Sie sind auf Seite 1von 14

Prof. Dr.

Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Gliederung
A. Gewerberecht
I. Rechtlicher Kontext des Gewerberechts
II. Der Gewerbebegriff
III. Der Grundsatz der Gewerbefreiheit und die staatliche
Überwachung
IV. Die Gewerbekategorien der Gewerbeordnung
1. Stehendes Gewerbe
2. Reisegewerbe
3. Messen, Ausstellungen und Märkte
V. Die Instrumente staatlicher Überwachung
1. Zugangskontrolle: Anzeige- und Erlaubnispflichten
2. Ausübungskontrolle
3. Verhinderung weiterer Gewerbeausübung

1
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Begriff des Gewerbes:

Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung ist jede (nicht sozial


unwertige) erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete, dauerhafte
und selbständige Tätigkeit, die nicht freier Beruf, wissenschaft-
liche, künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeit, Urproduktion
oder Verwaltung eigenen Vermögens ist.
Positive Elemente: erlaubt, Gewinnerzielungsabsicht, dauerhaft,
selbständig
 sog. Gewerbsmäßigkeit
Negative Elemente: nicht freier Beruf, wissenschaftliche, künstlerische
oder schriftstellerische Tätigkeit, Urproduktion oder Vermögens-
verwaltung
 sog. Gewerbefähigkeit 2
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Begriff des Gewerbes:

1. Gewerbsmäßigkeit
 erlaubt: kein gesetzliches Verbot (z. B. Strafgesetze)
 nicht sozial unwertig: sozial-ethische Vorstellungen der Rechts-
gemeinschaft; aber: Rechtsunsicherheit, Gesetzesvorbehalt
 Gewinnerzielungsabsicht (zu unterscheiden von Gewinnverwen-
dungsabsicht): keine tatsächliche Gewinnerzielung nötig;
Ausnahme: Schlussfolgerung von tatsächlich fehlender
Gewinnerzielung auf Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht
 dauerhaft: (realisierte) Fortsetzungsabsicht, Saisontätigkeit reicht
 selbständig: im eigenen Namen und auf eigene Rechnung (wirt-
schaftliches Risiko); persönliche & sachliche Unabhängigkeit
3
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Begriff des Gewerbes:

2. Gewerbefähigkeit
 kein freier Beruf: persönliche Dienstleistung höherer Art, regelmäßig
Hochschulstudium, z. B. Arzt, Rechtsanwalt
 keine wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische
Tätigkeit: höhere Zwecke bzw. Ausdruck der individuellen
Persönlichkeit stehen im Vordergrund
 keine Urproduktion: Gewinnung roher Naturerzeugnisse
einschließlich Produkte der ersten Verarbeitungsstufe (vgl. Art. 38
Abs. 1 AEUV)
 keine Vermögensverwaltung: Intensität und Nachhaltigkeit der
Betätigung, z. B. ebay-Fälle
4
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Fälle zum Begriff des Gewerbes:


Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung ist jede (nicht sozial unwertige)
erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete, dauerhafte und selbständige
Tätigkeit, die nicht freier Beruf, wissenschaftliche, künstlerische oder
schriftstellerische Tätigkeit, Urproduktion oder Verwaltung eigenen
Vermögens ist.
1. D handelt in großem Maßstab mit Heroin. Die Erlöse spendet er
dem DRK.
2. I betreibt seit drei Jahren jeweils von April bis Oktober eine
Eisdiele, hat aber bisher niemals Gewinn gemacht.
3. Rechtsanwalt R ist laut Vertrag freier Mitarbeiter einer Kanzlei.
Er ist unterschriftsberechtigt. Seine Arbeit wird ihm zugewiesen,
seine Arbeitszeit ist festgelegt. Seine monatliche Vergütung
beträgt 2.500,- €.
4. L betreibt einen Bauernhof und baut Kartoffeln und Gemüse an.
Seine Erzeugnisse verkauft er in einem angemieteten Laden in
einer nahegelegenen Großstadt.

5
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Gewerbekategorien

1. Stehendes Gewerbe
 negative Definition: kein Reise- sowie kein Messe-, Ausstellungs- und
Marktgewerbe
 Typisch: Existenz einer Niederlassung i. S. v. § 4 Abs. 3 GewO, z. B.
Büro, Ladengeschäft, Werkstatt
2. Reisegewerbe
 Legaldefinition in § 55 Abs. 1 GewO
 Außerhalb von oder ohne gewerbliche(r) Niederlassung:
Ausstrahlungswirkung des stehenden Gewerbes beachten; Problem:
Verkaufswagen
 Ohne vorherige Bestellung
3. Messen, Ausstellungen, Märkte
 §§ 64 ff. GewO 6
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Anzeige- und Erlaubnispflichten


Stehendes Gewerbe
1. Regelfall: Erlaubnisfreiheit
 bloße Anzeigepflicht gemäß § 14 Abs. 1 GewO
 Bescheinigung des Eingangs der Anzeige durch die Behörde gemäß
§ 15 Abs. 1 GewO: sog. Gewerbeschein (kein VA)
 Zuverlässigkeitsprüfung bei überwachungsbedürftigem Gewerbe (§ 38
GewO)
2. Sonderfall: Erlaubnispflicht
 Erlaubnispflicht gemäß §§ 30 ff. GewO
 Genehmigungsvoraussetzungen gesondert geregelt (z. B. § 34a Abs. 1
Satz 3 GewO)
 Zusätzlich gilt die Anzeigepflicht des § 14 Abs. 1 GewO
3. Sonderregeln für Unionsbürger
7
 §§ 4, 13 a GewO
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Anzeige- und Erlaubnispflichten


Reisegewerbe
1. Regelfall: Erlaubnispflicht
 Erlaubnispflicht gemäß § 55 Abs. 2 GewO
 Sog. Reisegewerbekarte wird erteilt, wenn keine verbotene Tätigkeit
(§ 56 GewO) und keine Unzuverlässigkeit des Antragstellers (§ 57
GewO) gegeben ist
 Die Reisegewerbekarte ist gemäß § 60 c GewO mitzuführen
2. Sonderfall: Erlaubnisfreiheit
 Reisegewerbekartenfreie Tätigkeiten: §§ 55 a, 55 b GewO
 Anzeigepflicht nur in den Fällen des § 55 c GewO
 Unionsbürger nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 Satz 2 GewO

8
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Fälle zu Anzeige- und Erlaubnispflichten

1. F eröffnet ein Fußpflegegeschäft.


2. W lässt sich als Wirtschaftsprüfer nieder.
3. K eröffnet einen Kraftfahrzeughandel.
4. Makler M eröffnet ein Büro zur Vermittlung von Grundstücken.
5. H eröffnet eine Computerwerkstatt in M, sucht jedoch nach
vorheriger Bestellung bundesweit Kunden auf.
6. H (Fall 5) handelt ohne vorherige Bestellung.
7. H (Fall 6) vertreibt elektronische Hörgeräte.

9
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Verhinderung weiterer Gewerbeausübung


Erlaubnisfreies stehendes Gewerbe
Voraussetzungen der Gewerbeuntersagung gemäß § 35 GewO:
 keine spezialgesetzliche Regelung (§ 35 Abs. 8 GewO)
 Betrieb eines stehenden, erlaubnisfreien Gewerbes
 Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder des
Betriebsleiters: konkrete Tatsachen, kein Verschulden nötig
 Erforderlichkeit der Gewerbeuntersagung zum Schutz der
Allgemeinheit oder Beschäftigten
 Volluntersagung oder Teiluntersagung (z. B. Verbot der Beschäf-
tigung von Arbeitnehmern o. Jugendlichen, Verbot nur in Bezug auf
eine von mehreren Niederlassungen): keine Ermessens-, sondern
gebundene Entscheidung
10
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Verhinderung weiterer Gewerbeausübung


Erlaubnisfreies stehendes Gewerbe
Schlüsselbegriff der Unzuverlässigkeit:
Unzuverlässig ist derjenige Gewerbetreibende, der nach dem
Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass
er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird.

Fallgruppen der Unzuverlässigkeit:


 Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
 Nichterfüllung steuerrechtlicher Verpflichtungen
 Nichterfüllung sozialversicherungsrechtlicher Verpflichtungen
 Fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit

11
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Verhinderung weiterer Gewerbeausübung


Erlaubnisfreies stehendes Gewerbe
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt:
Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. § 35 Abs. 6
GewO)
Rechtsfolge:
Die Gewerbeuntersagung bewirkt die Unzulässigkeit weiterer
Gewerbeausübung, so dass eine Gewerbefortführung sofort durch
Vollstreckungsmaßnahmen verhindert werden kann.
Erweiterte Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO:
 einzelne andere oder alle (künftig ausübbaren) Gewerbe
 Tätigkeit als Vertretungsberechtigter/mit der Leitung Beauftragter

12
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Verhinderung weiterer Gewerbeausübung


Erlaubnispflichtiges stehendes Gewerbe
1. Aufhebung erteilter Erlaubnis
 ggf. spezialgesetzliche Ermächtigungsnorm
 Rücknahme nach § 48 VwVfG bei anfänglicher Rechtswidrigkeit
 Widerruf nach § 49 VwVfG bei nachträglicher Rechtswidrigkeit
2. Schließung des Betriebes
 Wird Betrieb trotz Aufhebung oder Fehlens der Erlaubnis (fort-)
geführt, kann Unterbindung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO
erfolgen (sog. Schließungsbefugnis). Achtung: Materielle
Gewerberechtswidrigkeit nötig!
 Ggf. Durchsetzung der Schließung im Wege der
Verwaltungsvollstreckung (Nds. VwVG, NPOG)

13
Prof. Dr. Christian Winterhoff
Regulierungsrecht (Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Fall zur Verhinderung weiterer Gewerbeausübung

Betriebswirt B eröffnet nach seinem Studium eine Unternehmens-


beratung. Als die zuständige Behörde erfährt, dass B seit Monaten
weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge für seine beiden
Mitarbeiter abführt, untersagt sie ihm sofort die weitere Ausübung
des Gewerbes. Kann B sich mit Erfolg gegen die Gewerbeunter-
sagung wehren?

14

Das könnte Ihnen auch gefallen