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Horst Friedrich

Hegels „Wissenschaft der Logik“

1
Schriften 6
herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung e. V.

2
Horst Friedrich

Hegels
„Wissenschaft der Logik“
(Zweites Buch. [Einleitung].
Erster Abschnitt.
Erstes und Zweites Kapitel)

Ein marxistischer Kommentar

Karl Dietz Verlag Berlin


3
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Friedrich, Horst:
Hegels „Wissenschaft der Logik“ : (zweites Buch. [Einleitung]. Erster Abschnitt.
Erstes und Zweites Kapitel) ; Ein marxistischer Kommentar /
Horst Friedrich. – Berlin : Dietz, 2000
(Schriften / Rosa-Luxemburg-Stiftung ; Bd. 6)

ISBN 3-320-02016-1

© Karl Dietz Verlag Berlin GmbH 2000


Umschlag: Egbert Neubauer, MediaService
Satz: MediaService, Berlin
Druck und Bindearbeit: WB-Druck GmbH & Co., Rieden/Allgäu
Printed in Germany

4
Meinen Eltern
Frida und
Horst Friedrich
gewidmet

5
6
Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung 15
Einführung in den Kommentar 17
Zweck des Kommentars 17
Schwierigkeiten beim Studium der „Wissenschaft der
Logik“ und ihre Gründe 18
Die Interpretation 23
Die Diskussion 24

Erste Abteilung: Interpretation


Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik 27
Zweites Buch: Die Lehre vom Wesen 28
[Einleitung] 28
Notwendigkeit des Anfangs vom Sein und des Fortgangs zum
Wesen – als Bewegung des Seins und als Weg des Wissens 28
Bestimmung des Wesens nicht durch äußerliche Abstraktion
möglich 29
Bestimmung des Wesens durch seine eigene Negativität – Wesen
als An-und-Fürsichsein – Neuer Charakter des Bestimmens in
der Sphäre des Wesens 30
Stellung des Wesens in der Logik 33

Erster Abschnitt. Das Wesen als Reflexion in ihm selbst 34


Erstes Kapitel. Der Schein 36
A. Das Wesentliche und das Unwesentliche 36
Das Wesen zunächst gefaßt als erste Negation des Seins 39
Die Unterscheidung zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem 40
Das Wesen als die absolute Negativität des Seins.
Erste Bestimmung der Selbstbewegung als ganzer in nuce 41
B. Der Schein 43
Was den Schein als Schein kennzeichnet 43
Prinzipielle Kritik des Skeptizismus und des Kantischen Idealismus 46

7
Inhaltsverzeichnis

Was die Untersuchung des Scheins leisten muß 47


Inwiefern die Bestimmungen des Scheins, die ihn vom Wesen
unterscheiden, Bestimmungen des Wesens selbst sind 48
Inwiefern die Bestimmtheit des Wesens, die der Schein ist,
im Wesen selbst aufgehoben ist 50
C. Die Reflexion 55
Reflexion – Werden und Übergehen, das in sich selbst bleibt 57
Das Andere der Reflexion: die sich auf sich beziehende
Negation – die sich selbst erhaltende Negation 58
Das Erste gegen dieses Andere: das sich in seiner Bewegung
erhaltende Negative, das sich zur Negativität aufhebt 58
Die Reflexion als Bewegung von Nichts zu Nichts: das Sein als
Negation eines Nichts und das Wesen als reine Negativität. Zweite
Bestimmung der Selbstbewegung: in sich bleibende Bewegung 59
1. Die setzende Reflexion 61
Negativität und aufgehobene Negativität 61
Die Unmittelbarkeit als Rückkehr 62
Die Unmittelbarkeit als Setzen – Sichsetzen des Negativen 64
Die Unmittelbarkeit als Voraussetzen – Sichvoraussetzen
des Negativen 65
Die reflektierende Bewegung als absoluter Gegenstoß in sich
selbst 67
Dritte Bestimmung der Selbstbewegung: aus sich kommende
Bewegung 69
2. Die äußere Reflexion 71
Übergehen der unmittelbaren Voraussetzung in den Prozeß des
Negierens 72
Prozeß des Negierens als Setzen und Voraussetzen des
Unmittelbaren 74
3. Bestimmende Reflexion 76
Reflexion und Gesetztsein 76
Das Gesetztsein als Reflexionsbestimmung 78
Unterschied der Reflexionsbestimmung von der Bestimmtheit
des Seins 80
Die zwei Seiten der Reflexionsbestimmung 82

Zweites Kapitel. Die Wesenheiten oder


die Reflexionsbestimmungen 85
A. Die Identität 90
Die sich auf sich beziehende Negativität als Identität 90
Unterschied der Identität des Wesens von der Gleichheit des Seins 91
Die ganze Reflexion als Identität 91
Die Identität als das Ganze und als ihr eigenes Moment 94

8
Inhaltsverzeichnis

B. Der Unterschied 96
1. Der absolute Unterschied 96
Die Spezifik des Unterschieds des Wesens 97
Unterschied des Wesens und Anderssein des Daseins 98
Der Unterschied als das Ganze der Reflexion und als sein
Moment 99
Vierte Bestimmung der Selbstbewegung 100
Der Unterschied als die Einheit seiner und der Identität 101
Realisierung des Unterschieds als Verschiedenheit 104
2. Die Verschiedenheit 104
Zerfall der Identität in Verschiedenheit 105
Zerfall des Unterschieds in Verschiedenheit 107
Verschiedenheit als sich äußerlich gewordene Reflexion 108
Identität und Unterschied im Resultat jedes Einheit seiner
selbst und seines Anderen 109
Die Verschiedenen als Reflexion in sich und als Gesetztsein
mit den Bestimmungen der Reflexion an sich und der äußeren
Reflexion 110
Die Reflexion an sich als Verschiedenheit 111
Die äußere Reflexion als bestimmter Unterschied: äußere
Identität als Gleichheit und äußerer Unterschied als
Ungleichheit 111
Wie die äußere Reflexion das Verschiedene auf die
Gleichheit und Ungleichheit bezieht 114
Gleichheit und Ungleichheit als aufeinander bezogen 115
Die negative Einheit von Gleichheit und Ungleichheit 116
Gleiches und Ungleiches als das Ungleiche ihrer selbst 117
Wie die Verschiedenheit zum Gegensatz wird 118
3. Der Gegensatz 120
Der Gegensatz als die Reflexion der Gleichheit und der
Ungleichheit in sich: Positives und Negatives 122
Die Quelle des Positiven und Negativen 127
Positives und Negatives als die selbständig gewordenen
Seiten des Gegensatzes 128
Ausgangspunkt der Formierung des Positiven und Negativen 130
Prozeß der Formierung des Positiven und Negativen 132
Positives und Negatives als Resultat ihres
Formierungsprozesses 134
Selbständigkeit des Positiven und Negativen als Negation
der Beziehung auf das Andere und Betätigung der eigenen
Bestimmtheit der Entgegengesetzten in der Beziehung auf
das Andere 135

9
Inhaltsverzeichnis

C. Der Widerspruch 138


Unterschied – Verschiedenheit – Gegensatz 141
Sichselbstsetzen und Ausschließen des Anderen 141
Die selbständige Reflexionsbestimmung als Widerspruch:
sie schließt ihre Selbständigkeit selbst aus sich aus 142
Die Beziehung Unterschied – Widerspruch 144
Positives und Negatives: die bestimmende Reflexion als
ausschließende 144
Der Widerspruch des Positiven 145
Der Widerspruch des Negativen 146
Nächstes Resultat des Widerspruchs: „die Null“ 148
Aufhebung des Gesetztseins der Selbständigkeit von
Positivem und Negativem 149
Die ausschließende Reflexion als Selbstgesetztsein, das sich
selbst aufhebt 153
Rückgang des Gegensatzes in den Grund. Das Wesen als
Grund 154
Fünfte Bestimmung der Selbstbewegung 158

Zweite Abteilung: Diskussion


Hegels „Logik“ und die Methode des Bearbeitens in
Marx’ „Grundrissen der Kritik der politischen
Ökonomie“ (Studie) 161
„by mere accident“ 162
Einfache Zirkulation, die in die Produktion zurückgeht –
vermittelte Unmittelbarkeit 168
Wert als systemspezifisches Negatives und abstrakte
Arbeit als Sichnegieren 169
Erstes Moment im Prozeß des Selbständigwerdens des
Werts als des systemspezifischen Negativen:
Herausbildung seiner Geldform (Geld als Wertmaß und
Zirkulationsmittel) 175
Zweites Moment im Prozeß des Selbständigwerdens des
Werts: Verselbständigung des Geldes gegen die
Zirkulation 178
Eingehen des Geldes in die Zirkulation als sein
Beisichbleiben und sein Beisichbleiben als Eingehen
in die Zirkulation – Erster Ansatz zur Bestimmung der
Bewegungsform des Kapitals als absolute Reflexion 183

10
Inhaltsverzeichnis

Die einfache Zirkulation als Sein, das Schein ist,


und das Kapital als Prozeß, der das Prinzip der
Selbsterneuerung enthält 187
Beziehung zwischen einfacher Zirkulation und
Wertproduktion – Realisierung der Bewegungsformen
setzende, äußere und bestimmende Reflexion 190
Zweiter Ansatz zur Bestimmung der allgemeinen
Bewegungsform des Kapitals – absolute und
bestimmende Reflexion 193
* Der im unaufhörlichen Wechsel von Ware und Geld sich
erhaltende Wert 193
* Der sich erhaltende Wert: als Resultat der Zirkulation
Voraussetzung der Wertproduktion, als Resultat der
Wertproduktion
Voraussetzung der Zirkulation 197
Bestimmung der Voraussetzung des Produktionsprozesses
des Kapitals 199
* Die Voraussetzung, soweit sie primär durch den Basisprozeß
bestimmt ist 200
* Der Gegensatz von Kapital und Arbeit als Voraussetzung 203
* Wie Kapital und Arbeit in der Bewegung G – W – W – G
zur Voraussetzung des Produktionsprozesses werden –
wie sie einander als Wert und Gebrauchswert
gegenüberstehen 205
Die Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung
des Kapitals 209
Identität und Unterschied in der Beziehung von Kapital
und Lohnarbeit 209
* Identität als an sich festhaltender Wert, d. h. Kapital 209
* Der absolute, einfache Unterschied – das Nicht des Kapital 210
* Bewegung aus der Unmittelbarkeit in die Negativität – die
Art und Weise der Verbindung der Faktoren des
Produktionsprozesses 211
* Spezielle Analyse des absoluten Unterschieds: zwei
Bestimmungen des Nicht-Kapitals 213
* Unterschied als Prozeß (1): der stofflich bestimmte
Basisprozeß als Träger des systemspezifischen Prozesses
des Unterscheidens 215
* Unterschied als Prozeß (2): die Erhaltung des
vorgeschossenen Werts 219

11
Inhaltsverzeichnis

* Unterschied als Prozeß (3a): nicht nur Erhaltung des Werts,


sondern Produktion von Mehrwert 225
* Unterschied als Prozeß (3b): fortschreitende Veränderung
des Verhältnisses zwischen notwendiger und Mehrarbeit 231
* Widersprüchlichkeit der Selbstverwertung des Werts als
Kapital 233
Prinzipiell neuer Ansatz der Marxschen dialektischen
Methode (1) 235
Das Produkt des Prozesses – Gesetztsein als
Verschiedenheit mit den Bestimmungen der Gleichheit
und der Ungleichheit: der verwertete Wert und seine
Bestandteile 242
* Verschiedenheit als Bestimmung des Resultats 242
* Äußere Reflexion als bestimmter Unterschied: Gleichheit
und Ungleichheit der Wertbestandteile des Produkts 246
Reproduktion des Gegensatzes von Kapital und
Lohnarbeit aus dem Resultat des Produktionsprozesses 249
* Anfangsbestimmung des Gegensatzes: Jedes ist durch sein
Nichtsein, d. h. durch sein Anderes – die Beziehung
zwischen realisierter notwendiger und Mehrarbeit im
Resultat 249
* Jedes ist durch das Nichtsein seines Anderen – Reflexion
des Gesetztseins in die Gleichheit und die Ungleichheit
mit sich 252
* Der reproduzierte Gegensatz 255
* Die erweiterte Reproduktion des Gegensatzes von Kapital
und Lohnarbeit 256
Setzen und Lösen des Widerspruchs von Kapital und
Lohnarbeit im kapitalistischen Produktionsprozeß 268
* Das Sichsetzen der selbständigen Entgegengesetzten –
Kapital und Lohnarbeit – als Setzen ihres Nichtseins 268
* Das Sichsetzen und das Setzen des Anderen als Prozeß 269
* Der Widerspruch von Selbständigkeit und
Unselbständigkeit der Entgegengesetzten 270
* Lösung des Widerspruchs 271
* Schranken im Setzen der Lohnarbeit durch das Kapital 272
Prinzipiell neuer Ansatz der Marxschen dialektischen
Methode (2) 276
Exkurs. Die Beschränkung auf die Unmittelbarkeit –
Mittel der Apologie des Bestehenden 277
Der Kreislaufprozeß des Kapitals 280

12
Inhaltsverzeichnis

* Kreislauf: Negativität und Unmittelbarkeit –


Produktionsprozeß und Zirkulation als Momente des Ganzen 280
* Die Unmittelbarkeit als Moment der Bewegung des Wesens:
Bestimmung der Geldzirkulation durch die Zirkulation
des Kapitals 284
* Phasen des Kreislaufs des Kapitals 285
* Das Kapital – Subjekt der Selbstbewegung und Negation
seiner als dieses Subjekt 288
* Die Zirkulation als dreifach bestimmte 290
* Spezielle Bestimmungen des Kreisprozesses 291
** Funktion der Zeit im Kreislauf 291
** Kontinuität des Phasenwechsels 293
** Andere Bestimmungen des Kreisprozesses 293
System und Geschichte. Neue Bestimmungen der
dialektischen Methode von Marx 294
Selbstbewegung und Entstehen historisch bestimmter
Systeme 294
* Beziehung zwischen dem Wesen des Systems und seiner
Entstehungsgeschichte 295
* Unterscheidung zwischen vorgefundenen und selbst
gesetzten Voraussetzungen 296
Veränderung des Wesens des Systems in seiner
Selbstbewegung 299
Entwicklung und Aufhebung des Systems 301
Anhang
Dialektische Methode im Fragment des Urtextes „Zur
Kritik der politischen Ökonomie“ (1858) 306
Einfache Zirkulation als seiende Unmittelbarkeit 306
Von der Warenzirkulation zur Warenproduktion –
von der Unmittelbarkeit zum Wesen. Das unmittelbare
Sein der einfachen Zirkulation als reiner Schein 308
Selbständigkeit des Geldes gegen die Zirkulation als
reiner Schein 310
Was innerhalb und was außerhalb der einfachen
Zirkulation vorgeht 311
Geschichtliche Herausbildung der Beziehung zwischen
einfacher Zirkulation und kapitalistischer Produktion,
d. h. zwischen Unmittelbarkeit und Negativität
des Wesens 312

13
Inhaltsverzeichnis

Aufhebung der einfachen Zirkulation als Unmittelbarkeit –


vermittelst der Bewegung W – G – W? 314
Aufhebung der einfachen Zirkulation als Unmittelbarkeit –
vermittelst der Bewegung G – W – G? 317
* Was bringt das Geld als Wertmaß und Zirkulationsmittel in
dieser Hinsicht? 318
* Was bringt das Geld als Geld in dieser Hinsicht? 320
Einsetzen der Bewegung des Sicherhaltens des Werts
in der einfachen Zirkulation – das Geld als Resultat
und zugleich als Ausgangspunkt seiner Bewegung 323
* Die Suchrichtung: „Fortbestimmung des Tauschwerts“ 323
* Wie der Wert in der Zirkulation im Wechsel von Ware
und Geld sich erhalten kann 324
* Sicherhalten des Gelds durch sein Eingehen in die
Zirkulation und dieses Eingehen als sein Sicherhalten 325
Problemstellung für den Übergang von der einfachen
Zirkulation zum Produktionsprozeß, d. h. von der
Unmittelbarkeit zur Negativität: Verwandlung von Geld
in Ware – Konsumtion der Ware = Erhaltung und
Vergrößerung des Werts 327
a) Erhaltung des Werts bei Verwandlung des Gelds in Ware 329
b) Selbstverwertung als Sicherhalten desselben Werts 330
c) Beziehung zwischen Wert und Gebrauchswert 331
d) Das Sicherhalten des Werts als sein Sichvergrößern 332
Der Reflex einer höheren Bewegung in der Zirkulation
als der Unmittelbarkeit – wie das Kapital am Anfang
seiner Bewegung in der Zirkulation sich darstellt 334
Formierung der Prozeßfaktoren in den Bestimmungen
der Identität und des Unterschieds 339
Grenze der dialektischen Form der Darstellung 344

Literatur 348

Nachbemerkung 351

14
Vorbemerkung

Angesichts der fortschreitenden Verelendung jenes offiziösen Be-


wußtseins, dem die blanke Interessenrechtfertigung vor Erkennen
geht, kann man natürlich fragen, ob das Studium der „Logik“ Hegels
heutzutage sinnvoll ist, übt es doch vorzüglich im begrifflichen Den-
ken. Die ungeheure Arbeitslosigkeit, die Vergeudung und Zerstörung
der schöpferischen Kraft des Menschen, nicht nur in den Industrie-
ländern, sondern weltweit, der Abbau von sozialen Sicherungs-
systemen dort, wo sie erkämpft waren, ganz zu schweigen davon,
daß es sie in großen Teilen der Erde noch gar nicht gegeben hat, die
fortschreitende Zerstörung der Natur und mit ihr der natürlichen Le-
bensbedingungen der Menschen – all das steht im Mißverhältnis zu
dem, was die Menschheit heute durch Wissenschafts- und damit
Produktivkraftentwicklung für die Existenzsicherheit des einzelnen,
für die Erprobung und Bewährung seiner Persönlichkeit zu bieten
vermag. Aus diesem Mißverhältnis resultieren soziale Erschütterun-
gen, die zu neuen Auf- und Ausbruchsversuchen führen werden, wenn
die Menschheit nicht in barbarische Zustände verfallen will.
In diesen Zeiten ist es lebensnotwendig, sich der theoretischen
Grundlagen progressiver Gesellschaftsgestaltung zu vergewissern.
Zu ihnen gehört die Dialektik.
Vorgelegt wird hier der Teil einer umfassenden Untersuchung der
Hegelschen „Wissenschaft der Logik“, der sich mit Grundbestim-
mungen der Selbstbewegung befaßt, verbunden mit Studien, die zei-
gen sollen, wie Marx in den „Grundrissen der Kritik der politischen
Ökonomie“ die von Hegel erstmals umfassend dargestellte Methode
mit kritischem Respekt in der Untersuchung eines historisch bestimm-
ten Produktionssystems anwendet, ihre Grenzen überwindend.
Kritischer Diskussion, die den Erkenntnisfortschritt bezweckt, ste-
he ich aufgeschlossen gegenüber.
Für die Förderung meines Anliegens danke ich Professor Michael

15
Vorbemerkung

Brie, Dr. Hartwig Schmidt und Professor Helmut Seidel. Der Rosa-
Luxemburg-Stiftung Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung e.
V., die das Erscheinen dieser Studien ermöglichte, bin ich zutiefst
verbunden.

Rutha, im September 1999


H. F.

16
Einführung in den Kommentar

Zweck des Kommentars


Im Mittelpunkt dieses Kommentars zu Hegels „Wissenschaft der Lo- Das Problem der

gik“ steht die Dialektik als Methode des Erkennens der Selbst- Selbstbewegung

bewegung materieller Systeme. Zunächst ist zu ergründen, wie He-


gel diese Methode faßt. Dies bleibt von höchstem wissenschaftlichem ... bei Hegel

Interesse, denn er hat die „allgemeinen Bewegungsformen“ der Dia-


lektik „zuerst in umfassender und bewußter Weise dargestellt“1, al-
lerdings zu großen Teilen in schwer verständlicher Weise, worauf
noch zurückzukommen ist.
Sodann ist zu erkunden, wie die Dialektik tatsächlich als Methode
wissenschaftlichen Erkennens Anwendung fand. Hier liegt es nahe,
vor allem Marx´ politökonomisches Werk zu analysieren, zumal Marx ... bei Marx

einer der wenigen ist, die Hegel nicht nur gelesen, sondern auch
begriffen haben. Gerade hinsichtlich der Art und Weise, wie Selbst-
bewegung auf den Begriff zu bringen ist, läßt sich bei ihm mancher
ungehobene Schatz ausmachen, trotz der vielen Arbeiten, die über
die Dialektik im „Kapital“ geschrieben worden sind.
Schließlich wird zu prüfen sein, wie weit die von Hegel verallge- ... in der heutigen

meinerte Erfahrung des Erkennens reicht und in welchen Hauptrich- Wissenschaft

tungen das Erkennen in den folgenden 185 Jahren den Horizont die-
ser Methode verändert hat. Hier ist für den Philosophen vor allem der
Gedankenaustausch mit den Vertretern der modernen Naturwissen-
schaft erwünscht, die in phantastischer Weise dialektisches Denken
inspiriert und herausfordert, und auch mit den Repräsentanten anderer
Wissenschaftsdisziplinen. Die kritische Analyse der neuen Erfahrun-
gen beim Erkennen von Selbstbewegung in den verschiedensten Berei-
chen der Welt ist für die Entwicklung der Methode produktiv zu machen.

1 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. Nachwort zur zweiten Auflage. In: Marx/
Engels: Werke (MEW), Bd. 23, S. 27.

17
Einführung in den Kommentar

Schwierigkeiten beim Studium der „Wissenschaft der Logik“


und ihre Gründe
Liest man Hegels „Logik“ und vergleicht man sie mit den Werken
anderer Philosophen, so entsteht recht bald der Eindruck, daß hier
einer der schwierigsten Texte aus der ganzen Geschichte der Philo-
sophie vorliegt, vor allem, wenn man an die ersten Kapitel des zwei-
ten Bandes denkt. Was hat es mit dieser Schwierigkeit auf sich? Sie
besteht wohl kaum in Hegels Terminologie. Da hat man es zum Bei-
spiel mit Kants „Kritik der reinen Vernunft“ schwerer, und Hegel tut
seinem Urteil keinen Zwang an, wenn er Kants Terminologie einfach
„barbarisch“2 nennt. Und dennoch ist Kant im Vergleich mit Hegel
Reiselektüre für die Eisenbahnfahrt, wie Bloch in seiner Leipziger
Vorlesung zu sagen pflegte. Die Probleme beim Begreifen Hegels
rühren vielmehr aus seiner philosophischen Grundkonzeption her.

Grund 1
Hegels Mystifikation Hegel betrachtet in der „Logik“ den Denkprozeß des Menschen. Aber
des Denkprozesses
er mystifiziert ihn. Er stellt ihn als einen vom Menschenkopf getrenn-
ten, eigenständigen, objektiven Prozeß dar. Und dieser Denkprozeß
ist der Weltprozeß selbst. Mag uns diese Ansicht heute auch seltsam
anmuten, so ist doch zu bedenken, daß Hegel aus historischen Grün-
den nur diesen Weg sah, die Subjektivität und geschichtliche Aktivi-
tät des Menschen zu begründen.
Damit sind wir aber beim Grund der Schwierigkeiten, die sich
beim Studium der „Logik“ einstellen können. In Hegels Darstellung
ist der Denkprozeß als objektiver und als Weltprozeß aus sich selbst
zu begreifen. In der Tat aber ist der Denkprozeß letztendlich durch
die Praxis vermittelte Widerspiegelung materieller Prozesse im Kopf
des Menschen. In Hegels Konzeption entfällt dieser Bezug, und da-
her rührt die Mystifikation des Denkprozesses.
Wie läßt sich diese Die vorliegende Interpretation der „Logik“ soll gerade hier an-
Mystifikation
setzen, d. h. versuchen, diese Mystifikation zu überwinden, also den
überwinden?
Denkprozeß, den Hegel objektiviert, in seiner Beziehung auf den
materiellen Prozeß, der Selbstbewegung ist, zu betrachten. Es ist zu
erkunden, was einen materiellen Prozeß der Selbstbewegung aus-

2 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philoso-
phie. Dritter Band, Leipzig 1971, S. 490.

18
Schwierigkeiten beim Studium der „Wissenschaft der Logik“

zeichnet. Es wird zu zeigen sein, daß Negieren als spezifischer Pro-


zeß und Negatives als sein Produkt die einfachen Bestimmungen sind,
aus denen ein sich selbst bewegendes System sich aufbaut. In diesem
Sinne sollte man den „Logik“-Text nicht nur als solchen interpretie-
ren, sondern bestrebt sein, mit Hegel, unter seiner gedanklichen Lei-
tung den Prozeß der Selbstbewegung materieller Systeme theoretisch
zu erfassen. Im Grunde genommen muß Hegel Prozesse dieser Art
auf dem Stande der wissenschaftlichen Erkenntnis seiner Zeit auch
im Blick gehabt haben. Wohl konstruiert er die Selbstbewegung als
Bewegung des absoluten Begriffs, aber dabei muß nach Möglichkeit
die tatsächliche Bewegung der tatsächlichen Welt herauskommen.
Also muß die Bewegung des absoluten Begriffs auch so konstruiert
werden, daß sie dieser tatsächlichen Bewegung entspricht. Auf die-
sem Umweg wird dann in der autonomen Begriffsentwicklung die
tatsächliche Bewegung dargestellt. Und bei der Betrachtung der wirk-
lichen Welt sucht Hegel danach, wie sich in ihr die Bestimmungen
von Selbstbewegung tatsächlich realisieren. Von diesem Streben zeugt
insbesondere auch seine Naturphilosophie.

Grund 2
Die Interpretation hat von der materialistischen Grundposition her Die Welt als Ganzes

auch einen anderen Bezugspunkt als Hegels Darstellung. Hegel faßt in ihrer

in der „Logik“ die Welt als den sich selbst setzenden absoluten Be- Selbstbewegung

griff, der das Ganze ist, und dieses Ganze ist ein in sich geschlosse-
nes System, d. h. es ist das einzige und somit das allumfassende Sy-
stem. Er stellt die Selbstbewegung als die Bewegung dieses Systems
dar. Die hier vorgelegte Interpretation geht ebenfalls davon aus, daß
die Welt ein Ganzes ist: die Materie in ihrer Unendlichkeit, als
unerschaffen und unzerstörbar, in ständiger Bewegung begriffen,
unerschöpflich in ihren Existenz- und Bewegungsformen. Die un- Die Selbstbewegung

endliche materielle Welt existiert als Mannigfaltigkeit historisch be- historisch bestimmter

stimmter, endlicher Systeme in ihren Zusammenhängen, in ihren Systeme

Übergängen. Die Selbstbewegung dieser jeweils historisch bestimm-


ten Systeme ist infolgedessen nicht absolut, sondern bedingt in ihren
räumlichen und zeitlichen Beziehungen zu koexistierenden, vorher-
gehenden und nachfolgenden Systemen. Die Binnenbewegung des
gegebenen Systems hat zu ihrer Grundlage die Vermittlung mit den
ihm vorausgesetzten Systemen. Ohne diesen Basisprozeß findet die
systemspezifische Selbstbewegung nicht statt. Die Menschen haben

19
Einführung in den Kommentar

es in ihrer praktischen und theoretischen Tätigkeit mit sich selbst


bewegenden Systemen zu tun, die historisch bestimmte Gebilde und
als solche Glieder des Weltganzen sind. In diesem Endlichen und
durch es erkennen sie das Unendliche. Die Theorie der Selbst-
bewegung, wie sie in der „Wissenschaft der Logik“ dargestellt ist,
im Hinblick auf historisch bestimmte materielle Systeme zu interpre-
tieren, bedeutet, die Bestimmungen, die Hegel gibt, in Beziehung zu
setzen zur Beschreibung der Selbstbewegung materieller Systeme in
den anderen Wissenschaften. Man muß aus der Kenntnis solcher
Theorien heraus prüfen, inwieweit Hegels Darstellung den Erfah-
rungen wissenschaftlichen Erkennens entspricht.
Will man also philosophisch bestimmen, was Selbstbewegung ist,
so hat man von den Erkenntnissen auszugehen, die über die Selbst-
bewegung historisch bestimmter, endlicher Systeme in ihren Zusam-
menhängen miteinander gewonnen worden sind. In der Tat stellt Hegel
in der „Wissenschaft der Logik“ nicht die Selbstbewegung des Welt-
ganzen dar. Dies wäre ein wissenschaftlich nicht zu bewältigendes
Anliegen, weil das Ganze infolge des Wechselspiels von Unendli-
chem und Endlichem immer nur annähernd zu erkennen ist, inklusi-
ve Schlüsse vom Erkannten aufs Unerkannte, die sich aber vor blo-
ßen Extrapolationen zu hüten haben. Überhaupt ist das Sein „eine
offene Frage von der Grenze an, wo unser Gesichtskreis aufhört.“3
Allerdings wäre es logisch möglich, Hegels Konzept auch als
Grenzfalldarstellung zu interpretieren: Selbstbewegung eines allum-
fassenden Systems, das als solches ewig besteht und sich nicht auf-
hebt, sich somit in seinen Grundkomponenten nicht verändert. Dann
müßten die Bestimmungen, die für den Grenzfall gelten, im Hinblick
auf die historisch bestimmten Systeme stets konkretisiert werden. In
dieser Konkretisierung rückt dann aber ins Blickfeld, was in der
Hegelschen „Logik“ ausgeblendet ist: das Entstehen und Vergehen
sich selbst bewegender historisch bestimmter Systeme. Der Art und
Weise praktischer Erfahrung und theoretischer Einsicht der geschicht-
lich handelnden Menschen wird es wohl eher gerecht, wenn man die
Dialektik als Methode des Erkennens und der Begründung des Ver-
änderns jeweils historisch bestimmter Systeme entwickelt.
Erkenntnis der Die „Anstrengung des Begriffs“ in unseren Tagen soll sich kei-
Selbstbewegung –
nesfalls darauf beschränken, den Stand der philosophischen Erkennt-
unabgeschlossener,

fortschreitender
nis und Bestimmung von Selbstbewegung, wie ihn Hegels „Logik“
Prozeß

3 Friedrich Engels: Anti-Dühring. In: MEW, Bd. 20, S. 41.

20
Schwierigkeiten beim Studium der „Wissenschaft der Logik“

repräsentiert, lediglich zu interpretieren. Vielmehr ist zu überlegen,


in welcher Hinsicht die Erfahrungen des wissenschaftlichen Erken-
nens seit dem Erscheinen der „Logik“ die Einsicht in den Prozeß
der Selbstbewegung historisch bestimmter Systeme vertieft und er-
weitert haben. Dies ist ganz im Sinne Hegels, der schreibt: „Erst aus
der tiefern Kenntnis der andern Wissenschaften erhebt sich für den
subjektiven Geist das Logische als ein nicht nur abstrakt Allgemei-
nes, sondern als ein den Reichtum des Besondern in sich fassende
Allgemeine; – wie derselbe Sittenspruch in dem Munde des Jüng-
lings, der ihn ganz richtig versteht, nicht die Bedeutung und den
Umfang besitzt, welchen er im Geiste eines lebenserfahrenen Man-
nes hat, dem sich damit die ganze Kraft des darin enthaltenen Gehal-
tes ausdrückt. So erhält das Logische erst dadurch die Schätzung
seines Werts, wenn es zum Resultate der Erfahrungen der Wissen-
schaften geworden ist; es stellt sich daraus als die allgemeine Wahr-
heit, nicht als eine besondre Kenntnis neben anderem Stoffe und
Realitäten, sondern als das Wesen alles dieses sonstigen Inhalts dem
Geiste dar.“ (L I, 40) Das Logische als Resultat der Erfahrungen der
Wissenschaften ist nicht ein für alle Male gegeben, sondern entwik-
kelt sich mit diesen Erkenntniserfahrungen. In diesem Sinne sollte
die Kritik der Hegelschen Darstellung der dialektischen Methode
zeigen, worin ihre Größe und Berechtigung bestehen und welche ihre
Grenzen sind, d. h. in welchen Richtungen die Bestimmungen von
Selbstbewegung korrigiert, präzisiert, vertieft und erweitert worden
sind. Im hier vorgelegten Kommentar wird dieses Anliegen mit dem
Nachweis verfolgt, wie Marx in seiner politökonomischen Analyse
des Systems der kapitalistischen Produktion Hegels Dialektik in ei-
nem neuen philosophischen Ansatz zur Untersuchung von Selbst-
bewegung kritisch aufgehoben hat.

Grund 3
Im Haupttext der „Logik“ stellt Hegel „die Sache selbst“ dar. Die Ableitung der

„wahrhafte Methode der philosophischen Wissenschaft“, die in der begrifflichen Bestim-

„Logik“ abgehandelt wird, „ist das Bewußtsein über die Form der mungen eine aus

der anderen ...


inneren Selbstbewegung ihres Inhalts.“ (L I, 35) Diese Methode ist
„von ihrem Gegenstande und Inhalte nichts Unterschiedenes“, „denn
es ist der Inhalt in sich, die Dialektik, die er an ihm selbst hat,
welche ihn fortbewegt.“ (L I, 36) Hegels Darstellung folgt genau
diesem Prinzip. Die begrifflichen Bestimmungen müssen eine aus

21
Einführung in den Kommentar

der anderen abgeleitet werden, oder sie müssen – in Hegels Auffas-


sung – eine aus der andren selbst hervorgehen im Prozeß des sich
selbst setzenden absoluten Begriffs. Dieser Begriff setzt sich in sei-
ner dialektischen Bewegung, aber er stellt über das, was er tut, keine
metatheoretischen Erörterungen an. Die absolute Idee hat zu bilden,
hat sich in ihrer Selbstbewegung zu setzen, nicht zu reden, nicht zu
erläutern, was sie tut. Doch der Sekretär des Weltgeistes hätte schon
einige Erläuterungen hinzusetzen können. Aber Hegel verzichtet im
Haupttext konsequent darauf.
... als exakte Aus materialistischer Sicht zielt die Ableitung der begrifflichen
gedankliche Repro-
Bestimmungen auseinander letztlich darauf herauszufinden, wie die
duktion der Art und

Weise, in der
Bestimmungen des materiellen Prozesses der Selbstbewegung ein-
materielle Selbst- ander hervorbringen. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hin-
bewegung sich gewiesen, daß der Bezug auf ein bestimmtes sich selbst bewegendes
realisiert
System, eben als Systemuntersuchung, verbunden mit der systemati-
schen, schrittweisen Ableitung seiner Bestimmungen einer aus der
anderen, Beliebigkeit im Benutzen der Dialektik zu vermeiden geeig-
net ist, eine Beliebigkeit, die sie zu einem Mittel der Rechtfertigung
von Behauptungen, die einem gerade wichtig vorkommen, werden
lassen kann, was ihrer kritischen Intention total widerspricht. Gera-
de durch den Systembezug ist dialektisches Denken objektives, kriti-
sches, genaues Denken, das sich über jeden seiner Schritte Rechen-
schaft ablegt, ihn begründet und stets auf seine Berechtigung, seine
Notwendigkeit hin überprüft. Die verallgemeinerte Erfahrung im
Erkennen von Selbstbewegung hilft dann beim gedanklichen Erfas-
sen bisher nicht erkannter Systeme.
Schließlich soll nicht bestritten werden, daß Hegel manches hätte
faßlicher ausdrücken können. Aber Hegel muß sich über die nicht
gerade zahmen Konsequenzen seiner Dialektik im klaren gewesen
sein, sobald sie in der Untersuchung konkreter, historisch bestimm-
ter Systeme Anwendung findet. Vielleicht war das Codieren der zu
seiner Zeit erst recht umwälzenden Ansichten eine notwendige List,
die es ihm erlaubte, sie überhaupt erst einmal das Licht der Welt
erblicken zu lassen? Ein nützlicher Nebeneffekt ist dann aber, daß
man nicht einfach über seine Formulierungen hinweg lesen kann,
weil man sonst gar nichts begreift. Hegel zwingt durch seine Art der
Darstellung den Leser, selbst nachzudenken.

22
Die Interpretation

Der Kommentar besteht aus zwei Abteilungen: 1. Interpretation und


2. Diskussion.

Die Interpretation
Man muß Hegels „Logik“ vor sich liegen haben, sie lesen und zu Selbst Hegels

begreifen bemüht sein. Erst dann, wenn man sich in diesem Prozeß „Logik“ lesen

Fragen stellt, hat es Sinn, auch einmal zu dieser Interpretation zu


greifen und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Sie soll das Hegel-Studi-
um nicht ersetzen; sie setzt es voraus und will Unterstützung dabei sein.
Die Interpretation der „Logik“ läßt sich von dem Ziel leiten, die Hegels Gedanken-

Dialektik als Methode, so wie Hegel sie begründet hat, vorzustellen. gang genau

Sie hat daher erstens die Verpflichtung, Hegels Gedankengang in verfolgen

seiner Ganzheit genau zu verfolgen, seinen Text Schritt für Schritt


durchzugehen, nicht die eine oder andere für interessant gehaltene
oder leichter verständliche Passage aus dem Ganzen herauszugrei-
fen. Sie muß also diesen Gedankengang vollständig erfassen und sich
auch im Interesse wissenschaftlicher Seriosität davor hüten, einzel-
ne Textteile zu unterschlagen, weil sie „abstrus“, „wirr“, „unklar“
usw. seien. Sie muß gerade dort, wo er „dunkel“ zu sein scheint, dicht
am Text bleiben und auch an schwierigen Stellen eine Interpretation
anbieten, die Diskussionsgegenstand sein kann. Dies gilt insbeson-
dere für den Ersten Abschnitt des Zweiten Buches der „Logik“.
Die Interpretation hat den systematischen Gedankengang Hegels
zum Gegenstand, verzichtet also darauf, die erläuternden Anmer-
kungen Hegels nochmals zu erläutern. Vielmehr werden Überlegun-
gen aus den Anmerkungen hin und wieder in die Interpretation ein-
bezogen. Die interpretierenden Bemerkungen umfassen Einleitungen
in Abschnitte und Kapitel der „Logik“, die die Interpretationsrichtung
verdeutlichen, ferner Bemerkungen zu einzelnen Gedankengängen,
Sätzen oder auch Wörtern und schließlich Zusammenfassungen zum
Ergebnis, zu dem die Überlegungen jeweils gekommen sind. Zur bes-
seren Orientierung im Hegelschen Text werden in der Interpretation
die Seiten der „Wissenschaft der Logik“, die gerade behandelt wer-
den, in eckigen Klammern angegeben.
Um den Gedankengang Hegels und damit die allgemeinen Be- Mit Hegel über

wegungsformen der Dialektik, die er darstellt, möglichst genau zu materielle

erfassen, ist Wert darauf gelegt worden, den „Logik“-Text selbst wie- Selbstbewegung

nachdenken
derzugeben, aber nicht einfach als Zitat, weil man dann in der Inter-

23
Einführung in den Kommentar

pretation notgedrungen Passagen aus den Zitat wiederholen würde;


vielmehr wird mit dem Text gearbeitet mit der Zielrichtung, die vor-
hin schon angegeben worden ist: das Erfassen der Bestimmungen
historisch konkreter materieller Selbstbewegungsprozesse. Das ist
an einigen Stellen mit geringfügigen, den Sinn nicht betreffenden
Formulierungsänderungen und an ganz wenigen Stellen mit Kür-
zungen verbunden; die wenigen größeren Auslassungen werden durch
„(...)“ markiert. Oft werden erläuternde Bemerkungen oder auch nur
Wörter in den Text eingefügt. Vorausgesetzt ist dabei stets, daß der
Leser den authentischen Hegel-Text daneben liegen hat. (Der He-
gel-Text wird in Normalschrift wiedergegeben, Hervorhebungen in
ihm werden durch Fettdruck kenntlich gemacht; die interpretieren-
den Bemerkungen sind kursiv geschrieben.)
Zweitens – das sei hier nochmals betont – erfolgt die Interpretati-
on nicht nach von außen angelegten Kriterien, sondern läßt sich von
der Hegelschen Intention leiten, mit den Bestimmungen des Wesens
die Grundstruktur von Selbstbewegung zu erfassen.
Interdisziplinärer Und drittens schließlich ist der Versuch unternommen worden, die
Gedankenaustausch Interpretation so anzulegen, daß sie der Absicht dient, den Gedan-
über allgemeine
kenaustausch zwischen Philosophen und Vertretern anderer Wissen-
Erkenntnismethode

wünschenswert
schaften, speziell der modernen Naturwissenschaften, sowie über-
haupt an Philosophie Interessierten zu fördern. Gegen ein mögliches
Mißverständnis sei hier angemerkt, daß die Dialektik, die dialekti-
sche Methode nicht eine fertige Sammlung dogmatischer Sätze oder
Regeln ist. Das Erkennen der allgemeinen Bestimmungen von Selbst-
bewegung materieller Systeme ist ein Prozeß; solange Erkennen der
Selbstbewegung in den verschiedensten Bereichen der Welt durch
die Wissenschaften betrieben wird, solange im praktischen Umgang
mit solchen Systemen neue Einsichten gewonnen werden, solange
wird auch die Erkenntnismethode bereichert werden können, wenn
man sie denn als Aufgabe begreift.

Die Diskussion
Die Diskussion kann sich auf verschiedene Fragen beziehen.
Basierend auf der Interpretation ist Hegels Konzeption der Selbst-
Marx’ kritische bewegung kritisch auf unvergängliche Leistung und auf durch die
Nutzung der
Wissenschaftsentwicklung Aufgehobenes zu prüfen. Dabei ist es von
Methode Hegels
größtem Interesse, konkret zu verfolgen, wie Marx, der sich ausdrück-

24
Die Diskussion

lich als Schüler des Philosophen bekannte, die Hegelsche Methode


zur Untersuchung von Selbstbewegung kritisch nutzbar machte, ins-
besondere im „Kapital“ und in den damit zusammenhängenden Ar-
beiten. Der vorliegende Kommentar enthält einen Beitrag hierzu,
der sich speziell damit befaßt, wie Marx in den „Grundrissen der
Kritik der politischen Ökonomie“ die Hegelsche Methode anwendete,
indem er sie zugleich in einem neuen Typ von Dialektik aufhob. Der
Kernpunkt ist hier, daß Marx ein historisch bestimmtes System un-
tersucht, das in seiner Selbstbewegung einen Entwicklungsprozeß
durchläuft, während das von Hegel angenommene System sich in der
gleichbleibenden Reproduktion seiner Zusammenhänge selbst bewegt.
Der Beitrag zu den „Grundrissen“ deutet an, wie die einschlägigen
Einsichten, die Marx bei dieser Analyse gewonnen hat, zu Bestim-
mungen der dialektischen Methode verarbeitet werden können.
In Publikationen, die auf die vorliegende folgen, soll in der Abtei- Weitere Diskussions-

lung „Diskussion“ die exakte Kennzeichnung des Erkenntnisstandes, gegenstände

den Hegel und – über ihn hinausgehend – Marx erreichten, Basis für
eine kritische Einschätzung der weiteren Entwicklung dialektischen
Denkens in der Philosophie sein.
Vor allem aber wird es für die weitere Untersuchung des Problems
der Selbstbewegung von unschätzbarem Nutzen sein, die einschlägi-
gen Erkenntniserfahrungen der modernen Wissenschaften aufmerk-
sam zu studieren.
Von Interesse ist in diesem Zusammenhang auch die Diskussion
anderer Interpretationen, die in der BRD vor allem seit den sechziger
Jahren erschienen sind.4

Im hier vorgelegten Kommentar werden dem Leser also folgende Texte


vorgestellt:
1. die Interpretation des Ersten und des Zweiten Kapitels des Zwei-
ten Buches der „Wissenschaft der Logik“ über den Schein und über

4 Eine knappe Auswahl aus der inzwischen umfangreichen Literatur zu dieser


Problematik wird am Ende des Interpretationsteils aufgeführt. Hier soll auf zwei
Arbeiten hingewiesen werden, die sich speziell auf die ersten beiden Kapitel des
Zweiten Teils der „Wissenschaft der Logik“ beziehen. Mit dem Ersten Kapitel be-
faßt sich Dieter Henrich: Hegels Logik der Reflexion. Neue Fassung. In: Die Wis-
senschaft der Logik und die Logik der Reflexion. Herausgegeben von Dieter Henrich,
Bonn 1978, S. 203-324. Die andere Arbeit ist Christian Iber: Metaphysik absoluter
Relationalität. Eine Studie zu den beiden ersten Kapiteln von Hegels Wesenslogik,
Berlin, New York 1990.

25
Einführung in den Kommentar

die Wesenheiten oder die Reflexionsbestimmungen; diese Kapitel


enthalten den Kern der Hegelschen Konzeption der Selbstbewegung;
2. eine Studie darüber, wie Marx in den „Grundrissen der Kritik
der politischen Ökonomie“ die Dialektik angewendet hat, und zwar
jene Denkformen, die Hegel in den beiden ersten Kapiteln der Lehre
vom Wesen behandelt, im Anhang ergänzt durch eine Analyse des
Fragments des Urtextes von „Zur Kritik der politischen Ökonomie“
(1858).

26
Erste Abteilung:
Interpretation

Georg Wilhelm Friedrich Hegel:


Wissenschaft der Logik

27
ZWEITES BUCH
Die Lehre vom Wesen

[Einleitung]
Wenn der materielle Prozeß, der in der Lehre vom Sein das Gegen-
stück zum Denkprozeß bildet, ganz knapp charakterisiert werden soll,
so ist zu sagen: Es ist eine Bewegung, die nicht durch sich selbst
besteht, d. h. die sich nicht selbst produziert, was sich darin zeigt,
daß sie sich selbst aufhebt, indem sie in den Prozeß zurückgeht, aus
dem sie immer wieder hervorgeht. Sie ist also nicht selbständig. Jetzt,
in der Lehre vom Wesen, geht es um die Selbständigkeit, um die Selbst-
bewegung (materieller Systeme – aus der Sicht der Interpretation),
darum, wie diese Bewegung sich selbst produziert. Hegel faßt die
Beziehung zwischen unselbständiger und selbständiger Bewegung
als Beziehung von Sein, das Schein ist, und Wesen.

Notwendigkeit des Anfangs vom Sein und des Fortgangs zum Wesen –
als Bewegung des Seins und als Weg des Wissens
Hegel stellt am Anfang der Einleitung zum Zweiten Buch grundsätz-
lich fest: [3] Die Wahrheit des Seins ist das Wesen. Da das Sein
nicht aus sich besteht, ist es auch nicht aus sich zu begreifen. Das
Das Sein ist das Sein ist zunächst als das Unmittelbare gefaßt worden. Aber das Er-
Unmittelbare; aber kennen begnügt sich damit nicht. Das Wissen will das Wahre erken-
was ist es an und für
nen, und das heißt, es will erkennen, was das Sein an und für sich
sich?
ist. Was unter diesem „an und für sich“ zu verstehen ist, ist erst noch
zu bestimmen. Jedenfalls bleibt das Erkennen in diesem Bestreben
nicht beim Unmittelbaren und dessen Bestimmungen stehen, son-
dern dringt durch dasselbe hindurch. Aber dabei macht es die Vor-
aussetzung, daß hinter diesem Sein noch etwas anderes ist als das
Sein selbst und daß dieser Hintergrund die gesuchte Wahrheit des
Seins ausmacht. Der weitere Gang des Erkennens selbst muß diese
Voraussetzung als berechtigt erweisen.

28
Einleitung

Die Erkenntnis dieses Hintergrundes, der als das Wesen bestimmt Der Weg des

werden wird, ist ein vermitteltes Wissen, denn sie befindet sich nicht Erkennens vom Sein

unmittelbar beim und im Wesen. Vielmehr beginnt sie von einem


zum Wesen ...

Andern als dem Wesen, dem Sein, und hat einen vorläufigen Weg, den
Weg des Hinausgehens über das Sein oder vielmehr des Hineingehens
in dasselbe zu machen. Erst indem das Wissen sich aus dem unmittel-
baren Sein erinnert, durch diese Vermittlung findet es das Wesen.
Hegel verweist darauf, daß die Sprache im Zeitwort Sein das Wesen
in der vergangenen Zeit, „gewesen“, behalten hat; denn das Wesen
ist das vergangene, aber zeitlos vergangene Sein. Das Wesen wird
sich als das gewesene Sein erweisen; das Sein ist aufgehoben, aber
nicht als in der Vergangenheit versunken, sondern als zeitlos ver-
gangen: als zum Wesen werdend und das Sein erneuernd.
Hegel betont nun, daß dieser Weg des Wissens die Bewegung des ... entspricht der

Seins selbst ist. Stellt man diese diese Bewegung als Weg des Wis- Bewegung des

sens vor, so erscheint dieser Anfang vom Sein und der Fortgang, der
Seins, das zum

Wesen wird
es aufhebt und beim Wesen als einem Vermittelten anlangt, eine Tä-
tigkeit bloß des Erkennens zu sein, die dem Sein äußerlich sei und
dessen eigene Natur nichts angehe.
Aber dieser Gang ist die Bewegung des Seins selbst. Wie im Schluß-
teil des Ersten Buches gezeigt, erinnert sich das Sein durch seine
Natur oder geht es in sich und wird durch dieses Insichgehen zum
Wesen. Das Sein selbst macht eine Bewegung durch, in der es sich
als Unmittelbarkeit negiert, indem es in sich geht, und das Erkennen
folgt dieser Bewegung.

Bestimmung des Wesens nicht durch äußerliche Abstraktion möglich


Die Frage ist nun, wie das Wissen den Übergang vom Sein zum We- Wie aber dringt das

sen vollziehen kann und muß. Wenn also das Absolute zuerst als Sein Erkennen vom Sein

zum Wesen vor?


bestimmt war, so ist es jetzt als Wesen bestimmt. Unter dieser Vor-
aussetzung kann das Erkennen überhaupt nicht bei dem mannigfalti-
gen Dasein, aber auch nicht bei dem Sein, dem reinen Sein, stehen-
bleiben. Denn mit der Bestimmung des reinen Seins kommt man nicht
über das Sein hinaus oder in das Sein hinein zum Wesen. Vielmehr
drängt sich unmittelbar die Reflexion auf, daß dieses reine Sein, die
Negation alles Endlichen, eine Erinnerung und Bewegung voraus-
setzt, welche das unmittelbare Dasein zum reinen Sein gereinigt hat.
Bestimmt man das Sein auf diese Weise als Wesen, so wird es als ein
solches Sein gefaßt, an dem alles Bestimmte und End[4]liche negiert

29
Einleitung

ist. So ist es die bestimmungslose, einfache Einheit, von der das


Bestimmte auf eine äußerliche Weise gedanklich hinweggenommen
worden ist; dieser Einheit war das Bestimmte selbst ein Äußerliches,
und es bleibt ihr nach diesem Wegnehmen noch gegenüberstehen;
denn es ist nicht an sich, sondern relativ, nur in Beziehung auf diese
Einheit, aufgehoben worden. – Es wurde oben schon erinnert, daß
wenn das reine Wesen als Inbegriff aller Realitäten bestimmt wird,
diese Realitäten gleichfalls der Natur der Bestimmtheit und der ab-
strahierenden Reflexion unterliegen und dieser Inbegriff sich zur lee-
ren Einfachheit reduziert. In der Behandlung des Daseins war Hegel
schon kritisch auf die metaphysische Auffassung eingegangen, wo-
nach Gott „das rein Reale in allem Realen“ oder der „Inbegriff
aller Realitäten“ ist, was aber „dasselbe Bestimmungslose und Ge-
haltlose“ bedeutet wie „das leere Absolute, in dem Alles Eins ist.“ (L
I, 100) Das Wesen ist auf diese Weise nur Produkt, und zwar nur ein
Durch äußerliche vom äußerlich abstrahierenden Denken Gemachtes. Die äußerliche
Abstraktion ... Negation, welche Abstraktion ist, hebt die Bestimmtheiten des Seins
nur hinweg von dem, was als Wesen übrigbleibt; es stellt sie gleich-
sam immer nur an einen andern Ort und läßt sie als seiende vor wie
nach. Damit ist deutlich, daß man mit dieser Denkweise immer beim
Sein bleibt, nicht über es hinaus- oder vielmehr in es hineinkommt,
also nicht zum Wesen vordringt. Oder anders: Das Denken kann von
der Betrachtung der unselbständigen zur Betrachtung der Selbst-
bewegung nur dann kommen, wenn es seine eigene Weise so verän-
dert, daß es diesen anders bestimmten Tatbeständen gerecht wird.
... wird das Wesen Das Wesen ist aber auf diese Weise weder an sich, noch für sich
nicht „an und für selbst, und hier ergibt sich zunächst, was das Gegenteil von „an und
sich“ gefaßt
für sich“ ist: so gefaßt, ist das Wesen durch ein Anderes, durch die
äußerliche, abstrahierende Reflexion, und für ein Anderes, nämlich
für die Abstraktion und überhaupt für das ihm gegenüber stehenblei-
bende Seiende. Es ist also nicht an sich, sondern durch ein anderes,
und nicht für sich, sondern für ein Anderes. In seiner Bestimmung ist
es daher die in sich tote, leere Bestimmungslosigkeit.

Bestimmung des Wesens durch seine eigene Negativität –


Wesen als An-und-Fürsichsein –
Neuer Charakter des Bestimmens in der Sphäre des Wesens
Das Wesen aber, wie es durch die Aufhebung des Seins geworden ist,
ist das, was es ist, nicht durch eine ihm fremde, äußerliche Negativität,

30
Einleitung

nicht durch die Abstraktion, sondern durch seine eigne Negativität, Das Wesen ist es

die unendliche Bewegung des Seins. Das Wesen ist An-und-Für- selbst durch seine

sichsein, und hier ist zu erfahren, wie diese Ausdrücke Hegels posi- eigene Negativität;

es ist An- und


tiv zu verstehen sind: absolutes Ansichsein, indem es gleichgültig Fürsichsein
gegen alle Bestimmtheit des Seins ist, das Anderssein und die Bezie-
hung auf anderes schlechthin aufgehoben worden ist; es ist also nicht
durch die Beziehung auf anderes, vielmehr ist es auf sich bezogen.
Es ist aber nicht nur dieses Ansichsein; als bloßes Ansichsein wäre
es nur die Abstraktion des reinen Wesens; sondern es ist ebenso we-
sentlich Fürsichsein; und das bedeutet: es selbst ist diese Negativität,
das sich Aufheben des Andersseins und der Bestimmtheit; es setzt
sich selbst.
Hier – insbesondere im Begriff der Negativität – deutet sich schon
an, was das Wesen auszeichnet: die Selbstbewegung. Hegel wird sich
bei der Darstellung der Reflexion und der Reflexionsbestimmungen
in einer Reihe von grundsätzlichen Bemerkungen über diesen Kern
seiner Lehre vom Wesen äußern. Das Wesen in seiner Selbstbewegung
ist es, dem das Wissen auf die Spur kommt, indem es verfolgt, wie das
Sein sich „erinnert“. Das so sich bestimmende Wesen ist es, das „hin-
ter dem Sein“ am Wirken und Schritt für Schritt begrifflich zu erfas-
sen ist.
Das Wesen in seiner Bewegung setzt seine Bestimmungen selbst. Inhalt der drei

Hegel skizziert hier knapp den Inhalt der drei Abschnitte des Zwei- Abschnitte des

ten Buches, zuerst den des Abschnitts „Das Wesen als Reflexion in Zweiten Buches der

„Logik“
ihm selbst“. Das Wesen als die vollkommene Rückkehr des Seins in
sich ist so zunächst das unbestimmte Wesen; die Bestimmtheiten des
Seins sind in ihm aufgehoben; es enthält sie an sich, aber nicht, wie
sie an ihm gesetzt sind, d. h. sie müssen erst noch gesetzt werden.
Das absolute Wesen in dieser Einfachheit mit sich hat kein Dasein.
In der Betrachtung der Reflexion wird nachgewiesen, wie es sich
„als einfaches, ansichseiendes Wesen in seinen Bestimmungen in-
nerhalb seiner“ (L II, 6) setzt. Aber es muß zum Dasein übergehen;
denn es ist An-und-Fürsichsein, d.h. es unterscheidet die Bestim-
mungen, welche es an sich [5] enthält. Im Zweiten Abschnitt wird
dargestellt, wie das Wesen sich „als heraustretend in das Dasein, oder
nach seiner Existenz und Erscheinung“ (L II, 6) setzt. Schließlich:
Weil es Abstoßen seiner von sich oder Gleichgültigkeit gegen sich,
negative Beziehung auf sich ist, setzt es sich somit sich selbst ge-
genüber und ist nur insofern unendliches Fürsichsein, als es die Ein-
heit mit sich in diesem seinem Unterschiede von sich ist. Im Dritten

31
Einleitung

Abschnitt wird erläutert werden, wie es sich „als Wesen, das mit sei-
ner Erscheinung eins ist, als Wirklichkeit“ (L II, 6) setzt.
Neuer Charakter Hegel weist hier grundsätzlich auf den neuen Charakter des Be-
des Bestimmens stimmens in der Sphäre des Wesens hin. Dieses Bestimmen ist denn
und der Bestimmun-
anderer Natur als das Bestimmen in der Sphäre des Seins, und die
gen in der Sphäre

des Wesens
Bestimmungen des Wesens haben einen andern Charakter als die
Bestimmtheiten des Seins. Das Wesen ist absolute Einheit des An-
und [des] Fürsichseins; sein Bestimmen bleibt daher innerhalb die-
ser Einheit und ist kein Werden noch Übergehen wie in der Sphäre
des Seins, so wie die Bestimmungen selbst im Wesen nicht ein Ande-
res als anderes, noch Beziehungen auf anderes sind; sie sind Selb-
ständige, aber damit nur als solche, die in ihrer Einheit miteinander
sind. Die Bestimmtheit des Seins ist die Qualität, die stets unmittel-
bare Beziehung auf anderes überhaupt ist. Das Wesen bleibt in sei-
nem Bestimmen und in seinen Bestimmungen in sich. Dies schließt
sowohl die Selbständigkeit der Bestimmungen als auch ihr Auf-
einanderbezogensein ein, wie sich zeigen wird. – Hegel charakteri-
siert zusammenfassend noch einmal kurz die Stufen des fortschrei-
tenden Sichbestimmens des Wesens. Das Wesen ist zuerst einfache
Negativität und hat dann die Bestimmtheit, welche es als einfache
Negativität nur an sich enthält, in seiner Sphäre zu setzen, um sich
Dasein und dann sein Fürsichsein zu geben.
Vergleich des Das Wesen ist im Ganzen das, was die Quantität in der Sphäre
Wesens mit der des Seins war; die absolute Gleichgültigkeit gegen die Grenze. Aber
Quantität in der
die Quantität in der Sphäre des Seins ist unmittelbare und über-
Sphäre des Seins
gehende Bestimmung. Die Quantität aber ist diese Gleichgültigkeit
in unmittelbarer Bestimmung, und die Grenze an ihr [ist] unmittel-
bar äußerliche Bestimmtheit, sie geht ins Quantum über; die äußer-
liche Grenze ist ihr notwendig und ist an ihr seiend. Die Bestimmt-
heit des Wesens ist dagegen nicht unmittelbar seiend. Am Wesen
hingegen ist die Bestimmtheit nicht; sie ist nur durch das Wesen selbst
gesetzt, nicht frei, sondern nur in der Beziehung auf seine Einheit. Das
Wesen in seiner Selbständigkeit hat nicht unmittelbare oder seiende Be-
stimmtheit an ihm, indem es alle seine Bestimmtheiten selbst setzt. Dies
aber ergibt sich aus der spezifischen absoluten Negativität des Wesens.
Die Negativität des Wesens ist die Reflexion, und die Bestimmungen
sind reflektierte, durch das Wesen selbst gesetzte und in ihm als aufge-
hoben bleibende. Genaueren Aufschluß über den neuen Charakter der
Negativität und der Bestimmtheiten als solcher des Wesens wird man
im Ersten Abschnitt der Lehre vom Wesen erhalten.

32
Einleitung

Stellung des Wesens in der Logik


Schließlich wird zur Stellung des Wesens in der Logik insgesamt ein-
leitend noch bemerkt, daß das Wesen zwischen Sein und Begriff
steht; es macht die Mitte derselben, und seine Bewegung den Über-
gang vom Sein in den Begriff aus. (...)

33
ERSTER ABSCHNITT
Das Wesen als Reflexion in ihm selbst

Am Anfang stellt sich natürlich die Frage, warum man sich nicht mit
dem Sein begnügen kann, das doch allein dadurch, daß es ist und der
Mensch in ihm denkend und handelnd lebt, beruhigende Gewißheit
für sich haben kann, zumindest solange, wie man mit ihm zufrieden
ist. Anders wird es allerdings, wenn die Interessen der Menschen
ihre Unzufriedenheit mit dem vorhandenen Sein bewirken. Sie sind
dann mehr oder weniger gezwungen, über das ganze System nachzu-
denken und den Versuch zu unternehmen, es in seiner Selbstbewegung
zu erkennen: um es zu modifizieren oder umzugestalten oder aufzu-
heben.
Das Sein als die Das Sein ist Komponente dieser Selbstbewegung. Faßt man das
Bewegung des
Sein als Sein historisch bestimmter Systeme, so sind es die für das
Vorhandenen –
System spezifischen Etwas oder Anderes, die das Sein bilden. Diese
Komponente der

Selbstbewegung
Etwas sind vorhanden, unterscheiden sich von anderem Vorhande-
nem, vom Anderen, beziehen sich auf das Andere, kehren aus der
Beziehung auf dieses Andere in sich zurück (über Etwas und Anderes
vgl. L I, 66ff.). Oder das – vorhandene – Etwas verändert sich und
geht in – ebenfalls vorhandenes – Anderes über, wird anderes Vor-
handenes. Das Sein ist die Bewegung des Vorhandenen oder der vor-
handenen Etwas. Die Etwas sind voneinander unabhängig, treten
einander selbständig gegenüber. Dies bedeutet aber nicht, daß sie
überhaupt oder schlechthin Selbständige oder Unabhängige sind.
Dies wird einsichtig, sobald man sich die Frage stellt, woher denn
diese Etwas oder Anderen kommen. Historisch können sie aus ande-
ren, d. h. für vorhergehende Systeme spezifischen Etwas entstanden
sein. Dies läßt sich nachweisen. Aber das Vorhandensein der neuen
Etwas, die für das neue System spezifisch sind, muß aus diesem selbst
erklärt werden können. Wenn die spezifischen Etwas erst mit diesem
neuen System, in ihm oder durch es vorhanden sind, so bedeutet dies,
daß sie in ihm produziert worden sind. Ihr Bestehen haben sie nur

34
Das Wesen als Reflexion in ihm selbst

durch diese Produktion. Sie sind somit unselbständig; sie bestehen


nicht durch sich selbst. Daher kann die Selbstbewegung des Systems
sich nicht auf jene Bewegung reduzieren, die das Sein ist. Oder das
Sein für sich allein genommen realisiert nicht diese Selbstbewegung.
Als Selbstbewegung ist der Lebensprozeß des Systems noch nicht Das Wesen als der

erfaßt, wenn bloß die Beziehung zwischen dem Erzeugen und dem sich selbst erzeu-

gende Prozeß des


Erzeugten konstatiert wird. Denn es fragt sich, wodurch der Prozeß Produzierens –
des Erzeugens sein Bestehen hat. Selbstbewegung bewirkt er dadurch, Quelle der Selbst-

daß er sich selbst erzeugt. Dieser sich selbst erzeugende Produkti- bewegung

onsprozeß, der zugleich der Ursprung des Seins ist, soll Wesen hei-
ßen. Der Begriff dieses Wesens ist zu erarbeiten.

[7] Wie stellt Hegel den Weg des Erkennens vom Sein zum Wesen dar, Die Problemstellun-

der der Bewegung des Seins zum Wesen entspricht? Als erstes wird gen in den drei

zu prüfen sein, wie das Wesen aus dem Sein herkommt. So ist das Abteilungen des

Ersten Kapitels
Wesen nicht unmittelbar an und für sich, sondern ein Resultat jener
Bewegung. Oder das Wesen zunächst als ein unmittelbares genom-
men, so ist es ein bestimmtes Dasein, dem ein anderes gegenüber
steht, es ist nur wesentliches Dasein gegen unwesentliches Dasein.
Diese Problematik wird Gegenstand der Abteilung A des Ersten Ka-
pitels sein. Das Wesen ist aber das an und für sich aufgehobene Sein;
es ist nur Schein, was ihm gegenübersteht. Dies wird Gegenstand
der Abteilung B des Ersten Kapitels sein. Schließlich wird sich zei-
gen: Allein der Schein ist das eigene Setzen des Wesens. In Abtei-
lung C des Ersten Kapitels wird das Wesen in seiner Selbstbewegung
als Reflexion betrachtet werden. (...)

35
ERSTES KAPITEL
Der Schein

(...)

A. Das Wesentliche und das Unwesentliche


Am Anfang der Wie das Wesen aus dem Sein herkommt, wird begreiflich, wenn man
„Logik“:
diesen Vorgang in die bisher in der „Wissenschaft der Logik“ be-
trachtete Bewegung einordnet. Es begann mit einer Analyse der Be-
Erzeugung des

bestimmten Seins

als die Bewegung


wegung „Sein und Nichts – Werden als Entstehen und Vergehen“,
„Sein und Nichts- jener Bewegung also, die das bestimmte Sein, das Dasein erzeugte,
Werden als Entste- dessen Bestimmtheit Qualität ist; durch seine Qualität ist Etwas ge-
hen und Vergehen“
gen Anderes etc.
Die Bewegung des Die Bewegung, die dieses Erzeugen ist, ist in ihrem Anfang Sein
Erzeugens in ihrem und Nichts. Es ist das Erzeugen, bevor es beginnt, aber an dem Punk-
Anfang als Sein und
te, wo es gleich beginnen wird. Die Bewegung des Erzeugens ist hier,
Nichts
indem die Fähigkeit oder das Vermögen des Erzeugens vorhanden
ist, aber sie ist zugleich nicht, indem dieses Erzeugen noch nicht
eingesetzt hat, dieses Vermögen noch nicht betätigt wird. Es ist das,
das Erzeugen sein wird, aber dieses Erzeugen hat noch nicht begon-
nen und ist daher ebensogut Nichts. „Es ist noch Nichts, und es soll
Etwas werden. Der Anfang ist nicht das reine Nichts, sondern ein
Nichts, von dem Etwas ausgehen soll; das Sein ist also auch schon
im Anfang enthalten. Der Anfang enthält also beides, Sein und Nichts;
ist die Einheit von Sein und Nichts; – oder ist Nichtsein, das zugleich
Sein, und Sein, das zugleich Nichtsein ist.“ (L I, 58) Sein und Nichts
sind am Anfang der für das gegebene System spezifischen Bewegung
noch völlig unbestimmt; erst durch die Realisierung der Bewegung,
die Erzeugen ist, kommt Sein zustande, das als erzeugtes ein bestimm-
tes ist.
Das Erzeugen als Sobald das Erzeugen – diese spezifische Bewegung – tatsächlich
Übergehen des
beginnt, also Werden ist, geht das Nichts in Sein und das Sein in
Nichts in Sein und
Nichts über (vgl. L I, 92). Sein geht in Nichts über, indem die Fähig-
des Seins in Nichts
keit des Erzeugens sich verbraucht, aber dieses Nichts ist „Überge-

36
Das Wesentliche und das Unwesentliche

hen in Sein, Entstehen“ (L I, 93): Indem die Fähigkeit sich verbraucht,


entsteht das Resultat. Nichts geht in Sein über: das Erzeugen setzt
ein, die Bewegung beginnt; aber dieses Sein, d. h. das Erzeugen,
hebt sich auf, ist Übergehen in Nichts, Vergehen: das Erzeugen ver-
geht in seinem Resultat. Sein und Nichts „heben sich nicht gegensei-
tig, nicht das Eine äußerlich das Andere auf; sondern jedes hebt sich
an sich selbst auf und ist an ihm selbst das Gegenteil seiner.“ (L I, 93)
Sein und Nichts bilden den unvermittelten Anfang der Bewegung des
Erzeugens; indem das Sein in Nichts übergeht, geht unmittelbar auch
das Nichts in Sein über, und indem das Nichts in Sein übergeht, geht
unmittelbar auch das Sein in Nichts über. Das Werden hebt sich in
das Dasein als bestimmtes Sein auf (vgl. L I, 93). Es ist dies der
Prozeß des Erzeugens in seiner anfänglichen, einfachsten Bestim-
mung; mit ihm beginnt die Bewegung, die erst das Sein ist, dann in
sich zurückkehrt und so das Wesen wird, das sich schließlich nach
seiner Existenz und Erscheinung und als eins mit seiner Erschei-
nung, als Wirklichkeit setzt.
Das heißt also, am Anfang ist das Erzeugen, das Hervorbringen
des bestimmten Seins, der Etwas und Anderen, und diese sind Er-
zeugte. Die Seinsanalyse ist auf die Bewegung der so erzeugten Etwas
und Anderen als Vorhandener in ihrer Beziehung aufeinander gerichtet.
Wenn nun betrachtet wird, wie das Wesen aus dem Sein herkommt, Wesen als Rückkehr

so wird verfolgt, wie das Erzeugte in den Prozeß des Erzeugens sich des Seins in sich

aufhebt: das „Wesen als die vollkommene Rückkehr des Seins in


sich...“ (L II, 4).
Das, was das Wesen ausmacht, muß sich aus dem Sein formieren
können, so daß zwischen dem Sein und dem Wesen notwendig ein
prozessualer Zusammenhang, nicht aber eine prinzipielle, unüber-
schreitbare Grenze vorhanden ist. Die Betrachtung der Bewegung des
Seins selbst muß zur Erfassung des Wesens führen; dies ist nicht ein
Sprung aus dieser in eine andere, jenseitige Welt. Man könnte vom We-
sen nichts wissen, wenn es nicht aus der Bewegung des Seins herkäme.
Das Wesen ist das aufgehobene Sein. Die Bewegung, die in dieser Übergang des Seins

Aufhebung resultiert, beginnt im Sein, und zwar als Übergang, wie ins Wesen als sich

er für das Sein kennzeichnend ist: als die erste Negation oder die aufhebender

Übergang
Negation, durch die das Sein nur Dasein oder das Dasein nur ein
Anderes wird (vgl. L II, 8f.) Es ergibt sich so eine paradoxe Situati-
on. Die Bewegung des Seins muß über es hinaus oder in es hinein
zum Wesen führen, weil das Sein unselbständig ist. Aber diese Bewe-
gung beginnt im Sein, wo sie als Übergang sich realisiert. Der Über-

37
Der Schein

gang im Sinne der Seinslogik setzt ein gegen das Andere Selbständi-
ges voraus, das in das Andere übergeht; Etwas und Anderes, zwi-
schen denen der Übergang stattfindet, sind ihrer Bestimmtheit nach
voneinander unabhängig, gegeneinander selbständig. Wie ist also
der Übergang so zu machen, daß er aus dem Sein hinausführt und
gar kein Übergang mehr ist? Die Bewegung verläuft als solche des
Seins, solange sie die Bewegung des Vorhandenen bleibt, das ein
Erzeugtes ist. Der Übergang des Seins ins Wesen besteht darin, daß
ein Vorhandenes in ein anderes Vorhandenes sich verwandelt; dieser
Übergang unterstellt aber, daß das zweite Vorhandene an sich das
Erzeugende ist. Der Übergang als Übergang hebt sich auf, indem
das Erzeugende sich zu betätigen anfängt. Dies ist dann schon eine
andere Beziehung als die zwischen bloß Vorhandenen. Es ist die pro-
duzierende Negativität.
Das Erzeugen jetzt Die Bewegung, die Erzeugen des bestimmten Seins ist, erhält jetzt
als system- eine neue Bestimmung; das Erzeugen ist jetzt als systemspezifisches
spezifisches
Negieren und das Erzeugte als systemspezifisches Negatives zu be-
Negieren gefaßt
greifen. Die Bewegung „Sein und Nichts – Werden als Entstehen und
Vergehen – bestimmtes Sein“ ist ihrer Struktur nach schon dieses
Negieren. Sie ist, kurz gefaßt, Bewegung, die in ihr Resultat sich
aufhebt und so sich selbst negiert. Dieses Sichnegieren ist zu erläu-
tern.
Gemeinhin setzt Negieren einen Gegenstand voraus, der durch
das Negieren in seiner vorliegenden Form aufgehoben und in eine
neue Form gebracht wird. Das Negieren formt den Gegenstand um
und realisiert sich selbst in der neuen Form. So plausibel dieser Vor-
gang auch sein mag, so läßt sich durch ihn doch die Erzeugung des
systemspezifischen Negativen nicht erklären. Wenn man annimmt, es
sei ein systemspezifisches Etwas der Gegenstand, den das system-
spezifische Negieren umformt, so löst man das Problem nicht, son-
dern verschiebt es nur, denn es muß ja wieder der Ursprung jenes
Etwas geklärt werden. Es ist aber nicht ein Gegenstand für das system-
spezifische Negieren vorhanden, sondern alles, was ist, ist erst durch
dieses Negieren. So ist die Negativität absolut. Der Witz ist, daß das
dem System eigene Negative durch ein Negieren erzeugt wird, das
keinen Gegenstand hat, den es umformt. Wenn nur das Negieren da
ist, das also keinen Gegenstand hat, den es negiert, so bleibt ihm nur,
sich selbst zu negieren. Es ist Bewegung, die sich negiert, indem sie
in ihr Resultat sich umsetzt. Es ist also eine für das System charakte-
ristische Bewegung, die dieses Negative setzt, indem sie sich auf-

38
Das Wesentliche und das Unwesentliche

hebt, ein Sichnegieren, das sich in seinem spezifischen Resultat ver-


gegenständlicht. Natürlich schwebt dieses Negieren nicht frei im lee-
ren Raum. Erstens ist es in materiellen Systemen Betätigung einer
Fähigkeit oder eines Vermögens, das Produziervermögen heißen soll;
diese Fähigkeit hat ihr Bestehen in einem materiellen Träger. Zwei-
tens gewinnt in der materiellen Wirklichkeit das jeweils gegebene
historisch bestimmte System das für sein Bestehen Erforderliche letzt-
lich aus ihm vorausgesetzten Systemen. Dieser Basisprozeß ist eben-
falls Negieren, und zwar Negieren des im vorausgesetzten System
Vorgefundenen, seine Umformung in ein Produkt, das im gegebenen
System gebraucht wird. Dieser Basisprozeß, dieses seinen Gegen-
stand umformende Negieren ist Träger des systemspezifischen
Negationsprozesses. Die Produktion des Negativen, soweit es für ein
historisch bestimmtes System spezifisch ist, ist nur als Negieren im
Sinne des Sichnegierens und so als Setzen des Negativen zu fassen.
So ungewohnt dieser Gedanke anfänglich sein muß, so begreiflich
wird er bei der Untersuchung solcher Systeme werden.
Die Struktur dieses Sichnegierens ist also in dem Prozeß „Sein
und Nichts – Werden als Entstehen und Vergehen – bestimmtes Sein“
schon vorhanden. Das Neue ist jetzt, beim Herkommen des Wesens
aus dem Sein, daß diese Bewegung des Erzeugens aus dem von ihr
Erzeugten sich erneut herstellt. Das Erzeugen ist so zum Sichselbst- Absolute Negativität

erzeugen geworden, und dieser Prozeß ist die absolute Negativität.


Ebenso bestimmt das Erzeugte sich jetzt neu: Es ist nicht mehr
schlechthin nur Hervorgebrachtes, sondern ein solches, das in den
Prozeß des Erzeugens sich wieder aufhebt, und in dieser Bestim-
mung erst ist es systemspezifisches Negatives. Etwas und Anderes Systemspezifisches

sind an sich Negatives, worauf Hegel am Ende dieses Kapitels ein- Negatives

geht, aber als solches erst gesetzt, wenn ihre Bewegung zu diesem
Kreise sich rundet.

Das Wesen zunächst gefaßt als erste Negation des Seins


Grundsätzlich gilt: Das Wesen ist das aufgehobene Sein. Es ist ein-
fache Gleichheit mit sich selbst oder auf sich bezogen oder wieder-
um Unmittelbarkeit, aber insofern es die Negation der [8] Sphäre
des Seins überhaupt ist.
Es ist nun zu untersuchen, was das Wesen als das aufgehobene
Sein ist. Es kommt aus dem Sein her; dies bedeutet, daß es die Un-
mittelbarkeit des Seins sich gegenüber hat, und zwar zum einen als

39
Der Schein

Widersprüchlichkeit eine solche, aus der es geworden ist und zum anderen als eine sol-
des Übergangs des che, die sich in diesem Aufheben aufbewahrt und erhalten hat. Es
Seins ins Wesen
fragt sich als erstes, wie das Wesen die Unmittelbarkeit sich gegen-
über hat als eine solche, aus der es geworden ist. Das Werden des
Wesens aus der Unmittelbarkeit hat zunächst die Bestimmung des
Übergangs des Seins ins Wesen. Dieser Übergang unterstellt, daß
das Sein als vom Wesen Unabhängiges, diesem gegenüber Selbstän-
diges vorhanden ist. Die widersprüchliche Bestimmung des Über-
gangs ist also die, daß der Übergang selbst überhaupt nur dadurch
erforderlich ist, daß das Sein unselbständig ist; aber indem dieser
Übergang im Sein einsetzt, ist das Übergehende ein Selbständiges
gegen das, worein es übergeht. Das Sein hebt sich so als vom Wesen
Unabhängiges ins Wesen auf. Es ist der für das Sein typische Über-
Wesen und Sein nur gang des Etwas ins Andere. Das Wesen ist dann Negation des Seins
als Andere
als das Andere des Seins. Es enthält damit noch nicht das Sein aus-
gegeneinander ...
schließlich als sein Moment. Das Wesen selbst ist in dieser Bestim-
mung nur wieder seiendes, unmittelbares Wesen, und das Sein ist nur
ein Negatives in Beziehung auf das Wesen, nicht an und für sich selbst,
nicht als solches, das sich selbst gänzlich ins Wesen aufgehoben hat;
das Wesen ist dann eine bestimmte Negation. So verstanden verhalten
sich Sein und Wesen wieder nur als Andere überhaupt zueinander, wie
es für die Sphäre des Seins kennzeichnend ist (vgl. L I, 113f.), denn jedes
hat ein Sein, eine Unmittelbarkeit, die gegeneinander gleichgültig sind,
und [beide] stehen diesem Sein nach in gleichem Werte.
... und daher als Zugleich aber ist das Sein auf das Wesen bezogen, indem es nicht
Wesentliches und das Wesen ist: das Sein ist im Gegensatze gegen das Wesen das Un-
Unwesentliches
wesentliche; es hat gegen dasselbe – also in dieser Beziehung – die
Bestimmung des aufgehobenen Seins. Insofern es sich jedoch zum
Wesen nur überhaupt als ein Anderes verhält, so ist das Wesen auch
nicht eigentlich Wesen, sondern nur ein in Beziehung auf das Unwe-
sentliche anders bestimmtes Dasein, indem es nicht das Unwesentli-
che ist, und so ist es nur das Wesentliche.

Die Unterscheidung zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem


Mit diesem Unterschied von Wesentlichem und Unwesentlichem ist
man noch nicht in der Sphäre des Wesens angekommen, sondern in
die Sphäre des Daseins zurückgefallen. Denn das Wesen ist so zu-
nächst als unmittelbares seiendes, und damit nur als Anderes be-
stimmt ... gegen das Sein. Die Sphäre des Daseins ist damit zugrunde

40
Das Wesentliche und das Unwesentliche

gelegt, und daß das Sein in diesem Dasein ... An-und-Fürsichsein ist,
ist eine dem Dasein selbst äußerliche Bestimmung; sowie umgekehrt
das Wesen wohl das An-und-Fürsichsein ist, aber eben auch nur ge-
gen anderes, in bestimmter Rücksicht. Hegel nimmt in diesem Zu-
sammenhang den Gebrauch der Ausdrücke „Wesentliches“ und „Un-
wesentliches“ kritisch unter die Lupe. Er macht darauf aufmerksam,
daß das Unterscheiden eines Wesentlichen und eines Unwesentli- Wie mit den

chen voneinander an einem Dasein ein äußerliches Setzen durch das Bestimmungen des

subjektive Bewußtsein ist, eine das Dasein selbst nicht berührende Wesentlichen und

Unwesentlichen
Absonderung eines Teils desselben von einem andern Teile, eine Tren- operiert wird

nung, die in ein Drittes fällt. Das Sein ist noch nicht als Moment des
Wesens begriffen. So hat man es noch mit zwei gegeneinander Selb-
ständigen zu tun. Ob man nun das eine oder das andere für wesent-
lich hält, wird vom Interesse des Beurteilenden bestimmt. Damit ist
das Kriterium für Wesentliches und Unwesentliches nicht objektiver
Art. Es ist vielmehr unbestimmt, was zum Wesentlichen oder Unwe-
sentlichen gehört. Es ist irgendeine äußerliche Rücksicht und Be-
trachtung, die diesen Unterschied macht, und derselbe Inhalt wird
deswegen bald als wesentlich, bald als unwesentlich angesehen.

Das Wesen als die absolute Negativität des Seins.


Erste Bestimmung der Selbstbewegung als ganzer in nuce
Die entscheidende Frage ist nun, wie das Wesen als solches tatsäch-
lich aus dem Sein herkommt und dieses so aufhebt, daß es ihm ge-
genüber nicht mehr als ein Anderes überhaupt stehenbleibt. Wie muß
also die Negativität beschaffen sein, durch die das Sein sich wirklich
aufhebt, so daß das Wesen in der Tat Wesen geworden ist? Genauer
betrachtet, wird das Wesen zu einem nur Wesentlichen gegen ein
Unwesentliches dadurch, daß das Wesen nur genommen ist als auf-
gehobenes Sein oder Dasein. Das Wesen ist auf diese Weise nur die
erste Negation oder die Negation, welche Bestimmtheit ist, durch
welche das Sein nur Dasein, oder [9] das Dasein nur ein Anderes
wird (vgl. L I, 102). Das Wesen aber ist die absolute Negativität des
Seins; es ist das Sein selbst, aber nicht nur als ein Anderes bestimmt, Das Wesen – die

sondern das Sein, das sich sowohl als unmittelbares Sein, wie auch absolute Negativität

als unmittelbare Negation, die mit einem Anderssein behaftet ist, auf- als Aufhebung

sowohl des unmittel-


gehoben hat. Es ist also zu überlegen, worin diese Aufhebung des baren Seins wie der
Seins sowohl als unmittelbares Sein wie auch als unmittelbare Nega- unmittelbaren

tion besteht. Die erste Bewegung ist das Übergehen des unmittelba- Negation

41
Der Schein

ren Seins in seine unmittelbare Negation. Dies ist eine Bewegung


noch im Sein. Aber diese Negation muß schon das für das Erzeugen
von Negativem Erforderliche enthalten. Trotzdem ist sie noch Sein,
ein ebenso vorhandenes Etwas oder Anderes wie das unmittelbare
Sein. Und diese unmittelbare Negation muß sich nun ebenfalls auf-
heben: in das Erzeugen von Negativem. Als grundlegende Bestim-
mung des Wesens ergibt sich erstens, daß es Produzieren, Hervor-
bringen ist, im Unterschied zur Bewegung des Seins als Übergehen.
Aber zum Wesen wird dieses Produzieren zweitens erst dadurch, daß
es sich selbst produziert, und zwar vermittelst der Erzeugung des
Negativen, aus dem das Sichnegieren sich erneut herstellt. Aufhe-
bung des Seins sowohl als unmittelbares Sein wie auch als unmittel-
bare Negation ist die Herstellung des sich selbst produzierenden
Prozesses des Erzeugens.5 So ist er das Wesen in seiner Selbst-
bewegung als das Selbständige. Es findet somit tatsächlich ein Über-
gang des Seins ins Wesen statt, der sich aber aufhebt, indem das
Wesen sich bildet.
Die absolute Negativität als spezifisches Sichselbstnegieren, als
Erzeugen des Negativen, das sich in seiner Bewegung wieder zum
Sichnegieren aufhebt, ist die Bestimmung der Selbstbewegung in nuce.
Die Negativität des bestimmten Seins ist ein Moment dieser abso-
luten Negativität; die Bewegung, in der das vorhandene Negative
sich selbst negiert, ist in dem sich selbst reproduzierenden Negieren,
das neues Negatives hervorbringt, aufgehoben.6
Das Sein jetzt in der Das Sein oder Dasein hat sich somit nicht als Anderes, denn das
Bestimmtheit des Wesen ist, erhalten, oder Sein und Wesen verhalten sich nicht mehr
Scheins
wie Etwas und Anderes zueinander, und das noch vom Wesen unter-
schiedene Unmittelbare ist nicht bloß ein unwesentliches Dasein,
sondern es ist das an und für sich nichtige Unmittelbare; es ist nur
ein Unwesen, der Schein. Dieses Unmittelbare ist an und für sich
nichtig, indem es sich ins Wesen als den sich selbst produzierenden
Prozeß aufgehoben hat. Als Moment dieses Prozesses ist das Sein
Schein. Das Sein ist als Schein nicht mehr bloß ein unwesentliches
5 Wenn im Text vom Wesen als dem Prozeß des Negierens die Rede ist, so ist stets
unterstellt, daß dies jener sich selbst produzierende Prozeß ist.
6 In der Interpretation wird das Sichnegieren, also die Produktion von Negativem
als „Prozeß des Negierens (1)“ oder einfach als „Negieren (1)“ bezeichnet – im
Unterschied zum Sichnegieren des vorhandenen Negativen, das „Prozeß des
Negierens (2)“ oder „Negieren (2)“ heißen soll. Das Negieren (1) ist eine ganz
abstrakte Bestimmung. Es ist eine Bewegung, die sich selbst negiert, indem sie sich
in ihr Resultat umsetzt.

42
Der Schein des Wesens

Dasein, das als solches noch in der Sphäre des Seins angesiedelt und
noch ein Unabhängiges, Selbständiges gegen das Wesen war; viel-
mehr ist der Schein Nichtwesen, aber nicht mehr so, wie das Sein zu
Beginn seines Übergangs in das Wesen nicht das Wesen ist, sondern er
ist nur Schein als das Wesen, das sich als das Negative seiner setzt, und
somit eine Bestimmung nicht mehr auf der Stufe des Seins oder Daseins,
sondern auf der Stufe des Wesens, innerhalb des Wesens selbst.

B. Der Schein
Das Sein hat sich ins Wesen aufgehoben; die Bewegung, die das Sein
ist, ist jetzt Moment des sich selbst produzierenden Prozesses, und es
ist zu untersuchen, welche Bestimmungen sie als dieses Moment hat. Der Schein –

Die Bewegung, die das Sein ausmachte, bleibt, insofern das Negati- Bewegung des

ve, hervorgebracht durch den Prozeß des Negierens, da ist und sich Negativen, das sich

erhält
bewegt, und es ist zu erkunden, wie das Negative sich bewegt bzw.
wie es sich bewegen muß, wenn es seine Funktion in der Negativität
als absoluter realisieren, wenn die gegebene Bewegung also Selbst-
bewegung sein soll. Es wird sich ergeben, daß die Bewegung durch
das Sicherhalten des Negativen Selbstbewegung wird und ist. Er-
halten muß sich dasselbe Negative, und zwar in den Übergängen
der Etwas und Anderen. Es muß in diese Übergänge eingehen, muß
sie selbst vollziehen, darf sich aber nicht in ihnen verlieren; d. h. in
den vielfältigen Übergangsprozessen muß die Bewegung des Sicher-
haltens des Negativen sich formieren.
Die Bewegung des Negativen, in das das Sichnegieren sich aufge-
hoben hat, wird sich als seine Unmittelbarkeit erweisen. Es ist das
Sein in dieser doppelten Bestimmtheit, als Unmittelbarkeit, die selbst
vermittelt ist, das Hegel als Schein faßt. Den Schein als die Bewegung
des Seins, die ein Moment des sich selbst produzierenden Prozesses ist,
also dieses Momentsein zu untersuchen heißt erstens zu klären, inwie-
fern der Schein als das Erzeugte durch das Wesen bestimmt ist, so daß
seine Bestimmungen solche des Wesens selbst sind, und zweitens zu er-
kunden, wie der Schein sich wieder in das Wesens aufheben wird.

Was den Schein als Schein kennzeichnet


1. Hegel beginnt mit der Feststellung: Das Sein ist Schein. Der Schein
ist vorhandenes Negatives, hat also ein Sein, und dieses Sein des

43
Der Schein

Wieso ist der Schein Scheins besteht allein in dem Aufgehobensein des Seins, in seiner
das Negative
Nichtigkeit; diese Nichtigkeit hat es im Wesen, und außer seiner Nich-
gesetzt als

Negatives?
tigkeit, außer dem Wesen ist er nicht. Der Schein ist also das Negati-
ve gesetzt als Negatives. Das Sein ist die Bewegung des Erzeugten;
indem das Erzeugte, das in der Selbstbewegung des gegebenen Sy-
stems funktioniert (nicht aus ihr herausfällt), in den Prozeß des Er-
zeugens sich aufhebt, ist es nicht mehr an sich Negatives, wie zu-
nächst Etwas oder Anderes, sondern es ist jetzt Negatives gesetzt als
Negatives. Es hat so nicht mehr nur die Bestimmung des Erzeugten,
sondern es wird jetzt Erzeugtes, das aus sich das Erzeugen erneuert.
Der Schein ist der ganze Rest, der noch von der Sphäre des Seins
übriggeblieben ist. Er scheint aber selbst noch eine vom Wesen un-
abhängige unmittelbare Seite zu haben und ein Anderes desselben
In der Bewegung, überhaupt zu sein. Hier kommt die beim Problem des Übergangs des
die der Schein ist,
Seins ins Wesen (wo zunächst Sein und Wesen als Etwas und Anderes
erhält sich das

Negative – Unmittel-
sich aufeinander bezogen) diskutierte Selbständigkeit des Seins er-
barkeit als Bezie- neut zur Sprache. Das Sein ist Schein geworden, aber selbst in die-
hung des Negativen ser Bestimmung scheint es eine vom Wesen „unabhängige unmittel-
auf sich
bare Seite“ zu haben. Zunächst ist zu erinnern, daß das Sein sich als
solches aufgehoben hat, indem es Moment der Bewegung des We-
sens als des sich selbst produzierenden Prozesses ist. Es ist also die
ursprüngliche Unmittelbarkeit des Seins aufgehoben, die es in sei-
ner Bewegung auf sich zu beschränken schien. Damit ist die
Negativität absolut geworden. In diesem Zusammenhang ist zu be-
achten, daß die Unmittelbarkeit des Seins zunächst Nur-auf-sich-
Bezogensein der Erzeugten und insofern Nicht-Aufgehobensein in
das Wesen ist. Mit der Aufhebung des Seins in das Wesen wird die
Ausschließlichkeit der Beziehung auf sich der Erzeugten überwun-
den, aber jene Beziehung der Erzeugten auf sich bleibt als Moment
der Gesamtbewegung aufgehoben im Sinne von aufbewahrt oder er-
halten. Dies ist Auf-sich-Bezogenheit des Negativen als des Produ-
zierten, die sein Sicherhalten bedeutet. Es besteht aus vielen „ein-
zelnen“ Negativen oder Negationen, als die die Etwas und Anderen
gesetzt sind. Die Negativen beziehen sich auf sich, indem sie sich
zugleich aufeinander beziehen. In der Auf-sich-Bezogenheit des Ne-
gativen sind somit zwei Komponenten miteinander verwoben: die
Beziehung der einzelnen Negativen auf sich und die Gesamtheit der
Beziehungen der einzelnen Negativen aufeinander, die als Ganzes
der Vermittlung wiederum Beziehung des Negativen auf sich ist. Diese
Vermittlung der einzelnen Negativen mit sich ist ihre Beziehung als

44
Der Schein des Wesens

voneinander unabhängiger, als selbständiger aufeinander. So ver-


selbständigt sich die Gesamtheit der vorhandenen Negativen.
Wäre nun diese Unmittelbarkeit, diese „unmittelbare Seite“ ein
vom Wesen Unabhängiges, ein Anderes des Wesens überhaupt, so
hätte man es nach wie vor mit der Beziehung von Etwas und Ande-
rem zu tun, d. h. man hätte die Sphäre des Seins noch nicht über-
schritten. Nun war die Aufhebung des Seins gerade die Aufhebung
des Verhältnisses von Sein und Wesen als des Verhältnisses von Et-
was und Anderem. Angesichts der Tatsache, daß das Sein sich in das
Wesen aufgehoben hat, trotzdem aber der Schein eine vom Wesen
unabhängige Seite zu haben, also ein Anderes im Verhältnis zum We-
sen zu sein scheint, ist zu erinnern, wodurch das Andere charakteri-
siert ist und was mit ihm durch die Herausbildung der Negativität
als absoluter geschehen ist. Das Andere oder Anderssein enthält
überhaupt die zwei Momente des Daseins und des Nichtdaseins. Nicht-
dasein bedeutet Beziehung auf Anderes (vgl. auch L I, 106 f.). Das
Unwesentliche, indem es nicht mehr ein Sein hat, indem es dadurch,
daß unmittelbares Sein und unmittelbare Negation negiert sind, als
Schein ist, so bleibt ihm vom Anderssein nur jenes zweite Moment,
das reine Moment des Nichtdaseins. Die Aufhebung des Seins be-
steht also darin, daß jene Bestimmung des selbständigen Daseins
eliminiert, aber die Bestimmung des Nichtdaseins aufbewahrt wird.
Reines Moment des Nichtdaseins bedeutet, kein selbständiges Da- Die Bewegung, die

sein außer seiner Beziehung auf anderes zu haben oder durch seine der Schein ist, ist nur

Beziehung auf anderes dazusein. Die Bestimmung, durch seine Be- durch ihre Bezie-

hung auf den Prozeß


ziehung auf anderes dazusein, ist nicht mehr eine Bestimmung der der Erzeugung von

Sphäre des Seins, in der die Anderen einander selbständig gegen- Negativem

übertreten, sondern eine Bestimmung des aufgehobenen Seins, eine


Bestimmung der Sphäre des Wesens; es ist nicht mehr eine Bezie-
hung von Erzeugten aufeinander, sondern die Beziehung des vor-
handenen Negativen auf den Prozeß der Erzeugung von Negativem.
Der Schein ist dies unmittelbare Nichtdasein so in der Bestimmt-
heit des Seins, daß es nur in der Beziehung auf anderes oder in sei-
nem Nichtdasein Dasein hat, das Unselbständige, das nur in seiner
Negation ist. Der Schein wird hier in seiner doppelten Bestimmung
gefaßt: als Nichtdasein oder Unselbständigkeit in seiner Beziehung
auf anderes, d. h. auf das Wesen, auf den Prozeß des Produzierens,
und zugleich als Unselbständiges, das auf sich bezogen ist, und die-
se Beziehung auf sich ist seine Negation oder Negieren (2) als sein
Sicherhalten. Man hat es mit zwei Bestimmungen zu tun: zum einen

45
Der Schein

mit der Bestimmtheit des Auf-sich-Bezogenseins, die im Aufgehoben-


sein des Seins bewahrt ist, und zum anderen mit der Unselbständig-
keit dieses Auf-sich-Bezogenen, unselbständig dadurch, daß es durch
Als Moment des das Wesen vermittelt, Moment der Bewegung des Wesens ist. Die
Wesens ist der
prinzipielle Antwort auf die Frage, ob denn die Unmittelbarkeit, die
Schein
„unmittelbare Seite“ des Scheins tatsächlich vom Wesen unabhän-
unselbständig; seine

Unmittelbarkeit ist
gig oder selbständig sei, lautet somit, daß der Schein als Moment
Negation dieser des Wesens unselbständig, seine Unmittelbarkeit aber die Negation
Unselbständigkeit dieser Unselbständigkeit ist: „das Unselbständige, das nur in seiner
Negation ist“. Dadurch wird das Negative, in das das Wesen sich
aufgehoben hat, in seiner Bewegung als dieses Unselbständige selb-
ständig, d. h. erhält es sich selbst. So hat man es nicht schlechthin
mit Unselbständigem oder Selbständigem zu tun, sondern mit einer
Bewegung, in der das Produzierte, das als solches unselbständig ist,
durch seine eigene Aktion selbständig wird. Es bleibt dem Sein also
nur die reine Bestimmtheit der Unmittelbarkeit; es ist als die reflek-
tierte Unmittelbarkeit, d. i., welche nur vermittelst ihrer Negation, d. h.
durch ihre Vermittlung, ist, und die ihrer Vermittlung gegenüber nichts
ist als die leere Bestimmung der Unmittelbarkeit des Nichtdaseins. Die
Unmittelbarkeit ist reflektiert, indem sie in den Prozeß des Negierens
(1) sich aufheben muß und aus ihm als solche zurückkehrt.

Prinzipielle Kritik des Skeptizismus und des Kantischen Idealismus


An dieser Stelle der Gedankenentwicklung kritisiert Hegel den Skep-
tizismus und den Kantischen Idealismus grundsätzlich dafür, daß sie
über die Unmittelbarkeit, die das Sein ist, nicht hinauskommen, daß
sie das Sein nur in den Schein übersetzen. Die prinzipielle Bedeu-
tung, die er dieser Kritik beimißt, macht er auch dadurch kenntlich,
daß sie im Haupttext steht, nicht in einer der Anmerkungen.
Hauptpunkt der Der Schein ist das, was der Skeptizismus als Phänomen faßt,
Kritik: die
oder das, was der Idealismus, zum Beispiel Kants, unter Erschei-
nung versteht: eine Unmittelbarkeit, die kein Etwas oder kein Ding
Bewegung, durch

die das Sein ins

Wesen sich aufhebt,


ist, überhaupt nicht ein gleichgültiges Sein, das außer seiner Bestimmt-
wird nicht erfaßt heit und Beziehung auf das Subjekt wäre. D. h. dieses „Phänomen“
oder diese „Erscheinung“ sind auch Nicht-Selbständiges, Schein,
aber hier nicht als solches in Beziehung auf das Wesen als den sich
selbst produzierenden Prozeß gefaß, sondern auf das Subjekt. Der
Skeptizismus erlaubte sich nicht, „Es ist“ zu sagen, und der neuere
Idealismus erlaubte sich nicht, die Erkenntnis als ein Wissen vom

46
Der Schein des Wesens

Ding-an-sich anzusehen. Der Schein des Skeptizismus sollte über-


haupt keine [10] Grundlage eines Seins haben; in diese Erkenntnis-
se, wie Kant sie auffaßte, sollte nicht das Ding-an-sich eintreten. Doch
können Skeptizismus und Kantischer Idealismus nicht umhin, den
„ganzen mannigfaltigen Reichtum der Welt“ zu akzeptieren. Das
Nichtselbständige, aufgefaßt als so oder so vom Subjekt abhängig,
hat diesen Reichtum zum Inhalt. Zugleich aber ließ der Skeptizismus
mannigfaltige Bestimmungen seines Scheins zu, oder vielmehr sein
Schein hatte den ganzen mannigfaltigen Reichtum der Welt zum In-
halte. Ebenso begreift die Erscheinung des Idealismus den ganzen
Umfang dieser mannigfaltigen Bestimmtheiten in sich. Aber dieser
Inhalt kann aus dem Subjekt nicht abgeleitet werden; in der Tat wird
er ja nicht von ihm bestimmt oder gesetzt. Es kann also die Unmittel-
barkeit des Seins auf diese Weise nicht überschritten werden. Jener
Schein und diese Erscheinung sind unmittelbar so mannigfaltig be-
stimmt. Diesem Inhalte mag also wohl kein Sein, kein Ding oder
Ding-an-sich zugrunde liegen; er für sich bleibt, wie er ist; er ist nur
aus dem Sein in den Schein übersetzt worden, so daß der Schein,
nicht das Sein, innerhalb seiner selbst jene mannigfaltigen Be-
stimmtheiten hat, welche unmittelbare, seiende, andere gegeneinan-
der sind. Der Schein ist also selbst ein unmittelbar Bestimmtes. D. h.
Skeptizismus und subjektiver Idealismus machen vor der Unmittel-
barkeit des Seins Halt und sind außerstande, die Vermittlung dieser
Unmittelbarkeit durch das Wesen zu erfassen. Der Schein kann die-
sen oder jenen Inhalt haben; aber welchen er hat, ist nicht durch ihn
selbst gesetzt, sondern er hat ihn unmittelbar. Der Leibnizische oder
Kantische, Fichtesche Idealismus wie andere Formen desselben sind
so wenig als der Skeptizismus über das Sein als Bestimmtheit, über
diese Unmittelbarkeit hinausgekommen. (...)
Dieser Punkt der prinzipiellen Kritik am bisherigen Idealismus
und Skeptizismus ist zugleich jener, an dem Hegel grundsätzlich über
seine Vorgänger hinausgeht. Er begründet eine Denkweise, die nicht
bei der Unmittelbarkeit stehenbleibt, sondern in sie ein- und zum
Wesen vordringt, eine Denkweise, die sich den Ansprüchen theoreti-
schen Begreifens sich selbst bewegender Systeme stellt.

Was die Untersuchung des Scheins leisten muß


2. Der Schein also enthält eine unmittelbare Voraussetzung, eine
unabhängige Seite gegen das Wesen. Es ist das Auf-sich-Bezogen-

47
Der Schein

sein des Negativen, durch das es eine „unabhängige Seite“ gegen


das Wesen hat. Es ist aber vom Schein, insofern er vom Wesen unter-
schieden, also diese Bezogenheit auf sich ist, nicht zu [11] zeigen,
daß er sich aufhebt und in dasselbe zurückgeht; denn das Sein ist in
seiner Totalität in das Wesen zurückgegangen; der Schein ist das an
sich Nichtige. Es ist vielmehr nachzuweisen, daß der Schein mit sei-
ner „unabhängigen Seite“ eine Bestimmung „gegen das Wesen“ als
Prozeß des Negierens (1) und doch das Wesen selbst ist. Dies bedeu-
tet umgekehrt, daß der Schein in seinem Entstehen abhängig, un-
selbständig ist, in seiner weiteren Bewegung als vorhandenes Nega-
tives aber unabhängig, selbständig wird, dies aber als Selbstbewegung
Aufgabe: des Wesens. Es ist zu zeigen, erstens, daß die Bestimmungen, die ihn
Bestimmungen des vom Wesen unterscheiden, Bestimmungen des Wesens selbst sind,
Scheins als
und zweitens, daß diese Bestimmtheit des Wesens, welche der Schein
Bestimmungen des

Wesens und
ist, im Wesen selbst aufgehoben ist. Es sind also die Bestimmungen
Aufhebung des zu erfassen, die die Bewegung, die das Sein ist, dadurch hat, daß sie
Scheins ins Wesen Moment des Wesens ist, und zwar zum einen die Aufhebung des We-
nachweisen
sens in diese Bewegung und zum anderen die Befähigung dieser Be-
wegung, sich wieder in das Wesen aufzuheben.

Inwiefern die Bestimmungen des Scheins, die ihn vom Wesen


unterscheiden, Bestimmungen des Wesens selbst sind
Der Schein – Es ist die Unmittelbarkeit des Nichtseins, welche den Schein aus-
Unmittelbarkeit des
macht. Hegel hat hier im Vergleich zum Text in Abteilung A eine
Nichtseins:
Veränderung vorgenommen, indem er den Ausdruck „Unmittelbar-
keit des Nichtseins“ statt „Unmittelbarkeit des Nichtdaseins“ ver-
wendet. Damit drückt er prononciert aus, daß der Schein aufgehobe-
nes Sein ist – als Moment des Wesens. Beide Bestimmungen des
Scheins – Nichtsein wie Unmittelbarkeit – sind als solche des We-
sens nachzuweisen.
dieses Nichtsein als a) Das Nichtsein ist nichts anderes als die Negativität des Wesens
Bestimmung des an ihm selbst, und diese Negativität ist an ihm selbst, indem es ein
Wesens
vom Wesen, vom Negieren (1) Produziertes, daher ein Unselbständi-
ges ist, aber eines, in das sich das Wesen selbst als das Sichnegieren
aufgehoben hat, weshalb zu erkunden sein wird, wie dieses Nichtsein
das Wesen ist. Das Sein ist Nichtsein in dem Wesen, ein Gesetztsein,
das in der Bewegung ist, die das Wesen als absolute Negativität aus-
zeichnet. Seine Nichtigkeit an sich ist die negative Natur des We-
sens selbst. Jene Nichtigkeit als die negative Natur des Wesens selbst

48
Der Schein des Wesens

schließt also beide Bestimmungen ein: ein Negatives zu sein, in das


das Sichnegieren sich aufgehoben hat, und als solches in der Bewe-
gung zu sein, die die des Wesens ist, und zwar so, daß es die Negativität
potentiell enthält.
b) Von speziellem Interesse ist der Nachweis, daß auch die Be- diese Unmittelbarkeit

stimmung der Unmittelbarkeit, d. h. des Auf-sich-Bezogenseins, die als Bestimmung des

als „eine unabhängige Seite“ des Scheins „gegen das Wesen“ gilt, Wesens: sich

verselbständigendes
eine des Wesens ist. Die Unmittelbarkeit oder Gleichgültigkeit aber, Negatives als

welche dies Nichtsein enthält, ist das eigene absolute Ansichsein des Ansichsein des

Wesens. Hinsichtlich dieser Bestimmung sei zuerst festgehalten, daß Wesens

als Negatives bisher die vielen Etwas oder Anderen gefaßt sind, die
in der Selbstbewegung des Systems sich aufeinander beziehen und
so ein Ganzes der Vermittlung bilden. Sie alle sind Produkte des
Sichnegierens. Das Sicherhalten des Negativen realisiert sich in die-
ser Unmittelbarkeit. Erhalten muß sich erstens Negatives, das die
Bedingungen aller weiteren Bewegung als Bewegung des Wesens oder
als Selbstbewegung enthält. Zweitens muß es an den Prozessen des
Übergangs der Etwas und Anderen ineinander teilnehmen, aber so,
daß es aus diesen Übergängen in sich zurückkehrt, in ihnen sich nicht
verliert. Dieses Negative ist, als vom Wesen gesetzt, das Wesen selbst
als aufgehobener Prozeß des Negierens. Das Wesen ist jetzt als sein
Negatives da. Dieses bezieht sich als vorhandenes Negatives vermit-
telst der Gesamtheit jener Übergangsprozesse auf sich selbst und
erhält sich so. Dies ist seine Unmittelbarkeit, und diese ist – als vom
Wesen selbst gesetzt – an sich das Wesen, also sein eigenes Ansich-
sein: diese Unmittelbarkeit ist bestimmt, sich wieder in das Wesen
als den Prozeß des Negierens (1) aufzuheben. Ohne das Sichselbst-
erhalten des Negativen gäbe es dieses Wesen nicht. Absolut ist die-
ses Ansichsein, weil dem Wesen kein selbständiges, von ihm unab-
hängiges Anderes gegenübersteht. Also ist es nicht auf Anderes,
sondern nur auf sich bezogen. Alles, was ist, ist von ihm selbst pro-
duziert; die Bewegung des von ihm Produzierten ist seine eigene
Bewegung. Die Negativität des Wesens ist seine Gleichheit mit sich
selbst oder seine einfache Unmittelbarkeit und Gleichgültigkeit. Wenn
die Negativität des Wesens, wie in Abteilung A erläutert, absolut sein
soll, so muß das Negative als Produkt des Negierens (1) sich erhal-
ten als das, von dem das Sichnegieren anfängt. Durch diese Bewe-
gung ist die Negativität des Wesens seine Gleichheit mit sich selbst.
Aber: Das Sein hat sich im Wesen erhalten, insofern dieses an seiner
unendlichen Negativität diese Gleichheit mit sich selbst hat; hier-

49
Der Schein

durch ist das Wesen selbst das Sein. Es hat sich erhalten als die Be-
wegung des Negativen, die im Ergebnis des Negierens (1) einsetzt
und im speziellen so verläuft, daß das Sichnegieren wieder von ihm
beginnen kann. Zusammenfassend kann hinsichtlich der Beziehung
des Negativen auf sich und der Bewegung, in der sie sich realisiert,
gesagt werden: Die Unmittelbarkeit, welche die Bestimmtheit am
Scheine gegen das Wesen hat, ist daher nichts anderes als die eigene
Unmittelbarkeit des Wesens. Die Unmittelbarkeit des Scheins ist nicht
die seiende Unmittelbarkeit, sondern die schlechthin vermittelte oder
reflektierte Unmittelbarkeit, welche der Schein ist, – das Sein nicht
als Sein, sondern nur als die Bestimmtheit des Seins, gegen die Ver-
mittlung: das Sein als Moment. Vermittelt ist diese Unmittelbarkeit,
als die Bewegung des vorhandenen Negativen, durch den Prozeß des
Negierens (1), durch den sie gesetzt wird und in den sie sich aufhe-
ben muß. Und als so Vermitteltes ist das Sein nur noch als die Be-
stimmtheit des Seins und als Moment. Unmittelbarkeit ist sie als die
Beziehung des Negativen auf sich selbst.
Die zwei Momente Der Schein hat also zwei Momente: die Nichtigkeit, aber als Be-
des Scheins als
stehen oder das Nichtsein, das als Auf-sich-Bezogensein des Negati-
die Momente des
ven Bestehen hat, und das Sein, aber als Moment oder als Unmittel-
Wesens selbst
barkeit, die durch den Prozeß des Negierens vermittelt ist; diese
Momente lassen sich auch fassen als die an sich seiende Negativität
und die reflektierte Unmittelbarkeit. Diese Momente des Scheins ...
sind somit die Momente des Wesens selbst: es ist nicht ein Schein
des Seins am Wesen oder ein Schein des Wesens am Sein vorhanden;
der Schein im Wesen ist nicht der Schein eines Andern, sondern er
ist der Schein an sich, der Schein des Wesens selbst. Das Wesen selbst
als absolute Negativität erzeugt den Schein als Moment seiner eigenen
Bewegung. Indem das Wesen als Sichnegieren im Negativen sich auf-
hebt, ist es selbst als das sich auf sich beziehende Negative, als Schein
da. Das Negative muß sich durch seine Beziehung auf sich erhalten,
weil es nur so das eigene Ansichsein des Wesens ist – das, woraus sich
das Wesen als jener Prozeß des Negierens erneut herstellen kann.

Inwiefern die Bestimmtheit des Wesens, die der Schein ist,


im Wesen selbst aufgehoben ist
Was wird nun aus diesem Negativen? Zunächst hatte es sich in sei-
ner Bestimmtheit als Negatives betätigt und so erhalten. In der Kon-
sequenz aber muß es sich als das setzen, was es an sich ist, und es

50
Der Schein des Wesens

hatte sich ergeben, daß es das eigene Ansichsein des Wesens ist. Wie
also muß das auf sich bezogene, nunmehr selbständig gewordene
Negative sich weiter bewegen, wenn die Negativität absolut oder die Bewegungsrichtung

Bewegung Selbstbewegung sein soll? des verselbständig-

Zunächst gilt: Der Schein ist das Wesen selbst in der Bestimmt- ten Negativen,

sofern die
heit des Seins. In der Bestimmtheit des Seins ist das Wesen insofern, Negativität absolut
als es sich in das Negative aufgehoben hat, das sich auf sich bezieht. ist: aus ursprünglich

Das, wodurch das Wesen einen Schein hat, ist, daß es bestimmt in Bestimmtem muß es

sich und dadurch von seiner absoluten Einheit unterschieden ist. selbst wieder

Bestimmt in sich ist das Wesen, insofern es selbst als Hervorbringen


Bestimmen werden

ein Bestimmen und es selbst als sein Hervorgebrachtes ein Bestimm-


tes ist. Aber dieses Bestimmtsein muß sich nun selbst aufheben. Denn
das Wesen als Negieren (1) wird aus seinem eigenen Negativen, und
zwar dadurch, daß dieses sein Bestimmtsein aufhebt. Aber diese
Bestimmtheit ist ebenso schlechthin an ihr selbst aufgehoben. Die
Aufhebung dieser Bestimmtheit ist unumgänglich, weil das Negative
in der Negativität, die absolut wird, die Funktion der Vermittlung
zwischen dem Prozeß des Negierens, der es setzte, und der Erneue-
rung dieses Prozesses hat. Aber dies ist die Vermittlung des Wesens
mit sich selbst. Denn das Wesen ist das Selbständige, das ist als durch Das Wesen als das

seine eigene Negation, welche es selbst ist, sich mit sich vermittelnd. Selbständige, das

Indem das Wesen sich mit sich selbst vermittelt, ist es also die identi- durch seine eigene

Negation, die es
sche Ein[12]heit der absoluten Negativität und der Unmittelbarkeit. selbst ist, sich mit

Die Vermittlung des Wesens mit sich selbst als diese identische Ein- sich vermittelt

heit hat folgende Komponenten: Erstens. Die Negativität des Wesens


ist die Negativität an sich, d. h. sie ist ihre Beziehung auf sich, und so
ist sie an sich Unmittelbarkeit. D. h. die Negativität als absolute kann
sich nur formieren, wenn sie von ihrem eigenen Produkt, dem Nega-
tiven, ihren Ausgang nimmt. Dieser Kreisprozeß ist die Unmittelbar-
keit der sich mit sich selbst vermittelnden Negativität. Diese Bewe-
gung ist zunächst nur an sich da. Gesetzt kann sie erst werden, wenn
das Negative produziert worden ist und seine Eigenbewegung absol-
viert. Zweitens. Aber die Negativität des Wesens ist eben negative
Beziehung auf sich, abstoßendes Negieren ihrer selbst. Diese negati-
ve Beziehung auf sich ist sie als Sichnegieren, das sich im Negativen
realisiert. Dieses bezieht sich auf sich und ist so Unmittelbarkeit im
Unterschied zum Prozeß des Negierens. Dies ist nicht die an sich
Unmittelbarkeit, die in ihrer Realisierung mit der absoluten
Negativität identisch ist; es ist die Unmittelbarkeit, die das Ansich-
sein des Wesens ist; so ist sie die „an sich seiende Unmittelbarkeit“

51
Der Schein

als Moment der Unmittelbarkeit des Wesens. So ist die an sich sei-
ende Unmittelbarkeit das Negative oder Bestimmte gegen diese
produzierende Negativität, gegen das abstoßende Negieren ihrer
selbst. Aber als diese Unmittelbarkeit ist sie in der Bewegung des
Wesens, das sich durch seine Negation mit sich vermittelt. Daraus
folgt drittens: Aber diese Bestimmtheit ist selbst die absolute Nega-
tivität und dieses Bestimmen, das unmittelbar als Bestimmen das
Aufheben seiner selbst, Rückkehr in sich ist. Wenn das Wesen sich
tatsächlich mit sich selbst vermitteln soll, so muß das Negative
seine Bestimmtheit aufheben; dies ist die Forderung, daß es selbst
wieder Negativität, d. h. Prozeß des Negierens, Produzieren, Her-
vorbringen des Negativen werde; dieses Sichnegieren als Bestim-
men hebt sich in seinem Bestimmten auf, das erneut zum Bestim-
men wird. Dieses Werden des Bestimmten zum Bestimmen und des
Bestimmens zum Bestimmten ist die Bewegung, in der sich die
Einheit von Negativität und Unmittelbarkeit realisiert.
Wodurch ist das Das Negative muß also seine Bestimmtheit aufheben und wieder
Negative befähigt,
Bestimmen werden. Aber bevor die Aufhebung des Bestimmten in
sich aus Bestimm-
das Bestimmen untersucht wird, muß geklärt werden, wodurch sich
tem wieder in

Bestimmen zu
das vorhandene Negative überhaupt dazu befähigt, wieder Bestim-
verwandeln? men zu werden. Der Schein ist das Negative, das ein Sein hat, aber in
einem Andern, in seiner Negation; er ist die Unselbständigkeit, die
an ihr selbst aufgehoben und nichtig ist. Unselbständig war er als
durch das Sichnegieren Erzeugtes; und dieses Negative hebt seine
Unselbständigkeit selbst in seiner Negation auf, indem es sich tätig
auf sich bezieht, selbständig wird und sich erhält. Dies ist die Nega-
tion des Negativen, durch die es ein Sein hat. Entscheidend für das
Verständnis der Befähigung der Negation des Negativen zur Selbst-
aufhebung ist aber der nun zu betrachtende Tatbestand, der hier al-
lerdings erst noch ganz abstrakt erfaßt wird: So ist der Schein das in
sich zurückgehende Negative, das Unselbständige als das an ihm
selbst Unselbständige. Das bedeutet: indem das Negative sich als
solches negiert, vergeht seine Unselbständigkeit nicht spurlos. Es ist
nicht mehr unselbständig, aber es hat seine Unselbständigkeit in sich
aufgehoben. Diese in ihm aufgehobene Unselbständigkeit ist die blei-
bende Beziehung auf seinen Ursprung. Dieser Ursprung liegt nicht
einfach zeitlich hinter ihm. Er muß sich so im Negativen niederge-
schlagen haben, daß es ihn aus sich erneuern kann. Was ist dafür
erforderlich? Aus einem Teil des Negativen muß sich das Produ-
ziervermögen samt seinem Träger reproduzieren lassen. Dieses Ne-

52
Der Schein des Wesens

gative verschwindet, aber nur, um seine Quelle zu erhalten. Ein an-


derer Teil des Negativen muß als Voraussetzung des künftigen
Sichnegierens da sein. Die Beziehung zwischen dem Sichnegieren
und dieser Voraussetzung ist in historisch bestimmten Systemen durch
den Basisprozeß vermittelt. Das Basis-Negieren erzeugt mit der Zeit
das Basis-Negative für die Erhaltung des Produziervermögens nicht
direkt, sondern über Zwischenstufen. Das Basis-Negieren operiert
so in dem Gesamtprozeß, der vom Vorgefundenen zu den Erhaltungs-
mitteln für das Produziervermögen reicht, mit von ihm selbst schon
Erzeugtem. Dies stellt sich in der systemspezifischen Bewegung als
das dem Sichnegieren vorausgesetzte Negative dar. Das Negative
also, das durch seine Beziehung auf sich selbständig ist, kann in die-
ser Bestimmung nicht verharren; wenn es sich erhalten soll, muß es
sich wieder in den Prozeß des Negierens (1) aufheben. Es muß alles
an ihm haben, was dafür nötig ist. Als Unselbständiges, das an ihm
selbst unselbständig ist, kann es nicht nur, sondern muß es seinen
Ursprung selbst setzen; ohne dies gibt es keine Selbstbewegung. Das
Wesen muß sich so in den Schein aufheben, daß dieser sich wieder in
den produzierenden Prozeß aufheben kann. Die Beziehung des Ne-
gativen auf sich ist sein Sicherhalten als Reifen seiner Fähigkeit hier-
zu. Diese Beziehung des Negativen oder der Unselbständigkeit auf Die Beziehung des

sich ist seine Unmittelbarkeit. Durch diese Beziehung auf sich wird Negativen auf sich

das Negative ein anderes als es ursprünglich war: diese Unmittel- (seine Verselbstän-

digung) als
barkeit ist ein anderes als es selbst, als das Negative überhaupt, als „Negation gegen
das Unselbständige; sie ist seine Bestimmtheit gegen sich als das das Negative“

Negative, Vermittelte, oder sie ist die Negation gegen das Negative.
In dieser Negation gegen das Negative, in dieser Beziehung des Ne-
gativen auf sich als seiner Unmittelbarkeit, in dieser seiner Selb-
ständigkeit muß enthalten sein, daß das Bestimmte sein Bestimmt-
sein aufheben kann; und Aufheben des Bestimmtseins ist das Negieren
(1) als Bestimmen: Aber die Negation gegen das Negative ist die
sich nur auf sich beziehende Negativität, das absolute Aufheben der
Bestimmtheit selbst.
Das Sicherhalten des Negativen in der Bewegung, die die an sich Das Wesen als

seiende Unmittelbarkeit ist, ist somit ein Prozeß, in dem es sich aus Negativität, die mit

einem Bestimmten in ein Selbständiges verwandelt, das fähig ist, als der Unmittelbarkeit,

und als Unmittel-


Bestimmen, als Setzen von neuem Negativem zu agieren. Die Be- barkeit, die mit der
stimmtheit also, welche der Schein im Wesen ist, ist unendliche Be- Negativität identisch

stimmtheit; sie ist nur das mit sich zusammengehende Negative. Das ist

Negative geht mit sich zusammen, indem es sich auf sich bezieht. Als

53
Der Schein

auf sich Bezogenes wird es Bestimmen, und auf diese Weise ist die
Bestimmtheit als solche die Selbständigkeit und nicht bestimmt. Eben-
so wird die Selbständigkeit oder das Bestimmen zu Bestimmtem:
Umgekehrt die Selbständigkeit als sich auf sich beziehende Unmit-
telbarkeit ist ebenso schlechthin Bestimmtheit und Moment und nur
als sich auf sich beziehende Negativität. Hier fällt zunächst der Aus-
druck „sich auf sich beziehende Unmittelbarkeit“ auf. Unmittelbar-
keit ist die Beziehung des Negativen oder der Unselbständigkeit auf
sich. So wird das Negative selbständig. „Sich auf sich beziehende
Unmittelbarkeit“ akzentuiert die Betätigung des selbständig gewor-
denen Negativen als Bestimmen, das wiederum Bestimmtes, Bestimmt-
heit erzeugt. Die Gesamtbewegung ist sich auf sich beziehende
Negativität. Diese Negativität, die identisch mit der Unmittelbarkeit,
und so die Unmittelbarkeit, die identisch mit der Negativität ist, ist
das Wesen. Der Schein ist also das Wesen selbst, aber das Wesen in
einer Bestimmtheit, aber so, daß sie nur sein Moment ist, und das
Wesen ist das Scheinen seiner in sich selbst. D. h. der Schein ist in
der Bewegung des Wesens und insofern mit dem Wesen identisch,
als beide ineinander übergehen, und zugleich ist der Schein nicht
mit dem Wesen identisch, sondern das Wesen in einer Bestimmtheit,
und zwar in einer solchen, als die das Wesen selbst sich setzt, und
diese Bestimmtheit als sein Moment hebt es selbst wieder auf. Als
diese Bewegung ist das Wesen das Scheinen seiner in sich selbst:
Der Schein ist als die Bewegung des Negativen vom Wesen gesetzt,
diese Bewegung ist das Wesen selbst, aber als sein eigenes Mo-
ment, und sie hebt sich in das Wesen als Prozeß des Negierens (1)
auf.
Resümee Hegel gibt nun ein gewisses Resümee des bisherigen Gedanken-
gangs. Er verweist zunächst auf den Anfang in der Sphäre des Seins,
wobei er die Unmittelbarkeit von Sein und Nichtsein und ihre Ver-
mittlung im Werden hervorhebt. In der Sphäre des Seins entsteht
dem Sein als unmittelbarem das Nichtsein gleichfalls als unmittel-
bares gegenüber, und ihre Wahrheit ist das Werden. Auch in der Sphä-
re des Wesens hatte man es zunächst mit Unmittelbaren, auf sich
Bezogenen, gegeneinander Selbständigen zu tun. In der Sphäre des
Wesens findet sich zuerst das Wesen und das Unwesentliche, dann
das Wesen und der Schein gegenüber, das Unwesentliche und der
Schein als Reste des Seins. Aber sie beide, sowie der Unterschied
des Wesens von ihnen, bestehen in weiter nichts als darin, daß das
Wesen zuerst als ein unmittelbares genommen wird, nicht wie es an

54
Die Reflexion

sich ist, nämlich nicht als die Unmittelbarkeit, die als die reine Ver-
mittlung oder als ab[13]solute Negativität Unmittelbarkeit ist. Jene
anfängliche, erste Unmittelbarkeit ist somit nur die Bestimmtheit
der Unmittelbarkeit, die das Wesen gegenüber dem Unwesentlichen
hat. Das Aufheben dieser Bestimmtheit des Wesens besteht daher in
nichts weiter als in dem Aufzeigen, daß das Unwesentliche nur Schein
[ist], und daß das Wesen vielmehr den Schein in sich selbst enthält
als die unendliche Bewegung in sich, welche seine Unmittelbarkeit
als die Negativität, und seine Negativität als die Unmittelbarkeit be-
stimmt und so das Scheinen seiner in sich selbst ist. Das Wesen in
dieser seiner Selbstbewegung ist die Reflexion.

C. Die Reflexion
Bisher ist dargestellt worden, erstens, daß das Sein in das Wesen
sich aufhebt, wodurch das Erzeugen zum sich selbst produzierenden
Prozeß oder die Negativität absolut wird, und zweitens, wie das Sein
als Schein Moment des Wesens in seiner Selbstbewegung ist. Auf der
Basis dieser Einsichten ist es nun möglich, zunächst die sich selbst
erhaltende Bewegung als ganze in ihrer einfachen, anfänglichen Be-
stimmtheit (absolute Reflexion) zu betrachten und diese Reflexion
dann unter dem Aspekt zu untersuchen, wie der Prozeß des Negierens
(1) aus seinem eigenen Negativen sich erneuert (setzende, äußerli-
che und bestimmende Reflexion).
Hegel beginnt die Behandlung der Reflexion mit der Feststellung: Beziehung zwischen

Der Schein ist dasselbe, was die Reflexion ist; aber er ist die Refle- Schein und

xion als unmittelbare; für den in sich gegangenen, hiermit seiner


Reflexion. Selbst-

bewegung als
Unmittelbarkeit entfremdeten Schein haben wir das Wort der frem- Kreisprozeß

den Sprache, die Reflexion. besonderer Art

Der Schein ist die Unmittelbarkeit des Nichtseins; es ist erläutert


worden, wie er durch den Prozeß des Negierens gesetzt wird und daß
er dazu bestimmt ist, sich in diesen Prozeß aufzuheben. Diese Gesamt-
bewegung ist die Reflexion. Aber bei der Betrachtung des Scheins
ging es um das Selbständigwerden, also Sicherhalten des Negativen
als unumgängliche Phase der Selbstbewegung; daher lag der Akzent
auf der Auf-sich-Bezogenheit des Negativen als seiner Unmittelbar-
keit. Das Negative kann aber aus Bestimmtem zu Bestimmen nur
werden, wenn es seine Unmittelbarkeit, seine Beziehung auf sich als
sein Sicherhalten vermittelst der Bewegung der Etwas oder Anderen

55
Der Schein

aufhebt; wenn sein Sicherhalten nicht in dieser Weise Beziehung auf


vorhandenes Negatives bleibt, sondern Beziehung auf das Sichne-
gieren selbst wird. Der Schein geht in sich, indem das Negative zur
Voraussetzung wird, die sich in den Prozeß des Negierens (1) auf-
hebt.
Das Aufheben der Unmittelbarkeit oder die Bewegung, in der der
Schein sich seiner Unmittelbarkeit entfremdet, beginnt das Negative
damit, daß es sich zu einer neuen Linie der Bewegung formiert; von
ihr war zu Beginn der Behandlung des Scheins die Rede. Diese spe-
zifische Bewegung beginnt damit, daß es in den Übergängen der
Etwas und Anderen sich erhält und als so gewordenes Resultat zu-
gleich den Ausgangspunkt seiner Bewegung bildet. Es ist Ausgangs-
punkt der Bewegung, in der die Voraussetzung sich bildet, die sich in
den Prozeß des Negierens aufhebt. Dieser setzt erneut Negatives,
das sich verselbständigt und so wieder Resultat ist, diesmal als Punkt
der Rückkehr, der sich erneut in den Ausgangspunkt verwandelt. Die
Selbstbewegung ist daher ein Kreisprozeß; sie beginnt mit dem Ne-
gieren (1), das sich in das Negative aufhebt; das Negative durchläuft
seine Bewegung, durch die es selbständig wird, d. h. aber durch die
es sich befähigt, sich wieder in den Prozeß des Negierens aufzuhe-
ben. So ist aber die Selbstbewegung nicht beliebiger Kreislauf, son-
dern Kreislauf der besonderen Art. Sie ist Prozeß des Produzierens,
der sich selbst erneuert – vermittelst seines eigenen Produkts; indem
dieser Prozeß sich in sein Produkt aufhebt und aus diesem in sich
zurückkehrt, ist er Reflexion. Die Beschreibung der Bewegung, die
Hegel als „absolute Reflexion“ bezeichnet, stellt einen Grundriß der
Selbstbewegung dar. Selbstbewegung ist in sich bleibende Bewegung,
indem sie als Kreis bzw. als Spirale sich realisiert. Zugleich ist sie
aus sich kommende Bewegung, indem sie ihre Voraussetzungen
selbst produziert. Auf das Problem der Voraussetzung konzentrieren
sich die Überlegungen bei der Betrachtung des „Durchbrechens“
der an sich seienden Unmittelbarkeit hin zum erneuten Prozeß des
Negierens.
Insgesamt gesehen wird mit der Behandlung der Reflexion darge-
stellt, wie die Konstituierung der Selbstbewegung sich vorbereitet.
Die Bewegung eines Systems wird Selbstbewegung, indem sich
systemspezifisches Negatives in seiner in sich bleibenden und aus
sich kommenden Bewegung erhält. In dieser Vorbereitungsphase for-
miert sich das Negative als das Sicherhaltende, das zur Vorausset-
zung des Prozesses des Negierens (1) wird. Die Konstituierung des

56
Die Reflexion: absolute Reflexion

Prozesses der Selbstbewegung beginnt, wenn das Negative in die-


sem Prozeß des Negierens sich selbst erhält.7

Reflexion – Werden und Übergehen, das in sich selbst bleibt


In der Betrachtung der Reflexion sind zunächst die Bestimmungen Phasen der

zu erkunden, die das Erzeugte durch die Bewegung hat, die es nach Bewegung des

dem Abschluß seiner Erzeugung beginnt, um sich schließlich in das Negativen:

Wesen aufzuheben. Diese Bewegung läßt sich in ihrer ersten Phase


als ein spezifisches Werden und Übergehen fassen. Das Wesen ist 1. Das Negative, als

Reflexion, die Bewegung des Werdens und Übergehens, das in sich Produkt des

selbst bleibt, worin das Unterschiedene schlechthin nur als das an Sichnegierens

unselbständig, wird
sich Negative, als Schein bestimmt ist. Das, was sich bewegt, ist das selbständig, indem

Negative. Sein spezifisches Werden besteht darin, daß es als Produkt es sich erhält –

des Sichnegierens gesetzt, daher unselbständig ist, aber in den spezifisches Werden

Wechselprozessen der an sich seienden Unmittelbarkeit selbständig und Übergehen

wird, indem es als Vorhandenes in den Übergängen der Etwas und


Anderen sich erhält. Dies ist ein Werden und Übergehen, das in sich
bleibt; so unterscheidet es sich von jenem im Sein, wo es bloßes Über-
gehen von Etwas in Anderes, Verschwinden des Etwas im Anderen
ist. Doch es realisiert sich vermittelst dieser Übergänge, indem es
als Etwas auf Anderes und als Anderes auf Etwas bezogen bleibt. In
dem Werden des Seins liegt der Bestimmtheit, Unterschiedenheit oder
Negation (nach der Hegelschen Interpretation des Spinoza-Satzes
„omnis determinatio est negatio“ – vgl. L I, 100) das Sein zugrunde,
und sie ist Beziehung auf anderes, Übergang in Anderes. Die reflek-
tierende Bewegung hingegen als Werden, Übergehen ist nicht Über-
gehen in Anderes, sondern ist selbst das Andere, und zwar das Andre
als die Negation an sich, die nur als sich auf sich beziehende Nega-
tion ein Sein hat. Das Negative selbst wird dieses Andere, indem es
sich verselbständigt. Das Werden und Übergehen, das in sich bleibt,
ist also der Abschnitt der Reflexion, in dem das unselbständige Ne-
gative selbständig wird.

1 In den ersten drei Kapiteln der Wesenslogik wird gleichsam die Grundstruktur
der Selbstbewegung dargestellt. Aber die Gesamtbewegung des Systems ist Selbst-
bewegung, d. h. die Untersuchung der Selbstbewegung wird weitergeführt, wenn
das Wesen nach seiner Existenz und Erscheinung und das Wesen, das mit seiner
Erscheinung eins ist, also als Wirklichkeit analysiert wird.

57
Der Schein

Das Andere der Reflexion: die sich auf sich beziehende Negation –
die sich selbst erhaltende Negation
Indem diese Beziehung der Negation auf sich eben dies Negieren
Resultat dieser der Negation ist, so ist die Negation als Negation oder als negierte
Bewegung: die
Negation vorhanden. Werden ist die Bewegung des Negativen in der
Negation als
Weise, daß es sich als Negatives selbst negiert. Dieses Werden ist
Negation oder die

negierte Negation
zugleich Übergehen. Die Negation als Negation ist ein solches, das
sein Sein in seinem Negiertsein hat, als Schein. Das Andere ist hier,
in dem in sich selbst bleibenden Übergehen des Negativen, also nicht
das Sein mit der Negation oder Grenze, wie in der Sphäre des Seins,
wo die Negation Beziehung auf Anderes ist, sondern es ist die Nega-
tion mit der Negation, d.h. die Negation, die sich negiert hat und so
selbständig geworden ist. Daß das Negative sich auf sich bezieht,
bedeutet, daß es eine Gestalt annimmt, in der es sich vom bloß Nega-
tiven unterscheidet, indem es jetzt selbständig wird. Indem es als
Negatives sich selbst erhält, macht es sich zu seinem eigenen Zweck.

Das Erste gegen dieses Andere: das sich in seiner Bewegung erhaltende
Negative, das sich zur Negativität aufhebt
Das Resultat als Die Bewegung des Negativen, die in seiner Aufhebung in das Wesen
Ausgangspunkt der
münden wird, ist somit anfänglich dieses Werden, dessen Resultat
Bewegung
das verselbständigte Negative ist. Doch damit hört seine Bewegung
nicht auf, wenn sie Moment der Selbstbewegung des gegebenen Sy-
stems ist. Das verselbständigte Negative, das Resultat ist, muß zu-
gleich den Ausgangspunkt der Bewegung bilden, die in der nächsten
Phase der Reflexion zur Aufhebung des Negativen in das Wesen führt.
Hegel bezeichnet diese Bewegung als „das Erste“ gegen jenes An-
2. Bewegung des dere. Das Erste aber gegen dies Andere, das Unmittelbare oder Sein,
Negativen bis hin zu
ist nur diese Gleichheit selbst der Negation mit sich, die negierte
seiner Aufhebung in

den Prozeß des


Negation, die absolute Negativität. Hegel beschreibt hier gleichsam
Negierens stichwortartig die Bewegung, die jener Bewegung folgt, in der das
durch den Prozeß des Negierens erzeugte Negative sich selbst ne-
giert: zunächst die Bewegung des verselbständigten Negativen bis
vor Beginn des Prozesses des Negierens und dann seine Aufhebung
in diesen Prozeß. Diese Bewegung setzt jene fort. Diese Gleichheit
mit sich oder Unmittelbarkeit ist daher nicht ein Erstes, von dem
angefangen wird und das in seine Negation überginge; noch ist es ein
seiendes Substrat, das sich durch die Reflexion hindurch bewegte;

58
Die Reflexion: absolute Reflexion

sondern die Unmittelbarkeit ist nur diese Bewegung selbst. Als Be-
wegung des sich auf sich beziehenden Negativen ist sie an sich sei-
ende Unmittelbarkeit, als durch die Negativität vermittelt ist sie die
an sich Unmittelbarkeit des Wesens.

Die Reflexion als Bewegung von Nichts zu Nichts: das Sein als Negati-
on eines Nichts und das Wesen als reine Negativität. Zweite Bestim-
mung der Selbstbewegung: in sich bleibende Bewegung
Die folgende Bestimmung der Reflexion betont die Bedeutung, die
die Verwandlung des sich erhaltenden Negativen zunächst als des
Resultats und dann als des Rückkehrpunkts in den Ausgangspunkt
für die Realisierung von Selbstbewegung als Kreisprozeß hat: Das Reflektierende

Werden im Wesen, seine reflektierende Bewegung, ist daher die Be- Bewegung als

wegung von Nichts zu Nichts und dadurch zu sich selbst zurück. Bewegung von

Nichts zu Nichts und


Wenn man diesen Satz für sich allein nimmt, so mag er recht frappie- dadurch zu sich
rend klingen. Aber als Beschreibung der Bewegung des Negativen selbst zurück:

als in sich bleibender Bewegung verliert er seine Ungewöhnlichkeit. Ausgangspunkt wird

Das Negative als im Wechsel der Etwas und Anderen selbständig Punkt der Rückkehr

und umgekehrt
geworden ist Resultat der Bewegung in der an sich seienden Unmit-
telbarkeit. Erhalten kann es sich aber nur, wenn es nicht als Resultat
verharrt, weil sonst seine Bewegung zusammenbräche; wenn es also
in seiner Bewegung dadurch bleibt, daß es als dieses Resultat ihren
Ausgangspunkt bildet. Indem der Kreislauf sich erneuert, kehrt das
selbständige Negative als dieser Ausgangspunkt zurück, aus dem
Punkt der Rückkehr wird es zum Ausgangspunkt. Dies ist die Bewe-
gung des Negativen oder des Nichts zu Nichts und dadurch zu sich
selbst zurück. Damit ist in der Bewegung des Negativen der Punkt
bestimmt, wo das Resultat beginnt, zur Voraussetzung des Prozesses
des Negierens (1) zu werden, also der Reflexionspunkt, der in der
Kreisbewegung selbst enthalten ist. Dadurch wird der Kreisprozeß
zur Reflexion. Als Bewegung des Nichts zu Nichts hebt das Überge-
hen oder Werden ... in seinem Übergehen sich auf. Im Unterschied
zur Sphäre des Seins, wo im Übergehen das Nichtsein eines Seins,
d. h. ein Anderes wird, ist hier das Negative oder Nichts das Resultat
des Werdens und Übergehens, das als Punkt der Rückkehr Ausgangs-
punkt und als dieser jener ist, so daß das Übergehen ein Zusammen-
gehen mit sich ist. Das Andre, das in diesem Über[14]gehen des We-
sens wird, ist nicht das Nichtsein eines Seins, sondern das Nichts
eines Nichts, d. h. auf sich bezogene Negation, Negation, die sich

59
Der Schein

negiert hat, Negation als Negation. Dies, die Negation eines Nichts
zu sein, macht das Sein aus. Das Sein läßt sich so vom Wesen her
bestimmen als die Bewegung des Nichts oder des Negativen, das sich
auf sich bezieht und so das „Nichts eines Nichts“ wird. Die Bewe-
gung des Nichts zu Nichts als Bewegung von vorhandenem Negati-
Vermittlung der vem ist nur vermittelst der Negativität, des Erzeugens als Sich-
„Bewegung des
negierens. Das Sein ist nur als die Bewegung des Nichts zu Nichts,
Nichts zu Nichts“
so ist es das Wesen; und dieses hat nicht diese Bewegung des Nichts
durch „die reine

Negativität“
zu Nichts in sich, sondern es ist sie als der absolute Schein selbst, die
reine Negativität, die nichts außer ihr hat, das sie negierte, sondern
die nur ihr Negatives selbst negiert, das nur in diesem Negieren ist.
D. h., erstens, die Bewegung des Nichts zu Nichts ist nicht eine in
sich geschlossene Bewegung des vorhandenen Negativen; diese ist
vielmehr durch den systemspezifischen Prozeß des Sichnegierens als
des Erzeugens von Negativem aufgehoben. Der Kreislauf als ganzer
wird durch den Prozeß des Negierens konstituiert, der diese Bewe-
gung dadurch produziert, daß er als negative Beziehung Hervorbrin-
gen des Negativen ist und als Beziehung auf sich dessen Bewegung
in die Form des Kreises, d. h. der Rückkehr bringt. Zweitens ist hier
die Funktion des Negativen benannt, seine Funktion im Prozeß des
Negierens selbst, allerdings noch ganz abstrakt. Zuerst ist von der
„reinen Negativität“ und „ihrem Negativen“ die Rede, womit der
Prozeß des Negierens (1) und sein Resultat voneinander unterschie-
den werden; sodann heißt es, daß die reine Negativität „nur ihr Ne-
gatives selbst negiert“: das von der Negativität erzeugte Negative
wird negiert durch den Prozeß des Negierens (1). Auf die Funktion
des Negativen in diesem Prozeß wird nur erst hingewiesen; sie muß
noch erklärt werden. Damit ist aber die Stelle angegeben, an der das
Negative seine Beziehung nur auf andere vorhandene Negative, also
die an sich seiende Unmittelbarkeit endgültig aufgehoben haben wird:
dort, wo das Negative das Negieren (1) als den Prozeß des Hervor-
bringens von Negativem selbst beginnt, wo das Negative also in der
Bestimmung der Voraussetzung aktiv wird. Man hat es in der Refle-
xion also mit dem Ausgangspunkt zu tun, in den sich der Punkt der
Rückkehr in der an sich seienden Unmittelbarkeit vor dem Prozeß
des Negierens (1) verwandelt; mit ihm beginnt die Bewegung, durch
die die Voraussetzung sich bildet, die sich dann in den Prozeß des
Negierens aufhebt. Indem die Negativität Prozeß des Produzierens
des Negativen ist, der sich aus seinem eigenen Produkt wieder her-
stellt, bezieht die Negativität, die das Wesen ist, sich auf sich oder ist

60
Die Reflexion: setzende Reflexion

sie absolut. Sie ist somit in sich bleibende Bewegung, und als solche
ist sie Selbstbewegung.
Diese reine absolute Reflexion, welche die Bewegung von Nichts In welcher Richtung

zu Nichts ist, bestimmt sich nun selbst weiter. (...) Als Bewegung von sind nun die

Bestimmungen der
Nichts zu Nichts ist sie als in sich bleibende Bewegung erfaßt wor- Reflexion zu
den, in der das Sein oder die an sich seiende Unmittelbarkeit durch konkretisieren?

die Negativität vermittelt ist. Die Betrachtung des Rückgangs der


Bewegung in das Negieren (1) richtet die Aufmerksamkeit schon auf
die andere Bestimmung sich erhaltender Bewegung: sie muß aus sich
selbst kommende Bewegung sein. Sie muß das, woraus sie sich her-
stellt, in sich haben, d. h. sie muß ihre Voraussetzungen in sich selbst
produzieren. Nun ist ohne große Mühe nachweisbar, daß der Prozeß
des Negierens die Voraussetzung des Negativen und seiner Bewe-
gung ist, die sich als die Unmittelbarkeit realisiert. Aber wie steht es
mit der Voraussetzung jenes Prozesses selbst? Da nur das Negative
diese Voraussetzung sein kann, ist zu klären, wie es die an sich sei-
ende Unmittelbarkeit aufhebt und Voraussetzung des Prozesses des
Negierens wird.
Als setzende ist die Reflexion die Bewegung des Negativen, das
sich selbst setzt und im Aufheben seines Sichsetzens zur Vorausset-
zung wird. Sodann muß sich die Reflexion aus der selbst gesetzten
Voraussetzung herstellen; so wird sie äußere Reflexion. Schließlich
wird das Herstellen aus der vorhandenen Voraussetzung und das
Setzen der Voraussetzung ein einziger Prozeß sein; die Reflexion wird
damit bestimmend.

1. Die setzende Reflexion


Das Problem ist also, auf welche Weise das Negative zur Vorausset- Die Bewegung, in

zung des Prozesses des Negierens wird. Das Negative in seiner an der die

sich seienden Unmittelbarkeit ist der Schein. Mit der Betrachtung Voraussetzung sich

bildet
seiner Bestimmtheit beginnt daher die Lösung des Problems.

Negativität und aufgehobene Negativität


Der Schein ist das Nichtige oder Wesenlose; aber das Nichtige oder Aufhebung des

Wesenlose hat sein Sein nicht in einem Andern, in dem es scheint, Prozesses des

sondern sein Sein ist seine eigene Gleichheit mit sich; dieser Wech- Negierens im

Negativen, das sich


sel des Negativen mit sich selbst hat sich als die absolute Reflexion verselbständigt

des Wesens bestimmt. Der Schein als das Nichtige oder Wesenlose

61
Der Schein

oder das Negative, das Produkt des Negierens (1) ist, hat ein Sein,
und dieses Sein ist seine eigene Gleichheit mit sich oder sein Wech-
sel mit sich, indem das Negative in der Bewegung, die die an sich
seiende Unmittelbarkeit ist, erstens sich auf sich bezieht, d. h. sich
selbst als Negatives negiert, und zweitens das selbständig geworde-
ne Negative als Rückkehrpunkt seiner Bewegung ihren Ausgangs-
punkt bildet und so in ihr bleibt. Vom Ergebnis dieser Bewegung,
d. h. vom auf sich bezogenen, verselbständigten Negativen, her ge-
sehen heißt das: Diese sich auf sich beziehende Negativität ist also
das Negieren ihrer selbst. Sie ist somit überhaupt so sehr aufgeho-
bene Negativität, als sie Negativität ist. Bei der Betrachtung der ab-
soluten Negativität konnte der Eindruck entstehen, der Prozeß des
Negierens (1) sei ununterbrochen von sich aus als solcher da, und in
den vorhandenen Prozeß des Negierens gehe vorhandenes Negati-
ves ein. Dieser Eindruck täuscht. Der Prozeß endet in seinem Pro-
dukt. Er ist jetzt nicht mehr da, nur noch sein Produkt ist vorhanden,
und in ihm ist die Negativität aufgehoben. Oder die Negativität ist
selbst das Negative, insofern sie sich zu ihm aufhebt, und die einfa-
che Gleichheit des Negativen mit sich oder Unmittelbarkeit als auf-
gehobene Negativität. (In der Unmittelbarkeit sind zu unterscheiden
die Bewegung, in der das Negative sich auf sich bezieht und so ver-
selbständigt, und das Resultat dieser Bewegung, das verselbständig-
te Negative als solches, als das Unmittelbare.) Die sich auf sich be-
ziehende Negativität besteht also darin, sie selbst – Negativität –
und nicht sie selbst – aufgehobene Negativität – und zwar in einer
Einheit zu sein. Die Negativität als absolute schließt in ihrer Bewe-
gung die aufgehobene Negativität oder Unmittelbarkeit als ihr Mo-
ment in sich ein. Als Resultat der Negativität, die sich aufgehoben
hat, ist das verselbständigte Negative da.

Die Unmittelbarkeit als Rückkehr


Das Negative als Das Negative ist somit da als aufgehobene Negativität. Es ist selbst
aufgehobene
widersprüchlich bestimmt, insofern es sein Vorhandensein dem Pro-
Negativität (im
zeß des Negierens (1) verdankt, sich aber durch seine Beziehung auf
doppelten Sinn)
sich erhält, seinem Ursprung nach unselbständig ist, aber selbstän-
dig wird. Aber was geschieht nun mit diesem selbständig geworde-
nen Negativen? Zunächst ist die Reflexion die Bewegung des Nichts
zu Nichts, somit die mit sich selbst zusammengehende Negation.
Dieses Zusammengehen mit sich ist überhaupt einfache Gleichheit

62
Die Reflexion: setzende Reflexion

mit sich, die Unmittelbarkeit. Aber dieses Zusammenfallen – wie


Hegel das Zusammengehen jetzt auch nennt – ist nicht Übergehen
der Negation in die Gleichheit mit sich als in ihr Anderssein, son-
dern die Reflexion ist Übergehen als Aufheben des Übergehens; denn
sie ist unmittelbares Zusammenfallen des Negativen mit sich selbst.
Dies ist die Bewegung des Negativen, in der es jener Punkt der Rück-
kehr wird, der sich in den Ausgangspunkt verwandelt. So ist dieses
Zusammengehen erstlich Gleichheit mit sich oder Unmittelbarkeit,
also jenes Sicherhalten des vorhandenen Negativen als Beziehung
auf sich; aber zweitens ist diese Unmittelbarkeit die Gleichheit des Weshalb das

Negativen mit sich, somit die sich selbst negierende [15] Gleichheit, Negative, um sich zu

erhalten, seine
d. h. das Negative als Negatives ist an ihm selbst unselbständig, muß Unmittelbarkeit
also wieder Prozeß der Erzeugung von Negativem werden, wie sich aufheben muß

bei der Betrachtung des Scheins ergeben hatte. Es kann somit nicht
in der an sich seienden Unmittelbarkeit, in der Beziehung der vor-
handenen Negativen aufeinander verharren, es muß sie aufheben.
Die Unmittelbarkeit ist so die Unmittelbarkeit, die an sich das Nega-
tive, das Negative ihrer selbst ist, dies zu sein, was sie nicht ist. Un-
mittelbarkeit ist an sich das Negative, aber das Negative ihrer selbst,
indem sie sich aufheben muß: in den Prozeß des Negierens (1), durch
den sie vermittelt ist.
Hinsichtlich der Bewegung des sich erhaltenden Negativen ergibt „Rückkehr des

sich somit: Die Beziehung des Negativen auf sich selbst ist also sei- Negativen in sich“

ne Rückkehr in sich; sie ist Unmittelbarkeit als das Aufheben des


Negativen, als Negation des Negativen überhaupt oder als seine
Beziehung auf sich; aber Unmittelbarkeit schlechthin nur als diese
Beziehung oder als Rückkehr aus einem, somit sich selbst aufhe-
bende Unmittelbarkeit. Das Negative muß nun auch seine Unmittel-
barkeit oder seine Auf-sich-Bezogenheit vermittelst der Wechsel-
prozesse der Etwas und Anderen aufheben. Diese Aufhebung geschieht
als „Rückkehr aus einem“, d. h. als Rückkehr aus seiner Bewegung,
in der es sich verselbständigt hat. Das bedeutet, daß das Rückkehr-
und Ausgangspunktwerden des Negativen in der Unmittelbarkeit als
der Vermittlung der vorhandenen Negativen miteinander eine ge-
ordnete oder gerichtete Bewegung ist, durch die es schließlich die an
sich seiende Unmittelbarkeit aufhebt, indem es zur Voraussetzung
des Prozesses des Negierens wird. D. h. das Negative kehrt in den
Prozeß seiner Erzeugung zurück. Aber dieser Prozeß ist als solcher
nicht vorhanden; das Negative kann daher nicht in einen vorhande-
nen Prozeß des Negierens eintreten. Es ist wohl Rückkehr aus ei-

63
Der Schein

nem, aber nicht Rückkehr in eines, das tatsächlich vor ihm liegt und
zu dem es sich hinbewegt. Es kann nicht in etwas anderes, von ihm
Unterschiedenes zurückkehren, d. h. es muß in seiner Rückkehr in
sich die Faktoren des Prozesses des Negierens haben; anders käme
dieser Prozeß nicht erneut zustande.
Die Rückkehr aus einem, somit die sich selbst aufhebende Unmit-
telbarkeit ist das Gesetztsein, die Unmittelbarkeit rein nur als Be-
stimmtheit oder als sich reflektierend. Gesetztsein, Bestimmtheit ist
die Unmittelbarkeit, soweit sie durch den Prozeß des Negierens (1)
gesetzt worden war; oder anders: sich reflektierend ist sie als in die-
sen Prozeß sich aufhebend und aus ihm sich wieder herstellend. Die-
se Unmittelbarkeit, die nur als Rückkehr des Negativen in sich ist, –
ist jene Unmittelbarkeit, welche die Bestimmtheit des Scheins aus-
macht – die Unmittelbarkeit des Nichtseins ist schon diese Bewe-
gung gewesen, als Bestimmung des Wesens und als in dessen Bewe-
gung aufgehoben –, und von der vorhin die reflektierende Bewegung
anzufangen schien, als vom Ersten gegen das Andere der Reflexion
die Rede war. Statt von dieser Unmittelbarkeit anfangen zu können,
ist diese vielmehr erst als die Rückkehr oder als die Reflexion selbst.
D. h. erst wenn das Negative durch seine Rückkehr in sich, zunächst
mit den Stichworten „die negierte Negation, die absolute Negativität“
(L II, 13) beschrieben, die Voraussetzung des Prozesses des Negierens
(1) bildet, ist die Bewegung des Negativen realisiert, die die an sich
seiende Unmittelbarkeit ist. Die Reflexion ist also die Bewegung,
die, indem sie die Rückkehr ist, erst darin das ist, das anfängt oder
zurückkehrt. Indem erst mit dieser Rückkehr des Negativen in sich,
als Voraussetzung seiner Aufhebung in den Prozeß des Negierens,
aus dem es ursprünglich resultierte, der Kreis sich schließt, fängt
diese Bewegung als in sich kreisende an, und als so anfangende ist
sie erst zurückkehrende.
So wird das Negative Voraussetzung des Prozesses des Negierens.
Zur Klärung dieses Vorgangs soll die Bewegung des Negativen in
der Unmittelbarkeit, die Rückkehren ist, näher bestimmt werden. Es
wird sich zeigen, daß sich das Negative in dieser Bewegung sich
setzt und zugleich dem Prozeß des Negierens voraussetzt.

Die Unmittelbarkeit als Setzen – Sichsetzen des Negativen


Die Unmittelbarkeit, soweit sie Bewegung eben des Negativen als
des Produzierten ist, ist Gesetztsein. Dadurch ist sie auf den voran-

64
Die Reflexion: setzende Reflexion

gegangenen Prozeß des Negierens (1) oder Setzens bezogen. Aber Das Negative

diese Bewegung ist zugleich in ihr selbst Setzen. Die Reflexion ist (negierte Negation

Setzen, insofern sie die Unmittelbarkeit als ein Rückkehren ist. Die- oder Negatives als

Negatives) selbst
ses Setzen ist Sichsetzen des Negativen als die Bewegung, die zu- setzt seine

nächst das Selbständigwerden des Negativen und jetzt die Bewegung Bewegung, die

des Rückkehrens ist. Es ist nämlich nicht ein Anderes vorhanden, Unmittelbarkeit als

weder ein solches, aus dem die Reflexion, noch ein solches, in das sie Rückkehren ist

zurückkehrte. Die Bewegung des Negativen ist in sich selbst Rück-


kehren, daher nicht Rückkehr aus einem Anderen, und sie selbst kehrt
zurück, aber nicht in ein schon vorhandenes Anderes, sondern das
Rückkehren ist nur als es selbst. Das Negative setzt so seine Bewe-
gung selbst, und es ist Rückkehr aus einem, insofern es seine eigene
Bewegung durchlaufen hat. Die Unmittelbarkeit ist also nur als Rück-
kehren oder als das Negative ihrer selbst, denn im Ergebnis des Rück-
kehrens wird sie sich aufheben.

Die Unmittelbarkeit als Voraussetzen – Sichvoraussetzen des Negativen


Damit nähert sich die Ableitung der Bestimmungen der entscheiden-
den Stelle, wo das Negative die Unmittelbarkeit aufhebt und zur Vor-
aussetzung des Negierens (1) wird. Aber ferner ist diese Unmittel-
barkeit die aufgehobene Negation und die aufgehobene Rückkehr in
sich. Das Negative ist Bestimmtes; es muß sein Bestimmtsein aufhe-
ben und selbst Bestimmen werden. Es kehrt also in sich zurück, aber
es kann nicht in sich bleiben, es muß die Rückkehr in sich aufheben,
indem es aus sich hinausgeht und aus sich die Faktoren konstituiert,
die den Prozeß des Negierens (1) miteinander eingehen. Die Refle-
xion ist als Aufheben des Negativen Aufheben ihres Andern, der
Unmittelbarkeit. Aufheben des Negativen ist seine Verselbständigung,
und das verselbständigte Negative hebt sich selbst, damit aber seine
Beziehung auf die vorhandenen Negativen, d. h. diese Unmittelbar-
keit, auf. Indem die Reflexion also die Unmittelbarkeit als ein Rück-
kehren, Zusammengehen des Negativen mit sich selbst ist, so ist sie „Negation des

ebenso Negation des Negativen als des Negativen. Die Negation des Negativen als des

Negativen als des Negativen ist das Aufheben der an sich seienden Negativen“ – seine

Aufhebung in die
Unmittelbarkeit. Das Negative, das zurückkehrt, das Negative als Voraussetzung
Negatives oder negierte Negation, ist selbständig nicht mehr nur in
seiner Beziehung auf seinen Ursprung, selbständig nicht mehr nur
als in den Übergängen der Etwas und Anderen sich erhaltend. Es
treibt seine Selbständigkeit auf die Spitze, indem es als Selbständi-

65
Der Schein

ges selbst bezeugt, daß es „das Unselbständige als das an ihm selbst
Unselbständige“ (L II, 12) ist. Es kann sich nicht erhalten, wenn es
in seiner Bestimmung, Negatives als Negatives zu sein, verharrt. Als
Sichsetzen wurde es Negatives als Negatives; so verselbständigte und
erhielt es sich in der an sich seienden Unmittelbarkeit. Sichvoraus-
setzen ist es, indem es in seiner Bestimmung, Negatives als Negati-
ves zu sein, sich selbst negiert. Das Negative als Negatives ist an
sich die Negativität, kann und muß sich daher in diese verwandeln.
In diesem Sichselbstaufheben schlägt das Negative aus seinem
Bestimmtsein in das Bestimmen um. So ist die Reflexion Vorausset-
zen. D. h. das Negative vollendet seine Selbständigkeit, indem es
seiner Unselbständigkeit dadurch Rechnung trägt, daß es nicht Ne-
gatives als Negatives bleibt, sondern in dieser Bestimmung sich auf-
hebt und dadurch sich zur Voraussetzung des Prozesses des Negierens
macht. Das Negative als Negatives war Ausgangspunkt der Bewe-
gung des Nichts zu Nichts und so zu sich zurück. Indem das Negative
als Negatives sich negiert hat, hat es sich in die Voraussetzung des
Prozesses des Negierens verwandelt. Die Bestimmung der Voraus-
setzung ist konkreter als die des Ausgangspunktes. Als Ausgangs-
punkt ist das Negative noch in der Bewegung, die die an sich seiende
Unmittelbarkeit ist, weist allerdings schon darauf hin, daß diese auf-
gehoben werden wird. Als formierte Voraussetzung ist es aus jener
Unmittelbarkeit herausgetreten und enthält die Beziehung auf den
folgenden Prozeß des Negierens. Dieser Prozeß ist nicht etwas ohne-
hin Vorhandenes, sondern er muß wieder hergestellt oder begonnen
werden, und es ist das selbständige Negative, das ihn herstellt bzw.
ihn erneut in Gang setzen muß. – Die Ableitung des Voraussetzens
aus dem Setzen ist auch so möglich: Oder die Unmittelbarkeit ist als
Rückkehren nur das Negative ihrer selbst, nur dies, nicht Unmittel-
barkeit zu sein; aber die Reflexion ist das Aufheben des Negativen
seiner selbst, d. h. des Negativen als des Negativen, sie ist Zusam-
mengehen des Negativen mit sich, als Voraussetzungwerden. Die
Reflexion hebt also ihr Setzen auf, und indem sie das Aufheben des
Setzens in ihrem Setzen ist, ist sie Voraussetzen. Das Negative selbst
setzt sich, d. h. es erhält sich, indem es als vorhandenes sich auf sich
bezieht. Es hebt dieses Setzen in seinem Setzen zugleich auf, indem
es sich in diesem Setzen befähigt, sich in die Voraussetzung des Pro-
zesses des Negierens aufzuheben.
In dem Voraussetzen bestimmt die Reflexion die Rückkehr in sich
als das Negative ihrer selbst, d.h. als aufgehobene Rückkehr, und als

66
Die Reflexion: setzende Reflexion

sich voraussetzendes Negatives ist es erst dasjenige, dessen Aufhe-


ben das Wesen ist. Die Voraussetzung ist das, durch dessen Sichauf-
heben das Wesen als der Prozeß des Negierens (1) ist. Oder die Vor-
aussetzung sind die potentiellen Faktoren des Prozesses des
Negierens. Indem sie in Kontakt miteinander treten und den Prozeß
beginnen, hebt die Voraussetzung sich als Voraussetzung auf. Indem
das Negative auf das Sichnegieren als Prozeß des Erzeugens von
neuem Negativem sich bezieht, hört es auf, bloß in seiner Beziehung
auf andere vorhandene Negative sich zu erhalten. Dieses Aufheben Das Wesen als

der Voraussetzung ist das Verhalten des Wesens zu sich selbst, aber insichbleibende, sich

zu sich als dem Negativen seiner; nur so ist es die insichbleibende, auf sich beziehende

Negativität
sich auf sich beziehende Negativität. Die Unmittelbarkeit kommt
überhaupt nur als Rückkehr hervor und ist dasjenige Negative, das
der Schein des Anfangs ist, der durch die Rückkehr negiert wird.
Zunächst kehrt also das Negative zurück – in sich. So aber kehrt das
Wesen zurück. Es geht nicht in einen vorhandenen Prozeß des
Negierens ein, sondern setzt sich diesem Prozeß voraus und bildet so
die Voraussetzung, die sich erst zu ihm aufhebt. (Die Redeweise von
der Rückkehr in den Prozeß könnte zu dem Irrtum verleiten, da sei
etwas, in das zurückgekehrt wird, obwohl es erst durch die Rückkehr
da ist. Der gegenteilige Eindruck wird durch die beständige Wieder-
holung des Gesamtvorgangs erweckt.) Die Rückkehr des Wesens ist
somit sein sich Ab[16]stoßen von sich selbst. Es stößt sich von sich
ab, indem sein Negatives sich dem Prozeß des Negierens voraussetzt
und sich in ihn aufhebt. Oder die Reflexion in sich ist wesentlich das
Voraussetzen dessen, aus dem sie die Rückkehr ist.

Die reflektierende Bewegung als absoluter Gegenstoß in sich selbst


Somit ist geklärt, wie das Wesen seine Voraussetzung selbst produziert.
Es ist das Aufheben seiner Gleichheit mit sich, wodurch das We-
sen erst die Gleichheit mit sich ist. Es hebt seine Gleichheit mit sich
auf, indem es Sichnegieren ist, also das Negative setzt, und es ist
Gleichheit mit sich, indem das von ihm erzeugte Negative wiederum
den Prozeß des Negierens setzt. Es setzt sich selbst voraus, indem es
das Negative in seiner Bewegung setzt, und das Aufheben dieser Vor-
aussetzung ist es selbst; umgekehrt ist dies Aufheben seiner Voraus-
setzung die Voraussetzung selbst, d. h. der Prozeß des Negierens wie-
derum ist die Voraussetzung des Negativen und seiner Bewegung.
Die Reflexion also findet ein Unmittelbares vor, vom Wesen erzeug-

67
Der Schein

tes Negatives, das sich verselbständigt hat, über das sie hinausgeht
oder das sie aufhebt und aus dem sie daher die Rückkehr, die Rück-
kehr des Wesens ist. Aber diese Rückkehr ist erst das Voraussetzen
des Vorgefundenen. Erst in dem Moment, in dem das Wesen zurück-
kehrt, d. h. der Prozeß des Negierens wieder einsetzt, bewährt sich
das Vorgefundene als Voraussetzung, und die Voraussetzung bewährt
sich als Voraussetzung, indem sie sich als solche aufhebt. Dies Vor-
gefundene wird nur darin, daß es verlassen wird. Als Vorgefundenes
wird es verlassen, indem es Voraussetzung wird. Als gewordene Vor-
aussetzung ist es aber nicht mehr Unmittelbarkeit: seine Unmittel-
barkeit ist die aufgehobene Unmittelbarkeit. – Die aufgehobene Un-
mittelbarkeit umgekehrt ist die Rückkehr in sich, das Ankommen
des Wesens bei sich, das einfache, sich selbst gleiche Sein. Das An-
kommen des Wesens bei sich ist das Sichnegieren, das Erzeugen des
Negativen, durch das die Bewegung des Nichts zu Nichts als das
einfache Sein vermittelt wird. Damit ist dieses Ankommen bei sich
das Aufheben seiner und die [sich] von sich selbst abstoßende, vor-
aussetzende Reflexion, d.h. das Wesen hebt sich erneut im Negativen
auf, das in seiner Bewegung erneut zur Voraussetzung wird, und das
Abstoßen der Reflexion von sich ist das Ankommen bei sich selbst:
erneute Voraussetzung, die sich zum Prozeß des Negierens aufhebt,
womit der Kreis sich nicht nur schließt, sondern in seiner Bewegung
erneuert.
Die reflektierende Bewegung ist somit nach dem Betrachteten als
„Absoluter absoluter Gegenstoß in sich selbst zu nehmen. Die reflektierende
Gegenstoߓ –
Bewegung ist zuerst Prozeß des Negierens. Dies ist der erste Re-
flexionsbogen, der vom Anfang des Prozesses des Negierens bis zu
Umkehr der

reflektierenden

Bewegung in sich
dessen Abschluß im Produkt, im Negativen, reicht. Dann folgt die
selbst spezifische Bewegung des vorhandenen Negativen. Es entfernt sich
von seinem Ursprung, indem es selbständig wird, aber diese Bewe-
gung bricht sich in sich, indem das selbständige Negative als Resul-
tat oder Rückkehrpunkt seiner Bewegung wieder ihr Ausgangspunkt
wird und so die Bewegung beginnt, in der es sich in die Vorausset-
zung des Prozesses des Negierens verwandelt. Dies ist der zweite
Reflexionsbogen, der als Gegenstoß in der reflektierenden Bewegung
sich realisiert. Es ist ein Gegenstoß in sich selbst, weil er keine Vor-
aussetzungen außerhalb der Bewegung hat, die die Beziehung des
Wesens auf sich selbst ist. Oder er ist absolut, weil die Bewegung
selbst sich in sich umkehrt, der Gegenstoß also nicht durch Brechung
an einem Anderen, nicht durch äußere Einwirkung zustande kommt.

68
Die Reflexion: setzende Reflexion

Denn die Voraussetzung der Rückkehr in sich, – das, woraus das


Wesen herkommt und erst als dieses Zurückkommen ist –, ist nur in
der Rückkehr selbst. Das Hinausgehen über das Unmittelbare, von
dem die Reflexion anfängt, ist vielmehr erst durch dies Hinausge-
hen; d. h. das Hinausgehen ist durch sich selbst, durch die Herstel-
lung des Prozesses des Negierens, der die Aufhebung dieses voraus-
gesetzten Unmittelbaren ist; und das Hinausgehen über das
Unmittelbare ist das Ankommen bei demselben: erneutes Setzen des
Unmittelbaren.
Die Bewegung, in der das Negative sich aus dem Produkt in die
Voraussetzung des Negierens (1) verwandelt, verläuft über die an
sich seiende Unmittelbarkeit, in der der Punkt der Rückkehr zum
Ausgangspunkt wird; das vorhandene Negative, das Negative als Ne-
gatives, hebt die Unmittelbarkeit auf, indem es sich zur Vorausset-
zung des Prozesses des Negierens (1) macht. Daran, daß der Rück-
kehrpunkt immer wieder Ausgangspunkt ist und dieser beständig
wieder jener wird, läßt sich im Bereich der an sich seienden Unmit-
telbarkeit prüfen, ob Selbstbewegung vorliegen kann.

Dritte Bestimmung der Selbstbewegung:


aus sich kommende Bewegung
Die Kennzeichnung der Selbstbewegung, die Hegel nunmehr geben
wird, betrifft das Problem der Voraussetzung in der Selbstbewegung,
so, wie es Gegenstand des Punktes „Die setzende Reflexion“ ist, und
zwar speziell die Beziehung zwischen dem Setzen und dem Voraus-
setzen in der Reflexion, wobei die Selbstbewegung jetzt als aus sich
kommende Bewegung gefaßt werden kann; sie bleibt in sich, indem
sie aus sich kommt, und umgekehrt. Die Bewegung wendet sich als Selbstbewegung ist

Fortgehen unmittelbar in ihr selbst um und ist nur so Selbstbewegung, aus sich kommende

– Bewegung, die aus sich kommt, insofern die setzende Reflexion Bewegung durch das

Sichsetzen und
voraussetzende, aber als voraussetzende Reflexion schlechthin set- Sichvoraussetzen
zende ist. Die setzende Reflexion erweist sich als voraussetzende des Negativen

dadurch, daß das vorhandene Negative sich setzt, indem es sich auf
sich bezieht, sich als Negation negiert oder die Negation als Negati-
on ist, als solche den Rückkehrpunkt bildet, der Ausgangspunkt wird,
so daß die Bewegung sich in ihr selbst umkehrt und in ihr die Nega-
tion als Negation sich negiert und so zur Voraussetzung für den Pro-
zeß des Negierens wird, der das Wesen ist. Aber als voraussetzende
ist sie schlechthin setzende, weil die Negation als Negation vorhan-

69
Der Schein

den sein muß, ehe sie sich in dieser Bestimmtheit negieren kann, und
weil das Negative selbst sich als Voraussetzung setzt. Ein Kreisprozeß
ist somit Selbstbewegung erst dann, wenn er diese Beziehung zwi-
schen Setzen und Voraussetzen in der Bewegung des Negativen auf-
weist, so daß das Wesen in der in ihr selbst sich umkehrenden Bewe-
gung seine Voraussetzung selbst herstellt.
Zusammenfassend läßt sich festhalten: So ist die Reflexion sie
selbst und ihr Nichtsein, d. h. sie ist Rückkehr und Aufhebung der
Rückkehr, und sie ist nur sie selbst, indem sie das Negative ihrer ist,
denn nur so ist das Aufheben des Negativen zugleich als ein Zusam-
mengehen mit sich, d. h. das Aufheben des Negativen als Herstel-
lung des Prozesses des Negierens (das Negative der Reflexion ist ihr
Negatives in der Bewegung, die die Reflexion ist, nicht ein Anderes
überhaupt zur Reflexion).
Zunächst hat Hegel die Reflexion als absolute dargestellt, als Be-
wegung des Nichts zu Nichts, d. h. als das Sicherhalten des Negati-
ven dadurch, daß es als Rückkehrpunkt seiner Bewegung ihren Aus-
gangspunkt bildet, eine Verwandlung, die in der an sich seienden
Unmittelbarkeit stattfindet. Dann ist gezeigt worden, wie das Nega-
tive in seiner Bewegung aus dieser Unmittelbarkeit heraustritt, in-
dem es sich zur Voraussetzung der Negativität macht, durch eine Be-
wegung, durch die die Reflexion als setzende voraussetzende und als
Der nächste Schritt voraussetzende setzende ist. Nunmehr ist die Voraussetzung vorhan-
in der Untersuchung
den, und es kann untersucht werden, wie die Selbstbewegung von
der reflektierenden
dieser Voraussetzung anfängt.
Bewegung
Die Unmittelbarkeit, die die Reflexion als Aufheben sich voraus-
setzt, ist schlechthin nur als Gesetztsein, als an sich Aufgehobenes,
das nicht verschieden ist von der Rückkehr in sich und selbst nur
dieses Rückkehren ist. Die Reflexion als Aufheben ist Aufheben des
Sichnegierens, und sie setzt die Unmittelbarkeit sich voraus, die zu-
erst nur das Negative überhaupt als Gesetztsein ist, das dann an sich
Aufgehobenes wird, als Negatives, das sich selbst negiert, Negation
als Negation, die in der Bewegung der Rückkehr in sich ist. Aber
dieses an sich Aufgehobene ist zugleich bestimmt als Negatives, als
unmittelbar gegen eines, also gegen ein Anderes. Das an sich Aufge-
hobene ist unmittelbar gegen das, als das es sich durch seine Nega-
tion, durch das Negieren des Negativen als Negativen als Vorausset-
zung des Prozesses des Negierens setzen wird. Und indem es sich so
setzen wird, wird es diese Unmittelbarkeit aufgehoben haben. So ist
die Reflexion bestimmt; sie ist, indem sie nach dieser Bestimmtheit

70
Die Reflexion: äußere Reflexion

eine Voraussetzung hat und von dem Unmittelbaren als ihrem An-
dern anfängt, äußere Reflexion.

[17] 2. Die äußere Reflexion


Das Negative hat in der Bewegung, die der absolute Gegenstoß im Die Bewegung, wie

zweiten Reflexionsbogen ist, sich nicht nur gesetzt als auf sich bezo- sie von der

gen und so sich erhaltend; als Selbständiges hat es sich durch die vorhandenen

Voraussetzung ihren
Negation des Negativen als Negativen dem Prozeß des Negierens Anfang nimmt

vorausgesetzt. Oder Voraussetzung wird es als sich dem Prozeß des


Negierens selbst Voraussetzendes. Es ist nicht mehr das Sein, das in
das Wesen übergeht, sondern es ist das vom Wesen, d. h. von dem
nunmehr sich selbst produzierenden Prozeß erzeugte Negative, das
sich zum Wesen aufheben wird. Erst so ist die Negativität absolut
und die Bewegung des Systems Selbstbewegung.
Wie erinnerlich, ist das selbständige Negative Ausgangspunkt, in-
sofern es in der an sich seienden Unmittelbarkeit die diese aufhe-
bende Bewegung beginnt. Voraussetzung wird es in einem Prozeß.
Nachdem es Ausgangspunkt geworden ist, bewegt es sich in der Un-
mittelbarkeit, bis es sein Sichaufheben beginnt. Sein Vorausset-
zungwerden setzt in der Unmittelbarkeit ein; das Ergebnis dieses
Vorgangs befindet sich dann schon nicht mehr in der Sphäre der an
sich seienden Unmittelbarkeit: es werden dies die potentiellen Prozeß-
faktoren, d. h. das sich erhaltende Negative und das Produzierver-
mögen sein. Die Voraussetzung ist nicht etwas, das vor dem Prozeß
des Negierens besteht und bestehen bleibt, sondern sie ist Negatives,
das sich in die potentiellen Faktoren verwandelt, die sich dann selbst
in den Prozeß aufheben. Der Prozeß selbst ist nichts der Vorausset-
zung Gegenüberstehendes; er ist dadurch, daß die Voraussetzung
sich aufhebt.
Die Reflexion als absolute und dann als setzende gefaßt hat noch Unterschied der

keine Voraussetzung. Die Reflexion als absolute Reflexion ist das in Reflexion als

ihm selbst scheinende Wesen und setzt sich nur den Schein, das äußerer von der

Reflexion als
Gesetztsein voraus: den Schein, vom Wesen gesetzt als Bewegung absoluter und
des Negativen, die das Wesen selbst ist, aber als sein eigenes Mo- setzender

ment, und die sich wieder in das Wesen aufhebt; sie ist als vorausset-
zende unmittelbar nur setzende Reflexion, d. h. sie ist Setzen der an
sich seienden Unmittelbarkeit als Sichsetzen und Sichvoraussetzen
des Negativen, wodurch erst die Voraussetzung vorhanden ist; sie
hat also noch keine Voraussetzung. Aber die äußerliche oder reale

71
Der Schein

Reflexion setzt sich als aufgehoben, als das Negative ihrer voraus.
Sie ist in dieser Bestimmung verdoppelt. Das eine Mal ist sie als das
Vorausgesetzte oder die Reflexion in sich, die das Unmittelbare ist,
also das Negative als Selbständiges in sich zurückgekehrt. Das Ne-
gative ist Unmittelbares als Reflexion in sich, indem es sich gegen
seinen Ursprung auf sich bezieht, als setzend sich betätigt und so als
Voraussetzung sich setzt. Die Reflexion hat erstmals eine Vorausset-
zung. Sie bestimmt sich so. Es ist in sich bleibende Bewegung, denn
die Reflexion selbst ist es, die sich aufhebt, indem das Negative dem
Prozeß des Negierens sich voraussetzt. Das andere Mal ist sie die als
negativ sich auf sich beziehende Reflexion; sie bezieht sich auf sich
als auf jenes ihr Nichtsein. Dieses Nichtsein ist aufgehobene Nega-
tivität. Die Bewegung der aufgehobenen Negativität kulminiert im
Setzen der potentiellen Prozeßfaktoren. Die Reflexion, d. h. die Kreis-
bewegung kann sich daher in der Weise negativ auf dieses Nicht-
sein beziehen, daß es sich zum Prozeß des Negierens aufhebt, der
erneut jene Unmittelbarkeit setzt. Die Reflexion als äußerliche oder
reale ist so der ganze Kreislauf, der aber jetzt nicht als voraus-
setzungsloses Setzen, sondern von der Voraussetzung anfängt; die-
se hebt sich zum Prozeß des Negierens auf, der wieder das Negati-
ve setzt, das sich in seiner Bewegung zur Voraussetzung formiert.

Übergehen der unmittelbaren Voraussetzung in den Prozeß


des Negierens
Zur ersten Bestimmung der äußerlichen Reflexion: Die äußerliche
Reflexion setzt also ein Sein voraus, erstens nicht in dem Sinne, daß
seine Unmittelbarkeit nur Gesetztsein oder Moment ist, sondern viel-
mehr, daß diese Unmittelbarkeit die Beziehung auf sich und die Be-
stimmtheit nur als Moment ist. Dies ist das Negative, das damit be-
ginnt, sich zur Voraussetzung zu machen, aber noch in der Sphäre
der an sich seienden Unmittelbarkeit. Beziehung auf sich der Unmit-
telbarkeit ist das Sichbetätigen des selbständig gewordenen Negati-
ven. Die Bestimmtheit, die es als Produkt des Sichnegierens hat, ist
in ihm aufgehoben, ist also nur noch Moment. Bei der Behandlung
des Scheins war dies beschrieben worden als die Unselbständigkeit,
die an ihr selbst aufgehoben ist, und als das Unselbständige als das
an ihm selbst Unselbständige (vgl. L II, 12). Sichbetätigen des nun-
mehr selbständigen Negativen bedeutet, daß es Bestimmen werden

72
Die Reflexion: äußere Reflexion

wird. Dieser Vorgang läßt sich auch so charakterisieren: Die äußere


Reflexion bezieht sich auf ihre Voraussetzung so, daß diese das Ne-
gative der Reflexion ist, aber so, daß dieses Negative als Negatives
aufgehoben ist. Dies ist die Negation des Negativen als des Negati-
ven, von der schon die Rede war. Die Reflexion in ihrem Setzen hebt
unmittelbar ihr Setzen auf; ihr Setzen ist das Sichsetzen des Negati-
ven, wodurch es Negatives als Negatives wird, und es hebt in seinem
Setzen das Setzen auf, indem nunmehr das Negative als Negatives
sich negiert; diese Bewegung beginnt das auf sich bezogene Negati- Das Negative als

ve; so hat sie – die äußere Reflexion – eine unmittelbare Vorausset- unmittelbare Voraus-

zung. Das war das Ergebnis der Reflexion als setzender. Die Refle-
setzung

xion als äußere findet damit ein Vorausgesetztes vor als ein solches,
von dem sie anfängt und von dem aus sie erst das Zurückgehen in
sich, das Negieren dieses ihres Negativen, d. h. Negieren der Negati-
on als Negation ist. Aber daß dieses Vorausgesetzte überhaupt ein
Negatives oder Gesetztes ist, geht das Vorausgesetzte nichts an; die-
se Bestimmtheit gehört nur der setzenden Reflexion an, aber in dem
Voraussetzen ist das Gesetztsein nur als aufgehobenes. Das Voraus-
gesetzte hat die Bestimmtheit des Negativen oder Gesetzten nur in
Beziehung auf den Prozeß des Negierens (1), dessen Resultat es ist
(vgl. hierzu den Unterpunkt „Die Unmittelbarkeit als Rückkehr“).
Jetzt aber ist es selbständig. So wird es unmittelbare Voraussetzung
des Prozesses des Negierens. Was die äußerliche Reflexion an dem
Unmittelbaren bestimmt und setzt, sind insofern demselben äußerli-
che Bestimmungen. Dies ist die Bewegung, in der das Negative die
Form des Unmittelbaren aufhebt und in der Form sich setzt, in der es
den Prozeß des Negierens (1) beginnen kann. Das Sichnegieren hat-
te nur Negatives gesetzt. Dieses Negative muß jetzt, wo es Vorausset- Verwandlung dieses

zung wird, zum einen sich formieren als das selbständige Negative, Negativen in die

das in der bevorstehenden Bewegung sich erhält, zum anderen aber Prozeßfaktoren

sich in erneuertes Produziervermögen verwandeln. (Dies setzt vor-


aus, daß das Produziervermögen mehr Negatives gesetzt hat, als für
seine eigene Reproduktion erforderlich ist.) Diese Bestimmungen,
die das Negative neu annimmt, sind als solche noch nicht durch den
innerlichen Prozeß des Negierens, sondern außerhalb desselben ge-
setzt, vor ihm. Hegel vergleicht an dieser Stelle die Beziehung zwi-
schen der äußerlichen Reflexion und ihrer Voraussetzung mit dem
Unendlichen in der Sphäre des Seins: Sie war das Unendliche in der
Sphäre des Seins; das Endliche gilt als das Erste, als das Reale; von
ihm wird als dem zugrunde liegenden und zugrund liegen Bleiben-

73
Der Schein

den angefangen, und das Unendliche ist die gegenüberstehende Re-


flexion in sich.
Soweit ist die äußere Reflexion also die Bewegung, in der das Ne-
gative die Bestimmungen, die es in der Unmittelbarkeit hat, aufhebt
und die Bestimmungen annimmt, durch die es zu den potentiellen
Prozeßfaktoren wird. Hegel faßt diesen Prozeß als Schluß: Diese
äußere Reflexion ist der Schluß, in welchem die beiden Extreme, d.
h. das Unmittelbare und die Reflexion in sich, aufeinander bezogen
sind; die Mitte dieses Schlusses oder Prozesses ist die Beziehung
beider, das bestimmte Unmittelbare, so daß der eine Teil derselben,
die Unmittelbarkeit, nur dem einen Extreme, die andere, die Be-
stimmtheit oder Negation, nur dem andern Extreme zukommt. Das
eine Extrem ist also das Unmittelbare, d. h. das Negative als Negati-
ves am Beginn seines Voraussetzungwerdens; die Mitte des Schlus-
ses ist das Sichaufheben, Sichverwandeln des Unmittelbaren; das
andere Extrem als das Resultat des Prozesses, als Reflexion in sich
sind die potentiellen Prozeßfaktoren; in dieser neu gewonnenen Be-
stimmtheit sind sie Negationen, gesetzt durch das Negieren des Ne-
gativen als Negativen.

Prozeß des Negierens als Setzen und Voraussetzen des Unmittelbaren


[18] Zur zweiten Bestimmung der äußerlichen Reflexion: Der Pro-
zeß des Negierens, zu dem seine potentiellen Faktoren sich aufhe-
ben, wird nun in seiner Beziehung auf jene Unmittelbarkeit betrach-
tet, aus der seine Voraussetzung sich formierte. Aber das Tun der
äußern Reflexion näher betrachtet, so ist sie zweitens Setzen des
Unmittelbaren, das insofern das Negative oder Bestimmte wird; aber
sie ist unmittelbar auch das Aufheben dieses ihres Setzens; denn sie
setzt das Unmittelbare voraus; sie ist im Negieren das Negieren die-
ses ihres Negierens. Bei der Behandlung der Reflexion als setzender
hatte sich schon ergeben, daß die an sich seiende Unmittelbarkeit
ein Gesetztsein ist, das den Prozeß des Negierens (1) als Setzen vor-
aussetzt. Das Setzen in dieser Beziehung sollte nicht mit dem Sich-
setzen des Negativen in der Bewegung verwechselt werden, die die
Der Prozeß des an sich seiende Unmittelbarkeit ist. Neu ist jetzt, daß der Prozeß des
Negierens erneuert Negierens (1) jene Unmittelbarkeit, die die Beziehung des Negativen
die Unmittelbarkeit
insgesamt auf sich ist, sowohl setzt als auch voraussetzt. Als dieses
als gewordene

Struktur und setzt


Voraussetzen ist er im Setzen das Aufheben des Setzens. Dieses Vor-
sie sich voraus aussetzen ist etwas anderes als die Bewegung der setzenden Reflexi-

74
Die Reflexion: äußere Reflexion

on, in der das Negative dem Prozeß des Negierens sich voraussetzt.
Vielmehr setzt jetzt der Prozeß des Negierens (1) die an sich seiende
Unmittelbarkeit insgesamt als gewordene Struktur voraus, die für
das Funktionieren von Selbstbewegung erforderlich ist. Bei der Re-
flexion als setzender und voraussetzender wurde diese Struktur in
ihrem Werden betrachtet. Sie – die äußere Reflexion – ist aber unmit-
telbar damit ebenso Setzen, Aufheben des ihr negativen Unmittelba-
ren, und dieses, von dem sie als von einem Fremden anzufangen
schien, ist erst in diesem ihrem Anfangen. D. h. das vorausgesetzte
Unmittelbare hebt sich selbst wieder auf und ist so als erneuter Pro-
zeß des Setzens von Negativem. Die gewordene Struktur der Unmit-
telbarkeit ist Voraussetzung dafür, daß das verselbständigte Negati-
ve sich wieder in den Prozeß des Negierens aufheben kann, aber
diese gewordene Struktur ist erstens durch den Prozeß des Negierens
oder Setzens des Negativen selbst gesetzt, hat also ihm gegenüber
nicht mehr den Schein des Fremden, und zweitens muß sie beständig
von neuem gesetzt werden, um als solche dazusein. Das Unmittelba-
re ist auf diese Weise nicht nur an sich, das hieße für uns oder in der
äußern Reflexion, dasselbe, was die Reflexion ist, sondern es ist
gesetzt, daß es dasselbe ist. Es ist nämlich durch die Reflexion als
ihr Negatives oder als ihr Anderes bestimmt, aber sie ist es selbst,
welche dieses Bestimmen negiert. Dieses Bestimmen negiert sie, in-
dem das Bestimmte als Selbständiges sich selbst wieder in den Pro-
zeß des Bestimmens, d. i. des Sichnegierens aufhebt. Resümierend
stellt Hegel fest: Es ist damit die Äußerlichkeit der Reflexion gegen
das Unmittelbare aufgehoben; ihr sich selbst negierendes Setzen ist
das Zusammengehen ihrer mit ihrem Negativen, mit dem Unmittel-
baren, und dieses Zusammengehen ist die wesentliche Unmittelbar-
keit selbst. D. h. die Reflexion als Prozeß des Negierens (1) hebt sich
in das Unmittelbare auf, geht so mit ihrem Negativen zusammen oder
ist als solches da, und die Unmittelbarkeit, die nun in ihrer Funktion
als Vermittlung des Wesens mit sich selbst nachgewiesen worden ist,
ist die wesentliche Unmittelbarkeit. Es ist also vorhanden, daß die
äußere Reflexion nicht äußere, sondern ebensosehr immanente Re-
flexion der Unmittelbarkeit selbst ist. Die Reflexion ist Bewegung,
die die Unmittelbarkeit zur Voraussetzung hat, aber sie als Prozeß
des Negierens ist es, die sich in diese Unmittelbarkeit umsetzt, und
nur unter Voraussetzung dieser Unmittelbarkeit stellt sich der Pro-
zeß des Negierens wieder her. Hegel fährt fort: oder daß das, was
durch die setzende Reflexion ist, das an und für sich seiende Wesen

75
Der Schein

ist, also das Wesen als Beziehung auf sich, vermittelt durch sein Ne-
gatives, die Unmittelbarkeit, und als diese Beziehung setzt es sich
selbst. So ist sie bestimmende Reflexion.

[20] 3. Bestimmende Reflexion


Bestimmende Die bestimmende Reflexion ist überhaupt die Einheit der setzenden
Reflexion als Einheit
und der äußern Reflexion. Dies ist näher zu betrachten. Der Prozeß
der setzenden und

der äußeren
des Negierens (1) als Setzen des Negativen bestimmt die Unmittel-
Reflexion
barkeit, und die Unmittelbarkeit bestimmt, indem sie Voraussetzung
wird, den Prozeß des Negierens. Die beiden Bewegungen des Set-
zens des Negativen, das in seinem Gesetztsein sich setzt und voraus-
setzt, und des Anfangens vom Vorausgesetzten, das sich zum Negie-
ren (1) aufhebt, also wieder Setzen des Negativen wird, schlagen
beständig ineinander um und bilden so den Kreislauf der Selbst-
bewegung. Als die Beziehung zwischen Negativität und Unmittelbar-
keit ist die Selbstbewegung in sich bleibendes Bestimmen. Die Refle-
xion ist Sichnegieren als Setzen des Negativen, das Negative als
Gesetztes bezieht sich auf sich, wird die Negation als Negation, d. h.
selbständig, setzt sich also, und als Negieren der Negation als Nega-
tion setzt es sich dem Prozeß des Negierens voraus; als Vorausset-
zung hebt es sich in diesen Prozeß auf, setzt ihn, und er ist wieder
Voraussetzung des Negativen, in das er sich aufhebt. So ist in der
Reflexion jedes Gesetzte ein Vorausgesetztes, das sich als solches
aufhebt und so wieder Setzen wird. Daraus ergibt sich die Spezifik
der Bestimmungen des Wesens oder der Reflexion, die sich von den
Bestimmungen des Seins unterscheiden. Diese Spezifik haben sie als
Bestimmungen des sich selbst erzeugenden Prozesses des Erzeugens.

Reflexion und Gesetztsein


Die bestimmende Reflexion hebt die Bestimmungen der setzenden
und der äußeren Reflexion in sich auf. 1. Die äußere Reflexion fängt
vom unmittelbaren Sein an, von der Unmittelbarkeit, die zur Voraus-
setzung wird, die setzende vom Nichts, d. h. die setzende Reflexion
ist zuerst Setzen des Negativen oder des Nichts durch den Prozeß des
Negierens und dann die Bewegung dieses Negativen, durch die die
an sich seiende Unmittelbarkeit ist. Die äußere Reflexion, die be-
stimmend wird, setzt ein Anderes, aber das Wesen, an die Stelle des
aufgehobenen Seins, in der Weise, daß das Aufheben der Vorausset-

76
Die Reflexion: bestimmende Reflexion

zung Setzen des Prozesses des Negierens ist, der wiederum die Un-
mittelbarkeit als seine Voraussetzung setzt. Die setzende Reflexion
ist Setzen des Negativen und seine Bewegung; die äußere Reflexion
ist Setzen des Wesens und seine Bewegung.
Das Setzen in der setzenden Reflexion setzt seine Bestimmung
nicht an die Stelle eines Andern; es hat keine Voraussetzung, son-
dern ist als Prozeß des Negierens überhaupt erst Setzen des Negati-
ven, das dann seine eigene Bewegung durchläuft, als Sichsetzen und Charakteristik des

Sichvoraussetzen. Aber deswegen ist es nicht die vollendete, bestim- Gesetztseins

mende Reflexion; die Bestimmung, die es setzt, ist daher nur ein
Gesetztes; das Resultat des Setzens in seiner Beziehung auf das Set-
zen gefaßt ist nur Gesetztes; es ist Unmittelbares, aber nicht als sich
selbst gleich, sondern als sich negierend; d. h. das Unmittelbare als
vorerst nur Gesetztes beginnt die Bewegung, in der es sich als Ge-
setztes oder bloß Negatives negiert; es hat absolute Beziehung auf
die Rückkehr in sich; es ist nur in der Reflexion in sich, aber es ist
als nur Gesetztes noch nicht diese Reflexion selbst.
Das Gesetzte ist daher ein Anderes in bezug auf die Reflexion,
aber so, daß die Gleichheit der Reflexion mit sich schlechthin erhal-
ten ist. Das Gesetzte tritt nicht aus der Bewegung der Reflexion her-
aus, sondern bleibt in ihr, indem es in der Bewegung der Rückkehr
ist: Denn das Gesetzte ist nur als Aufgehobenes, als Beziehung auf
die Rückkehr in sich selbst. Als Aufgehobenes ist es selbständig, und
als Selbständiges ist es Rückkehr in sich selbst als Voraussetzung
des Prozesses des Negierens. Das Gesetztsein unterscheidet sich vom Beziehung des

Dasein in der Sphäre des Seins. In der Sphäre des Seins war das Gesetztseins zum

Dasein das Sein, das die Negation oder Bestimmtheit an ihm hatte,
Dasein (in der

Sphäre des Seins)


und das Sein war der unmittelbare Boden und das Element dieser und zum Wesen

Negation, die daher selbst die unmittelbare war. Dem Dasein als be-
stimmtem Sein, das aus der Bewegung von Sein und Nichts resul-
tiert, entspricht in der Sphäre des Wesens das Gesetztsein. Es ist
gleichfalls ein Dasein oder es ist Bestimmtheit, aber sein Boden ist
das Sein als Wesen oder als reine Negativität; es ist eine Bestimmt-
heit oder Negation nicht als seiend, sondern unmittelbar als aufgeho-
ben. Diese Bestimmung ist für das Begreifen des Wesens von grund-
sätzlicher Bedeutung. Alles, was in der Sphäre des Wesens ist, ist
dadurch, daß es gesetzt ist, und gesetzt wird es primär durch das
Sichnegieren, so daß alles seiner Genesis nach nur als diese Negati-
on da sein kann. Nun kann vermittelst des Gesetztseins die Bezie-
hung zwischen dem Dasein in der Sphäre des Seins und dem Wesen

77
Der Schein

bestimmt werden. Das Dasein ist nur Gesetztsein – das Dasein als
produziert durch das Sichnegieren als den Prozeß des Wesens. Dies
ist der Satz des Wesens vom Dasein. Das Gesetztsein steht einerseits
dem Dasein, andererseits dem Wesen gegenüber und ist als die Mitte
zu betrachten, welche das Dasein mit dem Wesen und umgekehrt das
Wesen mit dem Dasein zusammenschließt. Dieser Schluß ist wieder-
um ein Prozeß, in dem das Wesen das Negieren als Sichnegieren, das
Gesetztsein das Negative überhaupt und das Dasein das sich auf sich
beziehende, sich negierende Negative ist. Wenn man sagt, eine Be-
stimmung ist nur ein Gesetztsein, so kann dies daher den doppelten
Sinn haben; sie ist dies im Gegensatze [21] gegen das Dasein oder
gegen das Wesen. In jenem Sinne – das Gesetztsein im Gegensatz
gegen das Dasein gefaßt – wird das Dasein für etwas Höheres ge-
nommen als das Gesetztsein und dieses der äußern Reflexion, dem
Subjektiven zugeschrieben. In der Tat aber ist das Gesetztsein das
Höhere; denn als Gesetztsein ist das Dasein als das, was es an sich
ist, als Negatives, ein schlechthin nur auf die Rückkehr in sich bezo-
genes. Deswegen ist das Gesetztsein nur ein Gesetztsein in Rück-
sicht auf das Wesen, auf das Wesen als die Negation des Zurück-
gekehrtseins des Negativen in sich selbst: seine Aufhebung in den
Prozeß des Negierens. Jetzt ist also gesetzt, was das Dasein an sich
ist: es ist Negatives, das eine ganz bestimmte Bewegung vollzieht –
die Rückkehr in sich, in der es die Voraussetzung wird, die sich in
den Prozeß des Negierens (1) aufhebt.

Das Gesetztsein als Reflexionsbestimmung


Was hat es nun mit den Reflexionsbestimmungen auf sich? Die Refle-
xion ist in sich unterschieden als Setzen und Gesetztsein, als Bestim-
men und Bestimmtsein, und als so in sich unterschieden hat die Re-
flexion von ihr selbst gesetzte Bestimmungen. Die Frage ist nun,
wodurch sich diese Bestimmungen auszeichnen – im Unterschied zu
den Bestimmungen des Seins. Dies ist zunächst exemplarisch am
Negativen als Bestimmtem, als Gesetztsein zu entwickeln.
Reflexion in sich des Das Negative als Gesetztsein ist ein Sichbetätigendes, das auf sein
Negativen als des
Gesetztsein, auf sich als Negatives sich bezieht und aus dieser Bezie-
Gesetzten
hung in sich zurückkehrt, indem es sich in seiner Bestimmung betä-
tigt und sich als Gesetztsein aufhebt dadurch, daß es sich selbstän-
dig macht, d. h. sich selbst erhält. Diese Beziehung auf sein Anderes,
das das Negative an ihm selbst hat, indem es gesetzt ist, d. h. indem

78
Die Reflexion: bestimmende Reflexion

es das Wirken des Setzenden an ihm hat, und die Rückkehr aus ihr
als das Sichbetätigen des Negativen begreift Hegel als Reflexion in
sich.
Indem das Gesetzte, das Negative nicht nur passives Ergebnis des
vorangehenden Prozesses, sondern selbst wirksam, aktiv ist, so hat
es einen Aktor8. Dieser ist zwar vom Negativen unterschieden, aber
als dieser Aktor ist er nur durch das Negative; was er macht, ist
durch die Bestimmung des Negativen vorgegeben; wie er agiert, ist
dadurch bestimmt, wie das Negative sich bewegen muß, um sich zu
erhalten. Die Bewegung des Negativen ist die Funktionsweise seines
Aktors. Die Betrachtung der Bewegung des Negativen erhellt, wie
der Aktor agieren muß, damit die Bewegung des gegebenen Systems
Selbstbewegung ist und bleibt. Ebenso hat das Sichnegieren bzw. das
Produziervermögen seinen Aktor, worauf noch einzugehen sein wird.
Vermittelst seines Aktors betätigt sich das Negative in der Bestim- Das Negative

mung, in der es gesetzt worden ist, und zwar mit der Konsequenz, betätigt sich in

daß es sich als das setzt, was es an sich ist. Das vorhandene Negati- seiner Bestimmung

und setzt sich als


ve, das reflektierend sich auf sich bezieht und als Voraussetzung des das, was es an sich
Prozesses des Negierens (1) sich setzt, ist an sich die Negativität; ist

sonst könnte es seine Unmittelbarkeit nicht negieren und sich nicht


zum Prozeß des Negierens aufheben. In der Bewegung, die die an sich
seiende Unmittelbarkeit ist, erhält das Negative sich durch seine Bezie-
hung auf sich, indem es sich mit anderen vorhandenen Negativen ver-
mittelt. Im Wesen als Prozeß der Negativität wird das Negative sich
durch seine Beziehung auf sich erhalten, indem es durch das Sichnegie-
ren als das Erzeugen von Negativem sich mit sich vermittelt.
Dadurch, daß das Negative sich als das setzt, was es an sich ist, Sicherhalten des

wandelt es seine Form. Es ist sein Sicherhalten durch seinen Formen- Negativen durch

wandel. Dies unterscheidet die Bewegung der Reflexion vom Über- Formenwandel

gang des Etwas in Anderes im Sein.


Durch die Reflexion in sich des gegebenen Gesetzten wird somit
in der Konsequenz – vermittelst des Formenwandels – die nächste
Bestimmung der Reflexion gesetzt, die so Negation ist, die wieder
Reflexion in sich wird. Dadurch ist die Reflexion in sich notwendig Reflexion in sich und

Reflexion in anderes. Auf diese Weise bildet sich der ganze Kreislauf- Reflexion in anderes

8 Vom lat. actor – Treiber, Vollzieher; hier verwendet zur Bezeichnung der allge-
meinen Bestimmung des in der Reflexion in sich Agierenden, das in den verschiede-
nen Bewegungsformen der Materie in jeweils spezifischer Gestalt auftritt, bis hin zu
den Akteuren der Menschengesellschaft als der entwicklungsgeschichtlich höchsten
Form.

79
Der Schein

prozeß, der die Selbstbewegung ist; er realisiert sich über die Bezie-
hung „an sich – gesetzt“.
Betrachtet man die Reflexion als ganze, so bildet sie sich aus folgen-
den Prozessen: 1. der Prozeß des Negierens setzt das Negative als sein
Produkt; er hebt sich in das Negative auf; 2. das Negative ist Gesetzt-
sein; es setzt sich selbst, indem es sich erhält, und verwandelt sich in die
Voraussetzung des Sichnegierens, oder es setzt sich als diese; 3. die
Voraussetzung als solche betätigt sich, indem sie sich in den Prozeß des
Wo die Reflexions- Negierens aufhebt; so setzt sie den Prozeß des Negierens. So ist jedes –
bestimmungen sich
Negatives als Produkt, Voraussetzung des Prozesses des Negierens, Pro-
bilden
zeß des Negierens selbst – ein Gesetztes, und vermittelst der Reflexion
in sich wird es selbständig und in der Konsequenz ein Vorausgesetztes.
Dies sind in der Reflexion die Umschlagspunkte, wo sich die Reflexions-
bestimmungen bilden. Reflexionsbestimmungen sind sie als solche der
Bewegung des sich erhaltenden Negativen. Durch sie muß dieses Sicher-
halten sich realisieren; sie haben je spezielle Funktionen in diesem Pro-
zeß des Sicherhaltens des Negativen.
Wie das Gesetztsein 2. Es wird nun das Charakteristische der Reflexionsbestimmung ent-
Reflexions-
wickelt. Das Gesetztsein als solches ist noch nicht Reflexionsbe-
bestimmung wird
stimmung: es ist nur Bestimmtheit als Negation überhaupt. Es ist Nega-
tion überhaupt in Beziehung auf den Prozeß des Negierens, als von ihm
Gesetztes; es ist so noch nicht selbständig geworden. Aber das Setzen
ist nun, in der bestimmenden Reflexion, in Einheit mit der äußern Refle-
xion; diese ist in dieser Einheit absolutes Voraussetzen, d.h. das Absto-
ßen der Reflexion von sich selbst oder Setzen der Bestimmtheit als ih-
rer selbst. Das absolute Voraussetzen ist das Abstoßen der Reflexion
von sich selbst, indem das Gesetztsein vermittelst seiner Reflexion in
sich jetzt Voraussetzung geworden ist, die sich in den Prozeß des
Negierens aufhebt; dieser Vorgang ist das Setzen der Bestimmtheit als
Setzen der Bestimmtheit der Reflexion selbst, d. h. sie bestimmt sich
selbst in sich. Das Gesetztsein ist daher als solches Negation; aber als
vorausgesetztes ist sie, die Negation, als in sich reflektierte und so selb-
ständig gewordene. So ist das Gesetztsein Reflexionsbestimmung.

Unterschied der Reflexionsbestimmung von der Bestimmtheit des Seins


Seinsbestimmtheit:
Die Reflexionsbestimmung ist von der Bestimmtheit des Seins, der
Negation als

Qualität – unmittel-
Qualität, unterschieden; diese Seinsbestimmtheit ist unmittelbare
bare Beziehung auf Beziehung auf anderes überhaupt; auch das Gesetztsein ist als
anderes überhaupt Reflexionsbestimmung Beziehung auf anderes, aber auf das

80
Die Reflexion: bestimmende Reflexion

Reflektiertsein in sich. Das Negative ist zunächst nur Gesetztsein; aber


indem es sich reflektierend auf sich bezieht, negiert es sich als Negati-
ves und ist ein anderes als es selbst, wie die Betrachtung des Scheins
ergeben hatte (vgl. L II, 12). Die Negation als Qualität ist Negation als
seiend; das Sein macht ihren Grund und ihr Element aus. Die Reflexions- Reflexions-

bestimmung hingegen hat zu diesem Grunde das Reflektiertsein in sich bestimmung:

selbst. D. h. als Reflexionsbestimmung besteht das Gesetzte oder Nega- Gleichheit mit sich

durch Aufheben des


tive oder erhält es sich durch die Reflexion in sich oder die Beziehung Prozesses des
auf sich selbst, die seine Aktivität ist; so wird es selbständig. Negierens ins

Das Gesetztsein fixiert sich zur Bestimmung, d. i. zur Reflexions- Negative und des

bestimmung, eben darum, weil die Reflexion die Gleichheit mit sich Negativen in diesen

selbst in ihrem Negiertsein ist; ihr Negiertsein ist daher selbst Refle-
Prozeß

xion in sich. Die Reflexion ist ihr Negiertsein als Aufgehobensein


des Prozesses des Negierens (1) im Negativen, im Gesetztsein. Ihr
Negiertsein ist Reflexion in sich, insofern – wie die Erörterung der
Reflexion als setzende, äußere und schließlich bestimmende ergeben
hat – der Prozeß des Sichnegierens selbst ein Gesetztsein ist, indem
die Voraussetzung ihn bestimmt, er aber als Sichnegieren erstens
diese Voraussetzung aufhebt und in diesem Sinne aus ihr in sich zu-
rückkehrt, und zweitens selbständig sich so betätigt, daß er in das
Negative als sein Resultat sich aufhebt. Dieses Negative enthält an
sich den Prozeß des Negierens (1) usw. Dadurch ist die Reflexion mit
sich selbst gleich, bezieht sie sich stets auf sich selbst, nicht auf an-
deres. Die Bestimmung besteht hier nicht durch das Sein, sondern
durch ihre Gleichheit mit sich, dadurch, daß der Prozeß des Negierens
(1) an sich das Negative und das Negative an sich dieser Prozeß ist
und der eine wie das andere sich selbst betätigt und sie so das, was
sie an sich sind, setzen. Weil das Sein, das die Qualität trägt, das der
Negation Ungleiche ist, so ist die Qualität in sich selbst ungleich,
daher übergehendes, im Andern verschwindendes Moment. Das Sein,
das die Qualität trägt, ist von der Bestimmtheit, die Negation ist,
unterschieden, denn die Qualität ist als Bestimmtheit negative Be-
ziehung auf anderes Sein. Damit ist aber die Qualität in sich selbst
unterschieden; Negieren dieses Unterschiedes ist Übergehen in an-
deres Sein. Hingegen die Reflexionsbestimmung ist das Gesetztsein
als Negation, Negation, die zu ihrem Grunde das Negiertsein hat,
also sich in sich selbst nicht ungleich ist, somit wesentliche, d. h.
sich erhaltende, nicht – wie im Sein – übergehende Bestimmtheit.
Die Sich-selbst-Gleichheit der Reflexion, welche das Negative nur
als Negatives, als Aufgehobenes oder Gesetztes hat, ist es, welche

81
Der Schein

demselben Bestehen gibt. Diese Sichselbstgleichheit ist die Bewe-


gung, durch die der Prozeß des Negierens in das Negative sich auf-
hebt, das so sein Aufgehobensein oder sein Gesetztes ist, und durch
die dieses Negative sich wieder in den Prozeß des Negierens auf-
hebt, so daß die Bewegung aus sich kommt und in sich bleibt. Diese
Bewegung erhält sich dadurch, daß sie sich stets von neuem her-
stellt, nicht dadurch, daß Negatives an Ort und Stelle verharrt; es
kehrt immer wieder von neuem in der gegebenen Bestimmtheit zu-
rück, und dadurch hat die Reflexionsbestimmung ihr Bestehen.
Um dieser Reflexion in sich willen erscheinen die Reflexions-
bestimmungen als freie, im Leeren ohne Anziehung [22] oder Ab-
stoßung gegeneinander schwebende Wesenheiten. In ihnen hat sich
die Bestimmtheit durch die Beziehung auf sich befestigt und unend-
lich fixiert. Es ist ihre reflektierende Beziehung auf sich oder ihre
Reflexion in sich, durch die sich die Reflexionsbestimmungen ver-
selbständigen. Durch diese Selbständigkeit „erscheinen“ sie als frei
im Leeren schwebend und als gegen ihre Beziehung aufeinander
gleichgültig seiend. Es ist das Bestimmte, das sein Übergehen und
sein bloßes Gesetztsein sich unterworfen oder seine Reflexion in
anderes in Reflexion in sich umgebogen hat. Es hat seine Reflexion in
anderes, die hier nur ein Übergehen in der in sich bleibenden Bewe-
gung der Reflexion insgesamt sein kann, in Reflexion in sich umgebo-
gen, indem es sich als eine besondere Bestimmung in der Bewegung der
ganzen Reflexion fixiert und seiner Bestimmung gemäß betätigt, aber
so, daß es in der Konsequenz sich als das setzt, was es an sich ist.
Diese Bestimmungen machen hierdurch den bestimmten Schein
aus, wie er im Wesen ist, den wesentlichen Schein. Aus diesem Grunde
ist die bestimmende Reflexion die außer sich gekommene Reflexi-
on. Sie ist außer sich gekommen, weil das Bestimmte, Negative sich
gegen ihre Bewegung befestigt, indem es sich auf sich bezieht und
seinerseits zum Bestimmenden wird. Die Gleichheit des Wesens mit
sich selbst ist in die Negation verloren, die das Herrschende ist. Die
Negation ist das Herrschende, indem der Prozeß des Negierens – und
durch ihn vermittelt die Reflexion insgesamt – durch sein eigenes Resul-
tat bestimmt wird, durch das Negative, das sich verselbständigt hat.

Die zwei Seiten der Reflexionsbestimmung


Es sind also an der Reflexionsbestimmung zwei Seiten, die zunächst
sich unterscheiden. Erstlich ist sie das Gesetztsein, die Negation als

82
Die Reflexion: bestimmende Reflexion

solche; zweitens ist sie die Reflexion in sich. Nach dem Gesetztsein Die Reflexions-

ist sie die Negation als Negation; dies ist somit bereits ihre Einheit bestimmung als

Gesetztsein und
mit sich selbst, denn Negation als Negation ist sie als sich auf sich Reflexion in sich
beziehende, sich negierende Negation. Aber sie ist dies nur erst an
sich, sie muß sich erst noch auf sich beziehen, oder sie ist – indem sie
sich tätig auf sich bezieht – das Unmittelbare als sich an ihm aufhe-
bend, als das Andere seiner selbst, also Voraussetzung werdend. In-
sofern ist die ganze Reflexion in sich bleibendes Bestimmen. Das
Wesen geht darin nicht außer sich; die Unterschiede sind schlechthin
gesetzt, in das Wesen zurückgenommen. Aber nach der andern Seite
sind sie nicht gesetzte, sondern in sich selbst reflektiert; die Negati-
on als Negation ist in Gleichheit mit ihr selbst, nicht in ihr Anderes,
nicht in ihr Nichtsein reflektiert.
3. Indem nun die Reflexionsbestimmung sowohl reflektierte Be-
ziehung in sich selbst als auch Gesetztsein ist, so erhellt unmittelbar
daraus ihre Natur näher. Als Gesetztsein nämlich ist sie die Negation
als solche, ein Nichtsein gegen ein anderes, nämlich gegen die abso-
lute Reflexion in sich oder gegen das Wesen. Jede Reflexionsbe-
stimmung ist so ein Gesetztsein gegen die Reflexion als ganze, als
Bewegung von Nichts zu Nichts, vermittelt durch die Negativität, aber
in dieser Bewegung selbst, die die Reflexion als ganze ist. Aber als
Beziehung auf sich ist die Reflexionsbestimmung in sich reflektiert.
– Diese ihre Reflexion und jenes Gesetztsein sind verschieden; ihr
Gesetztsein ist vielmehr ihr Aufgehobensein. D. h. als Gesetztsein
ist sie unselbständig, weil durch anderes gesetzt. Ihr Reflektiertsein
in sich aber ist ihr Bestehen, sie hat aber durch die Beziehung auf
sich, durch dieses Sichbetätigen ihr Bestehen. Insofern es nun also
das Gesetztsein ist, das zugleich Reflexion in sich selbst ist, so ist die
Reflexionsbestimmtheit die Beziehung auf ihr Anderssein an ihr
selbst. Das Gesetztsein ist ursprünglich auf den Prozeß des Setzens
als auf sein Anderes bezogen (vgl. L II, 9). Das Setzen ist jetzt aufge-
hoben als Gesetztsein da, und das Setzen ist als Anderssein am Ge-
setzten. Als Reflexion in sich des Gesetztseins ist die Reflexions-
bestimmung somit die Beziehung auf ihr Anderssein an ihr selbst.
Die Reflexion in sich hat in der Reflexionsbestimmung stets das
Gesetztsein zur Grundlage. Die Reflexionsbestimmtheit ist daher
anderer Natur als die Bestimmtheit in der Sphäre des Seins. Sie ist
nicht wie dort als eine seiende, ruhende Bestimmtheit, welche bezo-
gen würde auf ein Anderes, so daß das Bezogene und dessen Bezie-
hung verschieden voneinander sind, jenes ein Insichseien[23]des, ein

83
Der Schein

Etwas, das sein Anderes und seine Beziehung auf dies Andere von
sich ausschließt. Dies ist vielmehr charakteristisch für die Beziehung
von Etwas und Anderem in der Sphäre des Seins, die für sich und
auch ohne einander bestehen. Sondern die Reflexionsbestimmung
ist an ihr selbst die bestimmte Seite und die Beziehung dieser be-
Als Reflexion in sich

hebt die Reflexions-

bestimmung ihr
stimmten Seite als bestimmter, d. h., auf ihre Negation. Bestimmte
Gesetztsein auf und Seite oder Bezogenes ist sie als Negation, Gesetztsein. Aber sie ist
ist unendliche Bezie- selbsttätig. Sie bezieht sich auf sich als Negation oder als das An-
hung auf sich
derssein und kehrt in sich zurück, indem es in seiner Bestimmung
sich betätigt und als Gesetztsein sich aufhebt. Beziehung dieser be-
stimmten Seite als bestimmte Seite ist die Reflexionsbestimmung also
als Beziehung auf sich, und diese Beziehung auf sich ist die Negation
jener Negation, die sie ursprünglich ist (vgl. L II, 13). Die Negation
bezieht sich auf sich und hebt so ihr Gesetztsein auf. Die Qualität
geht durch ihre Beziehung in anderes über; in ihrer Beziehung be-
ginnt ihre Veränderung. Die Reflexionsbestimmung hingegen hat ihr
Anderssein in sich zurückgenommen. Sie ist Gesetztsein, Negation,
welche aber die Beziehung auf anderes, die sie als Resultat des Pro-
zesses des Negierens hat, in sich zurückbeugt, und Negation, die sich
selbst gleich, in sich reflektiert, die Einheit ihrer selbst und ihres
Andern und nur dadurch Wesenheit ist. Sie ist also Gesetztsein, Ne-
gation, aber als Reflexion in sich ist sie zugleich das Aufgehobens-
ein dieses Gesetztseins, unendliche Beziehung auf sich.

84
ZWEITES KAPITEL

Die Wesenheiten oder die


Reflexionsbestimmungen

Die Reflexion, so, wie sie bisher dargestellt worden ist, ist die uner-
läßliche Vorbereitung der Konstituierung von Selbstbewegung, in der
vorliegenden Interpretation gefaßt als solche von historisch bestimm-
ten materiellen Systemen.
Zuerst hatte sich bei der Betrachtung der Reflexion ergeben, daß
das vorhandene Negative, als Resultat des Prozesses des Negierens,
in der Bewegung, die die Unmittelbarkeit ist, sich in sich reflektiert
und selbständig wird, also sich selbst erhält. Doch wenn seine Bewe-
gung sich hierauf beschränkte, verlöre es seine Selbständigkeit, könnte
es sich nicht erhalten. Wie ist dieses Sicherhalten des Negativen also
zu sichern? Dadurch, daß es zur Voraussetzung des Prozesses des
Negierens (1) wird, in diesen sich aufhebt und durch ihn sich selbst
erneuert. Es kann sich nur tatsächlich erneuern, wenn es den Prozeß
wieder beginnt, aus dem es kam; oder es erhält sich durch das Sich-
negieren, durch das es erzeugt wird.
Das zurückkehrende Negative muß in der Weise in den Prozeß des Produziervermögen

Negierens (1) sich aufheben, daß es teils als in diesem Prozeß sich und Negatives als

erhaltendes selbständiges Negatives fungiert, teils das Produzier- potentielle Faktoren

des Prozesses des


vermögen aus ihm sich erneuert. Ursprünglich war also die Aktion Negierens
des Produziervermögens, das Negieren als Sichnegieren da; es hob
sich in das Negative auf, und dieses durchlief seine spezifische Be-
wegung. Neu ist jetzt, daß nicht nur das Produziervermögen, son-
dern zugleich das Negative selbst als Faktor des Prozesses des
Negierens vorhanden ist und wirksam werden wird. Dies bedeutet Negatives für die

erstens, daß das Produziervermögen Negatives für seine eigene Re- Reproduktion des

produktion gesetzt hat. Dies schließt ein: a) das Negative, das direkt Produziervermögens

(Repro-Negatives)
für die Reproduktion des Produziervermögens erforderlich ist, also
für diesen Zweck verbraucht wird; es soll der Kürze halber Repro-

85
Die Reflexionsbestimmungen

Negatives heißen; das aktionsfähige Produziervermögen repräsen-


tiert dieses Negative; b) einen Vorrat an systemspezifischem Negati-
vem, der für das Sichnegieren erforderlich ist, soweit es das Repro-
Negative setzt; dieses Erfordernis resultiert aus der Beziehung
zwischen dem systemspezifischen und dem Basisprozeß; zu Beginn
des Basisprozesses muß – bei Erreichen eines gewissen Entwicklungs-
standes – in der vorangegangenen Periode Erzeugtes vorhanden sein,
das dem Basis-Negieren als Gegenstand dient; anders könnte es sich
nicht realisieren, weshalb dann auch das systemspezifische Negie-
ren nicht stattfände. Dieser Vorrat an systemspezifischem Negati-
vem muß immer wieder, d. h. zu Anfang jedes Negationsprozesses
vorhanden sein: er zeigt an, daß im Basisprozeß die Realisierungs-
bedingungen für das Negieren gegeben sind, das das Repro-Negati-
ve erzeugt. Das Repro-Negative ist in der systemspezifischen Bewe-
gung neu gesetztes Negatives im Unterschied zu dem Negativen, das
erhalten bleiben und wieder als Vorrat da sein muß. Dieses ist der
Basis-Bestimmung nach der Teil des Vorrats, der vom Basis-Negie-
ren in Reproduktionsmittel des Produziervermögens verwandelt wird,
so daß der Vorrat nur dann wieder vorhanden ist, wenn das Negie-
ren ihn erneuert. Das systemspezifische Repro-Negative ist seiner
Größe nach durch die Dauer des Sichnegierens für diesen Zweck
bestimmt. Ihm entspricht im Basisprozeß die Zeit zum einen für die
Verwandlung von Realisierungsbedingungen in Produkt, zum ande-
ren für die Erneuerung dieser Bedingungen. – Ein Vorrat an system-
spezifischem Negativem ist somit unerläßlich für das Funktionieren
des Sichnegierens. Sein Bestehen bedeutet jedoch noch nicht, daß
das Negative selbständig gegen das Produziervermögen ist.
Negatives für die Zweitens muß daher das Produziervermögen mehr Negatives erzeugt
Erhaltung des
haben, als für seine Wiederherstellung erforderlich ist, und zwar zu-
selbständigen

Negativen
nächst wieder als einen Vorrat an Negativem. Dieses Negative kann
(überschüssiges
sich nur dadurch erhalten, daß es seiner Basisbestimmung nach als
Negatives) Realisierungsbedingung für das Negieren dient, das ihm als system-
spezifisches Sichnegieren zugleich neues Negatives zusetzt, das über-
schüssiges Negatives heißen soll, weil es über die unerläßlichen
Reproduktionserfordernisse des Produziervermögens hinaus erzeugt
wird. Dabei gilt ebenfalls, daß der Zeitdauer des Sichnegierens im Basis-
prozeß die Zeit sowohl für die Verwandlung von Realisierungs-
bedingungen in Produkt als auch die Zeit für deren Erneuerung ent-
spricht. Es ist also dieses Negative, das sich als selbständiges gegen das
Produziervermögen erhält und seine Selbständigkeit darin betätigt, daß

86
Die Reflexionsbestimmungen

es dieses Vermögen anhält, überschüssiges Negatives zu setzen; es ist


ursprünglich selbst nichts als überschüssiges Negatives. Das selbstän-
dige Negative bildet die Grundlage für die Formierung neuer Bestim-
mungen und damit für die Differenzierung des Systems.
An dieser Stelle ergibt sich aber ein grundsätzliches Problem. Aus Problem: Woraus

der Verselbständigung des Negativen in der an sich seienden Unmit- resultiert die

telbarkeit, in den Übergängen der Etwas und Anderen, folgt noch Selbständigkeit des

Negativen gegen
nicht die Verselbständigung gegen das Produziervermögen und sei- das
ne Aktion. Es handelt sich um Selbständigkeit in zwei unterschiedli- Produziervermögen?

chen Beziehungen, und die Selbständigkeit des Negativen gegen das


Produziervermögen resultiert nicht in zwingender Weise aus seiner
Selbständigkeit in der Sphäre der Unmittelbarkeit. Bei der Betrach-
tung materieller Systeme wird sich auch zeigen, daß diese Selbstän-
digkeit überhaupt erst eintritt, wenn jene sich gebildet hat. Wenn-
gleich die Verselbständigung in der Unmittelbarkeit unerläßlich ist,
müssen für die Selbständigkeit des Negativen gegenüber dem
Produziervermögen doch eigene Voraussetzungen gegeben sein. Er-
stens ist die spezifische Beziehung zwischen den Faktoren des Pro-
zesses des Negierens (1) durch den Basisprozeß bestimmt, durch den
das sich selbst bewegende System mit den ihm vorausgesetzten Sy-
stemen sich vermittelt. Und zweitens ist sie damit zugleich das Resultat
eines historischen Prozesses, womit angedeutet ist, daß Selbstbewegung
materieller Systeme auch hinsichtlich ihres Typs einer Entwicklung un-
terliegt, was aber erst bei der Untersuchung historisch bestimmter Sy-
steme nachweisbar sein wird. Hegel unterstellt im Prinzip einen Selbst-
bewegungsprozeß auf jener Entwicklungsstufe, wo das Negative
gegenüber dem Produziervermögen und seiner Aktion selbständig ge-
worden ist, und zwar unter den Bedingungen einfacher, also nicht er-
weiterter Reproduktion.9

9 Denkbar ist ebenso Selbstbewegung, in der das Produziervermögen ein Nega-


tives sich gegenübersetzt, das nicht dieses Vermögen zum Mittel seiner Erhaltung
macht, sondern eben jener Vorrat an Negativem ist, der der Erzeugung des Repro-
Negativen vorausgesetzt ist. Und denkbar ist eine Entwicklungsstufe der Selbst-
bewegung, auf der der Aktor des Negierens durch das selbständig gewordene Nega-
tive sich mit sich selbst vermittelt. Überhaupt wird die Herausbildung unterschied-
licher Strukturniveaus der Materie damit verbunden sein, daß sich unterschiedliche
Typen sich selbst bewegender Systeme entwickeln. Für Systeme, die reicher an Be-
stimmungen sind, wird die Beschreibung der Selbstbewegung konkreter sein als für
einfachere Systeme. In der Dialektik als Wissenschaft wird es darum gehen, die allge-
meinen Bestimmungen von Selbstbewegung so konkret wie möglich anzugeben. Die
konkretere Darstellung von Selbstbewegung hebt die weniger konkrete, wie sie für

87
Die Reflexionsbestimmungen

Neue Im Produktionsprozeß wird das Negative jetzt eine neue Bestim-


Bestimmungen des
mung annehmen, indem es sich als selbständig auf das Produ-
selbständigen

Negativen und des


ziervermögen bezieht. Ebenso wird das Produziervermögen nicht
Produziervermögens: mehr bloß das Negative hervorbringen, sondern in diesem Hervor-
Identität und bringen sich auf das selbständige Negative beziehen, von dem es in
Unterschied
seiner Funktion bestimmt wird. Indem der Prozeß des Negierens nicht
mehr einfach eine Beziehung zwischen Hervorbringen und Hervor-
gebrachtem oder Produkt ist, sondern eine Beziehung zwischen je-
nen beiden Faktoren, bestimmt das Negative als Selbständiges, das
in ihm sich erhält, seinen Zweck; es ist Selbstzweck. Dadurch wird
die Reflexion durchgängig Bewegung des Sicherhaltens des Negati-
ven: Sicherhalten des Negativen nicht nur in der an sich seienden
Unmittelbarkeit, sondern jetzt auch in der Negativität, im Produkti-
onsprozeß des Negativen. Das durchgängige Sicherhalten des selb-
ständigen Negativen ist die Identität, die Sichselbstgleicheit als Be-
stimmung der Reflexion, und das durchgängig sich erhaltende
selbständige Negative ist das Identische. Das selbständige Negative,
das den Zweck des Sichnegierens bestimmt, ist die Identität, wie sie
im Produktionsprozeß des Negativen ist. In bezug auf die Identität
erhält das Produziervermögen als Unterschied und das Sichnegieren
als Unterscheiden neue Bestimmtheit. In seiner Bestimmtheit als Un-
terscheiden bringt das Sichnegieren nicht mehr bloß das Negative
hervor, sondern bezieht sich auf selbständiges Negatives, durch das
es bestimmt wird, dieses zu erhalten, zu erneuern, zu vervielfältigen.
D. h. in dieser Beziehung und damit in der Bestimmtheit, Identität
und Unterschied zu sein, sind sie jetzt erstmals da. Dadurch, daß das
selbständige Negative und das Produziervermögen jetzt die Fakto-
ren des Produktionsprozesses des Negativen sind, hat die ganze Re-
flexion sich bestimmt als Identität, die das durchgängige Sicherhalten
des Negativen ist, und als Unterschied, als der die sich auf sich be-
ziehende Negativität nun da ist.
Konstituierung von Aber Identität und Unterschied sind nicht nur die ganze Reflexi-
Selbstbewegung
on, sondern indem sie einander im Produktionsprozeß des Negativen
gegenübertreten, sind sie spezielle Bestimmungen der Reflexion oder
des Wesens in seiner Selbstbewegung. Durch diese Beziehung erst
setzt direkt die Konstituierung der Selbstbewegung von gegebenem
Typ ein. In der Bewegung, die die Reflexion als setzende, äußere und

einfachere Typen ausreicht, in sich auf. Dies ist ein Umstand, der bei der Verallgemei-
nerung der Erkenntniserfahrungen der Wissenschaften Beachtung finden sollte.

88
Die Reflexionsbestimmungen

bestimmende ist, hat sich mit der Verselbständigung des Negativen


eine der unerläßlichen Komponenten der Voraussetzung der Selbst-
bewegung gebildet. Mit dem Beginn des Prozesses zwischen dem
selbständigen Negativen und dem Produziervermögen als der ande-
ren Komponente fängt die Selbstbewegung als solche sich zu setzen
an.
Dieser Prozeß hat ein Resultat, und es wird zu prüfen sein, wie
sich Identität und Unterschied in ihm niederschlagen. Es wird sich
erweisen, daß sie sich als Verschiedene setzen, die die Beziehung der
Gleichheit und Ungleichheit haben. Die Bewegung kann Selbst-
bewegung nur sein, wenn aus diesem Resultat der Produktionspro-
zeß des Negativen sich erneut herstellt. Die Bestandteile des Pro-
dukts werden die Bewegung absolvieren, die allgemein die Beziehung
des Negativen auf sich ist oder den zweiten Reflexionsbogen bildet.
In dieser Bewegung wird als die Voraussetzung des sich erneuern-
den Produktionsprozesses des Negativen der Gegensatz von Posi-
tivem und Negativem sich formieren. Positives und Negatives wer-
den im Prozeß sich setzen, und ihre Bewegung wird der Widerspruch
des Wesens sein. Schließlich wird sich ergeben, daß dieser Wider-
spruch, indem er sich löst, das Wesen als Grund der Selbstbewegung
ist. Im Grund wird sich die Konstituierung der Selbstbewegung voll-
enden.
Die Reflexionsbestimmungen produzieren in ihrem Zusammen-
wirken die Reflexion, d. h. die Selbstbewegung. Wie erinnerlich, wer-
den diese Bestimmungen zum einen in der in sich bleibenden Be-
wegung produziert oder gesetzt, wodurch sie Negationen sind, aber
zum anderen reflektieren diese sich in sich und realisieren so ihre
Funktion in der Selbstbewegung. Alle diese Reflexionsbestimmungen
liegen nicht nebeneinander, sondern als Bestimmungen eines Pro-
zesses gehen sie auseinander hervor und ineinander über, indem
ihre Reflexion in sich mit der Reflexion in anderes verbunden ist,
und so bilden sie die Grundstruktur der Selbstbewegung des Sy-
stems.
[23] Einleitend stellt Hegel fest: Die Reflexion ist bestimmte Re-
flexion; somit ist das Wesen bestimmtes Wesen, oder es ist Wesenheit.
Bei der Behandlung des Begriffs der Reflexionsbestimmungen hatte
sich ergeben, daß die Reflexion in sich unterschieden ist als Be-
stimmen und Bestimmtsein, und ihre Bestimmtheiten als solche des
Wesens sind die Wesenheiten. Die Reflexion ist das Scheinen des
Wesens in sich selbst, also die unendliche, in sich kreisende Bewe-

89
Die Reflexionsbestimmungen

gung, die die Unmittelbarkeit des Wesens als Negativität und sei-
ne Negativität als Unmittelbarkeit bestimmt; der Schein ist Bewe-
gung des Negativen, das durch den Prozeß des Negierens (1) gesetzt
worden ist und in diesen sich aufhebt, so daß diese Bewegung
Scheinen des Wesens in sich selbst ist. Das Wesen als unendliche
Rückkehr in sich – eben in seiner kreisenden Bewegung – ist nicht
unmittelbare, wie das Sein, sondern negative Einfachheit, insofern
sie durch den Prozeß des Negierens (1) vermittelt ist; es ist eine
Bewegung durch unterschiedene Momente, absolute Vermittlung mit
sich. Absolut ist sie insofern, als der Prozeß des Negierens sich durch
sein eigenes Negatives mit sich vermittelt. „Bewegung durch unter-
schiedene Momente“ ist die Reflexion, indem sich in ihr Umschlags-
punkte bilden, wo etwas gesetzt wird, das sich in sich reflektiert und
so Voraussetzung wird. Aber das Wesen scheint in diese seine Momen-
te; sie sind daher selbst in sich reflektierte Bestimmungen. (...)

[26] A. Die Identität


Aus der Analyse der Bewegung, die vom Prozeß des Negierens über
sein sich negierendes Negatives zu seinem erneuten Beginn führt, ist
als erste die Bestimmung der Identität zu gewinnen. Die Identität
des Wesens ist aber zunächst die ganze Reflexion.

Die sich auf sich beziehende Negativität als Identität


1. Das Wesen ist die einfache Unmittelbarkeit als aufgehobene Un-
mittelbarkeit. Das Wesen ist einfache Unmittelbarkeit, d. h. Bezie-
hung auf sich, Vermittlung seiner als des Prozesses des Negierens
mit sich selbst durch das Setzen und Aufheben der ansichseienden
Begriff der Identität: Unmittelbarkeit (vgl. L II, 12). Seine Negativität ist sein Sein; es ist
sich auf sich sich selbst gleich in seiner absoluten Negativität, durch die das An-
beziehende
derssein und die Beziehung auf Anderes schlechthin an sich selbst in
Negativität
die reine Sichselbstgleichheit verschwunden ist. Es ist sich selbst
gleich in seiner absoluten Negativität, indem es sich als Prozeß des
Negierens aus seinem Negativen wieder herstellt, nicht mehr, wie
ursprünglich beim Übergang des Seins in das Wesen, aus einem ge-
gen es Anderen. Das Wesen ist also einfache Identität mit sich. Der
Begriff der Identität ist folglich, einfache sich auf sich beziehende
Negativität zu sein (vgl. L II, 27). Die Identität ist so durch die abso-

90
Die Identität

lute Negativität, eben als ihre „reine Sichselbstgleichheit“, begrif-


fen als die Vermittlung des Wesens mit sich selbst.

Unterschied der Identität des Wesens von der Gleichheit des Seins
Diese Identität mit sich ist die Unmittelbarkeit der Reflexion. Sie
ist nicht diejenige Gleichheit mit sich, welche das Sein oder auch
das Nichts ist, also nicht die Beziehung des Etwas auf sich gegen
Anderes, gegen die Negation, sondern die Gleichheit mit sich, wel- Identität als

che als sich zur Einheit herstellende ist: als in sich bleibende und aus Bewegung:

sich kommende Bewegung ist sie Sichselbstgleichheit oder eben Iden-


tität. Sie ist nicht ein Wiederherstellen aus einem Andern, sondern
dies reine Herstellen aus und in sich selbst, die wesentliche Identi-
tät: Aufheben des Wesens als des Negierens (1) in das Negative als
sein eigenes Ansichsein und dessen Aufheben in das Negieren (1).
Sie ist insofern nicht abstrakte Identität oder nicht durch ein relati-
ves Negieren entstanden, das außerhalb ihrer vorgegangen wäre, und
das Unterschiedene nur von ihr abgetrennt, übrigens aber dasselbe
außer ihr als seiend gelassen hätte vor wie nach. Sondern das Sein
und alle Bestimmtheit des Seins hat sich nicht relativ, sondern an
sich selbst aufgehoben: und diese einfache Negativität des Seins an
sich ist die Identität selbst. Das Sein hat sich an sich selbst aufgeho-
ben, indem die Negativität als absolute eben Produzieren, Setzen des
Seins als Schein ist, wodurch sich die Beziehung zwischen dem Pro-
zeß des Negierens als dem sich selbst produzierenden Prozeß und
der Unmittelbarkeit herausbildet. Die Identität ist die Sichselbst-
gleichheit des Negativen durch diesen Prozeß, also nicht ein Zustand,
sondern Bewegung, und zwar ist sie das Sicherhalten des Negativen
in der ganzen Reflexion, in allen ihren Phasen.

Die ganze Reflexion als Identität


[27] 2. Diese Identität ist zunächst das Wesen selbst, noch keine Be-
stimmung desselben, die ganze Reflexion, nicht ein unterschiedenes
Moment derselben. Diese Feststellung schließt allerdings ein, daß
erst jetzt, d. h. mit dem Aufheben des zurückgekehrten Negativen
zum Prozeß des Negierens, in dem das selbständige Negative das
Produziervermögen und seine Aktion, das Sichnegieren, sich gegen-
über hat, die Reflexion zur Identität als Bewegung des durchgängig
sich erhaltenden Negativen geworden ist. Dieses Sicherhalten des

91
Die Reflexionsbestimmungen

Negativen ist durch das Negieren (1 und 2), das sich jetzt als Unter-
schied respektive Unterscheiden darstellt, und Identität ist es als sich
aufhebender Unterschied. Beginnt man die Betrachtung der Identi-
tät wie die der absoluten Reflexion mit der Bewegung des Negativen,
1. Bewegung, in der in das der Prozeß des Negierens (1) sich aufgehoben hat, so gilt: Als
das Negative sich absolute Negation ist die Identität die Negation, die unmittelbar sich
negiert: Negatives
selbst negiert, ein Nichtsein und Unterschied, der in seinem Entste-
als Negatives
hen verschwindet, oder ein Unterscheiden, wodurch nichts unterschie-
den wird, sondern das unmittelbar in sich selbst zusammenfällt. Re-
sultat des Prozesses des Negierens (1) ist ein Nichtsein oder Negatives
überhaupt (vgl. L II, 21: Negation überhaupt), das sich selbst als
solches negiert und so Negatives als Negatives wird; zwischen dem
Negativen überhaupt und dem Negativen als Negativen besteht ein
Unterschied, der aber in seinem Entstehen verschwindet, weil Nega-
tives überhaupt und Negatives als Negatives nicht einander gegen-
über stehenbleiben, sondern sich das eine in das andere verwandelt;
es ist eine Bewegung des vorhandenen Negativen. Anschließend ne-
2. Aufhebung des giert sich das Negative als Negatives, und im Produktionsprozeß des
Negativen in seinen
Negativen hat das selbständige Negative nicht anderes Negatives
Produktionsprozeß
sich gegenüber, sondern das tätige Produziervermögen als Sich-
negieren, als Erzeugen des Negativen. Das Negative als das Identi-
sche erhält sich jetzt durch seine Beziehung auf das Sichnegieren,
das als Unterschied in Aktion, als Unterscheiden bestimmt ist. Es
veranlaßt das Produziervermögen, neues Negatives zu setzen, das
seiner – des Identischen – Erneuerung dient. In diesem Prozeß hebt
Die Identität ist das Unterscheiden sich in Identisches auf. Der Akzent der Untersu-
durch das
chung liegt auf dem Nachweis, wie die Identität durch dieses Unter-
Unterscheiden und
scheiden und sein Sichaufheben ist. Das Unterscheiden ist das Set-
dessen

Sichaufheben
zen des Nichtseins als des Nichtseins des Andern. Das Unterscheiden
wird hier als Bestimmung des Prozesses des Negierens betrachtet,
wobei die Aufmerksamkeit auf die Aktion des Sichnegierens gerich-
tet ist, auf den Vorgang, in dem das für ein gegebenes System spezi-
fische Negative erzeugt wird. Das Unterscheiden ist Setzen des Nicht-
seins als des Nichtseins des Anderen: das Andere ist das, von dem
das Negative, das Nichtsein sich unterscheidet, d. h. der Prozeß des
Negierens; aber das Sichnegieren ist ein Prozeß, der sich selbst auf-
hebt – in seinem Negativen. Das Unterscheiden als das Setzen des
Nichtseins oder des Negativen ist Setzen des Nichtseins des Ande-
ren, d. h. Aufheben des Unterscheidens oder Sichnegierens oder Set-
zens als des Anderen, auf das das Negative bezogen ist (vgl. L II, 9),

92
Die Identität

in seinem Resultat, im Negativen. Dies ist der Grundlage nach die in


der Betrachtung der Reflexion behandelte Aufhebung des Sich-
negierens in sein Negatives, doch jetzt in den neuen Bestimmungen
gefaßt, die sie in der Beziehung von Identität und Unterschied ge-
winnt. Aber das Nichtsein des Andern ist Aufheben des Andern und
somit des Unterscheidens selbst. So ist aber das Unterscheiden hier
vorhanden als sich auf sich beziehende Negativität, als ein Nicht-
sein, das das Nichtsein seiner selbst ist, ein Nichtsein, das sein Nicht-
sein nicht an einem andern, sondern an sich selbst hat. Das Sich-
negieren produziert das Negative als ein Nichtsein oder Produkt,
das das Nichtsein des Sichnegierens selbst ist, indem dieses in sein
Negatives sich aufhebt. Das Sichnegieren als Prozeß der Erzeugung
des Negativen erlischt in seinem Resultat. Das Unterscheiden ist somit
sich auf sich beziehendes Negieren und hebt sich auf in Nichtsein; es
ist das Nichtsein seiner selbst als Aufgehobensein des Prozesses des
Negierens, oder das Nichtsein, das gesetzt wird, ist das Aufgehoben-
sein des Sichnegierens in seinem Produkt, also neuproduziertes Ne-
gatives. So hat es sein Nichtsein nicht an einem anderen, sondern an
ihm selbst, denn es ist als Nichtsein nicht auf Anderes bezogen, son-
dern dadurch, daß es negiertes Sichnegieren ist, nur auf sich selbst.
Als Nichtsein seiner selbst aber ist das neue Negative, dessen Erzeu-
gung das Identische veranlaßt hat, dazu bestimmt, Identisches zu
sein. Mit dem Nichtsein eines Nichtseins hatte man es schon bei der
Behandlung der Reflexion zu tun, wo gezeigt worden war, daß das
Nichts eines Nichts oder die Negation eines Nichts das Sein aus-
macht. Dies ist das vorhandene Negative, das sich selbst negiert und
so Negatives als Negatives wird. Jetzt, bei der Betrachtung des
Produktionsprozesses des Negativen, ist erläutert worden, wie das
Sichnegieren sich negiert. Es ist also der sich auf sich beziehende,
der reflektierte Unterschied vorhanden, oder der reine, absolute Un-
terschied. Das Sichnegieren oder Unterscheiden bezieht sich auf sich
selbst, indem es ein Sichselbstnegieren oder ein Sich-von-sich-selbst-
Unterscheiden ist, was sein Sichaufheben im Negativen bedeutet. Das
Sichnegieren muß durch das Erzeugen von überschüssigem Negati-
vem das selbständige Negative erhalten, das den Prozeß begann und
seinen Zweck bestimmt. Dieses ist als Sicherhaltendes das Identi-
sche. Die Identität ist so durch den absoluten, nur auf sich bezoge-
nen Unterschied, der durch sein Sichaufheben das Sicherhalten des
Negativen sichert.
Der eben behandelte Vorgang kann auch so beschrieben werden:

93
Die Reflexionsbestimmungen

Oder die Identität ist die Reflexion in sich selbst, welche dies nur ist
als innerliches Abstoßen, und dies Abstoßen ist es als Reflexion in
sich, unmittelbar sich in sich zurücknehmendes Abstoßen. Die gan-
ze Reflexion ist innerliches Abstoßen a) als Abgestoßenwerden des
Negativen durch das Negieren (1), indem dieses sich in das Negative
aufhebt, also sich negierendes Unterscheiden als Abstoßen, und b)
Sich abstoßen des Negativen von seinem Ursprung durch sein
Selbständigwerden (Negieren 2). Sich in sich zurücknehmendes Ab-
stoßen ist die Rückkehr des Negativen in sich, als Wiederherstellung
des Sich-von-sich-Unterscheidens. Die Identität ist somit die Identi-
tät als der mit sich [28] identische Unterschied. Dieser ist mit sich
identisch, indem er sich auf die erläuterte Weise aufhebt und erneut
herstellt. Der Unterschied ist aber nur identisch mit sich, insofern er
nicht die Identität, sondern absolute Nichtidentität ist. Identisch, d.
h. als die Bewegung des Aufhebens des Unterscheidens hin zu erneu-
tem Unterscheiden, als das das Negieren (1) jetzt ist, ist der Unter-
schied insofern nur als absolute Nichtidentität, als die Identität die
Bewegung ist, durch die das schon vorhandene Negative sich erhält,
während der Unterschied als Unterscheiden Setzen von neuem, vor-
her nicht dagewesenem Negativem ist. Oder Nichtidentität bedeutet
Produktion von neuem Negativem. Absolut aber ist die Nichtidentität,
insofern sie nichts von ihr Anderes enthält, sondern nur sich selbst,
d. h., insofern sie absolute Identität mit sich ist. Der Unterschied
enthält nur sich selbst, indem, erstens, das Unterscheiden als Sich-
negieren ein Sich-von-sich-, nicht ein Sich-von-anderem-Unterschei-
den ist, und er sich als Unterscheiden aus seinem eigenen Resultat
wieder herstellt, und zweitens dieser Prozeß das Sicherhalten des
Negativen oder die Identität als die ganze Reflexion ist.

Die Identität als das Ganze und als ihr eigenes Moment
Die Identität ist also an ihr selbst absolute Nichtidentität, indem die
Die Identität Bewegung, die die Identität ist, der Prozeß des Unterscheidens oder
vollendet als
des Setzens von neuem Negativem und der Prozeß des Sichnegierens
dieses Negativen ist. Aber sie ist auch die Bestimmung der Identität
Ganzes sich nur,

indem sie zu ihrem

Moment sich
dagegen: gegen die Nichtidentität, gegen den Unterschied. Das selb-
aufhebt: gegen den ständige Negative realisiert die Identität erst, wenn es in sich zu-
Unterschied im rückkehrt und sich in den Prozeß des Negierens als Phase des Kreis-
Prozeß des
prozesses der Selbstbewegung aufhebt. Indem es die Bewegung, die
Negierens
die Identität ist, vollendet, setzt sich das selbständige Negative als

94
Die Identität

Identisches unweigerlich dem Produziervermögen gegenüber, das jetzt


als Unterschied und in seiner Aktion als Unterscheiden da ist. Oder
die Identität vollendet sich als Ganzes nur, indem sie sich in diesem
Sichvollenden zu ihrem Moment aufhebt. Denn als Reflexion in sich
setzt sie – die Identität – sich als ihr eigenes Nichtsein; sie ist das
Ganze, aber als Reflexion in sich setzt sie sich als ihr eigenes Mo-
ment, als Gesetztsein, aus welchem sie die Rückkehr in sich ist. So
als ihr Moment ist sie erst die Identität als solche als Bestimmung
der einfachen Gleichheit mit sich selbst, gegen den absoluten Unter-
schied; das selbständige Negative als das Identische setzt sich als
Moment der ganzen Reflexion, wodurch es sein eigenes Nichtsein
oder als Gesetztsein ist, und es setzt sich gegen den absoluten Unter-
schied, d. h. es findet ihn vor, es setzt ihn nicht, und es setzt sich als
Sicherhaltendes gegen ihn, in der Beziehung auf ihn. So ist es nicht
die ganze Bewegung seines Sicherhaltens; als Beziehung auf das
Produziervermögen und seine Aktion als den Unterschied ist es Mo-
ment der Bewegung, die die Identität ist. Es nimmt in seiner Bezie-
hung auf das Produziervermögen neues Negatives in sich auf; so
kehrt es aus dieser Beziehung in sich zurück. Diese Beziehung des
Identischen auf den Unterschied kommt bei Hegel recht kurz weg. Den-
noch sollte man über sie nachdenken. Hier einige Überlegungen.
Indem das selbständige Negative sich als Sicherhaltendes, als Das selbständige

Selbstzweck gegen den Unterschied setzt, bestimmt es den Zweck des Negative als das

Negierens (1). Es wird unterstellt, daß in der – noch zu betrachten- Identische bestimmt

den Zweck des


den – Bewegung des Negativen im zweiten Reflexionsbogen Negati- Prozesses des

ves „verbraucht“ werden wird. Es muß daher im Produktionsprozeß Negierens

des Negativen soviel Negatives neu erzeugt werden, daß der „Ver-
brauch“ im zweiten Reflexionsbogen gedeckt ist und soviel selbstän-
diges Negatives vorhanden bleibt, wie nötig ist, um den Produkti-
onsprozeß von neuem zu beginnen. Das selbständige Negative kann
sich nur erhalten, wenn es sich fortschreitend erneuert. Im Produkti-
onsprozeß des Negativen bestimmt das Identische das Unterschei-
den in der Weise, daß dieses erstens nicht nur das Negative hervor-
bringt, das für die Reproduktion des Produziervermögens selbst
erforderlich ist, sondern überschüssiges Negatives erzeugt, durch das
das selbständige Negative sich erneuert, und daß zweitens aber das
Produziervermögen Negatives nicht schlechthin für seine eigene
Reproduktion erzeugt, sondern für seine Reproduktion in der Bestim-
mung, Erneuerer des selbständigen Negativen zu sein. Das Identi-
sche bewirkt so, daß das Produziervermögen in seiner Aktion als

95
Die Reflexionsbestimmungen

Unterscheiden auf das sich erhaltende Negative sich bezieht und daß
diese Beziehung unumgänglich ist. Indem das selbständige Negative
das Sichnegieren bestimmt, ist dieses ein bestimmtes Negieren und
als solches nicht selbständig. Damit ist der Umschlagspunkt in der
Beziehung zwischen dem Sichnegieren und dem Negativen erreicht.
Der Prozeß des Negierens (1) hat neuen Charakter gewonnen: anfangs
war er abstrakt als Sichnegieren bestimmt, dessen Resultat das Negati-
ve überhaupt ist; jetzt ist das Sichnegieren nicht mehr unbezogen, son-
dern steht in Beziehung zum selbständigen Negativen, das den Prozeß
begonnen hat. Daß dieses Negative als Sicherhaltendes den Zweck des
ganzen Prozesses bestimmt, hatte Hegel schon angedeutet, als er von
der Negation als dem Herrschenden schrieb (vgl. L II, 22).
Die Identität, wie sie so gegen den absoluten Unterschied ist, ist
die erste Reflexionsbestimmung. Indem das selbständige Negative
aus der Beziehung auf das Produziervermögen in sich zurückkehrt,
setzt es sich mitsamt dem neu aufgenommenen Negativen in das Re-
sultat des Prozesses.

[32] B. Der Unterschied


Das selbständige Negative, das als solches im Prozeß des Negierens
sich erhält, und das Produziervermögen in seiner Aktion sind von-
einander Unterschiedene, und ihre Beziehung ist der Unterschied.
Bezeichnet man das Produziervermögen als Unterschied, so erfaßt
man damit das von der Identität Unterschiedene in seiner Beziehung
auf diese. Nun ist das Negieren nach wie vor Bewegung, die sich
selbst negiert und so Negatives setzt. Als Sichselbstnegieren ist es
jetzt Sich-von-sich-Unterscheiden, und dieser Vorgang hat die Be-
stimmung des Unterscheidens, weil er Beziehung auf das sich erhal-
tende Negative als das Identische ist. Der Unterschied ist so nur in
Beziehung auf die Identität. Verbunden sind sie durch den Zweck,
das selbständige Negative zu erhalten, zu vervielfältigen, zu verewi-
gen. Der Unterschied als Unterscheiden, d. h. als Produzieren von
immer neuem Negativem, ist der Grundvorgang der Selbstbewegung.

1. Der absolute Unterschied


Der Unterschied ist die Negativität, welche die Reflexion in sich hat,
d. h. der Prozeß des Negierens (1) als Prozeß des Unterscheidens,

96
Der Unterschied: absoluter Unterschied

der das Nichtsein setzt und in diesem sich aufhebt, also in der Negation,
die sich anschließend negiert. Und dieses Negieren (2) ist ebenfalls ein
Unterschied, der in seinem Entstehen verschwindet; dies war schon bei
der Behandlung der Identität dargestellt worden; der Unterschied ist
das Nichts, das durch das identische Sprechen gesagt wird, das Hegel in
der Anmerkung 2 zur Identität erläutert ( vgl. L II, 30ff.), das wesentli-
che Moment der Identität selbst, die zugleich als Negativität ihrer selbst
sich bestimmt und unterschieden vom Unterschied ist (vgl. L II, 28).
Zunächst ist der Unterschied Moment der Identität als des Ganzen; im
Produktionsprozeß des Negativen ist sie Identität gegen ihn, weshalb in
dieser Phase des Kreisprozesses auch er sich gegen sie bestimmt.

Die Spezifik des Unterschieds des Wesens


Die Spezifik des Unterschieds des Wesens besteht darin, sich auf sich
beziehender Unterschied zu sein. 1. Dieser Unterschied ist der Un- Der Unterschied des

terschied an und für sich, der absolute Unterschied und als solcher Wesens als sich auf

der Unterschied des Wesens. Er ist Unterschied an und für sich, sich beziehender

Unterschied
nicht Unterschied durch ein Äußerliches, nicht durch Bezug auf ein
Anderes, sondern sich auf sich beziehender, also einfacher Unter-
schied. Der Unterschied bezieht sich auf sich, erstens, indem er sich
von sich unterscheidet: als Unterscheiden ist er Setzen des Negati-
ven, und im Negativen verschwindet das Unterscheiden, in ihm ist es
aufgehoben; und zweitens bezieht er sich auf sich, indem er sich als
Unterscheiden aus dem Negativen wieder herstellt, das sein Produkt
ist. So ist er die ganze Reflexion, die die Identität ist. Aber im Pro-
duktionsprozeß des Negativen als Phase des Kreislaufs der Selbst-
bewegung ist er Bestimmung gegen die Identität, d. h. er bestimmt
sich gegen das selbständige Negative, das er vorfindet. Diese Be-
stimmung ist er als einfacher Unterschied. Es ist wesentlich, den
absoluten Unterschied als einfachen zu fassen. Im absoluten Unter-
schiede des A und Nicht-A voneinander ist es das einfache Nicht, Die produktive

was als solches denselben ausmacht. Der Unterschied ist Beziehung Funktion des

der Unterschiedenen. Das Identische findet das einfache Nicht vor, Unterschieds in der

Selbstbewegung
setzt es nicht, und dieses Nicht hebt sich auf in Identisches. Als von
der Identität Unterschiedenes bezieht das Sichnegieren sich auf sich
selbst; es ist ein Unterscheiden, das sich von sich selbst unterschei-
det, indem es neues Negatives produziert. Zugleich ist dieses Sich-
negieren als Sich-von-sich-Unterscheiden auf die Identität als das
Sicherhalten des Negativen im Produktionsprozeß des Negativen

97
Die Reflexionsbestimmungen

bezogen. Mit der Feststellung, daß im „absoluten Unterschiede des


A und Nicht-A“ „das einfache Nicht“ den Unterschied ausmacht,
wird die produktive Funktion des Unterschieds in der Selbstbewegung
des Wesens erfaßt. In ihr ist der Unterschied genau das nicht, was
das sich erhaltende Negative ist, und zwar als Fähigkeit, als Vermö-
gen, das, indem es als Sichnegieren tätig wird, genau das setzt, was
als das Sicherhaltende ist. Dieses muß genau das sich gegenüber
haben, durch das es produziert wird oder dessen Negation es ist. Der
Unterschied setzt neues Negatives so, daß das Sicherhalten des Ne-
gativen als Gesamtbewegung gesichert ist. Dies bedeutet erstens, daß
das Produziervermögen durch seine Aktion sich selbst erhält, indem es
das Repro-Negative setzt und den erforderlichen Vorrat an Negativem
sichert. Zweitens erhält es das selbständige Negative, indem es ihm das
überschüssige Negative zusetzt und zugleich das selbständige Negative
in seiner Bestimmung als vorausgesetzter Vorrat von Negativem erneu-
ert.10 Aus dieser Beziehung auf das selbständige Negative kehrt der
Unterschied in sich zurück als verausgabtes, aber reproduzierbares
Produziervermögen, das im Repro-Negativen den Fonds seiner Erhal-
tung erzeugt hat. So setzt es sich in das Resultat des Prozesses.
Das Setzen des Repro-Negativen und das Setzen des überschüssi-
gen Negativen sind nicht Prozesse, die beziehungslos nebeneinan-
der herlaufen; das überschüssige Negative ist nur zu setzen, wenn
das Repro-Negative gesetzt wird, denn dieses ist die Voraussetzung
überhaupt für das Sicherhalten des Negativen; könnte das Pro-
duziervermögen sich nicht reproduzieren, so hörte der ganze Prozeß
auf. Und das Repro-Negative kann nur gesetzt werden, wenn das
überschüssige Negative gesetzt wird; sonst könnte das selbständige
Negative sich nicht erhalten.
Die Unterschiedenen, A und Nicht-A, sind als voneinander Ge-
trennte aufeinander bezogen und als aufeinander Bezogene vonein-
ander getrennt (vgl. L II, 49).

Unterschied des Wesens und Anderssein des Daseins


Der Unterschied des Wesens oder der Reflexion ist etwas anderes
als das Anderssein des Daseins. Der Unterschied selbst ist einfacher
Begriff. Darin, drückt man sich aus, sind zwei Dinge unterschie-
10 Wie das Setzen des Repro- und des überschüssigen Negativen zugleich Erhal-
tung des jeweils vorausgesetzten Vorrats von Negativem ist, läßt sich erst in der
Betrachtung historisch bestimmter Systeme erläutern.

98
Der Unterschied: absoluter Unterschied

den, daß sie usw. Dieses „Darin“ bedeutet, daß sie in einer und der-
selben Rücksicht, in demselben Bestimmungsgrunde unterschieden
sind. Das Erfassen des Unterschieds besteht folglich darin, daß A
nicht auf ein beliebiges Anderes bezogen wird, sondern eben auf sein
Nicht, das in seiner Beziehung auf sich, in seinem Sichaufheben in A
resultiert. Dieses Nicht ist eine inhaltsvolle, nicht eine bloß formelle
Bestimmung. Dies ist der Unterschied der Reflexion, nicht das
Anderssein des Daseins. Ein Dasein [33] und ein anderes Dasein
sind gesetzt als außereinanderfallend, jedes der gegeneinander be-
stimmten Dasein hat ein unmittelbares Sein für sich. Das Andre
des Wesens dagegen ist das Andre an und für sich, nicht das Andre
als eines Andern, außer ihm Befindlichen, die einfache Bestimmt-
heit an sich. D. h. der Identität ist das Andere der Unterschied, der
sich so aufhebt, daß die Identität gesichert wird. Auch in der Sphäre
des Daseins erwies sich das Anderssein und die Bestimmtheit von
dieser Natur, einfache Bestimmtheit, identischer Gegensatz zu sein;
aber diese Identität zeigte sich nur als das Übergehen einer Bestimmt-
heit in die andere. Hier in der Sphäre der Reflexion tritt der Unter-
schied als reflektierter auf, der so gesetzt ist, wie er an sich ist: als
auf sich bezogenes Unterscheiden hebt er sich selbst in sein Anderes
auf, und aus diesem Unterscheiden kehrt er in sich zurück.

Der Unterschied als das Ganze der Reflexion und als sein Moment
2. Der Unterschied an sich ist der sich auf sich beziehende Unter-
schied; so ist er die Negativität seiner selbst, der Unterschied nicht
von einem Andern, sondern seiner von sich selbst. Der Unterschied
unterscheidet sich von sich selbst, indem er sich in neuem Negati-
vem aufhebt; dieses aber geht im Moment seines Entstehens in den
Prozeß des Sicherhaltens des Negativen ein. So ist er nicht er selbst,
sondern sein Anderes. Das Unterschiedene aber vom Unterschiede
ist die Identität als jenes sich erhaltende Negative.
Er ist also er selbst und die Identität. Beide zusammen machen Der Unterschied

den Unterschied aus; er ist das Ganze und sein Moment. Die Identi- vollendet sich als

tät war zunächst als die ganze Reflexion betrachtet worden und aus Ganzes, indem er

sich als sein Moment


dieser Bewegung heraus dann als ihr Moment, indem sie sich gegen setzt - gegen die
den Unterschied setzt. Der Unterschied ist das Ganze als der Prozeß Identität

des Negierens, der sich aus seinem Resultat, das zu seiner Voraus-
setzung wird, wieder herstellt. Doch sobald er sich als Ganzes da-
durch vollendet, daß er sich als Sichnegieren wieder herstellt, setzt

99
Die Reflexionsbestimmungen

er sich als sein Moment, indem er sich als Sichunterscheiden gegen


die Identität als das Sicherhalten des selbständigen Negativen setzt.
Das Unterscheiden bestimmt die Identität, indem es als Erzeugen von
überschüssigem Negativem die Erhaltung des selbständigen Negativen
und als Erzeugen von Repro-Negativem die Grundlage dieses Sicher-
haltens sichert. Der Unterschied ist er selbst und die Identität, indem
sein Produkt, das Negative, in seiner Bewegung die Identität ist.
Es könnte nun gesagt werden, der Unterschied als einfacher sei
kein Unterschied; er sei dies erst in Beziehung auf die Identität; bloß
wäre dies so nicht exakt; denn vielmehr enthält er als Unterschied
ebenso die Identität und seine Beziehung auf sie. Denn die Wieder-
herstellung des Prozesses des Negierens aus seinem eigenen Negativen
ist durch die Identität als die Bewegung des Sichselbsterhaltens des
Negativen vermittelt, und im Prozeß des Negierens bezieht er sich als
Unterscheiden auf das sich erhaltende Negative als das Identische.

Vierte Bestimmung der Selbstbewegung


Es folgt nun die vierte grundsätzliche Aussage zur Selbstbewegung:
Der Unterschied ist das Ganze und sein eigenes Moment, wie die
Identität ebensosehr ihr Ganzes und ihr Moment ist. – Dies ist als die
Der bestimmte wesentliche Natur der Reflexion und als bestimmter Urgrund aller
Urgrund aller
Tätigkeit und Selbstbewegung zu betrachten. – Unterschied wie
Tätigkeit und

Selbstbewegung
die Identität machen sich zum Momente oder zum Gesetztsein, weil
sie als Reflexion die negative Beziehung auf sich sind.
Damit wird das Fazit der vorangegangenen Überlegungen zu Iden-
tität und Unterschied gezogen. Die ganze Reflexion ist Identität als
das Sicherhalten des Negativen in dem Kreislauf, den das Wesen als
Selbstbewegung realisiert. Und der Unterschied ist der gleiche Kreis-
lauf als der Prozeß des Negierens (1), der sich durch sein eigenes
Negatives mit sich vermittelt. Die Produktionsstätte dieser Selbst-
bewegung ist der Produktionsprozeß des Negativen, in dem das sich
erhaltende Negative als das Identische und das Produziervermögen
als Sichnegieren, als Unterscheiden sich gegeneinander setzen. Sie
müssen sich zum Moment ihrer selbst machen, weil sie in produkti-
ven Kontakt zueinander treten müssen. Sie bestimmen einander so in
diesem Prozeß, daß das Sicherhalten des Negativen durch seine be-
ständige Neuproduktion gesichert wird. Das Identische veranlaßt das
Unterscheiden, das es vorfindet, überschüssiges Negatives zu pro-
duzieren, das der Erneuerung des selbständigen Negativen dient. Das

100
Der Unterschied: absoluter Unterschied

Identische nimmt so bestimmenden Einfluß auf das Unterscheiden.


Das Repro-Negative dient ebenso jenem Zweck, weil das selbständi-
ge Negative sich nur erhalten kann, wenn das Produziervermögen
immer wieder in seiner spezifischen Bestimmtheit als Erzeuger von
überschüssigem Negativem tätig wird. Indem das Identische auf das
Produziervermögen so einwirkt, daß es Negatives über seine eige-
nen Reproduktionserfordernisse hinaus hervorbringt, kann es die
Schaffung von Entwicklungspotentialen des gegebenen Systems be-
wirken.
Das Unterscheiden erhält das selbständige Negative, das es vor-
findet, und nimmt so bestimmenden Einfluß auf die Identität. Das
Produziervermögen bzw. das Sichnegieren enthielt vor diesem Pro-
duktionsprozeß des Negativen allgemein die Möglichkeit, mehr Ne-
gatives zu erzeugen, als zu seiner eigenen Reproduktion nötig ist. Im
Produktionsprozeß hat es diese Möglichkeit realisiert durch Erzeu-
gung sowohl des überschüssigen als auch des Repro-Negativen. Es
hat so eine neue Bestimmtheit betätigt und erworben.
Indem der Unterschied oder das Produziervermögen das Repro-
Negative erzeugt, ist sein Sicherhalten sein Sichselbsterzeugen. Das
Sicherhalten des selbständigen Negativen dagegen ist nicht als Selbst-
erzeugen des dafür nötigen neuen Negativen, sondern als Zweck-
setzung für das Negieren als Sichnegieren. Der Produktionsprozeß
des Negativen aber erneuert sich selbst, indem er sich aus seinem
Resultat wieder herstellt; insofern ist hier die Beziehung zwischen
Ganzem und Moment wesentlich.
Die Struktur Identität – Unterschied bedingt die anderen Struktu-
ren im Kreisprozeß der Selbstbewegung: Gleichheit und Ungleich-
heit der Verschiedenen, Positives und Negatives als Entgegengesetz-
te. Und die Bewegung vermittelst dieser Reflexionsbestimmungen muß
das beständige Funktionieren dieses „Urgrundes aller Tätigkeit und
Selbstbewegung“ sichern, der im Gegensatz und in seinem Wider-
spruch aufgehoben sein wird. Anders kann das gegebene System nicht
selbständig werden und bleiben.

Der Unterschied als die Einheit seiner und der Identität


Der Unterschied wird nun zusammenfassend als Ganzes betrachtet,
als die Einheit seiner und der Identität. Der Unterschied, so als Ein-
heit seiner und der Identität, ist an sich selbst bestimmter Unter-
schied. D. h. der Unterschied unterscheidet in seiner Bewegung sich

101
Die Reflexionsbestimmungen

in sich selbst, indem er in sein Anderes sich aufhebt, das die Identität
ist, aber diese hat er in seiner Bewegung an ihm selbst. Indem der
Unterschied als solcher die Identität an ihm hat, ist er an sich selbst
bestimmt. Er ist nicht Übergehen in ein Anderes, nicht Beziehung
auf anderes außer ihm; er hat sein Anderes, die Identität, an ihm
selbst, so wie diese, indem sie in die Bestimmung des Unterschieds
getreten, nicht in ihn als ihr Anderes sich verloren hat, sondern in
ihm sich erhält, seine Reflexion in sich und sein Moment ist. Der
Unterschied ist Reflexion in sich, indem er neues Negatives aus sich
heraus in das selbständige Negative setzt und aus dieser Beziehung
in sich zurückkehrt als verausgabtes, reproduzierbares Produzier-
vermögen. Das, was er setzt oder wozu er sich aufhebt, ist in der
Bewegung, die die Identität ist. Der Grund dafür, daß der Unterschied
die Identität als sein Moment einschließt, besteht letztlich darin, daß er
durch die Neuproduktion von Negativem die Bewegung des Sicherhaltens
des selbständigen Negativen sichert. Die Identität als die Bewegung
des Sicherhaltens dieses Negativen konstituiert die Reflexion. Aber in-
dem das selbständige Negative dem Sichnegieren gegenübertritt, wird
Das Problem der der Unterschied im Ganzen der Reflexion zur Grundlage.
Selbständigkeit der Faßt man nun die Überlegungen zu Identität und Unterschied un-
Reflexions-
ter dem Aspekt der Selbstbewegung als selbständiger Bewegung zu-
bestimmungen
sammen, so ist zunächst festzustellen, daß das Negative, ursprüng-
lich Produkt des Sichnegierens, in den Prozeß sich aufhebt, in dem
selbständiges Negatives, d. h. Identisches, und Sichnegieren, d. h.
Unterscheiden, sich aufeinander beziehen. Damit stellt sich das Pro-
blem der Selbständigkeit in neuer Weise. Als Ganzes ist die Reflexi-
on selbständige Bewegung. Jetzt aber ist zu untersuchen, wie die
Reflexionsbestimmungen diese Selbständigkeit des Ganzen realisieren.
Das selbständige Negative bestimmt zum Zwecke seiner Selbster-
neuerung das Sichnegieren, neues Negatives zu produzieren. Inso-
fern wird das Sichnegieren, das in der ganzen Reflexion das Ursprüng-
liche ist, ein Abhängiges, Bestimmtes. (Das ist jetzt eine Beziehung
im Produktionsprozeß des Negativen selbst, nicht zu verwechseln mit
der anderen Beziehung, die bei der äußeren bzw. bei der bestimmen-
den Reflexion behandelt wurde, wonach die Voraussetzung das Be-
stimmende wird im Verhältnis zum Prozeß des Negierens insgesamt;
jetzt geht es um eine Beziehung innerhalb dieses Prozesses.) Aber
das selbständige Negative oder Identische selbst bleibt in dieser Be-
ziehung ebensowenig ein Selbständiges, indem das Negieren (1) durch
die Neuproduktion von Negativem erst das Sicherhalten des Negati-

102
Der Unterschied: absoluter Unterschied

ven sichert. Wenn Identität und Unterschied sich zum Moment ihrer
als des Ganzen machen, so geht in ihre Bestimmtheit als Momente
auch das Gesetztwerden durch das andere ein, das sich zwar nicht in
einem speziellen Gesetztsein fixiert, aber über das Sichselbstsetzen
des Identischen und des Unterschieds in das Produkt des Prozesses,
als Gesetztsein, einfließt.
So gesehen sind Identität und Unterschied im Produktionsprozeß
des Negativen nicht selbständig. Unselbständigkeit bedeutet Gesetzt-
werden, Selbständigkeit dagegen Sichselbstsetzen. Genauer betrach-
tet ist Selbständigkeit das Bestehen und Bestehenbleiben, das Sicher-
halten durch eigene Aktion. Sobald aber für das Sicherhalten die
eigene Aktion allein nicht reicht, ist das Selbständige auch wieder
unselbständig. Indem die Reflexionsbestimmungen ein Gesetztsein,
also unselbständig sind, als Reflexion in sich aber selbständig wer-
den, so fragt sich, ob und wie die Reflexionsbewegung als Ganzes
durch diesen Wechsel von Unselbständigsein und Selbständigwerden
ihre Selbständigkeit realisieren kann. Soweit bei den Reflexions-
bestimmungen Negation oder Gesetztsein immer Beziehung auf An-
deres – allerdings innerhalb der Reflexion – ist und auf dieser Basis
die Reflexion in sich erfolgt, soweit ist die Bestimmung nicht in sich
selbständig. Als Gesetztes ist sie von Anderem in der Reflexion ab-
hängig. Selbständig könnte sie erst sein, wenn sie nicht gesetzt wird,
sondern sich selbst setzt, also durch ihr eigenes Setzen ist, und die-
ses Durch-sich-selbst-Gesetztsein selbst wieder aufhebt, um sich von
neuem zu setzen, so daß das Gesetztwerden durch anderes, d. h. die
Abhängigkeit von Anderem, also die Unselbständigkeit aufgehoben
ist. Wo aber bildet sich diese Selbständigkeit heraus? Identität und
Unterschied waren im Produktionsprozeß des Negativen unselbstän-
dig, also müßte sie sich außerhalb dieses Prozesses formieren. Aber
dieser Prozeß ist die Quelle für die beständige Erneuerung der Be-
wegung aus sich heraus, d. h. für die Selbstbewegung. Die Selbstän-
digkeit, die sich außerhalb des Prozesses formiert, muß sich daher in
ihm als solche bewähren. Oder vielmehr muß diese Selbständigkeit
ihre Wurzel im Produktionsprozeß des Negativen selbst haben. Die Lö-
sung des Problems wird die Behandlung des Gegensatzes und seines
Widerspruchs geben. Der Prozeß der Selbstbewegung hat also seine
Phasen; das philosophische Interesse ist auf den Nachweis gerichtet,
wie sich in dem Auseinanderhervor- und Ineinanderübergehen dieser
Phasen die Bewegung als selbständige konstituiert.
Der nächste Schritt besteht in der Analyse des Resultats, das der

103
Die Reflexionsbestimmungen

Produktionsprozeß des Negativen in den Bestimmungen der Identi-


tät und des Unterschieds hervorgebracht hat.

Realisierung des Unterschieds als Verschiedenheit


Wie Identität und 3. Der Unterschied hat die beiden Momente Identität und Unterschied;
Unterschied sich ins
beide sind so ein Gesetztsein, Bestimmtheit. Aber in diesem Gesetzt-
Resultat des
sein ist jedes Beziehung auf sich selbst. Als Momente setzen sie sich
Prozesses des

Negierens setzen
selbst: die Identität gegen den Unterschied, dieser gegen jene. So
sind sie Gesetztsein als durch sich selbst Gesetzte am Beginn des
Prozesses. Als solche Momente ihrer selbst gehen sie den produkti-
ven Prozeß miteinander ein und nehmen sie bestimmenden Einfluß
aufeinander, so daß jedes das Andere an ihm hat. Aus dieser Bezie-
hung aufeinander kehren sie in sich zurück, und sie setzen sich, in-
dem sie die Wirkung des Anderen in sich aufnehmen, selbst in das
Resultat des Prozesses; sie haben sich so in das Resultat gesetzt, daß
sie sich erhalten können; in dieser Weise sind sie auf sich bezogen.
Das eine, die Identität ist unmittelbar selbst das Moment [34] der
Reflexion in sich. Das Identische bestimmt das Sichnegieren, nimmt
dessen Wirkung auf und kehrt in sich zurück, indem es sich in das
Resultat des Prozesses setzt. Ebenso ist aber das andere der Unter-
schied, Unterschied an sich, der reflektierte Unterschied. Der Unter-
schied hat sich als solcher betätigt, indem er sich von sich unter-
schieden und so neues Negatives gesetzt hat. Aus dem Setzen des
überschüssigen Negativen, das über das Sichsetzen des Identischen
in das Resultat eingeht, kehrt er in sich zurück; so ist er der reflek-
tierte Unterschied. Er setzt sich selbst in das Resultat als verausgab-
tes Produziervermögen und als jenes neue Negative, aus dem er sich
reproduziert. Der Unterschied, indem er zwei solche Momente hat,
die selbst die Reflexion in sich sind und so sich selbst in das Resultat
des Prozesses gesetzt haben, ist Verschiedenheit.

2. Die Verschiedenheit
Es ist nützlich, sich an dieser Stelle zu vergewissern, wie weit die
logische Ableitung der Bestimmungen der Selbstbewegung gediehen
ist. Zuerst hatte man es mit der Negativität zu tun, die sich als abso-
lut erweisen mußte. Sie hob sich in das Negative als ihr Produkt auf,
das das eigene Ansichsein des Wesens war. Es erhielt sich in den
Übergangsprozessen der Etwas und Anderen. Es kehrte in sich zu-

104
Der Unterschied: Verschiedenheit

rück und hob sich einerseits als selbständiges Negatives, anderer-


seits als Produziervermögen, dessen Aktion das Sichnegieren, in den
Prozeß des Negierens auf. Das eine betätigte sich in ihm als Identi-
tät, das andere als Unterschied.
Jetzt ist die Funktion zu untersuchen, die das Resultat dieses Pro- Das Resultat des

zesses in der Selbstbewegung hat. Dies ist in der ganzen Reflexion produzierenden

der Punkt, wo der erste Reflexionsbogen absolviert ist, die Bewe- Prozesses: seine

neuen
gung sich in sich bricht und so zum absoluten Gegenstoß wird. Die- Bestimmungen,

ser ist der zweite Reflexionsbogen, in dem sich die Voraussetzung seine Funktion in der

erneuter Negativität herstellt. Die Spezifik der Analyse des Gesetzt- Selbstbewegung

seins besteht darin, daß es zum einen als Resultat zu betrachten ist,
also in Beziehung auf den Prozeß des Negierens, der es hervorbrachte,
zum anderen aber untersucht werden muß, wie aus diesem Resultat
der Produktionsprozeß des Negativen, zunächst seine Voraussetzung,
sich wieder herstellen kann; denn nur so ist er Selbsterneuerungs-
prozeß und die ganze Bewegung – Selbstbewegung.
Das Resultat des zuerst betrachteten Sichnegierens war das einfa-
che Negative oder das Negative überhaupt. Es hatte die Spur seines
Entstehens, seines Produziertseins an ihm; es enthielt potentiell sich
erhaltendes Negatives und Produziervermögen, in die es sich auf-
hob. Das Negative als das Produkt des eben betrachteten Produktions-
prozesses des Negativen weist neue Bestimmungen auf. Es ist nicht
einfach aufgehobenes Sichnegieren. In dieses Produkt haben sich
die beiden Faktoren des vorangehenden Prozesses in ihren Bezie-
hungen aufeinander umgesetzt, und zwar jeder als sich erhaltend. Verschiedenheit.

Erstens. Durch die Reflexion in sich haben Identität und Unterschied Gleichheit und

Ungleichheit
sich im Produkt des Produktionsprozesses des Negativen als die Ver-
schiedenen gesetzt: selbständiges Negatives, das das überschüssige
Negative aufgenommen hat, einerseits, und andererseits verausgab-
tes Produziervermögen, für das das Repro-Negative vorhanden ist;
jedes der Verschiedenen hat die Wirkung des Anderen an ihm. Zwei-
tens. Indem jedes sich selbst gesetzt und auf das Andere eingewirkt
hat, so ist zugleich eine Beziehung zwischen den Verschiedenen ge-
setzt worden; die Identität realisierte sich so im Produkt als Gleich-
heit, der Unterschied als Ungleichheit.

Zerfall der Identität in Verschiedenheit


1. Zuerst ist zu prüfen, wie die Identität als Bestimmung des
Produktionsprozesses des Negativen sich in der Verschiedenheit als

105
Die Reflexionsbestimmungen

Bestimmung des Resultats darstellt. Die Identität zerfällt an ihr selbst


in Verschiedenheit, weil sie als absoluter Unterschied in sich selbst
sich als das Negative ihrer setzt, und diese ihre Momente, sie selbst
und das Negative ihrer, Reflexionen in sich, identisch mit sich sind.
Realisierung der Es ist also zu überlegen, wieso die Identität sich nicht einfach
Identität in beiden
als eines der Verschiedenen setzt, der Unterschied folglich als das
Komponenten des
andere, sondern die Identität in die beiden Verschiedenen zerfällt.
Resultats
Die Identität setzt sich selbst und zugleich als das Negative ihrer,
indem sie auf das Unterscheiden so einwirkt, daß es der Erhaltung
des selbständigen Negativen dient. Dieser Einfluß realisiert sich in
der Zweiteilung des Negierens (1) und damit des von diesem Negie-
ren gesetzten neuen Negativen in Repro- und überschüssiges Negati-
ves. Unter diesem Einfluß muß das Produziervermögen sich so in
das Resultat setzen, daß es imstande ist, auch künftighin so zu wir-
ken, wie es für das Sicherhalten des selbständigen Negativen erfor-
derlich ist.
Das selbständige Negative hat also das überschüssige Negative
aufgenommen, ist in sich zurückgekehrt, bezieht sich damit auf sich
oder ist identisch mit sich, indem es auf diese Weise sich erhält. Das
Produziervermögen hat als verausgabt sich gesetzt, aber so, daß es
reproduzierbar und imstande ist, aus dem Repro-Negativen sich wie-
derherzustellen in seiner Funktion, überschüssiges Negatives zu set-
zen. Es ist so auf sich selbst bezogen oder mit sich identisch, indem
es auf diese Weise sich erhält. Die Realisierung der Identität im Re-
sultat, und zwar in beiden Komponenten, ist nicht vordergründig for-
melle Sichselbstgleichheit, sondern Sicherung dessen, was in dieser
Phase der Reflexion für das Sicherhalten des selbständigen Negati-
ven erforderlich ist. Oder die Identität zerfällt an ihr selbst in Ver-
schiedenheit, eben weil sie ihr Negieren unmittelbar selbst aufhebt
und in ihrer Bestimmung in sich reflektiert ist. Das Unterschiedne
besteht als gegeneinander gleichgültig Verschiedenes, weil es iden-
tisch mit sich ist, weil die Identität seinen Boden und Element aus-
macht; oder das Verschiedene ist das, was es ist, eben nur in seinem
Gegenteile, der Identität. Das selbständige Negative ist identisch mit
sich, indem es sich aus einem der Faktoren des Prozesses vermittelst
der Aufnahme von überschüssigem Negativem in eine Komponente
des Produkts verwandelt und sich auf diese Weise erhalten hat oder
Identisches ist. Das Produziervermögen als verausgabtes ist iden-
tisch mit sich, indem es sich auf sein eigenes Produkt als Fonds sei-
ner Reproduktion bezieht. So ist in dieser Phase der Selbstbewegung

106
Der Unterschied: Verschiedenheit

jedes nur auf sich bezogen, weshalb sie gegeneinander gleichgültig


sind.
Es folgt wieder der Vergleich mit der Sphäre des Seins. Die Ver-
schiedenheit macht das Anderssein als solches der Reflexion aus.
Das Andere des Daseins hat das unmittelbare Sein zu seinem Grun-
de, in welchem das Negative besteht. In der Reflexion aber macht
die Identität mit sich, die reflektierte Unmittelbarkeit, das Bestehen
des Negativen und die Gleichgültigkeit desselben aus, d. h. seine
Nichtbezogenheit auf Anderes. Negatives sind Identität und Unter-
schied als Gesetztsein im Produkt. In ihrem Sichsetzen haben sie sich
auf sich bezogen. Ihre Beziehung auf sich ist eine Beziehung in ihnen
selbst, nicht bloß eine Beziehung auf sich gegen Anderes.

Zerfall des Unterschieds in Verschiedenheit


Nun könnte man fragen, warum sowohl die Identität als auch der
Unterschied in Verschiedenheit zerfallen. Dieses doppelte Zerfallen
resultiert daraus, daß die Identität im Prozeß nicht nur sich selbst in
das Resultat setzt, sondern zugleich bestimmenden Einfluß auf das
Sichnegieren nimmt, der Unterschied seinerseits sich aber ebenfalls
nicht nur für sich in Repro-Negatives aufhebt, sondern zugleich auf
das Identische einwirkt, indem er es erneuert. So sind wohl zwei Ver-
schiedene da, aber nicht als „reines“ Ergebnis des Sichsetzen je ei-
nes der Faktoren des Prozesses; sondern an ihrem Zustandekommen
sind jeweils beide Faktoren auf je eigene Weise beteiligt gewesen.
Die Momente des Unterschiedes sind die Identität und der Unter-
schied selbst. Verschiedene sind sie als in sich selbst reflektierte,
sich auf sich beziehende; so sind sie in der Bestimmung der Iden-
tität Beziehungen nur auf sich; die Identität ist nicht bezogen auf
den Unterschied, noch ist der Unterschied bezogen auf die Identität;
indem so jedes dieser Momente nur auf sich bezogen ist, sind sie
nicht bestimmt gegeneinander. Dies scheint auf den ersten Blick
eine Wiederholung der Überlegungen zu sein, die bei der Erläute-
rung des Zerfalls der Identität in die Verschiedenheit angestellt wur- Realisierung des

den. Tatsächlich geht es jedoch darum, daß der Unterschied nicht Unterschieds in

nur sich selbst in das Produkt setzt, sondern als Unterscheiden be-
beiden

Komponenten des
stimmenden Einfluß auf das selbständige Negative genommen hat. Resultats

Der Unterschied hat als Basis-Negieren das selbständige Negative


überhaupt erhalten, und durch Erzeugung des überschüssigen Ne-
gativen hat er dieses vorausgesetzte Negative erneuert, das sich selbst

107
Die Reflexionsbestimmungen

in das Resultat setzt, als auf sich selbst bezogen, als identisch mit
sich. Ebenso hat der Unterschied sich selbst in das Resultat gesetzt
als verausgabtes, reproduzierbares Produziervermögen und als Re-
pro-Negatives, das seiner Wiederherstellung dient. So hat er die
Unterschiedenen gesetzt, die sich jedes auf sich beziehen, mit sich
selbst identisch, d. h. Komponenten des Selbsterhaltungsprozesses,
aber als solche im Resultat – im Unterschied zu dem Prozeß, aus
dem sie resultieren – nicht gegeneinander bestimmt sind; erst durch
das Wirken des Unterschieds sind die Verschiedenen da, weshalb es
erforderlich ist, den Zerfall auch des Unterschieds in die Verschie-
denheit zu betrachten. Als Identische sind die Verschiedenen Sicher-
haltende. Unterscheiden ist Hervorbringen oder Setzen von Negativem;
als Unterschiedene sind die Verschiedenen durch das Unterscheiden
Gesetzte, aber gesetzt durch das Unterscheiden in seiner doppelten
Bestimmtheit, also auch in doppelter Beziehung. Weil sie nun auf
diese Weise nicht an ihnen selbst unterschiedene sind, so ist der Un-
terschied ihnen äußerlich. Die Verschiedenen verhalten sich also
nicht als Identität und Unterschied zueinander, sondern nur als Ver-
schiedene überhaupt, die gleichgültig gegeneinander und gegen ihre
Bestimmtheit sind.

Verschiedenheit als sich äußerlich gewordene Reflexion


2. In der Verschiedenheit als der Gleichgültigkeit des Unterschieds
ist sich überhaupt die Reflexion äußerlich geworden; der Unter-
schied ist nur ein Gesetztsein oder als aufgehobener, aber er ist selbst
die ganze Reflexion. Die Reflexion ist sich äußerlich geworden, in-
sofern sie jetzt aus dem ersten Reflexionsbogen in den zweiten, aus
dem inneren Prozeß des Negierens, d. h. des Erzeugens von Negati-
vem, in dem das selbständige Negative sich erneuert, in den äußeren
Prozeß der Beziehung des vorhandenen Negativen auf sich umge-
schlagen ist, in dem sich die Voraussetzung des Produktionsprozesses
des Negativen formieren wird, ein Vorgang, der in seinen allgemei-
nen Bestimmungen bei der Behandlung der Reflexion als setzender,
äußerer und bestimmender betrachtet worden ist. Aber zunächst liegt
das Resultat des Produktionsprozesses des Negativen als solches vor
und wird als solches untersucht. Der Unterschied ist nur ein Gesetzt-
sein oder als aufgehobener, insofern er sich als Prozeß aufgehoben
und als dessen Resultat gesetzt hat. Die ganze Reflexion ist er er-
stens, weil er bewirkt hat, daß das selbständige Negative sich durch

108
Der Unterschied: Verschiedenheit

Realisierung seiner Funktion im Produktionsprozeß erhalten konnte


und die Reproduktion des Produziervermögens vorbereitet ist; ohne
das Wirken des Unterschiedes wären die Verschiedenen gar nicht
vorhanden; insofern wird an dieser Stelle erneut deutlich, weshalb
der Unterschied zur Grundlage der Selbstbewegung geworden ist.
Zweitens ist er die ganze Reflexion, weil er auf diese Weise das gan-
ze Resultat des ersten Reflexionsbogens ist und den zweiten an sich
enthält.

Identität und Unterschied im Resultat jedes Einheit


seiner selbst und seines Anderen
Dies [35] näher betrachtet, so sind beide, die Identität und der Unter-
schied, wie sich soeben bestimmt hat, Reflexionen, jedes Einheit sei-
ner selbst und seines Andern; jedes ist das Ganze. In der Betrach-
tung von Identität und Unterschied im Produktionsprozeß des
Negativen zeigte sich, daß beide sowohl das Ganze als auch ihr ei-
genes Moment waren. Diese Momente sind es, die sich in das Resul-
tat gesetzt haben. Aber im Prozeß ihres Sichsetzens in das Resultat
werden diese Momente jeweils zum Ganzen. Das Ganze ist jedes jetzt Selbständiges

insofern, als es in seinem Sichsetzen zugleich den bestimmenden Ein- Negatives und

fluß des anderen enthält. Das selbständige Negative, das als Identi- Produziervermögen

ins Resultat gesetzt


sches, d. h. als sich erhaltend den Prozeß des Negierens begonnen haben jeweils das
hatte, hat die Wirkung des Unterscheidens, des Sichnegierens an ihm. Andere an ihnen

Es hat sich als selbständiges Negatives gesetzt und seine Funktion,


überschüssiges Negatives aufzunehmen, realisiert; mit diesem Ne-
gativen hat es ebenso wie mit seinem einfachen Sicherhaltenhaben
die Wirkung des Anderen – des Produziervermögens – an ihm. Das
Produziervermögen hat sich als solches gesetzt, indem es sich ver-
ausgabt hat, zum einen im Setzen des Repro-Negativen, zum anderen
im Setzen des überschüssigen Negativen, wobei es zugleich den Vor-
rat an Negativem erhalten hat. Indem es sich in der Erneuerung des
selbständigen Negativen verausgabt hat und sich als erneut dazu
fähig reproduziert, hat es die Wirkung seines Anderen an ihm. Das
selbständige Negative hat das Andere als aufgenommen an ihm, das
Produziervermögen dagegen als Verausgabung, als erprobte, bewähr-
te Fähigkeit, das selbständige Negative zu erhalten und zu erneuern.
Das eine ist nicht in das Produkt gesetzte Identität allein, sondern
auch realisierter Unterschied, und umgekehrt, der in das Produkt
gesetzte Unterschied ist auch realisierte Identität. In dieser Weise ist

109
Die Reflexionsbestimmungen

jedes die Einheit seiner selbst und seines Anderen oder das Ganze.
Damit aber ist die Bestimmtheit, nur Identität oder nur Unterschied
zu sein, ein Aufgehobenes. Sie sind darum keine Qualitäten, d. h. sie
unterscheiden sich als Reflexionsbestimmungen von den Bestimmt-
heiten des Daseins, weil ihre Bestimmtheit durch die Reflexion in
sich zugleich nur als Negation ist.

Die Verschiedenen als Reflexion in sich und als Gesetztsein mit den
Bestimmungen der Reflexion an sich und der äußeren Reflexion
Es ist also dies Gedoppelte vorhanden, die Reflexion in sich als sol-
che und die Bestimmtheit als Negation oder das Gesetztsein. Die
Reflexion in sich hat sich realisiert im Sichumsetzen der Faktoren
des Prozesses in sein Resultat. Dieses Resultat ist jetzt in seiner Be-
stimmtheit als Negatives oder Gesetztsein vorhanden, und in das
Gesetztsein der Identität wie des Unterschieds ist die bestimmende
Einwirkung des jeweils Anderen eingeflossen. An diesem Gesetzts-
ein sind nun zwei Bestimmungen zu unterscheiden: Das Gesetztsein
ist die sich äußerliche Reflexion; es ist die Negation als Negation, –
hiermit an sich zwar die sich auf sich beziehende Negation und Re-
flexion in sich, aber nur an sich; es ist die Beziehung darauf als auf
ein Äußerliches. Die eine Bestimmung des Gesetztseins ist also die,
äußere Reflexion zu sein. Bei ihrer Behandlung wird es darum gehen
zu klären, wie Identität und Unterschied sich als Beziehung zwischen
Das Resultat als den Verschiedenen realisiert haben. Die andere Bestimmung ist die
Reflexion an sich –
der Reflexion an sich. Im Resultat des Produktionsprozesses des Ne-
gativen bilden erneuertes (selbständiges plus überschüssiges) und
Beziehung auf den

weiteren Verlauf der

Selbstbewegung
Repro-Negatives (mit dem entsprechenden Vorrat an Negativem) das
Gesetztsein. Als Negatives werden sie sich erhalten, indem sie sich
auf sich beziehen und so selbständig werden. So werden sie die „Ne-
gation als Negation“. Das Negative, das Resultat ist, hat also Bezie-
hung auf die Bewegung, in der sich die Voraussetzung des nächsten
Produktionsprozesses des Negativen formieren wird, d. h. es ist an
sich diese Bewegung, die als Selbsttätigkeit eine neue Reflexion in
sich sein wird. Aber als Produkt des vorangegangenen Produktions-
prozesses des Negativen ist es dies vorerst nur an sich; als Negatives
hat es die Bestimmung, diese Bewegung zu absolvieren, aber diese
Bestimmung muß erst noch betätigt werden.
Die Reflexion an sich und die äußere Reflexion sind somit die
zwei Bestimmungen, in die sich die Momente des Unterschieds, Iden-

110
Der Unterschied: Verschiedenheit

tität und Unterschied, setzten. Sie sind diese Momente selbst, inso-
fern sie sich nunmehr bestimmt haben.

Die Reflexion an sich als Verschiedenheit


Die Reflexion an sich ist die Identität, aber bestimmt, gleichgültig
gegen den Unterschied zu sein, nicht den Unterschied gar nicht zu
haben, sondern sich als mit sich identisch gegen ihn zu verhalten; sie
ist die Verschiedenheit. Die Reflexion an sich sind erneuertes selb- Das Resultat als

ständiges Negatives und das Produziervermögen mit dem Repro- Reflexion an sich:

Negativen als mit sich Identische. Der Unterschied ist im Ergebnis Bezogenheit der

Komponenten des
des Prozesses als diese beiden Komponenten des Resultats vorhan- Resultats auf sich –
den; aber die Unterschiedenen beziehen im Resultat sich nicht aktiv Verschiedenheit

eines auf das andere, vielmehr sind sie gleichgültig gegeneinander


und somit bloß Verschiedene.
Es ist die Identität, die sich so in sich reflektiert hat, daß sie ei-
gentlich die Eine Reflexion der beiden Momente in sich ist; beide
sind Reflexionen in sich. Beide sind hier Reflexionen in sich im Pro-
zeß der Umsetzung der Faktoren in das Resultat. Es ist die Identität,
die sich in den in sich reflektierten Komponenten des Produkts
darstellt,wenn man davon ausgeht, daß, erstens, der bestimmende
Einfluß der Identität auf das Negieren (1) sich darstellt in der Tei-
lung des neu gesetzten Negativen in jenen Teil, der der Erneuerung
des den Prozeß beginnenden selbständigen Negativen dient, und je-
nen Teil, der für das Produziervermögen bestimmt ist, und daß, zwei-
tens, beide Arten von Negativem Komponenten des Sicherhaltens des
selbständigen Negativen sind, die eine direkt, die andere vermittelst
der Reproduktion des Produziervermögen. Die Identität ist diese eine
Reflexion beider, die den Unterschied nur als einen gleichgültigen
an ihr hat und Verschiedenheit überhaupt ist.

Die äußere Reflexion als bestimmter Unterschied: äußere Identität als


Gleichheit und äußerer Unterschied als Ungleichheit
Die Art und Weise, wie Identität und Unterschied im Resultat sich
realisiert haben, wird untersucht, um klären zu können, wie aus dem
Resultat der bestimmte „Urgrund aller Tätigkeit und Selbst-
bewegung“ sich wieder herstellt; wenn dies nicht geschähe, so gäbe
es keine Selbstbewegung. Bisher ist festgestellt worden, erstens, wie
Identität und Unterschied als mit sich identisch, also als Verschiede-

111
Die Reflexionsbestimmungen

ne sich so in das Produkt setzten, daß als die Reflexion an sich die
Verschiedenen da sind, die beide die Einheit ihrer selbst und ihres
Anderen sind, auf sich selbst bezogen; dies ist die eine Bestimmung
des Resultats, die für die Formierung der Voraussetzung bedeutsam
ist. So hat die Betrachtung die Verschiedenen je für sich zum Gegen-
Im Resultat gesetzte stand. Aber zweitens haben Identität und Unterschied sich als Bezie-
Beziehung der
hung zwischen den Verschiedenen realisiert. Die Betrachtung dieser
Komponenten
Beziehung vermittelst der äußeren Reflexion wird die andere Bestim-
aufeinander –

äußere Reflexion:
mung des Resultats zum Gegenstand haben, die für die Formierung
Gleichheit und der Voraussetzung maßgeblich ist. Die Identität hat sich im Produkt
Ungleichheit der in der Weise realisiert, daß das Negative sich erhalten hat. Erhalten
Verschiedenen
hat es sich als die Gesamtheit von selbständigem und überschüssigem
Negativem, verausgabtem, aber reproduzierbarem Produziervermö-
gen, Repro-Negativem und entsprechendem Vorrat an Negativem.
Indem dieses Resultat das Sicherhalten des selbständigen Negativen
sichert, sind seine Komponenten einander gleich; diese Gleichheit
ist die Realisierung der Identität im Resultat des Produktionsprozesses
des Negativen im ganzen. Der Unterschied in Aktion, d. h. als Unter-
scheiden, als Erzeugen von neuem Negativem, das zugleich als Ba-
sis-Negieren Erhalten des vorausgesetzten Negativen ist, hat sich
als Ungleichheit im Produkt realisiert; dessen Bestandteile sind un-
gleich, insofern sie erzeugt sind; der eine erhält sich durch die Auf-
nahme von neuem, überschüssigem Negativem, erzeugt es aber nicht
selbst; der andere erhält sich, indem er das dafür erforderliche Re-
pro-Negative selbst hervorbringt. Das Erzeugen oder das Sichne-
gieren realisiert sich so in unterschiedlichen Beziehungen; oder das
Wirken des Unterschieds realisiert sich als die Ungleichheit der Ver-
schiedenen. Indem das selbständige Negative sich erhalten hat, ist
es in der Bestimmung der Gleichheit; zugleich und in derselben Be-
ziehung ist es ungleich, indem das Negative, durch das es sich er-
hält, nicht von ihm, sondern vom Produziervermögen produziert wor-
den ist. Das Produziervermögen ist in der Bestimmung der
Ungleichheit, indem es Negatives neu gesetzt hat, teils als Repro-,
teils als überschüssiges Negatives; aber zugleich und in derselben
Beziehung ist es Gleiches, weil es so agiert hat, daß das selbständige
Negative sich erhält. Das Gesetztsein der Verschiedenen schließt somit
eine gesetzte Beziehung zwischen ihnen ein, die Beziehung der Gleich-
heit und Ungleichheit, eine Beziehung, die am Resultat erst noch
ruhend vorhanden ist, die sie also (noch) nicht betätigen. Es ist hier
nicht von Gleichheit und Ungleichheit überhaupt die Rede, sondern

112
Der Unterschied: Verschiedenheit

von ihnen als Bestimmungen des Selbstbewegungsprozesses, gefaßt als


Realisierung von Identität und Unterschied im Produkt und als Bestim-
mungen, aus denen sich die Voraussetzung des folgenden Prozesses bil-
den wird. Oder die Bestimmungen der Gleichheit und Ungleichheit sind
auf das Sicherhalten des selbständigen Negativen bezogen.
Es ist jetzt nicht mehr bloß das Negative da, das zur Vorausset-
zung wird, sondern das Negative erstens in der Bestimmung zweier
Verschiedener, die zweitens in der Beziehung der Gleichheit und Un-
gleichheit sind, so daß jedes gleich und ungleich in einem ist. Sie
müssen sich so formieren, daß sie die Funktionen der Identität und
des Unterschieds im folgenden Prozeß zu realisieren imstande sein
werden.
Die Beziehung zwischen den Komponenten des Produkts faßt He-
gel als äußere Reflexion.
Die äußere Reflexion dagegen ist der bestimmte Unterschied der-
selben – der Verschiedenen – nicht als absolute Reflexion in sich,
sondern als Bestimmung, wogegen die an sich seiende Reflexion
gleichgültig ist; seine beiden Momente, die Identität und der Unter-
schied selbst, sind so äußerlich gesetzte, nicht an und für sich sei-
ende Bestimmungen. Der bestimmte Unterschied ist keine aktive
Beziehung der Verschiedenen aufeinander, sondern eine Beziehung,
die als solche äußerlich, d. h. im Produkt des Produktionsprozesses
des Negativen gesetzt ist. Es sind also die beiden Komponenten des
Resultats vorhanden, und zwar in der Bestimmung der Reflexion an
sich, in der sie als auf sich Bezogene einander gleichgültig oder eben
Verschiedene sind. Diese Verschiedenen werden jetzt äußerlich zu-
einander in Beziehung gesetzt. Indem sie so als äußerliche Identität
und äußerlicher Unterschied aufeinander bezogen werden, werden
sie als bestimmt Verschiedene oder bestimmter Unterschied gefaßt.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß die Bestimmungen
„sich äußerlich gewordene Reflexion“ und „äußere Reflexion“ nicht
identisch sind. Die eine charakterisiert die Reflexion als aus dem
inneren Prozeß des Negierens in den äußeren der Bewegung des vor-
handenen Negativen eingetreten, zunächst als Produkt oder Resul-
tat; die andere ist eine Beziehung an diesem Resultat.
Die äußerliche Identität nun ist die Gleichheit, und der äußerliche Gleichheit

Unterschied ist die Ungleichheit. Gleich sind die Verschiedenen als


Realisierung der Identität: als Komponenten eines Produkts, das in
seiner Gesamtheit die Selbsterhaltung des Negativen sichert. Die
Gleichheit ist zwar Identität, aber nur als ein Gesetztsein, eine Iden-

113
Die Reflexionsbestimmungen

tität, die nicht an und für sich ist. Bezieht man die Komponenten des
Resultats äußerlich aufeinander, so wird die in beiden realisierte Iden-
tität als Gleichheit erfaßt. Diese äußerliche Identität ist nicht an und
für sich, weil sie als diese Beziehung nur gesetzt, aber keine aktive,
prozessierende Beziehung der Komponenten aufeinander ist.
Ungleichheit Ebenso die Ungleichheit ist Unterschied, aber als ein äußerlicher,
der nicht an und für sich der Unterschied des Ungleichen selbst ist.
Ungleich sind die Komponenten des Resultats als produzierte: die
eine durch das Produziervermögen in Aktion erneuert, die andere
als für die Erhaltung des Produziervermögens durch dieses selbst
erzeugt. So ist das ganze Resultat Ungleichheit als realisierter oder
gesetzter Unterschied. Aber als Bestimmungen des Resultats bezie-
hen die Unterschiedenen sich nicht selbst tätig aufeinander. Ob et-
was einem andern Etwas gleich ist oder nicht, geht weder das eine
noch das andere an; jedes derselben ist nur auf [36] sich bezogen, ist
an und für sich selbst, was es ist; die Identität oder Nichtidentität als
Gleichheit und Ungleichheit ist die Rücksicht eines Dritten, die au-
ßer ihnen fällt.

Wie die äußere Reflexion das Verschiedene auf die Gleichheit und
Ungleichheit bezieht
3. Es wird sich nun zeigen, wie die äußere Reflexion als Vergleichen
mit Gleichheit und Ungleichheit operiert. Die äußere Reflexion be-
zieht das Verschiedene, d. h. das erneuerte selbständige Negative
und das Produziervermögen mit dem Repro-Negativen, die jeweils
mit sich identisch sind, auf die Gleichheit und Ungleichheit. Diese
Das Vergleichen Beziehung, das Vergleichen, geht von der Gleichheit zur Ungleich-
heit und von dieser zu jener herüber und hinüber. Das Vergleichen ist
zunächst eine gedankliche Operation. Es ist als Betrachtung des Re-
sultats des Prozesses ein notwendiger Schritt in der Untersuchung
der Selbstbewegung eines Systems. Es wird also festgestellt, inwie-
fern die Verschiedenen ein Gleiches und inwiefern sie ein Unglei-
ches sind. Aber dieses herüber- und hinübergehende Beziehen der
Gleichheit und Ungleichheit ist diesen Bestimmungen selbst äußer-
lich; auch werden sie nicht aufeinander, sondern jede für sich nur auf
ein Drittes bezogen: auf das Verschiedene. Jede tritt in dieser Ab-
wechslung unmittelbar für sich hervor. – Die äußerliche Reflexion
ist als solche sich selbst äußerlich; der bestimmte Unterschied ist
der negierte absolute Unterschied; er ist somit nicht einfach, nicht

114
Der Unterschied: Verschiedenheit

die Reflexion in sich, sondern diese hat er außer ihm; seine Momen-
te – Gleichheit und Ungleichheit der Verschiedenen – fallen daher
auseinander und beziehen sich auch als gegeneinander äußerliche
auf die ihnen gegenüber stehende Reflexion in sich. Die äußerliche
Reflexion ist sich selbst äußerlich, indem sie gleichsam aus der Re-
flexion, die im jetzigen Stadium der Bewegung Reflexion an sich ist,
heraustritt und das Verschiedene im Vergleichen auf die Bestimmun-
gen der Gleichheit und der Ungleichheit bezieht. Aber damit ent-
spricht sie dem Charakter des bestimmten Unterschieds. Der abso-
lute Unterschied stellt sich in seiner Realisierung dar als je auf sich
bezogenes erneuertes Negatives und Produziervermögen mit dem
Repro-Negativen, die die Verschiedenen sind. Der absolute Unter-
schied als prozessierender ist im bestimmten Unterschied als Resul-
tat negiert; in diesem sind die Verschiedenen äußerlich aufeinander
bezogen, und diese Beziehung wird durch Vergleichen, durch Fest-
stellung ihrer Gleichheit und Ungleichheit je für sich erfaßt.
An der sich entfremdeten, sich äußerlich gewordenen Reflexion Was geschieht,

kommen also die Gleichheit und Ungleichheit als gegeneinander selbst wenn Gleichheit und

unbezogene hervor, und sie trennt sie, indem sie sie auf ein und Gleichheit und

Ungleichheit müssen
dasselbe bezieht, durch die Insoferns, Seiten und Rücksichten. Die aufeinander bezogen
Verschiedenen, die das eine und dasselbe sind, worauf beide, Gleich- werden

heit und Ungleichheit, bezogen werden, sind also nach der einen
Seite einander gleich, nach der andern Seite aber ungleich, und in-
sofern sie gleich sind, insofern sind sie nicht ungleich. Die Gleich-
heit bezieht sich nur auf sich, und die Ungleichheit ist ebenso nur
Ungleichheit. So aber ist das Vergleichen nur äußerlich. Gleichheit
und Ungleichheit sind wohl Bestimmungen ein und desselben, des
Verschiedenen; von diesem aber soll „durch die Insoferns, Seiten
und Rücksichten“ der Widerspruch abgehalten werden, daß sie zu-
gleich gleich und ungleich sind.

Gleichheit und Ungleichheit als aufeinander bezogen


Faßt man die Bestimmungen der Gleichheit und Ungleichheit in die-
ser Weise, d. h. jede nur als Gleichheit mit sich selbst, so tritt aber
gerade das ein, was durch das Auseinanderhalten vermieden werden
sollte. Durch diese ihre Trennung voneinander aber heben sie sich
nur auf. Gerade, was den Widerspruch und die Auflösung von ihnen
abhalten soll, daß nämlich etwas einem Andern in einer Rücksicht
gleich, in einer andern aber ungleich sei, – dies Auseinanderhal-

115
Die Reflexionsbestimmungen

ten der Gleichheit und Ungleichheit ist ihre Zerstörung. Sie sind im
Gleichheit und Gegenteil aufeinander bezogene Bestimmungen. Die folgende Pas-
Ungleichheit
sage ist daher für das Verständnis der tatsächlichen Beziehung von
müssen aufeinander
Gleichheit und Ungleichheit grundlegend. Beide – Gleichheit und
bezogen werden
Ungleichheit – sind Bestimmungen des Unterschiedes; sie sind Be-
ziehungen aufeinander, das Eine, zu sein, was das Andere nicht ist;
gleich ist nicht ungleich, und ungleich ist nicht gleich; und beide
haben wesentlich diese Beziehung, und außer ihr keine Bedeutung;
als Bestimmungen des Unterschiedes ist jedes das, was es ist, als
unter[37]schieden von seinem Andern. Werden sie nicht aufeinan-
der bezogen, sondern getrennt, so heben sich diese Bestimmungen
nur auf. Durch ihre Gleichgültigkeit aber gegeneinander ist die Gleich-
heit nur bezogen auf sich, die Ungleichheit ist ebenso eine eigene
Rücksicht und Reflexion für sich; jede ist somit sich selbst gleich;
der Unterschied ist verschwunden, da sie keine Bestimmtheit gegen-
einander haben; oder jede ist hiemit nur Gleichheit. Also sind Gleich-
heit und Ungleichheit verschwunden, und zwar durch ihre Gleich-
heit nur mit sich selbst in der Gleichheit.

Die negative Einheit von Gleichheit und Ungleichheit


Diese gleichgültige Rücksicht oder der äußerliche Unterschied hebt
somit sich selbst auf und ist die Negativität seiner an sich selbst. Er
ist diejenige Negativität, welche in dem Vergleichen dem Verglei-
chenden zukommt. Das Vergleichende wird so zur negativen Einheit
der Gleichheit und Ungleichheit. Das Vergleichende geht von der
Die Ungleichen sind Gleichheit zur Ungleichheit, d. h. es stellt fest, daß das Gleiche auf
einander gleich, das das Ungleiche bezogen ist oder daß die Ungleichen einander gleich
Gleiche ist ungleich
sind, und zwar als Komponenten der Selbsterneuerung des Negati-
ven, und von dieser zu jener zurück, stellt also wiederum fest, daß
das Ungleiche auf das Gleiche bezogen ist oder daß das Gleiche
ungleich ist, und zwar als erneuertes Negatives und als Produ-
ziervermögen mit dem Repro-Negativen; läßt also das Eine im An-
dern verschwinden: das eine ist im anderen aufgehoben, die Gleich-
heit ist im Ungleichen und umgekehrt, und ist in der Tat die negative
Einheit beider, d. h. jedes enthält aufgehoben das andere. Die nega-
tive Einheit ist zunächst jenseits des Verglichenen – der beiden Arten
von Negativem, als auf sich bezogene – sowie jenseits der Momente
der Vergleichung – Gleichheit und Ungleichheit –, als ein subjekti-
ves, außerhalb ihrer fallendes Tun. Aber diese negative Einheit ist in

116
Der Unterschied: Verschiedenheit

der Tat die Natur der Gleichheit und Ungleichheit selbst ... Eben die
selbständige Rücksicht, die eine jede ist, ist vielmehr die ihre
Unterschiedenheit und damit sie selbst aufhebende Beziehung auf
sich – also ihre Zerstörung. Das ausschlaggebende Resultat der Be-
trachtung des bestimmten Unterschieds besteht darin, daß „die ne-
gative Einheit“ der Gleichheit und der Ungleichheit, wonach jede
die andere in sich enthält, Bestimmtheit des Resultats des Produktions-
prozesses des Negativen selbst ist, nicht nur subjektives Tun des Ver-
gleichenden. Als diese Bestimmtheit des Resultats wird sie ihre Funk-
tion in der weiteren Bewegung der Reflexion haben, d. h. in der
Formierung des Gegensatzes.

Gleiches und Ungleiches als das Ungleiche ihrer selbst


Nach dieser Seite, als Momente der äußern Reflexion und als sich
selbst äußerlich, verschwinden die Gleichheit und Ungleichheit in
ihre Gleichheit zusammen, d. h. das Gleiche ist ungleich, und das
Ungleiche ist gleich. Aber diese ihre negative Einheit ist ferner auch
an ihnen gesetzt; sie haben nämlich die an sich seiende Reflexion
außer ihnen oder sind die Gleichheit und Ungleichheit eines Drit-
ten, eines Andern, als sie selbst sind. Sie sind Gleichheit und Un-
gleichheit der Komponenten des Resultats des Produktionsprozesses
des Negativen, die an ihm zunächst gegeneinander gleichgültig wa-
ren. So ist das Gleiche nicht das Gleiche seiner selbst, sondern es ist
Gleiches in bezug auf das Ungleiche; durch diesen Bezug hat es die
Bestimmung der Ungleichheit an sich. Oder die Gleichheit ist sich
ungleich, ist an ihr selbst ungleich, weil sie das Gleiche des Unglei-
chen ist. Und das Ungleiche als das Ungleiche nicht seiner selbst,
sondern eines ihm Ungleichen ist selbst das Gleiche. Die Ungleich-
heit ist an ihr selbst gleich, weil sie das Ungleiche der Gleichheit ist.
Zum Verständnis von Bestimmungen dieser Art sei hier an Hegels
Betrachtung der Beziehung von Identität und Verschiedenheit erin-
nert. Er weist darauf hin, „daß die Identität ein Verschiedenes ist“,
und bemerkt dazu: Wer behauptet, die Identität sei nicht die Ver-
schiedenheit, die Identität und die Verschiedenheit seien verschie-
den, sagt im Grunde genommen, „die Identität sei verschieden von
der Verschiedenheit; indem dies zugleich als die Natur der Identität
zugegeben werden muß, so liegt darin, daß die Identität nicht äußer-
lich, sondern an ihr selbst, in ihrer Natur dies sei, verschieden zu
sein.“ (L II, 28)

117
Die Reflexionsbestimmungen

Das Vergleichen, soweit es Gleichheit und Ungleichheit jeweils


nur auf sich bezogen hatte, hatte zur Auflösung beider geführt, in-
Das Resultat des dem jedes nur Gleichheit mit sich war. In der Tat aber gilt: Das Glei-
Prozesses des che und das Ungleiche ist also das Ungleiche seiner selbst. Jedes ist
Negierens – gleich
somit diese Reflexion, die Gleichheit, daß sie sie selbst und die Un-
und ungleich

zugleich
gleichheit, die Ungleichheit, daß sie sie selbst und die Gleichheit ist.
Wenn man das Ganze, das Resultat oder Gesetztsein betrachtet, so
ist es Gleichheit und Ungleichheit zugleich. Die Gleichheit ist also
die des Ungleichen und die Ungleichheit die des Gleichen. Beide,
Gleichheit und Ungleichheit, werden so nicht nur durch die subjekti-
ve Reflexion, durch den Vergleichenden aufeinander bezogen, son-
dern sie sind es selbst.

Wie die Verschiedenheit zum Gegensatz wird


Gleichheit und Ungleichheit machten die Seite des Gesetztseins, ge-
gen das Verglichene oder das Verschiedene aus, das sich als die an
sich seiende Reflexion gegen sie bestimmt hatte. Das Verglichene
oder Verschiedene sind die beiden Komponenten des Resultats. Die-
se Komponenten sind die an sich seiende Reflexion als dazu bestimmt,
sich im zweiten Reflexionsbogen in sich zu reflektieren. Aber wie
sich nunmehr ergeben hat, hat das Gesetztsein, das sich in sich re-
flektieren wird, nicht nur die eine Bestimmung, daß jedes sein Ande-
res an ihm hat, sondern zugleich die andere Bestimmung, wonach sie
Gleiche und Ungleiche sind. Aber das Verglichene oder Verschiede-
ne hat damit seine Bestimmtheit gegen Gleichheit und Ungleichheit
ebenfalls verloren. Das Verglichene oder Verschiedene war zunächst
das unbestimmt Verschiedene. Die Verschiedenheit überhaupt ist nun
in der bestimmten Verschiedenheit aufgehoben; diese wird den Aus-
gangspunkt der Reflexion in sich bilden, die den zweiten Reflexions-
bogen ausmacht, oder diese ist das, das in die weitere Bewegung
eingeht, die durch die Reflexion an sich angegeben war. Eben die
Gleichheit und die Ungleichheit, die Bestimmungen der äußerlichen
Reflexion, sind die nur an sich seiende Reflexion, welche das Ver-
schiedene [38] als solches sein sollte, sein nur unbestimmter Unter-
schied. D. h. die Verschiedenen sind es, die nunmehr als bestimmte
Verschiedene oder als bestimmter Unterschied aufeinander bezogen
sind. Als bestimmte Verschiedenheit oder bestimmter Unterschied
erweist sich die Verschiedenheit dadurch, daß Gleichheit und Un-
gleichheit der Verschiedenen nachgewiesen wird. Durch die Ungleich-

118
Der Unterschied: Verschiedenheit

heit sind die Verschiedenen bestimmt verschieden. Gleichheit und


Ungleichheit machen zusammen den bestimmten Unterschied der
Verschiedenen aus. Die an sich seiende Reflexion ist die Beziehung
auf sich ohne Negation, d. h. die beiden Komponenten sind in dieser
Bestimmung mit sich identisch, ohne sich zu unterscheiden als Glei-
che, die also nicht ungleich sind, und als Ungleiche, die also nicht
gleich sind, so daß das Gleiche die Ungleichheit und das Ungleiche
die Gleichheit in sich hat. Dies ist die abstrakte Identität mit sich,
damit eben das Gesetztsein selbst, also das, von dem jetzt erwiesen
ist, daß es in seinem äußeren Unterschied die Bestimmung der Gleich-
heit und Ungleichheit hat. Das bloß Verschiedene geht also durch Die einander

das Gesetztsein – Gleichheit und Ungleichheit – über in die negative gleichgültigen

Reflexion, wonach die Verschiedenen in ihrem Gesetztsein beide Verschiedenen, die

als gleich und


gleich und ungleich sind. Das Verschiedene ist der bloß gesetzte ungleich Momente
Unterschied, also der Unterschied, der keiner ist, also die Negation einer negativen

seiner an ihm selbst. Wie erinnerlich, liegen die beiden Komponen- Einheit sind, bilden

ten des Resultats zunächst gleichgültig nebeneinander, beziehen sich den Gegensatz

nicht als Unterschied aufeinander. Dagegen geht die Gleichheit und


Ungleichheit selbst, das Gesetztsein, ... durch die Gleichgültigkeit
oder die an sich seiende Reflexion als Bestimmung dieser Kompo-
nenten zurück in die negative Einheit mit sich, in die Reflexion, wel-
che der Unterschied der Gleichheit und Ungleichheit an sich selbst
ist, so daß das Verschiedene als Gleiches ungleich und als Unglei-
ches gleich ist. Die Verschiedenheit, deren gleichgültige Seiten
ebensosehr schlechthin nur Momente als Einer negativen Einheit
sind, ist der Gegensatz. (...)
Die Verschiedenheit hat als gleichgültige Seiten erstens das er-
neuerte Negative, das sich in das Resultat gesetzt hat und als Sicher-
haltendes mit sich identisch ist; als systemspezifisches Negatives ist
es bestimmt, sich auf sich zu beziehen und selbständig zu werden;
zweitens das Produziervermögen mit dem Repro-Negativen, das eben-
falls dazu bestimmt ist, sich in sich zu reflektieren und selbständig zu
werden. In dieser Bestimmtheit sind sie gleichgültig gegeneinander,
beziehen sie sich nicht selbst aktiv eines auf das andere. Neu ist nun
die Feststellung, daß sie zugleich Momente einer negativen Einheit
sind: als bestimmt Unterschiedene sind sie in der Beziehung der
Gleichheit, die sie selbst und die Ungleichheit ist, und der Ungleich-
heit, die sie selbst und die Gleichheit ist; die Verschiedenen sind
selbst jedes gleich und ungleich; gleich sind sie als Ungleiche, un-
gleich als Gleiche.

119
Die Reflexionsbestimmungen

Im Werden der Voraussetzung für den nächsten Produktionspro-


zeß des Negativen müssen die Funktionen der Identität und des Unter-
schieds reproduziert werden: zum einen die Funktion des Sicher-
neuerns des Negativen, die die Einwirkung des Identischen auf das
Negieren (1) verlangt; und zum anderen die Funktion des Setzens
von neuem systemspezifischem Negativem in seiner zweifachen Be-
ziehung. Übernehmen können diese Funktionen nur die Komponen-
ten des Produkts, d. h. die Verschiedenen, die in ihrer Gleichheit als
Ungleiche aufeinander bezogen sind. So bilden sie den Gegensatz.
Wie dies geschieht, ist nun näher zu betrachten.

[40] 3. Der Gegensatz


Verwandlung des Aus dem Resultat des vorangegangenen Produktionsprozesses des
Resultats in die Negativen muß sich nunmehr die Voraussetzung seiner Erneuerung
Voraussetzung
bilden. Dies bedeutet allerdings nicht, daß dieses Resultat sich auf
die potentiellen Voraussetzungen reduziert. Bei entsprechender Größe
dient es außer zur Wiederherstellung der Prozeßfaktoren auch der
Sicherung von Bestimmungen in Bereichen der Selbstbewegung des
Systems, die auf der Reflexion basieren (Differenzierung im System,
Entwicklungsmöglichkeiten). Selbstbewegung als Selbsterneuerung
des Produktionsprozesses des Negativen bedeutet somit auch nicht,
daß dieser Prozeß sich selbst genügen muß. Sein Zweck gründet in
der historisch bestimmten Weise des Sicherhaltens des Systems ins-
gesamt. Daher muß das System auch die Fähigkeit reproduzieren,
das Resultat des Produktionsprozesses in jenen Bestimmungen zu
setzen. Zunächst ist festzuhalten, daß zwischen dem Resultat des vor-
hergehenden und der Voraussetzung des folgenden Prozesses ein
Unterschied besteht. Die Faktoren des ersten Prozesses haben sich
in das Resultat umgesetzt oder verwandelt; das Resultat muß sich
nun wieder in die Faktoren umsetzen oder verwandeln; die Bildung
der Voraussetzung ist ein Prozeß. Dies hatte Hegel bei der Behand-
lung der äußeren Reflexion akzentuiert, wo er diese als Schluß be-
schrieb. Als diese Voraussetzung hatte sich bei der Betrachtung der
Reflexion allgemein das Negative als auf sich bezogen oder verselb-
ständigt ergeben. Als Voraussetzung des erneuten Produktions-
prozesses des Negativen (der Kürze halber soll er „zweiter Prozeߓ
genannt werden) formieren sich seine potentiellen Faktoren, die, in-
dem sie zu agieren beginnen, den Prozeß selbst bilden. Zu Faktoren
des zweiten Prozesses werden die Verschiedenen werden, die sich als

120
Der Unterschied: Gegensatz

Momente einer negativen Einheit ergeben haben. Als Verschiedene


sind sie mit sich identisch, indem sie als Faktoren des ersten Prozes-
ses sich jedes so in das Resultat setzten, daß sie sich erhielten, aber
so, daß sie das andere an ihnen haben. Als Momente einer negativen
Einheit sind die Verschiedenen befähigt, das eine, durch die Reflexi-
on der Gleichheit in sich die Funktion der Identität, und das andere,
durch die Reflexion der Ungleichheit in sich die Funktion des Unter-
schieds im zweiten Prozeß zu realisieren. Faktor wird zum einen das
selbständige Negative als Sicherhaltendes nunmehr in der Bestim-
mung des Positiven sein; zum anderen nicht das Sichnegieren als sol-
ches, das schon der Prozeß selbst ist, sondern das Produziervermögen11
in der Bestimmung des Negativen; als Voraussetzung ist es der Mög-
lichkeit nach Sichnegieren. Beide Faktoren werden aber als Ergeb-
nis des Prozesses, in dem sie sich formieren, anders und konkreter
als Identität und Unterschied bestimmt sein, die sie in sich aufgeho-
ben haben. Indem diese beiden Faktoren den Prozeß erneut begin-
nen werden, werden sie auch den bestimmten „Urgrund aller Tätig-
keit und Selbstbewegung“ realisieren.
Die Eigenart dieser beiden Komponenten der Voraussetzung be-
steht darin, daß sie aufeinander bezogen sind, aber diese Beziehung
nicht selbst gesetzt haben. Sie ist vielmehr ein Gesetztsein, das ihnen
vorausgesetzt ist.
Es fragt sich nun, inwiefern sie selbständig werden können. Iden- Das Problem der

tität und Unterschied im Produktionsprozeß des Negativen waren Selbständigkeit der

unselbständig. Also ist zu prüfen, ob und wie sie in der ihnen bevor- Reflexions-

bestimmungen in der
stehenden Bewegung selbständig werden können, d. h. wie sie ihr jetzigen Phase
Bestehen durch ihre eigene Aktion haben können. Sie sind jetzt reali-
siert in den Verschiedenen, die gleich und ungleich sind, d. h. jedes
hat die Beziehung auf sein Anderes an ihm. Sie haben das, was sie
„brauchen“, um bestehen zu können, an ihnen. Sie sind in neuer
Weise das Ganze. Sie sind nicht die ganze Reflexion, sondern sie
formieren sich als Ganze in einer ihrer Phasen. Jede der Komponen-

11 Als diese Fähigkeit ist es durch seinen Aktor da. Generell kann hier festgestellt
werden, daß die Aktoren der Selbstbewegung beständig am Wirken sind – in allen
Phasen des Kreislaufs der Selbstbewegung, bei allen Komponenten des Negativen.
Die Erzeugung und Bewegung des Negativen ist ihre Funktionsweise. Der Gang
der Gedankenentwicklung selbst macht die Stellen deutlich, wo und unter welchem
Aspekt sie in die Betrachtung einbezogen werden müssen. Ihre Spezifik im gegebe-
nen System haben sie durch die Art und Weise ihrer Beziehung aufeinander, die sich
als Erzeugung und Bewegung des Negativen darstellt.

121
Die Reflexionsbestimmungen

ten formiert sich für sich als Faktor, ohne auf die andere einzuwirken
oder von dieser gesetzt zu werden; sie selbst setzen sich im Prozeß ihrer
Formierung. Ihre Formierung besteht darin, daß das Negative „ver-
arbeitet“ wird, das das Resultat des ersten Prozesses ist; sie werden
dadurch ihr selbständiges Bestehen gewinnen, daß jedes durch seine
eigene Aktivität aus diesem Negativen sich formiert. Sie heben so ihr
Gesetztsein als Negatives überhaupt auf. Sie befähigen sich im Er-
gebnis dieses Formierens jedes für sich dazu, den zweiten Prozeß zu
beginnen. Doch als was sie sich setzen, ist im Resultat des ersten
Prozesses, durch die Bestimmungen der Gleichheit und der Ungleich-
heit, vorgegeben. Sie beziehen sich als das auf sich, was sie nach
dem sein können, was gesetzt worden ist. Dieses Gesetztsein ist da-
her noch an ihnen. Indem die Verschiedenen als in sich reflektierte
Gleichheit und Ungleichheit selbständig werden, setzt sich keines
ohne Beziehung auf das Andere, aber diese Beziehung setzen sie nicht
selbst, sie realisieren sie als vorhandene; ihr Anderes steht ihnen
nicht gegenüber als etwas, das sie setzt; jedes bildet nur sich selbst.
Als in dieser Weise selbständig Gewordene, Selbständige werden sie
dann Voraussetzung des zweiten Prozesses sein.
Was sich hier formiert, ist nicht ein Gegensatz schlechthin, son-
dern als der Gegensatz von Positivem und Negativem ist es der Ge-
gensatz des Wesens. Für die Selbstbewegung historisch bestimmter
Systeme gilt, daß der Gegensatz am Anfang des Produktionsprozesses
des Negativen als dessen eigenes Resultat da sein muß, ganz gleich,
wie er historisch entstanden sein mag.

Der Gegensatz als die Reflexion der Gleichheit und der Ungleichheit
in sich: Positives und Negatives
Im Gegensatze ist die bestimmte Reflexion, der Unterschied voll-
endet. Im Kapitel „Das Wesen als Reflexion in ihm selbst“, speziell
in seiner Abteilung C, hatte sich ergeben, daß die Reflexion, indem
sie von ihrer selbst gesetzten Voraussetzung ausgeht, äußere oder
bestimmte ist (vgl. L II, 16) und dann bestimmend wird. Diesem Sta-
dium der Reflexion entspricht jetzt die Formierung des Gegensatzes
aus den Verschiedenen, die die Bestimmungen der Gleichheit und
der Ungleichheit haben. Die bestimmte Reflexion oder der bestimm-
te Unterschied der Verschiedenen, die gleich und ungleich sind, voll-
endet sich im Gegensatz als der Voraussetzung des nächsten
Produktionsprozesses des Negativen, indem die Entgegengesetzten

122
Der Unterschied: Gegensatz

sich als selbständige formieren. Der Gegensatz ist die Einheit der
Identität und der Verschiedenheit; seine Momente sind in Einer Iden-
tität verschiedene; so sind sie entgegengesetzte. Die Verschiedenen
sind das selbständige Negative und das Produziervermögen mit dem
Repro-Negativen als auf sich Bezogene, gegeneinander Gleichgülti-
ge. Beide sind einander gleich und ungleich, d. h. Gleichheit und
Ungleichheit sind in einem und demselben, also in beiden verschie-
den, so daß der auseinanderfallende Unterschied zugleich eine und
dieselbe Beziehung ist (vgl. L II, 40). So sind sie in einer Identität
Verschiedene. Es ist also zum einen die Verschiedenheit der beiden
Resultatskomponenten und zum anderen ihre Gleichheit und Un-
gleichheit vorhanden; sie sind einander entgegen-gesetzt. Anders als
die Momente des Unterschieds im Produktionsprozeß des Negati-
ven, die sich in sich selbst reflektierten, sind Gleichheit und Un-
gleichheit als Resultat ein Sein, also nicht in sich reflektierte Unmit-
telbarkeit.
[41] Die Identität und der Unterschied sind die Momente des
Unterschiedes innerhalb seiner selbst gehalten; sie sind reflektierte
Momente seiner Einheit, d. h. sie betätigen sich im Produktionspro-
zeß des Negativen: jedes setzt sich im Prozeß gegen das andere, kehrt
aus der Beziehung auf das andere in sich zurück und setzt sich in das
Prozeßresultat, aber jedes unter dem bestimmenden Einfluß des an-
deren. Gleichheit und Ungleichheit aber sind die entäußerte Refle- Wie Gleichheit und

xion; ihre Identität mit sich ist nicht nur die Gleichgültigkeit eines Ungleichheit der

jeden gegen das von ihm Unterschiedene, sondern gegen das An- Verschiedenen im

Resultat gegeben
und-Fürsichsein als solches, eine Identität mit sich gegen die in sich sind
reflektierte. Für diese Identität eines jeden der beiden mit sich gilt:
sie ist also die nicht in sich reflektierte Unmittelbarkeit. Gleichheit
und Ungleichheit sind einfach vorhanden: nicht mehr als Sich-
betätigende wie Identität und Unterschied, nicht mehr als eines auf
das andere sich beziehend und aus dieser Beziehung in sich zurück-
kehrend, sondern als ruhendes Resultat des Prozesses, als die Be-
stimmungen der beiden Resultatskomponenten, jede auf sich be-
zogen. Die Verschiedenen als in ihrer Gleichheit und Ungleichheit
gesetzt sind in diesem Abschnitt der Selbstbewegung (momentan) nicht
selbst aktiv. Das Gesetztsein der Seiten der äußerlichen Reflexion –
Gleichheit und Ungleichheit der Verschiedenen – ist daher ein Sein,
so wie ihr Nichtgesetztsein ein Nichtsein ist. Bezogen auf ihren Ur-
sprung, als Produkt des Produktionsprozesses des Negativen sind
sie Gesetztsein. Sie sind als auf sich bezogen gesetzt, indem Identität

123
Die Reflexionsbestimmungen

und Unterschied sich jedes für sich in das Resultat gesetzt haben;
Gleichheit und Ungleichheit der Verschiedenen als Resultat sind nicht
durch sich selbst gesetzt. Insofern ist dieses Gesetztsein „ein Sein“.
Wie „ein Sein“ eine spezifische Bestimmung ist, so ist es auch „ein
Nichtsein“. Zunächst sei erinnert, daß das Resultat nicht nur die
Verschiedenen sind, sondern dieses auch die Beziehung der Kompo-
nenten enthält. „Ein Nichtsein“ ist eine Bestimmung dieser Bezie-
hung. In dieser Beziehung ist etwas Neues enthalten: die beiden Ver-
schiedenen, die beide Gesetztsein sind, werden sich gleich durch die
Reflexion in sich verselbständigen, aber nicht schlechthin als Bezie-
hung des sich erhaltenden Negativen auf anderes vorhandenes Ne-
gatives, wie sich ganz allgemein bei der Behandlung des zweiten
Reflexionsbogens ergeben hatte, sondern als Beziehung zweier Sich-
erhaltender. Sie sind so aufeinander bezogen als Komponenten des
Resultats; so sind sie gegeneinander Nichtgesetztsein oder „ein Nicht-
sein“. Aber sie sind nicht nur oder nicht auf Dauer gegeneinander
Nichtgesetztsein; sie sind in einem Prozeß aufeinander bezogen, der
Selbstbewegung ist, und die nächste Phase in dieser Selbstbewegung
wird die Verwandlung des Resultats, des Gesetztseins, in die Voraus-
setzung des Prozesses, der Resultatskomponenten in die Prozeß-
faktoren sein; indem diese den Prozeß miteinander eingehen, wer-
den sie aufeinander einwirken. In dem Nicht des Nichtgesetztseins
bzw. Nichtseins ist – an sich – enthalten, daß sie sich aufheben wer-
den, indem sie aufeinander einwirken werden. Wie dies geschieht,
wird die Betrachtung der Formierung des Gegensatzes und der Be-
wegung seines Widerspruchs ergeben.
Bildung des Gegen- Nun ist der Gegensatz zu bestimmen; seine Seiten sind als selb-
satzes: Reflexion in
ständige und als aufeinander bezogene zu entwickeln. Die Momente
sich der Gleichheit
des Gegensatzes näher betrachtet, so sind sie das in sich reflektierte
und der Ungleichheit

– Formierung der
Gesetztsein oder die in sich reflektierte Bestimmung überhaupt. Die-
Faktoren des se Reflexion in sich erfolgt im zweiten Reflexionsbogen, d. h. in der
Prozesses des Phase des Kreisprozesses, in der das Negative sich auf sein Anders-
Negierens
sein an ihm selbst bezieht, aus dieser Beziehung in sich zurückkehrt
und selbständig wird, d. h. sich selbst erhält, in der also das Gesetzt-
sein sein Gesetztsein aufhebt. Diese Reflexion in sich ist die Art und
Weise, wie die Bestimmungen der äußeren Reflexion sich verselb-
ständigen und so Voraussetzung werden. Jetzt ist das Gesetztsein nicht
mehr abstrakt Negatives, sondern Negatives mit den Bestimmungen
der Gleichheit und der Ungleichheit. Es reflektiert sich daher nicht
mehr nur schlechthin Negatives in sich, sondern das Gesetztsein als

124
Der Unterschied: Gegensatz

Gleichheit und Ungleichheit in die eine wie in die andere Bestim-


mung; d. h. beide Bestimmungen werden selbständig werden, indem
sie sich betätigen. Das Gesetztsein ist die Gleichheit und Ungleich-
heit; sie beide in sich reflektiert machen die Bestimmungen des Ge-
gensatzes aus. Der Gegensatz ist im Resultat des Produktionsprozesses
des Negativen enthalten, in der Bestimmtheit der Verschiedenen als
Gleichheit und Ungleichheit, darin, daß sie in ihrer Gleichheit Un-
gleiche sind. Diese Bestimmtheit wird sich in der Beziehung der Ent-
gegengesetzten geltend machen, die durch die Reflexion des Gesetzt-
seins in sich akut wird. In der Gleichheit hatte sich die Identität
realisiert: darin also, daß das Resultat in der Gesamtheit seiner Kom-
ponenten der Selbsterhaltung des Negativen dient. Als Reflexion der
Gleichheit in sich gewährleistet eine der Komponenten des Resul-
tats die Funktion der Identität, d. h. das Sicherhalten des selbständi-
gen Negativen, im zweiten Prozeß, und diese Funktion übernimmt
wieder das selbständige Negative. Die Reflexion der Ungleichheit in
sich bedeutet, daß die andere Resultatskomponente die Funktion des
Unterschieds im nächsten Prozeß sichert, d. h. das Setzen von neuem
Negativem, indem das Produziervermögen aus dem Repro-Negati-
ven seine Aktionsfähigkeit wieder herstellt. In dieser Reflexion in
sich werden die beiden Bestimmungen betätigt, die das Resultat hat,
d. h. die Bestimmungen, wonach jedes der Verschiedenen die Wir-
kung des Anderen an ihm hat und zwischen den Verschiedenen die
Beziehung der Gleichheit und Ungleichheit besteht. Ihre Reflexion
in sich besteht darin, daß jedes an ihm selbst die Einheit der Gleich-
heit und Ungleichheit ist. Die Gleichheit ist nur in der Reflexion,
welche nach der Ungleichheit vergleicht, somit durch ihr anderes
gleichgültiges Moment vermittelt; ebenso ist die Ungleichheit nur in
derselben reflektierenden Beziehung, in welcher die Gleichheit ist. Jedes hat das

Daß jedes an ihm selbst die Einheit der Gleichheit und Ungleichheit Andere an ihm und

ist, bedeutet, daß die Verschiedenen das vom Anderen in sie Gesetzte bezieht sich auf sein

Anderes außer ihm


verarbeitet haben: das selbständige Negative hat das überschüssige
so verarbeitet, daß es erneuertes Negatives geworden ist, bereit zur
Aufnahme von neuem Negativem, und das Produziervermögen hat
sich so reproduziert, daß es fähig ist, erneut überschüssiges Negati-
ves zu produzieren. Jedes hat das Andere so an ihm, daß sie unzer-
trennbar sind. So wird die eine Bestimmung des Resultats betätigt.
Zum anderen formiert sich jedes so, daß es sich auf sein Anderes
außer ihm bezieht und als Anderes seines Anderen sich auf sich be-
zieht: das selbständige Negative als Reflexion der Gleichheit in sich

125
Die Reflexionsbestimmungen

gegen das sich in sich reflektierende Produziervermögen und dieses


als Reflexion der Ungleichheit in sich gegen das sich in sich reflek-
tierende selbständige Negative. Es ist dies eine Beziehung, in der sie
nicht aufeinander einwirken. Indem jedes als das Andere seines An-
deren sich formiert, betätigt es nur sich selbst. Bei Hegel ist in die-
sem Sinne von Vergleichen die Rede: die Gleichheit als in der Refle-
xion, die nach der Ungleichheit vergleicht; umgekehrt gilt dies auch.
Jedes dieser Momente ist also in seiner Bestimmtheit das Ganze.
Dies ist neu gegenüber Identität und Unterschied, die jeweils das
Ganze, also die ganze Reflexion, und als in sich reflektierte ihre ei-
genen Momente, aber erst als solche auch spezielle Reflexions-
bestimmungen waren. Jetzt dagegen haben die Momente sich in sich
reflektiert und sind so das Ganze geworden. Es ist das Ganze, inso-
fern es auch sein anderes Moment enthält; aber dies sein anderes ist
ein gleichgültig seiendes; so enthält jedes die Beziehung auf sein
Nichtsein und ist nur die Reflexion in sich oder das Ganze als sich
wesentlich auf sein Nichtsein beziehend.
Positives und Gleichheit und Ungleichheit, indem sie sich als Bestandteile des
Negatives – die
Resultats in reflektieren und so selbständig machen, formieren sich
potentiellen Prozeß-
als Komponenten der Voraussetzung des zweiten Prozesses. Sie sind
faktoren
durch neue Bezeichnungen kenntlich zu machen. Diese in sich re-
flektierte Gleichheit mit sich, die in ihr selbst die Beziehung auf die
Ungleichheit enthält, ist das Positive; und die in sich reflektierte Un-
gleichheit, die in ihr selbst die Beziehung auf ihr Nichtsein, die
Gleichheit enthält, ist das Negative.
Positives zu sein ist die Funktion des Negativen, sofern darunter
das sich erhaltende und erneuernde selbständige Negative verstan-
den wird. Der Aktor des Unterscheidens mit dem Produziervermögen
heißt jetzt Negatives.12 Diese neuen Namen Positives und Negatives
kennzeichnen erstens den Umstand, daß die potentiellen Prozeß-
faktoren sich aus dem Resultat des systemspezifischen Produktions-
prozesses des Negativen bilden, und damit aufgehört haben, Vorge-
fundenes zu sein. Zweitens stellt sich dieser systeminterne Ursprung
so dar, daß jedes im Ergebnis des ersten Prozesses sein Anderes an
ihm hat. Drittens formieren sie sich selbst als jener Gegensatz, der
die Voraussetzung des zweiten Prozesses sein wird. Als Entgegenge-

12 Es wird also in terminologischer Hinsicht zu beachten sein, wann vom Negati-


ven als Faktor und wann vom Negativen als seinem Produkt die Rede ist; wenn
nötig, wird dies durch die Ausdrücke „Negatives (F)“ und „Negatives (P)“ kennt-
lich gemacht.

126
Der Unterschied: Gegensatz

setzte haben sie jetzt ihr Bestehen durch ihre eigene Aktion. So wer-
den sie selbständig.

Die Quelle des Positiven und Negativen


Oder beide – Gleichheit und Ungleichheit – sind das Gesetztsein;
insofern nun die unterschiedene Bestimmtheit als Gleichheit und
Ungleichheit als unterschiedene bestimmte Beziehung des Gesetzt-
seins auf sich genommen wird, so ist der Gegensatz einesteils das
Gesetztsein in seine Gleichheit mit sich reflektiert; oder das Ge-
setztsein bezieht sich als Gleichheit gegen die Ungleichheit auf sich,
indem eine seiner Komponenten, das sich erneuernde selbständige
Negative, die Funktion der Identität zu sichern hat; anderenteils ist
der Gegensatz das Gesetztsein in seine Ungleichheit mit sich reflek-
tiert; oder das Gesetztsein bezieht sich als Ungleichheit gegen die
Gleichheit auf sich, indem das Produziervermögen vermittelst des
Repro-Negativen die Funktion des Unterschieds sichert. So sind sie
das Positive und Negative.
Reflexion des Gesetztseins in sich bedeutet also, daß beide – Posi-
tives und Negatives – aus dem Resultat des vorangegangenen Pro-
zesses sich bilden. Die Beziehung von Positivem und Negativem auf
dieses Gesetztsein ist aber unterschiedlicher Art.
Zuerst soll das Positive näher betrachtet werden. Das Positive ist Das Positive ist nur

das Gesetztsein als in die Gleichheit mit sich reflektiert; aber das durch die Aktion des

Reflektierte ist das Gesetztsein, d. i. die Negation als Negation. Die Produziervermögens

Negation als Negation ist das Produkt der Negativität, das sich auf
sich bezieht. Das Positive formiert sich so aus Negativem, das der
Unterschied erhalten und neu gesetzt hat. So hat diese Reflexion in
sich die Beziehung auf das Andere zu ihrer Bestimmung, d. h. die
Beziehung auf die Ungleichheit, als durch den Unterschied Gesetz-
tes. Wesentlich ist hier diese „Beziehung auf das Andere“, die be-
deutet, daß das Positive nur durch die Aktion des Produziervermögens
ist. Es sei angemerkt, daß in der Interpretation manche Bestimmun-
gen konkreter sind als in Hegels Darstellung; dies ergibt sich aus
dem Bemühen, den materiellen Selbstbewegungsprozeß möglichst
genau in seinen allgemeinen Bestimmungen zu erfassen. Bei Hegel
wird dann allerdings oft aus der Betrachtungsweise der folgenden
Phase von Selbstbewegung seine Auffassung der vorhergehenden
deutlicher. So verhält es sich mit der Beziehung der Darstellung der
Reflexion des Gesetztseins in die Gleichheit und Ungleichheit mit

127
Die Reflexionsbestimmungen

sich zu der des vorangegangenen Produktionsprozesses des Negati-


ven. In der Reflexion des Gesetztseins in die Gleichheit mit sich ist
das Reflektierte „das Gesetztsein, d. i. die Negation als Negation“;
dies besagt, daß das Sichnegieren überschüssiges Negatives gesetzt
haben muß; sonst wäre es nur Beziehung des selbständigen Negati-
ven allein auf sich; so könnte es sich nicht erneuern, und sein Sich-
Das Negative, d. h. erhalten wäre in Frage gestellt.
jetzt das Nun zum Negativen. Das Negative ist das [42] Gesetztsein als in
Produziervermögen,
die Ungleichheit reflektiert; aber das Gesetztsein ist die Ungleich-
reproduziert sich

aus seinem eigenen


heit selbst als vom Unterschied produziert; so ist diese Reflexion des
Produkt Gesetztseins in die Ungleichheit somit die Identität der Ungleich-
heit mit sich selbst und absolute Beziehung auf sich. Die Reflexion
des Gesetztseins in die Ungleichheit bedeutet, daß das Produzierver-
mögen sich aus von ihm selbst gesetztem neuem Negativem formiert;
insofern ist diese Reflexion seine absolute Beziehung auf sich: es
bezieht sich in seiner Formierung nicht auf anderes, sondern nur auf
sein eigenes Resultat, d. h. es produziert sich selbst. Aber es formiert
sich als Vermögen, das imstande ist, das selbständige Negative zu
erneuern. So hat es die Beziehung auf die Gleichheit an ihm.
Beide also, das in die Gleichheit mit sich reflektierte Gesetztsein
hat die Ungleichheit, und das in die Ungleichheit mit sich reflektier-
te Gesetztsein hat auch die Gleichheit an ihm.

Positives und Negatives als die selbständig gewordenen Seiten


des Gegensatzes
Es läßt sich nun zusammenfassend feststellen, inwiefern Positives
und Negatives selbständig sind und inwiefern sie dem Gegensatz
angehören.
Positives und Das Positive und das Negative sind die selbständig gewordenen
Negatives Seiten des Gegensatzes. Generell ist dieses Selbständiggeworden-
selbständig als sich
sein die Aufhebung des Gesetztseins durch den Produktionsprozeß
auf sich Beziehende
des Negativen im zweiten Reflexionsbogen, und zwar als Negation
des Negativen. Positives und Negatives sind selbständig, indem sie
die Reflexion des Ganzen in sich sind, also des Gesetztseins, das die
Bestimmungen der Gleichheit und Ungleichheit an sich hat, so daß
jede dieser Bestimmungen in sich reflektiert die andere an ihr hat.
Dies resultiert daraus, daß im Ergebnis des Zerfallens der Identität
wie des Unterschieds in die Verschiedenheit jedes der beiden Ver-
schiedenen das Andere an ihm hat; somit ist im Positiven und Nega-

128
Der Unterschied: Gegensatz

tiven die erste Bestimmung des Resultats des Produktionsprozesses


des Negativen aufgehoben. Im Prozeß des Negierens waren Identität
und Unterschied als Momente, also als Unselbständige aufeinander
bezogen. Selbständigwerden bedeutet erstens, Ganzes zu sein, sich
nicht mehr auf das Andere außer ihm zu beziehen. Aber jedes muß
das Andere in ihm selbst haben, insofern, als es das, was das Andere
gesetzt hat, zu seinem Bestehen benötigt. Insofern es sein Anderes
enthält, ist es von äußerem Anderem unabhängig. Es ist so als für
sich bestehend vorhanden; zum Beispiel das Positive, das überschüs-
siges Negatives in sich aufgenommen hat. Selbständigwerden bedeutet
zweitens, die Fähigkeit zu gewinnen, sich als dieses Ganze selbst zu
setzen, wovon beim Widerspruch die Rede sein wird.
Die Verschiedenen als in sich reflektierte Gleichheit und Ungleich-
heit sind jedoch als aufeinander bezogen gesetzt worden; darin ist
die andere Bestimmtheit des Resultats des Produktionsprozesses auf-
gehoben worden.
Dem Gegensatze aber gehören sie an, insofern es die Bestimmt-
heit als Gleichheit bzw. Ungleichheit ist, die als Ganzes in sich re-
flektiert ist. Um ihrer Selbständigkeit willen machen sie den an sich
bestimmten Gegensatz aus. Das heißt: Jedes ist es selbst und sein
Anderes; dadurch hat jedes seine Bestimmtheit nicht an einem An- Positives und

dern, sondern an ihm selbst. – Jedes bezieht sich auf sich selbst, nur Negatives beziehen

als sich beziehend auf sein Anderes. Dies hat die doppelte Seite; sich auf sich selbst

als auf ihr Anderes


jedes ist Beziehung auf sein Nichtsein als Aufheben dieses Anders- bezogen:
seins in sich; so ist sein Nichtsein nur ein Moment in ihm. Dies be-
zieht sich wieder auf die erste Bestimmtheit des Resultats: das Positive 1. Aufhebung des

hat die Ungleichheit in sich, indem es sich durch das überschüssige Andersseins in sich

Negative erneuert; das Negative, d. h. das Produziervermögen hat


als in sich reflektierte Ungleichheit die Gleichheit an ihm, indem es
sich als die Fähigkeit reproduziert, das selbständige Negative zu er-
halten und zu erneuern. Ferner ist aber das Andere, das jedes in ihm
hat, auch außer ihm vorhanden; so hat man es mit der anderen Be-
stimmtheit des Resultats zu tun. Aber andernteils ist hier das Gesetzt-
sein ein Sein, ein gleichgültiges Bestehen geworden; das Andere sei-
ner, das jedes enthält, ist daher auch das Nichtsein dessen, in welchem
es nur als Moment enthalten sein soll. Jedes ist daher nur, insofern 2. Jedes ist auf sein

sein Nichtsein ist, und zwar in einer identischen Beziehung. Das Nichtsein außer ihm

bezogen
Nichtsein des sich erneuernden selbständigen Negativen ist das
Produziervermögen mit dem Repro-Negativen, und umgekehrt. So-
weit sie Gesetztsein sind, sind beide Bestimmungen ein Sein. Als je

129
Die Reflexionsbestimmungen

für sich Gesetzte sind sie unabhängig voneinander; ihr Sein bedeu-
tet ihre Selbständigkeit gegeneinander: sie sind nicht dadurch ent-
standen, daß eines das andere gesetzt hätte; aber als Nichtsein sind
die Selbständigen aufeinander bezogen: jedes hat das Andere zu sei-
nem Nichtsein, und durch diese Bestimmtheit sind sie Entgegenge-
setzte. Daraus, daß das Gesetztsein als Ganzes sowohl Gleichheit
als auch Ungleichheit ist, folgt, daß die Reflexion in die eine Be-
stimmtheit stets die Beziehung auf die andere oder auf ihr Nichtsein
enthalten muß.

Ausgangspunkt der Formierung des Positiven und Negativen


Nach dieser Gesamtcharakteristik des Positiven und des Negati-
ven als des Gegensatzes des Wesens ist nun der Prozeß zu betrach-
ten, in dem sie sich formieren. Sein Ausgangspunkt ist das Resultat
des Produktionsprozesses des Negativen: dies sind die Verschiede-
nen, die die Bestimmungen der Gleichheit und der Ungleichheit ha-
ben.
Die Bestimmungen, welche das Positive und Negative konstituie-
ren, bestehen also darin, daß das Positive und das Negative erstens
absolute Momente des Gegensatzes sind; ihr Bestehen ist untrenn-
bar Eine Reflexion; es ist Eine Vermittlung, in welcher jedes durch
das Nichtsein seines Andern, damit durch sein Anderes oder sein
eigenes Nichtsein ist. Sie sind in dieser Bestimmtheit der Entgegen-
setzung durch das Gesetztsein, durch die Bestimmtheit des Produkts,
das der Produktionsprozeß des Negativen hervorgebracht hat. Das
eine ist so gut ein Entgegengesetztes wie das Andere (vgl. L II, 45).
Dies ist also eine Bestimmung, die noch nicht das Spezifische des
Gegensatzes des Wesens erfaßt; die angeführten Bestimmungen gel-
ten unterschiedslos für beide Seiten des Gegensatzes. So sind sie
Entgegengesetzte überhaupt; oder jedes ist nur das Entgegengesetzte
des Andern, das eine ist noch nicht positiv und das andere noch nicht
negativ, sondern beide sind negativ gegeneinander. Diese Beziehung
Anfangsbestimmung der Entgegengesetzten schließt somit zwei Momente ein: Jedes ist so
des Gegensatzes: überhaupt erstens, insofern das Andre ist; es ist durch das Andre,
jedes ist, insofern
durch sein eigenes Nichtsein, das, was es ist; es ist nur Gesetztsein.
sein Anderes oder

sein Nichtsein ist


Die Bestimmung, daß jedes ist, insofern sein Anderes oder sein Nicht-
sein ist, ist die Anfangsbestimmung des Gegensatzes. Sie ist im Re-
sultat des Produktionsprozesses des Negativen gegeben. Der Satz,
wonach jedes ist, insofern sein Anderes ist, bedeutet: das sich erhal-

130
Der Unterschied: Gegensatz

tende selbständige Negative ist, insofern das Produziervermögen mit


dem Repro-Negativen ist, und dieses ist, insofern jenes ist. Diese
Beziehung ist durch den Prozeß von Identität und Unterschied in das
Resultat gesetzt worden. Denn das selbständige Negative kann sich
nur erhalten, wenn das Produziervermögen das für seine eigene Re-
produktion nötige Negative erzeugt. Würde dieses Negative nicht er-
zeugt werden, so würde das Produziervermögen ruiniert, d. h. es hörte
zu bestehen auf, könnte nicht mehr wirksam werden, also das selb-
ständige Negative nicht mehr erneuern. Umgekehrt ist das Produ-
ziervermögen mit dem Repro-Negativen nur durch sein Nichtsein,
das sich erhaltende selbständige Negative, denn das Produzierver-
mögen erfüllt seine Funktion in der Selbstbewegung nur, wenn es die
Erneuerung dieses Negativen sichert; ohne überschüssiges Negati-
ves ist eine Erhaltung der anderen Bestimmungen, die eine Differen-
zierung, Entfaltung usw. des Systems bedeuten, nicht realisierbar,
und das System hörte ebenfalls zu bestehen auf; nur unter der Bedin-
gung, daß es das selbständige Negative erhält, erzeugt das Produzier-
vermögen das Negative, das seiner Selbsterhaltung dient. So ist je-
des nur, insofern sein Nichtsein ist. Im Gesetztsein, im Produkt des
Produktionsprozesses des Negativen sind sich erneuerndes selbstän-
diges Negatives und verausgabtes Produziervermögen samt dem
Repro-Negativen in den Bestimmungen der Gleichheit und der Un-
gleichheit enthalten, die die Beziehungen zwischen den Resultats-
komponenten darstellen. Das Fazit dieser Beziehungen aber lautet:
jedes konnte nur gesetzt werden, wenn auch das andere gesetzt
wurde. Die Bestimmung, daß jedes ist, insofern das Andere als sein
Nichtsein ist, ist gesetzt und somit vorhanden, bevor die Reflexion in
sich beginnt, durch die Positives und Negatives sich bilden. Die Be-
ziehung zwischen der Anfangsbestimmung des Gegensatzes im Re-
sultat und dem Produktionsprozeß des Negativen ist durch die Be-
stimmung der Verschiedenen als Gleiche und Ungleiche vermittelt.
So vermittelt ist die Anfangsbestimmung Realisierung des „Urgrundes
aller Tätigkeit und Selbstbewegung“; dieser muß im Prozeß der For-
mierung des Gegensatzes erneuert werden. Also wird die Beziehung,
wonach jedes nur ist, insofern sein Nichtsein ist, durch die Entgegenge-
setzten selbst betätigt werden müssen. Daß jedes das Andere zu seinem
Nichtsein hat, besagt, daß jedes dieses Andere brauchen wird, so, daß Beginn der Formie-

sein eigenes Sein aus dem Aufheben seines Nichtseins entspringen wird. rung des Gegensat-

zes: jedes formiert


Zweitens es ist, insofern das Andre nicht ist; es ist durch das sich als Nichtsein
Nichtsein des Andern das, was es ist; es ist Reflexion in sich. Dies des Anderen

131
Die Reflexionsbestimmungen

ist die Bestimmung des Produkts, mit der die Formierung der Vor-
aussetzung durch Reflexion in sich beginnt. Jedes formiert sich, also
nicht das Andere; es formiert sich als Nichtsein des Anderen; so for-
miert jedes sich in seiner eigenen Bestimmtheit. Dies ist seine eige-
ne Aktion, die Reflexion des Gesetztseins zum einen in die Gleichheit
als Aktion des sich erneuernden selbständigen Negativen, und zum
anderen in die Ungleichheit als Aktion des sich reproduzierenden
Produziervermögens. Dieses Beides – jedes ist durch sein eigenes
Nichtsein und durch das Nichtsein des Anderen – ist aber die eine
Vermittlung des Gegensatzes überhaupt, in der sie überhaupt nur
Gesetzte sind. Daß sie überhaupt nur Gesetzte sind, bedeutet er-
stens, daß die Bestimmung, wonach jedes durch sein Nichtsein ist,
im Gesetztsein, im Resultat des ersten Prozesses gegeben ist. Zwei-
tens wird in der Reflexion in sich die Bestimmung betätigt, wonach
jedes durch das Nichtsein seines Anderen ist. Durch diese Reflexion
wird zwar das Gesetztsein des Negativen überhaupt durch den vor-
angegangenen Produktionsprozeß aufgehoben; aber indem dies sei-
ne Reflexion in die Gleichheit und die Ungleichheit mit sich ist, ist
dieses Gesetztsein an ihnen als Gesetztsein. Insgesamt ist festzuhal-
ten, daß die Bestimmung des Nichtseins eine Beziehung zwischen
den beiden Komponenten des Resultats ist, die durch die Faktoren
des vorangegangenen Prozesses gesetzt worden ist, im Resultat selbst
nicht als tätige Beziehung zwischen den Bezogenen wirksam ist, aber
die Bewegung der potentiellen Faktoren von ihrem Resultatsein hin
zu ihrem Voraussetzungwerden bestimmt und im kommenden Pro-
duktionsprozeß betätigt werden wird.

Prozeß der Formierung des Positiven und Negativen


Die Entgegensetzung als solche, die mit den Bestimmungen des Re-
sultats des ersten Prozesses gegeben ist, ist der Ausgangspunkt der
Formierung des Gegensatzes von Positivem und Negativem. Die
Reflexion des Gesetztseins in sich hat die Umformung des Resultats
in die Voraussetzung zu ihrem Inhalt. Diese Reflexion ist die Reali-
sierung der Bestimmung der Reflexion an sich, die das Resultat des
vorangehenden Prozesses des Negierens hatte. Die Gleichheit als
Bestimmung des Gesetztseins reflektiert sich in sich selbst, indem
erstens das selbständige Negative sich so erneuert, daß es den Pro-
duktionsprozeß des Negativen wieder beginnen kann. Es muß ein be-
stimmtes Quantum Negatives zur Verfügung stehen, das der Basis-

132
Der Unterschied: Gegensatz

Bestimmung nach die Realisierungsbedingung für das Basis-Negie-


ren ist, erforderlich für die Aufnahme von neuem überschüssigem
Negativem, das für die Sicherung anderer Bestimmungen des Systems,
für seine Differenzierung gebraucht wird. Zweitens muß zugleich der
Aktor dieses Vorgangs sich reproduzieren, und zwar aus dem über-
schüssigen Negativen. Dies kann bedeuten, daß vorher vorhandenes
Negatives vernutzt wird und daher das selbständige aus dem über-
schüssigen Negativen auf dem erforderlichen Niveau gehalten wer-
den muß. Dies ist der eine Vorgang, in dem Negatives verbraucht
wird, weshalb seine Erneuerung im Prozeß des Negierens immer
wieder erforderlich wird. Die Ungleichheit als Bestimmung des
Gesetztseins reflektiert sich in sich selbst, indem sich aus dem Re-
pro-Negativen das Produziervermögen als erneut aktionsfähig bil-
det. Die Formierung des Negativen (F) als Komponente der Voraus-
setzung bedeutet, daß der Aktor des Unterscheidens sich wieder
herstellen muß, anders hat das Produziervermögen als Vorausset-
zung kein Dasein. Bei der Betrachtung des ersten Produktionsprozesses
des Negativen war das Vorhandensein des prozessierenden Unterschieds
und so des Aktors mit dem Produziervermögen einfach unterstellt wor-
den; jetzt klärt sich, wie er aus neu produziertem Negativem sich selbst
reproduziert. Dies ist der andere Vorgang, in dem Negatives verbraucht
wird. So ist seine Erneuerung im Produktionsprozeß des Negativen un-
umgänglich, wenn die Bewegung des Systems sich erhalten können soll.
Liefert das Produziervermögen überschüssiges Negatives in größerem
Maße, so erzeugt es Entwicklungsmöglichkeiten für das System.
Durch die Reflexion in sich verselbständigen sich die Seiten des
Gegensatzes; sie formieren sich selbst, durch ihre eigene Aktion.
[43] Aber ferner (zweitens) dies bloße Gesetztsein ist in sich re- Prozeß, in dem

flektiert überhaupt; das Positive und Negative ist nach diesem Mo- Positives und

mente der äußern Reflexion gleichgültig gegen jene erste Identität, Negatives

selbständig werden
worin sie nur Momente sind, also gegen jene eine Vermittlung, in der
jedes durch sein Anderes oder sein eigenes Nichtsein und durch das
Nichtsein seines Anderen ist, oder gegen jene Beziehung, in der sie
beide nur Gesetzte sind. Als überhaupt in sich reflektiert erweist sich
das Gesetztsein, insofern jedes der beiden Verschiedenen als Nicht-
sein des Anderen eine eigene Bestimmung gegen das Andere ist. Oder
indem jene erste Reflexion die eigne Reflexion des Positiven und
Negativen in sich selbst, jedes sein Gesetztsein an ihm selbst ist, so
ist jedes gleichgültig gegen diese seine Reflexion in sein Nichtsein,
wonach jedes ist, insofern sein Nichtsein ist, gegen sein eigenes

133
Die Reflexionsbestimmungen

Gesetztsein. Jedes ist Nichtsein des Anderen als diese Reflexion in


sich, d. h. als Formierung der eigenen Bestimmtheit; dadurch wird
es selbständig, und so ist es gleichgültig gegen sein eigenes Gesetzt-
sein als Negatives (P) überhaupt. Die Bewegung des Negativen (P)
hat somit Bestimmungen aufgenommen, die bei der Analyse des
Scheins nachgewiesen worden waren: das Negative, das in seiner
Negation ein Sein hat; die Unselbständigkeit, die an ihr selbst auf-
gehoben und nichtig ist; das Unselbständige als das an ihm selbst
Unselbständige (vgl. L II, 12). Beide Verschiedenen sind jetzt als
Selbständige da; damit wird gesetzt, was in der Reflexion an sich
war. Die beiden Seiten sind so bloß verschiedene, und insofern ihre
Bestimmtheit, positiv und negativ zu sein, ihr Gesetztsein gegenein-
ander ausmacht, so ist jede nicht an ihr selbst so bestimmt, sondern
ist nur Bestimmtheit überhaupt; jeder Seite kommt daher zwar eine
der Bestimmtheiten von Positivem und Negativem zu; aber sie können
verwechselt werden, und jede Seite ist von der Art, daß sie ebensogut
als positiv wie als negativ genommen werden kann. Dies ist möglich,
solange sie sich in der Sphäre der an sich seienden Unmittelbarkeit
bewegen, wo sie nur als vorhandene Negative gegeneinander da sind.

Positives und Negatives als Resultat ihres Formierungsprozesses


Schließlich aber formiert sich das Positive als das an ihm selbst Po-
sitive, das Negative als das an ihm selbst Negative; dies ist die Be-
stimmung des Verschiedenen an und für sich (vgl. L II, 45). Aber das
Positive und Negative ist drittens nicht nur ein Gesetztes, noch bloß
ein Gleichgültiges, sondern ihr Gesetztsein oder die Beziehung auf
das Andere in einer Einheit, die nicht sie selbst sind, ist in jedes
zurückgenommen. Jedes ist an ihm selbst positiv und negativ; das
Positive und Negative ist die Reflexionsbestimmung an und für sich;
erst in dieser Reflexion des Entgegengesetzten in sich ist es positiv
und negativ. Das Positive hat die Beziehung auf das Andere, das
Negative, in der die Bestimmtheit des Positiven ist, an ihm selbst;
ebenso das Negative ist nicht Negatives als gegen ein Anderes, sondern
hat die Bestimmtheit, wodurch es negativ ist, gleichfalls in ihm selbst.
Die Reflexion in sich ist jetzt vollzogen, und in ihrer nun gewon-
nenen Bestimmtheit sind Positives und Negatives die fertig formierte
Voraussetzung des zweiten Prozesses. Es ist zuerst zu fragen, wie
das Positive jetzt die Beziehung auf das Negative (F) an ihm selbst
hat. Als Positives formiert hat sich das nunmehr erneuerte selbständi-

134
Der Unterschied: Gegensatz

ge Negative. Es hat das Wirken des Unterschieds an ihm; es ist Re- Die fertige

flexion des Gesetztseins in die Gleichheit, die die Ungleichheit an Voraussetzung:

ihr hat. Die Beziehung des Positiven auf das Negative ist im Ergeb- Positives und

Negatives sind als


nis des Formierungsprozesses die Beziehung nicht auf die Ungleich- solche auf ihr jeweils
heit als solche, sondern auf die in sich reflektierte. Diese Beziehung Anderes außerhalb

hat jetzt folgende Struktur: a) als Reflexion des Gesetztseins in die ihrer bezogen

Gleichheit hat das Positive die Funktion der Identität zu realisieren,


d. h. Selbsterneuerung des selbständigen Negativen vermittelst der
Einwirkung auf das Unterscheiden bzw. Sichnegieren und Sicherung
der Reproduktion des Produziervermögens als des Erzeugers des
überschüssigen Negativen; b) aber es hat jetzt diese Funktion nicht
mehr als Vorgefundenes gegenüber anderem Vorgefundenem; im er-
sten Prozeß wurde es erneuert, jetzt aber hat es als erneuertes Nega-
tives das Wirken des Anderen im ersten Prozeß an ihm und ist durch
dessen Verarbeitung selbständig geworden. Als erneuertes Negati-
ves, das sich erneuern wird und muß, hat es die Beziehung auf die
Quelle dieser Erneuerung an ihm selbst.
Ebenso hat das Negative (F) nun die Beziehung nicht schlechthin
auf die Gleichheit in sich, sondern auf die in sich reflektierte, auf das
selbständige Negative, das sich erneuern wird. a) Als Reflexion der
Ungleichheit in sich hat das Negative (F) im kommenden Prozeß die
Funktion des Unterschieds zu realisieren, d. h. neues Negatives für
die Erneuerung des Identischen und für die Reproduktion des
Produziervermögens zu erzeugen. b) Im ersten Prozeß war es veran-
laßt worden, neues Negatives über das Repro-Negative hinaus, also
überschüssiges Negatives zu erzeugen; es hat sich in dieser Funkti-
on überhaupt erst betätigt und bewährt. Es ist so selbständig gewor-
den in einer Bestimmtheit, in der es die Beziehung auf das zu Er-
neuernde an ihm selbst hat.
Indem so jedes in seiner Bestimmtheit die Beziehung auf das An-
dere an ihm hat, ist das Positive an ihm selbst positiv, das Negative
(F) negativ. So bilden sie den Gegensatz, der die Voraussetzung des
erneuten Prozesses des Negierens ist.

Selbständigkeit des Positiven und Negativen als Negation der Bezie-


hung auf das Andere und Betätigung der eigenen Bestimmtheit der
Entgegengesetzten in der Beziehung auf das Andere
Das Positive und das Negative haben sich als solche erst formiert,
wenn sie diese Beziehung auf ihr Anderes ausgebildet haben. Solan-

135
Die Reflexionsbestimmungen

ge sie nicht da ist, ist das Positive nicht das Positive, das Negative
nicht das Negative. Jetzt ist die bestimmte Stellung des Positiven und
Negativen im Gegensatz zu kennzeichnen. So ist jedes [das Positive
sowohl wie das Negative] selbständige, für sich seiende Einheit mit
Das Positive als sich. Das Positive ist wohl ein Gesetztsein, aber so, daß für es das
Nicht- Gesetztsein nur Gesetztsein als aufgehobenes ist. Es ist das Nicht-
entgegengesetztes
entgegengesetzte, der aufgehobene Gegensatz, aber als Seite des
selbständig und auf

das Negative außer


Gegensatzes selbst. Gesetztsein ist das Positive als Ergebnis des Pro-
ihm bezogen, das es zesses des Negierens. Indem das Positive sich auf sich bezieht, sich
ausschließen wird selbst erneuert, hebt es dieses Gesetztsein auf und wird selbständig.
In diesem Prozeß integriert das selbständige Negative das überschüs-
sige Negative; es sind nicht mehr zwei unterschiedene Arten von
Negativem an ihm, sondern es ist ein Negatives, das bestimmt ist,
sich zu erhalten. So ist die Beziehung auf sein Nichtsein in ihm auf-
gehoben, und so ist es Nichtentgegengesetztes, aufgehobener Ge-
gensatz. In dem Positiven als dem Negativen (P), das sich erneut
erhalten wird, ist die Bestimmung der Identität aufgehoben, d. h.
aufbewahrt. Aber es bleibt Seite des Gegensatzes; es tritt als an ihm
selbst Positives selbständig seinem Anderen, das außer ihm besteht,
gegenüber. Als positiv ist zwar etwas bestimmt in Beziehung auf ein
Anderssein, aber so, daß seine Natur dies ist, nicht ein Gesetztes zu
sein; es ist die das Anderssein negierende Reflexion in sich. Selb-
ständig wird also das Positive durch die Reflexion in sich, die die
Beziehung auf das Andere negiert; doch seine dadurch gewonnene
selbständige Bestimmung betätigt das Positive in seiner Beziehung
auf das Andere außer ihm. Aber das Andere seiner, das Negative, ist
selbst nicht mehr Gesetztsein oder Moment, sondern ein selbständi-
ges Sein; so ist die sein Anderssein negierende Reflexion des Positi-
ven in sich bestimmt, dies sein Nichtsein – das Negative (F) – von
sich auszuschließen.
Das Positive hat sich formiert, indem es sich auf sich bezogen hat
und auf diese Weise selbständig geworden ist. Als dieses Selbständi-
ge tritt es in Beziehung zum Anderen seiner, zum Negativen (F). Aber
dieses ist ebenfalls ein selbständiges Sein. Das Positive kann nicht
das Negative (F) in sich aufnehmen, denn dann verschwände die
Quelle des Negativen (P), durch das das Positive sich erneuern muß.
Es kann daher das Negative (F) nur als außerhalb seiner – des Posi-
tiven – bestehend auf sich beziehen oder muß es von sich ausschlie-
ßen, um sein Produzieren und Produkt in sich aufnehmen zu können.
Das Ausschließen ist für die tätige Beziehung zwischen Entgegenge-

136
Der Unterschied: Gegensatz

setzten kennzeichnend, die jedes ein selbständiges Sein sind. Das Aus-
schließen ist schon ein Prozeß im Widerspruch der Entgegengesetzten.
[44] Ebenso ist das Negative als absolute Reflexion, d. h. als der Das Negative als der

Faktor Negatives, der sich aus seinem eigenen Negativen (P) repro- ganze Gegensatz –

selbständig und auf


duziert hat, nicht das unmittelbare Negative, sondern dasselbe als das Positive
aufgehobenes Gesetztsein, das Negative an und für sich, das positiv bezogen, das es

auf sich selbst beruht. Es beruht positiv auf sich selbst, indem es sich ausschließen wird

selbst produziert hat, durch das Setzen von Repro-Negativem, aus


dem es sich als Produziervermögen reproduziert hat. Als Reflexion
in sich negiert es seine Beziehung auf Anderes; sein Anderes ist das
Positive, ein selbständiges Sein; – seine negative Beziehung darauf
ist daher, es aus sich auszuschließen. Als nunmehr selbständig ge-
worden bezieht sich das Negative (F) auf sein Anderes oder sein Nicht-
sein, das es braucht, als ein ebenfalls Selbständiges, und diese Be-
ziehung realisiert es als Ausschließen seines Anderen. Das Negative
ist das für sich bestehende Entgegengesetzte, gegen das Positive, das
die Bestimmung des aufgehobenen Gegensatzes ist, – der auf sich
beruhende ganze Gegensatz, entgegengesetzt dem mit sich identi-
schen Gesetztsein, dem Positiven. Mit sich identisches Gesetztsein
ist das Positive als das sich auf sich beziehende und so selbständige
Negative (P). Gegen dieses Positive als Nichtentgegengesetztes ist
das Negative das Entgegengesetzte als das Vermögen, das neues
Negatives setzen und dadurch das selbständige Negative erneuern
wird. Das Negative (F) ist so der aufgehobene, d. h. aufbewahrte
Unterschied, das aufbewahrte einfache Nicht des Identischen. Es ist
der auf sich beruhende ganze Gegensatz, indem es potentielles Set-
zen von überschüssigem Negativem zur Erneuerung des selbständi-
gen Negativen und von Negativem zur Reproduktion des Produzier-
vermögens ist. So ist im Gegensatz der „Urgrund aller Tätigkeit und
Selbstbewegung“ aufgehoben. – In historisch bestimmten Systemen
ist das Positive als das Sicherhaltende im Wesen zugleich der Fak-
tor, der auf das Weiterbestehen des Systems hinwirkt, auf seine Be-
wahrung. Insofern ist es wieder aufgehobener Gegensatz. Das Ne-
gative dagegen ist der Faktor, der im Zusammenspiel von Basis- und
systemspezifischem Negieren Veränderung erzeugt, eine Veränderung,
die sich unter bestimmten Umständen gegen das gegebene System
selbst wenden und seine Umgestaltung oder seine Aufhebung erfor-
derlich machen kann. Insofern ist das Negative wieder der ganze
Gegensatz.
Die Einheit der Selbständigkeit des Positiven und Negativen und

137
Die Reflexionsbestimmungen

Einheit der ihrer Beziehung aufeinander als Selbständige stellt sich so dar, daß
Selbständigkeit des
Positives und Negatives an und für sich positiv und negativ sind.
Positiven und

Negativen und ihrer


Das Positive und Negative ist hiermit nicht nur an sich positiv
Beziehung
und negativ, sondern an und für sich. An sich sind sie positiv bzw.
aufeinander negativ, insofern von ihrer ausschließenden Beziehung auf Anderes
abstrahiert [wird] und sie nur nach ihrer Bestimmung genommen wer-
den. An sich ist etwas positiv oder negativ, indem es nicht bloß ge-
gen anderes so bestimmt sein soll. Jedes ist an ihm selbst positiv
und negativ, d. h. positiv und negativ zu sein ist ihre eigene Bestim-
mung. Aber das Positive oder Negative nicht als Gesetztsein und damit
nicht als Entgegengesetztes, ist jedes das Unmittelbare, Sein und
Nichtsein. Das Positive und Negative sind aber die Momente des
Gegensatzes; das Ansichsein derselben macht nur die Form ihres
Reflektiertseins in sich aus. Es ist etwas an sich positiv, außer der
Beziehung auf das Negative; und es ist etwas an sich negativ, außer
der Beziehung auf das Negative (muß wohl heißen: das Positive?);
in dieser Bestimmung wird bloß an dem abstrakten Momente dieses
Reflektiertseins festgehalten. Allein das ansichseiende Positive oder
Negative heißt wesentlich, daß entgegengesetzt zu sein nicht bloß
Moment sei (s. den Ausgangspunkt der Formierung des Positiven
und Negativen), noch der Vergleichung angehöre (s. den Prozeß der
Formierung des Positiven und Negativen), sondern die eigene Be-
stimmung der Seiten des Gegensatzes ist. An sich positiv oder nega-
tiv sind sie also nicht außer der Beziehung auf anderes, sondern [so],
daß diese Beziehung, und zwar als ausschließende, die Bestimmung
oder das Ansichsein des Positiven und Negativen ausmacht; hierin
sind sie es also zugleich an und für sich. Die Selbständigkeit des
Positiven und Negativen ist nur in ihrer Entgegensetzung. Aus ihrer
Bestimmtheit als Selbständige resultiert ihre Beziehung aufeinander,
die sie als Ausschließen realisieren.

[48] C. Der Widerspruch


Das Positive als das erneuerte Negative, das sich erneuern muß, und
das Negative als reproduziertes Produziervermögen, das produzie-
ren muß, beginnen den Produktionsprozeß des Negativen von neu-
em, weil das Negative sich sonst „verbräuchte“ und seine Bewe-
gung damit verschwände, die Selbstbewegung also aufhörte. Damit
das System sich aus sich erhalten kann, muß soviel Negatives neu

138
Der Widerspruch

produziert werden, daß der Verbrauch in den folgenden Phasen der


Selbstbewegung kompensiert wird und der Produktionsprozeß des
Negativen sich erneuern kann.
Welche neue Bestimmtheit haben das selbständige Negative als Neue Bestimmtheit

das nunmehr Positive und das Produziervermögen, d. h. das Negati- der Faktoren des

ve als Faktor, jetzt im Vergleich zu ihrer Bestimmtheit am Beginn des Prozesses des

Negierens
ersten Prozesses? Im ersten Prozeß fanden das sich erhaltende Ne-
gative als Identisches und das Produziervermögen als Unterschied
einander vor und bestimmten sich in ihrem Prozeß jedes gegen das
andere. Dadurch, daß sie in Kontakt zueinander traten, ging dieser
Prozeß erstmals vonstatten. Er wurde selbst erst zum Prozeß von
Identität und Unterschied, vorher hatte es ihn als solchen noch nicht
gegeben. Sie konnten also auch noch nicht selbst Produkt dieses Pro-
zesses sein. Im Prozeß war jedes vom Anderen abhängig. Im Ergeb-
nis des Prozesses waren sie ein Gesetztsein: die Verschiedenen mit
den Bestimmungen der Gleichheit und der Ungleichheit. Sie reflek-
tierten sich in sich: das eine in die Gleichheit, das andere in die
Ungleichheit. Sie formierten sich aus dem Produkt ihres ersten Pro-
zesses und wurden insofern selbständig, als jedes sein Anderes an
ihm hatte und sich selbst formierte oder setzte. Das Positive nun ist
selbständiges Negatives, das sich vermittelst des Produktions-
prozesses erneuert hat – im Unterschied zum selbständigen Negati-
ven am Beginn dieses Prozesses; es hat die Wirkung des Unter-
scheidens an ihm. Das Produziervermögen hat sich aus seinem
eigenen Produkt reproduziert. Es hat die Wirkung des Identischen an
ihm, indem es als Erzeuger von neuem, überschüssigem Negativem,
als Erneuerer des selbständigen Negativen sich betätigt und bewährt
und in dieser Bestimmung sich reproduziert hat.
Den zweiten Prozeß beginnt das Positive somit als nicht bloß Ne- Positives und

gatives, das sich erhalten muß; es beginnt ihn als erneuertes Negati- Negatives können

ves, das sich erneuern muß. Es setzt sich in dieser neuen Bestimmt- sich in ihrer

Bestimmtheit nur
heit, und indem es sich als das setzt, was es ist, muß es sein Anderes setzen, indem sie
setzen. Es kann sich selbst als sich erneuerndes Negatives nur set- selbst ihr jeweils

zen, indem es selbst sein Anderes, d. h. die Quelle dieser Erneue- anderes setzen

rung setzt. Das Negative (F) hingegen beginnt den zweiten Prozeß
nicht schlechthin als Produziervermögen, als nicht bloß Negatives
erzeugend. Im vorangegangenen Prozeß hat es über das Negative
für die eigenen Reproduktion hinaus Negatives erzeugt, und diese
Erzeugung von überschüssigem Negativem ist zur Bedingung dafür
geworden, daß es sich selbst erhält. Das Negative setzt sich jetzt in

139
Die Reflexionsbestimmungen

dieser neuen Bestimmtheit. Es kann sich aber in dieser Bestimmt-


heit selbst nur setzen, indem es selbst jenes vorhandene Negative
oder sein Anderes, d. h. das Positive sich gegenübersetzt, als das,
was es erneuert und so erhält. Die Entgegengesetzten finden so ein-
ander nicht mehr vor, sondern um in der neuen Bestimmtheit, in der
sie selbständig geworden sind, sich zu setzen, müssen sie selbst ihr
Anderes setzen und es veranlassen, so zu wirken, daß sie in ihrer
jetzt gewonnenen Bestimmtheit sich betätigen und erhalten können.
Jedes muß, um sich zu erhalten und damit selbständig zu bleiben,
das Wirken des Anderen in je eigener Weise erneut in sich aufneh-
men. Hierin sind die Funktionen der Identität und des Unterschieds
als des „Urgrundes aller Tätigkeit und Selbstbewegung“ aufgeho-
ben. Das Andere aber ist ein selbständiges Sein; jedes muß daher sein
selbständiges Anderes zu sich in Beziehung setzen, um sich zu erhalten.
Jedes muß also jetzt selbst sein Nichtsein setzen, nicht als Nichtsein,
denn dies ist es schon; sondern es muß sein Anderes oder sein Nichtsein
dazu bringen, in jeweils jener Weise wirksam zu werden, die es für sein
eigenes Bestehen braucht, also sich als sein Nichtsein aufzuheben, in-
dem es sich in sein Sein umsetzt. Jedes schließt sein Anderes von sich
aus, stellt sein Anderes sich gegenüber und bezieht es auf sich, um sein
Wirken in sich aufzunehmen oder einschließen zu können.
Widerspruch der Die Entgegengesetzten betätigen also ihre Selbständigkeit, indem
Entgegengesetzten sie sich setzen, können sich aber nur dadurch setzen und ihre Selb-
ständigkeit betätigen, daß sie ihr Anderes, ihr Nichtsein setzen, von
dem sie selbst ausgeschlossen, d. h. gesetzt werden. Es ist ein Sich-
setzen, das sich nur realisieren läßt, indem jedes sein Anderes setzt
als erforderlich für sein Sicherhalten. D. h. indem sie ihre Selbstän-
digkeit betätigen, heben sie diese zugleich wieder auf. Sie sind in ein
und derselben Beziehung zur gleichen Zeit selbständig und unselbstän-
dig, und zwar vom Beginn des Produktionsprozesses des Negativen bis
zu seinem Ende. Dies ist der Widerspruch der Entgegengesetzten.
Es wird dann zu untersuchen sein, wie sich der Widerspruch des
Gegensatzes von Positivem und Negativem löst. Damit erreicht die
Darstellung des Wesens als Selbstbewegung ihren Kulminationspunkt.
Als Bedingung für die Selbständigkeit der Bewegung war angegeben
worden, daß dasselbe sich setzt, es selbst sein Gesetztsein ist, und
daß es selbst sich als Gesetztsein wieder aufhebt. Die Entgegenge-
setzten sind es, die dadurch, daß jedes sich selbst und sein Anderes
setzt, ihr Verhältnis zueinander selbst setzen, das selbstgesetzte Ver-
hältnis selbst wieder aufheben, um es erneut zu setzen. Damit wird

140
Der Widerspruch

das Wesen als Grund bestimmt und die Erklärung der Selbstbewegung
als selbständiger Bewegung vollendet sein. Mit dem Widerspruch
und seiner Lösung ist der Prozeß des Sichsetzens des Wesens als
Selbstbewegung erfaßt.

Unterschied – Verschiedenheit – Gegensatz


Dem Überblick über den Gesamtzusammenhang dient die einleiten-
de knappe Darstellung der Phasen der Reflexion, wie sie bisher be-
trachtet worden sind.
1. Der Unterschied überhaupt enthält seine beiden Seiten – Iden-
tität und Unterschied – als Momente, d. h. im Produktionsprozeß
des Negativen ist eines durch das andere bestimmt; in der Verschie-
denheit als Bestimmung des Resultats jenes Prozesses fallen sie [49]
gleichgültig auseinander: als die Verschiedenen, die als einander
Gleiche und Ungleiche gesetzt sind; im Gegensatze als solchem sind
sie Seiten des Unterschiedes, eines nur durchs andere bestimmt, so-
mit nur Momente, insofern jedes durch sein Anderes und durch das
Nichtsein seines Anderen ist; aber sie sind ebensosehr bestimmt an
ihnen selbst, gleichgültig gegeneinander als sich in sich reflektie-
rend und als selbständige sich gegenseitig ausschließend: die selb-
ständigen Reflexionsbestimmungen.
Es ist nun der Widerspruch der Entgegengesetzten zu betrachten;
er ist der Prozeß, in dem sie sich selbst und ihr Anderes setzen.

Sichselbstsetzen und Ausschließen des Anderen


Die eine dieser selbständigen Reflexionsbestimmungen ist das Posi-
tive, die andere das Negative, aber jene als das an ihm selbst Positi-
ve, diese als das an ihm selbst Negative. Als solche sind sie Selbstän-
dige. Die gleichgültige Selbständigkeit für sich hat jedes dadurch,
daß es die Beziehung auf sein anderes Moment an ihm selbst hat; so
ist es der ganze in sich geschlossene Gegensatz. Als dieses Ganze ist
jedes vermittelt durch sein Anderes mit sich und enthält dasselbe.
Jedes ist also auf sich bezogen, aber vermittelst seines Anderen, das
es enthält. Und zwar ist das Positive es selbst, indem es sich auf das
Negative (F) als jenes bezieht, das es setzen wird. Ebenso hat das
Negative die Beziehung auf das Positive an ihm als auf das, was es
setzen wird. Aber es ist ferner durch das Nichtsein seines Andern
mit sich vermittelt. Jedes ist dadurch, daß es selbst als das Nichtsein

141
Die Reflexionsbestimmungen

seines Anderen sich bestimmt, indem es sich seiner Bestimmung ge-


mäß so setzt, daß es das Andere setzen wird und setzen muß. So ist es
für sich seiende Einheit und schließt das Andere aus sich aus.
Die entgegengesetzten Selbständigen produzieren sich nun im Pro-
duktionsprozeß des Negativen selbst, indem sie sich als das setzen,
was sie sind. Jedes muß sich für sich als das setzen können, was es
ist. Zum besseren Verständnis der folgenden Gedankenentwicklung
sei hier dieses Sichselbstsetzen und zugleich Ausschließen des Ande-
ren kurz beschrieben.
Sichselbstsetzen Das Positive muß im neuen Prozeß bewirken, daß das erneuerte
und Ausschließen
Negative, aus dem es besteht, sich erneuert. Indem es dies bewirkt,
des Anderen
setzt es sich selbst als Positives; es ist Positives durch seine spezifi-
sche Aktion im Produktionsprozeß. Es kann sich aber nur setzen,
indem es das Negative (F) sich gegenüberstellt und veranlaßt, das
vorhandene Negative (P) im Prozeß der Neuproduktion von Negati-
vem zu erhalten. Das Positive nimmt so bestimmenden Einfluß auf
das Negative. Dieses Negative ist ein Selbständiges. Das Positive
muß so das Negative in seiner Selbständigkeit negieren, weil dieses
seinen Zwecken dienen soll. Aber es negiert nicht das Negative (F),
den Unterschied oder das Produziervermögen als Quelle der Erneue-
rung des Negativen; es braucht dieses Vermögen in dieser Funktion.
Es muß das Negative (F) daher von sich ausschließen und als in
seiner Funktion auf das Positive bezogen setzen.
Das Negative kann als Voraussetzung des Prozesses nur als
Produziervermögen des betreffenden Aktors selbständig bestehen.
Das Negative (F) setzt sich als Prozeß des Negierens oder des Unter-
scheidens, in dem es neues Negatives erzeugt – für seine eigene Er-
haltung und für die Erneuerung des selbständigen Negativen. Aber
es kann sich so nur setzen, indem es das Positive sich gegenüber-
stellt als das zu Erneuernde. Das Negative (F) setzt sich also als
Erneuerer des Negativen (P), das sich im Positiven verselbständigt
hat, indem es dieses als zu Erneuerndes setzt. Es braucht das Positi-
ve in dieser Funktion, muß es also von sich ausschließen und in die-
ser Funktion auf das Negative bezogen setzen.

Die selbständige Reflexionsbestimmung als Widerspruch:


sie schließt ihre Selbständigkeit selbst aus sich aus
Indem die selbständige Reflexionsbestimmung, das Positive und das
Negative also, in derselben Rücksicht, als sie die andere enthält und

142
Der Widerspruch

dadurch selbständig ist, die andere ausschließt, so schließt sie in ih-


rer Selbständigkeit ihre eigene Selbständigkeit aus sich aus; denn Positives und

diese Selbständigkeit besteht erstens darin, die ihr andere Bestim- Negatives schließen

mung in sich zu enthalten und dadurch allein nicht Beziehung auf in ihrer

Selbständigkeit ihre
ein Äußerliches zu sein, – aber zweitens ebensosehr unmittelbar dar- eigene

in, sie selbst zu sein und die ihr negative Bestimmung von sich aus- Selbständigkeit aus

zuschließen. Es sei an die Bestimmung des Positiven und Negativen sich aus –

erinnert, wonach jedes sich auf sich bezieht als sich auf sein Anderes Widerspruch des

Wesens
beziehend, und zwar derart, daß zum einen jedes sein Nichtsein als
Moment in sich enthält, zum anderen aber sein Nichtsein außer ihm
da ist. Diese Bestimmung wird jetzt betätigt, indem die Entgegenge-
setzten sich in ihrer Bestimmung setzen, die neu gegenüber der von
Identität und Unterschied ist, und in der Betätigung dieser Bestim-
mung sich wechselseitig ausschließen. Indem Positives und Negati-
ves einander wechselseitig ausschließen, schließen sie selbst ihre Selb-
ständigkeit aus, worauf noch einzugehen sein wird.
Die selbständige Reflexionsbestimmung, Positives wie Negatives,
ist so der Widerspruch. Dies ist der Widerspruch des Wesens.13 Die
allgemeine Struktur des Widerspruchs besteht darin, daß etwas in
derselben Rücksicht eine Bestimmung hat und zugleich nicht hat.
Beim Widerspruch des Wesens in seiner Selbstbewegung geht es um
Selbständigkeit und Unselbständigkeit oder Gesetztsein der beiden
Faktoren des Produktionsprozesses des Negativen: des Positiven und
des Negativen, des Positiven als des sich erneuernden selbständigen
Negativen und des Negativen als des Produziervermögens, des Er-
zeugers von neuem Negativem. Sie setzen sich jeweils, indem sie ihr
Anderes setzen, wodurch sie selbständig sind; und sie werden zu-
gleich jeweils von ihrem Anderen gesetzt, wodurch sie unselbständig
sind. Die selbständige Reflexionsbestimmung ist eben der Wider-
spruch, daß sie selbständig ist und in ihrer Selbständigkeit ihre eige-
ne Selbständigkeit aus sich ausschließt, also unselbständig ist. Die-
ser Widerspruch aber muß sich lösen, wenn die Bewegung des Wesens
tatsächlich Selbstbewegung ist.

13 Identität und Unterschied, Gleichheit und Ungleichheit der Verschiedenen, Ge-


gensatz des Positiven und Negativen, Widerspruch – all dies sind Bestimmungen
der Selbstbewegung. Sache der Dialektik ist es nicht, zum Beispiel den Widerspruch
als solchen zum Thema zu machen und alles, was irgendwie über den Widerspruch
sich sagen läßt, so oder anders geordnet anzuführen. Die Bewegungsformen der Dia-
lektik sind Bestimmungen der Selbstbewegung materieller Systeme in ihren Wechsel-
beziehungen, und mit dieser Intention werden sie untersucht und methodisch genutzt.

143
Die Reflexionsbestimmungen

Die Beziehung Unterschied – Widerspruch


Es läßt sich nun die Beziehung darstellen zwischen dem Unterschied,
wie er im ersten Produktionsprozeß des Negativen vorkam, und dem
Widerspruch, wie er jetzt im zweiten Prozeß wirksam ist.
Widerspruch an sich
Der Unterschied überhaupt ist schon der Widerspruch an sich;
und gesetzter denn er ist die Einheit von solchen, die nur sind, insofern sie nicht
Widerspruch eins sind, – und die Trennung solcher, die nur sind als in derselben
Beziehung getrennte oder die aufeinander bezogen sind; also die
Einheit von A und Nicht-A, die nur sind, insofern sie nicht eins sind,
und die Trennung von A und Nicht-A, die aber nur in ihrer Bezie-
hung aufeinander Getrennte sind. Das Getrenntsein der Identität als
des Sicherhaltens des Negativen im Produktionsprozeß des Negati-
ven und des Unterschieds als ihres Nicht enthält an sich die Selb-
ständigkeit beider, die aber noch nicht gesetzt ist. Ihr Einssein, so
daß das Sicherhalten des Negativen nur durch die Beziehung auf den
Unterschied und dieser nur durch die Beziehung auf jenes ist, ent-
hält ebenso an sich die Unselbständigkeit beider. Das Positive und
Negative aber sind der gesetzte Widerspruch, weil sie als negative
Einheiten selbst das Setzen ihrer, und darin jedes das Aufheben sei-
ner und das Setzen seines Gegenteils ist. Das Getrenntsein besteht
jetzt darin, daß jedes negative Einheit ist, also sein Anderes aufge-
hoben enthält und so selbständig ist. Aber indem beide sich als selb-
ständig setzen, schließen sie ihr Gegenteil von sich aus und setzen es
damit. Das Andere ist ein Sein, das für sich besteht, daher nicht in
das Ausschließende als dessen Moment aufgehoben werden kann;
aber Ausschließen ist Negieren der Selbständigkeit des Anderen, in-
dem es durch das Ausschließen in seiner Beziehung auf das Aus-
schließende gesetzt wird. Dadurch heben sie selbst wechselseitig ihre
Selbständigkeit wieder auf.

Positives und Negatives: die bestimmende Reflexion als ausschließende


Positives und Negatives machen die bestimmende Reflexion als aus-
schließende aus. Die Reflexion ist bestimmende, indem der Produk-
tionsprozeß des Negativen durch seine Voraussetzung bestimmt ist,
die er aber selbst immer wieder setzt. Positives und Negatives bilden
selbst die Voraussetzung dieses Prozesses, sie setzen sich in diesem
Prozeß, indem sie sich ausschließen, und im Resultat dieses Aus-
schließens werden sie sich erneut als Voraussetzung herstellen. Weil

144
Der Widerspruch

das Ausschließen Ein Unterscheiden und jedes der Unterschiedenen Jedes schließt sein

als Ausschließendes selbst das ganze Ausschließen ist, so schließt Anderes aus – so

jedes in ihm selbst sich aus. Also zunächst schließt jedes sein Ande- schließt es sich

selbst aus
res aus, was aber bedeutet, daß jedes sich selbst ausschließt. Denn
in demselben Vorgang, in dem das Positive das Negative ausschließt,
schließt das Negative das Positive aus. Indem das Positive sich als Po-
sitives setzt, schließt es das Negative aus, setzt es sein Gegenteil; indem
es sein Gegenteil setzt, setzt es das, von dem es selbst ausgeschlossen
wird. Analog beim Negativen. Dies ist der Widerspruch der Entgegen-
gesetzten: beide sind selbständig und unselbständig zugleich. Indem ihre
Selbständigkeit sich so wieder aufhebt, ist hier noch nicht der Punkt
erreicht, wo die Bewegung vollständig als Selbstbewegung erfaßt ist.

Der Widerspruch des Positiven


Hegel untersucht nun, wie der Widerspruch der selbständigen
Reflexionsbestimmungen „für sich betrachtet“ sich darstellt, also
wie er bei jeder von ihnen in spezieller Weise sich realisiert. Die
beiden selbständigen Reflexionsbestimmungen für sich betrachtet,
so ist das Positive das Gesetztsein als in die Gleichheit mit sich
reflektiert, das Gesetztsein, das nicht Beziehung auf ein anderes ist,
das Bestehen also, insofern das [50] Gesetztsein aufgehoben und
ausgeschlossen ist. Das Positive ist das Gesetztsein als in die Gleich-
heit mit sich reflektiert, aber durch diese Beziehung auf sich hebt das
Positive im Prozeß seiner Formierung das Gesetztsein als Gesetzt-
sein überhaupt durch den vorangegangenen Produktionsprozeß des
Negativen auf, indem es selbständig wird. Indem das Positive sich
im zweiten Produktionsprozeß des Negativen selbst als Positives setzt,
hat es nicht nur das Gesetztsein als Negatives überhaupt aufgeho-
ben, sondern hebt es auch das Gesetztsein der Gleichheit auf: als
sich erneuerndes Negatives setzt es sich dadurch, daß es das Negati-
ve (F) setzt, und zwar so, daß es dieses von sich ausschließt. So wi-
derspricht es sich in seiner Selbständigkeit selbst. Damit aber macht Wie das Positive

sich das Positive zur Beziehung eines Nichtseins, – zu einem sich setzt und

Gesetztsein. Es macht sich zur Beziehung eines Nichtseins, weil im zugleich durch sein

Anderes gesetzt wird


gleichen Moment das Negative sich als selbständig setzt, als Nicht-
sein des Positiven (als Nichtsein ist es nicht vom Positiven gesetzt),
das seinerseits das Positive aus sich ausschließt und setzt, so daß es
wieder ein Gesetztsein ist. So ist das Positive der Widerspruch, daß
es als das Setzen der Identität mit sich durch Ausschließen des Ne-

145
Die Reflexionsbestimmungen

gativen sich selbst zum Negativen von einem – Negatives hier im


Sinne von Gesetztsein durch Anderes – macht, also zu dem Andern,
das es von sich ausschließt, also zu einem Gesetztsein, während es
doch das Negative (F), indem es dieses ausschließt, zu einem sol-
chen macht. Das Andere, das Negative (F), ist als Ausgeschlossenes
frei von dem Ausschließenden gesetzt, hiemit als in sich reflektiert
und selbst ausschließend. So ist die ausschließende Reflexion Set-
zen des Positiven als ausschließend das Andere, so daß dies Setzen
unmittelbar das Setzen seines Andern, es ausschließenden, eben des
Negativen (F), ist. Indem es sich setzt, setzt es sein Anderes, durch
das es zugleich gesetzt wird. Es setzt sich und wird zugleich durch
sein Anderes gesetzt, so daß seine Selbständigkeit im Prozeß aufge-
hoben wird, indem es zugleich selbständig und nicht selbständig ist.

Der Widerspruch des Negativen


Dies ist der absolute Widerspruch des Positiven, aber er ist unmittel-
bar der absolute Widerspruch des Negativen; das Setzen beider ist
Eine Reflexion. D. h. in derselben Bewegung erfolgt das Sichsetzen
des Positiven als das Negative ausschließend, so daß jenes unmittel-
bar das Gesetztwerden des Negativen ist, und das Sichsetzen des Ne-
gativen als das Positive ausschließend, so daß es unmittelbar das
Gesetztwerden des Positiven ist. Indem sie sich setzen, setzen sie je-
weils ihr Anderes, von dem sie gesetzt werden. Das Negative für sich
betrachtet gegen das Positive ist das Gesetztsein als in die Ungleich-
heit mit sich reflektiert, das Negative als Negatives. Aber das Nega-
Das Sichselbst- tive ist selbst das Ungleiche, das Nichtsein eines Andern; somit ist
erzeugen des
die Reflexion in seine Ungleichheit vielmehr seine Beziehung auf
Negativen
sich selbst. Das Gesetztsein ist also Negatives; dieses Negative ist
das Nichtsein eines Anderen: des Sichnegierens als der Aktion des
Produziervermögens; das Sichnegieren hat sich in das Negative –
hier speziell in das Repro-Negative – aufgehoben. Ungleichheit be-
deutet nun Erzeugtwordensein durch den Unterschied, Reflexion des
Gesetztseins in die Ungleichheit mit sich bedeutet die Reproduktion
der Fähigkeit des Unterscheidens, d. h. des Produziervermögens aus
seinem eigenen Produkt. So ist die Reflexion in die Ungleichheit die
Beziehung des Produziervermögens auf sich selbst, d. h. sein Sich-
selbsterzeugen. Hegel betont hier den Unterschied zwischen der Ne-
gation überhaupt und dem Negativen als Negativen. Die Negation
überhaupt ist das Negative als Qualität, oder unmittelbare Be-

146
Der Widerspruch

stimmtheit; dies ist das Negative in der Sphäre des Seins; das Nega-
tive aber als Negatives, ist es bezogen auf das Negative seiner, auf
sein Anderes, d. h. es bezieht sich auf sich selbst als sich beziehend
auf sein Anderes, das Positive; es enthält sein Anderes und schließt
es aus sich aus. Wird dies Negative, das Negative als Seite des Ge-
gensatzes, nur als identisch mit dem ersten, dem Negativen als Qua-
lität, genommen, so ist es, wie auch das erstere, nur unmittelbar; sie,
d. h. das Negative und das Negative seiner, das Positive, werden so
nicht genommen als Andere gegeneinander, somit nicht als Negati-
ve; das Negative ist überhaupt nicht ein Unmittelbares, sondern ver-
mittelt durch das Setzende und seine Aktion. Indem nun ferner aber
ebensosehr jedes dasselbe ist, was das Andere, so ist diese Beziehung
der Ungleichen ebensosehr ihre identische Beziehung. Jedes ist dassel-
be, was das Andere ist, indem sie gegeneinander Negative sind. Negati-
ve sind sie dadurch, daß jedes, insofern es sich setzt, zugleich sein An-
deres setzt, von dem es in ein und derselben Beziehung gesetzt wird.
Dies ist also derselbe Widerspruch, der das Positive ist, nämlich Wie das Negative

Gesetztsein oder Negation als Beziehung auf sich. D. h. das Negati- sich setzt und

ve macht sich ebenfalls selbst zur Beziehung eines Nichtseins, zu zugleich durch sein

Anderes gesetzt wird


einem Gesetztsein. Als Beziehung auf sich oder Setzen der Identität – als der gesetzte

mit sich, somit als sich als Selbständiges setzend, schließt das Nega- Widerspruch

tive sein Anderes, das Positive, aus sich aus, von dem es zugleich
selbst ausgeschlossen und gesetzt wird, so daß das Negative eben-
falls unselbständig ist. Aber das Positive ist nur an sich dieser Wi-
derspruch, das Negative dagegen der gesetzte Widerspruch; denn in
seiner Reflexion in sich, an und für sich Negatives oder als Negati-
ves identisch mit sich zu sein, hat es die Bestimmung, daß es Nicht-
identisches, Ausschließen der Identität sei. Es ist dies, gegen die
Identität identisch mit sich zu sein, hiemit durch seine ausschlie-
ßende Reflexion sich selbst von sich auszuschließen. Das Positive
schließt in seiner Selbständigkeit das Negative aus sich aus; es selbst
ist in diesem Akt selbständig; durch die Aktion des Negativen wird es
unselbständig. Seine Unselbständigkeit ist in seinem Sichsetzen an
sich enthalten, aber durch dieses Setzen selbst noch nicht gesetzt.
Anders beim Negativen. Das Sichselbstsetzen des Negativen in sei-
ner Selbständigkeit ist Ausschließen des Positiven, indem es dieses
sich gegenüberstellt als das zu erneuernde Negative (= Produkt des
Sichnegierens). Dieses Erneuern geschieht durch die Produktion von
neuem Negativem, also durch das Sichnegieren, das Unterscheiden.
Dieses Negieren ist Beziehung des Unterschieds auf sich, sein Sich-

147
Die Reflexionsbestimmungen

betätigen, seine Identität mit sich. Aber als sich von sich Unterschei-
den ist es Nichtidentität, denn das Negieren als Sichnegieren hebt
sich selbst im Negativen als seinem Produkt auf. Mit dem Setzen des
Negativen schließt es die tätige Beziehung auf sich, die seine Identi-
tät ist, aus sich aus. Der Aktor des Unterscheidens setzt das Negati-
ve, das sein Produkt ist, teils als überschüssiges Negatives in das
Positive, das so Sicherneuern des Negativen ist, teils als Repro-Ne-
gatives. Zugleich hat er sein Produziervermögen erschöpft; es muß
dann, im zweiten Reflexionsbogen, wo aus dem Resultat die Voraus-
setzung wird, reproduziert werden. Das heißt also, das Ausschließen
des Positiven ist zugleich das Sichselbstausschließen des Negativen.
Indem es sich als Selbständiges setzt, in demselben Akt, hebt es sich
als Selbständiges selbst auf. So ist es der gesetzte Widerspruch der
Selbständigkeit und Unselbständigkeit.
Das Negative ist also die ganze, als Entgegensetzung auf [51] sich
beruhende Entgegensetzung, der absolute sich nicht auf anderes
beziehende Unterschied; er schließt als Entgegensetzung die Identi-
tät von sich aus, – aber somit sich selbst; denn als Beziehung auf
sich bestimmt er sich als die Identität selbst, die er ausschließt.
2. Positives und Negatives treten also als Selbständige in den Pro-
zeß des Negierens ein; indem sie sich als solche setzen, machen sie
sich zugleich zu Unselbständigen. Um in der Betrachtung der Selbst-
bewegung weiter und zu einem positiven Ergebnis zu kommen, ist es
daher vonnöten zu prüfen, ob und wie dieser Widerspruch sich aufhebt.
Programmatisch stellt Hegel fest: Der Widerspruch löst sich auf.

Nächstes Resultat des Widerspruchs: „die Null“


In der sich selbst ausschließenden Reflexion, die betrachtet wurde,
hebt das Positive und das Negative jedes in seiner Selbständigkeit
sich selbst auf; jedes ist schlechthin das Übergehen oder vielmehr
das sich Übersetzen seiner in sein Gegenteil. Das „Sich-Überset-
zen“ ist auch ein „Sich-Über-Setzen“ in dem Sinne, daß es sich über
sein Anderes setzt: es setzt dieses, und indem es dieses setzt, wird es
Selbständigkeit und von ihm gesetzt. Das spezifische Gegenteil, von dem hier die Rede
Unselbständigkeit ist, ist das Gegenteil der Selbständigkeit, so daß jedes ein Gesetzt-
heben einander auf
sein oder eine Negation – d. h. unselbständig – wird im Resultat
seines Sich-in-seiner-Selbständigkeit-Setzens. Dies rastlose Ver-
schwinden der Entgegengesetzten in ihnen selbst ist die nächste Ein-
heit, die durch den Widerspruch zustande kommt; sie ist die Null.

148
Der Widerspruch

Das bedeutet, daß Selbständigkeit und Unselbständigkeit der beiden


Entgegengesetzten einander aufheben, indem diese zugleich selbstän-
dig und unselbständig sind.

Aufhebung des Gesetztseins der Selbständigkeit von Positivem und


Negativem
Der Widerspruch enthält aber nicht bloß das Negative, sondern auch
das Positive; oder die sich selbst ausschließende Reflexion ist zu-
gleich setzende Reflexion; das Resultat des Widerspruchs ist nicht
nur Null. Von Negativem und Positivem ist an dieser Stelle als von
Kennzeichen des Resultats des Widerspruchs die Rede. Das Sich-
setzen des Positiven und Negativen im Prozeß des Negierens ist das
Selbstsetzen ihrer Selbständigkeit. Das Aufheben dieser Selbstän-
digkeit durch das Einander-Ausschließen und -Setzen ist das Negati-
ve am Resultat. Das Positive an ihm aber ist das Aufheben des Gesetzt-
seins der Selbständigkeit in der Formierung des Gegensatzes, d. h.
in der Reflexion der Gleichheit und Ungleichheit in sich. Das Positi-
ve und Negative machen das Gesetztsein der Selbständigkeit aus; die
Negation ihrer durch sie selbst hebt das Gesetztsein der Selbständigkeit
auf. Dies ist es, was in Wahrheit im Widerspruch zugrund geht.
Dieser Vorgang ist nun näher zu betrachten.
Erstens. Die Reflexion in sich, wodurch die Seiten des Gegensat-
zes sich zu selbständigen Beziehungen auf sich machen, ist zunächst
ihre Selbständigkeit als unterschiedener Momente; sie sind so nur
an sich diese Selbständigkeit, denn sie sind noch entgegengesetzte,
und daß sie es an sich sind, macht ihr Gesetztsein aus. Sie hatten Formierung des

also ihr Gesetztsein als Negatives durch den ersten Produktionspro- Positiven und

zeß des Negativen aufgehoben und sich so selbständig gemacht. Aber Negativen:

1. Aufhebung des
die Selbständigen sind in sich reflektierte Gleichheit und Ungleich- Gesetztseins
heit und haben als so unterschiedene Momente Selbständigkeit oder überhaupt, aber

sind noch entgegen-gesetzte; sie hatten ihr Gesetztsein überhaupt 2. Gesetztsein der

aufgehoben, hatten aber das Gesetztsein der Gleichheit und der Un- Gleichheit und

Ungleichheit der
gleichheit an ihnen. Diese Bestimmungen im Resultat des ersten Pro- Verschiedenen = an
zesses waren vorhanden, und als vorhandene mußten sie sich in sich sich Selbständigkeit

reflektieren. Aber sie hatten sie nicht selbst gesetzt, so daß sie diese
Selbständigkeit nur an sich waren. Dieses „an sich“ war das Gesetzt-
sein als Entgegengesetzte, als Gleichheit und Ungleichheit, das sie
noch nicht aufgehoben hatten. Zweitens. Aber ihre ausschließende
Reflexion hebt dies Gesetztsein auf, macht sie zu fürsichseienden

149
Die Reflexionsbestimmungen

Aufhebung des Selbständigen, zu solchen, die nicht nur an sich, sondern durch ihre
Gesetztseins der negative Beziehung auf ihr Anderes selbständig sind; ihre Selbstän-
Gleichheit und
digkeit ist auf diese Weise auch gesetzt. Das im Gegensatz vorhan-
Ungleichheit, indem

Positives und
dene Gesetztsein der Selbständigkeit oder die Selbständigkeit „an
Negatives sich sich“ wird dadurch aufgehoben, daß jedes – Positives wie Negatives –
selbst setzen = im Produktionsprozeß des Negativen sich selbst setzt und das Andere
gesetzte oder
ausschließt, worin ihre negative Beziehung auf ihr Anderes besteht.
fürsichseiende

Selbständigkeit
Das Positive setzt sich selbst als erneuertes Negatives (P), das sich
erneuert und hebt so das Gesetztsein der Gleichheit auf. Ebenso setzt
das Negative sich selbst als Produziervermögen, das überschüssiges
und Repro-Negatives erzeugt und hebt so das Gesetztsein der Un-
gleichheit auf. Sie selbst setzen so ihre Selbständigkeit. Aus ihrer
ansichseienden wird die fürsichseiende Selbständigkeit. Drittens.
Aber ferner machen sie sich durch dies ihr Setzen zu einem Gesetzt-
sein. Sie richten sich zugrunde, indem sie sich bestimmen als das
mit sich Identische, aber darin vielmehr als das Negative, als ein mit
sich Identisches, das Beziehung auf anderes ist. Im Prozeß schließen
sie einander aus, jedes setzt sich selbst als das, was es ist, jedes ist
ein mit sich Identisches, indem es sich so erhält. Das bedeutet, daß
dasjenige Gesetztsein, das sie als Seiten des Gegensatzes – der Vor-
aussetzung des Prozesses – noch hatten, aufgehoben ist. Sie sind jetzt
nicht nur durch ihre Reflexion des Gesetztseins als des Negativen
überhaupt in sich selbständig, sondern durch ihr Sichselbstsetzen in
der Bestimmtheit, in der sie selbständig geworden waren, und dies
ist zugleich die negative Beziehung auf ihr Anderes, dessen Ausschlie-
ßen. Ihre Selbständigkeit ist so nicht mehr nur an sich, sondern durch
ihre eigene Aktion im Produktionsprozeß des Negativen auch gesetzt,
also für sich. Aber damit machen sie sich zu einem neuen Gesetzt-
sein. Das Identische, als das sie sich im Ausschließen setzen, ist zu-
gleich ein Negatives dessen, das jedes ausgeschlossen hat, weil es
Sichsetzen als von diesem wieder ausgeschlossen wird. Sie heben also ihr Gesetzt-
Einanderaus- sein auf, das sie als Entgegengesetzte oder als Seiten des Gegensat-
schließen – neues
zes noch hatten, der die Voraussetzung des Prozesses ist. Aber im
Gesetztsein des

Positiven und
Prozeß bewirken sie ein neues wechselseitiges Gesetztsein. Der Nach-
Negativen weis dieses neuen, wenn auch anderen Gesetztseins macht deutlich,
daß die Erklärung der Selbstbewegung noch nicht am Ziel ist.
Allein diese ausschließende Reflexion ist näher betrachtet nicht
nur diese formelle Bestimmung. Sie ist erstens ansichseiende Selb-
ständigkeit, d. h. die Selbständigkeit, wie sie Positives und Negatives
oder die Entgegengesetzten als Voraussetzung des Prozesses haben,

150
Der Widerspruch

und zweitens das Aufheben dieses Gesetztseins dadurch, daß jedes


im Prozeß selbst sich als Selbständiges setzt, und durch dies Aufhe-
ben erst fürsichseiende und in der Tat selbständige Einheit. Durch
das Aufheben des Andersseins oder [52] Gesetztseins – der ansich-
seienden Selbständigkeit – ist zwar – im Ergebnis des Sichsetzens,
also ihrer fürsichseienden Selbständigkeit, die aber zugleich wech-
selseitiges Ausschließen und Setzen ist – wieder das Gesetztsein, das
Negative eines Andern, vorhanden. Aber in der Tat ist diese Negati-
on nicht wieder nur erste unmittelbare Beziehung auf anderes, nicht
Gesetztsein als aufgehobene Unmittelbarkeit, wie sie als Aufhebung
der Bestimmungen des Resultats des vorangegangenen Produktions-
prozesses des Negativen, als Reflexion der Gleichheit und Ungleich-
heit in sich war, sondern Gesetztsein als aufgehobenes Gesetztsein –
als Aufhebung der ansichseienden Selbständigkeit durch das Sich-
setzen, wodurch die fürsichseiende Selbständigkeit war, und als Auf-
hebung dieses Gesetztseins der Selbständigkeit als fürsichseiender
durch das wechselseitige Ausschließen. Die ausschließende Reflexi-
on der Selbständigkeit, indem sie ausschließend ist, macht sich zum
Gesetztsein, aber ist ebensosehr Aufheben ihres Gesetztseins. Damit
nähert sich die Betrachtung der Selbstbewegung ihrem Ziel: dem
Nachweis dessen, das selbständig ist, indem es sich selbst setzt und
sein Gesetztsein wieder aufhebt, also erneut sich setzt. Diese Selb-
ständigkeit haben Positives wie Negatives für sich genommen nicht.
Beide setzen sich, als in sich reflektierte Gleichheit das eine, das
andere als in sich reflektierte Ungleichheit; sie heben ihre ansichsei-
ende Selbständigkeit auf, setzen ihre fürsichseiende Selbständigkeit,
indem sie ihr Anderes ausschließen, also setzen, von dem sie wieder
gesetzt werden, so daß jedes ein Gesetztes oder Negatives, d. h.
Unselbständiges,ist und die fürsichseiende Selbständigkeit ebenfalls
aufgehoben ist. Es fragt sich aber, ob ihre Bewegung, in der jedes
sich setzt, indem es sein Nichtsein setzt und so zugleich gesetzt wird,
sich in diesem Sichsetzen und Gesetztwerden beider erschöpft oder
ob sie mehr ist als dieses Von-Anderem-abhängig-sein und zugleich
durch Beziehung auf sich selbst selbständig zu werden, wie es für die
bisher betrachteten Reflexionsbestimmungen kennzeichnend ist.
Zunächst sind Positives und Negatives in derselben Phase der Re-
flexion am Wirken: im Produktionsprozeß des Negativen, in dem sie
die Funktionen von Identität und Unterschied realisieren. Sie setzen
sich, indem sie einander setzen. Dadurch unterscheiden sie sich von
den Reflexionsbestimmungen des ersten Prozesses, die einander vor-

151
Die Reflexionsbestimmungen

fanden und noch nicht als Selbständige (selbständig Gewordene) ein-


ander setzten, und von den folgenden, die Gesetztsein durch die je-
weils vorhergehenden und auf dieser Basis Beziehung auf sich sind.
Positives und Negatives setzen dagegen sich selbst, indem sie ihr
Anderes setzen, von dem sie gesetzt werden. Jedes ist als Sichsetzen
in der Beziehung auf sein Anderes Setzen und Gesetztwerden. Oder
jedes ist Sichsetzen als Setzen des Anderen, und dieses ist sein, des
Sichsetzenden, Gesetztwerden. Diese Aktionen sind kein Nacheinan-
der, sondern ein Zugleich: indem das eine dies macht, macht es auch
das andere. Dieses Zugleich ist nicht so sehr zeit- als vielmehr in-
haltliche Bestimmung. Denn jedes setzt als Sichsetzendes sein Ande-
res, um dessen Wirken in sich aufzunehmen, das Positive und das
Negative in je spezifischer Weise. So sind aber beide in bezug auf ihr
Anderes nicht bloßes Gesetztwerden, sondern sie nehmen das Setzen
des Anderen in sich auf und erhalten sich dadurch als die, die sie
sind. Jedes kann das Andere nur setzen, weil das Andere es ebenfalls
braucht. Diese Bewegung bleibt so in sich. So beginnt der zweite
Prozeß mit den Selbständigen, die in Beziehung zueinander treten;
das Sichsetzen als Setzen des Anderen und damit zugleich das Gesetzt-
werden durch das jeweils Andere ist der Prozeß selbst; und am Ende
haben sich beide und sind beide gesetzt. Positives und Negatives sind
also selbständig, indem sie sich und ihr Anderes setzen, und zugleich
unselbständig, indem sie vom Anderen gesetzt werden. Etwas, das
zugleich selbständig und unselbständig ist, kann nicht für sich allein
bestehen; es braucht sein Anderes. So kann nur ihr Verhältnis, ihr
Prozeß miteinander selbständig werden und sein. Indem Positives
und Negatives sich wechselseitig setzen, haben sie ihr Verhältnis selbst
gesetzt. Es ist nicht mehr von anderem in der Reflexion gesetzt wor-
den. Es ist nicht das Gesetztsein oder das Negative eines anderen.
Das Verhältnis setzt nicht etwas anderes als es selbst ist, sondern
sich selbst. Es ist das Setzende und das Gesetzte, und es hebt sein
Gesetztsein wieder auf, indem es erneut das Setzende ist. Selbstän-
dig geworden ist also das Verhältnis von Positivem und Negativem
als ausschließende Reflexionseinheit. Sie heben das Gesetztsein ih-
res Verhältnisses selbst auf, indem sie imstande sind, ihr Verhältnis
erneut zu setzen: beide haben sich im zweiten Prozeß erhalten und
verfügen im neu gesetzten Negativen über das Mittel zu ihrer Repro-
duktion, in deren Ergebnis sie erneut die Voraussetzung des
Produktionsprozesses des Negativen bilden. Sie sind am Ende des
zweiten Prozesses wieder als die Akteure dieses Verhältnisses da und

152
Der Widerspruch

treten in dieser Bestimmung in die Phasenreihenfolge ein, die zur


Reproduktion der Voraussetzung des Produktionsprozesses des Ne-
gativen führt. Ihr Verhältnis hat sein Bestehen allein durch ihre Aktion.

Die ausschließende Reflexion als Selbstgesetztsein,


das sich selbst aufhebt
Die ausschließende Reflexion ist aufhebende Beziehung auf sich; sie
hebt darin erstens das Negative auf, d. h. durch ihr Sichsetzen das
Gesetztsein, das im an sich Selbständigen (das noch vorhandene
Gesetztsein von Gleichheit und Ungleichheit) enthalten ist, und zwei-
tens setzt sie sich als Negatives – erneutes Gesetztsein durch das
Ausschließen – und dies ist erst dasjenige Negative, d. h. das Gesetzt-
sein, das sie aufhebt, indem sie sich erneut setzt. Im Aufheben des
Negativen setzt und hebt sie zugleich es auf. Dies kennzeichnet die
Selbständigkeit der ausschließenden Reflexionseinheit: Sie hebt das
Gesetztsein, das die ansichseiende Selbständigkeit ist und der For-
mierung des Gegensatzes angehört, also dieses Negative, auf, indem
Positives und Negatives sich setzen, produziert ein neues Gesetzt-
sein, indem sie einander ausschließen, also wieder ein Negatives,
und dieses hebt sie wiederum auf, indem sie erneut Setzen wird. Die Das Verhältnis von

ausschließende Bestimmung selbst ist auf diese Weise sich das An- Positivem und

dre, dessen Negation sie ist. D. h. sie hat nicht ein Anderes sich Negativem setzt sich

und hebt sein


gegenüber, sondern sie selbst ist es, die sich negiert und so als Gesetztsein auf, um

Gesetztsein da ist. Das Aufheben dieses Gesetztseins ist daher nicht sich erneut zu

wieder Gesetztsein als das Negative eines Andern, sondern ist das setzen

Zusammengehen mit sich selbst, das positive Einheit mit sich ist.
Das Positive wie das Negative sind, jedes für sich betrachtet, im
Resultat wechselseitigen Ausschließens jeweils das Negative ihres
Anderen. Die ausschließende Reflexionseinheit dagegen ist nicht mehr
durch Anderes gesetzt, sondern sie selbst hat sich gesetzt, und sie
selbst hebt ihr Gesetztsein wieder auf. So geht sie in ihrem Sich-
setzen und Sichaufheben mit sich zusammen.
Das Sichselbstsetzen des Verhältnisses von Positivem und Negati-
vem als ausschließende Reflexionseinheit bestimmt den Produktions-
prozeß des Negativen von seinem Anfang bis zu seinem Resultat.
Positives und Negatives in ihrer Entgegensetzung bilden als an sich
Selbständige die Voraussetzung dieses Prozesses. Sie realisieren die-
sen Prozeß, indem sie sich setzen und zugleich einander wechselsei-
tig ausschließen. Indem sie sich selbst in ihrer neuen Bestimmtheit

153
Die Reflexionsbestimmungen

setzen, realisieren sie ihre fürsichseiende Selbständigkeit; durch das


Ausschließen des Anderen, von dem sie selbst gesetzt werden, ma-
chen sie sich erneut zu einem Gesetztsein. Am Ende dieses Prozesses
aber reflektieren sie sich in sich oder kehren sie in sich zurück. Das
Positive hat sich als das Sicherneuernde, das den Prozeß begonnen
hatte, tatsächlich erneuert. Und das Negative, das als Produzier-
vermögen den Prozeß begonnen hatte, hat sich durch das Ausschlie-
ßen des Positiven und zugleich seiner Identität mit sich als dieses
Vermögen bewährt und erhalten.
Am Ende des Prozesses also sind Positives und Negatives wieder
da als die, die erneut sich selbst setzen werden, indem sie ihr jeweils
Anderes setzen, von dem sie gesetzt werden. So hebt das Verhältnis der
Entgegengesetzten sein Gesetztsein auf und setzt sich in der Aktion des
Positiven und Negativen selbst von neuem. Sie werden Voraussetzung
des Prozesses, indem sie sich aus seinem Resultat reproduzieren. Aber
nun ist es der so vorhandene Gegensatz, der sich aus dem Produkt er-
neuert und so imstande ist, die Funktion der Voraussetzung zu realisie-
ren. Die Selbständigkeit ist so durch ihre eigene Negation in sich zu-
rückkehrende Einheit, indem sie durch die Negation ihres Gesetztseins
in sich zurückkehrt. Sie ist die Einheit des Wesens, durch die Negation
nicht eines Andern, sondern ihrer selbst identisch mit sich zu sein.
Die Betrachtung der Vollendung der Selbständigkeit des Wesens
in seiner Selbstbewegung klärt auch die Frage, ob eine dieser Pha-
sen, speziell ob der hier so genannte erste oder zweite Reflexions-
bogen der „wichtigste“ in dieser Bewegung sei. Sie sind alle „wich-
tig“; sie alle müssen mehr oder minder reibungslos durchlaufen
werden. Allerdings bringt das sich selbst setzende Verhältnis den
ganzen Kreislauf der Selbstbewegung unter seine Dominanz. Es be-
stimmt den Rhythmus dieser Gesamtbewegung. Damit stellt sich das
Problem, ob der Grund auch funktioniert, ob Positives und Negatives
sich setzen können, indem sie einander setzen usw. Wenn er nicht mehr
funktioniert, fault das System vor sich hin und überlebt sich schließlich.
Das System aufzuheben ist nur dadurch möglich, daß sein Grund aufge-
hoben wird, sobald die Voraussetzungen dafür vorhanden sind.

Rückgang des Gegensatzes in den Grund. Das Wesen als Grund


3. Der Widerspruch des Wesens ist also der zwischen Selbständigkeit
und Unselbständigkeit der Entgegengesetzten, d. h. des Positiven und
des Negativen. Gelöst wird er nur durch die Bewegung der ausschlie-

154
Der Widerspruch

ßenden Reflexionseinheit. Die Selbständigkeit ist nun nicht mehr als


Selbständigkeit der Reflexionsbestimmungen Positives und Negati-
ves je für sich gefaßt, sondern als Selbständigkeit der ausschließen-
den Reflexionseinheit, die als Gegensatzverhältnis von Positivem und
Negativem vorhanden ist. Nach dieser positiven Seite der Auflösung Das sich selbst

des Widerspruchs, daß die Selbständigkeit im Gegensatze als aus- setzende und sein

schließende Reflexion sich zum Gesetztsein macht und es ebenso- Gesetztsein wieder

aufhebende
sehr aufhebt, Gesetztsein zu sein, ist der Gegensatz nicht nur zu- Verhältnis – Grund

grunde, sondern in seinen Grund zurückgegangen. Denn das der Selbstbewegung

Gegensatzverhältnis von Positivem und Negativem als negative


Reflexionseinheit enthält alles, was nötig ist, um sich selbst zu setzen
und sein Durch-sich-selbst-Gesetztsein selbst aufzuheben, indem es
sich wieder als das Setzende formiert. So ist es der Grund der gan-
zen Bewegung als Selbstbewegung. Die ausschließende Reflexion
des selbständigen Gegensatzes macht ihn zu einem Negativen, nur
Gesetzten; sie setzt dadurch ihre zunächst selbständigen Bestimmun-
gen, das Positive und Negative, zu solchen herab, welche nur Bestim-
mungen sind; nur Bestimmungen sind sie, indem sie durch das wech-
selseitige Ausschließen beide Gesetztsein oder Negation sind; und indem
so das Gesetztsein zum Gesetztsein gemacht wird, ist es überhaupt in
seine Einheit mit sich zurückgekehrt; es ist das einfache Wesen, aber
das Wesen als Grund. Das ist das Gesetztsein als Gesetztsein der aus-
schließenden Reflexionseinheit, die sich selbst gesetzt, also zum Gesetzt-
sein gemacht hat. Das Sichselbstsetzende ist das Wesen als Grund. Durch
das Aufheben der sich an sich selbst widersprechenden Bestimmungen
des Wesens ist dieses wiederhergestellt, jedoch mit der Bestimmung,
ausschließende Reflexionseinheit zu sein, – einfache Einheit, welche
sich selbst als Negatives bestimmt, aber in diesem Gesetztsein unmittel-
bar sich selbst gleich und mit sich zusammengegangen ist. Die an sich
selbst widersprechenden Bestimmungen des Wesens sind das Positive
und das Negative als selbständig und gesetzt oder unselbständig. Auf-
gehoben werden diese widersprechenden Bestimmungen, indem es die
ausschließende Reflexionseinheit ist, die sich selbst setzt und so das
Selbständige ist. In diesem Gesetztsein ist sie sich selbst gleich oder mit
sich zusammengegangen, indem sie sich selbst gesetzt hat.
Zunächst geht also der selbständige Gegensatz durch seinen Wi-
derspruch in den Grund zurück; jener an sich selbständige Gegen-
satz ist das Erste, [53] Unmittelbare, der Gegensatz als Vorausset-
zung des Prozesses, von dem angefangen wird, und der aufgehobene
Gegensatz oder das aufgehobene Gesetztsein von Gleichheit und Un-

155
Die Reflexionsbestimmungen

gleichheit ist selbst ein Gesetztsein: das wechselseitige Gesetztsein


des Positiven und Negativen, nun aber gefaßt als Durch-sich-selbst-
Gesetztsein der ausschließenden Reflexionseinheit. Somit ist das
Wesen als Grund ein Gesetztsein, ein gewordenes. Aber umge-
kehrt hat sich nur dies gesetzt, daß der Gegensatz oder das Gesetzts-
ein ein aufgehobenes, nur als Gesetztsein ist. Aufgehoben ist erstens
das Gesetztsein als Resultat des Produktionsprozesses des Negati-
ven überhaupt durch die Reflexion des Gesetztseins in die Gleichheit
und die Ungleichheit mit sich; so war die an sich Selbständigkeit
vorhanden; aufgehoben ist zweitens das Gesetztsein der Gleichheit
und Ungleichheit durch das Sichsetzen des Positiven wie des Negati-
ven, wodurch ihre Selbständigkeit fürsichseiende wurde; aber drit-
tens ist jetzt ihr erneutes wechselseitiges Gesetztsein da, aber als
Gesetztsein der ausschließenden Reflexionseinheit, die als solche sich
selbst gesetzt hat. Das Wesen ist also als Grund so ausschließende
Reflexion, daß es sich selbst zum Gesetztsein macht, daß der Gegen-
satz, von dem vorhin der Anfang gemacht wurde und der das Unmit-
telbare war, die nur gesetzte, bestimmte Selbständigkeit des Wesens
ist, und daß er nur das sich an ihm selbst Aufhebende, das Wesen
aber das in seiner Bestimmtheit in sich reflektierte ist. Das Wesen
setzt sich selbst oder macht sich selbst zum Gesetztsein. Der Gegen-
satz, der die Voraussetzung des Prozesses des Negierens ist, ist ge-
setzte Selbständigkeit des Wesens, insofern er Reflexion der Gleich-
heit und der Ungleichheit in sich ist – als Bestimmungen des Resultats,
gesetzt durch den vorangehenden Produktionsprozeß des Negativen.
Er hebt sich an ihm selbst auf, indem er die ansichseiende Selbstän-
digkeit aufhebt, dadurch, daß Positives und Negatives im neuen Pro-
duktionsprozeß sich selbst setzen; aber indem sie zugleich ihr Ande-
res ausschließen, werden sie zum Negativen ihres Anderen. Das Wesen
dagegen ist in sich reflektiert, indem es sich selbst setzt in seiner
Bestimmtheit, d. h. als Verhältnis von Positivem und Negativem. Das
Wesen schließt als Grund sich von sich selbst aus, es setzt sich; im
Unterschied zum Positiven und Negativen, die, jedes für sich be-
trachtet, indem sie sich setzen, ihr jeweils Anderes ausschließen und
dieses setzen, setzt ihr Verhältnis nur sich selbst; das Ausgeschlosse-
ne des sich setzenden Verhältnisses ist nicht hier das Positive, dort
das Negative, sondern das Verhältnis von Positivem und Negativem
als solches, und zwar so, wie sie sich wechselseitig gesetzt haben;
sein Gesetztsein, welches das Ausgeschlossene ist, – ist nur als
Gesetztsein, als Identität des Negativen mit sich selbst. Das Wesen

156
Der Widerspruch

schließt sich selbst aus; es setzt nicht etwas von ihm Unterschiede-
nes, sondern nur sich. Es hebt sich als Setzen auf, und sein Gesetzt-
sein ist es selbst; es ist jetzt als Gesetztsein da, als das, das sich
gesetzt hat. Das, was sich gesetzt hat, ist nur auf sich bezogen. Dies
Selbständige ist das Negative, gesetzt als Negatives; ein sich selbst Wi-
dersprechendes, das daher unmittelbar im Wesen als seinem Grunde
bleibt. Das Selbständige setzt sich, ist so ein Gesetztes, ein Negatives;
aber es ist durch sich selbst gesetzt, und als Negatives bezieht es sich
auf sich, ist es selbständig. Als zugleich Setzendes und Gesetztes wider-
spricht es sich selbst, und es hebt seinen Widerspruch selbst auf, indem
es selbständig ist im Ergebnis dieses Prozesses und sich erneut setzt.
Der aufgelöste Widerspruch ist also der Grund, das Wesen als Ein-
heit des Positiven und Negativen. Im Gegensatze ist die Bestimmung
zur Selbständigkeit gediehen; der Grund aber ist diese vollendete
Selbständigkeit. Die Selbständigkeit ist vollendet im Sichselbstsetzen
des Wesens. Das Negative ist im Grund selbständiges Wesen, aber
als Negatives; so ist er ebensosehr das Positive als das in dieser
Negativität mit sich Identische. Der Gegensatz und sein Widerspruch
ist daher im Grunde so sehr aufgehoben als erhalten. Der Grund ist
das Wesen als die positive Identität mit sich, aber die sich zugleich
als die Negativität auf sich bezieht, sich also bestimmt und zum aus-
geschlossenen Gesetztsein macht. Positive Identität mit sich ist es
als das Sichsetzen von Positivem und Negativem in ihrer Beziehung
auf ihr Anderes; als diese Einheit, als diese tätige Wechselwirkung
aber setzt es sich, macht es sich zum ausgeschlossenen Gesetztsein,
in dem Sinn, daß das Verhältnis sich selbst ausschließt, indem es sich
setzt oder aus dem Prozeß in das Resultat sich umsetzt. Dies Gesetzt-
sein aber ist das ganze selbständige Wesen, und das Wesen ist Grund,
als in dieser seiner Negation identisch mit sich selbst und positiv.
Dieses Gesetztsein enthält erneut die Beziehung des Positiven und
Negativen, die in ihrem Wirken den Prozeß des Sichsetzens des We-
sens erneuern werden. Der sich widersprechende selbständige Ge-
gensatz war also bereits selbst der Grund; es kam nur die Bestim-
mung der Einheit mit sich selbst hinzu, welche dadurch hervortritt,
daß die selbständigen Entgegengesetzten jedes sich selbst aufhebt
und sich zu dem Andern seiner macht, somit zugrunde geht, aber
darin zugleich nur mit sich selbst zusammengeht, also in seinem Unter-
gange, das ist in seinem Gesetztsein oder in der Negation, vielmehr
erst das in sich reflektierte, mit sich identische Wesen ist.
Indem also Positives und Negatives als ausschließende Reflexion,

157
Die Reflexionsbestimmungen

als diese Einheit gefaßt werden, die sich selbst setzt und ihr Gesetzt-
sein selbst wieder aufhebt, von anderem weder gesetzt noch aufge-
hoben wird, so erweist sich diese Einheit in ihrem Setzen und Aufhe-
ben des Gesetztseins als Grund der selbständigen Bewegung oder
Selbstbewegung des Wesens und damit des Systems, dessen Wesen es
ist. Selbständig ist nicht das Positive oder das Negative für sich al-
lein, sondern das Verhältnis, das Hegel ausschließende Reflexion der
Selbständigkeit nennt. Damit ist nachgewiesen, wie die Reflexions-
bestimmungen jene Selbständigkeit realisieren, die die Reflexion als
Ganzes auszeichnet. Bei ihrer Behandlung hatte sich ergeben, daß
das Sichnegieren sich in das Negative aufhebt, indem es dieses setzt,
so daß das Negative sein Aufgehobensein, seine eigenes Ansichsein
ist; dieses Negative hebt sich wiederum in den Prozeß des Negierens
auf, oder das Sichnegieren stellt sich aus seinem Negativen wieder her.
Hegel hatte dies als „die reine Negativität“ beschrieben, „die nichts
außer ihr hat, das sie negierte, sondern die nur ihr Negatives selbst
negiert, das nur in diesem Negieren ist.“ (L II, 14) Jetzt haben sich
die Reflexionsbestimmungen gebildet und sind als solche am Wir-
ken. Was sich jetzt setzt, ist nicht mehr das Sichnegieren allein, son-
dern das Verhältnis des Positiven und Negativen als ausschließende
Reflexionseinheit; es selbst ist Sichsetzen, und im Prozeß seines Sich-
setzens verwandelt es sich in Gesetztsein; es ist erst als Setzendes da
und dann als sein eigenes Gesetztsein, und dieses Gesetztsein hebt
sein eigenes Gesetztsein wieder auf, indem es erneut Sichsetzendes
wird. Zwischen dem Gesetzsein und dem erneuten Sichsetzenden liegt
die Bewegung, in der das Gesetzte sich befähigt, wieder Sichsetzendes
zu werden. D. h. der ganze Kreisprozeß der Selbstbewegung ist jetzt:
Sichsetzen des Verhältnisses der Entgegengesetzten; Gesetztsein des
Verhältnisses; Aufheben des Gesetztseins, indem die Entgegengesetz-
ten sich reproduzieren, selbständig werden und sich erneut in ihrem
Verhältnis setzen.
Die Funktion des Widerspruchs und seiner Lösung ist es, die Selbst-
reproduktion des Verhältnisses von Positivem und Negativem zu si-
chern. Die beständige Selbstreproduktion eben dieses Verhältnisses
bedeutet Selbstbewegung des Systems.

Fünfte Bestimmung der Selbstbewegung


Die Anmerkung 3 zur Abteilung „C. Der Widerspruch“ ist die fünfte
Stelle, an der sich Hegel zusammenfassend über die Selbstbewegung

158
Der Widerspruch

äußert. Hier betont er: Der Widerspruch „ist die Wurzel aller Bewe- Die Wurzel aller

gung und Lebendigkeit; nur insofern etwas in sich selbst einen Wi- Bewegung und

Lebendigkeit
derspruch hat, bewegt es sich, hat Trieb und Tätigkeit.“ [58] Die
Entgegengesetzten müssen beständig sich setzen, indem sie ihr An-
deres ausschließen, d. h. in dieser Bestimmung setzen. Nur durch
diesen Prozeß lebt das System, bewegt es sich selbst. Der Wider-
spruch ist so „nicht bloß als eine Abnormität zu nehmen, die nur hier
und da vorkäme, sondern ist das Negative in seiner wesenhaften Be-
stimmung, das Prinzip aller Selbstbewegung, die in nichts weiter
besteht, als in einer Darstellung desselben.“ [59] Hegel äußert sich
hier zugleich über den Widerspruch der Selbstbewegung historisch
bestimmter Systeme. Ein System ist nur lebensfähig, wenn es imstan-
de ist, seinen Widerspruch „auszuhalten“, anderenfalls ist es zum
Untergang verurteilt. „Die abstrakte Identität mit sich ist noch keine
Lebendigkeit, sondern daß das Positive an sich selbst die Negativität
ist, dadurch geht es außer sich und setzt sich in Veränderung. Etwas
ist also lebendig, nur insofern es den Widerspruch in sich enthält,
und zwar diese Kraft ist, den Widerspruch in sich zu fassen und aus-
zuhalten. Wenn aber ein Existierendes nicht in seiner positiven Be-
stimmung zugleich über seine negative überzugreifen und eine in der
andern festzuhalten, den Widerspruch nicht in ihm selbst zu haben
vermag, so ist es nicht die lebendige Einheit selbst, nicht Grund,
sondern geht in dem Widerspruch zugrunde.“ [59] Positives wie Ne-
gatives müssen den Widerspruch aushalten, so, daß jedes sich als
selbständig setzt, indem es immer wieder sein Anderes setzt, durch
das es unselbständig ist. Es fragt sich dann hinsichtlich historisch
bestimmter Systeme, wie es dazu kommt, daß eines sein Anderes nicht
mehr setzen kann und das System an seinem Widerspruch zugrunde
geht.

159
Zweite Abteilung:
Diskussion

Hegels „Logik“ und die Methode


des Bearbeitens in
Marx’ „Grundrissen der Kritik
der politischen Ökonomie“
(Studie)

161
„by mere accident“

In dieser Studie soll Hegels Konzeption der Selbstbewegung, wie er


sie in den Kapiteln über den Schein und die Reflexionsbestimmungen
darstellt, aus der Sicht der Kapitalanalyse und -kritik in Marx’ „Grund-
rissen“ diskutiert werden. Zwischen beiden Werken gibt es eine enge
Beziehung auf methodischer Ebene. Auf sie verwies Marx, als er um
Beziehung zwischen den 16. Januar 1858 seinem Freund Engels schrieb: „In der Methode
„Logik“ und des Bearbeitens hat es mir großen Dienst geleistet, daß ich by mere
„Grundrissen“ auf
methodischer Ebene accident – Freiligrath fand einige, ursprünglich dem Bakunin gehörige
Bände Hegels und schickte sie mir als Präsent – Hegels ,Logik‘ wieder
durchgeblättert hatte.“14 Die Rede ist von Marx’ „Ausarbeitung der
Grundzüge der Ökonomie“15. Von Oktober 1857 bis Mai 1858 schrieb
er die erste Fassung seines Hauptwerkes „Das Kapital“, die unter dem
Titel „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“ bekannt ist.
Er war unter anderen Bedingungen tätig als die Universitäts-
gelehrten damals oder heute. Am Tage mußte er arbeiten, um fürs
tägliche Brot zu sorgen, an seiner Ökonomie saß er nachts16. Seine
ökonomische Theorie wollte er möglichst schnell vorlegen, weil er
mit einem revolutionären Aufschwung im Gefolge der Krise von 1857
rechnete. „Ich arbeite wie toll die Nächte durch an der Zusammen-
fassung meiner ökonomischen Studien, damit ich wenigstens die
Grundrisse im klaren habe bevor dem déluge.“17 Immerhin verfaßte
er in dieser kurzen Zeit und unter diesen beschwerlichen Umständen

14 Marx an Engels in Manchester. Brief um den 16. Januar 1858. In: MEW, Bd. 29,
S. 260. – Die Hegel-Bände hatte Marx erst nach dem 22. Oktober 1857 in der Hand
– vgl.: Freiligrath an Marx. Brief vom 22. Oktober 1857. In: Freiligraths Briefwech-
sel mit Marx und Engels, Teil I, Berlin 1968, S. 96.
15 Marx an Engels in Manchester. Brief vom 18. Dezember 1857. In: MEW, Bd.
29, S. 232.
16 Vgl.: Jenny Marx an Konrad Schramm in Jersey. Brief vom 8. Dezember 1857.
In: MEW, Bd. 29, S. 645.
17 Marx an Engels in Manchester. Brief vom 8. Dezember 1857. In: MEW, Bd.
29, S. 225.

162
Einleitung
ein Manuskript von über 50 Druckbogen. Dies alles deutet auch die
Bedingungen an, unter denen er Hegels Methode für die Bearbeitung
der ökonomischen Theorie fruchtbar machte. Er hatte nicht viel Zeit
für die Auffrischung seiner Hegel-Kenntnis. Allerdings hatte er sich
während der Berliner Studienjahre gründlich mit Hegel befaßt; da-
von zeugten dann in den „Ökonomisch-philosophischen Manuskrip-
ten aus dem Jahre 1844“ insbesondere das Manuskript, das der Kri-
tik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt gewidmet
ist18 , oder in der „Deutschen Ideologie“ beispielsweise die Passagen
über Hegels Lehre vom Wesen in der kritischen Auseinandersetzung
mit Stirner19. Und schon vor dem Erhalt des Freiligrathschen Präsents
hatte Marx über die Anwendung von Hegels Methode in der syste-
matischen Darstellung des bürgerlichen Produktionssystems nach-
gedacht. Davon zeugt die „Einleitung“ in die „Grundrisse“, geschrie-
ben Ende August 1857, und hier speziell der Abschnitt „3. Die
Methode der politischen Ökonomie“20, wo er erläutert, wie die Me-
thode des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten in der politi-
schen Ökonomie angewendet werden soll. Er schreibt hier über „die
wissenschaftlich richtige Methode“: „Das Konkrete ist konkret, weil
es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist, also Einheit des
Mannigfaltigen. Im Denken erscheint es daher als Prozeß der Zu-
sammenfassung, als Resultat, nicht als Ausgangspunkt, obgleich es
der wirkliche Ausgangspunkt und daher auch der Ausgangspunkt der
Anschauung und der Vorstellung ist.“21 Der erste Weg, den die poli-
tische Ökonomie in ihrer Entstehung geschichtlich genommen hatte,
bestand darin, vom vorgestellten Konkreten zu immer dünneren
Abstrakta zu gehen. Die Ökonomen des 17. Jahrhunderts z. B. fan-
gen immer mit dem lebendigen Ganzen, der Bevölkerung, der Nati-
on usw. an und enden mit einigen abstrakten Bestimmungen, wie
Teilung der Arbeit, Geld, Wert usw. Nachdem dies geleistet war, be-
gannen die ökonomischen Systeme, die von einfachen Bestimmun-
gen wie Arbeit, Teilung der Arbeit, Bedürfnis, Tauschwert aufstie-
gen bis zum Staat, Austausch der Nationen und Weltmarkt. „Im ersten
Weg wurde die volle Vorstellung zu abstrakter Bestimmung verflüch-
tigt; im zweiten führen die abstrakten Bestimmungen zur Reproduk-

18 Vgl.: MEW, Ergänzungsband. Erster Teil, S. 568ff.


19 Vgl.: MEW, Bd. 3, S. 248f.
20 Vgl.: Karl Marx: Einleitung [zu den „Grundrissen der Kritik der politischen
Ökonomie“]. In: MEW, Bd. 42, S. 15ff.
21 Ebenda, S. 35.

163
Eileitung
tion des Konkreten im Weg des Denkens.“22 Kritisch gegen Hegels
Die dialektische philosophische Grundposition bemerkt Marx: „Hegel geriet daher
Methode von Marx – auf die Illusion, das Reale als Resultat des sich in sich zusammenfas-
der Grundlage nach senden, in sich vertiefenden und aus sich selbst sich bewegenden
das direkte Gegenteil
der Hegelschen Denkens zu fassen, während die Methode, vom Abstrakten zum Kon-
Dialektik kreten aufzusteigen, nur die Art für das Denken ist, sich das Konkre-
te anzueignen, es als ein geistig Konkretes zu reproduzieren. Keines-
wegs aber der Entstehungsprozeß des Konkreten selbst.“23 Marx
macht hier deutlich, daß er seine dialektische Methode von einer
philosophischen Grundposition aus entwickelt, die der Hegelschen
entgegengesetzt ist. Später schreibt er über diesen Gegensatz: „Mei-
ne dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Hegelschen
nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegenteil. Für Hegel ist
der Denkprozeß, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbstän-
diges Subjekt verwandelt, der Demiurg des Wirklichen, das nur sei-
ne äußere Erscheinung bildet. Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts
andres als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materi-
elle.“24 Marx erklärt hier die Mystifikation, die die dialektische Me-
thode bei Hegel erfährt, und macht den Ansatzpunkt kenntlich, von
dem her ihr „rationeller Kern“ zu erfassen ist. Aber geleitet von sei-
ner neuen materialistischen Auffassung verhält sich Marx überaus
aufmerksam und sorgfältig zu Hegels enormer gedanklicher Leistung,
macht er wissenschaftlich folgenreich Ernst mit Hegels Methode und
bekennt, Schüler Hegels zu sein – ein Bekenntnis, das er bei aller
Wertschätzung der Gedankengröße anderer wohl nur dieses eine Mal
abgelegt hat. „Die mystifizierende Seite der Hegelschen Dialektik
habe ich vor beinah 30 Jahren, zu einer Zeit kritisiert, wo sie noch
Tagesmode war. Aber grade als ich den ersten Band des ,Kapital‘
ausarbeitete, gefiel sich das verdrießliche, anmaßliche und mittel-
mäßige Epigonentum, welches jetzt im gebildeten Deutschland das
große Wort führt, darin, Hegel zu behandeln, wie der brave Moses
Mendelssohn zu Lessings Zeit den Spinoza behandelt hat, nämlich
als ,toten Hund‘. Ich bekannte mich daher offen als Schüler jenes
großen Denkers, und kokettierte sogar hier und da im Kapitel über
die Werttheorie mit der ihm eigentümlichen Ausdrucksweise. Die
Mystifikation, welche die Dialektik in Hegels Händen erleidet, ver-
22 Ebenda.
23 Ebenda.
24 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. Nachwort zur zweiten Auflage. In: MEW,
Bd. 23, S. 27.

164
Einleitung
hindert in keiner Weise, daß er ihre allgemeinen Bewegungsformen
zuerst in umfassender und bewußter Weise dargestellt hat. Sie steht
bei ihm auf dem Kopf. Man muß sie umstülpen, um den rationellen
Kern in der mystischen Hülle zu entdecken.“25
Das „Durchblättern“ der „Logik“ half Marx, sich Hegels Methode
bis ins Detail in Erinnerung zu rufen und verfügbar zu machen. Von
größtem Interesse sind in diesem Zusammenhang Marx´ Randbemer-
kungen in seinem Exemplar von Hegels „Wissenschaft der Logik“,
die der Öffentlichkeit leider noch nicht zur Verfügung stehen. Ihre
Analyse wird die Einsichten in den Prozeß vertiefen helfen, in dem
die Dialektik materialistisch „umgestülpt“ worden ist und Anwen-
dung auf die Tatsachen der politischen Ökonomie gefunden hat.
Wie Engels hervorhob, ist die „Herausarbeitung der Methode, die
Marx´ Kritik der politischen Ökonomie zugrunde liegt, ... ein Resul-
tat, das an Bedeutung kaum der materialistischen Grundanschauung
nachsteht“.26 Beseelt vom Vergnügen an seiner Entdeckung in Sa-
chen Methode hatte Marx die Absicht, eine Schrift über diesen Ge-
genstand zu verfassen. „Wenn je wieder Zeit für solche Arbeiten
kommt, hätte ich große Lust, in 2 oder 3 Druckbogen das Rationelle
an der Methode, die H[egel] entdeckt, aber zugleich mystifiziert hat,
dem gemeinen Menschenverstand zugänglich zu machen.“27 Für die-
ses Vorhaben fand er keine Zeit mehr. Als Engels an die Durchsicht
der von Marx hinterlassenen Manuskripte ging, suchte er vor allem
auch nach einem „Abriß über Dialektik, den er“ – Marx – „schon
immer ausführen wollte“.28 Aber die Suche blieb ergebnislos.
In der vorliegenden Studie wird nun untersucht, wie Marx beim Das Anliegen dieser
Übergang von der Erforschung seines Gegenstandes, die in der kriti- Studie
schen Analyse sowohl der bisherigen ökonomischen Theorien als
auch der ökonomischen Tatsachen des kapitalistischen Wirtschafts-
lebens in England und anderen Ländern bestand, zur Darstellung des
Systems der ökonomischen Kategorien mit den Bestimmungen ar-
beitet, die Hegel in den ersten beiden Kapiteln der Lehre vom Wesen
entwickelt hat. Dadurch können die allgemeinen Bestimmungen von

25 Ebenda.
26 Friedrich Engels: Karl Marx, „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“ (Rezensi-
on). In: MEW, Bd. 13, S. 474.
27 Marx an Engels in Manchester. Brief um den 16. Januar 1858. In: MEW, Bd.
29, S. 260.
28 Engels an Pjotr Lawrowitsch Lawrow in Paris. Brief vom 2. April 1883. In:
MEW, Bd. 36, S. 3.

165
Eileitung
Selbstbewegung, wie Hegel sie darstellt, am konkreten Gegenstand
begriffen werden, und es wird sich auch in dieser Hinsicht zeigen,
daß Hegels Überlegungen gerade zu dieser Problematik alles andere
als abstrus sind. Die vorliegende Studie verfolgt nur diesen begrenz-
ten Zweck. Wie Marx die dialektische Methode von seiner materialisti-
schen Grundanschauung her in seinem politökonomischen Werk begrün-
det und anwendet, wird Gegenstand einer anderen Untersuchung sein.
Es fragt sich, was es bedeutet, in der theoretischen Darstellung
eines historisch bestimmten Systems, in diesem Falle des Systems
der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, die dialektische Methode
anzuwenden, und daher auch, wie im Nachhinein das Anwenden der
Methode feststellbar ist. Zuallererst orientiert die dialektische Me-
thode auf die Erfassung des Gegenstandes in seinen eigenen Zusam-
menhängen. Der dialektischen Darstellung des Gegenstandes in sei-
ner Eigenbewegung liegt daher nichts ferner als die Konstruktion
des Gegenstandes aus der Methode oder die Illustration der Methode
durch die Subsumption des Gegenstandes unter ihre Leitsätze. Der
Gegenstand in seinen eigenen Zusammenhängen und in seiner Be-
wegung hat den Vorrang gegenüber der Methode. Marx betont gegen
dilettantische Versuche, „daß es ein ganz andres Ding ist, durch Kri-
tik eine Wissenschaft erst auf den Punkt zu bringen, um sie dialek-
tisch darstellen zu können, oder ein abstraktes, fertiges System der
Logik auf Ahnungen eben eines solchen Systems anzuwenden“.29
Die dialektische Methode wiederum gibt die Richtung der Gedanken-
bewegung bei der Darstellung eines Systems an, das sich selbst be-
wegt. Die Dialektik als Wissenschaft ist Erkenntnis der allgemeinen
Formen, in denen Selbstbewegung sich realisiert. Sie orientiert dar-
auf, in der Untersuchung des gegebenen sich selbst bewegenden Sy-
stems zu prüfen, ob und inwiefern es die bereits erkannten Bewe-
gungsformen realisiert – stets in dem Bestreben, das System in seinen
eigenen Zusammenhängen zu erfassen, die reicher und spezieller sind
als die allgemeinen Bestimmungen der dialektischen Methode. In
der ausgereiften Theorie des speziellen Gegenstandes läßt sich dann
nachweisen, wie im Erfassen seiner Strukturen methodische Leitge-
danken wirksam gewesen sind. Das Denken ist so auf das Begreifen
des speziellen Gegenstandes gerichtet. Im vorliegenden Fall ist je-
doch noch eine andere Beziehung von Interesse: die Marxsche An-

29 Marx an Engels in Manchester. Brief vom 1. Februar 1858. In: MEW, Bd. 29,
S. 275.

166
Einleitung
wendung der dialektischen Methode macht Rückschlüsse möglich,
die das Verständnis des Hegelschen Gedankengangs fördern. Außer-
dem wird in der vorliegenden Studie hin und wieder der Versuch
unternommen, die politökonomischen Bestimmungen des Selbst-
bewegungsprozesses des Kapitals in der Sprache zu beschreiben, die
für das Erfassen der allgemeinen Bestimmungen von Selbstbewegung
nötig ist; auf diese Weise soll der Weg zum interdisziplinären Ge-
spräch über die Erkenntnisse erleichtert werden, die in den verschie-
denen Wissenschaften in ihrem Gegenstandsbereich über Selbst-
bewegung gewonnen werden.
Die Nutzung der Hegelschen Entdeckungen auf dem Gebiet der
Methode verdeutlicht Marx in den „Grundrissen“ in methodischen
Reflexionen und auch in terminologischer Hinsicht. Es ist erkenn-
bar, wie gerade in dieser Phase des Übergangs von der Erforschung
des bürgerlichen Produktionssystems zur systematischen Darstellung
der Ergebnisse die Methode ihre Funktion hat. In späteren Perioden
der Arbeit am „Kapital“ verschwinden methodische Reflexionen mehr
und mehr aus dem Text; Marx geht es darum, vermittelst der Metho-
de die Sache selbst darzustellen. Hier ist dann „die Methode viel
mehr versteckt als in Teil I“30, d. h. als in dem Abschnitt über Ware
und Geld. Die Methode ist in der Darstellung des Gegenstandes selbst
aufgehoben, wobei die Darstellung methodisch immer stärker durch-
gearbeitet wird.
Marx stellt sich also die Aufgabe, das Kapital als selbständiges,
d. h. sich selbst bewegendes Produktionssystem zu erklären, und zwar
als historisch bestimmte Stufe der gesellschaftlichen Produktion, als
System, das unter bestimmten geschichtlichen Bedingungen entstan-
den ist und das die Bedingungen seiner Überwindung selbst produ-
ziert. Es ist zunächst nur eine Annahme, daß das bürgerliche
Produktionssystem ein selbständiges materielles System und mithin
seine Bewegung Selbstbewegung sei. Diese Annahme verwandelt
sich in eine bestätigte Theorie, wenn erklärt werden kann, wie es
sich auf seiner eigenen Grundlage bewegt.

30 Marx an Engels in Manchester. Brief vom 9. Dezember 1861. In: MEW, Bd. 30,
S. 207.

167
Einfache Zirkulation, die in die Produktion
zurückgeht – vermittelte Unmittelbarkeit

Das Problem Wenn es sich beim Kapital um ein sich selbst bewegendes System
handelt, so müßten sich im Prozesse seiner Erklärung die Denkfor-
men bewähren, die Hegel in seiner Theorie der Reflexion begründet
hat. Als empirische Tatsache ist konstatierbar, daß das Kapital die
Bühne als Geld betritt, das sich durch bestimmte Prozesse in Kapital
verwandeln soll31, was bedeutet, daß es am Ende eine größere Geld-
summe ist als am Anfang. Wenn also das Geld als Kapital eine Be-
wegung absolviert, in der es an seinen Ausgangspunkt zurückkehrt,
noch dazu vervielfacht, so liegt die Annahme nahe, daß es sich um
einen Selbstbewegungsprozeß handelt. Diese Bewegung zu erklä-
ren, und zwar als selbständige, bedeutet in philosophischer Hinsicht,
sie als Selbstbewegung zu untersuchen.
Die Betrachtung der Ware in ihrer Bestimmtheit als Gebrauchs-
wert und Wert, die Untersuchung der Beziehung zwischen Ware und
Geld ist auch in Marx’ Darstellung zunächst Seinsanalyse. Die Wa-
ren sind vorhanden, als durch Arbeit produziert, also als Erzeugte;
als Vorhandene beziehen sie sich aufeinander und bringen die Wert-
form als Ausdruck ihres Werts hervor. Die Wesensanalyse setzt dort
ein, wo geklärt wird, wie der im Geld verselbständigte Wert nicht
nur Resultat des Zirkulationsprozesses ist, sondern als dieses Resul-
tat den Ausgangspunkt der Bewegung bildet, durch die er sich erhält,
indem er sich vergrößert. Erst wenn der Produktionsprozeß aus sei-
nem Resultat, aus Waren also, sich erneuert, wird er zum sich selbst
produzierenden Prozeß, und durch diese Bewegung erst erweist sich
der Wert als systemspezifisches Negatives wie die den Wert produ-
zierende Arbeit als systemspezifisches Sichnegieren; Wert und Wert
produzierende Arbeit haben diese Bestimmungen zunächst nur an
sich. Unter diesem Vorbehalt wird im folgenden Abschnitt mit den
Ausdrücken „systemspezifisches Negatives“ und „systemspezifisches

31 Vgl.: Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23, S. 161.

168
Wert als Negatives, abstrakte Arbeit als Sichnegieren
Sichnegieren“ operiert. Allerdings soll die Gelegenheit genutzt wer-
den, hier schon zu erläutern, wie das Sichnegieren zu fassen ist, von
dem im Ersten Teil die Rede war.

Wert als systemspezifisches Negatives und abstrakte Arbeit als


Sichnegieren
Zeigt die für das Kapital typische Bewegung des Geldes Selbst-
bewegung an, so legt dies in methodischer Hinsicht Fragen nahe, die
aus der gründlichen Kenntnis des Tatsachenmaterials und seiner Zu-
sammenhänge beantwortet werden müssen. Sollte die Bewegung des
Geldes, das den Geldbeutel oder heute eher das Bankkonto des Ka-
pitalisten verläßt und als vergrößerter Betrag zu ihm zurückkehrt,
Ausdruck der Selbstbewegung des Kapitals sein, so wäre anzuneh-
men, das Geld sei jenes verselbständigte Negative, das in der Refle-
xion den End- und zugleich den Ausgangspunkt seiner eigenen Be-
wegung bildet. Dann müßte danach gefragt werden, erstens, was denn
das Negative ist, das sich im Geld verselbständigt hat, und zweitens,
was für ein Negieren, d. h. Sichnegieren, sich in dieses Negative
aufgehoben hat. Selbstverständlich hat Marx nicht auf diese Weise
seine Entdeckungen gemacht. Aber hinsichtlich der „Methode des
Bearbeitens“ erscheinen solche Überlegungen durchaus als sinnvoll.
Antwort auf die beiden Fragen sind Marx´ Bestimmungen des Werts
und der abstrakten Arbeit. Bei der Niederschrift der „Grundrisse“
hatte er zwar schon seine Konzeption des Werts, die mit der funda-
mentalen Entdeckung verbunden ist, daß die abstrakte Arbeit seine
Substanz bildet, aber im „Rohentwurf“ hatte er das spezielle Kapitel
über die Ware, wo diese Problematik behandelt wird, noch nicht ge-
schrieben.32 Deshalb wird hier bei der Diskussion dieser Bestimmun-
gen auf spätere Arbeiten von Marx, vor allem auf „Das Kapital“ vor-
gegriffen.
Erstens. Marx beginnt mit der Betrachtung der Ware als des ein- Beginn der
fachsten ökonomischen Konkretums33 im bürgerlichen Produktions- Betrachtung mit
system, also mit der Betrachtung bestimmten Seins. Erst die Analyse bestimmtem Sein:
Ware. Der Wert als
der Ware läßt die Bestimmungen des sie hervorbringenden Prozes- systemspezifisches
Negatives und sein
32 Vgl.: Marx an Engels in Manchester. Brief vom 29. November 1858. In: MEW, stofflicher Träger
Bd. 29, S. 372.
33 Vgl.: Karl Marx: [Randglossen zu Adolph Wagners „Lehrbuch der politischen
Ökonomie“]. In: MEW, Bd. 19, S. 369.

169
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
ses begreifen. Die Ware ist Gebrauchswert und Wert. Der Gebrauchs-
wert fungiert als stofflicher Träger der den Waren gemeinsamen öko-
nomischen Formbestimmung des Werts. Der Warenwert wird sich
als das systemspezifische Negative erweisen (wenn er sich als Ge-
setztes nicht nur in der einfachen Zirkulation erhalten haben wird,
sondern von sich aus den Prozeß der Wertproduktion beginnt, oder
insofern er also Moment der Selbstbewegung des bürgerlichen
Produktionssystems wird und ist).
In der doppelten Bestimmtheit der Ware tritt hervor, daß das bür-
gerliche Produktionssystem ein Ganzes ist, das in beständigem „Stoff-
wechsel mit der Natur“34 steht. Prinzipiell gilt, daß der spezifische
Selbstbewegungsprozeß historisch bestimmter Systeme nie ein iso-
lierter Vorgang ist, sondern Beziehung auf die Prozesse hat, durch
die sich das gegebene System mit den ihm vorausgesetzten vermit-
telt. Diese Beziehung drückt sich darin aus, daß der gesellschaftliche
Produktionsprozeß stoffliche Bestimmungen hat, die jeweils Träger
der spezifischen gesellschaftlichen, d. h. der ökonomischen Form-
bestimmungen sind. Das systemspezifische Negative ist so eine öko-
nomische Formbestimmung. Dieses Negative ist jedenfalls im bür-
gerlichen Produktionssystem nicht eine offensichtliche Bestimmung,
sondern mußte in einem wissenschaftlichen Erkenntnisprozeß erst
entdeckt werden. Marx fand es im Anschluß an die klassische bür-
gerliche politische Ökonomie im Wert. Im Austausch werden die
Waren einander gleichgesetzt; als Gebrauchswerte sind sie unterschie-
den; sieht man von ihrem Gebrauchswert ab, so haben sie nur noch
die Bestimmung, Arbeitsprodukte zu sein, und zwar – wie gleich
noch zu erläutern sein wird – Produkte gleicher oder abstrakt mensch-
licher Arbeit; als solche sind sie Werte. Der Wert, bestimmt unter der
Voraussetzung, daß die Warenform die allgemeine Form der Arbeits-
produkte ist, ist „die abstrakteste Form des bürgerlichen Reichtums“.35
Abstrakte Zweitens ist der Prozeß des Negierens zu bestimmen, der dieses
menschliche Arbeit systemspezifische Negative erzeugt oder setzt, d. h. es ist zu untersu-
als Schöpferin des chen, woher der Wert der Waren entspringt. Geht man davon aus,
Warenwerts –
systemspezifisches daß die Arbeit als grundlegende Existenzbedingung der Gesellschaft
Sichnegieren Erzeugerin der Waren ist, die Ware einerseits als Resultat des pro-
duktiven Verhaltens der Menschen zur Natur stoffliche Bestimmun-
gen, andererseits als Ausdruck der Beziehungen zwischen den Men-

34 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23, S. 192.
35 Marx an Engels in Manchester. Brief vom 2. April 1858. In: MEW, Bd. 29, S. 315.

170
Wert als Negatives, abstrakte Arbeit als Sichnegieren
schen im gesellschaftlichen Produktionsprozeß ökonomische Form-
bestimmungen hat, so ist es folgerichtig, zu erkunden, inwiefern die
Arbeit, die die Waren produziert, selbst doppelt bestimmt ist: einmal
hinsichtlich ihrer Funktion in jenem Stoffwechselprozeß und zum
anderen hinsichtlich ihrer Funktion in der systeminternen Beziehung
zwischen den Warenproduzenten bzw. -besitzern. Allerdings zog erst
Marx diese Konsequenz und entdeckte die abstrakt menschliche Ar-
beit, die im bürgerlichen Produktionssystem zu einer Bestimmung
aller produktiven Arbeit geworden ist, als Schöpferin des Waren-
werts.
Im Austauschverhältnis werden Waren von unterschiedlichem
Gebrauchswert einander gleichgesetzt, und gleich sind sie als Arbeits-
produkte. Wird aber – in dieser Gleichsetzung – vom Gebrauchswert
der Waren abgesehen, so wird auch von den konkreten Formen der
Arbeit abstrahiert, deren Produkt er ist. Die Arbeitsprodukte „unter-
scheiden sich nicht länger, sondern sind allzusamt reduziert auf glei-
che menschliche Arbeit, abstrakt menschliche Arbeit“.36 Sie sind nur
noch „eine bloße Gallerte unterschiedsloser menschlicher Arbeit, d.
h. der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft ohne Rücksicht auf
die Form ihrer Verausgabung. Diese Dinge stellen nur noch dar, daß
in ihrer Produktion menschliche Arbeitskraft verausgabt, menschli-
che Arbeit aufgehäuft ist. Als Kristalle dieser ihnen gemeinschaftli-
chen gesellschaftlichen Substanz sind sie Werte – Warenwerte.“37
Die Reduzierung der nützlichen oder konkreten Arbeiten auf allge-
mein oder abstrakt menschliche Arbeit ist als Gleichsetzung von
Waren mit unterschiedlichem Gebrauchswert ein realer, kein bloß
gedachter oder ideeller Vorgang. Dieser Vorgang macht deutlich, daß
es sich um eine spezifische Beziehung innerhalb des gegebenen Sy-
stems handelt. Und er ist an bestimmte historische Bedingungen ge-
bunden, die die Produktion und den Austausch der Arbeitsprodukte
als Waren notwendig machen. Die Wert setzende Arbeit ist „die bür-
gerliche Arbeit in ihrer Grundform“38. Die Arbeitszeit, die im Wert
vergegenständlicht ist, ist die gesellschaftlich notwendige Zeit zur
Herstellung der Waren, und die Größe des Werts ist gemessen durch
„das Quantum der in ihr enthaltenen ,wertbildenden Substanz‘, der
Arbeit.“39 Die Quantität der Arbeit mißt sich an ihrer Zeitdauer, wäh-
36 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23, S. 52.
37 Ebenda.
38 Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie. In: MEW, Bd. 13, S. 45.
39 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23, S. 53.

171
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
rend die Gebrauchswerte je eigene quantitative Bestimmtheiten auf-
weisen.
Abstrakte Arbeit als Nun erwartet man mit Recht gerade an diesem Punkte Aufklärung
Bewegung, die sich darüber, wie es sich im historisch bestimmten System mit jenem
negiert Negieren als Sichnegieren verhält, das in Hegels „Logik“ als Erzeu-
ger des Negativen fungiert. Die Marxsche Analyse des Doppel-
charakters der Waren produzierenden Arbeit ist hierfür recht auf-
schlußreich. Diese Arbeit ist sowohl als konkrete wie als abstrakte
ein Prozeß des Negierens; doch das Negieren der einen unterschei-
det sich von dem der anderen. Die Arbeit als konkrete oder nützliche
ist eine Tätigkeit, in der der Mensch durch sein Arbeitsmittel den
letztlich aus der Natur gewonnenen Arbeitsgegenstand in einen
Gebrauchswert umformt, also die vorgefundene Form des Naturstoffs
negiert und an ihm eine neue Form setzt; die Arbeit verbindet sich
mit ihrem Gegenstand; der Prozeß realisiert sich im Produkt. Dieses
Negieren als Prozeß der konkreten Arbeit fällt unter die Bestimmung
des seinen Gegenstand verändernden Negierens. Dagegen ist die ab-
strakte Arbeit der typische Fall einer Bewegung, die sich selbst ne-
giert, ohne zugleich einen von ihr unterschiedenen Gegenstand zu
haben, den sie negiert, die also das, was sie erzeugt, als völlig Neues
setzt. Bewegung ist sie als „Verausgabung menschlicher Arbeitskraft“,
als „produktive Verausgabung von menschlichem Hirn, Muskel, Nerv,
Hand usw.“.40 Als diese Verausgabung menschlicher Arbeitskraft bil-
det die Arbeit den Warenwert; d. h. die gleiche oder abstrakt mensch-
liche Arbeit negiert sich als Bewegung oder Prozeß, indem sie sich
als Wert „vergegenständlicht oder materialisiert“41; oder: „Als Werthe
sind die Waaren nichts als krystallisirte Arbeit.“42 Zur Kennzeich-
nung der Beziehung zwischen abstrakt menschlicher Arbeit als Sich-
negieren und Wert als ihrem Produkt, d. h. als dem Negativen, ver-
wendet Marx auch die Metaphern „flüssig“ und „geronnen“:
„Menschliche Arbeitskraft im flüssigen Zustand oder menschliche
Die Arbeit als Arbeit bildet Wert, aber ist nicht Wert. Sie wird Wert in geronnenem
abstrakte und als Zustand, in gegenständlicher Form.“43
konkrete – Diese spezifische Bewegung des Sichnegierens der abstrakt
unterschiedliche
Weisen des menschlichen Arbeit ist jedoch stets an die Arbeit als konkrete ge-
Negierens bunden. In der ersten Auflage des „Kapital“ schreibt Marx hierzu,
40 Ebenda, S. 58.
41 Ebenda, S. 53.
42 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band, Hamburg 1867. In: MEGA, Bd. II/5, S. 19.
43 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23, S. 65.

172
Wert als Negatives, abstrakte Arbeit als Sichnegieren
„daß in der Waare zwar nicht zwei verschiedene Sorten Arbeit stek-
ken, wohl aber dieselbe Arbeit verschieden und selbst entgegenge-
setzt bestimmt ist ...“.44 Das Kriterium dieser Verschiedenheit oder
dieses Entgegengesetztseins weist indirekt auf die unterschiedliche
Art und Weise des Negierens hin, als das konkrete und abstrakte Ar-
beit wirksam sind: also dieselbe Arbeit ist verschieden und selbst
entgegengesetzt bestimmt, „je nachdem sie auf den Gebrauchswerth
der Waare als ihr Produkt oder auf den Waaren-Werth als ihren bloß
gegenständlichen Ausdruck bezogen wird“.45 Hinsichtlich der Be-
ziehung zwischen konkreter und abstrakter Arbeit heißt es weiter:
„Wie die Waare vor allem Gebrauchsgegenstand sein muß, um Werth
zu sein, so muß die Arbeit vor allem nützliche Arbeit, zweckbestimmte
produktive Thätigkeit sein, um als Verausgabung menschlicher Ar-
beitskraft und daher als menschliche Arbeit schlechthin zu zählen.“46
An anderer Stelle erklärt Marx nochmals zur menschlichen Arbeit
schlechthin oder Verausgabung menschlicher Arbeitskraft: „Verwirk-
lichen, vergegenständlichen kann sie sich nur, sobald die menschli-
che Arbeitskraft in bestimmter Form verausgabt wird, als bestimmte
Arbeit, denn nur der bestimmten Arbeit steht ein Naturstoff gegen-
über, ein äusseres Material, worin sie sich vergegenständlicht.“47 Und
hierzu merkt er an: „Bloß der Hegel´sche ,Begriff‘ bringt es fertig,
sich ohne äußern Stoff zu objektiviren.“48 Marx bezieht sich hier auf
folgende Stelle im Zusatz 1 zum § 194 der „Enzyklopädie der philo-
sophischen Wissenschaften“: „Der Begriff, welcher zunächst nur
subjektiv ist, schreitet, ohne daß er dazu eines äußeren Materials oder
Stoffs bedarf, seiner eigenen Tätigkeit gemäß dazu fort, sich zu ob-
jektivieren ...“
Generell kann man feststellen, daß in historisch bestimmten Sy- Beziehung zwischen
stemen das spezifische Sichnegieren als Quelle der systeminternen Basisnegieren und
Selbstbewegung stets an die Bewegung gebunden ist, durch die sich
systemspezifischem
Negieren
das System aus seinen von ihm unabhängigen Voraussetzungen pro-
duziert, worauf später zurückzukommen ist. Die Vermittlung der
Beziehung zwischen Gesellschaft und Natur ist ein Negieren, das
einen Gegenstand hat, der so umgeformt wird, daß er menschlichen
Bedürfnissen dienen kann; d. h. das Negieren ist in der Beziehung

44 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band, Hamburg 1867. In: MEGA, Bd. II/5, S. 26.
45 Ebenda, S. 26f.
46 Ebenda, S. 27.
47 Ebenda, S. 31.
48 Ebenda.

173
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
auf die äußere Natur gegenstandsverändernd. Dieses Negieren und
sein Produkt müssen vorhanden sein, sonst ist die Binnenbewegung
des Systems nicht möglich. Das gegenstandsverändernde Negieren
macht das von Natur Vorhandene für Zwecke innerhalb des gegebe-
nen Systems geeignet, so daß es hierfür nicht noch einmal verändert
oder negiert werden muß. Es fragt sich aber, wodurch das Basis-
Negieren die Bestimmtheit bekommt, die systemspezifisches Sich-
negieren ist. Für die Gesellschaft gilt, daß die Beziehung zwischen
der Gewinnung von Gebrauchswerten durch Umformung von Natur-
gegenständen und ihrer Verwendung durch die Beziehungen zwischen
den Akteuren des Produktionssystems vermittelt ist. Im bürgerlichen
Produktionssystem werden die Gebrauchswerte Waren, „weil sie Pro-
dukte voneinander unabhängig betriebner Privatarbeiten sind“.49 Die
Zugehörigkeit des privat erzeugten Produkts zur gesellschaftlichen
Gesamtarbeit, die für die Befriedigung der Bedürfnisse der Gesell-
schaftsglieder aufgewendet werden muß, erweist sich in seiner Aus-
tauschbarkeit. Die abstrakt menschliche Arbeit ist die Art und Weise,
wie sich die Privatarbeit als gesellschaftliche Arbeit, als ihr Bestandteil,
darstellt. „Die Privatarbeit soll sich also unmittelbar darstellen als
ihr Gegenteil, gesellschaftliche Arbeit; diese verwandelte Arbeit ist
als ihr unmittelbares Gegenteil abstrakt allgemeine Arbeit ...“50 In
diesem System bekommt das Basis-Negieren somit in der Beziehung
der Akteure aufeinander, die die spezifische Binnenbewegung kon-
stituiert, die Bestimmung des systemspezifischen Sichnegierens, und
die Bewegung des systemspezifischen Negativen vermittelt den Pro-
zeß der Erzeugung des Basis-Negativen mit dessen Verwendung als
Lebensmittel der Akteure des Systems. Derselbe Prozeß ist so hin-
sichtlich der Außenbeziehung des Systems Gesellschaft zur Natur
gegenstandsveränderndes Negieren, hinsichtlich der Binnenbewegung
dagegen Sichnegieren. Für die Waren gilt, daß sie Wert-
gegenständlichkeit nur besitzen, „sofern sie Ausdrücke derselben
gesellschaftlichen Einheit, menschlicher Arbeit“ sind, was bedeutet,
„daß ihre Wertgegenständlichkeit also rein gesellschaftlich ist“.51
Die abstrakte Arbeit als das für das kapitalistische Produktions-
system spezifische Sichnegieren erzeugt im Wert die allgemeine Sub-
stanz, an die alle kapitalistischen Produktionsverhältnisse gebunden

49 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23, S. 87.
50 Karl Marx: Theorien über den Mehrwert. Dritter Teil. In: MEW, Bd. 26.3,
S. 133.
51 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23, S. 62.

174
Selbständigwerden des Werts (1)
sind. Kein einziges dieser ökonomischen Verhältnisse ist ohne sie und
ihr Wertprodukt möglich. Marx bezeichnet die „zwieschlächtige Natur
der in der Ware enthaltenen Arbeit“ als den „Springpunkt“, „um den
sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht“.52
Es sei noch darauf hingewiesen, daß die anfängliche Betrachtung
der Bewegung des Werts die einfache Zirkulation zum Gegenstand
hat: als die „Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft, worin die
tiefern Operationen, aus denen sie hervorgeht, ausgelöscht sind“53,
als einen Prozeß von Käufen und Verkäufen, in denen Ware gegen
Geld und Geld gegen Ware ausgetauscht wird, einen Prozeß, in dem
sich die Akteure zunächst als Waren- und weiterbestimmt als Geld-
besitzer, als Verkäufer und Käufer gegenüberstehen. Die einfache
Zirkulation ist eine durch Abstraktion herausgehobene Bewegung
im Gesamtsystem kapitalistischer Produktionsverhältnisse. Soweit
es sich nur um die Bewegung von Waren und Geld als vorhandenen
Werten handelt, hat man es mit der Sphäre zu tun, die Hegel als an
sich seiende Unmittelbarkeit begriff.

Erstes Moment im Prozeß des Selbständigwerdens des Werts


als des systemspezifischen Negativen: Herausbildung seiner
Geldform (Geld als Wertmaß und Zirkulationsmittel)
Für die Erklärung der Bewegung des Kapitals als Selbstbewegung
kommt es nun darauf an, nachzuweisen, daß sie Sichselbsterhalten
des Werts, und zwar als sein Sichvergrößern oder als Selbstverwertung
ist. Es ist daher zu klären, erstens, wie der Wert als das system-
spezifische Negative, in das die abstrakte Arbeit als das Sichnegieren
sich aufgehoben hat, nicht Gesetztes, Unselbständiges bleibt, son-
dern in den Wechselbeziehungen zwischen den Waren als vorhande-
nen Werten, gebunden an den Gebrauchswert als stofflichen Träger,
und gegen diese Wechselbeziehungen selbständig wird, und zwei-
tens, wie der Wert den Charakter seiner Selbständigkeit verändert,
indem er jene Wechselbeziehungen oder die Unmittelbarkeit durch-
bricht und zu der Voraussetzung wird, die in den Prozeß der Waren-
produktion als den Prozeß des Negierens (1) sich aufhebt. Erst damit

52 Ebenda, S. 56.
53 Marx an Engels in Manchester. Brief vom 2. April 1858. In: MEW, Bd. 29,
S. 317.

175
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
wird sich die Negativität als absolute und die Gesamtbewegung als
selbständige erweisen.
Verselbständigung Zuerst ist also zu klären, ob und wie der Wert sich in der Zirkula-
des Werts der Waren tion erhält. Alle Waren sind als Werte Produkt der abstrakten Arbeit;
im Geld gegen ihre der Wert als das systemspezifische Negative ist ein Abhängiges, ein
besonderen Gesetztsein, gesetzt durch das Sichnegieren. Diese Waren als gesetz-
Gebrauchswerte
– Lösung des te beziehen sich aufeinander, wodurch sich die einfache Zirkulation
Widerspruchs der als Unmittelbarkeit herausbildet. In ihr treten Waren von unterschied-
Ware und der sie lichem Gebrauchswert als vorhandene Werte in Kontakt zueinander,
produzierenden indem sie im Austausch sich als einander gleiche setzen. Dieses
Arbeit
Wertverhältnis der Waren enthält ihren Wertausdruck; in ihm befin-
det sich die Ware, die ihren Wert ausdrückt, in relativer Wertform,
während die andere, die den Wertausdruck liefert, sich in Äquivalent-
form befindet. Die Entwicklung des Wertausdrucks bringt die Geld-
form hervor. Notwendig wird sie durch den Widerspruch zwischen
Wert und Gebrauchswert, den Marx als Widerspruch der natürlichen
Verschiedenheit der Waren mit ihrer ökonomischen Äquivalenz (76)54,
ihrer natürlichen Eigenschaften mit ihrer Bestimmung als Tausch-
wert (78) oder als Widerspruch der allgemeinen Charaktere des Werts
mit seinem stofflichen Dasein in einer bestimmten Ware55 beschreibt;
dieser Widerspruch aber ist nur die Konsequenz des in der Ware „ent-
haltenen Widerspruchs, daß die bestimmte, besondre Arbeit des
Privatindividuums sich als ihr Gegenteil, gleiche, notwendige, allge-
meine und in dieser Form gesellschaftliche Arbeit darstellen muߓ.56
Die Lösung dieses Widerspruchs besteht darin, daß die vielen beson-
deren Waren von bestimmtem Gebrauchswert ihren Wert in einer
einzigen anderen Warenart darstellen. Die spezifische Warenart, mit
deren Gebrauchswert die Funktion, den Wert aller anderen Waren
auszudrücken, gesellschaftlich verwächst – historisch das Gold –,
wird zur Geldware oder funktioniert als Geld.57 Der Austauschprozeß
ist zugleich der Bildungsprozeß des Geldes58. Oder das Geld ist eine
Kristallisation des Werts der Waren, die sich im Austauschprozeß
selbst bildet59. Man hat es hier mit der „Verselbständigung des Tausch-
54 Alle Zahlen, die im Text in runden Klammern angeführt werden, beziehen sich
auf Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. In: MEW, Bd. 42.
55 Marx an Engels in Manchester. Brief vom 2. April 1858. In: MEW, Bd. 29,
S. 315.
56 Karl Marx: Theorien über den Mehrwert. Dritter Teil. In: MEW, Bd. 26.3, S. 128.
57 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23, S. 83.
58 Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie. In: MEW, Bd. 13, S. 37.
59 Ebenda, S. 34.

176
Selbständigwerden des Werts (1)
werts in Geld“ (83) zu tun. „Der Tauschwert gewann neben seiner
Existenz in der Ware eine eigne Existenz im Geld, er wurde von sei-
ner Substanz getrennt, eben weil die natürliche Bestimmtheit dieser
Substanz seiner allgemeinen Bestimmung als Tauschwert wider-
sprach.“ (85) Der Tauschwert (Wert)60 „für sich isoliert, individuali-
siert“ (90) ist Geld. Das Geld ist „nur der von der Substanz der Wa-
ren losgelöste Tauschwert“ und verdankt seinen Ursprung „nur der
Tendenz dieses Tauschwerts, sich rein zu setzen“ (93). Die Waren,
die als Werte die vielen einzelnen Negativen sind, erzeugen in ihren
Beziehungen aufeinander die Geldform; der Wert, der eine Bestim-
mung aller Waren ist, nach wie vor, hat somit zugleich eine eigene,
spezielle Daseinsweise. Aus der Beziehung zwischen systeminterner
Bewegung und Basis-Prozeß im historisch bestimmten System er-
gibt sich, daß das systemspezifische Negative an das Basis-Negative
gebunden ist. Das bedeutet hier, daß der Wert in den besonderen Waren
unmittelbar an den Gebrauchswert als seinen stofflichen Träger ge-
bunden ist. Dies hat zur Konsequenz: Wird der Gebrauchswert der
Ware konsumiert, so verschwindet auch ihr Wert. Wert kann sich
daher überhaupt nur erhalten, wenn die besondere Ware, deren Wert
er ist, außer ihrem besonderen Gebrauchswert noch den allgemeinen
Gebrauchswert hat, Träger des Werts zu sein, was bedeutet, daß sich
alle besonderen Waren zu dieser einen Ware als der allgemeinen Ware
verhalten.61 Diese besondere Warenart ist somit imstande, den Wert
aller anderen besonderen Waren auszudrücken; in dieser Weise ver-
selbständigt der Wert sich in dieser besonderen Warenart gegenüber
allen anderen besonderen Waren. Der Prozeß des Selbständigwerdens
von systemspezifischem Negativem im historisch bestimmten Sy-
stem schließt als erstes Moment somit ein, daß es sich erhält gegen
Prozesse, in denen anderes Negatives zusammen mit seinem Träger,
dem Basis-Negativen, verbraucht, d. h. vernichtet wird; der Träger
des sich erhaltenden Negativen erhält die ausschließliche Funktion,
das Dasein dieses Negativen zu sichern. So ist der Wert in seiner

60 In terminologischer Hinsicht ist zu beachten, daß Marx in den „Grundrissen“


noch nicht so ausdrücklich zwischen Wert und Tauschwert unterscheidet wie im
„Kapital“. Dort ist zu lesen: „Wir gingen in der Tat vom Tauschwert oder Aus-
tauschverhältnis der Waren aus, um ihrem darin versteckten Wert auf die Spur zu
kommen. Wir müssen jetzt zur Erscheinungsform des Werts zurückkehren.“ (Karl
Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23, S. 62.) Beim Lesen der „Grund-
risse“ ist daher zu überlegen, ob in diesem Sinne vom Tauschwert oder vom Wert
die Rede ist.
61 Vgl.: Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie. In: MEW, Bd. 13, S. 33f.

177
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
Geldform zwar noch nicht selbständig geworden; das Annehmen die-
ser Form ist aber ein unerläßlicher Schritt auf dem Wege zur Selb-
ständigkeit.
Die Bewegung, in der die Waren als vorhandene Werte sich auf-
einander beziehen und die Geldform erzeugen, ist Auf-sich-Bezo-
genheit des systemspezifischen Negativen als die Gesamtheit der Be-
ziehungen der einzelnen Negativen aufeinander. Aber solange das
Geld als Wertmaß und Zirkulationsmittel (vgl. 118ff.) Funktionen
nur in der einfachen Zirkulation hat, ist es noch nicht dahin gekom-
men, sich selbst zu erhalten. Es ist daher zu prüfen, erstens, inwie-
fern es überhaupt imstande ist, sich gegen diese Zirkulation zu ver-
selbständigen, nicht mehr in ihr aufzugehen, und zweitens, welche
Bewegung es absolvieren müßte, um sich zu erhalten; speziell inter-
essiert hierbei, ob sich die für Selbstbewegung kennzeichnende Be-
ziehung zwischen Ausgangs- und Endpunkt der Bewegung des
systemspezifischen Negativen nachweisen läßt.

Zweites Moment im Prozeß des Selbständigwerdens des Werts:


Verselbständigung des Geldes gegen die Zirkulation
Zunächst ist festzuhalten, wie sich Ware und Geld in der einfachen
Zirkulation bewegen. Die Zirkulation der Ware wie des Geldes geht
von unendlich vielen verschiedenen Punkten aus und kehrt an un-
endlich viele verschiedene Punkte zurück. „Auf den ersten Blick
betrachtet, erscheint die Zirkulation als ein schlecht unendlicher Pro-
zeß. Die Ware wird gegen Geld getauscht; das Geld wird gegen die
Ware ausgetauscht und dies wiederholt sich ins Unendliche. Diese
beständige Erneuerung desselben Prozesses bildet in der Tat ein we-
sentliches Moment der Zirkulation.“ (127) Allerdings reduziert sich
Phänomene der die Zirkulation nicht hierauf. „Aber genauer betrachtet bietet sie noch
Rückkehr des andre Phänomene dar; die Phänomene des Zusammenschließens oder
Ausgangspunkts in
sich: der Rückkehr des Ausgangspunktes in sich.“ (127) Diese Phänome-
ne der Rückkehr des Ausgangspunktes in sich sind von besonderem
Interesse, denn jede Selbstbewegung weist sie auf. Eine andere Fra-
ge ist aber, ob jede beobachtbare Rückkehr des Ausgangspunktes in
sich auch Selbstbewegung ist. Anders gesagt: es ist zu prüfen, welche
Bestimmungen die Rückkehr des Ausgangspunktes in sich aufweisen
muß, damit sie tatsächlich Selbstbewegung ist. Ein Zusammenschlie-
ßen, wie Marx mit Hegel sagt, oder ein Kreislauf ist zunächst die

178
Selbständigwerden des Werts (2)
Bewegung Ware – Geld – Geld – Ware oder W – G – G – W: „Die 1. W – G – G – W
Ware wird gegen Geld ausgetauscht; das Geld wird gegen die Ware
ausgetauscht. So wird Ware gegen Ware ausgetauscht, nur daß dieser
Austausch ein vermittelter ist. Der Käufer wird wieder Verkäufer
und der Verkäufer wird wieder Käufer.“ (127) Die Gebrauchswerte
werden immer von neuem als Waren produziert und in die Zirkulati-
on geworfen, so daß sich W – G – W von seiten derselben Waren-
besitzer wiederholt. Aber dies ist noch nicht die Bewegung, in der
der Wert sich erhalten kann; denn ihr Zweck ist der Gebrauchswert,
der aber aus der Zirkulation herausfällt, und seine Konsumtion ist
zugleich Vernichtung des Werts der Ware. Es tritt also immer neue
Ware mit immer neuem, vorher nicht dagewesenem Wert in die Zir-
kulation.
In der Zirkulation ist jedoch noch eine andere Bewegung möglich 2. G – W – W – G
und feststellbar. Sie besteht darin, „daß Geld gegen Ware und Ware
gegen Geld sich austauscht; also, daß das Geld durch die Ware mit
sich selbst vermittelt wird und als die sich mit sich selbst in seinem
Umlauf zusammengehnde Einheit erscheint. So erscheint es nicht
mehr als Mittel, sondern als Zweck der Zirkulation.“ (131) Wenn die
Zirkulation also nicht mehr bloß als „ein beständiges Abwechseln“
von Käufen und Verkäufen betrachtet wird, „sondern in den Kreis-
läufen, die sie in sich selbst beschreibt...“ (131), so sind es zwei Ar-
ten: W – G – G – W und G – W – W – G. „Im erstren Fall das Geld
nur Mittel, um die Ware zu erhalten, und die Ware der Zweck; im
zweiten Fall die Ware nur Mittel, um Geld zu erhalten, und das Geld
der Zweck. Dies ergibt sich einfach, indem die Momente der Zirku-
lation zusammengefaßt werden. Als bloße Zirkulation betrachtet, muß
es gleichgültig sein, an welchem Punkt ich hereingreife, um ihn als
Ausgangspunkt zu fixieren.“ (131) In der Zirkulation sind beide
Bewegungsformen zu finden. Welchen Sinn haben sie? „Nun kann
man sagen: Ware gegen Ware umzutauschen hat einen Sinn, da die
Waren, obgleich als Preise Äquivalente, qualitativ verschieden sind
und ihr Austausch so schließlich verschiedne Bedürfnisse befriedigt.
Dagegen Geld gegen Geld umzutauschen hat keinen Sinn, es sei denn,
daß quantitativer Unterschied stattfindet, weniger Geld gegen mehr
umgetauscht wird, teurer verkauft als gekauft wird ...“ (131) Auf
diesem Prozeß beruht aber der Handel, das Kaufen, um wieder zu
verkaufen, mit dem Endzweck, weniger Geld vermittelst der Ware
gegen mehr Geld auszutauschen. Zum einen muß daher „der Kreis-
lauf Geld – Ware – Ware – Geld als besondre Form der Zirkulation

179
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
anerkannt werden. Diese Form unterscheidet sich spezifisch von der,
worin das Geld als bloßes Tauschmittel der Waren erscheint; als Mitte;
als Untersatz des Schlusses. Neben der quantitativen Bestimmtheit,
die er im Handel hat, ist er in seiner rein qualitativen Form, seiner
spezifischen Bewegung, herauszuscheiden.“ (132) Zum anderen aber
enthält dieser Kreislauf schon, „daß das Geld weder nur als Maß,
noch als Tauschmittel, noch als beides allein gilt; sondern noch eine
dritte Bestimmung hat“. (132) Damit kommt der Gedankengang zum
zweiten Moment im Prozeß des Selbständigwerdens des Werts, jetzt
als Geld. In dem Kreislauf G – W – W – G erscheint das Geld er-
stens „als Selbstzweck“ (132), dem der Warenhandel und Austausch
dient. Da zweitens mit ihm hier der Kreislauf abschließt, „so tritt es
außerhalb desselben, wie die durch das Geld gegen ihr Äquivalent
ausgetauschte Ware aus der Zirkulation herausgeworfen wird“. (132)
Soweit das Geld nur Agent der Zirkulation, nur Zirkulationsmittel
ist, bleibt es eingeschlossen in diesen Kreislauf. „Aber es zeigt sich
hier, daß es noch etwas andres ist außer diesem Zirkulationsinstrument,
daß [es] auch eine selbständige Existenz außer der Zirkulation besitzt
und in dieser neuen Bestimmung ihr ebensowohl entzogen werden
kann, wie die Ware ihr stets definitiv entzogen werden muß.“ (132)
Die Herausbildung dieser dritten Bestimmung ist der nächste Schritt
im Selbständigwerden des Werts. Ihre Betrachtung führt zum An-
fang der Bewegung, die das Sicherhalten des Werts sein wird.
Generell bemerkt Marx zu diesen zwei Arten von Kreisläufen: „Es
liegt in der Natur des Kreislaufs, daß jeder Punkt zugleich als An-
fangs- und Endpunkt erscheint, und zwar, daß er als das eine erscheint,
insofern er als das andre erscheint.“ (133) Die „realen Punkte“ sind
hier die Ware und das Geld. „Die Formbestimmung G – W – W – G
also ebenso richtig, wie die andre, die als die ursprüngliche erscheint,
W – G – G – W. Die Schwierigkeit ist, daß die andre Ware qualitativ
verschieden ist; nicht so das andre Geld. Es kann nur quantitativ ver-
Diese Kreisläufe schieden sein.“ (133) Das Feststellen dieser Kreisläufe allein besagt
bedeuten noch nicht noch nicht, daß der Wert sich wirklich erhält, denn in der Bewegung
Sichselbsterhalten W – G – G – W ist die Rückverwandlung desselben Verkäufers in
des Werts
Käufer ebenso zufällig wie in der Bewegung G – W – W – G die
Rückverwandlung desselben Käufers in Verkäufer.62 Das bloße Vor-
handensein von kreisförmigen Bewegungsabläufen zeugt noch nicht
von Selbstbewegung.

62 Vgl.: Ebenda, S. 82f.

180
Selbständigwerden des Werts (2)
Nun zur dritten Bestimmung des Geldes. Sie resultiert aus
„G – W – W – G; worin das Geld nicht nur als Mittel erscheint, auch
nicht als Maß, sondern als Selbstzweck und daher ebenso aus der
Zirkulation heraustritt, wie die bestimmte Ware, die ihren Kreislauf
zunächst vollendet, und aus marchandise denrée geworden ist“. (144)
In dieser Bestimmung, die die beiden ersten unterstellt und ihre Ein-
heit ist, gewinnt das Geld eine neue Daseinsweise: es wird Geld als
Geld. In seiner Funktion als Maß der Werte braucht das Geld nur
ideell vorhanden zu sein, und in seiner Funktion als Zirkulations-
mittel verschwindet es gegen die Ware, die es kauft. Jetzt dagegen
gilt: „Das Geld hat also selbständige Existenz außer der Zirkulation; Verselbständigung
es ist aus ihr herausgetreten.“ (145) Dies Heraustreten kann in zwei- des Geldes gegen
erlei Weise geschehen: als besondere Ware und als Geld. „Als die Zirkulation –
Geld als Geld – noch
besondre Ware kann es aus seiner Form von Geld in die von Luxus- kein
gegenständen, Gold- und Silberschmuck, verwandelt werden ...; oder Sichselbsterhalten
es kann als Geld aufgehäuft werden und so einen Schatz bilden. So- des Werts
fern das Geld in seiner selbständigen Existenz aus der Zirkulation
herkommt, erscheint es in ihr selbst als Resultat der Zirkulation; es
schließt sich mit sich selbst durch die Zirkulation zusammen.“ (145)
Die Bestimmung, daß das Geld in der Zirkulation selbst als ihr Re-
sultat erscheint, führt gedanklich zu dem Punkte hin, wo der Prozeß
der Selbsterhaltung des Werts einsetzt, weshalb Marx bemerkt: „In
dieser Bestimmtheit ist seine Bestimmung als Kapital schon latent
enthalten.“ (145) Hierauf wird also zurückzukommen sein im Ergeb-
nis der Behandlung des Geldes in seiner dritten Bestimmung.
Das Geld als Geld ist universeller materieller Repräsentant des
Reichtums, indem es sich in alle Waren verwandeln kann, und allge-
meine Form des Reichtums, indem ihm alle Waren gegenüberstehen.
Welchen Charakter hat nun die selbständige Existenz des Geldes als
Geld in bezug auf die Zirkulation? „Insofern das Geld als universel-
ler materieller Repräsentant des Reichtums aus der Zirkulation her-
kommt und als solcher selbst Produkt der Zirkulation ist, die zu-
gleich als Austausch in einer höhern Potenz und eine besondre Form
des Austauschs, steht es auch in dieser dritten Bestimmung in bezug
auf die Zirkulation; es steht ihr selbständig gegenüber, aber diese
seine Selbständigkeit ist nur ihr eigner Prozeß.“ (145f.) Diese
Selbständigkeit, durch die das Geld als Geld von seiner Daseinsweise
als Wertmaß und Zirkulationsmittel sich unterscheidet, ist so durch
die Zirkulation gesetzt; es ist nicht selbst gesetzte Selbständigkeit
des Geldes gegen die Zirkulation. „Es kommt ebenso aus ihr her, wie

181
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
es wieder in sie eingeht. Außer aller Beziehung auf sie wäre es
nicht Geld, sondern ein einfacher Naturgegenstand, Gold und Silber.
Es ist in dieser Bestimmung ebenso sehr ihre Voraussetzung wie
ihr Resultat.“ (146) Voraussetzung ist es hier als Geld in G – W,
Resultat als Geld in W – G. „Seine Selbständigkeit selbst ist nicht Auf-
hören der Beziehung zur Zirkulation, sondern negative Beziehung zu
ihr. Dies liegt in dieser Selbständigkeit als dem Resultat von G – W –
W – G.“ (146)
Universeller materieller Repräsentant des Reichtums zu sein ist
eine Bestimmung des Geldes als Geld, aber Marx skizziert an dieser
Stelle schon Bestimmungen, die die Bewegung G – W – W – G als
solche des Kapitals, genauer: des industriellen Kapitals, hat. Bisher
war die Rede von G – W – W – G als Form der Bewegung, auf der
der Handel beruht; dies ist eine Bewegung, die sich auf Austausch-
akte vorhandener Werte – Ware und Geld – beschränkt. Die Bewe-
gung des industriellen Kapitals dagegen ist nur zu erfassen, wenn
vermittelst der Form G – W – W – G der Zugang zum Produktions-
prozeß des Kapitals gefunden wird. „Im Geld als Kapital ist an ihm
selbst gesetzt, 1. daß es ebenso Voraussetzung der Zirkulation wie
ihr Resultat ist“, also das Geld in G – W und das Geld in W – G;
„2. daß seine Selbständigkeit daher selbst nur negative Beziehung,
Von der Bewegung aber stets Beziehung auf die Zirkulation ist“; doch das grundlegend
vorhandener Werte Neue in dieser Bewegung ist, daß sie Produktion des Werts selbst
zur Produktion des sein muß, weshalb das Geld 3. „selbst als Produktionsinstrument
Werts – erster
Hinweis gesetzt“ ist, „indem die Zirkulation nicht mehr in ihrer ersten Ein-
fachheit erscheint als quantitativer Umtausch, sondern als Prozeß der
Produktion, der reale Stoffwechsel. Und so ist denn das Geld selbst
bestimmt als besondres Moment dieses Produktionsprozesses.“ (146)
Geld als besonderes Moment des Produktionsprozesses ist noch eine
recht abstrakte Bestimmung, und es wird zu klären sein, wie es sich
damit verhält, aber jedenfalls steht ohne Zweifel fest: „In der Pro-
duktion handelt es sich nicht um einfache Preisbestimmung, d. h. um
Übersetzen der Tauschwerte der Waren in eine gemeinschaftliche
Einheit, sondern um Schaffen der Tauschwerte, also auch um Schaf-
fen der Bestimmtheit der Preise. Nicht um bloßes Setzen der Form,
sondern des Inhalts.“ (146) Schließlich verweist Marx noch auf eine
ganz spezifische Weise der Realisierung der Bewegung des Geldes:
„4. Als Kapital erscheint das Geld daher auch gesetzt als Verhältnis
zu sich selbst vermittelst der Zirkulation – im Verhältnis von Zins
und Kapital.“ (146)

182
Sicherhalten des Geldes in der Zirkulation
Aber hier geht es noch nicht um die Bestimmungen des Kapitals,
sondern um die des Geldes als Geld, „wie es in seiner dritten Bestim-
mung als selbständiges aus der Zirkulation, eigentlich aus seinen
beiden frühern Bestimmungen, hervorgegangen ist“. (146)

Eingehen des Geldes in die Zirkulation als sein Beisichbleiben


und sein Beisichbleiben als Eingehen in die Zirkulation –
Erster Ansatz zur Bestimmung
der Bewegungsform des Kapitals als absolute Reflexion
Geld als Geld ist unerläßliches Moment im Prozeß des Selbstän-
digwerdens des Werts, doch ist auch dies noch nicht die Weise, in
der er sich erhalten kann. Denn das Geld als Geld „erscheint nun
nach allen Seiten als ein Widerspruch, der sich selbst auflöst; zu sei-
ner eigenen Auflösung treibt“. (160) Es kann weder in der einen noch
in der anderen seiner Bestimmungen selbständig sein, also sich er-
halten. „Als allgemeine Form des Reichtums steht ihm die ganze Welt Außerhalb der
der wirklichen Reichtümer“ – der qualitativ verschiedenen Gebrauchs- Zirkulation vergeht
werte – „gegenüber. Es ist die reine Abstraktion derselben – daher so der Wert als Geld
festgehalten bloße Einbildung. Wo der Reichtum in ganz materieller,
handgreiflicher Form als solcher zu existieren scheint, hat er seine
Existenz bloß in meinem Kopf, ist ein reines Hirngespinst.“ (160)
Dies gilt für das Geld, solange es sich außerhalb der Zirkulation be-
findet. „Andrerseits, als materieller Repräsentant des allgemeinen In der Zirkulation
Reichtums wird es bloß verwirklicht, indem es wieder in Zirkulation verschwindet der
geworfen, gegen die einzelnen besondren Weisen des Reichtums ver-
Wert als Geld im
Austausch gegen
schwindet. In der Zirkulation bleibt es als Zirkulationsmittel, aber besondere
für das aufhäufende Individuum geht es verloren, und dies Verschwin- Gebrauchswerte
den ist die einzig mögliche Weise, es als Reichtum zu versichern.
Die Auflösung des Aufgespeicherten in einzelnen Genüssen ist sei-
ne Verwirklichung. Es kann nur wieder von andren einzelnen aufge-
speichert werden, aber dann fängt derselbe Prozeß von neuem an.
Ich kann sein Sein für mich nur wirklich setzen, indem ich es als
bloßes Sein für andre hingebe. Will ich es festhalten, so verdunstet
es unter der Hand in ein bloßes Gespenst des wirklichen Reichtums.“
(160) Will man sich des Geldes als der allgemeinen Form des Reich-
tums außerhalb der Zirkulation versichern, so vergeht es, statt sich
zu erhalten. „Das Vermehren desselben durch seine Aufhäufung, daß
seine eigne Quantität das Maß seines Werts ist, zeigt sich wieder als

183
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
falsch. Wenn die andren Reichtümer sich nicht aufhäufen, so verliert
es selbst seinen Wert in dem Maß, in dem es aufgehäuft wird. Was
als seine Vermehrung erscheint, ist in der Tat seine Abnahme.“ (160)
So gilt also für das Geld in seiner dritten Bestimmung: „Seine Selb-
ständigkeit ist nur Schein; seine Unabhängigkeit von der Zirkulation
besteht nur in Rücksicht auf sie, als Abhängigkeit von ihr.“ (160)
Marx verwendet hier in bezug auf die Zirkulation die Bestimmung
des Scheins in der Bedeutung einer Unabhängigkeit, die nur als Ab-
hängigkeit besteht. Nach Betrachtung aller Widersprüche des Gel-
des als Geld stellt Marx fest: „Es hebt sich daher auf als vollendeter
Tauschwert.“ (160)
Als allgemeine Form des Reichtums außerhalb der Zirkulation sinkt
das Geld in sich zusammen, ist es tot, hört es auf, Geld zu sein; tritt
es an dieser Stelle aus der Bewegung heraus, die die Unmittelbarkeit
ist, so kann der Wert sich nicht erhalten. Als materieller Repräsen-
tant des allgemeinen Reichtums in der Zirkulation verschwindet es
ebenfalls, geht es für das aufhäufende Individuum verloren. Seine
Bewegung nur in diesen Bestimmungen gefaßt, erhält das Geld sich
nicht, ist seine Bewegung keine Selbstbewegung.
Lösung des Worin besteht die Lösung des Widerspruchs des Geldes als Geld,
Widerspruchs des d. h. welche Bewegungsform findet sich für diesen Widerspruch?
Geldes als Geld: der „Als bloß allgemeine Form des Reichtums negiert, muß es also sich
Wert als Geld muß in
die Zirkulation verwirklichen in den besondren Substanzen des wirklichen Reich-
eingehen, aber tums“, den Waren mit qualitativ verschiedenen Gebrauchswerten;
dadurch muß er sich doch indem es in die Zirkulation eingeht, darf es in den Austausch-
erhalten akten nicht verschwinden, sondern muß es sich durch sie erhalten:
„aber indem es so sich wirklich bewährt als materieller Repräsen-
tant der Totalität des Reichtums, muß es zugleich sich erhalten als
die allgemeine Form“. (161) Für die Bewegungsform jenes Wider-
spruchs des Geldes gilt somit die Forderung: „Sein Eingehn in die
Zirkulation muß selbst ein Moment seines Beisichbleibens, und sein
Beisichbleiben ein Eingehn in die Zirkulation sein.“ (161) Das Geld
ist also Resultat der Zirkulation im Ergebnis des Austauschaktes
W – G. Aber als dieses Resultat darf es nicht aus der Zirkulation
herausfallen, sonst hört es auf, Geld zu sein. Es muß in die Zirkulati-
on eingehen: G – W. Wie aber kann dieses Eingehen in die Zirkulati-
on sein Beisichbleiben, d. h. sein Sicherhalten sein? Was also unter-
scheidet diese seine Bewegung vom Austauschakt G – W, der für die
einfache Zirkulation kennzeichnend ist? Marx bemerkt hierzu erst
einmal ganz knapp: „D. h., als realisierter Tauschwert muß es zu-

184
Sicherhalten des Geldes in der Zirkulation
gleich als Prozeß gesetzt sein, worin sich der Tauschwert realisiert.“
(161) Realisierter Tauschwert ist es, indem es nach Verkauf der Ware
aus der Zirkulation heraustritt: W – G; Prozeß, worin sich der Tausch-
wert realisiert, ist es, indem es in die Zirkulation eintritt, diese von
sich aus wieder beginnt: G – W, und erneut zu W – G kommt.
Dieses Eingehen in die Zirkulation als Setzen des Prozesses, in Wert erhält sich,
dem der Tauschwert sich realisiert, bedeutet die Bewegung, die das indem Geld in Ware
Geld beginnt und in der es als Ausgangspunkt seiner Bewegung zu- und diese wieder in
Geld sich verwandelt
rückkehrt: G – W – G. Und dieser Prozeß muß die Wertproduktion
als seine Grundlage einschließen. Das Geld muß „als die Produktion Vermittlung der
des Reichtums erscheinen und dieser als Resultat der Beziehungen Rückkehr des
der Individuen aufeinander in der Produktion“. (161) Damit ist aber Geldes in sich durch
die Wertproduktion
der Tauschwert „bestimmt als Prozeß, nicht mehr als einfaches Ding,
für das die Zirkulation nur eine äußere Bewegung ist oder das als
Individuum in einer besondren Materie existiert“ (161). Vermittelst
des Prozesses der Wertproduktion ist das Geld erst „als Verhalten zu
sich selbst durch den Prozeß der Zirkulation.“ (161) Die Zirkulation
erhält dadurch neue Bestimmungen. „Andrerseits ist die Zirkulation
selbst nicht mehr bloß als der einfache Prozeß des Austauschs von
Waren gegen Geld und von Geld gegen Waren, nicht mehr bloß als
die vermittelnde Bewegung, um die Preise der verschiednen Waren
zu realisieren, als Tauschwerte gegeneinander gleichzusetzen, wo bei-
des außerhalb der Zirkulation erscheint: der vorausgesetzte Tausch-
wert, die schließliche Entziehung der Ware in die Konsumtion, also
das Vernichten des Tauschwerts einerseits und das Entziehn des Gel-
des, seine Verselbständigung gegen seine Substanz, was wieder eine
andre Form seiner Vernichtung ist.“ (161) Im Unterschied zu diesen
Bestimmungen der einfachen Zirkulation oder der Bewegung, die Geld als
die Unmittelbarkeit ist, gilt für die Bewegung des selbständig ge- Voraussetzung durch
wordenen Werts: „Der Tauschwert selbst, und jetzt nicht mehr der die Zirkulation
gesetzt – Aufhebung
Tauschwert im allgemeinen, sondern der gemeßne“ – als eine be- in den Prozeß, der
stimmte Geldsumme gegebene – „muß als Voraussetzung selbst als Ware von
von der Zirkulation gesetzt und als von ihr gesetzt ihr vorausgesetzt bestimmtem Wert
erscheinen.“ (161) Als Voraussetzung ist der Tauschwert bzw. Wert produziert, die
wieder
das Geld zu Beginn der Form G – W – W – G; als diese Vorausset- Voraussetzung der
zung ist er durch die Zirkulation gesetzt; und diese Voraussetzung Zirkulation ist
hebt sich in einem Prozeß auf, der Ware von bestimmtem Wert setzt,
der so wieder der Zirkulation vorausgesetzt ist. Die Zirkulation ist
jetzt zu fassen als ein Prozeß nicht mehr nur zwischen vorhandenen
Werten, sondern als Prozeß der Produktion, der den Wert setzt als die

185
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
Voraussetzung des Austauschs von Ware gegen Geld, und als Bewe-
gung dieses gesetzten Werts, d. h. Austausch von Geld und Ware,
aus der wieder die Voraussetzung des Prozesses der Wertproduktion
resultieren muß. „Der Prozeß der Zirkulation muß ebenso als Prozeß
der Produktion der Tauschwerte erscheinen.“ (161) Somit ist festzu-
halten: Erstens. Das Geld als der verselbständigte Wert – als Resultat
der Bewegung W – G – fällt nicht aus der Zirkulation heraus und
bleibt nicht außerhalb ihrer tot liegen, sondern ist als ihr Resultat
Ausgangspunkt seiner Bewegung, indem es wieder in sie eingeht:
G – W. Zweitens. Dieses Eingehen kann sich nicht auf den einfachen
Austausch von Geld und Ware reduzieren. Die Zirkulation des vor-
handenen Werts ist derart „durchbrochen“, daß sie in den Prozeß der
Produktion des Werts ein- und aus ihm wieder hervorgeht. Die einfa-
che Zirkulation oder die Unmittelbarkeit kann somit an unterschied-
lichen Stellen „durchbrochen“ werden: zum einen an der Stelle der
Bewegung, wo das Negative – hier der Wert im Geld gegen die ein-
fache Zirkulation – sich verselbständigt hat; tritt er hier aus der Be-
wegung heraus, so hört sie auf, gibt es keine Selbstbewegung als
Sicherhalten des Negativen; zum anderen an der Stelle der Bewe-
gung, wo das Negative aus der Beziehung auf andere vorhandene
Negative heraus in den Produktionsprozeß sich aufhebt. Der Prozeß
der Zirkulation, den der Wert als sich selbst erhaltender durchläuft,
beschränkt sich nicht auf die Sphäre der einfachen Zirkulation, son-
dern bildet sich im Ineinander-Übergehen der Prozesse der Wert-
produktion und der Wertrealisierung als der Negativität und der Un-
mittelbarkeit. Drittens. Bei der Untersuchung der Gesamtbewegung,
die das Geld durchmachen muß, damit der selbständige Wert sich
erhält, ist genau nachzuweisen, wie die Bewegung des Werts aus den
Austauschprozessen in den Prozeß der Wertproduktion zurückführt.
An dieser Stelle heißt es dazu noch recht abstrakt: „Es ist also einer-
seits das Rückgehn des Tauschwerts in die Arbeit, andrerseits des
Gelds in den Tauschwert.“ (161) Der Tauschwert ist „jetzt in einer
vertieften Bestimmung gesetzt“ (161). In der einfachen Zirkulation
bewegt sich der Wert oder Tauschwert als vorhandener. „Bei der Zir-
kulation ist der bestimmte Preis vorausgesetzt, und sie als Geld setzt
ihn nur formell.“ (161) Anders, wenn der Kreislauf betrachtet wird,
der die Wertproduktion einschließt. „Die Bestimmtheit des Tausch-
werts selbst, oder das Maß des Preises, muß jetzt selbst als Akt der
Zirkulation erscheinen. So gesetzt ist der Tauschwert das Kapital,
und die Zirkulation zugleich als Akt der Produktion gesetzt.“ (161)

186
Sein, das Schein ist, und Selbsterneuerung
Bestimmtheit des Tauschwerts als Akt der Zirkulation bedeutet sein
Bestimmtwerden durch die abstrakte Arbeit, die sich in ihm verge-
genständlicht oder die ihn setzt. Man könnte sagen, daß hiermit eine
erste Skizze der Bewegung vorliegt, die das Geld als Kapital durch-
macht, eine jene Bewegungsform nachweisende Skizze, die Hegel
absolute Reflexion nennt: 1. die Form G – W – W – G bedeutet eine
Bewegung, deren Ausgangspunkt das Geld ist, aber als Punkt seiner
Rückkehr; 2. die Negativität, das Produzieren des Negativen, das
Wertsetzen als die Grundlage des ganzen Kreislaufs, und zwar 3. als
Prozeß, der sich aus seinem eigenen Negativen wieder herstellt.

Die einfache Zirkulation als Sein, das Schein ist,


und das Kapital als Prozeß,
der das Prinzip der Selbsterneuerung enthält
Die Bewegung des Werts in der einfachen Zirkulation ist unerläßli-
che Voraussetzung des Kapitals. „Das Kapital kommt zunächst aus
der Zirkulation her, und zwar vom Geld als seinem Ausgangspunkt.
Wir haben gesehn, daß das in die Zirkulation eingehende und zu-
gleich aus ihr in sich zurückgehende Geld die letzte Form ist, worin
das Geld sich aufhebt. Es ist zugleich der erste Begriff des Kapitals,
und die erste Erscheinungsform desselben.“ (178) Das Geld als Aus-
gangspunkt ist das anfängliche G in G – W – W – G; das Geld kehrt
in sich zurück als das abschließende G in dieser Form. „Das Geld hat
sich negiert, als bloß in der Zirkulation aufgehend“; bloß in der Zir-
kulation aufgehend war es als Zirkulationsmittel; „es hat sich aber
ebenso negiert, als selbständig ihr gegenübertretend“. (178) Der Zir-
kulation gegenüber selbständig war das Geld als Geld. Der Wider-
spruch des Geldes als Geld, d. h. zwischen den Bestimmungen, ma-
terieller Repräsentant und allgemeine Form des Reichtums zu sein,
hat sich aufgelöst, sein Sicherhalten ist Eingehen in die Zirkulation
und sein Eingehen in die Zirkulation sein Sicherhalten, dadurch, daß
es sich durch den Prozeß der Wertproduktion vermittelt. Aber in die-
ser Bestimmtheit ist das Geld als Geld schon aufgehoben, ist es Mo-
ment einer höheren Bewegung. „Diese Negation zusammengefaßt,
in ihren positiven Bestimmungen, enthält die ersten Elemente des
Kapitals. Geld ist die erste Form, worin das Kapital als solches er-
scheint.“ (178) Marx verweist in diesem Zusammenhang nochmals
darauf, daß die Bewegung G – W – W – G, also das Austauschen von

187
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
Geld gegen Ware und von Ware gegen Geld, die Bewegung des Kau-
fens um zu verkaufen, die Formbestimmung des Handels bildet, das
Kapital als Handelskapital charakterisiert und sich in den frühesten
Zuständen der ökonomischen Entwicklung findet, in denen aber das
Kapital „noch keineswegs zur Grundlage der Produktion geworden“
(178) ist. Jetzt dagegen, beim industriellen Kapital, ist gerade dies
der Fall, so daß die Form G – W – W – G nicht mehr nur als Aus-
tausch von Ware und Geld realisiert wird. Der Wert kann sich durch
Unmittelbarkeit – die Bewegung in der einfachen Zirkulation allein nicht erhalten. Es
Sein als Schein – ist „klar, daß die einfache Bewegung der Tauschwerte, wie sie in der
einfache Bewegung reinen Zirkulation vorhanden ist, nie Kapital realisieren kann. Sie
der Tauschwerte in
der reinen kann zum Entziehn und Aufhäufen des Geldes führen, aber sobald
Zirkulation kann nie das Geld wieder in die Zirkulation tritt, löst es sich auf in eine Reihe
Kapital realisieren von Tauschprozessen mit Waren, die verzehrt werden, geht daher
verloren, sobald seine Kaufkraft erschöpft ist. Ebenso die Ware, die
sich vermittelst des Geldes gegen Ware ausgetauscht hat, tritt aus der
Zirkulation heraus, um konsumiert, vernichtet zu werden. Wird sie
aber im Geld gegen die Zirkulation verselbständigt, so stellt sie nur
mehr die substanzlose allgemeine Form des Reichtums dar. Da Äqui-
valente gegeneinander ausgetauscht werden, verschwindet die als
Geld fixierte Form des Reichtums, sobald es gegen die Ware, und
der in der Ware vorhandne Gebrauchswert, sobald er gegen Geld
ausgetauscht wird.“ (179) Selbsterhaltung des Werts ist so nicht
möglich. Faßt man in der Sprache der Seinslogik die Ware als Etwas,
das Geld als Anderes, so geht das Etwas in das Andere über (W – G)
und verschwindet; sie erhält sich nicht, sondern fällt aus der Zirkula-
tion heraus, wird als Gebrauchswert konsumiert, und mit ihm wird
ihr Wert vernichtet. Das Andere geht in Etwas über (G – W), womit
das Geld verschwindet, also ebenfalls nicht in der Hand des Austau-
schenden sich erhält. „Durch den einfachen Akt des Austauschs kann
jedes nur in seiner Bestimmung gegen das andre verlorengehn, so-
bald es sich in ihm realisiert. Keins kann sich in seiner Bestimmung
erhalten, indem es in das andre übergeht.“ (179)
Die Erklärung der Grundform des Kapitals kann sich also nicht
damit begnügen, „die einfache Bewegung der Tauschwerte ... in der
reinen Zirkulation“ zu analysieren; sie muß die Beziehung zwischen
dieser Bewegung und dem Prozeß der Wertproduktion bloßlegen.
Mit dem Nachweis, daß die abstrakte Arbeit den Wert setzt, ist schon
ein Moment dieses „tieferen“ Prozesses erfaßt worden. Doch nun ist
grundsätzlich die Frage zu stellen nach der Beziehung zwischen der

188
Sein, das Schein ist, und Selbsterneuerung
„reinen Zirkulation“ als der Bewegung vorhandener Werte oder vor-
handener Negativer, d. h. als dem Sein im bürgerlichen Produktions-
system, und dem Prozeß der Wertproduktion als seinem Wesen. Das
Sein besteht nicht durch sich selbst; es wird produziert. Das Wesen
ist der Prozeß des Systems, der die Bewegung setzt, die das Sein ist,
und der zugleich sich selbst setzen, produzieren, erzeugen muß, und
zwar vermittelst des von ihm gesetzten Seins.
Die einfache Zirkulation ist Unmittelbarkeit, die nicht aus sich Wesen – Prozeß,
bestehen kann, so daß sie eine Bewegung ist, die sich in den Prozeß der das „Prinzip der
des Negierens, d. h. der Wertproduktion aufheben muß. „Die Wie- Selbsterneurung“
enthält –
derholung des Prozesses von beiden Punkten, Geld oder Ware, ist Produktionsprozeß
nicht in den Bedingungen des Austauschs selbst gesetzt.“ (179) Ware des Kapitals als sich
und Geld, Etwas und Anderes, sind in der einfachen Zirkulation selb- selbst
ständig gegeneinander, aber ihr Vorhandensein resultiert nicht aus produzierender
dieser Sphäre. „Der Akt kann nur wiederholt werden, bis er vollen-
Prozeß
det ist, d. h., bis zum Betrag des Tauschwerts ausgetauscht ist. Er
kann sich nicht an sich selbst von neuem entzünden. Die Zirkulation
trägt daher nicht in sich selbst das Prinzip der Selbsterneuerung.
Die Momente derselben sind ihr vorausgesetzt, nicht von ihr selbst
gesetzt. Waren müssen stets von neuem und von außen her in sie
geworfen werden wie Brennmaterial ins Feuer. Sonst erlischt sie in
Indifferenz. Sie erlösche in dem Geld als indifferentes Resultat, das,
insofern es nicht mehr in bezug auf Waren, Preise, Zirkulation stün-
de, aufgehört hätte, Geld zu sein, ein Produktionsverhältnis auszu-
drücken; von dem nur noch sein metallisches Dasein übriggeblie-
ben, aber sein ökonomisches vernichtet wäre.“ (179f.) Die Zirkulation
ist Unmittelbarkeit als Bewegung des vorhandenen Negativen, d. h.
Bewegung von Waren und Geld, die als Werte nicht von ihr selbst
gesetzt sind, die Unmittelbarkeit daher als vermittelt, als ein Gesetzt-
sein. „Die Zirkulation, die also als das unmittelbar Vorhandne an der
Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft erscheint, ist nur, sofern
sie beständig vermittelt ist. In sich selbst betrachtet, ist sie die Ver-
mittlung vorausgesetzter Extreme. Aber sie setzt diese Extreme nicht.
Muß also doch nicht nur in jedem ihrer Momente, sondern als Gan-
zes der Vermittlung, als totaler Prozeß selbst vermittelt sein. Ihr un-
mittelbares Sein ist daher reiner Schein. Sie ist das Phänomen eines
hinter ihr vorgehenden Prozesses.“ (180) Die Zirkulation wird hier
charakterisiert als ein Ganzes der Vermittlung in sich, verstanden als
Gesamtheit der Beziehungen zwischen systemspezifischen Negati-
ven, d. h. zwischen Geld und Ware als Werten. Sie ist jene Auf-sich-

189
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
Bezogenheit, durch die das unmittelbar Vorhandene „eine unabhän-
gige Seite gegen das Wesen“ (L II, 10) zu haben scheint. Aber sie ist
die „Vermittlung vorausgesetzter Extreme“, d. h. sie setzt diese Ex-
treme als Werte nicht selbst. Ihre Unmittelbarkeit ist vermittelt durch
den Prozeß der Wertsetzung; sie ist nur durch diese Beziehung. So
hat sie die Bestimmung des Scheins, Unmittelbarkeit des Nichtdaseins
zu sein. Das Sein, das Schein ist, hebt sich in das Wesen auf, das
nach Marx durch das „Prinzip der Selbsterneuerung“ charakterisiert
ist. Der Prozeß, der hinter der Zirkulation als dem unmittelbar Vor-
handenen vorgeht, setzt, indem er sich selbst erneuert, auch jene „Ex-
treme“, deren Vermittlung die reine Zirkulation ist; dies ist der Aspekt,
der im gegebenen Zusammenhang hervorzuheben ist. Doch zugleich
resultiert aus dieser Feststellung die Aufgabe, diese Selbsterneuerung
des Produktionsprozesses als solche zu erklären, also das Sichselbst-
produzieren des Produktionsprozesses, vermittelt durch die Bewe-
gung, die der Austausch von Ware und Geld ist. Dies ist Programm
für die Untersuchung des Produktionsprozesses des Kapitals.

Beziehung zwischen einfacher Zirkulation und Wert-


produktion – Realisierung der Bewegungsformen setzende,
äußere und bestimmende Reflexion
Im Anschluß an die grundsätzliche Darstellung der Beziehung zwi-
schen der einfachen Zirkulation und dem Produktionsprozeß skiz-
ziert Marx Beziehungen zwischen diesen beiden Sphären im bürger-
lichen Produktionssystem, wobei er jene die absolute Reflexion
konkreter fassenden Bestimmungen nutzt, die Hegel setzende, äuße-
re und bestimmende Reflexion nennt.
Die Zirkulation, gefaßt als Phänomen des hinter ihr vorgehenden
Prozesses, ist in ihrer seienden Unmittelbarkeit negiert. „Sie ist jetzt
negiert in jedem ihrer Momente – als Ware – als Geld – und als Be-
ziehung von beiden, als einfacher Austausch und Zirkulation bei-
der.“ (180) Es besteht eine Beziehung zwischen der an sich seienden
Unmittelbarkeit, die die Zirkulation jetzt ist, und der Negativität als
Prozeß der Wertproduktion. Ursprünglich erschien „der Akt der ge-
sellschaftlichen Produktion als Setzen von Tauschwerten und dies in
Bewegungsform der seiner weitren Entwicklung als Zirkulation“ (180). Dies kennzeich-
setzenden Reflexion net die einfache Zirkulation als ein Gesetztsein: vorhandener Wert,
zunächst als Bestimmung der Ware. Als „vollständig entwickelte

190
Einfache Zirkulation – Wertproduktion – Reflexionsformen
Bewegung der Tauschwerte gegeneinander“(180) ist sie das Sich-
setzen des Werts in der einfachen Zirkulation, das die Bewegungs-
form der setzenden Reflexion realisiert. Als Sichsetzendes wird der
Wert selbständig erstens als Geld in seiner Beziehung auf andere
Werte, auf die besonderen Waren, zweitens gegen die Zirkulation,
aber nur, indem er nicht aus der Zirkulation herausfällt, sondern wie-
der in sie eingeht, in ihr aber nicht im Austausch gegen beliebige
andere Waren verschwindet, sondern als Geld sich erhält und dem
kommenden Wertbildungsprozeß sich voraussetzt. Es geht somit „jetzt
die Zirkulation selbst zurück in die Tauschwert setzende oder produ-
zierende Tätigkeit. Sie geht darein zurück als in ihren Grund.“ (180)
(Dieser Grund wird in seiner konkreten Bestimmtheit erfaßt sein,
wenn das Sichselbstreproduzieren des Kapitalverhältnisses nachge-
wiesen ist.)
Was durch die produzierende Tätigkeit gesetzt und so der einfa- Bewegungsform der
chen Zirkulation „vorausgesetzt ist, sind Waren (sei es in der äußeren Reflexion
besondren Form, sei es in der allgemeinen des Gelds), die die Ver-
wirklichung einer bestimmten Arbeitszeit und als solche Werte sind;
ihre Voraussetzung ist also sowohl die Produktion von Waren durch
Arbeit als ihre Produktion als Tauschwerte“. (180) Hier wird der Pro-
zeß des Negierens, d. h. der Waren- bzw. der Wertproduktion, als
Voraussetzung der Bewegung des vorhandenen Negativen, also der
einfachen Zirkulation gefaßt. „Dies ist ihr Ausgangspunkt, und durch
ihre eigne Bewegung geht sie in die Tauschwerte schaffende Pro-
duktion als ihr Resultat zurück.“ (180) Sie geht also nicht schlecht-
hin in diese Produktion zurück, sondern in sie als ihr Resultat; aber
ihr Resultat kann sie nur sein, indem sie selbst die Voraussetzung
bildet, die sich zu neuer Produktion von Wert aufhebt. Dies ist die
Bewegungsform, die Hegel als äußere Reflexion faßt. So wird bei
der Untersuchung einer materiellen Selbstbewegung die mitunter
verkannte Differenz zwischen den Bestimmungen der Reflexion als
setzender und als äußerer deutlich. Die Reflexion als setzende erfaßt
jene Bewegung, in der sich die Zirkulation als Struktur erst heraus-
bildet, das Gesetztsein als Bewegung, durch die der Wert sich setzt
und der Wertproduktion sich voraussetzt; die Reflexion als äußere
ist die Bewegung, für die die Zirkulation bereits gewordene Struktur
ist, die nicht erst erzeugt wird, sondern die vorausgesetzt ist und als
solche gewordene Struktur dann auch erneuert wird. Die Reflexion Bewegungsform der
als bestimmende ist dann das Setzen der Zirkulation durch die Pro- bestimmenden
duktion und der Produktion durch die Zirkulation. „Wir sind also Reflexion

191
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
wieder beim Ausgangspunkt angelangt, bei der Tauschwerte setzen-
den, schaffenden Produktion, aber diesmal so, daß diese die Zirkula-
tion als entwickeltes Moment voraussetzt und als beständiger Prozeß
erscheint, der die Zirkulation setzt und aus ihr beständig in sich zu-
rückkehrt, um sie von neuem zu setzen.“ (180) Der systemspezifische
Prozeß des Negierens (1) setzt jetzt die einfache Zirkulation, also die
Unmittelbarkeit, als gewordene Struktur voraus; er setzt, d. h. erneu-
ert die gewordene Struktur, und indem er sie voraussetzt, kehrt er aus
ihr zurück, d. h. stellt er sich aus ihr erneut her, um sie von neuem zu
setzen, so daß Prozeß des Negierens und Bewegung des vorhande-
nen Negativen beständig ineinander umschlagen. Dies ist dann schon
die Bewegungsform der Reflexion als bestimmender. „Die Tausch-
wert setzende Bewegung erscheint hier also jetzt in viel kompliziertrer
Form, indem sie nicht mehr nur die Bewegung der vorausgesetzten
Tauschwerte oder sie formal als Preise setzend ist, sondern sie zu-
gleich als Voraussetzungen schaffend, erzeugend. Die Produktion
selbst ist hier nicht mehr vor ihren Resultaten vorhanden, d. h. vor-
ausgesetzt; sondern sie erscheint als diese Resultate zugleich selbst
hervorbringend; aber sie bringt sie nicht mehr hervor, wie auf der
ersten Stufe, als bloß zur Zirkulation führend, sondern zugleich die
Zirkulation, die entwickelte Zirkulation in ihrem Prozeß unterstel-
lend.“ (180) Als Bewegung der vorausgesetzten Tauschwerte war
diese Bewegung die einfache Zirkulation. Aber den Kreislauf, den
die Selbstbewegung beschreibt, konstituiert die Produktion der Wer-
te. Betrachtet man also nicht mehr bloß die Zirkulation vorhandener
Werte, sondern diese in ihrem Zusammenhang mit der Wert-
produktion, durch die sie gesetzt wird und in die sie zurückgeht, so
wird die Wertproduktion nicht mehr bloß als Voraussetzung des vor-
handenen Werts betrachtet, sondern als Komponente der Selbst-
bewegung des Werts.
Rückgang der Marx macht darauf aufmerksam, daß diese Bewegung der Rück-
Unmittelbarkeit in kehr aus der Zirkulation in die Wert setzende Produktion, d. h. der
die Negativität als Unmittelbarkeit in die sie setzende Bewegung, sowohl als historisch
historischer
Vorgang zur Wert produzierenden Arbeit führend auftritt, wie auch innerhalb
des Systems der bürgerlichen, d. h. der Wert setzenden Produktion
selbst (181ff.). Im ersten Fall wird für den Gebrauchswert produ-
ziert, und nur der Überfluß wird ausgetauscht – eine Funktion, die in
der Geschichte zum Beispiel die handeltreibenden Völker überneh-
men, die zwischen den produzierenden Völkern vermitteln. Das Aus-
tauschen des Überflusses ist Austausch und Tauschwert setzender

192
Allgemeine Bewegungsform des Kapitals
Verkehr. Wiederholt sich der Austausch, entwickelt sich ein fortge-
hender Handel, so muß der Überschuß der Produktion beständig ge-
sichert sein, und die inländische Produktion erhält so selbst eine auf
die Zirkulation, auf das Setzen von Tauschwert gerichtete Tendenz.
Es hängt dann ab teils von der Intensität der Wirkung von außen,
teils von dem Grade, in dem die Elemente der inländischen Produk-
tion schon entwickelt sind (Teilung der Arbeit u. a.), inwieweit die
Tauschwert setzende Bewegung das Ganze der Produktion angreift.
„So war der Zirkulation hier vorausgesetzt eine Produktion, die nur
als Überschuß Tauschwerte schuf; aber sie ging zurück in eine Pro-
duktion, die nur noch mit Beziehung auf die Zirkulation stattfand, in
Tauschwerte als ihren ausschließlichen Inhalt setzende Produkti-
on.“ (182)

Zweiter Ansatz zur Bestimmung der allgemeinen


Bewegungsform des Kapitals –
absolute und bestimmende Reflexion
* Der im unaufhörlichen Wechsel von Ware und Geld
sich erhaltende Wert
In der ersten Skizze der allgemeinen Bewegungsform des Kapitals,
der Form G – W – W – G, hatte Marx geklärt, daß das Eingehen
des Geldes in die Zirkulation sein Beisichbleiben sein muß. Daran
knüpft er jetzt an, und er geht auf Erfordernisse dieses Beisichbleibens
oder des Sicherhaltens des Geldes als des verselbständigten Werts
ein.
Zunächst weist er auf den Ausgangspunkt dieser Bewegung hin:
„Um den Begriff des Kapitals zu entwickeln, ist es nötig, nicht von
der Arbeit, sondern vom Wert auszugehn, und zwar von dem schon
in der Bewegung der Zirkulation entwickelten Tauschwert.“ (183)
Im „Geld als solchem“ hat der Tauschwert schon „eine selbständige
Form gegen die Zirkulation“ erhalten, „aber nur eine negative, ver-
schwindende oder illusorische, wenn fixiert. Es existiert nur in be-
zug auf die Zirkulation und als Möglichkeit, in sie einzugehn; aber
es verliert diese Bestimmung, sobald es sich realisiert, und fällt zu-
rück in die beiden frühern Bestimmungen als Maß der Tauschwerte
und als Tauschmittel.“ (184) Die Bewegung des Geldes verwandelt
sich in Bewegung des Kapitals, wenn es in der Zirkulation „bei sich

193
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
bleibt“, d. h. sich erhält. „Sobald das Geld als Tauschwert gesetzt
wird, der sich verselbständigt nicht nur gegen die Zirkulation, son-
dern sich in ihr erhält, ist es nicht mehr Geld, denn dies kommt als
solches nicht über die negative Bestimmung hinaus, sondern ist Ka-
Durch die Zirkulation pital ... Die erste Bestimmung des Kapitals ist also die: daß der aus
sich erhaltender der Zirkulation herstammende und sie daher voraussetzende Tausch-
Wert – Kapital wert sich in ihr und durch sie erhält; sich nicht verliert, indem er in
sie eingeht; sie nicht als die Bewegung seines Verschwindens, son-
dern vielmehr als die Bewegung seines wirklichen Sichsetzens als
Tauschwert, die Realisierung seiner als Tauschwerts ist.“ (184) Es
ist also erforderlich herauszufinden, auf welche Art und Weise der
Wert in der Zirkulation, gefaßt als Austausch von Ware und Geld,
sich erhalten kann. Der erste Schritt hierzu ist eine vergleichende
Betrachtung der einfachen Zirkulation. „Es kann nicht gesagt wer-
den, daß in der einfachen Zirkulation der Tauschwert als solcher rea-
lisiert wird. Er wird immer nur realisiert im Moment seines Ver-
schwindens.“ (184) Marx weist dies an vier Formbestimmungen der
einfachen Zirkulation nach. Erstens. „Wird die Ware vermittelst des
Gelds gegen Ware ausgetauscht, so verschwindet ihre Wertbe-
stimmung in dem Moment, worin sie sich realisiert, und sie tritt au-
ßer der Beziehung, wird indifferent dagegen und nur noch direktes
Objekt des Bedürfnisses.“ Zweitens. „Wird Geld gegen Ware ausge-
tauscht, so ist sogar gesetzt das Verschwinden der Form des Tauschs
als bloß formeller Vermittlung, um des natürlichen Materials der Ware
habhaft zu werden.“ Drittens. „Wird Ware gegen Geld ausgetauscht,
so verharrt die Form des Tauschwerts, der als Tauschwert gesetzte
Tauschwert, das Geld, nur solange, als es sich außerhalb des Tauschs
hält, sich ihm entzieht, ist also rein illusorische Verwirklichung, rein
ideell in dieser Form, worin die Selbständigkeit des Tauschwerts hand-
greiflich existiert.“ Viertens. „Wird endlich Geld gegen Geld ausge-
tauscht – die vierte Form, in der die Zirkulation analysiert werden
kann, aber au fond nur die in der Form des Austauschs ausgedrückte
dritte Form, so erscheint auch nicht mehr ein formeller Unterschied
zwischen den Unterschiednen ...“ (184f.) „Au fond sind diese vier
Formbestimmungen der einfachen Zirkulation auf zwei zu reduzie-
ren, die allerdings an sich zusammenfallen; der Unterschied besteht
darin, auf welche der beiden der Ton gelegt wird, der Akzent; wel-
ches der beiden Momente – Geld und Ware – den Ausgangspunkt
bildet. Nämlich Geld gegen Ware: d. h., der Tauschwert der Ware
verschwindet gegen ihren materiellen Inhalt; oder Ware gegen Geld,

194
Allgemeine Bewegungsform des Kapitals
d. h., ihr Inhalt verschwindet gegen ihre Form als Tauschwert. In
dem ersten Fall wird die Form des Tauschwerts ausgelöscht, im zwei-
ten seine Substanz; in beiden also ist seine Realisation eine verschwin-
dende.“ (185) In der einfachen Zirkulation macht so der Wert noch
keine Bewegung des Sicherhaltens durch. Anders in der Bewegung
des Kapitals. „Im Kapital erst ist der Tauschwert als Tauschwert ge-
setzt, dadurch, daß er sich in der Zirkulation erhält, d. h. also weder
substanzlos wird, sondern sich in stets anderen Substanzen, einer
Totalität derselben verwirklicht; noch seine Formbestimmung ver-
liert, sondern in jeder der verschiednen Substanzen seine Identität
mit sich selbst erhält. Er bleibt also immer Geld und immer Ware. Er Wert als Kapital
ist in jedem Moment beides der in der Zirkulation das eine in das bleibt immer Geld
andre verschwindenden Momente. Er ist dies aber nur, indem er selbst und Ware
ein stets sich erneuernder Kreislauf von Austauschen ist.“ (185) Es
ist also zu klären, wie in diesem Kreislauf von Austauschen der Wert
immer Geld und immer Ware bleibt. In der einfachen Zirkulation ist
diese Bestimmung nicht vorhanden, sie ist im Grunde genommen
gar keine Zirkulation. „Die einfache Zirkulation ist in der Tat nur
Zirkulation vom Standpunkt des Beobachters aus oder an sich, nicht
als solche gesetzt.“ (185) Sie ist nicht als Zirkulation gesetzt, denn es
„ist nicht derselbe Tauschwert – eben weil seine Substanz eine be-
stimmte Ware ist –, der erst Geld und dann wieder Ware wird; son-
dern es sind immer andre Tauschwerte, andre Waren, die dem Geld
gegenüber erscheinen. Die Zirkulation, der Kreislauf, besteht bloß
in der einfachen Wiederholung oder Abwechslung der Bestimmung
von Ware und Geld ...“ (185) Die Bewegung des Werts ist sein Sicher-
halten dadurch, daß „der wirkliche Ausgangspunkt auch der Punkt
der Rückkehr ist“. (185) In dem Wechsel von Ware und Geld muß Im Wechsel von
derselbe Wert sich erhalten, oder derselbe Wert muß abwechselnd Ware und Geld muß
Geld und Ware sein, und dies geht nur, wenn er erst als Geld da ist,
derselbe Wert sich
erhalten
das sich in Ware verwandelt, aber dann als Ware, deren Wert nicht
durch ihre Konsumtion vernichtet wird, sondern als Ware, die sich
wieder in Geld verwandeln kann und verwandeln wird; indem der-
selbe Wert diese Bewegung beschreibt, wird der Ausgangspunkt zum
Punkt der Rückkehr und als solcher erst Ausgangspunkt. „Die Un-
vergänglichkeit, die das Geld erstrebte, indem es sich negativ gegen
die Zirkulation setzte, sich ihr entzog, erreicht das Kapital, indem es
sich grade dadurch erhält, daß es sich der Zirkulation preisgibt. Das
Kapital als der der Zirkulation vorausgesetzte oder die Zirkulation
voraussetzende und sich in ihr erhaltende Tauschwert ist nicht nur in

195
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
jedem Moment idealiter jedes der beiden in der einfachen Zirkulati-
on enthaltnen Momente, sondern es nimmt abwechselnd die Form
des einen und des andren an, aber nicht mehr so, daß es wie in der
einfachen Zirkulation nur aus dem einen in das andre übergeht, son-
dern in jeder der Bestimmungen zugleich Beziehung auf die entge-
gengesetzte ist, d. h. sie ideell in sich enthält.“ (186) Das Kapital ist
in der Zirkulation sich erhaltender Wert, indem es als Geld sich auf
Ware bezieht, also der Wert in Geldform sich in den Wert in Waren-
form verwandelt, aber nur, um aus dieser wieder in die Geldform
überzugehen; der Wert erhält sich nur durch diesen unaufhörlichen
Wechsel seiner Geld- und seiner Warenform. „Das Kapital wird ab-
wechselnd Ware und Geld; aber 1. ist es selbst der Wechsel dieser
beiden Bestimmungen; 2. es wird Ware; aber nicht diese oder jene
Ware, sondern eine Totalität von Waren.“ (186) Durch diese Bezie-
hung beider Bestimmungen aufeinander hat das Kapital in der einfa-
chen Zirkulation eine Bewegungsform, die sich von den bloßen Aus-
tauschakten G – W und W – G unterscheidet.
Bewegung Das Kapital ist bestimmt als derselbe Wert, der abwechselnd
G – W – W – G und Geld und Ware wird. Als solcher beschreibt es die Bewegung
Bestimmungen der G – W – W – G. Diese Bewegung entspricht der absoluten Reflexi-
absoluten Reflexion
on. Hegel stellte zuerst die Bewegung des vorhandenen Negativen
dar, das sich in sich reflektiert und so Negatives als Negatives, d. h.
sein Anderes und so selbständig wird. Das Erste gegen dieses Ande-
re ist die Bewegung, die „die negierte Negation, die absolute
Negativität“ (L II, 13) ist, also die Phase des Kreisprozesses, in der
das selbständig gewordene Negative sich in die Voraussetzung ver-
wandelt, die dann in den Prozeß des Negierens (1) sich aufhebt. Aus
dieser Sicht auf die Reflexion faßt Hegel den Ausgangspunkt als den
Punkt der Rückkehr und die ganze Reflexion als die Bewegung von
Nichts zu Nichts und dadurch zu sich selbst zurück (vgl. L II, 13).
Marx stellt das Geld jetzt dar als Resultat der Zirkulation, d. h. das
Geld als in der Zirkulation selbständig gewordenen Wert, das aber
nicht aus der Zirkulation herausfällt, wie zum Beispiel das Geld als
Schatz, sondern wieder in sie eingeht. Das Geld wird so zum Aus-
gangspunkt oder potentiell „das Erste“ gegen „das Andere“. Es wird
also die Bewegung des G untersucht, das am Anfang der Form
G – W – W – G steht; „das Andere“ ist dann das G am Ende dieser
Bewegung, das G´ = G + D G sein wird, also eine Geldsumme, die
größer als am Anfang ist. Wenn die Bewegung G – W – W – G´ rea-
lisiert ist, wird der Punkt der Rückkehr sich in den Ausgangspunkt

196
Allgemeine Bewegungsform des Kapitals
verwandeln, und erst durch diese Rückkehr ist der Anfang der Bewe-
gung als solcher (vgl. L II, 15).

* Der sich erhaltende Wert: als Resultat der Zirkulation


Voraussetzung der Wertproduktion, als Resultat der Wertproduktion
Voraussetzung der Zirkulation
G – W – W – G´ als Bewegungsform des (industriellen) Kapitals un-
terscheidet sich dadurch von den Austauschakten in der „reinen Zir-
kulation“, daß sie durch den Prozeß der Wertproduktion vermittelt
ist. Es ist daher herauszufinden, wie diese Vermittlung zu fassen ist.
Im Prinzip arbeitet Marx hier mit den Bestimmungen der Bewegungs-
form, die Hegel bestimmende Reflexion nennt. „Die einzige Be-
stimmtheit, in der das Kapital im Unterschied vom unmittelbaren
Tauschwert und vom Geld gesetzt ist, ist die des in der Zirkulation
und durch die Zirkulation sich erhaltenden und verewigenden Tausch-
werts.“ (186) Die eine Seite davon, die bisher betrachtet worden ist,
ist „die der Selbsterhaltung in und durch die Zirkulation“. (186) Aber
in dieser Bewegung ist der Tauschwert, d. h. der Wert, in einer ande-
ren Bestimmung als der, bloß Wertmaß und Zirkulationsmittel zu
sein. „Die andre ebenso wichtige Seite ist die, daß der Tauschwert
vorausgesetzt ist, nicht mehr als einfacher Tauschwert, wie er als
bloß ideelle Bestimmung an der Ware existiert, bevor sie in die Zir-
kulation tritt ...“; und auch nicht mehr „als der Tauschwert, wie er als
ein Moment in der Zirkulation existiert, als Geld; er existiert hier als
Geld, als vergegenständlichter Tauschwert, aber so, daß an ihm ge-
setzt ist die eben beschriebene Beziehung“ (186f.), d. h. die Bestim-
mung des in der Zirkulation und durch sie sich erhaltenden und ver-
ewigenden Tauschwerts. Der vorausgesetzte Tauschwert existiert im
Unterschied zum Tauschwert als bloß ideeller Bestimmung an der
Ware, bevor sie in die Zirkulation eintritt, „1. in der Form der Gegen-
ständlichkeit“; vom Tauschwert, wie er als Moment der Zirkulation
existiert, unterscheidet er sich dadurch, daß er „2. aus der Zirkulati-
on herkömmt, sie also voraussetzt, aber zugleich von sich als Vor-
aussetzung ihr gegenüber ausgeht“. (187) Dies bedeutet, daß er durch
seine Bewegung in der Zirkulation, durch die er sich verselbständigt
und erhält, Voraussetzung des Prozesses der Wertproduktion wird;
Voraussetzung der Zirkulation aber wird er als Resultat dieses Pro-
zesses. Auf welche Weise wird der sich erhaltende und verewigende
Wert Voraussetzung des Prozesses der Wertproduktion? „Der Tausch-

197
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
Wie wird der sich wert als die Voraussetzung und zugleich Resultat der Zirkulation,
erhaltende Wert zur wie er unterstellt ist als aus ihr herausgetreten, muß ebenso wieder
Voraussetzung der aus ihr heraustreten“ (187). Geschähe dieses Heraustreten bloß in
Wertproduktion?
formeller Weise, als Resultat des Verkaufs von Ware, so würde er
wieder einfach Geld; träte er als Ware heraus, würde er zum Gegen-
stand des Bedürfnisses, er würde aufgezehrt und verlöre seine Form-
bestimmung als Tauschwert. „Damit das Heraustreten wirklich wird,
muß er ebenfalls Gegenstand des Bedürfnisses und als solcher auf-
gezehrt werden, aber er muß von der Arbeit aufgezehrt werden und
so sich neu reproduzieren.“ (187) Dieses Heraustreten findet an ei-
ner anderen Stelle statt als das Herausfallen des Geldes aus der Zir-
kulation zum Beispiel als Schatz; dies war die Stelle, an der sich
entschied, ob das Negative als Resultat seiner Bewegung in der Sphäre
der Unmittelbarkeit aus dieser herausfällt oder zum Ausgangspunkt
seiner Bewegung wird. Diese Entscheidung ist gefallen, d. h. der
Wert bleibt in der einfachen Zirkulation, aber nur, um aus ihr in der
Weise herauszutreten, daß er sich in den Prozeß der Wertproduktion
aufhebt. „Der Tauschwert war ursprünglich seinem Inhalt nach ver-
gegenständlichtes Quantum von Arbeit oder Arbeitszeit; als solcher
ging er durch die Zirkulation in seiner Objektivierung fort bis zum
Dasein als Geld, handgreifliches Geld. Er muß jetzt selbst wieder
den Ausgangspunkt der Zirkulation, der außer ihr lag, ihr vorausge-
setzt war, und für den sie selbst als eine von außen ihn ergreifende
und innerhalb ihrer umwandelnde Bewegung erschien, setzen, näm-
Rückkehr des lich die Arbeit“. (187) Es wird dies Realisierung der bestimmenden
Geldes aus der Reflexion sein, insofern die Bewegung, die die Unmittelbarkeit ist,
Zirkulation zu sich: die Bewegung setzt, die die Negativität ist. Der Wert setzt diesen
es muß die Arbeit
setzen Ausgangspunkt jetzt „nicht mehr als einfaches Äquivalent oder ein-
fache Vergegenständlichung der Arbeit, sondern als der vergegen-
ständlichte und verselbständigte Tauschwert, der sich nur an die Ar-
beit hingibt, zu ihrem Material wird, um sich selbst zu erneuen und
von sich selbst wieder die Zirkulation zu beginnen“. (187) Einige
dieser Bestimmungen der Rückkehr des Werts in den Produktions-
prozeß müssen allerdings als vorläufige aufgefaßt werden. So ist zu
fragen, ob der Wert Gegenstand des Bedürfnisses, also Gebrauchs-
wert, werden und als solcher aufgezehrt werden kann, und zwar
von der Arbeit. Ferner ist zu fragen, ob der verselbständigte Tausch-
wert oder Wert zum Material oder Gegenstand der Arbeit werden
kann. Hier zeigt sich, wie Marx um die richtige Bestimmung der
Beziehung zwischen selbständigem Wert und Arbeit im Produkti-

198
Voraussetzung des Produktionsprozesses des Kapitals
onsprozeß ringt; schon bald wird er zu einem gültigen Ergebnis
kommen.
Allerdings wird dann die Beziehung des Werts auf die Arbeit je-
ner Vorgang im Kreislauf sein, in dem der Wert sich vergrößert. „Da-
mit ist es auch nicht mehr einfaches Gleichsetzen, Bewahren seiner
Identität wie in der Zirkulation; sondern Vervielfältigen seiner selbst.
Der Tauschwert setzt sich nur als Tauschwert, indem er sich verwer-
tet, also seinen Wert vermehrt. Das Geld (als aus der Zirkulation zu
sich zurückgekehrt) hat als Kapital seine Starrheit verloren und ist
aus einem handgreiflichen Ding zu einem Prozeß geworden.“ (187f.)
Durch diese Rückkehr in sich oder zu sich hat nicht nur der Wert
sein Verhältnis zur wertsetzenden Arbeit, sondern diese ebenso ihr Rückkehr der Arbeit
Verhältnis zum Wert verändert. „Anderseits aber hat die Arbeit ihr zu sich –
Verhältnis zu ihrer Gegenständlichkeit verändert: sie ist auch zu sich Veränderung ihres
Verhältnisses zu
zurückgekehrt. Die Rückkehr ist aber die, daß die im Tauschwert ihrer
vergegenständlichte Arbeit die lebendige Arbeit als ein Mittel seiner Gegenständlichkeit
Reproduktion setzt, während ursprünglich der Tauschwert nur als
ein Produkt der Arbeit erschien.“ (188) Ursprünglich war die Arbeit
der Prozeß, der Wert das Resultat. Jetzt dagegen werden der Wert
und die den Wert setzende Arbeit einander gegenübertreten und die
Voraussetzung des Produktionsprozesses bilden, in den sie sich auf-
heben werden. Aber erstens ist die Bestimmung der Voraussetzung,
die hier gegeben werden kann, noch abstrakt; sie beschränkt sich auf
die Feststellung, daß vergegenständlichte abstrakte Arbeit und le-
bendige abstrakte Arbeit sich aufeinander beziehen werden. Das
Kapital als Produktionsprozeß unterstellt jedoch ein anders, d. h.
konkreter bestimmtes Verhältnis. Zweitens ist der Nachweis zu füh-
ren, wie in der Bewegung G – W – W – G´, vermittelst der Bestim-
mungen, die das Negative in ihr hat, die Voraussetzung sich formiert.
Die Rückkehr des Werts wie der Arbeit in den Produktionsprozeß
darf nicht nur behauptet, sie muß Schritt für Schritt verfolgt und be-
stimmt werden.

Bestimmung der Voraussetzung des Produktionsprozesses


des Kapitals
In den einleitenden Bemerkungen der Passage, in der Marx die Vor-
aussetzung des Produktionsprozesses des Kapitals konkret bestimmt,
hebt er nochmals hervor, wodurch sich die Bewegung des Werts als

199
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
Kapital von seiner Bewegung in der reinen Zirkulation unterschei-
det. „Der Übergang aus dem einfachen Tauschwert und seiner Zirku-
lation in das Kapital kann auch so ausgedrückt werden: In der Zirku-
lation erscheint der Tauschwert doppelt: einmal als Ware, das andre
Mal als Geld. Wenn er in der einen Bestimmung ist, ist er nicht in der
andren. Dies gilt für jede besondre Ware. Aber das Ganze der Zirku-
lation an sich betrachtet liegt darin, daß derselbe Tauschwert, der
Tauschwert als Subjekt sich einmal als Ware, das andre Mal als Geld
setzt und eben die Bewegung ist, sich in dieser doppelten Bestim-
mung zu setzen und sich in jeder derselben als ihr Gegenteil, in der
Ware als Geld und im Geld als Ware zu erhalten. Dies, was an sich in
der einfachen Zirkulation vorhanden ist, ist aber nicht an ihr gesetzt.
Der als Einheit von Ware und Geld gesetzte Tauschwert ist das Kapi-
tal, und dies Setzen selbst erscheint als die Zirkulation des Kapi-
tals.“ (190) Für die Zirkulation des Kapitals, also für die Selbst-
bewegung eines historisch bestimmten Systems gilt, daß sie
„Spirallinie, sich erweiternde Kurve, nicht einfacher Kreis ist“(190);
dies resultiert daraus, daß die Zirkulation des Kapitals nicht nur Be-
wegung vorhandenen Werts, sondern zugleich Wertproduktion ist.

* Die Voraussetzung, soweit sie primär durch den Basisprozeß


bestimmt ist
Bestimmung der Bei der Ableitung der Bestimmungen der Selbstbewegung ergibt sich
Voraussetzung des in der Untersuchung des Kapitals, also eines historisch bestimmten
Produktionsprozesses Systems, ein Problem, das sich so in der Hegelschen Konzeption
des Kapitals primär
nicht durch das nicht stellte. Zu Beginn der Interpretation des „Logik“-Kapitels über
Resultat der die Reflexionsbestimmungen war schon darauf hingewiesen worden,
einfachen daß die Selbständigkeit des Negativen, das sich durch erneutes Ne-
Zirkulation, sondern gieren erhält, nicht aus der Bewegung ableitbar ist, die sich in der
durch den
Basisprozeß Sphäre der Unmittelbarkeit realisiert, sondern aus einer bestimmten
Entwicklungsstufe des Basisprozesses resultiert, was in Hegels „Lo-
gik“ nicht thematisiert wird. Dort ergab sich, daß das Negative erst
in der Beziehung auf andere vorhandene Negative sich erhält und
dann in den Prozeß des Negierens sich aufhebt, in dem es in der
Beziehung auf das Sichnegieren sich erhält und als auf diese Weise
Sicherhaltendes das Identische ist. Es wird im Grund genommen
unterstellt, daß aus der Verselbständigung des Negativen in der vor-
angegangenen Bewegung, im zweiten Reflexionsbogen also, unmit-
telbar seine Selbständigkeit gegenüber dem Produziervermögen folgt.

200
Voraussetzung des Produktionsprozesses des Kapitals
Anders beim Kapital als historisch bestimmtem System. Aus der
Bewegung, die die einfache Zirkulation ist, ergibt sich nicht die Bestim-
mung der einander Gegenüberstehenden als Kapital und Lohnarbeit.
Oder das Vorhandensein dieser Bestimmtheit folgt nicht primär aus ei-
nem Bestimmen in der Binnenbewegung des Systems. Die Grund-
beziehung zwischen den Faktoren des kapitalistischen Produktions-
prozesses und damit ihre ökonomischen Formbestimmtheiten Umfunktionieren der
resultieren vielmehr aus der Entwicklungsstufe des Basisprozesses. Bestimmungen der
Mit der Herausbildung des Verhältnisses von Kapital und Lohnar- Ware und des
Geldes in
beit werden die historisch vorhandenen Formen der Ware und des Bestimmungen der
Geldes umfunktioniert in Formen der Realisierung dieses Verhält- kapitalistischen
nisses. Dies schließt ein: Erstens. Erst in der kapitalistischen Epo- Produktion
che, wo der Arbeiter über seine Arbeitskraft als eine ihm gehörige
Ware verfügt, seine Arbeit also die Form der Lohnarbeit hat, verall-
gemeinert sich die Warenform der Arbeitsprodukte63. Zweitens. Die
einfache Warenzirkulation als solche bringt es nur zur Form W –
G – G – W; die Form G – W – W – G´ setzt sich durch als
Bewegungsform des Kapitals; wenn also in der Zirkulationssphäre
auf der Entwicklungsstufe, wo die Warenform der Arbeitsprodukte
sich verallgemeinert hat, der verselbständigte Wert bzw. das Geld
die Bewegung der Rückkehr G – W – W – G´ absolviert, so unter-
stellt dies schon den kapitalistischen Produktionsprozeß; oder die
Bewegung des Werts bzw. des Geldes, in der der Punkt der Rückkehr
zum Ausgangspunkt wird, ergibt sich nicht und erklärt sich folglich
nicht aus der Bewegung in der Zirkulationssphäre, sondern aus dem
„hinter“ ihr vorgehenden Prozeß, ohne den sie nicht zustande käme.
Oder der Übergang aus dem einfachen Wert in das Kapital unterstellt
schon, daß Kapital und Lohnarbeit sich gegenüberstehen. D. h., die
Bewegung des Systems als in sich bleibende wird durch das Grund-
verhältnis des Systems gesetzt. Drittens. Die logische Ableitung der
Bestimmungen des Selbstbewegungsprozesses muß dennoch mit den
Bestimmungen der einfachen Zirkulation – oder der an sich seienden
Unmittelbarkeit – beginnen, weil der Wert sich in der einfachen Zir-
kulation verselbständigt haben muß, um als Kapital den Prozeß be-
ginnen zu können, in dem er sich erhält und vervielfältigt, und weil
der Wert begriffen sein muß, damit sowohl der Austausch zwischen
Kapital und Lohnarbeit in der Zirkulationssphäre als auch der kapi-
talistische Produktionsprozeß begriffen werden können. Aber das

63 Vgl.: Karl Marx: Das Kapital. Erster Band, In: MEW, Bd. 23, S. 184, Fußnote.

201
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
Kapital ist nicht bloß verselbständigter Wert, nicht bloß Geld. Damit
Geld sich in Kapital verwandelt, müssen nicht nur Warenproduktion
und Warenzirkulation vorhanden sein; vielmehr ist dafür erforder-
lich, daß „hier Besitzer von Wert oder Geld, dort Besitzer der wert-
schaffenden Substanz; hier Besitzer von Produktions- und Lebens-
mitteln, dort Besitzer von nichts als Arbeitskraft, einander als Käufer
und Verkäufer gegenübertreten“.64
Die Beziehung, die im bürgerlichen Produktionssystem zwischen
den Bestimmungen der einfachen Zirkulation, speziell der Wert-
bestimmung, und dem kapitalistischen Produktionsprozeß sich her-
ausbildet, hat Marx so gefaßt: „Wenn in der Theorie der Begriff des
Werts dem des Kapitals vorhergeht, andrerseits aber zu seiner reinen
Entwicklung wieder eine auf das Kapital gegründete Produktions-
weise unterstellt, so findet dasselbe in der Praxis statt. Die Ökono-
men betrachten daher das Kapital auch notwendig bald als Schöpfer
der Werte, Quelle derselben, wie andrerseits sie Werte für die Bil-
dung des Kapitals voraussetzen und es selbst nur als eine Summe
von Werten in einer bestimmten Funktion darstellen. Die Existenz
des Werts in seiner Reinheit und Allgemeinheit setzt eine Produkti-
onsweise voraus, worin das einzelne Produkt aufgehört hat, ein sol-
ches für den Produzenten überhaupt und noch mehr für den einzel-
nen Arbeiter zu sein, und ohne die Realisierung durch die Zirkulation
nichts ist ... Diese Wertbestimmung selbst hat also zu ihrer Vorausset-
zung eine gegebne historische Stufe der gesellschaftlichen Produkti-
onsweise und ist selbst ein mit derselben gegebnes, also historisches
Verhältnis.“ (177) Dadurch, daß das Kapital die Warenproduktion
verallgemeinert und sich in der Zirkulationssphäre selbst als die Be-
wegung G – W – G´ darstellt, kann vom Wert zum Kapital weiterge-
gangen werden. „Innerhalb des Systems der bürgerlichen Gesellschaft
daher folgt auf den Wert unmittelbar das Kapital. In der Geschichte
gehn andre Systeme vor, die die materielle Grundlage der unvoll-
Wie bilden die kommnern Wertentwicklung bilden.“ (177)
Entgegengesetzten Wie verhalten sich die Bestimmungen des Kapitalverhältnisses zu
Kapital und Arbeit in den bisher, in der Untersuchung der einfachen Zirkulation gefunde-
den Bestimmungen
der Ware und des nen Bestimmungen? Diese Frage stellt Marx, wenn er jetzt die Auf-
Geldes die gabe formuliert: „Analysieren wir zunächst die einfachen Bestim-
Voraussetzung des mungen, die im Verhältnis von Kapital und Arbeit enthalten sind,
Produktionsprozesses? um so den innern Zusammenhang – sowohl dieser Bestimmungen

64 Ebenda, S. 595.

202
Voraussetzung des Produktionsprozesses des Kapitals
als ihrer Fortentwicklungen – zum Frühern zu finden.“ (190) Es ist
zu klären, wie die Entgegengesetzten Kapital und Arbeit in den Be-
stimmungen der Ware und des Geldes sich bewegen und die Voraus-
setzung des Produktionsprozesses bilden. Diese Voraussetzung ist
nicht bloß verselbständigter Wert auf der einen Seite, (abstrakte)
Arbeit auf der anderen, wie man annehmen könnte, wenn man sich
auf die Betrachtung der Bewegung der einfachen Zirkulation be-
schränkt. Vielmehr gilt: „Die erste Voraussetzung ist, daß auf der
einen Seite das Kapital steht und auf der andren die Arbeit, beide als
selbständige Gestalten gegeneinander; beide also auch fremd gegen-
einander. Die Arbeit, die dem Kapital gegenübersteht, ist fremde
Arbeit und das Kapital, das der Arbeit gegenübersteht, ist fremdes
Kapital. Die Extreme, die sich gegenüberstehn, sind spezifisch ver-
schieden.“ (190) Selbständige Gestalten gegeneinander sind sie, in-
dem sie einander vorfinden. Die Spezifik ihrer sozialen Beziehung
aufeinander drückt sich darin aus, daß jedes dem anderen fremd, das
andere also nicht sein Eigen ist. Die Voraussetzung des kapitalisti-
schen Produktionsprozesses ist somit konkreter bestimmt als das ein-
fache Resultat der Zirkulation als Unmittelbarkeit.

* Der Gegensatz von Kapital und Arbeit als Voraussetzung


Die Voraussetzung des Produktionsprozesses, die nicht allein durch
die Binnenbewegung des Systems, sondern letztlich durch den Ent-
wicklungsstand des Basisprozesses bestimmt ist, ist hier von Anfang
an Gegensatz – im Unterschied zur Hegelschen Ableitung, wo die
Bestimmung des Gegensatzes erst in der Analyse des Resultats des
Produktionsprozesses des Negativen sich ergibt. Es ist aber zu unter-
scheiden zwischen gegensätzlichen Bestimmungen überhaupt und
dem spezifischen Gegensatz der Selbstbewegung des Wesens. Des-
halb ist zu überlegen, an welchem Punkt der Ableitung hier mit der
Bestimmung des Gegensatzes gearbeitet wird und was hier über ihn
aussagbar ist.
Gegenstand der Betrachtung ist die Phase in der Bewegung des
Kapitals, wo der verselbständigte Wert und das Arbeitsvermögen erst
in der Zirkulationssphäre oder in der Sphäre der Unmittelbarkeit ein-
ander gegenüberstehen. Bislang standen sie noch nicht in produkti-
vem Kontakt miteinander. Wie können sie unter diesen Umständen Generelle
einen Gegensatz bilden, und in welchem Sinne können sie einander Bestimmungen des
voraussetzen? Das Kapital ist da als Geld, und als solches ist es Nicht- Gegensatzes

203
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
Arbeitsvermögen; oder der Kapitalist ist Geldbesitzer, und als sol-
cher ist er Nicht-Arbeitskraftbesitzer, d. h. er betritt nicht als solcher
den Markt. Die Lohnarbeit ist da als Arbeitsvermögen, das in der
Leiblichkeit des Arbeiters vorhanden ist; der Lohnarbeiter ist Nicht-
Geldbesitzer und daher gezwungen, seine Arbeitskraft auf dem Markt
anzubieten als Ware, deren Gebrauchswert die Wertschöpfung sein
wird. Der verselbständigte Wert kann Kapital werden, weil ihm sein
Nichtsein, sein Anderes, die Arbeitskraft als lebendige Quelle des
Werts gegenübersteht; er ist durch sein Nichtsein; und er ist zugleich
durch das Nichtsein des Anderen, d. h. als vorhandener Wert, der
sich verwerten soll. Die Lohnarbeit wird sich als solche betätigen
können, weil ihr ihr Nichtsein, ihr Anderes gegenübersteht, das Kapital
als Geld, das einesteils in die gegenständlichen Arbeitsbedingungen
verwandelt wird und andernteils zum Kauf der Ware Arbeitskraft ver-
wendet wird. Sie ist zugleich durch das Nichtsein des Anderen, d. h. als
Quelle des Werts. Auf dieser Stufe der Untersuchung sind also er-
stens Kapital und Lohnarbeit in der Grundbestimmung zu fassen, die
jeden Gegensatz auszeichnet, nicht nur den des Wesens, also in der
Bestimmung, wonach jedes durch sein Nichtsein, d. h. durch sein
Anderes, und durch das Nichtsein seines Anderen ist. Insofern sind
sie einander vorausgesetzt. Die Bestimmung des Gegensatzes des
Historische Wesens dagegen ist spezifischer Natur. Zweitens resultiert das Da-
Entstehung des sein der Entgegengesetzten (noch) nicht aus ihrem eigenen Prozeß.
Gegensatzes Es ist vielmehr Resultat eines historischen Vorgangs. So verweist
Marx darauf, daß „das Kapital, um zu werden“, „eine gewisse Akku-
mulation“ (sog. ursprüngliche Akkumulation) voraussetzt, „die schon
im selbständigen Gegensatz der vergegenständlichten Arbeit gegen
die lebendige liegt; im selbständigen Bestehn dieses Gegensatzes“.
(239) Diese Akkumulation, „die zum Werden des Kapitals nötig“ ist,
ist wesentlich unterschieden „von der Akkumulation des als Kapital
gewordnen Kapitals, wo schon Kapitalien vorhanden sein müssen“.
(239) Gesetzt ist dieser Gegensatz somit als Produkt jenes histori-
schen, aus dem Entwicklungsstand des Basisprozesses resultieren-
den Vorgangs, der zur Herausbildung des bürgerlichen Produktions-
systems führte. Die Entgegengesetzten finden einander vor. In
Beziehung zueinander müssen sie treten, weil sie für ihr Bestehen
einander brauchen; der Zwang hierzu resultiert letztlich aus dem
Basis-Prozeß auf seiner gegebenen historisch konkreten Entwick-
lungsstufe. Drittens. Bei der Untersuchung der Aktion dieser Entge-
gengesetzten im Produktionsprozeß ist nachzuweisen, wie sie die für

204
Voraussetzung des Produktionsprozesses des Kapitals
Selbstbewegung unerläßliche Funktion von Identität und Unterschied Funktion der
realisieren. Viertens ist zu erkunden, wie sie vermittelst des Pro- Entgegengesetzten
duktionsprozesses in sein Resultat die Anfangsbestimmung des Ge- und Setzen des
gensatzes des Wesens setzen, wonach jedes durch sein Nichtsein,
Gegensatzes im
Produktionsprozeß
also durch sein Anderes ist, so daß der Gegensatz nicht mehr bloß selbst
ein vorgefundener, sondern ein in der Bewegung des Systems selbst
produzierter ist, der in der systeminternen Bewegung zur Vorausset-
zung des Produktionsprozesses wird, in dem er als Widerspruch sich
setzt und löst und so der Grund der Selbstbewegung des Systems ist.
Erst wenn gezeigt worden ist, wie der Gegensatz in der Bewegung
des Systems gesetzt wird und wie er sich als Voraussetzung des
Produktionsprozesses formiert, ist nachgewiesen, daß die Bewegung
des Systems aus sich kommende Bewegung ist.

* Wie Kapital und Arbeit in der Bewegung G – W – W – G


zur Voraussetzung des Produktionsprozesses werden –
wie sie einander als Wert und Gebrauchswert gegenüberstehen
Die Formierung der Voraussetzung des kapitalistischen Produktions- Bildung der
prozesses beginnt in der Zirkulationssphäre. Der Kapitalist betritt Voraussetzung des
den Markt als Geldbesitzer. Sein Geld muß sich im Ergebnis der Pro- kapitalistischen
Produktionsprozesses
zesse, die er in Bewegung setzt, vermehren. Die Frage nach der Vor- in der Bewegung
aussetzung schließt hier eine spezielle Problemstellung ein: es ist G–W
herauszufinden, wie sie beschaffen sein muß, damit der verselbstän-
digte Wert sich quantitativ nicht nur erhält, sondern vergrößert, d. h.
verwertet. Die für das Kapital typische Wertveränderung kann aber
weder in der Bewegung G – W noch in der Bewegung W – G statt-
finden; beide Male ist Äquivalentenaustausch unterstellt. Die Verän-
derung des Werts kann daher nur mit der Ware vorgehen, die in der
Bewegung G – W eingetauscht wird. Da der Wert der Waren als sol-
cher gegeben ist, müßte eine Wertveränderung aus dem Gebrauchs-
wert der eingetauschten Ware, folglich aus ihrem Gebrauch, ihrer
Konsumtion resultieren. Es müßte also auf dem Markt eine Ware zu
finden sein, deren Gebrauchswert darin besteht, Quelle von Wert zu
sein. Diese Ware bietet der Arbeiter an: seine Arbeitskraft. Diese
Konstellation in der Zirkulation resultiert nicht aus ihr, sondern ent-
springt anderen Bedingungen, wovon schon die Rede war. Aber die
Formierung der Voraussetzung geht in der Zirkulation G – W – W – G
vor, und zwar in der Bewegung G – W.
Damit stellt sich die Frage, wie Kapital und Arbeit als G und W

205
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
vor dem Vollzug des Austauschaktes einander gegenübertreten. Er-
stens. Marx stellt einleitend ganz allgemein fest, welche Ware der
Arbeiter dem Kapitalisten anzubieten und welchen Gebrauchswert
diese Ware hat. „Die Extreme, die sich gegenüberstehn, sind spezi-
fisch verschieden.“ (190) Die Arbeit ist jetzt unterschieden von jener
Arbeit, die lediglich Waren produzierende und damit Wert setzende
Arbeit ist. Für diese ist zweierlei kennzeichnend. a) „In der ersten
Setzung des einfachen Tauschwerts war die Arbeit so bestimmt, daß
das Produkt nicht unmittelbarer Gebrauchswert für den Arbeiter war,
nicht direktes Subsistenzmittel. Dies war die allgemeine Bedingung
des Schaffens eines Tauschwerts und des Austauschs überhaupt. Sonst
hätte der Arbeiter nur ein Produkt hervorgebracht – einen unmittel-
baren Gebrauchswert für sich –, aber keinen Tauschwert.“ (190) b)
„Dieser Tauschwert jedoch war materialisiert in einem Produkt, das
als solches Gebrauchswert für andre hatte und als solches Gegen-
Spezifischer stand ihrer Bedürfnisse war.“ (190) Welchen spezifischen Gebrauchs-
Gebrauchswert der wert hat nun die Ware, die der Arbeiter dem Kapital verkaufen wird?
Ware, die der „Der Gebrauchswert, den der Arbeiter dem Kapital gegenüber anzu-
Arbeiter dem Kapital
verkauft bieten hat, den er also überhaupt anzubieten hat für andre, ist nicht
materialisiert in einem Produkt, existiert überhaupt nicht außer ihm,
also nicht wirklich, sondern nur der Möglichkeit nach, als seine Fä-
higkeit.“ (190f.) Wenn der Kapitalist die Ware, die diesen Gebrauchs-
wert hat, gekauft haben wird, wird sie als Prozeßfaktor wirken kön-
nen. „Wirklichkeit wird er“ – der Gebrauchswert dieser Ware – „erst,
sobald er von dem Kapital sollizitiert, in Bewegung gesetzt wird, da
Tätigkeit ohne Gegenstand nichts ist oder höchstens Gedanken-
tätigkeit, von der es sich hier nicht handelt. Sobald er die Bewegung
vom Kapital erhalten, ist dieser Gebrauchswert als die bestimmte,
produktive Tätigkeit des Arbeiters; es ist seine auf einen bestimmten
Zweck gerichtete und darum in bestimmter Form sich äußernde Le-
bendigkeit selbst.“ (193)
Wie im Verhältnis Zweitens. Damit nimmt das Verhältnis von Kapital und Arbeit die
von Kapital und Bestimmungen der Ware auf, aber in neuer Weise: als Beziehung
Arbeit Wert und zwischen dem Wert und dem Gebrauchswert. „Im Verhältnis von
Gebrauchswert
zueinander ins Kapital und Arbeit sind Tauschwert und Gebrauchswert in Verhält-
Verhältnis gesetzt nis zueinander gesetzt, die eine Seite (das Kapital) ist zunächst der
werden andren Seite als Tauschwert gegenüber und die andre Seite (die Ar-
beit) dem Kapital gegenüber als Gebrauchswert.“ (193). Dies ist eine
Veränderung gegenüber der einfachen Zirkulation. Dort kann jede
der Waren abwechselnd in der einen oder anderen Bestimmung be-

206
Voraussetzung des Produktionsprozesses des Kapitals
trachtet werden. Ob so oder so, die Ware als solche tritt aus der Zir-
kulation heraus und wird Gegenstand des Bedürfnisses, fällt also ganz
außerhalb des ökonomischen Verhältnisses. Als Geld treibt die Ware
zur selben Formlosigkeit, aber als innerhalb die ökonomische Bezie-
hung fallend. Im Prinzip kann also nicht gesagt werden, „daß sich
der Tauschwert in der einfachen Zirkulation realisiert“ (194), und
zwar deswegen, „weil ihm der Gebrauchswert nicht als solcher ge-
genübertritt, als ein durch ihn selbst als Gebrauchswert bestimmter“
(194), d. h. der Gebrauchswert als ein durch den Wert und für diesen
als Gebrauchswert bestimmter; während umgekehrt „der Gebrauchs-
wert als solcher nicht im Verhältnis steht zum Tauschwert, sondern
nur dadurch bestimmter Tauschwert wird, daß die Gemeinsamkeit
der Gebrauchswerte – Arbeitszeit zu sein – als äußrer Maßstab an sie
angelegt wird. Ihre Einheit fällt noch unmittelbar auseinander und
ihr Unterschied noch unmittelbar in eins. Daß der Gebrauchswert als
solcher wird durch den Tauschwert und daß der Tauschwert sich selbst
vermittelt durch den Gebrauchswert, muß nun gesetzt sein.“ (194f.)
Dieser Gedankengang basiert auf der Überlegung, daß der Wert, um
sich zu verwerten, nicht anderen vorhandenen Werten gegenübertre-
ten kann; da der ganze Prozeß sich aber in den Beziehungen zwischen
Ware und Geld abspielt, kann eine Verwertung des vorhandenen Werts
nur der anderen Bestimmung der Ware, ihrem Gebrauchswert, ent-
springen. Dieser Anforderung wird aber nicht schlechthin jede, son-
dern nur eine ganz bestimmte Ware genügen können. In der einfa-
chen Zirkulation fand folglich ein wirkliches Verhältnis von Wert Gebrauchswert für
und Gebrauchswert nicht statt. Der Gebrauchswert muß jetzt Ge- den
brauchswert für den verselbständigten Wert als sich erhaltenden und
verselbständigten,
sich erhaltenden und
vervielfältigenden sein. Damit tritt aber der verselbständigte Wert vervielfältigenden
dem Gebrauchswert in neuer Bestimmung gegenüber. „Der dem Wert
Gebrauchswert selbst, als Seite des Verhältnisses gesetzt, gegenüber-
tretende Tauschwert, tritt ihm als Geld gegenüber, aber das ihm so
gegenübertretende Geld ist Geld nicht mehr in seiner Bestimmung
als solches, sondern als Kapital“ (195), zunächst, d. h. vor Beginn
des Produktionsprozesses, noch als potentielles Kapital. Ebenso tritt
der Gebrauchswert in neuer Bestimmung dem Wert gegenüber. „Der
dem Kapital oder dem gesetzten Tauschwert gegenübertretende
Gebrauchswert oder Ware ist nicht mehr die Ware, wie sie dem Geld
gegenüber erschien, deren Formbestimmtheit ebenso gleichgültig war
wie ihr Inhalt, und nur als irgendeine Substanz überhaupt erschien.“
(195) Dieser Gebrauchswert fungiert „als Gebrauchswert für das

207
Einfache Zirkulation – vermittelte Unmittelbarkeit
Kapital, d. h. also als ein Gegenstand durch Austausch, mit welchem
das Kapital65 nicht seine Wertbestimmung verliert, wie z. B. das Geld,
indem es gegen eine bestimmte Ware ausgetauscht wird. Die einzige
Nützlichkeit, die ein Gegenstand überhaupt für das Kapital haben
kann, kann nur sein, es zu erhalten oder zu vermehren.“ (195) Beim
Geld war schon zu sehen, daß der als solches verselbständigte Wert
keiner andren Bestimmung fähig ist als einer quantitativen, d. h. daß
er die Bestimmung hat, sich zu vermehren. „Seinem Begriff nach ist
er der Inbegriff aller Gebrauchswerte; aber als immer nur ein be-
stimmtes Quantum Geld (hier Kapital) ist seine quantitative Schran-
ke im Widerspruch zu seiner Qualität. Es liegt daher in seiner Natur,
beständig über seine eigne Schranke hinauszutreiben.“ (195) Daraus
ergibt sich für das Kapital: „Für den Wert, der an sich als Wert fest-
hält, fällt schon deswegen Vermehren mit Selbsterhalten zusammen,
und er erhält sich eben nur dadurch, daß er beständig über seine quan-
titative Schranke hinaustreibt, die seiner Formbestimmung, seiner
innerlichen Allgemeinheit widerspricht. Das Bereichern ist so Selbst-
zweck. Die zweckbestimmende Tätigkeit des Kapitals kann nur die
der Bereicherung, d. h. der Vergrößerung, der Vermehrung seiner
selbst sein ... Als Reichtum festgehalten, als allgemeine Form des
Reichtums, als Wert, der als Wert gilt, ist es also der beständige Trieb,
über seine quantitative Schranke fortzugehen: endloser Prozeß. Sei-
ne eigne Lebendigkeit besteht ausschließlich darin; es erhält sich
nur als vom Gebrauchswert unterschiedner, für sich geltender Tausch-
wert, indem es sich beständig vervielfältigt.“ (196)66 (Marx merkt
hierzu an: „Den Herren Ökonomen wird es verdammt schwer, theo-
retisch fortzukommen von der Selbsterhaltung des Werts im Kapital
zu seiner Vervielfältigung; nämlich diese in seiner Grundbestimmung,
nicht nur als Akzidens oder nur als Resultat.“ [196]) Daraus folgt:
„Als Gebrauchswert, d. h. als nützlich, kann dem Kapital als sol-
chem gegenüber nur das es Vermehrende, Vervielfältigende und da-
her als Kapital Erhaltende stehn.“ (197)

65 Müßte wohl heißen: „als ein Gegenstand, durch Austausch mit welchem“ usw.;
also das Komma anders gesetzt.
66 In allgemeiner Weise ist hier festzuhalten, daß in historisch bestimmten Syste-
men das Sicherhalten des systemspezifischen Negativen nicht ein quantitatives Sich-
gleichbleiben ist oder sein muß, sondern durch seine quantitative Veränderung, im
gegebenen Fall durch quantitative Vergrößerung, realisiert wird.

208
Die Reflexionsbestimmungen
in der Selbstbewegung des Kapitals

Identität und Unterschied in der Beziehung von Kapital


und Lohnarbeit
Damit kommt die Untersuchung der Voraussetzung des kapitalisti-
schen Produktionsprozesses an die Stelle, wo es erforderlich wird,
mit den Reflexionsbestimmungen der Identität und des Unterschieds
zu arbeiten. Identität als Bestimmung der Selbstbewegung bedeutet
Sichselbstgleichheit als Sicherhalten des selbständigen Negativen,
Unterscheiden das Hervorbringen oder Setzen von neuem Negati-
vem. Der Wert, der im ganzen Kreisprozeß sich erhält, ist das Kapi-
tal als Identisches.

* Identität als an sich festhaltender Wert, d. h. Kapital


Bei der Betrachtung der Zirkulationssphäre hatte sich ergeben, daß
das Kapital die Bestimmung der Identität hat als Wert, der sich in ihr
erhält. Dieser Wert verwirklicht sich in stets anderen Substanzen, d.
i. Gebrauchswerten, verliert dabei jedoch seine Formbestimmung
nicht, sondern bewahrt „in jeder der verschiednen Substanzen seine
Identität mit sich selbst“ (185) oder seine Sichselbstgleichheit. Das
Kapital selbst ist abwechselnd Ware und Geld, und zwar nicht diese
oder jene Ware, sondern eine Totalität von Waren. „Die Identität, die Bestimmung der
Form der Allgemeinheit, die es erhält, ist die, Tauschwert zu sein Identität in der
und als solcher Geld.“ (186) In der einfachen Zirkulation ist diese Kapitalbewegung
Identität qualitativ und quantitativ Sichselbstgleichheit. Im Produk-
tionsprozeß des Kapitals setzt eine Differenzierung dieser Bestim-
mung ein, insofern das Kapital sich erhaltender, aber dies nur als
sich vergrößernder Wert ist. „Damit ist es auch nicht mehr einfaches
Gleichsetzen, Bewahren seiner Identität wie in der Zirkulation, son-
dern Vervielfältigen seiner selbst.“ (187f.) Das Kapital ist somit Iden-
tisches als der in der Zirkulationssphäre sich erhaltende Wert; jetzt

209
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
wird es durch seine Beziehung auf die Arbeit des Lohnarbeiters Iden-
tisches als sich verwertender Wert sein.
Von der genauen Kennzeichnung des Identischen hängt es dann
auch ab, ob es gelingt, seinen einfachen Unterschied zu bestimmen.
Heuristische In diesem Zusammenhang wird die heuristische Funktion der Be-
Funktion der stimmung des absoluten Unterschieds als des einfachen Nicht des
Bestimmung des Identischen deutlich werden. „Das Kapital seinem Begriff nach ist
absoluten
Unterschieds Geld, aber Geld, das nicht mehr in der einfachen Form von Gold und
Silber auch nicht mehr als Geld im Gegensatz zur Zirkulation exi-
stiert, sondern in der Form aller Substanzen – Waren. Insofern steht
es als Kapital daher nicht im Gegensatz zum Gebrauchswert, son-
dern existiert außer dem Geld eben nur in Gebrauchswerten ... Nach
dieser Seite hin kann das Gegenteil des Kapitals nicht selbst wieder
eine besondre Ware sein; denn als solche bildet sie keinen Gegensatz
zum Kapital, da die Substanz des Kapitals selbst Gebrauchswert ist;
es nicht diese oder jene Ware, sondern jede Ware ist.“ (197) Marx
nennt hier das Gesuchte den „Gegensatz zum Kapital“; der Sache
nach geht es darum, das Nicht des Kapitals und in diesem Sinne das
Nicht-Kapital zu finden, also den Unterschied als Bestimmung und
Funktion eines der Entgegengesetzten zu erfassen. Marx arbeitet dann
auch mit dem Terminus „Unterschied“. „Die gemeinschaftliche Sub-
stanz aller Waren, d. h., ihre Substanz wieder nicht als ihr materieller
Stoff, also physische Bestimmung, sondern ihre gemeinschaftliche
Substanz als Waren und darum Tauschwerte, ist die, daß sie verge-
genständlichte Arbeit sind.“ (197) D. h. die Bestimmung von Identi-
tät und Unterschied erfolgt im Hinblick auf die systemspezifische
Bewegung. Die vergegenständlichte abstrakte Arbeit ist es, die den
Wert setzte, der sich verselbständigte und sich nun dadurch zu erhal-
ten strebt, daß er sich vervielfältigt. Es kann „von dieser ökonomi-
schen (gesellschaftlichen) Substanz der Gebrauchswerte“ allein die
Rede sein, „wenn Gegensatz zu ihnen (den Waren – d. V.) gesucht
wird.“ (197)

* Der absolute, einfache Unterschied – das Nicht des Kapital


Und hier nun die entscheidende Folgerung aus den vorangegange-
nen Überlegungen: „Der einzige Unterschied von der vergegenständ-
lichten Arbeit ist die nicht vergegenständlichte, sondern sich noch
vergegenständlichende, die Arbeit als Subjektivität. Oder die verge-
genständlichte, d. h. als räumlich vorhandne Arbeit kann auch als

210
Identität und Unterschied im Kapitalverhältnis
vergangne Arbeit der zeitlich vorhandnen entgegengestellt werden.
Soweit sie als zeitlich, als lebendig vorhanden sein soll, kann sie nur
als lebendiges Subjekt vorhanden sein, in dem sie als Fähigkeit exi-
stiert, als Möglichkeit; als Arbeiter daher. Der einzige Gebrauchs- Die Arbeit als das
wert daher, der einen Gegensatz zum Kapital bilden kann, ist die wirkliche Nicht-
Arbeit (und zwar wertschaffende, i. e. produktive Arbeit...).“ (197f.)
Kapital
Der Unterschied vom Kapital als der vergegenständlichten Arbeit
kann nur das sein, das durch sein Sichnegieren das Kapital erhält
und verwertet. Somit ergibt sich: „Der dem Kapital als dem gesetz-
ten Tauschwert gegenübertretende Gebrauchswert ist die Arbeit. Das
Kapital tauscht sich aus oder ist in dieser Bestimmtheit nur in Bezie-
hung auf das Nicht-Kapital, die Negation des Kapitals, in bezug auf
welche es allein Kapital ist; das wirkliche Nicht-Kapital ist die Ar-
beit.“ (199) Die Beziehung des Kapitals auf das Nicht-Kapital ist der
absolute Unterschied der Selbstbewegung des Kapitals, der einfa-
cher Unterschied ist, ausgedrückt durch das einfache Nicht des Ka-
pitals. Das „einfache Nicht“ bezeichnet die Bewegung, die das system-
spezifische Negative hervorbringt, erzeugt, produziert, indem sie sich
negiert, und zwar in Beziehung gesetzt zum Identischen, Sichselbst-
erhaltenden.
Soweit handelt es sich um Identität und Unterschied als Bestim-
mungen des Kapitals und der Arbeit noch als Voraussetzung des
Produktionsprozesses, und zwar noch in der Zirkulationssphäre. Da-
mit sie den Prozeß miteinander beginnen können, müssen sie mitein-
ander verbunden werden.

* Bewegung aus der Unmittelbarkeit in die Negativität – die Art und


Weise der Verbindung der Faktoren des Produktionsprozesses
Diese Verbindung geschieht durch die Verwandlung der Geldsum-
me, die bestimmt ist, als Kapital zu fungieren, in Waren: zum einen
muß die Ware Arbeitskraft gekauft werden, zum anderen muß das
Geld gegen Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstände als die Reali-
sierungsbedingungen der Arbeit ausgetauscht werden. „Der Aus-
tausch des Arbeiters mit dem Kapitalisten ist einfacher Austausch;
jeder erhält ein Äquivalent; der eine Geld, der andre eine Ware, de-
ren Preis exakt gleich ist dem für sie gezahlten Geld; was der Kapi-
talist in diesem einfachen Austausch erhält, ist ein Gebrauchswert;
Disposition über fremde Arbeit.“ (207) Was der Arbeiter „verkauft,
ist die Disposition über seine Arbeit, die eine bestimmte ist, bestimmte

211
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Kunstfertigkeit etc.“. (207) „... der Gebrauchswert, den er anbietet,
existiert nur als Fähigkeit, Vermögen seiner Leiblichkeit, hat kein
Dasein außer derselben.“ (208) Marx betont, daß der Arbeiter „nur
zeitliche Disposition über seine Arbeitskraft verkauft, also den Tausch
stets wieder von neuem beginnen kann, sobald er das gehörige Maß
von Stoff eingenommen, um wieder seine Lebensäußerung reprodu-
zieren zu können“. (215)67
Die Verbindung der Dennoch unterscheidet dieser Austausch sich von der „reinen Zir-
Produktionsfaktoren kulation“ dadurch, daß die ihm vorausgesetzten Extreme nicht bloß
miteinander – als Ware und Geld bestimmt sind. Im einfachen Austausch ist der
Unmittelbarkeit und
Aufhebung der Arbeiter „als Gleicher dem Kapitalist gegenüber, wie jeder andre
Unmittelbarkeit Austauschende; wenigstens dem Schein nach. Dem fact nach ist die-
se Gleichheit schon dadurch gestört, daß sein Verhältnis als Arbeiter
zum Kapitalisten ... vorausgesetzt ist für diesen scheinbar einfachen
Austausch; daß er also schon in einem anders ökonomisch bestimm-
ten Verhältnis steht – außer dem des Austauschs ...“ (209) Prinzipiell
gilt im bürgerlichen System für die Art und Weise der Verbindung
der Produktionsfaktoren miteinander: „Trennung des Eigentums von
der Arbeit erscheint als notwendiges Gesetz dieses Austauschs zwi-
schen Kapital und Arbeit.“ (217) Nachdem der Kapitalist sein Geld
verwandelt hat einesteils in Produktionsmittel, andernteils in Arbeits-
kraft, ist die Sphäre der Zirkulation oder der Unmittelbarkeit verlas-
sen. Das Negative hebt durch diese Bewegung in der Unmittelbar-
keit die Unmittelbarkeit selbst auf. Die Waren, in die das Geld
verwandelt worden ist, stehen einander jetzt nicht als Waren gegen-
Als potentielle über. Die Produktionsmittel haben die Bestimmung, erstens, Wert zu
Produktionsfaktoren: sein, der sich erhält, und zweitens, als Mittel zur Abpressung und
neue Beziehung Aufsaugung neuen Werts zu dienen. Die Arbeitskraft hat als Quelle
zueinander
neuen Werts zu fungieren, und zwar so, daß der ursprüngliche Wert
nicht erhalten, sondern vergrößert wird. Dies ist nicht ein Verhältnis

67 Im Hinblick auf das Problem der Verbindung der Prozeßfaktoren miteinander


sei noch erwähnt, daß zu prüfen wäre, inwiefern neue Strukturniveaus materieller
Selbstbewegung entstehen durch die Herausbildung neuer Aktionsweisen, Funktions-
weisen der Aktoren, die sich dem vorausgesetzten System gegenüber verselbständi-
gen. Für die Menschengesellschaft sind dies die aufeinander bezogenen Funktionen
des Arbeitens und des Aneignens. Ferner ist zu überlegen, wie auf gegebenem
Strukturniveau qualitativ neue sich selbst bewegende Systeme dadurch zustande
kommen, daß sich in der Konsequenz der Entwicklung des Basisprozesses die Art
und Weise der Beziehung dieser Funktionen – und ihrer Aktoren – aufeinander ver-
ändert. In der Gesellschaft ist dies die Veränderung der Art und Weise, in der Arbei-
ter und Produktionsmittel miteinander verbunden werden.

212
Identität und Unterschied im Kapitalverhältnis
von Ware zu Ware, sondern das Kapitalverhältnis, damit Verhältnis
zwischen Bestandteilen des Kapitals, das sich durch den Produkti-
onsprozeß realisieren wird. So bestimmt sind sie jetzt potentielle
Prozeßfaktoren.

* Spezielle Analyse des absoluten Unterschieds: zwei Bestimmungen


des Nicht-Kapitals
In der Analyse der Arbeit als Nicht-Kapital, wie sie unmittelbar vor
Beginn des Produktionsprozesses vorhanden ist, unterscheidet Marx
zwei Bestimmungen dieses einfachen Nicht. Zunächst wird es in sei-
ner für das bürgerliche Produktionssystem spezifischen Beziehung
auf das Identische gefaßt. „Die Arbeit als das Nicht-Kapital als sol- Die Arbeit als das
ches gesetzt, ist: 1. Nicht-vergegenständlichte Arbeit, negativ gefaßt Nicht-Kapital: 1. nicht
(selbst noch gegenständlich; das Nichtgegenständliche in objektiver vergegenständlichte
Arbeit, negativ
Form). Als solche ist sie Nicht-Rohstoff, Nicht-Arbeitsinstrument, gefaßt – die Arbeit
Nicht-Rohprodukt: die von allen Arbeitsmitteln und Arbeits- als absolute Armut
gegenständen, von ihrer ganzen Objektivität getrennte Arbeit. Die
lebendige als Abstraktion von diesen Momenten ihrer realen Wirk-
lichkeit existierende Arbeit (ebenso Nicht-Wert); diese völlige Ent-
blößung, aller Objektivität bare, rein subjektive Existenz der Arbeit.
Die Arbeit als die absolute Armut: die Armut, nicht als Mangel, son-
dern als völliges Ausschließen des gegenständlichen Reichtums. Oder
auch als der existierende Nicht-Wert und daher rein gegenständliche
Gebrauchswert, ohne Vermittlung existierend, kann diese Gegenständ-
lichkeit nur eine nicht von der Person getrennte: nur eine mit ihrer
unmittelbaren Leiblichkeit zusammenfallende sein. Indem die Ge-
genständlichkeit rein unmittelbar ist, ist sie ebenso unmittelbar Nicht-
Gegenständlichkeit. In andren Worten keine außer dem unmittelba-
ren Dasein des Individuums selbst fallende Gegenständlichkeit.“ (217)
Die erste Bestimmung dieses Nicht ist allgemein gefaßt die, daß sich
erhaltendes Negatives und Produziervermögen als voneinander Un-
terschiedene gegenüberstehen; im bürgerlichen Produktionssystem
ist sie in spezifischer sozialer Weise gegeben: als Trennung, als Schei-
dung der beiden Produktionsfaktoren voneinander; die gegenständ-
lichen Bedingungen der Verwirklichung des Arbeitsvermögens sind
fremdes Eigentum. Das bedeutet, daß in diesem Eigentumsverhältnis
nicht nur das selbständige Negative, das seiner Basis-Bestimmung
nach Realisierungsbedingung für das Sichnegieren als Setzen des
überschüssigen Negativen ist, sondern auch der für die Erzeugung

213
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
des Repro-Negativen erforderliche Vorrat an Negativem vom Produ-
ziervermögen getrennt ist. Das Arbeitsvermögen ist so vollständig
von seinen Realisierungsbedingungen als konkrete, Gebrauchswert
schaffende und daher auch als abstrakte, Wert setzende Arbeit ge-
trennt. Die Gegenständlichkeit der Arbeit als Nicht-Kapital ist nur
als die Gegenständlichkeit, in der sie als Vermögen oder Fähigkeit
vorhanden ist, eine Gegenständlichkeit, die hier mit der unmittelba-
ren Leiblichkeit der Person des Arbeiters zusammenfällt. Ebenso ist
das Produziervermögen hier vom Repro-Negativen getrennt, d. h. der
Kapitalist ist nicht nur Eigner der Produktionsmittel, sondern auch
der Lebensmittel des Arbeiters. Der Gesamtwert, der sich in der Hand
des Kapitalisten befindet, muß sich verwerten. So ist die äußerste
Polarisierung im Verhältnis des Produzierver-mögens zum Negati-
ven in allen seinen Bestimmungen erreicht.
Die Arbeit als das Bei der Kennzeichnung der zweiten Bestimmung der Arbeit als
Nicht-Kapital: 2. nicht Nicht-Kapital arbeitet Marx mit dem Schlüsselbegriff der Hegelschen
vergegenständlichte Lehre vom Wesen, dem Begriff der sich auf sich beziehenden oder
Arbeit, positiv gefaßt
– die Arbeit als der absoluten Negativität. „2. Nicht-vergegenständlichte Arbeit,
allgemeine Nicht-Wert, positiv gefaßt, oder sich auf sich beziehende Negativität,
Möglichkeit des ist sie die nicht-vergegenständlichte, also ungegenständliche, i. e.
Reichtums subjektive Existenz der Arbeit selbst. Die Arbeit nicht als Gegen-
stand, sondern als Tätigkeit; nicht als selbst Wert, sondern als die
lebendige Quelle des Werts. Der allgemeine Reichtum, gegenüber
dem Kapital, worin er gegenständlich, als Wirklichkeit existiert, als
allgemeine Möglichkeit desselben, die sich in der Aktion als solche
bewährt.“ (217) Die zweite Bestimmung dieses Nicht wird sich dar-
in realisieren, daß sich der Unterschied in seinem Unterscheiden, im
Prozeß des Sichnegierens in das ihm gegenüberstehende Identische
aufhebt. Im bürgerlichen Produktionssystem erzeugt die Arbeit des
Lohnarbeiters das Produkt als Gebrauchswert und als Wert, was al-
lerdings nur die ganz allgemeinen Bestimmungen sind, und aus die-
sem Produkt stellt sich die Voraussetzung des ganzen Prozesses wie-
der her, so daß diese Arbeit hier die Negativität als sich auf sich
beziehende oder als absolute ist.
Die widersprüchlichen Bestimmungen der Lohnarbeit, daß näm-
lich „die Arbeit einerseits die absolute Armut als Gegenstand, and-
rerseits die allgemeine Möglichkeit des Reichtums als Subjekt und
als Tätigkeit ist, bedingen sich wechselseitig und folgen aus dem
Wesen der Arbeit, wie sie als Gegensatz, als gegensätzliches Dasein
des Kapitals vom Kapital vorausgesetzt ist, und andrerseits ihrer-

214
Identität und Unterschied im Kapitalverhältnis
seits das Kapital voraussetzt.“ (218) Indem die Arbeitskraft als Ware
gekauft worden ist, bildet sie nun selbst ein Moment das Kapitals,
oder die Beziehung zwischen dem selbständigen Wert und dem
Gebrauchswert für ihn, d. h. der Quelle von Wert, ist eine Beziehung
innerhalb des Kapitals selbst.

* Unterschied als Prozeß (1): der stofflich bestimmte Basisprozeß


als Träger des systemspezifischen Prozesses des Unterscheidens
Die Entgegengesetzten Kapital und Lohnarbeit als Nicht-Kapital sind
bislang in ihrer funktionalen Bestimmtheit als Identität und Unter-
schied dargestellt worden, wie sie am Anfang des Prozesses als seine
potentiellen Faktoren vorhanden sind. Nunmehr ist ihr Wirken als
Prozeß zu untersuchen. Marx stellt noch einmal generell fest: „Der
dem Kapital als dem gesetzten Tauschwert gegenübertretende
Gebrauchswert ist die Arbeit. Das Kapital tauscht sich aus oder ist in
dieser Bestimmtheit nur in Beziehung auf das Nicht-Kapital, die
Negation des Kapitals, in bezug auf welche es allein Kapital ist; das
wirkliche Nicht-Kapital ist die Arbeit.“ (199) Die Beziehungen zwi-
schen Kapital und Arbeit, die in der Zirkulation, in der Bewegung
G – W, und die, die im Produktionsprozeß sich realisieren, sind qua- Unterschied der
litativ voneinander unterschieden. Der erste Prozeß: „1. Der Arbei- Beziehung zwischen
ter tauscht seine Ware, die Arbeit, den Gebrauchswert, die als Ware Kapital und Arbeit im
Produktionsprozeß
auch einen Preis hat, wie alle andren Waren, aus gegen eine bestimmte von ihrer Beziehung
Summe Tauschwerte, bestimmte Summe Geld, die das Kapital an in der einfachen
ihn abläßt.“ (199f.) Der zweite Prozeß, um den es sich jetzt handelt: Zirkulation
„2. Der Kapitalist tauscht die Arbeit selbst ein, die Arbeit als wert-
setzende Tätigkeit, als produktive Arbeit; d. h., er tauscht die Pro-
duktivkraft ein, die das Kapital erhält und vervielfältigt und die da-
mit zur Produktivkraft und reproduzierenden Kraft des Kapitals, eine
dem Kapital selbst angehörige Kraft wird ... Der Unterschied des
zweiten Akts vom ersten – nämlich der besondre Prozeß der Aneig-
nung von seiten des Kapitals ist der zweite Akt – ist exactly der Un-
terschied des Austauschs zwischen Kapital und Arbeit vom Aus-
tausch, wie das Geld ihn zwischen Waren vermittelt. Im Austausch
zwischen Kapital und Arbeit ist der erste Akt ein Austausch, fällt
ganz in die gewöhnliche Zirkulation; der zweite ist ein qualitativ
vom Austausch verschiedner Prozeß, und es ist nur by misuse, daß er
überhaupt Austausch irgendeiner Art genannt werden könnte. Er steht
direkt dem Austausch gegenüber; wesentlich andre Kategorie.“ (200f.)

215
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Der Austausch zwischen Kapitalist und Arbeiter „geht jetzt fort zur
Beziehung des Kapitals zur Arbeit als seinem Gebrauchswert. Die
Arbeit ist nicht nur der dem Kapital gegenüberstehende Gebrauchs-
wert, sondern sie ist der Gebrauchswert des Kapitals selbst. Als das
Nichtsein der Werte als vergegenständlichter ist die Arbeit ihr Sein
als nichtvergegenständlichter, ihr ideelles Sein; die Möglichkeit der
Die Arbeit des Werte und als Tätigkeit die Wertsetzung.“ (219) Das Arbeitsvermö-
Lohnarbeiters – der gen, also das vom Kapital Unterschiedene, ist am Anfang des Pro-
Unterschied als zesses „Nichtsein der Werte“, und dieses Nichtsein ist „ihr Sein als
wirkliches
Unterscheiden, nichtvergegenständlichter“, so daß der Prozeß Aufheben dieses Nicht-
Sichnegieren, seins durch Vergegenständlichung der Arbeit oder Negieren ihres
Setzen des Werts Seins als nichtvergegenständlichter ist. Dieser Gedanke macht en
zwecks Erhaltung passant auf die Funktion des Nicht in der Selbstbewegung aufmerk-
und Vermehrung des
Kapitalwerts sam: sich aufzuheben in Prozeß, oder Hervorbringen zu sein – also
auf die produktive Funktion des Nicht, überhaupt des Nichts, des
Negativen, des Nichtseins usw. Am Anfang des Prozesses ist das
Unterschiedene als Vermögen, als Möglichkeit der Werte vorhan-
den, im Prozeß als wirkliches Unterscheiden, als Wertsetzung. „Dem
Kapital gegenüber ist sie“ – die Arbeit – „die bloße abstrakte Form,
die bloße Möglichkeit der wertsetzenden Tätigkeit, die nur als Fä-
higkeit, Vermögen existiert in der Leiblichkeit des Arbeiters.“ (219)
Soweit ist sie Nicht-Kapital als Voraussetzung des Prozesses. Diese
Voraussetzung hebt sich auf, indem der Unterschied als Unterschei-
den wirksam wird, als Sichnegieren, als Setzen des Negativen, hier
also des Werts. „Aber durch den Kontakt mit dem Kapital zur wirkli-
chen Tätigkeit gebracht – aus sich kann sie nicht dazu kommen, da sie
gegenstandslos ist –, wird sie eine wirkliche wertsetzende, produkti-
ve Tätigkeit. In bezug auf das Kapital kann die Tätigkeit überhaupt
nur in der Reproduktion seiner selbst – der Erhaltung und Vermeh-
rung seiner als des wirklichen und wirksamen Werts, nicht des bloß
gemeinten, wie im Geld als solchem bestehn. Durch den Austausch
mit dem Arbeiter hat sich das Kapital die Arbeit selbst angeeignet;
sie ist eins seiner Momente geworden, die nun als befruchtende Le-
bendigkeit auf seine nur daseiende und daher tote Gegenständlich-
Der Arbeitsprozess, keit wirkt.“ (219)
d. h. die Vermittlung Die systeminterne Selbstbewegung kann nur stattfinden, wenn der
des Stoffwechsels Basisprozeß der Vermittlung des gegebenen Systems mit seiner Vor-
mit der Natur, als aussetzung sich realisiert; der Prozeß, in dem das Kapital als Wert
Basisprozeß für die
Verwertung des sich verwertet, hat den stofflich bestimmten Arbeitsprozeß zu sei-
Werts nem Träger. Die Arbeit des Lohnarbeiters wird hier in ihrer stoffli-

216
Identität und Unterschied im Kapitalverhältnis
chen Bestimmtheit, als konkrete oder nützliche Arbeit, d. h. als Ba-
sis-Negieren wirksam. Marx betrachtet zuerst die stofflichen Bestim-
mungen des Produktionsprozesses des Kapitals. Damit wird „der sich
selbst bewegende Inhalt des Kapitals“ (226) erfaßt; dieser Inhalt ist
stofflich bestimmt, insoweit der Produktionsprozeß Vermittlung des
Stoffwechsels des Menschen mit der Natur ist. „Insofern das Kapi-
tal, als in allen besondren Formen der vergegenständlichten Arbeit
existierendes Geld, nun in Prozeß tritt mit der nicht vergegenständ-
lichten, sondern lebendigen, als Prozeß und Akt existierenden Ar-
beit, ist es zunächst der qualitative Unterschied der Substanz, in der
es besteht“, d. h. des als Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand be-
stimmten Gebrauchswerts, der Träger des Werts ist, „von der Form,
worin es nun auch als Arbeit besteht“ (219f.), d. h. von der bestimm-
ten konkreten Arbeit, die es sich einverleibt. Dem Unterschied in der
systeminternen Bewegung des Wesens liegt somit zugrunde die stoff-
liche Beziehung zwischen den Gebrauchswerten, in denen das Kapi-
tal vorhanden ist, einerseits, und der konkreten Bestimmtheit der
Arbeit andererseits. „Es ist der Prozeß dieser Unterscheidung“ von
vergegenständlichter und noch nicht vergegenständlichter Arbeit „und
der Aufhebung derselben, worin das Kapital selbst Prozeß wird“.
(220) Die Arbeit wird hier näher bestimmt als Negieren, das seinen
Gegenstand verändert, im Unterschied zum systemspezifischen Sich-
negieren, das für die Arbeit als abstrakte kennzeichnend ist. „Die
Arbeit ist das Ferment, das in es“ – das Kapital – „geworfen wird, es
nun zur Gärung bringt. Einerseits muß die Gegenständlichkeit, worin
es besteht, verarbeitet, d. h. von der Arbeit aufgezehrt, andrerseits
die bloße Subjektivität der Arbeit als bloßer Form aufgehoben und
sie in dem Material des Kapitals vergegenständlicht werden.“ (220)
Die Arbeit hebt sich auf, negiert sich selbst, ihre bloße Subjektivität,
indem sie sich vergegenständlicht, aber sie kann dies nur, indem sie
die Gegenständlichkeit, worin das Kapital besteht, verarbeitet, auf-
zehrt, negiert. „Die Beziehung des Kapitals seinem Inhalt nach auf
die Arbeit, der vergegenständlichten Arbeit auf die lebendige Arbeit
– in dieser Beziehung, wo das Kapital passiv gegen die Arbeit er-
scheint, ist es sein passives Dasein, als besondre Substanz“, als be-
sonderer Gebrauchswert, „das in bezug auf die Arbeit als formende
Tätigkeit tritt – kann überhaupt nur die Beziehung der Arbeit auf
ihre Gegenständlichkeit, ihren Stoff sein“ (220). Diese ist Negieren
und im Negieren das Negieren des Negierens. „Der Rohstoff wird
konsumiert, indem er verändert wird, geformt durch die Arbeit, und

217
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
das Arbeitsinstrument wird konsumiert, indem es verbraucht wird in
diesem Prozeß, aufgenutzt wird. Andrerseits wird die Arbeit eben-
falls konsumiert, indem sie angewandt, in Bewegung gesetzt wird
und so ein bestimmtes Quantum Muskelkraft etc. des Arbeiters ver-
ausgabt wird, wodurch er sich erschöpft. Aber sie wird nicht nur
konsumiert, sondern zugleich aus der Form der Tätigkeit in der des
Gegenstandes, der Ruhe fixiert, materialisiert; als Veränderung des
Gegenstandes verändert sie ihre eigne Gestalt und wird aus Tätigkeit
Sein ... Alle drei Momente des Prozesses, das Material, das Instru-
ment, die Arbeit fallen zusammen in ein neutrales Resultat, – das
Produkt. In dem Produkt sind zugleich reproduziert die Momente
des Produktionsprozesses, die in ihm aufgezehrt worden sind.“ (221f.)
Der ganze Prozeß erscheint als produktive Konsumtion, d. h. als
Konsumtion, die weder im Nichts endet, noch in der bloßen Sub-
jektivierung des Gegenständlichen, sondern die selbst wieder als ein
Gegenstand gesetzt ist. „Das Verzehren ist nicht einfaches Verzeh-
ren des Stofflichen, sondern Verzehren des Verzehrens selbst; im
Aufheben des Stofflichen Aufheben dieses Aufhebens und daher
Setzen desselben. Die formgebende Tätigkeit verzehrt den Gegen-
stand und verzehrt sich selbst, aber sie verzehrt nur die gegebne Form
des Gegenstands, um ihn in neuer gegenständlicher Form zu setzen,
und sie verzehrt sich selbst nur in ihrer subjektiven Form als Tätig-
keit. Sie verzehrt das Gegenständliche des Gegenstandes – die Gleich-
gültigkeit gegen die Form – und das Subjektive der Tätigkeit; formt
den einen, materialisiert die andre.“(222)68
Einige Ergebnisse Bisher hat sich in der Betrachtung des stofflichen Prozesses, durch
der Betrachtung des den das gegebene System sich mit seinen natürlichen Voraussetzun-
Basisprozesses gen vermittelt, ergeben:
1. „Durch die Aneignung, Einverleibung der Arbeit in das Kapital
... gerät dies in Gärung und wird zum Prozeß, Produktionsprozeß,
worin es sich als Totalität, als lebendige Arbeit auf sich selbst nicht
nur als vergegenständlichte, sondern, weil vergegenständlichte, [als]
bloßer Gegenstand der Arbeit bezieht.“ (222) Selbst wenn der Ge-
genstand der nützlichen Arbeit und ihr Mittel schon Arbeitsprodukte,
vergegenständlichte Arbeit sind, so ist dies der Arbeit „vollständig
gleichgültig“ (223); der Gegenstand tritt vielmehr nur als Gegen-
68 In dieser Betrachtung der stofflichen Bestimmungen des Produktionsprozesses
arbeitet Marx der Sache nach mit Begriffen, die Hegel dann im Kapitel über den
Grund abhandelt, z. B. mit den Begriffen der Materie und der Form. Auf diesen
Aspekt soll hier nicht näher eingegangen werden.

218
Identität und Unterschied im Kapitalverhältnis
stand, nicht als vergegenständlichte Arbeit in den Prozeß ein. „Die
Baumwolle, die zum Baumwollgarn, oder das Baumwollgarn, das
zum Gewebe, oder das Gewebe, das zum Material des Druckens und
Färbens wird, existiert für die Arbeit nur als vorhandne Baumwolle,
Baumwollgarn, Gewebe. Soweit sie selbst Produkte der Arbeit, ver-
gegenständlichte Arbeit sind, treten sie in gar keinen Prozeß, son-
dern nur als materielle Existenzen mit bestimmten natürlichen Ei-
genschaften. Wie diese an ihnen gesetzt worden sind, geht die
Beziehung der lebendigen Arbeit auf sie nichts an; für sie existieren
sie nur, insofern sie im Unterschied von derselben, d. h. als Arbeits-
stoff existieren.“ (223) Aber die Arbeit kann sich als konkrete oder
nützliche nur realisieren, wenn sie ihren Gegenstand und ihr Mittel
hat. Marx betont daher, daß Tätigkeit ohne Gegenstand nichts ist,
höchstens Gedankentätigkeit (193); daß die Arbeit aus sich nicht zur
wirklichen Tätigkeit kommt, weil sie als solche gegenstandslos ist
(219); daß sie nicht aus nichts schaffen kann (364).
2. In diesem Produktionsprozeß „unterscheidet sich das Kapital
selbst als Form von sich als Substanz. Beide Bestimmungen ist es
zugleich und zugleich die Beziehung beider aufeinander.“ (223)
3. aber erscheint es „als diese Beziehung nur noch an sich. Sie ist
noch nicht gesetzt, oder sie ist selbst nur erst gesetzt unter der Be-
stimmung eines der beiden Momente, des stofflichen, das in sich selbst
als Materie (Rohstoff und Instrument) und Form (Arbeit) unterschie-
den ist, und als Beziehung beider, als wirklicher Prozeß selbst wie-
der nur stoffliche Beziehung ist – Beziehung der beiden stofflichen
Elemente, die den Inhalt des Kapitals unterschieden von seiner Form-
beziehung als Kapital bilden.“ (226)

* Unterschied als Prozeß (2): die Erhaltung des vorgeschossenen Werts


Der Arbeitsprozeß in seinen einfachen Bestimmungen ist allen ge-
sellschaftlichen Produktionssystemen eigen. Was hier zu untersuchen
ist, ist das bürgerliche Produktionssystem in seiner Selbstbewegung;
Kapital und Lohnarbeit sind jetzt in der Funktion von Identität und
Unterschied im Produktionsprozeß, gefaßt in seiner ökonomischen
Formbestimmung, zu behandeln, d. h. es ist die Selbstverwertung
des Werts in diesem Prozeß zu erkunden, also die Art und Weise, wie
die Selbsterhaltung des Negativen in seiner Beziehung auf das
Produziervermögen in Aktion, als Sichnegieren, sich vollzieht. Marx
verweist zunächst darauf, daß die Bestimmungen von Kapital und

219
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Das für sich seiende Lohnarbeit durch die Akteure Kapitalist und Lohnarbeiter betätigt
Kapital – der werden. „Es ist hier am Ort auf ein Moment aufmerksam zu machen,
Kapitalist; der das hier erst nicht nur vom Standpunkt der Beobachtung aus hervor-
Arbeiter als die für
sich seiende Arbeit tritt, sondern im ökonomischen Verhältnis selbst gesetzt ist.“ (224)
Schon im Austausch zwischen Kapital und Arbeit „erschien die als
solche, für sich existierende Arbeit, notwendig als Arbeiter“. (224)
Ebenso gilt jetzt, im Produktionsprozeß als kapitalistischem: „Kapi-
tal überhaupt ist als für sich seiender, selbstischer Wert sozusagen,
gesetzt (was im Geld nur angestrebt war). Aber das für sich seiende
Kapital ist der Kapitalist.“ (224) Das Kapital ist ein Produktions-
verhältnis, „das, in sich reflektiert, eben der Kapitalist ist“. (225) In
sich reflektiert ist das Kapital durch das Handeln seines Akteurs; es
bezieht sich auf sich, indem sein Akteur, der Kapitalist, dafür sorgt,
daß es sich erhält, indem es im Produktionsprozeß fremde Arbeit
sich einverleibt usw. Das Gleiche gilt für den Arbeiter; er ist „das
Fürsichsein der Arbeit“; oder: „Als Arbeiter ist er nur die für sich
seiende Arbeit.“ (225)
Produktionsprozeß Wenn also das Kapital Voraussetzung des Produktionsprozesses
des Kapitals als ist, so muß es in ihm sich betätigen und am Ende als realisiertes
Selbstverwertung Kapital da sein. Der Prozeß reduziert sich nicht auf seine stofflichen
des selbständigen
Werts Bestimmungen; durch seine ökonomischen Formbestimmungen ist
er systeminterne Bewegung. „Es kann am Ende des Prozesses nichts
herauskommen, was nicht im Anfang desselben als Voraussetzung
und Bedingung desselben erschien. Andrerseits muß aber auch alles
herauskommen.“ (225) Es ist also „die Seite der Formbestimmung
zu betrachten, wie sie sich in dem Produktionsprozeß erhält und
modifiziert“. (226) Als das Identische ist das Kapital das in diesem
Prozeß und durch ihn Sicherhaltende. „Das Kapital als seinen Wert
reproduzierend und vermehrend ist der selbständige Tauschwert (das
Geld) als Prozeß, als Prozeß der Verwertung.“ (227) Es verwertet
sich, indem die Produktionsmittel als Träger von vorhandenem Wert
und Mittel zum Aufsaugen von neuem Wert die Arbeit des Lohn-
arbeiters, das Unterscheiden oder Sichnegieren, als Setzen des Werts
sich gegenüber haben. „Als Gebrauchswert ist die Arbeit nur für das
Kapital, und ist der Gebrauchswert des Kapitals selbst, d. h. die ver-
mittelnde Tätigkeit, wodurch es sich verwertet.“ (227) Das Kapital
ist Kapital „erst in bezug auf den Arbeiter durch die Konsumtion der
Arbeit ...“. (227) Für den Arbeiter ist seine Ware, die Arbeitskraft,
nur Tauschwert, den er gegen Geld tauscht. Gebrauchswert als un-
terschieden von ihrem Tauschwert ist sie nicht für den Arbeiter selbst,

220
Identität und Unterschied im Kapitalverhältnis
sondern nur für das Kapital. Das Kapital tauscht die Arbeit ein „als
lebendige Arbeit, als die allgemeine Produktivkraft des Reichtums;
den Reichtum vermehrende Tätigkeit“. (228) Der Arbeiter entäußert
sich der Arbeit als Produktivkraft des Reichtums, das Kapital eignet
sie sich als solche an. „Dem Arbeiter gegenüber wird also die Pro-
duktivität seiner Arbeit eine fremde Macht, überhaupt seine Arbeit,
soweit sie nicht Vermögen, sondern Bewegung, wirkliche Arbeit ist;
das Kapital umgekehrt verwertet sich selbst durch Aneignung frem-
der Arbeit.“ (228) Die Verwandlung der Arbeit als lebendiger Tätig-
keit in Kapital „ist an sich Resultat des Austauschs zwischen Kapital
und Arbeit“ (229). „Gesetzt wird diese Verwandlung erst im Produk-
tionsprozeß selbst.“ (229) Im Produktionsprozeß treten also der selb-
ständige Wert und die Arbeit in ein Verhältnis, „worin sie sich selbst
aufeinander beziehn und voneinander unterscheiden, nicht als gleich-
gültig Indifferente nebeneinander liegen“ (231), und dieser Prozeß
ist „der Seite der Formbestimmtheit nach Selbstverwertungsprozeߓ,
d. h. das selbständige Negative und das Produziervermögen in Akti-
on sind beide Bestandteile des Kapitals. „Selbstverwertung schließt
ein sowohl Erhalten des vorausgesetzten Werts als Vervielfältigung
desselben“, und der Wert „tritt als Subjekt auf“. (231) „In keinem
Moment des Produktionsprozesses hört das Kapital auf, Kapital zu
sein oder der Wert auf, Wert zu sein und als solcher Tauschwert.“
(232) Daß das Kapital nach Beendigung des Produktionsprozesses
wieder als Ware in die Zirkulation tritt und treten kann, „liegt schon
darin, daß es als sich erhaltender Tauschwert vorausgesetzt war“.
(232) Daß es aber als höherer Tauschwert in der Zirkulation gesetzt
wird, kann nicht aus der Zirkulation herstammen, wo nur Äquivalen-
te ausgetauscht werden. „Wenn es als höhrer Tauschwert aus ihr her-
auskommt, muß es als solcher in sie hereingetreten sein.“ (232)
Damit ist die Beziehung der Unterschiedenen Kapital und Lohn-
arbeit im Produktionsprozeß allgemein charakterisiert, wobei die
Selbstverwertung des Werts zwei Bestimmungen aufweist: sowohl
Erhaltung des als Kapital fungierenden Werts als auch dessen Ver-
größerung. Diese Bestimmungen sind nun zu untersuchen. Das be-
deutet, den Wert, der als selbständiger den Prozeß beginnt, auch quan-
titativ zu fassen.
Als erstes ist zu klären, wie der Wert, der den Prozeß beginnt, sich Sichselbsterhaltung
quantitativ erhält. Der Kapitalist hat sein Geld verwandelt teils in des
Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstände von bestimmtem Wert, teils in vorgeschossenen
Werts
Arbeitskraft, die als Ware ebenfalls von bestimmtem Wert ist. Im

221
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Produktionsprozeß fungieren als seine Faktoren zum einen die Ar-
beitsmittel und Arbeitsgegenstände, die Träger von bestimmtem Wert
sind, der erhalten werden muß und so konstantes Kapital (c) (vgl.
303) ist (es sei daran erinnert, daß das konstante Kapital den Vorrat
an Negativem für die Erzeugung sowohl des Repro-Negativen als
auch des überschüssigen Negativen enthält); zum andern die Arbeits-
kraft als sich betätigend, als Wert schaffend, aber nicht selbst als
Wert von bestimmter Größe69, und so wird sie sich als variables Ka-
pital (v) (vgl. 303) erweisen.
Die Selbsterhaltung des Negativen hat zur ersten, elementaren Be-
dingung, daß am Ende des Prozesses das selbständige Negative wie-
der vorhanden und das Negative für die Reproduktion des Pro-
duziervermögens (Repro-Negatives plus entsprechender Vorrat an
Negativem) gesetzt worden ist. Die Werte, die vor dem kapitalisti-
schen Produktionsprozeß vorhanden waren, haben ihre stoffliche
Basis an den einfachen Momenten des Arbeitsprozesses; wenn diese
aus der Form der Unruhe oder des Prozesses am Ende desselben in
ruhende, objektive Gestalt sich zusammenfassen im Produkt, so ist
das in bezug auf den Wert ein bloßer Stoffwechsel, der ihn nicht
alteriert: „Allerdings sind die Substanzen als solche zerstört worden,
aber nicht in Nichts, sondern in eine anders geformte Substanz. Frü-
her erschienen sie als elementarische, gleichgültige Bedingungen des
Produkts. Jetzt sind sie Produkt.“ (233) Daraus folgt: „Der Wert des
Produkts kann also nur = sein der Summe der Werte, die in den be-
stimmten stofflichen Elementen des Prozesses materialisiert waren,
als Rohstoff, Arbeitsinstrument ... und Arbeit selbst. Der Rohstoff
ist ganz verzehrt worden, die Arbeit ist ganz verzehrt worden, das
Instrument ist nur zum Teil verzehrt worden ... Die verschiednen
Existenzweisen der Werte waren reiner Schein, der Wert selbst bil-
dete in ihrem Verschwinden das sich gleichbleibende Wesen.“ (233)
Die Redeweise, daß die Arbeit ganz verzehrt worden ist, besagt hier,
daß die Arbeitskraft in ihrer Aktion neuen Wert gesetzt hat, der ih-
rem Wert als Ware äquivalent ist. Durch den Prozeß hat der Wert
sich zwar erhalten, aber so, daß er sich quantitativ gleichgeblieben
ist. „Das Produkt, als Wert betrachtet ist dieser Seite nach nicht Pro-
dukt, sondern vielmehr identisch geblieben, unveränderter Wert, der
nur in einer andren Existenzweise ist ...“ (233) D. h. der Produkti-
onsprozeß war seiner stofflichen Seite nach gleichgültig für die Wert-

69 Vgl.: Karl Marx. Das Kapital. Zweiter Band. In: MEW, Bd. 24, S. 445.

222
Identität und Unterschied im Kapitalverhältnis
größe, so daß der Wert „daher identisch mit sich geblieben ist und
nur eine andre stoffliche Existenzweise angenommen hat, in andrer
Substanz und Form materialisiert ist“. (233) Der Wert des Produkts
ist damit gleich dem Wert der Faktoren des Prozesses vor seinem
Beginn: „Der Wert des Produkts ist = dem Wert des Rohstoffs + dem
Wert des vernichteten Teils, also an das Produkt übergegangnen, in
seiner ursprünglichen Form aufgehobnen des Arbeitsinstru-
ments + dem Wert der Arbeit ... D. h. in andren Worten nichts, als
daß der Produktionsprozeß nach seiner stofflichen Seite gleichgültig
für den Wert war; daß er daher identisch mit sich geblieben ist und
nur eine andre stoffliche Existenzweise angenommen hat, in andrer
Substanz und Form materialisiert ist.“ (233) Marx erläutert das Gleich-
bleiben des Werts seiner quantitativen Bestimmtheit nach an folgen-
dem Beispiel und nennt dabei auch die Bedingungen, die der stoffli-
che Prozeß erfüllen muß, damit diese „Sichselbsterhaltung des Werts“
möglich ist: „War das Kapital ursprünglich = l00 Taler, so ist es nach
wie vor gleich l00 Taler geblieben, obgleich die l00 Taler im Produk-
tionsprozeß existierten als 50 Taler Baumwolle, 40 Taler Arbeits-
lohn + 10 Taler Spinnmaschine und jetzt als Baumwollgarn zum Preis
von l00 Talern existieren. Diese Reproduktion der l00 Taler ist einfa-
ches Sichselbstgleichbleiben, bloß daß es durch den materiellen Pro-
duktionsprozeß vermittelt ist. Dieser muß daher zum Produkt fortgehn,
denn sonst verliert Baumwolle ihren Wert, Arbeitsinstrument um-
sonst aufgenutzt, Arbeitslohn umsonst bezahlt. Die einzige Bedin-
gung für die Sichselbsterhaltung des Werts ist, daß der Produktions-
prozeß wirklicher totaler Prozeß ist, also bis zum Produkt fortgeht.
Die Totalität des Produktionsprozesses, d. h., daß er bis zum Produkt
fortgeht, ist hier in der Tat Bedingung des Sicherhaltens, Sichgleich-
bleibens des Werts, aber dies liegt schon in der ersten Bedingung,
daß das Kapital wirklich Gebrauchswert wird, wirklicher Produkti-
onsprozeß; ist an diesem Punkt also vorausgesetzt.“ (233f.)
Das Sicherhalten und das Sichgleichbleiben des Werts als des
systemspezifischen Negativen bedeutet somit zunächst nur, daß als
Resultat da ist, was vor dem Prozeß als Voraussetzung da war. Der
Wert des Kapitals hat sich im Produktionsprozeß erhalten: der einzi-
ge Prozeß in bezug auf den Wert war, daß er erst als Einheit, dann als
Teilung dieser Einheit in bestimmte Anzahl, endlich als Summe er-
schien (vgl. 235). Das Kapital ist als Wert mit sich identisch geblie-
ben, weil die vorausgesetzten Werte c und v beide Bestandteile des
Kapitals waren.

223
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Erhaltung des Werts Allerdings geschieht das Sicherhalten des Kapitals hinsichtlich die-
der ser beiden Bestandteile in ganz unterschiedlicher Weise. Sicherhalten
Produktionsmittel des konstanten Kapitals ist Übertragung des Werts der Arbeitsmittel
und Reproduktion
des Werts der und Arbeitsgegenstände auf das Arbeitsprodukt. Dieser Wert ist als
Arbeitskraft – solcher vorhanden. Der Wert der Ware Arbeitskraft dagegen geht als
Funktionen der solcher nicht in den Produktionsprozeß ein; in diesem ist die Ar-
Arbeit als konkrete beitskraft als Wert schaffend, nicht als Wert wirksam; der Wert der
und abstrakte Ware Arbeitskraft wird nicht auf das Produkt übertragen, sondern
muß vom Arbeiter reproduziert werden.
Die Erhaltung des Werts, der als konstantes Kapital besteht, ist als
seine Übertragung von den gegenständlichen Arbeitsbedingungen auf
das Produkt durch die konkrete Arbeit vermittelt. D. h. dieses Sicher-
halten des Negativen läßt sich nur begreifen, wenn das Basis-Negie-
ren in die Betrachtung einbezogen wird. Damit wird ein Problem
gelöst, das sich beim Nachdenken über die Hegelsche Darstellung
ergeben hatte, aber in der Analyse des von ihm angenommenen Sy-
stems nicht gelöst werden kann. Das Sicherhalten des Negativen in
der Weise, daß es durch den Basis-Prozeß auf das Resultat übertra-
gen wird, ist unerläßliche Komponente des Selbstbewegungs-
prozesses. Zunächst soll dieser Übertragungsprozeß näher betrach-
tet werden.
Die vergegenständlichte Arbeitszeit, die Rohstoff und Arbeits-
instrument enthalten, „hat der Arbeiter nicht geschaffen“ (273), der
sie nun anwendet. Sie erfordern weder als Gebrauchswerte noch als
Werte seine Arbeit, weil sie „vorhanden sind“ (273). „Daß ihr alter
Wert erhalten bleibt, geschieht dadurch, daß ihnen ein neuer zuge-
fügt, nicht daß der alte selbst reproduziert wird, geschaffen wird.“
(274) Indem der Arbeiter neuen Wert zusetzt, erhält er zugleich den
vorhandenen. Doch Zusatz von neuem Wert und Erhaltung des schon
vorhandenen Werts im Produkt sind zwei unterschiedliche Resultate
seiner Arbeit. Wert setzt seine Arbeit als abstrakte zu, vorhandenen
Wert überträgt sie in ihrer Eigenschaft als konkrete Arbeit. „Aber
durch das einfache Verhältnis, daß das Instrument als Instrument
benutzt wird und das Rohmaterial als Rohmaterial der Arbeit gesetzt
wird, durch den einfachen Prozeß, daß sie in Kontakt mit der Arbeit
kommen, als ihr Mittel und Gegenstand gesetzt und so als Vergegen-
ständlichung der lebendigen Arbeit, Momente der Arbeit selbst ge-
setzt sind, werden sie erhalten nicht der Form, aber der Substanz
nach, und, ökonomisch betrachtet, ist vergegenständlichte Arbeit ihre
Substanz.“ (277) Die lebendige, konkrete Arbeit verändert die Form

224
Identität und Unterschied im Kapitalverhältnis
ihres Gegenstandes vermittelst ihres Instruments, der Formwechsel
des Stoffs ist dem Zweck der Arbeit unterworfen. „Die Arbeit ist das
lebendige, gestaltende Feuer; die Vergänglichkeit der Dinge, ihre
Zeitlichkeit als ihre Formung durch die lebendige Zeit.“ (278) Im
Arbeitsprozeß „wird die Vergänglichkeit der Form der Dinge benutzt,
um ihre Brauchbarkeit zu setzen“. (278) So wird zum Beispiel aus
Baumwolle Garn, aus Garn Gewebe, aus diesem bedrucktes oder
gefärbtes Gewebe, aus diesem wieder ein Kleid. Damit „hat sich 1.
die Substanz der Baumwolle in allen diesen Formen erhalten“ (278);
„2. in allen diesen subsequenten Prozessen hat der Stoff eine nützli-
chere Form erhalten, weil eine ihn mehr dem Konsum aneignende;
bis er zuletzt die Form erhalten, worin er direkt Gegenstand dessel-
ben werden kann“. (278) Das Quantum der in diesen Gebrauchs-
werten vergegenständlichten Arbeit „wird erhalten, indem ihre Qua-
lität als Gebrauchswerte für fernere Arbeit erhalten wird durch den
Kontakt mit der lebendigen Arbeit“. (280) Die Arbeit, die als ab-
strakte Arbeit neuen Wert hinzusetzt, erhält zugleich als konkrete
den Wert der Produktionsmittel. „Die lebendige Arbeit setzt ein neu-
es Arbeitsquantum zu; aber nicht durch dieses quantitative Zusetzen
erhält sie das schon vergegenständlichte Arbeitsquantum, sondern
durch ihre Qualität als lebendige Arbeit oder dadurch, daß sie sich
als Arbeit zu den Gebrauchswerten verhält, worin die vergangne
Arbeit existiert.“ (281) In historisch bestimmten Systemen sind so-
mit die Prozesse, in denen sie die Mittel ihrer Existenz aus den ihnen
vorausgesetzten Systemen gewinnen, Träger des Prozesses des Sicher-
haltens und zugleich des Neuproduzierens von systemspezifischem
Negativem.

* Unterschied als Prozeß (3a): nicht nur Erhaltung des Werts,


sondern Produktion von Mehrwert
Bisher war von der Übertragung des Werts der Produktionsmittel auf
das Produkt und von der Reproduktion jenes Werts die Rede, der ein
Äquivalent für den Wert der Arbeitskraft ist. Selbsterhaltung des
Kapitals liegt jedoch erst und nur dann vor, wenn der vorgeschossene
Wert nicht nur erhalten bleibt, sondern sich vergrößert. Wie diese
Vergrößerung oder Selbstverwertung des Werts geschieht, ist das
Hauptproblem in der Untersuchung des Produktionsprozesses des
Kapitals.
Einfache Erhaltung seines Werts widerspricht dem Begriff des Ka-

225
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Warum das Kapital pitals (vgl. 236). „Es bliebe zwar nicht wie das selbständige Geld
seinen Wert außerhalb der Zirkulation, sondern nähme die Gestalt verschiedner
verwerten, d. h. Waren an, aber für nichts; es wäre dies ein zweckloser Prozeß, da es
vergrößern muß
schließlich nur die identische Summe Geldes repräsentierte und nur
das Risiko gelaufen hätte, beschädigt aus dem Produktionsakt – der
mißlingen kann; worin das Geld seine unvergängliche Form aufgibt
– herauszutreten.“ (236) Als Kapital erhält es sich nur, wenn es sich
verwertet. Zunächst muß der Kapitalist auch seine Lebensbedingun-
gen als Person sichern; wenn er keinen Mehrwert aneignet, verrin-
gert sich das Kapital überhaupt, weil der Kapitalist sein Geld in
Gebrauchswerte für sich umsetzen muß. „Das Dasein des Kapitals
gegenüber der Arbeit verlangt, daß das für sich seiende Kapital, der
Kapitalist als Nicht-Arbeiter da sein, leben kann.“ (237) Aber nicht
nur dies. Ohne sich zu verwerten, könnte das Kapital nicht nur die
Risiken der Produktion und Zirkulation nicht kompensieren; es wäre
kein Kapital, das seiner Bestimmung nach sich verwertender, d. h.
vervielfältigender Wert ist. Das Kapital bleibt mit sich als Kapital
identisch oder erhält sich qualitativ als Kapital nur, wenn der resul-
tierende Wert sich quantitativ von seinem dem Produktionsprozeß
vorausgesetzten Wert unterscheidet. „Kurz, dies Nichtverwerten, d.
h. das Nichtvervielfältigen des Kapitals vorausgesetzt, ist vorausge-
setzt, daß es kein wirkliches Glied der Produktion, kein besondres
Produktionsverhältnis; ist ein Zustand vorausgesetzt, worin die Pro-
duktionskosten nicht die Form des Kapitals haben und das Kapital
nicht als Bedingung der Produktion gesetzt ist.“ (238) Damit stellt
sich die Frage nach der Produktivität des Unterschieds auf neue Weise.
„Es ist einfach zu begreifen, wie die Arbeit den Gebrauchswert ver-
mehren kann; die Schwierigkeit liegt darin, wie sie höhre Tausch-
werte als die vorausgesetzten schaffen kann.“ (238)
Was zu erklären ist, ist der größere Wert, der Mehrwert, den das
Kapital aneignen muß, wenn es sich als Kapital erhalten soll. „Der
Mehrwert, den das Kapital am Ende des Produktionsprozesses hat ...
heißt, dem allgemeinen Begriff des Tauschwerts gemäß ausgedrückt,
daß die im Produkt vergegenständlichte Arbeitszeit – oder Quantum
Arbeit (ruhend ausgedrückt, erscheint die Größe der Arbeit als Raum-
quantum, aber bewegt ausgedrückt, ist sie nur durch die Zeit meß-
bar) – größer ist als die in den ursprünglichen Bestandteilen des Ka-
pitals vorhandne.“ (240) Vom Basisprozeß her ist Voraussetzung der
Produktion des Mehrwerts, daß Produktionsmittel in dem Umfange
vorhanden sind, der für die Realisierung nicht nur der notwendigen,

226
Identität und Unterschied im Kapitalverhältnis
sondern auch der Mehrarbeit erforderlich ist. Unter dieser Bedin-
gung fungieren sie als Mittel zur Abpressung und Aneignung frem-
der Arbeit, speziell Mehrarbeit, und unter dieser Bedingung kann
der Wert, der als Kapital fungiert, sich verwerten. Daß dann die im Verwertung des
Produkt vergegenständlichte Arbeit größer ist als die ursprünglich Werts: der Arbeiter
vorhandene, „ist nur möglich, wenn die im Arbeitspreis vergegen- produziert Mehrwert
– Wert über das
ständlichte Arbeit kleiner ist als die lebendige Arbeitszeit, die mit Äquivalent für seinen
ihr gekauft worden ist“. (240) Dies ist der springende Punkt. Das Arbeitslohn hinaus
Produziervermögen muß mehr Negatives erzeugen können, als für
seine Selbsterhaltung erforderlich ist. Die im Kapital vergegenständ-
lichte Arbeitszeit ist eine aus drei Teilen bestehende Summe: Ar-
beitszeit, die a) im Rohstoff, b) im Arbeitsinstrument und c) im
Arbeitspreis vergegenständlicht ist. Die Teile a und b bleiben als
Bestandteile des Kapitals unverändert; „wenn sie auch im Prozeß
ihre Gestalt verändern, ihre materiellen Daseinsweisen, bleiben sie
als Werte unverändert“. (240) Daraus folgt: „Es ist nur c), das das
Kapital eintauscht gegen ein qualitativ andres: ein gegebnes Quan-
tum vergegenständlichter Arbeit gegen ein Quantum lebendiger Ar-
beit.“ (240f.) Reproduzierte die lebendige Arbeitszeit nur die im
Arbeitspreis vergegenständlichte Arbeitszeit, wäre auch dies nur for-
mell, hätte derselbe Wert nur eine andere Daseinsweise angenom-
men. „Der Austausch zwischen Kapital und Arbeit, so sehr er von
seiten des Arbeiters einfacher Austausch ist, muß von seiten des
Kapitalisten Nicht-Austausch sein. Er muß mehr Wert erhalten, als
er gegeben hat ... oder das Kapital als Kapital und die Arbeit als
Arbeit im Gegensatz zu ihm wären unmöglich.“ (241) Der Arbeiter
verkauft seine Arbeitskraft dem Kapitalisten als Ware. Ihr Wert ist
durch die in ihr vergegenständlichte Arbeit bestimmt. „Diese Ware
existiert in seiner Lebendigkeit. Um sie von heute auf morgen zu
erhalten ... muß er bestimmte Masse Lebensmittel verzehren, das
aufgezehrte Blut ersetzen etc. Er erhält nur ein Äquivalent. Also
morgen, nach vollbrachtem Austausch – und wenn er den Austausch
formell beendigt hat, führt er ihn erst aus im Produktionsprozeß –
existiert seine Arbeitsfähigkeit in derselben Weise wie zuvor: Er hat
ein exaktes Äquivalent erhalten, denn der Preis, den er erhalten hat,
läßt ihn im Besitz desselben Tauschwerts, den er vorher hatte. Das
Quantum vergegenständlichte Arbeit, das in seiner Lebendigkeit ent-
halten ist, ist ihm vom Kapital gezahlt worden. Er hat es konsumiert,
und da es nicht als Ding existierte, sondern als Fähigkeit in einem
Lebendigen, kann er von wegen der spezifischen Natur seiner Ware –

227
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
der spezifischen Natur des Lebensprozesses – den Tausch von neu-
em eingehn. Daß außer der in seiner Lebendigkeit vergegenständ-
lichten Arbeitszeit – d. h. der Arbeitszeit, die nötig war, um die nöti-
gen Produkte für die Erhaltung seiner Lebendigkeit zu zahlen noch
weitre Arbeit vergegenständlicht ist in seinem unmittelbaren Dasein,
nämlich die Werte, die er konsumiert hat, um eine bestimmte Ar-
beitsfähigkeit, eine besondre Geschicklichkeit zu erzeugen – und deren
Wert zeigt sich darin, zu welchen Produktionskosten ein ähnliches
bestimmtes Arbeitsgeschick produziert werden kann – geht uns hier
noch nicht an ...“ (242f.)
Die entscheidende Frage ist nun, wieviel Arbeitszeit der Arbeiter
braucht, um den Wert seiner Ware Arbeitskraft zu reproduzieren.
„Wäre ein Arbeitstag nötig, um einen Arbeiter einen Arbeitstag am
Leben zu erhalten, so existierte das Kapital nicht, weil der Arbeits-
tag sich gegen sein eignes Produkt austauschen würde, also das Ka-
pital als Kapital sich nicht verwerten und daher auch nicht erhalten
kann. Die Selbsterhaltung des Kapitals ist seine Selbstverwertung ...
Ist dagegen z. B. nur ein halber Arbeitstag nötig, um einen Arbeiter
einen ganzen Arbeitstag am Leben zu erhalten, so ergibt sich der
Mehrwert des Produkts von selbst, weil der Kapitalist im Preis nur
einen halben Arbeitstag bezahlt hat und im Produkt einen ganzen
vergegenständlicht erhält; also für die zweite Hälfte des Arbeitstags
nichts ausgetauscht hat.“ (243) Der Produktionsprozeß des Kapitals
ist also nicht nur Wertbildungsprozeß bis zu dem Punkt, wo der Wert
der Ware Arbeitskraft reproduziert ist, sondern über diesen Punkt
hinaus verlängerter Wertbildungsprozeß und so Verwertungsprozeß.
„Mehrwert ist überhaupt Wert über das Äquivalent hinaus. Äquiva-
lent seiner Bestimmung nach ist nur die Identität des Werts mit sich.
Aus dem Äquivalent heraus kann daher nie der Mehrwert entsprin-
gen; also auch nicht ursprünglich aus der Zirkulation; er muß aus
dem Produktionsprozeß des Kapitals selbst entspringen. Die Sache
kann auch so ausgedrückt werden: Wenn der Arbeiter nur einen hal-
ben Arbeitstag braucht, um einen ganzen zu leben, so braucht er, um
seine Existenz als Arbeiter zu fristen, nur einen halben Tag zu arbei-
ten. Die zweite Hälfte des Arbeitstags ist Zwangsarbeit; surplus Ar-
beit. Was auf seiten des Kapitals als Mehrwert erscheint, erscheint
exakt auf seiten des Arbeiters als Mehrarbeit über sein Bedürfnis
hinaus, also über sein unmittelbares Bedürfnis zur Erhaltung seiner
Lebendigkeit hinaus.“ (243f.)
In der Selbstbewegung historisch bestimmter Systeme, in der sich

228
Identität und Unterschied im Kapitalverhältnis
Negatives gegen das Produziervermögen verselbständigt hat, bildet Beziehung zwischen
sich so ein Verhältnis heraus zwischen der Zeit, in der Repro-Negati- der Zeit für die
ves, und der Zeit, in der überschüssiges Negatives gesetzt wird. Die Reproduktion des
Werts der
Erzeugung des Repro-Negativen und des überschüssigen Negativen Arbeitskraft und der
laufen nicht einfach nebeneinander oder nacheinander ab, sondern Zeit, in der Mehrwert
sind in bestimmter Weise aufeinander bezogen. Im bürgerlichen erzeugt wird
Produktionssystem kann der Arbeiter Mehrwert nur erzeugen, wenn
er den Wert seiner Arbeitskraft reproduziert, anders könnte er sich
nicht erhalten und die Quelle allen Werts, also auch des Mehrwerts,
versiegte. Er kann aber den Wert seiner Arbeitskraft auch nur repro-
duzieren, wenn er Mehrwert erzeugt, denn der Kapitalist läßt ihn nur
arbeiten, wenn er bestimmtes Quantum Arbeit umsonst liefert. Zu-
gleich erhält der Arbeiter in dem Prozeß, in dem er das Äquivalent
für den Wert der Arbeitskraft reproduziert und Mehrwert produziert,
den konstanten Wertteil. Im Maßstab des gesellschaftlichen Gesamt-
kapitals stellt sich das in stofflicher Hinsicht dar als die Erneuerung
der Produktionsmittel, die zu Beginn des nächsten Produktions-
prozesses vorhanden sein müssen.70
Insgesamt ergibt sich also, daß der Arbeiter durch seine Arbeit – Wie die Arbeit
sowohl die notwendige als auch die Mehrarbeit – in ihrer Eigen- komplex als Basis-
schaft als konkrete den Wert der Produktionsmittel, d. h. das kon- Negieren und
systemspezifisches
stante Kapital, dadurch erhält, daß er ihn auf das Produkt überträgt; Sichnegieren
dieser stoffliche Prozeß ist zugleich Prozeß in ökonomischer Form- fungiert
bestimmung, dadurch, daß die Arbeit diesem vorhandenen Wert, der
auf das Produkt übertragen wird, neuen Wert zusetzt: in der notwen-
digen Arbeitszeit das Äquivalent für den Wert der Arbeitskraft, in
der Mehrarbeitszeit den Mehrwert. Das konstante Kapital erhält sich,
indem die Produktionsmittel, die seine stofflichen Träger sind, im
Prozeß ihrer Verwandlung in Produkt zugleich neue fremde Arbeit
aufsaugen. Die Arbeit fungiert als Negieren somit in komplexer Weise:
als Basis-Negieren, in ihrer stofflichen Bestimmtheit, erhält sie das
konstante Kapital, indem sie diesen Wert auf das Produkt überträgt,
und zugleich setzt sie als systemspezifisches Sichnegieren, als ab-
strakte Arbeit, in der notwendigen Arbeitszeit den Wert, der das Äqui-
valent des Werts der Ware Arbeitskraft bildet, und in der Mehrarbeits-
zeit den Mehrwert. Die Identität, das Kapital als sich erhaltender,
sich verwertender Wert ist nur durch dieses Unterscheiden.

70 Vgl.: Karl Marx: Das Kapital. Zweiter Band. In: MEW, Bd. 24, S. 351ff.

229
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Im Kapitalverhältnis Im bürgerlichen Produktionssystem ist die Beziehung zwischen
historischspezifische Kapital und Lohnarbeit im Produktionsprozeß der bestimmte „Ur-
Verselbständigung grund aller Tätigkeit und Selbstbewegung“ (L II, 33). Das Kapital,
des Negativen also der Wert, der sich erhalten und vervielfältigen muß, als das Iden-
gegen das
Produziervermögen tische, zwingt die Lohnarbeit, die als Unterscheiden Wertsetzen ist,
Wert über das Äquivalent für den Arbeitslohn hinaus, also Mehrwert
zu produzieren, durch den sich der Wert, der als Kapital fungiert,
verwertet. Die Spezifik dieses historisch bestimmten Prozesses be-
steht darin, daß sich nicht nur der Vorrat an Negativem verselbstän-
digt, der für die Realisierung des Sichnegierens als Erzeugen des
überschüssigen Negativen vorausgesetzt ist, sondern auch der ande-
re, der für das Erzeugen des Repro-Negativen erforderlich ist. Der
stofflichen Bestimmung nach handelt es sich um Produktionsmittel,
die für die Realisierung der notwendigen und der Mehrarbeit benö-
tigt werden. Jene beiden Arten von Negativem sind im konstanten
Kapital gegen die Arbeitskraft verselbständigt. Gegen sie verselb-
ständigt ist auch der Wertteil, der die Lebensmittel des Arbeiters re-
präsentiert. D. h. das Negative insgesamt, das erhaltene wie das neu
gesetzte, ist selbständig. Daher stellt sich die Erzeugung von Mehr-
wert als Verwertung des vorgeschossenen Kapitals, also der Wert-
teile c und v dar. Der Arbeiter erhält den Wertteil, der seine Lebens-
mittel repräsentiert, nur dann, wenn er erstens seine Arbeitskraft dem
Kapitalisten verkauft und zweitens außer dem Äquivalent für den
Wert seiner Ware Mehrwert produziert; er erhält den Arbeitslohn
erst, wenn er schon gearbeitet hat, d. h. schon das Äquivalent plus
einen Mehrwert geliefert hat; er wird mit dem Produkt seiner Arbeit
bezahlt, das der Kapitalist vorher unentgeltlich angeeignet hat. Es ist
also diese spezifische historische Art und Weise der Verselbständi-
gung des Negativen gegen das Produziervermögen, aus der der Zwang
für dieses resultiert, Negatives zu setzen, das der Erhaltung und Ver-
Wie Identität und größerung des selbständigen Negativen dient. Das Kapital als Identi-
Unterschied im sches bestimmt den Zweck des Unterscheidens; es ist der Selbst-
Kapitalverhältnis zweck des Prozesses. Diesem Zweck dient ebenfalls die notwendige
sich aufeinander
bezogen realisieren Arbeit und der Wertteil des Produkts, den sie setzt: Reproduktion der
vom Kapital erneut exploitierbaren Arbeitskraft. Die Identität reali-
siert sich als Aneignung des Mehrwerts durch das Kapital und als
Reduzierung des Arbeiters auf die Lebensmittel für seine individuel-
le Konsumtion. Aber die Arbeit als das Unterscheiden nimmt inso-
fern bestimmenden Einfluß auf das Kapitals als das Identische, als
sie sowohl den Mehrwert neu produziert als auch den Wert der Ar-

230
Identität und Unterschied im Kapitalverhältnis
beitskraft reproduziert, der dem Arbeiter unter der Form des Arbeits-
lohnes zukommt, und zugleich den als Wert vorausgesetzten Wert,
das konstante Kapital, erhält.
Ohne diese beständige Produktion und Aneignung von Wert und
Mehrwert funktionierte das ganze bürgerliche Produktionssystem
nicht.
Der systemspezifische Unterschied, den das Unterscheiden setzt,
ist der zwischen dem Wert, der das in Geldform vorgeschossene Ka-
pital ersetzt, und dem Mehrwert; dieser Unterschied ist sich aufhe-
bender Unterschied; Unterschied, der in der Identität verschwindet
(vgl. 639). Marx wird dies später, im „Kapital“, so beschreiben: Der
Wert tritt „jetzt sozusagen in ein Privatverhältnis zu sich selbst. Er
unterscheidet sich als ursprünglicher Wert von sich selbst als Mehr-
wert, als Gott Vater von sich selbst als Gott Sohn, und beide sind
vom selben Alter und bilden in der Tat nur eine Person, denn nur
durch den Mehrwert von 10 Pfd. St. werden die vorgeschossenen
100 Pfd. St. Kapital, und sobald sie dies geworden, sobald der Sohn
und durch den Sohn der Vater erzeugt, verschwindet ihr Unterschied
wieder und sind beide Eins, 110 Pfd. St.“71

* Unterschied als Prozeß (3b): fortschreitende Veränderung des


Verhältnisses zwischen notwendiger und Mehrarbeit
Für historisch bestimmte Systeme gilt nun nicht nur, daß das Sich-
negieren sich in die Erzeugung von Repro-Negativem und die von
überschüssigem Negativem teilt. Vielmehr kann das Verhältnis zwi-
schen diesen beiden Komponenten des neu erzeugten Negativen fort-
schreitender Veränderung unterliegen. Das Kapital kann sich nur
verwerten durch stets wachsende unentgeltliche Aneignung fremder
Mehrarbeit in Form des Mehrwerts. D. h. es geht nicht nur darum,
überschüssiges Negatives überhaupt zu erzeugen, sondern diesen Teil
des neu produzierten Negativen beständig zu vergrößern. Der Mehr- Veränderung des
wert ist zu vergrößern erstens durch Verlängerung des Arbeitstags, Verhältnisses
so daß im Verhältnis zur notwendigen mehr Mehrarbeit geleistet wird zwischen
reproduziertem Wert
(absoluter Mehrwert): „Den absoluten Mehrwert betrachtet, so er- der Arbeitskraft und
scheint er bestimmt durch die absolute Verlängerung des Arbeitstags neu produziertem
über die notwendige Arbeitszeit hinaus“ (660); zweitens bei gegebe- Mehrwert
ner Länge des Arbeitstages durch Verringerung der notwendigen

71 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23, S. 169f.

231
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Arbeitszeit im Verhältnis zur Mehrarbeitszeit (relativer Mehrwert):
„In der zweiten Form des Mehrwerts aber, als relativer Mehrwert,
die als Entwicklung der Produktivkraft der Arbeiter in bezug auf den
Arbeitstag als Verminderung der notwendigen Arbeitszeit und in be-
zug auf die Population als Verminderung der notwendigen Arbeiter-
bevölkerung erscheint (dies ist die gegensätzliche Form), in dieser
Form erscheint unmittelbar der industrielle und unterscheidend hi-
storische Charakter der auf das Kapital gegründeten Produktions-
weise.“ (661) Dies ist möglich durch Entwicklung der Produktiv-
kraft der Arbeit in der Weise, daß für die Produktion der Existenzmittel
des Arbeiters weniger Zeit erforderlich wird. Veränderungen im Basis-
prozeß haben somit Konsequenzen für die quantitative Bestimmtheit
der systeminternen Bewegung. „Die vergrößerte Produktivkraft sei-
ner Arbeit, soweit sie Abkürzung der Zeit für die Ersetzung der in
ihm“ – im Arbeiter – „vergegenständlichten Arbeit (für den
Gebrauchswert, die Subsistenz), erscheint als Verlängerung seiner
Arbeitszeit für die Verwertung des Kapitals (für den Tauschwert).“
(253) Diese Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit ist notwendi-
ge Bedingung für die Vergrößerung des Mehrwerts, für die Verwer-
tung des Kapitals (vgl. 259). Demselben Quantum systemspezifisches
Negatives kann größeres oder kleineres Quantum von Basis-Negati-
vem entsprechen: der Wert der Arbeitskraft sinkt, obwohl der Um-
fang der Lebensmittel des Arbeiters sich verändern, also auch größer
Beziehung zwischen werden kann. Auf diese Weise vermittelt besteht eine Beziehung
der Effektivität des zwischen der Effektivität des Basisprozesses und der Dynamik des
Basisprozesses und Verhältnisses von Repro- und überschüssigem Negativem. Die Selbst-
der Dynamik des
Verhältnisses von erhaltung des Kapitals durch Selbstverwertung auf dem Wege der
Repro- und Vergrößerung des relativen Mehrwerts ist typisch für das kapitalisti-
überschüssigem sche Produktionssystem und bewirkt eine stürmische Entwicklung
Negativem der Produktivkräfte durch Teilung und Kombination der Arbeit auf
großer Stufenleiter, Maschinerie, technologische Anwendung der
Wissenschaft, Nutzung der Naturkräfte usw. Die Veränderung des
Verhältnisses zwischen notwendiger und Mehrarbeit zugunsten ge-
steigerter Mehrwertproduktion ist das Kernproblem der Selbsterhal-
tung des Kapitals als Selbstverwertung. Im Unterschied zu Hegels
Darstellung, in der bei der Behandlung des Produktionsprozesses des
Negativen nur ganz allgemein skizziert wird, wie das Unterscheiden
sich in Identisches aufhebt und erst bei der Erläuterung der Reflexi-
on des Gesetztseins in die Gleichheit und in die Ungleichheit mit
sich ersichtlich wird, daß das Sichnegieren als Erzeugen von Repro-

232
Identität und Unterschied im Kapitalverhältnis
Negativem und überschüssigem Negativen, also von Negativem für
die Selbsterhaltung des Produziervermögens und von Negativem für
die Erneuerung des selbständigen Negativen wirksam gewesen ist,
richtet Marx in der Analyse des Produktionsprozesses des Negativen
die Aufmerksamkeit gerade auf diese Unterscheidung im Sichnegieren
und auf die Veränderung des Verhältnisses zwischen seinen beiden
Komponenten.
Hegels Verdienst besteht darin, daß er das Negative – den einen
Pol des Gegensatzes des Wesens – als das alles Produzierende be-
stimmt und damit den falschen Schein der Allmacht des Positiven
auflöst (vgl. L II, 41f.). Aber in der Darstellung der Produktivität des
Unterschieds läßt er unbestimmt, wie sich die Menge des resultie-
renden Negativen zu jener Menge verhält, die die Voraussetzung des
Prozesses bildete. Zudem ist in dem von ihm angenommenen Sy-
stem überhaupt nur einfache Reproduktion möglich. Dies verschließt
aber den Blick für eine wesentliche Bestimmung des überschüssigen
Negativen: mit ihm sind Entwicklungsmöglichkeiten im System und
über seine Grenzen hinaus gegeben. Für die historisch bestimmten
Produktionssysteme begründet Marx die Funktion der Mehrarbeit
als Quelle der Entwicklung. „Auf Schaffen disponibler Zeit beruht
die ganze Entwicklung des Reichtums.“ (312; vgl. 314f., 534, 603f.)
Er zeigt, wie diese Funktion im Produktionsprozeß des Kapitals in
antagonistischer Form realisiert wird.

* Widersprüchlichkeit der Selbstverwertung des Werts als Kapital


Im Charakter der Beziehung zwischen dem systemspezifischen Selbst-
bewegungsprozeß und dem Basisprozeß wurzeln sowohl die histori-
sche Berechtigung wie die Vergänglichkeit der Systeme.
Die Selbstverwertung des Werts als Kapital ist widersprüchlich,
indem die Selbstverwertung die Entwicklung der Produktivkräfte er-
fordert und ihr zugleich spezifische Grenzen setzt, insofern alle Ver-
änderungen, die es bewirkt, seiner Selbsterhaltung dienen müssen,
und zwar Grenzen, die es immer wieder als Schranken behandelt.
Diese Beziehung stellt sich im bürgerlichen Produktionssystem als
„Widerspruch zwischen Produktion und Verwertung“ (328) dar.
„D´abord there is a limit, not inherent to production generally, but to
production foundet on capital.“ (328) Weist man nach, „daß das Ka-
pital eine besondre Beschränkung der Produktion enthält – die sei-
ner allgemeinen Tendenz, über jede Schranke derselben fortzutrei-

233
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
ben, widerspricht“, so hat man erstens „die Grundlage der Überpro-
duktion, den Grundwiderspruch des entwickelten Kapitals, aufge-
deckt“ und zweitens überhaupt erkannt, „daß es nicht ... die absolute
Widerspruch Form für die Entwicklung der Produktivkräfte ist“. (328) „Diese im-
zwischen manenten Grenzen müssen mit der Natur des Kapitals, mit seinen
allgemeiner Tendenz wesentlichen Begriffsbestimmungen selbst zusammenfallen. Diese
und immanenten
Grenzen des notwendigen limits sind:
Kapitals 1. Die notwendige Arbeit als Grenze des Tauschwerts des lebendi-
gen Arbeitsvermögens oder des Salairs der industriellen Bevölke-
rung;
2. Der Surpluswert als Grenze der Surplusarbeitszeit; und, in be-
zug auf die relative Surplusarbeitszeit, als Schranke der Entwick-
lung der Produktivkräfte;
3. Was dasselbe ist, die Verwandlung in Geld, der Tauschwert über-
haupt als Grenze der Produktion; oder der auf den Wert gegründete
Austausch oder der auf den Austausch gegründete Wert als Grenze
der Produktion. Es ist dies:
4. wieder dasselbe als Beschränkung der Produktion von
Gebrauchswerten durch den Tauschwert; oder daß der reale Reich-
tum eine bestimmte, von ihm selbst verschiedne Form, also nicht
absolut mit ihm identische Form annehmen muß, um überhaupt Ob-
jekt der Produktion zu werden.“ (328f.)
Andererseits geht aus der „allgemeinen Tendenz des Kapitals“ her-
vor, daß es abstrahiert von der „1. notwendigen Arbeit als Grenze
des Tauschwerts des Arbeitsvermögens; 2. dem Surpluswert als Gren-
ze der Surplusarbeit und Entwicklung der Produktivkräfte; 3. dem
Geld als Grenze der Produktion; 4. der Beschränkung der Produkti-
on von Gebrauchswerten durch den Tauschwert“. (329) Marx schließt
daraus: „Hinc die Überproduktion“ (329) und erläutert diese Schran-
ken (336ff.) „Zunächst: Das Kapital zwingt die Arbeiter hinaus über
die notwendige Arbeit zur Surplusarbeit. Nur so verwertet es sich
und schafft Surpluswert. Aber andrerseits setzt es die notwendige
Arbeit nur, soweit und insofern sie Surplusarbeit ist und diese reali-
sierbar ist als Surpluswert. Es setzt also die Surplusarbeit als Bedin-
gung für die notwendige und den Surpluswert als Grenze für verge-
genständlichte Arbeit, Wert überhaupt. Sobald es die erstre nicht
setzen kann, setzt es die letztre nicht, und auf seiner Grundlage kann
nur es sie setzen. Es beschränkt also – wie die Engländer sich aus-
drücken durch artificial check – Arbeit und Wertschöpfung, und zwar
aus demselben Grunde, warum und insofern es Surplusarbeit und

234
Neuer Ansatz der Marxschen dialektischen Methode (1)
Surpluswert setzt. Es setzt also seiner Natur nach eine Schranke für
Arbeit und Wertschöpfung, die im Widerspruch mit seiner Tendenz
steht, sie ins maßlose zu erweitern. Und indem es ebensowohl eine
ihm spezifische Schranke setzt wie anderseits über jede Schranke
hinaustreibt, ist es der lebendige Widerspruch.“ (336) Für den Ar-
beiter bedeutet dies: „Wo das Kapital herrscht (ganz wie da, wo Skla-
verei und Leibeigenschaft oder Frondienst irgendwelcher Art) ist die
absolute Arbeitszeit des Arbeiters als Bedingung für ihn gesetzt, um
die notwendige arbeiten zu dürfen, d. h., um die zur Erhaltung seines
Arbeitsvermögens notwendige in Gebrauchswerten für sich realisie-
ren zu können.“ (439) „Das Kapital ist selbst der prozessierende
Widerspruch [dadurch], daß es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu
reduzieren strebt, während es andrerseits die Arbeitszeit als einziges
Maß und Quelle des Reichtums setzt. Es vermindert die Arbeitszeit
daher in der Form der notwendigen, um sie zu vermehren in der Form
der überflüssigen; setzt daher die überflüssige in wachsendem Maße
als Bedingung – question de vie et de mort – für die notwendige.“
(601f.) „In dem Begriff des freien Arbeiters liegt schon, daß er Pauper
ist: virtueller Pauper. Er ist seinen ökonomischen Bedingungen nach
bloßes lebendiges Arbeitsvermögen, also auch mit den Bedürfnissen
des Lebens ausgestattet. Bedürftigkeit nach allen Seiten hin, ohne
objektives Dasein als Arbeitsvermögen zur Realisierung desselben.
Kann der Kapitalist seine Surplusarbeit nicht brauchen, so kann er
seine notwendige Arbeit nicht verrichten; seine Lebensmittel nicht
produzieren.“ (505)

Prinzipiell neuer Ansatz der Marxschen dialektischen


Methode (1)
Die Analyse des Produktionsprozesses des Kapitals bietet die Gele-
genheit, auf prinzipielle Aspekte des Gegensatzes zwischen
Marxscher und Hegelscher dialektischer Methode einzugehen. Ganz
im Sinne Hegels ist der Versuch zu unternehmen, neue Erfahrungen
beim wissenschaftlichen Erkennen in der dialektischen Methode zu Beziehung neuer
verarbeiten. sich selbst
1. Als erstes ist hier zu nennen, daß historisch bestimmte Systeme bewegender
selbständig werden und sind, indem sie sich gegen die ihnen voraus- Systeme auf die
ihnen
gesetzten Systeme verselbständigen, gegen Systeme also, die sie sich vorausgesetzten
nicht selbst voraussetzen, die ihnen vorausgesetzt sind und die ihre Systeme

235
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
eigene Selbstbewegung haben, Systeme, mit denen sie aber gene-
tisch verbunden sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen vorausge-
setzten Systemen, die in dem Sinne historisch vergänglich sind, daß
sie verschwinden, indem das neue System nicht nur aus ihnen resul-
tiert, sondern auch an ihre Stelle tritt, weshalb sie Vorgängersysteme
heißen sollen, und vorausgesetzten Systemen, die bleibende Bedin-
gung des Bestehens des neuen Systems, also bleibend vorausgesetz-
te Systeme sind. So lösen Gesellschaftssysteme einander ab, aber sie
alle haben die Natur zur bleibenden Voraussetzung. In der Bezie-
hung auf das jeweils Vorausgesetzte gewinnen und betätigen die hi-
storisch bestimmten Systeme ihre innere Selbständigkeit. Das gege-
bene System kann nur bestehen, wenn es in sich selbständig ist; als
selbständig setzt es sich seinem Vorausgesetzten entgegen und er-
zeugt aus ihm das für sein Bestehen Erforderliche. Nur in sich selb-
ständig ist es selbständig gegen das ihm Vorausgesetzte. Und nur als
selbständig gegen das Vorausgesetzte kann es in sich selbständig sein.
Selbständig gegen das bleibend Vorausgesetzte ist es nicht, indem es
dieses zerstört, sondern indem es dieses so behandelt, daß es weiter
als Voraussetzung des selbständigen Bestehens des gegebenen Sy-
stems fungieren kann. Historisch bestimmte Systeme, die neu entste-
hen und selbständig werden, treten aus den bleibend vorausgesetzten
Systemen, aus denen sie ihre Existenzbedingungen gewinnen, nicht
heraus, sondern bilden sich vielmehr in ihnen, so daß sie von ihnen
umgeben sind.
Basisprozeß – Die historisch bestimmten Systeme vermitteln sich durch die Ak-
Vermittlung tivität ihrer Aktoren mit dem ihnen bleibend Vorausgesetzten; aus
zwischen historisch diesem Vorausgesetzten erzeugen die Aktoren des Systems die Mit-
bestimmtem System
und dem ihm tel zu ihrer Erhaltung. Sie selbst sind genetisch mit den vorausge-
Vorausgesetzten setzten Systemen verbunden, entstammen ihnen und müssen daher
die Mittel zu ihrer Reproduktion letztlich aus ihnen gewinnen. Ihre
genetische Beziehung zum bleibend Vorausgesetzten erhält sich so
als aktuelle Beziehung. Aber sie haben die Grenzen des Vorausge-
setzten überschritten, und ihre Beziehungen aufeinander sind andere
als die in jenem System. Sie negieren im vorausgesetzten System
Vorgefundenes, indem sie es so umformen, daß es ihrem Zweck, d. h.
ihrer Erhaltung, dient. Dieses Negieren, dieses Umformen ist der
Basisprozeß, durch den das historisch bestimmte System sein Beste-
hen bewirkt. Es selbst bzw. seine Aktoren betätigen diese Vermitt-
lung mit dem Vorausgesetzten. Durch diese Aktion ist es selbständig
gegenüber dem Vorausgesetzten, aber diese Selbständigkeit ist stets

236
Neuer Ansatz der Marxschen dialektischen Methode (1)
relativ, nicht absolut. Es wird daher auch nur selbständiges Bestehen
haben können, solange sein Vorausgesetztes besteht, wenn es also
dieses nicht erschöpft und zerstört.
Im Resultat dieses Vermittlungsprozesses verbindet sich das Ne- Erzeugung des
gieren mit dem Vorgefundenen; das Ergebnis dieses Prozesses, das Basis-Negativen, die
in das gegebene System hereingenommen wird, soll Basis-Negatives
zugleich Erzeugung
des
heißen. Es ist zugleich der Träger des systemspezifischen Negati- systemspezifischen
ven. Der Prozeß des Negierens als unmittelbare Aktion des Negati- Negativen ist
ven (F) ist doppelt bestimmt, insofern er Beziehung nicht nur auf das
unabhängige Vorausgesetzte, sondern zugleich systeminterne Bezie-
hung ist. Denn das historisch bestimmte System hat nur Bestehen,
wenn es mit der Verselbständigung gegen das Vorausgesetzte seine
eigene Bewegung produziert, die in sich selbständig ist. Die Erzeu-
gung des Basis-Negativen in der Vermittlung mit dem bleibend Vor-
ausgesetzten ist nach innen zugleich Erzeugung des systemspe-
zifischen Negativen. Der Basisprozeß und sein Produkt sind Träger
des systemspezifischen Prozesses und seines Produkts. Nur wenn
der Basisprozeß stattfindet, findet auch der systemspezifische Pro-
zeß statt. Und in demselben Prozeß, in dem das Basis-Negative er-
zeugt wird, muß auch das systemspezifische Negative erzeugt wer-
den. Der Prozeß der Gewinnung und Sicherung der Selbständigkeit
gegen das Vorausgesetzte ist zugleich Gewinnung und Sicherung der
Selbständigkeit in sich des historisch bestimmten Systems.
Der Basisprozeß ist Negieren, d. h. Umformen eines außerhalb
des gegebenen Systems Vorgefundenen; das Negieren hat einen „Ge-
genstand“, den es negiert, umformt. In der Untersuchung der system-
spezifischen Selbstbewegung ist zu klären, ob und inwiefern der
Basisprozeß zugleich Träger des systemspezifischen Sichnegierens
ist, also eines Sichnegierens, das sich nicht mit einem vorgefunde-
nen „Gegenstand“ in der Weise verbindet, daß es ihn umformt. Die
Gültigkeit dieser Bestimmungen im bürgerlichen Produktionssystem,
in der Beziehung zwischen konkreter und abstrakter Arbeit im Pro-
zeß und zwischen Gebrauchswert und Wert im Produkt, der Ware, ist
nachgewiesen. Inwiefern sie für andere Systeme gültig sind, ist zu
prüfen.
Allgemein läßt sich dazu bemerken, daß das Produziervermögen Wie das Basis-
Basisnegatives nicht beliebig, sondern so erzeugen muß, wie es für Negative die
die Selbstbewegung des gegebenen Systems erforderlich ist. Es muß Bestimmungen des
systemspezifischen
also dazu dienen, die Funktionen des Repro-Negativen und des für Negativen erhält
seine Erzeugung nötigen Vorrats an Negativem, des selbständigen

237
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
und des überschüssigen Negativen zu realisieren. Indem das Basis-
negative als für diese Zwecke geeignet sich bewährt, erweist sich
das Produkt des Negierens als Komponente der systemspezifischen
Binnenbewegung. Das Negieren ist so Beziehung nicht nur auf das
dem System Vorausgesetzte, sondern im Prozesse dieser Vermittlung
zugleich Beziehung auf die systeminterne Bewegung und so system-
spezifisches Sichnegieren. Das Produkt des Negierens ist system-
spezifisches Negatives, indem es als Komponente der systeminternen
Bewegung agiert, die ein Prozeß der Selbsterhaltung ist. Ohne die
Funktion des Sichnegierens, das sich auf das Sicherhalten bezieht
und so Unterschied ist, und ohne die Funktion des Sicherhaltens, das
sich auf das Sichnegieren bezieht und so Identität ist, gibt es keine
Selbständigkeit, keine Selbstbewegung historisch bestimmter Syste-
me. Ob diese Funktionen sich auf unterschiedliche Aktoren verteilen
oder ob sie unterschiedliche Funktionen derselben Aktoren sind, hängt
von der Eigenart des Systems und von seiner historischen Entwick-
lungsstufe ab.
Geht das Produkt des Vermittlungsprozesses mit der Bestimmung
des systemspezifischen Negativen in die Bewegung des Systems ein,
so wird damit bestätigt, daß sein Träger, das Basis-Negative also, für
das Funktionieren des Systems, speziell für die Erhaltung der Aktoren
des Systems erforderlich ist. Das systemspezifische Negative regu-
liert so die Bewegung und Verwendung des Basis-Negativen. Umge-
kehrt aber muß die Erzeugung und die Nutzung des Basis-Negativen
zugleich Erzeugung und Nutzung dessen sein, wodurch die system-
internen Beziehungen betätigt werden, die die Selbständigkeit aus-
machen; sonst fiele das System in sich zusammen, hörte also über-
haupt zu bestehen auf. D. h. das Produkt des Basis-Prozesses muß
Träger der Bestimmung sein, die dadurch, daß sie sich erhält, die
Eigenbewegung des gegebenen Systems konstituiert. Der Basisprozeß
ist zugleich Träger des Sichnegierens, das Beziehung auf das Sicher-
halten jener spezifischen Bestimmung ist und sie als system-
spezifisches Negatives setzt.
2. Der systeminterne Selbstbewegungsprozeß vermittelt sich durch
Basisprozeß – den Basisprozeß. Einige Aspekte dieser Beziehung sollen hier ange-
Ursprung der grund- führt werden.
legenden Bestimmun- a) Die Faktoren des Prozesses des Negierens (1), die sich zunächst
gen des
Selbstbewegungs- als Identisches und von diesem Unterschiedenes, sodann als Gegen-
prozesses historisch satz des Positiven und Negativen und schließlich als Widerspruch
bestimmter Systeme des Wesens bestimmen und bewegen, haben ihre Wurzel im Basis-

238
Neuer Ansatz der Marxschen dialektischen Methode (1)
prozeß sowohl hinsichtlich ihrer spezifischen Bestimmtheit als auch
hinsichtlich des Charakters ihrer Beziehung aufeinander.
b) Solange man nur das systemspezifische Sichnegieren und sein Veränderung des
Resultat betrachtet, kann man keine fortschreitende Veränderung Basisprozesses und
ausmachen. Anders gesagt: erst wenn man das systemspezifische
Veränderung der
quantitativen
Negieren nicht mehr für sich allein, sondern in seiner Beziehung auf Bestimmungen
jenen Vermittlungsprozeß erfaßt, in dem die Existenzgrundlagen des systemspezifischer
Systems erzeugt werden, hat man den Ansatzpunkt für das Begreifen Prozesse
von Veränderungen im System selbst gefunden. Für die Selbst-
bewegung des gegebenen Systems ist von Belang, inwiefern der Basis-
prozeß selbst ein gleichbleibend wiederkehrender oder ein sich fort-
schreitend verändernder ist. Verändert er sich fortschreitend, so kommt
solche Veränderung auch in das systemspezifische Negative. Alles
Negative wird vom Negativen als Faktor des Prozesses des Negierens
(1) hervorgebracht. Das Negative (F) liefert in bestimmter Zeit ein
bestimmtes Quantum Negatives (P). Sichnegieren ist Bewegung, die
in der Zeit abläuft, und die Größe des systemspezifischen Negativen
(P) entspricht dem Zeitquantum oder der Zeitdauer des Sichnegierens.
D. h. die quantitative Bestimmtheit wird wesentlich. Das Negative
als Faktor kann je nach Art des Systems in sich gegliedert sein, d. h.
es kann ein Individuum sein oder es kann aus mehreren Individuen
bestehen. Seine absolute Größe kann dann mit der Zahl der Individu-
en variieren, die eine bestimmte Zeit in bestimmter Weise agieren.
Das Resultat, das systemspezifische Negative, ist dann quantitativ
bestimmt durch die Zeitdauer des Negierens, das sich in ihm nieder-
schlägt, und diese Zeitdauer ergibt sich aus der Zeitdauer des Wir-
kens des einzelnen Individuums, multipliziert mit der Anzahl der
Individuen. Der Basisprozeß hat eine bestimmte Effektivität, die all-
gemein als das Verhältnis der Größe des Resultats zu einer bestimm-
ten Zeitdauer gefaßt werden kann.
Erfordert die Selbsterhaltung des Negativen fortschreitende Ver- Produktion von
änderungen im Basisprozeß, so bedeutet dies die Produktion von Entwicklungs-
Entwicklungsmöglichkeiten. Verändert der Basisprozeß seine Effek- möglichkeiten
tivität infolge quantitativer Ab- oder Zunahme oder infolge des Um-
baus seiner Art und Weise, so kann dies bewirken, daß, erstens, die
absolute Größe des Negativen (als Faktor) sich verändert, daß im
gegebenen System also eine Variabilität dieses Faktors vorhanden
ist. Zweitens kann das quantitative Verhältnis zwischen den funktio-
nellen Komponenten des neu produzierten Negativen sich verändern,
so daß weniger Negatives (P) für die Reproduktion des Negativen

239
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
als Faktor erforderlich ist, dafür mehr überschüssiges Negatives als
Bedingung für Entwicklung zur Verfügung steht. Dies ist möglich,
wenn die Größe des Trägers des systemspezifischen Negativen sich
ändert, der aus dem vorausgesetzten System durch Umformung ge-
wonnen wird, wenn die Effektivität des Basisprozesses sich ändert,
so daß dem gleichen Quantum von systemspezifischem Negativem
bzw. seiner funktionellen Komponenten unterschiedliche Mengen
Basis-Negatives entsprechen. Beide Richtungen dieser Veränderun-
gen können in unterschiedlicher Weise miteinander kombiniert sein.
Die Änderung der Effektivität des Basisprozesses ermöglicht so eine
Veränderung in der Verteilung des Negativen (P) auf die verschiede-
nen Funktionen im Prozeß der Selbstbewegung. Erfordert die Selbst-
erhaltung des Negativen (P) in Gestalt des Positiven nicht nur die
Wiederherstellung der Faktoren des Prozesses des Negierens (1) im
früheren Umfang, sondern Freisetzung von Negativem für die Er-
weiterung dieses Umfangs, überhaupt für neue Entwicklungsmög-
lichkeiten der Faktoren, so ist dies unter folgenden Voraussetzungen
möglich: für die Reproduktion des produzierenden Faktors (des Fak-
tors Negatives) ist geringeres Quantum systemspezifisches Negati-
ves erforderlich, insofern gegebenem Quantum dieses Negativen grö-
ßeres Quantum Basis-Negatives entspricht, das jene Reproduktion
sichert. D. h. es wird ein „überschüssiges“ Quantum systemspezi-
fisches Negatives erzeugt. Es wäre dann zu unterscheiden: Negati-
ves, das zur Erhaltung, d. h. zur Reproduktion des Positiven und
Negativen im vorherigen Umfang nötig ist, als einfache Reprodukti-
on, und Negatives, das über diese Erfordernis hinaus erzeugt worden
ist; soweit es wieder im Prozeß des Negierens (1) fungiert, hätte man
es mit erweiterter Reproduktion zu tun. Wie diese Möglichkeiten von
Entwicklung realisiert werden, hängt von der Spezifik des Systems,
von der spezifischen Bestimmtheit des Sicherhaltens des Negativen
ab.
Beziehung zwischen Sobald man die fortschreitenden Veränderungen im Selbstbewe-
Wesens- und gungsprozeß historisch bestimmter Systeme in Betracht zieht, steht
Seinsbestimmungen man vor der Frage nach der Beziehung zwischen den Wesensbe-
stimmungen und den Seinsbestimmungen, also Quantität, Qualität,
Maß usw. Diese kommen in Hegels Ableitung der Reflexions-
bestimmungen nicht vor. Dennoch sind die Seinsbestimmungen in
der Sphäre des Wesens nicht ohne Belang. Durch die Wesensbe-
stimmungen ist die Selbstbewegung des Wesens, und durch diese
Funktion sind sie fundamental; aber sie selbst haben quantitative und

240
Neuer Ansatz der Marxschen dialektischen Methode (1)
qualitative Bestimmungen. Die Wesensbestimmungen heben so die
Seinsbestimmungen in sich auf, reduzieren sich aber nicht auf diese.
Kennzeichnend für diese Bestimmungen ist jetzt, daß das Wesen selbst
im Prozeß des Sichnegierens als Erzeugen des Negativen und des
Sicherhaltens des Negativen sie setzt; so sind sie nicht bloß an ihm.
Hegel hatte in den einleitenden Bemerkungen zur Lehre vom Wesen
auf diesen Unterschied hingewiesen (vgl. L II, 5). Dies gilt für quan-
titative wie für qualitative Bestimmtheiten. Die Bestimmungen der
Quantität, Qualität, Grenze, Schranke usw. werden jetzt wesentlich
für fortschreitende Veränderung, Entwicklung im Selbstbewegungs-
prozeß, und zwar nicht mehr nur für den Bereich der an sich sei-
enden Unmittelbarkeit, sondern für die Negativität selbst.
Eine weiterhin zu bearbeitende theoretische Frage ist in dieser Hin-
sicht, ob Prozesse der Entwicklung im Wesen durch quantitative,
qualitative etc. Bestimmungen allein zu erfassen sind oder ob dafür
eine Konkretisierung der Wesensbestimmungen bzw. die Gewinnung
weiterer, neuer Bestimmungen dieser Art nötig ist.
Die Beziehungen der Selbstbewegung des gegebenen historisch Entstehen und
bestimmten Systems zur Vermittlung seines Bestehens mit der ihm Vergehen historisch
vorausgesetzten Systemwelt sind hier nur knapp dargestellt worden. bestimmter Systeme
Es kam darauf an zu zeigen, daß man den Basisprozeß, den Prozeß
also, in dem das gegebene System seine Selbständigkeit in der akti-
ven Beziehung auf das ihm Vorausgesetzte erwirbt und unterhält, in
die Betrachtung einbeziehen muß, wenn die Selbstbewegung des Sy-
stems als fortschreitende Veränderung erfaßt werden soll, die in der
Bewegung der gegensätzlich bestimmten Faktoren des Prozesses des
Negierens (1) ihr systemspezifisches Zentrum hat. Dies hat zur Kon-
sequenz, daß die historisch bestimmten Systeme in ihrem Entstehen,
in ihrer Entfaltung und Entwicklung und in ihrem Vergehen begreif-
bar und auch gestaltbar werden, worauf noch zurückzukommen ist.
Die Bestimmung des Basisprozesses in seiner Beziehung zur Selbst-
bewegung des historisch bestimmten Systems legt die Stelle im Sy-
stem frei, wo Veränderungen ihre Wurzel haben und wo in der Struk-
tur der Selbstbewegung eines historisch überlebten Systems der
Ansatzpunkt für seine Überwindung zu suchen ist. Jedenfalls gehört
das Begreifen der historisch bestimmten Systeme als in ihrer Selbst-
bewegung nicht bloß im selben Maßstab sich wiederherstellend, son-
dern als sich fortschreitend verändernd, als sich selbst entwickelnd,
damit aber als entstehend und vergehend, zum Kern des materialisti-
schen Dialektik-Typs, den Marx erarbeitet hat.

241
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Von diesen generellen Erörterungen nun zurück zur Betrachtung
des Kreislaufs, der die Selbstbewegung des Kapitals ist.

Das Produkt des Prozesses – Gesetztsein als Verschiedenheit


mit den Bestimmungen der Gleichheit und der Ungleichheit:
der verwertete Wert und seine Bestandteile
Es ist nun zu verfolgen, wie Kapital und Lohnarbeit als Identität und
Unterschied sich im Resultat des Prozesses realisiert haben. Bevor
hierauf eingegangen wird, sei eine allgemeine Bemerkung über die
weitere Verfahrensweise gestattet. Bei der Behandlung des Produkts
des Produktionsprozesses des Kapitals zeigt sich exemplarisch, daß
nicht alle Bestimmungen, die die allgemeine Methode zur Verfügung
stellt, in der Untersuchung eines historisch bestimmten Systems ge-
nutzt werden müssen. Anderenfalls könnte man versucht sein, die
Untersuchung zu einer Illustration der Methode geraten zu lassen.
Doch der Gegenstand der Untersuchung hat den Vorrang, und man
hat zu prüfen, was für seine Erklärung nötig ist und was nicht. Wie
der Gegenstand reicher ist an Bestimmungen als die Methode, so
kann auch die Methode ein Mehr aufweisen, allerdings anderer Art.
Dennoch wird es mitunter zum Zwecke der Erläuterung der Metho-
de, der sich von der Aufgabe des Erforschens und Darstellens des
Gegenstandes unterscheidet, nützlich sein, jene Illustration vorzu-
nehmen, immer mit dem Hinweis auf ihren Zweck. In diesem Sinne
sind einige der Erörterungen im Anschluß zu verstehen.

* Verschiedenheit als Bestimmung des Resultats


Der Produktionsprozeß hat sich in sein Resultat gesetzt. Aus ihm
muß er sich wieder herstellen. Nur so kann er sich selbst produzie-
ren, nur so ist seine Bewegung Selbstbewegung, Selbsterneuerung.
Faßt man als Voraussetzung des vorangegangenen Prozesses „das
Gewordensein des Werts zu Kapital und die lebendige Arbeit als ihm
bloß gegenüberstehnden Gebrauchswert“ (373f.), so ergibt sich, daß
im Produktionsprozeß selbst „die lebendige Arbeit als bloßes Mittel
erscheint, um die vergegenständlichte, tote Arbeit zu verwerten, mit
belebender Seele zu durchdringen und ihre eigne Seele an sie zu ver-
lieren“ (374). Resultat ist nun, daß die lebendige Arbeit „einerseits
den geschaffnen Reichtum als fremd, als eigen aber nur die Bedürf-

242
Prozeßresultat: Verschiedenheit – Gleichheit und Ungleichheit
tigkeit des lebendigen Arbeitsvermögens produziert“ (374) hat. D. h., Das Resultat: die
„im und durch den Prozeß selbst ... sind die sachlichen Bedingungen objektiven
der lebendigen Arbeit – (nämlich Material, worin sich zu verwerten,
Bedingungen der
lebendigen Arbeit
Instrument, womit sich zu verwerten, und Lebensmittel, womit die als fremder
Flamme des lebendigen Arbeitsvermögens zur Arbeit zu schüren und Reichtum – das
vom Erlöschen zu schützen, seinem Lebensprozeß die nötigen Stoffe subjektive
zuzuführen) –, gesetzt ... als fremde, selbständige Existenzen – oder Arbeitsvermögen als
Bedingung für die
als Existenzweise einer fremden Person, als an sich [gegenüber] dem Erhaltung des
lebendigen Arbeitsvermögen, das ebenfalls von ihnen isoliert, sub- Kapitals
jektiv dasteht, an sich festhaltende, für sich seiende Werte und daher
Werte, die dem Arbeitsvermögen fremden Reichtum, den Reichtum
des Kapitalisten bilden“. (374) Die objektiven Bedingungen des le-
bendigen Arbeitsvermögens waren vorausgesetzt „als ihm gegenüber
selbständige Existenz, als die Objektivität eines von dem lebendigen
Arbeitsvermögen unterschiednen und ihm selbständig gegenüberste-
henden Subjekts; die Reproduktion und Verwertung, d. h. die Erwei-
terung dieser objektiven Bedingungen, ist daher zugleich die Repro-
duktion und Neuproduktion ihrer als des Reichtums eines fremden
Subjekts, dem Arbeitsvermögen gleichgültig und selbständig gegen-
überstehend. Was reproduziert und neuproduziert wird, ist nicht nur
das Dasein dieser objektiven Bedingungen der lebendigen Arbeit,
sondern ihr Dasein als selbständiger, d. h. einem fremden Subjekt
angehöriger Werte gegenüber diesem lebendigen Arbeitsvermögen.
Die objektiven Bedingungen der Arbeit erhalten subjektive Existenz
gegenüber dem lebendigen Arbeitsvermögen – aus dem Kapital wird
der Kapitalist ...“ (374) Im Produktionsprozeß werden so die objek-
tiven Arbeitsbedingungen als dem Kapitalisten gehörige dem leben-
digen Arbeitsvermögen gegenüber verselbständigt. Andererseits gibt
das bloß subjektive Dasein des Arbeitsvermögens gegenüber seinen
eignen Bedingungen „ihm eine nur gleichgültige objektive Form ge-
gen dieselben – es ist nur ein Wert von besondrem Gebrauchswert
neben den eignen Bedingungen seiner Verwertung als Werten von
andrem Gebrauchswert. Statt daß sie als Bedingungen seiner Ver-
wirklichung realisiert werden im Produktionsprozeß, kommt es da-
her im Gegenteil aus demselben heraus als bloße Bedingung für ihre
Verwertung und Erhaltung als für sich seiender Wert ihm gegenüber.“
(374f.) Es ist nach der Produktion nur ärmer geworden „um die
ausgegebne Lebenskraft“, beginnt sonst aber die Plackerei erneut „von
sich als getrennt von seinen Lebensbedingungen existierendes bloß
subjektives Arbeitsvermögen“. (375)

243
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Zerfall der Identität in Das, was Hegel den Zerfall der Identität in die Verschiedenheit
die Verschiedenheit nennt, stellt sich im Produkt dar erstens als die Verwertung des Kapi-
tals und zweitens in der Art und Weise, wie das Arbeitsvermögen
nun da ist. Erstens: „Als Resultat dieser Einheit von Produktions-
und Verwertungsprozeß erscheint nun das Produkt des Prozesses, d. h.
das Kapital selbst, wie es als Produkt aus dem Prozesse hervorgeht,
dessen Voraussetzung es war – als Produkt, das Wert ist, oder der
Wert selbst erscheint als Produkt dieses Prozesses, und zwar ein hö-
herer Wert, weil mehr vergegenständlichte Arbeit enthaltend als der,
von dem ursprünglich ausgegangen worden.“ (315f.) Das Kapital hat
so seine Selbsterhaltung, seine Selbstverwertung erreicht. Es war
schon festgestellt worden, daß im Kapital alle Realisierungs-
bedingungen der Arbeit gegen sie verselbständigt sind, also nicht
nur der Vorrat an Negativem, der für die Erzeugung von überschüssi-
gem Negativem, sondern auch jener, der für die Erzeugung des Re-
pro-Negativen erforderlich ist. Dies hat im Resultat des Prozesses
zur Konsequenz, daß der gesamte Produktenwert, also c + v + m, am
Ende des Prozesses Eigentum des Kapitalisten ist; in stofflicher Hin-
sicht bedeutet dies, daß der Kapitalist Eigentümer sowohl der Produk-
tions- als auch der Lebensmittel ist.72 Zweitens: Das Sicherhalten
des Kapitals drückt sich auf der Seite der Arbeitskraft aus zum einen
darin, daß sie sich verausgabt hat in der Verwertung des Kapitals,
zum anderen darin, daß sie wiederum getrennt von ihren
Verwirklichungsbedingungen da ist, und schließlich darin, daß die
Bedingungen ihrer Reproduktion als das Kapital erhaltende Kraft
gesichert sind. Es ist hier zu beachten, daß das Resultat des
Produktionsprozesses sich nicht auf den Produktenwert c + v + m re-
duziert. Zu Beginn des Prozesses standen sich der verselbständigte
Wert und das Arbeitsvermögen als Wertquelle gegenüber. Im Resul-
72 Für das bürgerliche Produktionssystem ist kennzeichnend, daß der Kapitalist
das variable Kapital beständig in seiner Hand hält: „1. anfänglich als Geldkapital“,
d. h. das Geld in der Zirkulationssphäre als Mittel zum Kauf der Ware Arbeitskraft;
„2. sodann als Element seines produktiven Kapitals“, und erst nach dem Umsatz in
lebendige Arbeitskraft, die im Produktionsprozeß fungiert, hat sich dieses Geld tat-
sächlich in variables Kapital verwandelt (vorher war es erst potentielles variables
Kapital); „3. noch später als Wertteil seines Warenkapitals, also in Warenwert“, d. h.
als der Teil des Werts, den der Arbeiter als Äquivalent für den Wert seiner Ware
reproduziert; „4. endlich wieder in Geld, dem die Arbeitskraft, worin es umsetzbar,
wieder gegenübersteht“. (Karl Marx: Das Kapital. Zweiter Band. In: MEW, Bd. 24,
S. 445) Der Kapitalist bezahlt den Arbeiter erst, nachdem er die vertraglich verein-
barte Zeit gearbeitet hat, und „so hat er auch den von ihr geschaffnen Ersatzwert für
sie selbst plus Mehrwert bereits in seiner Hand, bevor er zahlt.“ (ebd.)

244
Prozeßresultat: Verschiedenheit – Gleichheit und Ungleichheit
tat sind nicht nur ursprünglicher und neu gesetzter Wert vorhanden,
sondern in ihm ist auch das verausgabte, aber reproduzierbare Ar-
beitsvermögen enthalten.
Im Resultat sind somit beide, das Kapital, das sich selbst verwer-
tet, und das Arbeitsvermögen, das sich verausgabt hat, auf sich selbst
bezogen oder identisch mit sich als solche, die sich erhalten haben.
Das Kapital bezieht sich auf sich als Wert, der sich erhalten hat, in-
dem er sich vergrößerte: ursprünglich war es c + v; jetzt ist es
c + v + m. Die Arbeit bezieht sich auf sich als verausgabtes Arbeits-
vermögen, das sich vermittelst des Arbeitslohns erhält. Hier ist zu
beachten, daß der Arbeiter den Arbeitslohn nicht sofort beim Kauf
und Verkauf der Arbeitskraft erhält, sondern erst, wenn seine Ar-
beitskraft gewirkt hat (einen Tag, eine Woche o. ä.); der Arbeiter hat
seine Ware geliefert, und sie ist konsumiert worden, ehe er sie ge-
zahlt bekommt; der Arbeitslohn fungiert so als Zahlungsmittel. Der
Kapitalist bezahlt ihn mit Geld, das aus der Realisierung von früher
erzeugtem Arbeitsprodukt stammt. Die Arbeitskraft ist im Resultat
ihres Prozesses – wenngleich in der geschilderten Weise zeitlich ver-
setzt – auf ihr eigenes Produkt bezogen, durch das sie sich erhält.
Das Sicherhalten des Arbeitsvermögens ist unerläßlich für das künf-
tige Sichverwerten des Kapitals, das der Zweck des ganzen Prozes-
ses ist. Als solche, die sich erhalten haben, sind sie identisch mit
sich. Im Prozeßresultat liegen sie gleichgültig nebeneinander, indem
sie nicht mehr aktiv aufeinander einwirken, sondern als gesetzte da
sind.
Der Unterschied, der als Unterscheiden wirksam gewesen ist, also Realisierung des
als Arbeitskraft in Aktion hat sich als Verschiedenheit realisiert, in- Unterschieds als
dem sie einerseits den Wertteil c erhalten, den Wertteil v reprodu- Verschiedenheit
ziert und den Wertteil m neu erzeugt, andererseits sich selbst als ver-
ausgabtes Arbeitsvermögen gesetzt hat, bezogen auf den Arbeitslohn
als die Geldform der Lebensmittel des Arbeiters. Erst durch die Ak-
tion des Arbeitsvermögens haben die Verschiedenen als solche über-
haupt ihr Bestehen.
Im Resultat sind das Identische und der Unterschied jedes Einheit Kapital und Arbeit –
seiner selbst und seines Anderen. Das Kapital als das Entgegenge- jedes Einheit seiner
setzte, das die Funktion der Identität realisierte, hat den Unterschied selbst und des
Anderen
an ihm, insofern seine Erhaltung und Vergrößerung durch das Ar-
beitsvermögen als Unterschied gesetzt worden ist. Und das Arbeits-
vermögen hat das Kapital als die Identität an ihm, indem es sich als
Erzeuger nicht nur von Wert überhaupt, sondern von Mehrwert be-

245
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
währt hat und die Bedingungen seiner Erneuerung in dieser Bestim-
mung vorhanden sind. Jedes ist aus der Beziehung auf das Andere
im Produktionsprozeß in sich zurückgekehrt und hat sich in seiner
Bestimmung in das Resultat des Prozesses gesetzt. Dieses Resultat
als Gesetztsein weist die zwei Bestimmungen auf, Reflexion an sich
und äußere Reflexion zu sein.
Bestimmung des Die Reflexion an sich ist die Bestimmung des Resultats, sich in
Resultats, sich in die die Voraussetzung des nächsten Produktionsprozesses zu verwandeln.
Voraussetzung des Soweit das Resultat c + v + m als Ware da ist, wird dies Verwand-
nächsten
Produktionsprozesses lung dieses Warenwertes in Geld sein. „Dieser Wert als solcher ist
zu verwandeln – Geld. Indes ist dies nur an sich der Fall; es ist nicht als solches ge-
Reflexion an sich setzt; was zunächst gesetzt ist, vorhanden ist, ist eine Ware von ei-
nem bestimmten ideellen Preise, d. h., die nur ideell als eine bestimmte
Geldsumme existiert und die sich erst im Austausch als solche reali-
sieren soll, also erst wieder in den Prozeß der einfachen Zirkulation
eingehn muß, um als Geld gesetzt zu werden.“ (316) So wird der
Kapitalist sich wieder als Geldbesitzer formieren.
Zunächst interessiert aber die äußere Reflexion. Was die Bestimmt-
heit des Resultats betrifft, das sich in die Voraussetzung des
Produktionsprozesses verwandeln wird, so ist festgestellt worden,
daß Identität und Unterschied sich als die Verschiedenen gesetzt ha-
ben, von denen jedes das Andere an ihm hat. In der Art und Weise,
wie sich das Kapital in das Resultat setzt, ist auch das Arbeitsvermö-
gen realisiert, und in der Art und Weise, wie sich das Arbeitsvermö-
gen in das Resultat setzt, hat sich auch das Kapital realisiert, und sie
liegen gleichgültig nebeneinander, beziehen sich nicht selbst als Iden-
tität und Unterschied aufeinander. Doch das Resultat hat noch eine
andere Bestimmung. Indem Identität und Unterschied sich so setz-
ten, daß jedes zugleich auf das Andere einwirkte, haben sie eine Be-
ziehung zwischen den beiden Verschiedenen in das Resultat gesetzt.
Diese Beziehung, die – weil im Resultat gegeben – eine äußerliche
ist, ist als Realisierung der Identität die Gleichheit und als Realisie-
rung des Unterschieds die Ungleichheit.

* Äußere Reflexion als bestimmter Unterschied: Gleichheit und


Ungleichheit der Wertbestandteile des Produkts
Die Erläuterung der Bestimmungen der Gleichheit und der Ungleich-
heit bezieht sich auf den Produktenwert, also c + v + m. Dabei wird
unterstellt, daß v dazu bestimmt ist, die Reproduktion der Arbeits-

246
Prozeßresultat: Verschiedenheit – Gleichheit und Ungleichheit
kraft zu sichern, die als verausgabt und reproduzierbar eine Kompo-
nente des Gesamtresultats ist. Das Produkt des kapitalistischen Resultat des
Produktionsprozesses hat die Bestimmung der Gleichheit, nicht in- kapitalistischen
sofern seine Bestandteile als Werte qualitativ gleich sind: so ist es Produktionsprozesses
– Bestimmung der
systemspezifisches Negatives oder Gesetztsein überhaupt; sondern Gleichheit
insofern es verwerteter Wert ist. D. h. die Gleichheit ist zu bestim-
men im Hinblick auf die Art und Weise, wie das Sicherhalten des
Werts – als die Identität – sich im Resultat realisiert hat. Diese Be-
stimmung haben die Bestandteile nicht jeder für sich allein, sondern
gemeinsam, in ihrer Beziehung aufeinander. Hinsichtlich der Ver-
wertung des Werts bedeutet dies vornehmlich, die Beziehung zwi-
schen dem vorausgesetzten Kapital und dem Mehrwert zu erfassen:
„Mehrwert ist das Produkt nur in Beziehung zum Kapital, dem Wer-
te, wie er vor dem Produktionsprozeß existierte“ (266); sonst ist er
nur bestimmtes Wertquantum: „für sich selbst, als selbständige Exi-
stenz betrachtet, ist er bloß quantitativ bestimmter Tauschwert“. (266)
Die qualitative Gleichheit der Bestandteile des Produkts als system-
spezifisches Negatives ist Voraussetzung ihrer Beziehung aufeinan-
der. Doch erst in dieser Beziehung aufeinander läßt sich ihre Gleich-
heit und ihre gemeinsame Bestimmung erkennen. Verwerteter Wert
zu sein ist Bestimmung des Produkts als Ganzes. Die Gleichheit ist
Gleichheit der Ungleichen.
Die Bestimmung der Ungleichheit hat das Produkt als Ganzes, Bestimmung der
insofern seine Bestandteile durch das Unterscheiden als das Hervor- Ungleichheit
bringen von neuem Negativen gesetzte unterschiedliche Bestimmun-
gen aufweisen: es ist „die Unterscheidung zwischen dem unverän-
derten Wert als einem Teil des Kapitals, der erhalten bleibt, dem
andren, der reproduziert wird (reproduziert für das Kapital; vom
Standpunkt der wirklichen Produktion der Arbeit aus, produziert)
und dem, der neu produziert wird, wesentlich wichtig“. (300) Das
konstante Kapital war seiner stofflichen Seite nach die Verwirk-
lichungsbedingung der Arbeit; als Wert des Rohmaterials und des
Arbeitsinstruments, der auf das Produkt übertragen wurde, war es
vorausgesetzt und erscheint es im Produkt nur wieder. Dieser Wert
ist das Ergebnis früherer, bereits vor dem jetzigen Prozeß vergange-
ner abstrakter Arbeit. Der auf das Produkt übertragene Wert der Pro-
duktionsmittel ist für den Arbeiter ein „unabhängig von seiner Ar-
beit Vorhandenes“. (274) Daß das Material, das er bearbeitet und in
höheren Gebrauchswert umformt, „selbst schon Arbeit enthält, ist
Sache des Kapitals, nicht seine; ist ebenfalls unabhängig von seiner

247
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Arbeit und besteht fort nach derselben, wie es vor derselben bestand“.
(274) Die Arbeit, die als konkrete den vorhandenen Wert der Pro-
duktionsmittel auf das Produkt übertrug, fügte zugleich als abstrakte
Arbeit neuen Wert hinzu. Nur vermittelst der konkreten Arbeit als
Basis-Negieren vermochte die abstrakte Arbeit als systemspezifisches
Sichnegieren sich zu realisieren. Der reproduzierte Wert der Arbeits-
kraft ist Vergegenständlichung der abstrakten Arbeit in der notwen-
digen Arbeitszeit, der Mehrwert Vergegenständlichung der abstrak-
ten Arbeit in der Mehrarbeitszeit. Ungleich sind sie als Gleiche, als
Komponenten der Verwertung des Werts. Oder das Sicherhaltende
besteht als Gleichheit im Produkt des Produktionsprozesses des Ne-
gativen nur durch seine ungleichen Komponenten. In der Ungleich-
heit hat sich die Lohnarbeit als konkrete und abstrakte Arbeit ge-
setzt. Hinsichtlich des Neuwerts gilt: „Die lebendige Arbeitszeit
reproduziert nichts als den Teil der vergegenständlichten Arbeitszeit
(des Kapitals), der als Äquivalent für die Disposition über das leben-
dige Arbeitsvermögen erscheint und der daher, als Äquivalent, die in
diesem Arbeitsvermögen vergegenständlichte Arbeitszeit ersetzen
muß, d. h. die Produktionskosten der lebendigen Arbeitsvermögen
ersetzen, in andren Worten, den Arbeiter als Arbeiter am Leben er-
halten muß. Was sie mehr produziert, ist nicht Reproduktion, son-
dern neue Schöpfung, und zwar neue Wertschöpfung, weil Verge-
genständlichung neuer Arbeitszeit in einem Gebrauchswert.“ (276f.)
Den Unterschied zwischen diesen beiden Wertteilen hat die abstrak-
te Arbeit gesetzt und damit auch ihren Unterschied zum vorhande-
nen, gleichgebliebenen, auf das Produkt übertragenen Wert. Dieser
Wertteil wird durch die Arbeit in ihrer stofflichen Bestimmtheit, als
konkrete Arbeit, erhalten, indem er von ihr auf das Produkt übertra-
gen wird. Der „Teil des Werts, der in Rohmaterial und Instrument die
realen Bedingungen für die Verwertung der lebendigen Arbeit dar-
stellt“, ist „von ihr selbst im Produktionsprozeß erhalten worden“;
„und da jeder Gebrauchswert seiner Natur nach in vergänglichem
Material besteht, der Tauschwert aber nur im Gebrauchswert da ist,
existiert, ist dies Erhalten = Beschützen vor dem Untergang oder
Negation der vergänglichen Natur der von den Kapitalisten beseßnen
Werte; daher ihr Setzen als für sich seiender Wert, als unvergängli-
cher Reichtum“. (368f.) Daraus ergibt sich die Schlußfolgerung: „Als
Kapital ist diese ursprüngliche Summe von Werten daher auch erst
im Produktionsprozeß durch die lebendige Arbeit gesetzt wor-
den.“(369) Ungleichheit bedeutet also erstens, daß das Produkt in

248
Reproduktion des Gegensatzes Kapital – Lohnarbeit
allen seinen Wertbestandteilen, die einander ungleich sind, von der
Arbeit in ihren Eigenschaften als abstrakte und konkrete gesetzt wor-
den ist, und damit zweitens, daß das Kapital sich erhält und erneuert
durch Aufsaugen von Wert, der durch das Arbeitsvermögen produ-
ziert worden ist, während das Arbeitsvermögen seinen Reproduktions-
fonds selbst produziert.
Durch die Ungleichheit erst ist die Gleichheit: nur wenn diese drei
Bestandteile des Werts im Produkt sind, hat der Wert sich verwertet.
Und durch diese Gleichheit erst ist die Ungleichheit. Oder die Gleich-
heit ist sie selbst und die Ungleichheit: die Gleichheit schließt die
Ungleichheit ein; und die Ungleichheit ist sie selbst und die Gleich-
heit: die Ungleichheit schließt die Gleichheit ein.

Reproduktion des Gegensatzes von Kapital und Lohnarbeit


aus dem Resultat des Produktionsprozesses
Aus dem Resultat des Produktionsprozesses muß sich nun seine Vor-
aussetzung formieren. Anders ist Selbstbewegung nicht möglich. Jene
Voraussetzung bildet sich, indem aus dem Resultat, aus den Verschie-
denen, die einander gleich und ungleich sind, der Gegensatz sich
formiert.

* Anfangsbestimmung des Gegensatzes: Jedes ist durch sein Nicht-


sein, d. h. durch sein Anderes – die Beziehung zwischen
realisierter notwendiger und Mehrarbeit im Resultat
Die Untersuchung der Verschiedenheit als bestimmter Verschieden-
heit oder als bestimmten Unterschieds liefert die Anfangsbestimmung
des Gegensatzes des Wesens, wonach jedes nur durch sein Nichtsein
oder durch sein Anderes ist. Bestimmter Unterschied sind die Ver-
schiedenen als Gleiche, die ungleich sind: einerseits das selbständi-
ge Negative, das sich durch die Aufnahme von neuem, und zwar von
überschüssigem Negativem erneuert hat, und andererseits das Produ-
ziervermögen mit dem Negativen, das seiner Erneuerung dient. Als
bestimmt Unterschiedenes ist jedes durch sein Nichtsein oder sein
Anderes. Das erneuerte selbständige Negative ist durch das Produzier-
vermögen mit dem Repro-Negativen als sein Nichtsein, indem das
Produziervermögen den Fonds seiner eigenen Erhaltung erzeugt ha-
ben muß, wenn es – auf Dauer – das überschüssige Negative setzen

249
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
können soll, durch das sich das selbständige Negative erneuert. Das
Produziervermögen mit dem Repro-Negativen ist durch das erneuer-
te selbständige Negative als sein Nichtsein, indem das Produzier-
vermögen Negatives zu seiner Erneuerung nur erzeugen kann, wenn
es das ihm gegenüberstehende Negative durch überschüssiges Nega-
tives erneuert. Der Produktionsprozeß des Negativen ist somit als
Beziehung des agierenden Produziervermögens auf das selbständige
Negative und auf sich selbst das Setzen der Komponenten des Resul-
tats oder Produkts in der Bestimmung, wonach jede durch ihr Nicht-
sein oder durch ihr Anderes ist. So sind sie einander Entgegen-Ge-
setzte.
Nun ist zu überlegen, wie mit diesen Bestimmungen in der Unter-
suchung des Produkts des Produktionsprozesses des Kapitals gear-
beitet werden kann, aus dem sich der Gegensatz von Kapital und
Lohnarbeit reproduziert. Marx wird im „Kapital“ einfache und er-
weiterte Reproduktion gesondert darstellen. In den „Grundrissen“
analysiert er insbesondere die erweiterte Reproduktion dieses Ge-
gensatzes. Einige Bemerkungen über seine einfache Reproduktion
sollen vorausgeschickt werden; sie dienen zugleich der Erläuterung
der allgemeinen Bestimmungen, die Hegel in der „Logik“ bei der
Formierung des Gegensatzes behandelt.
Beziehung des Die Entgegengesetzten, die jetzt als Voraussetzung des Produk-
Kapitals auf die tionsprozesses sich formieren, sind nicht einfach Identität und Un-
Arbeit als Nicht- terschied wie zu Beginn des ersten Prozesses. sie haben vielmehr
Kapital, der Arbeit
auf das Kapital als jedes die Beziehung auf sein Anderes oder sein Nichtsein an ihm.
Nicht-Arbeit Erstens hebt jedes sein Anderssein oder Nichtsein in sich auf, so daß
sein Nichtsein Moment in ihm ist. Der Wert ist nicht mehr bloß Wert,
der sich erhalten wird, sondern Wert, der sich erhalten hat, aber durch
fremde Arbeit. Der verwertete Wert hat in sich als realisiert das Wir-
ken des Arbeitsvermögens. Das Arbeitsvermögen ist nicht mehr ein-
fach als Quelle von Wert da, sondern es hat sich als Erzeuger von
Wert und speziell Mehrwert betätigt und als solcher verausgabt. Die-
se Bestimmung hatte es vor dem Prozeß oder zu seinem Beginn noch
nicht. Erst an seinem Ende, in seinem Produkt erweist sich, daß es
als Mehrwert-Erzeuger tätig war. D. h. das Kapital hat in sich die
Beziehung auf sein Nichtsein, auf die Arbeit als Nicht-Kapital, und
formiert sich in der Bestimmung vergegenständlichter fremder Ar-
beit als Voraussetzung des Prozesses; die Arbeit hat in sich die Be-
ziehung auf ihr Nichtsein, das Kapital als Nicht-Arbeit, und sie for-
miert sich in der speziellen Bestimmung des Mehrwerterzeugers als

250
Reproduktion des Gegensatzes Kapital – Lohnarbeit
Voraussetzung des Prozesses. Zweitens hat jedes sein Nichtsein au-
ßer ihm: hier die objektiven und subjektiven Arbeitsbedingungen als
Eigentum des Kapitalisten, dort das Arbeitsvermögen als Eigentum
des Lohnarbeiters.
Die Anfangsbestimmung des Gegensatzes ist durch den vorange- Der Gegensatz
gangenen Produktionsprozeß gesetzt worden. Die Entgegengesetz- nunmehr als durch
ten sind jedes durch sein Nichtsein. Dies ist die Konsequenz der Be- den
Produktionsprozeß
stimmung der Verschiedenen als Gleiche und Ungleiche. Im des Kapitals selbst
Produktionsprozeß des Kapitals zwingt der Kapitalist den Lohn- gesetzt
arbeiter, über die notwendige Arbeitszeit hinaus Mehrarbeit zu ver-
richten, und dieser darf das Äquivalent für den Wert seiner Arbeits-
kraft nur reproduzieren, wenn er Mehrwert für das Kapital erzeugt.
Ein Mehrwert kann nur erzeugt und dadurch ein vorhandener Wert
nur verwertet werden, wenn der Wert der Ware Arbeitskraft reprodu-
ziert wird; anderenfalls könnte das Arbeitsvermögen nicht erneuert
werden, versiegte also die Quelle des Mehrwerts; der Teil des Werts,
der die Funktion der Selbstverwertung des Werts realisiert (m), ist so
nur durch sein Nichtsein, sein Anderes: den Teil des Werts, der die
Funktion hat, die lebendige Arbeitskraft zu erhalten (v). Umgekehrt
ist v nur durch sein Nichtsein m, weil der Arbeiter nur dann die für
seine Erhaltung nötige Wertsumme erzeugen kann, wenn er dem Ka-
pitalisten Arbeit umsonst liefert. Die notwendige Arbeit ist durch die
Mehrarbeit als ihr Nichtsein, die Mehrarbeit durch die notwendige
als ihr Nichtsein. Die Mehrarbeit ist nur möglich unter Vorausset-
zung der notwendigen und die notwendige unter Voraussetzung der
Mehrarbeit.73 Der Gegensatz ist nunmehr durch den Produktionspro-
zeß des Kapitals selbst gesetzt worden. Er hört damit auf, vorgefun-
dener Gegensatz zu sein. Es ist der Gegensatz des Wesens, der jetzt
sich formiert.
Bei einfacher Reproduktion wird der gesamte Mehrwert in Reve-
nue des Kapitalisten verwandelt; nach einer bestimmten Anzahl von
Jahren oder Reproduktionsperioden ist das ursprünglich vor-
geschossene Kapital vom Kapitalisten aufgezehrt worden und somit
verschwunden, so daß das Gesamtkapital nur noch kapitalisierter

73 Die gegensätzliche Bestimmtheit der Arbeit ist nicht mit ihrer antagonistisch-
gegensätzlichen Form gleichzusetzen. Auch in einer nachkapitalistischen Gesell-
schaft wird die Arbeit gegensätzlich bestimmt sein als Arbeit des Arbeiters für sich
und als darüber hinausgehende Mehrarbeit, aber was er nicht als Privatindividuum
aneignet, eignet er sich in anderer Funktion, als Gesellschaftsmitglied, an (vgl.: Karl
Marx: Kritik des Gothaer Programms. In: MEW, Bd. 19, S. 19).

251
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Mehrwert ist, also ohne Äquivalent angeeigneter Wert, der das Pro-
dukt unbezahlter fremder Arbeit ist.

* Jedes ist durch das Nichtsein seines Anderen – Reflexion des


Gesetztseins in die Gleichheit und die Ungleichheit mit sich
Die Bestimmung, wonach jedes durch sein Nichtsein, d. h. durch
sein Anderes ist, ist durch den vorangegangenen Produktionsprozeß
des Negativen gesetzt worden. Die Entgegengesetzten beginnen, sich
selbst zu formieren, indem sie selbst sich als Nichtsein ihres Ande-
ren formieren. Damit setzt die Reflexion in sich ein als ein Prozeß, in
dessen Verlauf die Entgegengesetzten durch ihre eigene Aktion zur
Voraussetzung des nächsten Produktionsprozesses werden. Es ist die
Realisierung dessen, was die Reflexion an sich ist.
Reflexion des Gesetztseins in die Gleichheit bedeutet, daß eines
der Verschiedenen sich befähigt, die Funktion der Identität – das Sich-
erhalten des Negativen durch Einwirkung auf das Produziervermögen
– im nächsten Produktionsprozeß zu realisieren. Diese Funktion hat
im kapitalistischen Produktionsprozeß das Kapital, das jetzt als Pro-
dukt des Produktionsprozesses mit dem Wert c + v + m vorhanden
ist. Es reflektiert sich in sich, indem es als von der anderen Kompo-
nente des Resultats – dem verausgabten, reproduzierbaren Produ-
ziervermögen – unterschieden sich auf sich bezieht. Reflexion des
Gesetztseins in die Ungleichheit bedeutet, daß das andere der beiden
Verschiedenen sich befähigt, die Funktion des Unterschieds – Set-
zen von neuem Negativem – im nächsten Produktionsprozeß zu rea-
lisieren. Es bezieht sich als von der anderen Resultatskomponente
sich unterscheidend auf sich.
Die Reflexion in sich vollzieht sich so, daß die Entgegengesetz-
ten gegen jene erste Identität (jedes ist durch sein Nichtsein oder
sein Anderes), worin sie nur Momente oder als in dieser Beziehung
Gesetzte sind, gleichgültig werden. D. h. sie vollziehen jetzt jedes
für sich ihre Formierung bzw. Reproduktion, und insofern sind sie
gleichgültig gegeneinander. Indem sie aus dem Wert sich reprodu-
zieren, werden sie selbständig; d. h. sie heben ihr Gesetztsein als
Werte auf. Doch indem sie als Gleichheit und Ungleichheit, als die
Verschiedenen mit den Funktionen des Sicherhaltens des selbständi-
gen Negativen und des Setzens von neuem Negativem, als potentiel-
les Kapital und potentielle Lohnarbeit sich in sich reflektieren, ha-
ben sie diese Bestimmtheiten noch als ein Gesetztsein an ihnen.

252
Reproduktion des Gegensatzes Kapital – Lohnarbeit
Der Kapitalist muß den Wert des Warenprodukts, über das er ver- Formierung des
fügt, also c + v + m, in Geld realisieren. Dadurch befähigt er sich, Kapitals als Pol des
erneut als Geldbesitzer den Markt zu betreten und durch Kauf die Gegensatzes
Produktionsfaktoren miteinander zu verbinden. Das Produkt des Pro-
zesses ist „in seiner unmittelbaren Form nicht Wert“, sondern muß
„erst von neuem in die Zirkulation eintreten ..., um als solcher reali-
siert zu werden“. (317) „Die allgemeine Form als Wert – vergegen-
ständlichte Arbeit – und aus der Zirkulation herkommende verge-
genständlichte Arbeit – ist natürlich die allgemeine sich von selbst
verstehende Voraussetzung.“ (364) Die Bewegung des system-
spezifischen Negativen, des Werts, in der Sphäre der Unmittelbar-
keit, sein Sicherhalten, d. h. die Verwandlung des Werts der Waren
in seine Geldform als Voraussetzung für die Erneuerung des Pro-
duktionsprozesses, ist jetzt eine Phase in der Bewegung des Kapitals
selbst. Und diese Bewegung ist unerläßlich für die Selbsterhaltung
des Werts, die das Kapital ist. „Die Zirkulation war unfähig, sich aus
sich selbst zu erneuern. Andrerseits erscheint jetzt der Produktions-
prozeß in a fix, soweit er nicht fähig, in den Zirkulationsprozeß über-
zugehen ... Das Kapital als auf der Lohnarbeit beruhende Produktion
setzt die Zirkulation als notwendige Bedingung und Moment der gan-
zen Bewegung voraus.“ (319)
Es sei unterstellt, daß die Realisierung des Werts gelingt, und sie
muß gelingen, „soweit das Ganze der Produktion auf dem Kapital
beruht, also es die notwendigen Elemente seiner Selbstgestaltung alle
realisieren ... und die Bedingungen für die Verwirklichung derselben
enthalten“ (317) muß. Das Geld hat hier eine andere Bestimmtheit
als zu Beginn des Prozesses. Ursprünglich ist „der gegen die Zirku-
lation verselbständigte Wert“, „das Geld als Geld, das der Zirkulati-
on entzogne und sich ihr gegenüber negativ behauptende Geld die
Voraussetzung ..., aus der das Kapital wird“. (276) Die Vorausset-
zung, aus der das Kapital geworden ist, war noch nicht durch seinen
eigenen Prozeß als Kapital gesetzt worden. Jetzt hat das Kapital „zum
Resultat wieder den Wert, der nicht mehr als Äquivalent in die Zir-
kulation eingeht und andrerseits noch nicht wieder zu Kapital poten-
ziert ist, also negativ gegen die Zirkulation verselbständigter Wert –
Geld (in seiner dritten, adäquaten Form)“. (276) Aber das Geld er-
scheint jetzt in einer neuen Bestimmung. „Das Kapital ist jetzt also
wieder als Geld gesetzt und das Geld daher in der neuen Bestim-
mung von realisiertem Kapital, nicht bloß als realisierter Preis der
Ware. Oder die im Preis realisierte Ware ist jetzt realisiertes Kapi-

253
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
tal.“ (361) Der Wert wird in der Gestalt des Geldes wieder Ausgangs-
punkt seiner Bewegung. Aber dieser Ausgangspunkt ist jetzt vom
Kapital gesetzt, und die Geldsumme hat sich vergrößert. Mit dieser
Rückkehr des Geldes als Ausgangspunkt ist zugleich „das Maß sei-
ner Verwertung in seiner eignen Form gesetzt – als Proportion
des aus dem Produktionsprozeß und dem Austausch retournierten
Kapitals (zu seiner Geldform retournierten) zum ursprünglichen
Kapital ...“. (361) Vergleicht man in der Bewegung G – W – W – G´
das G mit dem G´, so ergibt sich: „In der ersten Bewegung ging das
Geld aus der einfachen Zirkulation hervor; in der zweiten geht [es]
aus dem Produktionsprozeß des Kapitals hervor. In der ersten
geht es über in Kapital; in der zweiten erscheint es als eine vom
Kapital selbst gesetzte Voraussetzung des Kapitals.“ (276) Das be-
deutet: „Es geht nicht mehr einfach in das Kapital über, sondern als
Geld ist schon an ihm gesetzt, daß es in Kapital verwandelt werden
kann.“ (276)
Das Geld ist jetzt „an sich schon Kapital; als solches Anweisung
auf neue Arbeit“. (284) Auf die Funktion der Voraussetzung zielt die
Konsequenz ab: „Hier tritt das Kapital schon nicht mehr nur in Ver-
hältnis zur vorhandnen Arbeit, sondern zu zukünftiger.“ (284) Es er-
scheint jetzt als „Anweisung auf die reale Möglichkeit des allgemei-
nen Reichtums – das Arbeitsvermögen, und zwar das werdende
Arbeitsvermögen“. (284) Die in Geld verwandelten Wertteile c und
v werden also gegen Produktionsmittel und Arbeitskraft eingetauscht.
Den Wertteil m verwandelt der Kapitalist bei einfacher Reprodukti-
on insgesamt in seine Revenue, d. h. er verbraucht ihn außerhalb des
Produktionsprozesses für seine Bedürfnisse.
Formierung der Der Lohnarbeiter realisiert seinen Arbeitslohn in Lebensmitteln,
Lohnarbeit als Pol die er konsumiert, um seine Arbeitskraft wiederherzustellen. Repro-
des Gegensatzes duktion des Arbeitsvermögens bedeutet, „sowohl die allgemeine Sub-
stanz, an der sein Arbeitsvermögen existiert, also ihn selbst, leiblich
zu erhalten“ (208) als auch „diese allgemeine Substanz zur Entwick-
lung des besondren Vermögens zu modifizieren ...“. (208) Er kann
seine Arbeitskraft erneut verkaufen, „sobald er das gehörige Maß
von Stoff eingenommen, um wieder seine Lebensäußerung reprodu-
zieren zu können“. (215) Die Reproduktion der Arbeitskraft ist
„Selbsterhaltung des Arbeiters“ (346), insofern er selbst sich aus sei-
nem selbst erzeugten Produkt wieder herstellt. „Was nun die Kon-
sumtion des Arbeiters betrifft, so reproduziert sie eins – nämlich ihn
selbst als lebendiges Arbeitsvermögen. Da diese Reproduktion sei-

254
Reproduktion des Gegensatzes Kapital – Lohnarbeit
ner selbst Bedingung für das Kapital, so erscheint auch die Konsum-
tion des Arbeiters als Reproduktion nicht direkt des Kapitals, aber
der Verhältnisse, unter denen es allein Kapital ist. Das lebendige
Arbeitsvermögen gehört ebenso unter seine Existenzbedingungen wie
Rohstoff und Instrument. Es reproduziert sich also doppelt, in seiner
eignen Form, in der Konsumtion des Arbeiters, aber nur soweit sie
ihn als lebendiges Arbeitsvermögen reproduziert. Diese Konsumti-
on nennt das Kapital daher produktive Konsumtion – produktiv, nicht
insofern sie das Individuum reproduziert, sondern die Individuen als
Arbeitsvermögen.“ (577)

* Der reproduzierte Gegensatz


Im Ergebnis dieser Reproduktion hat sich jedes als Selbständiges
formiert. Diese Selbständigkeit wurzelt nun in der Bewegung des
Systems selbst. Sie treten sich selbständig, gleichgültig, einander
fremd gegenüber, weil sie im Resultat des ersten Prozesses jedes für
sich gesetzt sind und weil jedes sich für sich als Komponente der
Voraussetzung des zweiten Prozesses reproduziert. Das Kapital ist
im Gegensatz der kapitalistischen Produktion das Positive. So ist es Das Kapital als
nicht mehr das einfache Identische, d. h. es ist nicht mehr einfach Positives: durch
Wert, der sich erhalten soll, und der Kapitalist ist nicht mehr bloß fremde Arbeit sich
verwertender Wert
Geldbesitzer, wie vor dem ersten Prozeß. Das Kapital ist jetzt durch
fremde Arbeit verwerteter Wert. Selbständig ist es geworden, indem
es das Andere, das Resultat des Wirkens des Arbeitsvermögens, in
ihm selbst verarbeitet hat. Als nunmehr Selbständiges wird es im
Produktionsprozeß sich selbst setzen, und zwar in seiner neu gewon-
nenen Bestimmtheit als Auspresser und Aneigner von Mehrwert. Die
Funktion des Identischen wird ein Moment dieses Sichsetzens sein.
Das Kapital ist das Positive, indem es zugleich die Funktion hat, das
Wesen und damit das System – das bürgerliche Produktionssystem –
als Ganzes zu bewahren.
Ebenso ist das Arbeitsvermögen nicht mehr der einfache Unter- Das
schied, wie vor dem ersten Prozeß, als potentielle Quelle allen Werts, Arbeitsvermögen als
allen Reichtums, sondern es hat sich als Erzeuger von neuem Wert Negatives: fähig zur
Selbstreproduktion
und speziell von Mehrwert bewährt. In dieser Bestimmung hat es und zur Verwertung
sich selbst reproduziert und ist so selbständig geworden. Als Selb- des selbständigen
ständiges wird es in dieser Bestimmung im Produktionsprozeß sich Werts
selbst setzen. Das lebendige Arbeitsvermögen ist im Gegensatz der
kapitalistischen Produktion das Negative (F) als das für sich beste-

255
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
hende Entgegengesetzte – als das allen Wert Produzierende und da-
mit dem sich verwertenden Wert als dem mit sich identischen
Gesetztsein entgegengesetzt, das der Wert als in dem ganzen Kreis-
lauf der Selbstbewegung sich erhaltender ist. Es ist das Negative,
indem es zugleich die Funktion hat, als das Negieren in seiner kom-
plexen Bestimmung – Basisnegieren und systemspezifisches Sich-
negieren – Veränderung zu erzeugen, für die das Kapital Schranke
oder Grenze ist.
Der Gegensatz, der als Voraussetzung des ersten Produktions-
prozesses und Kreislaufs als vorgefunden, als in bestimmter Weise
historisch entstanden unterstellt war, ist nunmehr als Voraussetzung
in diesem Kreislauf selbst produziert worden. Es treten einander also
wieder Geldbesitzer und Besitzer der Arbeitskraft gegenüber, aber
diesmal als durch den Produktionsprozeß des Kapitals selbst gesetzt
und als aus seinem Resultat selbständig geworden.

* Die erweiterte Reproduktion des Gegensatzes


von Kapital und Lohnarbeit
In der folgenden Passage der „Grundrisse“ gilt die Aufmerksamkeit
der systeminternen erweiterten Reproduktion des Gegensatzes als
Voraussetzung des Produktionsprozesses des Kapitals. Der Grund-
charakter der kapitalistischen Produktion, der sich in der einfachen
Reproduktion realisiert, bestimmt auch die erweiterte Reproduktion.
Dabei ist zu überlegen, in welcher Weise hier sich realisieren die
Anfangsbestimmung des Gegensatzes, wonach jedes durch sein Nicht-
sein ist, und die Reflexion in sich, durch die jedes sich selbst als
Nichtsein des Anderen formiert.
Gegensatz als Bei erweiterter Reproduktion wird nicht der ganze Mehrwert, son-
Voraussetzung aus dern nur ein Teil von ihm als Revenue des Kapitalisten verbraucht.
dem inneren Wesen Der andere Teil des Mehrwerts oder Neuwerts, wie Marx ihn hier
des Kapitals
hervorgehend auch nennt, kann Voraussetzung des Produktionsprozesses nur wer-
den, wenn er sich in die beiden Faktoren verwandelt, die ihn realisie-
ren. „Der Neuwert also selbst wieder als Kapital gesetzt, als verge-
genständlichte Arbeit eingehend in den Austauschprozeß mit der
lebendigen und daher sich teilend in einen konstanten Teil – die ob-
jektiven Bedingungen der Arbeit, Material und Instrument – und die
Bedingungen für die subjektive Bedingung der Arbeit, die Existenz
des lebendigen Arbeitsvermögens, die necessaries, Lebensmittel für
den Arbeiter.“ (363) Insofern die Faktoren des Prozesses sich aus

256
Reproduktion des Gegensatzes Kapital – Lohnarbeit
dem Neuwert formieren, unterscheiden sie sich von den Werten, die
ursprünglich vorhanden waren. „Bei diesem zweiten Auftreten des
Kapitals in dieser Form erscheinen Punkte aufgeklärt, die in seinem
ersten Vorkommen – dem Gelde, das aus seiner Bestimmung als Wert
in die des Kapitals übergeht – durchaus unklar waren. Jetzt sind sie
durch den Prozeß der Verwertung und Produktion selbst ausgelegt.
Beim ersten Vorkommen erschienen die Voraussetzungen selbst äu-
ßerlich, aus der Zirkulation herkommend; als äußere Voraussetzun-
gen für die Entstehung des Kapitals; daher nicht aus seinem inneren
Wesen hervorgehend und nicht aus demselben erklärt.“ (363) So aus
der Zirkulation herkommend, resultierte der Wert in der Form des
Geldes, das der Kapitalist in Produktionsmitteln und Arbeitskraft
auslegte, noch nicht selbst aus dem kapitalistischen Produktionspro-
zeß, d. h. noch nicht aus dem „inneren Wesen“ des Kapitals; das
Kapital entstand erst. „Diese äußerlichen Voraussetzungen werden
jetzt als Momente der Bewegung des Kapitals selbst erscheinen, so
daß es selbst sie – wie sie immer historisch entstehen mögen – als
seine eignen Momente vorausgesetzt hat.“ (363f.) Die Bestimmung
der Voraussetzungen als äußerliche bezieht sich hier darauf, daß sie
– auf die eine oder andere Weise – historisch entstanden sind, also
außerhalb des kapitalistischen Produktionsprozesses. Die Konstitu-
ierung der Selbstbewegung des Kapitals als eines historisch bestimm-
ten Systems schließt die Verwandlung der äußerlichen Vorausset-
zungen in solche ein, die durch das Wesen des Kapitals selbst, durch
seinen Produktionsprozeß erzeugt werden. Die Betrachtung histo-
risch bestimmter Systeme, hier also des bürgerlichen Produktions-
systems, führt zu der Feststellung, daß die Struktur, die Hegel als die
äußere Reflexion faßt, historisch vor dem gegebenen System sich
herausgebildet haben kann, dann aber vom Wesen, vom wesentli-
chen Prozeß dieses Systems selbst gesetzt wird. Die historische Be-
ziehung zwischen der Voraussetzung und dem Wesen wird in der
inneren Bewegung des Systems reproduziert, insofern sie für seine
Selbstbewegung erforderlich ist.74
Der Charakter der Voraussetzungen als äußerliche ist folglich über-
wunden, sobald die gegensätzlichen Faktoren des Produktions-
prozesses sich aus dem Wert bilden, der im gegebenen Produktions-
system erzeugt worden ist. Schon die Reproduktion als einfache
74 Es sei hier nur darauf hingewiesen, daß das sich selbst bewegende System als
solches ebenfalls eine Beziehung zwischen Innerem und Äußerem an ihm selbst
ausbildet. Dies ist erst in der nächsten Folge des Kommentars zu behandeln.

257
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
bewirkt die Verwandlung des gesamten vorgeschossenen Werts in
vergegenständlichte fremde Arbeit; dies gilt um so mehr für die Ka-
pitalisierung von Mehrwert. „Innerhalb des Produktionsprozesses
selbst erschien der Surpluswert, der durch den Zwang des Kapitals
sollizitierte Surpluswert, als Surplusarbeit; selbst in der Form der
lebendigen Arbeit, die aber, da sie nicht aus nichts schaffen kann,
Mehrarbeit, ihre objektiven Bedingungen vorfindet. Jetzt erscheint diese
Mehrprodukt, Surplusarbeit vergegenständlicht als Surplusprodukt, und dieses
Mehrwert – teilt sich Surplusprodukt, um sich als Kapital zu verwerten, teilt sich in dop-
in objektive und
subjektive pelter Form: als objektive Arbeitsbedingung – Material und Instru-
Arbeitsbedingung ment –; als subjektive – Lebensmittel für die nun ins Werk zu setzen-
de lebendige Arbeit.“ (364) Die Produktionsmittel und die
Lebensmittel für die Arbeiter sind Waren mit bestimmtem Wert und
Gebrauchswert und müssen auf dem Markt gekauft werden, was die
Verwandlung des Mehrwerts in Geld voraussetzt. Aber der Wert, den
der Kapitalist in der Hand hat und erst in Geld, dann in die Produkti-
onsfaktoren verwandelt, ist jetzt Produkt der Mehrarbeit des Lohn-
arbeiters: „Das Surplusprodukt in seiner Totalität – objektivierend
die Surplusarbeit in ihrer Totalität – erscheint jetzt als Surpluskapital
(verglichen mit dem ursprünglichen Kapital, bevor es diesen Umlauf
vorgenommen hatte), d. h. als verselbständigter Tauschwert, der dem
lebendigen Arbeitsvermögen als seinem spezifischen Gebrauchswert
gegenübertritt ... Alle Momente, die dem lebendigen Arbeitsvermö-
gen als fremde, äußerliche und es unter gewissen, von ihm selbst
unabhängigen Bedingungen konsumierende, verwendende Mächte
gegenübertraten, sind jetzt gesetzt als sein eignes Produkt und Re-
sultat.“ (364)
Wie die Arbeit das für Es ist daher zu untersuchen, wie die Arbeit das für die erweiterte
die erweiterte Reproduktion des Gegensatzes Erforderliche erzeugt hat.
Reproduktion des Erstens hat die Arbeit überhaupt den neuen Wert produziert, der
Gegensatzes
Erforderliche erzeugt ihr als selbständiger, mit ihr sich austauschender Wert, also als Kapi-
hat: tal gegenübertritt. „Er ist selbst nichts als der Überschuß der Arbeit
1. Erzeugung des überhaupt über die notwendige Arbeit – in objektiver Form und dar-
Mehrwerts um als Wert.“ (364) Dies ist neues Negatives, das der Aktor des
Negierens über die Erfordernisse der Reproduktion des Produ-
ziervermögens hinaus gesetzt hat, und alles Negative, das Vorausset-
zung des nächsten Produktionsprozesses ist, ist im gegebenen Sy-
stem, durch das systemspezifische Unterscheiden gesetzt worden.
2. zugleich Zweitens. Damit die Wertbestandteile des Kapitals – das konstan-
Erzeugung der te und das variable Kapital – als solche funktionieren können, muß

258
Reproduktion des Gegensatzes Kapital – Lohnarbeit
die Arbeit die nötigen stofflichen Träger erzeugt haben. D. h. die nötigen stofflichen
Mehrarbeit, die als abstrakte Arbeit den Mehrwert setzt, muß als Träger des künftigen
konkrete Arbeit so im Basisprozeß fungiert haben, daß sie die stoff- konstanten und
variablen Kapitals
lichen Bedingungen für die Realisierung des Mehrwerts als Kapital
erzeugt hat. „Die besondren Gestalten, die dieser Wert annehmen
muß, um sich von neuem zu verwerten, d. h. als Kapital zu setzen –
einerseits als Rohmaterial und Instrument – andrerseits als Lebens-
mittel für die Arbeit während des Produktionsaktes, sind ebenso da-
her nur besondre Formen der Surplusarbeit selbst.“ (364) Die leben-
dige Arbeit hat nicht nur „die objektiven und subjektiven Bedingungen
ihrer Selbsterhaltung und Selbstreproduktion“ gesetzt, sondern zu-
gleich Arbeitsmittel und -gegenstände in solchen Proportionen, „daß
sie als Surplusarbeit, als Arbeit über die notwendige hinaus, sich in
ihnen verwirklichen und sie daher zum Material neuer Wertschöp-
fung machen kann. Die objektiven Bedingungen der Surplusarbeit –
die sich auf die Proportion von Rohmaterial und Instrument über die
Erheischnisse der notwendigen Arbeit hinaus beschränken, während
die objektiven Bedingungen der notwendigen Arbeit zerfallen inner-
halb ihrer Objektivität in objektive und subjektive, in sachliche Mo-
mente der Arbeit und subjektive (Lebensmittel der lebendigen Ar-
beit), erscheinen daher jetzt, sind daher jetzt gesetzt als Produkt,
Resultat, objektive Form, äußerliche Existenz der Surplusarbeit selbst.
Ursprünglich dagegen erschien es der lebendigen Arbeit selbst fremd
– als Tat auf seiten des Kapitals –, daß Instrument und Lebensmittel
vorhanden waren zu einem Umfang, der der lebendigen Arbeit mög-
lich machte, sich nicht nur als notwendige, sondern als Surplusarbeit
zu verwirklichen.“ (364f.; vgl. 368)
Drittens erzeugt die Arbeit nicht nur den Wert, der Voraussetzung 3. Erzeugung der
des nächsten Prozesses ist, und seine stofflichen Träger; sie ist Ar- absoluten Trennung
beit in Beziehung auf den sich erhaltenden selbständigen Wert, der zwischen dem
lebendigen
die Mehrarbeit erzwingt; sie produziert den Mehrwert, also auch das Arbeitsvermögen
Mehrprodukt, als Entgegengesetztes des bloßen Arbeitsvermögens, und den
als das sie sich selbst in das Resultat setzt. Im bürgerlichen Produk- Bedingungen seiner
tionssystem hat diese Beziehung antagonistischen Charakter infolge Realisierung
der absoluten Trennung zwischen den sachlichen Arbeitsbedingun-
gen und dem lebendigen Arbeitsvermögen, so daß der Arbeit diese
Bedingungen als fremde gegenüberstehen und dem Kapital die Ar-
beit als fremde. „Das selbständige Fürsichsein des Werts gegenüber
dem lebendigen Arbeitsvermögen – daher sein Dasein als Kapital –
die objektive, an sich haltende Gleichgültigkeit, die Fremdheit der

259
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
objektiven Arbeitsbedingungen gegen das lebendige Arbeitsvermö-
gen, die bis zu dem Punkt fortgeht, daß diese Bedingungen der Per-
son des Arbeiters in der Person des Kapitalisten als Personifikatio-
nen mit eignem Willen und Interesse gegenübertreten – diese absolute
Scheidung, Trennung des Eigentums, d. h. der sachlichen Arbeitsbe-
dingungen vom lebendigen Arbeitsvermögen – daß sie ihm als frem-
des Eigentum, als die Realität einer andren juristischen Person, das
absolute Gebiet ihres Willens gegenübertreten – und daß daher and-
rerseits die Arbeit als fremde Arbeit gegenüber dem im Kapitalisten
personifizierten Wert oder den Arbeitsbedingungen erscheint – die-
se absolute Trennung zwischen Eigentum und Arbeit, zwischen dem
lebendigen Arbeitsvermögen und den Bedingungen seiner Realisie-
rung, zwischen vergegenständlichter und lebendiger Arbeit, zwischen
dem Wert und der wertschaffenden Tätigkeit – daher auch die Fremd-
heit des Inhalts der Arbeit gegen den Arbeiter selbst – diese Schei-
dung erscheint jetzt ebenfalls als Produkt der Arbeit selbst, als Ver-
gegenständlichung, Objektivierung ihrer eignen Momente. Denn
durch den neuen Produktionsakt selbst – der nur bestätigte den ihm
vorhergehenden Austausch zwischen Kapital und lebendiger Arbeit
– ist die Surplusarbeit und daher der Surpluswert, das Surplusprodukt,
überhaupt das Gesamtresultat der Arbeit (das der Surplusarbeit so-
wohl wie der notwendigen) gesetzt worden als Kapital, als dem le-
bendigen Arbeitsvermögen selbständig und gleichgültig oder als sei-
nem bloßen Gebrauchswert gegenübertretender Tauschwert.“ (365f.)
Die Arbeit hat also den Mehrwert gesetzt und zugleich ein Mehr-
produkt erzeugt, das seiner stofflichen Bestimmtheit nach die objek-
tiven Bedingungen für zusätzliche notwendige und Mehrarbeit ebenso
enthält wie die für zusätzliche Arbeiter erforderlichen Lebensmittel.
Sie hat diesen Mehrwert, dieses Mehrprodukt als Kapital dem blo-
ßen Arbeitsvermögen entgegengesetzt, als das sie sich selbst gesetzt
hat. Das Arbeitsvermögen hat die Bestimmung, es selbst, d. h. sub-
stanzloses, von allen objektiven Arbeitsbedingungen entblößtes Ver-
mögen zu sein, indem es lediglich imstande ist, sich die – dem Wert
nach – selbst erzeugten Lebensmittel anzueignen, die für seine Er-
haltung in dieser Bestimmung erforderlich sind. „Das Arbeitsvermö-
gen hat sich nur angeeignet die subjektiven Bedingungen der not-
wendigen Arbeit – die Lebensmittel für das produzierende
Arbeitsvermögen, d. h. seine Reproduktion als bloßes von den Be-
dingungen seiner Verwirklichung getrenntes Arbeitsvermögen, und
es hat diese Bedingungen selbst gesetzt als Sachen, Werte, die in

260
Reproduktion des Gegensatzes Kapital – Lohnarbeit
fremder gebietender Personifikation ihm gegenübertreten. Es tritt
nicht nur nicht reicher, sondern es tritt ärmer aus dem Prozeß heraus,
als es hereintrat. Denn nicht nur hat es hergestellt die Bedingungen
der notwendigen Arbeit als dem Kapital gehörig; sondern die in ihm
als Möglichkeit liegende Verwertung, wertschaffende Möglichkeit,
existiert nun ebenfalls als Surpluswert, Surplusprodukt, mit einem
Wort als Kapital, als Herrschaft über das lebendige Arbeitsvermö-
gen, als mit eigner Macht und Willen begabter Wert ihm in seiner
abstrakten, objektivlosen, rein subjektiven Armut gegenüber. Es hat
nicht nur den fremden Reichtum und die eigne Armut produziert,
sondern auch das Verhältnis dieses Reichtums als sich auf sich selbst
beziehenden Reichtums zu ihm als der Armut, durch deren Konsum
er neue Lebensgeister in sich zieht und sich von neuem verwertet.
Alles dies ging aus dem Austausch hervor, worin es gegen ein Quan-
tum vergegenständlichter Arbeit sein lebendiges Arbeitsvermögen
austauschte, bloß daß jetzt diese vergegenständlichte Arbeit – diese
außer ihm existierenden Bedingungen seines Daseins und das selb-
ständige Außerihmsein dieser sachlichen Bedingungen – als sein
eignes Produkt, als von ihm selbst gesetzt erscheinen, sowohl als sei-
ne eigne Objektivierung wie die Objektivierung seiner als einer von
ihm selbst unabhängigen und es vielmehr beherrschenden, durch seine
eigne Tat beherrschenden Macht.“ (366)
Hinsichtlich der Verwandlung der äußerlichen, vorgefundenen Vor- Verwandlung der
aussetzungen in solche, die in der systeminternen Bewegung erzeugt äußerlichen,
worden sind, stellt Marx zusammenfassend fest: Erstens. „In dem vorgefundenen
Voraussetzungen in
Surpluskapital sind alle Momente Produkt der fremden Arbeit – in systemintern
Kapital verwandelte fremde Surplusarbeit; Lebensmittel für die not- erzeugte
wendige Arbeit; die objektiven Bedingungen – Material und Instru-
ment – damit die notwendige Arbeit den gegen sie in Lebensmitteln
ausgetauschten Wert reproduzieren kann; endlich das nötige Quan-
tum von Material und Instrument, damit sich neue Surplusarbeit in
ihm verwirklichen oder neuer Mehrwert geschaffen werden kann.“
(366) Damit ist – zweitens – „der Schein fortgefallen, der noch bei
der ersten Betrachtung des Produktionsprozesses existierte, als ob
das Kapital irgendeinen Wert von seiner Seite, aus der Zirkulation,
herbeibrächte. Die objektiven Bedingungen der Arbeit erscheinen
jetzt vielmehr als ihr Produkt – sowohl soweit sie Wert überhaupt als
Gebrauchswerte für die Produktion sind.“ (366) Aber drittens ist nicht
nur das Kapital Produkt der Arbeit, so daß es sich in Arbeit auflöst,
und zwar in unentgeltlich angeeignete fremde Mehrarbeit; sondern

261
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
die Arbeit stellt sich unweigerlich als Kapital dar: „Wenn aber so das
Kapital als Produkt der Arbeit erscheint, so erscheint ebenso das Pro-
dukt der Arbeit als Kapital – nicht mehr als einfaches Produkt noch als
austauschbare Ware, sondern als Kapital; vergegenständlichte Arbeit
als Herrschaft, Kommando über lebendige. Es erscheint ebenso als Pro-
dukt der Arbeit, daß ihr Produkt als fremdes Eigentum, selbständig der
lebendigen Arbeit gegenübertretende Existenzweise, ebenso als für sich
seiender Wert erscheint; daß das Produkt der Arbeit, die vergegenständ-
lichte Arbeit mit einer eignen Seele von der lebendigen Arbeit selbst
begabt ist und sich ihr gegenüber als fremde Macht festsetzt.“ (366f.)
Wie die Im speziellen interessiert nun, wie es bei erweiterter Reprodukti-
Anfangsbestimmung on, d. h. bei der Kapitalisierung des Mehrwerts, mit der Anfangs-
des Gegensatzes bestimmung des Gegensatzes sich verhält. Die Arbeit hat zusammen
gesetzt worden ist
mit dem erhaltenen, auf das Produkt übertragenen konstanten Kapi-
tal den Mehrwert oder das Mehrprodukt dem Teil des Produkts ent-
gegengesetzt, der ihr ebenfalls als fremdes Eigentum gegenübersteht,
aber dazu bestimmt ist, die Ware des Arbeiters zu bezahlen, sich in
seine Lebensmittel zu verwandeln. „Vom Standpunkt der Arbeit aus
betrachtet, erscheint sie also so in dem Produktionsprozeß tätig, daß
sie ihre Verwirklichung in objektiven Bedingungen zugleich als frem-
de Realität von sich abstößt und daher sich selbst als substanzloses,
bloß bedürftiges Arbeitsvermögen gegenüber dieser ihr entfremde-
ten, nicht ihr, sondern andern gehörigen Realität setzt“. (367) Es ist
dadurch die Anfangsbestimmung des Gegensatzes gesetzt, wonach
jedes durch sein Nichtsein oder sein Anderes ist: hier das Kapital,
vergrößert um den Mehrwert, dort das Arbeitsvermögen, das sich
vermittelst des Arbeitslohns nichts als seine Lebensmittel aneignen
kann. Marx arbeitet hier auch mit der für den Gegensatz spezifischen
Bestimmung des Nichtseins, wobei er erläutert, wodurch diese Be-
stimmung im antagonistischen Gegensatz gekennzeichnet ist. Die
Arbeit ist so im Produktionsprozeß tätig, „daß sie ihre eigne Wirk-
lichkeit nicht als Sein für sich, sondern als bloßes Sein für andres
und daher auch als bloßes Anderssein oder Sein des andren gegen sie
selbst setzt. Dieser Verwirklichungsprozeß ist ebenso der Entwirk-
lichungsprozeß der Arbeit. Sie setzt sich objektiv, aber sie setzt diese
ihre Objektivität als ihr eignes Nichtsein oder als das Sein ihres Nicht-
seins – des Kapitals. Sie kehrt in sich zurück als bloße Möglichkeit
der Wertsetzung oder Verwertung; weil der ganze wirkliche Reich-
tum, die Welt des wirklichen Werts und ebenso die realen Bedingun-
gen ihrer eignen Verwirklichung als selbständige Existenzen ihr ge-

262
Reproduktion des Gegensatzes Kapital – Lohnarbeit
genüber gesetzt sind. Es sind die in dem eignen Schoß der lebendi-
gen Arbeit ruhenden Möglichkeiten, die infolge des Produktions-
prozesses als Wirklichkeiten außer ihr existieren – aber als ihr frem-
de Wirklichkeiten, die den Reichtum im Gegensatz zu ihr bilden.“
(367) Sie setzt also im Produktionsprozeß das Kapital, das im Pro-
dukt als ihr Nichtsein ist; ihre Realisierung ist nicht ihr Sein, sondern
von ihr getrenntes Sein, ein Sein, das sie von vornherein für anderes
gesetzt hat, so daß es Anderssein ist, aber als „Sein des andren gegen
sie selbst“. Sie selbst setzt sich in das Resultat des Prozesses als blo-
ßes Arbeitsvermögen, das sich lediglich seine Lebensmittel aneig-
net. In dieser Bestimmtheit ist sie im Resultat durch ihr Nichtsein,
ebenso wie das Kapital der für sich seiende Wert ist durch sein Nicht-
sein, das bloße Arbeitsvermögen. Es ist bei der Lektüre dieser Passa-
ge zu beachten, inwiefern es um die Arbeit im kapitalistischen Pro-
duktionsprozeß geht und inwiefern um den Gegensatz, den sie im
Resultat setzt. Die Bestimmungen „ihr eignes Nichtsein“ oder „das
Sein ihres Nichtseins“ betreffen das Resultat, und im Resultat sind
einander entgegengesetzt das selbständige Bestehen des Werts dem
Arbeitsvermögen gegenüber, das „in sich zurückkehrt“ als „bloße
Möglichkeit der Wertsetzung oder Verwertung“, d. h. als bloßes, von
den Bedingungen seiner Verwirklichung getrenntes Arbeitsvermö-
gen. Der Mehrwert fungiert als Komponente eines der Entgegenge-
setzten im Resultat des vorangegangenen Prozesses. Indem er sich in
die Voraussetzung des nächsten Prozesses, also in konstantes und
variables Kapital verwandeln wird, enthält er an sich die beiden Ent-
gegengesetzten; es bleibt zu untersuchen, auf welche Weise diese
Entgegensetzung gesetzt wird.
Nun ist zu untersuchen, wie Mehrwert bzw. Mehrprodukt, die als Wie der von der
solche eine Komponente eines der Entgegengesetzten im Resultat Arbeit erzeugte
des kapitalistischen Produktionsprozesses sind, sich in die Voraus- Mehrwert sich in die
Voraussetzung des
setzung des kommenden Prozesses verwandeln, in der sich wieder kommenden
der sich erhaltende Wert und das Arbeitsvermögen gegenüberstehen. Prozesses
Dies ist zunächst die Scheidung des Mehrwerts und entsprechend verwandelt
des Mehrprodukts in die beiden Bestandteile des Kapitals. „Insofern
das Surplusprodukt als Surpluskapital von neuem verwertet wird,
von neuem in den Produktionsprozeß und Selbstverwertungsprozeß
tritt, teilt es sich l. in Lebensmittel für die Arbeiter zum Austausch
gegen das lebendige Arbeitsvermögen; dieser Teil des Kapitals sei
als Arbeitsfonds bezeichnet; dieser Arbeitsfonds, der zur Erhaltung
des Arbeitsvermögens bestimmte Teil – und zur progressiven Erhal-

263
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
tung desselben, da das Surpluskapital beständig wächst – erscheint
jetzt ebensosehr als das Produkt der fremden Arbeit, dem Kapital
fremden Arbeit, wie 2. die andren Bestandteile desselben – die sach-
lichen Bedingungen zur Reproduktion eines Werts = diesen Lebens-
mitteln + einem Surpluswert“ (367), d. h. die sachlichen Bedingun-
gen für die Reproduktion des Werts der Arbeitskraft und für die
Produktion eines Mehrwerts oder für die Realisierung der neuen not-
wendigen und Mehrarbeit. „Ferner, wenn dies Surpluskapital betrach-
tet wird, erscheint die Teilung des Kapitals in einen konstanten – vor
der Arbeit antediluvianisch existierenden Teil, Rohstoff und Arbeits-
instrumente – und einen variablen Teil, nämlich die gegen lebendi-
ges Arbeitsvermögen austauschbaren Lebensmittel, rein formell, in-
sofern beide gleichmäßig von der Arbeit gesetzt und gleichmäßig
von ihr als ihre eignen Voraussetzungen gesetzt sind.“ (367f.) Indem
die Arbeit selbst diese Kapitalteile als ihre eigenen Voraussetzungen
gesetzt hat, erweist sie sich als die sich auf sich beziehende, absolute
Negativität, als die sie unter der Bestimmung „Nicht-vergegenständ-
lichte Arbeit, Nicht-Wert, positiv gefaßt“ (vgl. 217) zunächst vor-
wegnehmend gekennzeichnet wurde. „Diese Teilung des Kapitals in
sich selbst erscheint jetzt vielmehr so, daß das eigne Produkt der
Arbeit – die objektivierte Surplusarbeit – sich scheidet in zwei Be-
standteile – die objektiven Bedingungen für neue Verwertung der
Arbeit (1) und einen Arbeitsfonds zur Erhaltung der MögIichkeit die-
ser lebendigen Arbeit, d. h. des lebendigen Arbeitsvermögens als
eines lebendigen (2), aber so, daß das Arbeitsvermögen sich den als
Arbeitsfonds bestimmten Teil seines eignen Resultats – seines eig-
nen Daseins in objektiver Form – nur wieder aneignen kann, nur
herausbringen kann aus der Form des ihm gegenüberstehnden frem-
den Reichtums, indem es nicht nur seinen Wert reproduziert, son-
dern auch den Teil des neuen Kapitals verwertet, der die objektiven
Bedingungen für die Verwirklichung neuer Surplusarbeit und Sur-
plusproduktion oder Produktion von Surpluswerten darstellt. Die
Arbeit selbst hat einen neuen fonds für Anwendung neuer notwendi-
ger Arbeit geschaffen oder, was dasselbe ist, einen fonds für die Er-
haltung neuer lebendiger Arbeitsvermögen, Arbeiter, aber zugleich
die Bedingung, daß dieser fonds nur angewendet werden kann, in-
dem neue Surplusarbeit auf den überschüssigen Teil des Surplus-
kapitals verwandt wird. In dem von der Arbeit produzierten Sur-
pluskapital – Surpluswert – ist also zugleich die reale Notwendigkeit
neuer Surplusarbeit geschaffen, und so ist das Surpluskapital selbst

264
Reproduktion des Gegensatzes Kapital – Lohnarbeit
die reale Möglichkeit zugleich neuer Surplusarbeit und neuen
Surpluskapitals.“ (368) Damit wird die Entwicklungstendenz erfaßt,
die darin wurzelt, daß die Arbeit Mehrwert und folglich Surpluskapital
produziert, das wiederum Zwang zur Mehrarbeit, neuen Mehrwert
usw. zur Konsequenz hat, also Vermehrung des Kapitals, die im Ge-
gensatz steht zur Eigentumslosigkeit der Arbeit – eine Tendenz, die
Marx später als allgemeines Gesetz der kapitalistischen Akkumula-
tion darstellen wird. „Es zeigt sich hier, wie progressiv die objektive
Welt des Reichtums durch die Arbeit selbst als ihr fremde Macht
sich ihr gegenüber ausweitet und immer breitere und vollere Exi-
stenz gewinnt, so daß relativ, im Verhältnis zu den geschaffnen Wer-
ten oder den realen Bedingungen der Wertschöpfung die bedürftige
Subjektivität des lebendigen Arbeitsvermögens einen immer grelle-
ren Kontrast bildet. Je mehr sie sich – die Arbeit sich objektiviert –
desto größer wird die objektive Welt der Werte, die ihr als fremde –
als fremdes Eigentum – gegenübersteht. Durch die Schöpfung des
Surpluskapitals nötigt sich die Arbeit selbst den Zwang der Schöp-
fung abermals neuen Surpluskapitals auf etc. etc.“ (368)
Nun ist zu untersuchen, wie sich die Produktion des Mehrwerts Wie das Kapital die
durch das lebendige Arbeitsvermögen und die Verwandlung des Mehr- Scheidung des
werts in Kapital auf der entgegengesetzten Seite darstellt. Generell Mehrwerts in die
potentiellen Faktoren
entspricht der Aktion des Arbeitsvermögens im Produktionsprozeß des kommenden
auf der anderen Seite des Verhältnisses die des Kapitals, das auf sei- Produktionsprozesses
ne Weise die Arbeit als notwendige und Mehrarbeit setzt; hierauf setzt
wird bei der Behandlung des Widerspruchs von Kapital und Lohnar-
beit, speziell der Schranken im Setzen der Lohnarbeit durch das Ka-
pital, eingegangen werden, weshalb an dieser Stelle auf weitere Aus-
führungen verzichtet wird. Im jetzt folgenden Textteil wird die
Aufmerksamkeit darauf zu richten sein, wie jene Scheidung des Mehr-
werts in die potentiellen Faktoren des künftigen Produktionsprozesses
gesetzt wird, die sich bei der Betrachtung vom Standpunkt der Ar-
beit aus als an sich schon vorhanden ergab. „Nun vom Standpunkt
des Kapitals aus: Soweit das Surpluskapital betrachtet wird, reprä-
sentiert der Kapitalist für sich seienden Wert, Geld im dritten Mo-
ment, Reichtum, durch einfache Aneignung fremder Arbeit, indem
jedes Moment des Surpluskapitals, Material, Instrument, Lebensmittel
sich auflöst in fremde Arbeit, die der Kapitalist nicht durch Austausch
gegen vorhandne Werte sich angeeignet, sondern die er sich ohne
Austausch angeeignet hat.“ (369) Von der ursprünglichen, die sich
gebildet hatte, bevor der kapitalistische Produktionsprozeß stattfand,

265
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
unterscheidet sich diese Voraussetzung dadurch, daß das Negative,
aus dem sie besteht, im systemeigenen Produktionsprozeß selbst ge-
setzt worden ist. „Allerdings erscheint als ursprüngliche Bedingung
für dieses Surpluskapital der Austausch eines Teils ihm angehöriger
Werte oder von ihm beseßner vergegenständlichter Arbeit gegen frem-
des lebendiges Arbeitsvermögen.“ (369)
Vollständige Daher ergibt sich die Frage, auf welche Weise diese ursprüngliche
Verwandlung des Bedingung aufgehoben wird, indem das Kapital sich vollständig in
Kapitals in vergegenständlichte fremde Arbeit verwandelt. Denn nur so ist es
vergegenständlichte
fremde Arbeit Kapital. Unterstellt man, daß das ursprüngliche Kapital andere Quel-
len als die Lohnarbeit hatte, so tritt die Veränderung in dem Maße
ein, wie Mehrwert kapitalisiert wird. Zunächst wird der Mehrwert
des ersten Prozesses in Surpluskapital verwandelt. „Für Bildung von
Surpluskapital I, wenn wir so das Surpluskapital nennen, wie es aus
dem ursprünglichen Produktionsprozeß herauskommt, d. h. für die
Aneignung fremder Arbeit, vergegenständlichter fremder Arbeit, er-
scheint als Bedingung der Besitz von Werten auf seiten des Kapitali-
sten, von denen er formell austauscht einen Teil gegen das lebendige
Arbeitsvermögen. Wir sagen formell, weil die lebendige Arbeit ihm
auch die ausgetauschten Werte wiederzugeben, wieder zu ersetzen
hat. Aber sei dem, wie ihm wolle.“ (369) Die Voraussetzung für die
Bildung dieses Kapitals, d. h. für die Aneignung des Mehrwerts, aus
dem es formiert wird, war Wert, der noch nicht im Produktionspro-
zeß des Kapitals gesetzt worden war. „Jedenfalls erscheint als Be-
dingung für Formierung von Surpluskapital I, d. h. für Aneignung
fremder Arbeit oder der Werte, worin sie sich vergegenständlicht hat,
der Austausch dem Kapitalisten gehöriger, von ihm in die Zirkulati-
on geworfner und von ihm dem lebendigen Arbeitsvermögen zuge-
führter Werte – von Werten, die nicht aus seinem Austausch mit der
lebendigen Arbeit oder nicht von seinem Verhalten als Kapital zur
Arbeit herrühren.“ (369) Dieses Surpluskapital I verwertet sich, und
nun ist ein Mehrwert da, der zu seiner Voraussetzung ausschließlich
Mehrwert, also vom Kapitalisten im vorhergehenden Prozeß ange-
eignete vergegenständlichte fremde Arbeit hatte. Der Mehrwert, den
Surpluskapital I abgeworfen hat, wird nun Voraussetzung für
Surpluskapital II. „Denken wir uns nun aber Surpluskapital wieder
in den Produktionsprozeß geworfen, wieder im Austausch seinen
Surpluswert realisierend und als neues Surpluskapital von neuem am
Beginn eines dritten Produktionsprozesses erscheinend. Dieses
Surpluskapital II hat andre Voraussetzungen wie Surpluskapital I.

266
Reproduktion des Gegensatzes Kapital – Lohnarbeit
Die Voraussetzung des Surpluskapital I waren dem Kapitalisten an-
gehörige und von ihm in die Zirkulation, exakter in den Austausch
mit lebendigem Arbeitsvermögen geworfne Werte. Die Vorausset-
zung von Surpluskapital II ist nichts andres als die Existenz des
Surpluskapital I ; d. h. in andren Worten die Voraussetzung, daß der
Kapitalist bereits fremde Arbeit sich ohne Austausch angeeignet hat.
Dies setzt ihn in den Stand, den Prozeß immer wieder von neuem zu
beginnen. Allerdings, um das Surpluskapital II zu schaffen, mußte er
einen Teil des Werts des Surpluskapitals I in der Form von Lebens-
mitteln gegen lebendiges Arbeitsvermögen austauschen, aber, was
er so austauschte, waren ursprünglich Werte, die er nicht aus eignem
fonds in die Zirkulation gebracht; sondern fremde vergegenständ-
lichte Arbeit, die er sich ohne jedes Äquivalent angeeignet und die er
nun wieder austauscht gegen fremde lebendige Arbeit, wie auch das
Material etc., worin diese neue Arbeit sich verwirklicht und Sur-
pluswert schafft, ohne Austausch, durch bloße Aneignung, in seine
Hand gekommen sind. Vergangne Aneignung fremder Arbeit erscheint
jetzt als die einfache Bedingung für neue Aneignung fremder Arbeit;
oder, daß fremde Arbeit in objektiver Form, in der Form von existie-
renden Werten in seinem Eigentum sich befindet, erscheint als Be-
dingung dafür, daß er fremde lebendige Arbeitsvermögen – daher
Surplusarbeit, Arbeit ohne Äquivalent, sich von neuem aneignen
kann.“ (369f.) Dieser Prozeß der Kapitalisierung des Mehrwerts, wie
er vom Standpunkt des Kapitals aus sich darstellt, läßt auch erken-
nen, auf welche Weise der Mehrwert als eines der Entgegengesetz-
ten im Resultat sich in die beiden Entgegengesetzten verwandelt, die
die Voraussetzung bilden. Das Kapital reproduziert sich erweitert,
indem sich das konstante Kapital vergrößert. Von ihm geht die Initia-
tive aus. Es kann sich aber unter sonst gleichen Umständen in größe-
rem Maßstab als Voraussetzung nur formieren, wenn es auch das
Arbeitsvermögen erweitert formiert. Das heißt, das überschüssige
Negative als das eine der Entgegengesetzten im Resultat ist an das
selbständige Negative gebunden; dieses vergrößert sich, zunächst in
der Phase der Formierung als Voraussetzung, indem ein Teil des über-
schüssigen wieder in selbständiges Negatives verwandelt wird; das
selbständige Negative kann sich nur setzen, indem es sein Nichtsein
setzt: das Produziervermögen, das eine bestimmte Menge Repro-Ne-
gatives repräsentiert. Da das selbständige Negative sich nur vermit-
telst der Aktion des Produziervermögens erhalten und erneuern kann,
muß – unter sonst gleichen Umständen, d. h. zum Beispiel gleich-

267
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
bleibende Effektivität des Basisprozesses – ein anderer Teil des über-
schüssigen Negativen der Erweiterung des Produziervermögens die-
nen, d. h. als Repro-Negatives gesetzt werden. Die Grundstruktur des
Prozesses, die durch die Beziehung zwischen selbständigem Negativem
und Produziervermögen gebildet wird, bestimmt somit auch die Ver-
wendung des überschüssigen Negativen. Das selbständige Negative setzt
sich erweitert; von ihm geht die Aktion aus; es setzt sich als erweitert,
indem es zugleich das Produziervermögen erweitert setzt.
Was sich schon bei der Betrachtung des Prozesses vom Stand-
punkt der Arbeit aus als allgemeine Tendenz der erweiterten Repro-
duktion oder kapitalistischen Akkumulation ergab, stellt sich vom
Standpunkt des Kapitals aus so dar: „Daß er bereits als Kapital der
lebendigen Arbeit gegenüberstand, erscheint als einzige Bedingung
dafür, daß er sich nicht nur als Kapital erhält, sondern als wachsen-
des Kapital wachsend fremde Arbeit ohne Äquivalent aneignet oder
seine Macht, seine Existenz als Kapital gegenüber dem lebendigen
Arbeitsvermögen ausweitet und anderseits das lebendige Arbeitsver-
mögen in seiner subjektiven, substanzlosen Dürftigkeit als lebendi-
ges Arbeitsvermögen stets von neuem setzt. Eigentum an vergangner
oder objektivierter fremder Arbeit erscheint als einzige Bedingung für
fernere Aneignung gegenwärtiger oder lebendiger fremder Arbeit.“ (370)

Setzen und Lösen des Widerspruchs von Kapital und


Lohnarbeit im kapitalistischen Produktionsprozeß

* Das Sichsetzen der selbständigen Entgegengesetzten – Kapital und


Lohnarbeit – als Setzen ihres Nichtseins
Kapital und Lohnarbeit treten als in ihrer systeminternen Bewegung
selbständig geworden im erneuten Produktionsprozeß in Beziehung
zueinander. Die Entgegengesetzten sind nicht mehr bloß Vorgefun-
dene; ihre Bestimmung ist jetzt eine andere als zu Beginn ihres Pro-
zesses; sie sind, erstens, im Produkt des Produktionsprozesses als
Entgegengesetzte gesetzt, und zweitens haben sie aus diesem in der
systeminternen Bewegung sich als Selbständige reproduziert. Indem
sie sich aus dem Produkt ihres Prozesses reproduziert haben, sind sie
nur noch durch sich selbst produziert.
Als Selbständige setzen die Entgegengesetzten nun sich selbst. Im
Unterschied zum ersten Prozeß besteht jetzt eine Beziehung zwischen

268
Widerspruch von Kapital und Lohnarbeit
dem Anderen, das jedes an ihm hat, wodurch es also sein selbständi- Die
ges Bestehen hat, einerseits, und seinem Anderen außer ihm ande- Entgegengesetzten
rerseits, eine Beziehung, die von den Entgegengesetzten selbst zu Kapital und
Lohnarbeit setzen
betätigen ist. Das Kapital setzt sich im erneuten Produktionsprozeß als Selbständige
als in seinem Wert vergegenständlichte fremde Arbeit, die sich durch sich selbst, indem
die Aneignung neuer fremder Arbeit erhält und vervielfacht und in sie zugleich ihr
diesem Sinne als sich verwertender Wert. Es hat an ihm selbst die Nichtsein setzen
Beziehung auf die Lohnarbeit oder das lebendige Arbeitsvermögen,
indem dieses die Quelle neuer fremder Arbeit ist, und es setzt sich
selbst in seiner Bestimmung, indem es dieses Arbeitsvermögen als
den Erzeuger von Wert und speziell Mehrwert setzt. Das lebendige
Arbeitsvermögen kann sich in seiner Bestimmung nur setzen, indem
es sich die objektiven Arbeitsbedingungen als Wert gegenüberstellt,
dem es den reproduzierten Wert v und den neu produzierten Wert m
hinzufügt. Dies bedeutet: jedes kann sich nur setzen, indem es sein
Nichtsein setzt. Im Produkt war jedes durch sein Nichtsein, d. h. durch
sein Anderes, als gesetzt durch den vorangegangenen Prozeß. Jetzt
setzt jedes sich selbst, indem es sein Anderes setzt. Sein Anderes ist
aber ein Selbständiges. Indem jedes sein selbständiges Bestehen nur
dadurch hat, daß es das Wirken des Anderen in sich aufnimmt, muß
es das selbständige Andere, das außer ihm besteht, zu sich in Bezie-
hung setzen. Das selbständige Entgegengesetzte setzt also selbst das
außer ihm bestehende Andere, sein Nichtsein, das in der system-
internen Bewegung selbständig geworden ist; dies ist das Ausschlie-
ßen seines Anderen.

* Das Sichsetzen und das Setzen des Anderen als Prozeß


Dieses Sichsetzen und Setzen des Anderen ist ein Prozeß. Der Kapi- Anfang – Mitte –
talist beginnt sich als Kapitalisten und das lebendige Arbeitsvermö- Ende
gen, d. h. das Nicht-Kapital, die Lohnarbeit zu setzen, sobald er die
Arbeitskraft als Ware gekauft hat. Umgekehrt beginnt der Lohn-
arbeiter, sich als solchen und das Kapital, d. h. die Nicht-Lohnarbeit
zu setzen, sobald er seine Arbeitskraft dem Kapitalisten verkauft hat.
Im Produktionsprozeß setzt der Kapitalist sich und den Lohnarbeiter,
indem er diesen arbeiten läßt und mit dem gesamten Produkt auch
dessen Mehrarbeit aneignet. Der Lohnarbeiter setzt sich und den
Kapitalisten, indem er für diesen arbeitet und unentgeltlich Mehrar-
beit verrichtet. Das Arbeitsvermögen in Aktion, als Arbeit, schließt
sich selbst von sich aus, indem das Unterscheiden, das es ist, im

269
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Unterschiedenen, in seinem Produkt sich aufhebt, also seine eigene
Wirklichkeit nicht als Sein für sich, sondern als Sein des Anderen
gegen es selbst setzt. Und am Ende des Prozesses hat der Kapitalist
sich als Kapitalist gesetzt, indem er seinen Wert verwertet hat, was
nur dadurch möglich war, daß er den Lohnarbeiter als solchen setzte.
Ebenso hat der Lohnarbeiter sich als solchen gesetzt, indem er seine
Arbeit samt ihrem Produkt durch den Kapitalisten aneignen ließ, sich
selbst aber nur seine (dem Werte nach) selbst produzierten Lebens-
mittel aneignen kann, indem er also den Kapitalisten als solchen ge-
setzt hat. Marx beschreibt dieses wechselseitige Produzieren von
Kapital und Lohnarbeit, von Kapitalist und Lohnarbeiter zusammen-
fassend so: „Und zwar produziert innerhalb dieses Prozesses der
Arbeiter sich selbst als Arbeitsvermögen und das ihm gegenüberste-
hende Kapital, wie andrerseits der Kapitalist sich produziert als Ka-
pital und das ihm gegenüberstehende lebendige Arbeitsvermögen.
Jedes reproduziert sich selbst, indem es sein andres, seine Negation
reproduziert. Der Kapitalist produziert die Arbeit als fremde; die
Arbeit produziert das Produkt als fremdes. Der Kapitalist produziert
den Arbeiter und der Arbeiter den Kapitalisten etc.“ (371)

* Der Widerspruch von Selbständigkeit und Unselbständigkeit


der Entgegengesetzten

Kapital und Die Entgegengesetzten waren in ihrer Reproduktion aus dem Pro-
Lohnarbeit: jedes dukt selbständig geworden. Jedes betätigt im erneuerten Produkti-
setzt sich selbst, onsprozeß seine Selbständigkeit, indem es sich selbst setzt. Es setzt
indem es sein
Nichtsein setzt; so sich selbst, indem es sein Anderes, sein Nichtsein setzt. Indem das
ist es selbständig Kapital mit der Lohnarbeit das Nicht-Kapital, die Lohnarbeit mit dem
und hebt seine Kapital die Nicht-Lohnarbeit setzt, indem also jedes sein Nichtsein
Selbständigkeit setzt, negiert es diese Selbständigkeit des Andren, wird sein Nicht-
zugleich wieder auf sein ein von ihm Gesetztes. Indem nun die Entgegengesetzten beide
ihr Nichtsein setzen, d. h. von sich ausschließen, so schließen sie das
von sich aus, von dem sie selbst gesetzt werden. D. h. in der Betäti-
gung ihrer Selbständigkeit heben sie selbst diese wieder auf. Jedes
setzt so das Andere, von dem es selbst gesetzt wird. Jedes setzt sich,
indem es das Andere setzt, und ist so selbständig. Jedes wird in der-
selben Beziehung vom Anderen gesetzt und ist so unselbständig. Je-
des ist in ein und derselben Beziehung selbständig und unselbstän-
dig. Das Kapital als Wert, der sich verwertet, ist davon abhängig,
daß der Arbeiter Wert und Mehrwert produziert. Der Arbeiter ist

270
Widerspruch von Kapital und Lohnarbeit
davon abhängig, daß der Kapitalist ihn arbeiten läßt. Das Kapital
setzt sich als Kapital, indem es das Arbeitsvermögen von sich aus-
schließt und den Arbeiter für das Kapital arbeiten läßt. Ohne den
Arbeiter und seine Arbeit verwertet das Kapital sich nicht. Indem es
sich nur durch fremde Arbeit erhalten kann, ist es von dieser abhän-
gig. Insofern ist seine Selbständigkeit im Prozeß der Produktion und
Verwertung wieder aufgehoben. Diese Abhängigkeit zeigt sich auch,
sobald die Arbeiter sich weigern zu arbeiten, d. h. sobald sie strei-
ken. Ebenso setzt der Lohnarbeiter sich als solchen, indem er das
Kapital als Kapital setzt, d. h. aber sein Produkt und mit ihm die
objektiven Arbeitsbedingungen als ihm gegenüber selbständige, ihn
anwendende, womit er selbst seine Selbständigkeit wieder aufhebt.
Jedes hebt in seiner Selbständigkeit zugleich seine Selbständigkeit
wieder auf, denn indem es mit dem Anderen das setzt, von dem es
selbst gesetzt wird, ist es unselbständig. Dies ist der Widerspruch
von Selbständigkeit und Unselbständigkeit der Entgegengesetzten,
der den Produktionsprozeß von seinem Anfang bis zu seinem Ende
durchdringt. Die Entgegengesetzten sind in diesem Prozeß von An-
fang bis Ende selbständig und unselbständig zugleich und in ein und
derselben Beziehung.

* Lösung des Widerspruchs


Aber hinsichtlich der Selbstbewegung des Systems ist nicht bei der
Feststellung stehenzubleiben, daß die Entgegengesetzten in ihrer
Selbständigkeit diese wieder aufheben, oder daß das Ergebnis sol-
cherart „Null“ ist. Erstens heben sie ihr Gesetztsein auf, so wie es im
Produkt des vorangegangenen Prozesses gegeben war, und zwar dadurch,
daß sie sich selbst setzen, indem sie ihr Nichtsein setzen. Und zweitens
erweist sich nun, daß sich im Produktionsprozeß das Verhältnis von
Kapital und Lohnarbeit selbst setzt, nicht durch anderes gesetzt wird.
Jedes der beiden Entgegengesetzten ist Sichsetzen und Gesetzt-
werden. Aber dies geschieht auf derselben Stufe oder in derselben
Phase der Reflexion. Es ist nicht ein Gesetztsein, das sich in sich
reflektiert und so das Gesetzte der nächsten Phase der Reflexion her-
vorbringt. Sondern jedes Setzende setzt selbst das, von dem es ge-
setzt wird. Die Beziehung von Setzen und Gesetztwerden realisiert
sich im Wirken derselben Entgegengesetzten in ein und derselben
Beziehung zur gleichen Zeit. Dadurch setzt das Verhältnis der Ent-
gegengesetzten oder der Gegensatz sich selbst. „Endlich als Resultat

271
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Reproduktion und des Produktions- und Verwertungsprozesses erscheint vor allem die
Neuproduktion des Reproduktion und Neuproduktion des Verhältnisses von Kapital und
Verhältnisses von Arbeit selbst, von Kapitalist und Arbeiter. Dies soziale Verhältnis,
Kapital und
Lohnarbeit selbst – Produktionsverhältnis, erscheint in fact als ein noch wichtigeres Re-
das Wesen des sultat des Prozesses als seine materiellen Resultate.“ (371) Dies ist
bürgerlichen „ein noch wichtigeres Resultat des Prozesses“, weil es das Wesen
Produktionssystems des bürgerlichen Produktionssystems als Grund ist. Am Ende des
als Grund
Produktionsprozesses ist das Kapital da als verwerteter Wert und die
Arbeit als bloßes Arbeitsvermögen. Beide reproduzieren sich, das
Kapital, indem es wieder zu Geld wird, das sich in die objektiven
und subjektiven Arbeitsbedingungen verwandelt, die Arbeit, indem
das Arbeitsvermögen durch Erwerb und Verbrauch seiner Lebens-
mittel wieder aktionsfähig wird. So sind die Entgegengesetzten wie-
der Voraussetzung des Produktionsprozesses, setzen in ihm erneut
ihr Verhältnis usf. Das Verhältnis hebt sein Sich-selbst-gesetzt-Ha-
ben selbst wieder auf, indem es sich wieder zum Sichsetzenden macht,
das erneut sich selbst setzt. Der Gegensatz von Lohnarbeit und Kapi-
tal ist der Grund der kapitalistischen Produktion, indem er unaufhör-
lich sich selbst produziert und reproduziert. Solange dieser Grund am
Wirken ist, besteht das kapitalistische System. Es ist nur mit seinem
Grunde aufzuheben. In der Selbständigkeit des Negativen gegenüber
dem Positiven liegt die Möglichkeit der Beseitigung dieses Widerspruchs
überhaupt, wenn im Basisprozeß die Voraussetzungen dafür gereift sind.
Anfänglich betrat also der Kapitalist als Besitzer von Geld den
Markt, das nicht realisierter Mehrwert war, sondern aus anderen
Quellen stammte. Der Lohnarbeiter war durch die Auflösung frühe-
rer Produktions- und Eigentumsformen entstanden, einen Prozeß, in
dem das lebendige Arbeitsvermögen von den objektiven Produkti-
onsbedingungen getrennt worden war. Jetzt dagegen ist der ganze
Kreislauf und der Gegensatz von Kapital und Lohnarbeit in ihm von
Anfang bis Ende selbst produziert: durch den Produktionsprozeß des
Kapitals, sein Produkt, die Reproduktion des Gegensatzes aus dem
Produkt und die Betätigung der in der systeminternen Bewegung selb-
ständig gewordenen Entgegengesetzten im erneuten Produktionspro-
zeß des Kapitals.

* Schranken im Setzen der Lohnarbeit durch das Kapital


Im Hegelschen einzigen, allumfassenden System ist das wechselsei-
tige Setzen von Positivem und Negativem nicht an spezielle Bedin-

272
Widerspruch von Kapital und Lohnarbeit
gungen gebunden. Es realisiert ungehindert seine Funktion in der
Selbstbewegung. Anders verhält es sich in historisch bestimmten
Systemen. Darauf hat Hegel selbst nachdrücklich hingewiesen: „Wenn
aber ein Existierendes nicht in seiner positiven Bestimmung zugleich
über seine negative überzugreifen und eine in der andern festzuhal-
ten, den Widerspruch nicht in ihm selbst zu haben vermag, so ist es
nicht die lebendige Einheit selbst, nicht Grund, sondern geht in dem
Widerspruche zugrunde.“ (L II, 59)
Die Betrachtung des kapitalistischen Produktionsprozesses hatte
ergeben, daß das Kapital eine „besondre Beschränkung der Produk-
tion enthält – die seiner allgemeinen Tendenz, über jede Schranke
derselben fortzutreiben, widerspricht“ (328). Daraus resultieren
Schranken in der Funktionsweise des Widerspruchs im Wesen der
kapitalistischen Produktion. Das Kapital, das sich durch Mehrarbeit Das Kapital als
verwertet, muß als Voraussetzung dafür die notwendige Arbeit des Setzen der
Arbeiters setzen und zugleich nicht setzen. „Das Kapital als Setzen Mehrarbeit ist in
demselben Moment
der Surplusarbeit ist ebensosehr und in demselben Moment Setzen Setzen und
und Nichtsetzen der notwendigen Arbeit; es ist nur, insofern sie ist Nichtsetzen der
und zugleich nicht ist.“ (314) Nichtsetzen der notwendigen Arbeit notwendigen Arbeit
ist es als Setzen der Surplus- oder Mehrarbeit; die notwendige Ar-
beit ist das Nichtsein der Mehrarbeit, und umgekehrt. Der Wert, der
als Kapital fungiert, muß sich verwerten, und dies geht nur durch die
Aneignung fremder Mehrarbeit in stets wachsendem Maße. „Es ist,
wie wir gesehn, Gesetz des Kapitals, Surplusarbeit, disponible Zeit
zu schaffen“ (312); nur so erhält es sich als Kapital, verwertet es
sich. Aber „es kann dies nur, indem es notwendige Arbeit in Bewe-
gung setzt – d. h. den Tausch mit dem Arbeiter eingeht. Es ist daher
seine Tendenz, möglichst viel Arbeit zu schaffen; wie es ebensosehr
seine Tendenz ist, die notwendige Arbeit auf ein Minimum zu redu-
zieren.“ (312) Es muß aber notwendige Arbeit setzen, denn Quelle
des Mehrwerts ist die Arbeitskraft des Lohnarbeiters. „Das Kapital
ist selbst der Widerspruch, daß es die notwendige Arbeitszeit ... be-
ständig aufzuheben sucht, aber die Surplusarbeitszeit nur gegensätz-
lich, im Gegensatz zur notwendigen Arbeitszeit existiert, also das Kapi-
tal notwendige Arbeitszeit als notwendig setzt für die Bedingung seiner
Reproduktion und Verwertung. Eine Entwicklung der materiellen Pro-
duktivkräfte – die zugleich Entwicklung der Kräfte der Arbeiterklasse –
auf einem gewissen Punkt hebt das Kapital selbst auf.“ (441f.)
Konsequenz: Setzen
Die Surpluszeit, Mehrarbeitszeit, um die es dem Kapitalisten geht, der
die sein Zweck ist, existiert erstens als Überschuß des Arbeitstags Surplusbevölkerung

273
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
über die notwendige Arbeitszeit und zweitens als Vermehrung der
gleichzeitigen Arbeitstage, d. h. der arbeitenden Bevölkerung. Das
Verhältnis zwischen der Mehrarbeitszeit und der notwendigen Ar-
beitszeit innerhalb eines gegebenen Arbeitstages wird durch Entwick-
lung der Produktivkräfte so modifiziert, daß die notwendige Arbeit
sich gegenüber der Mehrarbeit verringert. Dasselbe gilt dann für die
Bevölkerung relativ, wenn man ihre Gesamtarbeitszeit als einen Ar-
beitstag betrachtet. „Es ist daher ebensosehr Tendenz des Kapitals,
die arbeitende Bevölkerung zu vermehren, wie einen Teil derselben
beständig als Surplusbevölkerung – Bevölkerung, die zunächst nutz-
los ist, bis das Kapital sie verwerten kann – zu setzen ... Es ist eben-
sosehr Tendenz des Kapitals, menschliche Arbeit überflüssig zu ma-
chen (relativ) als menschliche Arbeit ins Maßlose zu treiben. Wert
ist nur vergegenständlichte Arbeit, und Surpluswert (Verwertung des
Kapitals) ist nur Überschuß über den Teil der vergegenständlichten
Arbeit, der notwendig zur Reproduktion des Arbeitsvermögens. Ar-
beit überhaupt ist und bleibt aber die Voraussetzung, und die
Surplusarbeit existiert nur im Verhältnis zur notwendigen, also nur
insofern diese existiert. Das Kapital muß daher beständig notwendi-
ge Arbeit setzen, um Surplusarbeit zu setzen; es muß sie vermehren
(nämlich die gleichzeitigen Arbeitstage), um das Surplus vermehren
zu können; aber es muß sie ebensosehr aufheben als notwendige, um
sie als Surplusarbeit zu setzen.“ (312f.) Für das Funktionieren des
Widerspruchs, speziell das Setzen des Negativen durch das Positive,
ist nun von existentieller Bedeutung, welche Konsequenzen das Spa-
ren der notwendigen Arbeit bei den gleichzeitigen Arbeitstagen hat.
„Andrerseits ist es die Tendenz des Kapitals – ebensosehr, wie frü-
her beim einzelnen Arbeitstag – nun in bezug auf die vielen gleich-
zeitigen notwendigen Arbeitstage (die, insofern nur der Wert betrach-
tet wird, als ein Arbeitstag betrachtet werden können), sie auf ein
Minimum zu reduzieren, d. h. möglichst viele derselben als nicht
notwendig zu setzen, und wie vorhin beim einzelnen Arbeitstag die
notwendigen Arbeitsstunden, so jetzt die notwendigen Arbeitstage
zu reduzieren im Verhältnis zum Total der vergegenständlichten Ar-
beitszeit. (Wenn 6 nötig, um 12 überflüssige Arbeitsstunden zu pro-
duzieren, so arbeitet das Kapital darauf hin, [daß] nur 4 dazu nötig
sind. Oder die 6 Arbeitstage können als ein Arbeitstag von 72 Stun-
den betrachtet werden; gelingt es, die notwendige Arbeitszeit um 24
Stunden zu verringern, so fallen 2 notwendige Arbeitstage weg – i. e.
2 Arbeiter.)“ (314)

274
Widerspruch von Kapital und Lohnarbeit
Das Setzen und Lösen des Widerspruchs des Wesens ist der Grund-
vorgang der Selbstbewegung. Im kapitalistischen Produktionssystem
wird dieser Widerspruch dadurch betätigt, daß das Kapital sich setzt,
indem es die Lohnarbeit setzt und zugleich die Lohnarbeit sich setzt,
indem sie das Kapital setzt; dadurch, daß das Kapital den Mehrwert
zur Entwicklung von Produktiv –, nicht von Destruktivkräften, zur
erweiterten Reproduktion des Kapitalverhältnisses einsetzt. Diesen
Widerspruch muß das kapitalistische System „aushalten“. Es ist dazu
in fortschreitendem Maße außerstande, wenn seinen Tendenzen frei-
er Lauf gelassen wird. Das zeigt sich einerseits im Brachliegen enor- Brachliegen enormer
mer Mengen von Mehrwert, die also nicht wieder in produktives Mengen von
Kapital verwandelt, nicht wieder im gesellschaftlichen Repro- Mehrwert einerseits,
Arbeitslosigkeit
duktionsprozeß eingesetzt werden (siehe das „vagabundierende Ka- andererseits – woran
pital“), andererseits in der Unfähigkeit des sich selbst überlassenen das Kapital sich wird
Kapitals, seinen Gegenpol, die Lohnarbeit so zu setzen, daß alle po- messen lassen
tentiellen Lohnarbeiter auch als solche tätig werden können. Der pro- müssen
duzierende Faktor wird limitiert, produktive Potenzen liegen brach.
D. h. die Zahl der notwendigen Arbeitstage wird verringert, lebendi-
ge Arbeitsvermögen werden freigesetzt, aber für die Arbeiter, die
beschäftigt werden, wird die Arbeitszeit so weit wie nur irgend mög-
lich und unter welchem Vorwand auch immer verlängert. Darin drückt
sich aus, in welchem Maße der Mehrwert als Zweck nicht mehr nur
als überschreitbare Schranke, sondern als Grenze der Produktivkraft-
entwicklung wirksam geworden ist. Das Kapital ist nicht mehr im-
stande, die Lohnarbeit „normal“ zu setzen. Es treten nicht nur die für
den klassischen Krisenzyklus periodischen Schwankungen zwischen
Vollbeschäftigung und Arbeitslosigkeit auf, sondern Massenarbeits-
losigkeit ist zu einem Dauerzustand geworden. Der Blick ist hierbei
nicht nur auf die kapitalistischen Industrieländer zu richten, sondern
auf alle Gebiete der Erde, die unter der Herrschaft des Kapitals ste-
hen, also insbesondere auch auf die sog. Entwicklungsländer. Soweit
das Arbeitsvermögen nicht mehr gesetzt wird, kann es die Mittel der
eigenen Existenz, seiner Selbsterhaltung nicht mehr produzieren. Dies
wirkt sich verelendend auf die Gesellschaft aus, was sich zum Bei-
spiel im Abbau des erreichten Niveaus des Gesundheitswesens, der
Rentensicherung u. a. zeigt; die allgemeine Existenzunsicherheit
nimmt zu; alle arbeitenden Gesellschaftsmitglieder sind bedroht,
keiner ist gesichert. Der Kampf ums Einzeldasein bleibt allgemeine
Lebensform. Die Gesellschaft steht heute vor der Aufgabe, die infol-
ge hoher Produktivität zurückgehende Menge an für die Bedürfnis-

275
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
befriedigung erforderlicher Arbeit auf alle Arbeitsfähigen zu vertei-
len, was auch bedeutet, die Arbeitszeit für den einzelnen zu verrin-
gern. Die Menschheit stellt sich „immer nur Aufgaben, die sie lösen
kann“ (Marx)75, aber es wird sich zeigen müssen, ob sie die Aufga-
ben, die sie lösen kann, sich auch stellt. Bislang steht der Überarbeit
der einen die Arbeitslosigkeit der anderen gegenüber, und Wortführer
dieser ruinösen Tendenz versteigen sich zu der Forderung nach generel-
ler Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Das Kapital wird sich daran
messen lassen müssen, wie es dem Anspruch aller Arbeitsfähigen auf
Existenzsicherung durch eigene Arbeit genügt.

Prinzipiell neuer Ansatz der Marxschen


dialektischen Methode (2)
Marx hat durch das Erfassen der Beziehung zwischen dem sich ver-
ändernden Basisprozeß und der Selbstbewegung des historisch kon-
kreten Systems den Ort im System erkundet, wo Veränderungen in
der systeminternen Bewegung ihren Ursprung haben. Die Konsequenz
dieser Einsicht ist der Nachweis der Beziehung zwischen fortschrei-
tender Veränderung in der Bewegung des Gegensatzes des Wesens
und seines Widerspruchs einerseits und der Entwicklung des Basis-
prozesses andererseits, der zum Begreifen des historischen Charak-
ters des Systems führt.
Entwicklung des Das Sicherhalten des Negativen, das die Funktion des Positiven
Basisprozesses – ist, wirkt vermittelst der Veränderungen in der Produktion des system-
Funktionieren des spezifischen Negativen auf die Veränderung der Effektivität des Basis-
systeminternen
Widerspruchs von prozesses ein, die allerdings immer auch an Gegebenheiten des ihm
Positivem und Vorausgesetzten gebunden ist. D. h. das Sicherhalten des Negativen
Negativem – erfordert diese Veränderungen; diese aber sollen eben diesem Sicher-
historische halten dienen, wodurch ihnen zugleich spezifische Grenzen gesetzt
Schranken und
Grenzen des sind. Die Selbsterhaltung des Negativen als Zweck bedingt die Ver-
Systems – änderung und setzt ihr in ein und derselben Beziehung Grenzen. Es
Systemwechsel fragt sich dann, inwiefern das Sichselbsterhaltende diese Grenzen
als Schranken behandeln kann, die überschreitbar sind, und ob das
System sich in seinen Grenzen zu erhalten vermag oder ob die Ver-
änderungen des Basisprozesses die Sprengung dieser Grenzen durch

75 Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie. Vorwort. In: MEW, Bd. 13,
S. 9.

276
Neuer Ansatz der Marxschen dialektischen Methode (2)
Übergang in ein neues System mit neuem Zweck erforderlich ma-
chen, inwiefern also die Grenzen der Selbsterhaltung dienen oder
diese letztlich in Frage stellen, weil das System in den ihm eigenen
Grenzen funktionieren kann oder weil die Veränderungen über das
gegebene System hinaustreiben, was sich mehr oder minder deutlich
in historisch reifendem Dysfunktionieren des Systems zeigt, darin,
daß die Erhaltung des Erreichten gefährdet ist. Die Veränderung der
Effektivität des Basisprozesses verträgt sich dann nicht mehr mit dem
gegebenen Typ der Selbsterhaltung des Negativen in Gestalt des Po-
sitiven. So kann der Fall eintreten, daß das Negative (F) Negatives
(P) nur erzeugen darf, wenn es über das Repro-Negative hinaus Ne-
gatives erzeugt; falls es aber nicht mehr für die Erzeugung von über-
schüssigem Negativem (P) erforderlich ist, wird es außer Funktion
gesetzt, was bedeutet, daß der Grundvorgang der Selbstbewegung,
das Setzen und Lösen des Widerspruchs von Positivem und Negati-
vem, nicht mehr funktioniert. Es fragt sich also, ob die dem System
eigenen Grenzen mit den Notwendigkeiten der in Gang gesetzten
fortschreitenden Veränderung des Basisprozesses im Einklang sind
oder ob diese Veränderungen mit dem speziellen Typ des sich selbst
erhaltenden Systems in Konflikt geraten. Der Prozeß der Gewinnung
von Existenzbedingungen aus dem Vorausgesetzten ist aber grundle-
gend für das Bestehen des jeweiligen historisch bestimmten Systems.
Nach ihm muß sich der Selbsterhaltungsprozeß richten. Entspricht
er nicht mehr den Erfordernissen des Basisprozesses, so steht die
Frage nach dem Systemwechsel auf der Tagesordnung.

Exkurs. Die Beschränkung auf die Unmittelbarkeit –


Mittel der Apologie des Bestehenden
Marx’ Überlegungen zur Beziehung zwischen der einfachen Zirkulation als
Unmitttelbarkeit, als Sein, das Schein ist, und dem Produktionsprozeß des
Kapitals als dem Wesen des bürgerlichen Produktionssystems haben eine
ausgeprägt ideologiekritische Dimension. Er legt in diesem Zusammenhang
methodische Grundpositionen der Apologie des Kapitals frei.
In der einfachen Zirkulation, in den einfach gefaßten Geldverhältnissen
erscheinen „alle immanenten Gegensätze der bürgerlichen Gesellschaft aus-
gelöscht“ (166), und nach dieser Seite wird zu ihnen geflüchtet, von der
bürgerlichen Demokratie mehr noch als von den bürgerlichen Ökonomen,
„zur Apologetik der bestehenden ökonomischen Verhältnisse“. (166)
Soweit die Individuen Waren, Werte austauschen, sind sie selbst nur ein-

277
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
fach bestimmt als Austauschende. „Jedes der Subjekte ist ein Austauschen-
der; d. h., jedes hat dieselbe gesellschaftliche Beziehung zu dem andren, die
das andre zu ihm hat. Als Subjekte des Austauschs ist ihre Beziehung daher
die der Gleichheit.“ (167) Die Verschiedenheit ihrer Bedürfnisse und der
Gebrauchswerte, die den stofflichen Inhalt der ökonomischen Formbeziehung
des Austauschs bilden, macht sich als Motiv zur Integrierung dieser Indivi-
duen geltend, und es kommt zur Bestimmung der Gleichheit noch die der
Freiheit hinzu: die Individuen bemächtigen sich nicht wechselseitig mit Ge-
walt der Waren, sondern erkennen sich wechselseitig als Eigentümer an.
„Damit ist also die vollständige Freiheit des Individuums gesetzt: Freiwilli-
ge Transaktion; Gewalt von keiner Seite; Setzen seiner als Mittel, oder als
dienend, nur als Mittel, um sich als Selbstzweck, als das Herrschende und
Übergreifende zu setzen; endlich das selbstsüchtige Interesse, kein darüber-
stehendes verwirklichend; der andre ist auch als ebenso sein selbstsüchtiges
Interesse verwirklichend anerkannt und gewußt, so daß beide wissen, daß
das gemeinschaftliche Interesse eben nur in der Doppelseitigkeit, Vielseitig-
keit und Verselbständigung nach den verschiednen Seiten der Austausch des
selbstsüchtigen Interesses ist.“ (170)
Damit ergibt sich als allgemeine Feststellung: „Wenn also die ökonomi-
sche Form, der Austausch, nach allen Seiten hin die Gleichheit der Subjekte
setzt, so der Inhalt, der Stoff, individueller sowohl wie sachlicher, der zum
Austausch treibt, die Freiheit.“ (170) Diese Gleichheit und Freiheit sind nicht
bloß Illusion, sie sind real und als ein historisch bestimmter Typ von Gleich-
heit und Freiheit. „Gleichheit und Freiheit sind also nicht nur respektiert im
Austausch, der auf Tauschwerten beruht, sondern der Austausch von Tausch-
werten ist die produktive, reale Basis aller Gleichheit und Freiheit. Als reine
Ideen sind sie bloß idealisierte Ausdrücke desselben; als entwickelt in juri-
stischen, politischen, sozialen Beziehungen sind sie nur diese Basis in einer
andren Potenz.“ (170)
Die Methode der Apologie besteht nun darin, daß „diese Auffassungs-
weise“ der Gleichheit und Freiheit „nicht in ihrer historischen Bedeutung
hervorgehoben wird, sondern als Widerlegung entgegengehalten wird den
entwickeltren ökonomischen Verhältnissen, in denen die Individuen nicht
mehr bloß als Austauschende oder Käufer und Verkäufer, sondern in be-
stimmten Verhältnissen zueinander hervortreten, nicht mehr alle in dersel-
ben Bestimmtheit gesetzt sind ...“. (172f.) Damit wird die ökonomische Wirk-
lichkeit der bürgerlichen Gesellschaft auf ihre „Oberfläche“ reduziert, um
den Zugang zu ihren „Tiefenprozessen“ zu verbauen. „Im Ganzen der
vorhandnen bürgerlichen Gesellschaft erscheint dieses Setzen als Preise und
ihre Zirkulation etc. als der oberflächliche Prozeß, unter dem aber in der

278
Beschränkung auf Unmittelbarkeit – Mittel der Apologie
Tiefe ganz andre Prozesse vorgehn, in denen diese scheinbare Gleichheit
und Freiheit der Individuen verschwindet.“ (173) Die Apologetik vergißt
ebenso die objektiven Grundlagen des Tauschwerts überhaupt wie sie nicht
sieht, daß schon in der einfachen Bestimmung des Werts und des Geldes der
Gegensatz von Arbeitslohn und Kapital etc. latent enthalten ist. „Die ganze
Weisheit kömmt also darauf heraus, bei den einfachsten ökonomischen Ver-
hältnissen stehnzubleiben, die, selbständig gefaßt, reine Abstraktionen sind;
die aber in der Wirklichkeit vielmehr durch die tiefsten Gegensätze vermit-
telt sind und nur eine Seite darstellen, worin deren Ausdruck verwischt ist.“
(173f.) Die Analyse der tatsächlichen Vermittlung dieser Unmittelbarkeit
der „Oberfläche“ erhellt „die Verwirklichung der Gleichheit und Freiheit,
die sich ausweisen als Ungleichheit und Unfreiheit“. (174) Die neueste Öko-
nomie (Bastiat), „die nachweist, daß die ökonomischen Verhältnisse überall
dieselben einfachen Bestimmungen ausdrücken und daher überall die Gleich-
heit und Freiheit des einfach bestimmten Austauschens von Tauschwerten,
reduziert sich rein auf verkindete Abstraktion“. (174) So wird z. B. das Ver-
hältnis von Kapital und Zins auf den Austausch von Tauschwerten reduziert;
das Kapital wird auf den einfachen Begriff des Tauschwerts reduziert und
der Zins ebenfalls gleich Tauschwert gesetzt; „von dem ganzen Verhältnisse
in seiner spezifischen Bestimmtheit abstrahiert und zurückgegangen auf das
unentwickelte Verhältnis des Austauschs von Ware gegen Ware. Soweit ich
von dem abstrahiere, was ein Konkretum von seinem Abstraktum unterschei-
det, ist es natürlich das Abstraktum, und gar nicht von ihm unterschieden.
Danach sind alle ökonomischen Kategorien nur andre und andre Namen für
immer dasselbe Verhältnis, und diese grobe Unfähigkeit, die realen Unter-
schiede aufzufassen, soll dann den reinen common sense als solchen dar-
stellen.“ (175)
Im „Urtext ,Zur Kritik‘“ kennzeichnet Marx dieses Verfahren nochmals
zusammenfassend: „Es wird in der Tat behauptet, und durch Abstraktion
von der spezifischen Form der entwickelteren Sphären des gesellschaftli-
chen Produktionsprozesses, der entwickelteren ökonomischen Verhältnisse
bewiesen, daß alle ökonomischen Verhältnisse nur andre und andre Namen
für immer dieselben Verhältnisse des einfachen Austauschs, Warenaustauschs,
und der ihnen entsprechenden Bestimmungen des Eigentums, Freiheit und
Gleichheit sind. Aus der Empirie also z. B. wird aufgenommen, daß neben
Geld und Ware Tauschwertverhältnisse noch in der Form des Kapitals, des
Zinses, der Grundrente, des Arbeitslohn[s] usw. sich vorfinden. Durch den
Prozeß einer sehr wohlfeilen Abstraktion, die nach Belieben bald diese bald
jene Seite des spezifischen Verhältnisses fallen läßt, wird es reduziert auf
die abstrakten Bestimmungen der einfachen Zirkulation und so bewiesen,

279
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
daß die ökonomischen Beziehungen, worin sich die Individuen in jenen
entwickeltren Sphären des Produktionsprozesses vorfinden, nur die Bezie-
hungen der einfachen Zirkulation sind, usw.“76

Der Kreislaufprozeß des Kapitals


Hier werden einige der Bestimmungen des Kreislaufs des geworde-
nen Kapitals referiert, in der Absicht, einen Ansatzpunkt für die Dis-
kussion darüber zu geben, wie diese Bestimmungen in der dialekti-
schen Methode verarbeitet werden können.
Bislang ist das Kapital in seinem Werden betrachtet worden: von
der Zirkulation, in der der Wert sich verselbständigt, als Vorausset-
zung hin zum kapitalistischen Produktionsprozeß als Prozeß der Er-
zeugung und Aneignung von Wert, speziell aber von Mehrwert, über
die Reproduktion des Gegensatzes von Kapital und Lohnarbeit aus
dem Produkt jenes Prozesses hin zur Selbstproduktion des Verhält-
nisses von Kapital und Lohnarbeit im Produktionsprozeß. „Wir ha-
ben gesehn, wie erst am Ende des Kreislaufs die wahre Natur des
Kapitals hervortritt.“ (421) Jetzt ist der Kreislauf, der die Selbst-
bewegung des Kapitals darstellt, als solcher geworden. „Was wir jetzt
zu betrachten haben, ist der Kreislauf selbst oder der Umlauf des
Kapitals.“ (421) Der gewordene Kreislauf realisiert sich als Selbst-
bewegung des Kapitals, indem alle Voraussetzungen des Prozesses
als vom Kapital selbst produzierte erscheinen77; keine ist mehr bloß
vorgefunden.

* Kreislauf: Negativität und Unmittelbarkeit – Produktionsprozeß


und Zirkulation als Momente des Ganzen
Der ganze Kreislauf oder die Reflexion als ganze ist so der Prozeß
des Produzierens des Negativen und der Bewegung des Produzierten
bis hin zum Ausgangspunkt, der Durchgangspunkt zu erneutem Pro-
duzieren ist. „Der Gesamtproduktionsprozeß des Kapitals schließt
ein sowohl den eigentlichen Zirkulationsprozeß wie den eigentlichen
Produktionsprozeß. Sie bilden die 2 großen Abschnitte seiner Bewe-
76 Karl Marx: Fragment des Urtextes von „Zur Kritik der politischen Ökonomie“
(1858). In: Karl Marx: Grundrisse der Kritik der poilitischen Ökonomie, Berlin
1953, S. 917.
77 Vgl. Karl Marx: Das Kapital. Zweiter Band. In: MEW, Bd. 24, S. 104.

280
Kreislaufprozeß des Kapitals
gung, die als Totalität dieser 2 Prozesse erscheint ... Diese Einheit
selbst ist Bewegung, Prozeß. Das Kapital erscheint als diese prozes-
sierende Einheit von Produktion und Zirkulation, eine Einheit, die
sowohl als das Ganze seines Produktionsprozesses wie als bestimm-
ter Verlauf eines Umschlags des Kapitals, einer in sich selbst zu-
rückkehrenden Bewegung betrachtet werden kann.“ (520)
Die Beziehung zwischen Produktionsprozeß und Zirkulation – all- Beziehung zwischen
gemein also die Beziehung zwischen Negativität und Unmittelbar- Produktionsprozeß
keit – ist im gewordenen Kreislauf anders als sie anfänglich war. und Zirkulation im
gewordenen
„Ursprünglich schien die Produktion jenseits der Zirkulation und die Kreislauf
Zirkulation jenseits der Produktion zu liegen.“ (421) Die Zirkulation
war als die Sphäre der Unmittelbarkeit gefaßt worden, als eine un-
endliche Menge von Zirkulationsakten W – G und G – W, und es
war zunächst noch nicht nachgewiesen worden, wie die Zirkulation
aus der Produktion hervorgeht und in sie zurückkehrt. Jetzt aber hat
man es mit dem Kreislaufprozeß des Kapitals zu tun. „Der Kreislauf
des Kapitals – die Zirkulation als Zirkulation des Kapitals gesetzt –
umfaßt beide Momente. In ihr erscheint die Produktion als End- und
Anfangspunkt der Zirkulation und vice versa. Die Selbständigkeit
der Zirkulation ist jetzt zu einem bloßen Schein herabgesetzt, ebenso
wie die Jenseitigkeit der Produktion.“ (421)
Dabei gilt, „daß die Zirkulation selbst ein Moment der Produktion
ist, da erst durch diese das Kapital als Kapital wird“. (427) Dies deu-
tet auf die Funktion hin, die die Unmittelbarkeit in der Bewegung
des Wesens hat. Ferner gilt, daß „die Produktion nur Moment der
Zirkulation ist, insofern diese selbst als Ganzes des Produktions-
prozesses betrachtet wird“. (427) In der Einheit dieser beiden Pro-
zesse erhält sich das Kapital, der Wert als Kapital selbst. „Im Kapital
wird die Unvergänglichkeit des Werts (to a certain degree) gesetzt, Unvergänglichkeit
indem es zwar sich inkarniert in den vergänglichen Waren, ihre Ge- des Werts als Kapital
stalt annimmt, aber sie ebenso beständig wechselt; abwechselt zwi- im Kreislauf
schen seiner ewigen Gestalt im Geld und seiner vergänglichen Ge-
stalt in den Waren; die Unvergänglichkeit wird gesetzt als dies einzige,
was sie sein kann, Vergänglichkeit, die vergeht – Prozeß – Leben.
Diese Fähigkeit erhält das Kapital aber nur, indem es als ein Vampyr
die lebendige Arbeit beständig als Seele einsaugt. Die Unvergäng-
lichkeit – Dauer des Werts in seiner Gestalt als Kapital – ist nur ge-
setzt durch die Reproduktion, die selbst doppelt ist, Reproduktion
als Ware, Reproduktion als Geld und Einheit dieser beiden Repro-
duktionsprozesse. In der Reproduktion als Ware ist das Kapital in

281
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
einer bestimmten Form des Gebrauchswerts fixiert und so nicht all-
gemeiner Tauschwert noch weniger realisierter Wert, wie es sein soll.
Daß es sich als solchen in dem Reproduktionsakt, in der Produktions-
phase gesetzt hat, bewährt es erst durch die Zirkulation.“ (545f.) Das
erhellt dann auch die Bedeutung generell des zweiten Reflexbogens
im Kreislauf der Selbstbewegung für die Realisierung des ersten,
grundlegenden. In der Selbstbewegung des Kapitals zeigt sich dies
in der Bedeutung der Zirkulationsphase für die Produktionsphase,
insofern, als „die Erneuerung des Produktionsprozesses nur stattfin-
den kann, sobald der vom Produktionsprozeß unterschiedne Teil des
Zirkulationsprozesses vollendet ist“. (527) Daraus geht hervor, „daß
die Zirkulation als wesentlicher Prozeß des Kapitals erscheint. Der
Produktionsprozeß kann nicht von neuem begonnen werden vor der
Verwandlung der Ware in Geld.“ (441)
Vergleich des Der Kreislaufprozeß des Kapitals, der Selbstbewegung ist, wird
Kreislaufprozesses mit der einfachen Zirkulation, speziell mit der Geldzirkulation ver-
des Kapitals mit der glichen, die die Bewegung der Unmittelbarkeit ist. Erstens wird ihr
einfachen
Zirkulation: Unterschied hinsichtlich Ausgangspunkt und Rückkehrpunkt der
1. Unterschied Bewegung dargestellt. „Die Geldzirkulation ging von unendlich vie-
hinsichtlich len Punkten aus und kehrte an unendlich viele Punkte zurück. Der
Ausgangs- und Punkt der Rückkehr war keineswegs als Ausgangspunkt gesetzt.“
Rückkehrpunkt der (423) So war sie keine selbständige Bewegung, in der das Negative
Bewegung
sich hätte erhalten können. Anders ist es im Kreislauf des Kapitals.
„In dem Umlauf des Kapitals ist der Ausgangspunkt gesetzt als
Rückkehrpunkt und der Rückkehrpunkt als Ausgangspunkt. Der
Kapitalist selbst ist der Ausgangs- und Rückkehrpunkt. Er tauscht
Geld gegen die Bedingungen der Produktion aus, produziert, ver-
wertet das Produkt, i. e. verwandelt es in Geld und beginnt dann den
Prozeß von neuem.“ (423) Der Prozeß des Kapitals als Selbsterhal-
tung des Werts, als Selbstverwertung, hat seinen Ausgangspunkt vom
Geld und endet in Geld, aber in größrem Quantum Geldes. „Der
Unterschied ist nur quantitativ. G – W – W – G hat so einen Inhalt
bekommen.“ (526) An den Ausgangspunkt zurückgekommen, ist das
Kapital wieder Geld geworden. Aber das Geld als an den Ausgangs-
punkt zurückgekehrt ist nicht mehr einfach Geld, „es ist jetzt zu-
gleich gesetzt, es ist jetzt Bedingung für dies Geld geworden, wieder
Kapital zu werden, sich durch Kauf von Arbeit, durch Durchgehn
durch den Produktionsprozeß vervielfältigendes und erhaltendes
Geld“. (526f.) Den Punkt der Rückkehr hat man so „nicht als End-
punkt“ zu betrachten, sondern „als Durchgangspunkt oder neuen

282
Kreislaufprozeß des Kapitals
Ausgangspunkt, selbst durch den Produktionsprozeß als verschwin-
dender Endpunkt und nur scheinbarer Ausgangspunkt gesetzt“. (527)
In dieser Bewegungsform realisiert sich das Wesen als Sichselbst-
setzen oder, wie Marx sagt, als Selbsterneuerung. Zweitens wird je- 2. Selbsterneuerung
ner Unterschied im Hinblick auf die Selbsterneuerung hervorgeho-
ben. „Die Geldzirkulation, für sich betrachtet, erlöscht notwendig im
Geld als einem unbewegten Ding. Die Zirkulation des Kapitals ent-
zündet sich an sich selbst stets von neuem, dirimiert sich in ihre
verschiednen Elemente, und ist ein Perpetuum mobile.“ (423) Der
Grundvorgang der Selbsterneuerung des Kapitals ist das Wertsetzen
als Verwertung des Werts. „Das Preissetzen auf der Seite der Geld-
zirkulation war rein formell, insofern der Wert vorausgesetzt ist un-
abhängig von der Geldzirkulation. Die Zirkulation des Kapitals ist
preissetzend, nicht nur formell, sondern reell, insofern sie den Wert
setzt. Wo er selbst innerhalb ihrer als Voraussetzung erscheint, kann
es nur sein als von einem andren Kapital gesetzter Wert.“ (423) Drit- 3. Kapital verändert
tens verändert das Kapital in seinem Kreislauf sich quantitativ. „Die sich in seinem
Geldzirkulation findet die Weite ihrer Bahn gemessen, und die Um- Kreislauf quantitativ
stände, die sie beschleunigen oder retardieren, sind äußerliche An-
stöße. Das Kapital in seinem Umlauf erweitert sich selbst und seine
Bahn, und die Geschwindigkeit oder Langsamkeit des Umlaufs bil-
det selbst ein immanentes Moment derselben.“ (423) Viertens schließ- 4. Kapital verändert
lich: „Es ändert sich qualitativ in dem Umlauf, und die Totalität der sich qualitativ im
Momente seines Umlaufs sind selbst die Momente seiner Produkti- Kreislauf
on – seiner Reproduktion sowohl wie seiner Neuproduktion.“ (423)
So ist der Umlauf oder Kreislaufprozeß des Kapitals „zugleich sein
Werden, sein Wachstum, sein Lebensprozeß. Wenn irgend etwas der
Blutzirkulation zu vergleichen war, so war es nicht die formelle des
Geldes, sondern die inhaltsvolle des Kapitals.“ (424)
Was hier zur Selbstbewegung, zur Selbsterneuerung, zum Sich- Das Kapital im
selbstsetzen des Kapitals entwickelt wird, gilt vom Kapital im allge- allgemeinen und die
meinen. Für das einzelne Kapital stellt sich die Sache so dar, daß der vielen Kapitalien als
Untersuchungs-
Teil des Kapitals, der Arbeitsgegenstände und Arbeitsmittel reprä- gegenstand
sentiert, als ihm vorausgesetzter Wert erscheint, ebenso der Wert der
lebendigen Arbeit bzw. der Arbeitskraft, die es kauft. „Diese 2 Po-
sten lösen sich auf als von fremdem Kapital gesetzte, also wieder
vom Kapital, nur von einem andren ... Das, was so im einzelnen
Kapital als Voraussetzung, was wir den konstanten Wert nannten,
erscheint, ist nichts als die Voraussetzung des Kapitals durch das
Kapital, daß die Kapitalien in den verschiednen Industriezweigen

283
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
sich wechselseitig als Voraussetzung und Bedingung setzen.“ (423f.)
Es ist also die Selbstbewegung des Kapitals, die betrachtet wird. Was
für das Kapital im allgemeinen gilt, muß nicht für jedes einzelne
Kapital gelten. Und was allgemein gilt, realisiert sich in der Bezie-
hung zwischen den vielen Kapitalen auf spezifische Weise. Aber diese
spezifische Weise wird zu erklären sein auf der Grundlage der allge-
meinen Bestimmungen des Kapitals als solchen. „Das Hereinkom-
men der vielen Kapitalien muß hier die Betrachtung nicht stören.
Das Verhältnis der vielen wird vielmehr sich erklären, nachdem das,
was alle gemein haben, Kapital zu sein, betrachtet ist.“ (424)

* Die Unmittelbarkeit als Moment der Bewegung des Wesens:


Bestimmung der Geldzirkulation durch die Zirkulation des Kapitals
Die Hauptmomente des Kreislaufs sind der Produktionsprozeß und
die Zirkulation selbst, der eine allgemein als der durch Gegensatz
und Widerspruch bestimmte Prozeß des Negierens zu fassen, die
andere als Bewegung des produzierten, vorhandenen Negativen, als
„an sich seiende Unmittelbarkeit“. Betrachtet man die Kreislauf-
bewegung des Kapitals „als Ganzes, so erscheinen als die beiden
großen Unterscheidungen innerhalb derselben 2 Momente, der Pro-
duktionsprozeß und die Zirkulation selbst, beide als Momente seiner
Abhängigkeit der Zirkulation“. (424) Dies hat zur Konsequenz, daß die einfache Zir-
einfachen kulation, speziell die Geldzirkulation von der Zirkulation des Kapi-
Zirkulation, speziell
der Geldzirkulation, tals abhängig ist. „Wenn die Zirkulation an allen Punkten Produktion
von der Zirkulation voraussetzt – und die Zirkulation von Produkten ist, sei es von Geld
des Kapitals oder Ware, diese aber überall aus dem Produktionsprozeß hervorgehn,
der selbst Prozeß des Kapitals ist, so erscheint jetzt die Geldzirkulation
selbst als bestimmt durch die Zirkulation des Kapitals, während sie
früher neben dem Produktionsprozeß zu liegen schien.“ (424) Ande-
rerseits erscheint „die Zirkulation als wesentlicher Prozeß des Kapi-
tals“, denn der „Produktionsprozeß kann nicht von neuem begonnen
werden vor der Verwandlung von Ware in Geld“. (441) „Ursprünglich
ging die auf das Kapital gegründete Produktion von der Zirkulation
aus; wir sehn jetzt, wie sie die Zirkulation als ihre eigne Bedingung
setzt und ebensosehr den Produktionsprozeß in seiner Unmittelbar-
keit als Moment des Zirkulationsprozesses, wie den Zirkulations-
prozeß als eine Phase des Produktionsprozesses in seiner Totalität.“
(448) In Bezug auf diese Bewegung kennzeichnet Marx die Geld-
zirkulation als Schein, und er charakterisiert diesen Schein als Selb-

284
Kreislaufprozeß des Kapitals
ständigkeit, die gesetzt ist. „Die Geldzirkulation – von ihrem jetzi-
gen Standpunkt aus – erscheint jetzt selbst nur als ein Moment der
Zirkulation des Kapitals, und ihre Selbständigkeit ist als bloßer Schein
gesetzt. Sie erscheint nach allen Seiten hin bestimmt durch die Zir-
kulation des Kapitals ...“ (442) Marx verweist auf den Grund dafür,
daß sie als selbständige Bewegung erscheint. „Insofern sie“ – die
Geldzirkulation – „eine selbständige Bewegung neben der des Kapi-
tals bildet, ist diese Selbständigkeit nur gesetzt durch die Kontinuität
der Zirkulation des Kapitals, so daß dies eine Moment fixiert und für
sich betrachtet werden kann.“ (442f.)

* Phasen des Kreislaufs des Kapitals


Der Kreislauf des Kapitals wird als solcher der Selbstbewegung durch
das Kapital selbst konstituiert, dadurch, daß es sich verwertender
Wert ist, also durch sein Wesen als prozessierender Widerspruch des
Gegensatzes von Kapital und Lohnarbeit. Das Kernproblem ist hier Kreislauf – Problem
die Selbsterhaltung des Werts. In der einfachen Zirkulation war sie der Selbsterhaltung
nicht vorhanden. „Das Geld verwandelte sich in seiner Zirkulation des Werts
in Ware, und in dem Austausch von G – W endigte die Konsumtion
den Prozeß; oder die Ware tauschte sich aus gegen Geld – und in
dem Austausch W – G war G entweder verschwindend, um selbst
wieder gegen W ausgetauscht zu werden, wo der Prozeß wieder in
der Konsumtion endete, oder das Geld zog sich aus der Zirkulation
zurück und verwandelte sich in toten Schatz und nur gemeinten Reich-
tum.“ (442) Es fand so keine Selbstreproduktion des Werts statt. „Nir-
gends entzündete sich der Prozeß an sich selbst, sondern die Voraus-
setzungen der Geldzirkulation lagen außer ihr und sie bedurfte ständig
neuen Anstoß von außen. Soweit sich beide Momente austauschten,
war, innerhalb der Zirkulation, die Formveränderung nur formell.
Soweit sie aber inhaltlich wurde, fiel sie aus dem ökonomischen Pro-
zeß heraus; der Inhalt gehörte nicht in ihn hinein. Weder erhielt sich
die Ware als Geld noch das Geld als Ware; jedes war das eine oder
das andre. Der Wert als solcher erhielt sich nicht in und durch die
Zirkulation als übergreifend über seinen Verwandlungsprozeß, seine
Formveränderung; noch wurde der Gebrauchswert selbst (was im
Produktionsprozeß des Kapitals der Fall) von dem Tauschwert pro- Selbstverwertung
duziert.“ (442) Anders beim Kapital, das sich als Kapital gesetzt hat. des Werts im
„Beim Kapital ist die Konsumtion der Ware selbst nicht final; fällt in Produktionsprozeß
des Kapitals
den Produktionsprozeß; erscheint selbst als Moment der Produktion,

285
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
i. e. des Wertsetzens.“ (442) Der Kreislauf des Kapitals, der Kreis-
lauf als die Realisierung seiner Selbstbewegung resultiert aus dem
Prozeß des Wertsetzens, in dem der vorausgesetzte Wert sich vergrö-
ßert. „Das Kapital aber ist jetzt gesetzt, als in jedem der Momente,
worin es bald als Geld, bald als Ware, bald als Tauschwert, bald als
Gebrauchswert erscheint, gesetzt als sich in dieser Formveränderung
nicht nur formell erhaltender, sondern verwertender Wert, sich auf
sich selbst als Wert beziehender Wert.“ (442) Das Kapital ist Geld,
das zum Kauf spezifischer Waren – der Produktionsfaktoren – be-
stimmt ist; der Gebrauchswert der dem Kapital einverleibten Ware
Arbeitskraft realisiert sich im Produktionsprozeß als Wert- und
Mehrwertsetzen; das Kapital ist dann Ware als Resultat des Produk-
tionsprozesses, das auf den Markt gebracht wird, um dort wieder in
Geld verwandelt zu werden.
Wie das Kapital Die Frage ist nun, wie das Kapital, das in dieser Bestimmtheit
seinen Kreislauf als durch seinen Gegensatz zur Lohnarbeit ist, der sich im Produktions-
Kapital beschreiben prozeß als Widerspruch setzt und löst, wie also das Kapital seinen
kann
Kreislauf als Kapital beschreibt, d. h. wie es nicht nur im Produkti-
onsprozeß, sondern in der auf ihn folgenden Bewegung, die ihn wie-
der herstellen muß, Kapital ist, in einer Bewegung also, in der es
nicht direkt der Lohnarbeit gegenübersteht. „Das Übergehn aus ei-
nem Moment in das andre erscheint als besondrer Prozeß, aber jeder
dieser Prozesse ist das Übergehn in den andren. Das Kapital ist so
gesetzt als prozessierender Wert, der in jedem Moment Kapital ist.
Es ist so gesetzt als Capital Circulant; in jedem Moment Kapital und
kreislaufend aus der einen Bestimmung in die andre. Der Punkt der
Rückkehr ist zugleich der Ausgangspunkt und vice versa – nämlich
der Kapitalist. Alles Kapital ist ursprünglich Capital circulant, Pro-
dukt der Zirkulation, wie die Zirkulation produzierend, so als seine
eigne Bahn beschreibend.“ (442) Marx bringt diese Bestimmung auf
den Punkt, indem er etwas später schreibt: „Insofern das Kapital in
jedem Moment des Prozesses selbst die Möglichkeit des Übergehns
in seine andre, nächste Phase, und so die Möglichkeit des ganzen
Prozesses ist, der den Lebensakt des Kapitals ausdrückt, so erscheint
jedes der Momente potentialiter als Kapital – daher Warenkapital,
Geldkapital – neben dem im Produktionsprozeß als Kapital sich set-
zenden Wert.“ (537) Marx erläutert diesen Gedanken so: „Die Ware
kann Kapital darstellen, solange sie sich in Geld verwandeln, also
Lohnarbeit kaufen kann (Surplusarbeit); dies nach der Formseite hin,
die aus der Zirkulation des Kapitals geschöpft ist. Nach der Stoff-

286
Kreislaufprozeß des Kapitals
seite hin bleibt sie Kapital, solange sie Rohmaterial (eigentliches oder
Halbfabrikat), Instrument, Lebensmittel für die Arbeiter ausmacht.
Jede dieser Formen ist potentielles Kapital. Das Geld ist einerseits
das realisierte Kapital, das Kapital als realisierter Wert. Es ist nach
dieser Seite (als Schlußpunkt der Zirkulation betrachtet, wo es denn
auch als Ausgangspunkt betrachtet werden muß) das Kapital, kat’
exochn. Es ist dann wieder Kapital in bezug auf den Produktions-
prozeß speziell, soweit es sich gegen lebendige Arbeit austauscht.“
(537) Das Kapital hat so „die Bewegung der Metamorphosen“ (538)
durchzumachen. Die „verschiednen, begrifflich bestimmten Momente
seiner notwendigen Metamorphose“ sind die Momente „seines
Lebensprozesses“. (559)
Hegel hatte dieses Problem in der Betrachtung der Verschieden-
heit aufgeworfen, als er feststellte, daß im Resultat des Prozesses des
Negierens (1) der Unterschied „nur ein Gesetztsein oder als aufgeho-
bener“ ist, und fortfuhr: „aber er ist selbst die ganze Reflexion.“ (L II,
34) In seiner doppelten Bestimmtheit als Resultat und als das, aus
dem sich der Gegensatz als Voraussetzung des erneuten Prozesses
des Negierens formiert, ist das Gesetztsein die Möglichkeit des
Übergehens in die nächste Phase und so die Möglichkeit des ganzen
Prozesses. Übrigens wird hier deutlich, wie im Kreislaufprozeß die
Reflexion in sich von der Reflexion in anderes unzertrennlich ist.
Als Reflexion in sich betätigt das Kapital in seiner jedesmaligen Form
das, was es an sich ist: als Warenkapital zum Beispiel ist es an sich
Geldkapital, und als Warenkapital betätigt und realisiert es sich oder
reflektiert es sich in sich, indem es sich in Geldkapital verwandelt
oder in anderes reflektiert.
Die Phasen des Kreislaufs, in dem der Wert sich verwertet, sind Phasen des
die speziellen Übergangsprozesse in ihm: der Übergang von Ware zu Kreislaufs
Ware, als der sich der Prozeß der Mehrwertproduktion darstellt, der
Übergang von Ware in Geld und dann wiederum von Geld in Ware.
„Die Zirkulation ... ist Verwandlungsprozeß, qualitativer Prozeß des
Werts, wie er in der verschiednen Form von Geld, Produktionspro-
zeß, Produkt, Rückverwandlung in Geld und Surpluskapital erscheint.
Soweit innerhalb dieses Verwandlungsprozesses als solchen – in die-
sem Übergehn aus einer Bestimmung in die andre neue Bestimmun-
gen sich erzeugen.“ (430) Die Phasen oder Momente des Gesamt-
kreislaufs sind: „I. Der wirkliche Produktionsprozeß und seine Dauer.
II. Verwandlung des Produkts in Geld. Dauer dieser Operation.
III. Verwandlung des Geldes in den gehörigen Proportionen in Roh-

287
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
material, Arbeitsmittel und Arbeit, kurz, in die Elemente des Kapi-
tals als produktiven. IV. Kann der Austausch eines Teils des Kapitals
gegen lebendiges Arbeitsvermögen als ein besondres Moment be-
trachtet werden und muß so betrachtet werden, da der Arbeitsmarkt
durch andre Gesetze regiert wie der Produce market etc.“ (427)78

* Das Kapital – Subjekt der Selbstbewegung


und Negation seiner als dieses Subjekt

Das Kapital als Das Kapital, indem es den Kreislauf konstituiert, der in allen seinen
übergehend aus Phasen Kreislauf des Kapitals ist, macht sich so zum Subjekt dieser
einer Phase in die Bewegung. „Als das Subjekt, über die verschiednen Phasen dieser
andere – Subjekt der
Zirkulation Bewegung übergreifende, sich in ihr erhaltende und vervielfältigen-
de Wert, als das Subjekt dieser Wandlungen, die in einem Zirkellauf
– als Spirale, sich erweiternder vor sich gehen – ist das Kapital Capital
Circulant. Capital circulant ist daher zunächst keine besondre Form
des Kapitals, sondern es ist das Kapital, in seiner weiterentwickelten
Bestimmung, als Subjekt der beschriebnen Bewegung, die es selbst
als sein eigner Verwertungsprozeß ist. Nach dieser Seite hin ist da-
her auch jedes Kapital zirkulierendes Kapital.“ (520f.)79 Die Bestim-
mung des zirkulierenden Kapitals besagt, „daß in der Phase, worin
es sich befindet, es sich als flüssiger Phase befindet, als prozessie-
render, in die andre überführender Phase; in keiner als solchen fest-
geritten und so in seinem Gesamtprozeß aufgehalten“. (522)

78 Interessant ist die Präzisierung dieser Phasenbestimmung auf Seite 519. Dort
wird das Bringen des Produkts auf den Markt und seine Verwandlung in Ware expli-
zit genannt. „Die Phasen, die das Kapital durchläuft, die einen Umlauf des Kapitals
bilden, beginnen begrifflich mit Verwandlung des Geldes in die Produktionsbedin-
gungen. Jetzt aber, wo wir nicht von dem werdenden Kapital ausgehn, sondern vom
gewordnen, durchläuft es folgende Phasen: 1. Schöpfung des Mehrwerts oder un-
mittelbarer Produktionsprozeß. Sein Resultat das Produkt. 2. Bringen des Produkts
auf den Markt. Verwandlung des Produkts in Ware. 3.a) Eingehn der Ware in die
gewöhnliche Zirkulation. Zirkulation der Ware. Ihr Resultat: Verwandlung in Geld.
Dieses erscheint als erstes Moment der gewöhnlichen Zirkulation. b) Rück-
verwandlung des Geldes in die Produktionsbedingungen: Geldzirkulation; in der
gewöhnlichen Zirkulation erscheint die Warenzirkulation und Geldzirkulation stets
an zwei verschiedne Subjekte verteilt. Das Kapital zirkuliert erst als Ware, dann als
Geld und vice versa. 4. Erneuung des Produktionsprozesses, was hier als Reprodukti-
on des ursprünglichen Kapitals und Produktion des Surpluskapitals erscheint.“ (519)
79 Der Terminus „zirkulierendes Kapital“ hat also hier noch eine andere, allge-
meinere Bedeutung als in der späteren Verwendung; das gilt auch für den Terminus
„fixes Kapital“ (vgl. Karl Marx: Das Kapital. Zweiter Band. In: MEW, Bd. 24,
S. 158ff.)

288
Kreislaufprozeß des Kapitals
Das Kapital ist als Subjekt der Zirkulation, und die Zirkulation ist Das Kapital als
als sein eigner Lebenslauf gesetzt. „Aber wenn das Kapital so als besondere Gestalt in
Ganzes der Zirkulation zirkulierendes Kapital ist, das Übergehn aus jeder Phase –
Negation seiner als
einer Phase in die andre, ist es ebenso in jeder Phase in einer Be- des Subjekts der
stimmtheit gesetzt, als in besondere Gestalt gebannt, die die Negati- ganzen Bewegung
on seiner als des Subjekts der ganzen Bewegung ist. Das Kapital ist
daher in jeder besondren Phase die Negation seiner als des Subjekts
der verschiednen Wandlungen. Nicht zirkulierendes Kapital. Fixes
Kapital, eigentlich fixiertes Kapital, in einer der verschiednen
Bestimmtheiten, Phasen fixiert, die es zu durchlaufen hat. Solang es
in einer dieser Phasen verharrt – die Phase selbst nicht als flüssiger
Übergang erscheint –, und jede hat ihre Dauer, ist es nicht zirkulie-
rend, fixiert.“ (521) Solange es im Produktionsprozeß verharrt, zir-
kuliert es nicht; solange es in der Zirkulation verharrt, ist es nicht
Mehrwert setzend, nicht als Kapital prozessierend; solange es nicht
auf den Markt geworfen werden kann, ist es als Produkt fixiert, und
solange es auf dem Markt bleiben muß, ist es als Ware fixiert. Solan-
ge es sich schließlich nicht gegen die Produktionsbedingungen tau-
schen kann, ist es als Geld fixiert, und wenn die Produktionsbedin-
gungen in ihrer Form als Bedingungen bleiben, nicht in den
Produktionsprozeß eingehen, ist es wieder fixiert. „Das Kapital als
das alle Phasen durchlaufende Subjekt, als die bewegte Einheit, pro-
zessierende Einheit von Zirkulation und Produktion, ist zirkulieren-
des Kapital; das Kapital als selbst in jeder dieser Phasen eingebannt,
als in seinen Unterschieden gesetzt, ist fixiertes Kapital, engagiertes
Kapital. Als zirkulierendes Kapital selbst fixiert es sich, und als fi-
xiertes Kapital zirkuliert es.“ (521)
Diese Bestimmung von zirkulierendem und fixem Kapital bedeu- Kapital somit als
tet zunächst weiter nichts, als daß „das Kapital selbst unter den bei- Einheit des
den Bestimmungen gesetzt“ ist, „einmal als Einheit des Prozesses, Prozesses und als
Unterschied von sich
dann als besondre Phase desselben, es selbst als Unterschied von als Einheit
sich als Einheit“; es sind „verschiedne formelle Bestimmungen des-
selben Kapitals“. (522)
Die Zirkulation wird so als Bewegung des Kapitals betrachtet,
„worin es sich in seinen verschiedenen, begrifflich bestimmten Mo-
menten setzt. Das produktive Kapital wird Produkt, Ware, Geld und
rückverwandelt sich in die Produktionsbedingungen. In jeder dieser
Formen bleibt es Kapital und wird es Kapital, indem es sich erst als
solches realisiert. Solange es in einer der Phasen bleibt, ist es fixiert
als Warenkapital, Geldkapital oder industrielles Kapital. Aber jede

289
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
dieser Phasen bildet nur ein Moment seiner Bewegung, und in der
Form, worin es sich abstößt, um aus einer Phase in die andre überzu-
gehen, hört es auf, Kapital zu sein. Stößt es sich als Ware ab und
wird es zum Geld oder vice versa, so existiert es nicht als Kapital in
der abgestoßnen Form, sondern in der neu angenommenen.“ (619)
Dies kennzeichnet den „in sich selbst revolvierenden Kreislauf“ (619)
des Kapitals. Es stößt „jede der Formen als sein Nicht-Kapital-Sein
ab, um sie später wieder anzunehmen“. (619)

* Die Zirkulation als dreifach bestimmte


Im ganzen läßt die Zirkulation sich dreifach bestimmen.
Gesamtprozeß der Erstens ist dies der Gesamtprozeß der Selbstbewegung des Kapi-
Selbstbewegung des tals – „der Verlauf des Kapitals durch seine verschiednen Momente;
Kapitals danach ist es als im Fluß gesetzt, als zirkulierend; soweit in jedem
der Momente die Kontinuität unterbrochen ist virtualiter und sich
befestigen kann gegen das Übergehen in die nächste Phase, erscheint
das Kapital hier ebenfalls als fixiert in verschiednen Beziehungen,
und die verschiednen Weisen dieses Fixiertseins konstituieren
verschiedne Kapitalien, Warenkapital, Geldkapital, Kapital als Pro-
duktionsbedingungen“. (578)
Große Zirkulation – Zweitens ist dies die große Zirkulation als „die Bewegung des Ka-
Bewegung des pitals außer der Produktionsphase, wo seine Zeit im Gegensatz zur
Kapitals außer der Arbeitszeit als Zirkulationszeit erscheint“. (579) Die große Zirkula-
Produktionsphase
tion „umfaßt die ganze Periode von dem Moment, wo das Kapital
aus dem Produktionsprozeß heraustritt, bis es in ihn zurückkehrt“.
(574) Dies ist der Prozeß der Formierung der einen Seite des Gegen-
satzes: des Positiven.
Kleine Zirkulation Drittens ist dies die „kleine Zirkulation zwischen Kapital und Ar-
zwischen Kapital und beitsvermögen. Diese begleitet den Produktionsprozeß und erscheint
Arbeitsvermögen als Kontrakt, Austausch, Verkehrsform, unter deren Voraussetzung
sich der Produktionsprozeß engagiert.“ (579) Die kleine Zirkulation
ist „der Teil des Kapitals, der als Salär ausgezahlt wird, ausgetauscht
wird gegen das Arbeitsvermögen“. (574) Dies betrifft die Formie-
rung der anderen Seite des Gegensatzes: des Negativen. „Die Zirku-
lation des als Salär gesetzten Teils des Kapitals begleitet den Pro-
duktionsprozeß, erscheint als ökonomische Formbeziehung neben ihm
und ist gleichzeitig und interwoven mit ihm.“ (575) Marx hebt die
Bedeutung hervor, die die Formierung des Negativen (F) für den
Gesamtprozeß hat. „Diese Zirkulation setzt erst das Kapital als sol-

290
Kreislaufprozeß des Kapitals
ches; ist die Bedingung seines Verwertungsprozesses und setzt nicht
nur eine Formbestimmung desselben, sondern seine Substanz. Es ist
dies der beständig zirkulierende Teil des Kapitals, der keinen Au-
genblick in den Produktionsprozeß selbst eingeht und beständig ihn
begleitet. Es ist der Teil des Kapitals, der keinen Augenblick in sei-
nen Reproduktionsprozeß eingeht ... Das Approvisionnement des
Arbeiters geht als Produkt aus dem Produktionsprozeß hervor, als
Resultat; aber als solches geht es nie ein in den Produktionsprozeß,
weil es für die individuelle Konsumtion finished produce ist, unmit-
telbar in die Konsumtion des Arbeiters eingeht und unmittelbar ge-
gen sie ausgetauscht wird.“ (575f.) „In dieser Zirkulation stößt sich
das Kapital beständig als vergegenständlichte Arbeit von sich ab, um
die lebendige Arbeitskraft, seine Lebensluft, sich zu assimilieren.“ (576f.)

* Spezielle Bestimmungen des Kreisprozesses


Beim Betrachten des Kreislaufprozesses des Kapitals als eines hi-
storisch bestimmten Systems werden Bestimmungen interessant, die
in Hegels Darstellung des einen und umfassenden Systems nicht vor-
kommen. Zwei dieser Bestimmungen, die Marx in diesem Zusam-
menhang entwickelt, sollen hier knapp charakterisiert werden. Das
ist zum einen „das Zeitmoment“: die Zeit, die die einzelne Phase des
Kreislaufs dauert, die für ihr Übergehen in die nächste Phase erfor-
derlich ist; und zum anderen ist es das Problem, inwiefern der Über-
gang aus einer Phase in die andere mehr oder weniger gelingt.

** Funktion der Zeit im Kreislauf


In seinem Kreislauf verändert sich das Kapital quantitativ und quali-
tativ, indem es sich produziert, und es bestimmt selbst das Tempo
seiner Bewegung. Das Zeitmoment schließt ein: 1. die Zeit, die das Beziehung zwischen
Kapital sich innerhalb der Sphäre des Produktionsprozesses aufhält; Produktionszeit und
Zirkulationszeit; das
die Verkürzung dieser Zeit fällt mit der Verkürzung der Zeit zusam- Problem der
men, die für die Herstellung eines Produkts nötig ist – durch Ent- Geschwindigkeit
wicklung der Produktivkräfte, Anwendung von Maschinerie, Natur-
kräften, Kombination und Teilung der Arbeit usw. (424); 2. den
Zeitraum, der verläuft vom Verwandeltsein des Kapitals in Produkt
bis zu seinem Verwandeltwerden in Geld. Z. B. „die Zeit, die über-
haupt verfließt, bevor die Ware in Geld übergeht; oder die Zeit, wäh-
rend welcher sie Ware bleibt, nur potentieller Wert, nicht wirklicher.

291
Reflexionsbestimmungen in der Selbstbewegung des Kapitals
Diese ist reiner Verlust.“ (441) Von der Geschwindigkeit, in der die-
ser Zeitraum durchlaufen wird, oder von seiner Dauer hängt ab, wie
oft in einer gegebenen Zeit das Kapital den Produktionsprozeß, die
Selbstverwertung von neuem beginnen kann (425). Die Zirkulation
umfaßt die Verwandlung der Ware in Geld und die Rückverwandlung
des Geldes in die Produktionsbedingungen: Produktionsmittel und
Arbeitskraft. Insofern nun „die Bahn, die das Kapital durchläuft, um
von einer dieser Bestimmungen in die andre überzugehen, Abschnit-
te der Zirkulation bildet und diese Abschnitte in bestimmten Zeit-
räumen durchlaufen werden“, insofern „hängt es also von der Ge-
schwindigkeit der Zirkulation ab, der Zeit, worin sie zurückgelegt
wird, wieviel Produkte in einem gegebnen Zeitraum produziert wer-
den können; wie oft sich das Kapital in einem gegebnen Zeitraum
verwerten kann, seinen Wert reproduzieren und vervielfältigen“. (443)
Von der Geschwindigkeit der Zirkulation hängt die Geschwindigkeit
ab, worin der Produktionsprozeß sich wiederholt, also Werte geschaf-
fen werden. „Die Zirkulationszeit erscheint also als Schranke der
Produktivität der Arbeit = Vermehrung der notwendigen Arbeits-
zeit = Verminderung der Surplusarbeitszeit = Verminderung des
Surpluswerts = Hemmung, Schranke des Selbstverwertungsprozesses
des Kapitals.“ (445) „Die Zirkulation des Kapitals ist wertrealisierend,
wie die lebendige Arbeit wertschaffend. Die Zirkulationszeit ist nur
eine Schranke dieser Wertrealisierung und insofern der Wertschöp-
fung.“ (448) Diese Schranke ist nicht eine aus der Produktion über-
haupt hervorgehende, sondern eine der Produktion des Kapitals spe-
zifische Schranke, deren Aufhebung im Kredit angestrebt ist. Das
Durchlaufen der verschiedenen Phasen der Zirkulation des Kapitals
erscheint „als Schranke der Produktion, durch die spezifische Natur
des Kapitals selbst gesetzte Schranke. Alles, was durch die Beschleu-
nigung und Abkürzung der Zirkulationszeit geschehn kann – des
Zirkulationsprozesses –, ist, die durch die Natur des Kapitals gesetz-
te Schranke zu reduzieren.“ (450) Nun ist aber die „Zirkulationszeit,
– d. h. die Zeit, die das Kapital getrennt von dem Prozeß [verbringt],
worin es die Arbeit in sich absorbiert – d. h. die Arbeitszeit des Ka-
pitals als Kapital – nur Umsetzen des vorausgesetzten Werts aus ei-
ner Formbestimmung in die andre, aber nicht wertschaffendes, -ver-
mehrendes Element“. (563). Zirkulationszeit kann den vom Kapital
geschaffenen Wert nicht vermehren, „sondern nur nicht wertsetzende
Zeit setzen, also als Schranke erscheinen der Wertvermehrung, im
selben Verhältnisse, worin sie zur Arbeitszeit steht“. (560) Die

292
Kreislaufprozeß des Kapitals
Zirkulationszeit gehört nicht zu den Produktionskosten des Kapitals,
„aber sie ist erschwerende Bedingung seiner Selbstreproduktion“. (560)
„Die Zirkulationszeit ist die Zeit des Kapitals, die als die Zeit seiner
spezifischen Bewegung als Kapital betrachtet werden kann im Un-
terschied von der Produktionszeit, worin es sich reproduziert; dau-
ert, nicht als fertiges Kapital, das nur formelle Umwandlungen zu
durchlaufen hat, sondern als prozessierendes, schöpferisches, seine
Lebensseele aus der Arbeit saugendes Kapital.“ (561)

** Kontinuität des Phasenwechsels


Damit das System in seiner Selbstbewegung bleibt, muß der Über-
gang aus einer Phase in die andere gelingen. „Die beständige Konti- Übergang aus einer
nuität des Prozesses, das ungehinderte und flüssige Übergehn des Phase in die andere
Werts aus einer Form in die andre oder einer Phase des Prozesses in – Möglichkeit von
Störungen
die andre erscheint als Grundbedingung für die auf das Kapital ge-
gründete Produktion in einem ganz andren Grade als bei allen frühren
Formen der Produktion.“ (441) Allerdings kann nun dieser Vorgang
reibungslos erfolgen, er muß es aber nicht. „Andrerseits, während
die Notwendigkeit dieser Kontinuität gesetzt ist, fallen die Phasen
der Zeit und dem Raum nach auseinander als besondre, gegeneinan-
der gleichgültige Prozesse. Es erscheint so zufällig für die auf das
Kapital gegründete Produktion, ob oder ob nicht ihre wesentliche
Bedingung, die Kontinuität der verschiednen Prozesse, die ihren
Gesamtprozeß konstituieren, hergestellt wird.“ (441)

** Andere Bestimmungen des Kreisprozesses


Der Kreislaufprozeß historisch bestimmter Systeme, der Selbst-
bewegung ist, weist eine Vielzahl von Bestimmungen auf, die unter
dem Aspekt zu prüfen sind, in welcher Hinsicht sie in der Dialektik
als allgemeiner Denkmethode berücksichtigt werden müssen. Marx
behandelt in den „Grundrissen“ einige Bestimmungen, die später im
„Kapital“ detaillierter ausgeführt werden. Dies betrifft zum Beispiel
die Behandlung der Prozesse in Produktion und Zirkulation als
Massenprozesse („die vielen Kapitale“), die Störungen im Kreislauf-
prozeß, wie sie sich in den Krisen darstellen usw. Sie werden in der
Darstellung der dialektischen Methode von Marx behandelt werden.

293
System und Geschichte. Neue Bestimmungen
der dialektischen Methode von Marx

Die Selbstbewegung historisch bestimmter Systeme wurzelt in dem


Basisprozeß, in dem sie ihre Selbständigkeit gegen die ihnen voraus-
gesetzten Systeme gewinnen. Die Einsicht in die Veränderlichkeit
des Basisprozesses führt zu Bestimmungen der dialektischen Me-
thode, die im Vergleich zur Hegelschen Betrachtung des einen und
allumfassenden Systems völlig neu sind. Die Untersuchung der Selbst-
bewegung eines gegebenen historisch bestimmten Systems bezieht
sich nun auf: 1. die geschichtliche Herausbildung dieses Systems,
2. auf seine Entwicklung als solches und 3. auf die damit verbundene
Erzeugung der Voraussetzungen für den Übergang in ein neues Sy-
stem. Diese Thematik kann hier nicht systematisch abgehandelt wer-
den. Einige Problemstellungen mit Bezug auf die Bestimmung des
Wesens sollen die Denkrichtung verdeutlichen.

Selbstbewegung und Entstehen historisch bestimmter Systeme


Für die Dialektik als Methode zur Erforschung historisch bestimm-
ter selbständiger Systeme wird die Frage nach dem Entstehungspro-
zeß neuer sich selbst bewegender Systeme relevant, die Frage nach
den Bestimmungen dieses Prozesses und nach der Art und Weise
seines Erkennens.
Erst bei einem gewissen Reifegrad des Basisprozesses wird das
jeweilige System möglich. Auf dieser Grundlage wird das Entstehen
des Systems begreiflich. Doch maßgeblich für das gedankliche Er-
fassen seines Herausbildungsprozesses ist die Einsicht in sein We-
sen, das ihm als gewordenem innewohnt. So ist die Bestimmung der
differentia specifica des Kapitals theoretische Voraussetzung für das
Begreifen seiner Geschichte. Generell gilt: „Die differentia specifica
anzugeben, ist hier sowohl logische Entwicklung als Schlüssel zum
Verständnis der historischen.“ (573) Marx spricht in den „Grundris-

294
Selbstbewegung und Systementstehung
sen“ in diesem Zusammenhang prononciert von „unsrer Methode“:
somit, „was viel wichtiger für uns ist, zeigt unsre Methode die Punk-
te, wo die historische Betrachtung hereintreten muß ...“. (373)

* Beziehung zwischen dem Wesen des Systems


und seiner Entstehungsgeschichte
Die Bestimmung des Wesens des bürgerlichen Produktionssystems
zeigt die Punkte, „wo die bürgerliche Ökonomie als bloß historische
Gestalt des Produktionsprozesses über sich hinausweist auf frühre
historische Weisen der Produktion. Es ist daher nicht nötig, um die
Gesetze der bürgerlichen Ökonomie zu entwickeln, die wirkliche
Geschichte der Produktionsverhältnisse zu schreiben. Aber die rich-
tige Anschauung und Deduktion derselben als selbst historisch gewordner
Verhältnisse führt immer auf erste Gleichungen – wie die empirischen
Zahlen z. B. in der Naturwissenschaft –, die auf eine hinter diesem Sy-
stem liegende Vergangenheit hinweisen. Diese Andeutungen, zugleich
mit der richtigen Fassung des Gegenwärtigen, bieten dann auch den
Schlüssel für das Verständnis der Vergangenheit ...“ (373)
Die Betrachtung des „gewordenen Verhältnisses“, des Geworden-
seins des Werts zu Kapital und der lebendigen Arbeit als ihm bloß
gegenüberstehenden Gebrauchswerts, ist so die theoretische Bedin-
gung für das Begreifen des „ursprünglichen Verhältnisses“ (373f., Erkenntnis des
375). Da das Kapitalverhältnis die Scheidung zwischen den Arbei- Wesens des
tern und den Verwirklichungsbedingungen der Arbeit voraussetzt, Systems und
Begreifen seines
kann der historische Prozeß, der das Kapitalverhältnis schafft, nichts Entstehungs-
anderes sein als der Scheidungsprozeß des Arbeiters vom Eigentum prozesses
an seinen Arbeitsbedingungen. Aus der Kenntnis des Wesens des
Systems wird sein Entstehungsprozeß begreiflich. Marx stellt diesen
Prozeß in den „Grundrissen“ und später im „Kapital“ als die soge-
nannte ursprüngliche Akkumulation dar, eine Akkumulation, die nicht
das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern ihr
Ausgangspunkt (371ff., 383ff.).80
Marx gewinnt in diesen Untersuchungen Erkenntnisse über die Wie die „Urbildung“
Art und Weise, in der ein neues historisch bestimmtes System und des neuen Systems
sein Wesen entstehen. Das neue Wesen entsteht oder seine „Ur-
erfolgt
bildung“ geschieht nicht dadurch, daß es die Faktoren, die in ihm in
Beziehung gesetzt sind, von ihm überhaupt erst geschaffen werden.

80 Vgl. auch: Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23, S. 741ff.

295
System und Geschichte in der dialektischen Methode von Marx
Sie sind im Ergebnis vorangegangener Prozesse vorhanden. Die
Urbildung des neuen Wesens geschieht vielmehr dadurch, daß das
Vorhandene in eine neue Beziehung zueinander gesetzt wird, not-
wendig geworden durch die Bedingungen, die Resultat vorhergehen-
der Auflösung alter Systeme sind. So geht die Urbildung des Kapi-
tals nicht so vor sich, „daß das Kapital die objektiven Bedingungen
der Arbeit schafft. Sondern seine Urbildung geschieht einfach da-
durch, daß der als Geldvermögen existierende Wert durch den histo-
rischen Prozeß der Auflösung der alten Produktionsweise befähigt
wird, einerseits zu kaufen die objektiven Bedingungen der Arbeit,
anderseits die lebendige Arbeit selbst gegen Geld von den frei-
gewordnen Arbeitern einzutauschen. Alle diese Momente sind vor-
handen; ihre Scheidung selbst ist ein historischer Prozeß, ein Auflö-
sungsprozeß, und es ist dieser, der das Geld befähigt, sich in Kapital
zu verwandeln.“ (414) Die neue Kombination vorhandener Fakto-
ren, die Formierung des neuen Gegensatzes des Wesens muß den
Entwicklungserfordernissen des Basisprozesses entsprechen.

* Unterscheidung zwischen vorgefundenen


und selbst gesetzten Voraussetzungen
Doch nicht nur ist die Einsicht in das Wesen des schon gewordenen
Systems Bedingung für das Verständnis seiner Entstehungsgeschichte.
Einblick in die Umgekehrt ist der Einblick in diese Entstehungsgeschichte auch
Entstehungs- Bedingung für die Bestimmung des Wesens in seiner Selbstbewegung.
geschichte und In diesem Zusammenhang gewinnt die Unterscheidung zwischen
Bestimmung des
Wesens in seiner vorgefundenen Voraussetzungen, von denen es in seiner Entstehung
Selbstbewegung ausgeht, und den Voraussetzungen als von ihm selbst gesetzten ihre
prinzipielle Bedeutung. Diese Unterscheidung ist erkenntnisleitend
bei der Behandlung der Beziehung zwischen Unmittelbarkeit und
absoluter Negativität. Soweit das Unmittelbare ein Vorgefundenes,
vom Wesen Unabhängiges ist, soweit geht es dem Wesen historisch
voraus, und von ihm erfolgt der Übergang zum Wesen. Es ist be-
zeichnend für die wissenschaftliche Genauigkeit Hegels, daß er die-
ses Problem exakt faßt und löst, obwohl es im Übergangsfeld zwi-
schen historisch bestimmten Systemen angesiedelt ist und sich
eigentlich bei der Betrachtung des von ihm angenommenen einzigen
und allumfassenden Systems nicht stellt, es sei denn in der Weise,
daß alle Beziehungen immer schon gleichzeitig vorhanden sind, aber
vom Denken nur schrittweise nacheinander zu erfassen sind.

296
Selbstbewegung und Systementstehung
Marx begreift die Beziehung zwischen der Zirkulation von Ware
und Geld und der Selbstbewegung des Werts im Produktionsprozeß
als Entstehungsprozeß des Kapitals. „Das Kapital, soweit wir es hier
betrachten, als zu unterscheidendes Verhältnis von Wert und Geld ist
das Kapital im allgemeinen, d. h. der Inbegriff der Bestimmungen,
die den Wert als Kapital von sich als bloßem Wert oder Geld unter-
scheiden. Wert, Geld, Zirkulation etc., Preise etc. sind vorausgesetzt,
ebenso Arbeit etc. ... Wir wohnen seinem Entstehungsprozeß bei.
Dieser dialektische Entstehungsprozeß ist nur der ideale Ausdruck
der wirklichen Bewegung, worin das Kapital wird. Die späteren Be-
ziehungen sind als Entwicklung aus diesem Keim heraus zu betrach-
ten. Aber es ist nötig, die bestimmte Form zu fixieren, auf der es auf
einem gewissen Punkt gesetzt ist. Sonst entsteht Konfusion.“ (231)
Die Darstellung des Gegensatzes von Kapital und Lohnarbeit als
zunächst gegebenem, vorgefundenem und seiner Reproduktion aus
dem Produkt des kapitalistischen Produktionsprozesses bis hin zu
seiner Selbstreproduktion im erneuten Produktionsprozeß hatte schon
gezeigt, wie sich die vorgefundene in die selbst gesetzte Vorausset-
zung verwandelte. Generell ist dabei zu differenzieren zwischen Vor-
gefundenem, das historisch verschwindet, und solchem, das repro-
duziert wird, weil es notwendige Komponente des Prozesses der
Selbstbewegung ist.
Besteht das Kapital aus vergegenständlichter Surplusarbeit, die Voraussetzungen
sich der Sache nach in die objektiven Bedingungen für neue Verwer- des Werdens des
tung der Arbeit und in einen Arbeitsfonds zur Erhaltung des lebendi- Kapitals und von ihm
selbst gesetzte
gen Arbeitsvermögens als eines lebendigen scheidet, so setzt es sei- Voraussetzungen
ne Voraussetzung selbst. Somit sind „die noch außerhalb der seiner Erhaltung und
Bewegung des wirklichen Kapitals liegenden Voraussetzungen des seines Wachsens
in Kapital übergehenden Geldes verschwunden“, und das Kapital hat
„daher in fact die Bedingungen selbst, seinem immanenten Wesen
gemäß gesetzt hat, von denen es in der Produktion ausgeht“. (371f.)
Jetzt „gehört die Bedingung, daß der Kapitalist durch eigne Arbeit
oder sonstwie – nur nicht durch schon vorhandne, vergangne Lohn-
arbeit – geschaffne Werte in die Zirkulation hereinbringen muß, um
sich als Kapital zu setzen – zu den antediluvianischen Bedingungen
des Kapitals; zu seinen historischen Voraussetzungen, die eben als
solche historische Voraussetzungen vergangne sind und daher der
Geschichte seiner Bildung angehören, keineswegs aber zu seiner
kontemporären Geschichte, d. h. nicht in das wirkliche System der
von ihm beherrschten Produktionsweise gehören“. (372)

297
System und Geschichte in der dialektischen Methode von Marx
Als Analogie nennt Marx das Weglaufen der Leibeignen in die
Städte als eine der historischen Bedingungen und Voraussetzungen
des Städtewesens, das aber keine Bedingung, kein Moment der Wirk-
lichkeit des ausgebildeten Städtewesens ist, sondern zu seinen
vergangnen Voraussetzungen gehört, den Voraussetzungen seines
Werdens, die in seinem Dasein aufgehoben sind. „Die Bedingungen
und Voraussetzungen des Werdens, des Entstehns des Kapitals unter-
stellen eben, daß es noch nicht ist, sondern erst wird; sie verschwin-
den also mit dem wirklichen Kapital, mit dem Kapital, das selbst,
von seiner Wirklichkeit ausgehend, die Bedingungen seiner Verwirk-
lichung setzt. So z. B., wenn bei dem ursprünglichen Werden des
Geldes oder des für sich seienden Werts zu Kapital eine Akkumula-
tion – sei es durch Ersparung an den durch eigne Arbeit geschaffnen
Produkten und Werten etc. – auf seiten des Kapitalisten vorausge-
setzt ist, die er als Nichtkapitalist vollbracht hat – wenn also die Vor-
aussetzungen des Werdens des Geldes zu Kapital als gegebne äußre
Voraussetzungen für die Entstehung des Kapitals erscheinen – so,
sobald das Kapital als solches geworden ist, schafft es seine eignen
Voraussetzungen, nämlich den Besitz der realen Bedingungen für
Schöpfung von Neuwerten ohne Austausch – durch seinen eignen
Produktionsprozeß. Diese Voraussetzungen, die ursprünglich als
Bedingungen seines Werdens erschienen – und daher noch nicht von
seiner Aktion als Kapital entspringen konnten – erscheinen jetzt als
Resultate seiner eignen Verwirklichung, Wirklichkeit, als gesetzt von
ihm nicht als Bedingungen seines Entstehens, sondern als Resultate
seines Daseins. Es geht nicht mehr von Voraussetzungen aus, um zu
werden, sondern ist selbst vorausgesetzt und, von sich ausgehend,
schafft die Voraussetzungen seiner Erhaltung und Wachstums selbst.“
(372) Die Bedingungen des Werdens des Kapitals „fallen nicht in
die Sphäre der Produktionsweise, der das Kapital als Voraussetzung
dient; liegen als historische Vorstufen seines Werdens hinter ihm,
ebenso wie die Prozesse, wodurch die Erde aus einem flüssigen Feu-
er- und Dunstmeer in ihre jetzige Form überging, jenseits ihres Le-
bens als fertige Erde liegen“. (373) Dies schließt nicht aus, daß ein-
zelne Kapitale immer noch z. B. durch hoarding entstehen. „Das hoard
wird aber erst in Kapital verwandelt durch Exploitation der Arbeit.“
(373) Marx verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß die bür-
gerlichen Ökonomen, die das Kapital als eine ewige und naturgemä-
ße, nicht historisch transitorische Form der Produktion betrachten,
die eben genannten Umstände in der Weise zur Rechtfertigung des

298
Veränderung des Wesens des Systems
Kapitals nutzen, daß sie „die Bedingungen seines Werdens als die
Bedingungen seiner gegenwärtigen Verwirklichung aussprechen, d.
h. die Momente, in denen der Kapitalist als Nicht-Kapitalist sich noch
aneignet – weil er erst wird – für die very conditions ausgeben, in
denen er als Kapitalist sich aneignet. Diese Versuche der Apologetik
beweisen böses Gewissen und die Ohnmacht, die Aneignungsweise
des Kapitals als Kapitals mit den von der Gesellschaft des Kapitals
selbst proklamierten allgemeinen Eigentumsgesetzen in Harmonie
zu bringen.“ (373)

Veränderung des Wesens des Systems in seiner Selbstbewegung


Neu in der Betrachtung historisch bestimmter Systeme ist dann auch
die Erfassung der Veränderung des Wesens selbst in seiner Selbst-
bewegung. Generell unterscheidet Marx das Entstehen des Systems,
in dem es selbständig wird, seine Entwicklung als selbständig auf
seiner eigenen Grundlage und seine Auflösung. „Solange das Kapi-
tal schwach ist, sucht es selbst noch nach den Krücken vergangner
oder mit seinem Erscheinen vergehnder Produktionsweisen. Sobald
es sich stark fühlt, wirft es die Krücken weg und bewegt sich seinen
eignen Gesetzen gemäß. Sobald es anfängt, sich selbst als Schranke
der Entwicklung zu fühlen und gewußt zu werden, nimmt es zu For-
men Zuflucht, die, indem sie die Herrschaft des Kapitals zu vollen-
den scheinen, durch Züglung der freien Konkurrenz zugleich die
Ankündiger seiner Auflösung und der Auflösung der auf ihm beru-
henden Produktionsweise sind.“ (551)
Hier sind einige Aspekte der Veränderungen nur anzudeuten.
Erstens. Das historisch bestimmte System hat sich herausgebildet Bewegung auf
oder ist geworden, sobald es sich auf seiner eigenen Grundlage be- eigener Grundlage –
wegt. Geht die bürgerliche Gesellschaft nicht mehr von historisch quantitative
Ausdehnung – dem
vorgefundenen Voraussetzungen aus, sondern setzt sie ihre Vorausset- Wesen gemäße
zungen selbst, so hat man es „mit der gewordnen, auf ihrer eigenen Ausprägung des
Grundlage sich bewegenden bürgerlichen Gesellschaft zu tun“. (178)81 Systems insgesamt

81 Diese Beziehung zwischen werdendem und gewordenem, vorhandenem, sich


selbst bewegendem System deckt Marx in den verschiedensten Bereichen auf. So
bemerkt er in der historischen Bewertung der sachlichen Abhängigkeitsverhältnis-
se, die mit der kapitalistischen Produktion herrschend werden, daß die Individuen
hier „noch in der Schöpfung der Bedingungen ihres sozialen Lebens begriffen sind,
statt von diesen Bedingungen aus es begonnen zu haben“. (95) Oder: Die große

299
System und Geschichte in der dialektischen Methode von Marx
Steht das neue System auf eigenen Füßen, hat also sein Wesen
sich herausgebildet, so hat es die Tendenz, sich quantitativ auszu-
dehnen und das System als Ganzes so zu formen, daß es dem Wesen
in seiner Selbstbewegung entspricht. So basiert das Wesen der kapi-
talistischen Produktion auf dem Gegensatz der objektiven Arbeits-
bedingungen gegen das lebendige Arbeitsvermögen, darauf, daß die
objektiven Arbeitsbedingungen als getrennte, verselbständigte Wer-
te gegen das lebendige Arbeitsvermögen als ihren Gebrauchswert
sich darstellen. „Diese Trennung einmal vorausgesetzt, kann der Pro-
duktionsprozeß sie nur neu produzieren, reproduzieren und auf größrer
Stufenleiter reproduzieren.“ (374) Die Verwandlung des Geldes in
Kapital hatte einen historischen Prozeß vorausgesetzt, der die objek-
tiven Bedingungen der Arbeit gegen den Arbeiter verselbständigte;
„Effekt des einmal entstandnen Kapitals und seines Prozesses“ ist es,
„sich alle Produktion zu unterwerfen und überall die Scheidung zwi-
schen Arbeit und Eigentum, zwischen der Arbeit und den objektiven
Bedingungen der Arbeit zu entwickeln und durchzuführen“. (419)
Der andere Punkt, die Formierung des ganzen Systems so, daß es
dem Wesen entspricht, geht schon über die hier diskutierte Grund-
struktur des Selbstbewegungsprozesses hinaus, soll aber wenigstens
erwähnt werden, weil er die Entwicklung des Wesens betrifft. Marx
schreibt hierzu: „Es ist zu bedenken, daß die neuen Produktivkräfte
und Produktionsverhältnisse sich nicht aus Nichts entwickeln noch
aus der Luft, noch aus dem Schoß der sich selbst setzenden Idee;
sondern innerhalb und gegensätzlich gegen vorhandne Entwicklung
der Produktion und überlieferte, traditionelle Eigentumsverhältnis-
se. Wenn im vollendeten bürgerlichen System jedes ökonomische
Verhältnis das andre in der bürgerlich-ökonomischen Form voraus-

Industrie mußte dazu übergehen, Maschinen durch Maschinen zu produzieren und


schuf sich so erst ihre adäquate technische Unterlage und stellte sich auf ihre eigenen
Füße (vgl.: Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23, S. 405). In den
„Theorien über den Mehrwert“ stellt Marx einen im Hinblick auf unser Thema interes-
santen Vergleich an. „Sofern sich das Kapital – nicht ein bestimmtes Kapital, sondern
das Kapital überhaupt – erst bildet, ist sein Bildungsprozeß der Auflösungsprozeß, das
Scheidungsprodukt der ihm vorhergehenden gesellschaftlichen Produktionsweise. Also
historischer Prozeß und bestimmter historischer Periode angehöriger Prozeß. Dies ist
seine historische Genesisperiode.“ (MEW, Bd. 26.3, S. 482) Damit vergleicht er die
Geschichte des Menschen: „So das Dasein des Menschen das Resultat eines frühern
Prozesses, den das organische Leben durchlaufen hat. Erst auf einem gewissen Punkt
wird er Mensch. Aber den Menschen einmal gesetzt, ist er, als beständige Vorausset-
zung der Menschengeschichte, ebenso ihr beständiges Produkt und Resultat, und er ist
Voraussetzung nur als sein eignes Produkt und Resultat.“ (Ebenda, S. 482)

300
Entwicklung und Aufhebung des Systems
setzt und so jedes Gesetzte zugleich Voraussetzung ist, so ist das mit
jedem organischen System der Fall. Dies organische System selbst als
Totalität hat seine Voraussetzungen, und seine Entwicklung zur Totali-
tät besteht eben [darin], alle Elemente der Gesellschaft sich unterzuord-
nen oder die ihm noch fehlenden Organe aus ihr heraus zu schaffen. Es
wird so historisch zur Totalität. Das Werden zu dieser Totalität bildet
ein Moment seines Prozesses, seiner Entwicklung.“ (203)
Zweitens sei daran erinnert, daß die Realisierung des Wesens, die Einwirkung auf den
Sicherung der Selbsterhaltung des Negativen quantitative Verände- Basisprozeß
rungen im Basisprozeß auslöst, die sich als quantitative Veränderun-
gen im systemspezifischen Prozeß des Negierens darstellen. In dem
Maße, wie diese Veränderungen fortschreiten, kann die Selbsterhal-
tung des Negativen nicht nur als Schranke, sondern als unüberschreit-
bare Grenze für weitere Veränderungen sich so geltend machen, daß
das Funktionieren des Widerspruchs des Wesens empfindlich gestört
wird. Dieser Vorgang hat zugleich eine qualitative Seite, wenn die
Realisierung des Zwecks des Systems nicht allein quantitative Ver-
änderungen, sondern eine Veränderung der Art und Weise des Basis-
prozesses bewirkt. Marx weist für das kapitalistische Produktions-
system nach, wie der Basisprozeß so umgestaltet wird, daß er dem
Wesen adäquat wird (592f.).
Drittens ist im Ergebnis der Analyse der Beziehung zwischen dem Historische
Wesen des Systems in seiner Selbstbewegung und dem Basisprozeß Berechtigung des
nachzuweisen, inwiefern das gegebene System historisch berechtigt Systems
ist und wann es gegebenenfalls diese Berechtigung verliert.

Entwicklung und Aufhebung des Systems


Mit Blick auf „unsre Methode“ betont Marx, daß die „richtige Be-
trachtung“, die „richtige Fassung des Gegenwärtigen“ als historisch
geworden, d. h. nicht nur als entstanden, sondern auch als auf seiner
eigenen Grundlage vorangeschritten, zu Punkten führt, „an denen
die Aufhebung der gegenwärtigen Gestalt der Produktionsverhält-
nisse – und so foreshadowing der Zukunft, werdende Bewegung sich
andeutet. Erscheinen einerseits die vorbürgerlichen Phasen als nur
historische, i. e. aufgehobne Voraussetzungen, so die jetzigen Be-
dingungen der Produktion als sich selbst aufhebende und daher als
historische Voraussetzungen für einen neuen Gesellschaftszustand
setzende.“ (373)

301
System und Geschichte in der dialektischen Methode von Marx
Wie das bürgerliche Marx erläutert dies für das bürgerliche Produktionssystem. Der
Produktionssystem Zwang zur Mehrarbeit, den das Kapital auf die Arbeit ausübt, ist
selbst die eine Grundkomponente der Entwicklung dieses historisch bestimm-
Bedingungen seiner
Überflüssigmachung ten Systems. Seine Betrachtung zeigt, wie dieses Produktionssystem
erzeugt seine geschichtliche Berechtigung hat und zugleich selbst die Bedin-
gungen seiner Überflüssigmachung erzeugt. Das ist wieder ein Aspekt,
der bei der Betrachtung des einzigen, allumfassenden Systems außer
acht bleiben muß. Es ist also „die große geschichtliche Seite des Ka-
pitals“, „diese Surplusarbeit, überflüssige Arbeit vom Standpunkt
des bloßen Gebrauchswerts, der bloßen Subsistenz aus, zu schaffen“
(244). Die „historische Berechtigung“ des Kapitals hat sich erfüllt,
erstens, sobald „die Bedürfnisse so weit entwickelt sind, daß die
Surplusarbeit über das Notwendige hinaus selbst allgemeines Be-
dürfnis ist, aus den individuellen Bedürfnissen selbst hervorgeht“;
zweitens, wenn „die allgemeine Arbeitsamkeit durch die strenge Dis-
ziplin des Kapitals, wodurch die sich folgenden Geschlechter durch-
gegangen sind, entwickelt ist als allgemeiner Besitz des neuen Ge-
schlechts“; drittens, wenn „die Entwicklung der Produktivkräfte der
Arbeit“ so weit gediehen ist, „daß der Besitz und die Erhaltung des
allgemeinen Reichtums“ nur „eine geringre Arbeitszeit für die ganze
Gesellschaft erfordert und die arbeitende Gesellschaft sich wissen-
schaftlich zu dem Prozeß ihrer fortschreitenden Reproduktion, ihrer
Reproduktion in stets größrer Fülle verhält; also die Arbeit, wo der
Mensch in ihr tut, was er Sachen für sich tun lassen kann, aufgehört
Konflikt des hat“. (244) Gerät der Selbsterhaltungsprozeß des gegebenen Systems
Selbsterhaltungs- in Konflikt mit der Entwicklung des Basisprozesses, so stehen grund-
prozesses des legende Veränderungen an. „Über einen gewissen Punkt hinaus wird
gegebenen Systems
mit dem Basisprozeß die Entwicklung der Produktivkräfte eine Schranke für das Kapital;
also das Kapitalverhältnis eine Schranke für [die] Entwicklung der
Produktivkräfte der Arbeit. Auf diesem Punkt angelangt, tritt das
Kapital, d. h. Lohnarbeit, in dasselbe Verhältnis zur Entwicklung des
gesellschaftlichen Reichtums und der Produktivkräfte wie Zunft-
wesen, Leibeigenschaft, Sklaverei und wird als Fessel notwendig
abgestreift. Die letzte Knechtsgestalt, die die menschliche Tätigkeit
annimmt, die der Lohnarbeit auf der einen, des Kapitals auf der andren
Seite, wird damit abgehäutet, und diese Abhäutung selbst ist das
Resultat der dem Kapital entsprechenden Produktionsweise; die
materiellen und geistigen Bedingungen der Negation der Lohnarbeit
und des Kapitals, die selbst schon die Negation frührer Formen der
unfreien gesellschaftlichen Produktion sind, sind selbst Resultate

302
Entwicklung und Aufhebung des Systems
seines Produktionsprozesses.“ (641f.) Die historische Überlebtheit
des bürgerlichen Produktionssystems tritt offen zutage, wenn die
Vernichtung von Kapital zur Bedingung seiner Selbsterhaltung wird:
„In schneidenden Widersprüchen, Krisen, Krämpfen drückt sich die
wachsende Unangemessenheit der produktiven Entwicklung der
Gesellschaft zu ihren bisherigen Produktionsverhältnissen aus. Ge-
waltsame Vernichtung von Kapital, nicht durch ihm äußere Verhält-
nisse, sondern als Bedingung seiner Selbsterhaltung, ist die schla-
gendste Form, worin ihm advice gegeben wird, to be gone and to
give room to a higher state of social production.“ (642)
Grundlegende Veränderungen im Basisprozeß sind somit Voraus- Grundlegende
setzung für den Übergang zu einem anderen, höheren System: Veränderungen im
„... wenn wir nicht in der Gesellschaft, wie sie ist, die materiellen Basisprozeß als
Voraussetzung für
Produktionsbedingungen und ihnen entsprechenden Verkehrsverhält- den Systemwechsel
nisse für eine klassenlose Gesellschaft verhüllt vorfänden, wären alle
Sprengversuche Donquichoterie.“ (93) Das Scheitern des großen Aus-
bruchversuchs aus dem kapitalistischen System, der 1917 begann, in
einer Vielzahl von Ländern ist letztlich dadurch bedingt, daß die
Revolution in industriell weniger entwickelten Gebieten begann, aber
allein blieb, weil sie in den industriell fortgeschrittenen Ländern,
speziell in Deutschland, verhindert wurde. Aus Gründen, die hier
nicht analysiert werden können, war das neu entstandene System in
jenen Ländern auch nicht imstande, Wege zu finden, auf denen es
aufgeholt hätte und die Produktionsentwicklung im Weltmaßstab zu
bestimmen imstande gewesen wäre. Sie scheiterten daher in der
Systemauseinandersetzung, und in ihrem Bereich machte die Gesell-
schaft die Wende in das alte System. Aufhebung des
Unterstrichen werden soll hier, daß die Bedingungen der Produk- Wesens des alten
tion, d. h. das spezifische Wesen des gegebenen Systems, resultie- Systems – wie ist
der Gegensatz und
rend aus dem Gegensatz der objektiven Arbeitsbedingungen gegen Widerspruch des
das lebendige Arbeitsvermögen, sich als solche Bedingungen selbst Wesens im neuen
aufheben, was bedeutet, daß sie nicht länger geeignet sind für die System zu
Bewältigung des Basisprozesses. Sie setzen sich so als historische bestimmen?
Voraussetzungen für einen neuen Gesellschaftszustand, und es fragt
sich, wie die vorhandenen Komponenten der gesellschaftlichen Pro-
duktion auf neue Weise zueinander in Beziehung zu setzen sind und
wessen Aktion dies ist, wie also der neue Gegensatz strukturiert sein
wird, der sich im Prozeß des Negierens als Widerspruch setzt und
löst und so die Quelle der Lebendigkeit des neuen Systems ist. Sind
die nötigen Voraussetzungen im Basisprozeß herangereift, so kann

303
System und Geschichte in der dialektischen Methode von Marx
das alte System nur aufgehoben werden, wenn sein Wesen praktisch
negiert wird. Ziemlich am Anfang der „Grundrisse“ hatte Marx in
seiner Polemik gegen die Proudhonisten als die „Grundfrage“ her-
ausgestellt: „Können durch Änderungen im Zirkulationsinstrument
– in der Organisation der Zirkulation – die bestehenden Produktions-
verhältnisse und die ihnen entsprechenden Distributionsverhältnisse
revolutioniert werden? Fragt sich weiter: Kann eine solche Transfor-
mation der Zirkulation vorgenommen werden, ohne die bestehnden
Produktionsverhältnisse und die auf ihnen beruhenden gesellschaft-
lichen Verhältnisse anzutasten?“ (58) Die Analyse des Selbstbewe-
gungsprozesses des Kapitals hat zur revolutionären Konsequenz, daß
grundlegende Veränderungsversuche am Wesen ansetzen, d. h. auf
die Aufhebung des Verhältnisses von Kapital und Lohnarbeit gerich-
tet sein müssen.
Setzt die Kritik am Wesen des bürgerlichen Produktionssystems
an, so muß auch die Konstruktion des neuen Produktionssystems
dessen Wesen zu bestimmen suchen. Die Gegenüberstellung auf der
Ebene des Wesens ist keineswegs etwa die von Warenproduktion ei-
nerseits und Nichtwarenproduktion andererseits, wie mitunter gemeint
wird. Marx formuliert diese Gegenüberstellung in den „Grundris-
sen“ so: „Damit die Arbeit sich wieder zu ihren objektiven Bedin-
gungen als ihrem Eigentum verhalte, muß ein andres System an die
Stelle des Systems des Privataustauschs treten, der, wie wir gesehn,
Austausch von vergegenständlichter Arbeit gegen Arbeitsvermögen
und darum Aneignung der lebendigen Arbeit ohne Austausch setzt.“
(417) Hinsichtlich des Systems, das das alte ablöst, ergibt sich die
Frage nach dem Gegensatz und Widerspruch seines Wesens als Be-
dingung seiner Existenzfähigkeit, Lebendigkeit, Perspektive. Das be-
trifft den Kern der Diskussion über den untergegangenen Sozialis-
mus. Es ist zu prüfen, inwiefern es eben nicht gelungen ist, eine
historisch neue Stufe des Gegensatzes und seines Widerspruchs zu
finden, die die Lebendigkeit des Gesellschaftssystems sicherten.
Dabei ist Gegensatz im Wesen des Produktionssystems nicht auf ewig
Klassengegensatz. Aber ohne Gegensatz und seinen Widerspruch im
Wesen der ökonomischen Basis der Gesellschaft ist das System nicht
entwicklungsfähig. Die Diskussion dringt nicht zum Kern des Pro-
blems vor, wenn sie sich nur auf den abgeleiteten Aspekt des Ver-
hältnisses von Planung und Ware-Geld-Beziehungen erstreckt, und
von daher allein war der vergangene Sozialismus nicht reformierbar.
Die theoretische Bestimmung des Gegensatzes und seines Wider-

304
Entwicklung und Aufhebung des Systems
spruchs im Wesen eines historisch neuen Produktionssystems ist
unerläßlich für die Orientierung praktischer Opposition im kapitali-
stischen System. Denn es fragt sich, ob und wie bestimmte Maßnah-
men nicht nur neue Bewegungsformen für den Widerspruch im We-
sen des vorhandnen Systems bewirken, sondern auch die Bedingungen
für den Übergang zu neuem Wesen mit neuem Gegensatz und Wider-
spruch schaffen. Praktische Maßnahmen im Interesse der Arbeiten-
den sind daher unter diesem doppelten Aspekt zu beurteilen: wie sie
unter den gegebenen Verhältnissen diesen Interessen dienen können
und wie sie dem Emanzipationsinteresse förderlich sind.
Abschließend sei noch bemerkt, daß der revolutionäre Charakter Revolutionärer
der Dialektik hervortritt, sobald sie als Methode zur Untersuchung Charakter der
historisch bestimmter Systeme erarbeitet wird, weil damit der Pro- Dialektik
zeß ihres Entstehens, ihres Aufstiegs und Niedergangs, ihrer Ablö-
sung bzw. ihres Übergangs in neue, höhere Systeme in den Blick
rückt. In dieser Perspektive werden die Akzente begreiflich, die Marx
bei der Kennzeichnung seiner Methode setzte. Sie beziehen sich ge-
nau auf die gegensätzlichen Charaktere einer idealistischen Dialek-
tik, die mit Bezug auf ein als einzig und allumfassend angenomme-
nes System dargestellt wird, und einer materialistischen Dialektik,
die als Methode zur Erforschung historisch bestimmter Systeme ent-
wickelt wird. „In ihrer mystifizierten Form ward die Dialektik deut-
sche Mode, weil sie das Bestehende zu verklären schien. In ihrer
rationellen Gestalt ist sie dem Bürgertum und seinen doktrinären
Wortführern ein Ärgernis und ein Greuel, weil sie in dem positiven
Verständnis des Bestehenden zugleich auch das Verständnis seiner
Negation, seines notwendigen Untergangs einschließt, jede gewordne
Form im Flusse der Bewegung, also auch nach ihrer vergänglichen
Seite auffaßt, sich durch nichts imponieren läßt, ihrem Wesen nach
kritisch und revolutionär ist.“82 Die exakte Klärung der Bestimmun-
gen, die der Prozeß der Systemauflösung als Entstehung der Voraus-
setzungen für das nächste System, der Prozeß des Übergangs von
vorhandenen zu neuen oder der Ablösung veralteter durch neue Sy-
steme hat, ist eine der wichtigsten Richtungen, in der an der dialekti-
schen Methode weitergearbeitet werden sollte.

82 Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. Nachwort zur zweiten Auflage. In: MEW,
Bd. 23, S. 27f.

305
ANHANG

Dialektische Methode im Fragment des Urtextes


„Zur Kritik der politischen Ökonomie“ (1858)

Marx verfaßte den Urtext von „Zur Kritik der politischen Ökono-
mie“, der jetzt unter dem Aspekt der Theorie der Selbstbewegung zu
analysieren sein wird, im Zeitraum September bis November 185883.
Der Teil des Urtextes, der hier speziell interessiert, nämlich die
Darstellung des Übergangs vom Geld zum Kapital, lag schon außer-
halb des Gegenstandes des Buches „Zur Kritik der politischen Öko-
nomie“, das 1859 bei Duncker in Berlin erschien.
Es gilt wieder, die Bewegung des Kapitals zu begreifen, und zwar
als Geldsumme, die im Ergebnis bestimmter Prozesse größer ist als
sie am Anfang war. Das Kapital ist so sich selbst erhaltender und
verwertender Wert, dargestellt im Geld. Daher ist die Bewegung des
Geldes zu verfolgen in der Absicht herauszufinden, unter welchen
Bedingungen sie Selbsterhaltung und Selbstverwertung des Werts,
also Selbstbewegung des Kapitals wird.
Der in Punkt 6 behandelte „Übergang zum Kapital“ (919)84 um-
faßt hinsichtlich der Bewegungsformen der Dialektik, die hier me-
thodisch genutzt werden, den Übergang des Seins in das Wesen und
die Aufhebung dieses Übergehens im Wesen, die Verwandlung des
Rückkehrpunktes des selbständigen Negativen in den Ausgangspunkt
seiner Bewegung innerhalb der Unmittelbarkeit und die Formierung
der Voraussetzung des Prozesses des Negierens (1).

Einfache Zirkulation als seiende Unmittelbarkeit


Einfache Zirkulation Marx betrachtet jetzt den Zirkulationsprozeß in seiner Totalität, zu-
– formelle nächst als seiende Unmittelbarkeit, d. h. als die Bewegung vorhan-
Vermittlung von
Gebrauchswert und
Tauschwert 83 Vgl. :Vorwort in Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie,
Berlin 1953, S. XII.
84 Alle Seitenangaben in runden Klammern beziehen sich auf: Karl Marx: Frag-

306
Einfache Zirkulation – Unmittelbarkeit
dener Etwas, die sich auf sich beziehen. Als solche ist sie erstens nur
der formelle Prozeß, in dem die in der Ware unmittelbar zusammen-
und auseinanderfallenden Momente, also Gebrauchswert und Tausch-
wert, miteinander vermittelt werden. „Die Ware wechselt ab in jeder
der beiden Bestimmungen.“ (919) D. h. sie ist einmal als Gebrauchs-
wert da, der einen Tauschwert (Wert) hat, ausgedrückt im Preis: „So-
weit die Ware als Preis gesetzt ist, ist sie zwar auch Tauschwert, aber
ihr Dasein als Gebrauchswert erscheint als ihre Realität, ihr Dasein
als Tauschwert ist nur Beziehung derselben, ihr ideelles Dasein.“
(919) Das andere Mal ist sie als Wert da, der auch einen Gebrauchs-
wert hat: „Im Geld ist sie zwar auch Gebrauchswert, aber ihr Dasein
als Tauschwert erscheint als ihre Realität, da der Gebrauchswert als
allgemeiner nur ideeller ist.“ (919) So ergibt sich: „In der Ware hat
das Material einen Preis; im Geld besitzt der Tauschwert sein Mate-
rial.“ (919)
Zweitens weist die Zirkulation die Formen W – G – W und G – Die Formen
W – G auf. Betrachtet man das Ergebnis ihrer Bewegung, so ist zur W – G – W und
ersten Form festzustellen: „Die Ware, die sich vermittelst des Geldes G–W–G
gegen Ware ausgetauscht hat, tritt aus der Zirkulation heraus, um als
Gebrauchswert konsumiert zu werden. Ihre Bestimmung als Tausch-
wert und darum als Ware ist erloschen. Sie ist nun Gebrauchswert
als solcher.“ (919) Der Austausch des Geldes gegen Ware und ihre
Konsumtion als Gebrauchswert bedeutet zugleich das Verschwin-
den, das Vernichten ihres Werts. Die Bewegung der zweiten Form
endet im Geld. Wird die Ware „aber im Geld gegen die Zirkulation
verselbstständigt, so stellt sie nur noch die substanzlose allgemeine
Form des Reichtums dar und wird zu einem nutzlosen Gebrauchs-
wert, Gold, Silber, soweit sie nicht wieder als Kaufmittel oder Zah-
lungsmittel in die Zirkulation eingeht“. (919) Tritt der Tauschwert in
dieser Weise als verselbständigt aus der Zirkulation heraus, so steht
er gerade nicht mehr in Beziehung zur Warenwelt und hört auf,
Tauschwert zu sein, d. h. der Tauschwert verschwindet auch in die-
sem Falle. „Es ist in der Tat ein Widerspruch, daß der verselbstän-
digte Tauschwert – die absolute Existenz des Tauschwerts die sein
soll, worin er dem Austausch entzogen ist. Die einzige Realität, öko-
nomische, die die Schatzbildung in der Zirkulation besitzt, ist eine
subsidiäre für die Funktion des Geldes als Zirkulationsmittel (in den

ment des Urtextes von „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ (1858). In: Karl Marx:
Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953.

307
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
beiden Formen von Kauf- und Zahlungsmittel) – Reservoirs zu bil-
den, die die Möglichkeit der Expansion und Kontraktion der Currency
erlauben (also die Funktion des Geldes als allgemeine Ware).“ (919)
In der einfachen Solange Ware und Geld sich in den Grenzen der einfachen Zirku-
Zirkulation kein lation bewegen, erhält sich der Wert weder in seinem Dasein als Ware
Sicherhalten des noch in dem als Geld. „In der Zirkulation findet zweierlei statt. Es
Werts
werden Äquivalente ausgetauscht, also gleiche Wertgrößen; zugleich
aber werden die Bestimmungen der beiden Seiten gegeneinander
verwechselt“ (919). Für den Eigner des Geldes verschwindet der im
Geld fixierte Tauschwert, „sobald es in der Ware als Gebrauchswert
sich realisiert“; und für den Eigner der Ware verschwindet der in der
Ware existierende Gebrauchswert, „sobald sein Preis im Geld reali-
siert wird.“ (919) Damit ergibt sich: „Durch den einfachen Akt des
Austauschs kann jedes nur in seiner Bestimmung gegen das andre
verloren gehn, sobald es sich in ihm realisiert. Keines kann sich in
der einen Bestimmung erhalten, indem es in die andre übergeht.“
(919f.) Indem keines sich in seiner Bestimmung erhalten kann, kann
sich der Wert nicht erhalten. Durch diese Bewegung allein kann da-
her auch das Kapital nicht sein, dessen Selbstbewegung das Sich-
selbsterhalten und -vergrößern, d. h. die Selbstverwertung des Werts
ist.

Von der Warenzirkulation zur Warenproduktion –


von der Unmittelbarkeit zum Wesen. Das unmittelbare Sein
der einfachen Zirkulation als reiner Schein
Die Zirkulation aber weist selbst über sich hinaus. Als die Bewe-
gung vorhandener Werte ist sie Sein. Die Zirkulation aber kann nicht
aus sich bestehen. Die Waren in ihrer Bestimmtheit als Gebrauchs-
wert und Wert werden nicht in der Zirkulation erzeugt. Sie sind ihr
vorausgesetzt. Es ist daher nach ihrem Ursprung zu fragen, nach dem
Prozeß ihrer Erzeugung, der nicht in der Zirkulation stattfindet. Dies
Die einfache ist die Frage, die vom Sein zum Wesen führt. „Die Zirkulation in sich
Zirkulation als selbst betrachtet ist die Vermittlung vorausgesetzter Extreme. Aber
Ganzes der sie setzt diese Extreme nicht. Als Ganzes der Vermittlung, als totaler
Vermittlung selbst
vermittelt – Sein als Prozeß selbst muß sie daher vermittelt sein.“ (920) Die Zirkulation
Schein als Gesamtheit von Warenaustauschen, d. h. von Beziehungen vor-
handener Werte aufeinander, ist als Vermittlung in sich Unmittelbar-
keit. Diese Unmittelbarkeit ist die Beziehung vorausgesetzter, aber

308
Zirkulation – Sein als Schein
nicht von ihr selbst gesetzter Extreme; daher erweist sie sich als selbst
vermittelt. Sie ist Unmittelbarkeit, die nicht aus sich selbst besteht,
also Unmittelbarkeit des Nichtseins. „Ihr unmittelbares Sein ist
daher reiner Schein. Sie ist das Phänomen eines hinter ihrem Rük-
ken vorgehnden Prozesses.“ (920) Als Vermittlung ihr vorausgesetz-
ter Extreme ist sie unselbständige Bewegung, und als Phänomen des
Prozesses „hinter ihrem Rücken“ ist sie in der Selbstbewegung
des Wesens des bürgerlichen Produktionssystems aufgehoben: „Sie
ist jetzt negiert in jedem ihrer Momente, als Ware, als Geld und als
Beziehung beider, als einfacher Austausch beider, Zirkulation.“ (920)
Damit ist die Unmittelbarkeit als Vermittlung der Zirkulation in
sich nicht verschwunden; diese Bewegung findet nach wie vor statt.
Aber die „Wiederholung des Prozesses von beiden Punkten, Geld
und Ware, geht nicht aus den Bedingungen der Zirkulation selbst
hervor.“ (920) Denn wenn der Zirkulationsakt abgeschlossen ist, so
ist die Ware aus ihm herausgetreten, wird sie als Gebrauchswert kon-
sumiert, und das Geld ist aus ihr herausgefallen als substanzlose all-
gemeine Form des Reichtums. Ware und Geld sind zwar in der Be-
wegung der Zirkulation vorhandene Werte, aber im Ergebnis ihrer
Bewegung verschwinden sie. Der hinter der Zirkulation vorgehende „Prinzip der
Prozeß muß daher – ganz allgemein gefaßt – die Produktion der Wa- Selbsterneurung“
ren, also auch des Werts sein. Der Akt des Austauschs von Ware und
Geld „kann sich nicht an sich selbst von neuem entzünden. Die Zir-
kulation trägt daher nicht in sich selbst das Prinzip der Selbster-
neurung. Sie geht von vorausgesetzten Momenten aus, nicht von ihr
selbst gesetzten. Waren müssen stets von neuem und zwar von außen
her in sie geworfen werden, wie Brennmaterial ins Feuer. Sonst er-
löscht sie in Indifferenz. Sie erlösche in dem Geld als indifferentes
Resultat, das, insofern es nicht mehr in Bezug auf Waren, Preise,
Zirkulation stünde, aufgehört hätte Geld, ein Produktionsverhältnis
auszudrücken; von dem nur noch sein metallisches Dasein übrigge-
blieben, aber sein ökonomisches vernichtet wäre.“ (920)
Der Schluß auf den hinter der einfachen Zirkulation vorgehenden
Prozeß basiert auf der Feststellung, daß die Extreme, zwischen de-
nen die Zirkulation vermittelt, nicht von ihr selbst gesetzt worden
sind. Die Aufgabe besteht nun darin, exakt nachzuweisen, wie die
Bewegung der vorhandenen Etwas, die die Unmittelbarkeit bildet,
sich tatsächlich in den hinter ihr stattfindenden Prozeß aufhebt. Die-
ser Prozeß ist das Wesen als Bewegung, der „das Prinzip der Selbst-
erneurung“ innewohnt. Der Produktionsprozeß ist Selbsterneuerung,

309
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
indem er nicht nur Ware, nicht nur Wert, wie er in der einfachen
Zirkulation vorhanden ist, sondern sich selbst produziert, und zwar
vermittelst jener Waren, jener Werte.

Selbständigkeit des Geldes gegen die Zirkulation


als reiner Schein
Wenn die Zirkulation als Unmittelbarkeit des Nichtseins bestimmt
ist, so müßte die Bewegung, die das Prinzip der Selbsterneuerung
enthält, das Selbständige gegen jenes Abhängige sein. In diesem Sinne
Geld in seiner ist zu prüfen, ob das Geld in seinen bisher festgestellten Bestimmun-
Bestimmung als gen diese Selbständigkeit aufweisen kann. Am nächsten liegt die
Geld noch nicht sich Frage, ob das Geld als Geld, und zwar in seiner Bestimmung als
erhaltender Wert
materieller Repräsentant des allgemeinen Reichtums, eine Bewegung
durchmacht, die die Grenzen der einfachen Zirkulation durchbricht.
Daß es in seiner Bestimmung als allgemeine Form des Reichtums in
diesen Grenzen bleibt, hatte schon die Betrachtung der Unmittelbar-
keit ergeben. „Dem Geld, als ,allgemeiner Form des Reichtums‘, ver-
selbständigtem Tauschwert steht die ganze Welt des wirklichen
Reichtums gegenüber. Es ist die reine Abstraktion desselben, daher
so festgehalten imaginäre Größe. Wo der allgemeine Reichtum ganz
materiell, handgreiflich als solcher zu existieren scheint, hat er seine
Existenz bloß in meinem Kopf, ist er reines Hirngespinst.“ (920) Das
Geld als verselbständigter Wert erhielt sich nicht, indem es aus der
Zirkulation heraustrat; doch wenn es wieder in die Zirkulation ein-
geht, erhält es sich auch nicht. „Als materieller Repräsentant des all-
gemeinen Reichtums wird das Geld nur verwirklicht, indem es wie-
der in Zirkulation geworfen, gegen die besondren Weisen des
Reichtums verschwindet. In der Zirkulation ist es immer nur wirk-
lich, soweit es hingegeben wird.“ (920) Für das Geld als Geld in
seinen beiden Bestimmungen gilt daher: „Will ich es festhalten, so
verdunstet es unter der Hand in ein bloßes Gespenst des Reichtums.
Das Verschwindenmachen ist die einzig mögliche Weise es als Reich-
tum zu versichern. Die Auflösung des Aufgespeicherten in vergäng-
lichen Genüssen ist seine Verwirklichung. Es kann nun wieder von
andren Einzelnen aufgespeichert werden, aber dann fängt der Prozeß
wieder von neuem an. Die Selbstständigkeit des Geldes gegen die
Zirkulation ist bloßer Schein. Das Geld hebt sich daher auf in seiner
Bestimmung als vollendeter Tauschwert.“ (920)

310
Bewegung inner- und außerhalb der Zirkulation
Was innerhalb und was außerhalb der einfachen Zirkulation
vorgeht

Beim Nachweis der Bewegung, die den Zusammenhang zwischen


der Zirkulation und der Warenproduktion realisiert, wäre nun erst
einmal vom gegenwärtig erreichten Standpunkt aus zu unterschei-
den zwischen dem, was in der Zirkulation vorgeht, und dem, was
aus ihr herausfällt. „In der einfachen Zirkulation erscheint der Innerhalb der
Tauschwert, in seiner Form als Geld, als einfaches Ding, für das die einfachen Zirkulation
Zirkulation nur eine äußere Bewegung ist, oder das als Subjekt in nur Bewegung
vorhandener Werte
einer besondren Materie individualisiert ist.“ (921) Der Wert ist ge- und Gebrauchswerte
geben, vorhanden, macht als solcher keinerlei Prozeß durch. „Ferner
erscheint die Zirkulation selbst als eine nur formale Bewegung: Rea-
lisierung der Preise der Waren, Austausch (schließlich) verschiedner
Gebrauchswerte gegeneinander. Beides ist als Ausgangspunkt der
Zirkulation vorausgesetzt: Der Tauschwert der Ware, die Waren von
verschiednem Gebrauchswert.“ (921) Das heißt, der Ursprung des
Tauschwerts bzw. Werts der Ware wie der ihres Gebrauchswerts muß
außerhalb der Zirkulation liegen. „Ebenso fällt außerhalb der Zirku- Außerhalb der
lation die Entziehung der Ware durch den Konsum, also ihre Ver- Zirkulation:
nichtung als Tauschwert, und das Entziehn des Geldes, seine Ver- Vernichtung des
Werts – wie den
selbstständigung, was wieder eine andre Form seiner Vernichtung ist.“ Weg zur
(921) Der Zirkulation vorausgesetzt ist nicht der Tauschwert schlecht- Wertproduktion
hin: „Der Zirkulation ist der bestimmte Preis (der in Geld gemeßne finden?
Tauschwert, also letztrer selbst, die Wertgröße) vorausgesetzt; sie
gibt ihm nur im Geld Formelles Dasein. Aber er wird nicht in ihr.“
(921) Diese Aufzählung legt noch nicht den Zusammenhang frei zwi-
schen der Bewegung der Waren in der Zirkulation und der Warenpro-
duktion; als Prozeß der Waren, die aus der Zirkulation herausgetreten
sind, kann nur ihre Vernichtung als Tauschwert festgestellt werden. Es
bleibt also die Aufgabe, den Zugang von der Zirkulation zur Warenpro-
duktion zu finden, und zwar zur Konsumtion der Waren nicht als Wert-
vernichtung, sondern als Werterhaltung und -vergrößerung.
Unübersehbar ist, daß dieser Zusammenhang als Moment des hi-
storischen Prozesses sich gebildet hat, in dem das bürgerliche Pro-
duktionssystem geschaffen wurde.

311
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
Geschichtliche Herausbildung der Beziehung zwischen
einfacher Zirkulation und kapitalistischer Produktion, d. h.
zwischen Unmittelbarkeit und Negativität des Wesens

Außerhalb der einfachen Zirkulation und ihr vorausgesetzt kann ur-


sprünglich ein anderer als der kapitalistische Produktionsprozeß sein,
eben weil sie bloß vermittelnde Bewegung zwischen Ausgangspunk-
ten ist, die nicht sie selbst setzt. So läßt sich zum einen zeigen, wie
im historisch bestimmten Vorgang eine Bewegung, die seiende Un-
mittelbarkeit ist, auf ihren Ursprung so zurückwirkt, daß der vorge-
fundene Produktionsprozeß überwunden und durch kapitalistische
Produktion abgelöst wird. Das macht deutlich, wie die Beziehung
zwischen der Unmittelbarkeit, die dadurch erst zur an sich seienden
wird, und der Negativität historisch sich herausbilden kann, und wie
die aktuelle Beziehung zwischen der an sich seienden Unmittelbar-
keit und der Negativität im bürgerlichen Produktionssystem diesen
Prozeß in sich aufgehoben hat. Marx schreibt darüber: „Die einfache
Zirkulation, die bloß der Austausch von Ware und Geld, wie der
Warenaustausch in vermittelter Form, auch fortgehnd bis zur Schatz-
bildung, kann historisch bestehn, eben weil sie nur vermittelnde Be-
wegung zwischen vorausgesetzten Ausgangspunkten, ohne daß der
Tauschwert die Produktion eines Volks sei es auf der ganzen Ober-
Ursprünglich fläche, sei es in der Tiefe ergriffen hat.“ (921) D. h. die Waren, die
Produktion der gegen Geld ausgetauscht werden, können Überschüsse der feudalen
Waren nicht als Naturalwirtschaft sein. Die Quelle dieser Überschüsse ist nicht ein
Prozeß zwischen
dem sich Produktionsprozeß, in dem der sich erhaltende Wert als Kapital und
erhaltenden Wert als die Arbeitskraft als Wertquelle sich gegenüberstehen; der die Funk-
Kapital und der tionen der Identität und des Unterschieds einschließende Gegensatz
Arbeitskraft als ist noch nicht Prozeß der Selbstverwertung des Werts. „Zugleich aber
Wertquelle
zeigt sich historisch, wie die Zirkulation selbst zur bürgerlichen, d. h.
Tauschwertsetzenden Produktion führt und sich eine andre Basis
schafft, als die war, von der sie unmittelbar ausging. Das Austau-
schen des Überflusses ist Austausch- und Tauschwertsetzender Ver-
kehr. Er erstreckt sich aber bloß auf den Akt des Austauschs selbst
und spielt neben der Produktion selbst. Wiederholt sich aber das Er-
scheinen der zum Austausch sollizitierender Vermittler (Lombarden,
Normannen etc.) und entwickelt sich ein fortgesetzter Handel, worin
die produzierenden Völker nur noch sozusagen passiven Handel trei-
ben, indem der Anstoß zur Austauschsetzenden Tätigkeit von Außen
kommt, nicht aus der innren Gestalt der Produktion, so muß das

312
Einfache Zirkulation und Kapital – historisch gesehen
Surplus der Produktion nicht nur ein zufälliges, gelegentlich vor-
handnes sein, sondern ein beständig wiederholtes und so erhält das
Produkt selbst eine auf die Zirkulation, das Setzen von Tauschwer-
ten gerichtete Tendenz. Zunächst ist die Wirkung mehr stofflich. Der
Kreis der Bedürfnisse wird erweitert; der Zweck ist die Befriedi-
gung der neuen Bedürfnisse, und daher größre Regelmäßigkeit und
Vermehrung der Produktion. Die Organisation der inländischen Pro-
duktion selbst ist bereits modifiziert durch die Zirkulation und den
Tauschwert, aber noch nicht, weder auf ihrer ganzen Oberfläche, noch
in ihrer ganzen Tiefe von ihr ergriffen. Es ist dies die sogenannte Rückgang der
zivilisierende Wirkung des auswärtigen Handels. Es hängt dann ab, Zirkulation in die
teils von der Intensivität dieser Wirkung von Außen, teils von dem Wertproduktion als
Grade der innren Entwicklung, wie weit die Tauschwertsetzende
allgemeine, d. h. in
die kapitalistische
Bewegung das Ganze der Produktion ergreift. In England z. B. im Produktion
16. Jahrhundert gab die Entwicklung der niederländischen Industrie
der englischen Wollproduktion große Handelsbedeutung, wie ander-
seits das Bedürfnis bes[onders] nach niederländischen und italieni-
schen Waren wuchs. Um nun mehr Wolle für den Export als Tausch-
mittel zu haben, wurde Ackerland in Schafweide verwandelt, das
kleine Pachtsystem aufgebrochen und fand jene ganze gewaltsame
ökonomische Umwälzung statt, die Thomas Morus bejammert (de-
nunziert). Die Agrikultur verlor also den Charakter der Arbeit für
den Gebrauchswert – als unmittelbare Subsistenzquelle – und der
Austausch ihres Überschusses den für die innre Konstruktion der
Ackerbauverhältnisse bisher gleichgültigen, äußerlichen Charakter.
Die Agrikultur selbst fing an an bestimmten Punkten rein durch die
Zirkulation bestimmt, in rein Tauschwertsetzende Produktion ver-
wandelt zu werden. Damit wurde die Produktionsweise nicht nur
verändert, sondern alle alten, hergebrachten Populations- und Pro-
duktionsverhältnisse, ökonomische Verhältnisse, die ihr entsprachen,
[wurden] aufgelöst. So war der Zirkulation hier vorausgesetzt eine Pro-
duktion, die den Tauschwert nur in der Form des Überschusses über den
Gebrauchswert kannte; aber sie ging zurück in eine Produktion, die nur
noch mit Beziehung auf die Zirkulation stattfand, in die Tauschwert als
ihr unmittelbares Objekt setzende Produktion. Es ist dies ein Beispiel
des historischen Rückgangs der einfachen Zirkulation in das Kapital,
den Tauschwert als die Produktion beherrschende Form.“ (921f.) Einfache Zirkulation
Hier jedoch geht es nicht um den historischen Übergang der Zir- als abstrakte Sphäre
des bürgerlichen
kulation in das Kapital. „Die einfache Zirkulation ist vielmehr eine Gesamtproduktions-
abstrakte Sphäre des bürgerlichen Gesamtproduktionsprozesses, die prozesses

313
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
durch ihre eigenen Bestimmungen sich als Moment, bloße Erschei-
nungsform eines hinter ihr liegenden, ebenso aus ihr resultierenden,
wie sie produzierenden tieferen Prozess[es] – des industriellen Kapi-
tals – ausweist.“ (922f.) Indem die Beziehung des „hinter ihr liegen-
den Prozesses“ zur Zirkulation zweifach bestimmt ist, er sie nicht
nur produziert, sondern zugleich aus ihr resultiert, hat diese Bewe-
gung die Struktur der bestimmenden Reflexion (vgl. L II, 20f.). Dies
ist hier eine grundsätzliche Feststellung. Wie die Bewegung sich in
dieser Weise realisiert, bleibt nachzuweisen.

Aufhebung der einfachen Zirkulation als Unmittelbarkeit –


vermittelst der Bewegung W – G – W?
Bei der Betrachtung der einfachen Zirkulation als seiender Unmit-
telbarkeit waren die Formen W – G – W und G – W – G daraufhin
geprüft worden, ob in diesen Bewegungen innerhalb der einfachen
oder reinen Zirkulation der Wert sich erhalten kann. Das Ergebnis
war negativ. Jetzt ist zu untersuchen, inwiefern diese Formen eine
Bewegung enthalten, die die Unmittelbarkeit durchbricht, indem sie
sich zur Negativität aufhebt.
Führt die Bewegung Erstens ist zu überlegen, ob die Form W – G – W, die für die ein-
W – G – W in den fache Zirkulation die typische ist, Bewegung in dieser Richtung ent-
Prozeß der hält. Die einfache Zirkulation ist die Bewegung vorhandener Werte.
Wertproduktion
zurück? Als erste Bestimmung dieser Bewegung, als einer Phase der Reflexi-
on, hatte sich das Werden und Übergehen ergeben, das in sich bleibt
(vgl. L II, 13). Die einfache Zirkulation ist „der Austausch vorhandner
Waren und bloß die Vermittlung dieser jenseits ihrer liegenden, ihr
vorausgesetzten Extreme“. (923) Daher beschränkt sich die Bewe-
gung der Zirkulation auf den Austausch, der aber das „Setzen der
formellen Bestimmungen“ ist, „die die Ware als Einheit von Tausch-
wert und Gebrauchswert durchläuft“. (923) Die Waren als vorhande-
Austausch ne sind Negatives, produziert durch die Arbeit in ihrer doppelten
vorhandener Waren Bestimmtheit: als konkrete hat sie den Gebrauchswert als solchen
– Setzen der gesetzt, als abstrakte den Wert. Das in sich bleibende Werden und
formellen
Bestimmungen der Übergehen des systemspezifischen Negativen, des Werts, ist hier
Ware als Einheit von verbunden mit der Bewegung seines stofflichen Trägers, und dieses
Wert und Werden in der systemspezifischen Bewegung realisiert sich als jenes
Gebrauchswert Setzen der formellen Bestimmungen. Als die Einheit der beiden Be-
stimmungen Wert und Gebrauchswert ist die Ware der Zirkulation

314
Aufhebung der einfachen Zirkulation als Unmittelbarkeit
„vorausgesetzt oder irgendein bestimmtes Produkt war nur Ware als
die unmittelbare Einheit dieser beiden Bestimmungen“. (923) Aber
wirklich ist sie als diese Einheit „nicht als ein ruhndes (fixes) Sein,
sondern nur in der gesellschaftlichen Bewegung der Zirkulation worin
sich 1) die beiden Bestimmungen der Ware, Gebrauchswert und
Tauschwert zu sein, an verschiedne Seiten verteilen. Für den Ver-
käufer wird sie Tauschwert, für den Käufer wird sie Gebrauchswert.
Für den Verkäufer ist sie Tauschmittel, d. h. das Gegenteil von un-
mittelbarem Gebrauchswert, dadurch daß sie Gebrauchswert für den
andren ist, also als negierter unmittelbarer, individueller Gebrauchs-
wert; anderseits aber als Preis ist ihr Umfang als Tauschmittel ge-
messen, ihre Kaufkraft. Für den Käufer wird sie Gebrauchswert, da-
durch daß ihr Preis realisiert wird, also ihr ideales Dasein als Geld
realisiert wird. Nur dadurch, daß er sie für den andren in der Bestim-
mung des reinen Tauschwerts realisiert, wird sie für ihn selbst in der
Bestimmung des Gebrauchswerts. Der Gebrauchswert selbst erscheint
doppelt; in der Hand des Verkäufers als bloße, besondre Materiatur
des Tauschwerts, Existenz des Tauschwerts; für den Käufer aber als
Gebrauchswert als solcher, d. h. als Gegenstand der Befriedigung
besondrer Bedürfnisse; für beide als Preis. Der eine aber will sie als
Preis, Geld, realisieren; der andre realisiert das Geld in ihr. Es ist
spezifisch im Dasein der Ware als Tauschmittel, daß der Gebrauchs-
wert erscheint 1) als aufgehobner unmittelbarer (individueller)
Gebrauchswert, d. h. als Gebrauchswert für die andren, für die Ge-
sellschaft; 2) als Materiatur des Tauschwerts für ihren Besitzer. Die
Verdoppelung und Abwechslung der Ware in den beiden Bestimmun-
gen: Ware und Geld ist Hauptinhalt der Zirkulation. Aber die Ware
steht nicht einfach dem Geld gegenüber; sondern ihr Tauschwert er-
scheint an ihr ideell als Geld; als Preis ist sie ideelles Geld, und das
Geld ihr gegenüber nur die Realität ihres eignen Preises. An der Ware
ist auch der Tauschwert als ideelle Bestimmung, als ideelle Gleich-
setzung mit Geld; dann erhält sie im Geld als Münze abstrakte, ein-
seitige, aber verschwindende Existenz als bloßer Wert; dann erlischt
der Wert in dem Gebrauchswert der gekauften Ware. Von dem Mo-
ment, wo die Ware als einfacher Gebrauchswert wird, hört sie auf
Ware zu sein. Ihr Dasein als Tauschwert ist erloschen. Solange sie
sich aber in der Zirkulation befindet, ist sie immer doppelt gesetzt,
nicht nur daß sie als Ware gegenüber dem Geld existiert, sondern sie
existiert immer als Ware mit einem Preise, [mit] in der Maßeinheit
der Tauschwerte gemeßnem Tauschwert.“ (923f.)

315
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
Die Ware, die als Gebrauchswert und Wert vorausgesetzt ist, weil
sie nur so Ware ist, verwirklicht diese Bestimmungen formell in der
Zirkulation, indem sie 1. die verschiedenen Bestimmungen durch-
läuft: erst die Ware als Gebrauchswert und Tauschwert (Wert), wo-
bei der Tauschwert an ihr ideell als Geld erscheint, als Preis; dann
wird sie gegen Geld als Münze (Zirkulationsmittel) ausgetauscht, in
dem sie abstrakte, einseitige, aber verschwindende Existenz als blo-
ßer Wert erhält; schließlich erlischt der Wert in dem Gebrauchswert
der gekauften Ware; sie verwirklicht diese Bestimmungen, indem
2. im Prozeß des Austausches ihr Sein als Gebrauchswert und Tausch-
wert (Wert) immer an die beiden Extreme des Austauschs verteilt ist.
„Ihre doppelte Natur legt sich in der Zirkulation auseinander, und sie
wird in jeder der in ihr vorausgesetzten Bedingungen [Bestimmun-
gen? – d. V.] erst durch diesen formalen Prozeß. Die Einheit der bei-
den Bestimmungen erscheint als unruhige, durch gewisse Momente
verlaufende und zugleich stets doppelseitige Bewegung. ... Die Ne-
gation in einer Bestimmung der Ware ist immer ihre Realisation in
der andren. Als Preis ist sie schon negiert, ideell als Gebrauchswert,
und als Tauschwert gesetzt; als realisierter Preis, d. h. Geld ist sie
negierter Gebrauchswert; als realisiertes Geld, d. h. aufgehobnes
Kaufmittel ist sie negierter Tauschwert, realisierter Gebrauchswert.“
(924) Die Ware „ist zunächst nur dunamei nach Gebrauchswert und
Tauschwert; wird als beides erst gesetzt in der Zirkulation und zwar ist
diese der Wechsel dieser Bestimmungen“. (924) Deutlich wird hier, wie
diese Bewegung ein Werden ist, indem die vorausgesetzten Bestimmun-
gen solche an sich sind und erst in der Zirkulation als solche sich setzen.
Die Bewegung Es fragt sich aber, ob und inwiefern diese Bewegung als Zirkulati-
W – G – W als on in den Produktionsprozeß sich aufhebt. Das Ergebnis ist wieder
Zirkulation hebt sich negativ. Soweit die Form W – G – W betrachtet wird, erscheint der
noch nicht in den
Prozeß der Tauschwert (Wert), ob in seiner Form als Preis, ob in seiner Form als
Wertproduktion auf Münze (Zirkulationsmittel), ob in der Form der Bewegung des Gleich-
setzens, also der Bewegung des Austausches selbst, „nur als ver-
schwindende Vermittlung“ (925). In dieser Bewegung sind letztend-
lich verschiedene Gebrauchswerte gegeneinander ausgetauscht
worden; jede Ware wird Gegenstand des Bedürfnisses und als sol-
cher aufgezehrt. „Damit ist also die Zirkulation am Ende. Es bleibt
nichts übrig als das Zirkulationsmittel als einfaches Residuum. Als
solches Residuum aber verliert es seine Formbestimmung. Es sinkt
zusammen in seine Materie, die als unorganische Asche des ganzen
Prozesses übrigbleibt. Sobald die Ware Gebrauchswert als solcher

316
Aufhebung der einfachen Zirkulation als Unmittelbarkeit
geworden ist, ist sie aus der Zirkulation herausgeworfen, hat sie auf-
gehört, Ware zu sein.“ (925) Die Zirkulation ist zwar aufgehoben,
aber keines ihrer Extreme beginnt den Produktionsprozeß. Nach die-
ser Aufhebung der einen in die andere Bewegung aber wird gesucht,
d. h. nach der Aufhebung in den Prozeß der Selbstverwertung des
Werts. Der Wert ist gesellschaftliche Formbestimmtheit des Arbeits-
produkts, also muß auf dieser Linie weitergesucht werden. „Es ist
daher nicht nach dieser Seite des Inhalts (Stoffs) hin, daß wir die
weiterführenden Formbestimmungen suchen müssen. Der Gebrauchs-
wert wird in der Zirkulation nur als das, als was er unabhängig von
ihr vorausgesetzt war, Gegenstand eines bestimmten Bedürfnisses.
Als solcher war und bleibt er stoffliches Motiv der Zirkulation; bleibt
von ihr als der gesellschaftlichen Form aber ganz unberührt. In der
Bewegung W – G – W erscheint das Stoffliche als der eigentliche
Inhalt der Bewegung; die gesellschaftliche Bewegung nur als ver-
schwindende Vermittlung, um die individuellen Bedürfnisse zu be-
friedigen. Der Stoffwechsel der gesellschaftlichen Arbeit. In dieser
Bewegung erscheint die Aufhebung der Formbestimmung, d. h. der
aus dem gesellschaftlichen Prozeß hervorgehnden Bestimmungen,
nicht nur als Resultat, sondern als Zweck; ganz wie das Prozeßführen
für den Bauern, wenn auch nicht für den Advokat.“ (925)
Wo also ist zu suchen nach „den weiterführenden Formbe- Suche nach „den
stimmungen“? (925) Nach Formbestimmungen, durch die der Wert weiterführenden
in der Zirkulationssphäre sich erhalten kann und die schließlich in Formbestimmungen“
dem tieferen Prozeß resultieren, durch den er sich selbst erneuert?
Da die weiterführenden Formbestimmungen nicht nach der Seite des
Inhalts (Stoffs), d. h. des Gebrauchswerts zu suchen sind, bleibt nur
die Formseite. „Um also der weitren aus der Bewegung der Zirkula-
tion selbst hervorwachsenden Formbestimmung nachzugehn, müs-
sen wir uns an die Seite halten, wo die Formseite, der Tauschwert als
solcher sich weiterentwickelt; vertieftere Bestimmungen durch den
Prozeß der Zirkulation selbst erhält. Also nach der Seite der Ent-
wicklung des Geldes, der Form G – W – G.“ (925)

Aufhebung der einfachen Zirkulation als Unmittelbarkeit –


vermittelst der Bewegung G – W – G?
Somit ist zweitens zu untersuchen, inwiefern die Form G – W – G
die gesuchte Bewegung enthält. Welche sind die weiterführenden

317
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
Führt die Bewegung Formbestimmungen des Geldes, zunächst in der Zirkulation? Hier
G – W – G (das Geld ist die „Fortentwicklung des Tauschwerts im Geld“ zu erinnern. Sie
zunächst als führte „in der ersten Bewegung“ zu seinem „Dasein als ideelles Geld,
Wertmaß und oder Münze, als Einheit und Anzahl“. (926) Soweit hat das Geld als
Zirkulationsmittel
sowie das Geld als Wertmaß und als Zirkulationsmittel sich gebildet. Es ist so „der selbst-
Geld betrachtet) in ständig neben den Waaren existirende Tauschwerth derselben, wor-
den Prozeß der in sie verwandelt werden müssen“. 85 In diesen Bestimmungen bleibt
Wertproduktion das Geld noch unmittelbar in der Zirkulation. Aber seine Entwick-
zurück?
lung schreitet fort, es wird Geld als Geld, und zwar „als Schatz und
allgemeines Zahlungsmittel“ (926). In dieser Bestimmung verselb-
ständigt sich der Tauschwert (Wert) gegen die Zirkulation. Faßt man
beide Bewegungen zusammen, so zeigt sich, „daß das Geld, das im
Preis nur als ideale Maßeinheit existiert, vorgestelltes Material der
allgemeinen Arbeit, in der Münze nur als Wertzeichen, abstraktes
und verschwindendes Dasein des Werts, materialisierte Vorstellung,
d. h. Symbol, endlich in seiner Form als Geld erstens beide Bestim-
mungen negiert, aber auch beide als Momente enthält, und zugleich
in einer gegen die Zirkulation selbständigen Materiatur, in steter
Beziehung zu ihr, wenn auch als negativer, sich festsetzt“. (926) Die-
se Fortentwicklung des Tauschwerts macht das Werden in der Zirku-
lation nach der Formseite hin aus. „Was, die Form der Zirkulation
selbst betrachtet, in ihr wird, entsteht, produziert wird, ist das Geld
selbst, weiter nichts. Die Waren werden ausgetauscht in der Zirkula-
tion, aber sie entstehn nicht in ihr.“ (926)
Es ist somit zu prüfen, einmal, inwiefern das Geld als Wertmaß
und Zirkulationsmittel, und zum anderen, inwiefern das Geld als Geld
eine Bewegung aufweist, die in die gesuchte Richtung führt.

* Was bringt das Geld als Wertmaß und Zirkulationsmittel


in dieser Hinsicht?
Bringt das Geld als Wertmaß und Zirkulationsmittel in dieser Hin-
Geld als Wertmaß sicht Neues gegenüber der Form W – G – W? Es sind Bestimmun-
und gen aller Waren, die in Preis und Münze, d. h. in Wertmaß und
Zirkulationsmittel: Zirkulationsmittel auf eine Ware im Unterschied zu allen anderen
nur Vermittlung des
Warenaustauschs übertragen werden. „Das Geld als Preis und Münze ist zwar schon
eigens Produkt der Zirkulation, aber nur formell. Dem Preis ist der
Tauschwert der Ware vorausgesetzt, wie die Münze selbst nichts ist

85 Karl Marx: Index zu den 7 Heften (dem ersten Theil). In: MEGA, Bd. II/2, S. 8.

318
Aufhebung der einfachen Zirkulation als Unmittelbarkeit
als die verselbstständigte Form der Ware als Tauschmittel, die eben-
falls vorausgesetzt war.“ (926) D. h. die Bestimmungen der Ware,
Tauschwert bzw. Wert und Tauschmittel zu sein, stellen sich im Geld
gesondert dar. Vorausgesetzt ist dieser Fortentwicklung des Tausch-
werts bzw. Werts im Geld der Tauschwert bzw. Wert sämtlicher Wa-
ren, vorausgesetzt als gesetzt außerhalb der einfachen Zirkulation.
„Die Zirkulation schafft nicht den Tauschwert, sowenig wie seine
Größe. Damit eine Ware in Geld gemessen werde, müssen Geld und
Ware beide als Tauschwerte, d. h. als Vergegenständlichung der Ar-
beitszeit sich zueinander verhalten.“ (926) Auf dieser Basis findet
die „Fortentwicklung des Tauschwerts im Geld“ statt. Dies gilt a) für
den Preis bzw. das Geld in seiner Funktion als Wertmaß: „Der Tausch-
wert der Ware erhält im Preis nur einen von ihrem Gebrauchswert
getrennten Ausdruck“ (927); und dies gilt b) für die Münze oder das
Geld als Zirkulationsmittel: „ebenso entsteht das Wertzeichen nur
aus dem Äquivalent, der Ware als Tauschmittel“. (927) Jede Ware ist
Tauschmittel, und als realisierter Tauschwert wirkt sie als preisge-
bendes Element der übrigen Waren: „Als Tauschmittel soll die Ware
Gebrauchswert sein, aber solcher nur durch die Entäußrung werden,
da sie Gebrauchswert nicht für den ist, in dessen Hand sie Ware ist,
sondern für den, der sie eintauscht als Gebrauchswert. Ihr Gebrauchs-
wert für den Besitzer der Ware besteht bloß in ihrer Austauschbar-
keit, Veräußerbarkeit zum Umfang des in ihr repräsentierten Tausch-
werts.“ (927) Diese Bestimmung der Waren stellt sich im Geld als
allgemeinem Tauschmittel oder Zirkulationsmittel dar. „Als allge-
meines Tauschmittel wird sie daher in der Zirkulation bloß Gebrauchs-
wert als Bestehn des Tauschwerts und erlischt ihr Gebrauchswert als
solcher. Es erscheint dies als ein einfacher formeller Wechsel, daß
der Tauschwert als Preis oder das Tauschmittel als Geld gesetzt wird.
Jede Ware als realisierter Tauschwert ist das Rechengeld der übrigen
Waren, ihr Preisgebendes Element, wie jede Ware als Tauschmittel
... Zirkulationsmittel, Münze ist.“ (927) Für die Beziehung zwischen
diesen Bestimmungen aller Waren und dem Geld gilt also: „In Preis
und Münze sind beide Bestimmungen nur auf eine Ware übertragen.
Es erscheint dies als bloße Vereinfachung. In den Verhältnissen, worin
eine Ware der Wertmesser aller übrigen Waren, ist sie Tauschmittel,
Äquivalent, veräußerbar gegen sie; kann sie reell als Äquivalent die-
nen, als Tauschmittel. Der Zirkulationsprozeß gibt diesen Bestim-
mungen nur abstraktere Form im Geld als Münze und Tauschmittel.“
(927) Soweit das Geld als Wertmaß und Zirkulationsmittel fungiert,

319
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
verbleibt es in der Form W – G – W, ist es nur Vermittlung des Tausch-
handels: „Die Form W – G – W, diese Strömung der Zirkulation,
worin das Geld nur als Maß und Münze figuriert, erscheint daher
auch nur als vermittelte Form des Tauschhandels, in dessen Grundla-
ge und Inhalt nichts verändert ist.“ (927) Marx findet hierin auch den
Grund für die Auffassung des Geldes als „konventionell eingeführte
Erfindung“: „Das reflektierende Bewußtsein der Völker faßt das Geld
in seiner Bestimmung als Maß und Münze daher als willkürliche,
der Bequemlichkeit halber konventionell eingeführte Erfindungen;
weil die Umwandlung, die die in der Ware als Einheit von Gebrauchs-
wert und Tauschwert enthaltnen Bestimmungen erfahren, nur for-
mell sind.“ (927) Das Resultat dieser Überprüfung des Geldes als
Wertmaß und Zirkulationsmittel auf weiterführende Formbe-
stimmungen in Richtung Selbsterhaltung, Selbstbewegung des Werts
lautet, daß „kein neuer Inhalt hereinkömmt“. (927f.)

* Was bringt das Geld als Geld in dieser Hinsicht?


Bringt nun das Geld als Geld Neues gegenüber der Form W – G – W?
„Anders aber verhält es sich mit dem Geld. Es ist Produkt der Zirku-
lation, das, gleichsam gegen die Verabredung, aus ihr herausgewach-
sen ist.“ (928) In dieser Bestimmung beginnt es schon eine andere
Bewegung als die in der Form W – G – W. „Es ist keine bloß vermit-
telnde Form des Warenaustauschs. Es ist eine aus dem Zirkulations-
prozeß hervorwachsende Form des Tauschwerts, ein gesellschaftli-
ches Produkt, das sich durch die Beziehungen, worein die Individuen
in der Zirkulation treten, von selbst erzeugt.“ (928)
Geld als Geld: Nun ist das Geld als Geld „in der Tat nur in seiner Funktion sus-
Resultat der pendiertes Zirkulationsmittel ..., sei es, daß es später in die Zirkulati-
Zirkulation; bloßes on eingehn soll als Kaufmittel oder Zahlungsmittel“. (929) Doch zu-
Anhäufen von Geld
nächst tritt das Geld als Geld, zum Beispiel als Schatz und allgemeines
Zahlungsmittel, aus der Zirkulation heraus, verselbständigt es sich
gegen sie. Wieder ist zu prüfen, ob dieses Heraustreten aus der Zir-
kulation Beziehung auf die Warenproduktion als Erhaltung und Ver-
größerung des Werts hat. Was geschieht mit dem Gebrauchswert und
dem Tauschwert des Geldes als Geld? „... sein selbstständiges Ver-
halten gegenüber der Zirkulation, sein Entziehn aus derselben raubt
ihm beide Werte, seinen Gebrauchswert, denn es soll nicht als Me-
tall dienen; seinen Tauschwert, denn es besitzt diesen Tauschwert
eben nur als Moment der Zirkulation, als das von den Waren sich

320
Aufhebung der einfachen Zirkulation als Unmittelbarkeit
wechselseitig gegenübergestellte abstrakte Symbol ihres eignen
Werts; als ein Moment der Formbewegung der Ware selbst.“ (929)
Es erhält sich der Wert in der Form, in der er Geld als Geld ist, nicht,
sobald er aus der Zirkulation heraustritt: „Solange es“ – das Geld –
„der Zirkulation entzogen bleibt, ist es ebenso wertlos, als läge es im
tiefsten Bergschacht vergraben.“ (929) Und sobald es wieder in der
Zirkulation sich bewegt, fällt es in die Form W – G – W zurück, die
ebenfalls nicht sein Sicherhalten ist. „Geht es aber wieder in Zirkula-
tion ein, so ist es am Ende mit seiner Unvergänglichkeit, so vergeht
der in ihm enthaltne Wert in den Gebrauchswerten der Waren, gegen
die es sich austauscht, wird es wieder bloßes Zirkulationsmittel.“
(929) Das Geld als Geld ist somit erstens Resultat der Zirkulation:
„Es kömmt aus der Zirkulation her, als ihr Resultat, d. h. als adäqua-
tes Dasein des Tauschwerts, für sich seiendes und in sich verharren-
des allgemeines Äquivalent.“ (929) Zweitens ist der Charakter des
Zwecks dieses Austauschs festzuhalten. „Als Zweck des Austauschs,
d. h. als Bewegung, die den Tauschwert, das Geld selbst zum Inhalt
hat, ist der einzige Inhalt Vermehrung des Tauschwerts, Aufhäufen
von Geld.“ (929) Es fragt sich nun, ob diese Vermehrung des Tausch-
werts die gesuchte weiterführende Formbestimmung ist, die den Pro-
zeß der Selbsterhaltung des Werts ausdrückt. „In der Tat aber ist die-
se Vermehrung nur rein formell. Wert wird nicht aus dem Wert,
sondern der Wert wird in der Form der Ware in die Zirkulation ge-
worfen, um ihr in dem unbrauchbaren Wert als Schatz entzogen zu
werden.“ (929) Gesucht wird nach dem Werden des Werts aus dem
Wert, also seiner Selbstverwertung, d. h. nach der Bewegung, die
sich in diesen Prozeß aufhebt, doch das Geld als Geld, zum Beispiel
als Schatz, weist nicht in diese Richtung. „Die Bereicherung erscheint
so dem Inhalt nach als freiwillige Verarmung. Es ist nur die Bedürf-
nislosigkeit, das Entsagen dem Bedürfnisse, das Entsagen dem
Gebrauchswerte des Werts, wie er in der Form der Ware existiert,
das es möglich macht ihn in der Form des Geldes anzuhäufen.“ (929)
Der Verkäufer tauscht seine Ware gegen Geld, gibt aber das Geld
nicht aus, sondern häuft es an.
Dennoch ist es die Form G – W – G, die in die gesuchte Richtung Die wirkliche
führt. „Die wirkliche Bewegung der Form G – W – G existiert näm- Bewegung der Form
lich nicht in der einfachen Zirkulation, wo Äquivalente nur aus der G – W – G weist
über die Zirkulation
Form der Ware in die des Geldes und umgekehrt übersetzt werden.“ hinaus
(929f.) Die „wirkliche Bewegung“ der Form G – W – G weist über
die Zirkulation hinaus, und es ist anzunehmen, daß sie zu dem tiefe-

321
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
ren Prozeß führt, der als stattfindend anzunehmen war angesichts
der Tatsache, daß es die Zirkulation mit ihr vorausgesetzten, d. h.
aber mit nicht von ihr gesetzten Extremen zu tun hat. Die Bewegung
G – W – G kommt zwar in der einfachen Zirkulation vor, aber nur in
begrenzter Weise. Zunächst ist G – W – G als Austausch von gleich
großen Werten sinnlos. „Tausche ich einen Taler gegen die Ware aus
vom Wert eines Talers und diese wieder gegen einen Taler, so ist das
ein inhaltsloser Prozeß.“ (930) Der Vorgang hat nur einen Inhalt,
wenn die Geldsumme am Ende größer ist als am Anfang. Doch auch
dieser Inhalt ist bei Betrachtung der einfachen Zirkulation nur parti-
ell feststellbar. „In der einfachen Zirkulation ist bloß das zu betrach-
ten – der Inhalt dieser Form selbst – nämlich das Geld als Selbst-
zweck. Daß sie als solche vorkommt ist klar; abgesehn von der
Quantität besteht die herrschende Form des Handels darin Geld ge-
gen Ware und Ware gegen Geld auszutauschen. Es kann auch passie-
ren, und passiert, daß bei diesem Prozeß nicht bloß einfach gleich
viel Geld das Resultat, wie die Voraussetzung ist. Bei schlechtem
Geschäft kann weniger herauskommen, wie hereinkam.“ (930) Den
Inhalt dieser Form hatte Marx charakterisiert, als er auf des Aristote-
les Kritik an der chrematistischen Form G – W – G (im Unterschied
zur ökonomischen Form W – G – W) hinwies. In G – W – G ist es
„der Tauschwert, der Inhalt und Selbstzweck der Zirkulation wird,
die Verselbstständigung des Tauschwerts als solchen; daß der Wert
als solcher Zweck des Austauschs wird und selbstständige Form er-
hält, zunächst noch in der einfachen, handgreiflichen Form des Gel-
des. [Beim] Verkaufen um zu kaufen ist d[er] Gebrauchswert Zweck;
Kaufen um zu Verkaufen, d[er] Wert selbst.“ (929) Nur diese Be-
deutung ist jetzt zu betrachten; „die weitre Bestimmtheit gehört nicht
der einfachen Zirkulation selbst an“. (930) Es ist daher zu untersu-
chen, an welchem Punkt die Bewegung der Form G – W – G aus
der einfachen Zirkulation hinausführt. Im speziellen ist zu klären,
was die Vergrößerung des Werts, die als Inhalt der Form G – W – G
sich darstellt, in der einfachen Zirkulation bedeutet. „In der einfa-
chen Zirkulation selbst kann die Vermehrung der Wertgröße, die
Bewegung, worin das Wachsen des Werts selbst Zweck ist, nur in
der Form der Anhäufung erscheinen, vermittelt durch W – G, be-
ständig erneuten Verkauf der Ware, indem dem Geld nicht erlaubt
wird seinen Gesamtkursus durchzumachen, und nachdem sich die
Ware in es verwandelt, es sich wieder in Ware verwandeln zu las-
sen.“ (930)

322
Sicherhalten des Werts in der Zirkulation
Einsetzen der Bewegung des Sicherhaltens des Werts in der
einfachen Zirkulation – das Geld als Resultat und zugleich als
Ausgangspunkt seiner Bewegung

Somit kommt die Betrachtung zum Problem des Resultats als Aus-
gangspunkt, d. h. zu jener Stelle in der Reflexion, an der sich innerhalb
der Unmittelbarkeit entscheidet, ob die Bewegung sich als Selbst-
bewegung realisieren wird. Wenn das Geld nicht „seinen Gesamtkursus“
durchmachen kann, so erscheint es „nicht, wie die Form G – W – G
es verlangt, als Ausgangspunkt, sondern immer nur als Resultat des
Austauschs. Ausgangspunkt ist es nur, insofern von seiten des Ver-
käufers die Ware ihm selbst nur als Preis gilt, nur noch da sein sol-
lendes Geld und er es in dieser vergänglichen Form in die Zirkulati-
on wirft, um es in seiner ewigen Form herauszuziehn.“ (930) Die
Bewegung ist in diesem Falle auf W – G beschränkt. „Der Tausch-
wert war in der Tat die Voraussetzung der Zirkulation, also Geld,
und ebenso erscheint sein adäquates Dasein und die Vermehrung
desselben als Resultat der Zirkulation; soweit diese in der Geldan-
häufung endet.“ (930) Die Verselbständigung des Geldes sowohl als
Wertmaß und Zirkulationsmittel gegen den Gebrauchswert der Ware
wie auch in seiner Bestimmung, Geld als Geld zu sein, wird somit
wieder negiert. „Das Geld ist also noch in seiner konkreten Bestim-
mung als Geld, worin es selbst schon die Negation seiner als bloßen
Maßes, und bloßer Münze ist, negiert in der Bewegung der Zirkula-
tion, worin es als Geld gesetzt ward. Aber, was damit negiert ist, ist
bloß die abstrakte Form, worin die Verselbstständigung des Tausch-
werts – und die abstrakte Form des Prozesses dieser Verselbst-
ständigung – im Geld erscheint. Die ganze Zirkulation, vom Stand-
punkt des Tauschwerts aus, ist negiert, indem sie nicht das Prinzip
der Selbsterneurung in sich trägt.“ (930)

* Die Suchrichtung: „Fortbestimmung des Tauschwerts“


Angenommen, das Geld ist als Resultat zugleich Ausgangspunkt sei-
ner Bewegung, so fragt es sich, an welcher Stelle es die Unmittelbar-
keit in den Prozeß des Negierens (1) aufhebt. Bisher hatte sich erge-
ben: „Die Zirkulation geht von beiden Bestimmungen der Ware aus,
von ihr als Gebrauchswert, von ihr als Tauschwert. Soweit die erste
Bestimmung vorherrscht, endet sie in der Verselbstständigung des
Gebrauchswerts; die Ware wird Gegenstand der Konsumtion. So-

323
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
weit die zweite Bestimmung vorherrscht, endigt sie in der Zweiten
Bestimmung, der Verselbstständigung des Tauschwerts. Die Ware
wird Geld.“ (930) Soweit also nur die Zirkulation in Betracht gezo-
gen wird, endet die Bewegung sowohl der Form W – G – W als auch
Vom Geld zum der Form G – W – G in ihr. Führt die Ware als zum Gebrauchswert
Ursprung des in ihm geworden oder die Ware als zu Geld geworden über die Zirkulation
verselbständigten hinaus? Weder als Gebrauchswert noch als Wert tut sie das. Aber das
Werts
Geld ist ein Produkt der Zirkulation, die Geldform wird in ihr ge-
setzt: in dieser Bestimmung „wird sie erst durch den Prozeß der Zir-
kulation und fährt sie fort sich auf die Zirkulation zu beziehn“. (930f.)
Die ursprüngliche, der Zirkulation vorausgesetzte Bestimmung ist
der Wert der Ware. In der Bestimmung als Geld, in der Zirkulation
gesetzt, „entwickelt sie sich weiter als Vergegenständlichte allgemeine
Arbeitszeit – in ihrer gesellschaftlichen Form“. (931) Wenn der Wert
durch die warenproduzierende Arbeit gesetzt worden ist, wenn er
sich im Geld als „allgemeine Arbeitszeit“ weiterentwickelt hat, so
muß auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, wie der Wert sich
erhält und vergrößert, vom Geld wieder zum Ursprung des in ihm
verselbständigten Werts vorgedrungen werden. Von der Ware als zu
Geld geworden, von dieser ihrer gesellschaftlichen Form „muß da-
her auch die Weiterbestimmung der gesellschaftlichen Arbeit ge-
schehn, die ursprünglich als Tauschwert der Ware, dann als Geld
erscheint“. (931) Diese „Weiterbestimmung der gesellschaftlichen
Arbeit“ ist nötig, weil sich aus ihrer bisher gefundenen Eigenschaft,
als abstrakte Arbeit Wert zu setzen, noch nicht die Verwertung des
Werts ableiten läßt; dies hatte die gesamte Analyse der Formen
W – G – W und G – W – G, soweit Bewegung in der Zirkulation,
ergeben. „Der Tauschwert ist die gesellschaftliche Form als solche;
seine Fortentwicklung daher die Weiterentwicklung des oder Vertie-
fung in den gesellschaftlichen Prozeß, der die Ware an seine Ober-
fläche wirft.“ (931)

* Wie der Wert in der Zirkulation im Wechsel von Ware und Geld
sich erhalten kann
Es ist also die Fortentwicklung des Tauschwerts zu untersuchen.
„Gehn wir, wie früher von der Ware, so jetzt vom Tauschwert als
solchen aus – seine Verselbstständigung ist das Resultat des Zirkula-
tionsprozesses, so finden wir :
1) Der Tauschwert existiert doppelt als Ware und als Geld; das

324
Sicherhalten des Werts in der Zirkulation
letztre erscheint als seine adäquate Form; aber in der Ware, solange In der Zirkulation
sie Ware bleibt, geht das Geld nicht verloren, sondern existiert als ihr kann der Wert durch
Preis. Die Existenz des Tauschwerts verdoppelt sich so, einmal in den beständigen
Wechsel von Ware
Gebrauchswerten, das andremal in Geld. Beide Formen tauschen sich und Geld sich
aber aus und durch den bloßen Austausch als solchen geht der Wert erhalten
nicht unter.“ (931) Hier ist auf die Bedingung „solange die Ware
Ware bleibt“ aufmerksam zu machen; im Wechsel von Ware und Geld
existiert der Wert einmal in der Ware, das andere Mal im Geld, dann
wieder in der Ware usf.; dieser beständige Wechsel ist eine Bewe-
gung, durch die er sich in der Zirkulation erhalten kann.

* Sicherhalten des Gelds durch sein Eingehen in die Zirkulation und


dieses Eingehen als sein Sicherhalten
Der Wert hat sich im Geld verselbständigt, muß sich also in dieser
Form erhalten können. „2) Damit das Geld sich als Geld erhalte,
muß es ebenso, wie es als Niederschlag und Resultat des Zirkulations-
prozesses erscheint, fähig sein, wieder in denselben einzugehn, d. h.
in der Zirkulation nicht zum bloßen Zirkulationsmittel zu werden,
das in der Form der Ware gegen bloßen Gebrauchswert verschwin-
det.“ (931) Der Wert als verselbständigt im Geld ist das Negative,
das sich als Negatives negiert hat, die Negation als Negation, und es Als Resultat von
kann sich nur erhalten, wenn es nicht aus dem Prozeß – hier der W – G darf das Geld
Zirkulation – herausfällt und außerhalb seiner liegenbleibt, sondern nicht aus der
Zirkulation
erneut in ihn eingeht, wenn es als Resultat der Zirkulation Ausgangs- herausfallen, als
punkt seiner Bewegung ist. Ferner muß es diese Bewegung so voll- Ausgangspunkt von
ziehen, daß es in ihr sich erhält, also nicht in den Übergängen der G – W muß es sich
Etwas und Anderen ineinander verschwindet, im gegebenen Fall: daß erhalten können
es nicht auf seine Funktion als Zirkulationsmittel sich reduziert. „Das
Geld, indem es in der einen Bestimmung eingeht, muß sich nicht in
der andren verlieren, also noch in seinem Dasein als Ware Geld blei-
ben und in seinem Dasein als Geld nur als vorübergehnde Form der
Ware existieren, in seinem Dasein als Ware nicht den Tauschwert, in
seinem Dasein als Geld nicht die Rücksicht auf den Gebrauchswert
verlieren.“ (931) Die Bewegung, die das Negative als Ausgangspunkt
beginnt, muß also die des Negativen als Negativen, des selbständi-
gen, sich erhaltenden Negativen sein. Für das Geld bedeutet dies:
„Sein Eingehn in die Zirkulation muß selbst ein Moment seines Bei-
sichbleibens, und sein Beisichbleiben ein Eingehn in die Zirkulation
sein.“ (931) D. h. es erhält sich nur, wenn es im Resultat der Bewe-

325
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
gung W – G nicht aus der Zirkulation herausfällt, sondern in ihr bleibt,
aber in ihr muß es sich so bewegen, daß es sich erhält. „Der Tausch-
wert ist also jetzt bestimmt als ein Prozeß, nicht mehr als bloß ver-
schwindende Form des Gebrauchswerts, die gegen diesen selbst als
stofflichen Inhalt gleichgültig, noch als bloßes Ding in der Form des
Geldes; als Verhalten zu sich selbst durch den Prozeß der Zirkulati-
on.“ (931) Das Geld ist also Resultat der Bewegung in der Zirkulati-
on, und als solches ist es Ausgangspunkt seiner Bewegung: G – W;
so ist der verselbständigte Wert als Voraussetzung von der Zirkulati-
on gesetzt; der Zirkulation vorausgesetzter Wert wird er in W – G.
„Andrerseits die Zirkulation selbst nicht mehr als bloß formaler Pro-
zeß, worin die Ware ihre verschiednen Bestimmungen durchläuft,
sondern der Tauschwert selbst, und zwar der im Geld gemeßne
Tauschwert, muß als Voraussetzung selbst als von der Zirkulation
gesetzt und als von ihr gesetzt ihr vorausgesetzt erscheinen.“ (931)
Dies ist die Bestimmung, die für die Reflexion in ihrer vollendeten
Form, für die bestimmende Reflexion, kennzeichnend ist: der im Geld
gemessene Tauschwert ist von der Zirkulation gesetzt, was der Vor-
aussetzung entspricht, wie sie dem Prozeß des Negierens vorhergeht.
Und als von der Zirkulation gesetzt ist der Tauschwert zugleich ihr
vorausgesetzt; dies entspricht der Bewegung, in der das Resultat des
Prozesses des Negierens in seine Bewegung, die Beziehung auf sich
Sicherhalten des ist, eintritt. Das bedeutet aber: „Die Zirkulation selbst muß als ein
Werts vermittelst des Moment der Produktion der Tauschwerte (als Prozeß der Produktion
Prozesses der der Tauschwerte) erscheinen.“ (931f.)
Wertproduktion
Die Verselbständigung des Werts im Geld ist daher nur ein Mo-
ment der Gesamtbewegung, durch die er sich erhält. „In der
Verselbstständigung des Tauschwerts im Geld ist in der Tat nur ge-
setzt seine Gleichgültigkeit gegen den besondren Gebrauchswert,
worin er sich inkorporiert. Das verselbstständigte allgemeine Äqui-
valent ist Geld, sei es daß [es] in der Form der Ware, sei es daß es in
der des Geldes existiere. Die Verselbstständigung im Geld muß selbst
nur als ein Moment der Bewegung erscheinen, als Resultat zwar der
Zirkulation, aber bestimmt sie von neuem zu beginnen, nicht in die-
ser Form zu verharren.“ (932)

326
Zirkulation und Produktion – Unmittelbarkeit zur Negativität
Problemstellung für den Übergang von
der einfachen Zirkulation zum Produktionsprozeß,
d. h. von der Unmittelbarkeit zur Negativität:
Verwandlung von Geld in Ware – Konsumtion der Ware =
Erhaltung und Vergrößerung des Werts

Die Bewegung des verselbständigten Werts kann also nicht auf die
einfache Zirkulation als bloßen Austausch zwischen Ware und Geld
sich beschränken, wo der Gebrauchswert aus der Bewegung heraus-
fällt und mit ihm der in ihm vergegenständlichte Wert. Oder, allge-
mein, das selbständige Negative muß die Unmittelbarkeit so durch-
brechen, daß es den Prozeß des Negierens (1) erneut beginnen kann.
„Das Geld, d. h. der verselbstständigte Tauschwert, der aus dem
Zirkulationsprozeß als Resultat und zugleich als lebendiger Trieb der
Zirkulation (wenn letztres auch nur in der bornierten Form der Schatz-
bildung) entstanden ist, hat sich negiert als bloße Münze, d. h. als
bloße verschwindende Form des Tauschwerts, als bloß in der Zirku-
lation aufgehend; es hat sich ebenso negiert als selbstständig ihr ge-
genübertretend.“ (932) Das Geld darf also weder in der Zirkulation
verschwinden noch aus ihr herausfallen. Es muß sich daher erstens Bedingungen des
Problems: 1. Das
in Ware verwandeln, aber es muß zweitens aus der Ware sich als Geld als
Wert, und zwar als vergrößerter Wert wiederherstellen. „Um als Schatz verselbständigter
nicht zu versteinern, muß es in die Zirkulation ebenso wieder eingehn, Wert muß in die
wie es aus ihr herausgetreten ist, aber nicht als bloßes Zirkulations- Zirkulation eingehen,
mittel, sondern sein Dasein als Zirkulationsmittel und darum sein
in Ware sich
verwandeln und aus
Umschlag in Ware muß selbst bloße Formveränderung sein, um in der Zirkulation als
seiner adäquaten Form wieder zu erscheinen, als adäquater Tausch- vergrößerter Wert
wert, aber zugleich als vervielfältigter, vermehrter Tauschwert, ver- sich wieder
werteter Tauschwert.“ (932) Die Zirkulation ist so nicht mehr als herstellen
bloß einfache, sondern wird zum Kreisprozeß, der Selbstbewegung
ist: „Der sich in der Zirkulation verwertende, d. h. vervielfältigende
Wert ist überhaupt der für sich seinde Tauschwert, der als Selbst-
zweck die Zirkulation durchläuft.“ (932) Solange der Wert sich nur
durch Anhäufung im Ergebnis von W – G vergrößert und an diesem
Punkte seine Bewegung einstellt, erhält er sich nicht. „Diese Verwer-
tung, quantitative Vermehrung des Werts – der einzige Prozeß, den
der Wert als solcher durchmachen kann – erscheint im Geldaufhäufen
nur gegensätzlich gegen die Zirkulation, d. h. durch seine eigne Auf-
hebung.“ (932) Daraus folgt: „Die Zirkulation selbst muß vielmehr
als der Prozeß gesetzt werden, worin er sich erhält und verwertet.“

327
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
(932) In der Zirkulation war der Wert bisher bald als Wert der ver-
schiedenen Waren, bald als Geld da, und der Wechsel von Ware und
Geld konnte nur als Austausch von Äquivalenten vollzogen werden.
Inwiefern enthält diese Bewegung den Prozeß, in dem der Wert sich
verwertet? Die Geldform als solche führte nicht über die einfache
Zirkulation hinaus. Wie aber verhält es sich mit der Ware? Außer-
2. In der Zirkulation halb der Zirkulation wird die Ware als Gebrauchswert realisiert. Bis-
ist die Ware her war festgestellt worden, daß mit ihrem Gebrauchswert ihr Wert
vorhandener vernichtet wird. Aber wenn nicht die Geldform, so muß die Waren-
Gebrauchswert und form des Arbeitsprodukts geeignet sein, zu dem Prozeß zu führen, in
Wert; hier vergrößert
der Wert sich nicht. dem der Wert sich verwertet. Es müßte geprüft werden, ob es eine
Kann die Konsumtion der Ware als Gebrauchswert gibt, die die Erhaltung des
Konsumtion der vorhandenen und die Erzeugung von neuem Wert sein kann. „In der
Ware außerhalb der Zirkulation aber wird das Geld Münze und als solche tauscht es sich
Zirkulation statt
Vernichtung des gegen Ware aus. Soll dieser Wechsel nun nicht nur formell sein oder
Werts seine sich der Tauschwert in der Konsumtion der Ware verlieren – so daß
Erhaltung und bloß die Form des Tauschwerts gewechselt w[ür]de, einmal sein all-
Vergrößerung sein? gemeines abstraktes Dasein im Geld, das andremal sein Dasein in
besondrem Gebrauchswert der Ware – so muß der Tauschwert in der
Tat gegen Gebrauchswert ausgetauscht und die Ware als Gebrauchs-
wert konsumiert werden, sich aber als Tauschwert in dieser Kon-
sumtion erhalten, oder ihr Vergehn muß vergehn und selbst nur Mit-
tel des Entstehns größren Tauschwerts, der Reproduktion und
Produktion des Tauschwerts sein – produktive Konsumtion, d. h. Kon-
sumtion durch die Arbeit, um die Arbeit zu vergegenständlichen,
Tauschwert zu setzen.“ (932f.) Entscheidend ist somit, daß die Kon-
sumtion des Gebrauchswerts der Waren seine Konsumtion durch die
Arbeit sein wird, Produktion oder produktive Konsumtion. „Produk-
tion von Tauschwert ist überhaupt nur Produktion von größrem
Tauschwert, Vervielfältigung desselben. Seine einfache Reprodukti-
on ändert den Gebrauchswert, worin er existiert, wie es die einfache
Zirkulation tut, produziert, schafft ihn aber nicht.“ (933) Hier ist die
einfache Erhaltung des vorausgesetzten Werts unterschieden von der
Neuproduktion von Wert.
Diese Bewegung des Werts beschreibt die Linie, die die Reflexion
als bestimmende ist; in ihr ist die Reflexion als absolute aufgehoben.
„Der verselbstständigte Tauschwert setzt die Zirkulation als entwik-
keltes Moment voraus und erscheint als beständiger Prozeß, der die
Zirkulation setzt und aus ihr beständig in sich zurückkehrt, um sie
von neuem zu setzen.“ (933) Das Subjekt dieses Prozesses ist der

328
Zirkulation und Produktion – Unmittelbarkeit zur Negativität
Tauschwert; er ist es, der in der Produktion neuen Werts und in der
Zirkulation des vorhandenen Werts sich setzt, und zwar so, daß die
eine seiner Bewegungen stets die andere voraussetzt und wiederum
setzt. Die ganze Bewegung ist das Sichsetzen des Werts. „Der Tausch-
wert als sich selbst setzende Bewegung erscheint nicht mehr als die
bloß formale Bewegung der vorausgesetzten Tauschwerte, sondern
zugleich sich selbst produzierend und reproduzierend.“ (933) Es wird
jetzt nicht mehr nur die Phase der Wertbewegung erfaßt, die die Ver-
mittlung vorausgesetzter Extreme ist, so daß das Setzen dieser Ex-
treme außerhalb ihrer vorgeht. „Die Produktion selbst ist hier nicht
mehr vor ihren Resultaten vorhanden, d. h. vorausgesetzt“ (933); als
solche erscheint sie, solange die einfache Zirkulation betrachtet wird,
als die Vermittlung vorausgesetzter Extreme. Sondern die Produkti-
on erscheint jetzt „als diese Resultate zugleich selbst hervorbringend;
aber sie setzt den Tauschwert nicht mehr als bloß zur Zirkulation
führend, sondern zugleich die entwickelte Zirkulation in ihrem Pro-
zeß unterstellend“. (933) Die Verwandlung des Geldes aus dem Re-
sultat der Zirkulation in den Anfangspunkt seiner Bewegung war die Phasen in der
erste Phase in der Bildung der Voraussetzung des Produktions- Bildung der
prozesses; die zweite Phase ist die Verwandlung des Geldes in Wa- Voraussetzung des
Produktionsprozesses
ren von bestimmtem Gebrauchswert, die zugleich die Formierung
der Faktoren des Produktionsprozesses ist. Die Aufhebung der Vor-
aussetzung in den Prozeß wird dann jene Konsumtion des Gebrauchs-
werts sein, die als Erhaltung und Vergrößerung des Werts sich dar-
stellt. Es ist nun zu prüfen, welche Bestimmungen die zweite Phase
in der Bildung der Voraussetzung aufweist.

a) Erhaltung des Werts bei Verwandlung des Gelds in Ware


Als erstes ist hier zu nennen, daß der Wert, der nicht nur Resultat der Verwandlung des
Zirkulation ist, sondern wieder in sie eingeht, in ihr auch Bestim- Geldes in Waren von
mungen gewinnen muß, durch die er sich erhalten kann. „Um sich zu bestimmtem
Gebrauchswert:
verselbstständigen, müßte der Tauschwert nicht nur als Resultat aus potentielle
der Zirkulation hervorgehn, sondern fähig sein in sie wieder ein- Produktionsfaktoren
zugehn, sich in ihr zu erhalten, wie er Ware wird.“ (933) Die Beto-
nung liegt hier auf dem Warewerden des Werts. Es sei daran erinnert,
daß er in der einfachen Zirkulation beim Austausch gegen die Ware
verschwindet, weil ihr Wert in der Konsumtion vernichtet wird. Jetzt
dagegen muß er sich erhalten, wenn er sich in Ware verwandelt. Im
Geld als solchen konnte er sich nicht erhalten. „In dem Geld hat der

329
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
Tauschwert eine selbstständige Form gegen die Zirkulation W – G –
W, d. h. gegen sein schließliches Aufgehn in bloßem Gebrauchswert
erhalten. Aber nur eine negative, verschwindende, oder illusorische,
wenn fixiert.“ (933) Erinnert sei wieder an das Geld als Schatz. „Es
existiert nur in Bezug auf die Zirkulation und als Möglichkeit in sie
einzugehn. Aber es verliert diese Bestimmung, sobald es sich reali-
siert. Es fällt zurück in seine beiden Funktionen als Maß und
Zirkulationsmittel. Als bloßes Geld kommt es nicht über diese Be-
stimmung hinaus.“ (933) Doch die Zirkulation enthält das für das
Sicherhalten des Werts Erforderliche: „Gleichzeitig ist aber auch in
der Zirkulation gesetzt, daß es Geld bleibt, existiere es als solches
oder als Preis der Ware. Die Bewegung der Zirkulation muß nicht als
die Bewegung seines Verschwindens, sondern vielmehr als die Be-
wegung seines wirklichen Sichsetzens als Tauschwert, der Realisie-
rung seiner als Tauschwerts erscheinen. Wird Ware gegen Geld ausge-
tauscht, so verharrt die Form des Tauschwerts, der als Tauschwert gesetzte
Tauschwert, das Geld, nur so lang, als es sich außerhalb des Tauschs
hält, worin es als Wert funktioniert, sich ihm entzieht, ist also rein illu-
sorische Verwirklichung desselben, rein ideale in dieser Form, worin
die Selbstständigkeit des Tauschwerts handgreiflich existiert.“ (933)

b) Selbstverwertung als Sicherhalten desselben Werts


Daß der Wert sich in der Zirkulation erhält, „wie er Ware wird“, be-
deutet zugleich, daß das Sicherhalten des Werts als solches nur als
das Sicherhalten desselben Werts ist. „Derselbe Tauschwert muß Geld,
Ware, Ware, Geld werden, die Forderung gesetzt durch die Form G –
W – G. In der einfachen Zirkulation wird die Ware zum Geld und
dann zur Ware; es ist eine andre Ware, die sich wieder als Geld setzt.
Der Tauschwert erhält sich nicht in diesem Wechsel seiner Form.
Aber in der Zirkulation ist schon gesetzt, daß das Geld beides ist,
Geld und Ware und in dem Wechsel beider Bestimmungen sich er-
hält.“ (933f.) Die einfache Zirkulation enthält dieses Sicherhalten
des Geldes im Wechsel seiner beiden Bestimmungen nur erst an sich.
„In der Zirkulation erscheint der Tauschwert doppelt: einmal als Ware,
das andremal als Geld. Wenn er in der einen Bestimmung ist, ist er
nicht in der andren. Dies gilt für jede besondre Ware; ebenso für das
Sicherhalten Geld als Zirkulationsmittel. Aber das Ganze der Zirkulation betrach-
desselben Werts im tet, liegt darin, daß derselbe Tauschwert, der Tauschwert als Subjekt
Wechsel von Ware
und Geld sich einmal als Ware, das andremal als Geld setzt, und eben die Be-

330
Zirkulation und Produktion – Unmittelbarkeit zur Negativität
wegung ist, sich in dieser doppelten Bestimmung zu setzen und sich
in jeder derselben als ihr Gegenteil, in der Ware als Geld, und im
Geld als Ware zu erhalten. Dies, was an sich in der einfachen Zirku-
lation vorhanden ist, ist aber nicht in ihr gesetzt.“ (934) Der Tausch-
wert bzw. Wert erhält sich im Geld als Ware, indem er imstande ist,
aus der Bestimmung des Geldes in die der Ware sich zu verwandeln;
er erhält sich in der Ware als Geld, indem er imstande ist, aus dieser
in jene Bestimmung sich zu verwandeln. Dies ist in der Zirkulation
vorhanden. Das entscheidende ist aber, daß derselbe Wert erst als Konsumtion der
Geld da ist, dann sich in Ware verwandelt, die Ware aber nicht so Ware so, daß ihr
konsumiert wird, daß ihr Wert verschwindet, sondern so, daß dieser
Wert nicht
verschwindet,
Wert sich erneut in Geld verwandeln kann. Und dies – dieses Konsu- sondern erneut in
mieren der Ware insonderheit – ist es, was in der einfachen Zirkula- Geld verwandelt
tion noch nicht gesetzt ist. Der Nachweis, wie die Ware so verbraucht werden kann
wird, daß ihr Wert nicht verschwindet, sondern sich erhält, ist die
eine Aufgabe bei der Untersuchung des hinter der einfachen Zirkula-
tion ablaufenden Prozesses. Die andere Aufgabe besteht im Nach-
weis, wie die Konsumtion des Gebrauchswerts der Waren Erzeugung
neuen Werts, also Vergrößerung des Werts, also Selbstverwertung
des Werts sein kann; ihre Lösung bedeutet überhaupt die Aufklärung
des „Geheimnisses der Plusmacherei“ (Marx).

c) Beziehung zwischen Wert und Gebrauchswert


Damit ergibt sich die Forderung zu klären, welche Beziehung zwi-
schen Gebrauchswert und Wert nötig und realisierbar ist. In der ein-
fachen Zirkulation werden die Bestimmungen der Ware und des Gel-
des in W – G – W als W und in G – W – G als G selbständig. „Wo in
der einfachen Zirkulation die Bestimmungen sich selbstständig ge-
geneinander verhalten, positiv, wie in der Ware, die Gegenstand der
Konsumtion wird, hört sie auf Moment des ökonomischen Prozesses
zu sein; wo negativ, wie im Geld, wird sie Verrücktheit, eine aus dem
ökonomischen Prozeß selbst herauswachsende Verrückung.“ (934)
Wert und Gebrauchswert treten in der einfachen Zirkulation nicht in In der einfachen
Beziehung zueinander. „Es kann nicht gesagt werden, daß der Tausch- Zirkulation treten
wert sich in der einfachen Zirkulation realisiert, weil der Gebrauchs- Wert und
Gebrauchswert nicht
wert ihm nicht als solcher, durch ihn selbst bestimmter Gebrauchs- in Beziehung
wert gegenübertritt. Umgekehrt der Gebrauchswert als solcher wird zueinander
nicht selbst zum Tauschwert oder wird es nur soweit, als die Bestim-
mung der Gebrauchswerte – vergegenständlichte allgemeine Arbeit

331
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
zu sein – als äußrer Maßstab an sie angelegt wird. Ihre Einheit fällt
noch unmittelbar auseinander und ihr Unterschied noch unmittelbar
Beziehung zwischen in Eins.“ (934) Die Bildung der Voraussetzung für den Produktions-
Gebrauchswert und prozeß müßte aber das Herstellen der Beziehung zwischen Gebrauchs-
Wert in der wert und Wert sein, und diese Beziehung müßte darin bestehen, daß
Voraussetzung des
Produktions- erstens der Gebrauchswert dem Wert als von diesem bestimmter, also
prozesses als solcher für ihn gegenübertritt, und zweitens der Gebrauchswert
als solcher Wert wird, und zwar in dem Sinne, daß er Wert setzt.
„Daß der Gebrauchswert als solcher wird durch den Tauschwert, und
daß der Tauschwert sich selbst vermittelt durch den Gebrauchswert,
muß nun gesetzt werden. In der einfachen Zirkulation hatten wir nur
zwei formell unterschiedne Bestimmungen des Tauschwerts – Geld
und Preis der Ware; und nur zwei stofflich verschiedne Gebrauchs-
werte – W – W, für die das Geld dem Tauschwert nur verschwinden-
de Vermittlung, eine Form ist, die sie vorübergehend annehmen. Ein
w[irk]liches Verhältnis von Tauschwert und Gebrauchswert fand nicht
statt. An dem Gebrauchswert existiert der Tauschwert zwar auch als
Preis (ideelle Bestimmung); in dem Geld existiert zwar auch der
Gebrauchswert, als seine Realität, sein Material. In dem einen Fall
war der Tauschwert nur ideell, in dem andren der Gebrauchswert.
Die Ware als solche – ihr besondrer Gebrauchswert – ist daher auch
nur stoffliches Motiv dem Austausch, fällt aber als solche außerhalb
der ökonom[ischen] Formbestimmung; oder die ökonomische Form-
bestimmung ist nur oberflächliche Form, formelle Bestimmung, die
nicht in den Bereich der wirklichen Substanz des Reichtums ein-
dringt und sich zu dieser als solcher gar nicht verhält; soll daher die-
se Formbestimmung als solche festgehalten werden im Schatz, so
verwandelt sie sich unter der Hand in ein natürliches indifferentes
Produkt, ein Metall, an dem auch die letzte Beziehung seiner zur
Zirkulation ausgelöscht ist. Metall als solches drückt natürlich keine
soziale Beziehung aus; auch die Form der Münze ist an ihm erlo-
schen, das letzte Lebenszeichen seiner sozialen Bedeutung.“ (934f.)
Dagegen gilt als Forderung an den sich erhaltenden Wert: „Der Tausch-
wert, als Voraussetzung und Resultat der Zirkulation, wie er aus ihr her-
ausgetreten ist, muß ebenso wieder in sie hineintreten.“ (935)

d) Das Sicherhalten des Werts als sein Sichvergrößern


Die Voraussetzung muß so bestimmt sein, daß ihre Aufhebung in
den kapitalistischen Produktionsprozeß nicht nur Erhaltung des vor-

332
Zirkulation und Produktion – Unmittelbarkeit zur Negativität
handenen Werts, sondern seine Vergrößerung bewirken kann, als
Selbstverwertung des Werts. Der Wert kann sich nur erhalten, indem
er sich vergrößert. „Wir haben schon gesehn beim Geld, und in der
Schatzbildung erscheint es, daß die Vermehrung des Geldes, die Ver-
vielfältigung desselben als der einzige Prozeß der Form der Zirkula-
tion [ist], welcher dem Wert Selbstzweck ist, d. h. daß sich der
verselbstständigte und sich in der Form als Tauschwert (zunächst
Geld ) erhaltende Wert zugleich der Prozeß seiner Vermehrung ist;
daß sein Sicherhalten als Wert zugleich sein Fortgehn über seine
quantitative Schranke ist, seine Vergrößrung als Wertgröße, und daß
die Verselbstständigung des Tauschwerts weiter keinen Inhalt [hat].“
(935) Daraus ergibt sich als Bestimmung des Sicherhaltens des Werts: Sicherhalten des
„Das Erhalten des Tauschwerts als solches vermittelst der Zirkulati- Werts als seine
on erscheint zugleich als sein Sichvermehren und dies ist seine Selbst- Selbstverwertung
verwertung, sein aktives Sichsetzen als Wertschaffender Wert, als
sich selbst reproduzierender und darin erhaltender Wert, aber zugleich
als Wert sich setzend, d. h. als Mehrwert.“ (935) In der Schatzbildung
ist dieser Prozeß noch rein formell. Die Entziehung des Geldes aus
der Zirkulation bedeutet, daß es nicht als Wert funktioniert, woran
sich durch die Vergrößerung dieser Geldsumme nichts ändert. „So-
lang das Geld Schatz bleibt, funktioniert es nicht als Tauschwert, ist
es nur imaginär. Anderseits ist die Vermehrung – das Sich-als-Wert-
setzen, der Wert, der sich durch die Zirkulation nicht nur erhält, son-
dern aus ihr hervorbringt, also als Mehrwert setzt, ebenfalls nur ima-
ginär. Dieselbe Wertgröße, die früher in der Form der Ware, existiert
nun in der Form des Geldes; es wird in der letztren Form angehäuft,
weil in der andren auf es verzichtet wird. Soll es realisiert werden, so
verschwindet es in der Konsumtion. Die Erhaltung und Vermehrung
des Werts ist also nur abstrakt, formell. Bloß die Form derselben ist
in der einfachen Zirkulation gesetzt.“ (935)
Weshalb erhält der Wert sich nur dadurch, daß er sich vergrößert?
„Als Form des allgemeinen Reichtums, verselbstständigter Tausch-
wert, ist das Geld keiner andren Bewegung fähig, als einer quantita-
tiven: sich zu vermehren.“ (936) Es bewegt sich in einem beständi-
gen Widerspruch, dessen Lösung nur seine Vermehrung sein kann.
„Seinem Begriff nach ist es der Inbegriff aller Gebrauchswerte; aber
als immer nur bestimmte Wertgröße, bestimmte Summe Gold und
Silber, steht seine quantitative Schranke im Widerspruch zu seiner
Qualität. Es liegt daher in seiner Natur beständig über seine eigne
Schranke hinauszutreiben.“ (936) Daraus ergeben sich als Bestim-

333
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
mungen der Selbstbewegung des Werts: „Für den Wert, der an sich
als Wert festhält, fällt daher Vermehren mit Selbsterhalten zusam-
men und er erhält sich nur dadurch, daß er beständig über seine quan-
titative Schranke heraustreibt, die seiner innerlichen Allgemeinheit
widerspricht. Das Bereichern ist so Selbstzweck. Die Zweckbe-
stimmende Tätigkeit des verselbstständigten Tauschwerts kann nur
die Bereicherung, d. h. die Vergrößrung seiner selbst sein; die Re-
produktion, aber nicht nur formell, sondern daß er sich in der Repro-
duktion vergrößert. Aber quantitativ bestimmte Wertgröße, ist Geld
auch nur der beschränkte Repräsentant des allgemeinen Reichtums
oder Repräsentant eines beschränkten Reichtums, der grade so weit
geht wie die Größe seines Tauschwerts, exakt an ihm gemessen ist.
Es hat also keineswegs die Fähigkeit, die es seinem allgemeinen
Begriff nach haben soll, alle Genüsse, alle Waren, die Totalität des
materiellen Reichtums zu kaufen; es ist nicht ein ,précis de toutes les
choses‘. Als Reichtum, allgemeine Form des Reichtums festgehal-
ten, als Wert, der als Wert gilt, ist es also der beständige Trieb über
seine quantitative Schranke fortzugehn; endloser Prozeß.“ (936) Die-
ses Sicherhalten und Sichvergrößern des Werts in seiner verselbstän-
digten Form, also in der des Geldes, muß durch den Austausch des
Geldes gegen Ware vorgehen. „Seine eigne Lebendigkeit besteht aus-
schließlich darin; es erhält sich nur als vom Gebrauchswert
unterschiedner für sich geltender Wert, indem es sich beständig ver-
vielfältigt durch den Prozeß des Austauschs selbst. Der aktive Wert
ist nur Mehrwertsetzender Wert. Die einzige Funktion als Tauschwert
ist der Austausch selbst. In dieser Funktion muß es sich also vermehren,
nicht durch Entziehn desselben, wie in der Schatzbildung.“ (936)

Der Reflex einer höheren Bewegung in der Zirkulation


als der Unmittelbarkeit – wie das Kapital am Anfang seiner
Bewegung in der Zirkulation sich darstellt
Der Wert erhält sich somit in der einfachen Zirkulation, aber nur, um
diese aufzuheben in den Produktionsprozeß. Damit aber ist die Be-
wegung der Form G – W – G „innerhalb der einfachen Zirkulation
nur Reflex einer höheren Bewegung“.86 Der verselbständigte Wert,
d. h. das Geld, bleibt erstens dadurch in seiner Bewegung, daß es als

86 Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie. In: MEW, Bd. 13, S. 102.

334
Reflex einer höheren Bewegung in der Unmittelbarkeit
deren Resultat wieder ihr Ausgangspunkt wird; zweitens aber muß
es aus der Zirkulation als bloßer Austausch von Ware und Geld her-
austreten und zu einem Prozeß sich aufheben, an den bestimmte An-
forderungen gestellt sind (der Wert erhalte sich im Gebrauch der Ware,
in die er verwandelt wurde; der Gebrauchswert der Ware setze Wert).
In der einfachen Zirkulation setzt damit eine Bewegung ein, die von
dieser sich unterscheidet und diese aufheben wird.
Zunächst wird die Gesamtbewegung des Kapitals umrissen. Es ist
Wert, der in der Zirkulation sich verselbständigt, aber wieder in sie
eingeht, um sich zu verwerten. „Das aus der Zirkulation als adäqua-
ter Tauschwert resultierende und verselbstständigte, aber wieder in
die Zirkulation eingehnde, sich in und durch sie verewigende und
verwertende (vervielfältigende) Geld, ist Kapital. Im Kapital hat das
Geld seine Starrheit verloren und ist aus einem handgreiflichen Ding
zu einem Prozeß geworden.“ (937)
Nunmehr ist festzuhalten, wodurch die Bewegung des Kapitals Unterschied der
von der einfachen Zirkulation sich unterscheidet. Bewegung des
Erstens verwandelt das Kapital jetzt Ware und Geld in Momente Kapitals von der
einfachen Zirkulation
seiner Bewegung. „Geld und Ware als solche, ebenso wie die einfa-
che Zirkulation selbst existieren für das Kapital nur noch als besondre 1. Ware und Geld als
abstrakte Momente seines Daseins, in denen es ebenso beständig er- Momente der
scheint, von einem in das andre übergeht, wie beständig verschwin- Bewegung des
Kapitals
det. Die Verselbstständigung erscheint nicht nur in der Form, daß es
als selbstständiger abstrakter Tauschwert – Geld – der Zirkulation
gegenübersteht, sondern daß diese zugleich der Prozeß seiner Ver-
selbstständigung ist; es als Verselbstständigtes aus ihr wird.“ (937)
Zweitens. In der einfachen Zirkulation fällt das Geld nach Vollzug 2. Geld:
des Austauschaktes aus der Zirkulation heraus. In der Bewegung des Voraussetzung und
Kapitals dagegen wird es Voraussetzung wie Resultat der Zirkulati- Resultat der
Produktion, als
on, so daß es als Resultat der Bewegung zu ihrem Ausgangspunkt Resultat wieder
wird. „In der Form G – W – G liegt ausgesprochen, daß die Verselbst- Ausgangspunkt
ständigung des Geldes als Prozeß, ebenso als Voraussetzung wie als
Resultat der Zirkulation erscheinen soll. Diese Form als solche er-
hält aber keinen Inhalt in der einfachen Zirkulation, erscheint nicht
selbst als inhaltliche Bewegung.“ (937) Sie ist noch nicht eine „Be-
wegung der Zirkulation, für welche der Tauschwert nicht nur Form,
sondern der Inhalt und Zweck selbst ist und die daher als die Form
des prozessierenden Tauschwerts selbst ist“. (937) Daraus ergibt sich:
„In der einfachen Zirkulation erscheint der verselbstständigte Tausch-
wert, Geld als solches, immer nur als Resultat, caput mortuum der

335
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
Bewegung. Es muß ebenso als ihre Voraussetzung erscheinen; ihr
Resultat als ihre Voraussetzung, und ihre Voraussetzung als ihr Re-
sultat.“ (937)
3. Sicherhalten des Drittens muß der Wert in dem Wechsel von Geld und Ware, also in
Werts im Wechsel der Beziehung vorhandener Werte aufeinander sich erhalten, nicht in
von Geld und Ware, ihm verschwinden, und er muß sich erneuern in einem Prozeß der
sein Sicherneuern in Konsumtion der Waren. „Das Geld muß sich als Geld erhalten, so-
einem Prozeß der
Konsumtion von wohl in seiner Form als Geld, wie als Ware; und der Umtausch dieser
Waren Bestimmungen, der Prozeß, worin es diese Metamorphosen durch-
läuft, muß zugleich als sein Produktionsprozeß erscheinen, als Schöp-
fer seiner selbst, – d. h. Vermehrung seiner Wertgröße.“ (937) Wie
enthält die Form G – W – G die Aufhebung der einfachen Zirkulati-
on in den Produktionsprozeß der Waren und damit des Werts? Als
die Bewegung G – W und als den Prozeß der Konsumtion der Ware,
d. h. der Realisierung ihres Gebrauchswerts. „Indem das Geld Ware
wird, und die Ware als solche notwendig als Gebrauchswert verzehrt
wird, vergehn [muß], muß dies Vergehn selbst vergehn, dies Verzeh-
ren sich selbst verzehren, so daß die Konsumtion der Ware als
Gebrauchswert selbst als ein Moment des Prozesses des sich selbst
reproduzierenden Werts erscheint.“ (937)
Marx erläutert nun diese drei Punkte nach verschiedenen Seiten hin.
zu 1. Ware und Geld Zu erstens. „Geld und Ware ebenso wie die Beziehung beider in
als einfache der Zirkulation, erscheinen jetzt ebensosehr als einfache Vorausset-
Voraussetzungen, zungen des Kapitals, wie andrerseits Daseinsform desselben; ebenso
Daseinsformen und
Resultate des als einfache bestehnde elementarische Voraussetzungen für das Ka-
Kapitals pital, wie andrerseits selbst als Daseinsformen und Resultate dessel-
ben.“ (937)
zu 2. Kapital ist in Zu zweitens. Das Kapital erhält sich selbst, nicht indem es der
den Bestimmungen Zirkulation sich entzieht, sondern indem es in sie eingeht, aber so,
Geld und Ware stets daß jede der Zirkulationsbestimmungen – Ware und Geld – die Be-
zugleich Beziehung
auf das ziehung auf die andere ist. „Die Unvergänglichkeit, die das Geld an-
Entgegengesetzte strebt, indem es sich negativ gegen die Zirkulation verhält (ihr ent-
zieht), erreicht das Kapital, indem es sich grade dadurch erhält, daß
es sich der Zirkulation preisgibt. Das Kapital als der die Zirkulation
voraussetzende, ihr vorausgesetzte, und sich in ihr erhaltende Tausch-
wert, nimmt abwechselnd beide in der einfachen Zirkulation enthaltne
Momente an, aber nicht wie in der einfachen Zirkulation, daß es nur
aus einer der Formen in die andre übergeht, sondern in jeder der
Bestimmungen zugleich die Beziehung auf das Entgegengesetzte ist.
Wenn es als Geld erscheint, so ist das jetzt nur der einseitige abstrak-

336
Reflex einer höheren Bewegung in der Unmittelbarkeit
te Ausdruck seiner als Allgemeinheit; indem es ebenso diese Form
abstreift, streift es nur ihre gegensätzliche Bestimmung ab (gegen-
sätzliche Form der Allgemeinheit ab).“ (938) Im Kreislauf G – W – G
ist das Geld auf die Ware bezogen, in die sie sich verwandelt, aber
als Ware wieder auf das Geld, gegen das sie sich austauscht. „Als
Geld gesetzt, d. h. als diese gegensätzliche Form der Allgemeinheit
des Tauschwerts, ist zugleich an ihm gesetzt, daß es nicht, wie in der
einfachen Zirkulation, die Allgemeinheit, sondern ihre gegensätzli-
che Bestimmung verlieren soll, oder nur verschwindend annimmt,
also wieder gegen die Ware sich austauscht, aber als Ware, die selbst
in ihrer Besonderheit die Allgemeinheit des Tauschwerts ausdrückt,
daher beständig ihre bestimmte Form wechselt.“ (938) Der Wert in
seiner Allgemeinheit erhält sich im Wechsel der gegensätzlichen
Bestimmungen Geld und Ware.
Zu drittens. Das Sicherhalten des Werts setzt die einfache Zirkula- zu 3. Produktions-
tion voraus, und er erhält sich in ihr, aber sein Sicherhalten reduziert prozeß –
sich nicht auf die Bewegung der einfachen Zirkulation. Seine Zirku- Konsumtionsprozeß
der Ware als Prozeß
lation muß vielmehr die Produktion einschließen. „Die Ware ist nicht des Vergehens ihres
nur Tauschwert, sondern Gebrauchswert und als letztrer muß sie Vergehens, d. h. als
zweckgemäß konsumiert werden.“ (938) In der Konsumtion der Ware reproduzierender
muß die Quelle der Verwertung des sich erhaltenden Werts zu finden Prozeß
sein. „Indem die Ware als Gebrauchswert dient, d. h. in ihrer Kon-
sumtion muß sich zugleich der Tauschwert erhalten, und als die
Zweckbestimmende Seele der Konsumtion erscheinen. Der Prozeß
ihres Vergehens muß daher zugleich als Prozeß des Vergehns ihres
Vergehns, d. h. als reproduzierender Prozeß erscheinen. Die Kon-
sumtion der Ware also nicht auf den unmittelbaren Genuß gerichtet,
sondern selbst als ein Moment der Reproduktion ihres Tauschwerts.
Der Tauschwert ergibt so nicht nur die Form der Ware, sondern er-
scheint als das Feuer, worin ihre Substanz selbst aufgeht. Diese Be-
stimmung geht aus dem Begriff des Gebrauchswerts selbst hervor. In
der Form des Gelds aber wird das Kapital einerseits nur verschwin-
dend erscheinen als Zirkulationsmittel, andrerseits als das nur-als-
Moment –, vorübergehend-Gesetztsein desselben in der Bestimmt-
heit des adäquaten Tauschwerts.“ (938)
Und nochmals zu erstens. „Einerseits ist die einfache Zirkulation nochmals zu 1.
vorhandne Voraussetzung der Ware und ihre Extreme, Geld und Ware,
erscheinen als elementarische Voraussetzungen, der Möglichkeit nach
zu Kapital werdende Formen, oder sie sind bloß abstrakte Sphären
des Produktionsprozesses des vorausgesetzten Kapitals. Andererseits

337
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
gehn sie in dasselbe als ihren Abgrund zurück oder führen zu dem-
selben.“ (938)
nochmals zu 2. Nochmals zu zweitens: „Im Kapital erscheint das Geld, der vor-
ausgesetzte verselbstständigte Tauschwert – nicht nur als Tausch-
wert, sondern als Verselbstständigter Tauschwert als Resultat der Zir-
kulation. Und in der Tat findet keine Kapitalbildung statt, bevor die
Sphäre der einfachen Zirkulation, wenn auch von ganz andren Pro-
duktionsbedingungen als dem Kapital selbst ausgehend, bis zu einer
gewissen Höhe entwickelt ist.“ (938f.) Der verselbständigte Wert als
Geld ist Resultat der Zirkulation, und als solches verwandelt es sich
in die Voraussetzung der Bewegung G – W – G. Und diese Bewe-
gung ist sein eigener Prozeß als sich erhaltender und vergrößernder,
d. h. sich verwertender Wert. „Andrerseits ist das Geld gesetzt als die
Zirkulation als die Bewegung seines eignen Prozesses setzend, als
Bewegung seiner eignen Realisierung des sich verewigenden und
verwertenden Werts. Als Voraussetzung ist es hier zugleich Resultat
des Zirkulationsprozesses und als Resultat zugleich Voraussetzung
der bestimmten Form desselben, die als G – W – G bestimmt war
(zunächst nur dieser Strömung derselben). Es ist Einheit von Ware
und Geld, aber die prozessierende Einheit beider, und weder die eine
noch das andre, wie sowohl die eine als das andre.“ (939)
nochmals zu 3. Nochmals zu drittens. Indem der Wert im Produktionsprozeß sich
erhält und vergrößert, ist er selbst Voraussetzung der Zirkulation.
Damit ist die Reflexion als bestimmende voll ausgebildet: die
Negativität bestimmt die Unmittelbarkeit, indem sie sich in diese
aufhebt, die Unmittelbarkeit die Negativität, in die sie ihrerseits sich
aufhebt. Das Geld „erhält und verwertet sich in und durch die Zirku-
lation. Andrerseits ist der Tauschwert vorausgesetzt, nicht mehr als
einfacher Tauschwert, wie er als einfache Bestimmung an der Ware
existiert, bevor sie in die Zirkulation tritt, oder als vielmehr nur ge-
meinte Bestimmung, da sie erst in der Zirkulation verschwindend
Tauschwert wird. Er existiert in der Form der Gegenständlichkeit,
aber gleichgültig dagegen ob diese Gegenständlichkeit die des Gel-
des oder der Ware ist. Er kömmt aus der Zirkulation her; setzt sie
also voraus; geht aber zugleich von sich als Voraussetzung ihr ge-
genüber aus.“ (939)
Im gedanklichen Erfassen der Aufhebung der Unmittelbarkeit in
die Negativität ist die Bestimmung des Gebrauchswerts der Ware die
Stelle, wo die Verwertung des Werts begreiflich werden muß. „In
dem wirklichen Austausch des Gelds gegen Ware, wie es die Form

338
Prozeßfaktoren – Identität und Unterschied
G – W – G ausspricht, also da das reale Sein der Ware ihr Gebrauchs-
wert, und das reale Dasein des Gebrauchswerts seine Konsumtion
ist, aus der als Gebrauchswert sich realisierenden Ware muß der
Tauschwert selbst wieder hervorgehn, das Geld und die Konsumtion
der Ware ebenso als eine Form seiner Erhaltung, wie seiner Selbst-
verwertung erscheinen. Die Zirkulation erscheint ihm gegenüber als
Moment des Prozesses seiner eignen Realisierung.“ (939) Das Geld
verwandelt sich in Ware in der einfachen Zirkulation, aber die Reali-
sierung ihres Gebrauchswerts ist ein außerhalb der Zirkulation vor-
gehender Prozeß. Dieser Prozeß muß aber Produktionsprozeß sein.
„Das reale Dasein der Ware, ihr Dasein als Gebrauchswert, fällt aus
der einfachen Zirkulation heraus. So muß das Moment in den Prozeß
des Kapitals, worin die Konsumtion der Ware als ein Moment seiner
Selbstverwertung erscheint.“ (939) Damit ist an diesen Prozeß die
Forderung gestellt: „Solange das Geld, d. h. der verselbstständigte
Tauschwert sich nur festhält gegen seinen Gegensatz, den Gebrauchs-
wert als solchen, ist es in der Tat nur eines abstrakten Daseins fähig.
Es muß in seinem Gegensatz, in seinem Werden zum Gebrauchs-
wert, und dem Prozeß des Gebrauchswerts, der Konsumtion, sich
zugleich erhalten und wachsen als Tauschwert, also die Konsumtion
des Gebrauchswerts selbst – die aktive Negation sowohl wie Positi-
on desselben – in die Reproduktion und Produktion des Tauschwerts
selbst verwandeln.“ (939f.)

Formierung der Prozeßfaktoren in den Bestimmungen der


Identität und des Unterschieds
Es ist somit zu klären, welche die Waren sind, für die gilt, daß die
Konsumtion ihres Gebrauchswerts die Erhaltung und Selbst-
verwertung des Werts ist, anders gesagt, wie in den Waren die poten-
tiellen Prozeßfaktoren als solche enthalten und bestimmt sind. Dies
ist aber die Frage, was dem sich selbst verwertenden Wert, dem Iden-
tischen also, als sein einfacher Unterschied, als sein Nicht gegen-
übertreten muß, d. h. als Vermögen des Unterscheidens, das im Setzen
von neuem Negativem sich realisiert und zugleich das vorausgesetz-
te Negative erhält. Diese Problematik behandelt Marx im Dritten
Kapitel des Urtextes, überschrieben „Das Kapital“, und zwar in der
Abteilung „A. Produktionsprozeß des Kapitals“ in dem Punkt
„1) Verwandlung des Geldes in Kapital“. „Als Resultat der einfa-

339
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
chen Zirkulation existiert das Kapital zunächst in der einfachen Form
des Geldes.“ (941) Es hat gegenständliche Selbständigkeit, aber nicht
Kapital als mehr die des Schatzes. „Die gegenständliche Selbstständigkeit, die
selbständiger Wert: es als Schatz in dieser Form gegen die Zirkulation festhält, ist aber
als Geld kann es verschwunden. Vielmehr ist in seinem Dasein als Geld, adäquatem
jede beliebige Form
der Ware annehmen; Ausdruck des allgemeinen Äquivalents, nur das gesagt, daß es gleich-
bleibt nicht gültig gegen die Besonderheit aller Waren ist, und jede beliebige
außerhalb der Form der Ware annehmen kann. Es ist nicht diese oder jene Ware,
Zirkulation liegen, sondern kann in jede Ware metamorphosiert werden und fährt fort in
verliert sich nicht in
ihr jeder derselben dieselbe Wertgröße und sich zu sich als Selbstzweck
verhaltender Wert zu sein.“ (941) Damit bleibt das Kapital, das in
der Form des Geldes existiert, „also weder der Zirkulation gegen-
über stehn; es muß vielmehr in sie eingehn. Noch verliert es sich
innerhalb der Zirkulation, indem es aus der Form des Geldes in die
Form der Ware umschlägt. Sein Gelddasein ist vielmehr nur sein
Dasein als der adäquate Tauschwert, der gleichgültig in jede Art Ware
umschlagen kann. In jeder bleibt er an sich haltender Tauschwert.“
Kapital ist (941) Selbständig ist der Wert aber erst, indem er sich nicht nur in
selbständiger Wert seiner Waren- wie in seiner Geldform erhält, sondern indem er sich
erst, indem es sich vergrößert, sich verwertet. Damit stellt sich das Problem der Selb-
verwertet; es ist
Geld, und es ist ständigkeit in neuer Weise. „Aber verselbstständigter Tauschwert kann
Ware; es muß sich das Kapital nur sein, indem es gegen ein Drittes verselbstständigt ist,
einem Dritten in einem Verhältnis zu einem Dritten. [[Sein Dasein als Geld ist bei-
gegenüber des: Es kann gegen jede beliebige Ware sich umtauschen, und ist als
verselbständigen allgemeiner Tauschwert nicht an die besondre Substanz irgend einer
Ware gebunden; zweitens: Es bleibt Geld auch wenn es Ware wird;
d. h. das Material, worin es existiert, nicht als Gegenstand zur Be-
friedigung individuellen Genusses, sondern als Materiatur des Tausch-
werts, der diese Form nur annimmt um sich zu erhalten und zu ver-
mehren.]] Dies Dritte sind nicht die Waren. Denn das Kapital ist Geld,
das aus seiner Form als Geld gleichgültig in die jeder Ware übergeht,
ohne sich in ihr als Gegenstand individueller Konsumtion zu verlie-
ren. Statt es auszuschließen, erscheint der Gesamtumkreis der Wa-
ren, alle Waren, als ebenso viele Inkarnationen des Geldes. Was die
natürliche stoffliche Verschiedenheit der Waren angeht, schließt kei-
ne das Geld aus in ihr Platz zu greifen, sie zu seinem eignen Körper
zu machen, indem keine die Bestimmung des Geldes in der Ware
ausschließt. Die ganze Ge[gen]ständliche Welt des Reichtums er-
scheint jetzt als Körper des Geldes, ebensowohl wie Gold und Sil-
ber, und der eben nur formelle Unterschied zwischen dem Geld in

340
Prozeßfaktoren – Identität und Unterschied
der Form des Geldes, und seinem Unterschied in der Form der Ware
befähigt es gleichmäßig eine oder die andre Form anzunehmen, aus
der Form des Geldes in die der Ware überzugehen. (Die Verselbst-
ständigung besteht nur noch darin, daß der Tauschwert an sich als
Tauschwert festhält, ob er in der Form des Geldes oder in der der
Ware existiere, und er geht nur in die Form der Ware über, um sich
selbst zu verwerten.)“ (941f.) Der Wert als verselbständigter erhält
sich sowohl in seiner Geld- wie in seiner Warenform. Auf diese Wei-
se erhält er sich als vergegenständlichte – abstrakte – Arbeit. Er muß
sich aber nicht nur erhalten, er muß sich vergrößern, d. h. er muß auf
die Wertproduktion sich beziehen.
Das Geld als Kapital kann die Form jeder Ware annehmen. Soll der Der potentiell sich
Wert sich selbst verwerten, so muß er erstens die Form von Waren an- verwertende Wert
nehmen, die als Arbeitsgegenstände und Arbeitsmittel dienen können. als das Identische –
was ist sein
Wenn das systemspezifische Identische exakt bestimmt ist, läßt einfaches Nicht, sein
sich auch sein spezifischer Unterschied, sein einfaches Nicht fin- spezifischer
den.87 „Das Geld ist jetzt vergegenständlichte Arbeit, sei es daß sie Unterschied? Oder
die Form des Geldes oder besondrer Ware besitze. Keine gegenständ- welche Ware hat den
Gebrauchswert,
liche Daseinsweise der Arbeit steht dem Kapital gegenüber, sondern Wert zu erzeugen?
jede derselben erscheint als mögliche Existenzweise desselben, die
es annehmen kann durch einfachen Formwechsel, Übergehn aus der
Form des Geldes in die Form der Ware.“ Daraus folgt: „Der einzige
Gegensatz gegen die vergegenständlichte Arbeit ist die ungegen-
ständliche, im Gegensatz zur objektivierten die subjektive Arbeit.
Oder im Gegensatz zu der zeitlich vergangnen, aber räumlich exi-
stierenden, die zeitlich vorhandne, lebendige Arbeit. Als zeitlich
vorhandne ungegenständliche (und darum auch noch nicht vergegen-
ständlichte) Arbeit kann diese nur vorhanden sein, als Vermögen,
Möglichkeit, Fähigkeit, als Arbeitsvermögen des lebendigen Subjekts.
Zum Kapital als der selbstständig an sich festhaltenden vergegen-
ständlichten Arbeit kann nur den Gegensatz bilden das lebendige
Arbeitsvermögen selbst und so der einzige Austausch, wodurch das
Geld zu Kapital werden kann, ist der, den der Besitzer desselben mit
dem Besitzer des lebendigen Arbeitsvermögens, d. h. dem Arbeiter
eingeht.“ (942) Dem potentiell sich verwertenden Wert als dem Iden-
tischen steht somit zu Beginn des Prozesses das Arbeitsvermögen,
87 Warum und in welcher Bedeutung Marx an dieser Stelle schon mit der Bestim-
mung des Gegensatzes arbeitet, ist in den Bemerkungen zu den „Grundrissen der
Kritik der politischen Ökonomie“ erläutert worden (vgl. S. 194f. des vorliegenden
Textes).

341
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
das in der Leiblichkeit des Arbeiters vorhanden ist, als sein einfa-
cher Unterschied gegenüber. Zweitens muß das Geld also die Form
der Ware Arbeitskraft annehmen.
In der einfachen Zirkulation ist der Wert in der Geld- und der
Warenform da. In beiden Formen ist er vergegenständlichte Arbeit,
die nun von der ungegenständlichen Arbeit sich unterscheidet. Wenn
die Waren als Werte den spezifischen Unterschied, das Nicht des
selbständigen Werts nicht enthalten, so bleibt nur ihr Gebrauchswert,
und der selbständige Wert müßte zu einem speziellen Gebrauchs-
wert in Beziehung treten. „Als Tauschwert kann sich der Tauschwert
überhaupt nur verselbstständigen gegenüber dem Gebrauchswert, der
ihm als solchem gegenübertritt. Nur in diesem Verhältnis kann der
Tauschwert als solcher sich verselbstständigen; als solcher gesetzt
sein und funktionieren.“ (942) Im Geld als Schatz sollte der Wert
diese Selbstständigkeit erhalten dadurch, daß vom Gebrauchswert
abstrahiert wird; „die aktive Abstraktion, im Gegensatz bleiben zum
Gebrauchswerte“, ergab sich hier als die einzige Methode, den Wert
als solchen zu erhalten und zu vermehren. Jetzt dagegen wird der
Wert sich durch seine Beziehung auf den Gebrauchswert erhalten.
„Der Tauschwert jetzt dagegen soll in seinem Dasein als Gebrauchs-
wert, seinem reellen, nicht nur formellen Dasein als Gebrauchswert,
sich als Tauschwert ... in dem Gebrauchswert als Gebrauchswert er-
halten und aus ihm herstellen.“ (942) Der Gebrauchswert ist als sol-
cher da im Prozeß des Gebrauchtwerdens. „Das wirkliche Dasein
der Gebrauchswerte ist ihre reale Negation, ihre Verzehrung, ihr
Vernichtetwerden in der Konsumtion. Es ist also diese ihre reale
Negation als Gebrauchswerte, diese ihnen selbst immanente Negati-
on, worin sich der Tauschwert bewahrheiten muß, als sich erhaltend
gegen den Gebrauchswert, oder vielmehr das aktive Dasein des
Gebrauchswerts zur Bestätigung des Tauschwerts machen.“ (942f.)
Es wird also „der Gebrauchswert als Gebrauchswert, d. h. die Kon-
sumtion der Ware selbst als Setzen des Tauschwerts, und bloßes Mit-
tel ihn zu setzen bestimmt“, und so „ist der Gebrauchswert der Ware
in der Tat nur Betätigung des prozessierenden Tauschwerts“. (943)
Damit ergibt sich als Forderung, daß die „wirkliche Negation des
Gebrauchswerts, die nicht in der Abstraktion von ihm, sondern in
seiner Konsumtion existiert (nicht in dem ihm gegenüber Gespannt-
stehen-bleiben)“ (943), daß also „diese seine reale Negation, die zu-
gleich seine Verwirklichung als Gebrauchswert ist, ... zum Akt der
Selbstbejahung, Selbstbetätigung des Tauschwerts gemacht werden“

342
Prozeßfaktoren – Identität und Unterschied
muß. „Dies ist aber nur möglich, sofern die Ware von der Arbeit
konsumiert wird, ihre Konsumtion selbst als Vergegenständlichung
der Arbeit und darum als Wertsetzung erscheint.“ (943) Die Negati-
on des Gebrauchswerts betrifft die Ware, die von der Arbeit ver-
braucht wird, d. h. Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand. Dieser Ver-
brauch muß Erhaltung ihres Werts sein, und zugleich muß die Arbeit
neuen Wert produzieren. „Um daher nicht nur formell, wie im Geld,
sondern in seiner realen Existenz als Ware, sich zu erhalten, und zu
betätigen, muß der im Geld vergegenständlichte Tauschwert sich die
Arbeit selbst aneignen, sich mit ihr austauschen.“ (943) Für das Geld
ist Gebrauchswert nicht ein Konsumtionsartikel, „worin es sich ver-
liert, sondern nur noch der Gebrauchswert, wodurch es sich erhält
und vermehrt. Für das Geld als Kapital existiert kein andrer Ge-
brauchswert. Es ist eben dies das Verhalten seiner als Tauschwerts
zum Gebrauchswert. Der einzige Gebrauchswert, der einen Gegen-
satz und Ergänzung zum Geld als Kapital bilden kann, ist die Arbeit
und diese existiert im Arbeitsvermögen, das als Subjekt existiert.“
(943) Damit ist die Arbeit im Verhältnis zum Kapital als einfacher
Unterschied, als das Nicht des Kapitals gefaßt. „Als Kapital ist das
Geld nur in Bezug auf das Nichtkapital, die Negation des Kapitals,
in Beziehung auf welche es allein Kapital ist. Das wirkliche Nicht-
Kapital ist die Arbeit selbst.“ (943)
Der erste Schritt zur Verwandlung des Geldes in Kapital „ist sein
Austausch mit dem Arbeitsvermögen, um vermittelst des letztren die
Konsumtion der Waren, d. h. ihr reales Setzen und Negieren als
Gebrauchswerte, zugleich in ihre Betätigung des Tauschwerts zu
verwandeln“ (944), d. h. in Erhaltung, Reproduktion und Neu-
produktion von Wert. Das Geld kann also nicht durch den Austausch
mit beliebiger Ware zum Kapital werden, sondern nur durch den
Austausch „mit seinem begrifflich bestimmten Gegensatz, der Ware,
die sich zu ihm selbst in begrifflich bestimmtem Gegensatz befindet
– der Arbeit“. (944)
Das Geld kann in alle besonderen Waren übergehen, ohne sich zu
verlieren. Kapital wird es durch den Austausch mit „der einzigen
Form des Gebrauchswerts, die es nicht selbst unmittelbar ist – näm-
lich ungegenständliche Arbeit – und zugleich dem unmittelbaren
Gebrauchswert für es als prozessierenden Tauschwert – wieder der
Arbeit. Es ist daher nur durch den Austausch des Geldes mit der
Arbeit, daß seine Verwandlung in Kapital vor sich gehn kann. Der
Gebrauchswert, wogegen sich das Geld als der Möglichkeit nach

343
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
Kapital, austauschen kann, kann nur der Gebrauchswert sein, wor-
aus der Tauschwert selbst wird, sich erzeugt und vermehrt. Dies aber
ist nur die Arbeit. Der Tauschwert kann sich nur als solcher realisie-
ren, indem er dem Gebrauchswert – nicht diesem oder jenem – son-
dern dem Gebrauchswert in Bezug auf ihn selbst – gegenübertritt.
Dieser ist die Arbeit. Das Arbeitsvermögen selbst ist der Gebrauchs-
wert, dessen Konsumtion unmittelbar mit der Vergegenständlichung
der Arbeit, also der Setzung des Tauschwerts zusammenfällt. Für
das Geld als Kapital ist das Arbeitsvermögen der unmittelbare
Gebrauchswert, gegen den es sich auszutauschen hat. Bei der einfa-
chen Zirkulation war der Inhalt des Gebrauchswerts gleichgültig, fiel
außerhalb die ökonomische Formbeziehung. Hier ist er wesentliches
ökonomisches Moment derselben. Indem der Tauschwert nur dadurch,
als an sich im Austausch festhaltender zunächst bestimmt ist, daß er
sich austauscht mit dem seiner eignen Formbestimmung nach ihm
gegenüberstehnden Gebrauchswert.“ (944)

Grenze der dialektischen Form der Darstellung


Nun kommt die Ableitung der Bestimmungen des Selbstverwertungs-
prozesses des Werts als Selbstbewegung zu einer kritischen Stelle.
Es fragt sich, ob aus den Bestimmungen der Ware und des Geldes
sowohl wie der Ware als Gebrauchswert und Wert in der einfachen
Zirkulation – als der Unmittelbarkeit – dieses spezifische Verhältnis
von Identität und Unterschied, das hier von vornherein als Gegen-
satz gefaßt werden muß, sich ableiten läßt, oder ob die Analyse Be-
stimmungen aufnehmen muß, die anders zustande gekommen sind
als durch die Bewegung in der Unmittelbarkeit. Die Eigenart des
Gegensatzes in dieser Phase des Kreisprozesses der Selbstbewegung
besteht darin, daß er sich in der Unmittelbarkeit bildet: als Bezie-
Bedingung der hung zwischen dem Eigner des Geldes und dem Eigner einer ganz
Verwandlung von speziellen Ware, des Arbeitsvermögens. Aber diese Entgegensetzung
Geld in Kapital: hier als solche resultiert nicht aus der einfachen Zirkulation. „Die Bedin-
Eigentümer der
objektiven und gung der Verwandlung von Geld in Kapital ist, daß der Eigner des
subjektiven Geldes Geld gegen das fremde Arbeitsvermögen als Ware umtau-
Produktions- schen kann. Also daß innerhalb der Zirkulation das Arbeitsvermö-
bedingungen – dort gen als Ware feilgeboten wird, denn innerhalb der einfachen Zirku-
Eigentümer bloß der
Arbeitskraft lation stehn sich die Austauschenden nur als Käufer und Verkäufer
gegenüber. Die Bedingung ist also, daß der Arbeiter sein Arbeitsver-

344
Grenze der dialektischen Form der Darstellung
mögen als zu vernutzende Ware feilbietet: also der freie Arbeiter.
Die Bedingung ist, daß der Arbeiter erstens als freier Eigentümer
über sein Arbeitsvermögen disponiert, sich zu ihm als Ware verhält;
dazu muß er freier Eigentümer desselben sein. Zweitens aber, daß er
seine Arbeit nicht mehr in der Form einer andren Ware, vergegen-
ständlichter Arbeit auszutauschen hat, sondern die einzige Ware, die
er anzubieten hat, zu verkaufen hat, eben sein lebendiges, in seiner
lebendigen Leiblichkeit vorhandnes Arbeitsvermögen ist, die Bedin-
gungen der Vergegenständlichung seiner Arbeit, die gegenständli-
chen Bedingungen seiner Arbeit also als fremdes Eigentum, in der
Zirkulation auf der andren Seite, jenseits seiner selbst befindliche Diese
Waren existieren.“ (945) Diese Entgegengesetzten finden einander Entgegensetzung –
vor, und daß sie einander vorfinden, ist das Ergebnis eines histori- Ergebnis eines
historischen
schen Prozesses, in dem das gegebene System sich formiert hat. „Daß Prozesses
der Geldbesitzer – oder das Geld, denn einstweilen ist der erstere uns
in dem ökonomischen Prozeß selbst nur die Personifikation des
letztren – das Arbeitsvermögen auf dem Markt, in den Grenzen der
Zirkulation als Ware vorfindet, diese Voraussetzung, von der wir hier
ausgehn, und von der die bürgerliche Gesellschaft in ihrem Produkti-
onsprozeß ausgeht, ist offenbar das Resultat einer langen historischen
Entwicklung, das Resumé vieler ökonomischen Umwälzungen, und setzt
den Untergang andrer Produktionsweisen (gesellschaftlichen Produkti-
onsverhältnisse) und bestimmter Entwicklung der Produktivkräfte der
gesellschaftlichen Arbeit voraus.“ (945) Marx verweist hier auf den
Entwicklungsstand des Basisprozesses als Wurzel des systemspe-
zifischen Gegensatzes. „Der bestimmte vergangne historische Pro-
zeß, der in dieser Voraussetzung gegeben ist, wird sich noch bestimm-
ter formulieren bei weitrer Betrachtung des Verhältnisses. Diese
historische Entwicklungsstufe aber der ökonomischen Produktion –
deren Produkt selbst schon der freie Arbeiter – ist aber Vorausset-
zung für das Werden und noch mehr das Dasein des Kapitals als
solchen. Seine Existenz ist das Resultat eines langwierigen histori- Grenzen der
schen Prozesses in der ökonomischen Gestaltung der Gesellschaft.“ dialektischen Form
(945) Hier folgt nun Marx´ bekannte Bemerkung über die Grenzen der Darstellung:
Übergang der
der dialektischen Form der Darstellung. Sie bezieht sich genau auf Unmittelbarkeit in die
die Betrachtung der Selbstbewegung des Negativen in jener Phase, Negativität vermittelt
in der es aus der Unmittelbarkeit in die Negativität sich aufhebt, und durch
betrifft das Problem, daß die grundlegenden Bestimmungen des hi- Bestimmungen, die
letztlich aus dem
storisch spezifischen Prozesses des Negierens erst zu gewinnen sind, Basisprozeß
wenn die systemspezifische Selbstbewegung in ihrem Zusammen- resultieren
345
Dialektische Methode im Urtext-Fragment
hang mit dem jeweiligen Basisprozeß erfaßt wird. Die historische
Eigentümlichkeit des Negationsprozesses oder die systemspezifische
Negativität bestimmt dann auch die Bewegung in der Sphäre der
Unmittelbarkeit. Im Prinzip geht es darum, daß die theoretische Er-
fassung der Selbstbewegung wie bei jedem gedanklichen Schritt so
auch hier die Fakten in Rechnung stellen muß. „Es zeigt sich an die-
sem Punkt bestimmt, wie die dialektische Form der Darstellung nur
richtig ist, wenn sie ihre Grenzen kennt. Aus der Betrachtung der
einfachen Zirkulation ergibt sich uns der allgemeine Begriff des Ka-
pitals, weil innerhalb der bürgerlichen Produktionsweise die einfa-
che Zirkulation selbst nur als Voraussetzung des Kapitals und es vor-
aussetzend existiert. Das Ergeben derselben macht das Kapital nicht
zur Inkarnation einer ewigen Idee; sondern zeigt es, wie es in der
Wirklichkeit erst, nur als notwendige Form, in die Tauschwertsetzende
Arbeit, auf dem Tauschwert beruhnde Produktion münden muß.“ (945f.)
Genaue Marx unterscheidet exakt den Vorgang, der noch in der einfachen
Unterscheidung des Zirkulation, als Verhältnis von Geld und Ware, stattfindet, von dem
Verhältnisses der Vorgang im Produktionsprozeß, wobei er noch einmal darauf hin-
Entgegengesetzten
in der weist, daß es die eine Bestimmung der eingetauschten Waren, ihr
Unmittelbarkeit, d. h. Gebrauchswert, und zwar ihr spezifischer Gebrauchswert ist, der über
hier in der einfachen die Grenzen der einfachen Zirkulation hinaustreibt, durch den also
Zirkulation, und dann der Zusammenhang zwischen der Bewegung in der einfachen Zirku-
in der Negativität, lation und der im Produktionsprozeß begrifflich erfaßbar ist. „Es ist
d. h. hier im
kapitalistischen wesentlich wichtig, diesen Punkt festzuhalten, daß das Verhältnis,
Produktionsprozeß wie es hier als einfaches Zirkulationsverhältnis vorkommt – zunächst
noch ihr ganz angehörig und nur durch den spezifischen Gebrauchs-
wert der eingetauschten Waren über die Grenzen der einfachen Zir-
kulation hinaustreibend – nur Verhältnis von Geld und Ware ist, der
Äquivalente in der Form der beiden gegensätzlichen Pole, wie sie in
der einfachen Zirkulation erscheinen. Innerhalb der Zirkulation, und
der Austausch zwischen Kapital und Arbeit, wie er selbst als bloßes
Zirkulationsverhältnis da ist – ist nicht der Austausch zwischen Geld
und Arbeit, sondern der Austausch zwischen Geld und dem lebendi-
gen Arbeitsvermögen. Als Gebrauchswert wird das Arbeitsvermö-
gen realisiert nur in der Tätigkeit der Arbeit selbst, aber ganz in der-
selben Weise, wie eine Bouteille Wein, die gekauft wird, der
Gebrauchswert erst im Trinken des Weins realisiert wird. Die Arbeit
selbst fällt so wenig in den einfachen Zirkulationsprozeß, wie das
Trinken. Der Wein als Vermögen, dunamei nach, ist Trinkbares und
das Kaufen des Weins Aneignung von Trinkbarem. So das Kaufen

346
Grenze der dialektischen Form der Darstellung
des Arbeitsvermögens Dispositionsfähigkeit über Arbeit. Da das Ar-
beitsvermögen in der Lebendigkeit des Subjekts selbst existiert, und
sich nur als eigne Lebensäußerung desselben manifestiert, so stellt
natürlich der Ankauf des Arbeitsvermögens, die Aneignung des Ti-
tels auf den Gebrauch desselben, während dem Akt des Gebrauchs,
Käufer und Verkäufer in andres Verhältnis als dies bei vergegenständ-
lichter Arbeit der Fall ist, die als Gegenstand außer dem Produzenten
vorhanden ist. Dies beeinträchtigt das einfache Austauschverhältnis
nicht. Es ist nur die spezifische Natur des Gebrauchswerts, der mit dem
Geld gekauft wird – nämlich daß seine Konsumtion, die Konsumtion
der Arbeitsvermögen, Produktion, vergegenständlichende Arbeitszeit,
Tauschwertsetzende Konsumtion ist – sein wirkliches Dasein als
Gebrauchswert Schaffen des Tauschwerts ist –, welches den Austausch
zwischen Geld und Arbeit zu dem spezifischen Austausch G – W – G
macht, worin als Zweck des Austauschs der Tauschwert selbst gesetzt
ist und der erkaufte Gebrauchswert unmittelbar Gebrauchswert für den
Tauschwert ist, d. h. Werts[etzen]der Gebrauchswert.“ (946)
Schließlich weist Marx noch darauf hin, daß im spezifischen Aus- Exakte Erfassung
tausch zwischen dem Eigner des Geldes und dem Eigner des Arbeits- der
vermögens das Geld als Zahlungsmittel fungiert, aber Zahlungsmit- Entgegengesetzten
in den
tel eben das Geld ist. „Es ist gleichgültig ob das Geld hier als einfaches Bestimmungen der
Zirkulationsmittel (Kaufmittel) oder als Zahlungsmittel betrachtet Unmittelbarkeit:
wird. Insofern Einer, der mir z. B. den 12-stündigen Gebrauchswert Austausch zwischen
seines Arbeitsvermögens, sein Arbeitsvermögen für 12 Stunden ver- Geld und
Arbeitsvermögen,
kauft, es mir in der Tat erst verkauft hat, sobald er, wenn ich darauf nicht Arbeit
bestehe, 12 Stunden gearbeitet hat, erst am Ende der 12 Stunden mir
sein Arbeitsvermögen für 12 Stunden geliefert hat, liegt es in der
Natur des Verhältnisses, daß das Geld hier als Zahlungsmittel er-
scheint; Kauf und Verkauf nicht unmittelbar auf beiden Seiten gleich-
zeitig realisiert werden. Das Wichtige ist hier nur, daß das Zahlungs-
mittel, das allgemeine Zahlungsmittel, Geld ist, und der Arbeiter daher
nicht durch eine besondre naturwüchsige Weise der Zahlung in andre
als die Zirkulationsverhältnisse zum Käufer tritt. Er verwandelt sein
Arbeitsvermögen unmittelbar in das allgemeine Äquivalent, als Be-
sitzer dessen er dasselbe Verhältnis – den Umfang seiner Wertgröße
– gleiche Verhältnis in der allgemeinen Zirkulation behauptet, wie
jeder andre; und ebenso der allgemeine Reichtum, der Reichtum in
seiner allgemeinen gesellschaftlichen Form und als die Möglichkeit
aller Genüsse der Zweck seines Verkaufs ist.“ (946f.) (Hier bricht
das Manuskript ab.)

347
Literatur

1. Hegel

a) Werke
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes, hg. v. J. Hof-
meister, Hamburg 1952
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik. Erster Teil und Zwei-
ter Teil, hg. v. G. Lasson, Hamburg 1934, unveränderter Abdruck Leipzig 1951
(zitiert als : L I und L II)
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik. Erster Band. Erstes
Buch, 1. Auflage, Nürnberg 1812, Nachdruck (besorgt von W. Wieland), Göt-
tingen 1966
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissen-
schaften (Redaktion E. Moldenhauer und K. M. Michel). In: Werke 8-10, Frank-
furt am Main 1970
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philoso-
phie, Bd. I-III, hg. v. G. Irrlitz, Leipzig 1971

b) Sekundärliteratur (Auswahl)
Biard, J./Buvat, D./Kervegan, J.-F./Kling, J.-F./Lacroix, A./Lecrivain, A./
Slubicki, M.: Introduction à la lecture de la Science de la Logique de Hegel.
Bd. 1: L’Etre, Paris 1981; Bd. 2: La Doctrine de l’Essence, Paris 1983
Düsing, Klaus: Das Problem der Subjektivität in Hegels Logik, Bonn 1995
Eley, Lothar: Hegels Wissenschaft der Logik. Leitfaden und Kommentar, Mün-
chen 1976
Guzzoni, Ute: Werden zu sich. Eine Untersuchung zu Hegels „Wissenschaft
der Logik“, Freiburg/München 1963
Henrich, Dieter: Hegels Logik der Reflexion. Neue Fassung. In: Hegel-Studien,
Beiheft 18, Bonn 1978, S. 203-324
Iber, Christian: Metaphysik absoluter Relationalität. Eine Studie zu den beiden
ersten Kapiteln von Hegels Wesenslogik, Berlin/New York 1990
Lakebring, Bernhard: Kommentar zu Hegels „Logik“ in seiner „Enzyklopädie“
von 1830. Band I: Sein und Wesen, Freiburg/München 1979
Mc Taggart, John u. Ellis: A Commentary on Hegels Logic (1910), New York
1964

348
Literatur
Rademaker, Hans: Hegels „Wissenschaft der Logik“. Eine darstellende und er-
läuternde Einführung, Wiesbaden 1979
Schmitz, Hermann: Hegels Logik, Bonn/Berlin 1992
Schubert, Alexander: Der Strukturgedanke in Hegels „Wissenschaft der Lo-
gik“, Königstein/Ts. 1985
Theunissen, Michael: Sein und Schein. Die kritische Funktion der Hegelschen
Logik, Frankfurt am Main 1980
Wetzel, Manfred: Reflexion und Bestimmtheit in Hegels Wissenschaft der Lo-
gik, Hamburg 1971
Wölfle, Gerhard Martin: Die Wesenslogik in Hegels „Wissenschaft der Logik“,
frommann-holzboog 1994

2. Marx

Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844. In:


MEW, Ergänzungsband. Erster Teil, S. 465ff.
Karl Marx/Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie. In: MEW, Bd. 3, S. 9ff.
Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953
Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. Erster Teil. In:
MEGA, Bd. II/1.1, S.49ff. Zweiter Teil. In: MEGA, Bd. II/1.2, S. 315ff.
Karl Marx: Einleitung [zu den „Grundrissen der Kritik der politischen Ökono-
mie“]. In: MEW, Bd. 42, S. 15ff.
Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. In: MEW, Bd. 42,
S. 47ff.
Marx an Engels in Manchester. Brief vom 8. Dezember 1857. In: MEW, Bd. 29,
S. 222ff.
Marx an Engels in Manchester. Brief vom 18. Dezember 1857. In: MEW, Bd. 29,
S. 232f.
Marx an Engels in Manchester. Brief um den 16. Januar 1858. In: MEW, Bd. 29,
S. 259ff.
Marx an Engels in Manchester. Brief vom 1. Februar 1858. In: MEW, Bd. 29,
S. 273ff.
Marx an Engels in Manchester. Brief vom 2. April 1858. In: MEW, Bd. 29,
S. 311ff.
Marx an Engels in Manchester. Brief vom 29. November 1858. In: MEW, Bd. 29,
S. 371f.
Karl Marx: Fragment des Urtextes von „Zur Kritik der politischen Ökonomie“
(1858). In: Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin
1953, S. 869-947.
Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie. Urtext. In: MEGA, Bd. II/2,
S. 17ff.

349
Literatur
Karl Marx: Referate zu meinen eignen Heften. In: Karl Marx: Grundrisse der
Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, S. 951-967.
Karl Marx: Index zu den 7 Heften. (dem ersten Theil). In: MEGA, Bd. II/2,
S. 3ff.
Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie. In: MEW, Bd. 13, S. 3ff.
Friedrich Engels: Karl Marx, „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“ (Rezensi-
on). In: MEW, Bd. 13, S. 468ff.
Marx an Engels in Manchester. Brief vom 9. Dezember 1861. In: MEW, Bd. 30,
S. 206f.
Karl Marx: Das Kapital. Erster Band, Hamburg 1867. In: MEGA, Bd. II/5
Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. In: MEW, Bd. 23
Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. Nachwort zur zweiten Auflage. In: MEW,
Bd. 23, S. 18ff.
Karl Marx: Das Kapital. Zweiter Band. In: MEW, Bd. 24
Karl Marx: Theorien über den Mehrwert. Dritter Teil. In: MEW, Bd. 26.3
Karl Marx: [Randglossen zu Adolph Wagners „Lehrbuch der politischen Öko-
nomie“]. In: MEW, Bd. 19, S. 355ff.
Friedrich Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft („Anti-
Dühring“). In: MEW, Bd. 20, S. 5ff.
Engels an Pjotr Lawrowitsch Lawrow in Paris. Brief vom 2. April 1883. In:
MEW, Bd. 36, S. 3
Jenny Marx an Konrad Schramm in Jersey. Brief vom 8. Dezember 1857. In:
MEW, Bd. 29
Freiligrath an Marx. Brief vom 22. Oktober 1857. In: Freiligraths Briefwechsel
mit Marx und Engels, Teil I, Berlin 1968, S. 96

Die „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“ erschienen erstmals 1939
und 1941 im Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau, in zwei Teilen. Im
Karl-Marx-Jahr 1953 brachte der Dietz Verlag Berlin sie als fotomechanischen
Nachdruck der Moskauer Ausgabe heraus. Im Jahre 1967 kamen die „Grundris-
se“ erstmals auch in der BRD heraus: bei der Europäischen Verlagsanstalt, Frank-
furt am Main 1967, und zwar ebenfalls als fotomechanischer Nachdruck der
Moskauer Ausgabe von 1939 und 1941.
In der Zweiten Abteilung der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) erschie-
nen die „Grundrisse“ in Band II/1.1 (Berlin 1976) und Band II/1.2 (Berlin 1981).
Auf dieser Ausgabe sowie auf dem Band 46 der zweiten russischen Ausgabe
der Werke von Marx und Engels basiert die Veröffentlichung der „Grundrisse“
in der Marx-Engels-Werkausgabe, die hier wegen der modernisierten, das Le-
sen erleichternden Rechtschreibung und Zeichensetzung benutzt wird.
Nach der Werkausgabe des Dietz Verlages Berlin 1956ff. werden die Arbei-
ten von Marx und Engels mit MEW, Bd. zitiert.

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Nachbemerkung

An dieser Stelle erlaube ich mir eine persönliche Bemerkung. Nach-


dem ich frühzeitig aus dem offiziellen wissenschaftlichen Arbeits-
prozeß ausgegrenzt worden war, mußte ich mich in mancherlei Hin-
sicht um elementare Lebensbedingungen kümmern, insbesondere
durch Bauarbeiten. Mein Dank gilt Dr. Eike Friedrich, der geliebten,
verehrten, stets geduldigen Frau; sie trägt seit Jahren die Hauptlast,
und so hatte ich doch Muße genug, mich nach eigenem Ermessen auf
dem Gebiet der Philosophie zu betätigen. Als ich mich wie schon
zuvor mit Marx befaßte, stellte ich wiederum fest, daß man ihn nicht
begreifen kann, ohne Hegel genauestens zu kennen, weshalb ich er-
neut vor allem die „Wissenschaft der Logik“ studierte. So ist gleich-
sam beiläufig ein „Logik“-Kommentar entstanden, dessen Hauptstück
ich hiermit vorlege.

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