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Die Macht des Silbers

Karolingische Schätze im Norden


Das Fränkische Reich
und der Norden
im 9. Jahrhundert

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Silber_lay_Macht_des_Silbers 17.12.15 14:58 Seite 3

Sonderdruck aus

Egon Wamers

Die Macht des Silbers


Karolingische Schätze im Norden

Katalog zur Ausstellung im


Archäologischen Museum Frankfurt
und im
Dom-Museum Hildesheim

in Zusammenarbeit mit dem


Dänischen Nationalmuseum Kopenhagen

Herausgegeben von
Egon Wamers und Michael Brandt
Umschlagmotiv: König Karl der Kahle. Widmungsbild in der Vivian-Bibel, Bibl. Nat. Paris,
lat. 1, fol. 423r, Ausschnitt (Tours, 845–846);
Ranke von der Rückseite der Riemenzunge von Notmark, Dänemark (Katalog 30)

Ausstellung in Frankfurt am Main:


25. Februar bis 24. Juli 2005

Ausstellung in Hildesheim:
31. Juli bis 11. Dezember 2005

Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek


Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

1. Auflage 2005
© 2005 Verlag Schnell & Steiner GmbH und Autoren,
Leibnizstraße 13, 93055 Regensburg
Umschlaggestaltung: Eike Quednau
Layout: Schnell & Steiner, Regensburg
Satz, Litho, Druck: Erhardi Druck GmbH, Regensburg
Broschur-Ausgabe: ISBN 3-7954-1750-3
Hardcover-Ausgabe: ISBN 3-7954-1725-2

Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es nicht gestattet,
dieses Buch oder Teile daraus auf fototechnischem oder elektronischem Weg zu vervielfältigen.

Weitere Informationen zum Verlagsprogramm erhalten Sie unter: www.schnell-und-steiner.de


Ausstellung Verwaltung:
Monika Illemann
Konzeption:
Egon Wamers, Michael Brandt Konservatorische Betreuung:
Uwe Schuchardt, Ingrid Töllner
Gestaltung:
Eike Quednau Aufbau:
Martina Borowsky, Margret Lustig

Präsentation Frankfurt Katalog

Leitung: Herausgeber:
Egon Wamers Egon Wamers, Michael Brandt

Architektur: Autoren:
Eike Quednau Michael Brandt, Torsten Capelle, Klaus
Grewe, Egge Knol, Henrik Schilling, Egon
Technische Detailplanung: Wamers
Franz Martin
Gestalterisches Konzept und Grafiken:
Ausstellungsbüro: Eike Quednau
Eveline Grönke, Sybille Lorenz
Redaktion:
Verwaltung: Eveline Grönke, Egon Wamers
Nicole Fallert
Übersetzungen:
Konservatorische Betreuung: Catharina Netty Steffann (aus dem
Monika Bürgermaier, Sigrid Diedrich, Niederländischen)
Thomas Flügen, Sigrun Martins Egon Wamers (aus dem Dänischen)

Aufbau: Graphische Gestaltung:


Zoran Benkovic, Franz Martin, Verlag Schnell und Steiner GmbH
Wilhelm Wecker

Präsentation Hildesheim

Leitung:
Michael Brandt

Architektur:
Karl Bernhard Kruse, Uwe Schuchardt,
in Zusammenarbeit mit der Bauabteilung
des Bischöflichen Generalvikariates
Hildesheim

Ausstellungsbüro:
Claudia Höhl, Gerhard Lutz
Leihgeber Dr. Lars Jørgensen, Kopenhagen
Roger Jørgensen, Tromsø
Deutschland Ignaz Jung-Lundberg, Hildesheim
Aachen, Domschatzkammer Dr. Theo Jülich, Darmstadt
Berlin, Deutsches Historisches Museum Norbert Kesseler, Hildesheim
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett Gilden Keunecke, Hildesheim
Darmstadt, Hessisches Landesmuseum Thomas Kind M.A., Frankfurt am Main
Frankfurt am Main, Archäologisches Museum Dr. Margot Klee, Wiesbaden
Frankfurt Dr. Ulrich Klein, Stuttgart
Hildesheim, Dom-Museum Hildesheim Prof. Dr. Bernd Kluge, Berlin
Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Dr. Egge Knol, Groningen
Nürnberg Hans-Jochen König, Kronberg
Ellwangen, Katholische Pfarrkirche St. Vitus Weihbischof Hans-Georg Koitz, Hildesheim
Mainz, Landesamt für Denkmalpflege Dr. Hans-Jürgen Krane, Hildesheim
Rheinland-Pfalz, Abt. Archäologische Dr. Beatrice La Farge, Frankfurt am Main
Denkmalpflege Carsten U. Larsen, Kopenhagen
Mainz, Rheinisches Landesmuseum Marieke van Loenhout, Groningen
Mainz, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Dr. Michael Lukas, Hildesheim
Wiesbaden, Museum Wiesbaden Dr. Gerhard Lutz, Hildesheim
Oldenburg, Stiftung Oldenburgischer Kulturbesitz Dr. Birgit Maixner M.A., Kiel
Schleswig, Archäologisches Landesmuseum der Jürgen Maleu, Hildesheim
Universität Kiel Francesca Marchiloi, Frankfurt am Main
Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum Caspar Martens, Groningen
Ingegerd Marxen, Lyngby
Dänemark F. M. J. Mennens, Maastricht
Kopenhagen, Nationalmuseet Jeannine Mercier, Paris
Dr. Petra Meschede, Hildesheim
Frankreich Mgr. Jirí Militky, Prag
Paris, Musée National du Moyen Age Paris – Ante Miloševic, Split
thermes et hôtel de Cluny DR. Georg Minkenberg, Aachen
Gertraud Mockel, Aachen
Kroatien Anton Neugebauer, Mainz
Split, Muzej Hrvatskih Arheoloskih Spomenika Dr. Hans-Bernhard Nordhoff, Frankfurt am Main
Prof. Dr. Hans Ottomeyer, Berlin
Niederlande Nina Passon M.A., Mainz
Groningen, Groninger Museum Prof. Dr. Volker Rattemeyer, Wiesbaden
Maastricht, Stichting Schatkamer Sint Servaas Heid Gjøstein Resi, Oslo
Petra Roth, Frankfurt am Main
Schweden Dr. Gerd Rupprecht, Mainz
Lund, Lunds Universitets Historiska Museum PhDr. Pavel Sankot, Prag
Norbert Schäfers, Münster
Tschechische Republik Henrik Schilling, Sabro
Prag, Národní muzeum Dr. Edith Schipper, München
Dr. Konrad Schneider, Frankfurt am Main
Dr. Mechthild Schulze-Dörrlamm, Mainz
Der Ausstellung gewährten Rat und Unterstützung: Prof. Dr. Peter-Klaus Schuster, Berlin
Prof. Dr. Peter Springer, Oldenburg
Dr. Frank Berger, Frankfurt am Main Dr. Tobias Springer, Nürnberg
Prälat Karl Bernert, Hildesheim Prof. Dr. Heiko Steuer, Freiburg i.Br.
Bernhard Blecker, Harsum Prof. Dr. Christoph Stiegemann, Paderborn
Prof. Dr. Martin Blindheim, Oslo Mgr. Marek Suchy, Prag
Dr. Michael Brandt, Oldenburg Dr. Werner Taegert, Bamberg
Mirjam Brandt, Hamburg P. Sigismund Tagage, Maastricht
Stadtrat Hans-Dieter Bürger, Frankfurt am Main Dr. Florian Téreygeol, Gif-sur-Yvette
Prof. Dr. Torsten Capelle, Münster Prof. Dr. Frans C. W. J. Theuws, Amsterdam
Hampus Cinthio, Lund Jürgen Twardzik, Hildesheim
Dr. Falko Daim, Mainz Kees van Twist, Groningen
Christine Descatoire, Paris Dr. Ingrid Ulbricht, Schleswig
Dr. Konrad Deufel, Hildesheim Diakon Wolfgang Urban, Rottenburg
Prof. Dr. Hans Drescher, Hamburg Dr. Guus van den Hout, Utrecht
Prof. Dr. Klaus Düwel, Göttingen Prof. Dr. Claus von Carnap-Bornheim, Schleswig
Prof. Dr. Victor H. Elbern, Berlin Dr. Albrecht Weiland, Regensburg
Prof. Oskar Emmenegger, Zizers Dr. Ralf Wiechmann, Hamburg
Dr. Peter Fasold, Frankfurt am Main Dr. Edith Welker †, Neu-Isenburg
Günter Fröchtling, Hildesheim Dr. Rolf Wohlgemuth, Münster
Prof. Dr. Thomas W. Gaethgens, Paris Generalkonsul Jan Zaadhof, Frankfurt am Main
Dr. Klaus Grewe, Ingelheim
Prof. Dr. G. Ulrich Großmann, Nürnberg
Thomas Hagenhoff, Hildesheim Die Ausstellung wird gefördert durch:
Mgr. Martina Halata, Prag
Dr. Hubertus Haller, Hildesheim Creativ GbR, Bad Honnef
Prof. Dr. Birgitta Hårdh, Lund Dezernat Kultur und Freizeit, Frankfurt am Main
Msgr. Patriz Hauser, Ellwangen Erdgas Münster GmbH
Dr. Birgit Heide, Mainz Historisch-Archäologische Gesellschaft Frankfurt
Dr. Volker Hilberg, Schleswig am Main e.V.
Sylvia Hoffmann, Berlin Yara International ASA, Norwegen
Bernd Hoppe, Hildesheim Bistum Hildesheim
Viviane Huchard, Paris Friedrich Weinhagen Stiftung
Rune Ingels, Porsgrunn Landschaftsverband Hildesheim e.V.
Jørgen Steen Jensen, Kopenhagen Sparkasse Hildesheim
Inhalt

Vorwort 9

Silber in der Antike 11


Egon Wamers

Rohstoff der Macht – Silber in der Karolingerzeit 19


Egon Wamers
Renovatio Imperii – Silber für das neue Reich 21
Die neue Währung 23
Der Awarenschatz – ein „Krieg für Silber“ 29
Schätze von König, Adel und Kirche 31

Insignien der Macht 35


Egon Wamers
Die Krone 42
Der Thron 43
Das Szepter 48
Armreifen 51
Das Schwert 52
Sporen und Zaumzeug 57
Geistliche Insignien (Michael Brandt) 62

Gold – Epiphanie des Göttlichen und weltliche Macht 73


Egon Wamers

Silber für den Gottesdienst 83


Egon Wamers
Liturgisches Gerät 86
Sakrale Gewänder (Michael Brandt) 92
Reliquiare (Michael Brandt) 96

7
Lockruf des Silbers – Normannen im Fränkischen Reich 105
Ungebetene Gäste (Torsten Capelle) 107
Die Spur des Silbers – fränkisches Beutegut im Norden (Egon Wamers) 112
Gold und Silber aus Marsum –
karolingische Schatzfunde in den Niederlanden (Egge Knol) 119

Der Silberschatz von Duesminde 125


Henrik Schilling
Die Fundgeschichte 127
Die Zusammensetzung des Schatzes (Egon Wamers) 129
Der Charakter des Schatzes (Egon Wamers) 142
Lolland – das Tor nach Skandinavien 143
Lolland zur Wikingerzeit 144
Der Herr von Vejleby 145
Lolland – ein Kleinkönigtum? 147

Imitatio Imperii – Silber verändert den Norden 149


Egon Wamers
Splendor imperii 151
Novus David 153
Stupor Danorum 159
Silber im Norden – die neue Währung 162
Ein dänischer Vasall im Bootkammergrab
von Haithabu – fränkisches Hofzeremoniell im Norden 165
„Military Look“ – eine neue Damenmode im Norden 173
Der Gral im Norden – vom Hostienbehältnis zum Ritualgefäß 178

Literatur 183

Abbildungsnachweis 191

8
Vorwort

I mmer wieder überrascht uns die


Archäologie mit Aufsehen erregenden
Funden und Entdeckungen, die unser
Bild von der Alten Welt mit einem Schlag
erweitern und verändern. Die Auffindung
aufrichtige Dank dafür, dass der prächtige
Schatzfund erstmals für eine Ausstellung
zur Verfügung gestellt wurde. Lars Jørgen-
sen war darüber hinaus bei der Erfüllung
weiterer Ausleihwünsche überaus hilfreich.
des sensationellen Wikingerschatzes von Ziel dieser Ausstellung ist, ausgehend
Duesminde auf der dänischen Insel Lolland vom Schatzfund von Duesminde der
war ein solcher Fall. Im Januar 2002 wur- Bedeutung des Silbers für die politische,
den von Henrik Schilling, damals Kurator religiöse und künstlerische Entfaltung des
des Lolland-Falsters Stiftsmuseum, Nach- Karolingischen Reiches – und im Gefolge
untersuchungen am Fundort eines vor vier- auch für den wikingerzeitlichen Norden –
zig Jahren sporadisch aufgelesenen Hortes nachzugehen. Kein anderer Stoff war so
von Gold- und Silberringen des späten 9. fundamental für die materielle und semio-
Jahrhunderts n.Chr. veranlasst. Gefunden tisch-repräsentative Grundlegung des
wurde indes der bislang reichste Wikinger- Karolingischen Reiches im 9. Jahrhundert
schatz mit hochkarätigem karolingischem wie das Silber. Von der Währung über die
Silberschmuck, insgesamt mehr als 1.300 militärische Ausstattung, den Ornat und
Gramm. die Insignien des weltlichen und geistlichen
Ein Jahr später vereinbarten der Aus- Adels bis zum liturgischen Gerät für den
gräber, das Dänische Nationalmuseum Gottes-Dienst: Für all das bildete Silber
in Kopenhagen und das Archäologische den Grundstoff, und in all dem offenbart
Museum in Frankfurt eine gemeinsame sich die damalige Macht des Silbers. Die
sorgfältige wissenschaftliche Untersuchung Ausstellung will in konzentrierter Form
und Publikation des Schatzfundes von das Spektrum des karolingischen Silbers in
Duesminde. Die vielfältigen archäologi- nahezu allen seinen Facetten ausbreiten
schen und historischen Aspekte dieses und den Glanz des 9. Jahrhunderts, den
erstaunlichen Fundes ließen es zudem Splendor Imperii, wieder zum Leben erwe-
geboten erscheinen, diese Untersuchung in cken. Damit soll etwas vom Geist der Zeit,
ein übergreifendes internationales For- von der unerhörten Aufbruchsstimmung
schungsprojekt einfließen zu lassen: „Eli- jenes jungen Imperiums und seiner gewalt-
ten und Herrschaft in Karolingerzeit und samen wie sakralen Dimension vermittelt
Wikingerzeit“. Neben Untersuchungen zu werden.
adeligem Waffen- und Reitzubehör, fränki- Doch von den gewaltigen Schätzen des
schen und skandinavischen Herrensitzen 9. Jahrhunderts, von denen uns Testamen-
sowie begleitenden Tagungen und Publika- te und Inventare berichten, ist auf dem
tionen sollte der Schatzes von Duesminde Kontinent nur wenig erhalten: Was nicht
auch in einer wissenschaftlich kuratierten als Beute und Lösegeld in die Hände der
Ausstellung einer interessierten Öffentlich- Normannen fiel, wurde Opfer des Zeitge-
keit in Deutschland und Dänemark präsen- schmacks, insbesondere aber von bild-
tiert werden. Dem Ausgräber des Schatzes, feindlichen und pietätlosen Exzessen im
Henrik Schilling, und Dr. Lars Jørgensen Gefolge der Reformation, des Dreißigjähri-
vom Dänischen Nationalmuseum gilt der gen Krieges, der Französischen Revolution

9
und der anschließenden Säkularisationen. sind, steht am Anfang der mächtigen „Sil-
So kommt es, dass unverhältnismäßig viel berwelle“. Hier verkündete Karl der Große
vom einstigen Bestand heute aus Boden- auf der Synode 794 die Reform der Silber-
funden des skandinavischen Nordens und währung, die für Jahrhunderte in Europa
der slawischen Randvölker kommt. Bestand hatte.
Zu dem wenigen, was sich vom karolin- Die Ausstellungsorganisatoren sind den
gischen Silber seit 1200 Jahren am alten Museen vieler Länder sowie den weltlichen
Bestimmungsort erhalten hat, gehört die und kirchlichen Leihgebern, die in großzü-
Lipsanothek aus dem Domschatz von Hil- giger Weise ihre kostbaren Bestände für
desheim, das geheimnisvolle Marienreli- diese Ausstellung zur Verfügung stellten,
quiar (Katalog 31). So fügt es sich wunder- zu größtem Dank verpflichtet. Ferner sei
bar, dass das Gründungsreliquiar des Bis- allen, die durch Rat, Unterstützung oder
tums sich mit dieser Ausstellung wieder in sonstige Hilfen zum Gelingen von Aus-
seinen alten Kontext karolingischer Silber- stellung und Katalog beigetragen haben,
werke einreiht, um den Dialog der alten unser herzlicher Dank ausgesprochen,
Künste fortzuführen. Auch die prächtigen, auch denen, die in die vorstehende Dankes-
200 Jahre jüngeren Bernwardinischen Sil- liste vielleicht versehentlich nicht aufge-
bergüsse verbinden Hildesheim mit dieser nommen wurden. Nicht minder gebührt
Ausstellung: Sie sind ohne den künstleri- unser Dank den generösen Förderern, die
schen und technischen Aufbruch der karo- mit substantiellen Zuwendungen der Aus-
lingischen Hofwerkstätten nicht denkbar. stellung ein materielles Fundament bereitet
Frankfurt hingegen, aus dem trotz seiner haben.
berühmten Pfalz keine karolingischen
Goldschmiedearbeiten von Rang erhalten Egon Wamers, Michael Brandt

10
Silber in der Antike

,, Nicht nur hinsichtlich der


Menge des Silbers benimmt sich
die Welt wie rasend, sondern
fast noch ärger gegenüber dem
Wert der Ausführung … ,,
Plinius, Naturkunde 33,147
K aum ein Stoff ist derart zum
Synonym für Reichtum und
weltliche Macht geworden wie
das Silber. Von den Astrologen des Alten
Orients dem Mond zugeordnet, galt es
cher Bürger, wie etwa Versteckfunde in
und bei Pompeji nahelegen. Neben die oft
mit antik-heidnischen oder biblischen Sze-
nen (zum Beispiel Schale aus dem Schatz
von Lambousa auf Zypern: Katalog 4) ver-
ursprünglich als himmelgleich glänzendes zierten Geschirre meist privaten Bereichs
Metall, mit vielerlei Wirk- und Heilkräften treten in spätantiker und frühbyzantini-
versehen. Stets auch wurde es zur Meta- scher Zeit „offizielle“ Gefäße. Mit kaiserli-
pher kalten Kapitals, lasziver Prunksucht chen Portraitmedaillons oder herrscher-
und rücksichtslosen Besitzstrebens. Nicht ikonographischen Darstellungen sowie
nur die Silberlinge des Judas, sondern auch Begleitinschriften versehen, wurden sie als
Begriffe wie „versilbern“ oder „Silberzun- so genannte Largitionsschalen bei be-
ge“ zeigen den negativen Beiklang, den die- stimmten Anlässen hochstehenden Perso-
ses Edelmetall angenommen hat. nen des Staates als Auszeichnung oder
Dennoch hatte Silber in der gesamten Belohnung geschenkt. Die wohl bekanntes-
Antike einen hohen Stellenwert im wirt- te Largitionsschale ist das Missorium Kai-
schaftlichen und gesellschaftlichen Leben ser Theodosius von 388 mit einer Darstel-
inne. Als kaum vergängliches und durch lung aus dem Hofzeremoniell. Andere mit
Gießen, Treiben und Gravieren leicht zu christlichen Motiven versehene Silbergefä-
bearbeitendes Metall von bestechend küh- ße, insbesondere Kelche und Patenen, aber
lem Glanz eignete es sich hervorragend zur auch Becken mit Kanne, Siebe und Löffel
Herstellung von Schmuck und Gefäßen. (Katalog 5), Reliquiare und Lampen
Mit silbernem Trachtenschmuck und Gür- gehörten durchweg zum liturgischen Gerät
telzierrat umgaben sich Könige und Adel der Kirchen.
des Morgen- und des Abendlands; ihre Die spätantik-frühbyzantinischen Silber-
Tafeln bogen sich unter pfundschweren gefäße wurden meistens in kaiserlichen
Schalen, Kannen und Bechern. Aus dem Werkstätten in Rom, Ravenna, Trier, Kon-
alten Persien kennen wir berückende Sil- stantinopel oder anderen Residenzstädten
berschalen und beschlagreiche Gürtel des gefertigt; daneben arbeiteten eigenständige
sassanidischen Adels (Katalog 1–2). In Handwerksbetriebe in der Provinz. Die Sil-
Silber waren die das sagum und palu- berverarbeitung stand aber in toto unter
damentum (Mantel) verschließende Fibel staatlicher Aufsicht, die im 6. bis 7. Jahr-
und die Beschläge des cingulums (Waffen- hundert stark reglementiert und organi-
gurt) römischer Offiziere gearbeitet (Kata- siert war, wobei Feingehalt und Gewicht
log 3). Von unvorstellbarer Opulenz und von hochrangigen Beamten kontrolliert
Schmuckfreude präsentieren sich die Tafel- und durch Stempel auf dem Silber zertifi-
geschirre der römischen Kaiserzeit; sie wer- ziert wurden.
den der Hofhaltung von Statthaltern oder Im gesamten ehemaligen römischen
hohen Offizieren zugeschrieben, wie etwa Reichsgebiet finden sich die Silbergefäße
der augusteische Silberschatz von Hildes- als Einzelstücke oder in Schatzfunden, aber
heim, der vielleicht mit der Varusschlacht auch in die barbarischen Länder weit jen-
Katalog 1 zusammenhängt, oder der Tischkultur rei- seits der Grenzen gelangten zahlreiche die-

13
ser kostbaren Edelmetallarbeiten: nicht Versiegen des Zustroms oströmischen Katalog 2
nur als offizielle Largitionsschalen an ver- Edelmetalls an germanische Verbündete –
bündete Fürsten und Heerführer, sondern dies als Folge der Machtverschiebung im
auch in Form von gehortetem Raub, Tribut Donauraum durch das im letzten Drittel
und Lösegeld bei den Völkern Zentral- des 6. Jahrhunderts neu entstandene Awa-
asiens oder des Westens. Die Germanen renreich. Wie ein Riegel lag es zwischen
nördlich der Alpen waren somit seit Jahr- dem Byzantinischen Reich und den Völ-
hunderten mit dem Gebrauch von Silber kern nördlich der Alpen und sog durch
als kostbarem Werkstoff für profane und Raub, Tribute und Subventionszahlungen
christlich-sakrale Gefäße sowie für die all das an Edelmetall auf, was vordem in
militärisch-virile Ausrüstung vertraut. den Norden gelangt war.
Adlige Franken und Alamannen prahlten Auch in Irland und auf den Britischen
mit silbernen oder versilberten Gürtel- und Inseln ist im frühen Mittelalter ein mar-
Zaumzeuggarnituren und schmückten ihre kanter Mangel an Edelmetallen festzustel-
Frauen mit Fibeln, Haarnadeln und Hals- len. Lediglich in herausragenden Bestat-
reifen (Katalog 6a-b) aus diesem edlen tungen wie dem Schiffsgrab des anglischen
Metall. Doch zeichnet sich seit dem 7. Königs Redwald († ca. 625) finden sich
Jahrhundert eine Verknappung von Silber noch sondergefertigtes goldenes Tracht-
und Gold ab, was sich vor allem in der und Waffenzubehör sowie prunkvolle Sil-
sparsamen Verwendung dieser Edelmetalle berschalen als Geschenke aus Byzanz. Im
niederschlägt, etwa in Form von dünnen 7. und 8. Jahrhundert sind jedoch alle
Blechen an Stelle von massiven Güssen kunstvoll verzierten sakralen Metallarbei-
oder durch die Anwendung materialscho- ten Irlands und auch sein Trachten-
nender Verzierungstechniken wie der Tau- schmuck aus vergoldeter Bronze mit spär-
schierung und Plattierung, die so eisernen lichen Glas-, Email- oder Bernsteinein-
Objekten silbrigen Glanz verliehen. Ursa- lagen hergestellt. Erst ab etwa 800 beginnt
che waren ein allgemeiner wirtschaftlicher man wieder in schierem Silber und verein-
Niedergang in Gallien und Italien und das zelt in Gold zu arbeiten: Die großen Silber-

14
Katalog 3 kelche und Patenen von Ardagh und Der- L. 2–3,3 cm
Nordiran, 6.-7. Jh.
rynaflan, die Silberschalen aus dem pik-
Archäologisches Museum Frankfurt, Inventar 89,112
tisch-nothumbrischen Hort von St. Ninian Unpubliziert
auf den Shetlands sowie massiv gegossene
Ringfibeln belegen die plötzliche Verfüg- 3 Mantelfibel und Gürtelbeschlag
Die Mantelfibel und der Gürtelbeschlag aus vergolde-
barkeit von Edelmetallen, was man sich tem Silber gehörten zur Ausstattung eines germani-
kaum ohne kontinentalen Einfluss vorstel- schen Offiziers der römischen Armee, der im Civitas-
len kann, da Wikingersilber erst im 10. Hauptort NIDA (Frankfurt-Heddernheim) stationiert
war und dort auch bestattet wurde.
Jahrhundert auf die Inseln gelangt.
L. 8,4 cm; 8,9 cm
Frankfurt-Heddernheim, Mitte 3. Jh.
Literatur: Lexikon des Mittelalters, s.v. „Silber“ (E.
Archäologisches Museum Frankfurt, Inventar
Westermann; V. H. Elbern); Sperber 1970–71; Effen-
α 4252b-c.
berger u.a. 1978; Weitzmann 1979; Katalog Köln,
Wamers 1986, 17; Fasold 1990
Berlin 1983; Martin 1984; Mundell Mango 1986;
Katalog Edinburgh, Dublin, London 1989, Bálint
1992; Leader-Newby 2004 4 Byzantinische Silberschale
Diese prächtige vergoldete Silberschale stammt aus
dem reichen Schatzfund von Lambousa auf Zypern,
1 Sassanidische Weinschale der neben goldenem Frauenschmuck auch 14 Silber-
Die aus Silberblech getriebene kalottenförmige Schale teller enthielt, neun davon mit figürlichen Reliefs
mit Spuren von Feuervergoldung ist außen mit einem aus der Jugend des späteren Königs David. Auf der
lockeren symmetrischen Weinrankenmuster verziert, hier ausgestellten größten Schale ist der Kampf
womit ein Hinweis auf ihren Verwendungszweck Davids (mit Schleuder) mit dem schwerbewaffneten
gegeben ist. Sie wird zum Tafel- oder Trinkgeschirr Goliath darstellt. Sie gibt ein gutes Beispiel für
eines persischen Adligen gehört haben. die Qualität der Silberschmiedekunst der kaiserlichen
Dm. 13,7 cm Werkstätten von Konstantinopel. Auf der Rückseite
Nordiran, 6.-7. Jh. finden sich Kontrollstempel des Kaisers Heraclius
Archäologisches Museum Frankfurt, Inventar 90,84.1 von 628 und 629. Der Schatz selbst ist vermutlich
Unpubliziert während der Arabereinfälle 653/54 vergraben wor-
den.
2 Sassanidische Gürtelgarnitur Dm. 49,5 cm.
Die 20 erhaltenen Beschläge aus Silber gehörten zu Lambousa, Zypern, frühes 7. Jh.
der vielteiligen Gürtelgarnitur eines sassanidischen Nachbildung des Römisch-Germanischen
Kriegers. Zentralmuseums Mainz, Inventar 42233.

15
16
Katalog 4

Katalog 5

Katalog 6a

Original im Metropolitan Museum New York. 6 Alamannischer Halsreif und


Jahrbuch des Römisch-Germanischen fränkisches Bügelfibelpaar
Zentralmuseums Mainz 42, 1995, 649 f. Der angeblich in Aalen gefundene Halsreif besteht
aus vergoldetem Silber mit Almandineinlagen. Er
5 Byzantinischer Silberlöffel stammt vermutlich aus einem Frauengrab des späten
In den gegossenen und getriebenen Silberlöffel ist in 5. Jhs. Das ebenfalls silbervergoldete und almandin-
griechischen Buchstaben der Name MAPKOC gra- verzierte Bügelfibelpaar aus Schwarzrheindorf bei
viert und auf dem runden Griffschild ein – nicht auf- Bonn gehörte zur Schmuckausstattung einer fränki-
gelöstes – Namensmonogramm. Solche edlen Silber- schen Frau in der ersten Hälfte des 6. Jhs. Beide doku-
löffel finden sich oft in Kirchenschätzen, doch fanden mentieren den Silberreichtum der führenden Schich-
sie nicht nur in der Liturgie Verwendung, sondern ten in der frühen Merowingerzeit.
auch an der Tafel vermögender Haushalte. Oft Dm. 21 cm; L. 8,6 cm
gelangten sie als persönliche Stiftungen in den Besitz Aalen, 5. Jh.; Schwarzrheindorf, 1. Hälfte 6. Jh.
von Kirchen. Archäologisches Museum Frankfurt, Inventar 85,136
L. 27,6 cm HS; x 22027–8
Umgebung von Belgrad, 6.-7. Jh. Wamers 1986; Wamers 2000
Archäologisches Museum Frankfurt, Inventar 89,82
Unpubliziert Egon Wamers

17
Katalog 6b

18
Rohstoff der Macht
Silber in der Karolingerzeit

,, Silber und Gold haben


ihnen die Götter –
ich weiß nicht, ob aus
Huld oder Zorn – versagt. ,,
P. C. Tacitus, Germania, 5
Renovatio Imperii – Silber für das neue Reich

Abb. 2

D ie Edelmetallarmut im Fränki- len Pläne. Im gewaltig expandierenden


Bildnismünze Karls des


Großen, Vorderseite,
schen Reich dauert bis in das Reich verschlang der permanente Krieg
Staatliche Museen Ende des 8. Jahrhunderts an: Unsummen (Abb. 1). Das Rückgrat des
Berlin, Münzkabinett Noch ein so herausragendes Kunstwerk Heeres – wie auch der königlichen Herr-
(nach 800)
wie der Tassilokelch, den Baiernherzog schaft insgesamt – bildete der Adel, der mit
Tassilo III. mit seiner Frau, der Langobar- Ländereien, Ämtern, Zuwendungen und
denprinzessin Liutpirc, im Jahre 777 Klos- Teilnahme an der Beute motiviert werden
ter Kremsmünster stiftete, wurde in Kupfer musste. Nicht minder gebot die Hofhal-
getrieben und lediglich innen vergoldet tung ständig große Summen. Wie Hinkmar
und außen versilbert, obwohl Kupfer als von Reims, intimer Kenner des Hoflebens
ein für die Eucharistie „unreines“ Material unter Ludwig dem Frommen und Karl dem
galt. Ein „Metall-Wandel“ von versilberter Kahlen, in seiner „Palastordnung“ von 882
Bronze zu vergoldetem Silber lässt sich aufführte, gab es – abgesehen von den
beispielhaft an mittelrheinischen Sporen hohen Hofämtern und neben den Künst-
aus der zweiten Hälfte des 8. und der ers- lern und Gelehrten sowie den Dienern und
ten Hälfte des 9. Jahrhunderts (Katalog Vasallen – in „jener großen Schar, die sich
16a–b) ablesen. Nicht gerade von großem ständig am Hof aufzuhalten hatte“ eine
Silberreichtum zeugt zudem die Währung Gruppe von „Bediensteten ohne bestimm-
im Karolingerreich des 8. Jahrhunderts: tes Amt, die ... bald mit Nahrung, bald mit
Die wenigen Funde leichtgewichtiger Sil- Kleidung, bald mit Gold, bald mit Silber,
berdenare und die kleinformatigen Sceat- bald mit Pferden, bald mit anderen Ehren-
Abb. 1
tas hinterlassen einen eher ärmlichen Ein- gaben (ornamentis) versorgt wurden, und
Karolingische Kavallerie druck und belegen den hohen Wert gerin- zwar manchmal aus besonderem Grund,
und Fußtruppen. Bibel ger Silbermengen. manchmal soweit Zeitpunkt, Zweck und
von St. Paul vor den
Für die fränkischen Hausmeier, insbe- Stellung eine geeignete Möglichkeit boten“
Mauern, Rom, fol.
CCCXXXIV v, c.243 v sondere seit Karl dem Großen, wurde indes (Abb. 11). Allerdings erhielt der Staats-
(Ausschnitt), (um 870) Edelmetall unabdingbar für ihre machtvol- schatz auch regelmäßige Zuwendungen,

21
etwa durch das jährlich zu entrichtende geordnete hierarchische System wurde
servitium regis, einer in Geld oder Natura- ein kontinuierlicher und umfangreicher
lien zu entrichtenden Abgabe von Klöstern, Waren- und Wertetausch durch das gesam-
Städten, Grundherrn und anderen, welchen te Reichsgebiet generiert, der von einem
wiederum die annua dona gegenüber stan- ständig wachsenden regionalen und inter-
den, den Großen und Beamten des Reiches nationalen Handelsverkehr beträchtlichen
jährlich zu gewährende Geschenke. Ausmaßes ergänzt wurde. Im 9. Jahrhun-
Karls des Großen ehrgeizige Anstren- dert war das Land von einem dichten Netz
gungen beim Ausbau der Verkehrsinfra- hunderter Märkte überzogen, mit An-
struktur für militärische und wirtschaft- schlüssen an die Fernhandelsrouten.
liche Nutzung (Straßen-, Kanal- und Ein solcher Waren- und Wertetausch
Brückenbau), beim Neubau und der Aus- innerhalb des Abgabesystems konnte nur
stattung von Pfalzen und Klöstern sowie teilweise in den altertümlichen Formen mit
beim Aufbau eines flächendeckenden Net- immobilen und schwer transportablen
zes von Kirchen mitsamt liturgischem Gütern wie verderblichen Erträgen aus
Gerät für die Seelsorge und Zivilisierung Landwirtschaft oder industriellen Erzeug-
der Landbevölkerung einschließlich einer nissen erfolgen, die zudem der jeweiligen
umfassenden Bildungsreform erforderten Nachfrage nicht unbedingt entsprechen
bis dahin nicht gekannte finanzielle Mittel. mussten. Schneller und flexibler waren
Hinzu kamen die Gründung beziehungs- liquide, hochmobile Mittel von hohem
weise der Ausbau von Märkten und Häfen. Wert: Edelmetall. Edelmetall, insbesondere
Auch unter seinen Nachfolgern im 9. Jahr- Silber in verbindlich normierter Münz-
hundert setzte sich der schon unter seinem form, wurde zum Maßstab für die Bewer-
Vater Pippin einsetzende wirtschaftliche tung aller anderen Güter und Dienstleis-
Aufschwung weiter fort. tungen, selbst sozialer Bindungen und Ver-
In gleicher Weise wie beim König basier- pflichtungen sowie juristischer Sanktionen;
te auch der Reichtum des hohen und niede- seit Karlmann wurde auch die Abgabe für
ren Adels sowie der Klöster und Kirchen die Finanzierung der Feldzüge in Silber
auf umfangreichem, oft weit verstreutem quantifiziert. So wie im 20. Jahrhundert
Grundbesitz, den Domänen. Sie alle hatten Erdöl zum Nährstoff der westlichen Zivili-
wie die Verwalter der Königsgüter dem sation wurde, so wurde in der Karolinger-
König Natural- oder Geldabgaben sowie zeit Silber zum Flussmittel für Wirtschaft
Kriegsdienste zu leisten. Den weltlichen und Herrschaft, es wurde Rohstoff der
und den geistlichen Adligen, den Äbten Macht. Die karolingischen Herrscher
und Bischöfen, waren wiederum deren unternahmen alle Anstrengungen, die Ver-
Gutsverwalter und Lehnsleute abgabe- fügbarkeit von Silber zu steigern, und
pflichtig. Durch dieses, beispielhaft im schreckten dabei auch nicht vor Kriegszü-
Capitulare de villis niedergefasste, wohl- gen zurück.

22
Die neue Währung

D er Königsschatz, seit der Völ-


kerwanderungszeit zeichenhaf-
ter wie realer Kern der königli-
chen Macht, reichte für die immensen Auf-
gaben des neuen Reiches nicht mehr aus.
an jedem Marktort sollen die neuen
Denare gleichermaßen kursieren und von
allen akzeptiert werden. Tragen aber die
Münzen unseren Namen und sind sie von
reinem Silber und von gutem Gewicht und
Damit höhere Steuer- und Zolleinnahmen verweigert irgendjemand irgendwo bei
erzielt werden konnten, mussten Produkti- irgendeinem Kauf oder Verkauf ihre
on und Handel ausgeweitet und ein solides Annahme, dann soll er, ist er freigeboren,
Währungssystem installiert werden, das an den König 15 Schilling Buße zahlen ...“.
die heillose Zersplitterung des merowingi- Erst nach der Kaiserkrönung Weihnachten
schen Münzwesens mit unterschiedlichen 800 münzt Karl (und später seine Nach-
Währungen und zahllosen Prägeherren folger, zum Beispiel Katalog 9) auch in
überwand. Eine erste Münzrechtsreform römischer Tradition mit Bildnis und Kai-
hatte bereits Pippin der Jüngere nach seiner sertitel (Abb. 2).
Königserhebung oder -salbung 751/754 Die Münzfunde dieser Epoche sind ver-
mit einer zentralen und einheitlichen Sil- hältnismäßig spärlich und geben kaum ein
berwährung durchgeführt, die auf dem Spiegelbild des tatsächlichen Münzumlaufs
neuen (nie ausgemünzten) Silbersolidus à wieder. Ein Schlüsselfund ist dabei der
12 Denaren fußte und ausschließlich als Schatzfund von Wiesbaden-Biebrich mit
Königsrecht für das gesamte Reichsgebiet
galt. Auf der Frankfurter Synode von 794
setzte sein Sohn Karl der Große eine erwei- 7 Münzschatz aus Biebrich (Wiesbaden)
terte Währungsreform durch, bei der jetzt 1922 wurde bei Bauarbeiten an einer Kaimauer in
Wiesbaden-Biebrich ein Ledersack mit etwa 4–5.000
der neue Denar ein 25% höheres Silberge- Münzen entdeckt, doch anschließend aus Unkenntnis
wicht (ca. 1,6 g) erhielt. Da 240 Denare – man hielt die Münzen für „elektrische Sicherungs-
aus einem Pfund geschlagen wurden, plättchen“ – in die Betonmauer eingegossen. 48 Mün-
zen konnten später gesichert werden, davon gelangten
erhöhte sich jetzt auch das bis dahin gülti- die 25 ausgestellten Exemplare in das Museum Wies-
ge römische Pfund (ca. 327 g) in entspre- baden, andere gingen in den Münzhandel. Bei den
chendem Umfang. Diese Gewichtserhö- bekannten Münzen handelt sich fast ausschließlich
um Silberdenare Karls des Großen aus der Zeit nach
hung des Denars kann keinesfalls mit
der Münzreform von 794 mit Prägungen von Dore-
einem gefallenen Silberpreis zusammen- stad an der Nordseeküste bis nach Oberitalien und
hängen, sondern vielmehr mit einer Neu- Rom. Sie spiegeln den großen überregionalen Wäh-
orientierung bei der überregionalen Wäh- rungsaustausch und Handelsverkehr der Jahre nach
der Reform, was von einem arabischen Dirhem
rungsbindung (vgl. unten S. 27). Mit sei- Harun-al-Raschids aus der Münze Tunis noch unter-
nem Namen und Monogramm sowie dem strichen wird. Vermutlich repräsentiert der Schatz
Kreuz auf den Münzen garantierte der Zoll- oder Fähreinnahmen am Rheinübergang bei
Mainz.
König Wert, Gewicht und Gültigkeit der Silber
neuen Währung; die drastisch reduzierten Rheinische, französische, italische Münzstätten,
Münzstätten werden jetzt auf den Münzen 795–800
Museum Wiesbaden, Sammlung Nassauischer
genannt. Das Frankfurter Kapitular formu-
Altertümer, Inventar 2094-2188
liert ihren Allgemeingültigkeitsanspruch Katalog Frankfurt, Marburg 1984, Kat.Nr. 153
präzis: „An jedem Ort, in jeder Stadt und (P. Berghaus)

23
Katalog 7

schätzungsweise 4.000 bis 5.000 Denaren 8 Münzschatz aus Pilligerheck, Kr. Mayen Koblenz
Von ehemals ca. 2.200 Münzen, die zwischen 1956–
der Jahre 795–800 – von denen allerdings
61 auf einem Acker gefunden wurden, werden heute
nur gut zwei Dutzend erhalten sind – die in knapp 1150 im Landesmuseum Trier aufbewahrt,
einem Lederbeutel im Rhein oder am eine kleinere Anzahl in Privatbesitz sowie über 736
Rheinufer verborgen wurden. Dieser Hort Exemplare im Landesmuseum Stuttgart. Von letzteren
werden hier 130 Münzen stellvertretend für den gan-
offenbart die Bedeutung der neuen Wäh- zen Schatz ausgestellt. Die Herkunft (Prägeorte) der
rung für das Wirtschaftsleben, gleich ob er Münzen konzentriert sich überwiegend im nordfran-
wie in der älteren Forschung als Depot zösischen Raum und vor allem in Dorestad. Nach den
Schlussmünzen muss der Schatz nach 855 vergraben
eines friesischen Händlers gilt oder wie worden sein, vielleicht in Zusammenhang mit dem
später als Ertrag einer Zollstation am Rheinzug der Normannen 862/63. Wegen der Zusam-
Rheinübergang – was im Übrigen ver- mensetzung des Schatzes wird es für möglich gehal-
ten, das er einem friesischen Fernhändler gehörte. Er
ständlich machen würde, warum Zollbe-
kennzeichnet den gewaltigen Silbermetalltransfer
stimmungen in der Karolingerzeit so sorg- durch den überregionalen oder Fernhandel der Karo-
fältig geregelt und kontrolliert wurden lingerzeit.
(Katalog 7). In derselben Größenordnung Die Münzen waren vermutlich im beigefundenen
Keramikgefäß aufbewahrt worden, das hier nur als
bewegt sich der Schatzfund von Pilliger- Nachbildung gezeigt werden kann.
heck im Kreis Mayen-Koblenz mit ur- Silber
sprünglich etwa 2.200 Denaren, verborgen Überwiegend nordfranzösische Münzstätten sowie
Dorestad, nach 855
in einem Tongefäß in einem Acker, von Württembergisches Landesmuseum Stuttgart,
denen in der Ausstellung 130 Stück aus Münzkabinett, Inventar MK 1967/1311–1321
dem Bestand des Stuttgarter Landesmuse- Jahrb. d. Staatl. Kunstsammlungen in Baden-
Württemberg 5, 1968, 246 f. (E. Nau);
ums gezeigt werden können (Katalog 8).
Petry 2003
Drei Viertel dieser Münzen sind Christia-
na-Religio-Denare Ludwigs des Frommen,
doch fünf Münzen Lothars II. geben an, Münzschätzen Frieslands auf, dass der
dass der Gesamtschatz erst nach 855/869 Bearbeiter ihn mit einem friesischen Fern-
vergraben worden sein kann. Die Zusam- händler in Zusammenhang bringen möch-
mensetzung des Münzschatzes weist so te. Einen ganz anderen Hintergrund hat
große Übereinstimmungen mit zeitgleichen dagegen das kleine Depot mit vier Denaren Katalog 8

24
25
Katalog 9

Ludwigs des Frommen, das gegen 825 Die Förderung des Fernhandels war für
unter dem Fundament einer Mauer im heu- den König offensichtlich ein lukratives
tigen Frankfurter Dom niedergelegt wurde Mittel, Silber ins Land zu holen. Im 9. und
und als Bauopfer gelten muss (Katalog 9). 10. Jahrhundert waren es vor allem die rei-
Immerhin zeigt es mit Prägungen aus chen islamischen Länder Zentralasiens
Dorestad an der Nordseeküste, Venedig, unter der Herrschaft der Abbasiden, in
dem Tor zum östlichen Mittelmeer, und denen durch intensiven Bergbau ungeheure
Sens in Zentralfrankreich das weitge- Mengen an Silber gewonnen und zu Mün-
spannte Wirtschafts- und Währungsnetz zen geschlagen wurden. Diese Münzen
der Zeit. gelangten in den Westen, aus dem sie aller-
dings – im Gegensatz zum Skandinavien
des 10. Jahrhunderts – nur vereinzelt als
9 Münzschatz aus dem Frankfurter Dom Bodenfunde bekannt sind. Gleichwohl
Kleinschatz aus vier Denaren Ludwigs des Frommen, kann man den Eindruck gewinnen, dass
der 1956 unter dem Fundament eines karolingischen Karls des Großen diplomatisch-politische
Mauerfragments im südlichen Querhausarm des heu-
Kontaktnahme und der rege Gesandten-
tigen Frankfurter Domes entdeckt wurde. Vertreten
sind zweimal die Münzstätte Dorestad, davon einmal austausch mit Harun-al-Raschid nicht nur
mit einem schönen Bildnis Kaiser Ludwigs auf der religionspolitische Ziele hatte, unter ande-
Vorderseite, und jeweils einmal Sens und Venedig – rem die seinerzeit hochbedeutungsvolle
also eine nicht ungewöhnliche Mischung für den
Geldumlauf. Als Niederlegungszeit gibt die Numis- Übernahme der Schirmherrschaft Karls
matik die Jahre „um 825“ an. Die Bedeutung dieses über die heiligen Stätten in Jerusalem (vgl.
kleinen Schatzfundes liegt darin, dass es sich offen- S. 154 f.), sondern dass auch eine Intensi-
kundig um ein Bauopfer handelt, wie man es schon
seit vorgeschichtlicher Zeit kennt, und dass man mit vierung von Handelskontakten eingeleitet
diesem Opfer die Urheberschaft der Bautätigkeit wurde. Im 10. Jahrhundert jedenfalls kon-
Ludwig dem Frommen zuschrieb und zusätzlich das statierte der jüdisch-spanische Reisende
Bauwerk mit seinen Münzen und seinem Bildnis „hei-
Ibrahim ibn Ya’qub aus Tortosa bei einem
ligen“ wollte.
Silber Aufenthalt in Mainz: „Dort gibt es Dirha-
Dorestad, Sens, Venedig; vergraben „um 825“ me aus der Samaqander Münze vom Jahre
Archäologisches Museum Frankfurt, Inventar 301 und 302 (= 913/14 oder 914/15) mit
α 18042d-g
Katalog Frankfurt, Marburg 1984, Nr. 156 dem Namen des Münzherrn und dem
(N. Klüßendorf) Datum der Prägung ... Seltsam ist auch,

26
dass es dort Gewürze gibt, die nur im del mit den slawischen Ländern im Dieden-
fernsten Morgenlande vorkommen, wäh- hofener Kapitular von 805 und in der Raf-
rend sie (die Stadt Mainz) im fernsten felstädter Zollordnung von 904/06 deut-
Abendlande liegt, zum Beispiel Pfeffer, lich fassbar, wobei diese Länder durchweg
Ingwer, Gewürznelken, Spikanarde, Cos- für einen Durchgangshandel von Gütern
tus (Weißer Zimt) und Galanga; sie wer- aus dem Orient gedient haben werden. Die
den aus Indien importiert, wo sie in Menge fränkischen Haupthandelswaren Waffen,
vorkommen ...“. Tuche und Sklaven versprachen einen gro-
Ob indes schon im 9. Jahrhundert ßen Gewinn, der zumindest teilweise in
größere Mengen arabischen Silbers in Form von Silber zurückfloss, wenngleich es
den Westen gelangten, ist ungewiss. Die die Gewürze sowie die Luxuswaren und
Funde nordafrikanischer und mittelasiati- Exotica aus dem Orient für die Schatzkam-
scher Prägungen nördlich der Alpen sind mer des Herrschers waren, für die die jüdi-
mit zwei Dutzend Fundstellen spärlich; schen und syrischen Fernhändler kaiser-
vermutlich wird östliches Silber einge- liche Privilegien erhielten. Die Haupthan-
schmolzen und umgeprägt worden sein, delsroute in den östlichen Mittelmeerraum
vielleicht schon am Prägeort Venedig, dem verlief indes über Italien, die ins westliche
Tor zum östlichen Mittelmeerraum. Be- Mediterraneum über Südfrankreich und
zeichnend ist indes, dass mit Karls des Spanien.
Großen Münzreform von 794 auch ein Ein weiterer Schritt, die Verfügbarkeit
Wechsel in der Währungsrelation erfolgt: von Silber zu erhöhen, war der Silberberg-
Abb. 3 Bezogen auf den standardisierten Gold- bau. Über den Umfang dieser den Franken
Karolingische Gruben- preis für Silber (1:12) nahm jetzt das neue, wenig vertrauten Technik berichten die
baue zur Silbererz-
gewinnung in Melle, um 25% schwerere Pfund Silber keine Schriftquellen kaum etwas, doch haben
Poitou, Frankreich geradzahlige Relation mehr zum konstan- archäologische Prospektionen umfangrei-
Foto: Florian Téreygeol, tinischen Gold-Solidus, sondern zum ara- che Bergbau- und Verhüttungsaktivitäten
UMR 5060
IRAMAT-LMC et UMR
bischen Gold-Dinâr ein (H. Witthöft). Tat- im 9. und 10. Jahrhundert in Melle im
9956 LPS sächlich ist ein grenzüberschreitender Han- französischen Poitou, bei Heidelberg sowie

27
im Harz nachgewiesen (Abb. 4). Da im anfallenden großen Mengen an Blei ein Katalog 10
Capitulare de villis aus dem letzten Jahr- anderer wichtiger Bedarf des aufstreben-
zehnt des 8. Jahrhunderts Bleigruben den und sich zivilisierenden Großreiches
erwähnt werden (Kap. 62), ist mit weiteren gedeckt werden, das ansonsten aus Bri-
Bergbauplätzen zu rechnen. Welche Jahres- tannien importiert werden musste: Für
mengen dabei gewonnen wurden und wie- die Dachdeckung und Fensterfassung von
weit man dadurch den Bedarf deckte, kann Kirchen, Klöstern und Herrenhäusern
kaum geschätzt werden. Interessanter standen jetzt große Mengen dieses leicht
Weise sind in den intensiv untersuchten bearbeitbaren weichen Metalls zur Verfü-
Abbaugruben von Melle, das zudem eine gung, das auch für die Fertigung einfachen
bedeutende karolingische Prägestätte war und preiswerten Alltagsschmucks verwen-
(METALLVM; Katalog 10; 35), dieselben det wurde.
Produktionstechniken und -verfahren an-
gewendet worden wie bei den Minen und 10 Bildnisdenar Ludwigs des Frommen
Verhüttungsplätzen im zentralasiatischen aus der Münze von Melle (Poitou)
Zu den häufigsten Denaren der Karolingerzeit gehö-
Taschkent und Samarkand (F. Téreygeol).
ren die Gepräge aus Melle („metallum“ = Erzgrube,
Hängt eventuell die um 800 einsetzende Metall), wo das bergmännisch gewonnene Silber ver-
intensive Wiederaufnahme der schon im mutlich direkt gemünzt wurde. Denkbar sind auch
7. Jahrhundert ausgebeuteten Gruben von Ateliers aus der Umgebung, die lediglich das in Melle
gewonnene Silber verwendeten. Der hier gezeigte
Melle mit den engen Kontakten Karls des Denar weist auf der Rückseite die Umschrift +
Großen zu Harun-al-Raschid zusammen? METALLVM (andere lauten METVLLO, METAL-
Ließ er aus dem fernen Iran Bergbau- und LO) auf und im Zentrum zwei Münzprägestempel
und Münzhämmer.
Verhüttungs-Spezialisten ins Frankenreich Silber, Dm. 1,95 cm; Gew. 1,69 g
kommen, so wie er Fachleute für Steinbau Melle, Aquitanien
und monumentalen Bronzeguss aus Italien Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, aus
Sammlung Gariel-Ferrari 1911
holte, welche die Franken mit den neuen
Reallexikon der Germanischen Altertumskunde,
Technologien vertraut machten? Nebenbei s.v. „Melle“ (B. Kluge); Katalog Paderborn 1999,
konnte durch die bei der Silbergewinnung Nr. II.30 (B. Kluge)

28
Der Awarenschatz – ein „Krieg für Silber“

D ie entscheidende Maßnahme,
in den Besitz großer Mengen
von Silber zu gelangen, waren
Karls des Großen Awarenkriege (791–
811). Schon die Feldzüge gegen Sachsen
allem, wenn man sich den engen zeitlichen
Zusammenhang zur Währungsreform auf
der Frankfurter Synode 794 vor Augen
hält, wird offenkundig, dass diese Feldzüge
während oder kurz nach dem Reichstag ins
und Benevent und die Einnahme Pavias Auge gefasst und vorbereitet worden sein
oder die Entmachtung Tassilos waren stets müssen. Das Echo dieses „Krieges für
mit der Requirierung der Königs- oder Silber“ hallte noch 20 Jahre später in Ein-
Tempelschätze beziehungsweise mit Tri- hards Lebensbeschreibung Karls des Gro-
butzahlungen verbunden. Weit übertroffen ßen nach als eines der herausragenden
wurden die Kriegserträge aber von denen Momente seines tatkräftigen Wirkens:
der gut vorbereiteten und erfolgreich
durchgeführten Feldzüge gegen das Reich Der gesamte Adel der Hunnen
der Awaren östlich der bairischen Grenze [Awaren] kam in diesem Kriege um,
im Donau-Theiß-Gebiet 795/796 (Karte ihr ganzer Ruhm ging unter. Alles Geld
S. 2). Sie sollten zunächst die südöstliche und die seit langer Zeit angehäuften
Grenze des Imperiums sichern und den Schätze fielen in die Hände der
Einfluss der ehemaligen Steppennomaden Franken; kein Krieg, soweit Menschen-
Abb. 4 auf die nördlich wohnenden slawischen gedenken reicht, brachte diesen soviel
Antiochus werden
die aus Jerusalem
Mähren und Böhmen ausschalten. Doch Reichtum und Macht. Denn während
geplünderten Schätze die Forschung ist sich weitgehend darüber man sie bis dahin beinahe als arm
überreicht. Bibel von einig, dass ein wesentlicher, wenn nicht der ansehen konnte, fand sich nun in der
St. Paul vor den
Ausschlag gebende Zweck dieser Expedi- Königsburg [der Awaren] eine solche
Mauern in Rom, fol.
CCCXXXIV v., c.243r tionen war, sich des sagenhaften Staats- Masse an Gold und Silber, und in den
(Ausschnitt), (um 870) schatzes der Awaren zu bemächtigen. Vor Schlachten fiel soviel kostbare Beute an,

29
dass man mit Recht glauben durfte, die lichen Staates mit den Franken als führen-
Franken hätten gerechterweise den der Nation, verwirklicht werden konnte.
Hunnen das geraubt, was diese früher Mit den Zuwendungen an den Heiligen
anderen Völkern ungerechterweise Stuhl festigte Karl die Position des Papstes,
geraubt hätten ... des wichtigsten politischen und legitimato-
rischen Verbündeten für die Reichsidee.
Dieser gigantische Schatz wurde in drei Für das diffizile Verhältnis zwischen König
Etappen nach Aachen an den Hof trans- und dem stets neu auszutarierenden Netz-
portiert, der erste Teil fasste nicht weniger werk des Hochadels wirkte der Edelmetall-
als 15 von je vier Ochsen gezogene Wagen- fluss gleichzeitig als Narkotikum und als
ladungen. In Aachen wurde eine Schatz- Stimulans: Das ungeschriebene Gesetz der
kammer eingerichtet, und Karl verteilte – materiellen oder ideellen – Gegengabe
vieles an seinen Hofstaat, an den Papst, die verpflichtete die Mächtigen, seien sie welt-
weltlichen und geistlichen Großen sowie licher oder geistlicher Adel. Andererseits
an die Kirchen. Große Silbermengen wer- setzte das Silber sie wiederum in Stand,
den in die königlichen Münzen geflossen nicht nur ihren Privatschatz aufzufüllen, in
sein. Die Einnahme des Awarenschatzes heutigen Kategorien: ihr Bankguthaben,
bedeutete eine beispiellose „Blutzufuhr“ sondern ihrerseits ihre eigenen Abhängigen
für das gleichermaßen komplexe wie labile und Lehnsleute in die Pflicht zu nehmen.
karolingische Herrschaftssystem, in dem Das konnte in so banalen Gesten gesche-
die Kräfte von König, Adel und Volk sowie hen, wie der Ausstattung von Gefolgsleu-
von Regnum, Kirche und Zivilisation zum ten mit standesgemäßen Schilden und Spo-
Ausgleich gebracht werden mussten, damit ren aus Silber – wofür Bischof Hinkmar
das große Ziel Karls: die Erneuerung des von Laon allerdings unrechtmäßig seinen
Römischen Reichs in der Form eines christ- Kirchenschatz verwendete.

30
Schätze von König, Adel und Kirche

W ahrhaft königlich war der


Hort Karls des Großen aus-
gestattet, wie im von Ein-
hard überlieferten Testament beschrieben
wird. In ihm ist auch die vom Kaiser an-
silberne und ein großer goldener Tisch,
dabei von den silbernen einer mit einge-
zeichnetem Stadtplan Konstantinopels, ein
anderer runder mit dem Bild der Stadt
Rom verziert und der dritte mit einer
geordnete Verteilung detailliert aufgeführt. „genau und fein gezeichneten“ Weltkarte
Der Staatsschatz wurde an vier Orten ver- versehen. Bei diesen Tischen muss es sich
wahrt: in der capella (Reliquien einschließ- um Staatsgeschenke von den obersten
lich ihrer Behältnisse, Sakralgerät, litur- Herrscherhäusern (Konstantinopel) gehan-
gische Bücher, Paramente, Insignien), in delt haben, ähnlich wie bei der Wasseruhr
der camera (Münzgeld und Edelmetall, mit Schlagwerk und beweglichen Figuren,
Schmuck, Hausgerät und Herrscherornat), die Karl neben exotischen Tieren, Gewür-
im vestiarium (Kleiderkammer) sowie in zen, Duftstoffen und anderen Pretiosen
der bibliotheca (diverse Codices und Ro- von Harun-al-Raschid erhalten hatte. Dass
tuli). Karl der Große schon anlässlich seiner Kai-
Den Gesamtschatz teilte Karl der Große serkrönung 800 eine Vielzahl goldener und
testamentarisch in drei Teile, von dem die silberner steinverzierter liturgischer Gerä-
ersten beiden Drittel zu gleichen Teilen für te, darunter Patenen und Kelche unter-
die 21 Metropolitanstädte des Reiches vor- schiedlicher Größe, Gefäße aus purem
gesehen waren, wobei die jeweiligen Erzbi- Gold, silberne Altartische (mensae), eine
schöfe wiederum von ihrem Anteil ein Altarkrone, ein Gemmenkreuz, ein Zibori-
Drittel für ihre Kirche behalten, zwei Drit- um, verzierte Evangelien und anderes, an
tel aber an ihre Suffragane weitergeben den Papst, Sankt Peter und andere Kirchen
mussten. Diese Aufteilung scheint heute in Rom gestiftet hatte, unterstreicht noch
noch im Hildesheimer Domschatz einen den unermesslichen Reichtum seines
Reflex zu werfen (vgl. Katalog 31). Das Königsschatzes.
letzte Drittel aus Karls Schatz sollte in vier Welchen Umfang und welche Pracht das
Teile geteilt werden, von denen eins nach Privatvermögen des obersten weltlichen
seinem Tode zusätzlich den 21 Metropoli- Adels annehmen konnte, beleuchten wie-
tan-Deputaten zugeschlagen werden sollte, derum zwei Testamente: die von Markgraf
der zweite an seine Kinder und Enkel, der Eberhard von Friaul († 865) und Graf
dritte an die Armen und der vierte an die Ekkard von Mâcon († um 880), ersterer
Knechte und Mägde im Palast. Von den Schwiegersohn Ludwigs des Frommen,
unzähligen kirchlichen und weltlichen letzterer aus dem Geschlecht der Nibelun-
Edelmetallarbeiten und den noch zahlrei- gen, also beide dem höchsten Adel bezie-
cheren anderen Wertsachen, wie Büchern, hungsweise dem Königshaus selbst ange-
Waffen, Gefäßen, Geräten, Kleidungsstü- hörend (Abb. 5). Zu Eberhards Besitz, der
cken, Decken, Teppichen, Lederwerk und sich indes in erheblichem Maße aus dem
anderem aus Karls Schatzkammer werden Erbe Ludwigs des Frommen und damit
im Testament lediglich einige herausragen- immer noch aus dem Hort Karls des Gro-
de Kunstwerke genannt, die damals aller- ßen speiste, gehörten unter anderem: neun
größtes Staunen hervorgerufen hatten: drei Schwerter mit goldverzierten Gefäßen

31
(Handhaben) und Scheiden, sechs goldene
Wehrgehänge mit Stein- und Beineinlagen,
drei Brünnen, ein Helm mit Panzerhemd,
mehrere Beinschienen und Panzerhand-
schuhe, goldene steinverzierte Sporen, vier
reichverzierte Dolche, weltliche und liturgi-
sche Gewänder aus Seide und Gold, eine
goldene Fibel (vgl. Katalog 25), vergoldete
Armreifen, diverse gold- und silberka-
schierte Stein- und Horngefäße, verschie-
dene liturgische Gefäße aus Silber, Gold
und Glas, Reliquiare aus Elfenbein und
Kristall, acht Phylakteria, Reisealtäre,
Rauchfässer, Glocken, Altarlampen (Kro-
nen), Speisetischchen aus Elfenbein, vergol-
dete und versilberte Tabletts, zahlreiche
Bücher und anderes mehr. Ekkehards Tes-
tament zählt neben kostbaren Büchern auf:
zwei Schilde und zwei Lanzen, ein Kurz-
schwert (Sax) mit Handschuh, Schwerter
aus dem Orient, einen vergoldeten Gürtel,
prächtige gefärbte Tuche, Siegelringe mit
antiken Gemmen, sarazenische Tischchen
und anderes, aber auch zwei Falken, einen
Sperber, sechs Jagdhunde, sechs Pferde
und zwei Sättel. In die Schätze der obers-
ten Aristokratie gelangte also wie schon
in die der Könige der Völkerwanderungs-
Abb. 5
zeit alles, was an Pretiosen aus der welt- Der Stiftsherr von
lichen und kriegerischen Lebenssphäre St. Benedikt in Mals,
sowie aus dem Sakralbereich als Gabe, Engadin, als
karolingischer Grund-
Tausch, Abgabe oder Raub gewonnen wer- herr mit Schwert
den konnte; aus diesem Schatz allerdings (Ende 8. Jh.)
wurden auch die Gegengaben und Bezah-
lungen an Höher-, Gleich- und Niedriger-
gestellte vorgenommen. Dass neben welt- durch königliche und hoheitliche Zuwen-
lichem Gut auch reiches Sakralgerät in den dungen akkumuliert. Die Abteikirche von
Schätzen des Adels liegt, mag zunächst ver- Saint-Riquier besaß laut einem Schatzver-
wundern, insbesondere woher diese Stücke zeichnis von 831 unter anderem vier golde-
kamen; doch konnten aus diesem Bestand ne sowie zwei große und vier kleine sil-
abhängige Kirchen und Abteien ausgestat- berne Kelche, zwei goldene sowie vier
tet werden. große und dreizehn kleine silberne Pate-
Nicht grundsätzlich unterschieden sich nen, vierzig braune Messgewänder sowie
davon die Schatzkammern der kirchlichen fünf aus schwarzer, drei aus persischer
Aristokratie, der Bischöfe und Äbte. Sie Seide und eins aus Silber, sechs Teppiche,
rekrutierten sich aus dem karolingischen drei Altarvorhänge, vier Seidenkissen.
Adel und führten durchweg ein weltliches Schatzverzeichnisse wie das der Abtei von
Leben, das Teilnahme an Krieg und Jagd Prüm von 1003 mit der Aufzählung von
sowie aufwändige Hofhaltung einschloss. kompletten Ausstattungen für ein Dutzend
Die Kirchen- und Klosterschätze wurden Altäre mit Silbertafeln, liturgischem Gerät,
durch Zinseinnahmen, Abgaben, Geld- Reliquiaren, Amben, Evangeliaren, Kreu-
buße, Opfergaben, aber insbesondere auch zen und anderem mehr, alles in edlen

32
Metallen und Steinen ausgeführt, sprechen und Italiens und in den Klöstern arbeiteten
für den Reichtum der großen Klöster – hochspezialisierte Goldschmiede, zum Teil
auch noch nach den normannischen Plün- in größeren Ateliers. Die Techniken der
derungen des 9. Jahrhunderts. Die mate- Verarbeitung edler und unedler Metalle,
rielle Potenz bedeutender Kirchen zeigt das Gießen, Treiben, Punzieren, Gravieren,
sich beispielhaft darin, dass 858 die Mön- Vergolden und Versilbern, Filigran und
che von Saint-Denis ihrer Schatzkammer Granulation, Niellieren und Tauschieren,
688 Pfund (1 Pfund = 445/491 g) Gold und Einlegen und Fassen von Steinen, Emaillie-
3.250 Pfund Silber entnehmen konnten, ren und anderes mehr standen in langer
um ihren von Normannen gefangenen Abt antiker Tradition und wurden seit Genera-
freizukaufen. Daraus erhellt, warum ge- tionen weitergegeben. Gold- und die im
rade Kirchen und Klöster die bevorzug- Frühmittelalter noch nicht von ihnen ge-
ten Ziele der Räuber aus dem Norden schiedenen Silberschmiede waren hochge-
waren. achtete Künstler, denen in der Sage zau-
Bei diesen Inventaren der großen Kir- berische Fertigkeiten nachgesagt wurden.
chen und Klöster denkt man natürlich an Eligius von Noyon (588–660), Hofgold-
Einhards Bericht über Karls des Großen schmied Chlothars II. und Dagoberts I.,
überaus üppige Versorgung der Kirchen wurde gar heilig gesprochen und ist noch
mit goldenen und silbernen Sakralgefäßen heute Patron der Goldschmiede. Oft hatten
und reichen Priestergewändern. Aber auch sie auch das verantwortliche und einträg-
die kleinen Kirchen auf dem Lande, in liche Amt eines Münzmeisters inne. Am
abseits gelegenen Dörfern und in den Mis- Hofe Karls des Großen war es sein späte-
sionsgebieten, bedurften einer Mindestaus- rer Biograph Einhard, der – als „neuer
stattung an liturgischem Gerät (Kelch, Beseleel“ wie der alttestamentliche Leiter
Patene, Pyxis, Kanne und Schale, Rauch- der Tempel-Stiftshütte – nicht nur für die
fass, Leuchter), das möglichst den Anfor- Aachener Pfalzbauten die oberste künst-
derungen an kultische „Reinheit“ genügen lerische und architektonische Bauleitung
musste, also aus edlem Metall sein sollte. innehatte, sondern als Leiter der Hofwerk-
Die vierzehn Pfarrkirchen, die Karl der stätten auch für die Ausfertigung „aller
Große kurz vor 800 beim Würzburger Regalien im königlichen Palast“ sowie der
Bischof zur Unterstützung der Mission „im kirchlichen Einrichtungen zuständig war
Slawenland zwischen Main und Regnitz“ und „jegliches Werk ... in Gold, Silber und
zu errichten beauftragte, konnten ganz Kupfer .., im Schnitt von Marmor, Edel-
offensichtlich bereits mit dem aus dem steinen und verschiedenen Hölzern ...“ zu
Awarenschatz erbeuteten Silber ausgestat- schaffen in der Lage war.
tet werden, wenn man die Pyxis aus der Hochrangige Goldschmiedearbeiten wa-
Regnitz bei Pettstadt im Landkreis Bam- ren durchweg Auftragsarbeiten: Der
berg (Katalog 27) richtig deutet. Die – Künstler erhielt das Edelmetall, entweder
naturgemäß geringere – Ausstattung einer in Münz- oder Barrenform oder als Alt-
solchen kleinen Pfarrkirche im Bereich des schmuck, sowie weiteres Zubehör wie Stei-
Bistums Würzburg wird exemplarisch in ne und fertigte daraus das Kunstwerk. Die
einer Schenkungsurkunde von um 810 an Bezahlung erfolgte wie bei der Münzprä-
Kloster Fulda aufgeführt: neben verschie- gung durch einen Abschlag vom zur Verfü-
denen Paramenten drei vergoldete capsae gung gestellten Edelmetall – oft Anlass für
(Reliquiare und/oder Chrismalia), Kelch betrügerische Manipulationen und Ausei-
mit Patene, drei Behältnisse mit Deckeln nandersetzungen. Eine wichtige Aufgabe
(Pyxiden?), zwei Ministriergefäße, zwei kam den Hofgoldschmieden zu, die aus
Schellen, eine Glocke und zwei scrinia dem Bestand der königlichen oder fürstli-
(Schreine). chen Schatzkammer Neues zu schaffen und
Wer fertigte all diese kostbaren und dadurch Rang und Prestige des Herrn zu
wundervollen Kleinodien? An den Königs- mehren hatten. Der Goldschmied war also
und Fürstenhöfen, in den Städten Galliens Teil des herrschaftlichen Systems, das hin-

33
ter dem Besitz und der Verteilung der Edel- schätzen sicherte das Silber neben Gold
metall-Pretiosen stand. Schlichter Alltags- und Edelsteinen als Barvermögen die mate-
schmuck konnte hingegen auch von rielle Existenz dieser Institutionen. Einen
umherziehenden Wanderhandwerkern her- hohen symbolischen Wert nahm das Silber
gestellt werden, die vermutlich auch den bei der aristokratischen Tracht, Waffen-
einen oder anderen Fertigschmuck mit sich und Reitausrüstung ein und wurde unab-
führten. dingbar für die Ausstattung der Kultbau-
Wenngleich das wirtschaftliche Leben ten der immer noch jungen Religion, dem
der Karolingerzeit sowohl in der Gallia, transzendenten Bezugspunkt des Einzelnen
dem heutigen Frankreich, wie auch in der wie des Staates. In all diesen gesellschaftli-
Germania, dem heutigen Deutschland bis chen, wirtschaftlichen und politischen
zur Elbe, ganz wesentlich auf der Land- Funktionen des kalt-schimmernden Me-
wirtschaft und zunehmend auch auf dem talls offenbart sich überdeutlich: die Macht
Handwerk basierte, spielte das Silber als des Silbers.
führendes Edelmetall eine entscheidende
Rolle als Katalysator bei der Beförderung Literatur: Berghaus 1965a; Berghaus 1965b; Deer
und Beschleunigung der wirtschaftlichen 1965; Elbern 1965; Fleckenstein 1965; Grierson
1965; Grierson & Blackburn 1986; Rau 1968–92;
Prozesse, insbesondere beim regionalen Elbern 1988; Riché 1970; Riché 1981; Roth 1986;
und überregionalen Güteraustausch sowie Johanek 1987; Steuer 1987a; 1987b; Steuer 1998;
beim echten Fernhandel. Mit der Wäh- Witthöft 1994; Haertle 1997; Katalog Paderborn
1999; McCormick 2002; Reallexikon der Germani-
rungsreform Karls des Großen wurde der
schen Altertumskunde, s.v. Karolingisches Münzwe-
Silber-Denar zum alles beherrschenden sen (B. Kluge); Steuer u.a. 2002; Téreygeol 2002;
Bezugssystem materieller Bewertung. Als Hardt 2004
Grundlage des Staats- und Privatvermö-
gens in den Königs-, Adels- und Kirchen- Egon Wamers

34
Insignien der Macht

,, An den höchsten Festtagen trug


er außer dem Hemd und den
Hosen mit Gold gewirkte Stoffe,
eine goldene Tunika, einen
goldenen Gurt und ein von Gold
glänzendes Schwert, goldene
Beinschienen und einen
golddurchwirkten Mantel;
auf dem Haupt eine goldene
Krone und in der Hand einen
goldenen Stab. ,,
Thegan, Das Leben Kaiser Ludwigs, Kap. 19
Z u den eindruckvollsten Denk-
mälern des frühen Mittelalters
gehören die Herrscherbilder der
karolingischen (Abb. 6–10; vgl. auch Abb.
2, 32) und ottonischen Kaiser, sowie bibli-
ten Schemel. Der zunächst karmesinrot
gefasste Hintergrund ist violett gedeckt.
Das Bild ist von einem schmalen goldenen
Rahmen umgeben.
Krone, Thron, Szepter, Schwert und
scher Herrscher in jeweils zeitgenössischer Sporen sind die Insignien, die die Macht
Darstellung (Abb. 11–13, 33). Sie folgen von Kaiser und König versinnbildlichen
einem seit der Spätantike feststehenden und an die sie im Leben auch real geknüpft
Bildtopos, beispielhaft im Missorium Kai- waren. Sie gehören zum „Kernbestand
ser Theoderichs von 388 vorgegeben. der Königshorte“. Regelhaft sind sie auf
Durch Haltung, Gestus und Ornat, verse- den Herrscherbildern wiedergegeben: im
hen mit den jahrtausendealten Zeichen der Lothar-Evangeliar (849/851; Abb. 7), in
Herrschaft und umgeben von Hofstaat, der Vivian-Bibel (845/846; Abb. 8), in der
Geistlichkeit und himmlischen Mächten Bibel von St. Paul vor den Mauern (um
verkörpern die Herrscher die imperiale 870; Abb. 4, 10–12) und im Codex Aureus
Macht des neuen IMPERIUM ROMANUM. von St. Emmeran (um 870; Abb. 9), wenn
Dass dieses von ihrem Ahn Karl dem Gro- auch bei ihnen das Schwert von einem kai-
ßen gegründete Imperium zum Zeitpunkt serlichen Waffenträger gehalten wird. Erst
der Entstehung dieser Bilder bereits im der Besitz der Insignien garantierte die
Verfall begriffen war, erklärt vielleicht den Legitimität der Herrschaft. Der Baiernher-
Wunsch nach solch eindrucksvoller sym- zog Tassilo III. händigte 787 bei seiner
bolischer Machtdemonstration. Unterwerfung Karl dem Großen einen ver-
Unter diesen Herrscherbildern ist das zierten Stab aus, ganz offensichtlich das
schlichteste jenes von Kaiser Lothar I. im Wahrzeichen seiner herzoglichen Souve-
nach ihm benannten Lothar-Psalter, der ränität. Ludwig der Fromme übersandte
kurz nach 842 in seiner Hofschule wohl in vom Totenbett aus seine Insignien (Krone,
Aachen gefertigt wurde (Abb. 6). Trotz Schwert, Szepter) an seinen ältesten Sohn
einer gewissen malerischen Naivität und und Mitkaiser Lothar I.; nach Karls des
Lässigkeit erschließt sich ein hoher realien- Kahlen Tod überbrachte 877 seine Witwe
kundlichen Zeugniswert dieses Bildes. seinem Sohn und Erben Ludwig dem
Lothar sitzt auf einem Thron mit Kissen, Stammler mit dem Testament auch das
auf dem Haupt die Krone, gekleidet in Un- Schwert des Vaters (angeblich das „Schwert
tergewand und Mantel, der auf der rechten Petri“), sein Königsgewand, seine Krone
Schulter von einer Fibel gehalten wird, und seinen gold- und edelsteinverzierten
beide golden und mit Steinen in vier Farben Stab, um ihn so „mit der Herrschaft einzu-
und Formen verziert, sowie mit purpur- kleiden“, also zu „investieren“ (Ann. Bert.
roten Kniebundhosen und hellroten gewi- 877). In unterschiedlicher Weise repräsen-
Abb. 6 ckelten Beinbinden. Die Linke umfasst tierten die Insignien semiotisch die ver-

Kaiser Lothar I. Lothar- das Gefäß des (umgürteten?) Schwertes, die schiedenen Funktionen kaiserlicher Macht.
Psalter, Brit. Libr. erhobene Rechte das Langszepter, und die Mit den herrscherlichen Enkolpien (Kata-
London, Add. Ms.
37768, fol. 4r (kurz Füße in goldenen, bespornten Schuhen log 18-19) mag auf die geistliche Herr-
nach 842) ruhen auf einem ebenfalls gemmenverzier- schaft verwiesen worden sein, vielleicht

37
Abb. 7
Kaiser Lothar I. Lothar-
Evangeliar, Bibl. Nat.
Paris, lat. 266, fol. 1v
(Tours, 849-851)

auch mit dem prachtvollen Zeremonial- dies bei den Feierlichkeiten anlässlich der
schlüssel aus dem Servatiusstift von Maas- Taufe des Dänenkönigs Harald Klak, seiner
tricht (Katalog 17; vgl. S. 62 ff.). Familie und seines Hofstaat 826 in Ingel-
Die kaiserlichen Herrschaftszeichen sind heim/Mainz deutlich, die nach höchstem
grundsätzlich die gleichen wie die für Kö- Protokoll von Ludwig dem Frommen per- Abb. 8

nige und Teilherrscher, etwa von abhängi- sönlich und seiner Familie durchgeführt König Karl der Kahle.
gen Völkern. Denn die Herrschaft von Un- wurde (S. 159 ff.). Die in Ermoldus Nigel- Widmungsbild in der
Vivian-Bibel, Bibl. Nat.
terkönigen war gleichsam nur ein Spiegel lus’ Preislied auf Ludwig den Frommen de- Paris, lat. 1, fol. 423r
der obersten Autorität. Beispielhaft wird tailreich geschilderten Festlichkeiten mün- (Tours, 845-846)

38
Abb. 9
Kaiser Karl der Kahle.
Codex Aureus von St.
Emmeran in
Regensburg, Bayer.
Staatsbibl. München,
Clm. 14000; fol. 5v,
Ausschnitt (Hofschule
Karls des Kahlen,
um 870)

deten nämlich in der Investitur Haralds Folgetag kommendiert sich Harald in Lud-
zum fränkischen König als Vasall Kaiser wigs Hände, erkennt damit die Oberhoheit
Ludwigs. Die Insignien, die Harald von des Kaisers an und stellt sein dänisches
Ludwig erhält, sind ein edelstein- und pur- Reich unter das fränkische.
purverziertes Gewand mit Goldborte, Lud- Außer dem Thron erhält der Vasall
wigs eigenes Schwert mit goldenem cingu- Harald all die Herrschaftszeichen, die wir
lum (Gehenk), ein gemmenbesetzter Gür- auch beim Thronbild im Psalter Lothars I.
tel, goldene Armbänder (Reifen?), eine erkennen, der im Übrigen bei der Taufzere-
Krone, goldene Sporen, ein golddurchwirk- monie anwesend gewesen war und als
ter Mantel und weiße Handschuhe. Am ältester Sohn Ludwigs des Frommen und

40
Abb. 10
Kaiser Karl der Kahle.
Bibel von St. Paul vor
den Mauern in Rom,
fol. CCCXXXIV v, c.1r.
(um 870)

Taufpate eigenhändig Haralds Sohn aus Aus den wenigen erhaltenen Reichs- und
der Taufe gehoben hatte. Ähnliche Zere- Kirchenschätzen sowie aus archäologi-
monien werden auch mit den Fürsten schen Funden lassen sich die kaiserlichen
anderer Randvölker, etwa Bretonen oder und königlichen Insignien einigermaßen
Slawen, die man gleichfalls an das Fränki- zuverlässig rekonstruieren oder gar identi-
sche Reich anbinden wollt, abgehalten fizieren.
worden sein (vgl. S. 169 ff.).

41
Die Krone

D ie mittelalterliche Königskrone
geht auf das antike Diadem
und die corona zurück, die
ursprünglich göttliche Attribute und später
Auszeichnungen für künstlerische und
Altar aufgehängt wurde und die das hier
präsente göttliche Königtum symbolisierte.
Die Kronen der Herrscherbilder bestehen
aus einem goldenen Reif mit Edelsteinbe-
satz, der vier palmettenförmige Aufsätze,
militärische Verdienste waren. Seit Kon- bisweilen auch einen Bügel erhalten kann.
stantin gehörte das Diadem zum Ornat der Formal am nächsten kommen ihnen noch
Kaiser. Es bestand aus einem breiten, im ottonische Kronen und die Grabkronen
Nacken verknoteten Purpurband mit gro- der salischen Kaiser aus dem Speyrer Dom.
ßem Edelstein und Dreiblattpalmette über Manche Kronen erwecken eher den Ein-
der Stirn, dessen Bänder im Nacken flatter- druck, als wären sie aufwändige Varianten
ten. Seit der Annahme des Imperatoren- der eigentümlichen karolingischen Helme.
und Augustus-Titels ließ sich Karl der Dass die Könige nicht nur eine Krone besa-
Große auf seinen neuen Bildnismünzen mit ßen, geht aus einer Notiz hervor, wonach
Imperatoren-Diadem abbilden (Abb. 2), Karl der Kahle 865 bei einem Feldzug
worin ihm seine Söhne nachfolgten. gegen Normannen dreier Kronen verlustig
Karolingische Kronen sind vornehmlich ging. Viele Kronen werden nur herausra-
von den Darstellungen der Herrscherbilder gender Kopfputz gewesen sein; sie wurden
einschließlich der Metzer Reiterstatuette verschenkt wie andere wertvolle Gegen-
(Katalog 15) bekannt, aber auch von ande- stände auch. Bei festlichen Anlässen, wie
ren Königsdarstellungen, und haben sich der Taufe Harald Klaks in Mainz, trugen
nicht als Realien erhalten; bei der oben auch hohe fränkische Adlige Kronen. Wel-
schon erwähnten „Eisernen Krone der che Krone zur Regalie und damit zur Herr-
Langobarden“ handelt es sich wahrschein- schaft verleihenden Insignie wurde, ent-
lich um eine Votivkrone, die über dem zieht sich heute unserer Kenntnis.

42
Der Thron

„Und der König [Salomon] machte Der regierende und Recht sprechende
einen großen Thron von Elfenbein und Herrscher sitzt. Die Untertanen stehen vor
überzog ihn mit dem edelsten Gold. ihm oder liegen ihm im altorientalischem
Und der Thron hatte sechs Stufen, und Gestus der Proskynese zu Füßen. Das Sit-
Abb. 11 hinten am Thron waren Stierköpfe, zen ist die Haltung des Souveräns, wo er
Der weise Salomon, und es waren Lehnen auf beiden Seiten regiert, ist sein „Sitz“. Dies gilt auch heute
umgeben von
am Sitz, und zwei Löwen standen an noch für alle geistigen und weltlichen Insti-
Leibwächtern und
Hofstaat. Bibel von den Lehnen. Und zwölf Löwen standen tutionen: den Regierungs- oder Bischofs-
St. Paul vor den auf den sechs Stufen zu beiden Seiten. sitz, den Sitz einer Bank oder für ein Unter-
Mauern, Rom, Dergleichen ist nie gemacht worden in nehmen. Die Ein-Setzung ins Amt ist
fol. CCCXXXIV v,
c.188, Ausschnitt, allen Königreichen.“ deshalb die „Inthronisation“. Seit dem 4.
(um 870) Buch der Könige I, 10.18–20 Jahrhundert wird auch Christus als himm-

43
lischer Herrscher thronend dargestellt. Der
Bischofsthron, die Kathedra, ist Symbol
der bischöflichen Macht. Aus karolingi-
scher Zeit ist hier die Cathedra S. Petri aus
der Peterskirche in Rom zu nennen, ein um
870 für Karl den Kahlen gefertigter Holz-
thron, der wenige Jahre später dem Papst
geschenkt und in Rom mit Spolien einer
älteren Kathedra verbaut wurde. Der leere
Thron (Hetoimasia) ist Sinnbild der un-
sichtbaren, geistigen Anwesenheit des Got-
tes, so auch Symbol des kommenden
Christus (Abb. 13).
Auf den karolingischen Herrscherbil-
dern und anderen Miniaturen sind drei
verschiedene Throne wiedergegeben. Ein-
mal handelt es sich um kastenförmige
Sitze, die eine gerade rechteckige, etwa
schulterhohe Rückenlehne aufweisen, die
Ecken jeweils mit runden Knäufen ver-
sehen. Sie scheinen aus Holz gefertigt,
zumindest teilweise blattvergoldet sowie
üppig mit Edelsteinen verziert zu sein; zum
Sitz führen zwei flache Stufen, die auch als
Fußstütze dienen (Abb. 9, 11–13). Sie ent-
sprechen der Cathedra S. Petri. Auf diesem
Typus aus Handschriften um 870 sitzen
Karl der Kahle beziehungsweise biblische
Könige. Bei gleichem Sitz hat dagegen eine
hohe, oben gerundete und tuchverkleidete
Rückenlehne der Thron Karls des Kahlen zugeschrieben wurde und auf dem seit Abb. 12
David, den Tod Sauls
in der Vivian-Bibel von 845/46 (Abb. 8). ottonischer Zeit die deutschen Könige
und Jonathans
Eine große, zylinderförmige und tuchver- nach der Krönungsszeremonie Platz nah- beklagend. Bibel von
kleidete Umlehnung des Kastensitzes wei- men (Abb. 14). Der kastenförmige Sitz St. Paul vor den
sen die Throne im Lotharevangeliar von hat aus Marmorplatten geschnittene Mauern in Rom, fol.
CCCXXXIV v., c.93r,
849/51 und in der Bibel von St. Paul von geschweifte Seitenlehnen und eine Rücken- Ausschnitt. (um 870)
um 870 auf, letztere mit hohem tholosarti- lehne mit oberem Bogenabschluss, der
gem Aufsatz (Abb. 7, 10). Seitenlehnen allerdings erst in der Neuzeit ausgeschnit-
sind nirgends zu erkennen. Eine bestimmte ten wurde. Jüngere Untersuchungen
formenkundliche Entwicklung der karolin- (Schütte 2000) haben sein karolingisches
gischen Throne wird man aus diesen Bil- Alter aus den Jahrzehnten um 800 höchst
dern nicht ablesen können; dies belegen wahrscheinlich gemacht. Zu diesem erhöh-
auch Throndarstellungen der 820er Jahre ten Thronsitz führten, wie zum sagenhaf-
im Stuttgarter (Abb. 13, 16) und Utrechter ten Thron Salomos, sechs Stufen hinauf.
Psalter, wo stuhlartige Typen wie in der Und es war Alkuin, der Leiter von Karls
Bibel von St. Paul wiedergegeben sind. Hofschule, der Karl selbst mit dem Erbau-
Auf dem Obergeschoss im Oktogon der er des Tempels zu Jerusalem verglich, wel-
Aachener Marienkapelle, der Pfalzkapelle cher mit den Worten der Königin von Saba
Karls des Großen von um 800, steht auf von Gott „auf den Thron von Israel
einem erhöhten Podest ein Thron aus anti- gesetzt“ war.
ken Marmorplatten, ursprünglich mit Während zu den oben dargestellten
Holzsitz, der seit alters Karl dem Großen Thronformen auf den Herrscherbildern

44
keine genaueren zeitgenössischen Realien Sugers Zeiten ersetzt wurde), wahrschein-
erhalten sind und man für Vergleiche auf lich eine Arbeit unter lombardischem Ein-
ältere und jüngere Sitze angewiesen ist, fluss aus dem späten 8. Jahrhundert.
gibt es zum Sitz mit Köpfen und Tatzen Gegen 800 könnte der Faltstuhl ins Kloster
von Löwen oder anderen Großkatzen im von Saint-Denis gekommen sein. Etwa in
Lothar-Psalter (Abb. 6) von 842 eine sehr der Mitte des 9. Jahrhunderts wurden die
gute Entsprechung: den so genannten durchbrochenen Seitenlehnen und die gie-
Dagobert-Thron (Katalog 11). Bei ihm belförmige Rückenlehne angefügt. Wegen
handelt es sich um einen Faltstuhl aus ihrer stilistischen Nähe zu Werken aus der
Bronze in antiker Tradition (sella curulis; Metzer Hofschule Karls des Kahlen wird
faldistorium), der zwar durch seine Kon- die Ergänzung mit Lehnen, wodurch der
struktion für Reisen gedacht war, aber Stuhl ein thronartiges Aussehen erhielt,
durch Qualität des Gusses, Größe von von diesem Kaiser veranlasst worden sein.
1,04 m Höhe und Seiten- und Rücken- Der in Bronze gegossene und gravierte
lehnen überaus repräsentativ wirkt. Seinen Faltstuhl war ursprünglich vergoldet, so
Namen hat er von Abt Suger von Saint- dass er golden schimmerte. Der goldene
Denis im 12. Jahrhundert erhalten, der Löwen-/Panther-Faltstuhl, auf dem Lothar
ihn mit dem Merowingerkönig Dagobert in seinem Psalter von 842 sitzt (Abb. 6),
(† 638/39) in Zusammenhang brachte. weist keine Lehnen auf; er könnte also mit
Sicher ist, dass er mindestens zweimal dem ursprünglichen „Dagobert-Thron“
umfassender restauriert beziehungsweise identisch sein. Auch für den Löwen-Falt-
überarbeitet wurde und zahlreiche Repara- stuhl, auf dem der Evangelist Marcus im
turen verschiedener Zeiten aufweist. Ebo-Evangeliar sitzt, scheint er Vorbild
Zu den ältesten Teilen dieses Sitzes gehö- gewesen zu sein. Vielleicht ist mit dem
ren die Großkatzen-Protome mit den „auratus thorus“, auf dem sich Ludwig der
Querstreben (von denen eine wohl zu Fromme während der Rast beim Jagdaus-
flug mit dem Dänenkönig Harald 826 nie-
derlässt (Ermoldus Nigellus, Carmen 544),
ebenfalls dieser oder ein ähnlicher Falt-
stuhl gemeint, selbst wenn „torus“ eher
„Kissen“ bedeutet.
Im alten Rom war die sella curulis in
Form des Faltstuhls (faldistorium) Sitz des
Consuls. Throne mit Löwen- (oder Groß-
katzen-) Lehnen gehen auf die Throne der
vorderasiatischen „Potnia theron“ (Ishtar)
zurück, der göttlichen Tiermutter. In karo-
lingischer und späterer Zeit bezieht man
sie auf den Thron Salomos, womit die
Weisheit des alttestamentlichen Richter-
Königs evoziert werden sollte, auch bei den
mittelalterlichen Bischofssitzen.

11 So genannter Dagobert-Thron (Nachbildung)


Bronze, Spuren von Vergoldung
H. 104 cm; B. 82 cm
Norditalien?, Aachen?, Metz, ca. 800–850
Cabinet des Médailles, Bibliothèque National Paris,
Abb. 13 Inventar 1634 Nr. 362
Der für Christus von Nachbildung Römisch-Germanisches Zentralmuseum
Ewigkeit her bereitete Mainz, Inventar 42574
Thron. Stuttgarter Weidemann u. Staude 1976; Schramm 1954, 316 ff.
Bilderpsalter, fol. 109r, Abb. 36–37; Schramm 1971, 285–287 Abb. 5;
Ausschnitt (820/830) Gaborit-Chopin 1991; Katalog Aachen 2000

45
Katalog 11

Abb. 14

Thron Karls des Großen


im Obergeschoss des
Oktogons der Aachener
Pfalzkapelle (um 800).
Domkapitel Aachen

46
Das Szepter

D as erste Gerät des Menschen


war der Stock: Werkzeug und
Waffe. Seit alters ist der Stab
Zeichen des handelnden Menschen. Als
Gehstütze und als Züchtigungsmittel der
ung (857/59): „ein Stecken aus einem
Apfelbaum, durch seine gleichmäßigen
Knoten (nodi) bewundernswert, kräftig
und schrecklich, mit einem Handgriff aus
Gold oder Silber mit schönen erhabenen
Abb. 15
Hirtenstab des David
mit Endbesatz.
Stuttgarter Bilderpsalter,
fol. 158r (820/830)
Hirten wird er in den alten Kulturen zum
Würdezeichen und Amtsemblem, insbe-
sondere des Gesetzgebers und Richters,
sowie zum Signum von Herrschaft. Attri-
but des Göttervaters Iupiter ist ein Stab mit
Knauf. Im Alten Testament kommt ihm als
Stab Moses’ und Aarons magische Kraft
zu; in der Offenbahrung des Johannes
(2,27; 19,15) wird Christus „die Völker
regieren mit eisernem Stab“. Viele Kultu-
ren kennen den Rednerstab für die feierli-
che, verbindliche Rede; so halten in der
christlichen Kunst die Engel bei der Ver-
kündigung den Kreuzstab. Seit dem frühen
Mittelalter ist er als Hirtenstab (baculum
pastorale) Amtsinsignie der Bischöfe und
Äbte, wovon besonders eindringlich der
so genannte „Pilgerstab des hl. Servatius“
aus Maastricht sowie der reich verzierte
Petrusstab mit antiker Spolie aus Köln,
Limburg und Prag Zeugnis ablegt (vgl.
S. 62 ff.; Abb. 22–23). Mit dem Kreuz-
stab als vexillum (Heereszeichen) stellt
Konstantin der Große seine Herrschaft
unter die neue Staatsreligion.
Auf fast allen karolingischen Herrscher-
bildern hält der thronende Kaiser einen
Stab in der Hand: das Langszepter (bacu-
lum). Das obere Ende ist zumeist mit einem
runden Knauf versehen oder zumindest
verdickt, der Stab selbst kann Verzierun-
gen, etwa in Form kleiner Nodi oder
Beschläge, aufweisen, und einige scheinen
mit den Enden in Manschetten oder Hül-
sen zustecken (Abb. 15). Notker beschrieb
den Stab des ostfränkischen Königs Lud-
wigs des Deutschen aus eigener Anschau-

48
Katalog 12
Katalog 13

Figuren“ (Gesta Karoli I, cap. 34). Erst- log 12). Der mit einer einfachen karolingi-
mals wird im Psalter Karls des Kahlen schen Schwertgarnitur der ersten Hälfte
neben dem Langszepter das Kurzszepter des 9. Jahrhunderts ausgestattete Reiter-
(sceptrum) dargestellt, dazu der Globus krieger (Katalog 39) hatte seine Ausrüs-
(„Reichsapfel“) als sphaira, beide aus anti- tung sicher von einem ostfränkischen
ker Tradition und damit an spätantike Beamten oder Grafen erhalten, ebenso wie
Herrscherdarstellungen anschließend, letz- die auf einen bronzeblech-kaschierten
terer auch bei der Reiterstatuette aus dem Sandstein geschobene Silbermanschette,
Metzer Dom, bei dem das Szepter verloren die unten abgerundet und im oberen Teil
gegangen ist (Katalog 15). mit zwei Akanthusranken im Stil des
Der Schuh eines solchen Stabes hat sich Godescalc-Evangelistars aus dem Ende des
im böhmischen Männergrab von Stará 8. Jahrhunderts verziert ist – wozu es im
Kouřim 55 aus der ersten Hälfte des 9. übrigen enge Parallelen auch auf der eben-
Jahrhunderts erhalten, wo er am linken falls in der Ausstellung gezeigten Pyxis von
Bein des Toten aufgefunden wurde (Kata- Ribe (Katalog 28) und dem Marienreli-

49
quiar aus dem Hildesheimer Domschatz 12 Endbesatz eines Langszepters (Amtsstab)
Der Endbesatz besteht aus einem facettierten, mit
(Katalog 31) gibt.
Bronzeblech überzogenem Sandstein, auf dem oben
Die Interpretation des singulären Hohl- eine vergoldete und niellierte Silberblechtülle aufge-
zylinders aus Stará Kouřim als Fuß eines schoben ist. In der Tülle befinden sich noch Reste des
karolingischen Amtsstabes (oder einer einstigen Holzstabes. Die muldenförmig ausgeführte,
vergoldete Ranke entspricht der karolingischen Hof-
Standarte?) wird durch eine Anzahl von kunst des ausgehenden 8. Jahrhundert oder um 800
eisernen Endbesätzen in vergleichsweise (Evangelistar des Godescalc; Ribe-Pyxis Katalog 28;
reichen sächsischen und kroatischen Krie- Hildesheimer Reliquiar Katalog 31).
Sandstein, Bronze, Silber, Vergoldung und Niellierung
gergräbern des 9. Jahrhunderts unterstützt, Gesamtl. 15 cm; Tüllenl. 8,6 cm.
wo sie in ähnlicher Lage zu Füßen der Stará Kouřim Grab 55, Bezirk Kolín (Böhmen),
Toten liegen und offensichtlich mit der Ende 8. Jh.
Národní muzeum, Oddělení prehistorie
Ausübung fränkischer Herrschaft oder des
a protohistorie, Inventar H-196 671
Richteramtes zusammenhängen. Vielleicht Šolle 1966, 260 Abb. 11a; Katalog Berlin,
kann man dem Stabschuh aus Stará Mannheim 2002, Nr. 07.02.01 (N. Profantová)
Kouřim eine merkwürdige vergoldete
13 Bronzetülle (eines Amtsstabs?)
Bronzetülle mit karolingischem vegetabi- Der hohle kräftig gegossene und teilvergoldete Bron-
lem Schuppendekor aus dem Germani- zezylinder ist nur noch fragmentarisch erhalten. Innen
schen Nationalmuseum Nürnberg an die (Dm. 1,3 cm) ist der Rest eines mit Blei eingegossenen
Eisenteils erkennbar, vermutlich die Halterung eines
Seite stellen, deren Fundort unbekannt ist Aufsatzes. Am (unteren?) Ende besitzt der Zylinder
(Katalog 13). In dieser Tülle war ursprüng- eine vergoldete Randleiste, darunter gibt es eine ring-
lich ein Eisenstab mit Hilfe von Blei befes- förmige Aussparung, vielleicht für einen Blechbesatz
oder eine weitere Montage.
tigt gewesen. Die Oberfläche bedeckt ein schuppenförmiges Arka-
Offensichtlich hatte man auch die slawi- denmuster mit leicht erhabenen Ovalen, die in fla-
schen Vasallen – 845 empfing Ludwig der chem, gegossenem Relief Akanthuspalmetten tragen.
In jeder Reihe gibt es vier Bögen, wobei sie jeweils
Deutsche „vierzehn der Herzöge der Böh-
nach oben bzw. unten versetzt sind. Die erhabenen
men mit ihren Leuten und ließ sie am Partien sind vergoldet.
Sonntag nach Epiphanie (13. Januar) tau- Bronze vergoldet; Blei und Eisen; L. 10 cm; Dm. 2,2 cm
fen“ (Ann. Fuld. 845) – mit Schwertgarni- Fundort unbekannt, vermutlich Raum Nürnberg, 9. Jh.
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Inventar
turen und weiteren insignia ausgestattet, R 352
um in ihrem lokalen Machtbereich Herr- Unpubliziert.
schaft in fränkischem Namen auszuüben.

50
Armreifen

D ie immer wieder in den Schrift-


quellen (historische Notizen,
Preislieder, Testamente und
anderes) erwähnten goldenen armillae
oder baugae (Armreifen oder -spangen)
besetzten Reif am rechten Arm tragen in
den Herrscherbildern sowohl Kaiser Karl
der Kahle wie auch König Salomon (Abb
9–11). Die einzigen bislang bekannten ka-
rolingischen Edelmetall-Armreifen sind
sind nicht als archäologische Funde über- bandförmige geometrisch verzierte offene
liefert, scheinen aber zum festen Bestand Silberringe aus dem Nordseeküstenbe-
königlicher Insignien gehört zu haben. Der reich, zum Beispiel aus dem Wikinger-
Dänenkönig Harald erhält 826 bei der schatz von Wieringen, die aber nicht als
Investitur von Ludwig dem Frommen gol- „königlich“ bezeichnet werden können.
dene Bänder (vincla) für die Arme. Sie Vielleicht darf man sich kostbare karolin-
gehen vermutlich auf die seit spätrömi- gische armillae des 9. Jahrhunderts ähnlich
scher Zeit als dona und Auszeichnungen gestaltet vorstellen wie den massiven
an Barbarenfürsten verliehenen massiv- bronzevergoldeten Scharnierarmreif aus
goldenen Armringe zurück, die sich in Truchtlaching im Chiemgau mit Tassilo-
völkerwanderungszeitlichen Fürsten- und kelchstil-Verzierung aus der zweiten Hälfte
Königsgräbern wiederfinden, etwa im des 8. Jahrhunderts (Katalog Frankfurt
Grab des Frankenkönigs Childerich von 1994, Kat.Nr. V/3 – E. Wamers), nur jetzt
481. Einen kräftigen goldenen, edelstein- mit Akanthusornamentik.

Kaiser Karl der Kahle


mit goldenem und edel-
steinverziertem Armreif.
Ausschnitt aus Abb. 9

51
Das Schwert

K eine Insignie drückt so unmittel-


bar die Herrschergewalt aus wie
das Schwert. Seit der Bronzezeit
ist das zweischneidige Schwert die wich-
tigste und furchtbarste Nahkampfwaffe
Waffenträger das Schwert reicht (Abb.
7–11). Wird der König als Richter dar-
gestellt, wie etwa David im Stuttgarter
Psalter, hält er das Schwert auf den Knien
(Abb. 16).
des Kriegers, die noch in ihren neuzeitli- Auf den karolingischen Bildern lassen
chen Ausprägungen von Degen und Florett sich die Schwerttypen der Karolingerzeit
Teil der Identität des waffenberechtigten mit ihren charakteristischen drei- und fünf-
Mannes ist. In der Vollbewaffnung des ger- gliedrigen oder dreiseitigen Knäufen, die
manischen Freien der Völkerwanderungs- aus archäologischen Funden gut bekannt
und Merowingerzeit stand an erster Stelle sind, sehr gut identifizieren. Die eigent-
die Spatha, das zweischneidige Lang- lichen eisernen Schwertblätter mit Griff- Abb. 16
schwert; sie wurde aufwändig geschmiedet angel von insgesamt etwa 1 Meter Länge König David als
Richter. Stuttgarter
und samt Aufhängung kunstvoll verziert. wurden in spezialisierten Werkstätten aus Bilderpsalter,
Ungezählte Kriegergräber des frühen Mit- hochwertigem Stahl geschmiedet und wa- fol. 105r (820/830).
telalters bezeugen die hohe Wertschätzung
und Symbolkraft des Schwertes in dieser
Zeit, doch war es den führenden Schichten
vorbehalten (Abb. 5).
Im Alten Testament symbolisiert das
Schwert Kampf und Gericht; im Frühmit-
telalter wird es ausgesprochenes Macht-
und Herrschaftssymbol, das bei Rechtsak-
ten wie der Krönung, Gewaltenübertra-
gung und bei der königlichen Rechtspre-
chung präsent sein musste (Abb. 16).
Anders als der Stab, der die Recht spre-
chende Gewalt versinnbildlicht, steht das
Schwert für die vollstreckende Gewalt (ius
gladii). Durch das Anlegen des Schwertes
wird die entsprechende Macht übertragen,
insbesondere das Herrschaftsrecht, wie es
beispielhaft bei der Investitur des Dänen-
königs Harald Klak durch Ludwig den
Frommen 826 geschah.
In der Bildtypologie des frühen Mittelal-
ters gehört somit das Schwert zum Herr-
scher und zum königlichen Richter wie die
Krone und der Thron. Kaum ein Herr-
scherbild, das nicht den König mit dem
Schwert an der Seite zeigt wie im Lothar-
Psalter (Abb. 6) oder wo ihm nicht ein

52
Abb. 17 ren in der ganzen damaligen Welt sehr be- schen Material (Horn, Holz, Bast, Leder?)
Kampf Davids mit
gehrt, so dass sie mehrfach mit einem Ex- umwickelt gewesen.
Goliath mit
charakteristischen portverbot belegt werden mussten. Beson- Das wohl schönste karolingische
karolingerzeitlichen deres Augenmerk wurde den Gefäßen Schwert (frühes 9. Jahrhundert) kommt
Waffen. Stuttgarter (Griffpartie) gewidmet, von denen Parier- aus dem Bootkammergrab von Haithabu
Bilderpsalter, fol. 158v
(820/830). und Knaufstange sowie Knauf kunstvoll bei Schleswig, der königlichen Bestattung
David ... nahm einen mit Bunt- und Edelmetalleinlagen verziert eines dänischen warlords (Katalog 38). In
Stein und schleuderte wurden. In der Ausstellung wird das Parier- und Knaufstange und in den Knauf
ihn und traf den
Philister an die Stirn,
Schwert aus dem Altrhein bei Mannheim- selbst sind in aufwändiger Silbertauschier-
dass ... er zur Erde fiel Friesenheimer Insel (Katalog 14) gezeigt, technik fein gezeichnete Bilder aus dem
... David aber hatte kein dessen angenietetes Gefäß ein messing- Fundus karolingisch-christlicher Heilsmo-
Schwert in seiner Hand.
und silbertauschiertes Schachbrettmuster tivik eingelegt. Der organische, heute ver-
Da lief er hin ... und
nahm dessen Schwert mit Silberfiligran-Trennern trägt. Seine gangene Griff wurde von zwei verzierten
und zog es aus der fragmentarische Klinge ist mit Hersteller- Messingblechhülsen gehalten. Zusammen
Scheide und tötete ihn namen (VLFBEHT+) und -zeichen des mit den anderen karolingischen Stücken in
vollends und hieb ihm
den Kopf damit ab. (1. Schwertfegers damasziert. Der eigentliche diesem bemerkenswerten Grab dürfte es
Buch Samuel 17.49 ff.) Griff war ursprünglich mit einem organi- ein hochrangiges Geschenk des fränki-

53
schen Hofs sein. Die Verzierung der Abb. 18
Leibwächter Phelethi,
Schwerter wurde wie schon seit Jahrhun-
der König Davids
derten auch in karolingischer Zeit nicht Spatha trägt. Vivian-
nur aus ästhetischen Gründen vorgenom- Bibel, Bibl. Nat. Paris,
men, sondern auch, um Schaden von der lat. 1, fol. 215v,
Ausschnitt (Tours,
Waffe abzuwenden und ihrem Nutzer 845–846)
Glück zu bringen. Das Schwert Ludwigs
des Deutschen war „mit .. erhabenen
Kreuzchen in der Mitte zum Verderben für
die Heiden“ versehen (Notker, Gesta, Kap.
34), also vermutlich mit damaszierten
Kreuzmustern.
Noch größere Sorgfalt verwandte man
bei der Gestaltung der Schwertaufhän-
gung, die als fester Bestandteil des Schwer-
tes zugleich wirkungsvollster Schmuck des
Kriegers waren. Aus dem Kerngebiet des
ehemaligen Karolingischen Reiches hat
sich keine vollständige Spatha-Aufhän-
gung erhalten, sondern nur aus dem
normannischen Norden, den slawischen
Groß-Mähren und Alt-Kroatien sowie aus
dem italienischen Benevent. Dabei weisen
das böhmische Fürstengrab von Kolín
(Katalog 40), der Schatzfund von Dues-
minde (Katalog 36b.1–2) wie auch der
südschwedische Hortfund von Östra Påbo-
da und die Garnitur aus Kloster San Vin-
cenzo al Volturno ganz charakteristische
Beschlagsätze solch prachtvoller silberver-
goldeter Schwertaufhängungen mit einem
kleeblattförmigen und zwei bis drei ovalen
Beschlägen, großer Riemenzunge sowie
einer großen Schnalle auf. Eine ganz
schlichte bronzene Garnitur mit einge-
punzter, akanthus-imitierender Strichver-
zierung lag hingegen im nur wenige Kilo-
meter von Kolín entfernten Grab 55 von
Stará Kouřim (Katalog 39); sie kommt
sicherlich ebenfalls aus einer fränkischen
Werkstatt, ist aber ein rein funktions-
tüchtiges Exemplar für den kämpfenden
Krieger.
Besonders gute Wiedergaben von
Schwertern und Schwertscheiden mit Tra-
geriemen zeigen der Stuttgarter Bilderpsal- Abb. 19
Spatha in Scheide mit
ter von ca. 820/830 (Abb. 17), die Vivian- Aufhängung zu Füßen
Bibel von 845/846 (Abb. 8, 18), das des von Christus
Lothar-Evangeliar von 849/851 (Abb. 7), berufenen Matthäus.
Bibliothek des
die Handschrift in Prag aus dem 9. Jahr-
Metropolitankapitels,
hundert (Abb. 19), die Bibel von Sankt Prag. Cim. 2, f. 23v,
Paul von um 870 (Abb. 10–11) und der Ausschnitt (9. Jh.)

54
Generationen zu handeln, wobei vorher
und nachher die Beschlagsätze ohne drei-
armigen (kleeblattförmigen) Riemenvertei-
ler auskamen. Bei dem (vollständigen?)
Beschlagsatz des späten 9. Jahrhunderts
aus dem Schatz von Marsum (Katalog
35b) gibt es einen rechteckigen Beschlag,
der auf der Unterseite zwei v-förmig ange-
brachte breite Ösen für durchzuziehende
Riemen hat und der offenkundig als Rie-
menverteiler fungiert hat, ähnlich wie die
dreiarmigen Exemplare. Vielleicht sind die
Kleeblattbeschläge bei einigen der Darstel-
lungen aber nur verdeckt und nicht sicht-
bar. Dafür spricht, dass der Kleeblattbe-
schlag aus dem Schatzfund von Häljarp
(Katalog 33) mit seinen löffelartigen
Akanthusblättern und der Stengelblüte
stilistisch in den Umkreis der Hofschule
Karls des Großen (Südwest-/Nordost-Git-
ter – Braunfels 1965b; Lebuinuskelch)
gehört (ca. 800–814).
Aus der Hofwerkstatt Lothars oder
Karls des Kahlen dürften der goldene Klee-
blattbeschlag aus dem norwegischen
Schatz von Hon (Abb. 20) und die goldene
Abb. 20 Codex Aureus von St. Emmeran von um Riemenzunge aus Chateauroux (Katalog
Goldener Kleeblatt- 870 (Abb. 9). Stets ist zu erkennen, dass 24) stammen; die Beschläge und Garni-
beschlag aus dem
Schatzfund von Hon,
der Waffengurt mit ovalen oder D-förmi- turen aus vergoldetem Silber im Schatz von
Norwegen, sekundär gen Beschlägen an die Scheide genietet und Duesminde (Katalog 36b.1–2) etwa oder
zur Fibel umgearbeitet. dass an einem Riemenende eine große im Grab von Kolín (Katalog 40) dürften
Universitetets
Schnalle und am anderen ein großer End- dagegen als „adelig“ anzusprechen sein.
Oldsaksamling,
Inventar C 724 beschlag befestigt sind. Die Schwerter wer- Zur Ausstattung „normaler“ Krieger ge-
(Schatz vergraben den von den Waffenträgern dem Kaiser mit hörten Beschlaggarnituren aus Bronze, wie
nach 852) um die Scheiden herumgewickelten Gurten etwa diejenigen aus dem Grab 55 von
gereicht (Ausnahme: Stuttgarter Psalter), Stará Kouřim (Katalog 39). So sehr die
es handelt sich also um kaiserlich-königli- Spatha Zeichen und Insignie des Herr-
che Schwertgarnituren, wobei die Spatha schers war – in der Hand des Kriegers
in leichter Schräglage an der linken Seite blieb sie zentrales Kriegsgerät, von dessen
getragen wurde (Abb. 17), damit sie weder Qualität der Ausgang des Kampfes mit
beim Gehen noch beim Reiten störte. Bei abhing.
den Malereien wurde großer Wert auf die
Darstellung der Beschlagsätze gelegt,
mehrfach sind sie farbig oder weiß kontu-
riert oder ergänzt. Die charakteristischen
Kleeblattbeschläge sind jedoch nur bei den
Darstellungen der vierziger Jahre bis um
870 (Bibel von St. Paul, c. 188v; Abb. 11)
wiedergegeben. Bei diesen in den archäolo-
gischen Funden sich so gut repräsentierten
Garnituren scheint es sich nur um eine
Modeerscheinung von etwa zwei bis drei

55
14 Spatha aus dem Altrhein
bei Mannheim-Friesenheimer Insel
Zweischneidiges Langschwert (Spatha) aus dem
Altrhein bei Mannheim, von dem die Klingenspitze
(Ort) fehlt. In die Klinge ist der Hersteller-(Atelier-
)name (VLFBEHT+) und auf der Rückseite ein geo-
metrisches Schwertfeger-Zeichen damasziert. Das
geschmiedete Gefäß mit einem messing- und silber-
tauschierten Schachbrettmuster ist angenietet; die
Knauffelder sind durch kräftige Silberfiligrandrähte
voneinander getrennt. Der eigentliche Griff war
ursprünglich mit einem organischen Material (Horn,
Holz, Bast, Leder?) umwickelt gewesen.
Die Fertigermarke „Ulfberht“ kommt in verschiede-
nen Varianten sehr häufig auf qualitätvollen Spatha-
klingen der Karolingerzeit vor. Dahinter stand eine
Waffenfabrica, die – wohl im Rheinland – über etwa
200 Jahre hervorragende Blankwaffen fertigte, die bis
in das arktische Norwegen und ins wikingische Dub-
lin gelangten, sei es durch Handel oder auf anderem
Wege. In Skandinavien sind die importierten karolin-
gischen Spathen oft mit eigenen nordischen Gefäßen
(Handhaben) versehen worden. In welchem Umfang
auch die Gefäße von der Ulfberht-Firma oder von
anderen Werkstätten montiert wurden, ist unbekannt.
Die kalte, elegante Pracht der Mannheimer Handha-
be vermittelt einen guten Eindruck von der Aufma-
chung eines hochwertigen und gebrauchstüchtigen
Schwertes für den karolingischen Adel. Dass so viele
karolingische Spathen als Flussfunde zu Tage gekom-
men sind, wird meist mit einer Opfersitte interpre-
tiert.
Eisen, Messing- und Silbertauschierung; L. 79,5 cm;
Gefäßl. 17,2 cm
Fränkisch, erste Hälfte 9. Jh.
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Inventar
FG 2187
Menghin 1980, 227 ff.

56
Sporen und Zaumzeug

N eben seinen Aufgaben (im


Auftrag Gottes) als Regent
und Richter ist der karolingi-
sche König vor allem Kriegsherr. Kriege
führt der Herrscher zu Pferde. Nicht erst
Metzter Statuette und ihre Funktion blei-
ben jedoch ungeklärt. Sie repräsentiert
aber nicht den triumphierenden Reiter,
sondern den mit Insignien ausgestatteten
regierenden Herrscher: Das Ross dient hier
seit der römischen Kaiserzeit feiert sich der gleichsam als erhöhter Thron für den Kai-
Imperator als triumphierender Reiter, den ser mit – heute verlorenem – Szepter, der
Feind unter den Hufen, ein Bild, das auf „im Sattel“ regiert.
zahlreichen Soldatengrabsteinen des 1. bis Dass aber auch der thronende Lothar I.
4. Jahrhunderts die Hoffnung auf Todes- (Abb. 6) mit Sporen bekleidet ist und dass
überwindung ausdrückt und zum festen zur Investitur des Dänenkönigs Harald
Bildprogramm des so genannten Thraki- Klak neben anderen Insignien goldene Spo-
schen Reiterheros wurde. Im Zuge der ren angebunden werden, so wie sich frän-
Christologisierung der spätrömischen Kai- kische filigranverzierte Silbersporen im
serikonographie wird auch Christus als böhmischen Kolín (Katalog 40) und ver-
siegreicher Reiter dargestellt. goldete Silbersporen in kroatischen Fürs-
Von den in der Antike auf öffentlichen tengräbern finden, das macht deutlich,
Plätzen aufgestellten lebens- oder überle- dass der wahre Herrscher der Karolinger-
bensgroßen Reiterstandbildern waren im zeit immer auch Reiterkrieger ist. Sporen
Westen in karolingischer Zeit noch das sind Sinnbild der Gewalt des Reiters über
des Marc Aurel vor dem Lateran in Rom, das Pferd; Metaphern wie „Sporen geben“
das damals als das Bild Konstantins und „Ansporn“ verdeutlichen den Vorgang
galt, das Regisol in Pavia und das spätanti- des gewaltsamen Erzwingens. Karolingi-
ke Reiterdenkmal Theoderichs des Großen sche Kaiser wurden mit angeschnallten
in Ravenna zu sehen. Letzteres ließ Karl Sporen bestattet, wie etwa Ludwig der
der Große, der an das Königtum Theode- Deutsche, in dessen Sarkophag in Kloster
richs anknüpfen wollte, 801 nach der Kai- Lorsch 1800 neben anderem goldene Spo-
serkrönung nach Aachen schaffen und dort ren angetroffen wurden, die später aller-
vor der Pfalz aufstellen. Die 24 cm hohe dings bis auf einen Riemenläufer (Katalog
bronzene Reiterstatuette aus dem Dom- 23) verloren gingen.
schatz von Metz, heute im Louvre, wurde Die Sporen des normalen Reiter(krie-
wohl eher von Karl dem Kahlen um 870 ger)s, soweit sie aus Grabfunden der Karo-
in Metz in Auftrag gegeben als noch lingerzeit bekannt sind, bestehen aus Eisen;
von seinem Großvater (Katalog 15); gelegentlich sind der Bügel, die Schnallen
sicherlich sollte sie aber Karl den Großen oder der Dorn (Stimulus) mit Bunt- oder
als „neuen Konstantin“ darstellen. Sie ist Edelmetall verziert. Die u-förmigen Sporen
das Idealbild des karolingischen Herr- wurden mit einem Riemen, der durch
schers. Vermutlich wird die Aachener Rei- Schlaufen oder mit Nieten an den Enden
terstatue als imposantes Denkmal eines befestigt war, an die Stiefel geschnallt,
germanischen Herrschers in römischer wozu einfache Schnallen mit Riemenläu-
Tradition Anregungen für sie gegeben fern und Endbeschlägen verwendet wur-
haben; der geplante Aufstellungsort der den. Sporen aus Edelmetall sind im Kern-

57
gebiet des Karolingischen Reiches äußerst auch als Votivfunde denkbar sind, handelt Abb. 21
Ross und Reiter. Ross
selten. Aus dem Rhein bei Mainz kommt es sich um Reiterzubehör hochrangiger
in voller Aufschirrung
ein Paar Schlaufensporen aus versilberter fränkischer Krieger, zumindest des niede- mit Sattel, Kopfgestell
Bronze, das im Tassilokelch-Stil verziert ist ren Adels. Unter den Beschlägen und und Leibgurten
und somit in die letzten Jahrzehnte des 8. Schnallen des Schatzfundes von Duesmin- mit zahlreichen
Nebenriemen mit
Jahrhunderts gehört, als Edelmetall noch de gibt es einen annähernd kompletten Riemenendbeschlägen.
knapp war (Katalog 16a). Aus vergoldeter Satz Sporengeschirr mit den charakteristi- Stuttgarter Bilderpsalter,
Silber-Kupfer-Legierung mit Nielloeinlagen schen Riemenläufern; lediglich eine fol. 88v, Ausschnitt
(820/830)
ist indes das Sporenfragment aus dem Schnalle fehlt (Katalog 36c).
Rhein bei Bacharach gefertigt (Katalog Die Metzter Reiterstatuette (Katalog 15)
16b), dessen Akanthusornamentik auf die zeigt auch die Aufschirrung des kaiserli-
erste Hälfte des 9. Jahrhunderts hinweist. chen Rosses mit Kopfgestell, Zügeln und
Reines Silber wäre ein zu weiches Material Sattelriemen, doch sind Details von Trense
für diese starken Belastungen ausgesetzte und Beschlägen kaum auszumachen. Da
Reithilfe. die Pferde von König und Adel den Status
Bei den drei Sporen aus dem Rhein, die der Reiter spiegeln sollten, wurde ihr
vielleicht bei der Flussdurchquerung zu Zaumzeug ähnlich aufwändig mit silber-
Pferde verloren gingen, andererseits aber vergoldeten Beschlägen versehen. Details Katalog 15

58
Katalog 16

der Pferdeschirrung zeigen uns zeitgenössi- Datierungskriterium sein kann. Nicht sel-
sche Reiterdarstellungen, etwa im Stuttgar- ten erkennt man eine ganze Zahl von Rie-
ter Bilderpsalter (820/830; Abb. 21) oder menenden, Glöckchen oder Anhängern,
in der Bibel von St. Paul (um 870; Abb. 1): die an kurzen Nebenriemen oder vom Sat-
Im Gegensatz zur Statuette werden hier tel herabhängen. Vielleicht ist der eigen-
echte Sättel gezeigt; oft sind die Riemen tümliche gebogene Anhänger aus dem
dicht mit Beschlägen besetzt, und es gibt Duesminde-Schatz ein solches Stück (Kata-
kreuzförmige oder runde Riemenverteiler log 36f); auf jeden Fall gehören die beiden
am Kopfgeschirr. Interessanter Weise Sätze mit je vier quadratischen Beschlägen
haben bei den älteren Darstellungen im zum Pferdegeschirr (Katalog 36d.1–2). Sie
Stuttgarter Psalter von 820/830 die Kopf- besaßen ursprünglich einen Steg mit großer
gestelle selten einen Querriemen oberhalb Schlaufe („gestielte Ösenbeschläge“), mit
der Nüstern wie bei der Metzer Statuette; der ein Riemen variabel festgezurrt werden
diese treten standardmäßig erst bei den konnte, und saßen vermutlich paarweise
jüngeren Bildern wie der Bibel von St. Paul oberhalb der Trense. Die schönste karolin-
(um 870) auf, was allerdings kaum ein gische Trense wurde im Bootkammergrab

60
von Haithabu gefunden: das bislang einzi- Edelmetall. Dazu gehört ein komplettes Paar aus
dem Rhein (?) bei Mainz (a). Seine u-förmigen
ge in Messing gegossene Exemplar der
Bügel, die am Hinterfuß über den Stiefel geschoben
Karolingerzeit (Katalog 38). und festgebunden wurden, bestehen aus versilberter
Bei allem Aufwand, der beim Zaum- Bronze, während der Stimulus (Dorn), der eigentliche
zeug karolingischer Ritter getrieben wur- „Sporn“, aus Eisen gearbeitet ist. Die Bügel sind
jeweils in 19 Felder gegliedert, welche Tierdarstellun-
de, und obwohl zur vollständigen Ausstat- gen im Tassilokelch-Stil tragen. Dies ist der von der
tung eines Königs sein Pferd gehörte – angelsächsischen Sakralkunst beeinflusste Kunststil
Insignien, zeichenhafte Herrschaftssym- aus der Regierungszeit Pippins des Jüngeren und sei-
nes Sohnes Karls des Großen bis zur imperialen anti-
bole, sind Zaumzeuge und Geschirre nie kischen Kunst nach der Kaiserkrönung, mit dem
geworden. Sakralgerät (Katalog 27, 43) und die Ausstattung von
Waffengurten und Reitzeug des Adels verziert wur-
den. Seine Ikonographie, die Tiere der Schöpfung am
15 Reiterstatuette Karls des Kahlen (Nachbildung) Lebensbaum und damit Jenseitserlösung verheißend,
Die Reiterstatuette aus der Kathedrale von Metz, entsprach der geistigen Programmatik dieser fränki-
lange und erneut wieder als Bildnis Karls des Großen schen Elite.
angesehen, wurde vermutlich erst von seinem Enkel Aus vergoldetem Silber mit Niello-Einlagen besteht
Karl dem Kahlen geschaffen. Vermutlich hat er sie das Sporenfragment, das angeblich aus dem Rhein
anlässlich seiner Krönung zum König 869 in Metz in bei Bacharach stammt (b). Auch bei ihm ist der
Auftrag gegeben und wollte sich damit als neuer Karl Stimulus aus Eisen. Der Bügel ist mit Akanthus-
der Große stilisieren. Denkbar ist, dass sie auf das blättern im Stil des mittleren 9. Jahrhunderts ver-
Reiterstandbild Theoderichs des Großen, das Karl der ziert.
Große aus Ravenna holen und in Aachen aufstellen a. Bronze, vergoldet; L. 14,2 cm
ließ, Bezug nimmt. Es handelt sich um einen komple- Mainz (aus dem Rhein?), 2. Hälfte 8. Jh.
xen, mehrteiligen Guss, der vor der Aachener Bronze- Landesmuseum Mainz, Inventar 0,349–350
gießerwerkstatt (ab Ende des 8. Jahrhunderts) nörd- Haseloff 1951, 36 Abb. 20 Taf. 12
lich der Alpen nicht denkbar ist. b. Silber vergoldet; L. 8,4 cm
Der Kaiser/König ist hier mit seinen wichtigsten Insig- Bacharach, Rheinland-Pfalz (aus dem Rhein),
nien versehen: Krone, Szepter (fehlt heute), Sphaira mittleres Drittel des 9. Jhs.
und Schwert; doch sind sowohl er selbst wie auch sein Landesmuseum Mainz, Inventar 0,353
Pferd schlicht und ohne Prunk ausgestattet – so wie Werner 1969, 500 f. Abb. 2 Taf. 25b
Karl der Große es nach Einhards Schilderung vorzog.
Bronze, H. 23,5 cm
Lothringen (Metz?), um 870 (?)
Literatur: Schramm 1954; Schramm, Mütherich
Original: Paris, Musée du Louvre
1962; Schramm 1983; Lexikon der Christlichen Iko-
Nachbildung: Deutsches Historisches Museum Berlin
nographie; Der Kleine Pauly; Lexikon des Mittealters;
Schramm 1983, 58 ff. Nr. 43; Schramm, Mütherich
Reallexikon der Germanischen Altertumskunde;
1962 Nr. 58; Gaborit-Chopin 1999
Gaborit-Chopin 1999; Katalog Aachen 2000; Vierck
2002
16a–b Sporen des Adels
Aus dem Gebiet des Karolingischen Reiches gibt es
nur ganz wenige Funde von Sporen aus Bunt- oder Egon Wamers

61
Geistliche Insignien

Stab und Schlüssel

Ein bis heute gebräuchliches Abzeichen der


kirchlichen Jurisdiktionsgewalt und der
Hirtenaufgabe ist der Stab. Schon im 7.
Jahrhundert erwähnt Isidor von Sevilla ihn
in seinem Buch über das geistliche Amt (De
ecclesiasticis officiis) als Zeichen der bi-
schöflichen Leitungsgewalt. Als Amtsinsig-
nie bezeugt ihn ferner – neben dem Ring –
das 633 abgehaltene Konzil von Toledo.
Und im Bereich des insularen wie des galli-
schen Mönchtums scheint seit dem 7. Jahr-
hundert auch bei den Äbten der Gebrauch
des Stabes üblich zu werden. Dass es
bereits unter den frühen Stäben solche gab,
die aus kostbarem Material gefertigt und
aufwändig verziert waren, ist einer Nach-
richt zu entnehmen, die der Kanoniker
Flodoard überliefert. In seiner im 10. Jahr-
hundert verfassten Geschichte der Kirche
von Reims erwähnt er eine argentea cabu-
ta figurata, einen figürlich gestalteten sil-
bernen Stab, den Flodoard mit dem hl.
Remigius († um 533) in Verbindung bringt.
Vermutlich handelt es sich um jene bis ins
17. Jahrhundert in Reims bezeugte Insig-
nie, von der gesagt wurde, der Heilige habe
sie als Zeichen seines Primats über ganz
Gallien vom Papst verliehen bekommen.
Das älteste erhaltene Würdezeichen die-
ser Art ist der Kölner „Petrusstab“ (Abb.
22), dessen Elfenbeinknauf vielleicht vom
Zepter eines römischen Konsuls stammt,
während die silbervergoldete Metallman-
schette unter dem Knauf als lothringische
Arbeit des 8. Jahrhunderts gilt. Nur wenig
jünger ist der so genannte „Pilgerstab des
heiligen Servatius“ in der Schatzkammer Abb. 22
der Servatiuskirche zu Maastricht (Abb. „Petrusstab“, Köln,
Hohe Domkirche,
23). In seiner Bezeichnung klingt die Erin- Schatzkammer
nerung an einen älteren, unmittelbar mit (2./3. Jh., 8. Jh.)

62
Doch der Servatiusschlüssel kommt of-
fenbar aus einem anderen Zusammenhang.
Seine charakteristische, körbchenartig er-
weiterte Handhabe und sein Dekor erwei-
sen ihn als karolingische Arbeit. Mit sei-
nem Gewicht von über einem Kilogramm
und mit seiner Größe übertrifft der Schlüs-
sel aus St. Servatius aber alle bisher be-
kannten Schlüsseltypen dieser Zeit, von
denen er sich auch durch das für den prak-
tischen Gebrauch denkbar ungünstige Ma-
terial unterscheidet. Größe, Material und
künstlerische Gestaltung sprechen für eine
sinnbildhafte Bedeutung. So klingt in der
Abb. 23
„Pilgerstab des Sechszahl der Rankenfiguration die Vor-
heiligen Servatius“. stellung der Vollkommenheit an, die schon
Stichting, Schatkamer, der heilige Augustinus mit dem Sechstage-
Sint Servaas, Maastricht
(Lothringen, werk der göttlichen Schöpfung verband.
ca. 850–875) Und in den vier um eine kreuzförmige
Mitte geordneten Kreuzen des Schlüssel-
bartes ist das auf antike Bildvorstellungen
dem legendären Gründerbischof von zurückgehende Schema des über den Kos-
Maastricht in Verbindung stehenden Stab mos ausgebreiteten Kreuzes in Erinnerung
nach, der im 10. Jahrhundert als Servatius- gerufen. Damit erweist sich der Schlüssel
reliquie über König Heinrich I. in das als heilbringendes Zeichen, und gibt zu-
Quedlinburger Servatiusstift gelangte. Wie gleich einen Hinweis auf seine ursprüng-
der Petrusstab trägt auch der Maastrichter liche Bestimmung im kirchlichen Kontext.
„Pilgerstab“ eine Bekrönung aus Elfen- Eine auf den ersten Blick bestechende
bein, die einer Silbermanschette aufsitzt. Hypothese hat den Schlüssel mit Karl dem
Das reiche, spannungsvoll zu den Seiten Großen in Verbindung bringen, und darin
ausgreifende Rankenwerk der Tau-förmi- die Idee des David-Schlüssels verbildlicht
gen Elfenbeinschnitzerei ist gut mit Ran- sehen wollen, ein beziehungsreiches Zei-
kenbildungen vergleichbar, wie man sie an chen der Vollmacht des „neuen Davids“
Arbeiten aus dem dritten Viertel des 9. Karl, des gesalbten Herrschers über die
Jahrhunderts findet. In dieser Zeit dürfte Christenheit. Eine solche Insignie wäre Ein-
auch der Stab in Maastricht entstanden hard, der treibenden künstlerischen Kraft
sein, mit dem sich wahrscheinlich der ältes- am Aachener Kaiserhof und dem späteren
te Abtstab der Servatiusabtei erhalten hat. Laienabt von St. Servatius durchaus zuzu-
Auch der silbervergoldete „Servatius- trauen; doch fällt es schwer, das charakte-
schlüssel“ (Katalog 17) stammt von dort, ristische Rankenwerk des Maastrichter
und in ihm sieht die Lokaltradition eben- Schlüssels mit den Arbeiten in Verbindung
falls eine Servatiusreliquie. Bei einem Auf- zu bringen, die unter Einhard in Aachen
enthalt in Rom soll Petrus dem Heiligen in entstanden sind. Besser vergleichbar sind
einer visionären Begegnung erschienen sein Arbeiten aus den späteren Jahrzehnten des
und ihm den Schlüssel anvertraut haben. 9. Jahrhunderts, wobei in Maastricht selbst
So könnte man annehmen, die legendäre der so genannte Pilgerstab des heiligen Ser-
Überlieferung halte die Erinnerung daran vatius zu nennen ist. So stellt sich die Frage,
wach, dass der Schlüssel in die Reihe jener ob nicht hinter diesen beiden Arbeiten von
zeremoniellen Zugangsschlüssel zum höchstem künstlerischen Anspruch der
Petrusgrab gehört, die als von den Päpsten gleiche ambitionierte Auftraggeber steht,
vergebene „Petrusschlüssel“ mehrfach in am ehesten eine einflussreiche Persönlich-
Kirchenschätzen bezeugt sind. keit, die in der Nachfolge Einhards Abt von

63
Katalog 17

St. Servatius war, oder gar der Herrscher misch-Germanische Ponifikale gefunden
selbst, der diese mit den Insignien investiert haben (Ordo LXIII,39). Einen „clavis, cum
hat? Sieht man den Schlüssel in Verbindung qua datur abbatia“ führt übrigens auch ein
mit dem Stab, dann könnte er Sinnbild des Schatzverzeichnis des Kanonissenstiftes
mit dem hohen Amt verbundenen Major- Gandersheim an. Die Liste wurde im 12.
domats über die Servatiusabtei sein. Es Jahrhundert in eine karolingische Hand-
ginge also um die mit dem Schlüssel evo- schrift des Kirchenschatzes nachgetragen.
zierte Bildvorstellung der Binde- und Löse- Einige der genannten Gegenstände können
gewalt, wie sie – im geistlichen Sinn – auch aber durchaus älter sein und noch aus der
in den liturgischen Texten anklingt, die ein Frühzeit des um die Mitte des 9. Jahrhun-
Jahrhundert später Eingang in das Rö- derts gegründeten Stiftes stammen.

64
Katalog 17

17 Sankt Servatius-Schlüssel kapelle); Katalog Hildesheim 1993, Kat.Nr. X.8


Silber, gegossen, mit Resten von Vergoldung; (A. M. Koldeweij); Elbern 2003, 269 f.
L. 29 cm
Lothringen (?), 3. Viertel 9. Jh.
Maastricht, Stichting Schatkamer Sint Servaas Literatur:
zum Römisch-Germanischen Pontifikale: Vogel, Elze
Katalog Köln 1972, Kat.Nr. F1 (D. Kötzsche, mit 1963 (Ordo LXIII, 39) 221
Datierung in das ausgehende 9. Jahrhundert unter zu den Servatius-Reliquien in Maastricht: Koldeweij
Hinweis auf vergleichbare Ornamentformen einiger 1985
spätkarolingischer Elfenbeinarbeiten in der Art des zum Petrusstab: Katalog Magdeburg 2001, Kat. Nr.
Nicasiusdiptychons im Schatz der Kathedrale von IV.81 (R. Lauer)
Tournai); Koldeweij 1985, 61–132 (mit Zuschreibung zu Gandersheim: Bischoff 1967, 35 f., Nr. 26 (frdl.
an die Werkstatt der Bronzegitter der Aachener Pfalz- Hinweis M. Hoernes, Gandersheim)

65
Abb. 24
„Gertrudenkreuz“
(Ausschnitt), Feder-
und Pinselzeichnung,
Johann Graff, Bamberg,
um 1743, Bamberg,
Staatsbibliothek,
HVG 1/30

Enkolpien quienkreuz hat die Aachener Lokaltraditi-


on auch ein ehemals im Stiftsschatz ver-
Als „Brustkreuz Karls des Großen“ wird wahrtes karolingisches Phylakterion, den
im Aachener Domschatz ein kleines Reli- „Talisman Karls des Großen“ (Abb. 55)
quienkreuz aus vergoldetem Silber in und die so genannte „Lukasmadonna“, ein
Ehren gehalten, von dem man annimmt, es medaillonartiges byzantinisches Marien-
stamme aus dem Besitz des Herrschers bildchen, mit dieser Graböffnung in Ver-
(Katalog 18). Diese Tradition stützt sich bindung gebracht, vermutlich weil man die
auf eine Nachricht, die Thietmar von Mer- drei Heiltümer zu besonderen Anlässen
seburg in seiner zwischen 1012 und 1014 dem Kopfreliquiar Karls des Großen
verfassten Chronik überliefert. Kaiser Otto umlegte. Auftraggeber der eindrucksvollen
III. habe, so heißt es dort zum Jahre 1000, Silberbüste war wohl Karl IV., der sie
das Grab seines großen Vorgängers öffnen anlässlich seiner Aachener Krönung 1349
lassen und neben einigen unversehrt erhal- dem Marienstift übereignet hat. Wahr-
tenen Teilen des Gewandes ein goldenes scheinlich hat neben der „Lukasmadonna“
Kreuz entnommen, das der Tote um den auch die Kreuzpartikel im „Brustkreuz“
Hals trug. aus diesem Anlass ihre heutige gotische
Außer dem eingangs erwähnten Reli- Fassung erhalten.

66
Abb. 25
Kreuzigungsbild.
Kristallschnitt.
Paris, Bibliothèque
Nationale, Cabinet
des Medailles,
Inv. Nr. 2167ter
(Lothringen, 9. Jh.).
Abbildung Rückseite
seitenverkehrt

Es war nicht die erste Veränderung, die im Umkehrschluss ein gewichtiges Argu-
das mit dem Namen des großen Karl ver- ment für die Stichhaltigkeit der mit dem
bundene Reliquienkreuz erfahren hat. So, Kreuz verbundenen Karlstradition. Das
wie die äußere kreuzförmige Hülle der gilt zum einen für die Kreuzreliquie selbst,
Reliquienfassung heute aussieht, ist sie ein zum anderen ist für sie ein bergendes
Werk des 12. Jahrhunderts. Näherhin legt Gefäß vorauszusetzen, das man in einer
das Rankenwerk der Rückseite eine Entste- Zeit der aufblühenden Karlsverehrung
hung in der Zeit Barbarossas nahe, jenes sicher nicht achtlos beiseite tat. Tatsächlich
Kaisers, der die Heiligsprechung Karls des hat man im 12. Jahrhundert eine ältere
Großen betrieb und dessen Gebeine 1165, Treibarbeit mit dem Bild des Gekreuzigten
am Festtag des heiligen Königs David, aus so umgearbeitet, dass sie seither als Deckel
dem Grab erhob. Die umlaufende Inschrift der kleinen kreuzförmigen Reliquienlade
des Reliquienbehälters spielt auf dieses dienen kann. Damit ist das wesentliche
Ereignis an, indem sie die alte Herrscher- Zierelement des ursprünglichen Reliquien-
ideologie von Karl dem Großen als dem kreuzes übernommen worden, von dem
neuen David in Erinnerung ruft. anzunehmen ist, dass seine Größe in etwa
Wenn es in der Barbarossazeit zu solch der des heutigen entsprach. Auslöser für
eingreifenden Veränderungen kam, ist dies die durchgreifende Überarbeitung des ehr-

67
würdigen Erinnerungsstückes mag der
Wunsch gewesen sein, ein leicht zu öffnen-
des Reliquiar zu haben, um die darin
geborgene Kreuzpartikel jederzeit der
betrachtenden Verehrung zugänglich zu
machen. Sollte dies zutreffen, dann hat
man sich das alte „Brustkreuz Karls des
Großen“ wohl als eine fest verschlossene
Theca zu denken, deren einziger Schmuck
vermutlich das erhaltene Kreuzigungsrelief
gewesen ist. Insofern ist dieser Kruzifix mit
großer Wahrscheinlichkeit auf Karl den
Großen zurückzuführen und wohl in den
letzten Lebensjahren des 814 verstorbenen
Kaisers entstanden.
Mit den wenigen Kreuzigungsdarstellun-
gen, die man den ersten Jahrzehnten des 9.
Jahrhunderts zuweisen kann, verbindet
den Aachener Kruzifix vor allem die auf-
rechte, gleichsam schwebende Haltung, die
den Leidenscharakter noch ganz zurück-
treten lässt. Der gespannte Gestus der
Christusfigur indessen verweist bereits auf
vergleichbare Darstellungen der folgenden
Zeit und macht damit deutlich, dass die
Übergänge fließender zu denken sind, als
der erhaltene Denkmälerbestand sugge-
riert.
Neben Aachen gab es auch an anderen
Orten kleine Reliquienkreuze, die mit Karl
dem Großen in Verbindung gebracht wur-
den. So galt ein Silberkreuz der französi-
schen Abtei Aniane als Geschenk des Kai- Domkustos Graff aus der Mitte des 18. Abb. 26
Elfenbeinrelief mit
sers. Ein anderes gehörte dem Kloster Saint Jahrhunderts vermittelt eine anschauliche
Darstellung der
Corneille in Compiègne, dessen goldene Vorstellung von der verlorenen Arbeit Kreuzigung.
Staurothek Karl der Große sogar auf sei- (Abb. 24). Der Kruzifix bildete das Herz- Florenz, Museo
nen Feldzügen getragen haben soll. Nach stück der kaiserlichen Stiftung und hob Nazionale del Bargello
(Lothringen?, 3. Viertel
einem Inventar von 1666 hat Karl der sich mit seiner kastenartigen Einfassung 9. Jh.)
Kahle es dem Kloster gestiftet. deutlich von den Treibarbeiten des Prunk-
Der Zeit Karls des Kahlen selbst wird kreuzes ab. Es kann nicht ausgeschlossen
aus stilistischen Gründen ein kostbares werden, dass auch der betreffende Ran-
goldenes Reliquienkreuzchen zugeschrie- kenrahmen jünger ist als der karolingi-
ben, das Heinrich II. dem Bamberger Dom sche Kruzifix und wir es hier mit einem
gestiftet hat. Möglicherweise stammt es ähnlichen Befund zu tun haben wie in
aus Regensburg und gehört ursprünglich in Aachen, dass also wiederum nur der
den Kontext der dortigen Karolingerschät- Deckel einer ursprünglich schlichten Theca
ze. Heinrich hat es zusammen mit anderen samt der beglaubigten Kreuzreliquie
Kostbarkeiten aus seiner Schatzkammer in bewahrt blieb.
ein Prunkkreuz, das so genannte „Gertru- Ein glücklicher Zufallsfund aus der
denkreuz“, einarbeiten lassen, das der Gegend von Groningen gibt einen guten
Säkularisation zum Opfer fiel. Die detail- Anhaltspunkt dafür, wie die erschlosse-
getreue Inventarzeichnung des Bamberger nen Reliquienkreuze der Karolingerzeit

68
Schon ein flüchtiger Blick auf die beiden
zuvor behandelten Kreuze in Aachen und
Bamberg macht deutlich, dass es sich in
Groningen nicht – wie bisher angenommen
– um eine gotische Arbeit handelt, sondern
tatsächlich um ein Werk aus karolingischer
Zeit. Eine genauere zeitliche Eingrenzung
ergibt sich über den Vergleich mit einem
Elfenbeinrelief aus dem dritten Viertel des
9. Jahrhunderts (Florenz, Museo Nazionale
del Bargello, Kat. Supino 1898, Nr. 32;
Abb. 25). Mit dem Kruzifix aus Oostwold
verbindet den Gekreuzigten die gleiche
Formensprache, die weiche Rundung des
Leibes, die Betonung der Augäpfel, die
schwere wellig auf die Schulter herab-
reichende Haarsträhne – ganz abgesehen
von so charakteristischen Motiven wie der
symmetrischen Schürzung des Lendentu-
ches oder dem übereck gestellten Suppeda-
neum am unteren Längsbalken. Auch mit
anderen Werken dieser Zeit lässt sich der
Groninger Fund gut in Verbindung brin-
gen, darunter mit einem jener großartigen
Kristallschnitte, die um die Mitte des 9.
Jahrhunderts im unmittelbaren Umfeld des
Herrscherhauses entstanden sind. Bis in
Abkürzungen und Silbentrennung hinein
zeigt das eingeritzte Kreuzigungsbild des
geschliffenen Kristalls in der Pariser Natio-
nalbibliothek (Cabinet des Médailles, Inv.
Nr. 2167ter; Abb. 25) die gleiche Kreuzes-
Abb. 27 ursprünglich ausgesehen haben. Es han- inschrift. Und noch ein Werk der Hofkunst
Kruzifix von Bru,
delt sich um ein vergoldetes Bronzekreuz, weist im Detail eine so enge Übereinstim-
Norwegen.
Universitetets das laut Inventarvermerk des Groninger mung auf, dass an einer entsprechenden
Oldsaksamling Oslo, Museums 1874 in Oostwold gefunden Provenienz des Groninger Kreuzes kaum
Inventar 1968 (9. Jh. ?) wurde (Katalog 19). Der plastisch her- zu zweifeln ist: das verlorene Bamberger
vortretende organisch modellierte Körper Goldkreuz nämlich, bei dem die Worte des
des Gekreuzigten ist mitsamt den Kreuz- Titulus wie in Groningen direkt auf den
balken in einem Stück gegossen. Die kas- Kreuzbalken geschrieben sind. Sonst gibt
tenartig eingetiefte Rückseite war ur- es dafür im 9. Jahrhundert, soweit ich
sprünglich mit einer flachen Platte bedeckt, sehe, keine Parallele.
von deren Nieten sich am Kreuz Reste Zu prüfen wäre, ob auch der kleine sil-
erhalten haben. Der fest verschlossene bervergoldete Kruzifix in Oslo (Universite-
Hohlraum dürfte dazu gedient haben, eine tets Oldsaksamling, Inventar 1968; Abb.
(Kreuz-) Reliquie aufzunehmen. Die Öse 27) in diesen Zusammenhang gehört.
am oberen Kreuzbalken weist darauf hin, Gefunden wurde er auf der Insel Bru in der
dass es sich um ein Brustkreuz handelt. Nähe von Stavanger, auf ein Kreuz mon-
Dass es lange Zeit unter einem Gewand tiert, bei dem es sich um eine typische
getragen wurde, zeigen die starken Abrieb- nordische Arbeit der 1. Hälfte des 12.
spuren an den vorstehenden Partien des Jahrhunderts handelt. Die Art der Mon-
Reliefs. tage lässt eine Zweitverwendung denkbar

69
erscheinen. Im Gegensatz zu den Kreuzen Im Gegensatz zu den wenigen hier Katalog 18
(Abbildungen:
in Aachen und Groningen und wohl auch besprochenen Brustkreuzen des karolingi-
Vorkriegsaufnahmen)
dem verlorenen Bamberger Stück scheint schen Reiches hat es solche „Enkolpien“
der etwa 4,6 cm hohe Kruzifix aus Bru bei den Byzantinern in großer Zahl gege-
allerdings nicht als Relief gearbeitet wor- ben. Vor dem Hintergrund der heftigen
den zu sein, sondern als separat zu montie- Auseinandersetzungen um die Zulässigkeit
render Einzelguss. der Bilderverehrung kommt es in Byzanz
gegen Ende des 8. Jahrhunderts zu einem
Aufblühen dieser Gattung, deren Bildpro-
18 „Brustkreuz Karls des Großen“ gramm demonstrative Akzente setzt,
1871 in die Kopie eines spätgotischen Kreuzreliquiars
eingelassen, das der Aachener Goldschmied Vasters indem es die Menschennatur Christi und
auf Veranlassung der Königinwitwe Elisabeth von damit seine Gottebenbildlichkeit betont.
Preußen angefertigt hat. 1941 durch Feuer schwer Es kann kein Zufall sein, dass sich wenig
beschädigt, in jüngerer Zeit restauriert.
Silber, getrieben, vergoldet; H. (Kreuzkapsel) 8,5 cm später bei den Karolingern eine eigenstän-
dige Variante dieser Art von „Privatreli-
Kruzifix: wohl Aachen, Anfang 9. Jh. quiar“ herausbildet, die hier aber offenbar
Kreuzkapsel: um 1165
auf den höfischen Bereich beschränkt
Fassung der Kreuzreliquie: um 1349
Aachen, Domschatzkammer, Inventar G 34 bleibt. Einer der auslösenden Faktoren
Grimme 1965, 51–53 Abb. 3–7; könnte ein kostbares Enkolpion gewesen
zur Öffnung des Karlsgrabes unter Otto III.: sein, das Karl der Große aus Jerusalem
Beumann 1965
geschenkt bekam. Vermutlich hat es meh-
rere derartige Geschenke gegeben, die in

70
Katalog 19 politischer Absicht erfolgten. Gut bezeugt Großen wie auf dem verlorenen Goldkreuz
ist die Übersendung eines Enkolpions an in Bamberg und dem in Oostwold gefunde-
Papst Leo III. im Jahre 811, mit der Patri- nen bronzenen Exemplar den Erlösungstod
arch Nicephoros von Byzanz den Papst sei- Christi am Kreuz zum beherrschenden
ner brüderlichen Verbundenheit versichert. Thema macht.
Es wird den Karolingern nicht verborgen
geblieben sein, dass auch der Kaiser des
Ostreiches Enkolpien, als Zeichen seines
Wohlwollens, verschenken ließ. So mag
seinerseits ein karolingischer Herrscher das
in Oostwold gefundene Kreuz einem vor-
nehmen Herren im Norden seines Reiches
überbracht haben lassen. Aber man wird
der Aussageintention dieser Gegenstände
nicht gerecht, wenn man sie auf ihre politi-
sche Bedeutung beschränkt. Zu allererst
verbindet sich mit ihnen ein demonstrati-
ves Bekenntnis des eigenen Glaubens. Von
daher erklärt sich wohl auch die gegenüber
Byzanz unterschiedliche Akzentuierung
der bildnerischen Gestaltung, die auf dem
silbervergoldeten Brustkreuz Karls des

71
19 Brustkreuz aus Oostwold (mit Datierung ins 14. Jahrhundert);
Bronze, gegossen nach Wachsmodell in verlorener (technische Angaben: Hans Drescher, Hamburg;
Form, nachziseliert, vergoldet Transkription: Clemens M. M. Bayer, Bonn /Lüttich)
Inschrift ohne Hilfslinien gepunzt. Oberfläche stark
berieben, Deckplatte der Rückseite verloren, Fehl- Literatur:
stelle am Suppedaneum. Zu den Kristallschnitten des 9. Jhs.: Kornbluth 1995
Inschrift: IHCa) NA/ZAREN(us)/REX IV/DEORV(m) zu den byzantinischen Enkolpien: Kartsonis 1994;
(a)
griechisches Nomen sacrum, steht für Pitarakis 1998
lateinisch IESVS) zur Ikonographie der karolingischen Kruzifixe:
Lothringen, um 870 Haussherr 1963; Chazelle 2001;
H. 13,5 cm (inkl. Öse), B. 8,5 cm zum Bamberger Gertrudenkreuz: Swarzenski 1955;
Bodenfund aus Oostwold, alter Besitz des Groninger Baumgärtel-Fleischmann 1999, 103 f., Kat.-Nr. 37
Museums (Zeichnung des verloren gegangenen Gertrudenkreu-
Groninger Museum, Inventar 0000–0524 zes);
Catalogus 1884, 69 (danach gefunden in Oostwold zum Kreuz aus Bru: Blindheim 1956–57
und als Teil eines Buchbeschlages gedeutet);
Katalog Groningen 2001, 95, Nr. X.19 Michael Brandt

72
Gold –
Epiphanie des Göttlichen und weltliche Macht

,, ... bald die göttliche Klarheit,


bald das Strahlen der
Himmelsstadt, bald auch den
Glanz der irdischen Herrlichkeit ,,
Migne, PL 79, 913
W eitaus intensiver noch und
originärer als Silber ist das
Gold mit der Sphäre des
Lichts verbunden. Seine Leuchtkraft in
Verbindung mit seiner Unvergänglichkeit
(Vita Karoli, Kap. 23). Gleichartig goldbe-
stimmt war der Festornat Ludwigs des
Deutschen, den Notker als Augenzeuge
beschrieb (Gesta, Kap. 34). Beispielhaft für
die Verwendung von Gold für königlich-
machten das Gold früh zu einem Symbol kaiserliche Ausstattung sind etwa der so
des Göttlichen. Auch wenn es gelegentlich genannte „Talisman Karls des Großen“
mit dem Ruch des Bösen versehen wurde, (Abb. 55), der angeblich von Otto dem
etwa beim Goldenen Kalb im Buch Mose Großen bei der Öffnung des Grabes Karls
oder bei der Schilderung der goldverbräm- des Großen im Jahre 1000 entnommen
ten Hure Babylon in der Apokalypse des wurde, oder der kleeblattförmige Beschlag
Johannes, haftete dem Gold und seiner (Riemenverteiler) aus dem 850/875 vergra-
Verwendung immer etwas Heiliges und benen Wikingerschatz von Hon unweit
Ehrfurchtvolles an. Stets blieb es dem von Oslo (Abb. 20). Diese überaus präch-
Besonderen vorbehalten, etwa durch die tigen Goldschmiedearbeiten mit gegosse-
Verwendung von Goldschrift und Goldbe- nen oder getriebenen Akanthuspalmetten
malung in Evangeliaren, wie dem Codex und feinster Filigran- und Granulations-
Aureus Karls des Kahlen aus St. Emmeran verzierung können höfischen Werkstätten
(Abb. 9) oder der Touroner Boetius-Hand- zugeschrieben werden, da sie eine gleiche
schrift in der Bamberger Staatsbibliothek Qualität aufweisen wie etwa der Jüngere
(Abb. 28), dann aber auch der als heilig Lindauer Buchdeckel aus der Hofschule
empfundenen Herrschaft, dem Sakralkö- Karls des Kahlen. Dieser Beschlag wird zu
nigtum des frühen Mittelalters. Seit dem einer „königlichen“ goldenen Schwertauf-
Kaisertum Karls des Großen verstanden hängung gehört haben, wie sie in den
sich die Karolinger nach Ausweis ihrer Miniaturen des 9. Jahrhunderts für Karl
Münzbilder als Schirmherren der christli- den Kahlen und andere Kaiser wiedergege-
chen Religion und gewissermaßen als welt- ben werden.
liche Vertreter des Reiches Gottes. Das Wie wir aus den Testamenten des obers-
Gold, seit alters mit Macht und Herrschaft ten karolingischen Adels wissen, etwa von
verbunden und sie symbolisierend, wurde Eberhard von Friaul, der als Schwieger-
zusätzlich zu einem Zeichen göttlicher sohn Ludwigs des Frommen zur kaiser-
Abb. 28 Herrschaft. lichen Familie gehörte (vgl. Kapitel 2),

Gold- und Silbermalerei Wie Einhard berichtet, trug Karl der war Gold für Schmuck und Tafel nicht
auf fol. 107v einer
Handschrift von
Große, der eigentlich die schlichte Volks- apodiktisch auf den obersten Herrscher
Boethius, De tracht bevorzugte, bei repräsentativen beschränkt, vermutlich aber doch auf
institutione arithmetica. Anlässen einen goldreichen Ornat: „Bei die Hocharistokratie. In der Ausstellung
Staatsbibliothek
festlichen Gelegenheiten schritt er in einem werden einige der seltenen profanen Gold-
Bamberg, Msc. Class. 5,
fol. 107v (Tours, um mit Gold durchwirkten Kleide und mit funde des 9. Jahrhunderts gezeigt, die
845). Dargestellt ist die Edelsteinen besetzten Schuhen, den Mantel eine direkte oder nahe liegende Verbin-
bildliche Erklärung der durch eine goldene Spange zusammenge- dung zum Königtum und Hochadel auf-
Quadratzahlen zu 3
(VIIII), 5 (XXV) und 7 halten, auf dem Haupte ein aus Gold und weisen. Ihre Singularität unterstreicht
(XLVIIII) Edelsteinen verfertigtes Diadem, einher“ den Charakter des Silbers als Mengen-

75
Metall für den umfassenden Aufbau des Goldmünzen seine Gleichrangigkeit mit Katalog 20
Reiches. dem byzantinischen Kaiser (und dem Kali-
Zunächst handelt es sich um Goldmün- fen von Bagdad?) ausdrücken. Die raren
zen Karls des Großen oder Ludwigs des Sonderprägungen waren jedoch kaum
Frommen aus der Kaiserpfalz Ingelheim Umlaufgeld, sondern wurden wohl als
(Katalog 20) und im Berliner Münzkabi- kostbare Präsente und Auszeichnungen an
nett (Katalog 21), die zu den äußerst selte- verdienstvolle Gefolgsleute oder Verbünde-
nen Goldgeprägen karolingischer Könige te verliehen, vergleichbar den Goldmedail-
und Kaiser gehören. Ludwig der Fromme lonen und anderen Largitionen der römi-
ließ anlässlich seiner Kaiserkrönung 814 schen Kaiserzeit. In der Forschung wird
einige wenige Goldmünzen prägen mit sei- diskutiert, ob die Goldmünze mit auf Karl
nem Portrait im Stil antiker Kaiser auf der dem Großen bezogener Umschrift aus der
Vorderseite und einem Kreuz im Lorbeer- Kaiserpfalz von Ingelheim vielleicht zu den
kranz mit Umschrift MVNVS DIVINVM Goldprägungen Ludwigs gehört.
(„Göttliches Geschenk“) auf der Rücksei- Ungleich häufiger sind Nachahmungen
te. Es bleibt jedoch offen, ob sich diese der Munus-Divinum-Münzen Ludwigs, die
Bezeichnung auf das „Geschenk der Kai- später in Dorestad geprägt wurden; der
serschaft“ für Ludwig bezieht oder ob Schatzfund von Marsum enthielt alleine 9
damit die Goldgepräge selbst gemeint sind. Exemplare, von denen sechs ausgestellt
Zudem überrascht die geringe Qualität sind (Katalog 35). Möglich ist, dass es im
mancher dieser Goldgepräge. Seit jeher umsatzhohen friesischen Fernhandel mit
war die Goldprägung dem römischen Kai- dem Nord- und Ostseeraum Bedarf an
ser vorbehalten; schon die Goldmünzen Großnominalen gab. Vielleicht waren sie
des fränkischen Königs Theudebert I. von auch als hochrangige Präsente für verbün-
Austrasien (534–547) mit eigenem Namen dete Normannen vorgesehen, um diese
mussten als Affront gegenüber dem Basi- stärker ans Kaiserhaus zu binden, da eini-
leus in Byzanz gelten, was sich im 7. Jahr- ge der Münzen mit goldenen Filigrandräh-
hundert gelegentlich bei Merowingern, ten gefasst und mit Nadelhalterungen oder
Westgoten und Langobarden wiederholte. prachtvollen Ösen versehen wurden (Kata-
Auch Ludwig der Fromme wollte mit log 22). Gleichsam wie Orden wurden sie

76
Katalog 21 ostentativ auf der Brust getragen, man zugleich die Lesung der korrumpierten Legende auf
der Vorderseite des Solidus aus Ingelheim.
gab sich damit als Anhänger des Kaisers Goldmünzen der Kaiserzeit Karls des Großen waren
zu erkennen. Gleichwohl fragt man sich, vor 1996 nicht bekannt. Die Existenz einer Goldprä-
wer etwa in der internationalen Handels- gung durfte zudem als wenig wahrscheinlich gelten,
da eine Münzreform des Jahres 794 eine monometal-
stadt Haithabu, aus der ebenfalls solche
lische (Silber-)Währung begründen sollte. Der neu
Schmuckstücke vorliegen, solche Kaiser- eingeführte Novus denarius, eine schwere Silbermün-
portraits trug: Frauen oder Männer, Ein- ze, wurde zur einzigen Verkehrsmünze, während die
heimische oder Franken/Friesen, Reprä- übrigen Werte Rechnungseinheiten darstellten.
Die hier vorliegende Abweichung vom kodifizierten
sentanten des Kaisers oder verdiente Ver- Münzsystem ist im Einzelnen bislang nicht geklärt.
bündete, Priester oder Händler mit Die bisweilen geäußerte Vermutung, bei der Gold-
kaiserlichem Schutzbrief? münze handele es sich um eine posthume Prägung
Ludwigs des Frommen für Karl den Großen, ist auf
stilistische Argumente gestützt. Offenkundig ist, dass
20 Goldmünze Karls des Großen aus der Kaiserpfalz sowohl die korrumpierte Legende als auch die Dar-
Ingelheim stellungsart der Kaiserbüste in der Münzemission
Die Goldmünze zeigt auf der Vorderseite ein stark sti- Karls des Großen bislang ohne direkte Parallelen
lisiertes Brustbild nach rechts mit Lorbeerkranz und sind. Allerdings reihen diese Merkmale das Geldstück
Feldherrenmantel (Paludamentum). Die Umschrift nicht zwangsläufig unter die Münzen Ludwigs ein.
gibt die Kaisertitulatur Karls des Großen in leicht Der Vergleich mit entstellten Porträts, die auf Münzen
gekürzter Fassung wieder: + D(ominus) N(oster) südfranzösischer und norditalischer Herkunft vor-
KARLUS IMP(erator) AUG(ustus) REX F(rancorum) kommen, offenbart eine ganz allgemeine Vergleich-
ET L(angobardorum). Auf der Rückseite erscheint ein barkeit des Phänomens, ohne dass von demselben
stilisiertes Stadttor mit der Umschrift + A R E L A T O Darstellungstypus gesprochen werden könnte. Diese
für den Prägeort Arles (Dép. Bouches-du-Rhône). Feststellung gilt ebenso für Vergleiche mit friesischen
Obwohl die 4,18 g schwere Münze den Gewichts- Nachahmungen der Munus-divinum-Münzen, deren
standard unterschreitet, ist die Bezeichnung Solidus in Festlegung auf die Zeit Ludwigs des Frommen im
Anlehnung an ihre antiken Vorbilder gebräuchlich übrigen nicht konsistent ist.
geworden. Aus numismatischer Sicht lässt die Interpretation des
Das Geldstück ist in die kleine Gruppe der Kaiser- Solidus mit dem Kaiserbild Karls des Großen offen-
münzen einzureihen, deren Anteil an der heute bar mehrere Deutungen zu. Erst archäologische Neu-
bekannten Münzemission Karls des Großen insge- funde vermögen die durch die Ingelheimer Goldmün-
samt nur etwa 3,7 Prozent beträgt. Der Vergleich der ze aufgeworfenen Fragen einschließlich der Absiche-
Avers-Legende und insbesondere der Rückseitenstem- rung ihrer Datierung zu beantworten.
pel offenbart enge Parallelen zu zwei ebenfalls in Solange wird man die Prägung als einen Reflex auf das
Arles geprägten silbernen Denaren, die heute in Berlin im Jahr 800 für das fränkische Reich neu er-
und Lyon aufbewahrt werden. Diese Stücke sichern langte Kaisertum bezeichnen können. Die Prägung von

77
Goldmünzen war ein aus der Antike überliefertes kai- 22 Goldene Münzfibel Katalog 22
serliches Vorrecht und zugleich ein Herrschaftszeichen. Seit römischer Zeit werden Münzen mit dem Bild des
Die neuen Goldsolidi stellten Karl den Großen als Er- Kaisers gelegentlich mit Nadelhalterung oder mit
neuerer des weströmischen Reiches (Imperium occi- kunstvoller Fassung und/oder Öse versehen, um sie
dentale) dar und sie selbst waren das geeignetste Mit- dann als Mantelfibeln (Broschen) oder Anhänger auf
tel, diese politische Botschaft zu verbreiten. Schulter oder Brust zu tragen und so das Bildnis des
Die Goldmünze wurde 200 m westlich der Aula regia, Kaisers ostentativ vorzuzeigen. Diese Sitte erfährt mit
der Königshalle der Pfalzanlage von Ingelheim, bei dem Kaisertum Karls des Großen und Ludwigs des
Ausgrabungen im Bereich einer Vorsiedlung gefun- Frommen eine Renaissance. Besondere Aufmerksam-
den. Das laufende archäologische Forschungsprojekt keit haben dabei die friesischen (Dorestad?) Nachah-
zielt darauf, die Baugeschichte der Pfalz von deren mungen von Ludwigs goldenen Munus-Divinum-Prä-
Gründung kurz vor 800 bis ins 14. Jahrhundert zu gungen gefunden. Daneben gibt es eine Vielzahl von
untersuchen und zu rekonstruieren. einfachen, gegossenen runden Fibeln, die eine Münze
Gold, Dm. 19,5 mm; 4,18 g nur imitieren.
Arles, geprägt um 800–814 Die in der Ausstellung gezeigte Goldmünze ist von
Ingelheim (Kr. Mainz-Bingen), „Im St. Kiliangarten“ einem dreifachen goldenen Perlrand gefasst, an den
Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, auf der Rückseite eine Nadelhalterung aus Goldblech
Abt. Archäologische Denkmalpflege, Fundnummer: angelötet wurde, die heute weitgehend abgebrochen
IH-O2–G176 ist; die Nadel fehlt.
Martin 1997; Katalog Paderborn 1999, Bd. 3, 88 ff. Gold, geprägt (gegossen?); Perldrahtfassung mit
(B. Kluge); Grewe 2001. Broschierung; Dm. 2,73 cm, Gew. 6,29 g
Holger Grewe Zeit Ludwigs des Frommen
Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, aus
Sammlung Rühle von Lilienstern
21 Goldmünze mit Bildnis Ludwigs des Frommen
Katalog Paderborn 1999, Nr. II.34 (B. Kluge)
So genannter Munus-Divinum-Solidus, auf der Vor-
derseite mit Bildnis Ludwigs des Frommen und
Umschrift DN LVDOVVICVS IMP AVG (= [Unser]
Herr Ludwig, erhabener Kaiser); auf der Rückseite Ein weiteres goldenes Schmuckstück
Kreuz im stilisierten Lorbeerkranz und Umschrift kann mit dem Kaiserhaus in Verbindung
MVNVS DIVINVM (= göttliches Geschenk). Diese
gebracht werden: das heute im Darm-
Münzen wurden von Ludwig dem Frommen wahr-
scheinlich nach seiner Kaiserkrönung 814 in Aachen städter Landesmuseum aufbewahrte so
geprägt und als kostbare Ehrengeschenke verliehen. genannte „Seeheimer Schmuckstück“ (Ka-
Gold, geprägt, Gew. 4,37 g talog 23). Dieser massiv-goldene 3 cm
Aachen?, nach 814
Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, aus lange Ösenbeschlag ist in fein-plastischer
Sammlung Gariel-Ferrari 1911 Durchbruchstechnik gegossen und mit

78
Goldfiligran belegt; der Bügel aus kräfti- Es wird in der Forschung seit langen ver-
gem gerilltem Goldblech ist auf die Unter- mutet, dass das apokryphe „Seeheimer
seite aufgelötet. Es handelt sich um eine Schmuckstück“ Teil der im Jahre 1800 in
Riemenschlaufe von einer Sporengarnitur, der Grabkapelle Ludwigs des Deutschen
wie sie vielfach, allerdings weniger kostbar, (840–876) in Kloster Lorsch im klassisch
aus karolingerzeitlichen Grabausstattun- dekorierten antiken Sandsteinsarkophag an-
gen bekannt ist. Der Reliefdekor der Zier- getroffenen, später verlorenen Bestattung
platte zeigt eine durch zwei aufgelötete des Kaisers war, der unter anderem auch
goldene Perldrähte zu drei Palmetten goldene Sporen getragen haben soll.
gebündelte Akanthusranke. In ihr stehen Nach Material und Motivik steht dem
spiegelsymmetrisch zwei Löwen mit zu- Darmstädter Kleinod eine Riemenzunge
rückgewandtem Kopf, weit herausge- aus Chateauroux in Frankreich nahe
streckter Zunge und um die Flanke herum- (Katalog 24), die jedoch nicht massiv
geschlagenem Schweif mit vegetabiler gegossen, sondern in Goldblech getrieben
Quaste. Stilistisch entspricht die Akanthus- und reich mit Filigran und Granulation
darstellung denen der Handschriften der verziert ist. Die Schauseite zeigt vier halb-
Metzer Schule nach 850. Der Löwe mit plastisch getriebene Löwen mit zurückge-
umgeschlagenem Schweif und vorgestreck- wandtem Kopf, die in einer zentral postier-
ter Zunge inmitten paradiesischer Vegeta- ten Akanthusranke mit von ihr ausgehen-
tion verkörpert den souveränen, dem den Filigranranken eingebunden sind.
christlichen Heil verpflichteten Herrscher. Schwänze, Zungen und markante Körper-

Katalog 23

79
gliederungen der Löwen werden von glat- getriebene Blechpalmetten, Zellenschmelz- Katalog 24
ten oder gezwirnten Filigrandrähten gebil- Einsätze, Wannenfassungen mit mugeligen
det. Auf der Rückseite sind zwei parallele Steineinlagen sowie aus Goldblech gear-
und symmetrische Wellenranken aus fei- beitete Kegel, Wellenbänder und Hoch-
nen, medial gekerbten glatten Filigran- kantstege mit einer ganzen Anzahl hoch-
drähten aufgelötet, die kleine granulierte rangiger Goldarbeiten aus dem mittleren
Traubenfrüchte tragen. Der in das mittlere Drittel des 9. Jahrhunderts, die zum Teil
Drittel des 9. Jahrhunderts zu datierende genauer münzdatiert sind wie die Schei-
Beschlag war durch seine filigrane und fra- benfibel aus dem Schatzfund von Féchain
gile Konstruktion nicht für den täglichen, (tpq. 887). Unter den Parallelen ist die
gar militärischen Einsatz geeignet, sondern „Eiserne Krone“ aus dem Domschatz
Teil eines repräsentativen, herrscherlichen von Monza besonders hervorzuheben,
Ornats. ursprünglich sicher eine der in Schriftquel-
Dem hochadligen Umfeld ist zudem eine len aufgeführten und in Miniaturen abge-
runde, rosettenförmige Goldblech-Schei- bildeten Hängekronen für den Altar. Die
benfibel aus Oldenburg-Wechloy in Nie- qualitätvollen Emails legen nahe, dass die
dersachsen zuzuordnen, die mit Stein-, Zel- Oldenburger Fibel aus einer oberitalischen
lenschmelz- und ursprünglich wahrschein- (Mailand?) oder nordalpinen (Salzburg?)
lich Perleinlagen sowie Filigranverzierung Werkstatt stammt. Obwohl diese Brosche
versehen ist (Katalog 25). Mit dem „Talis- mit einer zutiefst theologischen Bildsym-
man Karls des Großen“ (Abb. 55), der bolik verziert ist (das Kreuz inmitten der
Goldfibel von Dorestad, den Waffenverzie- drei Gattungstiere der Schöpfung [Genesis
rungen aus Grab 23/48 von Staré Město 1.20–25] als Ausdruck der Neuschöpfung
bei Brünn (Abb. 29), der Riemenzunge von der Welt durch das Kreuz), gehörte sie
Chateauroux und einigen anderen Goldzi- nicht dem sakralen Bereich an, also etwa
melien des 9. Jahrhunderts verbinden sie für einen Geistlichen, sondern war für eine

80
Abb. 29 hochgestellte Dame oder einen Adligen Es fällt auf, dass unter den erhaltenen
Goldblecharbeiten und
vorgesehen, so wie der goldene Waffen- karolingischen Goldschmiedearbeiten die
Emaileinlagen an
Waffengurt und schmuck für den großmährischen Fürsten sakralen Werke deutlich häufiger sind als
Messerscheide aus Grab von Staré Město als königliches Geschenk die weltlichen Stücke. Auch im Vergleich
23/48 von Staré Město aus karolingischer Hand anzusehen ist. mit den sakralen Silberarbeiten sind jene
bei Brünn (Moravské
zemské muzeum Brno) Bezeichnender Weise trägt im Lothar- aus Gold verhältnismäßig zahlreich. Die
(fränkisch, ca. 830-870) Evangeliar Kaiser Lothar I., als Herrscher Verwendung von Gold scheint jedoch,
auf der Löwen/Panther-Sella mit Krone, wenn man nach dem erhaltenen Denkmä-
Szepter, Schwert und Sporen residierend, lerbestand urteilen will, erst seit dem zwei-
eine solche runde Rosettenfibel mit Zier- ten Viertel des 9. Jahrhunderts Auftrieb ge-
bändern (849–851; Abb. 7); doch viele wonnen zu haben – über die Gründe, da-
zeitgenössische Abbildungen zeigen ver- runter ein besserer Zugang zu Gold, lässt
gleichbare Rosettenfibeln auf den Schul- sich bislang nicht viel Sicheres aussagen.
tern hochrangiger Männer und auf der
Brust edler Frauen (Abb. 11–12). Da neben 23 Goldener Riemendurchzug, vermutlich
der Oldenburger Fibel weiterer Gold- von König Ludwig dem Deutschen (840–876)
Email-Schmuck des 9. Jahrhunderts aus Diese als „Seeheimer Schmuckstück“ bezeichnete
massiv-goldene Riemenöse einer königlichen Sporen-
dem nordsee-küstennahen Raum kommt garnitur gehört vermutlich zu der goldenen Sporen-
(Fibel von Dorestad; Beschläge von Ams- garnitur Ludwigs des Deutschen, die bei der Öffnung
terdam), liegt der Schluss nahe, dass diese seines Sarkophags im Jahre 1800 in Kloster Lorsch
angetroffen wurde, später aber verloren ging.
Stücke in Zusammenhang mit den nor- Gold, gegossen; Goldfiligran; Bügel angelötet;
mannischen Plünderungszügen in den L. 3,03 cm
Boden gelangten, so wie der Beschlag von Lothringen, Mitte 9. Jh.
Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Inventar
Hon (Abb. 20) oder die Goldblech-Fili-
Kg 54:259
granfibel von Vester Vedsted (Jütland) in Werner 1969; Katalog Paderborn 1999, Kat.Nr. X.35
Wikingerdepots gehortet wurden. (E. Wamers)

81
24 Goldenes Riemenende von Chateauroux Cabochon ist vermutlich das Produkt einer Werkstatt Katalog 25
Goldblech-Riemenende mit prunkvoller Filigran- und aus dem Alpenraum (Salzburg?). Die kleinen 22
Granulationsverzierung auf Vorder- und Rückseite. Goldblechkegel trugen ursprünglich ein Perle als
Abgesehen von der technisch andersartigen Ausfüh- Bekrönung.
rung entspricht das Löwenmotiv im Akanthusblatt- Gold, Filigran, Zellenschmelz, Granat (?);
werk völlig dem des „Seeheimer“ Schmuckstücks Dm. 5,4 cm
(Katalog 21). Nach Material, hochartistischer Verar- Mitte 9. Jh.
beitung und Ikonographie wird man es als Riemenbe- Stiftung Oldenburgischer Kulturbesitz, Oldenburg,
schlag für ein „königliches“ Wehrgehänge oder Gür- ohne Inventar
tel bezeichnen können. Die knapp 59 g Gold entspra- Heinemeyer, Zoller 1985; Wamers 1994b,
chen etwa 440 Silberdenaren, was wiederum einem 88 f. Abb. 56
Wert von sieben Schwertern oder zwei Sklaven ent-
sprach.
Gold, Filigran, Granulation; L. 7,6 cm; B. 4,5 cm; Literatur: Quellen: Rau 1968–1992
Gew. 58,6 g Lexikon der christlichen Ikonographie, s.v. „Gold“,
Lothringen, Mitte 9. Jh. „Silber“, „Licht“; Lexikon des Mittelalters, s.v.
Musée National du Moyen Age Paris – „Gold“, „Silber“ (V.H. Elbern); Grierson 1951; Berg-
thermes et hôtel de Cluny, Inventar Cl. 3410 haus 1965b; Elbern 1965; Hatz 1970; Berghaus
Fraenkel-Schoorl 1978, 358 f. Abb. 9a-b; 1994; Elbern 1988; Elbern 1999b; Schulze-Dörrlamm
Katalog Paderborn 1999, Kat.Nr. X.36 (E. Wamers) 1999; Kluge 1999

25 Goldfibel von Oldenburg-Wechloy


Diese rosettenförmige Scheibenfibel mit den seltenen
Cloisonnée-Emaileinlagen und großem zentralem Egon Wamers

82
Silber für den Gottesdienst

,, Heilige Gefäße aus Gold und


Silber sowie priesterliche
Gewänder ließ er in solcher
Menge anschaffen, dass
nicht einmal die Türsteher, die
doch den untersten kirchlichen
Grad bilden, beim Gottesdienst
in ihrer gewöhnlichen Kleidung
zu erscheinen brauchten ,,
Einhard, Vita Karoli, Kap. 26
W ohl keine Religion kennt
einen solch vielfältigen und
reichen Aufwand beim
Gottes-Dienst und im Kult wie das katho-
lische und das orthodoxe Christentum.
Gefäße gefordert, wenn auch nicht immer
eingehalten und von manchen spätantiken
und mittelalterlichen Theologen als zweit-
rangig beurteilt. So bemerkte Bonifatius,
dass Kelche aus Holz in der Hand „gol-
Das Mysterium des Glaubens, nämlich die dener Priester“ segensreicher seien als
Erlösung der Menschheit durch den Opfer- Kelche aus Gold in der Hand hölzerner
tod des Gottes-Sohnes, sowie die regelmä- Priester.
ßige rituelle Wiederholung dieses Erlö- Weil Gold nicht und Silber kaum oxy-
sungswerkes in Eucharistie und Liturgie dieren, also „unvergänglich“ sind, galten
erfuhren durch die Begegnung mit der anti- sie in der Alten Welt als edle Metalle.
ken Philosophie sowie durch die Beibehal- Wegen ihres himmlischen Glanzes wurden
tung alt-jüdischer und die Adaption anti- sie von den Astrologen und später von den
ker Ritual- und Bildformeln, wie etwa von Alchimisten zur Sonne und zum Mond in
Elementen des Hofzeremoniells und Kai- Beziehung gesetzt.
serkultes, eine außergewöhnliche geistige Damit verbunden ist eine ihnen zuge-
Vertiefung und Komplexität. Im Verlaufe sprochene Lichtsymbolik, da Licht Er-
der Spätantike und des frühen Mittelalters scheinungsform des Göttlichen schlechthin
erwuchsen daraus nicht nur eine Dogma- sowie Anschauungs-Allegorie der Wahr-
tik, ein kanonisches Gesetzeswerk sowie heit ist. Christus selbst ist dabei die Ver-
eine spekulative Theologie von beeindru- körperung des göttlichen Lichts (lux
ckender Vielschichtigkeit, sondern auch mundi).
eine unübertroffene Fülle und Vielfalt in Die hohe allegorische Bedeutung von
der Liturgie, bei den Kultbauten und insbe- Gold und Silber kommt auch beim Elek-
sondere bei den liturgischen Geräten und tron zur Geltung, einer schon bei den ältes-
Ornaten, die zum Vollzug des heiligen ten griechischen Münzen verwendeten
Messopfers und der Sakramente notwen- Legierung aus Gold und Silber. In der ers-
dig waren (Abb. 30). ten Hälfte des 9. Jahrhunderts sinnierte
Herausgehoben und im Zentrum des Hrabanus Maurus: „Electrum est Chris-
christlichen liturgischen Gerätes stehen tus“, denn: „Jesus Christus, der Gott ist
dabei die Gefäße, die unmittelbar mit der und Mensch, so wie Electrum gemischt ist
Eucharistie, also dem Herrenleib und -blut, aus Gold und Silber“. In das Umfeld der
in Berührung kommen: Kelch, Patene und Lichtsymbolik gehört im alten Denken die
Pyxis. Sie werden während der Liturgie bei Allegorie edler Steine, denen je nach
der mystischen Wandlung, bei der Konse- Leuchtkraft, Transparenz und Farbe ver-
kration und für Aufbewahrung der Eucha- schiedene göttliche oder ideale Eigenschaf-
ristie, also des Gottes selbst, verwendet. ten innewohnen; der Bergkristall etwa
Dem schließen sich unmittelbar die Behält- (Abb. 26) galt als Verkörperung von
Abb. 30 nisse und Schaugefäße für die Herren-Reli- Unvergänglichkeit, Reinheit und Wahrheit

Liturgische
quien an. und als metaphorische Materialisation der
Gerätschaften am Altar.
Stuttgarter Bilderpsalter, Seit alters wird deshalb auch eine kulti- Reinheit des Glaubens, von Taufe und
fol. 31v, 130v (820/830) sche „Reinheit“ für das Material dieser Erlösung.

85
Liturgisches Gerät

E s liegt somit nahe, dass auch in


der Karolingerzeit sakrale und
liturgische Geräte, insbesondere
aber eucharistische Gefäße, soweit verfüg-
bar in den edlen Metallen Gold und Silber
beschädigte Kelch wurde bald darauf ver-
fremdend restauriert und erst 1986 in einer
Kopie zum vermutlich ursprünglichen Aus-
sehen rekonstruiert (Katalog 26). Seine
Morphologie und sein reliefierter floraler
gefertigt und mit edlen Steinen versehen Dekor auf Fuß, Ständer und Kuppa lassen
wurden. Verwendete man Kupferlegierun- ihn als ein Werk der Aachener Hofwerk-
gen oder gar organische Materialen, über- statt Karls des Großen erscheinen. Mit
zog man sie mit Vergoldung oder Versilbe- dem muschelartigen Blattwerk und dem
rung wie beim Tassilokelch oder setzte Rankenschmuck imaginiert er ebenso wie
Edelmetalleinsätze ein wie beim elfenbei- der Elfenbeinkelch von Deventer orna-
nernen Lebuinus-Kelch aus Deventer, der ment-bildlich die Vorstellung vom Kelch
aus der Aachener Hofschule stammt. In als fons vitae.
der alltäglichen Praxis der ländlichen Seel- Einen erst seit wenigen Jahren als eucha-
sorge und Mission war man aber oft genug ristisch erkannten Gefäßtyp der Karolin-
gezwungen, auf Holz, Leder oder andere gerzeit bilden die Silberbecher von Pett-
Stoffe zurückzugreifen. stadt, Ribe und Fejø, zu denen sich weitere
Von den ganz seltenen eucharistischen Exemplare aus Halton Moor und „aus
Gefäßen der Karolingerzeit kann in der Spanien“ im Britischen Museum gesellen.
Ausstellung der vergoldete Silberkelch aus Es handelt sich um kleine bauchige, 8–10
dem böhmischen Fürstengrab von Kolín cm hohe Becher aus getriebenem Silber mit
gezeigt werden (Katalog 26, 40), welches Vergoldung und Nielloverzierung, die
in der Mitte des 9. Jahrhunderts angelegt ursprünglich mit einem Deckel versehen,
wurde. Im Grab lag – wahrscheinlich also verschließbare Büchsen waren, wie
zusammen mit einer Frau – ein böhmischer das Exemplar mit erhaltenem Deckel im
Adliger bestattet, der mit einer reichen sil- Britischen Museum zeigt. Damit ähneln sie
bervergoldeten karolingischen Kriegeraus- den zahlreichen meist elfenbeinernen, sel-
stattung aus Schwertgarnitur, Sporen samt ten silbernen Pyxiden des 5.-7. Jahrhun-
Befestigung, kostbaren fränkischen Trink- derts aus dem Mittelmeerraum, die mit
gläsern sowie weiteren Beigaben ausgestat- reichem biblischem Bildschmuck auf der
tet war (Katalog 40). Der Kelch dürfte Außenwandung versehen waren und wohl
ursprünglich als königliche Stiftung für überwiegend der Aufbewahrung der
eine Kirche im Slawenland vorgesehen Eucharistie, also des geweihten Brotes
gewesen sein; ins Grab des Fürsten gelang- dienten, vielleicht auch von Weihrauch
te er wohl als – missbrauchtes – exklusives oder anderem. Alle drei in dieser Ausstel-
Trinkgefäß, möglicher Weise aber auch als lung gezeigten Pyxiden sind durch ihre
Kultgefäß der neuen Religion, dessen Verzierung in die Jahre von ca. 780 bis 810
magischer Kraft sich der Mann (und die zu datieren, selbst wenn sie unterschiedli-
Frau?) versichern oder mit dem sie viel- chen stilistischen Traditionen angehören.
leicht sogar ihre Zugehörigkeit zur neuen Das silbervergoldete und niellierte Gefäß
Kultgemeinschaft bekennen wollten. Der aus dem dänischen Wikingerschatz von
bei der Entdeckung des Grabes 1864 stark Fejø auf der Insel Lolland (Katalog 43) Katalog 26

86
87
zeigt auf der Wandung eine doppelgeschos- Gefäß selbst als Paradies charakterisiert, Abb. 31
Pyxis von Fejø
sige Arkaden-Architektur mit dichtem das das geweihte Brot, also Christus den
(Katalog 43) mit
vegetabilem Tiergeflecht und in diesen Erlöser, enthält. Eine solche, nur ansatz- Rekonstruktion der
Arkaden Darstellungen von baumartigen weise verschlüsselte, allegorische und heils- „Architektur“ auf
Pflanzen, Vierpassmustern und eines Vier- geschichtliche Bildsymbolik ist charakte- der Außenwandung.
Nationalmuseum
füßlers (Abb. 31). Dabei handelt es sich um ristisch für die christliche Kunst des frühen Kopenhagen.
die architektursymbolische Wiedergabe Mittelalters, die sich auf zahlreichen litur-
des Neuen Jerusalems aus der Apokalypse gischen Denkmälern wiederfindet, wie
des Johannes (21.9–22.5). Diese „Him- zum Beispiel auf dem Elfenbeinkelch von
melsstadt“ sei aus „reinem Gold“ erbaut Deventer, die aber auch in realer Architek-
und von einer Stadtmauer „aus strahlen- tur nachgestaltet wurde wie bei der Micha-
dem Jaspis“ umgeben, deren zwölf Tore elskapelle in Fulda aus dem frühen 9. Jahr-
stets offen stünden und die auf zwölf hundert.
Grundsteinen ruhe, welche die Namen der Von gleichartiger Aussage wie die Fejø-
Apostel trügen. Im Innern stehe der Thron Pyxis, wenn auch schlichter bebildert, ist
Gottes und des Lamms, es fließe „der jene von Pettstadt bei Bamberg, die zur
Strom des lebendigen Wassers“, und es Ausstattung einer der Slawenkirchen Karls
wachse der allzeit Früchte tragende „Baum des Großen aus den Jahren vor 800 ge-
des ewigen Lebens“, von dem die Völker hörte (Katalog 27; vgl. S. 33). Auf ihr ist
der Welt genährt und geheilt würden. Der diesmal nur ein viersäuliger Rundbau dar-
Betrachter des kleinen, sorgfältig verzier- gestellt, eine so genannte Tholos (Rund-
ten Gefäßes kann, geradezu illusionistisch, tempel), deren Bauteile (Säulen und Kup-
in das Bauwerk durch die „nicht verschlos- pel) wie beim „Neuen Jerusalem“ auf der
senen Tore“ hineinschauen und im Innern Fejø-Pyxis mit einer Tier-Pflanzen-Orna-
das Lamm, den Baum ewigen Lebens und mentik bedeckt ist, die als antike „belebte
den Vierstromquell erblicken – und es wird Weinranke“ selbst eine Paradiesessym-
damit auch der Blick in das Gefäß selbst bolik aufweist. Zahlreiche Darstellungen
imaginiert. Mit dieser bildnerischen Simu- solcher Rundtempelchen des Frühmittelal-
lation des Neuen Jerusalems als Metapher ters (zum Beispiel auf den Pilgerampullen
des Paradieses wird das gold-gleißende von Monza oder auf karolingischen Silber-

88
Katalog 27 denaren) stellen verkürzte Piktogramme Die dritte hier ausgestellte Pyxis, unweit
von antik-christlichen Lebensbrunnen oder der dänischen Handelsstadt Ribe gefunden
des heiligen Grabes in Jerusalem dar, (Katalog 28), ist stilistisch eng mit dem
der wohl bedeutsamsten (Wallfahrts-) Godescalc-Evangelistar verbunden, das
Stätte der Christenheit, über das Karl 781 von Karl dem Großen selbst in Rom in
der Große um 800 eine formelle „Schutz- Auftrag gegeben und vom Mönch Gode-
herrschaft“ übernommen hatte (vgl. S. scalc 783 vollendet wurde. Auch ihre Wan-
153 ff.). Und als symbolisch-allegorisches dung ist durch vier Arkaden gegliedert, die
„Grab Christi“ wurde von den Kirchen- allerdings von symmetrisch gezeichneten
vätern und Theologen des Frühmittelalters Akanthusranken mit Blütenständen gebil-
in der Tat der Kelch betrachtet, in dem der det werden, die sich zum Beispiel im Evan-
Herrenleib aufbewahrt wurde, und damit gelistar auf Lebensbrunnen-Darstellungen
natürlich auch die Pyxis für die Brot- wiederfinden; der Hintergrund ist mit
spezies: einem Fiedermuster bedeckt. Dieses Orna-
ment kann als charakteristische Paradie-
„Sodann werden die heiligen Gefäße, sesvegetation in himmlischen Gefielden
das heißt Kelch und Patene, auf den gelesen werden, unterstrichen durch eine
Altar gestellt. Sie vertreten sozusagen den Mundsaum umziehende Efeuranke,
den Typus des Herrengrabes. Denn wie wobei die Arkadengliederung wiederum
damals der Leib Christi, mit auf eine entsprechende sakrale „Architek-
Wohlgerüchen gesalbt, in einem neuen tur“ Bezug nimmt.
Grabe von den Frommen beigesetzt Karolingische Rauchfässer sind außeror-
wurde, so wird sein mystischer Leib dentlich selten erhalten, vermutlich weil sie
jetzt in der Kirche, mit der Salbe nicht zum heiligen Kernbestand der eucha-
heiliger Gebete versehen, in heiligen ristischen Gefäße gehörten. Neben einem
Gefäßen beigesetzt, um den Gläubigen mit dichtem Akanthusblattwerk verzierten
durch den Dienst der Priester mitgeteilt doppelschaligen Rauchfass „aus Mönchen-
zu werden.“ Gladbach“, das aus dem Umkreis der Aa-
Hrabanus Maurus, De institutione clericorum, chener Bronzewerkstatt Karls des Großen
Lib. I, cap. 33 (Übersetzung nach Elbern 1963) stammen dürfte, ist insbesondere ein klei-

89
nes einschaliges silbernes Rauchfass zu
nennen, das aus der Quelle der Cetina bei
Stara Vrlika in Dalmatien stammt, worin es
vielleicht als Quellopfer von heidnischen
Karantanen versenkt worden war (Katalog
29). Es gehört zu den einzigen beiden sicher
in die Karolingerzeit datierten Räucherge-
fäßen. Das nur 6,2 cm hohe Gefäß aus
getriebenem Silber mit Feuervergoldung
und Nielloeinlagen besitzt noch die origi-
nale Halterung aus drei silbernen Fuchs-
schwanzketten und gegossenem silberver-
goldetem Kettenverteiler. Stilistisch gehört
es in die Spätphase des Tassilokelchstils,
selbst wenn keine hierfür so typischen Tier-
ornamente angebracht sind. Morphologie,
Kerbschnitttechnik, Winkelbänder, das die
Wandung umziehende Arkadenmuster mit
niellierten Palmetten in den Zwickeln und
auch der Kettenverteiler weisen es als karo-
lingisches Produkt einer vermutlich alpen-
ländischen (Salzburg?) Werkstatt mit by-
zantinischen Traditionen aus. Auch bei die-
sem Gefäß wird mit dem Arkadenmuster
eine heilsgeschichtliche Architektur (Tho-
los, Lebensbrunnen, Grab Christi) imagi- Lutovsky 1994; Elbern 1997, 164 ff. Abb. 8; Katalog 28
niert. Vermutlich kam das Thuribulum im Elbern 1998, 128 ff. Abb. 9;
Katalog Paderborn 1999, Kat.Nr. XI.10 (E. Wamers)
Zuge der fränkischen, von Salzburg betrie-
benen Mission der heidnischen Karantanen 27 Pyxis aus der Regnitz bei Pettstadt, Ldkr. Bamberg
nach Dalmatien, wo seine Fundstelle Der bauchige Becher, dessen Deckel (schon seit dem
Mittelalter?) verloren ist, ist außen teil- und innen
(Quelle der Cetina) im Umkreis einer früh- komplett vergoldet. Das verschließbare Behältnis
mittelalterlichen Kirche und eines großen (Pyxis) diente ursprünglich zur Aufbewahrung des
spätmittelalterlichen Gräberfeldes liegt. geweihten Brotes nach Austeilung der Kommunion.
Er gehörte vermutlich zu der Erstausstattung mit
Als heidnischer Brauch war die Inzen-
liturgischem Gerät einer der „Slawenkirchen“, die
sation (Räucherung) des Altars in der frü- Karl der Große kurz vor 800 in der Würzburger
hen Kirche zwar verpönt, doch setzte sie Diözese zur Unterstützung der Slawenmission errich-
sich seit dem späten 6. Jahrhundert im By- ten ließ.
Silber, vergoldet, Nielloeinlagen; H. 10,2 cm
zantinischen Reich durch, offensichtlich Ostfränkisch, letztes Viertel des 8. Jhs.
unter Berufung auf das Rauchopfer des Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Inventar
Zacharias. FG 1966
Katalog Würzburg 1992, 154 ff. (L. Wamser,
E. Wamers)

26 Kelch von Kolín (Rekonstruktion) 28 Pyxis von Ribe, Jütland


Rekonstruktion von 1986 des ursprünglichen Ausse- Dieses frühkarolingische Hostienbehältnis wurde wie
hens des Kelches aus dem böhmischen Fürstengrab das vom seeländischen Fejø als Schatzfund zusammen
von Kolín. Anders als die ältere barockisierende mit sechs weiteren kleinen Silberbechern nördlich des
Rekonstruktion mit Originalteilen (Katalog 40) fußt wikingerzeitlichen Handelsortes Ribe gefunden. Seine
diese Nachbildung auf einer Zeichnung des 19. Jhs. Verzierung datiert ihn wie die beiden Pyxiden von
Während die Kuppaform ältere merowingische und Fejø und Pettstadt in das Ende des 8. Jhs., allerdings
oströmische Traditionen aufweist, zeigt der Blatt- trägt sie schon den neuen Dekor, der auf klassisches
dekor von Fuß, Nodus und Kuppaunterseite enge antikes Erbe zurückgreift.
Beziehungen zu Werken der Aachener Hofschule. Silber, vergoldet, Nielloeinlagen; H. 8 cm
Silber, vergoldet; H. 15,5 cm Alpenraum?, Aachen (?); ca. 780–800
Aachen (?), Anfang 9. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar 15/08.
Národní muzeum v Praze, Prag, Inventar 55086 Wamers 1991b, 128 ff. Abb. 23–24.

90
Katalog 29 29 Rauchfass
Einschaliges Rauchfass mit Aufhängung aus getriebe-
nem Silber mit partieller Feuervergoldung. In die
Schale und den Fuß sind Kupfereinsätze genietet zum
Schutz des Edelmetalls vor der Glut.
H. (Gefäß inkl. Fuß) 6,2 cm; Dm. 6,2 cm
Ostfränkisch (Salzburg?), ca. 790–810
Muzej Hrvatskih Arheoloskih Spomenika, Split,
Inventar 1760
Katalog Paderborn 1999, Kat.Nr. VII.21
(E. Wamers); zu

Egon Wamers

91
Sakrale Gewänder

V on alters her ist mit dem Gottes-


dienst eine eigene, aus dem All-
täglichen herausgehobene Klei-
dung verbunden. Im alttestamentlichen
Buch Leviticus wird eindrucksvoll geschil-
pontificalia als Beutegut unter sich aufteil-
ten.
Ein Gewandstück, das auf der Miniatur
mit den beiden Erzbischöfen nicht zu sehen
ist, wird von Hrabanus als cingulum bezie-
dert, wie Moses, dem Gebot Gottes fol- hungsweise balteus besonders gewürdigt.
gend, den zum Opferdienst im Bundeszelt Damit ist jener Gürtel gemeint, der dazu
berufenen Aaron und seine Söhne mit dient, das leinene Untergewand – die
einem Ritualgewand bekleidet. Albe – zu schürzen. Diese wird in der
Der gelehrte Fuldaer Mönch Hrabanus Metzer Miniatur weitgehend von der Dal-
Maurus nimmt darauf Bezug in seinem matik verdeckt, die die beiden geistlichen
819 verfassten Werk über das Amt des Kle- Würdenträger als Zeichen ihres doppelten
rikers, in dem er die liturgischen Gewänder Weihegrades noch zusätzlich unter dem
der Geistlichen deutend beschreibt (De Messgewand (Kasel) tragen.
Institutione Clericorum, Lib. I, 14–23). Wie die Albe gegürtet wurde, lässt sich
Oft waren diese Paramente aus kostbaren aus einem anderen Zusammenhang er-
Stoffen gearbeitet und mit goldenen Borten schließen: Ausdrücklich setzt Hrabanus
besetzt, wie es das Widmungsbild der so Maurus die priesterlichen Gewänder in
genannten Vivian-Bibel zeigt, die Karl der Parallele zu den Kultkleidern des Alten
Kahle der Kathedrale von Metz gestiftet Bundes. Er übernimmt dafür Begriffe aus
hat (Abb. 8). Schon im 8. Jahrhundert dem Buch Leviticus (Lv 8,13). So steht die
hatte Papst Zacharias gefordert, dass Bezeichnung tunica albea gleichlautend für
Bischöfe und Kardinalpriester durch auf- die priesterliche Albe und für das Gewand
wändigere gottesdienstliche Kleidung die der Leviten. Der Gürtel, mit dem es gerafft
Würde ihres geistlichen Amtes zum Aus- wird, heißt auch im Alten Testament
druck bringen sollten. Ein anschauliches balteus.
Beispiel bietet auch das Herrscherbild in In diesen Kontext fügt sich eine Dar-
einem wohl ebenfalls von Karl dem Kahlen stellung aus der römischen Bibel Karls
für Metz bestimmten Sakramentar (Abb. des Kahlen, die Aaron und seine Söhne
32). Es zeigt den jugendlichen Kaiser im zeigt (Abb. 33). Mangels anderer Vorlagen
Krönungsornat in Begleitung zweier Erzbi- greift der Buchmaler hier auf die ihm ver-
schöfe. Gut zu erkennen sind die goldenen traute liturgische Kleidung zurück und
Applikationen am Ornat der beiden Geist- nimmt sich für die Gewänder der Leviten
lichen. Von gleicher Kostbarkeit scheinen gegürtete Alben zum Vorbild. Da Aaron
auch die sakralen Gewänder gewesen zu und seine Söhne darüber nur einen offe-
sein, mit denen man im 9. Jahrhundert Abt nen Mantel tragen, ist auch der Gürtel
Ratger von Fulda bestattet hat. Leider wis- zu sehen, der dem entspricht, den der
sen wir davon nur noch durch eine in den jugendliche Herrscher des Metzer Krö-
ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts nungsbildes trägt. Charakteristisch ist das
verfasste Chronik, die davon berichtet, wie einzeln herabhängende Ende, das in einer
aufständische Bauern das Grab gewaltsam Riemenzunge ausläuft. Bei dem Cingulum
öffneten und die gut erhaltenen vestimenta der Leviten handelt es sich damit um

92
Abb. 32
„Festkrönung“ Karls
des Kahlen?
Sakramentarfragment.
Paris, Bibl. Nat.
lat.1141, fol. 2v
(Hofschule Karls
des Kahlen, um 869)

den mit einer Schließe geschlossenen galli- S(an)C(tv)S


schen Typus, während man in Rom – wie S(an)C(tv)S
später allgemein üblich – die Albe mit S(an)C(tv)S
einem geknoteten Band zu schürzen pfleg- D(omi)N(u)S
te, das in zwei Enden auslief. Zumindest S(a)B(aoth).
einige der bisher einzelnen aufgefundenen Das 16 cm lange, bronzevergoldete und
Riemenzungen der Karolingerzeit könnten silberplattierte Beschlagstück trägt auf der
also von einem kirchlichen Ornat stam- Rückseite die Inschrift:
men. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist TETGIS FABER ME FECIT
dies bei dem versilberten Riemenende Der Name Tetgis ist als westfränkischer
aus Gornji Vrbljani in Bosnien (Abb. 34) männlicher Personenname des 8. oder 9.
der Fall, das sich durch vier Kreuze aus- Jahrhunderts identifiziert. Die kunstvolle
zeichnet und als Inschrift die Anfangswor- Form der Inschrift mit ihren kenntnisreich
te des Sanctus-Hymnus der Messfeier eingesetzten Kontraktionen setzt bereits
trägt: einen hohen Stand der Schriftentwicklung

93
Abb. 33
voraus (Düwel). Eine genauere Datierung Aaron und seine Söhne.
ins letzte Drittel des 8. Jahrhunderts ergibt Bibel von St. Paul vor
sich aus der Ornamentik im so genannten den Mauern in Rom,
fol. CCCXXXIV v.,
Tassilokelch-Stil, benannt nach den cha- c.32v (Ausschnitt)
rakteristischen Tier- und Pflanzendar- (um 870). Die jüdischen
stellungen angelsächsischer Prägung am tragen wie die
christlichen Priester des
gleichnamigen Kelch im Benediktinerstift
9. Jhs. Albe und
Kremsmünster. Auch die Herstellungstech- Cingulum.
nik mit sparsamster Verwendung von Edel-
metall ist hier die gleiche (Vinski 1977/78,
190–194 Taf. I-II; Vinski 1983, 465 ff.;
Düwel 1994, 261–263; Bierbrauer 2001,
99 ff.).

Abb. 34
Riemenende aus Gornji
Vrbljani, Bosnien.
Kolorierte Zeichnung
von Vorder- und
Rückseite nach Vinski
1977-78 (ostfränkisch,
letztes Drittel 8. Jh.)

94
Katalog 30

Auch das schwere, aus vergoldetem Sil- im Namen Gottes stehend bezeichnet und damit für
den kirchlichen Gebrauch bestimmt sein dürfte.
ber gearbeitete Riemenende aus Notmark
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen;
(Katalog 30), dessen Inschrift es als gottge- L. 12,8 cm
weiht ausweist, war offenbar für einen Westfränkisch (Lothringen), Mitte 9. Jh.
priesterlichen balteus bestimmt. Gefunden in Notmark (Alsen), Sønderjyllands amt,
Dänemark
Nationalmuseum Kopenhagen, Inventar C 14201
30 Riemenende eines Cingulums (?) Arbman 1937, 151 f., 158 ff. Taf. 50.2;
In der Wikingerzeit sekundär zur Fibel umgearbeitet Fraenkel-Schoorl 1978, 352 ff. Abb. 5a-b;
(Bohrlöcher, Lötspuren). Die Ausbrüche im Randbe- Katalog Hildesheim 1993, Nr. IV-49 (E. Wamers);
reich werden als Hacksilber-Entnahme gedeutet. Düwel 1994, 263 f.
Inschrift der Rückseite:
EGO IN D[.] NOMINE + Literatur: Hrabanus Maurus.
ERMADV[.] ME FECIT Braun 1907; Reallexikon der Germanischen Alter-
Nach einer älteren Auskunft von Bernhard Bischoff tumskunde, s.v. „Priesterkleidung“ (M. Müller); zum
könnte der Name Ermadus womöglich auf romani- Grabornat des Abtes Ratger: Oexle 1978.
schem Gebiet entstanden sein. Die Inschrift bezieht
sich offenbar auf den Gegenstand selbst, der sich als Michael Brandt

95
Reliquiare

S chon in der frühen Kirche verband


sich der Brauch, Heilige an ihren
Gräbern zu verehren mit der Vor-
stellung, die Seele im Himmel erfülle den
im Grab verbliebenen Leib mit besonderer
sein, möglicherweise veranlasst durch
interne Streitigkeiten um die Neubaupla-
nung des abgebrannten Domes. Jedenfalls
ist dem Verfasser auffällig daran gelegen,
die Heiligkeit des überkommenen Ortes zu
Segenskraft. Aus dem Wunsch, sich dieser betonen, um so den Aufbau an alter Stelle
heiligenden Virtus zu versichern, entwi- zu rechtfertigen.
ckelt sich seit der Spätantike ein ausgrei- Eine wichtige Rolle spielt in diesem
fender Reliquienkult, der sich bald nicht Zusammenhang das in der Ausstellung
nur auf die Heiligen selbst beschränkte, gezeigte Marienreliquiar (Katalog 31).
sondern auch Gegenstände aller Art betraf, Nach alter Überlieferung handelt es sich
die mit ihnen in Berührung gekommen um jenes Reliquiengefäß, das Kaiser Lud-
waren. Die Christus- und Marienreliquien, wig der Fromme mit sich führte, als er sich
mit denen Karl der Große den Reliquien- im sächsischen Elze aufhielt, um die von
schatz seiner Aachener Pfalzkapelle ausge- seinem Vater Karl dort gegründete Kirche
zeichnet hat und die noch heute im Mittel- zum Bischofssitz zu erheben. Bei einem
punkt der Aachener Heiltumsfahrt stehen, Ausritt zur Jagd habe er unterwegs an der
gehören in diesen Zusammenhang. Schon Stelle des heutigen Hildesheim gerastet und
Karls fränkische Ahnen hatten im 7. Jahr- eine Messe feiern lassen. Dafür seien auf
hundert mit der cappa – dem mit dem Bett- sein Geheiß Reliquien aus der königlichen
ler geteilten Mantel des heiligen Martin – Kapelle herbeigebracht worden. Nach Elze
eine bedeutende Berührungsreliquie in zurückgekehrt, sollte auch dort eine Messe
ihren Besitz gebracht, die sie der Obhut gelesen werden. Als der capellarius die
eigens dafür an den Hof berufenen Geistli- Reliquien auf den Altar stellen wollte, sei
cher, den capellani, anvertrauten. Aus die- ihm bewusst geworden, dass er sie am
sem schriftkundigen Kollegium, das den Rastplatz vergessen hatte. Dort fand er sie
Herrscher von Pfalz zu Pfalz zu begleiten immer noch so, wie tags zuvor, am Ast
hatte, erwuchs das zentrale Verwaltungsor- eines Baumes aufgehängt, doch nun konn-
gan des Reiches, die Hofkapelle. te er sie nicht mehr herabnehmen. Ludwig,
dem er erzählte, was geschehen war, sah
darin ein Zeichen göttlichen Willens und
Das Hildesheimer Gründungsreliquiar änderte seine Pläne. Dort, wo die Reliquien
nun einmal hingen, ließ er eine Kapelle zu
Dass das Mitführen von Reliquien aus dem Ehren der Gottesmutter errichten, über der
herrscherlichen Schatz auch später noch sich später der Chor des Hildesheimer
üblich war, wenn der Kaiser durch das Domes erheben sollte. Und an diesem Ort
Reich zog, illustriert sehr anschaulich eine setzte der Kaiser den neuen Bischof ein.
Episode im Gründungsbericht der Kirche Bemerkenswert ist der Hinweis, dass der
von Hildesheim. Unter Verwendung älterer Reliquienbehälter zum Aufhängen be-
Quellen muss diese „Fundatio Ecclesie stimmt war. Eine ganze Reihe von Reli-
Hildensemensis“ im letzten Viertel des 11. quiaren der Karolingerzeit haben entspre-
Jahrhunderts niedergeschrieben worden chende Halterungen. Die Hildesheimer

96
Katalog 31

97
Quelle macht deutlich, dass dies keines- man damit reiten soll“. Es ist heute ebenso Abb. 35
Silberkästchen
wegs so gedeutet werden kann, als gehe es verloren wie die Aufhängeösen, von denen
(sog. capsella vaticana)
um den persönlichen Schutz des Trägers im nur noch schwache Spuren am Kamm der aus dem Schatz der
Sinne eines Privatreliquiars. Dazu sind die durch jahrhundertelangen verehrenden päpstlichen Hauskapelle
meisten der betreffenden Reliquienbehälter Gebrauch ganz abgescheuerten Silberkap- Sancta Sanctorum
Vatikan, Bibliotheca
auch viel zu groß und viel zu kostbar – wie sel zeugen. Apostolica, Museo
das Hildesheimer Reliquiar. Und in diesem Unglücklicherweise gingen bei einer Sacro, Inventar 61039
Fall ist eben ausdrücklich davon die Rede, Beraubung 1680 die ursprünglichen Reli- (6. Jh.)
dass es sich um Reliquien handelt, die aus quien verloren, mitsamt der Bodenplatte,
der Kapelle des Herrschers stammen. die man sich wohl als Schiebedeckel zu
Wenn in seiner Anwesenheit die Messe
gefeiert wird, hat der capellarius das Reli-
quiar auf den Altar zu stellen, wie es die
Fundatio vom Aufenthalt in Elze berichtet.
Auch auf der Rast am Ort des Wunders
dienen die Reliquien dazu, den Altar zu
heiligen. Für solche Gelegenheiten mag das
Gefäß zum Aufhängen gedacht gewesen
sein, wie man es auch in Miniaturen der
Karolingerzeit mehrfach dargestellt findet
(Abb. 28). Vor allem wird der entsprechen-
de Gurt aber dazu gedient haben, es – vor
der Brust getragen – würdig und sicher zu
transportieren. Noch ein 1438 erstelltes
Schatzverzeichnis des Hildesheimer Domes
weiß von einem „silbernen Band“, das
man am Marienreliquiar befestigte, „wenn

98
Abb. 37
Karolingisches
Bogengrab
(Arcosolgrab) im
Baptisterium von
Albenga (Ende 8. Jh.)

denken hat. Doch ist der Inhalt wenigstens aus einem bestimmten Anlass entnommen
durch eine Notiz im mittelalterlichen und sie durch die ranghöheren Salvator-
Gedenkbuch des Domkapitels bezeugt. und Marienreliquien ersetzt? Eine befriedi-
Mit den dort unter anderem erwähnten gende Erklärung für die Diskrepanz zwi-
Partikeln vom Kleid und von den Haaren schen Inhalt und äußerer Gestalt ist bisher
der Gottesmutter, sowie vom Schweißtuch nicht gefunden.
Christi, deutet sich eine Herkunft aus dem Offenbar ist das Reliquiar ursprünglich
Aachener Reliquienschatz an, den auch die gar nicht für Hildesheim bestimmt gewe-
Fundatio mit ihrem Hinweis auf die regia sen; der Wunderbericht der Fundatio deu-
capella nahe legt. Dabei fällt auf, dass es tet darauf hin. Vor allem bestehen auffälli-
sich ausnahmslos um Salvator- und Gottes- ge Gemeinsamkeiten mit zwei anderen,
mutterreliquien handelt. Die Programm- ebenfalls in der Ausstellung gezeigten Sil-
atik dieser Reliquiensammlung liegt ganz berschmiedearbeiten, die auf den Aachener
auf der Linie der forcierten Salvatorvereh- Hof Karls des Großen verweisen. Das kost-
rung, die mit dem Aufstieg der Karolinger bare Endstück eines Langszepters aus dem
verbunden ist und die auch den Aachener reichen „Fürstengrab“ von Kouřim (Kata-
Reliquienschatz prägt. Eine ganz andere log 12, 39) und die in Ribe gefundene
Sprache spricht die Inschrift auf dem Pyxis (Katalog 28) haben eine ganz ähnli-
Kamm des Hildesheimer Reliquiars. Ihr che, ebenfalls muldenförmig eingetiefte,
Wortlaut ist liturgischen Texten zum Fest kontrastierend vergoldete und von feinen
eines Märtyrers entnommen. Zur allge- Konturlinien umzogene Rankenmuste-
mein gehaltenen Aussage, dass „die Leiber rung. Vorbildlich für diese vegetabile
Abb. 36 der Heiligen ... im Frieden begraben“ sind, Ornamentik sind offensichtlich Hand-

Prudentius kniet betend passt das Lebensbaum-Motiv auf den bei- schriften in der Art des Godescalc-Evange-
am Altar, Lyon, den Schauseiten der silbernen Kapsel. listars gewesen, einer Arbeit, die der kunst-
Bibliothèque municipale
Saint-Pierre, Ms 22, Waren also ursprünglich Märtyrer-Reli- fertige Godescalc zwischen 781 und 783
fol. 5v° (Ende 11. Jh.) quien vorgesehen, oder hat man diese gar für Karl den Großen verfertigt hat. Sie bil-

99
det den Auftakt zu einer Gruppe von reich tike Handwerkstradition passt gut in die
geschmückten liturgischen Büchern, die Vorstellungswelt Karls des Großen, der ja
man unter dem Begriff „Hofschule Karls auch die Peterskirche in Rom wie ein
des Großen“ zusammenfasst, weil ihr zweiter Konstantin mit einem reichen
Skriptorium nicht nur nahe Beziehungen Silberornat ausgestattet hat. Während aber
zum Hof des Herrschers hatte, sondern der Gefäßkörper der spätantiken Ver-
auch auf seine persönliche Initiative hin gleichsbeispiele stets einen separat gearbei-
tätig wurde. Dass Karl an seinem Hof teten Deckelaufsatz hat, ist das Hildeshei-
nicht nur die Buchmalerei, sondern auch mer Gründungsreliquiar als geschlossene
andere Künste nach Kräften gefördert hat, „Scheibe“ gearbeitet und dekoriert. Denkt
zeigt Einhards Bericht über die Erbauung man sie sich auf einen Altar gestellt, so
der Aachener Pfalzkapelle. „Mit Gold und gleicht der Anblick jenem bogenförmigen,
Silber, mit Leuchtern und mit Gittern und mit Edelsteinen dekorierten Gebilde, das
Türen aus Bronze“ habe der Kaiser sie aus- man in der Miniatur einer Prudentius-
schmücken lassen und ihr neben einer gro- Handschrift vom Ende des 11. Jahrhun-
ßen Anzahl liturgischer Gewänder „viele derts als Altaraufsatz abgebildet sieht
heilige Gefäße aus Gold und Silber“ (Abb. 36). Offenbar handelt es sich eben-
geschenkt. Es sieht ganz so aus, als sei das falls um ein Reliquiengefäß in der Art
Hildesheimer Reliquiar in diesem Umfeld der Hildesheimer Silberkapsel. Könnte
entstanden, zumal sein pflanzlicher Dekor in beiden Fällen ein Bogengrab zitiert
über die genannten Arbeiten hinaus mit sein? Ein besonders schönes Arcosolgrab
gleichartigen Elementen am bronzenen aus karolingischer Zeit befindet sich im
Emporengitter der Pfalzkapelle in Verbin- Baptisterium der norditalienischen Stadt
dung gebracht werden kann. Albenga. Über der kastenartigen Grable-
Von den Kostbarkeiten in seiner eigenen ge mit reichem Kerbschnittdekor ist die
Schatzkammer bestimmte Karl testamenta- Wand mit einer ebenso dekorierten Mar-
risch einen Teil ausdrücklich für die Bischö- morplatte geschmückt (Abb. 37). Ihre
fe des Reiches. Sollte dazu auch das Hildes- Musterung greift die Form des Rundbo-
heimer Gründungsreliquiar gehört haben? gens auf und zeigt als zentrales Motiv den
Oder hatte Karl es vielleicht noch zu Leb- Lebensbaum. Beide Motive, Rundbogen
zeiten an seine Kirchengründung in Elze ge- und Lebensbaum, kennzeichnen das Hil-
geben, die er zu einem Bistum ausbauen desheimer Reliquiar. Nimmt man dazu des-
wollte? Wäre dann der Wunderbericht der sen Inschrift, die es als Reliquiengrab cha-
Fundatio so etwas wie eine nachträgliche rakterisiert, dann ist die Assoziation mit
Rechtfertigung der Übertragung nach Hil- einem Bogengrab naheliegend. Ein Arcoso-
desheim, und fand in diesem Zusammen- lium gab es übrigens auch in der Aachener
hang ein Reliquientausch statt? Noch ist Pfalzkapelle: das Grab Karls des Großen,
darauf keine Antwort gefunden. Erklä- von dem Einhard überliefert, es werde von
rungsbedürftig bleibt auch die singuläre einem goldenen Bogen überfangen.
Form des Reliquiengefäßes, die in Hildes-
heim von einer ganzen Reihe mittelalter-
licher Kopien des ehrwürdigen Grün- 31 Heiligtum Unserer Lieben Frau
dungsreliquiars übernommen wurde. Die Reliquiengefäß: Aachen, Anfang 9. Jahrhundert;
Bodenplatte 1680 erneuert, mit Nachahmung der
Proportionen erinnern an einen charakte- ursprünglichen Inschrift
ristischen Typus längsovaler Pyxiden der Inschrift:
Spätantike, wie ihn etwa die berühmte cap- a) Kamm: COR[..] RA S(an)C(t)OR[.....]
SEPVLTA SV[.]
sella vaticana aus dem Schatz der päpstli- b) Bodenplatte: ET VIVENT NOMINA/EORVM
chen Hauskapelle im Lateran (Abb. 35) IN ETERNVM
vertritt. So wie diese Art von Silbergefäß ist Im Laufe der Jahrhunderte ist das hochverehrte karo-
lingische Gründungsreliquiar der Kirche von Hildes-
auch das Hildesheimer Reliquiar ohne höl-
heim mehrfach umgearbeitet und verziert worden.
zernen Kern aus purem Silber gearbeitet. Die Edelsteinbänder, die das Silbergefäß wie eine
Der bewusste Rückgriff auf solche spätan- Krone umschließen, sind im 1. Viertel des 13. Jahr-

100
hunderts hinzugekommen. Charakteristische Details de müssen es Reliquien gewesen sein, wie
verbinden sie mit einer Gruppe wohl in Venedig ent-
sie seit dem frühen Mittelalter in jedem
standener Juwelierarbeiten der Stauferzeit. Vielleicht
gehören die Schmuckbänder zu einer quellenmäßig Altar vorausgesetzt werden können.
bezeugten Stiftung Kaiser Ottos IV. Der Fuß dürfte Deckel und Seitenteile des Kästchens sind
samt der 1680 zerstörten Bodenplatte ursprünglich in mit getriebenen Reliefs verziert, die enge
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden
sein. Der heutige Zustand geht auf eine durchgrei- Verwandtschaft mit den Treibarbeiten
fende Reparatur des 1680 entwendeten und beschä- eines kleinen goldenen Altarziboriums
digt wieder aufgefundenen Reliquiars zurück. zeigen. Dieses so genannte „Arnulf-Zibori-
Silber, getrieben, teilvergoldet; H. 9,1 cm, B. 5,3 cm,
L. 15,8 cm
um“ (München, Schatzkammer der Resi-
wohl Aachen, Anfang 9. Jahrhundert denz) entstand im Auftrag des gleichnami-
Hildesheim, Dom-Museum, Inventar DS 1 gen Herrschers um 870 im westfrän-
kischen Reich. Das Ellwanger Kästchen
Kratz 1840, 3–12; Fleckenstein 1959, 14–16; Elbern
1969 (mit Datierung der Silberkapsel in das 10. Jahr- stammt offensichtlich aus dem gleichen
hundert); Berges 1974; Berges, Rieckenberg 1983, Umfeld, vielleicht sogar aus derselben
23–40 Nr. 1, mit Nachträgen 167–170 Taf. Werkstatt. Dann ist es aber schwerlich für
1–3; Katalog Hildesheim 1989, 10–20 Nr. 1 (M.
Brandt); Gussone 1995; Wulf, Rieckenberg 2003, Ellwangen bestimmt gewesen, jedenfalls
Bd. 2, 173–178; sind für den fraglichen Zeitraum keine
zur Bedeutung der Salvator- und Marienreliquien: Zuwendungen der Karolinger an das 764
Angenendt 2001 und 2002
gegründete Kloster bezeugt.
Näheren Aufschluss über den Auftragge-
ber vermag allein das ungewöhnliche Bild-
Das Ellwanger Kästchen programm zu geben, das in seiner Zeit
ohne Parallele dasteht. Das gliedernde
Auch das zweite in der Ausstellung gezeig- Rahmengerüst des Deckels bilden zwei
te Reliquiar ist wohl ein kaiserliches nebeneinander gesetzte Diagonalkreuze, in
Geschenk (Katalog 32). Ob das goldene deren mittlerer Raute die von einem Kreis
Kästchen von Anfang an Reliquien aufneh- gefasste Gotteshand erscheint. Ihr wenden
men sollte oder ob es zunächst für welt- sich sechs männliche Köpfe im Strahlen-
liche Zwecke bestimmt war, ist seinem nimbus zu. Ein siebter hat seinen Platz
Bildprogramm nicht ohne Weiteres zu ent- vorn unter dem aufgesetzten Schloss. Links
nehmen. Eine solche Umwidmung wäre und rechts davon sieht man, in größeren
jedenfalls nicht ungewöhnlich. So hat zum Rundfeldern, zwei Adler mit ausgebreite-
Beispiel Karl der Kahle ein antikes Trink- ten Flügeln. Das aufgeschlagene Buch und
gefäß zu einem Kelch umarbeiten lassen, der Heiligenschein deuten an, dass die
den er der Abteikirche St. Denis stiftete. symbolische Darstellung des Evangelisten
Und die zwei kostbaren silbernen Tische Johannes gemeint ist. Die beiden Schmal-
mit den Abbildungen der beiden Städte seiten sind mit einem vegetabilen Dekor
Byzanz und Rom, die Einhard im Besitz versehen, der an einen Lebensbaum erin-
Karls des Großen erwähnt, sollten nach nert. Der Gedanke an ein dezidiert kirchli-
dessen Tod der Peterskirche und der ches Bildprogramm ist deshalb nicht abwe-
Kathedrale von Ravenna übereignet wer- gig, obwohl die Gleichförmigkeit der Bild-
den. nismedaillons verwundert, sofern es sich
Vielleicht wurden in dem Ellwanger um Darstellungen der Heiligen handeln
Kästchen ursprünglich weltliche Preziosen sollte, deren Reliquien das Kästchen barg.
aufbewahrt, bevor es die Stiftskirche zum Noch weniger passt in dieses Bild die
Geschenk erhielt. Gefunden wurde es 1959 Gestaltung der Rückseite. Drei weitere
bei Grabungen in der Krypta der romani- Medaillons sind hier zu sehen, mit zwei
schen Stiftskirche. Hier dürfte es ehemals gekrönten Herrschern links und rechts,
in einem Seitenaltar eingeschlossen gewe- die sich zu einer edlen Frau in ihrer Mitte
sen sein, der in unmittelbarer Nähe des wenden. Sie selbst blickt den von ihr aus
Fundortes lag. Über den Inhalt ist nichts rechten der Gekrönten an, der auch ein rei-
bekannt, doch aufgrund der Fundumstän- cheres Gewand trägt. Die Individualisie-

101
rung legt nahe, an konkrete Personen zu stellungen in der Umgebung Karls des Kah-
denken. So hat man in der Frau die len auch in Worte gefasst, im großen Wid-
ursprüngliche Besitzerin des Kästchens mungsgedicht der Bibel etwa, die Karl der
erkennen wollen und sie mit Richildis iden- Kathedrale von Metz gestiftet hat.
tifiziert, seit 870 zweite Gemahlin Karls Nach Ellwangen könnte die kostbare
des Kahlen. Mit ihrem nach byzantinischer Schatulle aus dem Besitz der Kaiserfamilie
Art gekrönten Gegenüber wäre dann der über Kaiser Arnulf gekommen sein, der
Herrscher selbst gemeint und in ihrem dem Kloster 894 das Recht der freien Abt-
Rücken der 879 verstorbene Thronfolger wahl bestätigte.
Ludwig dargestellt, der die gleiche ge-
schlossene Kronenhaube mit Pendilien 32 Reliquienkästchen aus Ellwangen
trägt. So bekommt das Bildprogramm Getriebenes Kupferblech mit Resten von Vergoldung;
Silber (Schloss), Eisen (Scharniere); Holzkern mit Per-
auch im Ganzen einen anderen Sinn: Als
gamentüberzug weitgehend vergangen und 1963 voll-
Personifikationen der sieben Planeten ständig erneuert.
fügen sich die sieben Köpfe auf Vordersei- 1959 zusammen mit Bruchstücken weiterer Reli-
te und Deckel mit der Hand Gottes im quienbehälter bei Grabungen in der Krypta der Ell-
wanger Stiftskirche gefunden
Zentrum zu einem Bild der Selbstoffenba- H. 12 cm, B. 30 cm, T. 14 cm
rung des Schöpfers in seiner Schöpfung, Westfränkisch, um 870/80
wie es im Prolog des Johannesevangeliums Ellwangen, Katholische Pfarrkirche St. Vitus
Adelmann 1958/59, 35 f.; Elbern 1961, 133 f.;
anklingt, auf dessen visionären Bericht das Volbach 1964; Schramm 1965;
Adlersymbol verweist. Damit sind zentrale Westermann-Angerhausen 1973, 113–119;
Gedanken im Werk des Johannes Scotus Staubach 1993, 97–104
Eriugena berührt, eines der großen Gelehr-
ten in der Umgebung Karls des Kahlen. Literatur: Reallexikon der Germanischen Altertums-
kunde, s.v. „Reliquien“ (A. Angenendt), „Reliquiare“
Und wenn der Kaiser hier mit seiner Fami-
(E. Wamers); Angenendt 2002
lie, wie es der Strahlennimbus andeutet,
gleichsam in die Reihe der Gestirne aufge-
nommen ist, so findet man solche Bildvor- Michael Brandt

102
Katalog 32

103
Lockruf des Silbers
Normannen im Fränkischen Reich

,, Wir fuhren zum Treffen


mit Frieslands Kriegern,
und teilten unter uns die
Kriegsbeute ,,
Runeninschrift auf einem Silberhalsring
von Botnhamn, Nordnorwegen
Kaupang
Kaupang
Birka
Birka

Grobin

Grobin
Åhus
Ribe
Dublin Åhus
Dublin York Ribe
York
Haithabu
Haithabu
Ralswiek
Reric Wollin Truso
Reric Wollin Truso
London
London
Hamwic
Hamwic Dorestad
Hildesheim
Dorestad
EEl

Aachen
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Quentowic Aachen e
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Frankfurt M
Mainz
Paris Metz
Mainz Main
Paris Metzh
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Tours na
Tours Do
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Salzburg
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Salzburg

Mailand
Mailand Venedig
Venedig

E Marseille
Marseille

Du
b

Duero
Eb
ro

Ta Tolosa
Rom
Tajo Tolosa Rom

Cordoba
Cordoba
Ungebetene Gäste

Die Raubzüge fortzuführen, zu töten, Kirchen und


Mauern zu zerstören sowie
Die Wikinger in und aus dem Norden – im Ansiedlungen zu verbrennen. Überall
Westen überwiegend „Normannen“ ge- lagen die Leichen von Klerikern,
nannt und im Osten als „Waräger“ geläu- Adeligen und anderen, von Frauen,
fig – sind in ihren Heimatgebieten sowie in Jugendlichen und Kleinkindern. Denn
den meisten Expansionsgebieten in Russ- es gab keine Straße und keinen Platz,
land, auf den Britischen Inseln und auf den an denen nicht Tote lagen. Für alle war
nordatlantischen Inseln nicht nur durch es Qual und Schmerz mit anzusehen,
zeitgenössische schriftliche Quellen, son- wie das Christenvolk bis zur
dern ebenso oder zuweilen sogar vor allem Ausrottung verheert wurde“.
durch archäologische Funde und Befunde Annales Vedastini 884
sehr gut bezeugt. Lediglich auf dem west-
europäischen Kontinent, das heißt im Ein fast vollständiges Ende fand die
Machtbereich der von ihnen so besonders lange Not erst 891 durch Arnulfs Sieg über
hart drangsalierten Karolinger, sind sie mit die Normannen bei Löwen an der Dyle –
Hilfe von Bodenfunden so gut wie kaum zu ein Erfolg, der noch viele Generationen
greifen. später mit Dank und Bewunderung ver-
Dieser Mangel an direkten archäologi- zeichnet wurde:
schen Belegen ist zunächst umso erstaunli-
cher, als es eine Fülle gleichzeitiger konti- „Er sammelte das Heer und griff die
nentaler schriftlicher Quellen gibt, die ihre Dänen an, die er in vielen schweren
über ein Jahrhundert ständig wiederkeh- Kämpfen fast vernichtete. Dieser Krieg
rende Präsenz grausam-anschaulich belegt. wurde vom Himmel geführt, da trotz
Diese Diskrepanz wird wohl in erster Linie 100 000 erschlagener Heiden dabei
damit zu erklären sein, dass die Nordleute kaum ein Christ getötet wurde. So fand
zwischen der Elbe im Nordosten und der die Bedrängnis durch die Normannen
Iberischen Halbinsel im Südwesten ein ihr Ende“.
ganz anderes Anliegen hatten als in den Helmold von Bosau, Slawenchronik 7
übrigen von ihnen auf- oder heimgesuch-
ten Ländern. Auf dem westeuropäischen Bereits in der ersten Hälfte des 9. Jahr-
Kontinent (abgesehen von anfänglicher hunderts griffen die südwärts gerichteten
kaufmännischer Tätigkeit im Rhein-/Schel- Züge der Wikinger schon sehr weit aus.
deraum) standen Plünderungen im Vorder- Nach zögerlichen Anfängen in den ersten
grund. Damit einher ging zahlloses Töten Jahrzehnten setzten verstärkte Angriffe
(wohl nach heutiger Rechtsprechung eher zunächst seit 834 bis 844 in durch Han-
Totschlag als Mord), der „dürstend nach delsfahrten bereits bekannte Gebiete ein.
Abb. 38 Menschenblut“ (Annales Vedastini 879) Schwerpunkte waren der Rhein-Schelde-

Von Normannen im vorgehenden Heiden: Raum mit Dorestad als bevorzugtem Ziel
9. Jh. angegriffene Orte
sowie in geringerem Umfang die Loire-
im Fränkischen Reich
(nach Capelle, im „Aber die Normannen hörten nicht auf, mündung. An der Seine war in diesem
Druck) das Volk der Christen als Gefangene knappen halben Jahrhundert nur Rouen

107
betroffen. Besonders weit aufwärts wurde „Die Christen richteten ein
gleichsam wie ein Abstecher die Garonne Schlachtgeschrei bis zum Himmel und
befahren, an der im Jahr 844 sogar Tou- auch die Heiden schrieen ihrer Sitte
louse erreicht wurde (Karte in Innen- gemäß sehr laut. Schreckliche
klappe; Karte Abb. 38). Feldzeichen wurden durch das Lager
Ein erschütternder Höhepunkt war getragen. Mit gezogenen Schwertern
gewiss erreicht, als am Ostersonntag 845 gingen sie wie Stein gegen Eisen auf
Paris erobert und geplündert wurde. Bis einander los ..... Es wurde nicht lange,
856 wurden dann weitere große Flüsse aber heftig gekämpft, bis die Christen
bereits sehr weit landeinwärts erkundet durch die helfende Hand Gottes den
und das Binnenland war über die Seine Sieg errangen“.
und vor allem über die Loire mit ihren Annales Fuldenses 891
Nebenflüssen noch stärker betroffen als
zuvor. Angst und Schrecken verbreiteten die
Dann nahm die Zahl der Angriffe noch Wikingerflotten offensichtlich nicht nur
erheblich zu. Bevorzugt wurden nun die auf naheliegende Weise entlang der leicht
großen Fluss-Systeme von Rhein, Seine zugänglichen Küstenzonen, sondern allent-
und Loire – bis über Köln, Paris und Orlé- halben auch weit stromaufwärts, und das
ans hinaus – mit den Einzugsgebieten ihrer obgleich sie dort von den Ufern aus
Zuflüsse. Der Südosten wurde sowohl 864 wesentlich gefährdeter waren. Das zeigt
über den Fluss Allier bis Clermont als auch mit aller Deutlichkeit, wie wehrlos die
860 durch das Mittelmeer über die Rhône Bewohner des Kontinents ihnen ausgesetzt
bis Valence erreicht. Damit war einmalig oder gar ausgeliefert waren.
eine Art Zangenbewegung um den gesam- Dass so viele Ziele so weit landeinwärts
ten Raum gegeben. erreicht werden konnten, ist abgesehen
Danach ist ein kurzfristiger intensiver von der unverfrorenen Dreistigkeit vor
Höhepunkt in den Jahren 881 und 882 zu allem durch zwei Faktoren zu erklären.
verzeichnen, in denen das „große Heer“, Zum einen waren im Mittelalter wesent-
das wie „ein wanderndes und segelndes lich mehr Flüsse befahrbar als heute, da
Reich“ erschien, von Britannien 879 kom- viele Gewässer inzwischen nahezu ausge-
mend, die Führungslosigkeit auf dem trocknet sind. Zum anderen erlaubte der
Kontinent ausnutzte und ganze Regionen überaus geringe Tiefgang der Wikinger-
fast flächendeckend bedrohte. Das gesam- schiffe auch ein Befahren von seichten
te Gebiet nordöstlich von Seine und Marne Flussläufen und fast überall ein Anlanden,
bis zum Rhein hin war in dieser kurzen ohne dass dafür Hafenanlagen oder ähnli-
Phase reines normannisches Einflussge- ches notwendig gewesen wären.
biet, in dem sich die Angreifer offensicht- Den Quellen nach zu urteilen, muss es
lich auch weitgehend ungefährdet von einige besonders bevorzugte Orte gegeben
ihren schützenden Schiffen auf den Flüssen haben, die mehrfach heimgesucht wurden,
entfernen und bewegen konnten, um weit da sie als besonders vielversprechend und
im Land gelegene Ziele aufzusuchen; an ertragreich galten. Das trifft etwa zu für
Dreistigkeit kaum zu übertreffen war dabei große Städte wie Paris, das in dem hier
die Verwendung der königlichen Kapelle betrachteten Zeitraum mindestens sechs
in Aachen als Pferdestall. Die Seine selbst mal betroffen war, für den Nordleuten gut
und alles südlich davon war in diesen bekannte Handelsplätze wie Dorestad, das
beiden intensiven Jahren nicht von Inte- acht mal geplündert wurde, für Bischofsit-
resse. ze wie Tours, der vier mal überfallen
Noch ein weiteres Jahrzehnt werden wurde, und für Klöster wie Prüm, das drei
nennenswerte Angriffe in größerer Zahl mal beraubt wurde. Stolze Erzählungen
überliefert und zwar bis zu Arnulfs Sieg oder eigene Erfahrungen der Täter werden
über die Normannen 891 bei Löwen an zu solchen Wiederholungsfällen geführt
der Dyle: haben.

108
Nach ersten gesammelten Erfahrungen auch weiter entfernte Städte beiderseits
zu Beginn des 9. Jahrhunderts mit der zeit- der Ufer und Klöster und Dörfer
raubenden An- und Abreise wurde die ausgeraubt und verheert hatten,
Effektivität der wikingischen Unterneh- erwählten sie einen sicheren Platz an
mungen durch die Errichtung vorüberge- der Seine als Lager Jeufosse bei
hender Standorte oder regelrechter Lager Bonnières, um hier in Ruhe den Winter
gesteigert, die mit Überwinterungen ein- abzuwarten“.
hergingen.
Eine erste Überwinterung wird für das Die wichtigsten Voraussetzungen für die
Jahr 843 auf der Insel Noirmoutier nahe Erfolge der Normannen waren die Schnel-
der Loiremündung überliefert. Laut den ligkeit und Wendigkeit ihrer klinkergebau-
Annales Bertiniani sollen dafür die Nor- ten Schiffe mit äußerst geringem Tiefgang,
mannen sogar Häuser vom Festland mit die je nach Bedarf sowohl mit Ruderkraft
hinübergeschafft haben: als auch mit Segel angetrieben werden
konnten und somit überall gleichermaßen
„Normannische Piraten ..... zogen in manövrierfähig waren. Die Karolinger hat-
Teile des unteren Aquitanien und ten ihnen nichts Gleichwertiges entgegen-
verwüsteten diese. Dann gingen sie zusetzen.
schließlich auf eine Insel, brachten vom Zudem müssen sie auch über Fahrzeuge
Festland Häuser dorthin und ließen sich unterschiedlicher Größe verfügt haben, so
für den Winter dauerhaft nieder“. dass im Bedarfsfall auch kleinere Boote
eingesetzt werden konnten. Nur so ist das
Das ist zugleich der einzige Hinweis spektakuläre und von Regino von Prüm
darauf, wie solche Lager ausgesehen haben zwei mal (888 und 890) voller Erstaunen
können. In der Regel wird aber wohl an mitgeteilte Transportieren von Schiffen
leichtere Unterkünfte mit weniger perma- über Land zu verstehen – besonders ein-
nentem Charakter zu denken sein. Nach drucksvoll bei der Umgehung von Paris
dem Häuserbau auf Noirmoutier sind fast festgehalten:
kontinuierlich bis zum Jahr 896 (Choisy)
vielerorts wikingische Lager auf dem west- „Weil aber die Einwohner voller Eifer
europäischen Kontinent zwischen Rhein die Weiterfahrt auf dem Fluss
und Loire – sowie zusätzlich eines ganz im verhinderten, ziehen sie um alle
Süden in der Carmargue gelegen – bezeugt. Gefahren zu umgehen ihre Schiffe mehr
Dadurch entsteht für ein halbes Jahrhun- als zwei Meilen über das trockene Land
dert der Eindruck einer regelrechten Beset- und lassen sie dann wieder in die Fluten
zung des Landes. der Seine. Etwas später fuhren sie von
Die Lager ersparten nicht nur viel Zeit der Seine in die Yonne, auf der sie mit
im Frühjahr und im Herbst, sondern sie größter Schnelligkeit bis Sens
waren auch während der Unternehmungen weiterfuhren, um dort ihr Lager
selbst von Bedeutung als Ausgangspunkte aufzuschlagen“.
für Plünderungszüge, als Zufluchtsorte Regino 888
nach den Aktionen und als Stapelplätze für
die eingebrachte Beute. Zugleich wurde mit Zwar waren die Schiffe selbst das nor-
ihnen eine beängstigende Präsenz demons- mannische Angriffsmittel schlechthin, doch
triert, die ihre einschüchternde Wirkung si- war für weiter ausholende schnelle Züge
cher nicht verfehlte. Mehrfach wird davon über Land zusätzlich der Einsatz von Pfer-
berichtet, welche Sicherheit die Lager den den zwingend notwendig. In der Tat wird
Normannen gaben, so zum Beispiel in den oft in Ergänzung zu den Schiffen die Nut-
Annales Bertiniani zum Jahr 856: zung von mitgeführten oder vor Ort requi-
rierten Pferden genannt. In den Annales
„Erneut fuhren dänische Seefahrer Fuldenses wird sogar – gewiss übertrieben
Mitte August die Seine aufwärts. Als sie – von 9.000 gefallenen normannischen Rei-

109
tern bei Saucourt berichtet. Nur durch Rei- tem überwiegende Teil der Tribute abge-
ter war in den breiten Zonen im Hinterland schöpft wurde. Insgesamt wurden laut den
beiderseits der Flüsse der stets angestrebte Quellen im 9. Jahrhundert mindestens
Überraschungseffekt gewährleistet. Und (und unter Berücksichtigung der ungenau-
nur durch diese konnten auch entlegene en Angaben natürlich weit mehr) knapp
Ziele erreicht werden. 50.000 Pfund Silber und Gold den Nor-
Manches innerhalb der normannischen mannen übergeben.
Vorgehensweise war nicht spezifisch Diese gewaltigen Mengen können nicht
wikingisch, sondern eher allgemein mittel- spurlos verschwunden sein, doch sind sie
alterlicher Brauch. Das wirklich Besondere in Form westeuropäischer Münzen nur
war der Einsatz der überaus mobilen Schif- ausnahmsweise in nordeuropäischen
fe – oft in Kombination mit unmittelbar Schatzfunden bewahrt. Da die Münzen als
anschließenden Reiterattacken. Dieser mit Feingehalt und Gewicht garantierte
offensiven Taktik waren die Bewohner des Zahlungsmittel im Norden mit seinem
westeuropäischen Kontinents vor allem noch weitgehend naturalwirtschaftlich
mangels eigener Erfahrung als Seefahrer geprägten Tauschsystem keine Verwen-
nicht gewachsen, so dass sie ein ganzes dung finden konnten, werden sie in der
Jahrhundert von den immer wieder so Regel eingeschmolzen worden sein. Ein
plötzlich auftauchenden Nordleuten in erheblicher Teil der meist aus Silber und
Atem gehalten wurden. seltener aus Gold gefertigten schweren und
prunkvollen skandinavischen Schmuckstü-
cke dieser Zeit wird aus solchermaßen
Die Silberbeute gewonnenem und recyceltem Rohmaterial
bestehen, das heißt, als Tribute erworbene
Um Normannen von Angriffen abzuhalten Edelmetalle wurden in die eigene Formen-
oder zum Abzug zu bewegen, wurden sprache umgesetzt. Eine eindrucksvolle
schon sehr früh auch Tribute ausbezahlt. Ausnahme bildet der Schatz von Hon in
Schon der große Überfall auf Friesland im Südnorwegen, der außer etwas Silber und
Jahr 810 endete erst damit, dass hundert einigen Perlen vor allem etwa 2,5 kg Gold
Pfund Silber gezahlt werden mussten (1 enthält; dazu gehört auch der qualitätvolls-
karolingisches Pfund = 445/491 g). Über- te bekannte kleeblattförmige Riemenver-
wiegend bestanden diese Leistungen aus teiler einer karolingischen Schwertriemen-
gemünztem Silber und nur selten aus Gold; garnitur (Abb. 20). Dieser Schatz ist in die
in einem Fall waren es sogar 500 Rinder Jahre um 860/870 zu datieren und er
(Regino von Prüm 874). Eine der größten stammt somit aus einer der Blütephasen
Zahlungen – 7.000 Pfund Silber – übergab normannischer Angriffe auf den westeuro-
Karl der Kahle vor Paris, obgleich er mit päischen Kontinent.
seinem Heer eine starke Position einnahm.
Dieser Verzicht auf eine durchaus Erfolg
versprechende militärische Auseinander- Ende und Nachwirken
setzung muss von verheerender psycholo-
gischer Wirkung gewesen sein. Nach hundert Jahren intensiver Verhee-
Auch später noch sind mehrfach tausen- rung ebbte die normannische Präsenz auf
de von Pfund Silber belegt. Der größte Tri- dem westeuropäischen Kontinent so spür-
but wurde 884 bei Amiens mit 12.000 bar ab, dass dieses von den Opfern gerade-
Pfund Silber gezahlt. Hinzu kommen Zah- zu als eine Befreiung empfunden worden
lungen von unbekannter Größenordnung sein muss. Zwar kam es noch vor allem in
und auch etliche kleinere Lösegelder. den nördlichen Bereichen immer wieder zu
Bevorzugte Einnahmeregionen waren kleineren Überfällen, doch waren diese in
einerseits der friesische Raum und anderer- der Regel nur von kurzfristiger lokaler
seits in noch erheblich größerem Maße das Bedeutung, zumal der Ertrag immer gerin-
weitere Seinegebiet, aus dem der bei wei- ger wurde.

110
Die Rolle der Wikinger bei den Gescheh- unverhofft auftauchten. Der von ihnen
nissen in Kontinentaleuropa konzentrierte während mehrerer Generationen fast un-
sich auf zwei Momente. Zum einen waren unterbrochen verbreitete Schrecken muss
sie Lieferanten begehrter Waren aus dem derartig gewaltig gewesen sein, dass da-
Norden. Zum anderen – und das vor allem durch das Bild der Wikinger trotz der so
– waren sie durch ihre Angriffe, Plünderun- spärlichen archäologischen Spuren über
gen und maßlosen Tributerhebungen von Jahrhunderte geprägt wurde (mit entspre-
einer so verheerenden Wirkung, dass eine chendem Nachhall bis heute).
enorme Schwächung der jeweiligen Reichs-
Literatur: Quellen: Buchner 1961; Trillmich 1962;
gewalt bewirkt wurde, die zuweilen fast als Rau 1968–1992
Ohnmacht verstanden werden muss. Vogel 1906; Arbman, Stenberger 1935; Shetelig
In Erinnerung blieben die Normannen 1940; Harthausen 1966; „I Normanni“ 1969; Zettel
1977; Albrectsen 1981; Capelle (im Druck)
den Kontinentaleuropäern nur als tötende
und brandschatzende Räuber, die ebenso
schnell verschwinden konnten wie sie Torsten Capelle

Bemanntes
Wikingerschiff.
Darstellung vom
Bildstein Hejnum 40
auf Gotland, 9. Jh.
(nach Lindqvist
1941/42)

111
Die Spur des Silbers – fränkisches Beutegut im Norden

„Aber als Thorolf zwanzig Jahre alt meisten Fällen um Schmuckbeschläge von
war, bereitete er eine Wikingfahrt vor; der Krieger- und Reiterausstattung, selte-
[sein Vater] Kveld-Ulf gab ihm ein ner um Trachtenschmuck und um kirch-
Langschiff. Zu dieser Fahrt liches Gerät (vgl. S. 83 ff., 165 ff.). Nur
entschlossen sich auch die Söhne sehr selten wurde im Norden der fränki-
Berd-lu-Karis, Eyvind und Ölvir – sie sche Silberschmuck in seiner ursprüng-
hatten eine große Mannschaft und ein lichen Funktion verwendet, also als Fibel
zweites Langschiff – , und sie oder als Schwertgurt getragen. Ein Beispiel
wikingerten den Sommer über und hierfür ist das eigentümliche Depot von
gewannen große Schätze und hatten Lerchenborg aus Seeland (Dänemark), bei
große Beuteanteile. Es war einige dem eine nordfränkische Silberfibel, eine
Sommer lang, in denen sie auf Kette mit verschiedenen Perlen und An-
Wikingfahrt waren, aber in den hängern sowie vier fränkische, nordische
Wintern waren sie zu Hause bei ihren und arabische Münzen, umschlossen von
Vätern. Thorolf brachte viele den Schalen eines dänischen Frauen-Fibel-
Kostbarkeiten heim und gab sie seinem paars, gegen Ende des 9. Jahrhunderts in
Vater und seiner Mutter; es war da den Boden gelegt wurde (Katalog 34). Das
leicht, Reichtum und Ansehen zu meiste wurde zu skandinavischem Trach-
gewinnen.“ tenschmuck umfunktioniert und später zu-
sammen mit anderem Edelmetall (Silber-
So schildert die Egils saga das Wikingerle- barren, Ringgeld, Münz- und Hacksilber),
ben von Norwegern im 9. Jahrhundert – das man über Jahre und Jahrzehnte hinweg
aus der Sicht eines isländischen Roman- gehortet hatte, als Schatz im Boden vergra-
ciers vierhundert Jahre später. Was den- ben, geradezu als Edelmetalldepot, das spä-
noch im kollektiven Gedächtnis des Nor- ter wieder gehoben werden sollte. Mancher
dens aus der Zeit des 200jährigen Krieges Hort wird aber auch aus kultischen Grün-
im Nordseeraum zutreffend haften blieb, den niedergelegt worden sein wie wahr-
ist das Plündern und das anschließende scheinlich das Depot von Lerchenborg, als
Verteilen der Beute zu Hause. Nicht nur Opfergabe an eine Gottheit, so wie es seit
von den Zügen zu den Britischen Inseln Jahrtausenden Brauch war. In neuerer Zeit
und nach Irland gibt es zahlreiches Raub- gibt es auch viele Einzelfunde, die durch
gut in skandinavischen Grab- und Schatz- Grabungen oder Metalldetektoren von
funden, sondern auch die gewaltigen Sil- Siedlungsplätzen stammen. Aber obwohl
bermengen, die die Normannen auf dem die Mehrzahl der karolingischen Silberar-
Kontinent erbeuteten und erpressten, beiten im Norden weiter getragen wurde,
haben im Norden ihre Spur hinterlassen. wenn auch zumeist umgearbeitet für die
Als Sold, Tribut und Beute findet sich frän- Frauentracht, sind sie nur selten in Gräbern
kisches Gold und vor allem Silber in größe- anzutreffen, weil in Südskandinavien Be-
rer Menge in Südskandinavien. stattungen der Wikingerzeit nur mit ganz
Neben Münzen, die nur in geringer Zahl wenigen Beigaben ausgestattet sind. Aus-
erhalten blieben, weil sie wohl einge- nahmen bilden „Fürsten- oder Königsgrä-
schmolzen wurden, handelt es sich in den ber“ wie die Schiffsgräber von Haithabu

112
Katalog 33 bei Schleswig (Katalog 38; vgl. S. 165 ff.) 33 Schatzfund von Häljarp
oder Ladby auf der dänischen Insel Fünen. Kleeblattbeschlag und Fragment einer Riemenzunge
(zusammengehörend?) aus vergoldetem Silber, karo-
Viele der Funde sind innerhalb der lingische Silberfiligranperle, drei massiv gegossene Sil-
Wikingerzeit (ca. 800–1050) nur schwer berbarren in Form von Armreifen sowie 16 von
zu datieren. Einer der frühesten Funde ist ursprünglich ca. 30 Münzen Ludwigs des Frommen.
Silber, z.T. vergoldet; B. des Kleeblattbeschlags:
der Hort von Häljarp (Katalog 33) in
6,6 cm; L. des Fragments: 2,5 cm; Gesamtgew. c.
Schonen, der wohl im zweiten Viertel des 340 g.
9. Jahrhunderts vergraben wurde, da seine In Häljarp, Schonen, Schweden beim Pflügen gefun-
einzigen Münzen 30 Denare Ludwigs des den
Lunds Universitets Historiska Museum, Inventar
Frommen (814–840) sind. Ferner enthält 15035–15041
er zwei fränkische Schwertgurtbeschläge, Hårdh 1976, Kat.Nr. 130 Taf. 48.I.
eine Filigranperle und drei Silberbarren in
34 Depotfund von Lerchenborg
Form glatter Armreifen, alles zusammen Frauenschmuckdepot, bestehend aus bronzevergol-
gut 340 g Silber, was im Karolingerreich detem Ovalfibelpaar, fränkischer Gleicharmiger Fibel
einem Wert von etwa 15 Kühen oder 3–4 aus Silber, Perlenkette, Filigranperlen, Anhänger aus
Schmuckscheibe, „RELIGIO-XPICTIANA-Denar“
Schwertern entsprach. Die meisten fränki-
Ludwigs des Frommen, zwei arabischen Münzen,
schen Silberarbeiten sind im Norden aller- einer nordischen Münze.
dings erst im 10. Jahrhundert in den Boden Aus einem kleinen Hügel in 65 cm Tiefe geborgen;
gelangt, nachdem sie, nach einer langen dabei sollen die Funde von den zusammengelegten
Ovalfibeln umschlossen gewesen sein, was gegen ein
Nutzungsdauer, als Schmuck aussortiert Grab spräche.
und für die Wiedereinschmelzung vorgese- Fundort Lerchenborg, Holbæk Amt, Dänemark;
hen waren. Dies trifft etwa auch für den zweite Hälfte 9. Jh.
Nationalmuseum Kopenhagen, Inventar C. 6192–99
neuen Schatzfund von Duesminde (Kata- Aarbøber for Nordisk Oldkyndihed og Historie
log 36, S. 125 ff.) zu, dem bislang reichsten 1892, 323–4; Skovmand 1942
Hort mit fränkischem Silber.

113
Die Hauptverbreitung des karolingi- Verbreitungsbildes kann man vermuten, Katalog 34
schen Raubguts liegt im heutigen Däne- dass eine der Routen zur französischen
mark einschließlich seiner damaligen Ein- Kanal- oder Atlantikküste über die Irische
fluss-Gebiete Südwestschweden und Oslo- See führte – wie vermutlich der Zug von
fjordgebiet (Abb. 39). Nach diesen Funden 843, bei dem Nantes an der Loiremündung
zu urteilen, ist Alt-Dänemark der Bereich von „Westfaldingi“ (Leuten aus Vestfold
gewesen, der am intensivsten an den Raub- im Oslofjordgebiet) mit 67 Schiffen einge-
und Kriegszügen ins Fränkische Reich nommen wurde, oder dass Züge von den
beteiligt war. Das belegen auch die Schrift- westlichen Wikingerreichen ausgingen. Die
quellen. Darüber hinaus gibt es aber auch arktischen Zonen Norwegens darf man
skandinavische Grab- und Schatzfunde gleichfalls einbeziehen, obwohl bislang
entlang der norwegischen Küste bis hinauf noch kein fränkisches Silber von dort
zum Trondheimfjord, in Mittelwesteng- bekannt ist: Ein kunstvoll geflochtener Sil-
land und in Irland, ja sogar auf Island. Alle berhalsring von Botnhamn, unweit von
diese Regionen nahmen offenkundig an Tromsø, trägt eine Runeninschrift, die von Abb. 39

den Zügen teil, wenngleich fränkisches Sil- der Teilnahme an Kriegszügen nach Fries- Karolingische Silber-
und Goldarbeiten im
ber sicher auch durch Handel oder land berichtet (Abb. 40).
skandinavischen
Geschenk weiter im skandinavischen Einen archäologischen Niederschlag der Siedlungsbereich
Bereich umlief. Auf Grund des westlichen normannischen Plünderungen und Tribut- (Entwurf E. Wamers)

114
Kaupang
Kaupang
Birka
Birka

Grobin

Grobin
Åhus
Ribe
Dublin Åhus
Dublin York Ribe
York
Haithabu
Haithabu
Ralswiek
Reric Wollin Truso
Reric Wollin Truso
London
London
Hamwic
Hamwic Dorestad Hildesheim
Dorestad
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Salzburg
Salzburg

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Mailand Venedig
Venedig

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Marseille
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Ta Tolosa
Rom
Tajo Tolosa Rom

Cordoba
Cordoba
Abb. 40
Silberhalsring von
Botnhamn bei Tromsø
mit folgender
Runeninschrift:
„Fórum drengja
Frislands á vit, ok viks
fotum vér skiptum“
„Wir fuhren zum
Treffen mit Frieslands
Kriegern, und
teilten unter uns die
Kriegsbeute“.
(Tromsø-Museum,
Inventar Ts 1649)

zahlungen in Form von Schatzfunden mit Schmuck aus dem späten 9. Jahrhundert.
fränkischem Silber gibt es aber nicht nur in Sie wurden auf dem Kontinent in norman-
Skandinavien, sondern auch in den von nisch besetztem Gebiet genauso wie in der
den Wikingern heimgesuchten Ländern. nordischen Heimat der Erde für eine
Eine ganze Anzahl solcher Horte, die karo- gewisse Zeit anvertraut. Andere Schatzfun-
lingische Münzen und auch Schmucksa- de, die kein skandinavisches Fundmaterial
chen wie Fibeln, Armringe und Beschläge enthalten (z.B. Féchain bei Douai; Roer- Abb. 41

Karolingische
führen, kennt man inzwischen aus einer mond) dürften eher als Versteck-Depots Münzschätze des
breiten Zone an der Nordseeküste zwi- der einheimischen Bevölkerung anzusehen 9. Jahrhunderts.
schen Ostfriesland und der Bretagne (Karte sein, die ihr Barvermögen vor den norman- Rote Punkte: reine
Münzschätze, blaue
Abb. 41). Darunter sind einerseits echte nischen Räubern schützen wollten. Das Punkte: Münzschätze,
Wikingerschätze wie die von Wieringen in Barvermögen bestand sicherlich größten- die zusätzlich oder
Noordholland mit skandinavischen Barren teils aus Münzgeld. Wenn man sich die ausschließlich
fränkischen Schmuck
aus eingeschmolzenem Silber und wikingi- Verbreitung der karolingischen Münz-
enthalten (nach Liste
schen Hals- und Armreifen neben arabi- schätze des 9. Jahrhunderts auf dem Kon- Haertle 1997, mit
schen und karolingischen Münzen und tinent anschaut (Karte Abb. 41), fällt auf, Ergänzungen)

116
Kaupang
Kaupang
BirkaBirka

Grobin

Grobin
Åhus
Ribe
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Dublin York Ribe
York
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Haithabu Ralswiek
Reric Wollin Truso
Reric Wollin Truso
London
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Hamwic Dorestad Hildesheim
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Mailand Venedig
Venedig

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Ta Tolosa
Rom
Tajo Tolosa Rom

Cordoba
Cordoba
dass sie zwar nicht deckungsgleich mit der Die zahlreichen Schatz-, Grab- und Ein-
Verbreitung der von Wikingern angegriffe- zelfunde in den skandinavischen Ländern
nen Orte im 9. Jahrhundert (Karte Abb. belegen eine starke Präsenz karolingischen
38) ist, doch liegt ein Zusammenhang zwi- Silbers im 9. und 10. Jahrhundert. Diese
schen beiden durchaus nahe, vor allem, da Präsenz unterschied sich grundsätzlich von
nicht attackierte Gebiete von solchen Ver- der des arabischen Silbers, das zwar im 10.
steckfunden weitestgehend frei sind. Jahrhundert gewichtsmäßig deutlich stär-
Im Gegensatz zu diesen reinen Münz- ker in den Schatzfunden vertreten ist, aber
schätzen sind diejenigen, die zusätzlich fast ausschließlich in der Form von Mün-
oder ausschließlich fränkischen Silber- zen. Das fränkische Silber hingegen, zu-
schmuck führen, nur auf das Küstengebiet nächst nur seines Metallwertes wegen
zwischen Weser und Somme beschränkt. begehrt, fand durch seine charakteristische
Da stellt sich die Frage, ob es sich bei ihnen Schmuckformen und seiner exotisch-ästhe-
nicht doch um Depots handelt, die von tischen Verzierung Eingang in die skan-
raubenden Normannen angelegt wurden. dinavische Lebenswelt und veränderte sie
Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass erheblich. Doch das soll in einem anderen
fränkische oder friesische Silberschätze in Kapitel behandelt werden.
alter vorchristlicher Tradition aus religiö-
Literatur: Egils saga: Schier 1978; Wamers 1981;
sen Gründen angelegt wurden: als Gabe an Wamers 1984; Wamers 1985; Haertle 1997; Knol
die Götter. Dies soll am Hortfund von 1993; Katalog Bonn 2004
Marsum bei Groningen (Katalog 35, S.
119 ff.) diskutiert werden. Egon Wamers

118
Gold und Silber aus Marsum –
karolingische Schatzfunde in den Niederlanden

I m Jahre 1906 wurde ein großer spät-


karolingischer Silber- und Goldschatz
in der Wurt Marsum gefunden. Lei-
der verschwand der Schatz sofort im
Kunsthandel. Ein wichtiger Teil kam in
Schmuckstücke und Münzen unabhängig
voneinander untersucht, wobei eine klei-
ne, eigentlich nicht so bemerkenswerte
Anzahl Silbermünzen unberücksichtigt
blieb. Diese Münzen sind jedoch für
die Hände eines Sammlers, der den Fund die Datierung des Schatzes von großer
weltweit bekannt machte. Der Schatz be- Bedeutung. Der Schatz wurde in einer
inhaltete unter anderem mindestens 21 Zeit vergraben, als die Normannen plün-
Goldmünzen und eine prachtvolle sil- dernd die Nordseeküste heimsuchten.
berne Gürtelgarnitur. Diese Gegenstände Das Vergraben des Schatzes wird eine
Abb. 42
Die Wurt Marsum bei fanden große Aufmerksamkeit in der Reaktion auf diese Bedrohung gewesen
der Abtragung 1906 internationalen Literatur. Leider wurden sein.

119
Der Fund bleibt somit ungewiss. Eine Besonderheit
waren neben den Schmuckstücken die frie-
Der Schatz wurde 1906 während der sischen Nachahmungen der Goldsolidi
Abtragung der Wurt von Marsum nahe Ludwigs des Frommen. Kurze Zeit später
Delfzijl in der Provinz Groningen (nicht die gab Wigersma die Schmuckstücke und
gleichlautende Wurt Marssum in der Pro- neun Münzen als Leihgabe an das Fries
vinz Friesland) gefunden (Abb. 42). Wur- Museum, das die Gegenstände nach sei-
ten (auch Warften genannt) sind seit vor nem Tod erwarb (Boeles 1907; 1951). Ver-
Christi Geburt im Nordsee-Küstengebiet schiedene Münzen kamen über Wigersma
zum Schutz vor Sturmfluten künstlich auf- auch ins Fries Museum, das 1964 ihre
geworfene Hügel, auf denen Höfe oder Münzen und Schmuckstücke als unbefris-
kleine Dörfer errichtet wurden. Im Laufe tete Leihgabe dem Groninger Museum
der Jahrhundert wuchsen sie durch den übergab. Während seiner Recherche nach
Siedlungsabfall und weitere Erdaufschüt- den Solidi fand Boersma (1976–1977) in
tungen ständig an. Von 1840 bis 1940 den Sammlungen des Groninger Museums
wurden im Norden der Niederlande die ein 21. Exemplar aus dem Schatz und
Wurten in großem Umfang abgetragen, um vermutete, dass noch zwei weitere dazu-
die fruchtbare Erde anderswo im Land zur gehörten. Wahrscheinlich war der Schatz
Bodenverbesserung nutzen zu können. ursprünglich größer gewesen, doch hatte
Dies waren großangelegte Maßnahmen, Wigersma diese Münzen nie zu Gesicht
bei denen ständig Altertümer gefunden bekommen, und sie waren möglicherweise
wurden, meist Keramik und Knochen, auch nicht im Besitz von Rodbard gewe-
aber auch wertvolle Funde. Oft gelangten sen. Damals war die Bedeutung, einen
dabei Gold- und Silberobjekte und Mün- Schatzfund vollständig zu erfassen, noch
zen in den Handel, ohne dass die örtlichen nicht allgemein anerkannt, und Museen
Museen darüber informiert wurden. Man- sahen keinen Sinn darin, einen wertvollen
cher Schatz verschwand in den Schmelztie- Schatz mit vielen doppelten Münzen zu
geln der Silberschmiede, ohne dass jemand erweben.
davon erfuhr. Dieses Schicksal schien auch
für den Schatz von Marsum vorgesehen,
doch gelangte ein Teil von ihm in den Die Schmuckstücke
Besitz des Juweliers J. A. Rodbard aus
Dordrecht. Dieser war an Numismatik Bei den fünf erhaltenen Schmuckstücken
interessiert und außerordentliches Mitglied handelt es sich um eine Fibel (Gewand-
der Niederländischen Gesellschaft für spange) und vier zusammengehörende
Münzkunde. Bei ihm kaufte der friesische Teile einer Schwertaufhängung.
Sammler und Numismatiker Servaas
Wigersma einzelne Münzen und die silber- 35a Gleicharmige Fibel
nen Schmuckstücke. Der Schatz enthielt Die bandförmige Silberfibel mit hohem Bügel ist
durch Leisten in fünf Felder gegliedert, die mit flora-
eine große Zahl von Nachahmungen der
len Motiven gefüllt sind: Palmetten und kreuzförmige
Goldsolidi Ludwigs des Frommen. Für Ranken mit Endknollen. Fibeln dieses Typs sind in die
manchen Sammler war es eine schöne Mitte bis zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts zu datie-
Gelegenheit, eine besondere Münze zu ren.
Silber; L. 5 cm; B. 1,6 cm
erwerben. Das königliche Münzkabinett, Nordfränkisch, Mitte – zweite Hälfte 9. Jh.
das Fries Museum, das Groninger Museum Groninger Museum, Inventar F.M.89A-7
und mehrere Sammler kauften jeweils eini- Unpubliziert
ge der Münzen aus dem Schatz. Wigersma 35b Schwertgurtgarnitur
publizierte als erster über den Schatz Die zweite Gruppe Schmuckstücke besteht aus vier
(1907). niellierten Silberbeschlägen einer Schwertgurtgarnitur
mit reicher, gleichartiger Verzierung. Es handelt sich
Leider waren damals nähere Einzelhei-
um rechteckige Beschläge mit wulstförmigen Enden,
ten zum Fund nicht mehr zu gewinnen; die davon zwei für einen ca. 3,2 cm breiten und zwei
komplette Zusammenstellung des Schatzes für einen ca. 3,5 cm breiten Riemen. Die genaue

120
Katalog 35
unten: Rückseite der
Schwertgurtbeschläge

121
Funktion ist nicht sicher zu rekonstruieren, doch wer- Zeitstellung des Schatzes
den der lange, leicht dachförmig geknickte (A-5)
sowie der kurze Beschlag (A-6) ursprünglich auf der
Scheide befestigt gewesen sein, während der zweit- Die jüngsten Silbermünzen datieren aus
längste mit v-förmigen Flachösen auf der Unterseite dem Zeitabschnitt 881–887 und bilden die
(A-4) als Riemenverteiler gedient haben wird. Der Schlussmünzen des Schatzes. Danach wird
vierte Beschlag (A-3) hat eine glatte Unterseite und
diente als Riemenende, das vom Gürtel herabhing. er nach 881, vermutlich noch vor 900 der
Die Schnalle ist nicht erhalten. Erde anvertraut worden sein. Dem ent-
Die spätkarolingische Verzierung besteht aus rauten- spricht auch die kunsthistorische Datie-
förmig zusammengebundenen geometrischen Akan-
thusranken mit flächigem Blattwerk und umknicken-
rung der Schmuckstücke, während die
den, gekerbten Blattenden und gekerbten Sprossen. In Solidus-Nachahmungen wohl bis ca. 840
den Rauten sitzen Löwen mit üppiger Mähne und um oder nur wenig länger geprägt wurden.
den Leib gewundenen Schweif, zum Teil paarig in
Von der Anfang des 20. Jahrhunderts
antithetischer Position.
L. 4,5–7,4 cm; B. 3,2–3,6 cm abgetragenen Wurt Marsum besitzt das
Nordfränkisch, Letztes Drittel 9. Jh. Groninger Museum siebzig Fundstücke,
Groninger Museum, Inventar F.M.89A-3–6 die belegen, dass diese Wurt seit etwa 100
Fraenkel-Schoorl 1978, 369 Abb. 16; Lennartsson
1997/98, 570 vor Christus bewohnt wurde. Marsum lag
inmitten zahlloser anderer ebenfalls besie-
35c Die Münzen delter Wurten. Die älteste Besiedlung in der
Große Aufmerksamkeit haben die goldenen Solidi Umgebung ist für das dritte Jahrhundert
erhalten. Nach Boersma enthielt der Schatz ursprüng- vor Christus belegt. Im frühen Mittelalter
lich 21, möglicherweise 23, vielleicht sogar noch
mehr Goldsolidi. Er stellt die größte Anzahl von waren die meisten Wurten in dieser
Goldsolidi-Nachahmungen Ludwigs des Frommen in Gegend bewohnt (Miedema 1990).
einem Fundkomplex dar. Dies ist auch deshalb bedeu- Die Umgebung von Marsum war ein Teil
tend, weil im 9. Jahrhundert Geld normalerweise aus
Silber (Denar; vgl. S. ## ff.) bestand. Bei ihnen han-
der niederländischen Küstenlandschaft.
delt es sich um Imitationen der goldenen „Munus Entlang der holländischen Küste lag hinter
Divinum“-Gepräge, die Ludwig der Fromme anläss- einer Dünenreihe ein ausgedehntes Moor-
lich seiner Krönung zum Kaiser 814 prägen ließ.
gebiet, in dem Torf abgebaut wurde. Im
Während die Vorderseite in antiker Manier sein
Brustbild mit Kaiserdiadem und Paludamentum und Norden grenzte es an zwei Inseln, eigent-
Umschrift trägt, zeigt die Rückseite ein Kreuz inner- lich die Spitzen einer hohen pleistozänen
halb eines Lorbeerkranzes und die Umschrift Moräne, die über alle späteren Ablagerun-
MVNVS DIVINVM (Göttliches Geschenk). Vermut-
lich handelte es sich nicht um reguläres Zahlungsmit- gen herausragte. Östlich dieser festen
tel, sondern um hochrangige Auszeichnungen, ähn- Landpunkte lag ein maritimes Gebiet,
lich wie die Goldmedaillone spätrömischer Kaiser, die bestehend aus Wattenmeer, Watteninseln
– mit dem Bild des Kaisers versehen – gerne an Barba-
renfürsten geschenkt wurden. Im Laufe des 9. Jahr-
und ausgedehnten Marschen, das in ein
hunderts wurden diese Munus-Divinum-Medaillone fast unendliches Moorgebiet überging. In
in Friesland, vermutlich in der Handelsstadt Dores- der Marsch gab es sehr gute Bedingungen
tad, in mehreren Varianten nachgeprägt (Grierson
für Viehzucht, vor allem von Rindern und
1951; Boersma 1976–1977; Grierson & Blackburn
1986). Schafen, und auch Ackerbau war möglich.
Der Schatz beinhaltete auch eine Anzahl gängiger Sil- Wegen der Bedrohung durch das Meer
bermünzen (Denare). Folgende Münzen sind aus dem wohnte man auf erhöhten Wohnplätzen,
Schatz bekannt: zwei Denare Lothars I, geprägt in
Dorestad (845/50–55), zwei Denare und ein Obolus den Wurten. In der Karolingerzeit war die-
(Halbdenar) Karls des Kahle, geprägt in Melle, ses Gebiet dicht besiedelt (Knol 1993) und
Orleans und Reims (840–877), ein Denar Karlmanns durch einen intensiven Fernhandel auch
(877–879), und von Karl dem Dicken ein Denar und
ein Obolus (Haertle 1997).
wohlhabend. Durch die Flüsse, vor allem
In der Ausstellung werden nur die Münzen aus dem Rhein, Maas und Schelde, bildete Holland
Groninger Museum (5 Silberdenare und 6 Goldprä- den Zugang von der Nordsee her zu weiten
gungen) gezeigt.
Teilen Europas. An einer günstigen Stelle,
Gold; Silber
Groninger Museum, Inventar 1964–XII-88a-b; bei einem ehemaligen Römerkastell, war
A1052–57, A1097, A1099, A1100 die große Handelsniederlassung Dorestad
Boersma 1976–1977; Haertle 1997, 169 ff., 717 ff. entstanden, die im 8. und in der ersten
Hälfte des 9. Jahrhunderts ihre Blütezeit
hatte (van Es und Hessing 1994).

122
Die Normannen Nordseeküste nahe.
Die meisten dieser Schatzfunde kamen
Die fruchtbaren und reichen Küstengebiete beim Abtrag der Wurten im Küstengebiet
zogen die Aufmerksamkeit der Norman- oder beim Torfstechen in Drenthe zu Tage.
nen auf sich, die die europäischen Küsten- 1915 veröffentlichte Boeles eine Übersicht
regionen plünderten, (vgl. oben S. 107 ff.). aller ihm bekannten karolingischen Hort-
Zu den bedeutendsten Zeugnissen dieser funde, von denen er allerdings nicht immer
Wikingerzüge, die unter anderem mehr- den tatsächlichen Umfang feststellen konn-
fach zur Brandschatzung von Dorestad te. Oft drängt sich die Verdacht auf, dass
führten, gehören zwei Silberschätze von sie ursprünglich viel umfangreicher gewe-
ausgesprochen skandinavischem Charak- sen sind. Der Inhalt der Schätze variiert
ter, die 1997 und 1999 in Westerklief auf von einigen Dutzend bis zu Hunderten
der Insel Wieringen entdeckt wurden. von Silbermünzen, manchmal ergänzt um
Zahlreiche arabische Münzen, skandina- Nachahmungen der Goldsolidi oder von
vische Silberbarren, ein geflochtener Hals- Schmuckstücken. Im Vordergrund steht
und ein gewundener Armring, fragmentier- jedoch das Silbergeld. Der größte Schatz,
tes Silber (Hacksilber) und Prüfspuren an 1991 in Tzummarum entdeckt, enthielt
den Münzen kennzeichnen ihn als Wikin- etwa 2.800 Münzen! Damit entspricht er
gerschatz. Das arabische Geld gelangte den großen Münzschätzen von Wiesbaden-
über Russland nach Skandinavien. Sechs Biebrich (Katalog 7) und Pilligerheck
nordfränkisch-friesische Armreifen und ein (Katalog 8) im Herzen Austrasiens (Karten
fränkisches Riemenende sind wohl als S. 2 und Abb. 41), die mit friesischen Han-
Raubgut zu betrachten. Nach den Münzen delsaktivitäten oder Zolleinnahmen in
muss der eine Schatz nach 850 und der Zusammenhang gebracht worden sind.
andere nach 880 vergraben worden sein, Bis heute sind fünfzehn Schatzfunde aus
vermutlich von Wikingern dänischer Her- Friesland und Groningen bekannt und
kunft, die sich auf Wieringen niedergelas- noch mal sechs aus Drenthe, welche zwi-
sen hatten. In diesen Jahrzehnten hatte der schen 816 und 915 vergraben wurden
Normannenführer Rorik den westlichen (Boeles 1915; Pol 1992). Letztere sind
Teil Frieslands zum Lehen (Besteman vornehmlich Moorfunde und werden als
1997; 1999; 2002). Die Funde von Wester- Votivopfer interpretiert (van Vilsteren
klief lassen auch manche Einzelfunde skan- 2000; Koerselman, van Vilsteren 2004).
dinavischen Charakters aus der Region in Acht der nordniederländischen Silberschät-
einem neuen Licht erscheinen (Van Heerin- ze wurden zwischen 850 und 875 versteckt,
gen 1990; Peddemors & Carmiggelt 1993; also in der Zeit des Normannenführers
Knol 1998–1999), die wohl mit normanni- Rorik und seines Sohnes Godfried. Eine
schen Aktivitäten hier zusammenhängen. solche Zeit voller Unruhen und Krieg
Die Hortfunde von Wieringen werfen bringt Menschen dazu, Geld zu verbergen,
darüber hinaus auch ein neues Licht auf um es später wieder zu heben. Die Moor-
die anderen karolingischen Schatzfunde funde aus Drenthe und Votivbräuche aus
aus den Niederlanden. Skandinavien lassen jedoch vermuten, dass
auch in den Wurten Opferdepots angelegt
wurden. Auch für Merowingerzeit rechnet
Einer von vielen Schätzen man mit solchen Depots (Heidinga 1990;
Knol 1993; Nicolay 2003), doch die Frage,
Die Schatzfunde von Marsum und Wierin- wer die Votivopfer darbrachte, bleibt unbe-
gen sind keine Einzelfälle. Entlang der antwortet. Im Verlaufe des 8. Jahrhunderts
gesamten nordniederländischen Küste sind wurde der Norden der Niederlande von
karolingische Schätze des 9. Jahrhunderts den fränkischen Königen erobert, und in
entdeckt worden (Knol 1993). Ihre große ihrem Kielwasser folgten die Missionare.
Zahl legt einen Zusammenhang mit den Die formale Christianisierung der Nord-
Raubzügen der Normannen entlang der niederlande war im 9. Jahrhundert abge-

123
schlossen, doch wird vorchristliches Ge- etwa in Flüsse, Seen oder Moore. Doch in
dankengut nicht verschwunden sein. Es ist der Küstenregion spielte sich das ganze
gut vorstellbar, dass man unter der nor- Leben im Universum einer Wurt ab. Da
mannischen Bedrohung auch weiter an alt- kann eine Opferstelle nahe dem Haus nicht
vertraute Götter opferte. Ein vergleichba- verwundern.
rer Hintergrund kann auch für andere
Silberschätze in den Niederlanden ver- Literatur: Besteman 1997; Besteman 1999; Besteman
mutet werden, etwa beim großen Fund aus 2002; Boeles 1915; Boeles 1907; Boeles 1951; Boers-
der Maas bei Roermond. Selbstverständ- ma 1967–1977; Fraenkel-Schoorl 1978; Grierson
1951; Grierson, Blackburn 1986; Haertle 1997; Knol
lich bemerkt man Silberschätze eher als 1993; Knol 1998–1999; Lennartsson 1997/98; Mie-
Einzelfunde. Diese finden sich regelmäßig, dema 1990; Nicolay 2003; Peddemors, Carmiggelt
denn Münzen und Schmuckstücke können 1993; Pol 1992; van Es, Hessing 1994; van Heeringen
1990; van Heeringen, Henderikx, Mars 1995; van
verloren, aber natürlich auch normal ge-
Vilsteren 2000; Wigersma, 1907
opfert worden sein. In der Regel werden
Votivopfer in feuchte Umgebung platziert, Egge Knol

124
Der Silberschatz von Duesminde

,, Wulfstan sagte, dass er


von Haithabu reiste,
dass er nach sieben Tagen und
Nächten nach Truso kam
und dass das Schiff die ganze
Fahrt über unter Segel stand.
Wendland war auf Steuerbord,
Langeland auf Backbord,
auch Lolland und Falster
und Scania (Schonen),
und alle diese Länder gehören
zu Dänemark. ,,
aus Wulfstans Reisebeschreibung
Die Fundgeschichte

A uf Lolland, der südlichsten Insel


Dänemarks in der Ostsee, liegt
unweit des Dorfes Vejleby die
Hofstätte Duesminde (Abb. 43). Dort
wurde im Januar 2002 vom Amateurar-
stand (Abb. 44). Da es damals noch keine
Metalldetektoren gab, einige Fundstücke
also hätten übersehen werden können,
sollte jetzt eine Nachuntersuchung mit die-
sem neuen Gerät vorgenommen werden.
chäologen Boje Hansen im Auftrag des Doch die Überraschung war groß, als der
Lolland-Falsters Stiftsmuseums einer der Detektor mit lautem Piepsen Metall im
ungewöhnlichsten Silberschätze der Wikin- Boden vermeldete, doch ein ganz anderer
gerzeit (800–1050) entdeckt und vom Schatz als gesucht zu Tage kam (Abb. 45)
Autor, damals Museumsinspektor, ausge- („Duesminde 4“; Katalog 36).
graben (Schilling 2003). Weil die Funde im bebauten Acker lagen,
Der Fund war kein Zufall. Schon vierzig war der Hort im Laufe der Zeit durch Pflü-
Jahre zuvor war hier bei der Feldarbeit in gen aufgerissen und über eine Fläche von
drei Etappen ein Schatz mit Wikingersilber 10 mal 15 m um den ursprüngliche Vergra-
entdeckt worden („Duesminde 1–3“), der bungsort herum verstreut worden. Nach
aus einem Gold- und dreiundzwanzig Sil- zwei Tagen intensiver Arbeit mit dem
berringen, so genanntem Ringgeld, be- Metalldetektor hatten die Archäologen

Abb. 43
Die Inseln Lolland-
Falster mit den im Text
genannten Fundstellen.
Der Schatz von
Duesminde wurde am
heute eingedämmten Fejø-Schatz
Rødby Fjord in
Südlolland, innerhalb
eines fundreichen Lolland Fa l s t e r
Gebietes, gefunden
Virket
(Entwurf H. Schilling)
Halsted

Hollnæs Bregninge-Stein
Vejleby
Hejredevold
Tirsted-Stein
Rødby Fjord

Abb. 44 Der erste


Schatzfund (1-3) Siedlung


von Duesminde, Befestigungsanlage
Nationalmuseet
Schatzfunde
Kopenhagen. Ringgeld
aus einem goldenen Seesperre
und 23 silbernen Runenstein
(sog. „permischen“)
Armringen

127
995 g Silber in den Händen, und eine an- ehemaliger Besitzer also nicht unter dem Abb 45
schließende Ausgrabung erbrachte die letz- Fußboden seines Heimes versteckt haben, Boje Hansen bei der
Arbeit mit dem
ten Fundstücke. Ergebnis der Grabung war, sondern im freien Feld, abseits der nächs- Metalldetektor im
dass alle Reste des ursprünglichen Behält- ten Besiedlung und verborgen vor neugieri- winterlichen Duesminde
nisses für den Schatz (Kiste oder Beutel) gen Blicken.
vom Pflug völlig zerstört worden waren
und dass es an der Stelle keinerlei Spuren
eines Gebäudes gab. Den Schatz dürfte sein Henrik Schilling

128
Die Zusammensetzung des Schatzes

S chon das Gewicht des Schatzfundes


von 1.300 g war eine Sensation.
Mit rund fünfundvierzig – zum Teil
fragmentierten – karolingischen Riemen-
und Gürtelbeschlägen einschließlich
Die meisten der Beschläge stammen von
der militärischen Schwert- und Reiteraus-
stattung des karolingischen Adels, welche
in fränkischen Kloster- und Hofwerkstät-
ten etwa der Jahre 830–870 gefertigt wur-
Schnallen aus vergoldetem Silber ist es der den. Eine gründliche wissenschaftliche
größte Fund fränkischen Silbers in Europa Untersuchung der Funde ist in Vorberei-
(Abb. 46), der die Zahl solcher bislang tung. Die folgende Gruppierung und Wür-
bekannten Fundstücke aus dem wikinger- digung des Schatzes ist noch vorläufig,
zeitlichen Dänemark mehr als verdoppelt doch wurde eine frühzeitige Präsentation
hat. Einige dieser Gegenstände sind im in Form einer öffentlich zugänglichen Aus-
Abb. 46 Norden wie in Europa extrem selten oder stellung für sinnvoll erachtet, um damit
Der gesamte Schatzfund gar singulär. Ferner gehörten zum Schatz- eine internationale Fachdiskussion über
von Duesminde,
Nationalmuseet inventar sechs skandinavische Silberbe- diesen einzigartigen Jahrhundertfund an-
Kopenhagen schläge und -schnallen. zuregen.

129
Fundstücke der Jahre um 800 Spathagarnituren Katalog 36a.1, 36a.2

Zwei karolingische Gegenstände aus dem Zur Aufhängung des zweischneidigen


Schatz können in die Jahrzehnte um 800 Langschwertes, der Spatha, an einem Leib-
datiert werden. gurt verwendete man etwa von 800–870
standardisierte Sätze von vier bis fünf
Beschlägen sowie einer Schnalle, mit denen
36a.1 Geschweiftes Beschlagfragment,
das mit einer angenieteten Öse zu einem Anhänger die Schwertscheide am Gurt in leichter
umgearbeitet wurde. Nach seiner Verzierung gehört Schräglage gehalten werden konnte (vgl.
es in den Umkreis des vorwiegend ostfränkischen Tas- S. 54 ff). Beschlagsätze des Adels waren aus
silokelchstils der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts.
Er war ursprünglich Bestandteil einer Schwertaufhän-
vergoldetem Silber und mit der Akanthus-
gung, wurde im Norden zum Anhänger für die Frau- ornamentik der Zeit verziert. Bislang war
entracht umgearbeitet und dann, nach den Abnut- nur ein mehr oder weniger vollständiger
zungsspuren zu urteilen, lange getragen.
Beschlagsatz aus Skandinavien bekannt
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen;
Länge 4,22 cm (Östra Påboda); andere wurden im böhmi-
Ostfränkisch, Ende 8. Jh. schen Fürstengrab von Kolín (Katalog 40)
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35353 oder im Klosterbereich von San Vincenco
36a.2 Ovaler Beschlag, al Volturno im italienischen Benevent ge-
ursprünglich auf einer Schwertscheide aufgenietet. funden. Die beiden neuen, fast komplet-
Die Verzierung aus stilisierten einfachen Palmetten ten Beschlagsätze aus Duesminde bedeuten
innerhalb von Arkaden sowie Dreipass- und Kreuz-
somit eine Überraschung und ergänzen
noppen datiert das Stück in das frühe 9. Jahrhundert.
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; unsere Kenntnis beträchtlich.
Länge 3,85 cm
Fränkisch, frühes 9. Jh.
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35353 36b.1 Spathagarnitur,
bestehend aus einem Kleeblatt- und drei Ovalbeschlä-
gen sowie einer langen Riemenzunge; die Schnalle Katalog 36b.1

130
Sporengarnitur

Beschlagsätze und Teile von Sporengarni-


turen finden sich ebenfalls im Schatz. Ähn-
lich aufwändig gearbeitetes Fundgut aus
vergoldetem Silber kennt man aus fürstli-
chen Bestattungen in Kroatien. Mit Leder-
riemen wurden die vergoldeten Silberspo-
ren mittels Schnallen, Beschlägen und
Schlaufen an den Stiefeln befestigt (vgl.
S. 59 ff.). Die Träger muss man den adligen
Anführern der schwerbewaffneten Kavalle-
rie des karolingischen Heeres zuschreiben,
die eine zunehmende Rolle bei den Erobe-
rungen des Reiches spielten.

36c Teile einer Sporengarnitur.


Erhalten sind zwei u-förmige Riemenenden, zwei Rie-
menschlaufen mit halbzylinderförmiger Zierplatte
sowie eine fragmentarische Schnalle mit Stegansatz.
Die fünf Stücke sind durch gleichartige Ornamentik
(tiefliegendes Akanthusblattwerk mit erhabenen Blü-
ten mit Niello-Dreierstrichgruppen) und zusätzliche
Niello-Knotenornamente auf den Seiten der Riemen-
schlaufen und den Unterseiten der Riemenzungen als
zusammengehöriger Satz ausgewiesen; die Riemenen-
den passen sowohl durch die Schlaufen wie durch die
Schnalle. Vergleichbare karolingische silbervergoldete
Sporengarnituren sind vor allem aus Kroatien be-
kannt, wo auch noch die Sporen erhalten sind. Stets
gehört zu einem Sporn ein Satz aus Schnalle, dekora-
tiver Riemenschlaufe und Riemenende. Die Schnalle
Katalog 36c fehlt. Die Akanthusornamentik weist gerade Stämme wurde sekundär zu einem Anhänger umgearbeitet,
mit Seitenpalmetten, Dreier-Palmetten auf; an den auch die komplette Riemenzunge weist Spuren einer
Rändern sind Kreuze einnielliert. Insgesamt ist die sekundären Nutzung auf. Vermutlich wurde also der
Garnitur stark abgetragen, was auf eine lange Trage- komplette Satz zweier Sporengarnituren in Skandina-
zeit hinweist. Der Kleeblattbeschlag wurde später zur vien als neues Schmuckset von einer Frau getragen,
Fibel umgearbeitet, bei den Ovalbeschlägen gibt es vielleicht alles als opulente Anhänger an einer Kette.
Hinweise darauf, dass sie als Anhänger getragen wur- Später gelangten sie dann, offensichtlich nicht mehr
den. komplett, als Altmetall in den Schatz.
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen;
Länge: 8,75; 5,30; 5,23; 6,22; 9,12 cm Länge: 3,17; 3,21; 3,82; 3,77; 4,17 cm
Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh.
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35518, Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35321,
35342–3, 35361, 35316 35386, 35329, 35360, 35323

36b.2 Teile einer Spathagarnitur,


bestehend aus drei Ovalbeschlägen sowie einer langen
Riemenzunge; Kleeblattbeschlag und Schnalle fehlen. Zaumzeugbeschläge
Zum Teil stark beschädigt; Spuren von Reparaturen.
Die Akanthusornamentik aus einfachem Stamm mit
seitlichen Volutenpaaren und abgesetzt-kammartigen Auch die Pferde der adligen Führer der
Blütenblättern hat keine engen Entsprechungen im fränkischen Kavallerie wurden kostbar mit
sonstigen Metallschmuck, am ehesten vielleicht noch silbervergoldeten und niellierten Beschlä-
im Beschlag von Kinnekulle, Västergötland. Auf der
Rückseite der langen Riemenzunge befindet sich eine
gen herausgeputzt. Von ehemals komplet-
Ritzung in Form einer Doppelschlange. ten Beschlagsätzen einschließlich der Tren-
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; sen und Steigbügel kann man unter den
Länge: 4,23; 4,2; 5,9; 10,9 cm
Fundstücken von Duesminde nur noch die
Westfränkisch, erste Hälfte 9. Jh.
Nationalmuseum Kopenhagen, Inventar C 35368, etwa quadratischen Beschläge, zum Teil
Katalog 36b.2 35331, 35325, 35322 ehemals über Stege mit Schnallen verbun-

133
Katalog 36d.1, 36d.2

den, als eindeutig zum Zaumzeug gehörend zen untere Ösen zur Befestigung von Riemen und
besaßen ursprünglich einen Steg mit großer Schlaufe-
bestimmen. Insbesondere der reiche Fund
nöse, durch die ein Riemen gezogen und festgeschlun-
von Blatnica in der Slowakei aus der ersten gen werden konnte. Die Stege mit Schlaufenöse wur-
Hälfte des 9. Jahrhunderts kann hier als den abgehackt. Das vierte Stück ist eine Riemenzunge
Vergleich dienen (Katalog Berlin, Mann- mit glatter Unterseite und wurde sekundär zu einem
Anhänger umgearbeitet. Zwei der drei anderen Stü-
heim 2002, Kat.Nr. 06.01g-i – É. Garam), cke zeigen Löt- und Feilspuren, die von Umrüstungen
wenn er auch stilistisch nicht einer Werk- zu Anhänger oder Fibel zeugen.
statt aus dem Zentrum des Reiches zuge- Solche „gestielten Ösenbeschläge“ saßen vermutlich
oberhalb der Trensen am Kopfgestell und sind cha-
schrieben werden kann, sondern vielleicht rakteristisch für das spätere 8. und das 9. Jh.
gar lokal in Mähren imitiert wurde. Im Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen;
Material des Duesminde-Schatzes lassen Länge: 2,77; 2,97; 2,53; 3,69 cm
Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh.
sich Reste dreier Garnituren erschließen:
Nationalmuseum Kopenhagen, Inventar C 35326,
35374, 35373, 35346

36d.1 Vier etwa quadratische Beschläge, 36d.2 Vier annähernd quadratische Riemenenden,
alle fragmentarisch. Zierfelder mit hohem Rand, zum Teil leicht beschädigt. Ein Schmalende wulstför-
darin eingetieft diagonal-kreuzförmige Akanthus- mig, am anderen Ende Nietleiste mit (zum Teil verlo-
palmette, mediale Noppen. Drei der Beschläge besit- renem) Unterlegblech. Zierfelder mit leicht abge-

134
Katalog 36d.3, 36d.4

schrägtem gewelltem vegetabilem Rand; leicht erha- Fragmente diverser Schnallen


ben eine diagonal-kreuzförmige Akanthuspalmette
und Beschläge
mit zentraler runder Kehlung. Unterseite ausgekehlt
mit ursprünglichen, sekundär abgeschnittenen Stegö-
sen für Riemen. Alle Stücke wurden sekundär durch Im Duesminde-Schatz gibt es größere Frag-
Abfeilen der unteren Stegösen und Annieten zweier mente von zusätzlich zwölf Schnallen so-
Blechösen an den äußeren Nieten zu Anhängern
umgearbeitet. Wie viele von diesen erhaltenen vier wie vier Riemenbeschlägen; je nach Größe
ehemaligen Riemenenden eines karolingischen Zaum- und Form gehörten sie ursprünglich zu
zeugs zu einer Kette mit wahrhaft prachtvollen Schwert-, Zaumzeug- oder Sporengarni-
Anhängern für eine Frau verwendet wurden, kann
nicht mehr erschlossen werden. In den Schatz kamen
turen. Alle sind durchweg stark abgenutzt
diese Teile als bereits abgetragener Wikingerschmuck. und die meisten umgearbeitet.
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 4,27;
3,96; 3,5; 3,6 cm
Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh.
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35333, 36e.1 Neun Schnallenbügel, meistens in D-Form,
35328, 35339, 35356 einer leierförmig, zum Teil mit Resten einer Riemen-
zwinge, einmal als Paar; alle weisen einen mehr oder
36d.3 Fragmente eines annähernd quadratischen dün- weniger ausgeprägten Pflanzendekor auf. Von ihnen
nen Riemenendes, Nietplatte für 5 Niete weitgehend tragen mindestens zwei Spuren einer sekundären
abgebrochen. Hohe Randleiste, im Zierfeld ein diago- Umarbeitung zum Anhänger oder zur Fibel.
nal-kreuzförmiger Akanthusdekor mit ovalem Mittel- Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 5,64;
blatt. Spuren einer sekundären Umarbeitung nicht 4,20; 4,57 u. 4,53; 4,77; 3,53; 3,53; 3,9; 3,04 cm
mehr erkennbar. Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh.
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 3,68 cm Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35344;
Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. 35320; 35354 + 35358; 35330; 35365; 35327;
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35335 35366; 35350

36d.4 Fragment eines Riemendes mit abgesetzter 36e.2 Drei große Beschläge
Nietleiste, die abgeschnitten wurde. Kurz-rechteckig mit reichem flächendeckendem Akanthusdekor, die
mit Wulstenden. Reliefierter Akanthusdekor. Sekun- ursprünglich als Schnallenbeschläge dienten, an
där angenietete Silberblechöse an einem Ende; die denen über ein Scharnier Bügel und Dorn befestigt
zweite Sekundäröse fehlt, wobei deutlich sichtbar ist, waren. Bislang gibt es keine engen Parallelen auf dem
dass die Kerbe konisch geschnitten wurde. Gut Kontinent zu diesen Schnallentypen. Sie sind alle
geglättete Unterseite, von der eine originale, große durch Annieten von Silberblechösen sekundär zu
rechteckige Stegöse am hinteren Ende abgeschnitten Anhängern umgearbeitet worden. Da bei ihnen die
wurde: das Stück ist sekundär zum Anhänger umge- Schnallenbügel fehlen, wurden sie wohl bewusst ent-
arbeitet worden. fernt, um die Anhänger optisch aufzuwerten.
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloe; L. 4,20 cm Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 6,7;
Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. 6,6; 5,45 cm
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35363 Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh.
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35317;
35345; 35341

135
Katalog 36e.1

136
Katalog 36e.2

Katalog 36e.3 36e.3 Drei Riemenzungen (Endbeschläge), des Nationalmuseums Eva Salomonsen auf der Rück-
davon zwei mit sekundären Ösen zu Anhängern seite eine Runeninschrift, die noch vor der Anbrin-
umgearbeitet, eine weitere mit abgeschnittener Öse gung der Nadelhalterung eingeritzt worden war und
auf der Unterseite. die ein komplettes (16 Zeichen) wikingerzeitliches
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 5,45; Runenalphabet (Fuþark) darstellt (Stoklund 2004).
5,81; 4,64 cm Allerdings gibt es in dieser kleinen Inschrift insgesamt
Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. drei Fehler, was zu der Vermutung Anlass gab, dass
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35592; die Runen nicht von einem Kenner, sondern von
35355; 35340 einem Laien geritzt worden sind.
Fuþark-Inschriften gelten als magische Inschriften mit
36e.4 Eine vierte Riemenzunge „Schutz- und Abwehrfunktion gegen Schaden brin-
mit gewelltem Umriss ist durch eine auf die Rückseite gende Mächte“ (Düwel 2001, 209 f.), wobei sie dem
genietete sekundäre Nadelhalterung aus Silberblech antiken Alphabetzauber entsprechen, vielleicht gar
zur Fibel umgearbeitet worden. Die Nadel fehlt heute. auf ihn zurückgehen. Die „Fehler“ in der Duesminde-
Bei der Restaurierung entdeckte die Konservatorin Inschrift können auch bewusst gesetzt worden sein,

137
Katalog 36e.4

um dadurch Geister und Dämonen zu verwirren, wie


bisweilen vermutet wird.
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 7,1 cm
Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh.
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35338

36f Im Duesminde-Schatz gibt es ein ungewöhnliches


karolingisches Fundstück, für das bislang keine Paral-
lele im kontinentalen oder nordischen Material be-
kannt ist. Es ist ein gebogenes, im Querschnitt etwa
dreiseitiges massives Objekt mit rundlicher Öse an
einem Ende. Das andere Ende ist glatt und scheint
nicht abgeschnitten zu sein. Sowohl das Ösenloch wie
auch das gesamte Objekt sind stark abgetragen, es hat
also eine längere Nutzungszeit hinter sich.
Der Dekor besteht aus einer über dem Rücken liegen-
den x-förmigen niellierten Leiste, wodurch halbkreis-
förmige Felder auf den Seiten mit je einer symmetri-
schen Palmette entstehen; an den Enden befindet sich
jeweils wieder eine sich über den Rücken des Objekts
legende Palmette. Die Ornamentik ist unzweifelhaft
karolingisch. Wofür das Objekt diente oder wozu es
gehörte, ist unbekannt: vielleicht war es ein Anhänger
vom Pferdegeschirr oder gehörte zur persönlichen
Ausstattung eines Adligen, vielleicht zur Tracht. Ein
3,6 cm langer ähnlich geformter Goldfiligrananhän-
ger kommt aus der Pfalz Paderborn und wird als sla- Katalog 36f
wisch bezeichnet, ohne dass seine Funktion genauer
bestimmt werden konnte (Ausstellungskatalog Pader-
born 1999, Kat.Nr. III.16 – H. Eilbracht). Als Schnal-
lendorn kann der Duesminde-Anhänger kaum gedient Schlüsselbart
haben, da er am Ende zu stumpf ist und die Dorne der
Karolingerzeit alle spitz sind. Aber auch die Zugehö- 36g Zwei Fragmente eines Schlüsselbartes in Form
rigkeit zu einem sakralen Gerät kann nicht ausge- eines „B“s, beidseitig mit Flechtband und Punktrei-
schlossen werden. Im Norden wird es vermutlich von hen verziert. Stark abgenutzt. Durch Annieten zweier
einer Frau als Anhänger getragen worden sein. Ösen zum Anhänger umgearbeitet.
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 5,29 cm Liturgische Schlüssel aus vergoldetem Silber symboli-
Fränkisch, erste Hälfte 9. Jh. sierten den Schlüssel des Apostels Petrus als Zugang
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35383 für das Himmelreich und konnten zur Ausstattung
herausragender Kirchen gehören, aber auch als eine
Art Amtstracht für Bischöfe und Metropoliten. Das
prächtigste Exemplar aus der Karolingerzeit ist der
mehr als ein Kilo Silber schwere Servatiusschlüssel
aus der Abtei in Maastricht, der aus einer königlichen

138
Katalog 36g

Hofwerkstatt stammt, vielleicht mit Einhard in Ver- Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen
bindung gebracht werden kann und vermutlich als 10 Fragmente
eine Art Herrschaftszeichen fungierte (Katalog 17). Fränkisch, 9. Jh.
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 3,71 cm Nationalmuseum Kopenhagen, Inventar C 35369,
Fränkisch, erste Hälfte 9. Jh. 35389, 35370, 35352, 35362, 35337, 35384, 35336,
Nationalmuseum Kopenhagen, Inventar C 35387 x136, x147

Bruchsilber Nordische Arbeiten

36h Eine ganze Anzahl von Gegenständen im Schatz- Im Schatzfund von Duesminde gibt es auch
fund von Duesminde besteht aus kleinen Fragmenten eine kleine Anzahl von mindestens sechs
von karolingischen Schnallen und Beschlägen, die so
klein sind, dass sie als Bruchsilber bezeichnet werden Silberschmuckstücken aus skandinavischen
müssen. Offensichtlich waren viele kontinentale Sil- Werkstätten. Sie sind von besonderer Be-
berarbeiten durch jahrzehntelange Verwendung und deutung für die Datierung des Schatzfun-
Umnutzung zum Teil schon so fragmentarisch gewor-
den, dass sie nur noch einen Metallwert besaßen und
des und für die Frage des Einflusses des
zum Wiedereinschmelzen vorgesehen waren. In Zei- kontinentalen Silbers auf den Norden.
ten der Gewichtsgeld-Wirtschaft war dies ein übliches
Verfahren. Im täglichen Handelsgeschäft des 10. Jahr-
hunderts hat man Barren und Münzen in zum Teil 36i.1 Zwei Fragmente eines Beschlags aus gepresstem
winzige Stücke zerhackt und als Hacksilber in großen (?) Silberblech, vielleicht ursprünglich für ein Käst-
Depots gelagert. chen. Das Stück wurde sekundär zu einem Anhänger

Katalog 36h

139
Katalog 36i.1

umgearbeitet. Es ist mit vogelartigen Tieren im so


genannten Stil D verziert, vergleichbar den durchbro-
chen gearbeiteten Figuren auf dem Rückenbrett des
„4. Schlittens“ aus dem königlichen Schiffsgrab von
Oseberg. Es ist somit in die Zeit von ca. 800–830 zu
datieren.
Silber, gepresst (?), vergoldet; ursprüngliche Gesamtl.
ca. 6 cm
Skandinavisch, 800–830
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35334

36i.2 Zwei Teile einer langen Riemenzunge.


Abgesetzte Nietlasche für vier Silberniete mit Perl-
randblech-Unterlage. Die Vorderseite trägt im Perl-
rand reliefartige Borrestil-Verzierung, in die Rückseite
ist ein vegetabilisierendes Knoten-Flechtmotiv gra-
viert und nielliert. Das Riemenende ist durchgeschnit-
ten und jeweils durch Annietung einer – inzwischen
vergangenen – Öse zu zwei Anhängern umgearbeitet
worden.
Die langen, schmalen u-förmigen Riemenenden der
Wikingerzeit gehen auf karolingische Vorlagen
zurück (vgl. S. 173 ff.).Besonders deutlich wird das an
diesem aufwändig gestalteten Beispiel auch durch das
Material vergoldetes Silber mit Nielloeinlagen und
durch die beidseitige Verzierung, selbst wenn es nor- Katalog 36i.2
discher Dekor ist.
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; ursprüng-
liche Gesamtl. 8 cm Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35382,
Skandinavisch, Ende 9. – erste Hälfte 10. Jh. 35332
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35319
36i.4 Manschette für silberne Fuchsschwanzkette mit
36i.3 Zwei D-förmige Riemenschnallen mit ausge- Öse. Fast quadratische Öffnung mit kleinen Nietlö-
prägter Nadelrast und breitem Bügel, der reliefartig chern am Rand; Öse etwas ausgetragen. Gestaltet als
mit Profiltieren im Borrestil verziert ist. Wegen der Tierkopf mit Kugelschnauze mit runden, flach
Übereinstimmungen (geperlte Randleiste und geripp- gewölbten Augen; die niello-punktierte Stirn- und
te Greifarme- und -beine; Niellopunktierung) mit dem Wangenpartie mit leicht erhabenen Ohren. Das Kor-
Riemenende, auch in den Maßen für einen ca. 2 cm pus ist mit Flechtband im Jellingstil bedeckt.
breiten Riemen, liegt nahe, sie als zu einem Satz Rie- In solchen, gewöhnlich paarweise benutzten Man-
menbeschläge zu zählen. schettenbeschlägen wurden die Enden von silbernen
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; Bügelb. Fuchsschwanzketten mit Nieten befestigt (vgl. Kata-
ca. 3,95 u. 3,96 cm log 34). In den Ösen wurden Silberdrahtösen als Ver-
Skandinavisch, erste Hälfte 10. Jh. schluss oder für weitere Anhänger eingehängt.

140
Katalog 36i.3 Katalog 36i.4

Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 2,15 cm Funktion (für eine Messerscheide oder ein Kästchen?)
Skandinavisch, erste Hälfte 10. Jh. und Verzierung sind schwierig zu bestimmen: Der
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35324 langschnauzige Tierkopf weist eher auf Tierstil der
jüngeren Wikingerzeit.
36i.5 Zwei Fragmente eines kleinen Beschlags mit Silber, gegossen, vergoldet; ursprüngliche Gesamtl.
geschweiften Seiten; das kleinere Fragment ist am ca. 6 cm
Zapfen abgeschnitten. In den glatten eingetieften Skandinavisch, 10. Jh.?
Flächen saßen ursprünglich Einlagen (aus Bein?). Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35367

141
Charakter des Schatzes

D er Schatz von Duesminde


besteht ausschließlich aus ver-
goldetem und nielliertem Sil-
ber, nur zwei Stücke sind nicht mit Niello
verziert. 90 Prozent, gewichtsmäßig noch
mentarisch. Der Schatz ist in seiner jetzigen
Zusammensetzung nicht der Ertrag eines
oder weniger wikingischer Beutezüge des 9.
Jahrhunderts. Die einzelnen Teile sind nicht
bei einer Gelegenheit, sondern vermutlich
mehr, sind fränkischen Ursprungs aus der über einen längeren Zeitraum zusammen-
Zeit von etwa 820–870; die anderen Stü- getragen worden. Sie können in einem grö-
cke sind nordisch. Die zeitliche Streuung ßeren Bereich Skandinaviens gesammelt
der Bestandteile des Schatzes reicht von und angekauft worden sein, wahrschein-
ca. 790/800 (skandinavische wie auch kon- lich in Südskandinavien und insbesondere
tinentale Funde) bis 950/80 (nordische im heute dänischen Raum. Da es sich um
Stücke). ein völlig homogenes Material (vergolde-
Die meisten Gegenstände zeigen Spuren tes Silber) handelt, und nicht etwa, wie
einer Umarbeitung zu Fibel oder zumeist bei Beuteschätzen üblich, aus den verschie-
Anhänger; andere, wie etwa Schnallen, densten Objekten zusammengesetzt ist,
könnten ebenfalls als Anhänger gebraucht sollte das Silber sicher wieder eingeschmol-
worden sein. Dies ist charakteristisch für zen werden. Somit ist es sehr wahrschein-
die meisten karolingischen Silberbeschläge lich, dass es sich beim Duesminde-Schatz
im Norden; neu ist indes, dass offensicht- um das Metalldepot eines Goldschmieds
lich ganze oder partielle Sätze etwa von der oder eines Händlers handelt. In karolingi-
Schwertaufhängung, vom Zaumzeug oder sche Währung umgerechnet entsprachen
von der Sporenbindung zu geschlossenen die 1.300 g Silber etwa 810 Denaren; dafür
Schmuckensembles umgestaltet wurden. erhielt man auf dem Kontinent im 9. Jahr-
Auch einige der späten nordischen Stücke hundert etwa 10 Schwerter mit Scheide, 55
sind umgearbeitet. Erst nachdem die Stü- Kühe, 3 Pferde oder 5 Sklaven. Für seinen
cke in ihrer Zweitverwendung abgetragen dänischen Eigentümer, möglicherweise ein
und nicht mehr funktionsfähig waren, lokaler Magnat, der Handel trieb und viel-
gelangten sie in den Schatz. Es ist somit leicht einen eigenen Goldschmied beschäf-
ausrangiertes Altmetall. Rechnet man eine tigte, bedeutete der Schatz also einen schö-
gewisse sekundäre Tragezeit hinzu, kann nen Besitz, aber kein riesiges Vermögen.
der Schatz nicht vor der Mitte, vermutlich Doch warum wurde der Schatz ausgerech-
erst in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhun- net auf Lolland deponiert, das nicht eben
derts abschließend zusammengestellt wor- im Zentrum des dänischen Königreiches
den und in den Boden gelangt sein. lag, und warum gibt es von hier noch wei-
Es ist nicht vorstellbar, dass alle Stücke tere reiche Importfunde in der Wikinger-
aus nur einer Familie stammen oder gar nur zeit, wie etwa das kultische Trinkservice
von einer Frau getragen wurden – dazu von Fejø (Katalog 43)?
sind der Schmuck einerseits zu heterogen
und die Ensembles andererseits zu frag- Egon Wamers

142
Lolland – das Tor nach Skandinavien

Wulfstan sagte, dass er von Haithabu engen Kontakt zwischen den Bewohnern
reiste, dass er nach sieben Tagen und Lollands und den Slawen, und eine Anzahl
Nächten nach Truso kam und dass das von slawischen Ortsnamen auf Lolland
Schiff die ganze Fahrt über unter Segel belegt eine, wenn auch nur begrenzte,
stand. Wendland war auf Steuerbord, slawische Besiedlung. Auch das Karolingi-
Langeland auf Backbord, auch Lolland sche und später das Ottonische Reich lagen
und Falster und Scania (Schonen), vergleichsweise nahe an Lolland. Etwa
und alle diese Länder gehören zu 100 km südwestlich erstreckte sich im
Dänemark. Süden Jütlands das Danewerk, das seit
dem frühen 8. Jahrhundert als befestigter
Dieser knappe Bericht über eine Schiffsrei- Grenzwall zwischen den dänischen und
se, die eigentlich eher eine Segelanweisung den fränkisch-sächsischen Herrschaftsbe-
ist, stammt vom angelsächsischen Fern- reichen fungierte. Lolland lag somit in
händler Wulfstan, der kurz vor 900 von einem zentralen, aber unruhigen Grenz-
Haithabu an der Schlei nach Truso an der gebiet, unweit zu den Slawen und ihren
Weichselmündung fuhr (Lund 1983) (vgl. Handelsplätzen im heutigen Norddeutsch-
Karte S. 2; Abb. 47). Danach gehörte land.
Lolland, wie „Dänemark“ hier erstmals 1999 wurde von Archäologen des Lol-
erwähnt, zum dänischen Machtbereich land-Falster Stiftsmuseums bei Hollnæs im
und bildete schon in der Wikingerzeit die Westen Lollands eine Hofanlage der späten
Grenze in der südlichen Ostsee zwischen Wikingerzeit ausgegraben. Zum Hof
den Skandinaviern im Norden und den gehörte ein Bootsschuppen, der Platz für
Slawen im Süden. ein kleineres Frachtschiff von 13 m Länge
Mit 1.241 Quadratkilometern ist Lol- hatte. Mit einem Boot derselben Fahrtge-
land die drittgrößte und gleichzeitig die schwindigkeit wie das Schiff von Wulfstan
südlichste Insel Dänemarks und damit konnten die Bewohner Westlollands die
auch der südlichste Punkt Skandinaviens, reiche Handelsstadt Haithabu an der
von wo aus es nur wenige Kilometer bis Schlei in weniger als 24 Stunden erreichen.
nach Fehmarn und dem heutigen Deutsch- In anderthalb Tagen war man am Handels-
land sind. platz Ralswiek auf Rügen und weitere 12
Archäologische Funde zeugen von einem Stunden später in Wollin in Polen.

143
Lolland zur Wikingerzeit

M it 33 m über dem Meer ist


Lolland selbst für dänische
Verhältnisse sehr flach, und
so bedeutet auch der Ortsname „Lolland“
„niedriges Land“. In seiner gesamten
Sicherlich waren der gute Ackerboden
und die große Strandwiesen für die Weide-
zucht attraktiv für die Bauern der Wikin-
gerzeit, aber auch der schnelle und leichte
Transport vom seichten Fjord zur Siedlung
Geschichte war die Insel dicht besiedelt, und zurück sowie die Sicherheit gegenüber
auch in der Wikingerzeit (Abb. 43). Inten- feindlichen Überraschungsangriffen schu-
sive archäologische Untersuchungen mit fen große Vorteile. Archäologische Funde
Metalldetektoren und jüngere Grabungen und Runensteine zeigen, dass der heute
haben zahlreiche neue Siedlungen der ausgetrocknete Rødby Fjord Lollands wirt-
Wikingerzeit erbracht mit Siedlungs- schaftliches und politisches Zentrum im
schwerpunkten um den Rødby Fjord im 8. bis 10. Jahrhundert bildete. Die sechs
Süden und Nakskov Fjord im Westen. Die- Runensteine Lollands ebenso wie die reich
ses Bild wird von der mittelalterlichen ausgestatteten Gräber der Wikingerzeit
Kirchspiel-Einteilung unterstützt, wobei stammen von der Umgebung des Fjords
die Kirchspiele am dichtesten an diesen und dem näheren Hinterland, und auch
Fjorden liegen, was auf eine hohe Bevölke- Duesminde und Vejleby gehören zu den rei-
rungszahl schließen lässt. chen und außergewöhnlichen Funden im
„Reichtums-Zentrum“ am Rødby Fjord.

Kaupang
Kaupang
Birka
Birka

Abb. 47
Grobin Lolland im Süden von
Dänemark und nahe
nen
Grobin
zum Fränkischen Reich
Åhus ho und den Slawen
Sc

Ribe Åhus (Wendland). Markiert


Ribe
Langeland Lolland ist Wulfstans Reiseroute
Falster ca. 900 n.Chr. von
Haithabu
Haithabu Haithabu nach Truso,
Ralswiek die ihn an Lolland
Reric Wollin Truso
Truso
Wollin vorbei führte und
Reric
W e n d l a n d sieben Tage und Nächte
dauerte (nach Skamby
Madsen)

144
Der Herr von Vejleby

N ur mächtige Männer der Wi-


kingerzeit konnten so große
Reichtümer ansammeln wie
den Silberschatz, und zusammen mit einem
Runenstein und dem ersten Silberschatz
sein Vater oder Großvater einen Teil des
Schatzes von einem Zug nach Süden mit
heim nach Lolland gebracht.
Ein anderer interessanter Runenstein aus
Lolland ist der von Bregninge. Auf ihm ist
von Duesminde legt er Zeugnis von einer ein gewisser „Haklangr“ genannt – ein
reichen und mächtigen Familie ab, die äußerst seltener Name. Es wurde vermutet,
im 9. und 10. Jahrhundert in Vejleby resi- dass er vielleicht mit jenem Haklangr iden-
dierte. tisch ist, der laut einem norwegischen
Preislied an der berühmten Schlacht im
„Asråd und Hildvig errichteten diesen Hafrsfjord bei Stavanger beteiligt war.
Stein nach ihrem Verwandten Frede. In dieser Schlacht errang um 870 der nor-
Er war damals der Schreck der Männer wegische Kleinkönig Harald Schönhaar
und er fand den Tod in Svitjod die Oberherrschaft über Viken, die Land-
(Schweden) und war der Erste in schaft um den Oslofjord herum, und be-
Fredegars Schar, danach alle Wikinger“. endete die dortige jahrzehntelange däni-
sche Oberhoheit für etwa 100 Jahre.
So lautet die Inschrift auf dem zweit- Da Haklangr die dänische Oberhoheit
größten Runenstein Dänemarks, dem über Viken verteidigte und repräsentierte,
„Tirsted-Stein“, der ursprünglich südlich wird er zur obersten Führungsschicht des
von Vester Tirsted stand, einen Kilometer Landes gehört haben und mit der däni-
von Vejleby entfernt (Moltke 1976; Løkke- schen stirps regia verbündet gewesen sein
gaard-Poulsen 1989) (Abb. 48). Der Res- (Wamers 1998).
pekt einflößende Stein ist von den Schwes- Weitreichende internationale Verbin-
tern Asråd und Hildvig für ihren verstor- dungen zeigen auch andere Funde aus der
benen Bruder errichtet worden. Frede Umgebung. Der erste Schatz von Duesmin-
starb während eines Zugs in Schweden; de (1–3: Munksgaard 1961, 1963, 1969)
im Verlaufe solcher Wikingerzüge dürf- besteht aus 23 Silber- und einem Goldring,
ten auch die Riemengarnituren nach Lol- insgesamt 1163 g (Abb. 44). Diese so
land gelangt sein. Frede stand dabei im genannten permischen Ringe sind überwie-
Dienste eines Mannes namens Freger, gend im Ostbaltikum und in Russland ver-
wohl eines lokalen schwedischen Großen, breitet und dienten als Zahlungsmittel. Der
und zwar als Anführer der „Wikinger“, Schatzfund dürfte gegen Ende des 9. Jahr-
das heißt derjenigen, die auf Wiking aus- hunderts in den Boden gelangt sein. Ob
zogen. Söldner zu sein war gefährlich, und dieses Ringgeld durch direkten Kontakt
Frede musste es mit seinem Leben bezah- mit Russland oder Gotland nach Lolland
len. kam oder durch Handelskontakte vermit-
Es könnte durchaus Frede selbst gewe- telt, kann nicht entschieden werden.
sen sein, der den Schatz mit karolingi- In eine ganz andere geographische Rich-
schem Silber noch vor seinem fatalen Zug tung weist eine Fibel in einem Frauengrab
nach Schweden vergrub, denn der Stein von Vejleby. Es handelt sich hierbei um
wurde gegen 950 errichtet. Vielleicht hatte einen umgearbeiteten Buchbeschlag aus

145
Irland oder Nordengland, der – als Beute
nach Dänemark gelangt – zu einer Fibel für
eine Frau umgearbeitet worden war. Ob
ein Lolländer direkt an einem Wikingerzug
in den Westen beteiligt war, oder ob dieses
Stück sekundär hierher verhandelt worden
war, ist offen. Doch die weitgestreckten
Verbindungen von Fredes Familie bei
Vejleby nach Süden, Osten und Westen
werden in diesen Funden exemplarisch
deutlich.
Der karolingische Silberschatz von
Duesminde liegt, wie oben schon ausge-
führt, nicht auf dem Gelände einer alten
Siedlung, sondern im freien Feld. Doch nur
1 km westlich von ihm konnten Lolland-
Falsters Stiftsmuseum und das National-
museum Kopenhagen Teile einer Siedlung
der Wikingerzeit und des frühen Mittelal-
ters ausgraben (Snedker 1971). In ihrem
Umkreis fand sich auch ein Bronzepress-
model aus dem Ende des 10. Jahrhunderts
zur Herstellung von runden Silber- oder
Goldfibeln (Christiansen 1948). Gold- und
Silberschmiede arbeiteten in der Wikinger-
zeit aber stets an Königs-, Adels- oder Her-
renhöfen, womit das Pressmodel also einen
Hinweis auf einen Herrenhof an dieser
Stelle gibt, vielleicht den von Frede. Der
hier in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhun-
derts tätige Schmuckschmied wird von sei-
nem Herrn die Aufgabe erhalten haben,
den großen Schatz mit Altmetall für die Abb. 48
Runenstein von Tirsted.
jetzt völlig neue Schmuckmode einzu-
Der – nach dem
schmelzen. Sicherlich nicht alles, aber Jellingstein –
zumindest einiges von den lange getrage- zweitgrößte
nen und teilweise reparierten Stücken des wikingerzeitliche
Runenstein Dänemarks
Schatzes wird aus dem Familienschmuck ist heute im
von Fredes Sippe stammen. Ob der Nationalmuseum
Schmied das kostbare Alt-Silber selbst ver- Kopenhagen ausgestellt
(nach Moltke 1976).
grub, um es bei passender Gelegenheit wie-
der zu heben und zu verarbeiten, oder
wahrscheinlich doch eher sein Herr – darü-
ber darf spekuliert werden.

146
Lolland – ein Kleinkönigtum?

„... jener Harald, der für sich gewann größten „Volksburgen“ Dänemarks auf
ganz Dänemark und Norwegen und der Lolland und der Nachbarinsel Falster lie-
die Dänen christlich machte“. gen: Virket auf Falster, das etwa 1 km2
groß ist, die Burg bei Hejrede in Mittellol-
Mit diesen Worten beendet König Harald land mit 4,5 km2 (Abb. 49) sowie die neu
Blauzahn seine Gedenkinschrift auf dem entdeckte Anlage bei Halsted Dyrehave
Großen Runenstein von Jelling in Jütland. mit etwa 1 km2 Größe. Sie wurden vermut-
Der Stein wird bisweilen auch als Däne- lich schon in der Jüngeren Eisenzeit als
marks Geburtsurkunde bezeichnet, weil Fluchtburgen für die Bevölkerung von Lol-
auf ihm Harald ein geeintes Reich unter land-Falster in Zeiten der Unruhe errichtet
einem christlichen König proklamiert. (Thorsen 2001). Selbst wenn diese Vertei-
Abb. 49
Das Reich, das Harald schuf, wurde aus digungsanlagen natürliche Geländebedin-
Östlicher Wall der
„Volksburg“ Hejrede, einer ganzen Anzahl von Kleinkönigtü- gungen wie Moore und Sümpfe nutzen,
der ursprünglich mern mit Hilfe politischer Allianzen und waren zu ihrer Errichtung große Erdarbei-
1,3 km lang und mehr mit Waffengewalt zusammengeschmiedet, ten nötig und eine dafür erforderliche
als 2 m hoch war und
einen tiefen Vorgraben und vermutlich gehörte auch Lolland dazu. Organisation. Diese „Volksburgen“ liegen
aufwies Das liegt schon deshalb nahe, weil die drei strategisch günstig mit einem möglichst

147
kurzen Fluchtweg für möglichst viele Men- nicht denkbar. Es bedurfte beträchtlicher
schen, und sie wurden dort angelegt, wo politischer Energie, die Arbeiten zu planen,
später die mittelalterlichen Herreder (Ge- Bautrupps zu rekrutieren sowie die Vertei-
richtsbezirke) entstanden. digung zu organisieren und die Bevölke-
Auch zu Wasser wurde die Verteidigung rung zu evakuieren.
organisiert. Rund um Lolland gibt es ver- Noch wissen wir nicht, wer die politi-
schiedene Seesperren, die eventuellen Fein- sche und wirtschaftliche Macht innehatte,
den einen Angriff von See her erschwerten. doch vielleicht lag sie bei der Sippe Fredes.
Gerade im Rødby Fjord liegt bei Hominde Die reichsten Funde aus Lolland konzen-
eine 200 m lange und 8 m breite Barriere trieren sich um Vejleby, wo die Familie von
aus dicht nebeneinander bis unter die Was- Frede wohnte. Es war nicht irgendeine
seroberfläche eingerammten Pfählen, die Familie, und vielleicht muss man genau
einen der Seezugänge zum Fjord absperren hier die Wikingerkönige Lollands suchen.
(Abb. 43). Die ältesten Teile dieser Anlage
Literatur: Christiansen 1948; Moltke 1976; Munks-
sind auf 930 datiert, doch wurde sie im 12. gaard1961; Munksgaard 1963; Munksgaard 1969;
Jahrhundert als Wehr gegen Angriffe sla- Snedker 1971; Lund 1983; Løkkegaard-Poulsen
wischer Wenden ausgebaut. 1989; Wamers 1998; Katalog Paderborn 1999;
Düwel 2001; Thorsen 2001; Katalog Berlin, Mann-
Die Errichtung solcher großen Verteidi- heim 2002; Schilling 2003; Stoklund 2004
gungsanlagen und massiver Seesperren ist
ohne eine starke, stabile politische Macht Henrik Schilling

148
Imitatio Imperii – Silber verändert den Norden

,, Siehe, da kamen geflogen


der Schiffe wohl hundert
auf Rheines Fluten, und ihnen
gesellt schimmern die Segel so
weiß, welche mit dänischer
Völker Geschenken beladen sich
nähern; Harald, den König,
voraus führet das vorderste
Schiff. Nach dir, Ludwig,
verlangt er ... ,,
Ermoldus Nigellus, Carmen 287–291,
Harald Klak reist 826 zur Taufe
nach Ingelheim
Splendor imperii

S eit alters geht vom Süden eine unwi-


derstehliche Faszination für den
Norden aus. Die fruchtbaren und
viel versprechenden Länder im milden
Klima südlicher Sonne galten immer als
Westgoten in Südgallien und Spanien und
am nachhaltigsten die Franken in Nordgal-
lien traten das Erbe des sich auflösenden
Imperiums an. Und sie unternahmen alle
Anstrengungen, in dieser Nachfolge so nah
elysische Gefilde unbeschwerten Überflus- wie möglich am alten Imperium und seinen
ses und Ziel aller Sehnsucht. An ihrem Formen der Macht, Repräsentation und
Reichtum, an ihrer Zivilisation und an Organisation Vorbild zu nehmen. Latein
ihrem urbanen Leben mit all den Annehm- (zum Teil auch Griechisch) blieb weiterhin
lichkeiten und Lustbarkeiten wollte man die Sprache für Politik, Diplomatie, Ver-
Teil haben. In den Jahrhunderten nach der waltung, Wissenschaft und Kunst; das
Zeitenwende zog es die Bewohner des neb- Christentum, seit Konstantin die junge
ligen Germanien und des eisigen Skandina- römische Staatsreligion, wurde zum ver-
vien voll Staunen, aber auch voller Hunger bindlichen Glauben für die Barbarenrei-
ins IMPERIVM ROMANVM. Der gewaltige che; das städtische Leben und die Wirt-
römische Miltärapparat, ebenso rational- schaftsformen gingen – auf niedrigerem
effektiv wie religiös ritualisiert, die unge- Niveau – weiter; die Residenzen wurden
heuren materiellen, architektonischen, in den bedeutenden Städten eingerichtet,
militärtechnischen und künstlerischen und ansonsten versuchte man, den Pomp
Zeugnisse der Macht des Imperiums und und die Glorie des IMPERIVM ROMANVM so
seines Imperators einschließlich eines blen- gut es ging nachzuahmen. Kaum vorstell-
denden Hofzeremoniells, eine im Norden bar sind auch die tief greifenden Verän-
unvorstellbare komplexe Rechtsordnung, derungen, die die Begegnung mit dem
die Schriftlichkeit mit ihren fast grenzenlo- Römischen Reich in Germanien und Skan-
sen kommunikativen Möglichkeiten sowie dinavien im wirtschaftlichen, religiösen,
ein Währungs- und Wirtschaftsystem, eine kulturellen und vor allem sozialen Leben
Industrialisierung und ein Straßen- und bewirkten. Das Echo dieses Aufeinander-
Verkehrswesen, wie sie erst in der Neuzeit treffens, bei dem der Norden durchweg der
wieder erreicht wurden: all das machte empfangende Teil war, hallte noch Jahr-
die Reiche des Südens für die Völker des hunderte später nach.
Nordens zum Modell einer alternativen Doch machtpolitisch wurde eine echte
Lebensform. Anknüpfung an das alte weströmische
Unzählige junge Germanen traten, zum Imperium nach den Zersplitterungen der
Teil in ganzen Verbänden, in das römische Völkerwanderungs- und Merowingerzeit
Heer ein, taten Dienst in der Leibwache erst mit dem aggressiv-expansiven Fran-
des Imperators und des Basileus und konn- kenreich unter den Karolingern des 8.
Abb. 52
Obergeschoss des
ten zu römischen Bürgern werden und bis Jahrhunderts geknüpft. Sie gipfelte in Karls
Oktogons der Aachener in höchste Rangstufen aufsteigen. Ganze des Großen Übernahme der römischen
Pfalzkapelle mit gentes wurden in das Reich eingegliedert Kaiserwürde, verliehen durch den Papst
Bronzegittern und Blick
und bildeten in der Völkerwanderungszeit Weihnachten 800, dem damit verbundenen
auf den Thron Karls
des Großen germanische Reiche auf römischem Boden. Anspruch auf „Weltherrschaft“ und dem
(Domkapitel Aachen) Ostgoten und Langobarden in Italien, daraus folgenden, auf Urkunden-Bullen

151
proklamierten Programm der „Renovatio unter fränkischer Führung reichte um 800
Romani Imperii“. Diese Erneuerung des von Mittelitalien im Süden bis an die
Römischen Reiches unter fränkischer Nordsee im Norden, von der Atlantikküste
Herrschaft bedeutete nichts anderes als die Galliens bis zur Elbe am Rande Germa-
Verbindung des fränkischen Königtums niens (Karte S. 2). Ein kaum schlagbares
mit dem alten Rom. Nicht nur in der Über- Heer, aufwändige Hofhaltung, imposante
nahme des Titels (IMPERATOR AVGVSTVS), Steinarchitektur, wiederbelebte Städte, Be-
sondern auch in der Architektur, im Münz- festigungen und Klosteranlagen, die ein-
wesen, in Schrift, Kunst und Bildung flussreiche Wirtschafts- und Kulturzentren
wurde direkt und unmittelbar auf klassi- waren, Ausbau von Verkehrswegen und
sche römische Formen zurückgegriffen. Märkten und der Aufbau eines weit rei-
Aachen, das Herz Karlischer Macht und chenden Fernhandels: das war tatsächlich
Symbol des Neuanfangs, wurde zum in dieser Konzentration etwas völlig Neues
„neuen Rom“, Karl zum „neuen Konstan- in den Ländern östlich des Rheins und
tin“. Dieses erneuerte IMPERIVM ROMANVM nördlich der Donau.

152
Novus David

I n geistig-religiöser Dimension trat


Karl der Große hingegen nicht nur das
lateinisch-christliche Erbe, sondern
auch das des Alten Testamentes an. Wohl
mit der Etablierung des Hofes in Aachen
als „Nabel der Welt“ und als irdischer
Ort des Paradieses. In Jerusalem lag das
Grab Adams, hier wurde Christus gekreu-
zigt und begraben, hier wurde sein leeres
Grab zur Hoffnung der Auferstehung, hier
nach 794 galt er in seinem gelehrten Hof- gründete sich auf dem Berg Zion die Urge-
kreis als novus David, damit wie der alttes- meinde, und hier sollte dereinst das Endge-
tamentliche Priester-König auch seine richt vollzogen werden. Jerusalem war die
Funktion als geistlicher Herrscher ausdrü- Heilige Stadt, und in der Form des Himm-
ckend. Ganz in diesem Sinne erhielt lischen Jerusalems war sie Symbol der
Aachen, das als herrscherliches und geisti- Erlösung und Verheißung. Seit der ost-
ges Zentrum auch „neues Rom“ und römische Kaisers Konstantin und seine
„neues Athen“ genannt wurde, eine dritte Mutter Helena Jerusalem mit Kirchen,
bildhafte Bezeichnung: „neues Jerusalem“, allen voran der Grabeskirche (335 einge-
wobei seine wundergleiche Pfalzkapelle als weiht), und Klöstern sowie mit Siegestro-
neuer Tempel und als religiöses Zentrum paia wie dem monumentalen Gemmen-
des populus christianus begriffen wurde. kreuz am Golgathafelsen ausgestattet hat-
Und Einhard, der Leiter der Hofschule und ten, war sie die zentrale Wallfahrtsstadt
Vorsteher der Aachener Bauhütte, erhielt der Christenheit. Bald wurden hier in
den symbolischen Beinamen Beseleel, wel- gesonderten Räumlichkeiten auch das
cher die Stiftshütte des Salomonischen Grab Davids, die Abendmalsstätte, das
Tempels geleitet hatte. War David die prae- hier aufgefundene Wahre Kreuz und der
figuratio Jesu, so galt Karl als postfiguratio Abendmalskelch verehrt. Im Zentrum
Davids. stand jedoch stets das Grab Christi mit der
In diesen Kontext fügt sich die Übernah- Grabeskirche, wo die Pilger kleine Ampul-
me der – zumindest symbolischen – len mit Öl von der Lampe und Erde vom
Schirmherrschaft über Jerusalem, der Stadt Grab als wirkungsmächtige Reliquien
Davids, durch Karl den Großen kurz nach erwerben konnten. Zahlreiche Kirchen,
800, was nicht nur von Zeitgenossen, son- Klöster und andere Einrichtungen mit
dern auch in den Jahrzehnten danach als einer großen Zahl an Klerikern, die im
epochal empfunden wurde. Damit kamen, 9. Jahrhundert noch gut 150 umfasste,
wenigstens formal, die heiligsten Stätten ließen sich in Jerusalem nieder zur Anbe-
der Christenheit: die Grabeskirche mit dem tung und Pflege der loca sancta und zur
Golgatha-Felsen, die Kreuzauffindungs- Betreuung der Pilger. Darunter befand sich
stätte und die Marienkirche, ferner die auch eine beträchtliche Zahl von „Fran-
Kirche Unserer Lieben Frau vom Kalva- ken“, die enge Verbindungen nach Rom
rienberg und die Himmelsfahrtkirche auf und ins Fränkische Reich hielten. Der
dem Ölberg sowie zahlreiche fromme Stif- Patriarch von Jerusalem, der im nördlich
tungen und Klöster wieder unter eine an die Grabeskirche anschließenden Patri-
christliche „Herrschaft“. Jerusalem galt archat residierte, stand den Gemeinden
für Juden und Christen, partiell später und Einrichtungen vor, von denen er auch
auch für Moslems, als umbilicus mundi, gewählt wurde.

153
614 wurde Jerusalem von den persischen
Sassaniden erobert und das Heilige Grab
mit Grabeskirche beschädigt; das Heilige
Kreuz verschleppte man nach Persien.
Bereits 626 waren Grab und Grabrotunde
jedoch wiederhergestellt und mit einem
neuen Eingang im Osten versehen worden,
vor dem nach der Beschreibung des Pilgers
Bernhard (ca. 865/870) vier Säulen gestan-
den haben sollen. 628 brachte der byzanti-
nische Kaiser Heraklios das Heilige Kreuz
im Triumph wieder zurück. Mit der arabi-
schen Expansion und Einnahme Jerusa-
lems 637 gehörte die Stadt zum muslimi-
schen Machtbereich, das heißt zu Karls
Zeit: dem der Abbasiden, des Kalifats von
Bagdad. Doch noch immer standen die von
griechischen und lateinischen Geistlichen
betreuten christlichen Heiltümer, Kirchen
und Klöster unter der Aufsicht des Patriar-
chen. Ende des 8. Jahrhunderts indes wur-
den die heiligen Stätten durch Beduinen-
Überfälle bedroht, so dass Karl sich seit
797 um ihren verstärkten Schutz beim
Kalifen Harun-al-Raschid bemühte. Durch
Gesandschaften ließ er „Gaben zu dem
Heiligen Grabe unseres Herrn und Hei- enge geistige und quasi-institutionelle Ver- Abb. 50
lands und zum Orte seiner Auferstehung“ bindung des neuen Kaisertums mit den Tempel-Signet mit
RELIGIO XPICTIANA-
schicken (Einhard, Vita Karoli, Kap. 16). Ursprungsstätten der Christenheit aufge- Umschrift. Rückseite
Schon 799 „kam ein Mönch aus Jerusa- fasst. In den Folgejahren folgten vielfältige der Bildnismünze Karls
lem und überbrachte dem König vom materielle und personelle Unterstützungen des Großen Abb. 3,
Staatliche Museen
Patriarchen von Jerusalem Segen und Reli- durch Karl, darunter auch die Errichtung
Berlin, Münzkabinett
quien vom Grabe des Herrn“ (Reichsanna- eines Hospizes, die besonders den Ausbau (nach 800)
len). Zwei Tage vor seiner Krönung in der heiligen Stätten und die Versorgung der
Rom überbrachten – in Vertretung der bei- christlichen Einrichtungen und Betreuung
den Kirchen – zwei Mönche aus Jerusalem, der Pilger in Jerusalem zum Ziel hatten.
ein griechischer (vom Kloster St. Sabas) Kann man in diesem Zusammenhang
und ein lateinischer (vom Kloster auf dem auch das wohl noch zu Einhards Zeit
Ölberg), „die Schlüssel zum Grab des geschaffene Denkmal sehen (Katalog 17),
Herrn und zur Schädelstätte, auch die jenen prachtvollen, ornamental anspie-
Schlüssel zur Stadt und zum Berg (Zion) lungsreichen Schlüssel aus St. Servatius in
mit einem vexillum (Kreuzesfahne)“ Maastricht, in dessen Bart das weltum-
(Reichsannalen). Nach den Worten Ein- spannende „Jerusalem-Kreuz“ eingebracht
hards bewilligte Harun-al-Raschid, „dass war? Dieses seit dem 6. Jahrhundert oft
jene heilige und heilbringende Stätte sei- verwendete gleicharmige Kruckenkreuz
nem (Karls) Machtbereich (potestas) zuge- mit kleinen Winkelkreuzchen nimmt Bezug
wiesen würde“. Doch selbst wenn es sich auf die fünf Wunden Christi, ist spätestens
hierbei lediglich um symbolische Geschen- seit dem hohen Mittelalter allgemeines
ke des Klerus von Jerusalem aus Dankbar- Kennzeichen der „Brüder und Schwestern
keit für Karls Fürsorge für die griechischen vom Heiligen Grabe in Jerusalem“ und
und lateinischen Christen im Orient gehan- später des „Ordens der Ritter vom Heili-
delt haben sollte, wurden sie im Westen als gen Grab in Jerusalem“. War mit dieser

154
die Karl Ende 800 aus Jerusalem erhielt,
darunter sicher auch Kreuzpartikel, von
denen vielleicht auch ein Splitter in sein
Brustkreuz (Katalog 18) gelangte. Auch
auf die bald nach der Kaiserkrönung 800
einsetzende veränderte Münzprägung blieb
dieser Vorgang nicht ohne Einfluss: Ganze
Serien von Denaren Karls, seines Sohnes
und seiner Enkel erhielten auf der Rücksei-
te neben der Nennung des Imperators jetzt
die Umschrift „XPICTIANA RELIGIO“,
oder – wenn wie auf der Vorderseite gele-
sen wird – „RELIGIO XPICTIANA“
(„christliche Religion“) mit einem kleinen
antiken Tempel-Ikon, in dessen Innern und
auf dessen Giebel ein Kreuz angebracht ist
(Abb. 50). Wie Victor Elbern in zahlrei-
chen Studien herausgearbeitet hat, sind
spätestens seit dem 6. Jahrhundert das
Gemmenkreuz auf der stufenförmigen
Golgatha-Anhöhe und das Grab bezie-
hungsweise die Grabeskirche in Form eines
bekreuzten Rundtempels (Tholos), die aus-
tauschbar auch als Lebensbrunnen wieder-
gegeben sein kann, zu weit verbreiteten
Chiffren der heiligsten Stätten der Chris-
Abb. 51 geistlichen Insignie aus vergoldetem Silber, tenheit geworden, die als Piktogramme
Frühbyzantinisches dem christusgleichen Electrum („electrum unzählige Kunstwerke und Pilgeranden-
Steinrelief mit
Darstellung der
est Christus“, s. S. 85), auf den „David- ken zierten oder sogar architektonisch
Grabeskirche in schlüssel“ aus der Apokalypse des Johan- nachgebildet wurden. Dabei zeigen die
Jerusalem (Dumbarton nes angespielt, jenes geheimnisvolle In- berühmten Pilgerampullen mit Öl vom
Oaks Collection,
strumentum des „Heiligen und Wahr- Heiligen Grab noch den Zustand des 6.
Washington)
haftigen“, „welches öffnet, dass niemand Jahrhunderts mit Rundtempel und geglie-
schließen kann, und welches schließt, dass dertem Spitzdach, vermutlich so, wie ihn
niemand öffnen kann“? Ein solcher über 1 Konstantin errichten ließ. Nach dem 626
kg schwerer, technisch hochkomplexer Sil- abgeschlossenen Wiederaufbau erhielt die
berguss ist am ehesten aus einer kaiserli- Grabeskirche im Osten einen neuen, von
chen Hofwerkstatt der ersten Jahrzehnte vier Säulen flankierten Eingang, wie vom
des 9. Jahrhunderts denkbar, als die Idee fränkischen Pilger Bernhard 865/870
einer kaiserlichen Schutzherrschaft über beschrieben, und war von einem vergolde-
die loca sancta der Stadt Davids en vogue ten Kreuz überkrönt, wie aus einem Pilger-
war. Sein Rankenwerk steht in enger Bezie- bericht des späten 7. Jahrhunderts bekannt
hung zum Ornamentschmuck des Godes- ist.
calc-Evangelistars und anderer Werke der Natürlich liegt bei diesem Münzbild sti-
Hofschule Karls des Großen (anders oben listisch eine große Nähe zur Darstellung
S. 63 ff.). Der Schlüssel aus dem Servatius- heidnischer Tempel auf Rückseiten spätan-
stift in Maastricht mit Jerusalem-Kreuz im tiker Münzen vor. Der Tempel wurde
Bart kann vielleicht gar als eine opulente durch die Kreuze im Innern und auf dem
symbolische Nachschöpfung des Jerusa- Giebel aber nicht einfach zu einer Kirche,
lem-Schlüssels gesehen werden. die im Sinne der „Renovatio“ der gewan-
Des Weiteren werden die Reliquien vom delte heidnische Tempel war. Ein templum
Heiligen Grabe eine Rolle gespielt haben, mit einem Kreuz im Innern und einem

155
Abb. 53
Lebensbrunnen.
Achteckige Tholos mit
Gittern. Godescalc-
Evangelistar (781-783)

Kreuz auf dem Giebel war zum einen kon- wie etwa auf einem frühbyzantinischen
kretes piktogrammatisches Abbild der Steinrelief wiedergegeben (Abb. 51). Auch
Grabeskirche und in der frühchristlichen mit dem „christlichen Tempel“ auf dem
und frühmittelalterlichen Bildsprache all- Münzrevers war konkret der Grabbau
gemein das Zeichen für die Grabeskirche, Christi in Jerusalem gemeint (Elbern 1963

156
Abb. 54
Goldarmring aus
Råbylille, Süd-
dänemark, mit
stilisierter Darstellung
der Golgatha-Szene.
Nationalmuseet
Kopenhagen (9. Jh.)

u. 1997; Schumacher-Wolfgarten 1994).


Dass die ersten vier Buchstaben der Münz-
umschrift von „XPIC TIANA“ in Grie-
chisch, die letzten vier in Lateinisch
geschrieben wurden, spiegelt die beiden
durch die Gesandten des Patriarchen von
Jerusalem vor der Kaiserkrönung personi-
fizierten wichtigsten Zweige des Christen-
tums. Damit sollte Karls Schutzverspre-
chen für beide an den Heiligen Stätten in
Jerusalem vertretenen Kirchen zum Aus-
druck gebracht werden, sicher aber auch
ein kaum verdeckter Anspruch auf univer-
selle Vertretung der Christenheit. Es dürfte
zudem kein Zufall sein, dass sein Biograph
Einhard das Kapitel über den Bau der
Pfalzkapelle in Aachen und Karls Fröm-
migkeit genau mit den Worten „Reli-
gio[nem] christiana[m]“ beginnt. Einhard,
der Leiter der Hofwerkstätten und Palast-
bauten in Aachen, wird auch bei der pro- 53) oder im Evangeliar von St. Médard
grammatischen Gestaltung der neuen Kai- von Soisson illustriert sind, aber auch
sermünzen mitgewirkt haben. verschlüsselt auf dem Lebuinus-Kelch von
Wie weit die auf die heiligen Stätten in Deventer, der gleichzeitig als fons vitae und
Jerusalem Bezug nehmende heilsverspre- als sepulchrum Christi gestaltet wurde
chende Bildsymbolik auch in der Monu- (Elbern 1983). Vom Thron aus blickte der
mentalkunst Ausdruck fand, zeigt die Herrscher der Christenheit direkt in diesen
Pfalzkapelle im „neuen Jerusalem“ Aachen zeichenhaften wie wirklichen Lebensbrun-
(Abb. 52): Ihr Oktogon ist mit umlaufen- nen und zu den Altären im Osten.
der Gitterbrüstung wie ein solcher Rund- Auch im Norden wurden diese Bildsym-
tempel als heilbringendes Grab Christi res- bole früh rezipiert, wie der Goldarmring
pektive als Lebensbrunnen gestaltet, wie skandinavischen Typs von Råbylille aus
sie etwa im Godescalc-Evangelistar (Abb. Süddänemark aus der zweiten Hälfte des 9.

157
Abb. 55
„Talisman Karls des
Großen“. Reims, Schatz
der Kathedrale (Mitte
9. Jahrhundert)

Jahrhunderts zeigt, auf dem der Golgatha- des 9. Jahrhunderts datiert, also wohl sei-
berg mit zentralem „Lebensbaum-Kreuz“ nen Enkeln Lothar I. oder Karl dem Kah-
und den beiden seitlichen Schächer-Kreu- len zugeschrieben werden muss (Abb. 55).
zen abgebildet ist (Abb. 54). Dieses überaus kostbare Kleinod aus mas-
Die fortwirkende Verbundenheit mit sivem Gold ist in der Form einer kleinen
Jerusalem, dem damaligen geistigen und Pilgerampulle vom Heiligen Grabe gestal-
heilsgeschichtlichen Mittelpunkt der Welt, tet und fasst mit seinem akanthus- und
auch für Karls des Großen Söhne und gemmenverzierten Rand einen großen
Enkel offenbart sich nicht nur in der mugeligen doppelschaligen Saphir, in den
fortwährenden Prägung von RELIGIO Marien- und/oder Kreuzreliquien eingelas-
XPICTIANA-Münzen mit Grabeskirchen- sen sind. Mit einer Goldkette wurde es wie
Symbol, sondern vielleicht auch in dem so eine Eulogie, also ein Privatreliquiar, um
genannten „Talisman Karls des Großen“, den Hals auf der Brust getragen – sicher-
der aus stilistischen Gründen in die Mitte lich von einem Kaiser.

158
Stupor Danorum

F ür die Völker des Nordens, insbe-


sondere für die Bewohner des heu-
tigen Dänemarks und Südschwe-
dens, die schon in den letzten beiden Jahr-
hunderten vieles von den dominanten
rerseits wird man die just in diesen Jahren
einsetzenden „Wikingerüberfälle“ nicht als
völlig unabhängig von diesen Ereignissen
ansehen können. Diese Angriffe wurden in
erheblichem Maße von der dänischen
Franken und den Thüringern übernommen Oberschicht unter Beteiligung von Mitglie-
hatten, war mit der Eingliederung der dern der Königssippe geplant und durchge-
Sachsen in das Fränkische Reich gegen führt und müssen als zielgerichtete Kriegs-
Ende des 8. Jahrhunderts ein neuer macht- züge gegen die Schwachstellen des Fränki-
voller und reicher Nachbar, ein neues IMPE- schen Reichs bezeichnet werden, wenn
RIVM ROMANVM entstanden. Aus den lako- man die Verhältnisse zu Land zum Ver-
nischen Reichs- und Klosterannalen erfah- gleich heranzieht, wo „Kriegszüge in der
ren wir, dass es spätestens seit 782 Regel aus Belagerungen und Plünderungen
fränkisch-dänische Kontakte gab; Gesand- bestanden“ (H. Steuer 1999). Parallel dazu
te der unterschiedlichen Parteien der zer- wurden aber auch die oben erwähnten in-
strittenen dänischen Königssippe (stirps tensiven diplomatischen Kontakte gepflegt,
regia), oft ranghohe Familienmitglieder, die bis zur Gestellung von Geiseln und zur
weilen am fränkischen Hof, nehmen an Erziehung von ranghohen jungen Dänen
Reichstagen teil, überbringen Geschenke einschließlich Taufe am Hofe reichte. Die
und erhalten Gegengaben. Auf der anderen Kaiser, insbesondere Ludwig der Fromme,
Seite gab es ebenso Gesandtschaften in den wurden vielfach direkt in die dänischen
Norden: So wurden etwa 823 die Grafen Thron- und Machtstreitigkeiten hineinge-
Theothar und Rodmund nach Dänemark zogen, und sie suchten auch, Einfluss auf
geschickt, um dort Erkundigungen über die Entwicklung im Norden zu nehmen.
die internen Thronstreitigkeiten einzuzie- Einer der Höhepunkte war dabei die schon
hen. Vor ihnen war schon Bischof Ebo von erwähnte und noch eingehender zu behan-
Reims nach dem Lande der Dänen gezogen delnde Taufe des Dänenkönigs Harald
.., um das Evangelium zu predigen, und Klak in Mainz/Ingelheim 826.
hatte im verflossenen Sommer [822] viele Die Begegnung des Nordens mit dem
von ihnen bekehrt und getauft“ (Reichsan- neuen „Reich im Süden“ fand in ganz
nalen, a. 823). unterschiedlichen Formen statt: sei es im
Die Reaktion der Dänen und anderer diplomatischen und politischen Austausch
Nordleute auf die fränkische Expansion in fränkischen Heerlagern, Befestigungen,
hatte auf der einen Seite seit Ende des 8. Pfalzen und Städten, sei es auf Plünde-
Jahrhunderts zahlreiche militärische Ausei- rungszügen in den reichen Städten, Klös-
nandersetzungen im Grenzgebiet zwischen tern und Königshöfen, aber auch durch
Sachsen, Dänemark und Slawenland zur den Fernhandel, der Nordleute nach
Folge: Scharmützel, Überfälle, Belagerun- Süden, öfter aber fränkische, jüdische und
gen, Befestigungen und Kriegszüge, aus besonders friesische Kaufleute nach Nor-
denen ein grundsätzlicher Machtkonflikt den brachte, wo sie in den Emporien Hai-
insbesondere zwischen Dänemark und thabu, Kaupang oder Birka eigene Viertel
dem Frankenreich erkennbar wird. Ande- hatten, schließlich aber auch durch einige

159
Geistliche, die sich in den Norden wagten. dann auch die Priester, dazu schließlich
Die Wirkungen dieser vielfältigen Kontak- den heiligen Dienst.
te wird man kaum überschätzen können. Doch sie bewundern vor allem
Im Kleinen zeigt sich dies etwa an einer die Gaben des mächtigen Königs,
Übernahme von christlichen Symbolen in der durch seinen Befehl
Form von Gewandfibeln des 9. Jahrhun- solche Bewegung belebt.
derts, die sich in Südskandinavien in ...
zunehmender Zahl finden, oder in der Goldenes Tafelgeschirr bietet
Übernahme christlicher Bildformeln wie dem Auge sich dar.
des Golgatha-Motivs auf einem Goldarm- ...
reif von Råbylille (Abb. 54). Sie künden Ob der Verpflegung staunen die Dänen,
von einer stillen Annahme christlichen bewundern die Waffen,
Gedankenguts, vermutlich bevorzugt durch welche der Kaiser besitzt,
Frauen. Wer indes von den nordischen Diener und Pagen so schön.“
Händlern oder Gesandten je an einer Carmen, 437–42, 464, 477–78
Messfeier im Süden teil genommen hatte,
wird dort einen Reichtum und eine Pracht Dies macht die neue Rekonstruktion der
bei den Kultbauten, an edlem Sakralgerät, imposanten Ingelheimer Thronhalle (Aula
kultischem Ornat und liturgischem Zere- regia) von Holger Grewe verständlich
moniell einschließlich der Gebete und (Abb. 56). Dänische Archäologen (Lars
Gesänge in lateinischer und griechischer Jørgensen) halten es für wahrscheinlich,
Sakralsprache erlebt haben, dem nichts dass die in jüngerer Zeit entdeckten großen
Vergleichbares im düsteren und blutigen dänischen Königshöfe des 9./10. Jahrhun-
Kult des Nordens entsprach. Selbst bei der derts, wie der von Tissø auf Seeland, in
reduzierten Kultpraxis von Missionaren im Größe, Struktur und Anlage von karolingi-
Norden, etwa in den kleinen Holzkirchlein schen Pfalzen angeregt wurde.
in Haithabu, Ribe oder Birka, werden die Mit einem gewissen Neid werden die
Messbücher, Kelche und Leuchter und die Nordleute auch die prunkvolle Ausrüstung
Priester im Messgewand von tief greifender der Großen des Reiches beäugt haben:
Wirkung auf skandinavische Teilnehmer Wenn Harald und seine Begleitung 826 zur
und Beobachter gewesen sein. Taufe und zum Abschied mit kostbaren
Für die rauen und kampferprobten Krie- Waffen und Pferden beschenkt wurden,
ger aus den führenden dänischen Fami- wird das nicht nur Freude bei den Dänen
lien und ihrer Umgebung hinterließen hervorgerufen, sondern bei manchem
aber wohl eher noch die gewaltigen Stein- sicher auch weitere Gier erweckt haben.
bauten, die umwehrten Städte mit noch Erst recht darf man all diese emotionalen
erstaunlicher römischer Bausubstanz und Auswirkungen auch für die von der däni-
insbesondere die prachtvolle Hofhaltung schen Aristokratie geführten Seekrieger
der Franken nachhaltigen Eindruck. Er- vermuten, die Städte, Klöster und Königs-
moldus Nigellus berichtet über das Stau- höfe plünderten, riesige Silbermengen
nen König Haralds und seiner Entourage, erpressten und erst Ruhe gaben, als sie 911
als sie 826 der Palast- und Kirchenbauten mit Land und Herrschaft im Gebiet der
in Ingelheim und Mainz und der prachtvol- heutigen Normandie belehnt wurden.
len Hofhaltung Kaiser Ludwigs ansichtig Für die untereinander rivalisierenden
wurden: Kleinkönige in Dänemark, die die Heraus-
bildung eines fränkischen Imperiums seit
„Harald staunet, dazu die Gemahlin, Mitte des 8. Jahrhunderts einerseits miss-
und alle bewundern, trauisch, andererseits nicht ohne Bewunde-
Kinder und Freunde zumal, rung beobachteten, weckte der expansive
solch’ eine Gottesgewalt. Reichsbildungsprozess im Süden den
Staunen ergreift sie, schauend den Klerus Wunsch zur Nachahmung, zur Imitatio
und selber die Kirche, Imperii. Sicherlich nicht zufällig erfahren

160
Abb. 56 wir mit Beginn der historischen Berichte Zwei Generationen nach der Revolte voll-
Rekonstruktion der
über Südskandinavien in den fränkischen zog sich gegen 870 in Norwegen eine pa-
Thronhalle (Aula regia)
der Pfalz Ingelheim um Reichsannalen davon, dass rivalisierende rallele Reichseinigung (rikssamling) unter
800. Das virtuelle Königssippen um die Oberherrschaft in Harald Schönhaar – sicher nicht denkbar
Architekturmodell ist Dänemark streiten. Eine solche Zentral- ohne das Vorbild von Zentralreichen auf
interaktiv programmiert
und beinhaltet Rekon- gewalt muss sich schon deutlich vor 800 dem Kontinent, in England und in Däne-
struktionsvarianten, herausgebildet haben, denn die dänische mark.
hier: Innenraum, stirps regia hatte ihren Herrschaftsbereich Die Formen, in denen man in Südskandi-
Variante 1 – anikonische
Ausmalung.
über Jütland und die Hauptinsel Seeland navien den kontinentalen Reichsbildungs-
Kamerapunkt von Nord hinaus ins heutige Südwest-Schweden prozess zu imitieren versuchte, bewegten
(Archimedix-GbR / (Schonen, Halland, Östergötland) und sich vor allem auf den Ebenen der Macht-
Holger Grewe, 2002)
weiter bis hinauf in das Oslofjordgebiet repräsentation und -ausübung; aber es gab
ausgedehnt (Karte S. 2). Dort musste 813 auch Imitationsformen, die nicht zentral
Harald Klak mit seinem Bruder militärisch gesteuert, sondern eher wie kollektive
intervenieren, um einen Aufstand von Prozesse wirken, die einem breiten Bedürf-
„Volk und Fürsten“ niederzuschlagen. nis nach Nachahmung einer als höherwer-
Auch gibt es Hinweise darauf, dass däni- tig oder überlegen empfundenen Zivili-
sche Große, wenn nicht die Königssippe sation entsprachen. In allen diesen Berei-
selbst, an Eroberungen und Landnah- chen spielte das Silber des Südens als
men in England und Irland beteiligt wa- stoffliche Materialisation der verschiede-
ren und sich dort mit westnorwegischen nen Aspekte der Macht eine herausragende
Königtümern um die Hegemonie stritten. Rolle.

161
Silber im Norden – die neue Währung

I n der älteren Phase der Jüngeren


Eisenzeit Skandinaviens, also im 6. bis
8. Jahrhundert, spielte Silber als wirt-
schaftliche Basis und als künstlerisches
Medium keine nennenswerte Rolle, was
das Heilige Grab durch Montage und Tra-
geweise betont werden, ist vermutet wor-
den, dass diese als Schmuck getragenen
Denare Reflex einer karolingischen Missi-
on oder zumindest eines christlichen
vermutlich – ebenso wie auf dem Festland Bekenntnisses im Norden gedeutet werden
– mit einer Edelmetallverknappung zusam- können (Moesgaard 2004) – ein Befund,
menhängt. Erst durch den Kontakt mit der der Verbreitung christlich verzierter
dem Fränkischen Reich, insbesondere karolingischer Münzen entspricht.
durch die enormen Beute- und Tributerträ- Die Händler und die Landesherren im
ge (vgl. S. 107 ff., 159 ff.), aber sicher auch Norden, die den Handel fördern wollten,
durch Handel, gelangte seit dem frühen hatten aber schon früh den Vorteil einer
9. Jahrhundert Silber ins Land: in Form überall verbindlichen Münzwährung er-
von karolingischen Münzen wie auch von kannt. Im 8. Jahrhundert gelangte bereits
Silberschmuck. Das Phänomen einer über- die spätmerowingisch-frühkarolingische
all gültigen gemünzten Edelmetallwährung Sceatta-Währung nach Südskandinavien,
war zwar schon vorher bekannt, doch vorwiegend zum friesisch geprägten jüt-
hatte es im Norden keine Gültigkeit, da ländischen Handelsort Ribe. Es handelt
hier die entsprechende staatliche Garantie sich dabei um einen Typ kleiner Silber-
fehlte. Dennoch wurde Silber jetzt zu oder Silbermisch-Münzen von etwa 1 g
einem allgemein gebräuchlichem Tausch- Gewicht, die vor allem im Mittel- und Nie-
mittel, zur Währung, die hier allerdings derrheingebiet und im südlichen Nordsee-
nur nach dem Gewicht berechnet wurde raum gängige Währung war und die wohl
(Gewichtsgeldwirtschaft). Deshalb ver- eng mit dem friesischen Fernhandel der
wundert es nicht, dass sich in den Schatz- Zeit zusammenhängt. Die Annahme, dass
funden des 9. Jahrhunderts nur wenige solche Sceattas auch in Ribe selbst ausge-
karolingische Denare finden (zum Beispiel münzt wurden, ist in der Forschung um-
Häljarp, Katalog 33) (Karte Abb. 57), stritten.
während ab dem ausgehenden 9. Jahrhun- Vermutlich wiederum durch den Friesen-
dert Unmengen arabischer Silbermünzen handel vermittelt, gelangten – neben weni-
den Norden überschwemmen. Das karo- gen englischen Münzen – karolingische
lingische Münzsilber wurde wohl durch- Denare Karls des Großen (794–814) und
weg zu Barren oder Schmuck einge- Ludwigs des Frommen (814–840) in den
schmolzen. Bei den meisten Funden karo- Norden, kaum jedoch welche aus Karls
lingischer Denare handelt es sich um erster Prägephase (771–794). Im frän- Abb. 57

einzelne oder ganz wenige Münzen, die kisch-friesischen Nordseeemporium Dore- Karolingische Münzen
im Norden (rote
im Norden als Anhänger oder vielleicht stad wurden in dieser Frühphase Denare Symbole) und nordische
auch als umgearbeitete Fibeln getragen mit Carolus-Monogramm geprägt, die Imitationsformen
wurden wie zum Beispiel beim Depot weitgehend auf den heute norddeutschen (dunkelgrüne Symbole),
jeweils der ersten Hälfte
aus Lerchenborg (Katalog 34). Da bei Bereich begrenzt sind. Eine kleine Anzahl
des 9. Jahrhunderts
ihnen häufig die Umschriften „RELIGIO von neuartigen Silbermünzen in südskan- (nach Metcalf 1996,
XPICTIANA“ oder das Bildsymbol für dinavischen Funden, denen ganz offenkun- mit Ergänzungen)

162
Kaupang
Kaupang
Birka
Birka

Grobin
Grobin
Åhus
Ribe
Dublin Åhus
Dublin York Ribe
York

Haithabu
Haithabu
Ralswiek
Reric Wollin Truso
Truso
Wollin
Reric

London
London
Hamwic
Hamwic Dorestad
Dorestad Hildesheim
ElE
W

blebe

Aachen
Aachen
ese
r

Quentowic

Frankfurt Main
Mainz
Mainz Main
Paris Metz
Paris Metz
ei
Rh
Lo ei
n
SeSe

Lo ire Rh n au
Do
ininee

i re
u
Tours Do
na
Tours
Salzburg
Salzburg

Mailand
Mailand Venedig
Venedig

Eb Marseille
o Marseille
r

Duero
Duero
E
br
o

Tajo Tolosa
Rom
Rom
Tajo Tolosa

Cordoba
Cordoba
dig diese frühen karolingischen Dorestad-
Prägungen zum Vorbild dienten (Katalog
34, 37), zeigen, dass schon früh im 9. Jahr-
hundert (ca. 820–840) in Dänemark ver-
sucht wurde, ein eigenes Münzwesen auf
Silberbasis nach karolingischem Vorbild
(Denare und Sceattas) aufzubauen. Es wird
vermutet, dass diese im königlich-däni-
schen Emporium Haithabu geprägt wur-
den; für eine etwas jüngere, bildreiche
Variante mit christlichen Motiven (ca.
840–850) kommt vielleicht Ribe als Münz-
stätte in Frage. Das Verbreitungsbild karo-
lingischer Münzen und nordischer Nach-
ahmungen in der ersten Hälfte des 9. Jahr-
hunderts ist weitgehend deckungsgleich:
Der Schwerpunkt liegt im altdänischen
Herrschaftsbereich mit Ausläufern bis zur
schwedischen Handelsstadt Birka im
Mälarsee-Gebiet und entlang der südnor-
wegischen Küste bis nach Stavanger (Karte
37 Haithabu-Münzen Vergleichsabbildungen
Abb. 57), wenngleich vereinzelte Funde Zwei Münzen vom Typ Malmer KG (Kombinations- zu Katalog 37
auch von Westengland bis Russland rei- gruppe 5) mit der Darstellung eines Angesichtes auf (nach B. Malmer)
chen. Warum man auf die ein bis zwei der Vorder- und von Hirsch auf der Rückseite. Sie
greifen Münzbilder der frühkarolingischen Sceattas
Generationen alten Prototypen zurückgriff
auf.
und nicht auf die aktuellen Münzen Lud- Silber
wigs des Frommen – so wie in jüngerer Aus dem Schatzfund von Terslev; Münzstätte Hai-
Vergangenheit veraltete westeuropäische thabu?, 1. Hälfte 9. Jh.
Nationalmuseet, Den Kgl. Mønt- og Medaillesam-
Automobil-Typen in Osteuropa und Süd- ling, Kopenhagen, Inventar FP 1233
ostasien unter neuem Namen wiederaufge- Zum Münztyp: Malmer 1966
legt wurden – könnte vielleicht damit
zusammenhängen, dass nicht der Verdacht Gleichwohl führte das in den Norden
einer Münzfälschung erweckt werden soll- fließende karolingische Silber zur Entste-
te oder man eventuelle Regal-Konflikte hung einer nordischen Silberwährung,
vermeiden wollte. Man wird friesische wenn auch für mehr als eineinhalb Jahr-
Hände beim Aufbau einer nordischen hunderte in Form einer Gewichtsgeldwirt-
Währung annehmen dürfen. Ein dauerhaf- schaft. Gegenüber anderen Zahlungsmit-
ter Erfolg war dieser neuen nordischen teln wie Eisenbarren, Textilien und Fellen
Währung genauso wenig beschieden wie hatte Silber den Vorteil der Unzerstörbar-
späteren Versuchen des mittleren Viertels keit, es konnte zu kleinen Zahlungseinhei-
des 10. Jahrhunderts. Erst mit Harald ten zerteilt (Hacksilber) oder zu größeren
Blauzahns Oberherrschaft und Übertritt Werten zusammengeschmolzen werden.
zum Christentum beginnt im letzten Viertel Vor allem konnte man Silber im Boden
des 10. Jahrhunderts eine kontinuierliche horten. Wenngleich die Masse der Hack-
Münzprägung im Norden. Dass im 9. Jahr- silberdepots etwa im Zeitraum von 890
hundert in Dänemark der Versuch fehl- bis 950 die Hoch-Zeit der Gewichtsgeld-
schlug, imperiale Herrschaftsformen des wirtschaft im Norden angibt, haben die
Fränkischen Reiches auch durch das Regal jüngsten Grabungen in Birka und Kaupang
der Münzprägung zu imitieren, liegt wohl gezeigt, dass bereits seit der Mitte des 9.
an einer unzureichenden Kontrollmöglich- Jahrhunderts im Bereich Alt-Dänemarks
keit der über Jahrzehnte zerstrittenen Zen- eine auf Hacksilber basierende Währung
tralgewalt. aufkam.

164
Ein dänischer Vasall im Bootkammergrab von
Haithabu – fränkisches Hofzeremoniell im Norden

Z u den interessantesten Bestat-


tungen der Wikingerzeit gehört
das so genannte Bootkammer-
grab, südlich des Halbkreiswalls von Hait-
habu gelegen, der großen Handelsstadt des
den anderen als Marschall des „Fürsten“
oder „Königs“ interpretiert (D. Ellmers).
Die königliche Grablege von Haithabu
weist nun verblüffende realienkundliche
Parallelen zum Zeremoniell anlässlich der
dänischen Königs an der Schlei im Grenz- Taufe des Dänenkönigs Harald Klak 826
land zur fränkisch-sächsischen und zur sla- in Ingelheim und Mainz durch Ludwig den
wischen Welt (Abb. 58). Unter einem 40 m Frommen auf, so wie es von Ermoldus
großen Hügel war in einer 4,5 x 2,5 m gro- Nigellus blumig geschildert wurde (vgl.
ßen verschalten Holzkammer ein skandi- oben S. 160). Das prächtigste karolin-
navischer Herr mit zwei Gefolgsleuten bei- gische Schwert, das wir kennen, das
gesetzt worden. Eine flache Grube neben Silberfiligrangehenk, ein feines Trinkglas,
der Grabkammer enthielt die Skelette drei- eine Messingtrense höchster Qualität, da-
er Pferde. Über Grabkammer und Pferde- zu ein Eimer mit liturgischer Kreuzver-
grube war zu ebener Erde ein etwa 20 m zierung („Jerusalem-Kreuz“): alle diese
langes Wikinger-Kriegsschiff gestellt wor- Teile sind Spitzenprodukte karolingischer
den, von dem sich nur die Eisenniete erhal- Werkstätten aus dem frühen 9. Jahrhun-
ten hatten, und darüber war der Hügel dert; die Schwerter seiner Begleiter stehen
aufgeworfen worden (Abb. 58.1). nur wenig darunter (Katalog 38). Sie ent-
Vieles an diesem Mausoleum ist unge- sprechen, wenn man die poetischen Aus-
wöhnlich: etwa die Kombination von kon- schmückungen berücksichtigt, weitgehend
tinentaler Grabkammer, was zu der Zeit den Geschenken, die nach Ermoldus’
(ca. 840–850 ) in Dänemark unüblich war, Schilderungen Ludwig der Fromme dem
mit skandinavischer „Schiffsbeigabe“, wo- Dänenkönig anlässlich seiner Taufe über-
bei es sich nicht um eine der typischen reichte:
wikingerzeitlichen Bestattungen im Schiff
handelt. Vor allem aber frappiert die Tatsa- „Ihm übergibt der erhabene Kaiser
che, dass in der großen Holzkammer die reichsten Geschenke,
gleichzeitig drei Krieger mit Schwert und wie sie der Franken Gebiet
Schild bestattet waren (Abb. 58.2). In der nur zu erzeugen vermag,
Kammer lag links ein Mann, der durch eine Gewandung, geschmückt mit
seine kostbare silbertauschierte Spatha mit Steinen und rötlichem Purpur,
silberner Gürtelgarnitur, ein britisches welche der goldene Streif
Handwaschbecken und einen fränkischen rings in der Runde durchfurcht.
Glasbecher als „Fürst“ ausgewiesen ist. Heftet zur Seit’ ihm sodann
Durch eine Planke von ihm getrennt waren sein prächtiges Schwert,
seine beiden Begleiter, die ebenfalls hervor- das er selbst trug, fest,
ragende fränkische Schwerter hatten. ein gold’nes Gehenk zieret
Wegen ihrer Nähe zu einem (Bier-?) Eimer und kleidet ihn schön.
beziehungsweise zu einem reichen konti- Goldene Bänder sodann
nentalen Pferdekopfzeug hat man den umfangen an jeglichem Arm ihn,
einen Grabgenossen als Mundschenk und Reichlich mit Gemmen besetzt

165
Abb. 58
Bootkammergrab von
Haithabu bei Schleswig
(ca. 840-850)

oben: Rekonstruktions-
schnitt durch den Hügel
mit Schiff und
Grabkammer;

unten: Grabungsplan
der Grabkammer mit
der Hauptbestattung
links (nach Müller-Wille
1976)

schmücket die Hüften der Gurt. Vor allem aber die Tatsache, dass mit
Und mit prächtiger Krone beschenkt er dem „Mundschenk“ und dem „Marschall“
sein Haupt nach Gebrauche, im Bootkammergrab zwei der wichtigsten
aber mit goldenem Sporn karolingischen Hofämter in dieser barbari-
sind ihm die Füße bewehrt, schen Grablege dokumentiert sind, die der
und es glänzet von Gold Norden vorher nicht gekannt hat, die aber
auf breitem Rücken der Mantel; beim Tauffest eine bedeutende Rolle spiel-
weißliche Handschuh’ dann ten, macht hier die Übereinstimmung zwi-
haben die Händ’ ihm verhüllt.“ schen historischer Überlieferung und archä-
Carmina, 371–84 ologischem Befund ungewöhnlich dicht.

166
Katalog 38 *38 Bootkammergrab von Haithabu, Es liegt also nahe, dass im Bootkammer-
Kr. Rendsburg-Eckernförde
grab ein dänischer Kleinkönig oder war-
Von der Dreierbestattung werden in der Ausstellung
nur die restauratorisch unbedenklichen Teile der Bei- lord bestattet liegt, der einst vom fränki-
gaben des „Königs“ gezeigt: karolingische Spatha mit schen Hof mit Herrschaftsinsignien inves-
silbertauschierter Griffpartie, Teile der Silberfiligran- tiert und sicherlich auch getauft worden
Gürtelgarnitur (ehemals Reliquiar-Schnalle? – I.
Gabriel), fränkisches Trinkglas (Spitzbecher), Kopfge- war. Dies kann Harald Klak selbst gewesen
schirr aus Messingtrense mit Schnallen; Nachbildung sein, der nach 826 bald wieder zu einem
des Eimers mit kreuzverzierten Eisenbeschlägen. Wikingerführer wurde, und sich später in
Nicht ausgestellt insulare Bronzeschale als Hand-
waschbecken. Des Weiteren enthielt die Bestattung
einer fast schon synkretistischen Melange
die Spathen der beiden Begleiter (Abb.), Niete des im Kammergrab als fränkischer Vasall
Zaumzeugs, 3 Schildbuckel, Nocken von Pfeilbündel, bestatten ließ, karolingisches Hofzeremo-
Lanzenspitzen, Messer, Schere, Speisebeigaben und
niell noch im Tode imitierend. Gleichzeitig
anderes.
Gezeigte Beigaben: fränkisch, ca. 780–820; Grablege ließ er sich auch noch als Wikinger feiern,
ca. 840–850 dessen engste Gefolgsleute und sein Kriegs-
Archäologisches Landesmuseum der Universität Kiel, schiff ihm in den Tod nachfolgen mussten,
Schleswig
Müller-Wille 1976; Ellmers 1980; Wamers 1994a das Ganze von einem altheidnischen
Totenhügel bedeckt. Denkbar sind aber
* wird nicht in Hildesheim gezeigt auch andere hochrangige Wikingerführer

167
168
Katalog 39

aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, sich binden wollte, zeigen beispielhaft zwei
die in engem diplomatischen Kontakt mit Bestattungen aus dem slawischen Bereich:
dem Fränkischen Reich gestanden und am das Kriegergrab aus Stará Kouřim 55
Hof so manches vom Zeremoniell aufge- (Katalog 39) und das Fürstengrab aus
schnappt hatten: etwa Haralds Bruder Kolín (Katalog 40), beide im böhmischen
Hemming, der wohl 807 mit seinem Vater Herzland gelegen. Auch mit böhmischen
an den Hof Karls des Großen als Vasall Großen gab es seit Beginn des 9. Jahrhun-
gekommen war und 813 nach Dänemark derts zahlreiche Kontakte, wie diverse
zurückkehrte. Möglich ist es auch noch bei Annalen bezeugen. 805 noch ließ Karl
Haralds Sohn und Neffe, die nach der der Große „ihr ganzes Land verwüsten
Taufe am Hof Ludwigs verblieben, leistend und tötete ihren Herzog Lechi“; auf
dem Kaiser die Wacht, lebend nach fränki- dem Frankfurter Reichstag 822 hingegen
scher Art (Ermoldus Nigellus, Carmen erschienen neben dänischen Gesandten
629f.), die also – in altgermanischer Tradi- Haralds und seiner Widersacher der Gott-
tion – in die Leibwache des Kaisers einge- friedsöhne auch Gesandtschaften aller
treten waren. „Ostslawen“ mit Geschenken, darunter
Dass solche Überlegungen keine reine Böhmer und Mährer, die nach Auskunft
Spekulation sind, sondern dass es sich bei Einhards tributpflichtig gemacht wurden
dieser fränkisch-normannischen Kontakt- (Vita Karoli, Kap. 15). 845 empfing Lud-
nahme um ein festes fränkisches Herr- wig der Deutsche „vierzehn der Herzöge
schaftsmuster im Umgang mit „barbari- der Böhmen mit ihren Leuten und ließ sie
Katalog 38 schen“ Randvölkern handelte, die man an ... taufen“. Dies sind genaue historische

169
Parallelen, denen ebenso genaue archäolo- kulären Taufe eines dänischen Königs Katalog 39
gische Parallelen entsprechen. Auch in den durch einen deutschen Kaiser, wiederum
böhmischen Krieger- und Fürstengräbern mit dem Versuch der direkten politischen
finden wir karolingische Waffen- und Rei- Einflussnahme auf der einen Seite und dem
terausstattungen, in dem von Kolín von Bemühen um Nachahmung kontinentaler
überragender Qualität einschließlich eines Herrschaftsformen (Kunst und Münzprä-
silbervergoldeten Messkelches, woraus zu gung) auf der anderen Seite.
schließen ist, das es sich bei dem hier
Bestatteten um einen jener um 845 getauf-
ten böhmischen Herzöge handeln muss. 39 Kriegergrab von Stára Kouřim 55, Böhmen
Wegen der hochrangigen Garnituren von Aus dem Männergrab werden folgende Beigaben
gezeigt: vier Teile einer fränkischen Schwertaufhän-
Kolín wird man wie schon bei der Taufe gung aus Bronze mit vegetabilem Strichdekor (Klee-
des Dänenkönigs Harald mit einer feierli- blattbeschlag, 2 Ovalbeschläge, davon 1 fragmenta-
chen Investitur der böhmischen Großen risch), fränkische Schnalle und Riemenzunge aus
vergoldeter Bronze mit Rankendekor (für Kopfge-
durch Ludwig den Deutschen, der im Übri-
schirr?). Der Langszepterfuß wird unter Katalog 12
gen Augenzeuge von Haralds Taufe gewe- aufgeführt. Daneben enthielt das Grab ein eisernes
sen war, und mit reichen Taufgeschenken einschneidiges Schwert, zwei Sporen und einen Hol-
rechnen dürfen. zeimer mit Eisenreifen, die nicht ausstellungsfähig
sind.
Imitatio Imperii, die Nachahmung von Gezeigte Beigaben: fränkisch, 1. Hälfte 9. Jh.
fränkischen Herrschaftsformen bei „bar- Národní muzeum Praha, Inventar H1–99.665–9, 672
barischen“ Randvölkern im Norden wie Šolle 1966, 302 ff. Abb. 11a Taf. 24.1–2, 27.3;
Wamers 1994a, passim, Abb. 19.1
im Osten, ist ein gängiges Verhaltensmus-
ter im 9. Jahrhundert und wird von den 40 Fürstengrab von Kolín, Böhmen
karolingischen Königen bewusst als Mittel Die Grablege von Kolín enthielt eine Doppelbestat-
der Außenpolitik eingesetzt worden sein. tung, von der nur Teile der Männerausstattung gezeigt
werden: Schwertgarnitur aus Silberfiligran (Klee-
140 Jahre nach der Taufe Harald Klaks
blatt-, und 3 Ovalbeschläge, Schnalle) Silberfiligran-
kommt es mit der Taufe Harald Blauzahns Sporenpaar (1 Exemplar incl. Riemenläufer und
durch Otto den Großen erneut zur spekta- -zunge), vergoldeter Silberkelch in der Rekonstruk-

170
Katalog 40

tion des 19. Jhs. (die dem Originalzustand näher kom- Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh.
mende Rekonstruktion von 1980 wird als Katalog 26 Národní muzeum Praha, Inventar H1–55087–90,
gezeigt). Darüber hinaus enthielt das Grab fränkische 55092–93, 95, 97, 99
Trinkgläser, ein Eisenschwert, Axt und silbernen Frau- Lutovsky 1994
enschmuck (Perlen, Anhänger u.a. slawischer Prä-
gung).

171
172
„Military look“ – eine neue Damenmode im Norden

D ie bemerkenswerteste und men-


talitätsmäßig wohl umwäl-
zendste Neuerung im Norden,
die durch kontinentales Silber angeregt
wurde, setzten die Frauen durch. So sehr
ber werden vereinzelt im Norden im heimi-
schen Stil imitiert, wofür es gute Beispiele
aus dem Schatz von Duesminde gibt (Kata-
log 36i). Allerdings wurden die Kleeblatt-
beschläge nicht nachgeahmt. Auch die
die skandinavischen Männer die prunkvol- karolingischen Sporengarnituren mit klei-
len silbervergoldeten Wehrgehänge ihrer nen Schnallen, Riemenenden und Riemen-
fränkischen Widersacher und Verhand- läufern mit Zierplatte sowie Zaumzeugbe-
lungspartner auch neidvoll bewundert schläge hat man im adeligen Milieu gele-
haben mögen und so sehr sie danach gentlich kopiert, wofür einige Garnituren
trachteten, durch Geschenk oder Tribut in aus Dänemark (Lejre) oder Norwegen
ihren Besitz zu gelangen, so wenig waren (Schiffsgräber Gokstad und Borre, Gold-
sie daran interessiert, die karolingischen sporn mit Riemenläufer von Rød) Zeugnis
Schwertgurte sich selbst umzubinden, um ablegen.
ihr Schwert damit zu halten. Obwohl Doch was konnte man ansonsten mit
eine Vielzahl von Bestandteilen karolingi- den materiell und künstlerisch hochwerti-
scher Schwertgarnituren aus skandinavi- gen fränkischen Stücken anfangen? Schon
schen Bodenfunden bekannt ist, darunter bei den Beschlägen von Büchern, Reliquia-
auch drei mehr oder minder komplette Be- ren und anderem Sakralgerät, das man in
schlagsätze, gibt es keinen archäologischen England und Irland geraubt hatte, war
Beleg dafür, dass ein Skandinavier eines der man auf die Idee verfallen, sie zu Hause
charakteristischen karolingischen Wehrge- mit einer rückwärtigen Nadelhalterung zu
hänge tatsächlich getragen hat, selbst wenn versehen, so dass sie von den Frauen als
er auch ein fränkisches Schwert sein Eigen Trachtenschmuck getragen werden konn-
nannte – ganz im Gegensatz zu den Sla- ten, die exotischen Stücke geradezu de-
wen. Die Ursache hierfür kann nur darin monstrativ als Zeugnisse erfolgreicher Wi-
liegen, dass man im Norden eine völlig kingerzüge herzeigend. Genauso verfuhr
andere Art von Schwertaufhängung ge- man mit den schönen vergoldeten Silberbe-
wohnt war, von der man nicht lassen woll- schlägen aus dem machtvollen Süden, die
te. Dass die fränkischen Garnituren mit bei den skandinavischen Frauen offenkun-
Kleeblattbeschlag funktional vermutlich dig sehr beliebt waren, insbesondere die
nicht der Weisheit letzter Schluss waren morphologisch reizvollen kleeblattförmi-
und sich im Kampf nicht bewährten, lässt gen Beschläge, darunter auch das kaiser-
sich vielleicht daraus schließen, dass sie im liche Goldexemplar aus dem norwegischen
9. Jahrhundert auch nur für zwei bis drei Schatzfund von Hon (Abb. 20), wie auch
Generationen in Gebrauch waren, etwa die großen Riemenenden. Beide Typen
von 800/810 bis 870/80 (vgl. S. 54 ff.). wurden zentral auf der Brust getragen, wo
Dennoch haben hochrangige Männer im sie einen Mantel oder einen Überwurf ver-
Norden Teile der karolingisch-ottonischen schlossen, also immer sichtbar waren.
Waffen- und Reiterausstattung imitiert: Aber man fand an den Originalen einen so
Große lange U-förmige Riemenzungen und großen Gefallen, dass man die Kleeblatt-
Katalog 40 D-förmige Schnallen aus vergoldetem Sil- Beschläge und Riemenenden im Norden

173
Kaupang

Kaupang Birka Birka

Grobin
Grobin
Åhus

Dublin Åhus
Dublin York Ribe
Ribe
York
Abb. 59
Haithabu
Haithabu Ralswiek Verbreitung der
Reric
Reric
Wollin
Wollin
Truso
Truso Kleeblattfibeln des
London
9./10. Jahrhunderts in
Hamwic
Hamwic
London
Dorestad
Skandinavien
Dorestad Hildesheim
(nach Maixner 2003)

Kaupang
Kaupang Birka
Birka

Grobin
Grobin
Åhus

Dublin Ribe Åhus


Dublin York Ribe
York

Haithabu
Abb. 60
Haithabu
Ralswiek
Verbreitung der
Reric Wollin Truso
Reric
Wollin Truso
Zungenfibeln des
London
London
9./10. Jahrhunderts in
Hamwic
Hamwic Dorestad
Dorestad Hildesheim Skandinavien
(nach Wamers 1984)
El
W

174
Katalog 41 nachgoss, und zwar direkt als Fibel mit Die Zahl von über 550 erhaltenen Klee-
einer angegossenen Nadelhalterung. blattfibeln – woraus man eine ehemalige
Mittlerweile sind mehr als 550 skandi- Häufigkeit von bestimmt 50.000 Exempla-
navische Kleeblattfibeln bekannt, denen ren erschließen kann – macht deutlich, dass
allerdings nur gut 30 zungenförmige Fibeln es sich hierbei um keine exotische Schmuck-
gegenüber stehen. Beide Fibelgattungen form der Wikingerzeit handelte, sondern
wurden von der ersten Hälfte des 9. bis in um ein Massenphänomen: Es ist – nach
die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts der einheimischen Standardform der Oval-
hinein getragen. Anfangs waren sie wie die fibelpaare – der zweithäufigste Trachten-
fränkischen Vorbilder mit Pflanzen-, selte- schmucktyp des Nordens. Ihre Verbreitung
ner mit geometrischer und Spiralornamen- belegt, dass er in Gesamtskandinavien mit
tik verziert, seit der zweiten Hälfte des 9. Ausnahme der arktischen Regionen sehr
Jahrhunderts jedoch dekorierte man sie gut vertreten war mit einem deutlichen
zunehmend mit einheimischer Tier- und Schwergewicht in Dänemark und Süd-
Flechtbandornamentik der verschiedenen schweden (Abb. 59). Auch in den skandina-
Stilphasen. Als Beispiele zeigt die Ausstel- vischen Siedlungsgebieten in England-Ir-
lung die Kleeblattfibeln von Holmskov land, Island und im Baltikum wurden sol-
und Bornholm (Katalog 41a–b), erstere che Fibeln getragen und produziert. Dem
mit einem etwas steifen Akanthusblatt- entspricht – in geringerer Konzentration –
werk verziert, letztere mit Jelling-Tierstil, ziemlich genau die Verbreitung der Zungen-
sowie zwei Zungenfibeln von Viborg und fibeln (Abb. 60). Wie aber konnte ein sol-
Salby (Katalog 42a–b), erstere mit ranken- cher Trachtenschmuck, entlehnt aus dem
artig stilisierter Pflanzenornamentik, letz- Wehrgehänge einer fremden Kultur, bei den
tere mit einem spätwikingerzeitlichem Frauen der Wikingerzeit so beliebt werden?
Flechtband und vegetabilen Motivresten.
Nur am Rande sei erwähnt, dass in die 41 Zwei Kleeblattfibeln
Rückseite der Salby-Fibel ein ganz ähn- Fundorte: (a) Holmskov, Sønderborg amt;
liches Doppelschlangenmotiv eingeritzt ist (b) Bornholm; beide Dänemark
Bronze, vergoldet, Unterseite verzinnt; B. 7,5 cm;
wie in die Rückseite der langen Riemen- 5,8 cm
zunge der zweiten Schwertgarnitur von Südskandinavisch, 870–950
Duesminde (Katalog 36b.2; vgl. Abb. S. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 8964,
C 20248
132 und 176). Über die Bedeutung des
Brøndsted 1936, 125 f. Abb. 34, 212 Abb. 118;
Motivs – vielleicht apotropäisch oder als Maixner 2003, Katalog 24 Taf. 2.P2.2; Katalog 374
Werkstattzeichen – darf spekuliert werden. Taf. 10.F2.3

175
42 Zwei Zungenfibeln Fundorte: (a) Viborg, Jütland; (b) Salby, Fyns Amt; Katalog 42
Während die Viborg-Fibel ein stilisiertes geometri- beide Dänemark
sches Rankenornament trägt, wie es für die Mitte bis (a) Bronze, Schauseite vergoldet, Unterseite verzinnt,
zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts auf dem Kontinent darin Runeninschrift; L. 8,3 cm
typisch ist, zeigt die Salby-Fibel in Material, Morpho- (b) Silber, Spuren von Vergoldung, in Unterseite Dop-
logie und Ziermuster engste Entsprechungen zur pelschlangenmotiv; L. 12,9 cm.
karolingischen Riemenzunge von Nørre Vedby, die – Südskandinavisch, Ende 9. bis 1. Hälfte 10. Jh.
ein Produkt der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts – Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 7429 (a),
ihr in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts als Mus- ohne Nr. (b)
ter gedient haben muss, wenngleich jetzt mit Flecht- Wamers 1984, Nr. 7 und 23, Abb. 9.2, 16–19.
band verziert wurde. Beide Fibeln wurden mit der
Öse nach unten getragen, die Viborg-Fibel also senk-
recht, die Salby-Fibel waagerecht.

176
Eine eindeutige Antwort ist nicht mög- gen Beschläge auch in Skandinavien, selbst
lich. Vermutlich waren es die für Nordleu- wenn sie nicht in originärer Funktion ge-
te exotischen Formen und Verzierungen, nutzt wurden, sind an ihrer Behandlung
die diese Stücke besonders attraktiv mach- und Umarbeitung erkenntlich. Der Augen-
ten. Es gibt Hinweise darauf, dass in der zeuge Ermoldus Nigellus hatte es am Hofe
ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts in Süddä- Ludwigs des Frommen gesehen: „... die
nemark für eine kurze Zeit Kleeblattfibeln Dänen .. bewundern die Waffen, welche
vereinzelt auch in der Männertracht An- der Kaiser besitzt ...“.
wendung fanden, dass also diese aus der Die Frauen im Norden werden im 9.
Kriegersphäre stammende Zierform zu- Jahrhundert um die Herkunft dieser
nächst auch im Norden in der Welt der Beschläge gewusst haben, wussten, dass sie
Männer verblieb, sich dann aber schon zur Bewaffnung des fränkischen Adels
sehr früh ausschließlich zu einem charakte- gehörten, dass der Süden unter dem frän-
ristischen Frauenschmuck herausbildete. kischen Schwert stand. Und sicherlich
Was hat die Frauen im Norden so faszi- wollte man sich auch der reliquienartigen
niert, dass sie etwas völlig Fremdes so Wirkungsmacht dieser Schwertgarnituren
intensiv adaptierten und in ihre Lebenswelt vergewissern, indem man sie zu einem
integrierten? zentralen Trachtenschmuck machte. In
Auf den prachtvollen karolingischen einigen Fällen, etwa bei den annähernd
Herrscherbildern des 9. Jahrhunderts wer- vollständigen Garnituren von Duesminde
den die kaiserlichen Wehrgehänge mit den (Katalog 36b.1) oder Östra Påboda in
charakteristischen Kleeblattbeschlägen in Småland, scheinen die in den Norden
demonstrativer Weise geradezu zeichenhaft gelangten Garnituren umgearbeitet und als
dem Betrachter vorgehalten (Abb. 7–9, 11, komplette Frauenschmuck-Sätze getragen
18). Dem entsprach sicherlich eine ebenso worden zu sein, bevor sie dann nach langer
demonstrative Zur-Schau-Stellung im Hof- Tragezeit Altmetall wurden. Die im Süden
zeremoniell, in abgestufter Form dann heilsbildliche Akanthusornamentik, dort
auch beim Adel. Diese charakteristische paradiesische Lebensbaum-Vegetation dar-
Schwertaufhängung ist eine Erfindung des stellend, konnte im Norden nach einer
9. Jahrhunderts, die keine Vorstufen kennt Generation durch tiergestaltige Heilsbil-
und an seinem Ende wieder verschwindet. der aus der heimischen Vorstellungswelt
Es ist wegen der Kleeblattbeschläge vermu- ersetzt werden. Ein vergleichbarer Vor-
tet worden (E. Wamers), dass sie vielleicht gang, dass militärische Accessoires einer
durch reiternomadisches Pferdegeschirr „Supermacht“ in die Zivilkleidung ganzer
aus dem sagenhaften Staatsschatz der Generationen Einzug hielt, kann an dem
Awaren angeregt wurde. War mit ihm eine zunächst subkulturellen Habit der sechzi-
bestimmte heilsbildliche oder auch nur ger und siebziger Jahre des 20. Jahrhun-
apotropäische Wirkung verbunden, die derts abgelesen werden: Aus der Ausrüs-
möglicher Weise aus dem fulminanten Sieg tung der US-Armee wurden das T-shirt und
über die heidnischen „Hunnen“ (Awaren) die Parka, zum Teil auch der geschnürte
resultierte? „Kein Krieg, soweit Menschen- Kampfstiefel, in die globale städtische
gedenken reicht, brachte diesen [den Zivilkleidung übernommen, bis weit in
Franken] so viel Reichtum und Macht“, die weibliche Mode hinein. Auch die in-
Schlangenritzung schrieb Einhard nach 830. Die außeror- zwischen grassierende nordamerikanische
von der Unterseite
der Fibel von Salby, dentliche Wertschätzung der karolingi- Schirmmütze („baseball cap“) entstammt
Katalog 42 schen Schwertgehänge und ihrer dreiarmi- dem army equipment.

177
Der Gral im Norden –
vom Hostienbehältnis zum Ritualgefäß

D ie Aneignung, Nachahmung
und Umformung karolingi-
scher Kulturformen über das
Medium Silber vollzog sich im skandinavi-
schen Norden auch im Bereich der Kultge-
Pyxiden auf dem Kontinent, etwa bei der
Teilnahme an einer Messfeier wie Harald
Klak und seine Leute 826 in Mainz, oder
als Teil eines geraubten Kirchenschatzes,
vielleicht auch auf dem Feldaltar eines
räte. Wenngleich Kelch und Patene die Missionars, kennen gelernt; sie wussten
zentralen und häufigsten in der Liturgie also um seine sakrale Bedeutung bei den
verwendeten Gefäße waren, ist aus archäo- Franken als Behältnis, in dem der mächtige
logischem Kontext eine ganz andere Gefäß- Gott wohnte. Diese Gefäße waren auch in
gruppe am besten belegt: die Pyxiden, mit Material, Verarbeitung und Dekor pracht-
Deckel verschließbare Büchsen für die Auf- voller als alles, was man sonst als Becher
bewahrung der Brotspezies nach der Kom- kannte; seine verschlüsselten Bilder ver-
munion (vgl. S. 86 ff.). Wegen dieses aller- sprachen zauberische Macht. Zudem
kostbarsten Inhalts wurden sie, gleich den waren sie handlich und griffig. Da sie im
Kelchen, mit christlichen Heilsbildern ver- noch heidnischen Norden nicht in ihrer
ziert, die ewige Erlösung versprachen, wie originären Funktion eingesetzt werden
etwa vom Neuen Jerusalem, vom Grabe konnten, lag es nahe, sie als kostbare
Christe oder vom Lebensbrunnen. Sie ent- Trinkbecher zu verwenden.
sprachen der Vorstellung vom Messkelch In der Tat fand man die Pyxiden von
als heilbringendem Gral, die in jener Zeit Ribe und Fejø zusammen mit einem Satz
entstand. weiterer fünf bis sieben kleiner Becher aus
Aus dem späten 8. und der ersten Hälfte getriebenem und ritzverziertem Silberblech
des 9. Jahrhunderts sind aus vergolde- von 6–7 cm Durchmesser und 2–3 cm
tem Silber fünf Pyxiden, davon eine mit Höhe. Ganz offensichtlich handelt es sich
Deckel, und von einer weiteren ein Deckel hierbei um Trinkservice. Solche Service aus
erhalten. Alleine drei von ihnen kommen einem Haupt- und mehreren Nebenbe-
aus wikingerzeitlichen Schatzfunden des chern sind auch aus Terslev (siehe Abb. zu
10. Jahrhunderts: Ribe in Jütland (Katalog Katalog 43) und Lejre (Katalog 44) be-
28), Fejø auf Lolland (Katalog 43; Abb kannt, jeweils insgesamt fünf Becher, wo-
31) und Halton Moor in Lancashire. bei der Hauptbecher von Lejre ein skandi-
Auch der Becher aus Pettstadt ist ein navisches Produkt ist und der von Terslev
archäologischer Fund, allerdings aus ande- eine „östliche“ (persische?) Schale. Dabei
rem kulturellen Kontext (Katalog 27). Da ist das Service aus Lejre Bestandteil eines
solche Pyxiden auch im wikingischen größeren Sammelschatzes, der eher wie
Milieu Nordwestenglands (nordfranzösi- eine Grabausstattung denn wie ein Wert-
sche Pyxis, vergraben um 1025) vorkom- Schatz aussieht, also ganz ähnlich wie das
men, sind sie vermutlich als Beute oder Depot von Lerchenborg (Katalog 34), vor
Tribut in die Hände der Nordleute gelangt. allem, da er in einem kleinen Hügel ange-
Der schon im Altertum reparierte Becher troffen wurde. Diese Trinkservice ent-
aus Fejø zeigt, dass diese Gefäße als kost- sprachen nicht alt-skandinavischen Trink-
bar und ehrwürdig galten. sitten, bei denen man zum Konsum größe-
Die Nordleute hatten die karolingischen rer Biermengen Eimer, Trinkhorn, Holz-

178
Katalog 43 (rechts) oder Glasbecher und Schöpfkelle benö- 43 Trinkservice von Fejø, Lolland
Das Service aus einem großen und 5 kleinen Bechern,
Trinkservice von Terslev tigte. Die kleinen zarten Silberbecher wa-
von denen der kleinste stark zerstört war und nicht
(links) ren hingegen eher dem Genuss von Wein, aufgelesen wurde, wurde in frisch gepflügter und
Met (Honigwein) oder einem anderen geharkter Erde gefunden; die kleinen Becher lagen
Rauschtrank vorbehalten – das Brennen dabei in der karolingischen Pyxis. Die Pyxis weist
zwar Beschädigungen vom Pflug auf, wurde aber
von Spirituosen war erst gegen 1100 bereits im Altertum mit eingenieteten Silberblechen
bekannt –, wobei ihr geringes Fassungsver- geflickt.
mögen nahelegt, dass sie nicht zum Durst- Silber, vergoldet, Nielloeinlagen; H. der Pyxis 9,8 cm;
H. der Kleinbecher 2–3 cm
löschen, etwa an der Tafel, sondern eher Pyxis: fränkisch (Salzburg?), Ende 8. Jh.;
zum symbolischen Trinken verwendet Kleinbecher: skandinavisch, 10. Jh.
wurden. Wenn die Service annähernd voll- Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 1458
Wilson 1960; Wamers 1991
ständig erhalten sind, dann werden es klei-
ne, etwa vier bis acht Personen umfassende 44 Schatz mit Trinkservice von Lejre, Seeland
Gruppen gewesen sein, die sie benutzten, Das Depot (Grabfund?) enthielt den gegossenen, teil-
und wenn es ein eher symbolisches Trinken vergoldeten Silberbecher, dazu einen vielfach geflick-
ten größeren (Dm. ca. 8 cm) Silberblechbecher, Frag-
war, dann handelte es sich um kultische, mente eines Silberbechers mit vergoldeter Mammen-
vielleicht religiöse Trinkgemeinschaften. stil-Verzierung am Rand, eine irische Silberschale mit
Dabei wird der große (bei Lejre: massive) Goldfiligran-Besatz, eine Perlenkette, einen Schleif-
stein, eine eigentümliche leicht gewölbte Silberscheibe
Becher entweder als Spendegefäß gedient sowie ein arabisches Kugelzonengewicht.
haben, aus dem in die kleinen Becher ein- „Hauptbecher“: Silber, vergoldet, Nielloeinlagen;
gefüllt wurde, oder aber einem Vorsitzen- H. 4,4 cm
Südskandinavisch, 10. Jh.
den dieser aus ansonsten gleich gestellten
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar 11373
Genossen bestehenden Trinkgemeinschaft Skovmand 1942, 115; Wilson 1960, 158 f., 171 Abb.
zugedacht gewesen sein. Diese kultischen 13, 23a; Wamers 1991b, 23 ff. Abb. 8; Andersen
Trinkgemeinschaften können heidnisch- 1993, 118 Abb. 106.

religösen Charakters gewesen sein, doch


findet sich dafür in der altnordischen Über-
lieferung kein Beleg.

179
Es ist vermutet worden (E. Wamers), derts berichten über decani, Vorsitzende Katalog 44
dass es hierbei eher um gildenähnliche der Trinkgelage und Schiedsrichter der
Gemeinschaften im Norden gehandelt Gemeinschaften, die für Wein und andere
haben könnte. Gilden waren im frühen Notwendigkeiten sorgen mussten. Auf
Mittelalter die bedeutendsten Trink- und dem Kontinent waren die Gilden ein bis
Speisegemeinschaften, freie „Einungen“ wenige Dutzend Mitglieder stark; wie es
mit umfassenden religiösen, geselligen, sitt- im Norden aussah, etwa in den lands-
lichen, privatrechtlichen und politischen mannschaftlich gegliederten Händlervier-
Zielen. Wesentliche konstitutive Elemente teln der Fernhandelsplätze, ist unbekannt.
der Gilden waren die Parität ihrer Mitglie- Spiegeln diese im 10. Jahrhundert in
der, die Bindung durch Eid mit interner Dänemark deponierten geheimnisvollen
Rechtsprechung sowie die Teilnahme an Trinkservice solche frühen Gilden wieder,
gemeinsamen Mahlzeiten und vor allem an etwa von friesischen oder einheimischen
geselligen Trinkgelagen zur Einübung und Fernhändlern? Aber warum wurden sie
Verfestigung des Zusammengehörigkeits- irgendwann im 10. Jahrhundert vergra-
gefühls. ben? Oder stecken doch irgendwelche
Gilden gehen auf spätantike Sozialfor- heidnisch-religiösen Gruppen dahinter?
men zurück und erlebten seit dem 8. Jahr- Immerhin hat man bevorzugt exotische
hundert einen starken Aufschwung, was und magisch bebilderte Behältnisse als
vor allem mit der Entwicklung des Fern- Hauptgefäße verwendet. Bezeichnend ist
handels zusammenhängt. In England sind ferner, dass man für das „Service“ von
sie schon seit etwa 800 belegt, in Schweden Lejre – dessen beide erhaltenen Beibecher
erst für das 11. Jahrhundert; auf dem Kon- sehr alt waren – einen neuen Hauptbecher
tinent gab es unter anderem Friesengilden. gegossen hat, der zwar formal die karolin-
Wegen ihrer sozialen Eigendynamik wur- gischen Pyxiden imitierte, doch mit vier
den sie schon früh von der Zentralgewalt merkwürdigen Frau-Vogel-Mischwesen
bekämpft. Gildenstatuten des 11. Jahrhun- verziert ist, die mit einer Perlkette an das

180
Katalog 44 Gefäß stranguliert sind. Man wird dabei religiösen Inhalten und Lebensformen des
unwillkürlich an die Schwanenjungfrauen Kontinents in den Norden verlief. Vermut-
und andere zum Gestaltwandel – nach lich bedurfte es eines solch kostbaren,
Genuss von Rauschmitteln – fähige Wesen himmlischen Metalls als Katalysator für
der nordischen Mythologie erinnert. die Steigerung der Aufnahmebereitschaft
Auffallend ist auch, dass die drei bekann- im heidnischen Barbarikum. Am Ende die-
ten „kultischen“ Trinkgefäße von königli- ses mehr als zweihundertjährigen Prozesses
chen Repräsentanzen kommen: Vejleby bei stand die Europäisierung des Nordens. Die
Fejø darf zu Recht als Sitz eines Klein- Macht des Silbers hatte obsiegt.
königs vermutet werden (S. 145 ff.), in
Ribe saß ein königlicher Verwalter, und Literatur:
Lejre auf Seeland war nach Thietmar von Quellen: Rau 1968–1992; Ermoldus Nigellus
Merseburgs Chronik der Sitz des sagenhaf- Splendor imperii: von den Steinen 1965; Vierck 1981;
Wamers 2003
ten Skjöldungengeschlechts und Hauptort
Novus David: Elbern 1963; Fleckenstein 1965; Björk-
des dänischen Reiches, wo die neunjähri- man 1965; Clot 1990; Schuhmacher-Wolfgarten
gen Tier- und Menschenopfer stattfanden. 1994; Elbern 1997; Elm 1998; Krüger 2003; Oellers
Diese dreifache Koinzidenz kann kaum zu- 2003; Katalog Aachen 2003; Elbern 2003
Stupor Danorum: Wamers 1994a; Wamers 2002
fällig sein; ein Zusammenhang zwischen Die neue Währung: Malmer 1966; Hårdh 1976;
diesen Trinkservicen und herrscherlicher – Blackburn; Metcalf 1981; Hill, Metcalf 1984; Steuer
und damit verbunden – kultischer Zentral- 1987b; Hårdh 1996; Metcalf 1996; Wiechmann
1996; Malmer 2002; Steuer u.a. 2002; Moesgaard
gewalt ist offenkundig. Die Übernahme 2004; Wiechmann, im Druck
kontinentaler Ritualgefäße und ihre Adap- Bootkammergrab: Müller-Wille 1976; Ellmers 1980;
tion im paganen Kontext, vielleicht sogar Wamers 1994a; Wamers 1995; Wamers 2002
Military look: Capelle 1968; Capelle 1974; Wamers
einen neuen Kult initiierend – fand erneut
1981; Wamers 1985; Maixner 2003
auf sozial höchster Ebene statt (Abb. 61). Gral: Wilson 1960; Wamers 1991a; Wamers 1991b;
Wiederum war es das Medium Silber, Wamers 2005
über das die Vermittlung von sozialen und Egon Wamers

181
Abb. 61
Der skandinavische
Zauber- und Kriegsgott
Odin auf seinem
achtbeinigen Ross
Sleipnir in Walhalla
einreitend, einen
Trinkbecher
hochhaltend. Ausschnitt
vom Bildstein von
Alskog, Gotland.
9. Jahrhundert
(nach S. Lindqvist
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Archäologisches Museum Frankfurt: Katalog 1, 2, 3, Kitt Weiss); 34, 36a.1-2, 36d.3-4, 36e.1-4, 36f-h,
5, 6, 9 (Fotos: Ursula Seitz-Gray) 36i.1-5 (Fotos: John Lee); 36b.1-2, 36c, 36d.1-2
Bayerische Staatsbibliothek München: Abbildung 9 (Fotos: Jens Olsen); 41, 42 (Fotos: John Lee); 43;
Bibliotheca Apostolica, Museo Sacro, Vatikan: Abbil- 44 (Foto: John Lee); 43; Abbildung 31, 44, 46, 54
dung 35 Réunion des Musées Nationaux, Paris: Katalog 15
Bibliothek des Metropolitankapitels, Prag: Abbil- (Foto: J. G. Berizzi), 24, Abbildung 55
dung 19 Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz:
Bibliothèque municipale de Lyon: Abbildung 36 Katalog 4 (Foto: Volker Iserhardt); 11, 31 (Fotos:
(Foto: Didier Nicole) Sabine Steidl)
Bibliothèque Nationale Paris: Umschlagmotiv, Abbil- Schilling, Henrik: Abbildung 45
dung 7, 8, 18, 25 (Foto: Bibliothek), 32 (Foto: Schilling, Keld: Abbildung 49
Genevra Kornbluth) Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Got-
Bildarchiv Foto Marburg: Katalog 18, Abbildung 23 torf, Schleswig: Katalog 38
British Library London: Abbildung 6 Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett: Katalog
Deutsches Historisches Museum Berlin: Katalog 15 10, 21, 22; Abbildung 2, 50
Domkapitel Aachen: Abbildung 14, 52 (Fotos: Ann Staatsbibliothek Bamberg: Abbildung 24 (HVG
Münchow), Katalog 18 1/30), 28
Dom-Museum Hildesheim: Katalog 17, 31, Abbil- Stiftung Oldenburgischer Kulturbesitz: Katalog 25
dung 22 Téreygeol, Florian: Abbildung 3
Elbern, V. H., Berlin: Abbildung 51, 53 Tromsø Museum: Abbildung 40 (Inv. Nr. Ts 1649)
Éditions Gallimard, Paris: Abbildung 37 The Prague Castle Archives, The Metropolitan Chap-
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg: Katalog ter Library, Prag: Abbildung 19
13, 14, 27 Universitetets Oldsaksamling, Oslo: Abbildung 20
Groninger Museum: Katalog 19; 35 (Foto: John (Foto: Mona Knudsen); 27
Stoel); Abbildung 42 Wamers, Egon: Katalog 23
Hessisches Landesmuseum Darmstadt: Katalog 23 Württembergisches Landesbibliothek, Stuttgart: Abb.
Istituto Poligrafico e Zecca dello Stato, Rom: Abbil- 13, 15, 16, 17, 21, 30
dung 1, 2, 4, 10, 11, 12, 33 Württembergisches Landesmuseum Stuttgart: Kata-
Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Abt. log 8
Arch. Denkmalpflege, Mainz: Katalog 20
Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Außenstelle Graphische Gestaltung aller Karten und folgender
Esslingen: Katalog 32 Abbildungen nach Vorlagen:
Landesmuseum Mainz: Katalog 16 (Fotos: Ursula Abbildung S. 2, 39, 41, 60 (nach E. Wamers), 38
Rudischer) (nach T. Capelle im Druck), 43 (nach H. Schilling),
Lunds Universitets Historiska Museum: Katalog 33 47 (nach Skamby Madsen), 57 (nach Metcalf 1996
Moltke 1976: Abbildung 48 mit Ergänzungen), 58 (nach Müller-Wille 1976),
Moravské zemské muzeum Brno: Abbildung 29 59 (nach Maixner 2003), 34, 58; Katalog 37: Eike
Muzej Hrvatskih Arheoloskih Spomenika Split: Kata- Quednau.
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