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V.

Buch

2 2 4 S w e r r u o c h e t hoeren w a r n u k u m t Wer L u s t h a t zu h ö r e n , w o h i n n u n d e r
d e n ä v e n t i u r h a t üz g e f r u m t , k o m m t , d e n die Ä v e n t i u r e h i n a u s g e -
der m a c gröziu w u n d e r schickt h a t , d e r h a t G e l e g e n h e i t , l a u t e r
m e r k e n al b e s u n d e r . g r o ß e u n d w u n d e r b a r e D i n g e zu b e m e r -
j lät rlten G a h m u r e t e s k i n t . k e n . L a ß t a l s o G a h m u r e t s K i n d reiten!
s w ä n u g e t r i w e liute sint, Ü b e r a l l , w o t r e u e L e u t e sind, w i r d m a n
die w ü n s c h n im heils: w a n ez m u o z sin i h m jetzt G l ü c k w ü n s c h e n ; d e n n es m u ß
d a z er n u lidet h ö h e n ρ ΐ η , g e s c h e h e n , d a ß er n u n h o h e s Leid e r f ä h r t
e t s w e n n e o u c h f r e u d e u n d ere. u n d i r g e n d w a n n e i n m a l vielleicht a u c h
10 ein d i n c in m ü e t e sere, G l ü c k u n d E h r e . Ein D i n g m a c h t e i h m
d a z er v o n ir g e s c h e i d e n w a s , s c h w e r zu s c h a f f e n : d a ß er g e t r e n n t w a r
d a z m u n t v o n w i b e nie gelas v o n Ihr — kein M u n d h a t je v o n einer
n o c h sus gesagte masre, F r a u a u s e i n e m Buch gelesen o d e r s o n s t
d i u schcenr u n d bezzer wasre. w a s v o r g e t r a g e n , die s c h ö n e r u n d besser
15 g e d a n k e n a c h d e r k ü n e g i n wäre. G e d a n k e n nach der Königin mach-
b e g u n d e n k r e n k e n im d e n sin: ten seine Sinne s c h w a c h ; sie w ä r e n i h m
den müeser gar verloren hän, g a n z g e s c h w u n d e n , h ä t t e er n i c h t s o viel
wserz n i h t ein h e r z e h a f t e r m a n . Herz gehabt.
mit gewalt den zoum daz ros D a s P f e r d h a t t e sich z u m H e r r n des
20 t r u o g ü b e r r o n e n u n d d u r c h e z m o s : Z ü g e l s g e m a c h t u n d f ü h r t e ihn ü b e r
w a n d e z wiste n i e m e n s h a n t . B a u m s t ä m m e und durch das Ried; denn
uns tuot diu äventiure bekant n i e m a n d e s H a n d g a b i h m die R i c h t u n g .
d a z er bi d e m t a g e reit, D i e Ä v e n t i u r e h a t u n s mitgeteilt, d a ß er
ein vogel hetes a r b e i t , a n d i e s e m T a g so w e i t ritt, d a ß ein Vogel
25 solt erz allez h ä n e r f l o g e n . M ü h e h ä t t e , w e n n er d i e g a n z e Strecke er-
mich enhab diu äventiure betrogen, fliegen sollte. W e n n m i c h die Ä v e n t i u r e
sin reise u n n ä c h w a s so g r ö z n i c h t belogen h a t , so ist d i e Reise, die er
des tages d o er I t h e r e n s c h ö z , m a c h t e a n d e m Tag, als er d e n I t h e r tot-
u n t sit d o er v o n G r ä h a r z s c h o ß u n d als er n a c h h e r v o n G r ä h a r z bis
k o m in d a z l a n t ze B r ö b a r z . in d a s L a n d B r ö b a r z k a m , l a n g e n i c h t so
weit gewesen.

2. Den die g. 7. wünschen G, wnscen D. heils gg, heiles DG. wan fehlt Gd. 8. Er
muoz nu liden G. 9. Etswanne G. ouch fehlt Ggg. 12. man g, nyman d. 13. nach
sus gesagtem (gesagter g) m£ere Dg. 14. sccener D, schöner G. 17. des muoser D.
18. Wa;rz g, Warz G, wserez D. herzenhafter Ggg. 20. über berch Gg. durchez D,
das d = über Ggg. 21. enwiste D. 24. hets G. 25. halbez Gg. 26. = Uns habe
Ggg. 30. Bröbarz Dd, brovarz g, briubarz G, brubarz gg.
V. Buch 229

225 Welt ir nu hoern wiez im geste? Ihr wollt nun sicher hören, wie es um
er kom des äbnts an einen se. ihn steht: Er kam am Abend dieses Tags
da heten geankert weideman: an einen See. Da lagen Fischer mit ihrem
den was daz wazzer undertän. Boot vor Anker, denen war das Wasser
5 dö si in riten sähen, Untertan. Die sahen ihn, wie er geritten
si warn dem Stade so nähen kam; sie lagen so nahe am Ufer, daß sie
daz si wol horten swaz er sprach, gut verstehen konnten, was er sprach.
einen er im schiffe sach: Einen sah er im Schiff, der war gekleidet,
den het an im alsolch gewant, als ob er aller Länder Herr wäre: Besser
ίο ob im dienden elliu lant, kann man nicht angezogen sein. Sein pelz-
daz ez niht bezzer möhte sin. gefütterter H u t war mit Pfauenfedern ge-
gefurriert sin huot was pfäwin. arbeitet. Diesen Fischer sprach er an und
den selben vischasre bat ihn um Hilfe: Er möge ihm um Gottes
begunder vrägen masre, und seiner Courtoisie willen sagen, wo er
is daz er im riete durch got eine Herberge finden könnte.
und durch siner zühte gebot, So antwortete ihm der traurige Mann,
wa er herberge möhte hän. er sprach: »Mein Herr, ich kenne im Um-
sus antwurte im der trüric man. kreis von dreißig Meilen kein Wasser oder
er sprach 'her, mirst niht bekant Land, das anders als wild wäre; da ist
20 daz weder wazzer oder lant bloß ein einziges Haus, das liegt hier in
inre drizec miln erbüwen si. der Nähe. Dahin geht, ich meine es gut
wan ein hüs lit hie bi: mit Euch! Wo solltet Ihr zu dieser Zeit
mit triwen ich iu rate dar: sonst hin? Dort am Ende des Felsens wen-
war möht ir tälanc anderswar? det Euch nach rechts, und wenn Ihr hin-
25 dort an des velses ende aufgekommen seid an den Graben, dann
dä kert zer zeswen hende. müßt Ihr, glaube ich, stille stehen. Bittet
so'r üf hin komet an den grabn, dann, daß man Euch die Brücke nieder-
ich wsen dä müezt ir stille habn. lassen und die Straße öffnen möge.«
bit die brüke iu nider läzen
und offen iu die sträzen.'

1. hceren DG. 2. abents D, abendes G, abens g. 7. waz Gg. 8. ime D, in dem G.


scheffe Gg. 9. al fehlt Gdgg. 12. punct nach gefurriert D. phawin Gg, pfawin (wie
es scheint) D, phewin gg, pfewin dg, pfeilin g. 13. den seihen wiscasre D. 16. un durch
Dg, Unde och dur Gdgg. zuht G. 17. er die Ggg. moht G. 18. Des Ggg. trurige
DG. 19. er sprach fehlt gg. herre DG. mir ist alle außer G. unerchant Gg,
umbechant gg. 20. oder] noch Ggg. 21. inrc D, Inner gg, Inne g, In Gdgg. milen DG.
erbwen D, erbowet g. 22. burch Ggg. daz lit gg, diu lit G. uns hie bi D. 25. veldes
Ggg. 27. so ir alle außer G. 29. bittet D. die bruke (bruk g, brücken gg) iu Ggg, iu
die brukken (brücke d, brügge g, bruchge g) Ddgg.
230 V. Buch

226 Er tet als im der vischer riet, Er machte es so, wie der Fischer ihm
mit urlouber dannen schiet. geraten hatte, verabschiedete sich und ritt
er sprach 'komt ir rehte dar, fort. Da sagte jener noch: »Wenn Ihr rich-
ich nim iwer hint selbe war: tig hingefunden habt, so werde ich mich
5 sö danket als man iwer pflege, selber heute abend um Euch kümmern.
hüet iuch: da gent unkunde wege: Wie man Euch dort behandelt, so soll
ir muget an der Ilten dann Euer Dank sein! Hütet Euch, es sind
wol misseriten, unbekannte Wege: Wo es den Berg hinauf-
deiswär des ich iu doch niht gan.' geht, könnt Ihr Euch leicht verirren. Das
ίο Parziväl der huop sich dan, täte mir wirklich leid für Euch.«
er begunde wackerlichen draben Parziväl machte sich da auf. Immer
den rehten pfat unz an den graben, achtsam trabte er auf dem rechten Pfad
da was diu brükke üf gezogen, bis an den Graben: Da war die Brücke
diu burc an veste niht betrogen. aufgezogen. Die Burg log nicht, wenn
15 si stuont reht als si wasre gedrast. sie sich Festung nannte. Wie gedrechselt
ez enflüge od hete der wint gewaet, stand sie da. Mit Sturm war ihr im Krieg
mit stürme ir niht geschadet was. nicht beizukommen, höchstens mit Wind
vil türne, manec palas — wenn man geflogen wäre. Viele Türme
da stuont mit wunderlicher wer. und so mancher Palas standen da in mär-
20 op si suochten elliu her, chenhafter Macht. Wenn alle Heere der
sine gseben für die selben not Welt da hergezogen kämen, so gäben die
ze drizec jären niht ein bröt. dort drinnen in dreißig Jahren nicht ein
ein knappe des geruochte Brot dafür, sie loszuwerden.
und vrägte in waz er suochte Ein Knappe nahm sich seiner an und
25 od wann sin reise wasre. fragte ihn, was er wolle und woher er
er sprach 'der vischiere komme. Da sagte er: »Der Fischer hat
hat mich von im her gesant. mich hergeschickt. Ich habe seiner Hand
ich hän genigen siner hant gedankt, ich dachte doch, sie gäbe mir
niwan durch der herberge wän. Quartier. Er hat befohlen, Ihr möchtet die
er bat die brükken nider län, Brücke niederlassen;

1. tet] et G. visscasre D, vischare G. 3. reht G. 4. So nim ich iwer Gg. hinte D.


6. huetet D. 8. wol Dg, Vil wol die übrigen. 9. Deswar G. = doch fehlt Ggg. niene
gan G. 11. gewarlichen G. 13. Do Gg. 15. reht fehlt D. 16. oder DG. hiet g,
fehlt G. wat G. 18. mangiu Gg, manigen dg. 19. Stuonden (Stuent g) da Ggg.
20. ob si D. suohten G, so auch 23. 24. 24. was er D. 25. odr wannen D, oder wanen
G. 29. Niwan Dg, Niht wan dgg, fehlt Gg. wan? der fehlt d. 30. bruke Gdgg.
V. Buch 231

2 2 7 und hiez mich zuo ziu riten In.' ich solle zu Euch hineinreiten.«
'herre, ir suit willekomen sin. »Mein Herr, Ihr seid willkommen. Da
sit es der vischasre verjach, es der Fischer so gesagt hat, wird man
man biut iu ere unt gemach Euch ehren, und Ihr sollt es gut haben
5 durch in der iuch sande widr,' hier, um seinetwillen, der Euch schickte.«
sprach der knappe und lie die brükke So sprach der Knappe und ließ die Zug-
nidr. brücke hinunter.
In die burc der küene reit, Der Starke ritt in die Burg auf einen
üf einen hof wit unde breit, H o f , der weit war und groß; er war nicht
durch schimpf er niht zetretet was zertrampelt von Ritterspielen, überall
ίο (da stuont al kurz grüene gras: stand kurzes, grünes Gras: Turniere fan-
da was bühurdiern vermiten), den da nicht statt, mit Fahnen ritt man
mit baniern selten überriten, selten darüber hin — grade so wie auf
also der anger z'Abenberc. dem Anger von Abenberg. Rar waren hier
selten froelichiu were fröhliche Feste: Seit langer Zeit schon war
15 was da gefrümt ze langer stunt: in ihren Herzen der Kummer daheim. Ihn
in was wol herzen jämer kunt. ließen sie aber sehr wenig davon spüren.
wenc er des gein in enkalt. Junge und alte Ritter empfingen ihn, viele
in enpfiengen ritter jung unt alt. kleine Edelbüblein kamen gesprungen,
vil kleiner juncherrelin seine Zügel zu fassen; jeder wollte dem
20 Sprüngen gein dem zoume sin: anderen zuvorkommen. Sie hielten ihm
iesllchez für dez ander greif, den Steigbügel, und also mußte er abstei-
si habten sinen Stegreif: gen vom Pferd. Ritter begleiteten ihn
sus muoser von dem orse sten. dann weiter, sie führten ihn zu seinem
in bäten ritter fürbaz gen: Zimmer. Und dann dauerte es gar nicht
25 die fuorten in an sin gemach, lange, bis man ihm die Rüstung ausgezo-
harte schiere daz geschach, gen hatte; man wußte wohl, was sich ge-
daz er mit zuht entwäpent wart, hört. Als sie ihn sahen, so jung und ohne
dö si den jungen äne bart Bart und zum Liebhaben schön, da sagten
gesähen alsus minneclich, sie, er sei ein Kind des Glücks.
si jähn, er wsere saslden rieh.

1. zuo iu G. 3. ez D. 4. biutet D. 6. brukken gg. 9. Mit schimpher niht Ggg.


zetretet g, zetret D, zertretet G. 11. buhurdieren D, buhurt gar Gg. 12. banieren DG.
über geriten Ggg. 13. So Gg. zuo obenberg d, datze babenberch Gg. 15. zemanger
Gg. 17. engalt G. 18. iunch G. un DG. 21. furz D, fur daz G. 22. halten G,
habtan g. 25. = Si Ggg, Und g. 26. schier G. 29. Sahn g. also Gg. 30. iahen
DG. W£er gg.
232 V. Buch

228 Ein w a z z e r iesch d e r j u n g e m a n , D e r j u n g e M a n n ließ Wasser b r i n g e n


er t w u o c d e n r ä m v o n im s ä n u n d w u s c h sich n u n d e n R o s t a b u n t e r
undern ougen unt an handen. den Augen und von den H ä n d e n . Alt und
alt u n d j u n g e w ä n d e n j u n g g l a u b t e n , v o n i h m ginge eine z w e i t e
j d a z v o n im a n d e r t a g erschine. S o n n e a u f : D a s a ß er, m a n m u ß t e ihn g e r n
sus saz d e r m i n n e c l i c h e w i n e , h a b e n , s o reizend s a h er a u s . E r w a r g a n z
g a r v o r allem t a d e l vri ohne Makel, mit arabischem Brokat, der
m i t pfelle v o n A r ä b i Mantel nämlich, den man ihm brachte.
m a n t r u o c im einen m a n t e l d a r : D e r S c h ö n e legte i h n an u n d ließ d i e
ίο d e n legt a n sich d e r w o l gevar; S c h n ü r e o f f e n ; er s t a n d i h m s o g u t , d a ß
mit offenre snüere. m a n ihn l o b e n m u ß t e . D a s p r a c h d e r
ez w a s im ein l o b s g e f ü e r e . kluge Kämmerer: »Repanse de Schoye hat
d ö sprach der kameraere kluoc i h n g e t r a g e n , m e i n e H e r r i n , die Königin:
' R e p a n s e d e s c h o y e in t r u o c , Von ihr ist er E u c h geliehen. Es w a r n o c h
υ min f r o u w e de künegin: n i c h t Z e i t g e n u g , Kleider f ü r E u c h zu
a b ir sol er iu glihen sin: s c h n e i d e r n . Ich k o n n t e sie ja m i t E h r e n
w a n iu ist n i h t kleider n o c h g e s n i t e n . d a r u m b i t t e n , d e n n Ihr seid ein adeliger
ja m o h t e ich sis m i t eren b i t e n : M a n n , w e n n ich r e c h t b e o b a c h t e t h a b e . «
w ä n d e ir sit ein w e r d e r m a n , »Das lohne Euch Gott, mein Herr, d a ß
20 o b ichz g e p r ü e v e t r e h t e h ä n . ' Ihr so s p r e c h t . W e n n Ihr m i r m e i n e n Adel
' g o t lön iu, h e r r e , d a z irs jeht. a n s e h e n k ö n n t , d a n n h a t m e i n Leib m i r
o b ir m i c h ze r e h t e s p e h t , G l ü c k g e b r a c h t . Solche G e s c h e n k e g i b t
sö h a t m i n lip g e l ü c k e e r h o l t : die K r a f t G o t t e s . «
d i u g o t e s k r a f t git s ö l h e n solt.' M a n b o t i h m zu t r i n k e n a n , m a n be-
25 m a n s c h a n c t e im u n d e p f l a c sin sö, d i e n t e ihn m i t A u f m e r k s a m k e i t : Diese
d i e t r ü r e g e n w ä r e n m i t im v r ö . Trauernden waren mit ihm fröhlich. M a n
m a n b o t im w i r d e u n d ere: b o t R e i c h t u m u n d L u x u s f ü r ihn a u f ; hier
w a n dä was rates mere w a r n ä m l i c h m e h r V o r r a t , als er d a m a l s
d e n n e er ze P e l r a p e i r e v a n t , in P e l r a p e i r e f a n d — d i e L e u t e d o r t schied
die d ö v o n k u m b e r schiet sin h a n t . seine H a n d v o n i h r e m K u m m e r .

3. Under Gg. an DG, fehlt d, an den gg. 4. Alte G. 5. ein ander Ggg. erscin-win
Dg. 6. Do Ggg. 7. zadel dg. 8. Ein phelle G. 9. = braht im Ggg. mandel G.
10. leit G. 11. ofner g, offener die übrigen. 12. Daz Ggg. im fehlt Gg. ein fehlt
g. lobs Dgg, lobes G. 14. Repanse de scoye Dd = Urepans de tschoye g, Urrepansch
detschoy g, Urrepanschoye G. 15. de für diu hat immer nur D. 16. Ober iu (Uber euch
g) sol gelihen sin Gg. gelihen alle, nur gleichet g. 17—24 fehlen G. 17. = wan fehlt
gg. 18. = Ouch gg. ir sis gg. 19. = sit ouch ein gg. 21. daz] sit gg. 26. trurigen
G, truorigen D. al vro D. 2 7 - 2 2 9 , 1 8 fehlen G.
V. Buch 233

229 Sin harnasch was von im getragen: Seine Waffen waren fortgetragen wor-
daz begunder sider klagen, den. Das tat ihm nachher leid, als man
da er sich schimpfes niht versan. sich unvermutet einen Scherz mit ihm er-
ze hove ein redespseher man laubte: Da w a r so ein Redekünstler, der
5 bat k o m n ze vrävelliche fuhr den starken Gast frech an und for-
den gast ellens riche derte ihn auf, bei H o f e zu erscheinen vor
zem wirte, als ob im wasre zorn. dem H e r r n , als o b der wütend auf ihn
des het er nach den Up verlorn wäre. Das hätte er beinahe mit dem
von dem jungen Parziväl. Leben bezahlt bei dem jungen Parziväl.
ίο d ö er sin swert wol gemäl Als der merkte, d a ß sein schönes buntes
ninder bi im ligen vant, Schwert nicht bei ihm lag, da ballte er
zer fiuste twanger sus die hant die H a n d zur Faust mit solcher Gewalt,
daz dez pluot üzen nagelen schöz d a ß ihm das Blut aus den Nägeln schoß
und im den ermel gar begöz. und ihm den Ärmel begoß. »Nein, mein
15 'nein, herre,' sprach diu ritterschaft, Herr«, sprachen da die Ritter, »er hat das
'ez ist ein man der schimpfes k r a f t Amt und Privileg zu scherzen, so traurig
hat, swie trürc wir anders sin: es sonst auch hergeht bei uns. Ihr m ü ß t
tuot iwer zuht gein im schin. gegen ihn edel und großmütig sein. Der
ir sultz niht anders hän vernomn, Fischer ist gekommen, nur so sollt Ihr es
20 wan daz der vischasr si k o m n . nehmen. Geht hin zu ihm, Ihr seid bei
dar get: ir sit im werder gast: ihm als Gast willkommen und geehrt; den
und schüfet ab iu Zornes last.' Z o r n , der auf Euch liegt, werft ab!«
si giengen üf ein palas. Sie gingen zu einem Palas hinauf. Da
hundert kröne da gehangen was, waren hundert Kronen aufgehängt über
25 vil kerzen drüf gestözen, den Leuten des Hauses, viele Kerzen wa-
ob den husgenözen, ren darauf gesteckt, und ringsum an der
kleine kerzen umbe an der want, Wand kleine Kerzen. Da sah er hundert
hundert pette er ligen vant Ruhebetten — die hatten jene gerichtet,
(daz schuofen dies da pflägen): die hier bedienten —, und hundert Polster
hundert kulter drüffe lägen. lagen auf den Betten.

2. daz begundr sider sere chlagen D. 3. Do g. 4. wortspeher g. 5. ze fehlt gg. 12. sus
Dd = so gg. 13. dez D, fehlt gg, ime daz dgg, im g. negein gg. 17. swi trurech D.
18. an im gg. 19. iren D. 19—22. Ν wart ouch schiere do vernomen. Daz der vischare
ware chomen. Zuo dem gie der werde gast. An dem des Wunsches niht gebrast G. 20. ist g.
21. Zdem get gg. im Dg, fehlt g, im ein dgg. 22. schüttet Dg, legt gg, lat dg. ladet?
zorens D. 23. in gg. einen Dg. 24. Wol hundert G. 27. Vil chleiner cherzen Ggg.
al umbe D. 28. Wol hundert beter ligen vant G. 29. 30. Mit gulteren riche. geriht herliche
G. 29. = Ez gg. 30. kolter g, goiter g, gulter g.
234 V. Buch

230 Ie vier gesellen sundersiz, Es saßen immer vier Leute zusammen an


da enzwischen was ein underviz. einem Platz, dazwischen war freier Raum
derfür ein teppech sinewel, gelassen, und es lag ein runder Teppich
fil Ii roy Frimutel davor: Le fils du roi Frimutel konnte sich
5 mohte wol geieisten daz. so etwas leisten. Und da war noch etwas,
eins dinges man da niht vergaz: auch dafür hatte man gesorgt und hatte
sine hete niht betüret, nicht aufs Geld geschaut dabei: Aus
mit marmel was gemüret M a r m o r gemauert waren drei viereckige
dri vierekke fiwerrame: Feuerstellen; darauf lag des Feuers Name,
ίο dar üffe was des fiwers name, Holz, das lignum alöe hieß. So große
holz hiez lign alöe. Feuer hat noch keiner hier in Wildenberg
so gröziu fiwer sit noch e gesehen, seither oder ehedem. Es war eine
sach niemen hie ze Wildenberc: sehr kostbare Heizung dort. Der Haus-
jenz wären kostenllchiu were. herr ließ sich selber an die mittlere
15 der wirt sich selben setzen bat Feuerstelle setzen auf ein Spannbett. Die
gein der mittein fiwerstat beiden waren fertig miteinander: er und
üf ein spanbette, das Glück. Sein Leben war nur mehr ein
ez was worden wette Sterben.
zwischen im und der vröude: In den Palas kam er nun gegangen,
20 er lebte niht wan töude. der glänzende Parziväl, und wurde schön
in den palas kom gegangen empfangen von dem, der ihn da her ge-
der da wart wol enpfangen, sendet hatte: Der ließ ihn nicht lange dort
Parziväl der lieht gevar, stehen, er bat ihn näher zu treten und
von im der in sante dar. Platz zu nehmen, »da zu mir her; denn
25 er liez in da niht langer sten: wenn ich Euch dort hinten, ferne von mir
in bat der wirt näher gen sitzen ließe, dann müßtet Ihr Euch wirk-
und sitzen, 'zuo mir dä her an. lich fremd hier fühlen.« So sprach der
sazte i'ueh verre dort hin dan, Herr des Hauses, König des Jammers.
daz wasre iu alze gastlich.'
sus sprach der wirt jämers rieh.

1. 2. fehlen G. 1. 9. fier D. 2. da zwiscen D. 3. dr für D, Da vur G. tepch sinwel


G. 4. fillu roy D, Fili Roi g, Fillurois g, Filiroys Gd. 5. Maht G, Der moht gg. 7. 8. be-
tuoret-gemuoret D. 9. ram DG. 10. fiurs G. nam D. 11. lingaloe G, lignum
(lingnum) aloe dgg. 13. hietze G. wildeberch g. 14. ienez D. chostchlichiu G,
chostlichiu dgg. 15. sitzen Ggg. 16. miteren Ggg. hertstat gg. 17. An Ggg.
spanbete (aber wette) G. 20. tounde G, towende D. 21. Uf G. 25. nach 26. Ggg.
25. Der D. lie G. lenger G. 27. vn sizzen D, Er sprach sitzen d = Sitzet Ggg. dä]
hie G. 28. ich iueh alle. 29. iu fehlt Gg. 30. sus D = So Gg, Do g, fehlt gg. Der
wurt was jomers rieh d.
V. Buch 235

231 Der wirt het durch siechheit E r hatte wegen seiner Krankheit g r o ß e
gröziu fiur und an im w a r m i u kleit. Feuer brennen und w a r m e Kleider an.
wit und lanc zobeltn, Weit und lang, innen und außen aus Z o -
sus muose üze und inne sin bel mußte sein Pelz sein und auch der
s der pelliz und der mantel drobe. Mantel, den er darüber trug. M a n mußte
der swechest bale wser wol ze lobe: selbst den schlechtesten von allen Bälgen
der was doch swarz unde grä: loben: er w a r doch schwarz und grau.
des selben w a s ein hübe da Aus ebensolchem Fell w a r da auf seinem
üf sime houbte zwivalt, Haupt die H a u b e , zweifarbig und aus
10 von zobele den m a n tiure galt, Z o b e l , der sehr teuer war. O b e n d r a u f und
sinwel aräbsch ein borte rundherum gehörte eine arabische Borte,
oben drüf gehörte, mittendrin ein Knöpflein: ein erlauchter
mitten d r a n ein knöpfelin, Rubin.
ein durchliuhtic rubin. D a saßen viele Ritter, lauter stattliche
15 da saz m a n e c ritter kluoc, Leute, als m a n J a m m e r vor sie trug: Es
da man jämer für si truoc. lief ein Knappe zur Tür herein, der eine
ein knappe spranc zer tür dar in. L a n z e brachte. Es w a r ein Schauspiel, das
der truog eine glsevTn einen Menschen recht wohl traurig m a -
(der site w a s ze trüren guot): chen konnte: An der Schneide quoll Blut
20 an der sniden huop sich pluot hervor und lief den Schaft hinunter auf
und lief den schaft unz üf die hant, die H a n d , so daß es erst im Ärmel stille
deiz in dem ermel wider want, stand. D a wurde geweint und laut geklagt
da w a r t geweinet unt gesehnt von denen auf dem weiten Palas: Alles
üf dem palase wit: Volk aus dreißig Ländern hätte ihren
25 daz volc von drizec landen Augen nicht das Wasser reichen können
m ö h t z den ougen niht enblanden. mit Weinen. In seinen H ä n d e n trug er die
er t r u o c se in sinen henden L a n z e an allen vier Wänden herum, bis
alumb zen vier wenden, er zurück zur Türe k a m : D a lief er wie-
unz aber wider zuo der tür. der hinaus.
der knappe spranc hin üz derfür.

1. dur siecheit G. 2. an im fehlt Gdgg. 3. und fehlt Gg. zoblin D. 4. uzze und
inne g, uez und innen gg, uzen vn innen DGdgg. 5. der-der D, Der-ein g, Ein-der gg, Ein-
ein Gdgg. pelliz D, bellitz g, beiz Gdgg. 6. swechest gg, swechst g, swecheste DG. was
Ggg. 8. alda D. 11. Sinewel arabensch G. porte D und die meisten. 13. Dar an
was ein Gg. kneuflin g, chophelin G. 17. dar Dgg, her Gdgg, hin g. 18. glevin D,
clavin Ggg. 21. üf Dgg, an Gdgg. 22. deiz D, Daze im G, Daz dgg, Daz ez gg. = an
dem Ggg. 24. In Ggg. 26. mohtez DG, Moht g. 28. Zallen (Zen allen G) vier wenden
Ggg. 29. hin zer (hinz der gg) tur Ggg.
236 V. Buch

2 3 2 G e s t i l l e t w a s des v o l k e s n ö t , V e r s t u m m t w a r des V o l k e s N o t , s o w i e
als in der j ä m e r e g e b o t , sie v o r h e r laut g e w o r d e n w a r , als J a m m e r
des si diu glasvTn het e r m a n t , es b e f a h l und als die L a n z e d a z u m a h n t e ,
die d e r k n a p p e b r ä h t e in siner h a n t . die der K n a p p e b r a c h t e in seiner H a n d .
j wil i u c h n u n i h t e r l a n g e n , Wenn ihr nur noch etwas Geduld
s o w i r t hie z u o g e v a n g e n h a b e n w o l l t — j e t z t w i r d die S a c h e a n g e -
daz ich iuch b r i n g e an die v a r t , p a c k t , und ich setze euch ins b u n t be-
w i e d ä m i t zuht g e d i e n e t w a r t , wegte Bild: wie da aufgetischt wurde mit
z e n d e an d e m p a l a s C o u r t o i s i e . G a n z h i n t e n im S a a l wurde
ίο ein s t ä h l i n t ü r e n t s l o z z e n w a s : eine stählerne T ü r aufgetan, da gingen
d ä giengen uz zwei w e r d i u k i n t . zwei adelige K i n d e r h e r a u s . H ö r t jetzt,
n u hoert w i e diu g e p r ü e v e t sint. w i e die e r s c h i e n e n : D i e h ä t t e n den L o h n
daz si w o l gseben m i n n e n solt, der L i e b e r e i c h l i c h g e b e n k ö n n e n , wenn
s w e r z d ä m i t d i e n s t e het e r h o l t . einer d a r u m h ä t t e d i e n e n w o l l e n ; es w a -
15 daz w ä r e n j u n c f r o u w e n clär. ren g l ä n z e n d e j u n g e D a m e n . B l o ß zwei
zwei s c h a p e l ü b e r b l ö z i u h ä r K r ä n z l e i n trugen sie im H a a r : B l ü t e n w a -
b l ü e m i n w a s ir g e b e n d e , ren ihre H a u b e n . J e d e trug in der H a n d
i e w e d e r i u üf d e r h e n d e einen K e r z e n s t ä n d e r a u s G o l d . I h r H a a r
t r u o c v o n g o l d e ein k e r z s t a l . w a r lockig, lang und blond. Brennende
20 ir h ä r w a s reit l a n c u n d e val. L i c h t e r trugen sie. A n dieser S t e l l e dürfen
si t r u o g e n b r i n n e n d i g i u lieht, w i r n i c h t die G e w ä n d e r a u s l a s s e n , in de-
hie sule w i r vergezzen n i e h t nen die J u n g f r a u e n s t e c k t e n , als m a n sie
u m b e der juncfrowen gewant, d a h e r e i n k o m m e n s a h . Z u e r s t die G r ä f i n
d ä m a n se k u m e n d e i n n e v a n t . von T e n a b r o c : Ihr Kleid w a r scharlach-
25 d e graevin v o n T e n a b r o c , b r a u n . In diesen S t o f f w a r a u c h ihre G e -
b r ü n s c h a r l a c h e n w a s ir r o c : fährtin gekleidet. D i e Kleider waren mit
des s e l b e n t r u o c o u c h ir gespil. zwei G ü r t e l n s c h m a l g e r a f f t in der T a i l l e
si w ä r e n g e f i s c h i e r e t vil über dem Schwung der Hüfte.
m i t z w e i n g ü r t e l n an d e r k r e n k e ,
o b der h ü f f e a m e g e l e n k e .

1. = wart Ggg. 3. gleven D, glasvei g, gleve g, clavine G. 4. der knappe brahte Dd =


der chnape truoch Gg, truoch ein chnappe gg. in der hant Gg. 6. hie angefangen Ggg.
10. staelin G. 16. tschapel G. blozez Ggg, blosz d. 17. bluomen alle außer G.
18. Ietwedriu G, Iewerdriu g. der D, einer d, ir die übrigen. 19. cherze stal G, kerzenstal
gg. 20. reit (reid D) lanch Dg, rot reit d, lanch reit (reid g) Ggg, reit g. 21. brinnendigiu
D, brindiu G, brinendiu g, brinnundiu g, brinnende dgg. 22. sulen G. 24. si chomende
G. 25. gravin G, grjevinne D. tenebroch G und alle außer D. 26. Scharlach Gg,
sharlat g. 28. warn gg. gefitschiert G. 30. huf an dem G.
V. Buch 237

233 Nach den kom ein herzogin Nach ihnen kam eine Herzogin herein
und ir gespil. zwei stöllelTn mit ihrer Begleiterin. Sie trugen zwei
si truogen von helfenbein. Tischgestelle aus Elfenbein. Flammendes
ir munt nach fiwers rcete schein. Rot leuchtete von ihren Mündern.
5 die nigen alle viere: Alle vier verneigten sich, zweie setzten
zwuo satzten schiere dann die Tischgestelle nieder vor dem
für den wirt die Stollen, Herrn des Hauses: Die Bedienung dort
da wart gedient mit vollen, ließ nichts zu wünschen übrig. Sie standen
die stuonden ensamt an eine schar nun zusammen in einer kleinen Schar und
ίο und wären alle wol gevar. waren sehr schön anzuschauen. Die Klei-
den vieren was gellch ir wät. der dieser vier waren alle gleich.
seht wä sich niht versümet hat Seht dorthin! Genau pünktlich kom-
ander frouwen vierstunt zwuo. men da noch einmal edle Damen, viermal
die wären dä geschaffet zuo. zwei, die hatten dies zu schaffen: Vier tru-
υ viere truogen kerzen gröz: gen große Kerzen, die anderen vier waren
die andern viere niht verdröz, sich nicht zu gut, einen Stein zu tragen,
sine trüegen einen tiuren stein, freilich einen teuren Stein. Durch den hin-
dä tages de sunne lieht durch schein, durch erstrahlte hell bei Tag die Sonne,
dä für was sin name erkant: dafür war sein Name berühmt: Es war ein
20 ez was ein gränät jächant, Gränät ]ächant, und er w a r lang und
beide lanc unde breit, breit. Dünn geschnitten, damit er leicht
durch die lihte in dünne sneit sei, hatte ihn der, der ihn zu einer Tafel
swer in zeime tische maz; gearbeitet hatte. An diesem Tisch aß der
dä obe der wirt durch richheit az. Wirt in Herrlichkeit. Mit rechtem An-
25 si giengen harte rehte stand traten alle acht vor den Herrn; zu
für den wirt al ehte, einer Verneigung beugten sie die Häupter.
gein nigen si ir houbet wegten. Viere legten die Tafel nieder auf Elfen-
viere die taveln legten bein, so weiß wie Schnee: die Tischge-
üf helfenbein wiz als ein sne, stelle, die da vorher gekommen waren.
Stollen die dä körnen e.

1. den DG, den zwein dg, der gg. = giench Ggg. 5. niegen D. 6. Z w o Dd = Die zwo
(zwu g, zo G) Ggg. sasten d. 9. = Si Ggg. sarapt dgg, sament G. einer Gdgg.
12. nu seht D. 13. Andere G. tw D, zwo G. 14. geschaft G. 18. diu G. 20. Er
G. iochant Ggg. 21. Beidiu G. 22. die lieht G, diu lieht gg. dune G. 24. da
(Dar gg) obe (oben g) Dgg, Dar abe Gdgg. 25. harte] alle Ggg. 26. alle Gdg. aehte
D, ahte G. 27. houbt G. 28. Vier die tafelen G. 29. 30. fehlen G.
238 V. Buch

2 3 4 Mit zuht si künden wider gen, Dann gingen sie mit gelernter Eleganz zu-
zuo den ersten vieren sten. rück, die Damen, und stellten sich zu den
an disen aht frouwen was ersten vieren. Diese acht hatten Kleider
röcke grüener denn ein gras, an, grüner als Gras, das war Samt aus
5 von Azagouc samit, Azagouc, schön lang und weit geschnit-
gesniten wol lane unde wit. ten; die waren in der Mitte zusammen-
da mitten si zesamne twanc gehalten von teuren Gürteln, schmal und
gürteln tiur smal unde lanc. lang. Jede von diesen acht klugen Jung-
dise ahte juncfrouwen kluoc, frauen hatte auf dem Haar ein zartes Blü-
ίο iesllchiu ob ir häre truoc tenkränzlein.
ein kleine blüemln schapel. Vom Grafen Iwan von Nönel und Jer-
der grave Iwan von Nönel nis von Ril hatte man die Töchter über
unde JernTs von Ril, wahrlich viele Meilen herbestellt und
ja was über manege mil hatte sie in das Gesinde dieses Hauses
15 ze dienst ir tohter dar genomn: genommen. Die zwei Fürstinnen sah man
man sach die zwuo fürstin komn da kommen, prächtig angezogen. Zwei
in harte wünneclicher wät. Messer, schneidig wie der Schliff an einer
zwei mezzer snidende als ein grät Klinge, brachten sie herein auf zwei Tüch-
brähten si durch wunder lein; so war jedes einzeln zu bewundern.
20 üf zwein twehelen al besunder. Es war hartes, weißes Silber, und es lag
daz was silber herte wiz: darin viel Kraft und Kunst; man hatte
dar an lag ein spjeher vliz: keine Mühe gescheut, es so zu schärfen,
im was solch scherpfen niht vermiten, daß es leicht Stahl zerschneiden konnte.
ez hete stahel wol versniten. Vor dem Silber gingen edle Damen, die
25 vorm silber körnen frouwen wert, auch berufen waren, hier zu dienen; die
der dar ze dienste was gegert: trugen Kerzen, das Silber zu beleuchten.
die truogen lieht dem silber bi; Es waren vier reine Mädchen, im ganzen
vier kint vor missewende vri. also sechse, die nun näher traten. Hört,
sus giengen se alle sehse zuo: was eine jede tat:
nu hcert waz iesllchiu tuo.

1. chuden G. 3. An den Gdgg, An g. ahte G. 6. wol fehlt Ggg. 7. Da enmiten


Ggg. 8. Gürtel Gdgg. tiur gg, tiure D, fehlt G. 9. = Die gg, Diu G. ahte Gdg.
iunchfrouwen Gdgg, frouwen Dg. ll.bluomen dgg. tschapel G. 12. Iwein Ggg.
13. unt D. = Gernis gg, kernis G. Ril D, Rile dgg, kile Ggg. 14. = Ez Ggg. mile
alle außer D. 16. zö G, zwo D, oft. furstinne G. 18. snident g. 19. = Truogen
Ggg. 20. = In Ggg. al fehlt Gdg. sunder G. 21. Diu (Sü d, Ir sniden g) waren
von silber (w. silberin herte d) wiz Gdg. herte d, hert vn Dg, harte gg. 23. In Gd.
solch] ir Gg, si g. scherphe alle außer D. 24. Si heten Gdg. stal Gg. gesniten Gd.
25. Vorm gg, Vorem D, Vor dem G. 26. da alle außer DG. 29. = Die Ggg, Si gg, si D,
fehlt allen übrigen. viere Gg. 30. iegel. G.
V. Buch 239

235 Si nigen. ir z w u o d o truogen dar Sie verneigten sich. D a n n b r a c h t e n zwei


üf die taveln w o l gevar von ihnen das Silber zu j e n e m herrlichen
daz silber, unde leitenz nidr. T i s c h und legten es nieder. D a n n gingen
d o gierigen si mit zühten widr sie alle wieder mit s c h ö n e m A n s t a n d und
5 zuo den ersten zwelven sän. stellten sich zu den z w ö l f e n , von denen
o b i'z geprüevet rehte h ä n , schon die R e d e war. Wenn ich recht ge-
hie sulen ahzehen f r o u w e n sten. zählt h a b e , müssen da jetzt achtzehn D a -
ävoy nu siht m a n sehse gen men stehen.
in waete die m a n tiure galt: Da schaut: Nun sieht man wieder
ίο daz w a s halbez plialt, sechs hereingehen, in teure S t o f f e geklei-
daz ander pfell von Ninnive. det. D i e eine H ä l f t e Plialt, die a n d e r e Sei-
dise unt die ersten sehse e denbrokat aus Ninnive. Diese nämlich
truogen zwelf r ö c k e geteilt, und die vorigen sechse trugen z w ö l f Klei-
gein tiwerr k o s t geveilt. der aus zweierlei T u c h , die h a t t e m a n für
υ n a c h den k o m diu künegin. schweres G e l d erhandelt.
ir antlütze g a p den schin, N a c h ihnen k a m die Königin. Ihr Ant-
si w ä n d e n alle ez w o l d e tagen, litz leuchtete so sehr, d a ß alle g l a u b t e n ,
m a n sach die m a g e t an ir tragen die S o n n e wollte aufgehen. M a n sah die
pfellel von A r ä b i . J u n g f r a u in a r a b i s c h e n S e i d e n b r o k a t ge-
20 uf einem grüenen a c h m a r d i kleidet. A u f grünem A c h m a r d i trug sie
t r u o c si den w ü n s c h v o n pardis, des Paradieses G l ü c k , Wurzel und S p r o ß
bede wurzeln unde ris. in e i n e m . D a s w a r ein D i n g , das hieß Der
daz w a s ein dinc, daz hiez der G r a l , Gräl, alles G l ü c k , das m a n auf Erden
erden Wunsches ü b e r w a l . wünschen kann, vermag ihn nicht zu
25 R e p a n s e de schoy si hiez, fassen. R e p a n s e de S c h o y hieß sie, von
die sich der gräl tragen liez. der der G r ä l sich tragen ließ. D e r G r ä l
der gräl w a s von sölher art: w a r a b e r v o n solcher Art: E r w o l l t e rei-
w o l m u o s e r k i u s c h e sin b e w a r t , nen Herzens gehalten sein. D i e , deren
die sin ze rehte solde pflegn: R e c h t und A m t es w a r , ihn zu bedienen,
die m u o s e valsches sich bewegn. die durfte nichts von Falschheit an sich
haben.

1. = Ez nigen Ggg. dö] = vn Ggg. 5. Aber zuo den ersten stan G. stan ddg. 6. iz
g, ich D, ihz G, ichz ddgg. reht geparliert han g. 10. = Ez Ggg. blialt d. ll.pfelle
DG. ninve G. 13. 14. geteilet-geveilet alle außer G. 14. tiur G, tiurr g, teurre g.
15. gie Ggg. 16. Der Ggg. 19. Phelle Gdgg. von arabis G. 20. gruenem D.
achmardis G. 21. paradis alle außer DG. 22. Beidiu G. = würz Ggg. 23. dinch
hiez G. 24. Erden wünsch Gdgg. über val g, über al Gdgg. 25. Repanse de Ddg,
Urrepanse de gg, Urrepan G. schoy g, schoye Gdgg, scoye D, shoie g, tschoie g. = si
fehlt Ggg. 26. Die man Gg. den Gdgg. 28. muose ir Ddgg. 29. 30. Diu DG.
29. zereht solte G.
240 V. Buch

236 Vorem gräle körnen lieht: Vor dem Gräl gingen Lichter, die wa-
diu warn von armer koste nieht; ren nicht so wie bei armen Leuten: sechs
sehs glas lanc lüter wolgetän, schlanke, lautere, schöne Gläser, darin
dar inne balsem der wol bran. brannte Balsam, und der brannte schön.
5 dö si körnen von der tür Sie kamen da von der Türe her und gin-
ze rehter maze alsus her für, gen so weit vor, bis es gerade recht war;
mit zühten neic diu künegin dann verneigte sich die Königin mit feiner
und al diu juncfröwelin Grazie, und alle die jungen Damen taten
die da truogen balsemvaz. ebenso. Die Königin, die ohne Falsch war,
ίο diu küngin valscheite laz setzte vor den Wirt den Gräl. Die Ge-
sazte für den wirt den gräl. schichte sagt, daß Parziväl sie, die den
dez masre giht daz Parziväl Gräl da brachte, immerzu angeschaut
dicke an si sach unt dähte, habe und daß seine Gedanken bei ihr
diu den gräl da brähte: gewesen seien: Er hatte ja auch ihren
υ er het och ir mantel an. Mantel an. Mit Anstand gingen die sieben
mit zuht die sibene giengen dan zu jenen achtzehn, und sie nahmen da die
zuo den ahzehen ersten, Edelste in ihre Mitte; man hat mir be-
dö liezen si die hersten richtet, es seien links und rechts von ihr
zwischen sich; man sagte mir, je zwölf gewesen. Sehr schön stand sie da,
20 zwelve iewederthalben ir. die Jungfrau mit der Krone.
diu maget mit der kröne Was da an Rittern saß überall im Pa-
stuont da harte schöne. las, zu denen waren Diener befohlen mit
swaz ritter dö gesezzen was schweren goldenen Waschbecken — für je
über al den palas, vier Ritter einer — und ein schöner Edel-
25 den wären kamerasre knabe, der ein weißes Handtuch hielt. Es
mit guldtn becken swaere war ein prächtiges Schauspiel.
ie viern geschaffet einer dar,
und ein juncherre wol gevar
der eine wize tweheln truoc.
man sach dä richeit genuoc.

2. die D . 3. lanc fehlt Gddgg. luter vn Gd. 6. = sus gg, fehlt Gg. 8. iunchfrowelin
G. 9. di D. balsam D . 10. kunigin dg, kuneginne D, chunginne G. = valsches
Ggg. 12. Dez G, D a z dgg, diz Ddg, Dizze g. 16. die selben Gg. 19. sich] sie dg, in
Gg. 20. ietwerder halben G, iwerderhalben g. 23. da Gg. 26. guldinen D G . 27. vieren
G, fieren D . geschaft G. einer fehlt G.
V. Buch 241

237 Der taveln muosen hundert sin, Hundert Tische waren nötig, die trug
die man da truoc zer tür dar in. man jetzt zur Tür herein. Jeweils einen
man sazte iesliche schiere stellte man flink vor vier Ritter und Edel-
für werder ritter viere: leute. Wie das Weiße selber sahen die
5 tischlachen var nach wize Tischtücher aus, die man auflegte mit Ge-
wurden drüf geleit mit vlize. schick.
der wirt dö selbe wazzer nam: Der Wirt in eigener Person nahm da
der was an hohem muote lam. das Becken entgegen, herrschaftlich stolze
mit im twuoc sich Parziväl. Heiterkeit an ihm war lahm geworden.
ίο ein sidin tweheln wol gemäl Mit diesem Wasser wusch sich Parziväl.
die bot eins graven sun dernäch: Ein Handtuch aus Seide, schön bunt, hielt
dem was ze knien für si gäch. ihm dann ein Grafensohn entgegen, der
swä dö der taveln keiniu stuont, hatte sich flink hingekniet vor ihnen.
da tet man vier knappen kuont Überall, wo eine Tafel stand, waren
15 daz se ir diens niht verga:zen vier Knappen befohlen; sie sollten die be-
den die drobe saszen. dienen, die da saßen, und sollten es an
zwene knieten unde sniten: nichts fehlen lassen. Zwei sollten nieder-
die andern zwene niht vermiten, knien und die Speisen vorschneiden, die
sine trüegen trinkn und ezzen dar, anderen zwei Essen und Trinken hertra-
20 und nämen ir mit dienste war. gen und unverdrossen servieren.
hoert mer von richheite sagen, Hört zu, es gibt noch mehr von Pracht
vier karräschen muosen tragen und Reichtum zu berichten. Da waren
manec tiwer goltvaz vier Servierwagen, auf denen wurden
ieslichem ritter der da saz. viele teure goldene Gefäße — für jeden
25 man zöhs zen vier wenden, Ritter, der da saß, eines — herumgefahren
vier ritter mit ir henden an den vier Wänden entlang. Man konnte
mans üf die taveln setzen sach. sehen, wie vier Ritter mit eigenen Händen
ieslichem gieng ein schriber nach, das Gold auf die Tische setzten. Hinter
der sich dar zuo arbeite jedem ging ein Schreiber nach, der alle
und si wider üf bereite, Sorgfalt darauf zu verwenden hatte, daß
alles wieder komplett war,

1. tavelen G. muosen hundrt G, hundert muosten D. 2. dä] do D. her in G. 3. sazta


g. 8. hohmuote D. 10. eine sidine D. twehel Gddg. 11. die Dd, D o d = fehlt
Ggg. 12. zechomene Ggg. 13. do fehlt Gg, da g, so g. dech. D, deh. G, eineu g.
15. diens D, dienst g, dienstes die übrigen. 16. di drob D. 19. Si truogen ddgg. trinchen
vn ezzen Dddgg, spise unde trinchen Gg. 21. hoeret mer D, Hort me G. richeit alle außer
D. 22. karrotschen g, craschenasre G. 24. leslich Gg. 25. man zohse D, Si zugen Ggg.
zevier Ggg. 28. gie D. scribiere D, schribare G, schiubser g. 29. dar zuo zeigte Gg.
30. vn es widr D.
242 V. Buch

238 So da gedienet wsere. wenn abgetragen wurde.


nu hoert ein ander msere. Hört zu, jetzt kommt was Neues:
hundert knappen man geböt: Hundert Knappen rief man her, mit gu-
die nämn in wtze tweheln bröt tem Anstand kamen sie vor den Gräl und
5 mit zühten vor dem gräle. nahmen Brot in weiße Tücher. Dann gin-
die giengen al zemäle gen sie alle zusammen: Sie verteilten sich
und teilten für die taveln sich, an die Tische. Man hat mir gesagt, und
man sagte mir, diz sag ouch ich ich sage es wieder — ich nehme es auf
üf iwer iesliches eit, euren Eid —, daß vor dem Gräl bereitlag
ίο daz vorem gräle wasre bereit — wenn einer dann etwa feststellt, daß es
(sol ich des iemen triegen, nicht wahr ist, was ich sage, so habt ihr
so müezt ir mit mir liegen) zusammen mit mir gelogen —, daß also,
swä nach jener bot die hant, sage ich, dort alles zu finden war, wonach
daz er al bereite vant einer nur die Hand ausstrecken mochte,
15 spTse warm, spise kalt, schon war es da: warme Speisen, kalte
spise niwe unt dar zuo alt, Speisen, neue Speisen und dazu noch alte
daz zam unt daz wilde, Speisen, von den Feldern, aus den Wäl-
esn wurde nie kein bilde, d e r n . . . »Das ist doch alles gar nicht
beginnet maneger sprechen. wahr!« sagen da einige. Das sind böse
20 der wil sich übel rechen: Menschen, aus Gehässigkeit reden sie
wan der gräl was der sadden fruht, so. In Wirklichkeit war nämlich der Gräl
der werlde süeze ein sölh genuht, die Frucht des Heils, er war so sehr die
er wac vil nach geltche Summe aller Süßigkeit auf Erden, daß er
als man saget von himelriche. beinahe dem, was man vom Himmelreich
25 in kleiniu goltvaz man nam, erzählt, die Waage hielt.
als ieslicher spise zam, In glitzernde Goldgefäße nahm man —
salssen, pfeffer, agraz. je nachdem, wie es zu den verschiedenen
da het der kiusche und der vräz Gerichten paßte — Saucen, Pfeffer oder
alle geliche genuoc. Agraz. Es war genug für alle da: Der Keu-
mit grözer zuht manz für si truoc. sche wurde satt und genauso der gierige
Fresser. Mit großer Courtoisie wurden die
Speisen aufgetragen.

1. So gedient ware G. 2. höret andriu Ggg. 3. Wol hundert G. 4. namen DG.


twehelen G, twehln g. 6. = Si Ggg. 8. seite Gg. seit ez g. daz Gdgg, nuo d.
10. vor dem G. was Ggg. 12. muezet DG. 13. = Wan swa nach Ggg. iener DGgg,
einer g, yemer d, ieglicher dg. 14. erz G, er daz g. bereite D, bereit Gdgg, beraitet dg.
da vant G. 15. warem D. 16. unt fehlt Gd. 18. Esne w. G, es enw. D. dech. D,
deh. G. 22. werelde D. ein] al D. 27. Salsen phepher G. 30. Mit zuhten G.
man dgg. für si D.
V. Buch 243

2 3 9 M o r a z , win, sinopel rot, M a u l b e e r w e i n , Wein, roter Sinopel: E s


s w ä nach den napf ieslicher b ö t , mußte einer bloß den Becher hinstrecken
s w a z er trinkens k ü n d e nennen, und irgendein G e t r ä n k , g a n z gleich w a s
d a z mohter drinne erkennen ihm nur einfallen mochte, nennen, s o
5 allez von des gräles k r a f t , f a n d er es schon drinnen von der K r a f t
diu werde geselleschaft des G r ä l s . Die edle Gesellschaft w a r beim
hete Wirtschaft v o m e gräl. Gräl zu G a s t .
wol g e m a r c t e Parziväl Die Pracht und d a s große Wunder
die richeit unt d a z w u n d e r gröz: bemerkte Parziväl wohl; d o c h wollte er
ίο durch zuht in vrägens d o c h verdröz. nicht ungezogen sein und scheute sich
er d ä h t e 'mir riet G u r n a m a n z deshalb zu fragen. Er dachte: » G u r n a m a n z
mit grözen triwen äne schranz, hat mir beigebracht — er ist mir gut und
ich solte vil gevrägen niht. seine Treue ohne Scharte —, daß ich nicht
w a z o p min wesen hie geschiht viel fragen soll. Könnte es nicht sein, daß,
is die m ä z e als d o r t p ! im? ähnlich wie bei ihm d o r t , hier alles von
äne v r ä g e ich vernim allein geschieht? A u c h o h n e Frage werde
wiez dirre massenie stet.' ich erfahren, w a s es mit diesen Leuten auf
in dem g e d a n k e näher get sich hat.<
ein k n a p p e , der t r u o g ein swert: In solchen G e d a n k e n ist er, als ein
20 des pale w a s tüsent m a r k e wert, K n a p p e zu ihm tritt, der trug ein Schwert:
sin gehilze w a s ein rubin, Die Scheide allein w a r tausend Stangen
ouch m ö h t e wol diu klinge sin Silber wert, sein H e f t w a r ein Rubin, und
grözer w u n d e r urhap. auch die Klinge konnte großes Staunen
der wirt ez sime g a s t e g a p . schaffen. Der H e r r des H a u s e s über-
25 der s p r a c h 'herre, ich p r ä h t z in not reichte es d e m G a s t , und er sprach: » M e i n
in maneger stat, e d a z mich got Herr, in G e f a h r e n und G e d r ä n g e h a b e ich
a m e libe hat geletzet, es geführt an vielen Orten, bis G o t t mich
nu sit dermit ergetzet, lahm m a c h t e a m Leben. N u n soll es E u c h
o b m a n iwer hie niht wol enpflege. entschädigen, wenn die G a s t f r e u n d s c h a f t
ir m u g e t z wol füeren alle wege: hier etwa zu wenig an Euch täte. N e h m t
es mit auf alle Eure Wege:

1. = siropel Ggg, siropl g. 2. Swar nach Ggg. 3. moht Gg. = genenen Ggg. 7. Het
Ggg, heten D. vor dem G. 8. gemarhte G. 11. gurom. G. 12. = guoten Ggg,
rechten g. 15. = Der (Inder g) maze Ggg. 16. fragen alle außer DG. ich wol g, ich
dane wol G. 17. massenide D. 20. balch G. 21. = Daz (Des g) geh. Ggg, Sin knöpf
g. 24. es D. 25. = Er Ggg. brahtz G, bratz g. 26. An Ggg. 27. hete Gg.
29. pflege alle außer DG. 30. wol fehlt Ggg.
244 V. Buch

2 4 0 Swenne ir geprüevet sinen art, Immer wenn Ihr seinen Adel auf die
ir sit gein strife dermite bewart.' Probe stellt, seid Ihr sicher vor dem
owe daz er niht vrägte dö! Feind.«
des pin ich für in noch unvrö. Ach, daß er jetzt nicht fragte! Das
5 wan do erz enpfienc in sine hant, kann mich noch heute traurig machen für
dö was er vrägens mit ermant. ihn. Denn als er das Geschenk in seine
och riwet mich sin süezer wirt, Hand empfing, da sollte es ihn zum
den ungenande niht verbirt, Fragen mahnen. Und auch sein Wirt, der
des im von vrägn nu waste rät. so freundlich war, erbarmt mich. Das
ίο genuoc man da gegeben hat: Leiden, das ihn nicht losließ, war un-
dies pflägen, die griffenz an, aussprechlich; und doch hätte Fragen
si truognz gerüste wider dan. ihm jetzt die rettende Antwort gebracht.
vier karräschen man dö luot. Nun hat das Schenken ein Ende. Die
ieslich frouwe ir dienest tuot, da bedienten, griffen es an: Sie trugen das
is e die jüngsten, nu die ersten, Geschirr wieder hinaus. Da belud man die
dö schuofen se abr die hersten vier Wagen. Die Damen alle taten ihren
wider zuo dem gräle. Dienst, die letzten waren nun die ersten.
dem wirte und Parziväle Da brachten sie die Edelste von allen wie-
mit zühten neic diu künegin der zum Gräl. Vor dem Hausherrn und
20 und al diu juncfröwelin. vor Parziväl verneigte sich mit Courtoisie
si brähten wider in zer tür die Königin, und ebenso taten die M ä d -
daz si mit zuht e truogen für. chen. Sie brachten alles zu der Tür hinaus,
Parziväl in blicte nach, durch die sie es vorher mit Eleganz aufge-
an eime spanbette er sach tragen hatten. Parziväl schaute ihnen
25 in einer kemenäten, nach. Da sah er in einer Kemenate auf
e si nach in zuo getäten, einem Spannbett — dann machten sie die
den aller schoensten alten man Türe hinter sich zu — einen alten Mann
des er künde ie gewan. sitzen, so schön wie keiner von all denen,
ich magez wol sprechen äne guft, die er kannte. Ohne allzuviel Wind davon
er was noch gräwer dan der tuft. zu machen, kann ich sagen, daß er noch
grauer war als Nebel.

5. wand erz D, Wan daz erz g. 6. = dermite gemant Ggg. 8. Ungenade in niht Ggg.
ungenade alle außer D. 9. vragen Dgg, frage Gdgg. nu fehlt Ggg. 10. gnuoch D.
12. = Unt Ggg. truogenz G, trugenz D. 13. chrasschen G. dö] e D. 15. iungesten
DG. 23. im Gg. 24. ersach D, do sach gg, dersach? 25. chemnaten G. 26. = taten
Ggg. 29. muoz wol Ggg. 30. wizer D. danne ein Ggg.
V. Buch 245

241 Wer d e r selbe waere, Wer er w a r , d a v o n sollt ihr s p ä t e r


des f r e i s c h e t h e r n a c h maere. h ö r e n . D a n n w i r d e u c h a u c h d e r W i r t , die
d a r z u o d e r w i r t , sin b u r c , sin l a n t , Burg, das Land von mir genannt, doch
diu w e r d e n t iu v o n m i r g e n a n t , n a c h h e r erst zu seiner Z e i t , d a , w o es hin-
s her n a c h s ö des w i r d e t z!t, g e h ö r t n a c h r e c h t e m Urteil, o h n e Z a n k
b e s c h e i d e n l i c h e n , ä n e strit u n d erst d a n n , w e n n ' s a n die R e i h e
u n d e a n allez f ü r zogen, k o m m t . Ich sage die Sehne, n i c h t d e n
ich sage die s e n e w e n ä n e b o g e n , Bogen — die S e h n e ist n ä m l i c h ein G l e i c h -
d i u s e n e w e ist ein bispel. nis. Ihr d e n k t vielleicht, d e r Bogen w ä r e
10 n u d u n k e t iuch d e r b ö g e snel: schnell. D o c h schneller als d e r B o g e n ist
d o c h ist sneller d a z d i u s e n e w e jaget, d a s , w a s v o n d e r Sehne schnellt. Also:
o b ich iu r e h t e h ä n gesaget, W e n n es richtig ist, w a s ich gesagt h a b e ,
d i u s e n e w e gelichet masren sieht: s o gleicht die Sehne einer g e r a d e n G e -
d i u d u n k e n t o u c h d i e liute r e h t . schichte; die f i n d e n die L e u t e g a n z r e c h t .
is s w e r iu saget v o n d e r k r ü m b e , W e n n a b e r einer seine G e s c h i c h t e v o m
er wil iuch leiten ü m b e . Bogen h e r a u f z i e h t , d a n n will e u c h d e r
s w e r d e n b o g e n g e s p a n n e n siht, auf k r u m m e Wege f ü h r e n . Jeder, d e r ei-
d e r s e n e w e n er d e r slehte g i h t , n e n b e s p a n n t e n Bogen sieht, w i r d s a g e n ,
m a n welle si zer b i u g e e r d e n e n d a ß d a die Sehne d a s G e r a d e ist v o n bei-
20 so si d e n s c h u z m u o z m e n e n . d e n . Es k ö n n t e a b e r einer k o m m e n u n d
s w e r a b e r d e m sin masre schiuzet, sie a n z i e h e n : D a n n ist sie a u c h g e b o g e n
des in d u r c h n ö t v e r d r i u z e t : u n d g i b t erst so d e m S c h u ß die S p o r e n .
w a n daz hat da ninder stat, Wer freilich seine G e s c h i c h t e auf diesen
u n d vil g e r ü m e c l i c h e n p f a t , d a a b s c h i e ß t , d e r w i r d d a m i t bei i h m n u r
25 z e i n e m ö r e n in, z e m a n d e r n f ü r . L a n g e w e i l e m a c h e n , d a s ist a n d e r s g a r
m i n a r b e i t ich g a r verlür, n i c h t m ö g l i c h . Ich m e i n e n ä m l i c h d e n , bei
o p d e n m i n masre d r u n g e : d e m sie, die E r z ä h l u n g , k e i n e n P l a t z z u m
ich sagte o d e r s u n g e , Bleiben f i n d e t u n d b l o ß die breite S t r a ß e
d a z ez n o c h p a z vernaeme ein b o c z u m einen O h r h i n e i n , z u m a n d e r e n h i n -
o d r ein u l m i g e r stoc. a u s . Alle m e i n e M ü h e w ä r e v e r g e b e n s ,
w e n n m e i n e E r z ä h l u n g sich dem a u f d r ä n -
gen w o l l t e : D a k ö n n t e ich r e d e n o d e r sin-
g e n , s o w ü r d e d o c h ein G e i ß b o c k m e h r
d a v o n v e r s t e h e n o d e r ein m o d r i g e r B a u m -
stumpf.

2. freischet ir Ggg. 3. diu burch Gdgg. 4. di werden D. 5. wirt G. 7. Unde allez


rehte vur gezogen Gg. 8. senwe ungelogen Gg. 10. = Ouch Ggg. duncht G. 11.=
Noch Ggg. 14. di D. dunket dgg. ouch die] alle G. 15. Wan swer Ggg. seit
Ggg. 16. fuoren G. 17. Wan swer gg. spannen G, gespannet gg. 18. Der senwe
man Gg. slehte Dg, slihte die übrigen. 19. Sine welle sich Ggg. zerbuge G, zeder luge
g. denen Gdgg. 20. muezze g. nemen Ggg. 21. = aber fehlt Ggg. dem] denne
gg. dem torn? 22. des in Dd = Da ins Ggg, Des uns g, Das ins g, denens in? oder so?
swer ab dem sin mxre schiuzet, dens durch nöt verdriuzet (wan-für). 23. daz Dd = ez Ggg.
enhat Gg. 24. Noch vil gg, Noch Ggg. gerumecl. dgg, geruomcl. D, geruml. gg, gerumgez
G, gerumez g. 30. fulmiger G, vil vuler g, ulmyner g, milwiger g.
246 V. Buch

242 Ich wil iu d o c h p a z b e d i u t e n Ich will e u c h a b e r n o c h e t w a s d e u t -


v o n disen j ä m e r b s e r e n liuten. licher v o n diesen L e u t e n r e d e n , die s o be-
d a r k o m geriten Parziväl, l a d e n w a r e n m i t J a m m e r . D a , w o Parziväl
m a n sach d a selten f r e u d e n schal, h i n g e r a t e n w a r auf seiner Reise, g a b ' s
5 ez wa?re b u h u r t o d e r t a n z : selten d e n f r ö h l i c h e n L ä r m v o n e i n e m
ir k l a g e n d i u staste w a s s ö g a n z , Fest zu s e h e n , o b R i t t e r s p i e l e o d e r T a n z .
sine k e r t e n sich a n s c h i m p h e n n i h t . In i h r e r T r a u e r w a r e n sie s o t r e u , d a ß sie
s w ä m a n n o c h m i n n e r Volkes siht, sich n i c h t s a u s V e r g n ü g u n g e n m a c h t e n .
den tuot etswenne vreude wol: Überall w o heutzutage auch bloß wenige
ίο d o r t w a r n die w i n k e l alle vol, L e u t e b e i s a m m e n sind, d a k a n n m a n
u n d o u c h ze h o v e d a m a n se s a c h . s e h e n , d a ß sie sich's h i n u n d w i e d e r w o h l
d e r w i r t ze s i m e g a s t e s p r a c h sein lassen bei e i n e m Fest: U n d d o r t w a -
'ich wsen m a n iu g e b e t t e t h a t . r e n alle W i n k e l voll v o n M e n s c h e n u n d
sit ir m ü e d e , so ist m i n r ä t a u c h bei H o f , w o sie sich sehen ließen.
15 d a z ir get, leit iuch s l ä f e n . ' D e r H e r r des H a u s e s s p r a c h zu seinem
n u solt ich schrien w ä f e n G a s t : »Ich g l a u b e , m a n h a t jetzt E u e r Bett
u m b ir scheiden d a z si t u o n t : g e r i c h t e t ; vielleicht seid Ihr m ü d e , d a n n
ez w i r t g r ö z s c h a d e in b e i d e n k u o n t . ist es w o h l d a s beste, d e n k e ich, w e n n Ihr
vome spanbette trat g e h t u n d E u c h s c h l a f e n legt.«
20 u f e n t e p c h a n eine s t a t A n dieser Stelle m ü ß t e ich A l a r m
Parziväl d e r w o l geslaht: s c h r e i e n . D a ß sie so a u s e i n a n d e r g e h e n :
d e r w i r t b ö t im g u o t e n a h t , G r o ß e s Unheil w e r d e n beide k e n n e n -
d i u riterschaft d o g a r uf s p r a n c . lernen!
ein teil ir im d a r n ä h e r d r a n c : V o m S p a n n b e t t s t a n d Parziväl a u f ; er,
25 d ö f u o r t e n si d e n j u n g e n m a n d e r S p r o ß eines s c h ö n e s S t a m m e s , t r a t auf
in eine k e m e n ä t e n s ä n . d e n T e p p i c h . D e r W i r t sagte i h m g u t e
d i u w a s also g e h e r e t N a c h t . Alle die R i t t e r s p r a n g e n d a a u f ; et-
mit einem bette geret, liche v o n ihnen k a m e n h e r u n d d r ä n g t e n
daz mich min a r m u o t immer müet, sich u m i h n . D a f ü h r t e n sie d e n j u n g e n
sit d ' e r d e alsölhe richheit b l ü e t . M a n n in eine K e m e n a t e . D i e w a r g r o ß a r -
tig u n d voll P r a c h t m i t e i n e m Bett g e a d e l t ;
ich bin es m ü d e , m e i n e A r m u t w e i t e r zu
s c h l e p p e n , d a auf d e r E r d e s o l c h e r G l a n z
in Blüte steht:

1. muoz Ggg. doch haben nur Dg. mere Ggg. betuten G. 2. iamerbernden G.
8. minner] min D. 9. etwene G. 11. Ein teil man ir zehofe sach Gg. 15. legt iuch gg,
unde legt euch g, und ligent d, euch legen g. 17. Von Ggg. 18. = Des Ggg. 20. teppech
D. 27. also] wol D. 29. immr D, imer G. 30. al fehlt Ggg.
V. Buch 247

243 D e m bette a r m u o t w a s tiur. An diesem Bett w a r A r m u t eine sehr ge-


aiser g l o h t e in eime fiur, suchte W a r e . W i e in einem Feuer glühend
lac drüffe ein pfellel lieht g e m ä l . lag d a r a u f ein B r o k a t in funkelnden Far-
die ritter b a t d ö Parziväl ben. J e t z t b a t Parziväl die R i t t e r sich zu-
5 wider varen an ir g e m a c h , rückzuziehen in ihre Z i m m e r , denn er sah
d o ' r da niht mer bette sach. keine B e t t e n für sie in dem R a u m . Sie sag-
mit u r l o u b e se fuoren dan. ten gute N a c h t und gingen. Es hebt nun
hie h e b t sich ander dienst an. ein neuer Dienst an.
vil kerzen unt diu v a r w e sin Viele Kerzen und sein G l a n z leuchte-
ίο die g ä b n ze gegenstrite schin: ten im Wettstreit; wie k ö n n t e die S o n n e
waz m ö h t e liehter sin der tac? lichter scheinen? Vor seinem Bett lag n o c h
vor sinem bette ein anderz l a c , ein zweites, d a r a u f eine D e c k e , und da
dar üfe ein kulter, da er da saz. setzte er sich hin. Es k a m e n etliche Edel-
juncherren snel und niht ze laz k n a b e n , eifrig und flink, zu ihm her ge-
15 m a n e g e r im d a r n ä h e r s p r a n c : laufen. Sie zogen ihm die Stiefel aus: D a
si e n s c h u o h t e n bein, diu w ä r e n b l a n c . w a r e n seine Beine b l a n k . Viele h o c h g e -
o u c h z ö c h im m e r gewandes abe b o r n e K n a b e n zogen ihn dann n o c h wei-
manec wol geborner knabe. ter aus. S c h ö n w a r e n alle diese Kinder.
vlastec w ä r n diu selben kindelin. N a c h ihnen gingen da zur T ü r herein vier
20 dar n ä c h gienc dö zer tür d a r in k l a r e J u n g f r a u e n : D i e sollten ein übriges
vier cläre j u n c f r o u w e n : tun und s c h a u e n , o b m a n den Helden
die solten d e n n o c h s c h o u w e n auch gut bediente, o b er sanft gebettet
wie m a n des heldes pflasge liege. D i e Äventiure w a r so freundlich,
und o b e r sanfte liege. mir n o c h mitzuteilen, d a ß vor jeder J u n g -
25 als mir diu äventiure g e w u o c , frau ein K n a p p e gegangen sei mit einer
vor ieslier ein k n a p p e t r u o c Kerze, die, so sagte sie, s c h ö n brannte.
eine kerzen diu wol b r a n . Der kühne Parziväl sprang da ganz
Parziväl der snelle m a n schnell unter die B e t t d e c k e . Sie s p r a c h e n :
s p r a n c underz d e c l a c h e n . »Bleibt d o c h bitte
si sagten 'ir suit w a c h e n

1. was armuot (armuote G) alle außer D. tiwer D. 2. glohte (glueget d) in Dd = gleste


uz Gg. dem g. fiwer D. 3. phelle Gdgg. wol Gg. 6. niht mere dg, nimere
G. 7. si DG. = schieden Ggg. 10. gaben DG. 11. mähte G. 13. gulter G.
= da er saz Ggg. 14. iunchherrn D. ze fehlt Gg. 15. = Ein teil ir im Ggg, Einer ym
g, Genuog er im g. 16. enschuochten D, entschuoten G. di D. 17. zouch G.
19. Flatch G. diu selben] diu Ggg, disiu g. 20. Nu seht dort chom. zer tur her in Ggg.
21. = vil Dd. 22. = Die danoch wolten (solten g) schouwen Ggg. 26. ieslier G, ieslicher
D. 29. unders D. 30. sprachen alle außer D.
248 V. Buch

2 4 4 Durch uns noch eine wile.' noch eine Weile auf, uns zuliebe.« Die
ein spil mit der Tie Eile selber hatte ihn nicht erwischen kön-
het er unz an den ort gespilt. nen, so flink war er gewesen. Was da wie
daz man gein liehter varwe zilt, weiße Haut geblitzt hatte, machte ihren
5 daz begunde ir ougen süezen, Augen süß, ehe sie ein erstes Wort von
e si enpfiengen sin grüezen. ihm empfingen. Und noch etwas war da,
ouch fuogten in gedanke not, das sie fesselte: Sie mußten immer sinnen,
daz im sin munt was so rot wie sein Mund so rot sein konnte und wie
unt daz vor jugende niemen dran es möglich war, daß man vor lauter Ju-
ίο kös gein einer halben gran. gend nicht ein halbes Härchen Bart dran
dise vier juncfrouwen kluoc, fand.
hoert waz ieslTchiu truoc. Hört weiter von den vier feinen Jung-
möraz, win unt lutertranc frauen, was eine jede brachte. Dreie tru-
truogen dri üf henden blanc: gen auf weißen Händen Maulbeerwein,
15 diu vierde juncfrouwe wis Wein und Würzwein. Die vierte dieser fei-
truog obz der art von pardis nen jungen Damen trug Obst, wie es im
üf einer tweheln blanc gevar. Paradies wächst, auf einem weißen Tüch-
diu selbe kniete ouch für in dar. lein. Diese letzte war es auch, die vor ihm
er bat die frouwen sitzen. niederkniete. Er bat die Dame, sie möchte
20 si sprach 'lät mich bl witzen. sich doch setzen.
sö wsert ir diens ungewert, Da sprach sie: »Aber nein, ich weiß,
als min her für iuch ist gegert.' was ich zu tun habe. Der Dienst, um des-
süezer rede er gein in niht vergaz: sentwillen ich zu Euch bestellt bin, bliebe
der herre tranc, ein teil er az. ja sonst ungetan.«
25 mit urloube se giengen widr: Diesen Mädchen gegenüber sparte er
Parziväl sich leite nidr. die freundlichen Worte nicht. Der Ritter
ouch sazten juncherrelin trank und aß auch eine Kleinigkeit. Sie
üfen tepch die kerzen sin, sagten gute Nacht und gingen wieder.
do si in slafen sähen: Parziväl legte sich nieder. Auch die Edel-
si begunden dannen gähen. knaben, sobald sie sahen, daß er einge-
schlafen war, stellten die Kerzen zu ihm
auf den Teppich und liefen hinaus.

4. Daz mangen liehter G. 7. fuogten im G, fuogt im gg. 8. Daz in die munde waren rot
G. muot D. 10. grane G. 11. Die Ggg. 12. = Nu höret Ggg. was D. iegel.
G. 13. unt fehlt Ggg. 16. Truoch obez G. pardis D, bardis G, paris g, paradis die
übrigen. 17. In Ggg. = wiz Ggg, lieht gg. 18. = ouch fehlt Ggg. 19. die iuncfrowen
dg, si alle Ggg, sie zu ym g. 20. lat uns G. 21. So werdet ir dienstlich gewert G. wsert
gg, wahret D. dienst g, dienstes dgg. 22. Als unser fur iuch G. 23. gein in Dg, gein
ir dgg, fehlt G. 24. nach tranch interpungiert D. 25. si DG. schieden Ggg. 26. der
leit sich nider Gg. 27. Do Gg. saztan g. diu Gdgg. iunchfrowelin Dg. 29. si
fehlt G.
V. Buch 249

245 Parziväl niht eine lac: Parziväl lag nicht alleine; mit ihm in
gesellecltche unz an den tac seinem Bett war bis zum Morgen die böse
was bi im strengiu arbeit, Qual. Sie schickte ihre Leute zu ihm in
ir boten künftigiu leit den Schlaf und ließ ihm künftige Leiden
5 sanden im in släfe dar, bringen. So wurde an dem jungen Schö-
sö daz der junge wol gevar nen der Traum in seiner ganzen Schwere
siner muoter troum gar widerwac, aufgewogen, den seine Mutter nach
des si nach Gahmurete pflac. Gahmuret träumte. Seinen Traum aber
sus wart gesteppet im sin troum hatten Schwertschläge abgesteppt am
ίο mit swertslegen umbe den soum, Saum herum und weiter innen viele ge-
dervor mit maneger tjoste rieh, waltige Tj osten. Von schweren Attacken
von rabbine hurteclich hatte er im Schlaf nicht wenig auszuhal-
er leit in släfe etsliche nöt. ten: Und hätte er dreißigmal tot sein
möhter drizeestunt sin töt, sollen, im Wachen hätte er das leichter
15 daz heter wachende e gedolt: ertragen. Solchen Lohn gab ihm das
sus teilt im ungemach den solt. Unglück.
von disen strengen sachen Von diesen bösen Dingen mußte er er-
muos er durch nöt erwachen, wachen, es gab sonst keinen Ausweg. Er
im switzten ädern unde bein. schwitzte bis in die Adern und Knochen.
20 der tag ouch durch diu venster schein, Und durch die Fenster schien auch schon
dö sprach er 'we wä sint diu kint, der Tag. Da sprach er: »Ach, wo sind die
daz si hie vor mir niht sint? Kinder alle, sie sind ja nicht mehr da bei
wer sol mir bieten min gewant?' mir. Wer wird mir jetzt die Kleider rei-
sus wart ir der wigant, chen?« Der Held schaute umher, ob sie
25 unz er anderstunt entslief. nicht kämen; dabei schlief er wieder ein.
nieman da redete noch enrief: Es redete niemand dort, und niemand
si wären gar verborgen, rief, keiner ließ sich blicken.
umbe den mitten morgen Mitten am Morgen erwachte der junge
do erwachte aber der junge man: Mann wieder: Da erhob sich der Kühne.
üf rihte sich der küene sän.

3. ein strengiu Ggg. 9. gestept g, gestabet G. 11. Da vor G. mir D. 12. Von rabine
hurtchliche G. 13. etliche g, etslich Dd, solhe Ggg, solhiu g. 19. ader G, äder g, arm gg.
24. ir Ddgg, in Ggg. 25. an derstunt Ddg, ander waäide g, an der wende Gg. 26. niemn
D, Niemen G. rief G. 27. Wan si Ggg. 28. = Reht Ggg, Hin g. an dem Ggg.
250 V. Buch

246 Ufern teppech sach der degen wert Auf dem Teppich sah der edle Ritter seine
ligen sin harnasch und zwei swert: Rüstung liegen und zwei Schwerter: Das
daz eine der wirt im geben hiez, eine hatte sein Wirt ihm überreichen
daz ander was von Gaheviez. lassen, das zweite war aus Gaheviez. D a
5 dö sprach er zim selben sän sagte er zu sich selber: »Ach, warum hat
'ouwe durch waz ist diz getan? man das getan? Aber es ist wahr, ich
deiswär ich sol mich wäpen drin, sollte diese Waffen doch anlegen: Ich habe
ich leit in släfe alsölhen pin, im Schlaf so viel Böses erlitten, daß mir
daz mir wachende arbeit heute noch im Wachen einiges an Kampf
ίο noch hiute wastlich ist bereit, bevorstehen mag. Wenn Krieg meinem
hat dirre wirt urliuges nöt, Gastgeber droht, so braucht er nur zu be-
sö leist ich gerne sin gebot fehlen — oder sie, die mir in ihrer Güte
und ir gebot mit triuwen, diesen neuen Mantel geliehen hat —, und
diu disen mantel niuwen ich werde ihm gerne und mit Treue hel-
15 mir lech durch ir güete. fen. Wenn ihr Sinn doch danach stünde,
wan stüende ir gemüete Dienst von einem Ritter anzunehmen! Sie
daz si dienst wolde nemn! ist so edel, daß ich ihr mit Ehren dienen
des künde mich durch si gezemn, könnte, freilich nicht um Liebe; denn
und doch niht durch ir minne: meine Frau, die Königin, hat genauso viel
20 wan min wip de küneginne Glanz am Leib oder noch mehr, ja, das
ist an ir libe alse clär, ist wahr.«
oder fürbaz, daz ist war.' Und er tat, wie er tun muß: Von den
er tet aiser tuon sol: Füßen aufwärts Schloß er sich in Eisen,
von fuoz üf wäpent er sich wol dem Kampf zu begegnen; zwei Schwerter
25 durch strites antwurte, gürtete er um. Der edle junge Mann ging
zwei swert er umbe gurte, zur Tür hinaus. Da war sein Pferd vor
zer tür üz gienc der werde degen: der Treppe angebunden, daneben lehnte
da was sin ors an die Stegen Schild und Speer: Das war es, wonach
geheftet, schilt unde sper ihn verlangte.
lent derbt: daz was sin ger.

1. teppeche D, tepeche G. vant Ggg. 4. kahav. G. 5. Sus D. 6. WeG. warzuo


Ggg, war uf g, warunb g. 7. Desw. G. 8. = al fehlt Ggg, e g. 10. watlich G, waenech
D, wene g, Wien ich die übrigen. 12. gern D. 18. solde gg, wolte G. dur G. 21. alse
D, als G, also dg, wol so gg, wol also g. 24. wapende D. 25. = Gein Ggg. 27. gieng
uz Ggg. 28. Do Gg. 30. Leint gg.
V. Buch 251

247 Ε Parziväl der wigant Bevor er sich aufs Pferd schwang, lief der
sich des orses underwant, Held Parziväl noch weit herum durch
mangez er der gadem erlief, viele Zimmer, dabei rief er immer wieder
sö daz er nach den liuten rief, nach den Leuten. Niemanden hörte er,
s nieman er horte noch ensach: keiner ließ sich sehen. Das beleidigte ihn
ungefüege leit im dran geschach. maßlos, es hatte seinen Z o r n gereizt. Er
daz het im zorn gereizet, lief dahin, wo er am Abend, als er ankam,
er lief da er was erbeizet vom Pferd gestiegen war. Da war nun der
des äbents, dö er komen was. Boden und das Gras aufgewühlt von Hu-
ίο da was erde unde gras fen, die durch den Tau getrampelt waren.
mit tretenne gerüeret Immer weiter schreiend, lief der junge
untz tou gar zerfüeret. Mann zurück zu seinem Pferd, wütend
al schrinde lief der junge man und mit Schimpfen saß er auf. Das Tor
wider ze sime orse sän. fand er weit offenstehen. Da hinaus ging
15 mit pägenden Worten die Spur von einer großen Schar. Nun
saz er drüf. die porten hielt er dort nicht länger, sondern trabte
vander wit offen sten, schnell hinaus auf die Brücke.
derdurch üz gröze slä gen: Da zog ein Knappe, der drinnen ver-
niht langer er dö habte, borgen war, am Seil, daß die Fallbrücke
20 vast üf die brükke er drabte. beinahe noch das Pferd abgeworfen hät-
ein verborgen knappe'z seil te. Parziväl sah sich um; da hätte er jetzt
zöch, daz der slagebrüken teil gerne besser fragen wollen. »Fort mit
hetz ors vil nach gevellet nidr. Euch, die Sonne soll mit H a ß auf Eure
Parziväl der sach sich widr: Wege scheinen!« sprach dieser Knappe.
25 dö woher hän gevräget baz. »Ihr seid eine Gans! Hättet Ihr doch nur
'ir suit varen der sunnen haz,' den Schnabel bewegt und Euern Wirt ge-
sprach der knappe, 'ir sit ein gans. fragt! Viel Ehre habt Ihr in stumpfer Träg-
möht ir gerüeret hän den flans, heit versäumt.«
und het den wirt gevräget!
vil priss iuch hat beträget.'

3. gademe G, gadm g. 5. niemen DG. 7. Diz Ggg. zoren D. 11. tretene G, trettenne
g, tretten D. 13. scrig. D, schrig. G. 16. uf G. 17. Vant er wite G. 19. da Gg.
20. vaste DG. porte (corrigiert) G. Vast gein der port g. drafte G. 21. daz alte.
22. Züchte Ggg. slagbruken D, slage brugen d, vallebrucken g, slagebrucke ein gg, siege
bruke ein Gg, slegbruke ein g. 26. dr D. 30. brises G.
252 V. Buch

248 Nach den masren schrei der gast: Der Fremde schrie hinüber, was das hei-
gegenrede im gar gebrast, ßen solle. Antwort bekam er keine. So-
swie vil er nach geriefe, sehr er auch schrie, der Knappe tat, als
reht aiser gende sliefe ob er im Gehen eingeschlafen wäre, und
5 warp der knappe und sluoc die porten schlug das Tor zu.
zuo. Der Abschied kam ihm gar zu früh, zu
dö was sin scheiden dan ze fruo einer Zeit, die nur dem Unheil günstig
an der flustbaeren zit war. Den Wucher zahlt er jetzt von sei-
dem der nu zins von freuden git: nem Glück, das an ihm unauffindlich ist.
diu ist an im verborgen, Es war ein Unglückswurf, der da im Spiel
ίο umbe den wurf der sorgen geschah, als er den Gräl erblickte: Zwei
wart getoppelt, do er den gräl vant, Augen hatte er, auf keinem Würfel und
mit sinen ougen, äne hant von keiner Hand geworfen. Wenn ihn von
und äne Würfels ecke, nun an Kummer aufweckt, so muß er sich
ob in nu kumber wecke, erst noch daran gewöhnen; er hat sich
15 des was er da vor niht gewent: noch nicht viel gesehnt in seinem Leben.
ern hete sich niht vil gesent. Parziväl machte sich in Eile auf den
Parziväl der huop sich nach Weg, immer der Spur nach, die er da ein-
vast üf die slä dier da sach. getrampelt sah. Er dachte: >Die dort vor
er däht 'die vor mir riten, mir reiten, die werden, glaube ich, noch
20 ich waen die hiute striten heute tapfer kämpfen für die Sache des
manlich um mins wirtes dinc. Herrn, bei dem ich zu Gast war. Wenn sie
ruochten sis, so wsere ir rinc es erlauben, so würde ich ihrer Partei
mit mir niht verkrenket. keine Schande machen. Da gäbe es kein
dane wurde niht gewenket, Schwanken: Ich würde ihnen zu Hilfe
25 ich hülfe in an der selben nöt, kommen in ihrer Bedrängnis und wollte
daz ich gediende min bröt so mein Brot verdienen und dieses wun-
und ouch diz wünnecliche swert, derschöne Schwert, das mir ihr edler Herr
daz mir gap ir herre wert, geschenkt hat. Ich trage es noch unver-
ungedient ich daz trage, dient. Womöglich glauben die, ich wäre
si wienent lihte, ich si ein zage.' feige! <

1. rief G. 5. dl D. porte G. 6. dan sceiden D, scheiden gar gg. 7. flustebasrcn D.


9. Do Ggg. = was Ggg. 11. Was Ggg. getopelt Ggg, getupelt g. do ern g. 15.=
ungewent Ggg. 16. eren D, Erne G. het G. 18. vaste D, fehlt Ggg. 19. dahte DG.
die hie G. for D. riten D, riten Gg, sullen reiten g, ritent dgg. 20. ich warne die Od
= Die wane ich Ggg, die wellen noch g. hiute morgen G. striten Dg, striten Gg, stritent
dgg. 21. manliche D. umbe DG. mines wirts G. 22. Geruohten Gdg. sone G,
son g. 23. ungechrenchet Gg. 24. Da gg = alda D, Also d. 25. in inder D. 27. daz
Gdgg. 29. 30. fehlen D.
V. Buch 253

249 Der valscheite widersaz Und er, der ein Feind treulosen Un-
kert üf der huofslege kraz. danks war, wandte sich dahin, wo die
sin scheiden dan daz riwet mich, Erde aufgerissen war von Huftritten. Es
alrerst nu äventiurt ez sich. tut mir weh, wie er von da fortging. Jetzt
5 do begunde krenken sich ir spor: erst abenteuert es sich recht.
sich schieden die da riten vor. Ihre Spur wurde immer schwächer: Sie
ir slä wart smal, diu e was breit: hatten sich getrennt, die dort vor ihm ge-
er verlos se gar: daz was im leit. ritten waren. Ihre Fährte, die zuerst breit
masr vriesch dö der junge man, gewesen war, wurde schmal, und schließ-
ίο da von er herzenöt gewan. lich verlor er sie ganz. Das tat ihm leid.
do erhörte der degen ellens rieh Nun mußte der junge Mann etwas erfah-
einer frouwen stimme jsemerllch. ren, was seinem Herzen weh tat.
ez was dennoch von touwe naz. Der starke Held hörte da die klagende
vor im üf einer linden saz Stimme einer Dame — es war noch alles
15 ein magt, der fuogte ir triwe nöt. naß von Tau. Vor ihm auf einer Linde saß
ein gebalsemt ritter tot ein Mädchen: Ihre Treue hatte sie elend
lent ir zwischenn armen, gemacht. Ein toter Ritter, er war einbal-
swenz niht wolt erbarmen, samiert, lehnte ihr zwischen den Armen.
der si so sitzen saehe, Verräter nenne ich den, der sie so sitzen
20 untriwen ich im jaehe. sah und den es nicht erbarmte. Parziväl
sin ors do gein ir wante wandte sein Pferd zu ihr hin. Weit ent-
der wenic si bekante: fernt war er davon, sie zu erkennen, ob-
si was doch siner muomen kint. wohl sie doch das Kind seiner Mutter-
al irdisch triwe was ein wint, schwester war. Alle irdische Treue war
25 wan die man an ir ltbe sach. nur ein Wind, mit der verglichen, die man
Parziväl si gruozte unde sprach an ihr sah.
'frouwe, mir ist vil leit Parziväl grüßte sie und sprach: »Meine
iwer senelichiu arebeit. Dame, es tut mir weh, wie Ihr leidet und
bedurft ir mines dienstes iht, Euch abhärmt. Wenn Ihr meine Hilfe
in iwerem dienste man mich siht.' braucht, dann soll man in mir Euern Rit-
ter finden.«

1. 2. Der valscheite widr sazz. cherte Ddg, Sich huop der valscheit (der valsche G), der (des gg,
valsches gg) wider satz. Vaste (so Gg, fehlt gg) Ggg. 4. alrest nu aventiwertez sich D.
9. msere DG. dö fehlt Ggg. 11. Ez Gg. vernam Ggg. = der helt Ggg. riche
G. 12. iamerliche G. 15. vuoget G. 16. gebalsemet G, gebalsenter g. 17. zwischen
den alle, zwischen ir g. 18. Den ez Ggg, Dem ez gg. 19. also Ggg. 20. iches im G.
24. irdesch G. 26. und D. 27. = Nu wizet (Vil selig g) frouwe mir ist leit Ggg. vil
D, sere d. 28. senlichiu arbeit D. 29. Geruocht G. mins diens D.
254 V. Buch

250 Si danct im üz jämers siten Sie dankte ihm — so gut sie das konnte
und vrägt in wanne er koeme geriten. vor lauter Klagen — und fragte ihn, wo
si sprach 'ez [ist] widerzseme er herkomme; sie sagte: »Es ist ganz unge-
daz iemen an sich nseme wöhnlich, daß jemand eine Reise in dieses
5 sine reise in dise waste, wüste Land unternommen haben sollte.
unkundem gaste Dem Fremden, der sich nicht auskennt,
mac hie wol grözer schade geschehn. kann hier leicht ein böses Unglück zusto-
ich hänz gehört und gesehn ßen. Ich habe gehört und gesehen, daß
daz hie vil liute ir lip verlurn, viele Leute hier den Leib verloren und den
ίο die werliche'n tot erkurn. Tod gefunden haben mit Waffen. Reitet
kert hinnen, ob ir weit genesn. fort, wenn Ihr Euch retten wollt! Aber
saget e, wä sit ir hint gewesn?' sagt mir noch: Wo habt Ihr die Nacht ver-
'dar ist ein mile oder mer, bracht?«
daz ich gesach nie burc so her »Dort, eine Meile oder mehr, steht
15 mit aller slahte richheit. eine Burg, so etwas Großartiges habe ich
in kurzer wile ich dannen reit.' noch nie gesehen: Da gibt es alle Pracht
si sprach 'swer iu getrüwet iht, und Herrlichkeit. Es ist noch nicht lange
den suit ir gerne triegen niht. her, daß ich dort weggeritten bin.«
ir traget doch einen gastes schilt. Sie sprach: »Wenn Euch jemand traut,
20 iuch möht des waldes hän bevilt, so solltet Ihr nicht versuchen, ihn zu be-
von erbüwenem lande her geritn. lügen. Ihr tragt doch ein fremdes Wappen.
inre drizec miln wart nie versnitn Wenn Ihr vom Land, wo Menschen woh-
ze keinem büwe holz noch stein: nen, hierhergeritten seid, dann ist es frei-
wan ein burc diu stet al ein. lich leicht möglich, daß Ihr den vielen
25 diu ist erden Wunsches riche. Wald satt geworden seid. Dreißig Meilen
swer die suochet flizecliche, in der Runde hat man zu keinem Bau
leider der envint ir niht. Holz oder Stein behauen, nur eine Burg
vil liute manz doch werben siht. steht da ganz allein: Die ist herrlicher als
ez muoz unwizzende geschehen, alles, was man auf Erden wünschen kann.
swer immer sol die burc gesehen. Wer sie mit Fleiß sucht, tut mir leid, er
wird nichts von ihr finden. Und trotzdem
sieht man viele Leute, die es unterneh-
men. Der Anblick dieser Burg muß einem
ohne Wissen geschehen, man kann sie
nicht einfach anschauen.

1. nach Gg. 2. Si G. vraget D, fragte G. wanne gg, wannen D, wanen G. 5. Sin


dgg. 7. groz G. 8. gehöret G. vn wol D. 10. = werliche den Dd. ende Ggg.
churen Ggg. 11. Chert hinnen weit ir genesen Gg. 12. hint fehlt D. 16. inre churzen
D. zit Ggg. 17. der Ggg. getrwet D. 21. erbwenem D, erbouweme g, erbuwem
d, unerbuwenem G, unerbuwem g. 22. Inner gg, In Gdgg. milen DG. 23. deh. G.
buowe Dg. 24. Niwan Ggg, Neur g. 25. ist in erden G. 27. der invint g, dem vindet
D, der envindet G. 30. Der G. immer die burc sol g, die burch imer sol G, die burc sol
(wil) gg.
V. Buch 255

251 Ich wasn, her, diust iu niht bekam. Mein Herr, ich glaube nicht, daß Ihr sie
Munsalvaesche ist si genant, kennt. Sie heißt Munsalvaesche. Das roy-
der bürge wirtes royäm, aume des Herrn auf dieser Burg trägt den
Terre de Salvassche ist sin nam. Namen Terre de Salvaesche. Der alte
5 ez brähte der alte Tyturel Tyturel brachte es auf seinen Sohn: Roi
an sinen sun. rois Frimutel, Frimutel heißt dieser königliche Held,
sus hiez der werde wlgant: seine Hand erwarb viel Ruhm. Er blieb
manegen pris erwarp sin hant. tot liegen in einer Tjost; da hinein war
der lac von einer tjoste t6t, er geritten, wie es die Minne befahl. Er
ίο als im diu minne dar geböt. hinterließ vier adelige Kinder; bei allem
der selbe liez vier werdiu kint. Reichtum leben drei in Jammer, der vierte
bl richeit driu in jämer sint: hat die Armut gewählt: Sünden zu heilen,
der vierde hat armuot, lebt er für Gott. Er heißt Trevrizent.
durch got für sünde er daz tuot. Anfortas, sein Bruder, kann nicht mehr
15 der selbe heizet Trevrizent. reiten noch gehen noch liegen noch ste-
Anfortas sin bruoder lent: hen, nur lehnen. Er ist der Herr auf Mun-
der mac geriten noch gegen salvaesche: Ein zorniges Geschick wird er
noch geiigen noch gesten. nicht los.« Und sie sprach: »Mein Herr,
der ist uf Munsalvsesche wirt: wenn Ihr zu diesen traurigen Leuten ge-
20 ungenäde in niht verbirt.' kommen wäret, dann wäre ihrem Herrn
si sprach 'her, waert ir komen dar geholfen worden von seinem schlimmen
zuo der jasmerliehen schar, Leiden, das er schon lange tragen muß.«
so waere dem wirte worden rät Der Wäleise sagte zu dem Mädchen:
vil kumbers den er lange hat.' »Großartige Wunder habe ich dort ge-
25 der Wäleis zer meide sprach sehen und viele schöne Damen.«
'groezlich wunder ich da sach, Da erkannte sie den Mann an seiner
unt manege frouwen wol getan.' Stimme und sprach: »Du bist Parziväl.
bi der stimme erkante si den man. Jetzt sag mir nur: Hast du den Gräl ge-
Do sprach si 'du bist Parziväl. sehen
nu sage et, sashe du den gräl

1. Ich wsene herre Dgg, Ich wane Gdg, Herre g, Sy sprach g. diu ist alle, nur G sist. iu
unbechant Ggg. 2. Monsalvasch d, Montsalvatsche g, Muntschalfatsch G, salvaesce mit as
pflegt nur D zu setzen. 3. burgare G, burger g. wirtes Dd, wirt ist gg, wirt was G, wirt
g. roian G. 4. Derdeschalvatsche was G, Der de salvatsche was gg. 5. Daz Ggg.
6. rois fehlt g und ist in G von der ersten hand nachgetragen, der kunec D. 7. sus fehlt Ggg.
8. = Vil mangen Ggg. 9. an Ggg. 10. ein chungin dar g, ein chungin Gg. 11. lie G.
fier D. 12. dri G. mit Ggg. 13. hat Dd, der hat gg, lidet Gg. 15. = Der ist geheizen
Ggg. trevrezent Ggg. 17. nemach Ggg. 19. muntsalvatsch G. 20. ungenande? s.
240,8. 21. si sprach fehlt Gg. herre DG, fehlt g. wart Gg, wert g, wasret D.
24. chumberz D. 25. zuo der D. 26. Groziu Gg, Groz dgg. 29. Si sprach Ggg. du
bist ez gg, bistuz G. 30. et Dd = fehlt Ggg, an gg, a (ohne nu) g.
256 V. Buch

252 unt den wirt freuden lsere? und den Herrn dort kahl an Freuden? Laß
lä hoEren liebiu maere. eine liebe Botschaft hören! Wohl dir,
ob wendec ist sin freise, wenn seine Not gewendet ist, selig deine
wol dich der sadden reise! Reise! Denn deine Majestät wird höher
5 wan swaz die lüfte hänt beslagen, sein als alles, was die Luft begreift. Das
dar ob muostu hcehe tragen: Zahme und das Wilde wird dir dienen.
dir dienet zam unde wilt, All dein Wünschen ist ans Ende gelangt
ze richeit ist dir wünsch gezilt.' und in der Fülle angekommen.«
Parziväl der wigant Parziväl, der Held, sprach: »Woran
ίο sprach 'wä von habt ir mich erkant?' habt Ihr mich erkannt?«
si sprach 'da bin ichz diu magt Da sagte sie: »Ich bin es doch, das
diu dir e kumber hat geklagt, Mädchen, das dir schon einmal sein Leid
und diu dir sagte dinen namn. geklagt und dir deinen Namen gesagt hat.
dune darft dich niht der sippe schamn, Du brauchst dich deiner Verwandtschaft
is daz din muoter ist min muome. mit mir nicht zu schämen, ich meine: daß
wiplicher kiusche ein bluome deine Mutter die Schwester meiner Mut-
ist si, geliutert äne tou. ter ist. Sie ist eine Blüte weiblicher Rein-
got lön dir daz dich dö so rou heit, geläutert ohne Tau. Gott belohne
min friwent, der mir zer tjost lac tot. dich für deine Trauer um meinen Gelieb-
20 ich hänn alhie. nu prüeve nöt ten, der mir in einer Tjost tot liegenblieb.
die mir got hat an im gegebn, Ich habe ihn immer hier bei mir. Nun
daz er niht langer solde lebn. schau das Leid an, das mir Gott an ihm
er pflac manlicher güete. gegeben hat, daß er nicht länger leben
sin sterben mich dö müete: sollte. Er war tapfer und gut, sein Sterben
25 och hän ich sit von tage ze tage tat mir weh. Ich habe seitdem immer-
fürbaz erkennet niwe klage.' fort von einem Tag zum andern diesen
'owe war kom din röter munt? Schmerz neu erfahren.«
bistuz Sigüne, diu mir kunt »Ach, wohin ist dein roter Mund ge-
tet wer ich was, an allen vär? kommen? Bist du es, Sigüne, die mir da-
din reideleht lanc prünez här, mals gradheraus erklärt hat, wer ich bin.
Dein lockiges, langes, braunes H a a r ist
fort,

3. = si sin Ggg. 6. chrone Gg. 7. dient DG. 8. Gein Ggg. rihtuem g, riche g,
reichen dg, raichen g. 10. bechant G. 11. Si iach im gg. iz g. 12. hat fehlt D.
13. und fehlt G. 18. Ion g, lone DG. dö fehlt Ggg. 20. Den han ich G. hänn] han
gg, han in Ddgg. al Dgg, fehlt Gdgg. 26. erchenne D, erchant G. 30. reideloht
Gg. reideloch g.
V. Buch 257

253 Des ist din houbet blöz getan, dein H a u p t ist kahl gemacht. Im Forst
zem forest in Brizljän von Brizljän habe ich dich gesehen, da
sah ich dich dö vil minneclich, warst du freilich reich an Schmerzen,
swie du Wierest jämers rieh. doch reizend schön. Deine Farbe und dei-
5 du hast verlorn varw unde kraft, nen Zauber hast du verloren. Wenn ein so
diner herten geselleschaft harter, steifer Leib bei mir liegen sollte,
verdrüzze mich, solt ich die haben: das wäre nichts für mich. Begraben wir
wir sulen disen töten man begraben.' doch diesen toten Mann!«
dö natzten d'ougen ir die wät. Da machten ihr die Augen ihre Kleider
ίο ouch was froun Lüneten rät naß. Und es lag ihr völlig fern, sich mit
ninder da bi ir gewesen, dem Rat des Fräuleins Lünete zu behelfen;
diu riet ir frouwen 'lät genesen die hatte ja bei ihrer Herrin die Lösung
disen man, der den iweren sluoc: angeregt: »Laßt diesen da, der Euern
er mag ergetzen iueh genuoc.' Mann erschlagen hat, am Leben; er kann
15 Sigüne gerte ergetzens niht, an seine Stelle treten und so den Schaden
als wip die man bi wanke siht, ersetzen.« Sigüne wollte nicht Ersatz wie
manege, der ich wil gedagn. jene Frauen, die man treulos sieht. Da
hoert mer Sigünen triwe sagn. gibt es viele, von denen ich lieber schwei-
diu sprach 'sol mich iht gevröun, gen will. — Hört aber weiter von der
20 daz tuot ein dinc, ob in sin töun Treue der Sigüne reden. Die sprach:
lsezet, den vil trürgen man. »Wenn es noch ein Ding geben kann, das
schiede du helfliche dan, mir Freude macht, so ist es dies: Daß er,
so ist din lip wol prises wert, der so elend daliegt, erlöst wird von sei-
du füerst och umbe dich sin swert: nem Sterben. Wenn du geholfen hast, be-
25 bekennestu des swertes segen, vor du von dort fortgingst, so ist dein
du maht an angest strifes pflegen. Leib wohl wert, daß man ihn rühmt. Du
Sin ecke ligent im rehte: trägst ja sein Schwert an deiner Seite:
von edelem geslehte Wenn du den Zauber dieses Schwertes
worhtez Trebuchetes hant. kennst, so hast du im Kampf nichts zu be-
ein brunne stet pi Karnant, fürchten. Seine Schneiden liegen ganz ge-
rade, seine Herkunft ist edel: Es ist ein
Werk von Trebuchets Hand. Bei Karnant
gibt es eine Quelle,

1. Dest din g. 2. In dem Gg. voreis G, forst gg, vorecht g. Prizlian D, prezilian g,
brizilan G, bricilan d, brizilian g, brezzilian g, Breziliam g, Brecilian g. 4. warst G. 5. varwe
alle. 6. dirre herten selleschaft? 7. di Dd = si Ggg. 8. den Ggg. din? 9. nazzeten
D, naztan g. diu alle, fehlt g. ir diu ougen G. ir wat Gg. 10. fron G. Lunetten
D. 12. Diu riet frouwe G. 13. der iu den iwern Gg. 15. Sine gerte Gg. 17. Manger
der Ggg. 18. von sigunen triwe oder triwen gg, von sigunen G. 19. Si alle außer D.
gevroun-toun D, gefrouwen-touwen G. 20. = Daz ist Ggg. op sin Gg. 21. Lat Gg.
der G. trurigen Dgg, truwen d, getrüwen g, getriwe G. 22. helfechliche Gg. 25. =
Hastu gelernt Ggg. 28. geslaehte D, geslahte G.
258 V. Buch

254 dar nach der künec heizet Lac. danach nennt sich der König Lac. Einen
daz swert gestet ganz einen slac, einzigen Schlag hält das Schwert aus,
am andern ez zevellet gar: beim zweiten zerfällt es in Stücke. Wenn
wilt duz dan wider bringen dar, du es wieder richten willst, so wird es
5 ez wirt ganz von des wazzers trän, ganz von jenes Wassers Fluß. Du brauchst
du muost des urspringes hän, also Wasser aus dieser Quelle; unterm Fel-
underm velse, e in beschin der tac. sen, noch bevor der Tag darauf scheint,
der selbe brunne heizet Lac. mußt du es nehmen. Die Quelle heißt Lac.
sint diu stücke niht verrert, Es kommt darauf an, ob die Trümmer
ίο der se reht zein ander kert, von dem Schwert noch da sind: Die muß
so se der brunne machet naz, man richtig zueinanderlegen; sobald dann
ganz unde sterker baz die Quelle sie benetzt, wird Falz und
wirt im valz und ecke sin Schneide wieder ganz und fester als zuvor.
und vliesent niht diu mal ir schin. Auch die eingravierten Zeichen verlieren
Ii daz swert bedarf wol segens wort: nichts von ihrem Schimmer.
ich fürht diu habestu läzen dort: Das Schwert braucht Worte, damit der
häts aber din munt gelernet, Zauber Segen wird; ich fürchte, die hast
so wehset unde kernet du dort verpaßt. Hat sie aber dein Mund
immer saslden kraft bi dir: gelernt, so wächst bei dir immerfort die
20 lieber neve, geloube mir, Kraft des Glücks und trägt dir Frucht.
so muoz gar dienen diner hant Glaub mir, lieber Cousin: Deiner Hand
swaz din lip da Wunders vant: werden alle die Wunder dienen, die dein
ouch mahtu tragen schöne Leib dort fand, du wirst immerdar die
immer sselden kröne Krone des Heils tragen und die Majestät,
25 höhe ob den werden: die über allen Adel erhaben ist; was man
den wünsch üf der erden nur gewinnen kann auf Erden, wirst du in
hästu vollecliche: Fülle besitzen; niemand ist reich genug,
niemen ist sö riche, daß er sich seiner Schätze vor dir rühmen
der gein dir koste mege hän, könnte — das alles wird dir gehören,
hästu vräge ir reht getän.' wenn du getan hast, was das Recht der
Frage fordert.«

2. = bestet Ggg. 3. An dem anderm g. zerv. G. 4. wil duz DG. dane G, denne
D. wider fehlt Gdg. 5. von dem G. 7. underem D, Under dem G. e ez Ggg.
beschin dgg, bescine D, beschine G. 8. brunne fehlt D. 10. rehte DG. 14. verliesent
diu mal niht G. 16. furhte DG. die hastu D. 17. Hatse aver G. muot D. 18. so
wechset D, Gewurzet (durchstrichen, verbessert So wahset) G. chernt g, gechernet G, gernet
D, gernt g, geeret g, bernt g, vernet g, schermet g. 19. an dir Ggg. 23. So Ggg. machtu
D. 24. In zwein (unterstrichen) imer der sseiden chrone G, der haben auch dgg. 27. ge-
waltchliche G. 29. muge aller außer D.
V. Buch 259

255 Er sprach 'ich hän gevräget niht.' Er sprach: »Ich habe nichts gefragt.«
'öwe daz iuch min ouge siht,' »Weh mir, daß Euch mein Auge sieht«,
sprach diu jämerbseriu magt, sprach da die schmerzensreiche Jungfrau,
'sit ir vrägens sit verzagt! »da Ihr zum Fragen zu feig seid! Ihr habt
5 ir sähet doch solch wunder gröz: doch so viele große Wunder gesehen: Wie
daz iuch vrägens do verdröz! konntet Ihr zögern zu fragen, da doch der
aldä ir wärt dem gräle bi; Gräl selber vor Euch stand! Die vielen
manege frouwen valsches vri, Damen, alle ohne Fehler, habt Ihr gese-
die werden Garschiloyen hen, die edle Garschiloye und Repanse de
ίο und Repans de schoyen, Schoye, und das schneidende Silber, den
und snidnde silbr und bluotec sper. blutigen Speer. Was wollt Ihr von mir,
öwe waz wolt ir zuo mir her? was habt Ihr hier zu suchen, ehrloser
gunerter lip, verfluochet man! Leib, verfluchter Mann! Den Zahn des
ir truogt den eiterwolves zan, Giftwolfs hattet Ihr im Mund, so jung
15 da diu galle in der triuwe schon treibt bei Euch die Treue Galle aus!
an iu bekleip so niuwe. Es hätte Euch doch Euer Wirt erbarmen
iuch solt iur wirt erbarmet hän, müssen, den Gott auf so geheimnisvolle
an dem got wunder hät getän, Weise geschlagen hat; da hättet Ihr doch
und het gevräget siner not. nach seinem Leiden fragen müssen! Ihr
20 ir lebt, und sit an sa:lden tot.' lebt, und Euer Glück ist tot.«
dö sprach er 'liebiu niftel min, Da sagte er: »Meine liebe Cousine, sei
tuo bezzeren willen gein mir schin. nicht so unfreundlich zu mir! Ich will es
ich wandel, hän ich iht getän.' wiedergutmachen, wenn ich etwas Böses
'ir suit wandels sin erlän,' getan habe.«
25 sprach diu maget. 'mirst wol bekant, »Das Wiedergutmachen ist Euch ge-
ze Munsalvaäsche an iu verswant schenkt!« sprach das Mädchen. »Ich weiß
ere und riterlicher pris. genau, daß Adel und Ritterehre an Euch
iren vindet nu decheinen wis erloschen ist auf Munsalvaesche. Ihr
decheine geinrede an mir.' mögt jetzt reden, was Ihr wollt, Ihr wer-
Parziväl sus schiet von ir. det keine Antwort mehr von mir be-
kommen.«
So ritt Parziväl von ihr fort.

3. iamerbieriu D, iamerbere gg, iamerbernde G, iamerlichen g, iasmerliche dgg. 4. Daz Ggg.


6. da Gg. 7. al fehlt Ggg. Do G. wart g, wäret DG. 9. 10. fehlen G. 10. Repanse
D, repansen d = urrepans gg, urrepansen g. adeschoyen g. 11. das erste und fehlt G
und (nebst dem zweiten) g. snidende D, sniden G, snidic gg. silber alle. 13. Geunert
Gg. verfluocht G, verfluhter dgg. 14. truoget D, traget Ggg. 15. bi G. 16. beleip
Ggg. 17. iwer DG. 23. = Ich wandelz Ggg. 26. Zemuntsalvatsche G. 28. Ir Gdgg.
nu Ddg, eu g, mer gg, nimer G, niht mer g. deheine Gdgg. gwis D. 29. gagen rede
G. 30. do Ggg.
260 V. Buch

256 D a z er vrägens was so laz, D a ß er es unterlassen hatte zu fragen,


d o ' r bT dem trüregen wirte saz, als er bei dem unglücklichen Herrn saß,
daz rou dö grcezliche das tat nun dem gewaltigen Helden sehr
den helt ellens riche. weh. Aus J a m m e r und weil es heiß war
5 durch klage und durch den tac sö heiz an dem Tag, wurde er bald naß von
begunde netzen in der sweiz. Schweiß. Um sich Luft zu verschaffen,
durch den luft von im er bant band er den Helm a b und trug ihn in der
den heim und fuort in in der hant. H a n d ; er knüpfte auch sein Visier los: D a
er entstricte die vinteilen sin: war sein Glanz hell durch den Rost der
ίο durch isers räm was lieht sin schin. Rüstung hindurch.
er k o m üf eine niwe slä. Er kam an eine frische Hufspur, und
wandez gienc vor im aldä zwar ging da vor ihm ein Streitroß, das
ein ors daz was wol beslagen, w a r gut beschlagen, und dann noch ein
und ein barfuoz pfäret daz muose tragen Zelter ohne Eisen; der mußte eine D a m e
υ eine frouwen die er sach. tragen — die sah er nun. Es hatte sich so
nach der ze riten im geschach. gefügt, daß er hinter ihr her ritt. Ihr Pferd
ir pfärt gein kumber was verselt: war dem Elend ausgeliefert, man hätte
man het im wol durch hüt gezelt seine Rippen allesamt durch die Haut
elliu siniu rippe gar. leicht zählen können; es war wie ein Her-
20 als ein harm ez was gevar. melin so fahl. Es trug ein Halfter aus
ein bastln halfter lac dar an. Bast, die M ä h n e hing ihm auf den H u f ,
unz üf den huof swanc im diu man. die Augen tief eingefallen in weiten H ö h -
sin ougen tief, die gruoben wit. len. Das Pferdchen der D a m e war gehetzt
ouch was der frouwen runzit und zerschunden; oft hatte der Hunger es
25 vertwälet unde vertrecket, aufgeweckt, es w a r dürr wie Zunder. Ein
durch hunger dicke erwecket, Wunder, daß es sich überhaupt noch auf
ez was dürre als ein zunder. den Beinen hielt; denn eine D a m e von
sin gen daz was wunder: Adel ritt es, und die kam natürlich selten
wandez reit ein frouwe wert, in den Stall zum Füttern.
diu selten kunrierte pfert.

1. vas so D. 2. daz er bi D. trurigem D. 5. Dur-dur G. 7. Dur G. er von im


Ggg. 8. fürten in der D. 9. Ernstriht g. vinteilen Gg, finteiln g, phintalien g, fantailen
dg, fintalen D, vintelen g. 12. gienc fehlt G. 14. parfuoz Ddg. pharit G, pferht g.
daz fehlt D. 17. = Daz Ggg. pherit G. 18. wol fehlt Gdg. dur die Gdgg.
21. bastin G. dar ane-mane G. 22. die huf dg. 25. Vertwalt G.
V. Buch 261

257 Da lac uf ein gereite, Das Sattelzeug, das darauf lag, w a r spär-
smal an alle breite, lich und machte sich nicht eben breit, die
geschelle und bogen verreret, Glöckchen und der Sattelbogen in alle
gröz zadel dran gemeret. Winde verstreut, dazu Mangel im Uber-
5 der f r o u w e n trürec, niht ze geil, fluß. Die D a m e ließ den Kopf hängen und
ir surzengel was ein seil: sah nicht gerade fröhlich aus — der Bug-
dem was si doch ze wol geborn. riemen ihres Pferds w a r ein Strick: D a f ü r
ouch heten di este und etslich dorn war sie denn doch zu vornehm!
ir hemde zerfüeret: Es hatten auch die Äste und viele Dor-
ίο swä'z mit zerren was gerüeret, nen ihr H e m d zerfetzt; überall dort, w o
da saher vil der stricke: sie gerissen hatten, sah Parziväl Fäden
dar unde liehte blicke, und Knoten, dazwischen blitzte hell ihre
ir hüt noch wizer denn ein swan, H a u t durch, weißer als ein Schwan. Sie
sine f u o r t e niht wan knoden an: hatte nichts als Flicken an; w o sie die
is swä die w a r n des velles dach, H a u t bedecken sollten, da sah er sie ganz
in blanker varwe er daz sach: weiß, alles übrige hatte sehr unter der
daz ander leit von sunnen not. Sonne gelitten. Immerhin, ihr M u n d w a r
swiez ie k o m , ir munt was röt: doch rot; der w a r ganz von solcher Farbe,
der muose alsölhe varwe tragen, daß man daraus Feuer schlagen konnte.
20 man hete fiwer wol drüz geslagen. Wo immer man sie attackieren wollte, so
swä man se wolt an riten, hätte man sie allemal an der bloßen
daz was zer blözen siten: Flanke zu fassen gekriegt. Wenn jemand
[nantes iemen vilän, sie freilich vilän geschimpft hätte,* das
der het ir unreht getan:] wäre ganz unpassend gewesen; sie hatte
25 wan si hete wenc an ir. ja eher wenig an als viel.
durch iwer zuht geloubet mir, Ihr, die ihr Courtoisie habt, k ö n n t mir
si truoc ungedienten haz: glauben: Sie hatte den H a ß , den sie leiden
wiplicher güete se nie vergaz. mußte, nicht verdient; sie hat es niemals
ich saget iu vil armuot: an dem fehlen lassen, was eine Frau
30 war zuo? diz ist als guot. schmückt. Ihr wollt wissen, w a r u m ich
doch n«eme ich sölhen blözen Up euch eine solche Armeleutegeschichte er-
für etslich wol gekleidet wip. zähle? Weil sie d a d u r c h nicht schlechter
wird. Mir jedenfalls wäre ein so nackter
Leib lieber als manche Frau, wenn sie
noch so schön angezogen ist.

1. uffe G. 2. bereite G. 3. 4. verreret-gemeret alle, nur D verrert-gemert, G verret-gecheret.


6. surzingel gg. 10. Swaz g, swa daz D, Swa ez die übrigen. zerrene G. 11. Da sach
ouch er vil ditche G. 12. Dar under G. 14. hete D. hadern g, knöpffe g. swane-
ane G. 18. ie Ggg, ir D, echt g, fehlt d. 20. Wan g. = hets G, het daz gg, hiet daz g.
23. vil an Gg. 25. Wände si het wenc an ir g. lutzl gg. 27. trug D. 28. si DG.
29. sagte G. iu fehlt Ggg. vil Dg, vil ir Ggg, vil von d. 32. gechleit D, gekleitz g, gevazt g.
262 V. Buch

258 D o Parziväl gruoz gein ir sprach, Als Parziväl sie mit einem G r u ß an-
an in si erkenneclichen sach. sprach, da erkannte sie ihn beim ersten
er was der schönste übr elliu lant; Ansehen. Er war der Schönste weit und
da von sin schiere het erkant. breit, daran hatte sie ihn gleich erkannt.
5 si sagete 'ich hän iuch e gesehn, Sie sagte: »Ich habe Euch schon einmal
da von ist leide mir geschehn: gesehen, und davon ist mir Leid gesche-
doch müez iu freude unt ere hen; doch möge G o t t Euch allezeit mehr
got immer geben mere Glück und Ehre geben, als Ihr an mir ver-
denn ir um mich gedienet hätj, dient habt. Seitdem sind meine Kleider
ίο des ist nu ermer min wät immer bettelhafter geworden und nicht
denn ir si jungest sähet, mehr so, wie Ihr sie beim letztenmal
wasrt ir niht genähet gesehen habt. Wärt Ihr nur damals nicht
mir an der selben zit, in meine N ä h e gekommen, dann hätte
sö het ich ere äne strit.' ich meine Ehre behalten, und niemand
is dö sprach er 'frouwe, merket baz, könnte sie antasten.«
gein wem ir keret iwern haz. D a sprach er: »Meine D a m e , Ihr soll-
jane wart von mime libe tet besser achtgeben, mit wem Ihr Krieg
iu noch decheinem wibe anfangen wollt. Von mir ist ja doch nie
laster nie gemeret und nimmer Euch oder sonst einer Frau
20 (so het ich mich guneret) etwas geschehen, was gegen die Ehre ist
sit ich den schilt von erst gewan — damit hätte ich mich ja selbst geschän-
und riters fuore mich versan. det —, niemals, seit ich meinen ersten
mirst ander iwer kumber leit.' Schild bekam und seit ich weiß, was es
al weinde diu frouwe reit, bedeutet, ein Ritter zu sein; im übrigen
25 daz si begoz ir brüstelin, aber tut es mir leid, daß es Euch so
als si gedrast solden sin. schlecht geht.«
diu stuonden blanc hoch sinewel: Immerzu weinend ritt die D a m e , so
jane wart nie drashsel sö snel daß sie ihre Brüstlein begoß. Die waren
der si gedraet hete baz. wie frisch von der D r e h b a n k , so weiß und
swie minneclich diu frouwe saz, hoch und rund standen sie da: Kein
Drechsler wäre flink genug, sie besser zu
drechseln. So reizend die D a m e auch war,
wie sie da saß,

1. gesprach G. 3. über alle. 5. sprach alle außer D. 10. = Ez Ggg. 11. nahest G.
12. 13. ir mir-Do Gg, ir mir-Mir g. 15. merket baz dgg, merchet daz D, wizet daz Ggg,
wiszent basz g. 21. Sin ich G. 24. wiende G, weinende D, weinunde g. 27. hoch
blanch G, blanc ioch g. sinwel D. 28. drsechsel D, drahsel Gg.
V. Buch 263

2 5 9 si m u o s e in d o c h e r b a r m e n , sie m u ß t e ihn d o c h e r b a r m e n . M i t H ä n -
mit henden und mit a r m e n den und mit A r m e n suchte sie sich zu
begunde si sich decken b e d e c k e n vor dem starken Parziväl. D e r
vor Parziväl dem r e c k e n . sprach: » U m G o t t e s willen, meine D a m e ,
5 D o sprach er ' f r o u w e , n e m t durch g o t ich bitte E u c h , laßt m i c h E u e r R i t t e r sein,
üf rehten dienst sunder spot in allen E h r e n , n e h m t meinen W a f f e n r o c k
an iwern lip min k u r s i t . ' über Euern L e i b . «
'herre, waer daz äne strit » M e i n H e r r , selbst w e n n es ganz g e w i ß
daz al min freude lsege d r a n , w ä r e , d a ß all mein G l ü c k d a r a n hinge, so
ίο so g e t ö r s t ichz d o c h niht grifen an. dürfte ich's d o c h nicht w a g e n , ihn a u c h
weit ir uns tcetens m a c h e n vrt, nur anzufassen. Reitet d a h i n , w o ich fern
sö ritet daz i'u verre si. bin von E u c h , wenn Ihr uns beide v o m
d o c h klagte ich w e n e c minen t o t , T o d erretten wollt. U m meinen eigenen
w a n daz ich fürhte ir k o m t s in n o t . ' T o d w o l l t e ich wenig k l a g e n , ich fürchte
is ' f r o u w e , w e r nsem uns ez lebn? b l o ß , d a ß es für E u c h gefährlich wird.«
daz hat uns gotes k r a f t gegebn: »Meine Dame, wer könnte uns das
o b des gerte ein ganzez her, Leben n e h m e n , das uns G o t t e s K r a f t ge-
m a n sa;he m i c h für uns ze w e r . ' schenkt hat? Wenn auch ein ganzes
si sprach 'es gert ein werder degen: H e e r von R i t t e r n d a n a c h gierig w ä r e , so
20 der hat sich strites so bewegen, fände m a n mich d o c h bereit, für uns zu
iwer sehse kcemns in arbeit, kämpfen.«
mirst iwer riten bi mir leit. D a sagte sie: »Es ist ein edler H e l d , der
ich w a s e t s w e n n e sin wip: d a n a c h gierig ist; der hat sich so sehr dem
nune m ö h t e min vertwälet Up Krieg ergeben, d a ß sechse Eures Schlags
25 des heldes dierne niht gesin: davon ins Schwitzen k ä m e n . Es ist mir
sus t u o t er gein mir zürnen s c h i n . ' gar nicht recht, d a ß Ihr da bei mir reitet.
d ö sprach er zuo der f r o u w e n sän Ich w a r früher seine Frau, und nun taugt
' w e r ist hie mit iwerem m a n ? mein zerschundener Leib nicht einmal
w a n flühe ich nu durch iwern rät, m e h r dazu, a u c h n u r des Helden M ä t r e s s e
daz diuht iuch lihte ein missetät. zu sein; a u f solche Weise zeigt er mir, wie
zornig er ist.«
D a sagte er zu der D a m e : »Wer ist
denn n o c h hier bei E u r e m M a n n ? Wenn
ich jetzt tatsächlich davonliefe, wie Ihr
mir ratet, dann f ä n d e t Ihr das w o h l d o c h
gemein von mir.

5. dur G. 7. iuren g. 10. Sone G. nemen G, legen g. 11. tcetens machen D, todes
machen g, machen todes die übrigen. 12. rit g. i'u] ich g, ich iu die übrigen. 13. min
not Dg, und 14 ir chiest den tot D, euweren tot g. 14. chomts Ggg, komet sin g, komt dg.
15. Do sprach er Ddgg, Er sprach g, fehlt G. nem gg, njeme DG. uns ez] unsz D, uns
g, uns daz gg, unser dg, uns unser G. 21. chomens G, choemense D. 24. nu D. vertwalt
Gg, vertwalter gg, vertailet g. 25. dierne] dieren D, dime Gdgg, dim gg. 26. zorns Ggg.
29. Wan fehlt Gg. 30. duht G, diuhte D. ein fehlt Gg.
264 V. Buch

2 6 0 swenne ich fliehen lerne, Bevor ich das Fliehen lerne, will ich ge-
so stirb ich als gerne.' nauso gern sterben.«
D ö sprach diu blöze herzogin D a sprach die nackte Herzogin: »Er
'er hat hie niemen denne min. hat niemanden dabei als mich, von der
5 der tröst ist kranc gein strifes sige.' wenig Hilfe zu erwarten ist zum Sieg im
niht wan knoden und der rige Kampf.«
was an der frouwen hemde ganz, Nichts als die Flicken und der Kragen-
wiplicher kiusche lobes kränz saum war ganz am H e m d der Dame,
truoc si mit armüete: doch trug sie in ihrem Elend die Ruhmes-
ίο si pflac der wären güete krone weiblicher Reinheit: Wahre Tugend
sö daz der valsch an ir verswant. übte sie in allem, so daß von Falschheit
die finteiln er für sich pant, nichts übrigblieb an ihr. Er aber band
gein strltcr wolde füeren sich das Visier vors Gesicht; in den K a m p f
den heim er mit den snüeren wollte er seinen Helm tragen, und er
is eben ze sehne ructe. zurrte ihn mit den Riemen so zurecht, daß
innen des daz ors sich pucte, er gut hinaussah.
gein dem pfärde ez schrien niht vermeit. Da nun bückte sich sein Streitroß zu
der vor Parziväl da reit dem Zelter der D a m e hin, nicht ohne laut
und vor der blözen frouwen, zu wiehern. Der M a n n , der vor Parziväl
20 der erhörtz und wolde schouwen und der nackten D a m e ritt, hörte das und
wer bi sime wibe rite, wollte nun doch sehen, wer da neben sei-
daz ors warf er mit zornes site ner Frau reite. Zornig warf er sein Pferd
vaste uz dem stige. herum und zwang es aus dem Pfad. So
gein striteclichem wige stand der Herzog Orilus da und erwartete
25 hielt der herzöge Orilus Kampf und Streit, bereit zur T j o s t mit
gereit zeiner tjost alsus, wahrhaft männlicher Lust und einem
mit rehter manlicher ger, Speer von Gaheviez, der reich bemalt war
von Gaheviez mit eime sper: in seinen Wappenfarben.
daz was gevärwet genuoc,
reht als er sTniu wäpen truoc.

1. swenne D, Swene G, Wan swenn gg, Wenne wo d. 4. niemens dane Ggg, nieman wan gg.
6. Niwan Gg. unz der g, unde an der G. 12. finteiln g, Anteilen g, phinteilen Gg, fantailen
dg, fintalen D, vintelen g. 13. er in g. rueren d. 14. 15. = Er vor eben Ggg.
15. ebene DG. zesehenne G. 17. = Mit Ggg. pharde G. 18. Der da G. Parzivale
DGg. dä fehlt Gg. 20. erhortez Dd = hört ez gg, horte Ggg. wolt G. 22. zorns
DG. 24. stritchlichen G. 25. orillus G. 26. Gereht G, Bereit g. tioste sus Ggg.
27. manlichen G. 28. kahviez G. 29. gevarwet G.
V. Buch 265

261 Sinen helm worhte Trebuchet. Seinen Helm schuf Trebuchet, sein Schild
sin schilt was ze Dölet war dem Helden in Toledo gemacht wor-
in Kailetes lande den, in Kailets Land: Rand und Buckel
geworht dem Wigande: waren stark. In Alexandria bei den Hei-
j rant und buckel heten kraft. den hatte man einen edlen Brokat gewebt:
zAlexandrie in heidenschaft Kursit und Waffenrock aus diesem Stoff
was geworht ein pfellel guot, trug der edle Fürst. Die Decke seines
des der fürste hoch gemuot Pferds war in Tenabroc aus harten Ringen
truoc kursit und wäpenroc. gemacht worden, und die Decke dieser ei-
ίο sin decke was ze Tenabroc sernen Decke — denn er war seinem Stolz
geworht uz ringen herte: ein gelehriger Schüler — war ein Brokat,
sin stolzheit in lerte, von dem es heißt, er sei nicht billig ge-
der iserinen decke dach wesen. Prächtig und doch nicht schwer
was ein pfellel, des man jach waren seine Hosen, die Halsberge und
15 daz der tiwer wasre. das Hersenier; in eiserne Schienen war der
rieh und doch niht swasre Tapfere gewappnet, geschmiedet in Beäl-
sine hosen, halsperc, hersnier: zenän, der Hauptstadt von Anschouwe.
und in iseriniu schiliier Die nackte Dame dort, die so traurig hin-
was gewäpent dirre küene man, ter ihm ritt, war freilich anders angezogen
20 geworht ze Beälzenän — etwas Besseres war ihr damals nicht
in der houbetstat zAnschouwe. erlaubt. Sein Panzer war in Sessün ge-
disiu blöziu frouwe schmiedet, sein Streitroß kam von Brum-
fuort im ungelichiu kleit, bäne, de Salväsche ä montagne·, dort hatte
diu da so trüric näh im reit: roi Lähelin, sein Bruder, es in einer Tjost
25 dane hete sis niht bezzer state, erbeutet.
ze Sessün was geslagen sin plate;
sin ors von Brumbäne
de Salväsche ah muntäne:
mit einer tjost rois Lähelin
bejagetez da, der bruoder sin.

1. Trebuchet D. 2. Dolet D. 7. phelle Ggg. 10. zetenebroch alle außer D. 14. phelle
Gg. 17. harsenier G. 18. in fehlt Gg, ein yseneyn g. iseniniu G. scillier D, tschillier
gg, tschilier G, schinnelier d. 19. guote Gg. 20. beazenan g, belzenan g, bealzedan G.
22. bloze G. 23. Truoch Ggg. 24. vor im G. 25. hete et sis G. stat G. 26. Zesesune
G. blate Dgg. 27. brunbanige G. 28. Desalvasche an d, Des salvatsche ah G, Der
sevatsche g, Dehsenahtse ab g, Z u salvatsche eh g, Lechsa wachtse a g, zer wilden D. munta-
nige G, montanie gg. 29. tioste G. rois fehlt G, der kunec D. 30. Beiagte da G.
266 V. Buch

262 Parziväl w a s o u c h bereit: Parziväl w a r auch bereit; er ritt sein


sin ors mit w a l a p er reit Pferd im G a l o p p O r i l u s de L a l a n d e r ent-
gein O r i l u s de L a l a n d e r . gegen. E r t r a f a u f einen D r a c h e n , der w a r
ü f des Schilde vander wie lebendig auf seinem Schild abge-
5 einen trachen als er lebte, bildet. Ein zweiter D r a c h e zerrte a u f d e m
ein ander t r a c h e strebte H e l m an seinen Fesseln; zugleich w a r e n
ü f sime h e l m e g e b u n d e n ; da n o c h viele kleine goldene D r a c h e n auf
an den selben stunden der D e c k e und a m Kursit, die w a r e n mit
m a n e c guldin t r a c h e kleine einer M e n g e edler Steine, versteht sich,
ίο (mit m a n g e m edelen steine geadelt: Ihre Augen w a r e n R u b i n e .
m u o s e n die geheret sin: D a n a h m e n also die beiden furchtlosen
ir ougen w ä r e n rubin) H e l d e n einen weiten A n l a u f . Von keiner
üf der decke und a m e kursit. Seite h a t t e es eine Kriegserklärung gege-
da w a r t g e n o m n der p o y n d e r wit b e n , w a r e n d o c h k e i n e m die H ä n d e durch
15 von den zwein helden unverzagt, T r e u e gebunden. G r o ß e Splitter von ganz
newederhalp w a r t widersagt: neuen Speeren hagelten in den H i m m e l —
si w a r n d o c h ledec ir triuwe. ihr solltet m i c h erst k r ä h e n h ö r e n , w e n n
trunzüne starc al n i u w e ich eine solche T j o s t , wie die G e s c h i c h t e
von in wajten gein den lüften. sie mir berichtet h a t , mit Augen h ä t t e an-
20 ich w o l d e m i c h des güften, sehen dürfen. M a n ritt gegeneinander in
het ich ein sölhe t j o s t gesehen scharfer carriere-, natürlich k o n n t e es da
als mir diz m j e r e hat verjehen. nicht a u s b l e i b e n , d a ß ein K a m p f entstand,
da w a r t von r a b b i n e geriten, schön, wie die Herzogin Jeschüte nie
ein solch t j o s t e niht vermiten: einen gesehen h a t t e , so jedenfalls sprach
25 froun J e s c h ü t e n m u o t v e r j a c h , ihr Herz. Sie hielt dort und rang die
schcener t j o s t si nie gesach. H ä n d e ; sie, die d o c h verstoßen w a r aus
diu hielt da, w a n t ir hende. allem G l ü c k , g ö n n t e k e i n e m der H e l d e n
si freuden eilende e t w a s Böses.
gunde e n w e d e r m helde schaden, D i e Pferde badeten in S c h w e i ß ,
diu ors in sweize m u o s e n b a d e n .

2. Daz Ggg, Ditze g. von rabine G. 3. Orilus D, orillus G. 7. Uf sinen heim Gg.
8. nach den selben stuonden? 11. Die muosen wol Ggg. gehert DG. 13. uf dem cursit
Gg. 16. Newed. DG, Entwed. g, Dewed, gg, Dwed. g, Da wed. g, Ietwed. d. 18. stach
D. 21. eine DG. 22. marere (für masre ir?) hat vergiehen G. 25. munt g. 26. Daz
si nie schöner tiost gesach Gg. 27. da unt want gg, und wand g, da bar g. 29. Engunde
dg. enwederm Dg, dewedrem g, dewerem G, twederm gg, yetwederem d. riter Gg.
V. Buch 267

2 6 3 Priss si bede gerten. beide hätten gern den Sieg gehabt. Blitze
die blicke von den swerten, sprangen aus den Schwertern und Feuer
und fiwer daz von helmen spranc, aus den Helmen, viele Hiebe wurden mit
und manec ellenthafter swanc, Kraft geführt und glänzten weithin auf.
5 die begunden verre glesten. Denn da waren die Besten im Krieg mit
wan da wären strits die besten Gewalt aneinandergeraten, ohne Rück-
mit hurte an ein ander kumen, sicht, o b es ihnen wohl oder wehe er-
ez ge ze schaden odr ze frumen ginge, diesen kühnen, berühmten Helden.
den küenen helden masren. Sie sparten nicht die Sporen, so willig die
ίο swie willec d'ors in wasren, Pferde auch waren, auf denen sie saßen,
da si bede üf säzen, und auch die glänzenden Schwerter ver-
der sporn si niht vergäzen, gaßen sie nicht. Hier verdient Parziväl
noch ir swerte lieht gemäl. besonderes L o b , daß er sich so zu wehren
pris gedient hie Parziväl, weiß gegen gut hundert Drachen und ei-
υ daz er sich alsus weren kan nen M a n n . Ein Drache wurde verletzt und
wol hundert trachn und eines man. erhielt immer neue Wunden, der nämlich,
ein trache wart verseret, der auf dem Helm des Orilus lag. M a n -
sine wunden gemeret, cher Edelstein, so durch und durch leuch-
der üf Orilus helme lac. tend, daß der Tag in seiner ganzen Pracht
20 so durchliuhtec daz der tac aus ihm glitzerte, wurde heruntergehauen
vollecliche durch in schein, — alles dies zu Pferd und nicht zu Fuß.
wart drab geslagen manc edel stein, Im Spiel mit dem Schwert wurde der Her-
daz ergienc zorse und niht ze fuoz. zogin Jeschüte von den Händen eines
froun Jeschüten wart der gruoz furchtlosen Helden der G r u ß ihres M a n -
25 mit swertes schimphe aldä bejagt, nes gewonnen. Mit M a c h t stießen sie im-
mit heldes handen unverzagt, mer wieder aufeinander, daß die Ringe,
mit hurt si dicke ein ander schuben, die doch eisern waren, ihnen als Schrot
daz die ringe von den knien zestuben, von den Knien sprangen. Wenn ihr er-
swie si wseren iserin. laubt: Sie zeigten, was kämpfen heißt.
ruocht irs, si täten strifes schin.

1. Brises G. 3. Unde daz viur Gg. daz fehlt Gg. uz Gg. sprach G. 7. chomen
G. 10. willch diu ors G. 11. uffe G. 13. = Unt Ggg. 14. gedient hie dgg, gediende
hie g, gediende Dg, begie hie Gg. 16. trachen oder tracken alle. eins D. 19. uffe
orillus G. 22. Drabe wart Ggg. edel fehlt dgg. 23. Ditze ergie Ggg. und fehlt
dgg. 24. Fron G. 26. Von gg. 27. hurte DG. an einander schuben g, zein andr
(zeiner G) flugen die übrigen. 28. vor Ggg. 30. Ruocht G, Ruohte g, ruochet D.
268 V. Buch

264 Ich wil iu sagen des einen zorn. Ich will euch sagen, warum der eine
daz sin wip wol geborn zornig war: weil damals seiner Frau, die-
da vor was genötzogt: ser hochadeligen Dame, Gewalt angetan
er was iedoch ir rehter vogt, worden war. Und dabei war er doch von
5 so daz si schermes wart an in. Rechts wegen ihr Vormund, und also
er wände, ir wiplicher sin hätte sie von ihm Schutz erwarten kön-
waer gein im verkeret, nen. Er aber glaubte, sie habe ihre Pflicht
unt daz si guneret als Frau verdreht und sich gegen ihn
het ir kiusche unde ir pris gekehrt, sie hätte ihre Reinheit und ihre
ίο mit einem andern amis, Ehre mit einem anderen Kavalier geschän-
des lasters nam er pflihte. det. Diese Beleidigung wollte er sich
ouch ergienc sin gerihte bezahlen lassen. Und über sie war sein
über si, daz groezer not Gericht ergangen, daß nie eine Frau
wip nie gedolte äne tot, Schlimmeres, den Tod ausgenommen, zu
is unde an alle ir schulde, erdulden hatte, und das ohne alle Schuld.
er möht ir sine hulde Seine Freundschaft hätte er ihr entziehen
versagen, swenner wolde: dürfen, wenn er nur wollte; das hätte nie-
nieman daz wenden solde, mand verhindern dürfen, vorausgesetzt,
ob [der] man des wibes hat gewalt. daß dem Mann wirklich Gewalt gegeben
20 Parziväl der degen bait ist über das Weib.
Oriluses hulde gerte Der edle, starke Parziväl warb um des
froun Jeschüten mit dem swerte. Orilus Gunst, doch mit dem Schwert und
des hört ich ie güetliche bitn: um Gunst für die Dame Jeschute. Um
ez kom da gar von smeiches sitn. Freundlichkeiten habe ich sonst immer im
25 mich dunket si hän bede reht. guten bitten hören, in diesem Fall hier
der beidiu krump unde sieht geht es aber ganz ohne Schöntun ab. Mir
geschuof, künner scheiden, scheint, sie haben beide recht. Wenn Er,
sö wender daz an beiden, der das Krumme geschaffen hat und das
deiz äne sterben da erge. Gerade, es zu scheiden weiß, so möge Er
si tuont doch sus ein ander we. beide bewahren und sorgen, daß es ohne
Sterben ausgeht. Sie tun einander so
schon weh genug.

1. Ich sag iu des D. zoren-wolgeboren G. 12. Doch Ggg, D o g. ergie DGg. 14. Nie
wip C,dgg. gedolte D, gedulte d, erdolte g, erleit Ggg, der leit g. = an (ane G) den tot
Ggg· 16· Ern g. 18. Niemen G, niemn D. 19. der Ddg, fehlt Ggg, ein g. het gg,
h a b e Gg. 21. Oriluses d, Orillus Gg, Orilus Dgg. 23. guotlichen G. 24. ez chom D.
da Ddgg, doch g, hie G. uz g. smeiches Gg, smeichens gg, swachen g, smehen g =
scimpfes Dd. 25. d u n c h t g. han Gg, h a b n Dg, haben gg, habent d, haten g. 28. wender
gg, w e n d r D, w e n d e er dg, went er g, w e n d e G, wendet g.
V. Buch 269

265 D a ergienc diu s c h a r p f e h e r t e . D a w u r d e es erst richtig a r g u n d h a r t ;


i e w e d e r r vaste w e r t e jeder verteidigte m i t aller M a c h t seine
sinen p n s v o r d e m a n d e r , E h r e gegen d e n a n d e r e n . Due O r i l u s d e
due Orilus de Lalander L a l a n d e r stritt als ein M e i s t e r dieser
5 streit n a c h s l m e gelerten site, K u n s t ; ich g l a u b e , kein M a n n h a t so viel
ich wasne ie m a n sö vil gestrite. g e k ä m p f t wie er. Er v e r s t a n d sich d r a u f
er h e t e k u n s t u n d e k r a f t : u n d h a t t e K r a f t , d a r u m w a r er o f t u n d auf
des w a r t er d i c k e s i g e h a f t vielen P l ä t z e n Sieger g e w o r d e n , m o c h t e es
a n m a n e g e r stat, swiez d a ergienc. i h m hier so o d e r so e r g e h e n . Seiner K r a f t
ίο d u r c h d e n t r ö s t z u o zim er vienc v e r t r a u e n d , f a ß t e er ihn a n , d e n j u n g e n
d e n j u n g e n s t a r k e n Parziväl. Parziväl. D e r p a c k t e i h n a u c h o h n e Z ö -
d e r begreif o u c h in d ö s u n d e r t w ä l g e r n u n d z e r r t e ihn a u s seinem Sattel, er
u n t z u e t e in üz d e m satel sin: hielt ihn fest u n t e r d e n A r m e n , s c h w a n g
als ein g a r b e h ä b e r i n ihn wie eine G a r b e H a f e r , s p r a n g d a m i t
15 vastern under de a r m e swanc: v o m P f e r d u n d d r ü c k t e ihn ü b e r einen
m i t im er v o n d e m o r s e s p r a n c , B a u m s t a m m . D o r t m u ß t e er sich d r a n ge-
u n d d r u e t e in ü b e r einen r o n e n . w ö h n e n , besiegt zu sein; solcher Z w a n g
da muose schumpfentiure wonen w a r i h m bis d a h i n f r e m d gewesen.
d e r sölher n o t n i h t w a s g e w e n t . » D u kriegst jetzt d e i n e n L o h n d a f ü r ,
20 ' d u g a r n e s t d a z sich h a t versent d a ß diese D a m e so viel v o n d e i n e m Z o r n
disiu f r o u w e v o n d i m z o r n e . gelitten h a t , jetzt ist es a u s mit dir, w e n n
n u bistu d e r v e r l o r n e , d u dich nicht w i e d e r mit ihr b e f r e u n d e n
d u n e läzest si dln h u l d e h ä n . ' willst.«
' d a z e n w i r t sö g ä h e s n i h t g e t a n ' » D a s w i r d so schnell n i c h t g e s c h e h e n « ,
25 sprach der herzöge Orilus: s p r a c h d e r H e r z o g O r i l u s , »so g a n z bin
'ich p i n n o c h n i h t b e d w u n g e n sus.' ich n o c h n i c h t b e z w u n g e n . «
Parziväl d e r w e r d e d e g e n Parziväl, d e r edle j u n g e M a n n , d r ü c k t e
d r u e t in a n sich, d a z b l u o t e s regen ihn a n sich, d a ß b l u t i g e r Regen aus d e m
s p r a n c d u r c h die b a r b i e r e , Visier s p r a n g : D a w u r d e d e r F ü r s t schnell
d a w a r t d e r f ü r s t e schiere

1. = ergie Ggg. scherphe G. 2. ietwedere G. 4. due] Auch g, Untze (für Cuns) d, der
herzöge D, fehlt den übrigen. 6. so wol Ggg. 12. ouch in diu Gg, ouch do D, ouch in
gg, in ouch dg. 13. züchten D. 14. eine Dg. garben D. hasbrin D, haberin G.
15. Vast ern gg, Vaster in G, vast er in D. undr di D, under die G, den arm gg. 16. von
dem orse er G. 17. druchten D. eine G, ein gg. 18. Do Gg. muoser Ggg. 19.=
noete Dd. 21. dime D, dinem G. 22. Des bistu Gg, Nu bistuz gg. 23. din gg, dine
DGgg, die d, dan g. 24. Desn wirt g. newirt G. so schiere Ggg. 26. lehne bin G.
doch Ggg. unbetwngen D. 28. Druct in gg, Druht in g, druchten D. Druchte in daz
der bluotes regen G. 30. Do Gg.
270 V. Buch

266 bedwungen swes man an in w a r p . gezwungen, alles zuzugeben, w a s man


er tet als der ungerne starp. von ihm verlangte. Er machte es so wie
E r sprach ze Parziväle sän jeder, der nicht sterben mag. Und er
' ö w e küene starker man, sprach zu Parziväl: »Ach, du mutiger,
5 w a gedient ich ie dise nöt starker M a n n , w o m i t habe ich ein so
daz ich vor dir sol ligen tot?' trauriges Ende verdient, daß ich tot vor
'ja läze ich dich vil gerne lebn' dir liegen soll?«
sprach Parziväl, 'ob tu wilt gebn »Ich will dich ja recht gern am Leben
dirre frouwen dine hulde.' lassen«, sagte Parziväl, »wenn du bereit
10 'ich entuons niht: ir schulde bist, dieser D a m e da wieder ein freund-
ist gein mir ze grcezlich. licher Herr zu sein.«
si w a s werdekeite rieh: »Das kann ich nicht, ihre Schuld gegen
die hat si gar verkrenket mich ist zu groß. Sie hat hohen Adel
und mich in nöt gesenket. stumpf und schal gemacht und mich
15 ich leiste anders swes du gerst, hinab ins Elend gezogen. Ich will sonst
op du mich des lebens werst. alles tun, was du verlangst, wenn du mir
daz het ich etswenn von gote: das Leben schenkst. Das hatte ich früher
nu ist din hant des worden bote einmal von G o t t , jetzt hat Er mir von
daz ichs danke dime prise.' deiner H a n d verkünden lassen, daß ich
20 sus sprach der fürste wise. es deiner Ehre verdanken soll.« Und wei-
'min leben kouf ich schone, ter sprach der kluge Fürst: »Mein Leben
in zwein landen kröne k a u f e ich um einen schönen Preis. In zwei
treit gewaldecliche Ländern trägt mein Bruder die Krone des
min bruoder, der ist riche: Herrschers, er ist ein großer Herr. Von
25 der nim dir swederz du wellest den zweien nimm, welches du willst, aber
daz du mich töt niht vellest. schlag mich nicht tot. Er hat mich lieb
ich pin im liep, er loeset mich und wird ein Lösegeld, wie ich es mit dir
als ich gedinge wider dich. aushandle, bezahlen. Außerdem will ich
D a r zuo nim ich min herzentuom mein Herzogtum von dir zu Lehen neh-
von dir. din prislicher ruom men. Die Ehre, die du mir abgewonnen
hast,

1. betwngen D. an im D. 2. als Ggg, alsara d, so D. 3. zebarzivale G. 4. chuone


Ggg, kuen g, chuoner dgg, iunch D. 5. Wan (ohne ie) g. 6. von Gg. 7. = Ich laze
dich Ggg. 8. obe du wil G. 10. Ich tuon sin niht Ggg. 11. alze G, als g, so d.
13. verchrencht G. 17. etswenne DG. 20. Do Ggg, So g, Also g. 29. ich fehlt Ggg,
ouch d. herzogntuom g. 30. Von mir Gg.
V. Buch 271

2 6 7 hat werdekeit an mir bezalt. wird deinen Adel noch größer machen.
nu erläz mich, küener degen bait, Erlaß es mir, du starker Held, dieser Frau
suone gein disem wibe, Buße zu tun. Alles sonst befiehl meinem
und gebiut mime libe Leib, alles, was dein Stolz fordern kann.
5 anders swaz din ere sin. Mit der Herzogin, die sich so gemein ge-
gein der gunerten herzogin macht hat, kann ich mich nicht versöh-
mag ich suone gepflegen niht, nen, mag mir geschehen was will.«
swaz halt anders mir geschiht.' Mit Stolz sprach Parziväl: »Leute,
Parzivä] der hoch gemuot Land oder Schätze, nichts davon wird dir
ίο sprach 'liute, lant, noch varnde guot, helfen, wenn du mir nicht dein Wort
der decheinez mac gehelfen dir, gibst, nach Bertäne zu reisen, daß du jetzt
dune tuost des Sicherheit gein mir, gleich losziehen willst zu einem M ä d c h e n ,
daz du gein Bertäne varst, das ein M a n n geprügelt hat meinetwegen.
unt die reise niht langer sparst, Wenn sie nicht selber für ihn bittet, soll
15 zeiner magt, die blou durch mich der meiner Rache nicht entgehen. Du
ein man, gein dem ist m m gerich mußt dich diesem Edelfräulein unterwer-
äne ir bete niht verkorn. fen und ihr ausrichten, daß ich ihr dienen
du solt der meide wol geborn will — sonst wirst du totgeschlagen hier
sichern und min dienest sagen: an O r t und Stelle. Sag Artus und seiner
20 oder wirt alhie erslagen. Frau, ich sei ihnen beiden treu ergeben,
sage Artüse und dem wibe sin, sie möchten meinen Dienst so belohnen,
in beiden, von mir dienest min, daß sie dem Mädchen Buße für die
daz si min dienst sus letzen, Schläge verschaffen. Aber außerdem will
[und] die magt ir siege ergetzen. ich dich mit dieser D a m e hier versöhnt
25 dar zuo wil ich schouwen und in gutem Frieden sehen, sonst wirst
in dinen hulden dise frouwen du tot auf einer Bahre von hier reiten,
mit suone äne väre: wenn du mir nämlich weiter wider-
ode du muost ein bare sprichst.
tot hinnen riten,
wiltu michs widerstriten.

1. an mir werdcheit Gdgg. 2. erlaze D, erla Ggg. 3. Suon g. 4. und fehlt Ggg.
gebiute D, gebüte du d. 7. gepflegen suone dgg. 11. deheinz G. 14. iht? 15.=
Gein einer meide die Ggg. 20. wirt g, wirde D, wurde aber du d, du wirst Ggg. 22. In
fehlt gg, Den d. Beiden sampt den dienst min g. den vor dienst alle außer DG. 23. min
DG, mir g, minen die übrigen. so gg, sol Gg. 24. und fehlt Ggg. 25. beschouwen
Ggg. 28. Ode G, odr D. ein dgg, eine DGg. 29. Toter Gg. 30. Wil du miches G.
I l l V. Buch

2 6 8 M e r c diu w o r t , unt wis der w e r k e ein M e r k e die W o r t e , sei selber Bürge für die
wer: T a t e n . G e l o b e es m i r bei deiner E h r e . «
des gib mir Sicherheit alher.' Da sprach der Herzog Orilus zum
d ö sprach der herzöge O r i l u s K ö n i g Parziväl so: »Wenn du wirklich
zem künege Parziväl alsus. nichts a n n e h m e n willst statt dessen, so tu
5 ' m a c niemen da für niht gegebn, ich's, denn ich will leben b l e i b e n . «
so leist ichz: w ä n d e ich wil n o c h l e b n . ' Die schöne Herzogin Jeschüte hatte
durch die v o r h t e von ir m a n aus A n g s t vor i h r e m M a n n n i c h t g e w a g t ,
frou J e s c h ü t diu w o l getan die K ä m p f e n d e n zu trennen; sie b e k l a g t e
stritscheidens gar verzagte: nun die Niederlage ihres Feindes. S o b a l d
10 ir vindes n o t si k l a g t e . er der edlen J e s c h ü t e Frieden verheißen
Parziväl in üf verliez h a t t e , ließ Parziväl ihn aus.
d o ' r f r o u n J e s c h ü t e n suone gehiez. D a sprach der besiegte Fürst: » M e i n e
der b e t w u n g e n e fürste sprach D a m e , jetzt, da es durch E u c h geschehen
' f r o w e , sit diz durch iuch g e s c h a c h , ist, d a ß ich besiegt bin im K a m p f , k o m m t
is in strit diu s c h u m p f e n t i u r e m i n , her zu mir, Ihr sollt Euren K u ß h a b e n .
w o l her, ir suit geküsset sin. D u r c h E u c h h a b e ich viel v o n meinem
ich h ä n vil priss durch iuch verlorn: Ruhm verloren. Was hilft's — es muß
w a z denne? ez ist d o c h v e r k o r n . ' d o c h verziehen sein.«
diu f r o u w e mit ir b l ö z e m vel D i e D a m e mit der n a c k t e n H a u t w a r
20 w a s zem Sprunge h a r t e snel sogleich flink v o m Pferd aufs G r a s ge-
v o n d e m pfärde uf den w a s e n . sprungen. O b w o h l Blut aus der N a s e i h m
swie dez pluot v o n der nasen den M u n d rot g e m a c h t h a t t e , k ü ß t e sie
den m u n t im hete g e m a c h e t r ö t , ihn, da er einen K u ß befahl.
si kust in dö er kus g e b o t . J e t z t hielt m a n sich dort nicht länger
2j da w a r t niht langer d o g e b i t n , auf; die beiden M ä n n e r und die Dame
si bede und o u c h diu f r o u w e ritn ritten, bis sie v o r eine K l a u s e k a m e n in
für ein klösen in eins velses w a n t , einer F e l s e n w a n d . Parziväl sah dort ein
eine kefsen Parziväl da vant: Reliquienkästchen, daneben lehnte ein
ein g e m ä l e t sper derbi da lent, bunt angemalter Speer. Der Einsiedler
der einsidel hiez Trevrizent. hieß Trevrizent.

1. Merch g, Merche DG. 2. gip G. 4. Gein dem Gg. parzivale sus Ggg. 7. die
fehlt Ggg. 8. Fro G. Jescute D, ieschute G, immer. = diu fehlt Ggg. 9. Ir schseidens
gg, Ir friundes G. 12. Dor G, Do er gg, Da er gg = der Dd. suon dgg, hulde Gg.
13. betwungen dgg, betwungenne G. 15. strite DG. 18. iedoch Ggg. 19. blozzen dgg.
21. pharde G. 22. 23. im nach bluot G. 22. vor G. 23. het G, hiet g. 25. Ez Ggg.
lenger Ggg. 27. Für ein d, für eine D = Zeiner Ggg. 29. gemalt DG, gemaltez g. da
lent DGdgg, lent gg, gelent? 30. Kiez] der hiez D. trevrezent g, Treverzzent g, treverezent G.
V. Buch 273

269 Parziväl d ö mit triwen f u o r : D a nun w a r Treue Parziväls G e f ä h r t i n : E r


er n a m daz h e i l t u o m , druf er swuor. n a h m die heilige R e l i q u i e und leistete dar-
sus s t a b t e r selbe sTnen eit. auf einen S c h w u r , n a h m sich a l s o selber
er sprach ' h ä n ich werdekeit: seinen Eid a b , und z w a r so: »So w a h r ich
5 ich h a b se o d r e n h a b ir niht, ein E d e l m a n n bin. O b ich für meine Per-
swer m i c h p i m e Schilde siht, son nun E h r e h a b e oder nicht — wenn ich
der prüevet mich gein riterschaft. mit m e i n e m Schild zugange bin, so wird
des n a m e n ordenlichiu k r a f t , mich jeder, der m i c h sieht, zur Ritter-
als uns des schildes a m b e t sagt, schaft r e c h n e n ; die K r a f t , die dem N a m e n
ίο hat d i c k e h ö h e n pris b e j a g t : dieses O r d e n s eigen ist, hat schon oft im
ez ist o u c h n o c h ein h ö h e r n a m e , K a m p f h o h e n R u h m erbeutet, deswegen
m m lip gein w e r b l i c h e r s c h ä m e spricht m a n ja auch v o m S c h i l d a m t . D a s
i m m e r si g e w e n k e t ist auch jetzt und künftig ein hoher
und al min pris verkrenket. N a m e . Soll mein L e i b d o c h dahin f a h r e n ,
is dirre w o r t e si mit w e r k e n pfant w o die Leute mit Fingern auf ihn zeigen,
min gelücke vor der hoehsten hant: soll mein R u h m eingehen vor S c h w ä c h e .
ich h ä n z da für, die treit g o t . Für diese W o r t e bürgen T a t e n : All mein
nu müeze ich flüsteclichen spot Glück verpfände ich in die H a n d des
ze beden Üben i m m e r hän H ö c h s t e n , und das ist, wie ich glaube,
20 von siner k r a f t , o b missetän G o t t e s H a n d . S o will ich denn von Seiner
disiu f r o u w e h a b e , d ö diz g e s c h a c h K r a f t Verlust und S c h a n d e i m m e r f o r t an
daz i'r fürspan von ir b r a c h , beiden L e i b e r n tragen, wenn diese D a m e
och fuort ich mer goldes dan. d a m a l s schuldig wurde, als es g e s c h a h ,
ich w a s ein t ö r e und niht ein m a n , d a ß ich ihr die B r o s c h e entriß; ich h a b e
25 gewahsen niht pi witzen. auch n o c h anderen S c h m u c k mitgenom-
vil weinens, da bi switzen men. D a m a l s war ich ein Dummkopf,
mit j ä m e r dolte vil ir lip. kein M a n n , an Vernunft ein kleines K i n d .
sist b e n a m n ein unschuldic wip. Viel Weinen vor J a m m e r und Schwitzen
d a n e scheide ich uz niht mere: dazu h a t t e ihr Leib zu erdulden; die Frau
des si pfant min saslde und ere. ist wirklich ganz unschuldig, das sage ich
ohne jede weitere Einschränkung und
gebe Seligkeit und E h r e zum Pfand.

1. dö fehlt Ggg. 2. Er nam die chesse dar uffer swuor G. heiltuom dgg, hailctuem g,
heilichtum D. 4. Er sprach herre han Gg. 5. habs g, habese G. oder ichne haber niht
Ggg. 6. bi dem schilte G. 8. des nam D. 11. 12. nam-scham G. 12. wereltlicher
D, werdechlicher gg. 15. wort D. 18. So Gg. 19. leben Gg. 21. daz Ggg. 22. i'r]
ir G und (ich nach furspan) d, ich g, ich ir die übrigen. van ir g. 23. ih ir me Ggg.
25. Gescheiden von den witzen G. gewachsen D. 27. vil gedolt ir lip Ggg. 28. Si ist
alle. Si ist ein hart unschuldch wip G. 30. Es G, Ez gg.
274 V. Buch

2 7 0 R u o c h t irs, si sol unschuldec sin. Ihr erlaubt, ich spreche sie frei von aller
set, gebt ir widr ir vingerlin. Schuld. Schaut, dann gebt ihr jetzt diesen
ir fürspan wart so vertan Fingerring zurück, die Brosche ist vertan;
daz es min törheit danc sol hän.' doch das ist meiner Dummheit zu ver-
5 die gäbe enpfienc der degen guot. danken.«
do streich er von dem munde'z pluot Die Gabe nahm der Held an. Da
und kuste sines herzen trüt. wischte er sich das Blut vom M u n d und
ouch wart verdact ir blöziu hüt. küßte die Geliebte seines Herzens; jetzt
Orilus der fürste erkant wurde auch ihre bloße H a u t zugedeckt.
ίο stiez dez vingerl wider an ir hant, Der berühmte Fürst Orilus steckte ihr
und gap ir an sin kursit: wieder den Ring an die H a n d und gab ihr
die was von richem pfelle, wit, sein Kursit zum Anziehen. D a s war aus
mit heldes hant zerhouwen. Seidenbrokat, sehr vornehm und weit,
ich hän doch selten frouwen von eines Helden Hand zerhauen. Ich
is wäpenroc an gesehen tragn, habe noch nicht viele D a m e n im Waffen-
die wasre in strite alsus zerslagn: rock gesehen, noch dazu in einem, der so
von ir krie wart ouch nie turnei vom K a m p f zerfetzt gewesen wäre. Ihr cri
gesamliert noch sper enzwei hatte noch nie T j o s t e u r e in den Ring ge-
gestochen, swä daz solde sin. rufen und keinen Ritter veranlaßt, einen
20 der guote knappe und Lämbekxn Speer zu verstechen, wenn irgendwo ein
die tjost zesamne trüegen baz. Turnier stattfand. Den Dienst bei einer
sus wart diu frouwe trürens laz. solchen T j o s t überläßt man besser dem
dö sprach der fürste Orilus guten Knappen und Lämbekin, die verste-
aber ze Parziväle alsus. hen mehr davon.
25 'helt, din unbetwungen eit Die D a m e wurde also ihren Kummer
git mir gröz liep und krankez leit. los. D a sprach der Fürst Orilus noch ein-
ich hän schumpfentiure gedolt, mal zu Parziväl: »Dein Schwur, Held, den
diu mir freude hat erholt, du ohne Z w a n g getan hast, macht mich
ja mac mit eren nu min lip glücklich und läßt mein Leid verschwin-
ergetzen diz werde wip, den. Ich habe eine Niederlage erlitten, die
mich aufgerichtet hat. Mein Leib kann
jetzt in Ehren dieser D a m e Buße bieten
dafür,

1. Ruochet D, Geruochet Gg, Geruocht gg. 2. set fehlt Gd, Seht gg. 5. = enphie der helt
guot Ggg. 6. Streicher D. munde dez bluot G. 8. Do Gg. verdact] verdaht G,
verdechet Dgg, bedacht dg. 10. dz D, daz G. vingerlin alle außer G. wider fehlt Gg.
12. die] Diu G, der D, Daz die übrigen. mit D. 13. verhouwen Gdgg. 15. wapenroch
an gesehen tragn D, Gesehen (Sehen gg) waffen roch an (wappenrocke an dg, wapenroch G,
wapen röche g) tragen (getragen G) Gdgg. 16. wseren oder waren wem warn alle. 17. =
ouch fehlt Ggg. 18. Gesamliert g, gesamlieret D, Gesambeliert G, Gesamenet g, Gesampt g.
20. und fehlt Ggg, oder d. lsemikin g, lemmekin g, lambekin G. 21. truegen D, truogen
g, tragen d, truoge G, truog g, trage g. 23. = herzöge Ggg. 24. parzifal alle außer DG.
sus Gg. 29. 30. fehlen G.
V. Buch 275

271 Daz ich se hulde min verstiez. daß ich sie verstieß. Was konnte sie für
dö ich die süezen eine liez das, was ihr geschah, da ich die Süße
waz mohte si, swaz ihr geschach? alleine ließ? Als sie aber dann von deiner
do se aber von diner schoene sprach, Schönheit sprach, da dachte ich, es sei
5 ich wand da wasre ein friuntschaft bi. Liebe mit im Spiel. Jetzt weiß ich, daß
nu lön dir got, sist valsches vri. kein Verrat an ihr ist, das lohne dir Gott.
ich hän unfuoge an ir getan, Ich habe mich schlecht gegen sie benom-
fürz forest in Brizljän men; vor den Forst von Brizljän war ich
reit ich dö in juven poys.' damals en jeune bois geritten.«
ίο Parziväl diz sper von Troys Parziväl faßte jenen Speer von Troys
nam und fuortez mit im dan. und nahm ihn mit sich fort; den hatte der
des vergaz der wilde Tauriän, wilde Tauriän, Dodines' Bruder, stehen-
Dodines bruoder, da. lassen. Nun sagt: Wie und wo sollen wir
nu sprechet wie oder wä die Helden übernachten lassen? Den Hel-
15 die helde des nahtes megen sin men und den Schilden ging es gar nicht
heim unde ir Schilde heten ρΐη: gut, die sahen ganz zerschlagen aus. Par-
die sah man gar verhouwen. ziväl nahm Abschied von der Dame und
Parziväl zer frouwen von ihrem ami. Der Fürst lud ihn noch
nam urloup unt zir amis. ein an seinen Herd, denn er wußte sich zu
20 dö ladete in der fürste wis benehmen; aber das half ihm nichts, so-
mit im an sine fiwerstat: viel er auch bat.
daz half in niht, swie vil ers pat. Die Helden gingen also hier auseinan-
aldä schieden die helde sich, der, wie mir die Geschichte versichert. Als
diu äventiur wert msere mich. der berühmte Fürst Orilus dahin kam, wo
25 dö Orilus der fürste erkant er seinen Pavillon und einen Teil seiner
kom da er sin poulün vant Leute gelassen hatte, da waren alle voller
und siner messenie ein teil, Freude, daß ihrer Herzogin der Segen der
daz volc was al geliche geil Versöhnung erschienen war.
daz suone was worden schin
gein der sseldebernden herzogin.

1. suone min Gg, miner suon gg. 2. = die guoten Ggg. 5. wände DG. ein fehlt Gg.
6. lone DG. sis G, so ist D. 7. In han D, ungefuoge Ggg. 8. Durh dez Ggg, Durch
gg. voreist G, forst dgg. brizilan G, Prizlian D. 9. do in ivuen poys D, do in dem
iovan pois dg, do in manie von poys gg, von (vor g) ir also von poys Gg. 10. daz Gg, ein
d. ll.fuotezG. 12. Es G, Sin g, Ez gg. Tavrian Dg, thavrian g, Toyrian g, turian G,
tharian g, tarrian d, torian g. 13. Todines g, Toclines G, Toclicies g. 14. sprecht G.
15. megen D, mugen Ggg, mugin g, mohten dg. 16. helme D. hetan g. 17. zerhouwen
Ggg. 21. Vil ofte an Ggg. 22. = Ez G, Ezn gg. 23. Al da Dd = Do Ggg, Sus g. Al
scheiden? 24. Sus wert diu aventure mich G. wert miere D, wert mere gg, wert mer g,
wert me d, werte g. 26. = sine Dd. pavelun G. 27. maessenide D. 29. suon gg.
276 V. Buch

272 D a z w a r t niht langer d o gespart, Es w u r d e jetzt n i c h t weiter a u f g e s c h o b e n ,


Orilus entwäpent wart, d a ß m a n dem O r i l u s die R ü s t u n g auszog.
b l u o t und räm von im er t w u o c . E r wusch sich das B l u t und den R o s t a b .
er n a m die herzoginne k l u o c E r n a h m die kluge H e r z o g i n bei der H a n d
5 und f u o r t e se an die s u o n s t a t und führte sie zur Versöhnungsstätte;
und hiez bereiten in zwei b a t . außerdem befahl er n o c h , ihnen Bäder
d ö lac f r o u J e s c h ü t e herzurichten. D a lag die edle J e s c h ü t e bei
al weinde bi ir t r ä t e , ihrem G e l i e b t e n und weinte, d o c h nicht
vor liebe, unt d o c h v o r leide niht, aus S c h m e r z , sondern vor G l ü c k , wie es
ίο als g u o t e m w i b e n o c h geschiht. einem guten Weib auch heute n o c h zu-
o u c h ist genuogen liuten k u n t , stoßen mag. Und es gibt genug Leute, die
weindiu ougn h ä n t süezen m u n t . wissen: Weinende Augen haben süßen
da von ich mer n o c h sprechen wil. M u n d . Ich h a b e dazu n o c h m e h r zu be-
gröz liebe ist freude und j ä m e r s zil. m e r k e n : G r o ß e s Liebesglück k a n n endlich
is swer von der liebe ir maere auch aus J a m m e r fließen, so gut wie aus
treit üf den seigsere, Freude. W e r die G e s c h i c h t e einer seligen
oberz immer wolde wegn, N a c h t auf die W a a g e trägt, m a g hin und
ez e n k a n niht a n d e r r schanze pflegn. her wiegen, solange er will — er wird fest-
da ergienc ein suone, des warn ich. stellen, wie die G e w i c h t e verteilt sind,
20 d ö f u o r n si sunder baden sich, und das k a n n ja auch gar nicht anders
zwelf cläre j u n c f r o u w e n sein. Da ging nun ein S ü h n e n an, so
m a n m o h t e bi ir s c h o u w e n : g l a u b e ich wenigstens.
die pflägen ir, sit si g e w a n D a n n gingen sie sich b a d e n , jedes für
zorn an ir schult v o n liebem m a n . sich. Z w ö l f schneeweiße J u n g f r a u e n sah
25 si hete ie snahtes d e c k e k l e i t , m a n bei ihr, die h a t t e n sich i m m e r um sie
swie b l ö z si b i m e tage reit, g e k ü m m e r t in der Z e i t , da sie von ihrem
die b a t t e n d ö mit freuden sie. M a n n , den sie d o c h liebhatte, unschuldig
r u o c h e t ir nu hoeren (wie nichts als H a ß empfing. So h a t t e sie für
O r i l u s des innen w a r t ) die N a c h t i m m e r etwas zum Z u d e c k e n ge-
äventiur von Artüses vart? h a b t , wenn sie auch bei T a g e n a c k t auf
ihrem Pferd s a ß . D i e badeten sie herrlich
und in Freuden — ihr wollt vermutlich
gerne N ä h e r e s d a r ü b e r h ö r e n , ich meine:
wie die N a c h r i c h t zu O r i l u s k a m , die von
K ö n i g Artüs und seinen A b e n t e u e r n .

1. Nuo d = Ez Ggg. 2. Do orillus Ggg. 3. von im er D, er von im g, von im man Ggg,


man von (ab g) im dgg. 5. Unde fuortes G. 6. Er Ggg. in ein g, im ein Ggg, zway g.
7. Da G. fro G. 8. weinende DG. 9. von leide G. 12. weinende D, Weindiu G,
Wainunden g, Weinundem g. ougen DG. hant Dgg, haben Gdg, habent g. 18. enchunde
Ggg. andrr D, andere G. tsch. G. 19. ergie D. suone des wiene ich DG, suon des
wsen ich g, sune wen ich g. 20. Doch Ggg. fuoren si sundr D, fuorten sunder (under G)
handen sich Gg. 22. mähte G. 24. liebem Ggg, lieben Ddg. 25. Ir detche [ie g, e g]
nahtes was bereit Ggg. snahtes Dg, nachtes d. 26. bi dem G. 27. badeten Gg.
29. des DGgg, do dgg. 30. Artus D.
V. Buch 111
213 Sus begund im ein riter sagen, Also: Jenem berichtete ein Ritter fol-
'ich sach üf einen plan gestagen gendes: »Ich habe hundert Zelte oder
tüsent poulün oder mer. mehr gesehen, die sind auf einem weiten
Artüs der riche künec her, Feld aufgeschlagen. Artüs, der gewaltige
s der Berteneise herre, König, Herr der Berteneisen, lagert in
lit uns hie niht verre Herrlichkeit nicht weit von hier mit einer
mit wünneclicher f r o u w e n schar, Abteilung reizender Damen. Es ist nur
ungevertes ist ein mile dar. eine Meile Unweg, denn es geht durch
da ist ouch von ritern grcezlich schal. Wildnis, bis dorthin. Es gibt auch großen
10 bi dem Plimizcel ze tal L ä r m von Rittern da. Drunten am Plimi-
ligents an iewederm Stade.' zoel an beiden Ufern haben sie ihr Lager.«
do gähte vaste üzem bade D a fuhr der Herzog Orilus auf aus sei-
der herzöge Orilus. ner Wanne, so taten Jeschüte und er. Die
Jeschüte und er gewurben sus. Zärtliche, Süße, Schöne stieg also auch
15 diu senfte süeze w o l getan gleich aus dem Bad und in sein Bett, dort
gieng ouch üz ir bade sän fanden sie ein Mittel gegen Traurigkeit.
an sm bette: da w a r t trürens rät. Ihre Glieder hatten bessere Kleider ver-
ir lide gedienden bezzer w ä t dient, als sie davor lange Zeit getragen
dan si da vor truoc lange. hatte. Eng umschlungen hielt ihre Liebe
20 mit nahem umbevange das Glück fest, die Liebe der Fürstin und
behielt er minne freuden pris, des klugen Fürsten meine ich. Dann
der fürstin und des fürsten wis. kleideten J u n g f r a u e n ihre Herrin an,
juncfrouwen kleitn ir f r o u w e n sän. dem M a n n trug man den Harnisch her;
sin harnasch truoc man dar dem man. Jeschüte sah bezaubernd aus. In Fallen
25 Jeschüten w ä t man muose lobn. gefangene Vögel aßen sie mit Genuß, sie
vogele gevangen üf dem klobn speisten im Bett. Die Herzogin Jeschüte
si mit freuden äzen, nahm so manchen Kuß entgegen, den gab
dä se an ir bette säzen. ihr Orilus.
frou Jeschüte etslichen kus
enpfienc: den gab ir Orilus.

1. begunde DG. 3. Wol tusent Gd. poulun D, pavelun G. 5. bertenoyse D, briteneise


g, britaneisen g, brituneiser d, britansche G, brittanisce g. 6. niht ze G. 8. ungeverts D.
9. ouch fehlt Gg. grozlich D, michel d = grozer Ggg. 10. Primizoele D, plimizol gg,
plumzol d, blimizol g, blimzol G, blimulzol g. 11. ietwederm G. 12. = balde Ggg, der
fürst g. 16. gie D. 17. An ir bete Gg. 18. dienten Ggg. 19. Dane G, den D, Daz
d. 21. behiel ir m. D. 22. furstinne D. chleiten Gdgg, cleitan g, chleideten Dg.
28. Dase Gg, do si D. 29. frou fehlt Ggg.
278 V. Buch

274 D ö zöch man der frouwen wert Dann führte man der edlen Dame ein
starc wol gende ein schcene pfert, sehr sanft gehendes, schönes, starkes
gesatelt unt gezoumet wol. Pferd vor mit gutem Sattel und Zaum-
man huop si drüf, diu riten sol zeug. M a n hob sie hinauf, denn sie soll
5 dannen mit ir küenen man. ihren kühnen Gemahl begleiten. Dessen
sin ors wart gewäpent sän, Streitroß wurde sogleich gerüstet, und
reht als erz gein strite reit, zwar genauso, wie wenn er in den Krieg
sin swert, da mit ers tages streit, zog. Sein Schwert, mit dem er an dem Tag
man vorn an den satel hienc. gekämpft hatte, hängte man ihm vorn an
ίο von fuoz üf gewäpent gienc den Sattel. Von den Füßen auf in Eisen
Orilus zem orse sin: schritt Orilus zu seinem Roß und sprang
er spranc drüf vor der herzogin. hinauf vor den Augen der Herzogin. Je-
Jeschüte und er fuoren dan. schüte und er zogen davon. Allen seinen
sine mässenie sän Leuten hatte er befohlen, gleich heimzu-
is gein Lalant bat er alle keren. kehren nach Lalant — bloß ein Ritter
wan ein riter solt in leren sollte ihm den Weg zu Artüs zeigen; auf
gein Artuse riten: den sollten die Leute noch warten.
er bat daz volc des biten. Sie kamen so nahe zu Artüs, daß sie
si kömen Artus so nähen, seine Zelte sahen, ganz nahe vor ihnen
20 daz si siniu poulün sähen standen die, eine Meile weit am Wasser
vil nähe ein mile dez wazzer nidr. hinunter. Da sandte der Fürst den Ritter
der fürste sant den riter widr, zurück, der ihn hergeführt hatte. Je-
der in gewiset hete dar: schüte, die schöne Fürstin, war sein Ge-
frou Jeschüt diu wol gevar folge, sonst niemand.
25 was sin gesinde, unt niemen mer. Artüs, ein würdiger, doch leutseliger
der unlöse Artus niht ze her Herr, war nach dem Abendessen hinaus
was gegangen, dö ers äbents gaz, aufs Feld gegangen. Um ihn saß jetzt sein
üf einen plan, umb in dä saz Gefolge, lauter Edelleute. Orilus, der
Diu werde massenie. hielt, was er versprochen hatte,
Orilus der valsches vrie

2. ein setzen Ggg vor phert. 4. druof D. 5. chünen Gdgg, chuenem D, chuone g. 6. was
Gdgg. 8. er des D. 9. vorn D, vornan dg, vor Ggg. 10. fuoze Ggg, fuezzen g.
13 — 15. Sin gesinde er wider bat cheren G, Si shieden dannen alzehant. die andern wider in ir
lant. Bat er alle ehern g, Jescüte vn er. fuoren (schieden gg, schieden sich g) dan ce hant. sine
(Die gg) massenie gein Lalant. bat er alle [wider g] cheren D und die fünf übrigen. 19. Artuse
D. 20. siniu D, sin Ggg, die g, artus (z. 19 verändert) d. 21. nahe D, nahen g, nach
Gdgg. eine DG. 22. sande G. 24. Fro G. 27. er des D. abendes G, abens g.
29. messnie G. 30. valsces D, valkes g.
V. Buch 279

275 kom an den selben rinc geritn. ritt an diese Runde. Sein Helm, sein
sin heim sin schilt was so versnitn Schild war so zerhauen, daß niemand
daz niemen dran kos keiniu mal: irgendwelche Zeichen dran erkennen
die siege frumte Parziväl. konnte: Solche Schläge hatte Parziväl
5 vom orse stuont der küene man: gesandt.
frou Jeschüte enpfiengez sän. Der Held stieg ab, die Zügel nahm so-
vil juncherrn dar näher spranc: gleich die Herzogin Jeschüte. Eine Menge
umb in und si was groz gedranc. Knappen sprang herbei, es entstand um
si jähn 'wir suln der orse pflegn.' sie und ihn ein großer Auflauf. Die sag-
ίο Orilus der werde degn ten: »Um die Pferde kümmern wir uns
leit schildes schirben üfez gras, schon.« Der Ritter Orilus legte den Scher-
nach ir, durch die er komen was, ben, der einmal sein Schild gewesen war,
begunder vrägen al zehant. ins Gras. Nach der, um derentwillen er
froun Cunnewären de Lalant gekommen war, fragte er. Man wies ihn
15 zeigte man im, wä diu saz. an eine Dame, die da saß, Cunnewäre de
ir site man gein prise maz. Lalant, die galt als Muster guter Sitte. In
gewäpent er so nähe gienc. voller Rüstung trat er hinzu, der König
der künec, diu küngin, in enpfienc: begrüßte ihn, ebenso die Königin. Er
er dancte in, bot fianze sän dankte ihnen und streckte dann sogleich
20 siner swester wol getan, der Dame, der er sich ergeben mußte, die
bi den trachen üfem kursit Hände hin: Das war seine Schwester, die
erkande sin wol, wan ein strit: Schöne. Die erkannte ihn sofort an dem
si sprach 'du bist der bruoder min, Drachen auf seinem Kursit — es blieb
Orilus, od Lähelin. bloß noch ein einziger Zweifel, darum
25 ich n i m i u r d w e d e r s Sicherheit, sprach sie: »Du bist mein Bruder, doch
ir wärt mir bede ie bereit welcher von beiden, Orilus oder Lähelin?
ze dienste als ich iuch gebat: Eure Unterwerfung nehme ich an, vom
mir wsere üf den triwen mat, einen wie vom anderen. Ihr wart mir ja
solt ich gein iu kriegen, beide immer treu ergeben, ganz gleich,
[und] min selber zuht betriegen.' worum ich euch bat. Ich wäre matt ge-
setzt auf den Feldern der Treue, wenn ich
mit euch kriegführen sollte, und müßte
meiner Ehre in den Rücken fallen.«

3. niemn D. dran fehlt G. deheiniu Ggg, decheiniu D, dehein dg. 5. Vom g, Von g,
Von d e m DG. k ü e n e fehlt G. 8. u m b in vn u m b e ( f e h l t d) si Ddgg, U m b e si u n d e u m b e
in G, u m b e sie baide gg. w a r t Ggg. 9. iahen DG. 11. Leit d, leite D = Lasit des gg,
Leit die G. schilts G. 14. Fron kunew. G. 15. = da Ggg. 16. Ir guote Ggg.
17. er ir so gg. nahen Ggg. 18. diu] und dg, unt diu die übrigen. 19. Er neic Gg.
in] u n d e Ggg, in unde die übrigen. 21. = dem Ggg. ame Ggg. 22. erchanden D.
wol ane strit Gdgg. 24. o d r D, oder G. 25. lehn gg. iwer D G . deweders Gdgg,
dewedrs D , tweders gg, ietweders g. 26. Ir sit G. ie] sus G. 27—30 fehlen G. 27. M i t
dienste swes ich gg. 28. an d. 30. selbes dgg.
280 V. Buch

276 D e r fürste k n i e t e vor der m a g t . D e r Fürst k n i e t e vor dem M ä d c h e n , er


er sprach 'du hast al w a r gesagt: sprach: » D u hast wirklich g e w a h r s a g t , ich
ich pinz din b r u o d e r O r i l u s . bin's, dein B r u d e r O r i l u s . D e r R o t e R i t t e r
der röte riter t w a n c m i c h sus hat m i c h b e z w u n g e n , so d a ß ich mich dir
j daz ich dir Sicherheit m u o z g e b n : ergeben m u ß ; d a m i t h a b e ich mein Leben
da mit e r k o u f t e ich d o min lebn. e r k a u f t . N i m m a l s o meine U n t e r w e r f u n g
die e n p h ä c h : so wirt hie gar getan a n , so wird hier alles erfüllt, wie ich es
als ich gein im g e l o b e t h ä n . ' ihm versprochen h a b e . «
d o enpfienc si triwe in wize h a n t D a empfing sie sein Treueversprechen
ίο von im der t r u o c den serpant, in ihre weißen H ä n d e , Treue von d e m ,
unt liez in ledec. d ö daz g e s c h a c h , der den Serpant im Wappen führte; dann
d ö s t u o n t er üf unde sprach ließ sie ihn frei.
'ich sol und m u o z durch triwe klagen, Als das geschehen war, stand er auf
ö w e w e r hat dich geslagen? und sprach: »Aus Treue m u ß und werde
is dine siege t u o n t mir n i m m e r w o l : ich jetzt K l a g e f ü h r e n . Wer w a r es, der
wirtz zit daz ich die rechen sol, dich geschlagen h a t , wehe d e m ! Deine
ich ginre den, swerz ruochet sehen, Schläge tun mir n i m m e r w o h l . Z e i t wird
daz mir gröz leit ist dran geschehen, es, d a ß ich sie r ä c h e . D e n will ich m e r k e n
o u c h hilft mirz klagen der k ü e n s t e m a n lassen, d a ß diese Prügel mir weh getan
20 den m u o t e r ie zer werlt gewan: h a b e n — w e r m a g , k a n n zuschauen. U n d
der n e n n e t sich der riter röt. m i t mir klagt der Stärkste von den Star-
her k ü n e c , frou k ü n g i n , er e n b ö t k e n , die je eine M u t t e r zur Welt g e b r a c h t
iu beiden s a m t dienest sin, h a t : D e r nennt sich R o t e r R i t t e r . Herr
d a r zuo b e n a m n der swester min. K ö n i g , edle K ö n i g i n , E u c h beiden mit-
25 er bitet sin dienst iuch letzen, einander entbietet er seinen D i e n s t , und
[und] dise m a g t ir siege ergetzen. außerdem und ganz besonders meiner
och het ichs d o genozzen Schwester. E r bittet E u c h , Ihr möchtet
gein dem helde unverdrozzen, seinen Dienst belohnen und diesem
wesser wie si mich bestet M ä d c h e n die Schläge wiedergutmachen.
und mir ir leit ze herzen get.' D a s w ä r e mir d o r t bei dem H e l d e n zugute
g e k o m m e n , der sich sonst durch nichts
aufhalten läßt, wenn er g e w u ß t h ä t t e , wie
sehr ihr Unglück m i c h angreift und wie
ihr Leid mir zu H e r z e n geht.«

1. fur die Gdgg. 6. = choufte Ggg. 9. Doch D. 10. serphant G. 11. liezen D =
lie in Ggg. 13. mit triwen Ggg, von schulden d. 14. ouwe D. 15. ninder Gg, niht gg.
16. Wirt es G, Wirt des gg, Wirt sin g, Wirt g. = ich dich Ggg. 17. ginres g, geinner g,
innere G. 19. hilft g, hilfet DG. 21. Er Ggg. den Ggg. 22. unde vrou Gg, und g.
23. saraent G. den dienst alle außer D. 24. sweter D. 25. bitt D, bit Gg. iuch sin
(oder sinen) dienst letzen Ggg. 26. und fehlt Gg. dise d, diese D = die Ggg. 27. hetis
do g, hiet si do g.
V. Buch 281

277 Keie erwarp dö niwen haz, Keie erwarb sich da neue Feindschaft
von rittern, frouwen, swer da saz bei Rittern und Edelfrauen, bei allen, die
am Stade bi dem Plimizcel. da am Ufer saßen am Plimizoel. Gäwän
Gäwän und Jofreit f!z Idoel, und Jofreit fils Idoel, dazu der, von dessen
5 unt des nöt ir habt gehceret e, Niederlage schon früher berichtet wurde,
der gevangene künec Clämide, der gefangene König Clämide nämlich,
und anders manec werder man und noch viele Ritter — ihre Namen
(ir namn ich wol genennen kan, könnte ich wohl nennen, bloß will ich's
wan daz ichz niht wil lengen), nicht in die Länge ziehen —, alle die liefen
ίο die begunden sich dö mengen, nun zusammen. Ihre Höflichkeiten wur-
ir dienst mit zühten wart gedolt. den mit gutem Anstand entgegengenom-
frou Jeschüte wart geholt men. Man holte die Herzogin Jeschüte
üf ir pfärde, aldä si saz. herbei, die immer noch auf ihrem Pferd
der künec Artüs niht vergaz, saß. Der König Artüs versäumte nicht —
15 und ouch diu künegin sin wip, auch nicht seine Frau, die Königin —,
si enpfiengen Jeschüten lip. Jeschüte zur Begrüßung zu umarmen. Es
von frouwen da manc kus geschach. ergingen da viele Küsse von hohen
Artüs ze Jeschüten sprach Damen.
'iwern vater, den künec von Karnant, Artüs sprach zu Jeschüte: »Ich habe
20 Lacken, hän ich des erkant, Euren Vater, den König Lac von Karnant,
daz ich iwern kumber klagte gekannt, und darum hat mir Euer Kum-
sit man mirn zem ersten sagte, mer leid getan, sobald man mir davon
ouch sit ir selb sö wol getan, berichtet hat. Ihr seid doch zu schön,
es solt iuch friwent erläzen han. als daß der Geliebte Euch so behandeln
25 wan iwer minneclicher blic dürfte. Denn Euer liebenswerter Glanz
behielt den pris ze Kanedic: hat in Kanedic den Preis gewonnen: Dank
durch iwer schoene maere Eurer vielgerühmten Schönheit habt Ihr
bleip iu der sparwasre, den Sperber behalten dürfen, auf Eurer
Iwer hant er dannen reit, Hand ritt er davon. Wenn mir auch viel
swie mir von Oriluse leit Böses von Orilus geschehen ist,

1. niwan Ggg, niht wan gg. 2. vrowen gg, von frauwen d, vn von frouwen Dg, unde frouwen
Ggg. swer] swaz ir Ggg. 3. Plimizoel D, plimizol gg, plimzol d, blimizol g, blimzol G.
4. tschofreit Gg. visidol Gg, oe hat nur D. 5. gehört G. 6. künec fehlt Gg. 7. vn
anders (ander gg) manech (manger g) werdr Ddgg, Unde manch ander werder G, Und manic
wert (werde g) ander gg. 8. ir namn Dg, Der namen dgg, Den G, Die gg. genenen wol
chan G. 10. do fehlt Ggg. 11. ir fehlt gg, Ε Gg. zuht Ggg. 12. Fro G. 13. pharide
da Gg. 14. Artus der chunch Ggg. 16. Die Gg. 19. karnant D. 20. Lange han Gg.
des] den Ggg, so d. 22. miren D. von erste Gd, erste gg. 23. selbe DG. 26. kanedlch
D, chanadich Ggg. 28. beleih D, Beleip G. 30. Oriluse g, Orilus D, orillus G.
282 V. Buch

278 geschashe, in gunde iu trürens niht, so gönne ich Euch doch kein Leid, jetzt
noch engetuon swä'z geschiht. und in Zukunft, was immer geschehen
mirst liep daz ir die hulde hat, mag. Es freut mich, daß Ihr wieder in
unt daz ir frowenliche wät Ehren angenommen seid und Kleider
5 tragt nach iwer grözen not.' tragt wie eine Dame nach all dem Man-
si sprach 'her, daz vergelt iu got: gel, den Ihr auszustehen hattet.«
dar an ir hoehet iwern pris.' Sie sprach: »Mein Herr, das vergelte
Jeschüten unt ir ämis Euch Gott, damit erhöht Ihr noch Euren
frou Cunnewäre de Lalant guten Namen.«
ίο dannen fuorte sä zehant. Jeschüte und ihren ami führte jetzt die
einhalp an des küneges rinc edle Cunnewäre de Lalant von da fort.
über eins prunnen ursprinc Auf der einen Seite von des Königs Lager-
stuont ir poulün üf dem plan, platz, über einem sprudelnden Quell,
als oben ein trache in sinen klän stand auf dem weiten Feld ihr Pavillon;
15 hets ganzen apfels halben teil, den hielt ein Drache in seinen Klauen wie
den trachen zugen vier wintseil, einen Apfel, den man mitten durchge-
reht aiser lebendec da flüge schnitten hat. Dieser Drache — wie wenn
untz poulün gein den lüften züge. er da lebendig flöge und den Pavillon
da bi erkandez Orilus: entführen wollte in die Lüfte — war mit
20 wan siniu wäpen wären sus. vier Spannseilen am Boden festgebunden.
er wart entwäpent drunde. Orilus erkannte gleich, wer hier daheim
sin süeziu swester künde war, denn das war ja auch das Zeichen
im bieten ere unt gemach, seiner Waffen. Unter diesem Zeichen
über al diu messenie sprach, aber wurde er entwaffnet. Seine reizen-
25 des röten riters eilen de Schwester wußte für ihn Pracht und
nsem den pris zeime gesellen. allerlei Annehmlichkeiten aufzubieten.
Des jähen se äne rünen. Überall im Lager sprachen die Edel-
Kei bat Kingrünen leute, daß des Roten Ritters Stärke mit
Orilus dienn an stner stat. dem Ruhm im selben Bett schlafe, daraus
er kundez wol, den ers dä bat: machten sie gar kein Geheimnis.
Keie bat Kingrün, dem Orilus auf-
zuwarten an seiner Stelle. Er wußte wohl,
wen er da bat;

1. Geschach Gg. ine D, ichne G, ich gg. 2. Unde Gg. engetuon D, getün g, entuon
ouch noch Gg, entuon [halt gg, ouch d] nimmer dgg. swaz dgg, swa ez D, swaz mir Ggg.
geschit G. 3. Mirst g. 4. fraweliche g, foliche G. 6. = si sprach fehlt Ggg. herre
DG. 8. = Frowen ieschuten gg, Fro ieschute G. 9. Fro kuneware delant G. 10. sa Dd
= al Ggg. 11. ans chunges G. 13. palun G. 14. Als d, als ez die übrigen. oben
gg, obene D, ob d, fehlt Gg. 15. hete des DG, Hiet des g. ganzes D, fehlt Gg. 17. lebende
Ggg. fluge G. 18. Unt daz pavelun G. 19. orrilus G. 24. maessenide D.
25. 26. Zuo des roten riters eilen. Möhte sich niht gezellen G. 26. n«eme D. Nempt den
pris zesellen g. 29. dien g, dienen DG.
V. Buch 283

2 7 9 w a n d e r hetes vil getan denn der h a t t e dieses A m t lange genug


vor C l ä m i d e ze B r a n d i g ä n . ausgeübt bei C l ä m i d e a m H o f von B r a n -
Kei durch daz sin dienst liez: digän. Keie ließ sich aus g u t e m Grund
unsselde ins fürsten swester hiez vertreten: I h m w a r das Unglück zugesto-
5 ze sere älünn mit eime Stabe: ß e n , des Fürsten S c h w e s t e r allzusehr mit
durch zuht e n t w e i c h er diens a b e . einem S t o c k zu gerben — er hatte Lebens-
ouch w a s diu schulde niht v e r k o r n art genug, nun lieber seine Pflichten zu
von der meide wol g e b o r n . versäumen. Seine Schuld w a r auch von
d o c h s c h u o f er spise d a r g e n u o c : Seiten des M ä d c h e n s n o c h nicht verges-
ίο Kingrünz für Orilusen t r u o c . sen. I m m e r h i n schaffte er Speisen in Fülle
C u n n e w ä r diu l o b e s wise herbei, und Kingrün brachte sie dem
sneit ir b r u o d e r sine spise O r i l u s a u f den T i s c h . C u n n e w ä r e w u ß t e
mit ir b l a n k e n linden h a n t . ihrem Bruder besondere Ehre anzutun
frou J e s c h ü t e von K a r n a n t und schnitt ihm die Speisen vor mit ihrer
υ mit wiplichen ziihten az. s a n f t e n , weißen H a n d . D i e H e r z o g i n J e -
Artus der k ü n e c niht vergaz, schüte von K a r n a n t a ß mit d a m e n h a f t e n
e m kcem da diu zwei säzen Sitten.
und friwentlichen äzen. Der König Artüs versäumte nicht,
dö sprach er 'gezt ir übele hie, seine Aufwartung zu machen bei den
20 ez e n w a r t iedoch min wille nie. zweien, die so traulich b e i m Essen s a ß e n ,
irn gesäzt nie über wirtes b r ö t , und er sprach: »Wenn Ihr hier schlecht
derz iu mit bezzerem willen b o t eßt, so liegt das nicht d a r a n , d a ß ich es
so gar an w a n k e s väre. etwa b ö s e mit E u c h m e i n t e . Nie hat m a n
min frou C u n n e w ä r e , Euch das B r o t in e i n e m H a u s mit m e h r
25 ir suit iurs b r u o d e r hie w o l pflegn. g u t e m Willen gereicht und so sehr o h n e
g u o t e n a h t geb iu der gotes segn.' jede T ü c k e . M e i n e liebe C u n n e w ä r e , mein
Artüs f u o r släfen dö. Fräulein, Ihr m ü ß t ja gut für E u r e n B r u -
O r i l u s w a r t gebettet sö der sorgen! G o t t e s Segen gebe E u c h eine
daz sin f r o u J e s c h ü t e pflac gute N a c h t . « D a n n ging Artüs schlafen.
geselleclich unz an den t a c . D e m O r i l u s w u r d e ein Bett bereitet,
und so ü b e r n a h m denn die edle J e s c h ü t e
alle weitere Sorge für ihn: Sie blieb bei
ihm bis zum M o r g e n .

4. tohter G. 5. ze sere fehlt g. alünen DG, bluwen g. mit dem Gg. 6. entweicher
D, tet er sich Gg. dienstes alle außer D. 10. Kingrün ez DG. ez oder sy nach Orilus gg.
= orillus oder Orilus Ggg. 11. Cunnewäre Dd = Fro kuneware Ggg. lobs D, fehlt Gg.
17. eren DG. chcem g. 18. lieplichen gg, mit ein ander Gg. 19. Er sprach Gdg. gezt
gg, gezzet DG. ir hinte ubel hie D. 20. = Daz Ggg. wart G. 21. Irn gg, iren D,
Ir G. gesazt gg, gesazet DG. 23. ane DG. 25. iwers DG. 26. Guot gg. 28. Oriluse
D. gebet G. 29. Daz Ggg, da Dg, Do dg.

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