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SS 2002
angefertigt von:
Tim Bartel (Matrikelnummer: 3130959)
Sudetenstr. 54
50354 Hürth
Tel.: (0 22 33) 98 58 58
E-Mail: t.bartel@fz-juelich.de
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis...........................................................................................................II
1 Einleitung ...................................................................................................................... 1
1.1 Aufgaben und Ziele von Call Centern..................................................................... 1
1.2 Komponenten von Call Centern.............................................................................. 2
1.3 Bedeutung der Kapazitätsplanung in Call Centern .................................................. 4
2 Kundenorientiertes Kapazitätsmanagement .................................................................... 5
2.1 Die Bedeutung des Servicelevels ............................................................................ 5
2.2 Mitarbeiterauslastung vs. Erreichbarkeit ................................................................. 5
2.3 Operative Personalplanung ..................................................................................... 7
3 Prognose des Anrufvolumens......................................................................................... 8
3.1 Prognosemodelle .................................................................................................... 8
3.1.1 Zeitreihenmodelle........................................................................................... 8
3.1.2 Kausalmodelle.............................................................................................. 11
3.2 Verteilung des Arbeitsvolumens im Tagesverlauf................................................. 11
4 Personalbedarfsermittlung und Personaleinsatzplanung................................................ 13
4.1 Modellierung eines Call Centers als Warteschlangensystem ................................. 13
4.2 Kritik am vorherrschenden Modell ....................................................................... 17
4.3 Schichtplanung und Personenzuweisung .............................................................. 18
5 Ausblick ...................................................................................................................... 20
Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 21
I
Abbildungsverzeichnis
II
1 Einleitung
Man unterscheidet zwischen Inbound Call Centern, die nur extern eingehende Anrufe entge-
gennehmen, Outbound Call Centern, die ausschließlich von sich aus Personen kontaktieren
sowie Call Centern, in denen beide Formen gleichzeitig vorkommen. Die vorliegende Arbeit
beschäftigt sich mit reinen Inbound Call Centern.
1
WIENCKE und KOKE (1997), S. 11
1
1.2 Komponenten von Call Centern
Die Arbeitsumgebung eines Call Centers ist im Allgemeinen ein Großraumbüro mit vielen
abgeteilten Arbeitsplätzen, an denen die Mitarbeiter (= Agenten) mit Headsets vor Computer-
Terminals sitzen und die Anrufer bedienen.
Im Folgenden werden die grundlegenden Komponenten von Call Centern kurz erläutert.
• Agenten
Die Mitarbeiter des Call Centers, die die Telefongespräche mit den Anrufern führen, werden
als Agenten bezeichnet.
Wenn kein Agent freisteht, um einen ankommen Anruf entgegenzunehmen, leitet die ACD
den Anrufer automatisch an eine Warteschlange (Queue) weiter – hier wird er von einer auf-
gezeichneten Stimme darum gebeten, solange zu warten, bis ein Mitarbeiter frei geworden ist,
der seinen Anruf entgegennehmen kann.
Neben der reinen Anrufverteilung ist eine weitere Aufgabe der ACD-Anlage die Erstellung
umfangreicher Statistiken, aus denen wichtige Kennzahlen gewonnen werden, die sowohl für
die Personalplanung als auch für die Steuerung der optimalen Auslastung eines Call Centers
genutzt werden. So wird beispielsweise die Anzahl der eingehenden, entgegengenommenen
2
und abgebrochenen Anrufe gespeichert, die zur Errechnung der Kenngröße „Erreichbarkeit“
dienen. Weiterhin wird die Zeit erfasst, die Anrufer in der Warteschlange auf Weiterleitung zu
einem Agent warten müssen – hieraus kann die Kenngröße „Servicelevel“ abgeleitet werden.
Die Gesamtdauer der einzelnen Anrufe ist abrufbar („Wie lange dauert eine durchschnittliches
Gespräch“) und etliche weitere Daten. Diese werden nicht nur zur nachträglichen Auswertung
genutzt, sondern können in der Regel auch „online“ eingesehen werden, so dass beispielswei-
se den Agenten im Call Center angezeigt wird, wie viele Anrufer sich momentan in der Queue
befinden.
3
1.3 Bedeutung der Kapazitätsplanung in Call Centern
Call Center haben eine sehr hohe Personalintensität. 60% bis 70% der anfallenden Gesamt-
kosten eines Call Centers sind Personalkosten.2 Dies zeigt die immense Wichtigkeit einer ef-
fektiven Personalbedarfs- und Personaleinsatzplanung, durch die sich weitreichende Einspa-
rungen erzielen lassen.
Die Aufgabe der Kapazitätsplanung ist es, die beiden Komponenten der Kapazität – Leistung
und Zeit – auf einem vorgegebenem Level zu halten. Auf die Qualitätsdimension Zeit ist be-
sonders zu achten, da diese durch den Kunden sofort als Kapazitätsengpass wahrgenommen
wird.3
Bei Call Centern strebt das Verhältnis zwischen Nachfrage und zu errichtender Kapazität
deutlich stärker gegen eine Synchronisation, als gegen eine Emanzipation.5 Dies liegt daran,
dass die erbrachten Leistungen (Telefongespräche) nicht lagerfähig sind.6 Die Folge ist, dass
die Anzahl der benötigten Mitarbeiter pro Zeiteinheit stark fluktuiert. So müssen Schichten
festgelegt werden und für diese Anzahl, Menge, Zeiten und Mitarbeiterzahl ermittelt werden.
2
vgl. COHEN (1998), S. 119
3
vgl. MEIER (1997), S. 14
4
vgl. MEIER (1997), S. 18ff.
5
vgl. GÜNTHER und TEMPELMEIER (), S.156ff.
6
vgl. CORSTEN (1992), S.233
4
2 Kundenorientiertes Kapazitätsmanagement
Das folgende einfache Beispiel zeigt die unmittelbare Auswirkung einer Variation des Servi-
celevels auf den Personalbedarf.9
Bei einem Call Center mit der durchschnittlichen Gesprächsbearbeitungsdauer von 190 Se-
kunden (Gesprächsdauer von 180 Sekunden plus 10 Sekunden Nachbearbeitungszeit) und
einem gesamten Anrufvolumen von 350 Anrufen in der halben Stunde soll ein Servicelevel
von 80/20 sichergestellt werden. Dazu werden 42 Agenten benötigt, deren Auslastung bei
88% liegt. Möchte man bei gleichen Vorraussetzzungen nun einen Servicelevel von 90/15
erreichen, so werden bereits 45 Agenten benötigt mit einer Auslastung von 82%.
Zur Festlegung des optimalen Servicelevels muss ein Call Center den Punkt identifizieren, an
dem in einem vorgegebenen Rahmen die Personalkosten möglichst gering, aber die Kunden-
zufriedenheit möglichst groß ist.
7
vgl. WIENCKE und KOKE (1997), S. 45
8
vgl. CLEVELAND (1998), S.198
9
Die Ergebnisse wurden mittels der Erlang C-Formel (vgl. Kapitel 4.1 – Formel 12) berechnet.
10
vgl. WIENCKE und KOKE (1997), S. 46
5
Bei Einsatz zu weniger Agenten – einer Unterdeckung – verschlechtert sich hingegen die Er-
reichbarkeit und damit die Servicequalität des Call Centers vor allem beim Auftreten von
Nachfragespitzen. Anrufe, die aufgrund der Unterdeckung nicht angenommen werden können
(„lost calls“), revidieren die eingesparten Kosten im Personaleinsatz durch möglicherweise
entgangene Umsätze.
Die Mitarbeiterauslastung sinkt bei steigendem Servicelevel. Eine hohe Auslastung wird da-
durch erreicht, dass Agenten sehr schnell nach Beendigung eines Gespräches einen neuen
Anruf entgegennehmen, so dass zwischen diesen Anrufen nur eine sehr kurze oder keine Pau-
se liegt. Dies wird dadurch erreicht, dass die Anrufe in der Queue vorgehalten werden – dies
senkt allerdings den Servicelevel.11
Das Ziel eines Call Centers sollte es sein, einen möglichst hohen Servicelevel zu erreichen
und so die Zahl der Kunden, die in der Queue warten müssen, möglichst gering zu halten. Es
ist aber für ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen nicht möglich, selbst in kurz auftre-
tenden Spitzenzeiten jeden Anruf direkt anzunehmen – die hohen Personalkosten wären nicht
zu tragen. Da die Agenten einen längeren Zeitraum arbeiten, würde nach den Spitzenzeiten
sofort eine Unterdeckung mit den oben genannten Problemen eintreten.
Bei der Kapazitätsplanung müssen die Kosten der Mitarbeiterauslastung gegen die „Warte-
kosten“, die dem Kunden mangels Erreichbarkeit des Call Centers entstehen, gegeneinander
abgewogen werden. „Nur unter Berücksichtigung der Wartekosten der Kunden kann das Ka-
pazitätsmanagement dem Zielspektrum markt- und kundenorientierter Unternehmen gerecht
werden.“.12
11
vgl. CLEVELAND (1998), S. 198
12
MEIER (1997), S. 12
6
2.3 Operative Personalplanung
Die operative Personalplanung sieht in Call Centern im Regelfall wie folgt aus:
Hieran schließt sich eine Echtzeitplanung an, die es ermöglicht kurzfristige Verschiebungen
in der Planung vorzunehmen und so z.B. Toilettenpausen der Agenten oder Besprechungen zu
berücksichtigen.
Bei der operativen Personalplanung muss ein erhebliches Datenvolumen verarbeitet werden.
Diese Verarbeitung ist nur rechnergestützt sinnvoll möglich. Man nutzt hierzu sogenannte
„Workforce Management Systeme“.
7
3 Prognose des Anrufvolumens
3.1 Prognosemodelle
3.1.1 Zeitreihenmodelle
Zeitreihenmodelle analysieren die in der Vergangenheit aufgetretenen/gemessenen Daten und
projizieren den Verlauf in die Zukunft. Sie liefern in der Regel sehr gute Prognosen für kurz-
fristige Zeiträume, aber die Prognosegüte lässt bei längerfristigen Zeiträumen schnell nach.
Unregelmäßige Abweichungen können durch Zeitreihen nicht erfasst werden.13
∑x
t
1
xˆ t +1 = i (1)
N i = t − N +1
Dieses Modell liefert jedoch nur brauchbare Werte, wenn ein horizontaler Verlauf der Zeitrei-
he vorliegt und nur vereinzelt (irreguläre) Schwankungen auftreten. Die Prognose gewichtet
alle N Perioden gleich und berücksichtigt auch nur die Daten der N zurückliegenden Perio-
den.
Im Gegensatz dazu, werden bei der einfachen exponentiellen Glättung sämtliche bekannten
Daten verwendet und zusätzlich die Daten unterschiedlich gewichtet. Man geht davon aus,
dass die zuletzt beobachteten Werte bessere Rückschlüsse auf den zukünftigen Verlauf der
Zeitreihe zulassen, als Werte aus weiter zurückliegenden Perioden.
13
vgl. EFTHIMIOU (1998), S. 466
8
Das gewichtete Mittel xt errechnet sich rekursiv aus dem aktuell gemessenen Wert xt und
dem gewichtetem (bisherigen) Durchschnitt xt −1 . Der aktuell gemessene Wert wird mit dem
Glättungsparameter alpha ( 0 < α < 1 ) bewertet. Als Startwert für x1 wird x1 gewählt.
xt = α ⋅ xt + (1 − α ) ⋅ xt −1 (2)
Das gewichtete Mittel xt wird als Prognose für die kommende Periode betrachtet.
Die bisher erläuterten Methoden haben den Nachteil, dass sie nicht anwendbar sind, wenn die
vorliegende Zeitreihe einen Trend, bzw. einen Saisonverlauf aufweist.
Holt und Winters haben die exponentielle Glättung jedoch so erweitert, dass die Prognose
auch bei Trend-/Saisonverlauf eingesetzt werden kann. Dies erreichen sie dadurch, dass – wie
bei der einfachen exponentiellen Glättung – aus den vorherigen Werten das gewichtete Mittel
errechnet wird. In das Ergebnis wird nun der zugrunde liegende Trend bzw. die Saisonvertei-
lung eingearbeitet:
xt = α ⋅ xt + (1 − α ) ⋅ ( xt −1 + t t −1 ) (3)
Der durchschnittliche Trend t t wird selber wieder durch Rekursion gebildet, in die der aktuel-
hen. Der aktuell gemessene Wert wird mit dem Glättungsparameter beta ( 0 < β < 1 ) bewertet.
Als Startwert für t1 wird 0 gewählt.
t t = β ⋅ ( xt − x t −1 ) + (1 − β ) ⋅ t t −1 (4)
Man prognostiziert nun für die nächste Periode mit der Summe der gewichteten Vergangen-
heitsdaten und dem durchschnittlichen Trend:
xˆ t +1 = xt + t t (5)
9
Auf ähnlichem Wege lässt sich ebenfalls ein Saisonmuster (d.h. ein periodisch wiederkehren-
der Einfluß) in die Prognose einarbeiten.
ARIMA Modelle sind sehr allgemeine Modelle. Sie enthalten z.B. die einfache exponentielle
Glättung als Spezialfall. Die Spezifizierung eines ARIMA Modells ist aufwendig und wird
deswegen hier nicht näher behandelt.
Grundsätzliches ARIMA-Modell:
Prognose mittels:
Box und Jenkins haben gezeigt, dass die Prognose eines ARIMA-Modells optimal ist14, d.h.
dass kein anderes univariates Modell eine Prognose mit kleineren mittleren Abweichungs-
quadraten15 liefern kann.
ARIMA-Modelle eignen sich gut für die Prognose des Anrufvolumens in Call Centern und
werden in der Praxis oft verwendet.16 Wie bei der Methode von Holt und Winter können
Trends- und Saisonmuster in die Vorhersage einbezogen werden. Zusätzlich bieten sie die
Möglichkeit der Berücksichtigung von externen Einflüssen wie Feiertagen oder Werbekam-
pagnen.
14
vgl. BOX und JENKINS (1976), S. 127ff.
15
Die Prognosegüte wird üblicherweise über die mittlere quadratische Abweichung gemessen.
16
vgl. PINEDO, SESHADRI und SHANTHIKUMAR (2000), S. 372
10
3.1.2 Kausalmodelle
Die Kausalmodelle gehen davon aus, dass neben dem zeitlichen Fortschreiben einer Reihe
andere Faktoren auf die zu ermittelnde Größe einwirken. Wenn sich diese Faktoren konkreti-
sieren lassen und sie auch in Zukunft bestehen werden, so können sie in ein Modell eingear-
beitet werden. Die Einfluss nehmenden Faktoren müssen identifiziert werden, und anhand der
Daten aus der Vergangenheit ist die Stärke ihres Einflusses festzustellen. Es werden beson-
ders multivariate Analysemethoden und Regressionsmodelle verwendet.17
Y = a 0 + a1 X 1 + a 2 X 2 + ... + a n X n (8)
Ist nun die Ausprägung der ermittelten Einflussfaktoren in der Zukunft (t+1) bekannt, kann
für diesen Zeitpunkt der Wert für die abhängige Variable prognostiziert werden.
So genannte ökonometrische Modelle sind deutlich komplizierter und werden in dieser Ar-
beit nicht weiter behandelt.
17
vgl. EFTHIMIOU (1998), S. 466
11
Die auf diese Weise erhaltenen Daten reichen allerdings nicht dazu aus, das anfallende Ar-
beitsvolumen zu bestimmen. Die ursprüngliche Formel, die der Mathematiker Erlang für die-
ses Problem aufgestellt hat, sieht wie folgt aus18:
Die Gesprächsbearbeitungszeit setzt sich aus der eigentlichen Gesprächszeit 19 plus der Nach-
bearbeitungszeit, die für das Telefonat anfällt 20 zusammen. Diese Daten können einfach aus
der Statistiken der ACD-Anlage ermittelt werden.
18
vgl. EFTHIMIOU (1998), S. 471
19
Die Gesprächszeit startet sobald ein Agent einen Anruf entgegennimmt und endet mit Beendigung desselben.
20
Dies kann beispielsweise das Eintragen von Kundeninformationen in eine Datenbank sein.
12
4 Personalbedarfsermittlung und Personaleinsatzplanung
In der herkömmlichen Personalplanung entspricht das Arbeitsvolumen der Anzahl der einzu-
setzenden Mitarbeiter. Wiencke und Koke geben folgendes Beispiel an:
„Ein Call Center erhält in einem Zeitraum von 30 Minuten (= 1800 Sekunden) voraussichtlich
insgesamt 200 Anrufe, deren durchschnittliche Gesprächsbearbeitungsdauer 210 Sekunden
beträgt.“ 21
In die Formel (10) eingesetzt ergibt sich somit ein Arbeitsvolumen von ≈ 23,3. Bei der Perso-
nalplanung eines Call Centers kann man nun allerdings nicht davon ausgehen, dass eine Mit-
arbeiterzahl von 24 ausreichend wäre. So kommen die Anrufe im Intervall nicht gleichverteilt
an, und es wird weder der angestrebte Servicelevel berücksichtigt noch dass eine Auslastung
der Agenten zu 100% auf Dauer nicht durchzuhalten ist.
Um die erforderliche Mitarbeiterbesetzung besser zu bestimmen, bietet es sich an, das Anruf-
verhalten der Kunden durch einen statistischen Zufallsprozess darzustellen und die Vorgänge
im Call Center anhand eines Warteschlangemodells zu modellieren.
21
WIENCKE und KOKE (1997), S. 58
22
vgl. TAHA (1992), S. 554ff.
13
Die letzten drei Positionen werden im Allgemeinen weggelassen, wenn für sie
d = FIFO, e = ∞ und f = ∞ gelten.
Der Ankunftsprozess in einem Call Center lässt sich (unter der Annahme einer unbeschränk-
ten Kundenmenge und einer unbeschränkten Warteschlange) durch eine Poissonverteilung
abbilden. Die Zwischenankunftszeiten seien exponentialverteilt mit der Rate λ. Die Bedien-
zeiten seien ebenfalls exponentialverteilt mit der Rate µ.
Gelten diese Voraussetzungen, so kann ein Call Center als M/M/c-Modell aufgefasst werden.
Dieses Warteschlangenmodell wird auch als Erlang C-Modell bezeichnet.23
Agenten
1 µ
Warteraum
λ 2 µ
…
c µ
Möchte man Aussagen über die Auslastung des Call Centers bei einer bestimmten Mitar-
beiterbesetzung treffen, so muss der Ankunfts- und Bedienprozess gleichzeitig betrachtet
werden. Diese beiden Prozesse sind unabhängig voneinander.
Ein stochastischer Prozess At gibt für jeden Zeitpunkt t = t 0 , t1 ,... die Anzahl der sich momen-
tan im Call Center befindlichen Anrufe an. Der Abstand ∆T zwischen den Zeitpunkten
t1 , t 2 ,... soll gerade so groß sein, das zwischen zwei aufeinander folgenden Zeitpunkten maxi-
mal ein Anruf neu hinzukommt und maximal ein Anruf beendet wird. Befinden sich nun zum
Zeitpunkt t x genau k Anrufe im System ( t x = k ), dann können sich in Zeitpunkt t x+1 entwe-
der k, k-1 oder k+1 Gespräche im System befinden, d.h. dass nur Zustandsübergänge in be-
nachbarte Zustände möglich sind.
23
vgl. GROSSMANN, SAMUELSON, OH und ROHLEDER (2001), S. 73
14
Unter der Annahme, dass Ankunftsrate und Bedienrate vom jeweiligen Zustand, in dem sich
das System befindet, abhängig sind, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass ein neuer Anrufer
eintrifft, während k Anrufe im System sind, λ k (⋅∆T ) . Allerdings wird gleichzeitig in diesem
Zeitraum mit der Wahrscheinlichkeit µ k (⋅∆T ) ein Gespräch beendet. λ nennt man Geburtsra-
te und µ Sterberate.24 Stehen in einem Call Center c Leitungen zur Verfügung, so lassen sich
die Zustandsübergänge wie folgt in einem Geburts- und Sterbeprozess darstellen:
λ λ λ λ
0 1 2 … c-1 c c+1
µ 2µ (c-1)µ cµ cµ
Voraussetzung für die Stabilität eines solchen Systems ist, das die Ankunftsrate der Anrufe
strikt kleiner ist als die Bearbeitungszeit aller Agenten zusammen, d.h. λ < cµ . Andernfalls
würden im Durchschnitt mehr Telefonate ankommen, als beendet würden, so dass die Queue
immer voller und der Servicelevel auf 0 abfallen würde.
λ
Definiert man das Arbeitsvolumen a = ,
µ
so folgt aus der vorhergegangenen Vorraussetzung, dass das Arbeitsvolumen strikt kleiner als
die Anzahl der Agenten sein muss, d.h. a < c .
Die Differenz von c und a ist die Überkapazität des Systems. Sie wird benötigt um die Varia-
tionen des Arbeitsvolumens aufzufangen. 25 Diese Überkapazität wird zur Reduzierung der
Anrufer, die sich in der Queue befinden, benötigt.
Das System geht nach endlichen vielen Zustandswechseln in ein stationäres Gleichgewicht
über26. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich das System in einem bestimmten
Zustand befindet, nicht mehr vom Anfangszustand des Systems abhängt.
24
vgl. HEYMAN (2001), S. 681ff.
25
λ und µ sind Durchschnittswerte!
15
Um anhand des Warteschlangenmodells Entscheidungen für die Kapazitätsplanung – genauer:
für die Personalbedarfs und Personaleinsatzplanung – zu treffen, werden folgende weitere
Kenngrößen benötigt:
P(W ) Wahrscheinlichkeit, dass ein Anrufer warten muss
AC voraussichtliche Anzahl an Anrufern im Call Center (Queue + Bedienung)
Bei bekannten Zustandswahrscheinlichkeiten des Systems können diese Werte für den
Gleichgewichtszustand relativ einfach ausgerechnet werden. Im Folgenden sei nur kurz die
heute häufig verwendete Erlang C-Formel aufgeführt.
Die Wahrscheinlichkeit P(W ≤ t ) , d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass die Wartezeit W nicht
größer als ein vorgegebener Wert t wird, kann dann wie folgt berechnet werden28:
ac c
⋅
P(W ≤ t ) = 1 − c −1 nc! c −c a ⋅ e − µ ( c −a )⋅t (12)
( ∑ a
n = 0 n!
)+
a
⋅
c
c! c − a
26
vgl. DOMSCHKE und DREXL (1995), S. 198ff.
27
in der Literatur häufig als ASA (Average Speed of Answer) bezeichnet
28
vgl. GROSS und HARRIS (1998), S. 69ff.
16
4.2 Kritik am vorherrschenden Modell
Die Anwendung des Erlang C-Modells ist weit verbreitet.29 Die Annahmen, auf denen es ba-
siert, sind jedoch in der Realität vielfach nicht zutreffend.
• Begrenzter Warteraum
Es wird angenommen, dass der Warteraum unbegrenzt groß ist. In der Praxis ist die Anzahl
der Telefonleitungen des Call Centers aber begrenzt, so dass in Spitzenzeiten – bei Auslas-
tung aller Leitungen - Anrufer ein Besetztzeichen hören.
• Abnehmender Grenznutzen
Ab einem gewissen Servicelevel-Schwellenwert (80-90%) bringt der Einsatz zusätzlicher
Mitarbeiter nur noch marginale Verbesserungen der Erreichbarkeit.30 Dies wird als „Law of
dimishing returns“ bezeichnet.31
• Dynamische Ankunftsraten
Innerhalb des betrachteten Zeitraumes wird davon ausgegangen, dass die Anrufe zufallsver-
teilt eingehen. Tatsächlich entstehen aber Anrufspitzen durch externe Einflüsse, z.B. unmit-
telbar nach Ausstrahlung von Fernsehwerbung. Ein ARIMA-Vorhersagemodell berücksichtigt
dies zwar in der Vorhersage der Anzahl der Anrufe pro Zeitintervall, aber innerhalb des Zeit-
intervalls wird es im M/M/c-Modell nicht berücksichtigt.
29
vgl. GROSSMANN, SAMUELSON, OH und ROHLEDER (2001), S. 74
30
vgl. EFTHIMIOU (1998), S. 472
31
vgl. WIENCKE und KOKE (1997), S. 46
17
• Unproduktivität
Pausenzeiten der Mitarbeiter werden nicht berücksichtigt.
Es hat sich gezeigt, dass diese Ungenauigkeiten in der Summe zu einer Überdeckung führen.
Es existieren bessere Warteschlangenmodelle, die jedoch nicht weit verbreitet sind.32 In zu-
nehmendem Maße werden stattdessen Simulationsprogramme eingesetzt.
Ein Call Center, das 24 Stunden am Tag erreichbar ist, teilt im Regelfall den Tag in 96
15-Minuten-Abschnitte ein, für die die Personalbelegung geplant wird.33 Eine Schicht wird
angegeben durch eine Start- und Endzeit sowie etwaige Pausen (bspw. 15-minütige Kaffee-
pausen und einstündige Mittagspausen). Die Pausen können bei Mitarbeitern einer Schicht
variieren bzw. kurzfristig verschoben werden um sicherzustellen, dass immer ausreichend
Agenten vorhanden sind um einen gewünschten Servicelevel sicherzustellen.
Der durch ein Warteschlangenmodell hergeleitete Mitarbeitereinsatz kann in der Regel nicht
deckungsgleich in einen Schichtplan umgesetzt werden. Über- und Unterkapazitäten werden
selbst mit einer „optimalen“ Prognose nie ganz vermieden – können aber minimiert werden.
Das Problem besteht darin, die Schichten so an das prognostizierte Mitarbeiterprofil anzupas-
sen, dass die Summe der absoluten Abweichungen minimal wird.
Die Lösung dieses Problems ist NP-hart. Das bedeutet, dass keine effizienten Algorithmen zur
Lösung bekannt sind. Aus diesem Grund muss auf Heuristiken zurückgegriffen werden, die
oftmals ausreichend schnell gute Lösungen liefern, aber meist schwer durchschaubar sind und
eben nicht garantieren, dass die Lösung optimal ist.
Als Heuristiken werden oft simulated annealing, tabu search und genetische Algorithmen
eingesetzt. Grossmann, Samuelson, Oh und Rohleder weisen darauf hin, dass weitere wissen-
32
vgl. GROSSMANN, SAMUELSON, OH und ROHLEDER (2001), S. 74
33
vgl. PINEDO, SESHADRI und SHANTHIKUMAR (2000), S. 376
18
schaftliche Forschung in diesem Bereich von Nöten ist.34 Pinedo, Seshadri und Shanthikumar
teilen diese Meinung.35
Nach der Festlegung der Schichten werden die Mitarbeiter diesen zugeordnet. Hierbei müssen
feste Restriktionen (z.B. rechtliche Vorschriften36, Arbeitsverträge, etc.) eingehalten werden.
Ebenso sollten Präferenzen der Mitarbeiter (z.B. bevorzugte Arbeitstage, bevorzugte Arbeits-
länge, etc.) berücksichtigt werden.
Das Problem der Mitarbeiterzuordnung auf die einzelnen Schichten ist ebenfalls NP-hart. Ei-
ne sinnvolle Lösung ist ohne den Einsatz von Workforce Management Systemen nicht zu er-
zielen.
34
vgl. GROSSMANN, SAMUELSON, OH und ROHLEDER (2001), S. 75
35
vgl. PINEDO, SESHADRI und SHANTHIKUMAR (2000), S. 378
36
bspw. die Maximalarbeitszeit
37
vgl. WIENCKE UND KOKE (1997), S. 61ff.
19
5 Ausblick
Eine Kapazitätsplanung ist für Call Center von wesentlicher Bedeutung, sowohl um ein vor-
gegebenes Serviceziel zu halten als auch um Kosten durch unnötigen oder falschen Personal-
einsatz einzusparen.
In der Realität ist das durch Einhaltung eines Servicelevels verursachte Auftreten von Über-
kapazitäten weniger problematisch als zunächst angenommen. So existieren in einem Call
Center nicht nur verkehrsabhängige Leistungen (z.B. die aktive Inbound-Call-Tätigkeit) son-
dern auch verkehrsunabhängige Leistungen (Bearbeitungszeiten) und Zusatzzeiten (z.B. Wei-
terbildungsmaßnahmen, Pausen). Dies ermöglicht, anhand von Kurzzeit-Prognosen den Be-
darf an verkehrsabhängigen Leistungen zu decken und den übrigen Agenten kurzfristig ver-
kehrsunabhängige Leistungen oder Zusatzzeiten zuzuordnen. Ebenso können bei prognosti-
zierten Anrufspitzen Mitarbeiter, die eigentlich für verkehrsunabhängige Leistungen einge-
plant oder der Nutzung von Zusatzzeiten zugeordnet waren, zu verkehrsabhängigen Leistun-
gen hinzugezogen werden.
Die Entwicklung der Call Center zu sogenannten Contact Centern (Call Center, die Kontakt-
aufnahme durch eine Vielzahl von Medien anbieten) unterstützt dies. So ist E-Mail im Gegen-
satz zum Telefon ein asynchrones Medium – der Kunde erwartet zwar auch hier eine schnelle
Antwort auf seine Frage – aber keine unmittelbare. So kann der Agent die Beantwortung zu-
rückstellen, wenn erhöhtes Telefonaufkommen herrscht.
Trotz allem ist der Einsatz einer Workforce Management Software für ein Call Center unver-
zichtbar. Die heute erhältlichen Systeme erlauben dem Benutzer bei der Prognose eine Viel-
zahl von Einflussfaktoren einzubeziehen und erzielen – bei korrekten Eingabedaten – ein Er-
gebnis, das in der Regel sehr nah am tatsächlichen Wert liegt. Eine gute Vorhersage des An-
rufaufkommens ist essentiell für eine sinnvolle Personalbedarfs- und Personaleinsatzplanung.
Die Aufstellung von Schichten und die Zuordnung der einzelnen Mitarbeiter sind Probleme,
die nicht effizient lösbar sind. Um eine gute Lösung zu erhalten, muss man sich der von
Workforce Management Systemen angebotenen Heuristiken bedienen.
20
Literaturverzeichnis
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DOMSCHKE, W. und A. DREXL (1995). Einführungs ins Operation Research (3. Aufl.).
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HEYMAN, D. P. (2001). Queuing Theory. In: Gass, S. I. und C. M. Harris (Hrsg.), Encyclope-
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22