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Fomepizol, Ethanol oder Dialyse bei

lebensbedrohlicher Ethylenglykolvergiftung?

N. Drick, J. J. Schmidt, O. Wiesner &


J. T. Kielstein

Medizinische Klinik - Intensivmedizin


und Notfallmedizin

ISSN 2193-6218

Med Klin Intensivmed Notfmed


DOI 10.1007/s00063-020-00718-8

1 23
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1 23
Medizinische Klinik Author's personal copy
Intensivmedizin und Notfallmedizin

Übersichten

Med Klin Intensivmed Notfmed N. Drick1 · J. J. Schmidt2 · O. Wiesner1 · J. T. Kielstein3


https://doi.org/10.1007/s00063-020-00718-8 1
Klinik für Pneumologie, Zentrum Innere Medizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover,
Eingegangen: 14. März 2020 Deutschland
Überarbeitet: 25. Mai 2020 2
Klinik für Nephrologie, Zentrum Innere Medizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover,
Angenommen: 4. Juli 2020
Deutschland
3
© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Medizinische Klinik V, Nephrologie | Rheumatologie | Blutreinigungsverfahren, Städtisches Klinikum
Springer Nature 2020 Braunschweig, Braunschweig, Deutschland

Redaktion
M. Buerke, Siegen
Fomepizol, Ethanol oder Dialyse
bei lebensbedrohlicher
Ethylenglykolvergiftung?

Neben Urämie, Ketoazidose und Laktat- Falldarstellung die weitere klinische Untersuchung von
azidose sind es Vergiftungen (Ethylen- Abdomen und Extremitäten ergab einen
glykol, Acetylsalicylsäure, Methanol und Anamnese unauffälligen Befund.
Paracetamol), die typischerweise mit
einer metabolischen Azidose mit Anio- Ein 60 Jahre alter türkischer Mann mit Labor
nenlücke einhergehen. Auch zuzeiten des einem Körpergewicht von 65 kg nahm Eine schwere metabolische Azidose (pH
Euro hilft das Akronym GOLD-MARK, in suizidaler Absicht Frostschutzmittel 7,13; Laktat 30 mmol/l, Anionenlücke
sich diese zu merken (. Infobox 1; [6]). zu sich. Nach Ingestion des Ethylengly- 23,3 mmol/l; . Tab. 1) sowie ein erhöh-
Ethylenglykol ist ein zweiwertiger, süß- kols war der Patient von einem Bekann- tes Serumkreatinin (115 μmol/l) zeigten
lich schmeckender Alkohol, der u. a. ten verwirrt und mit verminderter Vi- sich bei Aufnahme. Im Urindrogens-
Scheibenwaschwasser oder Kühlwasser gilanz in seiner Wohnung liegend auf- creening konnten Opiate nachgewiesen
als Frostschutz beigemischt wird. Ethy- gefunden worden. Neben dem Patienten werden. Die Parameter der klinischen
lenglykol hat als Alkohol einen direkten lag eine Flasche Frostschutzmittel (Aral Chemie sowie das Blutbild waren bis auf
Effekt auf das zentrale Nervensystem, Antifreeze, silikatfrei, 40 Vol.-% Ethylen- ein minimal erhöhtes C-reaktives Prote-
gefährlich sind jedoch die Metaboliten, glykol). Kurz zuvor hatte sich der Patient in von 11 mg/l (Normwert: bis 8 mg/l),
insbesondere Glykolat, aber auch Oxalat, mit Unwohlsein selbstständig bei einem eine y-Glutamyltransferase von 68 U/l
zu denen Ethylenglykol durch die Al- Schnellimbiss in seinem Haus gemeldet. (Normwert: bis 55 U/l), Aspartat-Ami-
koholdehydrogenase metabolisiert wird. Bei Eintreffen des Notarztes war der Pa- notransferase von 49 U/l (Normwert: bis
Das Giftinformationszentrum Nord be- tient vigilanzgemindert, aber erweckbar. 35 U/l), Alanin-Aminotransferase von
richtete für 2018 insgesamt 21 Vergif- Es erfolgte der umgehende Transport in 54 U/l (Normwert: bis 45 U/l), Laktat-
tungsfälle mit Ethylenglykol [3]. Ethy- die Klinik und die Aufnahme auf die In- Dehydrogenase von 275 U/l (Norm-
lenglykol hat ein Molekulargewicht von tensivstation. wert: bis 248 U/l) sowie eine Leukozy-
62 Da und ist nicht proteingebunden. tose von 15,2 Tsd./μl (Referenzintervall
Daher ist es auch aufgrund des geringen Aufnahmebefund 4,4–11,3 Tsd./μl) unauffällig. Die erste
Verteilungsvolumens von 0,64 l/kg gut Bei Aufnahme hatte der Patient einen
durch Dialyse zu entfernen. Die ora- GCS(Glasgow Coma Scale)-Score von
le Bioverfügbarkeit beträgt 100 %. Ab 9. Eine weiterführende Anamnese war Infobox 1 Mnemonik GOLD-
100 ml Ethylenglykol sind Todesfälle bei nicht möglich. Hämodynamisch und MARK nach [6]
Erwachsenen beschrieben, wobei die respiratorisch zeigte sich der Patient sta-
Mortalität mit der Höhe des Blutspiegels bil (Blutdruck: 131/65 mm Hg, Herzfre- 4 G – „glycols (ethylene glycol & propylene
glycol)“
[12] und der Schwere der metabolischen quenz: 47/min, periphere Sättigung unter 4 O – „oxoproline, a metabolite of paraceta-
Azidose korreliert [2]. Raumluft: 100 %). Bei der körperlichen mol“
Untersuchung waren die Pupillen isokor 4 L – „L-lactate/lactic acidosis“
und beidseits lichtreagibel; Herzakti- 4 D – „D-lactate“
on rhythmisch, keine Nebengeräusche; 4 M – „methanol“
4 A – „aspirin“
Lunge: vesikuläres Atemgeräusch sei- 4 R – „renal failure“
tengleich, keine Nebengeräusche. Auch 4 K – „ketoacidosis“

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Übersichten

Tab. 1 Arterielle Blutgasanalysen, errechnete Osmolalität und Parameter zur Berechnung der osmotischen Lücke im Verlauf der intermittierenden
Dialyse und der anschließenden verlängerten intermittierenden Dialyse („PIRRT prolonged intermittent hemodialysis“)
Laborwert Start Dialyse 105 min 150 min Ende 70 min PIRRT 360 min Ende PIRRT
Dialyse Dialyse Dialyse PIRRT
T+ 0 T + 1:45 h T + 2:30 h T + 4:50 h T + 6:20 T + 11:10 T + 22 h
pH 7,11 7,39 7,44 7,50 7,49 7,48 7,49
HCO3 (mmol/l) 5 12 16 21 23 26 25
Na+ (mmol/l) 146 141 140 140 139 137 137
Chlorid 119 114 113 111 109 108 110
Laktat (mmol/l) 15 11 9 5 4 2 1
Anionenlücke 22 15 11 8 7 3 2
Osmolalität (mosmol/kg) 300 289 286 285 283 280 279
Glukose (mmol/l) 6,7 6,3 6,2 5,7 5,8 5,7 5,8
Harnstoff (mmol/l) 9,2 – – – – 1,0 –
Ethanol (g/l) 0,9 – – – – – –
Osmotische Lücke (mos- –27 – – – – – –2
mol/kg)

Tab. 2 Fomepizoldosierung in mg/kgKG


Initialdosis 2. Dosis (nach 12 h) 3. Dosis (nach 24 h) 4. Dosis (nach 36 h) 5. Dosis 6. Dosis (nach 60 h)
(nach 48 h)
14 10 10 10 7,5–15 5–15

verfügbare Ethylenglykolkonzentrati- initialer Blutfluss 200 ml/min, Dialysat- und sind für 5–10 % aller Notarzteinsätze
on vor der verlängerten Dialyse betrug fluss: 100 ml/min, Ultrafiltrationsrate: verantwortlich [7]. Für einige Substan-
1230 mg/l, lag jedoch erst nach Abschluss 50 ml/min). Gegen Ende der verlän- zen stehen Antidota zur Verfügung. Hier-
der Akutbehandlung vor. Im Urin fanden gert intermittierenden Dialyse wurde zu gehört der Inhibitor der Alkoholde-
sich die für die Ethylenglykolvergiftung das dann verfügbare Fomepizol in einer hydrogenase Fomepizol, der bei Metha-
typischen Oxalatkristalle. Dosis von 80 mg intravenös verabreicht. nol- und Ethylenglykolvergiftungen ein-
Zwölf und 24 h nach der Erstgabe von Fo- gesetzt wird. Die Indikationen zur Ga-
Diagnose mepizol erfolgten erneute Gaben dieses be von Fomepizol bei der Ethylengly-
Es wurde die Diagnose einer schweren Medikaments in der gleichen Dosis. Das kolvergiftung sind Ethylenglykolserum-
metabolischen Azidose mit positiver An- in diesem Fall eingesetzte GENIUS-Dia- level ≥20 mg/dl, eine glaubhafte Aufnah-
ionenlücke durch Mischintoxikation mit lysesystem bietet bei der Behandlung von me von Ethylenglykol und eine Osmola-
Ethylenglykol und Opioidanalgetika in Intoxikationen den Vorteil, dass nach der litätslücke >10 mosm/kg. Da Ethylengly-
suizidaler Absicht gestellt. Behandlung die Gesamtmenge des elimi- kolspiegel nicht flächendeckend (schnell)
nierten Stoffs im gesammelten Dialysat verfügbar sind, reicht auch der klinische
Therapie und Verlauf und Ultrafiltrat gemessen werden kann Verdacht auf Intoxikation in Kombinati-
Nach Aufnahme erfolgte umgehend [5]. Im gesamten gesammelten Dialysat on mit mindestens zwei der nachfolgen-
eine Therapie mit Ethanol (10 %ige und Ultrafiltrat beider Verfahren fand den Kriterien aus (Azidose mit pH <7,3;
Lösung) parenteral (Initialdosis 0,6 g/ sich zusammen eine Menge von 167 g Serumbikarbonat <20 mmol/l; Osmola-
kgKG; Erhaltungsdosis unter Hämodia- Ethylenglykol. Basierend auf einer inges- litätslücke >10 mosm/kg; Oxalatkristalle
lyse 3,2–4,5 mg/kg/h). Es wurde eine tierten Menge von 500 ml einer 90 %igen im Urin; [1]). Der von uns behandelte
intermittierende Hämodialyse (290 min; Ethylenglykollösung (Dichte 1,1 g/cm3) Patient erfüllte alle diese Kriterien und
90 l GENIUS-Dialysesystem (Fresenius entspricht dies ca. 41 % der initial aufge- hätte auch primär mit Fomepizol behan-
Medical Care, Bad Homburg, Deutsch- nommen Menge an Ethylenglykol. Der delt werden können, das jedoch nicht
land) mit F60-S-Dialysator, initialer Blut- Verlauf der Ethylenglykolkonzentration zur Verfügung stand, da der verfügba-
und Dialysatfluss: 350 ml/min, Ultrafil- während der Dialysen ist in . Abb. 1 re Vorrat an ein anderes Krankenhaus
trationsrate: 50 ml/min) durchgeführt. dargestellt. ausgeliehen worden war. Daher fiel die
Zwanzig Minuten nach der Beendigung Entscheidung zur Gabe von Ethanol und
der intermittierenden Dialyse wurde Diskussion zum Start einer Dialysetherapie. Hierun-
eine verlängerte intermittierende Dialy- ter besserten sich der klinische Zustand
se über 16,5 h gestartet (90 l GENIUS- Intoxikationen stellen bei Erwachsenen und die Laborwerte zügig, was sich auch
Dialysesystem mit F60-S-Dialysator, eine der häufigsten Todesursachen dar an einer Verkleinerung der osmotischen

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Zusammenfassung · Abstract

Lücke zeigte (. Tab. 1). Den im Rah- Med Klin Intensivmed Notfmed https://doi.org/10.1007/s00063-020-00718-8
men eines Spontanverlaufs zu beobach- © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
tenden Anstieg der Anionenlücke wäh-
rend des Abfalls der osmotischen Lücke N. Drick · J. J. Schmidt · O. Wiesner · J. T. Kielstein
[4] konnten wir aufgrund der Interven- Fomepizol, Ethanol oder Dialyse bei lebensbedrohlicher
tion (Ethanol, Dialyse, Fomepizol) nicht Ethylenglykolvergiftung?
beobachten. Um einen Rebound zu ver-
hindern und Ethylenglykol vollständig Zusammenfassung
Vor 10 Jahren hat die EXtracorporeal Anionenlücke 23,3 mmol/l) aufgenommen.
zu entfernen, wurde nach der intermit-
Treatments In Poisoning (EXTRIP) Workgroup Zunächst erfolgten eine Ethanolinfusion und
tierenden Dialyse noch eine verlängerte – ein internationaler Zusammenschluss von eine intermittierende Dialysetherapie, da
Dialyse („PIRRT prolonged intermittent Pharmakologen, Toxikologen, Nephrologen Fomepizol nicht sofort verfügbar war. Die
hemodialysis“; . Abb. 1) über Nacht an- und Intensivmedizinern – begonnen, durch erste verfügbare Ethylenglykolkonzentration
geschlossen. Hierbei ist zu beachten, dass standardisierte Bewertung der existierenden betrug 1230 mg/l, wurde jedoch erst später
Literatur Empfehlungen zur extrakorporalen im Speziallabor gemessen. Die während der
sowohl Fomepizol als auch Ethanol durch
Therapie von Vergiftungen zu erarbeiten. Im intermittierenden Dialyse und der nachfol-
die Dialyse entfernt werden kann. Aus Mittelpunkt der aktuellen Empfehlungen gend verlängert intermittierenden Dialyse
diesem Grund wird empfohlen, Fomepi- steht unter anderem Ethylenglykol. Der eliminierte Menge an Ethylenglykol wurde
zol während der Nierenersatztherapie in geschilderte Fall zeigt die erfolgreiche Be- erfasst (102 und 65 g). Anhand dieses Falls
einer Dosis von 1,0 bis 1,5 mg/kg/h oder handlung eines 60-jährigen, 65 kg wiegenden werden die neuen Therapieempfehlungen
Mannes, der ca. eine halbe Flasche (500 ml) der EXTRIP Workgroup zur Therapie von
alle 4 h eine Startdosis (15 mg/kg) zu ge-
des Frostschutzmittels Aral Antifreeze in Ethylenglykolvergiftungen besprochen.
ben (. Tab. 2) [10]. Sowohl der klinische suizidaler Absicht getrunken hatte. Der
Zustand als auch die Laborwerte besser- somnolente Patient wurde ca. 12 h nach der Schlüsselwörter
ten sich deutlich, sodass das 4 h vor Ende oralen Aufnahme des Frostschutzmittels mit Anionenlücke · Metabolische Azidose · Laktat ·
der verlängerten täglichen Dialyse gege- schwerer metabolischer Azidose (venöse Antidot · Nierenersatzverfahren
bene Fomepizol nicht mehr hätte gege- Blutgasanalyse: pH 7,13; Laktat 30 mmol/l,
ben werden müssen. Auch ökonomische
Gründe, d. h. der Preis von Fomepizol
gegenüber einer intermittierenden Dia-
Fomepizole, ethanol or dialysis in the case of life-threatening
lyse, sprechen unter den Bedingungen
ethylenglycol intoxication?
des deutschen Gesundheitssystems da- Abstract
gegen [8], zumal die Überlegenheit vom The EXTRIP (EXtracorporeal Treatments In inhibitor of the alcohol dehydrogenase,
Fomepizol gegenüber der Ethanolgabe Poisoning) workgroup is a collaborative was not readily available, therapy with
nicht belegt ist [9]. Konkret waren für international effort of pharmacologists, intermittent hemodialysis was started, as
toxicologists, critical care physicians and ne- well as ethanol infusion. The first available
die Initialdosis unseres Patienten 975 mg
phrologists reviewing all available evidence in ethylenglycol concentration before prolonged
Fomepizol erforderlich (15 mg/kgKG * extracorporeal procedures for the treatment intermittent hemodialysis was 1230 mg/L.
65 kg). Hierfür wurden allein 10 Ampul- of intoxications in a standardized way to The total removed amount of ethylenglycol
len à 20 ml mit 5 mg/ml Fomepizol be- distill treatment recommendations for the during intermittent hemodialysis, as well
nötigt, die 1933,72 € kosteten. Eine inter- physician at the bedside. The second round of as following prolonged intermittent renal
guidelines will include recommendations for replacement therapy, was quantified (102
mittierende Hämodialyse wird im Jahre
ethylenglycol intoxication. The case reported and 65 g). Based on this case report, the
2020 mit 179,59 € vergütet. here is of a 60-year old man with a body new EXRIP recommendations for the role
Bemerkenswert war, dass das initia- weight of 65 kg who ingested approximately of extracorporeal treatment in the case of
le Laktat in der venösen Blutgasanalyse half a bottle (500 mL) of Aral Antifreeze in ethylenglycol intoxication are discussed.
>30 mmol/l betrug und nicht mit dem a suicidal attempt and presented around 12 h
later with severe metabolic acidosis (venous Keywords
klinischen Zustand korrelierte. Die Er-
blood gas analysis: pH 7.13; lactate 30 mmol/l, Anion gap · Metabolic acidosis · Lactate ·
klärung hierfür ist die Tatsache, dass der anion gap 23.3 mmol/l). As fomepizole, the Antidote · Renal replacement therapy
Hauptmetabolit von Ethylenglykol Gly-
kolat von vielen Point-of-care-Geräten
einiger Hersteller als Laktat gemessen
wird [11]. Neben der metabolischen Azi- Fazit für die Praxis 4 An eine Ethylenglykolintoxikation
dose mit Anionenlücke sollte ein unge- sollte man bei erhöhter Osmolalitäts-
wöhnlich hohes Laktat im Blutgasanaly- 4 Ethylenglykol ist ein süßlich schme- lücke und/oder bei metabolischer
segerät als starker Anhaltspunkt für das ckender Alkohol, dessen toxische Azidose mit erhöhter Anionenlücke
Vorliegen einer Ethylenglykolintoxikati- Wirkung auf dessen Stoffwechselpro- denken.
on angesehen werden. dukten Glykolat und Oxalat beruht. 4 Klinisch nicht erklärbare Laktatwerte
4 Oxalatkristalle sind häufig im Urin im Point-of-care-Gerät können durch
von Patient*innen mit Ethylenglykol- Glykolat bedingt sein. Der Verlauf
vergiftung nachweisbar. der Laktatwerte kann u. U. zum Mo-

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Übersichten

1750
1500
Ethylenglykol (mg/l)

verlängerte Dialyse mit GENIUS | Blutfluss 200/min | Dialysatfluss 100/min


1250
1000
750
500
250
0 Abb. 1 9 Verlauf der Ethy-
0 300 420 540 660 780 900 1020 1140 1260 lenglykolkonzentration
unter einer verlängerten
Zeit (min)
intermittierenden Dialyse
mit dem GENIUS-System

nitoring der Glykolatwerte genutzt Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine
Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt.
werden. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort
4 In der Frühphase der Ethylengly- angegebenen ethischen Richtlinien.
kolvergiftung ist die unverzügliche
Gabe von Antidota (Ethanol oder
Fomepizol) zu empfehlen. Literatur
4 Sind Antidota nicht verfügbar, ist die
intermittierende Hämodialyse eine 1. Barceloux DG, Krenzelok EP, Olson K et al (1999)
American Academy of Clinical Toxicology Practice
gute, effiziente, weit verbreitete und Guidelines on the Treatment of Ethylene Glycol
(im Vergleich zu Fomepizol) günstige Poisoning. Ad Hoc Committee. J Toxicol Clin Toxicol
Therapiealternative. 37:537–560
2. Brent J, Mcmartin K, Phillips S et al (1999)
4 Beim Vorliegen einer metabolischen Fomepizole for the treatment of ethylene glycol
Azidose (und hoher Laktatwerte) ist poisoning. MethylpyrazoleforToxicAlcoholsStudy
von einem späten Stadium der Ethy- Group. N Engl J Med 340:832–838
3. GIZ Nord (2019) Anhang 1 zum Jahresbericht
lenglykolintoxikation auszugehen. 2018. https://www.giz-nord.de/cms/images/
Dies ist eine klassische Indikation für JaBe/2018/Anhang1.pdf. Zugegriffen: 11/2019
ein extrakorporales Therapieverfah- 4. Kraut JA, Mullins ME (2018) Toxic alcohols. N Engl J
Med 378:270–280
ren (intermittierende Hämodialyse, 5. Martino F, Lorenzen J, Schmidt J et al (2012)
verlängerte intermittierende Dialyse, Circulating microRNAs are not eliminated by
kontinuierliche Nierenersatzverfah- hemodialysis. Plos One 7:e38269
6. Mehta AN, Emmett JB, Emmett M (2008) GOLD
ren). MARK: an anion gap mnemonic for the 21st
4 Während der Nierenersatztherapie century. Lancet 372:892
sollte Fomepizol in einer Dosis von 1,0 7. Pemmerl S (2013) Initial diagnosis and treatment
for poisoning. Med Klin Intensivmed Notfmed
bis 1,5 mg/kgKG/h gegeben werden. 108:459–464
8. PrinzJ,BollB,VonBergweltMetal(2019)Antifreeze
poisoning : the case of a patient with repeated
Korrespondenzadresse ethylene glycol poisoning. Med Klin Intensivmed
Notfmed 114:159–163
Dr. N. Drick 9. Rietjens SJ, De Lange DW, Meulenbelt J (2014)
Klinik für Pneumologie, Zentrum Innere Ethylene glycol or methanol intoxication: which
Medizin, Medizinische Hochschule Hannover antidote should be used, fomepizole or ethanol?
Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover, Neth J Med 72:73–79
Deutschland 10. Roberts DM, Yates C, Megarbane B et al (2015)
Recommendations for the role of extracorporeal
Drick.Nora@mh-hannover.de
treatments in the management of acute methanol
poisoning: a systematic review and consensus
statement. Crit Care Med 43:461–472
11. Tintu A, Rouwet E, Russcher H (2013) Interference
Einhaltung ethischer Richtlinien of ethylene glycol with (L)-lactate measurement is
assay-dependent. Ann Clin Biochem 50:70–72
Interessenkonflikt. N. Drick, J.J. Schmidt, O. Wiesner 12. Tuero G, Gonzalez J, Sahuquillo L et al (2018)
undJ.T. Kielsteingebenan, dasskeinInteressenkonflikt Value of glycolic acid analysis in ethylene glycol
besteht. poisoning: a clinical case report and systematic
review of the literature. Forensic Sci Int 290:e9–e14

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