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ÖNORM B2110

BAUVERTRAGSRECHT
Teil 3 – Prüf- und Warnpflicht

§
§ §
§

§
FH-Prof. DI. Dr. Doris LINK
ECC – Bauprozessmanagement GmbH

PRÜF- UND WARNPFLICHT

D.I. Dr. Doris LINK 1


ÖNORM B2110

Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: Rechtsgrundlagen
→ gesetzliche Grundlage ABGB
§ 1168a ABGB
Misslingt aber das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des
vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger
Anweisungen des Bestellers, so ist der Unternehmer für den
Schaden verantwortlich, wenn er den Besteller nicht gewarnt
hat.

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Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: Rechtsgrundlagen
→ ÖNORM B 2110
ÖN B 2110, Pkt 6.2.4
Der AN hat die Pflicht, die ihm vom AG zur Verfügung gestellten
Ausführungsunterlagen, erteilten Anweisungen, beigestellten
Materialien und beigestellten Vorleistungen so bald wie
möglich zu prüfen und die auf Grund der ihm zumutbaren
Fachkenntnis bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt
erkennbaren Mängel und die begründeten Bedenken gegen die
vorgesehene Art der Ausführung dem AG unverzüglich
schriftlich mitzuteilen.

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ÖNORM B2110

Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: Rechtsgrundlagen
→ Sonstige

 Primär aus dem Vertrag


B 2110
B 22xx
Individuelle vertragliche Regelungen
 Liegt keine vertragliche Regelung vor
ABGB

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Prüf- und Warnpflicht


 Besondere Prüfpflichten in den
Werkvertragsnormen B 22xx
 ÖNORM B 2232 - Estricharbeiten
- Prüfung:
- des obersten, bauseits vorhandenen Bauteils mit einfachen
Methoden,
- der Höhenlage,
- der Ebenheit,
- minderfester Schichten, etc.
- Hinweispflicht bei fehlerhafter Anordnung von
Feuchtigkeitsabdichtungen, Dampfsperren oder Wärmedämmungen
 ÖNORM B 2206 – Maurer- und Versetzarbeiten:
- Prüfung:
- Beschaffenheit des Baugrundes,
- Aggressivität des Baugrundes
 Aber keine eingehenden technologischen und chemischen
Untersuchen erforderlich!

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ÖNORM B2110

Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: zeitliche Begriffe
der ON B 2110
 unverzüglich
 sofort, ohne jeglichen Verzug
 ehestens
 bei nächster Gelegenheit
 so bald wie möglich
 bei Vorliegen der Voraussetzungen
 rechtzeitig
 ohne Behinderung anderer Abläufe

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Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: Was ist zu tun?
 Was ist zu tun?
1. Prüfpflicht (Untersuchungspflicht)
2. Warnpflicht (Hinweispflicht)
3. Verbesserungsvorschläge – MUSS-Bestimmung (neu!!)
- innerhalb zumutbarer Frist
- im Rahmen der fachlichen Möglichkeiten

Mitteilung wenn keine Prüfung erfolgt ist weil:


- technisch zu aufwändig
- zeitlich nicht möglich

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Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: Was ist zu tun?
Prüf- und Warnpflicht

1. Schritt 2. Schritt

Prüfung vom AN an AG: Mitteilung von Bedenken

Verbesserungsvorschlag

ev. MKF
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Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: Zweck und Gegenstand

 Zweck:
- ordnungsgemäße Erbringung der Leistung
- Schutz vor dem Misslingen des Werkes
 Gegenstand:
- den Bauinhalt
- Stoffe (z.B. Baugrund, Beton, Schotter)
- Anweisungen des AG
- Ausführungsunterlagen des AG
- Vorleistungen von Planern und Konsulenten
- Vorarbeiten des AG sowie anderer AN
=> Bei offenbarer (erkennbarer) Mangelhaftigkeit im AG-Beitrag hat
der AN zu warnen

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Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: Form, Zeitpunkt
und Inhalt der Warnung
 Form:
- ÖN B 2110: Schriftlichkeitsgebot
- Adressat: Auftraggeber
 Zeitpunkt:
- Prüfpflicht: „so bald wie möglich“
- unverzügliche Mitteilung der Bedenken
- Fristbeginn: ab Erkennbarkeit
 Inhalt:
- Ziel der Warnung: Abwägung der Risiken
- Klar und eindeutig
- Kausalzusammenhang zwischen Stoff bzw. Anweisung
und Gefahr des Misslingens (keine Alibiwarnung)
- Bekanntgabe der Nachteile bei vertragsgemäßer Ausführung
- Nach Möglichkeit: Verbesserungsvorschläge

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 Prüf- und Warnpflicht: Pflichten des AG
 Beistellung mangelfreier Unterlagen, Stoffe und
Anweisungen

 Hinweis- und Informationsverpflichtung über Risiken, die


aus seiner Sphäre stammen
- z.B. Baugrundrisiko – Überwälzung nur mit ausreichender
Deutlichkeit möglich (OGH 7 Ob 140/98h)

 AG muss auf Warnung reagieren – Entscheidung über


weitere Vorgangsweise treffen

 Wurde Warnung bereits von anderem AN getätigt (z.B.


Statiker), ersetzt dies die Warnpflicht des Bauunternehmers
(OGH 4 Ob 582, 583/89)

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Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: Prüfung der Ansprüche

Ursache volle Ansprüche


Mangel / Schaden nein
beim des AG an den
AG? AN

ja

Offen-
nein
sichtlicher
keine Mangel?
Ansprüche des
AG an den AN ja Ansprüche des
AG an den AN
ja Warnung nein (Mitverschulden,
erfolgt? SOWIESO-
Kosten)
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Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: nicht erkennbare Mängel

Nicht erkennbare Mängel sind…


… jene, zu deren Erkennung…

 …umfangreiche, technisch schwierige oder


kostenintensive Untersuchungen notwendig sind
 …das Beiziehen von Sonderfachleuten erforderlich ist

Untersuchung mit den üblichen Gepflogenheiten eines


ordentlichen Unternehmers (OGH 4 Ob 582, 583/89)

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Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: nicht erkennbare
Mängel - Judikatur
Nicht erkennbare Mängel - Judikatur
 Die Warnpflicht darf nicht überspannt werden (OGH 1 Ob
144/00h)
 Aufgrund des Informations- und
Beherrschbarkeitsvorsprunges des AG kann der AN
grundsätzlich von der Tauglichkeit von Anweisungen des
AG ausgehen (OGH 1 Ob 690/84)
 Der AN muss nicht nach unbekannten Mängeln suchen
(OGH 6 Ob 233/97i)
 Der AN muss sich nicht in alle möglichen Eventualitäten
hineinversetzen (OGH 1 Ob 233/97i)

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Prüf- und Warnpflicht


 Entfall der Prüf- und Warnpflicht

Entfall der Prüf- und Warnpflicht:

 bei nicht erkennbaren Mängeln

 bei einem gewarnten AG (von anderem AN)

 Entfall u.U. auch:


- bei vom AG geforderten neuen Materialien
- bei neuen Bauverfahren
- Ad-hoc Anweidungen des AG – fehlender zeitlicher Vorlauf
- Kurzer Planvorlauf
- Entfall ist nach der ÖNORM dem AG mitzuteilen !!!!! Schriftlich!!

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Prüf- und Warnpflicht


 Die Rolle der ÖBA
Die Rolle der ÖBA?

 Unzureichende Bauüberwachung führt zu keinem


Mitverschulden des AG – sehr wohl aber fehlerhafte
Planung (OGH 6 Ob 107/00d)

 Beratung des AG durch ÖBA schränkt die Prüf- und


Warnverpflichtung des Werkunternehmers nicht ein.

 Unzureichende Koordinierung durch ÖBA (AG) kann zu


einem Mitverschulden führen (OGH 2 Ob 221/97g)

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Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: Verletzung
 Unterlässt der AN die Mitteilung, haftet er für die Folgen
seiner Unterlassung.
 Der AG ist so zu stellen, wie es stünde, wenn der AN seiner
Warnpflicht nachgekommen wäre.
 Sowieso-Kosten (Kosten, die bei rechtzeitiger Warnung
entstanden wären) sind vom Gesamtschaden in Abzug zu
bringen.
 Kommt der AG der Warnung nicht nach, ist der AN von der
Haftung befreit
 Schadensteilung

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Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: Vorvertragliche
 Beschränkte Prüf- und Warnpflicht
 nur bei groben Fehlern
in den Ausschreibungsunterlagen
 rechtliche und technische Ausschreibungsprüfung
anhand von ÖN und Richtlinien

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Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: Vorvertragliche

Was spricht gegen eine strenge vorvertragliche Prüf- und


Warnpflicht?

 Bieter können grundsätzlich auf Angaben in der


Ausschreibung vertrauen (OGH 5 Ob 177, 178/74)
 entgeltlose Bearbeitung durch AN
 Ausschreibung und Angebot sind ein kaufmännischer und
kein technischer Dialog
 Beherrschbarkeitsvorsprung des AG aufgrund
Bearbeitungsintensität.

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Prüf- und Warnpflicht


 Prüf- und Warnpflicht: Vorvertragliche
Differenzierung: fehlende Vergütungsvereinbarung – Mangel
der zu Schaden am Bauwerk führt

 Fehlende Vergütungsvereinbarung
- fällt nicht in Prüf- und Warnpflicht
- z.B.: Attikaschalung nicht ausgeschrieben; führt nicht zu technischem
Mangel
 Mangel der zu Schaden am Bauwerk führt:
- fällt in Prüf- und Warnpflicht
- z.B.: Dimensionierung des Abwasserrohres zu gering

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Prüf- und Warnpflicht -


vorvertraglich
 erkannter Fehler im LV wurde von Bieter vorsätzliche
verschwiegen
 Klage des AN auf Mehrkosten von OGH
zurückgewiesen mit Begründung:
 AN hat sich im Vergabeverfahren Vorteil verschafft (culpa in
contrahendo + Verletzung der Prüf- und Warnpflicht)
 Schadenersatz und Verlust des
Mehrkostenentgeltanspruches des AN
 Gilt jedenfalls dann, wenn in Ausschreibung enthalten ist:
„…,dass der Bieter bei von ihm erkannten
Ausschreibungsfehlern Klarstellung und Ergänzung zu
fordern hat, bzw. zur ordnungsgemäßen
Leistungserbringung erforderliche Zusatzleistungen vor
Ende der Angebotsfrist anzumelden hat. „

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Prüf- und Warnpflicht


 Judikatur
•In der Entscheidung des OGH vom 13.12.1989, 1 Ob
628/89 (Exolex 1990, 542) hat dieser erkannt, dass ein
Werkunternehmer, der ein den technischen ÖNORMEN
nicht entsprechendes Angebot legt und auch später nicht
vor dem drohenden Mangel warnt, den Ersatz der
anfallenden Sanierungskosten schuldet. Der OGH legt in
gegenständlicher Entscheidung die Warnpflicht nicht als
vorvertragliches Schuldverhältnis, sondern als
vertragliche Schuld aus. Er lässt somit die Warnung
erst nach Vertragsabschluss und mit der Möglichkeit
einer Preisanpassung zu.

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 Judikatur
OGH 6.11.1981 HdBW V/13: der Architekt weist nicht
darauf hin, dass infolge zu geringen Parkraumes die
Baubewilligung nicht erteilt werden wird und deshalb die
Bauausführung gefährdet ist.

OGH 5.2.1992, 2 Ob 590/91: der Architekt unterlässt den


Hinweis, dass mit der nach dem Altstadtschutzgesetz
zulässigen Fußbodenkonstruktion keine ausreichende
Trittschalldämmung erzielt werden kann.

OGH 14.5.1987 JBL 1987, 662: die


Infrarotluftbildaufnahmen lassen eine aussagekräftige
Auswertung nicht mehr zu, weil der Flugunternehmer nicht vor
der jahreszeitlich zu späten Befliegung gewarnt hat
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 Judikatur
 Untersuchungspflicht nur im Rahmen der eigenen
Leistungspflicht (OGH 8 Ob 588/87)
- Bauunternehmer muss auf mögliche Aggressivität des
Grundwassers hinweisen, aber keine Untersuchungen auf
eigene Kosten durchführen
 AN hat Unterlagen auf Zweckmäßigkeit zu prüfen (OGH 7 Ob
140/98h) :
- Unter Anwendung üblicher Fachkenntnisse
- Nicht im gleichen Umfang wie der primär prüfpflichtige AG

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 Judikatur
 Warnpflicht besteht auch gegenüber einem sachkundig
oder sachkundig beratenen AG
- Spengler muss vor mangelhafter Planung des Architekten
(z.B. fehlende Hinterlüftung) warnen – aber Mitverschulden
des Bestellers (OGH 9 Ob 342/98d)
- Warnung auch bei Missachtung der Warnpflicht des
Vorunternehmers – grundsätzlich kann aber vom
fachmännisch arbeitenden Vorgewerk ausgegangen werden –
keine Freilegung von Fundamenten des Vormannes (OGH 7 Ob
82/97d)

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ÖNORM B2110

Prüf- und Warnpflicht


 Checkliste Prüf- und Warnpflicht

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Prüf- und Warnpflicht


 Checkliste Prüf- und Warnpflicht

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ÖNORM B2110

Zusammenfassung
Prüf- und Warnpflicht
 schriftlich
 direkt gegenüber dem AG
 unverzüglich
 Inhalt der Warnung
 Sowieso-Kosten
 Verbesserungsvorschläge und
Kostenauswirkung
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