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Romanische

Sprachgeschichte
Histoire linguistique
de la Romania
Ein internationales Handbuch zur Geschichte
der romanischen Sprachen
Manuel international d’histoire linguistique
de la Romania

Herausgegeben von / Edité par


Gerhard Ernst · Martin-Dietrich Gleßgen
Christian Schmitt · Wolfgang Schweickard
1. Teilband / Tome 1

Walter de Gruyter · Berlin · New York


2003

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1. Romanistik und Sprachgeschichtsschreibung 1

I. Methodische Grundlagen der romanistischen


Sprachgeschichtsschreibung
Fondements méthodologiques de l’historiographie des
langues romanes

1. Romanistik und Sprachgeschichtsschreibung


La romanistique et l’historiographie linguistique
1. Sprachgeschichtsschreibung im Aus der Traditionsbindung entstehen zu-
Wissenschaftsgefüge gleich starke inhärente Bedingtheiten. Jede
2. Forschungsgegenstand und Detailentscheidung, aber auch die Gestal-
Forschungstradition tung jeder neuen Forschungsrichtung ist in
3. Wege der heutigen romanistischen der Praxis an die vorhandenen Vorgaben
Sprachgeschichtsschreibung
4. Methodenlehre und Perspektiven
und deren intrinsische Logik geknüpft. In
5. Literatur der historischen Lexikologie besteht z. B.
eine ursächliche Verbindung zwischen der
Erkenntnis des Lautwandels und der Ent-
1. Sprachgeschichtsschreibung im wicklung der Etymologie, zwischen dem so
Wissenschaftsgefüge entstandenen Gerüst von Wortzusammenge-
hörigkeiten und der Entfaltung der histori-
1.1. Interne und externe Bedingtheit des schen Semantik, zwischen diesen empirisch
Faches gestützten Vorgaben und der weiterführenden
Die Sprachgeschichtsschreibung ist integraler Deutung in der kognitiven Linguistik (Schmitt
Bestandteil des modernen Wissenschaftsgefü- 2001). Zwar konnte bereits Friedrich Diez
ges, wie es sich im 19. und 20. Jh. herausgebil- wesentliche Aspekte erkennen, die in der spä-
det hat. Sie teilt entscheidende Eigenschaften teren Forschung eine Rolle spielen sollten,
mit anderen Zweigen der Geistes- und auch doch waren sie mit den zu seiner Zeit vorlie-
Naturwissenschaften, bei denen die fachliche genden empirischen und theoretischen Instru-
Praxis durch die Bindung an die fachinterne menten noch nicht systematisch behandelbar
Tradition und an das gesellschaftliche Umfeld (cf. infra 2.3.). Wie bei dieser Traditionslinie
bestimmt wird. erkennbar, prägen die zu einem bestimmten
Die Tradition der Sprachhistoriographie Zeitpunkt vorliegenden internen Vorgaben we-
ist gleichwohl im Verhältnis zu anderen Fä- sentliche Forschungsentscheidungen.
chern eher jung. Zwar haben über die Jahr- Mindestens ebenso wichtig für die Ent-
hunderte hinweg immer wieder Gelehrte wicklung jeder einzelnen Wissenschaft sind
Gedanken niedergeschrieben, die heutige daneben die gesellschaftlichen Rahmenbe-
Gegenstände des Faches berühren. Doch dingungen materieller und ideeller Art. So ist
finden in Antike und Mittelalter neben der die intensive Beschäftigung mit den europäi-
Jurisprudenz oder der Medizin eher sprach- schen Dialekten zwischen dem ausgehenden
systematische oder im weiteren Sinn histori- 19. und der Mitte des 20. Jh. nicht zu trennen
sche Aspekte Beachtung als eigentlich von der noch großen Zahl von Dialektspre-
sprachhistorische (cf. infra 2.1.). Erst die chern und damit von der soziologischen Re-
neuzeitliche Entfaltung der Sprachhistorio- levanz der Dialekte und ihrer Positionierung
graphie führt zu den dichten Traditions- gegenüber den sich ausdehnenden National-
strängen, die für die moderne Wissenschaft sprachen. Auch die in etwa gleichzeitige Ent-
konstitutiv sind: Sie schaffen die Möglich- faltung einer nationalen Sprachgeschichts-
keit einer impliziten Referenz auf ein vor- schreibung, die in die großen Werke eines
handenes und jeweils gültiges Paradigma, Ferdinand Brunot oder eines Ramón Menén-
auf dem alle Wissenschaftspraxis beruht. dez Pidal mündete (cf. infra 2.3.), hat eine er-

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2 I. Methodische Grundlagen der romanistischen Sprachgeschichtsschreibung

kennbare externe Motivation: Sie fügt sich in aber der Sprachhistorie in besonderem Maß
die Identitätsbildung der noch jungen Natio- aufgrund ihrer engen Verwobenheit mit ge-
nalstaaten ein, die sich eine Geschichte und sellschaftlichen Belangen.
auch eine Sprachgeschichte geben mussten
(→ Art. 2; 3). 1.2. Parameter der gesellschaftlichen
Diese paneuropäische Forschungsströmung ‘Verortung’
ging so weit, zeitgenössische Gegebenheiten Die konkrete ‘Verortung’ der Sprachge-
in die Vergangenheit zu projizieren. Die Edi- schichtsschreibung im kulturell-intellektuel-
tion mittelalterlicher romanischer Texte re- len Raum wird maßgeblich von ihrem gerin-
duzierte deren graphische, manchmal auch gen unmittelbaren Anwendungsbezug und
morphologische Varianz auf ein Mindest- von ihrem ausgeprägten reflexiven Charak-
maß und schuf so ein orthographisch weit- ter bestimmt. So spielt die Sprachgeschichte
gehend kohärentes Altfranzösisch oder Altita- zwar eine gewisse Rolle im Hintergrund bei
lienisch, das der Vorstellung einer nationalen Normierung und Ausbau der Standardspra-
Standardsprache entgegenkam. Diese Art der chen und bei der diese begleitenden Lexiko-
Editionspraxis wirkte wiederum – und zwar und Grammatikographie. Doch ist sie in den
negativ – auf die sprachhistorische Deutung, anderen angewandten Bereichen der
wo sie etwa die Varianzforschung behinderte. Sprachwissenschaft von minimalem unmit-
Die Qualität von Texteditionen und philologi- telbaren Nutzen, sei es in der Fremdspra-
scher Diskussion hat nicht nur in diesem Fall chenlehre, in der Kommunikationstheorie
unmittelbare Folgen für andere Kernbereiche und -praxis oder in der – traditionellen und
der sprachhistorischen Forschung. Die gesell- maschinellen – Übersetzung. Anders als die
schaftlichen Rahmenbedingungen überlagern Historie im weiteren Sinn eignet sich die
sich mit den internen Traditionslinien des Fa- Sprachhistorie bisher auch kaum für popu-
ches. lärwissenschaftliche, also publikumsträch-
Die sehr instabile Position der einzelnen tige Darstellungen.
Fächer im sozialen und wissenschaftlichen Die geringe unmittelbare Verwertbarkeit
Gefüge einer Epoche oder eines Landes hat sprachhistorischer Forschungsergebnisse er-
darüber hinaus stets mit einem Kernwider- öffnet umgekehrt große Freiheiten bei der
spruch zu rechnen: Einerseits ist es kaum Wahl der Forschungsgegenstände; die Sprach-
vorstellbar, dass eine konstituierte oder in geschichte bildet hierin einen Gegenpol gegen-
der Entstehung begriffene Disziplin ohne über einer Wissenschaft wie der Medizin, wo
vorwissenschaftlichen Konsens eine relevante meist allein die Häufigkeit einer Krankheit die
Rolle in der Gesellschaft spielen könnte. An- Notwendigkeit und Intensität ihrer Erfor-
dererseits kann ein Fach nicht existieren, schung begründet.
ohne dass in ihm kreative, unabhängige und Der reflexive Charakter der Sprachhisto-
bedingungsresistente Leistungen vollbracht rie begründet ihren – abgeleiteten – Wert als
würden. Die jeweilige zeitgenössische Spreng- Hilfswissenschaft für bestimmte Nachbar-
kraft neuer Gedanken und neuer Methoden disziplinen, allen voran die Linguistik und
ist der notwendige Widerpart zu den exter- die Historie. Er äußert sich darüber hinaus
nen und internen Vorgaben. Der Platz der in ihrem ganz eigenen Beitrag zur Identitäts-
Sprachgeschichtsschreibung in der Gesell- bildung. Das identitätsstiftende Potential
schaft und ihre Ausstrahlungskraft auf an- wird bes. deutlich in Bereichen wie Sprach-
dere Bereiche ergeben sich also aus einem kontakt und Sprachkonflikt oder bei der
Wechselspiel von systemhafter Bedingtheit Problematik sprachlicher Normen. Aus der
des Faches und davon partiell unabhängiger hier angelegten Funktionalität und Rele-
individueller Kreativität. vanz ergibt sich jedoch im Gegenzug die
Je intensiver man sich mit der Geschichte erwähnte Gefahr einer besonderen Wer-
der Sprachwissenschaft beschäftigt, umso tungsanfälligkeit und ideologischen Instru-
deutlicher werden gleichwohl die externen mentalisierung.
und internen Bedingtheiten. Stark ideolo- Die Sprachgeschichtsschreibung ist also
gisch belastete Epochen, wie die Zeit des eu- eine Grundlagenwissenschaft im klassischen
ropäischen Faschismus, aber auch jüngere Sinne, mit einem geringen Anwendungs- und
diktatorische Regime zeigen dies in extremer einem starken Erkenntnischarakter. Wie alle
Schärfe (cf. z. B. Hausmann 2000). Die Wer- anderen Wissenschaften steht sie im Span-
tungsabhängigkeit und -anfälligkeit eignen nungsfeld zwischen gesellschaftlicher Verwert-
im Prinzip allen Wissenschaften, vielleicht barkeit und individueller Gestaltungsfreiheit.

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1. Romanistik und Sprachgeschichtsschreibung 3

Eine Präzisierung erfährt die gesellschaftli- schaftlichen Deutung zu einem besseren


che Verortung der Sprachgeschichtsschrei- Verständnis der Phänomene beitragen. Dies
bung durch ihren Gegenstandsbereich. An- gilt sowohl für die systemorientierte Sprach-
ders als bei der Biologie, der Medizin oder wissenschaft wie für die Variations- und
auch anderen Sparten der Sprach- und Kom- Soziolinguistik: Lautwandel, phonetische
munikationswissenschaft ist die Sprachhisto- Varianz und Phonologie sind ähnlich verwo-
rie nicht primär anthropologisch, sondern ben wie semantischer Wandel und Poly-
kulturell ausgerichtet. Ihr Objekt ist zu- semie, Etymologie und semantisches Netz,
nächst nicht der beobachtbare Mensch, son- Grammatikalisierung und Morphologie.
dern ein von ihm geschaffenes, historisch Nur die Sprachhistorie kann erklären, wie
kontingentes Artefakt: Die Quellen der Sprachen standardisiert werden und welche
Sprachgeschichte können zwar aufbereitet, Folgen dieser Prozess für den Varietäten-
aber nicht geschaffen werden. Das Fach kann raum hat. Sie eröffnet Möglichkeiten der
sich nur da entfalten, wo eine Dokumenta- Urteilssicherheit, die eine reine Betrachtung
tion der Sprachverwendung über einen mög- des Gegenwärtigen nie bieten könnte.
lichst langen Zeitraum hinweg besteht. Am Schließlich ermöglicht sie ganz konkret die
ehesten gilt dies für seit Jahrhunderten ver- Herleitung heutiger sprachlicher Situatio-
schriftete Sprachen. Die Sprachhistorie ist nen aus ihrem Werden heraus.
damit für viele europäische Gesellschaften Der Beitrag zur Historie ist demgegen-
von größter Relevanz, für viele afrikanische über weniger umfassend. Die Sprachge-
Gesellschaften aber eher nicht. Der hier zum schichte ist hier nicht eine von zwei Haupt-
Gegenstand gemachte Fall der Romania mit achsen – Synchronie und Diachronie – in
einer – bezieht man die Vorgängersprache, objektiver Realität und Forschung, sondern
das Latein, mit ein – über 2.700 Jahre hin- nur ein möglicher Untersuchungsansatz von
weg reichenden Dokumentation und über- vielen. Sie steht neben der Institutionenge-
dies einer beachtlichen Varianz zwischen und schichte, der Mentalitätsgeschichte oder der
innerhalb der verschiedenen romanischen Wirtschaftsgeschichte, vielleicht am ehesten
Idiome, bietet sich für sprachhistorische Stu- vergleichbar anderen historischen Hilfswis-
dien ganz bes. an, ist aber eigentlich ein Son- senschaften wie der Diplomatik oder der Ar-
derfall. chäologie. Der mögliche Beitrag der Sprach-
geschichte zur Historie ist allerdings größer
1.3. Das Verhältnis zu Nachbardisziplinen als dies die aktuellen institutionellen und
Die Sprachhistoriographie unterscheidet sich inhaltlichen Verbindungen vermuten lassen
von vielen anderen Wissenschaften durch könnten: Die Onomastik gibt Hinweise für
ihre geringe interne Kohärenz. Schon von Siedlungsgeschichte und -intensität; die histo-
Anfang an handelt es sich um eine abgelei- rische Soziolinguistik und Sprachkonfliktfor-
tete, hybride Disziplin: Sie ist integraler Be- schung helfen beim Verständnis gesellschaftli-
standteil sowohl der Sprachwissenschaft als cher Gegebenheiten; der Sprachausbau geht
auch der Historie, die beide eine frühere Ent- einher mit politischen und soziokulturellen
faltung erfahren haben. Eine Hierarchisie- Veränderungen; auch die Ausbildung von
rung der beiden Mutterwissenschaften von Fach-, Sonder- und Gruppensprachen ist eng
der Genese her ist schwierig, da eine jede an die sie umgebende Gesellschaftsstruktur
konstitutive Elemente zur Sprachhistoriogra- gebunden. Die Sprache hat einen hohen Indi-
phie beigetragen hat (für den historischen zienwert für sprachexterne Phänomene, ins-
Part → Art. 46). Dennoch ist die Bindung der bes. für die Identitätsbildung und die soziale
Sprachhistorie an die Sprachwissenschaft Kohäsion. In den meisten dieser Bereiche
heute sehr viel enger als an die Geschichts- hemmt jedoch die Fächergrenze die wechsel-
wissenschaft. seitige Befruchtung; eine stärkere Einbindung
Schon institutionell ist die Sprachge- der Sprachhistorie in die Geschichtswissen-
schichte praktisch überall im Rahmen der schaften ist nach wie vor ein Desiderat.
Sprach- und Kommunikationswissenschaf- Verbindungen zwischen der Sprachhisto-
ten angesiedelt. Dem entsprechen die inhalt- rie und weiteren wissenschaftlichen Diszipli-
lichen Wechselbeziehungen: Einerseits be- nen entstehen zumeist nicht direkt, sondern
ruht die Sprachhistorie auf den Grundlagen vielmehr im Konglomerat mit anderen Berei-
der synchronen Sprachbetrachtung; ande- chen der Sprachwissenschaft oder der Histo-
rerseits kann ein historischer Ansatz in rie. Man wird also eher die Vernetzung zwi-
nahezu allen Bereichen der sprachwissen- schen Sprachwissenschaft und Philosophie

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4 I. Methodische Grundlagen der romanistischen Sprachgeschichtsschreibung

untersuchen und dabei die Rolle der Sprach- Betrachtung derselben sprachhistorischen
geschichte berücksichtigen als unmittelbar Phänomene: Das vorliegende Handbuch
die Sprachhistorie als Vergleichsglied heran- zeigt dies sehr deutlich in der nach den ver-
zuziehen. Gleiches gilt im Verhältnis mit an- schiedenen Sprach- und damit oft Kultur-
deren Gesellschaftswissenschaften wie Sozio- räumen geordneten, jeweils parallelen Be-
logie, Ethnologie oder Psychologie. handlung einer bestimmten Thematik, etwa
der Literatursprache oder der Syntax. Sol-
1.4. Einzelsprachliche und kulturelle che zentrifugalen Tendenzen behindern eine
Bindung homogene internationale Wissenschaftsent-
Zur initialen Gespaltenheit der Sprachhisto- wicklung, wie sie insbes. die naturwissen-
riographie tritt als weiterer zentrifugaler schaftlichen Fächer auszeichnet. Zugleich
Faktor die Grundproblematik aller Sprach- erweisen sie neuerlich die Relevanz der
und Kommunikationswissenschaften: Ihre Sprachhistorie für die jeweilige Identitäts-
Positionierung zwischen einem allgemeinen bildung: Die großen Unterschiede in den
sprachwissenschaftlichen und einem einzel- Ländertraditionen entsprechen unterschied-
sprachlich gebundenen Ansatz. Die ohnehin lichen Schwerpunkten im Selbstverständnis
schon problematische Opposition wird da- der einzelnen Gesellschaften.
durch verschärft, dass die dokumentierbare Ein weiterer kultureller Faktor, der die
Historizität der Sprachen sehr unterschied- Forschungsphysiognomie bestimmt, ist die
lich ist. Anders als bei einem klassischen Quellenlage: Eine rumänistische Mediävi-
vergleichenden oder typologischen Ansatz stik etwa wird sich nie in vergleichbarer
können nicht alle vorhandenen Sprachen in Weise entwickeln wie eine okzitanistische;
gleicher Weise nebeneinandergestellt wer- eine historische Lusitanistik wird erst auf
den, sondern nur jene, die über eine Schrift- der Grundlage umfangreicher Archiv- und
tradition verfügen. Bibliotheksstudien ein der historischen Ita-
Zudem erschwert die starke kulturelle Bin- lianistik vergleichbares Potential entfalten
dung der Sprachhistorie den vergleichenden können.
Blick über die verschiedenen Räume hinweg.
So hat sich bisher weder in Methodik noch 1.5. Vergleichende und einzelsprachliche
in inhaltlichen Elementen eine allgemeine romanische Sprachgeschichts-
Sprachhistorie entwickelt, die mehrere unter- schreibung
schiedliche Sprachfamilien einbezieht. Die hi- Schließlich bezeichnet selbst der Terminus
storische Romanistik, Germanistik, Anglistik, ‘Romanistik’ nicht überall dasselbe: Wer
Slavistik, Indoeuropäistik, Orientalistik und heute am ‘Institut für Romanistik’ einer
Sinologie haben jeweils sehr unterschiedliche deutschen Universität ‘Französische Spra-
Wissenschaftstraditionen, die sogar zwischen che und Literatur’ studiert, bezeichnet sich
den benachbarten europäischen Sprachen selbst häufig als ‘Romanist’. Der lehrende
stark divergieren. Das Spannungsfeld zwi- Professor, der in der deutschen wissen-
schen allgemeinem und einzelsprachlichem schaftlichen Tradition steht, vertritt jedoch
Ansatz beschränkt sich dann auf die jeweili- mindestens zwei, meist jedoch mehr Sprach-
gen Sprachfamilien, innerhalb derer Diver- wissenschaften aus dem Bereich der Ro-
genzen und Konvergenzen auf einer sicheren mania. Eine ganz andere Terminologisie-
Grundlage beobachtbar sind. rung verbirgt sich auch in der ‘Filologia
Die romanistische Sprachgeschichtsschrei- romanza’ italienischer Prägung, einer Diszi-
bung stellt damit eine der großen sprach- plin, welche im Wesentlichen die Texte des
historiographischen Traditionen dar, die sich romanischen europäischen Mittelalters zum
eher nebeneinander als miteinander oder Gegenstand hat. Die Herausgeber dieses
nach einem bestimmten Leitbild entwickeln. Handbuchs sehen die Romanistik – und ins-
Die besondere Ausprägung der romanisti- bes. die romanische Sprachhistoriographie –
schen Tradition ist ebenso sehr an die metho- in einer Übergangsposition zwischen einzel-
dische Entwicklung der Erforschung der ein- sprachlicher Wissenschaft und allgemein-ty-
zelnen romanischen Sprachen gebunden wie pologischer Wissenschaft. Diese Zwischen-
an die geschichtswissenschaftlichen Tenden- stellung der Disziplin mag in gewissem Maß
zen in den entsprechenden Ländern. das Resultat einer wissenschaftsgeschichtli-
Schon im Rahmen der intern dicht ver- chen Entwicklung sein. Sie ist aber auch
netzten Romania ergeben sich dabei heute sachgerecht, vom Gegenstand her vorgege-
starke Divergenzen von Land zu Land in der ben: In manchen – bes. sprachinternen – Be-

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1. Romanistik und Sprachgeschichtsschreibung 5

reichen stellt die Romania eine nach außen 2. Forschungsgegenstand und


hin gut abgrenzbare Einheit dar; in anderen Forschungstradition
Bereichen ist sie nur ein kontingent herausge-
brochener Ausschnitt aus der globalen Spra- 2.1. Vorwissenschaftliche Phase
chenvielfalt. So kann man z.B. zwar mit
guten Gründen von einer romanischen Dimi- Menschliches Nachdenken über das Wesen
nutivbildung sprechen, aber kaum von einer der Sprache ist seit den frühesten Zeiten der
romanischen Mediensprache. Der besondere Textüberlieferung belegt. Die tatsächlichen
Erkenntniswert eines romanistischen Ansatzes Zusammenhänge bei der Entstehung und
entsteht dann aus der Möglichkeit, (nahezu) der Entwicklung von Sprachen blieben je-
alle unterschiedlichen Facetten des Gegen- doch lange Zeit unbekannt, weil wichtige
stands ‘Sprache’ miteinander zu verknüpfen Grundinformationen nicht zugänglich wa-
(cf. Gleßgen 2000, 232). ren oder weil der Blick durch Vorverständ-
Selbstverständlich trägt auch der Spezia- nisse verstellt war.
list einer Einzelsprache – vielleicht sogar Die ersten konkreten Erkenntnisse vom
unter Festlegung auf eine bestimmte Epo- dynamischen Charakter der Sprachentwick-
che – zum Erkenntnisfortschritt der roma- lung wurden erst im späten Mittelalter ge-
nistischen Linguistik bei. Das vorliegende wonnen. In der Romania sind die Überlegun-
Handbuch, für das mit Bedacht der Titel gen von Dante Alighieri von zentraler
Romanische Sprachgeschichte / Histoire lin- Bedeutung. Dante erkennt die Wandelbarkeit
guistique de la Romania (anstatt ‘Geschichte der Sprache und räumt der Volkssprache
der romanischen Sprachen / Histoire des im Verhältnis zum Lateinischen Priorität ein
langues romanes’) gewählt wurde, versucht, (→ Art. 20, 2.1.1.). Die Ursprungsfrage und
zu einer Stärkung des romanistischen Be- die Vorstellungen vom Verhältnis zwischen
wusstseins beizutragen. Dieses stellt neben Signifiant und Signifié bleiben allerdings
die einzelsprachliche Erkenntnis die Frage noch über das ganze Mittelalter hinweg von
nach der vorhandenen oder nicht vorhande- christlich inspiriertem Vorverständnis ge-
nen einzelsprachlichen Spezifizität, indem prägt. Erst mit der zunehmenden Emanzipa-
es nicht nur die einzelsprachliche Besonder- tion der romanischen Volkssprachen gegen-
heit in den Blick nimmt, sondern auch mit über dem Lateinischen seit dem 15. Jh. wird
der Möglichkeit kontaktbedingter, typolo- die Sicht auf die Herausbildung und die ge-
gischer oder universaler Konvergenz rech- nealogischen Zusammenhänge der romani-
net. schen Sprachen differenzierter.
Im 16. Jh. gewinnt die Reflexion über die
1.6. Wege zu einer Methodenlehre Sprache und ihre historischen Grundlagen
Die verschiedenen Bedingtheiten der sprach- deutlich an Intensität, in Italien v. a. im Zu-
historischen Forschung im Wissenschafts- sammenhang mit der ‘Questione della lin-
und Sozialgefüge, in das sie eingebettet ist, gua’, der Diskussion um das Verhältnis von
und die hier entstehenden Wechselbeziehun- Latein und Volgare und die Eignung der
gen sind kein genuiner Gegenstand der Dialekte als Literatursprache. Das Erkennt-
sprachhistorisch orientierten Forschung. Ins- nisinteresse der alten Etymologie, die Suche
gesamt hat die Methodenlehre keine ausge- nach Welterkenntnis im Spiegel der Wörter,
prägte Tradition in der Sprachgeschichts- tritt allmählich in den Hintergrund. Die phi-
schreibung, was die interne Kohärenz lologische und quellenkritische Orientie-
schwächt und die fachliche Positionierung er- rung der Renaissance schafft neue Grundla-
schwert (cf. 4.). Denn der Blick auf vorhan- gen für das sprachhistorische Denken. Im
dene zweckorientierte oder sinnstiftende An- 17. Jh. entstehen die ersten etymologischen
knüpfungspunkte nach außen hilft beim Wörterbücher, in denen die christlich-epi-
Verständnis der Relevanz und des Erkennt- stemologische Komponente keine Rolle
nisinteresses eines Faches. Zugleich beruht mehr spielt (→ Art. 31, 1.1.; Schweickard i.
dieses Verständnis auch auf der Betrachtung Dr.). Noch fehlt der Sprachgeschichtsfor-
von Grundtendenzen in den internen Ent- schung allerdings der Einblick in die Gesetz-
wicklungslinien, wie sie im Folgenden für die mäßigkeiten der Sprachentwicklung, die
romanistische Sprachgeschichtsschreibung zentrale Voraussetzung für Wissenschaft-
versucht werden soll. lichkeit im modernen Sinne.

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6 I. Methodische Grundlagen der romanistischen Sprachgeschichtsschreibung

2.2. Anfänge der wissenschaftlichen Phase Dictionnaire d’étymologie daco-romane 1870–


79 für das Rumänische).
Die wissenschaftliche Phase der Romanistik
(3) Unter dem Einfluss des von Ferdinand
beginnt mit der Entstehung der Vergleichen-
de Saussure initiierten Strukturalismus wur-
den Sprachwissenschaft im 19. Jh. Im Rah-
den die anfänglich noch stark atomistisch ge-
men des sprachvergleichenden Ansatzes
prägten Forschungen zur historischen Laut-
konnten die Entwicklungsgesetzmäßigkei-
und Formenlehre zunehmend in sprachsyste-
ten im Bereich von Laut- und Formenlehre
matischen und funktionalen Zusammenhän-
auf sicherer methodischer Basis herausgear-
gen gesehen (Schroth 1998).
beitet werden. Auf dieser Grundlage wurde
(4) Bis weit ins 20. Jh. hinein stützte sich
es erstmals auch möglich, Formen und Sta-
die historische Romanistik vorwiegend auf
dien der Sprachentwicklung über die empi-
schrift- bzw. literatursprachliche Texte.
risch beobachtbaren Bereiche hinaus durch
Eine entscheidende Ausdehnung der empi-
Rekonstruktion zu erschließen. Im Bereich
rischen Grundlage und des Beobachtungs-
der Romania entstanden in der Folge dieser
bereichs resultierte aus der von Graziadio
Forschungen die historische Grammatik
Isaia Ascoli begründeten Dialektologie und
und das etymologische Wörterbuch der ro-
der daraus folgenden Sprachgeographie.
manischen Sprachen von Friedrich Diez, die
Vor diesem Hintergrund wurde eine zuneh-
ersten Summae der historischen Romanistik
mend differenzierte Sicht auf die komplexen
des 19. Jh. (→ Art. 2.2.; 4.).
sprachlichen Entwicklungszusammenhänge
möglich (→ Art. 31, 1.2.2.; für die Germani-
2.3. Differenzierung und Ausbau
stik Hildebrandt 1998). Den Idealtypus der
Das Erkenntnisinteresse und die empiri- in dieser Tradition stehenden Forschungs-
schen Grundlagen der wissenschaftlichen ergebnisse stellt die Historische Grammatik
romanistischen Sprachgeschichtsforschung der italienischen Sprache und ihrer Mundar-
waren in diesen ersten Etappen noch sehr ten von Rohlfs dar (11949–54).
begrenzt. Gegen Ende des 19. und zu Beginn (5) Mit dem Aufkommen der sach- und
des 20. Jh. erfolgten dann eine weit rei- kulturhistorisch orientierten Wörter-und-
chende Differenzierung und der Ausbau der Sachen-Forschung fand die Semantik als
historischen romanistischen Sprachfor- komplementäre Komponente ihren Platz in
schung, deren Dynamik bis in die jüngste der historischen Sprachforschung. Darüber
Zeit andauert. Dabei spielen die folgenden hinaus kamen weitere differenzierende Fak-
Aspekte eine entscheidende Rolle. toren der historischen Sprachentwicklung,
(1) Die historische Romanistik etablierte wie etwa die Systematik volksetymologischer
sich rasch als universitäres Lehrfach Variation oder onomatopoetischer Bildun-
(Christmann 1985; Briesemeister 2001). Die gen, stärker zur Geltung. Im Zuge dieser Ent-
daraus resultierende Verbesserung der wis- wicklung wurde auch die ursprüngliche éty-
senschaftsorganisatorischen Infrastruktur mologie-origine durch die étymologie-histoire
ermöglichte die weitere Intensivierung der du mot ersetzt, die eine möglichst umfassende
Forschungen. Der erreichte Forschungs- Dokumentation und Deutung der gesamten
stand spiegelt sich in neuen großen Kom- geschichtlichen Entwicklung des Wortschat-
pendien der romanischen Sprachwissen- zes anstrebt (Baldinger 1977, 221ss.; Wun-
schaft (EWRS 1853; REW 1911–20; Gröber derli 2001, 160s.).
11884–86/21904–06). (6) Nachdem zunächst die Beschreibung
(2) Nachdem der Blick zunächst durch- der internen Sprachgeschichte im Vorder-
weg auf die Gesamtheit der romanischen grund gestanden hatte, fanden in der Folge
Sprachen gerichtet war, konzentrierte sich auch Faktoren der externen Sprachgeschich-
die Forschung nun zunehmend auf einzelne te stärkere Berücksichtigung, v. a. die poli-
romanische Sprachen. Dadurch konnten tischen, sozialen und kulturhistorischen
spezifischere und weiter reichende Ergeb- Rahmenbedingungen, die Probleme des
nisse erzielt werden (Diez 1846 und D’Ovi- Sprachkontakts (Strataforschung) und die
dio / Meyer-Lübke 1927 für das Italienische, Sprachpolitik. Zumindest in Ansätzen schlu-
Meyer-Lübke 1909/21 für das Französische, gen sich diese Faktoren in den zahlreichen
Zauner 11908/21921 für das Spanische, Hu- Überblicksdarstellungen zur Geschichte ein-
ber 1933 für das Portugiesische – EWRS zelner romanischer Sprachen nieder, die seit
1853 und REW 1911–1920, danach FEW dem Beginn des vergangenen Jahrhunderts
1922 ss. für das Französische, und de Cihac, entstanden (Französisch: HLF 1901 ss.; Wart-

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burg 1934. – Italienisch: Migliorini 1960. – (9) Eine starke innovative Potenz liegt
Spanisch: Menéndez Pidal 1926; Lapesa schließlich in der Verbindung von histori-
1942. – Rumänisch: Densusianu 1943; cf. scher und kognitiver Semantik (cf. Blank /
auch Berschin 2001; → Art. 2; 4). Koch 1999). Die kognitive Linguistik er-
(7) Eine weitere wichtige Etappe in der möglicht, unter Rückgriff auf die ältere
Wissenschaftsgeschichte der historischen Wörter-und-Sachen-Forschung, eine verfei-
Sprachforschung wurde mit dem Aufkom- nerte und vertiefte Deutung der bereits zu-
men der zunächst gegenwartssprachlich ori- vor erkannten semantischen Verbindungen
entierten varietätenlinguistischen For- (cf. ib.; Schmitt 2001; Lebsanft / Gleßgen i.
schung eingeläutet. Die hier intendierte Dr.). Wie die Grammatikalisierungsfor-
intensive und differenzierte Erforschung des schung ist dieser Bereich geeignet, das klas-
komplexen sprachlichen Diasystems wurde sische Paradigma auf neuer systemlinguisti-
im Zuge der ‘Vertikalisierung’ des varietä- scher Grundlage fortzuführen.
tenlinguistischen Ansatzes auch für die
Sprachgeschichtsforschung zum Programm
(Ernst 1980). Im Zuge dieser Neuorientie- 3. Wege der heutigen romanistischen
rung traten bislang marginalisierte Bereiche Sprachgeschichtsschreibung
wie Sprechsprache und Substandard deut-
lich in den Vordergrund. Entscheidende Er- 3.1. Innovation aus der Fortführung von
kenntnisgewinne in diesen bislang kaum be- Forschungstraditionen und
achteten und schwer zugänglichen Gebieten Forschungsvorhaben
wurden durch die Erschließung neuer Quel- 3.1.1. Die für Wissenschaft konstitutive Su-
len ermöglicht (Ernst 1985; Ernst / Wolf che nach neuer Erkenntnis ist nicht zu ver-
2002). Auch einige bislang eher vernachläs- wechseln mit der oft etwas kurzatmigen und
sigte Textsorten wurden in jüngerer Zeit in- rasch wechselnden Suche nach neuer The-
tensiver untersucht, insbes. im Hinblick auf matik und neuen Methoden. Gerade in den
die Herausbildung von Fachsprachen und Geisteswissenschaften gibt es Aufgabenbe-
Fachwortschätzen (für das Französische reiche und Forschungslinien, die Konstanz
heute: HLFAnt 1985; 1995; Antoine / Cer- und einen langen Atem benötigen. Das gilt
quiglini 2000). nicht nur für verlegerische Langzeitprojekte
(8) Diese moderne Konzeption einer um- (Wörterbücher etc., cf. 3.1.3.), sondern auch
fassenden varietätenorientierten histori- für ganze traditionelle Bereiche der Sprach-
schen Sprachforschung fand in zahlreichen wissenschaft: Wer etwa der Meinung war,
Einzelstudien und in der Konzeption sprach- die historische Lautlehre der romanischen
historischer Kompendien Niederschlag. Sprachen sei seit den Junggrammatikern
Nach dem Übergang von den historischen und ihren Nachfolgern hinreichend er-
Grammatiken zu den sprachhistorischen forscht, konnte in jüngster Zeit auf Kongres-
Übersichtsdarstellungen im Stile der Storia sen und in linguistischen Zeitschriften er-
della lingua italiana von Bruno Migliorini ist fahren, dass – unabhängig von der Frage, ob
hierin ein zweiter Paradigmenwechsel der man der Argumentation und den Ergebnis-
Sprachgeschichtsschreibung zu sehen. Für sen letztlich zustimmt – auch in diesem Be-
die Romania wurde dieser Paradigmenwech- reich durch erneutes Nachdenken scheinbar
sel mit der Storia linguistica dell’Italia unita sicheres Handbuchwissen in Frage gestellt
von Tullio De Mauro eingeläutet (1963), der werden kann (z. B. Loporcaro i. Dr., mit Re-
die Etappen und die Ausprägungen der ita- levanz auch für die historische Morpholo-
lienischen Sprachgeschichte nach der staat- gie, oder Lepelley 2001 zur historischen
lichen Einigung mit großer Konsequenz aus Phonetik des normannisch-pikardischen
den politisch-soziologischen Rahmenbedin- Gebiets).
gungen ableitete. In der jüngeren Sprachge-
schichtsschreibung findet das Konzept um- 3.1.2. Interne Sprachgeschichte. Für alle
fassende Anwendung, so z. B. in den von Bereiche der Sprache existiert in der Roma-
Besch et al. herausgegebenen HSK -Bänden nistik – sei es für romanische Einzelspra-
zur (deutschen) Sprachgeschichte (11984/85; chen, sei es über die Gesamtheit der romani-
21998/2000) oder, im Bereich der Romania, schen Sprachen hinweg – eine alte, im
in der Storia della lingua italiana von Luca Wesentlichen mit der 1. Hälfte des 19. Jh.
Serianni und Pietro Trifone (SLIE 1993–94, einsetzende Forschungstradition. Es existie-
cf. infra 3.2.3.). ren Repertorien (für Lexik und Onomastik

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8 I. Methodische Grundlagen der romanistischen Sprachgeschichtsschreibung

cf. 3.1.3.; dazu große, hier nicht weiter auf- Holzschuh 1999). Dies gilt auch für die ge-
zuführende historische Grammatiken) und nannte Verbindung von historischer und kog-
Einzelstudien in großer Zahl (→ Kap. XV ). nitiver Semantik, die gleichfalls im Bereich
Aufgrund der Nützlichkeit historischer An- der Systemlinguistik an das aktuelle sprach-
sätze für die Deutung des heutigen Sprach- historische Paradigma anknüpft (cf. supra
systems und für das Verständnis des Sprach- 2.3.). Die kognitive Linguistik scheint für
wandels (→ Art. 221) erfährt dieser Bereich die Romanistik, insbes. für die historische
weiterhin eine intensive Erforschung. Aller- bzw. diachronische Romanistik von beson-
dings setzen die unterschiedlichen nationalen derem Interesse, beruht sie doch – etwas ver-
Forschungstraditionen durchaus verschie- einfachend gesagt – auf einem sprachver-
dene Schwerpunkte. Auch hat die Vielfalt der gleichend-onomasiologischen Ansatz, für
in der 2. Hälfte des 20. Jh. entwickelten Me- den die Vielzahl romanischer Sprachen ein
thoden synchronisch-systematischer Sprach- bes. günstiges Arbeitsfeld bietet.
beschreibung bisher erst teilweise ihren Nie- Eine moderne sprachvergleichende Me-
derschlag in der Sprachhistoriographie der thodik eröffnet u.a. den Zugang zu der span-
Romania oder auch anderer Sprachen und nenden Frage, wie genetisch verwandte Spra-
Sprachfamilien gefunden. chen sich nicht nur auseinanderentwickeln,
Die Übertragung auf die historische Per- sondern auch konvergierende Entwicklungen
spektive kann insbes. Ergebnisse einer auf aufweisen. Derartige Konvergenzen können
heutige Sprachzustände ausgerichteten natürlich durch Sprachkontakt verursacht
Sprachtypologie in ein neues Licht rücken sein: Durch direkten Sprachkontakt, aber
und für heute beobachtbare Parallelen oder auch indirekt durch ein gemeinsames Kul-
Divergenzen romanischer Sprachen histori- turadstrat wie Mittellatein, Gelehrtenlatein
sche Deutungsmöglichkeiten anbieten. So (→ Art. 134–137) oder in neuerer Zeit ameri-
kommt etwa Stein (1997) zwar ohne ausge- kanisches Englisch als Sprache einer globali-
prägte valenzgrammatische Theorie und sierten Kultur (→ Art. 150; allgemein zur
Terminologie aus, dennoch bildet sein Bei- Sprachkontaktforschung cf. Kap. XII sowie
trag letztlich eine historisch-vergleichende Goebl et al., HSK 12, 1996/97). In anderen
Studie zur wechselnden syntaktischen Aus- Fällen mag man trotz paralleler bzw. konver-
füllung (Nominalgruppe, Infinitiv, Neben- genter Entwicklungen kaum an derartige
satz) der Aktantenrollen und der freien An- Sprachkontakte glauben. Als Erklärungs-
gaben in den Sprachen der Romania. Eine möglichkeit bleiben übereinzelsprachliche,
derartige historische Perspektivierung de- wenn nicht gar universelle Aspekte menschli-
skriptiver linguistischer Methoden hätte si- cher Wahrnehmung und Beurteilung (bzw.
cherlich unterschiedliche Ausgangspunkte übereinzelsprachlicher Wandel derartiger
in national unterschiedlichen Forschungs- Aspekte).
traditionen: So nimmt in Deutschland die In diesem Zusammenhang erscheinen für
Valenzgrammatik und ihre methodische zukünftige Forschung historisch-komparati-
Weiterentwicklung eine starke Stellung ein stische Ansätze der Romanistik bes. lei-
(für eine diachronische Perspektivierung der stungsfähig, auch wenn sie dabei ihre Gren-
Valenzgrammatik cf. die Beiträge in Schøs- zen überschreiten muss. Wie in vielen
ler 2001); in Rumänien dagegen war über anderen Bereichen wurde die Methode der
lange Jahre die Transformationsgrammatik kognitiven Linguistik zunächst auf synchro-
das Erklärungsmodell par excellence. Selbst- nische heutige Sprachzustände bezogen. An-
verständlich eignen sich nicht alle Bereiche sätze zu einer diachronischen Perspektivie-
einer synchron ausgerichteten Sprachwissen- rung dieses Wissenschaftszweiges sind
schaft für eine derartige historische Perspek- vorhanden (Blank 1997; Blank / Koch 1999;
tivierung; dies gilt insbes. für anwendungsbe- Théories contemporaines 2000), jedoch lassen
zogene Disziplinen wie Sprachtechnologie sich deren Erträge noch nicht zu handbuch-
oder die Methodik der automatischen Über- artigen Synthesen verdichten.
setzung.
Von bes. Innovationskraft sind im Bereich 3.1.3. Historische und etymologische Wörter-
der internen Sprachgeschichte die For- bücher. Darüber hinaus gibt es Forschungs-
schungen zur Grammatikalisierung, die in projekte, deren Fortführung – unabhängig
den letzten Jahren (insbes. im Teilbereich von den Fragen neuer Erkenntnisziele und
der Periphrasen) einen starken Aufschwung wechselnder Methoden – von der Sache her
erfahren haben (cf. etwa Lang / Neumann- zwingend ist, da das ursprünglich ins Auge

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1. Romanistik und Sprachgeschichtsschreibung 9

gefasste Ziel noch nicht erreicht werden jekt zu den griechischen und slawischen Ety-
konnte. Dies gilt bes. für Langzeitprojekte mologien cf. Dahmen 1993 und → Art. 141);
wie die großen historischen und etymologi- unter den alpenromanischen Varietäten
schen Wörterbücher – wissenschaftliche wurde in den letzten Jahrzehnten nur das
Aufgaben, welche in vielen Fällen die Ar- Dolomitenladinische mit einem etymologi-
beitskraft mehr als einer Generation von schen Wörterbuch (EWD ) bedacht (→
Wissenschaftlern in Anspruch nehmen. Der Art. 30), während ein Projekt zum Friulani-
unvermeidlich lange Zeitraum ihrer Entste- schen (DESF ) seit 1987 ins Stocken geraten
hung führt aber zu Problemen der Beibehal- ist; zum Sardischen liegt immerhin seit den
tung oder des Wechsels von Methoden. Im 60er Jahren Max Leopold Wagners dreibän-
Allgemeinen werden methodische (oder diger DES vor, der jedoch, ähnlich wie das
auch nur organisatorische) Neuerungen nur EWD als das Werk eines Einzelnen und in
sehr vorsichtig in ein derartiges laufendes relativ kurzer Zeit erstellt, verständlicher-
Unternehmen eingeführt, um Brüche im Ge- weise bescheidenere Zielsetzungen hatte (→
samtwerk zu vermeiden, welche dessen Be- Art. 31); für das Katalanische und für das
nützbarkeit erschweren könnten (z. B. die Spanische sind die etymologischen Wörter-
methodische Änderung in der Darstellung bücher DECL (l)C bzw. DCECH abgeschlos-
der Latinismen im LEI , Fasz. 32, 1991, sen (zur Kritik daran → Art. 33; 34).
2769 s.). Ist das Werk abgeschlossen, erweist Die Schwierigkeit und gleichzeitig die
sich oft eine Überarbeitung des Gesamt- Notwendigkeit des langen Atems zeigt sich
werks oder von Teilen als nötig; zusätzliche exemplarisch an Bodo Müllers DEM : Nach
Hilfsmittel können die Benützbarkeit er- längerer Anlaufzeit erschien das erste Faszi-
leichtern (zu diesen Fragen in Bezug auf das kel im Jahr 1987; 2002 wurde mit Fascículo
FEW → Art. 32). 22 der Eintrag alderredores erreicht. Ähn-
Während wir für das Französische mit liches gilt für die parallel laufenden onoma-
dem FEW über ein Maßstäbe setzendes ety- siologisch ausgerichteten Wörter zum Alt-
mologisches Wörterbuch verfügen und dar- gascognischen und Altokzitanischen (DAG
über hinaus ein historisches Wörterbuch zur und DAO, beide seit 1975). Auch die Arbeit
mittelalterlichen Periode wie dasjenige von am DOM (von Helmut Stimm seit den 70er
Tobler-Lommatzsch (TL ) zum Abschluss Jahren projektiert, erstes Faszikel 1996 er-
gebracht wurde, sind die anderen romani- schienen) wird noch jahrzehntelange Arbeit
schen Sprachen weniger gut versorgt. Am erfordern. Zur Kritik am Zustand histori-
günstigsten ist die Situation für das Italieni- scher und etymologischer Lexikographie des
sche: Max Pfisters LEI hat 2002 den Buch- Portugiesischen, cf. Art. 35.
staben B abgeschlossen; als historische Wör- Recht erfreulich zeigt sich dagegen die
terbücher der älteren Periode sind die etymologische Forschung zu den Franzö-
wichtigen Projekte GAVI (beruhend auf sisch basierten Kreolsprachen mit Annegret
einem selektiven Corpus der frühen Texte Bollées DECOI (nur zum Frankokreol des
bis 1300) und insbes. TLIO im Entstehen. Indischen Ozeans), an dessen Ergänzung
Das Erkenntnisziel eines Projekts wie TLIO durch ein etymologisches Wörterbuch der
ist im Wesentlichen nicht sehr verschieden französischen Kreolsprachen des karibi-
von demjenigen älterer Werke: die Darstel- schen Raums bereits gedacht wurde (→
lung des Lexembestands einer Sprache in ei- Art. 36). Als Desiderata verbleiben parallele
ner bestimmten Periode als philologisches, Projekte für andere romanische Sprachen,
linguistisches und kulturgeschichtliches wobei auch die sog. ‘kleineren Sprachen’
Hilfsmittel. Die Leiter derartiger Unterneh- nicht ausgespart bleiben sollten: linguistisch
men bedienen sich dabei in zunehmendem gesehen ist deren Ertrag (handle es sich nun
Maß elektronischer Hilfsmittel bei Datener- um Friaulisch oder Frankoprovenzalisch,
fassung, Verarbeitung der Daten und Publi- Galicisch oder Sardisch) demjenigen der
kation, wodurch die Möglichkeiten der Su- ‘großen’ Sprachen nicht unterlegen.
che bedeutend verbessert werden (→ Die bisher genannten großen etymologi-
Art. 31). schen Wörterbücher inkorporieren zwar in
Viel zu tun bleibt für die anderen romani- günstigen Fällen dialektales Material; spär-
schen Sprachen, wo größere Projekte der ge- lich ist jedoch die Anzahl etymologischer
nannten Art noch am Anfang stehen oder Wörterbücher, die speziell der Etymologie
überhaupt noch nicht in Angriff genommen und Geschichte des dialektalen Wortschat-
wurden: Rumänisch (→ Art. 29; für ein Pro- zes gewidmet sind, zumal weder im FEW

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10 I. Methodische Grundlagen der romanistischen Sprachgeschichtsschreibung

noch im LEI dialektaler Wortschatz lücken- sung und -bearbeitung sowie bei der Publi-
los über Indices abgerufen werden kann. kation (cf. Kunstmann 2000): Der hier ange-
Cortelazzo / Marcato (1998) gibt auf knapp legte Paradigmenwechsel zwingt zu einem
500 Seiten für die Gesamtheit der italieni- entsprechenden methodischen Einsatz.
schen Dialekte nur eine Auswahl der ‘typi- Ohne entsprechende nationale oder interna-
schen’ und ‘interessanten’ Phänomene (In- tionale Forschungsförderung werden Mut
troduzione, VII–IX ). Wünschenswert wäre und Initiativen daher wie in der Vergangen-
eine Serie etymologischer Wörterbücher, heit in den meisten Fällen vergeblich blei-
wie sie von Alberto Varvaro für das Sizilia- ben.
nische in Angriff genommen wurde (VES, → Je mehr romanische Sprachen einen ver-
Art. 31, 2.2.3.4). Wie für die etymologische gleichbar hohen Stand historischer Doku-
Forschung auf regional begrenzter Grund- mentation und etymologischer Forschung
lage, so gibt es auch riesige Lücken zur Ety- erreichen, umso mehr werden Studien zu
mologie des Lexembestands älterer Sprach- Fragen paralleler bzw. konvergierender oder
stufen. Gleiches gilt für die etymologische divergierender Entwicklungen ermöglicht,
Forschung zur Onomastik (Toponymie, An- für die gerade die romanischen Sprachen
throponymie und Deonomastik), die von prinzipiell ein ausgezeichnetes Forschungs-
Sprache zu Sprache noch sehr unterschied- gebiet darstellen (zum ganzen vorigen Ab-
lich ausgebaut ist. Positiv zu nennen sind schnitt → Art. 29–36).
hier der italienische Dizionario di Topono-
mastica von Gasca Queirazza und Schwei- 3.2. Neue Wege der romanistischen
ckards zügig voranschreitendes Deonomasti- Sprachgeschichtsschreibung
con Italicum (DI ; Abschluss von vol. 1: A–E, Die hier vorgenommene Unterscheidung
2002). nach ‘fortgeführten Forschungstraditionen’
Ähnlich unterschiedlich ist die Lage für und ‘neuen Wegen’ verweist nicht auf gänz-
die verschiedenen Perioden bei den Histori- lich verschiedene Kategorien, die Unter-
schen Wörterbüchern. Im günstigen Fall ha- schiede sind vielmehr gradueller Art. Wäh-
ben wir größere Dokumentationen zum mit- rend im vorigen Kapitel weiterhin
telalterlichen Wortschatz und zur Neuzeit. bestehende unverzichtbare Forschungsbe-
Die dazwischen liegenden Jahrhunderte sind reiche dargestellt wurden, die zwar in sinn-
unterversorgt. Typisch, wenn auch immer- voller Weise sich der in jüngster Zeit vorhan-
hin besser als für die anderen romanischen denen methodischen Hilfsmittel bedienen
Sprachen, ist die lexikographische Situation (sollten), deren Innovationsdynamik aber
des Französischen: Zwischen Tobler–Lom- eben auf der Fortführung des Vorhandenen
matzsch (TL ), Godefroy (Gdf) für das beruht, geht es im Folgenden um neue An-
Alt- und Mittelfranzösische, Huguet für das sätze, die sich erst etwa seit den 80er Jahren
16. Jh. und dem TLF (ab ca. 1789) klaffen des 20. Jh. als eigene Forschungsstränge ent-
beträchtliche Lücken: Die Weiterführung wickelt haben.
der Vorarbeiten zu einem Dictionnaire du
moyen français (DMF ) scheint erst jetzt gesi- 3.2.1. Quellen: Text-Datenbasen und Text-
chert (Martin i. Dr.); für eine so entschei- philologie. Moderne Möglichkeiten elektro-
dende Periode wie das 17. Jh. existiert kein nischer Edition und Textaufbereitung haben
größeres Wörterbuch. im Bereich der historischen Lexikologie,
In all diesen Bereichen (regionale Doku- aber auch allgemein in der internen Sprach-
mentation, historische und etymologische geschichte (cf. etwa Lorenzo Renzis ge-
Lexikographie zur Onomastik und Deono- plante altitalienische Grammatik ItalAnt
mastik, Berücksichtigung einzelner Peri- mit Bezug zum TLIO ) für dramatische Ent-
oden) bedarf es nicht so sehr des Erarbeitens wicklungen gesorgt. Verdientermaßen fin-
neuer Methoden, sondern des Mutes, sich den dabei solche Unternehmungen beson-
auf jahrzehntelange Arbeit an einem größe- dere Beachtung, die große – bereits im
ren Projekt einzulassen, das durchaus seine Buchdruck edierte – Mengen von Textcor-
Vorbilder in bereits bestehenden Projekten pora zusammenfassen und – via CD -Rom
oder abgeschlossenen Arbeiten zu anderen oder Internet – einer elektronischen Analyse
Sprachen haben könnte. Dieser Mut wird zugänglich machen. Alle nachstehend ge-
zugleich befördert und gehemmt werden nannten Text-Datenbasen befinden sich im
durch die heute zur Verfügung stehenden Aufbau bzw. in unterschiedlichen Phasen
elektronischen Hilfsmittel bei Datenerfas- des Ausbaus. Wenn auch derartige Unter-

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1. Romanistik und Sprachgeschichtsschreibung 11

nehmungen, von Ausnahmefällen abgese- zu ergänzen wären etwa fachsprachliche


hen, keine neuen Editionen hervorbringen, Texte). Schwieriger ist die Quellenlage für
so werden hierdurch doch Forschungsvor- Textsorten des Nähebereichs (Reichmann
haben, die auf der Auswertung von Texten 1998, § 6.3., denkt u. a. an Schwänke, Flug-
basieren, auf völlig neue Grundlagen ge- schriften, Predigten, Verhörprotokolle), die
stellt und der sprachwissenschaftlichen For- seltener als literarische oder offizielle Texte
schung neue Impulse gegeben (cf. Schwei- der jahrhundertelangen Aufbewahrung für
ckard 2002; RK XVI , i. Dr.). Dies gilt etwa für wert befunden wurden. Hier stellen Editio-
den Tesoro della Lingua Italiana delle Origini nen als Basis für eine Komplettierung
(TLIO, <http://www.csovi.fi.cnr.it>), der die sprachgeschichtlicher Forschung ein wichti-
gesamte italienische Texttradition von den An- ges Desiderat dar. Auch Texte von ungeüb-
fängen bis zum Todesjahr Boccaccios (1375) ten Schreibern (frz. personnes peu lettrées, it.
fast vollständig erfasst und im Internet der semicolti, sp. semicultos) sollten dabei einbe-
sprachwissenschaftlichen Analyse (und na- zogen werden (cf. Ernst / Wolf 2002).
türlich nicht nur dieser) zur Verfügung stellt;
eine Datenbank für die Zeit nach 1375 wird 3.2.2. Gegenstandsbereiche: Untersuchungs-
derzeit aufgebaut. Ähnliche Ziele verfolgen räume. In anderer Weise innovativ ist die Er-
in Frankreich das Unternehmen Frantext (im schließung neuer Untersuchungsräume für
Internet für Abonnenten zugänglich), in Spa- die historische Forschung. Hierzu zählt ins-
nien das Corpus Diacrónico del Español bes. die sprachhistorische Bearbeitung der
(CORDE) der Real Academia. Die Concor- außereuropäischen Romania, der Romania
dance de l’occitan médiéval (COM) fasst nicht Nova. Recht weit ist hier die Forschung zwar
nur vorhandene Editionen zu einem großen bei der Aufarbeitung der Sprachgeschichte
Textcorpus zusammen, sondern bringt z.T. Québecs (→ Art. 76) oder des Spanischen in
auch elektronisch gestützte Neueditionen Mexiko gekommen (→ Art. 84), aber selbst
bzw. in Einzelfällen auch Editionen von bis- in diesen Fällen scheint die Zeit noch nicht
her nicht zugänglichen Texten. Neben der reif zu sein für groß angelegte sprachhistori-
vorhandenen Möglichkeit, vom Einzelbeleg sche Synthesen.
ausgehend immer größere Kontexte ins Die größten Lücken bestehen wohl für
Blickfeld zu nehmen, ist in einem weiteren Iberoamerika: Hierzu gibt es zwar zahlrei-
Stadium auch der direkte Zugang zur Text- che, oft exzellente Detailstudien für einzelne
version der einzelnen Manuskripte vorgese- Länder, aber in so wichtigen Fragen wie der
hen (Billy 2001). Diese letztere Möglichkeit historischen Einheitlichkeit oder Differen-
entspricht Tendenzen der New Philology (zur ziertheit des Spanischen in Südamerika hat
Diskussion hierzu cf. Gleßgen / Lebsanft die Diskussion noch keine befriedigenden
1997) und dürfte sich – falls tatsächlich reali- Ergebnisse gebracht. Die Größe des Un-
siert – für die sprachwissenschaftliche For- tersuchungsraums und die riesige Zahl der
schung als bes. ergiebig erweisen. nur z. T. erschlossenen Quellen erschweren
Für die Zukunft sind derartige Projekte die wissenschaftliche Diskussion und erlau-
für weitere Bereiche der Romania dringend ben bis jetzt nur vorläufige Aussagen (→
wünschenswert. Dabei ist die Einbeziehung Art. 83–91; 248). Die Forschung zur Ro-
nichtliterarischer Textsorten (wie etwa in mania africana ist im Wesentlichen soziolin-
TLIO, Frantext, CORDE , im Gegensatz zur guistisch geprägt: Sprachkontakte, Mehr-
auf literarische Texte beschränkten CD - sprachigkeit und Sprachpolitik sind die
Rom LIZ des italienischen Verlags Zani- vorherrschenden Themen der auf Afrika be-
chelli) für die historische Sprachwissen- zogenen Romanistik; sprachsystematische
schaft von größerem Nutzen als die Be- synchronische Studien gelten v. a. dem lexi-
schränkung auf literarische Texte: Die kalischen Bereich (cf. etwa die Inventaires
historische Ausweitung der Varietätenlingui- des particularités lexicales des pays franco-
stik (3.2.3.) bedarf als selbstverständliche phones en Afrique z. B. Racelle–Latin 1988
Voraussetzung des Vorhandenseins umfang- und Queffélec 2002). Diese gesamte For-
reicher verlässlicher und möglichst elektro- schung würde eine sprachhistorische Vertie-
nisch zugänglicher Corpora von nichtliterari- fung verdienen (→ Art. 79; 80; 82a; 82b; 92;
schen Textsorten. Oskar Reichmann nennt 95; ähnlich für Asien: Art. 81; 93; 96a; 96b).
hierzu – mit Bezug auf die deutsche Sprach- Die Kreolistik ist als Teilbereich der
geschichte – u. a. Zeitungen, Rechtstexte, po- Sprachwissenschaft von bes. hohem allge-
litische Propaganda (Reichmann 1998, § 5.5.; meinen und methodischen Interesse. Hier

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12 I. Methodische Grundlagen der romanistischen Sprachgeschichtsschreibung

kommt der Romanistik heute und auch in Zu- → Kap. X), andererseits die Entwicklung
kunft eine besondere Rolle zu, auch wenn die von Sprache innerhalb derartiger Bereiche
gelegentlich aufgestellte These einer Paralleli- (Sprache von Literatur, Religion, Politik,
tät ‘Entstehung der romanischen Sprachen im Recht, Verwaltung, Wirtschaft, Werbung,
frühen Mittelalter’ / ‘Kreolisierung seit dem Sport, Technik und (Natur-)Wissenschaft,
17. Jh.’ zu verwerfen ist (cf. Kramer 1999). Die Massenmedien: → Kap. XIII ). Auch Text-
Zahl romanischbasierter Kreolsprachen und sorten sind nicht nur synchron beschreibbar:
der sprachhistorische Hintergrund der Roma- Sie entstehen, verändern ihre Charakteristik
nistik lassen hier für die Zukunft wichtige Bei- und vergehen (innerhalb der Einzelsprachen
träge zu Sprachentstehung, Sprachwandel, oder diese übergreifend) und sind deshalb
Verschriftung und Verschriftlichung sowie zur ein legitimes Objekt historischer Forschung
Grammatikalisierung erwarten (→ Art. 36; 98; (→ Art. 197; 198).
99a; 99b; 100). Sprachplanung und – mehr oder weniger
institutionalisierte – Sprachpflege bzw.
3.2.3. Methodische Ansätze: Varietätenlin- Sprachkultur finden im besonderen Maße die
guistik, Pragmalinguistik, Soziolinguistik. Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit;
Beispielgebend für die varietätenlinguisti- sie sind wesentlich an der Identitätsstiftung
sche Entfaltung der Sprachgeschichte ist die von Sprachgemeinschaften beteiligt (cf. für
bereits genannte, von Serianni und Trifone die Gesamtheit der europäischen Sprachen
herausgegebene SLIE (1993–94). Sie ist Janich / Greule 2002). Der Einblick in die hi-
nicht nach Jahrhunderten bzw. chronologi- storische Dimension (→ Art. 125–129) kann
schen Perioden, sondern nach folgenden hier zum besseren Verständnis und vielleicht
Themenkreisen strukturiert: Geschichte so- sogar zur Lösung aktueller Fragen beitragen.
ziokultureller Bedingungen (z. B. Schule, Dies gilt auch für die Reflexion von Laien auf
Kirche, Druckwesen), Geschichte von Va- Fragen sprachlicher Korrektheit, von
rietäten (u. a. Sprache literarischer Prosa, Sprachkontakt und Sprachverwendung (→
Sprache der Lyrik, Wissenschaftssprache, Art. 130–133).
italiano dei semicolti, Sprache von Recht Es versteht sich von selbst, dass bestimmte
und Verwaltung, Sprache der Medien, Teile einer synchronischen Sprachbeschrei-
Mündlichkeit / Schriftlichkeit), Sprachge- bung sich wenig oder überhaupt nicht für
schichte einzelner Landschaften, Geschichte eine derartige Vertikalisierung eignen. Dies
von Sprachkontakten. Ähnliches gilt für die gilt zum einen für Sprachvarietäten, die nur
Fortführung von Brunots großer französi- eine sehr geringe historische Erstreckung ha-
scher Sprachgeschichte für den Zeitraum ben, insbes. Sprache in den neuen elektroni-
von 1880 bis in die jüngere Gegenwart schen Medien. Für Jugendsprache nimmt
(HLFAnt 1985; 1995; Antoine / Cerquiglini man wohl mit gewisser Berechtigung an, dass
2000). sie sich erst im 20. Jh. als eigene Varietät kon-
Auch das vorliegende Handbuch macht stituiert; immerhin ist hier eine – wenn auch
nicht, wie in der Vergangenheit, National- einigermaßen kurze – historische Perspektive
sprachen bzw. die jeweilige Standardsprache möglich (→ Art. 206). Bes. schwierig wird die
zum wesentlichen Objekt der Sprachhisto- historische Perspektivierung bei Sprachvarie-
riographie, sondern verschreibt sich der hier täten, die primär mündlich realisiert werden
angelegten Neuinterpretation der romani- oder der Mündlichkeit nahestehen. Die aku-
schen Sprachgeschichte: Diese wird verstan- stische Realität von Äußerungen, die vor der
den als Geschichte von sprachlichen Konti- Erfindung von Tonaufzeichnungen (oder we-
nua, die zu jedem Zeitpunkt der Variation in nigstens eines konsequenten phonetischen
sozialer, geographischer und kontextueller Alphabets) gemacht wurden, ist unwieder-
Dimension unterliegen, wobei dem Verhält- bringlich verloren; inwieweit sie aus schriftli-
nis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit chen Aufzeichnungen rekonstruiert werden
schon aus quellentheoretischen Gründen kann, ist umstritten. Für die verschiedenen
eine besondere Bedeutung zukommt (→ Möglichkeiten, Merkmale von Mündlichkeit
Kap. XIV ). Zu unterscheiden sind einerseits früherer Jahrhunderte (jenseits des Ausspra-
die Wirkung bestimmter gesellschaftlicher chebereichs) zu erfassen, cf. Art. 207–211c.
Faktoren auf die Sprachentwicklung (Poli- Schwierigkeiten ähnlicher Art bestehen
tik und sozioökonomische Verhältnisse, Bil- für die historische Vertiefung der Pragma-
dungswesen, Massenkommunikation, Reli- linguistik. Selbstverständlich gibt es auch
gion, Kultureinfluss durch Übersetzungen: schriftliches Sprachhandeln, das tradiert

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1. Romanistik und Sprachgeschichtsschreibung 13

wird, etwa in (Bitt-, Dankes-, Beschwer- len die gegenseitigen Beziehungen nur impli-
de-)Briefen, Plädoyers vor Gericht, Protokol- zit vorhanden sind (→ Kap. V–IX ).
len, Verordnungen etc. Die große Mehrheit (3) Der Stärkung der Methodenlehre
zumindest der alltäglichen Sprachhandlun- sollte auch die gesonderte Behandlung der
gen ist jedoch an das orale Medium gebun- wesentlichen Faktoren des Sprachwandels
den; historische Forschungen hierzu sind und ihrer sprachinternen Folgen dienen (→
vom selben Quellenproblem betroffen wie Kap. X–XV ). Hierbei werden v. a. diejenigen
Forschungen zur Geschichte von Mündlich- Bereiche berücksichtigt, in denen externe
keit. Dennoch wurden in den letzten Jahren Faktoren und sprachinterne Konsequenzen
auf der Basis z.B. von literarischen Texten, bes. eng aufeinander bezogen sind: Sprach-
Gesprächsbüchern oder Briefstellern beacht- kontakt (sowohl innerromanisch als auch
liche Ansätze zu einer historischen Pragma- die Grenzen der Romania in beiden Rich-
linguistik sichtbar (→ Art. 199; 200). tungen überschreitend), Sprachpolitik und
Andere ‘Bindestrich-Linguistiken’ schließ- Sprachpflege, Standardsprachbildung und
lich sind nicht per se für eine historische Ver- Varietäten; schließlich – als bisher in dia-
tikalisierung ungeeignet. So waren es wohl chroner Perspektive und im Hinblick auf
eher kontingente Gründe, die in den letzten sprachinterne Folgen wenig berücksichtigte
Jahrzehnten etwa im Bereich des Rumäni- Bereiche – die Laienlinguistik und die histo-
schen eine Ausweitung der Kontaktlinguistik rische Rolle der Übersetzungen für die
und der Soziolinguistik auf die historische Sprachentwicklung. Für die in der Zeit
Dimension verhindert haben. wechselnde Bedeutung der romanischen
Sprachen in der internationalen Sprachver-
4. Methodenlehre und Perspektiven wendung cf. Kap. XVI .
Anders als es die umfassende Forschungs-
Die Sprachhistoriographie verfügt im allge- tradition glauben machen könnte, öffnet die
meinen und auch im besonderen Fall der Romania auf der Grundlage dieses weiten
Romanistik nur über eine schwach ausge- Paradigmas noch immer unermessliche Un-
prägte Methodenlehre (cf. supra 1.6.). Zu tersuchungsräume: Millionen und Abermil-
deren Stärkung bedarf es zunächst eines In- lionen von Textseiten lagern noch immer un-
terpretationsrahmens, der der Komplexität gelesen in Archiven und Bibliotheken, und
vielfältiger sprachlicher und außersprachli- die Komplexität jeder einzelnen sprachwis-
cher Vernetzungen bei den Phänomenen senschaftlichen Fragestellung steht der Er-
sprachlichen Wandels Rechnung trägt. Erst forschung eines Enzyms oder dem Kom-
hierdurch ist eine methodische Ordnung und mentar eines juristischen Paragraphen in
Klärung zur erreichen, durch die dann jede nichts nach. Die Zahl der sprachhistorisch
Einzelforschung im Gesamtraum ihre eigene arbeitenden Forscher ist vor diesem Hinter-
Wertigkeit erhält. Angesichts der starken grund minimal. Erkenntnisinteresse und Re-
zentrifugalen Kräfte in den sprachhistori- levanz der Sprachhistoriographie ergeben
schen Disziplinen ist dies umso wichtiger. sich aus der Nutzung des hier angelegten
Die Herausgeber dieses Handbuchs halten Forschungsraums.
dabei folgende Grundansätze für zentral:
(1) Ein autoreflexives Moment, das die
5. Literatur
Fachgeschichte und institutionellen Verwe-
bungen innerhalb der Romanistik ein- Antoine, Gérald / Cerquiglini, Bernard, Histoire
schließt und auch den Blick nach außen de la langue française 1945–2000, Paris, 2000.
richtet (→ Kap. I–IV ). Baldinger, Kurt, L’étymologie hier et aujourd’hui,
(2) Eine gewisse Schwerpunktsetzung auf in: Schmitt, Rüdiger (ed.), Etymologie, Darm-
die externe Sprachgeschichte, in der das stadt 1977, 213–246 (zuerst in: CAIEF 11 (1959),
Fehlen einer eigenen Methodenlehre sich 233–264).
bes. bemerkbar macht; sowohl gesamtroma- Berschin, Helmut, Interne und externe Sprachge-
nische Überblicke als auch die Parallelität schichte, in: LRL 1/2 (2001), 628–637.
aufeinanderfolgender Artikel zu den ver- Billy, Dominique, Rez. zu Rickett, Peter T., Con-
schiedenen geographischen Räumen sollten cordance de l’occitan médiéval (COM ), RLiR 65
im vorliegenden Handbuch methodisches (2001), 568–589.
Bewusstsein stärken bzw. – soweit dies Blank, Andreas, Prinzipien des lexikalischen Be-
wünschbar und möglich ist – methodische deutungswandels am Beispiel der romanischen
Kohärenz schaffen, auch wenn in vielen Fäl- Sprachen, Tübingen, 1997.

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14 I. Methodische Grundlagen der romanistischen Sprachgeschichtsschreibung

Blank, Andreas / Koch, Peter (eds.), Historical Se- Gleßgen, Martin-D. / Lebsanft, Franz (eds.), Alte
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2. Sprachgeschichtsschreibung: Möglichkeiten und Grenzen 15

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2. Sprachgeschichtsschreibung: Möglichkeiten und Grenzen


L’historiographie linguistique: ses possibilités, ses limites

1. Sprache und ihre geschichtliche Bedingtheit orthographischen Bereichen vollziehen kann.


2. Allgemeine Möglichkeiten der Sprach- Möglicherweise existieren Wechselwirkun-
geschichtsschreibung gen zwischen den Veränderungen auf den
3. Standardisierung von Nationalsprachen und verschiedenen Ebenen. Die Veränderungen
die Eingliederung der Sprachgeschichte in können innerhalb der einzelnen Bereiche so-
die Geschichte von Nationalstaaten
4. Große Realisierungen der historischen wie auch inter-bereichlich unterschiedlicher
romanistischen Sprachwissenschaft Rhythmik und Geschwindigkeit folgen.
5. Rekonstruktion der Geschichte von unterge- Um zu überleben und sich zu organisie-
gangenen Sprachen und Revitalisierung von ren, müssen die Menschen untereinander
Sprachen interagieren und insbes. kommunizieren. Das
6. Perspektiven und Desiderata beste Mittel dazu dürften Sprachen sein.
7. Literatur Resultierend daraus liegt jeder Absicht zur
sprachlichen Betätigung zunächst Prag-
1. Sprache und ihre geschichtliche matismus zugrunde. Dieser Pragmatismus
Bedingtheit führt zum ökonomischen Einsatz von Spra-
che. Unter Ökonomie ist hier zu verstehen,
Sprachen sind Zeichensysteme, die aus ei- dass die Sprache je nach Bedarf reduziert,
nem Zeichenrepertoire und aus einem dazu- erweitert oder auf andere Weise verändert
gehörigen Kombinationssystem bestehen. wird. Den Anforderungen des Pragmatis-
Die Menge der Zeichen und die Menge der mus gehorchend, setzen Individuen Impulse
Kombinationsregeln sind von Sprache zu von außen sowie persönliche Zielsetzungen
Sprache variabel und nach oben hin im Prin- unbewusst oder bewusst in entsprechende
zip unbegrenzt. Diese Systeme sind tenden- Sprachveränderungen um. Diese sind also
ziell stetem Wandel unterworfen, der sich in im Prinzip immer individuell und führen
den phonetischen, morphologischen, syn- zum sprachsystematischen Wandel erst
taktischen, lexikalischen / semantischen und dann, wenn sie von der Gruppe, der das In-

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