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BIO 113: Evolution

Lektion 3:
Adaptation

Florian Schiestl
Institut für Systematische Botanik
Übersicht
1. Einführung: Was ist eine Anpassung?
2. Das Studium der Adaptation
3. Limitierende Faktoren
4. Life history als Anpassung
1) Was ist eine Anpassung?

Adaptation - Anpassung

• Eine Adaptation ist ein Merkmal das als „Produkt“ von


Selektion entsteht.
• Eine Adaptation ist „ein abgeleitetes Merkmal
(Phänotyp) (unter vielen) das zur höchsten Fitness
in einer bestimmten Umwelt führt“.
• Abgeleitet heisst, das Merkmal muss eine
evolutionäre Neuerung sein (historische Komponente
der Definition).
• Fitness: Adaptation ist in einer bestimmten
selektiven Umwelt entstanden (Selektion bewirkt die
Ausbildung von Adaptationen).
1) Was ist eine Anpassung?

• Beispiel: Ähnlichkeit zwischen männlichen


und weiblichen Blüten bei zweihäusigen
Pflanzen – eine Adaptation (Mimikry)?
• Fitnessgewinn: Ähnlichkeit für Bestäuber
• Wo ist das abgeleitete Merkmal?

Silene latifolia, weibliche und


männliche Blüte

Begonia sp., weibliche und


männliche Blüte
1) Was ist eine Anpassung?

• Beispiel: Flügellosigkeit bei Insekten - eine


Adaptation?

Floh (Siphonaptera)

Springschwanz (Collembola)
Vergleich mit nächstverwandten
Gruppen:
bei Flöhen haben diese Flügel,
bei Springschwänzen haben
diese keine Flügel
2) Das Studium der Adaptation

2) Das Studium der Adaptation

• Grundlegende Frage: hat jede Form, physiologische


Eigenschaft, Verhalten, Gen, etc. eine Funktion? Sind diese
Merkmale als Adaptationen entstanden?

• Grundlegende Erkenntnisse zu dieser Frage bringt uns das


Studium der Adaptationen.
• Welche Funktion hat ein Merkmal? Was ist der
Fitnessgewinn der Funktion?
• Welcher Selektionsdruck hat zur Ausbildung dieses
Merkmals geführt?
• Was ist die Rolle von Verwandtschaft?
2) Das Studium der Adaptation

Zum Studium der Adaptationen stehen uns im


wesentlichen 3 Möglichkeiten zur Verfügung:

2.1. Experimente
2.2. Beobachtungen
2.3. Vergleichende Studien
2) Das Studium der Adaptation

2.1. Experimente
1. Bsp.: Sind «Mistbienen» Mimeten der Honigbiene?

Modell: Apis mellifera Operator: Fressfeind (zB Kröte)

Mimet: Eristalix vinetorum

Hypothesen:
1) Ähnlichkeit zw. Fliege und Biene aufgrund ähnlicher Lebensweise.
2) Ähnlichkeit aufgrund Wehrhaftigkeit (Giftigkeit).
3) Ähnlichkeit beruht auf Nachahmung (Mimikry) und soll Fressfeinde
abschrecken (Fitnessgewinn).
2) Das Studium der Adaptation

Schützt das Aussehen der Mistbienen vor Kröten?

Experiment 3

Experiment 2

Experiment 1

22 Kontroll-
22 Kröten Kröten

• Kröten lernen, Honigbienen zu vermeiden.


• Mistbienen werden auch vermieden, obwohl sie essbar wären.
Brower and Brower 1962
2) Das Studium der Adaptation

Ist Bienen-ähnlichkeit eine evolutionäre Neuerung?

Syrphidae Pipunculidae Anthomyidae Platypezidae


2) Das Studium der Adaptation

2.1 Experimente
2. Bsp.: Sind Orchideen der Gattung Chiloglottis
Mimeten von Wespen-weibchen?

Modell: Weibchen Neozeleboria cryptoides

Operator: Männchen, N. cryptoides

Mimet: Orchidee, Chiloglottis trapeziformis

Hypothesen:
1. Männchen besuchen die Blüten
wegen Nektar.
2. Männchen besuchen Blüten wegen
Ähnlichkeit zu Weibchen.
2) Das Studium der Adaptation

Welches Merkmal lockt Männchen zu den Blüten?

O O

Wespenweibchen

Duftstoffe
(Chromatogramm)
Wahrnehmung d.
Männchen
O O

Orchidee

Duftstoffe
Chiloglottis Wahrnehmung
trapeziformis

10 15 20 25 Time (min)
Schiestl et al 2003
2) Das Studium der Adaptation

O O

• Orchidee produziert den gleichen Duftstoff wie


Wespenweibchen, dieser lockt die Männchen an.
• Diesen Duftstoff findet man nur bei diesen Orchideen –
evolutionäre Neuerung.
• Mimikry!
2) Das Studium der Adaptation

2.2 Beobachtungen

• Manchmal sind Experimente kaum möglich, weil


bestimmte Merkmale schwer zu manipulieren sind,
z.B. Physiologie.
• Beispiel: Thermoregulation beim Wüstenleguan
2) Das Studium der Adaptation

Frage, die durch Beobachtungen geklärt werden kann:


• Passen Wüstenleguane ihr Verhalten der optimalen
Thermoregulation an?
2) Das Studium der Adaptation

2.3 Vergleichende Studien


• Für vergleichende Studien braucht man eine
grössere Zahl von Arten.
• Man versucht, eine (immer wieder auftretende)
Assoziation zwischen einem Merkmal und der
möglichen Anpassung zu finden.
• Man bekommt einen breiteren Überblick, und kann
generellere Trends erkennen.

1. Bsp.: Ist rote Blütenfarbe


eine Anpassung an
Bestäubung durch Vögel?
Etlingera elatior - Ingwergewächse
2) Das Studium der Adaptation

Verschiedene Ingwergewächse und ihre Bestäuber


Vögel Bienen

Amomum longipes

Etlingera punicea

E. velutina

Amomum subulatum

E. elatior E. inundata

A. maximum
2) Das Studium der Adaptation

Die evolutive Geschichte (Phylogenie) der Ingwergewächse

Bienen (2 Gruppen)
Vögel

• Die gezeigten
Ingwergewächse sind
phylogenetisch nicht
unabhängig voneinander,
weil sie auf den gleichen
Vorfahren zurückgehen!
• Wie oft ist Vogelbestäubung
unabhängig entstanden?
• Wieviele unabhängige
Datenpunkte habe ich für
Sakai et al 2013 meine Studie?
2) Das Studium der Adaptation

• Wie kann man Verwandtschaft (Phylogenie) in


Betracht ziehen und phylogenetisch unabhängige
Vergleiche machen?
• 2. Beispiel: Ist Hodengrösse bei Fledermäusen eine
Anpassung an die Grösse von sozialen Gruppen?
Logik: mehr Individuen, mehr Paarungen, mehr
Spermienkonkurrenz.
2) Das Studium der Adaptation

• Verwandtschaft muss in Betracht gezogen werden


(historische Komponente).

Fiktives
Daten sind nicht
Beispiel mit 6
unabhängig
Arten:
voneinander, weil
A,B,C, und D,E,F
jeweils nahe
miteinander
verwandt sind
2) Das Studium der Adaptation

• Felsensteins‘ Methode: phylogenetisch unabhängige Kontraste


• Wir analysieren die Verzweigungen am Stammbaum: sind immer dann,
wenn grössere Gruppengrösse evoluiert ist, auch die Hoden der
Männchen grösser geworden?
2) Das Studium der Adaptation

• Relation Hodengrösse –
Gruppengrösse mit
phylogenetisch
unabhängigen
Kontrasten
3) Limitierende Faktoren

3) Limitierende Faktoren für Adaptation

• „Trade-off“ (Abtausch): die Balance (Kompromiss)


zwischen verschiedenen Faktoren, die nicht
gemeinsam optimiert werden können.

• „Constraint“ (Limitierung): ein Faktor der die


adaptive Evolution verlangsamt, oder das Erreichen
eines Optimums unmöglich macht.
3) Limitierende Faktoren

Bsp. trade-off: Begonien


3) Limitierende Faktoren

Bsp. Antibiotika-resistente Myobacterium tuberculosis

Rifampin-resistente Mutanten
kultiviert gemeinsam mit
rifampin-empfindlichen
genotypen
3) Limitierende Faktoren

Bsp. constraint: Fuchsien aus NZ

Constraint ist die Zeit,


die das Wachstum der
Pollenschläuche zu den
Ovarien braucht.
4) Life history

4) Life History als Adaptation

Wichtige „Life history“ Faktoren:

• Anzahl und Grösse der Nachkommen


• Langlebigkeit
• Fortpflanzungsalter
4) Life history

Variation in LH Eigenschaften: Anzahl und Grösse


der Nachkommen bei Vögeln.
4) Life history

Variation in LH Eigenschaften: Anzahl und


Grösse der Nachkommen bei Pflanzen.
4) Life history

Variation in LH Eigenschaften: Langlebigkeit


bei Pflanzen.

Reis (Oryza sativa) Bambus


4) Life history

• Anzahl und Grösse von Nachkommen bilden einen


fundamentalen trade-off – entweder viele kleine, oder
wenige grosse Nachkommen.
Relative Anzahl Eier

z.B. Eigrösse und


Anzahl Eier bei
Fischen

Relatives Eivolumen

• Dies kann auch innerhalb von Arten variieren:


„phänotypische Plastizität“
• Man kann experimentell untersuchen, wann viele
kleine, und wann wenige grosse produziert werden.
4) Life history

Anzahl und Grösse der Nachkommen

• Smith & Fretwell Analyse: der optimale Kompromiss


zw. Grösse und Anzahl.
• Voraussage: Grösse der Nachkommen ist von
Überlebenswahrscheinlichkeit abhängig
4) Life history

Test bei Käfer, der Eier auf Samen


ablegt: wann werden viele kleine, und
wann wenige grosse Eier gelegt?

Stator limbatus
4) Life history

4.1) Evolution von Altern und Sterben

• Altern (Seneszenz): Verminderung der


Fruchtbarkeit und Überlebenswahrscheinlichkeit
in späteren Leben.
• Altern vermindert die Fitness, sollte daher von
Selektion eliminiert werden.
• Gibt es eine evolutionäre Erklärung für Altern und
Sterben?
4) Life history

• „Antagonistische Pleiotropie“ Hypothese*:


Reparatur ist energieaufwändig; es gibt einen
trade-off zwischen Reparatur und Reproduktion

*Gene, die mehrere phänotypische Merkmale beeinflussen, nennt


man „pleiotrop“

Langlebigkeit (Reparatur)
4) Life history

• Unter welchen Umständen kann sich eine Mutation, die das Lebensalter
verkürzt, in der Population durchsetzen?
4) Life history
4) Life history
4) Life history

• Mutationen, die das Leben verkürzen, werden nicht


stark gegen-selektioniert, wenn sie nur wenige
Individuen betreffen (d.h. wenn die Sterblichkeit
aufgrund ökologischer Faktoren hoch ist) und können
sich daher in einer Population durchsetzen.

• Antagonistische Pleiotropie: Mutationen, die frühere


Fortpflanzung gekoppelt mit früherem Tod bewirken,
wirken sich sogar vorteilhaft auf den
Reproduktionserfolg aus. Solche Mutationen können
sich durchsetzen.
4) Life history

• Kennt man Mutationen die frühere Reproduktion mit


kürzerer Lebensdauer verknüpfen?
• Solche Mutationen sollten den Effekt haben, dass
mehr Energie in Reproduktion, und weniger in
Reparatur investiert wird.
• Coenorhabitis elegans: age-1 gen; Mutante: hx546
dieses Gens: längeres Leben und spätere
Reproduktion (bei knappen Nahrungsverhältnissen).
• Drosophila melanogaster: methuselah gen: ähnliche
Effekte wurden bei einer Mutante gefunden.
4) Life history

Ein natürliches Alter-Experiment

• Opossums auf Insel und Festland


• ökologische Mortalität auf Festland ist höher, auf
Insel (Sapelo island, USA) gibt es keine Säuger-
Predatoren.
• Voraussage für Altern und Reproduktion?
4) Life history

Altern: Reproduktion:

Opossums auf Festland investieren


mehr in frühe Reproduktion

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