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Strafrecht I

Wintersemester 2017/18

Prof. Dr. Cornelius Prittwitz


2. November 2017
Klausuren

• Im Februar wird die Zwischenprüfungsklausur geschri-


eben. Im Dezember bieten wir eine Probeklausur an, die
in den Tutorien besprochen wird. Sie muss – wg des
vormittags stattfindenden Tags der Rechtspolitik leider
zwischen 18 und 20 Uhr geschrieben werden. Wir
empfehlen dringend, trotzdem an der Probeklausur
teilzunehmen.

• Termine:
• Probeklausur:
7. Dezember 2017 (Do. 18-20 Uhr), HZ 1
• Zwischenprüfungsklausur:
Montag, 12. Februar 2018, 10-13 Uhr, HZ 1-6
Nachtrag zu Studienbüchern: Kurz, witzig
intelligent „für Dummies“: der HERZOG
Nachtrag 2 zu Studienbüchern:
EISELE / HEINRICH und MURMANN
Strafrechtsprinzipien

• Das Strafrecht im Rechtsstaat ist an Prinzipien und Regeln


gebunden.

 Prägnante (wenn auch idealistische) Formel, die den


Rechtsstaat beschreibt: „Nicht die Mächtigen haben das
Recht, sondern das Recht hat die Macht!“

• Zentrale Prinzipien
• Schuldstrafrecht
• Tatstrafrecht
• Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips
• Strafprozessuale Prinzipien wie: Unschuldsvermutung,
Gesetzlicher Richter, Unabhängige Justiz, Schweigerecht,
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Effektive Verteidigung
Strafrechtsprinzipien

• Gesetzlichkeitsprinzip
(Garantiefunktion des Strafrechts)
NULLUM CRIMEN, NULLA POENA SINE LEGE …

• Verbot von belastendem) Gewohnheitsrecht (… scripta)


• Rückwirkungsverbot (… praevia)
• Bestimmtheitsgebot (… certa)
• Analogieverbot (… stricta)
Strafrechtsprinzipien

• Andere Prinzipien
• Schuldprinzip (Strafrecht = Schuldstrafrecht)
„Bestraft werden darf nur, wer für ein Verhalten (und
seine Folgen) verantwortlich ist!“
• Tatstrafrecht (nicht Täterstrafrecht)
Bestraft werden zwar Täter, aber die Strafe folgt auf die
Tat, nicht auf Gefährlichkeit, Bosheit etc. des Täters
• Ne bis in idem (Verbot der Doppelbestrafung)

Unschuldsvermutung
Straftatsystem, Straftatlehre,
Verbrechensaufbau
• Man liest (z.B. bei Rengier, AT, § 2, Rn 4),
„Einzelheiten (zur Straftatlehre) gehören in das Kapitel
zur Fallbearbeitung“.

• Das stimmt zwar insofern, als man Fälle nicht


methodisch korrekt bearbeiten kann, wenn man den
Aufbau der Straftat nicht kennt, lässt aber Zentrales
unausgesprochen.

• Zentral: Die Straftatlehre stellt klar, dass das Strafrecht


Tatstrafrecht ist, und: sie stellt klar, in welcher
Reihenfolge und unter welchen Voraussetzungen der
strafverfolgende Staat an den Bürger Frage stellen darf.
Straftatlehre, Tat- und Schuldstrafrecht
Die Straftat besteht aus
• Tatbestand (objektive und subjektive Elemente)
• Rechtswidrigkeit (obj. und subj. Elemente)
• Schuld.
Das „Korsett“, in das die Straftatlehre den Rechts-
anwender in Theorie und Praxis zwingt, stellt klar,
dass es nicht um einen Verbrecher geht, sondern um
die Strafbarkeit eines Verhaltens, das
1. objektiv und subjektiv tatbestandsmäßig, Unrechte
2. objektiv und subjektiv rechtswidrig ist, Tat

3. und schuldhaft (verantwortlich)


begangen wurde. Schuld
Straftatlehre und Fallbearbeitung
Aus diesen (keineswegs nur pragmatischen) Gründen ist
in der Fallbearbeitung stets zu fragen,
• durch welches konkrete Verhalten eines Menschen
• die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen
eines konkretes Straftatbestandes verwirklicht wurden;
• ob das (also verbotene Verhalten) ausnahmsweise erlaubt
(also nicht rechtswidrig) war, was sich in der Regel nach
wiederum objektiven und subjektiven Voraussetzungen richtet,
• Und ob dieses rechtswidrige Verhalten dem Menschen als von
ihm verantwortetes (schuldhaftes) Verhalten vorgeworfen
werden kann
Leseempfehlung: Frister, AT, 7. Kapitel, Rn 1-13
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Hintergrund der Aufbaufragen
• Hintergrund 1: Rechtsstaat (,der Bürger vor dem
strafverfolgenden Staat schützt; Recht darauf, „in
Ruhe gelassen zu werden“):
• Man darf nach subjektivem Tatbestand (im Folgenden: TB)
(was wusste und wollte ein Mensch?) Vorsatz nur fragen, wenn
ein objektiver Tatbestand verwirklicht wurde; man darf nach
„Schuld“ (Verantwortlichkeit, eventuellen Ausschlüssen) nur
fragen, wenn jemand rechtswidrig einen TB (obj. und subj.)
verwirklicht hat.

• Hintergrund 2: Effizienz (man muss so viel wie nötig


und so wenig wie möglich prüfen)

• Ist der obj. TB nicht verwirklicht, sind die Prüfungen zu Vorsatz,


RW und Schuld unnötig; kommt, wenn A den B ohrfeigt, § 212
nicht in Betracht, ist diese Prüfung unnötig
Straftatlehre und Fallbearbeitung
Aus diesen (keineswegs nur pragmatischen) Gründen
ist in der Fallbearbeitung stets (und in dieser
Reihenfolge) zu fragen,
• durch welches konkrete Verhalten eines Menschen
• die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen
eines konkretes Straftatbestandes verwirklicht wurden;
• ob das (also verbotene Verhalten) ausnahmsweise erlaubt
(also nicht rechtswidrig) war, was sich in der Regel nach
wiederum objektiven und subjektiven Voraussetzungen richtet,
• und ob dieses rechtswidrige Verhalten dem Menschen als von
ihm verantwortetes (schuldhaftes) Verhalten vorgeworfen
werden kann
Leseempfehlung: Frister, AT, 7. Kapitel, Rn 1-13
Objektiver TB (des Erfolgsdelikts)

I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand (Prüfung, ob objektive
Tatbestandsmerkmale vorliegen)
a. Erfolg
 Ist der vom Gesetz beschriebene Erfolg eingetreten?
b) Kausalität
 Ist die vom Täter vorgenommene Handlung
ursächlich für den eingetretenen Erfolg?
c) Objektive Zurechnung
 Hat der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr
geschaffen, die sich im Erfolg realisiert hat?
Kausalität

I. Grundlagen
 Bindeglied zwischen Handlung und tatbestandlichem Erfolg
 Faktische Prüfung: Ist die Ursächlichkeit nach
naturwissenschaftlichen Grundsätzen gegeben?
 Sehr oft (aber eben nicht immer*) ganz unproblematisch;

• z.B. im Holzschutzmittel- [BGHSt 41, 206 ff., auch unter:


http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/2/94/2-221-94.php] oder im
Lederspray-Fall [BGHSt 37, 106 ff.;]

•  Wenn Sie „Lederspray-Fall“ googlen, finden Sie eine von mir im


Sommer 2014 ausgegebene Hausarbeit mit Lösungshinweisen und
Kommentaren zur Problematik!
Kausalität

Äquivalenztheorie

Definition: Kausal im Sinne der Äquivalenztheorie ist jede


Bedingung, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne
dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.

 Conditio-sine-qua-non-Formel („Bedingung ohne die


nicht“)

 Prüfung: wenn man die Handlung wegdenkt, wäre der


Erfolg in seiner konkreten Gestalt ausgeblieben?
Kausalität

III. Kritik
 Alle Bedingungen sind gleichwertig („äquivalent“)

 „Uferlosigkeit“, nach der Äquivalenztheorie sind auch die


Eltern des Täters kausal für seine Tat

 Beachte: Kausal bedeutet noch nicht, dass eine


Strafbarkeit besteht. Im nächsten Schritt wird über die
objektiven Zurechnung geprüft, ob der Erfolg dem Täter
als sein Werk zugerechnet werden kann
Kausalität und objektive Zurechnung
Fall:
T führt seine Verlobte V zum Abendessen aus. Kellner K
serviert ihm ein Steakmesser. T und V geraten in Streit
und T sticht mit dem Steakmesser mehrfach auf V ein, so
dass diese verstirbt.
Strafbarkeit von T und K?

Antwort:
Beide Handlungen sind kausal, aber die Tat ist nur dem
T als sein Werk zuzurechnen; K hat durch das Servieren
des Messers keine rechtlich relevante Gefahr
geschaffen, dass V sterben könnte (sozialadäquates
Verhalten).
Kausalität - Besondere Fallgruppen
1. Überholende/Abgebrochene Kausalität
Fall: T will O vergiften und schüttet Gift in dessen Kaffee.
Bevor O ausgetrunken hat, kommt B hinzu und erschießt
O.

 Die Giftbreibringung kann hinweggedacht werden, ohne


dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt (Tod durch
den Schuss) entfiele. Nur die Handlung des B ist
ursächlich für den Erfolg in seiner konkreten Gestalt

 Die Wirkung der ersten Handlung wird durch die zweite


Kausalkette beseitigt.
Kausalität

 Beachte: Anders „fortwirkender Kausalität“, bei denen der


Eingreifende an eine zuvor gesetzte Bedingung anknüpft.

 Fall: T will O töten und sticht mehrmals mit einem Messer


auf diesen ein, bis er ihn für tot hält. Er bittet B ihm zu
helfen, die „Leiche“ zu entsorgen. B entdeckt, dass O noch
lebt und erschießt diesen.

 Die Handlung des B hat den Erfolg in seiner konkreten


Gestalt verursacht. Die Handlung des T ist ebenfalls
kausal, denn ohne diese Vortat hätte sich B nicht zu seiner
Handlung veranlasst gesehen.
Reserveursachen irrelevant

Fall: T erschießt O bevor dieser in einen Zug einsteigt.


Eine halbe Stunde später entgleist der Zug, niemand
überlebt das Unglück. T verteidigt sich, O wäre sowieso
gestorben. Erfolgreich?

 Denkt man die Handlung des T weg, entfiele der Erfolg in


seiner konkreten Gestalt. Also:

 Reserveursachen dürfen nicht hinzugedacht werden


„Abbruch rettender Kausalverläufe“

• Fall: O kann nicht schwimmen und droht zu ertrinken.


Jemand wirft einen Rettungsring ins Wasser. Bevor O
diesen erreichen kann, zieht T den Rettungsring schnell
weg. O ertrinkt.

 Die Handlung des T ist ursächlich für den Erfolg in seiner


konkreten Gestalt.
Kausalität - Kumulative Kausalität

Fall: T und B schütten unabhängig voneinander eine


bestimmte Menge Gift in den Kaffee des O. Nur beide
Dosen gemeinsam erzielen eine tödliche Wirkung.

 Weder die Handlung des T noch des B kann hinweg-


gedacht werden, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten
Gestalt entfiele. Beide Handlungsbeiträge sind kausal.
Alternative Kausalität
Beispiel:
Die Giftdosen von A und B sind in diesem Beispiel für sich
genommen jeweils tödlich. Kausalität bei A und B?

Anwendung der c.s.q.n.-Formel? Denkt man die Giftgabe


des A weg, bleibt die tödliche Giftgabe des B, der Erfolg
entfiele NICHT – und umgekehrt. Daraus könne man
schließen, dass weder A noch B kausal geworden sind.

Dieses Ergebnis scheint nicht hinnehmbar, weil O tot ist


und dies aufgrund der Giftgaben von A und B.
Lösung

• In diesem Fall, der als „Alternative Kausalität“ bezeichnet


wird, weil und soweit zwei (oder mehr) Handlungen
unabhängig voneinander (und damit „alternativ“) zum
Erfolg führen, wird daher vorgeschlagen ,die c.s.q.n.-
Formel wie folgt zu ergänzen:
• Bei mehreren Handlungen, die zwar alternativ, aber
nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne
dass der Erfolg entfiele, ist jede kausal für den Erfolg.
Lösung

• Das ist nicht befriedigend; eine Formel, die man ändern


muss, um ein gewünschtes (und überzeugendes Ergebnis
zu begründen) ist keine „gute“ (Rechtssicherheit
garantierende) Formel.

• Eigentlich braucht man sie auch nicht: Denn: Fragt man


mit der „richtigen“ Definition der c.s.q.n.-Formel nach dem
konkreten Erfolg, dann ist der konkrete Erfolg im Fall der
Tod durch zwei Giftdosen, nicht durch eine. Denkt man
eine Dosis weg, ergibt sich ein anderer konkreter Erfolg.
Empfehlung für die Fallprüfung

• Prüfen Sie im Gutachten nicht ob ein Fall „überholenden“,


„alternativen“ oder „kumulativen“ Kausalität“ vorliegt, der
„als solcher“ zu lösen ist, …

• … sondern prüfen Sie, inwiefern das Verhalten von A im


vorliegenden Fall für einen konkreten Erfolgseintritt nicht
hinweg gedacht werden kann, d.h. orientieren Sie sich
schlicht (aber genau) an der Definition.

• Die (oben genannten) Begriffe sind „beschreibende


Begriffe“, die Ihnen bei der Erkenntnis, dass hier im
Bereich der Kausalität genau subsumiert werden muss,
helfen sollen.
Begeisterung ist Doping für Geist und Hirn
http://www.gerald-huether.de/populaer/veroeffentlichungen-von-gerald-huether/texte/begeisterung-gerald-
huether/index.php

„Leider ist vielen Erwachsenen genau das, weitgehend


verloren gegangen was einem Kind die pure Lebensfreude
vermittelt: die Begeisterung. Zwanzig bis fünfzig mal am
Tag erlebt ein Kleinkind einen Zustand größter Begeiste-
rung: Und jedes Mal kommt es dabei im Gehirn zur
Aktivierung der emotionalen Zentren. … (Es) wird ein
Cocktail von neuroplastischen Botenstoffen
ausgeschüttet. … Das ist der Grund, warum wir bei all
dem, was wir mit Begeisterung machen, auch so schnell
immer besser werden.
Das Gehirn entwickelt sich so, wie und wofür es mit
Begeisterung benutzt wird.

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