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Haar

Ein Haar (lateinisch pilus, capillus [Haupthaar], crinis, coma) ist


ein langer Hornfaden, der auf der Haut von Säugetieren wächst.
Haare bestehen im Wesentlichen aus Keratin. Alle Säugetiere
tragen auf ihrer Haut zumindest teilweise Haare, die Schleimhäute
sind immer unbehaart. Mit wenigen Ausnahmen (Handflächen,
Fingerinnenseiten, Fußsohlen, Brustwarzen, Lippenrot) ist die
gesamte äußere Haut des Menschen behaart. Bei der menschlichen
Behaarung (auch Haar als Kollektivum) unterscheidet man
Kopfhaar (Haupthaar, Barthaar und Augenbrauen) und
Körperhaar.
Ein Menschenhaar unter dem
Mikroskop
(Bildausschnitt: 0,6×0,4 Millimeter)
Inhaltsverzeichnis
Etymologie
Tierhaare, Fell
Das Haarorgan
Aufbau
Haarwurzel
Haarfollikel (Haarbalg)
Feinaufbau des Cortex
Biochemie des Haares
Haararten und ihre Lage beim Menschen
Zahlen für Haare beim Menschen
Haarformen
Haarwachstum
Haarzyklus
Schematischer Querschnitt durch die
Trichogramm
Haut mit Haarfollikel.
Entwicklung von Kopf- und Körperbehaarung
Haarkrankheiten
Aufgaben und Funktionen der Haare
Kunsthaar
Haare in Kunst und Literatur
Siehe auch
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
Etymologie
Die Bezeichnung mittelhochdeutsch, althochdeutsch hār, „Haar“, auch vom Tierfell gesagt, geht auf germ.
*hēra- „Haar“ zurück, das zu der idg. Wurzel ker[s] „starren; rauh, struppig sein“ gehört.[1]

Tierhaare, Fell
Die Behaarung ist die charakteristische Körperbedeckung aller Säugetierarten und wird meist als Fell oder
Pelz bezeichnet (mit Haut: Balg). Bei einigen Arten oder in bestimmten Lebensabschnitten und
Körperregionen werden jedoch kaum Haare gebildet. Man unterscheidet bei Tieren Fellhaare (Capilli, als
Leit- und Grannenhaare), Borstenhaare (Setae), Wollhaare (Pili lanei) und Langhaare. Außerdem besitzen
viele Säugetiere Vibrissen (Tasthaare). Daneben treten weitergebildete, verhornte Haare als Stacheln (z. B.
beim Igel) auf.

Das Haarorgan

Aufbau

Das Haar ist grob in drei


Schichten aufgebaut: Cuticula,
Cortex und Medulla.

Die äußerste Schicht, Cuticula


oder Schuppenschicht genannt,
besteht aus flachen,
übereinandergreifenden,
verhornten, abgestorbenen
Zellen, ähnlich zur Haarspitze Hierarchische Struktur von menschlichem Haar in Cortex und Cuticula.
orientiert wie bei einem
Tannenzapfen. Sie besteht aus
sechs bis zehn solcher Zelllagen. Die Schuppenschicht zeigt den Gesundheitszustand des Haares an. Beim
gesunden Haar liegt die Schuppenschicht flach an und ergibt so eine glatte, durchscheinende Oberfläche.
Das Licht wird optimal reflektiert und ergibt so den gesunden Glanz des Haares. Alkalisches Milieu öffnet
die Schuppen, saure Umgebung verschließt sie.

Der Cortex („Rinde“) – auch Faserschicht oder Faserstamm genannt – macht ca. 80 % des Haaranteils
aus. Hier spielen sich alle für den Friseur relevanten chemischen Prozesse ab. Der Cortex besteht aus
Faserbündeln, die aus einer großen Zahl feinster Keratinfasern, den Fibrillen, bestehen. Diese entstehen
vermutlich dadurch, dass sich Cortexzellen aneinanderlagern. Die Verbindung zwischen den beiden Zellen
wird durch den Zellmembrankomplex hergestellt, den man sich als eine Art Kittsubstanz vorstellen kann.
Die Reißfestigkeit und Elastizität des Haares sind auf diese Verkittung zurückzuführen.

In wenigen Fällen, und dann auch nur bei dicken Haaren, fällt eine starke Auflockerung der Faserstruktur
im Zentrum des Haares auf. In seiner Längsrichtung zeigt sich eine kanalförmig verlaufende, je nach
Haardurchmesser unterschiedlich breit auftretende und unregelmäßig angeordnete Masse. Die im
Faserstamm sonst so geordnete Struktur fehlt hier. Teilweise sind Hohlräume zu erkennen. Diesen Bereich
des Haares nennt man Markkanal oder einfach Mark (Medulla).

Haarwurzel
Im unteren Bereich der Lederhaut entsteht das Haar
an der Haarpapille. Im Bildungsbereich, der Matrix,
lagern zahlreiche Melanozyten, die ihre Pigmente
an das entstehende Haar abgeben. Die
keratinreichen Hornzellen wandern nach oben und
bilden dabei den Haarschaft, der sich innerhalb des
Follikels zur Hautoberfläche schiebt.

Haarfollikel (Haarbalg)

Der Haarschaft (Scapus) liegt in einer länglichen


Einstülpung der Oberhaut, dem Haarfollikel oder
Haarbalg (Folliculus pili), an dessen unteren Ende
das Haar in der Haarwurzel (Radix pili) gebildet
wird. In den Follikel mündet eine Talgdrüse,
manchmal auch eine Duftdrüse.
Schnitt durch die Schematischer
Der Haarfollikel ist seiner Länge nach von einer
Haarzwiebel Längsschnitt der
inneren und einer äußeren epithelialen
Haarwurzel
Haarwurzelscheide umgeben.

Die äußere Haarwurzelscheide kann als Fortsetzung des Stratum basale epithelii (= Stratum germinativum
epithelii) in den Haartrichter aufgefasst werden. Unter dem Haartrichter versteht man die trichterförmige
Einsenkung der Haut an der Stelle, wo das Haar aus der Haut austritt. Die äußere Haarwurzelscheide
umgibt den in der Haut verlaufenden Teil des Haares, die Haarwurzel und bildet eine Hülle um die innere
Haarwurzelscheide, die mit ihren gegen die Haarwurzel gerichteten Hornschüppchen (s. Abb.) das
wachsende Haar im Follikel hält.

Der histologische Schrägschnitt Haarfollikel. Mx: Matrixzellen, DP:


der menschlichen Kopfhaut zeigt Haarpapille, HS: Haarschaft, IRS:
in unterschiedlicher Höhe innere Schicht der Haarwurzel,
angeschnittene Haarfollikel ORS: äußere Schicht der
(Hämatoxylin-Eosin-Färbung) Haarwurzel

Die innere Haarwurzelscheide umgibt sowohl die Haarwurzel als auch den Haarschaft im Follikel und
stammt von am äußeren Rand der Haarwurzel gelegenen Matrixzellen ab. Sie lässt sich weiter
untergliedern in:

Henle-Schicht (äußerste Schicht)


Huxley-Schicht (mittlere Schicht)
Kutikula (innerster, der Haarwurzel, respektive der Wurzelrinde anliegender Teil der inneren
Haarwurzelscheide)

Die Zellen der inneren epithelialen Haarwurzelscheide verhornen ebenfalls und verankern das Haar im
Follikel: Ihre Hornschuppen sind gegen die Wurzel gerichtet, die Schuppen des Haares dagegen zur
Haarspitze, wodurch sie verzahnt sind.

Die äußerste Hülle, die bindegewebige Wurzelscheide, verankert den Follikel in der Dermis. An ihr setzt,
außer bei Primärhaaren (Deck- und Fellhaare), der aus glatter Muskulatur bestehende kleine
Haaraufrichtemuskel (Musculus arrector pili, auch Haarbalgmuskel oder Pilomotor) an. Er richtet das Haar
bei Kälte oder psychischen Einflüssen wie Erregung und Wut auf. Beim Menschen nennt man die durch
das Aufrichten der Haare (Piloerektion) entstehende Hautstruktur auch Gänsehaut. Die zur äußeren
Wurzelscheide gerichtete Schicht platter Epithelzellen der inneren Wurzelscheide wird auch als Henle-
Schicht bezeichnet.

Schließlich umwickeln einige Nervenfasern den Follikel und erfüllen als Haarfollikelrezeptoren
Tastfunktionen.

Feinaufbau des Cortex

Der Cortex (Faserstamm) besteht aus langgestreckten, ca. 5 µm dicken Cortexzellen. In den Cortexzellen
sind 20–30 Makrofibrillen eingelagert, die den Haaren die Festigkeit geben. Eine Makrofibrille
(Durchmesser 300 nm) enthält Hunderte von Mikrofibrillen (Durchmesser 7–10 nm), diese wiederum
Protofibrillen, bestehend aus helixförmigen Keratin-Molekülen. Die Fasern sind untereinander über
Schwefelbrücken verbunden und mechanisch miteinander verdrillt. Die Cortexzellen sind in eine Art Kitt
eingebettet (isotropes Keratin).

Biochemie des Haares


Die am Aufbau der Haare beteiligten Substanzen bestehen hauptsächlich aus den Elementen Kohlenstoff
(50 %), Sauerstoff (23 %), Stickstoff (17 %), Wasserstoff (6 %) und Schwefel (4 %). Unter normalen
Bedingungen hat menschliches Haar einen Wasseranteil von 10 %, der seine mechanischen Eigenschaften
erheblich beeinflusst. Je nach Feuchtigkeit der umgebenden Luft kann der Wasseranteil über Diffusion von
Wasserdampf auf über 30 % ansteigen. Andererseits wirkt Haar wasserabstoßend, weil insbesondere auch
die äußere Cuticula Lipide wie Fette, Fettsäuren, Sphingolipide (Ceramide, Sphingomyeline, Cerebroside
und Ganglioside) und Steroide wie Cholesterol und seine Derivate (v. a. Cholesterolsulfat) enthält.

Der Cortex, also der Hauptteil des Haares, besteht im Wesentlichen aus natürlichen Polymeren: 90 Prozent
des Trockengewichtes sind Proteine (Eiweiße), die als Keratine bezeichnet werden. Die Konformation ist
überwiegend helikal (Peptid-Spirale). Die Haarproteine werden durch kovalente Disulfidbrücken zwischen
Cysteinresten zusammengehalten, aber auch durch schwächere Dipol-Dipol-Wechselwirkungen sowie
Wasserstoffbrückenbindungen und Van-der-Waals-Kräfte. Die Keratine bilden dabei Filamente, die sich
wiederum zu Makrofibrillen zusammenlagern.

Keratin ist chemisch sehr stabil – in ägyptischen Gräbern wurde nahezu intaktes Haar gefunden. Eine
Veränderung des Cystein-Anteils führt zu einer Änderung der Steifigkeit des Haares. Die Eigenschaften
von Keratin bedingen alle chemisch relevanten Prozesse, die die Form oder Art einer Frisur ausmachen.
Die Disulfidbrücken werden z. B. durch Dauerwellprodukte wie Thioglycolat gespalten, wodurch die
Vernetzung vorübergehend aufgehoben wird. Wasserstoffbrücken im Keratin werden dagegen leicht
gelockert und ermöglichen eine Umformung des Haares, beispielsweise durch Föhnen, Eindrehen oder
durch Anfeuchten und in Form Trocknen.
Melanine sind für die Haarfarbe verantwortlich. Eumelanin
bestimmt dabei Töne von Braun bis Schwarz. Phäomelanin ist für
blonde bis rote Haare farbbestimmend. Das Dilute-Gen ist für
graue bis isabellfarbene Haarfarben verantwortlich. Bei Menschen
mit Albinismus sind die Haare aufgrund des Fehlens von
Melaninen weiß bis hellblond. Der UV-Anteil im Sonnenlicht
kann, insbesondere bei Einwirkung von Salzen (z. B. im
Meerwasser) und Sauerstoff, das Melanin bleichen. Ähnliche
Farbtöne werden beim Blondieren mit Wasserstoffperoxid erzielt.
Bei einer Ausbleichung oder einer Blondierung verändert sich
jedoch auch die Struktur des Haars.

Deutsche und britische Forscher veröffentlichten im März 2009


eine Studie, in der sie feststellten, dass die Graufärbung von Haaren
im Alter Folge eines geringeren Abbaus von Wasserstoffperoxid in
den Haaren ist.[2]
Schematische Darstellung von
Disulfidbrücken innerhalb eines
Daneben enthalten Haare eine große Anzahl von Spurenelementen
Keratinmoleküls; die α-helikale
und auch Medikamentenrückstände. Einige Stoffe sind dabei durch
Struktur von Keratin ist zur Klarheit
Umwelteinflüsse bestimmt oder durch unterschiedliche Ernährung
des Schemas nicht berücksichtigt.
und Lebensweise variabel.

Haararten und ihre Lage beim Menschen


Man kann drei Haarsorten unterscheiden:

Lanugohaar
Vellushaar
Terminalhaar

Zahlen für Haare beim Menschen

Wachstumsrate und Haardurchmesser sowie die Anzahl der Haare sind genetische Faktoren, die bei jeder
Person unterschiedlich sein können. Dennoch schwankt die Anzahl der Haare je nach Haarfarbe innerhalb
bestimmter Bereiche. So haben Blonde durchschnittlich 150.000, Schwarzhaarige 110.000, Brünette
100.000 und Rothaarige 75.000 Kopfhaare.

Anzahl der Kopfhaare: ca. 0–150.000


Anzahl der Haare am gesamten Körper: ca. 5.000.000
Haardichte: ca. 200 Haare/cm²
täglicher Kopfhaarverlust: ca. 60–100 Stück
Wachstumsrate: ca. 0,33 mm/Tag, mithin etwa 1 cm/Monat
Haardurchmesser: 0,04 mm (Vellushaare) bis 0,12 mm (Terminalhaare)
Zugfestigkeit: ca. 200 N/mm²
Elastizitätsmodul: 125 N/mm²[3]
Lebensdauer der Haarwurzel: ca. 6–8 Jahre

Haare wachsen ständig. (Das Haarwachstum endet mit dem Tod, das scheinbare Wachstum der Barthaare
bei Verstorbenen beruht allein auf der Schrumpfung der Haut durch Wasserverlust.)
Haarformen

Die Art der Haarausbildung (glatt, gewellt, gelockt, kraus) hängt


maßgeblich von der Haarform, also dem Haarquerschnitt, ab.
Haare von Ostasiaten und den meisten amerikanischen
Ureinwohnern haben einen runden Querschnitt, wodurch sie in der
Regel sehr glatt sind. Das Haar von Menschen indoeuropäischer
Abstammung sowie von Polynesiern und australischen Aborigines
weist zumeist einen runden bis ovalen Querschnitt auf, wodurch
die Haare glatt bis gewellt sind oder zur Bildung von Locken
neigen. Menschen aus Subsahara-Afrika und Melanesien sowie die
San-Frau mit typischem
dunkelhäutige Urbevölkerung des malaiischen Raumes haben Pfefferkornhaar
dagegen Haare mit stark elliptischem Querschnitt; darum bilden
ihre Haare meist sehr starke, kleine Locken (Kraushaar).

Eine besondere Haarform mit scheinbar spiralig zusammengedrehten Haarbüscheln, zwischen denen die
Kopfhaut sichtbar ist, wird als Filfil oder „Pfefferkornhaar“ bezeichnet. Sie kommt nahezu ausschließlich
bei den Nachkommen der ältesten menschlichen Population vor,[4] die nach Untersuchungen von
Humangenetikern vor mindestens 100.000 Jahren von jenen anderer Populationen abzweigte und die heute
bei den Khoisan und den Mbuti-Pygmäen zu finden ist.[5]

Haarwachstum
Haare wachsen in Zyklen, ein Haarfollikel durchläuft dabei mehrere Phasen, die als Haarzyklus bezeichnet
werden. Kopfhaare wachsen pro Tag 0,3 bis 0,5 mm, in einem Jahr ca. 15 cm. Für die resultierende
Haarlänge ist aber neben der Wachstumsleistung auch die Dauer des anhaltenden Wachstums entscheidend.
Während viele Tiere saisonalbedingt ein- oder zweimal im Jahr Haarausfall erleben, wächst das Haupthaar
des Menschen über mehrere Jahre hindurch, bei Frauen länger als bei Männern, bis zum Ausfall des
(langen) Haares. Die Größe des Wachstums hängt von individuellen Faktoren sowie vom Zeitpunkt im
Haarzyklus ab.

Die verbreitete Annahme, Körperhaare (Barthaare, Beinhaare) würden durch regelmäßiges Rasieren
schneller oder vermehrt wachsen, ist falsch.[6][7]

Haarzyklus
Anagenphase: In dieser Wachstumsphase bildet sich eine neue Haarwurzel, und die
Produktion eines Haares beginnt. Die Anagenphase dauert beim menschlichen Kopfhaar
ca. zwei bis sechs Jahre, abhängig von Alter, Geschlecht und spezifischer Stelle. Etwa 85–
90 % der Haare auf der Kopfhaut befinden sich in dieser Phase. Haare in der Anagenphase
nennt man „Papillarhaare“.
Katagenphase: In dieser etwa 2 bis 3 Wochen dauernden Übergangsphase stellt die Matrix
ihre Zellproduktion ein und der Haarfollikel verengt sich im unteren Bereich. Das Haar löst
sich von der Papille und verkümmert. Der Haarfollikel verkürzt sich. In dieser Phase
befinden sich ca. 1 % aller Haare, die dann als „Beethaare“ bezeichnet werden.
Telogenphase: Mit dieser Endphase, in der sich bis zu 18 % der Kopfbehaarung befindet,
erneuert sich die Haarpapille und der Haarfollikel regeneriert sich. Die Matrix entsteht
wieder und beginnt mit der Zellteilung, wodurch ein neues Haar entsteht. Dieser Abschnitt
des Haarzyklus dauert 2 bis 4 Monate. Die Haare in der Telogenphase nennt man
„Kolbenhaar“.
Darüber hinaus wird bei Tieren eine Kenogenphase unterschieden.
Sie beginnt nach dem Ausfall des Haares und endet mit dem
Beginn eines neuen Haarzyklus. Über diese haarlosen Haarfollikel
wird die unterschiedliche Felldichte im Sommer- bzw. Winterfell
gesteuert.[8]

Trichogramm

Bei Verdacht auf strukturelle Schäden der Haare oder zur


Abklärung eines Haarausfalls wird ein Trichogramm angelegt.
Dazu werden mit einer Pinzette 50 bis 100 Haare ausgezupft
(nachdem drei Tage lang nicht gewaschen und nur vorsichtig
gekämmt wurde). Unter dem Mikroskop werden anschließend die
Haarwurzeln beurteilt und den einzelnen Wachstumsphasen
zugeordnet. Normalwerte: Anagenhaare 85 Prozent, Katagenhaare
1 %, Telogenhaare 13 %. Der Rest entfällt auf defekte Haare. Seit
einigen Jahren wird häufig anstelle des Trichogramms ein
Computertrichogramm durchgeführt. Dabei werden in einem
kleinen Areal die Haare gekürzt und nach zwei Tagen mit einer
Kamera aufgenommen. Auf diese Weise kann der Anteil der
Anagenhaare (gewachsene Haare) bestimmt werden, ohne die
Nicht jeder kann so langes Haar
Haare auszuzupfen.
bekommen wie Marianne Ernst
(deutsches „Long hair Model“).
Anfang März 2016 waren ihre Haare
Entwicklung von Kopf- und Körperbehaarung
174 cm lang. Haarlängen über einen
Meter sind selten, weil die
Der gesamte menschliche Körper ist bis auf wenige Ausnahmen Lebensspanne eines Haares dafür
von Haaren bedeckt. Zu unterscheiden sind das Kopfhaar, die sorgt, dass sie vorher ausfallen und
Schambehaarung und die übrige Körperbehaarung, da sie in Bezug das neue Haar in seiner Entwicklung
auf die Sensibilität auf Androgene jeweils anderen wieder ganz von vorne anfängt
Entwicklungsmodalitäten folgen.

Bei Geburt kann Kopfhaar gebildet sein, welches allerdings häufig nicht bleibt. Das Kopfhaar wird danach
bereits in der frühen Kindheit als Terminalhaar ausgebildet. Die Körperbehaarung besteht zunächst
vollständig aus Vellushaar und entwickelt sich erst später, in der Pubertät, an bestimmten Stellen zu
Terminalhaar. Ausnahmen bilden allerdings die Wimpern und Augenbrauen, die wie das Kopfhaar bereits
vom Kindesalter als Terminalhaar vorhanden sind.

Mit der Pubertät beginnen in aller Regel auch Scham- und Achselbehaarung üppiger zu wachsen, beim
Mann auch der Bart, später meist auch auf Brust und Schultern.

Mit dem Alter, oft auch vorzeitig, vermindert sich das Wachstum des Haupthaares, vor allem vieler Männer.
Umgekehrt nimmt das Haarwachstum an den Oberlippen von Frauen zu. Auch an Ohrläppchen, Füßen
und Nase nimmt das Haarwachstum meist zu.

Haarkrankheiten
Haarkrankheiten können auf unterschiedlichste Ursachen zurückgeführt werden. Dazu gehören genetische,
hormonelle oder Einflüsse der Umwelt.

Alopezie (Haarausfall)
Hypotrichose (Haarmangel)
Hypertrichose (Überbehaarung)
Trichiasis (Einwärtskehrung der Wimpern und Reiben auf der Hornhaut)
Monilethrix (brüchige Haare durch Haarveränderung)
Trichorrhexis nodosa (knotig verdickte Stellen, brüchige Haare)
Trichomycosis palmellina (bakterielle Besiedelung der Haarschäfte)
Hirsutismus (männlicher Behaarungstyp bei Frauen)
Albinismus (Farblosigkeit infolge Melaninmangels, mit weißem Haarkleid)
Pili annulati (Ringelhaare, erblich bedingte Streifung der Haare)
Trichofollikulom (gutartiger Tumor der Haarfollikel)
Pilomatrixom (gutartiger, verkalkender Hauttumor der Haarmatrix)
Trichotillomanie (zwanghaftes Ausreißen der Haare, im engeren Sinne keine Haar-,
sondern eine psychische Krankheit)
Bandhaar (abgeflachter Querschnitt der Haare)
Weiterhin gibt es einige Arten der Dermatomykose (hauptsächlich der Dermatophytose), die
sich verschiedentlich auf das Haarwachstum auswirken können. Die Krankheitserreger
befallen hierbei die Haarbälge bzw. -follikel.

Labortiere mit genetisch bestimmten Haaranomalien werden zur molekularbiologischen Aufklärung


gezüchtet (Nacktmäuse oder andere[9]).

Aufgaben und Funktionen der Haare


Die Behaarung erfüllt mehrere Funktionen:

Wärmedämmung: Haare verhindern ein zu rasches Abkühlen


(Hypothermie) des Körpers. Bei den meisten Säugetieren bildet
die dichte Behaarung ein Fell aus Deckhaar (Oberhaar) und
Wollhaar (Unterwolle), das der Wärmeregulation dient.
Tasten: durch Nervenfasern am Haarbalg dienen die Haare
dem Tastsinn. Es gibt spezielle Tasthaare.
Tarnung: Die Behaarung oder das Fell besitzt meist
Farbpigmente und bestimmt das Aussehen eines Tieres. Bei
einigen Tieren passt sich die Fellfarbe der Jahreszeit an – sie
ist beispielsweise im Winter heller (siehe auch Fellwechsel).
Lichtschutz: Haare absorbieren UV-Strahlung sowie Infrarotlicht 1740 Ichs, Detailansicht
(Wärmestrahlung) und schützen somit vor schädlichen
Einflüssen des Sonnenlichts.[10]
Feuchtigkeitsschutz gegen Regen und beim Schwimmen, in Kombination mit Einfetten (z. B.
Bibergeil (Castoreum) des Bibers). Fehlende Talgdrüsen (z. B. bei Moschusochsen)
machen die Tiere anfällig gegen Regen.
Beispielsweise beim Pferd dient das Schweifhaar von Mähne und Schweif dem Vertreiben
von Insekten.
Imponier- und Drohfunktionen: Scheinbare Vergrößerung eines Tieres durch temporäres
Aufrichten des Fells oder festgelegte Verteilung des Haarkleids (Drohverhalten).
Bessere Verbreitung von körpereigenen Duftstoffen, wie z. B. Pheromonen.
Feuchtigkeitsregulierung: Die Haut ist mit Schweißdrüsen versehen. Überschüssige
Feuchtigkeit wird von den Haaren abgeleitet.
Kunsthaar

Folgende Produkte werden aus Kunsthaar gefertigt.

künstliche Wimpern
Haarverlängerung (englisch Extensions) (Haarteile/Echthaar bis Kunstfaser)
Toupet, Perücke, künstlicher Zopf

Rauchwaren (Pelze und Felle)

Haare in Kunst und Literatur


1740 Ichs (Roland Becher, 2006), Mosaik aus 1740 Kunstharzwürfeln mit eingegossenen
Haaren von 1340 Gemeindebürgern im Gemeindehaus von Sulzberg (Vorarlberg), Länge
8 m, Höhe 2,5 m,
Rapunzel, Märchen der Brüder Grimm: Ein Prinz klettert am Haarzopf zur späteren
Prinzessin, die in einen Turm gesperrt ist.
Struwwelpeter, Kinderbuch (1845) von Heinrich Hoffmann

Rapunzel, Struwwelpeter
Illustration von Paul
Hey (1910)

Siehe auch
Enthaarung (Epilation oder Depilation)
Spliss
Haartransplantation
Deutsche Frauenhaar-Sammlung

Literatur
Naturwissenschaftliche Literatur

H. Zahn: Das Haar aus der Sicht des Chemikers. In: Chemie in unserer Zeit. 23. Jahrg.
1989, Nr. 5, S. 141, ISSN 0009-2851
Constantin E. Orfanos (Hrsg.): Haar und Haarkrankheiten. Fischer, Stuttgart/ New York
1979, ISBN 3-437-30282-5.
Arthur R. Rook, Rodney P. R. Dawber: Haarkrankheiten. Diagnose und Therapie. Blackwell,
Berlin 1995, ISBN 3-89412-102-5.
Robert Sauer: Asiatische und europäische Humanhaare – ethnische Unterschiede und ihre
Relevanz für den Dauerwellprozeß. Dissertation. RWTH, Aachen 2001 (Volltext (http://nbn-r
esolving.de/urn:nbn:de:hbz:82-20020636)).
Hans Geyer: Haare. In: Salomon/Geyer/Gille (Hrsg.): Anatomie für die Tiermedizin. 2. erw.
Auflage. Enke-Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8304-1075-1, S. 637–640.

Sonstige Literatur

Stefanie Adomeit: Aspekte einer literarischen Obsession – das Haar als Fetisch-Motiv des
19. Jahrhunderts. Dissertation. Universität Freiburg im Breisgau, 2007 (Volltext (http://www.fr
eidok.uni-freiburg.de/volltexte/3287/)).
Kim Bagus, Franz Josef Görtz (Hrsg.): Glatze, Zopf und Dauerwelle. Ein haariges Lesebuch.
Reclam, Leipzig 1996, ISBN 3-379-01560-1.
Christian Janecke (Hrsg.): Haar Tragen. Eine Kulturwissenschaftliche Annäherung. Böhlau,
Wien/ Köln 2004, ISBN 3-412-19103-5.
Michel Odoul, Rémy Portrait: Was Haare verraten. Aurum, Braunschweig 2000, ISBN 3-591-
08472-7 (psychologischer Ansatz).
Imke Barbara Peters: Es wächst auf Dir. Unterhaltsames, Kurioses, Amüsantes,
Wissenswertes über Haare. Stam, Köln 1997, ISBN 3-8237-7438-7.
Ralph M. Trüeb, Doris Lier: Hauptsache Haar. Das Haar im Spiegel von Medizin und
Psychologie. Rüffer und Rub, Zürich 2002, ISBN 3-907625-13-7.

Weblinks
Wiktionary: Haar – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Haar (https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Hair?uselang=de) – Sammlung
von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Haar – Zitate
wissenschaft.de: Warum Haare ständig wachsen (https://www.wissenschaft.de/umwelt-natu
r/warum-haare-staendig-wachsen/) – Forscher: In der Frühzeit der menschlichen
Entwicklung zeigte die Frisur den sozialen Status an (Bericht über einen Artikel in New
Scientist, 4. November 2006, S. 39).
Hessischer Rundfunk: Kleine Kulturgeschichte des Körpers: (1) Das Haar (http://mp3.bildun
g.hessen.de/hr2/2009/20090620_mxUser522_00bd1d81_09_063.mp3) (15. Juni 2009,
Audio-Datei, MP3; 6,6 MB)

Einzelnachweise
1. Das Herkunftswörterbuch (= Der Duden in zwölf Bänden. Band 7). 5. Auflage. Dudenverlag,
Berlin 2014, S. 359 (books.google.de (https://books.google.de/books?id=KqvWCgAAQBAJ
&pg=PA59&dq=Haar)).
Haar. (https://www.dwds.de/wb/Haar) In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache.
Abgerufen am 1. Februar 2021 (Abschnitt Etymologie).
Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20.
Auflage, hrsg. von Walther Mitzka. De Gruyter, Berlin / New York 1967; Neudruck („21.
unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 278.
2. Wasserstoffperoxid ist Schuld an grauen Haaren. (https://www.spiegel.de/wissenschaft/men
sch/schwindende-farbe-wasserstoffperoxid-ist-schuld-an-grauen-haaren-a-611301.html) In:
Spiegel-online. Wissenschaft. 4. März 2009.
3. G. Sobottka, A. Weber: Geometrische und Physikalische Eigenschaften von Human-Haar. (h
ttp://cg.cs.uni-bonn.de/aigaion2root/attachments/cg-2003-1.pdf) (PDF) Universität Bonn,
Januar 2003, abgerufen am 12. Februar 2019.
4. Duden – Das große Fremdwörterbuch: Herkunft und Bedeutung der Fremdwörter.
Dudenverlag, Mannheim / Leipzig / Wien/ Zürich 2013.
5. Gary Stix: Wie hat sich die Menschheit ausgebreitet? In: Spektrum der Wissenschaft.
Spektrumverlag, Heidelberg September 2009.
6. Christoph Drösser: Rasieren nutzlos. (http://www.zeit.de/stimmts/1998/1998_13_stimmts)
auf: ZEIT online. Wissen. 25. März 1998.
7. Yelva L. Lynfield, Peter Macwilliams: Shaving and Hair Growth. In: Journal of Investigative
Dermatology. Band 55, Nr. 3, 1970, S. 170–172, doi:10.1111/1523-1747.ep12280667 (http
s://doi.org/10.1111/1523-1747.ep12280667).
8. Meike Horn: Post-clipping Alopezie vs. Alopecia X - Fakten, Diagnostik und
Therapieansätze. In: veterinärspiegel Heft 4 2017, S. 135–140.
9. Jörg Ehrhardt: Pathomorphologische Charakterisierung der neuen hypotrichen
Mausmutante sht/sht. (https://www.yumpu.com/de/document/view/20668086/pathomorpholo
gische-charakterisierung-der-neuen-hypotrichen-) (PDF; 2,6 MB) Inaugural-Dissertation.
Tierärztliche Hochschule Hannover, 1997.
10. María Victoria de Gálvez, José Aguilera, Jean-Luc Bernabó, Cristina Sánchez‐Roldán,
Enrique Herrera‐Ceballos: Human Hair as a Natural Sun Protection Agent: A Quantitative
Study. In: Photochemistry and Photobiology. Band 91, Nr. 4, 2015, ISSN 1751-1097 (https://z
db-katalog.de/list.xhtml?t=iss%3D%221751-1097%22&key=cql), S. 966–970,
doi:10.1111/php.12433 (https://doi.org/10.1111/php.12433).

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Diese Seite wurde zuletzt am 12. Dezember 2021 um 23:00 Uhr bearbeitet.

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