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WHG 919 im Mä rkischen Viertel

Architekt Jo Zimmermann
Senftenberger Ring 42-42p, 44-44g, 13435 Berlin
Autorin: Christiane Borgelt

Der Beginn: Das Märkische Viertel und die Wohnhausgruppe 919

Die Wohnhausgruppe 919 liegt im Norden des Mä rkischen Viertels an der Grenze zu
Lü bars. Sie wurde (als letztes Bauvorhaben) Anfang der 1970er-Jahre nach Plä nen des
Architekten Jo Zimmermann errichtet und ist Teil einer großen stä dtebaulichen Geste,
die dem Bau des Mä rkischen Viertels zugrunde liegt: Drei Umfassungsarme mit
Geschosswohnungsbau umschließen die zu erhaltenen und weiter zu bauenden
Einfamilienhausgebiete. Sie beginnen mit einem 16-geschossigen Baukö rper am
Zentrum, staffeln sich bis zum ersten Drittel auf vier Geschosse ab, um sich im letzten
letzten Drittel wieder bis auf 16 Geschosse zu erheben. Im Sü den werden die drei
Hö hepunkte durch eine langgestreckte Ost-West-Bebauung miteinander verbunden. Die
einzelnen Wohnhausgruppen innerhalb dieser Umfassungsarme bilden miteinander
wiederum Rä ume, die als Grü nflä chen festgelegt wurden. Schö pfer dieses als
„Gesamtkunstwerk“ geltenden Konzepts, dem ein Stadtteil fü r rund 40.000 Menschen
folgte, sind die drei Architekten Werner Dü ttmann, Georg Heinrichs und Hans Christian
Mü ller. 1962 legten sie den ersten Vorentwurf vor, der erstmalig einen verdichteten,
Urbanitä t versprechenden Stä dtebau beinhaltete, mit dem sich die Planer vom
aufgelockerten Bauen der 1950er-Jahre distanzierten.

Auch aus politischen und ö konomischen Grü nden musste der Wohnungsbau intensiviert
werden: 1961 zementierte der Bau der Mauer die Teilung Berlins. Damit ging Berlin
(West) der Strom der Arbeitskrä fte aus der DDR verloren. Neue Arbeitskrä fte aus der
Bundesrepublik mussten gewonnen werden, und man brauchte dafü r Anreize wie
attraktive Wohnungen und eine funktionierende Infrastruktur. Gleichzeitig startete in
den Innenstadtgebieten Berlins (West) ein Stadterneuerungsprogramm, das den Abriss
von mehr als 400.000 Wohnungen vorsah (das Jahre spä ter revidiert wurde). Fü r die
umzusetzenden Mieter mussten ebenfalls neue Wohnungen bereitgestellt werden. Am
Stadtrand entstanden in den folgenden Jahren drei Großsiedlungen: die Gropiusstadt in
Neukö lln, das Falkenhagener Feld in Spandau und das Mä rkische Viertel in
Reinickendorf.

In keiner der Großsiedlungen, die grö ßtenteils im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus
errichtet wurden, war der Stä dtebau so ambitioniert wie im Mä rkischen Viertel. Fü r die
Einzelbauvorhaben beauftragte der Senat in Absprache mit den Architekten des
Bebauungsplans und der Wohnungsbaugesellschaft GESOBAU jü ngere, erfolgreiche und
engagierte Architekten aus Berlin und dem Ausland. Man erwartete
Wohnungsbauentwü rfe in hoher Qualitä t, um die bisher vorherrschenden Eintö nigkeit
und Provinzialitä t im sozialen Wohnungsbau zu ü berwinden. Der Bebauungsplan legte
die Lage, Ausrichtung und Hö he der Baukö rper fest; die innere und ä ußere Gestaltung
oblag den Architekten.

Als der Architekt Jo Zimmermann 1965 mit der Planung von 499 Wohnungen beauftragt
wurde, stand das Mä rkische Viertel bereits im Bau. Am 13. September 1968 feierten die
GESOBAU - als Bauherrin - und die DeGeWo - als Baubetreuerin - das erste große
Richtfest fü r 5277 Wohnungen. Jo Zimmermann diskutierte zu dieser Zeit seinen

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Vorentwurf mit der DeGeWo. Der Bebauungsplan wies ihm einen Bauplatz in der
nö rdlichen Reihe der Bauvorhaben zu. Westlich neben Jo Zimmermann baute Peter
Pfankuch, daneben Heinz Schudnagies, dann Chen Kuen Lee, dem stä dtebaulichen
Schwung in die Hö he folgend. Alle diese Architekten sind Schü ler von Hans Scharoun,
und in ihrem organisch fließenden Ausdruck ihrer Gebä ude lassen sich ä hnliche
Architekturauffassungen erkennen.

Der Architekt Jo Zimmermann

Jo Zimmermann wurde 1926 in Berlin geboren und wuchs in Charlottenburg auf. Nach
einem Notabitur mit 18 Jahren wurde er 1944 zum Wehrdienst eingezogen. Nach
amerikanischer Kriegsgefangenschaft konnte er 1946 ein Baupraktikum als Maurer und
Zimmerer absolvieren und sein Abitur nachholen. Von 1947 bis 1952 studierte er
Architektur an der Technischen Universitä t Berlin, wo u.a. Willy Kreuer, Hans Scharoun
und Hertha Hammerbacher zu seinen Lehrern zä hlten. Seine ersten Berufserfahrungen
machte er im Bü ro Kreuer und bei dem Landschaftsarchitekten Hermann Mattern in
Kassel. Dann folgten zehn prä gende Jahre im Bü ro von Hans Scharoun, wo er an
verschiedenen Projekten wie die Hochhausgruppe „Romeo und Julia“ in Stuttgart (1954-
59), der Siedlung Charlottenburg-Nord (1956-61) und der Berliner Philharmonie
(Fertigstellung 1963) maßgeblich beteiligt war. Fü r das Geschwister-Scholl-Gymnasium
(1956-62) in Lü nen und das Einkaufszentrum in Berlin-Siemensstadt (1957) war er
Projektleiter.

Im Dezember 1963 grü ndete Zimmermann sein eigenes Architekturbü ro. Er baute das
Schulzentrum Lohbrü gge-Nord, 150 Wohnungen in der Gropiusstadt, weitere kleinere
Wohnhä user, nahm an zahlreichen Wettbewerben teil und unterstü tzte Edgar
Wiesniewski, den Nachfolger Scharouns, bei der Fertigstellung des Berliner
Kammermusiksaales. Sein grö ßtes Bauprojekt waren die 499 Wohnungen im
Mä rkischen Viertel, die ihn seit 1965 zehn Jahre lang beschä ftigten. Jo Zimmermann
starb im Jahr 2007.

Im Architekturbüro Jo Zimmermann: Die Planung der Wohnhausgruppe 919

Wä hrend meines Architekturstudiums konnte ich von 1966 bis 1969 bei Jo
Zimmermann meine ersten praktischen Erfahrungen sammeln. Sein Bü ro befand sich in
einer Wilmersdorfer Altbauwohnung, wo er als Junggeselle lebte und arbeitete. Bei ihm
waren neben einer fest angestellten Architektin immer einige Studenten beschä ftigt. Die
Rä ume waren praktisch, aber hö chst einfach eingerichtet. Jo Zimmermann saß meistens
an einer riesigen Zeichenmaschine allein im hinteren Raum, wä hrend die beiden
vorderen Rä ume, ausgestattet mit großen Zeichentischen in Form von auf Bö cken
aufgelagerten Tü rblä ttern, durch die Mitarbeiterin und uns Studenten besetzt war. In
der Mittagspause klappten wir im Flur einen Tapetentisch auf, an dem wir gemeinsam
unsere mitgebrachten Brote aßen, wenn sich nicht doch einer von uns erbarmte und
eine Suppe fü r die Belegschaft kochte.

Wir zeichneten mit Bleistift – und spä ter mit Tusche - auf riesigen Transparentbö gen.
Die gesamte Belegschaft war mit dem Wohnungsprojekt fü r das Mä rkische Viertel
beschä ftigt, und wochenlang ging es beispielsweise nur um Wohnungsgrundrisse. Ich
erinnere mich, wie wir mit den von der DeGeWo vorgegebenen Wohnungsgrö ßen
zurechtkommen mussten, die sie von den Wohnungsbaufö rderungsbestimmungen

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abgeleitet hatte. Wenn eine Zweieinhalb-Zimmerwohnung hö chstens 70 Quadratmeter
haben durfte, wie klein mussten dann Bad und Kü che sein, um noch vernü nftige
Zimmergrö ßen zu gewinnen? Wenn das Waschbecken - zehn Zentimeter ü ber die
Badewanne ragend – eingezeichnet wurde, ergab sich sich im Bad noch Platz fü r die
Waschmaschine? Das Bad wies dann mit allem damaligen Komfort beispielsweise 3,84
Quadratmeter auf. Jo Zimmermann war der Auffassung, dass in den Kü chen in jedem Fall
ein Essplatz - und zwar am Fenster - vorgesehen werden muss und dass die Loggien, die
er als geschü tzte Freisitze ausgestaltete, mö glichst auch der Kü che zugeordnet sein
sollen. Flure waren weitgehend zu vermeiden, indem sie in den Wohnbereich integriert
werden. Wir mussten ziemlich tü fteln, um die einzelnen Wohnrä ume so einander
zuzuordnen, dass die jeweils maximale Wohnungsgrö ße nicht ü berschritten wird. Eine
Einzimmerwohnung durfte bis 38 Quadratmeter groß sein, eine Zweizimmerwohnung
bis 60, eine mit drei Zimmern bis 77 Quadratmeter. Die grö ßte Wohnung mit drei und
zwei halben Zimmern durfte maximal 104 Quadratmeter umfassen; sie war fü r eine
Familie mit mindestens drei Kindern gedacht. Den Lö wenanteil der Wohnungen nehmen
die Zwei- und Zweieinhalbzimmerwohnungen mit insgesamt 65 Prozent ein.

Ab zweieinhalb Zimmer ordnete der Architekt zwischen Kü che und Wohnzimmer einen
Essplatz an und schuf damit einen großzü gigen Wohnbereich. Er teilte die Wohnungen
in einen Schlaf- und einen Wohntrakt auf. Wä hrend der Schlafbereich zweckmä ßig dem
rechten Winkel untergeordnet wurde, wendete Jo Zimmermann im Wohnbereich einen
einfachen, aber wirkungsvollen Trick an: Er verschob eine oder auch zwei Außenwä nde
so, dass ein stumpfer Winkel entsteht und damit der Eindruck, der Raum weite sich zum
Licht. Außerdem ließ er er die Loggien mit einer Seite spitzwinklig aus der Fassade
ragen. So sollte die Fassade lebendig wirken, und die Bewohner sollten von der Loggia
aus in mehrere Himmelsrichtungen schauen kö nnen. Durch die Staffelung der
Baukö rper entstanden Wohnungen mit mehrseitiger Orientierung. Von den Loggien der
in den Ecken liegenden Wohnzimmer ergibt sich ein weit grö ßerer Blickwinkel als 180
Grad - in die weite Lü barser Landschaft.

Bei den gemeinsamen Mittagessen diskutierten wir die Entwurfsgedanken unseres


Chefs und Lehrers. Immer wieder fü hrte er Beispiele aus seiner Arbeit im Bü ro Scharoun
an. Er verehrte die Kunst Scharouns. Weil er ihr dienen wollte, blieb er zehn Jahre lang
in seinem Bü ro, sagte er uns; sonst hä tte er sich viel frü her selbststä ndig gemacht.
Begeistert erklä rte er uns die Ü berlegungen, die den beiden Scharounschen
Wohnhochhä usern Romeo und Julia in Stuttgart zugrunde liegen. Zimmermann hob die
enorme Vielfalt der Wohnungen hervor; jede einzelne in ausgezeichneter Qualitä t.
Rä ume mit schrä gen Wä nden sollten das Gefü hl von Bewegung und Dynamik erzeugen,
rechtwinklige Rä ume Ruhe und Statik. Ä hnliches wollte er in seinem Projekt im
Mä rkischen Viertel erreichen und entwickelte 20 verschiedene Wohnungstypen. Denn,
so war sein Gedanke, die Bedü rfnisse innerhalb einer Wohnung ä ndern sich im Lauf der
Jahre; Familien wachsen oder schrumpfen. Innerhalb des Wohnblocks, sogar innerhalb
eines Hauses sollte es die Mö glichkeit geben umzuziehen. Deshalb versuchte er, die
verschiedenen Wohnungstypen so zu verteilen, dass auf jeder Etage und in jedem Haus
eine entsprechende Vielfalt zu finden ist. In den grö ßeren Wohnungen wollte er sogar
leichte Trennwä nde vorsehen, um den Grundriss bei Bedarf ohne großen Aufwand
ä ndern zu kö nnen. Das aber konnte er beim Bauherren nicht durchsetzen.

Seine Vision war eine gute Nachbarschaft. Singles und Familien auf einer Etage sollten
sich begegnen kö nnen, wenn sie es wü nschten. Deshalb liegen an einem Treppenhaus

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hö chstens vier Wohnungen. Der große Wohnhof in der Mitte sollte ein Treffpunkt fü r
alle Bewohner dieser Wohnanlage sein. Er war zufrieden mit der Vorgabe, „nur“ (im
Vergleich mit anderen Wohnhausgruppen im MV) 499 Wohnungen zu planen, die er auf
23 Hä user verteilte. Von diesen liegen immerhin 14 Hä user mit 6 bis 7 Wohngeschossen
noch unter der Hochhausgrenze, 9 Hä user mit jeweils 9 Geschossen liegen darü ber.
Denn er war der Meinung, dass ein nachbarschaftlich geprä gtes Leben im Innenhof nur
bei moderaten Geschoss- und Wohnungszahlen funktionieren wü rde. Dann erzä hlte er
von seinen eigenen Erfahrungen aus dem Charlottenburger Mietshaus mit 26
Familienwohnungen, in dem er aufwuchs. Im Hof spielte sich das Leben ab. Die Kinder
tollten herum, die Erwachsenen tranken miteinander Kaffee. Jemand pflanzte Bä ume.
Die Bewohner nannten den Hof ihren „Garten“. Er war die „verlä ngerte
Miethauswohnung“. Sein Fazit: Eine Stadtwohnung muss auf eine bestimmte Weise mit
einem Garten verbunden sein. In seiner Wohnhausgruppe im Mä rkischen Viertel erhielt
jedes Haus einen Zugang zum großen inneren Freiraum, den er als „halbö ffentlich“
bezeichnete, im Gegensatz zur „privaten“ Wohnung und der „ö ffentlichen“ Straße. Fü r
die Gestaltung des Gartenhofs machte er differenzierte Vorgaben. Er ordnete an den
nach Sü den orientierten Hofeingä ngen erhö hte Terrassen an und teilte die Flä che des
Gartenhofs in gerundete Busch- Gras-, Sand- und Steinbereiche ein. Auf die Plä ne schrieb
er: „Betreten der Wiese erwü nscht“. Die detaillierte Gestaltung der Außenanlagen
ü bernahm die Planungsgruppe SAL.

Zimmermann musste sich damit abfinden, dass das Erdgeschoss als Erschließungs- und
Funktionsebene bestimmt war, denn eine Unterkellerung ließ der feuchte Baugrund
nicht zu. Er hä tte gern dort Gemeinschaftseinrichtungen eingeplant, um einer
unwirtlichen Atmosphä re vorzubeugen. Wenigstens in den am Senftenberger Ring
gelegenen Gebä udeteilen konnte er einige erdgeschossige Lä den (7 Gewerbeeinheiten)
vorsehen. Er ordnete sie an einem kleinen Stadtplatz an.

Die energetische Modernisierung des Märkischen Viertels

Am 1. Februar 1974 wurden in der Wohnhausgruppe 919 am Senftenberger Ring 42 die


letzten 81 Wohnungen bezogen. Damit war das Mä rkische Viertel mit 17 000
Wohnungen fü r etwa 47 000 Menschen fertig gestellt. In der Anfangszeit fehlten noch
zahlreiche Schulen, Kindergä rten und Spielplä tze, die jedoch im Lauf der kommenden
Jahre errichtet wurden. Auf den U-Bahnanschluss der Linie 8 bis zur Station Wittenau
mussten die Bewohner bis 1994 warten. Bis heute hoffen sie noch auf eine Verlä ngerung
bis zum Mä rkischen Zentrum. Die GESOBAU hat sich in den 50 vergangenen Jahren als
Manager dieser Großsiedlung perfektioniert, unzä hlige Verbesserungsmaßnahmen
initiiert und die Bewohner an den Entscheidungen beteiligt. In den 1980er-Jahren
zeigten sich die ersten schweren Bauschä den an Betonbauten, auch das Wohnumfeld
wies Mä ngel auf. Im Rahmen eines mehrjä hrigen Programms fü r eine strategische
Wohnumfeldverbesserung wurde der Außenbereich erheblich aufgewertet und
zahlreiche Wohnhausgruppen erhielten neue Eingangsbereiche. Seitdem gab es stetig
Nachbesserungen, um die Gebä ude an den modernen Standard anzupassen.

Anlä sslich des 50. Geburtstags der Siedlung startete die GESOBAU das Großprojekt der
energetischen Modernisierung. In nur acht Jahren, von 2008 bis 2015, modernisierte sie
13 532 Wohnungen und investierte insgesamt 560 Millionen Euro. Es entstand die
bisher grö ßte Niedrigenergiesiedlung Deutschlands. Zeitgemä ße und energiesparende
Ausfü hrungen ersetzten und ergä nzten die veraltete Ausstattung der Gebä ude. Die

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Gebä udehü lle wurde mit einem Wä rmedä mmverbundsystem gedä mmt; die Gebä ude
erhielten moderne Isolierglasfenster und ein neues Heizsystem. Im Zusammenspiel mit
dem Fernheizwerk, das zu einem Biomasse-Heizwerk mit Kraft-Wä rme-Koppelung
umgebaut wurde, kann die GESOBAU heute fü r das Mä rkische Viertel eine annä hernd
CO2-neutrale Energiebilanz vorweisen. Wieder zeitgemä ße Badezimmer und Kü chen
steigerten die Wohnqualitä t erheblich – und damit die Zufriedenheit der Mieter. Dies
auch deshalb, weil die Modernisierung fü r die Bewohner warmmietenneutral (durch die
Senkung der Betriebskosten) gestaltet wurde. Die GESOBAU verfolgt die Leitlinie, die
Mieten bezahlbar zu halten, um in Berlin gü nstigen Wohnraum ermö glichen.

Angesicht der ä lter werdenden Mieterschaft baute die GESOBAU etwa 3000 Wohnungen
im Rahmen des Produkts „Wohnkomfort 50+“ barrierearm aus. Senioren kö nnen nun
neben dem rollstuhlgerechten Hauseingang in ihren Wohnungen bodengleiche Duschen,
abgesenkte Tü rschwellen, einen angehobenen Balkonboden durch Lattenroste und
verbreiterte Tü ren erwarten. Verschiedene Wohnungen wurden zu einer
Wohngemeinschaft fü r Senioren zusammengelegt.

Die neu geordneten Erdgeschoßbereiche dienen der Versorgung mit Mieterkellern,


Fahrradrä umen, Ladestationen fü r Elektrorollstü hle sowie den verschiedenen
Mü llcontainern. Nachdem die Mü llschlucker abgebaut wurden, ist eine sachgerechte
Mü lltrennung mö glich. Im Wohnumfeld hilft ein neues Wegeleitsystem bei der
Orientierung. Neue, gut und originell beleuchtete Eingangsvorbauten erleichtern es den
Mietern sich im Mä rkischen Viertel zurechtzufinden und sicher zu fü hlen.

Die energetische Modernisierung der Wohnhausgruppe 919

Die Wohnhausgruppe 919 wurde von 1972 bis 1974 in kombinierter Ortbeton- und
Mauerwerksbauweise errichtet und in dezenten beige-braun Tö nen gestrichen. Bei den
Balkonbrü stungen und der breiten Attika dominierte ein krä ftiges Braun; der Sockel war
in Ocker gehalten, die Fenster in Weiß. Fü r das in die Jahre gekommene Bauwerk
beauftragte die GESOBAU im Jahr 2011 das erfahrene Architekten- und Ingenieurteam
der SPP, Schü ttauf und Persike Planungsgesellschaft mbH, die energetische
Modernisierung durchzufü hren. Die SPP hatte als Generalplaner auch den großen, im
Zentrum der Siedlung gelegenen Komplex der Wohnhausgruppen 911, 912, und 922 von
Hans Mü ller und Georg Heinrichs in den Jahren 2008-2001 modernisiert und verfü gte
darü ber hinaus ü ber langjä hrige Erfahrungen bei der Modernisierung
unterschiedlichster Gebä ude.

Den verantwortlichen Planern – fü r die SPP Diplom-Bauingenieur Martin Richter und


fü r die GESOBAU Projektleiter Mathias Wegner-Repke – gelang es, das Bauvorhaben mit
499 Wohnungen und 7 Gewerbeeinheiten in den Jahren 2012/13 innerhalb von 19
Monaten durchzufü hren. Nach ersten Untersuchungen stellten sie fest, dass sich die
grö ßten Bauschä den an den Balkonbrü stungen und den Unterseiten der Fluchtbalkone
zeigten. Unbefriedigend waren darü ber hinaus die schwer auffindbaren Eingangstü ren
sowie die dunklen und viel zu kleinen Eingangsbereiche. Insgesamt umfassten die
geplanten Maßnahmen die Fassade, Treppenhä user und Hauseingä nge, die
Strangsanierung und die Freianlagen.

Die grö ßte logistische Herausforderung war die Strangsanierung, das heißt die
Sanierung der Leitungssysteme, die zum großen Teil in bewohnten Wohnungen

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durchgefü hrt werden musste. Ein strenges Organisationsschema ermö glichte einen
reibungslosen Arbeitsablauf. Das Ziel, die Strangsanierung mö glichst in einem 10-
Tagesrhythmus voranzubringen, motivierte alle Beteiligte. Manchmal brauchten die
Bauarbeiter bis 15 Tage, insbesondere wenn asbestbeladene Baustoffe gefunden
wurden, die nach besonders strengen Vorschriften entsorgt werden mussten. Vier
Wochen vor Baubeginn besprachen der Architekt und der Kundenberater die
Vorgehensweise mit den Mietern. Am ersten Tag des vereinbarten Termins entfernten
die Bauarbeiter die Sanitä ranlagen und Heizkö rper im Bad. Die Mieter konnten die
Toiletten und Duschen in einem auf dem Hof bereitgestellten Sanitä rcontainer nutzen.
Schon abends waren die neuen Wasserleitungen installiert, so dass eine Zapfstelle und
die Toilette provisorisch funktionierten. In der kalten Jahreszeit wurden elektrische
Radiatoren ausgeteilt. Dann folgten die nä chsten Maßnahmen, wie die
Untergrundvorbehandlung und die Montage der Steigerunterkonstruktion. Nach einer
Woche waren die Steigleitungen eingebaut, die neuen Heizkö rper angebracht und die
Schä chte geschlossen. Nach zwei bis hö chstens drei Wochen konnten die Mieter ihr
neues, elegantes Bad mit einem wandhä ngenden WC, wä rmenden Handtuchhalter und
den aus einem vorgegebenen Katalog selbst ausgesuchten Bodenfliesen genießen.

Durch verä nderte Anordnung der Objekte in den sehr kleinen Bä dern der Ein- und
Zweizimmerwohnungen versuchten die Architekten grö ßere Bewegungsfreiheit zu
schaffen. In manchen Fä llen half es, die Badezimmertü r nach außen aufzuschlagen, wenn
unbedingt eine Waschmaschine dort untergebracht werden sollte. In
Seniorenwohnungen tauschte man die Badewanne gegen eine bodengleiche Dusche. Ab
einer Wohnungsgrö ße mit drei Zimmern gab es neben dem Bad eine separate Toilette.
Die Architekten verzichteten auf dieses zweite WC und legten beide Rä ume zu einem
gerä umigen Bad zusammen, in dem auch die Waschmaschine Platz findet. Bei den
grö ßeren Wohnungen behielten die Architekten die separaten Toiletten bei, sorgten
aber durch Einbeziehung des benachbarten Abstellraums oder durch eine neue
Anordnung der Objekte fü r mehr Bewegungsraum. Im Haus Senftenberger Ring 44
schufen die Planer eine ganze Etage fü r ein „Leben in Wü rde“, indem sie drei grö ßere
Wohneinheiten zusammenlegten und die Bä der entsprechend ausstatteten.

Die Fassade und die Aufzugsaufbauten auf dem Dach erhielten eine 14 Zentimeter dicke
Dä mmung im Rahmen eines Wä rmedä mmverbundsystems. Dadurch rü cken die
Fensterflä chen ein wenig zurü ck. Die Fenster, 2008 bereits erneuert, wurden
weiterverwendet. An den Loggien wurden schwere Betonschä den behoben, der Boden
neu beschichtet. Der von Architekt Zimmermann liebevoll entworfene Gelä nderaufsatz
mit Rundstahl und Behä lter fü r die Blumenkä sten wurde repariert. Manche Mieter
hatten ihren Balkon verglast, doch wegen der Gefahr der Schimmelbildung musste die
Betonverglasung abgebaut werden. Nur in Ausnahmefä llen gestattete man den Mietern
stattdessen eine rahmenlose, belü ftete Loggiaverglasung anbringen zu lassen. Die
ursprü ngliche Farbgebung wollte die GESOBAU nicht wieder aufnehmen. Die Planer
wä hlten fü r die Fassade eine Farbkombination in verschiedenen Grau-Weiß-Stufen und
kontrastierten sie mit zwei verschiedenen, krä ftigen Rottö nen an den
Balkonbrü stungen, einigen Putzflä chen und den Dachaufbauten. Bei Sonnenschein
leuchtet das Gebä ude nahezu. Sicher sind die Mieter mit der Ausstrahlung ihres Hauses
sehr zufrieden, aber was hä tte Architekt Jo Zimmermann dazu gesagt?

Eine große Aufgabe war es auffindbare, großzü gige und einladende Eingangsbereiche zu
schaffen. Durch die Staffelung der Baukö rper ist jeder Eingang anders und erfordert

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einen auf die Situation zugeschnittenen Entwurf. Deshalb kam man auf die Idee, das
Vordach zu erweitern und es mit Farbe und Licht zu betonen. Je nach Gegebenheit ist
das Vordach weit auskragend oder auf das Notwendige begrenzt. Es wird, soweit
technisch mö glich, kombiniert mit einem großen, beleuchteten Nummernschild.
Andernfalls sind die Hausnummern in fetten Lettern an der Hauswand angebracht. Auf
der schmalen Lichtleiste am vorderen Rand des Vordachs ist die Adresse aufgedruckt.
Die Eingangstü ren, jetzt wä rmegedä mmte Aluminium-Glaskonstruktionen, wurden
versetzt, um ein grö ßeres Foyer zu schaffen. Teilweise gewä hrt eine zweite Eingangstü r
einen nur fü r die Mieter bestimmten Nebeneingang. Diplom-Bauingenieur Martin
Richter hat fü r diese Vorbauten vier grundsä tzliche Gestaltungs-Varianten entwickelt.
Letztlich erforderte jeder der 23 Eingä nge eine eigene Ausfü hrungsplanung. Etwas
entfernt vom Eingangsbereich, aber weithin sichtbar, stehen beleuchtete Stelen mit den
Hausnummern und weisen auf den Eingang hin. Zur Sicherheit wurde eine Videoanlage
installiert.

Vom Foyer aus kö nnen die Mieter sowohl den Haupteingang als auch den Hof erreichen.
In manchen Hä usern liegen die verglasten Tü ren einander gegenü ber, so dass die Mieter
bis in den grü nen Hof schauen kö nnen. In die meisten Foyers dringt viel Licht. Die in
zwei verschiedenen Rottö nen gestrichene Briefkastenanlage ist bü ndig in eine
kü nstlerisch gestaltete Wand aus Glaselementen eingebaut. Das im Siebdruck
aufgetragene Motiv – Ä ste im Frü hling - findet sich auch an manchen Glastü ren. Die
Wä nde sind weiß gestrichen, der Bodenbelag und die Treppenstufen wurden
ü berarbeitet. Vom Foyer aus fü hrt ein ebenfalls ü berholter Aufzug in die Wohnungen.
Auch die neu geordneten Rä ume fü r den Mü ll, fü r Fahrrä der, Kinderwagen und
Rollstü hle sowie die Keller sind vom Foyer aus zu erreichen. Dass auch drei Jahre nach
Abschluss der Modernisierung kein Vandalismus zu entdecken ist, spricht fü r die
Qualitä t der Architektur und der Verbesserungsmaßnahmen.

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