relativ einfach gemessen werden. Wesentlich
9.1 Interne Motorkühlung 327

Bild 9-3
FEM-Netz für den Kühlmittelraum
eines Pkw-Dieselmotors (VH=1,9 l;
VW)

schwieriger gestaltet sich die Bestimmung des Wärmeüber- Laufbuchsen gegenüber den meist vorausgesetzten glatten
gangskoeffizienten für den kühlmittelseitigen Wärmeüber- Rohren zu berücksichtigen. So wird man sich oft mit den in
gang. Er ist außer von der Strömungsgeschwindigkeit des Tabelle 9-1 bzw. in der Literatur [9-5] angegebenen Erfah-
Kühlwassers, dessen Dichte, spezifischen Wärmekapazität, rungswerten für die Wärmeübergangskoeffizienten (WÜK)
Wärmeleitfähigkeit und Zusammensetzung auch von der DK begnügen müssen.
Wärmebelastung und der Ausformung des Bauteils sowie Bei kleineren (Pkw)-Dieselmotoren, Abschn. 17.1, kann
von den Strömungsverhältnissen am Bauteil abhängig. Au- entsprechend dem Aufbau von Motorblock und Zylinderan-
ßerdem wird lokal der Wärmeübergang mitunter durch Bla- ordnung (Bild 9-6) der Wärmeübergang an das Kühlmittel
sensieden und Schwingungskavitation stark beeinflusst, so- durch einen Ansatz für „querangeströmte, fluchtende Rohr-
dass insgesamt an einem Motor örtlich sehr unterschiedliche bündel“ beschrieben werden [9-10]. Das ergab ein Mes-
Wärmeübergangsverhältnisse bestehen können. Den aus der sungs-Rechnungs-Vergleich an Motoren und Modellen für
Ähnlichkeitstheorie mit ihren Kenngrößen hergeleiteten Ge- Wasser und Öl als Kühlmittel. Dazu ist ausgehend von der
setzmäßigkeiten der Wärmeübertragung [9-6], [9-7] bzw. die Kühlmittelgeschwindigkeit c0 im leeren Kanalquerschnitt
daraus entwickelten Beziehungen gelten meist für einfache und dem Hohlraumanteil \ des Strömungskanals die
geometrische Körper und definierte Strömungszustände. Sie Geschwindigkeit c\ unter Verwendung der im Bild 9-6
sind daher nur bedingt auf Motoren zu übertragen [9-8], angegebenen Größen wie folgt zu ermitteln:
[9-9].
c\ = c0 /\ = c0 /[1 – S D'/(4H)] .
Laufbuchse. Im Kühlwasserraum von Laufbuchsen größerer Mit a = S1/D’ und b = S2/D’ bestimmt sich der Anordnungs-
Motoren (Bild 9-5), herrscht überwiegend eine Vertikalströ- faktor fA zu
mung mit geringen Strömungsgeschwindigkeiten von weit
unter 1 m/s, wobei unter 0,5 m/s der Einfluss der freien Kon-
vektion gegenüber der erzwungenen überwiegt. Mit stei- Mit dem äußeren Durchmesser D' des umströmten Zylin-
gendem Temperaturgefälle TWK – TK und Abnahme der ders bzw. der charakteristischen „Überströmlänge“ L = S ·
umspülten Länge L geht die freie laminare Konvektion in D'/2 folgt für die auf c\ bezogene Reynolds-Zahl
eine freie turbulente über und der Wärmeübergang nimmt
zu. Außerdem ist auch die Rauhigkeit an der Außenseite der
328 9 Motorkühlung

Bild 9-4 Temperaturverteilung im Zylinderkopfboden (oben) und in der Zylinderkopfbodenplatte (unten) eines ölgekühlten Deutz-Dieselmotors, Typ BF4M 2011, Kühl-
ölführung s. Bild 9-10
9.1 Interne Motorkühlung 329

Damit kann bei bekannter Prandtl-Zahl Pr die unabhängige


Nußelt-Zahl Nu* bestimmt werden (Bild 9-7)

,
bzw. bei bekanntem Rohrreihenbeiwert
fR = [1 + (z – 1) fA]/z ,
der die Anzahl z der umströmten Zylinderrohre berücksich-
tigt, die Nußelt-Zahl Nu = DKL/O und damit der mittlere Wär-
meübergangskoeffizient DK für den Wärmeübergang an den
umspülten Zylinderrohren (Stoffwerte s. Tabelle 9-2).
Bei hochbelasteten wassergekühlten Motoren kann an der
Zylinderlaufbuchse durch hohe Beschleunigungen infolge
Anlagewechsel des Kolbens Kavitation auftreten [9-12].
Dadurch wird lokal der Wärmeübergangskoeffizient bis auf
das 10fache erhöht und die durch den Kavitationsangriff
hervorgerufene Materialzerstörung beschleunigt (s. Ab-
schn. 7.1).

Zylinderkopf . Auch bei den meisten Zylinderköpfen versagt


wegen ihrer komplizierten Gestaltung jeder gesetzmäßige
Ansatz für den WÜK, z. B. die Beziehungen für „längs ange-
strömte Platten“ für den Zylinderkopfboden, zumal es kaum
zur Ausbildung einer geordneten Strömung kommt. Hinzu
kommt, dass wegen der auch hier nur geringen Strömungs-
Bild 9-5 Strömungsverhältnisse an der nassen Laufbuchse eines wasserge- geschwindigkeiten und hoher thermischen Belastung der
kühlten, größeren Motors Wärmeübergang weitgehend durch eine intensive Blasenver-
dampfung bestimmt wird [9-9] mit örtlichen Wärmeüber-

Bild 9-6
Strömungsverhältnisse und Schema
der Zylinderanordnung bei Fahrzeug-
motoren
330 9 Motorkühlung

Tabelle 9-1 Anhaltswerte für kühlmittelseitige Wärmeübergangskoeffizienten

Art der Wärmeübertragung aK in W/(m2 · K)


Wasser Wasser/Ethylenglykol 50%/50% Öl
freie Konvektion 400… 2000 300…1500
erzwungene Konvektion 1000… 4000 750…3000 300…1000
Blasensieden 2000…10000 1500…7500

Bild 9-7
Nußelt-Zahl als Funkion von Rey-
nolds-Zahl und Prandtl-Zahl für den
kühlmittelseitigen Wärmeübergang
an integrierten Laufbuchsen in Fahr-
zeugmotoren
9.1 Interne Motorkühlung 331

gangskoeffizienten DK bis zu 20 000 W/m2 K (s. Tabelle 9-1 keinem Lastpunkt des Motors überschritten werden. Ein
bzw. Abschn. 9.1.2.3). bauteiltemperaturgeregeltes Kühlkonzept ist in [9-14] be-
Übersichtliche Strömungsverhältnisse bestehen demnach schrieben worden. Da bei 150 °C der Dampfdruck von Was-
nur für bohrungsgekühlte Motorbauteile (Bild 9-8), wo eine ser bei knapp 5 bar liegt, kann bei Motoren mit Heißkühlung
turbulente Rohrströmung mit relativ großen, durch die kein herkömmliches Kühlmittel verwendet werden, sofern
Zwangsströmung in engen Rohren bedingten Strömungsge- man nicht das gesamte Kühlsystem unter einen hohen, dem
schwindigkeiten existiert. Durch Variation von Teilung und Siededruck entsprechenden Druck setzen will. Erfahrungs-
Durchmesser der Bohrungen sowie deren Abstand zur gemäß ist die dazu notwendige hermetische Dichtheit nicht
Oberfläche und des Kühlmitteldurchsatzes kann nahezu erreichbar, sodass sich der Motor, bedingt durch kleinste Le-
jede gewünschte Oberflächentemperatur erreicht werden, ckagen, „einnebelt“.
sodass die für die mechanische Beanspruchung maßge- Bei den in der Vergangenheit mit Heißkühlung betrie-
benden Hauptwanddicken frei gewählt werden können benen Flugmotoren wurde als Kühlmittel reines Äthylengly-
[9-13]. Die Bohrungskühlung greift somit das Konstrukti- kol eingesetzt. Die Verwendung reinen Äthylenglykols redu-
onsprinzip einer getrennten Aufnahme von thermischer ziert jedoch den Wärmeübergangskoeffizienten auf ein
und mechanischer Belastung auf (s. Abschn. 7.1). Fünftel von dem reinen Wassers. Der Vorteil der Heißküh-
lung liegt in einer spürbaren Absenkung des Kraftstoffver-
9.1.2.2 Heißkühlung brauchs im unteren Teillastgebiet des Motors. Ursache
hierfür ist die vergleichsweise höhere Schmieröltemperatur
Wie der Name bereits andeutet, unterscheidet sich die Heiß- und eine dadurch niedrigere Ölviskosität, wodurch die
kühlung vom konventionellen Kühlverfahren durch ein hydrodynamischen Reibungsverluste des Motors reduziert
deutlich höheres Temperaturniveau des Kühlmittels. Bei der werden [9-15]. Trotz der beschriebenen Verbrauchsvorteile
Heißkühlung werden im Teillastbereich auf der Kühlmit- und intensiver Forschungstätigkeiten, vor allem in den
telaustrittseite des Motors Temperaturen bis zu 150 °C ange- 1970er-Jahren, hat die Heißkühlung bei den schnelllau-
strebt, was naturgemäß einen entsprechenden Anstieg der fenden Fahrzeug- und Industriemotoren bis heute keine
Bauteiltemperaturen zur Folge hat. Durch eine geeignete Re- Verbreitung gefunden. Der Grund hierfür ist das Fehlen
gelung der Kühlmitteltemperatur muss jedoch sichergestellt eines geeigneten Kühlmediums, das die vielfältigen, an ein
werden, dass die maximal zulässigen Bauteiltemperaturen in Kühlmittel gestellten Anforderungen erfüllt. Einen bedeu-
tenden Schritt in Richtung Heißkühlung enthält die in
Abschn. 9.1.3 beschriebene Ölkühlung, bei der die Kühlmit-
teltemperatur am Motoraustritt maximal 130 °C beträgt.

9.1.2.3 Verdampfungskühlung

Grundlagen

Die Verdampfungskühlung beruht auf dem physikalischen


Prinzip der Kühlung durch latente Wärme und der damit
verbundenen immanenten Temperaturregelung. An den zu
kühlenden Bauteilen wird dabei die Kühlflüssigkeit bis auf
Siedetemperatur erhitzt, so dass durch Blasensieden Wärme
an das Kühlmittel übertragen wird, ohne dass eine Zwangs-
durchströmung der Kühlräume des Motors erfolgen muss:
Bei hoher thermischen Belastung des Bauteiles steigen an der
kühlseitigen Oberfläche die Temperaturen, so dass in der
wandnahen Grenzschicht ein überhitzter Zustand erreicht
wird, obwohl die mittlere Temperatur der Kühlflüssigkeit un-
terhalb ihrer Sättigungstemperatur liegt. Die dadurch entste-
henden Dampfblasen werden vom Kühlmittelstrom mitge-
Bild 9-8 Bohrungskühlung bei einem Zylinderkopf eines Zweitakt-Großdie- rissen, so dass es in Wandnähe zu Implosionen kommt und
selmotors (MAN B&W) nach [9-9] somit infolge der weiterhin erfolgenden Dampfblasenbil-
dung zu einer intensiven Pulsationsströmung. Diese nimmt
332 9 Motorkühlung

mit zunehmender Wärmebelastung zu, damit auch der turen, die auch bei Volllast bei hohen Kolbenflächenleis-
Wärmeübergangskoeffizient WÜK. Eine in [9-10], [9-11] tungen im normalen Bereich bleiben. Bei dem in Bild 9-9
mitgeteilte und experimentell bestätigte Beziehung für den dargestellte Schema eines Verdampfungssystems mit ge-
WÜK berücksichtigt das gleichzeitige Auftreten von Blasen- schlossenem Kreislauf wird das verdampfte Kühlmittel ver-
sieden und Konvektion. flüssigt. Es zirkuliert mit Hilfe einer elektrisch angetriebenen
Blasensieden tritt mehr oder weniger stark an allen ther- Kühlmittelpumpe ständig durch die Motorkühlräume, bei
misch hochbelasteten Bauteilen auf, auch im oberen Bereich kaltem Motor über die Kurzschlussleitung und bei warmem
von Laufbuchsen. Der damit verbundene starke Anstieg des Motor über den Wärmetauscher, wobei das Kühlmittel so-
WÜK bedeutet für den Motor gewissermaßen einen ther- wohl in flüssiger als auch in dampfförmiger Phase vorliegt.
mischen Selbstschutz, da die Wandtemperatur auf der Kühl- Der Fluid-/Dampf-Abscheider sorgt dafür, dass vorwiegend
mittelseite wegen des erhöhten Wärmeübergangs nur um Dampf zum Wärmetauscher geführt wird. Aufgrund der ho-
etwa 10 bis 20 K zunimmt. Bei lokal auftretendem Blasen- hen Verdampfungswärme des auf Wasser basierenden Kühl-
sieden kann dennoch der größere Temperaturgradient im mittels beträgt dessen Volumenstrom nur etwa 1 bis 3% des
Bauteil zu stärkeren Verformungen und Spannungen füh- Wertes bei Zwangsumlaufkühlung, sodass relativ kleine
ren, insbesondere bei Wechsellastbetrieb. Pumpen mit stark verringerter Antriebsleistung zugunsten
eines geringeren Kraftstoffverbrauchs eingesetzt werden
Verdampfungskühlung mit geschlossenem System können.
Zur Vermeidung von Kavitation am Pumpeneintritt muss
Zu den Vorteilen dieser Kühlungsart gehört, dass im Ver- das angesaugte Kühlmittel durch entsprechende Bemessung
gleich zur Zwangsumlaufkühlung die Temperaturverteilung des Fahrzeugwärmetauschers und des Kühlmittelstromes
im Bauteil wesentlich gleichmäßiger ist bei nur geringen ausreichend unterkühlt werden. Die Dampfströmung in den
lastabhängigen Temperaturschwankungen im Kühlmittel. Wärmetauscher entsteht durch das Partialdruckgefälle
Da die Siedetemperatur des Kühlmittels vom Dampfdruck gegenüber den Motorkühlräumen.
und damit vom Systemdruck abhängt, kann durch eine pro- Für ein gebräuchliches Äthylenglykol-Wasser-Gemisch
grammierte Druckregelung das Temperaturniveau der Bau- mit einem Volumenanteil von 50/50% ergeben sich im ther-
teile bei unterschiedlichen Motorbelastungen annähernd mischen Gleichgewicht systemabhängige Siedetemperaturen
konstant gehalten werden. Damit erreicht man, wie mit der von 105 bis 120 °C bei einem Überdruck im System von 100
Heißkühlung, Abschn. 9.1.2.2, im Teillastbetrieb niedrigere bis 300 mbar, also deutlich niedriger als bei der in Pkws
Kraftstoffverbräuche infolge der höheren Bauteiltempera- üblichen Flüssigkeitsumlaufkühlung. Damit verringern sich

Bild 9-9
Schema einer Verdampfungskühlung
(VW)
9.1 Interne Motorkühlung    333

die Anforderungen an die Druckfestigkeit der Bauteile. Die etwas erhöht wird. Der ölgekühlte Motor kommt dem „heiß-
erreichbaren Verbrauchssenkungen betragen bei Ottomo- gekühlten“ Motor mit seinem im unteren Teillastgebiet ge-
toren bis zu 5%, bei Dieselmotoren wegen der nicht wirk- ringeren spezifischen Kraftstoffverbrauch schon recht nahe.
samen thermischen Entdrosselung nur bis zu 3% [9‑16], 130 °C heißes Öl hat gegenüber Wasser von 95 °C eine
[9‑17]. etwa 15% kleinere Dichte, eine nur ungefähr halb so große
Problematisch ist, dass das übliche additivierte Äthylen- spezifische Wärmekapazität, eine nur etwa ein Fünftel so
glykol‑Wasser‑Gemisch nicht azeotrop ist, d. h. im Kühl- hohe Wärmeleitfähigkeit und eine um 10- bis 30fach größe-
raum des Motors destilliert der niedrig siedende Wasseran- re dynamische Viskosität. Wegen der größeren Viskosität
teil und bedingt somit eine Konzentrationserhöhung des des Kühlmittels muss beim ölgekühlten Motor der Quer-
Glykols. Daraus folgt ein stetiger Anstieg der Siedetempera- schnittsbemessung der Kühlräume und der Kühlölboh-
tur und zum Ausgleich eine ständige Zufuhr von unterkühl­ rungen ein besonderes Augenmerk gewidmet werden.
ter Kühl­flüssigkeit. Im Wärmetauscher kommt es dagegen Der Wärmeübergangskoeffizient erreicht bei der Ölküh-
zur Verminderung des Glykolanteils und damit zur Beein- lung nur 25 bis 30% des Wertes von wassergekühlten
trächtigung des Frostschutzes. Geeignete Alternativen für Motoren (s. Tabelle 9‑1). Der Exponent der Geschwindig-
die Kühlflüssigkeit wurden bisher nicht gefunden. keit in der Korrelation αK ~ cn beträgt im Mittel 0,3. Auf-
Berücksichtigt man dazu die z. T. noch ungelösten Prob­ grund der moderaten Wärmeübergangskoeffizienten auf
leme bei der Gestaltung der Kühlräume, zur Frage des der Kühlmittelseite kann mit dem ölgekühlten Motor natur-
zusätzlichen Raumbedarfs für Wasserabscheider, Ausdeh­ gemäß nicht die gleiche spezifische Leistung wie mit einem
nungsgefäß, größere Rohrquerschnitte etc., so erklärt sich, wassergekühlten Motor erreicht werden. Die maximale spe-
dass trotz der Vortei­le ein Motor moderner Konzeption mit zifische Leistung des aufgeladenen, ölgekühlten Motors liegt
Verdampfungskühlung bislang nicht bis zur Serienreife ent- bei 21 kW/Liter. Der weniger intensive Wärmeübergang
wickelt werden konnte, zumal im Hinblick auf den tech- und die höheren Kühlmitteltemperaturen haben jedoch den
nischen Gesamtaufwand im Vergleich zur herkömmlichen Vorteil geringer Temperaturgradienten im Bauteil und einer
Kühlung keine Kostenvorteile bestehen. damit deutlich niedrigeren Materialbeanspruchung. Die
Ölkühlung ist im Vergleich zur Wasserkühlung eine „wei­
Verdampfungskühlung mit offenem System che“ Kühlung.
In [9‑19] wird die neue Baureihe 2011 von ölgekühlten
In früheren Zeiten auch in Europa bei kleinen, robusten Ein- Dieselmotoren als Weiterentwicklung der Baureihe 1011
zylinder-Diesel­motoren geringer Leistung angewendet, fin- [9‑18] vorgestellt (s. auch Abschn. 18.2). Die vornehmlich
det man dieses Kühlsystem in millionenfacher Ausführung für Kleintraktoren, Baumaschinen und Aggregate konzi-
als Einzylinder-Dieselmotoren in liegender Bauart, z. B. in pierten Motoren mit Direkteinspritzung und einer Leistung
China, zur Motorisierung von sog. walking tractors, die u. a. bis zu 65 kW bei einer Nenndrehzahl von 2800 U/min
in der Landwirtschaft oder in der Bauindustrie die Menschen zeichnen sich durch ein ölgekühltes Zylinder­kurbelgehäuse
von schwerer körperlicher Arbeit entlasten. Das verdampfte in „Open-Deck-Ausführung“ mit eingegossenen Laufbuch-
Kühlwasser kann durch einfaches Rohwasser ersetzt wer- sen und einem gleichfalls ölgekühlten Zylinderkopf mit
den. Bohrungs­kühlung in Block­bauweise aus. Die Öldurchströ-
mung der Zylinderreihe erfolgt in Motorlängs­richtung. Das
9.1.3 Ölkühlung gesamte von der Ölpumpe geförderte Kühlmittel umströmt
zuerst die Zylinderwände (Bild 9‑10).Um eine ausreichende
Kühlung mit Öl verändert sowohl die thermische Beanspru- Durchströmung auch der Zylinderzwischenwände zu
chung der Bauteile als auch das Betriebsverhalten des Mo- gewährleisten, wurden die Strömungsquerschnitte im Kur-
tors. Öl gefriert nicht und siedet nicht in dem relevanten belgehäuse von Zylinder zu Zylinder variiert. Der Zylinder-
Temperaturbereich von –50 °C bis 150 °C. Beim ölgekühlten kopfboden hat eine zum Zylinderkurbelgehäuse spiegelbild-
Motor (Bild 9‑10) treten Probleme der Korrosion und der liche Kühlraumgeometrie und wird vom Kühlöl in entge-
Kavitation nicht auf. Die Betriebstemperatur des Kühlöls gengesetzter Richtung durchströmt, s. Bild 9-4.
liegt mit 100–130 °C deutlich über den üblicherweise auftre- Die Kühlräume von Kurbelgehäuse und Zylinderkopf
tenden Kühlwassertemperaturen. Dies hat ein entsprechend werden durch die Zylinder­kopfdichtung getrennt. Durch
höheres Bauteiltemperaturniveau zu Folge, was wiederum darin befindliche Bohrungen strömt das Kühlöl vom Kur-
dazu führt, dass im Vergleich zum herkömmlichen wasserge- belgehäuse in den Ringkanal des Zylinderkopfes. Schräg
kühlten Motor die vom Kühlmittel abgeführte Bauteilwärme nach oben führende und miteinander verbundene Boh-
leicht verringert wird und der Wärmeinhalt des Abgasstroms rungen sorgen für einen dosierten Ölabfluss jeder Zylinder-
334 9 Motorkühlung

Bild 9-10
Schema der Schmier- und Kühlölfüh-
rung eines ölgekühlten Deutz-Diesel-
motors, Typ BF-4M [9-18]

einheit. Zwei V-förmig im Zylinderkopf angeordnete Boh- Verbrennungsmotor selbst. Bereits 1871 stellte der Franzose
rungen über dem letzten Zylinder auf der Gebläseseite ver- DE BISSCHOP einen luftgekühlten Verbrennungsmotor vor.
binden den Ringkanal im Zylinderkopfboden mit der Rück- Der nach dem atmosphärischen Prinzip von LENOIR arbei-
laufgalerie. Dadurch wird der Strömungswiderstand im tende Einzylinder-Gasmotor [9-20] besaß am Arbeitszylin-
Zylinderkopf insgesamt reduziert, die Durchflussmenge der angegossene Längsrippen, die die Kühlwärme durch freie
erhöht und die Kühlung des Zylinderkopfes durch die Konvektion an die Umgebung abführten.
gleichmäßige Verteilung der Kühlflüssigkeit verbessert. Die Der nach BLERIOTS Flug 1909 über den Ärmelkanal
mit ölgekühlten Motoren gewonnenen Erfahrungen haben einsetzende stürmische Aufbau einer Luftfahrtindustrie
gezeigt, dass weder Ablagerungen in den Kühlräumen noch erfasste auch die Entwicklung des luftgekühlten Flugmotors
eine Verschlechterung der Viskositätseigenschaften und und ist durch folgende Marksteine gekennzeichnet: Ent-
erhöhte Öloxidation auftreten. wicklung von Aluminiumlegierungen (1915), Einführung
von Leichtmetall-Zylinderköpfen (1920), Erforschung der
9.1.4 Luftkühlung physikalischen Zusammenhänge bei der Wärmeabfuhr über
Kühlrippen [9-21], deren optimalen Gestaltung [9-22],
9.1.4.1 Historischer Rückblick [9-23] sowie des Einflusses der Kühlluftführung.
Neben den Flug-Ottomotoren, die um 1944 Kolbenflä-
Die Idee der Luftkühlung – die Bauteilwärme des Motors di- chenleistungen von ca. 0,5 kW/cm2 erreichten, sahen sich
rekt an die Umge-bungsluft abzuführen – ist so alt, wie der viele Firmen in den 1930er Jahren weltweit veranlasst an der
9.1 Interne Motorkühlung    335

Entwicklung von Flugdiesel­motoren zu arbeiten, um der 9.1.4.2 Wärmeübertragung vom Bauteil an die Kühlluft
Gefahr höhenbedingter Zündaussetzer zu begegnen und
höhere Wirkungsgrade zu erreichen. Von insgesamt 25 Pro- Wärmeübergang und Kühlflächengestaltung
jekten waren 12 Motoren luftgekühlt, jedoch nur der was-
sergekühlte Gegenkolbenmotor Jumo 205 von JUNKERS Wärmeübergangskoeffizient α, Temperaturgefälle ∆TK und
erreichte größere Stückzahlen. Etwa zeitgleich kamen luftge- wärmeübertragende Fläche A bestimmen die übertragbare
kühlte Fahrzeugdieselmotoren auf dem Markt: 1927 stellte Wärme (s. Abschn. 9.1.2). Der Wärmeübergangskoeffizient
Austro-Daimler den ersten schnelllaufenden Dieselmotor (WÜK) hängt von der Strömungsgeschwindigkeit c und den
vor, einen Vierzylinder-Reihenmotor mit einer Leistung von Stoffeigenschaften (Wärmeleitzahl λ, kinematische Viskosi­
15 PS. tät ν, Temperaturleitzahl a) ab. Schon die Gegenüberstellung
Das unter extremen klimatischen Bedingungen relativ der Stoffwerte in Tabelle 9‑2 weist auf die unterschiedlichen
große störanfällige System wassergekühlter Motoren führte Wärmeübergangsverhältnisse bei Luft- und Flüssigkeitsküh-
während des 2. Weltkrieges zu Entwicklungsaufträgen für lung hin.
luftgekühlte Nfz- bzw. Panzer-Dieselmotoren an die Indus- Der Wärmeübergang in einem turbulent durchströmten
trie. Aufbauend auf den dabei gewonnenen Ergebnissen Rohr der lichten Weite D kann mit Hilfe der Ähnlichkeits-
wurden seit den 1950er Jahren luftgekühlte Dieselmotoren theorie und ihrer Kenngrößen Nußelt-Zahl Nu = a · D/l,
ent­wickelt und in Nutzfahrzeugen, Land- und Baumaschi- Reynolds-Zahl Re = c · D/v und Prandtl-Zahl Pr = v/a durch
nen eingesetzt [9‑24] bis [9‑26]. Einige wenige Motoren­ folgende Potenzgleichung beschrieben werden (104 < Re <
firmen boten seinerzeit bewusst nur luftgekühlte Dieselmo- 105):
toren an: Die Firma Klöckner-Humboldt-Deutz (heute
Nu = 0,024 · Re4/5 · Pr1/3.
Deutz AG) war dabei seit den 1950er Jahren weltweiter
Marktführer. Luftgekühlte Dieselmotoren waren um 1980 in Für gleiche Rohrdurchmesser und Strömungsgeschwindig-
80% der Baumaschinen deutscher Produktion zu finden. keiten folgt für das Verhältnis der Wärmeübergangskoeffi­
Der mit dem Trend zu höherer Leistungsdichte stei- zienten für Luft und Wasser (Index „Lu“ bzw. „Wa“):
genden thermischen Bauteil­belastung konnte zunächst
durch den Übergang zur direkten Einspritzung und durch ,
die Verwendung von Aluminium­legierungen höherer bzw. nach Einsetzen der Stoffwerte (Tabelle 9‑2),
Warmfestigkeit begegnet werden. Doch seit Mitte der 80er
.
Jahre sind die Produktionszahlen bei luftgekühlten Diesel-
motoren rückläufig. Kleine Industrie-Dieselmotoren mit Der Wärmeübergangskoeffizient bei Wasserkühlung ist also
einer Leistung bis etwa 15 kW sind wegen der Kostenvor- unter gleichen Bedingungen etwa 900‑mal größer als bei
teile durch das integrierte Kühlsystem nach wie vor fast nur Luftkühlung. Die gegenüber Wasser deutlich kleinere Dichte
luftgekühlt, für Baumaschinen und Aggregate werden bis zu erlaubt aber wesentlich größere Luftgeschwindigkeiten und
einer Leistung von ca. 100 kW auch heute noch luftgekühlte damit eine 8- bis 10fache Steigerung des Wärmeübergangs.
Dieselmotoren bevorzugt. In dem darüber liegenden Leis­ Trotz der dadurch möglichen Verbesserung entsprechend
tungsbereich bis ca. 400 kW existieren beide Kühlungsarten einem Verhältnis von
nebeneinander [9‑27], [9‑28].

kann die gleiche Kühlleistung wie bei der Wasserkühlung nur


durch größere Temperaturgefälle zwischen Bauteil und

Tabelle 9-2 Stoffwerte von Luft und Wasser

Luft bei 60 °C Wasser bei 95°C Verhältnis Luft zu Wasser


Dichte r kg/m3 1,045 961,70 1: 920
spezif. Wärmekapazität cp kJ/(kg · K) 1,009 4,21 1: 4,2
Wärmeleitfähigkeit λ W/(m · K) 28,94 · 10-3 675,30 · 10–3 1: 23
kinematische Viskosität ν m2/s 18,90 · 10-6 0,31 · 10-6 61 : 1
Temperaturleitfähigkeit a m2/s 27,40 · 10-6 0,17 · 10-6 161 : 1
336    9 Motorkühlung

Kühlmittel sowie durch das Verrippen der Bauteile und da- leitfähigkeit, übertragen würde. Wie aus Bild 9‑11 hervor-
mit vergrößerte Oberflächen abgeführt werden. Bei gleicher geht, nimmt mit größer werdendem Wärmeübergangskoef-
Kühlleistung und einem Verhältnis der Temperaturdiffe- fizienten die zur Wärmeüber­tragung notwendige Rippen-
renzen von erfahrungsgemäß höhe und damit die Bedeutung der Verrippung schnell ab.
Kühlraumwände von wassergekühlten Motoren bleiben des-
halb unverrippt. Für den Grenzfall, dass Rippenhöhe und
muss die wärmeabgebende Oberfläche an der Kühlseite auf Rippendicke gegen null gehen, vereinfacht sich die Gleichung
für die Wärmestromdichte zu der für die ebene glatte Wand
geltenden Form qK = aK (TWK – TK).
vergrößert werden. Voraussetzung für eine hinreichend genaue Bestimmung
Für gerade Rippen mit einem Rechteckquerschnitt, einer des Kühlwärmestroms ist, dass außer der lokalen Bauteil-
Rippenhöhe h, einer Rippenbreite b und Lückenweite s temperatur die Größe des Wärmeübergangskoeffizienten
sowie einer Wärmeleitzahl λR gilt für den Kühlwärme- bekannt ist. Die verschiedenen Gleichungen für den Wär-
strom qK bei der Wandtemperatur TWK am Rippenfuß und meübergangskoeffizienten lassen sich prinzipiell auf einen
der Kühllufttemperatur TK: der Ansätze
– Wärmeübergang in einem durchströmten Kanal
– Wärmeübergang an einem umströmten Körper
mit dem Rippengütegrad
zurückführen [9‑9]. Für den 1. Ansatz einer Kanalströmung
kann für den Rippenkanal eines vollverkleideten Rippen-
der den von einer Kühlrippe tatsächlich abgegebenen Wär- rohres auf eine Vielzahl von gesicherten Wärmeübergangs-
mestrom mit jenem vergleicht, den eine Rippe konstanter gleichungen für turbulente Rohrströmung unter Einsetzen
Oberflächentemperatur, also mit unendlich großer Wärme- des hydraulischen Durchmessers zurückgegriffen werden

Bild 9-11
Einfluss der Rippenhöhe und des Wärmeübergangskoeffizi‑
enten auf die Wärmestromdichte bezogen auf das Tempe‑
raturgefälle für Graugussverrippung mit λR=58 W/(m K)
9.1 Interne Motorkühlung 337

[9-29]. Der 2. Ansatz basiert auf Arbeiten von Krischer und werkstoffes bestimmt maßgeblich den Temperaturverlauf
Kast [9-30], [9-31] und entspricht dem Fall des unverklei- zwischen Rippenfuß und Rippenspitze, wie die Gegenüber-
deten Rippenrohres. Die rechnerische Behandlung des Wär- stellung einer Aluminium-Verrippung mit einer Grauguss-
meübergangs in Anwendung auf den luftgekühlten Motor Verrippung in Bild 9-12 verdeutlicht.
wird in [9-27] beschrieben. In Fällen, in denen die Strö- Die Oberflächenvergrößerung durch Erhöhung der Rip-
mungsverhältnisse an der Verrippung nicht hinreichend ge- penzahl und Verkleinerung der Lückenweite ist ebenfalls
nau bekannt sind, muss letztlich auf experimentell gewon- nur bis zu einer bestimmten Grenze möglich. Diese wird
nene Wärmeübergangskoeffizienten zurückgegriffen werden durch jene Lückenweite festgelegt, bei der der Umschlag zur
[9-32]. turbulenten Strömungsform unmittelbar vor dem Zusam-
Die Vergrößerung der wärmeabgebenden Oberfläche mittels menfließen der benachbarten Grenzschichten erfolgt. Die
Verrippung kann sowohl durch eine größere Rippenhöhe als minimale, noch wirtschaftliche Lückenweite beträgt etwa
auch durch eine höhere Rippenzahl erreicht werden. Beide 1,2 mm [9-33]. Derart kleine Lückenweiten liegen an der
Möglichkeiten führen bei gleicher Oberflächenvergrößerung Grenze der Herstellbarkeit und sind nur an bearbeiteten
jedoch nicht zwangsläufig zu derselben Erhöhung der Stahlzylinderrohren von luftgekühlten Hochleistungsmo-
Wärmestromdichte: Die Vergrößerung der Rippenhöhe toren anzutreffen.
über ein gewisses Maß hinaus bewirkt keine höhere Wärme- Bei im Kokillengussverfahren hergestellten Aluminium-
abfuhr, da sich die Temperatur der Rippenspitze bereits der Zylinderköpfen sind Rippenhöhen bis zu 70 mm mit mini-
der Kühlluft annähert. Die Wärmeleitfähigkeit des Rippen- malen Lückenweiten von 3,5 mm am Rippenfuß und Rip-

Bild 9-12
Einfluss von Rippenhöhe h und Wär-
meleitfähigkeit OR der Rippe auf die
Wärmestromdichte bezogen auf das
Temperaturgefälle bei konstantem
Wärmeübergangskoeffizienten
DK=150 W/(m2 K)
338 9 Motorkühlung

pendicken von 3 bis 2 mm vom Fuß zur Spitze wirtschaftlich misch hochbelasteten Bauteilen bei Wasserkühlung durch
und auch einwandfrei ausführbar. Grauguss-Zylinderrohre örtlich auftretendes Blasensieden bis zu 5 ˜ 103 kW/m2 an
werden aufgrund der kleineren Wärmeleitfähigkeit mit Rip- Wärme abgeführt werden.
penhöhen nicht über 35 mm und mit Lückenweiten von
3 mm am Rippenfuß sowie Rippendicken von 2,5 bis 1,5 mm Kühlluftführung und Wärmeübergang
vom Fuß zur Spitze im Sandgussverfahren hergestellt. Bei
kleineren Rippendicken und Lückenweiten muss auf Ver- Die Kühlluftführung beeinflusst den Wärmeübergang und
fahren der mechanischen Bearbeitung, wie im Flugmoto- damit den Temperaturverlauf am Bauteil. Bei einem quer an-
renbau, übergegangen werden. geströmten Rippenrohr wird die Kühlluft zunächst am
Bei einem mittleren Wärmeübergangskoeffizienten Auftreffpunkt gestaut, umströmt dann den Zylinder bis sie
DK = 250 W/(m2K) setzt man für die maximal abzuführende seitlich in Höhe des Meridianschnittes abreißt, so dass hinter
Wärme bei einem Zylinderrohr mit gegossenen Grauguss- dem Zylinder eine Totwasserzone entsteht. Das führt dazu,
rippen ca. 0,2 ˜ 103 kW/m2, mit bearbeiteten Alfin-Rippen dass auf der Zylinderrückseite die höchste und auf der
0,5 ˜ 103 kW/m2 an. Im Vergleich dazu können von ther- Zuströmseite die niedrigste Wandtemperatur auftritt (Bild
9-13). Um einen Verzug des Zylinders durch unterschied-
liche Wärmedehnungen zu vermeiden, ist eine Kühlluftfüh-
rung durch Verkleiden der Rippenrohre erforderlich
(Bild 9-14). Nur bei Motoren mit kleinem Bohrungsdurch-
messer und geringer Hubraumleistung, wie z. B. Motorrad-
motoren, kann man darauf verzichten.
Durch die Führungsbleche soll erreicht werden, dass die
Rippenkanäle ohne Totwasserzonen von der Kühlluft durch-
strömt werden. Durch die Wärmeaufnahme der Kühlluft im
Rippenkanal ist prinzipbedingt bei Queranströmung eine
vollständig gleichmäßige Temperaturverteilung am Umfang
nicht zu erreichen. Erfahrungsgemäß gilt abhängig von der
Erwärmung der Kühlluft um 'TKL für die maximale Tempe-
raturabweichung am Umfang 'TUmfang [9-24]
.
Für eine maximal zulässige Temperaturunrunde von 40 K ist
die Aufheizung der Kühlluft somit auf 50 K begrenzt.
Bild 9-13 Temperaturverlauf bei einem quer angeströmten, unverkleideten
Zylinderrohr (Anströmung von links)

Bild 9-14 Kühlluftführungen: Argus-Verkleidung (links); am Rippenrohr anliegende Verkleidung (rechts) [9-35]
9.1 Interne Motorkühlung 339

9.1.4.3 Konstruktive Merkmale luftgekühlter Motoren rohr gegenüber den wesentlich kühleren Schrauben
begrenzen.
Gesamtaufbau des Motors Der für die Motorbaulänge maßgebliche Zylinderabstand
wird bei luftgekühlten Reihenmotoren von der Kühlrippen-
Auffallendste Konstruktionsmerkmale des luftgekühlten gestaltung und nicht durch das Abstandsmaß der Kurbel-
Motors sind die Einzelzylinder und das integrierte Kühlsys- wellenlager bestimmt. Er beträgt, bezogen auf die Zylinder-
tem. Die fast ausnahmslose Verwendung von Zylinderköp- bohrung, i. Allg. 1,35 bis 1,45, im Extremfall nur 1,275
fen aus Aluminium (gleichmäßigere Temperaturverteilung (KHD-Motorbaureihe B/FL 913).
im Zylinderkopfboden, maximale Wärmeabfuhr an den Vergleicht man die Einbauabmessungen von luft- und
Kühlrippen) sowie die Forderung nach ungehinderter Wär- wassergekühlten Motoren, letztere einschließlich der exter-
medehnung der Bauteile erfordern bei der sehr unterschied- nen Kühlanlage, so ist der luftgekühlte Motor mit seinem
lichen Wärmedehnung von Aluminium und Gusseisen integrierten Kühlsystem trotz größeren Zylinderabstandes
zwangsläufig die Einzelzylinderbauweise. Daher ist der luft- ein äußerst kompaktes Antriebsaggregat. Dies gilt besonders
gekühlte Motor geradezu prädestiniert für das Baukasten- für den V Motor, bei dem das Kühlgebläse raumsparend
prinzip [9-36] mit einer großen Anzahl von Gleichteilen und zwischen den Zylinderreihen angeordnet wird.
den dadurch bedingten Kostenvorteilen bei der Herstellung
und der Ersatzteilhaltung, insbesondere bei kleinen und Kurbelgehäuse
mittleren Stückzahlen. Der modulare Motoraufbau gestattet
ferner eine problemlose Instandsetzung im Bereich von Zy- Das Kurbelgehäuse mit dem Zylinderrohr nimmt den Kraft-
linderkopf, Zylinderrohr und Kolben ohne Ausbau des Mo- fluss vom Zylinderkopf zum Kurbeltrieb mit der Kurbelwel-
tors und Demontage der Ölwanne. lenlagerung auf und verlangt daher für einen einwandfreien
Zylindereinheiten luftgekühlter Dieselmotoren sind in Kolbenlauf eine hohe Formsteifigkeit. Auch dann, wenn z. B.
den meisten Fällen mit vier Zugankern ausgerüstet, die den bei Traktoren das Kurbelgehäuse gleichzeitig tragendes Ele-
Zylinderkopf mit dem Kurbelgehäuse verbinden, das ment des Fahrzeugs ist. Die Gegenüberstellung der für die
Zylinderrohr zwischen beiden verspannen und die Gas- Biege- und Torsionssteifigkeit maßgeblichen Querschnitte
kräfte direkt in das Kurbelgehäuse übertragen. Die Zugan- des Kurbelgehäuses eines luftgekühlten und eines wasserge-
ker sind schlanke, hochelastische Dehnschrauben, die die kühlten Motors gleicher Hauptabmessungen im Bild 9-15
Wechselbelastungen in den Spannungsquerschnitten der zeigt, dass die Gestaltung des Kurbelgehäuses vom luftge-
Gewinde mindern und den Kraftzuwachs infolge der kühlten Motor aufgrund der durch den fehlenden Wasserkas-
größeren Wärmedehnung von Zylinderkopf und Zylinder- ten wesentlich kleineren Bauhöhe und der dadurch ungüns-

Bild 9-15 Für die Formsteifigkeit maßgeblicher Querschnitt eines luftgekühlten Motors mit Zylinderrohr und Einzelzylinderkopf (links) sowie eines wassergekühlten
Motors mit Blockzylinderkopf (rechts)
340 9 Motorkühlung

tigeren Steifigkeitsvoraussetzungen großer Sorgfalt bedarf.


Wirksame und bewährte Maßnahmen, dem Kurbelgehäuse
des luftgekühlten Motors eine hohe Formsteifigkeit zu verlei-
hen, sind
– weit unter die Kurbelwellenachse heruntergezogene und
nach Möglichkeit gewölbte Gehäuseseitenwände,
– durchlaufende Versteifungsrippen an den Gehäuseseiten-
und Gehäusequerwänden sowie ein kräftiger, breiter
Ölwannenflansch,
– ein relativ dickes, nur wenig durchbrochenes Zylinderauf-
lagedeck,
– die Verwendung einer Gussölwanne anstelle einer Blechöl-
wanne,
– die Querverschraubung der Grundlagerdeckel mit den
Gehäusewänden bei V-Motoren [9-37].

Luftgekühlte Motoren werden aus Steifigkeitsgründen häu-


fig auch in der Tunnelbauart ausgeführt [9-27].

Bild 9-16 Alfin-Zylinderrohr eines luftgekühlten Dieselmotors (Teledyne-


Zylinderrohr
Continental Motor) [9-28]
Das als Laufbuchse mit Kühlrippen ausgebildete Zylinder-
rohr wird gewöhnlich einteilig in Grauguss hergestellt. Auch
bei hohen Stückzahlen ist das Sandgussverfahren noch kos-
tengünstig. Um die durch die Schraubenkräfte und den Zy- dung zum Zylinderrohr sicherzustellen, muss der Zylinder-
linderinnendruck auftretende Buchsenverformung möglichst kopf eine hohe Formsteifigkeit besitzen. Beim luftgekühlten
klein zu halten, werden die Wände im oberen und unteren Zylinderkopf sind neben den Gaskanälen, der Einspritzdüse,
Rohrbereich meistens etwas dicker ausgeführt und die oberste einer ggf. vorhandenen Nebenkammer und den Zylinder-
Zylinderrohrpartie mit über dem Umfang geschlossenen kopfschrauben noch die Kühlrippen und notwendigen Strö-
Kühlrippen versehen. Bei Motoren mit hohen Hubraumleis- mungsquerschnitte für die Kühlluft unterzubringen. Eine
tungen muss aus Festigkeits- und Kühlungsgründen auf schwierige Aufgabe, wenn man bedenkt, dass beispielsweise
Stahlgussrohre übergegangen und der filigrane Kühlrippen- bei einem Dieselmotor mit Direkteinspritzung zur Kühlung
körper durch mechanische Bearbeitung hergestellt werden. des Zylinderkopfbodens und des Auslasskanalbereiches eine
Das unter dem Namen Alfin-Verfahren [9-38] bekannt Rippenfläche von der 30- bis 35fachen Kolbenfläche notwen-
gewordene Verbundgussverfahren (Bild 9-16), bei dem eine dig ist. Die Gestaltung der Kühlrippen muss darüber hinaus
etwa 0,03 mm dicke metallische Zwischenschicht für eine so vorgenommen werden, dass die maximale Zylinder-
spaltfreie Verbindung zwischen einer Stahlbuchse und dem kopftemperatur zwischen den Ventilen begrenzt bleibt und
verrippten Aluminiummantel sorgt, wird bzw. wurde bis auf große Temperaturunterschiede zur Vermeidung hoher Wär-
wenige Militärapplikationen nur im Flugmotorenbau ver- mespannungen im Zylinderkopfboden vermieden werden.
wendet; unter Einsatz von Grauguss statt Stahl auch bei Diese Forderungen lassen sich i. Allg. nur mit Zylinderköp-
Dieselmotoren im kommerziellen Bereich. Zylinderrohre fen aus Aluminium erfüllen, dessen hohes Wärmeleitvermö-
aus Leichtmetall mit entsprechend behandelten Laufflächen gen die Wärmeverteilung im Zylinderkopfboden begünstigt
werden nur bei Ottomotoren eingesetzt [9-39], [9-40]. und die wirtschaftliche Herstellung dünner, hoher Kühlrip-
pen ermöglicht.
Zylinderkopf Diese Zylinderköpfe benötigen grundsätzlich Ventilsitz-
ringe. Sie sind üblicherweise aus Schleuderguss und werden
Die Vielseitigkeit der Aufgaben sowie wechselnde mecha- eingeschrumpft. Die Anordnung der Ventile quer zur Kur-
nische und thermische Beanspruchungen machen den Zy- belwellenachse erlaubt gegenüber der Parallelanordnung
linderkopf zum schwierigsten Bauteil des Motors. Um die auf eine günstigere Kühlrippengestaltung im Ventilbereich und
den Zylinderkopf wirkenden Gaskräfte auf das Kurbelge- größere Strömungsquerschnitte für die Kühlluft; allerdings
häuse zu übertragen und gleichzeitig eine gasdichte Verbin- muss das Verbrennungsverfahren eine starke Neigung der
9.1 Interne Motorkühlung    341

Ventile zulassen (Ottomotoren).Bei zur Kurbelwelle parallel


angeordneten Ventilen kann nur eine leichte Ventilneigung
zur Zylinderachse realisiert werden, die aber, sofern das
Verbrennungsverfahren einen schwach gewölbten Zylinder-
kopfboden zulässt, über dem Ventilsteg noch eine etwas
größere Kühlrippenfläche ermöglicht. Um im thermisch
hoch beanspruchten Stegbereich ein Maximum an Kühlrip-
pen unterzubringen, müssen die Querschnitte der Gaskanä-
le notgedrungen relativ schmal und hoch ausgeführt wer-
den. Vergegenwärtigt man sich die oberhalb des Zylinder-
kopfbodens sehr begrenzten räumlichen Verhältnisse, so Bild 9-17 Im Ventilsteg eingegossene Stahlbleche zur Vermeidung von
wird verständlich, dass beim luftgekühlten Dieselmotor ein Stegrissen beim Zylinderkopf eines luftgekühlten Dieselmotors (Deutz AG, Typ
Zylinderkopf mit vier Ventilen nicht zu realisieren ist, wäh- FL 513)
rend Vierventilzylinderköpfe bei luftgekühlten Motorrad-
Ottomotoren nahezu Standard sind.
Aluminiumgusslegierungen von luftgekühlten Zylinder-
köpfen zeichnen sich durch eine besonders hohe Warmfes­ unter­suchungen [9‑42], bei denen der Bereich des Ventil-
tigkeit und Temperaturwechselbeständigkeit aus. Beide für steges in etwa zweiminütigen Zeitintervallen auf 300 °C
die Formstabilität des Zylinderkopfes wichtigen Werk­stoff­ erwärmt und auf 100 °C abgekühlt wird.
eigen­schaften werden durch komplexe Legierungszusam-
mensetzungen (s. Tabelle 9‑3) einen geregelten Abkühlungs- 9.1.4.4 Das motorintegrierte Kühlsystem
vorgang in der Kokille und durch eine spezielle Wärme­
nachbehandlung erreicht. Die mit Abstand höchste Warm- Vergleich mit dem externen Kühlsystem flüssigkeits­
festigkeit von 230 N/mm2 bei 200 °C und noch gut 200 gekühlter Motoren
N/mm2 bei 250 °C weist der multilegierte Werkstoff RR350
auf. Wegen der stärkeren Wärmedehnung und Duktilität Da beim luftgekühlten Motor die Bauteilwärme direkt an die
von Aluminiumlegierungen ist bei luftgekühlten Zylinder- Umgebungsluft abgeführt wird, ist sein Kühlsystem prinzip-
köpfen die Gefahr von Stegrissen ungleich größer als bei bedingt motorintegriert. Motor und Kühlsystem stellen eine
wassergekühlten Zylinderköpfen: Zwei eingegossene und als Einheit dar. Kühlgebläse mit Kühlluftführung und inte-
Dehnfugen wirkende Stahlbleche können den Ventilsteg griertem Schmierölkühler sowie geräte- bzw. fahrzeugseitige
beim Erkalten des Zylinderkopfes weitgehend frei von Zug­ Kühler, z. B. der Hydraulikölkühler einer Baumaschine oder
span­nungen halten und dadurch den Stegriss vermeiden Getriebeölkühler eines Fahrzeugs, sind Anbauteile des Mo-
(Bild 9‑17). Ein wesentliches Hilfsmittel bei der Entwick- tors. Luftgekühlte Motoren benötigen aufgrund der besseren
lung von luftgekühlten Zylinderköpfen sind Thermoschock­ Ausnutzung (größeren Temperaturerhöhung) der Kühlluft

Tabelle 9-3 Aluminium-Gusslegierungen für luftgekühlte Zylinderköpfe [9-41]

Legierungstyp Legierungsbezeichnung Legierungselemente in % der Masse


Cu Ni Si Mg Mn Ti Co Zr Sb
AlMgSiMn Hydronalium, Ho 411, 511, 0 0 0,7 3,5 0,1 0,1 – – –
Hy 418, 511, Hy 51, Hy 71 bis bis bis bis bis bis – – –
1,0 1,5 1,8 6,5 1,0 0,2 – – –
AlCuNiMg Y-Legierung, A-U4NT 3,5 1,7 0,2 1,2 0,02 0,07 – – –
bis bis bis bis bis bis – – –
4,5 2,3 0,6 1,7 0,6 0,2 – – –
AlCuNiCoMnTiZrSb RR 350, A-U5NZr 4,5 1,3 0 0 0,2 0 0,1 0,1 0,1
bis bis bis bis bis bis bis bis bis
5,5 1,8 0,3 0,5 0,3 0,25 0,4 0,3 0,4
342    9 Motorkühlung

Bauformen und Auslegungskriterien von Kühlgebläsen

Der relativ hohe Kühlluftwiderstand des luftgekühlten Mo-


tors sowie die Forderungen nach kleinstmöglichen Abmes-
sungen und niedrigen Drehzahlen des Gebläses führten zu
Kühlgebläsen der axialen Bauart mit aerodynamisch hoch-
belasteten Strömungsgittern. Die grundsätzlich im Schwung-
rad untergebrachten Radialgebläse sind kleinen Ein- und
Zweizylindermotoren vorbehalten.
Der kompakte Aufbau der Axialgebläse begünstigt eine
einfache Kühlluftführung, wobei bei sorgfältiger Auslegung
und Fertigung der Strömungsgitter hohe Wirkungs­grade bei
niedriger Geräusche­mission erzielt werden. Man unterschei-
det zwei Bauformen je nach Anordnung des Leitrades: Bei
Gebläsen mit einem dem Laufrad nachgeschaltetem Leitrad
(Nachleitrad-Gebläse) sind beide Beschau­felungen Verzöge-
rungsgitter in denen der Druckaufbau erfolgt. Bei vorge­schal­
Bild 9-18 Kühlsysteme von Dieselmotoren mit Direkteinspritzung: Betriebs‑ tetem Leitrad (Vorleitrad-Gebläse) ist das Leitrad ein
bereiche für Kühlluftwiderstand abhängig vom Kühlluftbedarf: a maximal zu‑ Beschleu­nigungsgitter und senkt den statischen Druck, so
lässige Kühllufterwärmung, b wirtschaftlich noch vertretbarer Kühlluftwider‑ dass das Laufrad allein die Druckerhöhung unter Kompensa-
stand, c max. Kühllufterwärmung bei konventionellen Systemen, d max. tion des vorhergehenden Druck­abfalls erbrin­gen muss.
Druckerhöhung konventioneller Gebläse Bei der Vielzahl der Randbedingungen kann über die Eig-
nung der beiden Gebläsebauarten erst nach Abwägen der
jeweiligen Merkmale entschieden werden, von denen in
Tabelle 9‑4 die wichtigsten aufgeführt werden [9‑43]. In der
kleinere Kühlluftmengen, allerdings führen die engeren Strö- Praxis haben sich beide Bauarten bewährt. Bei Einhalten
mungsquerschnitte zu relativ hohen Luftgeschwindigkeiten bestimmter Werte für Liefer- und Druckzahl bzw. den Gren-
an der Verrippung und damit zu relativ hohen Kühlluftwi- zen für ablösungsfreie Strömung im Axialgitter [9‑44] sind
derständen (Bild 9‑18). Die Anpassung des Kühlsystems an Gesamtwirkungsgrade von 80 bis 84% erzielbar, wobei der
diese Gegebenheiten hat in Größe und Bauweise von wasser- gesamte Leistungsaufwand für die motorintegrierte Kühlung
gekühlten Motoren abweichende Komponenten zur Folge. je nach Gebläsewirkungsgrad, Kühlluftbe­darf und Strömungs-
So sind die Gebläse von luftgekühlten Motoren im Durch- widerstand 2,5 bis 4,5% der Motornennleistung beträgt.
messer nur etwa halb so groß wie Lüfter vergleichbarer flüs- Neben einer guten aerodynamischen Auslegung gewinnt
sigkeitsgekühlter Motoren; sie werden jedoch mit etwa 2- bis das vom Gebläse verur­sachte Geräusch immer stärker an
3fach höheren Drehzahlen betrieben und bauen wegen des Bedeutung. Es darf das Gesamtgeräusch des Motors nicht
erforderlichen Leitrades etwas länger. Auch die Kühler sind nennenswert beeinflussen und muss frei von tonalen Antei-
wesentlich kompakter, ihre kühlluftseitigen Stirnflächen sind len sein, was in Hin­blick auf steigende Umweltauflagen
bis zu 60% kleiner als konventionelle Wasserkühler. Sie wer- (s. Abschn. 16) oft höhere Entwicklungs­kosten erfordert.
den üblicherweise ohne elastische Zwischenelemente am Das aerodynamische Geräusch des Gebläses besteht aus drei
Motor befestigt, was zu hohen mechanischen Beanspru- ver­schiedenen Komponenten: Das Turbulenz- und das Wir-
chungen führt und Aluminiumkühler mit geringeren Mas- belgeräusch, die stärkste Geräuschquelle, erstrecken sich
senkräften und hoher Festigkeit und Steifigkeit erfordert. Bei über den gesamten hörbaren Frequenzbereich, wogegen das
luftgekühlten Motoren ist systembedingt von Anfang an die vom Laufrad erzeugte Tonalgeräusch mit einem Vielfachen
effiziente Ladeluftkühlung nach dem Luft/Luft-Prinzip an- der Grundfrequenz (Schaufelzahl mal Drehzahl) vom
gewendet worden. Damit wird die Rückkühlung der Ladeluft menschlichen Ohr viel lauter als ein gleich starkes Breiband-
weit unter die Kühlmitteltemperatur des flüssigkeits­gekühlten geräusch wahrgenom­men wird. Eine ungleichmäßige
Motors möglich. Je nach Art der Anordnung des Ladeluft- Anordnung der Laufradschaufeln schafft hier Abhilfe.
kühlers (vor dem Kühlgebläse oder im Parallelstrom zu den Die vom Kühlgebläse emittierte Schallleistung kann durch
übrigen Kühlluftverbrauchern) werden Ladelufttempera- die empirisch gefundene Gesetzmäßigkeit
turen erzielt, die nur 25 K oder 45 K über der jeweiligen Um-
gebungstemperatur liegen.
9.1 Interne Motorkühlung    343

Tabelle 9-4 Unterschiede zwischen dem Nachleitrad- und Vorleitrad-Gebläse

Nachleitrad-Gebläse Vorleitrad-Gebläse
max. Wirkungsgrad 84% 80%
min. spez. Schalleistungspegel 31 dB(A) 33 dB(A)
Werkzeugaufwand bei Druckgussherstellung nur zwei Formhälften (Beschaufelungen sind über‑ zwei Formhälften plus radiale Schieber (Beschaufe‑
deckungsfrei und erlauben Entformung in axialer lungen sind nicht überdeckungsfrei)
Richtung)
Motoreinbau hohe geringe
akustische Empfindlichkeit bei Störungen vor Gebläse (Hindernisse, Strömungseinschnürungen)

mit den Betriebspunktkenngrößen V̇ = Volumenstrom, Dpg 9.1.4.5 Beispiele ausgeführter Dieselmotoren


= Gesamtdruckerhöhung und den Bezugsgrößen V̇0 = l m3/s,
Dpg0 = l mbar beschrieben werden. Lsp ist die spezifische Die Palette der auf dem Markt angebotenen luftgekühlten
Schallleistung, eine für jede Gebläseausführung charakteris­ Dieselmotoren reicht vom in sei­nem Auf­bau typischen und
tische Konstante; der zweite Term entspricht der Betriebs- universell einsetzbaren Einzylinder-Kleindieselmotor mit
punktschallleistung. In einem definierten Betriebspunkt Direkteinspritzung, der bevorzugt in kleinen Baumaschinen,
(Kühlluftbedarf, Strömungswiderstand des Kühlsystems) ist Strom- und Pumpenaggregaten eingesetzt wird (s. Ab-
eine Reduktion der Gebläselautstärke nur durch Herabset- schn. 18.1) bis zum leistungsstarken V12‑Dieselmotor für
zung der spezifischen Schallleistung möglich. Sie wird neben schwere Nutzfahrzeuge (Bild 9‑19). Die im Bild darge­stellte
Lieferzahl und Druckzahl, deren Größen im Hinblick auf Hochleistungsvariante mit Abgasturboaufladung und Lade-
Bestausführungen nur in einem bestimmten Wertebereich luftkühlung gehört zu einer Baureihe mit Sechs-, Acht- und
variiert werden können, maßgeblich beeinflusst durch: Zehnzylinder­motoren und ist auf die speziellen Anforde-
– die Art der Leitradanordnung, rungen eines 38 t‑Muldenkippers zugeschnitten, wie er auf
– die aerodynamische Güte der Strömungsgitter und des Großbaustellen und im Tagebau eingesetzt wird. Er demons-
Gebläseeinlaufes, triert beispielhaft die Vorzüge des integrierten Motor­
– die Lage des Betriebspunktes zum Auslegungspunkt, kühlsystems, das nicht nur die eigentliche Motorküh­lung
– den Radialspalt zwischen Laufrad und Gehäusewand, sondern auch Wärmeüberträger zur Kühlung der Ladeluft,
– den Axialabstand zwischen beiden Beschaufelungen, des Motoröls sowie des im Getriebe und im Retarder ver-
– die Art der Laufradschaufelform (radial verlaufend oder wendeten Öls umfasst. Damit ist der Motor beim Einbau nur
gesichelt), noch an die Kraft­stoffversorgung und an die Abgasleitung
– die Art der Schaufelanordnung am Laufradumfang, anzuschließen. Der spezifische Luftbedarf für die Motorküh­
– die Schaufelzahlen und die Art der Schaufelzahlpaarung. lung beträgt im Fahrbetrieb 41 kg/kWh, die Antriebsleistung
des Gebläses erfordert ca. 11,6 kW. Dazwischen findet man
Hochwertige Axialgebläse von luftgekühlten Motoren errei- im mittleren und unteren Leistungsbereich luftgekühlte
chen heute spezifische Schallleistungspegel von 31 dB(A) und Industrie-Dieselmotoren (s. Abschn. 18.2) die für vielerlei
zeichnen sich durch ein niedriges Breitbandgeräusch aus. Einbauzwecke verwendet werden, darunter auch schall­
Durch Regelung der Kühlluftmenge erreicht man ein gedämpfte, mit einer Vollkapsel versehene Dieselmotoren
gleichmäßiges Temperaturniveau von Bauteilen und (s. Abschn. 16.5).
Schmieröl und damit optimale Bedingungen für den Motor-
betrieb (Verbrauch, Abgasqualität, Geräuschemission, 9.1.4.6 Grenzen des luftgekühlten Motors
Lebensdauer). Besonders vorteilhaft ist die Regelung, bei
der die Zylinderkopf­temperatur die Steuergröße ist und Die im Leistungsbereich bis 440 kW angebotenen luftge-
unter Berücksichtigung der Schmieröl­temperatur konstant kühlten Dieselmotoren haben einen hohen Reifegrad erlangt
bleibt. Dabei kann die Gebläsedrehzahl durch eine in der und werden wegen ihrer Einfachheit und Robustheit bevor-
Gebläsenabe eingebaute hydraulische Kupplung gesteuert zugt als Industriemotoren eingesetzt (s. Abschn. 18.2). Im
werden. Fahrzeugbereich werden luftgekühlte Dieselmotoren wegen
344    9 Motorkühlung

Bild 9-19 Luftgekühlter Zwölfzylinder-Dieselmotor, Typ BF12L523CP, Fa.Deutz AG, VH=19,144 dm³; Pe= 441 kW bei 2300 min –1

ihres mangelnden Komforts insbesondere im Hinblick auf Die im Vergleich zu Grauguss geringere Warmfestigkeit
das geringe Heizwärmeangebot kaum noch akzeptiert. von Al‑Legierungen macht den Zylinderkopf zum schwächs­
Mit höheren Aufladegraden wird die Luftkühlung als ten und damit zum leistungsbestimmenden Bauteil des
äquivalentes, alternatives Kühlverfahren heute immer häu- luftgekühlten Motors. Die Formstabilität des Zylinderkopfes
figer in Frage gestellt, da hohe mittlere Nutzdrücke zu gro­ bestimmt die Qualität der Zylinder­kopfdichtung. Es hat sich
ßen mechanischen Belastungen von Zylindereinheit und gezeigt, dass aufgrund der erhöhten Temperatur des Zylin-
Triebwerk sowie einem deutlichen Anstieg der thermischen derrohres und der größeren Wärmedehnung der Al‑Legie-
Belastung von Kolben, Zylinderrohr und Zylinderkopf füh- rungen die thermisch verursachten Bau­teilverformungen
ren. Die Grenzen der thermischen Belastung folgen aus der die mechanisch durch Kräfte und Drücke verursachten
Warmfestigkeit der Al‑Legierung für den Zylinderkopf und wesentlich übersteigen [9‑41]. Neben einer Verlagerung des
der maximal abführbaren Kühlwärme. Den Nachteil maximalen Dichtdruckes auf die Dichtflächeninnenseite
kleinerer Wärme­übergangskoeffizienten αK auf der Kühlsei- infolge des gewölbten Zylinderkopfbodens, ist auch die bei
te kann man durch ein größeres Wärmegefälle zwischen hochaufgeladenen Motoren zu beobachtende plastische
Bauteil und Kühlluft sowie durch Vergrößerung der wärme- Verformung des Auslasskanals von Einfluss auf die Dicht-
abgebenden Bauteiloberfläche durch dünnere und enger druckverteilung.
stehende Rippen ausgleichen, der aber ebenfalls Gren­zen Das höhere Temperaturniveau der Bauteile luftgekühlter
gesetzt sind. Das gilt auch für ein grö­ßeres Temperaturgefäl- Motoren bewirkt jedoch auch eine stärkere Erwärmung der
le, da damit zwangsläufig die Bauteiltemperaturen zuneh- angesaugten Verbrennungsluft und damit eine geringere
men: Mit Rücksicht auf ausreichende Schmierung sollte die Zylin­derfüllung. Bei gleicher Rauchentwicklung weisen luft-
Temperatur an der Lauffläche der Buchse maximal 190 °C, gekühlte Dieselmotoren bei Saugbe­trieb gegenüber wasserge­
am Zylinderkopfboden in Hinblick auf Formstabilität im kühlten eine um etwa 2,5% geringere Nennleistung auf bzw.
Mittel 240 °C bzw. am Ventilsteg nicht über 280 °C betra- -3,5% im Punkt des maximalen Drehmoments. Sie werden
gen. zu etwa 50% durch den heißeren Einlasskanal, zu ca. 30%
9.2 Externe Motorkühlsysteme    345

durch die hö­heren Wandtemperaturen der Laufbuchse und turen als Kühllast an die Umgebung abführt, entweder di-
zu je 10% durch den heißeren Zylinderkopf bzw. Kolbenbo- rekt (z. B. bei Luftkühlung, s. Abschn. 9.4) oder heute meist
den verursacht, wie eine rechnerische Analyse ergab. Bei über einen geschlossenen Kühlmittelkreislauf und eine
aufgeladenen Motoren ohne Ladeluftkühlung tritt aufgrund Rückkühl­anlage.
der relativ kleinen Temperaturunter­schiede zwischen den Bei der Kühlung der Betriebsstoffe spricht man von einer
Bauteilen und der Verbrennungsluft kein nennenswerter direkten Kühlung, wenn die Wärme über einen Wärme­
Leistungsverlust auf; bei Motoren mit Ladeluftkühlung kann übertrager direkt an die Kühlluft abgegeben wird. Bei Abga-
er durch einen geringfügig höheren Ladeluftdruck kompen- be an einen geschlossenen Kühlmittelkreislauf liegt eine
siert werden. indirekte Kühlung vor.
Das höhere Temperaturniveau der den Brennraum Die der Wärmeabfuhr dienenden Komponenten in ihrer
begrenzenden Bauteile zusammen mit der höheren Tempe- Anordnung zueinander und deren Regelung werden als
ratur der Ladung bestimmt die Verdichtungs­endtemperatur Kühlsystem bezeichnet. Wärmetechnisch gesehen besteht
und damit die maximale Verbrennungstemperatur, die die Motorkühlung hinsichtlich der zu kühlenden Bauteile
maßgeblich für die Bildung von NOX, ist (s. Abschn. 15.3). aus parallel und/oder in Reihe geschalteten „Wärmeübertra-
Das bestätigten Grundsatz­versuche zum Einfluss der Küh- gern“ mit meist kleinen Wärmeaus­tauschflächen, was wie-
lung auf die Entste­hung von NOX [9‑45]. Die Bemühungen derum große Wärmeübergangskoeffizienten bedingt [9‑47]
um niedrige NOX‑Emissionen bei ständig verschärften (s. Abschn. 7.2 und 9.1).
Abgasgrenz­werten werden hierdurch erschwert und berei- Neben der Rückkühlanlage für das Kühlmittel werden
ten dem luftge­kühlten Motor erhebliche Probleme [9‑46]. Wärmeübertrager unter anderem für
Zwar könnten die beim luftgekühlten Dieselmotor durch – Motoröl,
die begrenzte äußere Wärmeabfuhr gegebenen Grenzen – Kolbenkühlöl bzw. -wasser,
durch folgende Maßnahmen: – Düsenkühlung durch Kraftstoff, Kühlwasser oder Kühlöl,
– verstärkte Innenkühlung (Ladeluftkühlung, Kühl­kanal­ – Ladeluft
kolben), – Abgasrückführung und
– Anheben der Bauteiltemperaturgrenzen mit der Not­wen­ – Getriebeöl
dig­keit des Einsatzes teurerer Werkstoffe, Schmierstoffe
und aufwendigerer Bearbeitungen (Zylinderkopfwerkstoff in den Kühlmittelkreislauf mit eingebunden.
sehr hoher Warmfestigkeit, hochlegierte Schmieröle, Bei der Auslegung des Kühlsystems und seiner Kompo-
kaltverfestigte Zylinderlaufflä­che, alfingebundene Kolben­ nenten müssen oft Kompromisse eingegangen werden.
ringträger, Doppeltrapezringe mit Molybdän­be­schich­ Wurde früher die Kühlung primär in Hinblick auf die Nenn-
tung), bzw. Überleistung unter Berücksichtigung ungünstiger
– wärmedämmenden Schutz der Bauteile (thermische Randbedingungen (Klima, Jahreszeiten) konzipiert, so
Isolation des Auslasskanals vom Zylinderkopf) haben die immer schärfer werdenden Forderungen an
Kraftstoffverbrauch, Schadstoffemission sowie Leerlauf-
deutlich verschoben werden, doch beinhalten diese Maß- und Teillastverhalten dazu geführt, dass primär nicht mehr
nahmen eine höhere Technologiestufe, die der vergleichbare die Kühlung, sondern eine Temperierung der Bauteile und
wassergekühlte Motor nicht bzw. nicht im gleichen Umfang Betriebsstoffe Aufgabe des Kühlsystems ist. Dies erfordert
benötigt. neben der Bereitstellung einer ausreichenden Kühlleistungs-
kapazität den Einsatz von regelbaren Aktuatoren wie Ther-
9.2 Externe Motorkühlsysteme mostate, Ventile, Pumpen oder Lüfter.

9.2.1 Aufgabe von Motor-Kühlsystemen Kühlung des Motors

Die als Kühllast aus der Motorkühlung mit dem Kühlmittel


Definitionen
abzuführende Wärme beträgt je nach Motor 40 bis 100% der
Wie in Abschn. 9.1 ausgeführt, erfüllt das Kühlsystem eine Nennleistung bzw. 20 bis 40% der zugeführten Kraftstoff­
wichtige Voraussetzung für einen störungsfreien Motorbe- energie Tabelle 9‑5. Dabei hat die Steigerung der Leistungs-
trieb, indem es Wärme von thermisch kritischen Stellen an konzentration mittels Hochaufladung dazu geführt, dass sich
Motorbauteilen (Zylinderkopf, Kolben, Zylinderbuchse mit den gestiegenen Nutzwirkungsgraden die Wärmebilan­
usw.) und aus Betriebsstoffen (Motoröl, Kraftstoff, Ladeluft zen in sich verschieben: Bei sinkender Wärmeabgabe des
usw.) zum Einhalten funktionsbedingter Grenztempera- Motors an das Kühlmittel steigt die in Öl- und Ladeluftküh-
346    9 Motorkühlung

Tabelle 9-5 Abzuführende Wärmeströme in % der Nennleistung

Motorart/Drehzahlbereich Motorkühlunga) Motoröl Ladeluftkühlung Kühlmittelwärme Abgas-Kühlung


Langsamläufer 14…20 6…15,3b) 20…35 40…70 –
60…200 min–1
Mittelschnellläufer 12…25 10…15 20…40 40…80 –
400…1000 min–1
Hochleistungsmotoren 30…50 5…15 10…20 10…20 –
1000…2000 min–1
Nfz-Motoren 30…50 15…30 45…80 10…20c)
1800…3000 min–1
mit ATL und LLK
Saugmotoren 50…70 entfällt 50…70 –
a) Zylinder-, Zylinderkopf- und ATL-Kühlung
b) Schmieröl- und Kolbenkühlöl-Kühlung
c) Schmieröl-Kühlung (Kolbenkühlung durch Wasser)
d) Abhängig von Rückführrate

Anm.: Diese wie auch die folgenden Zahlenangaben über Wärmemengen, Volumenströme und Temperaturen sind Anhaltswerte, deren große Bandbreite sich aus
der Vielfalt der Motorenausführungen, Leistungsbereiche und Betriebsbedingungen erklärt.

ler aufgenommene Wärme, sodass die Kühllast annähernd – Triebwagen 25% (zul. Temperatur des Getriebeöls
gleich bleibt. Dagegen sinkt die Abgasenergie mit zuneh- T = 80 bis 100 °C, nur kurzzeitig 125 bis maximal
mender Nutzarbeit. 130 °C).
Durch die zur NOX‑Reduzierung eingesetzte gekühlte
Abgasrückführung kommen – abhängig von den Rückführ- Hydrodynamische Bremsen bei Nutzfahrzeugen (z. B. Retar-
raten – wiederum zusätzliche Wärmemengen in das Kühl- der) können höhere Wärmemengen ins das Kühlsystem ein-
mittel. Dadurch steigt der Aufwand für das Rückkühlsystem tragen, als der Motor im befeuerten Betrieb abgibt.
oft erheblich. Die Temperaturen für die Betriebsmittel Wasser, Öl und
Die als Energieverlust zu wertende Abgabe der Kühllast Lade­luft richten sich nach Größe, Art und nach der
an die Umgebung kann durch die Kraft-Wärme-Kopplung Be­triebsweise der Motoren. Die Motorkühl­wasser­tem­
zur Steigerung des Systemwirkungsgrades ökologisch und peraturen langsam- und mittelschnelllaufender Großmo-
ökonomisch sinnvoll genutzt werden (s. Abschn. 14.1). toren werden etwas niedriger gehalten als bei Schnellläufern;
die Schmieröltemperaturen liegen mit Rücksicht auf Kons­
Kühlung der Betriebsmittel truktion, Werkstoffe und Auslegung der Lager sogar deut-
lich darunter (Tabelle 9‑6). Die Kühlmittelvolumenströme
Bei Motor-Getriebe-Anlagen und bei Fahrzeugmotoren ergeben sich aus den abzuführenden Wärmeströmen und
muss auch die Verlustwärme von Getrieben und Bremsen den erwünschten bzw. zulässigen Temperaturdifferenzen
abgeführt und das Kühlsystem entsprechend ausgelegt wer- (Tabelle 9‑7).
den.
Der zusätzliche Kühlbedarf bezogen auf die Getriebe-Ein- 9.2.2 Aufbau von Kühlsystemen
gangsleistung beträgt bei
– mechanischen Getrieben 1 bis 3% 9.2.2.1 Kühlsysteme mit direkter Wärmeabfuhr
– automatischen Getrieben mit Drehmomentwandler bis
ca. 5% Von den beiden Möglichkeiten zur Abfuhr der Motorwärme
– hydraulischen Getrieben als Turbowendegetriebe für an die Umgebung [9‑48] wird bei direkter Kühlung die Kühl-
– Lokomotiven 35% bei Öl‑Wasser‑Kühlung (40% bei last in einem offenen Kühlmittel­kreislauf an die Umgebung
Luft‑Öl‑Kühlung) bzw. für abgeführt. Dazu gehören
9.2 Externe Motorkühlsysteme    347

Tabelle 9-6 Kühlwassertemperaturen in °C

langsamlaufende mittelschnelllaufende schnelllaufende


Zweitaktmotoren Viertaktmotoren Viertaktmotoren
Motorkühlwasser
Eintritt in Motor 65 bis 75 70 bis 80 (82) 76 bis 87
Austritt aus Motor 75 bis 80 80 bis 90 80 bis 95 (110)
Temperatur-Differenz im Motor 5 bis 10 5 bis 10 4 bis 8
Vorwärmung auf 50 40 bis 50 40
Vorwärmung bei Schwerölbetrieb auf 60 bis 70 60 bis 70 entfällt
Frischwasser (Seewasser)
Eintritt in Kühler, maximal*) 32 bis 38 32 bis 38 32 bis 38
Austritt aus Kühler, maximal ≤ 50 ≤ 50 ≤ 50
*) Tropenbetrieb.

Tabelle 9-7 Auf die Motorleistung bezogene Kühlmittelvolumenströme in l/kWh

langsamlaufende mittelschnelllaufende schnelllaufende Nfz-Motoren


Zweitaktmotoren Viertaktmotoren Viertaktmotoren
Motorkühlwasser 6…15 30…40 50…80 50…90
Frischwasser 30…40 30…50 30…50 entfällt

– luftgekühlte Motoren, muss mit dem Leis­tungsverbrauch des Gebläses, erkauft


– Motoren mit Wasserdurchlaufkühlung, wer­den. Insbesondere bei den ungünstigen Einbau­ver­
– Motoren mit Kühlturmkühlung, hältnissen in Fahrzeugen müssen hier hohe Lüfterleistungen
– Motoren mit Verdampfungskühlung. installiert werden (für Pkw < 1%, für mittlere Nutz­fahr­
zeugmotoren bis ca. 5% und für große Nutzfahrzeugmoto-
Heute ist die direkte Kühlung – von Ausnahmen abgesehen ren ca. 10% der Nennleistung). Um den Kraftstoffverbrauch
– gleichbedeutend mit Luftkühlung (s. Abschn. 9.1.4). nicht zu sehr zu erhöhen, werden diese Gebläse daher
geregelt, so dass die maximale Leistungsaufnahme nur im
9.2.2.2 Kühlsysteme mit indirekter Wärmeabfuhr kühlleistungskritischen Fall nötig wird. Die Rück­kühlung
mit Luft hat dafür keine frisch- bzw. seewasser­führenden
Wärmeabfuhr Komponenten und Leitungen. Nachteilig sind höhere
Anlagekosten und größerer Raumbedarf.
Der Motor gibt bei der indirekten Wärmeabfuhr oder Küh- – Motoren mit Wasser/Wasserkühlung im geschlossenen
lung (Bild 9‑20) zunächst seine Kühlwärme in einem ge- Sekundärkreis: Das Frischwasser (Fremdwasser) des
schlossenen Kreislauf („Primärkreis“) an ein Kühlmittel ab; Sekundärkreises wird dabei von oben in einen Kühlturm
diese Wärme wird dann in einem Wärmeübertrager der geleitet, wo das Wasser großflächig verteilt bzw. verdüst im
Rückkühlanlage auf ein anderes Kühlmittel (Sekundärkreis) Gegenstrom zum natürlichen oder mittels Gebläse
überführt. erzeugten Luftzug seine Wärme durch Verdunstung und
Bei wassergekühlten Motoren unterscheidet man dabei: Abkühlung an die Luft abgibt. Die Kühl­leistung hängt von
– Motoren mit Gebläsekühlung (Luft/Wasserkühlung): Sie Lufttemperatur, -durchsatz und -feuchtigkeit ab. Der
werden eingesetzt, wo für den Sekundärkreis kein Wasserverlust beträgt etwa 3%. Nachteile sind großer
Kühlwasser verfügbar ist („autarkes Kühl­system“). Das gilt apparativer Aufwand, problematischer Frostschutz und
vornehmlich für Fahrzeugmotoren, aber auch für Statio­ Schwadenbildung. Diese Art der Kühlung ist nur bei gro­
när­motoren. Der Vorteil, kein Wasser zu verbrauchen, ßen Maschinenanlagen sinnvoll.
348 9 Motorkühlung

a
a

b
b

Bild 9-20 Indirekte Kühlung mit geschlossenem Kühlsystem; a Rück-


kühlung mit Luft; b Rückkühlung mit Wasser Bild 9-21 Haupt- und Nebenkreiskühlung: Das Kühlsystem ist kühlmittel-
seitig (sekundärseitig) parallel geschaltet, wobei im Hauptkreis der größere,
im Nebenkreis der kleinere Teil der Wärme abgeführt wird. a Kühlung mit
Luft; b Kühlung mit Frischwasser
– Motoren mit Wasser/Wasserkühlung im offenen
Sekundärkreis: Der Frisch- oder Rohwasserkreislauf
(„Sekundärkreis“) ist offen. Bei dem Frischwasser handelt
es sich um Süßwasser (Flusswasser, Wasser aus Binnenseen) Ein-, Zwei- und Mehrkreiskühlung. Sekundärseitig werden
oder um Seewasser bzw. Brackwasser. Frischwasser, bei diesen Systemen die Wärmeübertrager in Reihe geschal-
insbesondere Seewasser, stellt eine nahezu unendliche tet, wobei es hierbei mehrere Möglichkeiten der Anordnung
Wärmesenke dar. Die Kühlung damit weist in der Praxis gibt:
aber eine Reihe von Problemen auf, denen bei der – Einkreissystem: Bei dem Einkreissystem werden die zu
Auslegung der Kühlkreisläufe Rechnung getragen werden kühlenden Komponenten entsprechend den gewünschten
muss. Sonderformen dieser Kühlungsart sind die Temperaturen („Kühlpriorität“) in Reihe und/oder auch
Außenhaut- und die Kielrohrkühlung (Bild 9-22). parallel in denn Kühlkreislauf geschaltet (Bild 9-23). Die
Wärmeübertrager im Kühlkreis beeinflussen sich gegen-
Aufbau des Kühlsystems seitig, was – bei entsprechender Anordnung – im Sinne
einer „Selbstregelung“ ausgenutzt wird [9-48], [9-49].
Haupt- und Nebenkreiskühlung. Hierbei werden die Wär- – Zweikreissystem: Eine bessere Anpassung des Kühlsystems
meübertrager sekundärseitig, d. h. fremdwasserseitig, paral- an Einflussgrößen wie Motorlast, Wärmebedarf oder
lel geschaltet (Bild 9-22). Frischwassertemperatur erreicht man durch thermische
9.2 Externe Motorkühlsysteme 349

Bild 9-22
Wasserrückkühlung bei Binnen-
schiffen

Bild 9-23
Einkreiskühlung

Trennung der Kreisläufe in einen Hoch- und einen Nied- – Zweikreis-Mischsystem: Bei diesem Kühlsystem, auch als
rigtemperatur-Kreislauf (HTK; NTK). NTK- und „integriertes Kühlsystem“ bekannt, sind HTK und NTK
HTK-Wärmeübertrager sind frischwasserseitig (bei hydraulisch gekoppelt (Bild 9-25). Das HT-Kühlwasser
Fahrzeugmotoren: kühlluftseitig) in Reihe geschaltet wird durch Mischen mit NT-Kühlwasser gekühlt, wodurch
(Bild 9-24). Das hat auch den Vorteil, dass man mit klei- sich der HTK-Wärmeübertrager einsparen lässt.
neren Frischwasser-Volumenströmen auskommt. Die Auf- Allerdings erfordert das eine sorgfältige Auslegung, um
teilung des Wärmestromes auf die Teilkreise richtet sich den gewünschten Kühlmittelfluss in allen Zweigen des
nach der Konzeption der Anlage: welche Wärmeübertrager Kreislaufes sicherzustellen. Bei kompakten Motoren mit
in welchen Strängen liegen [9-48]. So besteht beispiels- voll integriertem Zubehör werden je ein Strang des HT-
weise bei Fahrzeugmotoren, bei denen der Luft-Lade- und des NT-Kreises zusammengefasst (Bild 9-26). Etwa
2
luftkühler vor dem Luft-Motorkühlwasserwärmeübertrag /3 des Kühlmittelstromes gehen durch den Hochtem-
er angeordnet ist, und bei Schiffs- und Aggregatsmotoren peraturkreis (HTK), der Rest durch den Niedrigtempera-
oft ein Zweikreis-Mischsystem. turkreis (NTK). Das Kühlwasser des HTK wird nicht
350 9 Motorkühlung

Bild 9-24 Zweikreiskühlung mit Hoch- (HTK) und Niedrigtemperaturkreis Bild 9-26 Zweikreis-Mischkühlung mit zusammengefassten Strängen des
(NTK), mit Rückkühlung durch Frischwasser Hoch- und Niedrigtemperaturkreises

Bild 9-25
Zweikreis-Mischkühlung: Hoch- und Niedrigtemperaturkreis sind
hydraulisch gekoppelt

durch einen Wärmeübertrager, sondern durch Mischen Durch Kombination dieser Merkmale und mit der Anord-
mit dem Kühlwasser des NTK gekühlt. Der NT-Kreis wird nung der Wärmeübertrager in den einzelnen Strängen des/
bei Niedrig- und bei Teillast so gesteuert, dass das der Kühlmittelkreisläufe bieten sich viele Möglichkeiten für
erwärmte Motorkühlwasser über eine Bypassleitung Auslegung und Optimierung des Kühlsystems abhängig von
direkt in den Ladeluftkühler gelangt. Der Teilkreis bleibt der jeweiligen Motorkonzeption und der Kühleranordnung
ungekühlt und erwärmt die Ladeluft. Mit steigender im Sekundärkreis. Insbesondere bei Seewasserbetrieb ist da-
Motortemperatur wird das Motorkühlwasser zunehmend bei zu beachten, dass man hier mit Verschmutzungen und
durch den Wärmeübertrager und durch den Ladeluftküh- Ablagerungen rechnen muss [9-51].
ler geschickt [9-50].
9.2 Externe Motorkühlsysteme 351

bevorzugt, bei der ein großer Zentralkühler das Frisch-


wasser aller anderen Wärmeübertrager kühlt. Der höhere
apparative Aufwand durch mehr und auch größere Kühler
(kleinere Eintrittstemperaturen-Differenzen, zusätzliche
Wärmeübergangswiderstände), mehr Leitungen und Pum-
pen sind auch Indiz für die Probleme einer unmittelbaren
Kühlung mit Seewasser. Andererseits kommt man dadurch
mit weniger seewasserführenden Leitungen und Kompo-
nenten aus. Da die Temperatur in den Frischwasserkreisen
weitgehend konstant bleibt, gestaltet sich die Regelung des
Kühlsystems einfacher. Vor allem bei Mehrmotoren-
anlagen ist deshalb Zentralkühlung vorteilhaft.

Anordnung des Ladeluftkühlers. Die Anordnung des Lade-


luftkühlers im Kühlkreis ist durch Forderung nach möglichst
niedriger Ladelufttemperatur bei Volllast und nach Anpas-
sung der Ladelufttemperatur an den jeweiligen Motorbe-
triebspunkt bestimmt. Es kann dazu unter mehreren Lö-
Bild 9-27 „Konventionelle“ Seewasserkühlung (Einkreissystem) sungen gewählt werden:
– Interne Ladeluftkühlung: Eine gewisse Selbstregelung der
Ladeluft-Temperatur ergibt sich mit kühlmittelseitig in
Kühlsystem bei Seewasserbetrieb. Hier kann man unter- den Motorkühlwasserkreis (Primärkreis) eingebundenen
scheiden in: Ladeluftkühler (Bild 9-21). Zwar kann dadurch die Lade-
– „konventionelle“ Seewasserkühlung (Bild 9-27): Die luft allenfalls auf das Niveau der Motorkühlwassertemper
apparative Einfachheit, der wärmetechnische Vorteil grö- atur heruntergekühlt werden (Leistungseinbuße!), passt
ßerer Eintrittstemperaturen-Differenzen und geringerer sich aber der Motorbelastung an (Verbesserung des Motor
Pumpenleistungen infolge kleinerer Seewasser-Volu- betriebsverhaltens). Im oberen Lastbereich wird die Lade-
menströme müssen aber mit Nachteilen des Seewasser- luft gekühlt, im unteren aufgeheizt.
betriebes erkauft werden. – Externe Ladeluftkühlung: Hier werden der/die Lade-
– Zentralkühlung (Bild 9-28): Wegen der Nachteile der luftkühler in einen Nebenkreis gelegt und vom Kühlmittel
konventionellen Kühlung wird meist die Zentralkühlung parallel zu den anderen Wärmeübertragern durchströmt

Bild 9-28
Zentralkühlung
352 9 Motorkühlung

(Bild 9-23). Damit steht eine größere Eintrittstemperaturen-


Differenz zur Verfügung, die Ladeluft kann tiefer herab-
gekühlt werden. Diesen Vorteil sucht man neuerdings auch
bei kleineren Motoren (Nfz-Motoren) zu nutzen. Da die
Ladeluft thermisch vom Motor entkoppelt ist, muss sie
durch entsprechende Regelung des externen Kreises an
den Lastzustand des Motors angepasst werden.
– Zwei-, mehrstufige Ladeluftkühlung: Darunter versteht
man die Aufteilung der Ladeluftkühler in je einen in den
Hoch- und Niedrigtemperatur-Kreislauf geschalteten
Teilkühler („Zweistufige Ladeluftkühlung“, Bild 9-24).
Durch die hohe Ladelufttemperatur bei Eintritt in den
Kühler im HT-Kreis kann die Vorlauftemperatur für
Wärmeverbraucher (z. B. Frischwasser-Erzeuger) auf
98 °C und das nutzbare Wärmegefälle entsprechend erhöht
werden. Der größere Teil der Ladeluftwärme wird im
Bild 9-29 Kühlkreislauf eines Nfz-Motors. 1 Kühler; 2 Wasserpumpe;
HT-Kreis abgeführt (1,5 bis 2,6:1). Im Teillastbetrieb 3 Ausgleichsbehälter; 4 Thermostat; 5 Bypassleitung; 6 Fülleitung;
(≤ 40%, insbesondere bei voller Drehzahl) oder im 7 Arbeitsventil; 8 Füllstutzen mit Sicherheitsventil; 9 Entlüftungsleitungen;
Arktisbetrieb wird die Niedrigtemperaturstufe abgeschaltet 10 Überlaufleitung; 11 Wärmeübertrager für Fahrerhausheizung
und die Ladeluft durch das Motorkühlwasser im HT-Kreis
aufgeheizt. Das bedeutet bessere Verbrennung, niedrigere
Zünddrücke und geringere Rauchentwicklung! Sinkt die
Motorbelastung unter 15%, wird ggf. eine Motorkühl- durch Abgasturbolader, Abgassammelrohre etc. oder durch
wasserheizung eingeschaltet [9-48]. weitere Wärmeübertrager wie Ölkühler, Abgasrückführ-
kühler etc., wobei der Kühlwasserstrom gemäß dem
Derart komplex aufgebaute Kühlsysteme sind mit zahl- Kühlleistungsbedarf aufgeteilt wird. Ein Temperaturregler
reichen Stromverzweigungen und -vereinigungen und Bau- sorgt dafür, dass bei kaltem Motor das Kühlwasser ganz oder
teilen unterschiedlicher Strömungswiderstände durchsetzt teilweise durch eine Bypassleitung am Kühlmittelkühler
(s. Abschn. 9.2.4). Für einzelne Stränge des Kreises werden vorbei in die Saugleitung zur Motorkühlwasserpumpe
rechnerisch die Druck- und Volumenströme ermittelt und gelangt (Bild 9-29).
im Versuch bzw. bei der Installation der Anlage verifiziert. So werden schnelles Erreichen der Betriebstemperatur
Mit verstellbaren Blenden kann man die einzelnen Teil- und Einhalten der gewünschten Temperatur auch bei wech-
ströme ggf. korrigieren [9-52]. selnder Motorlast gewährleistet.
Der an der höchsten Stelle des Kühlkreises angeordnete
Kühlsysteme bei Fahrzeug- und Kompaktmotoren Kühlwasser-Ausgleichsbehälter fängt die Volumenände-
rungen des Kühlwassers bei Temperaturschwankungen auf,
Eine Sonderstellung nehmen Motoren für Fahrzeuge, fahr- entlüftet den Kühlkreislauf von Abgas (z. B. bei Durchblasen
bare oder verladbare Generatoranlagen und schnelle Boote der Zylinderkopfdichtung) und Luft (z. B. Eintritt durch
aller Art ein. Wegen der hier geforderten kompakten Gestal- Wasserpumpendichtung). Das Entlüften bzw. Entgasen des
tung sind auch die Komponenten des Kühlsystems in den Kühlkreislaufes ist deshalb so wichtig, weil Luft bzw. Gas im
Motoraufbau zu integrieren oder möglichst nahe am Motor Kühlwasser den Durchsatz verringern: Bei einem Luftgehalt
anzuordnen [9-53], [9-54]. von 12% wird der Kreislauf instabil, bei 15% bricht er
Bei Fahrzeugmotoren oder ähnlich kompakt aufgebauten zusammen [9-55]. Außerdem wird der Wärmeübergang
Motoren umfasst der Kreislauf des eigentlichen Motorkühl- verschlechtert bzw. ein Korrosionsangriff begünstigt. Da-
wassers den Motor selbst, Kühlmittelkühler, Leitungen, rüber hinaus beinhaltet der Ausgleichsbehälter eine Kühl-
Ausgleichsbehälter, Temperaturregler und Umwälzpumpe. mittelreserve für kleinere Leckagen und schafft ein gewisses
Die Motorkühlwasserpumpe, vom Motor direkt angetrie- Druckpolster.
ben, drückt das Kühlwasser durch die jeweils in Reihe oder Ein kombiniertes Druck- und Saugventil sorgt für den
parallel geschalteten Wärmeübertrager (Ölkühler; Ladeluft- nötigen Druckausgleich, wenn bei Erwärmung des Kühl-
kühler), in die Kühlräume des Motors (Zylinder und Zylin- wassers Überdruck und bei Abkühlung Unterdruck entste-
derköpfe) sowie durch weitere zu kühlende Bauteile, so z. B. hen. Vom Motor – bei Fahrzeugmotoren auch vom Luft/
9.2 Externe Motorkühlsysteme    353

Wasserkühler – gehen Dauerentlüftungsleitungen zum Aus- Fluids bestimmt, sodass immer dann, wenn sich der Kühl-
gleichsbehälter. Darüber hinaus führt vom Ausgleichsbehäl- mitteldurchsatz nicht proportional mit der Motorleistung
ter eine Verbindungsleitung zur Saugseite der Kühlwasser­ ändert, Kühlleistungsbedarf und -angebot divergieren.
pumpe. Da die Wärmeübertrager bzw. das gesamte Kühlsystem
Der Fluss des Kühlwassers durch Zylinder und Zylinder- entsprechend der Nennleistung des Motors für den maxi-
kopf wird sorgfältig gestaltet. In Motoren mit gemeinsamem malen Kühlleistungsbedarf (Kühllast) ausgelegt werden,
Wasserraum für alle Zylinder muss durch definierte Strö­ muss dafür gesorgt werden, dass sich auch bei hiervon
mungsverhältnisse dafür gesorgt werden, dass die thermisch abweichenden Betriebspunkten im Motor die gewünschten
belasteten Partien gleichmäßig vom Kühlwasser umströmt (vorgesehenen) Temperaturen einstellen. Auf eine Regelung
werden („Queran­strömung“). Die Strömungsgeschwindig- der Kühlmitteltemperaturen kann also nicht verzichtet wer-
keit muss einerseits in Hinblick auf die Wärmeübertragung den, wobei die Temperatur des Kühlmittels im Primärkreis
hoch genug sein, andererseits darf es nicht zu Kavitation geregelt wird.
kommen. Auch die Druckverluste sollen gering bleiben. Bei
großen Motoren mit Einzelzylindern gestalten sich die Ver- Rücklauftemperatur. Die Kühlmitteltemperatur am Mo-
hältnisse einfacher, weil aus einer Sammel­leitung einzeln in toraustritt dient als Index für den thermischen Zustand des
die Zylinder eingespeist wird. In Zylinderköpfen mit ihrer Motors. Stellglied ist ein mit einem Temperaturfühler verse-
komplizierten Struktur, bei der Gesichtspunkte der ther- henes Thermostat-Regelventil. Durch Mischen von gekühl-
mischen und mecha­nischen Festigkeit wie auch der Gieß- tem mit ungekühltem, im Bypass am Rückkühler vorbei ge-
barkeit im Vordergrund stehen, erfordert es Erfahrung, das führtem Kühlwasser im Regelventil wird die gewünschte
Kühlwasser so zu führen, dass sich möglichst gleichmäßige Temperatur eingestellt. Entsprechend wird beim Ölkühler
Temperaturen einstellen. Bei Entgasung des sich erwär- verfahren.
menden Wassers und bei eventuellen Undichtigkeiten dür-
fen sich keine Luftpolster bilden, ebenfalls keine Dampf- Vorlauftemperatur. Die Kühlmitteltemperatur wird am Mo-
nester infolge örtlichen Siedens. Mit Strömungssimulationen toreintritt geregelt. Die sonst ähnlich ablaufende Mischtem-
(CFD) wird die Kühlwasserströmung optimiert. In Strö- peraturregelung wird vorzugsweise bei Mehrmotoren-Anla-
mungsversuchen am Plexiglasmodell lässt sich der Kühlwas- gen mit zentralem Kühlsystem angewendet. Größere Mo-
serfluss überprüfen. toren haben elektrisch oder pneumatisch betätigte PI‑Regler;
kleinere Motoren kommen mit Regler ohne Hilfsenergie
9.2.3 Regelung von Kühlsystemen (Dehnstoffregler) aus. Bei Laständerung des Motors kann die
thermische Trägheit des Motorkühlwassers vernachlässigt
Anforderungen an die Regelung werden; selbst bei großen Mittelschnellläufern erreicht das
Kühlwasser nach 50 bis 70 s Betriebstemperatur. Bei Wechsel
Mit Blick auf Kraftstoffverbrauch, Verschleiß, Schadstoff­ des Fahrtgebietes kann bei Schiffsmotoren der Seewasser-
emission und Geräusch strebt man schnelles Erreichen der durchsatz durch Wasserpumpen mit polumschaltbaren
Motor-Betriebstemperatur, das Einhalten der gewünschten E‑Motoren an den tatsächlichen Kühlbedarf angepasst wer-
Temperaturen unabhängig von der Motorbelastung (Ver- den.
meidung von Unterkühlung und Überhitzung) und eine mi-
nimale Leistungseinbuße durch zusätzliche Aggregate (z. B. Vorwärmung. Motoren, von denen unmittelbar nach dem
Kühlgebläse) an, um die Kühlung aufrechtzuerhalten. Der Start volle Leis­tung abverlangt wird (insbesondere Schnell-
Kühlmittelkreislauf muss sich dazu auf die Erfordernisse des und Sofortbereitschafts-Notstromanlagen), müssen vorge-
Motorbetriebs und zusätzlicher Randbedingungen einstellen wärmt bzw. warmgehalten werden, und zwar durch Aufhei-
können. Neben der sich mit Wechsel der Motorbelastung än- zen des Motorkühlwassers auf 40 °C mittels elektrischer
dernden Kühllast hat sich der Kühlmittelkreislauf auch den Vorwärmgeräte oder durch Heizwärmeübertrager. Größere
unterschiedlichen Temperaturen der Luft anzupassen (Jah- und große Motoren werden grundsätzlich vorgewärmt
reszeiten, geographische Gegebenheiten). (s. Tabelle 9‑6).
Auch werden die Motoren unterschiedlich ausgelastet, so
bei Volllast, Teillast, Leerlauf. In erster Näherung ist die aus Gebläse-Rückkühlanlagen
Motorkühlwasser, Ladeluft- oder Motorölkühler anfallende Bei Gebläse-Rückkühlanlagen, d. h. vor allem bei Fahrzeug-
Wärme von der Motorleistung abhängig. Die Kühl­leistung motoren und Statio­näranlagen, wird der Kühlluftstrom über
der Wärmeübertrager wird vor allem durch die Massenströ- die Gebläsedrehzahl so gesteuert, dass sich die gewünschte
me des Kühlmittels im Sekundärkreis und des zu kühlenden Kühlwassertemperatur einstellt. Damit lassen sich Energie-
354    9 Motorkühlung

verbrauch und Geräuschemission wirksam reduzieren. Die Kühlerkreislaufes nicht berücksichtigt. Allerdings darf dem
durch das Gebläse eingestellte Temperatur liegt oberhalb des Kühlkreis nicht mehr als 20% Wärme entzogen werden, da-
Arbeitsbereichs des Thermostates. Der Lüfter kann wie folgt mit die Motorkühl­wassertemperatur nicht zu stark absinkt.
angetrieben werden: Die Motorkühlwasserwärme hochaufgeladener Motoren
– mechanisch: Die starre Anbindung der Drehzahl des reicht u. U. nicht aus, den Wärmebedarf insbesondere von
Gebläses an die Motordrehzahl erlaubt keinen Regeleingriff Hochdach-Fahrerhäusern (ca. 20 kW) zu decken. In solchen
und ist daher unvorteilhaft. Bei Verwendung von sog. Fällen ist ein zusätzliches Heizgerät vorzusehen. Weitere
Bi‑Metall Visco‑Kupplungen kann die Drehzahl abhängig Wärmeübertrager (für Retarder und Getriebeöl) werden
von der Kühllufttemperatur (nach Fahrzeugkühler) zwischen Wasseraustritt aus Motor und Thermostat in Reihe
geregelt werden. Bei modernen elektrisch angesteuerten mit dem Motor geschaltet.
Kupplungen ist eine Regelung der Lüfterdrehzahl in Extreme Anforderungen werden an Rückkühlanlagen
Abhängigkeit beliebiger Führungsgrößen möglich. gepanzerter Fahrzeuge gestellt, die große Wärmeströme aus
– elektrisch: Die Gebläsedrehzahl ist unabhängig von der des Motor und Getriebe unter extremen Umgebungstempera-
Motors. Das Gebläse kann bei Motorstillstand nachlaufen. turen (–30 °C bis +45 °C) abführen müssen. Das erfordert
Freizügigkeit bei der Anordnung von Gebläse und Kühler große Kühlluftmas­senströme und hohes Gefälle von Kühlwas-
ist gegeben. ser- zu Außen­temperatur, z. B. 95 °C (110 °C) bei 20 °C
– hydraulisch: Der Antrieb erfolgt über eine hydraulische (45 °C) Außentemperatur. Der beengte Raum in einem Panzer
Regelkupplung. Der Regelbereich ist begrenzt. Das Gebläse bedingt eine äußerst kompakte Konstruktion der Rückkühl-
muss direkt am Motor angeordnet werden. Insgesamt anlage. Dazu muss das Gebläse hohe Ansaug- und Druckver-
handelt es sich um eine aufwendige Lösung, die vor allem luste über­winden bei entsprechend großer Gebläse­leistung
bei größeren Fahrzeugmotoren angewendet wird, wenn (z. B. Leopard II: 13,5% der Motorlei­stung von 1100 kW).
sich die Antriebs­leistung für das Gebläse mit Keilriemen
nicht mehr problemlos übertragen lässt und Schwingungen Kühlsystem einer Diesellokomotive
im Antriebsstrang gedämpft werden sollen. Das Kühlsystem von Diesellokomotiven der Baureihen 215,
– hydrostatisch: Auch höhere Antriebsleistungen lassen sich 218 und 210 der Deutschen Bahn ist als Zweikreisanlage mit
über größere Entfernungen übertragen. Dadurch kann der Hoch- und Niedrigtemperaturkreis (HTK und NTK) ausge-
Kühler freizügig angeordnet werden. Der Regelbereich ist führt (Bild 9‑30). Die eigentliche Kühlanlage besteht aus
groß aber auch die Verlustleistung, Bauvolumen und Masse zwei V‑förmig angeordneten Kühlerblöcken, durch die ein
sind dagegen klein. hydrostatisch oder hydrodynamisch angetriebenes Axialge-
bläse die Kühlluft saugt. Die Lüfter­drehzahl wird so geregelt,
Bei den mechanisch getriebenen Lüftern gibt es verschiedene dass die Kühlmitteltemperatur unabhängig von Motorlast
Möglichkeiten der Gestaltung. Für höchste Anforderungen und Außentemperatur nahezu konstant bleibt. Um ein Un-
an Wirkungsgrad und Luftmassenstrom kommen Axiallüf- terkühlen des NTK bei niedrigen Außentemperaturen zu
ter mit kleinem Spalt (ca. 8 mm) zu Einsatz. Aufgrund der vermindern, sind NTK und HTK durch ein Mischventil (An-
Motorbewegung erfordert dieser kleine Spalt eine motorfeste sprechtemperatur 30 °C) hydraulisch gekoppelt. Ein zweites
Installation des Zargenrings um den Lüfter. Ohne diese mo- Mischventil (ca. 60 °C) ermöglicht Vorwärmen und Warm-
torfeste Zarge müssten die Relativbewegungen durch einen halten beider Kühlkreise durch ein Heizgerät und eine Um-
großen Spalt (20–30 mm) kompensiert werden. Um starke wälzpumpe. Die jeweils von dem einen in den anderen Kreis
Rückströmungen durch den Spalt und Strömungsablösungen überströmende Kühlmittelmenge wird in den Ausgleichsbe-
zu vermeiden, werden hier Düsenmantellüfter eingesetzt. hälter zurückgeführt [9‑57], [9‑58].
Neben der höheren Toleranz bezüglich des Lüfterspalts hat
diese Anordnung Vorteile bei Akustik und Stabilität der Strö- Kühlsystem einer Schiffsantriebsanlage
mung [9‑56]. Bild 9‑31 zeigt das Schema des zentralen Kühlsystems mit
hydraulischer Kopplung des HTK und des NTK („inte-
griertes Kühlsystem“) einer Schiffsmaschinenanlage in aus-
9.2.4 Ausgeführte Kühlsysteme führlicher Darstellung mit Pumpen, Ausgleichs­behältern
und sonstigem Zubehör. Der prinzipielle Aufbau entspricht
Kühlsystem für Nfz-Dieselmotoren Bild 9‑26. Dieses Kühlsystem liegt den Motorenbaureihen
Das bereits beschriebene Standard-Kühlsystem zeigt Bild 40/54 bis 58/64 der MAN B & W zu Grunde.
9‑29. Die für die Fahrerhausheizung benötigte Wärmeüber-
tragerleistung (ca. 6 bis 10 kW) wird bei der Auslegung des
9.2 Externe Motorkühlsysteme 355

Bild 9-30 Rückkühlanlage von Diesellokomotiven der Baureihen 215, 218 und 210 der Deutschen Bahn (Zweikreiskühlung mit NTK und HTK, s. auch Bild 9-24).
a Schema des Kühlkreislaufes; b Rückkühlanlage in V-Anordnung
356
9 Motorkühlung

Bild 9-31 Zentrales Kühlsystem einer Schiffsantriebsanlage in integrierter Zweikreisausführung (MAN B&W)
9.2 Externe Motorkühlsysteme    357

Kühlmodule von Fahrzeugkühlsystemen so erhält man mit Ẇmin als dem kleineren der beide Wärme-
In Fahrzeugen werden die wesentlichen zur Rückkühlung kapazitätsströme
erforderlichen Komponenten zu einem Kühlmodul zusam-
mengefasst, das i. d. R. aus Kühlmittelkühler, Ladeluftkühler, (9‑7)
Klimakondensator und Lüfterhaube besteht. Der Lüfter kann
elektrisch, oder direkt vom Motor mechanisch angetrieben mit
sein. Bei Bussen und Sonderfahrzeugen werden auch häufig
hydrostatische Lüfter­antriebe eingesetzt. (9‑8)
Die Anordnung der Wärmeübertrager im Kühlluftstrom
ergibt sich aus den jeweiligen Eintritts- und Zieltempera- bzw.
turen der zu kühlenden Fluide. Daraus ergibt sich i. d. R. die
Reihenfolge Kondensator, Ladeluftkühler, Kühlmittelkühler, (9‑9)
Lüfter.
Um die installierte Kühlleistung des Kühlmoduls optimal ε wird in diesem Zusammenhang als Übertragerwirkungs­
zu nutzen, ist es wichtig, durch den Einsatz einer Umfeldab- grad oder Betriebscharakteristik bezeichnet [9‑60], [9‑61].
dichtung zu verhindern, dass erwärmte Luft wieder vorn Man kann zeigen, dass ε von den sog. Wärmeübertra-
angesaugt wird. gungseinheiten (Number of heat transfer units)

(9‑10)
9.2.5 Wärmeübertrager
dem Verhältnis der Wärmekapazitätsströme
9.2.5.1 Wärmetechnische Auslegung
(9‑11)
Behandelt werden hier nur stationär betriebene Wärmeüber-
trager mit festen Trennwänden zwischen zwei Fluiden, sog. und der Stromführung im Wärmeübertrager abhängig ist
Rekuperatoren [9‑59]. [9‑61], [9‑62]. In Gl. (9‑10) ist kA das Produkt aus Wärme-
Bei den Bezeichnungen wird stets der Index „1“ für das durchgangskoeffizient k und Wärme­übertragungsfläche A,
wärmeabgebende Fluid und der Index „2“ für das wärme- das bei berippten Flächen – wie sie hier meistens vorliegen
aufnehmende Fluid verwendet. Der Index „e“ steht für – zweckmäßigerweise nicht zu trennen ist.
„Eintritt“ und der Index „a“ für „Austritt“. Formeln und Diagramme für verschiedene Stromfüh-
Es gilt somit für die Abkühlung des Massenstroms ṁ1 rungen (Bild 9‑32) können dem VDI-Wärmeatlas [9‑63]
entnommen werden. Dort und in [9‑62] sowie [9‑64] ist
(9‑1) auch ein numerisches Verfahren, die sog. Zellenmethode,
und für die Aufwärmung des Massenstroms ṁ2 angegeben, mit dem der Übertragerwirkungsgrad für belie-
bige Stromführungen berechnet werden kann.
(9‑2) Bei der Auslegung von Wärmeübertragern besteht die
Aufgabe darin, bei vorgegebenen Wärmekapazitätsströmen
Werden die Wärmekapazitätsströme gemäß Gl. (9‑3) und (9‑4) und zu erzielender bezogener
Wärmeübertragungsleistung Q̇c/DTc den erforderlichen
(9‑3)
Übertragerwirkungsgrad ε aus Gl. (9‑7) zu ermitteln. Je nach
vorgesehener Stromführung kann dann aus der zugehörigen
(9‑4)
Formel bzw. dem entsprechenden Diagramm die Anzahl der
eingeführt, ergibt sich damit für die Wärmeübertragungsleis­ Wärmeüber­tragungseinheiten N und damit gemäß Gl. (9‑10)
tung der erforderliche kA Wert bestimmt werden. In vielen Fällen
lässt sich N aus den angegebenen Formeln nicht explizit
(9‑5) berechnen, sodass iterativ vorzugehen ist.
Bezieht man die Leistung auf die größte im Wärmeübertrag Da im Übrigen die Größe der Wärmekapazitätsströme
mögliche Temperaturdifferenz, die Differenz der Eintritts­ oftmals von der gewählten Wärmeübertragergröße und
temperaturen der beiden Massenströme -bau­art abhängig sind, z. B. bei einem durch Staudruck mit
Kühlluft beaufschlagten Fahrzeugkühler, wird in der Praxis
(9‑6) stets von einer angenommenen Wärmeübertragergröße
358 9 Motorkühlung

Bild 9-32 Einige Grundformen von Stromführungen in Wärmeübertragern. a reiner Gleichstrom; b reiner Gegenstrom; c reiner Kreuzstrom; d einseitig quervermischter
Kreuzstrom

ausgegangen und über die mittelere Fluidtemperature ite- angegeben. Dabei ist
riert, bis eine befriedigende Übereinstimmung erreicht ist.
(9-14)
Aufgrund der damit ermittelten Wärmeübertragerleistung
wird dann ggf. die Wärmeübertragergröße entsprechend die Reynolds-Zahl,
den Leistungsanforderungen angepasst.
(9-15)
Für die eigentliche Berechnung des kA-Wertes werden die
Wärmeübergangskoeffizienten D1 und D2 sowie die Wärme- die Prandtl-Zahl, l eine charakteristische Abmessung des fes-
leitkoeffizienten der Trennwand Ow und der Rippen Or1 und ten Körpers, O der Wärmeleitkoeffizient des strömenden
Or2 benötigt. Dann gilt die Pecletsche Gleichung Mediums, X seine Strömungsgeschwindigkeit, Q seine kine-
matische Viskosität, U seine Dichte und cp seine isobare mas-
(9-12) senspezifische Wärmekapazität.
Wärmeübertrager für die Motorkühlung in Kraftfahrzeu-
Darin sind Aw die Fläche der ebenen Trennwand, Gw ihre Dicke, gen zeichnen sich durch eine sehr kompakte Bauweise aus.
A1 und A2 die, zum Teil mit einem Rippenwirkungsgrad Kr be- Kennzeichnend ist die auf das Bauvolumen V der Wärme-
werteten, wärmeübertragenden Flächen [9-65]. Die Wärme- übertrager-Matrix bezogene Übertragungsfläche A1 oder A2
übergangskoeffizienten sind i. d.R. in Form der Nußelt-Zahl für die i. Allg. Werte von

(9-13) (9-16)
9.2 Externe Motorkühlsysteme    359

vorliegen. Noch aussagefähiger sind allerdings die auf das


Matrixvolumen V bezogenen kA‑Werte, für die in Tabelle 9‑8
einige Richtwerte angegeben sind.

9.2.5.2 Kühlmittelkühler

Es wird zwischen luftgekühlten und flüssigkeitsgekühlten


Kühlmittelkühlern unterschieden. Die für Fahrzeug-Diesel-
motoren eingesetzt, luftgekühlten Wärmeübertrager sollen
sehr kompakt mit geringem Gewicht ausgeführt sein. Die
Kompaktheit wird durch die zulässigen Druckabfälle auf der
Luft- und Kühl­mittelseite begrenzt. Außerdem muss beach-
tet werden, dass mit zunehmender luftseitiger Flächendichte
gemäß Gl. (9‑16) die Verschmutzungs­empfindlichkeit des
Kühlernetzes zunimmt, und auch hierdurch, insbesondere
für z. B. Traktoren und Baustellenfahrzeuge, Grenzen gesetzt
sind. Kühlernetze bestehen aus Kombinationen von Rippen
und Rohren, die je nach Herstellverfahren unter­schiedlich
ausgebildet sind. Bild 9‑33 zeigt den Aufbau eines gelöteten Bild 9-33 Aufbau eines hartgelöteten Kühlmittelkühlers aus Aluminium für
Kühlers, der aus Flachrohren und sog. Wellrippen besteht, den Einsatz in Kraftfahrzeugen (Quelle: Behr)
die miteinander verlötet sind.
Beim mechanisch gefügten Kühler (Bild 9‑34) werden
durch genau bemessene Durchzüge in lamellenförmigen
Rippen, runde oder ovale Rohre gesteckt. Diese werden
dann mechanisch derart aufgeweitet, dass zwischen Rohr
und Durchzug eine bleibende Flächenpressung zur Wärme-
leitung vom Rohr zur Rippe entsteht. Zur Verbesserung des
Wärmeübergangs sind die Rippen in beiden Fällen mit einer
Vielzahl von kiemenartigen Ausstellungen versehen sind
[9‑66]. Der Verteil- und Sammelkasten aus glasfaserverstärk­
tem Polyamid ist über eine elastische Dichtung mit dem
jeweiligen Boden durch einen Formschluss verbunden. Es
gibt beim gelöteten Kühler auch Lösungen mit angelöteten
Sammelkästen aus Aluminium.
Zur Vermeidung von laminarer Strömung, die bei kleinen
Kühlmitteldurchsätzen auftreten könnte, ist es möglich Tur-
bulenzeinlagen in den Rohren vorzusehen.
Im Vergleich zu den gelöteten Kühlern zeichnen sich die
mechanisch gefügten Kühler durch günstigere Herstellkos­
ten aus; ihre auf die luftseitige Stirnfläche bezogenen Wärme­
übertragungsleistung oder der luftseitige Druckabfall liegen
i. Allg. jedoch ungünstiger, sodass größere Kühler oder
höhere Lüfterleistung erforderlich sind [9‑67], [9‑68].
Bei Kraftfahrzeuganwendungen im Pkw und Nkw wer-
den in Europa heute fast ausschließlich Kühlmittelkühler
aus Aluminium eingesetzt.
Eine weitere Bauart luftgekühlter Kühlmittelkühler ist der
sog. Kühlerteilblock, wie er im Bild 9‑35 für eine Kühlanlage Bild 9-34 Aufbau eines mechanisch gefügten Kühlmittelkühlers aus Alumi‑
mit Haupt- und Nebenkreislauf dargestellt ist (s. Abschn. nium für den Einsatz in Kraftfahrzeugen (Quelle: Behr)
9.2.2). Im Nebenkreislauf wird ein aus dem Haupt­kreislauf
360 9 Motorkühlung

kommender Teilstrom weiter heruntergekühlt, um mit ihm mittelkühler in sog. Schalen- oder Scheibenbauweise. Die
z. B. in einem Ladeluftkühler eine niedrige Ladeluft-Aus- kühlmittelführenden Elemente werden hier aus jeweils zwei
trittstemperatur zu erzielen. Der Teilblock besteht aus lamel- Al-Scheibenhälften gebildet. Zwischen den einzelnen Ele-
lenförmigen, meist glatten Cu-Rippen mit Durchzügen für menten sind Al-Wellrippen, ähnlich den im Bild 9-33
die flachen Cu-Rohre. Die Verbindung zwischen Rohr und gezeigten, angeordnet. Mit entsprechenden Endplatten und
Rippe wird durch eine Blei-Zinn-Lotschicht auf den Rohren Anschlüssen versehen, wird der gesamte Kühler hartgelötet.
bewirkt. Böden, Sammel- und Verteilerkasten sowie die Die Leistungsfähigkeit lässt sich leicht durch die Anzahl der
damit durch Hartlötung verbundenen, gegossenen Elemente verändern.
Anschlussstücke bestehen aus Messing. Die Rohr-Boden- Flüssigkeitsbeaufschlagte Kühlmittelkühler werden vor
Verbindung und das Auflöten der Kästen erfolgt mit Weich- allem bei Schiffsmotoren, teilweise aber auch bei stationär
lot. Die sehr robusten und gegen Verschmutzung unanfäl- eingesetzten Motoren verwendet. Da hierbei auf beiden
ligen Kühlerelemente werden bevorzugt in Schienen- Seiten des Wärmeübertragers ähnlich hohe Wärmeüber-
fahrzeugen, aber auch bei stationären Motoren verwendet. gangskoeffizienten vorliegen, werden i. d. R. unberippte
Bild 9-36 zeigt den Einsatz von einfach durchströmten Küh- Systeme verwendet. Außerdem ist beim Einsatz von Seewas-
lerteilblöcken bei einer sog. Unterflur-Kühlanlage für die ser auf geringe Verschmutzungsempfindlichkeit bzw. gute
Deutsche Bahn. Reinigungsmöglichkeit und Resistenz gegen Korrosion zu
Für direkt am Motor befestigte Kühler sind besonders achten. Neben den klassischen Rohrbündel-Apparaten
schwingfeste Ausführungen zu wählen. Die Deutz AG ver- [9-59] kommen Platten-Wärmeübertrager aus CuNi- oder
wendet für ihre neue Motorengeneration mit motorin- Titan-Werkstoff zur Anwendung. Sie sind meistens vom
tegriertem Kühlsystem (s. Abschn. 18.2) luftgekühlte Kühl- Motor getrennt aufgestellt, können aber auch am Motor

Bild 9-35 Aufbau eines Kühlerteilblockes in Buntmetall-Ausführung für Kühlanlagen mit Haupt- und Nebenkreislauf in Schienenfahrzeugen (Quelle: Behr)
9.2 Externe Motorkühlsysteme 361

Bild 9-36
Unterflur-Kühlanlage für einen Trieb-
wagen der Deutschen Bahn, beste-
hend aus zehn Kühlerteilblöcken mit
700 mm Länge und 200 mm Breite so-
wie einem flüssigkeitsgekühlten Ge-
triebeölkühler in Scheibenbauweise
und hydrostatisch angetriebenem
Lüfter. An den Kühlluftstrom sind
405 kW bei einer Eintrittstemperatur-
Differenz von 58 K zu übertragen
(Quelle: Behr)

integriert werden, wie das bei der neueren Motorenbaureihe rung. Die einzelnen Flachrohre sind auf den Breitseiten
„595“ der MTU Motoren- und Turbinen-Union GmbH gegenüberliegend mit warzenförmigen Einprägungen verse-
erfolgt [9-69]. hen, die miteinander verlötet sind. Auf diese Weise wird die
Eine andere, ebenfalls motorintegrierte Ausführung eines erforderliche Druckfestigkeit für einen Betriebsdruck von
mit Seewasser beaufschlagten Kühlmittelkühlers zeigt 6 bar Überdruck und gleichzeitig ein besserer Wärmeüber-
Bild 9-37. Dabei befindet sich in einem Al-Gussgehäuse, das gang als bei glatten Rohren erreicht.
vom Motorkühlmittel durchströmt wird, ein Flachrohr-
Kühlereinsatz. Das Seewasser strömt um die registerförmig 9.2.5.3 Ölkühler
angeordneten Flachrohre und kommt nur mit den mitein-
ander hartverlöteten Teilen aus CuNi-Werkstoff in Berüh- Gegenüber Kühlmittelkühlern müssen Ölkühler für höhere
Betriebsdrücke von 10 bis 20 bar ausgelegt werden. Außer-
dem ist der Wärmeübergang vom Öl an die Wandflächen
weitaus geringer, sodass auf der Ölseite stets mit turbulenz-
erzeugenden Strukturen gearbeitet werden muss. Durch ihre
Verlötung mit den Wandflächen wird auch die notwendige
Steigerung der Innendruckfestigkeit erreicht.
Luftgekühlte Ölkühler werden fast ausnahmslos in Alu-
minium ausgeführt. Bild 9-38 zeigt einen Ölkühler in Flach-
rohrbauweise, wie er bei Kraftfahrzeug-Dieselmotoren zum
Einsatz kommt. Der Aufbau des Kühlernetztes ist ähnlich
wie bei gelöteten Kühlmittelkühlern; die Kästen sind auf-
grund der erhöhten Betriebsdrücke jedoch aus Aluminium.
Wie in Bild 9-39 dargestellt, sind die Turbulenzbleche als
unterbrochene Stegrippen ausgebildet.
Anstelle der Flachrohre werden teilweise auch ebene Al-
Blech verwendet, zwischen denen die Turbulenzbleche
Bild 9-37 Seewasserbeaufschlagter Kühlmittelkühler in Flachrohrbauweise angeordnet sind. Durch Rechteckprofilstäbe, die als Beran-
für den Anbau am Motor (Quelle: Behr) dung eingelötet werden, ergeben sich luft- bzw. ölführenden
Kanäle. Diese sog. Paketbauweise hat den Vorteil, dass belie-
362    9 Motorkühlung

Bild 9-38 Luftgekühlter Ölkühler in Al-Flachbauweise für den Einsatz in Kraftfahrzeugen (Fa. Behr)

Bild 9-39
Verschiedene Turbulenzbleche für die
Verwendung in luft- und flüssigkeits‑
gekühlten Ölkühlern. Ausführung in
Aluminium oder Stahl (Fa. Behr)

big bemessene Kühler ohne spezielle Werkzeuge hergestellt ler, wie in Bild 9‑40 dargestellt, eingesetzt. Dank der hochge-
werden können. Die typengebundenen Kästen werden auf zogenen Scheibenränder, die mit der jeweils nächsten Schei-
den komplett gelöteten Wärmeübertragerblock aufge- be verlötet sind, benötigen diese Kühler kein separates
schweißt. Gehäuse. Auf der Kühlmittelseite und auf der Ölseite befin-
Eine weitere Variante luftgekühlter Ölkühler ist die Schei- den sich Turbulenzeinlagen, ähnlich zu den in Bild 9‑39
benbauweise. Auch hierbei sind aus Festigkeits- und Wär- dargestellten Blechen oder die Scheiben weisen bereits eine
meübertragungsgründen auf der Ölseite mit den Scheiben geprägte Struktur auf, die diese Aufgabe übernimmt. Häufig
verlötete Turbulenzbleche unabdingbar. sind diese Kühler auch mit einem Ölfilter zum Filtermodul
Für mit Flüssigkeit beaufschlagte Ölkühler für Pkw-Die- verschraubt.
selmotoren werden heute Aluminium Stapelscheibenölküh-
9.2 Externe Motorkühlsysteme    363

Bild 9-40
Stapelscheibenölkühler für Pkw‑An‑
wendungen (Quelle: Behr)

Bild 9-41
Flüssigkeitsgekühlter Ölkühler in
Scheibenbauweise für den Einbau
unter dem Ölilter (geschnitten, links)
bzw. im Motorblock oder separatem
Gehäuse (rechts). Qulle: Behr

Für schwere Motoren, z. B. bei Nfz Anwendungen, wird Der im Bild 9‑41(links) aufgeschnitten abgebildete Rund-
häufig die im Bild 9‑41 (rechts) gezeigten Scheibenbauwei- scheibenölkühler kann unter dem Ölfilter eingebaut und
sen verwendet. Es handelt es sich um einen Längsscheiben- so in den vorhandenen Ölstrom integriert werden. Durch
Ölkühlereinsatz, der in ein spezielles Gehäuse, wie im die Verwendung von Stahl als Werkstoff und dem damit
Bild 9‑36 dargestellt, oder direkt im Motorblock eingebaut verbundenen hohen Gewicht, wird dieses Produkt inzwi-
wird. Das Öl durchströmt parallel die einzelnen mit schen weniger häufig eingesetzt. Vereinzelt werden die
Turbulenz­blechen ausgestatteten Scheiben, und das Kühl- Scheibenölkühler auch ganz aus Aluminium oder, beim
mittel umströmt das Scheibenbündel im Gegen- oder Kreuz- Einsatz von Seewasser, aus einer CuNi-Legierung herge-
strom. stellt.
364    9 Motorkühlung

Bei Schiffs- und größeren Industriemotoren werden


neben den Scheibenölkühlern sehr oft auch Rohrbündel-
Wärmeübertrager eingesetzt. Den ungünstigen Wärme­
übertragungseigenschaften des Öles Rechnung tragend,
sind diese Rohrbündel mit einer intensiven, lamellenför-
migen Verrippung versehen, die entsprechend der Anord-
nung der Umlenkbleche vom Öl überströmt werden. Bei
einer anderen Bauweise werden glatte Rohrbündel verwen-
det, und das Öl wird durch die mit speziellen Füllkörpern
versehenen Rohre geleitet. Auch motorintegrierte Platten-
Wärmeübertrager kommen für die Ölkühlung zur Anwen-
dung [9‑69]. Bei diesen nur mit primärer Wärmeübertra-
gungsfläche ausgestatteten Apparaten kann allerdings den
ungleichgewichtigen Wärme­übertragungseigenschaften von
Öl und Motorkühlmittel bzw. Seewasser nur bedingt entge-
gengewirkt werden.

9.2.5.4 Ladeluftkühler

Durch die Ladeluftkühlung wird über die Herabsetzung der


Lufttemperatur eine Erhöhung der Dichte der Luft erreicht.
Damit wird eine größere Luftmenge in den Verbrennungs-
prozess eingebracht, was eine höhere Motorleistung zur
Folge hat. Bei der Ausgestaltung des Ladeluftkühlers ist da-
her darauf zu achten, einen möglichst niedrigen ladeluftsei-
tigen Druckabfall ∆p1 zu erhalten. Anderenfalls kann die
durch die Abkühlung bewirkte Erhöhung der Luftdichte
durch den Druckabfall überkompensiert werden, und der
Ladeluftkühler führt zu einer Verringerung der Motorleis­ Bild 9-42 Aufbau eines hartgelöteten Ladeluftkühlers aus Aluminium für
tung. Zur Beurteilung des im Ladeluftkühler erreichten den Einsatz in Kraftfahrzeugen (Quelle: Behr)
Dichterückgewinns ist in [9‑70] ein Gütegrad

(9‑17) den Einsatz bis ca. 220 °C. Bei noch höheren Temperaturen
müssen Kästen aus Al‑Kokillenguss aufgeschweißt werden,
wie es Bild 9‑39 zeigt. In den Flachrohren befindet sich eine
eingeführt worden. Hierin sind die Temperaturen T1e, T1a, Innenberippung, die mit Rücksicht auf den Druckabfall aber
T2e und T2a in K einzusetzen; p1e ist der Absolutdruck der nur eine mäßige Oberflächenvergrößerung bewirken soll.
Ladeluft am Eintritt in den Kühler. Bei einem idealen, un- Sofern luftgekühlte Ladeluftkühler bei anderen Fahrzeug-
endlich großen Wärmeübertrager ohne Druckabfall wird oder stationären Motoren zur Anwendung kommen, sind
ηρ=1. Treten jedoch bei geringen Ladedrücken hohe sie i. Allg. in einer Al‑Paketbauweise ausgeführt, wie sie in
Druckabfälle auf, so kann ηρ auch negative Werte annehmen, Abschn. 9.2.5.3 für Ölkühler beschrieben ist. Dabei sind die
was bedeutet, dass die Dichte abnimmt. Rippen auf der Lade- und Kühlluftseite der in Bild 9‑42
In Kraftfahrzeugen werden größtenteils luftgekühlte gezeigten Ausführung ähnlich. Der Vorteil der Paketbau-
Ladeluftkühler eingesetzt. Sie sind vor dem Kühlmittelküh- weise besteht wiederum darin, dass kompakte Kühler indi-
ler angeordnet, in Personenkraftwagen teilweise auch an vidueller Abmessungen in kleiner Stückzahl wirtschaftlich
anderer Stelle. Der Kühlerblock aus Aluminium entspricht hergestellt werden können. Dort, wo Bauraum und Gewicht
im Aufbau dem der gelöteten Kühlmittelkühler. Bei Lade- eine untergeordnete Rolle spielen, werden auch Flachrohr-
lufttemperaturen unterhalb von 190 °C werden, wie beim systeme aus Stahl oder Buntmetall eingesetzt. Zugunsten
Kühlmittelkühler, Kästen aus glasfaserverstärktem Polyamid eines niedrigen ladeluftseitigen Druckabfalls enthalten die
eingesetzt. Besonders beständige Kunststoffe erlauben sogar Flachrohre oftmals keine Innenberippung. Die erforderliche
9.2 Externe Motorkühlsysteme    365

Tabelle 9-8 Übliche maximale querschnittspezifische Massenströme und zugehörige kA/V-Werte für Hochleistungswärmeübertrager.
Fluid 1 wärmeabgebend, Fluid 2 wärmeauf­nehmend

Fluid 1 Fluid 2 spez. Massenströme


ṁ*1 ṁ*2 (kA/V) · 10–3
kg/(m2 · s) kg/(m2 · s) W/(m3 · K)
Kühlmittela) Luft 250 12 370
Schmierölb) Luft 150 6 200
Schmierölb) Kühlmittela) 150 200 1300
Ladeluft Kühlmittelc) 12 40 280
Ladeluft Luft 20 10 100
a) Gemisch aus Wasser und Glykol mit einem Volumengehalt von 70/30% bei ca. 100 °C.
b) Essolub HDX 30 bei ca. 130 °C.
c) Wie a, jedoch bei ca. 70 °C.

Kühlleistung muss dann über eine entsprechend groß


bemessene Kühlerstirnfläche erreicht werden.
Im Hinblick auf eine strömungsgünstige Ladeluftführung
und damit vermiedene Druckverluste sind flüssigkeitsge-
kühlte Ladeluftkühler zu bevorzugen. Sie lassen sich am
Motor harmonisch in die Ladeluftleitung integrieren [9‑69],
[9‑71]. Außerdem bauen sie noch kompakter als luftgekühl-
te Ausführungen, weil größere kA/V‑Werte zu erreichen
sind (s. Tabelle 9‑8) und das Verhältnis R der Wärme­
kapazitäts­ströme günstiger liegt. Hinzu kommt, dass oft eine
Kreuzgegen­stromführung realisiert werden kann, sodass
hohe Übertragerwirkungsgrade zu erreichen sind.
Das Hauptanwendungsgebiet flüssigkeitsgekühlter Lade-
luftkühler sind heute die größeren aufgeladenen Dieselmo-
toren außerhalb des Kraftfahrzeuges, insbe­sondere die
Schiffsmotoren.
In stark zunehmendem Maße wird diese Technologie
Bild 9-43 Seewasserbeaufschlagter Ladeluftkühler in Rundrohrbauweise
jedoch bereits auch in Kraftfahrzeugen eingesetzt. Bild 9‑43
für den Einbau in die Ladeluftleitung von Schiffsdieselmotoren (Quelle: Behr)
zeigt einen solchen Kühler mit einer Wärmeübertrager-
Matrix für die Ladeluftkühlung eines Schiffsdieselmotors,
die aus Rundrohren mit einem Außendurchmesser von
8 mm und 0,12 mm dicken, leicht gewellten, lamellenför- nungen einer der Böden als Schiebeboden ausgebildet.
migen Cu-Rippen besteht. Die Verbindung zwischen Rippe Dann kann für die gegossenen Seitenteile Aluminium ver-
und Rohr wird wie bei den mechanisch gefügten Kühlmit- wendet werden; ansonsten wird Grauguss bevorzugt, um
telkühlern (s. Bild 9‑34) durch Aufweiten des Rohres ähnliche Aus­dehnungsverhältnisse wie bei den Rohren zu
erreicht. Je nach Einsatzfall wird für die Rohre eine CrNi- erhalten.
oder CuNi‑Legierung verwendet. Die Verbindung zu den Bild 9‑44 zeigt einen flüssigkeitsgekühlten Ladeluftkühler
Rohrböden aus Stahl oder Sondermessing erfolgt durch wie er schon seit einigen Jahren beim Mercedes Benz
Einwalzen der Rohre. Für die Sammel- und Ver­teilkammern 12‑Zylinder Biturbomotor eingesetzt wird, der die Mer­
wird je nach verwendetem Kühlmittel Grauguss, eine AlSi- cedes‑S Klasse und den Maybach antreibt. Dieser Ladeluft-
oder CuAl‑Legierung gewählt. Da zwischen Ladeluft und kühler wird vollständig aus Aluminium hergestellt. Die
Kühlmittel erhebliche Temperaturdifferenzen auftreten Wärme­tauschermatrix besteht aus Scheiben, wobei jeweils
können, wird teilweise zur Vermeidung von Wärmespan- ein Scheibenpaar einen engen Kanal für die Führung des
366 9 Motorkühlung

– Verwendung grundsätzlich gerader Rohre mit innerer


Abgasführung; für eine mechanische Reinigungsmöglich-
keit und erleichterte Reparatur,
– Aufnahme der Rohre durch Einschweißen in Rohrböden;
Einwalzen genügt nicht, wenn örtliche Überhitzungen auf-
treten und die Walzpressungen schwächen,
– Vorsorge für Wärmedehnungsmöglichkeiten der Rauch-
rohre treffen; z. B. für die Rohre Auslenkfreiheit aus der
Geraden schaffen und durch kleine Vorauslenkung
Bewegungsrichtung vorgeben oder beweglichen Rohrbo-
den oder dehnbares Gehäuse vorsehen,
– Vorzugsweise stehende Bauart, d. h. möglichst Austritts-
kammer unter den Rohren, mit Abgas-Stromrichtung
nach unten verwenden, damit agglomerierte Partikel leich-
ter herausfallen können und ggf. anfallendes Kondensat
herausläuft; dabei evtl. Inkaufnahme von Nachteilen für
die mechanische Reinigung wegen erforderlicher großer
Bild 9-44 Ladeluft/Kühlmittel-Kühler für Mercedes S-Klasse und Maybach
(12 Zylinder Biturbo, M275)
Manöverhöhen über dem Wärmetauscher,
– Rohrdurchmesser nicht unter 12 mm ‡ wählen,
– sichere Strömung des Kühlwassers an der Abgas-Ein-
trittsrohrplatte und im Eintrittsbereich der Rauchrohre
konstruktiv erzwingen,
Kühlmittels bildet. Zwischen diesen Scheibenpaaren sind – Kühlwasserströmung immer von unten nach oben
Rippen angeordnet, die die Wärme der Ladeluft aufnehmen vorsehen und für gute Entlüftung auch im Betrieb sor-
und an das Kühlmittel abgeben. Das Gehäuse ist aus Alumi- gen,
nium gegossen. – Abgasein- und -austrittskammern durch Rundflansche für
Weitere Designvarianten existieren für die Anwendung leichtes Öffnen beider Seiten gestalten oder ausreichende
im Nkw. Öffnungen vorsehen, damit Ruß oder evtl. vorhandene
Die mit Flüssigkeit beaufschlagten Ladeluftkühler eignen feste Ablagerungen von Metallsulfaten entfernt und der
sich generell auch als Ladeluftvorwärmer und werden in Kondensatabfluss freigemacht werden kann,
gleicher Ausführung auch als solche eingesetzt. – in durch Abgasklappen abgesperrten Abgaswärmeüber-
tragern, bei denen heißes Abgas von laufenden Anlagen
9.2.5.5 Abgaswärmeübertrager ansteht, stets einen geringen Wasserstrom zur Aufnahme
von Wärme aus dem Leck-Abgas berücksichtigen, da es
Bauarten, Ausführungsformen keine sicher schließenden Abgasklappen gibt,
– kleine Rauchrohre (12–30 mm ‡) in Edelstahl X10CrNi
Abgaswärmeübertrager sind Gas-Wasser(Öl)-Wärmeüber- MoTi 18.10, Werkstoff-Nr. 1.4571 ausführen, große sind
trager. Es wurden bisher alle Formen mit unterschiedlichem auch in Normalstahl, St 37.10, wegen meistens vorhandener
Erfolg ausgeführt: Glatt- und Rippenrohrwärmetauscher mit Wandstärkenreserve von marktgängigen Rohrhalbzeugen
der Gasstromführung in den Rohren (Rauchrohrbauweise) möglich; Rohrböden werden meistens in Normalstahl aus
sowie äußerer Gasströmung in stehender und liegender Aus- Werkstoff-Preis- und Fertigungskostengründen hergestellt;
richtung. Die Vielfalt der Bauweisen entsteht durch häufig für Abgasein- und -austrittskammern wird ebenfalls
eingeengte Einbauverhältnisse (stehende oder liegende Bau- Edelstahl X10CrNiMoTi 18.10, Werkstoff- Nr. 1.4571
weise bzw. Anwendung von Rippenrohren aus der Luftküh- gewählt. In Fahrzeuganwendungen werden für die
ler-Produktion), durch Fertigungsvorteile bei Bauart-Ablei- Abgasrohre auch die Werkstoffe 1.4539 sowie 1.4404
tung von Luft-Wasser-Serienkühlern oder durch besondere eingesetzt.
Preiszwänge. Dagegen gibt es eindeutige Konstruktionsre-
geln für Abgaswärmeübertrager für Dieselmotoren, die sich Bild 9-45 zeigt einen stehenden Abgaswärmeübertrager, der
aus den Vorschriften [9-72] und verschiedenen Untersu- in Kleinserien hergestellt wird [9-73].
chungen ergeben und von Fachfirmen automatisch beachtet Für spezielle Einbauverhältnisse, niedrige Maschinenhal-
werden: len oder bei fehlendem Manövrierraum über dem Abgas-
9.2 Externe Motorkühlsysteme 367

wärmetauscher werden für kleinere Leistungen auch liegen-


de Ausführungen gebaut.
Wegen der noch bestehenden gegenwärtigen Hemmnisse
bei der Dieselmotor-Abgaswärmenutzung und der meist
kleinen Stückzahlen werden die Spezial-Abgaswärmeüber-
trager i. Allg. in Einzelfertigung für jede Anlage individuell
gefertigt.
Abgas-Dampferzeuger sind wiederum besondere Bauar-
ten von Abgaswärmeübertragern, ebenfalls in liegender und
stehender Ausführung, die für den Einzelfall von Spezialfir-
men gebaut und mit erheblich erweiterten Sicherheits-
vorkehrungen ausgestattet werden müssen.

Probleme der Heizflächenverschmutzung

Bei an Dieselmotoren als sog. Abhitzekessel eingesetzten Ab-


gaswärmeübertragern (Abgas-Wasser-Wärmeübertrager) ist
oftmals nach kurzer Zeit ein Zusetzen der Gaswege mit tro-
cken-lockeren bis leicht feuchten Rußpartikelablagerungen
und kondensierbaren Komponenten zu registrieren. Deshalb
konnten Gas-Wasser-Wärmeübertrager üblicher Bauart bisher
nur mit Zusatzmaßnahmen erfolgreich eingesetzt werden.
Andererseits ist trotz aller Fortschritte in der Verbren-
nungstechnik die Rußbildung im Dieselmotor systembe-
dingt, sodass auch Großmotoren mit teilweise sehr geringen
Rußemissionswerten nicht völlig rußfrei sind (auch nicht
nach einem Rußfilter!).
Forschungsarbeiten [9-74] bis [9-76] konnten in syste-
matischen Versuchen den Ablagerungsmechanismus weit-
gehend klären: Danach unterliegen die im Abgas mitge-
führten Partikel verschiedenen Kräften (Bild 9-46). Es ist
die Thermophorese, d. h. die Anziehung von Partikeln, die
sich in die Richtung des Temperaturgefälles bewegen, sowie
das Ankleben an der Wand (Adsorption) durch kondensie-
rende Kohlenwasserstoffe, Wasser sowie Schwefel- oder
schweflige Säure, die für die Anlagerung von Schmutzteil-
chen sorgt.
Abgaspulsationen bzw. Turbulenzintensität im Abgas
bewirken, dass die Partikel wieder mit dem Abgasstrom
weggetragen werden. Darüber hinaus ist ein Austrocknen
der Wandschicht als „Reinigung“ aussichtsreich.
In systematischen Versuchen gewonnene Erkenntnisse
liefern zwar Hinweise auf Verbesserungen, ohne dass damit
alle Schwierigkeiten überwunden sind. Nach wie vor beste-
hen bei der Abgaswärmenutzung von Dieselmotoren fol-
Bild 9-45 Stehender Abgaswärmeübertrager (Fa. MBN, Neustadt/Wied). gende Probleme:
Wärmeleistung 718 kW zur Wassererwärmung von 100 °C auf 120 °C bei – Die Verschmutzung kann ohne Einwirkung von außen zur
TA1=475 °C; TA2=180 °C; ṁA/ṁW = 8475/3087 kg/h/kg/h; A Abgasein- und allmählichen Verstopfung führen.
B -austritt; C Wasserein- und D -austritt; E Sicherheitsventil; J Schaulöcher; – Die Wärmeübertragung vom Abgas an das Wärmenutz-
K, L Wassersprühdüsen medium, z. B. Wasser, wird durch die Verschmutzung sehr
behindert bzw. verhindert.
368 9 Motorkühlung

Bild 9-46
Vorgänge bei der Bildung von Ablage-
rungen in Abgaswärmeübertragern

– Die Schmutzpartikel verlassen den Wärmeübertrager nicht tem des Motors. Sie treten umso stärker auf, je mehr Schwefel
stetig, sondern agglomerieren zu größeren Partikelteilen, im Kraftstoff und besonders SO3 im Abgas enthalten ist. Die-
die aperiodisch ausgestoßen werden und die Umgebung ser Vorgang trat erst mit dem Einsatz von Oxidations-
belasten. katalysatoren an Dieselmotoren verstärkt auf, indem ver-
mehrt SO3 aus SO2 gebildet wurde.
Nicht nur Rußpartikel verschmutzen die Heizflächen, son-
dern ggf. auch Metallsulfate (besonders Fe2(SO4)3 · H2O), die Lösungsansätze
in Temperaturbereichen des Taupunkts von Schwefelsäure-
Wasser im Abgaswärmeübertrager als voluminöse Feststoffe Prinzipielle Maßnahmen, um Rußablagerungen zu vermei-
ausfallen. Diese Metallsulfate entstehen durch allmähliches den bzw. zu vermindern, liefern Forschungsarbeiten und
Herauslösen – besonders von Eisen – z. B. aus dem Abgassys- Erfahrungen des Dieselmotor-Anlagenbaus gleichermaßen.
9.2 Externe Motorkühlsysteme    369

Darüber hinaus muss eine periodische, mechanische oder ken, vom Abgas beaufschlagten Teilapparat dargestellt. Das
chemische Reinigung bei ganz oder teilweise geöffnetem darin enthaltene Restwasser dampft aus, gelangt in einen
Abgaswärme­übertrager im Stillstand der Anlage vorgesehen Dampf­abscheider und danach in einen Vorratsbehälter. Von
werden. den durch das Abgas aufgeheizten Wänden lösen sich die ge-
trockneten Partikel und werden z. T. in dem zwischen beiden
Wassereindüsen Wärmeübertragern angeordneten Zyklon ausgeschieden
Es ist ein mechanisches Verfahren, das man bei den ersten oder gelangen mit dem Abgas ins Freie. Steigt in dem nun der
Blockheizkraftwerken mit Dieselmotoren als Neu- und Nach­ Erwärmung des Kühlwassers dienenden rechten Wärme­
rüstmaßnahme einsetzte. Es beruht auf dem vom Dampfkes- übertrager der Abgasgegendruck an, wird die Abgasklappe
selbetrieb her bekannten Rußbläser-Effekt. Eine erfolgreiche umgelegt, der rechte Wasserzulauf gesperrt bzw. der linke
Installation verzeichnet z. B. das seit 1979 betriebene Diesel- wieder geöffnet und der Vorgang wiederholt sich bei umge-
Spitzenlast-BHKW in Lülsfeld mit 2 × 1000 kWel, das bis leiteter Strömungsrichtung des Abgasstromes.
1991 eine Laufzeit von 18000 h hatte und bei dem gute Erfah-
rungen mit Eindüsungszyklen von ca. 10 min mit nur 5–6 Turbulenzsteigerung
Sekunden Spritzdauer vorliegen. Durch Steigerung der Strömungsturbulenz im Abgasstrom
Als allgemein anwendbare, zuverlässige Maßnahme ist in der Nähe der wärmeübertragenden Wand können die in-
dieses Verfahren jedoch nicht anzusehen. Die Wassereindü- folge der Thermophorese zur Wand drängenden Partikel
sung muss periodisch angewandt werden und bringt perio- wieder in den Hauptabgasstrom gelangen. Neben den gege-
disch erhöhte Umweltbeeinträchtigungen. Zusätzlich muss benen Abgasdruckpulsationen können auch durch Helm-
Ruß enthaltendes Kondensat entsorgt werden. holtz-Resonatoren erzeugte Pulsationen eingesetzt werden
[9‑75], wobei sich zeigt, dass mit zunehmender Pulsations-
Waschen mit abgaseigenem Kondenswasser amplitude auch die Neigung zur Bildung von Ablagerungen
Bei Abkühlung der Abgase auf sehr niedrige Temperaturen, zurückgeht, ebenso mit steigender Temperatur des Kühlme-
z. B. durch eine Kühlmitteltemperatur von nur 15 °C fällt diums, während die Pulsationsfreuenz anscheinend keinen
eine große Menge Kondenswasser aus, die in der Lage ist, die Einfluss hat. Eine großtechnische Anwendung dieser Er-
Ablagerungen größtenteils abzuwaschen. Wegen der erfor- kenntnisse steht allerdings noch aus.
derlichen niedrigen Kühlmitteltemperaturen ist diese Maß- Für die gekühlte Abgasrückführung, eine zur Erreichung
nahme nur im Tieftemperaturbereich des Wärmeübertragers der Abgasnorm Euro4 gegenüber SCR‑Katalysatoren vor-
wirksam. teilhafte Alternative bei Fahrzeug-Diesel­motoren [9‑80]
(s. Abschn. 15.4), wurden Abgaswärmeübertrager (-kühler)
Mechanisches Reinigen entwickelt, die auch zur Nutzung der Abgaswärme für die
Die vom Kesselbau her bekannten Kugelregenapparate Fahrzeuginnenraum-Heizung eingesetzt werden können.
[9‑77] wurden bei fast 40 Großdiesel-Heizkraftwerken er- Um die Verschmutzung der Abgaskanäle zu verringern,
folgreich eingesetzt, besonders bei trockenen Ablagerungen. werden turbulenzerzeugende Einbauten auf deren Oberflä-
Alle ca. 60 bis 100 min., teilweise aber auch nur jede Woche che, sog. Winglets („Flügelchen“) angebracht [9‑79], die bei
einmal werden Weicheisenkugeln von 3 mm Durchmesser akzeptablen Druckverlusten das Abgas verwirbeln, somit
auf die Heizflächen geschleudert und schlagen die inzwi- die Verschmutzungsneigung verringern und gleichzeitig
schen angelagerten Schmutzpartikel ab. Die Kugeln werden den Wärmeübergang verbessern.
wieder aufgefangen und erneut mit einem treibenden Luft- Die Winglets werden aufgeschweißt oder durch Drücken
strom in den Wärmeübertrager eingebracht. Ruß und erzeugt (Bild 9‑48). Um die Abgaskanäle sind die Wasser-
Schmutzpartikel werden mit dem Abgasstrom ausgetragen. räume angeordnet. Die Kanalmatrix wird aus dünnem Edel-
Der erhöhte apparative Aufwand rechnet sich jedoch erst stahlblech lasergeschweißt (Bild 9‑49). Der Wärmeübertra-
bei Großanlagen. ger wird in Längen von 100 bis 800 mm gefertigt.
Für die Abgasrückführung wird der Abgaskühler in eine
Ausheizen des Wärmeübertragers Zweigleitung eingesetzt, die vom Abgassammelrohr des
Das bei Heizkraftwerken mit Dieselmotoren eingesetzte Ver- Motors zum Ansaugrohr nach dem Ladeluftkühler führt.
fahren, [9‑74], [9‑75] und [9‑78], verwendet zwei baugleiche, Die Strömung wird darin sowohl durch den geringen
hintereinander angeordnete Abgaswärme­übertrager, bei de- Abgasüberdruck über dem Saugdruck als auch durch ein
nen durch eine Klappe die Strömungsrichtung des Abgases absaugendes Venturirohr am Ansaugsystem und auch durch
umgesteu­ert werden kann. In beiden Teilen kann der Kühl- ein Rückschlagventil zur Nutzung kurzzeitiger Druckwellen
wasserstrom abgestellt werden, wie in Bild 9‑47 für den lin- aufrecht erhalten. Der Abgasteilstrom wird darin auf 100 °C
370 9 Motorkühlung

Bild 9-47
b Selbstreinigender Abgaswärmeübertrager durch
Ausheizen
9.2 Externe Motorkühlsysteme    371

ser Lösung ist, dass die Rückführrate nicht mehr durch die
Druckdifferenz zwischen Auslasskrümmer und Einlassstut-
zen des Motors limitiert ist, da der Verdichter „aktiv“ das
Abgas in den Motor schiebt.
Bei der Niederdruckabgasrückführung muss der Abgas-
kühler auf der Abgasseite einen deutlich niedrigeren Druck-
verlust aufweisen da der Abgasdruck nur etwas über dem
Umgebungsdruck liegt.

Hochtemperaturbetrieb
Der Betrieb des Abgaswärmeübertragers bei hoher Tempera-
tur, d. h. >240 °C, vermeidet die klebende Wirkung konden-
sierender Komponenten aus dem Abgas. Derartige Wärme­
übertrager werden mit Thermoöl als Kühlmedium oder mit
Druckwasser zur Dampferzeugung eingesetzt. Diese Appa-
rate arbeiten befriedigend, weil sich bei ihnen die Ablage-
rung und die Erosion bei einer etwa konstant bleibenden
Belagsschicht die Waage halten. Sie wurden zunächst in
Bild 9-48 Abgasströmungskanäle mit Winglets und Rohrboden (Fa. Behr)
Schiffsanlagen meist als Zweizugkessel mit Gegenstrom
(Überhitzer) bzw. Gleichstrom (Verdampfer) ausgelegt. Bei
ihnen treten die Verschmutzungsschwierigkeiten weniger
auf, dafür wird aber auch nur der Hochtemperaturanteil der
Abgaswärme ausgenutzt.
Abschließend ist anzumerken, dass die Ablagerung von
Schwefelsulfaten und die Partikel­bildung (s. Abschn. 4.3)
prinzipiell durch den Einsatz von Kraftstoffen mit geringem
Schwefelgehalt verringert wird. Konstruktiv sollten bei
Abgaswärmeübertragern für einen einfachen Zugang zu den
Gaswe­gen zwecks Reinigung gesorgt werden.

9.2.6 Kühlmittel

9.2.6.1 Kühlwasser: Eigenschaften und Anforderungen

Bei der Flüssigkeitskühlung wird vorwiegend Wasser mit


Veredelungszusätzen (Kühlerschutzmittel, Chemical, Korro-
Bild 9-49 Querschnitt durch die Rohrmatrix eines AGR-Kühlers (Fa. Behr) sionsschutzöl) verwendet. Sonderfälle sind der Einsatz von
Kraftstoff zur Düsenkühlung und von Natrium zur Ventil-
schaft-Innenkühlung.
Wasser, ein wegen seiner wärmetechnischen Eigen-
bis 200 °C abgekühlt, um die NOX‑Emissionen wirkungsvoll schaften ideales Kühlmittel, weist hinsichtlich des Motorbe-
zu reduzieren. Der Abgaskühler ist an den Kühlmittelkreis- triebs auch Nachteile auf:
lauf angeschlossen. Er ist bereits in Serie bei verschiedenen – Gefrier- und Siedepunkt begrenzen den nutzbaren
Pkw- und Nfz‑Modellen im Einsatz. Neben der Hochdruck- Temperaturbereich auf maximal 100 K, allerdings können
anwendung, bei der auf der Hochdruckseite das Abgas durch das Blasensieden thermisch hoch belastete Bauteile
zurückgeführt wird, werden auch Konzepte untersucht, bei lokal intensiv gekühlt werden (thermischer Selbstschutz,
denen das Abgas erst hinter der Abgasturbine und hinter s. Abschn. 9.1.2).
dem Partikelfilter entnommen wird. Dabei wird das Abgas – Im Wasser gelöste Stoffe können korrosiv wirken oder/und
mit der Frischluft gemischt vom Verdichter angesaugt und durch Ablage­rungen den Wärmeübergang störend beein­
verdichtet durch den Ladeluftkühler gefördert. Vorteil die- flussen.
372    9 Motorkühlung

Tabelle 9-9 Physikalische Eigenschaften der für die Kühlung von Motoren wichtigen Wärmeträger (bei 80 °C und 1 bar)

Größe Einheit Luft Wasser Motorenöl Kühlmittel*)


Dichte ρ kg/m3 0,986 972,0 843,6 1035
spez. Wärmekapazität cp kJ/(kg · K) 1,010 4,194 2,154 3,59
kin. Viskosität ν 10–6 m2/s 21,2 0,366 23,34 1,01
Wärmeleitfähigkeit λ 10–3 · W/(m · K) 29,93 666,6 127 429
Prandtl-Zahl Pr – 0,70 2,24 333,1 8,73
*) Kühlmittel: Mischung aus 50 Vol.-% Wasser + 50 Vol.-% Glykol-basiertes Kühlerschutzmittel

Tabelle 9-10 Physikalische Eigenschaften der Wärmeträger, bezogen auf Luft (bei 80 °C und 1 bar)

Wärmeträger Physikal. Größe Luft Wasser Motorenöl Kühlmittel (s. Tab. 9-2)
Dichte 1 986 856 1050
spez. Wärmekapazität 1 4,15 2,13 3,55
kin. Viskosität 1 0,017 1,10 0,048
Wärmeleitfähigkeit 1 22,27 4,24 14,33
Prandtl-Zahl 1 3,20 475,9 12,47

– Fehler und Schäden im Kühlwassersystem können schwere – permanenter Härte („Nichtcarbonat‑Härte“); der Gehalt
Schäden ver­ursachen. 15 bis 20% aller Motorschäden an Calcium- und Magnesiumchloriden und -sulfaten
werden direkt oder indirekt auf Fehler und Mängel im verändert sich nicht mit der Temperatur. Er beeinflusst
Kühlwassersystem zurückgeführt. aber die elektrische Leitfähigkeit und begünstigt so die
Korrosion.
Eine Gegenüberstellung der für die Wärmeübertragung
wichtigsten Stoffwerte ist in den Tabellen 9‑9 und 9‑10 zu Die Wasserhärte wird als Stoffmengenkonzentration der
finden. Härteionen in mmol/l angegeben. In der Motorentechnik
Das Kühlwasser ist wie die Kraft- und Schmierstoffe ein sind jedoch auch die veralteten Angaben in mval/l bzw. in
Betriebsstoff, von dessen Beschaffenheit Betriebssicherheit Deutscher Härte (°d) gebräuchlich. Der Zusammenhang
und Lebensdauer des Motors abhängen. Die Eignung als zwischen der Menge der gelösten Härtebildner und den Här-
Kühlmittel wird von den nachfolgend beschriebenen Eigen- tegraden ist Tabelle 9‑11 zu entnehmen [9‑81].
schaften bestimmt:
pH-Wert
Wasserhärte Er ist ein Maß für die Wasserstoffionen-Konzentration. In
Darunter versteht man den Gehalt des Wassers an Calcium- neutralen Lösungen beträgt der pH‑Wert 7. Basische Lö-
Ionen und Magnesium-Ionen (DIN 38409, Teil 6). Die als sungen haben einen größeren pH‑Wert (> 7), saure Lösungen
Gesamthärte bezeichnete Summe der Erdalkalien („Gesamt- einen kleineren pH‑Wert (< 7). Für Motorkühlwasser soll­
härte“) setzt sich zusammen aus: te der pH‑Wert zwischen 6,5 und 8,5 betragen (s. Ta-
– temporärer Härte („Carbonathärte“); bei Erwärmung belle 9‑12).
scheiden sich aus gelösten Hydrogencarbonaten mit
zunehmender Temperatur Carbonate aus und lagern sich Chloridgehalt
als „Kesselstein“ bevorzugt an heißen Stellen ab, dort den Chloride wirken (insbesondere für Al‑Werkstoffe und Edel-
Wärmeaustausch mit dem Kühlmittel behindernd. Das stahlkühler) stark korrosionsfördernd und begünstigen die
dabei frei werdende Kohlendioxid wirkt korrosiv, so dass Schlammbildung, so dass der Chloridgehalt möglichst klein
zu dessen Bildung nur ein geringer Anteil an Carbonathärte sein bzw. unter 100 mg/l betragen soll, s. Tabelle 9‑12.
vorhanden sein sollte.
9.2 Externe Motorkühlsysteme    373

Tabelle 9-11 Zusammenstellung von Härtegraden

Beurteilung Gesamthärte Härtegrad Frühere Einteilung


mmol/l °d °dH
sehr weich 0 bis 1 0 bis 5,6 0 bis 4
weich 1 bis 2 5,6 bis 11,2 4 bis 8
mittelhart 2 bis 3 11,2 bis 16,8 8 bis 18
hart 3 bis 4 16,8 bis 22,4 18 bis 30
sehr hart >4 >22,4 > 30

Tabelle 9-12 Geforderte Eigenschaften von Motorkühlwasser

Gesamthärte [°d] pH-Wert [–] Chloride [mg/l] Sulfate [mg/l] Hydrogencarbonate [mg/l]
max. 20 6,5…8,5 max. 100 max. 100 max. 100

Korrosion, Kavitation und Erosion – Erhöhung des Systemdrucks im Kühlkreislauf und


Ursache der Korrosion von Werkstoffen und ihrer daraus – Wahl optimaler Strömungsgeschwindigkeiten.
resul­tierenden Auflösung ist eine elektrochemi­sche Reaktion
zwischen Metallen als galvanische Ele­mente und dem Kühl- Der Kühlkreislauf kann mit Kühlmitteltemperaturen bis ca.
wasser als Elektrolyt. Darin gelöste Gase, wie z. B. Sauerstoff, 115 °C betrieben werden, wobei ein Systemüberdruck bis zu
Kohlen- und Schwefel­dioxid, wirken korrosionsverstärkend 2 bar erforderlich ist. Das System wird dabei durch ein Über-
wie auch vom vorgegebenen Richtwert abweichende pH‑ druckventil geschützt.
Werte [9‑82]. Das Gleiche gilt für das Auftreten von Strö- Geringe Strömungsgeschwindigkeiten fördern die Bil-
mungs- oder der durch den Kolbenanlage­wechsel angeregten dung von Ablagerungen und erhöhen abhängig vom Werk-
Schwin­gungs-Kavitation. Einen Sonderfall stellt die bei über- stoff den korrosiv bedingten Materialabtrag. Richtwerte für
hitzten Oberflächen auftretende Dampfblasen­bildung dar, die Aluminium: 0,2 m/s<cGrenz<3,0 m/s, für seewassergekühlte
durch ihre wandnahen Implosionen, vergleichbar dem Vor- Bauteile: cGrenz<2,2 m/s für CuZn20Al; <2,7 m/s für CuNi-
gang bei Kaviation, die Werkstoffoberfläche und ihre Schutz- 10Fe bzw. <4,5 m/s für CuNi30Fe. Bei elektrisch gut lei-
schichten schädigen, sog. Heißkorrosion. Was die Kaviation tenden Kühlmitteln muss auf eine elektrochemische Ver-
für die Motorkühl­wasserräume ist die Erosion für den Wär- träglichkeit der Werkstoffe geachtet werden. Das gilt
meübertrager: Die Erosion, der Werkstoffabtrag durch me- be­sonders, wenn das Kühlsystem von verschiedenen Fir-
chanische Reibung zwischen Kühlmittel und Werkstoffober- men projektiert wird (Motoren-Hersteller, Werft usw.).
fläche, ist abhängig von der Strömungsgeschwindigkeit des Schließlich sind Kühlwasserverluste zu vermeiden bzw.
Kühlmittel und den darin enthaltenen Feststoffen und Gasen. gering zu halten, weil durch das Nachfüllen zusätzlich Sau-
erstoff und Kohlendioxid in den Kühlkreislauf gelangen
9.2.6.2 Einfluss der Kühlwasserführung und zudem eine Aufkonzentration (Aufsalzen) der Inhalts-
stoffe eintreten kann.
Die Gefahr eines Motorschadens bis hin zum Totalausfall
wegen ungeeigneten Kühlwassers verlangt dessen Aufberei- 9.2.6.3 Kühlwasserpflege
tung und Pflege. Daneben können konstruk­tive Maßnahmen
zum Abbau des Gefährdungspotenzials beitragen [9‑81]. Anforderungen an das Kühlwasser
Dazu gehören
– Entlüftung und Entgasung des Kühlkreislaufes, Die Kühlwasserpflege beginnt mit der Wahl des Wassers. Die
– strömungsgünstige Gestaltung der Leitungen und Motoren­hersteller schreiben hierfür sauberes, klares Wasser
Querschnitte, vor, frei von Fremdstoffen. Es können aber auch Kondensat
374 9 Motorkühlung

oder vollentsalztes Wasser verwendet werden. Grundsätzlich


ungeeignet sind Seewasser, Brack- oder Flusswasser, aber
auch Regenwasser. Kesselsteinablagerungen vermeidet man
durch weiches Wasser (s. Tabelle 9-11), jedoch mit einer
Mindesthärte von 2°d, um keine erhöhte Löslichkeit für
Metallionen zu erhalten (s. Tabelle 9-12).

Kühlerschutzmittel

Gefrierschutzmittel
Wird der Motor bei Umgebungstemperaturen um oder un-
ter dem Gefrierpunkt betrieben, muss dem Motorkühlwas-
ser ein Kühlerschutzmittel zugegeben werden. Deren Basis
ist Ethylenglykol (1,2 Ethandiol), seltener Propylenglykol
(1,2 Propandiol). Ihre Wirksamkeit hängt vom Mischungs-
verhältnis mit dem Wasser ab. Bei ca. 50% Volumenanteil
Glykol wird der Gefrierpunkt der Mischung auf etwa –50 °C Bild 9-51 Siedepunktskurven von Wasser/Ethylen-Glykol-Mischungen in
erniedrigt, bei größeren Anteilen nimmt die Wirkung wieder Abhängigkeit vom Druck
ab (Bild 9-50).
Der Glykolanteil verändert auch die Stoffwerte des Kühl-
mittels (Dichte, Wärmekapazität, Viskosität, Wärmeleitfä- Silikathaltige Kühlerschutzmittel
higkeit und Siedepunkt), was bei der Kühlerauslegung zu Sie enthalten überwiegend anorganische Inhibitoren wie
berücksichtigen ist (Bild 9-51) [9-53]. z. B. Silikate, Nitrite, Nitrate oder Molybdate, im geringen
Da die Wasser/Glykol-Mischungen keinen genügenden Umfang auch organische Inhibitoren, z. B. Tolyl oder Benzo-
Korrosionsschutz aufweisen, werden handelsüblichen Küh- triazolt. Zusätze, wie z. B. Borat, Phosphat, Benzoat oder
lerschutzmitteln außerdem noch Korrosionsschutzzusätze Imidazol, dienen als Puffersubstanzen, um über die gesamte
(Inhibitoren) zugesetzt. Betriebsdauer den gewünschte, schwach alkalische pH-Wert
zu sichern. Daneben werden noch Reinigungsmittel (z. B.
Sulfonate), Antischaummittel und Farbstoffe beigefügt.
Diese Kühlerschutzmittel haben sich in der Praxis jahr-
zehntelang bewährt. Speziell der Silikatanteil wirkt durch
die Bildung dünner, schützender Beläge der gefährlichen
Heißkorrosion bei Aluminium-Motoren entgegen. Nachtei-
lig ist jedoch die geringe Löslichkeit einiger Zusätze, so dass
die Konzentration der Inhibitoren nicht beliebig erhöht
werden kann. Auch werden im Fahrbetrieb die anorga-
nischen Zusätze abgebaut, so dass ggf. ein Nachdosieren
oder Austausch erforderlich wird, sollte die Mindestkon-
zentration unterschritten werden.

OAT (Organic Acid Technology)-Kühlerschutzmittel


Sie werden seit einigen Jahren angeboten und enthalten statt
der anorganischen eine Kombination aus organischen Inhi-
bitoren. Typisch sind Kombinationen aus aliphatischen
Mono- und Dicarbonsäuren, Azelain- und aromatische
Carbonsäuren, auch Mischungen aus Carbonsäuren mit an-
organischen Inhibitoren werden verwendet, jedoch übli-
cherweise keine Silikate. Der Vorteil der OAT-Produkte be-
Bild 9-50 Gefrierpunktsveränderung von Wasser/Ethylen-Glykol in Abhän- steht darin, dass sie sich im Fahrbetrieb erheblich langsamer
gigkeit von Glykol-Volumenanteil abbauen, womit sich deren Gebrauchsdauer erhöht und so-
mit den Wartungsaufwand verringert.
9 Literatur    375

Chemicals 9-8 VDI-Wärmeatlas, 5. Aufl. Düsseldorf: VDI-Verlag 1988


Sie werden nur dann verwendet, wenn keine Frostgefahr be- 9-9 Pflaum, W.; Mollenhauer, K.: Wärmeübergang in der
steht und die Vorschriften des Motorenherstellers es erlau- Verbrennungskraftmaschine. Wien/New York: Sprin-
ben. Die hierbei verwendeten Zusätze enthalten kein Glykol, ger 1977
dienen also nur dem Korrosionsschutz. Dadurch erhöhen 9-10 Willumeit, H.-P.; Steinberg, P.: Der Wärmeübergang
sich jedoch die Verdampfungsverluste und damit die War- im Verbrennungsmotor. MTZ 47 (1986), S. 9–12
tungsintervalle, auch steigt die Korrosionsgefahr bei mecha- 9-11 Norris, P.M.; Hastings, M.C.; Wepfer, W.J.: An Experi-
nischer Belastung. Chemicals werden meist in einer Kon- mental Investigation of Liquid Coolant Heat Transfer
zentration von 5–10% zugesetzt. in a Diesel Engine. International Off-Highway &
Po­werplant Congress and Exposition, Milwaukee/
Korrosionsschutzöle Wisconsin, Sept. 1989, SAE-Paper 891898
Nur noch selten eingesetzt, beruht ihr Schutz vor Korrosion 9-12 Pflaum, W.; Haselmann, L.: Wärmeübertragung bei
und Kavitation darauf, dass sie den Zutritt von Sauerstoff und Kavitation MTZ 38 (1977), S. 25–30
anderer im Kühlwasser gelöster Gase an die Wände im Motor- 9-13 Wolf, G.; Bitterli, A.; Marti, A.: Bohrungsgekühlte
Kühl­wasserraum durch Bildung eines Schutzfilmes verhin- Brennraumteile an Sulzer-Dieselmotoren. Techn.
dern und die elektrochemische Korrosion unterbinden. Die Rundschau Sulzer 61 (1979) S. 25–33
im Mischungs­verhältnis von 1:200 bis 1:100 (70) zugesetzten 9-14 Willumeit, H.-P.; Steinberg, P.; Ötting, H.; Scheibner, B.:
Korrosionsschutzöle bestehen aus emulgierbaren Mineralölen Bauteiltemperaturgeregeltes Kühlkonzept und seine
mit Zusätzen zum Schutz vor Korrosion bzw. vor Schlammab- Auswirkungen auf Verbrauch und Emission. VDI-
lagerung, falls die Emulsion bricht, z. B. bei Erwärmung Berichte 578, S. 291–306. Düsseldorf: VDI-Verlag 1985
auf >95 °C oder Kontakt mit Kupfer-Werkstoffen. 9-15 Mühlberg, E.; Beßlein, W.: Variable Heißkühlung beim
Allgemein gilt für alle Zusätze, dass die Betriebsvorschrift Fahrzeug-Dieselmotor. MTZ 44 (1983), S. 403–407
des Motorenherstellers zu beachten ist, ebenso die Verträg- 9-16 Held, W.: Untersuchungen über die Verdampfungs-
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10 Werkstoffe und ihre Auswahl

10.1 Bedeutung der Werkstoffe Dabei werden trotz höherer Beanspruchungen wesentlich
größere Anforderungen an Gebrauchsdauer und Zuverläs-
für den Dieselmotor sigkeit erfüllt.
Die Werkstofftechnik ist eine jener Schlüsseltechnologien, Die besten Voraussetzungen für eine Anwendung in
die mit der Entwicklung des Dieselmotors von Beginn bis in industriellem Maßstab besitzt die Werkstoffgruppe der
die heutige Zeit eng verknüpft ist. Nicht nur die schon mit Metalle. Aufgrund ihres geordneten, kristallinen Aufbaus
der Grundidee verbundenen hohen Drücke und Tempera- bieten sie neben guten Grundeigenschaften besonders zahl-
turen, sondern auch zusätzliche korrosive und tribologische reiche und attraktive Möglichkeiten der Eigenschaftsbeein-
Einwirkungen beanspruchen die Motorbauteile sehr kom- flussung und werden deshalb bereits seit langer Zeit in
plex und bestimmen die Werkstoffauswahl. Sie orientiert großtechnischem Umfang hergestellt und eingesetzt. Wie
sich primär an den Zielsetzungen­ Bild 10-1 zeigt, bestehen heute ca. 90% eines modernen
– Zuverlässigkeit durch Verwendung von Materialien Hochleistungsdieselmotors zu etwa gleichen Teilen aus
vielseitiger, hoher Leistungsfähigkeit und Gusseisenlegierungen, Stahl und Aluminium. Andere Metalle
– Wirtschaftlichkeit durch Begrenzung von Aufwand und und Nichtmetalle haben nur ca. 10% Masseanteil. In Abhän-
Kosten. gigkeit von Konstruktion, Größe und Anwendung des
Motors sind die Hauptbestandteile anteilmäßig variabel. So
Der erreichte Stand [10-1], [10-2] wird am besten dadurch bringen zum Beispiel Leichtbauanforderungen bei Fahr-
charakterisiert, dass ausgehend von Leistungsgewichten von zeugmotoren eine deutliche Verringerung des Eisenanteils
25 bis 50 kg/kW Anfang des 20. Jahrhunderts heute teilweise zugunsten von Leichtmetalllegierungen auf Aluminium-
nur noch ein Zehntel dieses Materialeinsatzes benötigt wird. oder Magnesium-Basis oder unverstärkten und verstärkten

Bild 10-1
Masseaufteilung nach Werkstoffen
eines Hochleistungsdieselmotors
für Schiffsantrieb
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile 379

Kunststoffen. Die grundsätzliche Basis wird jedoch auch in 10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile
Zukunft bestehen bleiben, da ein weitgehender Ersatz der
technisch und wirtschaftlich hoch entwickelten Metalllegie-
rungen durch andere Stoffe in absehbarer Zeit nicht möglich 10.2.1 Werkstoffe für Triebwerksteile
ist.
Für die überwiegende Zahl der Motorbauteile übernimmt Kurbelwellen
bei schnellen, zyklischen Lastwechseln (High-Cycle-Fatigue
HCF) die Dauerfestigkeit eine Leitfunktion. Mitunter jedoch Triebwerksteile des Motors wurden mit Ausnahme des Kol-
geforderte, teilweise widersprüchliche Zusatzeigenschaften bens ursprünglich aus geschmiedetem Stahl hergestellt. Seit
führten dazu, dass nahezu alle technischen Metalle und ihre Beginn der 70er-Jahre erfolgte, insbesondere für kleinere
Legierungen verwendet werden, Tabelle 10-1. Motoren, aus ökonomischen Gründen eine Umstellung auf
Die folgenden Abschn. geben einen Überblick zum Stand Kugelgraphitguss. Im wirtschaftlichen Wettstreit der Formge-
der Technik und zu künftig erwartete Entwicklungen. Hier- bungsverfahren Gießen und Schmieden wurden die aus der
bei wird neben den DIN-Normen auch das in den letzten Schmiedehitze geregelt abgekühlten, schmiedeperlitischen
Jahren stark erweiterte EN-Normenwerk [10-7] berücksich- oder mikrolegierten Legierungen im Zustand BY (Best-
tigt. Hinsichtlich genauer Angaben zu den Werkstoffeigen- Yield) entwickelt. Bei dieser nach ihrer Gefügekonstitution
schaften wird auf die Standardliteratur [10-3] bis [10-6]ver- (ausscheidungshärtend, ferritisch-perlitisch) heute auch
wiesen. AFP-Stahl genannten Werkstoffgruppe werden teure Legie-
rungselemente i. d. R. durch geringe Vanadium- oder Niob-
Zusätze ersetzt und Energiekosten dadurch eingespart, dass
die Vergütungsbehandlung entfällt [10-35]. Durch die gere-
gelte Abkühlung im Schmiedeprozess kommt es gegenüber
dem Schmiedestandardprozess zum einen zur Bildung von

Tabelle 10-1 Typische Werkstoffe für Motorenbauteile


380    10 Werkstoffe und ihre Auswahl

Tabelle 10-2 Werkstoffe für Kurbelwellen

Gusseisen mit Kugelgraphit schmiedeperlitische/mikro- unlegierte und legierte Stähle


legierte Stähle
Sorten EN-GJS-600-3… C38mod. C 35 E…42CrMo4 mod.
EN-GJS-700-2 30MnVS 6 34CrNiMo6
46MnVS 3
Zugfestigkeit Rm MPa 700 bis 850 700 bis 1000 700 bis 1150
Formgebung Gießen Gesenkschmieden Gesenk-, Einzelhub- und Freiform-
schmieden
Wärmebehandlung geregeltes Abkühlen aus der Vergüten (V)
Schmiedehitze (BY) Normalisieren (N)
Einsatz Pkw-Motoren Pkw-, Nfz-Motoren Pkw-, Nfz-, Großmotoren

Sonderkarbiden der Mikrolegierungselemente V oder Nb großtechnisch verwendeten Metallen Stahl, unabhängig


und zum anderen zu erhöhten Perlit-Anteilen. Beide gefüge- vom Anteil der Legierungselemente, mit ca. 210000 MPa bei
technischen Maßnahmen führen zu einer Erhöhung der Fes­ Raumtemperatur den höchsten Elastizitätsmodul aufweist,
tigkeitskennwerte. ist die Steifigkeit der Kurbelwellenkonstruktion bei gege-
Tabelle 10-2 zeigt den heutigen Stand der Werkstofftech- benen Hauptabmessungen durch Werkstoffvariation nicht
nologie für Kurbelwellen. Für hohe Beanspruchungen sind zu verbessern. Deshalb ist größter Wert auf die Gestaltung
die geschmiedeten Stahlsorten am besten geeignet [10-8]. der Abstützung zu legen, da bei hohen Zünddrücken die
Da Stahl aufgrund seiner Erschmelzung und Walzbehand- Kurbelwelle nicht selbsttragend sein kann. Aber auch dann
lung Einschlüsse und Inhomogenitäten aufweist, müssen müssen oft an hochbeanspruchten Bereichen, wie Hohlkeh-
bereits beim Schmieden die Regeln der Gestaltfestigkeit len, dauerfestigkeitssteigernde Maßnahmen angewendet wer-
beachtet werden. Kontinuierliche, der Wellenform ange- den, um die Haltbarkeit abzusichern. Dazu werden häufig
passte Ausbildung des Faserverlaufs ergibt sich im Gegen-
satz zum Freiformschmieden durch Gesenkschmieden,
Bild 10-2.
Da in der Ebene der Gesenkteilung die stärksten Formän-
derungen auftreten und die verunreinigte Kernzone nach
außen gepresst wird, ist der Bereich der Gratnaht i. d. R.
durch Einschlüsse und Seigerungen am stärksten geschwächt.
Um die Sicherheit gegen Dauerbrüche durch Verdrehbean-
spruchung zu erhöhen, kann es zweckmäßig sein, die Grat-
naht aus der hochbeanspruchten Kröpfungsmittelebene zu
verlegen. Eine besondere Möglichkeit ist das Einzelhub-
oder Faserflussschmieden. Dabei wird in einem Gesenk mit
beweglichen Teilen jeweils eine Einzelkröpfung angestaucht.
Dieses Verfahren ist aus wirtschaftlichen Gründen nur für
größere Wellen (mittlerer Längenbereich zwischen 4…9 m)
in kleineren Stückzahlen geeignet, da für das Schmieden
jeder Anschlusskröpfung die komplette Welle im Ofen wie-
der erwärmt werden muss. Das Schmieden der Wellen
erfolgt je nach Stückzahl und Abmessung auf Pressenstra-
ßen, in Schmiedehämmern nach dem Gegenschlagprinzip
oder großen hydraulischen Pressen. Bild 10-2 Faserverlauf einer gesenkgeschmiedeten Kurbelwellenkröpfung
Nach dem Hooke’schen Gesetz gilt für die elastische Ver- mit induktiv gehärteter Zapfen- und Hohlkehlenoberfläche
formung eines metallischen Werkstoffs ε = σ/E. Da von den
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile 381

Zapfen und Hohlkehlen oberflächengehärtet. Ausgehend wird die Dauerfestigkeit auch durch andere thermische oder
von der aus Verschleißgründen eingeführten Härtung der mechanische Verfahren, wie Nitrieren, Schlagverfestigen
Laufflächen für die Grund- und Pleuellager hat sich die oder Walzen bzw. durch Kombination verschiedener Maß-
Technik der Hohlkehlenhärtung nach 1950 stufenweise nahmen gesteigert (vgl. Abschn. 10.5.2). Hier entscheiden
durchgesetzt. Die ursprünglich verwendete Flammhärtung im Einzelfall technische Möglichkeiten und Wirtschaftlich-
wurde durch die Induktionshärtung abgelöst. Durch verbes- keit.
serte Wärmebehandlungs- und Fertigungsmethoden ist Bei den für Pkw- und Nfz-Motoren häufig verwendeten
heute die Härtung sämtlicher Hohlkehlen einer Welle mög- Kugelgraphitgusssorten EN-GJS-600 und -700 (GGG-60 und
lich, s. Bild10-2. Früher konnte aus Verzugsgründen nur ein GGG-70) lassen sich die grundsätzlich niedrigeren Festig-
Teil der Hohlkehlen gehärtet werden, da das Richten auf der keitswerte durch Vorteile bei Formgebung und Masse aus-
Presse oder mit Schlagstempel über ungehärtete Bereiche gleichen. Die o. g. Verfahren zur Lebensdauersteigerung
erfolgen muss. Durch das Hohlkehlenhärten sind aufgrund sind in ähnlicher Weise anwendbar und wirksam. Nur bei
der durch die martensitische Gefügeumwandlung erzeugten Großmotoren ist die Oberflächenbehandlung wegen der
Druckeigenspannungen und des Festigkeitsanstiegs in der Forderung der Nacharbeit nicht üblich. Die nachweislich bei
Oberfläche Dauerfestigkeitssteigerungen bei Biegebeanspru- Kurbelwellen aus Sphäroguss vorhandenen höheren Ver-
chung von 50 bis 100% möglich, Bild 10-3. schleißraten an den Grund- und Pleuellagern können durch
Die Steigerung der Dauerfestigkeit durch das Härten ist Festwalzen der Kurbelwellenzapfenoberflächen reduziert
bei Torsion i. d. R. geringer als bei Biegebeanspruchung, da werden, da dadurch die „schabende“ Wirkung der Ränder
hier andere Schwachstellen mit hohen Spannungsspitzen der Graphitkugeleinschlüsse verringert wird. Für ange-
auftreten können, z. B. an Ölbohrungen. Bei Kurbelwellen schraubte Gegengewichte werden neben sämtlichen Gussei-

Bild 10-3
Steigerung der Biegedauerfestigkeit
von Kurbelwellenkröpfungen durch
Hohlkehlenhärtung. Regressionsgera-
den im Zeitfestigkeitsbereich. PÜ
Überlebenswahrscheinlichkeit
382    10 Werkstoffe und ihre Auswahl

sensorten sowie unlegierten und niedriglegierten Stählen in nen für Pleuelstangen im PKW- und LKW-Sektor eingeführt.
Sonderfällen Einsätze aus gesintertem Schwermetall auf Der Werkstoff C70S6 wies zwar zum Beginn der Serienein-
Wolframbasis mit einer Dichte von 17 bis 19 g/cm3 verwen- führung etwas geringere Festigkeitseigenschaften als der in
det. diesem Fahrzeugsegment vorhandene Standardwerkstoff
C38mod. auf, die Bruchtrenntechnologie (Fracture Splitting)
Pleuel brachte jedoch durch Wegfall des Sägeschnitts und einer Ver-
kürzung der Prozesskette deutliche wirtschaftliche Vorteile.
Die in Tabelle 10-2 aufgeführten Werkstoffgruppen finden Die systematische Weiterentwicklung der Bruchtrenntech-
auch beim Pleuel Anwendung [10-11]. Bei kleineren, gegos- nologie führte zu einer Anhebung der Streckgrenze, sodass
senen Teilen wird anstelle von Kugelgraphitguss auch Tem- heute die Festigkeitswerte des C70S6 den meisten Anforde-
perguss der Festigkeitsstufen GJMB-650 bis GJMB-700 rungen in diesem Segment genügt.
(GTS-65 bis GTS-70) eingesetzt. Generell dominieren je- Beste Ausnutzung der Festigkeitseigenschaften ist durch
doch vergütbare Stähle, die unlegiert oder mit Cr, CrMo, Cr- Bearbeiten der Oberflächen und anschließendes Verfesti-
MoV bzw. CrNiMo niedrig legiert sein können. Aus Kosten- gungsstrahlen möglich; dabei kann die Dauerfestigkeit in
gründen haben sich auch hier Mitte der 80-er Jahre die Abhängigkeit von Legierung und Zugfestigkeit wieder um
schmiedeperlitischen AFP-Qualitäten durchgesetzt. Bei glei- bis zu 100% gesteigert werden. Beim Pleuel sind i. d. R.
chen Zugfestigkeitswerten wird trotz geringerer Streckgrenze bestimmte Bereiche mit hoher Verformung oder starken
gleiche Dauerfestigkeit wie bei den Vergütungsstählen er- Kerben versagenskritisch und müssen durch konstruktive,
reicht. Bei der Forderung nach immer höherem Zünddrü- werkstoffliche oder verfahrenstechnische Maßnahmen
cken muss die bei den AFP-Stählen vergleichsweise niedrige ertüchtigt werden. Beispiele hierfür sind verzahnte Trenn-
Dehn- bzw. Stauchgrenze bereits bei der Auslegung der flächen oder Innengewinde des großen Pleuelauges. Bei
Pleuel Beachtung finden. Unabhängig von der Grundfestig- ausgeschöpften Gestaltungsmöglichkeiten kann die Dauer-
keit kann für alle Schmiedestähle im unbearbeiteten Zustand festigkeit auch an diesen Stellen durch Kugelstrahlen der
die gleiche Dauerfestigkeit erwartet werden, da der Einfluss Oberflächen oder spanloses Formen (Furchen) des Gewin-
von Oberflächenfehlern mit Tiefen von wenigen Zehntelmil- des deutlich gesteigert werden. Bild 10-4 zeigt die Ergeb-
limetern die Unterschiede in der statischen Festigkeit über- nisse entsprechender Dauerversuche an schräg geteilten
deckt. Anfang der 90-er Jahre begann beim Pleuel die Ent- Pleuelstangen mit Dauerfestigkeitserhöhungen von über
wicklung der Bruchtrenntechnologie. Mitte der 90-er Jahre 30%. Auch bei Pleuelstangen werden neben den mecha-
wurde der Stahl C70S6 als Serienwerkstoff zum Bruchtren- nischen Methoden gelegentlich thermische (Oberflächen-

Bild 10-4
Pulserversuche an schräggeteilten
Pleuelstangen. Erhöhung der Dauer-
festigkeit durch Furchen der Innenge-
winde
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile    383

härten) oder thermochemische Behandlungsverfahren dung anfällig, wobei meist atomar aufgenommener Wasser-
(Nitrieren) zur lokalen oder vollständigen Oberflächenvere- stoff die Ursache ist. Deshalb werden sehr hohe Festigkeits-
delung angewendet. Sie haben aber nicht die gleiche Bedeu- stufen mit eingeschränkter Zähigkeit vermieden und nur
tung erlangt wie bei Kurbelwellen. solche Oberflächenschutzschichten aufgebracht, bei denen
das verfahrensbedingte Wasserstoffangebot gering ist bzw.
Kolben der Wasserstoff wieder leicht ausdiffundieren kann (anorga-
nische Zn- oder Mn-Phosphatschichten, metallische Zn-
Kolben- und Kolbenringwerkstoffe sind für den Dieselmotor Überzüge). Die Altautoverordnung der Europäischen Union
von besonderer Bedeutung; sie werden in Abschn. 8.6 behan- fordert ab 2007 Chrom(VI)-freie Beschichtungen. Dies hat
delt. in den letzten Jahren insbesondere bei Schrauben die Ent-
wicklung und Anwendung sog. Duplex-Schichten (Lack-
10.2.2 Werkstoffe für Steuerungsteile schichten mit Zn-Lamellen) als Ersatz für die Verzinkung
und Einspritzausrüstung mit Chromatierung forciert.

Für Nockenwellen und Zahnräder eignen sich bevorzugt 10.2.4 Werkstoffe für Tragstrukturen
Stähle mit Oberflächenhärten um 60 HRC. Dazu gehören
Einsatzstähle sowie Vergütungsstähle mit Eignung zur induk- Kurbelgehäuse
tiven Oberflächenhärtung oder Nitrierung. Nockenwellen
und Flachstößel für kleinere Motoren werden meist aus lede- Für die komplexen Kurbelgehäuse und Zylinderköpfe, deren
buritisch erstarrtem Schalenhartguss hergestellt; für Rollen- Gestaltung durch kühlwasserführende Hohlräume zusätz-
stößel werden die vorgenannten harten Stähle und Durch- lich erschwert ist, werden Gusswerkstoffe mit den zugehö-
härter des Typs 100Cr6 verwendet. Typisch für Ventilfedern rigen, vielfältigen Herstellungstechnologien verwendet [10-
sind CrV- oder CrSi-legierte Federstähle in hochvergütetem 16].
und kugelgestrahltem Zustand. Während bereits frühzeitig Stahlguss und Leichtmetall-
Einatz- und Nitrierstähle finden auch für Einspritzdüsen guss Anwendung fanden, stehen heute Graugusssorten wie
und Hochdruckpumpenteile Anwendung. In Einzelfällen EN-GJL-250 (GG-25) mit geringen Legierungszusätzen an
werden, z. B. für Pumpenstempel, auch hochlegierte Kalt-, Cr, Mo oder Ni sowie Kugelgraphitgusslegierungen des Typs
Warm- oder Schnellarbeitsstähle mit karbidbildenden EN-GJS-500 (GGG-50) im Vordergrund. In Tabelle10-3
Zusätzen wie Cr, Mo, W und V eingesetzt. Die Forderung sind die typischen Werkstoffe mit ihren kennzeichnenden
nach immer geringeren Emissionswerten und somit höheren Gefügekonstitutionen und Eigenschaften zusammengestellt.
Systemdrücken macht bei tribologische beanspruchten Da nur Stahlguss für Konstruktionsschweißungen geeignet
Common-Rail-Triebwerks- oder Injektorbauteilen den Ein- ist, werden die übrigen Legierungen als Monoblock verar-
satz von klassischen Hartstoffschichten wie Titannitrid oder beitet. Eine hochentwickelte Technik der Warmschweißung
reibwertmindernden, diamantähnlichen dünnen, amorphen für Nachbesserungen an Rohteilen macht Kugelgraphitguss,
Kohlenstoff-Schichten notwendig [10-12]. Innendruckbe- insbesondere bei großen Gehäusen, wirtschaftlich.
aufschlagte Komponenten wie z. B. Gehäuse werden zur Da es nahe lag, die guten Eigenschaften von Grau- und
Dauerfestigkeits- und damit zur Lebensdauersteigerung Sphäroguss zu kombinieren, wurde die Gusseisensorte „Ver-
durch eine Autofrettage mit Innendrücken bis zu 6000 bar miculargraphitguss“ entwickelt, deren besonderes Merkmal
verfestigt [10-13], [10-14]. die „würmchenartige“ Ausbildung des Graphits darstellt. So
nutzt man bei Vermiculargraphitguss die gegenüber Grau-
10.2.3 Schraubenwerkstoffe guss höhere Steifigkeit und Dauerfestigkeit und die gegen­
über Sphäroguss besseren Gieß-, Dämpfungs- und Wärme-
Werkstoffe und Eigenschaften von Schrauben sind in ISO898 leiteigeneigenschaften. Der metallurgische Aufwand ist bei
bzw. DIN EN 20898 weltweit genormt. Für die Zuverlässig- GJV allerdings höher als bei Grau- und Sphäroguss; dies gilt
keit der Motorenkonstruktion sind vor allem die hochfesten insbesondere bei stark unterschiedlichen Wandstärken. Mit
Klassen 8.8, 10.9 und 12.9 wichtig. Für diese Schrauben wer- neuartiger Gießtechnologie erscheint jetzt auch die Anwen-
den vergütete Stähle mit geringen härte- und festigkeitsstei- dung für größere Serien möglich (vgl. Abschn. 10.6.1). Neue
gernden Legierungszusätzen von Cr, Mo, Ni und B verwen- Motorenentwicklungen verwenden als Kurbelgehäusewerk-
det [10-15]. Die Gewinde werden nach dem Vergüten gerollt stoff Vermiculargraphitgusseisen wie z. B. GJV-450 (GGV-
und erhalten so erhöhte Dauerfestigkeit. Bei Festigkeits- 45), wobei im Lagerdeckelbereich auch hier z. T. die Bruch­
werten über 1000MPa werden die Werkstoffe gegen Versprö- trenntechnologie eingesetzt wird.
384    10 Werkstoffe und ihre Auswahl

Tabelle 10-3 Werkstoffe für Kurbelgehäuse und Zylinderköpfe

Für Konstruktionen mit der Zielsetzung hoher Leistungs- Aluminium- oder Gusseisen-Inserts erfüllt die hohen Anfor-
dichte bzw. niedrigen Leistungsgewichts sind Aluminium- derungen an Steifigkeit, Akustik und Langlebigkeit eines
gusswerkstoffe des Typ AlSiMg im warmausgehärteten modernen PKW-Dieselmotors.
Zustand sehr gut geeignet. Diese sog. Siluminlegierungen
(wie EN AC-ALSi7Mg, -AlSi9Mg bzw. -ALSi10Mg) vereini- Ölwannen
gen niedriges spezifisches Gewicht, günstige Gießeigen-
schaften mit guten Festigkeitseigenschaften. Die Ölwanne bzw. das Kurbelgehäuseunterteil kann, je nach
Einen innovativen Kurbelgehäuse-Werkstoff stellt Magne- Ausführung der Konstruktion, zur Steifigkeit der Motorge-
sium dar [10-17], [10-18]. Der außerordentliche Gewichts- samtstruktur beitragen. Anwendung finden gegossene Teile
vorteil durch die Verwendung von Magnesium ist im spezi- aus AlSi-, AlSiMg- und AlSiCu-Legierungen oder Stahl-
fischen Gewicht dieses Werkstoffes begründet: Magnesium blechkonstruktionen der Sorten FeP03/04 (St13/14) oder
ist ca. 30% leichter als Aluminium (Dichte Magnesium S235JR/S355J2 (St37/52). Für Ölwannen von Fahrzeugmo-
1,81 g/cm3, Aluminium 2,68 g/cm3, Gusseisen 7,2 g/cm3). toren werden erstmals auch Kunststoffe (glasfaserverstärkte
So kann durch die Verwendung von Kurbelgehäusen aus Polymere) in größerem Umfang eingesetzt [10-33].
Aluminium-Zink-Magnesiumlegierungen z. B. AZ-91 das
Leistungsgewicht von 1,19 (Al-Kurbelgehäuse) auf 1,02 Zylinderköpfe
reduziert werden [10-17]. Die Nachteile des Magnesiums
wie geringe Steifigkeit, Kriechneigung, Korrosions- und Die in Tabelle 10-3 enthaltenen Gusslegierungen stellen auch
Verschleißbeständigkeit werden durch einen Werkstoffver- das gängige Werkstoffspektrum für Zylinderköpfe dar. Bei
bund zwischen Magnesium und Aluminium oder Gusseisen diesem Bauteil werden die Beanspruchungsverhältnisse
eliminiert. So werden z. B. Inserts aus ENAC-AlSi17Cu4 für durch die Temperaturbelastung auf der Brennraumseite ver-
die Laufbuchsen und deren Kühlwasserraum oder Inserts schärft. Daraus resultieren niederfrequente, durch Belas­
aus Vermiculargraphitguss für die Grundlagergasse verwen- tungsänderungen des Motors ausgelöste Wärmespannungen
det. Nur diese Kombination aus Magnesium-Mantel und als Folge behinderter Wärmedehnung (Low-Cycle-Fatigue

Kurbelgehäuse, Zylinderköpfe
Grauguss, Vermiculargraphitguss, Kugelgraphitguss, Stahlguss, Aluminiumguss
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile    385

LCF). Aufgrund günstiger physikalischer Eigenschaften, Laufbuchsen


guter Gießbarkeit und niedriger Kosten wird konventioneller
Grauguss nach wie vor bevorzugt; bei hohen Beanspru- Bei den Laufbuchsen steht die Verschleißbeständigkeit des
chungen wird auch Kugelgraphitguss eingesetzt. Vermicular- Werkstoffes im Vordergrund. Seit Beginn der Motorentwick-
graphitguss (GJV) in den Festigkeitsstufen 400 und 500 hat lung haben sich werkstoffseitig keine grundsätzlichen Verän-
sich, abgesehen von einzelnen Anwendungen, bisher nicht derungen ergeben. Dominierende Werkstoffsorte war und
generell durchsetzen können. ist Grauguss der Stufe EN-GJL-250 (GG-25) mit Zulegie-
Die durch Temperatur und Verschleiß hochbeanspruch- rungen an Cr und Mo sowie in Europa mit erhöhtem Phos-
ten Ventilsitze im Zylinderkopf werden teilweise induktiv- phor-Gehalt, was zu der Ausbildung eines verschleißhem-
oder lasergehärtet. Reicht dies nicht aus, werden Sitzringe menden Phosphidnetzes im Gefüge beiträgt. Große Buchsen
aus Schleuderguss mit Brinellhärten von 35 bis ca. 50 HRC werden im Sandguss-, kleinere im Schleudergussverfahren
vorgesehen. Graphithaltige und graphitfreie Qualitäten hergestellt. Zur Erhöhung der Verschleißbeständigkeit wer-
erhalten dabei durch mittlere und hohe Zusätze von Cr, Mo den Zylinderlaufbuchsen teilweise induktiv oder in Einzel-
und V die erforderliche Temperatur- und Verschleißbestän- fällen lasergehärtet, Bild 10-5. Auch verzugsarmes Nitrieren
digkeit. Für höchste Zünddruck und Temperaturbeanspru- zählt zu den verschleißverbessernden Maßnahmen.
chungen werden auch Kobalt-Basislegierungen mit interme- Wie im Abschn. „Kurbelgehäuse“ ausgeführt werden bei
tallischen Hartphasen als Ventilsitzringwerkstoff eingesetzt, PKW-Dieselmotoren mit Al-Kurbelgehäusen auch Grau-
die eine Härte von 42 HRC bis 58 HRC und gleiche Oberflä- guss-Laufbuchsen eingegossen oder übereutektische, hoch-
cheneigenschaften über einen weiten Temperaturbereich siliziumhaltige Aluminiumgusslegierungen als Lauffläche
aufweisen. Diese Werkstoffgruppe gewährleistet hohen für die Kolbenringe verwendet.
Widerstand gegen Ventilsitz-Verschleiß und -Heißkorro­
sion, insbesondere auch bei ungünstigen Schmierungsver- 10.2.5 Werkstoffe für Heißteile
hältnissen.
Die Graugusssorte EN-GJL-250 (GG-25) hat sich auch für Grundsätzliche Problematik
Ventilführungen bewährt. Daneben werden aushärtbare
Kupferwerkstoffe (z. B. CuNi2Si) verwendet. Für die Groß- Ventile, abgasführende Teile und Abgasturboladerkompo-
serienproduktion von Fahrzeugmotoren wurden Eisensin- nenten erfordern den Einsatz hochwarmfester Legierungen,
terlegierungen mit verschleißhemmenden Karbid- und da sie mittlere Abgastemperaturen, die 750 °C übersteigen
Bronze-Einlagerungen entwickelt. können, ertragen müssen. Der Dieselmotorenbau konnte da-

Bild 10-5
Lasergehärtete Zylinderlaufbuchse
386 10 Werkstoffe und ihre Auswahl

bei in den vergangenen Jahrzehnten die Werkstoffentwick-


lungen für Gasturbinen nutzen, z. B. die Nickelbasislegie-
rungen mit festigkeitsverbessernden intermetallischen Ver-
bindungen (J´-Phase Ni3(Ti, Al)).
Ein besonderes Problem tritt auf, wenn die Motoren mit
Schweröl oder Mischkraftstoff betrieben werden. Durch
hohe Schwefel- und Vanadiumgehalte wird der Heißkorro-
sionsangriff an gasführenden Teilen wesentlich verstärkt.
Bei Überschreiten der Grenztemperaturen kommt es zu
Bildung von Nickelsulfid oder Vanadiumpentoxid und
damit zur Zerstörung des Werkstoffs. Kritische Stellen, wie
die heißen Auslassventilsitzflächen an Zylinderkopf und
Ventilen, werden deshalb auch durch Auftragschweißen mit
Stelliten oder ähnlichen Legierungen gepanzert (vgl.
Abschn. 7.1.4).

Ventile und Vorkammern


Ventile von Dieselmotoren besitzen aufgrund ihrer che-
mischen, tribologischen und thermomechanischen Bean-
spruchungen ein komplexes Anforderungsprofil. Die Werk-
stoffwahl muss diesem Anforderungsprofil gerecht werden.
Während für Einlassventile lange Zeit warmfeste Ver-
gütungsstähle mit CrMoV-Zusätzen verwendet wurden,
wurden für Auslassventile bereits frühzeitig hochlegierte,
härtbare Stahlsorten auf Basis CrSi oder Sonderstähle wie
Austenite des Typs CrNiW entwickelt. Da die temperaturbe-
ständigen, austenitischen Legierungen relativ geringe Warm-
festigkeitswerte aufweisen, war es notwendig, die Maximal-
temperaturen im Tellerbereich zu begrenzen und hochbean-
spruchte Partien zu ertüchtigen. Dies wird durch Hohlventile
mit Natriumfüllung des Ventilkörpers und Aufschweißen Bild 10-6 Ventilausführungen
bzw. Panzern von Ventilsitz und Schaftende erreicht. Heute
wird weitgehend auf diese aufwendige Gestaltung mit zu-
sätzlichen Fehler- und Versagensmöglichkeiten verzichtet. Für Vorkammern werden neben hochlegierten Stählen vor
Stand der Technik sind Monometallventile für die Einlass- allem Nickel- und häufig Kobaltbasislegierungen verwendet.
und reib- oder stumpfgeschweißte Bimetallventile für die
Auslassseite, Bild 10-6. Die Werkstoffpalette nach DIN EN Abgasführende Leitungen und Gehäuse
10090 reicht dabei vom vergütbaren hitzebeständigen Stahl
X45CrSi9-3 über ausscheidungshärtbare stickstofflegierten Bauteile mit kleineren Abmessungen werden aus Gründen
Austenite bis zur Nickelbasislegierung NiCr20TiAl (Nimo- der Wirtschaftlichkeit aus Grauguss mit warmfestigkeitsstei-
nic 80A) [10-19]. Neuere Entwicklungen beschäftigen sich gernden Legierungszusätzen an Cr und Mo oder ferritischem
auch mit druckaufgestickten Stählen als Einlassventilwerk- Sphäroguss GJS-400-15 hergestellt. Über oxidationsbestän-
stoff [10-20]. Diese neue Werkstoffgruppe verknüpft die gu- digeren Kugelgraphitguss mit höheren Si- und Mo-Gehalten
ten Eigenschaften des konventionellen Einlassventilwerk- (EN-GJS-X SiMo5-1, GGG-SiMo51) hinaus stehen für ther-
stoffes X45CrSi9-3 wie Härte und Duktilität mit hoher misch hochbelastete Teile die hochlegierten, austenitischen
Warmfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit. GJL- und GJS-„Ni-Resist“-Sorten zur Verfügung [10-16].
Zu den lebensdauerverbessernden Maßnahmen gehört Bei größeren Motoren finden auch gekapselte, gekühlte Kons-
das Verchromen der Ventilschäfte, das sich zusammen mit truktionen mit Innenschalen aus hitzebeständigen Stählen
Badnitrieren als Standardverfahren für diesen durch Ver- (z. B. X15CrNiSi20-12) oder Nickelbasislegierungen bis zum
schleiß und Korrosion beanspruchten Bereich durchgesetzt mischkristallhärtenden NiCr22Mo9Nb (Inconel 625) Ver-
hat. wendung.
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile 387

Abgasturbolader Bei den vereinzelt für Kurbelwellen verwendeten Wälz-


lagern stützt man sich auf die durchhärtbaren Wälzlager-
Zur konsequenten Nutzung der Abgasturboaufladung wird stähle, wie 100Cr6 und 100CrMn6, sowie einsatzhärtbare
eine Reihe von Hochleistungswerkstoffen eingesetzt. Als Chromstähle mit hohem Reinheitsgrad.
Turbinenrad- oder Schaufelwerkstoff wird bevorzugt die
hochwarmfeste, ausscheidungshärtende Superlegierung G- 10.2.7 Werkstoffe für Korrosionsbeanspruchung
NiCr13MoAl (Inconel 713), teilweise mit gezielt unter 0,08%
gesenktem Kohlenstoffgehalt, verwendet. Wesentlich breiter Das Spektrum korrosiver Beanspruchungsarten der Motor-
ist das Werkstoffspektrum bei den ebenfalls sehr hochbelas- teile ist sehr groß. So müssen zunächst viele Werkstoffe, die
teten Verdichterrädern [10-6]: Es reicht von gegossenen Alu- aufgrund ihrer Zusammensetzung keinen natürlichen Kor-
miniumteilen der Typen AlSi bzw. AlCu bei Pkw- und Nutz- rosionsschutz aufweisen, für Lagerung und Betrieb geschützt
fahrzeugmotoren über höherfeste, geschmiedete Sorten der werden. Soweit dies nicht durch Behandlung mit Korrosi-
Zusammensetzung AlCuMgNi bis zur Titanlegierung Ti- onsschutzölen, -fetten oder Anstrichstoffen geschehen kann,
Al6V4 für hohe Druckverhältnisse und Umfangsgeschwin- werden die Oberflächen, z. B. bei Schrauben, mit galvanisch
digkeiten, Bild 10-7. aufgebrachten Zinkschichten, Zinklamellenschichten, oder
Bonderschichten aus Zink- oder Manganphosphat überzo-
10.2.6 Lagerwerkstoffe gen.
Ein besonderes Problem komplexer korrosiver Beanspru-
Bei hochbelasteten Gleitlagern werden Schicht-Verbund- chung ist bei allen kühlwasserbenetzten Oberflächen vor-
werkstoffe eingesetzt, s. Abschn. 8.5.4. Für die zahlreichen handen. Obwohl von allen Motorenherstellern nur gereinig-
anderen Lagerstellen im Motor haben sich Kupferlegie- tes Wasser geeigneter Qualität zur Kühlung zugelassen wird,
rungen, wie Zinnbronze (CuSn8) oder Messing (CuZ- führt die energetische Unterstützung in thermisch und
n31Si1), sowie auch Aluminiumwerkstoffe, wie die Kolben- mechanisch beanspruchten, kühlwasserführenden Bauteilen
legierung AlSi12CuMgNi, bewährt. Lagerfunktionen mit zu Korrosionsangriffen, häufig in Form des besonders kri-
geringer Beanspruchung können durch Buchsen aus Sinter- tischen Lochfraßes. Werkstofftechnische Abhilfemaßnah-
legierungen auf Basis Eisen, Stahl oder Bronze erfüllt wer- men durch Beschichtungen und Verwendung korrosionsbe-
den. ständiger Sonderwerkstoffe haben sich als untauglich erwie-

Bild 10-7
Werkstoffe für Abgasturbolader
am Beispiel einer Läufergruppe mit
Radiallaufrädern
388    10 Werkstoffe und ihre Auswahl

sen oder sind für Bauteile des internen Kreislaufs aus wirt- schen Kurbelgehäuse und Ölwanne durch mittels Dosierro-
schaftlichen Gründen nicht realisierbar. Durch die Arbeiten boter aufgetragenes, pastöses Silikon abzudichten.
der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen
zu Beginn der sechziger Jahre wurden wesentliche Erkennt- 10.3 Faktoren für die Werkstoffauswahl
nisse zur Korrosionsinhibierung der Kühlflüssigkeiten
ge­wonnen, die heute auch die problemlose Verwendung von Die Beurteilung von Werkstoffen im Hinblick auf ihre Eig-
Aluminium für kühlwasserführende Bauteile und Kühler nung für Bauteile von Dieselmotoren darf nicht auf Zusam-
(AlMn-Legierungen) ermöglichen. mensetzung und Eigenschaften beschränkt werden. Viel-
Sehr stark eingeschränkt ist die Werkstoffauswahl bei mehr ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise erforderlich,
Seewasserkühlung im Sekundärkreislauf von Schiffsmo- die Gesichtspunkte der Gestalt, Herstellung, Bearbeitung
toren. Zufriedenstellende bis gute Beständigkeit weisen hier und Veredelung einschließt. Zusätzlich sind in den letzten
nur Sonderwerkstoffe wie Kupferlegierungen (Rotguss/ Jahren Aspekte des Umweltschutzes und der Entsorgung
CuSnZnPb-C, Mehrstoffaluminiumbronze/CuAL10Ni-C hinzugekommen. Neben den vorgenannten Faktoren sind
und Kupfernickel/CuNi10/30Fe) bzw. Reintitan auf. Auste- die Werkstoffkosten von außerordentlicher Bedeutung,
nitische Stähle haben nur beim Zulegieren von Stickstoff Bild 10-8. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht nur teure
oder entsprechend hohen Molybdängehalten ausreichende Basiswerkstoffe oder Legierungselemente, sondern vor allem
Chloridionenbeständigkeit. Da die Aggressivität des Was- aufwendige Formgebungs- und Bearbeitungsverfahren do-
sers in Hafenbereichen durch Verschmutzung mit flüssigen minierenden Einfluss auf die Kosten haben können.
und festen Stoffen sehr stark ansteigt, werden Rohre und In Bild 10-8 sind die Werkstoffkosten einiger im Moto-
Kühlereinsätze teilweise durch Kunststoffüberzüge geschützt. renbau eingesetzter Werkstoffgruppen aufgeführt. Die
Teile der (See-)Wasserführung werden auch komplett in Streuungen in den Kosten für die Gusslegierungen ergeben
Kunststoff ausgeführt. sich hauptsächlich durch den geometriebedingten, gieß-
technischen Aufwand. Werkstoffkostenvergleiche erfolgen
10.2.8 Sonderwerkstoffe für Funktionsteile i. d. R. massebezogen. Da die Leistungsfähigkeit der Werk-
stoffe bei voller Ausnutzung dem Volumen proportional ist,
Dichtungen, Filter und andere Funktionselemente des Mo- würden Volumenpreise eigentlich bessere Vergleiche
tors werden meist aus nichtmetallischen, organischen Werk- ermöglichen. Hierbei schneiden Kunststoffe häufig sehr gut
stoffen hergestellt [10-21]. Für die Vielzahl unterschiedlicher ab. Bei stark unterschiedlichen Werkstoffen kann jedoch
Teile und Materialien seien nur beispielhaft einige Probleme meist nicht geometrisch ähnlich konstruiert werden, sodass
und Tendenzen erwähnt: im Einzelfall Bauteil mit Bauteil verglichen werden muss
– Ersatz von Asbest durch Aramidfasern oder völlig neue [10-34].
Werk­stoffkombinationen bei thermisch beanspruchten
Flachdichtungen, 10.4 Lebensdauerkonzepte und Werkstoffdaten
– zunehmende Verwendung von höherbeständigem Fluor­
kautschuk (FPM) anstelle von Nitrilkautschuk (NBR) und Solange nur wenige physikalische und statische Kennwerte
anderen Elastomersorten bei Kühlmittel- und Ölabdich­ zur Beschreibung des Werkstoffverhaltens vorhanden waren,
tungen, konnten Eignung und Zuverlässigkeit der Werkstoffe ledig-
– Einsatz von Polytetrafluoräthylen (PTFE) bei verschleiß­ lich im Bauteil- oder Motorenversuch bewertet werden. In
beanspruchten Teilen, z. B. Radialwellendichtringen, Ergänzung zu dieser experimentellen Ermittlung der Be-
– Verwendung von Ringen aus Al2O3- oder SiC-Keramik für triebsfestigkeit wurden weitere Bemessungskonzepte entwi-
Wasserpumpen-Gleitringdichtungen anstelle von Spezial­ ckelt [10-22]. Im Motorenbau werden vor allem das seit lan-
kohle, gem bekannte Nennspannungskonzept sowie in neuerer Zeit
– Einsatz von Kunststofffaservliesen mit höherer Feinheit das Konzept der örtlichen Beanspruchungen (örtliches Kon-
anstelle von imprägnierten Papieren für Ansaugluft- und zept, Kerbgrundkonzept) benutzt (s. Abschn. 7.1.3 und 8.6).
Schmier­ölfilter, Während für das Nennspannungskonzept Versuche an Ori-
– entsorgungsgerechte bzw. recyclingfähige Ölfilterkon­zepte. ginalbauteilen erforderlich sind (Bild 10-9), baut das örtliche
Konzept direkt auf der Spannungsanalyse durch FE-Berech-
Nach wie vor sind montierbare Formteildichtungen aus Elas­ nung oder DMS-Messung auf und kommt mit am Vollstab
tomeren an vielen verschiedenen Stellen für die Funktion des ermittelten Werkstoffkenndaten aus.
Motors unersetzlich. Bei Großserien von Fahrzeugmotoren Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass das Ver-
wird jedoch auch dazu übergegangen, Trennflächen wie zwi- halten des Vollstabes auf das Verhalten des höchstbean-
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile 389

Bild 10-8
Anhaltswerte für Werkstoffpreise. Ver-
gleichsbasis: Massenstahl mit Preis-
faktor 1 (Stand Dez. 2005)

Bild 10-9
Dauerschwingversuche an Kurbelwel-
lenkröpfungen nach dem Resonanz-
prinzip
390 10 Werkstoffe und ihre Auswahl

spruchten Werkstoffelementes im Kerbgrund des Bauteils chungen nach dem Prinzip der Aufgabenteilung anpassen
übertragen werden kann. Plastische Verformungen können lassen, Bild 10-10.
berücksichtigt werden. Da die Konzepte immer noch zahl- Da die höchsten Beanspruchungen durch Temperatur,
reiche Lücken aufweisen, werden sie in der Praxis häufig Spannung und Verschleiß meist an der Oberfläche oder in
kombiniert [10-23]. Beiden ist gemeinsam, dass für die oberflächennahen Bereichen der Bauteile mit steilem Bean-
genaue Voraussage der Betriebsfestigkeit bzw. der Lebens- spruchungsabfall in Richtung Werkstoffzentrum auftreten,
dauer zuverlässige Werkstoffkennwerte benötigt werden. Die haben vor allem die verschiedenen Oberflächenbehand-
aus Veröffentlichungen, Standardwerken und Werkstoffda- lungsverfahren der metallischen Werkstoffe, insbesondere
tenbanken zu entnehmenden Werte des zyklischen Werk- für Eisengusswerkstoffe und Stähle, wesentliche Bedeutung
stoffverhaltens sind für eine gesicherte Bauteilauslegung erlangt. Nur mit ihrer Hilfe ist es möglich, bei gleichblei-
meist nicht ausreichend. Im Einzelfall ist ihre experimentel- benden Triebwerksabmessungen Entwicklungsziele, wie
le Ermittlung unter bekannten Randbedingungen unum- Verbrauchsabsenkung durch Steigerung des maximalen
gänglich. Versuchsführung und Zahl der Proben sollten so Zylinderdrucks oder Leistungsgewichtsverminderung durch
gewählt werden, dass eine Auswertung nach statistischen Anheben des mittleren effektiven Drucks, zu verwirklichen.
Gesichtspunkten, wie z. B. beim Treppenstufenverfahren, Gleiche Bedeutung haben bei tribologisch beanspruchten
möglich ist. Die weitere Verbesserung der Lebensdauervor- Bauteilen, wie Gleitlagern und Kolbenringen, die verschie-
hersage erfordert auch zukünftig umfangreiche experimen- denen Beschichtungstechnologien erlangt, während die
telle und theoretische Untersuchungen zu Beanspruchungs- weiterführenden Möglichkeiten der Urformung aus wirt-
und Versagensverhalten der verschiedenen Werkstoffe. schaftlichen Gründen nur vereinzelt angewendet werden.
Problematisch bei Stahl sind nach wie vor Seigerungen
10.5 Verfahren zur Lebensdauersteigerung und nichtmetallische Einschlüsse, wobei die Gefahr eines
dadurch bedingten Dauerbruchs durch den Übergang vom
Block- auf Strangguss, durch verbesserte Prüftechnik sowie
10.5.1 Urformungsverfahren
durch Vakuumerschmelzen und Umschmelzen [10-24] wie
Ein technisch verwendbarer Werkstoff ist umso wertvoller, je z. B. Elektroschlacke-Umschmelzen (ESU) stark herabge-
besser sich seine Eigenschaften den i. d. R. über Querschnitt setzt werden konnte. Durch ESU werden die Zähigkeits-
und Volumen des Bauteils sehr unterschiedlichen Beanspru- und Dauerfestigkeits-Kennwerte deutlich gesteigert, Bild

Bild 10-10 Verfahren zur Lebensdauersteigerung für Motorenbauteile


10.5 Verfahren zur Lebensdauersteigerung 391


Bild 10-11 Steigerung der Biegedauerfestigkeit von Stahl durch Elektroschlackeumschmelzen (ESU). Auswertung mit arcsin√P-Transformation

10-11, so dass Vergütungs-, Einsatz- und Nitrierstähle in 10.5.2 Oberflächenbehandlungsmethoden


ESU-Qualität für hochbeanspruchte Bauteile wie Kurbel-
wellen, Kolbenbolzen und Einspritzpumpenteile verwendet Die Bedeutung der verschiedenen Behandlungsverfahren für
werden. Oberflächen- und Randbereiche bei Eisenwerkstoffen kann
Bei Gussteilen bilden Gasporen und Schrumpflunker häu- nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die hierdurch erziel-
fig innere Kerben, die die Versagensstelle trotz niedriger baren Steigerungen der Eigenschaftswerte, besonders im
Beanspruchung ins Innere des Werkstoffvolumens verlegen. Hinblick auf Verschleiß- und Dauerbeanspruchung, über-
Hier kann durch heißisostatisches Pressen (HIP) Abhilfe steigen die Möglichkeiten der Legierungstechnik bei weitem.
geschaffen werden [10-25], das z. B. bei hochlegierten Bereits lange bekannt und benutzt sind die verschiedenen
Nickelbasis-Feingusslegierungen (Turbinenräder) und thermischen Verfahren des Vergütens und Härtens. Die Här-
Leichtmetallguss (Kurbelgehäuse) eingesetzt wird, um guss- tung der Oberfläche eines Stahlteils ist aufgrund der Marten-
spezifische Hohlräume durch die beim HIP-Prozess vorhan- sitbildung mit messbarer Volumenvergrößerung verbunden.
denen Drücke und Temperaturen zu verschweißen und Diese führt zu einem überlagerten Eigenspannungszustand
somit die Dauerfestigkeit zu steigern, Bild 10-12. Zu erwäh- mit hohen Druckeigenspannungen im gehärteten Bereich. In
nen ist, dass jedoch Oberflächenporositäten und Gefügefeh- Verbindung mit der erhöhten Härte und Festigkeit sind diese
ler dadurch nicht beseitigt werden können. die wesentliche Ursache für die Steigerung der Dauerfestig-
Praktisch homogene Werkstoffe mit isotropen Eigen- keit. Aus Gleichgewichtsgründen müssen die Druckeigen-
schaften liefert die Pulvermetallurgie (PM), die nicht nur spannungen durch entsprechende Zugeigenspannungen
eine kostengünstige Massenfertigung (z. B. Ölpumpenräder, kompensiert sein. Damit kann bei ungünstiger Lage der Här-
Ventilführungen), sondern auch das Sinterschmieden von tezone Versagen unter geringerer Beanspruchung an anderer
Pleuelstangen bis hin zur Herstellung leistungsfähigen Kol- Stelle auftreten.
ben-Legierungen ermöglicht. Ähnliche Möglichkeiten der Eigenschaftsverbesserung
Verschiedene Sonderverfahren der Pulvermetallurgie, wie bestehen mit den thermochemischen Verfahren des Nitrie-
das sog. Sprühkompaktieren nach dem Osprey-Verfahren, rens, worunter auch die verwandten Methoden des Nitro-
befinden sich noch in der Entwicklung [10-24]. Anwen- carburierens in Salzbad, Gas oder Plasma (Ionnitrieren) zu
dungen der Pulvermetallurgie erfordern bestimmte Mindest- verstehen sind. Beachtung bedürfen dabei der Porositäts-
stückzahlen und sind durch Stückmasse und Form begrenzt. grad etwaiger Nitrid-Verbindungsschichten und die generell
392 10 Werkstoffe und ihre Auswahl

Bild 10-12
Steigerung der Biegedauerfestigkeit
von Aluminiumguss durch heißisosta-
tisches Pressen (HIP). Regressionsge-
raden im Zeitfestigkeitsbereich

höhere Verletzungs- und Mittelspannungsempfindlichkeit beträchtliche Kostenaufwand. Trotzdem wird eine Vielzahl
nitrierter Oberflächen. Gewindebereiche dürfen deshalb auf von Verfahren und Schichten im Labormaßstab entwickelt
keinen Fall nitriert werden. und erprobt, da nach wie vor Bedarf an speziellen maßge-
Lange Zeit etwas vernachlässigt waren die mechanischen schneiderten Lösungen für technisch anspruchsvolle Motor-
Verfestigungsverfahren, obwohl sie das größte Potenzial der bereiche, wie das System Kolben–Kolbenringe–Laufbuchse,
Festigkeitssteigerung bei Metallen besitzen. Bereits ein- besteht. Hier werden in Ergänzung zu den bekannten Ver-
faches Reinigungsstrahlen von Guss- oder Knetlegierungen fahren des chemischen und elektrochemischen Beschich-
kann zu merklichen Dauerfestigkeitserhöhungen führen. tens, des Metallspritzens und Auftragsschweißens vor allem
Die Palette der Möglichkeiten reicht dabei über Festigkeits- von den Techniken der physikalischen und chemischen Gas-
strahlen, Schlagverdichten und Rollen bis zu den verschie- phasenabscheidung (Physical und Chemical Vapour Deposi-
denen Methoden des Glatt- und Festwalzens [10-26]. Für tion/PVD und CVD) Lösungen erwartet.
die Eigenschaftsverbesserungen sind je nach Verfahren
Glättungen der Mikrogeometrie und plastische Verfor- 10.6 Entwicklungstendenzen
mungen der Randbereiche mit Festigkeitserhöhung und
geeigneter Druckeigenspannungsausbildung in ähnlicher
10.6.1 Werkstoffe
Weise wie bei den thermischen Verfahren verantwortlich.
Ein interessantes Sonderverfahren stellt das Autofrettieren Eine große Zahl von Zielsetzungen moderner Motorenent-
(Selbstschrumpfen) von innendruck-beaufschlagten Bautei- wicklungen ist bereits durch das Leistungspotenzial konven-
len dar, bei dem durch einmalige Beanspruchung mit sehr tioneller, bekannter Werkstoffe erfüllbar, wenn die Möglich-
hohem Innendruck die Innenoberfläche plastifiziert und keiten konstruktiver Gestaltung, moderner Herstellungs-,
unter Druckvorspannungen gesetzt wird. Das Verfahren Bearbeitungs- und Behandlungstechnologie konsequent ge-
ist geeignet, bei nahtlos gezogenen Einspritzleitungen aus nutzt werden. Die große Teilevielfalt mit unterschiedlichen
St30Al Drücke über 1500 bar zuverlässig zu beherrschen. und komplexen Beanspruchungsmechanismen sowie neue
Anforderungen des Motorenbaus sind jedoch nach wie vor
10.5.3 Beschichtungsverfahren für die Nachfrage nach werkstofftechnischen Innovationen
bestimmend, Bild 10-13. Weiter zunehmende Bedeutung ha-
Während bei den gleitenden und auf Verschleiß beanspruch- ben dabei die Anforderungen des Leichtbaus für Fahrzeug-
ten Bauteilen des Motors Beschichtungstechniken wesent- motoren [10-34], [10-35].
liche Entwicklungssprünge ermöglichten, ist ihr Anteil bei Sehr große Erwartungen wurden in die Substitution kon-
den übrigen Bauteilgruppen noch vergleichsweise gering, ventioneller Metalle durch Strukturkeramik gesetzt. Hierun-
Tabelle 10-4. Hinderlich sind die i. d. R. notwendige Unter- ter werden im Motorenbau nichtmetallische, anorganische
brechung des Fertigungsablaufs und der zusätzliche, häufig Werkstoffe auf der Basis von Nitriden, Karbiden und Metall-
10.6 Entwicklungstendenzen    393

Tabelle 10-4 Anwendungsmöglichkeiten für Beschichtungen von Motorbauteilen

Beschichtungsverfahren Schichtart Anwendung


elektrochemische (galvanische und che- – Cr Zylinderlaufbuchsen, Zylinderköpfe, Ventilschäfte, Kolbenoberteile,
mische Abscheidung Kolbenringnuten
– Cr, Cr-Al203 Kolbenringe
– Ni-SiC/NiKasil Zylinderlaufflächen
– PbSnCu/CuPb Gleitlagerlaufschichten
– Zn Gewindeteile, Schrauben, Leitungen
– Zn/Mn-Phosphat Bauteile aus niedriglegiertem Stahl, Schrauben
– (Hart-)Anodisierschichten Aluminiumbauteile, Kolben
Abscheidung aus der Gasphase (PVD) – TiN Einspritzpumpenkolben, Steuerungsteile,
– WC/C Einspritzpumpenkolben, Steuerungsteile, Gleitringdichtungen
– AlSn Gleitlagerlaufschichten
Spritzverfahren – Mo Kolbenringe, Laufflächen für Radialwellendichtringe
– metallische/keramische Mischschichten Kolbenringe
– Zr02 abgasführende und brennraumbegrenzende Teile
Auftragsschweißen – Hartlegierungen Ventile, Ventilsitze
Lackieren/mechanisches Auftragen – Graphitierung Kolben
– Gleitlack Schrauben
– Kunststoffüberzüge seewasserführende Kühlerbauteile, Feder
– metallhaltige Einbrennschichten Schrauben, Federn

oxiden verstanden. Nachdem sich der physikalische Ansatz anforderungen auch für faserverstärkte oder weiterentwi-
des brennraumisolierten, wärmedichten Motors mit besse- ckelte, pulvermetallurgisch hergestellte Aluminiumlegie-
rem, thermischem Wirkungsgrad als nicht zutreffend erwie- rungen zu erwarten. Wegen der Möglichkeiten zur Reduzie-
sen hat (s. Abschn. 7.2), werden Anwendungsmöglichkeiten rung von Gewicht, Geräusch und Kosten besteht zuneh-
zukünftig vor allem im Hinblick auf Reduzierung von Rei- mendes Interesse an der Verwendung von Polymerenwerk-
bung und Verschleiß (Kolbenringe, Laufbuchsen und Ven- stoffen in geringer belasteten Bereichen der Motorperipherie
tilführungen), Verringerung bewegter Massen (Ventile, Kol- (Deckel, Luftführungen usw.).
benbolzen und ATL-Turbinenräder) und Wärmeisolierung In Konkurrenz zur Strukturkeramik treten heute immer
im Abgastrakt gesehen [10-28], [10-29]. Obwohl keramische häufiger die Intermetallischen Phasen wie z. B. Nickel- oder
Werkstoffe in vielen Eigenschaften Stahl überlegen sind Titanaluminide. Die nur geringfügig höhere Dichte der
(Tabelle 10-5), ist eine Substitution bei den meisten Motor- Intermetallischen Phasen (Titanaluminide ρ = 3,8 g/cm3) im
teilen allein aus Kostengründen nicht zu erwarten. Zusätz- Vergleich zur Strukturkeramik (Siliziumnitrid ρ = 2,5…3,2
lich sind Defizite beim Verformungs- und Versagensverhal- g/cm3) bei gleichzeitig höherer Duktilität macht diese Werk-
ten konstruktiv zu berücksichtigen und entwicklungstech- stoffgruppe für Bauteile von Verbrennungskraftmaschinen
nisch zu minimieren. Wahrscheinlich werden neben einzel- interessant, die hohen Beschleunigungen und Temperaturen
nen, bereits heute üblichen Strukturkeramikteilen, wie ausgesetzt sind [10-36]. Erste Anwendungen im Bereich
hochbeanspruchten Wasserpumpengleitringen und Stößel- Turbinenräder oder Auslassventile sind zurzeit in Erpro-
rollen, vor allem weiterentwickelte keramische Schichten, bung. Neben den Intermetallischen Phasen sollen auch
wie für Kolbenringe, serienmäßige Anwendung finden. massiv aufgestickte, austenitische Stähle (High Nitrogen
Technisch möglich sind bereits heute Wärmeisolationen Steels) als Ventilwerkstoffe zum Einsatz kommen.
durch Beschichtung und Verbundkonstruktionen, ATL- Auf dem Gebiet der Stähle werden die AFP-Sorten in
Turbinenräder mit kleineren Durchmessern sowie Ventile Richtung höherer Festigkeits- und Dehngrenzenwerte wei-
und andere Teile der Motorsteuerung. terentwickelt. Teure Legierungselemente werden durch Bor-
Einsatzmöglichkeiten von keramischen Werkstoffen in oder massive Stickstoffzugabe ersetzt. Die Reihe der Guss­
Kolben oder ATL-Verdichterrädern sind bei Hochleistungs- eisensorten kann durch höherfeste, zwischenstufenvergüte-
394    10 Werkstoffe und ihre Auswahl

Bild 10-13 Zukünftige Ziele der Werkstoffentwicklung

Tabelle 10-5 Keramische Werkstoffe für den Motorenbau. Eigenschaftswerte im Vergleich zu Stahl

Eigenschaften Dichte p Elastizitäts­ Längenausdeh- Wärmeleit­ Zug- bzw. Biege- max. Ein- Eigenschaften
Werkstoffe g/cm3 modul E GPa nungskoeff. α fähigkeit λ festigkeit R MPa satztemp. mögliche Anwendungen
10–6 m/(m · K) W/(m · K) Tmax °C
Siliziumnitrid Si3N4 2,5…3,2 180…320 3,0…3,5 11…35 220…700 >1400 Kolben, Laufbuchseneinsatz,
Vorkammer, Ventilführung,
Siliziumkarbid SiC 2,5…3,2 350…410 4,4…4,8 70…90 300…450 1600 ATL-Turbinenrad
Aluminiumoxid 3,9 360 4,0 30 300 1200…1900 Gleitring, Strukturverstär-
Al2O3 kung
Zirkonoxid ZrO2 5,8 200 9,5 2,5 >500 900 Kolben, Laufbuchseneinsatz,
Zylinderkopfplatte, Ventil,
Portliner
Aluminiumtatanat 3,2 20 2,0 2,0 40 900 Kolbenmulde, Portliner
Al2TiO5
Vergütungsstahl 7,8 210 11,0 50 1000 500 Triebwerksteile
34CrNiMo6
10 Literatur    395

te, bainitische Sphärogusssorten ergänzt werden. Vermicu- werden Überlegungen zu gezieltem Recycling von Bauteilen
largraphitguss kann bei prozesssicherer Darstellung des und Stoffen zukünftig eine Rolle spielen. Dabei sind vorran-
Gefügezustandes (Sinter Cast-Verfahren) eine deutliche gig noch logistische Probleme zu lösen.
Zunahme erfahren. Anspruchsvolle Aufgabenstellungen auf dem Gebiet der
Bei Leichtmetallen wird für Bauteile wie Kurbelgehäusen, Schadstoffminimierung im Abgas werden in Zukunft gänz-
Zylinderhaubendeckel und Ölwannen, die Verwendung von lich neue Lösungen erfordern. Dabei besteht vor allem
Magnesiumlegierungen weiter vorangetrieben werden, um Bedarf für geeignete, auch bei tiefen Temperaturen wirk-
die Leistungsgewichte für Fahrzeugmotoren weiter zu ver- same Katalysatormaterialien sowie an Werkstoffen und
bessern. Elementen zur Russfilterung. Auf diesem Gebiet sind inno-
An unkonventionellen Werkstoffen, z. B. Feinkornkohlen- vative Beiträge zur Absicherung und Weiterentwicklung der
stoff für Kolben und intermetallischen Titan- oder Ni­ckel­ Wettbewerbsfähigkeit des Dieselmotors auf dem Markt zu
aluminiden als Ersatz für hochwarmfeste Legierungen, wird erwarten.
weiter gearbeitet und optimiert werden [10-30].

10.6.2 Verfahren Literatur


Wesentliche Bedeutung im Hinblick auf wirtschaftliche Fer- 10-1 Sperber, R. (Hrsg.): Technisches Handbuch Diesel-
tigung wird der Weiterentwicklung und Vervollkommnung motoren. Abschn. 9, Berlin: Verlag Technik 1990
der Verfahrenstechnik zukommen. Die in Abschn. 10.5 be- 10-2 Schmidt, R.M.; Trebs, J.: Werkstoffe im Hochleis­
schriebenen Methoden werden optimiert und durch Neu- tungsdieselmotor. Ingenieur-Werkstoffe 4 (1992) 1/2,
entwicklungen ergänzt werden. Aus der großen Zahl ver- S. 56–59
schiedenartiger Verfahren seien beispielhaft genannt: 10-3 Bargel, H.J.; Schulze, G. (Hrsg.): Werkstoffkunde. 9.
– Hartdrehen, Aufl. Berlin/Heidelberg/New York: Springer 2005
– Wasserstrahlschneiden und -verfestigen, 10-4 Metals Handbook. American Society for Metals.
– Bruchtrennen von Pleuelstangen und Grundlagerdeckeln Metals Park, Ohio 44073
(Fracture Splitting), 10-5 Stahlschlüssel. 20. Aufl. Marbach: Verlag Stahlschlüs-
– Umschmelzen und Auflegieren von Oberflächen­schich­ sel 2004
ten, 10-6 Aluminium-Zentrale (Hrsg.): Aluminium Taschen-
– Laserlegieren von AL-Laufbuchsen, buch. Bd. 1, 16. Aufl.: Grundlagen und Werkstoffe
– Laser- und Elektronenstrahlschweißen der Verbindung (2002); Bd. 2, 13. Aufl.: Umformen, Gießen, Oberflä-
Turbinenrad/Welle, chenbehandlung (1999); Bd. 3, 16. Aufl.: Weiterver-
– Laser- und Elektronenstrahlhärten der Radiallager­ arbeitung und Anwendung (2003). Düsseldorf:
laufflächen von Turbinenläufern, Alumi­nium Verlag
– Ionenstrahltechnik (Implantieren). 10-7 Klein, M.: Einführung in die DIN-Normen. 13. Aufl.
Berlin: Beuth 2001
Das zukünftige Potenzial der einzelnen Methoden ist jedoch 10-8 Coenen, H.P.; Wetter, E.: Das Pressenschmieden von
noch schwierig abzuschätzen [10-11], [10-26], [10-31], [10- Kurbelwellen. Thyssen Edelstahlwerke AG: Techni-
32], [10-34], [10-35]. sche Berichte (1988) 2
10-9 Adlof, W.: Neuere Entwicklungen bei geschmiedeten
10.6.3 Umwelt Kraftfahrzeug-Kurbelwellen. Schmiede-Journal
(2001) 9
In den vergangenen Jahren musste bereits eine Reihe um- 10-10 Adlof, W.: Fortschritte beim Schmieden großer Kur-
weltgefährdender und -belastender Stoffe substituiert wer- belwellen. Schmiede-Journal Report 1999
den. Dies war in einigen Fällen mit Problemen verbunden. 10-11 Pischel, H.: Stand und Entwicklungstendenzen beim
Zu nennen ist der Ersatz von Kadmiumschichten durch Herstellen von Pleueln. Werkstatt und Betrieb (1990)
Phosphat- und Zinküberzüge sowie von Asbest durch andere 12, S. 949–955
Faserwerkstoffe. Wegen neuerer Erkenntnisse und Anforde- 10-12 Benz, G.: Harte Schichten für hohe Beanspruchun-
rungen sind weitere Entwicklungen und Veränderungen zu gen. Bosch Research Info (2001) 3
erwarten. Zurzeit werden Cr(VI)-freie Korrosionsschutz- 10-13 Greuling, S., et al.: Dauerfestigkeitssteigerung durch
schichten insbesondere für Schrauben (s. Abschn. 10.2.3.) Autofrettage. FVV e.V., Heft R 506, Frankfurt 2000,
und bleifreie Lagermetalle für Gleitlager qualifiziert. Auch S. 29–46
396    10 Werkstoffe und ihre Auswahl

10-14 Jorach, R.; Doppler, H.; Altmann, O.: Heavy Fuel 10-26 DVM-Arbeitskreis Betriebsfestigkeit: Moderne Fer-
Common Rail Systems for Large Engines. MTZ tigungstechnologien zur Lebensdauersteigerung. 17.
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nungsmotoren – Fortschr.-Berichte VDI 5/569 Düs- Pleuel Cracken 1993
seldorf: VDI Verlag 10-32 Haefer, R.A.: Oberflächen und Dünnschicht-Tech-
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10-23 Sonsino, C.M.: Zur Bewertung des Schwingfestig- gabe ATZ/MTZ 1999
keitsverhaltens von Bauteilen mit Hilfe örtlicher 10-36 Knippscheer, S.; Frommeyer, G.: Intermetalic
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Düsseldorf: VDI-Verlag 1991 Engineering Materials 1 (1999) 3/4
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Pressen. Gießerei 75 (1988) 2/3, S. 45–49
Teil III Betrieb von
Dieselmotoren

11 Schmierstoffe und Schmiersystem . . . . . . . . . . . . . . 399


12 Start- und Zündhilfesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
13 Ansaug- und Abgasanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
14 Abwärmeverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
11 Schmierstoffe und Schmiersystem

11.1 Schmierstoffe Von den vom Motorbetrieb her an das Motorenöl gestell-
ten Haup­tauf­gaben, nämlich
11.1.1 Anforderungen an Motorenöle – Trennung der Gleitflächen,
für Dieselmotoren – Übertragung von Kräften,
– Unschädlichmachen unerwünschter Produkte,
Der Dieselmotor stellt nicht nur an die Belastungsfähigkeit – Verschleißschutz,
aller Bauteile höch­ste An­sprüche, sondern auch an den – Korrosionsschutz,
Schmierstoff, also an das Motorenöl, das deswegen ein tech- – Abdichten und
nisch kom­plexer Betriebsstoff ist [11-1] bis [11-3]. Da sich – Kühlen
die Einsatzbedingungen für Pkw- und Nfz-Diesel­motoren
sowie Großdieselmotoren erheblich unterscheiden, kommen lassen sich dann die Anforderungen an das Motorenöl herlei-
unterschiedliche, für den Verwendungszweck optimierte ten, die durch che­mi­sche, physikalische und technologische
Schmier­öle zum Einsatz. Eigenschaften charakterisiert sind.
Das Motorenöl ist nicht nur Schmierstoff, sondern ein In Tabelle 11‑1 werden die Aufgaben oder Funktionen für
für Funktion und Le­bens­dauer des Motors wichtiges, ent- die Motorbereiche und Betriebszustände, für die sie wirk-
scheidendes und integrales Kon­struk­tions­ele­ment und muss sam sind, sowie die erforderlichen Eigen­schafts­komplexe
daher dem tech­nischen Qualitätsstandard des Motors ange- zusammengestellt. Man erkennt zum einen, dass bestimmte
passt sein. Erst durch die Wechselwirkung zwischen Bau- Funk­tionen nicht getrennt voneinander behandelt werden
teiloberfläche und Schmierstoff bilden sich unter mecha- können, sondern gemeinsam betrach­tet werden müssen,
nischer und thermischer Belastung (vor allem während des und zum anderen, dass zur gleichzeitigen Erfüllung
Ein­laufs) die tribologisch optimierten Schichten aus, die bestimmter Aufgaben auch gleichzeitig unterschiedliche,
das Reib- und Verschleiß­verhalten des Motors bestimmen. zum Teil entgegengesetz­te Eigenschaf­ten vorliegen müssen,
Unter­schied­liche Motorkonzepte stellen grund­sätz­lich um optimale Verhältnisse zu erzielen.
unterschied­liche An­­forderungen an das Motoröl, die vom Etwas vereinfacht können daher die Eigenschaften von
Hersteller unter Be­rück­­sich­tigung des Schmierungssys- Motorenölen in folgende Eigenschaftskomplexe unterteilt
tems, des Wartungskonzepts, der Metal­lurgie und der werden:
Konstruktion der Motorbauteile zu spezifi­zieren sind. Dar- – Viskosität und Fließverhalten,
über hinaus stellen neue Technologien zur Senkung der – oberflächenaktives Verhalten und
Emis­sion von klimarelevanten Gasen und Schad­stoffen, – Korrosionsschutz.
initiiert durch Kyoto-Pro­tokoll und verschiedene staat­liche
Abgasnormen, zu­sätzliche, sehr spezifische Anforderungen, Hinsichtlich des oberflächenaktiven Verhaltens ist zu unter-
die die Entwicklung von kraftstoff­spa­ren­den Leichtlaufölen scheiden, ob es sich gegenüber Motor-Oberflächen oder gegen-
und katalysatorkompatiblen Formulierun­gen not­wendig über Verunreinigungen aus­wirkt. Der Korrosions­schutz be­
ge­macht hat. zieht sich so­wohl auf das Neutralisationsvermögen gegen­über
Vom Motorenöl wird verlangt, dass es unter allen vor­ sauren Verbren­nungs­produkten als auch auf eine Stabilisierung
kommenden Betriebsbedin­gungen mindestens bis zum des Schmier­stoffs selbst gegenüber oxidativem Abbau.
vorgesehenen Ölwech­sel sei­ne Aufgaben, die über die Funk- Neben den Hauptaufgaben werden folgende Zusatzanfor-
tion eines Schmieröls weit hinaus­gehen, voll erfüllt. derungen an das Motoren­öl gestellt:
400    11 Schmierstoffe und Schmiersysteme

Tabelle 11.1 Aufgaben von Motorenölen und daraus resultierende Anforderungen

Aufgabe
Motorbereich Betriebsbereich Erforderliche Eigenschaft

Gleitflächen
Tabelle trennen und
11-1 Aufgaben von Motorenölen und daraus resultierende Anforderungen
a) Kräfte übertragen Reibstellen mit Flüssig­keitsreibung hohe Viskosität
a 1) durch unter Druck stehenden Tragfilm Reibstellen mit oberflächenaktives Verhalten, hohe Viskosität
a 2) durch chem.­-phys. Reaktionsfilm Mischreibung (EP- und AW-Eigenschaften)1)
b) Unschädlichmachen unerwünschter Pro­dukte (gegen tiefe und hohe Betriebstemperaturen Neutralisationsvermögen
Verschmutzung) Neutralisationsvermögen Detergier- und Dispergiervermögen
Detergier- und Dispergier­vermögen
b1) Neutralisation flüssiger Verunreinigungen
b2) Suspension fester Verunreinigungen
c) Verschleißschutz Reibstellen mit hohe Viskosität
c 1) siehe a 1) – Flüssigkeitsreibung oberflächenaktives Verhalten/hohe Viskosität
c 2) siehe a 2) – Mischreibung (EP- und AW-Eigenschaften
d) Korrosionsschutz Tiefe und hohe Betriebs­temperaturen Oberflächenaktives Verhalten
d 1) siehe a 2) Stillstand und Betrieb des Motors Neutralisationsvermögen
d 2) siehe b 1)
e) Abdichten Kolben- Kolbenringzone/ Zylinderwand Hohe Viskosität
f) Kühlen Bereiche mit Flüssigkeits- und Mischreibung Wärmeabfuhrvermögen/ niedrige Viskosität
1 Geeignet für Höchstdrücke (extrem pressure) bei geringem Verschleiß (anti wear).

– neutrales Verhalten gegenüber Dichtungswerkstoffen, keit mit Dichtungswerkstoffen achten muss. Die höchsten
– geringe Schaumneigung, Anforderungen lassen sich nur mit Syntheseölen rea­li­
– hohe Gebrauchsdauer, große Ölwechselintervalle, sieren.
– niedriger Ölverbrauch, Zur Erfüllung der an sie gestellten Aufgaben enthalten
– niedriger Kraftstoffverbrauch und Motorenöle heute aus­nahmslos Additive und werden daher
– geringe Belastung der Abgasreinigungssysteme. als legierte Öle bezeichnet. Früher eingesetzte wirkstofffreie,
unlegierte Motorenöle werden nicht mehr ver­wendet.
11.1.2 Aufbau und Zusammensetzung Man kann davon ausgehen, dass moderne Hochleistungs-
motorenöle die in Tabelle 11-2 aufgeführten Wirkstofftypen
Wie andere Schmieröle auch, bestehen Motorenöle aus einem enthalten. Diese Tabelle enthält auch Beispiele für die che-
Grundöl bzw. Grundölgemisch und Zusätzen (sog. Additiven mischen Verbindungen, die für die verschiedenen Wirk­
oder Wirkstoffen). Als Grundöle werden reine Mineralöle, stofftypen ge­bräuch­lich sind, sowie einige Hinweise zu
Gemische aus Mineral- und Syntheseölen oder reine Synthe- de­ren Funktion.
seöle verwendet. Ins­besondere zur Herstellung von Mehrbe- Detergents und Dispersants lagern sich mit ihrem polaren
reichsölen haben neben kon­ven­tionellen Mineralölen Hyd­ „Kopf “ an ölunlösliche Ver­brennungs- und Oxidationspro-
rocracköle und bestimmte synthe­tische Flüssigkeiten wie dukte an, halten sie mit Hilfe ihrer oleophilen Koh­len­
Polyalfaolefine oder Diester, Polyolester usw. komplexeste wasserstoffkette in Schwebe und verhindern damit Ablage-
Bedeutung erlangt. rungen an Metall­oberflächen, Öleindickung und Schlamm-
Syntheseöle werden als Grundölkomponenten wegen bildung im Motor. Basische (overbased) Detergents enthal-
ihrer im Ver­gleich zu Mineralölen höheren oxidativen ten Metallionen (Calcium, Magnesium) in überstöchio­metri­
Be­ständigkeit, geringeren Verdampfungs­verluste, vermin- scher Menge und wirken dadurch zusätzlich als Korrosions-
derten Verkokungsrückstände und geringeren Viskositäts- schutz. Durch diese alkalische Re­serve werden in das Öl
Temperatur-Abhängigkeit verwendet, wobei man auf gelangte saure Verbrennungsprodukte neutralisiert. Die mit
schlechtere Löslichkeit und problema­ti­schere Verträglich- der TBN (Total Base Num­ber) beschriebene Alkalität des
11.1 Schmierstoffe    401

Motorenöls ist beson­ders für mit schwefelreichem Schweröl adhäsi­ven Anteil der Festkörperreibung mindern, indem sie
betriebene Großdieselmotoren von be­sonde­rer Bedeutung. auf den Oberflächen Adsorpt­ions­schichten bilden, die
Insbesondere für die Zylinderschmierung dieser Motoren Metalloberflächen voneinander trennen können. Die asche­
bilden hochalkalische, öllösliche Wirkstoffe ho­mogene Ein- freien rein organischen FM haben sehr polare Kopfgruppen
phasenöle mit einer TBN bis 100 (entsprechend 100 mg mit einer hohen Affinität zu Oberflächen sowie olefinische
KOH/g Öl) und vermin­dern die Gefahr eines chemisch Kohlen­wasser­stoffketten, die die Trennung der Oberflächen
korrosiven Verschleißes. Von den Additiven wird zusätzlich unter Misch­rei­bungsbedin­gungen bewirken. Molybdän-
verlangt, dass sie bei der Verbrennung möglichst wenig orga­ni­sche FM wirken durch die Bildung von reibungsmin-
Asche von nur weicher Struk­tur ergeben. derndem Molybdänsulfid an den Reibstellen.
Bei aschefreien Dispersants enthalten die polaren Kopf- Da die Verbrennungsprodukte aschebildender sowie
gruppen nur funktionelle Gruppen mit Sauerstoff- und schwefel- und phosphorhaltiger Additive als potenzielle
Stickstoffatomen, also kei­ne aschebildenden Metallionen. Katalysatorgifte die Lebensdauer von Dreiwegekatalysator
Dispersants mit einem ma­kromolekularen oleophilen Mole- und Dieselpartikelfilter herabsetzen, sind katalysatorkom-
külteil wirken zusätzlich als Viskositätsindex(VI)-Verbesse- patible Hochleistungsöle mit niedrigen Grenzwerten für die
rer. Gehalte an Schwefel, Phosphor und Sulfatasche entwickelt
Antioxidantien sollen den Abbau des Schmierstoffs durch worden.
die Ein­wir­kung von Sauer­stoff verhindern. Während gehin-
derte Phenole durch Abfangen von freien Ra­dikalen die 11.1.3 Charakterisierung von Motorenölen
Ket­ten­reaktion der Kohlen­wasserstoffoxidation unterbre-
chen, greifen Zink­dithio­phosphate über eine Wechselwir- 11.1.3.1 Allgemeine Kennwerte
kung mit bei der Oxidation gebildeten Peroxiden ein.
VI-Verbesserer sind lang­kettige Kohlenwasser­stoff­­ Üblicherweise werden die im Abschn. 11.1.1 aufgeführten
polymere, die sich bei niedrigen Temperaturen zu engen Anforderungen durch eine Kombination folgender Kriterien
Knäu­eln (mit überwiegend intramole­kularen Wechselwir- charakterisiert:
kungen) zusam­men­lagern und bei hohen Temperaturen – chemisch-physikalische Daten: z. B. Dichte, Flammpunkt,
wieder ent­wirren und durch die damit verbundene Volu- Viskosität, alkali­sche Reserve, Sulfatasche usw. (sowohl des
menvergrößerung (mit zuneh­menden in­ter­molekularen Frischöls als auch des Gebrauchtöls),
Wechselwirkungen) einen Ein­dickeffekt mit Viskosi­tätszu­ – Messwerte aus genormten oder auch ungenormten Ein-
nahme bewirken. Bei der Ölformulierung mit VI-Verbesse- und Mehrzylinder­motorenprüfläufen (Beispiele: MWM
rern ist jedoch auf eine mögliche Minderung deren Wirk- „B“, OM 602 A, OM 411 LA),
samkeit durch z. B. mechanische Scherung (Scherstabilität) – Ergebnisse aus mehr oder weniger genau überwachten
und durch temporäre Viskositätsverminderung im Lager- Fahrversuchen,
spalt bei hoher Temperatur und hohem Schergefälle zu – Erfahrungswerte aus der Praxis.
achten (HT-HS Viskosität). Insofern ist die aufwändigere
Ölformulierung für Hochleistungsöle mit Grundölen gerin- Tabelle 11-3 enthält eine Auswahl von physikalischen, che-
ger Viskositäts‑Temperatur-Abhängigkeit (z. B. Syntheseöle) mischen und techno­lo­gischen Prüfmethoden, die zur Be-
und entsprechend niedrigerem Gehalt ausgewählter VI‑Ver- schreibung neuer und gebrauchter Moto­renöle her­an­gezogen
besserer der zwar teurere aber technisch vorteilhaftere Weg. werden können.
Insbesondere bei Leichtlaufölen spielen der permanente und
der temporäre Viskositätsverlust eine zunehmende Rolle. 11.1.3.2 SAE-Viskositätsklassen für Motorenöle
Bei sog. „Stay in Grade“ Ölen ist gewäh­rleis­tet, dass sie wäh-
rend der Gebrauchsdauer die Visko­sitätsgrenzwerte der Die Society of Automotive Engineers (SAE) hat das Viskositäts­
spezifizier­ten SAE-Klassifizierung einhalten. klas­sifikations­system eingeführt, das international angewen-
Durch die Zugabe von Stockpunktverbesserern wird die det wird. Tabelle 11-4 zeigt einen Auszug aus der SAE-Klas-
Kristallisation von in minerali­schen Grundölen enthaltenen sifizierung für Motorenölviskositäten SAE J300. Sie umfasst
Paraffinen (Wachsen) verzögert und damit das Tief­tem­ die „Winter“-Öle von SAE 0 W bis SAE 25 W und die „Som-
peraturverhalten der Öle verbessert. mer“-Öle von SAE 20 bis SAE 60. Man erkennt, dass für die
Reibungssenkende Additive, sog. Friction Modifier (FM), W-Öle Anforderungen an die Maximalviskosität bei tiefen
erlangen zunehmende Bedeutung im Zusammenhang mit und an die Mindestviskositäten bei hohen Temperaturen zu
Maßnahmen zur Senkung des Kraftstoffver­brauchs. Sie wir- erfüllen sind. Demgegenüber wird von den „Sommer“-Ölen
ken im Bereich der Mischreibung dadurch, dass sie den nur eine Mindestanforderderung an die Hochtemperaturvis-
402    11 Schmierstoffe und Schmiersysteme

Tabelle 11-2 Motorenöladditive. Typen, chemische Verbindungen und Funktion

Typ Beispiele Funktion


1. basische Detergents Calcium- oder Magnesium-Sulfonate, 1. Neutralisation von Säuren
-Phenolate oder -Salicylate 2. Verhinderung von Lackbildung
2. aschefreie Dispersants Polyisobuten-Succinimide 1. Dispergieren von Ruß und Oxidationsprodukten
2. Verhinderung der Abla­gerung von Fremdstoffen
und Lackbildung
3. Antioxidantien Zinkdithiophosphate, gehinderte Phenole, phos- Verhinderung von Öloxidation und Öleindickung
phor-sulfurierte Olefine,
Metallsalicylate, Amine
4. Hochdruck-(EP)-Additive Zinkdithiophosphate, org. Phosphate, org. Schwe- Verhinderung von Verschleiß
felverbindungen
5. Korrosions-/ Rostschutz- Additive Calcium- oder Natrium- Sulfonate, Aminphosphate Verhinderung von Korrosion
Zinkdithiophosphate
6. Viskositätsindex- Verbesserer Polymethacrylate, Äthylen- Propylen-Copolymere, Reduzierung des Viskositäts­abfalls der mit steigen-
Styrol- Butadien-Copolymere der Temperatur auftritt
7. Schaumdämpfer Silicon-Verbindungen, Acrylate Verhinderung von Schaum­bildung bei starker Um-
wälzung
8. Reibkraftminderer Fettsäuren, Fettsäure-Derivate, organische Amine, Reduzierung der Reib­kraftverluste
(„Friction Modifier“) Amin- Phosphate i. a. mildere EP-Additive

kosität gefordert. 1994 wurde auch eine Mindestviskosität Zivile Spezifikationen


bei hoher Temperatur und hohem Schergefälle eingeführt.
Bei den zivilen Klassifikationen und Spezifika­tionen von Mo­
Zur Motorschmierung können sowohl Ein- als auch
torenölen und deren Leistungsfähigkeit ist zwischen allge-
Mehrbereichs­motorenöle verwendet werden, sofern die zu
meinen und firmen­bezo­ge­nen zu unterscheiden. Zu den
erwartenden Außen­temperaturen es zulassen. Führende
allge­mein gültigen zivilen Moto­renölspezifikationen bzw.
Hersteller setzen zunehmend Leichtlauföle wie z. B. 0W-30
-klassifikationen gehören die API (American Petro­leum
ein. Bei modernen Hochleistungs­motoren sind auf jeden
Institute)- und die ACEA (As­sociation des Constructeurs
Fall die Herstellervorschriften zu beachten. Einbereichsöle
d’Automobiles)-Klassifikationen, die die CCMC (Comite des
sind in Mitteleuropa nicht mehr üblich.
Constructeurs d‘Automobiles du Marche Commun)-Klassi-
fikationen abgelöst haben.
11.1.3.3 Klassifikationen, Spezifikationen, Tests Folgende API-Klassen sind heute vor allem von Bedeu-
tung:
Militärische Spezifikationen – API SG und API SH für Ottomotorenöle,
– API CD,API CD-II, API CE, API GF4 und API CG für
Um das Leistungsvermögen der auf die Einsatz­bedin­gungen
Dieselmotorenöle (Tabelle 11-5).
zugeschnittenen Motorenöle beurteilen zu können wurden
Spezifikationen festgelegt, die mit dem Probanden auch den Bei ACEA gibt es die Klassifikationen AxBx für Otto- und
genauen Ablauf des Prüflaufs vor­schrei­ben. Die praxis­nahen Pkw-Dieselmotoren (Tabelle 11-6) und Ex für Nfz-Diesel-
USA-Militär-Spezifikationen, z. B. MIL-­L-2104 (verschie­ motoren (Tabelle 11-7) sowie eine neue Klassifikation Cx für
dene Buchstaben bedeuten unterschiedliche Ausgaben), hat- katalysatorkompatible Motorenöle, die eine längere Lebens-
ten früher eine weltweit überragende Bedeutung auch im dauer von Dreiwegekatalysator und Dieselpartikelfilter so-
zivilen Bereich. Dies ist heute nicht mehr der Fall. wie eine nachhaltige Senkung des Kraftstoffverbrauchs ga-
rantieren soll. ACEA-Testsequenzen gibt es für:
– Pkw-Otto- und -Dieselmotoren:
A1/B1-04, A3/B3-04 , A3/B4-04, A5/B5-04,
11.1 Schmierstoffe    403

Tabelle 11-3 Physikalische, chemische und technologische Prüfmethoden zur Charakterisie­rung von neuen und gebrauchten Motorenölen und Grundölkomponenten

Kennzahlen Norm-Methode Kennzahlen Norm-Methode


Dichte DIN 51 757 Verhalten gegen Dichtungsmaterialien:
Flamm- und Brennpunkt   Quellung DIN 53 521
frisch DIN EN ISO 2592 Shore-Härte DIN 53 505
  gebraucht DIN EN 22719 Kugeldruckhärte DIN 53 519
Viskosität: Referenzelestomer Nitril-Kautschuk (Zugprüfung) DIN 53 503
Ubbelohde DIN 51 562 Verschleißprüfung:
  Cannon-Fenske DIN 51 366 FZG-Test DIN 51 354
Viskositätsindex DIN ISO 2909   VKA-Test DIN 51 350
m-Wert DIN 51 563 Eisengehalt DIN 51397
Cold Cranking Simulator ASTM D 5293 IR-Analyse DIN 51451
Mini Rotary Viskosimeter ASTM D 4684 IR-Ruß-Gehalt DIN 51452
Kälte-Viskosität DIN 51 377 Röntgenfluoreszenz-Analyse (RFA) DIN 51396-2
SAE-Klassen für Motorenöle DIN 51 511 Kohlenstoffvereilung DIN 51 378
Neutralisationszahl DIN 51 558 Metallgehalte(Ba,Ca,Zn) DIN 51 391
Verseifungszahl DIN 51 559 Magnesiumgehalt DIN 51 431
Total Base Number DIN ISO 3771 Chlorgehalt DIN 51 577
Verkokungsneigung Phosphorgehalt ASTM D 1091
Conradson DIN 51 551 Schwefelgehalt DIN 51 768
Ramsbottom ASTM D 524 DIN 51 450
Aschegehalt Bleigehalt ASTM D 810
Oxid DIN ISO 6245 Andere Metalle (Sn,Si,Al u. a.) ASTM D 811
Sulfat DIN 51 575 Benzin-Benzol-Unlösliches DIN 51 588
Farbe (ASTM) DIN ISO 2049 Ungelöste Stoffe
Verdampfung DIN 51 581 Membranfiltermethode DIN 51 592
Schaumneigung Wassergehalt-Destillationsverfahren Kraft- DIN ISO 3733
Seq. 1 - 3 ASTM D 892 stoffgehalt (Benzin) DIN 51 565
  Seq. 4 ASTM D 6082 Ethylenglykolgehalt DIN 51 375 (E)
Luftabschneidevermögen DIN 51381 Schmierölgehalt in Zweitaktgemischen DIN 51 784
Alterungsstabilität DIN 51 352 Probenahme DIN 51 750
IP 48 Prüffehler DIN 51 848
Oxidationsstabilität ASTM D 2272
Thermostabilität MIL-II-27601A
Scherstabilität : mechanisch DIN 51 381
Beschallung ASTM D 2603
Korrosionsschutzprüfung
Meerwasser DIN 51 358
HBr DIN 51 357

– Katalysatorkompatible Öle: C1-04, C2-04, C3-04 Die Viskositätsanforde­rungen sind schärfer als bei SAE.
(Tabelle 11-8), Es werden die folgenden Motorentests den aufgeführten
– Nfz-Dieselmotoren: E2-96, E4-99, E6 04, E7-04 Anforde­rungen zuge­ordnet:
(Tabelle 11-9). – Ringstecken und Kolbensauberkeit (CEC-L-78-T-99): Im
VW-1,9-1-DI, der hier den VW 1,6 TC D abgelöst hat,
Bei ACEA [11-4] wurde der Umfang der Motorenprüfläufe müs­sen die Öle zeigen, wie sie in den ge­nannten Disziplinen
erweitert. Für die katalysatorkompatiblen Cx Öle wurden im Vergleich mit RL 206 abschneiden.
Grenzwerte für Sulfatasche sowie Schwefel- und Phosphor- – Abtrag der Honung und Kolbensauberkeit: Für E4- bis E7-
gehalt eingeführt bzw. verschärft. Öle ist der OM-441­LA-Test (CEC-L-52-T-97) das bestim­
mende Qualitäts­kriterium. Möglichst wenige Ablagerun­
gen in den Kolben­ringnuten sind entscheidend.
404    11 Schmierstoffe und Schmiersysteme

Tabelle 11-4 Viskositätsklassen für Motorenöle nach SAE J 300 (2004), Auszug
1)
SAE Viskositäts­klasse CCS-Viskosität2) Tieftemperatur Pumpviskosi- kinematische Viskosität4) Hochschergefälle
max. tät3) (mm²/s) bei 100 °C Viskosität5) (mm²/s)
mPa s bei °C mPa s bei °C bei 150°C und 106 s–1 min.
min. max.
0W < 6200 –35 < 60000 –40 3,8 –
5W < 6600 –30 < 60000 –35 3,8 –
10 W < 7000 –25 < 60000 –30 4,1 –
15 W < 7000 –20 < 60000 –25 5,6 –
20 W < 9500 –15 < 60000 –20 5,6 –
25 W < 13000 –10 < 60000 –15 9,3
20 – – 5,6 9,3 2,6
30 – – 9,3 12,5 2,9
40 – – 12,5 16,3 2,9 6)
40 – – 12,5 16,3 3,7 7)
50 – – 16,3 21,9 3,7
60 – – 21,9 26,1 3,7
Anmerkungen zur Tabelle: 1) Anforderung gemäß ASTM D 5293; 2) Cold Cranking Simulator: ASTM D 5293 o. DIN 51 377; 3) Mini Rotary Viskosimeter: ASTM D
4684; 4) ASTM D 445 oder DIN 51 562; 5) ASTM D 4683 oder CEC L-36-A-90 (ASTM D 4741); 6) Für 0W-40, 5W-40 und 10W-40 Öle; 7) Für 15W-40, 20W-40, 25W-40
und 40 Öle

Tabelle 11-5 API-Klassifizierung für Dieselmotorenöle

API-Klasse Status Einsatzbereich/Anforderungen


CA Ungültig Für ansaugende Dieselmotoren der 40er und in den 50er Jahren
CB Ungültig Für ansaugende Dieselmotoren unter milden bis mäßigen Betriebsbedingungen ab 1949
CC Ungültig Für leicht aufgeladene Dieselmotoren unter mittleren bis schweren Betriebsbed. ab1961
CD Veraltet Für aufgeladene Dieselmotoren hoher Drehzahl und Leistung ab 1955
CD II Veraltet Für Zweitakt-Dieselmotoren
CE Veraltet Für schwerbelastete und schnelllaufende Dieselmotoren ab 1987
CF Aktuell Ersetzt ab 1994 API-CD Für hochaufgeladene Dieselmotoren. Hohe Asche. Geeignet für Dieselkraftstoffe mit Schwefelgehal-
ten > 0,5 %.
CF-2 Aktuell Nur für 2-Takt-Dieselmotoren. Ersetzt ab 1994 API-CD II.
CF-4 Aktuell 1990 eingeführte Motorenölspezifikation für schnell laufende auch aufgela­dene 4-Takt-Dieselmotoren. Überdeckt die Anfor-
derungen von API-CD & CE, ergänzt um Anforderungen bezüglich Ölverbrauch und Kolbensauberkeit
CG-4 Aktuell Für hochbeanspruchte LKW-Motoren. Berücksichtigt EPA Emissions­be­grenzungen ab1994, wenn der Massenanteil des
Schwefels im Diesel­kraftstoff zwischen 0,05 und 0,5 % schwankt. Gegenüber API CF-4 ver­besserte Detergiereigenschaften
und Schaumverhalten. Kann auch anstatt von API-CD, CE und CF-4 verwendet werden, 1995 eingeführt.
CH-4 Aktuell 1998 eingeführt für hochdrehende Viertaktmotoren, die für neue verschärf­te Abgasvorschriften konzipiert wurden. Ver-
gleichbar mit ACEA E5, niederer Aschegehalt. Für Schwefelgehalte < 0,5 %. Wird hauptsächlich für Motoren amerikanischer
Herstellung gefordert. Kann auch anstatt von API-CD, CE, CF-4 und CG-4 verwendet werden
CI-4 Aktuell Ab 2002. Für hochdrehende Viertaktmotoren konzipiert, die zukünftige Abgasgesetze nur noch mittels Abgasrückführung er-
füllen können Geeignet für Schwefelgehalte < 0,5 %. Kann auch anstatt von API-CD, CE, CF-4, CG-4 und CH-4 verwendet
werden
11.1 Schmierstoffe    405

Tabelle 11-6 ACEA Spezifikationen für Pkw-Diesel-Motorenöle

ACEA-Klasse Status Einsatzbereich / Anforderungen


B1 Aktuell Kategorie für Fuel-Economy-Motorenöle mit besonders nie­dri­­­ger High-Temperature-High-Shear-Viskosität (entspre­chend
A1)
B2 Zurückgezogen Kategorie für konventionelle und Leichtlauf-Motorenöle
B3 Aktuell Kategorie für konventionelle und Leichtlauf-Motorenöle; übertrifft ACEA B2 be­züglich Nockenverschleiß, Kolben­sauberkeit,
Viskositätsstabilität bei Rußbelastung
B4 Aktuell Neue Kategorie für Direkteinspritzerdieselmotoren (TDI)
B5 Aktuell Entspricht ACEA B4, allerdings mit abgesenkter HTHS-Vis­kosi­tät. In einem Prüfmotor muss im Vergleich zu einem 15W-40 Re­
fe­renzöl eine Kraftstoff-Einsparung ≥ 2,5 % nachgewiesen werden.
C1 Aktuell Ab 2004 für PKW-Dieselmotoren mit Dieselpartikelfilter, Sul­fataschegehalt max. 0,5 %, mit abgesenkter HTHS (Ford).
C2 Aktuell Ab 2004 für PKW-Dieselmotoren mit Dieselpartikelfilter, Sul­fataschegehalt max. 0,8 %, mit HTHS > 2,9 mPas (Peugeot).
C3 Aktuell Ab 2004 für PKW-Dieselmotoren mit Partikelfilter, Sulfata­sche­ge­halt max. 0,8 %, mit HTHS > 3,5 mPas. (DaimlerChrysler
und BMW)

Tabelle 11-7 ACEA Spezifikationen für Lkw-Diesel-Motorenöle

ACEA-Klasse Status Einsatzbereich / Anforderungen


E1 Zurückgezogen Entspricht weitestgehend der bisherigen CCMC D 4.
E2 Aktuell Basiert weitestgehend auf MB 228.1, zusätzlich wird Mack T8-Test gefordert
E3 Basiert weitestgehend auf MB 228.3, zusätzlich wird Mack T8-Test gefordert
E4 Aktuell Basiert weitestgehend auf MB 228.5; kein Motorentest OM 364 A, dafür Mack T8 &T8E, längste Ölwechsel, geeignet für
Euro III-Motoren.
E5 Zurück-gezogen Kategorie für Euro III- Motoren, reduzierter Aschegehalt im Vergleich zu E4. Qualitätsniveau zwischen ACEA E3 und E4.
E6 Aktuell Für AGR Motoren mit / ohne Dieselpartikelfilter und SCR NOX Motoren; empfohlen für Motoren mit Dieselpartikelfilter in
Kombination mit schwefelfreiem Kraftstoff; Sulfataschegehalt < 1 % (Gew.)
E7 Aktuell Für Motoren ohne Dieselpartikelfilter der meisten AGR Motoren und der meisten SCR NOX Motoren; Sulfataschegehalt max.
2 % (Gew.) Dieselmotoren

– Öleindickung: Der Mack T-8E wurde ausgewählt mit – Volvo Drain Spec., VDS, VDS-2,
einem Grenzwert für den Viskositätsanstieg pro Stunde. – VW 505.00 bis 507.00,
– Verschleiß: Der OM-602-A-Motor wurde für Verschleiß
und weitere Kriterien ausgewählt. wobei für bestimmte Technologien (Dieselpartikelfilter,
– Kolbensauberkeit und Viskositätsanstieg werden in einem Pumpe-Düse) und Service­angebote (Wartungsintervallver-
Peugeot-Motor gemessen. längerung) Anforderungen gestellt werden, die über die
ACEA-Spezifikationen hinausgehen.
Einige Motorenhersteller haben selbstverständlich auch ei- Für die bei schwerölbetriebenen Großdieselmotoren ein-
gene Klassifika­tionen und Spezifikationen aufgestellt. Bei- gesetzten alkalischen Motorenöle bestehen keine internatio-
spiele dafür sind: nalen Spezifi­ka­tio­nen, so dass auch hier die Freigabe nur
– MAN 270 und 271, nach länger dauernden Prüf­läufen beim Hersteller erfolgt.
– QC 13-017, Min­destens muss aber, abgesehen von der TBN, die Spezifi-
– Mercedes Benz 228.1 bis 229.5, kation MIL-L-2104C oder API CD erfüllt werden [11-5]
– MTU MTL 5044, (Tabelle 11‑4).
Tabelle 11-8 ACEA-Testsequenzen für Otto- und Dieselmotorenöle sowie für katalysatorkompatible Öle

Anforderung Testverfahren Eigenschaften Einheit Grenzwerte


Öle für Pkw Otto- und Dieselmotoren Katalysatorkompatible Öle
A1/B1-04 A3/B3-04 A3/B4-04 A5/B5-04 C1-04 C2-04 C3-04
Laborversuche
Viskositätsklasse SAE J 300 Keine Beschränkungen außer den Anforderungen an Scherstabilität und HT/HS. Hersteller können auf spezifische
Anforderungen an die Viskosität in Bezug auf die Umgebungstemperatur hinweisen
Scherstabilität CEC-L-14-A-93 100 °C Viskosität nach 30 mm²/s xW-20 s.i.g. Für alle Klassen muss die Viskosität in den Grenzen der Klasse bleiben (stay in grade)
oder Zyklen xW-30 ≥8,6
ASTM D6278 xW-40≥12,0
406    11 Schmierstoffe und Schmiersysteme

HT/HS Viskosität CEC-L-36-A-90 Viskosität bei 150 °C mPa s ≤ 3,5 ≥ 3,5 ≥ 3,5 ≥ 2,9 ≤ 3,5 ≥ 2,9 ≥ 3,5
(2. Auflage) und einer Scherrate xW-20 ≥2,6 ≥ 3,5
(Ravenfield) von 106 s–1 andere≥2,9
Verdampfungs­verluste CEC-L-40-A-93 Max. Gewichts­verlust % ≤15 ≤13 ≤13 ≤13 ≤13 ≤13 ≤13
nach 1 h bei 250 °C
Sulfatasche ASTM D874 % m/m ≤1,3 ≤1,5 ≤1,6 ≤1,6 ≤0,5 ≤0,8 ≤0,8
Schwefel ASTM D5185 % m/m angeben ≤0,2 ≤0,3 ≤0,3
Phosphor ASTM D5185 % m/m angeben ≤0,5 ≤0,090 ≤0,090
Chlor ASTM D6443 ppm m/m angeben
TBN ASTM D2896 mg KOH /g – – – ≥6
Schaumstabilität ASTM D892 Tendenz -Stabilität ml Sequenz I (24 °C) 10 – Null
Sequenz II (94 °C) 50 – Null
Sequenz III (24 °C) 10 – Null
Hochtemperatur-Schaum- ASTM D6082 ml Sequenz IV (150 °C) 100 - Null≥ 3,5
stabilität
Motorenversuche
Hochtemperaturablage- CEC-L-88-T-02 Ringstecken Bewert. ≥ 9,0
rungen Ringstecken Ölein- (TU5JP-L4) ≥ RL 216
dickung 72 h Test Kolbensauberkeit Bewert.
≤ RL 216 ≤ 0,8 x RL 216
Viskositätsanstieg mm²/s
Ölverbrauch kg/Test angeben
Kaltschlamm ASTM D6593-00 mittl. Motorschlamm Bewert. ≥ 7,8
Ventildeckelschlamm Bewert. ≥ 8,0
mittl. Kolbenlack Bewert. ≥ 7,5
mittl. Motorlack Bewert. ≥ 8,9
Kompressionsring (heiß keiner
fest)
Ölsiebverstopfung % ≤ 20
Ventiltrieb CEC-L-38-A-94 Nockenverschleiß
Mittelwert µm ≤ 10
Maximum µm ≤ 15
Ventilfuß Bewert. ≥ 7,5
Schwarzschlamm CEC-L-53-T-95 Schlamm im Motor (Mit- Bewert. ≥ RL 140
(M111) telwert)
Kraftstoffverbrauch CEC-L-54-T-96 Verbesserung geg. % ≥ 2,5 ≥ 2,5 ≥ 2,5 ≥ 2,5 ≥ 1,0
RL 191 (f. 0W-30)
(15W-40)
Medium Temperatur CEC-L-56-T-9 Viskositätsanstieg mm/s² ≤ 0,5 RL 197 ≤ 0,5 RL 197
Dispersivity (XUD11BTE) Kolbenbewertung Bewert. ≥RL 197 ≥ RL197
Or CEC-L-093 - 6 Pkte.
(DV4TD) Viskositätsanstieg mm/s² ≤ 0,6 RL 223 ≤ 0,6 RL 223
Kolbenbewertung Bewert. ≥RL 223 - ≥RL 223
2,5 Pkte.
Verschleiß CEC-L-51-A-98 Mittl. Nockenverschleiß µm ≤ 50,0 ≤ 45,0
Viskositäts-Stabilität (OM602A) Viskositätsanstieg b.40 °C % ≤ 90 ≤ 70,0
Ölverbrauch Bore polishing % ≤ 7,0 ≤ 4,5
mittl. Zylinderverschleiß µm ≤ 20,0 ≤ 15,0
Ölverbrauch kg/Test ≤ 10,0 ≤ 10,0
DI Diesel Ringstecken und CEC-L-78-T-99 Kolbensauberkeit Bewert. ≥RL 206 ≥RL 206 ≥RL 206 ≥RL 206 ≥RL 206 ≥RL 206 ≥RL 206
Kolbensauberkeit -3 Pkte. -3 Pkte. -3 Pkte. -3 Pkte.
Ringstecken
1.u.2. Ring Mittelwert ASF ≤1,2
Max f. 1. Ring ASF ≤2,5
Max f. 2. Ring ASF ≤0,0
11.1 Schmierstoffe    407
Tabelle 11-9 ACEA Testsequenzen für Öle für Nfz-Dieselmotoren

Anforderung Testverfahren Eigenschaften Einheit Grenzwerte


Öle für Nfz-Dieselmotoren
E2-96 E4-99 E6-04 E7-04
Laborversuche
Viskositätsklasse SAE J 300 Keine Beschränkungen außer den Anforderungen an Scherstabilität und HT/HS.
Hersteller können auf spezifische Anforderungen an die Viskosität in Bezug auf die
Umgebungstemperatur hinweisen
Scherstabilität CEC-L-14-A-93 Viskosität nach 30 Zyklen mm²/s xW-30 ≥9,0. stay in grade
oder 100 °C xW-40 ≥12,0
408    11 Schmierstoffe und Schmiersysteme

ASTM D6278 xW-50≥15,0


ASTM D6278 Viskosität nach 90 Zyklen mm²/s stay in grade
100 °C
HT/HS Viskosität CEC-L-36-A-90 Viskosität bei 150 °C, mPa s ≥ 3,5
(2. Auflage) Scherrate von 106 s–1
(Ravenfield)
Verdampfungs­verluste CEC-L-40-A-93 Max. Gewichts­verlust nach 1 h bei % ≤13
250 °C
Sulfatasche ASTM D874 % m/m ≤2,0 ≤1,0 ≤2,0
Schwefel ASTM D5185 % m/m ≤0,3
Phosphor ASTM D5185 % m/m ≤0,08
Schaumstabilität ASTM D892 Tendenz -Stabilität ml Sequenz I (24 °C) 10 – Null
Sequenz II (94 °C) 50 – Null
Sequenz III (24 °C) 10 – Null
Hochtemperatur-Schaumstabilität ASTM D6082 ml Sequenz IV (150 °C) 100 - Null≥ 3,5
Oxidation CEC-L-85_T-99 Induktionszeit min ≤3,5
Korrosion ASTM D 6594 Zunahme von Blei ppm ≤100
Motorenversuche
Abtrag der Honung CEC-L-42-T-99 Abtrag der Honung % ≤ 3,5
Kolbensauberkeit (TU5JP-L4) Kolbensauberkeit Bewert. ≥ 4,0
72 h Test Zwickelverschluss µm ≤ 3,5
Schlamm Bewert. ≥ 9,4
Ölverbrauch kg/Test ≤ 16,0
Verschleiß CEC L-51-A-98 Nockenverschleiß µm ≤ 50,0 ≤ 50,0 ≤ 50,0 ≤ 50,0
(OM602A) Viskositätsanstieg bei 40 °C % ≤ 90,0 ≤ 90,0 ≤ 90,0
Abtragung der Honung % ≤ 7,0 ≤ 7,0 ≤ 7,0
Ölverbrauch kg/Test ≤ 10,0 ≤ 10,0 ≤ 10,0
Ruß im Öl ASTM D 5967 Versuchsdauer h 300
Rel. Viskosität bei 1 Test/2 Test/ % 4,8% Ruß
3 Test (Mittelw.) ≤ 2,1/2,2/2,3
Viskositätsanstieg b. 1 Test/2 Test/ % 3,8% Ruß
3 Test (Mittelw.) mm2/s ≤ 11,5/12,5/13,0
Bore polishing CEC-L-52-T-97 Abtragung der Honung % ≤2,0 ≤2,0 ≤2,0
Kolbensauberkeit Kolbensauberkeit Bewert. ≥40,0 ≥40,0 ≥25,0
Turbolader Ladedruckverlust nach 400h % ≤4 ≤4 ≤4
Ablagerungen Ölverbrauch kg/Test ≤40 ≤40 ≤40
Rußinduzierter Verschleiß Cummins M11 Kipphelbel
mittl. Gew.-Verlust b. 4,5 Ruß
1 Test/2 Test/3 Test (Mittelw.) ≤6,5/7,5/8,0
Druckdifferenz am Ölfilter
1 Test/2 Test/ 3 Test (Mittelw.) ≤79/93/100
Motorschlamm
1 Test /2 Test/3 Test (Mittelw.) ≤8,7/8,6/8,5
Verschleiß (Kolbenringnuten) Mack T-10 Bewertung ≥1000 ≥1000
Mittl. Zylinderverschleiß µm ≤32 ≤32
Mittl. Gew.-Verlust 1. Ring mg ≤158 ≤158
Bleigehalt (Versuchsende) ppm ≤35 ≤35
Zunahme Bleigehalt 250–300 h ppm ≤14 ≤14
Ölverbrauch (Phase II) g/h ≤65 ≤65
11.1 Schmierstoffe    409
410    11 Schmierstoffe und Schmiersysteme

11.1.4 Betriebsbedingte Veränderungen entsprechende HTHS-Grenzwerte erfüllen um trotz nied-


des Motorenöls riger Nennviskosität (SAE-Klasse) ausreichende Schmier­
sicherheit bei hoher Belastung zu gewährleisten.
11.1.4.1 überwiegend bedingt durch Verdampfung,
VI‑Verbesserer und Eintrag von Fremdstoffen Viskositätsverringerung durch Kraftstoff

Verdampfungsverluste Vor allem im Kurzstreckenverkehr unterhalb der normalen


Betriebs­temperatur kann nicht ausgeschlossen werden, dass
Veränderungen des Motorenöls im Motorbetrieb werden teils nicht verbrann­ter Kraftstoff an den kühlen Zylinderwänden
durch physika­lische Effekte infolge einer mechanischen und kondensiert und in das Motorenöl gelangt. Dadurch wird
thermischen Beanspruchung, teils durch chemische Reakti- dessen Viskosität herabgesetzt.
onen verursacht. Zu den physikalisch bedingten Verände- In der Praxis bezeichnet man Kraftstoffanteile im Moto-
rungen gehören die Verdampfung­sverluste. Sie hängen bei renöl bis zu 2% noch als normal, höhere Werte als bedenk-
gegebenem Temperaturniveau von fol­genden Parametern ab: lich. Bei der Wertung dieser Zahlen sollte man berücksich-
– Molekulargewicht und Viskosität des Grundöls, Grund­ tigen, dass bereits wenige Pro­zent Kraftstoff genügen, um
öltyp (Mineralöl, Syntheseöl), die Viskosität des Motorenöls in die nächst­niedrigere Visko-
– Grundölformulierung (Kernfraktion besser als Gemisch sitätsklasse abfallen zu lassen (Verschleiß­gefahr).
von hoch und niedrigviskosen Grundölen),
– Molekulargewicht, -verteilung von VI-Verbesserern. Viskositätserhöhung durch feste Fremdstoffe

Die Folgen des Verdampfungsverlustes sind sowohl erhöhter Zu den festen Fremdstoffen in gebrauchtem Motorenöl ge-
Ölverbrauch als auch Öleindickung, d. h. Viskositätserhö- hören mit der Luft von außen eingedrungene Schmutzparti-
hung. kel, ölunlösliche Reak­tionsprodukte der Ölalterung sowie
Rückstände aus der Kraft­stoffverbrennung. Der aus dem zu-
Viskositätsverringerung durch Scherung letzt genannten Vorgang entste­hende Ruß ist in erster Linie
in Dieselmotoren von Bedeutung.
Durch mechanischen, thermischen und oxidativen Abbau In der Praxis gelten Massenanteile von Ruß im Öl von 1
der hochmolekularen Polymere, die als VI-Verbesserer ver- bis 2% als unbe­denklich. Der prozentuale Anstieg der
wendet werden, erfolgt ein Absinken auf ein niedrigeres Vis- Motorölviskosität als Funktion des Gehalts an festen Fremd-
kositätsniveau sowie eine Verschlechterung des Viskositäts- stoffen zeigt, dass bei hoch­viskosen Ölen bereits weniger als
Tem­peratur-Verhaltens des Motorenöls. 1% Ruß genügt, um die Viskosität in die nächsthöhere Vis-
Das Ausmaß der Scherverluste hängt von den Betriebsbe- kositätsklasse ansteigen zu lassen. Der Rußeintrag ins
dingungen, der chemischen Struktur sowie vom Molekular- Motoröl bei Dieselmotoren mit Direkteinspritzung ist gerin-
gewicht und von der Konzentration der Polymerzusätze ab. ger als bei solchen mit Kammerbrennverfahren.
Gehören die Öle auch nach dem Scheren noch der Aus­
gangsviskositätsklasse an, so werden sie als „Stay-in-Grade“- 11.1.4.2 überwiegend durch Erschöpfung
Öle bezeichnet. der Wirkstoffe (Additive)

Temporäre Viskositätsverringerung Versäuerung

Bei hohem Schergefälle kann sich bei Ölen, die mit Viskosi- Ursache der Versäuerung des Motorenöls ist die Oxidation
tätsindex-Verbesserern formuliert werden, im Ölfilm zwi- des Öls. Dabei ent­stehen organische öllösliche Säuren. Auch
schen den Gleitflächen ein temporärer Viskositätsverlust die bei der Ver­brennung schwefel­haltiger Kraftstoffe – be-
einstellen. Dies kann durch eine Ausrichtung der langket- sonders ausgeprägt beim Schwerölbetrieb von Groß­
tigen Moleküle der Wirkstoffe in Fließrichtung erklärt wer- dieselmotoren – entstehenden Verbin­dungen tragen zur Ver-
den. Insbesondere kann dies bei Kraftstoff sparenden Leicht- säuerung des Öls bei.
laufölen mit niedriger Viskosität ein Problem darstellen. Zu Auswirkungen der Versäuerung des Motorenöls sind che-
der weiterhin gebräuchlichen Viskositätsmessung in der Ka- mischer Ver­­schleiß an Zylinderlaufbahnen und Korrosion
pillare bei 100 °C nach Ubbelohde wurde deshalb eine zu- vor allem in den Lagern.
sätzliche Viskositätsmessung bei 150 °C unter hohem Scher- Zu den wichtigsten Maßnahmen gegen die Versäuerung
gefälle (HTHS-Viskosität) eingeführt. Leichtlauföle müssen des Mo­torenöls und deren Auswirkungen gehört die Ver-
11.2 Schmiersystem    411

wendung von Oxidations- und Korrosionsinhibitoren im Der Ölkreislauf, bestehend aus den Hauptkomponenten
Motorenöl. Das Öl muss stets alkalisch bleiben und rechtzei- Ölreservoir, Ölpumpe, Ölkühler und Ölfilter, muss neben
tig vor der Versäuerung gewech­selt werden. seiner Hauptaufgabe der Schmierung auch die Kühlung und
den Korrosionsschutz der Motorbauteile gewährleisten
Rückstandsbildung [11-6] bis [11-10].
– In jedem Betriebspunkt des Motors und unter allen
Ursachen für die Rückstandsbildung sind die thermische Einsatzbedingungen, wie extrem hohen und niedrigen
Zersetzung und Oxi­dation des Öls, wobei hochmolekulare, Betriebstemperaturen, muss das Ölversorgungssystem die
or­ganische, wasserstoffarme und ölun­lösliche Verbindungen notwendigen Ölmengen für alle Bauteile zur Verfügung
entstehen. stellen. Dazu wird u. a. der Öldruck im Hauptölkanal
Auswirkungen des genannten Prozesses sind das Ausfal- gemessen und überwacht.
len der Verbindungen aus dem Öl und ihr Absetzen im – Das Schmiersystem ist so auszulegen, dass außer dem
Mo­tor­inneren, auf den Kolben und in den Ölbohrungen regelmäßigen Öl- und Filterwechsel und der Überwachung
und -leitungen. der Ölmenge (z. B. mit einem Ölmessstab) sowie der
Die wichtigste Maßnahme gegen die Rückstandsbildung Öl­druckanzeige keine weiteren Arbeiten während der
ist die Ver­wendung von Detergent-/Dispersantwirkstoffen gesamten Lebensdauer des Motors erforderlich sind.
im Motorenöl.
11.2.2 Aufbau
Schlammbildung
11.2.2.1 Dimensionierung des Ölkreislaufs
Durch Verbinden der Ölrückstände mit festen Fremdstoffen,
Wasser und Säuren bilden sich schlammartige Massen, wo- Bild 11-1 zeigt den Schmierölkreislauf eines ausgeführten
bei man zwischen zwei Arten unterscheidet: Nfz-Motors OM 906 LA mit der realen Anordnung der ein-
– Kaltschlamm: Der Kaltschlamm ist typisch für den Stop- zelnen Komponenten, der Ölkanäle und Versorgungslei-
and-go-Ver­kehr im unterkühlten Betriebszustand des tungen.
Motors. Wird die nor­male Betriebstempe­ratur nicht Es zeigt, dass ein hoher Aufwand erforderlich ist, um die
erreicht, können bei der Ver­brennung entstehendes Wasser Versorgung und Kühlung der Bauteile mit der vorhandenen
sowie nicht verbrannter Kraftstoff kondensieren und sich Ölmenge gegenseitig abzustimmen bzw. für jedes Bauteil
mit den Ölrückständen zum Schlamm verbinden. ausreichend Öl zur Verfügung zu stellen. Bei der Ölvertei-
– Heißschlamm: Heißschlamm kann vor allem bei hohen lung ist davon auszugehen, dass ca. 25 bis 30 l Öl je KWh
Betriebstemperatu­ren entstehen und besteht aus benötigt werden. Diese Menge wird zu je einem Drittel auf
ölunlöslichen Reaktionsprodukten aus Blow-By-Gasen, die Baugruppen Triebwerkslagerung, Kolbenkühlung und
Stickoxiden und dem Motorenöl. Diese Art von Steuerung mit Turbolader aufgeteilt. Die gesamte Ölmenge
Ablagerung findet sich im Motor vorzugsweise auf dem in einem Fahrzeugmotor beträgt ca. 2 l/dm3 Hubraum.
Ventildeckel (Zylinderkopf), wo sie nicht durch einen Zur Minimierung der Druckverluste sollten die Verbrau-
Ölwechsel entfernt werden kann (Gefährdung des Kurbel cher im Ölkreislauf geringst mögliche Strömungswiderstän-
gehäuseentlüftungssystems). Die die Heißschlammbildung de aufweisen. Dies führt zu kompakter Bauweise, d. h.
beeinflus­senden Faktoren sind neben Motoreigenschaften außen liegende Leitungen werden vermieden, der Ölkühler
und Betriebsbedingungen das Motorenöl und der wird oft in das Kurbelgehäuse integriert, das Ölfilter ist am
Kraftstoff. Motor angebaut, damit kurze Ölwege mit geringen Druck-
verlusten erreicht werden.
Generell wird der Schlammbildung durch eine entspre- Besonders zu beachten ist auch die Reihenfolge der Kom-
chende Detergent-/Dispersantlegierung des Motorenöls ent- ponenten im Kreislauf. Das Ölfilter sollte vor dem Hauptöl-
gegengewirkt. kanal angeordnet sein, um den Urschmutz sowie alle Verun-
reinigungen aufnehmen zu können. Der Ölkühler befindet
11.2 Schmiersystem sich nach der Ölpumpe, damit das Temperaturniveau im
Triebwerk niedrig gehalten werden kann.
Die Kurbelwellenlager müssen allgemein eine höhere
11.2.1 Aufgaben und Anforderungen
Ölmenge erhalten, damit neben der hydrodynamischen
Die optimale Auslegung des Ölkreislaufes bestimmt maß- Schmierung auch eine Kühlung der Lagerschalen erreicht
geblich die Lebensdauer heutiger Dieselmotoren. wird. Erhöhter Öldurchfluss führt aber zu erhöhtem Durch-
412    11 Schmierstoffe und Schmiersysteme

Bild 11-1 Ölkreislauf OM 906 LA

flusswiderstand und somit zu Lagererwärmung. Dies macht 11.2.2.2 Schmiersysteme


die Notwendigkeit der exakten Abstimmung der Ölmengen
nochmals deutlich. Bild 11-2 zeigt den Ölkreislauf eines Nutzfahrzeugmotors in
Die Ölversorgung der Steuerungsteile, wie Nockenwellen- schematischer Form.
und Kipphebellager erfolgt über Ölkanäle, die Nocken und Die Ölpumpe saugt aus dem Reservoir und fördert das Öl
die Stößel erhalten abgeschleudertes Spritzöl, bzw. werden über Kanäle zu den Verbrauchern. Da die zeitlich umge-
durch Spritzdüsen mit Öl versorgt. wälzte Ölmenge mit der Drehzahl ansteigt, begrenzt ein
Die Auslegung eines Ölkreislaufs erfolgt heute z. B. auf Ventil den maximalen Öldruck auf 5 bar, um keine Schäden
experimentellem Wege mittels Durchflussmessung (Flow- am Ölkühler, Ölfilter und den Dichtungen zu verursachen.
meter), Auffangschalen, Particle-Image-Velocimetry(PIV)-, Von der Ölpumpe verläuft der Ölfluss zuerst durch Küh-
Laser-Dopller-Anemometrie(LDA)- und Temperaturmes- ler und Filter zum Hauptölkanal mit der Messstelle für den
sungen sowie High-Speed-Filmaufnahmen. Öldruck. Von dort aus gehen sämtliche Verzweigungen zu
Zur rechnerischen Auslegung verwendet man im ein- den übrigen Schmierstellen. Abgasturbolader und Einspritz-
fachsten Fall Simulationsprogramme zur eindimensionalen pumpe werden ebenfalls vom Hauptölkanal aus geschmiert.
Strömungsberechnung. Zur Erfassung phänomenologischer Im Triebwerksbereich gelangt das Öl zu den Grundlagern,
Strömungseffekte werden CFD-Strömungsberechnungen von dort durch die Kurbelwelle zu den Pleuellagern und
durchgeführt. Bei Messung und Simulation ist stets darauf über Bohrungen in der Pleuelstange zu den Kolbenbolzen.
zu achten, dass alle Betriebsbedingungen von Kaltstart bis Alternativ kann der Kolbenbolzen und das kleine Pleuelauge
zu extrem hohen Temperaturen berücksichtigt werden. mit Spritzöl versorgt werden.
11.2 Schmiersystem    413

Bild 11-2 Ölkreislaufschema 1 Pumpe, 2 Ölfilter, 3 Ölkühler, 4 Überdruckventil, 5 Ölabscheider, 6 Motorgehäuse, 7 Ölsumpf
414 11 Schmierstoffe und Schmiersysteme

Zur Schmierung der Steuerungsteile gelangt das Öl über dimensioniert werden, dass auch bei maximaler Wassertem-
Kanäle zur Nockenwelle, zu den Stößeln und Kipphebeln. peratur keine unzulässig hohen Öltemperaturen auftreten.
Nach der Schmierung fließt das Öl drucklos über Rückläufe Optimaler Wärmeübergang und beste Wärmeleistung wer-
und Kanäle wieder in die Ölwanne. den mit Aluminiumwärmetauschern erreicht, jedoch mit
dem Nachteil, dass die mechanische Festigkeit geringer und
11.2.3 Komponenten des Schmiersystems die Korrosionsgefahr höher als bei den weiter verbreiteten
Edelstahlwärmeübertragern ist. Die mechanische Festigkeit
11.2.3.1 Ölpumpen ist gefordert, da die Ölpumpe während des Kaltstarts und
auch im normalen Motorbetrieb Druckspitzen erzeugt.
Die Ölpumpe hat die Aufgabe, die erforderliche Ölmenge
bzw. den notwendigen Öldruck im Drehzahlbereich des Mo- 11.2.3.3 Ölfilter
tors zur Verfügung zu stellen. Zumeist werden Zahnradpum-
pen (Bild 11-3), Sichelpumpen oder Flügelzellenpumpen ein- Das Ölfilter besteht i. d. R. aus einem Ölfiltergehäuse und
gesetzt, die direkt von der Kurbelwelle angetrieben werden. einem Ölfiltertopf, in dem sich das Filterelement befindet.
Größere Motoren besitzen oft mehrere parallelgeschaltete Öl- Im Ölfiltergehäuse sind die Zu- und Ablaufkanäle und das
pumpen, um ausreichend große Volumenströme zur Verfü- Ölfilterumgehungsventil untergebracht. Mitunter ist auch
gung zu stellen, Bauraumbegrenzungen einhalten zu können der Ölkühler integriert (Bild 11-4). Die gesamte Ölfilterein-
und eine Redundanz zu erzeugen. Darüber hinaus haben die heit ist zumeist am Motorblock angeflanscht.
Motoren oft auch zusätzliche Vor- bzw. Dauerschmierung, Der Öldurchfluss durch das Filter ist aus Bild 11-5 ersicht-
um das Triebwerk bereits vor dem Starten betriebsbereit zu lich. Das noch ungefilterte Öl wird über den Zulaufkanal im
halten. Bei der Auslegung ist darauf zu achten, dass bei allen Ölfiltergehäuse in den Filtertopf geleitet, wo es von außen
zulässigen Schräglagen des Motors keine Luft angesaugt wird. nach innen durch das Filterelement strömt und die Schmutz-
Andererseits darf die Kurbelwelle nicht ins Öl eintauchen, um partikel abgeschieden werden. Um auch bei verstopftem
keine Reibarbeit durch Panschen hervorzurufen. Ölfilterelement die Ölzirkulation im Motor aufrecht zu
erhalten, ist der Zu- und Ablaufkanal mit dem Ölfilterumge-
11.2.3.2 Ölkühler hungsventil verbunden.

Zum Einsatz kommen entweder Rohr- oder Plattenwärme- 11.2.3.4 Ölabscheider


übertrager, die i. d. R. über Motorkühlwasser rückgekühlt
werden (Öl-Wasser-Wärme-Tauscher). Der Kühler muss so Verbrennungsprodukte findet man nicht nur in Form fester
Partikel im Motoröl, sondern über die Kolbenringe gelangen
auch Blow-By-Gase in den Kurbelgehäuseraum. Diese beste-
hen aus feinen Ölpartikeln, Kraftstoff- und Wasserdampf.
Zusammen mit Ölausdampfungen bei hohen Temperaturen
werden sie über das Abscheidesystem in das Motor-Ansaug-
system abgeleitet. Kühlen sich die Blow-By-Gase im Ansaug-
system ab, dann scheiden sich die Ölpartikel zumeist an den
Wänden ab. Bild 11-6 zeigt ein Ölabscheidesystem, das die
Entlüftungsgase in die Luftansaugung weiterleitet. Die Öl-
dämpfe gelangen dabei zunächst in ein Stahlwollegeflecht, in
dem größere Öltropfen abgeschieden werden, während
durch den Unterdruck im Ansaugsystem die abgeleiteten Öl-
dämpfe über eine Membran der Ansaugluft zugeführt wer-
den. Diese dient dazu, den Unterdruck im Kurbelgehäuse
konstant zu halten, so dass Ölundichtheiten im Kurbelge-
häuse reduziert werden.

11.2.4 Schmierölpflege
Bild 11-3 Zahnradpumpe mit Überdruckventil (MB, OM 442) Während des Motorbetriebs bildet sich eine Vielzahl von
Schmutzpartikel, die zu Sedimentation und Verschleiß füh-
11.2 Schmiersystem 415

Bild 11-6 Ölabscheider

Bild 11-4 Ölfiltereinheit, bestehend aus Ölfilter und Ölkühler

Bild 11-5
Öldurchfluss durch das Ölfilter (MB, Baureihe 400,
NG 90)
416 11 Schmierstoffe und Schmiersysteme

ren oder chemische Reaktionen im Öl hervorrufen und so- untergebracht und die Motorölmenge wird zusätzlich
mit die Ölzersetzung beschleunigen. Die Partikel haben un- erhöht (Bild 11-8). Aufgrund der besseren Filtrierung und
terschiedliche Größen, sind nur teilweise im Öl löslich und des größeren Ölvolumens können die Ölwechselintervalle
können in zwei Gruppen eingeteilt werden: verlängert werden.
– anorganische Produkte, vor allem Verschleißprodukte von – Sicherheitsfilterelemente: Diese sind nach dem eigentlichen
Zylinderlaufbahnen, Kolbenringen und Lagern oder Filterelement angeordnet und schützen mit Hilfe eines ca.
Silikate (Gusssand, Staub über die Verbrennungsluft, 50 µm engen Filters den Motor im Fall eines beschädigten
Urschmutz), Hauptfilterelements vor Schmutzpartikeln.
– organische Produkte, wie Rußprodukte aus der Ölalterung, – Ölaufbereitungsanlage: Bei Großdieselmotoren und
Kraftstoffverbrauchsprodukte oder Verunreinigungen, Mehrmotorenanlagen kommen oft zentrale Ölaufberei-
bedingt durch Undichtheiten im Kühlmittelkreislauf. tungsanlagen zum Einsatz, in denen das Öl aller Motoren
gesammelt und gereinigt wird.
Je nach Partikelgröße und -verteilung treten unterschied-
liche Verschleißmechanismen auf. Partikel > 20 µm werden Als Filtermedien werden entweder Papier (Partikelgröße ex-
heute generell ausgefiltert, da sie zu hohem Verschleiß in den akt festlegbar), Faserwerkstoffe (gegenüber Papier bessere
Grund- und Pleuellagern, an Kolbenringen, Zylinderlauf- Tiefenwirkung), Baumwolle oder gestapelte Papierscheiben
bahnen und an Zahnrädern führen. Bild 11-7 zeigt, dass verwendet.
auch kleinere Partikel < 20 µm einen Einfluss auf den Bau- Als Sonderform der Nebenstromfilterung gibt es für
teilverschleiß haben. Selbst Partikel der Größe 2,5 bis 5 µm Fahrzeugdieselmotoren die Ölzentrifugen. Dabei wird in
verursachen mehr als 50% des Verschleißes größerer Parti- einer durch den Ölstrahl angetriebenen Zentrifuge (Frei-
kel. strahlzentrifuge) eine äußerst feine Filtration erreicht.
Um Verunreinigungen wirkungsvoll aus dem Ölkreislauf Zur Dimensionierung des Ölfiltersystems sind neben der
fernzuhalten, sind folgende Ölfiltersysteme gebräuchlich: eigentlichen Filtergröße die zur Verfügung stehende Gesamt-
– Hauptstromfilter: Die gesamte Ölmenge wird vor Eintritt ölmenge und die geforderten Ölwechselintervalle ausschlag-
in den Hauptölkanal gefiltert. gebend.
– Haupt- und Nebenstromfilteranlagen: Zur Filterung der Das Ölfilter muss bezüglich der Porengröße und der
feineren Partikel wird ein geringer Teil des Öls durch ein Schmutzaufnahmekapazität des Öls so ausgelegt werden,
feineres Nebenstromfilter geleitet. dass alle motorschädlichen Partikel bis zum nächsten Öl-
– Langzeitölfilteranlagen: Der Nebenstromfiltereinsatz ist in bzw. Filterwechsel ausgefiltert werden. Generell gilt, dass ein
einem separat vom Motor angeordneten Behälter Filterwechsel auch ohne Ölwechsel, ein Ölwechsel aber nie

Bild 11-7 Relativer Verschleiß in


Abhängigkeit von der Partikelgröße der
Verunreinigungen
11 Literatur 417

Bild 11-8 Langzeitfilter und Ölabsaugung (MB, OM 442 A)

ohne Filterwechsel erfolgen darf. Grund hierfür ist das mög- 11-6 Treutlein, W.: Schmiersysteme. In: Handbuch Diesel-
liche Herauslösen von Filtrat aus gebrauchten Filtern durch motoren. Berlin/Heidelberg: Springer 1997
frische Additive in neuem Öl. Darüber hinaus darf der Fil- 11-7 Gläser, H.: Schmiersystem in Kraftfahrzeugmotoren.
terwiderstand auch am Ende des Filterwechselintervalls In: Küntscher, V. (Hrsg.): Kraftfahrzeugmotoren:
nicht so hoch werden, dass das Ölfilterumgehungsventil Auslegung und Konstruktion. 3. Aufl. Berlin: Verlag
anspricht und ungefiltertes Öl in den Motor gelangt. Wird Technik 1995
kein Umgehungsventil eingesetzt, kann ein zu hoher Filter- 11-8 Affenzeller, J.; Gläser, H.: Lagerung und Schmierung
widerstand zum Öldruckabfall im Motor oder zur Zerstö- von Verbrennungskraftmaschinen Bd. 8. Wien:
rung des Ölfilterelementes führen. Springer 1996
11-9 Zima, S.: Schmierung und Schmiersysteme. In:
Literatur Handbuch Verbrennungsmotor. 2. Aufl. Wiesbaden:
Vieweg 2002
11-1 Schilling, A.: Automobile Engine Lubrication Vol. I 11-10 Zima, S.: Kurbeltriebe. 2. Aufl. Wiesbaden: Vieweg
u. II. Broseley/Engl.: Scientific Publication 1972 1999
11-2 Reinhardt, G. P.: Schmierung von Verbrennungs-
kraftmaschinen. Ehningen: expert 1992
11-3 Bartz, W. J.: Aufgaben von Motorölen. Mineralöltech-
nik 25 (1981) 2, S. 1–21
11-4 ACEA: European Oil Sequences 2004 Rev. 1. Brüssel
2004, S. 1–15
11-5 Groth, K. et al.: Brennstoffe für Dieselmotoren heute
und morgen. Ehningen: expert 1989
12 Start- und Zündhilfesysteme

Das Starten eines Fahrzeugs mit Dieselmotor bei tiefen Tem- – maximale Glühtemperaturen bis 1300 °C und Dauer­glüh­
peraturen war in den Anfangszeiten des Diesels nur unter temperaturen bis 1150 °C zur Reduktion von Abgas­emis­
starker Rauchentwicklung begleitet von lauten Nagelge- sionen bei niedrigverdichtenden Motoren (17:1 und klei­
räuschen möglich. Vorglüh- und Motorstartzeiten von meh- ner),
reren Minuten waren üblich. Die Verbesserung der Startwil- – verlängerte Nachglühfähigkeit im Minutenbereich für
ligkeit von Selbstzündern war und ist deshalb ein wichtiges emissionsarmen Kaltleerlauf mit erhöhter Laufkultur, bei
Ziel der Entwicklungsaktivitäten von Motorherstellern und nied­rig­verdichtenden Motoren auch in der Warmlauf­
Zulieferern. Die Weiterentwicklung von geeigneten Starthil- phase,
fesystemen und deren Anpassung an die motorischen Gege- – Zwischenglühfähigkeit z. B. zur Unterstützung der Partikel­
benheiten führten zu entscheidenden Fortschritten beim filterregeneration,
Kaltstart- und -laufverhalten von Dieselmotoren. Zur Unter- – hohe Glühsystemlebensdauer bis zu 200.000 km,
stützung des Motorstarts- und -laufs bei geringen Außen- – über die Lebensdauer der Glühstiftkerzen konstante Glüh­
temperaturen werden bei Pkw Glühstiftkerzen (GLP) (Hub- eigen­schaften (Temperatur und Aufheizgeschwindigkeit),
raumvolumen typisch kleiner 1 l/Zylinder) und bei Nkw mit – OBDII‑, EOBD‑Fähigkeit,
größerem Hubvolumen Ansaugluftvorwärmsysteme wie – Unterstützung moderner Kommunikationsschnittstellen
Anheizkerzen, Heizflansche oder Flammstartanlagen ver- wie z. B. CAN oder LIN.
wendet.
Die Weiterentwicklung heutiger Pkw-Dieselmotoren in Typische Verdichtungsverhältnisse bei Nkw‑Motoren liegen
Richtung erhöhtem Fahrspaß durch eine gesteigerte spezi- derzeit zwischen 17 : 1 und 20,5 : 1. Zukünftig werden
fische Leistung und noch besserer Umweltverträglichkeit Nkw‑Motoren mit 2‑stufiger Aufladung eingeführt. Da­
durch weiter verminderte Abgasemissionen (Ruß/NOX) durch steigt der Spitzendruck ohne zusätzliche Maßnah­
führt zu Motorenkonzepten mit abgesenktem Verdichtungs- men im Zylinder an. Durch eine Absenkung des Verdich-
verhältnis. Heutige Pkw-Motoren mit Direkteinspritzung tungsverhältnisses auf 16‑16,5 : 1 kann der Spitzendruck
(DI) weisen Verdichtungsverhältnisse von 16‑18:1 auf. Der- trotz höherer Aufladung auf heutigem Niveau gehalten
zeit niedrigstes Verdichtungsverhältnis (ε) in einem Serien- ­werden.
Pkw-Dieselmotor ist 15,8:1 [12-1]. Frühe Vorkammerdiesel Bei Dieselmotoren unterscheidet man zwischen Selbst-
hatten typischerweise Verdichtungsverhältnisse von ca. 21:1. zündung und einer durch Starthilfsmittel unterstützten
Die Absenkung des Verdichtungsverhältnisses von 18:1 auf Zündung.
16:1 führt ohne Zusatzmaßnahmen zu verschlechtertem
Kaltstart- bzw. Kaltleerlaufverhalten. In Verbindung mit
dem Wunsch nach ottomotorähnlichem Kaltstart- und Kalt- 12.1 Bedingungen zur Kraftstoffselbstzündung
leerlaufverhalten werden dadurch höhere Anforderungen
an zukünftige Glühsysteme (Glühzeitsteuergerät, GCU und Bei Dieselmotoren wird der Kraftstoff bei ausreichend
GLP) für Pkw gestellt: warmem Motor durch Selbstzündung entflammt. Für einen
– schnellste Aufheizgeschwindigkeiten (1000 °C in weniger Motorselbstlauf muss das im Zylinder verdichtete Kraftstoff-
als 2 s) für ottomotorähnlichen Kaltstart bis –28 °C, Luft-Gemisch die Selbstzündungstemperatur (typisch
– flexible Anpassung der Glühtemperatur an die motorischen > 250 °C) überschreiten. Die zur Erreichung dieser Tempera-
Anforderungen, tur notwendige Wärmemenge wird durch die während des
12.2 Kraftstoffzündung mit Hilfsmitteln    419

Verdichtungstaktes verrichtete Kompressionsarbeit erzeugt. Um das beim Kaltstart sehr hohe Reibmoment zu über-
Ob die Selbstzündungstemperatur erreicht wird, hängt von winden, wird die Einspritzmenge bis zur maximalen
der Ansaugluft- und Motortemperatur, dem Verdichtungs- Luftausnutzung erhöht.
verhältnis sowie den Leck- und Wärmeverlusten beim Kom-
pressionsvorgang ab. 12.2 Kraftstoffzündung mit Hilfsmitteln
Die Kompressionsarbeit und damit die Kompressionsend-
temperatur steigt mit zunehmendem Verdichtungsverhält- Bei niedrigen Temperaturen (Kaltstart) wird eine vollstän-
nis. Leckverluste im Motor verringern das effektive Verdich- dige Verbrennung des Kraftstoffs nur durch zusätzliche
tungsverhältnis und führen zusammen mit Wärmeverlusten Starthilfsmittel ermöglicht. Man unterscheidet zwei Prin-
zu einer abnehmenden Kompressionsendtemperatur. Durch zipien zur Kaltstartunterstützung: Einerseits wird dem Kraft-
die Erhöhung der Motordrehzahl können Leck- und Wärme- stoff-Luft-Gemisch im Brennraum durch Glühstiftkerzen
verluste reduziert werden. Die Drehzahl, ab der eine Selbst- lokal begrenzt Energie zugeführt. In diesem Fall spricht man
zündung erfolgt, wird Startdrehzahl genannt. Diese hängt von Glühzündung. Glühsysteme bestehen aus Glühstiftker-
von weiteren Einflussgrößen wie Zylindervolumen, ‑anzahl zen und Glühzeitsteuergeräten und werden bei Pkw und
und der Motorbauart ab. Typische Werte für die Startdreh- leichten Nutzfahrzeugen eingesetzt. Andererseits wird durch
zahl liegen beim Dieselmotor bei 80 bis 200 min–1. Flammstartanlagen, Heizflansche oder Anheizkerzen der
Pkw-DI-Motoren haben im Vergleich zu Vor- und Wir- Ansaugluft Wärmeenergie zugeführt, so dass durch die
belkammermotoren bei gleichem Brennraumvolumen eine Kompression im Brennraum die Selbstzündungstemperatur
kleinere wärmeabführende Brennraumoberfläche. Dies erreicht wird. Aufgrund des sehr hohen Volumen- zu Ober-
resultiert in einem verbesserten Kaltstartverhalten und einer flächen-Verhältnisses (geringe Wärmeverluste) bei groß­
geringeren Startdrehzahl dieses Motorentyps. Zusätzliche volumigen Motoren reicht die relativ geringe Erwärmung
Starthilfsmittel sind bei Pkw-DI-Motoren mit einem Ver- der Ansaugluft zum Kaltstart aus.
dichtungsverhältnis von 18:1 erst unterhalb 0 °C erforder- Glühsysteme führen dem aus Kraftstoffstrahl und ange-
lich. Die höheren Wärmeverluste bei Pkw Wirbel- bzw. saugter Luft gebildeten Gemisch Wärmeenergie i. d. R. über
Vorkammermotoren machen den Einsatz von Starthilfsmit- einen konzentrierten heißen „Fleck“ an den Glühstiftkerzen
teln bereits ab ca. 20 °C bis 40 °C notwendig. zu. Wird zündfähiges Gemisch nahe der Glüheinrichtung
Großvolumige Motoren für z. B. Nkw besitzen im Ver- auf eine ausreichend hohe Temperatur gebracht, beginnt
gleich zu Pkw‑Motoren ein nochmals deutlich niedrigeres dort der Verbrennungsprozess (Bild 12‑1). Diese lokal
Verhältnis zwischen Brennraumoberfläche und -volumen. begrenzte Vorentflammung führt in der hier gezeigten
Heutige Nkw‑Motoren starten bei Temperaturen von bis zu Brennkammer bei fortschreitender Einspritzung zu einer
–20 °C ohne Starthilfsmittel. Flammausbreitung über den gesamten Einspritzstrahl. Unter

Bild 12-1 Metallglühstiftkerze entflammt Dieselspray unter Kaltstartbedingungen. Aufnahmen in einer Brennkammer. Die Glühstiftkerze entzündet zunächst einen
kleinen Bereich des Einspritzstrahls. Mit Zunahme der Energiezufuhr entstehen mehrere solcher lokal begrenzter Flammkerne und führen bei weiterer Vermischung zur
Entzündung des gesamten Einspritzstrahls. Quelle: RWTH Aachen/VKA
420    12 Start- und Zündhilfesysteme

realen Bedingungen im Zylinder wird die Flammausbrei- Verbrennung. Der dadurch erfolgende sanftere Druckan-
tung zusätzlich durch die Verwirbelung (Drall) des Gemischs stieg hat ein leiseres Motorengeräusch zur Folge. Für einen
unterstützt. Die Wirksamkeit der Glühstiftkerze wird von komfortablen Kaltleerlauf kann abhängig vom jeweiligen
ihrer Temperatur und der geometrischen Anordnung im Motorentyp eine Glühunterstützung von mehreren Minuten
Brennraum bestimmt. bei Temperaturen bis über 1150 °C erforderlich sein.
Die Erhöhung der mittleren Lufttemperatur durch die
Glühstiftkerze im Zylinder spielt für die Glühzündung eine 12.3 Start- und Zündhilfesysteme
untergeordnete Rolle.
Im kalten Motor kommt es aufgrund der lokalen Begren-
zung der Glühzündung nicht immer zu einer vollständigen 12.3.1 Start- und Zündhilfesysteme für Pkw
Verbrennung oder zu einem völligen Ausbleiben der Zün-
dung des Kraftstoff-Luft-Gemischs (Zündaussetzer). Die Glühsysteme bestehen aus Glühstiftkerzen, einem Glühzeit-
Vollständigkeit der Verbrennung und die Durchbrennge- steuergerät und gegebenenfalls einer Glühsoftware. Bei kon-
schwindigkeit hängen von den jeweiligen Zündbedingungen ventionellen Glühsystemen werden Glühstiftkerzen mit
im Bereich des Glühstiftes ab. Eine hohe Durchbrennge- ­einer Nennspannung (Spannung, bei der die GLP ihre
schwindigkeit verursacht einen schnellen Druckanstieg. ­Nenntemperatur erreicht) von 11 V verwendet, die direkt
Dies macht sich durch harte Verbrennungsgeräusche mit der Bordnetzspannung angesteuert werden. Niederspan-
bemerkbar (Dieselnageln, siehe Bild 12-2, oben). Bei kaltem nungs-Glühsysteme erfordern Glühstiftkerzen mit Nenn-
Motor variieren die Zündbedingungen und damit die spannungen unterhalb 11 V, deren Heizleistung über ein
Druckgradienten bei den einzelnen Kompressionstakten. elektronisches Glühzeitsteuergerät an die Anforderung des
Die Variation des Brennraumdruckgradienten resultiert in Motors angepasst wird.
einer Modulation des Verbrennungsgeräusches. Der Glühvorgang besteht aus bis zu fünf Phasen.
Eine Erhöhung der Oberflächentemperatur der Glühstift- – Beim Vorglühen wird die GLP auf Betriebs­temperatur
kerzen führt zu einer nahezu vollständigen und langsameren erhitzt.

Bild 12-2 Glühtemperaturabhängigkeit des indizierten Mitteldruck- und Zylinderdruckverlaufs im Kaltleerlauf mit optimierter Zündstrahllage bei –20 °C bei einem
4 Zylinder Common Rail-Motor mit einem Verdichtungsverhältnis von 16:1
12.3 Start- und Zündhilfesysteme    421

– Während des Bereitschaftsglühens hält das Glühsystem – die Zeit nach Starterabwurf und
eine zum Start erforder­liche GLP‑Tempera­tur für eine – die Kühlwassertemperatur.
definierte Zeit vor.
– Beim Motorhochlauf wird das Startglühen angewendet. Bei hoher Motordrehzahl und geringer Einspritzmenge
– Nach dem Starterabwurf beginnt die Nachglühphase. wird die Glühstiftkerze beim Ladungswechsel gekühlt, bei
– Das Zwischenglühen unterstützt die Dieselpartikelfilter­ niedriger Motordrehzahl und hoher Einspritzmenge durch
regeneration oder vermindert die Rauchentwicklung bei die Verbrennungswärme erhitzt. Die Ansteuerspannung
Lastwechsel im ausgekühlten Motor. wird abhängig von diesen beiden Parametern so gewählt,
dass die für den Motorlauf notwendige Temperatur der
12.3.1.1 Bordnetzspannungs-Glühsysteme Glühstiftkerze erreicht und die Glühstiftkerze nicht über-
hitzt wird. Die für einen leisen und emissionsarmen Motor-
Bei konventionellen Bordnetzspannungs-Glühsystemen star- lauf notwendige Glühstiftkerzentemperatur nimmt nach
tet und beendet die Glühsoftware der EDC den Glühvorgang dem Starterabwurf kontinuierlich ab. Dies kann zur Erhö-
in Abhängigkeit von der Betätigung des Zündschalters und hung der GLP‑Lebensdauer durch eine kontinuierliche Ab-
den in der Software abgelegten Parametern (z. B. Kühlwasser- senkung der GLP‑Glühtemperatur in der Nachglühphase
temperatur). Das GCU steuert nach den Vorgaben der EDC verwendet werden. Die Reduktion der GLP‑Temperatur
die Glüh­stiftkerzen mit Bordnetzspannung über ein Relais und die Verkürzung der Nachglühzeit bei „warmem“ Kühl-
an. Die Nennspan­nung der Glüh­stiftkerzen beträgt 11 V. Da- wasser – z. B. bei Pkw-DI-Motoren ab ca. 10 °C – verlängert
mit ist die Heizleistung von der aktuellen Bordnetz­spannung die Lebensdauer der Glühstiftkerzen weiter.
und dem temperaturabhängigen Widerstand (PTC) der GLP
abhängig. Es ergibt sich dadurch ein Selbstregelverhalten der 12.3.1.3 Metall-Glühstiftkerzen
GLP. Eine motor­lastabhängige Abschaltfunktion in der Glüh-
software der Motorsteuerung schützt die GLP sicher vor Bei Metall-GLP besteht der Glühstift aus einem Rohr­heiz­
Überhitzung. Die Anpassung der Nachglühzeit an den Mo- körper, der in einem Gehäuse (Bild 12-3, Pos. 5) gasdicht
torbedarf ermöglicht eine hohe Lebensdauer der GLP bei eingepresst ist. Der Rohrheizkörper besteht aus einem
gleich bleibend guten Kaltlaufeigenschaften. heißgas‑ und korrosions­beständigen Glührohr aus Inconel
oder Nicrofer (4), in den eine in verdich­tetem Magnesium-
12.3.1.2 Niederspannungs-Glühsysteme oxidpulver (2) einge­bettete Glühwendel eingebracht ist.
Diese Glüh­wendel besteht i. d. R. aus zwei in Reihe geschal­
Bei Niederspannungssystemen werden die GLP so angesteu- teten Metallwiderständen: aus der sich in der Glührohr-
ert, dass die Glühtemperatur optimal an die motorischen spitze befindenden Heiz­wendel (1) und der Regelwen-
Anforderungen angepasst ist. Um beim Vorglühen die für del (3).
den Motorstart erforderliche Glühtemperatur möglichst Die Heizwendel weist einen von der Tempe­ratur unab-
rasch zu erreichen, werden die Glühstiftkerzen in dieser hängigen elektrischen Widerstand auf. Die Regelwendel
Phase kurzzeitig mit der sog. Push-Spannung betrieben. Die besitzt dagegen ei­nen elektrischen Widerstand mit posi-
Push-Spannung liegt oberhalb der Nennspannung der GLP. tivem Temperatur­koeffi­zienten (PTC); ihr Widerstand er­­
Während des Startbereitschaftsglühens wird dann die An- höht sich mit zunehmender Temperatur. Moderne 11 V-
steuerspannung auf die GLP‑Nennspannung abgesenkt. Glühstiftkerzen erreichen die zur Zündung des Kraftstoffs
Beim Startglühen wird die Ansteuerspannung wieder ange- benötigte Oberflächen­temperatur von 850 °C in ca. 4 s.
hoben, um die Abkühlung der Glühstiftkerze durch die kalte Typischerweise können diese GLP mehrere Minuten nach-
Ladeluft auszugleichen. Im Nach- und Zwischenglühbereich geglüht werden. Die Heizwendel ist zur Kontaktierung
können die Kühleffekte der Ladeluft und die Heizeffekte der masseseitig in die Kuppe des Glührohrs eingeschweißt. Die
Verbrennung kompensiert werden. Die erforderliche An- Regelwendel ist am Anschlussbolzen kontaktiert, über den
steuerspannung wird aus der Bordnetzspannung durch eine der Anschluss an das Glühzeitsteuergerät erfolgt.
Pulsweitenmodulation (PWM) erzeugt. Dabei wird der zu- Beim Anlegen der Spannung an die Glüh­stiftkerze wird
gehörige PWM‑Wert einem Kennfeld entnommen, das an zunächst der größte Teil der elektrischen Energie in der
den jeweiligen Motor im Rahmen der Applikation angepasst Heizwendel in Wärme umgesetzt; die Temperatur an der
wird. Das Kennfeld enthält wichtige Parameter, die den Be- Spitze der Glühstiftkerze steigt steil an. Die Temperatur der
triebszustand des Motors kennzeichnen wie z. B.: Regelwendel – und somit der Wider­stand – erhöht sich
– die Motordrehzahl, zeitlich verzögert. Die Stromaufnahme der Glühstift­kerze
– die Einspritzmenge (Last), verringert sich und die Temperatur nähert sich dem Behar-
422    12 Start- und Zündhilfesysteme

Bild 12-3 Aufbau einer Metallglühstiftkerze

rungszustand. Es er­geben sich die in Bild 12‑4 dargestellten Für die Kombination von hoher Thermoschock- und Heiß­
Aufheiz­charakte­ristiken. gaskorrosionsbelastung sind Glühstiftkerzen mit Si3N4‑ba-
Der prinzipielle Aufbau und die Funk­tionsweise von sierten keramischen Heizern entwickelt worden (Bild 12‑5).
Niederspannungs-Metallglühstiftkerzen entsprechen der Der keramische Heizer (1) besteht in der vorliegenden
11 V‑Version. Die Heiz- und Regelwendel sind hier auf Ausführung aus elektrisch isolierendem Si3N4, in das elekt­
eine geringere Nennspannung und größere Aufheizge- risch hochleitfähige Zuleitungen (2) und ein innen liegender
schwindigkeiten ausge­legt. Die schlankere Bauform ist auf Heizleiter (3) mit PTC‑Effekt eingebettet sind. Im Gegensatz
den beschränkten Bauraum bei Vierventilmotoren abge- zu metallischen Glühstiftkerzen ist hier die Heiz- und Regel-
stimmt. Der Glühstift hat im vorderen Bereich eine Ver­ funktion im Heizleiter kombiniert. Der Heizer ist in einem
jüngung, um den Abstand Heizwendel – Glührohr zu Metallrohr (4) fixiert und gasdicht in ein Gehäuse (5) einge-
reduzieren und damit den Wärmetransport von der Glüh- presst. Die elektrische Kontaktierung des + Pols ist über
wendel an die Oberfläche der Glühstiftkerze zu beschleuni- einen Anschlussbolzen (6) realisiert. Die Masseverbindung
gen. Dies ermöglicht mit dem hier angewandten Ansteuer- zum Motorblock wird über das Metallrohr und das Gehäuse
prinzip „Push-Betrieb“ (Ansteuerung der GLP mit einer hergestellt. Durch die Anpassung des Heizerwiderstandes
Spannung oberhalb der Nennspannung) Aufheiz­ge­ entstehen 11 V und Niederspannungsvarianten. Die Ansteu-
schwindigkeiten von bis zu 330 °C/s. Die maximale Glühtem­ erung keramischer Glühstiftkerzen über das Glühzeitsteuer-
peratur liegt bei über 1000 °C, die Temperatur während gerät erfolgt analog zu metallischen GLP.
des Start­be­reit­schaftsglühens und im Nachglüh­betrieb Das bei metallischen Glühstiftkerzen oft zu beobachtende
beträgt ca. 980 °C. Für Motoren mit einem Verdichtungs- Absinken der Glühtemperatur durch Alterung und damit
verhältnis von größer als 18:1 beträgt die typische Nach- die allmähliche Verschlechterung des Kaltstart- und Kalt-
glühdauer bis zu 3 Minuten, für Motoren mit Verdich- laufverhaltens ist bei keramischen Varianten kaum zu beo-
tungsverhältnissen kleiner als 18:1 verlängert sich diese auf bachten. Selbst bei konstant sehr hohen Glühtemperaturen
bis zu 10 Minuten. von 1200 °C verringert sich die Glühtemperatur nach
3000 Betriebsstunden typischerweise um weniger als 50 °C.
12.3.1.4 Keramik-Glühstiftkerzen
12.3.1.5 Glühzeitsteuergeräte
Moderne Pkw-Motoren mit niedrigem Verdichtungsverhält-
nis erfordern Glühstiftkerzen, die maximale Temperaturen Aufgabe eines Glühzeitsteuergerätes (GCU) ist die Ansteue-
von bis zu 1300 °C und lange Glühzeiten ohne Alterung bei rung und die Überwachung der Glühstiftkerzen. Hierfür gibt
über 1150 °C möglich machen. Der Wunsch nach ottomo- es unterschiedliche Konzepte:
torähnlichem Sofortstart auch bei sehr tiefen Temperaturen – Abhängig von der Betriebsspannung der Glühstiftkerzen
macht Aufheizgeschwindigkeiten von bis zu 600 °C/s not- werden Relais (für 11 V Systeme) oder Transistoren (Nie­
wendig (siehe Bild 12‑4). derspannungssysteme) als Leistungsschalter ver­wen­det.
12.3 Start- und Zündhilfesysteme    423

Bild 12-4
Aufheizcharakteristik verschiedener
Metallglühstiftkerzen und einer kera-
mischen Glühstiftkerze

Bild 12-5 Keramische Glühstiftkerze mit innenliegendem Heizleiter

– Die Bestromung der Glühstiftkerzen kann über eine Glühsystems wird dadurch von der aktuellen Bordnetz­
Zuleitung für alle GLP oder Zuleitungen für jede einzelne spannung und dem temperatur­abhängigen elektrischen Wi-
GLP erfolgen. derstand der Glühstiftkerze bestimmt. Dies kann sich beson-
– Das GCU kann abhängig (Glühsoftware und Parameter in ders nachteilig bei sehr tiefen Temperaturen auswirken, da
der EDC, Bild 12‑6) oder unabhängig (autarke Systeme, bei schwacher Batterie im Startvorgang ein Spannungsein-
Software und Parameter im GCU) von der EDC betrieben bruch auf bis zu 7–8 V zu einer deutlichen Verminderung
werden. der Glühleistung der GLP führt.
Glühzeitsteuer­geräte für Niederspannungssysteme
Als Leistungsschalter für 11 V Systeme werden typischer- ermöglichen die gezielte Spannungs­steuerung der Glühstift-
weise Relais verwendet. Dabei dient das Relais ausschließlich kerzen über Pulsweitenmodulation (PWM) der Bordnetz-
als Ein- und Ausschalter für die GLP. Die Heizleistung des spannung. Das Verhältnis von Ein- und Ausschalten der
424    12 Start- und Zündhilfesysteme

Bild 12-6
Glühsystem mit nicht autarkem GCU.
Es wird durch ein Motorsteuergerät
mit hinterlegtem Kennfeld ange-
steuert

Bordnetzspannung durch den Leistungsschalter im GCU Der Glühvorgang wird bei autarken Systemen von Sensor­
ermöglicht das Einstellen einer Effektivspannung an der informationen gesteuert, die den Zustand des Motors
Glühstiftkerze. Der erforderliche Effektivwert wird einem beschreiben. Nach Aktivierung des Steuergeräts über den
motorspezifischen Kenn­feld entnommen. Zündschalter wird die Kühlwassertemperatur ausgewertet.
Dadurch kann die Heizleistung des Glühsystems perfekt Die Glühstiftkerzen werden nur angesteuert, wenn die EDC
an die dynamischen motorischen Anforderungen angepasst eine Freigabe erteilt (Master‑Slave). Alle Informationen zur
werden. Zusätzlich ermöglicht diese Art der Ansteuerung Steuerung des Glühvorgangs sind in dem GCU in einem
auch eine Bordnetzspannungskorrektur, d. h. die Tastrate Mikroprozessor abgelegt oder werden über Schnittstellen
des PWM Signals passt sich an die Höhe der Bordnetzspan- bezogen. Zum Schutz der Glühstiftkerze vor Überhitzung
nung an. Zur Modulation der Bordnetzspannung steigen die wird bei der Überschreitung einer kritischen Einspritzmen-
Anforderungen an den Leistungsschalter in Bezug auf die ge der Nachglühvorgang verkürzt. Diese Geräte können
Schaltgeschwindigkeit und Schalthäufigkeit. Daher sind auch die Ansteuerung der Diagnoseanzeige im Fahrzeug
Halbleiterschalter (Power MOSFET) erforderlich. Zusätzlich übernehmen.
besteht die Möglichkeit, eine zeitlich versetzte Ansteue­rung Nicht autarke Glühzeitsteuergeräte steuern nach den Vor-
der Glüh­stiftkerzen zu realisieren. Dies reduziert die Maxi- gaben des Motorsteuergeräts die Glühstiftkerzen an und
malbelastung des Bordnetzes während der Kaltstart- und geben Diagnoseinformationen an dieses zurück.
Nachglühphase auf ein Mini­mum. Da Niederspannungs-
glühstiftkerzen typisch unter 7 V betrieben werden, hat ein 12.3.2 Start- und Zündhilfesysteme für Nkw
Einbruch der Bordnetzspannung im Startvorgang keinen
nennenswerten Einfluss auf die Glühleistung. Großvolumige Dieselmotoren werden üblicherweise mit
Werden alle Glühstiftkerzen parallel über eine Leitung vor­gewärmter Ansaugluft gestartet. Reicht dies nicht aus,
angesteuert, kann dies sehr hohe Schaltströme bis zu 300 A können zusätzlich leichtflüchtige und zündwillige Kohlen-
zur Folge haben. Der Ausfall einer einzelnen Glühstiftkerze wasserstoffe (z. B. Startpilot) in den Luftfilter gespritzt wer-
kann bei dieser Art der Beschaltung nicht diagnostiziert den.
werden. Daher werden die Glühstiftkerzen oftmals mit je Das Vorwärmen der Ansaugluft erfolgt mit Anheizker-
einer Leitung angesteuert, wodurch eine Einzeldiagnose der zen, Heizflanschen oder Flammstartkerzen, die in den
Glühstiftkerzen ermöglicht wird. Die Einzelkerzenüberwa- Ansaugtrakt eingebaut werden. Anheizkerzen und Heizflan-
chung ist Vorraussetzung für moderne Diagnosekonzepte sche arbeiten nach dem Fönprinzip, d. h. die kalte Luft wird
wie OBDII, die in Zukunft gefordert werden. an möglichst großen und heißen Metallflächen vorbeige-
12.4 Kaltstart-, Kaltlaufverhalten und Kaltlaufemissionen bei Pkw-Motoren    425

führt und dabei erwärmt. Sie senken die natürliche Start- 12.4 Kaltstart-, Kaltlaufverhalten und
grenze eines Dieselmotors um 3 bis 5 °C. Mit Flammstart-
Kaltlaufemissionen bei Pkw-Motoren
kerzen kann diese Grenze um 8 bis 12 °C nach unten ver-
schoben werden, da sie nicht nur die Ansaugluft erwärmen,
sondern auch reaktionsfreudige Radikale erzeugen, die mit Bei kalten Dieselmotoren entstehen ohne zusätzliche Maß-
der Ansaugluft in den Brennraum gelangen. nahmen aufgrund einer unvollständigen Verbrennung des
Flammstartkerzen bestehen aus 1 bis 3 parallel geschal- Kraftstoffs vermehrt HC und Ruß. Dies macht sich durch
teten Glühstiften, an deren heißer Oberfläche Dieselkraft- sichtbaren Rauch (Abgastrübung) bemerkbar. Zusätzlich
stoff verdampft und teilweise verbrannt wird. Die Oberflä- tritt verstärktes Dieselnageln auf. Ziel ist es, durch zusätzliche
che wird meist durch mehrere um die Glühstifte gewickelte Zündhilfsmittel Emissionen und Geräuschentwicklung auf
Lagen eines Drahtsiebes vergrößert. Das Ausblasen der ein möglichst geringes Niveau abzusenken.
Flamme durch die Ansaugluft verhindern Schutzhülsen, die
die Glühstifte und die Sieblagen umgeben. Der Dieselkraft-
stoff wird über spezielle, dem Hubvolumen des Motors ent- 12.4.1 Verdichtungsverhältnis 18:1
sprechende Spaltdrosseln den Flammstartkerzen zugeführt.
Heizflansche und Anheizkerzen haben einen großen Die Reduktion der Abgastrübung (Lichtdurchlässigkeit)
Bedarf an elektrischer Leistung, der im Bereich von durch Glühstiftkerzen und eine Optimierung der Einspritz-
1 bis 3 kW liegt. strahllage sind in Bild 12‑7 dargestellt. Im betrachteten Zeit-
raum bis 220 s nach Kaltstart bewirkt ein Abschalten der
Glühstiftkerzen eine deutliche Erhöhung der Abgastrübung.
Langes Nachglühen verringert die Kaltleerlaufemissionen.
Der übliche Nachglüh­zeitbereich für Metall‑GLP beträgt ab-
hängig von motorischen Randbedingungen bis zu 180 s. Die
Nachglühzeit von keramischen GLP kann ohne Lebensdauer­

Bild 12-7 Abgastrübung in Abhängigkeit von der Zündstrahllage und der Nachglühzeit bei einer Voreinspritzung. 2,2 l, 4 Zylinder Common Rail-Motor mit einem Ver-
dichtungsverhältnis von 18:1 bei –20 °C
426    12 Start- und Zündhilfesysteme

verlust je nach Bedarf des Motors mehrere Minuten betra- 12.4.2 Verdichtungsverhältnis 16:1
gen. Dadurch kann die Gesamtabgastrübung bei Verwen-
dung von Keramik-Glühstiftkerzen verringert werden. Eine Absenkung des Verdichtungsverhältnisses (ε) ermög­
Bei dem vorliegenden Common Rail‑Motor mit einem licht eine Steigerung der spezifischen Motorleistung kW/
Verdichtungsverhältnis von 18:1 wird die Abgastrübung Hubraum bei gleichem Verbrennungsspitzendruck durch
durch eine optimierte geometrische Anordnung von Glüh- Er­höhen des Ladedrucks und der Einspritzmenge. Gleich-
stiftkerze und Einspritzstrahl von über 60% auf unter 20% zeitig können die Ruß/NOX‑Emissionen im Warmlauf si-
verringert. Der Einspritzstrahl wird nahe an der heißen GLP gnifikant reduziert werden, wie Motorversuche an statio-
vorbeigeführt. Der Drall der angesaugten Luft lenkt das nären Betriebspunkten zeigen. Als problematisch ist dagegen
Kraftstoff-Luft-Gemisch zusätzlich in Richtung der GLP. der Themenkomplex Kaltstart bzw. Kaltleerlauf im Zusam-
Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich zündfähiges menhang mit einer Absenkung des Verdichtungsverhält-
Gemisch in der Nähe der GLP befindet; die Verbrennung nisses zu sehen. Die Motorstarttemperatur, ab der ein Kalt-
wird stabilisiert, die Abgastrübung nimmt ab. start ohne Starthilfesystem möglich ist, erhöht sich aufgrund
Bei Kaltstarts mit optimierter Einspritzstrahllage und der geringeren Kompressionsendtemperatur um ca. 10 °C
Glühstiftkerzentemperaturen oberhalb 900 °C ist die Motor- (Vergleich zwischen 18:1 zu 16:1). Zusätzlich nimmt durch
startzeit (Zeit zwischen Drehzahlanstieg des Motors und eine ε‑Absenkung die Abgastrübung im Kaltleerlauf deut-
dem Erreichen von 800 min–1) bis –20 °C unabhängig von lich zu. Ursache ist das schlechtere Durchbrennen des Kraft-
der GLP-Temperatur. Der Kraftstoff verbrennt bei der ersten stoffs aufgrund der geringeren Kompressionsendtempera-
Einspritzung gut, der Motor läuft rasch hoch. Für eine kurze tur.
Motorstartzeit ist in diesem Fall vorrangig das Zusammen- Die Abgastrübungswerte im Kaltleerlauf hängen bei
spiel von Einspritzmenge und Raildruck (300–600 bar) von einem Verdichtungsverhältnis von 16:1 stark von der Glüh-
Bedeutung. stiftkerzentemperatur und der Glühzeit ab (Bild 12‑9 und
Die Gesamtstartzeit, Vorglühzeit plus Motorstartzeit, ist 12‑10).
vor allem bei tiefen Temperaturen < 0 °C bei Niederspan- Die mittleren Temperaturen der verwendeten GLP im
nungs‑GLP signifikant kürzer als bei GLP in Bordspan- Zeitraum 0 bis 35 s nach Starterabwurf betragen 950 °C
nungsauslegung (Bild 12‑8). Dies ist auf die sehr kurze (11 V Metall‑GLP), 1010 °C (5 V-Metall‑GLP) und 1200 °C
Aufheizzeit der Niederspannungs‑GLP zurückzuführen. (Keramik‑GLP). Die niedrige mittlere Glühtemperatur der

Bild 12-8 Gesamtmotorstartzeit in Abhängigkeit von der GLP-Aufheizge­schwindigkeit und der Umgebungstemperatur
12.4 Kaltstart-, Kaltlaufverhalten und Kaltlaufemissionen bei Pkw-Motoren    427

11 V Metall‑Glühstiftkerze ist darauf zurückzuführen, dass Nach Glühende steigen die Abgastrübungen deutlich an,
beim Start die Bordnetzspannung einbricht (hier auf 7 V) Verbrennungsaussetzer bzw. verspätete Verbrennungen tre-
und der Generator i. d. R. erst ca. 3 s nach Motorstart hoch- ten auf. Die im Vergleich zu Metall‑Glühstiftkerzen höhere
läuft. Somit wird die 11 V‑Metall-Glühstiftkerze während Lebensdauer von Keramik-Glühstiftkerzen kann hier zu
des Startvorgangs mit einer Spannung unterhalb ihrer einer erheblichen Verlängerung der Nachglühzeiten genutzt
Nennspannung betrieben und die Glühtemperatur fällt ab. werden. Dadurch kann die Abgastrübung in der Warmlauf-
Die Abkühlung der 11 V GLP während des Startvorgangs phase signifikant reduziert werden.
bewirkt die Zunahme der Abgastrübung bei einer Redukti- Bild 12‑10 zeigt den Einfluss der über dem Zeitintervall
on des Verdichtungsverhältnisses von 18:1 auf 16:1 nach 0 bis 35 s nach Motorstart gemittelten GLP‑Oberflächen-
Starterabwurf von unter 20% auf ca. 40% (siehe Bild 12‑7 temperatur auf die im selben Zeitraum kumulierte relative
und 12‑9). Niederspannungs-Glühstiftkerzen können dage- Abgastrübung (11 V Metall-Glühstiftkerze = 100%). Es wird
gen auch während des Startvorgangs so angesteuert werden deutlich, dass die Abgastrübung im Temperaturbereich
(Uansteuer ≥ UNenn-GLP), dass sie nicht abkühlen. Deshalb zei- unterhalb 1100 °C stark von der Glühstiftkerzenoberflä-
gen die Niederspannungssysteme nach Starterabwurf bei chentemperatur abhängt und oberhalb 1150 °C sich nicht
abgesenktem Verdichtungsverhältnis (ε = 16) und 2 Vorein- weiter verbessert.
spritzungen vergleichbare Abgastrübungen wie 11 V GLP Die Ergebnisse zeigen: Erst eine Optimierung der Ein-
bei ε = 18 und einer Voreinspritzung. Die Abgastrübungs- spritzstrategie und der Zündstrahllage in Kombination mit
kurven der Metall‑GLP nähern sich nach dem Start im hohen Glühtemperaturen in allen Glühphasen sowie langen
Kaltleerlauf wieder an, da sich deren Glühtemperaturen Nachglühzeiten reduziert die Abgastrübungswerte auch bei
angleichen. Die Temperatur der 11 V Metall‑GLP nimmt abgesenktem Verdichtungsverhältnis auf sehr niedrige
durch den Anstieg der Bordspannung nach Starterabwurf Werte. Gleichzeitig kann die Geräuschentwicklung (Diesel-
zu. Ist die GLP‑Oberflächen­temperatur im gesamten Mes- nageln) verringert werden.
sintervall höher als 1150 C° (TKeramik-GLP) bleibt die Abgas-
trübung deutlich unter 20% und nimmt mit zunehmender
Kaltleerlaufzeit aufgrund der Motorerwärmung weiter ab.

Bild 12-9 Abgastrübung in Abhängigkeit von den Glühstiftkerzeneigenschaften und der Nachglühdauer bei zwei Voreinspritzungen und optimierter Zündstrahllage.
2,2 l, 4 Zylinder Common Rail-Motor mit einem Verdichtungsverhältnis von 16:1 bei –20 °C
428 12 Start- und Zündhilfesysteme

Bild 12-10 Einfluss der GLP-Oberflächentemperatur auf die relative Abgastrübung mit zwei Voreinspritzungen. 2,2 l, 4 Zylinder Common Rail-Motor mit einem Verdich-
tungsverhältnis von 16:1 bei –20°C

Zusammenfassung: Literatur
Für eine Absenkung des Verdichtungsverhältnisses auf 12-1 Reichenbach, M.: Neuer 2,2 l Dieselmotor mit Ver-
H = 16,0 werden folgende Anforderungen an das Glühsys- dichtungsverhältnis 15,8:1: MTZ 9 (2005) 66, S. 638
tem/Einspritzsystem gestellt:
a) hohe Oberflächentemperatur der Glühstiftkerze (1150 °C), Weiterführende Literatur
auch bei Abfall der Bordnetzspannung,
b)langes Nachglühen (je nach Warmfahrcharakteristik Tafel, St.: Entwicklung eines Brennverfahren für kleine,
ca. 2 bis 15 min), drallfreie Direkteinspritzer-Dieselmotoren. VDI Fort-
c) optimierte Einspritzstrategie, schritts-Berichte 377, Diss. 1998
d)optimale Lage Zündstrahl / Glühstiftkerze. Robert Bosch GmbH (Hrsg.): Dieselmotor-Management.
4. Aufl. Wiesbaden: Vieweg 2003
13 Ansaug- und Abgasanlagen

13.1 Luftfilter sind Zylinderlaufbuchsen, Kolben und Kolbenringe, Kurbel-


wellen und Pleuellager, Ventile und Dichtungen.
13.1.1 Anforderungen Der Verschleiß an diesen Teilen wirkt sich negativ auf die
Lebensdauer des Motors aus. Bild 13-2 zeigt den mit einem
Luftfilter haben die Aufgabe, den in der Ansaugluft enthal- Staubprüfstand gemessenen prozentualen Verschleiß an drei
tenen Staub vom Eintritt in den Motor fernzuhalten. Sie ver- verschiedenen kritischen Stellen des Motors, einmal ohne
hindern dadurch vorzeitigen Motorenverschleiß. Über das Luftfilter, mit einem älteren Luftfiltertyp – dem sog. Ölbad-
Luftfilter wird außerdem das Ansauggeräusch des Motors luftfilter – und mit einem Papierluftfilter. Den wirksamsten
gedämpft. Verschleißschutz bieten Papierluftfilter mit einer deutlichen
Der Staubgehalt der Luft ist von den Einsatzgebieten und Verschleißminderung.
den Straßenverhältnissen abhängig. Tabelle 13-1 enthält Neben der pauschalen Kenntnis der Verschleißminde-
eine Übersicht der mittleren Staubkonzentrationen, Bild rung verschiedener Luftfiltertypen ist noch der Einfluss der
13-1 die Korngrößenverteilungen verschiedener Praxisstäu- Partikelgrößen für die Auslegung wichtig.
be. Zum Vergleich wurden hierin auch zwei genormte Test- Bild 13-3 zeigt die Verschleißanteile verschiedener Parti-
stäube eingezeichnet, die bei Luftfilterversuchen im Labor kelgrößenbereiche als Verhältnis des Staubverschleißes zu
verwendet werden [13-1]. Sowohl die Staubkonzentrationen dem Grundverschleiß ohne Staubeinwirkung am Beispiel
als auch die Korngrößenverteilungen differieren je nach eines Kolbenringes in einem Dieselmotor. Die Staubkon-
Einsatzgebieten um Größenordnungen voneinander. Diese zentration der Ansaugluft beträgt 2,3 mg/m³. Die stärkste
Daten sind für die Auslegung von Luftfiltern für unter- Verschleißzunahme gegenüber dem Basisverschleiß ohne
schiedliche Anwendungsfälle wichtig; sie erlauben eine Staubzugabe bewirkt die 5- bis 10-µm- Fraktion, gefolgt von
Vorausschätzung der zu erwartenden Standzeiten. der 10- bis 20-µm-Fraktion. Ein Luftfilter muss deshalb
Staub, der mit der Ansaugluft in den Motor eintritt, ver- diese Fraktionen mit Sicherheit aus der Ansaugluft ausfil-
ursacht an gleitenden Systemen Abrieb. Kritische Stellen trieren.

Tabelle 13-1 Mittlere Staubkonzentrationen

Einsatzbedingungen in mg/m3

normaler europäischer Straßenverkehr 0,6


außereuropäischer Straßenverkehr 3
Gelände (Baustelleneinsatz) 8
Busse mit Heckansaugung im normalen europäischen Straßenverkehr 5
Busse mit Hecnansaugung im außereuropäischen Straßenverkehr 30
Baumaschinen (Radlader, Raupen) 35
landwirtschaftliche Schlepper im mitteleuropäischen Raum 5
landwirtschaftliche Schlepper im außereuropäischen Raum 15
Mähdrescher im Kolonnenbetrieb 35
430 13 Ansaug- und Abgasanlagen

Bild 13-1
Korngrößenverteilungen von Praxisstäuben.
Kurve a: auf Baustellen; Kurve b: auf unbefestigten
Straßen; Kurve c: auf befestigten Straßen;
Kurve d: auf außereuropäischen Staubstraßen;
Kurve e: bei sandsturmartigen Verhältnissen

Bei Motoren mit ATL ist zu beachten, dass neben dem Im Fahrzeugbau ist außerdem noch zu beachten, dass die
abrasiven Verschleiß durch Staubpartikel sich auch Ablage- Einbauräume knapp bemessen sind, sodass Größe und Bau-
rungen von Feinstaub auf den Wänden des Verdichters bil- form des Filters vielfach den Bauräumen angepasst werden
den können. Diese führen zu einer Verringerung des Wir- müssen. Weiterhin ist zu beachten, dass Luftfilter einer War-
kungsgrades des Verdichters [13-4]. Eine sehr feine Filte- tung bedürfen. Hierfür ist gute Zugänglichkeit zum Filter
rung, wie sie technisch durchaus möglich ist, lässt sich bei möglichst einfacher Handhabung vorzusehen.
i. Allg. aus Platz- und Kostengründen nicht durchführen.
Das Einspritzen von Flüssigkeiten während des Betriebs 13.1.2 Filtermaterialien und Leistungsdaten
stellt hierfür eine wirkungsvolle Maßnahme zur Reinigung
der Oberflächen im Verdichter von abgelagertem Feinstaub Als Filtermaterialien für Luftfilter werden überwiegend
dar. Faserstoffe auf der Basis von Zellulose und Kunststoffen ein-
Für die Filterauslegung werden Richtwerte für Abschei- gesetzt. Filter dieser Art haben meist auswechselbare Ele-
dungsgrad und Standzeit aus langjährigen Praxiserfahrun- mente und werden als Trockenluftfilter bezeichnet. Daneben
gen zugrunde gelegt, die guten Schutz vor Verschleiß und werden noch sog. Nassluft- und Ölbadluftfilter verwendet,
ausreichende Betriebsdauer ergeben. Missachtung dieser bei denen Öl einen wichtigen Part bei der Abscheidung der
Werte führte zu geminderten Abscheidleistungen und nicht Staubpartikel übernimmt. Die Abscheideleistungen dieser
genügender Staubkapazität. Dies ist dann besonders kri- Filter sind jedoch geringer als diejenigen der Trockenluftfil-
tisch, wenn die Motoren in staubreicher Umgebung betrie- ter. Dazu kommt noch, dass die Abscheidungsgrade abhän-
ben werden. gig vom Lastzustand sind. Bei abnehmendem Volumenstrom
13.1 Luftfilter 431

Bild 13-2 Verschleißminderung durch Luftfilterung an Bauteilen des Motors Bild 13-3 Kolbenringverschleiß durch verschiedene Staubpartikelfraktionen
[13-2] [13-3]

nimmt auch der Abscheidungsgrad ab. Nassluft- und Ölbad- Diese Leistungsdaten sind abhängig von der Struktur des
filter sind jedoch zu reinigen und benötigen bei der Wartung Filtermaterials, der Anströmgeschwindigkeit und dem zuge-
kein Austauschelement. lassenen Widerstandsanstieg während des Betriebs. Zusätz-
Trockenluftfilter haben einen in allen Lastbereichen lich ist für die Staubkapazität natürlich noch die Filterfläche
gleichbleibend hohen Abscheidungsgrad. Sie bieten eine maßgebend.
einfache Wartung durch Austauschen des Filterelements, Als Richtwerte für die Auslegung der Papierluftfilter mit
sind unabhängig von der Einbaulage und können flexibel an bewährten und vorwiegend verwendeten Materialien, haben
die Motorbetriebsbedingungen angepasst werden. sich aus der Praxiserfahrung folgende Daten ergeben:
Die Filterelemente der Trockenluftfilter bestehen aus Pkw: >2500 cm2/m3/min oder 200 cm2/kW,
technischen Spezialpapieren oder Vliesen mit genau festge- Nfz: >4000 cm2/m3/min oder 320 cm2/kW.
legten Zusammensetzungen, Faserstrukturen und Poren-
größen. Sie haben weltweit einen hohen und gleichmäßigen Je nach Einsatzgebiet, Motorentyp sowie Filtermaterial kön-
Qualitätsstandard und ein günstiges Preis/Leistungsverhält- nen diese Werte erheblich streuen, so dass sie nur Mittelwerte
nis. Die Filterleistung wird festgelegt durch den Fraktionsab- darstellen. Für Großmotoren gelten die gleichen Auslegungs-
scheidungsgrad, den Gesamtabscheidungsgrad, die Staub- kriterien wie für Nfz-Motoren. (Die Angabe der spezifischen
kapazität sowie den Durchflusswiderstand. Der Fraktionsab- Fläche in cm2/m3/min entspricht dem Kehrwert der An-
scheidungsgrad gibt den Prozentsatz an, zu dem eine strömgeschwindigkeit.)
bestimmte Partikelgröße abgeschieden wird, während der Bild 13-4 enthält für Pkw- und Nfz-Trockenluftfilter
Gesamtabscheidungsgrad den Prozentsatz der Abscheidung typische Funktionsdaten. Mit dem Ansaugvolumenstrom
aller Partikelgrößen, bezogen auf einen Teststaub, angibt. nimmt der Durchflusswiderstand quadratisch zu, der einen
Die Staubkapazität ist definiert als die Menge des Staubes, Anfangswert von 10 bis 30 mbar nicht übersteigen soll, um
die von einem Filter bis zu einem vorgegebenen Durchfluss- den Motorbetrieb nicht zu beeinflussen und Reservekapazi-
widerstand aufgenommen wird. Diese Begriffe sind in Nor- tät für die Staubabscheidung zu haben. Das rechte Dia-
men [13-5], [13-6] mit den dazugehörigen Prüfverfahren gramm liefert Angaben zum Gesamtabscheidungsgrad und
definiert. zur Staubkapazität des Filters. Diese Werte wurden durch
432 13 Ansaug- und Abgasanlagen

Bild 13-4 Typische Kennlinien von


Papierluftfiltern für Pkw und Nfz
(spezifische Filterflächen: 2500 bzw.
4000 cm²/m³/min)

13.1.3 Bauformen
Trockenluftfilter enthalten als zentrales Filterelement einen
auswechselbaren Filtereinsatz aus gefaltetem Filtermittel, das
zu einem Flach- oder Rundfilter mit den dazugehörigen
Dichtungen geformt ist. Das Filtermittel ist fast ausnahmslos
mit einem Kunstharz imprägniert, um ausreichende Festig-
keit gegenüber thermischen, mechanischen und chemischen
Beanspruchungen zu erhalten. Weiterhin sind zur mecha-
nischen Stabilisierung des Filterpapierbalges Abstandshalter
oder Rillen in die Papierfalten eingeprägt.
Bedingt durch die unterschiedlichen Einbau- und Anbau-
verhältnisse bei Pkw- und Nfz-Motoren unterscheiden sich
die Luftfilter im Aufbau. Das in Bild 13-5 dargestellte
Bild 13-5 Luftfilter für Personenkraftwagen
typische Pkw-Luftfilter besteht aus einem Rechteckgehäuse
aus Kunststoff (Polypropylen oder Polyamid) mit einem
rechteckigen flachen Papiereinsatz. Der Einbau des Filters
normgerecht durchgeführte Versuche [13-6] mit den ange- erfolgt unmittelbar am Motor oder im Seitenbereich des
gebenen Nenn-Volumenströmen und grobem SAE-Test- Motors als sog. Radkastenfilter. Die Filtereinsätze werden
staub bestimmt. Die kleineren spezifischen Flächen bzw. die nach Erschöpfung in dem von den Motorenherstellern fest-
höheren Anströmgeschwindigkeiten führen bei den Pkw- gelegten Wartungsintervall ausgewechselt. Für jeden Motor-
Luftfiltern zu geringeren Gesamtabscheidungsgraden und typ müssen Pkw-Luftfilter gesondert entwickelt und abge-
kleineren Staubkapazitäten. Diese sind jedoch ausreichend stimmt werden, um Leistung, Kraftstoffverbrauch, Drehmo-
für die speziellen Einsatzbedingungen des Pkw. Die kleinere mentverlauf und Ansauggeräuschdämpfung zu optimieren.
spezifische Flächenauslegung bei Pkw-Luftfiltern ist ein Auch für Nutzkraftfahrzeuge kommen vorwiegend Papier-
guter Kompromiss zwischen der notwendigen Filterfunk- luftfilter zum Einsatz; in einigen wenigen Fällen auch die
tion und den beengten Raumverhältnissen unter der Motor- weniger wirksamen, doch regenerierbaren Ölbadluftfilter.
haube von Pkw sowie den dort im Mittel herrschenden Sie sind trotz des geringeren Verschleißschutzes dann von
geringeren Staubkonzentrationen. Vorteil, wenn die Versorgung mit Ersatzeinsätzen nicht ge-
sichert ist (s. Abschn. 17 u. 18).
Der prinzipielle Aufbau eines Ölbadluftfilters ist aus Bild
13-6 zu ersehen. Über ein zentrales Mittelrohr wird die Luft
13.1 Luftfilter 433

Bild 13-6 Ölbadluftfilter für Dieselmotoren

angesaugt und durch ein Ölbad im unteren Teil des Filterge-


häuses nach Umlenkung um 180° nach oben in die Filterfül-
lung geleitet. Die Luft durchströmt dabei den unteren ölbe-
netzten und danach den oberen trockenen Bereich der Fil-
terfüllung zum Reinluftaustritt. Damit erreicht man einen Bild 13-7 Kombinationsluftfilter für Nutzkraftfahrzeuge (MANN & HUM-
Abscheidungsgrad von 99% bei Volllast mit abnehmender MEL)
Tendenz im Teillastbereich.
Die Auslegung der Ölbadluftfilter muss genau auf die
Ansaugluftmenge des Motors abgestimmt sein. Eine Über-
bzw. Unterdimensionierung führt zu Ölmitreißen bzw. zu
geringeren Abscheidungsgraden. Die Auslegung und Sie kann durch als sog. Kleinzellen bezeichnete Vorzyklone
Anbaurichtlinien der Hersteller sind deshalb korrekt zu noch gesteigert werden, die sowohl vor Trocken- als auch
beachten. vor Ölbadluftfilter angeordnet werden können. Damit sind
Eine Standardausführung eines Trockenluftfilters für Nfz Vorabscheidegrade bis zu 95% erreichbar. Ein Beispiel eines
ist in Bild 13-7 dargestellt. Sie enthält ein zylindrisches einfachen Standard-Vorzyklons für Nfz-Motoren ist in Bild
Papierelement mit einem im Gehäuse integrierten Zyklon 13-8 dargestellt. Er wird auf das Rohluftrohr des Luftfilters
zur Verlängerung der Standzeit und damit des Wartungsin- aufgesteckt bzw. befestigt und sammelt den ausgetragenen
tervalls. Die Luft wird im Zyklon über einen Leitschaufel- Staub in einen umgebenden durchsichtigen Behälter.
kranz in Rotation versetzt, wobei ein Großteil des Grob- Für größere stationäre Dieselmotoren, die in geschlos-
staubes infolge der Fliehkräfte ausgeschieden wird. Der senen Räumen oder auf Schiffen betrieben werden, ist die
vorabgeschiedene Staub gelangt über Staubaustragventile Staubbelastung relativ gering. In diesen Fällen begnügt man
ins Freie oder wird in einem Staubsammelbehälter aufgefan- sich mit einfachen Nassluftfiltern: Ein von außen nach
gen. Welche Möglichkeit jeweils geeigneter ist, hängt von innen durchströmter zylindrischer Filterkörper aus Stahlge-
der Pulsation der Ansaugluft ab. Bei stärkeren Pulsationen strick, Streckmetall oder Kunststoffe wird zur Erhöhung der
haben sich Staubaustragventile als einfache und gute Lösung Wirksamkeit mit Öl benetzt. In neuerer Zeit werden auch
erwiesen. Die Vorabscheidungsgrade einfacher Zyklone bei stationären Dieselmotoren vermehrt Trockenluftfilter in
erreichen 85%, bezogen auf Staub nach SAE grob. Das ent- gleicher Bauweise wie für Nfz-Motoren wegen ihrer hohen
spricht einer Standzeitverlängerung um etwa das Vierfache. Abscheideleistung eingesetzt.
434 13 Ansaug- und Abgasanlagen

einer entsprechenden Dämpfungskurve für ein Pkw-Luftfil-


ter zeigt Bild 13-9.
Hierin sind sowohl der theoretische Verlauf als auch zwei
gemessene Verläufe dargestellt. Die auftretende Resonanz-
frequenz f0 hängt gemäß der Beziehung

von der Schallgeschwindigkeit c der Luft, vom Volumen V


des Resonators, der Länge l und dem mittleren Querschnitt
S des Ansaugrohres ab. Bei Resonanz wird der Schall ver-

stärkt, ab f = f0 √2 nimmt die Dämpfung mit steigender Fre-
quenz zu. Um eine möglichst gute Dämpfung zu erreichen,
muss f0 möglichst unterhalb der im Betrieb auftretenden
Frequenzen liegen. Das kann mit einer Vergrößerung des
Luftfiltervolumens, mit Verkleinerung des Ansaugquer-
schnitts oder mit einer Verlängerung des Ansaugrohres er-
reicht werden [13-8].
Bild 13-8 Zyklon- Vorabscheider für Nutzkraftfahrzeuge
Als Richtwert für Viertaktmotoren gilt, dass das Volumen
eines Dämpferfilters wenigstens das Fünfzehnfache, besser
13.1.4 Ansauggeräuschdämpfung noch das Zwanzigfache des Hubvolumens eines Zylinders
betragen soll. Damit werden i. Allg. Dämpfungen von 10 bis
Die Dämpfung des Ansauggeräusches von Dieselmotoren in 20 dB(A) erreicht. Die Verengung des Ansaugquerschnittes
Pkw und Nfz ist eine wichtige Maßnahme zur Erfüllung der und die Verlängerung des Ansaugrohres stoßen wegen der
gesetzlichen Auflagen hinsichtlich des Fahrzeug-Gesamtge- Widerstandserhöhung bzw. der Raumverhältnisse schnell an
räusches. Auch aus Gründen des Fahrkomforts ist es notwen- Grenzen.
dig, das Innengeräusch, das durch das Ansauggeräusch sehr Das Ansauggeräusch eines Dieselmotors kann bis zu
stark beeinflusst wird, im Pegel möglichst niedrig zu halten. 100 dB(A) betragen. In Bild 13-10 ist das ungedämpfte
Die Dämpfung des Ansauggeräusches erfolgt dadurch, Ansauggeräusch eines Nfz-Dieselmotors der erreichten Ver-
dass das Luftfilter als Reflexionsschalldämpfer in der speziel- besserung mit einem Standardluftfilter gegenübergestellt.
len Form des Helmholtz-Resonators ausgebildet ist. Ein Es lassen sich weitere Verbesserungen erzielen, wenn
Helmholtz-Resonator besteht aus einer Dämpferkammer mit Länge und Anordnung der Ansaugleitung sowie die Abmes-
angeschlossenem Rohrstück. Den charakteristischen Verlauf sung des Filtergehäuses aufeinander abgestimmt werden.

Bild 13-9
Schalldämpfung eines Ansauggeräuschdämpfers
(Helmholtz-Resonator)[13-7]. Kurve a: theore-
tischer Dämpfungsverlauf (f0 = 66 Hz); Kur-
ve b: gemessener Dämpfungsverlauf bei kleiner
Schallenergiedichte ohne Gleichströmung (Laut-
sprechermessung); Kurve c: gemessener Dämp-
fungsverlauf bei großer Schallenergiedichte mit
Gleichströmung (Messung am Motor)
13.2 Abgasanlagen 435

Die erreichte zusätzliche Dämpfung ist für das dargestellte sich häufig auch so in das Luftfiltergehäuse integrieren, dass
Beispiel ebenfalls aus Bild 13-10 zu entnehmen. platzsparende und kostengünstige Lösungen entstehen.
Die Wirkung eines Luftfilterdämpfers kann durch zusätz-
lich auftretende Resonanzen im Filtergehäuse oder im 13.2 Abgasanlagen
Ansaugrohr erheblich beeinträchtigt werden (s. Bild 13-9).
In diesen Fällen, in denen das Luftfilter allein nicht mehr das
13.2.1 Aufgaben und grundsätzlicher Aufbau
gewünschte Maß an Ansauggeräuschdämpfung erbringt,
werden zusätzliche Geräuschdämpfer verwendet. Die akus- Abgasanlagen übernehmen im Kraftfahrzeug im Wesent-
tischen Eigenschaften der hierfür geeigneten wichtigsten lichen drei Aufgaben:
Schalldämpfertypen sind in Tabelle 13-2 aufgelistet. Mit – Abführung des bei der Verbrennung des Kraftstoff-
solchen Zusatzschalldämpfern lassen sich störende Einzel- Luftgemisches im Motor entstehenden heißen Abgases ins
geräusche sehr gezielt angehen und dämpfen. Diese lassen Freie,

Bild 13-10
Ansauggeräusch eines Sechszylinder-
Nfz-Dieselmotors von 147 kW [13-9]

Tabelle 13-2 Akustische Eigenschaften der wichtigsten Schalldämpferarten

Dämpferart Eigenschaften
Absoprtionsdämpfer breitbandig; geeignet für mittleren und höheren Frequenzbereich von ca. 300 bis 5000 Hz
Drosseldämpfer breitbandig; geeignet für mittleren und höheren Frequenzbereich
Reihenresonator schmalbandige Dämpfung im Bereich oberhalb der Resonanzfrequenz f0; geeignet für Frequenzen bis etwa 500 Hz
Abzweigresonator schmalbandige Dämpfung im Bereich oberhalb der Resonanzfrequenz f0; geeignet für tiefe und mittlere Frequenzen; Parallel-
schaltung verschieden abgestimmter Resonatoren mögliche
Pfeifenresonator schmalbandige Dämpfung bei den Frequenzen f = C (2m + 1)/4 l; m = 0, 1, 2, …l =
Interferenzdämpfung sehr schmalbandige Dämpfung bei den Frequenzen f = C (2m + 1)/4 l; m = 0, 1, 2, …l =
durch Umwegleitung Weglängendifferenz; sehr hohe Dämpfungswerte mögliche
436    13 Ansaug- und Abgasanlagen

– Reinigung des Abgases von schädlichen chemischen gung ein für die Entwicklung typischer Optimierungspro-
Komponenten und Partikeln, zur Erfüllung der gesetzlichen zess der von folgenden z. T. konträren Parametern beein-
Anforderungen, flusst wird:
– Dämpfung des Abgasgeräusches auf das gesetzliche – Gegendruck und damit Motorleistung,
Mindestmaß [13-12] und darüber hinaus Gestaltung im – Schalldämpfervolumen und -gewicht,
Sinne des vom Kunden gewünschten Sound Designs. – Schalldruckpegel an der Mündung sowie
– auch von den Systemkosten.
Hierfür sind bei den Abgasanlagen folgende Komponenten
vorgesehen:
– Abgaskrümmer zur Zusammenfassung der Abgase nach 13.2.2 Mündungsgeräuschdämpfung
Austritt aus den Ventilen,
– Katalysatoren und Diesel-Partikelfilter (DPF) zur Ab­­ 13.2.2.1 Allgemeine Zusammenhänge
gasnachbehandlung, s. Abschn. 15.5,
– Schalldämpfer zur Minderung und Beeinflussung des Die Hauptursache des Abgasgeräuschs liegt im pulsieren­
Abgasgeräusches, den Gasausstoß aus den Zylindern. Dabei entsteht in Ab­
– Verrohrung zur Führung des Abgases bis zum Auslass in hängigkeit von der Zündfolge der Zylinder und durch Lauf-
die Umgebung. zeitunterschiede im jeweiligen Abgaspfad ein spezifisches
Frequenzspektrum. Man spricht hierbei von Motorord-
Bei Motoren mit Abgasrückführung (AGR), s. Abschn. 15.4, nungen (MO). Für einen einzelnen Zylinder ist im Viertakt-
wird zusätzlich ein Abgasrückführventil in die Abgasanlage motor die 0.5te MO dominierend, da das Kraftstoff-Luft-Ge-
integriert. Bei Dieselmotoren mit Abgasturbolader (ATL), misch bei jeder zweiten Kurbelwellenumdrehung gezündet
dient der Abgaskrümmer auch als Zuströmkanal zur Abgas- und anschließend ausgestoßen wird. Beim Mehrzylindermo-
turbine. tor addieren sich diese Ordnungen der einzelnen Zylinder.
Abgas- wie Ansauganlage haben über den Ladungswech- Somit dominiert die 2. MO bei Vierzylindermotoren, die
sel erheblichen Einfluss auf die Motorleistung bzw. das 3. MO bei Sechszylindermotoren usw. Diese jeweils domi-
Drehmoment. Hierbei sind besonders die ersten Reflexio­ nierende MO wird auch Zündfrequenz genannt. Der Klang-
nen der beim Auslassvorgang entstehenden Druckwellen an charakter wird nun grundlegend durch das Amplitudenver-
motornahen Rohreinbauten wie Abgaskrümmer und Kata- hältnis der Motorhauptordnung (Zündfrequenz) und den
lysatoren von Einfluss und verlangen eine sorgfältige Nebenordnungen (halbe, gerade und ungerade MO) be-
Abstimmung. stimmt. Dieses Verhältnis ist seinerseits abhängig von der
Der Abgasgegendruck soll bei Dieselmotoren mit ATL ein Zündfolge und der akustischen Ausbreitung der Geräusch-
gewisses Maß nicht überschreiten, s. Abschn. 2.2, so dass beiträge der einzelnen Zylinder bis zu einer gemeinsamen
hier besonders auf einen niedrigen Strömungswiderstand zu Abgasführung, also insbesondere vom Krümmer. Die Fre-
achten ist. Das betrifft auch die Abgas­schalldämpfer. Daher quenz der Wechseldruckschwankungen infolge von MO ist
werden bei sehr leistungsstarken Motoren mit entspre­chend stets direkt proportional der Motordrehzahl.
starkem Abgasmassen­strom mitunter zweiflutige Abgas- Bild 13-11 zeigt den Frequenzverlauf der Motorord-
und Schalldämp­feranlagen einge­setzt. Dies bedeutet, dass nungen MO eines Viertaktmotors. Eine Drehzahl von
das Abgas entweder schon vom Krümmer an durch zwei 3000 U/min eines Viertaktmotors entspricht somit bei der
Rohrstränge geführt wird, z. B. bei V-Motoren, oder es fin- 1. MO oder auch Drehfrequenz von hier 50 Hz sowie bei
det im mittleren Bereich der Abgasanlage z. B. im Mittel- einem 4-Zylinder-Motor einer Zündfrequenz von 100 Hz.
schalldämpfer (MSD) eine Auftrennung des Abgasstromes Insgesamt liefern bei einem typischen Fahrzeug-Dieselmo-
statt. In diesen Fällen wird das Abgas meist 2 Nachschall- tor die MO wesentliche Beiträge zum Mündungsschall nur
dämpfern (NSD) zugeführt. in einem Frequenzbereich von etwa 30 bis 600 Hz.
Die unterschiedliche Gasführung hat jedoch wiederum Weiterhin entstehen beim Ausstoß sowie der Weiterlei-
erheblichen Einfluss auf das akustische Übertragungsver- tung des Abgases jedoch auch erhebliche Strömungsge-
halten der Abgasanlage. Die schalltechnische Auslegung räusche, die ebenfalls bedämpft werden müssen. Diese sind
wird darüber hinaus in den meisten Fällen durch die Platz- durch eine spektrale Breitbandigkeit gekennzeichnet und
verhältnisse am Fahrzeugunterboden erschwert, da die Lage reichen im Unterschied zu den Pulsationsgeräuschen auch
und maximale Größe der Schalldämpfer häufig bereits zu in den hohen Frequenzbereich bis etwa 10 kHz. Grundsätz-
Beginn der Entwicklung vorgegeben ist. Die Funktionsent- lich ist die Stärke von Strömungsgeräuschen überproportio-
wicklung einer Abgasanlage ist daher neben der Abgasreini- nal an die Strömungsgeschwindigkeit gekoppelt. Durch
13.2 Abgasanlagen 437

Bild 13-11
Motorordnungen bei 4-Taktmotoren

Vermeidung zu hoher Gasgeschwindigkeiten in Rohren, ment (DoE) und Verknüpfung diverser Softwaretools, ist
Umlenkungen und beim Ein- und Ausströmen kann man heute eine automatisierte akustische Auslegung von Abgas-
daher diesen Geräuschanteil schon an der Quelle wirkungs- anlagen Stand der Technik in der Entwicklung [13-15].
voll absenken. Beim Aufbau von Schalldämpfern unterscheidet man
Insgesamt bildet die Abgasanlage an einem Verbrennungs- grundsätzlich nach den physikalischen Prinzipien der
motor mit allen Rohren und angekoppelten Volumen der Absorption und Reflexion. Weiterhin werden Schalldämpfer
Schalldämpfer und Katalysatoren ein schwingungsfähiges jedoch auch danach unterteilt, ob sich die akustische Wir-
System mit zahlreichen akustischen und mechanischen kung durch ein Schaltelement während des Betriebs ändert
Eigenresonanzen. Die geometrische Lage der Schalldämpfer (semiaktive Schalldämpfer) oder der Schall direkt mit einem
ist dabei für die Lage der Eigenfrequenzen und die Höhe der
Dämpfung von großer Bedeutung [13-13]. Häufig betrach-
tet man zur Analyse des Mündungsgeräusches nur noch die
wichtigen Ordnungen und trägt die Pegel der Ordnungen in
Abhängigkeit von der Drehzahl auf. In Bild 13-12 sind für
alle Drehzahlen und Frequenzen die Schalldruckpegel eines
6-Zylinder-Dieselmotors als Campell-Diagramm dargestellt.
Hier erkennt man sehr schön die wesentlichen Motorordnun-
gen 3, 6 und 9 als dunkle Bereiche sowie eine schwache,
durch Strömungsgeräusche angeregte Resonanz bei etwa
1000 Hz.
Die gezielte Abstimmung der Eigenfrequenzen der gesam-
ten Abgasanlage geschieht heute bei Pkw durch computer-
gestützte Berechnungen. Entsprechende kommerziell erhält-
liche Softwarepakete gestatten die Modellierung von
Ansauganlage, Verbrennungsmotor und Abgasanlage sowie
die Berechnung des Ladungswechsels innerhalb einer
Anwendung [13-14]. Als Ergebnisse stehen u. a. die Tempe-
raturen und Drücke in der Abgasanlage sowie der Mün-
dungsschall in jedem interessierenden Motorbetriebspunkt Bild 13-12 Campbell-Diagramm des Schalldruckpegels gemessen an der
(Drehzahl und Last) zur Verfügung. Durch konsequente Mündung eines typischen 6-Zylinder-Dieselmotors
Nutzung statistischer Verfahren, wie z. B. Design of Experi-
438 13 Ansaug- und Abgasanlagen

Schallerzeuger durch Wellenüberlagerung ausgelöscht wird Reflexions-Schalldämpfer und einer Kombination aus bei-
(aktive Schalldämpfer). Unter diesen Gesichtspunkten wer- den Prinzipien. Durch die Formgebung der Perforation und
den konventionelle Absorptions- und Reflexions-Schall- die Führung des Rohres durch die Wolle wird dafür Sorge
dämpfer auch als passive Schalldämpfer bezeichnet. Ande- getragen, dass das Material von der Pulsation des Abgases
rerseits funktionieren semiaktive und aktive Schalldämpfer trotz der hohen Strömungsgeschwindigkeiten nicht ausge-
letztlich nach dem Reflexionsprinzip. blasen werden kann. Gelegentlich schützt man die Mineral-
wolle mit einer Lage Edelstahlwolle um das perforierte
13.2.2.2 Absorptions-Schalldämpfer Rohr. Auf Grund der breitbandigen Wirkung im mittleren
und hohen Frequenzbereich werden Absorptions-Schall-
Von Absorption spricht man in der Akustik, wenn Schall- dämpfer besonders zur Reduzierung von Strömungsge-
energie durch Reibung der Gasmoleküle untereinander räuschen eingesetzt.
oder an Strukturen in Wärme umgewandelt wird. Die Rei-
bung zwischen den Gasmolekülen ist in Luft relativ gering, 13.2.2.3 Reflexions-Schalldämpfer
so dass die sog. Luftabsorption meist vernachlässigbar ist.
Die Reibung an Strukturen ist umso größer, je größer die Schalldämpfer dieser Bauart bestehen aus verschieden lan-
Oberfläche des Materials ist. Poröse und faserige Materi- gen Kammern, die durch Rohre miteinander verbunden
alien wie z. B. Wolle und Schaum absorbieren daher beson- sind. Die Querschnittssprünge zwischen Rohren und Kam-
ders gut, weil die Luftteilchen gut in das Material eindringen mern, sowie die Umlenkungen des Abgases und die sich aus
und an den vielen dünnen Fasern bzw. vielen kleinen Poren den Verbindungsrohren mit den Kammern bildenden Reso-
stark reiben. Die Wirksamkeit dieses akustischen Effekts natoren produzieren eine besonders für tiefe Frequenzen
wird mit dem Absorptionsgrad gemessen, der als Verhältnis wirksame Dämpfung. Jede Umlenkung und jedes Ein- und
der absorbierten zur auftreffenden Schallleistung definiert Ausströmen im Reflexions-Schalldämpfer verursacht aber
ist. einen höheren Abgasgegendruck und bedingt i. d. R. daher
Im Allgemeinen nimmt die Absorption ebenso wie die einen höheren Leistungsverlust als Absorptionsdämpfer mit
Schalldämpfung von tiefen zu hohen Frequenzen zu. Als gerade geführter Strömung.
Absorptionsmaterial dient manchmal Glaswolle; wegen der Auch Katalysatoren und Partikelfilter müssen als akus-
besseren Temperaturbeständigkeit wird aber meist eher tische Elemente angesehen und angepasst werden. Durch
langfaserige Basalt- oder Steinwolle mit einer Stopfdichte geschickte Formgebung der Einströmtrichter des Katalysa-
von etwa 100 Gramm pro Liter Volumen verbaut. tors, wobei auch die Rohrführung vor dem Element berück-
Bild 13-13 zeigt den typischen Aufbau eines gestopften sichtigt werden muss, erreicht man eine gleichmäßige
Absorptionsschalldämpfers, durch den ein perforiertes Beaufschlagung bei gleichzeitiger Steigerung von Dauerhalt-
Rohr führt, im Unterschied zu einem konventionellen barkeit und Wirksamkeit.

Bild 13-13
Prinzipieller Aufbau von Schalldämpfern
13.2 Abgasanlagen    439

Zur Beseitigung einer besonders störenden tieffrequenten 13.2.2.4 Semiaktive Schalldämpfer


Resonanz im Mündungsgeräusch einer Schalldämpferanla-
ge (z. B. Anfahrbrummen) werden wie in der Ansauganlage Eine gute akustische Dämpfungswirkung kann man durch
Abzweig- oder auch Saugresonatoren nach dem Helmholtz- teilweises Versperren des Strömungsweges erreichen. Ver-
Prinzip eingesetzt. Hierbei wird über einen seitlichen, nicht schließt man z. B. durch eine Abgasklappe (Bild 13-15) eines
vom Gas durchströmten, Anschluss am gasführenden von zwei Schalldämpferendrohren, dann sinken die tieffre-
Hauptrohr Schallenergie in ein abgedichtetes Volumen quenten Mündungsgeräusche im Vergleich zu einer Anlage
geführt, dort zwischengespeichert und anschließend zeit- ohne Abgasklappe um bis zu 10 dB, was einer Halbierung
versetzt dem Hauptgasstrom wieder zugesetzt. Bei der Reso- der empfundenen Lautstärke entspricht. Tieffrequente
nanzfrequenz ist der Zeitversatz genau so groß, dass sich Mündungsgeräusche treten hauptsächlich bei Stadtfahrten
beide Schallwellen auslöschen. Die Strömungsgeschwindig- und verstärkt im Schubbetrieb auf (etwa vor Ampeln). Bei
keit wirkt sich beim Helmholtz-Resonator allerdings negativ hoher Drehzahl und Last (z. B. schnelle Fahrt auf der Auto-
auf die Wirkung aus. Sie können daher nur an Stellen mit bahn), wenn ohnehin Roll- und Fahrgeräusche überwiegen,
niedriger Geschwindigkeit angebracht werden. Da der steht jedoch die Verringerung des Abgasgegendrucks im
Helmholtz-Resonator nur bei einer Frequenz wirkt, steht Vordergrund. Dazu wird die Klappe geöffnet. Das Gas
das Volumen nicht für die Dämpfung anderer Frequenzen strömt dann durch beide Endrohre, das Strömungsgeräusch
bzw. bei anderen Drehzahlen zur Verfügung, s. Abschn. wird reduziert, der Abgasgegendruck sinkt und der Motor
13.1. Hinzu kommt, dass für seine Wirkung meist eine recht kann seine volle Leistung entfalten. Es gibt über Druck und
hohe Dichtigkeit erforderlich ist, so dass dieses Prinzip nur Strömung selbstgesteuerte Klappen und extern angesteuerte
in Problemfällen eingesetzt wird. Bild 13-14 stellt den fikti- Klappen. Diese externe Ansteuerung erfolgt über eine
ven Aufbau eines konventionellen, passiven Schalldämpfers Schnittstelle zur Motorelektronik. Dadurch ist diese Tech-
mit diversen Möglichkeiten zur Schalldämpfung dar. nologie deutlich ­ flexibler in der last- und drehzahlabhän-

Bild 13-14
Fiktiver Schalldämpfern zur Darstellung von
verschiedenen passiven Dämpfungsmechanis-
men
440    13 Ansaug- und Abgasanlagen

sich schnell ändernden Drehzahlen und Lastzustände des


Motors den Einsatz eines prozessorgestützten Reglers (Con-
troller). Mit neu entwickelten leistungsfähigen und preis-
werten Schallwandlern sind auf diesem Gebiet jedoch
wesentliche Forschritte bei Kfz erzielt worden [13-16].
Da­rüber hinaus kann man feststellen, dass sich diese Tech-
nologie auf Grund der bei Dieselmotoren im Vergleich zu
Benzinmotoren i.  Allg. geringeren Abgastemperaturen
besonders anbietet.
Ein weiteres Problem wurde durch Fortschritte in der
Mikroelektronik und deren massenhafter Verbreitung in
der Fahrzeug- und Konsumgüterindustrie in den letzten
Jahrzehnten gelöst: Die nötige Controller-Hardware ist
inzwischen derart klein und leistungsfähig, dass sie
z. B. in heute übliche Motorsteuergeräte integriert werden
kann oder als kleines separates Steuergerät mit diesem
Bild 13-15 Aktiv geschaltete Abgasklappe an einem Endrohr eines Nach- über ein Standardbus (CAN, MOST) kommuniziert (Bild
schalldämpfers 13-16).
Neben der Auslöschung von Schallwellen und somit der
reinen Schalldämpfung kann das ANC-System auch
bestimmte – zum Beispiel angenehme Frequenzen (Motor-
gigen Wahl des Umschaltpunktes. Somit bieten sich erheb- ordnungen) – anheben, um ein gewünschtes Klangbild
lich mehr Möglichkeiten der kennfeldabhängigen Soundge- (Sound Design) zu erzielen. So lassen sich auch Fahrzeuge
staltung. Außerdem ist der durch eine extern gesteuerte mit unattraktivem oder unauffälligem Sound akustisch
Klappe verursachte Gegendruck meist geringer, als bei einer aufwerten. Dies geschieht allein über Softwareeinstellun-
durch die Strömung betätigten Klappe. Selbstverständlich gen. Im Gegensatz zu konventionellen Abgasanlagen mit
ist aber auch der technische Aufwand erheblich größer als passiven Schalldämpfern kann dadurch in Zukunft das
bei selbst gesteuerten Klappen, weshalb sie nur in anspruchs- Abgasgeräusch in gewissen Grenzen unabhängig vom
vollen Applikationen zum Einsatz kommen. Motor, dem Fahrzeugtyp und/oder der Fahrsituation adap-
tiert werden.
13.2.2.5 Aktive Schalldämpfer (ANC)

Das Wirkprinzip von aktiver Lärmbekämpfung (englisch:


active noise control – ANC) ist einfach: Zu den störenden
Schallwellen erzeugt man gezielt ein negatives Spiegelbild
und überlagert beide Anteile an einem Punkt. In der Folge
löschen sich die Schallwellen gegenseitig aus. Grundsätzlich
eignet sich diese Technologie besonders zum Einsatz
in Schalldämpfern, da man die Ausbreitung der Wellen
dort gut vorhersagen kann und es sich hauptsächlich um
tieffrequente Geräusche handelt. Ein Lautsprecher dient
­dabei meist als Quelle des gegenphasigen Geräuschs. Für
die zeitliche Koordinierung und richtige Stärke des Anti-
schalls muss eine verlässliche und schnelle Elektronik
­sorgen.
Um die Funktionsfähigkeit eines Anti-Schallsystem
sicherzustellen, müssen aber einige grundsätzliche Probleme
gelöst werden: Die in Abgasanlagen herrschenden Umge-
bungsbedingungen (Hitze, Feuchtigkeit, hohe Schalldruck-
pegel) beeinträchtigen die Lebensdauer des Lautsprechers, Bild 13-16 Prinzipschaltbild der ActiveSilence-Technologie™
der das Gegengeräusch erzeugt. Außerdem erfordern die
13.2 Abgasanlagen    441

13.2.3 Körperschallabstrahlung von Abgasanlagen Abgasanlage hat neben der Ansauganlage einen wesentlichen
Einfluss auf den akustischen Gesamteindruck eines Fahr-
zeugs. Dies gilt im Außenbereich für Passanten ebenso wie
Neben dem Schall aus der Endrohrmündung strahlt eine Ab- im Innenraum für Fahrer und Insassen des Automobils. Auf
gasanlage auch über ihre Oberfläche Schall ab. Diese Körper- Grund des geforderten Geräuschkomforts sowie der gesetz-
schallabstrahlung wird durch Vibrationen hervorgerufen, lichen Anforderungen sind einer simplen Anhebung der
die ihrerseits durch mechanische Anregung vom Motor oder Lautstärke zur Betonung der Sportlichkeit klare Grenzen ge-
dem Turbolader erzeugt werden können oder über die pul- setzt. Bei den Herstellern von Abgasanlagen beschäftigt man
sierende Gassäule erzwungen werden. Die Weiterleitung von sich daher umfassend damit, wie bei gleichem oder ähn-
Körperschall, der vom Motor oder dem Turbolader über lichem Pegel ein besonders ausgeprägter Klang­eindruck ent-
Rohre zu den Schalldämpfern gelangt, kann durch Körper- steht [13-17]. Im Rahmen eines gezielten Sound Designs
schall-Entkopplungselemente im motornahen Bereich wir- wird das Geräusch von Abgasanlagen in intensiven Hörver-
kungsvoll unterdrückt werden. Zur Reduzierung der Ab- suchen im Soundstudio schrittweise optimiert. Um den
strahlung von Körperschall über den Mantel eines Gehäuses Wünschen der potenziellen Kunden möglichst weitgehend
(Schalldämpfer, Katalysator, Diesel-Partikelfilter) bestehen zu entsprechen, sind die Anforderungen der Automobilher-
technisch mehrere Möglichkeiten: steller je nach Positionierung im Marktsegment sowie Mo-
– Erhöhung der Wandstärke des Bleches, tor- und Fahrzeugtyp stark differenziert. Im Gegensatz zu
– Verwendung von Doppelblech sowie Benzinmotoren sind dem Sound Design mit Abgasanlagen
– Optimierung der äußeren Gestalt. bei Dieselmotoren jedoch enge Grenzen gesetzt, da durch
den häufig verwendeten Abgasturbolader sowie den für die
Eine dickere Wand führt infolge der Massenerhöhung und Abgasreinigung nötigen Diesel-Partikelfilter (DPF) der Gas-
Versteifung der Struktur meist auch zu einer Verringerung pulsation emotional interessante Geräuschkomponenten
der Körperschallabstrahlung. Damit wird aber stets die Ab- genommen werden. Dies stellt bis heute ein nicht zu unter-
gasanlage schwerer und teurer, so dass man von dieser Mög- schätzenden Hinderungsgrund zur Einführung von Diesel-
lichkeit nur ungern Gebrauch macht. Bei Doppelblech motoren in sportlichen Pkw dar.
kommt es auf Grund der bei Schwingungen auftretenden Re-
lativbewegung zwischen den zwei Blechlagen zu Reibung, 13.2.5 Bauformen
die ebenfalls die Körperschallabstrahlung mindert. Teilweise
wird zur thermischen Isolierung sowie zur weiteren Verbes- Abgasanlagen im Pkw sind je nach Fahrzeugart, Motorisie-
serung der Entkoppelung beider Lagen auch eine Vlieslage rung und Unter­boden­ recht unterschiedlich aufgebaut. Bild
eingebracht. Diese Lösung ist jedoch technisch aufwendig 13-17 zeigt oben eine einflutige Anlage eines für einen 4-Zy-
und mechanisch nicht so stabil wie Einfachblech. Bei Schall- linder-Diesel-Motor mit dem vom Turbolader kommenden
dämpfern, die aus Halbschalen gefertigt sind, kann die Opti- Vorrohr, Katalysator, luftspaltisoliertem Zwischenrohr, DPF
mierung der äußeren Form zu einer Vermeidung von hör- und einem größeren Nach-Schalldämpfer. Der DPF über-
baren Strukturresonanzen beitragen. Dabei sind jedoch häu- nimmt hier gleichzeitig die Funktion des Mittel-Schalldämp-
fig Kompromisse bezüglich der Bauraum­aus­nutzung, der fers. Das Zwischenrohr ist isoliert, um das Abgas mit mög-
Dauerhaltbarkeit und der Herstellbarkeit der Werkzeuge ein- lichst hoher Temperatur dem DPF zuzuführen, weil dadurch
zugehen. Somit verbleibt es eine jeweils im Einzelfall zu lö- eine thermische Regeneration des mit Ruß beladenen Filters
sende Entwicklungsaufgabe, welcher der genannten Lö- einfacher möglich ist. In der unteren Hälfte ist eine zweiflu-
sungen der Vorzug zu geben ist. tige Abgasanlage eines V8-Biturbolader-Motors dargestellt.
Durch die Strangtrennung sind jeweils zwei Katalysatoren,
13.2.4 Sound Design Dieselpartikelfilter und Nachschalldämpfer vorgegeben.
Statt des Mittel-Schalldämpfers gibt es lediglich eine kleine
Neben technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten Übersprechstelle im Mittelteil der Abgasanlage.
spielen beim Kauf eines Automobils auch emotionale As- Eine besonders innovative Lösung für eine kompakte
pekte eine erhebliche Rolle. Diese Emotionen werden über Abgasanlage eines Kleinwagens mit 3-Zylinder-Diesel-
die sinnliche Erfahrung wie zum Beispiel den empfundenen Motor zeigt Bild 13-18. Hier wurden der Katalysator, DPF
Klang angesprochen. Bei hochwertigen Produkten insbeson- und der Schalldämpfer in ein Gehäuse integriert.
dere mit ausgeprägt sportlichem Charakter kommt es daher Prinzipiell sind Abgasanlagen für Nutzfahrzeuge ähnlich
darauf an, sich auch im „Sound“ positiv von Fahrzeugen an- denen von Pkw aufgebaut. Da aber die verwendeten Motoren
derer Hersteller abzuheben. Das Mündungsgeräusch einer üblicherweise hubraumstärker sind, haben die Schalldämp-
442    13 Ansaug- und Abgasanlagen

Bild 13-17 Aufbau von zwei Abgasanlagen für Pkw mit 4- und 8-Zylinder-Dieselmotor

große Oberfläche dieser Schalldämpfer kann hier neben


dem Mündungsgeräusch selbst die Körperschallabstrahlung
eine Rolle beim gesetzlich limitierten Vorbeifahrtgeräusch
spielen.

Literatur
13-1 Erdmannsdörfer, H.: Trockenluftfilter für Fahrzeug-
motoren – Auslegungs- und Leistungsdaten. MTZ 43
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SAE Journal 1952, S. 18–26
13-3 Thomas, G.E.; Culbert, R.M.: Ingested Dust, Filters
and Diesel Engine Ring Wear. SAE Paper 680536
Bild 13-18 Aufbau einer extrem kompakten Abgasanlage für einen kleinen (1968)
Pkw mit 3-Zylinder-Dieselmotor 13-4 Schropp, G.: Versuche über Entstehung und Auswir-
kung der Verschmutzung in Verdichtern. Brown
Boveri Mitteilungen Bd. 55, Nr. 8
13-5 DIN 71450: Filter für Kraftfahrzeuge und Verbren-
fer größere Volumen von bis zu 1000 Liter. Allerdings sind nungsmotoren: Begriffe für Filter und Komponen-
auch hier den Dimensionen der Schalldämpfer durch die ten. Deutscher Normenausschuß (Hrsg.), Ausgabe
Platzverhältnisse im Fahrzeug Grenzen gesetzt. Da die (1990) 5
gesetzlich vorgeschriebenen Geräuschgrenzwerte für Nutz- 13-6 Entwurf DIN ISO 5011: Luftfilter für Verbrennungs-
fahrzeuge über denen von Personenkraftwagen liegen, und motoren und Kompressoren; Prüfverfahren. Deut-
das akustische Verhalten sich erheblich von Personenwagen scher Normenausschuß (Hrsg.), Entwurf (1992) 5
unterscheidet, reicht i. d. R. ein groß dimensionierter Schall- 13-7 Blumenstock, K.-U.: Motorenfilter. In: Die Bibliothek
dämpfer aus, der bei heutigen Nutzfahrzeugen auch Kataly- der Technik Bd. 31. München: Moderne Industrie
satoren und gegebenenfalls Partikelfilter enthält. Durch die 1989
13 Literatur    443

13-8 Bach, W.: Beitrag des Luftfilters zur Geräuschdämp- 13-16 Krüger, J.; Castor, F.; Jebasinski, R.: Aktive Abgas-
fung und Leistungsbeeinflussung von Verbrennungs- Schalldämpfer für PKW – Chancen und Risiken.
motoren. ATZ 78 (1976) 4, S. 165–168 Fortschritte der Akustik – DAGA 2005, S. 21–22
13-9 Bendig, L.: Ansauggeräuschdämpfung an Nutzfahr- 13-17 Heil, B.; Enderle, Ch.; Bachschmid, G.; Sartorius, C.;
zeugen. ATZ 80 (1978) 4, S.171–173 Ermer, H.; Unbehaun, M.; Zintel, G.: Variable Gestal-
13-10 Kurtze, G.: Physik und Technik der Lärmbekämp- tung des Abgasmündungsgeräusches am Beispiel
fung. Karlsruhe: Verlag G. Braun 1964 eines V6-Motors. Motortechnische Zeitschrift MTZ
13-11 Forschungshefte. Forschungskuratorium Maschinen- (2001) 10, S. 787–797
bau e.V. 26 (1974) 13-18 Krüger, J.; Castor, F.: Zur akustischen Bewertung von
13-12 ECE Regulation 51: Uniform provisions concerning Abgasanlagen. Fortschritte der Akustik – DAGA
the approval of motor vehicles having at least four 2002, S. 188–189
wheels with regard to their sound emissions 13-19 Krüger, J.; Castor, F.; Müller, A.: Psychoacoustic inve-
13-13 Munjal, M.L.: Acoustics of ducts and mufflers. New stigation on sport sound of automotive tailpipe noise.
York: Wiley Interscience Publication 1987 Fortschritte der Akustik – DAGA 2004, S. 233–234
13-14 Ricardo Software, Bridge Works: WAVE V7 Manu-
als. Shoreham-by-sea, West Sussex/England 2005
13-15 Jebasinski, R.; Halbei, J.; Rose, T.: Automatisierte
Auslegung von Abgasanlagen. MTZ (2006) 3, S.
180–187
14 Abwärmeverwertung

14.1 Grundlagen der Abwärmenutzung – Abwärme, die von der Motoroberfläche an die Umgebung
als Strahlungs- und Konvektionswärme abgegeben wird.
14.1.1 Vorbemerkung
Während die Abgaswärme durch den Ladungswechsel im
Wenngleich die in den siebziger Jahren in der gesamten Be- Auslassvorgang abgeführt wird, müssen alle anderen Abwär-
völkerung bewusst gewordene Endlichkeit der Vorräte an men zwangsweise mit Hilfe von Kühlmitteln (Wasser, Öl
fossilen Energieträgern wieder etwas in den Hintergrund oder Luft) abgeführt werden.
getreten ist, so wird durch die Auswirkungen des Schad- Diese an verschiedenen Stellen des Motors anfallenden
stoffeintrags aber auch des CO2-Eintrags in die Erdatmo­ Wärmen (Bild 14‑1) werden für eine Nutzung mit unter-
sphäre doch immer wieder die Notwendigkeit einer lang­fris­ schiedlichem Aufwand an Wasser als Wärmeträgermedium
tig zielorientierten, umweltschonenden Energiepolitik übertragen. Während die Übertragung der Kühlwärmen in
deutlich.
Beide Problembereiche – Ressourcenschonung und Ver-
meidung von Umweltschäden – erfordern künftig in ver-
stärktem Ausmaß ein Vorgehen, das versucht, das reichlich
vorhandene Potenzial von Energieeinsparmöglichkeiten
auszuschöpfen und darüber hinaus regenerative, d. h. nicht
erschöpfliche Energieträger verstärkt zu nutzen. Beide Ziele
sind dabei nicht sequentiell, sondern zeitlich nebeneinander,
also parallel, zu verfolgen.
Sowohl im Sinne der Primärenergieeinsparung als auch
im Sinne der Schonung der Umwelt gilt es also zu prüfen,
welche Arten von Abwärme bei der dieselmotorischen Ver-
brennung anfallen und wie diese sinnvoll genutzt werden
können.

14.1.2 Abwärme von Dieselmotoren


Bedingt durch ihre Entstehung können folgende Arten von
Abwärmen unterschieden werden:
– Abwärme aus dem Abgas bedingt durch den Ladungs­
wech­sel,
– Abwärme, die als Kühlwärme zum Schutz der metallischen
Wandungen entsteht, wie Zylinderkühlung, Kolbenküh­
lung, ggf. Kühlung des ATL-Turbinengehäuses und die
Ölkühlung als Lager- und Innenwandkühlung,
– Abwärme aus der Ladeluftkühlung, die zur Steigerung der Bild 14-1 Äußere Wärmebilanz und Abwärmen eines Dieselmotors
Motorleistung und des effektiven Wirkungsgrades dient,
14.1 Grundlagen der Abwärmenutzung    445

Wasser/Wasser- bzw. Luft/Wasser-Wärmeübertragern prob­ die vom Motor (Zylinder) abgegebene Kühlwärme ΦZK so-
lemlos erfolgt, gestaltet sich die Übertragung der Wärme des wie die im Ölkühler (ΦÖK ) und im Ladeluftkühler (ΦLLK )
mit Staub- und Rußpartikeln beladenen Abgases in einem anfallenden Wärmeströme.
Gas/Wasser-Wärmeübertrager doch etwas aufwendiger, s.
Abschn. 9.2.5.5. Abgaswärmeleistung ΦA
Die vom Motor abgegebene Strahlungs- und Konvekti-
Mit Bezug auf die durch den Umgebungszustand (pU, TU)
onswärme wird üblicherweise durch Be- und Entlüftung der
gegebene Systemgrenze gilt für die Abgaswärmeleistung
Motorumgebung abgeführt. Sie kann aber grundsätzlich
nach Austritt Turbolader (Index L: Luft; Index A: Abgas) aus-
auch, was allerdings in sehr wenigen Fällen ausgeführt
gedrückt durch die Enthalpiedifferenz unter Einsatz der je-
wurde, mit Hilfe einer Luft/Wasser-Wärmepumpe abgeführt
weiligen spezifischen Enthalpie h in (kJ/kg):
und genutzt werden.
Neben der Unterscheidung der einzelnen Arten der ΦA = ṁA hA – ṁL hL = ṁA [hA – (1/d0)hL] .
Abwärmen von Dieselmotoren hinsichtlich der Wärmeab-
Das Massenstromverhältnis 1/d0 = ṁL/ṁA folgt mit dem mi-
fuhr und der Wärmeübertragung weisen die unterschied-
nimalen Luftbedarf Lmin und dem Gesamt-Luftverhältnis λV
lichen Abwärmen auch entsprechend dem Ort der Ent­
der Verbrennung aus
stehung im Motor unterschiedliche Temperaturniveaus auf.
So fällt die Abgaswärme, die Abwärme mit dem höchsten 1/d0 = Lmin/(1 + lVLmin) . (14-2)
Temperaturniveau, im Bereich von 300 °C bis 500 °C an, je
Davon sind im Abgaswärmetauscher (Index AK) nutzbar
nach Art und Größe des Motors. Die Austrittstemperaturen
des Motorkühlwassers liegen üblicherweise im Bereich von ΦAK = ṁA hAWT (hA1 = hA2] ,
75 °C bis 95 °C. Während die Wassertemperaturen im Lade-
wobei für den Gütegrad des Abgaswärmetauschers
luftkühler bzw. im Niedertemperatur-Ladeluftkühler bei
ηAWT = 0,95…0,98 und die Abgastemperaturen TA1 = TA – 5 K
mehrstufiger Ladeluftkühlung bei 30 °C bis 40 °C liegen,
bzw. TA2 = 160…180 °C (zur Vermeidung von Nasskorrosion)
können hier die Wassertemperaturen im Hochtemperatur-
eingesetzt werden kann. Werte für die spezifischen Enthalpi-
Ladeluftkühler das Temperaturniveau des Motorkühlwas-
en h von Luft und Abgas bezogen auf den absoluten Nullpunkt
sers erreichen. Ebenfalls im Bereich des Temperaturniveaus
sind der Auftragung nach [14‑1] in Bild 14‑2 als Funktion von
des Motorkühlwassers oder geringfügig darunter liegen
Temperatur und Luftverhältnis zu entnehmen.
üblicherweise die Wassertemperaturen zur Kühlung der
Schmierölwärme.
Kühlwärmeleistung ΦK
14.1.3 Bestimmung der Abwärmeleistungen Die vom Motor als Kühlung abzuführende Wärme setzt sich
i. d. R. aus drei Anteilen zusammen, s. Gl. (14‑1). Anhalts-
Leistungsbilanz eines Dieselmotors werte über die Verteilung der drei Anteile bei den verschie-
Zur Bestimmung der Abwärmeleistungen von Dieselmo- denen Motoren und die Wertigkeit der Zylinder- und
toren können die folgenden Beziehungen herangezogen wer- Schmierölkühlwärmen sind in Abschn. 11 aufgeführt.
den:
Für die äußere Wärmebilanz des Dieselmotors gilt Im Ladeluftkühler abgeführte Wärmeleistung ΦLLK

PB = Pe + ΦA + ΦK + ΦR . Die Verdichtung der bei Umgebungstemperatur TU ange-


saugten Luft entsprechend dem isentropen Verdichtungsver
Danach entspricht die als Brennstoff- oder Kraftstoffleis­ hältnis πL des Verdichters, „Laders“, erhöht die Temperatur
tung PB zugeführte Wärme Φzu dem Produkt aus Brennstoff- der Ladung am Austritt des Verdichters auf TL1 = Temperatur
massenstrom ṁB und Heizwert Hu Eintritt LLK. Mit dem isentropen Wirkungsgrad ηSL des Ver-
Φzu = PB = ṁB · Hu , dichters folgt für die relative Temperaturerhöhung TL1/TU
bzw. T2 /T1 , G1. (2-37)
der Summe aus effektiver (mechanischer) Leistung Pe, der
mit dem Abgas abgeführten Wärmeleistung ΦA, der Kühlleis­ TL1/TU = [1 – (pLk–1/k – 1)/hSL].
tung ΦK und dem im Restglied ΦR enthaltenen Verlust durch Die im Ladeluftkühler abzuführende Wärmeleistung beträgt
Strahlung und Konvektion an die Umgebung. dann mit der Lufttemperatur TL2 am Austritt des Ladeluft-
Dabei umfasst die gesamte Kühlleistung ΦK kühlers:
ΦK = ΦZK + ΦÖK + ΦLLK (14-1) ΦLLK = ṁL (hL1 – hL2).
446 14 Abwärmeverwertung

Tabelle 14-1 Spezifischer Luftverbrauch le, in kg/kWh

Nutzfahrzeug-Dieselmotor mit ATL und LLK le = 6,0 .. 6,4


Schnelllaufender mit ATL und LLK le = 6,8 .. 7,2
Hochleistungsdieselmotor
Mittelschnelllaufender mit ATL und LLK le = 7,0 .. 7,2
Dieselmotor
Langsam laufender 2- Takt- mit ATL und LLK le = 9,8 ..
Dieselmotor 10,5

die mit dem Kraftstoff zugeführte Leistung von Dieselmo-


toren angeführt.

14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung

14.2.1 Abwärmenutzung in Form von mechanischer


Energie

14.2.1.1 Turbo-Compound-Betrieb
Wenngleich es nahe liegt, der primären Bestimmung des
Dieselmotors zur Abgabe von mechanischer Energie ent-
Bild 14-2 Spezifische Enthalpie von Luft und Abgas als Funktion von Tempe- sprechend, auch die Abwärme nach Möglichkeit in mecha-
ratur und Luftverhältnis nische Energie zu verwandeln, sind hier in der Praxis vor
allem im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit enge Grenzen
gesetzt. Vor allem bei kleineren Motoren stellt die durch den
Mit der Bezugstemperatur TU = 298 K nach ISO 3046-1 und technischen Aufwand und den niedrigen Umwandlungswir-
der Temperatur der Ladung bei Eintritt in den Motor TL2 kungsgrad bedingte Auswirkung auf die spezifischen Kosten
> TL kann )LLK ebenfalls mit Hilfe des h-, T-Diagramms des Motors den Einsatz solcher Verfahren in Frage. Dennoch
(Bild 14-2) ermittelt werden. kommt das Turbo-Compounding, bei dem das Abgas in ei-
ner nachgeschalteten Abgasturbine zusätzlich Nutzarbeit
Anhaltswerte für den Luft- und Abgasmassenstrom leistet, die entweder an die Motorwelle oder an einen Gene-
rator übertragen wird, in Nutzfahrzeugmotoren, vor allem
Mit den Anhaltswerten für den spezifischen Luftdurchsatz le aber in Großmotoren zum Einsatz (s. Abschn. 2.2.4.4 und
in kg/kWh aus Tabelle 14-1 folgt mit dem Massenstromver- 18.4.4).
hältnis δ0, Gl. (14-2), bedingt durch die Zunahme der Luft-
masse beim Verbrennungsvorgang 14.2.1.2 Dampfkraftanlage (Bottoming Cycle oder
ṁA ≈ le Pe G0 . Organic Rankine Cycle)

Der Mindestluftbedarf Lmin folgt aus der Verbrennungsrech- Die Abwärmen des Motors können auch in einer Dampfkraft-
nung bei bekannter Elementaranalyse des Kraftstoffes, wobei anlage genutzt werden. Diesen, auch Bottoming Cycle genann-
anhaltsweise gilt: ten Anlagen, liegt üblicherweise der Clausius-Rankine-Pro-
– Dieselkraftstoff (DK) Lmin = 14,6 kg Luft/kg Krst., zess als Idealprozess zugrunde (Bild 14-3). Für die maximale,
– bzw. Schweröl (HF) Lmin = 14 kg Luft/kg Krst., nutzbare Temperaturspanne gemäß dem Carnot-Prozess be-
stehen enge Grenzen zwischen der mit den Abgastempera-
Als Anhaltswerte für die abzuführenden und ggf. nutzbaren turen erreichbaren Dampftemperatur und der Umgebungsluft
Wärmen von Dieselmotoren unterschiedlicher Größe sind in als Prozess-Abwärmesenke. Im Abgas werden die höchsten
Tabelle 14-2 die bei Volllast gemessenen Anteile bezogen auf Temperaturen mit 300 °C bis 500 °C angeboten (s. auch Tabel-
14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung    447

Tabelle 14-2 Dieselmotor-Kenngrößen

Kenngröße Motortyp
18V 32/40 18V 48/60
MAN Diesel MAN Diesel
pe bar 24,9 23,2
Bohrung/Hub mm/mm 320/400 480/600
Leistung kW 9000 18900
Drehzahl min–1 750 500
Abgastemperatur °C 310 315
Anteile an Kraftstoffleistung
Kühlwasser HT-Kreisa % 14,2 13,8
Kühlwasser NT Kreisb % 10,7 9,8
Abgas (180 °C)c % 12,5 12,7
Strahlung und Konvektion % 1,9 1,7
Wirkungsgraded
ηe d % 46,2 47,7
ηa (therm. nutzbar)e % 37,4 36,3
ηges (effekt.+therm.)e % 83,6 84,0
a Hierin sind enthalten: Zylinderkühlung + Ladeluftkühlung
b Hierin sind enthalten: NT Anteil Ladeluftkühlung + Ölkühlung
c Anteil Abgaswärme bei Abkühlung auf 180°C
d Einschließlich Ölpumpe(n) ohne Kühlwasserpumpen
e Einschließlich Nutzung der Niedertemperaturwärme

len 14‑2 und 1-3). Abhängig von der jeweiligen Auslegung Neben Wasserdampf als Kreislaufmedium können auch
(Abkühlspanne des Abgases) bewegen sich damit die Dampf- Flüssigkeiten mit im Vergleich zu den Abgastemperatu-
temperaturen im Bereich von 200 °C bis 250 °C. Aufgrund der ren günstigerem Siedeverhalten eingesetzt werden [14‑2].
niedrigen Temperaturen sind die Kühlwasserwärmen (Motor- Es handelt sich hier um übliche Kältemittel, oft als sog.
kühlwasser, Ladeluft- und Ölwärme etc.) zur Erzeugung me- Kaltdämpfe oder organische Dämpfe bezeichnet, die im
chanischer bzw. elektrischer Energie wenig geeignet, abgese- Organic-Rankine-Cycle arbeiten. Vorteilen durch zu
hen von einer Teilnutzung zur Speisewasser­vorwärmung mit er­wartende bessere Kreislaufwirkungsgrade stehen Nach-
entsprechendem Zusatzaufwand (Bild 14‑3). teile in der Toxizität, der thermischen Stabilität, der Materi-
Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung und Steige- alverträglichkeit etc. gegenüber. Wasserdampf ermöglicht,
rung der effektiven Motorwirkungsgrade und den damit auch im Hinblick auf die negativen Auswirkungen her-
verbundenen niedrigeren Abgastemperaturen wird auch die kömmlicher Kältemittel auf Basis von Fluor-Chlor-Kohlen-
Möglichkeit der Nutzung der Abgaswärme in Dampfkraft- wasserstoffen auf die Ozonschicht, einen sicheren Betrieb.
anlagen zunehmend geringer. Dies wurde auch durch detaillierte Untersuchungen an
Als Expansionsmaschinen kommen Dampfturbinen, einem Nfz-Dieselmotor bestätigt [14‑3]. Die dabei ermit-
Schrau­benmotoren und Kolbendampfmotoren in Frage. telte Leistungssteigerung betrug maximal 3%. Wenngleich
Während Dampfmotoren mit Drehzahlen zwischen diese Ergebnisse die begrenzten Möglichkeiten der Abwär-
750 min–1 und 1500 min–1 einen Direktantrieb des Genera- menutzung zur Umwandlung in mechanische bzw. elek-
tors erlauben, erfordern Dampfturbinen und Schrauben- trische Energie aufzeigen, gewinnt dieses Verfahren, bedingt
motoren mit ihren relativ hohen Drehzahlen Getriebe zur durch den kontinuierlichen Anstieg der Kraftstoffpreise
Anpassung der Drehzahlen für die Kopplung an den Gene- zunehmend an Interesse. Vor allem an Großanlagen können
rator. Dies verringert die aufgrund der kleinen Leistungen die Ergebnisse mit zielgerichteten Entwicklungen durchaus
ohnehin niedrigen Wirkungsgrade der Expansionsmaschi- verbessert werden [14‑4], [14-5].
nen noch zusätzlich.
448    14 Abwärmeverwertung

Bild 14-3 Dieselmotor mit nachgeschaltetem Dampfkraftprozess (Bottoming Cycle) zur Stromerzeugung in einem Turbogenerator. 1 Motor mit ATL; 2 Abgaskessel mit
Überhitzer; 3 Turbogenerator; 4 Kondensator; 5 Kondensatpumpe; 6 Speisewasserbehälter; 7 Speisepumpe; 8 Vorwärmer; 9 Ladeluftkühler

Mittlerweile wird aber auch in der Automobilindustrie an dass in der Kaltstart- und Warmlaufphase nicht nur der
Einsatzmöglichkeiten dieses Verfahrens in Personenkraft- Fahrgastraum wegen ungenügender Heizleistung unzurei-
wagen gearbeitet [14‑5]. chend aufgewärmt wird, sondern dass auch die Schadstoff­
emission, der spezifische Verbrauch und der Motorverschleiß
14.2.2 Abwärmenutzung in Form von thermischer gegenüber dem betriebswarmen Motor zunehmen. Daher
Energie werden zunehmend insbesondere bei Dieselmotoren sog.
Zuheizer, kraftstoffbetriebene Heizgeräte, zur Kompensation
14.2.2.1 Heiz- und Prozesswärme des Wärmedefizits eingesetzt [14‑6].

Die technisch einfachste Möglichkeit der Abwärmenutzung 14.2.2.2 Kraft-Wärme-Kopplung


ist neben der direkten Verwendung zu Heizzwecken für die
Raumheizung in Gebäuden auch die Brauchwassererwär- Allgemeines
mung, ferner die Nutzung als Prozesswärme in der Produk-
tion oder zur Gewinnung von Frischwasser aus Seewasser Die gleichzeitige Nutzung von mechanischer Energie und
auf Schiffen. Haupteinsatzgebiet dürfte doch die nicht mehr der anfallenden Wärme führt zum Prinzip der Kraft-Wärme-
wegzudenkende Nutzung bei Kraftfahrzeugen zur Behei- Kopplung (KWK). Ziel des KWK-Prinzips ist es, einen mög-
zung der Fahrgastkabinen sein. Dabei ist die klassische Hei- lichst hohen Anteil der mit dem Kraft- oder Brennstoff zuge-
zung in den Kühlmittelkreislauf des Motors integriert. Bei führten Primärenergie zu nutzen und damit zur Schonung
wirkungsgrad­optimierten Fahrzeugmotoren hat sich gezeigt, der Energieressourcen sowie mit der damit verbundenen
14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung 449

Verringerung von Verbrennungsprodukten auch zur Redu- wendigen Hilfseinrichtungen, den zugehörigen Schalt- und
zierung der Emission von Umweltschadstoffen beizutragen. Steuerungseinrichtungen, Schallschutzmaßnahmen,
Der Einsatz von KWK-Anlagen ist also sowohl aus öko- Abgasabführungen sowie dem entsprechenden Aufstel-
nomischer als auch aus ökologischer Sicht vorteilhaft. lungsraum.
Die Basiseinheit eines Verbrennungsmotor-BHKW, das
Blockheizkraftwerk BHKW-Aggregat, besteht aus dem Verbrennungsmotor als
Erzeuger mechanischer und thermischer Energie, dem Gene-
Gemäß VDI Richtlinie 3985 [14-7] sind Blockheizkraftwerke rator als Wandler mechanischer in elektrische Energie und
(BHKW) Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit Verbren- den Kraftübertragungs- und Lagerungselementen. Mit den
nungsmotoren oder Gasturbinen, die gleichzeitig Strom und Wärmeübertragungskomponenten, den Steuer-, Regelungs-
nutzbare Wärme erzeugen. und Überwachungseinrichtungen, dem Ansaug- und Abgas-
Ein Blockheizkraftwerk (Bild 14-4) besteht aus einem system, dem Schmieröl- und Kraftstoffsystem sowie den
oder mehreren BHKW-Modulen mit den zum Betrieb not- Sicherheitseinrichtungen wird daraus ein BHKW-Modul.

Bild 14-4 Definitionen und Abgrenzung der BHKW-Komponenten nach DIN 6280
450 14 Abwärmeverwertung

Während bei großen Leistungen üblicherweise das der Stromsteuer und bei einem Jahresnutzungsgrad von
BHKW-Aggregat an die Baustelle angeliefert wird und alle mindestens 70% auch von der Mineralölsteuer befreit. Nach
anderen Komponenten individuell angeordnet zur Anlage dem Gesetz zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuer-
ausgebaut werden, kommt bei kleineren Leistungen meist baren Energien wurden lukrative Einspeisevergütungen
die Bauart des Kompaktmoduls mit allen bereits enthal- festgelegt. Bei Einsatz von Kraftstoffen aus nachwachsenden
tenen Komponenten einschließlich des Primärschalldämp- Rohstoffen wird noch ein zusätzlicher Bonus zur Einspeise-
fers zur Anwendung. vergütung gewährt.
Eingesetzt werden Blockheizkraftwerke sowohl in kom- Unbestritten ist, dass mit Hilfe der kombinierten Strom-
munalen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Schwimmbä- und Wärmeerzeugung im BHKW gegenüber der getrennten
dern, Schulen als auch in Industrie und Gewerbe sowie in Erzeugung von Strom im Kraftwerk und Wärme im Kessel
Büro- und Wohngebäuden. Die Leistungsspanne erstreckt ein erheblicher Anteil an Primärenergie eingespart werden
sich von wenigen Kilowatt bis in den zweistelligen Mega- kann. Auch ist der Schadstoffeintrag in die Atmosphäre
wattbereich elektrischer Leistung. Während bei großen sowohl im Hinblick auf NOX als auch auf CO2 im Vergleich
Leistungen und der Nutzung der BHKW-Wärme zur zur getrennten Erzeugung von Strom im kalorischen Kraft-
Dampferzeugung vielfach Gasturbinen als Antriebsmaschi- werk und Wärme im Kessel niedriger.
nen eingesetzt werden, kommen bei kleineren Einheiten Voraussetzung dafür ist jedoch, dass zur Reduzierung der
und Leistungen Verbrennungsmotoren zum Einsatz. Neben NOX-Emissionen geeignete Maßnahmen ergriffen werden.
Dieselmotoren und Diesel-Gasmotoren sind dies aus Grün- Beim Betrieb von Blockheizkraftwerken in Deutschland mit
den der niedrigen Abgasschadstoffemissionen überwiegend einer Feuerungswärmeleistung ab 1 MW sind die Grenz-
Otto-Gasmotoren, s. Abschn. 4.4. werte der TA-Luft zu berücksichtigen (s. Abschn. 15.2).
Im Rahmen der Nutzung regenerativer Energiequellen Während Otto-Gasmotoren mit Hilfe von innermotorischen
stehen als Kraftstoff für Dieselmotoren und Diesel-Gasmo- Maßnahmen (Magergemischtechnik) die ohnehin nied-
toren auch Pflanzenöle, insbesondere Rapsöl oder Rapsöl- rigeren Grenzwerte im Vergleich zu Dieselmotoren erheb-
methylester (RME) zur Verfügung [14-8]. lich unterschreiten, sind hier beim Betrieb von Diesel- und
Mit einer Reihe von in den letzten Jahren im Bundestag Diesel-Gasmotoren in den meisten Fällen nachgeschaltete
verabschiedeten Gesetzen konnte die Wirtschaftlichkeit von Abgasreinigungssysteme erforderlich.
BHKW Anlagen in Deutschland weiter verbessert werden. Im Sinne eines ökonomisch und ökologisch zukunftswei-
So sind BHKW mit einer Leistung bis 2 MW nach dem senden Konzepts erfolgt die Energieversorgung des Reichs-
Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform von tages in Berlin durch ein Blockheizkraftwerk, bestehend aus

Bild 14-5
Aufbau eines BHKW-Moduls in Kompakt-
bauweise
14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung    451

vier BHKW-Modulen, angetrieben mit dem regenerativen Wirtschaftlichkeits­rechnung durchgeführt wird, ist eine
Energieträger Rapsölmethylester. Planung der Anlage unumgänglich. Es muss eine
Damit wird das CO2-Einsparungspotenzial in zweifacher Bestandsaufnah­me der Energieströme, der Energieliefer-
weise genutzt, nämlich einerseits durch die Verbrennung und -be­zugsverträge gemacht werden. Hierzu sind detail-
eines regenerativen Energieträgers mit der bekannten güns­ lierte Angaben über den zeitlichen Strom- und Wärmebe-
tigen CO2-Bilanz und andererseits durch die Anwendung darf erforderlich. Anhand von Jahresdauerlinien, Tages-
des KWK-Prinzips mit dem immanenten Potenzial an Pri- und Wochenganglinien können durch Eintragen der
märenergieeinsparung und der damit verbundenen nied- Modulleistungen die Laufzeiten der BHKW-Module ermit-
rigen CO2-Emission. telt werden [14‑9]. Hier geht natürlich auch die Betriebs-
Mit den vier BHKW-Modulen mit einer elektrischen Leis­ weise des BHKW ein. Erfolgt der Betrieb wärmegeführt,
tung von je 400 kW wird bei elektrischen Wirkungsgraden stromgeführt oder alternierend? Ist es aufgrund des Strom-
von 42,5% eine Primärenergienutzung von 90% erzielt. Die bezugsvertrages günstig, Spitzenlast zu fahren? Wie sieht
Wärmeauskopplung erfolgt in einem HT-Kreis (Motorkühl- die Energiebedarfsprognose aus?
wasser- + Ölkühlerwärme + Abgaswärme) bei 110 °C und Steht nun das Konzept fest, kann eine Wirtschaftlichkeits-
einem NT-Kreis (Ladeluftkühlwärme) bei 40 °C. rechnung durchgeführt werden. Hierfür werden die aus der
Um neben dem zwar nicht toxischen, aber für die Erd­ Investitionsrechnung bekannten finanzmathematischen
atmosphäre schädlichen Kohlendioxid CO2 auch die bei Methoden angewendet. Bewährt hat sich neben der Annui-
der Verbrennung gebildeten Abgasschadstoffe entspre- tätsmethode vor allem die Kapitalwertmethode.
chend den Forderungen des Auftraggebers minimieren zu Der Verlauf des Kapitalwerts über den Nutzungsjahren
können, mussten die Aggregate mit einem System zur liefert neben der Amortisationszeit auch den Gewinn am
Abgasnachbehandlung versehen werden. Dazu werden in Ende der Nutzungsdauer. Die Amortisationszeit, die die
einem Partikelfilter mittels katalytisch beschichteter Filter- Zeitspanne zwischen dem Investitionszeitpunkt und dem
patronen die nichtflüchtigen Partikel aus dem Abgas abge- Zeitpunkt angibt, an dem der höhere Kapitaleinsatz durch
schieden. Ein SCR-Katalysator bestehend aus beschichteten Energiekosten­einsparungen wiedergewonnen ist, stellt
Katalysatorwaben reduziert unter Eindüsen von Harnstoff neben der Aussage über die Wirtschaftlichkeit eine wichtige
die NOX-Emission und ein zusätzlicher Oxidationskataly- Kenngröße zur Beurteilung des finanziellen Risikos dar. Je
sator die Emission an Kohlenmonoxid sowie Kohlenwas- kürzer die Amortisationszeit, desto geringer ist das Risiko
serstoffen. der Investition. Sowohl die Aussage über das Risiko als auch
Damit werden die vorgegebenen, im Vergleich zur TA die Angabe über den erzielbaren Überschuss geben Hilfe-
Luft (s. Abschn. 15.2) stark herabgesetzten Emissionswerte stellung bei der Auswahl des geeigneten Konzepts.
eingehalten.
– Ruß (Partikel) < 10 mg/m³ Kenngrößen von BHKW-Anlagen
– Staub < 20 mg/m³.
– Stickoxide NOX < 100 mg/m³ Um eine einheitliche Regelung für die vielen im Laufe der
– Kohlenmonoxid CO < 300 mg/m³ Jahre verwendeten Begriffe zu finden, wurden die wesent-
– Kohlenwasserstoffe HC < 150 mg/m³ lichen Kenngrößen in der Norm DIN 6280 Teil 14 festgelegt
[14‑10]. Diese im August 1997 veröffentlichte Norm gilt für
(Zur Zeit der Bauphase waren nach TA-Luft z.  B. für Blockheizkraftwerke (BHKW) mit Hubkolben-Verbren-
NOX 4000 mg/m³ bezogen auf Normzustand (273,15 K; nungsmotoren zur Erzeugung von Wechselstrom und
101,3 kPa) unter Abzug des Feuchtegehaltes bei einem Sauer­ Nutzwärme.
stoffgehalt des Abgases von 5% zulässig!). Wenngleich Erfah- Ähnlich den Wirkungsgraden sind die Nutzungsgrade in
rungen aus einer Vielzahl von gebauten und erfolgreich be- DIN 6280 Teil 14 definiert. Hierbei werden die erzeugte
triebenen BHKW-Anlagen vorliegen, ist jedoch in jedem Energie (elektrisch, thermisch, gesamt) zur Wärmeenergie
Einzelfall zu prüfen, ob ein BHKW sinnvoll eingesetzt wer- der zugeführten Kraftstoffmenge, bezogen auf den Heizwert
den kann und welches Konzept den besten Erfolg ver- (Hu), innerhalb einer längeren Zeitdauer (z. B. 1 Jahr) ins
spricht. Verhältnis gesetzt. Im Gegensatz zu den Wirkungsgraden
Ressourcenschonung und Umweltentlastung alleine rei- werden bei den Nutzungsgraden auch die Energie der Hilfs-
chen in den seltensten Fällen für die positive Kaufentschei- antriebe (z. B. Pumpen, Lüfter) und die Stillstandsverluste
dung eines Betreibers aus. Deshalb müssen auch BHKW- berücksichtigt.
Anlagen, wie andere Investitionsgüter, einer Prüfung der Die gemessenen bzw. angegebenen Wirkungsgrade sind
Wirtschaftlichkeit unterzogen werden. Bevor jedoch eine jeweils abhängig vom Betriebszustand des BHKW (Nenn-
452    14 Abwärmeverwertung

Tabelle 14-3 Definition BHKW-Wirkungsgrad nach DIN 6280

Elektrischer Wirkungsgrad ηel Verhältnis der erzeugten elektrischen Wirkleistung zur


Wärmeleistung der zugeführten Kraftstoffmenge bezogen auf den Heizwert (Hu)
Thermischer Wirkungsgrad ηth Verhältnis der erzeugten thermischen Leistungen zur Wärmeleistung der zugeführten Kraftstoffmenge bezogen auf
den Heizwert (Hu)
Gesamtwirkungsgrad ηges Summe des elektrischen und thermischen Wirkungsgrades. In dem Gesamtwirkungsgrad ist die Leistung für die
Hilfsantriebe nicht berücksichtigt.

last oder Teillast, Drehzahl, Kühlwasser­temperatur, Lade- (Motor, Steuerung etc.) bzw. der Neufestlegung der elek-
lufttemperatur, Abkühltemperatur des Abgases etc.). trischen Leistung und dem Anbau aller erforderlichen Kom-
Alle Kenngrößen, sowohl Wirkungsgrade als auch Nut- ponenten zur Wärmeaus­kopplung, sowie dem zur Einhal-
zungsgrade für die jeweilige Einheit (Aggregat, Modul, tung der behördlich vorgegebenen Grenzwerte der Schad-
BHKW) beziehen sich auf eine definierte Systemgrenze z. B. stoffemissionen erforderlichen Abgasnachbehandlungssys­
Stromabgang an den Generatorklemmen, Heizwasserein- tem, kann eine Notstromanlage im Netzparallelbetrieb oder
und -austritt am Modul, Ladeluftkühlwasserein- und aus- als Netzersatzanlage betrieben werden.
tritt am Modul. Zur Einordnung der Kenngrößenangaben
sind diese Randbedingungen unabdingbar. Dieselmotor-Wärmepumpe
Während sich die Messungen bzw. Angaben von Wir-
kungsgraden auf konstante Betriebsbedingungen beziehen, Bei der Dieselmotorwärmepumpe handelt es sich um eine
sind in den Angaben von Nutzungsgraden auch An- und Kompressions­wärmepumpe deren Verdichter von einem Die­
Abfahrvorgänge, Teillastbetrieb und Stillstandszeiten selmotor angetrieben wird. Der prinzipielle Aufbau einer
berücksichtigt. Das heißt, die Planung und Auslegung der Dieselmotor-Wärmepumpe ist im Schaltbild (Bild 14‑6) dar-
Gesamtanlage sowie die durch den Betreiber gewählte Fahr- gestellt. Zur Verdichtung des Arbeitsmediums (Kältemittel)
weise haben ganz wesentlichen Einfluss auf die Nutzungs- werden überwiegend die Verdichterbauarten Kolbenverdich-
grade einer Anlage. Es können daher keine Rückschlüsse ter, Schraubenverdichter und Turboverdichter eingesetzt. Das
von den Nutzungsgraden auf die Güte einer Maschinenan- komprimierte und gleichzeitig erhitzte Arbeitsmedium
lage gezogen werden. strömt in den Kondensator (Verflüssiger) und gibt hier Nutz-
Nach der Verbreitung von Blockheizkraftwerken mit Gas- oder Heizwärme auf einem hohen Temperaturniveau ab.
motoren wird immer wieder der Wunsch geäußert, die Nach der Druckabsenkung in der Drossel nimmt das Arbeits-
Laufzeiten von Notstromdiesel-Aggregaten durch Anbau medium im Verdampfer Energie in Form von nicht nutzbarer
von Apparaten zur Wärmeauskopplung zu verlängern bzw. Wärme aus der Umgebungsluft, aus Flusswasser, Seewasser
auch im Dauerbetrieb zu fahren. Hiervor muss entschieden oder anderen Niedertemperaturwärmequellen auf.
gewarnt werden, da Diesel-Notstromanlagen allein für den Dem Prinzip der Wärmepumpe entsprechend wird die
Noteinsatz ausgelegt werden. Dies bezieht sich sowohl auf Niedertemperaturwärme unter Zufuhr von Verdichterarbeit
den Motor, der konstruktiv auf diesen Betrieb (höhere Leis­ in Hochtemperaturwärme umgewandelt.
tung bei geringen Laufzeiten) ausgelegt ist, als auch für alle Als Kennzahl zur Beurteilung des Wärmepumpenpro-
anderen Komponenten die nicht für den Dauerbetrieb vor- zesses dient die Wärme-Leistungszahl
gesehen sind. Erst nach relativ aufwendigen Umbauten
e = Q̇  c  /Pe
als Verhältnis von im Kondensator abgegebener Wärmeleis­
Tabelle 14-4 Bereiche üblicher BHKW-Wirkungsgrade tung Q̇  c zur Verdichterantriebsleistung Pv, wobei hier gilt
Pv  Pe.
Elektrischer Wirkungsgrad ηel 25 bis 48%
Bei den üblichen zur Raum- oder Brauchwassererwär-
Thermischer Wirkungsgrad ηth 30 bis 56% mung eingesetzten Wärmepumpen liegen die Leistungs-
Gesamtwirkungsgrad ηges 65 bis 92% zahlen abhängig von der Temperatur der Heizwärme und
der im Verdampfer zugeführten Niedertemperaturwärme
und vom Kältemittel bei Werten zwischen 2 und 4.
14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung    453

Bild 14-6 Schaltbild einer Verbrennungsmotor-Wärmepumpe

In der Dieselmotor-Wärmepumpe wird aber auch die Die Heizzahl kann auch aus der Beziehung
vom Motor abgegebene thermische Energie genutzt. Sie
kann entweder dem Heizkreislauf nach Kondensator zur z = ehe + ha ,
Erhöhung der Vorlauftemperatur zugeführt werden, oder in
einem zweiten getrennten Kreislauf zur Versorgung anderer also aus Leistungszahl, Motorwirkungsgrad und Anteil der
Verbraucher herangezogen werden. nutzbaren Motorabwärme bezogen auf die zugeführte Kraft-
Als Kennzahl zur Beurteilung des Gesamtprozesses der stoffleistung errechnet werden.
Dieselmotor-Wärmepumpe dient die Heizzahl Bei den üblichen zur Raum- oder Brauchwassererwär-
mung eingesetzten Wärmepumpen liegen die Heizzahlen
z = Q̇N/PB
abhängig von der Temperatur der Heizwärme und der im
als Verhältnis der gesamten abgegebenen Nutzwärmeleis­ Verdampfer zugeführten Niedertemperaturwärme, vom
tungen Q̇N zur Wärmeleistung der zugeführten Kraftstoff- Kältemittel sowie den entsprechenden Motordaten (siehe
menge PB bezogen auf den Heizwert (Hu). auch Tabelle 14‑2) bei Werten zwischen 1,5 und 2.
454    14 Abwärmeverwertung

Die Wärmeverhältnisse einer ausgeführten Dieselmotor- Wärmepumpe ausschlaggebender Temperaturhub von 50 K


Wärmepumpenanlage mit einer Motorleistung von 250 kW bis 59 K zwischen Verdampfung und Kondensation des
und einer Wärmeleistung von 1085 kW sind in Bild 14‑7 Kältemittels zum tragen.
dargestellt.
In diesem Beispiel wird die zur Raumheizung sowie zur Verdichter-Modul
Brauchwassererwärmung genutzte Heizwärme von der
Wärmepumpe mit einer Temperatur von 70 °C/50 °C (Vor- Eine weitere Möglichkeit der direkten Abwärmenutzung ist
lauf / Rücklauf) abgegeben. Als Energiequelle wird Grund- beim Betrieb von mit Verbrennungsmotoren angetriebenen
wasser mit einer Temperatur von 10 °C genutzt. Bei einer Verdichtern gegeben. In den überwiegend zur Drucklufter-
Abkühlung des Wassers um 4 K können Verdampfertempe- zeugung eingesetzten Aggregaten kommen vor allem Schrau-
raturen von +1 °C bei Volllast und 4 °C bis 5 °C bei Teillast- benverdichter und Turboverdichter zum Einsatz.
betrieb gefahren werden. Bei Kondensatortemperaturen von Der Aufbau eines Verdichter-Moduls ist vergleichbar
60 °C bei Volllast und entsprechend niedrigeren Werten bei einem Blockheizkraft­werksmodul mit dem Verdichter
Teillastbetrieb kommt hier ein für die Leistungszahl der an­stelle des Generators.

Bild 14-7 Energieflussbild einer Dieselmotor-Wärmepumpe


14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung    455

Wie auch im Energieflussbild (Bild 14‑8) zu ersehen, ist wird. Es sollte bei der Planung daher geprüft werden, ob an-
mit einem Dieselmotor-Verdichter-Modul in der Leistungs- statt des Wärmebedarfs in den Sommermonaten nicht ein ent-
klasse 400 kW eine Primärenergienutzung von 87% mög- sprechender Kältebedarf gegeben ist. Vor allem in Verwal-
lich. tungsgebäuden mit größeren EDV-Anlagen, Krankenhäusern,
Hotels, Einkaufszentren u. a. besteht vielfach Kühlungs- und
14.2.2.3 Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung Klimatisierungsbedarf. Sieht der Jahresverlauf des Bedarfs von
elektrischer Energie, Wärme und Kälte ähnlich dem in
In der Mehrzahl der Anwendungsfälle erfolgt die Auslegung Bild 14‑9 dargestellten aus, kann durchaus ein wirtschaftlicher
der BHKW-Anlage im Hinblick auf eine wärmegeführte Be- Betrieb mit einer Anlage nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-
triebsweise. Das heißt, die Leistung wird so festgelegt, dass die Kältekopplung (KWKK) in Frage kommen.
BHKW-Wärme nach Möglichkeit ganzjährig genutzt werden Eine Anlage nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kälte-
kann, woraus hohe Laufzeiten resultieren und womit ein wirt- Kopplung besteht aus einem oder mehreren Blockheizkraft-
schaftlicher Betrieb gegeben ist. Dies führt dazu, dass in An- werksmodulen gekoppelt mit einer Sorptionskältemaschine.
wendungsfällen mit Nutzung der Wärme zur Raumheizung Hier werden überwiegend Absorptionskälteaggregate, in
die Auslegung der BHKW-Leistung eher nach dem nied- einigen Fällen auch Adsorptionskälteaggregate eingesetzt
rigeren im Sommer anfallenden Wärmebedarf vorgenommen [14‑11].

Bild 14-8 Energieflussbild eines Verdichter-Moduls


456    14 Abwärmeverwertung

Bild 14-9
Energieprofil für elektrische
Energie, Wärme, Kälte

Als Kältemittel wird in Anlagen zur Klimatisierung (Kalt- solcher Anlagen. Aufgrund der erforderlichen Investitionen
wasserkreis 12 °C/6 °C) überwiegend Wasser und als ist eine sorgfältige Planung der Anlage und eine eingehende
Lösungsmittel Lithiumbromid verwendet. In Anlagen zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit unumgänglich.
Kühlung unter 0 °C kommt als Kältemittel überwiegend
Ammoniak und als Lösungsmittel Wasser zur Anwendung. 14.2.3 Schlussbemerkung
Die Energiebilanz einer KWKK-Anlage mit Absorptions-
kälteaggregat bei BHKW-Heizwassertemperaturen von Wenngleich in den zurückliegenden Jahren die bekannten
95 °C/85 °C, einer Kühlturmtemperatur zur Kühlung des Arten der Abwärmenutzung von Dieselmotoren sowohl in
Absorbers von 27 °C und Kaltwassertemperaturen von Form von mechanischer Energie, als auch in Form von ther-
6 °C/12 °C ist in Bild 14‑10 dargestellt. mischer Energie in vielen Fällen die erforderlichen Wirt-
Die Vorteile aller Sorptionsanlagen liegen im niedrigen schaftlichkeitskriterien nicht erfüllt haben, so rücken diese
Verschleiß (nur wenige bewegte Teile) und dem damit ver- Techniken mit dem stetigen Anstieg der Kraftstoffpreise wie-
bundenen niedrigen Wartungsaufwand, dem guten Teillast- der zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses. Das auch
verhalten mit stufenloser Lastregelung und der niedrigen in Zukunft zu erwartende hohe Niveau der Kraftstoffpreise
Geräuschemission. Auch im Hinblick auf die Umweltver- fördert andererseits aber auch den Einsatz von regenerativen
träglichkeit bieten Sorptionsanlagen, die keine Fluor-Chlor- Energieträgern in Verbrennungsmotoren, die, nicht zuletzt
Kohlenwasserstoffe als Kältemittel mit den negativen Aus- wegen der geringeren Besteuerung, finanzielle Vorteile bie-
wirkungen auf Treibhauseffekt und Ozonschicht benötigen, ten. Gerade aber unter dem Aspekt der Ressourcenschonung
Vorteile gegenüber Kompressionskälteanlagen. von fossilen Energieträgern und der Vermeidung von Um-
Grundsätzlich gilt für alle Anlagen der Kraft-Wärme-Kopp- weltschäden durch geringeren CO2-Eintrag in die Atmo-
lung bzw. Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, dass in jedem Ein- sphäre kommt der Nutzung der Abwärme von Dieselmo-
zelfall geprüft werden muss, ob ein sinnvoller Einsatz möglich toren besonders in Kombination mit dem Einsatz biogener
ist, und welches Konzept den besten Erfolg verspricht. Energieträger in Zukunft ein zunehmend höherer Stellen-
Wie bereits angeführt, sind in den seltensten Fällen öko- wert zu.
logische Vorteile ausreichend zur Entscheidung für den Bau
14 Literatur    457

Bild 14-10 Energieflussbild einer Kraft-Wärme-


Kälte-Kopplungsanlage

Literatur
lungsanlagen mit Verbrennungskraftmaschinen.
14-1 Pflaum, W.: Mollier-Diagramme für Verbrennungsgas­e (1997) 10
Teil I u. II. 2. Aufl. Düsseldorf: VDI-Verlag 1960, 1974 14-8 Ortmaier, E.; Hirschbichler, F.: Regenerative Energie-
14-2 Gneuss, G.: Arbeitsmedien im praktischen Einsatz träger als Brennstoff für BHKW. VDI-Berichte 1312,
mit Expansionsmaschinen. VDI- Berichte Nr. 377. Düsseldorf: VDI-Verlag 1997
Düsseldorf: VDI-Verlag 1980 14-9 Hirschbichler, F.: Auslegung eines Blockheizkraft-
14-3 Gondro, B.: Forschungsbericht 03 E-5373-A des werks. Fachzeitschrift der Deutschen Mineralbrun-
BMFT. Okt. 1984 nen (1998) 2
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ciency System (TES) for Reduction of Fuel Con- kolben-Verbrennungsmotor. Teil 14: Grundlagen,
sumption and CO2 Emission Anforderungen, Komponenten und Ausführung und
14-5 Spiegel Online: Turbosteamer Heizkraftwerk im Wartung. Teil 15: Prüfungen. (1995) 10
Auto. 14. Dezember 2005 14-11 Wärme macht Kälte. Kraft-Wärme-Kopplung mit
14-6 Lindl, B.: Kraftstoffbetriebene Heizgeräte für das Wär­ Absorptionskältemaschinen. ASUE, Arbeitsgemein-
memanagement in Fahrzeugen. ATZ 105 (2003) 9 schaft für sparsamen und umweltfreundlichen Ener-
14-7 VDI-Richtlinie 3985: Grundsätze für Planung, Aus- gieverbrauch e.V. ASUE-Druckschrift Nr. 190990
führung und Abnahme von Kraft-Wärme-Kopp-
Teil IV Umweltbelastung
durch Dieselmotoren

15 Abgasemission von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . 461


16 Geräuschemission von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . 537
15 Abgasemission von Dieselmotoren

15.1 Allgemeine Zusammenhänge thropogenen Emissionen aus dem Verbren­nungsvorgang des


Dieselmotors. Bild 15‑1 zeigt diese Wirkungskette mit den
Die direkte Abgabe der Abgaskomponenten aus Verbren­ wichtigsten anthropogenen Quellen [15‑1]. Die Abgaskom­
nungsvorgängen an die Umgebung, d. h. die Emission ist der ponenten können sowohl schädlich als auch unschädlich
primäre und wichtigste Prozess in einer Wirkkette von der sowie gasförmig, flüssig oder fest sein.
Emission über die Transmission zur Immission und Wir- Bild 15‑2 zeigt eine Übersicht über die anthropogenen
kung. Grundsätzlich unterscheiden wir natürliche Emis­ Emissionen und ihre Quellen in Deutschland.
sionen, z. B. aus der Vegetation, von Meeren, aus der Vulkan­ Unter der Einwirkung von Topographie, Klimaverhältnis­
aktivität oder aus der Fäulnis von Biomasse, und sog. anthro­ sen, Temperaturen, Feuchtigkeit und Luftbewegungen wer­
pogene, d. h. vom Menschen verursachte oder beeinflusste den die Abgaskomponenten verdünnt und physikalisch-
Emissionen, wie z. B. bei der Energieerzeugung, dem Ver­ chemischen Reaktionen unterzogen und durch den atmo­
kehr, der Industrie, dem Haushalt und der Landwirtschaft. sphärischen Transport über große Entfernungen verteilt
Wir beschäftigen uns nachfolgend ausschließlich mit den an­ (Transmission).

Bild 15-1
Zusammenhang von Emission, Trans-
mission, Immission und Wirkung
462 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-2 Anthropogene Emission nach Verursachern in Deutschland: a Alle Quellen (Quelle: UBA 2003); b Verkehr (Quelle: UBA 2001)
15.1 Allgemeine Zusammenhänge 463

Unter Immission (engl. air quality) verstehen wir die ten, wie Kohlenmonoxid CO, unverbrannte Kohlenwasser-
nach der Transmission sich endgültig einstellende Konzent- stoffe HC, Stickstoffoxide NO, NO2 (NOX), Partikel, Schwe-
ration an einem bestimmten Ort, an dem z. B. Messungen felverbindungen, Aldehyde, Zyanid, Ammoniak, spezielle
an einer Straßenkreuzung vorgenommen werden. Die Im- Kohlenwasserstoffe, wie z. B. Benzol und polyzyklische aro-
mission ist die sich einstellende Belastung des Menschen matische Kohlenwasserstoffe, wie Phenatren, Pyren, Fluoren
oder der Natur durch die Abgasemission und Transmission. [15-3].
Unter Wirkung werden die Folgen der Immission auf die Bild 15-4 zeigt die Rohemission und ihre Zusammenset-
Umwelt, Lebewesen oder Güter verstanden. Die komplexen zung bei realer Verbrennung als Gewichtsanteil dargestellt.
Vorgänge des Emissionstransports führen zu täglichen und Der Schadstoffanteil ist bei Dieselmotoren wesentlich gerin-
jahreszeitlichen Schwankungen des jeweiligen Immissions- ger als bei Ottomotoren, allerdings entstehen beim Diesel-
ergebnisses. Daraus folgt, dass einerseits Grenzwerte für motor aufgrund der inhomogenen Gemischbildung noch
Emissionen von Abgasschadstoffen aus z. B. Fahrzeugen zusätzlich Partikel, d. h. Feststoffe (überwiegend Ruß) und
oder Hausheizungen und andererseits Grenzwerte für die als Kondensat vorliegende Komponenten. Die jeweilige
Luftqualität bzgl. Schwefeldioxid, Partikel, Blei und Ozon Zusammensetzung ist stark vom Betriebspunkt des Motors
[15-2] bestehen. abhängig. Bei Ottomotoren mit Ladungsschichtung, d. h.
Die beim Verbrennungsprozess entstehenden Abgas- inhomogenen Gemischanteilen, ist ebenfalls die Partikel-
schadstoffe können in unschädliche, d. h. unvermeidbare, emission zu berücksichtigen.
natürliche Verbrennungsprodukte, und andererseits in Insgesamt konnten die limitierten, schädlichen Abgas-
schädliche, d. h. limitierte und nicht limitierte Abgaskom- komponenten in den vergangenen Jahren dramatisch redu-
ponenten eingeteilt werden. Bild 15-3 zeigt die Zusammen- ziert werden und die Prognoserechnungen bis zum Jahr
setzung des Abgases bei idealer und vollständiger Verbren- 2020 bestätigen diesen Trend auch für die Zukunft, Bild 15-5.
nung mit reinem Sauerstoff. In diesem Fall entsteht neben Das Bild zeigt deutlich, dass insbesondere für die Stickoxid-
der gewünschten Wärme, die in mechanische Energie im und Partikelemission die dieselmotorisch betriebenen Fahr-
Verbrennungsmotor umgesetzt wird, nur Kohlendioxid und zeuge verantwortlich sind und hierauf die Reduzierungs-
das Verbrennungswasser. Beide Komponenten sind nicht maßnahmen zu konzentrieren sind.
schädliche aber klimarelevante Komponenten. Bei Verbren- Vor dem Hintergrund einer berechneten und mit hoher
nung mit Luft sind unter idealen Bedingungen neben den Wahrscheinlichkeit eintretenden Zunahme der mittleren
bereits erwähnten, nicht schädlichen Komponenten nur Erdtemperatur um etwa 1,5 bis 5 °C bis zum Ende dieses
noch Stickstoff bzw. im Falle des Dieselmotors mit Luftüber- Jahrhunderts werden zukünftig auch die Treibhausgase
schuss zusätzlich Sauerstoff im Abgas zu finden. limitiert werden. Verantwortlich für diesen „Treibhausef-
Bei der tatsächlich realen Verbrennung entstehen jedoch fekt“ sind vor allem Kohlendioxid CO2 und Methan CH4
weitere schädliche und deshalb z. T. limitierte Komponen- (überwiegend aus der Landwirtschaft). Weitere Treibhaus-

Bild 15-3
Abgaskomponenten bei idealer Ver-
brennung
464 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-4 Abgaskomponenten bei realer Verbrennung

gase, wie z. B. die Fluorkohlenwasserstoffe FCKW, Stick- – Erhöhung des Wirkungsgrades bei der Energiewandlung,
stoffdioxid N2O und Schwefelverbindungen haben z. T. ein – Einsatz emissionsreduzierender Kraftstoffe,
deutlich höheres, sog. Global Warming Potential (GWP), – Antriebs- und fahrzeugseitige Verbesserungen (Getriebe-
bezogen auf CO2, aber sie treten in deutlich geringeren Kon- auslegung, Rollwiderstand, Aerodynamik),
zentrationen auf und sind deshalb weniger relevant. – Antriebsenergiemanagement durch Einsatz optimierter
Der Anteil des CO2 an der prognostizierten Tempera- Antriebssysteme (Hybridisierung des Fahrzeugantriebs),
turerhöhung beträgt ca. 65%. Die Entwicklung der globalen – Dynamischer Verkehrslenkung (Verkehrsflusssteuerung
CO2-Emission zeigt Bild 15-6. Der verkehrsbedingte Anteil angepasst an das jeweilige Verkehrsaufkommen) und
liegt je nach Abschätzung zwischen 15 und 20%, Beispiel – Emissions- und verbrauchsarmer Betrieb durch den Fahrer
Bild 15-7. (Fahrerschulung).
Intensive politische und wirtschaftliche Diskussionen und
Anstrengungen werden neben den bereits vorhandenen Transmission und Immission stehen in enger Wechselwir-
Grenzwerten für die Luftqualität (Klimakonferenz, Kyoto- kung. Einflussfaktoren sind:
Protokoll, EU-Gesetze) auch zur Limitierung der CO2- – Lokale Emission,
Emission von Kraftfahrzeugen führen. So ist ein Flotten- – Straßenführung,
CO2-Wert für Pkw von 120 bis 130 g/km bis zum Jahr 2012 – Bebauung,
vorgesehen. – Verkehrsdichte,
Die schädlichen oder klimarelevanten Emissionen lassen – Klimatische Einflüsse:
sich in der Praxis nur durch das Zusammenspiel verschie- – Windstärke,
denster Maßnahmen, einem sog. Integrated Approach, wir- – Windrichtung,
kungsvoll reduzieren. Dies sind z. B.: – Temperatur,
– Festlegungen gesetzgeberischer Maßnahmen (Emissions- – Sonneneinstrahlung.
grenzwerte in Verbindung mit den zugrunde gelegten – Chemisch-physikalische Reaktionen.
Testzyklen),
– Begünstigung umweltfreundlicher Fahrzeuge durch Auf der Basis sog. Ausbreitungsmodelle und unter Berück-
Anreizsysteme; (Steuervorteil, Erhöhung der Attraktivität sichtigung der o. g. Einflussfaktoren lassen sich die zu erwar-
öffentlicher Verkehrsmittel usw.), tenden Immissionen an bestimmten geographischen Orten
– Verringerung der Emissionen am Entstehungsort durch vorausberechnen. Dies ist z. B. wichtig bei der Planung von
verbesserte Verbrennungsprozesse und Abgasnachbehand- neuen Wohngebieten und der damit zusammenhängenden
lung, Straßenführung. Während die Emissionen von Kohlenmon-
15.1 Allgemeine Zusammenhänge 465

Bild 15-5 Emissionsentwicklung, verursacht durch den Straßenverkehr in Deutschland (VDA Jahresbericht 2006)

oxid und Kohlenwasserstoffen inzwischen auf einem extrem Feinstaub


niedrigen Niveau angekommen sind, nicht zuletzt durch die
Einführung der Katalysatortechnik (3-Wege-Katalysator) bei Staub gehört zu den Luftschadstoffen, die die Luftqualität
benzinbetriebenen Fahrzeugen, sind bei dieselmotorisch be- bestimmen. Sämtliche in der Luft verteilten Feststoffe wer-
triebenen Pkw und Nfz besonders die Partikelemission (Fein- den – unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung
staub) und die NOX-Emission relevant. Hinzu kommt das – unter den Begriffen „Staub“ oder „Partikel“ zusammen-
sich erst in der Atmosphäre bildende Ozon O3. gefasst. Für den Menschen bedeutsam sind vor allem die
Nachfolgend werden diese drei für die Lufthygiene und Feinstäube, die für das menschliche Auge nicht mehr wahr-
die Wirkung auf den Menschen wichtigen Komponenten nehmbar sind. Sie machen den gesundheitlich relevanten
näher betrachtet. Teil des Schwebstaubs aus und werden nach ihrem aerodyna-
mischen Durchmesser dAero klassifiziert. Als Feinstaub
466 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-6 Entwicklung der anthropogenen CO2-Emission, weltweit (Quelle: Lenz)

Bild 15-7 Aufteilung der anthropogenen CO2-Emission auf die Quellen (VDA, 2003)
15.1 Allgemeine Zusammenhänge    467

(PM10, PM = Particulate Matter) wird die Masse aller im Ge­ RL 96/62/EG und der drei Tochterrichtlinien ist für 2007
samtstaub enthaltenen Partikel bezeichnet, deren aerodyna­ vorgesehen.
mischer Durchmesser bis zu 10 µm beträgt. Er repräsentiert Grenzwerte ab 1. Januar 2005:
den überwiegend inhalierbaren Anteil an der Gesamtstaub­ – 50 µg/m³ für den 24-Stunden-Mittelwert von PM10, es
masse. Feinstaub kann natürlichen Ursprungs sein (bei­ sind 35 Überschreitungen pro Jahr erlaubt,
spielsweise als Folge von Bodenerosion) oder durch mensch­ – 40 µg/m³ für den Jahresmittelwert von PM10.
liches Handeln (anthropogen) hervorgerufen werden. Fein­ Grenzwerte ab 1. Januar 2010:
staub entsteht aus Energieversorgungs- und Industrieanla­ – weiterhin 50 µg/m³ für den 24-Stunden-Mittelwert von
gen, aus stationären Feuerungsanlagen, bei der Metall- und PM10, es sind jedoch nur noch 7 Überschreitungen pro
Stahlerzeugung oder beim Umschlagen von Schüttgütern. In Jahr erlaubt,
Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr oft die dominie­ – 20 µg/m³ für den Jahresmittelwert von PM10.
rende Staubquelle.
Als Bezeichnungen, die allerdings im Schrifttum nicht Die in der Tochterrichtlinie festgelegten Grenzwerte ba­
einheitlich verwendet werden, sind in Gebrauch: sieren auf Arbeiten der WHO und liegen i. d. R. deutlich
Schwebstaub Teilchen bis zu einem dAero von unter den Werten früherer Regelungen. So ersetzen bei
(Total Suspended rund 30 µm (Gesamtstaub, alle luft- den Par­tikeln die neuen Grenzwerte für Feinstaub (PM10)
Particulates, TSP): getragenen Partikel) die bisherigen Grenzwerte für Gesamtschwebstaub (TSP,
Feinstaub (PM10): Teilchen, die einen größenselektie­ mit Partikeldurchmessern bis 40 µm). Mit der 22. Bun­des-
renden Lufteinlass passieren, der Immission­sschutz-Verordnung (22. BimSchV, vom 11. 09.
für dAero = 10 µm einen Abscheide­ 2002), [15-2], wurden die Luftqualitäts-Rahmenrichtlinie
grad von 50% aufweist und die ersten beiden Tochterrichtlinien in deutsches Recht
Grobe Partikel: Teilchen größer als 2,5 µm umgesetzt.
(und kleiner als 10 µm Üblicherweise unterscheidet man zwischen anthropo­
(im englischsprachigen Raum genen (von Menschen verursachten) und natürlichen Quel­
„coarse fraction“) len. Beide Quellen lassen sich in primäre und sekundäre
Feine Partikel Teilchen, die einen größenselektie- Quellen unterteilen.
(PM2.5): renden Lufteinlass passieren, der Bei primären anthropogenen Quellen entstehen die
für dAero = 2,5 µm einen Abscheide­ Staubteilchen unmittelbar in diesen Quellen und werden
grad von 50% aufweist von ihnen frei gesetzt. Hierzu zählen ortsfeste (stationäre)
Ultrafeine Partikel Teilchen kleiner als 100 nm Quellen, wie Verbrennungsanlagen zur Energieversorgung
(PM0.1): (Kraftwerke und Fernheizwerke), Abfallverbrennungsanla­
Nanopartikel: Teilchen kleiner als 50 nm gen, Hausbrand (Gas, Öl, Kohle u. a. feste Brennstoffe),
Industrieprozesse (z. B. Metall-, Stahlerzeu­gung, Sinteranla­
Die Partikelfraktion PM2.5 wird auch als lungengängiger gen), Landwirtschaft und der Schüttgutumschlag.
Feinstaub bezeichnet. Mobile Quellen, wie der Straßenverkehr, z. B. Diesel-Nkw
Der aerodynamische Durchmesser dAero eines Teilchens und Diesel-Pkw, sind vor allem in Ballungsgebieten die
beliebiger Form, chemischer Zusammensetzung und Dichte dominierenden Quellen. Zu den Rußpartikeln aus dem Aus­
ist gleich dem Durchmesser einer Kugel mit der Dichte ein puff sind beim Straßenverkehr zusätzlich der Abrieb der
Gramm pro Kubikzentimeter (1 g/cm³), welche in ruhender Reifen, Bremsen und Kupplungsbeläge sowie der wieder
oder wirbelfrei strömender Luft die gleiche Sinkgeschwin­ aufgewirbelte Straßenstaub als sog. diffuse Emissionen zu
digkeit hat wie das betrachtete Teilchen. berücksichtigen. Der Schienenverkehr, die Schifffahrt (mit
In der Europäischen Union sind mit der Luftqualitäts- Dieselmotoren) und der Luftverkehr sind weitere mobile
Rahmenrichtlinie (96/62/EG, über die Beurteilung und die Quellen mit nennenswertem Staub-Ausstoß.
Kontrolle der Luftqualität), die mit der sog. „1.Tochterricht­ Bei den sekundären anthropogenen Quellen werden
linie“ (1999/30/EG, über Grenzwerte für Schwefeldioxid, reaktionsfähige Gase freigesetzt (u. a. Schwefel- und
Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Stickstoff­oxide, Ammoniak), die sich über Reaktionen in
Luft) konkretisiert wurde, strenge Grenzwerte für die Luft­ der Atmosphäre in sekundäre Staubteilchen umwandeln.
qualität festgelegt worden. Diese Grenz­werte (Immissions­ Dazu zählen u. a. Ammoniumsulfate und Ammoniumnit­
werte) besitzen rechtsverbindlichen Charakter, d. h. sie rate, die sich an bereits in der Atmosphäre befindlichen
„... dürfen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwir­ feinen Teilchen anlagern und so die Sekundär­aerosole bil­
kungen nicht überschritten werden“. Eine Novellierung der den.
468 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-8 Entwicklung des Staubausstoßes in Deutschland von 1990 bis 2002 (Quelle: UBA 2004)

Zu den natürlichen Quellen zählen Vulkane, Meere (See- – nicht enthalten sind:
salzaerosole), Waldbrände und biologisches organisches sowohl die Aufwirbelung und der Abrieb von der Straßen-
Material (z. B. Pflanzenpollen). Diese Teilchen können über oberfläche durch den Straßenverkehr als auch der erheb-
größere Entfernungen aus der ursprünglichen Quellregion liche Abrieb der Reifen und Bremsen.
verfrachtet werden und so einen Beitrag zum Ferntransport
leisten. Verweildauer in der Atmosphäre und möglicher Der Anteil der Dieselrußpartikel am Feinstaub ist schwer ab-
Transportweg werden durch die Teilchengröße entscheidend zuschätzen. Lokal in städtischen Gebieten mit hohem Ver-
bestimmt. So können kleine Teilchen innerhalb von weni- kehrsaufkommen kann der Anteil relativ hoch sein. Dort
gen Tagen über einige tausend Kilometer transportiert wer- ergreifen die Behörden Maßnahmen gegen den erhöhten
den. Ein Beispiel ist der Saharastaub, der – je nach Wind- Verkehr mit hohem Dieselrußausstoß. Weiterhin wird durch
richtung – bis nach Europa oder Amerika gelangen kann. strengere Emissionsgrenzwerte (Euro 5 und 6) und steuer-
Der Staubausstoß in Deutschland hat sich in den letzten liche Anreize die Ausrüstung der Dieselfahrzeuge mit Diesel-
15 Jahren drastisch verringert. Beachtet werden muss dabei, partikelfiltern beschleunigt.
dass bis 2001 überwiegen der Gesamtstaub gemessen wurde. Gezeigt wird in Bild 15-9 eine Quellenanalyse vom PM10
Bild 15-8 zeigt die Entwicklung des Staubausstoßes mit fol- an einer verkehrsbelasteten Messstation in Berlin. Zu beachten
genden Randbedingungen: ist, dass dem Straßenverkehr 49% der Gesamtstaubbelastung
– Enthalten sind: anzulasten ist, jedoch nur 11% aus dem Auspuff der Fahrzeuge
Emissionen aus verkehrsbedingten und nicht verkehrs- des örtlichen Verkehrs stammen (etwa 8% Lkw, 3% Pkw).
bedingten Verbrennungsvorgängen, aus Industrieprozes- Nachdem verschiedene Studien gezeigt haben, dass Fein-
sen und Schüttgutumschlag. staub gesundheitsgefährdend ist, wurden entsprechend der
15.1 Allgemeine Zusammenhänge 469

Bild 15-9 Feinstaubbelastung an einer verkehrsnahen Messstation in Berlin [15-4]

Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) In den vergangenen Jahren gab es immer mehr Hinweise
Regelungen zur Reduzierung getroffen. darauf, dass es – im Gegensatz zu früheren Annahmen – bei
Ultrafeine Partikel haben nur geringe Massenanteile an Schwebstaub keine Schwelle gibt, ab der sich der Staub nega-
PM (wenige Prozent), weisen jedoch wegen ihrer großen tiv auf die Gesundheit auswirkt.
Anzahl (bis zu 90%) eine erhebliche Teilchenoberfläche auf. Befunde aus Kohortenstudien zeigen, dass infolge der
An dieser können sich schädliche Stoffe (zum Beispiel Inhalation von Feinstaub mit einer Verkürzung der Lebens-
Schwermetalle oder organische Stoffe, wie polyzyklische erwartung der Bevölkerung zu rechnen ist [15-5]. Derartige
aromatische Kohlenwasserstoffe oder Dioxine) anlagern. Studien sind jedoch nicht unumstritten.
Der Ruß aus dem Auspuff von Dieselfahrzeugen besteht
auch aus ultrafeinen Teilchen. Stickoxide NOX
Schwebstaubteilchen können als Fremdkörper dort, wo
sie im Körper abgelagert werden, eine Reizwirkung aus- Während im Brennraum beim Verbrennungsvorgang über-
üben, die zu entzündlichen Veränderungen führt. Je kleiner wiegend NO (ca. 60 bis 90%) und wenig NO2 entstehen, die
die Partikel sind, desto weiter können sie in die Atemwege als Gemisch betrachtet und mit NOX bezeichnet werden, ist
vordringen. Partikel über 10 µm Teilchengröße kommen für die Lufthygiene als Immission ausschließlich NO2 rele-
kaum über den Kehlkopf hinaus, nur ein kleiner Teil davon vant. NO2 wird gezielt beim Dieselmotor in den Katalysa-
kann die Bronchien und die Alveolen erreichen. Für Teilchen toren aus NO erzeugt und zur Oxidation der Rußpartikel wie
unter 10 µm und besonders für diejenigen unter 2,5 µm ist auch zur effizienten Reduzierung in DENOX-Systemen ein-
dies jedoch möglich. Ultrafeine Partikel, also solche, deren gesetzt. In der Luft wird NO zu NO2 oxidiert. Es handelt sich
Teilchengröße unter 0,1 µm liegt, können sogar über die dabei um ein Gas, das zu Schleimhautreizungen führt und in
Lungenbläschen in die Blutbahn vordringen und sich über Verbindung mit Feuchtigkeit ätzende Wirkung hat (saurer
den Blutweg im Körper verteilen. Regen). Besonders unter körperlicher Anstrengung führt es
470    15 Abgasemission von Dieselmotoren

bei Asthmatikern zu erhöhten körperlichen Belastungen. (Ozonloch). Abgasemissionen haben keinen Anteil daran.
Auf die Pflanzen wirkt NO2 „düngend“, d. h. wachstumsför­ Nach jüngsten Berechnungen wird bis etwa 2040/2050
dernd. dieses Ozonloch wieder geschlossen sein.
Nach [15-2] wird im Jahr 2010 in der EU ein Grenzwert b) Das bodennahe Ozon: Es wird als Sommersmog bei starker
von 40 µg/m2 NO2-Konzentration in der EU gelten. Sonnenein­strahlung aus dem Luftsauerstoff unter
Bild 15‑10 zeigt die aktuelle NO2-Konzentration, die seit Einwirkung von Photooxidantien (NOX, VOC, CO)
etwa 1997 unabhängig vom Ort konstant geblieben ist. Um ge­bildet und ist giftig, daher unerwünscht. Da diese
den genannten Grenzwert zu erreichen, sind erhebliche Vorläufersubstanzen z. T. aus den Kfz-Abgasen stammen,
Anstrengungen in allen Bereichen, d. h. nicht nur im Ver­ werden ab bestimmten O3-Konzentrationen Informatio­
kehrsbereich, notwendig. nen bis zu Fahrverboten an die Verkehrsteil­nehmer
ge­geben, um den Kfz-Verkehr zu reduzieren. Stickoxide
Ozon O3 initiieren einerseits die O3‑Bildung, fördern andererseits
aber auch seinen Zerfall. So kann sich durchaus in
Beim Ozon sind zwei Wirkungsbereiche zu unterscheiden: ländlichen Gegenden eine höhere Ozon-Konzentration als
a) Die Ozonschicht: In einer Höhe von 30 bis 40 km in ver­kehrsreichen Stadtgebieten einstellen.
(Stratosphäre) wirkt Ozon als Filter gegen die harte UV-
Strah­lung (UV-C und UV-B) und ist daher lebenswichtig. Ozon ist ein Reizgas und kann den Sauerstofftransport
In den letzten 20 Jahren konnte eine zunehmende Aus­ ­verändern. Es reduziert die Resistenz gegen Virusinfek­
dünnung der Ozonschicht beobachtet werden, verursacht tionen, das pflanzliche Wachstum und beeinflusst die At­
durch FCKW und Halone. Besonders im Frühling mung.
(September, Oktober) kommt es über der Antarktis zu
einer dra­matischen Reduzierung der O3-Konzentration

Bild 15-10 NO2-Immission in Deutschland und Grenzwerte


15.2 Abgasgesetzgebung    471

15.2 Abgasgesetzgebung technik die Lichtabsorptionsmessung und die Filtermessung


unterschieden. Einen direkten und eindeutigen Rückschluss
15.2.1 Abgasgesetzgebung für Pkw-Motoren auf das Partikelemissionsniveau im Rollenprüfstandstest
lassen die Ergebnisse aus diesen Messungen allerdings nicht
Die ersten Abgasvorschriften für Fahrzeuge mit Dieselmotor zu. Mittels der Dieselrauchprüfung können sinnvoll ledig­
entstanden Anfang der 1970er Jahre in den USA und etwas lich hoch emittierende Fahrzeuge ermittelt und auch in
später dann auch in Japan und Europa. Der Fokus der Ge­ bestimmten Fällen unerlaubte Veränderungen am Einspritz­
setzgeber liegt heute wie auch damals schon auf der Limitie­ system erkannt werden.
rung des Dieselrauchs, der Partikelemission und der Stick­
oxidemission. Der Abgastest soll eine quantitative Aussage 15.2.1.2 Gasförmige Emissionen und Partikelemission
über die Emissionen eines Fahrzeugszeuges unter repräsen­
tativen Bedingungen liefern. Dies erfolgt auf einem Rollen­ Für die Typprüfung von neuen Fahrzeugen sind die Emissi­
prüfstand und mit standardisierten Fahrzyklen. Da das Fahr­ onen von HC, CO, Stickoxid und Partikel im Fahrzyklus auf
verhalten in USA, Europa und Japan aber unterschiedlich ist, einem Rollenprüfstand zu ermitteln. Außerdem fordert der
haben sich parallel auch verschiedene Fahrzyklen für die Ab­ Gesetzgeber eine Überwachung der produzierten Fahrzeuge
gas- und Verbrauchsmessung entwickelt. Die wesentlichen und auch teilweise die Prüfung von Fahrzeugen im Verkehr (in
Fahrzyklen sind in Bild 15‑11 dargestellt. der EU können derzeit Fahrzeuge bis zu einer Laufleis­tung von
Während man anfangs dem Diesel bei den Stickoxiden 100.000 km der Prüfung unterzogen werden). Im Rahmen der
höhere Emissionen zubilligte, geht die Entwicklung der Typprüfung wird auch die Einhaltung der Emissions­grenz-
Ab­gasvorschriften in die Richtung der Gleichbehandlung werte über die Fahrzeuglebenszeit gefordert. Zur Nachweis­
von Otto- und Dieselmotoren, d. h. technologieneutrale erbringung hat der Hersteller hier i. d. R. die Wahl zwischen
Grenzwerte. der Anwendung von festen Verschlechterungsfaktoren (Ta­
Nach den Anfängen der Abgasgesetzgebung in USA, belle 15‑1) – die Emissionen werden über die lineare Regres­
Eu­ropa und Japan haben sich Vorschriften zur Begrenzung sion auf die Lebensdauer hochgerechnet – und der Durchfüh­
der Emissionen in vielen Ländern entwickelt. In mehr als 30 rung eines Dauerlaufes. Für die USA gilt die Option der festen
Ländern existieren heute unterschiedlich strenge Abgasvor­ Verschlechterungsfaktoren allerdings nur für Kleinserien und
schriften. Diese Vorschriften greifen aber im Wesentlichen ist darüber hinaus anpassungsbedürftig hinsichtlich der Dau­
auf die Beispiele USA, Europa und Japan zurück. Daher erlaufdistanz. Die Fahrzeuglebenszeit wird unterschiedlich
reicht eine Konzentration auf die Vorschriften dieser drei angesetzt. So muss in den USA der Nachweis über 120.000
Länder in den folgenden Betrachtungen. Meilen (193.000 km) erbracht werden, während man in
Euro­pa lediglich den Nachweis über 80.000 km fordert.
15.2.1.1 Dieselrauch Die Emissionen beim Rollenprüfstandstest werden aus
dem verdünnten Abgasstrom analysiert. Zusätzlich sammelt
Die Dieselrauchmessung, anfangs auch für die Bewertung ein durch einen Teilabgasstrom beaufschlagtes Filterplätt­
von Neufahrzeugen sinnvoll, macht wegen des insgesamt chen die Abgaspartikel, welche anschließend auf einer
niedrigen Emissionsniveaus heutzutage nur noch Sinn für Waage vor und nach dem Test gewogen werden. Die Diskus­
die Prüfung von Fahrzeugen im Verkehr. sion um das gesundheitsgefährdende Potential der Diesel­
Grundsätzlich unterscheidet man zwei Typen von Diesel­ rußpartikel führte auch zu der Frage, ob die Partikelmasse
rauchprüfungen. Zum einen kommt eine Volllastmessung hier die relevante Messgröße ist oder ob nicht etwa die
(hier werden je nach Vorschrift 4 bis 6 Punkte auf der Voll­ Anzahl der Partikel bestimmend für das Gesundheitsrisiko
lastlinie des Motors angefahren) und eine freie Beschleuni­ ist. In Europa überlegt man daher mittelfristig die Messung
gung (Beschleunigung des Motors bis zur Abregeldrehzahl) der Partikelmasse mit der Partikelanzahl­messung zu er­­
zur Anwendung. Darüber hinaus werden seitens der Mess­ gänzen.

Tabelle 15-1 Verschlechterungsfaktoren (DF – Deterioration Factor) in Europa/Japan

CO HC NOx Σ HC+NOx PM Dauerhaltbarkeit


EU 1,1 – – 1,0 1,2 80 000 km
Japan 1,2 1,3 1,0 – 1,2 80 000 km
472 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-11 Pkw-Abgastestzyklen


15.2 Abgasgesetzgebung    473

Mit der Markteinführung von Partikelfiltersystemen


Tabelle 15-3 Abgasgrenzwerte Kalifornien für „half useful life”
haben die Gesetzgeber in Europa eine ergänzende Prüfung (50 000 Meilen)
von periodisch regenerierenden Partikelfiltern festgelegt.
Hier werden Emissionen und Verbrauch sowohl in der Par­ Emissionen im FTP-75 Zyklus
tikel-Akkumulationsphase als auch in der Regenerierphase NMOG CO NOx PM HCHO
ermittelt. So fließen also gewichtet die höheren Emissionen [g/mi] [g/mi] [g/mi] [g/mi] [g/mi]
während der Regenerierung des Partikelfilters in die Ender­
LEV 0,075 3,4 0,05 0,01 0,015
gebnisse mit ein. ULEV 0,040 1,7 0,05 0,01 0,008
SULEV* 0,010 1,0 0,02 0,01 0,004
15.2.1.3 Abgasvorschriften USA NMOG: Non-Methan Organic Glases
HCHO: Formaldehyd
Die verschiedenen Abgasgrenzwertstufen werden in den
* full useful life (120  000 Meilen)
USA Bund als „Tier“ (Stufe) bezeichnet. Die aktuelle Stufe ist
Tier 2. Diese unterscheidet wiederum verschiedene Grenz­
wertsätze (bin). Der Hersteller kann zwischen mehreren bin
wählen, muss jedoch beachten, dass der NOX‑Wert seiner
15.2.1.4 Abgasvorschriften Europäische Union
Fahrzeugflotte im Mittel 0,07 g/Meile (phase-in bis Modell­
jahr 2007) nicht überschreitet. Dies schränkt die Wahl der Erst spät hat die Entwicklung der Abgasvorschriften in der
möglichen Grenzwertsätze stark ein, da im Durchschnitt Europäischen Union (EU) mit der Abgasstufe Euro 1 An­
bin5 erreicht werden muss. Der am wenigsten strenge Grenz­ schluss an das Niveau der Gesetzgebung in USA gefunden.
wertsatz ist bin8. Wesentlich an den Abgasgrenzwerten in Mittlerweile ist man bei der Stufe Euro 4 (Tabelle 15‑4) ange­
den USA ist, dass sie sowohl für Diesel- als auch für Otto- langt, die seit dem 1.1.2005 für alle neuen Typen und seit
Fahrzeuge gelten, welches eine besondere Herausforderung dem 1.1.2006 für alle neu zugelassenen Fahrzeuge gilt. Es
an die Abgasreinigung des Dieselmotors ist, Tabelle 15‑2. gibt bereits weiterführende Festlegungen für Euro 5 (gültig
Des Weiteren wird die Einhaltung von Emissionsgrenzwer­ ab 1.9.2009) und zu Euro 6 (ab 1.9.2014). Gegenwärtig gelten
ten in Zusatzzyklen, der sog. Supplemental Federal Test Pro- in den Euro-Abgasstufen noch unterschiedliche Grenzwerte
cedure (SFTP) gefordert. für Otto- und Dieselmotoren. Außerdem werden Pkw noch
Ausgehend von der besonderen Situation bezüglich durch ihre zulässige Gesamtmasse unterschieden. Die Ab­
Klima, Bevölkerungsdichte und damit auch der Verkehrs­ gasgrenzwerte für Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamt­
dichte haben sich bis heute eigenständige Emissions­ masse von unter 2500 kg müssen strengere Werte erfüllen als
vorschriften für den Bundesstaat Kalifornien gehalten. Hier die Fahrzeuge mit 2500 kg und mehr. Von dieser Regelung
ersetzt der NMOG-Flottengrenzwert (Non Methan Organic profitieren im Wesentlichen Kleinbusse.
Gases) den in USA Bund gültigen NOX-Flottenwert. Der Die Abgasvorschriften in der EU werden durch die EU
NMOG-Flottenmittelwert eines Herstellers bestimmt die Kommission vorgeschlagen und durch die Institutionen
Stückzahlen in den 3 Grenzwert­klassen, die hier LEV (Low bestätigt. Mittlerweile werden immer häufiger Komponen­
Emission Vehicle), ULEV (Ultra Low Emission Vehicle) ten der Gesetzgebung, wie etwa Testverfahren aus der Arbeit
und SULEV (Super Ultra Low Emission Vehicle) heißen, im World Forum For Harmonization der Vereinten Nationen
Tabelle 15‑3. Die kalifornischen Abgasgrenzwerte sind die (UN-ECE) übernommen. Ein Beispiel hierfür ist das Prüf­
strengsten weltweit. verfahren von Fahrzeugen mit periodisch regenerierenden
Abgasnachbehandlungssystemen wie dem Diesel­partikel­
filter. Bei diesem Verfahren wird der sog. Regenerierungs­
Tabelle 15-2 Abgasgrenzwerte Tier 2 bin8/bin5 für „half useful life” faktor (ki) durch Messung der Emissionen vor, während und
(50 000 Meilen) nach der Regenerierung des Abgasnachbehandlungssystems
ermittelt, Bild 15‑12. Die Messwerte aus der Abgasprüfung
Emissionen im FTP-75 Zyklus mit einem unbeladenen Partikelfilter werden dann mit dem
NMOG CO NOx PM HCHO ki-Wert multipliziert.
[g/mi] [g/mi] [g/mi] [g/mi] [g/mi] Eine Fortschreibung der Euro-Stufen ist gegenwärtig in
Gang. Die anvisierten Einsatztermine liegen in 2009 bzw.
bin 8 0,100 3,4 0,14 0,02 0,015
bin 5 0,075 3,4 0,05 0,01 0,015 2014. Der Fokus der Verschärfung wird auf einer weiteren
Reduzierung der NOX‑Emissionen speziell beim Diesel­
motor liegen, um die zulässigen Emissionen von Otto und
474    15 Abgasemission von Dieselmotoren

Ob auch eine Änderung des Testzyklus kommen wird,


Tabelle 15-4 Euro4/5/6 Grenzwerte für Fahrzeuge mit Dieselmotoren
steht noch im Raum. Äußerungen des Gesetzgebers, dass
Europäischer Fahrzeugzyklus NEFZ der aktuelle Testzyklus NEFZ nicht mehr repräsentativ sei,
deuten dies zumindest an. Möglicherweise werden diese
CO HC + NOx NOx PM
[g/km] [g/km] [g/km] [g/kg] Aktivitäten mit jenen bei der UN-ECE koordiniert.

Euro 4 0,5 0,30 0,25 0,025


Euro 5 0,5 0,23 0,18 0,005
15.2.1.5 Abgasvorschriften Japan
Euro 6* 0,5 0,17 0,08 0,005
Die japanischen Großstädte mit ihren Ballungsräumen lei­
* gem. Verordnung 715/2007/EG den bereits seit langer Zeit unter dem Smog-Problem, verur­
sacht durch die hohen Konzentrationen von Kohlenwasser­
stoffen und Stickoxiden. Einen wesentlichen Beitrag hierzu
leistet der Straßenverkehr. Daher lag bei der Entwicklung der
Diesel näher aneinander zu rücken und dann in einer weiter Abgasgesetzgebung das Augenmerk besonders bei der Redu­
folgenden Stufe möglicherweise anzugleichen. Auch bei den zierung der NOX-Emissionen. Neben den Abgasgrenzwerten
Partikel­emissionen liebäugelt der Gesetzgeber mit Verän­ für das ganze Land gab es daher im sog. NOX-Control-Law
derungen. So gibt es Bestrebungen, neben der bisherigen strengere Werte für die Zulassung von Dieselfahrzeugen in
Messgröße Partikelmasse auch die Anzahl der emittierten den Ballungs­räumen. Aber auch in Japan geht die Fortschrei­
Partikel zu ermitteln. bung der Abgasvorschrift in Richtung der Gleichbehandlung

Bild 15-12 Verfahren zur Bestimmung der Emission von periodisch regenerierenden Systemen
15.2 Abgasgesetzgebung    475

Tabelle 15-5 Abgasgrenzwerte Diesel-Pkw Japan

HC CO NOx PM
[g/km] [g/km] [g/km] [g/km]
Emissionen im 10.15-Mode
Long Term Targets seit 2004 0,12 0,63 0,28 0,052
(0,24) (0,98) (0,43) (0,11)
Emission im 11-/10.15-Mode
ab 2008:Emissionen im JC08-/10.15-mode
New Long Term Targets ab 1.9.2007 0,024 0,63 0,14 0,013
(0,032) (0,84) (0,20) (0,017)
Emissionen im JC08-/10.15-mode
Emissionen im JC08-/JC08-mode
Post New Long Term Targets ab ca. 2010 0,024 0,63 0,08 0,005
(0,032) (0,84) (*) (*)
Klammerwerte gelten für Kleinserien bis max. 2000 Fahrzeuge pro Typ und Kalenderjahr
* Grenzwerte sind noch nicht festgelegt

von Otto- und Diesel-Fahrzeugen. Die Einfüh­rungstermine 15.2.2 Abgasgesetzgebung für Nutzfahrzeugmotoren
sind zeitversetzt für Fahrzeuge aus japanischer Produktion
und Importfahrzeugen. Diese Praxis ist aber für die Zukunft 15.2.2.1 Prüfmodus und Abgasgrenzwerte
noch nicht festge­schrieben. Außerdem werden auch zwei
verschiedene Grenzwertsätze definiert, einer für Großserien Die Typenvielfalt der Nutzfahrzeuge, ihre Entwicklung zum
und der andere für Kleinserien bzw. geringe Importstück­ Komponenten-Truck sowie der Reifen- und Bremsenver­
zahlen (max. 2000 Fahrzeuge pro Typ und Kalenderjahr), schleiß beim Rollenprüfstandsbetrieb haben für schwere
Tabelle 15‑5. Nutzfahrzeuge weltweit zu Emissionsprüfungen auf Motor­
prüfständen geführt. Dabei erfolgt die Einteilung der Klassen
On-Board Diagnose (OBD) in der Europäischen Union wie in Tabelle 15‑6 dargestellt.
Da nicht jedes Einsatzprofil eines Motors geprüft werden
Um die Funktion der emissionsmindernden Bauteile auch kann, ist es erforderlich, den Motor in einem möglichst
im Betrieb des Fahrzeuges überwachen zu können, fordert typischen Prüfzyklus zu betreiben, um die Emissionen zu
der Gesetzgeber die sog. on‑board Diagnose. Diese Anforde­ bewerten und um den Zertifizierungsaufwand in Grenzen
rung wurde erstmalig in Kalifornien in 1988 mit der OBD I zu halten. Bei der Prüfung werden die Emissionen der fol­
gestellt. Die aktuelle Version der Diagnose ist nun die OBD II genden Komponenten gemessen:
für Kalifornien. In der EU wurde die on‑board Diagnose mit – Stickoxide (NOX),
der Euro 3-Gesetz­gebung ab dem Jahr 2000 eingeführt – Kohlenwasserstoffe (HC),
(EOBD). Die Aufgabe der OBD ist es, den Fahrer über Fehl­ – Kohlenmonoxid (CO),
funktionen oder gar Ausfälle von emissionsrelevanten Bau­ – Partikel (PM),
teilen durch eine optische Warnanzeige zu informieren. Die – sichtbare Emission (Abgastrübung).
erkannten Fehlfunktionen werden in einen Fehlerspeicher
eingetragen und können über eine genormte Schnittstelle Die in den verschiedenen Ländergruppen festgelegten Ab­
mit einem externen Diagnosetool ausgelesen werden. Die gasgrenzwerte sind tabellarisch dargestellt, Tabelle 15‑7 und
OBD für USA und Europa unterscheiden sich im Wesentli­ 15‑8. Aus allen länderspezifischen Gesetzgebungen ist ein
chen durch die Überwachungs­parameter und die Höhe des deutlicher Trend zu niedrigen Abgasgrenzwerten festzu­
Emissionsschwellwertes, ab welchem eine Fehlfunktion an­ stellen. Die Grenz­wertschärfe der einzelnen Länder ist nicht
gezeigt wird. direkt vergleichbar, da die Motoren auf den jeweiligen Prüf­
zyklus abgestimmt werden müssen.
476    15 Abgasemission von Dieselmotoren

Tabelle 15-6 Fahrzeugklassen nach RREG 70/156/EWG1 für dieselgetriebene Fahrzeuge. Prüfandorderungen für gasförmige Emissionen und Partikel

Personenbeförderung Güterbeförderung
Klasse Sitzplätze2 zul. Gesamtgewicht Testzyklus Klasse zul. Gesamtgewicht Testzyklus
M1 ≤8 ≤3,5 t EUDC3 N1 ≤3,5 t Wahlweise EUDC3
>3,5 t ESC; ELR; ETC; ECE-R 49 oder ECE-R 49; ESC, ELR; ETC
M2 >8 ≤5 t ECE-R 49 N2 ≤3,5 t… ≤12 t ECE-R 49 (EUDC)4
ESC; ELR; ETC (EUDC)4
M3 >8 >5 t ECE-R 49 N3 ≤12 t ECE-R 49
ESC; ELR; ETC ESC; ELR; ETC
1 EUDC (ECE-R49) gültig für Straßenfahrzeuge mit mindestens 4 Rädern und einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 50 (25) km/h (ohne Arbeitsmaschinen).
2 Ohne Fahrer.
3 EUDC: Neuer Europäischer Rollen-Zyklus bis 120 km/h nach RREG 70/220/EWG.
4 Rollentest kann für M2- und N2-Fahrzeuge dann erfolgen, wenn Bezugsmasse 2840 kg nicht übersteigt.
ESC: European Steady Cycle.
ETC: European Transient Cycle.
ELR: European Load Responsetest.

Tabelle 15-7 Entwicklung der Grenzwerte gas- und partikelförmiger Emissionen dieselbetriebener Nutzfahrzeuge über 3,5 t in der EU

1992/93 1995/96 2000/01 2005/06 2008/09 EEV****


Euro I Euro II Euro III Euro IV Euro V Sonderdefinition
Test­zyklus ECE-R49 ECE-R49 ESC ETC ESC ETC ESC ETC ESC ETC
CO g/kWh 4,5(4,9) 4 2,1 5,45 1,5 4 1,5 4 1,5 3
HC g/kWh 1,1(1,23) 1,1 0,66 0,46 0,46 0,25
NMHC g/kWh 0,78 0,55 0,55 0,4
NOx g/kWh 8,0 (9,0) 7 5 5 3,5 3,5 2 2 2 2
PM g/kWh 0,61(0,68)* 0,25** 0,13*** 0,21*** 0,02 0,03 0,02 0,03 0,02 0,02
0,36(0,4) 0,15 0,10 0,16
CH4 g/kWh 1,6 1,1 1,1 0,65
ELR Smoke m–1 0,8 0,5 0,5 0,15

Nachfolgend werden die wichtigsten Prüfverfahren lichen Betriebshäufigkeiten konzentrieren sich auf den Be­
beschrieben. reich hoher Drehzahlen. Die aus Verbrauchsgründen häufig
gefahrene Drehzahl des maximalen Drehmomentes ist nur
15.2.2.2 Amerikanischer Prüfzyklus sehr wenig berück­sichtigt, weshalb sich die europäische Ge­
setzgebung dem US-FTP bisher nicht anschließen konnte.
In den USA ist seit 1985 ein dynamisches Prüfverfahren für Die Tatsache, dass durch den Prüfzyklus die Fahrereig­
Nutzfahrzeugmotoren vorgeschrieben, Bild 15‑13. Der Prüf­ nisse im realen Fahrbetrieb nicht erfasst werden, wurde
zyklus (US-FTP) ist in normierter Form (Drehzahl, Dreh­ dazu genutzt, die Applikation so durchzuführen, dass zu
moment) vorgegeben, dauert 20 Minuten und wird zweimal Lasten der NOX-Emission günstige Kraftstoffverbräuche im
gefahren (Kalt- und Heißtest). Für das Endergebnis wird der Feld erreicht werden. Dieser Missbrauch (cycle beating)
Kalttest mit 1/7, der Heißtest mit 6/7 gewichtet. Die wesent­ führte zu einer deutlichen Verschärfung der US Gesetzge­
15.2 Abgasgesetzgebung    477

Die Europäische Gemeinschaft hat dann für Euro III ab


Tabelle 15-8 Entwicklung der Grenzwerte gas- und partikelförmiger Emis-
sionen dieselbetriebener Nutzfahrzeuge über 3,5 t in den USA bzw. über 2,5 t 1999 einen neuen Prüf­zyklus eingeführt, dessen Betriebs­
in Japan punkte durch umfangreiche Fahrmessungen bestimmt wur­
den [15‑6]. Die Motoren werden nach dem neuen Zyklus
Testzyklus USA Japan ESC (European Stationary Cycle) mit ELR (European Load
Gültig ab Reponse Test) bei drei Prüfdrehzahlen in mehreren Last­
FTP ESC D 13 JE05
[g/kWh] [g/kWh] [g/kWh] [g/kWh] punkten geprüft, Bild 15‑16. Der Prüfbereich bestimmt sich
aus der Volllastkurve des Motors, Bild 15‑17. Zur Absiche­
1998 NOx 5.4
HC 1.7
rung eines homogenen NOX Kennfeldes wird die NOX
CO 20.8 Emission in drei willkürlich vom Prüfer innerhalb des Prüf­
PM 0.13/0.07 bereiches ausgewählten Messpunkten ermittelt. Die dyna­
mische Partikelemission wird durch den ELR (European
1999 NOx 4.5
Load Response Test) begrenzt. Bild 15‑18.
HC 2.9
CO 7.4 Motoren mit Partikelfilter, Abgasnachbehandlungs-Syste­
PM 0.25 men zur Denoxierung und Gasmotoren sowie grundsätzlich
alle Euro IV und Euro V Motoren müssen zusätzlich im
2004 NOx 3.35 3.38
ETC Zyklus (European Transient Cycle) geprüft werden, der
HC 20.8 0.87
CO 0.13/0.07 2.22
von derselben Datenbasis abgeleitet ist, Bild 15‑19. Wie der
PM 0.18 US-Transienttest ist der ETC auf Basis normierter Drehzahl-
und Drehmomentwerte festgelegt, wird aber nur als Heiß­
2005 NOx 2.0
test gefahren und dauert 30 Minuten.
HC 0.17
Der sichtbare Rauch wird in Europa durch die Regelung
CO 2.22
PM 0.027 ECE‑R24 abhängig vom theoretischen Motor-Luftdurchsatz
begrenzt, Bild 15‑20. Um die Wirkung der ladedruckabhän­
2007 NOx 1.5 1.5 gigen Volllastmengenbegrenzungen zu prüfen, wird zusätz­
HC 0.19 0.19
lich der Rauchstoß bei freier Motorbeschleunigung aus dem
CO 20.8 20.8
PM 0.02 0.02
Leerlauf gemessen. Der ermittelte, und auf dem Motoren­
typschild angegebene Plakettenwert dient als Basis für die in
2009 NOx 0.3 0.3 0.7 einigen Ländern eingeführte Abgasuntersuchung (AU) und
HC 0.19 0.19 0.17
Feldüberwachung.
CO 20.8 20.8 2.22
PM 0.02 0.02 0.01
15.2.2.4 Japanischer Prüfzyklus

Wie in Europa wurde auch in Japan bisher ein stationärer


bung. Neben der zusätzlichen Einführung des Euro III ESC 13‑Punkte-Test (D 13) verwendet, dessen Prüfpunkte haupt­
Tests wurde ein Bereich des Motorkennfeldes festgelegt, die sächlich den Bereich des maximalen Drehmomentes und
sog. NTE (not‑to‑exceed) Zone, Bild 15‑14, in dem die Leerlaufes erfassen, Bild 15‑21. Seit 2005 gilt ein transienter
Emissionen den jeweiligen Grenzwert um nicht mehr als Prüfzyklus (JE 05), der im Gegensatz zu US-FTP und ETC
um einen von der Grenzwertschärfe abhängigen Faktor jedoch wie bei Pkw als Fahrzeugzyklus in km/h festgelegt ist,
überschreiten dürfen. Bild 15‑22. Die Prüfung selbst wird aber nach wie vor am
Für die Begrenzung der sichtbaren Emission (Abgastrü­ Motor vorgenommen. Dazu liefert der Gesetzgeber ein Re­
bung) ist ein dynamischer Prüfzyklus vorgeschrieben, der chenprogramm, mit dessen Hilfe der Fahrzeugzyklus in Ab­
aus verschiedenen Schub-, Last- und Verzögerungsphasen hängigkeit vom Fahrzeugtyp in den Motorzyklus umgewan­
aufgebaut ist, Bild 15‑15. delt wird.

15.2.2.3 Europäischer Prüfzyklus 15.2.2.5 Weltweit harmonisierter Prüfzyklus (WHDC)

Ein europäischer Prüfzyklus wurde durch die UN Wirt­ Die Prüfzyklen in USA, Europa und Japan unterscheiden
schaftskommission für Europa (ECE) mit Sitz in Genf erst­ sich signifikant in ihren jeweiligen Betriebsbereichen,
mals 1982 im Rahmen der Regelung ECE R49 eingeführt. Bild 15‑23. Mit immer schärferen und sich weiter annä­
Dieser Zyklus ist seit dem Jahre 2000 nicht mehr gültig. hernden Grenzwerten bedeutet das für einen weltweit täti­
478 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-13
Drehmoment und Drehzahlverlauf im
USA-Transient-Testzyklus für Nfz-Die-
selmotoren

Bild 15-14 USA-Kontrollzone (NTE)


15.2 Abgasgesetzgebung 479

Bild 15-15
USA-Rauchtest

Bild 15-16
ESC (European
Stationary Cycle)
480 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-17 Ermittlung des Prüfbereiches für ESC (European Stationary


Cycle) Bild 15-18 ELR (European Load Response Test)

Bild 15-19
ETC (European Transient Cycle)
15.2 Abgasgesetzgebung 481

Bild 15-20 Rauchgrenzkurven nach ECE-R 24 und A30, Schweden

Bild 15-21 Messpunkte und Wichtung im Japan-Dreizehn-Punkte-Test (D 13)


482 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-22 Japanischer Transient-Test (JE 05)

Bild 15-23 Betriebsbereiche im USA-, EU- und Japan-Test


15.2 Abgasgesetzgebung 483

gen Nfz-Hersteller einen unverhältnismäßig hohen Entwick- ist wesentlich komplexer als bisher, wodurch das Risiko
lungsaufwand für die prinzipiell gleiche Abgastechnologie. einer Umgehung des Zyklus (sog. cycle bypass) minimiert
Auf Anregung der europäischen Nutzfahrzeugindustrie wird. Zusätzlich gibt es auch einen Stationärtest WHSC, da
hat deshalb die UN Wirtschaftskommission für Europa sich die Kombination von Transient- und Stationärtest
(ECE) im Jahre 1997 die Entwicklung eines Welt-Testzyklus inzwischen weltweit durchgesetzt hat.
für die Zertifizierung schwerer Nfz-Motoren übernommen.
Dieser Zyklus wurde 2006 als globale Richtlinie (gtr = global 15.2.2.6 Neue Elemente der Abgasgesetzgebung
technical regulation) verabschiedet und soll zu einer welt-
weiten Harmonisierung der Prüfprozeduren und Messtech- Bis zum Ablauf der Abgasstufe Euro III bestand die Abgasge-
niken führen. Für Europa ist der Einsatz frühestens mit setzgebung im Wesentlichen nur aus Testzyklus und dem
Euro VI im Jahre 2012 zu erwarten. Der Zyklus wurde aus jeweiligen Abgasgrenzwert. Ab Euro IV (2005) wird in der
Fahrdaten von über 80 Fahrzeugen weltweit entwickelt und EU erstmals das bereits von Pkw bekannte OBD (On-Board
ist ein Kompromiss aus europäischen, japanischen und Diagnose) System für Nfz verbindlich. Bei fehlerhaftem Ab-
amerikanischen Fahrprofilen, Bild 15-24. Er ist damit nicht gassystem wird der Fahrer durch eine Diagnoselampe darauf
repräsentativ für einen bestimmten Fahrzeugeinsatz (z. B. hingewiesen, eine Werkstätte zur Reparatur aufzusuchen.
Fernverkehr), ermöglicht aber die Entwicklung und Ver- Auch auf diesem Gebiet wurde durch die ECE bereits eine
wendung von effizienter Abgastechnologie für alle Be- globale Regelung (WWH-OBD) erarbeitet, die in 2006 ver-
reiche. abschiedet und voraussichtlich ab 2010 weltweit zur Anwen-
Wie bei US-FTP und ETC ist der transiente Prüfzyklus dung kommen wird.
(WHTC) in normierter Drehzahl und normiertem Dreh- Ein weiterer zentraler Punkt zukünftiger Abgasrege-
moment festgelegt, Bild 15-25. Der Hauptdrehzahlbereich lungen ist die Überwachung der Emissionen im Feld (In-
ist deutlich zu niedrigen Drehzahlen verschoben, die man Use Compliance). Hier wird das Nfz neue Wege gehen. Da
auch im tatsächlichen Fahrbetrieb findet. Die Normierung der Testzyklus auf den Motor bezogen, ein Ausbau des

Bild 15-24 Häufigkeitsvergleich der Straßenkategorien in USA, EU und Japan


484    15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-25 WHTC (Worldwide Harmonized Transient Cycle)

Motors für die Prüfung aber unzweckmäßig ist, wird die Die von den Motoren einzuhaltenden Grenzwerte sind
Emission mit Hilfe portabler Abgas­messgeräte (PEMS = nicht Gegenstand der Norm, sondern werden von entspre­
Portable Emissons Measurement System) direkt im realen chenden Gremien erarbeitet und dem Gesetzgeber zugeleitet.
Betrieb des Fahrzeuges gemessen. Die Ausführungsbestim­
mungen sind zurzeit in Diskussion, die Einführung ist in 15.2.3.1 Stationäre Motoranlagen –
USA ab 2007, in Europa ab 2008 vorgesehen. Technische Anleitung Luft

15.2.3 Abgasgesetzgebung für Industriemotoren Durch die Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV)


werden die Emissionen stationärer Verbrennungsmotoren,
Unter Industriemotoren sind hier alle Motoren zu verstehen, wie z. B. für Notstromaggregate, Kraft-Wärme-Kopplungs­
die nicht in Straßenfahrzeugen eingebaut sind. Da dieser Be­ anlagen, Blockheizkraftwerke und dergleichen, begrenzt.
reich ein sehr weites Spektrum vom Rasenmähermotor bis Die TA Luft vom 24. Juli 2002 präzisiert die Ausführungsbe­
zum Schiffsdiesel umfasst, können im Folgenden nur die we­ stimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes und gibt
sentlichen Regelungen abgehandelt werden. Um für dieses Anleitungen für die praktische Durchführung und Beispiele
breite Anwendungsspektrum entsprechende Emissionsbe­ vorliegender Rechtsprechung, Tabelle 15‑11.
grenzungen betriebsgerecht durchführen zu können, erar­ Für die Stickoxid- und Staubgrenzwerte wird nach Otto-,
beitete ein Gremium das Normenprojekt ISO 8178 [15‑7] Diesel- und Diesel-Gas-Motoren differenziert. Dabei ist zu
(s. Anhang: Normen und Richtlinien für Verbrennungsmo­ beachten, dass für einige Brennstoffe (Klär-, Bio- und Depo­
toren). Dabei werden für typische Einsatzzwecke bestimmte niegas) eine Dynamisierungsklausel für Emissionen (wie
Prüfzyklen zugeordnet, siehe Tabelle 15‑9. Die entspre­ Staub, CO, NOX, SO2 (für Bio- und Klärgas) und organische
chenden Testpunkte und Wichtungsfaktoren sind in Ta­ Stoffe) besteht. Danach sind alle Möglichkeiten auszuschöp­
belle 15‑10 zusammengefasst. fen, um die Emissionen durch dem Stand der Technik ent­
15.2 Abgasgesetzgebung    485

Tabelle 15-9 Testzyklen für Industriemotoren – Anwendungsbereiche

Testzyklus Anwendungsbeispiele
C1 Off-Road Dieselmotor Baumaschinen, Landwirtschaftliche Geräte, Materialtransport
C2 Off-Road Ottomotor Baumaschinen, Landwirtschaftliche Geräte, Materialtransport
D1 Konstantdrehzahl Kraftwerke, Bewässerungspumpen
D2 Konstantdrehzahl Gas Kompressoren, Generatoren
E1 Marine Schiffe mit Dieselmotor unter 24 m Länge
E2 Marine Seeschiffe mit Konstantdrehzahl
E3 Marine Seeschiffe mit Propellerkurve
E4 Marine Sportboote mit Ottomotor unter 24 m Länge
E5 Marine Schiffe mit Dieselmotor unter 24 m Länge (Propellerkurve)
F Bahn Lokomotiven, Triebwagen, Rangierlokomotiven
G1 Kleinmotoren (Rasenmäher usw.) Zwischendrehzahlanwendungen
G2 Kleinmotoren Nenndrehzahlanwendungen
G3 Kleinmotoren Handgehaltene Geräte

Tabelle 15-10 Testzyklen für Industriemotoren – Betriebspunkte und Wichtungsfaktoren

Nenndrehzahl Zwischendrehzahl Leerlauf


Drehmoment/Leistung* [%]
Typ 100 75 50 25 10 100 75 50 25 10 0
C1 0.15 0.15 0.15 0.10 0.10 0.10 0.10 0.15
C2 0.06 0.02 0.05 0.32 0.30 0.10 0.15
D1 0.30 0.50 0.20
D2 0.05 0.25 0.30 0.10
E1 0.08 0.11 0.19 0.32 0.30
E2 0.20 0.50 0.15 0.15
*E3 0.20 0.50 0.15 0.15
91% 80% 63%
*E4 0.06 0.14 0.15 0.25 0.40
80% 60% 40%
*E5 0.08 0.13 0.17 0.32 0.30
91% 80% 63%
F 0.25 0.15 0.60
G1 0.09 0.20 0.29 0.30 0.07 0.05
G2 0.09 0.20 0.29 0.30 0.07 0.05
G3 0.90 0.10
486    15 Abgasemission von Dieselmotoren

sprechende Maßnahmen weiter zu senken (s. TA Luft 2002). Die Abgas-Grenzwerte sind abhängig von der Motorleis­
Die jeweiligen Grenzwerte sind auf einen Sauerstoffgehalt tung festgelegt. Nach langen Verhandlungen ist es gelungen,
im Abgas von jeweils 5 Vol% zu beziehen. Testzyklen und Grenzwerte weltweit in hohem Umfang zu
Die Messung der Staubemissionen hat nach der VDI 2066 harmonisieren. Für Motoren in mobilen Maschinen und
emissionsnah, d. h. im heißen Abgas, zu erfolgen, während Traktoren gelten die in Tabelle 15‑12 angegebenen Grenz­
sich die für Nutzfahrzeugmotoren und mobile Maschinen werte [15‑8], [15‑9].
vorgeschriebene Messung der Partikelemission auf eine
Verdünnung des Abgases bezieht. 15.2.3.3 Schiffsmotoren
Die in Tabelle 15‑11 angegebene thermische Leistung (Pth
in [MWth]) bezieht sich auf den gesamten Brennstoffdurch­ Die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) hat
satz der jeweiligen Anlage. ein neues Kap. 8a „Emissionen von gasförmigen Schadstoffen
und luftverunreinigenden Partikeln aus Dieselmotoren“ in
15.2.3.2 Mobile Maschinen und Traktoren die Rheinschiffsuntersuchungsordnung (RheinSchUO) auf­
genommen, das in der ersten Stufe am 1.1.2002 in Kraft ge­
Mobile Maschinen umfassen Anwendungen wie Radlader, treten ist, Tabelle 15‑13. Die Stufe II folgt ab dem 1.7.2007.
Bagger, Gabelstapler, Straßenbearbeitungsgeräte u. ä. Der Auch die europäische Kommission hat ihre Abgasrichtli­
Zyklus nach Typ C1 wird verwendet, wenn in diesen Anwen­ nie 97/68/EG in der Änderung 2004/26/EG um Anforde­
dungen Dieselmotoren eingesetzt werden. rungen für Binnenschiffsmotoren erweitert. Da das Technolo­

Tabelle 15-11 TA Luft - Grenzwerte für stationäre Verbrennungsmotoren ≥ 1 MWth (für Deponiegas besteht keine Leistungsgrenze) in mg/m3

Staub 201)
SO2 Abhängig vom Kraftstoff, z. B. 350 bei Biogas oder Klärgas
Formaldehyd 60
Gesamt-C –
Chlor, Fluor, Halogene 3%
CO2) 3) a) Selbstzündungsmotoren und Fremdzündungsmotoren mit flüssigen Brennstoffen, Selbst- 300
zündungsmotoren (Zündstrahlmotoren) und Fremdzündungsmotoren mit gasförmigen
Brennstoffen (ausgenommen Bio-, Klärgas oder Grubengas)
b) Fremzündungsmotoren mit Bio- oder Klärgas4) < 3 MWth 10003) ≥ 3 MWth 650
c) Fremdzündungsmotoren mit Grubengas 650
c) Fremdzündungsmotoren mit Grubengas < 3 MWth 20003) ≥ 3 MWth 650
NOx3) a) Selbstzündungsmotoren mit flüssigen Brennstoffen < 3 MWth 1000 ≥ 3 MWth 500
b) Gasbetriebene Selbstzündungsmotoren (Zündstrahlmotoren) und Fremdzündungsmotoren
- Zündstrahlmotoren mit Bio- oder Klärgas < 3 MWth 1000 ≥ 3 MWth 500
- Magergasmotoren und andere 4-Takt-Ottomotoren mit Bio- oder Klärgas 500
- Zündstrahlmotoren und Magergasmotoren mit sonstigen gasförmigen Brennstoffen 500
c) Sonstige 4-Takt-Ottomotoren 250
d) Zweitaktmotoren 800
1) 80 mg/m3 bei ausschließlichem Notantrieb oder bis zu 300 Stunden zur Abdeckung der Spitzenlast bei der Stromerzeugung
2) Deponiegas z. Zt. allgemein 650 mg/m3
3) Emissionswerte finden keine Anwendung bei ausschließlichem Notantrieb oder bis zu 300 Stunden zur Abdeckung der Spitzenlast bei der Stromerzeugung
4) Bei Fremdzündungsmotoren mit Grubengas 650 mg/m3

Werte in mg/m3, O2-Gehalt 5 %


Tabelle 15-12 Grenzwerte für Motoren in mobilen Maschinen
15.2 Abgasgesetzgebung    487
488    15 Abgasemission von Dieselmotoren

Tabelle 15-13 Abgasgrenzwerte für Binnenschiffe nach der RheinSchUO in Abhängigkeit von Nennleistung PN und Nenndrehzahl nN

Stufe I:
Nennleistung PN [kW] CO [g/kWh] HC [g/kWh] NOx [g/kWh] PM [g/kWh]
37 ≤ PN < 75 6,5 1,3 9,2 0,85
75 ≤ PN < 130 5,0 1,3 9,2 0,70
PN ≥ 130 5,0 1,3 nN ≥ 2800 1/min = 9,2 0,54
500 ≤ nN < 2800 1/min = 45 nN–0,2
Stufe II:
PN [kW] CO [g/kWh] HC [g/kWh] NOx [g/kWh] PM [g/kWh]
18 ≤ PN < 37 5,5 1,35 8,0 0,8
37 ≤ PN < 75 5,0 1,3 7,0 0,4
75 ≤ PN < 130 5,0 1,0 6,0 0,3
130 ≤ PN < 560 3,5 1,0 6,0 0,2
PN ≥ 560 3,5 1,0 nN ≥ 3150 min–1 = 6,0 0,2
343 ≤ n < 3150 min–1 = 45 x nN(–0,2) – 3
n < 343 min–1 = 11,0

gieniveau zwischen EU- und ZKR-Vorschrift nahezu gleich wegen des finanziellen Ungleichgewichts zwischen zusätz­
ist, ist eine gegenseitige Anerkennung der Vorschriften (EU lichen Betriebskosten und möglicher Gebührenermäßigung
vs. ZKR) sichergestellt. nicht ein.
Die IMO (International Maritime Organization) hat für
Schiffsdieselmotoren mit einer Leistung > 130 kW ab 15.3 Schadstoffe und ihre Entstehung
1.1.2000 Grenzwerte für die NOX-Emissionen festgelegt,
Tabelle 15‑14 [15‑10] bzw. Bild 15‑26. Es ist geplant, die Bei der ideal verlaufenden motorischen Verbrennung von
abhängig von Einsatz (Hauptantrieb oder Hilfsmotor) und Kohlenwasserstoffen (HC: Hydrocarbons) entstehen neben
Betriebsweise (konstante Drehzahl oder Propellerantrieb) der gewünschten Wärmeenergie als Produkte lediglich Was­
nach den in Bild 15‑27 angegebenen Testzyklen ermittelten ser (H2O) und Kohlendioxid (CO2), wobei deren Mengen­
Grenzwerte später an die weitere technische und umwelt- verhältnis vom H:C-Verhältnis des Kraftstoffs abhängt. So­
politische Entwicklung anzupassen. wohl Diesel- als auch Ottokraftstoff können mit der Sum­
Seit dem 1. Januar 1998 erhebt Schweden emissionsab­ menformel CxHy beschrieben werden, der ideale stöchiome­
hängig Hafengebühren in Anlehnung an den IMO-Code trische Verbrennungsprozess liefert dann
[15‑11]. Der dadurch erhoffte Anreiz zum Einsatz einer
emissionsmindernden Abgasnachbehandlung trat jedoch . (15-1)

Das entstehende Wasser ist umwelttechnisch unbedenklich,


CO2 ist ungiftig, trägt aber signifikant zum Treibhauseffekt
Tabelle 15-14 Abgasgrenzwerte nach IMO für Schiffsdieselmotoren mit
bei. Eine Reduktion der CO2 Emissionen erfolgt bei der mo­
einer Leistung ab 130 kW
torischen Verbrennung durch Absenkung des spezifischen
Nenndrehzahl nN in l/min NOx-Emission in g/kWh Kraftstoffverbrauchs (be).
Sowohl beim Otto- als auch beim Dieselmotor verläuft
0 < nN ≤ 130 17
die Verbrennung nicht ideal, und es entstehen weitere
130 < nN ≤ 2000 45 nN–0,2
Nebenprodukte, die z. T. umweltschädlich sind. Beim homo­
nN > 2000 9,8
genen Betrieb des Ottomotors (λ = 1) entsteht als Schadstoff
neben Stickoxiden (NOX) und unverbrannten Kohlenwas­
15.3 Schadstoffe und ihre Entstehung    489

Bild 15-26
IMO-Grenzkurve für die NOx Emission
von Schiffsdieselmotoren mit
Pn > 130 kW und Testergebnissen
nach CLEAN

Bild 15-27 IMO-Testzyklen für Schiffsmotoren nach ISO 8178


490    15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-28
Schadstoffkonzentrationen im Abgas
eines Dieselmotors bei Variation des
Luftverhältnisses λ (nach [15‑14])

serstoffen (HC) hauptsächlich Kohlenmonoxid (CO) durch wird im Folgenden detaillierter auf die Entstehung der ver­
unvollständige Verbrennung. Grund für die unvollständige schiedenen Schadstoffe eingegangen.
Verbrennung ist ein Erlöschen der Flammenfront an der
kalten Brennraumwand oder in Quetschspalten. Bei inho­ 15.3.1 Stickoxide (NOX)
mogenen Brennverfahren mit λ > 1, der typischen diesel­
motorischen Verbrennung, aber auch bei geschichtet betrie­ Von den unterschiedlichen Stickstoffoxiden (NO, NO2, N2O,
benen Ottomotoren mit Direkteinspritzung, entsteht als N2O3, N2O5) werden in nennenswerter Menge lediglich die
weiterer Schadstoff Ruß, Bild 15‑28. Verbindungen NO und NO2 (Stickstoffmonoxid und Stick­
Die Hauptvorteile des Dieselmotors – geringer Verbrauch, stoffdioxid) erzeugt. Abkürzend für die Summe von NO und
hohes Drehmoment bei niedriger Drehzahl – entfalten sich NO2 wird häufig die Bezeichnung NOX (Stickoxide) verwen­
gerade bei abgasturboaufgeladenen Motoren mit Direktein­ det.
spritzung. Dieses Brennverfahren ist gekennzeichnet durch Der wichtigste Entstehungsmechanismus von NOX ist die
örtlich stark schwankende Luftverhältnisse. Im Inneren der Bildung von thermischem NO, wie sie von Zeldovich 1946
einzelnen Flammen, die sich um die Einspritzstrahlen aus­ erstmals beschrieben wurde [15-13]. Im Einzelnen treten
bilden, besteht Luftmangel (λ << 1), zwischen den Ein­ folgende Elementarreaktionen auf:
spritzstrahlen und an der Brennraumwand besteht Luft­
überschuss (λ >> 1). Ruß entsteht in Bereichen von Luft­ O2 ⇔ 2 · O (15-2)
mangel, Stickstoffoxide entstehen hauptsächlich direkt hin­
N2 + O ⇔ NO + N (15-3)
ter der lokal sehr heißen Flammenfront. Die Entstehung der
beiden Hauptschadstoffe bei der dieselmotorischen Ver­ O2 + N ⇔ NO + O (15-4)
brennung ist also direkt an das Brennverfahren gekoppelt.
Die kontinuierliche Absenkung dieser Schadstoffe, bei OH + N ⇔ NO + H (15-5)
gleichzeitig stetiger Verbrauchsabsenkung und Leistungsop­
timierung, ist unverändert der Fokus der Entwicklung von Die Gleichungen (15-3) und (15-4) beschreiben die Zeldo­
Dieselmotoren bis in die heutige Zeit [15‑12]. Bevor in vich-Kettenreaktion: Bei Vorhandensein von elementarem
Abschn. 15.4 innermotorische Maßnahmen und in Sauerstoff (O) entsteht NO und N aus N2. Im folgenden
Abschn. 15.5 nachmotorische Maßnahmen (Abgasnachbe­ Schritt reagiert der entstandene molekulare Stickstoff (N)
handlung) zur Emissionsminderung beschrieben werden, mit O2 zu NO und O, womit der Kreislauf geschlossen ist
15.3 Schadstoffe und ihre Entstehung    491

und die Reaktionskette von vorne beginnt. Gl. (15-5) durch spätes Einspritzen und Verbrennung nach OT ande­
beschreibt die NO Entstehung in brennstoffreichen Zonen, rerseits, begrenzt werden. Abgasrückführung senkt das
wie sie hinter der Flammenfront anzutreffen sind. Sauerstoffangebot, wodurch zum einen die NOX-Entstehung
Das Vorhandensein von atomarem Sauerstoff, welcher bei direkt reduziert wird. Gleichzeitig wird durch die geringere
Temperaturen oberhalb von 2200 K aus molekularem Sauer­ Sauerstoffkonzentration die Brenngeschwindigkeit redu­
stoff entsteht Gl. (15-2), ist Grundbedingung für den Start ziert, was seinerseits die lokalen Spitzentemperaturen
der Zeldovich-Reaktionen nach Gl. (15-3) und (15-4). Eine begrenzt. Eine weitere Reduktion der lokalen Spitzentempe­
der Voraus­setzungen für die NO Entstehung sind also hohe raturen bei Abgasrückführung wird durch die höhere spezi­
Spitzentemperaturen, wobei explizit darauf hingewiesen fische Wärmekapazität der dreiatomigen Gase (CO2 und
werden soll, dass es sich hierbei um lokale Spitzen­ H2O) im rückgeführten Abgas erreicht. Die verschiedenen
temperaturen und nicht um mittlere Brennraumtempera­ motorischen Verfahren zur Reduktion der NOX-Emissionen
turen handelt. Die zweite Grundvoraussetzung für die NO werden detailliert in Abschn. 15.4 diskutiert.
Entstehung ist die Anwesenheit von überschüssigem Sauer­ Der Anteil von NO2 an den gesamten NOX-Emissionen
stoff, also lokaler Luftüberschuss [15‑13]. beträgt beim Ottomotor 1‑10%, beim Dieselmotor 5‑15%,
Ideale Bedingungen für die NOX-Entstehung liegen beim wobei im unteren Teillastbereich bei entsprechend nied­
Ottomotor bei λ = 1,1 vor, beim Dieselmotor ist das Maxi­ rigen Abgastemperaturen auch höhere Konzentrationen
mum der NOX-Konzentration im Abgas zu etwas höherem festgestellt werden können [15‑14]. Innermotorisch bildet
Luftverhältnis hin verschoben. In Bild 15‑28 sind die Kon­ sich NO2 aus NO durch Reaktion mit HO2- und OH-Radi­
zentrationen der unterschiedlichen Schadstoffe über dem kalen. Die wahrscheinlichste Gleichung lautet:
Luftverhältnis λ aufgetragen [15‑14]. Die NOX-Konzentra­
NO + HO2 ⇔ NO2 + OH (15-5)
tion weist für fallendes λ einen kontinuierlich wachsenden
Verlauf auf, was auf die steigende Abgastemperatur zurück­ Bei Umgebungstemperatur liegt das chemische Gleichge­
zuführen ist. Bis zu einem Wert von λ = 2 begünstigt die wicht nahezu vollständig bei NO2. In der Atmosphäre rea­
steigende Prozesstemperatur trotz abnehmendem Sauer­ giert NO mit Ozon bei Lichteinfall zu NO2, wobei sich das
stoffgehalt die Zunahme der NOX-Konzentration. Unterhalb Gleichgewicht nach einigen Stunden bis Tagen – abhängig
von λ = 2 steht bei weiter steigender Abgas­temperatur lokal von den Umgebungsbedingungen – einstellt.
nicht mehr ausreichend freier Sauerstoff zur Verfügung. Der Weitere Mechanismen der NO-Entstehung, wie promptes
Gradient der NOX-Konzentration als Funktion des Luftver­ NO aus der Reaktion von N2 mit Kraftstoffradikalen, NO
hältnisses nimmt ab und es entsteht ein lokales Maximum. aus im Brennstoff gebundenem Stickstoff oder Bildung von
Die Zeldovich-Reaktionen sind Gleichgewichtsreak­tionen, NO aus N2O haben bei der dieselmotorischen Verbrennung
deren Gleichgewichts­parameter in Abhängigkeit von der eher untergeordnete Bedeutung.
Temperatur bekannt sind. Allerdings sind die Verbren­
nungsvorgänge bei der motorischen Verbrennung so schnell, 15.3.2 Partikel (PM)
dass die Gleichgewichtskonzentrationen üblicherweise nicht
erreicht werden und die tatsächlichen NOX-Konzentra­ Unter den Partikelemissionen eines Fahrzeugs wird nach den
tionen unter denen liegen, die beim thermischen Gleichge­ gesetzlichen Prüfbestimmungen üblicherweise die Gesamt­
wicht erreicht würden. Andererseits führt das Absinken der masse von Feststoffen und angelagerten flüchtigen oder lös­
Brennraumtemperatur während der Expansionsphase dazu, lichen Bestandteilen verstanden. Die Prüfbedingungen sind
dass die Rückreaktionen nach den Gl. (15-3) und (15-4) hierbei genau festgelegt: eine Abgasprobe wird mit gefilterter
„eingefroren“ werden. Eine NO‑Rückbildung findet unter­ Umgebungsluft verdünnt und auf maximal 52 °C abgekühlt
halb von ca. 2000 K nicht mehr signifikant statt, wodurch im [15‑15]. Die Partikel werden auf einem definierten und kon­
tatsächlichen Abgas die NOX-Konzentrationen über den ditionierten Probenträger abgeschieden, die Gesamtmasse
Gleichgewichtskonzentrationen liegen. Eine Vorhersage der wird durch Wägung bei definierten Bedingungen ermittelt.
NOX-Emissionen ist somit nicht über Gleichgewichtsreak­ Ein Beispiel für eine typische Partikelzusammensetzung
tionen alleine, sondern nur unter Zuhilfenahme der Reak­ ist in Bild 15‑29 dargestellt [15‑16]. Der Abbildung ist zu
tionskinetik und unter Berücksichtigung des Zeitablaufs der entnehmen, dass der überwiegende Anteil der Partikel aus
tatsächlich stattfindenden Verbrennung möglich. Ruß – aus elementarem Kohlenstoff – besteht. Auf diesen
Über den Prozessablauf kann beim Dieselmotor starker wird weiter unten noch näher eingegangen. Den zweitgröß­
Einfluss auf die Höhe der NOX-Emissionen genommen ten Anteil stellen organische Verbindungen dar, die aus
werden. So kann die Verbrennungstemperatur durch Küh­ unverbrannten Kohlenwasserstoffen bestehen, die aus dem
lung von Ladeluft und rückgeführtem Abgas einerseits, Schmieröl oder dem Kraftstoff selbst stammen können. Bei
492    15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-29
Typische Partikelzusammensetzung
mit serienmäßigem Oxidationskata-
lysator (nach [15-16])

den oben beschriebenen Bedingungen für die Partikelent­ denen Luftmangel besteht. Bei Vorkammermotoren älterer
nahme und -wägung wird der Taupunkt von zahlreichen Bauart waren dies u. a. Wandfilme, an denen durch Verko­
Kohlenwasserstoffen unterschritten: es kommt zu Konden­ kung des Kraftstoffs z. T. große Rußpartikel entstanden
sation und Anlagerung der Verbindungen an den Feststoff­ [15‑18], die dann im Abgas sichtbar wurden. Bei modernen
kernen. Dieselmotoren mit Direkteinspritzung sind die Partikel
Der Sulfatanteil der Partikel wird im Wesentlichen durch üblicherweise deutlich kleiner, und somit im Abgas nicht
den Schwefelgehalt des Kraftstoffs und des Motorenöls mehr sichtbar, auch sind die Entstehungsprozesse deutlich
bestimmt. Der Schwefel oxidiert im Verbrennungsprozess unterschiedlich. Zurzeit existieren zwei – hier stark verein­
zu SO2, bei Abgastemperaturen oberhalb von 450 °C zu SO3. facht dargestellte – Ruß-Entstehungshypothesen [15‑19]:
Der letzte Oxidationsprozess kann auch durch eine nachge­
schaltete Abgas­nachbehandlung an einem Oxidationskata­ Elementarkohlenstoff-Hypothese
lysator gefördert werden [15‑17]. Über die Bildung von
Sulfat-Ionen entsteht durch das Zusammenwirken mit Was­ Bei dieser Hypothese wird davon ausgegangen, dass der
ser Schwefelsäure (H2SO4), die im abgekühlten Abgas an Kraftstoff bei den hohen Verbrennungstemperaturen disso­
den Partikeln kondensiert. Metalloxide entstehen als Pro­ ziiert – also zerlegt in seine Elementarbausteine Kohlenstoff
dukte von Additiven zum Schmieröl oder zum Kraftstoff und Wasserstoff – vorliegt. Die Wasserstoffmoleküle diffun­
und sind in den Partikelemissionen nur als Spuren enthal­ dieren wesentlich schneller zur sauerstoffhaltigen Umge­
ten. Wenn dem Kraftstoff ein Additiv zur Partikelfilterrege­ bung, als die größeren Kohlenstoffatome. Diese bilden über
neration hinzugegeben wird, können diese Oxide einen ihre 4fach Valenzen unter Sauerstoffentzug sehr schnell Clus­
signifikanten Anteil an der Partikelmasse annehmen. ter, wobei bevorzugt hexagonale und pentagonale Strukturen
Die in Bild 15‑29 dargestellte Partikelzusammensetzung entstehen. Es formen sich gekrümmte Schalen, die innerhalb
entspricht dem Mittelwert von Messungen an verschiedenen von Millisekunden zu typischen Partikelgrößen von etwa
Pkw und kann je nach Fahrzeugbetrieb und -art stark vari­ 10 nm anwachsen.
ieren. So wird ein Nutzfahrzeugmotor, betrieben bei hoher
Last, einen größeren Anteil von elementarem Kohlenstoff Polyzyklen-Hypothese
aufweisen, bei Pkw im Teillastbetrieb kann der Anteil an
Kohlenwasserstoffen den in Bild 15‑29 dargestellten Wert Bei dieser Hypothese wird Ethin (früher: Acetylen, C2H2)
deutlich übersteigen. eine entscheidende Bedeutung zugesprochen. Das Ethin
Ruß stellt den größten massebezogenen Anteil an den wird durch Pyrolyse – Zersetzung des Kraftstoffs unter Aus­
Partikeln. Dieser Anteil kann durch motorische Maßnah­ schluss von O2 – von Aliphaten und Aromaten unter Abspal­
men beeinflusst werden und soll im Folgenden näher tung von Wasserstoff gebildet. Ausgehend von einer poly­
be­schrieben werden. Ruß entsteht generell in Zonen, in zyklischen Struktur kann durch wiederholte Anlagerung von
15.3 Schadstoffe und ihre Entstehung   493

Bild 15-30 Entstehung von


Rußpartikeln nach Siegmann
(nach [15-21]). 1 Polyzyklen
(PAK) Wachstum; 2 planares
Wachstum der PAK; 3 Rußkeim-
bildung durch Formung von 3D-
Clustern; 4 Wachstum der Ruß-
keime durch Kondensation

Ethinmolekülen eine graphitische Struktur wachsen [15‑20]. lichen Emissionen der Fahrzeuge im dargestellten Betriebs­
Ein fortschreitendes Wachstum durch wiederholte Anlage­ punkt und weist im Maximum Schwankungen bis zum
rung von Ethin ist links oben in Bild 15‑30 angedeutet. Die Dreifachen auf. Die Form der Verteilung und die Lage des
entstehenden Makromoleküle krümmen sich durch die Bil­ Maximums ist hingegen nahezu unabhängig vom Fahrzeug
dung von gelegentlichen 5fach Ringen. Mehrere dieser Mole­ und wird als charakteristisch für alle modernen Brennver­
küle lagern sich in Schichten übereinander ab, es entstehen fahren angesehen.
die sog. Primärpartikel. Der Entstehungs­prozess ist in Ein Großteil des während der Verbrennung entstandenen
Bild 15‑30 visualisiert. Die entstehenden Primärpartikel ha­ Rußes oxidiert noch im Brennraum. Diese Nachverbren­
ben eine typische Größe von 2–10 nm. nung findet bei Temperaturen oberhalb 1000 K statt, sobald
Nach beiden Entstehungshypothesen bilden sich zunächst sich die Verbrennungsgase mit der verbliebenen Frischluft
sog. Primärpartikel mit einem Durchmesser von unter mischen, d. h. wenn wieder ausreichend Sauerstoff zur Ver­
10 nm. Die Partikel sind annähernd sphärisch mit einer fügung steht. Im Gegensatz zum Ottomotor sinkt die
Dichte um 1,8 g/cm³. Aus diesen Primärpartikeln entstehen Mischungstemperatur bei mager betriebenen Dieselmo­
im Folgenden die eigentlichen Rußpartikel durch Agglome­ toren während der Expansionsphase rasch unter einen kri­
ration, wobei die einzelnen Partikel aneinander haften blei­ tischen Wert und die Nach­oxidation wird eingefroren. Die
ben. Einige typische Agglomerate sind in REM Aufnahmen verbleibenden Partikel werden ausgestoßen und können nur
in Bild 15‑31 dargestellt. Die Dichte der sehr lockeren durch Abgasnachbehandlung mit einem Partikelfilter (siehe
Agglomerate beträgt lediglich 0,02‑0,06 g/cm³ [15‑21]. Abschn. 15.5) beseitigt werden [15‑17].
Die Agglomerate wachsen zunächst sehr schnell durch
den Zusammenschluss von Primärpartikeln mit hoher 15.3.3 Kohlenmonoxid (CO)
Beweglichkeit. Bei abnehmender Konzentration von Pri­
märpartikeln und durch die verminderte Beweglichkeit der Die Kohlenmonoxid (CO)-Emission von Dieselmotoren ist
größeren Agglomerate nimmt das Größenwachstum jedoch i. Allg. sehr niedrig und steigt bei einem konventionellen
ab [15‑22], und es stellt sich eine typische Größenverteilung Brennverfahren lediglich bei Annäherung an die Rußgrenze
der Agglomerate ein. Diese Größenverteilung ist auch für an. Im übrigen Kennfeld ist ausreichend Sauerstoff für die
unterschiedliche Motoren recht einheitlich. In der Regel vollständige Oxidation des Kraftstoffs vorhanden, allerdings
findet man eine Log‑Normal Verteilung um einen Wert von ist hierfür eine gute Durchmischung der teilverbrannten
ca. 80–100 nm. In Bild 15‑32 sind die Größenverteilungen Gase mit der verbleibenden Frischluft bei ausreichend hohen
der Partikelemissionen unterschiedlicher Fahrzeuge bei Temperaturen Voraussetzung. Nebenkammer­motoren, mit
einem konstanten Betriebspunkt, der einer Fahrzeugge­ deren intensiver Gemischverwirbelung beim Überströmen
schwindigkeit von 100 km/h entspricht, dargestellt [15‑23]. aus der Vorkammer in den Hauptbrennraum weisen beson­
Die Absolutanzahl der Partikel entspricht den unterschied­ ders niedrige CO-Emissionen auf [15‑18]. Moderne Brenn­
494 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-31 Dieselpartikel-Agglomerate

Bild 15-32 Größenverteilung von


Partikelemissionen von 11 unter-
schiedlichen Pkw mit modernen Die-
selantriebsaggregaten (nach [15-23])

verfahren weisen Drall- und/oder Quetschströmungen auf, einigen Motoren wird einer der Füllungskanäle in diesem
mit deren Hilfe die Gemischbildung luftseitig gestützt wird. Bereich geschlossen, um dadurch den Drall, d. h. die luftsei-
Die Abstimmung von der Luftströmung in der Brennkam- tige Gemischbildung zu fördern.
mer, der Brennkammergeometrie und der Einspritzgeome- Jüngste Untersuchungen [15-24] haben gezeigt, dass der
trie aufeinander minimiert die CO-Emissionen, wobei die Anteil von CO aus dem fetten Strahlkern an den CO-
Optimierung im gesamten Kennfeld erfolgen muss. Beson- Gesamtemissionen gering ist. In diesem Bereich ist die
deres Augenmerk ist hier auf den unteren Teillastbereich zu Temperatur ausreichend hoch, um eine vollständige Oxida-
legen, da die Nachoxidation von CO hier aufgrund der nied- tion von CO zu CO2 bei der sich nach Brennende anschlie-
rigen Temperaturen früher zum Erliegen kommt [15-24]. Bei ßenden Vermischung mit Luft zu gewährleisten.
15.4 Innermotorische Maßnahmen zur Schadstoffreduktion    495

15.3.4 Kohlenwasserstoffe (HC) 15.4 Innermotorische Maßnahmen


zur Schadstoffreduktion
Unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) können bei Diesel­
motoren emittiert werden, wenn unzureichend aufbereiteter Bei der Optimierung von Dieselmotoren bewegt man sich
Kraftstoff in Gebiete gelangt, in denen die Temperatur für generell in einem Zielkonflikt zwischen Verbrauchs- und
eine Verbrennung nicht mehr ausreicht. Bedingungen hier­ Emissionsminderung. Nur wenige Zusatzmaßnahmen er­
für bestehen im unteren Teillastbereich bei großem Luft­ lauben eine Optimierung beider Parameter gleichzeitig.
überschuss. Aufgabe des Einspritzsystems ist es, den Kraft­ Gleichermaßen können selten alle gesetzlich limitierten
stoff durch gute Zerstäubung so aufzubereiten, dass auch bei Schadstoffe mit einer Maßnahme gleichzeitig reduziert wer­
niedrigen Temperaturen eine vollständige Verdampfung er­ den. Die Feinab­stimmung eines Motors erfordert hier einen
folgen kann. Kompromiss. Weitere wichtige Parameter für die Motorab­
Weitere Quellen von HC Emissionen können örtlich sehr stimmung sind Komfort (Geräusch) und Motor­dynamik.
fette Gemischzonen, beispielsweise beim Auftreffen von Eine Herausforderung ist die Motorabstimmung im gesam­
Kraftstoffstrahlen auf die Brennraumwand, sein. Insbesonde­ ten Kennfeld – für den gesamten Drehzahlbereich bei unter­
re beim Kaltstart kann hier keine vollständige Verdampfung schiedlichen Lasten – da die Wirkung einiger Maßnahmen
gewährleistet werden und die HC Emissionen steigen an. sich auf bestimmte Bereiche des Kennfelds beschränkt und
Zündaussetzer wie bei der Verbrennung magerer Gemische sich in anderen Bereichen umkehren kann.
beim Ottomotor werden beim Dieselmotor üblicherweise Die Gewichtung der zahlreichen Optimierungsparameter
nicht beobachtet, da durch die Direkteinspritzung stets ein erfolgt bei den Schadstoffen nach den gesetzlichen Vorga­
Bereich mit annähernd stöchiometrischer Mischung und ben, beim Zielkonflikt hinsichtlich Komfort und Kraftstoff­
somit mit idealen Selbstzündungsbedingungen vorliegt. verbrauch nach Kundenwunsch. So ist beispielsweise das
Weiterhin ist der nach Einspritzende in den Düsenlö­ Verbrennungsgeräusch bei Pkw Motoren ein Parameter auf
chern und im Sackloch der Einspritzdüse enthaltene Kraft­ den zunehmend Augenmerk gelegt wird. Bei Nutzfahrzeu­
stoff eine Quelle der HC-Emissionen. Dieser Kraftstoff ver­ gen mit hohen Laufleistungen ist generell der Kraftstoffver­
dampft während der Expansionsphase bei Temperaturen brauch die entscheidende Größe für den Kundennutzen.
weit unterhalb der für eine Oxidation erforderlichen Grenze Selbstverständlich müssen insbesondere auch die Kosten bei
und wird unverbrannt in den Abgastrakt geschoben. Eine allen Motortypen berücksichtigt werden, um ein am Markt
Minimierung des Sacklochvolumens hat diese Quelle der konkurrenzfähiges Produkt anbieten zu können.
HC-Emissionen in den vergangenen Jahren deutlich redu­ Tabelle 15‑15 gibt einen Überblick über verschiedene,
ziert [15‑25]. heutzutage gängige Verfahren zur Motoroptimierung und
Sowohl Kohlenwasserstoffe als auch Kohlenmonoxid deren Einfluss auf die Schadstoffemissionen sowie den spe­
können mit Hilfe eines Oxidationskatalysators (siehe zifischen Kraftstoffverbrauch und das Verbrennungsge­
Abschn. 15.5) weiter reduziert werden [15‑17]. räusch. Die prinzipiellen Zusammenhänge sind dabei für
alle Fahrzeugtypen gleich, lediglich die Gewichtung ändert
sich nach den Markterfordernissen, so dass die unterschied­
lichen Maßnahmen im Einzelfall stets neu bewertet werden

Tabelle 15-15 Verschiedene Maßnahmen zur Brennverfahrenoptimierung bei Dieselmotoren und deren Einfluss auf unterschiedliche Parameter

Maßnahme NOx HC/CO Ruß be Geräusch


später Spritzbeginn + – – – +
Abgasrückführung + – – – +
gekühlte AGR + – + + 0
Aufladung - + + + 0
Ladeluftkühlung + – + + 0
Piloteinspritzung 0 + – 0 +
angelagerte Nacheinspritzung + 0 + – 0
Einspritzdruckerhöhung 0 + + + 0
abgesenktes Verdichtungsverhältnis + – + 0 –
496 15 Abgasemission von Dieselmotoren

müssen. Für die Bewertung wurde ein modernes DI-Brenn- Für vier ausgewählte Spritzbeginne aus Bild 15-33 sind
verfahren zugrunde gelegt. die während des Motorbetriebs gemessenen Zylinderdruck-
Der Tabelle ist zu entnehmen, dass keine der Maßnahmen verläufe in Bild 15-34 dargestellt. Die einsetzende Verbren-
positiv auf alle Parameter wirkt. Um einen nachteiligen nung ist in dieser Darstellung durch den Druckanstieg nach
Effekt zu kompensieren, ist häufig eine Kombination von dem oberen Totpunkt (OT) zu erkennen. Bei frühem Ein-
mehreren Maßnahmen erforderlich. So wirkt sich beispiels- spritzbeginn verläuft dieser Druckanstieg steiler, als bei
weise eine Erhöhung des Einspritzdrucks nur in Kombinati- Einspritzung und Verbrennung weit nach OT. Der flachere
on mit Abgasrückführung positiv auf die NOX-Emissionen Druckanstieg bei später Verbrennung ist auf die fortschrei-
aus. Ausgewählte Maßnahmen sollen im Folgenden detail- tende Expansion zurückzuführen. Einerseits begrenzt sie
liert diskutiert werden. den Druckanstieg direkt, andererseits führt die Expansion
zu niedrigeren Brennraumtemperaturen und damit zu einer
15.4.1 Spritzbeginn langsamer ablaufenden Verbrennung. Aus den gezeigten
Druckverläufen lässt sich ableiten, dass die in den Zylindern
Der Spritzbeginn war der erste Parameter der dieselmoto- auftretenden Spitzentemperaturen ebenfalls mit spätem
rischen Einspritzung, auf den gezielt betriebspunktabhängig Einspritzbeginn niedriger ausfallen werden, da die durch die
Einfluss genommen werden konnte. Bereits bei einigen Ver- langsamere Verbrennung entstehende Wärme mehr Zeit
teilereinspritzpumpen konnte der Spritzbeginn zunächst hat, sich aus der direkten Verbrennungszone heraus zu ver-
mechanisch und später über ein elektrisch angesteuertes teilen. Wie in Abschn. 15.3.1 erläutert, ist neben dem Sauer-
Magnetventil kontrolliert werden. stoffangebot die lokale Spitzentemperatur ein entschei-
Die Wichtigkeit des Einspritzbeginns für die motorischen dender Parameter für die Bildung von NOX, womit sich
Emissionen ist in Bild 15-33 veranschaulicht. Die NOX- und schlussendlich aus den Zylinderdruckverläufen in Bild 15-34
PM-Emissionen sind für unterschiedliche Spritzbeginne die bei spätem Einspritzbeginn sinkenden NOX-Emissionen
aufgetragen, wobei 0° Kurbelwinkel (0° KW) den oberen (Bild 15-33) erklären lassen.
Totpunkt kennzeichnet. Deutlich ist der stetige Anstieg der In Bild 15-33 ist eine Partikelzunahme mit spätem Ein-
Partikelemissionen und der kontinuierliche Abfall der NOX- spritzbeginn zu erkennen. Dies ist ein typisches Beispiel für
Emissionen zu erkennen. Den Messungen liegt ein Nutzfahr- die erwähnten Zielkonflikte bei der Minimierung aller Emis-
zeugmotor bei mittlerer Last und 1425 min–1 zugrunde. sionsparameter. Die Partikelzunahme gilt mit Ausnahme der

Bild 15-33 Einfluss von Spritzbe-


ginn auf PM- und NOX-Emissionen
eines Nutzfahrzeugmotors bei
1425 min–1 und mittlerer Last
15.4 Innermotorische Maßnahmen zur Schadstoffreduktion 497

Bild 15-34 Zylinderdruckverlauf für


vier unterschiedliche Spritzbeginne
(vgl. Bild 15-33)

Niedriglastbereiche für den größten Teil des Kennfelds. kontinuierliche Erhöhung des maximalen Einspritzdrucks
Ursache für die steigenden Partikelemissionen sind die mit [15-25]. Der Einfluss des Einspritzdrucks auf NOX- und
fallender Gemischdichte abnehmende Güte der Gemisch- PM-Emissionen (hier ist die Messgröße Schwarzrauch (SZ)
aufbereitung sowie die reduzierte Nachoxidation der Partikel angegeben) und auf den spezifischen Verbrauch be ist für
aufgrund der niedrigeren Temperaturen im Brennraum. einen Teillastpunkt eines Pkw-Motors bei 50% Last und
Im unteren Lastbereich kann man auch ein Abnehmen n = 1400 min–1 in Bild 15-35 dargestellt.
der Partikelemissionen mit spätem Einspritzbeginn Im unteren Bildteil ist der oben diskutierte Anstieg des
beobachten. Ursache sind hier die fallenden Temperaturen spezifischen Verbrauchs für späten Spritzbeginn für alle
im Brennraum, die verhindern, dass Partikel überhaupt untersuchten Einspritzdrücke zu erkennen. Hierbei ist ent-
gebildet werden [15-24]. Allerdings muss in diesen Fällen scheidend, dass für höhere Einspritzdrücke ein deutlich
ein deutlicher Anstieg der CO- und HC-Emissionen sowie späterer Spritzbeginn ohne Verbrauchsnachteil eingestellt
des Verbrauchs hingenommen werden, so dass diese Strate- werden kann, als bei niedrigen Einspritzdrücken. Im hier
gie zur simultanen Reduktion von NOX und Partikeln nur dargestellten Beispiel verschiebt sich das Minimum des spe-
bedingt verwirklicht werden kann. zifischen Verbrauchs von –19 °KW bei 500 bar Einspritz-
Weiterhin wirkt sich der späte Spritzbeginn nachteilig auf druck auf –12 °KW bei einem Einspritzdruck von 1100 bar.
den spezifischen Verbrauch aus (hier nicht dargestellt). Der Die Gründe hierfür sind zum einen die kürzere Einspritz-
Verbrauchsnachteil lässt sich ebenfalls anschaulich aus den dauer – da die Einspritzrate mit dem Einspritzdruck
Zylinderdruckverläufen aus Bild 15-34 ableiten: die schnelle ansteigt – und die mit steigendem Einspritzdruck verbes-
Verbrennung nahe OT bei frühem Einspritzbeginn ähnelt serte Qualität der Gemischaufbereitung. Die Schwerpunkt-
der verbrauchsoptimalen isochoren Verbrennung, während lage der Verbrennung, die im Wesentlichen den spezifischen
eine Annäherung an die isobare Verbrennung bei später Verbrauch bestimmt, kann also in etwa konstant gehalten
Einspritzung zu einer Verbrauchsverschlechterung führt. werden.
Der entscheidende Vorteil eines höheren Einspritzdrucks
15.4.2 Einspritzdruck ist im mittleren Bildteil in Bild 15-35 an der deutlich redu-
zierten Partikelemission – hier ist die Schwärzungszahl SZ
Seit der Einführung von Dieselmotoren mit Direkteinsprit- dargestellt – zu erkennen. Für steigende Einspritzdrücke sin-
zung erfolgte durch technische Weiterentwicklungen eine ken die Rußemissionen bei konstantem Spritzbeginn deut-
498 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-35 NOX Emissionen,


Schwarzrauch (SZ) und spezifischer
Kraftstoffverbrauch als Funktion des
Einspritzbeginns mit dem Einspritz-
druck als Parameter

lich ab, ein Anstieg ist bei steigendem Einspritzdruck erst setzt. Die Abgasrückführrate xAGR ist definiert als das Ver-
bei wesentlich späteren Spritzbeginnen zu beobachten. Der hältnis von rückgeführtem Abgasmassenstrom zu Gesamt-
Grund hierfür ist wieder in der verbesserten Gemischauf- massenstrom im Ansaugtrakt:
bereitung zu finden. Zum einen ist die Rußentstehung durch
verbesserte Zerstäubung bei höherem Einspritzdruck gerin-
ger, zum anderen wird die Nachoxidation durch die höhere (15-6)
Gemischbildungsenergie gefördert.
Allerdings wirkt sich ein höherer Einspritzdruck über Sie beträgt bei modernen Brennverfahren bis zu 50% und
höhere lokale Spitzentemperaturen negativ auf die NOX- wird über ein elektrisch oder pneumatisch angesteuertes
Emissionen aus. Bei konstantem Spritzbeginn steigen die Ventil geregelt. Die Frischluftmasse wird über einen Heiß-
NOX-Emissionen mit steigenden Einspritzdrücken signifi- filmmassensensor ermittelt.
kant an. Vergleicht man die NOX-Emissionen hingegen bei In Bild 15-36 ist der Einfluss der Abgasrückführung auf
konstantem spezifischem Verbrauch, so relativiert sich der spezifischen Verbrauch, Geräusch sowie HC- und PM-Emis-
Vergleich (z. B. weisen die NOX-Emissionen bei minimalem sion als Funktion der NOX-Emissionen dargestellt. In der hier
spezifischem Verbrauch bei –19 °KW für 500 bar Einspritz- gewählten Darstellung wurden die gemessenen NOX-Emis-
druck und bei –12 °KW für 1100 bar Einspritzdruck etwa sionen als Abszisse gewählt und die anderen Größen auf den
konstante Werte von ca. 16 g/kWh aus). Eine deutliche Ordinaten in den einzelnen Teilbildern als abhängige Größen
Reduktion der NOX-Emissionen bei Erhöhung des Einspritz- dargestellt. Die einzelnen, experimentell ermittelten Punkte
drucks ist durch Kombination mit Abgasrückführung (siehe ergeben sich durch eine Variation der AGR Rate. Im Teilbild
Abschn. 15.4.3) zu erreichen. Dieser Strategie sind aller- unten rechts entstehen in Abhängigkeit von der AGR-Rate die
dings Grenzen gesetzt. Abhängig vom Brennverfahren und typischen PM-NOX Trade-off-Hyperbeln. Die Untersuchung
vom Lastpunkt existiert eine Obergrenze für den Einspritz- erfolgte für zwei verschiedene Einspritzdrücke. Die AGR-
druck oberhalb der eine weitere Anhebung des Drucks Rate steigt in den einzelnen Teilbildern jeweils von rechts
keine weiteren Vorteile bringt. nach links von 0% auf den Maximalwert von hier 40%.
Für beide Einspritzdrücke ist in allen Diagrammen eine
15.4.3 Abgasrückführung kontinuierliche Reduktion der NOX-Emissionen für stei-
gende AGR-Rate zu erkennen. Die langsamere Verbren-
Abgasrückführung (AGR) wird bei Pkw heute flächen- nung, die Spätverschiebung des Brennbeginns durch Ver-
deckend als wichtiges Mittel zur Reduktion von NOX einge- größerung der Zündverzugszeit und die Vergrößerung der
15.4 Innermotorische Maßnahmen zur Schadstoffreduktion    499

Bild 15-36 Einfluss der Abgasrück-


führrate auf Geräusch, spezifischen
Kraftstoffverbrauch, HC- und PM-
Emissionen als Funktion der NOX-
Emissionen für unterschiedliche Ein-
spritzdrücke bei 2000 min–1 und 50%
Last

spezifischen Wärmekapazität durch den höheren Anteil Bei Erhöhung der AGR-Rate liegt der Verlauf des PM-
von dreiatomigen Gasen (Inertgas) in der Zylinderfüllung NOX Trade-offs für 800 bar Einspritzdruck deutlich unter
wirken alle reduzierend auf die maximale lokale Spitzen­ dem für 600 bar. Dieser Effekt wird als erhöhte AGR-Verträg-
temperatur und somit auf die NOX-Emissionen. Der Ein­ lichkeit bezeichnet. Da die Gemischbildungsenergie nun
fluss der AGR-Rate auf HC-Emissionen fällt beim hier überwiegend aus dem Einspritzstrahl gewonnen wird, ist
untersuchten Motor recht gering aus. In den beiden unteren eine stärkere O2‑Reduktion durch Erhöhung der AGR-Rate
Teilbildern ist hingegen ein Anstieg sowohl der PM-Emis­ möglich, ohne dass die PM-Emissionen zu stark ansteigen.
sion als auch des spezifischen Verbrauchs zu erkennen. Der Abhängig vom Brennverfahren sind dieser Vorgehensweise
Anstieg des Kraftstoffverbrauchs wird durch die lang­ jedoch Grenzen gesetzt.
samere Verbrennung und damit durch eine Verschiebung Die in Bild 15‑36 im Teilbild unten rechts eingezeichnete
des Verbrennungsschwerpunkts nach spät bewirkt. Der Gerade markiert ein Verhältnis der NOX-Emissionen zu den
Hauptgrund für die höheren Rußemissionen ist in der PM-Emissionen von 10:1, was einer typischen Pkw-Appli­
Begrenzung des für die Rußoxidation ebenfalls erforder­ kation noch Euro 4 entspricht, da die gesetzlich festgelegten
lichen Sauerstoffs gegeben. Der durch die AGR reduzierte Grenzwerte der Emissionen eben dieses Verhältnis aufwei­
Sauerstoffgehalt wirkt sich stets vermindernd auf die NOX- sen. An den Schnitt­punkten der Trade-offs mit dieser Gera­
Emissionen und erhöhend auf die Rußemis­sionen aus. Die de kann abgelesen werden, dass eine Erhöhung des Ein­
im Teilbild unten rechts entstehenden Hyperbeln sind spritzdrucks von 600 auf 800 bar die NOX- und die PM-
­charakteristisch für die Zielkonflikte bei der Optimierung Emissionen um ca. 35% reduziert. Im Teilbild unten links ist
von Dieselmotoren. für diesen Betriebspunkt eine Reduktion des spezifischen
Der in Abschn. 15.4.2 diskutierte Effekt, dass die NOX- Kraftstoffverbrauchs von ca. 3% zu erkennen.
Emissionen ohne weitere Maßnahmen bei Erhöhung des Nachteilig wirkt sich eine Erhöhung des Einspritzdrucks
Einspritzdrucks ansteigen, ist in Bild 15‑36 ebenfalls zu lediglich auf das Geräusch aus (Teilbild oben links). Die
erkennen. Die mit den Kreisen gekennzeichneten Punkte Erhöhung des Geräuschs ist auf die größere Kraftstoffmasse
markieren diejenigen Experimente, bei denen die Emis­ zurückzuführen, die während des Zündverzugs eingespritzt
sionen ohne AGR gemessen wurden. Deutlich ist die Erhö­ wird und bei Brennbeginn nahezu schlagartig verbrennt. Bei
hung der NOX-Emissionen mit dem Einspritzdruck zu konstanter AGR-Rate ist der chemische Zündverzug kons­
erkennen, wobei die PM-Emissionen deutlich niedrigere tant, der physikalische wird durch die kleineren Tröpfchen
Werte aufweisen. bei höherem Einspritzdruck geringfügig verringert, aller­
500    15 Abgasemission von Dieselmotoren

dings überwiegt hier der Effekt der höheren Einspritzrate gemessenen Druckverlauf dar. Bis zum Brenn­beginn der
bei höherem Einspritzdruck. Haupteinspritzung (ca. 12 °KW nach OT) entspricht dieser
Die Pilot- oder Voreinspritzung als wichtigste innermoto­ Druck­verlauf dem eines geschleppten Motors (Schlepp­
rische Maßnahme zur Reduktion des Verbrennungsge­ kurve). Der steile Druckanstieg bei Brennbeginn bis
räuschs soll im Folgenden diskutiert werden. ca. 15 °KW nach OT führt zu unerwünscht hoher
Ge­räuschemission. Druck-Oszillationen nach Brennende
15.4.4 Piloteinspritzung sind Artefakte, die auf das Messverfahren zurück­zuführen
sind.
Die sog. Pilot- oder Voreinspritzung (PI: Pilot Injection) hat Die drei unterschiedlich grau gefärbten Kurven wurden
sich bei DI-Dieselmotoren als wirkungsvolle Maßnahme zur mit unterschiedlich großen Voreinspritzmengen ermittelt.
Geräuschreduktion etabliert. Hierbei werden in kurzem zeit­ Ansteuerbeginn von Haupt- und Vorein­spritzung wurden
lichen Abstand vor der Haupteinspritzung kleine Mengen dabei konstant gehalten. Der Brennbeginn der Voreinsprit­
(1‑3 mm³ pro Einspritzung) Kraftstoff eingespritzt. Brenn­ zung ist an dem Druckanstieg bei ca. 12 °KW vor OT zu
beginn dieser kleinen Menge ist typischerweise kurz vor OT. erkennen, an dem der Druckverlauf signifikant von der
Resultat ist eine Erhöhung von Temperatur und Druck im Schleppkurve abzuweichen beginnt. Jeweils etwa bei OT
Brennraum vor Einspritzbeginn der Haupteinspritzung. Ty­ wird ein lokales Druckmaximum erreicht, wobei der Abso­
pische Zylinderdruckverläufe für einen Teillastpunkt mit lutwert von der Größe der Voreinspritzmenge abhängt und
unterschiedlichen Piloteinspritzmengen sind in Bild 15‑37 mit dieser ansteigt.
bei konstantem Ruß/NOX-Verhältnis von 1:10 dargestellt. Die bei zunehmender Voreinspritzmenge steigenden
Im unteren Diagrammteil ist der Nadelhub des Injektors Zylinderdrücke und ‑temperaturen führen zu einer Verkür­
dargestellt. Parameter der unterschiedlichen Kurven ist die zung des chemischen Zündverzugs für die Haupteinspritz­
Menge der Piloteinspritzung. Eine Verlängerung der Ein­ menge. Dieser ist in Bild 15‑37 an dem Druckanstieg, der
spritzdauer der Piloteinspritzung mit steigender Vorein­ den Brennbeginn der Haupteinspritzung kennzeichnet
spritzmenge ist in der Abbildung zu erkennen. Die Dauer (6–12 °KW nach OT) und für steigende Voreinspritzmen­
der Haupteinspritzung ist entsprechend verkürzt, um die am gen immer näher nach OT wandert, abzulesen. Gleichzeitig
Prüfstand eingestellte Last konstant zu halten. ist in der Abbildung zu sehen, dass der Gradient des
Die schwarze Kurve im oberen Diagrammteil stellt den Druckanstiegs der Haupteinspritzung für steigende Vorein­
im Zylinder während des Betriebs ohne Voreinspritzung spritzmengen – im hier gewählten Beispiel bei etwa kon­

Bild 15-37 Zylinderdruckverläufe


im Teillastbetrieb bei Variation der
Voreinspritzmenge
15.4 Innermotorische Maßnahmen zur Schadstoffreduktion 501

stantem Maximaldruck – stets kleiner wird. Die Gründe wobei dieser Effekt stark vom Brennverfahren und vom
hierfür sind bereits diskutiert worden: Ein kürzerer Zünd- Betriebspunkt abhängt.
verzug führt zu einer kleineren während des Zündverzugs Ein negativer Effekt der PI ist die deutlich reduzierte AGR-
eingespritzten Kraftstoffmenge. Die schnelle Verbrennung Verträglichkeit des Brennverfahrens, wie sie im Teilbild
dieser Menge bei Brennbeginn bestimmt den Druckanstieg unten rechts zu erkennen ist. Dieser nachteilige Effekt ist
und das Verbrennungsgeräusch. Der Zylinderdruckgradient umso größer, je größer die Pilotmenge ist. Im Hinblick auf
ist deshalb ein Maß für die Höhe des Verbrennungsge- eine kombinierte Optimierung von Geräusch und Partikeln
räuschs. wird damit die Wichtigkeit einer präzisen Einspritzung von
Der Einfluss der Voreinspritzmenge auf das Geräusch kleinsten Pilotmengen unterstrichen [15-25]. Ein Teil der
und die Emissionen in Abhängigkeit von der Abgasrück- Vorteile beim PM-/NOX-Trade-off und beim spezifischen
führrate ist in Bild 15-38 als Funktion der NOX-Emissionen Verbrauch, die durch die Erhöhung des Einspritzdrucks
dargestellt. gewonnen wurden, geht also wieder verloren, da das gestie-
Die Art der Darstellung ist bereits aus Bild 15-36 bekannt: gene Verbrennungsgeräusch bei manchen Anwendungsfällen
Durch Variation der AGR-Rate wurden die unterschied- durch eine Piloteinspritzung kompensiert werden muss. Eine
lichen Kenngrößen als Funktion der NOX-Emissionen dar- Optimierung des Gesamtsystems erfordert also wieder eine
gestellt. Im Teilbild oben links ist die oben diskutierte gewichtete Betrachtung aller Einflussgrößen.
Abnahme des Verbrennungsgeräuschs durch die Vorein- Moderne Brennverfahren setzen zur weiteren Optimie-
spritzung abzulesen. Bereits bei 0,5-1 mg3 Pilotmenge pro rung eine zweite Piloteinspritzung und/oder eine kurz nach
Einspritzung wird ein Minimum erreicht. Eine weitere der Haupteinspritzung positionierte Nacheinspritzung ein.
Erhöhung der Pilotmenge auf 1,5 mg3 führt zu einem Während die zweite Piloteinspritzung zur weiteren Opti-
Geräuschanstieg: das Verbrennungsgeräusch wird jetzt mierung des Geräuschs eingesetzt wird, reduziert die ange-
durch die Verbrennung der Voreinspritzmenge selbst lagerte Nacheinspritzung die Rußemissionen. Durch eine
bestimmt. Weiterhin ist zu erkennen, dass eine steigende Erhöhung der Turbulenz in der Brennkammer, verursacht
AGR-Rate bei allen Voreinspritzmengen zu einer leichten durch die angelagerte Nacheinspritzung, wird die Rußoxida-
Geräuschreduktion führt. Diese ist auf eine langsamere Ver- tion gefördert. Gleichzeitig wird die Temperatur bei Brenn-
brennung durch den verminderten Sauerstoffgehalt der ende gesteigert, was sich ebenfalls positiv auf die Rußoxida-
Verbrennungsluft zurückzuführen. tion auswirkt. Die Wirksamkeit der angelagerten Nachein-
Die Piloteinspritzung führt zu einer Verringerung der spritzung hängt dabei stark vom Brennverfahren und dem
HC-Emissionen wie im Teilbild oben rechts dargestellt, betrachteten Kennfeldbereich ab.

Bild 15-38 HC- und PM-Emissionen


sowie spezifischer Kraftstoffverbrauch
und Geräusch im Teillastbetrieb mit
und ohne Piloteinspritzung als Funk-
tion der NOX-Emissionen bei Variation
der AGR-Rate
502 15 Abgasemission von Dieselmotoren

15.4.5 Kühlung von AGR und Ladeluft Aus thermodynamischer Sicht ist es dabei nicht relevant,
ob die Reduktion der Gastemperatur an den Einlassventilen
Eine möglichst niedrige Temperatur der Ladeluft vor den durch Kühlung der rückgeführten Abgasmasse, oder durch
Einlassventilen ist aus verschiedenen Gründen vorteilhaft. Kühlung der verdichteten Ladeluft erfolgt.
Zum einen führt die mit sinkender Temperatur steigende In Bild 15-39 sind die NOX- und Partikelemissionen als
Dichte der Ladeluft zu einer effizienten Befüllung der Zylin- Funktion der AGR-Rate für zwei unterschiedliche Tempera-
der. Man spricht von thermischer Entdrosselung des Motors. turniveaus nach Verdichter (T2) dargestellt. Im oberen
Als Folge steigt die AGR-Verträglichkeit und die Emissionen Teilbild ist das resultierende Luftverhältnis dargestellt. Spe-
von NOX und PM lassen sich weiter senken. Außerdem führt zifischer Kraftstoffverbrauch und Geräuschemissionen
die thermische Entdrosselung über den Weg eines höheren sowie Ladedruck und Abgasgegendruck wurden bei den
Luftverhältnisses zu einem Verbrauchsvorteil, was den posi- einzelnen Messungen gleichgestellt. Ganz rechts in der
tiven Einfluss der AGR und Ladeluftkühlung für das ther- Abbildung ist für eine AGR-Rate von 0% an dem höheren
modynamische Verhalten des Motors unterstreicht. Wert für O im oberen Teilbild zu erkennen, dass die nied-
Sowohl die Verdichtung der Ladeluft im Turbolader, als rigere Temperatur zu einer besseren Befüllung der Zylinder
auch die Rückführung von heißem Abgas bewirken eine führt. Im unteren Teilbild sind bei abgeschalteter AGR für
Steigerung der Lufttemperatur am Zylindereinlass, weswe- kältere Ansaugluft geringere NOX-Emissionen abzulesen,
gen Verfahren entwickelt wurden, die Temperatur zu welche auf die niedrigeren resultierenden Spitzentempera-
begrenzen. Diese sind der nahezu flächendeckende Einsatz turen zurückzuführen sind. Verbessertes Emissionsverhal-
von Ladeluftkühlern, und insbesondere bei Pkw der Einsatz ten mit Abgasrückführung ist für den Fall der niedrigeren
von Verfahren zur Kühlung des rückgeführten Abgases. Lufttemperatur in Bild 15-39 ebenfalls zu erkennen: deut-
Letzteres kann durch eine lange Leitungslänge, durch Lei- lich höhere AGR-Raten mit entsprechend niedrigeren NOX-
tungsführung durch den Zylinderkopf hindurch und/oder Emissionen können ohne einen zu hohen Anstieg der Par-
durch einen mit Kühlwasser gekühlten Wärmetauscher tikelemissionen angewendet werden.
erfolgen. In zahlreichen Anwendungen kann die Kühlleis-
tung geregelt werden, oder das Kühlaggregat in einem 15.5 Abgasnachbehandlung
Bypass umgangen werden, um bei Kaltstart das Motorkühl-
wasser für die Erwärmung der Fahrgastzelle schnell aufhei-
15.5.1 Einleitung
zen zu können, oder um einen Anstieg der HC- und CO-
Emissionen durch zu niedrige Brennraumtemperaturen bei Die Emissionsgrenzwerte für Dieselfahrzeuge sind in den
Betrieb im unteren Teillastbereich zu vermeiden. letzten Jahren kontinuierlich gesunken und weitere zukünf-

Bild 15-39 Einfluss der AGR-Rate


auf NOX- und -Partikelemissionen,
sowie resultierendes O für unter-
schiedliche Lufttemperaturen nach
Verdichter (T2) für einen Teillastpunkt
bei ca. 50% Last und 2000 min–1
15.5 Abgasnachbehandlung    503

tige Reduzierungen sind bereits vereinbart. Unter dem Be­ bedingungen können sich innerhalb weniger Sekunden
griff Emissionsminderung werden alle Techniken und Sys­ erheblich ändern. Hierdurch wird die sog. Raumgeschwin­
teme verstanden, die dazu beitragen, dass die Emissionen des digkeit (das Verhältnis von Abgasvolumenstrom zum Volu­
Fahrzeugs bzw. des Motors reduziert werden. Emissionsmin­ men der einzelnen katalytischen Komponenten) im gleichen
derungssysteme müssen neben den gesetzlichen Anforde­ Maße geändert. Die Raumgeschwindigkeit ist ein Maß für
rungen auch anderen technischen Rahmenbedingungen die Verweilzeit des Abgases im Katalysator. Bei zu kurzen
(z. B. Bauraum, Abgastemperaturen) und ökonomischen Verweilzeiten kann das Gas nur unzureichend reagieren
Vorgaben genügen. und der Umsatz wird verringert. Die Katalysatoren müssen
Die Emissionsminderung lässt sich in motorische Maß­ deshalb so dimensioniert werden, dass auch bei hohen
nahmen und nachmoto­rische Maßnahmen, die häufig auch Abgasmassenströmen ein genügend großer Umsatz sicher­
als Abgasnachbehandlung zusammen­gefasst werden, unter­ gestellt wird. Mit zunehmender Komponentengröße steigt
teilen. jedoch auch deren thermische Masse, was sich auf den Tem­
In der Vergangenheit konnten zunächst die Senkung der peraturverlauf der stromabwärts liegenden Komponenten
Emissionsgrenzwerte durch Verbesserungen in der moto­ auswirkt. Die Berücksichtigung derartige Wechselwirkungen
rischen Verbrennung mit entsprechenden Minderungen der und die Gesamtsystemoptimierung hinsichtlich aller Anfor­
Rohemissionen erreicht werden (s. Abschn. 15.4). Trotz sich derungen sind Gegenstand der Systementwicklung, die im
weiter verringernder Rohemissionen ist abzusehen, dass Anschluss an die Beschreibung der Komponenten erörtert
dies zukünftig nicht mehr ausreichend sein wird. wird.
Unter dem Begriff Abgasnachbehandlung werden die Abgasnachbehandlungskomponenten stellen strömungs­
Systeme zusammengefasst, die sich im Abgasstrang befin­ technische Hindernisse dar, welche in Abhängigkeit vom
den und deren primäre Funktion es ist, die motorischen Abgasvolumenstrom einen Abgasgegendruck verursachen.
Emissionen zu mindern. Zu ihnen gehören Katalysatoren, Dieser Abgasgegendruck muss vom Motor überwunden
Sensoren, Partikelfilter sowie Hilfssysteme, z. B. zur Ein­ werden und erhöht die Ladungswechselverlustarbeit. Im
bringung eines Reduktionsmittels oder zur Unterstützung ungünstigen Fall führt dies zu einem messbaren Kraftstoff­
der Partikelfilterregeneration. Abgas­nachbehandlungs­sys­te­ mehrverbrauch. Dies bedeutet zum einen eine Erhöhung
me verringern überwiegend durch chemische Prozesse die der Betriebskosten und zum anderen eine Erhöhung der
Schadstoffkonzentration. Beim Partikelfilter kommt zusätz­ CO2-Emission. Bei der Auslegung von Abgasnachbehand­
lich eine physikalische Abscheidung hinzu. lungssystemen muss deshalb auf möglichst geringe Strö­
Neben dem gewünschten Umsatz der Schadstoffe gibt es mungsverluste geachtet werden.
eine Reihe zusätzlicher technischer Anforderungen, die bei Der Strömungswiderstand führt außerdem zu einer
der Auswahl der Systeme beachtet werden müssen. Im Fol­ Dämpfung des abgasindu­zierten Motorgeräusches. Durch
genden werden diese Randbedingungen kurz vorgestellt, den Betrieb des Fahrzeugs werden Beschleuni­gungsmomente
bevor dann die einzelnen Komponenten beschrieben wer­ auf den Abgasstrang übertragen. Diese mechanischen Belas­
den. tungen müssen bei der Konstruktion der Bauelemente und
Die Abgastemperaturen moderner Dieselmotoren sind des Gesamtsystem berück­sichtigt werden. Diese Aspekte
meist so gering, dass die chemischen Prozesse selbst beim werden an anderer Stelle behandelt (s. Abschn. 13‑2).
Einsatz hochwertiger Katalysatoren häufig kinetisch limi­ Im motorischen Abgas ist Wasserdampf enthalten, welches
tiert sind. Zudem sind die Abgastemperaturen stark von den nach dem Abstellen des Motors beim Auskühlen des
motorischen Betriebsbedingungen insbesondere vom Dreh­ Abgasstrangs kondensiert. Dieses Abgaskon­densat enthält
moment abhängig. Sie können Werte zwischen der Außen­ auch korrosive Bestandteile, die sich durch Reaktion mit den
temperatur (unmittelbar nach dem Motorstart), bis zu über im Abgas enthaltenen Stickoxiden und dem Schwefeldioxid
700 °C bei Volllast erreichen. Typischerweise liegen die bilden. Der Korrosions­schutz muss bei der Konstruktion und
Tempera­turen im vorderen Unterbodenbereich des Werkstoffauswahl berücksichtigt werden.
Abgasstrangs beispielsweise beim europäischen Fahrzyklus Ein geeignetes Abgasnachbehandlungssystem erfüllt die
zwischen 150 °C und 250 °C. Bei der Auslegung der Kompo­ Anforderungen bezüglich der Minderung mehrerer Schad­
nenten und ihrer Positionierung muss deshalb neben der stoffe, unter Berücksichtigung der genannten Restriktionen
Optimierung der chemischen Reaktionsrate auch auf den zu möglichst geringen Kosten. Bei der Auslegung ist eben­
Bauteilschutz geachtet werden. falls auf eine ausreichend lange Lebensdauer des Systems zu
Der Abgasmassenstrom hängt ebenfalls sehr stark von den achten. Neben den bereits erwähnten korrosiven und
motorischen Betriebsbedingungen, insbesondere Drehzahl, mechanischen Belastungen muss auch die Alterung der
Aufladegrad und Abgasrück­führungsrate ab. Diese Betriebs­ katalytischen Schichten berücksichtigt werden.
504    15 Abgasemission von Dieselmotoren

Die Auslegung ist durch die Vielzahl der Anforderungen mischen oder metallischen Wabenstruktur, in welcher das
und Wechselwirkungen komplex und für jede Fahrzeugserie Abgas durch dünne, etwa 1 mm breite Kanäle geleitet wird.
individuell zu optimieren. Die Kanalwände bestehen aus einer Trägerstruktur aus Kera­
Zunächst werden die einzelnen Komponenten eines mik oder Metall, die mit einer edelmetallhaltigen Kata­
Abgasnachbehandlungs­systems vorgestellt. Diese haben lysatorschicht (sog. Washcoat) überzogen ist. Beim Durch­
neben einer Hauptfunktion meist noch Neben­funktionen. strömen des Katalysatorkörpers gelangen die zu oxidieren­
Durch eine geeignete Auslegung von Abgasnachbehandlungs­ den Komponenten des Abgases durch Diffusion an diese
systemen mit einer dazugehörigen Abstimmung der moto­ Katalysatorschicht und werden oxidiert.
rischen Rohemission lässt sicht die Komplexität und der Die wesentlichen Einflussgrößen auf den Umsatz sind:
Aufwand der gesamten Emissionsminderung verringern. – Aktivität der Katalysatorbeschichtung,
Dieser Aspekt der Systemauslegung soll im daran anschlie­ – Größe und innere Geometrie des Katalysators, damit
ßenden Teil angesprochen werden. verbunden die Verweildauer des Gases, bzw. die
Raumgeschwindigkeit,
15.5.2 Komponenten der Abgasnachbehandlung – Katalysatortemperatur,
– Konzentration der Reaktionspartner.
15.5.2.1 Diesel-Oxidations-Katalysator (DOC)
Die katalytische Aktivität der Beschichtung wird wesentlich
Der Diesel-Oxidations-Katalysator (DOC – Diesel Oxida­ durch die Art und Menge des Materials sowie die räumliche
tion Catalyst) war der erste Katalysator, der serienmäßig in Struktur der Oberfläche festgelegt. Im DOC werden Edelme­
Dieselfahrzeugen eingesetzt wurde. Seine primäre Funktion talle der Platingruppe (Platin, Palladium) eingesetzt, welche
ist es, die moto­rischen Kohlenmonoxid- (CO) und Kohlen­ in Form sehr kleiner Partikeln (Größenordnung wenige nm)
wasserstoff- (HC) Emissionen mit dem Restsauerstoff des auf einem oxidischen Washcoat (Aluminiumoxid, Ceroxid
Abgases zu den harmlosen Gasen H2O und CO2 zu oxidie­ oder Zirkonoxid) dispergiert sind. Der Washcoat sorgt für
ren. Hierfür werden edelmetallhaltige Beschichtungen ein­ eine sehr große innere Oberfläche, stabilisiert die Edelmetall­
gesetzt. Moderne Abgas­nachbehandlungssysteme umfassen partikel gegenüber Sinterung und unterstützt die ablau­
noch zusätzliche Komponenten und der DOC übernimmt in fenden Reaktionen entweder direkt durch Reaktionen an der
diesen Systemen noch weitere Funktionen: Grenze zwischen Partikel und Substrat oder indirekt durch
– Oxidation der flüchtigen Bestandteile der Partikel Adsorption von Katalysatorgiften. Die eingesetzte Katalysa­
(adsorbierte Kohlenwasser­stoffe). Hierdurch wird die tormenge, auch häufig als Katalysatorbeladung bezeichnet,
Partikelmasse um bis zu 30% vermindert. liegt im Bereich 50–90 g ft-3 (1,8‑3,2 g l–1).
– Verbesserung des Verhältnisses aus Stickstoffdioxid (NO2) Wesentliche strukturelle Merkmale des Katalysatorkör­
zu Stickstoff­monoxid (NO). Dieser Schritt ist für die pers sind seine Außenmaße (Durchmesser und Länge), die
Stickoxidminderung insbesondere für den SCR-Prozess Dichte der Kanäle (angegeben in cpsi–Channels Per Square
förderlich. Inch) und die Wandstärke zwischen den einzelnen Kanälen.
– Freisetzung von Wärme durch die Oxidation von bewusst Diese Eigenschaften bestimmen die mechanische Stabilität,
zugeführten Kohlenwasserstoffen und CO (sog. „Kat­ den Abgasgegendruck und das Aufwärmverhalten des Kata­
brenner“). Hierdurch wird die Temperatur des Abgas­ lysators.
systems nach DOC erhöht. Man wendet dies an, um die für Typische Werte für die Raumgeschwindigkeit liegen zwi­
die Partikelfilterregeneration erforderliche Temperatur­ schen 150.000 bis 250.000 h–1. Der Abgasvolumenstrom
erhöhung zu unterstützen. Außerdem wird diese Tempera- hängt u. a. vom Hubraum des Motors ab. Setzt man das
turmanagementmaßnahme eingesetzt, um Denoxierungs­ Volumen des Katalysators in Beziehung zum Hubraum, so
sys­teme nach dem Start möglichst schnell auf Betriebs­ ergeben sich Werte von VKat /VHub= 0,4–0,8.
temperatur zu bringen, was eine Verbesserung des NOX- Wie bereits in der Einleitung beschrieben, hängt die Kata­
Umsatzes bewirkt. lysatortemperatur vom Betriebszustand des Motors ab.
– Durch den Einsatz geeigneter Beschichtungen ist es Steigt die Abgastemperatur nach Abgasturbolader, so folgt
außerdem möglich, NOX durch eine Reaktion mit HC und mit einer durch die thermische Masse des Abgasstrangs
CO in geringem Umfang (etwa 5‑10%) zu reduzieren. bedingten Verzögerung auch die Katalysatortemperatur. In
Bild 15‑40 ist ein typischer Umsatzverlauf für die CO-Oxi­
Alle diese Funktionen werden durch das gleiche Prinzip er­ dation dargestellt. Man erkennt einen sehr steilen Anstieg
füllt, das durch die Grundstruktur des Katalysators ermög­ des Umsatzes. Die Abgastemperatur, bei der der Umsatz
lich wird. Der Katalysatorkörper besteht aus einer kera­ 50% beträgt, wird als Light-Off-Temperatur (Anspringtem­
15.5 Abgasnachbehandlung 505

merklichen Temperaturerhöhung des Abgases. Ist eine Tem-


peraturerhöhung z. B. zur Einleitung einer Partikelfilterre-
generation gewünscht, so müssen zusätzliche Kohlenwasser-
stoffe vor dem DOC eingebracht werden. In diesem Fall
übernimmt der DOC die Aufgabe einer katalytischen Heiz-
komponente („katalytischer Brenner“ oder „Catalytic-Bur-
ner“). Die HC-Einbringung kann entweder durch eine
motorische Nacheinspritzung erfolgen oder durch eine
nachmotorische Einrichtung. In beiden Fällen lässt sich die
einzubringende Kraftstoffmenge aus der gewünschten Tem-
peraturerhöhung und dem Abgasmassenstrom berechnen.
Als Näherung gilt, dass eine Erhöhung der CO-Konzentra-
tion um 1% zu einem Temperaturanstieg von etwa 90 °C
führt. Die Energiefreisetzung erfolgt an der katalytischen
Oberfläche, welche die Wärme über Konvektion an das
Bild 15-40 CO- und HC-Umsatz in Abhängigkeit von der Katalysatortempe-
Abgas überträgt. Die Heizleistung ist durch die maximal
ratur
zulässige Temperatur des Washcoats limitiert (z. B. 800 °C).
Die motorische Nacheinspritzung ist so zu applizieren,
dass sie möglichst nicht mehr an der Verbrennung teil-
peratur) des Katalysators bezeichnet und liegt je nach nimmt, was ansonsten zu einer unerwünschten Drehmo-
Katalysatorzusammensetzung, Strömungsgeschwindigkeit menterhöhung führen würde. Andererseits führt eine zu
und Abgaszusammensetzung bei 150–200 °C. Der CO- späte Einspritzung dazu, dass ein Teil des Diesels bis zur
Umsatz liegt dann für höhere Temperaturen bei über 90%. Zylinderwand gelangt, was eine Schmierölverdünnung ver-
Die Oxidation von Kohlenwasserstoffen verläuft ähnlich, ursachen würde.
jedoch bei etwas höheren Temperaturen und hängt im Bei der nachmotorischen HC-Einbringung kommt es
Detail von der Zusammensetzung der Kohlenwasserstoffe darauf an, dass die geforderte Menge möglichst homogen
ab. So wird beispielsweise Methan erst bei sehr hohen Tem- über den Strömungsquerschnitt verteilt und vollständig
peraturen umgesetzt, während kurzkettige Alkene bereits verdampft zum Katalysator gelangt. Für diese Aufgabe sind
bei niedrigen Temperaturen reagieren. verschiedene Lösungsansätze in Entwicklung:
Eine wesentliche Funktion des DOC ist die Verbesserung – Die flüssige Einbringung eine Dieselsprays mit einem
des NO2- zu -NO-Verhältnisses. NO2 ist für eine Reihe von Dosierventil.
Abgasnachbehandlungssystemen (DPF, NSC, SCR) vorteil- – Die Einbringung von Diesel in Form von verdampftem
haft. NO und NO2 stehen in Anwesenheit von Sauerstoff in Kraftstoff.
einem Gleichgewicht zueinander, das bei niedrigen Tempera- – Die Einbringung von Gasen mit geringer Light-Off-
turen (<250 °C) auf der Seite des NO2 und für hohe Tempera- Temperatur, z. B. von H2/CO-Gemischen, welche
turen (>450 °C) auf der Seite des NO liegt. Der NO2-Anteil vorzugsweise direkt im Fahrzeug aus Diesel erzeugt
am NOX liegt im motorischen Abgas betriebspunktabhängig werden.
zwischen etwa 5 und 50% und damit für die meisten Betriebs-
bedingungen weit unter dem für die Abgastemperaturen gel- Die Wirksamkeit des Katalysators kann durch den Betrieb im
tenden Gleichgewichtswert. Durch katalytische Reaktionen Laufe der Zeit abnehmen. Man spricht in diesem Fall von Ka-
kann der DOC deshalb das NO2- zu -NO-Verhältnis ab etwa talysatoralterung. Zwei Alterungsmechanismen sind hierfür
180-230 °C in Richtung des Gleichgewichts erhöhen. Für wesentlich. Zum einen kann es bei sehr hohen Abgastempera-
hohe Temperaturen (>450 °C) sinkt dann die NO2-Konzen- turen zu einer Agglomeration der Edelmetallpartikel kom-
tration entsprechend dem thermodynamischen Gleichge- men, was die spezifische Edelmetalloberfläche verringert.
wicht mit steigender Temperatur. Außer der Abgastemperatur Zum anderen können Katalysatorgifte die Edelmetall-
ist auch die HC- und CO-Konzentration ein wesentlicher oberfläche entweder direkt belegen oder durch die Bildung
Faktor, der die NO-Oxidation beeinflusst. So kann der NO2- voluminöser Schichten auf dem Washcoat sie für die erforder-
Anteil durch Reduktion mit HC oder CO auch im mittleren lichen Diffusionsvorgänge unzugänglich machen. Das be-
Temperaturbereich unter den Ausgangswert sinken. kannteste Katalysatorgift ist der im Kraftstoff enthaltende
Auf Grund der geringen Konzentration führt die bei der Schwefel. Dieser bildet auf der Oberfläche Sulfate, welche die
Oxidation freiwerdende Reaktionswärme nicht zu einer Zugänglichkeit des Edelmetalls behindert. Moderne Kraft-
506    15 Abgasemission von Dieselmotoren

stoffe sind schwefelfrei oder zumindest schwefelarm, wodurch


die Gefahr der Verschwefelung des DOC verringert wird.
Ein Teil der Schädigungsprozesse ist irreversibel und es
muss durch die Wahl geeigneter Abgastemperaturen und
Kraftstoffqualitäten darauf geachtet werden, dass diese Pro­
zesse verhindert werden. Einige Katalysatorvergiftungen
sind hingegen reversibel und können durch Wahl geeigneter
Betriebsbedingungen rückgängig gemacht werden.

15.5.2.2 Partikelfilter Bild 15-41 Filterstruktur. 1 Rohabgas vom Motor, 2 Gehäuse, 3 Keramik-
pfropfen, 4 Wabenkeramik, 5 ausströmendes Abgas
Die Aufgabe des Partikelfilters (DPF: Diesel Particle Filter)
ist es, einen sehr hohen Anteil der Partikel aus dem Abgas­
strom abzutrennen. Auf Grund der geringen Partikelgröße
(Großteil unter 100 nm, siehe Abschn. 15.3.2) bietet nur die
Filtration einen hinreichend großen Abscheidewirkungsgrad eine poröse Wand geführt wird („geschlossene“ Filtersys­
bei geringem Aufwand. teme). Bei den keramischen Extrudaten ist hierfür jeder Ka­
Die zunehmende Filtratmenge vergrößert mit der Zeit nal jeweils alternierend an der Vorder- oder an der Rückseite
den Strömungswiderstand über den Filter, was einen verschlossen (Bild 15‑41). Die Extrudatwände werden hier­
hö­heren Kraftstoffverbrauch verursacht. Es ist deshalb durch zu einer porösen Filterfläche mit einer sehr großen
erforderlich, den Filter in gewissen Intervallen zu regenerie­ Oberfläche (etwa 1 m2 lFilter–1). Beim Durchgang durch die
ren, das heißt durch geeignete Betriebsbedingungen, die poröse Wand lagern sich die Partikel zunächst durch Diffu­
brennbaren Bestandteile des Filtrats zu oxidieren (die nicht sion an die innere Oberfläche der Poren an. Nach kurzer Zeit
brennbaren Bestandteile des Filtrats bleiben als Asche bildet sich an der Oberfläche der Wände zunächst eine dünne
zurück). Der Betrieb lässt sich also in lange Phasen der Par­ Oberflächenfiltratschicht aus, welche eine wesentlich geringe
tikelabscheidung unterbrochen durch kurze Regenerations­ Porengröße aufweist als die Trägerstruktur und in der Folge
phasen unterteilen. Der Betrieb eines Partikelfilters erfor­ den größten Teil der Partikel abfiltriert. Mit zunehmender
dert deshalb eine Betriebsstrategie sowie weitere Komponen­ Beladungszeit wächst die Filtratschichtdicke, wodurch sich
ten die zusammen das DPF-System bilden. Es wird im Fol­ zunächst der Durchströmungswiderstand und im weitern
genden zunächst die für die Abscheidephase wichtige Struk­ Verlauf auch der Strömungswiderstand in den Einlasskanä­
tur des DPF beschrieben, dann auf die Regenerationsphase len des Filters erhöht. Der Strömungswiderstand und der
eingegangen und schließlich die weiteren Bestandteile eines Filtrationswirkungsgrad hängen von der Wanddicke (0,3–
DPF-Systems erörtert. 0,4 mm) und der Größe der Poren ab. Außerdem ist die
Die Anforderungen an einen Partikelfilter sind: ­Kanaldichte (100–300 cpsi) wichtig für den Strömungswi­
– Hoher Abscheidegrad auch für sehr kleine Partikel (je nach derstand. Eine hohe Kanaldichte erhöht zwar die innere
Gesetzgebung und Rohemission 50% bis 95%), Oberfläche und verringert hiermit den Wanddurchtrittswi­
– Geringer Strömungswiderstand, derstand, führt auf der anderen Seite aber auch zu kleineren
– Thermische Beständigkeit, gegen die bei der Regeneration Kanaldurchmessern. Dies vergrößert den Strömungswider­
auftretenden Temperaturen von bis zu 1000 °C, stand in den Kanälen, insbesondere wenn der Querschnitt
– Gute strukturelle und strömungstechnische Toleranz der Zulaufkanäle durch das Oberflächenfiltrat zusätzlich
ge­gen­über nicht oxidierbaren Partikelbestandteilen verengt wird. Bei einer neuen Entwicklung ist der Durch­
(Filterasche). messer der einlaufenden Kanäle größer als der Durchmesser
der ablaufenden Kanäle, was den dort auftretenden Strö­
Derzeit befinden sich vier Filtertypen in der Anwendung: mungsverlust durch ein Oberflächenfiltrat und die Verträg­
a) Keramisches Extrudat aus Cordierit, lichkeit gegenüber Ascheablagerungen verbessert.
b) Keramisches Extrudat aus Siliziumcarbit (SiC), Sintermetallfilter werden aus Filtertaschen zusammenge­
c) Sintermetallfilter (besonders für den Retrofitmarkt), setzt, die am Eingang zunächst einen großen Eintrittsquer­
d) Partikelabscheider mit offenen Strukturen. schnitt aufweisen, der sich in Strömungs­richtung zuneh­
mend verjüngt. Auch diese Geometrie führt zu einer Verrin­
Die ersten drei Filtertypen basieren auf dem sog. Wand­ gerung des Zuströmverlustes und zu einer höheren Asche­
stromfilterprinzip, bei dem die komplette Abgasmenge durch verträglichkeit.
15.5 Abgasnachbehandlung    507

Bei Wandstromfiltern wird das gesamte Abgas filtriert, ratur angehoben. Grundsätzlich kann die DPF-Temperatur
was zu Filterwirkungs­graden von über 95% für das gesamte durch Verschlechterung des Motorwirkungsgrads (Ein­spritz­
relevante Größenspektrum (10 nm‑1 µm) führt. Kann der verlaufs­änderung), durch Verringerung des Abgasmassen­
Filter nicht rechtzeitig regeneriert werden, z. B. weil bei stroms (Ladedruckabsenkung, Androsseln) oder durch
einer Nachrüstlösung nicht alle Maßnahmen zur Einleitung nachmotorische Temperaturerhöhung (z. B. „Catalytic-Bur­
einer Regeneration zur Verfügung stehen, so kann der ner“ am DOC) erhöht werden. Bei allen Maßnahmen muss
Ab­gasgegendruck soweit ansteigen, dass der Motorlauf darauf geachtet werden, dass der Restsauerstoffgehalt am
be­hindert wird. Dieses Verblocken des Filters ist bei DPF ausreichend hoch für eine zügige Regeneration ist
„offenen“ Partikelabscheidern nicht möglich. (>5%). Die Maßnahmen sind abhängig vom Motorbetriebs­
In der Struktur des offenen Partikelabscheiders wird das punkt und werden zu Maßnahmenpaketen zusammenge­
Abgas nicht zwangsweise durch eine Wand geführt, son­ fasst (Bild 15‑42).
dern zunächst durch in die Filterkanäle hinein­ragende Im Bereich 1 (Nennleistungsbereich) sind die motorischen
Taschen umgelenkt. Das Gas erhält hierdurch einen Impuls, Temperaturen bereits so hoch, dass keine weiteren Maßnah­
der es in Richtung einer porösen Kanalwand beschleunigt. men eingeleitet werden müssen. Dieser Bereich kommt im
Bei geringer Filterbeladung durchdringt es ähnlich wie Pkw-Betrieb sehr selten vor.
beim Wandstromfilter zu einem großen Teil die Kanalwand
und baut ein Filtrat auf. Mit steigendem Durchtrittswider­
stand nimmt der Anteil des durch die Wand durchtre­
tenden Gases ab und der Anteil, der sich im Kanal an der
Tasche vorbei bewegt, nimmt zu. Bei derartigen Strukturen
ist der Abscheide­wirkungsgrad deshalb abhängig von der
Beladung und liegt im realen Einsatz zwischen etwa 30%
und 70%.
Ähnlich wie beim DOC, richtet sich die Baugröße und
damit die Filterfläche des Filters nach dem Hubvolumen
(typischerweise VDPF/VHub = 1,2–2,0).
Die Regeneration des Filters ist je nach Auslegung und
Rohemission nach 300‑800 km erforderlich. Ruß verbrennt
mit dem im Abgas enthaltenden Sauerstoff oberhalb von
etwa 600 °C zu CO2 unter Wärmefreisetzung. Auslegepunkt
für die Regeneration ist die akkumulierte Rußmenge (je
nach Filtermaterial 5–10 g l–1). Ist diese Menge zu groß, so
kann es bei der exothermen Regeneration zu lokalen Tem­
peraturüberhöhungen kommen, welche das Substrat bzw.
ggf. die katalytische Beschichtung schädigen.
Die zur Regeneration erforderlichen Temperaturen liegen
nur im Nennleistungsbereich des Motors vor. Es müssen
deshalb zusätzliche Maßnahmen und Hilfsmittel vorgese­
hen werden, welche eine rechtzeitige Filterregeneration auch
im üblichen Fahrbetrieb ermöglichen.
Es gibt folgende Regenerationsstrategien:
1. Nichtkatalysierte Oxidation durch Restsauerstoff bei
550–650 °C,
2. Additiv unterstützte Regeneration,
3. Regeneration mit NO2,
4. Regeneration mit katalytisch beschichtetem Filter.

Nichtkatalytische Oxidation

Bei der nichtkatalysierten Oxidation wird durch verschie­ Bild 15-42 Motorische Maßnahmen zur Abgastemperaturanhebung
dene Maßnahmen die Filtertemperatur bis zur Zündtempe­
508    15 Abgasemission von Dieselmotoren

Im Bereich 2, in dem sehr hohe Drehmomente angefor­ Additivsystem


dert werden, ist es wichtig, dass diese trotz der Regenera­
tionsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Die Im Additivsystem wird dem Kraftstoff ein Additiv (meist
Haupteinspritzung wird etwas nach spät verschoben, womit eine Cer- oder Eisenverbindung) zugesetzt. Bei der moto­
sich der Wirkungs­grad des Motors verschlechtert und die rischen Verbrennung wird das Metall an den Ruß angelagert.
Abgastemperatur wunschgemäß zunimmt. Zusätzlich Im Filter ergibt sich hierdurch eine Rußoberfläche, die mit
erfolgt eine angelagerte (frühe) Nacheinspritzung, die noch Mischoxiden dotiert ist, welche die Zündtemperatur auf
an der Verbrennung teilnimmt und einen weiteren Dreh­ 450–500 °C absenken. Die oben aufgezählten Maßnahmen
momentsbeitrag liefert. Diese Maßnahmen, die durch Ver­ können deshalb in ihrem Umfang reduziert werden. Nach
schlechterung des Wirkungsgrads auf eine Erhöhung der der Rußoxidation bleibt das Metalloxid als Rückstand im Fil­
Motorabgastemperatur zielen, werden auch als „Engine ter zurück und erhöht damit den Ascheanteil, der durch ther­
Burner“ bezeichnet. mische Regeneration nicht entfernt werden kann. Her­
Im Bereich 3, ist die Aufladung gering und das Luftver­ kömmliche Wandstromfilter müssen deshalb bei additivba­
hältnis bei optimaler Verbrennung bereits unter 1,4. Eine sierter Regeneration alle 120.000–180.000 km ausgebaut und
angelagerte Nacheinspritzung würde in diesem Fall örtlich mechanisch gereinigt werden.
zu sehr kleinen Luftverhältnissen und dadurch zu einem
starken Anstieg des Schwarzrauchs führen. Die Nachein­ Regeneration mit NO2
spritzung wird deshalb soweit verzögert, dass sie nicht mehr
an der Verbrennung teilnimmt (späte Nacheinspritzung). NO2 stellt ein sehr aktives Oxidationsmittel dar, das Ruß be­
Die zusätzlichen HC- und CO-Emissionen werden am reits ab Temperaturen von 250–350 °C oxidiert. Diese Tem­
DOC in Wärme ungesetzt („catalytic-burner“). peraturen werden bei Nkw-Anwendungen häufig und bei
Im Bereich 4 werden verschiedene Maßnahmen miteinan­ Pkw-Anwendungen beispielsweise bei Autobahnfahrten er­
der kombiniert. Zum einen wird durch eine Ladedruckab­ reicht. Bei der Rußoxidation bildet sich NO.
senkung der Abgasmassenstrom reduziert. Die Spätverschie­
2 NO2 + C → 2 NO + CO2 (15-7)
bung der Haupteinspritzung und eine angelagerte Nachein­
spritzung sorgen wie im Bereich 2 für eine weitere Erhöhung NO2 + C → NO + CO (15-8)
der Abgastemperatur. Die Anteile der einzelnen Maßnah­
men müssen im Hinblick auf Geräusch, Emissionen und CO + NO2 → CO2 + NO (15-9)
Verbrauch optimiert werden und sind meist nicht alle
CO + ½ O2 → CO2 (15-10)
gleichzeitig erforderlich.
Im Bereich 5 ist eine große Temperaturerhöhung von Aus den Gleichungen lässt sich erkennen, dass für die voll­
300–400 °C erforderlich. Die Luftmasse wird in diesem ständige Oxidation von Ruß die achtfache Masse an NO2
Bereich zusätzlich durch eine Drosselklappe reduziert. Hier­ vorhanden sein muss. Ist die Temperatur und das Massen­
durch sind weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Ver­ verhältnis ausreichend hoch (T>350 °C), so wird im Durch­
brennung, wie Erhöhung der Voreinspritzmenge und schnitt genauso viel Ruß oxidiert, wie neuer Ruß abgeschie­
Anpassung des Abstands zwischen Vor- und Haupteinsprit­ den wird. Man spricht dann von einem CRT®-Effekt (Conti­
zung erforderlich. nuous Regenerating Trap). Das erforderliche NO2 wird in
Im Bereich 6, bei sehr kleinen Drehmomenten, ist die vorgelagerten Oxidationskatalysatoren aus NO gebildet. In
Einleitung einer Regene­ration mit Temperaturen > 600 °C der Praxis wird stets ein gewisser Anteil des Rußes insbeson­
nicht möglich. dere in Hochlastphasen durch den CRT®-Effekt oxidiert.
In allen Bereichen hängt der Umfang der Maßnahmen Hierdurch können die Regenerationsintervalle vergrößert
maßgeblich von der zu erzeugenden Temperatur ab. Damit werden. Insbesondere für Pkw-Anwendungen ist jedoch die
die im Motor erzeugte Wärme möglichst vollständig im vollständige DPF-Regeneration durch Nutzung des CRT®-
Filter wirksam wird, sollte der thermische Verlust zwischen Effekts nicht für alle individuellen Fahrbedingungen erreich­
Motor und Filter gering gehalten werden. In vielen Anwen­ bar, so dass die oben erwähnten zusätzlichen aktiven Regene­
dungen befindet sich deshalb der Filter möglichst nahe am rationsmaßnahmen vorgesehen werden müssen.
Motor.
Eine andere Möglichkeit die erforderliche Regenera­ Katalytisch beschichtete Filter (CDPF)
tionstemperatur abzusenken besteht darin, die Rußoxida­
tion katalytisch zu unterstützen. Durch eine katalytische Beschichtung (coated DPF) des Fil­
ters kann die Regenerationstemperatur geringfügig herabge­
15.5 Abgasnachbehandlung    509

setzt werden. Der Effekt ist zwar wesentlich geringer als beim rend der Regenerationsphase wird der Rußabbrand in
Einsatz von Kraftstoffadditiven, dafür entstehen andererseits Abhängigkeit von der Filtertem­peratur und dem Sauerstoff­
keine Additivaschen. massenstrom berechnet.
Die katalytische Beschichtung erfüllt mehrere Funktio­ Ein sog. Koordinator bestimmt aus den mit beiden Ver­
nen: fahren ermittelten Werten der Rußmasse, die für die Rege­
– Oxidation von CO und HC, nerationsstrategie maßgebliche Rußmasse.
– Oxidation von NO zu NO2. Mit der Regenerationsstrategie wird entschieden, wann
eine Regeneration ausgelöst wird und welche Maßnahmen
Wie beim DOC können auch am CDPF HC und CO unter eingeleitet werden. In Abhängigkeit vom eingesetzten Mate­
Wärmefreisetzung oxidiert werden. Der entstehende Tempe­ rial wird ein Schwellwert für die Rußmasse festgelegt, ab der
raturhub wirkt in diesem Fall direkt an der Stelle, an der hohe eine Regeneration erfolgen soll, um eine thermische Schädi­
Temperaturen zur Zündung des Rußes erforderlich sind. Die gung des Substrats während der Regeneration zu verhin­
Wärmeverluste, welche bei der Verwendung eines vorgela­ dern. Es ist sinnvoll, eine Regeneration vorzuziehen, wenn
gerten katalytischen Brenners auftreten, können vermieden besonders günstige Verhältnisse (z. B. Autobahnfahrt) vor­
werden. Wie beim katalytischen Brenner wird das erforder­ liegen. Die Regenerationsstrategie legt in Abhängigkeit von
liche HC und CO entweder durch eine motorische Nachein­ der Rußmasse, sowie des Motor- und Fahrzeugbetriebszu­
spritzung oder durch eine nachmotorische Dosiereinrich­ stands fest, welche Regenerations­maßnahmen durchzufüh­
tung dem Abgasstrang zugeführt. ren sind. Diese werden als Statuswert den anderen Motor­
An der katalytischen Beschichtung wird außerdem NO zu steuerungsfunktionen übergeben.
NO2 oxidiert. Dieses kann im geringen Umfang die Rußoxi­ Zur Vermeidung unkontrollierter Überhitzungen im Fil­
dation bei niedrigen Temperaturen unterstützen. ter oder eines unkontrol­lierten Regenerationsabbruchs wird
Ein DPF-System besteht neben dem Partikelfilter aus die DPF-Temperatur während der Regene­ration geregelt.
weiteren Komponenten: Als Stellgrößen stehen der Einspritzverlauf und die Luftmas­
– DOC, der als katalytischer Brenner und zur Anhebung des se zur Verfügung.
NO2-Anteils verwendet wird,
– Temperatursensor vor DOC. Dient dazu, die HC-Umsatz­ 15.5.2.3 NOX-Reduktions-Katalysatoren
fähigkeit am DOC („Light-Off “-Zustand) zu bestimmen,
– Differenzdrucksensor. Dieser misst die Druckdifferenz Ähnlich wie bei der Partikelminderung können nur einige
über den Partikelfilter, aus dem sich mit dem Abgas­volu­ der theoretisch denkbaren Verfahren zur NOX-Minderung
menstrom der Strömungswiderstand errechnen lässt, im Fahrzeug umgesetzt werden.
– Temperatursensor vor DPF, der zur Bestimmung der DPF- Die bei Benzinmotoren erfolgreich eingesetzten Dreiwe­
Temperatur dient. Diese Temperatur ist wichtig, um die gekatalysatoren, bei denen NOX mit sehr hohem Umsatz bei
Regeneration zu steuern. λ = 1 mit HC und CO zu N2, H2O und CO2 reagieren, lassen
sich im mageren Dieselabgas nicht einsetzen. Hier konkur­
Ein DPF-System muss außerdem über geeignete Steuerge­ riert die gewünschte Reduktion von NOX mit der Reduktion
rätefunktionen verfügen, welche die Regeneration steuern des Restsauerstoffs, der in etwa 1000fach höherer Konzen­
und überwachen. Während der Beladungsphase muss zu­ tration vorliegt.
nächst der Beladungszustand des Partikelfilters erfasst wer­ Derzeit befinden sich zwei Verfahren (SCR und NSC) in
den (Beladungserkennung). Hierfür werden verschiedene der Markteinführung.
Verfahren eingesetzt. Mit Hilfe des Differenzdrucksensors
wird der Strömungswiderstand bestimmt, der mit zuneh­ Selektive katalytische Reduktion (SCR)
mender Filterbeladung ansteigt. Die Korrelation zwischen
Rußmenge und Strömungswiderstand wird durch den Ein­ Beim SCR-Prozess (Selective Catalytic Reduction) wird NOX
fluss der Morphologie (z. B. Gleich­verteilung der Schicht­ in einem geeigneten Katalysator mit Ammoniak (NH3) als
dicke über den Filter, Porosität des Filtrats) der Rußschicht Reduktionsmittel zu Stickstoff reduziert. Der SCR-Prozess ist
gestört, die von den zurückliegenden Betriebsbedingungen in Großfeuerungsanlagen bewährt und befindet sich bei
abhängt. Nutzfahrzeugen (seit etwa 2005) in der breiten Markteinfüh­
Es wird deshalb zusätzlich die eingelagerte Rußmenge rung. Auch erste Anwendungen im Pkw. (ab etwa 2007) sind
modellbasiert berechnet. Diese ergibt sich aus der Integrati­ geplant.
on des motorischen Rußmassenstroms. Weiterhin wird der Die eigentliche SCR-Reaktion verläuft im Wesentlichen
Rußabtrag durch den CRT®-Effekt mit einbezogen. Wäh­ gemäß den folgenden Reaktionsgleichungen:
510    15 Abgasemission von Dieselmotoren

4 NO + O2 + 4 NH3 → 4 N2 + 6 H2O (15-11) Bei niedrigen Temperaturen (<300 °C) läuft die Reaktion
überwiegend über die Gleichung (15-12) ab. Zur Steigerung
NO + NO2 + 2 NH3 → 2 N2 + 3 H2O (15-12)
des Umsatzes befindet sich deshalb vor dem SCR-Katalysa­
6 NO2 + 8 NH3 → 7 N2 + 12 H2O (15-13) tor und vor der Eindosierstelle ein oxidierender Katalysator,
der das NO2- zu -NOX-Verhältnis auf etwa 50% anhebt. Der
Eine Reaktion des Reduktionsmittels mit Sauerstoff findet Oxidations-Katalysator kann entweder der DOC oder ein
im SCR-Katalysator bei den fahrzeugüblichen Temperaturen CDPF sein.
unter 550 °C nicht statt, das heißt die Selektivität bezüglich Die NOX-Minderung ist über die SCR- und Hydrolyse­
der NOX-Reduktion ist 100%. In den meisten Fällen domi­ reaktionen direkt mit der zudosierten AdBlue-Menge ver­
nieren die beiden ersten Reaktionen. Die erforderliche bunden. Das Massenverhältnis aus AdBlue-Bedarf und
Reduktions­mittel­menge lässt sich dann direkt aus der ge­ NOX-Minderung beträgt 2 gAdBlue/gNOx. Das Dosier­ver­
wünschten NOX-Minderung berechnen. Bezogen auf ein hältnis α (auch „Feed-Verhältnis“ genannt) ist definiert als
Tankintervall würde sich ein beträchtlicher NH3-Bedarf er­ das molare Verhältnis von zudosiertem NH3‑Äquivalent zu
geben (je nach Rohemission ca. 0,3%–1% der Kraftstoff­ dem im Abgas vorhandenen NOX. Die theoretisch maximal
menge), dessen Speicherung im Fahrzeug auf Grund der mögliche NOX-Minderung entspricht dem Dosier­
Toxizität von NH3 sicherheitstechnisch bedenklich ist. verhältnis α. Bei α = 1 ist theoretisch eine vollständige
NH3 kann im Fahrzeug jedoch verhältnismäßig einfach NOX-Beseitigung möglich. Wird über eine längere Dauer
auch aus einer Reihe von Vorläufersubstanzen erzeugt wer­ mit α > 1 dosiert, so wird die Adsorp­tionsfähigkeit des
den. Diese Vorläufersubstanzen unterscheiden sich hin­ Katalysators überschritten und nicht umgesetztes NH3 ver­
sichtlich Speicherdichte, Giftigkeit, Verfügbarkeit und Stabi­ lässt den SCR-Katalysator (NH3-Schlupf). NH3 hat eine sehr
lität voneinander. In den 90er Jahren hat sich die europä­ niedrige Geruchsschwelle (15 ppm in Luft). Ein zu großer
ische Automobilindustrie im Hinblick auf die Nutzung im NH3-Schlupf würde zu einer Geruchsbelästigung in der
Nkw auf die Verwendung einer 32,5%igen wässrigen Harn­ Umgebung führen. Neben der Umsatz­optimierung, welche
stofflösung (Markenname AdBlue®) geeinigt. Harnstoff durch ein möglichst großes Dosierverhältnis ermöglicht wird,
wird großtechnisch als Düngemittel eingesetzt und ist che­ muss deshalb auch auf einen möglichst kleinen NH3-Schlupf
misch bei Umweltbedin­gungen ausreichend stabil. Harn­ geachtet werden. Neben der Schlupfbegrenzung durch ein
stoff ist außerdem gut in Wasser löslich und bildet als genügend kleines Dosier­verhältnis kann das entweichende
32,5%igen Lösung ein eutektisches Gemisch, dessen Gefrier­ NH3 auch durch einen nach geschalteten Oxidations-Kata­
punkt –11 °C beträgt. lystor (Sperrkatalysator) beseitigt werden.
Die Harnstoff-Wasser-Lösung wird vor dem SCR-Kataly­ In ausgeführten Systemen kann der erreichte Umsatz
sator eindosiert und der enthaltene Harnstoff hydrolysiert kleiner als das über das Dosierverhältnis definierte theore­
im Abgasstrang bei Temperaturen ab etwa 250 °C in einem tische Umsatzpotenzial sein. Für diese Abweichung gibt es
zweistufigen Prozess über Isocyansäure als Zwischenpro­ eine Reihe von möglichen Gründen:
dukt zu NH3. – Auch bei α < 1 kann ein NH3-Schlupf auftreten, wenn eine
unzureichende Homogenisierung der AdBlue-Lösung im
(NH2)2CO → NH3 + HNCO (Thermolyse) (15-14)
Abgas zu einer inhomogene Reduktionsmittelkonzentra­
HNCO + H2O → NH3 + CO2 (Hydrolyse) (15-15) tion am Eintritt des SCR-Katalysators führt. Der erreichte
NOX-Umsatz wird um die durchtretende NH3‑Menge
In einer Nebenreaktion können aus der Isocyansäure feste gemindert.
Ablagerungen (Biuret und höhermolekulare Verbindungen) – Bei einer unvollständigen Hydrolyse geht Reduktionsmittel
entstehen. Zur Vermeidung dieser festen Ausscheidungen ist durch die Bildung von Abscheidungen für die SCR-Reak­
es erforderlich, dass die Hydrolysereaktion durch die Wahl tion verloren.
geeigneter Katalysatoren und genügend hoher Temperaturen – Bei hohen Temperaturen kann ein Teil des NH3 durch
(ab etwa 250 °C) ausreichend schnell erfolgt. Oxidation mit Sauerstoff reagieren.
Das entstehende Ammoniak wird im SCR-Katalysator – Ist das NO2- zu -NOX-Verhältnis zu groß, so kann ein Teil
adsorbiert und steht dann für die SCR-Reaktionen zur Ver­ des NO2 gemäß Gleichung (15‑13) reagieren. Für diesen
fügung. Hohe Umsätze lassen sich mit NH3 im Temperatur­ Anteil ist der NH3-Bedarf um 30% größer als bei den
bereich von 180 °C bis 450 °C erreichen. Unter Berücksich­ Reaktionen gemäß den Gleichungen (15-11) und (15-12).
tigung der vorgelagerten Hydrolysereaktion ist ein dauerhaft
hoher Umsatz mit Harnstoff-Wasser-Lösung erst ab 250 °C Wie bereits beim DOC und DPF richtet sich das SCR-Kata­
möglich. lysatorvolumen nach dem Hubraum (VSCR/VHub = 1,0–2,5).
15.5 Abgasnachbehandlung    511

Im praktischen Einsatz kann bei einem NH3‑Schlupf von – DOC oder CDPF, zur Erhöhung des NO2- zu -NOX-
<20 ppm ein NOX-Umsatz von 90% erreicht werden. Verhältnis,
Der erreichbare Umsatz hängt sehr stark von der Dosier­ – Temperatursensor nach SCR-Katalysator zur Bestimmung
strategie ab. In der einfachsten Ausführung wird das Reduk­ der SCR‑Temperatur,
tionsmittel mit einem konstanten Dosierverhältnis dosiert. – NOX-Sensor nach SCR (optional) zur Bestimmung der
Die erforderliche Reduktionsmittelmenge, die sich aus dem NOX-Konzentration und bei geeigneter Queremp­find­
NOX-Massenstrom ergibt, kann beispielsweise über Motor- lichkeit der NH3‑Konzentration,
oder Fahrzeug­versuche ermittelt werden. Die Dosierfreigabe – NOX-Sensor vor SCR (optional) zur Verbesserung der
erfolgt, wenn die Temperatur am SCR-Katalysator die Arbeits­ Regelgüte,
temperatur (z. B. 250 °C–450 °C) erreicht hat. Diese einfache – Tanksystem zur Speicherung der Harnstoff-Wasser-
Dosierstrategie ist für einen stationären Motorbetrieb geeig­ Lösung, einem integrierten Füllstandsensor, einer Heizung,
net. Sie ist nicht geeignet, um bei im Fahrzeugbetrieb einem Temperatursensor (optional) und einem Qualitäts­
üblichen dynamischen Betriebsbedingungen einen hohen sensor (optional),
NOX-Umsatz bei geringem NH3‑Schlupf zu erreichen. – Fördermodul bestehend aus einer Pumpe, welche die
Der SCR-Katalysator besitzt ein sehr gutes NH3-Speicher­ Harnstoff-Wasser-Lösung vom Tank zum Dosiermodul
vermögen (ca. 1 g l–1). Das Speichervermögen ist stark tem­ fördert. Bei einer luftunterstützten Gemischbildung, wird
peraturabhängig (z. B. ab 350 °C nur noch 10% vom Nieder­ außerdem mit einem Luftregelventil und einem Luft-
temperaturwert). Das Speichervermögen hat den Vorteil, druck­sensor ein geeigneter Luftmassenstrom vom Luft­
dass eine kurzzeitige Überdosierung von AdBlue nicht vorrats­behälter (Nkw‑System) zum Dosiermodul
direkt zu einem NH3-Schlupf führt und auch bei Tempera­ eingestellt,
turen, die zu niedrig für eine Hydrolysereaktion sind, ein – Dosiermodul, in dem durch ein Magnetventil eine exakte
NOX-Umsatz mit dem eingespeicherten NH3 ablaufen kann. Menge an Harnstoff-Wasserlösung eingestellt wird. In
Auf der anderen Seite besteht durch die Temperaturabhän­ einem luftunterstützten System gelangt diese Menge
gigkeit des Speichervermögens die Gefahr, dass bei zu zusammen mit der Druckluft in eine Mischkammer,
schnellen Temperaturerhöhungen ein Teil des adsorbierten von wo aus eine Leitung das Aerosol zur Eindosierstelle
NH3 desorbiert, was zu einem NH3‑Schlupf führt. Zur im Abgasrohr transportiert. In Systemen ohne Luftun­
Be­herrschung dieser Eigenschaft besitzt eine erweiterte terstützung erfolgt die Zerstäubung und Gemisch­bil­
Dosierstrategie ein Speichermodell, welches die Speicherfä­ dung über eine entsprechende Düse direkt am Abgas­
higkeit und den Speicherzustand des SCR-Katalysators rohr,
berücksichtigt. Der Speicherzustand des SCR-Katalysators – Steuerungseinheit, welche die Sensoren ausliest und ge-
wird durch die eindosierte Reduktionsmittelmenge erhöht mäß der Dosierstrategie die entsprechenden Aktoren
und durch den NOX-Umsatz und den auftretenden ansteuert. Gleichzeitig werden die Komponenten über
NH3‑Schlupf verringert. Ziel ist es, einen hohen NOX- entsprechende Diagnosefunktionen überwacht. Die
Umsatz mit einem temperaturabhängig optimalen Speicher­ Kommunikation mit dem Motorsteuergerät erfolgt über
zustand zu erreichen. In Phasen abnehmender Speicherfä­ einen CAN‑Bus.
higkeit wird deshalb die Dosiermenge gegenüber der Dosie­
rung mit konstantem Dosierverhältnis verringert, bei NOX-Speicherkatalysator (NSC)
abnehmender Temperatur erhöht.
Ein hoher Umsatz mit geringem NH3‑Schlupf ist nur Der NOX-Speicherkatalysator (NSC – NOX-Storage-­Catalyst;
möglich, wenn die Berechnung des Speicherzustands kor­ auch LNT – Lean NOX Trap) ermöglicht die NOX-Minde­
rekt ist. In realen Systemen führen Driften in der Reduktions­ rung ohne einen zusätzliche Betriebsstoff zu tanken
mitteldosierung und Abweichungen in der NOX-Rohemis­ (Bild 15‑44).
sion dazu, dass der berechnete Speicherzustand vom realen Der NOX-Abbau erfolgt dabei in zwei Schritten:
Zustand abweicht, was entweder in einem zu geringen NOX- – Beladungsphase: NOX wird im mageren Abgas in die Spei­
Umsatz oder bei hohen Dosierverhältnissen zu einem kon­ cherkomponente des Katalysators eingespeichert.
tinuierlichen NH3‑Schlupf führen würde. Höchste Umsätze – Regenerationsphase: das eingespeicherte NOX wird ausge­
können erreicht werden, wenn die NOX‑ und NH3‑Konzen­ spei­chert und in fettem Abgas zu N2 reduziert.
trationen nach SCR-Katalysator gemessen werden und die
Dosierung entsprechend nachgeregelt wird. Die Beladungsphase dauert betriebspunktabhängig etwa
Ein vollständiges AdBlue‑SCR‑System umfasst folgende 30–300 s, die Regenerationsphase etwa 2–10 s. Durch diese
Komponenten und Teilsysteme (Bild 15‑43) Betriebsweise, werden die zu reduzierenden Stickoxide zu­
512 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-43 SCR-System für Nfz (Bosch)


15.5 Abgasnachbehandlung 513

Bild 15-44 NOX-Speicherkatalysator System (NSC)

nächst aufkonzentriert. Nur in der sehr kurzen Regenera- gebildete Nitrat instabil und es kommt zur thermischen Aus-
tionsphase werden diese aufkonzentrierten NOX zusammen speicherung von NOX.
mit dem Restsauerstoff durch das Reduktionsmittel redu- Neben der genannten Speichermöglichkeit als Nitrat
ziert. Der Anteil des bei der NOX-Reduktion parasitär wir- besitzt der Katalysator auch in begrenztem Umfang die
kenden Sauerstoffs wird hierdurch erheblich reduziert. Der Möglichkeit, NOX bei niedrigen Temperaturen in einer sog.
Reduktionsmittelbedarf kann dadurch auf einen Kraftstoff- Oberflächenspeicherung zu binden. Dieser Speicher reicht
mehrverbrauch von 2–4% begrenzt werden. aus, um beispielsweise während der Startphase, mit geringen
Katalysatortemperaturen, Stickoxide im ausreichenden
NOX-Einspeicherung Umfang zu speichern.
Der NSC ist mit chemischen Verbindungen beschichtet, Die Bildung der Nitrate aus den Karbonaten ist eine
welche eine hohe Neigung haben, mit Stickoxiden eine feste, Gleichgewichtsreaktion. Mit zunehmender Menge an
aber chemisch reversible Verbindung einzugehen. Beispiele gespeicherten Stickoxiden (Beladung) nimmt die Fähigkeit
hierfür sind die Oxide und Karbonate der Alkali- und des Katalysators, weiter Stickoxide zu binden, ab. Hierdurch
Erdalkalimetalle, wobei auf Grund des Temperaturverhal- steigt die durchgelassene NOX-Menge mit der Zeit an. Es
tens besonders häufig Bariumverbindungen verwendet wer- gibt zwei Möglichkeiten um zu erkennen, wann der Kataly-
den. sator so weit beladen ist, dass die Einspeicherphase beendet
Zur Nitratbildung muss NO schrittweise oxidiert werden. werden muss:
NO wird zunächst an einer katalytischen Beschichtung zu – Ein modellgestütztes Verfahren berechnet unter Berück-
NO2 oxidiert. Das NO2 reagiert anschließend mit den Spei- sichtigung des Katalysatorzustandes die Menge der einge-
cherverbindungen in der Beschichtung und Sauerstoff (O2) speicherten Stickoxide, daraus das verbleibende Speicher-
zum Nitrat: vermögen, den Einspeicherwirkungsgrad und damit die
Menge der durchgelassenen NOX.
BaCO3 + 2 NO2 + 1/2 O2 ' Ba(NO3)2 + CO2 (15-16)
– Ein NOX-Sensor hinter dem NOX-Speicherkatalysator
Der NOX-Speicherkatalysator speichert so die vom Motor misst NOX im Abgas und bestimmt so den aktuellen Füll-
emittierten Stickoxide ein. Die Speicherung ist nur in einem grad.
materialabhängigen Temperaturintervall des Abgases zwi-
schen 250 und 450 °C optimal. Darunter ist die Oxidation Zur Begrenzung des NOX-Durchtritts muss der Speicherka-
von NO zu NO2 sehr langsam, oberhalb von 450 °C ist das talysator nach der Einspeicherphase regeneriert werden.
514    15 Abgasemission von Dieselmotoren

Regeneration des NSC der als Dieselspray, als verdampfter Kraftstoff oder in Form
Bei der Regeneration werden die eingelagerten Stickoxide hochreaktiver Spezies, meist als Reformatgas (H2/CO-
aus der Speicherkom­ponente ausgespeichert und in die un­ Gemisch) erfolgen. Der Eingriff in die motorische Verbren­
bedenklichen Komponenten Stickstoff und Kohlendioxid nung, insbesondere die Applikation einer Späteinspritzung
konvertiert. Die Vorgänge für die Ausspeicherung des NOX kann entsprechend verringert werden. Zur Verminderung
und die Konvertierung laufen getrennt ab. des Reduktionsmittelbedarfs sollte jedoch die Luftmasse
Dazu muss im Abgas ein Sauerstoffmangel (λ<1, auch z. B. durch Absenkung des Ladedrucks oder durch Andros­
„fette Abgasbedingung“ genannt) eingestellt werden. Als seln abgesenkt werden.
Reduktionsmittel dienen die im Abgas vorhandenen Kom­
ponenten Kohlenmonoxid (CO) und Kohlenwasserstoffe Desulfatisierung
(HC). Die Ausspeicherung – im folgenden beispielhaft mit Ein Problem von NOX-Speicherkatalysatoren ist ihre Schwe­
CO als Reduktionsmittel dargestellt – geschieht in der Weise, fel­empfindlichkeit. Die Schwefelverbindungen im Kraftstoff
dass das CO das Nitrat (z. B. Bariumnitrat Ba(NO3)2) zu NO und Schmieröl werden während der Verbrennung zu Schwe­
reduziert und zusammen mit Barium wieder das ursprüng­ feldioxid (SO2) oxidiert. Die im NSC eingesetzten Verbin­
lich vorliegende Karbonat bildet. dungen zur Nitratbildung (BaCO3) besitzen eine sehr große
Bindungsstärke (Affinität) zum Sulfat, welche die Bindungs­
Ba(NO3)2+3 CO → BaCO3+2 NO + 2 CO2 (15-17)
stärke des Nitrats übersteigt. Die Sulfate werden bei einer
Dabei entstehen CO2 und NO. Eine Rhodium-Beschichtung normalen Regeneration nicht entfernt, so dass die Menge des
reduziert anschließend die Stickoxide in einer vom Dreiwe­ gespeicherten Sulfats während der Betriebsdauer allmählich
gekatalysator bekannten Weise mittels CO zu N2 und CO2: ansteigt. Dadurch sind weniger Speicherplätze für die NOX-
Speicherung vorhanden und der NOX-Umsatz nimmt ab.
2 NO + 2 CO → N2 + 2 CO2. (15-18)
Speicherkatalysatoren erfordern deshalb die Verwendung
Mit zunehmendem Fortschritt der Regeneration wird weni­ von schwefelfreiem Kraftstoff (≤10 ppm).
ger Stickoxid ausgespeichert und damit weniger Reduktions­ Selbst beim Betrieb mit Kraftstoff mit einem Schwefelge­
mittel verbraucht. halt von 10 ppm wird wegen der abnehmenden NOX-Spei­
Es gibt zwei Verfahren, das Ende der Ausspeicherphase zu cherfähigkeit nach einer Fahrstrecke zwischen 500 und
erkennen: 2.500 km eine Schwefelregeneration (Desulfatisierung)
– Das modellgestützte Verfahren berechnet die Menge der erforderlich. Hierfür wird der Katalysator für eine Dauer
noch im NOX-Speicherkatalysator vorhandenen Stick­oxide, von mehr als 5 min auf typischerweise über 650 °C aufge­
– Eine Lambda-Sonde hinter dem Katalysator misst den heizt und mit Pulsen von fettem Abgas (λ < 1) beaufschlagt.
Sauerstoffüberschuss im Abgas und zeigt einen λ‑Wechsel Die möglichen Maßnahmen zur Temperaturerhöhung ent­
auf λ<1 an, wenn die Ausspeicherung beendet ist (CO- sprechen dabei denjenigen zur DPF-Regeneration. Durch
Durchbruch). diese Bedingungen wird das Bariumsulfat wieder zu Barium­
carbonat umgewandelt. Bei der Desulfatisierung ist durch
Die für die Regeneration erforderlichen fetten Betriebs­ die Wahl einer geeigneten Prozessführung (z. B. oszillie­
bedingungen (λ < 1) können beim Dieselmotor durch Spät­ rendes λ um 1) darauf zu achten, dass das ausspeichernde
einspritzung und Ansaugluftdrosselung eingestellt werden. SO2 nicht durch Mangel an Rest-Sauerstoff zu Schwefelwas­
Auf Grund der Drosselverluste und der nicht wirkungsgrad­ serstoff (H2S) reduziert wird (alternativ muss ein entspre­
optimalen Kraftstoffeinbringung wird der Motor während chender „Sperr-Kat“ vorgesehen werden).
der Regenerationsphase mit einem schlechten Wirkungsgrad Die bei der Desulfatisierung eingestellten Bedingungen
betrieben. Um den Kraftstoffmehrverbrauch gering zu hal­ müssen außerdem so gewählt werden, dass die Katalysato­
ten, sollte deshalb das Verhältnis der Dauern von Regenera­ ralterung nicht übermäßig erhöht wird. Hohe Temperaturen
tionsphase zur Einspeicherphase möglichst klein gehalten (typischerweise >750 °C) beschleunigen zwar die Desulfati­
werden. Bei der Umschaltung von Mager- auf Fettbetrieb sierung, bedingen aber auch eine verstärkte Katalysatoralte­
sind uneingeschränkte Fahrbarkeit sowie Konstanz von rung. Eine katalysatoropti­mierte Desulfatisierung muss
Drehmoment, Ansprechverhalten und Geräusch zu gewähr­ deshalb in einem begrenzten Temperatur- und Luftzahl­
leisten. fenster erfolgen und dabei den Fahrbetrieb des Fahrzeugs
Eine weitere Möglichkeit fette Betriebsbedingungen ein­ nicht beeinträchtigen.
zustellen, ist die nachmotorische Einbringung von Reduk­ Für die Auslegung von Speicherkatalysatoren ist vor allem
tionsmittel. Ähnlich wie beim Betrieb des katalytischen der Einspeicher­vorgang von Bedeutung. Die Einspeicher­
Brenners (s. Abschn. 15.5.2.1) kann die Einbringung entwe­ effizienz hängt von der Katalysator­temperatur, der Edelme­
15.5 Abgasnachbehandlung    515

tallbeladung, der Raumgeschwindigkeit und der verfüg­ NSC‑System kommt es je nach gewünschter NOX‑Min­
baren Speichermenge ab. Das Verhältnis aus Katalysator­ derung und Systemauslegung zu einem Kraftstoffmehr­
volumen zum Hubraum (VNSC/VHub) beträgt 0,8‑1,5. Die verbrauch von 2 bis 4%. Die Betriebskosten sind für
effiziente Oxidation von NO über NO2 zum Nitrat und die SCR‑Systeme bei vergleichbarer NOX-Minderung geringer
möglichst vollständige Nutzung der HC-Verbindungen bei als für NSC‑Systeme.
der Regeneration erfordern eine hohe Edelmetallbeladung
von etwa 100 g ft–3. Gelingt es den NSC möglichst motornah 15.5.3 Abgasnachbehandlungssysteme
anzubringen, so kann er die Funktionen des DOC überneh­
men, so dass diese Komponente entfallen kann. Für die Gesamtauslegung eines Abgasnachbehandlungssys­
NSC-Katalysatoren erlauben über die Lebensdauer eine tems (Bild 15‑45) ist zunächst das Wissen um die Funktion
NOX-Minderung von 50% bis 80%. jedes einzelnen Systembausteins erforderlich. Zusätzlich ist
es jedoch auch wichtig, die Wechselwirkung der Abgas­nach­
Vergleich der NOX-Minderungssysteme behandlungs­komponenten untereinander zu verstehen. Es
muss außerdem darauf geachtet werden, dass durch eine gute
NSC- und SCR-Systeme unterscheiden sich durch eine Viel­ Abstimmung zwischen motorischen Maßnahmen der Emis­
zahl von Eigenschaf­ten. Die Entscheidung, welches System sionsminderung und dem Abgasnachbehand­lungs­system
in einem Fahrzeug eingesetzt werden soll, hängt stark von eine robuste, hocheffiziente Schadstoffminderung mit mög­
den Anforderungen und Rahmenbedingungen ab. Im Fol­ lichst geringem Aufwand erreicht wird.
genden werden die für die Entscheidung wichtigsten Unter­ Im Folgenden wird zunächst auf die Wechselwirkung der
schiede diskutiert. Abgasnachbe­handlungs­komponenten untereinander einge­
– Der aus heutiger Sicht maximal erreichbare Wirkungsgrad gangen und dann die Verknüpfung mit der motorischen
von SCR-Systemen ist größer als derjenige von NSC- Emissionsminderung erläutert.
Systemen. Dieses Kriterium ist wesentlich, wenn es um
die Einhaltung sehr ambitionierter NOX-Grenzwerte 15.5.3.1 Wechselwirkung der Abgas­-
geht. nachbehandlungs­teilsysteme
– SCR-Systeme benötigen einen weiteren Betriebsstoff (z. B.
AdBlue®). Dies hat drei Konsequenzen, die zu beachten Die Abgasnachbehandlungskomponenten sind im Abgas­
sind: strang seriell angeordnet, d. h. das physikalisch‑chemische
a) Der Betriebsstoff muss in der betreffenden Region zur Verhalten einer Komponente hat Auswirkung auf die strom­
NOX-Minderung zugelassen sein. abwärts liegenden Komponenten. Für alle Komponenten ist
b) Die Betankung muss in geeigneten Intervallen gesichert der Abgasmassenstrom unter Berücksichtigung einer gerin­
sein. gen Laufzeitverzögerung (Größenordnung 0,1–1 s) gleich.
c) Der Betriebsstoff muss im Fahrzeug bevorratet werden,
was Platz erfordert und – je nach Betriebsstoff – Thermische Kopplung
Maßnahmen zum Gefrierschutz und zum Auftauen
erforderlich macht. Losgelöst von ihrer chemischen Funktion besitzen alle
Abgasnachbehandlungs­komponenten einschließlich der
Bei Nkw-Systemen wird derzeit in Europa eine flächen­ Roh­re eine Wärmekapazität. Ändert sich die Temperatur des
deckende AdBlue-Infrastruktur aufgebaut, welche die Abgases vor einer Komponente, so führt dies zu einer
Be­fül­lung im Tankintervall ermöglicht. Für Pkw könnte Tempera­turänderung der Komponente und einer gedämpften
ein etwa 20 bis 25 l großer Tank auch für ein Wartungs­ Temperaturänderung des Gases hinter der Komponente
intervall ausreichen, so dass das Nachfüllen über Werk­stät­ (thermischer Tiefpass mit einer Zeitkonstante in der Grö­
ten möglich wäre. ßenordnung 10–100 s). Gleichzeitig wird Wärme aus dem
– Die hubraumproportionalen Katalysatorkosten sind bei Abgassystem über die Außenwand (Rohrwand, Katalysator­
SCR‑Systemen geringer als bei NSC‑Systemen. Dafür gehäuse) an die Umgebung abgegeben, so dass weiter strom­
entstehen durch das AdBlue‑System Fixkosten. Für Pkw abwärts liegende Komponenten eine geringere mittlere Tem­
mit geringem Hubraum sind deshalb die Kosten für ein peratur aufweisen als stromaufwärts liegende Komponen­
NSC‑System geringer, während für Nkw SCR‑Systeme ten.
preiswerter sind. Wie im vorigen Abschn. beschrieben, erfordern alle che­
– Die Art und Höhe der Betriebskosten sind unterschiedlich. mischen Prozesse je nach Komponente minimale Arbeits­
Beim SCR‑System wird AdBlue verbraucht, beim temperaturen von 150 °C (Light‑Off CO‑Oxidation) bis
516    15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-45 Gesamtsysteme zur Abgasnachbehandlung (HCI – HC-Injection)

250 °C (CRT®‑Effekt). Da unterhalb dieser Temperaturen Kopplung über Schadstoffe


kein Umsatz stattfindet, ist es für einen hohen Umsatz ent­
scheidend, darauf zu achten, dass die Komponenten mög­ Jede aktive Abgasnachbehandlungskomponente vermindert
lichst schnell nach dem Start des Motors ihre Arbeits­ gemäß ihrer Hauptfunktion mindestens eine Schadstoff­
temperatur erreichen. Aus diesem Grund werden die Kom­ komponente. Die anderen Schadstoffkomponenten können
ponenten möglichst motornah angebracht. Wärmeverluste diesen Prozess stören, fördern oder werden teilweise mit
über die Rohre können durch die Verwen­dung isolierter ­umgesetzt. Tabelle 15-16 gibt diese Wechselwirkungen
Rohre verringert werden. ­wieder.
Sehr schnelle Startvorgänge erfordern zusätzlich Start­ Eine besonders wichtige Kopplung ist die Förderung der
heizmaßnahmen, die im Prinzip den Maßnahmen zur Erhö­ Partikelminderung, durch NOX insbesondere durch NO2
hung der DPF‑Temperatur entsprechen. über den CRT®‑Effekt. Des Weiteren stören HC- und
Für die thermische Regeneration des DPF wird häufig ein CO‑Verbindungen die NOX-Einspeicherung im NSC und
Teil der erforderlichen Temperaturerhöhung über einen den SCR‑Prozess. In beiden Fällen ist NO2 eine Schlüssel­
vorgeschalteten katalytischen Brenner erreicht. Dies ist mit komponente, die in Anwesenheit von HC und CO zu NO
ein Grund dafür, dass sich ein DOC stets stromaufwärts reduziert wird.
eines DPF befindet. Befindet sich sowohl ein Partikelfilter als auch ein Stick­
oxidminderungssystem im Abgassystem, so ist stets über die
15.5 Abgasnachbehandlung    517

Tabelle 15-16 Wechselwirkung der Abgasnachbehandlungssysteme

Komponente
DOC CDPF NSC SCR Einspeicherung Regeneration
Schadstoff HC X –– ––    –    – 
CO X –– ––    ––    – 
Partikel – X – O –
NO – –    X X X
NO2 + +    X X X
X: Hauptzweck der Komponente; --: Schadstoff wird stark reduziert; –: Schadstoff wird reduziert; O: Keine Änderung; +: Schadstoff wird vermehrt;
: Schadstoff fördert Prozess stark; : Schadstoff fördert Prozess; : Schadstoff behindert Prozess.

relative Anordnung der Komponenten zu entscheiden. Aus der historischen Entwicklung heraus wurden Abgas­
Ne­ben der thermischen Kopplung ist der Einfluss der nachbehandlungssysteme zunächst ohne Eingriff in die
Schadstoffe auf die Funktion der Komponenten wichtig. Im motorische Verbrennung betrieben. Der DOC erreicht
Folgenden werden beide Wechsel­wirkungen gemeinsam kurze Zeit nach dem Motorstart die für die CO- und HC-
diskutiert. Oxidation erforderliche Light‑Off‑Temperatur und bleibt,
Befindet sich der DPF vor dem NOX‑Minderungssystem, abgesehen von langen Schub- oder Leerlaufphasen, bis zum
kann die DPF‑Beladung durch den CRT®‑Effekt verringert Abschalten des Motors oberhalb dieser Temperatur. Ähnlich
werden. Unter günstigen Bedingungen können hierdurch verhält es sich mit SCR‑Systemen. In den ersten Anwendun­
die Regenerationsintervalle erheblich verlängert werden. gen wurde die für die angestrebte NOX-Konvertierung erfor­
Außerdem ist es in dieser Anordnung leichter möglich, den derliche Dosiermenge über Motorprüfstands- und Fahr­
DPF auf die Regenerationstemperatur zu bringen und dort zeugversuche ermittelt und entsprechend der so gewonnen
zu halten, da der thermische Tiefpass des NSC- oder Applikationsdaten in den Serienfahrzeugen zudosiert. Erst
SCR‑Katalysators entfällt. Andererseits führt die relativ bei höheren Anforderungen an die NOX‑Minderung wird
große Wärmekapazität des DPF dazu, dass das NOX-Minde­ die Berücksichtigung von Schwankungen in der motori­
rungssystem erst sehr spät nach dem Start die Betriebstem­ schen NOX‑Emission so wichtig, dass nur mit Hilfe einer
peratur erreicht. Für hohe NOX‑Konvertierungsraten müs­ Regelung der Dosiermenge die Umsatzwerte erreicht wer­
sen deshalb Startheizmaßnahmen vorgesehen werden. den können. Auch hier werden jedoch die motorischen
Be­findet sich hingegen ein beschichteter DPF hinter einem Betriebsparameter während des Betriebs nicht an die Erfor­
SCR‑System, so kann der DPF gleichzeitig die Funktion dernisse der Abgasnachbehandlung angepasst.
eines Sperrkatalysators für einen möglichen NH3‑Schlupf Diese Situation ändert sich, wenn Speicherkatalysatoren
übernehmen. oder Partikelfilter eingesetzt werden. Beide Systeme müssen
Die Fülle der Argumente zeigt, dass es keine allgemein­ regelmäßig regeneriert werden, wobei die Betriebsparame­
gültige Empfehlung bezüglich der relativen Anordnung ter weit außerhalb des für Dieselmotoren üblichen Bereichs
geben kann. Häufig wird erst in Kombination mit der eingestellt werden. Beim Partikelfilter kommt hinzu, dass
Motor- und Fahrzeugauslegung klar, welche Anordnung für mit steigender Beladung der Abgasgegendruck steigt. Hier­
das betreffende Fahrzeug die größeren Vorteile aufweist. durch steigt zunächst der Druck nach Turbolader und in der
Folge der Druck vor der Turbine. Diese Druckerhöhung
15.5.3.2 Wechselwirkung zwischen motorischen erhöht nicht nur die Ladungswechselverlustarbeit, sondern
Betriebsparametern und Abgasnachbehandlung hat auch Einfluss auf das Druckgefälle über die AGR‑Stre­
cke. Eine Änderung des Abgasgegendrucks muss deshalb
Der vorangegangene Abschn. zeigte wie komplex die Wech­ vom Luftsystem ausgeglichen werden. Die Betriebsparame­
selwirkung zwischen den verschiedenen Komponenten im ter ändern sich somit kontinuierlich mit dem Füllstand des
Abgasnachbehandlungssystem ist. Auch zwischen der moto­ Filters.
rischen Verbrennung und der Abgasnachbehandlung gibt es Auf Grund der Komponentenkosten, der komplexen
eine Reihe von Abhängigkeiten, die es im Sinne einer Ge­ Wechselwirkungen der Komponenten untereinander und
samtsystemauslegung zu optimieren gilt. der Rückwirkungen auf den Motorbetrieb ist es verständ­
518    15 Abgasemission von Dieselmotoren

lich, dass versucht wird, die Emissionsziele mit möglichst 15.6.1 Abgas-Messanlagen für
geringer Komponentenzahl zu erreichen. Über die motori­ gasförmige Emissionen
schen Betriebsparameter (z. B. AGR‑Rate und Einspritzzeit­
punkte) ist es möglich, das Verhältnis zwischen Ruß- und Die Messung der einzelnen Schadstoff-Konzentrationen er­
NOX‑Emission zu verändern (sog. Ruß‑NOX‑Trade‑Off). folgt durch einzelne Abgasanalysatoren, die in einer AMA
Mit diesem Hilfsmittel gibt es zwei Hauptstrategien zur Ver­ zusammengebaut werden. Solche Anlagen (Bild 15‑46) be­
ringerung des Aufwands in der Abgasnachbehandlung: stehen aus einer Basiseinheit, die eine Abgasprobe aus dem
a) eine Ruß‑optimierte Verbrennung mit einer nachmotori­ Abgastrakt des Motors entnimmt, das Probengas zur Anlage
schen NOX‑Minderung fördert, konditioniert und den einzelnen Analysatoren zur
b) Eine NOX‑optimierte Verbrennung mit einer nachmotori­ Messung der Konzentrationen zuführt. Zusätzlich sind auch
schen Partikelminderung. eine Vielzahl an Ventilen, die die verschiedensten Betriebs-
und Kalibriergase ebenfalls den Analysatoren zuführen, not­
Bei der Ruß‑optimierten (und NOX‑reichen) Verbrennung wendig. Die Probenkonditionierung verhindert, dass sich
kann ein sehr günstiger motorischer Wirkungsgrad erreicht die Zusammensetzung der Probe auf dem Weg zu den Ana­
werden. Außerdem entfällt der Gegendruckbeitrag des Par­ lysatoren verändert, wie zum Beispiel die Verhinderung von
tikelfilters, der ebenfalls zu einem spürbaren Kraftstoffmehr­ Kondensation von Wasser oder Ablagerungen von gewissen
verbrauch führt. Bei Nkw‑Anwendungen, bei denen die Be­ Kohlenwasserstoff­verbindungen beim Dieselabgas. Außer­
triebskosten sehr wichtig sind, ist deshalb die nachmoto­ dem werden aus dem Probengas zum Schutz der Analysa­
rische NOX‑Minderung (mit einem SCR‑System) die Vor­ toren Partikel herausgefiltert.
zugslösung.
Andererseits werden in naher Zukunft die Partikelgrenz­ Null- und Endpunkt-Einstellung (Kalibrierung)
werte erheblich gesenkt. Sind die Partikelgrenzwerte nicht Bei allen Gasanalysatoren ist der regelmäßige Abgleich der
oder nur mit einem erheblichen Aufwand innermotorisch Null- und Endpunkt­kalibrierung erforderlich (Bild 15‑47). Je
zu erreichen, so kann es im Sinne einer Gesamtsystemopti­ nach Anwendung erfolgt diese vor jeder Messung oder zumin­
mierung vorteilhaft sein, einen Partikelfilter mit einem sehr dest einmal pro Tag. Dazu werden ein Nullgas und ein Kali­
hohen Abscheidewirkungsgrad einzusetzen und durch eine briergas aus Gasflaschen dem Analysator zugeführt und ­dessen
NOX-optimierte (und partikelreiche) Verbrennung den Auf­ Messwert auf die bekannte Konzentration dieser Kalibriergase
wand der nachmotorischen NOX‑Minderung zu vermeiden. abgeglichen. In der Regel erfolgt diese Kalibrierung vollauto­
Dieser Weg wird derzeit bei europäischen Pkw‑Anwen­ matisch. Die absolute Genauigkeit der Messung ist maßgeb­
dungen beschritten. lich von der Genauigkeit dieser Kalibriergase abhängig.
Schließlich gibt es neue Märkte für Dieselfahrzeug, z. B.
USA, bei denen sowohl die Partikel-, wie auch die Linearisierung
NOX‑Grenzwerte so gering sind, dass alle Maßnahmen der Um die Genauigkeit der Messwerte zwischen Nullpunkt und
innermotorischen und nachmotorischen Emissionsminde­ dem Endpunkt des Analysators sicherzustellen, wird eine Li­
rung ergriffen werden müssen. Obwohl der hiermit verbun­ nearisierung durchgeführt (Bild 15‑48). Dazu werden über
dene Aufwand erheblich ist, kann der Weg angesichts der den Messbereich verteilt unterschiedliche Gaskonzentra­
Alternativen lohnenswert sein. Denn nach wie vor sind Die­ tionen dem Analysator zugeführt und die Messwerte mit den
selmotoren den Ottomotoren im Wirkungsgrad erheblich erwarteten Konzentrationen verglichen. Im Falle von größe­
überlegen. Dies ist angesichts weltweit begrenzter Kraftstoff­ ren Abweichungen (> 2%) wird eine mathe­matische Korrek­
reserven und der CO2‑Emissionen ein zunehmend wichtiges tur der Messwerte durchgeführt (Linearisierungskurve).
Argument, die Steigerung des Dieselanteils voranzutreiben. Eine solche Linerarisierung oder zumindest deren Überprü­
fung wird üblicherweise in Abständen von 3 Monaten durch­
15.6 Abgasmessverfahren geführt. Die Vergleichskonzentrationen werden aus Null-
und Kalibriergas in einem hochgenauen und mehrstufigen
Abgas Messsysteme bestehen hauptsächlich aus Abgas-Mess­ Gasteiler zusammengemischt.
anlagen und Verdünnungssystemen. Für die Bestimmung
der umweltrelevanten Massen­emission sind einerseits die Diagnosetests
Konzentrationen und andererseits die Abgasvolumina des Je nach Analysatortyp und Anwendung werden eine Vielzahl
Motors zu bestimmen. von Diagnosetests durchgeführt, die die Messqualität der
Anlagen sicherstellen. Dazu gehören unter anderem Quer­
empfindlichkeitstests, die sicherstellen, dass der Messwert
15.6 Abgasmessverfahren    519

Bild 15-46 Schematischer Aufbau


einer Abgasmessanlage (ISO 16183
[15-33])

Bild 15-47 Schema Kalibrierung Bild 15-48 Schema Linearisierung


520 15 Abgasemission von Dieselmotoren

einer Gaskomponente nicht oder nur minimal durch andere für die einzelnen Kohlenwasserstoffmoleküle. Dies wird als
Gaskomponenten beeinflusst wird, oder Dichtheitstests der Strukturlinearität bezeichnet und mit Responsefaktoren ge-
Anlage. kennzeichnet. Diese Responsefaktoren geben den Unter-
schied zwischen dem Messwert des FID und der wirklichen
15.6.1.1 Messung der Kohlenwasserstoffe Konzentration der einzelnen Kohlenwasserstoffe an. Typi-
scherweise liegen sie zwischen 0,9 und 1,1.
Die Messung von Kohlenwasserstoffen erfolgt mittels eines Bei der Messung von Kohlenwasserstoffen im Abgas von
Flame Ionisation Detektors (FID) (Bild 15-49). Im Abgas Dieselmotoren muss die komplette Abgasprobe von der
gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Kohlenwasser- Entnahmestelle bis zum FID auf 190 °C beheizt sein, da
stoff-Verbindungen. Im Regelfall ist es nicht von Bedeutung Dieselmotorenabgas viele Kohlenwasserstoffe enthalten, die
diese einzeln zu erfassen, sondern deren Gesamtsumme. Das unterhalb dieser Temperatur bereits kondensieren würden.
FID-Messprinzip misst die meisten unterschiedlichen Koh- Ohne diese Beheizung würden die dann kondensierten
lenwasserstoffverbindungen und ermöglicht damit dieses Kohlenwasserstoffe nicht gemessen werden und auch die
Summenergebnis. Gaswege verunreinigen.

Messprinzip FID: 15.6.1.2 Messung der Stickoxide (NO und NOX)


Es brennt eine Flamme im Inneren der Messzelle, diese wird
erzeugt aus einem konstanten Fluss von synthetischer Luft Die Messung der Stickoxide NO und NO2 wird meist als
und einem Gasgemisch aus Wasserstoff und Helium. Die Summenmessung realisiert, man spricht dann von NOX.
Flamme brennt in einem elektrischen Feld zwischen Kathode Dazu wird typischerweise ein Chemo-Luminescence Detek-
und Anode. Dieser Flamme wird ein konstanter Durchfluss tor (CLD) verwendet (Bild 15-50).
des Probengases hinzu gemischt. Dabei werden Kohlenwas-
serstoff-Moleküle gekrackt und ionisiert. Die dabei erzeugten Messprinzip CLD:
Ionen transportieren einen sehr kleinen Strom zwischen Ka- Die Messung basiert auf dem Chemoluminescence-Effekt,
thode und Anode (Messsignal). Idealerweise würden alle der beim Zusammenmischen von NO und Ozon O3 entsteht.
Kohlenwasserstoffmoleküle in ionisierte Teile zerlegt, die Dabei wird in einer chemischen Reaktion NO und O3 zu
nur ein Kohlenstoffatom enthalten. Dann wäre auch der Io- NO2 umgewandelt. Ungefähr 10% dieser Reaktionen erge-
nenstrom proportional zur Anzahl von Kohlenstoffatomen ben NO2 in einem energetisch angeregten Zustand (NO2*).
mit einer Bindung zu Wasserstoff in der Abgasprobe. Prak- Nach kurzer Zeit fallen diese Moleküle aus dem energetisch
tisch funktioniert der Cracking- und Ionisierungsprozess angeregten Zustand wieder zurück in den Basiszustand; da-
jedoch nicht vollständig. Er hat aber eine konstante Effizienz bei wird der Energieüberschuss als Lichtquanten (Photonen)

Bild 15-49 Schema FID


(Flame Ionisation Detector)
15.6 Abgasmessverfahren 521

Bild 15-50 Schema CLD (Chemoluminescence Detector)

abgegeben. Das entstehende Licht wird mit Fotodioden oder alles NO2 bereits zu NO umgewandelt wurde, getrocknet
Photomultiplieren gemessen. Die Intensität des Lichtes ist und dann ein nicht beheizter CLD Detektor eingesetzt.
direkt proportional zur NO-Konzentration in der Messzelle. Das sog. NOX-Quenching tritt auf, wenn NO2* Moleküle
noch vor der Lichtabgabe mit anderen geeigneten Molekülen
NO + O3 o NO2 + O2 (15-19)
kollidieren. Dann wird die Energie nicht als Licht sondern
bei ca. 90% der NO Moleküle in der Probe
an das andere Molekül abgegeben. Damit wird weniger Licht
NO + O3 o NO2* + O2 (15-20) erzeugt und es kommt zu einem zu kleinem Messwert. Im
bei ca. 10% der NO Moleküle in der Probe Abgas sind solche Moleküle vor allem H2O und CO2. Solche
Kollisionen treten öfters auf und damit ergibt sich auch ein
NO2* o NO2 + hQ (15-21)
größerer Quenching-Effekt, umso mehr Moleküle in der
mit h ... Planckkonstante
Messzelle sind. Daher werden die meisten CLD Analysatoren
hQ ... Lichtquantum (Photonen) (15-22)
im Vakuum (ca. 20 bis 40 mbar absolut) betrieben, womit die
Das benötigte Ozon O3 wird im Analysator selbst in einem Anzahl an Molekülen und damit das Quenching-Potenzial
Ozongenerator aus Sauerstoff O2 erzeugt, je nach Analysator- deutlich verringert wird.
typ geschieht dies aus reinem Sauerstoff, synthetischer Luft Neben der Kalibrierung und Linearisierung des Analysa-
oder Umgebungsluft. tors sind zwei Diagnosetests besonders wichtig beim CLD,
Ein CLD kann nur NO messen. Um NOX (NOX = NO + einmal der H2O- und CO2-Quenchtest, der das Maß an
NO2) messen zu können werden vor dem CLD Detektor alle Quenching überprüft und zum Anderen der NO2/NO-
NO2 Moleküle in NO umgewandelt. Dies geschieht in einem Konvertertest, der die Umwandlungsfähigkeit und Effizienz
beheizten NO2/NO Konverter, der ähnlich einem Katalysa- überprüft. Typischerweise soll die Effizienz über 90% lie-
tor diese Umwandlung bewerkstelligt. gen.
Da NO2 auch mit Wasser reagieren kann, muss zumindest
bis zum NO2/NO Konverter jegliche Wasserkondensation 15.6.1.3 Messung von Kohlenstoffmonoxid (CO)
verhindert werden. Anderenfalls würde das zu messenden und Kohlenstoffdioxid (CO2)
NO2 verloren gehen und sich aggressive Säuren bilden.
Üblicherweise werden deshalb der komplette Messgasweg Die Messung von Kohlenstoffmonoxid CO und Kohlenstoff-
und der Analysator beheizt. Bei älteren Analysatoren wurde dioxid CO2 erfolgt mittels Non-Dispersive Infra-Red Analy-
das Probengas erst nach dem NO2/NO-Konverter, in dem satoren (NDIR) (Bild 15-51).
522 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-51 Schema eines zwei-kanaligen NDIR (Non-Dispersive Infrarot) Detektors

Messprinzip NDIR: messenden Gaskomponente in der Messzelle wird der Infra-


Ein breites Infrarot-Spektrum wird von einem Strahler aus- rotstrahl durch die Messzelle schwächer sein als durch die
gesandt. Diese Strahlung wird durch eine zweigeteilte Mess- Referenzzelle, da bereits Strahlung absorbiert wurde. Die
zelle geschickt. Ein Teil der Messzelle ist mit nicht absorbie- Strahlung in der Detektor-Kammer wird ebenfalls absor-
rendem Gas (z. B. Stickstoff N2) gefüllt, man spricht von der biert, da sie mit dem gleichen Gas gefüllt ist, das gemessen
Referenzzelle. Der andere Teil wird vom Probengas durch- werden soll. In der abgeschlossenen Kammer erhöht sich
strömt. Mit einem Chopper (z. B. rotierende Lochscheibe) durch diese Absorbtion die Energie und damit der Druck.
wird die Infrarot-Strahlung alternierend unterbrochen. Ent- Durch die unterschiedliche Strahlung der beiden Zellen
hält das Probengas Gasmoleküle, die im Infrarotbereich ab- kommt es in den beiden Detektor-Kammern zu einem
sorbieren, wie CO oder CO2, wird ein Teil der Strahlung von Druckunterschied, der gemessen wird. Dies erfolgt entwe-
diesen Molekülen absorbiert. Damit ist die Strahlung am der mittels einer beweglichen Membrane zwischen den
Ausgang der Messzelle geringer als die Strahlung durch die Kammern, deren Verbiegen kapazitativ gemessen wird (wie
Referenzzelle. im gezeigten Bild), oder mittels einer Durchflussmessung
Der Unterschied in der Intensität der austretenden Strah- der Ausgleichsströmung zwischen den beiden Kammern.
lung wird von einem Detektor gemessen. Auch der Detektor Das Messsignal ist umso größer, je größer die Konzentra-
besteht aus zwei Kammern, eine empfängt die Strahlung von tion des zu messenden Gases in der Messzelle ist. Der
der Referenzzelle und die andere jene aus der Messzelle. Zusammenhang zwischen Konzentration und Messsignal
Beide Detektor-Kammern sind jeweils mit dem Gas gefühlt, entspricht dem Lambert-Beer’schen Gesetz, welches eine
welches vom Detektor gemessen werden soll (z. B. CO oder nicht lineare Funktion ist. Daher müssen NDIR-Detektoren
CO2). Damit kommt es im Detektor zur Absorption der immer linearisiert werden.
Infrarotstrahlung, identisch wie in der Messzelle für diese Sehr viele Gase absorbieren im Infrarot, und es kommt
Gaskomponente. Abhängig von der Konzentration der zu auch zu Überlappungen der Absorptionsspektren von unter-
15.6 Abgasmessverfahren 523

schiedlichen Gasen. Bei CO- und CO2-Analysatoren ist das stoffmoleküle ins Zentrum des Magnetfeldes zu kommen. In
besonders eine Querempfindlichkeit zu Wasserdampf. Bei diesem Zentrum ist aber eine Quarzkugel, die keine magne-
CO-Analysatoren kommt es auch zu einer Querempfind- tische Eigenschaft aufweist. Da ein solcher Detektor sym-
lichkeit zu CO2. Eine solche Querempfindlichkeit bedingt metrisch ausgeführt ist, gibt es sowohl zwei Magnetfelder als
immer eine Erhöhung des Messwertes. Typischerweise wird auch eine zweite Quarzkugel. Beide Kugeln sind mit einem
das Probengas bei Rohabgas zuerst getrocknet bevor es zu Arm verbunden, man spricht auch von einer Hantel. Diese
den NDIR Analysatoren strömt. Damit ist eine Queremp- Hantel ist drehbar gelagert. Die Sauerstoffmoleküle, die ins
findlichkeit zu Wasser nicht mehr relevant. Nur in der ver- Magnetfeld drängen, versuchen die Hantelkugeln zu ver-
dünnten Beutelmessung (CVS-System) muss feuchtes Gas drängen. Je höher die Sauerstoffkonzentration ist, umso
gemessen werden. In solchen Applikationen sind Wasser- größer ist diese Verdrängungskraft. Auf der drehbaren Achse
Querempfindlichkeitstests (Interferenzchecks) erforderlich. der Hantel ist ein Spiegel montiert. Mittels eines Lichtstrahls
und eines Lichtdetektors wird die Auslenkung gemessen.
15.6.1.4 Messung von Sauerstoff O2 Entweder ist die Auslenkung selbst das Messsignal, oder es
wird über ein geregeltes Magnetfeld die Kugel immer im
Die Messung der Sauerstoff-Konzentration im Abgas Zentrum gehalten, dann ist der dazu nötige elektrische Strom
erfolgt mittels eines paramagnetischen Detektors (PMD) das Messsignal. In beiden Fällen ist das Messsignal direkt
(Bild 15-52). proportional zur Sauerstoffkonzentration im Probengas.
Das Messprinzip ist auch gering sensitiv zu NO, NO2 and
Messprinzip PMD: CO2, da diese Gase auch einen leicht paramagnetischen
Sauerstoff ist eines von wenigen Gasen, die eine paramagne- Effekt aufweisen. Da diese Gase in jeder Abgasmessanlage
tische Eigenschaft haben. In einer Messzelle wird das Pro- gemessen werden, wird diese geringe Querempfindlichkeit
bengas an einem starken Magnetfeld vorbeigeführt. Auf- mathematisch korrigiert. Da diese Querempfindlichkeit
grund ihrer magnetischen Eigenschaft versuchen die Sauer- relativ klein ist, spielt sie auch nur bei Ottomotoren eine

Bild 15-52 Schema PMD (Paramagnetischer Detektor)


524    15 Abgasemission von Dieselmotoren

Rolle, die bei λ = 1 und darunter nur einen sehr kleine O2- Spiegels ergeben sich Weglängenunterschiede und daraus
Konzentration haben. Ohne Korrektur können Fehler in der Interferenzeffekte beim wieder vereinten Strahl. Abhängig
Größenordnung von 5000 ppm auftreten. von der Stellung des beweglichen Spiegels kommt es zu
Auslöschung oder Verstärkung einzelner Wellenlängen. Der
15.6.1.5 Sondermesstechnik so kontinuierlich modifizierte Infrarot-Strahl wird durch
die Messzelle geführt und es kommt zur Absorption einzel­
Die oben angeführten Messprinzipien sind die Standard- ner Wellenlängen durch die unterschiedlichen Gaskompo­
Messmethoden, oft auch konventionelle Messtechnik ge­ nenten in der Abgasprobe. Mittels der Fourier-Tranfor­
nannt. Das sind auch die Messprinzipien, die in den meis­ten mation wird aus den Interferogrammen durch komplexe
Abgasgesetzgebungen [15-26], [15-27], [15-28], [15-30] vor­ mathematische Formeln ein Infrarot Spektrum (Intensität
geschrieben sind. Besonders im Forschungs- und Entwick­ über Wellenlänge) berechnet und mit speziellen Auswerte­
lungsbereich werden auch andere Meßmethoden benötigt methoden lassen sich daraus die Konzentrationen der ein­
und eingesetzt. Dies er-folgt, um ein noch besseres Bild von zelnen Gaskomponenten ermitteln.
der Abgaszusammensetzung zu erhalten und auch Gaskom­
ponenten zu messen, die nicht oder noch nicht durch die Massenspektrometer (MS)
Gesetzgebung erfasst sind. Nachstehend sind einige solcher MS ermöglicht die Messung von vielen Gaskomponenten
Messmethoden aufgelistet. im Abgas. Dazu wird das Probengas ionisiert, das kann z. B.
mittels Reaktantgasen oder elektrischer Ionisation erfolgen.
Schnelle Messtechniken (Ultra Fast Response) Im Analysator werden die Ionen nach ihrer Masse getrennt.
Diese beruhen auf den konventionellen Messprinzipien, wie Dafür gibt es mehrere Methoden, alle beruhen aber darauf,
oben dargestellt. Die Messsysteme sind aber auf schnelle Sig­ dass es zu Unter­schieden in der Bewegung der Ionen im
nal-Ansprechzeiten von wenigen Millisekunden getrimmt. Analysator kommt, abhängig von deren Masse. Das können
Dadurch ergeben sich allerdings deutlich geringere Stand­ zum Beispiel Laufzeitunterscheide oder unterschied­liche
zeiten und kürzere Wartungsintervalle. Kurvenradien bei der Ablenkung sein. Solche Geräte wer­
den wegen ihrer Komplexität jedoch eher im Laborbereich
Non Dispersive Ultraviolett Analysator (NDUV) eingesetzt als im regulären Prüfstandsbetrieb. Besonderen
Ähnlich einem NDIR-Analysator werden auch hier Gaskom­ bei der Messung von Schwefelkomponenten (SO2, H2S,
ponenten gemessen. Im Gegensatz zum NDIR wird aber ul­ COS) und Wasserstoff H2 werden MS Systeme verwendet.
traviolettes Licht verwendet. Diese Analysatoren werden
meistens zur Messung von NO, NO2 und NH3 eingesetzt. Dioden-Laser-Spektroskopie (DIOLA)
Dies ist ähnlich zum Infrarot Messprinzip wie es in NDIR-
Fourier Transform Infrarot Spectroscopy (FTIR) Analysatoren verwendet wird, jedoch ergeben sich sehr
Das ist eine optische Messmethode, die eine Vielzahl an Ab­ kurze Signal-Ansprechzeiten. Sie finden besonders bei der
gaskomponenten zeitgleich misst. Die Messung basiert auf Entwicklung von Katalysatoren Anwendung.
der Absorption von infrarotem Licht durch die einzelnen
Gaskomponenten. Besonders für moderne Dieselmotoren Abgas-Verdünnungssysteme
mit Abgasnachbehandlungssystemen, wie NOX-Speicher- Prinzipiell erfolgt die Bestimmung der umweltrelevanten
und SCR-Katalysatoren und Dieselpartikelfilter wird die Schadstoffmassen im Abgas aus der Konzentration der je­
FTIR verbreitet eingesetzt. In diesen Anwendungen ist be­ weiligen Abgaskomponente, deren Dichte und dem Abgas­
sonders die differenzierte Messung von NO, N2O, NO2, NH3 volumenstrom des Motors. Im stationären Motorbetrieb ist
und anderen Abgaskomponenten wichtig. dies eine relativ einfache Aufgabe. Im instationären Betrieb
FTIR verwendet ein breites Wellenband im Infrarot um ist es dagegen eine eher komplizierte Messtechnik, die so­
zeitgleich alle Spektralinformationen der Abgasprobe zu wohl den schnellen Änderungen im Abgas folgen, als auch
erfassen. Die Intensität der einzelnen Infrarot-Wellenlängen Konzentrationen über mehre Zehnerpotenzen genau mes­
wird kontinuierlich verändert. Das erfolgt mittels eines sen können muss. Zusätzlich ist auch der sehr dynamische
Michelson-Interferometers. Die Infrarotstrahlung der Licht­ Abgasvolumenstrom zu messen. Die gemessenen Daten
quelle wird mit einem Strahlungsteiler in zwei Strahlen müssen dann vor der weiteren Berechnung zeitlich genau
aufgeteilt. Einer der Strahlen trifft auf einen beweglichen zugeordnet werden, da jedes Signal unterschiedliche Lauf­
Spiegel, der andere auf einen fixierten Spiegel. Anschließend zeitverzögerungen aufweist. Diese Anforderungen waren
werden die beiden Strahlen wieder zu einem Strahl zusam­ am Beginn der Abgasgesetzgebung nicht erfüllbar, daher
mengeführt. Durch die kontinuierliche Bewegung des einen wurde nach alternativen Methoden gesucht, die diese Auf­
15.6 Abgasmessverfahren 525

gabe mit den damals verfügbaren Messgeräten und Compu-


tern erfüllen konnte. Durch die Verwendung der Vollstrom-
Verdünnung wurde dies erreicht. Auch wenn es heute mög-
lich ist diese Anforderungen ohne Verdünnung zu erfüllen,
ist die Vollstrom-Verdünnung noch in fast allen Abgasge-
setzgebungen verpflichtend gefordert. Ausnahmen sind nur
stationäre Abgastestes und bei den instationären Tests die
Europäische-Nutzfahrzeug-Abgasgesetzgebung ab EURO IV
(2005 [15-32]). Dieses etwas konservative Verhalten der Ge-
setzgebung beruht auch darauf, dass es dem Abnahmebe-
amten bei der wenig komplexen Vollstrom-Verdünnungs-
methode leicht möglich ist, die Richtigkeit bei gesetzlichen
Abgastest zu überprüfen.
Berechnung der Masse einer Schadstoffkomponente im
Abgas (vereinfacht):
Verwendete Größenbezeichnungen:
Qexh Volumendurchfluss des Motors
QCVS Volumendurchfluss der CVS-Anlage
VCVS Gesamtvolumen des verdünnten Abgases über die
Messzeit
q Verdünnungsverhältnis der CVS-Anlage
Concraw Konzentration der Schadstoffkomponente im
unverdünnten Abgas
Concdil Konzentration der Schadstoffkomponente im
Bild 15-53 Schema der Berechnungsmethoden für Abgasmassenemissio-
verdünnten Abgas nen (vereinfacht). 1 unverdünntes Abgas; 2 verdünntes Abgas; 3 Beutelmes-
ConcBag Konzentration der Schadstoffkomponente im sung
Abgasbeutel
U Dichte der Schadstoffkomponente
T Messzeit (Dauer des Testzyklus)
m Masse der Schadstoffkomponente Beutelmessung (verdünntes Abgas, s. Schema e, Bild
15-53):
Unverdünntes Abgas (s. Schema c, Bild 15-53): aus Gl. (15-24) wird mit

(15-23)

Verdünntes Abgas (s. Schema d, Bild 15-53):


aus Gl. (15-23) wird mit
(Gl. 15-25)

Die Verdünnung des Motorabgases hat auch den Effekt, dass


im verdünnten Abgas die Wasserkonzentration so weit abge-
senkt werden kann, das es zu keiner Wasserkondensation
mehr im Messsystem kommt. Voraussetzung dafür ist eine
hinreichend große Verdünnung. Durch die Verdünnung
werden auch chemische Reaktionen der einzelnen Abgas-
komponenten wie in der Umgebungsluft (Realbetrieb) simu-
liert, was besonders für die Partikelbildung entscheidend ist.
Durch die Verdünnung des Abgases bleibt die gesamte
Masse der Schadstoffe im Abgas vollständig erhalten, da kein
(15-24) Abgas entfernt wird. Durch die Zugabe von Verdünnungsluft
werden aber auch geringe Mengen an Schadstoffen hinzuge-
526 15 Abgasemission von Dieselmotoren

fügt, die bereits in der Umgebungsluft enthalten sind. Um das


Messergebnis dadurch nicht zu verfälschen, wird auch die
Verdünnungsluft in einem Beutel gesammelt und analysiert.
Bei der Ergebnisberechnung wird die Schadstoffmasse, die
durch die Verdünnung hinzugefügt wurde, wieder abgezo-
gen. Schadstoffe die mit der Ansaugluft dem Motor zugeführt
werden, werden nicht korrigiert und gelten somit als Abgase.

Vollstrom-Verdünnung CVS

Die Hauptfunktion einer CVS (Constant Volume Sampling)


liegt darin, das gesamte Abgas des Motors (Vollstrom) zu ver-
dünnen und den Volumenstrom des verdünnten Abgases
(Abgas und Verdünnungsluft) konstant zu halten. Das kann
mittels verschiedener Methoden erfolgen:
– CFV Critical Flow Venturi, überkritische Venturi Düse,
– PDP Positive Displacement Pump, Roots-Gebläse,
– SSV Sub Sonic Flow Venturi, unterkritische Venturi-
Düse mit geregeltem Gebläse,
– UFM Ultrasonic Flow Meter, Ultraschall-Durchflussmes-
ser mit geregeltem Gebläse.
Bild 15-54 Geschwindigkeits- v und Druckverlauf p über eine überkritische
CFV (Critical Flow Venturi) Venturi Düse
Das verdünnte Abgas wird mittels eines Gebläses durch eine
Venturi-Düse gesaugt. Durch die Verengung des Quer-
schnitts in der Düse erhöht sich dort die Strömungsge-
schwindigkeit. Wenn der Druckunterschied zwischen Dü- Es gibt keinen Einfluss auf den Durchfluss vom Druck hinter
seneinlass und der engsten Stelle ca. den Faktor 2 hat, erreicht der Venturi-Düse. Daher muss das Gebläse auch nicht gere-
man in der engsten Stelle Schallgeschwindigkeit. Da die Ge- gelt werden, es ist aber erforderlich, dass es stark genug ist
schwindigkeit nicht weiter gesteigert werden kann, ergibt um in der Düse überkritische Strömungsverhältnisse zu er-
sich damit ein konstanter Durchfluss, unabhängig wie stark zeugen.
das Gebläse hinter der Düse auch sein mag. Man nennt die- Üblicherweise werden 3 oder 4 unterschiedliche Venturi-
sen Zustand dann überkritisch und daher auch die Düse eine Düsen parallel geschaltet, um unterschiedliche Durchflüsse
überkritische Venturi Düse. einstellen zu können, je nach Motor und Test. Idealerweise
Der genaue Durchfluss kann aus dem Kalibrierparameter hat die jeweils nächst größere Venturi-Düse den doppelten
der Düse, dem Druck und der Temperatur am Düseneintritt Durchfluss. Damit können, wie im binären Zahlensystem,
berechnet werden. durch die Kombination von 4 Düsen 15 unterschiedliche
Durchflüsse realisiert werden, bei 3 Düsen 7 Durchflüsse.
(15-26)
PDP (Positive Displacement Pump)
VS Volumetrischer Durchfluss normiert auf die für die Eine andere Möglichkeit den Durchfluss einer CVS konstant
US Gesetzgebung geltenden „Standard“-Konditionen zu halten stellt die Positive Displacement Pump PDP dar,
bei 20 °C and 1013 mbar auch als Roots-Gebläse bekannt. Das Gas wird durch zwei
bzw. Drehkolben im Gehäuse gefördert, dabei wird das Volumen
für die europäische Gesetzgebung geltenden „Norm“- aber nicht komprimiert und der Volumenstrom ist direkt
Konditionen bei 0 °C and 1013 mbar, proportional zur Drehzahl der Pumpe.
KV Venturi-Kalibrierfaktor, abhängig vom engsten Düsen- Diese Variante der CVS hat den Vorteil, das der Durch-
querschnitt, fluss über eine Drehzahlregelung einstellbar ist. Vor allem
pV Absolutdruck vor der Venturidüse, wegen der hohen Kosten werden moderne CVS-Systeme
TV Temperatur vor der Venturidüse in Kelvin. nicht mehr mit PDP ausgeführt.
15.6 Abgasmessverfahren    527

Durchflussmessung und aktive Regelung tionalität gegeben. Für die Partikelmessung ist der Einsatz
In einigen neueren Gesetzgebungen ist auch die Verwendung von Düsen in der Probenentnahme nicht zulässig, da es zu
einer Durchfluss­messung und die aktive Regelung des Ge­ Partikelab­scheidung an der Düsenverengung kommt und
bläses zulässig. die niederen Drücke hinter der Düse zu einer veränderten
Die Durchflussmessung erfolgt dann entweder mit einer Partikelformation führen können. Entweder wird hier die
unterkritisch betriebenen Düse (Sub-Sonic-Venturi, SSV). Partikelentnahme proportional zum CVS-Durchfluss aktiv
Da in dieser Düse nicht wie bei der CFV Schallgeschwindig­ nachgeregelt (moderne Partikelsammler) oder die Tempera­
keit erreicht wird, erfolgt die Berechnung des Durchflusses tur vor der CVS-Venturi wird durch den Einsatz eines Wär­
mittels des Differenzdruckes an der Düse nach der Bernoulli- metauschers vor der CVS-Venturi konstant gehalten und
Gleichung. Alternativ werden auch Ultraschall-Durchfluss­ damit auch der Durchfluss. Da eine CVS über den Verdün­
messer (Ultrasonic Flow Meter, UFM) verwendet. nungslufteingang immer offen ist zur Umgebung kommt
es zu keinen signifikanten Druck-Veränderungen, die den
Übliche Durchflussbereiche eines CVS-Systems Durchfluss verändern würden.
Je nach Anwendung und Motorgröße werden CVS-Systeme
mit unterschiedlichen Durchflussbereichen eingesetzt. Der Anforderungen bei der Messung von Dieselmotoren
Durchfluss muss hinreichend groß sein um eine Wasserkon­ Bei der Messung von Dieselabgas bestehen noch zusätzliche
densation im System zu verhindern, und bei Dieselmotoren Forderungen, die hauptsächlich die Messung von Partikel- und
die Temperatur des verdünnten Abgases bei der Partikelmes­ Kohlenwasserstoff-Emissionen betrifft, siehe Bild 15-56.
sung immer unter 52 °C zu halten. Für die Partikelmessung wird ein sog. Verdünnungstun­
Nutzfahrzeugmotoren 120…180 m3/min nel an der CVS verwendet. Im Grunde ist dies nur ein
Personenkraftwagen   10…30 m3/min langes gerades Rohr aus Edelstahl, mittels dem eine realis­
Motorräder    1…5 m3/min tische Partikelformation stattfinden soll. Der Durchmesser
ist so zu wählen, dass immer eine turbulente Strömung
Probennahme an einer CVS gegeben ist und die Reynolds Zahl (Maß für die Turbulenz)
Für die Analyse der verdünnten Konzentrationen in der CVS über 4000 liegt. Die Länge soll so sein, dass die Verweilzeit
wird nur eine kleine Menge an Gas aus der CVS entnommen. des verdünnten Abgases im Tunnel ausreichend ist, um die
Damit werden Beutel gefüllt, die vor dem Test evakuiert wur­ Partikelformation in der Umwelt zu simulieren. Üblicher­
den und nach dem Test analysiert werden. Die Abgas­kon­ weise wird dazu eine Länge des Verdünnungstunnels vom
zentration im Beutel ergibt einen zeitlichen Mittelwert über 10 fachen des Durchmessers verwendet. Die Verdünnung
den Test. Für die Bestimmung der Partikelemissionen wird muss auch groß genug sein um die Temperatur des ver­
das verdünnte Abgas über Analysefilter geleitet, auf denen dünnten Abgases an der Stelle der Partikelmessung immer
die Partikel aus der entnommenen Probe abgeschieden wer­ unter 52 °C zu halten. Bei Nutzfahrzeugen reicht dazu meist
den. Die Analysefilter werden vor und nach der Messung die Verdünnung der bereits sehr großen CVS-Anlagen nicht
gewogen um die Menge der abgeschiedenen Partikel zu be­ aus. Es wird dann eine doppelte Verdünnung durchgeführt,
stimmen. bei der der entnommene kleine Probenstrom aus der CVS
Damit die Bestimmung der Gesamtemissionsmassen aus nochmals verdünnt wird. Man spricht von einer sekundären
dem gesamten CVS-Volumenstrom während der Messung Verdünnung.
und den im Beutel gemittelten Konzen­trationen sowie der Die Partikel Messung selbst erfolgt am Ende des Verdün­
abgeschiedenen Partikelmasse am Filter korrekt erfolgt, ist nungstunnels, mittels eines Partikel Sammlers (PTS). Dieser
es nötig, dass der Probenstrom in den Beutel und durch den zieht eine einstellbare Menge an verdünntem Abgas über
Partikelfilter proportional zum CVS-Durchfluss ist. Analysefilterplättchen. Diese Filter werden vor und nach der
Da der Durchfluss an einer CVS nicht absolut konstant Messung abgewogen, und aus dem Gewichtszuwachs und
ist sondern abhängig vom Druck und der Temperatur vor den Durchflüssen werden die Partikelemissionen berech­
der Düse leicht variieren kann, muss entweder der Proben­ net.
strom diesen Änderungen proportional folgen oder es wird Kohlenwasserstoffverbindungen sind im Dieselabgas
der CVS-Durchfluss hinreichend konstant gehalten. Für die deutlich höhersiedend als die im Abgas aus Ottomotoren.
gasförmigen Abgaskom­ponenten, die in die Beutel gefüllt Dies rührt von der Herstellung des Kraftstoffes her. Verein­
werden, ist dies im Falle einer CFV-CVS erfüllt, wenn auch facht dargestellt besteht Benzin aus Kohlenwasserstoffen die
dieser Probenstrom über eine CFV erfolgt. Damit ist jegli­ bis zu 200 °C verdampfen und Diesel aus solchen die zwi­
cher Druck- oder Temperatur-Einfluss für beide Düsen schen 200 °C und 400 °C verdampfen. Daher können Koh­
(CVS- und Proben-Düsen) identisch und die nötige Propor­ lenwasserstoffe vom Dieselabgas auch bei höheren Tempe­
528 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-55 Unterschiedliche Verdünnungssysteme zur Messung von Partikeln

raturen noch kondensieren und werden damit nicht mehr „CVS-Prinzip“ mit gefilterter Luft gemischt und ein Teil-
als gasförmige Komponenten gemessen und führen zu Ver- strom des verdünnten Abgases, der eine Temperatur <52 °C
unreinigungen der Messsysteme, die nachfolgende Mes- aufweisen muss, über inerte Filter mit >99% Abscheidegrad
sungen negativ beeinflussen würden, man spricht von gezogen. Aus dem Massenzuwachs des Filters wird die
Hang-Up-Effekten. Deshalb werden die Kohlenwasserstoffe Emission berechnet. In Bild 15-56 ist dies für eine Anlage
nicht aus den Beuteln gemessen, wie bei Ottomotoren, son- mit Sekundärverdünnung, wie sie für Nutzfahrzeuge übli-
dern direkt vom CVS-Verdünnungstunnel. Alle gasführen- cherweise verwendet wird, schematisch dargestellt. Bei Pkw
den Leitungen und Komponenten für die Kohlenwasser- wird die Emission des Fahrzeugs am Rollenprüfstand im
stoffmessung, inklusive des Analysators (FID) werden auf Prinzip gleich, jedoch ohne Sekundärverdünnung, gemes-
190 °C beheizt. Damit wird eine solche Kondensation unter- sen.
bunden. Partikel setzen sich aus Ruß, adsorbierten organischen
Bei Nutzfahrzeugmotoren wird zusätzlich zu der Kohlen- Komponenten, kondensierter und adsorbierter Schwefel-
wasserstoffmessung auch noch die Stickoxidmessung beheizt säure und festen Bestandteilen wie Abrieb, Aschen etc.
und direkt aus dem Verdünnungstunnel durchgeführt. zusammen. Kondensierte und adsorbierte Substanzen wer-
den im Wesentlichen erst im Verdünnungstunnel gebildet,
15.6.2 Messung der Partikel- und Staubemission aber auch die Rußkonzentration ist – entgegen ersten
Erwartungen – zwischen Motor und Mess-Filter nicht völlig
15.6.2.1 Partikelemission – Verdünnungstunnel stabil [15-29]. Es ist daher einsichtig, dass schon kleine
Änderungen in der Auslegung der Verdünnungs- und Parti-
Die in allen gesetzlichen Bestimmungen angegebenen kelsammelanlage einen Einfluss auf die gemessene Partikel-
Grenzwerte für die Partikelemission beruhen auf einer inte- masse hat.
gralen Messung durch gravimetrische Bestimmung der Par- Um bei abnehmender Partikel-, vor allem auch Ruß-
tikelmasse nach Verdünnung in einem Vollstrom- oder Teil- Emission die Wiederholbarkeit und Reproduzierbarkeit der
stromtunnel, wie sie zuerst von der US EPA („environmental Messmethode zu erhöhen, hat die US-EPA ab 2007 das Ver-
protection agency“) definiert [15-26] und dann weltweit dünnungs-, Partikelsammlungs- und Wäge-System genauer
übernommen wurde [15-27], [15-28]: Abgas wird nach dem spezifiziert [15-30], [15-31].
15.6 Abgasmessverfahren 529

Bild 15-56 Vollstromverdünnung


für die Zertifizierung

In der EU (und damit in fast allen Ländern Asiens und Kondensationskernzähler (PNC), andrerseits werden die
Lateinamerikas) ist für Nutzfahrzeuge die Verwendung von flüchtigen Nanopartikel Anteile eliminiert, sodass nur nicht-
Teilstromverdünnungstunneln erlaubt [15-32], die einen flüchtige Partikel, d. h. hauptsächlich Rußpartikel gezählt
konstanten Prozentsatz des Abgases verdünnen, wie es in werden. Der Hintergrund für diese Anforderung hat zwei
der Norm ISO 16183 festgelegt ist [15-33]. Dem Platz- und Seiten. Einerseits scheinen nichtflüchtige Partikel toxikolo-
Kostenvorteil dieser Systeme – siehe Prinzip-Darstellung gisch relevanter für die menschliche Gesundheit zu sein,
Bild 15-57 – steht eine aufwändige Regelung der Massen- andrerseits hat sich herausgestellt, dass es extrem schwierig
ströme gegenüber. Zusätzlich müssen mehrere Randbedin- ist, Emissionen von flüchtigen Partikeln reproduzierbar zu
gungen beachtet werden, damit die gemessene Emission messen. Das ist kein Problem der Messung per se – flüchtige
gleich der einer Vollstromanlage ist [15-34].

15.6.2.2 Partikelzählung

Da die Partikelemissionen moderner Verbrennungsmotoren


nur noch mit sehr empfindlichen Messgeräten erfasst wer-
den können, hat sich die PMP-Expertengruppe der UNECE-
GRPE mit neuen Messmethoden zur Partikelmessung
befasst. Die Empfehlung dieser Gruppe für weitere Zertifi-
zierungen sind neben einer modifizierten „US-2007“ Parti-
kelmessung („particulate measurement“) auch die Partikel-
zählung („particle number counting“) [15-35], [15-36].
Die PMP-Gruppe hat ein aufwändiges System zur Kondi-
tionierung des bereits verdünnten Abgases definiert, das in
Bild 15-58 schematisch dargestellt ist: Erstens, Abscheidung
von groben Partikeln, die nicht direkt aus der Verbrennung,
sondern von wiedereingetragenen Wandablagerungen stam-
men. Zweitens, hohe Abgasverdünnung und nachfolgendes
Aufheizen auf 400 °C. Dadurch erhält man einerseits die im Bild 15-57 Teilstromverdünnung für die Zertifizierung
praktischen Betrieb erforderliche niedrige Partikelanzahl im
530 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-58 Abgasaufbereitung für die Partikelzählung nach PMP [15-35]

Partikel können genauso gezählt werden wie feste – aber die 15.6.2.4 Alternative Verfahren
Bildung von homogen kondensierten Kohlenwasserstoffen
und Sulfaten nach Partikelfilter ist extrem empfindlich auf Die gravimetrische Ermittlung der Partikelemission hat gra-
kleinste Änderungen der Motor- oder Abgaskonditionie- vierende Nachteile: sie ist aufwändig und integrierend. Für
rung. Drittens wird vor dem PNC noch mal verdünnt, um die Motorentwicklung ist jedoch häufig eine schnelle Mes-
das Abgas abzukühlen und die Partikelanzahl weiter abzu- sung und/oder die Zeitzuordnung der Emission zu den dy-
senken. namischen Fahrzuständen erforderlich. Es wurden daher
Das derartig konditionierte Abgas kann auch auf Parti- eine Reihe einfacherer und/oder dynamischer Messverfah-
keleigenschaften wie Größenverteilung, aktive Oberfläche ren entwickelt. Im Allg. weichen die Messgrößen aber von
etc. untersucht werden (nicht notwendig nach PMP). den gesetzeskonform ermittelten Partikeln ab, und die ermit-
Kondensationskernzähler (Condensation Particle Coun- telten Korrelationen sind nur bedingt gültig. Eine besondere
ting) sind die empfindlichsten Systeme zur Messung der Rolle nimmt hier allerdings die Messung der Rußemission
Partikelanzahl (Particle Number Counting) im sub-µ- ein, da diese auch für sich allein genommen ein wichtiger
Bereich bis hin zu einigen Nanometern. Das Prinzip eines
CPC ist in Bild 15-59 dargestellt. Aus Nanopartikeln werden
durch heterogene Kondensation von übersättigtem Dampf
„Mikropartikel“ generiert. Diese werden anschließend mit-
tels einer Streulichtmethode gezählt.

15.6.2.3 Staubmessung

Stationär betriebene Dieselmotoren fallen in Deutschland


unter die Gesetzgebung der TA Luft. Die Probenahme erfolgt
nach VDI 2066 [15-38], bei der die Probe aus dem heißen
Abgas ohne vorherige Verdünnung gezogen wird, so dass die
Partikel praktisch keine kondensierten und adsorbierten An-
teile am Ruß enthalten. Diese „Staubmasse“ korreliert daher
nicht mit den Partikeln, die bei verdünntem Abgas gemessen
werden, wobei der Unterschied je nach Lastpunkt zwischen Bild 15-59 Funktionsprinzip eines Kondensationskernzählers (CPC) [15-37]
10% und 90% liegen kann.
15.6 Abgasmessverfahren 531

Bild 15-60 Prinzip der Smokemeter-Messung [15-39]

Indikator für die Verbrennungsqualität ist. Dafür wurden


mehrere Methoden entwickelt, die i. Allg. auf der starken
Bild 15-62 Photoakustisches Messprinzip [15-44]
Absorption von Strahlung durch Ruß basieren. Neuere Ver-
fahren weisen eine sehr gute Zeitauflösung und/oder sehr
hohe Empfindlichkeit auf.
Die wichtigsten alternativen Messmethoden sind in Tabel-
le 15-17 zusammengefasst und in den Bildern 15-60 bis
15-67 schematisch dargestellt. Für alle Meßmethoden gibt es
i. Allg. verschiedene Ausführungsformen und kommerzielle
Anbieter.
Wichtige weiterführende und/oder zusammenfassende
Information zu nichtkonventionellen modernen Methoden
der Dieselpartikelmessung finden sich in den Literaturzi-
taten [15-47] bis [15-50].

Bild 15-63 Prinzip der Laserinduzierten Glühemission, LII [15-45]

Bild 15-61 Prinzip der Opazimeter-


Messung [15-39]
532 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-64 Photoelektrisches Messprinzip [15-46]

Bild 15-66 TEOM: Glaskanüle mit dem Filter an der Spitze. Die Vibrationsfre-
quenz der Glaskanüle ändert sich bei Beladung des Filters [15-40]

Bild 15-65 Prinzip des Diffussionsladungs-Sensors [15-41]


15.6 Abgasmessverfahren    533

Tabelle 15-17 Vor- und Nachteile alternativer Methoden zur Partikel-/Rußmessung

Methode Vorteile Nachteile


Opazimeter – F ür einige Zertifizierungstests, z.B. ELR vorgeschrieben. – B ei probenehmenden Systemen Probeströme bis 40 l/min erfor-
[15-39] – Robuste, kostengünstige, etablierte Methode zur Messung der derlich
Abgastrübung. – Hohe Empfindlichkeit nur mit ausgefeilter Systemauslegung
– Sehr gute Zeitauflösung, 0.1 sec möglich: große optische Weglänge L, gute thermische Konditio-
– Hohe Empfindlichkeit (0.1% Opazität, entspricht ungefähr nierung.
300 µg/m3 Ruß). – Relativ starke Querempfindlichkeit auf NO2
– Mit spezieller Gasführung bis zu Abgasdrücken von 400 mbar
einsetzbar, Zusatz für höhere Drücke in Entwicklung.
– Akzeptable Korrelation zur Ruß Konzentration (mg/m3) kann für
Motorenfamilien aufgestellt werden.
TEOM – M
 essung der Partikel- (nicht Ruß-) Emission – e rsetzt den Partikelfilter, erfordert aber Abgasverdünnung
[15-40] – Ergebnis ähnlich der gesetzlich vorgeschriebenen Methode zur – Volle Äquivalenz zur gesetzlich vorgeschriebenen Methode im all-
Partikelmessung gemeinen nicht gegeben.
– Zeitauflösung im Sekundenbereich – Empfindlichkeit abhängig von der Zeitauflösung, typisch 1 mg/m3
– kostspielig
MASMO – M
 essung der Partikel- (nicht Ruß-) Emission – e rsetzt den Partikelfilter, erfordert aber hohe Abgasverdünnung
[15-41] – Ergebnis ähnlich der gesetzlich vorgeschriebenen Methode zur – Äquivalenz zur gesetzlich vorgeschriebenen Methode häufig un-
Partikelmessung vollständig.
– Zeitauflösung im Sekundenbereich – kostspielig
– Empfindlichkeit ca. 1 µg/m3
– Zusätzliche Abschätzung der mittleren Partikelgröße.
Smoke­­meter – R obust, kostengünstig – Integrierende Methode – zeitliche Auflösung ca. 1 Minute
[15-39] – Etablierte Methode
– Hohe Empfindlichkeit (0.002 FSN, entspricht ca. 20 µg/m3 Ruß)
bei längeren Entnahmezeiten
– Mit „Sonderentnahme“ Vorrichtung ist eine Messung des Ab-
gases vor Dieselpartikelfilter möglich
– Gute Korrelation zur Ruß Konzentration, (mg/m3), minimale
Querempfindlichkeit auf andere Abgaskomponenten.
Photoakustischer – Hohe  Empfindlichkeit – typisch < 5 µg/m3 Ruß – E rfordert Abgas-Verdünnung.
Ruß Sensor – Sensor Signal direkt und linear empfindlich auf Ruß Konzentra­ – Kalibriermethode nicht rigoros etabliert.
[15-42] tion, minimale Querempfindlichkeit – Messung vor DPF erfordert Abgaskonditionierung
[15-43] – Gute Zeitauflösung, ≈ 1 sec – Regelmäßige Wartung einfach, aber erforderlich
[15-44] – Anwendbar für Untersuchungen von Dieselpartikelfiltern.
– Moderate Kosten.
– Hoher Dynamikbereich (1: 10.000)
Laser Induzierte – Hohe  Empfindlichkeit – typisch < 5 µg/m3 Ruß – sehrhohe Kosten
Glühemission – Sensor Signal direkt und linear empfindlich auf Ruß Konzentra­ – Kalibriermethode nicht etabliert
[15-45] tion, minimale Querempfindlichkeit – Hoher Dynamikbereich nur mit optischen Abschwächern erreich-
– Gute Zeitauflösung, ≤ 1 sec bar (Einführen von Absorber Filtern)
– Anwendbar für Untersuchungen von Dieselpartikelfiltern.
Photoelektrischer – K ompaktes, kostengünstiges System – Z eitauflösung, ≤ 10 sec
Aerosol Sensor – Hohe Empfindlichkeit – typisch < 1 µg/m3 Ruß – Starker Einfluss durch Substanzen mit hoher Photoemission (PAH)
[15-46] – Empirische Korrelation der elektrischen Signals zur Rußemission
von Dieselmotoren häufig gegeben.
Diffussions La- – K ompaktes, kostengünstiges System – Nicht proportional zur Partikelmasse
dungs Sensor – Misst die aktive Partikeloberfläche (Fuchs’sche Oberfläche) – Zeitauflösungeinige Sekunden
[15-41] – Hohe Empfindlichkeit – typisch < 1 µg/m3 Partikel
[15-46] – In einigen Fällen wurde eine empirische Korrelation des Signals
[15-47] zur Partikelemission von Dieselmotoren gefunden
534 15 Abgasemission von Dieselmotoren

Bild 15-67 Dekati Mass Monitor


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16 Geräuschemission von Dieselmotoren

16.1 Grundlagen der Akustik Die Bezugsgrößen po und Po sind so gewählt, dass gilt:
LW = Lp + 10 log A/Ao
Wie viele andere Maschinen erzeugen auch Dieselmotoren
Schwankungen des Luftdruckes. Diese Schwankungen brei- (A: Messfläche, Ao = 1 m²: Bezugsfläche)
ten sich als Longitudinal-Schwingungen in der Luft aus. In- Als Messfläche wird die die Schallquelle umhüllende Flä-
nerhalb eines Frequenzbereiches von ca. 16 Hz bis 16 kHz che bezeichnet, in der der Schalldruck gemessen wird. Ein-
können diese Druckschwankungen vom menschlichen Ohr heit von Schalldruck- und Schallleistungspegeln ist das
als Luftschall wahrgenommen werden. Dabei werden „tief-“ Dezibel (dB). Eine übliche Benutzung der A‑Bewertung
bzw. „hoch-“frequente Luftschallanteile aus dem genannten wird durch einen Zusatz kenntlich gemacht (LpA bzw. LWA,
Frequenzbereich weit weniger laut empfunden als Luftschall Einheit dBA oder dB(A)).
im Frequenzbereich 0,5 kHz bis 5 kHz. Dieser frequenzab- Eine Verdopplung der Schallenergie entspricht einer
hängigen Empfindlichkeit des menschlichen Ohres kann Erhöhung des Schalldruck- oder Schallleistungspegels
durch eine ebenfalls frequenzabhängige Bewertungskurve um 3 dB bzw. 3 dB(A). Der Mensch empfindet eine derar-
Rechnung getragen werden („A-Bewertung“). tige Verdopplung der Schallenergie allerdings nicht als
Das menschliche Ohr ist in der Lage, z. B. bei einer Fre- „doppelt so laut“; erst ungefähr eine Verzehnfachung der
quenz von 1 kHz Luftschalldruckamplituden zwischen etwa Schallenergie, also eine Schalldruckpegelerhöhung um
2 · 10–5 Pa und 20 Pa zu hören. (Oberhalb dieses Amplitu- 10 dB(A) wird subjektiv als Verdopplung des Geräusches
denbereiches werden die Druckschwankungen als Schmerz empfunden.
empfunden.) Wegen der großen Amplitudenbandbreite des Luftschall kann mit Hilfe von Mikrophonen gemessen
menschlichen Hörvermögens wäre eine Angabe linearer werden, die die Luftdruckschwankungen über eine dünne
Schall(druck)werte sehr unhandlich. Stattdessen ist die Ver- Membran erfassen. Die Membran bildet einen Teil eines
wendung von Schall(druck)pegeln üblich: Kondensators; Luftdruckschwankungen führen also zu
Membranschwingungen und diese wiederum zu entspre-
Lp = 20 log p/po
chenden Schwankungen der elektrischen Kondensatorla-
(Lp: Schalldruckpegel, p: Schalldruck, po = 2 · 10–5 Pa: Be- dung, die proportional zu den Luftdruckschwankungen sind
zugsschalldruck). und messtechnisch relativ einfach erfasst und weiterverar-
Der Schalldruckpegel gibt den Luftschallpegel für einen beitet werden können.
Messort an, also die Luftschallbelastung (= „Luftschallim-
mission“) an diesem Messort. Zur Beschreibung des 16.2 Entwicklung der Motorgeräuschemission
Geräusches, das ein Bauteil oder eine Maschine abstrahlt,
dient dagegen entweder die Angabe des Schalldruckpegels Seit Beginn der 1970er Jahre hat der Gesetzgeber die Ge-
und zusätzlich des Messabstandes (!) oder alternativ der räusch-Grenzwerte praktisch aller Fahrzeuge und Aggregate
Schallleistungspegel: kontinuierlich verschärft. Ein Ende dieser Entwicklung ist
nicht absehbar, zumal die erfolgten Geräuschreduktionen
LW = 10 log P/Po
beim einzelnen Fahrzeug oder Aggregat weitgehend durch
(P: Schallleistung, Po = 10-12 W: Bezugsschallleistung). die zunehmende Verkehrsdichte kompensiert worden sind.
Eine Verringerung der Lärmbelästigung der Bevölkerung hat
bisher jedenfalls nicht in ausreichendem Maß stattgefunden,
538 16 Geräuschemission von Dieselmotoren

obwohl dies gesundheitspolitisch unbedingt erforderlich die Streubänder der Geräuschemission von unterschied-
wäre (z. B. [16-1], [16-2]). lichen Motoren angegeben. Generell ist die Streubandbreite
Gesetzliche Grenzwerte zur Limitierung der Geräusch- erheblich. Im Durchschnitt ist jedoch eine Absenkung der
emission von Verbrennungsmotoren existieren nicht. Der Geräuschpegel zwischen 1975 und 1990 in einer Größen-
Gesetzgeber begrenzt nicht die Motorgeräuschemission, ordnung von 3 dB(A) zu erkennen.
sondern die Geräuschemission des gesamten Fahrzeuges Seit 1990 sind darüber hinaus eine Reihe neuentwickelter,
oder Aggregates. Er überlässt also dem Gerätehersteller die moderner Motoren in den Markt eingeführt worden. Bei
Entscheidung, ob er diese Geräuschgrenzwerte z. B. durch diesen neuen Motorbaureihen haben vor allem konsequent
relativ leise Motoren oder durch geräteseitige Motorkapse- durchgeführte Strukturoptimierungen mittels FEM sowie
lung erreichen will. Wegen der erheblichen Mehrkosten, die durchgreifende Maßnahmen zur Verringerung der
den Geräteherstellern durch derartige Kapselmaßnahmen Geräuschanregung (wie die Verlegung des Steuerrädertriebs
entstehen, besitzen relativ leise Motoren jedoch einen auf die Schwungradseite, s. Abschn. 16.3.1.5) einen regel-
Marktvorteil. Auf diese Weise erzwingt die Gesetzgebung rechten Entwicklungssprung ermöglicht, der die Geräusch-
indirekt auch die Reduktion der Geräuschemission von emission (im Vergleich zu 1990 bzw. 1975) um durch-
Verbrennungsmotoren. Die Entwicklung immer leiserer schnittlich 5 dB(A) bzw. 8 dB(A) abgesenkt hat (Bild 16-1).
Motoren war und ist deshalb eine Daueraufgabe des moder- Das vorhandene Geräuschminderungspotenzial ist da-
nen Motorenbaus. Daneben spielen allerdings auch zuneh- mit aber noch längst nicht ausgeschöpft. Der „akustische
mend andere Geräuschquellen eine bedeutende Rolle, wie Wirkungsgrad“, also das Verhältnis der Motorschallleistung
z. B. Antriebsstrang- und Reifengeräusche bei Lkw oder zur abgegebenen Motornennleistung, ist seit den 90er
Hydraulikgeräusche bei Baumaschinen. Jahren kontinuierlich gesunken (Bild 16-2, [16-3] bis
Am Beispiel der als Lkw- und Industriemotoren einge- [16-6]). In einer Studie konnte darüber hinaus nachgewie-
setzten direkt einspritzenden Dieselmotoren mit Hubräu- sen werden, dass die Geräuschemission selbst eines akus-
men von 3…16 Litern verdeutlicht Bild 16-1 [16-3], [16-4] tisch bereits sehr günstigen Industriedieselmotors noch um
die erzielte Verringerung des Motorgeräusches in den letz- über 6 dB(A) verringert werden kann; ein erheblicher Teil
ten Jahrzehnten. Für die Jahre 1975 und 1990 sind jeweils dieses Geräuschminderungspotentials konnte an einem

Bild 16-1 Geräuschpegel-Vergleich für Heavy-Duty Dieselmotoren für die Zeiträume vor 1975 und um 1990 sowie für akustisch günstige Neuentwicklungen, die seit
1990 in den Markt eingeführt wurden (Serienmotoren, Nennleistung, 1 m Messabstand) [16-3]
16.3 Motoroberflächengeräusch 539

Bild 16-2 Absenkung des akustischen Wirkungsgrades bei akustisch günstigen Nutzfahrzeug-Dieselmotoren zwischen 1988 und 2001

Versuchsmotor experimentell nachgewiesen werden [16-7], tragungseigenschaften der Motorstruktur durch die Trans-
[16-8]. ferfunktion T = a/F beschrieben werden. An der Oberfläche
Voraussetzung für eine Verringerung des Motorgeräuschs wird die Beschleunigung a in den Luftschalldruck p umge-
ist die Kenntnis der Geräuschquellen. Motoren regen Luft- setzt. Diese Abstrahlung kann durch den Abstrahlgrad
schall an durch A = p/a charakterisiert werden. Zur Absenkung des Ge-
– Schwingungen („Körperschall“) der Motoroberflächen räusches gibt es daher folgende Möglichkeiten, und zwar eine
(„Oberflächengeräusch“), Verringerung
– von Ansaug-, Abgas- und Kühlsystem(en) erzeugte – der den Körperschall anregenden Kraft F,
Pulsationen („aerodynamisches Geräusch“) und – der Körperschallübertragung, also der Transferfunktion T
– Übertragung von Schwingungen über die Motorlager in oder
das Fahrgestell bzw. Fundament. – der Luftschallabstrahlung, also des Abstrahlgrades A.

Dabei spielt in den meisten Fällen die Motoroberfläche die Beim realen Motor ist allerdings nicht eine einzelne Kraft F,
größte Rolle. sondern eine Vielzahl von dynamischen Kräften zwischen
verschiedenen Bauteilen für die Anregung des Geräusches
16.3 Motoroberflächengeräusch maßgebend. Bei den Erregungsmechanismen kann man un-
terscheiden zwischen
– direktem Verbrennungsgeräusch infolge Körperschall-
16.3.1 Körperschallanregung
anregung der Brennraumwände durch die Gaskraft,
– indirektem Verbrennungsgeräusch, z. B. infolge des Durch-
16.3.1.1 Anregungsmechanismen
laufens von Spielen unter Gaskrafteinfluss (Kurbeltrieb,
Der Mechanismus der Anregung des Motoroberflächenge- Stirnradgetriebe) oder unter Einfluss lastabhängiger Kräfte
räuschs ist schematisch in Bild 16-3 [16-9] dargestellt. Die (Einspritzpumpe) und
zur Beschreibung des Mechanismus notwendigen Größen – mechanischem Geräusch infolge des Durchlaufens von
können nach FOURIER als Funktionen der Frequenz aufge- Spielen unter Massenkrafteinfluss (Kurbeltrieb, Ventil-
fasst und als Spektrum dargestellt werden: Eine Kraft F, hier trieb).
als Beispiel die Gaskraft im Brennraum, bewirkt eine Kör-
perschallbeschleunigung a, wobei die Körperschall-Über-
540 16 Geräuschemission von Dieselmotoren

Bild 16-3 Entstehungsmechanismus


des Motoroberflächengeräusches (sche-
matisch) [16-9]

16.3.1.2 Direktes Verbrennungsgeräusch gebend. Um eine akustische Bewertung des Druckverlaufes


vorzunehmen, wird dieser i. d. R. aus dem Zeitbereich in den
Durch eine Absenkung des direkten Verbrennungsge- Frequenzbereich transformiert. Man erhält so ein Zylinder-
räusches ist eine Geräuschabsenkung möglich druck-Anregungsspektrum. Dabei hängt das Anregungs-
– beim direkteinspritzenden Diesel-Saugmotor im gesamten spektrum von verschiedenen Kenngrößen des Zylinder-
Betriebsbereich sowie druckes ab (Bild 16-4 [16-9]). Für den A-bewerteten Pegel
– bei allen Dieselmotoren während des Kaltstarts, im Bereich des Motorgeräusches sind in der Praxis die durch Druckan-
des niedrigen Leerlaufs und im instationären Betrieb. stieg bzw. Druckanstiegsgeschwindigkeit bestimmten Fre-
quenzbereiche maßgebend. Sie umfassen etwa den Bereich
Ein Schwerpunkt jeder Verbrennungssystem-Entwicklung von 0,5 kHz bis 3 kHz, in dem die Motorstruktur relativ
muss deshalb auf einer akustischen Optimierung des Ver- „durchlässig“ ist.
brennungsablaufes liegen. Für die Anregung des direkten In Bild 16-5 werden Anregungsspektren für verschiedene
Verbrennungsgeräusches ist der Zylinderdruckverlauf maß- Brennverfahren verglichen [16-10]. Es zeigt sich der für DI-
16.3 Motoroberflächengeräusch 541

Bild 16-4 Zusammenhang zwischen Zylinderdruckverlauf und Zylinderdruck-Anregungsspektrum (schematisch) [16-9]

Bild 16-5 Vergleich der Gasdruck-Anregungs-


spektren verschiedener Brennverfahren [16-10]
542    16 Geräuschemission von Dieselmotoren

Diesel typische höhere Anregungspegel in einer Größenord- teme mit elektronisch gesteuerten Einspritzdüsen ermög­
nung von 10 dB gegenüber dem IDI-Diesel. Bei noch lichen eine akustisch günstige Formung oder Teilung des
höheren Frequenzen kommt es außerdem zur Ausbildung Einspritzverlaufes in Kombination mit einem kennfeldab-
von Eigenschwingungen im Brennraum, die zu Überhö- hängigen Förderbeginn und dadurch eine drastische Reduk-
hungen im Anregungsspektrum führen und besonders die tion des direkten Verbrennungsgeräusches in weiten
Lästigkeit des Geräusches erhöhen (z. B. [16‑11], [16‑12]). Betriebsbereichen.
Speziell bei IDI-Dieselmotoren kommen Schwingungen des Durch eine geformte oder geteilte Einspritzung sind
Systems Hauptbrennraum-Schusskanal-Nebenbrennraum Absenkungen des direkten Verbrennungsgeräusches von
hinzu, deren Eigenfrequenz i. d. R. bei etwa 2 kHz liegt. Die über 10 dB(A) bei Leerlauf und Teillast möglich; das Motor-
dadurch verursachten Anregungspegel sind oftmals für den gesamtgeräusch kann durchaus um 3 dB(A) und mehr
Luftschall pegelbestimmend. reduziert werden (Bild 16‑6 [16‑13]). Gleichzeitig kann die
Die hohen Anregungspegel bei niedrigen Frequenzen Impulshaltigkeit des Geräuschs verringert und damit der
(kleiner 0,5 kHz) sind für das Motorgeräusch i. d. R. nicht subjektive Geräuscheindruck deutlich verbessert werden.
relevant, da die Dämmwirkung der Motorstruktur hierbei Alternative Kraftstoffe wie RME („Biodiesel“) oder Pflan-
sehr hoch ist. Außerdem sind der Abstrahlgrad und gleich- zenöle können das direkte Verbrennungsgeräusch deutlich
zeitig die Empfindlichkeit des menschlichen Ohres in die- beeinflussen. Je nach Motortyp und Betriebszustand kann
sem Frequenzbereich gering. durch die Verwendung alternativer Kraftstoffe sowohl eine
Bei der Entwicklung von Verbrennungsverfahren treten deutliche Erhöhung als auch eine Verringerung des
Zielkonflikte auf. Nur wenn von Entwicklungsbeginn an alle Geräuschpegels verursacht werden [16‑5].
Forderungskomplexe an ein modernes Brennverfahren –
niedriger Kraftstoffverbrauch, niedrige Schadstoffkonzen­ 16.3.1.3 Indirektes Verbrennungsgeräusch
trationen im Abgas und niedriges Verbrennungsgeräusch
bei akzeptablen Fertigungskosten – berücksichtigt werden, Bei schnelllaufenden aufgeladenen direkteinspritzenden
kann ein zufriedenstellender Kompromiss gefunden wer- Dieselmotoren dominiert im Bereich der Volllast das indi-
den, aus dem ein bedeutendes Geräuschmin­derungspotential rekte Verbrennungsgeräusch. Hier spielt z. B. das Kolbenge-
ohne nennenswerte Nachteile resultiert. räusch eine wichtige Rolle (z. B. [16‑8], [16‑14] bis [16‑18]).
Eine günstige Verbrennungsanregung, also ein Anregungs­ Infolge der Kolbensekundärbewegung kommt es zwischen
spektrum mit möglichst geringen Pegelwerten, wird durch Kolben und Zylinder zu Stoßanregungen, die vor allem durch
einen „weichen“ Zylinderdruckverlauf erreicht (Bild 16‑4). die Gaskräfte bei hohen Lasten verursacht werden. Je nach
Maßgeblich sind dafür die Bedingungen der Verbrennungs- Betriebspunkt wechselt der Kolben im Zylinder 2–10 mal je
einleitung; eine Reduktion des direkten Verbrennungsge- Arbeitsspiel die Anlage. Wegen der Abhängigkeit der Ge-
räuschs kann vor allem durch eine Verringerung der zündfä- räuschanregung vom Verbrennungsdruck spricht man vom
higen Kraftstoffmenge zum Zeitpunkt der Zündung erreicht „indirekten Verbrennungsgeräusch“. (Allerdings werden
werden. Die wichtigsten Möglichkeiten hierzu sind auch durch die Massenkräfte Geräusche angeregt, und zwar
– ein späterer Einspritzbeginn, besonders bei hohen Drehzahlen und bei Leerlauf. Man
– ein früherer Zündbeginn (z. B. durch Erhöhung des Ver­ spricht hier vom „mechanischen Geräusch“.)
dich­tungsverhältnisses, Aufladung, Abgasrückführung Das Kolbengeräusch, also der infolge von Stoßvorgängen
und/oder Heißkühlung) sowie zwischen Kolben und Zylinder erzeugte Schallanteil, lässt
– eine geformte oder geteilte Einspritzung. sich gezielt verringern, indem die Stoßimpulse beim Kol-
benaufprall möglichst klein gehalten werden. Wesentliche
Um eine Erhöhung der Ruß- und HC-Emission zu vermei- Parameter zur Beeinflussung des Kolbengeräusches sind
den, wird außerdem ein möglichst frühes Einspritzende an- Spiel, Schaftlänge, Schleifkontur, Schaftsteifigkeit und Bol-
gestrebt. Ein späterer Beginn der Einspritzung ist deshalb zendesachsierung. Akustisch besonders günstig ist für viele
praktisch immer nur in Verbindung mit einer leistungsstär- Industrie- und Nutzfahrzeugmotoren eine druckseitige
keren Einspritzanlage möglich, die die Einspritzzeit verrin- Desachsierung des Kolbenbolzens (um 1 bis 2% des Kolben-
gert. Hierdurch kann sich allerdings die Geräuschanregung durchmessers).
in der Einspritzpumpe selbst und im Einspritzpumpenan- Neben dem Kolbengeräusch sind besonders bei aufgela-
trieb erhöhen (s. Abschn. 16.3.1.3). denen Dieselmotoren auch Einspritzpumpen- und Kurbel-
Eine geformte oder geteilte Einspritzung kann z. B. durch wellengeräusch wichtig (z. B. [16‑18] bis [16‑20]). Dabei ist
Modifikation der Einspritzpumpe oder des Düsenhalters wegen der stark gestiegenen Einspritzdrücke und Einspritz-
verwirklicht werden. Besonders Common Rail Einspritzsys­ druckgradienten, wie sie für moderne, abgas- und
16.3 Motoroberflächengeräusch 543

Bild 16-6 Absenkung des Motorgesamtgeräusches durch ein Common Rail Einspritzsystem mit Voreinspritzung (aufgeladener ladeluftgekühlter Heavy-Duty-Sechszy-
linder-Reihenmotor, VH = 5,7 dm³) UPS Unit Pump System (Pumpe-Leitung-Düse-Einspritzsystem), CR Common Rail Einspritzsystem, PI Pilot Injection (geteilte Einsprit-
zung) [16-13]

geräuschoptimierte Brennverfahren notwendig sind, spe- in den Hauptlagern mit der Torsionsschwingung gekoppelte
ziell das Einspritzpumpengeräusch inzwischen besonders radiale Bewegungen der Kurbelwelle, die den Motorblock
relevant. Sowohl die Geräuschemission des Pumpengehäu- mit der (n-1)ten und (n+1)ten Ordnung tieffrequent sowie
ses als auch die Körperschallanregung des Motorblocks durch Stöße auch hochfrequent anregen können [16-21],
durch die Pumpe als auch die Körperschallanregung im [16-22]. Resonanzüberhöhte Geräuschanregungen durch
Pumpenantrieb infolge von Wechseldrehmomenten (s. u.) die Kurbelwelle lassen sich durch den Einsatz von Torsions-
können eine wichtige Rolle spielen. schwingungsdämpfern beseitigen.
Auch die Kurbelwelle regt Geräusche im Steuerrädertrieb
und in den Hauptlagern an. Dies gilt besonders für die 16.3.1.4 Mechanisches Geräusch
Drehzahlen, in denen die erste Torsionseigenfrequenz der
Kurbelwelle durch die Anregung der unteren (n-ten) Ord- Mechanisches Geräusch wird im Dieselmotor durch den
nungen der Gaskräfte in Resonanz gerät. Hier werden reso- Ventiltrieb und die Ölpumpe sowie ggf. die Wasserpumpe
nanzüberhöhte Wechseldrehmomente in den Rädertrieb angeregt, in gewissem Umfang außerdem durch Kurbelwelle
eingeleitet und führen dort zu Stößen. Gleichzeitig erfolgen und Kolben (s. Abschn. 16.3.1.3).
544 16 Geräuschemission von Dieselmotoren

Beim Ventiltrieb ist dabei die Geräuschanregung durch


Stoßvorgänge beim Schließen der Ventile sowie (bei Motoren
mit kleiner Zylinderzahl) durch das Einleiten von Wechsel-
drehmomenten in den Rädertrieb vorherrschend [16-23],
[16-24]. Der Anteil des Ventilgeräusches ist zwar relativ
klein, wird wegen seiner starken Impulshaltigkeit aber als
„lästig“ empfunden. Maßnahmen zur Verringerung der
Geräuschanregung durch den Ventiltrieb sind nach [16-25]
bis [16-27] z. B. eine hohe Eigenfrequenz des Ventiltriebs,
eine dynamisch optimierte Nockenkontur, geringe bewegte
Ventiltriebsmassen, ein hydraulischer Ventilspielausgleich
und bei Motoren mit mehr als zwei Ventilen pro Zylinder
ein (geringfügiger) Winkelversatz der Nocken („Phasing“).
Die Ölpumpe kann Geräusch insbesondere durch
Öldruckpulsationen erzeugen. Eine Geräuschverringerung
kann durch Abbau dieser Druckspitzen erfolgen (Optimie-
rung der Verzahnung bei Zahnradpumpen, des Absteuer-
ventils, der Ölkanäle vor und/oder hinter der Pumpe usw.
[16-8], [16-28]). Die Geräuschanregung durch die Wasser-
pumpe ist im Normalfall vernachlässigbar klein.

16.3.1.5 Steuertriebsgeräusch

Im Einspritzpumpen-, Kurbelwellen- und Ventiltriebsge-


räusch enthalten ist das Steuertriebsgeräusch. Das Steuer-
triebsgeräusch lässt sich deshalb weder dem „indirekten Ver-
brennungsgeräusch“ noch dem „mechanischen Geräusch“
vollständig zuordnen. Bild 16-7 Zusammenhang zwischen Anstieg des Einspritzleitungsdrucks pE,
Als Beispiel für die Geräuschanregung im Rädertrieb Tangentialbeschleunigung au der Steuertrieb-Zahnräder und Körperschallbe-
eines Heavy-Duty-DI-Dieselmotors wird in Bild 16-7 die schleunigung a in der Motorstruktur [16-24]
Entstehung von Impulsen auf dem Einspritzpumpen- und
Zwischenzahnrad gezeigt: Durch den Druckanstieg in der
Einspritzpumpenleitung (Bild 16-7 oben) bzw. damit auch
auf dem Einspitzpumpenplunger wird das Einspritzpum- Hydraulikpumpen besitzen. Kolbenkompressoren bringen
penzahnrad zunächst verlangsamt. Dadurch wird das Spiel Wechseldrehmomente in den Rädertrieb ein, was ein „Klap-
zwischen Einspritzpumpenradzähnen und Zwischenrad- pern“ im Rädertrieb bewirkt, das Rädertriebsgeräusch
zähnen durchlaufen. Es kommt zu einem Stoß zwischen den erhöht und sich besonders bei Leerlauf und niedrigen Dreh-
Zahnflanken, der als Impuls im Körperschall und auf beiden zahlen häufig auch subjektiv unangenehm bemerkbar macht
Zahnrädern deutlich zu erkennen ist (Bild 16-7 Mitte und [16-8], [16-28]. Im Gegensatz dazu können Hydraulikpum-
unten) und über die Lager der Zahnräder die Motorstruktur pen, die über Nockenwellen- oder Einspritzpumpenzahnrad
anregt. Möglichkeiten zur Verringerung des Steuerräder- angetrieben werden, die Geräuschemission sogar senken,
triebsgeräusches sind Torsionsschwingungsdämpfer, Zusatz- wenn das von ihnen abgenommene quasi-statische Dreh-
massen auf dem Einspritzpumpenzahnrad, das Eliminieren moment ausreichend groß ist, um ein Spieldurchlaufen im
von Spielen durch gesplittete Zahnräder, Verwendung sog. Rädertrieb zu verhindern.
„Hochverzahnungen“ mit relativ schlanken Zähnen und Bei Pkw- und kleineren Industrie-Dieselmotoren ist der
hohem Überdeckungsgrad sowie eine Verlegung des Räder- Einsatz von Ketten- oder Zahnriemen eine akustisch güns-
triebs auf die Schwungradseite (Bild 16-8 [16-8], [16-18] bis tigere Alternative zum Steuerrädertrieb. Allerdings können
[16-20], [16-23], [16-24], [16-29] bis [16-32]). auch Ketten- und Zahnriementriebe akustisch auffällig sein.
Einen erheblichen Einfluss auf das Motoroberflächenge- Subjektiv besonders störend sind Pegelüberhöhungen, die in
räusch können auch über Nebenabtriebe des Rädertriebs einzelnen Drehzahlbereichen auftreten und sich auf Reso-
angetriebene Zusatzaggregate wie Kompressoren oder nanzschwingungen einzelner Ketten- bzw. Riemenabschnitte

Motorgeräusch
16.3 Motoroberflächengeräusch 545

Bild 16-8 Verringerung des Motorgesamtgeräusches


LA durch schwungradseitige Anordnung des Steuerrä-
dertriebes (aufgeladener Heavy Duty-Vierzylinder-Rei-
henmotor) [16-7]

zurückführen lassen. Dabei werden Eigenschwingungen (Bild 16-9). Bei Zahnriemen ist eine Geräuschreduktion
durch Inhomogenitäten der Kette oder des Riemens, Exzen- möglich durch eine Modifikation von Rad- und/oder Rie-
trizitäten der Räder, oszillierende Momente und/oder menprofil, Veränderung der Kontaktfläche von Riemen und
Torsionsschwingungen der beteiligten Wellen angeregt. Rad, Verschiebung der Eigenfrequenzen von Umlenkrollen
Diese Schwingungen erhöhen besonders im Resonanzfall und/oder Einsatz von Beruhigungsrollen [16-33].
die Auftreffgeschwindigkeit von Kette bzw. Riemen und Die akustisch günstigen Maßnahmen für Kettentriebe
damit die Geräuschanregung. Im Luftschallspektrum ragen ähneln zum Teil denen, die oben für Zahnriementriebe
die Zahneingriffsordnung und ihre Vielfachen heraus genannt wurden. Die Ketten selbst können akustisch opti-

Bild 16-9 Einfluss des Zahneingriffs eines Steuerrie-


mens auf das Luftschallspektrum
546    16 Geräuschemission von Dieselmotoren

miert werden. Zahnketten sind günstiger als Rollenketten. Motorblock eines modernen, akustisch günstigen Nfz- und
Auch die Führung durch Schienen und Spannelemente Industrie-Dieselmotors:
beeinflusst die Geräuschanregung [16‑34]. Das Abfedern – Durch dünne, aber hohe Rippen, einen breiten
der Kettenlaschen auf seitliche Gummischeiben erhöht die Öl­wannenflansch und steife Decks besonders im Bereich
Ketteneingriffsdämpfung [16‑35]. Eine intensive Öleinsprit- des (Einzel-) Einspritzpumpenkastens wird eine hohe
zung verringert Stöße und Geräusch [16‑36]. Eine Duplex- horizontale Steifigkeit erreicht.
kette mit einem Versatz der Kettenglieder reduziert Heulge- – Geradlinige Kraftflüsse minimieren die geräuscherzeu­gen­
räusche [16‑34]. den Bewegungen der Blockoberfläche.
– Darüber hinaus versteift eine interne Verrippung besonders
16.3.2 Körperschallübertragung im Motor die unteren Blockpartien.
– Durch die sehr steife Kurbelgehäuseschürze findet keine
Neben einer Verringerung der Körperschallanregung ist eine Kopplung von Blockquerwand und Schürzenschwingungen
akustische Optimierung der körperschallleitenden Struktur statt. Die Querwandschwingungen sind daher akustisch
notwendig, um das vorhandene Geräuschminderungspoten- nicht relevant.
tial ausschöpfen zu können. Dabei kann zumindest bei Neu-
konstruktionen das durch Strukturoptimierung nutzbare Ergebnis dieses Konzeptes sind Motorblöcke, die gute akus­
Geräuschreduktionspotential größer sein als das durch Ver- tische Eigenschaften bei akzeptablem Gewicht und niedrigen
ringerung der Geräuschanregungen nutzbare Potential. Fertigungskosten aufweisen.
Bild 16-11 zeigt Motorblockstrukturen, die bei Neukons­
16.3.2.1 Körperschallübertragung durch Motorblock truktionen aus akustischen Gründen als Alternative zur
und Zylinderkopf Standardbauweise (a) verwendet werden können. Ein axia­
ler Hauptlagerdeckelverbund (b) verschiebt die Eigenfre-
Dem gleichzeitig kraftführenden und geräuschabstrahlenden quenzen der Querwände zu hohen Frequenzen hin und
Motorblock ist besondere Beachtung zu widmen, da dieser kann dadurch Schürzenschwingungen verringern. Ein Lei-
und die von ihm fußpunkterregten Anbauteile bei Reihen- terrahmen (c) versteift die Kurbelgehäuseschürze und ver-
motoren erfahrungsgemäß mindestens 50% des Motorge- hindert vor allem gegenphasige Schwingungen dieser
samtgeräusches verursachen [16‑37]. Der Motorblock ist Motorblockpartie. Leiterrahmen und Hauptlagerdeckelver-
deshalb (bei gleichzeitiger Minimierung der Gesamtmasse bund können auch kombiniert werden. Bedplate (d) und
und Optimierung der Massenverteilung) steif und ohne Tunnelgehäuse (e) ermöglichen die Ausbildung sehr steifer
Massenanhäufungen auszubilden, um dadurch eine Ver- Motorblöcke. Beim Skelettmotorblock (f) (z. B. [16‑43] bis
schiebung der Eigenfrequenzen zu hohen Frequenzen hin [16‑45]) wird schließlich die durch elastische Elemente vom
bzw. eine Verringerung der Körperschallweiterleitung im für Motorblock isolierte Ölwanne bis auf Zylinderhöhe hochge-
das Geräusch besonders wichtigen Frequenzbereich von 0,5 zogen. Die schallabstrahlende Oberfläche des Blocks kann
bis 3 kHz zu erreichen. dadurch drastisch reduziert werden. In den letzten Jahren
Die Optimierung insbesondere kraftführender Struk- sind zunehmend häufiger Motorblöcke mit einem Hauptla-
turen erfolgt i. Allg. in einer Vielzahl kleiner Schritte. Die gerverbund, einem Leiterrahmen oder sogar einer Bedplate
Wirksamkeit jedes einzelnen Schrittes lässt sich am befeuer­ vorgestellt worden und in Serie gegangen [16‑46]. Die ande-
ten Vollmotor wegen des großen Aufwandes für die Erstel- ren oben genannten Motorblockbauarten werden dagegen
lung zahlreicher Motorvarianten sowie wegen der zahl- nach wie vor bei nur sehr wenigen Motortypen realisiert.
reichen Störeinflüsse (Montage, Messgenauigkeit, Reprodu- Infolge der zunehmenden akustischen Optimierung
zierbarkeit, hohe Dämpfung) nur schwer untersuchen und anderer Motorbauteile haben der Zylinderkopf und von ihm
wird daher meist lediglich für die Summe der Maßnahmen fußpunkterregte Anbauteile zunehmend an Bedeutung für
nachgewiesen. Zielgerichteter, schneller und kostengüns­ die Geräuschemission gewonnen. Der untere Teil des Zylin-
tiger kann die Entwicklung jedoch durch die Beurteilung derkopfes ist durch Bodenplatte und Zwischendeck ausrei-
einzelner Schritte bzw. Maßnahmen anhand von Prinzipver- chend steif, die Körperschallschnellepegel sind daher relativ
suchen, wie z. B. der experimentellen Modalanalyse, sowie niedrig. Im oberen Bereich des Zylinderkopfes treten dage-
anhand von Berechnungen mit der Finite-Elemente-Metho- gen hohe Pegel auf. Die Struktur ist deshalb hier z. B. durch
de durchgeführt werden (z. B. [16‑7], [16‑8], [16‑32], [16‑38] höhere Wandstärken oder (besser) durch Verrippung oder
bis [16‑42]). (noch besser) durch Bombierung zu versteifen. Eine Alter-
Bild 16-10 zeigt das mit Hilfe moderner Rechen- und native zu diesen Versteifungs­maßnamen kann der Einsatz
Analysetechniken entwickelte akustische Konzept für den von abgekoppelten oder stark bedämpften, über den oberen
16.3 Motoroberflächengeräusch 547

Bild 16-10 Akustisches Konzept eines Heavy-Duty-Dieselmotorblocks [16-41]

Teil des Zylinderkopfes heruntergezogenen, den Kopf also


abdeckenden Zylinderkopfhauben sein [16-26], [16-46] bis
[16-49].

16.3.2.2 Körperschallübertragung durch Anbauteile

Außer den kraftführenden Bauteilen Motorblock und Zylin-


derkopf spielen auch die Anbauteile akustisch eine große
Rolle. Besonders problematisch sind dabei häufig Anbauteile
aus Aluminium-Druckguss, da diese aus Fertigungs-, Kos-
ten- und Gewichtsgründen leicht und dünnwandig sein
müssen. Bild 16-12 zeigt die mittels „Finite Elemente Me-
thode (FEM)“ berechneten bzw. mittels Modalanalyse ge-
messenen Schwingungsformen der ersten beiden Eigen-
schwingungen eines Ansaugrohres und Bild 16-13 die Trans-
ferfunktion zwischen Ansaugrohr (zwei Varianten – vor und
nach der Optimierung) und Zylinderkopf (als dem Bauteil,
von dem aus die Fußpunkterregung des Ansaugrohres statt-
Bild 16-11 Alternative Motorblockkonzepte findet). Durch umlaufende Verstärkungsbänder können die
a) Standard-Motorblock; b) Standard-Motorblock mit axialem Hauptlagerver- Eigenfrequenzen zu höheren Frequenzen hin verschoben
bund; c) Motorblock mit Leiterrahmen; d) Motorblock mit Bedplate; e) Motor- werden. Da die Spektren der anregenden Kräfte mit zuneh-
block als Tunnelgehäuse; f) Skelett-Motorblock mender Frequenz abfallen, bewirkt die Erhöhung der Eigen-
frequenzen also ihre Verschiebung in Frequenzbereiche
548 16 Geräuschemission von Dieselmotoren

Bild 16-13 Transferfunktionen zwischen Zylinderkopf und Rohroberfläche


zweier Ansaugrohrvarianten; je niedriger die Amplituden und je höher die
Frequenz der Spitzen der Transferfunktion, desto akustisch günstiger ist das
Rohr

Anbauteil fußpunkterregenden Bauteilen erreichen. Bei Iso-


lation von Bauteilen mit relativ niedriger dynamischer Stei-
figkeit lassen sich deutliche Geräuschreduktionen erreichen
(z. B. [16-4], [16-5]). Im Gegensatz dazu ist natürlich nur
eine relativ geringe zusätzliche Geräuschminderung zu
erzielen, wenn Bauteile akustisch isoliert werden, für die
vorher bereits eine Strukturoptimierung durchgeführt wor-
den war [16-32].
Die Geräuschemission von Anbauteilen kann auch durch
Bild 16-12 Schwingungsformen eines Ansaugrohres. Oben: unverformt;
Verwendung stark dämpfender Materialien reduziert werden
Mitte: 1. Form (FEM: 3580 Hz, exp. Modalanalyse: 3766 Hz); unten: 2. Form
(FEM: 4081 Hz, exp. Modalanalyse: 3980 Hz) [16-7] [16-50]. Bekannt ist vor allem die Verwendung von Sandwich-
blechen für Ventilhauben, Ölwannen oder bei luftgekühlten
Motoren auch von Kühlluftführungen. Akustisch ebenso
wirksam ist die Herstellung von Ventilhauben, Ansaugrohren,
kleinerer anregender Kräfte (Bild 16-3). Gleichzeitig können Kühlluftführungen und sogar Ölwannen aus hochdämp-
die Amplituden der Transferfunktion reduziert werden. fendem Kunststoff (Bild 16-15 und Bild 16-16 [16-51]).
Durch eine Kombination von Quer- und Längsrippen Erfolgreich durchgeführt wird auch die Geräuschverrin-
sowie die Ausbildung von geschlossenen Räumen um die gerung z. B. von Ölwannen aus Aluminiumguss durch
Einspritzdüsen (Bild 16-14) wird das Bauteilgeräusch einer Beschichtung mit hochdämpfenden Kunststoffbelägen. Eine
Zylinderkopfhaube um maximal 8 dB(A) gegenüber der weitere Möglichkeit ist die Bedämpfung von schwingenden
völlig unverrippten, eckigen und flachen Variante abge- Oberflächen vorzugsweise im Bereich hoher Schwingungs-
senkt. Die Optimierung von Zylinderkopfhaube und amplituden. Z. B. können durch eine Beschichtung eines
Ansaugrohr verringerte im hier vorgestellten Beispiel die Stirnräderdeckels mit hochdämpfenden Elastomeren im
Motorgesamtgeräuschemission bei Vergleich mit einer völ- Bereich der Deckelmitte die (für den untersuchten Motor
lig unverrippten Variante um 1,5 dB(A) am Messort über das Motorgesamtgeräusch dominierenden) Membran-
dem Motor sowie in geringerem Umfang auch an den seit- schwingungen dieses Deckels drastisch abgesenkt und das
lichen Messorten [16-7], [16-8]. Motorgeräusch am Messort vor dem Motor deutlich redu-
Eine Geräuschabsenkung lässt sich bei nicht kraftführen- ziert werden. Allerdings verursachen derartige Beschich-
den Anbauteilen auch durch Körperschallisolation mittels tungen nicht nur erhebliche Zusatzkosten und Mehrgewicht,
elastischer Elemente zwischen Anbauteil und den das sondern auch Probleme während des Recyclings [16-50].
16.3 Motoroberflächengeräusch 549

Bild 16-14 Zylinderkopfhaube mit


innerer Verrippung

Bild 16-15 Kunststoff-Bauteile eines


Lkw-Dieselmotors [16-51]
550 16 Geräuschemission von Dieselmotoren

Bild 16-16 Geräuschreduktion durch den Einsatz von Kunststoff-Bauteilen bei einem Lkw-Dieselmotor [16-51]

Durch Isolation oder Bedämpfung lässt sich häufig eine und Rückseite der Scheibe. Dadurch können sich die Druck-
noch größere Geräuschminderung erzielen als durch eine schwankungen nicht mehr ausbreiten, eine Schallabstrahlung
Erhöhung der Steifigkeit, weshalb diese Geräuschminde- ins Fernfeld des Motors findet nicht mehr statt.
rungsmöglichkeit zunehmend häufiger genutzt wird [16-3].

16.3.3 Geräuschabstrahlung 16.4 Aerodynamische Motorgeräusche

Eine Verringerung der Geräuschabstrahlung ist möglich ent- 16.4.1 Ansaug- und Abgassystem
weder durch Kapselmaßnahmen (siehe Abschn. 16.5 und
16.6) oder durch Erzeugung eines akustischen Kurzschlusses. Im Ansaug- und noch stärker im Abgassystem von Verbren-
Ein „akustischer Kurzschluss“ entsteht, wenn sich die von nungsmotoren treten starke Druckpulsationen auf, die unge-
einer schwingenden Fläche erzeugten Über- und Unterdrü- dämpft alle anderen Motorgeräuschanteile übertönen wür-
cke des Luftschalls gegenseitig ausgleichen. Dadurch treten den.
in größerem Abstand von den schwingenden Flächen keine Für das Ansauggeräusch kann zumindest bei aufgela-
Luftdruckschwingungen mehr auf, so dass auch keine im denen Motoren u. U. schon der Luftfilter eine ausreichende
Fernfeld nachweisbare Luftschall-Abstrahlung stattfindet. Dämpfung erzeugen. Bei weitergehenden Ansprüchen wer-
Dieser Effekt lässt sich beispielsweise bei der akustischen Op- den spezielle Dämpfungssysteme eingesetzt, in denen z. B.
timierung von Keilriemenscheiben nutzen. sog. „Venturirohre“ vorzugsweise den höherfrequenten
Die akustisch relevanten Schwingungsformen von Keilrie- Ansauggeräuschanteil und/oder „Resonatoren“ durch Refle-
menscheiben sind üblicherweise ihre Membranschwingungen. xion und Überlagerung der Ansaugschallpulsationen den
Durchbrüche in der Keilriemenscheibe verändern zwar Eigen- tieffrequenten Anteil reduzieren (z. B. [16-52]).
frequenzen und Schwingungsamplituden nur geringfügig, Obligatorisch ist in jedem Fall eine Abgasgeräuschreduk-
ermöglichen aber einen Druckausgleich zwischen Vorder- tion durch Schalldämpfer(systeme), die üblicherweise die
16.5 Geräuschreduktion durch Kapselung    551

oben genannten Prinzipien der Schalldämpfung über Ven- neue Generatorbauarten mit leiseren innenliegenden Lüf-
turirohre, Umlenkungen oder auch durch Auskleidung mit tern konnten das Lichtmaschinengeräusch nicht ausreichend
schallabsorbierenden Materialien sowie der Auslöschung absenken. Wirksamer ist der Einsatz von Viskokupplungen
von tieffrequenten Schallanteilen durch Reflexion und auch zwischen Motor und Lichtmaschine oder der Einsatz
Überlagerung miteinander kombinieren. Dabei besteht ein flüssigkeitsgekühlter Lichtmaschinen.
grundsätzlicher Zusammenhang zwischen Schalldämp-
fungsvermögen, Bauvolumen und dem (den Motorwir- 16.5 Geräuschreduktion durch Kapselung
kungsgrad verschlechternden) Dämpfer-Gegendruck. Das
erreichbare Dämpfungsvermögen wächst sowohl mit dem
16.5.1 Einsatz von Kapseln und Kapselmotoren
Bauvolumen als auch mit dem zulässigen Gegendruck
(s. Abschn. 13.1 und 13.2). Vor einer Geräuschminderung durch zusätzliche Maßnah-
Neben konventionellen „passiven“ Schalldämpfersyste- men in Form der Teil- oder Vollkapseln sollten zunächst alle
men werden möglicherweise zukünftig auch „aktive“ Geräuschreduzierungsmaßnahmen an der Quelle ausgenützt
Systeme eine Rolle spielen. Hierbei messen Mikrofone die werden. Dieses Vorgehen ist sinnvoll, da Maßnahmen an der
Schallemission. Diese Messungen werden rechnerisch ana- Quelle meistens kostengünstiger ausfallen als eine Kapselung
lysiert und dementsprechend werden Lautsprecher ange- oder entsprechende akustische Maßnahmen am Motorraum.
steuert, die schallgleiche Amplitude und Frequenz erzeugen. Auch unter Gewichts- und Bauraumaspekten sind Maßnah-
Die Geräuschabstrahlung durch den Lautsprecher ist jedoch men an der Quelle zunächst der Kapselung vorzuziehen. Je-
derart phasenversetzt, dass es bei der Überlagerung des doch ist die Wirkung von Maßnahmen an der Quelle auf nur
gemessenen und des zusätzlich erzeugten Schalls zu einer einige dB(A) beschränkt (s. Abschn. 16.3 und 16.4).
Auslöschung der entsprechenden (tieffrequenten) Schallan- Die Vollkapselung eines Motors führt dagegen zu einer
teile kommt. Vorteile der „aktiven“ Schalldämpfersysteme erheblichen Geräuschminderung, die 10–13dB(A) betragen
sind eine Verringerung des Gegendruckes und eine deut- kann. Dabei wird verglichen mit dem ungekapselten Motor
liche Verkleinerung der notwendigen (Rest-)Dämpfervolu- ein nur unwesentlich größerer Bauraum benötigt
mina. Dem gegenüber stehen allerdings eine Reihe von (Bild 16‑17). Eine Geräuschminderung um 13dB(A) bedeu-
Nachteilen wie beispielsweise der zusätzliche elektrische tet, dass 20 gekapselte Motoren das Geräusch eines unge-
Leistungsverbrauch oder die erheblichen Zusatzkosten für kapselten Motors erzeugen.
die notwendigen mechanischen und elektronischen Ele- Die Entwicklung einer Geräuschminderung durch Teil-
mente der aktiven Schalldämpfung. oder Vollkapselungen an Dieselmotoren wurde seit Ende
der 60er-Jahre verstärkt (s. [16‑61] bis [16‑63]). Seit 1977 ist
16.4.2 Kühlsystem eine erste serienmäßig gekapselte Motorenbaureihe von
luftgekühlten Zwei-, Drei- und Vierzylindermotoren auf
Während in den 70er Jahren das von Lüfter oder Gebläse er- dem Markt [16‑64], [16‑65]. Bei der Entwicklung der Kap-
zeugte Geräusch des Kühlsystems noch häufig eine wichtige, selung muss angestrebt werden, die Geräuschminderung für
ja manchmal dominierende Rolle spielte, so ist sein Einfluss alle möglichen Betriebspunkte und für alle Abstrahlrich-
auf das Motorgesamtgeräusch heute meist eher klein. Dies tungen zu erreichen. Bild 16‑18 zeigt dazu die in der Serien-
wurde erreicht (vgl. [16‑53] bis [16‑57]) durch produktion erreichten Ergebnisse.
– aerodynamisch günstigere Gestaltung des gesamten Gekapselte Motoren werden überall dort eingesetzt, wo
Kühlsystems und speziell der Lüfterflügel bzw. Gebläse­ extreme Geräuschanforderungen auf andere Weise nicht zu
schaufeln, erfüllen sind. Ein weiterer großer Einsatzbereich findet sich
– ungleiche Flügel- bzw. Schaufelteilungen zur Vermeidung insbesondere bei frei aufgebauten Motoren. Hier spart der
von Drehklängen und besonders, Gerätehersteller die Motorhaube, den Motoreinbau, die
– Einsatz von Regelsystemen zur Begrenzung der Lüfter- eigenen Geräuschminderungsmaßnahmen und die eventu-
bzw. Gebläsedrehzahlen auf das zur Kühlung im jeweiligen ell zusätzlich notwendigen Kühlungsmaßnahmen. Dies ist
Betriebspunkt noch zulässige Minimum. besonders bei Spezialgeräten, die in kleinen Stückzahlen
hergestellt werden, eine kostengünstige Lösung.
Das von den Lichtmaschinenlüftern angeregte aerodyna-
mische Geräusch kann im oberen Drehzahlbereich dominie- 16.5.2 Teilschallquellen der Vollkapsel
rend für das Motorgeräusch sein [16‑8], [16‑28]. Immer hö-
here elektrische Leistungen haben zu immer größeren Gene- Das Gesamtgeräusch eines Kapselmotors setzt sich
ratoren und höheren Generatordrehzahlen geführt. Auch (Bild 16‑19) aus dem Oberflächengeräusch der Kapselung,
552 16 Geräuschemission von Dieselmotoren

Bild 16-17 Luftgekühlter Einzylinder DI-Dieselmotor, Größenvergleich ungekapselt – gekapselt

dem Geräusch der Mündung der Verbrennungszuluft und


dem Geräusch der Mündung des Abgases zusammen. Hinzu
kommt bei wassergekühlten Motoren das Geräusch des Küh-
ler-/Lüftersystems beziehungsweise bei luftgekühlten Mo-
toren das Geräusch der Zu- und Abluftöffnung der Kühlluft.
Gegen alle diese Teilgeräusche müssen in ihrer Wirksamkeit
gleichwertige Maßnahmen getroffen werden, um ein nied-
riges Gesamtgeräusch zu erreichen.
Bei der Kapselung von wassergekühlten Motoren wird das
Kühler-/Lüftersystem normalerweise außerhalb der Kapsel
belassen. Damit ist die Geräuschminderung an diesen Teilen
dem Anwender des Motors überlassen. Alternativ wird teil-
weise bei flüssigkeitsgekühlten Motoren ein integriertes
Kühlsystem ähnlich wie beim luftgekühlten Motor angebo-
ten.
Beim luftgekühlten Motor ist immer das Kühlgebläse
direkt am Motor und damit in der Kapselung angeordnet.
Auch die Geräuschminderung durch Zu- und Abluftschäch-
te ist damit in der Motorkapsel enthalten.

Oberflächengeräusch
Bild 16-18 Motorgesamtgeräusch LA als Funktion der Drehzahl, Messab-
stand 1 m, Volllast, Abgas abgeleitet (Motoren aus Bild 16-17) Die Kapseloberfläche wird vor allem durch Körperschallein-
leitung vom Motor her auf dem Weg über die Kapselbefesti-
gung zu Schwingungen und damit zur Geräuschabstrahlung
angeregt. Deshalb ist eine sorgfältig ausgelegte elastische
Kapselbefestigung vorzusehen. Dies muss auch für alle an
16.5 Geräuschreduktion durch Kapselung 553

Bild 16-19 Teilschallquellen am Kapselmotor

der Kapselaußenwand anstoßenden Teile wie z. B. Dichtleis- Gestaltung vermieden werden, dass sich ausgeprägte Eigen-
ten zur Trennung in heiße bzw. kalte Räume in der Kapsel schwingungen ausbilden können.
vorgesehen werden. Undichtigkeiten in der Kapseloberfläche lassen das durch
Der von der Motoroberfläche abgestrahlte Luftschall wird die Kapselreflektion erhöhte Motorgeräusch nach außen
von der Kapselwand auch wieder zurück zum Motor reflek- dringen und setzen damit die erreichbare Wanddämmung
tiert. Deshalb wird gegenüber dem ungekapselten Motor drastisch herab. Aus diesem Grunde sollte die Kapsel abso-
innerhalb der Kapsel ein ca. 3–5 dB(A) höherer Geräusch- lut dicht sein.
pegel gemessen. Diese Geräuscherhöhung in der Kapsel Wird der Abgasschalldämpfer außerhalb der Motorkapsel
kann durch Absorptionsmaterialien innerhalb der Kapsel angeordnet, so ist auch das Oberflächengeräusch des Schall-
vermindert werden. Das Geräusch in der Kapsel regt die dämpfers mit zu betrachten. Maßnahmen an der Oberfläche
Kapselwände zu Schwingungen an. Diese werden dann in des Schalldämpfers wie z. B. Doppelwände mit oder ohne
verminderter Stärke von der Kapseloberfläche nach außen Zwischenschichten ergeben häufig nur unzureichende Ver-
abgestrahlt. besserungen. In den meisten Fällen ist eine Kapselung auch
Das Ausmaß dieser Verminderung wird als Wanddäm- des Abgasschalldämpfers notwendig.
mung bezeichnet. Das Dämm-Maß ist frequenzabhängig
und wird hauptsächlich vom Flächengewicht und der Biege- Mündungsgeräusche
steifigkeit der Wand bestimmt. Als Wandmaterial für Kapse-
lungen erweist sich 1mm starkes Stahlblech als gut geeignet. Als Mündungsgeräusche werden die Ansaug- und Abgasge-
Weiter erhöhte Schalldämm-Maße können z. B. mit mehr- räusche bezeichnet. Das Vorgehen zu deren Reduktion un-
schichtigen Wänden erreicht werden [16-66]. terscheidet sich für den gekapselten Motor nicht von dem für
Für die Kapseloberfläche muss aus akustischen wie den ungekapselten Motor (s. Abschn. 16.4.1). Jedoch muss
aus Festigkeitsgründen durch entsprechende konstruktive am Kapselmotor ein wesentlich besseres akustisches Ergeb-
554    16 Geräuschemission von Dieselmotoren

nis erreicht werden. Die Mündungsgeräusche müssen etwa ebenfalls Maßnahmen zur Geräuschreduzierung, da es bei
um den gleichen Betrag verbessert werden, um den auch das voller abzuführender Wärmemenge deutlich lauter als der
Gesamtgeräusch durch die Kapselung reduziert werden soll. gekapselte Motor sein kann. Zu- und Abluftschalldämpfer
Der Abgasschalldämpfer an einem Kapselmotor ist übli- wirken durch Absorptionsmaterialien. Hierfür kommt
cherweise an oder in der Kapselkonstruktion integriert, da Schaumstoff bzw. Mineralwolle zum Einsatz. Die Wirkung
dem Kunden ein komplettes Antriebsaggregat zur Verfü- des Schalldämpfers wird durch Umlenkungs- oder auch
gung gestellt werden soll [16‑67]. Damit entfällt am Kapsel- Querschnittssprünge verstärkt. Die Schalldämpfer können
motor die z. B. an Fahrzeugen übliche Möglichkeit, durch bei Kenntnis der Abmessungen, Lufttemperaturen und
Abstimmung von Volumina und Leitungslängen eine gute Materialeigenschaften ausreichend genau vorausberechnet
Geräuschreduktion des Abgasschalles zu erzielen. Die Aus- werden [16‑66].
legung der Abgasschalldämpfer ist auch heute noch weitge- Innerhalb der Kapsel muss zur einwandfreien Kühlung
hend Erfahrungssache und Versuchsarbeit. des Motors eine sorgfältige Trennung in warme und kalte
Auch beim Ansauggeräusch ist es notwendig, gegenüber Räume vorgenommen werden. Dies ist notwendig, damit
dem ungekapselten Motor ein um mindestens 10 dB(A) nicht z. B. die Wärme des Abgasschalldämpfers die Verbren-
verbessertes Geräuschergebnis zu erzielen. Gekapselte luft- nungsluft aufheizt.
gekühlte Motoren sind mit geräuschmindernden Zuluftstre-
cken für die Kühlluft ausgestattet. Hier bietet es sich an, die 16.5.3 Einbau und Wartung des Motors
Verbrennungsluft erst innerhalb der Kapsel anzusaugen, um
so die akustische Wirkung der Absorptionsstrecke für die Die Forderung nach einwandfreier Körperschallisolation des
Kühlluft auch für die Verbrennungsluft mit auszunutzen. In Motors vom angetriebenen Gerät bekommt bei Anwendung
diesem Fall müssen die Querschnitte des Zuluftkanals der eines Kapselmotors besonderes Gewicht, da andernfalls die
Gesamtluftmenge angepasst werden. Die Verbrennungsluft Schallabstrahlung des Gerätes so groß werden kann, dass sie
darf sich innerhalb der Kapsel nicht wesentlich erwärmen. die Vorteile der Motorkapselung zunichte macht.
Bei der Absenkung des Motorgeräusches um 10 dB(A)
Geräusche durch Motorkühlung oder mehr durch eine Kapselung kommt das Geräusch des
Motors in Bereiche, in denen das Geräusch der angetrie-
Neben der Kühlung des Grundmotors sind besonders Grenz- benen Maschine nicht mehr in allen Fällen vernachlässigbar
temperaturen für Gummiteile, Dichtungen, Keilriemen, elas­ ist. Zunächst muss hier durch eine sorgfältige Planung des
tische Motorlagerung, Anbauteile, wie z. B. Lichtmaschine Gerätes mit Kenntnis der Geräuschpegel der angetriebenen
und elektronischen Spannungsregler zu beachten. Auch die Maschine festgestellt werden, welche anderen Teile außer
Oberflächentemperatur einer Schallkapsel ist niedrig zu hal- dem Motor noch einer Geräuschsenkung bedürfen, um das
ten. Insbesondere nach dem Abstellen aus Volllast können gewünschte Gesamtergebnis zu erreichen. Die Motorkap-
hier stark erhöhte Temperaturen möglich sein. Da diese vom seln können so gestaltet sein, dass sie kleinere angetriebene
Benutzer nicht erwartet werden, kann aus Sicherheitsgrün- Geräte, z. B. Hydraulikpumpen, in sich aufnehmen können.
den ein Berührschutz notwendig werden. Die Wartungsstellen an einem Kapselmotor sind so zu
Die Ablufttemperatur beim Austritt aus dem Kühlsystem gestalten und anzuordnen, dass sie ohne zusätzlichen Auf-
ist beim wassergekühlten Motor niedriger als beim luftge- wand erreichbar sind. Dies gilt besonders für häufig benö­tig­
kühlten Motor. Da wegen der höheren Ablufttemperatur te Teile wie z. B. den Ölpeilstab, der ohne Öffnen der Kapsel
mehr Wärme pro durchsetzte Luftmenge abgeführt wird, erreichbar sein sollte. Die dadurch aus der Kapsel herausra-
ergeben sich für den luftgekühlten Motor kleinere notwen- genden körperschallbehafteten Teile des Motors müssen
dige Luftmengen. Damit werden auch die notwendigen Zu- eine möglichst kleine schallabstrahlende Fläche aufweisen,
und Abluftschalldämpfer kleiner als beim wassergekühlten damit das von ihnen abgestrahlte Geräusch gering bleibt.
Motor. Weitere Wartungsstellen, zu denen seltener ein Zugriff
Bei der Anordnung des Kühlsystems außerhalb der Kap- notwendig ist, wie z. B. Ventildeckel (Ventilspiel), werden
sel (wassergekühlter Motor) ist eine zusätzliche Kapselbelüf- hinter leicht zu öffnenden Deckeln der Kapsel angeordnet
tung notwendig. Hier bieten sich kleine elektrisch angetrie- (Bild 16‑17).
bene Lüfter an. Für die Luftöffnungen sind Zu- und Abluft-
schalldämpfer notwendig – nicht wegen des (geringen) 16.5.4 Teilkapselung
Geräusches des Lüfters, sondern um das laute Geräusch
innerhalb der Kapsel nicht nach außen dringen zu lassen. Teilkapseln werden eingesetzt, um mit möglichst geringen
Ein außerhalb der Kapsel liegendes Kühlsystem benötigt Kosten ein begrenztes akustisches Ziel zu erreichen. Als ein
16 Literatur    555

häufig anzutreffendes Beispiel können hier kleine Stromag- die eine hohe Dämpfung im Resonanzfall mit niedriger
gregate genannt werden, die beim Einsatz auf Baustellen in- Übertragungssteifigkeit verbinden (z. B. [16‑58], [16‑59]),
nerhalb der EG einen Schallleistungspegel von LWA aber aus Kosten- und Bauraumgründen seltener eingesetzt
≤ 100 dB(A) (elektrische Leistung >2kVA) einhalten müs- werden. Eine andere Möglichkeit der Reduktion der Kör-
sen. Da die antreibenden Dieselmotoren in ihrem Geräusch- perschallübertragung über die Motorlagerung besteht in der
pegel nur gering über diesem Grenzwert liegen, kann mit Verwendung von Tilgern oberhalb der Lagerung [16‑60].
mehreren einfachen Teilkapseln die Einhaltung des Grenz- Auch eine entsprechende Anordnung der Motorlager kann
wertes für das Generatoraggregat sichergestellt werden. die Anregung der Karosserie bzw. Fahrerkabine z. B. durch
Häufig werden Abdeckungen des Zylinderkopfes, des das Leerlaufrütteln des Motors verringern („Neutral Tor-
Schalldämpfers, des Luftfilters inklusive des Ansaugrohres que-Axis“).
eingesetzt. Oft werden auch Teilkapselmaßnahmen mit pri-
mären Geräuschminderungsmaßnahmen verbunden (z. B. Literatur
körperschallisolierte Ölwannen).
Die Anwendung der Teilkapselmaßnahmen führt zu 16-1 Möse, R.: Sonderstellung des Lärms im Umweltge-
Geräuschminderungen um bis zu 4 dB(A). Bei einem sol- schehen. AVL-Tagung Motor und Umwelt Graz 1990
chen Konzept sind wesentliche Teile der Motoroberfläche 16-2 Gottlob, D.: Verkehrslärmimmissionen – Gesund-
nicht abgedeckt. Besondere Kühlungsmaßnahmen sind heitliche Auswirkungen, Gesetzgebung in Deutsch-
dabei noch nicht erforderlich. land. AVL-Tagung Motor und Umwelt Graz 1996
16-3 Spessert, B.: Auf dem Weg zum leisen Motor. 2. Sym-
16.6 Geräteseitige Motorgeräuschdämmung posium Motor- und Aggregateakustik, Magdeburg:
Haus der Technik 2001
Der Dieselmotor ist immer eine wesentliche und häufig so- 16-4 Spessert, B.: Noise Reduction Potential of Single
gar die wichtigste Geräuschquelle des von ihm angetriebenen Cy­linder DI Diesel Engines. Small Engines Techno-
Fahrzeuges oder Aggregates. Nur in den seltensten Fällen logies Conference 03SETC-19 (2003)
lassen sich die akustischen Anforderungen an Fahrzeuge 16-5 Spessert, B.; Pohl, M.: Akustische Untersuchungen
oder Aggregate erfüllen ohne entweder eine Motorkapselung an Einzylinder-Industriedieselmotoren. 4. Sympo­
(s. Abschn. 16.5) oder eine Motorgeräuschdämmung durch sium Motor- und Aggregateakustik, Magdeburg:
eine entsprechende Gestaltung des Einbauraumes. Hierzu Haus der Technik 2005
bestehen sehr vielseitige Möglichkeiten, die vom jeweiligen 16-6 Spessert, B.: Noise Emissions of Engines in Different
Einsatzfall, dem zur Verfügung stehenden Bauraum, dem Vehicle Groups: Historical Review, State of the Art
notwendigen Umfang der Geräuschpegelabsenkung usw. ab- and Outlook. FISITA Congress Helsinki 2002
hängen. 16-7 Spessert, B. et al.: Development of Low Noise Diesel
In irgendeiner Art und Weise sind heute fast alle Motor- Engines Without Encapsulations. CIMAC Congress
räume akustisch optimiert. Die für die akustischen Maßnah- London 1993
men im Motorraum in Kauf zu nehmenden Mehrkosten 16-8 Moser, F.X.; Spessert, B.; Haller, H.: Möglichkeiten
könnten allerdings durch den Einsatz eines leiseren Motors der Geräuschreduzierung an Nutzfahrzeug- und
oft deutlich reduziert werden [16‑8], [16‑52]. Der Vorteil Industriedieselmotoren. AVL-Tagung Motor und
eines akustisch relativ günstigen Motors wird dabei umso Umwelt Graz 1996
größer, je höher die Anforderungen an die Geräuschemis­ 16-9 Flotho, A.; Spessert, B.: Geräuschminderung an
sion des Fahrzeuges, Aggregates oder Gerätes sind. „Lärm­ direkteinspritzenden Dieselmotoren. Automobilin-
arme“ Fahrzeuge, Aggregate oder Geräte sind deshalb dustrie, (1988) 4 u. (1988) 5
praktisch immer mit „leisen“ Motoren ausgerüstet. 16-10 Wolschendorf, J.: Zyklische Schwankungen im Ver-
Außer durch Geräuschabstrahlung seiner Oberfläche und brennungsgeräusch von Dieselmotoren und ihre
durch aerodynamische Geräuschanregungen erzeugt ein Ursache. Diss. RWTH Aachen 1990
Verbrennungsmotor auch dadurch Geräusche, dass er über 16-11 Schlünder, W.: Untersuchungen des direkten Ver-
seine Lagerung das Fundament und damit die mit dem Fun- brennungsgeräusches an einem Einzylinder-Diesel-
dament verbundenen Motorraumwände, Bedienungskabi- motor. Diss. RWTH Aachen 1986
nen etc. zur Geräuschabstrahlung anregt. Allgemein üblich 16-12 Schneider, M.: Resonanzschwingungen der Zylinder-
sind Motorlagerelemente aus Natur- oder Kunstkautschuk. ladung von Dieselmotoren und ihre Bedeutung für
Aus akustischer und schwingungstechnischer Sicht häufig das Verbrennungsgeräusch. Diss. RWTH Aachen
noch günstiger sind hydraulisch dämpfende Lagerelemente, 1987
556    16 Geräuschemission von Dieselmotoren

16-13 Miculic, L.: High Power Diesel Engines for Onroad 16-31 Wilhelm, M.; Spessert, B.: Vibration and Noise Exci-
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16-62 Thien, G.E.; Fachbach, H.A.; Gräbner, W.: Kapsel­
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einigung Verbrennungskraftmaschinen (1979) 262
16-63 Donath, G.; Fackler, M.: Geräuschminderung an
mittelschnellaufenden Dieselmotoren durch Teilver-
schalung. BMFT-FB-HA 82-018 (1982) 9
Teil V Ausgeführte
Dieselmotoren

17 Fahrzeugdieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561
18 Industrie- und Schiffsmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . 619
17 Fahrzeugdieselmotoren

17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen Getrieben durch die gegen Ende des letzten Jahrhunderts
zunehmende Fokussierung auf energiesparende Antriebs-
17.1.1 Historie quellen im Hinblick auf Ressourcenschonung und Reduzie-
rung der klimarelevanten CO2-Emissionen erlebte der Die-
Nach seiner ersten betriebsfähigen Ausführung im Jahr 1897 selmotor im Pkw immer wieder kurzzeitige Achtungserfolge
wurde der Dieselmotor relativ spät als Pkw-Antrieb einge- ohne sich jedoch wirklich durchzusetzen. Der eigentliche
setzt. Erst mit der Serieneinführung der ersten dieselmoto- Durchbruch gelang dann in der zweiten Hälfte der 90er
risch angetriebenen Personenkraftwagen im Jahr 1936 ge- Jahre mit der serienmäßigen Verfügbarkeit neuer Hoch-
lang es, den Dieselmotor auch in diesem Segment als alterna- druckeinspritzsysteme, wie Pumpe‑Düse‑Systeme und vor
tives Antriebskonzept den damals dominierenden Ottomo- allem der Common Rail-Einspritztechnologie, der damit
toren entgegenzusetzen. ermöglichten Umstellung auf Direkteinspritzung sowie der
Die Voraussetzungen dafür waren die durch Bosch aufge- Entwicklung innovativer Abgasturbolader mit variablen
griffene Entwicklung und Fertigung der Einspritztechnik Turbinenleitapparaten.
(1927) möglich gewordene, zeitlich hochpräzise Dosierung der Durch diese neuen Technologien konnten die kundenre-
Kraftstoffmasse und die Beherrschung der Gemischbildungs- levanten Gebrauchseigenschaften von dieselgetriebenen
und Verbrennungsvorgänge bei relativ hohen Drehzahlen Pkw enorm verbessert werden. In Bild 17‑1 ist diese ein-
durch Anwendung der auf L‘Orange zurückgehenden Untertei- drucksvolle Entwicklung für Leistung, Drehmoment, Kraft-
lung des Brennraumes in Vorkammer und Hauptbrennraum. stoffverbrauch und Emissionsverhalten dargestellt.

Bild 17-1
Entwicklung der Gebrauchseigen-
schaften von Pkw-Dieselmotoren
562    17 Fahrzeugdieselmotoren

17.1.2 Fahrzeugspezifische Anforderungen Die Umweltverträglichkeit von Personenkraftwagen ist


unter den genannten Kriterien von zunehmend größerer
17.1.2.1 Eigenschaftskriterien Bedeutung. Die Teilaspekte beziehen sich auf die Abgas-
und Geräuschemission und die Schonung der Ressourcen
Der Dieselmotor als Pkw-Antriebsaggregat steht in konzep- durch Betrieb, Altstoff‑Recycling und Entsorgung bzw.
tioneller Hinsicht in vielfältiger Wechselbeziehung zum sparsamen Rohstoffeinsatz und Energieaufwand bei der
Fahrzeug über verschiedene Subsysteme (Getriebe, Fahr- Herstellung. Die Konstruktion und das Arbeitsverfahren des
werk, usw.). Die Anforderungen an die Auslegung des An- Motors werden hierdurch, je nach Anforderungsstufe,
triebsmotors müssen deshalb von den allgemeinen Eigen- wesentlich bestimmt.
schaftskriterien des Fahrzeuges und den Aspekten der Kraft- Unter den vielfältigen Anforderungen, die an das Fahr-
übertragung – im Wesentlichen Bauart und Charakteristik zeug bezüglich Gefälligkeit gestellt werden, sind das Motor-
des verwendeten Getriebes - abgeleitet werden. Die Grund- und Motorraumdesign für die Konstruktion des Motors von
anforderungen an das Fahrzeug bezüglich Produkteigen- Bedeutung. Sie führen zu eigenständigen und individuellen
schaften beziehen sich auf Kriterien wie Transportleistung, Lösungen sowohl bei der Anordnung der Aggregate als auch
Sicherheit, Komfort, Betriebssicherheit und Umweltverträg- bei der Gestaltung der Bauteile.
lichkeit. Einen zusätzlichen nicht zu vernachlässigenden Aspekt
Die einzelnen Themenkreise lassen sich danach auf wei- stellt auch die geometrische Ähnlichkeit der Pkw‑Dieselmo-
tere Teilaspekte aufschlüsseln. Daraus können dann die toren mit den i. d. R. in den gleichen Fahrzeugen zum Ein-
motorrelevanten Kriterien abgeleitet werden. Mit der Funk- satz kommenden Ottomotoren dar. Dies gilt im Besonderen
tionsanforderung an die Transportleistung sind Fahrleistung, für die Außenabmessungen der Motoren und für die Schnitt-
Energieeinsatz und Energieumwandlung angesprochen. stellen zum Fahrzeugkühlsystem, zur Ansaugluftführung,
Anforderungen an die Fahrzeugsicherheit haben auch für zur Abgasanlage und zu den meistens aus demselben Bau­
die Kraftübertragung Konsequenzen. Sie betreffen zum Bei- kasten stammenden Handschalt- und Automatikgetrieben.
spiel: Konsequenter Leichtbau ist in diesem Zusammenhang
– das Ansprechverhalten des Motors und die Dosierbarkeit ebenfalls ein wichtiger Baustein. Nur wenn es gelingt, das
der Motorleistung, Mehrgewicht der Dieselmotoren auf sehr geringen Niveau
– die Übertragung des Antriebsmomentes auf die Fahrbahn zu halten, können bei Verwendung einheitlicher Fahrwerks-
oder auch komponenten über eine Fahrzeugbaureihe hinweg auch bei
– adäquate Notfahrstrategien im Fehlerfall. Einsatz von Dieselmotoren vergleichbar gute Fahrdynamik­
eigenschaften erzielt werden.
Ebenfalls ist die Brandsicherheit ein wichtiger Aspekt für die
Motorkonstruktion. 17.1.2.2 Aspekte der Antriebsauslegung
Die Erfordernisse an den Komfort sind vielfältig. So ist
Fahrkomfort motorseitig durch das Schwingungsverhalten Infolge der unterschiedlichsten Betriebsverhältnisse eines
des Antriebsstranges zu beeinflussen. Der Bedienungskom- Personenkraftwagens wie:
fort bezieht sich auf Kraft-Weg-Charakteristiken (z. B. Fahr- – Anfahren,
pedal) und auf die Erleichterungen bei der Bedienung (z. B. – Beschleunigen,
automatisiertes Vorglühen vor dem Motorstart). Durch den – Überwinden von Steigungen und
Klimakomfort wird der Bedarf an Heiz- und Kühlleistung – Halten von konstanten Geschwindigkeiten
definiert, der durch die Konstruktion des Motors sicherzu-
stellen ist. Schließlich ist der Akustikkomfort des Fahrzeuges werden an die Zugkraft eines Fahrzeuges Anforderungen ge-
von Bedeutung, der durch die entsprechenden schalltech- stellt, die vom Motor mit seiner Leistung in einem breiten
nischen Eigenschaften des Motors maßgebend beeinflusst Drehzahlbereich erfüllt werden müssen.
werden kann. Die Leistung eines Kraftfahrzeuges kann aus dem Zug-
Die Anforderungen an die Betriebssicherheit des Fahr- kraft-Geschwindigkeits­diagramm (auf den Motor bezogen:
zeuges können nach zwei Kategorien unterschieden werden: Drehmoment über Motordrehzahl) abgeleitet werden.
die Langzeitqualität und die Gebrauchsqualität unter Son- Danach haben Drehmomentcharakteristik und maximale
derbedingungen. Unter diesen Aspekten sind daher die Drehzahl bzw. der Betriebsdrehzahlbereich des Motors
Anforderungen an Zuverlässigkeit, Lebensdauer, Funktions- wesentlichen Einfluss auf die Festlegung der Gangstufen,
stabilität, Systemdiagnose und Wartungsfreundlichkeit ihre Anzahl als auch auf die Größe der einzelnen Überset-
(Umfang, Häufigkeit und Zugänglichkeit) festzulegen. zungen des Getriebes. Das Zusammenwirken von Motor
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 563

und Getriebe macht sich in der Steigfähigkeit und im toren, in erster Linie getrieben durch die fahrzeugseitigen
Beschleunigungsvermögen sowie in der Anfahrfähigkeit des Randbedingungen, vermehrt die V-Bauweise Verwendung.
Personenkraftwagens bemerkbar. Aus thermodynamischer Sicht ist das größere Hubvolu-
Motorseitig gute Voraussetzungen für eine Pkw-gerechte men aus Gründen des kleinen Oberflächen-Volumen-Ver-
Abstimmung des Antriebsstranges sind zum Beispiel dann hältnisses (Maß für die Wärmedichtheit) und der kom-
gegeben, wenn: pakten Gestaltungsmöglichkeit des Brennraumes grund-
– die Momentenkurve eine Charakteristik aufweist, die mit sätzlich anzustreben. Außerdem ist die hubraumstarke
fallender Drehzahl bis zu ihrem Maximum, möglichst bei Auslegung des Motors im Hinblick auf das gute Anfahrver-
niedriger Drehzahl (nMmax/nmax ca. 0,4 bis 0,5), ansteigt mögen und die niedrige Leerlaufdrehzahl bei hohem Leis-
und tungsbedarf der Nebenaggregate (Lenkhilfepumpe, Klima-
– die maximale Motordrehzahl bzw. der für den im anlage usw.) sowie für den guten Startvorgang wünschens-
Hauptfahrbetrieb relevante Drehzahlbereich hinreichend wert. Andere Aspekte sprechen für kleine Zylinderhubvolu-
groß für eine optimale Getriebeauslegung (Anzahl der mina. Das wichtigste Argument dafür liegt in der „Betriebs-
Übersetzungsstufen, Übersetzung) gewählt ist. punktverlagerung“, die in Verbindung mit der Aufladung
zur Senkung des Kraftstoffverbrauches und der Emissionen
17.1.3 Konzeptionelle Merkmale des Fahrzeuges genutzt werden kann. Die Aufladung dient
von Pkw-Dieselmotoren hier dazu, dass die Leistung bei entsprechend geringem
Hubraum gleichgehalten bzw., dass ein höheres Momenten-
17.1.3.1 Motorgröße und Schnellläufigkeit angebot genutzt wird, um eine größere Gesamtübersetzung
zu wählen. Die beiden prinzipiellen Möglichkeiten zur Ver-
Unter den verschiedenen Dieselmotorengattungen (lang- brauchsreduzierung sind in Bild 17-2 verdeutlicht.
sam-, mittelschnell-, schnelllaufende Dieselmotoren) sind In das schematisch dargestellte Motorkennfeld sind in der
Motorgröße und Drehzahlniveau das herausragende Unter- linken Hälfte zwei Fahrwiderstandslinien eingezeichnet, die
scheidungsmerkmal. aus unterschiedlichen Hinterachsübersetzungen herrühren,
Pkw-Dieselmotoren werden mit einem Zylinder-Hub- zusammen mit einer Linie konstanter Motorleistung. Man
rauminhalt von etwa 0,3 dm3 bis 0,55 dm3 ausgeführt. erkennt sofort, dass man durch die höhere Gesamtüberset-
Während früher fast ausschließlich Vier-, Fünf- und zung bei reduzierter Drehzahl und erhöhter Last in ein
Sechszylinderversion i. d. R. in Reihenbauweise eingesetzt Gebiet niedrigeren spezifischen Verbrauchs vorstößt. Das
wurden, hat sich die Angebotspalette in den letzten Jahren Gleiche ist in der rechten Bildhälfte für zwei unterschied-
mit Drei-, Acht- und sogar Zehnzylindermotoren deutlich liche Hubvolumina verdeutlicht. Bei einer Verkleinerung
ausgeweitet. Zusätzlich findet bei den Sechszylindermo- des Hubvolumens wird der Betriebspunkt zu einer höheren

Bild 17-2
Möglichkeiten der Betriebspunktver-
lagerung
564    17 Fahrzeugdieselmotoren

Last, d. h. in einen Bereich mit besserem Motorwirkungs- 17.1.3.2 Gemischbildungs- und Verbrennungsverfahren
grad, gelegt. Bei leistungsgleichen, aber im Hubraum ver-
schieden bemessenen Motoren kann die Verschiebung zu Im Hinblick auf die hohe Motordrehzahl und die damit ver-
einer beträchtlichen Verbrauchssenkung führen, wie das bundene sehr kurze Zeitspanne für den Arbeitsprozess ist
eingetragene Beispiel für den Übergang vom 2,5 dm³ freisau- das Gemischbildungs- und Verbrennungsverfahren bei Pkw-
genden auf einen 1,6 dm³ turboaufgeladenen Dieselmotor Dieselmotoren von zentraler Bedeutung. Durch das jeweils
zeigt. Danach reduziert sich der Fahrzeugverbrauch ohne gewählte Verfahren werden die Drehzahlgrenze, der Kraft-
Beeinträchtigung der Fahrleistung um 16%. stoffverbrauch, die Abgaszusammensetzung und das Ver-
Ein weiterer vorteilhafter Effekt – nämlich eine Emissi- brennungsgeräusch bestimmt. Dabei sind die für große und
onsreduktion – resultiert im niedrigen Teillastgebiet aus der langsam laufende Motoren entwickelten Systeme auf Pkw-
Verringerung des Massendurchsatzes infolge des kleineren Diesel nicht übertragbar: Einerseits ist die Anordnung der
Hubvolumens, da die Gesamtemission ein Produkt aus Mas- Ventile und der Düse bei kleinen Zylindereinheiten nach
sendurchsatz und Konzentration ist. Die mittlere Kolbenge- dem Schema der geometrischen Ähnlichkeit nicht realisier-
schwindigkeit als Maß für die Schnellläufigkeit liegt für Pkw- bar, andererseits reicht die geringe Gemischbildungsintensi-
Dieselmotoren in einem Bereich von 13 bis 15 m/s. Sie steht tät wegen des Zündverzuges bei hoher Drehzahl nicht aus,
in enger Beziehung zu der maximalen Drehzahl des Motors. um die Verbrennung rechtzeitig zu beenden.
Die Wahl der maximalen Motordrehzahl hat wiederum Nachdem über lange Jahre für die Pkw‑Anwendungen
weitgehende Konsequenzen auf die Auslegung des ausschließlich die sog. Nebenkammerverfahren (Zweikam-
Antriebsstranges. merverfahren) – dezentral angeordnete Wirbelkammer
Zur Erläuterung dient Bild 17‑3, in dem die dimensions- oder zentrale Vorkammer – dominierten, hat sich das Bild
losen Motorkennfelder für zwei Motoren mit hoher und in den letzten zehn Jahren in Gänze gewandelt.
niedrigerer Nenndrehzahl dargestellt sind. Die relative Ver- Mit der Verfügbarkeit moderner Hochdruckeinspritzsys­
kleinerung des für den Fahrbetrieb nutzbaren Drehzahlbe- teme hat sich die Direkteinspritzung innerhalb weniger
reiches bei niedriger Nenndrehzahl macht entweder eine Jahre rasant durchgesetzt. Neben dem Hauptmotivator –
weitere Übersetzungsstufe (6. Gang) oder in den niedrigen dem im Vergleich zu Nebenkammerverfahren um ca. 15%
Gängen sehr weit gespreiztes Getriebe notwendig. besseren Wirkungsgrad – haben diese modernen Direktein-
spritzbrennverfahren auch deutliche Vorteile bezüglich Leis­
tungsdichte und Niedrigstemissionen. Wegbereiter für die

Bild 17-3
Einfluss des nutzbaren Drehzahlbe-
reichs auf die Getriebeauslegung
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen    565

Umsetzung dieser hocheffizienten sauberen und leistungs- klassigen Schwingungsverhalten auch Gewichts- und
starken Pkw‑Direkteinspritzmotoren war zweifellos die Ent- Kostenvorteile aufweist. Zusätzlich dazu hat er deutliche
wicklung von hochflexiblen Hochdruckeinspritzsystemen Vorteile in der Anordnung der luft- und abgasführenden
mit Einspritzdrücken von derzeit bis zu 1800 bar (vgl. Bauteile. Andererseits ist die gegenüber V6-Motoren größe-
Abschn. 5.3). Aber auch die deutlich gesteigerte Leistungsfä- re Motorbaulänge für viele Fahrzeughersteller ein Hinde-
higkeit des elektronischen Motormanagements stellt einen rungsgrund die Reihenbauweise anzuwenden.
wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung dar. Vielfach mitentscheidend ist auch der ideale Fertigungs-
verbund. Hier ist vom Hersteller zu entscheiden, ob sich
17.1.4 Motorkonzeption bezüglich Gesamtkostenoptimum und der erforderlichen
Stückzahlflexibilität eine Verbundfertigung zwischen Reihe
Die wesentlichen Schwerpunkte bei der Konzeption und 4- und Reihe 6-Zylindermotor oder aber zwischen V6- und
Entwicklung von Pkw-Dieselmotoren können auf die fol- V8-Motor besser darstellt.
genden Themenfelder zusammengefasst werden: Ein weiterer entscheidender Faktor für die Grundmotor-
– hochbelastbare, kompakte Grundmotorkonstruktion, konzeption ist die angestrebte Positionierung des Motors.
– Auslegung der Brennraumform und der Gemischbildungs­ Werden für Einstiegssegmente die Motoren für maximale
organe, Brennraumdrücke bis zu 150 bar ausgelegt, so sind die
– Kraftstoffhochdruckeinspritzsystem, Anforderungen im Premiumsegment mit einer Auslegung
– Aufladekonzept und Ladungswechselabstimmung, bis zu 180 bar deutlich anspruchsvoller. Dies hat Auswir-
– elektronisches Motormanagement mit den Schnittstellen kungen auf die Bauteilausführung, aber auch auf die zu
zum Fahrzeugbordnetzverbund und wählenden Materialien und Fertigungsverfahren.
– hocheffiziente Abgasnachbehandlung. Die Kernkomponenten stellen das Kurbelgehäuse und der
Zylinderkopf dar. Während für den Zylinderkopf durchgän-
Nachfolgend werden der Stand der Technik sowie ein Über- gig nur noch einteilige Zylinderköpfe aus Aluminiumlegie-
blick zu den heute gewählten Ausführungsformen dieser rungen verwendet werden, ist das Spektrum der technischen
Themenfelder dargestellt. Lösungen beim Kurbelgehäuse noch deutlich breiter.
Dieses reicht von Kurbelgehäusen aus Aluminiumdruckguss
17.1.4.1 Grundmotorkonstruktion für kleine, spezifisch nicht sehr hoch beanspruchte Motoren
über normalen Grauguss, hochbelastbaren Vermikulargrau-
Wie schon erwähnt finden heute Pkw‑Dieselmotoren je nach guss bis hin zu hochfesten Aluminiumspeziallegierungen,
Fahrzeugsegment in 3-, 4-, 5-, 6-, 8- bis hin zu 10-zylindriger die im Schwerkraftguss mit nachträglicher Wärmebehand-
Ausführung Verwendung. lung hergestellt werden und zunehmend mehr im Premium-
Je nach Zylinderzahl und Bauform sind unterschiedliche segment zum Einsatz kommen. Bild 17‑4 zeigt die konstruk-
Trends bei der Grundmotorkonstruktion erkennbar (vgl. tive Ausführung für solch ein High‑End‑Aluminiumkurbel-
Abschn. 8.1 und 8.2). gehäuse für einen R6- und einen V8-Zylindermotor.
Bei den 3- und 4-Zylindermotoren, die teilweise in sehr Die Abdichtung zwischen Zylinderkopf und Kurbelge-
kostensensitiven Fahrzeugen eingesetzt werden, kommen häuse stellte lange Zeit die Limitierung bezüglich der reali-
daher neben 4-Ventilmotoren immer noch auch eine erheb- sierbaren maximalen Brennraumdrücke dar. Durch den
liche Anzahl von 2-Ventilmotoren und damit unsymme- Ersatz der früher üblichen Weichstoffdichtungen durch
trischer Brennraumkonfiguration zum Einsatz. Im Motoren- mehrlagig ausgeführte Stahldichtungen konnte ein Quan-
segment mit 5 und mehr Zylindern dagegen gibt es prak- tensprung bezüglich der Abdichtsicherheit erreicht werden.
tisch nur noch Vierventilmotoren mit symmetrischer Die hohen Spitzendrücke stellen auch hohe Anforde-
Anordnung von Ventilen und Einspritzdüsen. rungen an die Komponenten des Kurbeltriebs. So werden
3-, 4- und 5-Zylindermotoren werden ausschließlich in fast ausschließlich hochbelastbare geschmiedete Stahlkur-
Reihenbauweise dargestellt, 8- und 10-Zylindermotoren nur belwellen eingesetzt. Die Pleuel werden i. d. R. an der Kur-
in V-Bauweise. Bei den 6-Zylindermotoren sind sowohl die belwellenlagerstelle in gecrackter Ausführung angewandt.
Reihen- als auch die V-Bauweise vertreten. Welche Bauweise Das kleine Pleuelauge wird sehr oft in Trapezform ausge-
bei 6-Zylindermotoren gewählt wird, hängt wesentlich von führt um einerseits eine optimale Einbindung in die Kolben-
zwei Haupteinflüssen ab, zum einem von den Einbaubedin- kontur zu erreichen und andererseits an der höher belas­
gungen in den darzustellenden Fahrzeugen und zum ande- teten unteren Lagerhälfte eine möglichst große Lagerfläche
ren von der Fertigungsstrategie. Der Reihensechszylinder ist zu erzielen. Die Kolben sind durchgängig aus hochbelast-
technisch die überlegene Lösung, da er neben seinem erst- baren Alumi­niumlegierungen (vgl. Abschn. 8.6). Eingegos-
566    17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-4
Aluminium-Kurbelgehäuse für hoch-
belastete Dieselmotoren

sene Ringträger sowie Kühlkanäle sind ebenfalls Standard. befindliche Lösung hat den Vorteil, dass der Nockenwellen-
Bild 17‑5 zeigt beispielhaft den Kolben-Pleuelverband für antrieb nahe am Schwingungsknoten der Kurbelwelle liegt
eine hoch belas­tete Anwendung. und daher die Drehungleichförmigkeit deutlich geringer ist
Nachdem die Erwartungen an den Vibrations- und als am vorderen Kurbelwellenende.
Schwingungskomfort bei Pkw‑Dieselfahrzeugen mittlerwei- Zusätzlich besteht die Möglichkeit, die Motorhöhe im
le ein ähnlich hohes Niveau wie für Ottofahrzeuge erreicht vorderen Bereich zu reduzieren und damit mehr Freiraum
haben, setzten sich Massenausgleichssysteme bei Reihen- für das Vorderwagendesign zu erhalten.
vierzylinder- und V6‑Motoren zunehmend durch. Im Hinblick auf möglichst geringe Reibleistungsverluste
Bei den Reihenvierzylindermotoren werden dabei fast werden die Ventile bei der Mehrzahl der Pkw‑Dieselmotoren
durchgängig sog. „add-on“-Systeme eingesetzt. Dabei han- über rollengelagerte Schlepphebel betätigt, siehe Bild 17‑8.
delt es sich um zwei in der Ölwanne angeordnete, von der Die Nebenaggregate wie Wasserpumpe, Generator, Lenk-
Kurbelwelle über Kette oder Zahnräder angetriebene gegen- hilfepumpe und Klimakompressor werden meistens über
läufig rotierende Ausgleichswellen. Vorteil dieser „add-on“- einen am vorderen Ende des Motors angeordneten
Lösungen ist der modulare Aufbau des Motors, sodass auf Poly‑V‑Riemen angetrieben.
sehr einfache Weise auf einer Fertigungslinie Motoren mit Für Fahrzeuge mit gehobenen Komfortansprüchen erfolgt
und ohne Ausgleichswellen – je nach Anforderung an den dies mit einer im Drehschwingungsdämpfer integrierten
Schwingungskomfort in den verschiedenen Fahrzeugan- entkoppelten Riemenscheibe. In Bild 17‑7 ist ein Beispiel für
wendungen – produziert werden können. Ein Beispiel einer einen modernen Drehschwingungsdämpfer mit entkop-
solchen Ausgleichswelleneinheit zur Reduzierung der Mas- pelter Riemenscheibe für einen Sechszylindermotor im
senkräfte zweiter Ordnung wird in Bild 17‑6 gezeigt. Bei Schnittbild dargestellt.
V6-Motoren kommt eine Ausgleichswelle zum Einsatz, Bild 17-8 zeigt einen Querschnitt durch einen aktuell
diese ist normalerweise im Kurbelgehäuse integriert. ausgeführten 4-Zylinder-Direkteinspritz-Dieselmotor.
Der Steuerungsantrieb erfolgt entweder über wartungs-
freie Kettenantriebe oder aber durch hochfeste Zahnriemen. 17.1.4.2 Brennraum und Gemischbildung
Der Antrieb über Kette bietet neben der Wartungsfreiheit
auch das Potential an der Motorrückseite angeordnet zu Die optimale Brennraum‑Konfiguration für einen moder-
werden. Diese in ersten Anwendungen schon am Markt nen Pkw-Direkteinspritzdieselmotor ist die vollkommen
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen    567

Bild 17-5
Konstruktive Ausführung Kolben-
Pleuelverband

Bild 17-7 Drehschwingungsdämpfer mit integrierter entkoppelter Riemen-


scheibe

Bild 17-6 Ausgleichswelleneinheit für 4‑Zylindermotor


568    17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-8
Motorquerschnitt

symmetrische Anordnung des Injektors und der Brenn- te dabei in den letzten Jahren massiv gesteigert werden.
raummulde im Kolben. Dies ist natürlich nur bei einer Aus- Waren früher Vorglühzeiten im Kaltstartfall von bis zu
führung mit vier Ventilen geometrisch möglich. Die Einlass- 20 Sekunden keine Seltenheit bewegen sich heute die erfor-
kanale werden aus dem Luftsammler heraus getrennt zum derlichen Glühzeiten auch bei sehr tiefen Außentempera-
Zylinderkopf geführt. Dies ermöglicht den Einsatz einer Ka- turen unter 5 Sekunden. Bild 17‑9 zeigt beispielhaft die
nalabschaltung, d. h. dass in bestimmten Kennfeldbereichen Charakteristik eines modernen Spontanglühsystems.
ein Kanal über i. d. R. stufenlos verstellbare Klappen ganz Der Kraftstoff wird über die Einspritzdüse betriebspunkt­
oder teilweise verschlossen werden kann. Die bei Direktein- abhängig mit verschiedenem Einspritzdruck und aufgeteilt
spritz‑Dieselmotoren für eine optimale Gemischbildung in derzeit bis zu fünf Einzeleinspritzungen pro Verbren-
sehr wichtige, gerichtete Luftbewegung im Brennraum, der nungsvorgang eingespritzt. Üblich sind dabei Einspritzdü-
Drall, kann damit gezielt für den jeweiligen Betriebsbereich sen mit sechs bis acht Düsenlöchern je nach Anwendung. In
eingestellt werden. Bild 17‑10 ist beispielhaft die Brennraumkonfiguration für
Die Auslasskanäle sind meistens in Zwillingsausführung einen Vierventilmotor gezeigt.
dargestellt, d. h. die Zusammenführung erfolgt bereits inner-
halb des Zylinderkopfes. Zweiventilmotoren haben insbe- 17.1.4.3 Hochdruckeinspritzung
sondere bezüglich der erreichbaren Zylinderladungsbewe-
gung deutlich geringere Freiräume, sodass diese heute nur Mit dem Durchbruch der Direkteinspritzung auch im Die-
mehr in den unteren Leistungsklassen bei kostensensitiven sel‑Pkw‑Bereich hatten sich drei unterschiedliche Hoch-
Motoren eingesetzt werden. druckeinspritzsysteme etabliert (vgl. Kap. 5 und 6). Neben
Zusätzlich zu den Ventilen und dem Einspritzinjektor ist dem mittlerweile dominanten Common Rail-System waren
die Anordnung einer Glühkerze (vgl. Kap. 12) im Brenn- dies noch die Hochdruckverteilerpumpe und das Pumpe‑
raum erforderlich. Neben der ursächlichen Aufgabe, im Düse-System. Während die Verteilerpumpe und das Pum-
Kaltstartfall den für einen sicheren Kaltstart notwendigen pe‑Düse-System zu den nockenbetriebenen Systemen zäh-
„Hotspot“ im Brennraum darzustellen, wird die Glühkerze len, bei denen die Druckerzeugung direkt an die Motordreh-
zunehmend auch während des Motorbetriebs beheizt um zahl und die Kurbelwellenposition gekoppelt ist, ermöglicht
betriebspunktabhängig den Verbrennungsablauf im Hin- das Common Rail System eine völlig freie Wahl des Ein-
blick auf das Geräusch- und Emissionsverhalten positiv zu spritzdruckes und des Zeitpunktes der Einzeleinspritzungen,
beeinflussen. Die Leistungsfähigkeit der Glühsysteme konn- unabhängig von Drehzahl und Kurbelwellenstellung.
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen    569

Bild 17-9
Spontanglühtechnologie

Die Hochdruckverteilereinspritzpumpe und das Pumpe-


Düse-System werden praktisch nicht mehr appliziert und
laufen für Pkw‑Anwendungen aus.
Die Kernkomponenten des Common Rail-Systems haben
zudem deutlich geringere Wechselwirkungen auf die Motor-
grundkonstruktion und lassen sich sehr flexibel in unter-
schiedliche Motorausführungen integrieren. Beispielhaft ist
die Anordnung der Hochdruckpumpe mit Antrieb über die
Steuerkette, das Rail mit integriertem Drucksensor sowie
dem Druckregelventil, der im Zylinderkopf positionierten
Injektoren sowie der dazugehörigen Hochdruckleitungen
für einen Reihensechszylinder- sowie einen V8‑Motor in
Bild 17‑11 dargestellt.
Der heute in Pkw-Dieselmotoren verwendete Druckbe-
reich reicht von 250 bar im leerlaufnahen Bereich bis zu
1800 bar im Nennleistungsbereich. Die Anzahl der verwen-
deten Einzeleinspritzungen pro Verbrennungsvorgang reicht
von einer Blockeinspritzung bis zu fünf Einspritzereignis-
sen. Während die der Haupteinspritzung vorgelagerten
Piloteinspritzungen i. d. R. der Absenkung des Verbren-
Bild 17-10 Brennraumkonfiguration 4-Ventilmotor
nungsgeräusches dienen, werden Nacheinspritzungen zur
Unterstützung des jeweils verwendeten Abgasnachbehand-
lungssystems eingesetzt.
Durch die steigenden Anforderungen bezüglich des Akus­
tik- und Schwingungsverhaltens, der erforderlichen wei- 17.1.4.4 Aufladung und Ladungswechsel
teren Reduzierung der Abgasemissionen und des Ver-
brauches sowie der Notwendigkeit den reibungslosen Neben der Hochdruckeinspritzung hat die Aufladung we-
Betrieb komplexer Abgasnachbehandlungssysteme mit ver- sentlich zur heutigen starken Marktposition von Pkw‑Die-
schiedenen Einspritzstrategien zu unterstützen, hat infolge selmotoren beigetragen (vgl. Kap. 2). Durch die begrenzte
dieser Systemflexibilität das Common Rail-System immens Hochdrehzahlfähigkeit und die Notwendigkeit des Mager-
an Bedeutung gewonnen. betriebs ist ein ausreichendes Frischluftangebot die Grund-
570    17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-11
Anordnung Common Rail Einspritz-
komponenten

voraussetzung für eine adäquate Leistungsausbeute. Zudem


ist das dieselmotorische Prinzip prädestiniert für Aufladung.
Durch die innere Gemischbildung und die Selbstzündung
sind auch hohe Aufladegrade problemlos darstellbar. Dies
hat dazu geführt, dass heute der freisaugende Dieselmotor
im Pkw praktisch vom Markt verschwunden ist.
Dominierend am Markt sind Abgasturbolader mit variab­
ler Turbinengeometrie. Bild 17‑12 zeigt ein Schnittmodell
eines ausgeführten Aggregates mit elektrischer Verstellein-
richtung des turbinenseitigen Leitapparates. Mit diesen
Turboladern ist die bei Pkw‑Motoren notwendige große
Drehzahlspanne mit sehr guten Turbinen- und Verdichter-
wirkungsgraden darstellbar. Zusätzlich kann der Leitappa-
rat in der Teillast geschlossen und durch den dabei erhöh-
ten Abgasgegendruck das Spülgefälle zwischen Abgas-
krümmer und Frischluftseite zugunsten einer höheren
Abgasrückführrate deutlich erhöht werden. Da die Abgas-
rückführung eine der wirksamsten NOx-Reduktionsmaß-
Bild 17-12 Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie
nahme bei Diesel­motoren ist, liefert diese Technologie auch
einen erheblichen Beitrag zur Umweltverträglichkeit der
Dieselmotoren.
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen    571

Bild 17-13
Zweistufige Abgasturboaufladung

Der Einsatz von Festgeometrieturbinen mit Wastegate‑Re- 17.1.4.5 Elektronisches Motormanagement


gelung nimmt daher zunehmend ab und ist heute auf das
Segment der Einstiegsmotorisierungen beschränkt. Neben den entscheidenden Verbesserungen, die bei der Belast-
Im Topsegment wird dagegen zunehmend versucht die barkeit der Motoren und den Einspritz- und Aufladetechnolo-
Aufladegrade weiter zu steigern. Die damit einhergehende gien erreicht wurden, haben natürlich auch die großen Fort-
Steigerung der spezifischen Leistungsausbeute ermöglicht schritte in der Elektronik maßgeblich zum Durchbruch des
hohe Potenziale zum Downsizing und wird dadurch weitere Dieselmotors als Antrieb für Pkw beigetragen (vgl. Kap. 6).
Beiträge zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der Seit der Erstanwendung von vollelektronisch geregelten
Abgasemissionen leisten. Dieselmotoren 1988 hat sich die Leistungsfähigkeit der
Eine viel versprechende Technologie dazu stellt die zwei- Mo­torsteuergeräte und auch die in ihnen enthaltene Funktio­
stufige Abgasturboaufladung dar, die bereits in ersten Seri- nalität vervielfacht. Zusätzlich zur ehemaligen Kernaufgabe,
enanwendungen eingesetzt wird. Bild 17‑13 zeigt das kennfeldbezogen die richtige Einspritzmenge zum richtigen
Schnittbild einer solchen Anwendung, bei der zwei hinter­ Zeitpunkt zuzumessen, übernehmen die Motorsteuergeräte
einander geschaltete, unterschiedlich große Turbolader für heute vielfältige Aufgaben im immer komplexer werdenden
hohe Ladedrücke im unteren Drehzahlbereich und zugleich Fahrzeugbordnetzverbund. Die Funktionsarchitektur eines
für hohe spezifische Leistungsausbeute im Nennleistungs- Pkw’s ist dabei hierarchisch strukturiert. Als oberste Ebene
bereich sorgen. Auch die sequentiell geschaltete Registerauf- fungiert ein Fahrzeugkoordinator, der die Fahrzeugbewe-
ladung mit zwei gleichgroßen Turboladern ist bereits in gung, den gesamten Antriebsstrang, die Karosseriefunktio­
einer ersten Serienanwendung auf dem Markt. nen und das elektrische Bordnetz kontrolliert. Für den
Eine Basistechnologie bei allen aufgeladenen Pkw‑Diesel- Antriebsbereich kommt dabei in vielen Fällen ein eigenes
motoren stellt die Ladeluftkühlung dar, dabei wird die Luft/ Bus-System, der Powertrain-CAN, zum Einsatz. Auf diesem
Luft‑Kühlung bevorzugt verwendet. Powertrain-CAN kommunizieren das Motor- und Getrie-
Für schwierige Packagebedingungen wird aber auch fall- besteuergerät und die Fahrdynamikregelsysteme. Bild 17‑14
weise auf die etwas aufwändigere Wasser/Luft-Ladeluftküh- zeigt schematisch den momentenbasierten Bordnetzver-
lung zurückgegriffen. Diese erfordert aber neben dem nor- bund. Systemkomponenten wie z. B. die Klimaanlage oder
malen Kühlmittelkreislauf noch einen zusätzlichen Nieder- der Generator kommunizieren mit den Systempartnern
temperaturkreislauf um die angestrebten niedrigen Ladeluft- über genau definierte physikalische Schnittstellen. Neben
temperaturen bei allen Fahrzuständen sicher zu erreichen. der dadurch möglichen exakten, bedarfsorientierten dreh-
572    17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-14
Bordnetzverbund

momentorientierten Steuerung des Antriebsstranges ist der der Gasgleichung eine vom Luftmassenmesser unabhängige
modulare Aufbau dieser Bordnetzarchitekturen sehr vorteil- Luftmasse ermittelt und die über der Fahrzeuglebensdauer
haft. Einzelne Komponenten können für verschiedene unvermeidbare Signaldrift des Luftmassenmessers durch
Motor- oder Getriebevarianten sehr einfach ausgetauscht die Software korrigiert.
werden.
Für die wesentlichen, verbrennungsrelevanten Parameter 17.1.4.6 Abgasnachbehandlung
des Einspritzsystems und auch des Luftsystems werden viel-
fach standardisierte Abgleichfunktionen und zunehmend Mit den steigenden Anforderungen im Hinblick auf mini-
auch selbst lernende Abgleiche eingesetzt. So wird jeder male Abgasemissionen hat auch bei den Dieselfahrzeugen
Einspritzinjektor am Ende seines Produktionsprozesses in die Abgasnachbehandlung immens an Bedeutung gewonnen
definierten Betriebspunkten exakt vermessen und die Ergeb- (vgl. Abschn. 15.5). Neben der konsequenten Optimierung
nisse in einem Data-Matrix-Code auf dem Injektor doku- des Verbrennungsprozesses auf niedrigste Rohemissionen
mentiert. Im Zuge der „Verheiratung“ des Steuergerätes mit sind dabei als wichtige Technologien eine hochwirksame ge-
dem fertigen Motor werden dann die Daten jedes einzelnen kühlte Abgasrückführung, ein möglichst motornah angeord-
Injektors eingelesen und im Steuergerät mit einem Korrek- neter Oxidationskatalysator, der Partikelfilter und ein
turwert belegt. Ein weiteres Beispiel stellt der im Betrieb NOx‑Reduktionssystem anzusehen.
selbst lernende Abgleich des Luftmassenmessers für die Bei der Abgasrückführung wird dabei ein Teil des Abgases
Erfassung der in den Zylinder eingebrachten Luftmasse dar. vor dem Abgasturbolader abgezweigt und über einen in den
Mit den Größen Drehzahl, Ladedruck und Lufttemperatur Kühlmittelkreislauf eingebundenen Abgas-/Wasserwärme-
wird regelmäßig in quasistationären Betriebszuständen aus tauscher wieder der Ansaugluft zugeführt.
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen    573

Durch diesen teilweisen Ersatz der Frischluftmasse durch einer späten Nacheinspritzung in Kombination mit einer
rückgeführtes Abgas kann die Stickoxidemission erheblich Ansaugluftdrosselung. Die zu treffenden Maßnahmen sind
gesenkt werden. Die Zumessung der Abgas‑Rückführmenge über das Motorkennfeld hinweg unterschiedlich und müs-
erfolgt i. d. R. über ein von der Motorsteuerung geregeltes, sen sorgfältig ausgewählt und abgestimmt sein. Zusätzlich
pneumatisch oder elektrisch betätigtes Rückführventil. Die sind Maßnahmen notwendig um auch die Zündwilligkeit
Abgasrückführung gehört streng genommen zu den inner- der eingelagerten Partikel zu verbessern. Dies wurde bei der
motorischen Maßnahmen zur Emissionsreduzierung. ersten Generation von Partikelfiltern durch die Zugabe
Die eigentliche Abgasnachbehandlung selbst erfolg dann eines Additivs zum Kraftstoff erreicht. Die Partikelfilter der
entweder nur mittels Oxidationskatalysator oder einer Kom- zweiten Generation dagegen verzichten auf diese Additivie-
bination von Oxidationskatalysator und Partikelfilter und rung. Bei ihnen schafft eine katalytische Beschichtung,
gegebenenfalls eines DeNOx‑Systems Obwohl die derzeit direkt auf dem Partikelfiltersubstrat, ausreichend gute Zünd-
gültigen EU4-Emissionsgrenzwerte in vielen Motor-/Fahr- bedingungen. Entscheidend für ein sicheres Betriebsverhal-
zeugkombinationen auch ohne Partikelfilter unterschritten ten der Partikelfilter ist eine optimale Beladungs- und
werden können, setzen die meisten Hersteller inzwischen Regenera­tionsstrategie. Im Motorsteuergerät wird während
auch den Partikelfilter ein. des Motorbetriebs kontinuierlich mittels eines Beladungs-
Als Oxidationskatalysatoren kommen platinbeschichtete modells die aktuelle Rußmasse im Filter errechnet. Sind
Substrate aus Corderit oder Metallfolien zum Einsatz. Nahe- etwa 70% der Beladungskapazität erreicht, wird begonnen,
zu alle heute eingesetzten Partikelfilter haben dagegen ein bevorzugt bei günstigen Temperaturbedingungen (hohe
Substrat aus dem deutlich temperaturbeständigeren Silizium­ Drehzahl, hohe Motorlast), die aktive Regeneration einzu-
karbid. Während der Oxidationskatalysator i. d. R. kontinu- leiten. Zusätzlich zum Beladungsmodell wird der Abgasge-
ierlich arbeitet benötigt der Partikelfilter eine diskontinuier- gendruck permanent überwacht, überschreitet dieser
liche Betriebsstrategie. Im normalen Motorbetrieb werden bestimmte Limits, wird ebenfalls eine aktive Regeneration
die Rußpartikel aus dem Abgas abgeschieden und im Parti- eingeleitet. Die üblichen Regenerationsintervalle betragen je
kelfilter eingelagert. Je nach Beladungszustand des Filters nach Fahrkollektiv bei additivgestützten Systemen zwischen
muss dann von Zeit zu Zeit eine aktive Regeneration, das 300 und 800 km, bei katalytisch beschichteten Partikelfiltern
heißt ein gezielter Abbrand der im Filter angesammelten zwischen 500 und 2000 km.
Rußmasse, erfolgen. Um die Regeneration durchzuführen Um beste Regenerationsbedingungen zu erreichen ist eine
wird über eine geänderte Betriebsstrategie temporär die motornahe Anordnung des Partikelfilters vorteilhaft.
Abgastemperatur des Motors über die Rußzündtemperatur Bild 17‑15 zeigt eine „closed-coupled“-Anordnung bei der
angehoben. Dies geschieht in erster Linie durch den Einsatz der Oxidationskatalysator, beschichteter Partikelfilter sowie

Bild 17-15
„Closed‑coupled“-Partikelfilter
574    17 Fahrzeugdieselmotoren

die zugehörige Sensorik für Druck, Temperatur und Luft­ einem außerstädtischen Zyklus (EUDC). Aus dem Sum-
überschuss (8-Sonde) in einem Gehäuse kombiniert sind. menverbrauch wird ein durchschnittlicher Wert in l/100 km
berechnet. In den USA ist der Kraftstoffverbrauch in mpg
17.1.5 Betriebsverhalten (miles per gallon, Umrechnung: 23,5 mpg = 10 Liter/100 km)
angegeben und in Form des Flottenverbrauchs limitiert. Er
17.1.5.1 Kraftstoffverbrauch und CO2 ergibt sich aus den stückzahlgewichteten Reichweiten per
Gallone der Fahrzeuge eines Herstellers.
Während die energiepolitische Diskussion um bessere Effi­ Bild 17‑16 zeigt die CO2–Emission im neuen europä-
zienz bei der Nutzung der fossilen Energieträger vor allem ischen Testzyklus über der Fahrzeugmasse für moderne
von der Sorge um die Erschöpfung der Erdölvorräte geprägt Diesel‑Pkw im Vergleich zu Ottomotoren. Der Vorteil des
war, ist sie heute zusätzlich von der Gefahr einer möglichen Diesel‑Pkw beträgt gegenüber Ottomotoren ca. 15 bis 25%.
globalen Klimaveränderung durch Kohlendioxid-Emis­ Aufgrund der höheren Dichte des Dieselkraftstoffes liegt der
sionen (CO2) bestimmt. Verbrauchsvorteil demzufolge zwischen 25 und 35% zuguns­
Da Kohlendioxid das Endprodukt jeder Kohlenstoffver- ten des Diesel‑Pkw.
brennung ist, steht der Kraftstoffverbrauch in unmittel- Ein zusätzlicher CO2-Emissionsvorteil für Dieselkraft-
barem Zusammenhang mit der CO2‑Emission und ist somit stoff in Höhe von 6% resultiert aus allen energieverbrau-
– neben der Abgasemission – der wichtigste umweltrele- chenden Prozessen von der Förderung bis zum Endver-
vante Faktor. brauch.
Der Kraftstoffverbrauch eines Pkw wird von einer Viel-
zahl von Einflussfaktoren bestimmt, die nicht allein mit dem 17.1.5.2 Abgasemission
Motor in Beziehung stehen. Diese sind:
– die Gesamtmasse sowie der Luft- und Rollwiderstand des Im Bemühen, die Luftqualität zu verbessern, wurden in den
Fahrzeuges, letzten Jahren deutliche Fortschritte auch bei der Reduzie-
– die Betriebspunktlage im Motorkennfeld, die sich in rung toxikologisch bedenklicher Emissionen erzielt. Der
Abhängigkeit der Auslegung des Antriebsstranges und des Dieselmotor hat von Natur aus sehr niedrige Emissionen an
Hubvolumens ergibt, Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffen (HC) und Stick-
– der Leistungsbedarf der Hilfsaggregate für das Fahrzeug oxiden (NOx) (vgl. Kap. 15).
(Generator, Lenkhilfepumpe, Klimakompressor, Unter­ Durch den Einsatz modernster Hochdruckeinspritzsys­
druck­pumpe) und teme, der Hochaufladung und hochwirksamer Abgasrück-
– die Fahrbedingungen, Verkehrsführung und individuelle führsysteme konnten diese in den letzten zehn Jahren weiter
Fahrweise. massiv abgesenkt werden. Der zusätzliche Einsatz von Oxi-
dationskatalysatoren und des Partikelfilters haben dazu
Die Energieeffizienz des Dieselmotors wird durch die Höhe geführt, dass der moderne Diesel‑Pkw bezüglich CO, HC
des spezifischen Kraftstoffverbrauchs im Minimum, d. h. und Partikelemission praktisch an der Nachweisbarkeits-
durch den maginalen effektiven Wirkungsgrad im Bestpunkt grenze liegt. Einzig bei der NOx-Emission liegt der Diesel-
des Verbrauchskennfeldes, pauschal charakterisiert. Die motor prinzipbedingt noch über dem Ottomotor, welche
Größe des Bestwirkungsgrades hängt hauptsächlich von der aber durch in naher Zukunft einzuführende DeNOx‑Syste-
Wahl und der Optimierungsgüte des Verbrennungsverfah- me deutlich reduziert wird.
rens und der Motorreibung ab. In Bild 17-17 sind anhand der Grenzwertentwicklung in
Die besten Verbrauchswerte liegen für direkteinspritzen- Europa für Partikel- und NOx-Emissionen die deutlichen
de Pkw‑Dieselmotoren bei ca. 200 g/kWh. Diese entspre- Verbesserungen ausgehend von EU1 bis zur Grenzwertstufe
chen einem effektiven Wirkungsgrad von bis zu 44%. Ein EU5 dokumentiert.
Mehrverbrauch entsteht während der Warmlaufphase als
Folge der ungünstigen Gemischbildung und der erhöhten 17.1.5.3 Leistungsverhalten
Reibung. Aus diesem Grund wird bei der Optimierung auch
die Warmlaufphase berücksichtigt. Im Hinblick auf einen Die Fahrleistung eines Personenkraftwagens wird nach den
guten Kraftstoffverbrauch im Fahrzeug wird eine Ausdeh- Kriterien des quasistationären und instationären Betriebes
nung der wirkungsgradgünstigen Bereiche angestrebt. beurteilt.
Seit Anfang 1996 wird der Kraftstoffverbrauch in einem Die quasistationären Fahreigenschaften, wie Anfahrbe-
neuen europäischen Testzyklus (MVEG-A) ermittelt. Dieser schleunigung, Elastizität, Höchstgeschwindigkeit und Steig-
kombinierte Zyklus besteht aus einem Stadtanteil (ECE) und fähigkeit am Berg, werden von der Höhe der Nennleistung
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen    575

Bild 17-16
CO2 Emissionen von Pkw

Bild 17-17
Entwicklung Emissionsniveau in
Europa
576    17 Fahrzeugdieselmotoren

und des maximalen Drehmomentes sowie der Volllastcha- abstrahlen. Für das mechanische Motorgeräusch sind die
rakteristik, d. h. vom Verlauf des Drehmomentes über der periodisch auftretenden Wechselkräfte im Triebwerk ver-
Drehzahl, maßgebend beeinflusst. antwortlich. Alle anderen, am Antrieb beteiligten Kompo-
Das Ansprechen auf eine geforderte Last- und Drehzahl- nenten, wie Getriebe, Antriebswelle, Differentialgetriebe
änderung (Ansprechverhalten) ist hingegen von jenen Träg- und Nebenaggregate sowie Ansaug- und Abgasanlage, gel-
heiten abhängig, die in der Form von Massenträgheitsmo- ten als Körperschallbrücken zur Fahrzeugkarosserie oder/
ment, Massenspeicher (Füllen und Entleeren) und thermi­ und als Luftschallabstrahler.
schen Speichern im System enthalten sind. Um guten Fahr- und Akustikkomfort zu erreichen, sind
Pkw‑Dieselmotoren erfuhren in den letzten zehn Jahren gezielte Eingriffe im Schwingungserreger und im Übertra-
durch die Einführung der Direkteinspritzung, Hochaufla- gungsmechanismus erforderlich.
dung und Elektronik eine deutliche Leistungssteigerung, die Die aktiven motorseitigen Maßnahmen sind u. a. auf die
es ermöglichte, sich in nahezu allen Fahrleistungskriterien Verringerung der oszillierenden Massen (Kolben-, Kolben-
über die der Pkw‑Ottomotoren zu positionieren. Dies gilt bolzen- und Pleuelmasse) und des Laufspiels zwischen Kol-
insbesondere für das im alltäglichen Praxisbetrieb entschei- ben und Zylinderwand ausgerichtet.
dende Durchzugspotential aus niedrigen und mittleren Optimierter Massenausgleich, hohe Kurbelwellensteifig-
Drehzahlen heraus. keit bezüglich Biegung, direkte Anordnung der Hauptlager
Zum Vergleich der Leistungsdichte der Motoren wird als an der Kröpfung sowie ausreichende Steifigkeit der Lager-
Maß die Literleistung als Kennzahl verwendet. Dieser Wert gasse und Entkoppelung zur tragenden Motorstruktur füh-
ist das Verhältnis der maximalen Leistung zum Hubvolu- ren zu einer Begrenzung des Schwingungspegels auf ein
men. Die Werte heutiger Dieselmotoren reichen von ca. akzeptables Niveau.
30 kW/dm3 bei Einstiegsmotorisierungen bis zu 70 kW/dm3 Ebenfalls sind Vorkehrungen im Ventiltrieb zu treffen.
im oberen Premiumsegment. Eine sehr wichtige Kennzahl Durch Öffnen und Schließen der Ventile entstehen Stoß-
stellt auch das Leistungsgewicht dar. Liegen heute die besten bzw. Massenkräfte beim Ladungswechsel, die sowohl im
Dieselmotoren schon nahe an dem auch für Ottomotoren unteren als auch im oberen Drehzahlbereich schmalbandig
guten Wert von 1,0 kg/kW ist zu erwarten, dass diese eine Schwingungspegelerhöhung verursachen. Zum Abbau
„Schallmauer“ demnächst von den ersten Pkw‑Dieselmo- dieser Kräfte tragen bei:
toren durchbrochen werden wird. – geringere Ventilfederkräfte,
– leichte Ventile,
17.1.5.4 Komfort – Nockenformen mit niedrigen Beschleunigungsspitzen
und
Fahr-, Akustik-, Klima- und Bedienungskomfort sind pri- – steife Nockenwellenträger mit hoher Lagerimpedanz.
mär fahrzeugbezogene Eigenschaften, die vom Motor jedoch
entscheidend beeinflusst werden. Der Komfortaspekt findet Alle am Kurbelgehäuse befestigten Hilfsaggregate mit hoher
in Anbetracht des hohen Standards bei Personenkraftwagen Masse verändern das Schwingungsverhalten des Motors und
auch bei Pkw-Dieselmotoren schwerpunktmäßig Berück- können eine Schalldruckpegelerhöhung im bestimmten Fre-
sichtigung. Demzufolge ist die Dieseltechnologie bezüglich quenzbereich bewirken. Um dieser zu begegnen, sind fol-
Komfortgüte derart ausgereift, dass sie in Europa als An- gende Regeln zu beachten:
triebskonzept in den gehobenen Fahrzeugklassen bereits do- – kleinstmöglicher Befestigungsabstand zum Kurbelge­häuse,
miniert. – geringstmögliche Masse der Hilfsaggregate,
Der Fahr- und Akustikkomfort wird primär durch den – sehr steife Halter und
Motor als Hauptschwingungserreger und Geräuschquelle – Befestigungsaugen an steifer Stelle des Kurbelgehäuses.
geprägt (vgl. Kap. 16 und Abschn. 18.2). Die Schwingungs-
anregung resultiert aus dem Vorgang der Verbrennung und Das Ansaugsystem wird über die pulsierende Ansaugluft an-
des Ladungswechsels sowie aus den oszillierenden Hubkol- geregt. Mit ausreichend großem Volumen des Luftfilterge-
benbewegungen und der Rotation der Kurbel- und Nocken- häuses (bei Vierzylindermotoren etwa fünffaches Hubvolu-
welle. Abhängig von der Schwingungsquelle spricht man men) kann eine hinreichende Dämpfung erzielt werden.
von Verbrennungs- und mechanischem Geräusch. Das Ver- Weitere Maßnahmen, wie Anschluss eines zusätzlichen Hohl-
brennungsgeräusch ist im rapiden Druckanstieg und raumbehälters (Helmholtz-Resonator) oder Resonanzrohres
Druckabfall im Zylinder begründet. Zylinderkopf, Kurbel- und Anordnung der Ansaugöffnung an einer unempfind-
gehäuse und Kurbeltrieb erfahren hierdurch stoßartige lichen Stelle der Karosserie, bringen Abhilfe (vgl. Kap. 13).
Anregungen, die Schwingungen verursachen und Luftschall Passive Maßnahmen sind auf die Unterbrechung der Über-
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen    577

tragungswege für die Schwingungsenergie ausgerichtet. Die In vielen anderen Märkten außerhalb Europas hat eben-
Entkoppelung von Ventilhaube, Ölwanne und Riemenabde- falls bereits ein signifikantes Wachstum im Diesel-Pkw-Seg-
ckungen sowie Einsatz zusätzlicher Abdeckbleche sind wirk- ment begonnen. Andere große Märkte wie z. B. die USA
same Maßnahmen zur Absenkung der Geräuschemission. verhalten sich noch abwartend. Nach und nach gewinnt
Ein Sonderproblem stellen die Rassel- und Klapperge- jedoch auch dort das Thema Schonung fossiler Energieres-
räusche von Fahrzeugen mit Schaltgetrieben dar, die vor sourcen und damit die Forcierung verbrauchsarmer
allem im unteren Drehzahlbereich bei Teil- und Volllast Antriebskonzepte zunehmend an Bedeutung.
einschließlich Leerlauf zum Vorschein treten. Das Zweimas- Bild 17-18 zeigt die weltweiten und europäischen Diesel-
senschwungrad ist hierbei eine effektvolle Technik zur Ver- anteile an der Produktion von Pkw.
meidung dieser Problematik (vgl. Abschn. 8.2). Technologisch sind noch zahlreiche Potenziale zur wei-
Das Zweimassenschwungrad, aufgebaut aus einem Pri- teren deutlichen Steigerung der Gebrauchseigenschaften
märschwungrad kurbelwellenseitig, einem mehrstufigen von Pkw-Dieselmotoren erkennbar. Die Weiterentwicklung
Torsionsdämpfer und einem Sekundärrad mit Reibungs- bei Werkstoffen, Herstellverfahren und auch Simulations-
kupplung und starr befestigter Mitnehmerscheibe, wirkt wie methoden wird es ermöglichen, die Belastbarkeit der
ein Tiefpassfilter hinsichtlich der Drehungleichförmigkeiten. Motoren weiter zu steigern. So erscheint heute die Zielset-
Da Resonanzen nur unterhalb der Leerlaufdrehzahl auftre- zung 210 bar maximaler Brennraumdruck, selbst in Kombi-
ten, können Geräusche nur beim An- und Abstellen des nation mit Leichtmetallkurbelgehäusen zu erreichen, durch-
Motors entstehen. aus realistisch. Auch bei den Einspritzdrücken und den
Zur Begrenzung des Außengeräusches zeichnet sich der Ladedruckniveaus werden weitere, zum Teil erhebliche Stei-
Trend ab, den Motorraum entweder zum Boden hin abzude- gerungen gelingen.
cken oder schalldicht zu verkapseln. Die Kapselung des 2000 bar Einspritzdruck werden in absehbarer Zeit auch
Motorraumes kann, je nach Aufwand, eine akustische mit CR‑Systemen erreichbar. Bei der Einspritzpräzision und
Reduktion bis zu 12 dB bei Leerlauf und 5 dB bis 7 dB im –flexibilität gibt es durchaus realistische Ansätze für nächste
2. bzw. 3. Gang gegenüber ungekapselten Fahrzeugen bewir- innovative Schritte, z. B. den direktbetätigten Piezo-Ein-
ken. Zusätzliche fahrzeugbezogene passive Maßnahmen an spritzinjektor. Die größte Herausforderung und zugleich
der Triebwerkslagerung, wie Hydrolager, und an der Aus- auch die Chance den Diesel auch in den USA flächen-
puffaufhängung tragen zu besserer Körperschallisolation deckend einsetzen zu können, wird aber in der Entwicklung
der Karosse und somit zum guten Schwingungskomfort des und serienmäßigen Umsetzung eines hochwirksamen NOx-
Diesel-Pkw bei. Abgasnachbehandlungssystems liegen. Auch hier liegen
bereits durchaus viel versprechende Ansätze und Konzepte
17.1.6 Ausblick in Form der Speicherkat- oder auch der SCR-Technologie
vor. Die technische und auch wirtschaftliche Umsetzung
Der moderne Dieselmotor hat sich in Europa mittlerweile dieser Techniken wird aber noch einige Jahre benötigen. Sie
vollständig etabliert. wird aber längerfristig dazu führen, dass der Pkw-Dieselmo-

Bild 17-18
Dieselanteile im Pkw‑Segment
578    17 Fahrzeugdieselmotoren

tor auch seinen letzten heute noch verbliebenen Nachteil der (M2) für die Personenbeförderung und als Nutzfahrzeug bis
leicht höheren NOx ablegen wird. 3,5 t der Klasse N1, darüber bis 5 t der Klasse N2 .
Die deutsche Straßenverkehrsordnung zählt Lastkraftwa-
17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge gen mit einer Gesamtmasse von 2,8 t bis 7,5 t zu den leichten
Nutzfahrzeugen. Es können jedoch auch Fahrzeuge mit
einem zulässigen Gesamtgewicht unter 2,8 t als Lastkraftwa-
17.2.1 Definition „leichte Nutzfahrzeuge“ gen zugelassen werden, sofern die bauartbedingte Nutzflä-
che mindestens 50% der Gesamtfläche beträgt. Die Nutzlast
Aufgrund seiner hohen Zuverlässigkeit und Langlebigkeit ist dieser Fahrzeuge beträgt bei einer Gesamtmasse von 1,7 t ca.
der Dieselmotor schon immer bevorzugter Antrieb von 0,55 t, bei 2,8 t ca. 1 t und bei 3,5 t ca. 1,8 t.
Nutzfahrzeugen gewesen. Als Antrieb für schwere Lastkraft- Die Bedeutung der leichten Nutzfahrzeuge lässt sich u. a.
wagen kommen im europäischen Raum ausschließlich Die- daran erkennen, dass deren Anteil bei Lastkraftwagen
selmotoren zur Anwendung. Inzwischen hat auch auf dem erheblich ist. Die Neuzulassungen der Lastkraftwagen aus
Gebiet leichter Nutzfahrzeuge der Dieselmotor den Ottomo- dem Jahr 2004 in der Bundesrepublik Deutschland zeigen,
tor in Europa weitestgehend verdrängt. dass der Anteil von Nutzfahrzeugen mit einer Gesamtmasse
Leichte Nutzfahrzeuge prägen das heutige Verkehrsbild von 1,4 bis 7,5 t ca. 87% beträgt [17-1].
maßgeblich mit, da sie insbesondere in Städten und deren Die Kategorie der Fahrzeuge mit einer Gesamtmasse bis
Umfeld sowohl zum gewerblichen Nutzen, wie auch in 1,5 t gewinnt zunehmend an Bedeutung. Diese wird hier
zunehmendem Maß im privaten Bereich, zum Transport jedoch nicht näher betrachtet, da sie nahezu ausnahmslos
von Gütern und Personen auf vielfältige Art eingesetzt wer- vom Pkw abgeleitet sind. Ebenfalls wird auf die Darstellung
den. der Motorisierung der sog. Off-Road-Fahrzeuge verzichtet,
Die Europäische Gemeinschaft teilt Straßenfahrzeuge mit die bzgl. ihrer Motorisierung häufig dem Luxussegment der
Eigenantrieb gemäß Richtlinie 71/320/EWG, je nach Nut- Pkw-Klasse zuzuordnen sind.
zung und Bauart, in drei verschiedene Klassen ein (Tabelle Die Einsatzgebiete von leichten Nutzfahrzeugen sind
17-1). Nach dieser Klassifizierung kann man die leichten äußerst vielfältig. Die kommerzielle Anwendung dieser
Nutzfahrzeuge den Klassen M2 , N1 und N2 zuordnen. Dieses Fahrzeuggattung umfasst in erster Linie die Beförderung
entspricht einem zulässigen Gesamtgewicht von maximal 5 t von Waren im Nahbereich. Darüber hinaus werden sie im

Tabelle 17-1 Klasseneinteilung von Kraftfahrzeugen gemäß EG 71/EWG

Klasse L Klasse M Klasse N


Klassen- Fahrzeuge mit weniger als vier Rädern, Krafträder, Zur Personenbeförderung be- Zur Güterbeförderung be-
einteilung Dreiräder stimmte Kraftfahrzeuge mit stimmte Fahrzeuge mit min-
mindestens vier Rädern oder destens vier Rädern oder drei
drei Rädern und einer Ge- Rädern und einer Gesamt-
samtmasse > 1 t masse > 1 t
L1 L2 L3 L4 L5 M1 M2 M3 N1 N2 N3
Bauart zweirädrig dreirädrig zweirädrig Dreirädrig Dreirädrig – – – –
(asymme- (symmetr.)
tr.)
Hubraum < 50 ccm < 50 ccm > 50 ccm > 50 ccm > 50 ccm
Höchstge- < 50 km/h < 50 km/ > 50 km/ > 50 km/h > 50 km/h
schwindigkeit h h
Anzahl der _ – – – – 1-5 >9 >9
Sitzplätze
zul. Gesamt- – – – – <1t >1t 1–5t >5t 1 – 3,5t 3,5–12t >12 t
masse
17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge    579

Handwerk, Kleingewerbe und für kommunale und gewerb- durchgesetzt. Dieses Gemischbildungsverfahren bietet eine
liche Dienstleistungen (z. B. Taxi, Schulbus, Kranken- und Fülle von Freiheitsgraden, wie die Einspritzung hinsichtlich
Behindertentransport, Straßenreinigung, Feuerwehr usw.) Menge, Zeitpunkt, Häufigkeit (Vor- und Nacheinspritzung)
verwendet. und Druck zu gestalten. Weitere Maßnahmen wie beispiels-
Auch beim privaten Nutzer erfreut sich diese Fahrzeugka- weise gekühlte, geregelte Abgasrückführung oder Regelung
tegorie in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit. Der des Ladedruckes sind durch die Anwendung der Elektronik
Trend zur aktiven Urlaubs- und Freizeitgestaltung hat dazu in den Dieselmotor inzwischen selbstverständlich gewor-
geführt, dass Campingfahrzeuge, Wohnmobile und Klein- den. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass die in Frage
busse zu einer gewohnten Erscheinung im Straßenbild kommenden Motoren ein Zylindervolumen von deutlich
gehören. unter 1 dm3 aufweisen. Dieses, gegenüber den Motoren für
Die Anforderungen, die an Motoren für leichte Nutzfahr- schwere Lastkraftwagen, relativ kleine Zylindervolumen
zeuge gestellt werden, resultieren aus den oben genannten erschwert aufgrund der geringen freien Einspritzstrahllän-
vielfältigen Einsatzgebieten. Für den kommerziellen Einsatz gen die Verbrennungsoptimierung. Verbesserungen beim
stehen niedrige Betriebskosten, hohes Drehmoment und Ölverbrauch und vor allem im Kraftstoffverbrauch sind für
hohe Verfügbarkeit im Vordergrund. Bei privaten Anwen- die Zukunft unabdingbar.
dern werden zusätzlich hohe Fahrleistungen wie Beschleu- Trotz Einsatz aller motorisch vorgesehenen Maßnahmen
nigungsvermögen und Höchstgeschwindigkeit neben Kom- gewinnt die Abgasnachbehandlung zunehmend an Bedeu-
fort und niedrigem Kraftstoffverbrauch, ähnlich dem Pkw, tung. Mit der Einführung der Abgasstufe 4 für Fahrzeuge
erwartet. mit einem zulässigen Gesamtgewicht > 3,5 t nach dem
13‑Stufentest und für Fahrzeuge < 3,5 t nach dem Rollentest
17.2.2 Anforderungen an Motoren wird bei den leichten Nutzfahrzeugen neben dem Oxidations­
für leichte Nutzfahrzeuge katalysator der Dieselpartikelfilter zur Erreichung der Abgas­
grenzwerte eingesetzt. Die deutliche Reduzierung der Stick-
Bei leichten Nutzfahrzeugen kommen Gesetzesvorschriften oxide mit Einführung der Euro 5-Grenzwerte zum 1.10.2008
zur Schadstoffemission zur Anwendung, die sowohl von den wird darüber hinaus auch in dem hier betrachteten Fahr-
schweren Nutzfahrzeugen als auch von den Vorschriften für zeugsegment vermutlich weitere Abgasnachbehandlungs­
Personenkraftwagen abgeleitet sind. systeme erfordern.
Mit der Einführung der EURO III-Grenzwerte sind für Die Geräuschemission von Nutzfahrzeugen wird durch
Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t die EG-Vorschrift 70/157/EWG limitiert, s. Abschn. 16.2.
in Weiterentwicklung des 13-Stufentestes gem. der ECE R49- Zur Einhaltung dieser Vorschrift sind Maßnahmen am
­Richtlinie die Prüfprozedur nach dem ESC- und ELR-Test Motor wie auch am Fahrzeug notwendig. Am Motor wird
zur Anwendung gekommen. Fahrzeuge mit Dieselpartikel- man diesen Anforderungen durch eine steife Gestaltung des
filter sind außerdem nach dem ETC zu testen. Zylinderkurbelgehäuses, der Verwendung einer gegossen
Für leichte Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamt- Ölwanne und des Einsatzes eines Leiterrahmens für die
gewicht unter 3,5 t gelten Schadstoffgrenzwerte, deren Ein- Hauptlagergasse gerecht. Sekundärseitig lassen sich durch
haltung auf einem Rollenprüfstand ermittelt wird. Für diese Kapselungen Verbesserungen erreichen. Wesentlichen Ein-
Fahrzeugklasse kommt der gleiche Rollentest zur Anwen- fluss lässt sich durch die Gestaltung des Brennverlaufs, wie
dung wie er auch für Pkw vorgeschrieben ist. Je nach eine oder mehrere Voreinspritzungen, auf das Verbren-
Bezugsmasse gelten dabei unterschiedliche Grenzwerte (vgl. nungsgeräusch nehmen.
Kap. 15). Die Bezugsmassenklasse 1 bis 1305 kg gilt für Pkw, Neben den gesetzlichen Randbedingungen bestimmen
die Klassen 2 (< 1760 kg) und 3 (> 1760 kg) gelten für Fahr- auch das Einsatzgebiet des Nutzfahrzeuges und die Kunden-
zeuge wie sie die leichten Nutzfahrzeuge darstellen. Für anforderungen die Motorenentwicklung. Für den Güter-
diese Fahrzeugklasse (2 und 3) sind die Grenzwerte entspre- transport im Nahbereich ist weniger eine hohe Nennleistung
chend höher angesetzt. Aufgrund dieser, je nach Klasse zur als vielmehr ein hohes Drehmoment bereits bei niedrigen
Anwendung kommenden Vorschriften, werden unterschied- Drehzahlen erwünscht. Eine derartige Drehmomentcharak-
liche Maßnahmen ergriffen. teristik wird mit Hilfe von Turboladern mit variabler Turbi-
Die Abgasvorschriften unterliegen einer kontinuierlichen nengeometrie erreicht. Eine weitere Möglichkeit stellt die
Verschärfung, so dass der Entwicklungstand der Motoren in 2‑stufige Aufladung dar, wie sie sich bereits im Pkw-Bereich
entsprechend kurzen Zyklen der aktuellen Gesetzgebung in Serie befindet [17-2]. Für den privaten Nutzer, vor allem
angepasst werden muss. Hierbei hat sich die Com- bei personentransportierenden Ausführungen, ist dagegen
mon Rail Technik in den letzen Jahren fast ausnahmslos eine relativ hohe Motorleistung gefragt. Bei Fahrzeugen
580    17 Fahrzeugdieselmotoren

dieser Kategorie werden Motoren mit hoher spezifischer 17.2.3 Ausgeführte Motorisierungen leichter
Leistung angeboten. Die Abgasturboaufladung ist bei Die- Nutzfahrzeuge
selmotoren zur Selbstverständlichkeit geworden, ausnahms-
los wird hierbei die Ladeluftkühlung eingesetzt. Die Trieb- 17.2.3.1 Gesamtbetrachtung
werksbelastungen durch hohen Zylinderspitzendruck sind
sowohl verbrennungsseitig wie konstruktiv zu beherrschen. Die Palette von ausgeführten Dieselmotoren, die heute als
In dem Fahrzeugsektor mit entsprechend hoher Leistung Antrieb in Kraftfahrzeugen Anwendung findet, reicht vom
sind Ottomotoren vorzufinden. kleinvolumigen 0,8 l – Motor mit 30 kW bis zum 18 l – Mo-
Faktoren wie Langlebigkeit, Zuverlässigkeit, Robustheit tor mit 485 kW.
und lange Wartungsintervalle haben bei leichten Nutzfahr- Die zur Motorisierung von leichten Nutzfahrzeugen mit
zeugen eine große Bedeutung. Die im leichten Nutzfahr- einer Gesamtmasse von 2 bis 5 t verwendeten Motoren
zeug bis 3,5 t eingesetzten Pkw-Motoren werden für diese decken inzwischen einen Leistungsbereich von ca. 50 bis
Anwendung gesondert angepasst. Meist werden diese 170 kW ab (Bild 17‑19). Als Triebwerke werden sowohl
Motoren im maximalen Drehmoment, der Nennleistung, Otto-, als auch aufgeladene direkt einspritzende Dieselmo-
dem maximalen Ladedruck und der Nenndrehzahl be­- toren mit Ladeluftkühlung eingesetzt, deren Hubvolumina
grenzt, um die oben genannten Kriterien zu erfüllen. Hinzu von 1,9 bis 3,7 Liter reichen. Hervorzuheben ist, dass sich
kommen Modifikationen im Triebwerkbereich zur Anpas- neben dem klassischen Otto- und Dieselantrieb auch
sung an das Nfz-spezifische Lastkollektiv sowie periphere Motoren mit Erdgas als Treibstoff etablieren.
Maßnahmen wie die Wartungsintervallanzeige und Anpas- Leichte Nutzfahrzeuge bis zu 2 t zulässiger Gesamtmasse
sungen an die Einbausituation. werden i. d. R. mit aus dem Pkw-Antrieb stammenden Die-
Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von sel-Aggregaten bestückt. Die Leistung beträgt zwischen 50
mehr als 5 t sind i. d. R. mit Dieselmotoren bestückt, deren bis 90 kW, der Hubraum liegt bei ca. 2 Litern. Bei leichten
Nenndrehzahl bei ca. 3000 min–1 oder niedriger liegt, um Nutzfahrzeugen bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von
den Motorverschleiß in Grenzen zu halten und lange Lauf- 6 t reicht die Motorleistung bis ca. 130 kW bei 2,5 bis 3 Liter
zeiten gewährleisten zu können. Hubvolumen. In dem Bereich der Fahrzeuge zur Personen-
beförderung sind teilweise größer volumige Ottomotoren zu
finden (Bild 17‑20).

Bild 17-19
Nennleistung von Verbrennungsmo-
toren für leichte Nutzfahrzeuge mit
unterschiedlichem Gesamtgewicht
17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge    581

Bild 17-20
Hubraum von Verbrennungsmotoren
für leichte Nutzfahrzeuge mit unter-
schiedlichem Gesamtgewicht

Für Lastkraftwagen mit einer Gesamtmasse im Bereich Direkteinspritzverfahren Anwendung. Zur Gemischbildung
zwischen 6 und 7,5 t, die ebenfalls zu den kleinen Nutzfahr- hat sich inzwischen das Common Rail-Verfahren etabliert.
zeugen zählen, werden Motoren verbaut, die unübersehbar Kammer-Brennverfahren mit einer Verteilereinspritzpumpe
aus den Motorfamilien der schweren Nutzfahrzeuge abgelei- werden inzwischen nicht mehr appliziert, weil mit dieser
tet sind. Die Nennleistung ist aufgespannt zwischen 90 und Art der Gemischbildung und Verbrennung die Emissions-
160 kW bei Hubvolumina zwischen 3 und nahezu 5 Litern. werte nicht mehr zu erfüllen sind. Aufgrund der vielseitigen
Werden die Leistungsdaten von ausgeführten Kraftfahr- Möglichkeiten zur Regelung haben sich ausnahmslos elekt­
zeug-Dieselmotoren verglichen, so lassen sich spezifische ronische Systeme durchgesetzt. Maßgeblich ist diese Ent-
Zuordnungen zu den Anwendungsgebieten feststellen. In wicklung durch die Abgasgesetzgebung beeinflusst worden.
Bild 17‑21 ist der mittlere effektive Druck der Motoren bei Aufgrund des hohen Wirkungsgrades und seiner Langle-
Nennleistung in Abhängigkeit von der volumenspezifischen bigkeit hat sich das Direkteinspritzverfahren schon lange als
Leistung aufgetragen. Zusätzlich sind in dem Diagramm die Lkw-Antrieb bei Motoren oberhalb der Hubraumgrenze
entsprechen Nenndrehzahlen eingetragen. Motoren für von 2,5 l durchgesetzt. Der Kraftstoffverbrauch und damit
leichte Nutzfahrzeuge weisen erwartungsgemäß Ausle- die Betriebskosten haben die Entscheidung für dieses Kon-
gungsdaten auf, die näher bei den Pkw-Motoren angesiedelt zept maßgeblich geprägt.
sind. Es sind Literleistungen von bis zu 50 kW/l vorzufin- Aus obengenanten Gründen werden auch keine Saugmo-
den, der Mittelwert beträgt ca. 40 kW/l. Im Diesel-Pkw- toren mehr für die Anwendung im leichten Nutzfahrzeug
Bereich werden bei Spitzenmotorisierungen nahezu 70 kW/ angeboten. Mit bescheidenem Marktanteil im Vergleich
l erreicht. Die Nenndrehzahlen der Nutzfahrzeugmotoren zum Dieselantrieb wird in dem Segment des exklusiv ausge-
decken den Bereich um 3500 min-1 ab und liegen unter statteten Fahrzeuges des Privatkunden das obere Leistungs-
denen der Pkw-Motoren. Die Auslegung ergibt sich einer- spektrum mit Ottomotoren abgedeckt. Daneben ist der
seits aus den geometrischen Abmessungen des Triebwerks Trend zu beobachten, die leichten Nutzfahrzeuge bis zu
und ist andererseits begrenzt durch die beim nutzfahr- einer Tonnage von 5 t mit Erdgasantrieb auszustatten
zeugspezifischen Lastkollektiv lebensdauerkritischen Kol- (Bild 17‑22).
bengeschwindigkeiten. Bild 17-23 zeigt die maximalen Drehmomente, die von
Als Verbrennungsverfahren finden bei Dieselmotoren für ausgeführten Nutzfahrzeug-Dieselmotoren erreicht werden.
die betrachtete Kategorie der leichten Nutzfahrzeuge das Im unteren Teil der Darstellung sind die Erdgasantriebe
582    17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-21
Leistungsdaten ausgewählter Diesel-
motoren für den Fahrzeugeinsatz

Bild 17-22
Motorauslegung für leichte Nutzfahr-
zeuge
17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge    583

Bild 17-23
Maximales Drehmoment von Diesel-
motoren für leichte Nutzfahrzeuge
mit unterschiedlichem Gesamtge-
wicht

gefolgt von den Otto-Motoren zu finden. Es wird der Dreh- deten Motoren dar (Bild 17‑20). In der Tabelle 17‑2 sind die
moment‑Bereich zwischen 100 und 200 Nm abgedeckt. Basisdaten zweier ausgewählter Motoren genannt.
Eine Ausnahme bilden die größeren, teilweise auch aufgela-
denen Ottomotoren. Dieselmotoren für Fahrzeuge mit Fünfzylinder DI-Dieselmotoren (Volkswagen)
einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 6 t erreichen
Drehmomente von 400 Nm. In der Fahrzeugklasse bis 7,5 t In der Transporterbaureihe T5 von Volkswagen werden ne-
sind Drehmomente von 400 bis ca. 800 Nm üblich. ben einigen Ottomotoren 4 und 5‑Zylinder-Dieselmotoren
Die in den vorangegangenen Bildern aufgeführten eingesetzt. Im Nachfolger des LT2s, dem Crafter, werden aus-
Motoren erfüllen die Abgasstufe 3 bzw. 4. Zur Einführung schließlich 5‑Zylinder‑Diesel‑Motoren angeboten [17-3].
der Abgasstufe 5 am 1.10.2008 für den 13‑Stufentest ist mit Das bewährte Triebwerk geht in seinen Ursprüngen auf den
einer weiteren Modifikation der Aggregate hinsichtlich der Pkw‑Motor der 80er Jahre zurück und ist für die Nutzfahr-
Gemischbildung im Dieselbereich zu rechnen. Mit der zeuganwendung stets weiter entwickelt worden.
zukünftigen Generation der Hochdruckpumpen lässt sich Für den Einsatz im Crafter ist das Aggregat grundlegend
ein Einspritzdruck von 2000 bar und mehr darstellen. Im überarbeitet worden. Wesentlicher Bestandteil ist der Ein-
Weiteren ist zur Reduzierung der Stickoxide mit dem Ein- satz der Common Rail-Technologie der 3. Generation. Der
satz eines entsprechenden Abgasnachbehandlungssystems Einspritzdruck erreicht 1600 bar. Die Injektoren sind mit
zu rechnen. Inwieweit sich eines der Systeme für die leichten Piezo‑Aktuatoren versehen. Die Leistung ist von 65 bis
Nutzfahrzeuge durchsetzen wird, lässt sich aus heutiger 120 kW in 4 Klassen gespreizt. Die Nenndrehzahl beträgt
Sicht nicht abschließend abschätzen. durchgängig 3500 min-1. Das maximale Moment wird bei
einer Drehzahl von 2000 min-1 erreicht. Variable Turbinen-
17.2.3.2 Ausgewählte Beispiele geometrie und die Ladeluftkühlung sind inzwischen bei
dieser Fahrzeugkategorie zur Selbstverständlich geworden.
Nachfolgend sind stellvertretend für die Palette der Dieselmo- Mit einem Hub von 95,5 mm und einem Zylinderdurchmes-
toren für leichte Nutzfahrzeuge zwei ausgewählte Motorenrei- ser von 81 mm handelt es sich um einen vergleichsweise
hen unterschiedlicher Hersteller beschrieben, die den Hub- langhubigen Motor. Bei einem Hubvolumen von 2461 cm3
raum zwischen 2,2 und 2,5 l abdecken. Diese Hubraumklasse entspricht das Zylinder-Hubvolumen dem des für Pkw bzw.
stellt den größten Teil der im leichten Nutzfahrzeug angewen- leichte Nutzfahrzeuge verwendeten Vierzylindermotors.
584    17 Fahrzeugdieselmotoren

Tabelle 17-2 Basisdaten ausgewählter Motoren leichter Nutzfahrzeuge

DaimlerChrysler Volkswagen
Bauart R4 R5
Hubraum ccm 2148 2461
Bohrung mm 88 81
Hub mm 88,3 95,5
Abgasrückführung ja ja
Ladeluftkühlung ja ja
ATL-Geometrie variabel variabel
Einspritzsystem Common Rail Common Rail
Nennleistung kW/min 110/3800 120/3500
Max. Drehmoment Nm 330 350
Spez. Leistung kW/l 51,2 48,8

Das Zylinderkurbelgehäuse besteht aus Grauguss, der maximale Moment der leistungstärksten Auslegung beträgt
Zylinderkopf aus einer Aluminiumlegierung. Im Zusam- 330 Nm. Nach oben schließt ein V6‑Diesel die Motorisie-
menhang mit einer Aluminiumölwanne, die den Getrie- rung ab.
beflansch mitgestaltet, ergibt sich ein steifer Verbund des Das Zylinderkurbelgehäuse ist in Grauguss ausgeführt.
Gesamtaggregates. Bei einem Zylinderabstand von 88 mm Die Seitenwände des Triebwerkes sind zur Steigerung der
und einer Bohrung von 81 mm verbleibt zwischen den Steifigkeit weit heruntergezogen. Einer erhöhten Trieb-
Zylindern eine minimale Stegbreite von 7 mm, die mittels werksbelastung wird durch Verwendung eines Trapez­pleuels
einer Metallsicken- Zylinderkopfdichtung sicher beherrscht Rechnung getragen. Trotz Einsatz eines Trapezkolbens
wird. Mit Hilfe des Dichtungsverbundes wird der Zylinder-
verzug in engen Grenzen gehalten, was für den Ölverbrauch
von entscheidender Bedeutung ist. Der Zylinderkopf auf
Aluminiumbasis mit 2 Ventilen ist als Gleichstromkopf aus-
geführt. Die hydraulischen Tassenstößel der Ventile werden
über eine Nockenwelle betätigt.
Der Antrieb der Nockenwelle und der Common Rail-
Pumpe erfolgt über einen automatisch gespannten Zahn-
riemen. In diesen Riementrieb ist ebenfalls der Antrieb der
Kühlmittelpumpe integriert. Die fortlaufende Weiterent-
wicklung der verwendeten Materialen der Zahnriemen, so
wie die moderaten Belastungen durch die Common Rail-
Technik erlauben ein Zahnriemenwechselintervall von
200.000 km.
Die Erfüllung der Abgasgrenzwerte nach Stufe 4 sowohl
für den Rollentest wie auch für die Zulassung nach dem
13‑Stufentest sichert der Einsatz eines beschichteten Diesel-
partikelfilters.

Vierzylinder-2,2-l-Dieselmotor (DaimlerChrysler)

DaimlerChrysler verwendet im leichten Nutzfahrzeugseg-


ment unter anderem 4‑Zylinder-Dieselmotoren die ebenfalls
im Pkw ihren Ursprung haben, [17-4]. Die Leistung der 4‑Zy-
linder-Motorenbaureihe reicht im neuen Sprinter von 65 bis Bild 17-24 2,5-l-Turbo‑Dieselmotor von Volkswagen
110 kW bei einer Nenndrehzahl im Nfz von 3800 min–1. Das
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse    585

konnte an der Axialführung der Pleuel im Kolben (Oben- wird am Dieselmotor vermehrt die 2‑stufige Aufladung zum
führung) festgehalten werden. Zuge kommen. Zur Erfüllung der Euro 5-Grenzwerte wird
Der Zylinderkopf ist in einer Aluminiumlegierung aus­ auch in diesem Fahrzeugsegment die Abgasnachbehand-
geführt. Zwei oben liegende Nockenwellen treiben die lung über den Einsatz des Dieselpartikelfilters hinaus einge-
jeweils 4 Ventile an. Der CR‑Injektor ist zentral angeordnet, setzt werden.
wo­durch eine zentrisch im Kolben liegende Mulde ermög­ Der Dieselmotor mit seinem günstigen Kraftstoffver-
licht wird. Hinsichtlich der Temperaturverteilung sind hier- brauch wird bei leichten Nutzfahrzeugen in den nächsten
durch deutliche Vorteile gegenüber einem 2‑Ventil-Motor Jahren der beherrschende Antrieb sein. Dabei werden die
mit exzentrischer Kolbenmulde zu erwarten. strengen gesetzlichen Vorschriften eingehalten, Lebensdau-
Der Motor ist mit einem Common Rail-System der 3. er und Wartung verbessert sowie der Komfort dem Pkw
Generation ausgestattet. Der erreichbare Einspritzdruck weiter angepasst werden.
beträgt 1600 bar. Der Antrieb der Ventilsteuerung ist als
Kettentrieb ausgeführt, in den der Antrieb der Com- 17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge
mon Rail-Pumpe integriert ist.
und Busse
17.2.4 Ausblick
17.3.1 Definition „schwere Nutzfahrzeuge“
Die künftige Entwicklung von Dieselmotoren, die als An-
trieb für leichte Nutzfahrzeuge vorgesehen sind, wird auch 17.3.1.1 Klassifizierung
zukünftig entscheidend durch die Gesetzgebung beeinflusst.
Die weitere Limitierung von Schadstoff- und Geräuschemis- Nutzfahrzeuge werden vom Gesetzgeber nach ihrer zuläs-
sionen sowie die Entwicklung der Rohölpreise und damit die sigen Gesamtmasse für die Güter- bzw. Personenbeförderung
Steigerung der Energiekosten werden maßgebliche Einfluss- eingeteilt (Bild 17‑25). Diese Klassifizierung wird für viele
faktoren für den Motorenentwickler darstellen und diesen Regelungen herangezogen, die das Nutzfahrzeug und sein
bzgl. seiner Entscheidungen hinsichtlich des Antriebskon- Umfeld betreffen. Dazu gehören z. B. die Begrenzung von
zeptes nachhaltig beeinflussen. Emissionen, Erhebung von Steuern, Klasseneinteilung der
Der Ottomotor wird künftig wohl nur noch in solchen Fahrerlaubnis oder zulässige Geschwindigkeit. Im Bereich
Nutzfahrzeugen Anwendung finden, die aus dem Pkw der schweren Nutzfahrzeuge, die nach der deutschen Stra-
direkt abgeleitet sind und überwiegend dem Personentrans- ßenverkehrsordnung bei 7,5 t beginnt, ist noch einmal eine
port dienen. Es sind vornehmlich die kleineren Tonnagen, Unterteilung in leichte, mittlere und schwere Klassen üblich
die mit Otto-Motoren versehen sind. (Bild 17‑25). Die Grenzen sind dabei fließend. Die obere
Die zukünftigen Gesetzesvorlagen werden mehr denn je Grenze für die Gesamtmasse beträgt bei schweren Nutzfahr-
von der CO2-Diskussion vor dem Hintergrund des Treib- zeugen, die auf öffentlichen Straßen fahren dürfen, in Europa
hauseffektes getrieben. Aufgrund des günstigeren H/C-Ver- 40 t. Ausnahmen von dieser Regelung sind lokal möglich.
hältnisses beim Erdgas im Vergleich zum Vergaserkraftstoff
oder zum Dieselöl gewinnt auch diese Antriebsart an 17.3.1.2 Einsatzgebiete
Bedeutung [17-5]. Einige Hersteller leichter Nutzfahrzeuge
haben bereits Erdgasantriebe im Angebot. Nutzfahrzeuge sind das Rückgrat unserer modernen arbeits-
Dieselmotoren sind heute ausschließlich als Direktein- teiligen Wirtschaft und ein Garant für Wachstum und Wohl-
spritzer ausgeführt; steigende Kraftstoffpreise haben diesen stand. Rund drei Viertel aller Güterverkehrsleistungen wer-
Trend nachhaltig verstärkt. Bei der Gemischbildung hat sich den in der europäischen Union mit dem Nutzfahrzeug abge-
die Common Rail-Technik weitgehend durchgesetzt. Die wickelt, der weitaus größte Teil im Nahbereich. Während im
Formgebung des Einspritzverlaufs und damit des Brennver- europäischen schweren Fernverkehr der Sattelzug dominiert
laufs kann damit besser verwirklicht werden. Die Frage, ob (Bild 17‑26), werden in Deutschland in hohem Maße auch
die Piezo-Technik den magnetventilgesteuerten Injektor in Gliederzüge eingesetzt.
den nächsten Jahren vom Markt verdrängen wird, lässt sich Im regionalen und örtlichen Verteilerverkehr werden
aus heutiger Sicht nicht abschließend beantworten. Derzeit hauptsächlich Fahrzeuge der Mittelklasse und der leichten
kommen beide Systeme nebeneinander zur Anwendung. Klasse betrieben. Hierzu gehören auch Kommunalfahrzeuge
Hinsichtlich der Abgasturboaufladung hat sich die variab­ für Stadtreinigung und Müllabfuhr sowie Feuerwehrfahr-
le Turbinengeometrie durchgesetzt. Zur Steigerung der zeuge. In diesen Einsatzgebieten wird vorwiegend ohne
Fahrleistungen und zur Erfüllung der Abgasgesetzgebung Anhänger gefahren.
586 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-25
Einteilung der schweren Nutzfahr-
zeuge nach ihrer Gesamtmasse

Bild 17-26
Schwere Sattelzugmaschine mit auf-
liegendem Anhänger, Gesamtmasse
40 t
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse    587

Im Personentransport werden Reisebusse im fernen und neben den Herstellkosten nur die Wartungs- und Reparatur-
mittleren Reiseverkehr eingesetzt. Sie werden in vielen Vari- kosten beeinflusst werden, deren Anteil 5,7% beträgt.
anten bezüglich Nutzlast und Sitzplatzkapazität angeboten.
Omnibusse im öffentlichen Personen-Nahverkehr, also Leistung, spezifische Leistung
Stadtbusse und Regionalbusse, sind die weitaus zahlreichsten
Vertreter dieser Fahrzeuggattung. Auch hier sind zahlreiche Für den Bereich der schweren Nutzfahrzeuge werden vom
Varianten, z. B. Doppeldecker und Gelenkbusse, anzutref- Markt Motorleistungen zwischen 100 kW und 500 kW ge-
fen. fordert. Die wirtschaftlichste Antriebsleistung wird im Ein-
zelfall nach der gegebenen Transportaufgabe ermittelt.
17.3.2 Anforderungen des Betreibers an die Motoren Wenn die erforderliche Leistung festgelegt ist, kommt die
spezifische Leistung als Wettbewerbskriterium ins Spiel.
17.3.2.1 Wirtschaftlichkeitsfaktoren Raumbedarf und Gewicht des Motors sollen Transportvolu-
men und Nutzlast des Fahrzeugs so wenig wie möglich ein-
Kostenanalyse schränken.

Nutzfahrzeuge sind Investitionsgüter, deshalb stehen Wirt- Kraftstoffverbrauch


schaftlichkeitserwägungen bei deren Anschaffung an erster
Stelle. Die Kaufentscheidung wird nach Analyse der Trans- Der Kraftstoffverbrauch ist neben der Zuverlässigkeit für
portaufgabe für das dafür am besten geeignete Fahrzeug ge- den Betreiber wegen seiner unmittelbaren Beeinflussung der
troffen. Vorwiegend werden dabei die Kosten während der Kosten der wichtigste Wirtschaftlichkeitsfaktor (s. Tabelle
Nutzungsdauer des Fahrzeuges betrachtet, s. z. B. [17-6]. Ein 17-3), zumal er auch wegen der öffentlichen Diskussion um
Beispiel für Fernverkehrs-Fahrzeuge enthält die Tabelle 17-3. die Schonung der Ressourcen und der Umwelt im Vorder-
Sie zeigt die Anteile der verschiedenen Kostenarten an den grund steht. Deshalb wird im Markt der schweren Nutzfahr-
Gesamtkosten. Die dominierenden Faktoren sind erwar- zeuge fast ausnahmslos nur der verbrauchsgünstigste An-
tungsgemäß die Kraftstoffkosten gefolgt von Fahrzeug-Lea- trieb, der direkteinspritzende Dieselmotor, akzeptiert. Dies
sing und Autobahnmaut. Vom Fahrzeughersteller können gilt vor allem für die schwere Klasse, da dort die Fahrleis­

Tabelle 17-3 Nutzungsdauer-Kostenanteile. Sattelzugmaschine, geeignet für 40t Gesamtzugmasse, Nutzungsdauer 48 Monate, Gesamtfahrleistung 600.000km, ohne
Kosten für Fahrpersonal, Verwaltung und Garage (Stand 2006)

Variable Kosten Rahmenbedingungen Auswertung


Kosten Diesel (€/100 km = ct/km) 32,11 Einsatztage (Tage/Jahr) 240 Fixe Kosten (€/Tag) 122,93
Kosten AdBlue (€/100 km = ct/km) 0,00 Nutzungsdauer (Monate) 48 Fixe Kosten (€/100 km = ct/km) 19,67
Autobahnmaut (€/100 km = ct/km) 9,60 Laufleistung Fahrzeug (km/Jahr) 150.000 Variable Kosten (€/100 km = ct/km) 41,71
Variable Kosten (€/100 km = ct/km) 41,71 Laufleistung Autobahn 120.000 Fixe und variable Kosten 61,38
mautpflichtig (km/Jahr) (€/100 km = ct/km)
Fahrzeug-Leasing (€/Monat) 1.285,00
Fixe Kosten Service u. Reparatur (€/Monat) 438,00 Fahrzeug-Leasing (€/Jahr) 15.420,00
Fahrzeug-Leasing (€/Jahr) 15.420,00 Reifen (€/Monat) 75,00 Wartung und Reparatur (€/Jahr) 5.256,00
Service und Reparatur (€/Jahr) 5.256,00 Verbrauch Diesel (l/100 km) 34,90 Reifen (€/Jahr) 900,00
Reifen (€/Jahr) 900,00 Verbrauch AdBlue (l/100 km) 0,00 Kraftstoff (€/Jahr) 48.162
Versicherung, Steuern, 7.926,00 Autobahnmaut (€/100 km = ct/km) 12,00 Maut (€/Jahr) 14.400,00
sonstige Fixkosten (€/Jahr)
Fixe Kosten (€/Jahr) 29.502,00 Preis Diesel (€/l) 0,92 Steuer u. Versicherung (€/Jahr) 7.926,00
Preis AdBlue (€/l) 0,60 Summe (€/Jahr) 92.064,00
588    17 Fahrzeugdieselmotoren

tungen im Fernverkehr mit teils über 200.000 km/Jahr am Verlängerte Ölwechselintervalle erfordern daran ange-
höchsten sind. Im Bereich der leichten Klasse im Verteiler- passte Ölreinigungssysteme. Im Filtersystem werden Verun-
verkehr hat der Kraftstoffverbrauch unter Wirtschaftlich- reinigungen zurückgehalten, um den abrasiven Verschleiß
keitsgesichtspunkten weniger Bedeutung. Solche Fahrzeuge an Tribopartnern zu vermeiden. Weit verbreitet sind heute
kommen teilweise über 20.000 km/Jahr nicht hinaus. Ölfilter im Nebenstrom, während die früher eingesetzte
Für den Betreiber sind die streckenbezogenen Verbrauchs- Ölzentrifuge zur weiteren Verlängerung der Ölwechselinter-
werte des Fahrzeugs maßgebend. Dafür mitentscheidend ist valle ebenfalls angeboten wird. Verschiedentlich werden in
zunächst die fahrzeugseitige Optimierung von Roll- und Verbindung mit Wartungsrechnern schon Ölwechselinter-
Luftwiderstand, um die Verlustleistung zu minimieren. Ein valle von bis zu 150.000 km im Fernverkehr erreicht. Dabei
weiteres fahrzeugseitiges Entwicklungsziel insbesondere für können verschiedene Parameter wie z. B. Ölqualität, Kraft-
Tank- und Silofahrzeuge muss die Verringerung des Leerge- stoffart, Schwefelgehalt oder Einsatzbedingungen berück-
wichts sein. Dadurch wird nicht nur ein direkter Beitrag zur sichtigt werden.
Energieeinsparung, sondern auch indirekt durch Erhöhung
der Transportleistung bewirkt. Verbrennungsluft. Die bedarfsgerechte Wartung des Luftfil-
Für die Motorenentwicklung genügt aber nicht, ein tersystems ist für die Lebensdauer des Motors von entschei-
­möglichst niedriges Verbrauchsminimum zu erzielen. Es dender Bedeutung, da die Verbrennungsluft staubfrei sein
sollte möglichst breit und im Motor-Kennfeld in dem muss, um vorzeitigen Verschleiß an Zylinder, Kolben und
Bereich liegen, in dem der Motor am häufigsten betrieben Kolbenringen zu vermeiden. Die Intervalle sind abhängig
wird. von den Einsatzbedingungen des Fahrzeuges. Bei erhöhter
Umgekehrt beeinflusst das Motor-Verbrauchskennfeld Staubbelastung werden häufig dem Hauptfilter vorgeschal-
auch die Auslegung des Antriebsstranges. Erst die Optimie- tete ­Zyklonabscheider verwendet. Auch in Nutzfahrzeugen
rung dieser Wechselbeziehungen zwischen Motor, Getriebe, ­haben sich Papierluftfilter in Form von Wechselpatronen
Hinterachse und Radgröße erfüllt die Ansprüche des Betrei- durchgesetzt, s. Abschn. 13.1.
bers. Die Filterbeladung und der notwendige Filterwechsel
werden durch Unterdruckwächter auf der Reinluftseite
Verfügbarkeit, Wartung, Reparatur, Gewährleistung angezeigt, da vermieden werden muss, dass der Motor un-
ter Luftmangel leidet. Unvollständige Verbrennung mit
Wie alle Investitionsgüter soll auch das Nutzfahrzeug für den Rauchentwicklung, Leistungsabfall, Kraftstoffverbrauchser-
beabsichtigten Einsatzzweck möglichst uneingeschränkt zur höhung, aber auch Motorschäden können die Folge sein.
Verfügung stehen. Im Idealfall bedeutet dies für den Betrei-
ber, dass nur die Betriebsstoffe nachgefüllt werden müssen. Kraftstoffsystem. Außerordentlich hohe Anforderungen an
Komponenten mit einer kürzeren Nutzungsdauer als das die Reinheit des geförderten Mediums gelten für das Kraft-
Fahrzeugleben werden im Rahmen von Wartung und In- stoffsystem, wo feinste Passungen bei hohen mechanisch-hy-
standhaltung erneuert, ausgetauscht oder nachgestellt. Da draulischen Beanspruchungen vorhanden sind. Verunreini-
diese Aufwendungen ein ganz erheblicher Wettbewerbsfak- gungen werden mit dem Kraftstoff beim Tanken übernom-
tor sind, wird versucht, die Intervalle nach Möglichkeit zu men oder können durch die notwendige Belüftung des Tanks
verlängern und zu synchronisieren, um notwendige Still- in den Kreislauf gelangen. Die erforderliche Reinheit ist nur
standszeiten zu reduzieren. Im Folgenden wird der Stand der durch Feinstfiltereinsätze zu erreichen. Ihre Standzeit sollte
Technik bei Wartung und Instandhaltung aus der Sicht des bei normalen Umgebungsbedingungen ebenfalls dem Öl-
Betreibers untersucht. wechselintervall entsprechen.

Schmierölsystem. Wegen der Alterung des Schmieröls ist Ventilspiel. Während in den letzten Jahrzehnten noch die
dessen Wechsel in bestimmten Intervallen bisher unver- klassische Bauweise mit Nockenwelle im Kurbelgehäuse und
meidbar, obwohl eine teilweise Auffrischung durch den Öl- Übertragung der Bewegung über Stößel und Kipphebel auf
verbrauch erfolgt. Dieser ist im Hinblick auf Emissionen und die Ventile dominierte, wird nun auch beim schweren Nutz-
Abgasnachbehandlungssysteme zwar unerwünscht, aber auf fahrzeug zunehmend bei Neuentwicklungen eine obenlie-
niedrigem Niveau weiterhin unvermeidlich. Den Betreiber gende Nockenwelle mit Übertragung über Rollenkipphebel
belastet der Ölwechsel durch Kosten für Ölmenge, Ölfilter eingesetzt. Für jedes Ventilpaar ist eine Einstelleinrichtung
und Arbeitszeit. Als wichtiges Entwicklungsziel gilt daher, vorzusehen, die in bestimmten – möglichst großen – Inter-
den Ölverbrauch weiter zu senken und das Wechselintervall vallen überprüft und, falls erforderlich, korrigiert werden
zu verlängern. muss. Ein automatischer Spielausgleich auf hydraulischer
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse    589

Basis lässt sich im Nutzfahrzeugmotor bisher nicht mit ak- Dehnung unterworfen. Sie funktionieren nur zuverlässig
zeptabler Betriebs­sicherheit verwirklichen: es muss vermie- und erreichen die erwartete Nutzungsdauer, wenn sie mit
den werden, dass im Motorbremsbetrieb mit Bremsklappe einer definierten Vorspannung betrieben werden. Die Län-
im Auspuffstrang und ungesteuert öffnenden Auslassven- genänderung muss deshalb in der Antriebsgeometrie ausge-
tilen der automatische Spielausgleich wirksam wird und da- glichen werden. Auch bei Nutzfahrzeugen haben sich heute
durch die Ventile am Schließen gehindert werden, vgl. Ab- selbstnachstellende federbelastete Spannrollen durchge-
schn. 17.3.3.2. setzt.

Keilriemenantriebe. Nutzfahrzeugmotoren müssen eine Reparaturen, Gewährleistung. Ausfälle anderer Motor-


Reihe unterschiedlicher Nebenaggregate antreiben. Je nach komponenten sollen nicht vor der Nutzungsdauergrenze
Fahrzeug- und Einsatzart gehören hierzu Lüfter, Generatoren, des Motors auftreten. Sie fallen deshalb nicht unter den
Luftkompressoren, Lenkhilfepumpen, Kältemittelkompres- ­Begriff Wartung, sondern gelten als Schaden, der eine Re­
soren, Hydraulikpumpen und andere Aggregate. Eine einfache paratur erfordert. Im Fernverkehr werden Laufleistungen
und kostengünstige Leistungsübertragung war der Keilriemen von einer Million Kilometer und mehr erreicht. Nebenag-
[17-7]. Bei neueren Entwicklungen hat sich der leistungsfähi- gregate wie z. B. Wasserpumpe, Generator oder Abgastur-
gere Keilrippenriemen [17-8] durchgesetzt (Bild 17‑27). Die bolader erreichen bei manchen Anwendungen diese Werte
Lebensdauer dieser Antriebselemente ist deutlich geringer als nicht.
die des Motors, weshalb sie in bestimmten Abständen erneuert Garantiezusagen für den Antriebsstrang bei schweren
werden müssen. Nutzfahrzeugen werden unterschiedlich limitiert, beispiels-
Keilriemen sind aufgrund ihrer Konstruktion und durch weise mit 2 Jahren nach Erstzulassung und/oder 200.000 km
ihre Beanspruchung dem Verschleiß und zunehmender Laufstrecke, je nachdem, welche Grenze zuerst erreicht

Bild 17-27
Antrieb der Nebenaggregate durch
einen Keilrippenriemen an einem
Dieselmotor für Omnibusse. a Kurbel-
welle; b Umlenkrolle; c Generator;
d Wasserpumpe; e Spannrolle;
f Feder‑Dämpfer‑Element;
g Klima‑Kompressor; h CR‑Hoch-
druckpumpe

Motor
590 17 Fahrzeugdieselmotoren

wird. Die Gewährleistungsverpflichtung erstreckt sich auf übersetzungen in der höchsten Gangstufe sind so ausgeführt,
den Ersatz schadhafter Komponenten, vorausgesetzt, dass dass sich dabei Motordrehzahlen von 1300 bis 1400 min–1
der Motor nicht missbräuchlich beansprucht wurde. ergeben. Da die Motorleistungen dieser Fahrzeugklasse
meist zwischen 250 und 400 kW bei Nenndrehzahlen um
Kaufpreis, Herstellkosten. Da ein wartungsfreier Motor 1900 min–1 liegen, ermöglicht diese Auslegung eine kraft-
nicht oder nur durch aufwendige Zusatzmaßnahmen reali- stoffsparende und geräuscharme Fahrweise.
sierbar ist, gilt es, den richtigen Kompromiss zwischen Her- Daraus leitet sich die Forderung ab, dass die Motoren
stellkosten sowie Wartungs- und Instandhaltungskosten zu schon ab etwa 1000 min-1 ein möglichst hohes Drehmoment
finden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass zunehmend haben müssen, so dass auch kleine bis mittlere Steigungen
umweltentlastende, aber teuere Maßnahmen ins Gewicht schaltarm befahren werden können. Bild 17-29 zeigt Voll-
fallen, die der Gesetzgeber entweder direkt durch wirkungs- lastcharakteristiken, die auf Grund dieser Forderungen ent-
orientierte Vorschriften oder indirekt durch emmissionsbe- wickelt wurden.
zogen gestaffelte Steuerbelastungen des Betreibers veran- Während Hersteller A eine Kombination aus Konstantleis-
lasst. tung und Konstantdrehmoment im Hinblick auf die Fahr-
barkeit favorisiert, stuft Hersteller B einen stetigen Drehmo-
17.3.2.2 Fahrbarkeit, Bedienungsfreundlichkeit, mentanstieg bis zu den unteren Volllastdrehzahlen als gün-
gesellschaftliche Akzeptanz stiger ein. Die daraus resultierenden Drehmomentüberhö-
hungen von ca. 35% ergeben ein durchzugstarkes elastisches
Leistungscharakteristik, Schaltarbeit Betriebsverhalten und – vor allem in Verbindung mit auto-
matisierten Getrieben – entspanntes Fahren. Ermöglicht
Bild 17-28 zeigt für einen 40 t-Zug den Leistungsbedarf für wurden diese Charakteristiken durch die Anwendung der
verschiedene Fahrbahnneigungen abhängig von der Fahrge- Abgasturboaufladung mit Ladeluftkühlung, die bei Motoren
schwindigkeit. Um den Fahrwiderstand bei einer Geschwin- für schwere Nutzfahrzeuge seit Jahrzehnten Standard ist, bei
digkeit von 80 km/h auf ebener Fahrbahn zu überwinden, ist den oberen Leistungen meist mit einem Wastegate. Im
eine Motorleistung von ca. 100 kW notwendig. Die Antriebs- Gegensatz zu Pkw oder leichten Nutzfahrzeugen bietet die

Bild 17-28
Abhängigkeit des Fahrleistungsbe-
darfs an den Rädern Prad von der Fahr-
geschwindigkeit und der Fahrbahn-
steigung. Fahrzeuggesamtmasse
m=40.000 kg, Stirnfläche A=8,45 m2,
Luftwiderstandsbeiwert cW=0,62,
Luftdichte D=1,250 kg/m3, Rollwider-
standsbeiwert fr=0,006
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 591

Bild 17-29 Volllastcharakteristiken von Nutzfahrzeug-Dieselmotoren mit Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung


592    17 Fahrzeugdieselmotoren

variable Turbinengeometrie bei Motoren für schwere Nutz- zeit nicht verlassen kann. Seine Gestaltung und Optimierung
fahrzeuge auf Grund des kleineren Drehzahlbandes in Ver- im Hinblick auf Funktionalität und Komfort erfolgt in den
bindung mit 12- oder 16‑Ganggetrieben keine besonderen Entwicklungsabteilungen daher mit hoher Priorität. Es wer-
Vorteile. den Pkw-Maßstäbe erreicht und das, obwohl i. d. R. der Mo-
tor direkt unter der Fahrerkabine eingebaut ist. Wesentliche
Anfahrverhalten Schritte hierzu waren die Entwicklung steifer Motoroberflä-
chenstrukturen mit geringer Schallabstrahlung oder die ver-
Ein weiterer wichtiger Parameter ist das Beschleunigungs- besserte Dämpfung von Schwingungen in den Motortrag­
verhalten des Motors unter Last bei niedrigen Drehzahlen. lagern, s. a. Kap. 16.
Dieses Verhalten wird besonders bei Nutzfahrzeugen im in- Nachteilig für den Fahrkomfort können nach außen wir-
nerstädtischen Verkehr, z. B. bei Stadtomnibussen, Kommu- kende, freie Massenkräfte und Massenmomente des Motors
nalfahrzeugen, Fahrzeugen im Güter-Verteilerverkehr, kri- sein, die über die Motorlagerung in die Fahrzeugstruktur
tisch beurteilt. Der ausgeprägte Stop-and-Go-Betrieb in eingeleitet werden. Diese aus dem Bewegungsablauf des
Ballungsgebieten erfordert ein hohes Motormoment schon Kolbentriebwerks stammenden Kräfte hängen in ihrer
bei niedrigen Betriebsdrehzahlen. Darüber hinaus muss es Größe und Auswirkung von der Bauform und der Größe des
unverzüglich auf Fahrerwunsch zur Verfügung stehen. Hier Motors ab (s. Abschn. 8.2). Es kann notwendig sein, den
wird auch bei Turbomotoren gefordert, das etwas verzögerte Motor mit zusätzlich angetriebenen Wellen auszustatten, die
Ansprechverhalten (Turboloch) weitgehend zu vermeiden. ausgleichend angeordnete Gegenmassen tragen.
Da Zusatzmaßnahmen wie mechanisch oder elektrisch an- Für den Antrieb der schweren Klasse werden weitgehend
getriebene Verdichter aus energetischen, Kosten- und/oder Sechszylinder-Reihenmotoren, aber auch Sechs- und Acht-
Verfügbarkeitsgründen bisher ausschieden, waren moto- zylinder-V-Motoren mit 90°‑V‑Winkel eingesetzt. R6- und
rische Maßnahmen zu entwickeln. Die Lösungen ergaben V8‑Motore sind bezüglich der Massenkräfte und Massen-
sich in Form von elektronisch geregelten Einspritzsystemen momente nach außen vollkommen ausgeglichen. Sie stellen
in Verbindung mit hohem Einspritzdruck. aus dieser Sicht ideale Lösungen für hohen Fahrkomfort dar.
In der Drehungleichförmigkeit hat der V8‑Motor Vorteile
Bremsverhalten, Motorbremse wegen der größeren Zylinderzahl. Dies ist in der Praxis
jedoch nur bei sehr niedrigen Drehzahlen unter Volllast
Die Wettbewerbsfähigkeit des Fahrzeugbetreibers hängt be- spürbar.
sonders im Fernverkehr von der erreichten Reisegeschwin- In den Bereichen der mittleren und hohen Leistungen
digkeit des Fahrzeuges ab. Diese sollte im Idealfall sehr nahe haben sich noch weitere Bauformen etabliert. Hierzu gehö-
bei der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegen. Um ren der Fünfzylinder-Reihenmotor sowie der V10‑Motor in
dies zu erreichen, müssen auch Gefälle entsprechend schnell der schweren Klasse. Für den Fünfzylinder-Reihenmotor
und gefahrlos gefahren werden. muss die Motorlagerung sehr sorgfältig abgestimmt werden,
Nach Bild 17‑28 ist die dafür erforderliche Bremsleistung da diese Bauform ein ausgeprägtes freies Massenmoment
so hoch wie die Antriebsleistung in Gegenrichtung, vermin- 2. Ordnung nach außen abgibt, s. Abschn. 8.3. In der Regel
dert um den Fahrwiderstand des Fahrzeuges. Die Reibungs- sind daher Momentenausgleichswellen im Motor erforder-
bremsen an den Rädern wären bei einem solchen Dauer- lich. Ein Ausführungsbeispiel zeigt Bild 17‑31 mit einem
bremsbetrieb thermisch überfordert, weshalb zahlreiche internen Ausgleich der Massenmomente durch zwei Getrie-
verschleißfreie Zusatzbremssysteme entwickelt wurden. be mit je zwei gegenläufigen Wellen mit Ausgleichsmassen,
Dabei wird der Motor nach dem Prinzip des Luftverdichters die mit doppelter Kurbelwellendrehzahl laufen. Die Getrie-
als Dauerbremse benutzt. Die Bremswärme wird direkt mit be sind unter den Kurbelwellenlagern 2 und 5 angeordnet
der verdichteten Luft über die Abgasanlage abgeführt. und werden jeweils von einem Zahnkranz auf einer Kurbel-
Bild 17‑30 zeigt auf das Hubvolumen bezogene Leistungs- wange angetrieben.
kurven verschiedener Motorbremsen, s. a. Abschn. 17.3.2. Am unteren Ende der Leistungsskala der schweren Nutz-
Mit Hilfe der Getriebestufen kann die Bremsleistung an den fahrzeuge, im Bereich der leichten Klasse, sind häufig Vier-
Bedarf des Fahrzeuges angepasst werden. zylinder-Reihenmotoren anzutreffen. Diese Motoren mit
nicht ausgeglichenen Massenkräften 2. Ordnung sind akzep-
Innengeräusche, Vibrationen tabel, wenn es mit einer gut abgestimmten Motorlagerung
gelingt, unzulässige Schwingungen vom Fahrerhaus fernzu-
Für den Fahrer eines Nutzfahrzeuges im Fernverkehr ist die halten. Bei erhöhten Komfort-Anforderungen z. B. im
Fahrerkabine der Arbeitsplatz, den er während der Arbeits- Kleinbus erhalten solche Motoren Massenausgleichswellen.
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 593

Bild 17-30 Auf den Hubraum bezogene Motorbremsleistungsverläufe verschiedener Ausführungen der Motorbremse. a offene Motorbremsklappe (Schleppleistung),
R6-Motor; b geschlossene Motorbremsklappe, Motor wie a; c EVB (Exhaust Valve Brake), Motor wie a; d Konstantdrossel mit geschlossener Motorbremsklappe, V8-Mo-
tor; e Jake-Brake, R6-Motor; f Intebrake, R6-Motor; g wie d, jedoch mit Turboaufladung im Bremsbetrieb
594 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-31 Getriebe zum Ausgleich der Massenmomente 2. Ordnung an einem Fünfzylinder-Reihenmotor (MAN Nutzfahrzeuge AG)

Startverhalten, Kälteverhalten transportgewerbes, wenn Nutzfahrzeugmotoren nicht durch


belästigende Emissionen jeder Art im Verkehr auffallen. Für
Der Betreiber eines schweren Nutzfahrzeuges erwartet, dass die Motorenentwicklung lautet also die Maximalforderung:
der Motor auch bei tiefen Außentemperaturen zügig und Der Motor soll über den Pegel der Fahrgeräusche hinaus nach
ohne auffällige Emissionen startet. Auf Grund der direkten außen nicht wahrnehmbar sein, seine Abgase sollen nicht sicht-
Kraftstoffeinspritzung mit hohem Druck und Verdichtungs- bar und nicht riechbar sein. Die Aufgabe besteht darin, mit im
verhältnissen von 17 bis 20:1 ist dies bei Kaltstarts oberhalb Wettbewerb wirtschaftlich vertretbarem Aufwand diesem
ca. –15 °C Umgebungstemperatur und erst recht bei Heiß- Ziel möglichst nahe zu kommen [17-9].
starts die Regel. Für tiefere Temperaturen sind Kaltstart-Hilfs-
einrichtungen zur Ansaugluftvorwärmung wie z. B. elekt- 17.3.2.3 Gesetzgebung
rische Heizkörper oder Brenner erforderlich. Die Vorheizzeit
beträgt abhängig von der Umgebungstemperatur bis zu 25 s. Abgasemissionen
In den Brennraum ragende schnelle Glühstiftkerzen, wie sie
aus dem Pkw bekannt sind, können in Motoren für schwere Stickoxide (NOX), Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasser-
Nutzfahrzeuge wegen der Beeinträchtigung der Emissionen stoffe (CXHY) und Partikel (PM) aus festen und flüssigen
nicht eingesetzt werden. Bestandteilen sind als unerwünschte Abgasemissionen ge-
setzlich limitiert, vgl. Abschn.15.2. Messtechnik und Bestim-
Gesellschaftliche Akzeptanz mungsverfahren sind ebenfalls in Kap. 15 beschrieben. Im
Unterschied zum Pkw werden für den Dieselmotor im
Vor dem Hintergrund des zeitweise dichten Fahrzeugver- schweren Nutzfahrzeug die Abgasemissionen auf die abgege-
kehrs auf den Orts- und Fernstraßen ist die gesellschaftliche bene Leistung bezogen. Damit wird der Tatsache Rechnung
und damit politische Akzeptanz des schweren Nutzfahr- getragen, dass Motorleistung und Transportaufgabe in einem
zeuges sehr wichtig geworden. Das Nutzfahrzeug wird be- direkten, unmittelbaren Zusammenhang stehen. Leistungs-
reits allein durch seine Anwesenheit im Verkehr vom Indivi- bezogene Emissions-Grenzwerte sorgen somit für die sach-
dual-Verkehrsteilnehmer als hinderlich für das eigene Vo- gerechte Gleichbehandlung der Transportleistungen von der
rankommen betrachtet. Wenn noch Belästigungen durch leichten Klasse bis zum 40 t-Zug.
Abgase und Geräusche hinzukommen, werden ablehnende Um die geltenden und zukünftigen Grenzwerte zu errei-
Tendenzen bei der politischen Willensbildung in der Gesell- chen, muss als schwierigste Aufgabe der Zielkonflikt zwi-
schaft noch stärker. Argumente, dass auch das Nutzfahrzeug schen der Stickoxidemission und der Partikelemission gelöst
in hohem Maße zur Lebensqualität des einzelnen beiträgt, werden. Auch auf den Einfluss der Kraftstoffqualität ist hin-
können sich dann oftmals nicht durchsetzen. zuweisen, s. Abschn. 4.1. Die Motorenhersteller fordern
Es liegt also im Geschäftsinteresse des einzelnen Nutzfahr- daher die weitestgehende Verminderung des Schwefel- und
zeugbetreibers und dient dem Ansehen des Straßen-Güter- Aromatengehaltes im Kraftstoff [17-10], [17-11].
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse    595

Ein weiterer Zielkonflikt besteht zwischen den Emis­ Geräusch


sionen von Stickoxiden und Kohlendioxid (CO2). Das Koh-
lendioxid als angestrebtes Produkt vollständiger Verbren- Die gesetzliche Begrenzung der Geräusche schwerer Nutz-
nung ist zwar kein Schadstoff im herkömmlichen Sinn, aber fahrzeuge bezieht sich auf die Geräuschabstrahlung nach
es gilt als klimarelevantes, sog. „Treibhausgas“. Wird die außen, vgl. Kap. 16. Die Geräuschemission wird auf das Ge-
Stickoxidemission vermindert, dann verschlechtert sich samtfahrzeug bezogen, wo der Motor eine Geräuschquelle
grundsätzlich der indizierte Wirkungsgrad des Motors. Dies unter anderen ist. Unter den Bedingungen der Typprüfung
bedeutet höheren Kraftstoffverbrauch und als Folge ver- bei beschleunigter Vorbeifahrt nach 70/157/EWG [17-21] ist
mehrte Kohlendioxidemission. Auch hier gilt es, durch der Motor i. d. R. als Hauptschallquelle anzusehen. Zur Min-
Weiterentwicklung von Gemischbildung und Verbrennung derung der Ansaug- und Auspuffmündungsgeräusche ste-
die Verbrauchsnachteile bei der Minderung der Stickoxid­ hen wirksame Dämpfersysteme zur Verfügung, s. Kap. 13. Es
emission nach Möglichkeit zu vermeiden. ist darauf zu achten, dass Druckverlust und Bauraum akzep-
Mit der Einführung der Grenzwertstufe Euro 4 wurde tabel bleiben.
nun ein Niveau erreicht, das die Einführung einer Abgas- Schwieriger ist die Geräuschemission des Motors selbst zu
nachbehandlung erforderlich macht, zumal zeitgleich auch beherrschen. Ausgehend vom Impuls der Verbrennung wird
eine Emissionsstabilität über 7 Jahre/ 500.000 km garantiert über die Körperschallleitung durch die Motorstruktur in
werden muss. Grundsätzlich bieten sich zwei Lösungsansät- Verbindung mit Resonanzerscheinungen von der Motor-
ze an, vgl. auch Abschn. 15.4 bzw. 15.5. und Getriebeoberfläche Luftschall abgestrahlt. Hinzu kom-
men Geräusche, die durch Impulse aus der Motormechanik,
A. innermotorische Stickoxidminimierung und Partikel- z. B. durch Lagerspiele, Verzahnungsspiele, Ventilspiele usw.,
reduzierung durch einen Partikelfilter ausgelöst werden.
Die gekühlte externe Abgasrückführung (AGR) ist die wir- Beim Verbrennungsgeräusch lassen sich Minderungen
kungsvollste Maßnahme zur Begrenzung der NOx-Emission durch eine „weiche“ Verbrennung, d.h. durch einen nied-
im Verbrennungsprozess. Sie erhöht die Masse der Zylinder- rigen Verbrennungsdruckgradienten, erreichen [17-9], [17-
ladung und verlangsamt die Reaktionsgeschwindigkeit, so 10]. Durch die Einführung elektronisch geregelter Einspritz-
dass geringere Brennraumtemperaturen auftreten. systeme mit der Möglichkeit einer Voreinspritzung konnten
Nachteilig ist, dass auch die Rußoxidationsvorgänge ver- wesentliche Fortschritte erzielt werden, ohne eine Beein-
langsamt werden, gekennzeichnet durch einen Anstieg der trächtigung des Motorwirkungsgrades.
Rußemission. Durch weiter steigende Einspritzdrücke Bei Motorneuentwicklungen sind geräuschoptimierte
(>2000 bar), aber auch durch eine Nacheinspritzung kann Kurbelgehäusestrukturen und als Sekundärmaßnahme auch
die Nachoxidation verbessert werden. schalldämmende Elemente wirkungsvoll, s. a. Abschn.
Zur Einhaltung des Partikelgrenzwertes ist daher ein Fil- 17.3.3.2. Voll- oder Teilkapseln, s. Abschn. 16.5, davon kön-
ter erforderlich. Seine Regeneration erfolgt i. d. R. kontinu- nen sowohl motor- als auch fahrzeuggetragen ausgeführt
ierlich mit Hilfe von Stickstoffdioxid NO2, das an einem werden. In allen Fällen müssen Gewichtserhöhungen und
platinbeschichteten Katalysator erzeugt wird, wenn die oft auch Behinderungen bei den notwendigen Wartungsar-
Abgastemperaturen ausreichend hoch sind. beiten am Motor in Kauf genommen werden.

B. innermotorische Partikelminimierung und Stickoxid- 17.3.3 Ausgeführte Motorkonstruktionen


reduzierung durch die SCR-Technologie für schwere Nutzfahrzeuge
Ein gegensätzlicher Weg wird bei der Verwendung eines
SCR- (Selective Catalytic Reduction) Systems beschritten. 17.3.3.1 Gesamtbetrachtung
Durch Optimierung der Verbrennung werden die Partikel
auf das geforderte Niveau gebracht. In einem nachgeschal- Leistungsdichte
teten Katalysator werden die Stickoxide mit Hilfe des Rea-
genz Ammoniak wieder zu Luftstickstoff N2 reduziert. Das Die Motorenentwicklung wird nachhaltig durch die Emis­
Ammoniak wird dabei aus einer wässerigen Harnstoff-Lö- sions­gesetzgebung beeinflusst. Dies hat in den letzten Jahren
sung mit dem Handelsnamen AdBlue erzeugt. Die Hydrolyse dazu geführt, dass in allen schweren Nutzfahrzeugen aus-
erfolgt bei ausreichend hohen Temperaturen nach Einsprü- schließlich Dieselmotoren mit Abgasturboaufladung und
hen in den Abgasstrom. Ladeluftkühlung und dementsprechend hohen spezifischen
Leistungen zu finden sind. In Bild 17‑32 werden verschie-
dene europäische Motoren für schwere Nutzfahrzeuge mit
596 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-32 Leistung und Drehmoment von Nutzfahrzeugmotoren mit Turboaufladung und Ladeluftkühlung, abhängig vom Hubraum
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 597

ihrer Nennleistung eingetragen. Im unteren Hubraumbe- Klasse sind Vier- und Sechszylindermotoren üblich. In der
reich werden auf Grund der höheren Nenndrehzahlen Maxi- Mittelklasse sind es fast ausschließlich sechs Zylinder. In der
malwerte um 35 kW/l erreicht. schweren Klasse sind Zylinderzahlen von 6, 8 und 10 zu fin-
Eine weitere wichtige Größe bei Nutzfahrzeugmotoren ist den sind. Das Hubvolumen liegt zwischen 0,7 l/Zylinder und
das auf den Hubraum bezogene Drehmoment. Es entspricht 2,2 l/Zylinder und die dazugehörige Nenndrehzahl zwischen
dem mittleren effektiven Druck pe, s. Abschn. 1.2. Bild 17-32 2500 min–1 und 1800 min–1.
enthält für die gleichen Motoren auch die Werte des maxi-
malen Drehmoments. Die höchsten spezifischen Drehmo- Zylinderdrücke
mentwerte liegen bei etwa 200 Nm/l, was einem mittleren Als Folge der Leistungskonzentration war es notwendig,
effektiven Druck pe | 25 bar bzw. einer spezifischen Nutzar- auch die den Brennraum begrenzenden Teile sowie die Kraft-
beit von we | 2,5 kJ/dm3 entspricht, s. Abschn. 1.2.5. übertragung über Pleuel, Kurbelwelle und Schwungrad zu
ertüchtigen. Bild 17-33 zeigt die Entwicklung der Verbren-
Hubvolumen nungsdrücke seit 1990, wobei eine deutliche Auswirkung der
Die Anhebung der spezifischen Leistung durch Turboaufla- Abgasemissionsgesetzgebung insbesondere ab Euro 3 sicht-
dung und Ladeluftkühlung führte generell zu kleineren Mo- bar wird.
toren (Downsizing). Die Nennleistungs- und Hubraumwerte
der Motoren in den verschiedenen Fahrzeugklassen kann Kraftstoffverbrauch
man den Angaben aus Bild 17-32 entnehmen. Bei den euro- Wie bereits erwähnt, werden in schweren Nutzfahrzeugen,
päischen schweren Nutzfahrzeugen werden Motoren zwi- abgesehen von einigen Sonderanwendungen bei Bussen oder
schen etwa 4 l und 16 l Hubraum eingesetzt. In der leichten Kommunalfahrzeugen, ausnahmslos Dieselmotoren einge-

Bild 17-33 Entwicklung des Zylinderspitzendruckes über der Zeit


598 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-34 Nfz-Dieselmotor mit geregelter Abgasrückführung, zweistufiger Aufladung und Zwischenkühlung sowie Common Rail-Einspritzsystem (MAN D08,
MAN Nutzfahrzeuge AG)

setzt. Damit werden die niedrigsten spezifischen Kraftstoff- terstützung durch einen gerichteten Drall im Brennraum hilf-
Verbrauchswerte beim Antrieb von Straßenfahrzeugen er- reich. Seine Höhe ist von den Randbedingungen wie Druck-
zielt. In Abschn. 17.3.2.2 wurde bereits dargelegt, dass die potenzial des Einspritzsystems, Abgasrückführrate, Auflade-
gesetzlichen Begrenzungen der Stickoxidemission, aber auch grad etc. abhängig. Die Drehströmung wird in einem
der Partikelemission den Kraftstoffverbrauch erhöhen. drallerzeugenden Kanal aufgebaut, der vor den Einlassventilen
Durch gezielte Weiterentwicklung des Verbrennungsablaufs liegt. In der Regel steuern vier Ventile, d. h. je zwei Einlass- und
hinsichtlich geringer Abgasemissionen wird versucht, die Auslassventile, den Ladungswechsel. Neben der Vergrößerung
negativen Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch so der Strömungsquerschnitte bringt diese Entwicklung auch
klein wie möglich zu halten. Im Bestpunkt werden dennoch Vorteile bei der Verbrennung, weil die Einspritzdüse zentral in
Werte von unter 190 g/kWh entsprechend einem Gesamt- Brennraummitte angeordnet werden kann.
wirkungsgrad des Motors von ca. 45% erzielt. Eine Variante mit erhöhtem Drallbedarf verkörpert der
Für den Fahrzeugbetreiber ist der auf die Fahrstrecke Motor in Bild 17-34. Der Reihen-Sechszylinder mit 108 mm
bezogene Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs aussagekräfti- Zylinderbohrung und 125 mm Hub entsprechend 6,9 l Hub-
ger. Es ist aber kaum möglich, hierzu Standardwerte anzuge- raum leistet 240 kW bei 2300 min–1. Er ist mit einer extern
ben, weil viele Randbedingungen, z. B. Fahrzeugabmes- gekühlten Abgasrückführung (AGR) versehen, die den Ziel-
sungen, Einsatzprofil, Beladung, Topographie, Windverhält- konflikt zwischen Schadstoffemission und Kraftstoffver-
nisse oder Verkehrsdichte die Ergebnisse beeinflussen. Mit brauch entspannt, vgl. Abschn. 17.3.2.2. In Verbindung mit
Fernverkehrsfahrzeugen meist der schweren Klasse führen einer zweistufigen Aufladung und Zwischenkühlung erfüllt
Fachzeitschriften auf gleich bleibenden Strecken Fahr- und er durch innermotorische Maßnahmen die Euro 4-Grenz-
Verbrauchstests durch, die dem Betreiber als Orientierungs- wertstufe für NOX. Wie nahezu alle Motoren dieser Klasse
hilfe dienen können, s. z. B. [17-12]. verfügt er über zwei Einlass- und Auslassventile je Zylinder.
Die Nockenwelle ist im Zylinderblock angeordnet.
17.3.3.2 Ausgewählte Ausführungen Einen Vertreter der drallarmen Motoren mit mehr kraft-
stoffverteilter Gemischbildungsenergie zeigt Bild 17-35
Verbrennungsverfahren, Ladungswechsel [17-13]. Als erstem Vertreter eines neuen Motorendesigns
mit einem Hubraum VH = 7,8 l folgten ihm noch Baureihen
Motoren für schwere Nutzfahrzeuge haben ausnahmslos die mit 10,5 und 13 l Hubraum mit identischen Konstruktions-
luftverteilende Direkteinspritzung (vgl. Abschn. 3.1). Zur Ver- merkmalen, [17-14], [17-15]. Der Reihen-Sechszylindermo-
besserung der Gemischbildung und Verbrennung ist eine Un- tor besitzt 115 mm Bohrung bei 125 mm Hub und leistet
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 599

Bild 17-35 Nutzfahrzeugdieselmotor mit im Zylinderkopf angeordneter Nockenwelle und Pumpe-Düse-Einspritzsystem (Iveco)

257 kW bei 2500 min-1. Der Zylinderkopf enthält zwei Ein- der Luft kommen in dieser Auslegung mit der langsameren
lass- und Auslassventile je Zylinder. Die Mitten der Einlass- Drehströmung der Ladung aus. Ein Einspritznocken auf der
ventile sind jeweils quer zur Kurbelwellenachse angeordnet. im Zylinderkopf liegenden und über Zahnräder angetrie-
Analog gilt dies für die Auslassventile. Die Gemischbildung benen Nockenwelle treibt über einen Kipphebel den Kolben
wird u. a. durch die Geometrie des Brennraums mit Turbu- der Pumpedüse. Einspritzbeginn und Einspritzmenge wer-
lenzen unterstützt, die sich am Ende des Verdichtungshubes den durch ein Magnetventil an der Pumpedüse gesteuert.
ergeben. Eine Elektronikeinheit regelt die Gesamtanlage, zu der in
Den größeren Anteil an der mechanischen Gemischbil- der leistungsstärksten Ausführung auch eine variable Turbi-
dungsenergie trägt die Kraftstoffeinspritzung bei. Eine in nengeometrie VTG gehört.
der Zylinderachse angeordnete Pumpedüse sorgt für eine In Bild 17-36 ist der Querschnitt durch einen turboaufge-
gleichmäßige Verteilung der Kraftstoffstrahlen auf den zent- ladenen und ladeluftgekühlten V8-Motor mit 420 kW bei
rischen Brennraum. Durch den maximalen Einspritzdruck 1800 min-1 dargestellt [17-16]. Die Zylinderbohrung beträgt
von 1900 bar wird der Kraftstoff in sehr kleine Tröpfchen 130 mm Durchmesser, der Hub 150 mm. Eine V6-Variante
aufgelöst. Verdampfung und Mischung des Kraftstoffes mit ist ebenfalls verfügbar. Die vier Ventile je Zylinder betätigt
600    17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-36
Querschnitt durch einen V‑Achtzylin-
der-Dieselmotor mit Pumpe‑Lei-
tung‑Düse‑Einspritzsystem und Kons­
tantdrossel (Daimler Chrysler AG)

eine Nockenwelle jeweils über Rollenstößel, Stößelstange, tungshub verlorene Arbeit aufnimmt. Diese wird durch
Kipphebel und Ventilbrücke je Einlass- und Auslassventil- Abblasen der verdichteten Luft gegen Ende des Verdich-
paar. tungshubes erreicht. Systeme, die mit dementsprechend
Die Nockenwelle ist im Kurbelgehäuse in der Mitte zwi- gesteuerten Ventilen arbeiten, sind als Jake(Jacobs)-Brake
schen den beiden Zylinderbänken gelagert. Sie wird von der [17-17], Konstantdrossel [17-18], EVB (Exhaust Valve
Kurbelwelle am schwungradseitigen Ende direkt ohne Zwi- Brake) [17-19] und als Intebrake [17-20] bekannt, vgl.
schenrad angetrieben. Die Nockenwelle trägt außer den Abschn. 17.3.3.1. Weitere Steigerungen der Bremsleistung
Nocken zur Ventilbetätigung je Zylinder einen weiteren erzielt man durch Turbobrake, durch zusätzliche Nutzung
Nocken, der die in das Kurbelgehäuse eingesetzte, magnet- eines VTG-Turboladers, s. Abschn. 2.2.5.2.
ventilgesteuerte Steckpumpe zur Kraftstoffeinspritzung Bei dem V-Motor nach Bild 17‑36 werden die vier Gas-
antreibt, vgl. Abschn. 5.3. Einspritzmenge und Spritzbeginn wechselventile je Zylinder durch ein weiteres Ventil ergänzt,
regelt eine Elektronikeinheit. das den Verdichtungsraum mit dem Auslasskanal verbindet,
wie im Schnitt der linken Zylinderbank zu erkennen ist.
Motorbremse Dieses Ventil ist im Normalbetrieb geschlossen. In Kombi-
Eine einfache und häufig angewendete Ausführung ist eine nation mit der Drosselklappe in der Auspuffleitung dient es
Drosselklappe in der Abgasleitung, die die Bremsleistung dazu, die Motorbremsleistung zu erhöhen. Dazu wird es
durch den hohen Gegendruck in der Ausschubphase des druckluftbetätigt dauernd einen definierten Spalt weit geöff-
Kolbens erzielt, Bild 17‑37. Der Gegendruck und damit die net. Die zusätzliche negative Arbeit entsteht im Verdich-
erreichbare Bremsleistung müssen aber begrenzt werden, tungshub durch Abblasen der Luft über dieses Drosselventil,
um Bauteilschäden zu vermeiden. der sog. „Konstantdrossel“ [17-18], vgl. Abschn. 17.3.2.1.
Höhere Bremsleistungen werden erzielt, wenn nicht nur Im Motorbrems-System EVB (Exhaust Valve Brake)
der Ausschubhub des Kolbens, sondern auch der Verdich- [17-19] übernimmt das Auslassventil die Funktion der Ab­­
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse    601

Bild 17-37 Funktionsweisen von Motorbremssystemen

blasdrossel. Bild 17‑37. Den dazu erforderlichen Eingriff in herangezogen, um mit Hilfe einer zusätzlichen Hydrau-
die Ventilsteuerung in der Viertaktabfolge zeigt Bild 17-38: likeinheit das Auslassventil im Verdichtungs-OT zu öffnen.
Um die Motorbremse zu aktivieren, wird die Drosselklappe Die „Intebrake“ profitiert zugunsten hoher Bremsleistung
im Abgastrakt geschlossen. Der auspuffseitige Druck, von zwei obenliegenden Nockenwellen, deren eine aus-
geprägt durch die Druckwelle eines ausschiebenden Nach- schließlich die Pumpedüsen betätigt, während die zweite die
barzylinders, lässt das Auslassventil am Ende des Ansaug- Ventile steuert. Auf der zweiten Welle ist je Zylinder ein
taktes aufspringen. Eine ölhydraulische Sperre im Kipphebel zusätzlicher Nocken angeordnet, der über einen zu- und
verhindert das vollständige Schließen des Auslassventils. abschaltbaren Rollen-Kipphebel das Auslassventil öffnet,
Durch den verbleibenden, definierten Spalt am Ventilsitz um die verdichtete Luft abzublasen. Dadurch sind die Funk-
(1,5…2 mm) wird ein Teil der im Kompressionstakt ver- tionen Motorbremse und Kraftstoffeinspritzung voneinan-
dichteten Luft abgeblasen und dadurch die Bremsleistung der unabhängig und für beide können optimale Steuerzeiten
erhöht, vgl. Abschn. 17.3.2.1. Die am Ende des Expansions- und Nockenprofile verwirklicht werden, vgl. Abschn.
taktes beginnende nockengesteuerte Öffnung des Auslass- 17.3.2.1.
ventils deaktiviert die ölhydraulische Sperre.
Eine andere Möglichkeit, verdichtete Ladung abzublasen Kurbelgehäuse und Triebwerk
und dadurch die Motorbremsleistung zu erhöhen, besteht
darin, das Auslassventil am Ende des Verdichtungshubes Bild 17‑39 stellt den Querschnitt eines R-Sechszylindermo-
gesteuert zu öffnen. Bei der Jacobs-Brake [17-17], bekannt tors, Leistung 321 kW, einer Baureihe mit 120 mm Zylinder-
als „Jake-Brake, wird bei Motoren mit Pumpe-Düse-Ein- durchmesser und 155 mm Hub dar. Das Kurbelgehäuse
spritzsystemen die mechanische Betätigung der Pumpedüse wurde, erstmals in dieser Motorenklasse, aus Vermicular-
602 17 Fahrzeugdieselmotoren

a b c

Bild 17-38 Funktion der EVB (Exhaust Valve Brake). a Ansaugtakt: Sperrkolben liegt am Ventil an; b Verdichtungs- und Expansionstakt: Ventil ist durch auspuffseitige
Druckwelle aufgesprungen, Sperrkolben hält definierten Ventilspalt (1,5 . . . 2 mm), Luft bläst ab; c Auspufftakt: Nockenhub deaktiviert Sperre (MAN Nutzfahrzeuge AG)

graphitgusseisen GJV-450 gegossen und für hohe Belas- Die Pleuelstange ist aus Vergütungsstahl ohne Gewichts-
tungen konzipiert. Auf Grund der hohen Festigkeit dieses ausgleichsstollen im Gesenk präzisionsgeschmiedet und
Werkstoffs ergeben sich Möglichkeiten für eine kompakte durch Bruchtrennen (Cracken) des Lagerdeckels schräg
und leichte Motorkonstruktion. Da die Übertritte von Kühl- geteilt. Lagerdeckel und Stange werden durch die beim Cra-
mittel und Motoröl nicht durch die Zylinderkopfdichtung, cken erzeugte Oberflächenmakrostruktur zueinander fixiert
sondern über externe Anbauteile erfolgen, konnten das und mit hochfesten Torx-Bundschrauben verschraubt. Die
Deck des Kurbelgehäuses bzw. die Bodenplatte des Zylin- Pleuellager sind für höchste Belastungen und Lebensdauer
derkopfes sehr steif ausgeführt werden. Die ebenfalls erst- ausgelegt. Die stangenseitige Schale besteht aus verschleiß-
mals an einem Nutzfahrzeugmotor- in Crack-Technologie festem Sputter-Lagermetall. Die Ölversorgung des kleinen
ausgeführten Hauptlagerdeckel sind mit je zwei hochfesten Pleuelauges mit eingepresster Lagerbuchse erfolgt über
Rollschaft-Bundschrauben am Kurbelgehäuse befestigt. Ge- Spritzöl aus der Kolbenkühlung.
crackte Bauteile finden bei lagerichtiger Montage exakt in Die Kurbelwelle wird im Gesenk aus hochvergütetem
die richtige Ursprungsposition zurück. Querbelastungen mikrolegiertem Stahl geschmiedet. Acht angeschmiedete
können auf Grund der rauen Oberfläche besser aufgenom- Gegengewichte dienen zum Ausgleich der Massenkräfte.
men werden. Mit Hilfe der FEM-Berechnung wurde die Kurbelwelle für
Der Kolben besteht aus einer gegossenen Aluminiumle- hohe Biege- und Torsionssteifigkeit ausgelegt. Am vorderen
gierung. Für den ersten Kolbenring ist ein Ringträger aus Wellenende sitzt zur Dämpfung der Kurbelwellen-Dreh-
Niresist mit Alfinbindung eingegossen. Die drei Ringnuten schwingungen ein Visco-Torsionsschwingungsdämpfer mit
sind mit einem verchromten Doppel-Trapezring, einem Kühlrippen zur effektiven Wärmeabfuhr. Als Hauptlager
Minutenring und einem verchromten Dachfasen-Schlauch- werden einbaufertige Dreistofflager verwendet. Die axiale
federring als Ölabstreifer bestückt. Der Kolbenbolzen ist Lagerung erfolgt durch in das Kurbelgehäuse eingelegte
axial durch Seegerringe gesichert. Anlaufscheiben.
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 603

Bild 17-39 zeigt, dass das Hochdruck-Speichereinspritz- bel einstellbar und liegt über kurze Leitungen auch an den
system „Common Rail“ (ohne Druckübersetzung im Injek- magnetventilgesteuerten Injektoren an. In dem hier verwen-
tor), s. Abschn. 5.3.5, auch an Dieselmotoren für schwere deten System der 2. Generation ist er noch auf 1600 bar
Nutzfahrzeuge entwickelt wurde. Als Druckerzeuger wird begrenzt, weitere Steigerungen sind in Entwicklung.
eine 3-Stempel-Hochdruckpumpe verwendet, die mit Kraft- Der Injektor steht senkrecht und zentral über dem Brenn-
stoff geschmiert wird. raum. Der Kraftstoff wird durch eine 7-Loch-Düse mit
Somit wird der Vergiftungsgefahr des Abgasnachbehand- gleichmäßig über den Brennraum verteilten Strahlen einge-
lungssystems durch Öladditive vorgebeugt. Der im Rail spritzt. Je Arbeitsspiel erfolgt eine Mehrfacheinspritzung mit
gewünschte Kraftstoffdruck ist im gesamten Kennfeld flexi- Vor-, Haupt- und Nacheinspritzung. Die Motorelektronik

Bild 17-39
Wesentliche Konstruktionsmerkmale
eines modernen Nutzfahrzeugdiesel-
motors (MAN Nutzfahrzeuge AG)
604    17 Fahrzeugdieselmotoren

steuert deren Verlauf, jeweils gekennzeichnet durch Rail- zendruckfestigkeit der Motorbauteile auf deutlich über
druck, Spritzbeginn und Spritzdauer, abhängig von gespei- 200 bar, aber auch eine Weiterentwicklung der Fahrzeug-
cherten Kennfeldern. Dadurch lässt sich ein Verbrennungs- kühlsysteme erforderlich sein. Einen deutlichen Schub in
ablauf erzielen, der sich vorteilhaft auf Abgas- und Geräusch­ Richtung größerer und damit stärkerer Motoren könnte eine
emissionen sowie den Kraftstoffverbrauch auswirkt. Der Anhebung des zul. Gesamtgewichtes im normalen Straßen-
Verbrennungsdruck im Zylinder erreicht maximal 200 bar. einsatz mit sich bringen. Entsprechende Feldversuche laufen
in verschiedenen Regionen Europas bis hin zu 60 t.
17.3.4 Ausblick Ob sich eine der Aufladeturbine im Abgasstrom nachge-
schaltete Nutzturbine durchsetzen wird, bleibt weiterhin
Gebrauchsnutzen und die damit verbundenen Kosten wer- abzuwarten. Das Ergebnis wird davon abhängen, wie sich
den auch in Zukunft die entscheidenden Wettbewerbskrite- das Verhältnis von Aufwand zu Kraftstoffeinsparung für ein
rien für Dieselmotoren in schweren Nutzfahrzeugen sein. solches Turbo-Compound-System entwickelt, s. Ab-
Weiterhin werden die gesetzlichen Vorgaben zur Umweltver- schn. 14.1.
träglichkeit die Entwicklung erheblich beeinflussen. Dies hat Mittelfristig wird die Motorleistung der Fernverkehrs-
bereits dazu geführt, dass die Grenzwertstufen für Stick­ Lkw mit 40 t Gesamtmasse auf etwa 500 kW steigen. Diese
oxidemissionen und Partikel ab dem Jahr 2005 nicht mehr Leistung wird gebraucht, um Autobahnsteigungen von 4%
allein durch motorinterne Maßnahmen erreichbar waren: mit der zulässigen Geschwindigkeit von 80 km/h befahren
leistungsfähige und gebrauchstüchtige Abgasnachbehand- zu können.
lungssysteme mussten zur Marktreife entwickelt werden. Die
Nutzfahrzeugindustrie hat sich dabei für zwei unterschied- 17.4 Schnelllaufende Hochleistungs­
liche Strategien entschieden, die beide jeweils mit Vor-, aber
auch Nachteilen behaftet sind.
dieselmotoren
Hersteller von AGR-Motoren reklamieren für sich z. B.
geringere Herstellkosten, Bauraumvorteile, niedrigeres
17.4.1 Einordnung der schnelllaufenden
Gewicht oder Unabhängigkeit von einer AdBlue-Infrastruk-
Hochleistungsdieselmotoren
tur; Hersteller von SCR-Motoren nehmen für ihr Produkt Im Allgemeinen versteht man hierunter Dieselmotoren mit
geringere Kraftstoffkosten oder Benutzervorteile durch einer hohen Leistungsdichte. Eine eindeutige Abgrenzung
staatliche Förderungen wegen Vorerfüllung künftiger Emis- der schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren (SHD) zu
sionsstandards in Anspruch. Welcher Weg für Euro 4 und 5 den übrigen Dieselmotoren ist nicht möglich. Die Übergänge
auch immer gewählt wurde: es wird die Prognose gewagt, sind fließend. SHD sind i. d. R. Motoren, deren Auslegungs-
dass für die noch in der Diskussion befindliche Stufe Euro 6 drehzahl oberhalb 1000 min–1 liegt. Ein weiteres Unterschei-
ab etwa 2012 beide Technologien zur gleichen Zeit am glei- dungsmerkmal, hier im Besonderen zum mittelschnelllau-
chen Motor verbaut werden müssen. Die Fähigkeit der ein- fenden Dieselmotor, ist die mittlere Kolbengeschwindigkeit
zelnen Unternehmen, die Potenziale zur Minimierung der cm, die beim SHD deutlich über 10 m/s liegt. Eine wesent-
Rohabgasemissionen zu erschließen, wird den Aufwand für liche Kenngröße für Hochleistung ist die spezifische Arbeit
die Abgasnachbehandlungssysteme und damit deren Kosten we (entspricht dem „mittleren effektiven Druck“ pe, s. Ab-
nachhaltig beeinflussen. Im Interesse des Kunden darf dabei schn. 1.2), die bei SHD im Nennleistungspunkt mehr als
der Gebrauchsnutzen in Form von Lebensdauer, Wartungs- 2 kJ/dm3 beträgt. Kennzeichnend für Hochleistung beim
aufwand etc. nicht beeinträchtigt werden. Dieselmotor ist außerdem die spezifische Kolbenflächenleis-
In jedem Fall erfordern Abgasnachbehandlungssysteme tung, deren Abhängigkeit von der Bohrung D für ausgeführte
einen Dieselkraftstoff, dessen Schwefelgehalt auf unter SHD in Bild 17‑40 dargestellt wird. Die spezifische Kolben-
10 ppm abgesenkt und dessen Aromatengehalt auf ein wirt- flächenleistung erreicht danach im Mittel Werte von 5 W/
schaftlich vertretbares Maß abgesenkt ist. Auf längere Sicht mm2. Der Maximalwert liegt bei annähernd 10 W/mm2.
werden deutliche Beiträge durch die Zumischung synthe- Die auf die Leistung bezogene Motormasse mP, das sog.
tischer Kraftstoffe wie CTL, GTL oder BTL zu erwarten Leistungsgewicht, ausgeführter Hochleistungsdieselmotoren
sein, vgl. Abschn. 4.2. wird im Bild 17‑41 gezeigt. Um günstige Leistungsgewichte
Trotz der Herausforderungen der Emissionsgesetzgebung darstellen zu können, werden SHD in V-Anordnung ausge-
ist zu erwarten, dass die spezifische Leistung der Motoren führt.
sich auch in der Zukunft weiter steigern lässt. Prinzipiell ist danach festzustellen, dass das Leistungsge-
Dazu wird auf Basis hoher AGR-Raten sowie zweistufiger wicht bei konstanter spezifischer Kolbenflächenleistung PA
Aufladung mit Zwischenkühlung eine Steigerung der Spit- mit steigender Bohrung zunimmt, was einer allgemeinen
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 605

Bild 17-40
Abhängigkeit der spezifischen Kol-
benflächenleistung von der Zylinder-
bohrung bei ausgeführten Dieselmo-
toren

Bild 17-41
Leistungsmassen ausgeführter Diesel-
motoren in Abhängigkeit von der Zy-
linderbohrung

Gesetzmäßigkeit entspricht, s. Abschn. 17.4.2. Legt man für für den Hub folgt:
die Schnellläufigkeit von SHD als Randbedingungen
s < 390 mm.
cm ≤13 m/s, n ≥1000 min–1
Für ein effektives Verbrennungsverfahren sollte das Hub/
fest, so ist das Zylindervolumen Vh schnelllaufender Hoch- Bohrungs-Verhältnis bei
leistungsdieselmotoren nach oben begrenzt, indem mit
s/D ≥ 1,25 liegen,
s = cm/2n
606 17 Fahrzeugdieselmotoren

sodass daraus die maximal mögliche Bohrung für den Von besonderer Bedeutung ist der SHD für schnelle Schiffe,
schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotor zu berechnen da „pay load“ ähnlich wie beim Flugzeug entscheidend vom
ist: Gewicht der Antriebsanlage abhängig ist. Ohne näher auf die
Schiffstechnik eingehen zu wollen (s. hierzu z. B. [17-22] bis
D ≤ 300 mm.
[17-24]), steigt grundsätzlich der Bedarf nach geringem Leis-
Wählt man gemäß Bild 17-40 die spezifische Kolbenflächen- tungsgewicht mit sinkender Verdrängung und steigender
leistung PA = 10 W/mm2, so berechnet sich die maximal Geschwindigkeit des Schiffes und umgekehrt. Das bedeutet,
mögliche Zylinderleistung: das Leistungsgewicht des Antriebssystems verliert mit stei-
gender Verdrängung des Schiffes an Bedeutung, wenn nicht
PZ ≈ 700 kW
gleichzeitig extreme Forderungen an die Geschwindigkeit
bei einem Zylinderhubvolumen von ca. 27 dm3. gestellt werden. Exakte Einsatzgrenzen für den SHD im obe-
In diesen Grenzbereich ist man bisher aber nicht vorge- ren Leistungsbereich sind aber dennoch nicht festlegbar, da
stoßen, da mit SHD dieser Größenordnung kein Kunden- diese erheblich von den Anforderungen an das Antriebssys-
nutzen erzeugt werden kann, wie im weiteren noch näher tem abhängig sind. Als Richtgröße lässt sich sagen, dass für
beschrieben wird. Die obere Grenze des schnelllaufenden den Leistungsbereich zwischen 5000 kW und 10000 kW und
Hochleistungsmotors mit Pe = 9100 kW (455 kW/Zyl.) stellt einer Geschwindigkeit im Bereich ≤ 30 kn (kn: Knoten, d. h.
heute die Baureihe 8000 von MTU dar (Bild 17-42). Seemeilen pro Stunde, wobei 30 kn ≈ 55 km/h entsprechen)
Der schnelllaufende Hochleistungsdieselmotor wird die Bedeutung des SHD stetig abnimmt und die Bedeutung
überall dort eingesetzt, wo geringes Leistungsgewicht und/ des mittelschnelllaufenden Dieselmotors mit günstiger Leis-
oder geringes Bauvolumen zu Vorteilen des Gesamtsystems tungsmasse (mP ≤ 6 kg/kW) ständig zunimmt. Bei hohen
führen. Geschwindigkeitsanforderungen in Zusammenhang mit
Zu nennen sind: großen Schiffseinheiten kann die erforderliche Leistung nur
– schnelle Schiffe, durch Gasturbinen zur Verfügung gestellt werden.
– Stromaggregate mit besonderen Anforderungen (transpor- In der Regel wird der Leistungsbereich bis 1500 kW mit
tabel), preiswerten Derivaten des Nutzfahrzeugdieselmotors abge-
– Lokomotiven und Triebwagen sowie deckt. Oberhalb 1500 kW sind speziell entwickelte SHD
– große Muldenkipper. vorzufinden, auf deren Auslegung und Konstruktion in den
Abschn. 17.4.2 und 17.4.3 besonders eingegangen wird.

Bild 17-42
MTU 20V 8000 M91, 9100 kW bei
1150 min–1, Bohrung 265 mm, Hub
315 mm, spez. Arbeit 2,73 kJ/dm3
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren    607

17.4.2 Darstellung hoher Leistungen Unter Beachtung von Gl. (17-1) sinkt für Pe, we und cm =
beim Dieselmotor konst. mit steigender Zylinderzahl der Bohrungsdurchmes-
ser D. Damit sinkt bei gleichzeitig steigender Zylinderzahl z
Basierend auf den für die Leistung eines Verbrennungsmo- das Leistungsgewicht bei sonst konstanten Randbedin-
tors üblichen Bestimmungsgleichungen (vgl. Abschn. 1.2) gungen überproportional. Der Einfluss der Zylinderzahl auf
ist es für das typische Anwendungsfeld des SHD, nämlich die Leistungsmasse ist in Bild 17‑43 für Motoren konstanter
den Schiffsantrieb, wegen der dabei in weiten Bereichen frei Leistung in V-Anordnung dargestellt.
wählbaren Drehzahl sinnvoll, von folgendem Zusammen- Neben hohen Werten für die spezifische Kolbenflächenleis­
hang auszugehen: tung PA sind beim SHD hohe Zylinderzahlen anzustreben. Da
i. d. R. ein Leistungsbereich mit einer Baureihe abgedeckt
Pe ~ z ∙ we ∙ cm ∙ D2. (17-1)
werden muss, werden die Zylinderzahlen 12, 16 und 20 in
Von entscheidender Bedeutung für die Leistungsmasse ist V‑Anordnung für eine SHD-Baureihe gewählt. Bei kleineren
die Zylinderzahl z. Es ist zu überlegen, welchen Einfluss die Motoren, mit Zylinderhubvolumen kleiner 3 dm3, ist aus
Zylinderzahl bei konstanter mittlerer Kolbengeschwindig- Steifigkeitsgründen des Kurbelgehäuses eines V20‑Motors
keit cm, konstanter spezifischer Arbeit we und konstanter Leis­ nicht mehr in Betracht zu ziehen. Motoren ab 12 Zylinder in
tung des Motors Pe auf die Leistungsmasset hat. V‑Anordnung können für jeden V‑Winkel so ausgeführt
Für die Masse eines Hubkolbenmotors gilt in 1. Nährung: werden, dass ohne zu­sätzlichen Massenausgleich 1. bzw.
2. Ordnung ein vollständiger Massenausgleich möglich ist.
m ~ D3. (17-2)
Der Nutzwirkungsgrad eines Dieselmotors als ein Pro-
Damit folgt unter Berücksichtigung von Gl. (17-1) für die dukt von Teilwirkungsgraden, vgl. Abschn. 1.2, wird im
leistungsbezogene Motormasse, auch Leistungsgewicht ge- Wesentlichen vom Verhältnis maximaler Zylinderdruck
nannt: (Spitzendruck) zu spezifischer Arbeit pZmax/we, von der
Verbrennung nach Güte und zeitlichem Verlauf, vom Auf-
mP = m/Pe ~ D/(z ∙ we ∙ cm) ~ D/(z ∙ PA). (17-3)

Bild 17-43 Relative Leistungsmasse in Abhängigkeit von der Zylinderzahl bei V‑Motoren
608    17 Fahrzeugdieselmotoren

ladewirkungsgrad (s. Abschn. 2.2) und den mechanischen hohe Ladedrücke und damit hohe spezifische Arbeit ermög-
Verlusten beeinflusst, wobei weder pZmax/we noch der Auf- lichen.
ladewirkungsgrad durch die Zylinderzahl beeinflusst wer- Dabei hat der Spitzendruck einen großen Einfluss sowohl
den. auf die Motormasse als auch den Wirkungsgrad des Motors.
Vergleicht man Motoren mit gleicher Leistung, aber mit Es besteht ein Zielkonflikt, der sorgfältig abgewogen werden
unterschiedlichen Zylinderzahlen, so nehmen bei sonst glei- muss.
chen Randbedingungen gem. Gl. (17‑1) mit zunehmender Im Bild 17-44 ist der Einfluss der spezifischen Arbeit auf
Zylinderzahl die konstruktiven Zylinderabmessungen ab, die Leistungsmasse eines Dieselmotors unter unterschied-
sodass wegen der damit verbundenen Zunahme der Wand- lichen Randbedingungen dargestellt. Für beide Kurven sind
wärmeverlust infolge vergrößerten Oberflächen-Volumen- die Zylinderleistung PZ wie auch die mittlere Kolbenge-
Verhältnissen und der Ladungswechselverluste der Güte- schwindigkeit konstant. Die Leistungspositionierung muss
grad bzw. der indizierte Wirkungsgrad sinkt. bei der Auslegung des Motors zuerst festgelegt werden. Die
Verglichen mit allen übrigen Maßnahmen zur Reduzie- Kurven geben jeweils für ein bestimmtes Konstruktions-
rung des Leistungsgewichtes ist dies jedoch die Maßnahme, prinzip die zu erwartenden Leistungsgewichte in Abhängig-
die zu den geringsten Einbußen beim Wirkungsgrad führt. keit der spezifischen Arbeit we an, d. h. mit we variiert auch
Da die Motorleistung proportional mit der spezifischen die Bohrung entlang der Kurven mit PZ = konst.
Arbeit zunimmt, nimmt bei gleichen Abmessungen die leis­ Für die durchgezogenen Kurven ist außerdem das Ver-
tungsbezogene Motormasse ab, wobei gleichzeitig relativ hältnis pZmax/we konstant, d. h., der Wirkungsgrad und
betrachtet die mechanischen Verluste abnehmen. Es ist also damit der spezifische Kraftstoffverbrauch sind in erster
für die Motorauslegung von Interesse, die obere Grenze der Nährung konstant. Für die gestrichelte Kurve gilt pZmax =
spezifischen Arbeit zu ermitteln. konst., sodass mit Zunahme der spezifischen Arbeit resp.
Für SHD liegt mit einstufiger Aufladung der erreichbare des mittleren effektiven Drucks das Verhältnis pZmax/we und
Ladedruck bei ca. 4,5 bar absolut. damit der Wirkungsgrad abnehmen.
Höhere Ladedrücke sind zwar prinzipiell möglich, doch Die Unstetigkeitsstellen bei we = 2,8 kJ/dm3 stellen den
reicht dann das schmaler werdende Verdichterkennfeld Übergang von einstufiger auf zweistufige Aufladung dar. Die
nicht aus, um z. B. bei Schiffsantrieben das notwendige Masse des Motors wurde durch Ähnlichkeitsbetrachtungen
Motorenkennfeld darstellen zu können, vgl. Abschn. 17.4.3. an den Bauteilen eines konkreten konstruktiven Konzeptes
Mit 4,5 bar Ladedruck ist dann ein Wert für die spezifische berechnet. Es ist festzustellen, dass mit höherer spezifischer
Arbeit we bis 2,8 kJ/dm3 erreichbar. Oberhalb dieses Wertes Arbeit das Potenzial für ein Reduzieren des Leistungsge-
sind die Motoren mehrstufig aufzuladen. In Abhängigkeit wichts abnimmt. Um den Zusatzaufwand der zweistufigen
vom zulässigen Spitzendruck und der möglichen Einspritz- Aufladung ausgleichen zu können, ist eine Steigerung der
dauer folgt daraus das maximal mögliche Verdichtungsver- spezifischen Arbeit notwendig. Hohe spezifische Arbeit
hältnis. Hoher Spitzendruck lässt auch hohe Verdichtungs- führt nur dann zu spürbaren Vorteilen beim Leistungsge-
verhältnisse zu. Durch Verkürzen der Einspritzdauer kann wicht, wenn der Spitzendruck im Zylinder und damit die
bei konstantem Einspritzdruck der Einspritzbeginn zu spä- notwendige Bauteilfestigkeit begrenzt wird und Zugeständ-
teren Zeitpunkten verlegt werden. Bei vorgegebenem Spit- nisse an den Wirkungsgrad möglich sind.
zendruck sind somit wiederum höhere Verdichtungsver- Die Bohrung ist ein weiterer Parameter, der die Leistung
hältnisse möglich. eines Dieselmotors entscheidend beeinflusst. Die Boh-
Da zum Starten und zum weißrauchfreien Leerlaufbetrieb rung wird einerseits geometrisch durch den Zylinderab-
ein Mindestverdichtungsverhältnis notwendig ist, ist für stand und andererseits in Kombination mit dem ange-
eine gegebene Motorenkonstruktion der zulässige Lade- strebten Spitzendruck durch die zulässige Lagerbelastung
druck nach oben begrenzt und damit wiederum auch die begrenzt.
maximal mögliche spezifische Arbeit we unter den angege- In Bild 17‑45 wird die Zylinderbohrung D in Abhängig-
benen Randbedingungen (ηemax, λVmin). Das minimal not- keit von der spezifischen Arbeit we dargestellt unter der
wendige Verdichtungsverhältnis liegt bei kleinen Motoren Annahme, dass sowohl der Zylinderabstand x als auch die
(Vh < 3 dm3) bei 14 bis 15, bei größeren Motoren bei 13 bis mittlere Kolbengeschwindigkeit cm im gesamten Diagramm
14. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass konstant sind. Bei konstantem Zylinderabstand x ist die
– hoher Spitzendruck, Bohrung aus geometrischen Gründen nach oben gemäß
– hoher Wirkungsgrad, D ≤ x/1,3 limitiert. Jeder Bohrung ist bei konstantem Zy­­
– geringes Luftverhältnis, linderabstand ein maximaler Verbrennungsdruck gemäß
– kurze Einspritzdauer, D2 ∙ pZmax = konst. zuzuordnen. Nach oben wird der max.
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren    609

Bild 17-44 Relative Leistungsmasse und relativer Kraftstoffverbrauch eines Dieselmotors abhängig von der spezifischen Arbeit

Spitzendruck auf 220 bar begrenzt. Hier handelt es sich um rechtigte Mittel. Werden gute Verbräuche angestrebt, d. h.
eine variable Grenze, die sich in Abhängigkeit vom tech- pZmax/we ≥ 70, so ist es möglich, die dann zulässige Leistung
nischen Fortschritt nach oben verschiebt. Weiterhin sind mit einstufiger Aufladung darzustellen.
Linien konstanter Zylinderleistung PZ und Linien mit Leistungssteigerung durch Erhöhen der spezifischen
pZmax/we = konst. eingetragen. Beide verlaufen parallel, da Arbeit we bei gegebenem Spitzendruck pZmax führt wegen
sowohl die Leistung als auch die Triebwerksbelastung qua- der Abnahme des Verhältnisses pZmax/we zu einer Ver-
dratisch von der Bohrung abhängen, wobei außerdem für schlechterung des spezifischen Kraftstoffverbrauches.
Linien pZmax/we = konst. ein annähernd gleicher Nutzwir- Für den Bereich 50 ≤ pZmax/we ≤ 60 ist die Leistung nur
kungsgrad angenommen werden kann. zweistufig darstellbar.
Begrenzt wird das Feld durch ein minimal mögliches Es ist zu erwarten, dass durch Fortschritte bezüglich der
pZmax/we ≥ 50, unterhalb dieses Wertes sind Start- und Teil- Belastungsfähigkeit des Grundmotors, d.h. Erhöhung des
lastprobleme zu erwarten. Die Grenze der einstufigen Auf- Spitzendruckes bei konstantem Zylinderabstand, höhere
ladung liegt bei we = 2,8 kJ/dm3, die der zweistufigen Aufla- Werte für pZmax/we als 60 mit zweistufiger Aufladung und
dung bei we = 4,0 kJ/dm3. Unter den gegebenen Randbedin- geometrisch maximaler Bohrung möglich werden.
gungen wäre nur durch Erhöhung des Spitzendruckes oder Die zweistufige Aufladung ist daher dann anzuwenden,
Reduzierung des zulässigen Verhältnisses pZmax/we eine wenn bei einer Neuauslegung extreme Leistungsdichte
Erhöhung der spezifischen Arbeit auf Werte oberhalb 4,0 kJ/ angestrebt wird und einerseits eine Vergrößerung der Boh-
dm3 möglich. Verlaufen Linien mit konstanter Leistung rung aus geometrischen Gründen nicht möglich ist und
sowohl durch den Bereich der einstufigen als auch den andererseits die Grenzen der einstufigen Aufladung erreicht
Bereich der zweistufigen Aufladung, d. h. bei hohen Verhält- sind. Auch bei vorhandenen Baureihen kann mit Hilfe der
nissen pZmax/we, so sind für die Darstellung der angestrebten zweistufigen Aufladung eine Leistungssteigerung vorge-
Leistung hohe spezifische Arbeit bei kleiner Bohrung und nommen werden, wenn das Potenzial der einstufigen Auf­
geringe spezifische Arbeit bei großer Bohrung gleichbe­ ladung erschöpft ist.
610 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-45 Zylinderbohrung und maximaler Zylinderdruck eines Dieselmotors in Abhängigkeit von der spezifischen Arbeit

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass mit der zweistu- quadratisch mit der mittleren Kolbengeschwindigkeit,
figen Aufladung mit Zwischenkühlung höhere Aufladewir- sodass bedingt durch diese beiden Abhängigkeiten der Wir-
kungsgrade erreichbar sind als mit der einstufigen Aufla- kungsgrad des Motors abnimmt. Soll die spezifische Arbeit
dung, sodass für den spezifischen Kraftstoffverbrauch ein gehalten werden, so kann dies nur durch Erhöhen des Lade-
Bonus von 3 bis 4 g/kWh besteht (s. Abschn. 2.2). druckes ausgeglichen werden, was i. d. R. eine Reduzierung
Abschließend ist als weiterer, die Leistung beeinflussen- des Aufladewirkungsgrades nach sich zieht.
der Parameter die mittlere Kolbengeschwindigkeit zu Dies ist besonders problematisch zu bewerten, wenn man
betrachten. Gemäß Gl. (17-1) ist die Leistung direkt propor- bereits an die Grenzen eines Aufladeverfahrens gestoßen ist.
tional der mittleren Kolbengeschwindigkeit, die durch Erhö- Zusätzlich führen bei einer gegebenen Einspritzausrüstung
hung des Hubes und/oder Erhöhung der Drehzahl gesteigert höhere notwendige Einspritzmengen zu einer Verlängerung
werden kann. Beide Maßnahmen wirken sich unterschied- der Einspritzdauer, das wiederum zu einer Verschlechterung
lich auf das Leistungsgewicht und den Wirkungsgrad des des thermischen Wirkungsgrades führt.
Motors aus. Die Verlängerung des Hubes führt in jedem Fall zur Mas-
Die Zusammenhänge sind sehr komplex, werden daher senzunahme des Motors.
an dieser Stelle nur qualitativ diskutiert. Um die Auswir- Die zweite hier zu diskutierende Maßnahme, nämlich die
kungen exakt zu erfassen, ist für den konkreten Fall der Drehzahlerhöhung bei konstantem Hub, hat zwar einen
Einfluss auf die Auslegung des Triebwerkes einschließlich geringeren Einfluss auf die Masse des Motors, führt aber zu
des Einflusses auf das schwingungsfähige Gesamtsystem, auf höheren Gaswechselverlusten. Bei konstanter mittlerer Kol-
die Reibung und die Gaswechselverluste zu untersuchen. bengeschwindigkeit hat der langhubige Motor gegenüber
So wird z. B. beim Vergrößern des Hubes die Zapfenüber- dem kurzhubigen Motor eine geringere Drehzahl. Eine
deckung der Kurbelwelle geringer, deshalb muss zur Beibe- geringere Drehzahl hat geringere Gaswechselverluste zur
haltung der Steifigkeit der Zapfendurchmesser vergrößert Folge, da die Zeitquerschnitte größer sind, indem bei einer
werden. Das Triebwerk wird dadurch schwerer und die geringen Drehzahl absolut mehr Zeit für den Gaswechsel-
Lagerreibung nimmt zu. Die Gaswechselverluste steigen vorgang zur Verfügung steht (s. Abschn. 2.1). Für die Ausle-
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren    611

gung eines SHD mit vorgegebener Leistung ist zusammen- 17.4.3.2 Grundmotor
zufassen:
– hohe Zylinderzahl und Zum Grundmotor gehören im Wesentlichen das Kurbelge-
– größtmögliche Bohrung für gegebenen Zylinderabstand häuse, die Komponenten des Triebwerkes, der Zylinderkopf,
anstreben, die Ventilsteuerung, das Einspritzsystem und der bzw. die
– Verhältnis von maximalem Zylinderdruck zu spezifischer Rädertriebe. Das Kurbelgehäuse wird heute i. d. R. aus lame-
Arbeit an den angestrebten Wirkungsgrad sowie an das laren bzw. bei höheren Anforderungen aus globularen Guss-
geforderte Start- und Teillastverhalten anpassen, eisen hergestellt. Das Kurbelgehäuse hat die Aufgabe, den
– hohe mittlere Kolbengeschwindigkeit anstreben, jedoch Kraftfluss zwischen Zylinderkopf und Triebwerk zu schlie-
auf 13 m/s begrenzen. ßen. Es treten also hohe dynamische Belastungen auf. Für
den SHD mit gutem Leistungsgewicht ist es daher von großer
17.4.3 Konstruktion von Hochleistungsdieselmotoren Bedeutung, mit geringem Materialeinsatz eine hohe Gestalt-
festigkeit darzustellen. Um dieser Forderung zu entsprechen,
17.4.3.1 Vorbemerkungen wird das Kurbelgehäuse weit bis unter die Lagerungsebene
der Kurbelwelle heruntergezogen (Bild 17‑46).
100 Jahre Dieselmotorenbau haben zu einer hoch entwi- Zur Erhöhung der Steifigkeit werden die Lagerdeckel
ckelten Verbrennungskraftmaschine geführt. In dieser Zeit seitlich verspannt. Um Mikrobewegungen an der Trennflä-
wurden sehr viele interessante konstruktive Lösungen entwi- che Lagerdeckel – Kurbelgehäuse, die zu Reibrost führen
ckelt. Heute ist jedoch zu sagen, dass hauptsächlich aus Kos­ können, zu vermeiden, ist auf Höhe der Trennebene entwe-
tengründen aufwendige Grundkonzepte nicht mehr verfolgt der ein geeigneter Formschluss vorzusehen oder es sind
werden, sodass sich neuentwickelte Dieselmotoren in den durch Zuganker entsprechende Vorspannkräfte aufzubrin-
wesentlichen Merkmalen des Grundmotors nur wenig un- gen. Mit Hilfe der FE Methode ist die Struktur bezüglich der
terscheiden. Mit der Weiterentwicklung der Abgastur­bo­ Steifigkeit zu optimieren, was nicht nur zur Entlastung der
aufladung werden konstruktive Ansätze, große Hubvolu- Kurbelwelle und der Kurbelwellenlagerung führt, sondern
mina in kleinem Bauraum unterzubringen, z. B. durch An- auch das Körperschallübertragungsverhalten günstig beein-
ordnen mehrerer Zylinderreihen in Delta-, W- oder H-Form, flusst. Bei entsprechender Gestaltung der Ölwanne kann
nicht mehr verfolgt. diese zur Erhöhung der Steifigkeit der Struktur beitragen.
Somit beziehen sich die folgenden Ausführungen allein Da das Kurbelgehäuse das teuerste Einzelbauteil des gesam-
auf den gegenwärtigen Stand der Technik bei Viertakt-Die- ten Motors ist, sollte man sich darum bemühen, es nicht
selmotoren. Historisch interessierte Leser werden auf die durch Nebenfunktionen zu belasten, die auch konstruktiv
Literatur verwiesen, z. B. [17-25], [17-26]. anders gelöst werden könnten. Die Konstruktion des Kur-
Auslegung und Ausführung eines schnelllaufenden Hoch- belgehäuses im oberen Bereich hängt sehr stark von anderen
leistungsdieselmotors (SHD) hängen in großem Maße vom Komponenten wie dem Einspritzsystem und dem Abgassys­
Know-how und Know‑why des einzelnen Herstellers ab. tem ab, sodass in diesem Bereich nur wenig Allgemeingül-
Um bei der Neu- bzw. Weiterentwicklung moderner SHD tiges zu sagen ist. Von besonderer Bedeutung ist in diesem
erfolgreich zu sein, ist die Anwendung modernster Hilfsmit- Bereich, dass die Gewinde für die Zylinderkopfschrauben
tel, wie tief im Kurbelgehäuse angeordnet sind, um eine günstige
– CAD-Technik (CAD: Computer aided design), Druckverteilung am Dichtverband Laufbuchse – Zylinder-
– neuere Erkenntnisse der Mechanik, Thermo- und kopf zu erhalten.
Aerodynamik, Das Triebwerk hat die Aufgabe, eine Linearbewegung in
– Prozesssimulation des Gesamtsystems Dieselmotor, eine Rotationsbewegung umzusetzen und besteht aus den
– neueste Fortschritte in der Mess- und Analysetechnik Komponenten Kurbelwelle, Pleuellager, Pleuelstange, Kol-
benbolzen und Kolben. Um die Belastung der Hauptlager
unerlässlich. Nur mit Hilfe dieser Mittel ist es möglich, das und der Gehäusestruktur zu reduzieren bzw. nach außen
Gesamtsystem, Teilsysteme und Komponenten bezüglich ih- wirksame freie Kräfte und Momente zu eliminieren bzw. zu
rer Eigenschaften zu optimieren. Im Besonderen werden be- reduzieren (zylinderzahlabhängig), werden auf der Kurbel-
trachtet: welle Gegengewichte angeordnet.
– Grundmotor und Die Kurbelwelle wird aus einem Vergütungsstahl
– Aufladeverfahren. geschmiedet. Zur Erhöhung der Dauerwechselfestigkeit
können die Radien am Hubzapfen gehärtet werden. Bei der
Dimensionierung der Kurbelwelle und Anordnung der
612 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-46
Kurbelgehäuse mit hoher Gestalt-
festigkeit

Hubzapfen muss ein Kompromiss eingegangen werden Der Kolbenbolzen wird im Kolben in einer Bronzebuchse
bezüglich des Drehschwingungsverhaltens bei verschiede- gelagert, um bei hohen Belastungen Nabenbrüche des Kol-
nen Zylinderzahlen, der Zündfolge, des Massenausgleichs bens zu vermeiden.
und der Lagerbelastungen. Unter Berücksichtigung o. g. Für Spitzendrücke bis 180 bar werden elektronenstrahl-
Einflüsse sind der Hauptlagerzapfen, die Wange und der geschweißte Vollschaftkolben verwendet. Grenzen sind
Hubzapfen zu dimensionieren. Es müssen im Vorfeld darüber hinaus bei der Brennraumgestaltung durch Ein-
umfangreichere strukturmechanische Berechnungen durch- schränkungen bei der Ausbildung des Kühlkanals gegeben.
geführt werden, da sowohl der notwendige Zylinderabstand Für Spitzendrücke >180 bar und tiefe Brennraummulden
als auch der notwendige Gegengewichtsradius und damit müssen gebaute Kolben mit Aluminiumschaft und Stahl-
Masse und Bauraum des Motors davon abhängen. Bei neu oberteil vorgesehen werden, Bild 17-48 (s. dazu Ab-
entwickelten Motoren werden die Pleuelstangen aus Kosten- schn. 8.6).
gründen ausschließlich nebeneinander auf einem Hubzap- Bei den damit gegebenen hohen Leistungsdichten ist der
fen angeordnet (Bild 17-47). Kolben intensiv mit Öl zu kühlen. Dies geschieht i. d. R.
Der Schaft der geschmiedeten Pleuelstange wird auf Kni- über eine Spritzdüse, die im unteren Totpunkt in den Kol-
ckung ausgelegt. Im Bereich des Pleuellagers ist die Pleuel- ben eintaucht.
stange steif auszuführen, um eine zusätzliche Belastung des Der Zylinderkopf hat die Aufgabe, sowohl den Brenn-
Lagers durch Verformung zu reduzieren und Relativbewe- raum nach oben hin zu begrenzen bzw. abzudichten als auch
gungen am Lagerrücken zu vermeiden. die Gaswechselorgane und die Einspritzdüse aufzunehmen.
Um eine masseoptimierte Pleuelstange zu erhalten und Der Gestaltung des Zylinderkopfes ist besondere Aufmerk-
zusätzlich den notwendigen Gegengewichtsradius und samkeit zu widmen:
damit Masse zu reduzieren, ist die Pleuelstange vollständig – optimale Gestaltung der Ein- und Auslasskanäle (je zwei
zu bearbeiten. Um hohe Drücke aufnehmen zu können, ist bei SHD),
das kleine Pleuelauge stufen- oder trapezförmig auszubilden – ausreichende Kühlung im Bereich des Zylinderkopfbodens
(Bild 17-48). und des Auslasskanals,
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 613

Bild 17-47
Triebwerk mit paralleler Anordnung der Pleuel-
stangen

Bild 17-48
Verbindung Kolben – Kolbenbolzen – Pleuel
614 17 Fahrzeugdieselmotoren

– steife Struktur, um eine gleichmäßige Pressungsverteilung fahren befinden sich bei drallarmen Verfahren die Teilkanäle
am Dichtverband Laufbuchse-Zylinderkopf zu erzielen, nebeneinander bzw. bei Brennverfahren mit starkem Drall
– Anordnung der Zylinderkopfschrauben, um Gaskräfte mit hintereinander. Zwischenstellungen sind auch möglich, doch
dem Kraftfluss in die Lagerwände des Kurbelgehäuses wird dann die Steuerung komplizierter. Die Zylinderköpfe
einzuleiten, werden bei Hubvolumina über 3 dm3 ausschließlich als Ein-
– Erfüllung von Zusatzforderungen, wie Dekompression zelzylinderköpfe ausgeführt, da sonst im Betrieb zu hohe
und Druckluftanlassen. Relativbewegungen durch Wärmedehnung entstehen kön-
nen. Außerdem wird dadurch die Wartung erleichtert. Die
Hierzu sind umfangreiche strukturmechanische und strö- Steuerung der Gaswechselorgane erfolgt i. d. R. über eine
mungstechnische Untersuchungen notwendig, um die ge- untenliegenden Nockenwelle, Stößel, Stoßstange und Kipp-
nannten Forderungen miteinander in Einklang zu bringen. hebel (Bild 17-49).
In der Regel wird der Zylinderkopf als Querstromkopf ausge- Je nach Anordnung der Ventile werden zum Weiterleiten
führt, d. h., Einlasskanaleintritt und Auslasskanalaustritt be- der Betätigungskräfte auf die beiden Ventile Gabelkipphebel
finden sich gegenüber. Abhängig vom gewählten Brennver- oder Brücken verwendet.

Bild 17-49
Steuerung der Gaswechselorgane
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren    615

Die Anordnung einer untenliegenden Nockenwelle – Ladeluftkühler,


ermöglicht die einfache Demontage einzelner Zylinderköpfe – Ladeluftverteilungssystem.
im Wartungsfall. Obenliegende Nockenwellen verursachen
einen erheblichen konstruktiven Zusatzaufwand, der in Da das Schluckverhalten der Hubkolbenmaschine Diesel-
keinem Verhältnis zum Nutzen steht. motor und das Förderverhalten der Strömungsmaschine Ab-
Die Einspritzausrüstung hat die Aufgabe, den Kraftstoff gasturbolader stark voneinander differieren, können Diesel-
zum richtigen Zeitpunkt in der benötigten Menge in ange- motor und Abgasturbolader nur in einem Betriebspunkt im
messener Dauer in den Brennraum zu befördern. Es wird Kennfeld optimal abgestimmt werden. In Abhängigkeit der
eine Einspritzdauer von max. 25°KW bei Volllast angestrebt, angestrebten spezifischen Nutzarbeit, des geforderten Mo-
um hohe thermische Wirkungsgrade erreichen zu können. torenkennfeldes und der zulässigen Grenzwerte des Turbola-
In Abhängigkeit von der Motorgröße und vom Verbren- ders bzw. Dieselmotors sind daher Anpassungen im Be-
nungsverfahren sind dazu Einspritzmaximaldrücke ober- triebskennfeld notwendig.
halb 1500 bar notwendig. Jedes Aufladesystem ist bezüglich seiner thermodyna-
Bekannte Einspritzsysteme sind (vgl. Abschn. 5.3): mischen Eigenschaften und des notwendigen konstruktiven
– Einzeleinspritzpumpe-Leitung-Düse, Aufwandes zu bewerten. So sind für den SHD im Wesent-
– Pumpe-Düse-System, lichen die Stoß- und die Stauaufladung zu unterscheiden.
– Hochdruckspeicher-Leitung-Injektor (Common Rail). Zwischenlösungen sind auch möglich und werden durchaus
ausgeführt. Die Aufladeverfahren werden im Abschn. 2.2
Für Neuentwicklungen wird i. d. R. das Common Rail Ein- detailliert beschrieben.
spritzsystem mit vollelektronischer Regelung über Magnet-
ventile gewählt. Der Einspritzdruck ist nicht mehr von der 17.4.3.4 Ausgeführte Konstruktionen
Motordrehzahl abhängig und der Einspritzbeginn ist frei
wählbar. Darüber hinaus kann der Einspritzverlauf z. B. Beispielhaft für einen ausgeführten SHD wird die im Jahre
durch eine Vor- oder Nacheinspritzung sehr einfach über 2000 vorgestellte Baureihe 8000 der MTU Friedrichshafen
Softwareparameter variiert werden. Damit bietet das Com- beschrieben (Bild 17‑42), die im Grenzbereich zwischen den
mon Rail Einspritzsystem die Möglichkeit, die Emissionen schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren und den mit-
und den Kraftstoffverbrauch entscheidend zu beeinflussen. telschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotoren (Abschn. 17.3)
Erhebliche Vereinfachungen am Grundmotor sind mit die- angesiedelt ist.
sem Einspritzsystem möglich. So kann auf den 2. Rädertrieb Diese Baureihe wird zunächst als V20-Version für die
auf der Abtriebsseite verzichtet werden. Es ist möglich, den Schiffsanwendung angeboten. Das Zylinderhubvolumen
Ventiltrieb über eine zentrale Nockenwelle zu betreiben und beträgt 17,37 dm3. Bei einer maximalen Drehzahl von
eine der sonst üblichen zwei Nockenwellen damit einzuspa- 1150 min–1 ergibt sich eine mittlere Kolbengeschwindigkeit
ren. Das aufwendige Reguliergestänge entfällt komplett. Die von 12,1 m/s, ein Wert, der für die Größe dieses Motors
neue MTU-Baureihe 4000 ist mit diesem fortschrittlichen beachtlich ist. Mit einstufiger Registeraufladung beträgt die
Einspritzsystem ausgerüstet (Bild 17‑50). spezifische Arbeit we = 2,7 kJ/dm3, ein Wert, mit dem die
Grenze der einstufigen Aufladung weiter nach oben ver-
17.4.3.3 Aufladeverfahren schoben werden konnte.
Der konstruktive Aufbau der Motoren der BR 8000 ist
Die Aufladung von Dieselmotoren dient dazu, die Leistung klar gegliedert. Auf der Kraftabgabeseite (KS) sind die Kom-
und den thermodynamischen Wirkungsgrad des Dieselmo- ponenten der Aufladung, d. h. der sog. Anschlusskasten mit
tors zu steigern. Hinsichtlich der thermodynamischen Zu- Ladeluftkühlern und Lufteinlauf in das Kurbelgehäuse sowie
sammenhänge sei auf den Abschn. 2.2 verwiesen. Im Fol- das Trägergehäuse mit den vier Abgasturboladern angeord-
genden werden hier die konstruktiven Belange näher disku- net.
tiert. Auf der Kupplungsgegenseite (KGS) befinden sich die
Für den Viertaktdieselmotor hat sich die Abgasturboauf- Komponenten des Serviceblocks, beginnend von unten mit
ladung durchgesetzt, da hiermit freie konstruktive Gestal- der Ölpumpe, zwei Hochdruckpumpen für das CR‑Ein-
tungsmöglichkeiten gegeben sind. Das Abgasturboauflade- spritzsystem, gefolgt von der Seewasserpumpe auf der A-
system eines schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotors und der Motorwasserpumpe auf der B-Seite.
(SHD) besteht aus folgenden Komponenten: Oberhalb der beiden Wasserpumpen sind die Kraftstoff-
– Abgasleitungssystem, filter, der Automatik-Ölfilter und der Ölkühler angeordnet.
– Abgasturbolader, Außen auf der A-Seite sind Motorkühlwasser-Thermostat
616 17 Fahrzeugdieselmotoren

Bild 17-50
Zylinderkopf mit Common Rail Ein-
spritzsystem

und Zentrifugen für die Ölpflege im Nebenstrom ange- len, bestehend aus Zylinderkopf (mit Elementen der Steue-
bracht. Mittig über den Ölwärmetauschern befinden sich rung und der Einspritzung), Laufbuchse, Kolben und Pleuel,
die Komponenten der Motorelektronik. verstanden.
Der Bauraum oberhalb des Motors zwischen KS und KGS Die power-unit wird lediglich über vier Stehbolzen im
ist gut zugänglich für die Montage von power-units. Die Kurbelgehäuse gehalten. Auf diese Weise bieten sich für die
power-unit und das Common Rail Einspritzsystem sind optimale Gestaltung des Zylinderkopfes mit den Ein- und
besondere konstruktive Merkmale dieses Motors. Auslasskanälen Freiräume, die sich in exzellenten Durch-
Unter der power-unit wird die gemeinsam als Einheit flusswerten der Kanäle und in einem robusten, dauerfesten
montierbare Gruppe von zylinderstationsbezogenen Bautei- Zylinderkopf ausdrücken.
17 Literatur    617

Gegenüber herkömmlichen Gestaltungsvarianten werden – konventionelle Fertigungsverfahren,


bei der BR 8000 die Halte- und die Dichtkraft durch unter- – beherrschbare Umweltbelange,
schiedliche Konstruktionselemente aufgenommen. Die – hoher recyclingfähiger Materialanteil,
Dichtkraft für die Verbindung der Laufbuchse mit dem – lange Lebensdauer,
Zylinderkopf wird durch 24 Schrauben von unten aufge- – hoher thermischer Wirkungsgrad.
bracht. Dadurch werden sehr gleichmäßige Flächenpres-
sungen im Hochdruckdichtverband erzeugt. Als problematisch ist aus heutiger Sicht die Abgasemission
Die beiden Hochdruckpumpen für das Common Rail Ein- zu bewerten, s. Kap. 15. Von besonderem Interesse sind da-
spritzsystem erzeugen im Kraftstoffsystem Drücke von bis bei die Bestandteile NOx und Partikel. Zusätzlich gewinnt
zu 1800 bar. Der Kraftstoff wird über doppelwandige Lei- CO2 wegen des Treibhauseffektes an Bedeutung.
tungen, die längs am Motor verlegt sind, und über Verteiler Um zukünftige Grenzwerte erfüllen zu können, ist es
in sog. Akkumulatoren oder Einzelspeicher gefördert. Diese notwendig, den Dieselmotor so zu konzipieren, dass güns­
Speicher besitzen ein Volumen, das groß genug ist, um bei tige Voraussetzungen für geringe Abgasemissionen vorlie-
Einspritzen der maximalen Einspritzmasse einen Druckab- gen.
fall vor Injektor und Druckschwingungen im Kraftstoffsys­ Prinzipiell sind hierzu innermotorische und außermoto-
tem zu vermeiden. rische Maßnahmen möglich, s. Kap. 15.
Die Einspritzung selbst erfolgt über Injektoren, die im Außermotorische Maßnahmen bedeuten einen erheb-
Zylinderkopf zentral (bezogen auf den Brennraum) ange- lichen Zusatzaufwand in Form von Kosten, Bauraum und
ordnet sind. Die Steuerung von Einspritzbeginn und Dauer Gewicht. Die spezifischen Eigenschaften der SHD, nämlich
wird über eine elektrische Ansteuerung vom Motormanage- geringe Masse und geringerer Bauraum gehen damit verlo-
ment-System vorgenommen. Über eine Anzahl von Sen- ren, sodass die Zielsetzung besteht, beim SHD günstige
soren gewinnt das elektronische Motormanagement-System Abgasemissionswerte mit innermotorischen Maßnahmen
Informationen über den Betriebszustand des Motors. Diese zu erzielen.
Informationen werden mit hinterlegten Kennfeldern ver- Zunächst sind hierfür die konventionellen Methoden wie
knüpft und liefern die Daten nicht nur für das Timing, Anpassung des Brennraumes, des Dralls und des Einspritz-
sondern auch für den betriebszustandsabhängigen Druck systems auszuschöpfen. Neuentwicklungen sind mit drall­
im Kraftstoffsystem. armen Brennverfahren zu konzipieren, wodurch zwingend
Der Vorteil des Common Rail Systems liegt darin, leistungsfähige Einspritzsysteme notwendig werden.
dass der Einspritzdruck unabhängig vom Betriebszustand Um im mobilen Anwendungsbereich NOx-Grenzwerte
des Motors frei gewählt werden kann. Das heißt, dass auch <5 g/kWh erreichen zu können, sind Zusatzmaßnahmen
– im Gegensatz zu Motoren mit konventionellen Einspritz- wie Abgasrückführung notwendig.
systemen – bei niedrigen Motordrehzahlen hohe Einspritz-
drücke zur Verfügung stehen, die auch im Teillastbereich Literatur
eine effiziente und schadstoffarme Verbrennung ermögli-
chen. 17-1 Kraftfahrt-Bundesamt: Statistische Mitteilungen.
Reihe 1, (2005) 12
17.4.4 Ausblick 17-2 Steinparzer, F.; Stütz, W.; Kratochwill, H.; Mattes, W.:
Der neue BMW-Sechszylinder-Dieselmotor mit Stu-
Der schnelllaufende Hochleistungsdieselmotor (SHD) hat fenaufladung. MTZ 66 (2005) S. 334–345
heute einen hohen Entwicklungsstand erreicht, d. h. Kun- 17-3 Krebs, R.; Hadler, J.; Blumensaat, K.; Franke, J.-E.;
dennutzenelemente wie Leistungsgewicht, Bauraum, Le- Paehr, G.; Vollmers, E.: Die neue 5-Zylinder-Diesel-
bensdauer und Nutzwirkungsgrad befinden sich auf hohem motoren-Generation für leichte Nutzfahrzeuge von
Niveau. Zukünftig wird der Dieselmotor immer mehr bezüg- Volkswagen. Wiener Motorensymposium 2006
lich seiner Umweltverträglichkeit beurteilt werden. 17-4 Brüggemann, H.; Klingmann, R.; Fick, W.; Naber, D.;
Betrachtet man den Material- und Energieeinsatz wäh- Hoffmann, K.-H.; Binz, R.: Dieselmotoren für die
rend der Produktion und des Betriebes eines Dieselmotors, neue E-Klasse. MTZ 63 (2002) S. 240–253
so lässt sich feststellen, dass der Dieselmotor, über seine 17-5 Bach, C.; Rütter, J.; Soltic, P.: Diesel- und Erdgasmo-
Lebensdauer gesehen, eine relativ umweltfreundliche toren für schwere Nutzfahrzeuge, Emissionen, Ver-
Maschine ist. Dafür kennzeichnend sind: brauch und Wirkungsgrad. MTZ 66 (2005) S. 395–
– Verarbeitung von unbedenklichen Werkstoffen wie 403
Gusseisen, Stahl und Aluminium, 17-6 DVZ: Deutsche Verkehrszeitung. 17 (2006) 1, S. 9ff.
618    17 Fahrzeugdieselmotoren

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Deutsches Institut für Normung (Hrsg.) (1986) 6 vorrichtung von Kraftfahrzeugen (1990) 3
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Weiterentwicklung des Nutzfahrzeug-Dieselmotors. betrieb. 3. Aufl. Berlin: Verlag Technik 1978
Düsseldorf: VDI-Z. Special (1990) 1, S. 17 17-23 Holden, K.O.; Faltinsen, O.; Moan, T. (Hrsg.): Fast
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Bulletin 3606151 (1997) 7
18 Industrie- und Schiffsmotoren

18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren & Garden, Landwirtschaft sowie Kleintraktoren, Stromer-


zeuger, Wasserpumpen und Bootsantriebe.
18.1.1 Einleitung Der klassische Einzylinder-Kleindieselmotor ist der ste-
hende Viertakt-Motor mit Direkteinspritzung. Die liegende
Der Einzylinder-Industrie-Dieselmotor hat eine tradi­ Bauart findet man heute nur noch in Asien. Vertikalwellen-
tionsreiche Geschichte, die vom ersten, betriebsfähigen Motoren, bislang als Benzinmotoren typisch für Rasenmä-
Dieselmotor im Jahre 1897 bis zu dem heutigen, luftgekühl- her- und Außenbordmotoren, werden seit 4 Jahren auch als
ten, vielfältig einsetzbaren Einzylinder-Kleindieselmotor Einzylinder-4 Takt-Dieselmotoren angeboten (Bild 18‑1).
reicht. Wegen geringer leistungsspezifischer Herstellkos- Die freien Massenkräfte und -momente machen sich bei
ten, geringem Kraftstoffverbrauch, günstigen Schmierbe­ Geräten mit tiefer Schwerpunktlage wie z. B. Rasenmäher
dingungen und besserer Abgasqualität wird er nur noch nicht stark bemerkbar.
als Viertaktmotor vor allem im Kleindieselsegment ausge- Die Wünsche der Motorenkunden sind vielfältig und sehr
führt. unterschiedlich. Jeder möchte seinen aktuellen Einbaufall in
Ungeachtet des erreichten hohen Entwicklungsstandes Funktion und Kosten optimal gelöst sehen. Auf alle Kun-
werden auch weiterhin Verbesserungspotenziale erforscht, denwünsche einzugehen würde zu einer Vielfalt unter-
die vor allem in der Nutzung neuer, hochwertiger Materi- schiedlichster Motoren führen, die sich nur rechnen, wenn
alien und in den Gemischbildungs- und Steuerungskriterien entsprechende Stückzahlen dahinter stehen. Dies ist i. d. R.
gesehen werden. nicht der Fall. Somit versucht jeder Motorenhersteller eigene
Wenn auch Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Indus- Konzeptstrategien zu entwickeln, die von einem Basismotor
triemotoren stets die erste Priorität besitzen werden, so sind ausgehend ein möglichst variables, universell einsetzbares
neben den komplizierten Marktmechanismen zunehmend und individuell aufadaptierbares Triebwerk anbieten kön-
zusätzliche Parameter, wie die Abgas – und Schallemission, nen. Einbauprojektierung im Dialog zwischen Motorenan-
zu berücksichtigen (s. Kap. 15 und 16). bieter und Anwender sind Vorbedingung. Die Abstimmung
Der technische Fortschritt in artverwandten Produktbe- des Pflichtenheftes und begleitende Einbauberatung bis zum
reichen beflügelt auch die Entwicklung der Kleindieselmo- Serienanlauf eines Gerätes einschließlich Abnahmeproto-
toren, aber nicht immer ist der gleiche Maßstab anzusetzen: koll gehören heute zum Standardprogramm eines Motoren-
Die Entwicklung einer neuen Motorengeneration oder die herstellers.
Einführung neuer Technologien erfordert sorgfältige Stu­
dien, einschließlich einer genauen Analyse der bisherigen, 18.1.2 Lastenheft und Grunddaten
jahrzehntelang im rauen Industrieeinsatz bewährten Motor- von Einzylinder-Dieselmotoren
technik. Nur bei richtiger Einschätzung abzusehender Ent-
wicklungsschritte und künftiger Anforderungen, können 18.1.2.1 Leistungsbereich und Verbrennungsverfahren
neue Technologien frühzeitig in die eigene Produktentwick-
lung eingebunden und erfolgreich mit zeitlichem Vorsprung Motorleistung
gegenüber der Konkurrenz angeboten werden. Einsatzge-
biete dieser Motoren mit einem Leistungsbereich von 2 bis Der Markt benötigt Viertakt-Einzylinder-Dieselmotoren mit
12 kW bei Drehzahlen von 3000, maximal 3600 min–1, sind 2 bis 12 kW Leistung und Zylindervolumen von Vh = 200 bis
Baumaschinen, der Kommunalbereich, die Bereiche Lawn 850 dm³. Der weltweite Bedarf an diesen Motoren beträgt
620 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-1 Motor 1B20V – Vertikalwellenmotor Vh = 232 cm3, Pe = 3,8 kW / 3600 min–1

jährlich 1,2 Mio. – Tendenz steigend. Über 12 kW Leistung ohne Vorglühen startet, kommt für kleine Hubvolumen
sind bereits Zweizylinder-Motoren sinnvoll, wobei je nach (≤ 0,4 l) nur die direkte Einspritzung (DI) in Frage.
Anforderung an das Drehmoment eine untere Grenze von
8 kW bei 3600 min1 unter Berücksichtigung der Kosten ver- 18.1.2.2 Anforderungen an die Konstruktion
tretbar ist. Die geringen freien Massenkräfte und der damit
ruhigere, vibrationsärmere Motorlauf geben hier den Aus- Hub/Bohrungsverhältnis. Grundsätzlich ist ein Hub/Boh-
schlag. Einen Leistungsgewinn über höhere Drehzahlen zu rungsverhältnis von s/D>1 zu bevorzugen, jedoch verhin-
erzielen, ist anwendungstechnisch nachteilig und wenig ef- dern größere Hübe, die Vorteile einer optimalen Bauhöhe zu
fektiv. Hier haben sich Nenndrehzahlen von max. 3000 min1 nutzen. Dies kann mitunter ausschlaggebend für die Reali-
im oberen Hubraumbereich bzw. bis zu 3600 min1 im un- sierung eines Motorisierungsprojekts sein, so dass auch Mo-
teren Hubraumbereich bewährt. toren bis zu einem s/D- Verhältnis von ≥ 0,6 angeboten wer-
den. Stark im Kommen sind aus Gründen der Bauhöhe sog.
Verbrennungsverfahren Vertikalwellen -Motoren, z. B. für den Einbau in Rasenmä-
hern (s. Bild 18-1).
Grundbedingung für Einzylinder-Dieselmotoren ist nach
wie vor Handstartfähigkeit bei mindestens –6 °C (–12 °C) Kühlverfahren. Nahezu ausschließlich wird die direkte Luft-
ohne elektrische Hilfseinrichtungen wie Glühkerze oder kühlung angewendet, s. Abschn. 9.1.4, mit einem in das
Glühwendel. Da ein Wirbelkammer-Motor unter 0 °C nicht Schwungrad integrierten Radial-Sauggebläse. Bei diesem
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren 621

platzsparenden und kostengünstigen Prinzip wird die Kühl- Konzepte für vollständig gekapselte Motoren zu entwi-
luft mittels Leitbleche gezielt an die temperaturkritischen ckeln. Für Motoren der sog. B-Baureihe, Fa. Hatz, ist dafür
Bauteile wie Zylinderkopf und Zylinderrohr geführt. Je grö- eine Flüssigkeitskühlung mit Schmieröl und externem
ßer die zur Kühlung herangezogene Motoroberfläche ist, Wärmetauscher in der Erprobung (Bild 18-2). Erkennbar
umso größer ist die Reserve für den Einsatz in Ländern mit sind der geänderte Zylinderkopf, die Ölführung an der
hohen Umgebungstemperaturen. Eine Wasserkühlung, wie Steuerseite sowie der größere Ölvorrat. Der vergrößerte
bei kleinen Mehrzylindermotoren, ist zu aufwendig und und mit Öl gefüllte Spalt zwischen den slip-fit-Laufbuch-
kommt daher nicht in Betracht. sen dient zu deren Kühlung bzw. als Wärmebrücke zum
Die ständig verschärften Vorschriften für die Geräusch- Gehäuse.
emission von Geräten, Apparaten etc. zielen auch auf den
Antrieb, den Verbrennungsmotor, so dass oftmals nur die Motorbefestigung. Sofern möglich, sollte der Motor elas-
vollständige Kapselung des Motors Abhilfe schafft, s. tisch gelagert werden. Hierfür bietet die Zulieferindustrie
Abschn. 16.5. Die dabei auftretenden thermischen Pro- umfangreiche Möglichkeiten: Hydrounterstützte Elemente auf
bleme beim Motor und die notwendige Dämpfung der der Basis Gummi/Polymere haben sich hier sehr gut be-
Kühlluftgeräusche, zwingen die Motorenhersteller neue währt, auch dann, wenn beim Hochlauf des Motors bzw. Aus-

Bild 18-2
Flüssigkeitskühlung mit Schmieröl
und externem Wärmetauscher der
sog. B-Baureihe, Fa. Hatz (in Erpro-
bung)
622 18 Industrie- und Schiffsmotoren

lauf beim Motorstop Resonanzdrehzahlen durchfahren Abtriebsmöglichkeiten wie es z. B. der 1D81 Motor mit 4 Aus-
werden. gängen (PTO’s) darbietet (s. Bild 18-3).
Beim Riemenantrieb von Arbeitsmaschinen gibt es die Neben Links- (Standard) oder Rechtslauf bestehen fol-
Möglichkeit, diese zunächst zusammen mit dem Motor auf gende Optionen für die Drehmomentabnahme:
einen Zwischenrahmen starr aufzubauen und diesen Rah- – 100% an der Schwungradseite axial über Kupplungsflansch
men über Dämpfungselemente zum Fundament zu entkop- oder radial über Riemenscheibe (1),
peln. Ein starrer Aufbau des Motors ist in Verbindung mit – 100% steuerseitig an der Kurbelwelle radial und axial (2),
sehr steifen und massebehafteten Rahmen und Fundamen- – 100% zusätzlich bei Handkurbelstart auch auf der
ten möglich. Steuerseite, an der Nockenwelle durch Keilriemenschei-
benanbau (3),
Abtriebsmöglichkeiten. Universeller Motoreinsatz erfordert – begrenzte Momentabnahme an der Nockenwelle zum
den Abtrieb sowohl auf der Schwungradseite als auch auf der Antrieb kleiner Hydraulikpumpen (4).
gegenüberliegenden Steuerseite, womit sich der Drehsinn um-
kehrt. Die heute verstärkt eingesetzte Reversierstarteinrich- Starteinrichtungen, Startmöglichkeiten
tung blockiert jedoch die Abtriebsmöglichkeit auf der
Schwungradseite. Verzichtet man auf die simple Handstartein- Handkurbelstart. Dieser erfordert in jedem Fall ein höheres
richtung und wählt den komfortableren, aber auch anfälligeren Massenträgheitsmoment, als dies beim Elektro-Start erfor-
Elektro-Start, ergeben sich je nach Motorkonzeption weitere derlich ist. Höheres Massenträgheitsmoment heißt jedoch

Bild 18-3
Abtriebsmöglichkeit an einem luftge-
kühlten Einzylinder-Dieselmotor
(HATZ SUPRA 1D81). Vh=0,667 dm3
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren 623

beträchtlich höheres Motorgewicht aufgrund des notwendi- bei vollem Kraftaufwand über eine Zeitdauer von 3,5 s gera-
gerweise schwereren Schwungrades. Mögliche Korrosion an de noch vertretbar.
elektrischen Bauteilen sowie Beschädigung der Batterien Der Trend, die leistungsbezogene Motormasse durch
durch starkes Rütteln, sprechen gegen den Elektrostart im leichtere Schwungräder zu senken, geht zu Lasten von Start-
rauen Baumaschineneinsatz. sicherheit und Kaltstartverhalten. Hierzu stellt das Dia-
Das Baumaschinen-Verleihgeschäft ist durch Wartungs- gramm in Bild 18-4 die Zusammenhänge für einen sicheren
verfall, unsachgemäße Bedienung usw. gekennzeichnet: „ein- Kaltstart bei –6 °C dar.
fach“, „robust“ und „in der Funktion überschaubar“ lautet
hier die Forderung. Das spricht für den Handkurbelstart bei Reversierstart. Der bei Einbau-Benzinmotoren fast aus-
größeren Einzylinder-Dieselmotoren ab Vh > 0,5 dm3, bei nahmslos eingesetzte Reversierstarter wird zunehmend auch
dem über mehrere, vorwählbare, dekomprimierte Arbeits- bei Klein-Dieselmotoren angewendet, zumal kaum Verlet-
spiele das Schwungrad soweit auf Drehzahl gebracht wird, zungsgefahr besteht. Die über einen Seilzug von 0,7 bis 1 m
dass dessen Energie für einen oder mehrere OT-Durchläufe Auslenkung von Hand eingebrachte Energie muss das
bei voller Verdichtung Selbstzündung und Hochlauf des Schwungrad innerhalb eines Arbeitsspieles, also zwei Um-
Motors erreichen lässt. Gegen das gefährliche Rückschlagen drehungen, auf die Startdrehzahl bringen. Dekompression
(-drehen) bei unzureichendem Schwungmoment und vor durch Anheben des Auslassventils um ca. 0,1 bis 0,2 mm
OT einsetzender Zündung schreibt der deutsche Gesetzge- über ein einfaches, nach einem Arbeitsspiel zurücksprin-
ber Schutzmaßnahmen vor, indem z. B. eine in die Hand- gendes Hebelwerk oder eine automatische, fliehkraftgesteu-
kurbel verlegte Ausklinkmechanik den Kraftschluss zum erte Dekompressionseinrichtung erleichtern den Startvor-
Rückschlagmoment nach wenigen Winkelgraden aufhebt. gang. Dem Diagramm in Bild 18-4 ist auch das Trägheitsmo-
Der Handkurbelstart ist bei richtiger Wahl des Schwung- ment des Schwungrades für flimmerfreien Generatorbetrieb
rades und der Übersetzung von Handkurbel- zur Kurbel- mit 3000 min1 zu entnehmen, womit allerdings schon ab
wellendrehzahl bis 0,8 l Hubraum möglich. Ergonomisch ist 300 cm3 Hubraum ein Kaltstart mittels Reversierstart proble-
eine Handkurbeldrehzahl von 2,5 Umdrehungen pro Sekun- matisch ist. Der in diesem Fall günstigere Handkurbelstart
de mit einem maximalen Handkurbelradius von 200 mm lässt höhere Übersetzungen zu, die bei IDI-Motoren mit

Hubvolumen Vh in cm3

Bild 18-4 Erforderliches Trägheitsmoment des Schwungrades in Abhängigkeit vom Hubvolumen für Einzylinder-Dieselmotoren an der Kaltstartgrenze bei –6 °C
624    18 Industrie- und Schiffsmotoren

Vh< 0,4 l zwischen 4:1 und 5:1 betragen. Außerdem erfor- 10fachen Hubvolumen wegen des Bauraums nicht möglich,
dern Nebenkammermotoren (IDI) unter –6 °C elektrische andererseits ist unter einem 3fachen Hubvolumen keine
Vorglüheinrichtungen. wirksame Dämpfung ohne Leistungsverluste bis zu 10% er-
Elektrostart. Abgesehen vom rauen Bausektor wird der reichbar. Der mittlere Gegendruck am Schalldämpfereintritt
Start mit elektrischem Startermotor über Ritzel und Zahn- (= Auslasskanalaustritt) soll dabei < 25 mbar (250 mm WS)
kranz am Schwungrad zunehmend eingesetzt, z. B. bei Kli- bei Nenndrehzahl betragen. Abgasleitungen sind abgesehen
maanlagen, Lift- und Hubgeräten, bei denen von vornherein von der Dichtheit je nach Motorbefestigung starr oder mit
eine Fernbedienung oder Regelelektronik vorgesehen ist. flexiblen Kompensatoren zur schwingungstechnischen Ent-
Wegen der langen Auspendelzeiten (bis 2,5 s) von Einzylin- koppelung anzubringen. Bei Motoreinbau sind innerhalb
der-Dieselmotoren ist ein Verzahnungsmodul > 2,5 mm zu geschlossener Räume möglichst kurze, wärmeisolierte Ab-
wählen, um Zahnausbrüche bei versehentlichem Nachstarten gasleitungen zu verwenden.
zu vermeiden. Grundsätzlich ist daher ein elektronisches
Startsperr-Relais zu empfehlen, das bei fernbedienten Motoren Motorraumbelüftung. Beim Motoreinbau in enge, geschlos-
unverzichtbar ist. Abschließend sei vermerkt, dass beim sene Räume (Kapseln) ist die Kühlluft möglichst ohne Tem-
Handstart in den Ansaugtrakt zu sprühende „Zündhilfen“ peraturanstieg (< 3 K) dem Gebläseradeintritt zuzuführen.
ebenso wie der einfache Handseilstart in Deutschland und Um den Wärmehaushalt des Motors bzw. des Einbauraumes
künftig in Europa wegen der Unfallgefahren verboten sind. zu entlasten, ist die erwärmte Abluft möglichst ohne Lässig-
keiten über Bälge, Schläuche oder Schächte auf dem kürzes-
Ansaug- und Abgasanlage ten Wege nach außen zu führen. Bei außerhalb des Einbau-
raumes angeordnetem Schalldämpfer und kurzer, isolierter
Luftfilter. Die bei Kleindieselmotoren früher verwendeten Abgasleitung genügt i. d. R. die Teilabsaugung aus dem Ein-
Ölbadluftfilter haben zwar schlechtere Abscheidegrade, sind bauraum mit dem Schwungradgebläse. Befindet sich der
jedoch einfach zu warten, da sie mit dem auf Baustellen ver- Schalldämpfer im Motorraum, muss dieser abgeschottet in
fügbaren Motoröl auskommen. Der hinsichtlich Abscheide- einem Abluftschacht platziert werden, ebenso die weiterfüh-
grad deutlich bessere Trockenluftfilter, s. Abschn. 13.1, be- renden Abgasrohre. Eine Fremdbelüftung ist nur dann not-
darf neben der Bevorratung von Filterpatronen einer War- wendig, wenn keine dichte Abluftführung vorliegt.
tung, indem die Filterbelegung kontrolliert wird. Die dazu
übliche Unterdruckanzeige am Filtersystem ist bei Einzylin- Kraftstoffversorgung
dermotoren wegen der starken Ansaugpulsationen proble-
matisch. Eine verstopfte Filterpatrone kann jedoch schon Standard ist ein am Motor angebauter Kraftstofftank mit Fil-
nach kurzer Zeit schwere Schäden im Zylinderkopfbereich ter, Kraftstoffleitung zur Einspritzpumpe sowie Rücklauf von
durch Überhitzen aufgrund Verbrennungsluftmangels initi- dieser bzw. Leckölrückführung vom Düsenhalter in den
ieren. Da bei Einsatz im Bausektor erhöhte Staubbelastungen Tank. Sicherer Motorbetrieb verlangt ein Mindestgefälle vom
auftreten, sollte das Motorgrundkonzept beide Filterarten Tank zur Einspritzpumpe von ≥ 50 mm, wobei ein möglicher
vorsehen und bei extremer Staubbelastung den Anbau eines Schräglagenbetrieb zu beachten ist. Ebenso sind horizontale
Vorabscheiders (Zyklons) ermöglichen. Bei unsicherer Er- oder wenig geneigte Leitungsführungen von < 10 ° zu ver-
satzteilversorgung, z. B. in sog. „Drittländern“, ist dem Öl- meiden. Dies gilt besonders für den Vorlauf vom Tank zur
badluftfilter der Vorrang zu geben. Einspritzpumpe. Für einen sicheren Abtransport der Gas-
bzw. Luftbläschen im Kraftstoff nach dem Abstellen des Mo-
Ansaugtrakt. Vom Luftfiltereintritt der Rohluft bis zum tors, vor allem im Bereich der Einspritzpumpe, ist zu sorgen.
­ otoreintritt der Ansaugluft ist eine dichte Anbindung, z. B.
M Bei Versorgung aus einem tiefer liegenden Kraftstofftank
über elastische Schläuche, vorzusehen. Bei Motoreinbauten sollte ein unmittelbar vor der Membranförderpumpe einge-
in halben oder ganz geschlossenen Räumen sollte die Luft von bautes Rücklaufsperrventil verhindern, dass sich das Kraft-
außen ohne Druckverluste und Temperaturerhöhung zuge- stoffsystem bei Motorstillstand entleert, was langwierige
führt werden (Richtwerte: ≤ 10 mbar (100 mm WS) Unter- Entlüftungsprozeduren beim Neustart erfordern würde.
druck bzw. 5 K Temperaturerhöhung gegenüber der Außen-
luft, gemessen am Einlasskanaleintritt bei Nenndrehzahl). Lichtmaschine

Abgasanlage. Das Schalldämpfervolumen soll möglichst Die Lichtmaschine wird am Einzylinder-Dieselmotor meist
groß gewählt werden. Einerseits ist ein hinsichtlich Leis­ platzsparend als sog. Schwungradlichtmaschine ausgebildet:
tungsverlust bzw. Mündungsgeräusch ideales Volumen vom Am Schwungrad in einem Ring angeordnete Magnetseg-
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren 625

mente laufen mit einem Spalt von etwa 0,4 mm an sternför- eingesetzt. Technisch optimale, kostengünstige Lösungen
mig am Kurbelgehäuse befestigten Spulenkörpern vorbei. bieten in Al-Druckguss hergestellte Gehäusekonstruktionen
Der Spannungsregler ist leicht zugänglich am Motor befes- mit integrierter, hochgezogener Aufnahme für die Laufbuch-
tigt und liefert drehzahlabhängig einen gleichgerichteten se, die einseitig offen und somit leicht entformbar sind (s.
Ladestrom von 15 A bei 12 V und 8 A bei 24 V und damit Bild 18-6 und Bild 18-7). Der Steuerdeckel als abschließen-
eine Ladeleistung von ≈ 200 W. Bei einem anderen Konzept des Bauteil nimmt ein Hauptlager auf. Verfolgt man den Kraft-
wirken am Schwungrad angebrachte Permanentmagnete linienverlauf erkennt man, dass dieses Konstruktionsprinzip
über einen axialen Luftspalt mit einem am Kurbelgehäuse jedoch Grenzen aufweist. Bei Hubvolumen größer als 0,6 dm3
fixierten Spulenträger zusammen. Nur dieser wird bei De- ergeben sich Zünddrücke, die nicht mehr beherrscht werden
fekten ausgewechselt, was den Ausbau des Motors bzw. können. Hier bietet sich für größere Einzylinder-Dieselmo-
Schwungrades erspart. Durch zusätzliche Spulen kann die toren eine druckgussfähige, einteilige und nach unten offene
Lichtmaschinenleistung einfach gesteigert werden. Konstruktion an, bei der wie bei Mehrzylindermotoren eine
angeschraubte Ölwanne das Gehäuse verschließt.
18.1.3 Konstruktiver Aufbau der Einzylinder-
Kleindieselmotoren Nockenwelle, Regler. Bei der Positionierung der Nocken-
welle verfährt man unterschiedlich: Sie kann entweder wie
18.1.3.1 Kurbelgehäuse bei einem Reihenmotor seitlich parallel zur Kurbelwelle an-
geordnet werden (Bild 18-7) oder mittig über der Kurbel-
Graugussgehäuse bieten zwar Vorteile hinsichtlich der Ge- welle, wahlweise steuer- oder schwungradseitig (Bild 18-6).
räuschemission, sind aber aus Gewichtsgründen und ebenso Bei für die Regelung der Einspritzpumpe verwendeten
wie die zwar leichten, im Sandguss- oder Kokillenverfahren P-Regler wird das Übertragungsglied meist von der No-
gegossenen Al-Gehäuse wegen der teuren Bearbeitung nicht ckenwelle oder dem Ölpumpenrad angetrieben. Dabei sind
mehr aktuell (Bild 18-5). Übersetzungen ins Schnelle regeltechnisch vorteilhaft und
Aus Kostengründen werden vorrangig druckgussfähige reduzieren den Raumbedarf für den Regler. Hier hat jeder
Kurbelgehäuse oder Gestellkonstruktionen aus Leichtmetall Motorenhersteller eigene, je nach Einsatz mehr oder weni-

Bild 18-5
Luftgekühlter Einzylinder-Dieselmo-
tor älterer Bauart mit Graugussgehäu-
se. s/D=82/82 (DEUTZ F1L 208)
626 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-6
Luftgekühlter Einzylinder-Kleindiesel-
motor mit Leichtmetalldruckguss-
Topfgehäuse und direkter Einsprit-
zung (HATZ 1B20). Vh=0,23 dm3;
s/D=62/69
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren 627

Bild 18-7
Luftgekühlter Einzylinder-Kleindiesel-
motor mit Leichtmetalldruckguss-
Topfgehäuse und direkter Einsprit-
zung (LOMBARDINI 15LD315).
Vh=0,315 dm3; s/D=66/78
628    18 Industrie- und Schiffsmotoren

ger flexible Systeme. Zum Standard gehören: Alldrehzahlre- Schwungrad. Das Schwungrad besteht vorwiegend aus
gelung, ± Angleichung zur Steuerung des Drehmoments, Grauguss mit eingegossener Beschaufelung. Man findet auch
frei wählbarer Proportionalitätsgrad von 3 bis 10% (bei am Schwungrad angeschraubte Gebläseringe aus Kunststoff.
Strom­erzeuger 3 bis 5%). Nockenwelle mit Einspritznocken Bei kleinen Motoren sind tiefgezogene, aus mehreren Blech-
und Ventiltrieb werden zusammen mit Einspritzpumpe, lagen bestehende und damit schalltote Schwungräder im
Drehzahlregler und Antrieb der Ölpumpe meist in den of- Trend s. Bild 18‑6.
fenen Raum zwischen Steuerdeckel und Kurbelwange un-
tergebracht (s. Bild 18‑7). Lediglich die Ausgleichswelle für Massenausgleich. Für den Massenausgleich sind ange-
den 100%igen Massenausgleich 1. Ordnung unter Inkauf- schraubte Gegengewichte üblich, die zusätzlich zum rotie-
nahme eines freien Massenmomentes befindet sich auf der renden Masseanteil 35 bis 70% der oszillierenden Massen um-
Schwungradseite. fassen, s. Abschn. 8.1 und 8.3. Unter 0,5 l Hubraum genügt
meist der 50%-Massenausgleich (Normalausgleich) ers­ter
Triebwerk Ordnung. Der 100%-Massenausgleich der Massenkräfte
1. Ordnung ist häufig mit einem zusätzlichen, freien Moment
Kurbelwelle. Die geschmiedete Kurbelwelle wird vergütet verknüpft, s. Abschn. 8.3. Einen im Vergleich dazu idealen
und im Bereich der Hauptlagerzapfen und des Hubzapfens 100%-Massenausgleich 1. Ordnung erreicht der im Bild 18‑3
gehärtet. Gleitlager stehen nach wie vor für lange Lebens- dargestellte Motor (HATZ SUPRA-Baureihe 1D30/40/60/80)
dauer, Wälzlager für geringe Reibung. Auch werden in jüngs- Bild 18‑8 lässt das Prinzip erkennen: Eine einzelne, kleine Ge-
ter Zeit zur Reduzierung der Reibung, vor allem der genmasse an der schwungradseitigen Kurbelwange ermög­licht
Kaltreibung, PTFE- beschichtete Gleitlager eingesetzt. Ril- eine kleine Motorbauhöhe und gleichzeitig einen steuerseitigen
lenkugellager erreichen heute rechnerische Lebensdauerer- Freiraum, um in fast idealer Position ein zur Dreh­richtung
wartungen von 4000 bis 5000 Betriebsstunden, was für Stan- ­gegenläufiges Ausgleichs­wellensystem zu betrei­ben, s. Abschn.
dardanwendungen von Einzylinder-Dieselmotoren aus­ 8.3.6. Alle übrigen Gegenmassen werden im Schwungrad an­
reicht. Oft sind Kombinationen von Wälz- und Gleitlagern geordnet, ohne im Gehäuseinnenraum zu stören.
bei Anordnung des Wälzlagers auf der Schwungradseite zu
finden. Sphäroguss-Kurbelwellen sind bei kleinen Einzylin- Laufbuchse, Zylinderkopf, Ventiltrieb
der-Motoren denkbar, doch steht die praktische Bewährung
im harten Baumaschineneinsatz noch aus. Gebaute Kurbel- Zylinder. Verrippte und aufs Kurbelgehäuse aufgesetzte
wellen sind selbst im Kleinst-Dieselmotorenbau nicht ver- Graugusskompaktzylinder mit durchlaufender Zuganker-
lässlich genug und bleiben Ottomotoren vorbehalten.

Pleuelstange. Das Standardpleuel ist aus Stahl geschmiedet,


im großen Pleuelauge geteilt und im Bolzenauge mit einer
Bronzebuchse versehen. Geschmiedete Aluminiumpleuel
können bei Kurzhubmotoren unter 0,3 l Hubvolumen bei
entsprechender Formgestaltung eingesetzt werden. ­Zukünftig
ist mit Pleuelstangen aus Sintermaterial zu rechnen. Auch
GGG 60 kann als Pleuelmaterial eingesetzt werden, mit dem
Vorteil büchsenlos im kleinen Bolzauge fahren zu können.

Kolben. Wegen möglichst geringer oszillierender Massen


werden ausschließlich Vollschaftkolben aus Al‑Legierungen,
s. Abschn. 8.6, verwendet. Regelkolben sind die Ausnahme
und nur bei großen Einzylinder-Motoren sinnvoll.
Die Standardbestückung besteht aus drei Ringen:
– einem meist verchromten Verdichtungsring als Rechteck-
oder Trapezring, ballig gehont und mit Minuteneffekt,
– einem weiteren Verdichtungsring mit Minuteneffekt als Bild 18-8 Anordnung von Ausgleichsmassen und -wellen für einen voll­
Nasenring bzw. Ring mit Innenfase und ständigen Ausgleich der Massenkräfte 1. Ordnung (HATZ-SUPRA-Baureihe,
– einem Ölabstreifring als Gleichfasen- oder Dachfasenring s. Bild 18‑3)
ohne oder mit Federunterstützung (Schlauchfederring).
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren 629

Bild 18-10 Darstellung des patentierten Single-Cam System SCS (HATZ)

sante Lösung bietet das für den Druckguss geeignete Kern-


teilungs- und Auszugsverfahren, das bei den Zylinderköpfen
der Baureihe B der Firma Hatz verwendet wird (Bild 18-6).
Die Ventile werden ausschließlich durch Kipphebel und
Stoßstangen betätigt, wobei entweder die Ventilstößel oder
der zwischengeschaltete Schlepphebel den direkten Kontakt
mit dem Nocken haben. Als Kipphebel werden geschmiede-
te oder tiefgezogene Blechhebel verwendet. Interessant ist
ein rein mechanischer Ventilspielausgleich, Patent Hatz (s.
Bild 18-9), der zusammen mit aus Blech gefertigten Kipphe-
beln erfolgreich in den Motoren der B-Baureihe dieser
Bild 18-9 Mechanischer Ventilspielausgleich – automatisch nachsprin-
Firma eingesetzt wird. Bei diesen Motoren werden zudem
gendes Exzenterrastenwerk
Platz sparend das Einlass-, Auslassventil und der Einspritz-
pumpenantrieb nur über eine Nockenprofilbahn betätigt
(pat. Single-Cam System SCS; Bild 18-10).
konstruktion werden wegen ihrer guten Formstabilität ein-
gesetzt. Weit verbreitet sind auch aufgesetzte Aluminium- Einspritzsystem. Es überwiegt das PLD (Pumpe-Leitung-
Rippenzylinder mit eingegossener Graugussbuchse. Düse)-System, wobei für die direkte Einspritzung (DI) kurze
Bis zur Zylinderkopfauflage hochgezogene Kurbelgehäuse Einspritzleitungen für kleinste Totraumvolumina im Hoch-
mit integrierter, eingegossener Graugusslaufbuchse sind bei drucksystem sowie größtmögliche dynamische Steifheit des
Motoren mit Vh < 0,4 l ebenfalls Stand der Technik und Antriebes gefordert werden. Diese Forderungen erfüllt im
werden aus Kostengründen bevorzugt (s. Bild 18-7). Die besonderen Maße eine über Rollenstößel oder obenliegen-
Firma Hatz verwendet in der B-Motorenreihe eine auf de Nockenwellen angetriebene Pumpe-Düse-Einheit (Unit-
einem Ölpolster schwimmende Schlendergussbüchse, mit Pump-System UPS) und gilt daher auch hinsichtlich Einbau-
dem Vorteil der Auswechselbarkeit im Servicefall raum als eine denkbare Alternative für künftige Einzylinder-
(s. Bild 18-6). Die Zylinderköpfe luftgekühlter Einzylinder- Kleindieselmotoren.
Dieselmotoren sind vorwiegend aus Aluminium-Gusslegie- Für PLD-Systeme sind Stangendüsenhalter und P-Düsen
rungen mit im Croning-Kernverfahren eingebrachten Spi- mit 4 mm Nadeldurchmesser, also kleiner bewegter Masse, der
ral-Drall-Kanälen zur Luftdrallerzeugung für die Gemisch- Standard. Zweifeder-Düsenhalter ermöglichen eine Vorein-
bildung bei direkter Einspritzung (DI). Eine sehr interes- spritzung zur Minderung des Verbrennungsgeräusches bei
630    18 Industrie- und Schiffsmotoren

Schwachlast mit dem Nachteil hoher Rauchwerte im Volllast- bei 1800 min–1 betrieben werden. Die Zertifizierung erfolgt
bereich. Eine Multijet-Einspritzung wäre auch für die Klein- gemäß ISO 8178 im D2‑Zyklus, s. Abschn. 15.2.
dieselmotoren wünschenswert, scheidet hier jedoch wegen zu Der Anwendungsbereich der mobilen Arbeitsmaschinen
hoher Kosten aus. Als sehr geeignet haben sich RSN-Düsen umfasst sowohl den großen Bereich der Baumaschinen, wie
erwiesen, die bei größerem Nadelhub eine variable Vordros- Bagger, Radlader und Planierraupen sowie auch ­Gabelstapler,
sel-Steuerung erreichen und somit sowohl das Verbrennungs- Schienenfahrzeuge und Flugfeldschlepper. Je nach An­wen­
geräusch als auch die NOx- und CO- Emis­sion reduzieren. Da dung werden Motoren in mobilen Arbeitsmaschinen im
elektronische Komponenten für die Steuerung des Spritzbe- gesamten Kennfeld betrieben, wie auch bei einer festen
ginns ebenfalls aus Kostengründen ausscheiden bzw. für die Arbeitsdrehzahl, wenn die Leistungsanforderung von einer
Einzylinder-Kleindieselmotoren nicht verfügbar sind, ist man Hydraulikeinheit kommt. Die Arbeitsdrehzahl entspricht meis­
auf einfache, wenn auch nicht optimale hydraulische Maßnah- tens der Nenndrehzahl des Motors. Bahnmotoren werden
men am Pumpenelement und am Einspritzventil angewiesen. entweder wie Industriemotoren zertifiziert oder aber auch
entsprechend der Gesetzgebung für Nutzfahrzeugmotoren.
18.2 Einbau- und Industriemotoren Landtechnikmotoren entsprechen in ihrer Anwendung
ei­gent­lich den mobilen Arbeitsmaschinen, jedoch stellt die
18.2.1 Definition und Einteilung Land­technik bezüglich der Leistungsanfor­derungen und der
Einbauten eine Besonderheit dar, weswegen die Landtechnik­
Unter dem Begriff Einbau- und Industriemotoren kann man
mo­toren auch technologisch eine eigene Gruppe bilden.
fast alle Verbren­nungsmotoren verstehen, die für den Einsatz
Eine konstruktive Besonderheit von Landtechnikmotoren
außerhalb des Straßenverkehrs ab­ge­stimmt und zertifiziert
liegt häufig in der Übernahme einer versteifenden Funktion
wurden, auch als Non-Road-Anwendungen bezeichnet. Fahr-
des Fahrzeugs.
zeuge mit Industriemotoren dürfen zwar auch teilweise auf öf-
Entsprechend ihrer konstruktiven Basis lassen sich Indus-
fentlichen Straßen betrieben werden, wie z. B. Traktoren, Stra-
triemotoren in modifizierte Fahrzeugmotoren und gezielt für
ßenreinigungsmaschinen oder Radlader, jedoch spielt der An-
die Industrieanwendung entwickelte Motoren einteilen. Zu den
teil des Straßen­verkehrs für diese Anwendungen nur eine unter-
modifizierten Fahrzeugmotoren gehören sowohl abge­lei­tete
geordnete Bedeutung. Die Zertifizierung erfolgt in einem von
Pkw-Motoren für Leistungen bis ca. 100 kW als auch Nfz‑Mo-
der Anwendung abhängigen Stufenzyklus gemäß ISO 8178
toren für Motor­leistungen bis ca. 500 kW. Generell decken
(s. Abschn. 15.2). Charakteristisch für Einbau- und Indus­trie­
Industriemotoren einen Leistungs­bereich von 2 bis ca. 500 kW
motoren ist die Vielzahl der Applika­tionen mit oft nur geringen
ab. Anwendungen oberhalb 1000 kW werden durch mittel-
Stückzahlen. Daraus resultiert die Anforderung an den Herstel-
schnelllaufende und langsamlaufende Mittel- und Großmoto­
ler, die Motoren in einer Modul­bauweise herzustellen, um den
ren bedient (s. Abschn. 18.3 und 18.4). Im Leistungsbereich
Gegebenheiten des jeweiligen Einbaus gerecht zu werden. Für
zwischen 500 und 1000 kW gibt es nur sehr wenige Motoren.
die Anbauteile ist ein Baukas­tensystem erforderlich, mit dem
Wie bei Pkw- und Nfz-Motoren, setzen sich auch bei
eine möglichst hohe Anzahl von möglichen Anwendungen ab-
Industriemotoren elektro­nisch geregelte Einspritzsysteme
gedeckt wird, ohne die Variantenvielfalt in unwirtschaftliche
durch; dies gilt vor allem für Motorleistungen oberhalb
Größenordnungen wachsen zu lassen. Bei den Anwendungen
75 kW. Mit der 2006 in Kraft getretenen Abgasgesetzgebung
lässt sich eine grobe Einteilung in drei Gruppen vornehmen:
der Stufe 3 für Industriemotoren sind die Anforderungen in
– Stationärmotoren,
diesem Leistungsbereich nicht mehr mit vertretbarem Auf-
– Mobile Arbeitsmaschinen,
wand mit mechanisch geregelten Einspritzsystemen zu
– Landtechnik.
erreichen. Im Wettbewerb der Einspritzsysteme stehen hier
Stationärmotoren dienen im Wesentlichen der Stromerzeu- Steckpumpen, Pumpe-Düse und in zunehmendem Maß
gung (Gensets), werden aber auch für andere Aggregate wie auch Common Rail. Die Elektronik erlaubt darü­ber hinaus
z. B. Kühlsysteme, Pumpen und Kompressoren verwendet. Je auch die Übernahme von Kundenfunktionen und eine intel-
nach Anwendung befinden sie sich im Dauereinsatz mit zum ligente Verknüpfung von Motorelektronik und Fahrzeug-
Teil hohen Anteilen im Schwachlastbetrieb oder im stark bzw. Maschinenelektronik, s. Kap. 5 bzw. 6.
inter­mittierenden Einsatz, dann aber mit hoher Auslastung, Für Motoren kleiner 75 kW sind viele Motoren auch auf-
wie z. B. bei Notstromaggregaten. Stationär­motoren werden grund der weniger scharfen Emissionsanforderungen mit
mit wechselnder Last, aber mit konstanter Drehzahl betrie- mechanisch geregelten Einspritzsystemen ausgerüstet. Da in
ben. Dies gilt insbesondere für Stromaggregate, die zur Ge- diesem Marktsegment der Anschaffungspreis des Motors
währleistung einer konstan­ten Wechselstromfrequenz von gegenüber den Betriebskosten eine dominierende Rolle spielt,
50 Hz in Europa bei 1500 min–1 bzw. für 60 Hz in den USA verzichtet man hier auf die Vorteile der Motorelektronik.
18.2 Einbau- und Industriemotoren    631

Ursprünglich wurden Industriemotoren nur als luftge- gen Stückzahlen einhergeht. Dennoch gibt es zahlreiche nam-
kühlte Motoren gebaut (s. Abschn. 9.1.4). Der Verzicht auf hafte Fahrzeughersteller, die auch Industriemotoren anbieten.
ein zusätzliches Kühlmedium bedeutet für die Handhabung Einen Einblick – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf das
und Wartung einen unbestreitbaren Vorteil hinsichtlich der weltweite Angebot von Industriemotoren gibt Bild 18-11.
Robust­heit besonders für die teilweise sehr harten Einsatzbe- Die Verwendung von modifizierten Fahrzeugmotoren im
dingungen, z. B. bei extremen klimatischen Bedingungen. Industriemotorenbe­reich bietet insbesondere die sich aus
Die schrittweise Verschärfung der Emissions­grenz­werte einer Großserienfertigung ergebenden Vor­teile. Allerdings
bewirkte eine teilweise Verdrängung der Luftkühlung durch geht dies häufig mit einer geringen Flexibilität bezüglich
die Wasser­kühlung, da letztere aufgrund der niedrigeren einbau­bedingter Abweichungen einher. Gerade in der Flexi-
Bauteiltemperaturen einen Vorteil bei den Stickoxid­ bilität liegt jedoch die Stärke der auf die Produktion von
emissionen, aber auch bei der Leistungsdichte besitzt. Da es Industriemotoren spezialisierten Hersteller.
den Entwicklern in den vergangenen Jahren immer gelungen Bei den Herstellern von Industriemotoren ist zwischen
ist, alle Grenzwertstufen entgegen der ursprünglichen Erwar- den sog. Captive und Non-Captive-Herstellern zu unter-
tung auch mit luftgekühlten Motoren zu er­füllen, ist auch in scheiden. Für die „Captive“ Hersteller (captive = gefangen)
naher Zukunft von einem Fortbestand des Marktes für luft­ besteht das Kerngeschäft in der Produktion von Industrie­ma­
gekühlte Motoren auszugehen. Es sei an dieser Stelle noch schi­nen oder -fahr­zeugen. Die für diese Maschinen erfor-
darauf hingewiesen, dass der Hersteller Deutz mit einem derliche Motorenpalette decken sie aus einer eigenen
Konzept ölgekühlter Motoren sehr erfolgreich im Markt ver­ Motorenproduktion ab. Für diesen Markt typische Herstel-
treten ist (s. Abschn. 9.1.3). Das Grundkonzept kommt der ler sind z. B. Caterpillar, JohnDeere und Yanmar. Dieses
Konstruktion wassergekühlter Motoren sehr nahe, vermeidet Marktsegment wird als „captive“ bezeichnet, weil es für
aber das zusätzliche Kühlmedium Wasser. Da jedoch die andere Motorenhersteller nicht erreichbar ist. Die genann-
Öltem­peraturen gemeinhin oberhalb der Kühlmitteltempe- ten Hersteller bieten ihre Motoren aber auch auf dem „non-
ratur wassergekühlter Motoren liegt, wird auch der ölgekühl- captive“ Markt an und stehen damit im Wettbewerb mit
te Motor mit etwas höheren Bauteiltemperaturen betrieben, reinen Motorenherstellern wie Cummins oder Deutz.
s. Abschn. 9.1.3. Aufgrund der auch durch die Abgasgesetzgebung getrie-
benen zunehmenden Kom­plexität zeichnet sich in den ver-
18.2.2 Angebot und Auswahl gangenen Jahren bei den Herstellern von In­dus­trie­motoren
ein Konzentrationsprozess ab, wie man ihn auch in der Auto-
Trotz des in den vergangenen Jahren in der weltweiten Auto- mobilindustrie beobachten kann. Besonders kleinere „Cap-
mobil- und Motorenindustrie stattfindenden Konzentra­tions­ tive“ Hersteller – deren Motorenproduktion bei 20000 bis
prozesses ist das weltweite Motorenangebot immer noch sehr 30000 Einheiten im Jahr liegt – gehen vermehrt dazu über,
groß, so dass es hier nicht ausführlich und vollständig behan- ihre Motoren auf dem „Non-Captive“ Markt einzukaufen.
delt werden kann. Tabelle 18‑1 vermittelt eine Vorstellung über
die weltweiten Einsatzfelder der Dieselmotoren. Die maßgeb- 18.2.3 Applikationen
lichen Anwendungen kommen aus den Bereichen Pkw, Nfz
und Landtechnik. Dies dokumentiert, dass die Vielzahl der An- Der Markt für Einbau- und Industriemotoren ist geprägt von
wendungen für Einbau- und Industriemotoren i. d. R. mit gerin­ einer Vielzahl von Applikationen, die sehr häufig mit geringen

Tabelle 18-1 Verwendung der hergestellten Dieselmotoren (100 Stück)

Land Japan Ost­asien Nord­amerika West­europa Ost­europa Summe weltweit


Personenkraftwagen 323 167 0 4.383 1.013 6.209
Nutzfahrzeuge 774 1.047 693 2.328 277 5.853
Landmaschinen 590 7.156 42 340 67 8.792
Baumaschinen 299 61 112 271 22 812
Industriemotoren 140 47 31 186 9 482
Stromaggregate 204 179 17 247 28 711
Schiffs- und Schiffshilfsmotoren 38 203 13 35 3 297
Summe 2.368 8.860 908 7.790 1.1419 23.156
632    18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-11 Das Leistungsangebot für Industriemotoren der wichtigsten in- und ausländischen Hersteller (Quelle: Marktanalyse der DEUTZ AG)

Stückzahlen bis hin zur Einzelfertigung verbunden sind. Die falt aufgrund der Einbaubedingungen besteht für Ölwannen,
Kunst des Motorenherstellers besteht darin, diese Applikations­ Ansaug- und Abgaskrümmer. Letztere müssen den verschie-
vielfalt abzudecken, ohne dabei in der eigenen Produktion in denen Anbaulagen für Abgasturbolader gerecht werden.
eine unüberschaubare und kommerziell nicht tragbare Varian- Eben­so variabel ist der Anbau von Lichtmaschinen, wenn sie
tenvielfalt zu geraten. Der Lösungsansatz besteht in einer Platt- für den Einbau überhaupt erforderlich sind.
formstrategie basierend auf einem Grundmotor und einem Die Applikationsvielfalt ist nicht nur ein Resultat der Einbau-
Baukastenkonzept für die Anbauten, wie dies beispielhaft in restriktionen, sondern auch durch Lastprofile, klimatische
Bild 18‑12 dargestellt ist [18-1]. Eine besondere Variantenviel- Einsatzbedingungen, Kraftstoff­quali­tä­ten, unterschiedliche
18.2 Einbau- und Industriemotoren 633

Bild 18-12
Modulkonzept eines Industriemotors
bestehend aus dem Basismotor und
verschiedenen Optionen für Anbau-
teile

Emissionsstandards, Anforderungen an den Kraftstoffver- einigen Regionen über 5000 ppm – eine Herausforderung
brauch und den erzielbaren Verkaufspreis des Motors bedingt. dar; dies sowohl hinsichtlich der Auswirkungen auf die Par-
Während in der EU und Nordamerika nur noch Motoren tikelemissionen wie auch auf Schäden durch Schwefelsäure-
verkauft werden, die die Anforderungen der Abgasgrenzwert- korrosion. In einigen EU-Ländern darf Heizöl für Industrie-
stufe 3 (s. Abschn. 15.2) erfüllen, gelten in großen Teilen motoren verwendet werden. Auch dies entspricht nicht dem
Afrikas und des Nahen- und Mittleren Ostens keinerlei Emis- EN590 Standard. Es sei noch erwähnt, dass zunehmend
sionsstandards. In diesen Regionen ist der Verkauf von Moto- Biokraftstoffe verwendet werden. Für diese unter dem
ren, die die Grenzwertstufe 3 erfüllen, aus kommerziellen Begriff FAME (Fatty acid methyl ester) zusammengefassten,
Gründen wie auch aufgrund der technologischen Komplexität auf Pflanzenölbasis veresterten Kraftstoffe erteilen die Her-
der Motoren nicht möglich. Auch aus klimatischen und logis- steller von Einspritzsystemen i. d. R. keine Freigabe, so dass
tischen Gründen werden hier luft- oder ölgekühlte Motoren das Freigaberisiko auf der Seite des Motorenherstellers liegt.
mit mechanisch geregelten Einspritzsystemen bevorzugt. Bei dem in Deutschland gängigen Biodiesel handelt es sich
Ein weiterer schon bei der Entwicklung zu beachtender um Rapsölmethylester (RME), s. Abschn. 4.2.
Gesichtspunkt sind die weltweit sehr unterschiedlichen Da die Dauerhaltbarkeit eines Motors auch von seiner Bean-
Kraftstoffqualitäten. Dem für Westeuropa geltenden Kraft- spruchung abhängt, wird die Einstellung herstellerseitig in sog.
stoffstandard gemäß EN590 mit einer Cetanzahl von min- Leistungsgruppen vorgenommen, s. Tabelle 18-2. Dabei wird
destens 51 stehen in den USA Dieselkraftstoffe mit einer die Leistung des Motors reduziert, um eine thermische Über-
Cetanzahl von durchschnittlich 40 bis 42 gegenüber. Dies lastung durch einen dauerhaften Volllastbetrieb zu vermeiden.
führt erfahrungsgemäß zu einem Anstieg der Stickoxid- Die Komplexität eines Einbaus veranschaulicht Bild 18-13
emissionen um ca. 0,2 g/kWh. Da für die USA und Europa anhand des Kühlerpakets für einen Traktor. Der Einbau
die gleichen Grenzwerte für Industriemotoren gelten, muss wird der nach unten gezogenen Frontpartie des Traktors
dies bei der Abstimmung des Motors berücksichtigt werden. gerecht, deren Konstruktion der Verbesserung des Sichtfelds
Des Weiteren stellt der Schwefelgehalt des Kraftstoffs – in für den Fahrer dient. Da der Wirkungsgrad der Kühler ganz
634 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Tabelle 18-2 Beispiel für die Definition von Leistungsgruppen und den jeweiligen Zuordnungen der Anwendungen auszugsweise

Leistungs- Leistungs- Fahrzeugmotoren Einbaumotoren


gruppe reduktion
Baumaschine Land- und Forstmaschinen Pumpen und Verdichter
I 0% Baustellenfahrzeuge Radlader Mähdrescher Feuerlöschpumpen
Feuerlöschfahrzeuge Baggerlader Notpumpen
Muldenkipper Grader
Kranfahrzeuge Erdtransportgeräte
Straßenreinigungsmaschinen Straßenwalzen
Beton- und Mörtelmischer
II 5% Schneefräsen Hydraulikbagger Vierradschlepper Beregnungs- und
Schneeräumer Schwarzdeckenfertiger Forstschlepper Bewässerungsanlagen
Beton- und Straßenfräsen Baumschneider Hochdruckkompressoren
Feldhächsler bis 10 bar
Erntemaschinen
III 10% Grabenfräsen Hochdruckkompressoren
Bohrgeräte über 10 bar

Bild 18-13
Kühlerpaket eines Traktors mit sieben
Kühlmodulen
18.2 Einbau- und Industriemotoren    635

erheblich von der An­ord­nung und der Durchströmung Um die Möglichkeiten eines serienmäßigen Fahrzeugmo-
abhängt, muss vor der technischen Freigabe eine Ein­bau­ tors zur Anpassung an die Belange beim Einsatz als Indus­trie­
simulation durchgeführt werden, um zu gewährleisten, dass motor abschätzen zu können, sind diese mit den dabei auf-
das Küh­ler­paket die Auslegungsdaten des Motors erfüllt. tretenden Anforderungen in Übereinstimmung zu bringen.
Dies ist erforderlich, um einer­seits die Emissionsanforde- Für Industriemotoren spielen Lebensdauer und Wartungs­
rungen zu erfüllen und andererseits eine thermische Über­ intervalle eine ausschlaggebende Rolle. Zugunsten längerer
lastung des Motors zu vermeiden. Ölwartungsintervalle sind für diese Einsätze oft größere
Motorölvolumen erforderlich. In Abstimmung mit den
18.2.4 Modifizierte Fahrzeugmotoren Einbaugegeben­heiten werden spezielle Ölwannen mit bis
zu 20 Liter Ölvolumen gegenüber der Pkw-Version mit ca.
18.2.4.1 Allgemeine Bemerkungen 4 Liter verwendet. Hierbei sind nicht nur die Sonderkos­ten,
sondern auch die bestehenden Fertigungsein­rich­tungen
Neben den speziell ausschließlich als Industriemotoren ent- bzw. Fertigungsmöglich­keiten abzuwägen, ob eine derartige
wickelten Diesel­motoren gibt es Triebwerke, die als Modifi- Modifikation noch zielführend bzw. noch bezahlbar ist.
kation von Pkw- oder Nfz-Motoren in den allgemeinen in-
dustriellen Einsatz gelangen. Die unbestreitbaren Vorteile 18.2.4.2 Ausgeführte Motoren
der modifizierten Fahrzeugmotoren für diese Verwendung
sind insbesondere der Kosten­vorteil infolge der Synergien Ein Beispiel für einen modifizierten Fahrzeugmotor [18‑2]
mit der Großserienfertigung und der Leichtbau mit einem zeigt Bild 18‑14 am Beispiel des Herstellers Volkswagen.
günstigen Verhältnis von Leistung zu Motormasse. Der Motor basiert auf dem Pkw-Motor und unterscheidet
Gren­zen der Anwendung bestehen dann, wenn Wirt­ sich von diesem nur noch in seinem Datensatz, um ein
schaft­lichkeit oder technische Eigenschaften leiden, z. B. Höchstmaß an Synergie mit der Pkw-Großserienproduk-
durch zu hohe Beanspru­chung des Triebwerkes, das sich bei tion zu erreichen. Wirbel­kammermotoren werden als Saug-
Fahrzeugmotoren durch Leichtbau auszeich­net. Das motoren nur noch im Leistungsbereich bis 37 kW herge-
gewichtsoptimierte Trieb­werk sollte deshalb hinsichtlich der stellt, die aber ab der Grenzwertstufe 3A durch direktein­
Motorlage­rung auch wie beim Fahr­zeug­einbau behandelt sprit­zende Motoren ersetzt werden. Diese werden bis ca.
werden. Deshalb sollte aus Festigkeits­gründen das Motor­kur­ 80 kW mit 1,9 und 2,5 l Hubvolumen sowohl als Saugmo-
bel­gehäuse nicht zu systemtragenden Aufgaben herangezo­ toren wie auch als aufgeladene Motoren mit und ohne Lade-
gen werden, so wie dies häufig bei Land- und Baumaschinen­ luftkühlung hergestellt.
konstruk­tionen üblich ist. Der masse­optimierte Fahrzeug- Für die Anpassung dieser für den Fahrzeugeinsatz ent­
motor ist infolge seiner kleineren Massen bei den Geräusch- wickelten Basismotoren an die verschiedenartigen Anforde-
und Schwingungsdämpfungsmaßnahmen gegenüber einem rungen von Industrieapplikationen wurde ein Daten­satz­
schwe­re­ren Industrie­motor schon etwas aufwändiger zu konzept entwickelt, das aus einem Block von der jeweiligen
behandeln. Die Leistun­gen eines Fahrzeug­motors sind auf Applikation unabhängiger Motorgrundfunk­tionen und
fahrzeugspezifische Anforderungen abge­stimmt und sollten ei­nem Block Industriemotorenfunk­tionen besteht. Die In­­
zugunsten der Motorlebensdauer mit geringem Verschleiß dus­triemotorenfunktionen sind in sieben spezifischen
für Industriemotoren im Dauereinsatz entsprechend der Datensätzen im Motorsteuergerät gespeichert. Diese unter-
DIN/ISO 3046 deutlich nie­dri­ger gewählt werden, vgl. scheiden sich in der Art der Motorregelung:
Abschn. 18.2.3. Bei der Motorenauswahl sollte auch darauf – Momentensteuerung mit Vorgabe über das Fahrpedal,
geachtet wer­den, dass bei Forderungen nach einem hohen – Leistungssteuerung mit Vorgabe über das Fahrpedal,
Anfahr­dreh­moment nach Möglich­keit kein Pkw-Dieselmo- – Arbeitsdrehzahlregelung mit Vorgabe über das Fahrpedal
tor, sondern besser gleich ein Nfz-Triebwerk zur Basis in Form eines P-Reglers,
erklärt wird: Pkw-Motoren erreichen i. d. R. ihr maximales – Arbeitsdrehzahlregelung über eine 0 – 5 V-Schnittstelle in
Drehmoment erst im oberen Drehzahlbereich. Es besteht Form eines PI-Reglers mit oder ohne Sicherheitskonzept,
zwar die Möglichkeit, mit einer speziellen Abstimmung der – Automotives Fahren durch Umsetzung des Fahrerwunsches
Einspritzpumpe das maximale Drehmoment innerhalb über das Fahrpedal in eine Einspritzmenge,
bestimmter Grenzen in den unteren Drehzahlbereich zu ver­ – Stationärer Betrieb durch eine extern geschaltete Fest­dreh­
lagern. Doch jede Abweichung von einer Fahrzeug Se­­rien­ zahlregelung.
ausrüstung wird teuer und unrentabel, wenn zu viele zwar
wünschenswerte, aber nicht unbedingt notwendige Sonder- Abweichend vom Fahrzeugmotor verfügt die Elektronik über
ausstattungen gefordert werden. einige für Industrie­anwendungen spezifische Aktoren und
636 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-14 Aufgeladener 2,5 l TDI®-Motor von VW mit elektronisch geregelter Verteilereinspritzpumpe, Zweiventilzylinderkopf, Abgasturbolader mit variabler Turbi-
nengeometrie. Maximale Leistung 80 kW bei 3500 min–1

Sensoren. Diese hier dargestellte Varianz war bislang bei Mo- wellenende sind üblich. Geringe Wartungsansprüche führen
toren mit einer mechanisch-hydraulisch arbeitenden Ein- bei dieser Leistungsklasse u. a. dazu, dass ein sehr hoher An-
spritzpumpe nur durch eine applikationsabhängige Einstellung teil luft- oder öl-/luftgekühlt ist.
der Einspritzpumpe in Verbindung mit einer speziellen Aus- Industriemotoren im Leistungsbereich oberhalb von
rüstung, wie einem Alldrehzahlregler, häufig nur zusammen 75 kW – ausgeführt als 4-, 6- oder 8-Zylindermotor – sind
mit einer zusätzlichen elektronischen Regelung darstellbar. meistens entweder von Nfz-Motoren abgeleitet oder Indus-
triemotoren, die auch als Fahrzeugmotoren einsetzbar sind,
18.2.5 Industriemotoren sodass bezüglich Abgas- und Lärmemission, Wartung,
Lebensdauer, Leistungsgewicht und -dichte usw. in dieser
18.2.5.1 Produktkonzept Leistungsklasse für Industriemotoren ähnliche Anfor-
derungen wie an Nfz-Motoren bestehen. Sie unterscheiden
Ausschließlich als Einbau- und Industriemotoren entwickelte sich von Nfz-Motoren nur durch spezielle konstruktive
Dieselmotoren sind in der Klasse bis ca. 75 kW Leistung zu Merkmale wie zusätzliche Nebenabtriebe, Kraftabnahme
finden. Zwischen einem und vier Zylindern sind alle Zylin- auch am dämpferseitigen Kurbelwellenende, besonders stei-
derzahlen üblich. Kraftstoffverbrauch und Leistungsdichte fe Motorblöcke, versteifte Ölwannen und Massenausgleichs-
spielen eine untergeordnete Rolle; wichtiger sind Anschaf- getriebe bei Schleppereinbau, zusätzliche Kühlsysteme für
fungskosten, Robustheit und Vielseitigkeit. Aufgrund der Hydraulikanlagen und Generatoren.
Emissionsanforderungen werden die Saugmotoren zuneh- Die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von Industriemo-
mend durch aufgeladene Motoren ersetzt; aus Einbau- und toren und damit der Kundenwünsche erfordert entspre-
Kostengründen aber häufig ohne Ladeluftkühler. Im Leis- chend viele Ausrüstungsvarianten, die oft nur in relativ
tungsbereich bis 37 kW dominieren jedoch noch Saugmo- kleinen Stückzahlen produziert werden. Industriemotoren
toren. Mehrere Nebenabtriebe und die Möglichkeit einer sind daher im Normalfall etwas teurer als entsprechende
100prozentigen Kraftabnahme am dämpferseitigen Kurbel- Pkw- oder Nfz-Motoren.
18.2 Einbau- und Industriemotoren 637

18.2.5.2 Ausgeführte Motoren prinzip ist bei allen sehr ähnlich, jedoch findet eine breite
Varianz der Einspritzausrüstung vom System Pumpe-Lei-
Angesichts der breiten Palette der Industriemotoren sollen in tung-Düse über Verteilerpumpen, Reihenpumpen bis zu
diesem Abschn. anhand einiger Ausführungsbeispiele Einsteckpumpenblöcken. Häufig wird das indirekteinsprit-
grundsätzliche Merkmale für das Hubraumsegment zwi- zende Wirbelkammerverfahren angewandt, dass gegenüber
schen 200 und 400 cm3 und das Segment im Bereich 1 l pro dem direkteinspritzenden Verfahren neben dem Geräusch-
Zylinder dargestellt werden. Die ganze Vielfalt lässt sich an vorteil und den geringeren Herstellkosten auch ein nied-
dieser Stelle nicht erfassen. rigeres Stickoxidemissionsniveau aufweist. Der damit ver-
Im kleinen Hubraumsegment bis 400 cm3 gibt es eine bundene Verbrauchsnachteil wird in diesem Marktsegment
Vielzahl von mehrzylindrigen, fast ausschließlich als Rei- akzeptiert.
henmotoren konzipierte, wassergekühlte Triebwerke. Maß- Ein konstruktiv sehr interessantes Beispiel ist die Baureihe
gebliche Hersteller sind hier Kubota, Yanmar, Daihatsu, W35 des Herstellers Hatz (s. Bild 18-15), die mit einem
Isuzu, Lister Petter und Deutz. Das konstruktive Grund- Hubraum von 350 cm3 pro Zylinder als Reihenmotor mit 2,

Bild 18-15
Querschnitt des Motors 4W35NA der
Fa. Hatz Vertikal in Längsrichtung ge-
teiltes Alu-Druckguss-Kurbelgehäuse
638 18 Industrie- und Schiffsmotoren

3 und 4 Zylindern angeboten wird. Der Reihenmotor hat forderungen die Ausführung eines Motors einer Baureihe
eine in Längsrichtung vertikale Teilungsebene. Beide in Alu- beeinflussen. Für die 64 kW-Variante gilt ein Emissionsgrenz-
Druckguss herstellbaren Gehäusehälften beinhalten bereits wert von 4,7 g/kWh für NOX+HC und 0,3 g/kWh für Partikel
Ölwanne, Steuergehäuse, Räderkasten, Schwungradgehäuse, im C1-Zyklus gemäß ISO 8178, s. Abschn. 15.2. Aus Bau-
Zylinderkopf- und Laufbüchsenaufnahme. Der Zylinder- raum- und Kostengründen besitzt dieser Motor keinen Lade-
kopf und die dünnwandige Schleuderguss-Laufbuchse sind luftkühler und ist mit einem mechanisch geregelten Steck-
Module. Die Wasserpumpe ist im Rädertrieb des Steuerkas- pumpeneinspritzsystem ausgestattet. Das Emissionsziel wurde
tens integriert. Mit lediglich drei Bauteilen bestehend aus durch die entsprechende Gestaltung der Brennraum- und
der linken und der rechten Kurbelgehäusehälfte sowie dem Einspritzdüsengeometrie, des Einspritzzeitpunktes und des
Ventildeckel ist der Motor bereits komplett geschlossen. Ladungswechsels erreicht. Die mit diesem Konzept verbunde-
Auch das Einspritzsystem und dessen Steuerung sind modu- nen Nachteile im Kraftstoffverbrauch werden durch die nied-
lar aufgebaut. Zum Einsatz kommt eine mechanisch geregel- rigen Herstellkosten mehr als kompensiert. Die 113 kW-Vari-
te sehr kurz bauende Pumpe-Düse, deren Antrieb über die ante in Bild 18-18 wurde für eine hohe Auslastung in einem
oben liegende Nockenwelle und den Antriebshebel erfolgt. Traktor abgestimmt. Für diese Leistung gilt ein Emissions-
Bild 18-16 zeigt den konstruktiven Aufbau des komplett grenzwert von 4,0 g/kWh für NOX+HC und 0,2 g/kWh für
ausgerüsteten 4W35-Saugmotors. Partikel im C1-Zyklus. Aufgrund des Lastkollektivs wie auch
Die Ausführungsbeispiele in den Bildern 18-17 und 18-18 der hohen Betriebsstundenzahl pro Jahr spielt der Kraftstoff-
zeigen, wie unterschiedliche Markt- und Gesetzgebungsan- verbrauch eine wesentlich größere Rolle. Dabei werden ein

Bild 18-16
Wassergekühlter 4 Zylinder OHC-Rei-
henmotor mit mechanisch geregelter
Pumpedüse aus der Motorbaureihe
W35 des Herstellers Hatz
18.2 Einbau- und Industriemotoren    639

Bild 18-17
Aufgeladener Vier­zylinder­motor ohne
Ladeluftkühlung der DEUTZ Baureihe
2012, Typ TD2012L04 2V mit mecha-
nisch geregeltem Pumpe-Leitung-
Düse Einspritzsystem, Zwei­
ventilzylinderkopf, seitlich ange-
bautem Abgasturbolader. Maximale
Leistung 67 kW bei 2200 min–1

technologisch höherer Aufwand und damit ein höherer Preis zusätzlicher Kühler für Hydrauliköl vorgesehen werden
des Motors akzeptiert. Sowohl die Ladeluftkühlung wie auch kann. Dies ermöglicht nicht nur eine sehr kompakte Bau-
die gekühlte Abgasrückführung sind geeignete Maßnahmen, weise, sondern vereinfacht auch die Montage des komplett
niedrige Stickoxidemissionen verbunden mit einem guten mit der integrierten Kühlung angelieferten Motors.
Kraftstoffverbrauch zu erzielen. Darüber hinaus erlaubt das Ein typischer Einsatzfall des Industriemotors ist die Land-
Common Rail Einspritzsystem eine Optimierung von Kraft- maschine. Die hohe Steifigkeit des Motorblocks verringert
stoffverbrauch, Verbrennungsge­räusch und Emissionen im nicht nur die Geräuschemission, sondern ermöglicht auch,
gesamten Motorkennfeld [18‑3], [18‑4]. den Motor als tragendes Schlepper-Bauteil einzusetzen.
Die Motoren bieten als charakteristische Einbaumotoren Dazu eliminiert ein Massenausgleichsgetriebe bei der Vier-
mehrere Möglich­kei­ten zur Kraftabnahme: über den Steuer- zylinder-Variante die freien Massenkräfte und garantiert
rädertrieb können neben der Nockenwelle auch eine oder dadurch die für einen starren Einbau in den Schlepper not-
mehrere Hydraulikpumpen und/oder Kompressoren ange- wendige Laufruhe.
trieben werden. Alternativ können bis zu 100% der Motor-
leistung auch stirnseitig abgenommen werden. Auch für 18.2.6 Ausblick
diese wassergekühlten Motoren ist ein integriertes Kühl­
system vorgesehen: Öl- und Wasserkühler werden dazu Die Weiterentwicklung der Industriemotoren wird, wie die
seitlich am Motor befestigt, wobei wahlweise auch ein Entwicklung der Fahr­zeugmotoren, in den nächsten Jahren
640    18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-18
Aufgeladener Vier­zylindermotor mit
Ladeluftkühlung der DEUTZ Baureihe
2012, Typ TD2012L04 2V mit elektro-
nisch geregeltem Common Rail Ein-
spritzsystem, Vierventil­zylin­der­kopf,
mittig oben angebautem Abgas­turbo­
lader und externer gekühlter
Abgasrück­führung. Maximale Leis­
tung 113 kW bei 2200 min–1

von einer weiteren drastischen Verschärfung der Abgasge- lich, dass auch die Abgastempe­ratur­regelung für die Abgas-
setzgebung geprägt sein (s. Abschn. 15.2). Die damit verbun- nachbehandlung übernimmt. Aufgrund der höheren Emis-
denen technologischen Anforderungen haben bereits in der sionsgrenzwerte ist lediglich im Leistungsbereich unter
Grenz­wert­stufe 3A bei vielen Motoren zu einer Ablösung der 56 kW auch künftig die Anwendung der kostengünstigen
mechanisch geregelten Ein­spritzsysteme durch elektronisch mechanisch geregelten Einspritzsysteme wahr­scheinlich.
geregelte Systeme geführt. Ledig­lich im Leis­tungsbereich un- Mit seiner Flexibilität, insbesondere der Möglichkeit von
ter 75 kW dominieren weiterhin mechanisch geregelte Ein­ Mehrfachein­sprit­zungen, wird dem Common Rail Ein-
spritz­systeme. spritzsystem das größte Zukunftspotenzial zu­ge­schrieben.
Die Erfüllung der Grenzwertstufe 4 erfordert die Einfüh- Dies erleichtert auch die Abstimmung des dynamischen
rung von Abgasnachbe­hand­lungstechnologien wie dem Betriebs­verhaltens, das neben den Kundenanforderungen
Partikelfilter und der Stickoxid­nach­be­handlung durch SCR. durch die Einführung eines Transient­zyklusses auch der
Da diese Technologien eine Überwachung und Regelung Emissionsgesetzgebung genügen muss. Das elektro­nische
benötigen, ist ein integriertes Motormanagement unerläss- Motormanagement bietet darüber hinaus die Möglichkeit
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 641

der Integration zusätzlicher Kundenfunktionen und erlaubt Die Zylinderabmessungen reichen von unter 200 mm bis
einen Datenaustausch mit anderen Fahrzeug- bzw. Maschi- über 600 mm. Die mittleren Kolbengeschwindigkeiten
nensystemen. haben sich in den letzten Jahren bei ca. 9 bis 11 m/s, in Ein-
Diese zunehmende Komplexität der Technologien und zelfällen auch darüber, eingependelt.
ihre Integration in das Gesamtsystem Motor erfordern von Dazu werden mittlere effektive Drücke pe von bis zu
dem Motorenhersteller neben der Kompetenz auf den 29 bar erreicht, was einer effektiven Nutzarbeit von we ≤
Gebieten Einspritzung und Verbrennung zusätzliches 2,9 kJ/dm3 entspricht.
Expertenwissen in der Elektronik und der Abgasnachbe- Ausgehend von diesen Werten ergibt sich ein Leistungs-
handlung. Von Maschinenherstellern, die Motoren in ver- bereich moderner mittelschnelllaufender Viertakt-Motoren
hältnismäßig geringen Stückzahlen für den Eigenbedarf von etwa 100 kW/Zyl. bis über 2000 kW/Zyl.
herstellen, ist dies kaum noch zu leisten. Sie gehen vermehrt Es werden heute Reihenmotoren 6 bis 10 Zylindern (teil-
dazu über, Motoren bei Herstellern zu kaufen, die aufgrund weise auch darunter) sowie V-Motoren mit 12 bis 20 Zylin-
ihrer Größe die genannten Fachgebiete als Kernkompetenzen dern gebaut.
besitzen. So ist auch in den kommenden Jahren mit einer
Fortsetzung des Konzentrationsprozesses bei den Motoren- 18.3.1.2 Einsatz mittelschnelllaufender Dieselmotoren
herstellern zu rechnen.
Mittelschnelllaufende Viertakt-Motoren werden als Schiffs-
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt- hauptmotoren, als Schiffshilfsmotoren sowie im Statio-
näreinsatz zum Antrieb von Generatoren verwendet. Kleinere
Dieselmotoren Mittelschnellläufer werden auch zum Antrieb von Pumpen
und Verdichtern, in Blockheizkraftwerken oder als Traktions-
18.3.1 Definition und Beschreibung motoren eingesetzt.
In der zivilen Schifffahrt haben sich in den letzten 40
18.3.1.1 Einordnung der mittelschnelllaufenden
Jahren die Dieselmotoren gegenüber anderen Antriebsmög-
Viertakt-Dieselmotoren
lichkeiten (Dampf- oder Gasturbinen) durchgesetzt. Mittel-
Unter dem Begriff „Mittelschnellläufer“ werden Tauchkol- schnelllaufende Viertakt-Motoren haben stark an Bedeu-
benmotoren verstanden, die heute fast ausschließlich im tung gewonnen und Eingang auch bei Schiffstypen gefun-
Viertakt-Verfahren arbeiten. Die am Markt noch vereinzelt den, die bisher dem langsamlaufenden Zweitakt-Motor
existierenden Zweitakt-Tauchkolbenmotoren sind von un- vorbehalten waren (Bild 18-19). Für viele Anwendungsfälle
tergeordneter Bedeutung und sollen hier nicht näher be- kommen aus Gründen der Raumnutzung von vornherein
trachtet werden. nur mittelschnelllaufende Motoren in Frage, wie beispiels-
Die Drehzahlen der mittelschnelllaufenden Viertakt- weise bei Fährschiffen, RoRo- und sonstigen Spezialschif-
Motoren liegen zwischen etwa 300 min–1 und 1200 min–1. fen. Bei Passagier- und Kreuzfahrtschiffen werden aufgrund

Bild 18-19
Einmotorenanlage mit Mittelschnell-
läufer, Untersetzungsgetriebe und Ge-
neratorantrieb über PTO (Power Take
off). Motorleistung 12500 kW bei
428 min–1 für den Antrieb eines
Kühlschiffes mit 400000 cft Ladeka-
pazität
642 18 Industrie- und Schiffsmotoren

der hohen Flexibilität vielfach dieselelektrische Antriebe mit Dies wurde durch konsequente Bauteilentwicklung, vor
Mittelschnellläufern eingesetzt. Auch in der Binnenschiff- allem im Bereich des Brennraumes, an den Ventilen, an Kol-
fahrt werden überwiegend kleinere Mittelschnellläufer als ben und Zylinderbuchsen usw., erreicht. Sowohl bei den als
Antriebsmotoren verwendet. Bei den Schiffshilfsmotoren Schiffshauptantrieb eingesetzten, als auch bei den Stationär-
kommen zumindest bei größeren Schiffen fast ausschließ- anlagen kommt bei großen Mittelschnellläufern heute fast
lich mittelschnelllaufende Motoren zum Einsatz (Bild 18- ausschließlich Schweröl zum Einsatz, soweit nicht Ein-
20). schränkungen durch Umweltauflagen vorhanden sind.
Ein weiterer wichtiger Einsatzbereich sind Dieselkraft- Eine wesentliche Einflussgröße bei der Verbrennung von
werke zur Stromerzeugung, die vor allem in den industriel- Schwerölen ist die für die Verbrennung zur Verfügung ste-
len Schwellenländern, ohne flächendeckende Verbundnetze, hende Zeit. Es ist daher verständlich, dass die Schweröltaug-
große Verbreitung gefunden haben. Mit Aggregatleistungen lichkeit bei den größeren Mittelschnellläufern mit Drehzahlen
von 10 bis 20 MW lassen sich mit der entsprechenden bis 750 min–1 leichter darzustellen ist, als bei den kleineren
Anzahl von Maschinensätzen Kraftstationen bis zu 100 MW Motoren mit Drehzahlen im Bereich von 1000 min–1 und
und darüber in kurzer Bauzeit wirtschaftlich erstellen, darüber. Bei diesen höherdrehenden Motoren können sich
zumal ein stufenweiser, an den Bedarf angepasster Ausbau hinsichtlich der zulässigen Schwerölqualität u. U. gewisse
in einfacher Weise möglich ist. Einschränkungen ergeben. Dennoch wird auch bei den
Schiffshilfsmotoren in zunehmendem Maße Schwerölbe-
18.3.1.3 Kraftstoffe trieb vorgesehen, um Haupt- und Hilfsmaschinen mit
gleichem Kraftstoff versorgen zu können (Unifueled Ship).
Schwerölbetrieb Bei der Verbrennung von Schweröl sind entsprechende
Vorkehrungen, sowohl bei der Kraftstoffaufbereitung als
Moderne, größere Mittelschnellläufer können heute Schwer- auch bei der Wahl des Schmieröles, zu treffen (s. Abschn.
öle bis zu schlechten Qualitäten, wie sie beispielsweise in 4.3). Bei der Motorauslegung ist dafür zu sorgen, dass an
CIMAC H/K55 definiert sind, verarbeiten (vgl. Abschn. 4.3). den schwerölbeeinflussten Bauteilen die „richtigen“ Tempe-

Bild 18-20
Maschinenraumanordnung eines
Kreuzfahrtschiffes. – Hauptmotoren
in je 2x„Vater-und-Sohn“-Anordnung
über Untersetzungsgetriebe auf zwei
Schrauben arbeitend. Drei Hilfsmo-
toren des gleichen Motortyps für die
Erzeugung des Bordstroms, zusätzlich
Generatoren an den„Sohn“-Motoren
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren    643

raturen herrschen, um schädliche Korrosionseinflüsse und Neben den Raumvorteilen sprechen noch weitere Punkte
Ablagerungen zu vermeiden (s. hierzu auch Abschn. 18.3.3 für den Mittelschnellläufer:
bzw. 7.1). – freie Wahl der optimalen Propellerdrehzahl,
Daher werden kleinere, höher drehende Mittelschnellläu- – gute Eignung für elastische Aufstellung zur Körper­schall­
fer oft mit Dieselöl betrieben. Hier lohnt sich der für die isolierung,
Schwerölaufbereitung erforderliche Aufwand in den meis­ – sehr einfache Möglichkeit der Abwärmenutzung,
ten Fällen nicht. – generatorgängige Drehzahlen,
– einfacher Wellengeneratoranbau zur Energieerzeugung im
Gasbetrieb Schwerölbetrieb,
– günstige Voraussetzungen für Maßnahmen zur Schad­
Neben Schwerölen und Dieselkraftstoffen verschiedenster stoffreduzierung,
Qualität werden mittelschnelllaufende Viertakt-Motoren – leichter Anbau von Power- bzw. Compound-Turbinen zur
auch mit unterschiedlichen Brenngasen betrieben, wobei so- Erhöhung der Wirtschaftlichkeit,
wohl Otto-Gas- als auch Diesel-Gasverfahren, eingesetzt – gute Eignung für Motormanagementsysteme und Fern­
werden (s. Abschn. 4.4). über­wachung.
Bei der konventionellen Dieselgas-Ausführung, bei der
ein homogenes Gas-Luftgemisch verdichtet und die Zün- 18.3.2 Auslegungskriterien
dung durch das Einspritzen einer kleinen Zündölmenge
ausgelöst wird, muss der mittlere effektive Druck bzw. die 18.3.2.1 Spezifische Leistung
Leistung gegenüber dem Dieselbetrieb zurückgenommen
werden. Wie neuere Entwicklungen zeigen [18‑5], ist es bei Ausgelöst durch den Wettbewerbsdruck und ermöglicht
entsprechender konstruktiver Ausführung mit einem Die- durch die Weiterentwicklung der Aufladetechnik wurden die
sel-Gasmotor möglich, annähernd die Leistung des Diesel- spezifischen Leistungen im Laufe der Jahre kontinuierlich
betriebs zu realisieren, ohne das Gas-Diesel-Verfahren mit angehoben. Bei den mittleren effektiven Drücken bzw. der
seiner Hochdruck-Gaseinblasung anwenden zu müssen, spezifischen Arbeit ging man dabei teilweise bis an die
s. Abschn. 4.4.3.1. Grenze des mit einstufiger Aufladung Erreichbaren. Die
Um die Emissionswerte niedrig zu halten, wurde das sog. mittlere Kolbengeschwindigkeit erfuhr ebenfalls eine konti-
Lean-burn-Verfahren entwickelt: in einem Nebenbrenn- nuierliche Steigerung.
raum wird mittels Zündöl ein mageres Gas-Luftgemisch Kenngröße für den Stand der Technik ist die spezifische
entzündet, das beim Austritt aus der Nebenkammer als Kolbenflächenleistung PA, siehe Abschn. 1.2, die dem Pro-
energiereiche Zündhilfe für das arme Gemisch im Haupt- dukt aus spezifischer Arbeit und mittlerer Kolbengeschwin-
brennraum dient [18‑6]. digkeit proportional ist. Heutige mittelschnelllaufende Vier-
Sowohl dieses Lean-burn-Verfahren als auch Otto-Gas- takt-Dieselmotoren erreichen Kolbenflächenleistungen von
motoren haben in den letzten Jahren bei den mittelschnell- 5 W/mm2 bei Spitzenwerten von ca. 7 W/mm2.
laufenden Viertakt-Motoren zunehmende Verbreitung
gefunden. 18.3.2.2 Maximaler Zylinderdruck

18.3.1.4 Vorteile der Mittelschnellläufer Parallel zur Steigerung der spezifischen Kolbenflächenleis­
tung wurden, nicht zuletzt ausgelöst durch die Ölkrisen in
Der mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotor steht zwi- den 70er und 80er Jahren und den stetigen Kraftstoffpreisan-
schen dem schnelllaufenden Hochleistungsmotor und dem stieg, große Anstrengungen unternommen, den Kraftstoff-
langsamlaufenden Zweitakt-Motor. Die Übergänge hinsicht- verbrauch zu senken. Als eine wesentliche, den Wirkungs-
lich des Einsatzes sind fließend. grad kennzeichnende Größe, hat sich das Verhältnis von
Der wesentliche Vorteil des Mittelschnellläufers gegen­ maximalem Zylinderdruck zur effektiven Arbeit, auch aus-
über dem Zweitakt-Motor liegt in seinem geringeren Raum- gedrückt durch das Verhältnis pZmax/pe, erwiesen. Mit stei-
bedarf sowie dem vergleichsweise niedrigeren Leistungsge- gendem Mitteldruck müsste daher der Spitzendruck nach
wicht, verbunden mit günstigeren spezifischen Kosten Möglichkeit überproportional mit angehoben werden, um
[18‑7]. ein ausreichend hohes Verhältnis pZmax/pe von ca. 7 bis 8 und
Dies gilt obwohl ein Mittelschnellläufer als Propulsions- daraus resultierend einen möglichst niedrigen Kraftstoffver-
Motor in jedem Falle mit einem Untersetzungsgetriebe brauch sicherzustellen. Die maximalen Zylinderdrücke ha-
ausgestattet ist (Bild 18-21). ben daher in den letzten Jahren ein beachtliches Niveau er-
644    18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-21
Größenvergleich eines mittelschnell-
laufenden Viertaktmotors und eines
leistungsgleichen, langsamlaufenden
Zweitakt-Kreuzkopf-Motors

reicht. Motoren mit 200 bar Spitzendruck sind heute bereits Aus thermodynamischen Erwägungen (vgl. Abschn. 2.2) ist
in Betrieb, und die Tendenz ist weiter steigend. Bild 18-22 die Höhe des Ladeluftdruckes begrenzt. Der zulässige Lade-
zeigt die Entwicklung des maximalen Zylinderdruckes und druck lässt sich zweckmäßigerweise mit einer Kenngröße
des spezifischen Kraftstoffverbrauches in den zurücklie- beschreiben, die das Verhältnis von Ladedruck zum mittle-
genden Jahrzehnten. ren effektiven Druck angibt. Um einerseits günstige Ver-
bräuche zu gewährleisten, andererseits aber auch das Tem-
18.3.2.3 Hub/Bohrungsverhältnis peraturniveau der Brennraumbauteile im Schwerölbetrieb
in einem betriebssicheren Rahmen zu halten, hat sich für
Gerade im Schwerölbetrieb ist es wichtig, dass die Druck- Mittelschnellläufer ein Verhältnis pL/pe von 0,15 bis 0,17 als
steigerungsrate dpZ/dφ, d. h. der Abstand zwischen Kom­ optimal erwiesen. Daraus folgt letztendlich, dass das Ver-
pres­sionsenddruck und maximalem Zylinderdruck, der sog. dichtungsverhältnis entsprechend angehoben werden muss,
Zündsprung, nicht zu groß wird. Daraus folgt, dass hohe um den gewünschten Verdichtungsenddruck zu erreichen.
­maximale Drücke auch deutlich höhere Kompressionsend- Somit beträgt das Verdichtungsverhältnis heutiger Mittel-
drücke erfordern. Der Kompressionsenddruck wird beein- schnellläufer abhängig vom Bohrungsdurchmesser ε = 13
flusst vom Ladedruck und dem Kompressionsverhältnis. bis 16.
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren    645

Bild 18-22
Entwicklung von maximalem Zylin-
derdruck und spezifischem Kraftstoff-
verbrauch bei mittelschnelllaufenden
Viertaktmotoren in den letzten
40 Jahren.

Ein höheres Verdichtungsverhältnis lässt sich mit einem 18.3.2.5 Weitere Kriterien
längerhubigen Motor leichter erreichen, ebenso wie auch
eine günstige Brennraumform. Mit kürzer werdendem Hub Bei mittelschnelllaufenden Viertakt-Motoren wird neben
wird bei vorgegebenem Verdichtungsverhältnis der Brenn- niedrigem Kraftstoff- und Schmierölverbrauch, Schweröl-
raum immer flacher, und es wird zunehmend schwieriger, tauglichkeit, günstigen Herstellkosten usw. von Seiten der
eine gute Verbrennung zu erzielen. Betreiber auch großen Wert auf Einfachheit im Aufbau und
Bei all diesen Überlegungen spielt auch die absolute Wartungsfreundlichkeit gelegt.
Motorgröße eine Rolle. Je kleiner die Zylinderabmessungen Dies ist u. a. der Grund, dass sich aufwendige technische
werden, umso nachteiliger machen sich die schädlichen Lösungen, wie z. B. eine zwei- oder mehrstufige Aufladung
Räume im Bereich der Ventile bemerkbar. Sie nehmen mit bislang bei den Mittelschnellläufern nicht durchgesetzt
kleiner werdenden Abmessungen überproportional zu. haben.
Daraus folgt, dass man zur Erzielung eines bestimmten Ver- Entwicklungsschwerpunkte sind die Schweröltauglichkeit
dichtungsverhältnisses bei einem größeren Zylinderdurch- auch unter hohen spezifischen Belastungen sowie Wirt-
messer mit einem kleineren Hub/Bohrungsverhältnis aus- schaftlichkeit, Zuverlässigkeit und Verbesserung der Abgas­
kommt, als dies bei einem kleineren Zylinderdurchmesser emission. Im nachfolgenden Abschn. wird dies beispielhaft
der Fall ist. an konstruktive Lösungen dargestellt.

18.3.2.4 Drehzahl 18.3.3 Konstruktive Lösungen


Aus Kolbenhub und mittlerer Kolbengeschwindigkeit ergibt 18.3.3.1 Motorgrundaufbau
sich die entsprechende Motordrehzahl. Je nach Zylinder-
durchmesser, Hub/Bohrungsverhältnis und maximal zuläs- Es können hier nur einige wesentliche Bauteile herausgegrif-
siger mittlerer Kolbengeschwindigkeit ergeben sich Dreh- fen und in ihren grundsätzlichen Merkmalen beschrieben
zahlen im Bereich von etwa 300 min–1 bis zu 1200 min–1. werden.
Motoren zur Drehstromerzeugung mit 50 bzw. 60 Hertz kön- Die früher beim Motorgehäuse vielfach übliche Bauweise
nen somit mit den entsprechenden Generatordrehzahlen mit Grundplatte, von oben eingelegter Kurbelwelle und
betrieben werden (vgl. Abschn.1.2). einem aufgesetzten und mit Zugankern mit der Grundplatte
verschraubten Zylinderblock wurde bei neueren Konstruk­
646 18 Industrie- und Schiffsmotoren

tionen in den meisten Fällen von einer einteiligen Gestell- dass gewisse Mindestrestspalte im Schmierfilm nicht unter-
ausführung mit hängender Kurbelwelle abgelöst. Diese schritten werden dürfen, wenn befriedigende Standzeiten
Bauweise gewährleistet einen sehr günstigen Kraftfluss, ver- der Lagerschalen erreicht werden sollen. In Zusammenhang
meidet zusätzliche, belastete Trennflächen und ist kosten- mit den gegenüber früher deutlich höheren Zylinderdrücken
günstig. sind aus Festigkeitsgründen vielfach stärkere Grundlager-
Eine interessante Lösung wurde bei den Mittelschnellläu- und Kurbelzapfen erforderlich, die die Lagerflächen vergrö-
fern von MAN Diesel gewählt. Hier wird durch verlängerte, ßern. Darüber hinaus konnte durch die Einführung neuer
bis zur Oberkante des einteiligen Gestells führende Grund- Lagertechnologien, wie beispielsweise Rillenlagern oder
lagerschrauben und bis weit in das Gestell reichende Zylin- Sputterlagern, die Belastbarkeit erheblich gesteigert werden.
derdeckelschrauben eine deutliche Entlastung der Guss- Dadurch konnte erreicht werden, dass trotz höherer Gas-
struktur erzielt (Bild 18-23). kräfte die Betriebssicherheit der Lagerung und die Lager-
standzeiten gegenüber früher in vielen Fällen sogar deutlich
18.3.3.2 Triebwerk angehoben werden konnten, s. Abschn. 8.5.

Kurbelwelle und Kurbelwellenlager. Um Lagerschwierig- Pleuel. Eine einfache gerade Teilung am Kurbelzapfenlager
keiten im Schwerölbetrieb, hervorgerufen durch korrosiven ist nur in den wenigsten Fällen bei vergleichsweise gering be-
oder abrasiven Verschleiß, zu vermeiden, ist neben einer ent- lasteten Motoren möglich. In der Regel erfordern die der hö-
sprechenden Ölpflege auch die Dimensionierung der Kur- heren Belastung angeglichenen stärkeren Kurbelzapfen zu-
belwellenlager von großer Bedeutung. Die Praxis hat gezeigt, mindest eine Schrägteilung des Pleuels (Treibstange), um
beim Kolbenziehen das Pleuel bzw. den Pleuelschaft durch
die Zylinderbuchse durchführen zu können. In vielen Fällen
wird eine sog. Marinekopf-Ausführung verwendet, bei der
der Schaft mit einem eigenen, zweiteiligen Lagerkörper ver-
schraubt ist (Bild 18-24). Diese zusätzliche Trennfuge hat
den Vorteil, dass bei der Dimensionierung des Lagerkörpers
weniger räumliche Beschränkungen gegeben sind und daher
eine steife, verformungsarme Gestaltung möglich ist. Dar-
über hinaus braucht beim Ausbau eines Kolbens das Lager
nicht geöffnet zu werden.

18.3.3.3 Brennraumbauteile

Kolben. Mittelschnelllaufenden Viertakt-Motoren haben,


neben Monoblockkolben aus Sphäroguss bei kleineren Zy-
linderabmessungen, in den meisten Fällen gebaute Kolben.
Das Kolbenoberteil ist aus Stahl, die Ringnuten sind oft, um
den Verschleiß zu reduzieren gehärtet oder verchromt (siehe
Abschn. 8.6).
Das Kolbenunterteil besteht wegen der gestiegenen Belas-
tung vorwiegend aus Sphäroguss, seltener aus Leichtmetall.
Vereinzelt wird auch das Kolbenhemd wie die Kolbenkrone
aus Stahl gefertigt [18-8]. Mit derartigen gebauten Stahl-/
Sphärogusskolben lassen sich Zünddrücke bis über 200 bar
beherrschen.
Die hohe thermische Belastung erfordert eine optimale
Kühlung des Kolbenoberteiles (s. Abschn. 7.1). Als Kühlme-
dium wird Öl aus dem Umlaufsystem verwendet, das in den
meisten Fällen über das Pleuel dem Kolben zugeführt wird
Bild 18-23 Motorgestell mit Einzelzylindermänteln, verlängerten Hauptla- (s. Abschn. 8.6). Durch die Shakerwirkung bei der Auf- und
gerschrauben und verlängerten Zylinderdeckelschrauben (Bauart MAN Diesel) Abwärtsbewegung des Kolbens wird das Kühlöl an die
Innenwände des Kolbenbodens geschleudert, nimmt die
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 647

Bild 18-25 Gebauter Stufen-Kolben mit Stahloberteil und Sphärogusshemd


für sehr hohe Zylinderdrücke (Quelle: MAN Diesel)

Mit der Entwicklung von Chromringen mit keramischen


Einlagerungen, den sog. CKS-Ringen, wurde die hohe
Bild 18-24 Pleuelstange mit Marinekopf-Ausführung Belastbarkeit von Plasmaringen mit dem geringeren Ver-
schleiß von Chromringen verbunden, Damit können auch
bei schlechtesten Kraftstoffen niedrige Verschleißraten in
der Größenordnung von 0,01 bis 0,02 mm/1000 h erzielt
Wärme auf und läuft über entsprechende Rücklaufboh- werden (Bild 18-26). Moderne mittelschnelllaufende Diesel-
rungen im Kolbenhemd in den Triebraum zurück. Zur motoren haben daher beim ersten Kompressionsring eine
Vergrößerung der Wärmeübergangsfläche ist das Kolben- Chrom-Keramikbeschichtung und Chrombeschichtungen
oberteil oft mit Kühlbohrungen ausgestattet (Bild 18-25). für den zweiten und ggf. dritten Ring, womit eine hohe
In Verbindung mit einem Feuerstegring an der Laufbuch- Standfestigkeit des Ringpaketes erzielt wird.
se werden die Kolben als Stufenkolben ausgebildet, um
Ablagerungen von Verbrennungsrückständen an der Lauf- Zylinderlaufbuchse. Getrennt, einzeln stehende Zylinder-
buchse und somit Blankstellen an der Buchse zu vermeiden mäntel zur Aufnahme der Laufbuchsen bieten vor allem bei
sowie ferner den Ölverbrauch zu reduzieren. Durch ein größeren Motoren Vorteile, da Einwirkungen von benach-
enges Kolbenspiel, das abrasive Teilchen zurückhält und den barten Zylindern oder von Schiffsdeformationen reduziert
Schmierfilm schützt, wird die mechanische Belastung der und damit im Betrieb eine optimale Rundheit der Zylinder-
Kolbenringe verringert. laufbuchsen erreicht wird. Die Wasserführung und intensive
Alle Kolbenringe sind in der Stahlkrone angeordnet. Kühlung beschränkt sich auf den oberen Bereich der Lauf-
648 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-26
Durchschnittlicher Verschleiß des
ersten Kolbenringes bei mittelschnell-
laufenden Viertaktmotoren im
Schwerölbetrieb

buchse, da sie nur dort erforderlich ist. Ziel ist eine gleichmä- Zylinderkopf mit Ventilen. Mit zunehmenden Belastungen
ßige Temperaturverteilung über die ganze Buchsenoberflä- kommt beim Zylinderkopf in verstärktem Umfang Sphäro-
che als Vorbeugung gegen Kaltkorrosion und zur Sicherung guss zur Anwendung. Aufgrund seiner deutlich höheren me-
guter Schmierverhältnisse. Zusammen mit der stabilen Zy- chanischen Festigkeitswerte im Vergleich zu laminarem
lindergeometrie sind somit die Voraussetzungen für einen Grauguss trägt er in Verbindung mit einer beanspruchungs-
niedrigen Schmierölverbrauch gegeben, der bei modernen günstigen Gestaltung wesentlich zur Betriebssicherheit
Mittelschnellläufern nicht mehr als 0,5 bis 1 g/kWh betragen dieses mechanisch und thermisch hochbelasteten Bauteiles
sollte. bei.
Einen wesentlichen Fortschritt brachte in den 90er Jahren Bei höher belasteten Mittelschnellläufern werden heute
die Einführung von sog. Feuerstegringen, die u. a. auch vier Ventile verwendet (Bild 18-29). Auf Ventilkörbe wird
unter der Bezeichnung Anti-Polishing-Ring eine weite Ver- zunehmend auch bei größeren Motoren verzichtet [18-9].
breitung gefunden haben. Neben der in Bild 18-27 gezeigten Die Betriebssicherheit wurde erhöht und die Ventilstand-
Ausführung eines gekühlten Feuersteges werden auch unge- zeiten wurden so weit verlängert, dass der Zylinderkopf
kühlte bzw. indirekt gekühlte Ausführungen verwendet, bei auch für andere Wartungsarbeiten (z. B. Kolbenringe)
denen ein relativ dünnwandiger Ring direkt in die Lauf- demontiert werden muss. Damit entfällt der Wartungsvor-
buchse eingesetzt wird. Allen Ausführungen gemeinsam ist teil durch den Ventilkorb und es überwiegen dessen Nach-
der gegenüber der eigentlichen Lauffläche der Zylinderlauf- teile wie Bauaufwand, reduzierte Zylinderkopfsteifigkeit
buchse etwas kleinere Ringdurchmesser, wodurch in Kom- sowie zusätzliche potenzielle Leckagestellen. Die Ventilsitz-
bination mit einem Stufenkolben, das sog. „bore polishing“ ringe sind oft, zumindest auf der Auslassseite, gekühlt.
(durch harte Koksablagerungen an der Kolbenkrone hervor- Sowohl die Ventilkegel als auch die Sitzringe weisen übli-
gerufene blanke Stellen oder Vertiefungen im mittleren cherweise eine Sitzpanzerung z. B. mit Stelliten (Hartmetal-
Bereich der Zylinderlauffläche) wirkungsvoll verhindert len) auf, die einen hohen Verschleißwiderstand sicherstellt
wird. Damit erzielt man bei verringertem Ölverbrauch eine und das Einschlagen von Verbrennungspartikeln beim
Lebensdauer von bis zu 80000 h für Laufbuchse, Feuersteg- Schwerölbetrieb und somit sog. Durchbrenner infolge unge-
ring und Stufenkolben. Dazu gehören auch die in Bild 18-28 nügender Dichtheit des Ventilsitzes und daraus resultie-
dargestellten, in Verbindung mit CKS-Ringen erzielten renden Austritts heißer Verbrennungsgase verhindert. Ver-
niedrigen Verschleißwerte von ca. 0,01 mm/1000h, gemes- schiedentlich kommen auch Nimonic-Ventile mit und ohne
sen am Umkehrpunkt des obersten Kolbenringes. Üblicher- Sitzpanzerung zum Einsatz.
weise tritt an dieser Stelle der Zylinderlauffläche der größte Die Praxis hat gezeigt, dass bei der Verbrennung von
Verschleiß auf, bekannt unter dem Begriff „Zwickel-Ver- Schweröl eine Drehung der Ventile während des Betriebes
schleiß“. unbedingt erforderlich ist. Diese Drehung kann durch
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren    649

Bild 18-27
Zylinderlaufbuchse mit Wassermantel
und Feuerstegring mit Bohrungsküh-
lung

mechanische Drehvorrichtungen, z. B. Rotocaps, bewerk- Da neben dem Verhältnis pZmax/pe auch die Brenndauer
stelligt werden. Einzelne Hersteller verwenden auf der einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Kraftstoffver-
Auslassseite Drehflügel am Ventilschaft. Durch das ausströ- brauch hat, wurde auch bei den Mittelschnellläufern ver-
mende Abgas wird dabei eine im Vergleich zu den mecha- sucht, die Brenndauer zu optimieren und so kurz wie mög-
nischen Drehvorrichtungen wesentlich intensivere Drehbe- lich zu halten. Bei den ausschließlich verwendeten Ein-
wegung erzielt. Dabei erfolgt, bedingt durch die Massen- spritzsystemen für direkte Einspritzung besteht ein relativ
trägheit des Ventils, ein schleifendes Aufsetzen auf den enger Zusammenhang zwischen Brenndauer und Einspritz-
Sitz. dauer: Kurze Brenndauer erfordert auch entsprechend kurze
Einspritzdauer. Dies hat dazu geführt, dass heute bei vielen
18.3.3.4 Einspritzsystem Herstellern Einspritzsysteme mit einer hohen Intensität
verwendet werden, die letztlich auch zu vergleichsweise
Zum Grundsätzlichen wird auf Abschn. 5 verwiesen. Hier hohen Drücken im Einspritzsystem führen, was wiederum
können nur die bei Mittelschnellläufern heute üblichen Aus- bei der Auslegung der Bauteile entsprechend zu berücksich-
legungen bzw. Ausführungen kurz gestreift werden. tigen ist. In fast allen Ausführungsfällen ist das Einspritz-
650 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-28
Durchschnittlicher Verschleiß der Zy-
linderlaufbuchse bei mittelschnelllau-
fenden Viertaktmotoren im Schweröl-
betrieb

Bild 18-29
Vergleich der Zylinderköpfe des MAN
48/60 Motors mit Drehflügel-Ventilen
auf der Auslassseite (48/60 mit Aus-
lassventilkörben / 48/60B ohne Aus-
lassventilkörben)

ventil zentral im Zylinderkopf angeordnet und der Kraftstoff zunehmend an Bedeutung gewinnen, da der NOx-Ausstoß
wird über eine Mehrlochdüse in den Brennraum einge- u. a. durch eine Verlegung des Zündzeitpunktes beeinflusst
bracht. werden kann.
Bei der Verbrennung von Schwerölen mit ggf. sehr unter- Common Rail Systeme bieten aufgrund ihrer Variabilität
schiedlichen Brenneigenschaften ist es vorteilhaft, die Ein- dem Motorenentwickler ein breites Spektrum und höhere
spritzung darauf abstimmen zu können. So gibt es beispiels- Flexibilität der Einspritzparameter, wobei für eine optimale
weise Ausführungen, bei denen über eine geringe Vorein- Verbrennung mit niedrigem Schadstoffgehalt zusätzlich zu
spritzmenge versucht wird, den Verbrennungsablauf positiv den Variablen Einspritzbeginn und Einspritzdruck auch die
zu beeinflussen. Andere Hersteller wiederum haben die Mehrfacheinspritzung erforderlich werden kann.
Möglichkeit geschaffen, den Zündzeitpunkt bzw. Einspritz- Common Rail Systeme werden zunehmend auch bei Mit-
zeitpunkt zu beeinflussen, um damit unterschiedlichen telschnellläufern eingesetzt, trotz der im Schwerölbetrieb
Zündverzügen entsprechend Rechnung tragen zu können. auftretenden Probleme durch die Verwendung von Schwer-
Derartige Maßnahmen werden im Zusammenhang mit ölen mit einer Viskosität von bis zu 700 cSt (bei 50 °C), da
den bestehenden gesetzlichen Emissionsbeschränkungen diese Kraftstoffe auf eine Temperatur von bis zu 150 °C vor-
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 651

geheizt werden müssen, um die notwendige Einspritzvisko- vorhandenen Bauraums durch die kompakten Einheiten
sität zu ereichen. Dazu kommt der hohe Gehalt an abrasiven weitere Vorteile bei der Montage und der Lagerung von
Partikeln und aggressiven Bestandteilen, die in den Schwer- Ersatzteilen [18-12].
ölen vorhanden sind. Die Einspritzbauteile müssen unter Es wird erwartet, dass das Common Rail System die klas-
diesen Einsatzbedingung bei hohen Temperaturen zuverläs- sische mechanische Einspritzung mit von einer Nockenwel-
sig funktionieren. le angetriebener Einzelpumpe zukünftig verdrängen wird.
Ein über die gesamte Motorlänge durchgehender Druck-
speichers (Rail) ist bei Groß-Dieselmotoren aus Gründen 18.3.3.5 Aufladesystem
der thermischen Ausdehnung sowie den Herstellungsmög-
lichkeiten eines solchen Bauteils für 1600 bar mit radialen Zur Theorie der Aufladung wird auf Abschn. 2.2 verwiesen.
Bohrungen problematisch. Daher wird der Druckspeicher In dem vorliegenden Abschn. werden verschiedene, für Mit-
bei den bisher vorgestellten Systemen von Wärtsilä und telschnellläufer typische Auslegungs- bzw. Ausführungsge-
MAN Diesel in mehrere Segmente unterteilt [18-10], [18-11]. sichtspunkte angeschnitten.
Auch die Kraftstoffzufuhr kann auf mehrere Hochdruck- Moderne Mittelschnellläufer sind nahezu ausschließlich
pumpen verteilt werden. Die Zufuhr von Hochdruckkraft- mit einer Abgasturbo-Aufladung ausgerüstet. Je nach
stoff in das Speichersystem über zwei oder mehr Hoch- Motorgröße kommen Axial- oder Radialturbolader zur
druckpumpen hat den zusätzlichen Vorteil, dass auch bei Anwendung. Die in den vergangenen Jahren erzielten Fort-
Ausfall einer der Pumpen der Betrieb des Motors möglich schritte im Turboladerbau ermöglichen heute in einer Stufe
ist. Druckverhältnisse von fünf und darüber, eine weitere Stei-
Auf Grundlage des Konzepts mit einem segmentierten gerung ist in der Entwicklung.
Rail hat MAN Diesel ein modulares System für mehrere Bei den kleineren Motoren wird sowohl die Stoß- als auch
Motortypen entwickelt (Bild 18-30). die Stauaufladung angewendet. Bei größeren Mittelschnell-
Die Segmentierung in einzelne Rail Module bietet neben läufern hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr die
dem Vorteil der höheren Flexibilität zur Anpassung an ver- Stauaufladung durchgesetzt, da die Vorteile wie niedrigerer
schiedene Zylinderzahlen und einer besseren Nutzung des Verbrauch, gleichmäßige Beaufschlagung der Turbine, ein-

Bild 18-30 Aufbau des MAN Diesel Common Rail-Systemes


652 18 Industrie- und Schiffsmotoren

fachere Abgasleitungsführung, keine aufladetechnisch feln führten aber im Schwerölbetrieb aufgrund der Ver-
benachteiligten Zylinderzahlen den Nachteil des schlech- schmutzungen zu erheblichen Problemen.
teren Beschleunigungsverhaltens überwiegen. Dieser kann
durch enge Abgasleitungen abgemildert sowie – wenn erfor- 18.3.4 Betriebsüberwachung und Wartung
derlich – durch entsprechende Zusatzmaßnahmen (z. B.
durch „Jet Assist“, wobei während der Hochlaufphase der Neben Regel-, Steuerungs- und Überwachungssystemen, die
Verdichter kurze Zeit mit Druckluft beaufschlagt wird) an der Betriebsoptimierung dienen und elektronisch unterstützt
die Verhältnisse im Stoßbetrieb angeglichen werden. werden, kommen auch Diagnose- und Trendsysteme zur
Werden die luft- und abgasführenden Kanäle strömungs- Anwendung. Damit erhält der Betreiber Informationen über
günstig gestaltet und die Diffusoren zur Druckrückgewin- den jeweiligen Zustand seiner Anlage, die ihm die Entschei-
nung richtig angeordnet, lässt sich der Wirkungsgrad des dung über zu treffende Maßnahmen erleichtern soll.
gesamten Aufladesystemes günstig beeinflussen. Das wirkt Der letzte Stand dieser Entwicklung ist der Einsatz von
sich positiv auf den Kraftstoffverbrauch aus (Bild 18-31). Expertensystemen, die nicht nur den momentanen Zustand
Ein Problem bei der einstufigen Aufladung in Verbindung der Anlage aufzeigen, sondern dem Betreiber ganz gezielt
mit den hohen mittleren effektiven Drücken besteht darin, mitteilen, welches Bauteil aufgrund geänderter Motorbe-
dass es, bedingt durch die unterschiedlichen Kennlinien von triebswerte zu überholen oder auszutauschen ist. Damit
Motor und Turbolader, zunehmend schwieriger wird, den wird der Übergang von einer zeitlich geplanten zu einer
Luftbedarf des Motors über den ganzen Lastbereich optimal zustandsabhängigen Wartung ermöglicht [18-13].
abzudecken. Durch Maßnahmen, wie Umblasen von Lade- Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat dazu geführt,
luft im unteren Lastbereich und ggf. Abblasen von Abgas bei dass bei Bauteilen moderner Mittelschnellläufer heute trotz
Überlast (waste gate), lassen sich hier jedoch durchaus gestiegener Belastungen lange Wartungsintervalle vorgesehen
zufriedenstellende Ergebnisse erzielen. werden konnten. Die durchzuführenden Arbeiten an den
Die optimale Lösung wäre eine stufenlos veränderbare Verschleißteilen, wie Kolbenringen, Einspritzdüsen, Ein- und
Turbinengeometrie. Versuche mit verstellbaren Leitschau- Auslassventilen, Grund- und Pleuellagern usw., werden durch

Bild 18-31
Stauaufladesystem mit strömungsop-
timierten Kanälen und Diffusoren
zwischen Zylinderkopf und Abgaslei-
tung sowie nach dem Verdichter zur
Druckrückgewinnung
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 653

gute Zugänglichkeit sowie Einsatz entsprechend konzipierter Schritt die NOx-Emission entsprechend der Vorgabe der
Spezialwerkzeuge wesentlich erleichtert. Etwaige Fehler bei IMO, s. Abschn.15.2.3.3, reduziert, danach auch die
der Durchführung der Wartungsarbeiten wurden weitestge- Rauchentwicklung unter die Sichtbarkeitsgrenze gesenkt.
hend minimiert, ein Umstand, der nicht unerheblich zur Fernziel war ein Low-Emission-Motor(LEE) in Hinblick auf
Betriebssicherheit der Motorenanlage beiträgt. künftige Anforderungen [18-16].
Dabei hat sich gezeigt, dass mehrere Maßnahmen lastab-
18.3.5 Abgasemission hängig zu kombinieren sind: Mit dem Miller-Verfahren
(s. Abschn. 2.2.4) sinkt im oberen Lastbereich die maxi-
Maßnahmen zur Verbesserung der Abgasemission zielen male Verbrennungstemperatur und somit die NOx-Bildung.
auch bei mittelschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotoren Der damit verbundene Füllungsverlust kann durch erhöhten
vornehmlich auf die Reduktion der Stickoxide NOx und der Ladeluftdruck kompensiert werden, vorausgesetzt man
Rußbildung bei der Verbrennung. Letztere ist ursächlich stößt nicht an die Grenzen der einstufigen Aufladung
nicht nur für die Abgasschwärzung sondern auch für die (s. Abschn. 2.2.3). Mit einem größeren Verdichtungsverhält-
Emission an Partikeln verantwortlich (s. Abschn. 15.3). Er- nis verbunden mit einem längeren Hub (s/D = 1,5) lassen sich
schwerend kommt hinzu, dass Großdieselmotoren überwie- die NOx-Emissionen deutlich vermindern, doch oft unter
gend mit schwefelhaltigen Schwerölen betrieben werden, einer stärkeren Rauchentwicklung bei Schwachlast. Durch
s. Abschn. 4.3.4.2. Außerdem kommt es besonders bei Einsatz der Flexible Camshaft Technologie (FCT) kann
Schwachlast zu verstärkter Bildung von Ruß, die sich durch jedoch bei geringer Leistung die Abgasschwärzung unter
starke Rauchfahnen bemerkbar macht: Ein Problem für see- der Sichtbarkeitsgrenze (Schwärzungszahl SZ d 0,4…0,5,
gehende Schiffe beim Manövrieren in Häfen. s. Abschn. 15.6) gehalten werden (s. Bild 18-32). Dazu wird
Um hier Abhilfe zu schaffen, sind zunächst innermoto- bei Schwachlast ab einer Leistung von etwa 25% der Nenn-
rische Maßnahmen angebracht, wie z. B. verbesserte Ein- leistung der Einspritznocken nach früh verschoben, so dass
spritzung, veränderte Ventilsteuerzeiten etc. [18-8], [18-14], in Verbindung mit einer modifizierten Einspritzpumpe eine
[18-15]. Externe Maßnahmen, wie Einsatz von Wasser- bessere Zerstäubung und somit rußärmere Verbrennung
Kraftstoff-Emulsionen oder Partikelfilter (s. Abschn. 15.5), erfolgt. Gleichzeitig öffnet und schließt das Einlaßventil
erschweren i. Allg. das Handling für die Motoranlage und unter Verzicht auf den Miller-Effekt später, während das
steigern deren Störanfälligkeit. Auslassventil früher öffnet, um über ein größeres Abgasge-
Diesem Grundsatz folgend, wurde bei der Entwicklung fälle den Ladedruck steigern zu können.
emissionsarmer MaK-Großdieselmotoren in einem ersten

Bild 18-32
NOX-Emission und Abgastrübung (SZ)
eines abgas-optimierten Dieselmo-
tors, Caterpillar M 43 C, für den
Schiffsantrieb (IMO-Grenzwert z. Zt.
NOX = 12,9 g/kWh, SZ: Schwärzungs-
zahl nach der Bosch-Filtermethode)
654 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-33
Mittelschnellläufer-Familie von MAN
Diesel im oberen Leistungsbereich,
bestehend aus vier weitgehend bau-
gleichen Reihenmotoren
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 655

18.3.6 Ausgeführte Motoren L40/54 und L32/40 mit Zylinderleistungen von 1400 kW,
1200 kW, 720 kW und 500 kW bei Drehzahlen von 428 bis
Aus der Fülle unterschiedlicher mittelschnelllaufender Mo- 750 min–1. Bemerkenswert ist der einheitliche konstruktive
toren verschiedenster Hersteller (besonders im unteren Leis- Aufbau dieser vier Motoren, die jeweils in Reihenanordnung
tungsbereich ist die Typenvielfalt sehr groß) können hier nur gebaut werden. Zusätzlich ist von den Typen mit 320 mm
einige wenige Beispiele herausgegriffen werden. und 480 mm Bohrung auch eine V-Version verfügbar.
Bild 18-33 zeigt die Familie großer Mittelschnellläufer Im Bereich von 250 bis 350 mm Bohrung existiert am
von MAN Diesel, bestehend aus den Typen L58/64, L48/60, Markt eine breite Palette von mittelschnelllaufenden Moto-

Bild 18-34
Wärtsilä 46
656 18 Industrie- und Schiffsmotoren

ren. Sehr erfolgreich war hier in den letzten Jahren u. a. der größeren Mittelschnellläufern vorbehalten waren, wie bei-
Wärtsilä 32. Bei einem Zylinderdurchmesser von 320 mm spielsweise einzeln aufgesetzte Zylindermäntel. Der zurzeit
und einem Hub von 400 mm wird bei einer Drehzahl von in Reihen-Version mit 6, 8, und 9 Zylindern angebotene
750 min–1 eine Zylinderleistung von 500 kW erreicht. Auch Motor besitzt bei 200 mm Bohrung, 300mm Hub und einer
dieser Motor wird in Reihen und V-Ausführung mit Zylin- Drehzahl von 1000 min–1 eine Zylinderleistung von
derzahlen von 6, 7, 8 und 9, bzw. 12, 16 und 18 gebaut. 190 kW.
Der größere Wärtsilä 46, den Bild 18-34 im Querschnitt
zeigt, hat einen Zylinderdurchmesser von 460 mm und 18.3.7 Ausblick
einen Hub von 580 mm. Er ist mit Zylinderleistungen von
975, 1050 und 1155 kW bei 500 1/min erhältlich. Für die An einen mittelschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotor wer-
Entwicklungsstufe W46F wurde die Drehzahl auf 600 1/min den heute und künftig eine Reihe von Anforderungen ge-
gesteigert und damit eine Zylinderleistung von 1250 kW stellt, wobei aus der Sicht des Betreibers naturgemäß die For-
erreicht. derungen nach hoher Wirtschaftlichkeit, nach Zuverlässig-
Als Vertreter der kleineren Abmessungen im Bereich von keit und Einfachheit der Wartung im Vordergrund stehen.
200 mm Zylinderbohrung sei als Beispiel der Motor M20 Die technischen Konzepte moderner, mittelschnelllaufender
von MaK aufgeführt (Bild 18-35). Dieser Motor weist eine Viertakt-Dieselmotoren erfüllen diese Forderungen heute zu
Reihe von konstruktiven Merkmalen auf, die bisher den einem sehr hohen Prozentsatz. Hohe Lebensdauer bedeutet
vor allem niedrige Verschleißwerte der wichtigsten Bauteile.
Zur Wirtschaftlichkeit gehört die Einfachheit der Wartung,
d. h. der Einsatz von einfach zu handhabenden hydraulischen
Werkzeugen und die gute Zugänglichkeit der der Wartung zu
unterziehenden Bauteile.
Unter Wirtschaftlichkeit versteht man selbstverständlich
auch niedrige spezifische Verbräuche von Kraftstoff und
Schmieröl. Durch Anheben des maximalen Zylinderdruckes,
Optimieren des Verbrennungsprozesses sowie durch die
Entwicklungen in der Aufladetechnik konnten in den letz-
ten Jahren die Kraftstoffverbräuche wesentlich gesenkt
werden. Heute kann ein mittelschnelllaufender Viertakt-
Motor mehr als 50% der im Kraftstoff enthaltenen Energie
in mechanische Arbeit umwandeln.
Bei der Weiterentwicklung der mittelschnelllaufenden
Viertaktmotoren steht in den nächsten Jahren neben einer
weiteren Leistungskonzentration eine Reduzierung der
Emissionen an vorderster Stelle (s. Abschn. 18.3.5 bzw. Teil
IV dieses Buches).
Neben der Reduzierung des NOx-Ausstosses wird auch an
der weiteren Verringerung der Partikelemission intensiv
gearbeitet. Die Zielvorstellung bei den Mittelschnellläufern
geht dahin, durch Unterdrücken der Rußbildung künftig
auch im Schwerölbetrieb einen unsichtbaren Auspuff von
Leerlauf bis Volllast zu realisieren.
Dadurch könnte im Idealfall verhindert werden, dass sich
Verbrennungsprodukte des Schwefels an den Ruß anlagern
und die Partikelemission erhöhen. Wie in Abschn. 4.3
erwähnt, ist jedoch eine geringe Abgasschwärzung kein
Kriterium für eine ebenso geringe Partikelemission, sofern
Kraftstoff mit hohem Schwefelgehalt verbrannt wird.
Bei der Schallemission werden elastische und halbelas-
Bild 18-35 Querschnitt des Motors M20 von MaK tische Aufstellungen im Schiff zur Reduzierung des Körper-
schalls weiter an Bedeutung gewinnen. Den Luftschall wird
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren    657

man außer durch schallmindernde und schalldämmende Aufladeverfahren:


Maßnahmen am Motor selbst, was heute schon weitgehend – mechanische Aufladung,
ausgeschöpft ist, durch entsprechend schalltechnisch gestal- – Abgasturboaufladung,
tete Maschinenräume oder, soweit dies bei den Abmes- – kombinierte mechanische und Abgasturboaufladung.
sungen dieser Motoren machbar ist, durch Kapselung noch
weiter senken. Kombinationen der einzelnen Verfahren führten zu den ver-
schiedenartigsten Konstruktionen, die sich zum Teil bis in
18.4 Langsamlaufende Zweitakt- die 1970er-Jahre hinein halten konnten, wobei alle Hersteller
mit direkter Kraftstoffeinspritzung statt der anfangs üblichen
Dieselmotoren Lufteinblasung arbeiteten.
Die beiden sog. „Ölkrisen“ in der zweiten Hälfte der
18.4.1 Entwicklung und Merkmale langsamlaufender 1970er- bzw. zu Beginn der 1980er-Jahre lösten einerseits
Zweitakt-Dieselmotoren hinsichtlich der Kraftstoffökonomie des Diesel­motors
18.4.1.1 Entwicklung des Zweitakt-Langsamläufers nochmals große Entwicklungsschritte aus, andererseits lei-
teten sie eine Konzentration auf weltweit nur noch drei
Bald nach der Vorstellung des ersten Dieselmotors mit dem Firmen ein, die langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren
von Diesel vorgesehenen Viertaktprinzip wurde gegen den Rat entwickeln und konstruieren sowie neben der Lizenzverga-
Diesels 1899 durch Hugo Güldner ein Zweitakt-Dieselmotor be z. T. auch selbst fertigen. Dies sind seit Mitte der 1990er-
vorgeschlagen und konstruiert, dem allerdings der Erfolg ver- Jahre, Bild 18‑36:
sagt blieb [18‑17]. Den Gebrüdern Sulzer, Winterthur, gebührt – MAN Diesel SE (ehemals MAN B&W DieselAG),
das Verdienst, den ersten lauffähigen, als Schiffsmotor einge- – Wärtsilä Schweiz (ehemals Gebrüder Sulzer/New Sulzer
setzten Zweitakt-Dieselmotor im Jahre 1906 vorgestellt zu ha- Diesel),
ben. Andere Firmen, wie MAN-Nürnberg, Krupp-Germania- – Mitsubishi Heavy Industries (MHI),
Werft, Burmeister & Wain (Kopenhagen) folgten bald darauf,
sah man doch in dem Zweitaktverfahren zusammen mit grö- wobei alle drei Anbieter das selbe Konzept verfolgen: Den
ßeren Zylinderabmessungen einen Weg, beim Schiffsantrieb langsamlaufenden einfachwirkenden, abgasturboaufgela-
in Konkurrenz zu den Kolbendampfmaschinen mit ihren denen, gleichstromgespülten Zweitakt-Dieselmotor.
großen Leistungseinheiten treten zu können. Es ist damit eine Tatsache, dass die einstmals große Viel-
Zwar würde theoretisch der Zweitaktmotor mit seinen falt des Konzepts im Wesentlichen einem aus heutiger Sicht
zwei Arbeitshüben die doppelte Leistung eines gleich gro­ logischen Konzept den Platz überlassen hat.
ßen Viertaktmotors erbringen, doch in der Praxis betrug
diese Zunahme aufgrund von Verlusten durch geringere 18.4.1.2 Übergang zur Gleichstromspülung
Reinheit der Ladung und das notwendige Verdichten der
Spülluft nur ca. 60%. Bis Mitte der 1970er Jahre bewegten sich bei allen noch im
Dies führte über Jahrzehnte gezwungenerweise zu einer Markt agierenden Herstellern die Hub/Bohrungsverhältnisse
großen Vielfalt von Motorkonzepten, die einerseits durch zwischen 1,7 und 2,1. Diese ließen die Umkehr- oder Quer-
allgemeine ähnliche Grundzüge geprägt waren, andererseits spülung zu, und zwar ohne Einbußen am Spülgrad. Diese
aber auch herstellerspezifische Merkmale trugen, die sich beiden Spülsysteme zeichneten sich durch besondere Ein-
u. a. mit den Namen Doxford, Grandi Motori Trieste (vorm. fachheit in der Konstruktion aus, die ohne Auslassventil im
Fiat), Götaverken, Stork, Werkspoor u. a. verbinden und Zylinderdeckel auskam. Die Wartung war dementsprechend
durch folgende Kriterien gekennzeichnet werden: äußerst einfach und bedienerfreundlich, was diesem Ma-
schinentyp zu besonderen Markterfolgen in den 60er und
Wirkungsweise: 70er Jahren verhalf.
– einfachwirkend, Die erste der sog. Ölkrisen (1973) löste in der Folge
– doppeltwirkend, jedoch eine klare Wende in der Entwicklung aus. Maßge-
– Gegenkolben. bend hierfür war, dass der Anteil der Kraftstoffkosten an
den gesamten Betriebskosten nach 1973 sprunghaft zu­nahm.
Spülverfahren: So wurde zur Einsparung von Kraftstoff nicht nur in schnel-
– Gleichstromspülung, ler Folge der maximale Zylinderdruck angehoben, sondern
– Umkehrspülung, es setzten auch auf der schiffbaulichen Seite Entwicklungen
– Querspülung. in Richtung Kraftstoffökonomie ein. So wurden die Propel-
658
18 Industrie- und Schiffsmotoren

a b c

Bild 18-36 Neuzeitliche Ausführungen von langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotoren mit Gleichstromspülung. a MAN B&W: S90MC-C (D=900 mm); b Mitsubishi: UEC85LsII (D=850 mm); c Wärtsilä RT-flex82C
(D=820 mm)
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren    659

lerdrehzahlen niedriger, die Durchmesser der Propeller und 18.4.1.3 Merkmale moderner Zweitakt-Langsamläufer
damit die Propellerwirkungsgrade größer.
Dies zog beim Zweitaktmotor zwangsläufig größere Hub/ Der langsamlaufende Dieselmotor hat in seiner mehr als 90-
Bohrungsver­hältnisse nach sich, um die mittlere Kolbenge- jährigen Geschichte eine enorme technische Entwicklung
schwindigkeit und damit die Leistungsausbeute beibehalten durchgemacht, ermöglicht durch:
zu können. – konzeptionelle Weiterentwicklung,
Die Firmen MAN-Augsburg und Sulzer konnten in dieser – Übergang auf die Gleichstromspülung,
Entwicklung mit ihren einfachen, ventillosen Motoren mit – Fortschritte in der Aufladetechnik und im Turbolader­bau,
einem Hub/Bohrungsverhältnis von ca. 2,1 bis Ende der – neue Erkenntnisse in der Werkstofftechnologie,
1970er Jahre mithalten. Dann aber drängte sich durch die – Nutzen moderner Entwicklungsverfahren theoretischer
Nachfrage des Marktes nach weiterer Senkung der Dreh- und experimenteller Art,
zahlen der Übergang zur Gleichstromspülung auf. Die – Übergang zur elektronisch gesteuerten Einspritzung und
MAN löste dieses Problem Anfang 1980 mit der Übernah- – Ventilsteuerung.
me der Dieselaktivitäten der dänischen Firma Burmeister &
Wain (B&W), da B&W-Zweitakt-Großmotoren mit einem Seit Anfang der 1950er Jahre stieg der mittlere effektive
Hub/Bohrungsverhältnis von ca. 2,4 bereits seit langem mit Druck pe der damaligen Saugmotoren von ca. 5 bar bei den in
der Gleichstromspülung liefen. der Folge aufgeladenen Motoren auf 20 bar, was einer Zu-
Für die Entwicklung und Konstruktion galt es in der nahme der spezifischen Nutzarbeit we von 0,5 auf ca. 2,0 kJ/
Folge, die sprichwört­liche Zuverlässigkeit der ventillosen, dm3 entspricht. Die mittlere Kolbengeschwindigkeit nahm
umkehrgespülten, mit der geforderten größeren Langhubig- von ca. 5 auf über 9 m/s zu.
keit der gleichstromgespülten Motoren zu kombinieren. Der maximale Zylinderdruck pZmax nahm dabei von ca.
Diese Aufgabe wurde Anfang der 1980er Jahre von Sulzer 50 bar auf ca. 160 bar zu. Als konstruktives Merkmal heuti-
durch die Einführung der RTA-Baureihe („Superlongstro- ger Zweitakt-Großdieselmotoren, deren Zylinderdurchmes-
ke“) zuerst gelöst [18‑18], indem die Gleichstromspülung ser D zwischen 260 und 980 mm betragen kann, ist die aus­
mit zentralem Auslassventil übernommen und das Hub/ geprägte Langhubigkeit mit Hub/Bohrungsverhältnissen
Bohrungsverhältnis erstmals bis auf ca. 3,0 erhöht wurde. zwischen ca. 3,0 bis 4,2 anzusehen.
Dadurch waren wesentlich geringere Nenndrehzahlen mög- Als Spülverfahren wird heute ausschließlich die Gleich-
lich (67 min–1 bei den größten Motoren). stromspülung mit einem zwangsgesteuerten Auslassventil
Bald darauf wurden auch von MAN B&W (L…MC/ eingesetzt.
MCE) sowie Mitsubishi (UEC…L) derartige Motor-Baurei- Die durch die spezifische Kolbenflächenleistung PA gekenn-
hen angeboten. Mit diesen leistungskonzentrierten, extre- zeichnete Leis­tungsdichte erreicht dabei Werte von mehr als
men Langhubern ließ sich der die Betriebskosten bestim- 790 W/cm2, was zeigt, dass auch der große Zweitakt-Lang-
mende Kraftstoffverbrauch der Schiffsanlage, außer über samläufer ein „High-Tech“-Produkt darstellt, vgl. Abschn.
den besseren Verbrennungsprozess auch über den güns­ 1.2.
tigeren Propulsionswirkungsgrad verringern. Gleichzeitig sank der spezifische Kraftstoffverbrauch von
Heute unterscheiden sich die modernen, langsamlau- ca. 220 g/kWh in Verbindung mit Turbocompounding und
fenden Zweitakt­motoren aller drei Hersteller bezüglich der Abgaswärmerückgewinnung auf 154 g/kWh, was einem
Grundprinzipien nicht voneinander. effektiven Wirkungsgrad von ca. 55% entspricht. Dabei ist
Wie an anderen Industrieprodukten des auslaufenden 20. der langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotor dank der
Jahrhunderts zu beobachten war, hat auch hier eine „natür- Robustheit seines Grundkonzeptes gleichzeitig in der Lage,
liche“ Selektion stattgefunden, dies nicht zuletzt aufgrund der Kraftstoffe schlechtester Qualität zu verbrennen.
heute zur Verfügung stehenden modernen Konstruktions- Die Zylinderleistungen der größten Motoren stiegen wäh-
und Berechnungswerkzeuge, die rasch und effizient die Wahl rend dieses Zeit­raumes von einigen hundert kW auf über
der logisch richtigen Lösung gestatten. Trotz der in den letz- 5700 kW, womit Antriebsleistungen von über 80000 kW mit
ten Jahren stark erhöhten spezifischen Leistungen, geringeren einem Motor möglich wurden. In den letzten Jahren wurden
Motorgewichten und der damit verbundenen höheren Belas­ auch schon Antriebsleistungen von 100000 kW und mehr
tung, ist die Zuverlässigkeit dieser Maschinen soweit verbes- gefordert, bedingt durch den Trend zu immer größeren
sert worden, dass heute Überholintervalle von bis zu drei Containerschiffen, die wie bisher nur mit einem Propeller
Jahren möglich sind. Die wesentlichen Unterschiede zwi- ausgerüstet sind und mit Rücksicht auf den erhöhten Zeitbe-
schen den drei Herstellern liegen heute in den verschiedenen darf für das Be- und Entladen sowie den Linienverkehr mit
Konzepten für die elektronisch gesteuerte Einspritzung. gleicher bzw. auch höherer Geschwindigkeit laufen sollen.
660    18 Industrie- und Schiffsmotoren

Nach Gl. (1-13) besteht für die Motorleistung eine lineare 18.4.2 Konstruktion des modernen Zweitakt-
Abhängigkeit von der spezifischen Arbeit we (bzw. vom Langsamläufers
mittleren effektiven Druck pe), der mittleren Kolbenge-
schwindigkeit cm und der Zylinderzahl z, wogegen die 18.4.2.1 Motorfamilien, Leistungskennfeld
Motorleistung mit dem Quadrat des Kolbendurchmessers D
zunimmt. Folgerichtig versuchten die Hersteller bisher den Wie bereits erwähnt, weisen alle heute angebotenen Zwei-
Forderungen nach größerer Leistung, abgesehen von der takt-Langsamläufer das gleiche Konzept und damit ähnliche
ständigen, schrittweisen Steigerung der spezifischen Leis­ Züge in ihrer Konstruktion auf, sodass es genügt, den Motor
tungsdaten, durch Motoren mit größeren Kolbendurchmes- eines Herstellers detailliert zu beschreiben.
sern nachzukommen. Die obere Grenze liegt bis jetzt bei D Da Motorleistung und Drehzahl beim direkt angetrie-
≤ 1 m, jedoch ist eine weitere Zunahme von D bei entspre- benen Propeller ein­ander fest zugeordnet sind, besteht für
chender Auslegung der thermischen Belastung (s. Abschn. jeden Hersteller auch die Notwendigkeit einer eng gestaf-
7.1), der Masse der Bauteile sowie der Gemischbildung und felten Motorenfamilie unterschiedlicher Bohrungen und
Verbrennung durchaus denkbar. Als weitere Möglichkeit Hub/Bohrungsverhältnisse. Hierzu stellt Bild 18‑38 beispiel­
bleibt die Erhöhung der Zylinderzahlen über die bisher haft die sich teil­weise überlappenden Kennfelder dar, wie sie
übliche Maximalzahl von 12 Zylindern hinaus. von einem Hersteller angeboten werden. Damit wird die
So bietet Wärtsilä bereits Zweitakt-Großmotoren mit Wahl des optimalen Motors unter Berücksichtigung zusätz-
960 mm Kolbendurchmesser (Type RTA96C und RT- licher Kriterien wie Einbaumaße, Zylinderzahl, Kraftstoff-
flex96C) und Zylinderzahlen bis zu z = 14 in Reihe an, so verbrauch usw. ermöglicht.
dass bei Werten von pe = 18.6 bar bzw. we = 1,86 kJ/dm3 Innerhalb der hier dargestellten Familie der Wärtsilä-
und cm = 8,5 m/s eine Zylinderleistung von 5720 kW und Motoren ist zu unterscheiden zwischen:
eine Gesamtmotorleistung von 80080 kW erreicht wird. – Motoren mit Hub/Bohrungsverhältnissen bis ca. 3,5
Damit stellt dieser Motortyp den bislang größten und leis­ (RTA52U, RT-flex60C, RTA62U, RTA72U, RTA82C/RT-
tungsstärksten Dieselmotor dar, der jemals gebaut wurde. flex82C,RTA96C/RT-flex96C), die relativ schnell drehend
Die ersten Motoren dieser Art wurden 2006 in Dienst hohe Leis­tungen vor allem für schnellere Schiffe, z. B.
gestellt. Containerschiffe oder Autotransporter, erbringen, und
Höhere Zylinderzahlen als z = 14 sind aus heutiger Sicht – Motoren mit Hub/Bohrungsverhältnissen über 4.0
kaum als realistisch anzusehen, da mit z zwangsläufig (RTA48T, RTA58T/RT-flex58T, RTA68/RT-flex68, RT-
Motormasse und Baulänge zunehmen, was insbesondere flex82T). Bei entsprechend geringeren Drehzahlen sind sie
Probleme hinsichtlich der Motorlager und der Belastung des für lang­samere Schiffe mit entsprechend größerem
Schiffsrumpfes aufwirft. Propeller, z. B. für Tanker, Massengutschiffe, be­stimmt.
Aus dieser Überlegung heraus führt MAN seit 2002 einen
noch größeren Motor vom Typ K108MC-C in ihrem Pro- Das Leistungskennfeld jedes Motors ist durch die Eckpunkte
gramm. Mit einer nominellen Zylinderleistung von 6950 kW R1/R2 bis R3/R4 bestimmt (Bild 18‑38), wobei die Nennleis­
würde dieser Motor bei einer maximalen Zylinderzahl von tung des Motors für eine bestimmte Anwendung innerhalb
z = 12 eine Gesamtleistung von 83400 kW erzielen. dieses Kennfeldes frei gewählt werden kann. Diese zusätz-
Weitere Überlegungen zur Reduktion von Baulänge und liche Freiheit gestattet – je nach Bedarf – die volle Leistungs-
Motormasse führten zur Option einer V-Anordnung der ausschöpfung (Punkt R1) oder eine leistungsreduzierte Vari-
Zylinder. Entsprechende Entwürfe und Berechnungen von ante mit dem Vorteil des geringeren Verbrauchs und/oder
MAN ergaben, dass sich für einen 12-Zylinder-V-Motor mit der niedrigeren Propellerdrehzahl.
900 mm Kolbendurchmesser die Motormasse um 15% und Eine weitere Auslegungsvariante stellt das R1+ -Kennfeld-
die Länge um 6,8 m d. h., um ca. 30%, reduzieren würden. konzept dar, mit den bei erhöhter Drehzahl und reduzierten
Auch zeigte sich, dass hinsichtlich Wartung und Zugäng- Mitteldrucke die gleiche Antriebsleitung in Verbindung mit
lichkeit keine größeren Probleme zu erwarten sind. Bislang einem um 2 g/kWh reduzierten Verbrauch dargestellt wer-
wurde jedoch noch keine dieser beiden Motorvarianten mit den kann.
größerer Bohrung oder V-Anordnung realisiert [18‑19].
In Bild 18‑37 ist die zeitliche Entwicklung der wesentli- 18.4.2.2 Konstruktive Gestaltung
chen Motorparameter von Wärtsilä 2-Takt-Grossdieselmo-
toren dargestellt. Motorgestell. Beginnend mit dem Motorgestell sollen die
typischen Merkmale eines modernen, langsamlaufenden
Zweitakt-Dieselmotors am Beispiel des im Bild 18‑36 darge-
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 661

Bild 18-37 Entwicklung der Motorparameter maximaler Zylinderdruck pZ,max und mittlerer effektiver Druck pe in den letzten 65 Jahren (Fa. Wärtsilä; RTX-2, RTX-4:
Forschungsmotoren)

stellten Motors des Typ Sulzer RTA96C erläutert werden, verlangte stabile Struktur. Alle Verschraubungen sind leicht
welcher der momentan leistungsstärkste, im Betrieb befind- von außen zugänglich. Die Spannungen und Deformationen
liche Dieselmotor der Welt ist (14RT-flex96C, 80080 kW, sind in diesen wichtigen Motorbauteilen sehr niedrig und
102 rpm). Für diesen Motor gelten die folgenden Motorpara- gewähren eine hohe Sicherheit, Bild 18-39. Dieser Grund-
meter: aufbau ist bei allen Motoren der RTA-Baureihe ähnlich und
Hub/Bohrung (mm/mm) 2500/960 (= 2,6) ist dem Prinzip nach auch bei den anderen Herstellern zu
Zylinderleistung (kW) 5720 finden.
Nenndrehzahl (min–1) 102
mittl. effektiver Druck (bar) 18,6 Triebwerk. Es ist der zentrale Bereich der Motorkonstruk-
spezifische Arbeit (kJ/dm3) 1,86 tion, durch dessen Gestaltung die ordnungsgemäße Funk-
mittlere Kolbengeschwindigkeit (m/s) 8,5 tion aller Triebwerkselemente, wie Kurbelwelle, Schub-
spez. Verbrauch (g/kWh) 171 (Pleuel)stange, Kreuzkopf, Kolbenstange, Lager etc., wäh-
maximaler Zylinderdruck (bar) 145 rend der gesamten Betriebsdauer von teilweise mehr als
Kolbenflächenleistung (W/cm2) 790 25 Jahren gewährleistet sein muss.
Die Kurbelwelle besteht aus geschmiedeten Einzelkröp-
Das Motorgestell dieses Motors besteht aus einer steifen, ge- fungen, die durch Querpresspassung (Schrumpfen) mit dem
schweißten Konstruktion mit Grundplatte und Ständer, in Grundlagerzapfen verbunden sind. Außer durch Einschrump-
der auch die Kreuzkopf-Bahnen aus Weißmetall integriert fen können Kröpfungen und Grundlagerzapfen auch durch
sind. Der daraufliegende gegossene Zylindermantel, der die Engspaltschweißen verbunden werden, Steifigkeit und Span-
Laufbuchsen aufnimmt, ist bei modernen Motoren „tro- nungen der sehr schlanken Kröpfungen werden durch FE-
cken“, d. h. enthält keinen Kühlwasserraum. Alle drei Kom- Berechnungen und dynamische Messungen sorgfältig opti-
ponenten sind miteinander verschraubt und geben somit die miert, Bild 18-40. Die Berechnungen benutzen dynamische
662    18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-38
Kennfelder von Leistung und Drehzahl
für das Motorenprogramm von Wärt-
silä Zweitakt-Dieselmotoren

Analysen der Kurbelwellen- und Lagerbelastungen unter Die besonders hohe Zuverlässigkeit der Haupt-, Pleuel-
Berücksichtigung von Steifigkeit und Dämpfung der radialen und Kreuzkopflager ist ein Charakteristikum dieser Moto-
und axialen Lagerstrukturen einschließlich der Zylinder- renbauart. Die folgenden Gründe tragen dazu bei:
Dämpfungseffekte. Damit werden bei hoher Sicherheit kurze – Die spezifischen Belastungen werden durch eine ent­spre­
Zylinderabstände (ca. 1,75 x Bohrung) möglich. chende Dimensionierung relativ niedrig gehalten.
Um die Motorhöhe trotz großem Hubverhältnis zu – Die Weißmetall-Laufschicht weist sehr gute Notlauf­eigen­
be­schränken, wird eine sehr kurze Pleuelstange verwendet. schaften auf und ist sehr anpassungsfähig.
Das Schubstangenverhältnis r/l (Kurbel­radius/Pleuellänge) – Die klare Trennung zwischen Brennraum und Kurbelraum,
beträgt 0,5 bis 0,45, d. h., es ist etwa doppelt so groß wie die Zweitakt­motoren zu eigen ist, schützt diese Lager vor
üblich. Die hohen Seitenkräfte können jedoch ohne weiteres der Wirkung der Verbrennungsprodukte.
durch großzügig dimensionierte Flächen der Kreuzkopf-
gleitschuhe aufgenommen werden. Brennraum. In Anbetracht des bei großen Zylinderboh-
Das eigentliche Kreuzkopflager stellt eine Besonderheit rungen hohen Energieumsatzes (Brennstoffmasse) ist eine
dieser Motorart dar [18‑20]: Seine Bewegung ist lediglich sorgfältige Gestaltung des Brennraumes Voraussetzung für
oszillierend, der Belastungsvektor ist zudem stets nach die Betriebszuverlässigkeit. Die gleichzeitige Aufnahme ho-
unten gerichtet, womit eine zuverlässige hydrodynamische her thermischer und mechanischer Belastungen bei moder-
Schmierung bzw. die Ölzufuhr erschwert werden. Abhilfe nen aufgeladenen Dieselmotoren hat Ende der 1970er-Jahre
wird z. B. durch die hydrostatische Schmierung mit ca. 12 zur Einführung der Bohrungskühlung geführt, Bild 18‑42,
bar Öldruck in speziell dafür vorgesehenen Öltaschen welches von der Firma Sulzer bereits Ende der 1930er-Jahre
geschaffen. Mit deren Hilfe wird der Kreuzkopfzapfen bei zum Patent angemeldet wurde. Damit wird eine wirksame,
jeder Umdrehung kurz angehoben (Bild 18‑41), um die genau dosierte Kühlung der Brennraumteile (Kolben, Lauf-
Ölzufuhr sicherzustellen. buchse, Zylinderdeckel, Ventil und Ventilsitz) bei gleichzeitig
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 663

Bild 18-40 Kurbelwellen-Einzelkröpfung. FE-Rechnungen und Messungen


der Deformationen

Bild 18-39 Motorgestell (RTA95C), bestehend aus Grundplatte und Ständer


in Schweißkonstruktion mit gegossenen Einzel-Zylinderblöcken als Struk-
turmodell für FE-Rechnung

hoher Steifheit realisiert, ohne die Notwendigkeit von ther-


mischen Beschichtungen, sog. „Cladding“. Die Temperaturen
der Brennraumwände konnten somit trotz der kontinuier-
lich gestiegenen spezifischen Leistung in zulässigen Grenzen
gehalten werden, Bild 18-43. Die zur Kolbenkühlung anfangs Bild 18-41 Kreuzkopflager. Berechnung und Messung der Ölfilmdicke
verwendete Wasserkühlung wurde außerdem bei allen Zwei-
takt-Großmotoren durch die betriebstechnisch einfachere
Ölkühlung ersetzt. Insbesondere wurde durch Spritzdüsen
(„Jet-Shaker“) der Wärmeübergang in den Kühlbohrungen
gegenüber dem bisherigen „Shaker-Effekt“ um 50% gestei-
664 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-42
Bohrungskühlung

gert. Dieses Prinzip haben auch andere Motorhersteller


übernommen.

Auslassventil. Früher eine häufige Quelle von Störungen


beim Schwerölbetrieb, erreicht es bei dem hier beschrie-
benen Motor eine bemerkenswerte Zuverlässigkeit. Es wer-
den 80000 Betriebsstunden ohne Wartungsarbeiten erreicht,
was insbesondere auf das korrosionsfeste Ventilmaterial Ni-
monic 80A zurückzuführen ist. Neben den durch die Boh-
rungskühlung erreichten optimalen Oberflächentempera-
turen (Bild 18-43) trägt dazu auch die Selbstreinigung des
Ventilsitzes von Verbrennungsrückständen bei, die durch
das schleifende Aufsetzen des rotierenden Ventils bewirkt
wird. Die Ventildrehung wird periodisch durch das ausströ-
mende Abgas mittels eines am Ventilschaft angebrachten
Flügelrades erzeugt. Mechanische Schwingungen im Ventil-
antrieb werden durch die hydraulische Ventilbestätigung
ausgeschlossen. Zudem wird die Schließkraft für das Ventil
pneumatisch durch Kompression einer Luftfeder erzeugt.

Steuerwelle. Ihr Antrieb erfolgt sehr präzise durch Zahnrä-


der, die auch nach jahrelangem Betrieb im Vergleich zum
Bild 18-43 Gemessene Oberflächentemperaturen an den Brennraumwän- Kettenantrieb gleich bleibende Steuerzeiten garantieren. Die
den des Motors 11RTA96C bei einer Leistung von Pe = 54 340 kW, einem mitt- Einspritzpumpen und die Aktuatoren für den hydraulischen
leren effektiven Druck von pe = 18,2 bar (we = 1,82 kJ/dm3) und einer Dreh- Ventilantrieb sind für jeweils zwei Zylinder oben am Motor-
zahl von n = 90 min–1 (Leistungsstufe R3, s. Abschn. 18.4.4.1) ständer platziert. Das Umsteuern des Motors wird durch
Verdrehen der Einspritznocken mittels Einzel-Servopumpen
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren    665

ermöglicht. Die Einspritzpumpen sind bei Wärtsilä-Motoren – Chrom-Keramik-Kolbenringe zur Verbesserung des Ein­
ventilgesteuert, bei MAN B&W über Schrägkanten gesteu- lauf­verhaltens und der Betriebssicherheit,
ert. Eine Teillast-Optimierung kann durch eine variable Ein- – „Anti-polishing“-Ring am oberen Rand der Laufbuchse
spritzsteuerung (VIT) erreicht werden. Die Einspritzung er- zum Abstreifen möglicher Koksablagerungen am Kol­ben­
folgt durch drei Einspritzventile, die im Zylinderdeckel am hemd,
Umfang symmetrisch verteilt angeordnet sind und somit op- – Verbesserung des Schmierfilms und Verringerung der
timale Oberflächentemperaturen am Kolben gewährleisten, Mischreibungszonen [18‑20] durch elektronisch gesteuerte
s. Bild 18-43. Neu bei Zweitakt-Großdieselmotoren ist die Zylinderschmiersysteme zur exakten Dosierung der
Anwendung der Common Rail-Technologie, die erstmals Schmier­ölmenge, die besonders effektiv für die hy­dro­­dy­
durch die Firma Wärtsilä verwirklicht wurde, s. Abschn. namische Schmierung zwischen Ringen und Laufbuchse ist,
18.4.5.2. – Bohrungskühlung, wie beschrieben, zwecks optimaler
Bauteiltemperaturen,
Spülung und Aufladung. Der moderne Zweitakt-Langsam- – drei Einspritzdüsen zwecks optimaler Gemischbildung
läufer erfordert Turbolader mit hohem Gesamtwirkungsgrad und Verbrennungs­temperaturen sowie
bis zu 72% und hohem Druckverhältnis bis 4,2. Der Ladeluft- – Verhindern von Materialabtrag am Kolben.
kühler befindet sich bei kompakter Anordnung nahe beim
Zylindermantel. Das bei der Ladeluftkühlung unvermeid- Damit sind Überholintervalle von drei Jahren oder ca. 18000
bare Kondensat muss noch vor den Zylindern abgeschieden Betriebsstunden bei heutigen, modernen Zweitaktmotoren
werden, um Kaltkorrosion und eine Störung des Schmieröl- möglich geworden. Die Bedingungen, unter denen diese In-
filmes zu vermeiden. tervalle erbracht werden müssen, belegt Bild 18-44 mit Hilfe
Die symmetrische Anordnung der Spülschlitze und des der bei Propellerbetrieb gemessenen Betriebswerte für einen
Aus­lassventils er­möglicht eine effiziente Spülung, deren großen Zweitaktmotor.
Resultat ein volumetrischer Spülgrad von über 95% ist, ge­gen­ Der maximale Zünddruck erreicht danach bei Volllast
über Werten von ca. 85% bei umkehrgespülten Moto­ren. den Wert von 142 bar und wird durch die variable Steuerung
des Einspritzbeginns zwischen ca. 80% Last und Volllast
18.4.3 Betriebsverhalten des Zweitakt- konstant gehalten. Der Verlauf des spezifischen Kraftstoff-
Langsamläufers verbrauchs über der Last bleibt damit sehr flach. Bemerkens­
wert sind auch die sehr niedrigen Abgastemperaturen
Der langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotor hat mit gutem (ca. 450 °C vor bzw. 300 °C nach der Turbine), die auf einen
Grund den Ruf der zuverlässigsten Wärmekraftmaschine er- besonders hohen Wirkungsgrad dieser Motorenbauart hin-
langt. Während der letzten drei Jahrzehnte haben verschie- weisen, wobei noch genügend Energie für die Abgasboiler
dene Faktoren den Dieselmotorenbauer veranlasst, die inhä- bereitsteht.
rente Zuverlässigkeit des Motors zusätzlich zu erhöhen:
– Die Schwerölqualität hat sich seit der „Ölkrise“ in den 18.4.4 Zweitakt-Langsamläufer als Schiffsantrieb
1970er-Jahren spürbar verschlechtert, weil die Erdöl­raf­
finerien die Gewinnung leichter Destillate aus dem Rohöl 18.4.4.1 Abstimmen der Propulsionsanlage
durch neue Verfahren intensivierten (vgl. Abschn. 4.3).
– Die Kunden erwarten trotz der dadurch erschwerten Der optimalen Auslegung der Propulsionsanlage kommt
Betriebsbedingungen längere Überholintervalle von drei eine besondere Bedeutung zu, da der Dieselmotor ein Teil
Jahren, was dem üblichen Zyklus eines Schiffes für die eines Systems ist. Wichtige Parameter in dieser Hinsicht
periodische Wartung im Trockendock entspricht. sind:
– die optimale Abstimmung Schiff – Propeller – Motor,
Um dies zu erreichen, hat der Zweitakt-Großmotor in den – die Optimierung der für den Motor notwendigen Systeme
letzten Jahren weitere Verbesserungen erfahren. Als Beispiel (Schmieröl-, Kraftstoff-, Kühlsystem usw.),
sollen nur zwei der wichtigsten Baugruppen erwähnt wer- – die Vermeidung störender oder schädlicher Schwin­gun­
den, die für die Überhol­intervalle maßgebend sind: gen,
– die optimale Erzeugung der Hilfsenergie an Bord und
Kolbenring- und Laufbuchsen-Verschleiss. Der Entwick- – die optimale Ausnutzung der Abwärme.
lungsfortschritt in diesem Bereich beruht auf:
– vollgehohnte Laufbuchsen mit klar definierten Hart­pha­ Um Antrieb, Propeller und Schiff optimal aufeinander abzu-
senanteilen zur optimalen Betriebslastverteilung, stimmen, muss zunächst der mit einem Festpropeller gekop-
666 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-44
Verlauf der wichtigsten Motorparame-
ter am Beispiel des Motors 11RTA96C
bei Propellerbetrieb für R3-Leistung:
Pe = 54 340 kW; n = 90 min–1

pelte Dieselmotor, unter Berücksichtigung der Propeller- der Baureihe überlappend sind, können für einen bestimmten
und Schiffscharakteristika, aus den verfügbaren Typen einer Fall oft mehrere Motoren die gewünschte Leistung-Dreh-
Baureihe gewählt werden. Ausgehend von der Schiffsform zahl-Kombination liefern. Für die endgültige Entscheidung
und von den Propellerdaten kann die Propulsionsleistung können dann weitere Kriterien, wie Anzahl der Zylinder, Ab-
bei der gewählten Schiffsgeschwindigkeit aufgrund von Mo- messungen, spezifischer Verbrauch usw., beigezogen wer-
dellversuchen, Berechnungen und früheren Beispielen be- den.
stimmt werden. Dabei müssen die verschiedenen Schiffsbe- Werden vom Motor weitere Aggregate, z. B. Wellengene-
triebszustände, z. B. beladen, Ballast, saubere oder ver- ratoren, angetrieben, so müssen diese zusätzlich bei der
schmutzte Schiffsaußenhaut, berücksichtigt werden. Sind Festlegung der erforderlichen Nennleistung berücksichtigt
Leistung und Drehzahl bekannt, so erfolgt die Wahl des Mo- werden. Wellengeneratoren können ebenso wie eigene Die-
tors. Da die Leistungskennfelder der einzelnen Motoren aus selgeneratoren zum Erzeugen der an Bord des Schiffes
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 667

benötigten elektrischen Energie herangezogen werden. Die Wärtsilä, das sog. „Waste-Heat-Recovery“(WHR)-System,
sog. Hilfsdieselmotoren besitzen den Vorteil einer großen Bild 18-45. Ermöglicht wird dieses Konzept durch die Ent-
Betriebsflexibilität bei etwas höheren Betriebskosten, sofern wicklung hocheffizienter Turbolader, die heute Wirkungs-
sie nicht auch mit billigerem Schweröl statt Dieselöl betrie- grade bis zu 72% bieten.
ben werden (Unifuel-Konzept). Im Vergleich dazu weisen Ein Großteil der Abgasmenge wird nach dem Austritt aus
die über Getriebe mit dem Hauptmotor verbundenen dem Turbolader einem zweistufigen Dampferzeuger zuge-
Wellengeneratoren durch das PTO-Konzept (Power-Take- führt, der eine Dampfturbine speist. Der hohe Wirkungs-
Off) niedrige Kraftstoffkosten auf, erfordern aber höhere grad der Turbolader erlaubt es, etwa 10% der Abgasmenge
Investitionskosten in die Anlage. Ein wesentlicher Kosten- bereits vor dem Turbolader abzuzweigen und einer Abgas-
faktor ist dabei die erforderliche Anpassung der Stromfre- turbine zuzuführen, deren Welle über ein Getriebe mit der
quenz bei geänderter Propellerdrehzahl durch ein Getriebe Welle der Dampfturbine verbunden ist. Der von dieser
mit variabler Übersetzung oder einen Thyristor-Umrichter. Anordnung angetriebene Generator versorgt die elektrische
Dem energetisch vorteilhaften Einsatz von Turbogenera- Anlage an Bord des Schiffes mit zusätzlicher elektrischer
toren sind durch die niedrigen Abgastemperaturen von Leistung, die über einen Wellenmotor auch in erhöhte
270 ° bis 300 °C am Austritt der Abgasturbine enge Grenzen Antriebsleistung des Schiffes umgewandelt werden kann.
gesetzt. Der Gesamtwirkungsgrad des 2-Takt-Großmotors in Ver-
Bedingt durch den hohen thermischen Wirkungsgrad des bindung mit der Waste-Heat-Recovery-Anlage kann
langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotors wird über 50% dadurch auf ca. 55% gesteigert werden, Bild 18-46. Damit
der thermischen Energie in mechanische Arbeit umgesetzt, reduzieren sich die CO2-Emissionen im Vergleich zum
sodass im Vergleich zu 4-Takt-Dieselmotoren weniger Standardmotor um ca. 11%, und im gleichen Verhältnis
Abgaswärme für eine Rückgewinnung zur Verfügung steht. nehmen auch die übrigen Abgasemission, bezogen auf die
Die Abgaswärme wird primär zur Dampferzeugung genutzt, abgegebene Motorleistung, ab [18-21].
die der ersten Stufe des Ladeluftkühlers entzogene Wärme Die Firma MAN Diesel SE bietet ein ähnliches Konzept
zur Warmwasser- oder Frischwassererzeugung in Süßwas- unter dem Namen „Thermo Efficiency System“ (TES) an.
sergeneratoren, ebenso ein Teil der Kühlwasserwärme, s.
Kap. 14.
Eine attraktive Möglichkeit zur Abgaswärmenutzung bie-
tet ein erweitertes Turbocompound-Konzept der Firma

Bild 18-45
Schematische Darstellung einer
Schiffsantriebsanlage mit einem lang-
samlaufenden 2-Takt-Großdiesel-
motor und Abgaswärmenutzung
(Total-Heat-Recovery)
668 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-46 Wärmebilanz eines langsamlaufenden Zweitakt-Großdieselmo-


tors, Typ Wärtsilä 12RT-flex96C, mit einem Gesamtwirkungsgrad von 54,9% Bild 18-47 Berechnung des Schwingungssystems Motor – Propellerwelle –
durch Nutzung der Abwärme mittels Turbogenerator zur Erzeugung elekt- Propeller. Verminderung der Torsionsschwingungsamplitude mittels Dämpfer.
rischer Energie T1 zulässige Grenze für Dauerbetrieb; T2 zulässige Grenze für Durchfahrtbetrieb

18.4.4.2 Dämpfen von Schwingungen im Antriebsstrang Schwingungsamplitude mittels Schwingungsdämpfer redu-


ziert. Ähnliche Verfahren kommen auch bei der Dämpfung
Das Streben nach höherem Propulsionswirkungsgrad hat, wie oder „Verstimmung“ der Axialschwingungen des Wellensys-
bereits erwähnt, zu niedrigeren Motordrehzahlen für eine be- tems zur Anwendung.
stimmte Motorleistung geführt. Dies wurde erreicht durch Der Übergang zu kleineren Zylinderzahlen erfordert
– das Anheben des Hub/Bohrungsverhältnisses von ca. 2,0 zusätzliche Vorkehrungen zur Tilgung der bei Vier- und
auf über 4,0, Fünf-Zylindermotoren nicht ausgeglichenen freien Momente
– den vermehrten Einsatz niedrigtouriger Motoren mit erster und zweiter Ordnung. Die optimale Platzierung des
großen Bohrungen und folglich kleineren Zylinderzahlen, Motors im Schiff kann hier bereits Abhilfe leisten: Um keine
z. B. Vier- und Fünfzylindermotoren. Schiffskörperschwingungen anzuregen, sollte der Motor
nicht in einem Knotenpunkt des schwingenden Schiffskör-
Der Trend zu höheren s/D-Verhältnissen hat zu einer Herab- pers platziert werden. Kann hier trotzdem keine befriedigen-
setzung der Eigenfrequenzen der schlanker werdenden Kur- de Lösung gefunden werden, so werden die freien Mo-
belwelle geführt. Kritische Drehzahlen kommen damit öfter mente erster Ordnung durch Gegengewichte auf der Kurbel-
in die Nähe der Betriebsdrehzahl des Propulsionsmotors, so- welle in ihrer Phasenlage und Amplitude „verstimmt“. Die
fern dies durch eine sorgfältige Abstimmung des Schwin- freien Momente zweiter Ordnung können üblicherweise
gungssystems Motor – Propellerwelle – Propeller nicht ver- durch mit doppelter Motordrehzahl laufende „Lanchester“-
mieden wird, Bild 18-47. Können die Resonanzen nicht völ- Balancer ausgeglichen werden, s. Abschn. 8.1 bzw. 8.2. Für
lig aus dem Betriebsbereich eliminiert werden, so wird die das bei RTA-Motoren mit vier bis sechs Zylindern häufig
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 669

Theoretische Betrachtungen von Eberle [18-22] zeigen, dass


thermische Wirkungsgrade über 60% und noch höhere spe-
zifische Leistungen durchaus möglich sind. Da von Marine-
Dieselmotoren jedoch nach wie vor eine besonders hohe
Zuverlässigkeit gefordert wird, sind Kompromisse zugunsten
der Leistungskonzentration bzw. zu Lasten der Betriebs-
sicherheit nicht zulässig.
Nachfolgend sollen mögliche Entwicklungsszenarien hin-
sichtlich einiger Motorkennwerte erörtert werden, deren
Aussagen allerdings von nicht einschätzbaren Randbedin-
gungen, wie Wirtschaftswachstum, Umweltauflagen, Rohöl-
verfügbarkeit, technische Entwicklungen usw. beeinflusst
werden können und daher eine gewisse Unsicherheit in sich
bergen.

Mittlerer effektiver Druck und maximaler Zylinderdruck.


Ein konstantes Verhältnis von maximalem Zylinderdruck und
mittlerem effektiven Druck (bzw. spezifischer Arbeit) ent-
spricht thermodynamisch einem annähernd gleich bleibenden
Gleichraumgrad bzw. thermischen Wirkungsgrad. Bei einem
als optimal erwiesenen Verhältnis von pZmax/pe = 8,0 bei heu-
tigen Zweitakt-Großmotoren steigt damit der maximale Zy-
Bild 18-48 Momentenausgleich 2. Ordnung durch am freien Motorende an- linderdruck linear mit dem mittleren effektiven Druck, will
geordnete, elektrisch und an der Antriebsseite über Getriebe angetriebene man keinen Wirkungsgradverlust hinnehmen, Bild 18-50:
Unwuchten – Höhere mittlere effektive Drücke bedingen implizit hohe
Maximaldrücke im Zylinder, sodass bei einem pe = 21 bar
der Druck pZmax auf 168 bar steigt.
– Ebenso sind auch höhere Ladedrücke von ca. 4.2 bar und
auftretende vertikale Moment M2V zweiter Ordnung hat entsprechend hohe Wirkungsgrade des Turboladers von
sich die Anordnung einer elektrisch angetriebenen Unwucht ca. 72% notwendig (s. Abschn. 2.2).
am freien Motorende in Verbindung mit der an der Abtriebs-
seite im Motor integrierten und über ein Getriebe angetrie- Diese Werte sind aus heutiger Sicht durchaus realistisch. Im
benen Ausgleichsmasse bewährt. Die Wirkung des Momen- Hinblick auf das Bauteiltemperaturniveau bietet das Boh-
tenausgleichs kann dadurch unabhängig von Last und rungskühlungsprinzips (s. Abschn. 18.4.2.2) noch beträcht-
Drehzahl im Schiffsbetrieb kostengünstig erprobt und abge- liches Potenzial. Die tribologische Entwicklung der Paarung
stimmt werden, Bild 18-48. Eine weitere Möglichkeit zur Kolbenring-Laufbuchse muss diesem Trend ebenfalls folgen,
Dämpfung der Vibrationen, insbesondere bei Schiffen mit um die traditionelle Zuverlässigkeit des Zweitakt-Dieselmo-
weit achtern befindlicher Brücke, bietet die Anordnung tors beibehalten zu können.
eines ebenfalls elektrisch angetriebenen Balancers 2. Ord-
nung, der möglichst weit im Hinterschiff aufgestellt wird Hub/Bohrungsverhältnis und mittlere Kolbengeschwin-
und dabei evtl. auch störende Auswirkungen des Propeller- digkeit. Betrachtet man die allgemeine Definition der Mo-
momentes miterfasst, Bild 18-49. torleistung Pe (s. Abschn. 1.2) in ihrer Abhängigkeit von Zy-
linderzahl z, mittlerer Kolbengeschwindigkeit cm, Motor-
18.4.5 Ausblick drehzahl n, Hub/Bohrungsverhältnis s/D = ] und vom mitt-
leren effektiven Druck pe in einer weniger üblichen
18.4.5.1 Trendabschätzung der künftigen Entwicklung Formulierung
Pe ~ z · pe · cm3/(n2 · ]2),
Allgemeine Bemerkungen. Die gerade in den letzten Jahr-
so erhält man mit der vom Propeller absorbierten Leistung P
zehnten erreichten Fortschritte hinsichtlich Wirkungsgrad
als Funktion der Auslegungsdrehzahl np = n
und Zuverlässigkeit von Zweitakt-Großmotoren bedeuten
nicht, dass die Entwicklung ihre Grenzen bereits erreicht hat. Pe ~ na,
670 18 Industrie- und Schiffsmotoren

Bild 18-49
Erzeugung einer freien Kraft 2. Ord-
nung durch elektrisch angetriebene
Ausgleichsmasse zur Dämpfung der
vom Massenmoment M2V verursach-
ten Vibrationen

wobei a ≈ 0,3 ist, eine Abhängigkeit des Hub/Bohrungsver- den zu erwartenden Emissionsvorschriften erfordert aber
hältnisses von den genannten Parametern zwingend eine flexible Motoreinstellung mit elektronisch
gesteuerter Einspritzung und Auslassventilsteuerung.
]2 = ]1(n1/n2)1,15 · (pe2/pe1)0,5 · (cm2/cm1)1,5 · (z2/z1)0,5
Betriebsparameter, die bei Volllast einer optimalen Einstel-
lung entsprechen, sind im Teillastbereich nicht mehr ohne
Dabei entspricht der Index „1“ dem heutigen „State-of-the- weiteres ebenfalls optimal. Dazu ist die lastabhängige Ein-
art“-Referenzmotor, der Index „2“ der möglichen nächsten stellung
Entwicklungsstufe. – der Einspritzparameter,
Eine nochmalige Hub/Bohrungsverhältnis-Erhöhung ist – der Ventilsteuerzeiten,
zu erwarten – von Kühlung und Schmierung erforderlich,
– bei höherer Kolbenflächenleistung PA ≈ pe · cm , sowie ein Hochleistungs-Aufladesystem, das das erforder-
– bei der Anwendung noch größerer, langsam drehender liche Druckverhältnis in Verbindung mit dem benötigten
Propeller mit höherem Wirkungsgrad. höheren Wirkungsgrade liefern kann.
Damit kann:
Der Erhöhung des Hub/Bohrungsverhältnisses stehen je- 1. das Motorverhalten bezüglich Verbrauch, Belastung,
doch die höheren spezifischen Kosten und die Höhe und Emissionen bei jeder Last optimal eingestellt werden,
Breite des Motors entgegen. 2. die Zuverlässigkeit der Bauteile durch Überwachung und
Eine Steigerung des Leistungsbereiches hochaufgeladener Regelung der wichtigen Motorfunktionen erhöht wer-
Zweitakt-Langsamläufer durch Anheben des mittleren den.
effektiven Drucks auf 21 bar und darüber in Verbindung mit
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 671

Bild 18-50 Maximaler Zylinderdruck pZmax, Ladeluftdruck pL und Tubola- 18-51 Aufbau eine Wärtsilä RT-flex96C 2-Takt-Dieselmotors mit schweröl-
der- Wirkungsgrad ηTL als Funktion des mittleren effektiven Druckes pe bei tauglichem Common Rail-Einspritzsystem und elektronisch gesteuertem Aus-
gleich bleibendem thermischen Wirkungsgrad lassventil

Die in den letzten Jahren entwickelte Common Rail-Ein- deckel befinden, Bild 18-51. Von dort aus gelangt der Brenn-
spritzung erfüllt die dafür erforderlichen Voraussetzungen. stoff und das Hydrauliköl über je eine Steuereinheit zu den
drei peripheren Einspritzventilen bzw. zu dem zentralen Aus-
18.4.5.2 Common Rail-Technologie bei Zweitakt- lassventil auf jedem Zylinder. Durch die vollelektronische
Großdieselmotoren Steuerung beider Funktionen sind die wichtigen Betriebspa-
rameter Einspritzzeitpunkt und -dauer sowie Bewegung des
Ein technologischer Sprung in die erwähnte Entwicklungs- Auslassventils vollkommen frei einstellbar. Während das Ser-
richtung ist mit der Einführung des schweröltauglichen Com- vosystem für die Ventilbetätigung mit einem Druck von 200
mon Rail-Einspritzsystems für große Zweitaktmotoren er- bar arbeitet, liegt der maximale Einspritzdruck im Brenn-
reicht worden. Das RT-flex-Konzept der Firma Wärtsilä stoff-Rail bei 1000 bar. Die Einspritzsteuerung für jeden Zy-
wurde seit 1998 am Versuchsmotor erprobt und 2001 erst- linder erfolgt volumetrisch durch einen in der Einspritzsteu-
mals auf einem Serienmotor des Typs 6RT-flex58T eingesetzt. ereinheit integrierten Dosierkolben, dessen Position zu jedem
Die Nockenwelle, die bisher die Einspritzung und die Betäti- Zeitpunkt elektronisch erfasst wird und dadurch eine exakte
gung des Auslassventils steuerte und das Optimierungspoten- Zumessung der Einspritzmenge für jeden Zylinder ermögli-
tial stark einschränkte, wurde durch eine elektronische Steue- cht. Die drei Einzeldüsen pro Zylinder sind einzeln ansteuer-
rung ersetzt, die große Flexibilität für eine Optimierung des bar und erlauben damit auch die Abschaltung einzelner Dü-
Motors unter verschiedensten Betriebsbedingungen bietet. sen bei tiefen Lasten, um das Einspritzverhalten bei kleinsten
Sowohl der Schwerölbrennstoff als auch das Hydrauliköl zum Brennstoffmengen zu verbessern und die Bildung von Teillast-
Betätigen der Auslassventile werden von einer zentralen rauch zu verhindern [18-23].
Pumpeneinheit („Supply Unit“) den beiden Speichern in der Die wesentlichen Vorteile des RT-flex Systems liegen in
„Rail Unit“ zugeführt, die sich auf der Höhe der Zylinder- einem reduzierten Brennstoffverbrauch und geringerer
672    18 Industrie- und Schiffsmotoren

Abgasemission. Außerdem bietet diese Technologie die Stelle des Pflichtenhefts. Der inhärente Vorteil des langsam-
Möglichkeit, die Betriebsparameter des Motors selbsttätig laufenden Dieselmotors besteht in seinem hohen Wirkungs-
dem aktuellen Motorzustand anzupassen, was einen elemen- grad. Damit sind auch die Kohlendioxidemissionen sowie
tar wichtigen Schritt hin zum „intelligenten“ Motor darstellt. der Anteil von unverbrannten Kohlenwasserstoffen sehr ge-
Im Einzelnen werden durch die Common Rail-Technolo- ring. Das gilt auch für den Rußanteil, jedoch nicht für die der
gie folgende Vorteile für das Betriebsverhalten des 2-Takt- ISO-Normung zugrunde gelegte Partikelemission, insbeson-
Großmotors erzielt: dere bei Schwerölbetrieb (s. Abschn. 4.3.4.2).
– geringerer Kraftstoffverbrauch im mittleren und oberen Demgegenüber ist der Anteil der Stickoxide – verglichen
Teillastbereich durch variablen Einspritzdruck und frei mit anderen Wärme­kraftmaschinen mit niedrigerem Wir-
wählbare Ventilsteuerzeiten, kungsgrad – relativ hoch. Der geltende Stickoxidgrenzwert
– rauchfreier Betrieb unter allen Betriebsbedingungen, der IMO Marpol Annex VI-Vorschrift für Schiffsmotoren
– präzise Drehzahlregelung und stabiler Motorlauf selbst bei liegt für Motoren mit einer Drehzahl unter 130 min-1 bei
niedrigsten Drehzahlen im Bereich von 10–15 Um­dre­ 17.0 g/kWh. Um diesen Wert einzuhalten, werden bei heu-
hungen pro Minute, tigen Zweitakt-Großmotoren folgende Maßnahmen ange-
– geringere mechanische und thermische Belastung durch wendet:
gleichmäßigere Verbrennung und ausgeglichenes Zylin- – höheres Verdichtungsverhältnis,
­der­druckniveau, – optimierte Spritzlochgeometrie der Einspritzdüsen
– einfachere Einstellung und geringerer Wartungsbedarf der (An­zahl, Lochdurchmesser, Spritzwinkel) und
Common Rail-Komponenten, – späterer Einspritzzeitpunkt.
– höhere Betriebssicherheit und Verfügbarkeit durch
integrierte Überwachungsfunktionen sowie Redundanz Das Potenzial zur weiteren Minderung der NOX‑Emission
von Schlüsselkomponenten, durch Ausschöpfen aller hier aufgezeigten Möglichkeiten ist
– niedrigeres Motorgewicht (ca. 2 t pro Zylinder bei mittleren nur noch gering, s. Bild 18‑52 (optimierte NOX‑Re­duktion).
Bohrungsgrößen) und Ein weiteres Absenken des Grenzwertes für Stickoxide im
– geringere Vibrationen. Rahmen der IMO-Vorschrift bzw. loka­ler Abgasgesetzge-
bungen ist absehbar. Zur weiteren NOX-Reduktion stehen
Das Startluftsystem wird ebenfalls elektronisch gesteuert folgende zusätzliche Möglichkeiten zur Verfügung (s. dazu
und erlaubt dadurch ein verbessertes Start- und Bremsver- Bild 18‑52):
halten des Motors im Vergleich zu mechanisch gesteuerten – Optimieren der Einspritzparameter durch Common Rail
Anlagen. Einspritzung (CR Injektion).
Die Firma MAN Diesel SE hat ihr 2-Takt-Motorenpro- – Reduktion von NOX zwischen 20% und 50% durch
gramm in den letzten Jahren ebenfalls um eine elektronisch motorinterne Maßnahmen unter Verwen­dung von Wasser
gesteuerte Baureihe mit der Bezeichnung „ME“ erweitert, (Wet-Technologies), wie Spülluftbefeuchtung, Wasser-
bei der die Nockenwelle durch ein elektro-hydraulisches Kraftstoff-Emulsionen, direkte Wassereinspritzung, auch
Servo-Ölsystem ersetzt wurde. Dieses System, das nicht mit in Kombination mit der Common-Rail-Einspritzung
einem Common Rail-System gleichzusetzen ist, nutzt elek- (Wärtsilä RT-flex –Verfahren).
tro-hydraulisch betätigte Einzelpumpen für die Brennstoff­ – Kombination von Wassereinspritzung mit interner
einspritzung sowie elektronisch gesteuerte Ventilaktuatoren Abgasrückführung durch Verkürzen des Spülvorganges
für die Auslassventilfunktion [18‑24]. Die Flexibilität von (WaCoReG) ermöglicht eine NOX-Reduktion bis zu 70%.
Einspritzdruck, -timing und Ventilsteuerzeiten ist vergleich- – Abgasnachbehandlung mittels eines SCR-Katalysators, in
bar mit der von Common Rail-Systemen. Wesentliche den Ammoniak oder eine Harnstoff-Lösung eingespritzt
Unterschiede sind die erhöhten Anforderungen an das wird (s. Abschn. 15.5), ermöglicht eine bis zu 95%ige
hydraulische Dämpfverhalten im Servo-Ölsystem, dem mit Umsetzung der Stickoxide.
Hilfe von Blasenspeichern Rechnung getragen wird, sowie
der Verzicht auf individuelle Ansteuerung und Abschaltung Bei Zweitakt-Großmotoren ist der SCR-Katalysator vor dem
einzelner Einspritzdüsen. Abgasturbolader zu platzie­ren, da hier die Abgastemperatur
noch ein ausreichend hohes Niveau besitzt, um eine optimale
18.4.5.3 Abgasemissionen Umsetzungs­rate zu erreichen und gleichzeitig Korrosions-
probleme zu verhindern. Besonders kom­pakte Ausfüh­rungen
Die Reduktion der Abgasemissionen steht bei der Weiterent- erlauben den Einbau des Katalysators in das Abgasrohr am
wicklung großer Zweitakt-Schiffmotoren heute an oberster Motor.
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren    673

Bild 18-52 Maßnahmen zur Reduktion von Stickoxiden für einen langsamlaufenden Zweitaktmotor und ihr Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch be , ausgehend vom
z. Zt. gültigen NOX-Grenzwert von 17 g/kWh gemäß IMO-Vorschrift als Basis

Gleichzeitig kann bei Einsatz eines SCR-Katalysators 18.4.5.4 Schlussbetrachtung


durch einen modifizierten Verbennungsab­lauf außerdem
der Brennstoffverbrauch verringert werden, wogegen die Der langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotor konnte seinen
bisher besprochenen Re­duktionsmaßnahmen stets einen Vorsprung bezüglich thermischem Wirkungsgrad, Schweröl-
höheren Brennstoffverbrauch bedingen, Bild 18‑52. Die tauglichkeit und Zuverlässigkeit im Wettbewerb mit anderen
Nutzung der Abwärme mittels eines Dampferzeugers in Wärmekraftmaschinen als dominierende Antriebsquelle für
Verbindung mit einem Turbogenerator und einer Ab­gas- Hochseeschiffe bisher behaupten und sogar ausbauen. Auch
Nutzturbine (Total Heat Recovery, s. Bild 18‑45) liefert eine die Zukunftsaussichten sind ermutigend, da bezüglich Leis­
insgesamt um 11% gesteigerte Ge­samtleistung der Antriebs­ tungsdichte, Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und Emis­
anlage, was umgekehrt eine Reduktion der leistungsbezo- sionsverhalten dank des technischen Fortschritts im Bereich
genen Stickoxide­mission um den selben Betrag bedeutet der Werkstofftechnologie, der Turboaufladung und der elek-
und gleichzeitig eine entsprechenden Wirkungsgraderhö­ tronisch gesteuerten Common Rail- Einspritzung noch ein
hung, wodurch sich der Kraftstoffverbrauch um 18 g/kWh beträchtliches Potenzial vorhanden ist. Dem Einsatz mo-
reduziert, s. Bild 18‑52. dernster Technologien zur weiteren Verminderung der Ab-
gasemissionen, insbesondere von Kohlendioxid, Stickoxiden,
Schwarzrauch und Partikel, kommt dabei entscheidende Be-
deutung zu.
674    18 Industrie- und Schiffsmotoren

Literatur toren mit schweröltauglichem Common Rail Ein-


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Normen und Richtlinien für Verbrennungsmotoren

Deutsche Normen
Folgende DIN-Normen liegen veröffentlicht vor:
Norm Titel Ausgabedatum
DIN 1940 Verbrennungsmotoren; Hubkolbenmotoren, Begriffe, Formelzeichen, 1976-12
Einheiten
DIN 6261 Verbrennungsmotoren; Teile für Kreiskolbenmotoren, Äußerer Aufbau, 1976-02
­Triebwerk, Begriffe
DIN 6262 Verbrennungsmotoren; Arten der Aufladung, Begriffe 1976-06
DIN 6267 Verbrennungsmotoren; Arten der Ölschmierung, Begriffe 1971-01
DIN 6271-3 Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Anforderungen; Leistungstoleranzen; 1991-04
Ergänzende Festlegungen zu DIN ISO 3046 Teil 1
DIN 6274 Verbrennungsmotoren für allgemeine Verwendung; Druckluftbehälter mit 1982-04
Ventilkopf; 38 mm Durchgang; Zusammenstellung
DIN 6275 Verbrennungsmotoren für allgemeine Verwendung; Druckluftbehälter für zu- 1982-04
lässigen Betriebsüberdruck bis 30 bar
DIN 6276 Verbrennungsmotoren für allgemeine Verwendung; Ventilköpfe für Druckluft- 1982-04
behälter; 38 mm Durchgang
DIN 6280-10 Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Stromerzeugungs­aggregate mit Hubkol- 1986-10
ben-Verbrennungsmotoren; Stromerzeugungsaggregate kleiner Leistung;
Anforderungen und Prüfung
DIN 6280-12 Stromerzeugungsaggregate - Unterbrechungsfreie Stromversorgung – Teil 12: 1996-06
Dynamische USV-Anlagen mit und ohne Hubkolben-Verbrennungsmotor
DIN 6280-13 Stromerzeugungsaggregate – Stromerzeugungs­aggregate mit Hubkolben-Ver- 1994-12
brennungsmotoren – Teil 13: Für Sicherheitsstrom­versorgung in Krankenhäu-
sern und in baulichen Anlagen für Menschenansammlungen
DIN 6280-14 Stromerzeugungsaggregate – Stromerzeugungs­aggregate mit Hubkolben-Ver- 1997-08
brennungsmotoren – Teil 14: Blockheizkraftwerke (BHKW) mit Hubkolben-
Verbrennungsmotoren; Grundlagen, Anforderungen, Komponenten, Aus­
führung und Wartung
676    Deutsche Normen

Norm Titel Ausgabedatum


DIN 6280-15 Stromerzeugungsaggregate – Stromerzeugungs­aggregate mit Hubkolben-Ver- 1997-08
brennungsmotor – Teil 15: Blockheizkraftwerke (BHKW) mit Hubkolben-Ver-
brennungsmotoren; Prüfungen
DIN 6281 Stromerzeugungsaggregate mit Kolbenkraftmaschinen; Anschlußmaße für 1978-04
Generatoren und Kolbenkraft­maschinen
DIN 6288 Hubkolben-Verbrennungsmotoren - Anschlussmaße und Anforderungen für 200-07
Schwungräder und elastische Kupplungen
DIN 24189 Prüfung von Luftfiltern für Verbrennungskraft­maschinen und Kompressoren; 1986-01
Prüfverfahren
DIN EN 1679-1 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheit – Teil 1: Dieselmotoren; 1988-05
Deutsche Fassung EN 1679-1:1997
DIN EN 1834-1 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheits­anforderungen für die Kons­ 2000-03
truktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in explosionsgefährdeten
Bereichen – Teil 1: Motoren der Gruppe II für Bereiche mit explosions­fähigen
Gasen und Dämpfen; Deutsche Fassung EN 1834-1:2000
DIN EN 1834-2 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheits­anforderungen für die Kons­ 2000-03
truktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in explosionsgefährdeten
Bereichen – Teil 2: Motoren der Gruppe I zur Verwendung in untertägigen
Bergwerken, die durch Grubengas und/oder brennbare Stäube gefährdet wer-
den können; Deutsche Fassung EN 1834-2:2000
DIN EN 1834-3 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheits­anforderungen für die Kons­ 2000-03
truktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in explosionsgefährdeten
Bereichen – Teil 3: Motoren der Gruppe II für Bereiche mit explosionsfähigen
Stäuben; Deutsche Fassung EN 1834-3:2000
DIN EN 12601 Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicher- 2001-05
heit; Deutsche Fassung EN 12601:2001
DIN EN ISO Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 1: Messung der 1996-12
8178-1 gasförmigen Emission und der Partikelemission auf dem Prüfstand
(ISO 8178-1:1996); Deutsche Fassung EN ISO 8178-1:1996
DIN EN ISO Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 2: Messung der 1996-12
8178-2 gasförmigen Emission und der Partikelemission am Einsatzort
(ISO 8178-2:1996); Deutsche Fassung EN ISO 8178-2:1996
DIN EN ISO Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 4: Prüfzyklen für 1996-12
8178-4 verschiedene Motor­verwendungen (ISO 8178- 4:1996); Deutsche Fassung EN
ISO 8178-4:1996
DIN EN ISO Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 5: Spezifikationen 1999-03
8178-5 von Testkraftstoffen (ISO 8178-5:1997); Deutsche Fassung EN ISO 8178-
5:1997
DIN EN ISO Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 6: Prüfbericht und 2001-10
8178-6 Messergebnisse (ISO 8178-6:2000); Deutsche Fassung EN ISO 8178-6:2000
Deutsche Normen    677

Norm Titel Ausgabedatum


DIN EN ISO Schiffbau-Maschinenraum-Lüftung auf Schiffen mit Dieselmotoren-Antrieb – 1998-10
8861 Grundlagen für Entwurf und Auslegung (ISO 8861:1998); Deutsche Fassung
EN ISO 8861:1998
DIN EN ISO Verbrennungsmotoren - Handkurbel-Starteinrichtungen – Teil 1: Sicherheits- 1997-11
11102-1 technische Anforderungen und Prüfung (ISO 11102- 1:1997); Deutsche Fas-
sung EN ISO 11102-1:1997
DIN EN ISO Verbrennungsmotoren – Handkurbel-Starteinrichtungen – Teil 2: Verfahren 1997-11
11102-2 zur Messung des Auslösewinkels (ISO 11102- 2:1997); Deutsche Fassung EN
ISO 11102-2:1997
DIN EN ISO Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Reversierstart­einrichtung – Allgemeine 2004-11
14314 Sicherheitsanforderungen (ISO 14314:2004); Deutsche Fassung EN ISO
14314:2004
DIN EN ISO Kleine Wasserfahrzeuge – Eingebaute Dieselmotoren – Am Motor befestigte 2003-02
16147 Kraftstoff- und Elektrikbauteile (ISO 16147:2002); Deutsche Fassung EN ISO
16147:2002
DIN ISO 1204 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Bezeichnung der Drehrichtung, der Zy- 1994-11
linder und der Ventile in Zylinder­köpfen und Definitionen der Rechts-Reihen-
motoren, Links-Reihenmotoren und Motor-Seiten
DIN ISO 2261 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Handbetätigte Stellteile – Bewegungs- 1996-08
richtungen (ISO 2261:1994)
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Anforderungen – Teil 3: Messungen bei 1994-12
DIN ISO 3046-3
Prüfungen; Identisch mit ISO 3046-3:1989
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Anforderungen – Teil 4: Drehzahlrege- 2000-01
DIN ISO 3046-4 lung (ISO 3046-4:1997)
DIN ISO 3046-5 Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Anforderungen; Teil V: Drehschwingun- 1982-08
gen
DIN ISO 3046-6 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Anforderungen – Teil 6: Überdrehzahl- 1996-10
schutz; Identisch mit ISO 3046-6:1990
DIN ISO 4548-1 Verbrennungsmotoren – Prüfverfahren für Hauptstrom – Schmierlölfilter – 1987-07
Durchflusswiderstand; Identisch mit ISO 4548- 1:1982
DIN ISO 4548-2 Verbrennungsmotoren – Prüfverfahren für Hauptstrom – Schmierölfilter – Ei- 1987-07
genschaften des Umgehungsventils; Identisch mit ISO 4548/2, Ausgabe 1982
DIN ISO 4548-3 Verbrennungsmotoren – Prüfverfahren für Hauptstrom – Schmierölfilter – 1987-07
Differenzdruckfestigkeit und Temperaturbeständigkeit; Identisch mit ISO
4548-3:1982
DIN ISO 4548-5 Verbrennungsmotoren; Prüfverfahren für Hauptstrom – Schmierölfilter; Kalt- 1993-06
startsimulation und Pulsations­festigkeit; Identisch mit ISO 4548-5:1990
DIN ISO 4548-6 Verbrennungsmotoren; Prüfverfahren für Hauptstrom – Schmierölfilter; 1990-02
Statische Druckfestigkeit; Identisch mit ISO 4548-6:1985
678    Deutsche Normen

Norm Titel Ausgabedatum


DIN ISO 4548-7 Verbrennungsmotoren; Prüfverfahren für Hauptstrom-Schmierölfilter; 1993-06
Dauerschwingfestigkeit; Identisch mit ISO 4548-7:1990
DIN ISO 6826 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Brandschutz 2000-05
(ISO 6826:1997)
DIN ISO 7648 Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Schwungrad­gehäuse; Maße; Identisch mit 1988-10
ISO 7648:1987
DIN ISO 7967-1 Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Benennungen der Bauteile und Systeme; 1993-11
Äußerer Aufbau;
Identisch mit ISO 7967-1:1987
DIN ISO 7967-2 Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Benennungen der Bauteile und Systeme; 1993-11
Triebwerk; Identisch mit ISO 7967-2:1987
DIN ISO 7967-3 Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Benennungen der Bauteile und Systeme; 1993-11
Ventile, Nockenwellenantrieb und Ventilantriebe; Identisch mit ISO 7967-
3:1987
DIN ISO 7967-4 Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Benennungen der Bauteile und Systeme; 1993-11
Aufladung und Luft- und Abgasleitungssysteme; Identisch mit ISO 7967-
4:1988
DIN ISO 7967-8 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Benennungen der Bauteile und Systeme – 1996-10
Teil 8: Startsysteme; Identisch mit ISO 7967-8:1994
DIN ISO 8528-1 Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 1: 1997-11
Anwendung, Bemessungen und Ausführungen (ISO 8528-1:1993)
DIN ISO 8528-2 Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 2: 1997-11
Hubkolben-Verbrennungsmotoren (ISO 8528-2:1993)
DIN ISO 8528-3 Wechsel-Stromerzeugungsaggregate mit Antrieb durch Hubkolben-Verbren- 1997-11
nungsmotoren – Teil 3: Wechselstrom-Generatoren für Stromerzeugungs­
aggregate (ISO 8528-3:1993)
DIN ISO 8528-4 Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 4: 1997-11
Steuer- und Schalteinrichtungen (ISO 8528-4:1993)
DIN ISO 8528-5 Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 5: 1997-11
Stromerzeugungs­aggregate (ISO 8528-5:1993)
DIN ISO 8528-6 Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 6: 1997-11
Prüfverfahren (ISO 8528-6:1993)
DIN ISO 8528-7 Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 7: 1997-11
Technische Festlegung für Auslegung und Ausführungen (ISO 8528-7:1994)
DIN ISO 8528-9 Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 9: 1999-01
Messung und Bewertung der mechanischen Schwingungen (ISO 8528-9:1995)
Deutsche Normen    679

ISO TC 70 „Internal Combustion Engines“


Folgende ISO-Normen liegen veröffentlicht vor:
Norm Titel Ausgabedatum
ISO 1204 Reciprocating internal combustion engines; designation of the direction of ro- 1990-12
tation and of cylinders and valves in cylinder heads, and definition of right-
hand and left-hand in-line engines and locations on an engine
ISO 2261 Reciprocating internal combustion engines – Hand-operated control devices – 1994-12
Standard direction of motion
ISO 2710-1 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary – Part 1: Terms for 2000-09
engine design and operation
ISO 2710-2 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary – Part 2: Terms for 1999-12
engine maintenance
ISO 3046-1 Reciprocating internal combustion engines – Performance – Part 1: Declara- 2002-05
tions of power, fuel and lubricating oil consumptions, and test methods; Addi-
tional requirements for engines for general use
ISO 3046-3 Reciprocating internal combustion engines; performance; part 3: test measure- 1989-11
ments
ISO 3046-4 Reciprocating internal combustion engines – Part 4: Speed governing 1997-03
ISO 3046-5 Reciprocating internal combustion engines – Performance – Part 5: Torsional 2001-12
vibrations
ISO 3046-6 Reciprocating internal combustion engines; performance; part 6: overspeed 1990-10
protection
ISO 6798 Reciprocating internal combustion engines – Measurement of emitted airborne 1995-12
noise – Engineering method and survey method
ISO 6826 Reciprocating internal combustion engines – Fire protection 1997-02
ISO 7967-1 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2005-06
systems – Part 1: Structure and external covers
ISO 7967-2 Reciprocating internal combustion engines; Vocabulary of components and 1987-11
systems; Part 2 : Main running gear Trilingual edition
ISO 7967-2/ Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 1999-12
AMD systems – Part 2: Main running gear; Amendment 1
ISO 7967-3 Reciprocating internal combustion engines; Vocabulary of components and 1987-11
systems; Part 3 : Valves, camshaft drive and actuating mechanisms Trilingual
edition
ISO 7967-4 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2005-06
systems – Part 4: Pressure charging and air/exhaust gas ducting systems
ISO 7967-5 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2003-02
systems – Part 5: Cooling systems
680    Deutsche Normen

Norm Titel Ausgabedatum


ISO 7967-6 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2005-06
systems – Part 6: Lubricating systems
ISO 7967-7 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2005-06
systems – Part 7: Governing systems
ISO 7967-8 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 2005-06
systems – Part 8: Starting systems
ISO 7967-9 Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and 1996-11
systems – Part 9: Control and monitoring systems
ISO 8528-1 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generat- 2005-06
ing sets – Part 1: Application, ratings and performance
ISO 8528-2 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generat- 2005-06
ing sets – Part 2: Engines
ISO 8528-3 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generat- 2005-06
ing sets – Part 3: alternating current generators for generating sets
ISO 8528-4 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generat- 2005-06
ing sets – Part 4: Controlgear and switchgear
ISO 8528-5 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generat- 2005-06
ing sets – Part 5: Generating sets
ISO 8528-6 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generat- 2005-06
ing sets – Part 6: Test methods
ISO 8528-7 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generat- 1994-11
ing sets – Part 7: Technical declarations for protectioning and design for the
operating of generating sets
ISO 8528-8 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generat- 1995-12
ing sets – Part 8: Requirements and tests for low-power generating sets
ISO 8528-9 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generat- 1995-12
ing sets – Part 9: Measurement and evaluation of mechanical vibration
ISO 8528-10 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generat- 1998-10
ing sets – Part 10: Measurement of airborne noise by the enveloping surface
method
ISO 8528-12 Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generat- 1997-09
ing sets – Part 12: Emergency power supply to safety services
ISO 8861 Shipbuilding – Engine-room ventilation in diesel-engined ships – Design re- 1998-05
quirements and basis of calculations
ISO 8665 Small craft – Marine propulsion engines and systems – Power measurements 1994-08
and declarations
ISO 8999 Recipricating internal combustion engines – Graphical symbols 2001-03
Deutsche Normen    681

Norm Titel Ausgabedatum


ISO 10054 Internal combustion compression-ignition engines – Measurement apparatus 1998-09
for smoke from engines operating under steady-state conditions – Filter-type
smokemeter
ISO 11102-1 Reciprocating internal combustion engines – Handle starting equipment – Part 1997-10
1: Safety requirements and tests
ISO 11102-2 Reciprocating internal combustion engines – Handle starting equipment – Part 1997-10
2: Method of testing the angle of disengagement
ISO 13332 Reciprocating internal combustion engines – Test code for the measurement of 2000-11
structure-borne noise emitted from high-speed and medium-speed reciprocat-
ing internal combustion engines measured at the engine feet
ISO 14314 Reciprocal internal combustion engines – Recoil starting equipment – General 2004-03
safety requirements
ISO 14396 Reciprocating internal combustion engines – Determination and method for 2002-06
the measurement of engine power – Additional requirements for exhaust emis-
sion tests in accordance with ISO 8178
ISO 15550 Internal combustion engines – Determination and method for the measure- 2002-05
ment of engine power – General requirements
ISO/FDIS 21006 Internal combustion engines – Engine weight (mass) declaration 2006-01

ISO TC 70/SC 7 „Internal combustion engines – Tests for lubricating oil filters“
Folgende Teile der Normenreihe ISO 4548 liegen veröffentlicht vor:
Norm Titel Ausgabedatum
ISO 4548-1 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion en- 1997-09
gines – Part 1: Differential pressure/flow characteristics
ISO 4548-2 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion en- 1997-09
gines – Part 2: Element by-pass valve characteristics
ISO 4548-3 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion en- 1997-09
gines – Part 3: Resistance to high differential pressure and to elevated tempera-
ture
ISO 4548-4 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion en- 1997-12
gines – Part 4: Initial particle retention efficiency, life and cumulative efficiency
(gravimetric method)
ISO 4548-5 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion en- 1990-12
gines; part 5: cold start simulation and hydraulic pulse durability test
ISO 4548-6 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion en- 1985-12
gines; Part 6 : Static burst pressure test
ISO 4548-7 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion en- 1990-11
gines; part 7: vibration fatigue test
682    Deutsche Normen

Norm Titel Ausgabedatum


ISO 4548-9 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion en- 1995-07
gines – Part 9: Inlet and outlet anti-drain valve tests
ISO 4548-11 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion en- 1997-09
gines – Part 11: Self-cleaning filters
ISO 4548-12 Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion en- 2000-02
gines – Part 12: Filtration efficiency using particle counting, and contaminant
retention capacity

ISO TC 70/SC 8 »Internal combustion engines – Exhaust emission measurement«


Folgende Teile der Normenreihe ISO 8178 liegen veröffentlicht vor:
Norm Titel Ausgabedatum
ISO 8178-1 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 1: Messung der gas- 1996-08
förmigen Emission und der Partikelemission auf dem Prüfstand
ISO 8178-2 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 2: Messung der gas- 1996-08
förmigen Emission und der Partikelemission am Einsatzort
ISO 8178-3 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 3: Definition der Me- 1994-09
thoden des Abgasrauches unter stationären Bedingungen
ISO 8178-4 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 4: Prüfzyklen für ver- 1996-08
schiedene Motor­verwendungen
ISO 8178-5 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 5: Testkraftstoffe/ 1997-08
Achtung: Korrigierte Fassung vom Mai 1998
ISO 8178-6 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 6: Prüfbericht und 2000-11
Messergebnisse
ISO 8178-7 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 7: Bestimmung der 1996-11
Motorfamilie
ISO 8178-8 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 8: Bestimmung der 1996-11
Motorgruppe
ISO 8178-9 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 9: Prüfzyklen und 2000-10
Prüfverfahren zur Prüfstands­messung des Abgasrauches von Dieselmotoren bei
Betrieb unter transienten Bedingungen
ISO 8178-9 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 9: Prüfzyklen und 2004-10
Amd 1 Prüfverfahren zur Prüfstands­messung des Abgasrauches von Dieselmotoren bei
Betrieb unter transienten Bedingungen
ISO 8178-10 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 10: Prüfzyklen und 2002-11
Prüfverfahren zur Feldmessung des Abgasrauches von Dieselmotoren unter
transienten Bedingungen
ISO/DIS 8178- Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 11: Prüfstandsmes- 2004-05
11 sung der gasförmigen Emission und der Partikelemission von Motoren für den
Einsatz in mobilen Maschinen für den nicht-strassen­gebundenen Bereich unter
transienten Bedingungen
Deutsche Normen    683

Europäische Normen des CEN / TC 270


Folgende europäischen Normen liegen veröffentlicht vor:
Norm Titel Ausgabedatum
EN 1679-1 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheit – Teil 1: Dieselmotoren; Deut- 1998-02
sche Fassung EN 1679-1:1997
EN 1834-1 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheitsanforderungen für die Kons­ 2000-01
truktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in explosionsgefährdeten
Bereichen – Teil 1: Motoren der Gruppe II für Bereiche mit explosionsfähigen
Gasen und Dämpfen; Deutsche Fassung EN 1834-1:2000
EN 1834-2 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheitsanforderungen für die Kons­ 2000-01
truktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in explosionsgefährdeten
Bereichen – Teil 2: Motoren der Gruppe I zur Verwendung in untertägigen
Bergwerken, die durch Grubengas und/oder brennbare Stäube gefährdet wer-
den können; Deutsche Fassung EN 1834-2:2000
EN 1834-3 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheitsanforderungen für die Kons­ 2000-01
truktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in explosionsgefährdeten
Bereichen – Teil 3: Motoren der Gruppe II für Bereiche mit explosionsfähigen
Stäuben; Deutsche Fassung EN 1834-3:2000
EN 10090 Ventilstähle und -legierungen für Verbrennungs­kraftmaschinen 1998-02
EN 12601 Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben- Verbrennungsmotoren – Sicher- 2001-02
heit; Deutsche Fassung EN 12601:2001
EN ISO 11102-1 Verbrennungsmotoren – Handkurbel-Starteinrichtungen – Teil 1: Sicherheits- 1997-10
technische Anforderungen und Prüfung (ISO 11102- 1:1997); Deutsche Fas-
sung EN ISO 11102-1:1997
EN ISO 11102-2 Verbrennungsmotoren – Handkurbel-Starteinrichtungen – Teil 2: Verfahren 1997-10
zur Messung des Auslösewinkels (ISO 11102- 2:1997); Deutsche Fassung EN
ISO 11102-2:1997
EN ISO 14314 Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Reversierstarteinrichtung – Allgemeine 2004-03
Sicherheitsanforderungen (ISO 14314:2004); Deutsche Fassung EN ISO
14314:2004
Sachverzeichnis

1. Hauptsatz der Thermodynamik 22 Abgasgrenzwerte 475


1. Nebenerreger-Ordnung 277 Abgasklappe 439
1D-Drehschwingungs-Ersatzmodell 261 Abgasmessverfahren 518
1D-Drehschwingungsmodell 258 Abgasnachbehandlung 502, 572
3D-Strukturmodell 258 – Abgasgegendruck 503
– Abgasmassenstrom 503
A – Abgastemperatur 503
Abgas-Messanlagen für gasförmige Emissionen 518 – aktive Regeneration 573
– Chemo-Luminescence Detektor (CLD) 520 – Nacheinspritzung 573
– Diagnosetest 518 – Oxidationskatalysator 572
– Flame Ionisation Detektor (FID) 520 – Partikelfilter 572
– Kalibrierung 518 – Raumgeschwindigkeit 503
– Linearisierung 518 – Rußpartikel 573
– Non-Dispersive Infra-Red Analysatoren (NDIR) 521 – Rußzündtemperatur 573
– ParaMagnetic Detektor (PMD) 523 Abgasnachbehandlungs-Systeme 477, 515
Abgas-Verdünnungssysteme 524 – CRT-Effekt 516
– CFV (Critical Flow Venturi) 526 Abgasrückführung (AGR) 80, 498
– PDP (Positive Displacement Pump) 526 – Abblasventil 82
– Probennahme 527 – Abgasnachbehandlung 80
– Vollstrom-Verdünnung CVS 526 – AGR-Rate 81
Abgasemission 461, 574, 653 – Aufladung 81
– Emission 461 – NOX-Emission 81
– Immission 461 – Registeraufladung 82
– Kohlenmonoxid (CO) 574 – Rückführrate 81
– Kohlenwasserstoffen (HC) 574 – Turbinengeometrie, variable 82
– Stickoxide NOX 469, 574 – Verbrennungstemperatur 80
– Transmission 461 – Zeldovich-Mechanismus 80
– Wirkung 461 Abgasschalldämpfer 554
Abgasgegendruck 436 Abgastrübung 427, 475
Abgasgeräusche 553 Abgasturboaufladung 615
Abgasgesetzgebung 471 Abgaswärmeübertrager 366
– Abgasvorschriften 471 – Verschmutzung 367
– Dieselpartikelfilter 473 Abnahmeuntersuchung 17
– Dieselrauchmessung 471 Absorptionsschalldämpfers 438
– Fahrzyklen 471 Abstandsdiagramm 269
– für Pkw-Motoren 471 Abtriebsmöglichkeiten 622
– on-board Diagnose 475 Abwärme 444
– Partikelfiltern 473 – Abgas 444
686    Sachverzeichnis

Abwärme Antioxidantien 94, 401


– Konvektion 444 Antriebsauslegung 562
– Kühlwärme 444 API 402
– Ladeluftkühlung 444 Applikation 214
– Strahlung 444 – Diagnoseumfang 216
ACEA 402 – Motor- und Getriebeschutzfunktionen 215
Additive 86, 89, 92, 95, 105, 400 – motorische Basisabstimmung 215
Additivsystem 508 – Regelungstechnische Funktionen 215
Aerodynamische Motorgeräusche 550 Arbeit, spezifische 16
– Ansauggeräusch 550 Arbeitsprozess, realer 13
– Schalldämpfer(systeme) 550 Arbeitsüberschuss 278
AFP-Stahl 379, 382 Aromaten 88, 91, 99, 101, 102
AGR-Kühlung 502 Aromatengehalt 89
Ähnlichkeitstheorie 229, 230, 235, 237, 238, 242, 243, 244 Aufladewirkungsgrad 48
Akustikkomfort 576 Aufladung 42, 569, 651
Alfin-Verfahren 340 – Abgasrückführung 570
Alkalität 400 – Abgasturboaufladung 42, 46, 570
Alternative Kraftstoffe 105 – Downsizing 571
– Biodiesel 108 – Ladeluftkühlung 571
– biogene Kraftstoffe 106 – Magerbetrieb 569
– BTL-Verfahren 112 – Mechanische Aufladung 42, 45, 62
– Dimethylether 110 – variable Turbinengeometrie 570
– Erdgas 110 Ausgleich freier Massenkräfte 265
– Ethanol 108 Ausgleichswelle 252, 253, 271, 274, 566
– flüssige Kraftstoffe 107 Autofrettage 383, 392
– Flüssiggas 110
– Fossile Quellen (GTL) 111 B
– IOGEN-Verfahren 109 Beanspruchung des Kolbens 302
– Kraftstoffpfade 106 – Bolzennabe 302
– Methanol 108 – Feuersteg 302
– Nachhaltigkeit 105 – Hauptabmessung 302
– NExBTL 114 – Kolbenbolzen 302
– Ökobilanz 115 – Kolbenmasse 302
– Regenerative Quellen (BTL) 111 – Kompressionshöhe 302
– reine Pflanzenöle 108 – Kühlkanal 302
– synthetische Kraftstoffe 106, 110 – Ringpartie 302
– Wasserstoff 106, 110 – Schaft 302
Aluminiumdruckguss 565 Beanspruchungsanalyse 219, 223
Ammoniak-Schlupf 510 Bedarfskennung 18
Amplitudenfrequenzgänge 282, 283 Bedienungskomfort 576
Analyse 276 Belastung 219
– harmonische 276 – dynamische 220
ANC 440 – mechanische 220
ANC-System 440 – statische 219
Anheizkerzen 424 – thermische 219
Ansauggeräuschdämpfung 432 Belastungsanalyse 219
Ansauggeräusche 553 Berechnungsverfahren 221
Ansaugluft 429 Beschichtung 311
– Korngrößenverteilung 429 – Gleitfähigkeit 313
– Staubgehalt 429 – Laufschichten 311
– Staubkonzentration 429 – Oberflächenrauhigkeit 311
Sachverzeichnis    687

– Oberflächenschicht 311 Common Rail Reihen-Hochdruckpumpe 173


– Schmierfilm 311 Common Rail System 164, 168, 187
– Schutzschichten 311 – Druckregelung 168
Beschichtungsverfahren 392 – Hochdruckpumpe 166, 168
Betriebsfehler 227 – Hochdrucksystem 166, 168
Betriebspunktverlagerung 563 – Injektoren 176
Biegemoment 259, 275 – Kraftstofffilter 168
Biegespannung 259 – Niederdrucksystem 166
Blasensieden 332 – Rail 168
Blasenverdampfung 329 – Systemdrücke 165
Blockheizkraftwerk 449 – Vorförderpumpen 167
– BHKW-Aggregat 449 – Zumesseinheit 168
– BHKW-Modulen 449 Common Rail System für Schweröl 190
– Kenngrößen 451 Compoundmotor 3, 5, 6
Blow-By-Gase 411, 414 Comprex 48, 62
Bohrungskühlung 331 CRT®-Effekt 508
Bohrungsverhältnis 10 cycle beating 476
Bordnetzspannungs-Glühsysteme 421
– Selbstregelverhalten 421 D
– Zündschalter 421 Dämpfer 286
Bottoming Cycle 446 Dämpfung 281
Brenngase 129 – äußere 281
Brennraum 566 – innere 281
Brennraummulde 568 Dämpfungsmatrix 281, 282, 285
Brennraumoberfläche 228, 231 Dauerfestigkeit 225, 256
Brennverlauf 24, 75, 84 Dauerfestigkeitsschaubild 225, 226
– 3D-Modellierung 84 Dauerschwingfestigkeit 262
– 3D‑Simulation 84 Desaxierung (Kolben) 249
– CFD-Modellierung 84 Detergentien 94
– Diffusionsflamme 77 Detergents 400
– Einspritzrate 75 Diagnose 211
– Gleichdruckverbrennung 77 – Diagnose-System‑Management (DSM) 212
– Modellrechnung 84 – EOBD 212
– Netzstruktur 84 – OBD (On Board Diagnostic) 212
– Spritzdauer 76 – On Bord Diagnostic (OBD) 211
– Strahleindringgeschwindigkeit 75 – Werkstattdiagnose 212
– Verdampfungsgeschwindigkeit 75 Dichte 101
– Wirkungsgrad 75 Diesel-Oxidations-Katalysator (DOC) 504
Bruchtrennpleuel 255 – Differenzdrucksensor 509
Bruchtrenntechnologie 382 – katalytischer Brenner 505
– Schmierölverdünnung 505
C – Temperatursensor 509
Calcium 400 dieselelektrische Antriebe 642
Carnot-Prozess 14 Dieselkraftstoff 86
CDPF 508 – Destillation 86
CO2-Emission 574 – Verfügbarkeit 87
– Energieeffizienz 574 Dieselmotor-Wärmepumpe 452
– Kraftstoffverbrauch 574 – Heizzahl 453
Common Rail-Dreikolben-Radial-Hochdruckpumpe 172 – Leistungszahl 452
Common Rail Ein- und Zweikolben-Radial-Hochdruck- Dieselpartikelfilter 206, 402
pumpe 172 Direkteinspritzung 490
688    Sachverzeichnis

Dispersants 400 – Düsenüberstand 80


Downsizing 57 – Quetschströmung 80
Drehgeschwindigkeit 10 – Strahlausbreitung 80
Drehimpuls 271, 274 Einspritzhydraulik 143
Drehkraft 248 – Behälter 144
– harmonische Erregeramplitude 276 – Drosseln, Ventile 145
Drehkräfte 276 – Druckkräfte 146
Drehkraftverlauf 250 – Kavitation 146
Drehmoment 16, 250 – kurzes Rohr 145
Drehschwingung 279, 285 – Leitungen 145
Drehschwingungs-Ersatzmodell 281 – Spaltströmung 146
Drehschwingungs-Resonanzen 286 Einspritzmanagement 207
Drehschwingungsdämpfer 286 – Haupteinspritzungen 207
Drehschwingungstilger 287 – Nacheinspritzungen 207
Drehungleichförmigkeit 288 – Rechner 208
Drehzahlen – Spritzbeginn 207
– kritische 281 – Voreinspritzungen 207
Drei-Wege-Katalysator 139, 402 Einspritzsystem 153, 615, 649
Drosselzapfendüsen 147 – Common Rail 159, 615, 650
Druck, mittlerer effektiver 16 – Hochdruckpumpe 617
Druckbegrenzungsventil 176 – Hochdruckspeicher 615
Druckregelventil 175 – Injektor 615
Druckseite (Kolben, Zylinder) 249 – Pumpe-Düse 158
Druckverlaufsanalyse 24 – Pumpe-Leitung-Düse 159
Druckwellenaufladung 62 – Reihenpumpe 157
Druckwellenkompensation 181 – Unit-Pump 159
Druckwellenkorrektur (DWK) 182 – Unit Injector 158
Dual-Fuel-Motor 135 – Verteilerpumpe – axial 157
Düsenauslegung 80 – Verteilerpumpe – radial 157
Düsenhalter 146, 152 Einspritzsysteme 185, 192
– 1‑Federhalter 152 – Durchflussmessung 192
– 2‑Federhalter 152 – Einspritzmengenmessung 193
Düsennadel 146 – Einspritzverlaufsmessung 193
Düsenüberstand 80 – Großdieselmotoren 185
dynamische Viskosität 230 – Injektorprüfung 194
– Messtechnik 192
E Einspritzung 156
eBooster 59 – druckgesteuerte 156
Eigendämpfung 287 – hubgesteuerte 156
Eigenfrequenz 281, 437 Einspritzverlauf 84
Eigenschwingungsform 281 – 3D-Modellierung 84
Eigenwertproblem 282 – 3D‑Simulation 84
Einflusszahlen der freien Massenkräfte und – CFD-Modellierung 84
Massenmomente 272 – Modellrechnung 84
Einflusszahlen der Massenkräfte 267 – Netzstruktur 84
Einlassdrall 38 Einzelpumpen-Systeme 162
Einmassen-Schwinger 285 Einzonenmodell 21
– modaler 285 Einzylinder-Dieselmotor 619
Einspritzdruck 497 – Abtriebsmöglichkeiten 622
Einspritzdüse 79, 146, 147 – Elektrostart 624
– Düsenauslegung 80 – Handkurbelstart 622
Sachverzeichnis    689

– Kühlverfahren 620 Erreger-Ordnungen 272


– Lastenheft 619 Ersatzbrennverlauf 24
– Massenausgleich 628 – Doppel-Vibe-Funktion 26
– Motorleistung 619 – Vibe-Funktion 25
– Motorraumbelüftung 624 Ersatzdrehmasse 280
Elektrokraftstoffpumpe 167 euATL 60
Elektronische Regelung 199 Expertensysteme 652
– Aufbautechnik 200 Exzentermassen 274
– Ausgangsschaltung 203 Exzenterwellen 274
– AUTOSAR 204
– Common Rail System 199 F
– Digitale Regler 204 Fahrkomfort 562, 576
– Drehmomentanforderungen 200 Fahrwiderstand 20
– Echtzeitbetrieb 199, 204 Fahrzeugantrieb 20, 136
– Eingangsschaltung 199, 203 Fahrzeugmotoren 630
– Haupteinspritzungen 199 – modifizierte 630
– Motorsteuerung 199 – Verwendung 631
– Nacheinspritzungen 199 Fanggrad 34
– Rechenleistung 199 Feinstaub 465
– Rechnerkern 201, 202 Feuerstegringe 648
– Software-Architektur 203 Filtrierbarkeit 89
– Speicherplatz 199 Finite-Elemente-Methode (FEM) 221
– Spritzbeginn 199 Flammengeschwindigkeit, laminare 132
– Umgebungsbedingungen 200 Flammpunkt 102
– Unit Injector System 199 Flammstartkerze 424
– Verbindungstechnik 200 Fließfähigkeit 100
– Voreinspritzungen 199 Fließverbesserer 92
Elektronisches Motormanagement 571 Fließverhalten 90
– Luftmasse 572 Formzahlen 260
– Luftmassenmesser 572 Fremdzündung 12
– Motorsteuergerät 571 Friction Modifier 401
Elektroschlacke-Umschmelzen 390 Führungskraft
Elektrostart 624 – Spannung 303
Elementaranalyse 12 – Verformung 303
Emissionen 425 Füllmethode 27
Emissionsreduktion 564 Fußausgleich 266
Emissionsverhalten 568
Energiebilanz 239, 240, 245 G
Entkopplungselemente 441 Gabelpleuel 251, 269
Entleermethode 27 Gasdrehkraft 276
Erdöl 87 Gaskraft 247
Erdöl (Rohöl) 118 – Spannung 303
– Benzin 118 – Verformung 303
– Destillate 118 Gasmischer 136, 137
– Dieselkraftstoff DK 122, 127 Gasmotor 129, 132
– Gasöl 118, 122, 123 – Diesel-Gasmotor 134, 135
– Heizöl 118 – Gas-Dieselmotor 134, 135
– Rückstandsöl 118 – Otto-Gasmotor 133, 134
– Schweröl 118, 120, 122, 123, 124, 125, 127 Gasmotoren 477
Erreger-Drehmoment 281, 285 Gegendruckseite 249
– harmonischer 285 Gegengewichtsmasse 265, 270
690    Sachverzeichnis

Gehäuse-Biegemoment 276 – Beanspruchungen 291


Gemisch 12 – Betriebsextremwerte 293
– heterogenes 12 – Dreischichtlager 298
– homogenes 12 – Eigenschaften 296
– stöchiometrisches 12 – Einschichtlager 297
Gemischbildung 12, 68, 136, 564, 566 – Ermüdung 301
– äußere 12 – Gleitlagerwerkstoff 296
– Brennraum 70 – Hydrodynamik 289
– Direkteinspritzer 69 – Kurbelwellenhauptlager 294
– innere 12, 68 – Lagerberechnung 290
– Luftausnutzung 69 – Lagerspiel 295
– Luftbewegung 70 – Pleuellager 294
– Luftdrall 70 – Verschleiß 300
– Muldengeometrie 71 – Zweischichtlager 297
– Quetschströmung 71 Glühkerze 568
– Schirmventile 70 Glühstiftkerzentemperaturen 426
– Selbstzündung 68 Glühsysteme 420, 568
– Spiralkanäle 70 Grauguss 565
– Verdichtungsverhältniss 69 Grundmotor 611
– Vorkammer 69 Grundöl 400
– Wirbelkammer 69
– zentrale 136 H
Gemischheizwerte 14, 130 Handkurbelstart 622
Generatorbetrieb 20 Haupterreger-Ordnung 277
Geräusch 432 Hauptgleichung des Dieselmotors 16
– Helmholtz-Resonator 434 Hauptölkanal 412
– Reflexionsschalldämpfer 434 Hauptpleuel 251, 269
Geräuschabstrahlung 550 Hauptstromfilter 416
– Kapselmaßnahmen 550 HCCI-Betrieb 240
– Keilriemenscheibe 550 Heißfilmmassensensor 498
Geräuschdämmung 555 heißisostatisches Pressen 391
– Motorlager 555 Heißkühlung 331
Geräuschentwicklung 425 Heizflansche 424
Geräuschkomforts 441 Heizwärme 448
Geräuschminderung 551 Heizwert 12, 103, 130
Geräuschminderungspotenzial 538 Helmholtz-Resonator 439
Gestaltung des Kolbens Herstellung 87
– Bolzennabe 302 – atmosphärische Destillation 87
– Feuersteg 302 – atmosphärische Vakuum-Destillation 89
– Hauptabmessung 302 – Crackverfahren 87, 89
– Kolbenbolzen 302 – Entschwefelung 88, 99
– Kolbenmasse 302 – Hydrocracken 88, 99
– Kompressionshöhe 302 – Vakuum-Destillation 87
– Kühlkanal 302 High Cycle Fatigue 225
– Ringpartie 302 Hochdruckeinspritzung 568
– Schaft 302 – Common Rail-System 568
Getriebeauslegung 563 – Druckregelventil 569
Gewindefurchen 382 – Drucksensor 569
Gleichstromspülung 657 – Pumpe-Düse-System 568
Gleitlager 289 – Rail 569
– Axiallager 295 Hochdruckpumpen 170
Sachverzeichnis    691

Hochdrucksystem 168 – Alterung 422


Hohlkehlen 260 – Einzelkerzenüberwachung 424
HT-HS Viskosität 401 – Glühstiftkerzen 422
Hubbewegung 264 – Glühzeit 422
Hubkolbentriebwerke 247 – Heizerwiderstand 422
Hubverhältnis 10 – Überhitzung 424
Hubzapfenübergang 259 – Zündschalter 424
Hubzapfenversatz 251 keramische Heizer 422
keramische Werkstoffe 393
I Kerbwirkungszahl 260
Indikatordiagramme 4 Kinetische Energie 71
Industriemotoren 484, 630 – Druckgefälle 72
– Angebot 631 – Düseninnenströmung 71
– Anwendungen 630 – Einspritzdruck 72
– Applikationen 631 – Kavitation 72
– Blockheizkraftwerke 484 – Kraftstoffstrahl 71
– Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen 484 – Strahleindringtiefe 72
– Landtechnik 630 Kippmoment 253, 264
– Leistungsbereich 630 Kippmomentausgleich 271
– Leistungsgruppen 633 Klangcharakter 436
– Luftkühlung 631 Klappe 439
– Notstromaggregate 484 Klimakomfort 562, 576
– Produktkonzept 636 Kohlenmonoxid (CO) 475
– Schiffsmotoren 486 Kohlenmonoxid-Entstehung 493
– Wasserkühlung 631 Kohlenstaub 5, 6
– Weiterentwicklung 639 Kohlenwasserstoff-Entstehung 495
Injektor 568 Kohlenwasserstoffe (HC) 475
Injektormengenabgleich 181 Kolben 301, 612, 646
Innenpleuel 269 – Anspritzkühlung 302
innere Wärmebilanz 230 – dreidimensionales Temperaturfeld 302
Intermetallischen Phasen 393 – Fresssicherheit 301
Isentropenexponente 13 – Funktion 301
– Gestaltfestigkeit 301
J – Kolbenboden 301
Jet Assist 652 – Kühlung 302
– mechanische Beanspruchung 302
K – Oberflächentemperatur 302
k-ε-Modell 238 – Ölverbrauch 301
Kältefestigkeiten 100 – Stufenkolben 647
Kälteverhalten 92 – Temperaturen 301
Kaltleerlaufemissionen 425 – Zwangsölkühlung 302
Kaltstart 426 Kolbenbauarten 305
Kapselbelüftung 554 – Al-Si-Legierung 307
Kapselung 551 – Aluminiumkolben 308
– Wartungsstellen 554 – eutektisch 307
Katalysatoralterung 505 – gebaute Kolben 308
Katalysatorbeladung 504 – Kolbenkaltspiel 309
Katalysatorgifte 505 – Kolbenkrone 310
Katbrenner 504 – Kühlkanalkolben 307
Kavitation 227, 329 – Monoblock 308
Keramik-Glühstiftkerzen 422, 427 – Pendelschaftkolben 307
692    Sachverzeichnis

Kolbenbauarten – mechanische Beanspruchung 302


– Ringträgerkolben 307 – Minutenring 316
– Spritzölkühlung 307 – Mischreibung 316
– Stahlkolben 308 – Oberflächentemperatur 302
– Vollschaftkolben 307 – Ölkontrollring 316
– Wärmeleitfähigkeit 308 – Ölverbrauch 301
– Zwangsölkühlung 307 – Temperaturen 301
Kolbenboden 301 – Verdichtungsring 316
Kolbenboden, Belastung 303 – Wärmeabführung 316
– Festigkeit 304 – Zwangsölkühlung 302
– Kolbenlegierung 304 Kolbenringe 647
– Muldengrund 303 – Chromringe 647
– Muldenrand 303 – CKS-Ringe 647
– Temperaturwechselbeanspruchung 303 – Plasmaring 647
Kolbenbolzen 301, 317 – Plasmaringe 647
– Anspritzkühlung 302 – Verschleißrate 647
– außenspannender Sicherungsring 317 – Zwickel-Verschleiß 648
– dreidimensionales Temperaturfeld 302 Kolbenringpartie 302
– Formbolzen 317 Kolbensauberkeit 403
– Fresssicherheit 301 Kolbenseitenkraft 248
– Funktion 301 Kolbensekundärbewegung 222, 227
– Gestaltfestigkeit 301 Kolbenweg 10
– Kraftfluss 317 Komfort 576
– Kühlung 302 – Kapselung 577
– mechanische Beanspruchung 302 – Massenausgleich 576
– Oberflächentemperatur 302 – Schwingungen 576
– Ölverbrauch 301 – Schwingungsanregung 576
– Pleuel 317 – Schwingungserreger 576
– rohrförmig 317 – Schwingungsquelle 576
– Temperaturen 301 – Zweimassenschwungrad 577
– Zwangsölkühlung 302 Kompressionsendtemperatur 419
Kolbenflächenleistung 17, 604, 607 Koordinaten 285
Kolbengeschwindigkeit 11 – modale 285
– mittlere 11 Körperschallabstrahlung 442
– momentane 11 Körperschallanregung 539
Kolbenkraft 247 Körperschallisolation 554
Kolbenkühlung 305, 411, 663 Körperschallübertragung 546
– gekühlter Ringträger 305 – Ansaugrohr 547
– Kühlkanal 305 – Kühlluftführung 548
– Kühlöl 305 – Motorblock 546
– Wärmeabfuhr 305 – Ölwanne 546
Kolbenring 301, 315 – Ölwannen 548
– Abdichtfunktion 316 – Stirnräderdeckels 548
– Anspritzkühlung 302 – Ventilhauben 548
– dreidimensionales Temperaturfeld 302 – Zylinderkopf 546
– Durchblasen 316 – Zylinderkopfhauben 547
– Fresssicherheit 301 Korrosion 227
– Funktion 301 – Flächen- 227
– Gestaltfestigkeit 301 – Hochtemperatur- 227
– Kolbenboden 301 – Nass- 227
– Kühlung 302 – Niedertemperatur- 227
Sachverzeichnis    693

– Reib- 227 – Nfz 354


– Schwingungsriss- 227 – Niedrigtemperaturkreis 349
Korrosionsinhibitoren 411 – Panzer 354
Korrosionsschutz 94, 399 – Schiff 354
Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung 455 – Seewasserbetrieb 351
Kraft-Wärme-Kopplung 448 – Thermostat 353
Kraftstoff 410 – Wärmeübertrager 357
Kraftstoff, schwefelfreier 100 – Zweikreissystem 348
Kraftstoffnormen 96 Kühlwasser 371
Kraftstoffverbrauch 402, 574, 587 – Glykol 374
– CO2-Emission 574 – Kühlwasserpflege 373
– Energieeffizienz 574 – OAT (Organic Acid Technology) 374
– streckenbezogen 588 – Wasserhärte 372
Kraftstoffverbrauch, spezifischer 18 Kurbeldrehwinkel 10, 248
Kraftstoffzündung 419 Kurbelgehäuse 384, 411, 414, 565, 611
– Anheizkerzen 419 – Aluminiumguss 384
– Flammausbreitung 419 – Grauguss 384
– Glühstiftkerzen 419 – Kugelgraphitguss 384
– Glühsysteme 419 – Stahlguss 384
– Glühzeitsteuergeräte 419 – Vermiculargraphitguss 384
– Glühzündung 419 Kurbelkröpfungen 255
– Kaltstartunterstützung 419 Kurbelstern 251
– Selbstzündungstemperatur 419 Kurbelsterne 267
Kreisprozess 13 Kurbelwelle 255, 257, 412, 611, 646
– idealer 13 – gebaute 257
Kreuzkopf 661 Kurbelwellen 379
– Kreuzkopflager 662 – AFP-Stahl 379
Schubstangenverhältnis 662 – Faserflussschmieden 380
Kreuzkopfkurbeltrieb 249 – Induktionshärtung 381
Kreuzkopflager 662 – Kugelgraphitgusssorten 381
Kreuzwelle 254 – schmiedeperlitischen 379
Kröpfungsstichmaß 255 Kurbelwellenlager 646
Kröpfungswinkel 251, 255, 267
Kühlgebläse 342 L
– Schallleistung 342 Ladedruckregelung 53
Kühlluftführung 338 – Motorbetriebslinie 54
Kühlmittel 325, 371 – Registeraufladung
– Stoffwerte 335 – Variable Turbinengeometrie (VTG) 55
Kühlmittelkreislauf 345 – Waste-Gate 54, 62
Kühlmittelkühler 359 Ladegrad 34
Kühlrippe 336 Ladeluft-Kühlung 502
– Rippengütegrad 336 Ladeluftkühlung 53
– Rippenhöhe 337 – Ladeluftkühler 53, 364
– Rippenzahl 337 – Ladeluftkühlerwirkungsgrad 53
Kühlsystem 345 Ladeluftkühler 364
– Einkreissystem 348 – Dichterückgewinn 364
– Gebläse 353 Laderbauarten 42
– Hochtemperaturkreis 349 – Strömungslader 44, 59
– Ladeluftkühlung 351 – Verdrängerlader 43
– Lokomotive 354 Laderkennlinie 43, 44
– Lüfter 354 Ladungswechsel 23, 34, 437, 569
694    Sachverzeichnis

Ladungswechsel – Abgasnachbehandlung 579


– Abgasrückführrate 570 – Anforderung 579
– Abgasturbolader 570 – Common Rail 583
– Downsizing 571 – Drehmoment 580
– Ladeluftkühlung 571 – Geräuschemission 579
– Ladungswechselberechnung 63 – Gesamtgewicht 580, 583
– Magerbetrieb 569 – Grauguss 584
– variable Turbinengeometrie 570 – Hubraum 580
– Viertaktverfahren 35 – Klassifizierung 578
– Zweitaktverfahren 40 – Ladeluftkühlung 583
Ladungswechselrechnung 63 – Motoren 579
– Charakteristikenverfahren 64, 65 – Nennleistung 580
– eindimensionale instationäre Rohrströmung 65 – Piezo-Aktuatoren 583
– Füll- und Entleermethode 63 – Rollenprüfstand 579
– nulldimensionale Verfahren 63 – Schadstoffemission 579
Lagerkräfte 248 – Variable Turbinengeometrie 583
Lanchester-Ausgleich 274 – Vierzylindermotor 583
Längenreduktion 279, 280 – Zylinderkurbelgehäuse 584
Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 657 Leichtlauföl 399, 401, 410
– Abgasemissionen 672 Leistungsgewicht 604
– Aufladung 665 Leistungsvergleich 17
– Auslassventil 659, 664 Leistungsverhalten 574
– Common Rail 671 – Ansprechverhalten 576
– Firmen 657 Lieferkennung 18
– Gleichstromspülung 657, 659 Liefergrad 34
– Hub/Bohrungsverhältnisse 660, 669 Light-Off-Temperatur 504
– Kolbenflächenleistung 659 Literleistung 17
– Kraftstoffverbrauch 659 Lochdüsen 148
– Ladeluftkühlung 665 Low Cycle Fatigue 225
– maximaler Zylinderdruck 659 Luftaufwand 34, 41
– Merkmale 659 Luftdurchsatz, spezifischer 18
– mittlere Kolbengeschwindigkeit 669 Luftfilter 429
– mittlerer effektiver Druck 659 – Abscheidungsgrad 430
– Motorgestell 660 – Auslegung 431
– Spülschlitze 665 – Durchflusswiderstand 431
– Spülverfahren 657 – Filterleistung 431
– Startluftsystem 672 – Gesamtabscheidungsgrad 431
– Triebwerk 661 – Ölbadluftfilters 432
– Umsteuern 664 – Standzeit 430
– Ventildrehung 664 – Trockenluftfilter 431
– Wasser-Kraftstoff-Emulsion 672 – Vorabscheidungsgrad 433
– Wassereinspritzung 672 – Vorzyklone 433
– Zylinderleistung 659 – Zyklon 433
– Zylinderzahl 660 Luftgehalt 238
Längskippmomentausgleich 270 Luftverhältnis 12
Längskraftanteil 265
Längskräfte 264, 265 M
Längsmoment 264 Magnetventil-Injektor 177
Laufbuchse 617 Magnetventilgesteuerte Pumpen 186
Lebensdauer 411 Marinekopf-Ausführung 646
leichte Nutzfahrzeuge 578, 583, 585 Massenausgleich 275
Sachverzeichnis    695

– innerer 275 – Drehzahlen 641


Massendrehkraft 276 – effektive Nutzarbeit 641
Massendrehmoment 252 – Gasbetrieb 643
Massenkraft 247, 265 – Hub/Bohrungsverhältnis 644
– oszillierende 220 – Kolbenflächenleistung 643
– rotierende 220, 265 – maximaler Zylinderdruck 643
– Spannung 303 – mittlere Kolbengeschwindigkeit 641
– Verformung 303 – Schwerölbetrieb 642
Massenmitteltemperatur 237 – Zylinderabmessungen 641
Massenmoment 269 mittlere Kolbengeschwindigkeit 610
Massenmomentausgleich 269 Mobile Maschinen 486
Massenreduktion 279 – Bagger 486
Massenträgheitsmoment 271, 278 – Gabelstapler 486
Massenumlaufmoment 264, 271, 274 – Radlader 486
Mechanische Regler 198 Modal-Analyse 283
– Bauart RQ 198 Modelle, quasidimensionale 27
– Bauart RQV(K) 198 Modifizierte Fahrzeugmotoren 635
Mechanisches Geräusch 543 Moment 275
– Ölpumpe 543, 544 – inneres 275, 276
– Ventilgeräusch 544 Motor 589
– Ventiltrieb 543 – Nebenaggregate 589
– Wasserpumpe 544 Motorbetriebslinie 45, 47, 54
Mehrbereichsmotorenöle 402 Motorbefestigung 621
Mengenmittelwertadaption (MMA) 181, 184 Motorbremse 600
Mengensteuerung 171 – Exhaust Valve 600
Messung der Partikel- und Staubemission 528 – Intebrake 600
– alternativer Methoden zur Rußmessung 533 – Jake(Jacobs)-Brake 600
– Kondensationskernzähler (PNC) 529 – Konstantdrossel 600
– Partikelzählung 529 – Turbobrake 600
– PMP 529 Motorenöl 399, 411
– Staubmessung 530 Motorentest 403
– Verdünnungstunnel 528 Motorfunktionen 204
Metall-Glühstiftkerzen 421, 427 – Abgasmanagement 205
– Glührohr 421 – AdBlue 207
– Glühstift 421 – Dieselpartikelfilter 206
– Glühwendel 421 – Drehmoment, -anforderungen 200, 204, 207
– Heizwendel 421 – Lambda-Regelung 206
– Nachglühdauer 422 – Luftmanagement 205
– Regelwendel 421 – Luftmenge 205
– Rohrheizkörper 421 – NOX-Speicher-Katalysator (NSC) 206, 207
Metallurgie 399 – Regeneration 206
Methanzahl 130 – Regenerationsbetrieb 206
Micro-Pilot-Motor 135 – SCR-Verfahren 207
Miller-Verfahren 59 Motorgeräusch 544
Mindestluftmasse 11 – Nebenabtriebe 544
Mineralöle Hydrocracköle 400 Motorgeräuschemission 537
Mischreibung 401 – Kühlsystem 551
Mitteldruck 16 Motorkennfeld 477
mittelschnelllaufender Dieselmotor 641 Motorkenngröße 16, 17
– Abgasemission 653 Motorkühlung 325, 345, 554
– Common Rail System 650 – Abgaswärmeübertrager 366
696    Sachverzeichnis

Motorkühlung – Leistungsbedarf 590


– direkte 347 – schwere 581
– Entlüften 352 – Verteilerverkehr 585
– Fahrzeuge 352 Nutzfahrzeugmotoren 589
– Flüssigkeitskühlung 325 – Abgasemissionen 594
– indirekte 347 – Anfahrverhalten 592
– Kühllast 345 – Bremsverhalten 592
– Kühlmittelkühler 359 – Entwicklung 604
– Kühlmodul 357 – Startverhalten 594
– Kühlwasser 372 Nutzleistung 16
– Ladeluftkühler 364
– Lüfterleistung 347 O
– Luftkühlung 325 OBD 483
– Ölkühler 361 Oberflächenbehandlungsmethoden 391
Motorprozesssimulation 63 Oberflächenfiltratschicht 506
Motorschlucklinie 44, 45, 46 Oberflächengeräusch 552
Mündungsgeräusch 439, 553 Oberflächentemperaturmethode 230, 231, 232, 233, 234
Oberspannung 261
N Ölabscheider 414
Nachglühen 425 Ölabstreifring 316
Nadelführung 148 – Einlauf 317
Nadelhub 149 – Flanken 317
Nassluftfilter 430 – Lauffläche 317
Nebenkammermotor 493 – Oberflächenbehandlungen 317
Nebenpleuel 251, 269 – Schlauchfeder 316
Nebenstromfilter 416 – Verschleißminderung 317
Nennspannung 427 Ölalterung 416
Niederspannungs-Glühsysteme 421 Ölbadluftfilter 429, 430, 432
– Ansteuerspannung 421 Öldruck 411, 414
– Nennspannung 421 Öldurchfluss 411
– Pulsweitenmodulation 421 Ölfilter 411, 414, 416
NOX-Entstehung 491 Ölkreislauf 411
NOX-Reduktions-Katalysatoren 509 Ölkühler 361, 411, 414
NOX-Speicherkatalysator (NSC) 511 Ölmenge 411
– LNT 511 Ölpumpe 411, 412, 414
– NOX-Sensor 513 Ölreservoir 411
Nockenwelle 614 Ölwannen 384
Nockenwellenantrieb 566 Ölwechsel 399, 416
Normalausgleich 253, 254, 266, 268, 269, 271 Organic-Rankine-Cycle 447
Normalparaffine 90 Oxidationskatalysator 140
Normalspannung 259 Oxidationsprodukte 400
NSC-Desulfatisierung 514 Oxidationsstabilität 104
NSC-Regeneration 514 Ozon O3 470
Nullmengenkalibrierung (NMK) 181, 183
Nusseltzahl 229, 235 P
Nutzarbeit 16 Papierluftfilter 429, 432
Nutzfahrzeuge 475, 580, 581, 585 Parameterstudien 29
– Fahrkomfort 592 Partikel 414, 416, 475, 491
– Klassifizierung 585 – Entstehung 491
– Kostenanalyse 587 Partikel-NOX-Hyperbel 498
– leichte 580, 581 Partikelfilter 477, 506
Sachverzeichnis    697

– DPF 506 – D 13 477


– Regeneration 507 – ELR 477
Partikelmessung 533 – ESC 477
– Diffussions Ladungs Sensor 533 – ETC 477
– Laser Induzierte Glühemission 533 – JE 05 477
– MASMO 533 – US-FTP 476
– Opazimeter 533 – WHSC 483
– Photoakustischer Ruß Sensor 533 – WHTC 483
– Photoelektrischer Aerosol Sensor 533 Pulsation 433
– Smokemeter 533 Pumpgrenze 44, 47, 48, 54
– TEOM 533
Partikelzusammensetzung 492 Q
PEMS 484 Qualitätssteuerung 12
Pflanzenöle 5 Quantitätssteuerung 12
Phasenbeziehungen 282 Querbiegung 221
Phasenverschiebung 283 Querkraftanteil 265
Phosphor 401, 403 Querkraftausgleich 265
Piezo- Injektor 179 Querkräfte 264
Piloteinspritzung 500 Quetschströmung 80
Pkw-Antrieb 561
Pleuel 255, 565, 646 R
Pleuelauge 255, 565 Radialkraft 248
Pleuelkopf 255 Rail 173
Pleuellagern 412 Raildruck 168
Pleuelschaft 255 – Hochdruckleitungen 169
Pleuelschwenkwinkel 249 – Injektoren 169
Pleuelstange 612 Raildrucksensor 175
Pleuelstangenkraft 247 Rauchgrenze 18
Pleuelstangenverhältnis 10, 248 Realprozessrechnung 21
Pleuelversatz 251 Reduktionsformel 280
Pleuelversatzwinkel 251 Reibarbeit 27
Prandtlzahl 229 Reihenpumpe 160
Präzession 257 Reinheit 103
Primärpartikel 493 Relativbewegungen 221
Primärzerfall 72 Resonanzabstimmung 287
– Düsenlochdurchmesser 73 Resonanzfrequenz 434
– Kraftstoffdichte 73 Restkraftvektor 266, 274
– Oberflächenspannung 72 Restmomentvektor 271
– Strahlausbreitung 73 Restunwucht 264
– Strahlgeschwindigkeit 73 Reversierstart 623
– Strahlzerfall 72 Reynoldszahl 229
– Tropfenbildung 73 Ringpartie 304
– Weberzahl 73 – Aluminiumkolben 304
Produktfehler 227 – Bolzennabe 304
Propellerbetrieb 20 – Nabenabstützung 305
Prozesssimulation 84 – Nabenbohrung 305
– 3D-Modellierung 84 – Nabenform 305
– Netzstruktur 84 – Ringnutverschleiß 304
Prozesswärme 448 – Verkokung 304
Prüfzyklus 475 Ringstecken 403
– C1 486 Rohöl 87, 118
698    Sachverzeichnis

rollengelagerte Schlepphebel 566 Schwingungsknoten 281


Rückstandsbildung 411 SCR-Katalysator 672
Rudolf Diesel 3, 7 Seiliger-Prozess 14
– Patent DRP 67207 3 Sekundärzerfall 73
– Patent DRP 82168 4 – Dampfform 74
Ruß 410, 416, 492, 493 – Einspritzdruckverlauf 73
– Agglomerate 493 – Kraftstoff 74
– Größenverteilung 493 – Kraftstoffverdampfung 74
– Nachverbrennung 493 – Luftdichte 73
Rußbildung 492 – Luftverhältnis 74
– Reaktionszone 74
S – Strahlkegelwinkel 73
Sacklochdüse 149, 495 – Strahlzerfall 72
SAE-Klassifizierung 401 – Tropfendurchmesser 74
Saugseitige Regelung 169 – Verdampfung 74
– Steuergerät 170 Selbstzündung 90, 418, 419
Schadstoff 488 Selbstzündungstemperatur 418
Schadstoffbildung 77 Selektive katalytische Reduktion (SCR) 509
– Kohlenwasserstoffe 77 – AdBlue 510
– Kraftstofftropfen 77 – Ammoniak 509
– Strahlkern 77 – NOX-Sensor 511
– Strahlrand 77 – Temperatursensor 511
– Temperatur 77 Sensoren 208
Schadstoffreduktion, innermotorisch 495 – Abgastemperatursensoren 210
Schalldämpfer 436, 437 – Differenzdrucksensor 210
Schalldruckpegel 537 – Drehzahlgeber 209
Schallleistungspegel 537 – Fahrpedalmodul 208
Schaumdämpfer 93 – Heißfilmluftmassenmesser 209
Schiffsantrieb 665 – Ladedruckfühler 210
– Abgaswärmenutzung 667 – Lambdasensor 210
– Propellecharakteristik 666 – NOX-Sensor 210
– Propulsionsmotor 668 – Phasengeber 209
– Schiffskörperschwingungen 668 – Raildrucksensor 210
– Schweröl 667 – Regelklappe 209
– Schwingungen 668 – Temperaturfühler 209
– Turbocompound 667 Sicherheitsfaktor 226, 263
– Wellengenerator 666 Siedeverhalten 99
Schlammbildung 400, 411 Single-Cam System SCS 629
Schmierfähigkeit 103 Sintermetallfilter 506
Schmierölsystem 588 Sitzgeometrie 148
– Ölreinigungssysteme 588 Sitzlochdüsen 148
– Wechselintervall 588 Sondermesstechnik 524
Schmierstoff 399 – Dioden-Laser-Spektroskopie (DIOLA) 524
Schmierungssystem 399 – Fourier Transform Infrarot Spectroscopy (FTIR)
Schränkung 249 524
Schwefel 401, 403 – Massenspektrometer (MS) 524
Schwefelgehalt 86, 95, 96, 99, 100, 103 – Non Dispersive Ultraviolett Analysator (NDUV)
Schweröl 642 524
Schwerölbetrieb 644 Sound Design 441
Schwingbruch 227 Spannungen 225
Schwingungskavitation 227 – Ist-Spannungen 225
Sachverzeichnis    699

– Wirkspannungen 225 Strömungsgeräusche 436


Spannungsgefälle 262 Strukturkeramik 392
– bezogenes 262 Sulfatasche 401, 403
Spezifikationen 405 Syntheseöle 400
spezifische Arbeit 608
Spiralkanal 79 T
– Tangentenkanal 79 Taktzahl 16
Spritzbeginn 496 TA Luft 139
Spritzgeometrie 150 Tangentialdruck 276
Spritzlochlänge 150 Tangentialkraft 248
Spritzöl 412 Tauchkolbentriebwerken 249
Spülgrad 34, 41 Teilschallquellen 551
Spülverfahren 40 – Kühlungsgeräusch 552
– Gleichstromspülung 40 – Mündung des Abgases 552
– Kurzschlussströmung 41 – Oberflächengeräusch 551
– Nachauslass 40 – Verbrennungszuluft 552
– totale Mischung 41 Temperaturgradienten 219
– Umkehrspülung 40 Temperaturverteilung 222
– Verdrängungsspülung 41 thermische Entdrosselung 502
Stähle 380 Thermophorese 367
– schmiedeperlitische 380 Tilger 286, 287
Starrkörperbewegung 283 Tilgereigenfrequenz 287
Startdrehzahl 419 Tilgermasse 287
Starteinrichtungen 622 Torsionsmoment 259, 281
Starthilfesystem 418, 420, 424, 426 Torsionsschwingungsdämpfer 286
– Bereitschaftsglühen 421 Torsionsspannung 259
– Glühsoftware 420 Torsionswinkel 281
– Glühstiftkerzen 420 Total Base Number 400
– Nachglühphase 421 Totwasserzonen 326, 338
– Niederspannungs-Glühsysteme 420 Trägheitsradien 271
– Startglühen 421 Traktoren 486
– Vorglühen 420 Triebwerk 254, 611, 628
– Zwischenglühen 421 Triebwerkslagerung 411
Stauaufladung 52 Trockenluftfilter 430, 432
Staubkapazität 431 Turbinenkennfeld 49
Staubkonzentration 429 – effektiver Turbinenquerschnitt 48
Stegrisse 341 – reduzierter Massenstrom 49
Steifigkeitsmatrix 281 – Turbinenwirkungsgrad 47, 49
Steuertriebsgeräusch 544 Turbobrake 62
– Torsionsschwingungsdämpfer 544 Turbocompounding 61, 446
– Zahnriemen 545 Turbolader 411
Steuerungsteile 412, 414 Turboladerhauptgleichungen 46
Stickoxid 411, 475, 490 – I. Turbolader-Hauptgleichung 47
Stockpunktverbesserern 401 – II. Turbolader-Hauptgleichung 48
Stoßaufladung 50 Turboloch 62
Strahlausbreitung 80
Strahlauslegung 151 U
Strahlbildanalyse 151 Übergangsradien 260
Strahlkraftanalyse 151 Übertragungsfunktion 283
Strangtrennung 441 – Matrix der 283
Strömungsberechnung 412 Ungleichförmigkeitsgrad 277
700    Sachverzeichnis

Unit Injector-System 162 – HPLI-Verfahren (Highly Premixed Late Injection)


Unit Pump-System 163 83
Unterspannung 261 – Methanol 82
– Nacheinspritzung 82
V – Rapsöl-Methylester (RME) 82
V-Triebwerke 267 – Vielstoffmotoren 83
Ventile 35, 386, 648 Verbundverfahren 61
– Auslassventil 664 Verdampfungskühlung 332
– Bimetallventil 386 – geschlossenem System 332
– Drehung 648 – offenen System 333
– Durchflussbeiwert 37 Verdampfungsverluste 410
– Monometallventil 386 Verdichtungsverhältnis 10, 425, 426
– Selbstreinigung 664 Verfestigungsstrahlen 382
– Steuerzeiten 35 Vergleichsmittelspannung 263
– Ventilhubkurven 35 Vergleichsprozess 13
– Ventilkörbe 648 – Gleichdruck-Prozess 14
– Ventilquerschnitt 37 – Gleichraum-Prozess 14
– Ventilüberschneidung 36 – Seiliger-Prozess 14
Verbrennung 68, 75 Vergleichsspannung 261
– Diffusionsflamme 77 Vergleichswechsel 263
– Direkteinspritzer 69 Versäuerung 410
– Einspritzrate 75 Verschleiß 399, 410, 416
– Gleichdruckverbrennung 77 Verschleißschutz 399
– innere 68 Verschleißschutz-Additive 93
– Luftausnutzung 69 Verteilereinspritzpumpen 161
– Selbstzündung 68 VI-Verbesserer 401
– Spritzdauer 76 VI-Verbesserern 410
– Strahleindringgeschwindigkeit 75 Viertaktverfahren 16
– Verdampfungsgeschwindigkeit 75 Viskosität 101, 399, 410
– Verdichtungsverhältniss 69 Vollkapsel 551
– Vorkammer 69 Vorkammer 134, 138
– Wirbelkammer 69
– Wirkungsgrad 75 W
Verbrennungsgeräusch 540, 542, 564 Wanddämmung 553
– Alternative Kraftstoffe 542 Wandgesetz 244
– Common Rail Einspritzsysteme 542 – logarithmisches 244
– Zylinderdruck-Anregungsspektrum 540 Wandwärmestrom 231, 232, 236
Verbrennungsrechnung 11 Wandwärmestromdichte 231
Verbrennungsverfahren 564 Wandwärmeverlust 23, 228, 230, 235, 236, 237, 238,
Verbrennungsverfahren, alternative 82, 115 239, 240, 242, 243, 244
– CCS (Combined Combustion System) 117 Wandwärmeverlust 228
– Dilution Controlled Combustion System“ (DCCS) Wärmebelastung 222
83 Wärmebilanz 230, 324, 445
– Dimethylether (DME) 82 – Abgaswärmeleistung 445
– Gas to Liquid 82 – äußere 324
– GtL-Kraftstoffe 82 – Brennstoffleistung 445
– HCCI-System (Homogeneous Charge Compression – innere 230
Ignition) 83 – Kühlleistung ΦK 445
– HCLI-System (Homogeneous Charge Late Injection) – Ladeluftkühler 445
82 Wärmedurchgangsprozess 324
– Homogenisierung 82 Wärmeeindringzahl 232
Sachverzeichnis    701

Wärmeleitfähigkeit 230 Wuchten 270


Wärmemotor, rationeller 4 – dynamisches 270
Wärmestauchrisse 228
Wärmestromdichte 230, 233, 234 Z
Wärmestrommessung 231 Zahnradpumpe 167
Wärmestromsonde 230, 231, 233 Zapfenüberschneidung 259
Wärmetauscher 414 Zeldovich 490
Wärmeübergang 229, 231, 237, 243 Zinkdithiophosphate 401
Wärmeübergangsgleichung 230, 238, 240, 242, 244, 245 Zumessfunktionen 181
– Bargende-Gleichung 238, 240, 242, 243 Zündabstand 251
– Hohenberg-Gleichung 237, 238, 240, 242, 243 Zündbeschleuniger 93
– Woschni-Gleichung 238, 239, 240, 242, 243 Zündeinrichtung 138
Wärmeübergangskoeffizient 229, 233, 234, 236, 237, – Laserzündung 138
238, 239, 240, 243 – Vorkammerzündkerze 138
Wärmeübertrager 345, 357 – Zündkerze 138
– gelötet 359 Zündfolge 267, 269
– Kühlmittelkühler 359 Zündgrenzen 132
– mechanisch gefügt 359 Zündhilfesystem 420, 424
– Paketbauweise 361 – Bereitschaftsglühens 421
– Prandtl‑Zahl 358 – Glühsoftware 420
– Rohrbündel 360 – Glühstiftkerzen 420
– Scheibenbauweise 360 – Nachglühphase 421
– Wärmekapazitätsströme 357 – Niederspannungs-Glühsysteme 420
– Wärmeübertragungsleistung 357 – Pkw 420
Wärmeübertragung 228 – Startglühen 421
– Konvektion 228 – Vorglühen 420
– Strahlung 228 – Zwischenglühen 421
– Wärmeleitung 228 Zündöl 133, 134
Wartung 430 Zündung 74
Washcoat 504 – Cetanzahl 74
Wasserstoffbetrieb 136 – Diffusionszone 75
Werkstoffe 310 – Zündbeginn 74
– Dauerfestigkeit 311 – Zündwilligkeit 74
– Kolbenwerkstoffe 310 Zündverzug 74
– Leichtmetalllegierungen 310 – Cetanzahl 74
– Monoblock 311 – Diffusionszone 75
– Monotherm 311 – Zündbeginn 74
– Sphäroguss 311 – Zündwilligkeit 74
– Verschleißwiderstand 311 Zündwilligkeit 86, 89, 90, 97, 98, 99
– Wärmeleitfähigkeit 310 – Cetanindex 97, 99
– Warmfestigkeit 310 – Cetanzahl 92, 93, 97, 98, 99
Winglets 369 – Cetanzahlen 91
Wirkungsgrad 16 Zustandsänderungen von Gasen 13
– Carnot-Wirkungsgrad 14 – adiabate 13
– effektiver 16 – ideale 13
– Gütegrad 16 – isobare 13
– innerer/indizierter 16 – isochore 13
– mechanischer 16 – isotherme 13
– thermischer Wirkungsgrad 14 Zustandsgleichungen 22
– Umsetzungsgrad 16 – kalorische 22
Woschni-Gleichung 237 – thermische 22
702    Sachverzeichnis

Zweimassen-Schwungrad 287 – Aluminiumguss 384


Zweistufige Aufladung 57, 65 – Grauguss 384
Zweitaktverfahren 16 – Kugelgraphitguss 384
Zweizonenmodell 22 – Stahlguss 384
Zylinderbankversatz 251 – Vermiculargraphitguss 384
Zylinderdruckindizierung 24 Zylinderladung 12
Zylinderkopf 612, 648 Zylinderlaufbuchse 647
Zylinderköpfe 384 – Feuerstegringe 648
Inserentenverzeichnis

AVL Deutschland GmbH IAV GmbH


Peter-Sander-Str.32 Carnotstraße 1
55252 Mainz-Kastel 10587 Berlin
Tel. 06134 / 7179-0 Tel. 030 / 39978-0
www.avl.com www.iav.de

Beru AG Mahle International GmbH


Mörikestr. 155 Pragstraße 26-46
71636 Ludwigsburg 70376 Stuttgart
Tel. 07141 / 132-0 Tel. 0711 / 50-10
www.beru.com www.mahle.com

Emitec Gesellschaft für Emissionstechnologie mbH MTU Friedrichshafen GmbH


Hauptstraße 128 Maybachplatz 1
53797 Lohmar 88045 Friedrichshafen
Tel. 0 22 46/ 109-0 Tel. 07541 / 90-0
www.emitec.com www.mtu-online.com

Federal Mogul Wiesbaden GmbH Schaeffler KG


Stilstraße 11 Industriestraße 1-3
65201 Wiesbaden 91074 Herzogenaurach
Tel. 0611 / 201-0 Tel. 09132 / 82-0
www.federal-mogul.com www.schaeffler-gruppe.de

Honsel GmbH & Co. KG WTZ Roßlau GmbH


Fritz-Honsel-Str. 30 Karl-Liebknecht-Straße 38
59872 Meschede 06862 Roßlau
Tel. 0291 / 291-0 Tel. 034901 / 883-0
www.honsel.com www.wtz.de

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