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Calgary-Cambridge Guides:

Leitfaden für das ärztliche Gespräch

I. Leitfaden zur Gesprächsführung


Copyright: Silverman, J.; Kurtz, S.; Draper, J. (2013): Skills for Communicating with Patients.
Radcliffe Medical Press, Oxon, UK

Übersetzung Marlene Sator (Gesundheit Österreich GmbH) auf der Basis einer Übersetzung der
MH-Hannover (https://www.mh-
hannover.de/fileadmin/institute/med_psychologie/downloads/CalgaryCambridgeBasisfertigkeiten
Kommunikation.deutsch.pdf) sowie der Übersetzung in Simmenroth-Nayda A, Heinemann S, Nolte
C, Fischer T, Himmel W (2014): The Calgary Cambridge Observation Guides: Validation and
Application of a German Version to Assess Communication Skills in Medical Education. J Intern
Med Educ 5:212-218

Beginn des Gesprächs

Vorbereitung:

1. schließt vorige Aufgaben ab, trägt Fürsorge für sich selbst


2. fokussiert seine Aufmerksamkeit und bereitet sich auf das folgende Gespräch vor

Herstellen einer Beziehung zum Patienten:

3. begrüßt Patient und erfragt Patientennamen


4. stellt sich mit Namen und Funktion vor, erklärt den Zweck des Gesprächs, holt die Zustimmung
des Pat. ein falls notwendig
5. zeigt Respekt und Interesse; achtet darauf, dass sich der Patient wohl fühlt

Identifizieren der Gründe für das Gespräch:

6. identifiziert die Beschwerden oder die Anliegen des Patienten durch eine angemessene
Einstiegsfrage, z.B.: „Welche Beschwerden haben Sie hierher geführt?“ „Was möchten Sie heute
besprechen?“ „Welche Fragen möchten Sie heute beantwortet haben?“
7. hört sich die Einstiegsäußerung des Patienten an ohne zu unterbrechen oder die Äußerung in
eine bestimmte Richtung zu lenken
8. bestätigt die Themen und Anliegen des Patienten und fragt nach möglichen weiteren
Beschwerden und Anliegen, z.B. „Sie kommen also wegen Kopfschmerzen und Müdigkeit zu mir;
was noch? oder „Welche Anliegen möchten Sie heute noch gerne besprechen?“
9. vereinbart eine „Themenliste“ mit dem Patienten, die sowohl die Wünsche des Patienten als
auch jene der GFK einschließt

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Sammeln von Informationen

Exploration der Beschwerden des Patienten:

10. ermutigt den Patienten, seine Krankengeschichte/ den Verlauf seiner Beschwerden vom Beginn
bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in eigenen Worten zu schildern (und klärt dabei den Grund für
das heutige Kommen)
11. verwendet offene und geschlossene Fragetechniken, geht in angemessener Weise von offenen
zu geschlossenen Fragen über
12. hört aufmerksam zu, ermöglicht dem Patienten, seine Schilderungen ohne Unterbrechung zu
beenden; gibt dem Patienten Zeit, vor seiner Antwort nachzudenken oder nach einer Pause
fortzufahren
13. unterstützt die Antworten des Patienten verbal und nonverbal, z.B. durch Ermutigung zum
Weitersprechen, Schweigen, Wiederholung, Paraphrasieren oder Interpretation
14. greift verbale und nonverbale Hinweise auf (Körpersprache, Verbalisierungen, Gesichtsausdruck),
gibt Rückmeldesignale und exploriert in angemessener Weise
15. klärt Äußerungen des Patienten, die unklar sind oder einer weiteren Vertiefung bedürfen (z.B.:
„Würden Sie bitte erklären, was Sie unter benommen verstehen?“)
16. fasst die Äußerungen des Patienten immer wieder zusammen, um das eigene Verständnis zu
überprüfen; fordert den Patienten auf ggf. zu korrigieren oder weitere Informationen zu liefern
17. benutzt präzise und leicht verständliche Fragen und Kommentare; vermeidet oder erklärt
fachsprachliche Ausdrücke in angemessener Weise
18. ermittelt Zeitpunkte sowie die Reihenfolge von eingetretenen Ereignissen und Symptomen

Zusätzliche Fertigkeiten zum Verstehen der Patientenperspektive:

19. ermittelt und exploriert aktiv


- die Ideen des Patienten (z.B. subjektive Krankheitstheorien bzgl. Krankheitsursache)
- Ängste und Sorgen des Patienten hinsichtlich der berichteten Beschwerden
- Erwartungen des Patienten (z.B. Ziele, Welche Art der Hilfe erhofft sich der Patient in Bezug auf
die berichteten Beschwerden)
- Auswirkungen der berichteten Beschwerden auf den Alltag des Patienten
20. ermutigt den Patienten, seine Gefühle zu äußern

Strukturierung des Gesprächs

Orientieren über den Gesprächsverlauf:

21. fasst am Ende von Gesprächsabschnitten das Gesagte zusammen, um das Verständnis zu sichern,
bevor zum nächsten Abschnitt übergegangen wird
22. geht von einem Gesprächsabschnitt zum nächsten über durch Verwendung von Ankündigungen
und Überleitungen; begründet den nächsten Gesprächsabschnitt

Aufmerksamkeit auf den Ablauf des Gesprächs:

23. strukturiert das Gespräch in einer logischen Reihenfolge


24. beachtet Zeiteinteilung und verzettelt sich nicht

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Beziehungsaufbau

Verwendung von angemessenem nonverbalen Verhalten:

25. zeigt angemessenes nonverbales Verhalten:


- Augenkontakt, Gesichtsausdruck
- Körperhaltung, Sitzposition, Bewegung
- Stimme (Tempo, Lautstärke, Tonlage)
26. achtet beim Lesen oder Notizen machen (auch am Computer) darauf, dass der Dialog oder die
Beziehung nicht beeinträchtigt wird
27. strahlt ein angemessenes Maß an Sicherheit aus

Entwicklung einer Beziehung zum Patienten:

28. akzeptiert die Berechtigung der Sichtweisen und Gefühle des Patienten; vermeidet wertende
Äußerungen
29. vermittelt Empathie, um Verständnis und Wertschätzung für die Gefühle und die Lage des
Patienten zu demonstrieren; erkennt Sichtweisen und Gefühle des Patienten explizit an
30. bietet Unterstützung: drückt Sorge, Verständnis, und Hilfsbereitschaft aus; erkennt Bemühungen
des Patienten zur Mitarbeit und angemessenen Selbsthilfe; bietet partnerschaftliche
Zusammenarbeit an
31. geht sensibel mit für den Patienten peinlichen und verstörenden Themen sowie körperlichem
Schmerz um, auch bei der körperlichen Untersuchung

Beteiligung des Patienten:

32. teilt seine Überlegungen mit dem Patienten, um die Patientenbeteiligung zu fördern, z.B. „Was
ich diesbezüglich gerade überlege, ist…“
33. erklärt die Gründe für seine Fragen und für Schritte der körperlichen Untersuchung, die für den
Patienten möglicherweise nicht nachvollziehbar sind
34. fragt nach Erlaubnis für die körperliche Untersuchung und erklärt das Vorgehen

Informationsvermittlung, Erklären und Planen

Übermittlung der korrekten Menge und Art von Information:

Ziele:
- umfassende und angemessene Informationen geben
- den individuellen Informationsbedarf des Patienten eruieren
- weder zu wenig noch zu viel Informationen geben
35. Chunk & Check: gibt Informationen in einer zu bewältigenden Menge; überprüft das Verständnis;
verwendet die Reaktionen des Patienten als Hinweise dafür, wie weiter zu verfahren ist
36. holt den Patienten dort ab, wo er steht: eruiert den Wissensstand des Patienten frühzeitig, findet
die Wünsche des Patienten hinsichtlich weiterer Informationen heraus
37. fragt den Patienten, welche weiteren Informationen für ihn hilfreich sein könnten, z.B. Ursache,
Prognose
38. gibt Erklärungen zum angemessenen Zeitpunkt: vermeidet es, Ratschläge, Informationen oder
Beruhigung voreilig zu geben

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Erleichtern von Erinnern und Verständnis:

Ziele: Informationen für den Patienten leichter erinnerbar und verständlich machen
39. strukturiert Erklärungen: teilt Erklärungen in einzelne Abschnitte auf; entwickelt sie in einer
logischen Abfolge
40. verwendet Kategorisierungen und Orientierungen, z.B. “Es gibt drei wichtige Dinge, die ich mit
Ihnen besprechen möchte. Erstens…“; “Gehen wir nun zum nächsten Thema weiter…?“
41. verwendet Wiederholungen und Zusammenfassungen, um einzelne Informationen zu verstärken
42. verwendet eine präzise und leicht zu verstehende Sprache, vermeidet oder erklärt Fachbegriffe
43. verwendet visuelle Hilfsmittel, um Informationen zu geben: Diagramme, Modelle, schriftliches
Informationsmaterial und Anleitungen
44. überprüft das Verständnis des Patienten hinsichtlich der gegebenen Information oder
vereinbarten Vorgehensweise, z.B. indem der Patient aufgefordert wird, die Information in
eigenen Worten zu wiederholen; klärt Missverständnisse ggf. auf

Herstellung eines gemeinsamen Verständnisses: Einbeziehung der Patientenperspektive:

Ziele:
- Erklärungen und Vorgehensweise auf die Patientenperspektive abstimmen
- Gedanken und Gefühle des Patienten im Hinblick auf die gegebene Information ermitteln
- den Patienten ermutigen, sich aktiv in der Interaktion einzubringen
45. verknüpft Erklärungen mit der Patientenperspektive, z.B. mit vorher geäußerten Einschätzungen,
Bedenken und Erwartungen
46. gibt dem Patienten Gelegenheit und ermutigt ihn, sich aktiv im Gespräch einzubringen: Fragen zu
stellen, bei Unklarheiten nachzufragen oder Zweifel anzumerken; antwortet darauf angemessen
47. greift verbale und nonverbale Hinweise des Patienten auf, z.B. wenn der Patient signalisiert, dass
er etwas sagen möchte oder ihm eine Frage auf der Zunge liegt, dass er von den vielen
Informationen erschlagen ist oder sich in der Situation nicht wohl fühlt
48. exploriert die Einstellungen, Reaktionen und Gefühle des Patienten im Hinblick auf die
gegebenen Informationen und benutzte Ausdrücke; geht wo notwendig darauf ein

Planung: Gemeinsame Entscheidungsfindung (shared decision making):

Ziele:
- dem Patienten ermöglichen den Entscheidungsprozess nachzuvollziehen
- den Patienten in die Entscheidungsfindung in dem von ihm gewünschten Maße einbeziehen
- die Mitwirkung des Patienten an vereinbarten Maßnahmen erhöhen
49. teilt eigene Ideen, Gedanken und Problemebereiche soweit angemessen
50. beteiligt den Patienten:
- macht Vorschläge und bietet Optionen an anstatt Anweisungen zu geben
- ermutigt den Patienten, eigene Ideen und Vorschläge einzubringen
51. exploriert mögliche Vorgehensweisen zum Umgang mit den Beschwerden/ zur Behandlung
52. ermittelt in welchem Maße der Patient an der aktuellen Entscheidung beteiligt werden möchte
53. vereinbart eine für Gesundheitsfachkraft und Patient angemessene Vorgehensweise
- macht die eigenen Präferenz für Handlungsoptionen oder das Fehlen einer klaren Präferenz
deutlich
- ermittelt die Präferenzen des Patienten
54. überprüft beim Patienten,
- ob die Vereinbarung akzeptiert wird
- ob Bedenken Rechnung getragen wird

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Beendigung des Gesprächs

Planung der weiteren Vorgehensweise:

55. vereinbart mit dem Patienten die nächsten Schritte für Patient und Gesundheitsfachkraft
56. erklärt mögliche unerwartete Ereignisse, erforderliche Schritte falls die vereinbarte
Vorgehensweise nicht zielführend ist und wann und in welcher Form er in diesem Fall Hilfe
suchen soll

Sicherstellen eines angemessenen Gesprächsendes:

57. fasst das Gespräch kurz zusammen und klärt die weitere Vorgehensweise
58. überprüft noch einmal, dass der Patient die vereinbarte Vorgehensweise mitträgt, dass er sich
damit wohlfühlt und fragt nach, ob der Patient noch Anmerkungen, Fragen oder weitere
Anliegen hat

Optionen für Informationsvermittlung, Erklären und Planen

Wenn eine Diskussion fachlicher Meinungen und Erklärung der Bedeutung von Beschwerden
stattfindet:

59. erläutert aus seiner Sicht, was vor sich geht und benennt dies entsprechend
60. erklärt die Gründe für seine Meinung
61. erklärt Ursachen, Schweregrad, erwarteten Verlauf, kurz- und langfristige Konsequenzen
62. erfragt die Vorstellungen, Reaktionen, Bedenken des Patienten in Hinblick auf die geäußerte
Meinung

Wenn ein weiteres gemeinsames Vorgehen vereinbart wird:

63. diskutiert die Optionen, z.B. Nichts tun, weitere Untersuchung, medikamentöse oder chirurgische
Behandlung, nicht-medikamentöse Behandlung (Physiotherapie, Gehhilfe, Beratung), präventive
Maßnahmen
64. gibt Informationen über das vorgeschlagene Vorgehen oder die vorgeschlagenen Maßnahmen:
Bezeichnung, einzelne Schritte, Wirkweise, Vor- und Nachteile, mögliche Nebenwirkungen
65. erfragt die Sicht des Patienten in Bezug auf Handlungsbedarf, subjektiven Nutzen, Hindernisse,
Motivation
66. akzeptiert die Sicht des Patienten; nimmt, sofern notwendig, einen alternativen Standpunkt ein
67. holt die Reaktionen und Bedenken des Patienten zur geplanten Vorgehensweise einschließlich
Tragbarkeit ein
68. stellt Lebensstil, Einstellungen, kulturellen Hintergrund und Kompetenzen des Patienten in
Rechnung
69. ermutigt den Patienten, bei der Umsetzung der folgenden Schritte eine aktive und selbständige
Rolle einzunehmen und Verantwortung zu übernehmen
70. fragt nach der vorhandenen Ressourcen zur Unterstützung des Patienten und diskutiert evtl.
alternative Unterstützungsmöglichkeiten

Wenn weitere Untersuchungen und Behandlungen vereinbart werden:

71. gibt verständliche Informationen über die folgenden Schritte, z.B. was den Patienten erwartet,
wie der Patient über die Ergebnisse informiert werden wird
72. stellt einen Bezug zwischen den geplanten Schritten und dem Behandlungsplan her, erklärt deren
Zweck
73. ermutigt zu Fragen und einer Diskussion zu möglichen Ängsten oder negativen Ergebnissen
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II. Leitfaden für die Fachinhalte

Problemliste des Patienten

Exploration der Probleme des Patienten

Bio-medizinische Perspektive der Krankheit Patientenperspektive des Krankseins


(disease): (illness):
Ereignisablauf Ideen & Überzeugungen
Krankheitsanamnese/Leitsymptom Bedenken
relevante Systemabfrage Erwartungen
Auswirkungen auf das Leben
Gefühle

Hintergrundinformationen - Kontext

» Vorgeschichte

» Medikamentenanamnese und Allergien

» Familienanamnese

» Psychosoziale Anamnese

» Systemüberblick

Körperliche Untersuchung

Differentialdiagnose und/oder Problemliste, Hypothesen

einschließlich bio-medizinischer Perspektive und Patientenperspektive

Ärztlicher Plan für das Vorgehen

» Untersuchungen

» Behandlungsoptionen

Erklärung und Planung gemeinsam mit dem Patienten

» was dem Patienten gesagt wurde

» vereinbartes Vorgehen

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