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Aufgabe dieser Ausführungen ist es, Vorgänge aufzuzeigen, die eine Erhöhung bzw. Verminde-
rung der Geldmenge (Geldschöpfung bzw. Geldvernichtung) zur Folge haben. Vorgänge die-
ser Art treten immer dann auf, wenn Nichtbanken (Haushalte, Unternehmungen und Staat)
Transaktionen mit der Zentralbank und (oder) den Geschäftsbanken durchführen und dabei
Geldbewegungen zwischen Nichtbanken und Banken stattfinden.
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Geldbewegungen zwischen Haushalten, Unternehmungen und Staat bewirken im allgemeinen
keine Geldschöpfung bzw. Geldvernichtung, sondern nur eine Umverteilung der Geldmenge in-
nerhalb des Nichtbankensektors.
Es erleichtert das Verständnis, wenn wir hierzu einige Beispiele betrachten und den zahlenmäßi-
gen Niederschlag der entsprechenden Transaktionen in Kontenform darstellen:
Beispiel 1: Die Bank erwirbt Sachvermögen, z.B. ein Gebäude, von einer Unternehmung im Wer-
te von einer Million Geldeinheiten (GE) und zahlt mit Sichtforderungen auf sich selbst. In der
Bankbilanz wird eine Zunahme von Sachvermögen und Sichteinlagen gebucht, es kommt zu ei-
ner Bilanzverlängerung; in der Bilanz der Unternehmen findet dagegen ein Aktivtausch statt (Bu-
chung1 a):
Bank
Nichtbank
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Eine Ausnahme bilden Überweisungen von privaten Nichtbanken (Haushalte und Unternehmungen) zugunsten der Zentralbankein-
lagen öffentlicher Haushalte und umgekehrt.
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Vgl. hierzu E. Schneider, Einführung in die Wirtschaftstheorie. III. Teil. Geld, Kredit, Volkseinkommen und Beschäftigung. 11., verb.
und erw. Aufl. Tübingen 1969. S. 14ff.
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(1a) Sachvermögen - 1 Mio.
(1a) Sichtguthaben + 1 Mio.
(1b) Sachvermögen + 1 Mio.
(1b) Sichtguthaben - 1 Mio.
Der Ankauf von Sachvermögen durch die Bank führt also in dem Beispiel zu einer Erhöhung der
Geldmenge (Geldschöpfung) in Form von Giralgeld. Das umgekehrte Ergebnis (also eine Geld-
vernichtung) stellt sich ein, wenn die Bank Sachvermögen veräußert und mit Sichtguthaben bei
der Bank bezahlt wird (Buchung 1 b).
Beispiel 2: Die Bank kauft Devisen, z. B. Dollarguthaben, von einem Exporteur im Werte von zwei
Millionen GE und zahlt mit Sichtforderungen auf sich selbst. Wie im ersten Beispiel ergibt sich in
der Bankbilanz eine Bilanzverlängerung, in der Bilanz des Exporteurs ein Aktivtausch (Buchung 2
a):
Bank
Nichtbank
Der Ankauf von Devisen durch die Bank führt also in dem Beispiel zu einer Erhöhung der Geld-
menge (Geldschöpfung) in Form von Giralgeld. Das umgekehrte Ergebnis (also eine
Geldvernichtung) erhält man, wenn die Bank Devisen an eine Nichtbank (z. B. an einen
Importeur) veräußert und mit Sichtguthaben bezahlt wird (Buchung 2 b).
Beispiel 3: Die Bank gewährt einer Unternehmung einen Kredit in Höhe von drei Millionen GE
und schreibt den Gegenwert dem Girokonto der Unternehmung gut. Da sich mit der Kreditgewäh-
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rung die Verbindlichkeiten des Unternehmens erhöhen, ergibt sich auch in der Bilanz der Unter-
nehmung eine Bilanzverlängerung (Buchung 3 a):
Bank
Nichtbank
Mit der Kreditgewährung durch die Bank ist also in dem Beispiel eine Erhöhung der Geldmenge
(Geldschöpfung) in Form von Giralgeld verbunden. Das umgekehrte Ergebnis (also eine Geld-
vernichtung) stellt sich zwangsläufig ein, wenn zum vereinbarten Tilgungszeitpunkt die Rückzah-
lung des Kredites erfolgt (Buchung 3 b).
Beispiel 4: Ein Bankkunde löst eine längerfristige (Nicht-Geld darstellende) Forderung an die
Bank in Höhe von vier Millionen GE auf (z. B. eine Termineinlage mit vierjähriger Festlegungs-
zeit) und erhält dafür Sichteinlagen. In der Bilanz der Bank ergibt sich ein Passivtausch, in der
Bilanz des Bankkunden ein Aktivtausch (Buchung 4 a):
Bank
Nichtbank
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Die Umwandlung einer längerfristigen (Nicht-Geld darstellenden) Forderung an die Bank in eine
Sichteinlage durch einen Bankkunden bewirkt also eine Erhöhung der Geldmenge (Geldschöp-
fung) in Form von Giralgeld. Das umgekehrte Ergebnis (also eine Geldvernichtung) ergibt sich,
wenn ein Bankkunde ein Sichtguthaben in eine längerfristige Forderung an die Bank umwandelt
(Buchung 4 b).
Das vierte Beispiel beschreibt einen Vorgang, bei dem Nichtbanken über ihre Forderungen an die
Bank disponieren. Offenbar ergibt sich eine Geldschöpfung, wenn Nichtbanken Forderungen an
die Bank, die keine inländischen Zahlungsmittel darstellen, liquidieren und dafür Sichteinlagen
erhalten. Umgekehrt tritt eine Geldvernichtung ein, wenn Nichtbanken Forderungen an die Bank,
die keine inländischen Zahlungsmittel darstellen, erwerben und dafür Sichteinlagen hergeben.
Die sich zwischen den ersten drei Beispielen und dem vierten Beispiel abzeichnenden Unter-
schiede in der Geldschöpfung und Geldvernichtung bedürfen einer weiteren Präzisierung. Wir
werden die erforderlichen Ergänzungen jedoch noch zurückstellen und erst am Ende des fol-
genden Unterabschnittes vornehmen.
Obwohl ein Einbank-Modell von der wirtschaftlichen Wirklichkeit weit entfernt ist, führt eine sich
der Realität annähernde Betrachtungsweise bezüglich der Geldschöpfung und -vernichtung nur
zu relativ wenigen zusätzlichen Erkenntnissen. Unterschiede entstehen lediglich dadurch, dass
ein Zentralbanksystem und ein Geschäftsbankensystem nebeneinander existieren und Geld-
schöpfungsprozesse durch beide Institutionen möglich sind. Die Zahlungsmittel bestehen demzu-
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folge aus Zentralbankgeld in Form von Noten und Sichtforderungen an das Zentralbanksystem
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E. Schneider, Einführung in die Wirtschaftstheorie. III. Teil, ..., a.a.O., S. 16.
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E. Schneider, Einführung in die Wirtschaftstheorie. III. Teil, ..., a.a.O., S. 16.
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sowie aus Giralgeld der Geschätfsbanken (Sichtforderungen an die Geschäftsbanken). Die nun-
mehr zugrundegelegte Geldwirtschaft ist also ein Mischgeldsystem.
Beispiel 5: Die Zentralbank erwirbt Sachvermögen (z. B. ein Gebäude) von einer Unternehmung
im Wert von fünf Millionen GE und zahlt eine Million GE in bar (d.h. also in Form von Noten), den
Rest in Form von Giralgeld. In der Zentralbankbilanz kommt es zu einer Bilanzverlängerung, in
der Bilanz der Unternehmen zu einem Aktivtausch.
Zentralbank
Nichtbank
Sachvermögen - 5 Mio.
Sichtguthaben + 4 Mio.
Noten + 1 Mio.
Kauft die Zentralbank Devisen von einer Nichtbank oder gewährt sie einen Kredit an eine Nicht-
bank, dann tritt in den Bilanzen an die Stelle der Sachvermögensänderung lediglich eine Ände-
rung des Bestandes an Devisen oder Krediten. In jedem dieser Fälle kommt es durch den Ankauf
von Aktiva durch die Zentralbank zu einer Erhöhung der Geldmenge (in Form von Zentralbank-
geld), also zu einer Geldschöpfung.
Beispiel 6: Eine Geschäftsbank gewährt einer Unternehmung einen Kredit in Höhe von sechs
Millionen GE und zahlt davon eine Million GE in Form von Noten aus. In der Bankbilanz ergibt
sich ebenso wie in der Bilanz der Unternehmung im Endergebnis eine Bilanzverlängerung
Geschäftsbank
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Nichtbank
In entsprechender Weise wird der Erwerb von Sachvermögen oder Devisen durch eine Ge-
schäftsbank gebucht. Ähnlich wir in den Beispielen 1, 2 und 3 erfolgt also in jedem Fall eine
Geldschöpfung; der Unterschied gegenüber den Beispielen 1, 2 und 3 besteht nur darin, dass die
Geschäftsbank auch Noten abgibt und die Nichtbanken auch Noten erhalten.
Beispiel 7: Ein Bankkunde löst eine längerfristige Forderung an eine Geschäftsbank (z. B. eine
Spareinlage mit vierjähriger Kündigungsfrist) in Höhe von sieben Millionen GE auf und läßt sich
den Gegenwert in Höhe von einer Million GE in bar auszahlen; der Rest wird seinem Girokonto
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gutgeschrieben. In der Bankbilanz ergibt sich ein Passivtausch sowie eine Bilanzverkürzung und
in der Bilanz des Bankkunden ein Aktivtausch.
Geschäftsbank
Nichtbank
Sparguthaben - 7 Mio.
Noten + 1 Mio.
Sichtguthaben + 6 Mio.
Wie in Beispiel 4 besteht das Endergebnis in einer Geldschöpfung, die allerdings (anders als im
Beispiel 4) mit einer Abnahme des Notenbestandes der Geschäftsbank verbunden ist, sobald die
Nichtbanken den Gegenwert der liquidierten Forderung teilweise in Form von Bargeld verlangen.
Beispiel 8: Eine Unternehmung lässt zu Lasten ihrer Sichteinlagen bei einer Geschäftsbank eine
Überweisung in Höhe von acht Millionen GE auf ihr Konto bei der Zentralbank durchführen. In der
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Anders als in einem Einbanksystem mit bargeldlosem Zahlungsverkehr kann ein Passivgeschäft in einem Mischgeldsystem also
auch die Aktivseite der Bilanz einer Geschäftsbank berühren. Dieser Unterschied verschwindet allerdings wieder, wenn man die Bi-
lanz des Zentralbank- und Geschäftsbankensystems zu einer konsolidierten Bilanz des gesamten Bankensystems zusammenfasst
und dabei von Münzbeständen absieht (vgl. Kapitel III unter 3 a) dd) aaa)).
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Bilanz der Geschäftsbank wird eine Abnahme von Zentralbankeinlagen und von Sichteinlagen
gebucht, es kommt also zu einer Bilanzverkürzung; in der Bilanz des Bankkunden erfolgt ein Ak-
tivtausch:
Geschäftsbank
Nichtbank
Sichtguthaben - 8 Mio.
Zentralbankeinlagen + 8 Mio.
Die Buchungsvorgänge verlaufen in der umgekehrten Richtung, wenn der Betrag von acht Millio-
nen GE vom Zentralbankkonto der Unternehmung auf ein Girokonto bei einer Geschäftsbank
überwiesen wird. In keinem der beiden Fälle ergibt sich eine Veränderung der Geldmenge; eine
Geldschöpfung bzw. Geldvernichtung findet also nicht statt. Lediglich die Struktur der Geldmenge
wird eine andere. Im ersten Fall steigt der Anteil des Zentralbankgeldes, im zweiten geht er zu-
rück.
Die Vorgänge, die zu einer aktiven Geldschöpfung oder Geldvernichtung führen, lassen sich wei-
ter klassifizieren, wenn die Bilanz der Bankkunden, also der Nichtbanken, näher betrachtet wird.
Beim Verkauf von Sachvermögen und Devisen (Beispiel 1, 2 und 5) erhält der Bankkunde Zah-
lungsmittel, ohne dass sich seine Passiva verändern; im Beispiel 3 bzw. 6 (Aufnahme eines Kre-
dites) gelangt der Bankkunde dagegen in den Besitz von Zahlungsmitteln, indem er sich ver-
schuldet. Die aktive Geldschöpfung ist also in den Beispielen 1, 2 und 5 von einer Erhöhung der
Nettoforderungen des Bankkunden gegenüber der Bank (Forderungen an die Bank minus Ver-
bindlichkeiten gegenüber der Bank) begleitet. In diesem Fall erwirbt die Bank primäre Aktiva. Im
Fall der Kreditaufnahme (Beispiel 3 bzw. 6) bleiben die Nettoforderungen des Bankkunden ge-
genüber de Bank dagegen unverändert; die Bank erwirbt in diesem Fall sekundäre Aktiva (also
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Aktiva, deren Erwerb durch die Bank, anders als bei primären Aktiva, mit keiner Änderung der
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Nettoforderungen von Nichtbanken verbunden ist) .
Das Gegenstück zu Aktivgeschäften bildet ein Bankgeschäft, das durch die Beispiele 4 bzw. 7
oder 8 illustriert und als Passivgeschäft bezeichnet wird. Einem Passivgeschäft liegen Dispositi-
onen der Nichtbanken über ihre Forderungen an Banken zugrunde. Hieraus resultiert in der
Bankbilanz eine Änderung der Passivseite, ohne das gleichzeitig der Bestand an Aktiva, die kei-
ne inländischen Zahlungsmittel darstellen, verändert wird. Führen solche Passivgeschäfte zu
einer Änderung der Geldmenge (wie in den Beispielen 4 und 7), dann bezeichnet man diesen
Vorgang als passive Geldschöpfung bzw. Geldvernichtung.
Zusammenfassung:
1. Eine aktive Geldschöpfung findet statt, wenn Banken (Geschäftsbanken oder Zentral-
bank) von Nichtbanken Aktiva erwerben, die keine inländischen Zahlungsmittel darstellen,
und dafür Zahlungsmittel hergeben. Eine aktive Geldvernichtung findet statt, wenn Banken
an Nichtbanken Aktiva abstoßen, die keine inländischen Zahlungsmittel darstellen, und dafür
von den Nichtbanken Zahlungsmittel erhalten.
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Vgl. Schneider, Einführung in die Wirtschaftstheorie. III. Teil, ..., a.a.O., S. 16.
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