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Aktuelle Probleme der Brückendynamik

D-A-CH Tagung 2003

schweizerischer
ingenieur- und
architektenverein

société suisse
des ingénieurs et
des architectes

società svizzera
degli ingegneri e
degli architetti

swiss society
of engineers and
architects

selnaustrasse 16
ch-8039 zürich
www.sia.ch

I
SIA
Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein
Selnaustrasse 16, Postfach, 8039 Zürich

Umschlagsphoto: Glauco Feltrin, Dübendorf

Druck: Stulz AG, Oberrieden, 2003-09


Auflage: 500 Exemplare

ISBN 3-908483-74-3
Dokumentation SIA D 0198
Aktuelle Probleme der Brückendynamik
D-A-CH Tagung 2003

Copyright © 2003 by SIA Zürich

Alle Rechte, auch das des auszugsweisen


Nachdruckes, der auszugsweisen oder
vollständigen Widergabe (Fotokopie,
Mikrokopie, CD-ROM usw.), der Speicherung
in Datenverarbeitungsanlagen und das der
Übersetzung, sind vorbehalten.

II
Herausgeber
Glauco Feltrin Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA), Überlandstrasse 129,
CH-8600 Dübendorf
Thomas Wenk Wenk Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik GmbH, Gehrenholz H2, Postfach 6063,
CH-8023 Zürich

III
D-A-CH-Tagung 2003
Die Deutsche (DGEB), die Österreichische (OGE) und die Schweizer (SGEB) Gesellschaften für Erdbeben-
ingenieurwesen und Baudynamik führen im zweijährigen Turnus gemeinsame Tagungen durch. Die D-A-CH-
Tagung 2003 zum Thema "Aktuelle Probleme der Brückendynamik" wurde von der SGEB zusammen mit der
Fachgruppe für Brückenbau und Hochbau (FBH) des Schweizerischen Ingenieur- und Architekten-Vereins
(SIA), dem Institut für Baustatik und Konstruktion (IBK) der ETH Zürich und dem Schweizerischen Erdbeben-
dienst (SED) am 18. und 19. September 2003 an der ETH Zürich durchgeführt. Dem Organisationskomitee
gehörten T. Wenk, A. Dazio, N. Deichmann, G. Feltrin und Ph. Stoffel an.

Tagungsprogramm
Donnerstag, 18. September 2003

13.30 Öffnung Tagungssekretariat, Bezug der Unterlagen


14.30 Eröffnung der Tagung durch den Präsidenten der SGEB M. Koller

Fussgängerbrücken
Leitung: R. Flesch
14.40 Eröffnungsvortrag
"Lebendige" Fussgängerbrücken –– eine Herausforderung H. Bachmann
15.25 Dreidimensionale aerodynamische und aeroelastische Analyse
der Fussgängerbrücke Kehl-Strasbourg C. Katz
Dynamische Untersuchung einer Segmentbrücke V. Benko
Begehbare Doppelhelix –– Eine unendlich lange Fussgängerbrücke B. Schäpertöns
Kaffeepause

Zustandsüberwachung
Leitung: G. Feltrin
16.50 Dynamische Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Brückenbauwerken W. Rücker
Schadensdiagnose mit modalen Parametern: Erfahrungen an einer
Spannbetonbrücke O. Huth
Zustandsuntersuchungen dynamisch stark beanspruchter Brücken P. Fleischer
17.45 Schluss des ersten Tages

Abendanlass
19.00 Gemeinsames Abendessen im Dozentenfoyer der ETH Zürich
Gastreferat:
Baukunde und Baukunst C. Menn

IV
Freitag, 19. September 2003

Erdbebenbemessung
Leitung: S. Savidis
08.30 Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen
San Francisco-Oakland Bay Bridge (Eingeladener Vortrag) A. Dazio
Ein Schädigungsmodell für Brückenpfeiler aus Stahlbeton A. Fäcke
Beurteilung der Erdbebensicherheit von bestehenden Strassenbrücken T. Wenk
Optimierung von Sicherheitsmassnahmen gegen Erdbeben
auf der Basis moderner Risiko-Akzeptanz-Kriterien G. Faschingbauer
Kaffeepause

Schwingungsdämpfung
Leitung: A. Dazio
10.30 Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges (Eingeladener Vortrag) A. Marioni
Dynamische Untersuchungen an einem Viadukt mit seismisch
isoliertem Brückenträger S. Malla
Geregelte Schwingungsdämpfung von Seilen G. Feltrin
Beherrschung der Schwingungen von Brücken in Leichtbauweise M. Aschrafi
12.00 Mittagessen

Verkehrsinduzierte Schwingungen
Leitung: T. Wenk
13.30 Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN 1991-2 R. Flesch
Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interaktion R. Cantieni
Zur Festlegung des "dynamischen Beiwerts" bei der Überprüfung
von Strassenbrücken H. Ludescher
Dynamische Untersuchungen an Brückenbauwerken der Nationalstrasse A9
am Simplon A. Ziegler
14.40 Verabschiedung M. Koller
15.00 Schluss der Tagung

V
Referenten und Tagungsleiter
Aschrafi Mehdi Dr.-Ing., DSD Dillinger Stahlbau Gmbh, D-66740 Saarlouis

Bachmann Hugo Prof. em. Dr. sc.techn., Dr. h.c., ETH Zürich, CH-8093 Zürich

Benko Vladimír Dr. techn., Dipl.-Ing., Institut für Stahlbeton und Massivbau, Technische Universität Wien,
A-1040 Wien

Cantieni Reto Dr. sc.techn., rci dynamics, Ingenieurbüro für Baudynamik, CH-8600 Dübendorf

Dazio Alessandro Prof. Dr. sc.techn., Institut für Baustatik und Konstruktion (IBK), ETH Zürich, 8093 Zürich

Fäcke Andreas Dipl.-Ing., Institut für Massivbau und Baustofftechnologie, Universität Karlsruhe (TH),
D-76128 Karlsruhe

Faschingbauer Gerald Dipl.-Ing. (FH), Computeranwendung im Bauwesen, Technische Universität Dresden,


D-01062 Dresden

Feltrin Glauco Dr. sc.techn., Abteilung Ingenieur-Strukturen, EMPA, CH-8600 Dübendorf

Fleischer Pacal Dipl.-Ing., Trombik Ingenieure AG, CH-8049 Zürich

Flesch Rainer Prof. Dipl-Ing. Dr. techn., arsenal research, Faradaygasse 3, A-1030 Wien

Huth Olaf Dr.-Ing., Abteilung Ingenieur-Strukturen, EMPA, CH-8600 Dübendorf

Katz Casimir Dr.-Ing., SOFiSTiK AG, D-85764 Oberschleißheim,

Koller Martin Dr. sc.techn., Résonance Ingénieurs-Conseils SA, Rue Jacques-Grosselin 21,
CH-1227 Carouge

Ludescher Hannes Dipl.-Ing., Lehrstuhl für Erhaltung, Konstruktion und Sicherheit von Bauwerken
ENAC - IS - MCS EPFL, CH-1015 Lausanne

Malla Sujan Dr., Electrowatt-Ekono AG (Jaakko Pöyry Group), CH-8037 Zürich

Marioni Agostino Dott. Ing., Presidente, Alga spa, via Olona 12, I-20123 Milano

Menn Christian Prof. em. Dr. sc.techn., Dr. Eng. h.c., Plantaweg 21, CH-7000 Chur

Savidis Stavros A. Prof. Dr.-Ing., Technische Universität Berlin, Grundbauinstitut, Gustav-Meyer-Allee 25,
D-13355 Berlin

Schäpertöns Bernhard Dr.-Ing., CBP Cronauer Beratung Planung, Georg-Muche-Str. 1, D-80807 München

Rücker Werner Dir. u. Prof., Dr.-Ing., BAM Berlin, Building and structures, D-12200 Berlin

Wenk Thomas Dr. sc.techn., Wenk Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik GmbH, CH-8023 Zürich

Ziegler Armin Dr. sc.techn., Ziegler Consultants, Gladbachstrasse 121, CH-8044 Zürich

VI
Inhalt

H. Bachmann
"Lebendige Fussgängerbrücken" –– eine Herausforderung........................................................................................................ 1
C. Katz, I. Kovacs und G. Morgenthal
Dreidimensionale aerodynamische und aeroelastische Analyse der Fußgängerbrücke Kehl-Strasbourg .............................. 13
B. Vladimír, G. Roman und R. Marian
Dynamische Untersuchung einer Segmentbrücke .................................................................................................................. 21
B. Schäpertöns und D. Schäfer
Begehbare Doppelhelix –– Eine unendlich lange Fußgängerbrücke......................................................................................... 27
W. Rücker, R. G. Rohrmann, S. Said und W. Schmid
Dynamische Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Brückenbauwerken ....................................................................... 35
O. Huth und G. Feltrin
Schadensdiagnose mit modalen Parametern: Erfahrungen an einer Spannbetonbrücke ....................................................... 43
P. Trombik, P. Fleischer und A. Maurer
Zustandsuntersuchungen dynamisch stark beanspruchter Brücken ....................................................................................... 51
A. Dazio und F. Seible
Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen San Francisco-Oakland Bay Bridge ............................ 59
A. Fäcke und L. Stempniewski
Ein Schädigungsmodell für Brückenpfeiler aus Stahlbeton ..................................................................................................... 71
T. Wenk
Beurteilung der Erdbebensicherheit von bestehenden Strassenbrücken................................................................................ 77
D. Diamantidis, G. Faschingbauer und R. J. Scherer
Optimierung von Sicherheitsmaßnahmen gegen Erdbeben auf der Basis moderner Risiko-Akzeptanz-Kriterien................... 83
A. Marioni
Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges ........................................................................................................................... 89
S. Malla und M. Wieland
Dynamische Untersuchungen an einem Viadukt mit seismisch isoliertem Brückenträger .................................................... 101
G. Feltrin und F. Weber
Geregelte Schwingungsdämpfung von Seilen....................................................................................................................... 107
M. Aschrafi und G. Hirsch
Beherrschung der Schwingungen von Brücken in Leichtbauweise ....................................................................................... 115
R. Flesch
Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN 1991-2 ........................................................................................... 123
R. Cantieni
Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interaktion .......................................................................................................................... 131
H. Ludescher und E. Brühwiler
Zur Festlegung des "dynamischen Beiwerts" bei der Überprüfung von Strassenbrücken..................................................... 139
A. Ziegler
Dynamische Untersuchungen an Brückenbauwerken der Nationalstrasse A9 am Simplon.................................................. 147

VII
VIII
"Lebendige" Fussgängerbrücken –– eine Herausforderung

Hugo Bachmann
Zürich

1 MEHR SCHWINGUNGSPROBLEME struktionselemente wie Kabel und Pylone von


In der Praxis des Brückenbaus und besonders bei Schrägseil- und Hängebrücken. Die Schwingungen
des Hauptträgers können sowohl vertikale als auch
Fussgängerbrücken treten immer mehr Schwingungs-
probleme auf –– es scheint, dass die Brücken schwin- horizontale Schwingungen (quer und längs zur Fort-
gungsanfälliger werden. Dies hat mehrere Gründe: bewegungsrichtung) sein.
Dynamische Einwirkungen erfolgen vor allem
Die Baustoffe werden gewissermassen stets höher
gezüchtet, sie können deshalb –– für statische, d.h. durch das Gehen und Laufen von Fussgängern. Die
ruhende Einwirkungen –– immer stärker ausgenützt Einwirkungen von Radfahrern sind im Vergleich zu
denjenigen der Fussgänger nicht von Bedeutung.
werden. Das führt zu schlankeren Konstruktionen, d.h.
zu kleineren Querschnittsabmessungen bzw. grösse- Hingegen kann die sogenannte mutwillige Anregung
ren Spannweiten als bei älteren Konstruktionen. Die (englisch "Vandal loading") durch rhythmisches Hüp-
fen an Ort oder evtl. auch durch rhythmisches hori-
Folgen sind kleinere Steifigkeiten und Massen. Dabei
überwiegt in fast allen Fällen die Abnahme der Stei- zontales Hin- und Herbewegen des Körpers von Ein-
figkeit, was tiefere Eigenfrequenzen mit vermehrter zelpersonen oder Personengruppen eine massge-
bende Einwirkung sein.
Resonanzgefahr bewirkt. Aber es muss auch weniger
Masse in Bewegung gesetzt werden, d.h. die durch Bei Schwingungen von Fussgängerbrücken han-
dynamische Einwirkungen eingebrachte Energie hat delt es sich meist um Gebrauchstauglichkeitsproble-
me, indem der Komfort der Fussgänger beeinträchtigt
deutlich stärkere Schwingungen zur Folge. Und
schliesslich ist oft auch eine verstärkte Sensibilität der wird, was bis zur praktischen Unbenützbarkeit (Sper-
von Schwingungen betroffenen Menschen festzustel- rung) einer Brücke gehen kann. In eher seltenen Fäl-
len können auch Sicherheitsprobleme (Überbean-
len. Wohl durch die zunehmenden Umwelteinflüsse ist
man empfindlicher geworden, es wird eher reklamiert. spruchung und/oder Ermüdung) auftreten.
Die zunehmenden Schwingungsprobleme zeigen, Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich
auf vertikale und horizontale Schwingungen des
dass Fussgängerbrücken im Allgemeinen nicht mehr
nur für statische Lasten entworfen werden dürfen –– Hauptträgers (Gehwegträger) von Fussgängerbrücken
auch wenn die Bestimmungen in verschiedenen Nor- durch die Einwirkung von Personen. Sie gelten auch
für ähnlich ausgebildete und beanspruchte Bauwerke
men immer noch diesen Anschein erwecken. Oft ist
es auch nicht zweckmässig, Brücken vorerst nur für wie weitgespannte Treppen, Schiffslandestege, usw.
statische Lasten zu entwerfen und anschliessend eine Dabei stehen das Verständnis der auftretenden Phä-
nomene und deren ingenieurmässige Bewältigung
allfällig erforderliche "dynamische Verbesserung" in
Betracht zu ziehen. Das kann ein zeitraubender Um- durch angemessene Massnahmen im Vordergrund.
weg sein und zu einem wesentlichen Mehraufwand Die Ausführungen geben eine Übersicht über ein brei-
tes und anspruchsvolles Thema, zu dem bereits eine
bei der Planung führen. Viel besser und weniger auf-
wendig kann es sein, die dynamischen Einwirkungen umfangreiche Spezialliteratur (z.B. (Bachmann et al.
und das Schwingungsverhalten bereits im frühesten (1997)), (Footbridge 2002 (2002))) existiert.
Planungsstadium in den Entwurfsprozess miteinzube-
2 DYNAMISCHE EINWIRKUNGEN DURCH
ziehen.
PERSONEN
Schwingungen bei Fussgängerbrücken können vor
allem den Hauptträger (Gehwegträger) betreffen, in Wesentliche vertikale und horizontale dynamische
selteneren Fällen aber auch einzelne schlanke Kon- Kräfte auf Fussgängerbrücken entstehen durch

1
H. Bachmann

insgesamt langsam normal rasch

Gehen 1.4 –– 2.4 1.4 –– 1.7 1.7 –– 2.2 2.2 –– 2.4

Laufen 1.9 –– 3.3 1.9 –– 2.2 2.2 –– 2.7 2.7 –– 3.3

Hüpfen 1.3 –– 3.4 1.3 –– 1.9 1.9 –– 3.0 3.0 –– 3.4

Tabelle 1: Schritt- bzw. Hüpffrequenzen in Hz (Baumann et


al. (1988)).

rhythmische Körperbewegungen von Personen. Dabei


sind vor allem die folgenden Aspekte von Bedeutung:
–– Schrittfrequenz beim Gehen und Laufen bzw. Hüpf-
frequenz
–– Zeitlicher Verlauf der vertikalen oder horizontalen
dynamischen Einwirkung
–– Anzahl der beteiligten Personen
–– "Lock-in"-Effekt

2.1 Einwirkungen durch eine Person


Übliche Schrittfrequenzen beim Gehen und beim Lau-
fen ("Jogging") sowie Frequenzen beim Hüpfen an Ort Abb. 1: Zeitlicher Verlauf der vertikalen Einwirkung einer
Person durch Gehen mit einer Schrittfrequenz von
einer Person sind in Tabelle 1 wiedergegeben (Bau- 2 Hz und entsprechendes Amplitudenspektrum
mann et al. (1988)). Grobe Mittelwerte sind 2 Hz für (nach H. Bachmann in (Footbridge 2002 (2002))).
das Gehen sowie 2.5 Hz für das Laufen und Hüpfen.
Es müssen jedoch die grossen möglichen Variationen Im Falle einer horizontalen Einwirkung entfällt der
beachtet werden. statische Anteil.
Von grosser Bedeutung ist ein gutes Verständnis In der Formel für Fp(t) wurden die ersten drei Har-
und die mathematische Modellierung des zeitlichen monischen berücksichtigt. In eher seltenen Fällen ––
Verlaufs der einwirkenden Kraft Fp(t) einer Person. Die vor allem beim Hüpfen –– kann auch noch die 4. und
vertikale Kraft kann zerlegt werden in einen statischen gar die 5. Harmonische eine Rolle spielen.
Anteil infolge Eigengewicht (Körpergewicht) und einen
dynamischen Anteil als Summe von harmonischen 2.2 Vertikale Einwirkungen
Funktionen ("Harmonische") mit Frequenzen, die ein
Abbildung 1 zeigt den zeitlichen Verlauf der vertikalen
ganzzahliges Vielfaches der Schritt- bzw. Hüpffre-
Einwirkung eines Fussgängers beim Gehen mit einer
quenz als Grundfrequenz der Einwirkung betragen
Schrittfrequenz von 2 Hz. Aufgetragen sind die ge-
(Fourierzerlegung):
samte, d.h. durch beide Füsse auf die Gehfläche aus-
geübte Kraft und die harmonischen Anteile derselben
Fp ( t ) = G + ∆G1 ⋅ sin(2πf p t ) + ∆G 2 sin⋅ ( 4πf p t − ϕ2 )
sowie das entsprechende Amplitudenspektrum (Fou-
rierspektrum) (Footbridge 2002 (2002)). Für die Grös-
+ ∆G3 ⋅ sin(6πf p t − ϕ3 ) (1)
sen ǻGi und iji (i = Nr. der Harmonischen) wurden die
in Abbildung angegebenen, in (Bachmann et al.
G: Eigengewicht der Person (i.a. G = 800 N)
(1997)) empfohlenen Werte verwendet. Da die Schritt-
ǻG1,2,3: Amplitude der 1. bzw. 2. bzw 3. Harmoni-
frequenz, die Art des Schuhwerks und die individuell
schen
unterschiedliche Weise des Auftretens und Abrollens
fp: Schritt- bzw. Hüpffrequenz
der Füsse wie auch Schwingungen der Unterlage
ϕ2,3: Phasenwinkel (zeitliche Phasenverschiebung)
(Brücke) von Einfluss sind, können diese Grössen
der 2. bzw. 3. Harmonischen gegenüber der
nicht unwesentlich variieren (Baumann et al. (1988)).
1. Harmonischen

2
"Lebendige" Fussgängerbrücken –– eine Herausforderung

Abb. 2: Zeitlicher Verlauf der vertikalen Einwirkung einer Person (G = 720 N) durch Hüpfen an Ort mit 2 Hz und entspre-
chendes Amplitudenspektrum (Bachmann et al. (1997)).

Beim Laufen –– je nach Art –– und immer beim Hüpfen Einwirkung mit einer Schnittfrequenz von etwa 2 Hz
wird der Bodenkontakt unterbrochen. Abbildung 2 (2fp = f0).
zeigt den zeitlichen Verlauf der vertikalen Kraft einer
720 N schweren Person durch Hüpfen an Ort und das 2.3 Horizontale Einwirkungen
entsprechende Amplitudenspektrum (Bachmann et al. Beim Gehen und Laufen üben Personen auch hori-
(1997)). Wesentliche Einflussgrössen sind vor allem zontale Kräfte auf die Unterlage aus. Solche Kräfte
die Hüpffrequenz, die Art des Hüpfens (hoch/niedrig) entstehen durch das Pendeln des Massenschwer-
und das Schuhwerk. Man erkennt, dass in diesem punktes des Körpers mit Verschiebungsamplituden
Beispiel das Kraftmaximum das 6-fache (!) des Ei- von im Allgemeinen etwa 1 bis 2 cm quer zur Fortbe-
gengewichts beträgt, und dass wesentliche dynami- wegungsrichtung bzw. durch das Pendeln in Längs-
sche Kräfte bis zur 5. Harmonischen abgegeben wer- richtung im Vergleich zum Ort im Falle einer strikt
den. konstanten Fortbewegungsgeschwindigkeit. Dabei ist
Es muss hier ausdrücklich auf die grosse Bedeu- zu beachten, dass die Pendelfrequenz –– als Grund-
tung hingewiesen werden, welche obere Harmonische frequenz der Einwirkung –– der halben Schrittfrequenz
(2. ..... 5.) des zeitlichen Verlaufs der Einwirkung entspricht; sie liegt somit im Bereich von 0.7 bis 1.7
durch Personen für Bauwerksschwingungen haben Hz bei Schrittfrequenzen von 1.4 bis 3.5 Hz (Tabelle
können. Natürlich ist der einfachste Fall der, dass 1). Bezieht man die Bezeichnung der einzelnen Har-
Fussgängerbrücken mit relativ niedriger Grundfre- monischen weiterhin auf die Schrittfrequenz, so kön-
quenz f0 durch die 1. Harmonische der dynamischen nen die Amplituden der Harmonischen mit ǻG1/2, ǻG1,
Einwirkung mit der Schritt- oder Hüpffrequenz fp zu ǻG3/2, ǻG2 usw. benannt werden; ǻG1/2 ist in Tat und
Resonanzschwingungen angeregt werden, d.h. fp = f0. Wahrheit die 1. Harmonische des zeitlichen Verlaufs
Manchmal werden aber Brücken (ebenso Turnhallen der horizontalen Einwirkung, sie wird indessen meist
decken, Sportstadien, usw.) mit einer höheren Grund- als "Halbharmonische" bezeichnet.
frequenz durch obere Harmonische angeregt, es ist Abbildung 3 zeigt Amplitudenspektren der horizon-
dann z.B. 2fp = f0 oder 3fp = f0; in solchen Fällen übt talen Einwirkung einer 584 N schweren Person durch
die 2. bzw. 3. Harmonische gewissermassen einen Gehen mit einer Schrittfrequenz von 2 Hz (Schulze
"Stoss in jedes 2. bzw. 3. Wellental der Bauwerks- (1980)). Man erkennt, dass auch hier obere Harmoni-
schwingung" aus (mit Phasenverschiebung). sche von Bedeutung sein können. In Richtung "hori-
Beispiel: An einer Fussgängerbrücke aus Stahl traten zontal quer" treten vor allem Kräfte in der halben und
erhebliche Vertikalschwingungen auf. Unter normalen der anderthalbfachen Schrittfrequenz auf, während in
Bedingungen während des abendlichen Berufsver- Richtung "horizontal längs" vor allem solche in der
kehrs wurden Frequenz und Bewegungsamplituden ein- und zweifachen aber auch in der halben, andert-
gemessen. Die Anzahl der Passanten schwankte halbfachen, usw. Schrittfrequenz abgegeben werden.
zwischen 30 und 55 pro Minute. Es zeigte sich, dass
die Brücke hauptsächlich in ihrer Grundfrequenz von
rund 4 Hz schwingt. Die Anregung erfolgt durch die 2.
Harmonische des zeitlichen Verlaufs der dynamischen

3
H. Bachmann

Abb. 3: Amplitudenspektren der horizontalen Einwirkung einer Person (G 584 N) durch Gehen mit einer Schrittfrequenz
von 2 Hz (Schulze (1980)).

Je nach Person und Bewegungszustand der Unterla- rizontal quer zur Brückenaxe, aber auch in Längsrich-
ge kann die Grösse der Amplituden im Vergleich zu tung. Es kam zu einer panikartigen Reaktion: Ein Teil-
Abbildung 3 verschieden sein, z.B. sind für "horizontal der Fussgänger rannte vorwärts zum Ende der Brü-
quer" Werte ǻG1/2/G auf ruhender Unterlage bis ~ 0.07 cke, um sich dort in Sicherheit zu bringen, während
und auf stark quer schwingender Unterlage bis ~ 0.14 ein anderer Teil umkehrte und zurückrennen wollte.
möglich (Imperial College (2000)). Die Fussgänger erlebten die Schwingungen wie bei
Obschon die durch Personen beim Gehen und einem starken Erdbeben oder ähnlich wie auf einem
Laufen ausgeübten horizontalen Kräfte im Vergleich Schiff bei hohem Wellengang. Eine dynamische Un-
zu den vertikalen Kräften relativ klein sind, genügen tersuchung zeigte, dass die Grundfrequenz der Brü-
sie, um bei horizontal weichen und somit niedrigfre- cke horizontal quer zur Brückenaxe nur 1 Hz und in-
quenten Tragwerken starke Schwingungen zu bewir- Richtung der Brückenaxe 1.75 Hz betrug. Ein Blick
ken. auf die Amplitudenspektren von Abbildung 3 erklärt
Beispiel: Eine Fussgängerbrücke am Flughafen Genf die Schwingungen: Die Brücke wurde durch die Fuss-
ist als Stahlbeton-Durchlaufträger mit Regelspannwei- gänger in Querrichtung durch die "Halbharmonische"
ten von rund 15 m ausgebildet. Abbildung 3 zeigt die mit der Amplitude ǻG1/2 und in Längsrichtung durch die
Abmessungen. Die Stahlbetonstützen von rund 7 m Harmonische mit der Amplitude ǻG1 angeregt. Die
Höhe wiesen einen relativ kleinen Querschnitt von 65 Brücke musste ertüchtigt werden durch Versteifung
cm (in Brückenquerrichtung) mal 30 cm (in Brücken- der bestehenden Stahlbetonstützen; diese wurden
längsrichtung) auf, da sie nur für horizontale statische sorgfältig aufgerauht und mit einer neuen Bewehrung
Windkräfte bemessen worden waren. Nach Schluss und Beton ummantelt. Und um die Einspannung der
einer abendlichen Grossveranstaltung strömten zahl- verstärkten Stützen zu gewährleisten, mussten auch
reiche Fussgänger von einer Seite her über die Brü- die Pfahlkopfplatten der Fundamente verstärkt wer-
cke. Diese begann stark zu schwingen, vor allem ho- den. Durch diese Massnahmen konnten die Eigenfre-

Abb. 4: Horizontal quer und längs schwingende Fussgängerbrücke.

4
"Lebendige" Fussgängerbrücken –– eine Herausforderung

quenzen in Quer- und Längsrichtung der Brücke so


weit angehoben werden, dass keine störenden
Schwingungen mehr auftraten, was einer nachträgli-
chen Frequenzabstimmung (siehe Abschnitt 5) ent-
spricht.
Genauere Empfehlungen für die rechnerisch anzu-
setzenden Grössen ǻGi/G und ϕi für Gehen, Laufen
und Hüpfen (sowie für andere rhythmische menschli-
che Körperbewegungen) in Funktion der Schritt- bzw.
Hüpffrequenz sind in (Bachmann et al. (1997)) ange-
geben.
Abb. 5: Multiplikationsfaktor bei Einwirkung mehrerer Per-
2.4 Einwirkung von mehreren Personen sonen (Footbridge 2002 (2002)).
Die obigen Ausführungen beziehen sich auf die Ein-
wirkung durch eine einzige Person. Fussgängerbrü- Dabei ist bereits berücksichtigt, dass eine über eine
cken werden jedoch im Allgemeinen gleichzeitig durch ganze Spannweite gleichmässig verteilte Einwirkung
mehrere Personen beansprucht. Dabei müssen die nur etwa 60 % der Durchbiegung durch die gleiche
folgenden Arten von Einwirkungen unterschieden jedoch konzentriert in Feldmitte angreifende Einwir-
werden: kung erzeugt.
Zum Beispiel ergibt sich bei einer 2 m breiten und
–– Regellose Einwirkung 26 m weit gespannten Brücke beim Durchgang von
–– Synchrone Einwirkung 100 Personen/Minute (Ȝ = 1.66 Personen/s) und vs ≅
Bei regelloser Einwirkung durch Gehen oder Lau- 1.5 m/s eine Passierzeit von T0 = 26/1.5 =17.3 s und
fen sind die Schrittfrequenz und das Eigengewicht der damit ein Faktor m = 1.66 ⋅ 17.3 = 28.7 = 5.4 .
beteiligten Personen innerhalb eines bestimmten Be- Gleichung (2) kann bei Fussgängerbauwerken mit
reiches nach einer Häufigkeitskurve verteilt, während einer Grundfrequenz f0 im Bereich der häufigsten
der Phasenwinkel ϕ1 der 1. Harmonischen (auf belie- Schrittfrequenz, d.h. bei normalem Fussgängerver-
bigen Zeit-Nullpunkt bezogen) eine rein zufällige Ver- kehr für f0 zwischen 1.8 und 2.2 Hz, direkt angewen-
teilung aufweist. Die dynamischen Einwirkungen vieler det werden. Tiefere und höhere Schrittfrequenzen
Fussgänger werden sich daher in der Zeit abwech- sind deutlich weniger häufig. Daher kann bei Grund-
selnd sowohl unterstützen als auch teilweise kompen- frequenzen f zwischen 2.2 und 2.4 Hz und zwischen
sieren. Exakte Voraussagen sind kaum möglich, da 1.8 und 1.6 Hz der Faktor m linear zum Wert mmin = 2.0
eben viele verschiedene Parameter und Zufälligkeiten abgemindert werden. Der Wert 2.0 entspricht dem
eine Rolle spielen. Für praktische Zwecke genügend Dahinschreiten zweier Personen im Gleichschritt.
genau hat sich jedoch der Ansatz nach (Matsumoto et Bei synchroner Einwirkung durch mehrere Perso-
al. (1978)) erwiesen. Demnach kann ein Faktor m nen –– z.B. eine Gruppe von Fussgängern im Gleich-
definiert werden, mit dem die für einen einzigen Fuss- schritt oder beim synchronen Hüpfen an Ort –– ergibt
gänger berechnete Schwingungsamplitude in Brü- sich im Vergleich zur Einwirkung einer einzigen Per-
ckenmitte zu multiplizieren ist: son eine Vergrösserung, die im Falle der 1. Harmoni-
schen nahezu linear mit der Anzahl der Personen n
m = Ȝ ⋅ T0 (2) zunimmt (Abb. 5) (Footbridge 2002 (2002)). Im Falle
einer oberen Harmonischen wirken sich wegen der
Ȝ: Mittlere Ankunftsrate (Personen /s für ganze
höheren Frequenzen bzw. kürzeren Perioden stets
Brückenbreite) über einen bestimmten Zeit-
vorhandene Unterschiede bei
raum (maximale mögliche Ankunftsrate Ȝmax
der zeitlichen Synchronisation und bei anderen
≅ 1.5 Personen pro s und m Breite).
Merkmalen (ǻGi /G, ϕi usw.) stärker aus und können
T0: Erforderliche Zeit, um die Brücke der Länge L
zu wesentlichen Abminderungen des Multiplikations-
mit der Geschwindigkeit vs zu passieren (T0 =
faktors führen. Der Grad der Abminderung durch un-
L/vs).
perfekte Synchronisation gegenüber einer perfekten
Ȝ ⋅ T0 : Anzahl der sich bei der mittleren Ankunftsrate
Synchronisation bzw. linearen Vergrösserung hängt
gleichzeitig auf der Brücke befindenden Per-
ausser von der Nummer der Harmonischen auch von
sonen (entspricht der in Abbildung 5 einge-
den betreffenden Umständen (Frequenzbereich, Art
führten Grösse n).
der Aktivitäten usw.) ab. Zumindest für eine kleinere

5
H. Bachmann

Anzahl von Personen erscheint jedoch die Annahme Frequenzen bei etwa 1 Hz, die nach späteren Schät-
einer linearen Vergrösserung als angemessen (oberer zungen Amplituden von bis zu 70 mm (!) erreichten.
Grenzwert). Z.B. können der Einwirkung "mutwillige Videoaufnahmen zeigten, dass sich ein grosser Teil
Anregung" bei Fussgängerbrücken 3 hüpfende Per- der Fussgänger den Schwingungen der Brücke ange-
sonen mit idealer Synchronisation zugrundegelegt passt und so mit diesen synchronisiert hatte. Viele
werden. Fussgänger konnten allerdings nicht mehr weiter ge-
hen und mussten sich am Geländer festhalten. Die
2.5 Lock-in Effekt Brücke musste wieder geschlossen werden. Im Rah-
Von erheblicher praktischer Bedeutung kann das men der dynamischen Ertüchtigung durchgeführte
Phänomen sein, welches als Rückkoppelungs- und Laborversuche auf einer quer schwingenden Plattform
Synchronisationseffekt oder, in Anlehnung an ähnli- ergaben, dass sich bei einer Amplitude von 5 mm
che Erscheinungen in der Aeroelastik bei Wirbelablö- bereits zwischen 30 und 50 % der Fussgänger syn-
sung an umströmten schwingenden Körpern, als chronisieren, und bei 30 mm sind es rund 80 % [40].
"Lock-in" Effekt bezeichnet wird. Es hat sich nämlich Für eine Querbeschleunigung von 2 % g (vgl. Ab-
gezeigt, dass der Mensch beim Gehen und Laufen schnitt 4) kann eine Synchronisation von ~ 30 % der
seine Bewegungen denjenigen einer vertikal oder Fussgänger angenommen werden.
horizontal schwingenden Unterlage anpasst und sich
3 DYNAMISCHE EIGENSCHAFTEN UND
synchronisiert, sobald deren Verschiebungsamplitude
SCHWINGUNGSVERHALTEN VON FUSSGÄN-
einen bestimmten Schwellenwert überschreitet. Dann
GERBRÜCKEN
ist nämlich kein unbeeinflusstes Gehen bzw. Laufen
mehr möglich, man "fällt aus dem Tritt" und passt sich Abbildung 6 (nach A.J. Pretlove et al. in (Bachmann et
bezüglich Schrittfrequenz und Phasenlage (ϕ1) den al. (1997))) zeigt die Grundfrequenz von 67 balkenar-
Schwingungen der Unterlage an. Der Schwellenwert tigen Fussgängerbrücken in Funktion der (Haupt-)
ist richtungs- und frequenzabhängig und kann je nach Spannweite. Es ist zu beachten, dass grosse Streu-
Individuum (Alter, Konstitution usw.) recht unter- ungen auftreten und die angegebene Formel nicht für
schiedlich sein. Für vertikale Schwingungen der Un- Vorhersagen in konkreten Fällen verwendet werden
terlage mit rund 2 Hz variiert der Schwellenwert (Amp- kann.
litude) etwa zwischen 10 und 20 mm (Baumann et al. Die Dämpfung von Fussgängerbrücken –– beson-
(1988)). Für horizontale Schwingungen quer zur Geh- ders von Stahlbrücken und auch von Verbundbrücken
richtung mit rund 1 Hz ist er kleiner, bei manchen (Stahlträger mit Betongehwegplatte) –– kann sehr ge-
Personen beginnt die Anpassung an die Schwingun- ring sein, womit beim Passieren von Fussgängern
gen der Unterlage bereits bei Amplituden von 2 bis starke Schwingungen entstehen können. Tabelle 2
3 mm. gibt Hinweise für das äquivalente viskose Dämp-
Wenn der individuelle Schwellenwert einer Person fungsmass ȗ aus einer Auswertung von Messungen
überschritten und die Synchronisation mit der Brü- an 43 balkenartigen Brücken, die durch einen einzel-
ckenschwingung erfolgt ist, so tritt die Person nun nen Fussgänger angeregt wurden (nach A.J. Pretlove
gewissermassen in jedes Wellental der Schwingung et al. in (Bachmann et al. (1997))). Bei grossen
(mit Phasenverschiebung), womit die Brücke eine
resonanzähnliche und somit ungünstigere dynami-
sche Anregung erfährt. Dadurch nehmen die Ver-
schiebungsamplituden zu, wodurch weitere Personen
sich mit der Brückenschwingung und somit auch un-
tereinander synchronisieren. Es werden also immer
mehr Personen gemäss der englischen Bedeutung
von "to lock" in die Synchronisation "eingeschlossen"
oder –– deutsch –– in diese "hereingelockt". In bestimm-
ten Fällen wurde eine Synchronisation von mehr als
80 % der beteiligten Personen beobachtet.
Beispiel: Anlässlich der Eröffnung der neu erbauten
Millenniumsbrücke mit Spannweiten von 80 m –– 140
m –– 100 m über die Themse in der Londoner City im
Juni 2000 strömten zahlreiche Fussgänger über die Abb. 6: Grundfrequenz von 67 Fussgängerbrücken in
Brücke. Es entstanden starke Querschwingungen mit Funktion der Spannweite (Bachmann et al. (1997)).

6
"Lebendige" Fussgängerbrücken –– eine Herausforderung

Dämpfungsmass ȗ statischen Last erfassen zu wollen. Vielmehr muss die


dynamische Durchbiegung für sich betrachtet werden.
Konstruktionsweise min. mittel max.
4 ANHALTSWERTE
Stahlbeton 0.008 0.013 0.020
Gemessene oder gerechnete Schwingwerte von
Spannbeton 0.005 0.010 0.017
Fussgängerbrücken (Beschleunigung oder Geschwin-
Verbund Stahl-Beton 0.003 0.006 - digkeit oder Verschiebung) können mit akzeptablen
Werten, sogenannten Anhaltswerten, verglichen wer-
Stahl 0.002 0.004 -
den. Wie der Name sagt, handelt es sich nicht um
Tabelle 2: Übliche Werte des Dämpfungsmasses von Fuss- genau festlegbare "zulässige" Werte, sondern um
gängerbrücken (Bachmann et al. (1997)). Werte, die eine zweckmässige, mit einer Streubreite
behaftete Grössenordnung und somit eben mehr nur
Schwingwegamplituden nimmt in manchen Fällen einen Anhaltspunkt geben. Anhaltswerte können
(aber nicht immer) die Dämpfung zu, was eine lineare durch die folgenden Phänomene bestimmt sein:
Vergrösserung der Schwingungen mit der Stärke der
–– Physiologische Wirkungen auf Personen (mechani-
Einwirkung verhindert. Auch tragen zahlreiche gleich-
sche, optische, akustische Einwirkungen)
zeitig auf einer Brücke befindliche Fussgänger durch
–– Beanspruchungen des Bauwerks bzw. Bauteils
die Energiedissipation in ihrem Körper selbst zur
(Verformung, Festigkeit, Ermüdung)
Dämpfung bei. Das Ausmass der Erhöhung der
Dämpfung gegenüber derselben Brücke ohne Fuss- Für die Beschränkung der Schwingwerte und somit für
gänger hängt indessen von zahlreichen Parametern die Anhaltswerte sind meist die physiologischen
ab und sollte bei der dynamischen Bemessung vor Wirkungen massgebend.
allem bei grösseren Brücken eher vernachlässigt oder Die Festlegung von Anhaltswerten für vertikale und
nur sehr vorsichtig angenommen werden. horizontale Schwingungen von Fussgängerbrücken
Die obigen Angaben gelten nur für Balkenbrücken. tangiert vor allem im Falle der physiologischen Wir-
Für Schrägseilbrücken, Hängebrücken, Bogenbrücken kungen schwierige Fragen und weist einen gewissen
und die in der letzten Zeit vermehrt aufgekommenen Ermessensspielraum auf. Verschiedene Normen ge-
Sonderkonstruktionen ("Signature Bridges") können ben denn auch unterschiedliche Werte. Bei deren
kaum allgemein gültige Hinweise für die Grössenord- Anwendung ist Vorsicht geboten, da Normen ja kaum
nung von Grundfrequenz und Dämpfung gegeben alle in einem konkreten Fall relevanten Umstände
werden. berücksichtigen können, z.B.
Fussgängerbrücken können durch rhythmische
–– häufiges, ausnahmsweises oder seltenes Ereignis
menschliche Körperbewegungen in sehr starke
–– experimentell erhärteter oder rechnerisch (oft sehr
Schwingungen versetzt werden. Bei Fussgängerbrü-
unsicher) ermittelter Schwingwert
cken ist die statische Durchbiegung verhältnismässig
–– erwünschter Komfortgrad
klein, und es zeigt sich meist eine einfache harmoni-
–– erwartete Akzeptanz durch die Benützer (z.B. ist
sche Schwingung um eine nur wenig veränderte Null-
ein grosser Unterschied zwischen einer Hängebrü-
linie mit ausgesprochen resonanzähnlichem Charak-
cke in einem Gebirgstal und einer Treppe in einem
ter. Im ungünstigsten Fall stimmt dabei eine Eigenfre-
Warenhaus)
quenz der Brücke –– meist ist es die vertikale oder die
horizontale Biegegrundfrequenz, es kann aber auch Anhaltswerte sind grundsätzlich frequenzabhängig.
eine höhere Biegeeigenfrequenz oder eine Torsions- Sie werden im Allgemeinen in der Form einer Be-
eigenfrequenz sein –– mit der Frequenz einer Harmo- schleunigung, evtl. auch einer Geschwindigkeit, an-
nischen des zeitlichen Verlaufs der Einwirkung (Ab- gegeben. Bei vertikalen Schwingungen kann je nach
schnitt 2.2) überein. Im stationären Zustand, d.h. nach Umständen eine Beschleunigung von 0.5 bis 1 m/s2,
dem Einschwingvorgang, dessen Dauer mit kleinerer d.h. 5 bis 10 % g (g = Erdbeschleunigung) akzeptiert
Dämpfung grösser wird, treten Durchbiegungsampli- werden. Die unteren Werte führen normalerweise
tuden auf, die ein Vielfaches, z.B. das 20- oder das nicht zu Beanstandungen. Auf horizontale Schwin-
100-fache (es ist das 1/2ȗ-fache, siehe Abschnitt 6) gungen, vor allem quer zur Gehrichtung, ist der ge-
der Durchbiegung aus der statisch wirkenden Ampli- hende Mensch wesentlich empfindlicher. Deshalb ist
tude ǻG der dynamischen Einwirkung betragen kön- als grober Anhaltswert eine Beschleunigung von 1 bis
nen. Es wäre deshalb nicht zweckmässig, den Ein- 2 % g zu empfehlen. Zudem sollten Schwingwege
fluss der Schwingungen durch einen Zuschlag zur vertikal von ~ 10 mm und horizontal von ~ 2 mm nicht

7
H. Bachmann

überschritten werden, sofern der "Lock-in" Effekt und bis 1.3 Hz) bekannt sind, ist dies von solchen mit etwa
somit eine Synchronisation der Bewegungen der ein- 2 oder gar 3 Hz nicht der Fall; deren Steifigkeit und
wirkenden Personen vermieden werden soll (Ab- Masse dürfte im Allgemeinen so gross sein, dass
schnitt 2.4). Differenziertere Angaben zu bestimmten durch die relativ geringen Seitenkräfte der Fussgän-
Arten von Anhaltswerten sind z.B. in (Bachmann et al. ger keine störenden Schwingungen angeregt werden.
(1997)) zu finden. In allen Fällen liegt eine Frequenzabstimmung auf f >
3.4 Hz auf der sicheren Seite.
5 FREQUENZABSTIMMUNG In Richtung "horizontal längs" können analoge
Gegen übermässige Schwingungen von Fussgänger- Überlegungen angestellt und kritische Frequenzberei-
brücken kommen im Wesentlichen die folgenden che identifiziert werden, insbesondere bei etwa 1 Hz
Massnahmen in Betracht: sowie möglicherweise bei 2 Hz und allenfalls auch bei
3 Hz (Abb. 3 rechts). Häufig ist es allerdings so, dass
–– Frequenzabstimmung bei in Längsrichtung rechnerisch weichen Brücken die
–– Berechnung einer erzwungenen Schwingung und Lagerreibung Schwingungen verhindert. Bei Rahmen-
Begrenzung der Amplituden brücken jedoch ist Vorsicht geboten.
–– Sondermassnahmen Abbildung 7 zeigt die kritischen Frequenzbereiche
–– Einsatz von Schwingungstilgern für Fussgängerbrücken, die bei einer Frequenzab-
Bei einer Frequenzabstimmung wird das Tragwerk so stimmung zu vermeiden sind.
gestaltet, dass seine Eigenfrequenzen –– insbesondere Die Frequenzabstimmung von Tragwerken ist eine
seine Grundfrequenz –– bestimmte Anforderungen relativ grobe und pauschale Massnahme, die sich
erfüllen; das Tragwerk wird also bezüglich seiner aber im Allgemeinen in der Praxis bewährt hat; sie
Schwingungseigenschaften ähnlich "abgestimmt" wie kann vor allem bei den häufig vorkommenden "norma-
ein Musikinstrument. Für die Berechung der Eigenfre- len" Balkenbrücken mit Spannweiten bis etwa 50 m
quenzen werden als Bauwerksparameter nur die Stei- zur Anwendung empfohlen werden.
figkeiten und Massen nicht aber die oft schwierig vor-
herzusagende Dämpfung benötigt. 6 BERECHNUNG EINER ERZWUNGENEN
SCHWINGUNG UND BEGRENZUNG DER
In Richtung "vertikal" ist aufgrund der häufigsten
AMPLITUDEN
Schrittfrequenzen von Fussgängern (Tabelle 1) und
des entsprechenden Amplitudenspektrums (Abb. 1) Bei einer vorerst nur für statische Lasten entworfenen
die Gefahr am grössten, dass eine Fussgängerbrücke Fussgängerbrücke kann die Frequenzabstimmung je
zu erheblichen Schwingungen angeregt wird, wenn nach Umständen zu einem erheblichen Mehraufwand
eine ihrer Frequenzen zwischen 1.6 und 2.4. Hz liegt. führen. In solchen Fällen können eingehendere Un-
Eigenfrequenzen f im Bereich von tersuchungen angezeigt sein. Im Vordergrund steht
meist die Berechnung einer erzwungenen Schwin-
1.6 Hz < f < 2.4 Hz
gung und Vergleich der resultierenden Amplituden mit
sind deshalb zu vermeiden. Und wegen des Phäno- Anhaltswerten. Wenn nötig müssen Massnahmen
mens der 2. Harmonischen (Abschnitt 2.2) sollten bei getroffen werden, um die Amplituden zu begrenzen.
Bauwerken mit verhältnismässig geringer Dämpfung Für eine stationäre harmonische Resonanz-
und Masse (vor allem Stahl- und Verbundbrücken) schwingung (Zustand nach dem Einschwingvorgang)
auch Eigenfrequenzen f im Bereich bei Einwirkung einer einzelnen Person in Feldmitte
3.5 Hz < f < 4.5 Hz gilt:

vermieden werden. Werden Fussgängerbrücken häu- d = d s / 2ȗ ; v = 2ʌfd s / 2ȗ ; a = 4 ʌ 2f 2d s / 2ȗ (3)


fig durch Läufer ("Jogger") mit höheren Schrittfre-
d, v, a: Amplituden der Durchbiegung bzw. Ge-
quenzen (Tabelle 1) überquert, sind (auch) Eigenfre-
schwindigkeit bzw. Beschleunigung in Feld-
quenzen im Bereich von 2.1 und 2.9 Hz zu vermeiden.
mitte
In Richtung "horizontal quer" ist aufgrund des
ds: Statische Durchbiegung infolge ǻG in Feldmit-
Amplitudenspektrums (Abb. 3 links) die Schwin-
te
gungsgefahr am grössten, wenn eine Brücke Eigen-
f: Eigenfrequenz der Brücke und der Frequenz
frequenzen bei etwa 1 Hz sowie im Falle von sehr
massgebenden Harmonischen mit der Ampli-
leichten und wenig gedämpften Konstruktionen allen-
tude ǻG
falls auch bei 2 oder 3 Hz hat. Während etliche Fälle
ȗ: Dämpfungsmass der Brücke
von querschwingenden Brücken bei etwa 1 Hz (~ 0.7

8
"Lebendige" Fussgängerbrücken –– eine Herausforderung

Abb. 7: Kritische Frequenzbereiche für Fussgängerbrücken, die bei einer Frequenzabstimmung zu vermeiden sind.

Die Einwirkung mehrerer Personen kann durch die 7 SONDERMASSNAHMEN


Multiplikation bei regelloser Einwirkung mit dem Fak-
Als Sondermassnahmen kommen vor allem unkon-
tor m und bei synchroner Einwirkung mit der Anzahl ventionelle Versteifungen in Frage, die normalerweise
der Personen n erfasst werden (s. Abschnitt 2.4). die Eigenfrequenzen erhöhen, z.B.
Anleitungen zu Berechnungen mit Berücksichtigung
des Einschwingvorgangs und weiterer Einflüsse wer- –– Einspannung des Hauptträgers bei einem oder
den z.B. in (Bachmann et al. (1997)) und (Grundmann mehreren Widerlagern (muss nur für dynamische
et al. (1993)) gegeben. Natürlich können auch übliche Einwirkungen wirksam sein)
Computerprogramme eingesetzt werden; dabei emp- –– Anbringen eines steiferen Geländers
fiehlt sich aber immer eine Überprüfung der Resultate ("Gebrauchstauglichkeits-Tragwerk")
durch einfache Handrechnungen, die ja auch den –– Seilabspannungen (vertikal, horizontal oder schräg)
Überblick und das Verständnis der Zusammenhänge Eine Erhöhung der Dämpfung durch Veränderungen
fördern und damit helfen, grobe Fehler zu vermeiden. am Tragwerk, an Verbindungen, an Lagern usw. kann
In jedem Fall besteht eine sehr wichtige direkte Ab- ebenfalls in Betracht gezogen werden, doch stehen
hängigkeit der Rechenergebnisse vom Dämpfungs- dem meist erhebliche praktische Schwierigkeiten ent-
mass ȗ. Dieses ist oft sehr schwierig genauer vorher- gegen. Hingegen kann der Einsatz von Schwin-
zusagen und muss deshalb vorsichtig angenommen gungstilgern eine wirksame und kostengünstige Alter-
werden (Tabelle 2), was die Nützlichkeit einer "ge- native sein.
nauen" Schwingungsberechnung erheblich beein-
trächtigen kann. 8 BERUHIGUNG DURCH SCHWINGUNGSTILGER
Der Vergleich der berechneten Amplituden mit An-
Tilger sind Massen-Feder-Dämpfer, die bezüglich
haltswerten zeigt, ob Massnahmen wie Erhöhung der
Steifigkeit usw. ergriffen werden müssen. Hiermit ihrer Eigenfrequenz und Dämpfung genau abgestimmt
kann versucht werden, die Amplituden auf ein akzep- sein müssen auf die dynamischen Eigenschaften des
zu beruhigenden Tragwerks (Brücke). Tilger können
tables Mass zu begrenzen.
Erfahrungen haben gezeigt, dass bei Fussgänger- verwendet werden für die
brücken mit einer vertikalen Grundfrequenz von etwa –– Schwingungssanierung von bestehenden Brücken
2 Hz die Berechnung einer erzwungenen Schwingung –– Planung und dynamische Bemessung von neuen
mit Amplitudenbegrenzung meist zu ähnlichen Ergeb- Brücken
nissen führt wie eine Frequenzabstimmung. Differen-
Ein Tilger ist also ein schwingendes Zusatzsystem,
ziertere Erkenntnisse sind eher bei Brücken mit höhe-
das an ein schwingendes Hauptsystem angebracht
ren Eigenfrequenzen zu erwarten. Z.B. kann bei
wird. Er besteht aus einer Masse, einer Feder und
Stahl- und Verbundbrücken mit einer vertikalen
einem Dämpfer (oder mehreren parallelen Federn und
Grundfrequenz im Bereich zwischen etwa 3.5 und 4.5
Dämpfern). Eine gute Abstimmung der Tilgerfrequenz
Hz und niedriger Dämpfung mit der Berechnung einer
bewirkt Trägheitskräfte der Tilgermasse, die den auf
erzwungenen Schwingung zu klären versucht werden,
das Hauptsystem einwirkenden dynamischen Kräften
ob Veränderungen bei der Steifigkeit wie Vergrösse-
entgegenwirken und dessen Resonanzschwingungen
rung der Querschnittsabmessungen usw. angezeigt
erheblich reduzieren können. Während also die
sind.
Schwingungsamplituden des Hauptsystems wesent-

9
H. Bachmann

lich verringert werden, sind grosse Verschiebungs- etwas kleiner als die Eigenfrequenz des Hauptsys-
amplituden des Zusatzsystems erforderlich. Die durch tems (~ 95 bis 99 %), und sie ist –– wie auch die opti-
die dynamische Einwirkung zugeführte Energie geht male Dämpfung –– abhängig vom Massenverhältnis
zu einem grossen Teil in den stark schwingenden mt/ms, das zweckmässigerweise etwa im Bereich von
Tilger; sie wird vor allem im oder den Dämpfern des 0.01 bis 0.05 gewählt wird. Bemessungshilfen sind in
Tilgers dissipiert. (Bachmann et al. (1995)) und weitere Hinweise in
In den allermeisten Fällen sind die Schwingungen (Petersen (2001)) gegeben.
in einer bestimmten Eigenfrequenz des Hauptsystems Für die Anwendung von Tilgern zur Schwingungs-
problematisch und müssen reduziert werden. Das beruhigung von Fussgängerbrücken können die
Hauptsystem kann dann als äquivalenter Einmassen- folgenden praktischen Hinweise nützlich sein:
schwinger mit der entsprechenden modalen Masse
–– Die maximalen Amplituden des Hauptsystems kön-
usw. modelliert werden. Zusammen mit dem Zusatz-
nen durch Tilger wesentlich reduziert werden. Die
system ergibt sich ein 2-Massen Schwinger gemäss
Reduktion ist jedoch sehr empfindlich auf kleine
Abbildung 8.
Änderungen der Tilgerfrequenz ft; diese muss da-
Dabei bedeuten: her möglichst gut mit der optimalen Frequenz fopt
mt: Tilgermasse übereinstimmen.
ms: Modale Masse des Hauptsystems (Brücke) –– Demgegenüber haben auch erhebliche Abwei-
kt, s: Federkonstante des Tilgers bzw. Hauptsys- chungen der Tilgerdämpfung ȗt von der optimalen
tems Dämpfung ȗopt relativ geringe Folgen.
ct, s: Dämpfungskonstante des Tilgers bzw. Haupt- –– Ein Schwingungstilger vom oben dargestellten Typ
systems mit Dämpfungsmass ist nur in einem engen Frequenzband wirksam und
ȗ t = c t /( 2 k t / m t ) bzw. ȗ s = cs /(2 ks / ms ) wenn er auf eine bestimmte Eigenfrequenz des zu
xt, s: Verschiebung der Tilgermasse bzw. modalen beruhigenden Systems abgestimmt ist. Er arbeitet
Masse des Hauptsystems nicht befriedigend sofern das Hauptsystem mehrere
Eigenfrequenzen nahe beieinander aufweist (z.B.
Für die beiden Massen können je die Bewegungs- Biege- und Torsions-Grundfrequenz), die durch die
Differentialgleichung des Gleichgewichts aufgestellt dynamische Einwirkung angeregt werden.
und das gekoppelte Gleichungssystem gelöst werden –– Ein Tilger ist umso wirksamer, je grösser die Til-
(Bachmann et al. (1997)). Die Ausdrücke für die opti- germasse verglichen mit der modalen Masse des
male Eigenfrequenz fopt und die optimale Dämpfung Hauptsystems und je kleiner die Dämpfung des
ȗopt des Tilgers ergeben sich zu Hauptsystems ist. Tilger sind daher besonders effi-
zient bei Stahl- und Verbundbrücken, die im Ver-
fs 3( m t / ms ) gleich zu Betonbrücken im Allgemeinen eine gerin-
f opt = ; ȗ opt = (4)
1 + m t / ms 8(1 + m t / ms )3 gere Masse und eine kleinere Dämpfung haben
und deshalb besonders schwingungsanfällig sein
mit den Eigenfrequenzen fs = k s / ms /(2ʌ ) des
können.
Hauptsystems und f t = k t / m t /( 2ʌ ) des Tilgers.
–– Die Verschiebungsamplituden der Tilgermasse
Die optimale Eigenfrequenz des Tilgers ist somit
müssen durch Berechnungen überprüft werden
(Bachmann et al. (1995)), und es muss dafür genü-
gend Platz (inkl. Reserve für den Fall übermässiger
Einwirkungen) vorgesehen werden.
–– Die Feinabstimmung eines Tilgers (Frequenz) muss
nicht nur bei dessen Herstellung in der Werkstätte
sondern auch am Bauwerk –– meist am besten
durch Beifügen oder Wegnehmen von kleinen Tei-
len der Tilgermasse und weniger durch Verände-
rung der Tilgerfedern –– vorgenommen werden kön-
nen. Denn Berechnungsergebnisse zu Bauwerk
und Tilger weichen oft von den wirklichen Werten
ab.
–– Insbesondere die Bauwerksfrequenzen können sich
Abb. 8: Dynamisches Modell des Hauptsystems (Trag- mit der Zeit verändern, z.B. durch den Einbau eines
werk) mit Tilger (Imperial College (2000)).

10
"Lebendige" Fussgängerbrücken –– eine Herausforderung

neuen Belages oder Geländers, durch Veränderung 9 FOLGERUNGEN


der Steifigkeit von Betonträgern durch Rissebildung
Moderne Fussgängerbrücken sind oft wesentlich "le-
usw. Dadurch kann das 2 Massen Schwingungs- bendiger" d.h. erheblich schwingungsanfälliger als
system "verstimmt" werden. Tilger sollten deshalb ähnliche ältere Brücken. Deshalb dürfen Fussgänger-
auch stets so platziert und montiert werden, dass
brücken nicht mehr nur für statische Lasten bemessen
sie für Kontrollen und eine Neu-Abstimmung mög- werden; eine dynamische Bemessung ist unbedingt
lichst gut zugänglich sind. notwendig. Dabei sind das grundlegende Verständnis
Beispiel: Eine Fussgänger- und Radfahrerbrücke ist der möglichen dynamischen Phänomene und die ma-
als Durchlaufträger aus Stahl über 4 Felder mit einer thematische Formulierung der dynamischen Einwir-
Hauptspannweite von 25 m und einer lichten Breite kungen entscheidend. In manchen Fällen genügt eine
von 2.5 m ausgebildet (Footbridge 2002 (2002)). Nach einfache Frequenzabstimmung des Tragwerks. In
der Inbetriebnahme zeigten sich starke Schwingungen anderen Fällen sind die Berechnung einer erzwunge-
bereits beim Passieren von einzelnen Fussgängern nen Schwingung und Begrenzung der Amplituden
und geringere aber gut spürbare Schwingungen auch oder das Ergreifen von Sondermassnahmen zweck-
bei der Überfahrt einzelner Radfahrer. Eine dynami- mässig. Eine wirksame und zukunftsträchtige Alterna-
sche Untersuchung ergab eine Grundfrequenz von tive ist die Installation von auf die dynamischen Ei-
2.48 Hz; diese lag also über dem nach den Regeln genschaften des Tragwerks abgestimmten Schwin-
der Frequenzabstimmung "verbotenen" Bereich (Ab- gungstilgern.
schnitt 5 und Abbildung 7). Die ausgeprägte Schwin-
gungsanfälligkeit erklärte sich aus der extrem niedri- LITERATUR
gen Dämpfung. Das Dämpfungsmass betrug nur 0.23 Bachmann, H. et al. (1997), Vibration Problems in Structu-
% bei einer Beschleunigung von ~ 1 m/s2 und 0.40 % res –– Practical Guidelines, 2nd Edition. Birkhäuser Verlag,
bei ~ 4 m/s2; somit war fast nur Materialdämpfung Basel Berlin Boston.
(Stahl) und nur eine geringe Systemdämpfung (Ver- Bachmann, H., Weber B. (1995), Tuned vibration absorbers
bindungen, Lager, usw.) vorhanden. Durch eine an for damping of "lively" structures, Structural Engineering
International 5, 31-36.
Ort hüpfende Person konnten Brückenschwingungen
Baumann, K., Bachmann, H. (1988), Durch Menschen ver-
mit einer Beschleunigung in Brückenmitte von ~ 9
ursachte dynamische Lasten und deren Auswirkungen auf
m/s2 (!) erzielt werden. Das sind 90 % der Erdbe- Balkentragwerke, Bericht Nr. 7501-3, Institut für Baustatik
schleunigung. Bei 100 % (gemittelt) wäre das Eigen- und Konstruktion (IBK), ETH Zürich, Birkhäuser Verlag,
gewicht kompensiert gewesen, die Brücke hätte von Basel Boston Berlin.
ihren Auflagern abgehoben und einen eigentlichen Footbridge 2002 (2002), Design and dynamic behaviour of
Luftsprung gemacht, wie das in anderen Fällen schon footbridges, Proceedings and CD of the International
vorkam. Footbridge Conference (Paris). November 20-22, 2002,
AFGC and OTUA, Paris.
Die Dynamische Sanierung erfolgte durch zwei
Schwingungstilger, die in der Mitte der Hauptspann- Grundmann, H., Kreuzinger, H., Schneider, M. (1993).
Schwingungsuntersuchungen für Fussgängerbrücken, Bau-
weite an der Innenseite der Stahlträger angebracht
ingenieur 68, 215-225.
wurden. Die Tilger sind somit von der Gehwegplatte
Imperial College of London (2000), Moving Platform Pe-
her für Kontrollen usw. gut zugänglich. Die Tilger sind destrian Tests, Ove Arup & Partners, September 2000.
in diesem Fall äusserst effizient: Sie reduzieren die
Matsumoto, Y. et al. (1978), Dynamic Design of Footbrid-
Schwingungen um etwa den Faktor 20 auf einen Wert ges, IVBH-Abhandlungen P-17.
von ~ 0.5 m/s2 (~Anhaltswert). Petersen, C. (2001), Schwingungsdämpfer im Ingenieurbau,
Die Tilgertechnik wird in Zukunft eine noch grösse- Maurer Söhne GmbH & Co. AG, München.
re Bedeutung erlangen. Unter anderem dürften auch Schulze, H. (1980), Dynamische Einflüsse der Verkehrslast
Tilgersysteme wichtig werden, bei denen auf einfache auf Fussgängerbrücken, Signal + Schiene 24, 91-95 / 143-
z.B. elektromagnetische Weise die Federsteifigkeit 147.
und das Dämpfungsmass verändert und somit z.B.
Eigenschwingungen des Hauptsystems mit unter-
schiedlichen Frequenzen durch einen einzigen Tilger
gedämpft werden können. Hinweise dazu sind in
(Footbridge 2002 (2002)) zu finden.

11
H. Bachmann

12
Dreidimensionale aerodynamische und aeroelastische
Analyse der Fußgängerbrücke Kehl-Strasbourg

Casimir Katz1, Imre Kovacs2 und Guido Morgenthal3


1
SOFiSTiK AG, Oberschleißheim,
2
Dynamik Consulting, Weinstadt
3
Leonhardt, Andrä und Partner, Stuttgart

1 EINFÜHRUNG 2 DAS BAUWERK


Es wird die Berechnung einer asymmetrischen Zur Gartenschau „„Le jardin des deux rives““ 2004 wird
Schrägkabelbrücke für Fußgänger mit zwei Decks eine neue Fußgängerbrücke die Städte Kehl und
beschrieben, die sich dynamisch als sehr empfindlich Strasbourg ca. 500m südlich der bestehenden Euro-
unter anderem hinsichtlich der Stabilität gegenüber pabrücke über den Rhein verbinden.
Windschwingungen herausgestellt hatte. Die von dem Pariser Architekten und Ingenieur
Zum Nachweis des Bauwerks wurden künstliche Marc Mimram entworfene und in einem Wettbewerb
Windverläufe erzeugt, die eine statistisch abge- siegreiche stählerne Schrägseilbrücke mit Verbund-
sicherte Beschreibung des instationären Windes in überbau verfügt über ein anspruchsvolles Gesamt-
Abhängigkeit von der Geländeform und unter Berück- konzept und extreme Schlankheit. Bei der Ausschrei-
sichtigung der räumlichen Kohärenz der turbulenten bungsplanung in den Jahren 2001 - 2002 wurde als
Anteile (Böen) erlauben. Diese Winde wurden dann Berater zur Aerodynamik das Ingenieurbüro PSP,
auf das Bauwerk in einer transienten, nichtlinearen Aachen, herangezogen, während die statische und
Analyse aufgebracht. dynamische Vorprüfung, die Erarbeitung der Baube-
Durch die teilweise großen Verformungen der Brü- schreibung und des Leistungsverzeichnisses vom
cke ergeben sich nichtlineare Effekte aus der Überla- Büro Leonhardt, Andrä und Partner übernommen
gerung der Wind- und Bauwerksgeschwindigkeiten, wurde.
veränderter Anströmungswinkel der Querschnitte, die Die Spannweiten betragen im Bereich des Vorlan-
zu einer entsprechenden Anfachung führen. des 3 x 14,40 bzw. 4 x 14,40 sowie 43,72+ 183,37 +
Für diese Brücke müssen Tilger vorgesehen wer- 43,72 Meter im Bereich der Hauptbrücke. Der Über-
den, deren Wirksamkeit am gleichen Modell anschau- bau besteht aus zwei Gehsteigen in Stahl-Beton-
lich untersucht werden konnte. Verbundkonstruktion, die durch biegesteif ange-

Abb. 1: System der Brücke (Quelle: Mimram Ingenierie, Paris)

13
C. Katz, I. Kovacs und G. Morgenthal

Die uferseitigen Horizontalkräfte von Steg B in


Brückenquerrichtung werden bis zur ersten Achse der
B Vorlandbrücke zurückgehängt. Die uferseitige Aufla-
gerung und Seilverankerung ist auf Pfählen gegrün-
det, während die Flusspfeiler mit Pylon auf Flachfun-
damenten von 25x11m stehen.
A Die aero-elastische Anfälligkeit der Brücke ent-
steht einerseits aus der Konfiguration des gemeinsa-
men Querschnitts –– d.h. die zwei scharfkantigen Ste-
ge und die Interferenz der Strömung durch die offene
Abb. 2: Querschnitt der Brücke
Lücke zwischen den beiden, worauf wir noch zurück-
schlossene Querträger, Verbandsstreben sowie eine kommen, und andererseits aus der Torsionsnachgie-
Plattform in Brückenmitte verbunden sind bigkeit um die Längsachse, die sich aus dem Entwurf
Der bogenförmige Steg A verbindet die Rheinufer zwangsläufig ergibt. Abbildung 4 zeigt einige wichtige
und ist im Grundriss gerade. Der an die Vorlandbrü- Eigenschwingungen des ungedämpften Systems, von
cke angeschlossene Steg B dient der Benutzbarkeit welchen die beiden Torsionsschwingungen die ent-
der Brücke auch bei Hochwasser sowie durch Rad- scheidende Rolle spielen. Nachdem die Torsionsstei-
fahrer und verläuft im Grundriss gekrümmt. Die Be- figkeit hauptsächlich durch die Einspannung der Pylo-
tonplatte der Gehbahnen hat eine Dicke von 15cm. ne zustande kommt, liegen die Torsionseigenfrequen-
Die Pylone sind entgegen des Überhanges von zen nahe beieinander.
Steg B geneigt. Der Überbau ist nur in Querrichtung Wegen der Schlankheit spielte die Aerodynamik
am Pylon durch einen Gabelbaum gelagert und in und Aeroelastik in der Entwurfsbearbeitung von An-
diesem Bereich durch eine Schrägstrebe gestützt. Die fang an eine zentrale Rolle. Die Untersuchungen zum
Seile werden mittels Gabelseilköpfen in zwei Platten Windverhalten wurden deshalb unabhängig vonein-
am Pylonkopf eingehängt. Die ersten Seilpaare zum ander sehr intensiv geführt: einerseits von der Aufstel-
Land und zur Flussmitte haben Durchmesser von 139 lerseite (d.h. von PSP Aachen) und andrerseits von
bzw. 102 mm, die weiteren Seile von 60 mm. der Seite des Prüfingenieurs (Dr. Saul, LAP). Die not-

Abb. 3: Statisches System der Brücke

14
Dreidimensionale aerodynamische und aeroelastische Analyse der Fußgängerbrücke Kehl-Strasbourg

Abb. 4: Eigenformen der Brücke

wendigen Windkanalmessungen wurden in dem da der gesamte Brückenquerschnitt, d.h. die beiden
Windlaboratorium der Universität Aachen, Lehrstuhl miteinander verbundenen Fahrbahnen und die Lücke
für Stahlbau, durchgeführt. zwischen ihnen, eine starke Anfälligkeit zu Torsions-
Es hatte sich schon früh für alle Beteiligten ge- galloping schon bei sehr niedrigen Windgeschwindig-
zeigt, dass die ursprüngliche Konstruktion ohne spe- keiten zeigt.
zielle Gegenmaßnahmen nicht funktionieren würde, Die Abbildung 5 zeigt die unter einem gleichmäßi-
gen Wind numerisch ermittelten aerodynamischen
Dämpfungen in Abhängigkeit von der Windgeschwin-
digkeit. In der Beurteilung des aeroelastischen Verhal-
tens der Brücke selbst waren sich der Aufsteller und
der Prüfingenieur in allen Punkten einig.

3 WINDBELASTUNG
Die Ermittlung des Systemverhaltens unter Windbe-
lastung stellt bei solchen schlanken Bauwerken immer
eine besondere Herausforderung dar. Wir bemühen
uns, nach Davenport die vollständige Windkette als
Abfolge von sich wechselweise beeinflussenden Ef-
fekten und Berechnungen rechnerisch zu erfassen:
–– Windklima (der globale Wind),
–– Geländeform (lokaler Wind),
–– Aerodynamik (Druckbeiwerte),
–– Dynamik (Antwort des Bauwerks),
–– Bemessung des Bauwerks.
Abb. 5: Negative aeroelastische Dämpfungen

15
C. Katz, I. Kovacs und G. Morgenthal

Als grundlegendes Sicherheitskriterium für das wind- Das Bauwerk wird in dieses Strömungsfeld ge-
belastete Bauwerk wird in den Bauvorschriften oder in setzt, die Reaktionen werden in der Zeit verfolgt und
den Entwurfsbedingungen von Ausschreibungen fest- aufgezeichnet. Es sei einschränkend erwähnt, dass
gelegt, dass es innerhalb des Zeitraums, in welchem die Rückwirkung des Bauwerks als räumliches Hin-
das Bauwerk bestehen soll (bei Brücken in der Regel dernis auf das Strömungsfeld nicht berücksichtigt ist.
in 100 Jahren) mit einer vorgegebenen Sicherheit Es wird dagegen berücksichtigt, dass das Bauwerk in
nicht versagt. Der Nachweis der Tragsicherheit wird in diesem Strömungsfeld Bewegungen vollzieht und
der Praxis auf die Prüfung eines kurzen Zeitabschnitts dadurch die Relativgeschwindigkeiten zwischen Strö-
- in Europa: 10 Minuten - beschränkt, in welchem mung und Körper Punkt für Punkt modifiziert. Dieser
einerseits die höchste Windgeschwindigkeit (der 100- Teil der Interaktion ist der wichtigste, weil er unter
Jahres-Wind) auftritt, andererseits genügend Zeit anderem die Ursache der aerodynamischen Dämp-
vorhanden ist um das Bauwerk zu erregen. Die Wind- fung, aber auch von jeder Art von Instabilitäten (z.B.
geschwindigkeiten können in diesem kurzen Zeitab- Potentialflattern und Torsionsgalopping) ist. Nur mit
schnitt interpretiert werden als die Summe von einer solchen nichtlinearen Berechnung kann man
aber auch Effekte wie z.B. die Veränderung der Wind-
–– einer zeitlich konstanten, räumlich veränderlichen
kraft bei Ablösung der Strömung oder die Wirkung von
Grundgeschwindigkeit (10-Minuten-Wind) und
Tilgern erfassen. Die wichtigsten aerodynamischen
–– einem überlagerten, zeitlich und räumlich verän-
Effekte dabei sind:
derlichen Turbulenzanteil.
–– Durch die Bewegung des Bauwerks erhält man
Der zweite Verfasser hat schon in früheren Veröffent-
relative Geschwindigkeiten durch eine vektorielle
lichungen (Kovacs 1989, 1993, 1995) über die Vortei-
Addition von Bauwerksgeschwindigkeit und Wind-
le einer realistischen Simulation der Windkräfte be-
geschwindigkeit.
richtet. Mit der jetzt vorliegenden Implementation in
–– Durch die Verdrehung des Brückenquerschnitts
einem allgemeinem FE-Programm (SOFiSTiK) stehen
verändert sich der Anströmwinkel und somit auch
solche Möglichkeiten auch anderen Anwendern zur
die Windkraftbeiwerte.
Verfügung. Die Erzeugung der Windbelastung erfolgt
in drei Schritten: Weiter ist der dynamische Effekt abhängig von der
Ausdehnung der Böen. Da die deutschen Normen mit
–– Genauere Windprofile erhält man aus dem globa-
zu großen Böen arbeiten (Davenport’’sches Modell mit
len Wind unter Berücksichtigung der Umgebung
konstanter Böengröße für alle Höhen), und außerdem
des Bauwerks (Oberflächenrauhigkeit, Gelände-
zeitliche Verzögerungen im Antreffen der Böen eine
erhöhungen) ähnlich wie sie in neueren Vorschrif-
deutliche Rolle spielen (die Böen ergreifen in Wirk-
ten wie z.B. im EC 1 vorgesehen sind.
lichkeit zuerst nur die Bauwerkspitze, und rollen von
–– Eine Ermittlung eines Windspektrums nach den
oben nach unten ab), ergeben sich auch hierdurch
allgemeinen Verfahren von Davenport, Harris oder
günstigere Ergebnisse.
Karman. Damit ist die statistische Wahr-
Abschließend stehen die Zeitverläufe der Verfor-
scheinlichkeit der Amplituden in Abhängigkeit von
mungen, der Schnittkräfte sowie aller anderen charak-
der Frequenz definiert.
teristischen Größen zur Verfügung und können für die
–– Eine genauere Berechnung mit einer Zeitverlaufs-
Bemessung statistisch analysiert werden.
simulation. Dem Verfahren liegt eine mathemati-
Abbildung 6 zeigt das verwendete 10-Minuten-
sche Turbulenzgenerierung zugrunde, die zufälli-
Windprofil, das Turbulenzprofil und das Profil der In-
ge dreidimensionalen Windabläufe entlang einer
tegralmaße über dem Rhein.
(zweidimensionalen) vertikalen Referenzfläche er-
Das in das SOFiSTiK-Programm integrierte Wind-
zeugt, die durch die Hauptachse des Bauwerks
modell basiert auf dem zweidimensionalen Grenz-
festgelegt ist.
schichtmodell, beschrieben in (Kovacs, 1993+1995):
Der synthetisch generierte Wind soll die aktuellen Die Grundlösung ist ein logarithmisches Windge-
Parameter, das Wind- und Turbulenzprofil und die schwindigkeitsprofil über einer ebenen oder leicht
wichtigsten statistischen Eigenschaften, Spektren und unebenen Geländeoberfläche mit homogener oder
Kohärenzen des reallen Windes abbilden. Nachdem leicht veränderlicher Rauhigkeit. Im aktuellen Fall war
die Erfüllung der Strömungsgleichungen sich auf eine die Oberfläche eben und glatt. Das Turbulenz- und
zweidimensionale Fläche beschränkt, kann auf die das Kohärenzmodell der ESDU entspricht einer etwas
(aufwendige) Behandlung der Kompatibilitätsbedin- abgewandelten Karman’’schen Formulierung.
gungen verzichtet werden.

16
Dreidimensionale aerodynamische und aeroelastische Analyse der Fußgängerbrücke Kehl-Strasbourg

Der Aufsteller hat die 10-Minuten-Windge- deutlich höher als die von ENV 1991-2-4 Anhang E
schwindigkeiten am Standort aus den 25 Jahre lang definierte Regelung liegt. ENV 1991-2-4 verlangt hier
geführten Messungen der meteorologischen Station eine Einsetzgeschwindigkeit der Flatter- oder Gallo-
von Lahr, unter Berücksichtigung der bei diesem kur- pingschwingungen von
zen Zeitraum relativ niedrigen Konfidenz, abgeleitet,
V CG ≥ 1.25 V m = 31.6 m/s
was in der Deckhöhe einen Wert von 27.2 m/s ergab.
Wir haben das Windprofil an früheren meteorologi- Wir haben in unserem Konzept, anstelle des 10-
schen Messungen und Auswertungen, hauptsächlich Minuten-Windes V m , eine kürzere Bö mit einer Dauer
an Ergebnissen von Caspar geeicht. Als Oberflächen- von nur ∼ 40 Schwingungsperioden = 1 Minute als
rauhigkeit haben wir z0 = 0.01 m angesetzt, sie ist Grundlage der Stabilitätsgrenze gewählt. Es sei hierzu
etwas gröber als für eine Wasseroberfläche. So ergab bemerkt, dass in Europa, und auch weltweit, sehr
sich bei uns verschiedene und nicht immer logische und konse-
quente Regelungen zum Stabilitätsnachweis üblich
V m = 25.3 m/s (100 Jahres-Wind in Deckhöhe)
sind. Wir waren grundsätzlich der Meinung, dass die
Sicherheit gegen Instabilität bei der ENV-Regelung zu
I lon = 14.7 %
kurz kommt, im aktuellen Falle sprach, neben der
f S lon 4 X lon hohen Frequenz des Torsionsgalloping, auch die sehr
= (Karman, longitudinal)
stark progressive negative aeroelastische Torsions-
σ 2
lon (1+ 70.8 X ) 2
lon
5/ 6
dämpfung für eine strengere Grenze. Hätte man also
zum Beispiel die Stabilität für den 10-Minuten-Wind
X lon = f lon L lon / V 10 min sichergestellt, dann hätte man für den 1-Minuten-Wind
ein durchschnittliches negatives Dämpfungsdekre-
Das Bild zeigt auch, dass die von uns definierte ae-
ment von δ = -0.075 erhalten, das bei der aktuellen
roelastische Stabilitätsgrenze mit
Flatterfrequenz zu einer 20-fachen Vergrößerung
V G ≥ 36.5 m/s (Stabilitätskriterium in Deckhöhe) einer anfänglichen Torsionsschwingung geführt hätte.

Abb. 6: Vom Programm angesetztes Windprofil

17
C. Katz, I. Kovacs und G. Morgenthal

beschrieben hat. In Wirklichkeit ist die Bahn jedoch


nicht gerade sondern gekrümmt. Daraus resultiert ein
zweiter, instationärer Windkraft-Anteil, der u.a. für
einen Grossteil der Instabilitäten –– z.B. auch für die
Torsionsinstabilität, die hier eine entscheidende Rolle
spielt –– verantwortlich ist. Dagegen ist z.B. die Instabi-
lität durch Biege-Galloping durch das stationäre Mo-
dell im wesentlichen bereits erfasst, durch die instati-
onäre Behandlung wird das Ergebnis gegebenenfalls
nur noch modifiziert.
Hier wurde eine Serie von aerodynamischen und
aero-elastischen Messungen entsprechend dem
Querschnittsverlauf an Sektionsmodell-Querschnitten
Abb. 7: Abhängigkeiten der Windkraftbeiwerte mit einem Modellmaßstab von 1:30 durchgeführt. Es
musste dabei unter anderem geklärt werden:

4 AERODYNAMIK –– Wegen der unterschiedlichen Querschnitte ent-


lang der Längsachse mussten mehrere (3) Sekti-
Für die Kraftbeiwerte müssen Windkanalversuche onsmodelle untersucht werden.
oder numerische Berechnungen (CFD=Computational –– Wegen der asymmetrischen Querschnitte musste
Fluid Dynamics) durchgeführt werden. Im Hinblick auf sowohl ein Anblasen von Norden als auch von
die Erregungsmechanismen, die auf die Struktur in Süden geprüft werden.
der Strömung wirken, ist die Nachgiebigkeit innerhalb –– Für die Entwicklung der statischen Windkräfte und
des zweiteiligen Querschnittes irrelevant, d.h. der der Derivativa in Abhängigkeit vom Anblaswinkel
Querschnitt darf bei der Ermittlung der Windkräfte als musste ein Winkelbereich von ca. –– 6° bis + 6° er-
in sich steif betrachtet werden. Aus aero-elastischer fasst werden.
Sicht ist also die Brücke vereinfachend als ein Biege- –– Für die Erfassung der Abhängigkeiten vom Turbu-
Torsionsträger erfassbar, wenngleich mit einem in der lenzgrad bedurfte es Messungen sowohl in glatter
Längsrichtung stark veränderlichen Querschnitt. Das als auch in fein-turbulenter Strömung.
bedeutete, dass auf kostspielige Vollmodell-Wind- –– Es wurden weitere, sondierende Messungen mit
kanalversuche verzichtet werden konnte. Hinblick auf eventuelle Abhängigkeiten von der
Für allgemeinere Profile kann man auch mit 2D- Schwingungsamplitude und von der Schräg-
Fluid-Berechnungen z.B. nach der Vortex Particle- anblasung auf dem Grundriss durchgeführt.
Methode (Morgenthal, 2002) entsprechende Werte –– Durch die Plattform in der Brückenmitte verändert
berechnen. sich das lokale aero-elastische Verhalten auf nicht
Der Ausgangspunkt der Ermittlung der auf das vernachlässigbare Weise.
windanfällige Element wirkenden Windkräfte ist die
quasistationäre Windkraft, die, außer von dem qua- Die Messungen wurden vollständig vom Aufsteller
sistationären Kraftkoeffizienten C w0, nur von der mo- PSP geplant, im Laboratorium der RWTH Aachen /
mentanen relativen Geschwindigkeit zwischen Körper Lehrstuhl für Stahlbau durchgeführt und ausgewertet.
und Strömung abhängig ist, wie dies vereinfacht in Bei der Messung der Derivativa wurde das Modell in
Abbildung 7 gezeigt ist. der Strömung harmonisch bewegt und dabei die Auf-
C w0 ist von dem momentanen Anblaswinkel Φ nichtli- lagerkräfte ständig gemessen. Die Auswertungen
near abhängig. In der Summe von Φ repräsentieren führten zu wesentlichen Vereinfachungen. So konnte
die Komponenten Φ 2 und Φ 3 die momentanen Ver- festgestellt werden, dass die Turbulenzen, sowohl in
schiebungen-Verdrehungen des Bauwerks, durch den statischen als auch in den dynamischen Kraftde-
welche die Windkraft unmittelbar beeinflusst wird. Der rivativa, bei dem Querschnitt nur eine vernachlässig-
quasistationäre Ansatz berücksichtigt die Strömung- bare Rolle spielen und dass auch der Anblaswinkel
Körper-Interaktion in vereinfachter Form. Nach ihm nur einen unerheblichen Einfluss auf die Entwicklung
wird die momentane Windkraft so berechnet, als wäre der Windkraftbeiwerte hat.
die momentane relative Position des Körpers zu der Die Abbildung 8 zeigt auszugsweise Messergeb-
Strömung in der Zeit unverändert. Es wird also nähe- nisse auf der Grundlage der in der Brücken-
rungsweise angenommen, dass der Körper im Luft- Aerodynamik üblichen Vorzeichenregelung und Be-
strom in der vorausgehenden Zeit eine gerade Bahn zeichnungen (Scanlan 1971, 1990, Morgenthal 2002).

18
Dreidimensionale aerodynamische und aeroelastische Analyse der Fußgängerbrücke Kehl-Strasbourg

5 BAUWERKSDYNAMIK tane Bewegungsfrequenz des schwingenden Ele-


ments, im Zuge der Zeitintegration verfolgt und für
5.1 Numerik jeden t 0 Augenblick die Ableitung ergibt. Die komple-
xe Bewegung eines jeden Stabknotens konnte durch
Für die Integration der Bewegungsgleichungen nor- einen begleitenden Sinus-Abschnitt mit 4 Parametern
maler baudynamischer Problemstellungen werden angenähert werden, so z.B. für die Torsionsbewegung
üblicherweise implizite Verfahren z.B. nach Newmark-
Wilson verwendet. Diese Verfahren gelten als unbe- Φ ( t - t 0 ) ≈ A sin { Ω (t - t 0) + Ψ } + B
dingt stabil. Jedoch ist z.B. bekannt, dass das New- mit
mark-Verfahren bei geometrisch nichtlinearen Prob-
lemen versagen kann. Deshalb wurde z.B. die soge- B = aktuelle Schräganblasung
nannte HHT-α-Methode von Hilbert-Hughes-Taylor A = aktuelle Schwingungsamplitude
Ω = aktuelle Kreisfrequenz der Bewegung
entwickelt.
Ψ = aktuelle Bewegungsphase
Auch bei der hier dargestellten nichtlinearen Be-
rechnung taucht ein Effekt auf, der die numerische Diese Verfolgung war im aktuellen Falle entschei-
Stabilität gefährden kann. Das Gleichgewicht der Kräf- dend um die beiden unterschiedlich anfälligen Torsi-
te wird ja für einen späteren als den augenblicklichen onsschwingungen Zeitpunkt für Zeitpunkt auseinander
Zeitpunkt aufgestellt, für den man folglich eine implizi- halten zu können. Die Derivativa aus den Windkanal-
te Extrapolation der Beschleunigungen vornimmt. Im messungen wurden wiederum so vorbereitet, dass die
Rahmen dieser Extrapolation kann man jedoch kaum Identifikation durch die o.a. vier Parameter über Inter-
nichtlineare, nichtkonservative Belastungsmechanis- polationen erfolgen konnte.
men vorsehen. Für den aktuellen Anströmwinkel be- Das Diagramm in Abbildung 9 zeigt den Abschnitt
nötigt man z.B. einen definierten Verformungszu- eines Testlaufs, bei welchem zwei Torsionseigen-
stand. schwingungen überlagert werden, und die Zeitreaktion
Im allgemeinen Fall wird man das Problem nur mit aus der A2* -Komponente (aeroelastische Torsions-
einer Gleichgewichtsiteration innerhalb jedes Zeit- dämfung) einmal aus der Überlagerung der beiden
schritts erledigen können. Jedoch haben wir festge- sinusförmigen Reaktionskomponenten, und einmal
stellt, dass eine Extrapolation der Verformungen auf über den begleitenden Näherungs-Sinusabschnitt
Grund der aktuellen Verformungen, Geschwindig- abgeleitet wurden. Der Reaktionsverlauf ist quasi
keiten und Beschleunigungen durchaus ausreichen identisch, was die Richtigkeit des Näherungsverfah-
kann um die Stabilität wieder herzustellen. rens bestätigt.
Wir möchten hier jedoch noch auf eine andere
Formulierung eingehen, die den entscheidenden Pa-
rameter der Kraft-Identifikation, nämlich die momen-

Abb. 8: Derivativa der Windkraftbeiwerte

19
C. Katz, I. Kovacs und G. Morgenthal

Abb. 9: Eichkurve der A2* Komponente

5.2 Die Tilger LITERATUR


Bei der Untersuchung des Brückenverhaltens hatte Dyrbye, C., Hansen, S. (1996) Wind Loads on Structures,
sich gezeigt, dass die aeroelastische Torsionsdämp- Wiley.
fung der Brücke maßgebend für deren Stabilität ist Engineering Sciences Data Unit (ESDU,1985) No 85020.
Characteristic of Atmospheric Turbulence Near the Ground.
und entsprechend darauf abgestellte Dämpfungs-
Single Point Data. London.
maßnahmen zwingend erforderlich sind.
Engineering Sciences Data Unit (ESDU,1986) No 86010.
Als Resultat der numerischen Berechnungen wur-
Characteristic of Atmospheric Turbulence Near the Ground.
den Torsionstilger in Form von gedämpften Wippen in Variations in Space and Time for Strong Winds. London.
Brückenmitte und in den Drittelspunkten der Haupt- Halfmann, A. (2003) Ein geometrisches Modell zur numeri-
spannweite vorgeschlagen, die ein Aufschaukeln der schen Simulation der Fluid-Struktur-Interaktion windbelaste-
Brücke durch Torsions-Galloping verhindern sollen. ter, leichter Flächentragwerke. Dissertation TU München.
Das hier dargestellte Simulationsmodell konnte be- Katz, C., Kovacs, I. (2002): Neue Möglichkeiten Dynami-
nutzt werden, um die Wirksamkeit der vom Aufsteller scher Berechnungen, SOFiSTiK-Seminar Nürnberg.
gewählten Tilger und deren Abstimmung zu überprü- Kovacs, I. (1989): Analytische Untersuchung einer Schräg-
fen. Bei der direkten Zeit-Integration der Bewegungs- kabelbrücke in extrem starkem böigem Wind. Paper, Drei-
gleichungen des Systems stellt die Modellierung eines ländertagung München, WTG-Veranstaltung.
Tilgers kein Problem dar, sofern ein entsprechendes Kovacs, I., Andrä, H.P. (1993) Traglastnachweis von Turm-
bauwerken unter dynamischer Windbelastung, Bautechnik,
diskretes Dämpferelement zur Verfügung steht.
Heft 11.
Eine besondere Herausforderung stellt die bau-
Kovacs, I., (1995) Computersimulation des dynamischen
praktische Umsetzung des Dämpfungs-Konzeptes
Antwortverhaltens von windbelasteten Großbrücken im
dar. Während die numerische Simulation von idealen Traglastbereich. FEM 95 Stuttgart, Verlag Ernst & Sohn.
Dämpfer- und Federeigenschaften ausgeht, ist bei der Morgenthal, G. (2002) Aerodynamic Analysis of Structures
Planung der Tilger auf Einflüsse wie Totwege, nichtli- Using High-resolution Vortex Particle Methods, Diss. Uni-
neare Effekte in den Bauteilverbindungen, Stoßvor- versity of Cambridge.
gänge, Temperaturabhängigkeiten sowie Bauteilaus- Scanlan,R.H. (1971) Airfoil and bridge deck flutter deriva-
fall und -Blockierung zu achten. Besonders die Eigen- tives. ASCE J. of Eng. Mech. 97 pp 1717-1737.
schaften von Federn und Dämpfern bei besonders Scanlan,R.H. (1990) Interrelations among flutter derivatives.
großen und besonders kleinen Verschiebungswegen J. Wind Engng. and Industrial Aerodynamics 69-71 pp 829-
sind kritisch zu untersuchen. Die Ausführungsplanung 837.
ist derzeit noch nicht abgeschlossen.

20
Dynamische Untersuchung einer Segmentbrücke

Vladimír Benko1, Roman Geier2 und Marian Ralbovský3


1
Institut für Stahlbeton-und Massivbau, TU Wien
2
VCE Holding GmbH, Wien;
3
Arsenal Research, Wien

1 EINLEITUNG (EICHINGER ET AL. (2003))


Im Jahr 1975 errichtete die A. PORR AG ein Brücken-
tragwerk in Segmentbauweise mit geklebten und vor-
gespannten Stößen über die Süd-Ost-Tangente in
Wien. Das einfeldrige Tragwerk mit Kastenquerschnitt
wurde aus 18 Fertigteilsegmenten hergestellt.
Das Tragwerk diente als Verbindungsbauwerk für
die beiden großen Lagerplätze der Firma A. PORR
AG in Wien Favoriten. Aufgrund der geplanten
Überplattung der Süd-Ost-Tangente (Absbergtunnel),
war ein Abbruch des Brückentragwerkes geplant. Im
Zuge der Abbrucharbeiten bot sich die Möglichkeit, an Abb. 1: Ansicht der PORR Brücke
die Untersuchungen aus dem Jahr 1975 anzuknüpfen
und den Zustand der Brücke nach ihrem mehr als 25- Seite Lagerplatz - Allbau Seite Porr - Hauptgebäude
Fuge 19

Fuge 18

Fuge 17

Fuge 16

Fuge 15

Fuge 14

Fuge 13

Fuge 12

Fuge 11

Fuge 10

Fuge 9

Fuge 8

Fuge 7

Fuge 6

Fuge 5

Fuge 4

Fuge 3

Fuge 2

Fuge 1
jährigen Bestehen zu beurteilen.
Das Institut für Stahlbeton- und Massivbau der TU
Seg: 18 Seg: 17 Seg: 16 Seg: 15 Seg: 14 Seg: 13 Seg: 12 Seg: 11 Seg: 10 Seg: 9 Seg: 8 Seg: 7 Seg: 6 Seg: 5 Seg: 4 Seg: 3 Seg: 2 Seg: 1

Wien führte in Zusammenarbeit mit der Firma A. Landstraße - Donaubrücke Altmannsdorf - Wienerneustadt

PORR AG und der Firma Vorspanntechnik zerstören-


44,60 m

Grundriss Seite Graz - Süd


248 248

de Belastungsversuche vor dem Abbruch der Brücke


durch. Die Eigenschaften der verwendeten Baustoffe
Beton, Betonstahl, Spannstahl und Verpressmörtel Seite Wien - Nord

wurden anhand entnommener Proben im Labor ana-


Querschnitt
6,20
48

lysiert.
52,04

Das Tragwerk wurde mit einer Einzellast in Feld-


2,10
744

0,40

mitte, welche in Lastschritten bis zu einer Höchstlast


von 2.000 kN gesteigert wurde, auf Biegung bean-
3,80

sprucht. Die Lasteinleitung erfolgte über einen quer Abb. 2: Geometrie des Tragwerkes
zur Fahrbahn liegenden Stahlträger mit an beiden
Enden aufgesetzten Spannpressen. Durch Spannka-
bel, die in der Mittelwand des Absbergtunnels und an 2 GEOMETRIE DES TRAGWERKS (EICHINGER
ET AL. (2003))
den Spannpressen verankert waren, war es möglich
das Tragwerk kontrolliert zu belasten. Bei dieser Brücke handelt es sich um eine Segment-
Insgesamt wurden zehn Belastungsversuche brücke mit geklebten Fugen. Das Einfeldtragwerk (ca.
durchgeführt. Zwischen den einzelnen Belastungs- 380 to Gewicht) mit einer Stützweite von 44,0 m und
phasen wurden die Spannkabel an verschiedenen einer lichten Weite von 43,5 m bietet bei einer Ge-
Stellen durchtrennt, um den Einfluss geschädigter samtbreite von 6,2 m eine Fahrbahnbreite von 4,8 m
Kabel auf das Trag- und Verformungsverhalten der (Abb.2).
Struktur zu simulieren.

21
V. Benko, R. Geier und M. Ralbovský

Messanordnung: 24.09.2002
29.09.2002
Stahlrahmen

Fuge 9,11
Fuge 6,14

Fuge 8,12
Fuge 1,19

Fuge 2,18

Fuge 3,17

Fuge 4,16

Fuge 5,15

Fuge 7,13

Fuge 10
Spannpresse
A B A

Symmetrieachse
9,10
7,8
4,6
1,3
5
2
Altmannsdorf -
Seg: 1,18 Seg: 2,17 Seg: 3,16 Seg: 4,15 Seg: 5,14 Seg: 6,13 Seg: 7,12 Seg: 8,11 Seg: 9,10 Landstraße - Donaubrücke
Wienerneustadt
Grundriss Tunnelmittelwand
Detail A: Ansicht Nord-Ost

Induktive Wegaufnehmer - Durchbiegung


Segment Digitale Wegaufnehmer - Beton-Dehnung/Stauchung
3 bzw. 15
Schnitt: Fuge 3,17 Schnitt Fuge 8,9,10,11 Induktive Wegaufnehmer - Querkraftrisse
Bogenwegaufnehmer - Fugenöffnungen
DMS - Kraft im Spannstahl

Detail B: Ansicht Nord-Ost Schnitt C - C


C

Spannglied: 9,10
Spannglied: 7, 8 Spannglied: 9, 10
Spannglied: 4, 6 Spannglied: 7, 8
Spannglied: 1,3 Spannglied: 5
Spannglied: 4, 5, 6

Spannglied: 2 Spannglied: 1, 2, 3

Abb. 3: Lage der Spannglieder im Tragwerk Abb. 4: Schädigung der PORR-Brücke

Der einzellige Hohlkasten wies eine konstante besonders in Hinblick auf den Ausfall einzelner
Stegstärke von 40 cm und eine Konstruktionshöhe Spannglieder einzutragen, und die Auswirkungen auf
von 2,10 m auf. Die Kastenbreite betrug 3,80 m, wo- die dynamische Charakteristik zu beurteilen.
mit eine Auskragung der Fahrbahnplatte beiderseits
mit 1,20 m verblieb. 3.1 Ziele der Untersuchung
Die Brücke wurde mit 20 Spanngliedern VT 120 L Die maßgebenden Ziele der Untersuchung bezie-
(10 pro Steg) mit nachträglichem Verbund vorge- hen sich zum einen auf die Veränderung der dynami-
spannt. Die Anordnung der Spannstähle erfolgte in schen Charakteristik durch die Schädigung und zum
den Segmenten 6 bis 13 in vier Lagen, in erster und anderen auf die Spannglieder sowie den Verlust an
zweiter Lage je drei und in dritter und vierter Lage je Vorspannkraft über die Zeit. VCE Holding GmbH. und
zwei Spannkabel. Der Verlauf der Spannkabel ist in Arsenal Research haben dabei die messtechnischen
Abb. 3 dargestellt. Untersuchungen an dem Brückentragwerk durchge-
Die Brücke sollte in der Brückenmitte belastet wer- führt, wobei beide Institute Beschleunigungsaufneh-
den. Da die nötige Verankerung des Zuggliedes in mer mit hoher Sensibilität eingesetzt haben, die ent-
diesem Querschnitt nicht möglich war, entschied man lang der Längsachse der Brücke aufgestellt waren.
sich die Brücke rund 1,2 m von der Brückenmitte ent- Brücken stellen einen wichtigen Faktor für die Ver-
fernt zu belasten. Dieser Querschnitt entspricht ziem- kehrsinfrastruktur eines Landes dar. Der Höhepunkt
lich genau der Lage der Fuge 9. des Brückenbaus war in Europa nach dem 2. Welt-
Als Zugglieder kamen zwei Spannkabel mit 12 Lit- krieg sowie zwischen 1960 und 1970 festzustellen.
zen zum Einsatz. Diese Zugglieder wurden in Ausspa- Aus bisher gemachten Erfahrungen der Brückenerhal-
rungen in der Mittelwand des Absbergtunnels mit Mör- ter zeigt sich, dass im Laufe der Nutzung ein soge-
tel verpresst. nanntes „„kritisches Bauwerksalter““ erreicht wird, ab
Während der Versuche wurde die Last durch zwei dem aufwendige und kostspielige Erhaltungs- bzw.
hydraulische Pressen (VT 12-100, Gewicht 170 kg je Instandsetzungsarbeiten erforderlich werden, um wei-
Presse) mit einer maximalen Kraft von 2.119 kN je terhin eine gefahrlose, uneingeschränkte Nutzung des
Presse auf den Brückenüberbau aufgebracht. Diese Bauwerkes zu gewährleisten. Dieses kritische Alter
belasteten über einen Querriegel die zwei Stege des wird im Schnitt nach etwa 30-jährigem Betrieb auftre-
Brückenquerschnittes. Der Brückenbelag war im Be- ten. Daraus lässt sich ableiten, dass etwa ab dem
reich der Lasteinleitung entfernt worden. Jahr 2005 mit einem erheblichen Investitionsaufwand
An drei Tagen wurden zerstörende Belastungsver- für die Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur zu rechnen
suche durchgeführt, wobei in 6 Schädigungsstufen ist. In Zeiten, die von reduzierten Geldern für Erhal-
insgesamt 10 Spannkabel durchtrennt wurden (Abb. tung und Sanierung gezeichnet sind, ist daher ein
4). Die Belastung wurde jeweils in Lastschritten von alternativer Ansatz erforderlich, der eine Früherken-
100 kN, dies entspricht 50 kN pro Spannpresse, bis nung von Schäden bzw. problematischen Tragwerken
zu einer Maximalbelastung von 2.000 kN gesteigert. ermöglicht. Dieser alternativer Ansatz kann durch die
Anwendung der dynamischen Zustandsüberwachung
3 MESSTECHNISCHE UNTERSUCHUNGEN (Health Monitoring) gefunden werden.
Im Rahmen eines nationalen Forschungsprojektes Brücken, aber auch viele andere Bauwerke, besit-
war es möglich, an der Brücke künstliche Schäden, zen ein individuelles Schwingungsverhalten, das als

22
Dynamische Untersuchung einer Segmentbrücke

Eigenfrequenzen vertikal in Hz
Messung
1. Mode 2. Mode 3. Mode 1,20
Porr 1 2,64 9,61 11,63 1,00
0,80
Porr 2 2,64 9,60 11,57 0,60
0,40
Porr 3 2,66 9,63 11,61 0,20
0,00
Porr 4 2,66 9,75 11,56

12,00

16,00

20,00
24,00

28,00

32,00

36,00
40,00

44,00
0,00

4,00
8,00
Porr 5 2,62 9,63 11,53

Mittelwert 2,64 9,65 11,58


Abb. 6: Erste vertikale Biegschwingung bei 2,64 Hz
Tabelle 1: Eigenfrequenzen der Basismessung

R e K5_g
f _ gK7_g K8_g K9_g K10_g K12_g
K15_g

µg
120
8.00
110
6.00
100 4.00
90 2.00
80 0.00
0.00

4.00

8.00

12.00

16.00

20.00

24.00

28.00

32.00

36.00

40.00

44.00
70
-2.00
60
-4.00
50
-6.00
40

30

20
Abb. 7: Zweite vertikale Biegschwingung bei 9,65 Hz
10

0
0.00 1.36 2.73 4.09 5.45 6.82 8.18 9.55 10.91 12.27 13.64 15.00
Hz
samte Tragwerk wurde aus den ambienten Messda-
ten durch einfaches Ablesen der Eigenfrequenzen
Abb. 5: Frequenzspektrum vertikal bei der Basismessung
(„„peak picking““) aus den ambienten Messdaten
durchgeführt. Für die Basismessung wurde ein dich-
Schwingungscharakteristik bezeichnet werden kann.
tes Sensorennetz angewendet, um die Eigenfrequen-
Dieses für ein Bauwerk typische dynamische Verhal-
zen (Tabelle 1 und Abb. 5) und Eigenschwingungs-
ten kann durch Messungen erfasst und nach entspre-
formen (Abb. 6 und Abb: 7) ausreichend genau erfas-
chender Auswertung zur Beurteilung der Tragstruktur
sen zu können.
und zur Feststellung von möglichen Schäden heran-
gezogen werden. Diese Strukturantwort kann durch 3.3 Schädigungsversuche
die modalen Parameter Eigenfrequenzen, Eigenfor-
men sowie die zugehörigen Dämpfungswerte gut be- Da das Tragwerk im Zuge der Bauarbeiten in seiner
schrieben werden. Höhenlage verändert wurde, erfolgte bevor überhaupt
die erste Schädigung vorgenommen wurde, eine neu-
3.2 Basismessung erliche Untersuchung der modalen Parameter. Die
dabei identifizierten Eigenfrequenzen wurden mit den
Um eine entsprechende Datenbasis für die Interpreta-
bei der Basismessung vorhandenen Werten vergli-
tion der Ergebnisse während der Schädigung zu
chen, wobei keine Abweichungen festgestellt werden
erstellen, wurde bereits im April 2000 eine Basismes-
konnten. Die Randbedingungen (Lagerung) des
sung –– die sogenannte Nullmessung –– erstellt. Die bei
Tragwerkes sind somit durch die Hebung nicht verän-
der Untersuchung identifizierten Eigenfrequenzen und
dert worden.
Eigenschwingungsformen stellen somit die Referenz-
Die Schädigung des Tragwerkes wurde progressiv
werte dar, auf welche die Schädigungsversuche be-
durchgeführt, wobei in den Pausen zwischen den
zogen werden.
Belastungsschritten Nivellierungsmessungen und
Die Systemidentifikation, das heisst die Bestim-
Schwingungsmessungen stattfanden. Nach dem Er-
mung der modalen Parameter Eigenfrequenzen, Ei-
reichen der maximalen vorgesehenen Belastungskraft
genformen und Dämpfungskoeffizienten für das ge-

23
V. Benko, R. Geier und M. Ralbovský

3,80

1.Eigenfrequenz (Z) [Hz]


3,5
3,75
3 3,70
2,5 3,65
ANPSD

2 3,60
1,5 3,55

1 3,50

0,5 3,45
0 1 2 3 4 5 6
0 Schädigungsstufe
0 2 4 6 8 10 12 14
Frequenz [Hz]

9,60
Abb. 8: Beispiel eines ANPSD aus einer Messung bei

2.Eigenfrequenz (Z) [Hz]


9,40
Belastung 2000 kN. 9,20
9,00
8,80
wurde die Brücke entlastet, und dann wurde die 8,60
8,40
nächste Schädigungsstufe eingeführt und/oder es 8,20
wurde wieder belastet. Die Belastungseinrichtung ist 8,00
7,80
aus dynamischer Hinsicht wesentlich, da durch die 0 1 2 3 4 5 6
Schädigungsstufe
Festhaltung die Randbedingungen bezüglich der Auf-
lagerung verändert werden. Die Eigenfrequenzen Abb. 9: Eigenfrequenzen als Funktion der Schädigung,
steigen daher in Folge etwas an, da die freie Schwin- Brücke im belasteten Zustand.
gungslänge des Tragwerkes verändert wird.
lung wurden die vertikalen Schwingungen miteinbe-
3.4 Durchführung der Messungen zogen.
Zur Messung der Vibrationen wurden die Geophone 1 n PSDi ( f )
der Typen HBM SMU30a und GeoSIG GSV-310 (Ar- ANPSD( f ) = ¦ Ai (1)
n i =1
senal) und FBA –– 23 (VCE) verwendet. Diese wurden
entlang der Brücke über dem Steg des Kastenquer- wobei PSD das jeweilige Leistungsspektrum,
schnittes aufgestellt. Die Aufnehmer waren zum Teil A die Fläche unter dem Leistungsspektrum,
triaxial und zum Teil nur in der vertikalen Richtung n die Anzahl der Aufnehmer ist.
aufgestellt. Es wurden zahlreiche Messungen in ver-
schiedenen Stadien der Belastung und der Schädi- Aus den ANPSDs wurden mit der „„peak-picking““ Me-
gung durchgeführt. Der Messablauf war durch die thode die Eigenfrequenzen bestimmt. Diese Eigenfre-
Anforderungen des statischen Versuches bestimmt. quenzen der einzelnen Messungen wurden für jeden
Die Schwingungsversuche wurden ambient durch- Schädigungszustand der Brücke gemittelt, und zwar
geführt. Die Brücke wurde vor allem durch die nahe- für den belasteten und unbelasteten Zustand auf
liegende Baustelle und den Autobahnverkehr, der Grund der unterschiedlichen Randbedingungen.
unter der Brücke durchfuhr, angeregt. Eine Messung Die ersten zwei vertikalen Eigenfrequenzen konnten
dauerte 10-20 Minuten und es wurden sowohl die zuverlässig ermittelt werden, wobei beide Eigenfre-
Zeitsignale wie auch die fortlaufend gemittelten Leis- quenzen eine Abnahme mit fortschreitender Schädi-
tungsspektren gespeichert. Die Frequenzanalyse war gung der Brücke zeigen. Im unbelasteten Zustand
auf den Bereich 0-25 Hz eingestellt, und es wurden liegt die erste Eigenfrequenz etwas tiefer, dieser Ef-
401 Linien berechnet, was eine Frequenzauflösung fekt ist durch die zusätzliche Steifigkeit der Belas-
von 0,0625 Hz ergibt. Pro Messung wurden meistens tungsvorrichtung zu erklären. Tabelle 2 zeigt die Ei-
40 Mittelungen für jedes Leistungsspektrum gemacht, genfrequenzen der Brücke vor Beginn und nach der
um eine ausreichende Verringerung der Störungsein- letzten Schädigungsstufe, eine deutliche Abnahme
flüsse zu erreichen. der Werte ist hier erkennbar.
Ein weiterer wichtiger schädigungsempfindlicher
3.5 Auswertung und Ergebnisse dynamischer Parameter sind die Eigenformen. Eine
Um aus den einzelnen Leistungsspektren der Mess- stochastische Analyse im Zeitbereich wurde zur Be-
punkte die globalen Eigenfrequenzen der Konstruktion stimmung der Eigenformen angewendet. Die Einflüs-
zu bestimmen wurden gemittelte normalisierte se der Schädigung waren hier nicht sichtbar, da diese
Leistungssprektren (ANPSD) gebildet. In diese Mitte- Methode eine relativ große Empfindlichkeit auf Mess-
störungen aufweist.

24
Dynamische Untersuchung einer Segmentbrücke

Eigenfrequenzen [Hz]
Schädigung
1. 2.

0 2,63 9,42

6 2,31 8,75

Tabelle 2: Gemessene Eigenfrequenzen der Brücke im


unbelasteten Zustand

Abb. 11: Erste vertikale Eigenform f1 = 2.46 [Hz]

Abb. 10: Statisches System der Simulation

4 RÄUMLICHES 3D MODELL (VEIT (2003))


Im Rahmen von Untersuchungen der Segmentbrücke
wurde am Institut für Stahlbeton- und Massivbau der
TU Wien ein räumliches Modell der Brücke mit Hilfe
des FE Programms STRAP erstellt. An diesem Modell Abb. 12: Zweite vertikale Eigenform f2 = 9.03 [Hz]
wurden die einzelnen Laststufen mit entsprechenden
Schädigungen an den Spanngliedern simuliert und
das Verhalten der Brücke rechnerisch bestimmt.
Dieses Modell wurde dann auch für dynamische
Vergleichsberechnungen an unterschiedliche Zustän-
de angepasst, um die dynamischen Kennwerte des Abb. 13: Angepasstes Modell vor Schädigung
FE Modells mit den gemessenen Werten zu verglei-
chen. ten der Spannkabel bestimmt und damit eine modale
In Abb. 10 ist das statische System dargestellt, Analyse durchgeführt. Aufgrund von zusätzlichen
dass der Basismessung von April 2000 (Kap. 3.2) Federn ist dieses System steifer wodurch sich die
entspricht. Für die entsprechenden Massen und Bau- erste Eigenfrequenz auf f1 = 3.63 [Hz] erhöht hat. Auf
stoffkennwerte (EICHINGER et al. (2003)) wurden die die zweite vertikale Eigenfrequenz haben die zusätzli-
dynamischen Kennwerten und Eigenformen bestimmt chen Federn einen sehr kleinen Einfluss, da diese in
(Abb. 11 und Abb. 12). Der Vergleich mit den gemes- der Nähe des Schwingungsknotenpunktes angeordnet
senen Werte wird in Kap. 5 vorgenommen. sind.
Das zweite Modell wurde an die Segmentbrücke
mit den Aussparrungen in Brückenmitte kurz vor der 5 VERGLEICH MESSUNGEN –– FE MODELL
Belastung angepasst (Abb. 13).
Der Vergleich der gemessenen und gerechneten Ei-
Die ersten zwei vertikalen Eigenfrequenzen haben
genfrequenzen für die unterschiedlichen Zustände
sich wegen der Änderung der Steifigkeit sowie der
des Tragwerkes wird für die erste vertikale Eigenfre-
Massenbelegung im Feldmitte geringfügig verändert.
quenz in Abb. 14 und für die zweite vertikale Biege-
Die erste vertikale Eigenfrequenz beträgt
schwingung in Abb. 15 gezeigt. Die Bezeichnung für
f1 = 2.43 [Hz], die zweite vertikale Eigenfrequenz
den Zustand (-2) repräsentiert die Eigenfrequenz der
f2 = 9.02 [Hz].
Basismessung im April 2002 während (-1) den Zu-
Das dritte Modell simuliert die unbeschädigte Brü-
stand kurz vor der ersten Belastungsstufe darstellt.
cke im belasteten Zustand. Aufgrund der gewählten
Die Bezeichnung (0) gilt für belastete Brücke ohne
Lastaufbringung durch zwei Spannglieder VT 12-100,
Schädigung der Spannkabel. Die Bezeichnung von (1)
die in der Wand des Absbergtunnels verankert wur-
bis (6) sind den unterschiedlichen Schädigungen der
den, war es notwendig für die dynamische Untersu-
Spannkabel an der belasteten Brücke zuzuordnen.
chung, die Randbedingungen an den Einspannstellen
Grundsätzlich zeigt sich bei dem Vergleich der Eigen-
richtig zu modellieren. Es wurden die Federsteifigkei-
frequenzen aus den Messungen eine gute Korrelation

25
V. Benko, R. Geier und M. Ralbovský

1.Eigenfrequenz vertikal [Hz]

4,0 0
3,7 5
3,5 0
3,2 5
3,0 0
2,7 5
2,5 0
2,2 5
-2 -1 0 1 2 3 4 5 6

Zu stan d

ARSENAL VCE FE M

Abb. 14: Zeitverlauf der ersten Eigenfrequenz


2.Eigenfrequenz vertikal [Hz]

10,00
9,7 5
9,5 0
9,2 5
9,0 0
8,7 5
8,5 0
8,2 5
8,0 0
7,7 5
7,5 0
-2 -1 0 1 2 3 4 5 6

Zu stan d

ARSENAL VCE FE M

Abb. 15: Zeitverlauf der zweiten Eigenfrequenz

für den Schädigungsverlauf. Bei dem Vergleich zum


Rechenmodell zeigt sich, dass das tatsächliche Sys-
tem steifer war, als durch die Simulation ausgedrückt
wird.

LITERATUR
Eichinger, E.M.; Joksch, R.; Kirchweger, T.; Köberl, B.;
Kolleger, J. (2003) : Durchführung und Auswertung von
Belastungsversuchen und Baustoffuntersuchungen an einer
vorgespannten Segmentbrücke. Bericht Nr. 99/08 Institut für
Stahlbeton- und Massivbau, TU Wien.
Pukl, R., Novak, D., Eichinger, E.M.; (2002) : Stochastic
Nonlinear Fracture Analysis. Proceedings IABMAS Confe-
rence, Juli, Barcelona.
Bergmeister, K., Pukl, R., Novak, D., Kollegger, J. und Ei-
chinger, E.M.; (2002) : Structural Analysis and Safety As-
sesment of Existing Concrete Structures. Proceedings fib-
Conference, September, Osaka.
Veit, R. (2002) : POOR Brücke Dynamische Analyse, Gros-
ser Entwurf Teilgebiet Stahlbeton- und Massivbau, TU
Wien.

26
Begehbare Doppelhelix –– Eine unendlich lange Fußgängerbrücke

Bernhard Schäpertöns1 und Daniel Schäfer1


1
Cronauer Beratung Planung, Beratende Ingenieure GmbH, München

ZUSAMMENFASSUNG
Für die begehbare Doppelhelix des Künstlers Olafur
Eliasson wurde die Schwingungsanfälligkeit unter-
sucht. Zur Reduktion der erheblichen Schwingungen
sind Schwingungstilger vorgesehen, die im Tragrohr
des Bauwerks untergebracht sind, und so die Gestalt
des Kunstwerks nicht verändern. Mit dieser Maßnah-
me werden die zu erwartenden Schwingungen auf ein
befriedigendes Maß bei planmäßiger Benutzung und
auf ein erträgliches Maß bei unplanmäßiger Nutzung
reduziert. Erst mit diesen Maßnahmen kann die Idee
des Künstlers in die Realität umgesetzt werden.

1 BAUWERKSBESCHREIBUNG
Die begehbare Doppelhelix des Künstlers Olafur Eli-
asson wird im Hof eines Bürogebäudes an der There-
sienhöhe im Münchner Westen aufgestellt. Die Form
des Bauwerks ist die Projektion einer Doppelhelix, auf
die Oberfläche einer Kugel mit etwa 8 m Durchmes-
ser. An einem Stahltragrohr werden Holzstufen und Abb. 1: 3D-Ansicht des Kunstwerks
Edelstahlgeländer angebracht, so dass das Kunst-
werk als Endlos-Treppe begangen werden kann. fungsmaß der geschweißten Stahlkonstruktion eine
Das Helix-Tragrohr wird am Tiefpunkt mit einem hohe Schwingungsanfälligkeit erwarten.
größeren Rohrstück eingefasst und an ein Stahl- Für die dynamische Untersuchung wird das Tragwerk
Fußkreuz angeschlossen. Die Endpunkte des Fuß- mit FE-Stabelementen abgebildet. Die Knotenpunkte
kreuzes lagern auf der Decke bzw. den Stahlbeton- der Stäbe folgen der Raumkurve des gewundenen
stützen der Tiefgarage. Das Fußkreuz wird von dem Tragrohrs. Die Stablänge beträgt ca. 0,5 m.
Bodenbelag des Innenhofs überdeckt. So entsteht der Als Eigendämpfung des Systems wird ein Lehr-
Eindruck das Kunstwerk schwebe über dem Boden. sches Dämpfungsmaß von ζ = 0,4% angenommen.
Abb. 1. Für die numerischen Berechnungen werden daraus
Der Außendurchmesser des Tragrohrquerschnitts die massen- und steifigkeitsproportionalen Rayleigh-
beträgt konstant 323,9 mm. Die Wandstärke ist ent- Dämpfungsparameter ermittelt.
sprechend der Belastung über die Bauwerkshöhe
zwischen 16 mm und 60 mm abgestuft. Das Fußkreuz 2.1 Eigenformen
besteht aus Walzprofilen HEM-400. Für die Bewertung des Schwingungsverhaltens des
Kunstwerks wurden die ersten 12 Eigenformen be-
2 DYNAMISCHE UNTERSUCHUNG stimmt. Dabei werden neben der Bauwerksmasse
Ohne weitere Maßnahmen lassen die Form und die keine zusätzlichen Masse berücksichtigt. Der Aufent-
leichte Tragkonstruktion sowie das geringe halt einer größeren Anzahl von Personen wird hier
Dämpfungsmaß der geschweißten Stahlkonstruktion
27
B. Schäpertöns und D. Schäfer

also nicht unterstellt. Die Berücksichtigung des Eigen-


gewichts von 1-2 Personen bewirkt lediglich vernach-
lässigbar kleine Änderungen der Eigenfrequenzen. f1 = 1.11 Hz
Vergleichsrechnungen mit der geometrisch nichtli-
nearen Steifigkeit aus dem Lastfall Eigengewicht zei-
f2 = 1.16 Hz
gen, dass Effekte aus Theorie II. Ordnung vernach-
lässigbar sind. Die Konstruktion trägt die Lasten im
wesentlichen über Biegung und Torsion ab.
In Abb. 2 sind die ersten vier Eigenformen darge-
stellt. Die ersten beiden Eigenformen sind horizontale
Kippbewegungen um den Fusspunkt, die dritte eine
symmetrische Drehbewegung um die Mittelachse und
die vierte eine vertikale Einfederung. Die weiteren
Eigenformen stellen im wesentlichen teilweise gekop- f4 = 1.68 Hz
f3 = 1.50 Hz
pelte Oberschwingungen der ersten vier Grund-
schwingungsformen dar.

2.2 Erregerlasten
Die typischen Schrittfrequenzen liegen beim Gehen
zwischen 1,6 und 2,2 Hz. Darüber beginnt der Bereich
des Laufens bzw. Rennens mit maximal 3,5 Hz.
Schrittfrequenzen unter 1,6 Hz sind bei gemütlichem
Schlendern denkbar. Bachmann (1988, 1997), Peter-
sen (2000, 2001). Menschen verursachen beim Ge- Abb. 2: Die ersten vier Eigenformen des Tragweks
hen Lasten in alle räumliche Richtungen: Vertikal,
horizontal-längs (longitudinal) und horizontal-quer schen Anteilen die ersten elf Bauwerkseigenformen
(lateral). anregen können. Zum Beispiel kann der 2. harmoni-
Tabelle 1 zeigt in der linken Spalte die ersten 12 sche Anteil der Vertikallasten (vertikal, #2) bei einer
Eigenfrequenzen des Tragwerks. Daneben sind die Schrittfrequenz von fS = 0,841 Hz Eigenform Nr. 4
Belastungen durch Fußgänger in den drei Raumrich- anregen.
tungen mit ihren harmonischen Anteilen aufgelistet.
Zu jedem harmonischen Anteil ist diejenige Schrittfre- 3 SCHWINGUNGSREDUZIERENDE
quenz fS aufgeführt, welche die entsprechende Eigen- MASSNAHMEN
form anregt. Man erkennt an den markierten Tabel- Vergleicht man die Bauwerkseigenfrequenzen mit den
lenwerten (gewählte Schrittfrequenz 0,8 –– 2,2 Hz), möglichen Erregerfrequenzen der einwirkenden Las-
dass alle Lastrichtungen mit nahezu allen harmoni- ten, so sind aufgrund der relativ geringen Bauwerks-

vertikal longitudinal lateral


Eigenform #1 #2 #3 # 1/2 #1 #2 # 1/2 # 3/2
Nr. f [Hz] fS [Hz] fS [Hz] fS [Hz] fS [Hz] fS [Hz] fS [Hz] fS [Hz] fS [Hz]
1 1,108 1,108 0,554 0,369 2,216 1,108 0,554 2,216 0,739
2 1,159 1,159 0,580 0,386 2,318 1,159 0,580 2,318 0,773
3 1,495 1,495 0,748 0,498 2,990 1,495 0,748 2,990 0,997
4 1,681 1,681 0,841 0,560 3,362 1,681 0,841 3,362 1,121
5 2,492 2,492 1,246 0,831 4,984 2,492 1,246 4,984 1,661
6 2,843 2,843 1,422 0,948 5,686 2,843 1,422 5,686 1,895
7 3,221 3,221 1,611 1,074 6,442 3,221 1,611 6,442 2,147
8 4,235 4,235 2,118 1,412 8,470 4,235 2,118 8,470 2,823
9 4,894 4,894 2,447 1,631 9,788 4,894 2,447 9,788 3,263
10 5,373 5,373 2,687 1,791 10,746 5,373 2,687 10,746 3,582
11 5,949 5,949 2,975 1,983 11,898 5,949 2,975 11,898 3,966
12 8,123 8,123 4,062 2,708 16,246 8,123 4,062 16,246 5,415

Tabelle 1: Bauwerkseigenfrequenzen, Schrittfrequenzen fS zur Anregung der Eigenformen

28
Begehbare Doppelhelix –– Eine unendlich lange Fußgängerbrücke

masse und der sehr geringen Dämpfung starke Anre- 3.3.1 Entwurf der TMD
gungseffekte zu erwarten.
Um das Erscheinungsbild des Kunstwerks nicht zu
Deswegen sind unbedingt Maßnahmen zur Reduk-
beeinträchtigen, wurden TMD zur Unterbringung im
tion der Schwingungsanfälligkeit zu ergreifen.
Rohrquerschnitt entworfen. Dabei werden Massen,
Stahl-Druckfedern und viskose Dämpfer verwendet.
3.1 Verschiebung der Eigenfrequenzen
Es sind TMD für die erste und zweite Eigenform (hori-
Ist ein Tragwerk mit Fußgängerlasten so ausgelegt, zontale Kippschwingungen) sowie für die vierte Eigen-
dass zum Beispiel die erste vertikale Eigenfrequenz form (vertikales Einfedern) vorgesehen. Diese wie-
größer als etwa 5 Hz ist, sind i.d.R. keine nennens- derum müssen in mehrere einzelne TMD aufgeteilt
werten vertikalen Schwingungen zu erwarten. werden.
Eine sichere Maßnahme gegen die Schwingungs- Insgesamt werden vier TMD für die vertikale Rich-
anfälligkeit wäre demnach, die Steifigkeit der Kon- tung (V1, V2) und insgesamt vier Stück für die hori-
struktion zu erhöhen. Dies würde für das Tragrohr zontalen Eigenformen (H1, H2) eingebaut.
jedoch mindestens eine Verdreifachung des Durch- Die Einbauorte befinden sich im oberen Teil der
messers bedeuten, was wiederum das Erscheinungs- Spirale, wo die Wandstärke des Rohrs nicht mehr als
bild des Kunstwerks zu stark verändert. 25 mm beträgt und die Wirksamkeit der TMD am bes-
Um die Konstruktion auszusteifen, wären ferner ten ist. Auf die Anordnung weiterer TMD im unteren
Seilabspannungen denkbar, die aber ebenfalls zu Bereich der Spirale muss wegen der extrem beengten
stark in die Gestaltung des Bauwerks eingreifen. Platzverhältnisse im Tragrohr mit Wandstärken von 50
oder 60 mm verzichtet werden. Die TMD Massen incl.
3.2 Erhöhung der Strukturmasse/-dämpfung Führungskonstruktion müssen vor der Endmontage
Durch Einsatz einer Füllung mit Beton können oft der Tragrohre eingebaut werden. Durch kleine Monta-
ausreichend hohe Bauwerksmassen und Dämp- geöffnungen können danach die Federn, Dämpfer
fungswerte erreicht werden, um störende Schwingun- eingebaut und die Masse zur Anpassung des TMD an
gen zu verhindern. Dies führt hier aber nicht zu einer die gemessenen Bauwerksfrequenzen verändert wer-
wesentlichen Verbesserung des Schwingungsverhal- den.
tens. Die TMD-Kenngrößen Masse, Frequenz, Feder-
steifigkeit, Dämpferkonstante wurden nach dem Opti-
3.3 Einsatz von Schwingungstilgern mierungskriterium von Den Hartog (1984) festgelegt.
Die kinetisch äquivalenten Massen m des Bau-
Als geeignete Maßnahme gegen die Schwingungsan-
werks werden für die zu bedämpfenden Eigenformen
fälligkeit erweist sich hier der Einsatz von Schwin-
und die TMD-Einbauorte nach Gleichung (1) be-
gungstilgern, englisch Tuned Mass Dampers (TMD).
stimmt. Petersen (2001).

Abb. 3: Skizze Vertikal-TMD

29
B. Schäpertöns und D. Schäfer

Frequenz Bauwerk

äquivalente Masse
Tilgerbezeichnung

Dämpferkonstante
ΣFederkonstanten
V2

Wirkungsrichtung
H2

Anordnung mittig

Massenausgleich
Frequenz Tilger

je Einzel- Tilger
je Einzel-Tilger

je Einzel-Tilger
in Rohrschuss
H1

kinetisch
Anzahl

Masse
V1 V1 1)
f 5) f m 2)
m 2) ∆m 3) CF CD
4)

Z [-] [-] [-] [-] [Hz] [Hz] [t] [kg] [%] [kN/m] [kNs/m]
Y H1
V1 Z (vertikal) 2 1 oben 1,60 1,47 6,67 150 ± 10 12,8 0,45
V2 Z (vertikal) 2 3 oben 1,60 1,47 6,63 150 ± 10 12,8 0,45
X V2
H2
H1 X (horizontal) 2 2 oben 1,10 1,08 6,07 140 ± 10 6,39 0,17
6.00 4.00 2.00 0.00 -2.00 -4.00

Y Z
Systemausschnitt Gruppe 0...5 20
Struktur
H2 Y (horizontal) 2 4 oben 1,06 1,04 8,79 200 ± 10 8,47 0,23
X

Abb. 4: Systemlinie, Einbauorte der gewählten TMD Tabelle 2: TMD-Kenngrößen

& 2 bundene Schwert durchstreift bei Bewegungen die


l
§ ui n · Dämpferflüssigkeit und überträgt so genau definierte,
m = ³ µ (s ) ⋅ η (s ) ds ≈ ¦ mi ⋅ ¨¨ &
2
¸
¸ (1)
geschwindigkeitsabhängige Dämpferkräfte. Abb. 5.
0 i =1 © uTMD ¹
mit: 3.3.2 Abschätzung der Wirksamkeit der Maßnahme

µ(s) : Massenverteilung Zur Überprüfung der vertikalen TMD wird am FE-


& Modell auf der Spitze der Doppelhelix eine sinusför-
u&i : Verschiebung Eigenform am Knoten i
mige periodische Last von 1,0 kN angesetzt. Die Er-
uTMD : Verschiebung Eigenform in Wirkungs
regerfrequenz wird im Bereich von 1,5 bis 2,0 Hz vari-
richtung des TMD
iert. Die Last entspricht in etwa der vertikalen Anre-
mi : idealisierte Punktmasse am Knoten i
gung von drei Personen. Die dabei auftretenden verti-
Die vertikalen TMD bestehen aus einer im Quer- kalen Beschleunigungen aZ bleiben kleiner als 0,85
schnitt in etwa elliptisch geformten Masse, zwei m/s². Analytische Vergleichsrechnungen bestätigen
Druckfedern und einem Dämpfertopf. Die vertikale die Ergebnisse.
Führung wird durch reibungsarm gelagerte Stangen Für den Test der horizontalen TMD wird am äuße-
erreicht. Abb. 3. ren Umfang der Spirale eine Vertikallast von 1,0 kN
Die horizontalen TMD erhalten gebogene, zylin- mit einer Erregerfrequenz im Bereich von 0,8 bis
drische Massen, die auf Rollen geführt werden. Ge- 1,2 Hz angesetzt. Hier bleiben die Vertikalbeschleu-
genüber der Druckfeder wird ein wannenförmiges nigungen aZ kleiner 0,4 m/s² und die Horizontal-
Dämpferelement angeordnet. Das mit der Masse ver- beschleunigungen aX, aY kleiner 0,3 m/s².

Abb. 5: Skizze Horizontal-TMD

30
Begehbare Doppelhelix –– Eine unendlich lange Fußgängerbrücke

3,0
4 NUMERISCHE SIMULATION FUSSGÄNGER Ergebnisse Gehen ohne TMD max aZ = 5,1 m/s²

ax
Die ermittelten Beschleunigungen in Kapitel 3.3.2 2,5
ay
az
stellen eine Abschätzung der möglichen Schwingun- 2,0

aZ, aX, aY [m/s²]


gen dar und berücksichtigen nicht alle harmonischen
1,5
Anteile der Fußgängerlasten.
Um eine realistische Vorhersage der auftretenden 1,0

Schwingungen zu erhalten, werden numerische Simu-


0,5
lationen eines Fußgängers, der die Doppelhelix ein-
mal überschreitet, im Zeitbereich durchgeführt. Dabei 0,0

wird eine konstante Schrittfrequenz während der ge- 0,80 1,00 1,20 1,40
fp [Hz]
1,60
1,681
1,80 2,00 2,20 2,40

samten Begehung angenommen.


Abb. 7: Maximale Beschleunigungen Gehen ohne TMD.
Die Bewegungsgleichung des Tragwerks wird mit
dem Zeitschrittverfahren nach Newmark-Wilson mit
3,0
konstanter Beschleunigung im Zeitschritt numerisch
integriert. Die Zeitschrittweite wurde zu 10 ms ge- 2,5
Ergebnisse Gehen mit TMD ax
wählt. ay
2,0

aX, aY, aZ [m/s²]


az

4.1 Lastbilder Gehen 1,5

Die einwirkenden Kräfte für die Lastcharakteristik 1,0

Gehen werden nach den Angaben von Bachmann


(1997) bestimmt. Für die Lastfunktion (2) werden ge- 0,5

eignete Phasenwinkel und Vorzeichen gewählt, um 0,0

die Lastbilder biomechanisch sinnvoll miteinander zu 0,80 1,00 1,20 1,40 1,60
fp [Hz]
1,80 2,00 2,20 2,40

synchronisieren. Bachmann (1988). Es werden kon-


Abb. 8: Maximale Beschleunigungen Gehen mit TMD
stante Schrittfrequenzen zwischen fp = 0,8 und 2,5 Hz
untersucht. Beschleunigung AZ [m/sec2]

4.1.1 Gehen ohne TMD 1.00 fp = 1.50 Hz

Die Ergebnisse der Berechnungen ohne dämpfende


0.50
Maßnahmen wurden nach den maximal auftretenden 0.50

Beschleunigungen ausgewertet. Die Abbildung 7 zeigt


die ermittelten Beschleunigungen in vertikaler (aZ) und 0.00 Zeit
[sec]
den horizontalen Richtungen (aX, aY) über die zugehö- 10.0 20.0 30.0 40.0 50.0 60.0 70.0 80.0
rigen Schrittfrequenzen fp der Einwirkungen aufgetra- -0.50
0.50
gen. Die angegebenen Maximalwerte der Beschleu-
nigungen treten über einen Zeitraum von mehr als -1.00
30 s auf. Abb. 9: Beschleunigung aZ (Knoten 53), Gehen mit TMD.

Fp = α 0 ⋅ G + ¦ G ⋅ α i ⋅ sin (2π ⋅ i ⋅ f p − φi )
n 1,2 0,6

(2) 1,0 0,5


i =1
0,8 0,4
Last [kN] vertikal

0,6 0,3
vertikal longitudinal lateral
0,4 0,2

i αi φi I αi φi i αi φi
horizontal

0,2 0,1

0,0 0,0
1 0,4 0 1/2 -0,1 4π/5 1/2 0,1 π/5 -0,2
0 0,5 1 1,5 2 2,5
-0,1

t [s]
-π/2 2π/5 3π/5
-0,4 -0,2
2 0,1 1 -0,2 3/2 0,1
-0,6 -0,3
vertikal
Gehen
3 0,1 -π/2 2 0,1 π/5 -0,8 G -0,4
vorwärts
-1,0 lateral -0,5
α0 = 1,0 α0 = 0 α0 = 0
-1 2 -0 6

Abb. 6: Annahmen für die Lastgenerierung, Lastbilder Gehen.

31
B. Schäpertöns und D. Schäfer

Beschleunigung AY [m/sec2] erkennt, dass das Beschleunigungsniveau der Maxi-


malwerte nicht über einen größeren Zeitraum erhalten
fp = 1.50 Hz
0.60
0.50 bleibt.
0.40
4.2 Halbsinusmodell
0.20 Beim Treppensteigen können insbesondere bei hohen
Schrittfrequenzen oder beim Hinabgehen stärkere
Zeit
-0.00
[sec]
Lasten auftreten als nach dem Lastmodell Gehen. Zur
10.0 20.0 30.0 40.0 50.0 60.0 70.0 80.0 Abschätzung dieser Effekte werden Lasten nach dem
-0.20
Halbsinusmodell mit einer Kontaktzeit gleich der hal-
-0.40 ben Schrittperiode angesetzt (tk = ½ Tp). Govers et al.
(2003).
0.50
-0.60
4.2.1 Halbsinusmodell ohne TMD
Abb. 10: Beschleunigung aY (Knoten 38), Gehen mit TMD
Die Ergebnisse werden wiederum nach den maxima-
len Beschleunigungen ausgewertet. Auch hier werden
2,5
Halbsinusmodell die Maximalwerte der Beschleunigungen über ein
vertikal L Zeitintervall von mindestens 30 s aufrechterhalten.
vertikal R 0,475
vorwärts L

1,5
vorwärts R
lateral
4.2.2 Halbsinusmodell mit TMD
Last [kN]

0,275 Die Auswertung erfolgt wiederum nach den maxima-


fp = 2,0 Hz
len Beschleunigungen für die berechneten Schrittfre-
G = 0,75 kN
0,5 quenzen. Zusätzlich werden für die maßgebenden
Kp,vert. = 3,1 0,075
Punkte der Beschleunigungs-Zeitverlauf dargestellt.
Kp,vorw. = 0,4 t [s]
0,00 0,10 0,20
α0,30 0,40
lateral = 0,1
0,50 0,60 0,70 0,80

5 SCHWINGUNGSBEWERTUNG
-0,5 -0,125
Die Ergebnisse aus Kapitel 3.3.2 und Kapitel 4 sind
Abb. 11: Lasten des Halbsinusmodells
hinsichtlich der vom Menschen tolerierbaren Be-
schleunigungen zu bewerten. Die zulässigen Be-
8,0 schleunigungswerte für Personen auf schwingenden
Ergebnisse Halbsinusmodell ohne TMD
7,0 Untergrund beim Gehen oder Stehen sind in Deutsch-
ax
6,0 ay land nicht normativ geregelt. In der Literatur findet
az
man oft weit von einander abweichende Angaben.
aZ, aX, aY [m/s²]

5,0
Einige Anhaltswerte werden hier zusammengefasst
4,0
(Komfortgrenze | evtl. störend | kritisch):
3,0
Vertikalbeschleunigung : 0,5 | 1,0 | 3,5 m/s²
2,0
Horizontalbeschleunigung : 0,1 | 0,5 | 2,0 m/s²
1,0

0,0
Der Stufenabstand von etwa 0,42 m bedingt natür-
0,80 1,00 1,20 1,40 1,60 1,80
fp [Hz]
2,00 2,20 2,40 liche Schrittfrequenzen zwischen 0,8 und 1,6 Hz
(Schneider 1991) , was bei der angestrebten Nutzung
Abb. 12: Beschleunigungen Halbsinusmodell ohne TMD. plausibel erscheint. Für Schrittfrequenzen kleiner
1,6 Hz entsprechen die einwirkenden Lasten eher
4.1.2 Gehen mit TMD dem Lastbild Gehen. Die Lasten des Halbsinusmo-
dells erwartet man ab einer Schrittfrequenz von 1,8 ––
Die Ergebnisse der numerischen Simulation mit TMD
2,0 Hz, oder auch bei geringeren Frequenzen, falls
werden ebenfalls nach den Beschleunigungen aus-
der Fußgänger eine Schrittlänge von zwei oder mehr
gewertet, die zusätzlich für die maßgebenden Punkte
Stufen wählt.
des Tragwerks im Zeitbereich dargestellt werden. Man

32
Begehbare Doppelhelix –– Eine unendlich lange Fußgängerbrücke

5.1 Ohne Tilgersystem 8,0


Ergebnisse Halbsinusmodell mit TMD

7,0 ax
Die Ergebnisse aus Kapitel 4.1.1 und 4.2.1 zeigen, ay

dass bei einem ungedämpften System Schwingungen 6,0 az Eigenform 9


Hüpfen

aX, aY, aZ [m/s²]


in vertikaler Richtung von 1,5 m/s² auch außerhalb 5,0
Rennen

Oberschwingung,

des Resonanzbereichs zu erwarten sind. Für die 4. 4,0


Eigenform 6
Eigenform 4
Eigenform 8

Eigenform (f4 = 1,68 Hz) besteht die Gefahr der Syn- 3,0
Hüpfen
Gehen
Eigenform 7
chronisation mit der natürlichen Schrittfrequenz. In Hüpfen
2,0 Eigenform 5
diesem Fall sind Resonanzschwingungen zu erwar-
1,0
ten, die wegen der schlechten Dämpfungseigenschaf-
ten des Tragwerks erst nach sehr langer Zeit auf ein 0,0
0,80 1,00 1,20 1,40 1,60 1,80 2,00 2,20 2,40
erträgliches Maß abklingen. Gleiche Effekte können fp [Hz]

für die horizontalen Schwingungsformen bei etwa 1,1


Abb. 13: Beschleunigungen Halbsinusmodell mit TMD.
und 1,5 Hz Schrittfrequenz auftreten.

5.2 Mit Tilgersystem


Beschleunigung AZ [m/sec2]

–– Gehen
fp = 2.10 Hz
Die Bewertung der Schwingungen im Bereich der 2.00
2.00
Schrittfrequenzen bis maximal 1,8 Hz erfolgt nach
dem Lastmodell Gehen. Hierbei werden fast im
gesamten Schrittfrequenzbereich kurzzeitig maximale 1.00
Vertikalbeschleunigungen von aZ = 1,3 m/s² erreicht.
Das Beschleunigungsniveau liegt aber im Mittel weit 0.00 Zeit
unter 0,5 m/s². Abb. 9. [sec]
10.0 20.0 30.0 40.0 50.0
Horizontale Beschleunigungen von 0,5 m/s² kön- -1.00
nen bei einer Schrittfrequenz von 1,5 Hz kurzzeitig
überschritten werden. Ansonsten liegt das Beschleu-
-2.00
nigungsniveau deutlich unter 0,4 m/s². Abb. 8, 10. 2.00
Die Ergebnisse sind für einen Fußgänger mit Abb. 14: aZ (Knoten 46), Halbsinusmodell mit TMD.
Schrittfrequenzen unterhalb von 1,8 Hz befriedigend.
Die Schwingungen werden zwar für den Benutzer
spürbar sein, jedoch nicht sonderlich beunruhigend. Beschleunigung AY [m/sec2]
Wird die Treppe durch mehrere Benutzer gleich-
zeitig begangen, so ist zu erwarten, dass sich höchs-
tens drei Fußgänger ideal synchronisiert bewegen 1.00 fp = 2.10 Hz
0.75
werden. Schneider (1991). Dabei würden sich die
mittleren Beschleunigungsamplituden maximal ver-
0.50
dreifachen. Dadurch könnten die Schwingungen für
den Benutzer zwar unangenehm, aber nicht gefährlich
werden. Die Einzelpersonen können dem durch Ste- 0.00 Zeit
hen bleiben entgegenwirken. Die Schwingungen [sec]
verringern sich innerhalb weniger Sekunden wieder 10.0 20.0 30.0 40.0 50.0
auf ein erträgliches Maß. -0.50
Verweilen auf dem Kunstwerk Personen, die sich
passiv verhalten, so wirken diese dämpfend gegen die 0.75
angeregten Schwingungen und verhindern mit ihrer -1.00
Sperrwirkung eine weitere Anregung. Abb. 15: aY (Knoten 31), Halbsinusmodell mit TMD.
–– Schnelles Gehen, Rennen, Hüpfen
Betrachtet man die Ergebnisse des Halbsinusmodells, Die Anregung der Eigenformen 5 und 6 ist un-
so ist ersichtlich, dass die Oberschwingungen durch wahrscheinlich. Eigenform 7 könnte durch Hüpfen an
den wesentlich größeren Stoßfaktor der geeigneter Stelle angeregt werden. Die dabei mögli-
2. Harmonischen der Vertikallast angeregt werden. chen Beschleunigungen bleiben aber im unkritischen
Bereich.

33
B. Schäpertöns und D. Schäfer

nehmen aber keine kritischen oder gefährlichen Werte


an. Der oder die Benutzer können den evtl. unange-
nehmeren Schwingungen durch entsprechendes Ver-
halten entgegenwirken. Die Standsicherheit der Struk-
tur ist nicht gefährdet.
Bei unbeabsichtigter Benutzung wie z.B. fortwäh-
rendes Rennen, Überspringen von ein oder mehr
Stufen, synchrones Hüpfen mehrerer Personen etc.,
können sehr unangenehme Schwingungen auftreten.
Die Maßnahme bietet, wie auch bei einigen Fußgän-
gerbrücken der Fall, keinen Schutz gegen Vandalis-
mus. Die Standsicherheit wäre nur im Falle mutwilliger
Anregung durch eine Anzahl von 50 oder mehr Per-
Abb. 16: Fertigung des Kunstwerks. sonen auf dem Kunstwerk bei idealer Koordination
gefährdet. Diese Szenario wird erfahrungsgemäß
Eigenform 8 kann durch schnelles Gehen beson- nicht eintreten.
ders beim Hinablaufen angeregt werden. Die vertika- Erst der Einsatz der TMD in der hier beschriebe-
len und horizontalen Beschleunigungen können dabei nen Form ermöglicht es dem Künstler, seine Idee des
als unangenehm empfunden werden, bleiben aber begehbaren Kunstwerks in die Realität umzusetzen.
unkritisch. Eine Synchronisation der Schrittfrequenz
mit der 8. Eigenfrequenz ist nicht zu erwarten. Die LITERATUR
Anpassung der Schrittfrequenz mit der 2. harmoni- Bachmann, H., et al. (1997), Vibration Problems in Structu-
schen der Vertikallasten an die Bauwerksfrequenz res, Birkhäuser Verlag, Basel.
wurde bis jetzt in der Literatur nicht beobachtet. Der Bachmann, H. (1988), Schwingungsprobleme bei Fußgän-
Benutzer kann diesen Schwingungen wiederum durch gerbauwerken, Bauingenieur 63, 67-75.
langsameres Fortbewegen oder Stehen bleiben ent- Den Hartog, J. P. (1984), Mechanical Vibrations, Dover
gegenwirken. Die Schwingungen reduzieren sich Publications, New York.
innerhalb von ca. 5-10 s auf ein erträgliches Niveau. Dallard, P., et al. (2001), The London Millenium Footbridge,
Sollte sich die Anregung der 8. Eigenform als signifi- The Structural Engineer 79, 17-33.
kant störend herausstellen, können die Vertikaltilger Govers, Y., et al. (2003), Menscheninduzierte Schwingun-
V1 durch Austausch der Druckfedern und Anpassung gen bei Treppenkonstruktionen –– Eine Lücke in deutschen
Normen? Baudynamik, VDI-Berichte 1754.
der Dämpferflüssigkeit auf diese Eigenfrequenz abge-
Kasperski, M. (2003), Entwurfsvorgaben für Tribünen- und
stimmt werden und somit die Schwingungen weiter
Deckenkonstruktionen unter menscheninduzierten lasten,
erheblich reduzieren. Baudynamik, VDI-Berichte 1754.
Bewegen sich die Personen auf der Treppe mit ei-
Kasperski, M. (2001), Menschenerregte Schwingungen in
ner Schrittfrequenz von mehr als 2,3 Hz (Rennen), so Sportstadien, Bauingenieur 76, 575-581.
können weitere, höhere Eigenformen angeregt wer- Petersen, C. (2001), Schwingungsdämpfer im Ingenieurbau,
den. Die dabei auftretenden Beschleunigungen sind Maurer Söhne GmbH & Co. KG, München.
als deutlich unangenehm zu bewerten. Bevor es zu Petersen, C. (2000), Dynamik der Baukonstruktionen, Vie-
einem Stabilitätsproblem für den Benutzer kommt, weg & Sohn, Braunschweig.
kann dieser wiederum durch Stehen bleiben bzw. Schneider, M. (1991), Ein Beitrag zu fußgängerinduzierten
durch langsameres Gehen die Schwingungen abbau- Brückenschwingungen, Berichte aus dem Konstruktiven
en. Ingenieurbau, Technische Universität München.

–– Fazit
Durch die vorgesehenen TMD werden die zu erwar-
tenden Schwingbeschleunigungen bei planmäßiger
Nutzung auf ein befriedigendes Maß reduziert. Für
Einzelpersonen können gängige Komfortkriterien ein-
gehalten werden.
Wird das Kunstwerk durch gezielte Anregung wie
z.B. Hüpfen oder synchrones Gehen mehrerer Perso-
nen angeregt, können deutlich spürbare Schwingun-
gen auftreten. Die zugehörigen Beschleunigungen

34
Dynamische Verfahren zur Sicherheitsüberwachung
von Brückenbauwerken

Werner Rücker, Rolf Günter Rohrmann, Samir Said und Wolfgang Schmid
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Berlin

1 EINLEITUNG gungen. Derartige Prozesse sind nur durch eine


Nach dem gegenwärtigen Stand der Prognosen wird kontinuierliche Beobachtung mit Hilfe von automatisch
in den nächsten 10 bis 15 Jahren eine Zunahme des arbeitenden Überwachungssystemen zu erfassen.
Oftmals können gewisse Schadensphänomene nur im
Güterverkehrs in Deutschland um 50% angenommen
(Quelle: BMVBW). Im Jahre 2001 wurden 85% aller zeitlichen Zusammenhang mit weiteren Einfluss-
transportierten Güter auf der Straße bewegt (Quelle: größen (z. B. Temperaturverteilungen, bauchemische
Messgrößen u. a.) gedeutet werden. Weitere wichtige
Stat. Bundesamt). Dies bedeutet, dass die vorhande-
nen Ingenieurbauwerke innerhalb der Verkehrsinfra- Punkte sind die lückenlose Aufzeichnung von Lastein-
struktur mit zunehmendem Alter immer höhere wirkungen sowie von ermüdungswirksamen Belas-
tungen und deren Klassierung nach Größe und Häu-
Belastungen ertragen müssen. Zum anderen werden
die zur Verfügung stehenden Mittel zum Ersatz dieser figkeit sowie die Erfassung von Überlasten.
Infrastrukturbauwerke immer geringer. Eine aktuelle Das Aufgabenspektrum der automatischen Dauer-
überwachung umfasst somit die Teilaufgaben Bean-
Bewertung dieser Bauwerke bezüglich ihrer Sicherheit
und Gebrauchsfähigkeit erfordert deshalb zusätzliche spruchungsüberprüfung, Zustandsüberwachung und
Informationen hinsichtlich Art und Umfang eventuell Ermittlung äußerer Einwirkungen und verfolgt damit
die Ziele:
vorhandener Schäden, deren Auswirkung auf die
aktuelle Tragwirkung und Tragfähigkeit sowie –– Permanente Kontrolle und Langzeitaussagen für
Information über die vergangenen, gegenwärtigen und alle wesentlichen Bauwerkseigenschaften
zukünftigen Lasteinwirkungen.
–– Frühe Entdeckung von Veränderungen der Tragfä-
2 BAUWERKSUNTERSUCHUNGEN MIT higkeitseigenschaften
DYNAMISCHEN VERFAHREN –– Überwachung der tatsächlichen Lasteinwirkungen
Seit etwa 15 Jahren beschäftigt sich die Fachgruppe und Erstellen einer Datenbasis zur Lebensdauer-
Ingenieurbau der Bundesanstalt für Materialforschung abschätzung.
und ––prüfung (BAM) mit der Entwicklung von theoreti-
schen und experimentellen Verfahren zur Zustands 2.2 Zustandsanalyse
und Tragfähigkeitsbewertung bestehender Bauwerke. Zentrales Element einer jeden Zustandsanalyse an
Das Konzept sieht die Entwicklung von Methoden zur Bauwerken ist ein hinreichend gutes Rechenmodell,
Dauerüberwachung, zur Zustandsanalyse mit stati- das in der Lage ist, das reale Bauwerk ausreichend
schen und dynamischen Verfahren und zur genau zu beschreiben. Zur Ableitung eines solchen
Schadenslokalisierung und ––bewertung vor. Rechenmodells sind stets experimentelle Untersu-
chungen am Bauwerk erforderlich. Damit sollen aktu-
2.1 Automatische Dauerüberwachung elle Kenntnisse über die Materialeigenschaften, das
Bei kritischen Bauwerkszuständen ist der Verlauf der statische System und die Steifigkeitsverteilung ein-
Schadensentwicklung und die daraus folgende schließlich eventuell vorhandener Schäden erlangt
Bestimmung des Zeitpunktes für Sanierungsarbeiten werden.
von großer Bedeutung. Eine wichtige Rolle spielt da- Eine gute experimentelle Basis stellen in vielen
bei die Kenntnis schadensauslösender Ereignisse und Fällen schwingungstechnische Untersuchungen dar.
der Einfluss von sich verändernden Umgebungsbedin- So ist es möglich, mit Hilfe von gemessenen Eigen-

35
W. Rücker, R. G. Rohrmann, S. Said und W. Schmid

frequenzen und Eigenschwingungsformen Kenntnisse


über den jeweils aktuellen Bauwerkszustand zu er-
halten. Aus den Messergebnissen allein lassen sich
bereits Aussagen zur generellen Tragwirkung eines
Bauwerkes ableiten oder der Erfolg von durchgeführ-
ten Sanierungsmaßnahmen abschätzen.
Ein weiterer Schwerpunkt besteht in der Entwick-
lung und Anwendung von Verfahren zur Optimierung
von Rechenmodellen, deren Parameter unter Ver-
wendung von statischen und dynamischen Mess-
ergebnissen validiert werden. Mit einem derart an die
aktuellen Verhältnisse angepassten Rechenmodell
kann dann, unter Ansatz von realistischen Last-
modellen, ein rechnerischer Tragsicherheitsnachweis
durchgeführt werden. Abb. 1: Beispiel für gemessene Dehnungen ε [µm/m] unter
Verkehr (oben) und deren Zerlegung in einen stati-
schen (mitte) und dynamischen (unten) Anteil.
2.3 Dauerüberwachungssystem
Das von der BAM entwickelte Dauerüberwachungs- Die Ergebnisse der Beanspruchungsprüfung wer-
System enthält die Komponenten Sensorik, Signal- den für eine Einschätzung der aktuellen Bauteil- bzw.
konditionierungseinheit, Datenerfassung, Datenüber- Bauwerks-Sicherheit verwendet. Darüber hinaus
tragung sowie Betriebssystem- und Auswertungssoft- sollen die gesammelten Daten in Kombination mit
ware. Die kontinuierlich gemessenen Daten werden einem angepassten Rechenmodell und den Ergebnis-
vor Ort mit einer in der BAM entwickelten Software sen der Lastüberwachung zu einer Einschätzung der
vorausgewertet. Diese Software wird je nach Überwa- Betriebs-Restlebensdauer dienen. Hierfür sind jedoch
chungsauftrag individuell konfiguriert. noch weitere Informationen, wie etwa zur Dauerfestig-
Die zur Zeit eingesetzten Sensoren messen ge- keit der eingesetzten Baustoffe, Kerbfaktoren, etc.
mäß vorhandenen Überwachungsaufträgen nur me- erforderlich. Durch die Messung von temperatur-
chanische und thermische Größen. Bei Bedarf können bedingten Dehnungen lassen sich thermisch bedingte
aber ohne Weiteres auch klimatische und bauchemi- Belastungen bzw. Kombinationsbelastungen (Tempe-
sche Messgrößen zusätzlich mit erfasst werden. ratur + Verkehr) an kritischen Bauteilen abschätzen.
Im Rahmen der Lastüberwachung (Ermittlung Dafür ist zusätzlich die Erstellung eines an die Realität
äußerer Einwirkungen) für Brückenbauwerke steht die angepasstes Rechenmodells zur Erfassung thermi-
permanente Erfassung der Verkehrslasten im Mittel- scher Beanspruchung erforderlich.
punkt. Basisdaten zur Ermittlung der Verkehrsbelas- Die Zustandsüberwachung eines Bauwerkes soll
tung sind Dehnungen, aus denen, mittels der Ergeb- der Schadensfrüherkennung oder der Beobachtung
nisse individueller Kalibriermessungen mit einem von Schadensentwicklungen innerhalb eines vorge-
schweren Lkw, die Lasten errechnet werden können. gebenen Überwachungszeitraumes dienen. Damit
Abb. 1 stellt beispielhaft das Ergebnis einer normalen sollen die Erkenntnisse aus visuellen Beobachtungen
Verkehrsmessung mit der Überfahrt unterschiedlich ergänzt bzw. abgesichert werden. Bei gleichzeitiger
schwerer Fahrzeuge dar. Durch die Trennung der Messung von Größen, die schadensauslösend bzw.
aufgenommenen Signale in einen statischen und dy- schadenstreibend wirken, wie z. B. Korrosion, können
namischen Anteil lassen sich Lastkollektive und damit Wirkungszusammenhänge gefunden und statistisch
brückenspezifischen Lastmodelle ableiten. Weiter sind fundierte Quantifizierungen vorgenommen werden.
Trendanalysen der Verkehrsbelastung in einem zeitli- Derartige Aufgaben werden als lokale Zustandsüber-
chen Zusammenhang möglich und Auswirkungen von wachung bezeichnet.
Verkehrslenkungsmaßnahmen sind beobachtbar. Steht die Frage im Vordergrund, ob und wie sich
Durch die Kenntnis der Auswirkungen von statischen bekannte oder vermutete Schäden auf die Tragfähig-
und dynamischen Lasteinwirkungen auf das jeweilige keit auswirken, d. h. Einfluss auf globale Struktur-
Bauwerk lassen sich spezifische dynamische Zusatz- eigenschaften nehmen, wird eine globale Zustands-
lasten ermitteln, die z. B. für die statischen Berech- überwachung durchgeführt. Dieses Verfahren
nungen unter Schwerlastverkehr verwendet werden erfordert die Verwendung beobachtbarer sensitiver
können. Indikatorgrößen, die in der Lage sind, auch lokale
Zustandsänderungen hinsichtlich ihrer globalen Aus-

36
Dynamische Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Brückenbauwerken

thotrope Fahrbahnplatte mit Trapezprofilen miteinan-


der verbunden sind. Die Abtragung der Kräfte quer
zur Fahrtrichtung erfolgt durch die in regelmäßigem
Abstand angeordneten Querträger. Die Brücke ist für
die Lastklasse 60-30 bemessen.
Das Bauwerk ist Bestandteil einer wichtigen inner-
städtischen Nord-Süd-Verbindung, über die in etwa
zweiwöchigen Abständen Schwerlastfahrten mit
einem Fahrzeuggesamtgewicht von etwa 500 t erfol-
gen. Die Erlaubnis zum Überfahren mit Schwerlast-
Fahrzeugen wurde auf der Grundlage einer statischer
Abb. 2: Westendbrücke. Längsansicht (oben) und Quer- Berechnung erstellt, wobei jedoch die rechnerische
schnitt (unten). Tragfähigkeit nur knapp erreicht wurde. Um dennoch
eine dauerhafte Funktionsfähigkeit des Bauwerkes zu
wirkungen ausreichend gut zu erkennen, ohne dass gewährleisten, wird für die Dauer von zwei Jahren
Vorkenntnisse über den Schadensort vorliegen. eine permanente Last- und Zustandsüberwachung
Hierfür eignen sich besonders dynamische Parameter sowie eine Beanspruchungsüberprüfung der Brücke
(Eigenfrequenzen und ––formen), bzw. daraus abgelei- durchgeführt mit dem Ziel, die Auswirkungen der
tete Größen. Durch eine Kombination mit weiteren statischen und dynamischen Lasten auf die tatsächli-
Beobachtungsgrößen (z. B. Durchbiegungen, Neigun- che Tragfähigkeit zu beobachten. Mit Hilfe zusätzli-
gen, Dehnungen, thermische und chemische Mess- cher experimenteller Untersuchungen soll eine
größen) ist es möglich, die Informationsbasis zu Verifizierung der rechnerischen Annahmen erreicht
verbessern. Für eine Interpretation von Ergebnissen werden.
der Dauerüberwachung und der Zustandsbeurteilung
ist das Vorhandensein eines angepassten Rechen- 3.2 Eisenbahnviadukt in Zittau/Sachsen
modells von großer Wichtigkeit.
Das im Jahre 1859 aus Naturstein erbaute
3 ÜBERWACHTE BRÜCKENBAUWERKE Eisenbahnviadukt mit einer Gesamtlänge von ca.
750 m führt auf 34 Bögen über die deutsch-polnische
Westendbrücke in Berlin Grenze.
Die Westendbrücke ist Teilstück der Bundesautobahn Wegen Grundwasserabsenkungen infolge Tage-
A 100 in Berlin-Charlottenburg. Sie wurde 1965 als bau auf polnischer Seite sowie Bergsenkungen aus
Spannbetonbauwerk mit voller Vorspannung fertigge- früherem Bergwerksbetrieb sind in einem großem
stellt. Das statische System der Brücke ist in Abb. 2 Bereich um Zittau Bodensenkungen festzustellen. Es
dargestellt. Seit der Fertigstellung traten an dem besteht die Vermutung, dass derartige Setzungen für
Bauwerk immer wieder Schäden auf, die Verstär- die am Bauwerk festgestellten Schäden mit verant-
kungsmaßnahmen zur Sicherstellung der Tragfähig- wortlich sind. Diese Schäden bestehen in erster Linie
keit notwendig machten. aus einer Reihe von großen Rissen im Naturstein-
Der seit 1994 bestehende Überwachungsauftrag mauerwerk, die sich über den gesamten jeweiligen
umfasst das gesamte Programm zur Beanspru- Querschnitt des Überbaus der Brücke erstrecken.
chungs- und Zustandsüberwachung sowie zur Ermitt- Der Überwachungsauftrag der BAM am Neiße-
lung äußerer Einwirkungen. Zur Zeit ist ein 48-kanali- Viadukt besteht darin, eine Überwachung der stati-
ges Überwachungssystem zur Messung von Dehnun- schen und dynamischen Beanspruchungen des
gen, Durchbiegungen, Rissweiten, Temperaturen, Bauwerkes unter Verkehrsbelastungen sowie die
Beschleunigungen und Schwinggeschwindigkeiten Beobachtung der statischen Beanspruchungen unter
installiert. Eigenlasten im Zusammenhang mit Temperatureinwir-
kungen durchzuführen. Darüber hinaus soll eine
3.1 Putlitzbrücke in Berlin Überwachung der Veränderung vorhandener Risse im
Mauerwerk unter dem Einfluss von Verkehrslasten,
Die 1977 in Betrieb genommene Putlitzbrücke in Ber-
Temperatureinwirkungen und Setzungen sowie das
lin-Moabit ist eine Stahlbrücke mit einer Gesamtlänge
Auffinden von Schadens-Wirkungs-Zusammenhängen
von 270 m. Statisch betrachtet ist sie ein Durchlauf-
erfolgen.
system mit acht Feldern, das auf Neoprenlagern
gestützt ist. Der tragende Querschnitt besteht aus
zwei geschlossenen Hohlkästen, die über eine or-

37
W. Rücker, R. G. Rohrmann, S. Said und W. Schmid

Abb. 3: Häufigkeit einwirkender Verkehrslasten


gegliedert in Lastklassen. Westendbrücke (oben)
und Putlitzbrücke (unten);
Beobachtungszeitraum: drei Monate.

4 ERGEBNISSE AUS DER DAUERÜBER-


WACHUNG DER BRÜCKENBAUWERKE
Im Folgenden werden die Ergebnisse der durchge-
führten Überwachungen an den oben beschrieben
Bauwerken dargestellt und damit exemplarisch die
Möglichkeiten, die dieses Untersuchungskonzept bie- Abb. 4: Zusammenhang zwischen dem dynamischen
tet, illustriert. Faktor ϕ und statischer Last (oben), Häufigkeits-
verteilung von ϕ für verschiedene Lastklassen
(unten).
4.1 Lastüberwachung
In Abb. 3 sind die Ergebnisse von Verkehrslastbeo- Dies sind zum einen die Qualität der Fahrbahnober-
bachtungen an der Westendbrücke und der Putlitz- fläche bzw. ––übergänge, die dynamischen Eigen-
brücke dargestellt. Sie zeigen statistisch abgesicherte schaften der Fahrzeuge und nach Cantieni (1991) der
Lastspektren für den Zeitraum von 3 Monaten, ausge- Grad der Kopplung zwischen Fahrzeug und Brücke.
hend von den Einwirkungen auf den Hauptfahrspuren Generell von Interesse ist der in Abb. 4 darge-
der beiden Brücken. Diese Ergebnisse können, ver- stellte Zusammenhang zwischen der Größe der Fahr-
knüpft mit weiteren Informationen, für die Berechnung zeuggesamtlasten und den zugeordneten dynami-
individueller, realitätsnaher Lastmodelle verwendet schen Lasten. Man erkennt, dass mit zunehmendem
werden. Im Vergleich der Ergebnisse beider Brücken Fahrzeug-Gesamtgewicht die dynamische Zusatzlast
ist zu erkennen, dass die Lasteinwirkungen hinsicht- abnimmt. Die dargestellten Kurven sind aus den Häu-
lich der Verkehrszusammensetzung sehr unterschied- figkeitsverteilungen der über jeweils ein Jahr ermit-
lich sind. An der Autobahnbrücke Westend beobach- telten dynamischen Faktoren entnommen worden.
tet man einen sehr viel größeren Anteil von Schwer- Dabei ist festzustellen, dass die Streuungen der
lastverkehr, wie es für eine überregionale Verkehrs- Werte der dynamischen Faktoren ϕ um so größer
ader typisch ist. sind, je kleiner die Fahrzeuggesamtgewichte sind.
Die Abb. 4 und 5 zeigen die Ergebnisse der Beo- Im Vergleich der Ergebnisse von Abb. 5 lässt sich
bachtung der dynamischen Einwirkungen, ausge- erkennen, dass die dynamische Belastung der Putlitz-
drückt durch den dynamischen Faktor ϕ. Damit ist es brücke erheblich geringer ist, als die der Westendbrü-
zunächst möglich, die bei einer statischen Berech- cke bei vergleichbaren Feldlängen und geringerer
nung getroffenen Annahmen hinsichtlich dieses Fak- Systemdämpfung bei Stahlbrücken. Hier spielen
tors auf seine Gültigkeit bzw. Aktualität hin zu über- offensichtlich andere Faktoren eine Rolle, wie etwa
prüfen. Da sich die dynamischen Lasten u. a. aus der die Lage der Bauwerkseigenfrequenzen in Relation
Interaktion zwischen Fahrzeug und Bauwerk ergeben, zum Spektrum der Aufbaueigenfrequenzen von
lassen solche Ergebnisse weiterhin Rückschlüsse auf LKWs. An der Westendbrücke ist dieses Verhältnis
die den Mechanismus beeinflussenden Parameter zu. besonders ungünstig. Die hautsächlich vom Verkehr

38
Dynamische Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Brückenbauwerken

Abb. 6: Viadukt Zittau. Verlauf und Korrelation der


gemessenen Rissweiten mit der Temperatur.
Beobachtungsdauer: 11 Monate.

Abb. 5: Dynamischer Faktor ϕ. Westendbrücke (oben),


Putlitzbrücke (unten).

angeregten Eigenfrequenzen liegen dort bei 2,7 und


3,5 Hz und damit im Bereich der Fahrzeugeigen-
frequenzen. Die Ergebnisse von Abb. 5 zeigen auch,
dass im Fall der Putlitzbrücke die dynamischen Fakto-
ren feldspezifisch sind und im Fall der Westendbrücke
selbst im gleichen Feld unterschiedliche Werte für die
verschiedenen Hauptträger gefunden wurden.
Abb. 7: Dynamischer Anteil der Rissöffnungen unter Ver-
kehrslast. Beobachtungsdauer: drei Jahre.
4.2 Zustandsüberwachung
Am Neiße-Viadukt in Zittau wurden über Jahre bis entstanden sind. Auch hier zeigt sich ein Zusammen-
zum jetzigen Zeitpunkt durch geodätische Messungen hang zwischen der Temperatur und den beobachteten
zunehmende Setzungen der Brückenfundamente Rissweitenänderungen. Trennt man diese zeitabhän-
beobachtet. Die Frage, ob diese Setzungen verant- gigen Rissbewegungen hinsichtlich ihrer Zyklen,
wortlich sind für gemessene Rissweitenänderungen lassen sich Lastwirkungszusammenhänge erkennen,
sollte durch eine Dauerüberwachung geklärt werden. die die Anteile der Rissbewegungen infolge Tempe-
Nach nunmehr zweijähriger Beobachtungsdauer kann raturbelastung einerseits und statischer und dynami-
gesagt werden, dass die Rissaktivitäten vorwiegend scher Verkehrsbelastung andererseits zeigen
temperaturbedingt sind. Rissweitenänderungen Rohrmann et. al. (1996).
folgen, mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, Abb. 7 zeigt den Verlauf der Rissbewegung der
sehr genau dem gemessenen Temperaturverlauf des Koppelfugenrisse unter dem Einfluss dynamischer
Bauwerkes (siehe Abb. 6). Es konnte gezeigt werden, Einwirkungen über einen Zeitraum von drei Jahren.
dass dieser Effekt für alle überwachten Risse gilt und Auch hier ist, wie beim Neiße-Viadukt, ein reversibles
jeweils der gesamte Brückenquerschnitt des Natur- Verhalten zu erkennen. Innerhalb eines gewissen
steinbauwerks gleichermaßen an der Rissbewegung Bereiches gibt es eine linearere Korrelation zwischen
beteiligt ist. Abb. 6 zeigt auch, dass die Rissbewe- Temperatur- und Rissweitenänderung. Jedoch ab
gung im Jahresverlauf ein reversibler Vorgang ist und einer gewissen Bauwerkstemperatur im Sommer zei-
nicht durch die bleibenden Setzungen beeinflusst gen sich überproportional große dynamische Riss-
wird. weitenänderungen (Abb. 7), die nichtlinear mit der
An der Westendbrücke werden Koppelfugenrisse Temperatur korreliert sind. Dieser Effekt kann einen
überwacht, die trotz voller Vorspannung der Brücke starken ermüdungswirksamen Einfluss auf die, die

39
W. Rücker, R. G. Rohrmann, S. Said und W. Schmid

Abb. 8: Westendbrücke. Eigenfrequenzen und Tempe-


raturen. Beobachtungsdauer: fünf Jahre.

Koppelfugen kreuzende Spannbewehrung ausüben.


Untersuchungen (Zilch et. al. (2000)) weisen darauf Abb. 9: Westendbrücke. Eigenfrequenzen.
hin, dass derartige Effekte im Zusammenhang mit Beobachtungsdauer: drei Jahre.
dem vertikalen Temperaturgradienten stehen.
In Abb. 8 und 9 sind die beobachteten Eigenfre-
quenzen der Westendbrücke über einen Zeitraum von
drei bzw. fünf Jahren aufgetragen. Man erkennt zykli-
sche Veränderungen der gemessenen Frequenzen
mit der Zeit. Es ist erkennbar, dass diese Veränderun-
gen mit den zeitlichen Schwankungen der Bauwerks-
temperaturen korrelieren.
Die maximalen festgestellten Veränderungen der
Eigenfrequenzen betragen 0,04 Hz/K. Für eine Zu-
standsüberwachung zur Früherkennung von bauli-
chen Schäden wirkt sich dieser Effekt sehr ungünstig
aus, da die temperaturbedingte Schwankungsbreite
bereits der unteren Eigenfrequenzen etwa 10%
bezogen auf den jeweiligen Mittelwert beträgt.
Aus Abb. 9 ist außerdem erkennbar, dass bei
höheren Eigenfrequenzen, die für eine Schadens-
früherkennung eine höhere Sensitivität besitzen, diese Abb. 10: Putlitzbrücke. Eigenfrequenzen.
Beobachtungsdauer: ein Jahr
Schwankungsbreite noch erheblich größer ist.
Strukturell lässt sich dieser Effekt so deuten, dass bei ten Überwachungszeitraum trotz der großen Anzahl
höheren Temperaturen eine geringere Tragfähigkeit von Schwerlastfahrten ebenfalls keine Veränderungen
vorliegt, während bei tieferen Temperaturen die auf.
Tragfähigkeit ansteigt. Im Frequenzverhalten des Eisenbahn-Viaduktes in
Betrachtet man die in Abb. 10 dargestellten Er- Zittau sind dann wiederum Veränderungen feststellbar
gebnisse der Frequenzüberwachung an der Putlitz- (Abb. 11), die ebenfalls mit den Temperaturverläufen
brücke, erkennt man, dass hier die jahreszeitlichen des Bauwerks korrelieren. Da die Letzteren für die
Schwankungen der Bauwerkstemperatur offensicht- Rissweitenänderungen im Kämpferbereich der Bögen
lich keinen Einfluss auf Veränderungen der Eigenfre- verantwortlich sind, kann daraus geschlossen werden,
quenzen haben. Der Einfluss der Temperatur auf die dass damit temperaturbedingte Tragfähigkeitsände-
Eigenfrequenzveränderungen ist damit vorrangig im rungen durch Änderungen am Tragsystem beobachtet
Rissverhalten eines Betontragwerkes und/oder im werden. Die Quantifizierung hinsichtlich dieser Trag-
Einfluss der Asphalttragschicht zu suchen. fähigkeitsveränderung erfolgt mit Hilfe eines ange-
Auch als globale Indikatoren für schadensbedingte passten Rechenmodells.
Einflüsse weisen die Eigenfrequenzen im dargestell-

40
Dynamische Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Brückenbauwerken

Abb. 11: Viadukt Zittau. Eigenfrequenzen und Temperatur.

4.3 Beanspruchungsüberwachung
Die Beanspruchungsüberwachung an der Put-
litzbrücke hat zum einem die Aufgabe, die maximalen
Spannungen unter Schwerlastverkehr in jenen Berei-
chen des Bauwerks zu messen, die durch eine vor-
hergehende detaillierte FE - Berechnung als kritisch
ermittelt wurden. Zum anderen wird überprüft, ob
mögliche Schäden in besonders kritischen Bereichen Abb. 12: Viadukt Zittau. Verlauf der gemessenen Dehnun-
der Brücke, speziell am Übergang orthotrope Platte –– gen ε1 und der Temperatur (oben) sowie
Querträger, durch verstärkte Schadensakkumulatio- Korrelation ε1 und ε2 (unten).
nen aus der Kombination aus Schwerlastverkehr und
normalem LKW-Verkehr entstanden sind. Dazu wird Kontakt der Steine im Bogen sehr verschiedenen
für jede Messstelle die Rainflow––Matrix ermittelt und Pfaden folgt.
mit Hilfe der Palmgren––Miner-Regel ein Schadens- Trennt man die per Dauerüberwachung gemesse-
index errechnet. nen Dehnungen, die keine Anteile aus dynamischer
Dehnungsmessungen an Natursteinbrücken zum Belastung enthalten, in jene, die aus Verkehrsbelas-
Zwecke der Beanspruchungsüberwachung oder auch tungen stammen, und solche, die von Temperaturän-
für Probebelastungen weisen ein großes Maß an derungen im Bauwerk hervorgerufen werden, ergeben
Unsicherheiten auf. Am Neiße-Viadukt in Zittau sich die für die Westendbrücke in Abb. 13 dargestell-
konnte festgestellt werden, dass die temperaturbe- ten Verhältnisse. Der Beobachtungszeitraum beträgt
dingten Beanspruchungen jene aus Verkehr um ein hier etwa ein halbes Jahr. Es ist deutlich zu erkennen,
Mehrfaches übersteigen. Darüber hinaus wurde er- dass die Schwankungsbreite der Belastungen aus
mittelt, dass die langzeitlichen Dehnungen zwar Temperatur betragsmäßig etwa zehnmal so groß ist
generell dem Temperaturverlauf folgen, jedoch Ab- wie jene aus der Verkehrsbelastung. Damit kann
weichungen davon aufweisen, die nicht durch den festgestellt werden, dass der Temperaturlastfall an
Einfluss des oben beschriebenen Verlaufs der Riss- der Westendbrücke der weitaus dominante ist. Trennt
weiten (Abb. 12) gesteuert werden. Darüber hinaus man nun wiederum die Temperaturdehnungen in
gibt es große Unsicherheiten in den Ergebnissen des einen Langzeitanteil (0) mit Periodendauern t > 24 h
gemessenen Kraftflusses im Bogen des Viaduktes. und einen solchen (d), der vom Tag-Nacht-Rhythmus
Abb. 12 (unten) zeigt die Korrelation der Ergebnisse der Temperaturraten bestimmt wird, ergeben sich die
zweier Dehnungsmessstellen ε1 und ε2, die im glei- Verhältnisse in Abb. 14.
chen Messquerschnitt mit gleicher Messrichtung, nur Man sieht, dass beide Anteile ε(T(0)) und ε (T(d))
ca. 1 m voneinander entfernt angeordnet sind. Man in ihrer Schwankungsbreite etwa gleich groß sind
erkennt, dass die Ergebnisse völlig unkorreliert sind. (≈ 50 µm/m). Die zugehörigen Anteile der Temperatu-
Dies bedeutet, dass der Kraftfluss im gleichen Mess- ren (langzeitig mit t > 24 h und Tag-Nacht-Rhythmus)
querschnitt durch den offensichtlich unterschiedlichen T(0) und T(d), dargestellt durch ihre jeweiligen Bau-
werksmitteltemperaturen, zeigen ein völlig anderes

41
W. Rücker, R. G. Rohrmann, S. Said und W. Schmid

nach DIN 1076 unvorhersehbare Katastrophen ver-


mieden werden können, muss dennoch ein Repertoire
von Analysemethoden zur Verfügung stehen, die es
ermöglichen, vertiefte Informationen über einen aktu-
ellen Bauwerkszustand zu erlangen. Darüber hinaus
müssen Sonderuntersuchungen so geführt werden
können, dass sie mit einem Minimum an Eingriffen in
den laufenden Verkehr auskommen.
Das vorgestellte Konzept der Tragwerksanalyse
und ––bewertung mit dynamischen Methoden unter Zu-
hilfenahme von Bauwerks-Dauerüberwachungver-
fahren erfüllt die o. g. Kriterien und ist selbst bei
großen Bauwerken durchführbar. Die damit zu erlan-
Abb. 13: Westendbrücke. Gemessene Dehnungen aus genden Informationen sind vielfältig und erlauben
Verkehrs- und Temperaturbeanspruchung. einen tiefen Einblick in das Verhalten der Bauwerke
unter gleichzeitiger Beobachtung der einwirkenden
Belastungen. Für Fragestellungen wie etwa Dauerfes-
tigkeit und Restlebensdauer von Massivbauwerken
sind die Werkzeuge der Dauerüberwachung gut ge-
eignet, wenngleich es zu diesem Komplex noch For-
schungsbedarf bezüglich struktureller Zusammen-
hänge gibt.

LITERATUR
Andersen, M. E. et al. (2000), Optimized Bridge Man-
agement with Permanent Monitoring Systems, Proceedings
Bridge Management 4, Guilford, UK.
Cantieni, R. (1991), Beitrag zur Dynamik von Stra-
ßenfahrzeugen unter der Überfahrt schwerer Fahrzeuge.
Dissertation ETH Zürich.
Krieger, J., Kaschner, R. & Haardt, P. (2000), Die ob-
jektbezogene Untersuchung und Bewertung von Brücken im
Rahmen des Bauwerks-Management-Systems,. Bautechnik
77, Heft 7.
Rohrmann, R. G., Said, S., Schmid, W. & Rücker, W. F.
(1996-1998), Ergebnisse der automatischen Dauer-
Abb. 14: Westendbrücke. Langzeitanteil (0) und Tag- überwachung an der Westendbrücke in Berlin,
Nacht-Anteil (d) gemessener Dehnungen ε Forschungsberichte A, B und C, BAM Berlin.
(oben) und Temperaturen T (unten). Rohrmann, R. G., Baeßler, M., Said, S., Schmid, W. &
Rücker, W. F. (2000), Structural Causes of Temperature
Verhalten (Abb. 14). Während die Schwankungen der Affected, Modal Data of Civil Structures obtained by long
Tag-Nacht-Temperaturen etwa 5 K betragen, haben Time Monitoring,. Proceedings 18th IMAC, San Antonio.
die sich langzeitig ändernden Temperaturen eine Rohrmann, R. G., Said, S. & Schmid, W. (2001), Dauer-
Schwankungsbreite von etwa 20 K, also das überwachung des Neiße-Viaduktes bei Zittau/Sachsen der
Deutschen Bundesbahn, Forschungsbericht Teil A, BAM
Vierfache. Die Ergebnisse dieser Messungen liefern
Berlin.
für die Westendbrücke eine Grundlage, um die real
Steffens, K. et al. (1996), Experimentelle Tragsicher-
vorhandenen Temperaturbeanspruchungen mit den heitsbewertung von Massivbrücken, Bautechnik 76, Heft 1.
Annahmen nach DIN 1072 vergleichen zu können.
Zilch, K. & Penka, E. (2000), Long Term Measurements for
Fatigue Loading of Prestressed Concrete Bridges,
5 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Proceedings Bridge Management 4, Guilford, UK.
Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass Merkblatt über automatisierte Dauerüberwachung im
mit den bewährten Verfahren der Bauwerksprüfung Ingenieurbau. DGZfP-Merkblatt B9, Ausgabe Oktober 2000.

42
Schadensdiagnose mit modalen Parametern:
Erfahrungen an einer Spannbetonbrücke

Olaf Huth und Glauco Feltrin


Abteilung Ingenieur-Strukturen, EMPA, Dübendorf, Schweiz

1 ZUSAMMENFASSUNG von Methoden zur Schadenserkennung, die auf der


Zur Untersuchung der Sensitivität von verschiedenen Grundlage gemessener Schwingungen basieren, her-
Methoden zur Detektion, Lokalisierung und Quantifi- vorgebracht. Die Anwendung von modalen Parame-
tern gewann hierbei eine besondere Attraktivität. Än-
zierung von Schädigungen wurde eine vorgespannte
Brücke schrittweise geschädigt. Für das Studium der derungen des dynamischen Systems rufen Änderun-
Umwelteinflüsse, insbesondere der Temperatur, auf gen der modalen Parameter hervor. Diese sind aber
nicht auf den Ort der Systemveränderung begrenzt.
die modalen Parameter, wurde zuvor ein während 8
Monaten permanent arbeitendes Langzeitüberwa- Daraus geht die Möglichkeit der Detektion einer Sys-
chungs-System installiert. Diese Tests zeigten, dass temveränderung auch für den Fall, wenn die Senso-
ren nicht im Bereich der Systemveränderung positio-
die Eigenfrequenzen sehr stark von den Änderungen
der Temperatur abhängen. Die Langzeitänderungen niert sind, hervor.
der Eigenfrequenzen korrelierten relativ gut zu den Rytter (1993) unterteilte die Schadensidentifikation
in verschiedene Stufen. Jede Stufe ist dabei mit ei-
Langzeittänderungen der Temperatur. Obwohl die
Brücke durch die eingetragene Probebelastung grö- nem Zuwachs an Information über die Schädigung
ßere Risse aufwies, veränderten sich die Eigenfre- verbunden. Die erste Stufe beantwortet die Frage, ob
eine Schädigung eingetreten ist. In der zweiten Stufe
quenzen nur geringfügig. Die Eigenformen wiesen
größere relative Änderungen auf. Die Änderungen der erfolgt die Lokalisierung und in der dritten Stufe die
Eigenfrequenzen aufgrund der eingebrachten Schädi- Quantifizierung der Schädigung. Der Begriff Schädi-
gung ist dabei eng mit einem Steifigkeitsverlust des
gung waren weitaus geringer als die durch die Ände-
rungen der Temperatur verursachten. Erstere lagen Systems verbunden. Im Kontext der Schadensidentifi-
im Bereich der täglichen temperaturbedingten kation wurden viele verschiedene Methoden entwi-
ckelt. Einen Überblick über die Veränderung der Ei-
Schwankungen. Ein neuer Schadensindikator, der auf
den Änderungen der Eigenformen beruht, wurde ent- genfrequenzen als eine Möglichkeit der Schadens-
wickelt. Die Änderungen der Eigenformen und die identifikation erster Stufe liefert Salawu (1997). Weite-
re sehr fein auflösende Verfahren liefern Lenzen
Änderungen der Flexibilitätsmatrix wurden zur Lokali-
sierung von Schäden untersucht. Ein Finite-Elemente (1994), Huth (2002). Zur Lokalisierung von Schädi-
Modell der Brücke wurde erstellt und dieses mit Hilfe gungen wurden die Änderungen der Eigenformen
(Mayes (1992), Fox (1992)), der modalen Krümmun-
der Sensitivitätstechnik an die durch Messungen er-
mittelten modalen Parameter angepasst. Die Resulta- gen (Rohrmann (1985), Pandey (1991)) oder der Fle-
te dieser Studie verweisen auf die Schwierigkeiten xibilitätsmatrix (Pandey et al. (1994)) vorgeschlagen.
Auf der Ableitung der Sensitivitätsmatrix beruhende
einer im Sinne geringer Schädigung frühen Schadens-
identifikation. Dies gilt besonders dann, wenn die mo- Verfahren zum Abgleich von Finite Elemente Model-
dalen Parameter starken Schwankungen aus Um- len (Friswell et al. (1995), Natke et al. (1997)) erlau-
ben eine Lokalisierung und Quantifizierung von Schä-
welteinflüssen unterworfen sind.
digungen. Eine andere Vorgehensweise für die Be-
2 EINLEITUNG stimmung von Schädigungen zweiter und dritter Stufe
ist durch Maeck et al. (1999) beschrieben.
Die Möglichkeit der zerstörungsfreien Prüfung von Nur einige wenige Studien haben bisher den Ein-
Ingenieur-Strukturen hat eine intensive Entwicklung fluss von Schädigungen auf modale Parameter an

43
O. Huth und G. Feltrin

V5
V7 V8 V9 V11
V3 T1 V12 L1
V2 V10
V1 V4 V6 T2 T3
TS2
P1 TS1
C1
C2
A1
C3
C4 C5
A2

Abb. 2: Plan der Positionen der Beschleunigungsaufneh-


mer und der Thermosensoren. Positionen der
Thermosensoren im Hohlkasten.

Abb. 1: Übersicht der Zwillingsbrücken (Romeo und Lora) nem Betonfundament und am Nordende auf vier Be-
des Obkirchen Viaduktes. Aufriss der Romeo Brü- tonstützen mit Betongelenken gelagert.
cke.
3.2 Langzeitüberwachung
größeren Brücken untersucht. Innerhalb des For-
Vom Mai bis Dezember 2000 wurde ein Langzeit-
schungsprojektes EXTRA II (Steffens et al. (1997))
überwachungssystem mit dem Ziel, den Einfluss von
wurden an mehreren fortschreitend geschädigten
Umweltparametern auf die Schwingungseigenschaf-
Brückenträgern sehr geringe Veränderungen der Ei-
ten der Brücke zu studieren, installiert. Dieses Über-
genfrequenzen festgestellt. Verschiedene Methoden
wachungssystem bestand aus 16 Beschleunigungs-
zur Bestimmung von Schädigungen an der I40 Brücke
und 19 Thermosensoren, davon waren 12 Beschleu-
erprobten Farrar et al (1998). Trotz weiterer Verfeine-
nigungssensoren (V1...V12) in vertikaler, 3 (T1...T3) in
rung der Identifikationsmethoden konnten für moderat
transversaler und einer in longitudinaler Richtung
eingebrachte Schädigungen keine eindeutigen Ergeb-
positioniert (Abb. 2). 9 Thermosensoren waren an den
nisse erzielt werden. Anhand von Experimenten an
Querschnitten TS1 und TS2 installiert. Die Sensoren
der dreifeldrigen vorgespannten Z24 Brücke (Krämer
innerhalb des Querschnittes nahmen die Temperatur
et al. (1999)) konnten Maeck et al. (2003) mit Hilfe der
des Betons und die Lufttemperatur (A1) im und unter
Methode der direkten Bestimmung der Steifigkeit grö-
(A2) dem Querschnitt auf. Der Sensor P1 maß die
ßere eingebrachte Schädigungen erfolgreich lokalisie-
Temperatur im Strassenbelag und der Sensor S1 die
ren und quantifizieren. Die an der I40 und Z24 durch-
Temperatur an der Betonoberfläche im Querschnitt.
geführten Untersuchungen zeigten, dass Umweltpa-
Ein weiterer Sensor war am Pfeilerfundament instal-
rameter wie z.B. Temperatur modale Parameter stark
liert. Die Daten wurden stündlich über einen Zeitraum
beeinflussen können. Flesch et al. (1989) verwiesen
von 10 Minuten aufgenommen. Die Beschleunigungen
auf große Schwankungen der Tragwerkstemperaturen
wurden mit einer Abtastrate von 100 Hz und die Tem-
innerhalb eines Tages und deren massgeblichen Ein-
peraturen mit einer Messung pro Minute aufgezeich-
fluss auf modale Parameter. Peeters et al. (2001a)
net.
ermittelten Änderungen für die ersten 4 Eigenfrequen-
zen an der Z24 Brücke von 14-18%. Rohrmann et al. 3.3 Eingebrachte Schädigung
(2000) bestimmten an der Westend––Brücke in Berlin
Änderungen für die ersten 4 Eigenfrequenzen von 8- Die Brücke wurde nach der Langzeitüberwachung in
12% innerhalb eines Jahres. zwei verschiedenen Szenarios geschädigt. Zuvor
wurden die Betonpfeiler am Nordende der Brücke
3 TESTS durch hydraulische Pressen ersetzt. Um ein Versagen
des Querschnittes gegenüber Scherkräften auszu-
3.1 Romeo Brücke
schliessen, wurden zwei der acht Spannkabel in je-
Die Tests wurden an der Romeo Brücke des Obkir- dem Steg getrennt. Dies führte zu einer besseren
chen Autobahnviadukts (jetzt ersetzt) in der Nähe von Balance zwischen dem Biege- und Querkraftwider-
Luzern in der Schweiz durchgeführt. Das Viadukt be- stand der Brücke und unterstützte die Rissbildung im
stand aus einem leicht gekrümmten Brückenpaar Beton schon bei geringeren Laststufen.
(Romeo und Lora). Die Romeo Brücke bestand aus Im ersten Schadensszenario wurde der Überbau
einem vorgespannten Hohlkastenträger mit einer mitt- am nördlichen Auflager in zwei Stufen bis zu 60 cm
leren Spannweite von 37.0 m und zwei seitlichen Trä- abgesenkt. Dieses produzierte nur einige wenige klei-
gern mit je 29.0 m Spannweite (Abb. 1). Die Romeo ne Risse im Brückendeck in der Nähe des nördlichen
Brücke war 40 Jahre alt und befand sich in einem all- Pfeilers. Vor dem Start und nach jeder Stufe des
gemein guten Zustand. Sie war am Südende auf ei- Schadenszenarios wurde ein Modaltest durchgeführt.

44
Schadensdiagnose mit modalen Parametern

Test Datum Beschreibung

26
27
28
1 4/1/2001 1. Referenz
24 25
23
22

20
21
2 8/1/2001 Absenkung 46.3 cm
19
18

16
17
3 10/1/2001 Absenkung 59.2 cm
15
14
13
12

10
11 4 11/1/2001 2. Referenz
9
2.05 2.05 2.05 2.05
5 15/1/2001 3. Referenz
8
7
6
5
4

2
3
6 16/1/2001 Belastung Fmax = 2370 kN
1

7 17/1/2001 Belastung Fmax = 3440 kN


Abb. 3: Meßnetz für die Modaltests
8 18/1/2001 Belastung Fmax = 4090 kN

Diese Tests enthielten 140 (28x5) Messpunkte auf 9 19/1/2001 Belastung Fmax = 4800 kN
dem Brückendeck und wurden durch 28 Konfiguratio-
nen realisiert. Für die Schätzung der modalen Para- Tabelle 1: Durchgeführte Modaltests während der Scha-
densszenarien
meter mit Hilfe der reinen Ausgangsgrößen- (engl.:
output-only) Identifikationsverfahren wurden drei Re-
realisiert und mit drei im Winkel von 120° versetzten
ferenzpunkte in die Messungen eingeführt. In jedem
Kraftmessdosen aufgezeichnet.
Messpunkt wurden die Beschleunigungen in allen drei
Verschiebungsrichtungen gemessen. Die Aufzei-
4 RESULTATE DER LANGZEITÜBERWACHUNG
chungslänge des Signals betrug 200 s mit einer Ab-
tastrate von 100 Hz. 4.1 Zeitliche Entwicklung der Eigenfrequenzen
Im zweiten Schadensszenario (Test 5……9; Tabelle Bei den Messungen unter Betriebsbedingungen stellte
1) wurde die Brücke in der Mitte des nördlichen Trä- der Verkehr die im Sinne der Anregung der Brücke
gers durch zwei 3200 kN starke hydraulische Pressen relevante Größe dar. Die Schätzungen der Eigenfre-
belastet. Diese spannten zwei Bündel von Stahlstan- quenzen erfolgten mit den Polen eines AR-Modells,
gen vor, die an den unteren Enden in Fundamenten dessen Parameter durch die Lösung der Yule-Walker
verankert waren. Vier Belastungs- bzw. Entlastungs- Gleichung bestimmt wurden (Ljung (1999)). Aus die-
zyklen mit Spitzenkräften von 2370 kN, 3440 kN, 4090 sen wurden die Mittelwerte für die ersten drei Biege-
kN und 4800 kN wurden angewendet. Nach der letz- Eigenfrequenzen extrahiert (andere Frequenzen
ten Belastung wies der Überbau in der Mitte des Trä- konnten nicht durchgängig bestimmt werden).
gers eine Verschiebung von 20 mm auf. Die ersten Die Entwicklung der Eigenfrequenzen während
Risse traten bei einer Last von 1288 kN auf. Während 200 Tage (vom 12. Mai bis zum 27. November 2000)
des letzten Belastungsregimes wurden sehr viele ist in der Abb. 4 zu verfolgen. Im Vergleich zu der
Risse mit einer Länge von 60……100 cm, die über die ersten Hälfte der Zeitserie (Mai bis August) weisen die
Hälfte der Länge des Überbaus verteilt waren, festge- ersten drei Eigenfrequenzen zu der zweiten Hälfte der
stellt. Diese Risse begannen an der unteren Platte Zeitserie (September bis November) einen signifikan-
des Hohlkastens und wiesen unter Volllast eine Riss- ten Anstieg auf. In den ersten 100 Tagen schwankten
breite von 1...3 mm auf. Aufgrund der Vorspannung die Eigenfrequenzen stark (z.B. Tage 55...70). Das
wurden diese bei Entlastung wieder geschlossen. Vor Leistungsspektrum der Zeitserien der Eigenfrequen-
dem Schadensszenario wurde ein Modaltest am un- zen zeigt Abb. 5. Zwei signifikante Spitzen mit einer
geschädigten Zustand des Systems durchgeführt. Periode von einem und einem halben Tag lassen
Während der Modaltests befand sich die Brücke im erkennen, dass die Eigenfrequenzen tägliche Variati-
unbelasteten Zustand, um zusätzliche Einflüsse aus onen aufweisen.
den Randbedingungen der Belastungseinrichtung zu
vermeiden. Die Schwingungen wurden während 240 s 4.2 Einflüsse der Temperatur auf die Eigenfre-
mit einer Abtastrate von 100 Hz aufgezeichnet. quenzen
Die Brücke wurde mit einem servohydraulischen
Ein Vergleich der beiden Zeitserien der Eigenfrequen-
Schwingungserreger mit einer maximalen Kraft von 20
zen (Abb. 4) und der Temperatur offenbart (Abb. 6)
kN angeregt. Die Erregung wurde als stationäres
eine ähnliche Beziehung. Der starke Temperaturrück-
Breitbandrauschen in einem Bereich von 2...20 Hz

45
O. Huth und G. Feltrin

3.4
3.2
3
2.8
1. Biege−Eigenschwingung
2.6
0 50 100 150 200
4.8
Frequenz [Hz]

4.6
4.4
4.2
2. Biege−Eigenschwingung
4
0 50 100 150 200
5.4
5.2 Abb. 6: Zeitlicher Verlauf der Temperatur im Brücken-
5 deck
4.8
3. Biege−Eigenschwingung
4.6
0 50 100 150 200
Zeit [d]
3 Frequenz
−3

Abb. 4: Verlauf der ersten Biege-Eigenfrequenzen


0 0

-1

Normalisierte Temperatur
1. Biege−Eigenschwingung
10 −3 3
Normalisierte Frequenz
0 5 10 15 20
LSD Eigenfrequenz [Hz2/d]

1. Biege-Eigenschwingung
2. Biege-Eigenschwingung 3 −3
Temperatur C1
-2 3. Biege-Eigenschwingung
10
0 0
-3
10 −3
2. Biege−Eigenschwingung
3
0 5 10 15 20
3 Temperatur C3
−3
-4
10
0 0
-5
10 3. Biege−Eigenschwingung
0.1 0.5 1 5 10 −3 3
0 5 10 15 20
Periode [d] Zeit [d]

Abb. 5: Leistungsspektrum der Eigenfrequenzen Abb. 7: Vergleich der Kurzzeitänderungen der Tempera-
turen und der Eigenfrequenzen
gang am Tag 55 wird durch einen signifikanten An-
stieg der ersten drei Eigenfrequenzen widergespie- nem Bereich von 0.54...0.6. Dies weist auf eine eher
gelt, was einen direkten Zusammenhang zwischen moderate Korrelation hin. Offenbar besitzen auch
beiden Größen erkennen lässt. noch andere Parameter als die Temperatur einen
Die Korrelationskoeffizienten zwischen Eigenfre- nachhaltigen Einfluss auf die Eigenfrequenzen. Dies
quenzen und Temperatur weisen für den Belag (P1) steht in Übereinstimmung zu Rohrmann et al. (2000).
(0.868……0.910) und für die obere Kastenplatte (C1) Die Eigenfrequenzen korrelieren wesentlich bes-
(0.794……0.919) die höchsten und im Kontrast dazu der ser, wenn nur die Langzeitänderungen der Tempera-
Steg des Hohlkastens (C3) (0.739……0.870) die ge- tur berücksichtigt werden. Nach einer Tiefpass-
ringsten Werte auf. Die höhere Korrelation von C1 Filterung der Zeitserien folgen die normalisierten Ei-
und P1 betont die täglichen Schwankungen der Tem- genfrequenzen eng der normalisierten Temperatur
peratur zum Verhalten der Eigenfrequenzen. Wie Abb. (C1). Damit kann die Beziehung zwischen Frequenz
7 (Eigenfrequenzen und Temperaturen auf ihren Mit- und Temperatur durch ein lineares Regressionsmodel
telwert über eine 200 Tage Periode normalisiert) zeigt, beschrieben werden. Ein Ansteigen von ungefähr
folgen die täglichen Änderungen der Eigenfrequenzen ∆f1 = 0.09 Hz für die erste, von ∆f 2 = 0.09 Hz für die
den Temperaturänderungen des Brückendeckes wäh- zweite und von ∆f 3 = 0.13 Hz für die dritte Eigenfre-
rend der Tage 10……20. Hingegen verändern sich die quenz konnte bei einem Anstieg der Temperatur von
Eigenfrequenzen z.B. während den Tagen 5...10 sig- 10° C ermittelt werden. Ähnliche Werte konnten aus
nifikant, obwohl die Temperaturen nur geringfügige Messungen an der Westend-Brücke in Berlin Rohr-
Schwankungen besitzen. Nach einer Filterung der mann et al. (2000)) bestimmt werden.
Zeitserien liegen die Korrelationskoeffizienten in ei-

46
Schadensdiagnose mit modalen Parametern

4 −2 Test 5 6 7 8 9
Normalisierte Frequenz Normalisierte Temperatur
2 0 Risslänge [% der Trägerhöhe]
0 2
1. Biege−Eigenschwingung 15-25 40-60 50-90 60-100

Normalisierte Temperatur
−2 4
Normalisierte Frequenz

0 50 100 150 200


4 −2 B1 3.21 3.18 3.17 3.14 3.10
2 0
B2 4.46 4.48 4.48 4.43 4.35
0 2
−2
2. Biege−Eigenschwingung
4
B3 5.40 5.44 5.46 5.41 5.38
0 50 100 150 200
4 −2 T1 8.74 8.76 8.78 8.73 8.59
2 0
T2 9.49 9.45 9.44 9.37 9.25
0 2
3. Biege−Eigenschwingung
−2 4 T3 9.99 10.0 10.0 9.96 9.87
0 50 100 150 200
Zeit [d]
Tabelle 2: Eigenfrequenzen während des 2. Schädi-
Abb. 8: Vergleich der Langzeitänderungen der Tempera- gungsszenarios
tur und der Eigenfrequenzen
0.2
1. Biege−Eigenform
0.15
5 RESULTATE DER SCHÄDIGUNGSTESTS 0.1

5.1 Einfluss der Schädigung auf die Eigenfre- 0.05 A1 A2 A3


z1 z2 z3 z4
quenzen 0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
Magnitude der Eigenform

Zur Überwachung grosser Ingenieur-Strukturen eig- 0.2


2. Biege−Eigenform
nen sich in Kombination mit ambienter oder stationä- 0.15

0.1
rer breitbandiger Erregung die reinen Ausgangsgrö-
0.05
ßen-Identifikationsverfahren besonders, da sie das
0
Wissen über die Eingangsgrößen nicht benötigen. In 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

diesem Artikel wurde die engl.: Stochastic Subspace 0.25


3. Biege−Eigenform Test 5
0.2 Test 6
Identifikation Methods (SSI)- die Principal Component 0.15
Test 7
Test 8
Test 9
(PC) Methode (Van Overschee and De Moor (1996)), 0.1

angewendet. Einen Überblick über die SSI-Methoden 0.05


0
liefern Peeters et al. (2001b). Das genannte Verfahren 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
Position [m]
ist im Programmsystem Artemis (SVS (2000)) imple-
mentiert. Abb. 9: Magnituden der ersten drei Biege-Eigenformen
Für eine Reduktion des Berechnungsaufwandes
wurden nur die vertikalen und transversalen 5.2 Einfluss der Schädigung auf die Eigenformen
Beschleunigungs-Zeitserien ausgewertet. Die folgen- Abb. 9 veranschaulicht die Änderungen der Biege-
den Untersuchungen zum Einfluss der Schädigung Eigenformen mit zunehmender Schädigung. Geringe,
auf die modalen Parameter B1...B3 (B: Biege- aber signifikante Änderungen, die mit zunehmender
Eigenschwingung) und T1...T3 (T: Torsions- Schädigung sich vergrößern, sind zu beobachten. Die
Eigenschwingung) wurden auf die Tests 5...9 be- Änderungen der Biege-Eigenformen sind nicht nur auf
grenzt und sind in der Tabelle 2 zusammengefasst. die geschädigte Region begrenzt, sondern sie sind
Die erste Biege-Eigenfrequenz sinkt kontinuierlich mit über die gesamte Länge der Brücke verteilt. Die größ-
zunehmender Schädigung. Ein ähnliches Verhalten ten Änderungen wurden für die erste Biege-Eigenform
wurde für die Torsionseigenformen T2 und T3 beo- im nördlichen Träger festgestellt. Grosse Änderungen
bachtet. Hingegen steigen die Frequenzen von B2, B3 wurden auch für die 2. Biege-Eigenform im mittleren
und T1 erst leicht an, um im weiteren Verlauf leicht Träger festgestellt, der nicht geschädigt. wurde. Die
abzunehmen. Es wird angenommen, dass dieses Richtung der Änderungen folgt keinem einfachen
Ansteigen auf Ungenauigkeiten im Identifikationsalgo- Muster. In der geschädigten Region steigen die
rithmus zurückzuführen ist. Die Reduktion der Eigen- Magnituden der 1. Eigenform mit zunehmender Schä-
frequenzen erscheint im Vergleich zur Schädigung als digung an, während die der 3. Eigenform absinken.
gering. Diese Änderungen sind jedoch gering und die 3. Ei-
genform ist wegen Ungenauigkeiten nicht durchgän-
gig stetig ausgebildet.

47
O. Huth und G. Feltrin

Risslänge MAC-Werte mit Bezug zum Test 5 1. Biege-Eigenform


1.1

[% Steghöhe] 1. Eigenform 2. Eigenform 3. Eigenform 1 A1


A2
15––25 0.996 0.999 0.994 0.9
A3
0.8
40––60 0.994 0.998 0.988 5 6 7 8 9

Normalisierte Flaechen
50––90 0.992 0.997 0.986 1.1
2. Biege-Eigenform

60––100 0.989 0.994 0.989 1

0.9
Tabelle 3: Einfluss der Schädigung auf die MAC-Werte
der ersten drei Biegeschwingungen. 0.8
5 6 7 8 9

6 EINFLUSS DER SCHÄDIGUNG AUF DIE MAC- 1.1


3. Biege-Eigenform

WERTE
1
Ein einfacher Index für die Charakterisierung von Ein- 0.9
flüssen der Schädigung auf die Eigenformen stellt der
0.8
engl.: Modal Assurance Criterion (MAC) Wert (Natke 5 6 7 8 9
Test
et al (1997)) dar, der das Mass der Korrelation zwi-
schen zwei Vektoren misst. Die Tabelle 3 listet die Abb. 10: Relative Änderungen des Eigenformflächenindex
MAC-Werte der ersten drei Biege-Eigenformen B1, B2
und B3 für die Tests 6 bis 9 im Bezug zum Test 5 auf. Bezogen auf diese Art der Normalisierung werden die
Die ersten beiden MAC-Werte weisen eine monoton Änderungen der normalisierten Fläche A i (φ ) kom-
sinkende Tendenz mit zunehmender Schädigung auf, pensiert durch Änderungen der Flächen in anderen
der MAC-Wert der dritten Eigenform zeigt einen star- Teilen der Struktur. Für die Analyse der Biege-
ken Abfall bis zum Test 7 und verbleibt relativ kon- Eigenformen der Romeo Brücke wurde eine solche
stant bis zum Test 9. Die relativen Änderungen der Partitionierung vorgenommen. Die Grenzen wurden
MAC-Werte fallen geringer aus als die Änderungen an den Enden der Träger definiert. So entstanden drei
der Eigenfrequenzen aus. Flächen A i (φ ) mit i = 1,2,3. Abb. 10 veranschaulicht
die Änderungen dieser Flächen in Abhängigkeit der
6.1 Einfluss der Schädigung auf die Änderungen eingebrachten Schädigung für die ersten drei Biege-
der Eigenformenflächen Eigenformen. Die Flächen A i (φ ) wurden auf den Test
Die Grundidee der Eigenformflächen beruht auf einer 5 normalisert. Die grauen Flächen verdeutlichen die
Unterteilung entlang der longitudinalen Achse der Schätzung des Fehlers (der Standardabweichung) der
Brücke in n Teile. In diesen Teilen werden die Ände- Flächen A i (φ ) . Die erste Biege-Eigenform zeigt signi-
ungen der Fächen, die von den Funktionen der Eigen- fikante, mit zunehmender Schädigung monoton an-
formen φ(x) eingeschlossen werden, ausgewertet. Die steigende Änderungen der Flächen A1 (φ ) und
Fläche, die von den Magnituden der Eigenform einge- A 3 (φ ) und die zweite Biege-Eigenform monoton an-
schlossen ist, berechnet sich zu steigende Änderungen der Flächen A 2 (φ ) und
A 3 (φ ) an. Eine solche systematische Tendenz wurde
L n zi n
bei der dritten Biege-Eigenform nicht festgestellt, eine
³ φ( x) dx = ¦ ³ φ( x) dx =¦ A (φ),
i =1 z i −1 i =1
i (1)
Folge ihrer besonderen Unstetigkeit im nördlichen
0
Trägerteil.
mit z i −1 und z i als der linken und rechten Grenze des
Teiles i. Für einen Vergleich der unterschiedlichen 6.2 Detektion und Lokalisierung von Schäden mit
Schädigungsstufen werden die Flächen Ai (φ ) norma- Hilfe der Änderung der Flexibilitätsmatrix
lisiert Die Flexibilitätsmatrix mit der Ordnung n wird durch
zi
n 1
n ³ φ( x)dx n
Fn = ¦
i =1
φ φT
2 i i
ωi
(3)
¦ ¦ A (φ) = 1.
z i −1
L
= i (2)
mit der Eigenkreisfrequenz ω i und den zugehörigen
³ φ( x)dx
i =1 i =1

0 massennormalisierten Eigenformen φi experimentell


bestimmt. Für eine Lokalisierung von Schädigungen

48
Schadensdiagnose mit modalen Parametern

10
x 10

Aenderung der Flexibilitaetsmatrix

Aenderung der Flexibilitaetsmatrix


7 x 10
-6
x 10
-6

Start Modell Test 6 Test 7


Elastizitaets-Moduli [N/m ]
2

2 2
6 Test 5

1 1
5

4 0 0

50 80 80
pos
itio 40
60 pos 50 40
60
3 n [m 0 0
20
n [m ] itio
n [m 0 0
20
[m]
] ion
positio ] posit

Aenderung der Flexibilitaetsmatrix

Aenderung der Flexibilitaetsmatrix


-6 -6
x 10 x 10
Test 8 Test 9
1 2 2
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
Normalisierte Elastizitaets-Moduli

1 1
Test 6
1.3 Test 7
0 0
Test 8
1.2 Test 9 80 po 80
pos 50 60 sitio50 60
itio 40 40
20 n[ 20
n [m 0 0 ion [m
] m 0 0 n [m]
1.1 ] posit
] positio

0.9 Abb. 12: Änderungen der Flexibilitätsmatrix bezogen auf


0.8 den Test 5.
0.7
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
Position [m] die Anpassung des Modells an die modalen Parame-
ter des Tests 5 durch „„Trial and Error““. Die Berech-
Abb. 11: Verteilung der E-Moduli des FE-Modells nach
nungen des Modell-Abgleichs wurde mit Hilfe des
dem Abgleich auf Tests 5. Auf den Test normali-
sierte Änderungen der E-Moduli. Programmsystems FEM-Tools (DDS (2002)) durchge-
führt. Dazu fanden die ersten drei Biege-Eigenformen
wird die Änderung der Flexibilitätsmatrix zwischen und Biege-Eigenfrequenzen entlang der mittleren
dem ungeschädigten und geschädigten Zustand un- Achse des Meßnetzes (Abb. 3) Verwendung. Vorher
tersucht. Die Spalteneinträge mit den größten Beträ- geschah die Umwandlung der komplexen Eigenfor-
gen weisen auf eine mögliche Schädigung hin. Die men in reelle Eigenformen (Friswell et al.(1995)).
ersten drei Biege-Eigenformen wurden für die Be- Der Modell-Abgleich mit den Daten der Tests 6-9
rechnung der Flexibilitätsmatrix benutzt. Die Entwick- wurde durchgeführt, indem die ermittelten freien Pa-
lung der Änderung der Flexibilitätsmatrix mit zuneh- rameter des Modells aus dem vorherigen Test als
mender Schädigung veranschaulicht Abb. 12. Nach Startmodell genutzt wurden. Abb. 11 zeigt die Ände-
dem Test 6 besitzt jeder Träger der Brücke eine ähnli- rung der Elastizitätsmoduli normalisiert auf den Test
che Magnitude. Mit zunehmender Schädigung wach- 5. Diese waren nicht allein auf den geschädigten Trä-
sen die Spitzen der Magnituden des mittleren und ger begrenzt. Mit zunehmender Schädigung wurden
nördlichen Trägerteils gegenüber jenem des südlichen zwei Bereiche mit Steifigkeitsverlusten identifiziert:
Trägerteils an. Nach dem Test 8 erscheint die Ten- Der geschädigte nördliche Träger und der nicht ge-
denz eindeutiger. Die Spitzen des nördlichen Träger- schädigte südliche Träger. Die geringeren Änderun-
teils besitzen zweimal so grosse Beträge wie die des gen in den anderen Teilen der Struktur zeigen keinen
mittleren und des südlichen Trägerteils. Diese Ten- systematischen Trend zur Schädigung auf.
denz erscheint nach dem Test 9 noch verstärkt.
7 SCHLUSSFOLGERUNGEN
6.3 Schätzung der Schädigung mit Hilfe eines Die Resultate zeigen, dass auch bei nachhaltiger
Modell-Abgleichs Schädigung nur geringfügige Änderungen der Eigen-
Die sensitivitätsbasierten Modell-Abgleich Methoden, frequenzen eintreten. Die Auswertung der Daten aus
die auf der Grundlage experimentell bestimmter mo- der Langzeitüberwachung wies auf einen signifikanten
daler Parameter arbeiten, wurden für die Bestimmung Effekt von Umweltbedingungen, insbesondere der
der Verteilung der Steifigkeit entlang der Brücken- Temperatur, auf die Eigenfrequenzen hin. Die jährli-
längsachse angewendet. Die Modellierung des Brü- chen Änderungen betrugen näherungswei-
ckenüberbaus erfolgte mit 27 Balkenelementen, deren se ǻf1 ≈ 0.3 Hz , ǻf 2 ≈ 0.35 Hz und ǻf 3 ≈ 0.5 Hz . Diese
Knoten mit den Koordinaten der Modaltests überein- Beträge sind weitaus größer als die Verringerung der
stimmten. Die Elastizitätsmoduli der Balkenelemente Eigenfrequenzen aufgrund der eingebrachten Schädi-
wurden als freie Parameter gewählt. Es wurde von gung.
einer während der Schädigungsszenarios konstanten Die Änderungen der Eigenformen nehmen mit fort-
Massenverteilung ausgegangen. Zu Beginn erfolgte schreitender Schädigung zu. Aufgrund der statischen

49
O. Huth und G. Feltrin

Unbestimmtheit des Systems treten diese Änderun- Ljung, L. (1999), System Identification: Theory for the User,
gen auch an den nichtgeschädigten Teilen der Brücke Prentice-hall information and system sciences series, Pren-
tice Hall PTR, Upper Saddle River, NJ, second edition
auf. Für eine Detektion der Schädigung mit Hilfe der
Peeters, B. & de Roeck, G. (2001a), One-year Monitoring of
Eigenformen erscheint der Eigenformflächenindex als
the Z24 Bridge: Environmental Effects versus Damage
besser geeignet als die weniger sensitiven MAC- Events. Earthquake Engineering and Structural Dynamics,
Werte. Relative Änderungen von >10% wurden nach 30(1), 149-171
dem letzten Belastungszyklus festgestellt. Damit lie- Peeters, B. & de Roeck, G. (2001b), Stochastic System
gen diese relativen Änderungen auch über denen der Identification for Operational Modal Analysis: A Review,
Änderungen der Eigenfrequenzen. Journal of Dynamic Systems, Measurements and Control,
Für eine Detektion und Lokalisierung von Schädi- 123(4), 659-667. Using Smart Source Parsing.
gungen erscheinen die Änderungen der Flexibilitäts- Kraemer, C., de Smet, C.A.M., de Roeck, G. (1999), Brite-
matrix als begrenzt geeignet, eine eindeutige Zuord- Euram Project SIMCES, Task A1 and A2: Long Term Moni-
toring and Bridge Tests. Report 168‘‘349/21, Swiss Federal
nung konnte erst ab dem Test 8, bei dem zahlreiche
Laboratories for Materials Testing and Research (EMPA),
Risse in den Überbau eingetragen worden waren, Duebendorf, Switzerland, Los Alamos, USA
erfolgen. Maeck, J. & de Roeck, G. (2003), Damage Assessment
Die Lokalisierung und Quantifizierung mit der sen- using Vibration Analysis on the Z24-Bridge, Mechanical
sitivitätsbasierten Modell-Abgleich Methode war mit Systems and Signal Processing, 17(1), 133-142
der Anzahl von 27 frei gewählten Parametern nicht Mayes, R. (1992), Error localization using mode shapes ––
eindeutig. Der nördliche Träger wurde aber als ein an application to a two link robot arm, Proceedings of the
Kandidat einer möglichen Schädigung identifiziert. 10th International Modal Analysis Conference, San Diego,
California, 886-891
Diese Mehrdeutigkeit liegt in der Schlechtgestelltheit
des inversen Problems begründet. Die Schlechtge- Natke, H. G., Cempel, C. (1997) Model-Aided Diagnosis of
Mechanical Systems. Springer Verlag, Berlin Heidelberg
stelltheit bedingt auch die relativ hohen Unterschiede
Pandey, A., Biswas, M., Samman, M (1991), Damage De-
in der Biegesteifigkeit.
tection from Changes in Curvature Mode Shapes, Journal of
Die Resultate dieser Studie zeigen, dass es nicht Sound and Vibration, 145(2), 321-332
möglich war, Schäden in einem frühen Stadium zuver-
Pandey, A. & Biswas, M., (1994) Damage Detection in
lässig zu detektieren, lokalisieren und zu quantifizie- Structures using Changes in Flexibility, Journal of Sound
ren. Hauptgründe dafür sind einerseits in der starken and Vibration, 169(1), 3-17
Beeinflussung der Umweltparameter auf die modalen Rohrmann, R. G. (1985), Theoretische Ermittlung von Bau-
Parameter zu sehen. Andererseits ist der Effekt zu werksschäden mit Hilfe dynamischer Methoden, Procee-
berücksichtigen, dass nach der eingebrachten Schä- dings Symposium Nondestructive Testing in Civil Enginee-
digung die Risse wieder durch den Spannbeton über- ring, ZFB-Bau, Berlin 1985
drückt und damit der Steifigkeitsverlust teilweise kom- Rohrmann, R. G. (2000), Baessler, M., Said, S., Ruecker,
W.F., Structural Causes of Temperature affected Data of
pensiert wurde.
Civil Structures obtained by Long Term Monitoring, Procee-
dings of the 18th International Modal Analysis Conference,
LITERATUR San Antonio, Texas, 1-7
DDS, (2002), FEMTools, Leuven, Belgium, 2.2 edition Salawu, O.S. (1997), Detection of Structural Damage
Flesch, R. & Kernbichler, K., (1989) Dynamische Untersu- through Changes in Frequency: a review. Engineering
chung des TÜ Lavant / Entwicklung eines dynamischen Structures, 19(9), 718-723
Brückeninspektionsverfahrens, Bundesministerium für wirt- Steffens, K., Bucher, C., Opitz, H., Quade, J., Schwesinger,
schaftliche Angelegenheiten, Abt. Straßenforschung P., (1997), EXTRA II-Zwischenbericht, Hochschule Bremen
Farrar, C. R. & Jauregul, D. A. (1998), Comparative Study of SVS, (2002), Artemis, Aalborg, Denmark, 2.05 edition
Damage Identification Algorithms applied to a Bridge i. Ex- Van Overschee, P. & De Moor (1996), Subspace Identifica-
periment, Smart materials and Structures, 7(5), 704-719 tion für Linear Systems –– Theory, Implementation, Applicati-
Friswell, M. I. & Mottershead, J. (1995), Finite Element Mo- ons., Kluwer Academic Publishers
del Updating in Structural Dynamics, Kluwer Academic
Publishers, Dordrecht Boston London
Huth, O. (2002), Ein adaptiertes Polyreferenz-Verfahren und
seine Anwendung in der Systemidentifikation, Institut für
Strukturmechanik, Bauhaus-Universität Weimar
Lenzen, A. (1994), Untersuchung von dynamischen Syste-
men mit der Singulärwertzerlegung –– Erfassung von Struk-
turveränderungen, Institut für Mechanik, Ruhr-Universität
Bochum

50
Zustandsuntersuchungen
dynamisch stark beanspruchter Brücken

Peter Trombik1, Pascal Fleischer1 und André Maurer2


1
Trombik Ingenieure AG, Zürich
2
Furter + Partner AG, Wettingen

1 EINLEITUNG 2 FUSSGÄNGERBRÜCKE EXPO.02, BIEL


Zwei aktuelle Zustandsuntersuchungen dynamisch Menscheninduzierte Schwingungen einer leichten
stark beanspruchter Brückenbauwerke werden hier Stahlbrücke.
vorgestellt. Die dynamische starke Beanspruchung ist
im Sinne deutlich spürbarer Erschütterungen der 2.1 Objekt- und Auftragsbeschrieb
Tragstruktur zu verstehen, das bedeutet, dass infolge 2.1.1 Brücke Expo
einer wiederkehrenden Anregungskraft die Bausub-
stanz stark in Schwingung versetzt wird und allenfalls Für die Schweizerische Landesausstellung EXPO.02
nicht entsprechend ihrer Funktion genutzt werden wurden in Biel für die bessere Erschliessung des Aus-
kann. stellungsgeländes unter anderem eine Fussgänger-
Für das erste Projekt, eine provisorisch erstellte passarelle über die Aarbergstrasse erstellt. Die Fer-
Fussgängerbrücke für den Hauptzugang zur Lan- tigstellung erfolgte kurz vor der Eröffnung; bevor die
desausstellung EXPO.02 in Biel, wurden Schwin- Brücke jedoch für das Publikum freigegeben wurde,
gungsmessungen zwecks Feststellung des dynami- wurden ihre dynamischen Eigenschaften aufgrund
schen Verhaltens durchgeführt. Beim zweiten Projekt von Schwingungsmessungen (Schwingungsformen,
handelt es sich um eine 1962 erstellte Strassenbrü- Grund-Eigenfrequenzen, Dämpfung, Schwingge-
cke, die ausserhalb von Chiasso den 11-gleisigen schwindigkeiten und durchschnittlichen Betriebs-
Güter- und Umladestrang des Rangierbahnhofes Beschleunigungen) überprüft und mit den zulässigen
überquert. Für die detaillierte Untersuchung wurde ein Richtwerten verglichen.
durch Messungen kalibriertes, dynamisches FE- Als Brückenbelastung wurden insbesondere vom
Modell der Brücke erstellt, um damit Sanierungs- Bahnhof her schubweise auftretende Fussgänger-
massnahmen auszuarbeiten. ströme erwartet, welche die leichte, mit einer Spann-
Eine praxisgerechte Ermittlung der wesentlichen weiten um 30 m erstellte Brücke anregen konnten.
dynamischen Kenngrössen bedarf vertiefter Überle-
gungen in Bezug auf Art und Auswahl der massge-
benden Messparameter, vorgängig zu jeder Mess-
kampagne (Messgrössen, Frequenzbereich, Anre-
gung, Messpositionen, Datenmenge, usw.). Deshalb
wird bei der Vorstellung der Zustandsuntersuchungen
auf ausgewählte Punkte des Messkonzeptes hinge-
wiesen.
Die Bestimmung der dynamischen Eigenschaften
eines Bauwerks aufgrund von Erschütterungsmes-
sungen ist eine einfache und rasch durchzuführende
Methode. Über ein kalibriertes Modell lassen sich
alsdann gewünschte Parameter rechnerisch untersu-
chen und Ertüchtigungsmassnahmen ausarbeiten.

Abb. 1: Ansicht Passarelle Aarbergstrasse

51
P. Trombik, P. Fleischer und A. Maurer

Bei der temporären, aus Gerüstbauelementen erstell-


ten Brücke handelte es sich um eine Konstruktion aus
Stahlfachwerkträgern und Holztraversen, „„zusam-
mengesteckt““ aus Elementen eines modularen Ge-
rüstsystems. Die Hauptträger aus Stahl wurden aus
gleichen, neben- und hintereinander gereihten, mit-
einander verbolzten Brückenfeldern gebildet.

2.1.2 Beurteilungskriterien
Die dynamische Beurteilung sollte in erster Linie ei-
nerseits über die Brückeneigenfrequenzen (Fre-
quenzabstimmung) und andererseits über bei simu-
liertem Publikumsverkehr gemessenen Betriebs-
Beschleunigungen erfolgen.

Frequenzabstimmung
Die Frequenzabstimmung ist eine grobe und pauscha-
le, aber bewährte Methode zur Schwingungsbegren-
zung. Dies berücksichtigt ebenfalls die Schweizer Abb. 2: Messanordnung in Abhängigkeit der ersten Eigen-
Norm SIA 160, Ausgabe 1989. frequenzen.
Art. 3 34 8 Bei Bauwerken für Fussgänger und
Radfahrer sind Eigenfrequenzen zwischen 1,6 und
2,4 Hz sowie zwischen 3,5 und 4,5 Hz zu vermeiden. 2.2 Planung und Durchführung
Läufer können auch bei Bauwerken mit Eigenfrequen-
2.2.1 Messkonzept
zen zwischen 2,4 und 3,5 Hz Schwingungen anregen.
Dies betrifft die vertikalen Schwingungen. Horizon- Alle möglichen Eigenfrequenzen inklusive deren hö-
tal sind Eigenfrequenzen zwischen 0.7 und 1.3 Hz zu here Eigenformen sollten überprüft werden. Dies be-
vermeiden. Um sicher zu gehen, wird sogar vorge- trifft insbesondere die Festkörperschwingungen, die
schlagen, dass die erste horizontale Eigenfrequenz vertikalen sowie horizontalen Biegeschwingungen und
nicht kleiner als 3.4 Hz sein soll. Aktuelle Beispiele auch die Torsionsschwingungen. Aus diesem Grund
der Nichtbeachtung dieser Entwurfsregel sind die wurden jeweils an vier Messpunkten gleichzeitig
Millennium Bridge, London, sowie die Solférino gemessen. Dies ermöglichte bei der Auswertung die
Footbridge, Paris. Beide Brücken mussten kurz nach Unterscheidung der gemessenen grundlegenden Ei-
der Eröffnung infolge starker horizontaler Schwingung genformen, und auch höhere Eigenformen bei einem
wieder geschlossen und nachträglich ertüchtigt wer- überlagernden Mitschwingen.
den. Die Erschütterungsmessungen erfolgten an jedem
Dies wird auch von der neuen Norm SIA 260, Aus- Messort dreikanalig: vertikale Richtung (z) und zwei
gabe 2003, Tabelle 10 (Richtwerte für Eigenfrequen- zueinander rechtwinklige, horizontale Richtungen (x:
zen von Fuss- und Radwegbrücken) berücksichtigt. entlang der Brückenlängsachse und y: quer zur Brü-
Horizontale Schwingungen dürfen in Querrichtung ckenlängsachse).
1,3 Hz und in Längsrichtung 2,5 Hz nicht unterschrei-
ten. Vertikal muss der Bereich zwischen 1,6 und 2.2.2 Brückenanregung
4,5 Hz vermieden werden.
Für die Bestimmung der Eigenfrequenzen und der
Dämpfung erfolgte die Anregung der Brücke jeweils
Betriebsbeschleunigung
durch den Sprung einer Person in die entsprechende
Die Brücke wurde einem 1:1 Test ausgesetzt, dass
Richtung.
heisst verschiedene Nutzungszustände der Brücke
Die verschiedenen Betriebszustände wurden durch
durch einzelne Personen und vor allem durch Perso-
vorübergehende Einzelpersonen und Perso-
nengruppen erzeugt. Eine Extrapolation auf eine volle
nen(gruppen) simuliert. Dabei handelte es sich um die
Belastung der Brücke wurde nicht durchgeführt. Hier
typischen, dynamischen Erregungsarten bei einer
hätten vertiefte Überlegungen zum Beispiel in Bezug
Fussgängerbrücke (normales und zügiges Gehen,
auf die Bewegungsfreiheit der Personen in Abhängig-
Laufschritt, Hüpfen am Ort, mutwilliges Aufschaukeln).
keit der Gangart angestellt werden müssen.

52
Zustandsuntersuchungen dynamisch stark beanspruchter Brücken

Abb. 3: Gruppenanregung: Gehen, gemeinsames Über- Abb. 4: Gruppenanregung: Gehen, regelloses Überqueren
queren der Brücke der Brücke in beiden Richtungen

Die Anregung durch eine Person beschränkte sich auf Aktivität Aktivitätsfrequenz
folgende Zustände: Gehen 1,6 –– 2,4 Hz
Laufen 2,0 –– 3,5 Hz
–– Gehen, überqueren der Brücke entlang der Mit-
Springen 1,8 –– 3,4 Hz
telachse und am Brückenrand
–– Joggen, überqueren der Brücke entlang der Mit-
Horizontal kann die Anregungsfrequenz noch tiefer
telachse und am Brückenrand liegen: Eigenfrequenzen mit der halben Schrittfre-
–– Hüpfen, absichtliches Anregen der Brücke in der quenz, also unter 1,0 Hz, können durch schlangenar-
Brückenmitte und am Brückenrand tiges Gehen angeregt werden. Dies wurde unter an-
derem auch aufgrund der Schwingungsprobleme
Die Anregung durch mehrere Fussgänger (20 Perso-
„„Millenium Bridge, London““ genauer untersucht.
nen) lässt sich wie folgt unterteilen:
2.3 Messresultate
N° Beschrieb der Anregung
2.3.1 Eigenfrequenzen
1 Gehen, regelloses Überqueren der Brücke in
beiden Richtungen Das Bestimmen der Eigenfrequenzen erfolgte über
das Auswerten des Ausschwingens der Brücke nach
2 Gehen, gemeinsames Überqueren der Brücke
dem Anregen durch den Sprung einer Person. Wie
3 Joggen, gemeinsames Überqueren der Brücke
erwartet traten die maximalen Schwinggeschwindig-
4 Hüpfen, Absichtliches Anregen der Brücke in der
keiten bei allen Versuchen in vertikaler Richtung in
Brückenmitte
der Brückenmitte / Feldmitte auf.
5 Joggen, gemeinsames Überqueren der Brücke
im Gleichschritt 1. Vertikale Biegeschwingung: 3.2 Hz

Als Normalzustand der Brückenbelastung dürfen die Diese erste vertikale Grundschwingung dominiert die
Messungen „„Regelloses Überqueren der Brücke in Messresultate derart stark, dass durch reines Betrach-
beiden Richtungen““ betrachtet werden. Dabei handel- ten der verschiedenen Amplitudenspektren nur be-
te es sich grösstenteils um Breitbandanregungen schränkt Rückschlüsse auf die weiteren und höheren
(Fußgängergruppe mit phasenverschobenen und/oder Eigenformen abgeleitet werden konnten.
unterschiedlichen Schrittgeschwindigkeiten). Bei eini- Die ausgeprägte vertikale Grundeigenfrequenz der
gen Messungen handelte es sich um Schmalbandan- unbelasteten Brücke mit einem Wert von 3.2 Hz liegt
regungen: die Brücke wurde mit einer durch die zwischen den gemäss Schweizer Norm definierten
Schrittart oder durch das bewusste Anregen der Ei- Bereich und genügte somit den an die Brücke gestell-
genschwingung der Brücke vorgegebenen Frequenz ten Anforderungen.
belastet. Die Hauptfrequenzen der vertikalen Anre-
gungsspektren entsprechen den nachfolgenden Wer-
ten:

53
P. Trombik, P. Fleischer und A. Maurer

2.3.2 Dämpfung meinsamen Joggen über die Brücke festgestellt (Mes-


sungen N° 3). Eine Abstimmung und Synchronisation
Die anhand der Eigenfrequenzmessungen eruierten
der Trittfrequenz auf die Brückenschwingung hat sich
Dämpfungsmasse (logarithmische Dekremente der
von selbst eingestellt. Nachfolgend die maximalen
Ausschwingversuche) lagen zwischen 0,8 und 1,5 %.
Beschleunigungswerte (in m/s2):
Diese Werte sind relativ gering. Bei steigenden
Schwinggeschwindigkeits- bzw. Wegamplituden leis-
tete jedoch bei dieser verbolzten Fussgängerbrücke N° ax ay az
die Systemdämpfung (Energiedissipation durch Rei- 1 0.4 0.5 1.1
bung) einen wesentlichen Zusatzbeitrag, welcher zu 2 0.4 0.5 2.2
einer deutlichen Erhöhung des Dämpfungsmasses 3 0.3 0.5 3.9
führte. Befanden sich mehrere Personen auf der Brü- 4 0.4 1.2 3.3
cke, so wurde die Dämpfung durch die Personen 5 0.5 0.6 2.5
selbst noch einmal zusätzlich erhöht.
2.3.4 Schwingungseinwirkung auf das Bauwerk
2.3.3 Schwingungsamplituden
Die durch Menschen verursachten Schwingungen
In alle Richtungen konnte deutliche Schwingungen führen hier zu keiner Schädigung an den tragenden
registriert werden, bei den horizontalen bis maximale Bauteilen. Es können jedoch mehr oder weniger
15 mm/s, bei den vertikalen bis 100 mm/s (dies war schwere Schäden an nichttragenden Bauteilen her-
gleichzeitig die obere Grenze des Messbereichs der vorgerufen werden: Schäden im Sinne einer Vermin-
Messgeräte). derung des Gebrauchswertes. Das Übertragen der
Die maximale Wegamplitude aller Schwingungs- Schwingungen auf an der Brücke befestigte Elemen-
messungen liegt bei 7.2 mm (absichtliches Anregen te, wie z. B. die Fahrleitungen des Trolleybusses,
der Brücke in der Brückenmitte). Dieser Wert der ma- wurde durch konstruktive Massnahmen verhindert.
ximalen Auslenkung entspricht in Funktion der
Spannweite einem l / 4'000 und ist um ein vielfaches 2.4 Zusammenfassung
kleiner als die Auslenkung infolge statischer Lasten.
Die Brücke „„Passarelle Aarbergstrasse““ konnte auf
Die Beschleunigungen auf der Brückenoberfläche
Grund der leichten Bauweise und der relativ grossen
erreichten Werte bis 4 m/s2. Interessanterweise wurde
Spannweite leicht in Schwingung versetzt werden,
dieser Wert nicht bei einem bewussten Anregen der
sowohl bei Einzel- als auch bei Gruppenbelastungen
Brückeneigenfrequenz erreicht, sondern beim ge-
waren die mechanischen Schwingungen deutlich
Velocity Signal of Ch3 for Event 13
spürbar. Durch ungeordnetes Gehen mehrer Perso-
97.4 nen über die Brücke (normale Benützung) wurden
73.1 maximale Beschleunigungen um 1,0 m/s2 gemessen.
48.7 Wurde die Brücke mutwillig in Schwingung ver-
mm/s

24.4 setzt, konnte dies von einzelnen (meist älteren) Per-


0.0
0.5 1. 1.5 2. 2.5 3. 3.5 4. 4.5 5. 5.5 6. 6.5 7. 7.5 8. 8.5 9. 9.5 10. 10.5 11. 11.5 12.
sonen als unangenehm empfunden werden. Weg-
-24.4 amplituden um 7 mm, Schwinggeschwindigkeiten
-48.7 grösser als 100 mm/s und Beschleunigungen um
Time (s)
4,0 m/s2 wurden hierbei eruiert.
Abb. 5: Typischer Schwingungsverlauf: Eigenfrequenz- Die gemessenen Eigenfrequenzen (erste vertikale
messung, Brückenausschwingen. Biegeschwingung von 3.2 Hz) lagen aber gemäss SIA
160 im zulässigen Bereich. Das Dämpfungsmass
Velocity Signal of Ch3 for Event 11 wurde im Mittel zu 1,2 % bestimmt. Mit zunehmender
33.2

24.9
Schwinggeschwindigkeit stieg das Dämpfungsmass
16.6 der verbolzten Stahlfachwerkträgerkonstruktion an;
8.3
ein noch grösseres Aufschaukeln als bei der durchge-
mm/s

0.0

-8.3
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28.
führten Messkampagne einzig durch Personengrup-
-16.6 pen erschien nur noch begrenzt möglich.
-24.9
In erster Linie dank der guten Dämpfung (verbolz-
-33.2
Time (s) ten Stahlfachwerkkonstruktion) konnte die Brücke
ohne zusätzliche Massnahmen der Öffentlichkeit
Abb. 6: Typischer Schwingungsverlauf: Messungen N° 2,
übergeben werden.
Gehen, gemeinsames Überqueren

54
Zustandsuntersuchungen dynamisch stark beanspruchter Brücken

3 STRASSENBRÜCKE IN POBBIA schutz durch die Schwingungen so angeregt wurde,


dass dieser hörbar zu klappern begann.
Impulsanregung einer Stahlbetonbrücke infolge Stras-
senlasten (Fahrbahnübergang-Überfahrten)
3.2.2 Einwirkungen Bahnverkehr
3.1 Projektbeschreibung zur "Cavalcavia Pobbia" Der Einfluss der Bahnerschütterungen ist vernachläs-
Die im Jahre 1962 gebaute Brücke, respektive die sigbar (dies wurde durch die Messungen bestätigt):
Überführung (it. Cavalcavia) ““Cavalcavia Pobbia”” liegt Einerseits wird ein grosser Teil der Erschütterungen
ca. 2 km westlich von Chiasso (TI), im kleinen Weiler durch die eingebauten Lager gedämmt, andererseits
Pobbia, und verbindet die Ortschaften Novazzano und unterfährt der Bahnverkehr die Brücke mit sehr klei-
Chiasso. Sie wird sehr stark befahren und dient nen Geschwindigkeiten - nach Angaben der SBB fährt
hauptsächlich der Erschliessung von Chiasso. Ein der Bahnverkehr auf dem Rangierbahnhof Chiasso
weiterer Grund für das starke Verkehrsaufkommen ist und somit auch im Bereich der Brücke, auf Sicht, das
die nahe gelegene Autobahnzufahrt zur National- heisst die Geschwindigkeit darf höchstens 40 km/h
strasse A2, die den Transport- und Güterverkehr zwi- betragen.
schen Italien und Bellinzona verbindet. Die ca. 100 m
3.3 Erschütterungsmessungen
lange Balkenbrücke überquert in diesem Bereich die
11-spurige Geleisestrecke des Rangierbahnhofes Mit den Erschütterungsmessungen wurde das
Chiasso. Schwingverhalten der Brücke erfasst. Diese Daten
Die 5- feldrige Brücke wurde in Längsrichtung als wurden zusätzlich für die Kalibrierung des Computer-
statisch bestimmtes Gerbersystem ausgebildet und ist modells beim Studium möglicher Sanierungskonzepte
symmetrisch. Die Rand- und der Mittelträger kragen verwendet.
jeweils in die Nachbarfelder und werden durch einen
eingehängten Träger geschlossen. Die Randträger 3.3.1 Abschätzung der Eigenfrequenzen und der
weisen eine Spannweite von 14.0 m auf und reichen Schwingungsformen
3.0 m in das nächste Feld hinein. Der eingehängte Auf Grund der vorhandenen Pläne wurde ein verein-
Träger im angrenzenden Feld überspannt 11.0 m und
fachtes, möglichst wirklichkeitsgetreues Computer-
das Mittelfeld 23.82 m. modell erstellt. Dieses lieferte erste Anhaltspunkte
Die nachfolgend beschriebene Zustandsuntersu- bezüglich den zu erwartenden ersten Eigenfrequen-
chung inklusive Sanierungskonzept wurde im Rahmen
zen und ihren entsprechenden Schwingungsformen.
einer Diplomarbeit von Herrn André Maurer erarbeitet.
N° Frequenz N° Frequenz
3.2 Erstbeurteilung / Begehung
1 3.22 6 11.30
3.2.1 Einwirkungen Strassenverkehr 2 6.73 7 19.83
Auf Grund der schlechten Fugenausbildung, respekti- 3 9.14 8 21.61
ve der stark beschädigten Fahrbahnübergänge in den 4 9.85 9 24.32
Gelenken des Gerbersystems, wird die Brücke bei 5 10.10 10 30.38
passierenden Fahrzeugen durch impulsartige Schläge Tab. 1: Abgeschätzte erste Eigenfrequenzen.
stark angeregt und schwingt dann aus.
Auf der ganzen Brücke waren diese Schwingun- Die zwei niedrigsten Eigenfrequenzen treten als Bie-
gen bei der Begehung deutlich spürbar: Die Brücke ge- und Torsionsschwingung im mittleren Brückenträ-
weist ein schlechtes Schwingungsverhalten auf. Zu- ger auf.
sätzlich wurde festgestellt, dass der Fahrleitungs- Das Konzept der Erschütterungsmessungen wurde

Abb. 7: Schematischer Längsschnitt der Strassenbrücke Pobbia

55
P. Trombik, P. Fleischer und A. Maurer

entsprechend den zu erwartenden Eigenschwingun- konnten. Die grössten Schwingungen wurden in verti-
gen entworfen –– die verschiedenen Eigenwerte sollten kaler Richtung (z) gemessen.
erfasst werden können. Die Messung der Erschütte- Für die Schwingungserregung wurden keine spe-
rungssituation erfolgte durch das Registrieren der ziellen Geräte verwendet. Wie bereits erwähnt, wurde
räumlichen Schwinggeschwindigkeiten (mm/s). Weite- bei der Begehung festgestellt, dass beim Überfahren
re Parameter konnten durch Bearbeiten der Schwin- der offenen Fahrbahnübergänge die Brücke beträcht-
gungsverläufe mit entsprechender Software berechnet lich angeregt wird. Wäre die Anregung ungenügend
werden. Die Messungen wurden an total 8 Messpunk- gewesen, so hätte die Brücke durch das Überfahren
ten durchgeführt: eines Brettes zusätzlich angeregt werden können.
–– Stützenfundament
3.3.2 Technische Angaben
–– Stütze
–– Fahrbahn Aussen Feld 1 (Randfeld) Die Messungen und Resultatauswertungen fanden mit
–– Fahrbahn Aussen Feld 2 (Gerbergelenkfeld) Hilfe von hochwertigen Messgeräten und unter Be-
–– Fahrbahn Aussen Feld 3 (Brückenmitte) achtung der gängigen Verfahren statt. Die Erschütte-
–– Fahrbahn Mitte Feld 1 rungsmessungen erfolgten je Messort dreikanalig. In
–– Fuge links Feld 2 vertikaler Richtung (z) und in zwei zueinander recht-
–– Fuge rechts Feld 2 winkligen, horizontalen Richtungen (x und y). Die x-
Richtung wurde in Fahrbahnquerrichtung und die y-
Die Messpunkte im Feld 2 waren zugleich die Stellen,
Richtung in Fahrbahnlängsachse gewählt.
an denen die stärksten Erschütterungen auftraten und
deutliche Schwingungsverläufe registriert werden 3.4 Analyse der Messsignale
Schwinggeschwindigkeiten wurden vertikal bis maxi-
mal 30 mm/s registriert. Doch auch horizontal traten
starke Schwingungen auf: Gemessen wurden in Brü-
ckenlängsrichtung bis 3 mm/s und in Brückenquerrich-
tung bis 6 mm/s. Die grössten Schwinggeschwindig-
keiten wurden in der Brückenmitte bei dem Fugen-
übergang im Feld 2 gemessen.

N° Frequenz N° Frequenz
1 3.25 3 6.25
2 5.08 4 7.42
Tab. 2: Gemessene erste Eigenfrequenzen.

0.30
Abb. 8: Messpunkte Brückenmitte
0.20

0.10

mm/s
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

Abb. 10: Amplitudenspektrum Feld 2 (vertikale Richtung).

3.5 Dämpfungen
Zur Bestimmung der Dämpfungen wurden Teile aus
den gemessenen Daten ausgesucht, die einem
Ausschwingvorgang gleichen.
Der Dämpfungsgrad z der Auswertungen beträgt
1.1 % der kritischen Dämpfung. Es handelt sich somit
um eine schwach gedämpfte Brücke, d.h. die Schwin-
Abb. 9: Messpunkte Fuge (Gerbergelenk)

56
Zustandsuntersuchungen dynamisch stark beanspruchter Brücken

18
16
D = 1.1 % gerechnet werden kann, was in unserem Falle nicht
F = 3.2 Hz
14
12 zutrifft.
10
8
6
Zeitverlaufsberechnungen der Spannungen könn-
4
2
mm/s
ten hier detaillierten Aufschluss über die vorhandene
-2
-4
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Situation geben. Dabei müssten die Stosskräfte der
-6
-8
-10 einzelnen Fahrzeuge simuliert werden, und über die
-12
-14
-16
anschliessende Berechnung der Querschnittsspan-
nungen in Abhängigkeit der Anzahl Lastwechsel könn-
-18

te die Tragreserve berechnet werden. Darauf wurde


Abb. 11: Auswertung Ausschwingvorgang
jedoch in Rahmen dieser Untersuchung verzichtet.

gungen bleiben relativ lange spürbar und klingen nur 3.7 Vorgeschlagenes Sanierungskonzept
langsam ab, wie aus der untenstehenden Grafik er-
sichtlich ist. Aufgrund der Messungen wurden die Rechenmodelle
bzw. das dynamische Verhalten der „„Cavalcavia Pob-
3.6 Beurteilung der Messresultate bia““ kalibriert und überprüft. Bei der Überprüfung wur-
den in erster Linie die dynamischen Schwachpunkte
3.6.1 Beurteilung der Schwingungen auf Menschen
der Brücke eruiert. Basierend darauf wurden ver-
Um die Auswirkungen der Schwingungen auf Men- schiedene Sanierungsmassnahmen ausgearbeitet
schen zu beurteilen, wurde hier die Bewertung nach und anhand des Modells auf ihre Wirksamkeit hin
DIN 4150, Teil 2 (1975) angewandt. Es werden dabei überprüft. Das vorgeschlagene und nachfolgend be-
Erschütterungen im Frequenzbereich von 1 bis 80 Hz schriebene Sanierungskonzept zielt in erster Linie
beurteilt, die mit Hilfe der gemessenen Schwingungs- darauf hin, die Schwingungsproblematik durch
grössen und der folgenden Formel in sogenannte KB- konstruktive Massnahmen zu entschärfen und
Werte umgerechnet werden können: dadurch die Lebensdauer der Brücke zu verlängern.
2
0.8 ⋅ f 3.7.1 Fugenschliessen
KB = d ⋅
2
1 + 0.032 ⋅ f Aufgrund der schlechten Fugenausbildung (Fugen-
wobei d = Schwingweg [mm] und f = Frequenz [Hz] breiten bis 9 cm), respektive der stark beschädigten
Fahrbahnübergänge in den Gelenken des Gerbersys-
tems, wird die Brücke bei passierenden Fahrzeugen
Feld KBmax Beurteilung
durch impulsartige Schläge stark angeregt und
1 2.93 deutlich wahrnehmbar
schwingt dann aus. Diese Hauptanregungsquelle der
2 5.29 stark fühlbar
Brückenschwingungen wird bei der Fugenschliessung
3 1.76 deutlich wahrnehmbar
eliminiert –– es ist mit keinen stossartiger Anregung der
Tab. 3: Beurteilung der maximale KB-Werte (vertikal). Brücke mehr zu rechnen.

Die Auswertung der Messungen bestätigt die subjekti- 3.7.2 Belagserneuerung


ve Einschätzung der Brücke auf Grund der Begehung.
Der bestehende Brückenbelag weist starke Abnüt-
Wie beschrieben sind die Schwingungen wahrnehm-
zungen auf. Dies ist an den Spurrillen und den teilwei-
bar, im extremsten Falle sogar stark fühlbar.
se vorhandenen Abplatzungen bei den Fahrbahn-
übergängen ersichtlich. Die Setzungen der Stützen-
3.6.2 Beurteilung der Schwingungen auf Bauwerke
fundamente führten zudem zur nachteiligen Einsen-
Eine Beurteilung der Schwingungen auf das Bauwerk kung der Fahrbahn. Die dadurch entstandene unstete
selbst ist in diesem Fall nicht sehr einfach, da die SN- Fahrbahnoberfläche ermöglicht eine zusätzliche Erre-
Norm 640 312a nur eine Beurteilung ab Frequenzen gung der Brücke. Durch eine Erneuerung des Belages
von 8 Hz zulässt. wird die Anregung der Brücke rein durch den rollen-
Es kann angenommen werden, dass die vorhan- den Verkehr reduziert.
denen Schwinggeschwindigkeiten keine Beschädi-
gung des Tragwerkes bewirken. Die SN-Norm 640 3.7.3 Brückenversteifung
312a besagt, dass erst ab einem Mehrfachen des
Die dynamischen Berechnungen zeigten ein ungenü-
Richtwertes mit einer Beschädigung der Tragstruktur
gendes dynamisches Schwingungsverhalten der Brü-
cke. Insbesondere das Brückenmittelfeld weist auch

57
P. Trombik, P. Fleischer und A. Maurer

Abb. 12: Torsionsschwingung des Brückenmittelfeldes bei


geschlossenen Gerbergelenken und ohne vorge-
schlagene Brückenversteifung

bei geschlossenen Gerbergelenken tiefliegende verti-


kale Biege- und Torsionseigenfrequenzen auf. Eine
Versteifung und damit eine gewünschte Erhöhung der
Eigenfrequenzen wird am ehesten mit einer zwischen
die Längsträger betonierten Betonplatte erreicht (ge-
schlossener Brückenquerschnitt): Die ersten Eigen-
frequenzen lägen dann über 4 Hz.

LITERATUR
Norm SIA 160 (1989), Einwirkungen auf Tragwerke,
Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein, Zürich.
Norm SIA 260 (2003), Grundlagen der Projektierung von
Tragwerken, Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-
Verein, Zürich.
Norm SIA 261 (2003), Einwirkungen auf Tragwerke,
Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein, Zürich.
Norm DIN 4150-2 (1975), Erschütterungen im Bauwesen,
Teil 2: Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden. DIN Deut-
sches Institut für Normung, Berlin.
Bachmann, H. & Ammann, W. (1987), Schwingungsproble-
me bei Bauwerken. Internationale Vereinigung für Brücken-
bau und Hochbau, Zürich.
Bachmann, H. et al. (1995), Vibration Problems in Struc-
tures: Practical Guidelines, Birkhäuser Verlag, Basel.
Bachmann, H. (1995), Erdbebensicherung von Bauwerken.
Birkhäuser Verlag, Basel.
Cantieni, R. (1992), Beitrag zur Dynamik von Strassenbrü-
cken unter der Überfahrt schwerer Fahrzeuge, Bericht Nr.
220, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsan-
stalt (EMPA), Dübendorf.
Meskouris, K. (1999), Baudynamik: Modelle, Methoden,
Praxisbeispiele. Ernst und Sohn Verlag, Berlin.

58
Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen
San Francisco-Oakland Bay Bridge

Alessandro Dazio und Frieder Seible


University of California, San Diego

1 EINFÜHRUNG barkeit der Brücke und diente als Anfangspunkt für


eine systematische Untersuchung des Erdbebenverh-
1.1 Problemstellung altens aller wichtigen Brücken in Kalifornien (Seible
(2000)). Die Erdbebentauglichkeit der ““San Francisco-
Die ““San Francisco-Oakland Bay Bridge”” liegt inmitten
Oakland Bay Bridge”” wurde als ungenügend beurteilt,
in der Bucht von San Francisco, eines der erdbe-
und während die West-Spannweite ertüchtigt werden
bengefährdetsten Gebiete der Welt (Bild 1). Die San
konnte, sollte die Ost-Spannweite am besten ersetzt
Andreas-Verwerfung, die Erdbeben bis zu einer Rich-
werden. Dieser Beitrag zeigt wichtige Aspekte der
ter-Magnitude 8.1 erzeugen kann, ist 25 km entfernt
Bemessung der neuen Brücke sowie seine Validierung
und die Distanz zur Hayward-Verwerfung (Magnitude
anhand von grossmassstäblichen Versuchen und
7.5) beträgt nur 12 km.
detaillierten nichtlinearen numerischen Analysen auf.

1.2 Die neue Brücke

Die neue Brücke ist in den Bildern 2 und 3 dargestellt.


Sie besteht aus vier verschiedenen Tragwerken: (1)
die Oakland Landung, (2) die Vorlandbrücke, (3) die
Hauptspannweite mit der längsten selbstverankerten
Hängebrücke der Welt und (4) die Bauwerke, die den
Übergang zum ““Yerba Buena Island”” gewährleisten.
Tang et al. (2000) gibt eine ausführliche Beschreibung
der ganzen Brücke. In der Folge werden nur die Vor-
landbrücke und die Hauptspannweite kurz präsentiert.
Die Vorlandbrücke besteht aus zwei parallelen
Abb. 1: Ost- (hinten) und West-Spannweiten (vorne) der Stahlbetonviadukten mit Spannweiten von je 160 m.
bestehenden ““San Francisco-Oakland Bay Bridge””. Der Brückenträger wird aus vorfabrizierten Quer-
schnittssegmenten zusammengebaut und ist über drei
Die Brücke wurde 1936 gebaut und ist für eine hor- Felder kontinuierlich; in der Mitte der angrenzenden
izontale Beschleunigung von 0.10g bemessen. Mit Felder sind Dilatationsfugen angeordnet. Der Kasten-
mehr als 280’’000 Fahrzeugen täglich (Golden Gate: querschnitt hat eine Höhe von 5.5 m in Feldmitte und
120’’000) ist sie die wichtigste Verkehrsader der ““Bay 9.9 m über der Stütze. Der Stegabstand ist 8.5 m und
Area””. Als 1989 die Schäden infolge des ““Loma Pri- mit 8.3 m Auskragungen beträgt die Breite der Fahr-
eta””- Erdbebens ein Menschenleben kosteten und die bahnplatte 25 m. Die Hohlkastenpfeiler (Bild 10)
Brücke während 30 Tagen sperrten, waren die ökono- haben eine Höhe zwischen 14 und 36 m und sind im
mischen Konsequenzen für ganz Kalifornien Brückenträger und in der Pfahlfundation eingespannt.
beträchtlich. Das ““Loma Prieta””-Erdbeben hatte eine Die selbstverankerte Hängebrücke hat eine vor-
Magnitude von 7.1, aber eine Epizentraldistanz von dere Spannweite von 385 m und eine hintere Span-
mehr als 100 km, die zu einer Einwirkung führte, die nweite von 180 m. Der Pylon ist 160 m hoch und
wesentlich kleiner war, als diejenige, die die San besteht aus vier Stahlhohlkasten, die über die Höhe
Andreas- und Hayward-Verwerfungen erzeugen kön- mittels Schubverbindungen miteinander verbunden
nen. Diese Feststellung zeigte die seismische Verletz- sind (Bild 14). Das Hauptkabel hat einen Durchmesser
59
A. Dazio und F. Seible

YBI Übergangs- Hauptspannweite Vorlandbrücke Oakland


Bauwerke Landung

W2
E2 E9 E15
Hauptpylon

500 m 620 m 2100 m 660 m

Gesamtlänge: 3.9 km

Dilatationsfuge ”A”
Dilatationsfuge ”B”
Dilatationsfuge ”K”
Dilatationsfuge ”C”
Dilatationsfuge ”D”

Bestehende Brücke
Neue Brücke
Dilatationsfuge ”E”

Abb. 2: Schematische Darstellung der neuen Ost-Spannweite der ““San Francisco-Oakland Bay Bridge””

von 0.78 m und wird in einem Stück gebaut. Es wird Um dieses Ziel zu erreichen, wurden zwei Bemes-
am Pfeiler E2 verankert, über den Hauptpylon geführt, sungsbeben definiert: (1) Ein Schadenkontrollbeben
um den Querträger von Pfeiler W2 gewickelt (Bild 4), (““Functional Evaluation Earthquake””, FEE) mit einer
nochmals über den Hauptpylon geführt und am Pfeiler Wiederkehrperiode von 450 Jahren und ein 1500-jäh-
E2 verankert. Beim Pfeiler E2 ist das Hauptkabel hori- riges Sicherheitsbeben (““Safety Evaluation Earth-
zontal und erzeugt deshalb nur eine Normalkraft im quake””, SEE). Für jedes Bemessungsbeben wurden
Brückenträger. Beim Pfeiler W2 hingegen ist das drei Sätze von Zeitverläufen aus der San Andreas-Ver-
Kabel geneigt und erzeugt zusätzlich eine vertikale werfung und drei aus der Hayward-Verwerfung defini-
Zugkraft, die vom Pfeiler W2 aufgenommen wird. ert. Die Bemessung eines Bauteils erfolgte basierend
Diese unausgeglichene Zugkraft wird durch die auf den grössten Bedarf der sechs Zeitverlaufsberech-
längere vordere Spannweite verursacht und wird durch nungen.
das Eigengewicht des Querträgers vom Pfeiler W2
Infolge FEE werden nur minimale Schäden akzepti-
und durch 28 Vorspannkabel à 61 Litzen aufgenom-
ert und während des SEE darf die Brücke nur reparier-
men. Die Vorspannkabel sind im Querträger und im
bare Schäden erfahren. Die genauen Anforderungen
Fundationsblock verankert.
Der Brückenträger besteht aus zwei parallelen
Schadenkontrollbeben Sicherheitsbeben
orthotropischen Stahlhohlkasten, die je fünf Fahr- (““Functional Evaluation (““Safety Evaluation
spuren tragen (Bild 16). Die zwei Kasten sind alle 30 m Earthquake””, FEE) Earthquake””, SEE)
durch steife Querträger verbunden, die die Lasten in 1) Unwesentliche inelastische Beschränkte plastische
Querrichtung tragen und eine Zusammenwirkung des Systemantwort Verformung der Stahlbau-
Kastens zur Aufnahme von Wind- und Erdbebenkräf- teile
ten gewährleisten. Die Hänger sind alle 10 m angeord- 2) Nur Haarrisse im Beton Beschränkte Schäden an
net und sind am äusseren Rand jedes Kastens den Pfeilern (Fliessen der
befestigt. Bewehrung und Abplatzen
Die neue Brücke wird neben die Bestehende der Betonüberdeckung)
gebaut (Bild 2), die nachher abgebaut wird. 3) Keine sichtbaren Bleibende Verformungen
bleibenden Verformungen kleiner als 300 mm und
kompatibel mit
2 BEMESSUNGSKONZEPT
Gebrauchstauglichkeit
4) Schäden an Dilatationsfu- Schäden an Dilatationsfu-
2.1 Bemessungsbeben
gen mit Stahlplatten tem- gen mit Stahlplatten tem-
Die ““San Francisco-Oakland Bay Bridge”” ist eine porär überbrückbar porär überbrückbar
sogenannte ““Lifeline”” und muss nach einem Erdbeben Tabelle 1: Anforderungen an das Brückenverhalten
seine fast volle Gebrauchstauglichkeit gewährleisten. während der Bemessungsbeben.

60
Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen San Francisco-Oakland Bay Bridge

Abb. 3: Zusammenstellung der Bauteile der ““San Francisco-Oakland Bay Bridge””, die im Grossmassstab getestet wurden.

an das Brückenverhalten während beiden Bemes- wandgebäuden in Gebieten mässiger Seismizität vor-
sungsbeben sind in Tabelle 1 aufgelistet. geschlagen und Bachmann et al. (2002) hat bewiesen,
dass damit eine gute Beherrschung der Verformungen
2.2 Erdbebenbemessung und eine hohe Sicherheit gegen Einsturz erreicht wer-
den kann. Dabei entstehen praktisch keine zusätzli-
Hauptzielsetzungen der Erdbebenbemessung waren
chen Kosten gegenüber konventionell bemessenen
(1) die Definition einer klaren Reihenfolge von plastifi-
Tragwerken.
zierenden Bauteilen bei Überbeanspruchung und (2)
das Vermeiden von Schäden an schwererreichbaren
2.3 Versuchsprogramm
Bauteilen.
Um diese Ziele, trotz der höheren Seismizität der Der seismische Bedarf der einzelnen Bauteilen wurde
““Bay Area””, zu erreichen, wurde die Brücke anhand von nichtlinearen Zeitverlaufsberechnungen
kapazitätsbemessen. Die Entwicklung von plastifi- festgelegt und das Angebot wurde entweder mittels
zierenden Bereichen ist am Fuss und am Kopf jedes etablierten analytischen Verfahren oder durch detailli-
Pfeilers der Vorlandbrücke, sowie bei den Pfeilern W2 erte numerische Modelle der Bauteile geschätzt.
und E2 vorgesehen. Dies um die heiklen Pfahlfunda- Wegen der sehr strengen Anforderung an das
tionen und den Brückenträger vor allfälligen Über- Brückenverhalten und der aussergewöhnlichen Wich-
beanspruchungen zu schützen. Zusätzlich dazu ist die tigkeit des Bauwerks –– das mit einem Budget von 3
Entwicklung von plastischen Schubgelenken in den Milliarden USD als das grösste Brückenprojekt Kali-
Schubverbindungen des Hauptpylons vorgesehen, um forniens zählt –– wurde beschlossen, alle plastifi-
die vier vertikalen Stahlhohlkasten gegen Fliessen zu zierenden Bauteile der neuen Brücke, siehe Abschnitt
schützen (siehe Abschnitt 4.2). 2.2, im grossen Massstab experimentell zu testen.
Um die Anforderungen von Tabelle 1 zu erfüllen, Diese sogenannten Prüfversuche (““Proof Test””)
wurde eine beschränkte Bemessungsduktilität ang- wurden an der ““University of California San Diego””
enommen. Die konstruktiven Details der plastifi- gemäss Tabelle 2 durchgeführt. Zusätzlich zu den
zierenden Bereiche wurden aber für volle Duktilität plastifizierenden Bauteilen wurden auch zwei vorfabri-
ausgelegt. Somit weist die Brücke ausgezeichnete zierte Brückenträger der Vorlandbrücke und zwei
Gebrauchstauglichkeitseigenschaften auf, besitzt aber Bereiche der orthotropischen Fahrbahnplatte der
auch wesentliche Tragreserven, die zusätzliche Ein- Hauptspannweite getestet. Im ersten Fall wurden ver-
sturzsicherheit gegen unvorhergesehene Belastun- schiedene Varianten für die Ausbildung der Fugen
gen gewährleistet. Eine ähnliche Strategie wurde bei zwischen den Segmenten untersucht, um die Aus-
Dazio (2000) zur Bemessung von Stahlbetontrag- führung zu optimieren (Megally et al. (2003)). Im
61
A. Dazio und F. Seible

Auf- Versuchskörper Mass- Anzahl 17


a) m Ø0.8 m b) Südpfeiler
gabe stab Querträger
Pfeiler der Vorlandbrücke getestet m
A 1:4 1 70
nur in Brückenlängsrichtung
Pfeiler der Vorlandbrücke getestet in
B 1:4 1 4 3
Brückenlängs- und Querrichtung

7m
1:1 2 2 1
E Schubverbindung des Hauptpylons
1:2 2 (UNR)

44 m
F Pfeiler W2 der Hauptspannweite 1:4 1
Orthotropische Fahrbahnplatte
G 1:2.2 2 Nordpfeiler
der Hauptspannweite (Stahl)

10 m
Vorfabrizierte Brückenträger der Südpfeiler
I 1:5 2 Längsrichtung
Vorlandbrücke

Tabelle 2: Versuchsmatrix. Zwei Schubverbindungen wur- Abb. 4: Isometrische Darstellung des Pfeilers W2 (a) und
den an der ““University of Nevada, Reno”” (UNR) Querschnitt des Südpfeilers (b).
getestet.
sächlich anhand von nichtlinearen Zeitverlaufsberech-
zweiten Fall wurde die Fähigkeit der Fahrbahnplatte nungen durchgeführt. Im Fall vom Pfeiler W2 wurde
untersucht, grosse Stauchungen mitzumachen ohne ein Modell der gesamten Hauptspannweite mit dem
auszuknicken (Siehe Abschnitt 4.3). Alle getesteten Programm ““Ruaumoko 3D”” von Carr (2001) zusam-
Bauteile sind in Bild 3 dargestellt. mengestellt (siehe Bild 5).
Das Versuchsprogramm wurde vom Zweitautor
geleitet. Der Erstautor war an den Aufgaben A bis G 1.0

Verschiebung [m]
beteiligt, die in der Folge beschrieben werden. 0.5

0.0

3 STRATEGIE ZUR DEFINITION DER PRÜFVER- -0.5


W2
SUCHE ERKLÄRT ANHAND VON PFEILER W2 -1.0
0 20 40 60
TEST Pylon
Zeit [s]

Die Vorbereitung dieser aufwändigen Grossversuche


Biegemoment [MNm]

wurde sehr sorgfältig durchgeführt. In den folgen- 200

denden Abschnitten werden die Schritte, die bis zum 0


Abschluss eines Versuches notwendig waren, anhand
des Versuchs am Pfeiler W2 kurz präsentiert. Bei den -200
E2
anderen Versuchen wurde ein ähnliches Vorgehen -10 -5 0 5 10
Krummung [1/km]
verfolgt. Nur einige Aspekte von Pfeiler W2 können
Abb. 5: Numerisches Modell der Hauptspannweite der
hier behandelt werden. Eine ausführliche Behandlung
neuen ““San Francisco-Oakland Bay Bridge””.
kann in Dazio et al. (2002) gefunden werden.
Pfeiler W2 (““Pier W2””) ist die westliche Ver-
Zweck der Versuche war die Überprüfung des Ver-
ankerung der selbstverankerten Hängebrücke. Er
besteht aus acht Kreisstützen mit einer architekto- haltens der Brücke, so wie sie von den projektierenden
nisch-bedingten fünfeckigen Betonüberdeckung (siehe Ingenieuren bemessen wurde. Deshalb die Eigen-
Bild 4). Die acht Stützen sind im Querträger und im schaften aller Bauteile entsprachen den Zeichnungen
Fundationsblock eingespannt. Sie sind aber nicht des definitiven Projekts (T.Y.Lin et al. (2002)).
miteinander verbunden. ““Ruaumoko 3D”” benützt Stabelemente mit konzentri-
erter Plastizität bei Endgelenken. Um die Eigenschaf-
3.1 Numerisches Modell des Prototyps ten der Gelenke festlegen zu können, wurden
detailliertere Modelle von den wichtigsten Bauteilen
Bevor ein zweckmässiger Versuch geplant werden benützt. Als Anregung wurden asynchrone, dreidimen-
konnte, wurde das seismische Verhalten des Protot- sionale Zeitverläufe verwendet. Die Zeitverläufe wur-
yps gründlich untersucht, um die ungünstigsten Belas- den speziell für dieses Projekt entwickelt und
tungszustände identifizieren zu können. Diese berücksichtigten Nahbereich-Erdbebeneigenschaften
Zustände wurden dann im Versuch reproduziert. Die sowie örtliche geologische und geotechnische Gege-
Untersuchung des Prototypverhaltens wurde haupt- benheiten.
62
Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen San Francisco-Oakland Bay Bridge

100 a) Reaktionswand
Belastung
2 x 1 MN
50

Seitliche
Normalkraft [MN]

0
Führung
-50

-100
4 3
-150 Stutze 1
2 1 Stutze 2

14.0 m
-200
-1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0
Langsverschiebung [m]

80

70
Lage des Momentennullpunks [m]

Mitte des
60 Querträgers
Normalkraft
4 x 1 MN
50
Aufspannboden
40

30
b)

20

10 Lage des Momenten- Sud Pfeiler


nullpunkts im Versuch
0
-1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0
Langsverschiebung [m]
Abb. 6: Resultate aus der Untersuchung des Erdbebenver-
haltens von Pfeiler W2. Normalkraft in den Stützen
1 und 2 des Südpfeilers (a) und Lage des Momen-
tennullpunks des Südpfeilers (b).

3.2 Analyse des Prototypsverhaltens


Abb. 7: Isometrische Darstellung (a) und fotografische Auf-
Die Analyse des Verhaltens von Pfeiler W2 zeigte vier nahme (b) der Versuchseinrichtung für Pfeiler W2.
grundsätzliche Merkmale, die die Planung des Ver-
suchs massgeblich beeinflussten, und zwar: (1) Rah- bung des Pfeilers in Längsrichtung während des SEE
menwirkung zwischen den acht Stützen des Pfeilers betrug zirka 1.1 m, was einer Verschiebeduktilität
erfolgte grundsätzlich nur während der Belastung in kleiner als zwei entspricht.
Längsrichtung. Wie Bild 6a zeigt, bedeutete diese
Rahmenwirkung eine markante Variation der Normal- 3.3 Projektierung des Versuchs
kraft in den Stützen, mit Phasen der Belastung
während welcher eine absolute Zugkraft vorhanden Basierend auf den Resultaten der Prototypanalyse
war. (2) Das Hauptkabel und die zwei Brückenträger wurde die Versuchseinrichtung von Bild 7 vorgeschla-
sind mit dem Querträger des Pfeilers fest verbunden gen.
und erzeugen eine Biegung im Pfeiler. Bild 6b zeigt, Um die Rahmenwirkung zu erfassen, wurden nur
dass die Lage des Momentennullpunkts in Pfeiler im zwei der acht Stützen modelliert und es wurde nur die
Laufe eines Erdbebens stark variierte, aber auch, dass Belastung in der massgebenden Längsrichtung
sie zwischen 30 und 40 m über dem Fundationsblock berücksichtigt. Der Versuchskörper wurde im
lag, wenn die Auslenkung des Pfeilers in Längsrich- Massstab 1:4 gebaut. Die Lage des Momenten-
tung maximal war. (3) Die Variation der Normalkraft im nullpunkts entsprach der Höhe der Wirkungslinie der
gesamten Pfeiler war durch die vertikale Erdbebenan- Prüfzylinder und wurde während des ganzen Versuchs
regung gegeben und es gab keine Korrelation mit der gemäss Bild 6b konstant gehalten. Die gesamte Nor-
Kopfverschiebung in Längsrichtung. Die Normalkraft malkraft betrug 4.5% des zentrischen Druckwider-
im gesamten Pfeiler war während des ganzen Erdbe- stands des Pfeilers A g f c' und wurde im Laufe des
bens negativ (Druck). (4) Die maximale Kopfverschie- Versuchs konstant gehalten.
63
A. Dazio und F. Seible

a) PMM b) MAM c) BEM d) SEM


103 203 104 204 105
202 102 205
102 17 100101
35 34 106
16 32
16 33
15 31
201 15 32 206
14 30
14 31
13 29
13 30
101 12 28 107 207
100 200 12 20829 108
11 27
11 28
10 26
10 27
9 25
9 26
8 24
8 25
7 23
7 24
6 22
6 23
5 21
5 22
4 20
4 21
3 19
3 20
2 18
2 19
1 17
1 18

Abb. 8: Analytische (a, b) und numerische (b, c) Modelle zur Vorhersage des Versuchskörperverhaltens des Pfeilers W2.

3.4 Vorhersage des Versuchskörperverhaltens Schritt mit dem PMM berechnet wurde. Das monoto-
nische Kraft-Verformungs-Verhalten des Pfeilers wird
Das Verhalten von Pfeiler W2 ist durch die Rahmen-
inkrementell ausgerechnet.
wirkung zwischen den Stützen stark geprägt und um
sie auch im inelastischen Bereich richtig zu erfassen, (3) Das ““Beam Element Model”” (BEM) besteht aus
wurden vier unterschiedliche Modelle entwickelt. Diese gewöhnlichen 2-Knoten Faserelementen mit verein-
Modelle sind in Bild 8 dargestellt und werden in der fachten zyklischen konstitutiven Gesetzen für Bewe-
Folge kurz beschrieben. hrungsstahl und Beton (Dazio (2000)). Nebst der
(1) Das ““Plastic Mechanism Model”” (PMM) basiert Geometrie der Stützenquerschnitte können alle Einga-
auf der Plastizitätstheorie. Unter Anwendung einer beparameter aus im Voraus durchgeführten Material-
polinomialen Annährung des Momenten-Normalkraft- versuchen einfach bestimmt werden. Das BEM
Interaktionsdiagramms der Stützen, können alle berücksichtigt automatisch die Interaktion zwischen
Schnittkräfte in geschlossener Form ausgerechnet Biegung und Normalkraft. Hauptnachteil dieses Mod-
werden. Das monotonische Kraft-Verformungsverh- ells ist, seine Unfähigkeit die Ausbreitung der plas-
alten des Pfeilers kann dann durch Integration der tischen Deformationen entlang der Stützen (““spread of
Krümmungen in den plastischen Gelenken geschätzt plasticity””) korrekt zu erfassen.
werden. Dabei wird berücksichtigt, dass beide Stützen (4) Das ““Solid Element Model”” (SEM) ist im Pro-
einen unterschiedlichen Widerstand aufweisen. Es gram ABAQUS (Hibbit et al. (1997)) implementiert. Der
wird aber angenommen, dass beide Stützen das Beton wird mit 8-Knoten Kontinuumelementen modelli-
gleiche Verformungsverhalten aufweisen. ert und jeder einzelne Bewehrungsstab wird mit einem
(2) Im ““Matrix Analysis Model”” (MAM) wird die Stei- 1-dimensionalen ““Subelement”” modelliert. Es werden
figkeitsmatrix des Pfeilers algebraisch zusam- dabei die ANACAP-U konstitutive Materialgesetze ver-
mengestellt. Die erwarteten inelastischen wendet (Anatech (1997)). Hines et al. (2002) zeigt,
Verformungen werden in starr-plastische Gelenken am dass der SEM, im Gegenteil zum BEM, die Ausbrei-
Fuss und am Kopf jeder Stütze konzentriert. Die effek- tung der plastischen Deformationen recht gut abbilden
tive Biegesteifigkeit EIcr i der Elemente 1) und 3) wird kann, was wesentliche Vorteile bei der Identifizierung
als Verhältnis des ideellen Fliessmoments zur ideellen des Versagens des Versuchskörpers haben kann.
Fliesskrümmung berechnet und variiert somit im Laufe Resultate von Vorhersagen durchgeführt mit diesen
der Belastung (Dazio (2000)). Die effektive axiale Stei- Modellen werden im nächsten Abschnitt mit Versuch-
figkeit EA cr i der Elemente 1) und 3) spielt eine wes- sresultaten verglichen.
entliche Rolle beim Verformungsverhalten des Pfeilers
und wird hier als EA cr i = EIcr i e EI g i EA g i definiert, 3.5 Durchführung des Versuches und Analyse
wobei das Indizes g die Steifigkeit des ungerissenen der Resultate
Querschnitts kennzeichnet (Priestley et al. (1996)). Die
plastische Steifigkeit der Gelenke wird konstant ang- Der Versuch wurde quasi-statisch durchgeführt. Der
enommen und wird aus dem Momenten-Krümmungs- Sockel des Versuchskörpers war am Aufspannboden
Diagramm jeder Stütze berechnet; dabei wird die Nor- biegesteif befestigt und der Pfeiler wurde anhand der
malkraft der Stütze verwendet, die in einem ersten Prüfzylinder (Bild 7) in Brückenlängsrichtung hin- und
64
Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen San Francisco-Oakland Bay Bridge

Schiefstellung (%) a) Abmessungen des Prototyps


-8 -6 -4 -2 2 4 6 8
1.5 Quer-
a) FEE Längs-
Fy richtung richtung
1.0
,
SEE Fy b) Schnitt A-A

5.9 m
Kolbenkraft [MN]

0.5

0.0 A
! " #$%& ' ( ( ' #$%& " ! A

5.5 m
L
Bleibende T
-0.5

28.1 m
,
Verformungen
-Fy
-1.0 Versuch
-Fy BEM
8.5 m
-1.5 Aussparung
-1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0
Zug Kopfverschiebung [m] Druck
c) Detail

6.5 m
1.5
b) FEE SEE
Kolbenkraft [MN]

1.0

Abb. 10: Pfeiler der Vorlandbrücke: Prototyp

0.5 Versuch Bild 9a zeigt weiter ein Vergleich zwischen dem


PMM gemessenen und dem mit dem BEM gerechneten hys-
MAM
SEM
teretischen Verhalten. Die Übereinstimmung beider
Kurven bezüglich Tragwiderstand und Verformungs-
0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 verhalten ist sehr befriedigend.
Kopfverschiebung [m]
Im Bild 9b wird die Umhüllende der Kraft-Verformu-
Abb. 9: Vergleich der Versuchsresultate mit den numer-
ngs-Beziehung des Versuchskörpers mit drei ver-
ischen und analytischen Vorhersagen. Hys-
teretisches Verhalten (a) und monotonische schiedenen Vorhersagen verglichen. Das PMM und
Umhüllende der Kraft-Verformung-Beziehung (b). das SEM erlaubten eine gute Vorhersage des Verfor-
mungsverhaltens und das MAM lieferte eine gute bilin-
herbewegt. Die Amplitude der Belastungszyklen wurde eare Approximation davon. Alle drei Modelle erlaubten
schrittweise erhöht bis Versagen auftrat. die genaue Vorhersage der Fliessverschiebung und
Bild 9a zeigt das ausgezeichnete hysteretische der Fliesskraft des Pfeilers, und deshalb auch von
Verhalten des Versuchskörpers. Versagen infolge seiner elastischen Steifigkeit: Der wesentliche Bemes-
Reissen der vorher auf Druck ausgeknickten Längsbe- sungsparameter v.a. bei kräftebasierten Verfahren
wehrung trat bei einer Schiefstellung von 7.7% auf, (Bachmann et al. (2002)). Die Vorhersage des Verfor-
was mindestens drei Mal mehr ist, als die maximale mungsvermögens des Versuchskörpers war hingegen
Schiefstellung die während des SEE erwartet ist. nicht sehr erfolgreich. Einerseits sind vorhandene Ver-
Am FEE Niveau war das Verhalten des Versuch- sagenskriterien eher bemessungsorientiert und
skörpers grundsätzlich elastisch, dies bedeutet, dass deshalb konservativ. Anderseits fehlen noch Kriterien,
alle Gebrauchstauglichkeitsbedingungen erfüllt waren. die das Versagen durch Ausknicken der Längsbewe-
Das SEE Niveau entsprach einer Verschiebeduktilität hrung vernünftig erfassen können.
von 1.8 und bei maximaler Auslenkung waren die
auftretenden Schäden kleiner als die erlaubten. Es ist 4 WEITERE PRÜFVERSUCHE
aber zu bemerken, dass nach Entlastung die
bleibenden Verformungen des Versuchskörpers das In diesem Abschnitt werden die Versuche an den Pfeil-
erlaubte Maximum nur sehr knapp unterschreiteten. ern der Vorlandbrücke, an den Schubverbindungen
Grosse bleibende Verformungen sind eine typische des Hauptpylons und an den orthotropische Fahrbahn-
Eigenschaft von duktilen Bauteilen (siehe auch Dazio platte des Brückenträgers der Hauptspannweite kurz
et al. (1999)). Deshalb sollte die Entwicklung von präsentiert. Für eine ausführlichere Beschreibung wird
Bausystemen mit reduzierten bleibenden Verformu- auf die entsprechenden Versuchsberichte, die jeweils
ngen als vorrangig gesehen werden. aufgelistet sind, verwiesen.
65
A. Dazio und F. Seible

Reaktionswand 7
Querbelastung
4 x 1 MN 6
a) b)
Längsbelastung 5 Test
2 x 2 MN SEM

Höhe [m]
4
#$%! Negative
3 Maxima

1.5 m Positive
2 Maxima

1
7.0 m 0
-50 0 50
-1
Krümmung [mm ]
Abb. 12: Pfeiler der Vorlandbrücke: Versuchseinrichtung (a)
1.4 m und Krümmugsverläufe entlang der Pfeilerhöhe (b).

stands des Pfeilers A g f c' und wurde im Laufe des Ver-


Normalkraft suchs konstant gehalten.
Aufspannboden 2 x 2 MN
Von zentraler Bedeutung in beiden Versuchen
Abb. 11: Pfeiler der Vorlandbrücke: Isometrie der Versuch- waren (1) die Erfassung des Verformungsverhaltens
seinrichtung.
des Pfeilers und die (2) Beurteilung der Schadensent-
wicklung während der Belastung. Ziele im ersten Fall
4.1 Versuche an den Pfeilern der Vorlandbrücke
waren die experimentelle Evaluation der Länge des
Die Pfeiler der Vorlandbrücke (““Skyway Piers””) wurden plastischen Gelenks und die numerische Vorhersage
ebenfalls im Massstab 1:4 quasi-statisch getestet des Deformationsvermögens des Versuchskörpers,
(Hines et al. (2002)). Einer dieser Pfeiler ist im Bild 10 inklusiv Ausbreitung der plastischen Deformationen
dargestellt. Der rechteckige Hohlkastenquerschnitt ist entlang des Pfeilers. Dafür wurde ein SEM verwendet,
durch hochumschnürte Randelemente charakterisiert. ähnlich wie dem in Bild 8d. Experimentelle Krüm-
Ein solcher Querschnitt wurde bis jetzt nur selten ver- mungen wurden, wie üblich, aus den Messdaten des
entlang der Pfeilerhöhe installierten Potentiometers
wendet und seine Fähigkeit, einen angemessenen
berechnet. Um vergleichbare Werte aus dem SEM zu
plastischen Bereich - notwendig um den angestrebten
bekommen, wurden die Verschiebungen von Knoten,
duktilen Versagensmechanismus zu gewährleisten -
die die gleiche Platzierung wie die beiden Enden des
auszubilden, wurde während der Bemessungsphase
Potentiometers hatten, herausgelesen und daraus
in Frage gestellt.
““Messdaten”” von ““virtuellen Potentiometern”” kreiert. Es
Insgesamt wurden zwei fast identische Versuch- war somit möglich, die Resultate vom Versuch und
skörper getestet. Der Erste wurde nur in Brückenläng- vom SEM nicht nur auf globaler Ebene, wie z.B. im
srichtung getestet (““Longitudinal Pier Test””, LPT) Bild 9a, sondern auch auf lokaler Ebene zu ver-
während der Zweite biaxial belastet wurde (““Diagonal gleichen. Bild 12b zeigt den Vergleich zwischen exper-
Pier Test””, DPT). Neben der Belastungsgeschichte war imentellen und numerischen Krümmungen sowohl bei
der einzige Unterschied, dass im DPT am Fuss und der positiven und als auch bei der negativen maxi-
am Kopf des Pfeilers eine Aussparung angeordnet malen Pfeilerverformung während des ersten Zyklus
wurde (Bild 10c), um das frühzeitige Abplatzen der bei einer Verschiebeduktilität von 6. Die Übereinstim-
Betonüberdeckung zu vermeiden. Diese Massnahme mung der Resultate ist sehr befriedigend und deutet
wurde als direkte Antwort zu Beobachtungen aus dem an, dass ““Messdaten”” von ““virtuellen Potentiometern””
LPT implementiert. zur Festlegung von Versagenskriterien verwendet wer-
Die Versuchseinrichtung für den DPT ist in den Bil- den können (siehe Abschnitt 3.5).
dern 11 und 12a dargestellt. In Brückenlängsrichtung Ähnlich wie Pfeiler W2, haben die Pfeiler der Vor-
wurde der Pfeiler in doppelter Biegung beansprucht, landbrücke ein ausgezeichnetes Erdbebenverhalten
um seine Einspannung im Fundament und im Brück- gezeigt. Einzige unbefriedige Beobachtung war das
enträger zu simulieren. In Querrichtung hingegen, Abplatzen der Betonüberdeckung vom LPT schon bei
wurde der Pfeiler kragarmartig belastet. Die gesamte einer Verschiebeduktilität von 1. Die schützenden
Normalkraft betrug 10% des zentrischen Druckwider- Aussparungen, die beim DPT verwendet wurden (Bild
66
Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen San Francisco-Oakland Bay Bridge

ngen der Hohlkasten vermieden werden. Das ist ein


wesentlicher Vorteil, weil die Hohlkasten schwer zu
reparieren sind und weil wegen deren hohen Normal-
kraft, der Steifigkeitsverlust infolge Fliessen sehr kri-
tisch sein kann. Die Schubverbindungen sind an den
Hohlkasten angeschraubt und können deshalb nach
einem Erdbeben ersetzt werden.
Die Bemessung und Herstellung der Schubverbind-
ungen ist hohen Anforderungen unterworfen. Die
Verbindungen müssen (1) grosse inelastische Verfor-
mungen ohne Widerstandsverlust mitmachen können,
(2) eine genau abschätzbare Überfestigkeit aufweisen,
um die Kapazitätsbemessung der Hohlkasten zu
erlauben und (3) müssen ersetzbar sein.
Um diese Anforderungen zu überprüfen, wurden
zwei Schubverbindungen im Massstab 1:1 getestet.
Dabei wurde eine longitudinale und eine transversale
Schubverbindung getestet, weil sie unterschiedliche
geometrische Verhältnisse aufwiesen. Die Versuch-
seinrichtung ist im Bild 14c dargestellt. Die Schub-
verbindung war in einem 4-Gelenk-Rahmen
eingespannt und das hin- und herbewegen der
Abb. 13: Pfeiler der Vorlandbrücke: Schäden im Bruchzu- Prüfzylinder erzeugte die erwünschte Schubbeans-
stand. pruchung V im Versuchskörper.
Bild 14d zeigt das hysteretische Verhalten der
10c), konnten aber die Gebrauchstauglichkeit des
getesteten longitudinalen Verbindung. Dabei konnten
Pfeilers deutlich verbessern. Bild 13 zeigt den oberen
zwei wichtige Aspekte identifiziert werden: (1) Die
plastischen Bereich vom LPT und DPT am Ende des
Überfestigkeit V p e V y = 1.94 war wesentlich grösser
Versuchs. Beide Bereiche haben grundsätzlich die
als 1.25, was gemäss AISC (““American Institute of
gleiche Beanspruchung erfahren. Im Gegensatz zum
Steel Construction””) bei der Bemessung anzunehmen
LPT, weist der DPT nur minimale Schäden auf, was
ist. (2) Das Verformungsvermögen von 0.069 radians
die Wirksamkeit der schützenden Aussparungen ein-
war zwar wesentlich grösser als den SEE-Bedarf von
deutig beweist.
0.040, aber kleiner als die AISC Anforderung von
0.080 radians. Der erste Aspekt hat eine wesentliche
4.2 Versuche an den Schubverbindungen des
Bedeutung im Zusammenhang mit der
Hauptpylons
Kapazitätsbemessung des Tragwerks: falls die Über-
Der Hauptpylon der selbstverankerten Hängebrücke festigkeit der plastifizierenden Elemente unterschätzt
ist im Bild 14a dargestellt. Er besteht aus vier vertika- wird, kann es vorkommen, dass Elemente, die als
len Stahlhohlkasten, die mit Schubverbindungen elastisch bemessen wurden, ebenfalls ins Fliessen
(““Shear Links””) verbunden sind. Der Widerstand kommen. Bei solchen Elementen wird bewusst auf
dieses innovativen Tragwerks wird grundsätzlich durch duktlitätsfördende Massnahmen verzichtet, was zu
die Rahmenwirkung zwischen den Hohlkasten und einem frühzeitigen Versagen des Tragwerks führen
den Schubverbindungen erzeugt. Die Steifigkeitsver- könnte. Die AISC Angabe bezüglich Überfestigkeit
hältnisse zwischen diesen Elementen können beliebig liegt deshalb auf der unsicheren Seite und weitere Ver-
angepasst werden, um ein optimales Erdbebenverh- suche haben diese Tendenz gezeigt. Aus diesem
alten zu erhalten. Grund sollte diese Normbestimmung dringend
Im Fall der ““San Francisco-Oakland Bay Bridge”” geändert werden.
wurde der Hauptpylon so bemessen, dass sich unter Das Versagen des longitudinalen Versuchskörpers
dem FEE alle Bauteile elastisch verhalten. Unter dem erfolgte schlagartig infolge Reissen des Stegs (Bild
SEE hingegen werden die Verbindungen auf Schub 15a). Die Wurzel des Diagonalrisses entstand schon
fliessen. Dies reduziert die Steifigkeit und erhöht die während einer früheren Phase des Versuchs bei der
Dämpfung der Brücke, was zu kleineren Erdbebenk- Steg-Flansch-Rippe Schweissverbindung (Bild 15b).
räften führt. Unter Anwendung der Prinzipien der Die massive Dicke der angrenzenden Stahlplatten
Kapazitätsbemessung, können plastische Verformu- benötigte intensive Schweissarbeit, die zu Spannung-
67
A. Dazio und F. Seible

a) Hauptpylon b) Querschnitt des 2m


c) Gelenk Prüf-
Hauptpylons zylinder
+160 m Stahl-
Hohlkasten

3m
Schub-
verbindung

V
d) 10
AISC
V
5
Querkraft [MN]

+53 m Fahrbahn
0

Vy
-5
SEE
Vp
-10
-0.10 -0.05 0.00 0.05 0.10 Gelenk
Queransicht Längsansicht Mittlere Schubverzerrung [rad]

Abb. 14: Pylon der selbstverankerten Hängebrücke (a) und zugehöriger Querschnitt (b). Einrichtung zur experimentellen
Untersuchung der Schubverbindungen (c) und hysteretisches Verhalten der getesteten longitudinalen Schub-
verbindung (d).

weissnähte vorgeschlagen, die in weiteren Versuchen


geprüft wurde (Dusika et al. (2002)) und zu fast einer
Verdoppelung des Verformungsvermögens der Schub-
verbindung führte.

4.3 Druckversuche am Brückenträger der Haupts-


pannweite

Hauptmerkmal einer selbstverankerten Hängebrücke


ist die hohe Normalkraft, die im Brückenträger erzeugt
wird, um die Zugkraft im Hauptkabel aufnehmen zu
können. Infolge Eigengewicht der Brücke und Vors-
pannung des Hauptkabels, beträgt die Normalkraft in
jedem Zwillingsträger der neuen SFOBB (Bild 16a)
ungefähr 30% der Fliesskraft A s f y . Während des SEE
steigt die Normalkraft bis zu 40% der Fliesskraft und
am oberen und unteren Rand des Querschnittes kön-
nen, infolge Biegung, Spannungen bis zu 80% der
nominellen Streckgrenze des vorgesehenen Baustahls
( f y = 345 MPa ) auftreten.
Vertiefte Untersuchungen haben das globale Aus-
knicken des Brückenträgers ausgeschlossen, nicht so
das lokale Ausknicken der orthotropischen Fahrbahn-
platte oder der orthotropischen unteren Kastenplatte.
Als Alternative zu einer kostspieligen Erhöhung der
Blechstärken wurde beschlossen, den Stabilitätsnach-
Abb. 15: Versagen der longitudinalen Schubverbindung (a) weis beider Platten anhand von Grossversuchen vor-
und Vergrösserung der Region wo das Versagen
ausgelöst wurde.
zubringen. Die zwei Versuchskörper, dargestellt unten
in Bild 16, sind ein Model im Massstab 1:2.2 der Fahr-
skonzentrationen und zu einem frühzeitigen Versagen bahnplatte (Typ 1) und der unteren Kastenplatte (Typ
führten. Diese Verbindungsregion wurde in McDaniel 2). Beide Versuchskörper wurden vertikal aufgestellt
et al. (2001) intensiv numerisch untersucht und und in der Versuchseinrichtung von Bild 17 monoto-
schliesslich wurde eine neue Konfiguration der Sch- nisch getestet. Die Lagerung des Versuchskörpers bil-
det die Wirkung der Querträger nach, die im Prototyp
68
Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen San Francisco-Oakland Bay Bridge

a) Brückenträger

Typ 1

Typ 2

b) Versuchskörper Typ 1 c) Versuchskörper Typ 2

As = 10174 mm2 As = 12645 mm2


Abb. 17: Einrichtung für die Druckversuche an der Fahrbah-
Abb. 16: Querschnitt eines Hauptträgers der selbstverank- nplatte und an der unteren Kastenplatte des Brück-
erten Hängebrücke (a) und Versuchskörper für die enträgers der selbstverankerten Hängebrücke.
entsprechenden Druckversuche (b, c).
5
alle 5 m angeordnet sind, um die Verwölbung des Versuchskörper Typ 1
Brückenträgers zu vermeiden. Theoretische Fliesskraft
4
Die sehr steife Versuchseinrichtung und die Durch- Nominelle Fliesskraft

führung des Versuchs in Verformungskontrolle


Normalkraft [MN]

3 SEE
erlaubten die Untersuchung der Entfestigungsphase
des Versuchskörperverhaltens. Die Kraft-Verformu-
2
ngs-Beziehung vom Versuchskörper Typ 1 ist in Bild
18 dargestellt. Im Versuch wurde ein maximaler Wider-
Versuch
stand erreicht, der 90% der theoretischen Fliesskraft –– 1 Ideales FEM
FEM mit Anfangsungenauigkeiten
berechnet mit gemessen Materialeigenschaften ––
FEM mit Anfangsungenauigkeiten und Eigenspannungen
entsprach. Es war nicht möglich die theoretische 0
0 10 20 30 40
Fliesskraft zu erreichen. Dies wegen den Anfangsun- Mittlere axiale Verformung [mm]
genauigkeiten und den Eigenspannungen des Ver- Abb. 18: Vergleich zwischen gemessene und berechneten
suchskörpers sowie wegen dem markanten Kraft-Verformungs-Beziehungen der Fahrbahn-
Unterschied zwischen der Streckgrenze der Platte platte.
(372 MPa) und die der Rippen (427 MPa). Das erre-
gung, um die verfeinerte Bemessung des
ichen der Streckgrenze der Platte hatte als Konsequ-
Brückenträgers durchzuführen.
enz die Verschiebung das Widerstandszentrum des
Versuchkörpers und die dabei resultierende Exzentriz- Eine detaillierte Beschreibung dieser Versuche ist
ität löste das Ausknicken aus. in Chou et al. (2002) zu finden.

Die Implementierung von diesen Eigenschaften im


5 SCHLUSSFOLGERUNGEN
Finiten Elemente Model (FEM), das zur Vorhersage
des Versuches verwendet wurde, erlaubte eine gute Die systematische experimentelle und numerische
Übereinstimmung zwischen Versuchsresultate und Untersuchung aller Bauteile der neuen ““San Fran-
numerischen Simulationen zu erreichen. Dabei wur- cisco-Oakland Bay Bridge””, die während eines Erdbe-
den die Anfangsungenauigkeiten und die tatsächlichen bens inelastische Verformungen erfahren können, hat
Materialeigenschaften gemessen. Die Verteilung der die volle Erdbebentauglichkeit des bestehenden Pro-
Eigenspannungen wurde hingegen basierend auf jektes bewiesen. Es könnten dabei neue konstruktive
früheren Versuchen und Literaturangaben angenom- Details und Ausführungsverfahren vorgeschlagen und
men. Um einen ähnlichen Eigenspannungszustand getestet werden, die zu einer günstigeren Brücke mit
wie im Prototyp zu erreichen, wurde für die Herstellung einem besseren Erdbebenverhalten führen. Hinzu
des Versuchskörpers das gleiche Verfahren und die wurden theoretische und numerische Modelle entwick-
gleiche Qualitätssicherung wie für den Prototyp ver- elt, die zur besseren Bemessung von diesen und
wendet. Das validierte FEM steht somit jetzt zur Verfü- neuen Brücken führen werden.
69
A. Dazio und F. Seible

Dieses Projekt zeigt die erfolgreiche Anwendung in Hibbit, Karlson & Sorensen (1997), Abaqus - User’’s Manual.
der Praxis von Bemessungswerkzeugen, die nor- Version 5.8. Hibbit, Karlson & Sorensen, Inc., Pawtucket,
Rhode Island.
malerweise erst in der akademische Forschung ver-
wendet werden. Hines E.M., Dazio A., Chou C.C. & Seible F. (2002), Structur-
al Testing of the San Francisco-Oakland Bay Bridge East
Span Skyway Piers. Research Report SSRP-2002/01. De-
6 VERDANKUNGEN partment of Structural Engineering. University of California
San Diego.
Die vorgestellen Forschungsarbeiten wurden durch die
““California Department of Transportation (Caltrans)”” McDaniel C.C., Uang, C.M. & Seible F. (2001), Cyclic Testing
of Suspension Tower Shear Links of the San Francisco-Oak-
finanziert. land Bay Bridge. Research Report SSRP-2001/14. Depart-
Doktor Eric M. Hines –– Projektleiter bei LeMessur- ment of Structural Engineering. University of California San
ier Consultants, Cambridge MA –– war zuständig für die Diego.
Versuche an den Pfeilern der Vorlandbrücke. Profes- Megally S.H. & Seible F. (2003), Precast Segmental Bridges:
sor Cole C. McDaniel –– Department of Structural Engi- Seismic Performance of Superstructure Segment-to-Seg-
neering, Washington State University, Pullman WA –– ment Joints. Proceedings of the FIB 2003 Symposium Con-
war zuständig für die Versuche an den Schubverbind- crete Structures in Seismic Regions. Athens May 6-9.
ungen des Hauptpylons. Professor Chung-Che Chou –– Priestley M.J.N., Seible F. & Calvi G.M. (1996), Seismic De-
sign and Retrofit of Bridges. John Wiley & Sons, New York.
Department of Structural Engineering, National Chiao
Tung University, Taiwan –– war zuständig für die Druck- Seible F. (2000), Long Span Bridges in California - Seismic
Design and Retrofit Issues. Proceedings of the XII World
versuche an der orthotropischen Fahrbahnplatte der Conference in Earthquake Engineering. Auckland.
Hauptspannweite. Professor Chia-Ming Uang ––
Tang M.-C., Manzanarez R., Nader M., Abbas S. & Baker G.
Department of Structural Engineering, University of (2000), Replacing the East Bay Bridge. Civil Engineering,
California, San Diego –– hat alle Versuche an Stahlbau- September.
teilen betreut. T.Y. Lin International & Moffatt and Nichol (2002), The San
Francisco-Oakland Bay Bridge East Span Seismic Safety
LITERATUR Project. Main Span Structures: 100% PS&E Submittal.

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Version 2.5. Anatech Corporation, San Diego.
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70
Ein Schädigungsmodell für Brückenpfeiler aus Stahlbeton

Andreas Fäcke und Lothar Stempniewski


Institut für Massivbau und Baustofftechnologie, Universität Karlsruhe (TH)

1 KURZFASSUNG gung durch zyklische Belastung während eines Erd-


Es wird ein Werkstoffmodell vorgestellt, welches das bebens wird dabei durch Schädigungsparameter ver-
folgt. Das Werkstoffmodell wurde in das universelle
nichtlineare Verhalten von Stahlbeton unter zyklischer
Belastung für schlanke Druckglieder realitätsnah und Finite Elemente Programm Abaqus/Standard imple-
effektiv beschreibt. Hierbei werden die drei Kompo- mentiert. Da der Haupt-Spannungszustand in schlan-
ken Druckgliedern nahezu einaxial, parallel zur Stab-
nenten: Beton, Bewehrung und Verbund jeweils durch
ein eigenes Stoffgesetz repräsentiert. So kann der achse verläuft, eignet sich die Diskretisierung auf
Zustand beispielsweise von Brückenpfeilern nach Faserebene besonders gut. Sie ermöglicht eine detail-
lierte Abbildung des Materialverhaltens auch für große
einem Erdbeben numerisch simuliert und anhand von
Schädigungsparametern beurteilt werden. Das Werk- Bauteile bei akzeptabler Rechendauer. Hierbei wird
stoffmodell wurde in ein Finite Elemente Programm der Stabquerschnitt in einzelne Fasern unterteilt, de-
ren Spannung lediglich von ihrer Dehnungsgeschichte
implementiert und wird am Beispiel der Moseltalbrü-
cke bei Dieblich-Winningen demonstriert. parallel zur Stabachse abhängt. Eine auf das Beton-
werkstoffverhalten positiv wirkende Umschließung
2 ABSTRACT durch Bügel wird a priori in der Spannungs-
Dehnungs-Linie berücksichtigt. Im Gegensatz zur
A constitutive equations model is presented, which üblichen Diskretisierung auf Faserebene, bei der der
describes the non-linear behaviour of reinforced con- Verbund zwischen Beton und Bewehrung lediglich
crete slender columns for cyclic loads in a realistic durch Modifizierung der Spannungs-Dehnungs-Linie
and effective manner. The three components: con- einer dieser beiden Komponenten berücksichtigt wird,
crete, reinforcement and bond are considered by extra wird in diesem Modell die Relativverschiebung beider
constitutive laws. In this way the state of a column Komponenten (Schlupf) über Verbundelemente reali-
after an earthquake can be numerically simulated and siert. So ist es möglich den Schädigungsgrad jeder
can be judged using damage variables. The model is Komponente differenziert zu verfolgen, um z.B. die
implemented into a general purpose finite element Resttragfähigkeit der Pfeiler nach einem Erdbeben
program and is demonstrated at the viaduct crossing beurteilen zu können. Das Modell zeigt eine gute
the Moselle river nearby Dieblich-Winningen. Übereinstimmung mit Versuchen aus der Literatur für
monotone Belastung bis zum Versagen sowie für
3 EINLEITUNG
zyklische Lasten. Das Werkstoffmodell wird an einem
Wie sich nach Erdbebenkatastrophen immer wieder 124m hohen Pfeiler der Autobahnbrücke über die
zeigt, ist das Versagen von Stahlbetonpfeilern eine Mosel bei Dieblich-Winningen für zwei unterschiedli-
der Ursachen für den Einsturz zahlreicher Brücken che Erdbebenszenarios demonstriert.
und aufgeständerter Fahrbahnen. Meist sind es Män-
gel in der Bewehrungsführung oder der Betonqualität, 4 WERKSTOFFMODELL
die zu einem rapiden Widerstandsverlust in einem Stahlbeton ist ein Verbundwerkstoff, der ein stark
sich bildenden plastischen Gelenk führen und dadurch nichtlineares Last-Verformungsverhalten aufweist. Die
ein induktiles Versagen der Pfeiler bewirken. Es wird Ursachen hierfür sind vielseitig und sollen im folgen-
ein Werkstoffmodell für Stahlbeton vorgestellt in dem den kurz zusammengefasst werden. Beton stellt ein
die drei Komponenten Beton, Bewehrungsstahl und inhomogenes Strukturgefüge aus Zuschlag und Ze-
Verbund jeweils durch ein eigenes nichtlineares Stoff- mentstein dar, das schon im unbelasteten Zustand
gesetz beschrieben werden. Die sukzessive Schädi-

71
A. Fäcke und L. Stempniewski

diffus verteilte Mikrorisse aufweist. Wird Beton be-


lastet, verbinden sich die Mirkorisse zunehmend zu
einem Mikrorissband, das schließlich zum Makroriss
führt. Dadurch besitzt Beton nur eine geringe Zugfes-
tigkeit und reagiert unter Druck aufgrund von Rissbil-
dungen parallel zu Belastungsrichtung stark nichtline-
ar. Wird Beton von Bügeln umschlossen, kann sowohl
seine Druckfestigkeit als auch seine Duktilität erhöht
werden, da die Rissentwicklung durch Querdruck-
spannungen behindert wird. Bei zyklischer Belastung
kommen Kontakteffekte zwischen sich öffnenden und
wieder schließenden Rissufern hinzu.
Stahl verhält sich bis zur Streckgrenze linear-
elastisch, unabhängig davon ob Druck oder Zug
herrscht. Mit zunehmender Dehnung beginnt er sich
plastisch zu verformen und nach einem Plateau kon-
stanter Spannung verfestigt er sich bis zum Erreichen
der Zugfestigkeit, bei der der Bruch eintritt. Dieses
Plateau konstanter Spannung zeichnet warmgewalz-
ten Stahl aus, fehlt jedoch bei kaltverformten Stahl.
Bei Lastumkehr nach einer Verfestigung stimmt die
vorhandene Streckgrenze nicht mehr mit der ur-
Abb. 1: Spannungs-Dehnungs-Linie für Beton
sprünglichen überein. Der linear-elastische Span-
nungsbereich bleibt in seiner Größe zwar nahezu
konstant, verschiebt sich jedoch in Richtung der Ver- Druckbereich bei Erstbelastung nach Gl. 1, die noch
festigung. Dieser Effekt, der in Abb. 2 dargestellt ist, immer von zahlreichen Autoren Anwendung findet,
wird Bauschinger-Effekt genannt. wurde von Salse et al. (1973) entwickelt. Hierin sind
Auch der Verbund zwischen Bewehrungsstahl und E 0 der Tangentenmodul im Ursprung, n ein Parame-
Beton beeinflusst das Verhalten von Stahlbeton. Für ter zur Anpassung der Kurve im Entfestigungsbereich
kleine Belastungen wird der Verbund zwischen Stahl und E1 und ε1 der Sekantenmodul bzw. die Dehnung
und Beton durch Adhäsion gewährleistet. Mit steigen- bei Erreichen der Betondruckfestigkeit f cm .
der Last verliert dieser Effekt jedoch schnell an Wir- E0 ⋅ ε
σ= (1)
kung, worauf sich die Rippen auf der Bewehrungs- n
§E n ·¸ §¨ ε ·¸ 1 §¨ ε ·¸
oberfläche am umliegenden Beton abstützen. Diese 1+ ¨ 0 − ⋅ + ⋅
¨E ¸ ¨ ¸ ¨ ¸
Betonkonsolen werden sukzessive entfestigt und ab- © 1 n − 1 ¹ © ε1 ¹ n − 1 © ε1 ¹
geschert, so dass es zum Gleiten (Schlupf) der Be-
Das unterschiedliche Spannungs-Dehnungs-
wehrung im Beton kommt. Nachdem die Betonkonso-
Verhalten von wirksam umschnürten bzw. nicht um-
len vollständig abgeschert sind, können Verbund-
schnürten Beton wird durch Anpassung der Parame-
spannungen nur noch durch Reibung aktiviert werden.
ter E1 , ε1 und n nach Chen (2001) berücksichtigt.
Die Verbundspannungs-Schlupf-Beziehung hängt von
Welcher Anteil des Querschnittes wirksam umschnürt
der Oberfläche der Bewehrung, der Betonqualität und
ist, wird nach CEB-FIP MC 1990 geregelt. Das nichtli-
der Betonüberdeckung ab, und ist in hohem Maße
neare Verhalten bei Ent- und Wiederbelastung im
inelastisch.
Druckbereich (Bereich zwischen Punkt A und B in
Die numerische Abbildung dieser Phänomene für
Abb. 1) wurde nach Mander et al. (1988) unter Be-
eine beliebig zyklische Belastung basiert auf insge-
rücksichtigung einer Modifikation von Chen (2001)
samt vier Schädigungsparametern und wird im fol-
realisiert. Nach diesem Ansatz kann zu jedem Punkt
genden für die drei Komponenten Beton, Stahl und
der Erstbelastungskurve eindeutig eine plastische
Verbund vorgestellt.
Dehnung ε cpl (s. Abb. 1a) zugeordnet werden, die
4.1 Beton nach Gl. 2 in den ersten Schädigungsparameter im
Beton-Stoffgesetz Eingang findet. Demnach tritt keine
Das Beton-Stoffgesetz enthält zwei Schädigungspa- zusätzliche Schädigung auf, solange die Dehnungen
rameter, einer für Zug- und einer für Druckschädi- im Bereich zwischen Punkt A und B verbleiben.
gung. Die uniaxiale Spannungs-Dehnungs-Linie im

72
Ein Schädigungsmodell für Brückenpfeiler aus Stahlbeton

Mit zunehmender Druckschädigung nimmt die mittlere


Steifigkeit, also die Steigung der Strecke AB, ab.

D1 = ε cpl ε1 ≤ 1,0 (2)

Im Zugbereich wird ein linear elastisches Dehnungs-


verhalten bis zur Zugfestigkeit f ctm angenommen.
Darauf folgt eine bilineare Zugentfestigung nach
Roelfstra et al. (1986), die den Übergang vom lokali-
sierten Mikrorissband bis hin zum Makroriss, also der
vollständigen Zugentfestigung, darstellt. Die zur voll-
ständigen Entfestigung im Riss benötigte Bruchener-
gie G f , die in Abb. 1b grau hinterlegt ist, wird nach
Hillerborg et al. (1976) als Materialkonstante angese- Abb. 2: Spannungs-Dehnungs-Linie für Stahl
hen. Demnach ist auch die Rissbreite u ctu bei voll-
ständiger Entfestigung eine Materialkonstante. Der nommen. Für die Spannungs-Dehnungs-Linie bei
tatsächlich vorhandene diskrete Riss stellt eine Dis- Erstbelastung wurde die Exponentialfunktion in Gl. 4
kontinuität in der Dehnungsverteilung dar und kann nach Ramberg Osgood (1943) verwendet.
mit der Methode der Finiten Elemente ohne erneute
n
Netzgenerierung nicht erfasst werden. Aus diesem σ §σ·
ε= + a ⋅ ¨¨ ¸¸ (4)
Grund wird der Riss über die Länge des Elements E ©b¹
‚‚verschmiert’’, was wieder zu einer kontinuierlichen
Dehnungsverteilung führt. Um eine Netzunabhängig- Die Konstanten a, b und n müssen so gewählt wer-
keit zu erreichen, wird die Dehnung ε ctu auf die cha- den, dass die Randbedingungen, also die Streckgren-
rakteristische Elementlänge nach Bazant et al. (1983) ze und Zugfestigkeit des Stahls, erfüllt werden. Da der
bezogen. Mit zunehmender Entfestigung nimmt die Übergang vom elastischen in den plastischen Bereich
Steifigkeit bei Entlastung E 0′ ab. Analog zur Druck- fließend ist, wird die Elastizitätsgrenze bei der Span-
schädigung kann jedem Punkt der Zugentfestigungs- nung f y , bei der die bleibende Verformung 0,2%
Kurve genau eine plastische Dehnung ε tpl zugeordnet beträgt (s. Punkt A in Abb. 2), definiert. Nach einer
werden, die nach Gl. 3 in den zweiten Schädigungs- Lastumkehr im Punkt B verhält sich das Material zu-
parameter im Beton-Stoffgesetz eingeht. Da die Zug- nächst elastisch, bis bei der Spannung f y′ im Punkt C
festigkeit auch durch Druck geschädigt wird, ist der plastische Verformungen wieder einsetzten. Der elas-
zweite Schädigungsparameter von D1 nach Gl. 3 tische Bereich mit konstanter Größe 2 ⋅ f y hat sich
abhängig. durch die Materialverfestigung nach oben verschoben.
Hierbei handelt es sich um die kinematische Verfesti-
§ ε tpl · gungsregel, mit der der Bauschinger Effekt des Stahls
D2 = 1 − (1 − D1 ) ⋅ ¨1 − ¸ (3)
¨ ε ¸ berücksichtigt wird. Die Spannungs-Dehnungs-Linie
© ctu ¹
nach Wiedereinsatz plastischer Verformungen ent-
Obwohl die aufnehmbare Zugspannung des Betons spricht der um 180° gedrehten Ramberg Osgood
im Vergleich zur aufnehmbaren Druckspannung sehr Funktion. Für Stahl wurde kein Schädigungsparame-
gering ist und damit einen eher geringen Einfluss auf ter eingeführt, hier wird lediglich ein Überschreiten der
die Querschnittsmomente hat, führt sie zu einem nu- Zugfestigkeit kontrolliert.
merisch wesentlich stabileren Modellverhalten. Nach-
dem der Beton vollständig gerissen ist und wieder auf 4.3 Verbund
Druck belastet wird, tritt Kontakt nicht erst bei ε cpl auf, Der Schlupf zwischen Beton und Bewehrung wurde
sondern schon zu einem früheren Zeitpunkt. Die Deh- durch ein Verbundelement mit linearem Verschie-
nungsdifferenz ab der Kontakt zwischen den Rissen bungsansatz nach Keuser (1985) realisiert. Als Ver-
auftritt, wurde nach einem Ansatz von Zhu et al. bundspannungs-Schlupf-Linie (Abb. 3) bei Erstbelas-
(1980) berücksichtigt. tung wurde eine Vereinfachung des Verbundgesetzes
von Bigaj (2001) gewählt. Hierin steigt die Verbund-
4.2 Stahl
spannung bis zu einem Maximalwert von τ1 nichtline-
Da zu diesem Zeitpunkt keine Angabe über die Her- ar an, und fällt durch sukzessive Entfestigung der
stellungsart des Bewehrungsstahls vorliegt, wird zu- Betonkonsolen auf den Wert τ 3 , der die Reibung
nächst kaltverformter Stahl ohne Fließplateau ange- zwischen Beton und Bewehrungsstahl nach vollstän-

73
A. Fäcke und L. Stempniewski

Abb. 3: Verbundspannungs-Schlupf-Linie

diger Entfestigung der Betonkonsolen darstellt, linear


ab.
Wegen der Adhäsion zwischen Stahl und Beton
bei einsetzender Belastung müsste die Kurve im Ur-
sprung eine unendliche Steigung aufweisen, wurde
jedoch aus numerischen Gründen mit E 0 als endlich
groß angenommen. Ein Versagen durch Spaltzug, bei
dem Risse parallel zur Bewehrung bis zur Bauteil-
Abb. 4: Moseltalbrücke und Finite Elemente Modell
oberfläche zu einem schlagartigen Verbundspan-
nungsverlust führen, konnte aufgrund einer ausrei-
chenden Umschließung durch Bügel ausgeschlossen Grundriss (s. Abb. 4) ist abgesehen von einer leichten
werden. Das Verbundgesetz wurde nach einem An- Krümmung auf der Seite bei Dieblich gerade. Als
satz von Eligehausen et al. (1983) für allgemein zykli- Festlager dient das Widerlager bei Winningen, die
sche Belastung erweitert. In diesem Ansatz, der in Pfeiler 2 und 3 sind in Brückenlängsrichtung ebenfalls
Abb.3 skizziert ist, wird berücksichtigt welcher Anteil unverschieblich mit dem Überbau verbunden. Diese
der Betonkonsolen zwischen den Bewehrungsrippen Festhalterung ist jedoch aufgrund der hohen Schlank-
schon geschädigt ist, was konstante Spannungen τ f heit der Pfeiler als sehr nachgiebig einzustufen.
durch Reibung in diesen Bereichen zur Folge hat.
5.2 Finite-Elemente-Modell
Außerdem werden aus der durch Schlupf geleisteten
Arbeit zwei Schädigungsparameter abgeleitet, die zur Das Schädigungsmodell für Stahlbeton wird auf Pfei-
Abminderung der Verbundspannung im Bereich intak- ler 3, der mit 124 m am höchsten ist, angewendet.
ter Betonkonsolen bzw. zur Abminderung der Reib- Dieser wurde vereinfachend als Kragarm mit fester
kraft dienen. Hierdurch kann die zunehmende Entfes- Einspannung modelliert. Der Überbau wird auf einen
tigung auch zwischen konstanten Hysteresezyklen Massenpunkt entsprechend der vertikalen Auflast auf
berücksichtigt werden. diesen Pfeiler reduziert. Das Schwingungsverhalten
des Überbaus, welches dadurch vernachlässigt wird,
5 SIMULATION AN MOSELTALBRÜCKE kann zwar einen bedeutenden Einfluss auf die dyna-
5.1 Moseltalbrücke mische Belastung des Pfeilers haben, wird jedoch im
Rahmen dieser Arbeit vernachlässigt. Der Kragarm
Der Bau der Moseltalbrücke bei Dieblich Winningen besteht aus Balkenelementen für den Beton, in denen
wurde 1972 abgeschlossen. Über sie führt die Auto- die Fasergeometrie dem 3-zelligen Hohlkasten des
bahn A61 auf einer Gesamtlänge von 935 m und einer Pfeilers angepasst ist. In jeder Knotenebene der Fa-
maximalen Höhe von 130 m über Talsohle. Der Über- serelemente liegen exzentrisch entsprechend der
bau besteht aus einem einzelligen Stahl-Hohlkasten- Lage der Bewehrung Knoten, an die über die Ver-
Durchlaufträger mit 6 Feldern, bei dem das längste bundelemente die Elemente der Bewehrung ange-
218 m misst. Die Brückenpfeiler wurden als 3-zellige schlossen sind.
Stahlbeton-Hohlkästen realisiert und gründen je nach Die Freiheitsgrade der exzentrisch liegenden Knoten
Sedimentüberdeckung auf dem anstehenden Fels sind mit den Knoten der Faserelemente so gekoppelt,
flach bzw. auf Bohrpfählen. Der Verlauf der Brücke im

74
Ein Schädigungsmodell für Brückenpfeiler aus Stahlbeton

Abb. 5: Antwortspektren der Erdbebenszenarien


Abb. 6: Momenten-Krümmungs-Kurve am Pfeilerschaft
dass ein Ebenbleiben der Querschnitte erzwungen
wird. Es wurde nicht jeder Bewehrungsstab einzeln stark nichtlineares Verhalten mit deutlicher Schädi-
diskretisiert, stattdessen wurden jeweils 16 Stäbe zu gung am Brückenpfeiler zu zeigen.
einem Element mit entsprechender Steifigkeit zu-
sammengefasst. 5.4 Dynamische Simulation
Die dynamischen Antwort des Modells wurde mit dem
5.3 Erdbebenlast
Zeitschrittverfahren durch direkte Integration (implizit)
Es wurden zwei Erdbebenszenarios an dem Brücken- berechnet. Die Anregung erfolgt lateral zur Brücke,
pfeiler simuliert. Das erste Szenario wurde mit SIMQ- also in Richtung hoher Steifigkeit des Pfeilers. Die
KE I künstlich generiert und ist konform zum elasti- Dauer der Erdbebenzeitverläufe beträgt 20s für das
schen Bemessungsspektrum aus dem Entwurf der Normbeben bzw. 40s für das registrierte Erdbeben.
DIN 4149. Nach der Karte der geologischen Unter- Verformungen nach Theorie II Ordnung, die bei dem
grundklassen aus dieser Norm steht die Brücke im schlanken Bauteil einen maßgebenden Beitrag leis-
Bereich der Klasse A (felsartiger Untergrund). Mit ten, konnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht berück-
einem Baugrund der Klasse 2 (Lockergestein), dem sichtigt werden, da der entsprechende Ansatz im Ver-
Bemessungswert der Beschleunigung für Zone 1 bundelement noch nicht implementiert wurde.
(0,4m/s²) und dem Bedeutungsfaktor für Brücken mit Abb. 6 zeigt die Momenten-Krümmungs-
überdurchschnittlicher Bedeutung nach EC 8 (γI = 1,3) Beziehung (MKB) am Pfeilerschaft für die beiden Erd-
erhält man das Antwortspektrum in Abb. 5a. Als zwei- bebenszenarios. Das maximale Moment bei dem
tes Szenario wurde ein registrierter Zeitverlauf des Normbeben beträgt 100MNm und liegt weit unterhalb
Loma Prieta Erdbebens von 1989 (USGS Station des Bemessungsmomentes aus Windlast von
HCH 180) gewählt, das eine 4-mal so hohe Spitzen- 751MNm. Obwohl eine genauere Modellierung unter
bodenbeschleunigung aufweist. Die ersten beiden Berücksichtigung des dynamischen Verhaltens des
Eigenmoden des Pfeilers, die in der Ebene der Anre- Überbaus und die Berücksichtigung von Th. II Ord. zu
gungsrichtung, also lateral zur Brücke, liegen, besit- höheren Momenten führen wird, kann ein Versagen
zen eine Schwingungsperiode von T1=2,27s und des Pfeilers durch ein am Standpunkt der Brücke zu
T2=0,29s. Während der erste Eigenmode beim Norm- erwartendes Erdbeben ausgeschlossen werden.
beben kaum angeregt wird, ist diese Schwingungspe- Die MKB in Abb. 6a ist erwartungsgemäß fast line-
riode beim registrierten Erdbeben noch stark vertre- ar elastisch während sie infolge des Loma Prieta Erd-
ten. bebens in Abb. 6b deutlich das nicht-lineare Verfor-
Ein Erdbeben dieser Art ist an dem Standort der Brü- mungsverhalten am Pfeilerschaft zeigt. Dennoch wird
cke nicht zu erwarten, es dient vielmehr dazu, ein auch bei diesem Pfeiler die maximal mögliche Trag-

75
A. Fäcke und L. Stempniewski

6 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK


Es wurde ein numerisches Modell auf Faserebene zur
Abbildung des nichtlinearen Verhaltens von Stahlbe-
ton bei zyklischer Belastung vorgestellt. Über vier
Parameter kann das Ausmaß und die Art der Schädi-
gung von Stützen und Pfeilern verfolgt werden. Eine
Simulation des Loma Prieta Bebens an einem Pfeiler
der Moseltalbrücke zeigt deutlich Zugschädigungen
am Schaft und ca. 30m unterhalb des Pfeilerkopfes.
Für eine genauere Angabe der Rissstellen ist eine
feinere Diskretisierung, als die gewählte von 30cm, in
Bereichen mit Zugschädigung zu wählen, wodurch
aufgrund der ‚‚verschmierten’’ Risse auch eine stabile-
re numerische Berechnung erreicht wird. In das Ver-
bundelement ist der Ansatz für geometrische Nichtli-
nearität zu implementieren, um Verformungen nach
Theorie II Ordnung berücksichtigen zu können.
Abb. 7: Schädigungsverteilung an Pfeiler 3

LITERATUR
last nicht erreicht, was die Tangente mit positiver Stei-
gung am oberen und unteren Umkehrpunkt der Bigaj, A. J. (1999), Structural Dependence of Rotation Ca-
pacity of Plastic Hinges in RC Beams and Slabs, Dissertati-
Hysterese beweist. In Abb. 7 ist der Zug-
on, TU Delft.
Schädigungsgrad D2 der Komponente Beton im Pfei-
CEB-FIP (1993), Model Code 1990, Thomas Telford House,
ler dargestellt. Je heller die Fasern, desto höher ist London
der Schädigungsgrad. Mit einer maximalen Schädi-
Chen, F. (2001), Numerische Simulation des nichtlinearen
gung von D2 =23% liegt die Zugfestigkeit nach Abb. Trag- und Schädigungsverhaltens von Stahlbeton-
1b nur noch unter 20% der Ursprünglichen. Die Stabtragwerken und zyklischer Belastung, Fortschritt-
Druckschädigung des Betons und des Verbundes sind Berichte VDI Reihe 4 Nr. 171.
vernachlässigbar und wurden deshalb nicht darge- DIN 4149-1 (2002), Bauten in deutschen Erdbebengebieten,
stellt. Die Zugschädigung ist an den Außenkanten im Deutsches Institut für Normung e. V., Entwurf 10/2002,
unteren Bereich des Schafts maximal und nimmt bis Berlin.
zur mittleren Höhe des Pfeilers stetig ab. Auch im Eligehausen, R., Popov, E. P., Bertero, V. V. (1983), Local
Bond Stress-Slip Relationships of Deformed Bars under
oberen Bereich des Pfeilers ist einseitig eine Schädi-
Generalized Excitations, Report No. UCB/EERC-83/23,
gung zu erkennen. Diese ist durch die starke Anre- University of California, Berkeley.
gung des zweiten Eigenmodes zur erklären, bei dem
Hillerborg, A., Modéer, M., Petersson, P.E. (1976), Analysis
die Eigenform in diesem Bereich eine starke Krüm- of Crack Formation and Crack Growth in Concrete by
mung aufweist. Die genaue Lage der Risse kann mit Means of Fracture Mechanics and Finite Elements, Cement
der gewählten Elementlänge von 30cm nicht ermittelt and Concrete Research, 6, 773-782.
werden. Außerdem ist es möglich, dass ein Element Lauritzen, L. u.a. (1972), Autobahnbrücke über die Mosel
von mehr als einem Riss durchquert wird, womit der bei Dieblich-Winningen - Dokumentation über die Planung
Ansatz der verschmierten Risse nicht mehr korrekt ist. und Ausführung, Kirschbaum Verlag, Bonn
Vergleichsberechnungen an kleineren Modellen zeig- Mander, J.B., Priestley, M.J.N., Park, R. (1988), Theoretical
stress-strain model for confined concrete, Journal of Struc-
ten bei einer Elementlänge von bis zu 5cm gute Über-
tural Engineering (ASCE), 111, 1804-1826.
einstimmung mit Versuchsergebnissen. Hierdurch
Roelfstra, P.E., Wittmann, F.H. (1986) Numerical Method to
konzentriert sich die Schädigung auf kleinere Berei-
Link Strail Softening with Failure of Concrete (163-175),
che wodurch auch dem Verbund eine größere Rolle Fracture Toughness and Fracture Energy of Concrete (ed.
zukommt und ein stabileres numerisches Verhalten Wittmann, F.H.), Elsevier, Amsterdam
u.a. aufgrund einer abgeflachten Steigung bei der Salse, E. A. B., Fintel, M. (1973), Strength, Stiffness and
Zugentfestigung bewirkt wird. ductility Properties of slender Shear Walls, Proceedings of
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Curve of Reinforced Concrete Members under Cyclic Load,
Proceedings of the 7th WCEE, Istanbul, 509-516.

76
Beurteilung der Erdbebensicherheit von bestehenden Strassenbrücken

Thomas Wenk
Wenk Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik GmbH, Zürich

1 EINLEITUNG 2 NORMENENTWICKLUNG
Die meisten Brücken des schweizerischen National- Die Entwicklung der Erdbebenbestimmungen in den
strassennetzes sind vor dem Inkrafttreten moderner SIA-Normen lässt sich in vier Zeitabschnitte untertei-
Erdbebennormen erstellt worden. Sie sind entweder len:
überhaupt nicht oder aus heutiger Sicht nur unzurei- –– vor 1970: noch keine Erdbebenbestimmungen
chend für Erdbebeneinwirkung bemessen worden. –– 1970 –– 1989: Norm SIA 160, Ausgabe 1970 mit
Abb. 1 zeigt die Altersstruktur der 3350 Brücken des Bauweisen- und frequenzunabhängiger horizonta-
Nationalstrassennetzes gegliedert nach Baujahr in ler Beschleunigung von 2% bzw. 5%
drei Zeitabschnitte entsprechend der Entwicklung der –– 1989 –– 2003: Norm SIA 160, Ausgabe 1989 mit
Erdbebennormen in der Schweiz. Nur rund 10% der Zonenkarte, Antwortspektren, bauweisenspezifi-
Brücken sind nach modernen Erdbebennormen seit scher Verformungsbeiwert, Absturzsicherung für
1990 gebaut worden. Brückenträger sowie Gebrauchstauglichkeitsnach-
Parallel zur Verschärfung der Erdbebennormen hat weis für Bauwerksklasse III
in den letzten Jahren die Akzeptanz von Unterbrüchen –– seit 2003: Normen SIA 260 bis 267 mit
der Infrastrukturnetze immer mehr abgenommen. Dies modernen Erdbebenbestimmungen basierend auf
führte zu einem Nachholbedarf bezüglich Erdbebensi- dem Eurocode 8, Kapazitätsbemessung und neuer
cherung von bestehenden Brücken und anderen Zonenkarte.
Bauwerken. Es muss davon ausgegangen werden,
dass eine gewisse Anzahl der bestehenden Brücken Als repräsentative Kenngrösse für die geschichtliche
eine ungenügende Erdbebensicherheit aufweist. Um Entwicklung der anzusetzenden Erdbebenkräfte ist in
diese kritischen Bauwerke mit begrenztem Aufwand
aus der Gesamtheit der Brücken herausfiltern zu kön-
nen, wird ein einfaches Beurteilungsverfahren in 2
Stufen vorgestellt. Das Verfahren beruht primär auf
einer Analyse bekannter Schwachstellen von Brücken
und ist auf die in der Schweiz vorherrschende niedrige
bis mittlere Seismizität ausgerichtet.

vor 1970
1970 bis 1990
seit 1990

Abb. 2: Geschichtliche Entwicklung des Ersatzkraftindexes


Abb. 1: Altersstruktur der 3350 Brücken des schweizeri- für duktile und nicht-duktile Stahlbetonbrückenstüt-
schen Nationalstrassennetzes gegliedert nach Erd- zen der Bauwerksklassen II und III bei Baugrund-
bebennormengenerationen klasse B in der Zone Z3b

77
T. Wenk

Abb. 3: Einfluss der Erdbeben-Normengeneration auf das


Schadensausmass von 233 Brücken im Haupt-
schadensgebiet des Erdbebens von Northridge bei
Los Angeles in Kalifornien

Abb. 2 der Ersatzkraftindex für eine horizontal relativ


steife Brücke (d.h. die massgebende Eigenfrequenz
fällt in den Bereich der maximalen Amplifikation der
Antwortspektren der Beschleunigung) graphisch dar-
gestellt und zwar für Bauwerksklassen II und III und
für mittelsteifen Baugrund gemäss SIA 160 resp.
Baugrundklasse B gemäss SIA 261 in der Zone Z3b. Abb. 4: Absturz eines Brückenträgers beim Erdbeben von
Der Ersatzkraftindex ist definiert als das Verhältnis der Kobe, Japan 1995
totalen horizontalen Ersatzkraft auf Bemessungsni-
veau zum massgebenden Gewicht (Dauerlasten plus
einem Anteil der Nutzlasten). Zwei Trends prägen den 3 TYPISCHE SCHADENBILDER
generellen Verlauf des Ersatzkraftindexes in Abb. 2: Der Absturz des Brückenträgers in Längsrichtung von
Erstens nimmt das Niveau stetig zu und zweitens wird zu kurzen Auflagerbereichen ist das typische Scha-
die Differenzierung zwischen unterschiedlichen Bau- denbild von Balkenbrücken (Abb. 4). Brücken, die aus
weisen immer stärker. einfachen Balken bestehen, wie z.B. Balkenbrücken,
Zum Nachweis des Nutzens des modernen Erdbe- vorfabrizierten Trägern sind besonders anfällig auf
beningenieurwesens eignen sich Schadenstatistiken einen Trägerabsturz bei Erdbeben. Auch Durchlauf-
jüngerer Starkbeben in Industrieländern, falls die Bau- träger können bei den Widerlagern, bei Gerbergelen-
vorschriften eingehalten worden sind. Als Beispiel ken oder bei Dilatationsfugen auf Zwischenstützen
wird das Northridge-Erdbeben im Jahre 1994 bei Los (Abb. 5) abstürzen. In Abb. 5 ist der Brückenträger bei
Angeles in Kalifornien aufgeführt (Abb. 3). Von insge- einer Dilatationsfuge glücklicherweise von den Lagern
samt 3533 Brücken im Hauptschadensgebiet wurden nur auf die Auflagerbank des Stützenjochs herunter-
233 beschädigt. Das Schadenbild dieser 233 Brücken gefallen und konnte gerettet werden.
lässt einen starken Einfluss der Erdbeben- Der Absturz des Brückenträgers führt meist zu ei-
Normengeneration auf das Ausmass der Schäden nem Totalschaden mit entsprechend lange dauern-
erkennen (Basöz et al. (1999)). Dabei ist besonders dem Unterbruch bis die Brücke wieder repariert oder
zu beachten, dass Brücken, die nach der modernen eine Ersatzbrücke befahrbar ist. Fällt der Brückenträ-
kalifornischen Normengeneration ab dem Jahre 1981 ger nur von den Lagern auf die Auflagerbank herunter
ausgelegt oder nachträglich entsprechend verstärkt (Abb. 5), so kann die Brücke oft mit beschränktem
wurden, nur leicht beschädigt wurden. Aufwand wieder angehoben werden. Vor allem ist
dann eine relativ rasche Wiederinbetriebnahme auf
provisorischen Lagern möglich.

78
Beurteilung der Erdbebensicherheit von bestehenden Strassenbrücken

Abb. 5: Brückenträger von den Lagern auf das Stützenjoch


gefallen. Erdbeben von Kobe, Japan 1995

Die feste Längslagerung des Brückenträgers genügt


nicht als Absturzsicherung, da die Hin- und Herbewe-
gung im Lagerspiel des festen Lagers zu sehr hohen
Abb. 6: Einsturz von Stahlbetonbrückenstützen beim
Anprallkräften führen kann, die das Lager zerstören
Erdbeben von Kobe, Japan 1995
können. Anschliessend besteht die Gefahr, dass der
Brückenträger abstürzt, falls keine weiteren Mass-
Besonders gefährdet sind dabei hohe Widerlager-
nahmen zur Absturzsicherung vorgesehen sind.
wände, da bereits kleine Fundamentverdrehungen zu
Bereits mit relativ einfachen Massnahmen bei den
grossen horizontalen Verschiebungen der Auflager-
Auflagerbedingungen kann eine gute Sicherheit ge-
bank bis zum Absturz des Brückenträgers führen kön-
gen Trägerabsturz erzielt werden. In Brückenlängs-
nen.
richtung sind die Abmessungen der Auflagerbereiche
auf die Bewegungen des Brückenträgers zwischen
4 METHODIK DER BEURTEILUNG
den Widerlagern auszulegen. In Brückenquerrichtung
können Schubnocken als Absturzsicherung vorgese- Für die Beurteilung der Erdbebensicherheit bestehen-
hen werden. der Strassenbrücken wird eine Methodik in zwei Stu-
Das zweite typische Schadenbild bei Balkenbrü- fen vorgeschlagen:
cken sind Schäden an den Brückenstützen, die bis –– 1. Stufe
zum Einsturz führen können. Betroffen sind vor allem Checkliste mit Ablaufschema
konventionell bemessene Stahlbetonstützen mit wenig Aufwand < 1/2 Tag pro Brücke
Bügelbewehrung bzw. relativ grossem Bügelabstand –– 2. Stufe
im Vergleich zum Durchmesser der Längsbewehrung Ausführlicher Nachweis der Erdbebensicherheit
(Abb. 6). Versagen erfolgt durch einen relativ spröden Aufwand 3 bis 5 Tage pro Brücke
Bruch unter der kombinierten zyklischen Beanspru-
In der 1. Stufe werden aufgrund von einfachen Krite-
chung von Moment, Querkraft und Normalkraft. Be-
rien mit möglicht wenig Bearbeitungsaufwand diejeni-
sonders gefährdet sind relativ kurze Zwischenstützen,
gen Brücken herausgefiltert, die als genügend erdbe-
da diese einerseits infolge ihrer grossen Steifigkeit die
bensicher betrachtet werden können. Die übrigen
horizontalen Kräfte aus dem Brückenträger anziehen
Brücken gelten als vorläufige Zweifelsfälle und durch-
und andererseits infolge ihrer geringen Höhe ein un-
laufen anschliessend die aufwendigeren Untersu-
günstiges Querkraft-Momenten-Verhältnis der Bean-
chungen der 2. Stufe (Abb. 7).
spruchungen aufweisen, das häufig zu einem spröden
Die Beurteilungsmethodik ist primär für die am meis-
Schubbruch führt.
ten verbreiteten Balkenbrücken ausgelegt. Rahmen-
Bei Widerlagern können Schäden durch Setzun-
und Sprengwerkbrücken werden ebenfalls berücksich-
gen des Fundaments, der Hinterfüllung, der Damm-
tigt. Die übrigen Brückenarten, wie z.B. Bogen- oder
schüttungen und der Schleppplatte entstehen.
Schrägseilbrücken, werden direkt in die Beurteilung

79
T. Wenk

Abb. 8: Im Boden eingebettete Rahmenbrücke

he über 10 m fallen unter das 3. Kriterium ““Besondere


Schwachstellen: Lichte Höhe der Widerlagerwände
über 10 m““ und dürfen beim ersten Kriterium nicht als
genügend erdbebensicher ausgeschieden werden
(siehe Kapitel 5.3).

5.2 Absturzsicherung bei Balkenbrücken


Beim 2. Kriterium der Beurteilung der 1. Stufe ist bei
Balkenbrücken mit Durchlaufträger ohne Zwischenfu-
Abb. 7: Ablaufschema der 1. Stufe der Beurteilung der gen oder mit einem einzigen einfachen Balken die
Erdbebensicherheit von bestehenden Strassenbrü-
Absturzsicherung in Längsrichtung quantitativ auf-
cken
grund der Angaben in Ziffer 16.4.4 der Norm SIA 261
zu überprüfen. Sind die Mindestabmessungen nicht
der 2. Stufe gewiesen. Die Beurteilungskriterien sind
eingehalten, fällt die Brücke in die Beurteilung der 2.
auf die in der Schweiz vorherrschende niedrige bis
Stufe. In diesem Fall ist der Grad der Unterdeckung in
mittlere Seismizität sowie auf die Erdbebenbestim-
Prozent am kritischeren Widerlager aus dem Verhält-
mungen in den SIA-Normen ausgerichtet.
nis der Breiten der Auflagerbank bIst/bSoll zu berech-
5 BEURTEILUNGSKRITERIEN DER 1. STUFE nen und auf der Checkliste festzuhalten, um eine ein-
fache Rangliste erstellen zu können.
Die Beurteilung der 1. Stufe erfolgt mit einer Checklis- Balkenbrücken mit Gerbergelenken (Abb. 9) oder
te A4 der Reihe nach aufgrund der in den Kapiteln 5.1 Zwischenfugen über Stützen sind hier nicht weiter zu
bis 5.4 beschriebenen vier Kriterien. Der Ablauf der untersuchen. Diese werden unter dem Kriterium ““Be-
Beurteilung ist in Abb. 7 schematisch dargestellt. sondere Schwachstellen““ im Kapitel 5.3 direkt in die
Beurteilung der 2. Stufe verwiesen, da deren Überprü-
5.1 Rahmen- und Sprengwerkbrücken fung aufwendiger ist und häufiger mit zu kurzen Auf-
Im ersten Kriterium der Beurteilung der 1. Stufe wer- lagerbereichen gerechnet werden muss.
den im Boden eingebettete Rahmen- und Spreng-
werkbrücken als genügend erdbebensicher ausge- 5.3 Besondere Schwachstellen
schieden. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um Beim 3. Kriterium der Beurteilung der 1. Stufe werden
einfache monolithische Brücken ohne Fugen handelt Brücken mit besonderen Schwachstellen ausgeson-
(Abb. 8). Typisch für diesen Brückentyp ist, dass eine dert. Es handelt sich dabei in erster Linie um beson-
eigentliche Fahrbahnübergangskonstruktionen fehlt. dere Schwachstellen von Balkenbrücken, die sich in
Dafür kann eine einfache Fuge in der Fahrbahn vor- vergangenen Erdbeben als kritisch bezüglich Träger-
handen sein. Bei diesem Brückentyp ist bei stärkeren absturz erwiesen haben (Thibault 2001), (Peseshk et
Erdbeben mit Dammsetzungen unmittelbar neben der al. 1993). Weist die Brücke mindestens eine der fol-
Brücke zu rechnen, die jedoch die Befahrbarkeit nicht genden Schwachstellen auf, so wird sie in der 1. Stufe
wesentlich einschränken dürften. Besonders hohe als nicht genügend erdbebensicher ausgeschieden
Rahmen- und Fachwerkbrücken mit einer lichten Hö- und der Beurteilung der 2. Stufe zugewiesen:

80
Beurteilung der Erdbebensicherheit von bestehenden Strassenbrücken

Bauwerksklasse abgestuft. Die zu untersuchenden


Kriterien sind:
–– Absturzsicherung bei Spezialfällen wie Gerberge-
lenke, Zwischenfugen über Stützen, Rampenbrü-
cken, starke Krümmung oder Schiefe.
–– Tragsicherheit in Längs- und Querrichtung
–– Dehnwege der Lager und Fahrbahnübergänge bei
BWK III
Die Überprüfung der Absturzsicherung erfolgt ge-
mäss Norm SIA 261 analog zum Vorgehen in der 1.
Stufe. In der 2. Stufe sind nur noch die aufwendigeren
Spezialfälle zu untersuchen.
Bei Brücken der BWK III ist die Tragsicherheit für
die Bemessungssituation Erdbeben in Längs- und
Abb. 9: Beispiel für eine besondere Schwachstelle: Querrichtung nachzuweisen. Zu diesem Zweck soll
Gerbergelenk mit ungünstig kurzer Auflagerlänge
ein verformungsbasierter Nachweis gemäss Annex A
des Teils 3 des Eurocodes 8 für den Grenzzustand
–– Gerbergelenke NC (Near Collapse) durchgeführt werden (Eurocode 8
–– Zwischenfugen im Brückenträger über Stützen (2003)). Alternativ kann die Tragsicherheit auch kraft-
–– angehängte Rampenbrücken basiert mit dem Verhaltensfaktor q gemäss SIA-
–– Starke Krümmung im Grundriss (über 30°) Tragwerksnormen nachgewiesen werden, doch ist der
–– Grosse Schiefe im Grundriss (über 45°) verformungsbasierte Nachweis bei bestehenden
–– Auf Zug beanspruchte Lager (z.B. beim Widerlager) Tragwerken meist besser geeignet. Bei den Brücken
–– Lichte Höhe der Widerlagerwände über 10 m. der BWK I und BWK II ist die Tragsicherheit nur bei
diejenigen mit ungenügender Absturzsicherung und
5.4 Bauwerksklasse schwimmender Längslagerung zu überprüfen.
Die Bestimmung der Dehnwege der Lager und der
Beim 4. Kriterium werden sämtliche Brücken, die zur Fahrbahnübergänge erfolgt bei allen Brücken der
höchsten Bauwerksklasse (BWK III) gehören, apriori BWK IIII gemäss Norm SIA 261. Zu überprüfen ist, ob
als nicht genügend erdbebensicher ausgeschieden. die Bewegungen in Längs- und Querrichtung unter
Gemäss Norm SIA 261 handelt es sich bei BWK III der Wirkung des Gebrauchstauglichkeitserdbebens
um sogenannte Lifeline-Bauwerke, z.B. um Brücken aufgenommen werden können.
von grosser Bedeutung für die Zugänglichkeit eines
Gebietes nach einem Erdbeben. Bei Brücken der 7 VERGLEICH MIT BWG-METHODIK
BWK III ist neben der Tragsicherheit auch die
Gebrauchstauglichkeit für die Bemessungssituation Die Koordinationsstelle für Erdbebenvorsorge des
Erdbeben nachzuweisen, um die uneingeschränkte Bundesamts für Wasser und Geologie (BWG) entwi-
Funktionstüchtigkeit nach dem Erdbeben sicherzustel- ckelte für die Beurteilung der Erdbebensicherheit von
len. Meistens wird der Nachweis der Gebrauchstaug- bestehenden Gebäuden ein dreistufiges Konzept mit
lichkeit massgebend für die Bemessung der Dehnwe- aufsteigender Untersuchungstiefe und Aufwand pro
ge der Fahrbahnübergänge und der Lager (Wenk et Stufe (Schneider J. et. al. (2002)). In der Stufe 1 wird
al. (2003)). Da der Nachweis der Gebrauchstauglich- eine Risikokennzahl ermittelt, die eine Klassierung der
keit erst 1989 in den Normen eingeführt wurde, muss Gebäude nach Erdbebenrisiko erlaubt. Da kein direk-
bei bestehenden Brücken der BWK III davon ausge- ter Bezug zwischen der Stufe 1 der BWG-Methodik
gangen werden, dass diese Anforderungen nicht er- und normgemässer Bemessung besteht, kann kein
füllt werden. Eine genauere Überprüfung erfolgt an- präziser Grenzwert der Risikokennzahl definiert wer-
schliessend in der Beurteilung der 2. Stufe. den, der erdbebensichere von nicht erdbebensicheren
Gebäuden trennt. Infolgedessen können in der Stufe 1
6 BEURTEILUNGSKRIERIEN DER 2. STUFE nur gerade die offensichtlich erdbebensicheren Ge-
bäude herausgefiltert werden.
Diejenigen Brücken, die in der Beurteilung der 1. Stu- Der Bearbeitungsaufwand der ersten Stufen bei Ge-
fe als nicht genügend erdbebensicher ausgeschieden bäuden und Brücken ist etwa gleich gross. Doch er-
sind, durchlaufen anschliessend die aufwendigere 2. möglicht die Beurteilung der 1. Stufe bei Brücken im
Stufe. Die Bearbeitungstiefe der 2. Stufe ist nach der

81
T. Wenk

Gegensatz zum BWG-Konzept eine bessere Abgren- me und die Überwachung der Bauten. Schweizerischer
zung zwischen genügender oder ungenügender Erd- Ingenieur- und Architekten-Verein, Zürich.
bebensicherheit insbesondere aufgrund des rechneri- SIA 160 (1989), Norm SIA 160: Einwirkungen auf Tragwer-
ke. Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein,
schen Einbezugs der Absturzsicherung.
Zürich.
Beim möglichen Schadensausmass spielen bei Brü-
SIA 261 (2003), Norm SIA 261: Einwirkungen auf Tragwer-
cken im Gegensatz zu Gebäuden die zeitliche Perso-
ke. Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein,
nenbelegung und der Ersatzwert eine untergeordnete Zürich.
Bedeutung. Wichtiger ist die Funktion der Brücke als Thibault C. (2001), Méthode d’’évaluation préliminaire du
Verbindungsglied in einem Strassenzug. Eine Diffe- risque sismique sur les ouvrages d’’art existants. Ministère
renzierung der Brücken bezüglich der möglichen Fol- de l’’Equipment, des Transports et du Logement, Paris.
gen eines Einsturzes erfolgt deshalb einzig über die Wenk T. & Lestuzzi P. (2003), Erdbeben. Grundlagen der
Einstufung in eine Bauwerksklasse gemäss Norm SIA Projektierung von Tragwerken, Einwirkungen auf Tragwerk.
261. Dokumentation D 0181: Einführung in die Normen SIA 260
und 261. Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-
Verein, Zürich.
8 AUSBLICK
Die vorgestellte Beurteilungsmethodik für bestehende
Strassenbrücken soll vorerst im Rahmen von Probe-
anwendungen überprüft werden. In einem ersten
Schritt soll der Brückenbestand in einigen wenigen
Kantonen durch die 1. und 2. Stufe der Methodik be-
urteilt werden. Anschliessend wird aufgrund der ge-
sammelten Erfahrungen eine kritische Überprüfung
und allfällige Anpassung der Beurteilungskriterien
erfolgen, bevor die Brücken in den übrigen Kantonen
bearbeitet werden. In einem weiteren Schritt sind bei
den als ungenügend erdbebensicher eingestuften
Brücken Ertüchtigungsmassnahmen vorgesehen.

9 VERDANKUNG
Die Erarbeitung dieser Beurteilungsmethodik für Brü-
cken wurde durch das Bundesamt für Strassen (AST-
RA) gefördert. Die fachliche Unterstützung durch die
Herren M. Donzel und W. Schuler von der Sektion
Kunstbauten des ASTRA und die Finanzierung wird
herzlich verdankt.

LITERATUR
Basöz N.I., Kiremidjian A.S., King S.A. & Law K.H. (1999),
Statistical Analysis of Bridge Damage Data from the 1994
Northridge, CA, Earthquake. Earthquake Spectra, Vol. 15,
No. 1., Earthquake Engineering Research Institute (EERI).
Eurocode 8 (2003), Design provisions for earthquake re-
sistance of structures - Part 3 Strengthening and repair of
buildings. Europäische Norm prEN 1998-3, Draft No. 4,
Brüssel.
Pezeshk S., Chang T.S., Yiak K.C. & Kung H.T. (1993),
Seismic Vulnerability Evaluation of Bridges in Memphis and
Shelby County, Tennessee. Earthquake Spectra, Vol. 9, No.
4., Earthquake Engineering Research Institute (EERI).
Schneider J., Kölz E. & Bürge M. (2002), Beurteilung der
Erdbebensicherheit eidgenössicher Bauwerke. Bundesamt
für Wasser und Geologie (BWG), Biel.
SIA 160 (1970), Norm SIA 160: Einwirkungen auf Tragwer-
ke. Normen für die Belastungsannahmen, die Inbetriebnah-

82
Optimierung von Sicherheitsmaßnahmen gegen Erdbeben auf der Basis
moderner Risiko-Akzeptanz-Kriterien

Dimitris Diamantidis1, Gerald Faschingbauer2 und Raimar J. Scherer2


1
Fachhochschule Regensburg, Fachbereich Bauingenieurwesen
2
Technische Universität Dresden, Lehrstuhl für Computeranwendung im Bauwesen

1 ABSTRACT rungen und Risiko-Bewertungs-Grundlagen) optimiert


Zur Durchführung eines Erdbeben-Risiko- werden.
Managements wird hier eine Methode aufgezeigt, die
2 EINFÜHRUNG
die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Risiko-
Akzeptanz-Kriterien sowie die Abhängigkeiten zwi- Aufgrund der internationalen wirtschaftlichen Entwick-
schen Erdbebenintensität und Tragwerksschaden lungen sind sowohl staatliche, kommunale als auch
berücksichtigt. Ziel ist die Optimierung von Sicher- private Gesellschaften in den letzten Jahren, vor allem
heitsmaßnahmen gegen Erdbeben. auch im Bausektor, immer mehr dazu übergegangen,
Die Methode besteht aus vier Schritten: Kosten und Nutzen von Investitionen einer strengen
a) Probabilistische Interpretation der Erdbeben- Analyse zu unterziehen. Ein wesentlicher Aspekt ist
intensität: Die stochastische Bodenbeschleunigung für hierbei auch die kostenoptimale Auslegung von Si-
eine spezifische Region wird als Funktion ihrer Ein- cherheitsmaß-nahmen gegen Erdbeben in erdbeben-
flussfaktoren, wie z.B. Herdgeometrie, Magnituden- gefährdeten Gebieten. Bei der Festlegung dieser
Modell (einschließlich Unsicherheit der maximal mög- Maßnahmen treten jedoch Schwierigkeiten auf: Ob-
lichen Magnitude), Auftretenshäufigkeit, Modellunsi- wohl die Intensität und die Häufigkeit von Erdbeben
cherheit dargestellt. b) Probabilistische Festlegung näherungsweise ermittelt werden können, ist es
der Korrelation zwischen Erdbeben-intensität und schwierig –– wenn nicht unmöglich –– den Zeitpunkt und
Tragwerksschaden: Festgestellte Schäden aus bisher die Intensität eines Erdbebens vorherzusagen. Ferner
beobachteten Erdbeben werden zur Erstellung der ist es schwierig, die Auswirkungen eines definierten
Schadens-Wahrscheinlichkeits-Matrix für verschiede- Erdbebens auf ein bestimmtes Tragwerk zu spezifizie-
ne Bauwerks-Klassen herangezogen. c) Formulierung ren. Um die Wirkungen eines Erdbebens und die dar-
von Risiko-Akzeptanz-Kriterien, auf der Grundlage aus resultierenden Schäden einer Berechnung zu-
des Prinzips des LQI (Life-Quality-Index): Bei der gänglich zu machen, ist eine hohe Anzahl an Einflüs-
Anwendung dieser Methode können für einen spezifi- sen zu berücksichtigen. Zudem ist die Effektivität von
schen Wirtschaftsraum die optimalen, akzeptablen Sicherheitsmaßnahmen nur schwer quantifizierbar.
Kosten (ICAF, Optimum Acceptable Implied Costs of Ziel dieses Beitrags ist es, eine einfache Methode
Averting a Fatality) ermittelt werden, die eine Volks- für eine Kosten-Nutzen-Analyse darzustellen, die die
wirtschaft zu investieren bereit ist um ein Menschen- Schätzung optimaler Präventivmaßnahmen (z.B. Be-
leben zu retten. d) Optimierung der Sicherheitsmaß- messungsbeschleunigung für seismische Bemes-
nahmen auf der Basis der vorgenannten Risiko- sung) erlaubt und Entscheidungs-Kriterien für die
Akzeptanz-Kriterien: Sicherheitsmaßnahmen gegen kosten-optimale Implementierung ausmaß-mindernder
Erdbeben, wie Präventivmaßnahmen (seismische Maßnahmen liefert.
Bemessung unter Berücksichtigung von Sicherheits-
faktoren) oder ausmaßmindernde (kurative) Maßnah- 3 PROBABILISTISCHE BETRACHTUNG DER
men (Rettungsmaßnahmen) können durch einen Ver- ERDBEBENINTENSITÄT
gleich der Maßnahmen-Kosten mit der Kosteneinspa- Die Erdbeben-Gefahr bezieht sich auf die Häufigkeit
rung durch Risiko-Reduzierung (basierend auf Erfah- mit welcher Erdbeben mit einer definierten Magnitude
in einer bestimmten Region auftreten. Die weltweiten

83
D. Diamantidis, G. Faschingbauer und R. J. Scherer

Erdbeben-Datenbanken können als Datenbasis für die


HYPOCENTRAL DISTANCE
näherungsweise Ermittlung der Wiederkehr-Raten 0 km 10 km 20 km 30 km 40 km 50 km 60 km 70 km 80 km
verwendet werden. Diese Schätzungen werden durch 0,10

die Einbeziehung regionaler Seismizitätsmodelle und


ortsspezifischer Verwerfungsdaten verfeinert. Örtlich
angepasste Abminderungsgesetze für die horizontale

PEAK GROUND ACCELERATION


Spitzenbodenbeschleunigung werden schließlich in
die Gefahrenbeurteilung mit einbezogen.
Der gewöhnliche Ausdruck zur Beschreibung der
Auftretenswahrscheinlichkeiten mit einer bestimmten
Magnitude ist die „„Magnituden-Häufigkeits-Formel““
nach Gutenberg und Richter (Gutenberg et al.
(1944)). Berücksichtigt man nur den Bereich von in-
genieurmäßigem Interesse, ML ≤ M ≤ MU, folgt daraus,
dass die Magnitude M in einer Region einer gestutzte
Exponentialverteilung folgt. Die Summenhäufigkeits- 0,01
verteilung ist somit:
Donovan (1973) McGuire (1974)

1 − e −β ( M − M )
F (M ) =
L
Esteva & Villaverde Milne & Davenport (1969)
(1) (1973)
1 − e −β ( M − M )
U L
Davenport (1972) Katayama & Saeki (1978)

hierbei ist F(M) die Wahrscheinlichkeit, dass die Mau & Kao (1978) Donovan & Bornstein(1997)

Magnitude M nicht überschritten wird, ML ist die Ahorner & Rosenhauer Makropoulos (1978)
(1975)
kleinste Magnitude von ingenieurmäßigem Interesse Sabetta and Pugliese
(1987)
(i.a. ML=4.0), MU ist die größte für das jeweilige Gebiet
zu erwartende Magnitude, β ist eine ortsspezifische
Konstante. Abb. 1: Zusammenstellung von Abminderungsgesetzen für
Um die Bodenbewegung am Beobachtungsort zu Magnitude M=5.0
erhalten, ist eine Beziehung zwischen seismischen
Informationen (Magnitude) und Spitzenboden- In vielen Regionen sind jedoch Verwerfungen und
beschleunigung (PGA), in Abhängigkeit von der Hy- deren Aktivität nicht bekannt. In solchen Fällen kann
pozentral- oder Epizentraldistanz anzunehmen. Diese die Horizontaldistanz R vom Herd zum Beobachtung-
Beziehungen werden Abminderungsgesetze genannt. sort unter der Annahme ermittelt werden, dass die
Viele von ihnen sind in der Literatur zu finden (vgl. Erdbebenherde über Regionen mit homogener Seis-
auch Abb. 1). mizität (seismotektonische Provinzen) gleichverteilt
Die allgemeine Formulierung eines Abminde- sind. Zur vereinfachten Berechnung können diese
rungsgesetzes ist wie folgt: seismotektonischen Provinzen als Ringsegmente
betrachtet werden.
A = b1 ⋅ e b ⋅M ⋅ (∆ + k )
− b3
2
⋅εA (2)
Erdbeben ereignen sich in guter Näherung als
Hierin ist A die horizontale Spitzenbodenbeschleuni- Poisson-Prozess mit einer mittleren Ereignisrate ν.
gung als Anteil der Erdbeschleunigung g. ∆ ist die Die Überschreitenswahrscheinlichkeit P[A≥a] in einer
Hypozentraldistanz, k ist ein empirischer Faktor zur Referenzzeit T ergibt sich als:
Modifikation der Distanz, die bi sind Abminderungsko-
P[A ≥ a ] = 1 − e − ν⋅TP '[ A≥ a ] (3)
effizienten und εA ist ein lognormaler Fehlerterm, der
die Modellunsicherheiten der Gesetze berücksichtigt. Hier ist P’’[A≥a] die Wahrscheinlichkeit, dass bei ei-
Leider ist bei vielen Abminderungsgesetzen die Mo- nem Erdbeben in einem Gebiet die Spitzenbodenbe-
dellunsicherheit nicht mit angegeben, aber i. A. ist schleunigung A größer oder gleich einem Wert a ist.
µ(εA)=1 und der Variationskoeffizient V(εA) ist i.d.R. P’’[A≥a] wird auf der Basis der Abminderungsgesetze
größer als 0.20. unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeitsvertei-
Die Hypozentraldistanz ist von der Herdgeometrie lungen von M, ∆ und εA ermittelt.
abhängig. Bei ausgeprägten Verwerfungen kann der Sehr wichtig ist die statistische Unsicherheit bei
Herd an jedem Punkt der Verwerfung mit gleicher der Einschätzung der Erdbebenereignisrate ν. In Fäl-
Wahrscheinlichkeit angenommen werden. len wo die Beobachtungen nur einen kurzen Zeitraum
umfassen, oder wenn es sich um ein Gebiet mit relativ

84
Optimierung von Sicherheitsmaßnahmen gegen Erdbeben

geringer seismischer Aktivität handelt, wird ein Bay- Damage state and Damage Injury Life loss
es’’sches Model zur Beschreibung der Unsicherheiten symbol ratio (%) ratio (%) ratio (%)
von ν empfohlen. Für die mittlere Ereignisrate ν wurde central central central
der folgende vereinfachte Ausdruck vorgeschlagen value value value
(Benjamin (1968)):

§ · NONE –– 0 0 0 0
¨ ¸
¨ 1 ¸ LIGHT –– L 0.3 0 0
− νT = ln¨ n +1 ¸
(4)
¨ §¨1 + T ·¸ ¸ MODERATE –– M 5 1 0
¨ τ ¹ ¸¹
©© HIGH –– H 30 2 0.25
wobei n der Anzahl von beobachteten Erdbeben im TOTAL - T 100 10 1
Beobachtungszeitraum τ entspricht. T ist der Bezugs-
zeitraum (normalerweise T = 1 Jahr) COLLAPSE - C 100 100 20
Weiterhin müssen grundsätzlich verschiedene po-
Tabelle 1: Zusammenhang zwischen Schadensrate am
tentielle Erdbebenquellen simultan berücksichtigt Tragwerk und Verletzten-/Todesrate
werden. Wenn z.B. ein Standort durch mehrere seis-
motektonische Gebiete betroffen ist, erhält man die Verletzten-/Todesrate. Selbstverständlich sind bei
Wahrscheinlichkeit P[A≥a] durch: dem Tragwerksversagen von Lifelines auch die To-
m desfälle zu berücksichtigen, die sich aufgrund des
P[ A ≥ a ] = 1 − ∏ (1 − P [A ≥ a])
i (5) Ausfalls und der daraus resultierenden Unterbrechung
i =1
des Rettungsweges ergeben. Die Ermittlung dieser
wobei m die Anzahl der potentiellen seismotektoni- Zahl ist jedoch schwierig und nur näherungsweise
schen Gebieten (Erdbebenquellen) und Pi[A≥a] die durch Ereignisbaumanalysen einschätzbar.
Überschreitenswahrscheinlichkeit für jede Quelle ist.
Nähere Informationen zur Ermittlung der Seismischen 5 RISIKO-AKZEPTANZ-KRITERIEN
Gefährdung, einschließlich der Parameter für die Ab- In den letzten Jahren haben die Methoden zur Risiko-
minderungsgesetze, sind im JCSS Probabilistic Model analyse zunehmende Akzeptanz in vielen technischen
Code, Section 2.17 Earthquake, unter Disziplinen gewonnen. Ein grundsätzlicher Konsens
http://www.jcss.ethz.ch/ zu finden. wurde hinsichtlich der Definition des Risikobegriffes
erreicht, jedoch sind bei der Entscheidung über die
4 SCHADENSKATEGORIEN
Risikoannehmbarkeit unterschiedliche Kriterien zu
Die Korrelation zwischen seismischer Einwirkung beobachten. In den meisten Studien werden zwei
(repräsentiert durch die Spitzenbodenbeschleunigung Sichtweisen unterschieden:
A) und Tragwerksschaden ist ein wichtiger Bestandteil –– Die Sichtweise des Einzelnen (individuelles Risi-
bei der Optimierung von Sicherheitsmaßnahmen. Um ko), der sich aufgrund einer Abwägung zwischen
Schäden aufgrund künftiger Erdbeben einzuschätzen, dem Risiko und den direkten und indirekten persön-
ist es wichtig, zu wissen wie Tragwerke mit unter- lichen Vorteilen dazu entscheidet, eine Aktivität
schiedlicher Vulnerabilität auf Erschütterungen von durchzuführen oder zu unterlassen.
bestimmter Intensität bei früheren Erdbeben reagiert –– Die Sichtweise der Gesellschaft, (kollektives Risiko)
haben. Verfahren zur Erstellung der sogenannten steht dagegen in Abhängigkeit von der Eintrittshäu-
Schadens-Wahrscheinlichkeits-Matrix von verschie- figkeit des Unfallereignisses und der Schwere der
denen Tragwerken des Hoch- und Tiefbaues (unter erwarteten Folgen (z.B. Anzahl der Todesopfer).
anderem auch für Pipelines, Brücken und Tunnelbau- Das Problem der Risiko-Akzeptanz kann jedoch auch
werke) stehen unter als ökonomisches Entscheidungsproblem formuliert
www.app1.fema.gov/hazus/download.htm zur Verfü- werden. Bei der Ermittlung der Kosten ist zu unter-
gung. Sie sind Teil des HAZUS99-Programms der scheiden zwischen Sachschäden (Zerstörung von
Federal Emergency Management Agency (FEMA). Gebäuden und Infrastruktur, entgangener Gewinn
Neben der Schätzung des materiellen Schadens durch Nutzungsausfall) und dem Verlust von Human-
ist die Berücksichtigung menschlicher Schäden von kapital (Todesfälle, Verletzte).
großer Wichtigkeit. Tabelle 1, auszugsweise über- Während die Ermittlung der Sachschäden kein
nommen aus Lomnitz et al. (1976), zeigt den Zusam- größeres Problem darstellt, behilft man sich bei der
menhang zwischen Schadensrate am Tragwerk und Ermittlung des menschlichen Verlustes mit einer An-

85
D. Diamantidis, G. Faschingbauer und R. J. Scherer

6,00
6 RISIKOMANAGEMENT
5,13
4,87
Hier wird unter Risikomanagement ein Prozess ver-
5,00 4,67
standen, in dem angemessene Maßnahmen zur Risi-
4,00 koreduktion ausgewählt, auf ihre Wirtschaftlichkeit hin
3,55
3,17 3,12 3,10
3,23 untersucht und im fortschreitenden Planungsprozess
3,00
2,58 in das Konzept des Objektes implementiert werden.
1,95 Grundsätzlich werden zwei Arten von risikoredu-
2,00
1,59
1,46
1,22
zierenden Maßnahmen unterschieden:
1,00 0,82
0,63
0,78 –– Präventivmaßnahmen
0,37
–– Ausmaßmindernde (kurative) Maßnahmen
0,00
Italy

Uruguay
Turkey
Czech Republik

Netherlands

Switzerland
Germany

Iran

United Kingdom
Argentina

Brazil
Austria

Greece

Japan
Canada

Spain

USA
6.1 Präventivmaßnahmen
Präventivmaßnahmen sind alle Maßnahmen, die ein
bestimmtes Ausmaß einer möglichen Katastrophe
Abb. 2: ICAF in Millionen US$, basierend auf Daten aus verhindern sollen. Beispiele für Präventivmaßnahmen
2001 sind:

näherung auf der Basis des LQI (Life Quality Index). –– Flächennutzungsplanung
Die Strategie basiert auf einem Sozial-Indikator, der –– Seismische Bemessung
die Qualität des Lebens in Abhängigkeit von Bruttoso- –– Konstruktive Ausbildung
zialprodukt, Lebenserwartung und Lebensarbeitszeit
beschreibt. Der Lebensqualitätsindex L (Nathwani et Bei der Planung der Präventivmaßnahmen darf der
al. (1997), Rackwitz (2001)) ist ein zusammengesetz- wirtschaftliche Aspekt nicht vernachlässigt werden.
ter Sozial-Indikator, der als monoton steigende Funk- Technische Anlagen sollen wirtschaftlich optimal ges-
tion zweier Sozial-Indikatoren definiert ist: dem Brut- taltet werden. Dies ist durch eine Bemessungspara-
tosozialprodukt pro Einwohner und Jahr, g, und der meter-Optimierung im Rahmen einer Kosten-Nutzen-
Lebenserwartung bei der Geburt, e. Analyse möglich. Das Ziel einer Kosten-Nutzen-
Analyse ist die Minimierung der Gesamtkosten Ct
L = g w e1− w (6)
durch Anwendung eines entsprechenden Bemes-
Der Exponent w ist der Anteil des Lebens, der in einer sungsparameters zur Seismischen Bemessung oder
Erwerbstätigkeit verbracht wird. In wirtschaftlich ent- Investitionen in andere Sicherheitsmaßnahmen. Die
wickelten Ländern kann w≈1/8 angenommen werden. Gesamtkosten Ct können unter der Annahme, dass
Von diesem Lebensqualitätsindex können die op- das Objekt nach einmaligem Versagen wieder errich-
timalen Kosten ICAF (optimum acceptable imlied tet wird und danach innerhalb der geplanten Nut-
costs of averting a fatality) für die Rettung von Men- zungsdauer nicht mehr versagt, wie folgt ermittelt
schenleben abgeleitet werden: werden:

ge 1 − w Ct = Ci + p f ⋅ C f (8)
ICAF = (7)
4 w
wobei Ci die Gesamt-Investitionskosten (Baukosten
Es ist zu berücksichtigen, dass dieser ICAF nicht den CB und Kosten für Präventivmaßnahmen Cs,p), pf die
Wert eines Menschenlebens darstellt. Es handelt sich Versagenswahrscheinlichkeit und Cf die Versagens-
hierbei auch nicht um eine mögliche monetäre Kom- kosten (Sachschäden, Personenschäden und Wie-
pensation für die Angehörigen der Verunglückten. derherstellungskosten) sind. Das Produkt aus pf und
Vielmehr repräsentiert der ICAF den Betrag, den eine Cf wird als Risiko R bezeichnet.
Volkswirtschaft zu investieren bereit sein sollte, um Das Objekt, das mit einer bestimmten Wahrschein-
ein Menschenleben zu retten. Abb. 2 stellt ICAF- lichkeit nach einiger Zeit versagen wird ist jedoch im
Werte für einige Länder gegenüber. Entscheidungszeitpunkt (z.B. t=0) zu optimieren. D.h.
Sie reflektieren die sozio-ökonomischen Verhältnisse für alle zukünftig entstehenden Kosten muss der ak-
des jeweiligen Landes und variieren beträchtlich zwi- tuelle Barwert ermittelt werden. In der Praxis ist der
schen den verschiedenen Staaten. folgende dekursive (nachschüssige) Abzinsungsfaktor
(Diskontierungsfaktor) anwendbar:

86
Optimierung von Sicherheitsmaßnahmen gegen Erdbeben

δ(t ) =
1
(9) ϕ=
(1 + γ r )t − 1 (12)
(1 + γ r )
t
(1 + γ r )t ⋅ γ r
Hierin ist γr der reale Zinssatz und t die Diskontie- Damit ergibt sich der Rentenbarwert Cs,k der kontinu-
rungszeit. Der reale Zinssatz wird mit der Beziehung ierlichen Investitionen im Entscheidungs-zeitpunkt t=0
1+ γn zu:
1− γr = (10)
1+ i
C s ,k = C a ⋅ ϕ = C a ⋅
(1 + γ r )t − 1 (13)
ermittelt. γn ist der nominelle Zinssatz, i entspricht der (1 + γ r )t ⋅ γ r
Inflation.
Große Unsicherheiten ergeben sich in der Ab- Damit die geplante Sicherheitsmaßnahme wirtschaft-
schätzung der Zeit t. Die Wahrscheinlichkeit, mit der lich sinnvoll ist, muss dieser Wert Cs,k kleiner sein, als
ein definiertes Erdbeben innerhalb eines Nutzungs- die Risikoreduzierung ∆R, die sich aus der Implemen-
zeitraums T auftritt, kann durch probabilistische An- tierung der Maßnahme ergibt. Selbstverständlich ist
sätze (vgl. Kapitel 3) ermittelt werden. Der zu erwar- auch ∆R in den Entscheidungszeitpunkt zu diskontie-
tende Zeitpunkt eines Erdbebens hingegen kann ren. Es ergibt sich somit die Forderung:
höchstens erraten oder - unter dem Hintergrund, dass C s ,k ≤ ∆R ⋅ δ(t ) (14)
die Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis mit der Zeit-
dauer, in der das Ereignis nicht eingetreten ist zu-
nimmt - grob geschätzt werden. Mit Formel (9) lässt 6.3 Kombination von präventiven und ausmaß-
sich Formel (8) erweitern zu: mindernden Maßnahmen

Ct = Ci + p f ⋅ C f ⋅ δ(t ) (11) Werden sowohl präventive als auch ausmaßmindern-


de Maßnahmen eingesetzt, ergibt sich folgende For-
Formuliert man das Risiko R und die Kosten für Prä- derung, mit ǻR der Risikoreduzierung infolge der be-
ventivmaßnahmen Cs,p in Abhängigkeit von einem trachteten Maßnahmen:
Parameter a (z.B. Bemessungsparameter), so erhält C s , p + C s ,k ≤ ∆R ⋅ δ(t ) (15)
man durch Optimierung von a die minimalen Gesamt-
kosten Ct. Ausführliche Ansätze zur Optimierung von
Präventivmaßnahmen sind auch in Rackwitz (2001) 7 SCHLUSSFOLGERUNG UND AUSBLICK
zu finden.
In diesem Beitrag wurde eine Methode zur Optimie-
rung von Sicherheitsmaßnahmen gegen Erdbeben
6.2 Ausmaßmindernde Maßnahmen
aufgezeigt. Einzelne Elemente dieser Methode bedür-
Ausmaßmindernde Maßnahmen sind Maßnahmen, fen noch einer vertieften Ausarbeitung. So ist z.B. in
die nach dem Eintreten des Ereignisses kurativ wirken Zukunft die Abhängigkeit zwischen Bemessungspa-
und dadurch das Katastrophen-Ausmaß begrenzen. rameter, Einwirkung und Schaden genauer zu unter-
Einige kurative Maßnahmen sind z.B.: suchen. Auch die Schadenskosten aus Todesfällen
und Verletzten bedürfen noch einer genaueren Be-
–– Katastrophenplanung trachtung. Eine weitere große Unbekannte ist die Ri-
–– Katastrophensimulation sikoreduzierung durch ausmaßmindernde Maßnah-
–– Notfall-Management men. Wenn diese Elemente genauer beschrieben
–– Training für Rettungsmannschaften werden können, steht hiermit ein gutes Werkzeug zur
–– Schulung der Bevölkerung, Information Optimierung von Sicherheitsmaßnahmen und zur
–– medizinische Einsatzbereitschaft rationalen Begründung für deren Einsatz zur Verfü-
gung.
Im Gegensatz zu den meisten Präventivmaßnah-
men entstehen bei ausmaßmindernden Maßnahmen LITERATUR
die Kosten mehr- oder weniger kontinuierlich über die Ahorner, L. & Rosenhauer, W. (1975), Probability Dsitributi-
Nutzungsdauer des Objektes verteilt. Die konstanten on of Earthquake Accelerations with Applications to Sites in
jährlichen Zahlungen (=Renten) Ca sind durch einen the Northern Rhine Area, Central Europe, Journ. Geophys.,
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88
Innovative Anti-seismic Devices for Bridges

Agostino Marioni
ALGA S.p.A., Milano

1 INTRODUCTION
According to the current codes adopted in several
countries, structures may suffer even severe damages
under strong external dynamic loading such as earth-
quakes, provided that collapse is prevented. Thus, the
conventionally founded and constructed structures
shall be capable of undergoing significant inelastic
deformations, i.e. they shall be ductile.
However, the reduction or even the absence of
damage may be of primary importance for some types
of structures, such as:
–– structures which house high risk components and
materials (nuclear facilities, some chemical plants,
etc.); Fig. 1: Acceleration response spectrum in function of the
–– important bridges and viaducts; damping (as defined by EC8 for ground accelera-
–– important public buildings, especially those critical tion 0,8g, medium soil)
for emergency and disaster planning (hospitals,
emergency control centres, energy and communi- However, alternative design approaches were recently
cation distribution centres, etc.); developed, which considerably reduce the seismic
–– structures which are important for the national de- vulnerability of structures and are able to ensure the
fence; integrity of both structural and non-structural members
–– structures which house costly components and to very high earthquake levels. These are based on
electronic equipment; the concept of decreasing the seismic loads acting on
–– museums and historic and artistic monuments. structures, instead of increasing structural resistance.
The absence of significant seismic damage to the Based on experience, there is already an international
above-mentioned structures may be quite difficult –– consensus that, among the aforesaid alternative de-
and in some cases, impossible –– to be achieved in sign approaches, seismic isolation is already reliable
severe earthquakes if the conventional design ap- enough for a wide-ranging use for both new construc-
proach is used, which is based on the resistance of tions and retrofitting existing structures of all the vari-
the structure and as mentioned, relies on its post- ous types and in particular bridges.
elastic behaviour to make it withstand severe earth-
quakes. In particular, the prevention of damage to the 2 BASIC PRINCIPLES AND REQUIREMENTS OF
non-structural members and inner equipment and EARTHQUAKE PROTECTION
components is especially difficult by means of such an The reduction of the seismic response of a structure
approach. Also, several existing structures have been may be achieved by one of the following strategies or
found inadequate in severe earthquakes, but their by a combination of them:
retrofitting by conventional methods (strengthening) is –– Shifting the natural period of the structures to a field
frequently rather difficult and quite costly, and may not of lesser acceleration response
improve seismic resistance sufficiently. –– Dissipating energy (damping)
–– Limiting the maximum horizontal force transferred.

89
A. Marioni

Fig. 3: Typical High Damping Rubber Bearing

Fig. 2: Displacement response spectrum in function of


period and damping (as defined by EC8 for –– Combined devices
ground acceleration 0,8g, medium soil) A simplified classification, product oriented and
based on the most common types of devices could be
It is easy to understand the effects of anti-seismic the following:
devices based on the above mentioned strategies –– High Damping Rubber Bearings (HDRB)
examining a typical acceleration response spectrum –– Hysteretic Dampers (eventually combined with a
diagram. This diagram represents the behaviour of a structural bearing to form a slider)
structure under the effect of an earthquake and clearly –– Hydraulic dampers
shows that rigid structures amplify the ground accel- –– Viscous dampers
eration whilst soft ones reduce it. The diagram also –– Shock Transmission Units (eventually combined
clearly shows the influence of the energy dissipation with hysteretic dampers to allow the slow move-
in reducing the acceleration of the structure. ment of the bridge)
Quite often there is a price to be paid for any ad-
vantage got. In this case the price to be paid is the 4 HIGH DAMPING RUBBER BEARINGS (HDRB)
relative displacement that the anti-seismic devices 4.1 Basic Features of the HDRB
induce between the parts of the structure. The relative
displacements are shown in the following graph in HDRB can provide at the same time period shift and
function of the natural period of the structure. energy dissipation. They consist of alternate layers of
The diagram clearly shows the great advantage rubber and steel plates bonded by vulcanisation and
given by the energy dissipation in terms of reduction are for some aspects similar to standard elastomeric
of the displacements. Especially for bridges a high bearings, being able to support vertical loads with
value of the damping has no undesirable effects and limited or negligible deflection and horizontal loads
therefore shall be adopted in order to reduce all nec- with large deflections. The following peculiar proper-
essary clearances in correspondence of the bearings ties however characterise the behaviour of the HDRB
and the joints. that for these aspects are very different from standard
elastomeric bearings.
3 CLASSIFICATION OF ANTISEISMIC DEVICES –– The rubber compound presents damping capability.
The parameter measuring the damping capability is
The European Standard under development by CEN the equivalent viscous damping coefficient ξ that is
TC 340 adopts the following classification criterion, defined as follows:
based on the performance of the devices:
–– Rigid connection devices A
ξ= (1)
–– Permanent devices 2πkd 2
–– Temporary devices
Where: A is the area of the hysteresis loop, k is the
–– Displacement dependent devices
stiffness of the HDRB and d is the design dis-
–– Linear devices
placement. To be defined as HDRB a device should
–– Non linear devices
provide an equivalent viscous damping of at least
–– Velocity dependent devices
10%. Normally the equivalent viscous damping is a
–– Isolators
function of the displacement. In the diagram at

90
Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges

Fig. 4: Typical load deflection plot of a HDRB

Fig. 4 is given the relation damping-shear strain for


a compound developed by ALGA.
–– The rubber compound is designed in order to with-
stand very large shear deformations, much larger
than for standard elastomeric bearings. Shear de-
formations are normally measured through the an-
gle γ. For standard elastomeric bearings the allow- Fig. 5: HDRB with fixation by bolts
able value of tanγ is normally equal to 1.0 at ULS.
For HDRB under design earthquake values of tanγ
up to 2,5 (at ULS, including an increased reliability M
T = 2π (2)
factor γx as foreseen by EC8) can be accepted pro- K
vided that the isolator passes a shear bond test up
where M is the mass of the isolated structure and K is
to tanγ = 3,25.
the resultant stiffness of the isolators.
–– The rubber compound in many cases presents a
If this simplified approach is used the effect of the
very useful property for the application in the base
damping can be evaluated utilising a simplified for-
isolation of several kind of structures: the stiffness
mula given for instance in Eurocode 8.
is much higher for small deformations and is re-
duced for large deformation. This property, that is 4.2 Examples of application
normally as much higher as the damping increases
is very useful because: 4.2.1 The Bridge over the Corinth Canal in Greece
Ÿ Allows the structure to respond rigidly to low The motorway connecting Athens to Corinth crosses
excitations like wind or braking forces
the Canal with two parallel bridges for which a base
Ÿ Provides high flexibility for large excitations like
isolation system has been provided.
earthquakes
The increase of stiffness for low excitations may be Each bridge consists of a continuous pre-stressed
very important (of the order of 4 times). beam wit spans 32 + 110 + 32 meter plus two coun-
The fixation to the structure is not based on friction but terweights of 7 + 9 m. The cross section is a single
on positive connections. It is an explicit requirement in cell box girder with varying depth, decreasing from 6,0
many standards on bridge bearings (like EN 1337.1) m at the piers to 3,5 m at mid span and a width of
that the friction between bearing and structure shall be 16,5 for one bridge and 14,5 for the other (see fig. 14).
disregarded in case of dynamic actions like railways Each bridge is supported by two centre columns and
or earthquakes. two abutments.
Although the energy dissipation provided by the The bridges present a relatively high curvature in
HDRD is not high, they provide a great advantage in plan (radius 400 meters) that has a considerable in-
the design, because the structure can be modelled fluence on the seismic behaviour. The construction
with linear analysis. Furthermore, if the structure is of method was the free cantilever system. The static
regular shape it can by considered as a rigid mass scheme of the bridge and the bearing system are
with a very good approximation and the natural period shown in Fig. 6 and 7. On each column it is foreseen
T can be immediately found with the simple formula a pot bearing and on each abutment 6 High Damping
Rubber Bearings. The bearings at each abutment

91
A. Marioni

Fig. 7: Bearing layout.

Fig 6: The bridge over the Corinth canal.

were arranged in two groups of three, one group on


either side of the bridge at the maximum possible
offset in order to resist the torsional seismic effects.
With this static scheme the HDRB on the abut-
ments provide period shift and energy dissipation and
the free sliding pot bearings on the piers provide addi-
tional energy dissipation limiting the horizontal load on
the piers to a limited value.
According to the design requirements the dynamic
friction coefficient of the pot bearings had to be in-
cluded in the range 0.04 to 0.10 including the effect of
ageing etc.:
–– the lower limit was given in order to limit the bend-
ing moment in the bridge due to the transverse
earthquake; to limit the horizontal movements; to
dissipate energy in friction.
–– the upper limit was given in order to limit the Fig. 8: Scheme of the HDRB for Corinth canal bridge
horizontal force applied on top of the columns to
the maximum allowable values, dictated by tender for the ALMR project in California. The physical
geotechnical reasons. properties of the elastomer are the following
On each abutment have been foreseen 6 HDRB with –– Shore A hardness 75±3
the following characteristics (see fig. 7): –– Shear Modulus 1,4 MPa
–– Dimensions of the rubber pad 315x700x800mm –– Tensile strength 18 MPa
–– Net rubber thickness 210 mm –– Elongation at failure 500%
–– Bearing capacity 9000 kN The very high shear Modulus allows the design of
–– Shear stiffness 4,0 kN/mm the HDRB for a required shear stiffness in the most
–– Design displacement under MCE ±400 mm economical way. Besides the very high elongation at
–– Max. shear strain under MCE 190% failure allows the production of bearings that can pass
–– Equivalent viscous damping (at 100% shear strain) combined vertical and horizontal load tests up to a
16% shear deformation up to 300%, thus allowing a shear
The outstanding performance of the HDRB in deformation of 200% under design earthquake.
terms of damping and maximum shear strain were The rubber compound showed also a very good
possible thanks to a new rubber compound developed behaviour at low temperatures giving an increase of
in Alga’’s laboratories in occasion of a pre-qualification stiffness of only 70% between -20 and +40oC and can
assure a useful life of at least 60 years.

92
Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges

Fig. 11: The bridge over the Tagus in Santarem, central


part

Fig. 9: The Corinth canal bridge under construction


Fig. 12: Cross section of the bridge in correspondence of
a pier

Fig. 10: Combined vertical and horizontal load test on a


HDRD for Corinth Canal Bridge

All the HDRB supplied for the project has been


subjected to a very intensive testing program both on
row materials and complete bearings. A combined
vertical and horizontal load test has been performed
on the 100% of the bearings. In addition the ageing
resistance of the rubber has been evaluated with ac-
celerated ageing test simulating 60 years.
Fig. 13: Scheme of a HDRB for the Tagus bridge in San-
4.2.2 The Bridge over the river Tagus in Santarem
tarem
The bridge over the river Tagus in Santarem includes
a central part of 570 meter length with a cable stayed –– 2 bearings sliding in the longitudinal direction and
span of 246 meter (see fig. 11) and two access elastically restrained in the transversal direction for
bridges having respectively 35 + 54 spans of 42 meter each of the 2 piers in correspondence of the ex-
divided in sections of 8 or 9 spans from joint to joint. pansion joints
The total length of the bridge is 4308 meter and its –– 2 free sliding bearings for each of the 2 remaining
width is 28.2 meter. piers
The bridge, including the cable stayed spans, is to- In Fig. 12 is shown the cross section of the bridge in
tally supported by HDRB and represents, as far as correspondence of a pier with the two HDRB.
known by the author, the largest application in the For the main bridge consisting of 7 spans were pro-
world of this technique and the first application to a vided:
cable stayed solution. –– 20 HDRB for each of the 2 central piers
For each section of the access bridges consisting –– 2 bearings sliding in the longitudinal direction and
of 9 spans were provided: elastically restrained in the transversal direction for
–– 2 HDRB for each of the 6 central piers each of the 2 piers N. 2 and 7

93
A. Marioni

Fig. 16: The first hysteretic dampers utilised in Italy in


1980

Fig. 14: The main span of the bridge over the Tagus in
Santarem

Fig. 17: Application of the hysteretic dampers to the


bridge Fella of the Udine-Tarvisio Motorway

Hysteretic dampers based on the yield of steel pre-


sent quite great advantages:
Fig. 15: Detail of the approach ramps –– They dissipate a lot of energy
–– They are reliable
–– free sliding bearings on the remaining piers –– Maintenance free
In Fig. 13 is shown a typical scheme of the HDRB –– Non sensible to temperature variations
utilised for the bridge. The main data of the project –– Not subject to ageing
and the isolators are listed below. On the other hand however they are not re-centring
–– Design Vertical load of the HDRD 15000 kN after a major earthquake and may require their re-
–– Design displacement ± 250 mm placement. In addition they require a more complex
–– Prototype test displacement ± 344 mm design approach always implying the execution of a
–– Stiffness of the HDRB 3,3 kN/mm non linear time history analysis. For the application to
–– Shear modulus of the rubber 0,4 MPA continuous bridges the hysteretic dampers:
–– Equivalent viscous damping 10% –– Either they are installed between one abutment and
–– Natural period of the isolated structure 3,0 s the bridge deck. In this case the bridge shall be free
to move longitudinally on all piers and the entire
5 HYSTERETIC DAMPERS longitudinal force generated by the earthquake is
Hysteretic dampers utilises the yield of metals in order applied to the abutment.
to dissipate the energy of the earthquakes. They were –– Either they are distributed on all piers or some of
first developed in New Zealand in the years seventies them. In this case they shall be combined with
but the most important applications based on the yield shock transmitters that will allow the free longitudi-
of steel were done in Italy starting from the eighties. nal movement of the bridge due to slow actions like
temperature, creep and shrinkage. With this dispo-
sition there is the advantage to shear the effects of

94
Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges

Fig 18: Hysteretic dampers combined with a pot bearing


and shock transmission units
Fig. 20: The Coltano Viaduct, 10 km long, is the largest
application of the base isolation in the world

Fig. 19: Hysteretic dampers combined with a pot bearing


and shock transmission units utilised for the Via- Fig.21: Hysteresis loops of the E-shaped devices
duct Coltano in the Livorno-Civitavecchia Motor-
way
low cycle fatigue life. Examples of devices utilising the
above mentioned hysteretic dampers are given in the
the earthquake among all piers and there is the
following figures.
possibility to isolate the bridge in both longitudinal
Very frequently hysteretic dampers are combined
an transversal direction
with a bearing and with shock transmission units in
The first application of the hysteretic dampers in Italy
order to provide with the same device the following
has been done for several bridges of the Udine-
functions:
Tarvisio Motorway in the year 1980. They were de-
–– Support the vertical loads of the structure
signed for a yield force of 3600 kN and were applied
–– Allow the relative rotation of the structure
between one abutment and the bridge deck (see Fig.
–– Allow the longitudinal slow movements
16 and 17).
–– In case of earthquake dissipate the energy and
After the first application, where the devices were
shear the horizontal force among all piers
required to sustain very few yield cycles, more atten-
Examples of these combined devices are given in Fig.
tion has been paid to the so called low cycle fatigue
18 and 19.
life. The result of the wide numerical and experimental
The largest application of this kind of device has
research programs performed can be summarised in
been the Coltano Viaduct of the Livorno-Civitavecchia
the optimisation of the geometry and the steel quality
Motorway, that is also the largest application of the
of the hysteretic devices.
world measuring nearly 10 km (see Fig. 20).
Among many devices patented in Italy in the years
The Coltano viaduct is a continuous pre-stressed
eighties we can mention the so called E-shaped and
concrete beam with spans from 35 to 42 meter. There
C-shaped elements that are characterised by a uni-
is an expansion joint every 400 meter. Every bridge
form and anti-symmetric stress distribution in order to
section is equipped with pot bearings combined with
grant: high performance in terms of energy dissipa-
hysteretic dampers and, with the exception of those
tion, symmetric behaviour in all directions and high

95
A. Marioni

Fig. 24: Detail of the hysteretic dampers on pier top in the


Fig. 22: Viaduct N. 1 of the Istanbul Ankara Motorway, Viaduct N.1 of the Istanbul Ankara Motorway
near Bolu
to 10 spans for slow effects (temperature, creep and
shrinkage) and earthquake.
All the beams are simply supported by free sliding
bearings with PTFE and stainless steel sliding sur-
faces designed in order to accommodate all move-
ments due to slow effects and earthquake. The hori-
zontal loads due to wind, braking, differential friction of
the sliding bearings and earthquake are transferred to
the piers through hysteretic dampers.
The devices are based on the utilisation of C-
shaped steel elementary hysteretic dampers. Each
elementary damper consists of a steel circular arch of
variable depth in order to get uniform resistance and
Fig. 23: Multidirectional hysteretic damper therefore uniform plasticization of all sections after
yield. There is a device on top of every pier or abut-
on the central pier, shock transmission units (see Fig. ment. For each bridge section of ten spans there is
19). one device as shown in Fig. 23 that provide fixation of
The optimisation of the geometry and the use of a the bridge under service conditions in presence of
kind of steel particularly resistant to low cycle fatigue braking forces and non uniform friction of the sliding
allowed to reach a very stable performance for more bearings. The devices on all the other piers are
than 50 cycles as shown in Fig. 21. equipped with shock transmission units in parallel in
The most important application for the hysteretic order to allow the slow movements of the bridge. They
dampers however has been made in Turkey and be- connect the pier top to the bridge as shown in Fig. 24.
came famous in the world because experienced a real The structure has been modelled by finite element
earthquake, much larger than the design one, but still system, considering the actual masses and stiffness
protected the structure from the collapse. in non-cracked conditions. The soil has been mod-
There are three bridges on the Istanbul Ankara elled through elastic springs (both for rotation and
Motorway that have been designed utilising anti- translation) with stiffness in accordance with the field
seismic devices. The most important is the so called test results. The hysteretic dampers between pier tops
Viaduct N. 1 consisting of 100 spans of 39.2 meter and deck have been modelled through ““truss”” ele-
(see Fig. 22). ments with non linear material properties in accor-
All bridges are made of simply supported, prefabri- dance to the full scale test results; the friction of the
cated pre-tensioned box beams of 36 metre length. bearings has been taken into account.
There are 7 beams for each span. The spans are The design seismic forces and displacements have
connected up to a maximum of 10 through the con- been determined by means of time-history non linear
crete slab that is cast in situ over the prefabricated analysis performed with artificial accelerograms
beams. In this way the bridge acts as simply sup- matching the appropriate response spectrum as de-
ported spans for the traffic load and as continuous up fined in AASHTO ““Guide Specification for Seismic
Design of Highways and Bridges””. In accordance with

96
Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges

Fig. 25: The hysteretic damper under full scale testing

Structure Theoretical Earthquake 17/08/99


Fig. 26: Detail of the beams supports after 1 meter dis-
Earthquake 12/11/99 placement

0,4 g 0,6 g Maximum Residual


2.5
Viaduct 1 320 595 90 1
2

1000 1000
1.5

FORCE
Viaduct 2 270 501
1

Bridge 2 178 331 360 100 0.5

Table 1: Relative displacements pier –– deck (mm) 0


0 0.5 1 1.5
VELOCITY

the data provided by the Owner and the Engineer the


Peak Ground Acceleration has been considered 0,4g. Fig. 27: Force velocity plots for hydraulic dampers with
The analysis has been repeated for 7 different arti- different values of the exponent K:
K = 0,1 in black (continuous line) for viscous damp-
ficial accelerograms. The design values for forces and ers
displacements have been assumed as the mean val- K = 1 in blue (dashed line) for linear dampers
ues of the maxima obtained in the 7 simulations. K = 2 in red (dotted line) for shock transmitters
After the earthquakes the time-history non linear
analysis has been repeated for a limited number of on the structures in order to improve their resistance
cases considering a Peak Ground Acceleration of against the effects of an earthquake.
0,6g in order to have suitable data to enable further Common feature of the different types of hydraulic
considerations. The maximum relative displacements dampers is the presence of a cylinder filled with oil.
between deck and piers or abutments obtained by the The cylinder is divided into two chambers by a piston.
analysis are summarised in the following Table 1 and The device is fixed to the structure, normally through
compared with the values observed after the earth- spherical hinges, in such a way that the relative mo-
quake. vement of the structure causes the piston to move
From the Table 1 it can be seen that Viaduct N. 1 inside the cylinder. The movement of the cylinder
in the earthquake of 12/11/99 suffered an acceleration causes the oil to flow from one chamber to the other
much greater than 0.6 g. In fact the accelerometer through an hydraulic circuit. The flow of the oil causes
station located at 5 km from the bridge at Bolu regis- the behaviour of the device that is depending from the
tered a PGA over 0.8 g, so twice the design value. viscosity of the fluid and the properties of the hydraulic
Most of the viaduct had a residual displacement of the circuit.
order of 1 meter (se Fig. 26) but the energy dissipated The behaviour of a viscous damper can generally
by the hysteretic dampers was sufficient to prevent be described by the equation
the collapse of the bridge even in presence of a much
F = C ×V K + A (3)
stronger earthquake than expected.
Where:
6 HYDRAULIC DAMPERS F is the force applied to the piston
Under the name of hydraulic dampers a wide variety V is the velocity at which a piston is moved
of devices may be considered that utilises the viscos- C, A and K are constants depending on the proper-
ity properties of a fluid to reach some positive effect ties of the fluid and the hydraulic circuit.

97
A. Marioni

1.5

0.5
FORCE

0
-1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5

-0.5

-1

-1.5
DISPLACEMENT
Fig. 29: Shock Transmission Device of 16000 kN capacity
Fig. 28: Force displacement plots for hydraulic dampers for the Carquinez bridge in California
with different values of the exponent K:
K = 0,1 in black (continuous line) for viscous The retrofitting aimed to distribute the seismic
dampers forces between all the piers and abutments by use of
K = 1 in blue (dashed line) for linear dampers
K = 2 in red (dotted line) for shock transmitters
Shock Transmission Devices. The performance re-
quirements of the STD are the following:
In the following graphs the force-velocity and force- –– Nominal rated force = 15570 kN
displacements diagrams are plotted for different val- –– Stroke length for thermal movements = ±152 mm
ues of the exponent K assuming A = 0. The STD consists of a steel cylinder and a steel
From the above plots it is obvious that the expo- piston dividing it in two chambers. The cylinder at one
nent K=2 or greater will be preferred when the differ- side and the piston rod at the other side are con-
ence of force at low velocity and high velocity shall be nected to the structure through spherical hinges. The
maximised. This is the case when the device shall dimensions of the device are quite exceptional: 870
allow slow movements due to thermal variations, mm diameter and 2900 mm full length. Due to the
creep and shrinkage and become rigid in case of dy- exceptional dimensions of the device an external hy-
namic actions like wind or earthquake and when the draulic circuit and an external accumulator have been
energy dissipation is not required. These devices are preferred to internal ones that are commonly used in
commonly known as Shock Transmission Devices smaller devices. The main reasons for that were the
(STD), Lock-Up Devices (LUD) or Hydraulic Couplers following:
(HC), they are treated in more details in the following –– to allow easy access to the circuit for adjustment
paragraphs. and maintenance
When the dissipation of energy is the principal per- –– to avoid any interference between the flexural
formance required to the devices, exponent K=0,2 or bending of the device due to own weight and the
smaller is preferred since it is evident from the force- behaviour of the hydraulic circuit
displacement diagram that the energy dissipation, that –– to avoid excessive overpressure in the cylinder due
is proportional to the area of the plot, is increasing to the thermal expansion of the oil.
when the exponent is decreasing. In this case the The oil flow through the hydraulic circuit is practically
devices are more commonly known as Viscous Dam- independent from the external temperature in order to
pers (VD). provide constant performance independently from the
One of the most outstanding jobs performed with environmental conditions: this could be achieved bas-
the utilisation of Shock Transmission Devices has ing the design of the hydraulic circuit on a turbulent oil
been the seismic retrofitting of the Carquinez Bridge in flow that is practically independent from the viscosity
California. of the fluid and therefore independent from its tem-
The Carquinez bridge is one of the toll bridges of perature. Turbulent oil flow also has the advantage of
the San Francisco bay area, in California. It consists quite good approximating the exponent 2 in the equa-
of two parallel steel cantilever structures, one built in tion given in paragraph 1.
1927 having a length of 1620 meter, the other built in The structural design of the devices has been en-
1958 having a length of 1588 meter. The channel tirely performed through finite element analysis. The
span for both structures is 330 meter and the tower steel parts are manufactured utilising very high
height is 94 meter. strength quenched and tempered steel with tensile

98
Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges

Fig. 31: Scheme of a rotating electro-inductive damper.


Fig. 30: STD of 12000 kN capacity and 800 mm stroke for
the Paksey Bridge in Bangladesh The basic idea of the electro-inductive devices con-
sists in an electric generator that produce current ex-
strength up to 800 N/mm2 or more. The selection of ploiting the movements generated by the earthquake.
so high strength materials was primarily due to the The current is then dissipated in a short circuit so that
necessity of reducing as much as possible the dimen- all the mechanical energy supplied to the device is
sions and in particular the length of the devices in converted into heat.
order to fit the available space in the bridge. The de- The main difference between electro-inductive
vices are connected at both ends to the structure by dampers and ordinary electrical machines is that in
two spherical hinges allowing a rotation of ±3° in all the latter all possible efforts are made to minimise the
directions. A few examples of STD for applications in energy dissipation in order to get the maximum possi-
California and Bangladesh are shown in Fig. 29 and ble efficiency (for instance utilising ferro-magnetic
30. materials made of a particular kind of steel containing
silicon and devising them in thin layers). In the damp-
7 ELECTRO-INDUCTIVE DAMPERS ers of course all the efforts shall be in the opposite
direction.
Electro-inductive dampers represent a totally new,
Electro-inductive dampers may be placed between
very promising concept and are now under develop-
parts of structures where the earthquake will induce
ment and testing by ALGA under the frame of an EC
relative displacements or between superstructure and
partially funded research program.
infrastructure in connection wit sliding bearings, more
Energy dissipation is the only system to reduce the
or less like ordinary viscous dampers.
effect of the earthquake controlling at the same time
The basic device scheme of a passive device (see
the relative displacements of the structural compo-
Fig. 31) includes a part equipped with permanent
nents.
magnets, in order to create a magnetic field, and an-
Until now, as far as known by the author, the
other part, in relative motion with respect to the previ-
physical principles utilised in the wide variety of exist-
ous one, containing the induced electric circuit where
ing energy dissipating devices are the following only:
the energy is transformed into heat. To increase the
–– Yield of metals
relative velocity between the permanent magnets and
–– Viscosity of fluids or elastomers
the electric circuit an endless screw system is utilised.
–– Friction
The electric circuit can be realised very simply by a
All these systems present one or more disadvantages
conductive metal disc like aluminium. Of course the
such as:
passive device don’’t require any external energy sup-
–– Limited cycle life (1)
ply.
–– Response depending on temperature and ageing
The dissipation level depends on the relative ve-
(2&3)
locity of the electric circuit as regards to the magnetic
–– High scattering of the response (3)
field. Being the response of devices related to the
–– Heat generation may alter the response or damage
operating linear velocity v, the electro--inductive dam-
the devices (1, 2&3)
pers can be compared with the viscous dampers; for
The electro-inductive energy dampers now under
both the devices the response law can be expressed
development by Alga, after the first preliminary tests,
by the following equation:
seem to supersede all the above mentioned disadvan-
tages. F = C ×V K , (4)

99
A. Marioni

Fig. 32: Dynamic test of an electro-inductive damper of Fig. 33: Comparison between the theoretical and meas-
250 kN capacity ured response cycle of a rotating electro-inductive
damper

where: F is the response force and c and K are suit-


phase and will be ready for the applications in bridge
able constants to model the device behaviour.
construction quite soon.
When the velocity is small, the reaction force of the
devices is negligible: this is fundamental to allow the 8 CONCLUSIONS
slow movements of the structures (for example ther-
mal expansion or contraction), by the contrary when The protection of bridges and other structures by
the motion is fast the response increases and the means of anti-seismic devices is now a mature and
dissipation effect is required. well experimented technique. The examples of appli-
Compared to standard dampers, the electro- cation described in this paper are obviously limited but
inductive devices require very low maintenance (lim- there are now only in the Italian territory more than
ited to the anchorage to the structure), no ageing ef- 200 km of bridges protected with anti-seismic devices.
fects, no limitation on cycle life and low scattering on In few cases the protected structures suffered major
the response. Prototypes of electro-inductive dampers earthquakes confirming the validity of the adopted
have already been manufactured and tested (see Fig. solutions.
32) Therefore structural designers have now available
Tests have been performed utilising a dynamic a very wide variety of anti-seismic devices suitable for
equipment impressing to the spherical hinges of the any application. In the selection of the devices how-
devices different velocity in order to verify the constitu- ever a few basic concepts shall be well considered:
tive law and to verify it with the theoretical data. The –– Anti-seismic devices may be required to assure
accordance between experimental and theoretical their performance for a few seconds only in the life
data is very good (see Fig. 33). time of the structure. Failing to do so they would
The numerical analysis performed showed that, vanish the whole investment. Therefore a simple
selecting an appropriate metal to realise the disc act- conception and a high level quality assurance is of
ing as electric circuit, it is possible to obtain constitu- primary importance.
tive laws with exponent K ranging between 1 and 0.1 –– If the devices are isolators they shall also act as
covering therefore the entire range of the viscous structural bearings for all the days of the structure’’s
dampers. life. Therefore they shall also fulfil all the relevant
Following the very promising results electro- requirements for structural bearings.
inductive devices are now under the industrialisation –– Devices with less maintenance requirements shall
be preferred.

100
Dynamische Untersuchungen an einem Viadukt mit seismisch isoliertem
Brückenträger

Sujan Malla und Martin Wieland


Electrowatt-Ekono AG (Jaakko Pöyry Group), Zürich

1 ZUSAMMENFASSUNG UND EINLEITUNG Querrichtung verschoben werden könnte. Um derarti-


ge Querverschiebungen zu vermeiden, wurden bei
Die dynamischen Aspekte eines 1000 m langen Auto-
bahnviaduktes über einen See werden diskutiert. Die jedem Querdämpfer Schubbolzen vorgesehen, die
Pfeiler haben eine Höhe von bis zu 80 m und stehen versagen sobald die Querbeanspruchung auf dem
Pfeilerkopf die Kapazität des Dämpfers erreicht. Nach
bis zu 60 m im Wasser. Die Spannweiten des Brü-
ckenträgers variieren zwischen 60 und 107 m. Die einem stärkeren Beben sind deshalb die abgebroche-
Gesamtbreite der geplanten Brücke beträgt 28 m. nen Schubbolzen jeweils zu ersetzen und der allen-
falls verschobene Brückenträger zu zentrieren.
Auf jedem der neun Pfeilerköpfe wurden Dämpfer
quer zur Brückenachse vorgesehen. Zudem waren Die Querdämpfer erlauben eine Bewegung von +/-
aufgrund der schwimmenden Lagerung des Brücken- 50 cm und die Längsdämpfer bei den Widerlagern
eine Bewegung von +/-25 cm. Die Dämpfer an den
trägers bei beiden Widerlagern Längsdämpfer einge-
plant worden. Die Gründe für die Dämpfer waren wie Widerlagern müssen auch in der Lage sein Querver-
folgt: formungen aufzunehmen.
Der Aufsatz beschreibt die Optimierung der Dämp-
• geringe Steifigkeit der Brücke in Langs- und
Querrichtung fer basierend auf nichtlinearen Erdbebenberechnun-
• relativ grosse Erdbebenkräfte im Bereich der gen. Für die Bemessung der Brücke und der bis zu 80
m hohen Pfeiler sind umfangreiche dynamische Be-
massgebenden Eigenfrequenzen der Brücke
• elastisches Verhalten der Pfeiler unter dem rechnungen durchgeführt worden. Dabei musste auch
Bemessungsbeben war verlangt die Interaktion mit dem Wasser im Stausee berück-
sichtigt werden. Die Erdbebeneinwirkung war für die
• schlanke, hohe Pfeiler mit schwerem Pfeilerkopf
• Brückenquerrichtung: Begrenzung der Erdbe- Bemessung der Tragkonstruktion massgebend.
benkräfte, die vom Brückenträger auf die Pfeiler
2 ERDBENEINWIRKUNG UND ANNAHMEN
übertragen werden
• Brückenlängsrichtung: Begrenzung der Bean- Die Brücke steht auf im Fels fundierten Bohrpfählen.
spruchung der Widerlager –– insbesondere Zug- Ueber dem Fels befindet sich eine Lockergestein-
kräfte. schicht mit unterschiedlicher Mächtigkeit. Im Normal-
Diese Ziele konnten mit hydraulischen Dämpfern fall beträgt die Felsüberdeckung weniger als 5 m. Da
erreicht werden, die unter zyklischen Erdbebeneinwir- die Brücke einen zukünftigen Stausee überquert ist
kungen eine Charakteristik wie ideale Reibungsdämp- auch die Sedimentation im Stausee, sowie die Inter-
fer aufwiesen. Mit diesen Dämpfern konnte die Quer- aktion zwischen Pfeiler und Stausee zu berücksichti-
beanspruchung der Pfeiler im Vergleich zur Brücke gen. Dazu wird eine mit den Pfeilern mitschwingende
ohne Dämpfer um ca. 50% reduziert werden. Die hyd- Wassermasse berücksichtigt. Es wird vorausgesetzt,
raulischen Dämpfer haben den Vorteil, dass sie unter dass beim Bemessungserdbeben keine inelastischen
sehr langsamen Bewegungen infolge Schwinden, Verformungen in den Pfeilern und den Fundamenten
Kriechen, Temperatur etc. keinen Widerstand aufwei- stattfinden dürfen, da diese nach dem Füllen des
sen und somit keine Kräfte auf die Widerlager bewir- Stausees nur noch sehr beschränkt zugänglich sind.
ken. In Brückenquerrichtung ist dieses Verhalten un- Das Bemessungsantwortspektrum für die Horizon-
erwünscht, da durch einen starken Wind die Brücke in talkomponente der Bodenbewegung sowie ein künst-

101
S. Malla und M. Wieland

lich generiertes spektrumkompatibles Beschleuni- Prozessen wie Schwinden, Kriechen und Tempera-
gungsseismogramm sind aus Fig. 1. ersichtlich. Die tureinwirkungen werden vernachlässigbare Dämpfer-
Besonderheit des Antwortspektrums liegt in der relativ kräfte verursacht. In Brückenlängsrichtung ist dieses
hohen Beschleunigung bei tiefen Frequenzen. Die Verhalten erwünscht, In Querrichtung führt das zu
ungleichförmigen Bodenbewegungen der einzelnen Problemen, denn unter gewissen Windeinwirkungen
Pfeiler wurden vernachlässigt. Für die Vertikale Erd- könnte sich der Brückenträger verschieben. Deshalb
bebenkomponente wurde ein Wert von 70% der Hori- sind in den Gleitlagern Schubbolzen angebracht, die
zontalkomponente verwendet. versagen, wenn die Auslegungskraft der Dämpfer
Für die Erdbebenberechnung wurden alle drei erreicht wird und diese aktiviert werden müssen.
Komponenten der Bodenbewegung berücksichtigt. Das nichtlineare Verhalten der idealisierten Dämp-
Statistisch unabhängige Beschleunigungszeitverläufe fer wurde modelliert.
wurden verwendet. Eine Dämpfung von 5% der kritischen Dämpfung
Für die nichtlinearen dynamischen Berechnungen der massgebenden Eigenformen wurde bei allen dy-
wurden gemäss Eurocode 8 elf künstlich generierte namischen Berechnungen berücksichtigt (Raleigh-
Erdbeben (jedes mit drei Beschleunigungskomponen- dämpfung).
ten) verwendet. Normalerweise begnügt man sich bei Die reduzierte Steifigkeit der Pfeilerelemente, die
nichtlinearen Berechnungen mit 3 oder 5 verschiede- bei einem starken Beben reissen, wurde in Rechnung
nen Erdbebenanregungen und wählt dann die maxi- gestellt (die Steifigkeit der Biegeelemente wurde um
male dynamische Antwort aller Berechnungen. Wenn einen Faktor von 4 reduziert).
jedoch mehr als zehn Erdbeben verwendet werden, Die nichtlinearen dynamischen Berechnungen
dann darf für die Schnittkräfte der Mittelwert der dy- wurden mit dem Computerprogramm ADINA durchge-
namischen Antwort genommen werden. Dieser zu- führt. In einem ersten Schritt musste die Zuverlässig-
sätzliche Rechenaufwand lohnt sich, da bei nichtline- keit der Berechnung überprüft werden. Das wurde
aren Systemen die dynamischen Antworten doch durch verschiedene Testläufe erreicht, wobei in erster
beträchtlich variieren können. Linie der Integrationszeitschritt reduziert wurde und
auch die Fehlerkriterien variiert wurden. Zudem wurde
3 RECHENMODELL DER BRÜCKE UND DYNA- der Einfluss 2. Ordnung untersucht, der durch die
MISCHE BERECHNUNGEN exzentrische Lage des in Querrichtung verschobenen
Das dreidimensionale Rechenmodell der Brücke ist in Brückenträgers sowie der elastisch verformten Pfeiler
Fig. 2 dargestellt. Das Zusammenwirken der Pfeiler verursacht wird. Die Effekte 2. Ordnung betrugen
mit Wasser wurde mit Zusatzmassen simuliert. weniger als 10% und durften gemäss den vorliegen-
Aufgrund der Geometrie der Pfeiler und der Forde- den Vorschriften vernachlässigt werden.
rung, dass unter dem Bemessungserdbeben keine Im nächsten Schritt wurde eine Optimierung der
inelastische Pfeilerdeformationen erlaubt waren, war Dämpfer vorgenommen. dabei wurde vorausgesetzt,
es nötig die Erdbebenkräfte, die vom Brückenträger dass die Querdämpfer auf allen Pfeilerköpfen gleich
auf die Pfeiler wirken, zu begrenzen. Das wurde er- sein müssen. Das dynamische Verhalten der Brücke
reicht indem eine in Brückenquerrichtung freie Lage- wurde deshalb für verschiedene Dämpferkräfte analy-
rung des Brückenträgers gewählt wurde. Das heisst, siert und eine Kraft von 2 MN wurde als optimal be-
dass auf jedem Pfeiler Dämpfer vorgesehen wurden trachtet. Massgebend bei der Optimierung war, dass
mit einer maximalen Dämpfungskraft von 2 MN (inkl. die dynamische Beanspruchung in den Pfeilern, die
Gleitreibung der Lager). In Längsrichtung wurde eine Pfeilerkopfverschiebung und die Gleitbewegung des
schwimmende Lagerung des fugenlosen, 1000 m Brückenträgers auf den Pfeilern minimal war. Eine
langen Brückenträgers gewählt. Die Längsstabilisie- analoge Optimierung wurde für die Ermittlung der
rung der Brücke im Erdbebenfall wurde ebenfalls mit Längsdämpfer durchgeführt. Diese Optimierung der
Längsdämpfern an beiden Widerlagern erreicht. Da Dämpfer war eines der Kernprobleme der dynami-
bei den Widerlagern sowohl Längs- wie auch Quer- schen Berechnung.
verschiebungen auftreten können, wurde dort eine
gelenkige Lagerung der zylindrischen Dämpfer vorge- 4 EIGENFREQUENZBERECHNUNG UND LINEAR-
ELASTISCHE DYNAMISCHE BERECHNUNG
schlagen. Bei den Dämpfern handelt es sich um zy-
lindrische Elemente, die unter periodischer Anregung Zuerst wurde eine Eigenfrequenzberechnung der
eine fast rechteckige Hysterese aufweisen. Die Dämp- Brücke durchgeführt, wobei der Brückenträger auf den
fungskraft ist dabei auch von der Relativgeschwindig- Pfeilern in Querrichtung fixiert wurde (Ersatz der
keit der Auflagerpunkte abhängig. Bei sehr langen

102
Dynamische Untersuchungen an einem Viadukt mit seismisch isoliertem Brückenträger

Dämpfer durch gelenkigen Anschluss) und bei den mm auf unter 200 mm. Die Querverschiebung des
Widerlagern wurden die Längsdämpfer weggelassen. Pfeilerkopfes des höchsten Pfeilers der gedämpften
Die wichtigsten Eigenfrequenzen der Brücke bei Brücke reduziert sich von 200 mm auf ca. 50 mm. Die
vollem Stausee sind wie folgt: vorgeschlagenen Dämpfer führen zu einer signifikan-
• Grundschwingung in Längsrichtung: 0.24 Hz ten Reduktion der dynamischen Verschiebungen der
• Grundschwingung in Querrichtung: 0.58 Hz Brücke.
• Grundschwingung Überbau vertikal: 1.94 Hz In Fig. 7 sind die Mittelwerte und Mittelwerte plus
Standardabweichung der maximalen dynamischen
Für den höchsten freistehenden Pfeiler im Bauzu-
Querverschiebungen der Gleitlager für die elf ver-
stand wurden folgende Eigenfrequenzen ermittelt
schiedenen Erdbeben dargestellt. Die minimalen und
(leerer Stausee):
maximalen Lagerverschiebungen in Brückenquerrich-
• Querschwingung freistehender Pfeiler: 0.69 Hz
tung betrugen beim höchsten Pfeiler 200 mm bzw.
• Längsschwingung freistehender Pfeiler: 0.10 Hz
400 mm (Mittelwert: 250 mm, Mittelwert plus Stan-
• Torsionsschwingung: 0.15 Hz
dardabweichung: 310 mm). Die minimalen und maxi-
Die Eigenschwingungsformen des höchsten Pfei- malen Längsverschiebungen in den Widerlagern be-
lers im Bauzustand sind in Fig. 3 dargestellt. Bei der trugen 110 mm bzw. 240 mm (Mittelwert: 180 mm,
Längsschwingung des Pfeilers führen Effekte 2. Ord- Mittelwert plus Standardabweichung: 215 mm).
nung zu einer Reduktion der Eigenfrequenz auf 0.084 In Fig. 8 ist ein Vergleich zwischen der maximalen
Hz. Die Eigenfrequenzen der Quer- und Torsions- dynamischen Biege- und Torsionsbeanspruchung für
schwingung bleiben jedoch unverändert. die Brücke mit und ohne Dämpfer dargestellt. Daraus
Die tiefsten Brückeneigenfrequenzen in Längs- ist sehr leicht ersichtlich, dass die gewählten Dämpfer
und Querrichtung liegen alle unter 1 Hz. Aufgrund der zu einer signifikanten Reduktion der Beanspruchung
eingangs erwähnten speziellen Form des Bemes- des Brückenträgers führen.
sungsantwortspektrums, ist im Bereich dieser Eigen- Figur 9 zeigt, dass die massgebende dynamische
frequenzen mit relativ grossen Erdbebenkräften und Beanspruchung der Pfeiler (Normalkraft in Pfeilern)
Bodenverschiebungen zu rechnen. Die Reduktion durch die Dämpfer ebenfalls sehr stark vermindert
dieser Erdbebenkräfte und der dynamischen Verfor- wird.
mungen war die Hauptaufgabe der Dämpfer. Die Wirkung der Dämpfer ist im Prinzip auf folgen-
Als Referenzrechnung wurde die dynamische Ant- de Effekte zurückzuführen:
wort der elastischen Brücke ohne Dämpfer ermittelt, • erhöhte Energiedissipation durch Dämpfer auf
um die Wirksamkeit der Dämpfer besser beurteilen zu Pfeilern und an Widerlagern
können. Die Zeitverläufe der Verschiebungen des • nichtlineare Dämpfer verhindern Resonanzer-
Pfeilerkopfes des höchsten Pfeilers (voller Stausee) scheinungen
sind in Fig. 4 dargestellt. In Fig. 5 sind die Maximal- • Längsdämpfer führen zu einer markanten dyna-
werte der Querverschiebungen des Brückenträgers mischen Versteifung der Brücke in Längsrichtung
und der vertikalen Durchbiegungen entlang der Brü- und unterdrücken Resonanzeffekte
ckenachse dargestellt. Aufgrund der Flexibilität der
Die Nachteile der Dämpfer sind die Gleitverschie-
Pfeiler und der speziellen Geometrie des Pfeilerkop-
bungen des Brückenträgers auf den Pfeilerköpfen in
fes schwingt der gesamte Brückenträger in
Querrichtung. Am Ende eines stärkeren Erdbebens
Vertikalrichtung.
befindet sich der Brückenträger nicht mehr im An-
5 NICHTLINEARE DYNAMISCHE BERECHNUNG fangszustand und muss durch Pressen in die Ur-
DER BRÜCKE sprungslage zurück verschoben werden.

Elf verschiedene Erdbeben wurden für die nichtli- 6 ERMITTLUNG DER MASSGEBENDEN ERDBE-
neare dynamische Berechnung verwendet. Die einzi- BENKRÄFTE
gen nichtlinearen Elemente waren die Dämpfer. In
Die Pfeiler erfahren während einem starken Beben
Fig. 6 sind die Zeitverläufe der Verschiebungen des
neben dynamischen Normalkräften auch biaxiale Be-
Pfeilerkopfes des höchsten Pfeilers (voller Stausee)
anspruchungen. Für die Pfeilerbemessung können die
für eine der 11 Erdbebenanregungen dargestellt. Die-
Maximalwerte der dynamischen Schnittkräfte verwen-
se Ergebnisse lassen sich direkt mit denjenigen des
det werden. Dies führt zu einer konservativen Bemes-
ungedämpften Systems (Fig. 4) vergleichen. Die
sung, da die Maximalwerte der biaxialen Beanspru-
Dämpfer führen zu einer Reduktion der maximalen
chung sowie der Normalkräfte nicht zum gleichen
Längsverschiebung des Brückenträgers von ca. 450
Zeitpunkt auftreten. Falls realistischere Beanspru-

103
S. Malla und M. Wieland

chungszustände untersucht werden müssen, was


insbesondere bei stark ausgenützten Querschnitten
erforderlich sein kann, dann sind im Prinzip die un-
günstigsten Beanspruchungszustände direkt aus den
Zeitverläufen der zu kombinierenden Beanspruchun-
gen zu ermitteln. Das ist jedoch sehr mühsam, wenn
diese Kontrollen nicht automatisch durchgeführt wer-
den können. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der
Querschnittswiderstand zuerst in einem iterativen
Prozess (dynamische Berechnung gefolgt von Quer-
schnittsbemessung) ermittelt werden muss. Eine
Auswertung der Zeitverläufe hat ergeben, dass für die
Ermittlung der zu kombinierenden Schnittkräfte in den
Druckelementen der Pfeiler zum Zeitpunkt, wo die
maximalen Normalkräfte wirken im Mittel nur 90% der
maximalen biaxialen Biegemomente auftreten (und
umgekehrt).

7 SCHLUSSFOLGERUNGEN
Durch schwimmende Lagerung des Brückenträgers
Fig. 1: Beschleunigungsantwortspektrum (5% Dämp-
und Dämpfer, die in den Brückenlagern angebracht
fung) der Horizontalkomponente des Bemessungsbe-
werden, können die Beanspruchungen sowie die De- bens und künstlich generierter, spektrumkompatibler
formationen in schwingungsempfindlichen Brücken Beschleunigungszeitverlauf
sehr stark reduziert werden. Im vorliegenden Fall
konnten die dynamischen Beanspruchungen der Pfei-
ler und des Brückenträgers im Vergleich zu einer Brü-
cke ohne Dämpfer um über 50% reduziert werden.
Die maximalen dynamischen Querverschiebungen der
Pfeilerköpfe betragen nur noch einen Viertel derjeni-
gen einer Brücke ohne seismisch isolierten Brücken-
träger. Die maximalen Querverschiebungen in den
Brückenlagern betragen ca. +/- 40 cm und die Längs-
verschiebungen in den Widerlagern +/- 24 cm. Fig.2: Statisches System der Brücke
Seismische Dämpfer sind eine interessante und
wirtschaftliche Lösung, um Brücken vor Überbean-
spruchung zu schützen.

LITERATUR
Eurocode 8, Design of structures for earthquake resis-
tance, Part 2: Bridges, prEN 1998-2.
ADINA R & D (1999). ADINA User Interface Com-
mand Reference Manuals, Vol. I: ADINA Model Defini-
tion. Report ARD 99-2, ADINA R & D, Inc., Water-
town, Massachusetts, USA.

Fig. 3: Eigenschwingungsformen des höchsten Pfei-


lers im Bauzustand

104
Dynamische Untersuchungen an einem Viadukt mit seismisch isoliertem Brückenträger

Fig. 4: Dynamisches Verhalten der Brücke ohne


Dämpfer (voller Stausee). Zeitverläufe der (a) Längs-
verschiebung des Brückenträgers bei Widerlager, (b)
Querverschiebung des Pfeilerkopfes des höchsten
Pfeilers, und (c) Vertikalverschiebung eines der vier
Brückenlager auf dem Pfeilerkopf

Fig. 6: Dynamisches Verhalten der Brücke mit Dämp-


fer (voller Stausee). Zeitverläufe der (a) Längsver-
schiebung des Brückenträgers bei Widerlager, (b)
Querverschiebung des Pfeilerkopfes des höchsten
Pfeilers, (c) Vertikalverschiebung eines der vier Brü-
ckenlager auf dem Pfeilerkopf, (d) Gleitverschiebung
in Querrichtung auf Pfeilerkopf, (e) Kraft in einem der
beiden Querdämpfer auf dem höchsten Pfeiler und (f)
gesamte Dämpferkraft in Längsdämpfern in Widerla-
Fig. 5: Umhüllende der erdbebenbedingten Maximal- gern
verschiebungen des Brückenträgers (Brücke ohne
Dämpfer, voller Stausee). (a) Querverschiebung und
(b) Vertikalverschiebung

105
S. Malla und M. Wieland

Fig. 7: Mittelwerte und Mittelwerte plus Standardab-


weichung der maximalen Gleitverschiebung in Brü-
ckenquerrichtung (voller Stausee, 11 Erdbebensimu-
lationen)

Fig. 9: Vergleich der maximalen dynamischen Nor-


malkräfte (MN) im höchsten Pfeiler (Stausee voll). (a)
Brückenträger ohne Dämpfer und (b) mit Dämpfer

Fig. 8: Vergleich der maximalen Biege- und Torsions-


beanspruchung des Brückenträgers mit und ohne
Dämpfer (Stausee voll). (a) Torsionsmoment (MNm),
(b) Querbiegung (MNm) und (c) vertikale Biegemo-
mente (MNm)

106
Geregelte Schwingungsdämpfung von Seilen

Glauco Feltrin und Felix Weber


Abteilung Ingenieur-Strukturen, EMPA, Dübendorf, Schweiz

1 EINFÜHRUNG Oft werden passive Dämpfer verwendet, da sie ein


Durch die Einwirkung von Wind und Verkehr werden einfaches Mittel sind, um bei allen Anregungsarten die
Schwingungsamplituden der Seile zu reduzieren. Ver-
die Seile von weit gespannten Schrägseilbrücken zu
Schwingungen angeregt. Aufgrund der kleinen inne- schiedene Konstruktionstypen von Öl-, Reibungs- und
ren Dämpfung, die modale Dämpfung der ersten Ei- Elastomerdämpfer werden heute in Brücken einge-
setzt. Diese Dämpfungselemente befinden sich immer
genschwingungen ist in der Regel kleiner als δ = 0.03
( δ bezeichnet den logarithmischen Dekrement), kön- im Bereich der Verankerung der Seile mit dem Brü-
nen dabei beträchtliche Schwingungsamplituden auf- ckenlängsträger. Öldämpfer werden zwischen Seil
und Fahrbahnplatte eingebaut. Reibungs- und
treten (Yamaguchi, H. et al. (1998)). Die Schwingun-
gen verunsichern die Brückenbenützer, können zu Elastomerdämpfer werden üblicherweise in der Ver-
Beschädigungen an der Verankerungskonstruktion ankerungskonstruktion integriert.
oder durch Ermüdung zu einem vorzeitigen Versagen
von Seilen führen. Die Schäden an der Veranke- 0.6
n=1
rungskonstruktion der Seile bei der Fred Hartman- n=5
Brücke in Texas (Dowd, T. A. et al. (2001)) und der 0.5
Cochrane-Brücke in Alabama (Telang, N. M. et al.
(2000)) zeigen, was Seilschwingungen mit grossen 0.4
Amplituden anrichten können. Spektakuläre Seil-
schwingungen traten auch an der Dongting-Brücke in
ζn/ξc

0.3
China (Ko, J. M. et al. (2003)) und an der Erasmus-
Brücke in Rotterdam (Geurts, C. et al. (1998)) auf, die 0.2
zwei Monate nach der Eröffnung zeitweise wieder
geschlossen werden musste.
0.1

2 PASSIVE DÄMPFUNG
0
0 2 4 6 8 10
Um Seilschwingungen zu reduzieren, sind verschie- λ
dene mechanische und aerodynamische Massnah-
men erprobt und bei Brücken eingesetzt worden Abb. 2: Modales Dämpfungsmass für ein Seil mit viskosem
(Yamaguchi, H. et al. (1998), Virlogeux, M. (1998)). Dämpfer ( ξ c = 0.02 ).

L
xc

T T
m
c

Abb. 1: Modell eines Seiles mit viskosem Dämpfer.

107
G. Feltrin und F. Weber

Optimal schwingungen mit der Zeit. Nicht immer rühren die


Rel. modales Dämpfungsmass ζ n / ξ c grössten Amplituden von der Grundschwingung her:
gedämpfte
Eigenschwin- An einem Seil der Fred Hartman-Brücke wies die drit-
gung 1. Mode 2. Mode 3. Mode 4. Mode te Eigenschwingung mit ca. einem halben Meter die
grössten Amplituden auf (Dowd, T. A. et al. (2001)).
1. Mode 0.51 0.41 0.30 0.24
Aus den obigen Überlegungen folgt daher, dass eine
2. Mode 0.41 0.51 0.47 0.41 effiziente Dämpfung von Seilschwingungen einen
3. Mode 0.30 0.47 0.51 0.49 variierbaren Dämpfer erfordert.
4.Mode 0.24 0.41 0.49 0.52
3 GEREGELTE DÄMPFUNG
Tabelle 1: Relative modale Dämpfungsmasse bei verschie-
3.1 Aktive Dämpfung
dener Optimierung der Dämpfung von Eigen-
schwingungen ( ξ c = 0.02 ). Regelbare aktive Elemente können, zumindest theo-
retisch, so gesteuert werden, dass diese im Durch-
Die von einem ideal viskosen Dämpfer herrühren- schnitt eine höhere Dissipationsleistung erbringen als
de Dämpfung wird anhand eines einfachen Modells passive Dämpfer. Voraussetzung dazu ist, dass der
berechnet (Abb. 1). Das Modell besagt, dass es zu dynamische Zustand des Seiles jederzeit hinreichend
jeder Eigenschwingung eine Dämpferkonstante c genau bekannt und der Aktor genügend schnell und
gibt, die ein maximales modales Dämpfungsmass ζ n leistungsfähig ist. Aktive Elemente, welche die zur
erzeugt (Kovacs, I. (1982; Pacheco, B. M. et al. wirksamen Reduktion von Seilschwingungen erforder-
(1993), Krenk, S. (2000)). Bei einer Distanz des lichen Kräfte aufbringen, sind z. B. servo-hydraulische
Dämpfers zur Seilverankerung xc , die klein im Ver- Zylinder. Regelungskonzepte für Seile, die nichtlinea-
gleich zur Länge des Seiles L ist ( ξ c = xc / L << 1 ), ist re autoparametrische Anregungsmechanismen ein-
das maximale modale Dämpfungsmass ζ n für alle setzen, sind theoretisch und experimentell untersucht
Eigenschwingungen näherungsweise gleich gross und worden (Fujino, Y. et al. (1994), Achkire, Y. et al.
beträgt ζ n,max ≈ 0.5 ξ c (siehe Abb. 2, λ = n ξ c π c / Tm , (1996)). Aktive Systeme weisen jedoch Nachteile auf,
T : Zugkraft, m : Masse pro Längeneinheit). Da für die den praktischen Einsatz erschweren: ein hoher
lange Seile die Distanz des Dämpfers zur Seilveran- Energiebedarf und die Gefahr der Systeminstabilität
kerung xc nur wenige Prozent der Seillänge beträgt, durch Ausfall oder Fehlverhalten der Regelung.
ist daher die zusätzliche Dämpfung, als maximales
modales Dämpfungsmass ζ n,max ausgedrückt, in der 3.2 Semi-aktive Dämpfung
Regel kleiner als 1%: Eine bescheidene Ausbeute, die Ein Regelungskonzept, das die Effizienz der geregel-
massgeblich vom kleinen Abstand des Dämpfers zur ten, aktiven Systeme mit der Zuverlässigkeit der pas-
Seilverankerung herrührt. Nichtlineare viskose Dämp- siven Systeme verbindet, ist die geregelte Dämpfung
fer, visko-elastische Elastomerdämpfer oder Rei- mit semi-aktiven Aktoren. Als Aktoren dienen passive
bungsdämpfer ergeben ähnlich kleine Dämpfungs- Dämpfungselemente, deren mechanischen Eigen-
masse (Main, J. A. et al. (2002)). Dieses maximale schaften jedoch regelbar sind. Da diese Dämpfungs-
Dämpfungsmass gilt zudem nur für eine Eigen- elemente passiv sind, wird immer Energie dissipiert,
schwingung, da zur Optimierung eines ideal viskosen so dass keine Instabilität des Gesamtsystems auftre-
Dämpfers nur die Dämpferkonstante c zur Verfügung ten kann. Bei einem Ausfall der Regelung wird weiter-
steht. Alle anderen Eigenschwingungen werden da- hin Energie dissipiert, jedoch ist die Dissipationsleis-
durch weniger stark gedämpft. Tabelle 1 zeigt die tung nicht mehr optimal. Ein weiterer Vorteil semi-
relativen modalen Dämpfungsmasse ζ n / ξ c der ersten aktiver Dämpfer ist, dass sie deutlich weniger Energie
vier Eigenschwingungen. Die Dämpferkonstante c benötigen als aktive Elemente.
wurde jeweils so gewählt, dass eine Eigenschwingung Die Aufgabe der Regelung ist es, die regelbaren
optimal gedämpft wird. Wird z. B. die 1. Eigenschwin- Dämpfer aufgrund des dynamischen Zustands des
gung optimal gedämpft, so beträgt das modale Dämp- Seiles und bezüglich eines Regelzieles zu jedem
fungsmass ζ n der 4. Eigenschwingung nur noch rund Zeitpunkt möglichst optimal einzustellen. Durch Simu-
die Hälfte. lationen konnte gezeigt werden, dass semi-aktive
Beobachtungen von Seilschwingungen an verschie- Elemente nahezu gleiche Dissipationsleistungen
denen Brücken haben gezeigt, dass gleichzeitig meh- erbringen wie aktive Elemente (Weber, F. et al.
rere Eigenschwingungen auftreten können. Darüber (2003)). Semi-aktive Aktoren sind z. B. Fluiddämpfer
hinaus ändert der Anregungszustand der Eigen- mit einstellbaren Durchflussventilen, Reibungsdämp-

108
Geregelte Schwingungsdämpfung von Seilen

Störgrösse
wires to
damper piston electro- Messrauschen: v i
magnet
Anregungskraft: Fs
bearing & seal

MR fluid annular

coil
orifice Regelstrecke
Fs ri-effektiv Beschleunigung:
diaphragm cylinder
Seil ri-gemessen +
Dämpfer Sensoren +
MR damper RD-1005-3, Fd-effektiv Dämpfungskraft:
accumulator

I d-erwünscht
LORD Corporation Fd-gemessen
lineares Verhalten

Regler
Abb. 3: Magnetorheologischer Dämpfer RD-1005-3 der
Fd-erwünscht x
Firma Lord Corporation. Inverses
Regler
Dämpfer- rd-gemessen Beobachter
Modell

-2000 lineares LQG Regelung


Messungen durch
Messungen durch LORD
LORD Corp.
Corp.
[Am] p] Verhalten
kompensiert) I = 2.00 [a
(Akkumulatorkraft kompensiert)
-1500 (Akkumulatorkraft
[a
[A ] p]
m
I = 1.00 Abb. 5: Signalflussbild des geschlossenen Regelkreises.
-1000
[am
I = 0.50 [A ] p]
-500 3.4 Magnetorheologische Fluid-Dämpfer
Kraft [N]

[amp]
I = 0.00 [A] Mit magnetorheologischen Fluiden lassen sich Dämp-
0
fer mit regelbaren Dämpfungseigenschaften herstel-
500 len. Ein Beispiel eines solchen Dämpfers ist der Kol-
bendämpfer RD-1005-3 der Firma Lord Corporation,
1000
der mit einer 12 V Batterie betrieben werden kann
1500 (Abb. 3). Das Verhalten dieses Dämpfers wird mit
Magnetfeldern im Bereich der Durchflussventile zwi-
2000 schen den zwei Flüssigkeitskammern beeinflusst. Das
-0.2 -0.1 0 0.1 0.2
Kolbengeschwindigkeit [m/s] Magnetfeld wird durch eine stromführende Spule er-
zeugt. Die Intensität des Magnetfeldes wird über den
Abb. 4: Rückstellkraft des Dämpfers RD-1005-3 als Funk-
tion des Spulenstromes und der Kolbengeschwin-
Spulenstrom eingestellt, der zwischen 0……2 Ampère
digkeit. variiert werden kann. Damit lässt sich der Betrag der
Rückstellkraft des Dämpfers RD-1005-3 bei ver-
fer mit variierbarem Reibungskoeffizient und Fluid- schwindend kleiner Kolbengeschwindigkeit zwischen
dämpfer mit Ölen, deren rheologische Eigenschaften ca. 70 und 1500 N einstellen (Abb. 4). Die kleinste
veränderbar sind, wie elektro- oder magnetorheologi- Kraft ergibt sich aus der natürlichen Zähigkeit des
sche Fluide. Öles und der Reibung der beweglichen Teile des
Dämpfers an den Dichtungselementen, und die gröss-
3.3 Magnetorheologische Fluide te Kraft aus der magnetischen Sättigung der Suspen-
sion. Die Kolbengeschwindigkeit hat einen eher un-
Magnetorheologische Fluide sind Öle, die mit magne-
tergeordneten Einfluss auf die Kraft. Der magneto-
tisierbaren Eisen-Partikeln versehen sind. Die Parti-
rheologische Dämpfer verhält sich daher ähnlich wie
kel, die einen Durchmesser von einigen Mikrometer
ein Reibungsdämpfer. Durch eine geeignete Wahl des
aufweisen und in der Regel aus Eisen bestehen, bil-
Öles und der magnetisierbaren Partikel kann sowohl
den mit dem Öl eine Suspension. Durch Aufbringen
der Einfluss des Magnetfeldes und der Kolbenge-
eines Magnetfeldes richten sich die Partikel zu Ketten
schwindigkeit gezielt beeinflusst werden.
aus und beeinflussen so die rheologischen Eigen-
schaften des Fluides: Mit grösser werdendem Mag- 4 REGELSYSTEM
netfeld wird das Öl zähflüssiger. Da die Kettenbildung
sehr schnell erfolgt –– diese werden innerhalb von Um einen magnetorheologischen Dämpfer effizient
einer Millisekunde auf- und abgebaut –– können die einzusetzen, braucht es ein Regelsystem. Ein solches
rheologischen Eigenschaften des Öles auch schnell Regelsystem zur Dämpfung der Seilschwingungen ist
verändert werden. Magnetorheologische Fluide sind in Abb. 5 dargestellt. Das Regelsystem setzt sich aus
daher für Anwendungen in der Dynamik gut geeignet. der Regelstrecke, dem nichtlinearen dynamischen

109
G. Feltrin und F. Weber

System, das aus dem magnetorheologischen Dämp- beschrieben. Diese kann durch Diskretisierung der
fer, dem Seil und den Sensoren, die zur Erfassung linearisierten Differentialgleichungen eines biegewei-
des Schwingungszustandes und der Dämpfungskraft chen Seiles mit finiten Elementen gewonnen werden.
dienen, und dem Regler zusammen. Der Regler be- r (t ) beschreibt die transversalen Verschiebungen des
sitzt einen Beobachter, einen Kalman-Filter, der aus Seiles an den Knoten des finite Element-Modells,
den Messdaten und einem Modell des Seils den zu- M fe , C fe und K fe sind die Massen-, Dämpfungs- und
künftigen Zustand des schwingenden Seiles schätzt. Steifigkeitsmatrizen des Seiles, Θ fe definiert die Lage
Diese Schätzung wird vom Regler benutzt, um jeweils der Anregungskraft Fs (t ) und Λ fe die Lage des
aufgrund des Schwingungszustandes die optimale Dämpfers mit der Dämpferkraft Fd (t ) .
Rückstellkraft Fd −erwünscht des Dämpfers zu berechnen. Da die Anzahl Freiheitsgrade des Modells einen
Das inverse Dämpfermodell liefert mit der optimalen wesentlichen Einfluss auf die Rechengeschwindigkeit
Rückstellkraft und der gemessenen Kolbengeschwin- des realen Reglers hat, muss das Modell so klein wie
digkeit rd − gemessen den erforderlichen Spulenstrom möglich gehalten werden. Die Reduzierung der Frei-
I d − erwünscht , um am Dämpfer die erwünschte optimale heitsgrade erfolgt durch Transformation der Bewe-
Rückstellkraft zu erzeugen. Durch die Serieschaltung gungsgleichung (2) von kartesischen ( r (t ) ) in moda-
des inversen Dämpfermodells und des realen Dämp- len Koordinaten q(t ) = Φ ⋅ r (t ) , wobei die Spalten der
fers im Regelsystem wird der nichtlineare Teil der Matrix Φ aus den Modalformen der ersten m Eigen-
Regelstrecke linearisiert, so dass weiterhin die lineare schwingungen aufgebaut ist:
Regelungstheorie angewendet werden kann. Die An-
ª ϕ1 ( z1 )  ϕ m ( z1 ) º
regung des Seiles erfolgt über einen breitbandigen
stochastischen Prozess, der mehrere Eigenschwin- Φ = ««    »» (3)
gungen anregt. «¬ϕ1 ( z n )  ϕ m ( z n )»¼

4.1 LQG-Regelung Die Bewegungsgleichung in Modalkoordinaten lautet


dann
Das Herzstück des Regelsystems ist ein LQG-Regler
(Linear Quadratic Gaussian Noise Control Algorithm) M fe ⋅ q(t ) + C fe ⋅ q (t ) + K fe ⋅ q (t ) = Θ fe ⋅ Fs (t ) + Λ fe ⋅ Fd (t )
mit linearer Zustandsrückführung (Geering, H. P. (4)
(2001), Preumont, A. (2002)). Ziel des LQG-Reglers
mit
ist es, ein quadratisches Funktional, das Gütekriterium
J , zu minimieren. Dieses lautet M fe = Φ T ⋅ M fe ⋅ Φ , C = Φ T ⋅ C fe ⋅ Φ , K = Φ T ⋅ K fe ⋅ Φ

J = ³ ( x (t )T ⋅ Q ⋅ x (t ) + u (t )T ⋅ R ⋅ u (t )) dx , (1) Θ fe = Φ T ⋅ Θ fe und Λ fe = Φ T ⋅ Λ fe . (5)
t =0

wobei x (t ) den Vektor der Zustandsvariablen und Um ins theoretische Schema der LQG-Regelung zu
u (t ) die Regelgrösse, welche im vorliegenden Fall die passen, müssen schliesslich die Bewegungsgleichun-
Rückstellkraft des Dämpfers Fd (t ) ist, zum Zeitpunkt gen in die Zustandsraumdarstellung übergeführt wer-
t darstellt. Mit der positiv-semidefiniten Matrix Q und den:
der positiven Zahl R wird die Gewichtung der Zu- x (t ) = A ⋅ x(t ) + B ⋅ u (t ) + G ⋅ w(t ) , (6)
standsvariablen und der Regelgrösse im Gütekriteri-
um definiert. Durch eine geeignete Definition der Ma- y (t ) = C ⋅ x(t ) + D ⋅ u (t ) + H ⋅ w(t ) + v(t ) , (7)
trix Q lassen sich verschiedene Regelziele verfolgen:
z.B. Minimierung der Verschiebungen, der Geschwin- wobei x T = [q1 , q2 ,..., qm , q1 , q 2 ,..., q m ] der Zustandsvektor
digkeiten oder der Energie des Seiles. Mit der Zahl R ist, der die modalen Verschiebungen und Geschwin-
kann z. B. beeinflusst werden, wie sehr der Leis- [ ]
digkeiten enthält. y T = r1 , r2 ,..., rp beschreibt die ge-
tungsbedarf des Dämpfers gewichtet werden soll. messenen Beschleunigungen am Seil, u = Fd −erwünscht
Ein LQG-Regler ist ein modellbasierter Regler, d. ist die vom Regler berechnete optimale Rückstellkraft
h. er benützt ein Modell der Regelstrecke um zur Zeit des Dämpfers, w = Fs ist die Anregungskraft und v
t die optimale Regelgrösse u (t ) zu berechnen. Das stellt das Messrauschen der Beschleunigungsauf-
Modell der Regelstrecke ist durch die Bewegungsglei- nehmer dar. Die Matrizen der Zustandsraumdarstel-
chung lung des linearen Systems sind:
M fe ⋅ r(t ) + C fe ⋅ r(t ) + K fe ⋅ r (t ) = Θ fe ⋅ Fs (t ) + Λ fe Fd (t ) ª 0 I º ª 0 º
A=« , B = « −1 »
(2)
−1
¬− M fe K fe − M C fe »¼
−1
fe ¬ M fe Λ fe ¼

110
Geregelte Schwingungsdämpfung von Seilen

2 Beschleunigungsaufnehmer Zusatzmassen
Messungen von LORD Corporation 0.258 0.517 0.517 0.517 0.517 0.517 0.517 0.258
1.8

1.6 T T
Kraftmessdose
Dämpfer Schwingungserreger
1.4
Stromstärke [A]

1.2
0.775
1 13.95 1.55
v = 0 [m/s]
v = 0.2 [m/s] 15.50
0.8 Id-gewünscht

0.6
Abb. 7: Schematische Darstellung der Versuchseinrich-
0.4 tung.
0.2
Fd-gewünscht
Schwingungserreger mit Kraftmessdosen
0
0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800
Kraft [N]

Abb. 6: Inverses Modell des Dämpfers.


Verankerung
Beschleunigungsaufnehmer

ª 0 º
G = « −1 » , [
C = − Φ M −fe1C fe − Φ M −fe1 K fe , ] Zusatzgewicht

¬ M fe Θ fe ¼ Kraftsensor

[
D = Φ M −fe1 Λ fe ] und [
H = ΦM −fe1 Θ fe . ] (8) Dämpfer RD-1005-3

Die Aufgabe des Beobachters, eines zeitinvarianten


und zeitdiskreten Kalman-Filters, ist es nun, aus den
gemessenen Beschleunigungen y (t ) eine Schätzung
des Zustandsvektors x(t ) durchzuführen. Da mit ei-
Abb. 8: Versuchseinrichtung in der Prüfhalle der EMPA.
nem realen, digitalen Regler die Schätzung nicht kon-
tinuierlich sondern nur gemäss einer vorgegebenen
berechnet, wobei K d die Regulatormatrix ist (Geering,
Abtastrate zu bestimmten Zeitpunkten t k durchgeführt
H. P. (2001)).
werden kann, lautet die Schätzung des Zustandsvek-
tors x(t ) zur Zeit t k , die mit xˆˆ[k | k ] bezeichnet wer-
4.2 Modell des magnetorheologischen Dämpfers
den soll, folgendermassen (Preumont, A. (2002)):
Die Rückstellkraft Fd des magnetorheologischen
xˆˆ[k | k ] = xˆˆ [k | k − 1] +
Dämpfers lässt sich als Funktion des Spulenstromes
Ld ( y [k ] − Cd ⋅ xˆˆ [k | k − 1] − Dd ⋅ u [k ]) . (9) I d und der Kolbengeschwindigkeit rd darstellen:

Wobei xˆˆ [k | k − 1] der mit dem Extrapolationsschritt Fd = f (rd , I d ) (12)

xˆˆ [k | k − 1] = Ad ⋅ xˆˆ [k − 1 | k − 1] + Bd ⋅ u [k − 1] (10) Für den Dämpfer RD-1005-3 ist diese Funktion aus
Messdaten durch Interpolation konstruiert worden. Da
geschätzte Zustandsvektor ist. Die Matrizen Ad , Bd , der Regler die gewünschte Dämpferkraft Fd über den
C d und Dd sind die Zustandsmatrizen des zeitdiskre- Spulenstrom I d einstellt, wobei die Kolbengeschwin-
ten linearen Systems, welche durch Diskretisierung digkeit rd durch die Dynamik des Systems gegeben
des zeitkontinuierlichen System gewonnen wurden. ist, wird dazu die inverse Funktion
Ld ist die Beobachter-Verstärkungsmatrix, die den
Fehler der Schätzung xˆˆ[k | k ] minimiert (Preumont, A. I d = g (rd , Fd ) (13)
(2002)). benötigt. Mit dieser wird bei gegebener Kolbenge-
Die Schätzung des Zustandsvektors xˆˆ[k | k ] wird schwindigkeit rd und gewünschter Dämpferkraft Fd
benutzt, um die Rückstellkraft des Dämpfers zu be- der erforderliche Spulenstrom I d berechnet (Abb. 6).
rechnen, die das Gütekriterium J minimiert. Die Messungen haben jedoch gezeigt, dass diese sta-
Rückstellkraft wird durch die Zustandsrückführungs- tischen Zusammenhänge nur für einen konstanten
gleichung Spulenstrom gelten. Auf eine plötzliche Änderung des
u [k ] = − K d ⋅ xˆˆ [k | k ] (11) Spulenstromes stellt der Dämpfer RD-1005-3 die ge-

111
G. Feltrin und F. Weber

-1
10
Messung Seil ohne Dämpfer
Simulation Seil mit passivem Dämpfer Verschiebung der
0.05
(I=0.10 [A]) Eigenfrequenz
-2
10 nach Anbringen
des Dämpfers
0.04

71%

VP(r) [m2/s]
-3
10
VP(r) [m2/s]

0.03

-4
10
0.02
70%
44%
39%
-5 0.01
10 Seil ohne Dämpfer

Modell mit 8 Eigenschwingungen


0
-6
10 2 4 6 8 10 12 14
0 5 10 15 20 f [Hz]
f [Hz]

Abb. 9: Validierung des Modells. Abb. 10: Dämpfung des Seiles mit dem ungeregelten
Dämpfer RD-1005-3 (Spulenstrom: 0.1 A).

wünschte Kraft nicht sofort ein, sondern nach einer


elektrodynamischer Schwingungserreger für die dy-
Zeitspanne von rund τ I − step ≈ 0.005 [s] . Diese Verzö-
namischen Einwirkungskräfte. Diese Kräfte werden
gerung ergibt sich aus der Zeit, die von der Elektronik
mit drei Kraftmessdosen erfasst. Längs des Seiles
benötigt wird, um den gewünschten Spulenstrom zu
sind zehn Beschleunigungssensoren angebracht, die
liefern, und der Zeit, die zum Aufbau der Partikelket-
vom Beobachter zur Schätzung des Zustandsvektors
ten erforderlich ist. Da die Kettenbildung sehr schnell
herangezogen werden. Der Regelalgorithmus ist mit
abläuft (unter einer Millisekunde), ist ihr Anteil an der
der Software LabViewRT® implementiert und wird von
Verzögerung vernachlässigbar klein. Die Dynamik
einer Echtzeitkarte der Firma National Instruments
zum Aufbau des Spulenstromes kann daher als linea-
ausgeführt. Das Modell des Seiles berücksichtigt 8
res System erster Ordnung modelliert werden. Indem
Eigenschwingungen und die Taktfrequenz des Regel-
dieser in Serie mit dem inversen Modell des Dämpfers
kreises beträgt 100 Hz. Die Gewichtung zwischen den
geschaltet wird, kann so die Dynamik der Speisung
Zustandsvariablen und der Rückstellkraft wurde so
des Dämpfers berücksichtigt werden.
gewählt, dass der Beobachter etwa 4 mal stärker ge-
5 VERSUCHE dämpft ist als der geschlossene Regelkreis. Damit
liefert der Beobachter genügend genaue Zustands-
5.1 Versuchseinrichtung schätzungen.
Um das Verhalten des beschriebenen Regelsystems
experimentell zu untersuchen, ist eine Versuchsein- 5.2 Validierung des Modells
richtung aufgebaut worden. Diese ist in Abb. 7 Die LQG-Regelung erfordert ein möglichst genaues
schematisch dargestellt. Abb. 8 zeigt eine Aufnahme Zustandsraummodell, um wirksam regeln zu können.
der Versuchseinrichtung in der Prüfhalle der EMPA. Die nahezu starre Verbindung der Masse des
Das Seil besteht aus einer 7-drahtigen Litze, die Schwingungserregers an das Seil, die Massen der
gegen zwei sehr steife Widerlager mit einer Zugkraft Kraftmessdose und der Akkumulator-Kompensation
von 33.5 kN gespannt ist. Die freie Länge des Seiles und die interne Dämpfung des Seiles erfordern eine
beträgt 15.5 m. Das Seil ist mit Zusatzmassen be- Anpassung der Systemmatrizen (Gleichungen 5) und
schwert, um die Eigenfrequenzen zu reduzieren. Der 8)), um das Verhalten des mathematischen Modells
magnetorheologische Dämpfer ist 0.78 m von der mit dem beobachteten Verhalten des physikalischen
linken Einspannstelle des Seiles entfernt angebracht Systems am Versuchsstand möglichst genau in Über-
(5% der Seillänge). Zwischen Seil und Dämpfer ist einstimmung zu bringen. Die modale Dämpfungsmat-
eine Kraftmessdose zur Messung der Dämpferkraft rix wurde mittels Ausschwingversuchen am Seil ermit-
montiert. Um die Vorspannwirkung des Akkumulators telt. Abb. 9 zeigt die gute Übereinstimmung zwischen
des Dämpfers RD-1005-3 zu kompensieren, ist unter- der simulierten und gemessenen Antwort des Sys-
halb der Kraftmessdose noch eine Zusatzmasse an- tems ohne Dämpfer nach der Anpassung der Sys-
gebracht. In der rechten Seilhälfte, 1.55 m von der temmatrizen. Aus der Frequenzganglinie wird auch
rechten Einspannstelle des Seiles entfernt, sorgt ein deutlich, dass aufgrund der Kopplung des Seiles mit

112
Geregelte Schwingungsdämpfung von Seilen

0.7
x 10-3
passiver Dämpfer, a) 600 b) 16
0.6
Iact=0.10 [A]
0.5 400 Seil mit passivem Dämpfer (I=0.10 [A])
Iact [A]

0.4 200 Seil mit geregeltem Dämpfer

Fd [N]
14
0.3 0 38%
0.2 -200
12
0.1
-400
0
-600
10

VP(r) [m2/s]
-0.1
0 20 40 60 80 -0.1 0 0.1
~0%
t [s] rd [m/s]
8 10%

Abb. 11: a) Spulenstrom des ungeregelten Dämpfers. 35%


b) Kraft/Kolbengeschwindigkeits-Verhalten des un- 6

geregelten Dämpfers.
4

dem Schwingungserreger, die höheren Eigenfrequen- 2

zen des Systems nicht ein ganzzahliges Vielfaches


der Grundfrequenz sind. 0
2 4 6 8 10 12 14
f [Hz]

5.3 Passive Dämpfung Abb. 12: Dämpfung des Seiles mit dem geregelten Dämpfers
Indem der Spulenstrom am magnetorheologischen RD-1005-3.
Dämpfer konstant gehalten wird, wirkt dieser wie ein
nichtlinearer passiver Dämpfer. Der Spulenstrom kann 0.7
geregelter Dämpfer a) 600 b)
0.6
nun so eingestellt werden, dass die Seilschwingungen 0.5
400

bezüglich eines Kriteriums optimal gedämpft werden. 200


Iact [A]

0.4

Fd [N]
Als Mass VP(r ) für die erzielte Dämpfung ist die Än- 0.3 0
0.2
derung des Mittelwerts der Leistungsspektraldichten
-200
0.1 -400
der mit den Sensoren gemessenen Geschwindigkei- 0
-600
ten PSD (r(t )) in einem Frequenzband f min ≤ f ≤ f max , -0.1
0 20 40 60 80 -0.1 0 0.1
rd [m/s]
der die ersten drei Eigenschwingungen erfasst, defi- t [s]

niert worden: Abb. 13: a) Spulenstrom des geregelten Dämpfers.


n b) Kraft/Kolbengeschwindigkeits-Verhalten des
1
VP(r ) := PSD(r ) := ¦ PSD(r ) . (14) geregelten Dämpfers.
nsens i =1

Durch Versuche wurde für den Dämpfer RD-10005-3 ten spektralen Leistungsdichte, wie dies in Abb. 12 zu
ein optimaler Spulenstrom von I opt = 0.1 A ermittelt. sehen ist. Eine stärkere Dämpfung der 2. Eigen-
Abb. 10 zeigt die gemittelte spektrale Leistungsdichte schwingung konnte hingegen nicht erreicht werden,
der Geschwindigkeit. Im Vergleich zum ungedämpften und die Ausbeute bei der 3. Eigenschwingung bleibt
Seil wird die spektrale Amplitude der 1. Eigenschwin- bei bescheidenen 10%. Die 4. Eigenschwingung
gung um 71% reduziert. Die Amplituden der 2. und 3. konnte hingegen um weitere 30% gedämpft werden.
Eigenschwingung, die am ungedämpften Seil bereits Die Regelung erlaubte keine bessere Dämpfung
deutlich kleiner sind als jene der ersten Eigenschwin- der höheren Eigenschwingungen im Vergleich zum
gung, werden hingegen nur um 44% und 39% verklei- passiven Dämpfer. Die schlechte Wirksamkeit bei
nert. Ähnlich wie die 1. Eigenschwingung wird die diesen Eigenschwingungen ist auf drei Faktoren zu-
Amplitude der 4. Eigenschwingung um 70% reduziert. rückzuführen: die Taktfrequenz des Reglers, die Zeit-
Die höheren Eigenschwingungen werden noch stärker verzögerung der Antwort des Dämpfers auf Änderun-
gedämpft. Das gemessene Kraft/Kolbengeschwindig- gen des Spulenstromes und die durch innere Reibung
keits-Verhalten des Dämpfers RD-1005-3 ist in Abb. hervorgerufenen residualen Rückstellkräfte des
11 b) dargestellt. Das bilineare Verhalten des Dämp- Dämpfers bei verschwindendem Spulenstrom. Die
fers kommt darin deutlich zum Ausdruck. Abb. 11 a) Taktfrequenz von 100 Hz und die Antwortzeit von
zeigt den Spulenstrom, der einen Mittelwert von 0.1 τ I −step ≈ 0.005 [s] erlaubt bestenfalls die Kontrolle der
Ampère aufweist. Eigenschwingungen, die eine Eigenfrequenz aufwei-
sen, welche kleiner als 10 Hz ist. Damit können am
5.4 Geregelte Dämpfung Versuchsstand höchstens die ersten vier Eigen-
schwingungen wirksam geregelt werden. Die residua-
Die Regelung erlaubt eine weitere Reduktion um 38%
len Rückstellkräfte verhindern ebenfalls eine wirksa-
der Amplitude der 1. Eigenschwingung in der gemittel-

113
G. Feltrin und F. Weber

den. Daher muss in einem nächsten Schritt, ein adap-


20 tiver Regler entwickelt und getestet werden.

LITERATUR
15
Achkire, Y. & Preumont, A. (1996), Active Tendon Control of
Zeit [%]

Cable-Stayed Bridges, Journal of Earthquake Engineering


10
and Structural Dynamics, 25, 585-597.
Dowd, T. A., Poser, M., Frank, K. H., Wood, S. L. & William-
5 son, E. B. (2001), Bending Fatigue of Cable Stays, Journal
of Bridge Engineering, ASCE, 6, 639-644.
0
Fujino, Y. & Susumpow, T. (1994), An Experimental Study
0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 on Active Control of in-Plane Cable Vibration by Axial Sup-
Ia [A]
port Motion, Journal of Earthquake Engineering and Structu-
ral Dynamics, 23, 1283-1297.
Abb. 14: Stromstärke/Zeit-Histogramm des Dämpfers.
Geering, H. P. (2001), Regelungstechnik, Springer Verlag,
Berlin.
me Dämpfung der höheren Eigenschwingungen, da
Geurts, C., Vrouwenvelder, T., Staalduinen, P. van & Reu-
kleinere Kräfte dafür erforderlich sind als für tiefere sink, J. (1998), Numerical Modelling of Rain-Wind-Induced
Eigenschwingungen. Am zeitlichen Verlauf des Spu- Vibration: Erasmus Bridge, Rotterdam, Structural Enginee-
lenstromes in Abb. 13 a) und am Histogramm Abb. 14 ring International, 8, 129-135.
erkennt man, dass der Regler in 20% der Zeit ver- Ko, J. M., Ni, Y. Q., Z., Chen & Spencer, B. F. (2003),
sucht einen Spulenstrom um 0 Ampère einzustellen. Implementation of Mr Dampers to Dongting Bridge for Cable
Dies ist ein Hinweis dafür, dass er Dämpferkräfte an- Vibration Mitigation, Proceedings of the Thrid World Confe-
rence on Structural Control, Como, Italy, Wiley.
fordert, die kleiner als die residualen Rückstellkräfte
sind. Da der Dämpfer diese nicht einstellen kann, Kovacs, I. (1982), Zur Frage Der Seilschwingungen Und Der
Seildämpfung, Die Bautechnik, 59, 325-332.
leidet die Wirksamkeit der geregelten Dämpfung dar-
Krenk, S. (2000), Vibrations of a Taut Cable with an Exter-
unter.
nal Damper, Journal of Applied Mechanics-Transactions of
the Asme, 67, 772-776.
6 SCHLUSSFOLGERUNGEN
Main, J. A. & Jones, N. P. (2002), Free Vibrations of Taut
Die Versuche zeigen, dass mit einem geregelten Cable with Attached Damper. Ii: Nonlinear Damper, Journal
magnetorheologischen Dämpfer höhere Dämpfungs- of Engineering Mechanics-Asce, 128, 1072-1081.
raten erzielt werden können als mit einem passiven Pacheco, B. M., Fujino, Y. & Sulekh, A. (1993), Estimation
Curve for Modal Damping in Stay Cables with Viscous
Dämpfer. Die Anzahl Eigenschwingungen, die durch
Damper, Journal of Structural Engineering, 119, 1961-1979.
eine Regelung wirksam gedämpft werden können,
Preumont, A. (2002), Virbation Control of Active Structures,
hängen von der Taktfrequenz des Reglers, der Ant-
Kluwer Academic Publishers, Dordrecht.
wortzeit eines magnetorheologischen Dämpfers auf
Telang, N. M., Minervino, C. M. & Norton, P. G. (2000),
eine Änderung des Spulenstromes und der internen Retrofit of Aerodynamic Cable Instability on a Cable-Stayed
Reibungskräfte des Dämpfers ab. Bride: Case Study, Transportation Research Record 1740,
Trotz der ermutigenden Ergebnisse bleiben noch 61-67.
viele Fragen offen. Für praktische Einsätze ist es Virlogeux, M. (1998), Cable Vibrations in Cable-Stayed
wichtig, mit einer möglichst kleinen Anzahl von Senso- Bridges, Bridge Aerodynamics, Eds: Larsen, A.&Esdahl, S.,
ren auszukommen. Die Genauigkeit der Zustands- Rotterdam, Balkema, 213-233.
schätzung wird jedoch darunter leiden. Weitere Unter- Weber, F. & Feltrin, G. (2003), Theoretical Comparison of
suchungen sind erforderlich, um für eine gegebene Different Controlled Damping Devices for Cable Vibration
Mitigation, Proceedings of the International Conference on
Anzahl zu regelnder Eigenschwingungen, die optimale
Smart Structures and Materials 2003, San Diego (CA),
Anzahl Sensoren und deren Standort zu bestimmen. SPIE.
Eine wirksame Zustandsregelung erfordert ein Yamaguchi, H. & Fujino, Y. (1998), Stayed Cable Dynamics
möglichst genaues Modell des Seiles. Verkehrslasten and Its Vibration Control, Bridge Aerodynamics, Eds: Lar-
und Temperatureinflüsse können jedoch, indem sie sen, A.&Esdahl, S., Rotterdam, Balkema, 235-253.
die Zugkraft des Seiles verändern, zu Änderungen der
Schwingungseigenschaften desselben führen, welche
die Wirksamkeit der Regelung einschränken. Das
Modell des Seils, das dem Regler zur Verfügung
steht, muss fähig sein, diese Änderungen nachzubil-

114
Beherrschung der Schwingungen von Brücken
in Leichtbauweise
–– Frühere Erfahrungen, neuere Erkenntnisse, Vorsorge ––

Mehdi Aschrafi1 und Gerhard Hirsch2


1
DSD Stahlbau GmbH, Saarlouis
2
Deutsche Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik e.V. Berlin

1 EINFÜHRUNG Kostengründen wird von manchen langjährigen Er-


kenntnissen seitens der Bauherren kein unmittelbarer
Im modernen Brückenbau sind die Disziplinen Ar-
chitektur, Physik, Mathematik, Ingenieurbau und Gebrauch gemacht in der Hoffnung, dass mit Glück
Strukturdynamik gefragt. Es ist nicht mehr so wie zur alles gut gehen könnte. Das zeigt sich vor allem bei
kleinen Brücken, z.B. den Fußgängerbrücken, die
Zeit von Leonardo da Vinci, bei dem in einer Person
der Maler, Philosoph, Erfinder, Mathematiker und manchmal sogar nach der Eröffnung geschlossen
Ingenieur vereinigt waren. Heute muss mit entspre- werden mussten. Derartige Situationen führten zur
intern. Tagung Footbridge 2002 in Paris, die durch die
chend großem Aufwand das Thema Brückenbau in
seiner Gänze interdisziplinär behandelt werden, und von Fußgängern zu starken Schwingungen angereg-
wie die Erfahrung lehrt, sprechen nicht alle Disziplinen ten Brücken in London (Millennium-Brücke) und Paris
(Solferino-Brücke) inspiriert wurden, OTUA et al.
die gleiche Fachsprache. Diese Gegebenheit führt im
Planungsstadium von Brücken in Leichtbauweise (2002). Es handelt sich hier um seit langem bekannte
oftmals zu erschwerten Anlaufphasen und manchmal Erscheinungen, die immer wieder in Vergessenheit
geraten und deren Erkenntnisse beim Einsatz der
auch zu Unterlassungen.
An der RWTH Aachen konnten mehrere Fakultä- heute zur Verfügung stehenden Software nicht ohne
ten in dieser Hinsicht auf dem Gebiet der aktiven Ver- weiteres abrufbar sind.
Es soll in diesem Beitrag gezeigt werden, wie man
formungskontrolle von Bauwerken entsprechende
Langzeit-Erfahrungen sammeln, Domke et al. (1981). den unerwünschten Schwingungen von Brücken in
Außerdem denken Bauingenieure noch heute traditi- Leichtbauweise erfolgreich und kostensparend be-
gegnen kann bzw. auf welche Weise Vorsorge für
onsgemäß an statische bzw. „„quasistatische““ Gege-
benheiten, während in der Strukturdynamik, die aus eine kostengünstige Problemlösung getroffen werden
der Luftfahrttechnik und dem Fahrzeugbau hervorge- kann.
In die Betrachtung einbezogen werden dynami-
gangen ist, modales Denken gefordert ist. Hierzu stellt
die Abschiedsvorlesung von H. Bachmann an der sche Einwirkungen infolge: Verkehr auf der Brücke,
ETH Zürich, Bachmann (2000) einen erwähnenswer- mutwillig erzeugten Schwingungen durch Fußgänger,
Wind inkl. Aeroelastik, Erdbeben sowie Stoßbelastung
ten Beitrag dar.
Bereits 1983, auf der intern. Konferenz der Wind- infolge Anprall.
Ingenieure, konnten die Verfasser, basierend auf ei-
2 FRÜHERE ERFAHRUNGEN
genen praktischen Erfahrungen mit der Bekämpfung
von Brückenschwingungen, aufzeigen, welche Mög- 2.1 Modale Betrachtungen
lichkeiten es dabei gibt, Aschrafi et al. (1983). Weiter- Die zur Analyse von Brückenschwingungen erforderli-
gehende Studien zum Thema aktive Schwingungs- che modale Betrachtungsweise kann anhand von
kontrolle von weitgespannten Schrägseilbrücken fin- Abb.1 erläutert werden. Während bei einer statischen
den sich in Aschrafi (1999). Betrachtungsweise Kräfte, Momente und statische
Inzwischen wurde auf zahlreichen nationalen und Verformungen eine Rolle spielen, müssen im Rahmen
internationalen Fachtagungen über Fortschritte auf der Strukturdynamik neben den möglichen dynami-
dem Gebiet der Brückendynamik berichtet, aber aus schen Einwirkungen die Eigenschwingungsformen

115
M. Aschrafi und G. Hirsch

Abb. 1: Füßgängerbrücke mit zwei Biegeeigenschwin-


gungsformen und einem dynamischen Schwin-
gungsdämpfer

und die Schwingungsdämpfung ermittelt werden, wo-


bei letztere lediglich auf Erfahrungen basierend ange-
nommen werden kann.
Der Einfluss der verschiedenen dämpfenden Ein-
flüsse kann streng genommen erst nach Fertigstellung Abb. 2: Dynamischer Schwingungsdämpfer der Brücke
der Brücke experimentell bestimmt werden, es sei nach Abb. 1 (a) Querschnitt, (b) Längsschnitt
denn, es gibt bereits einen in allen Einzelheiten ver-
gleichbaren und experimental untersuchten Fall.
Während es in der Statik immer den Weg zur si-
cheren Seite gibt, müssen in der Dynamik kritische
Zustände vermieden werden. Es gibt dann häufig zwei
rettende Ufer, den unterkritischen und den überkriti-
schen Zustand, was aber nicht für selbsterregte (z.B.
aeroelastische Stabilitätsfälle) gilt. Hinsichtlich der
dynamischen Antworten (innere Belastung) müssen
die Massenkräfte, die Dämpfungskräfte und die elasti-
schen Kräfte ermittelt werden, die von Erregerkräften
(Einwirkungen) und deren Arbeitsvermögen in Verbin-
dung mit den Eigenformen herrühren.
Wie aus Abb. 1 zu ersehen ist, wurde zur Verhin-
derung einer Aufschaukelung des Biegegrundtons von
0,90 Hz ein Dämpfer im Brückenkasten (Hauptträger)
angeordnet, der in Abb.2 dargestellt ist und dessen
Masse etwa 2% der effektiven Masse des Hauptträ-
gers beträgt. Die Dämpfung wurde hierbei auf etwa
Abb. 3: Schrägseilbrücke, (a) Abmessung (b) Pylon mit
den vierfachen Wert angehoben. Die Abstimmung des Schwingungsform und Dämpfer
Zusatzsystems wurde hierbei unter Verwendung von
Schraubenfedern und einem Viskodämpfer erzielt. Es täger übertragen und den Straßenverkehr bei kriti-
ist aus strukturdynamischer Sicht nicht in allen Fällen schen Windverhältnissen erheblich beeinträchtigen.
ausreichend, lediglich die Federwirkung der Seile am Eine wirkungsvolle Maßnahme, Seilschwingungen
Hauptträger und den Pylonen anzusetzen, denn in zu unterdrücken, ist der Einbau von Dämpfern, die in
Wirklichkeit stellen sie schwingungsfähige Teilsyste- der Nähe der Anschlusspunkte angeordnet werden
me dar. Außerdem können sie durch Anzupfen in Abb. 4.
Längsrichtung zu parametererregten Querschwingun- Im Fall der Schrägseilbrücke Speyer nach Abb. 5
gen angeregt werden. wurden im Hinblick auf die Herabminderung von stö-
Dieser Brückentyp stellt auch schlechthin das renden Schwingungen im Bauzustand vor dem An-
klassische Beispiel für eine Brücke in Leichtbauweise schluss der Seilgruppe „„a““ Schwingungsmessungen
dar. durchgeführt, um die Wirkung eines in den Rhein ab-
Die Pylone der in Abb. 3 dargestellten Schrägseil- gehängten Ballastkörpers als Maßnahme gegen
brücke wurden durch Wirbelerregung zu heftigen winderregte Schwingungen während des Montagezu-
Schwingungen angeregt, die sich auch auf den Haupt-

116
Beherrschung der Schwingungen von Brücken in Leichtbauweise

standes zu überprüfen. Bereits mit einem Dämpfer,


der aus 8 m langen U-Trägern sternförmig zusam-
mengesetzt war und eine Höhe von 2 m hatte, wurde
die Dämpfung des Grundtones etwa verdoppelt.
Der 87 m hohe A-Pylon der gleichen Brücke konn-
te während des Montagezustandes vor dem An-
schluss der Seile durch eine einfache aerodynami-
sche Maßnahme vor starken wirbelerregten Quer-
schwingungen bewahrt werden.
Durch Windkanalversuche konnte nachgewiesen
werden, dass die Baugerüste eine ausreichende ae-
rodynamische Gegenmaßnahme darstellen. Sie wur-
den dementsprechend bis zum Anschluss der Seile
am Pylon belassen.

2.2 Dynamische Einwirkung


Die dynamischen Einwirkungen können gemäß Abb. 6
eingestuft werden. Im Brückenbau sind die transien-
ten, impulsiven, und periodischen Erregungen von
Bedeutung, insbesondere transiente Erregungen. Abb. 4: Möglichkeiten zur Unterdrückung der Seilschwin-
Die tatsächlichen Zeitverläufe der dynamischen gungen (a) mit Hilfe Neoprenscheibe (b) mit Hilfe
Stoßdämpfer
Einwirkungen können eigentlich erst nach Fertigstel-
lung des Bauwerks durch Messungen ermittelt wer-
den. Leider ist das bei Brückenbauten nicht realisier-
bar, wie z.B. im Flugzeugbau (Standschwingversuch
und Flugversuch) oder im Maschinen- und Anlagen-
bau.

2.3 Dynamische Antworten


Abb. 5: Rheinbrücke Speyer im Montagezustand mit Ver-
Der Wind ist eine sich zeitlich stets ändernde Größe suchsdämpfer.
mit stochastischem Charakter. Durch die Umströmung
der Baukörper und die damit verbundenen Wirbelab-
lösungen prägt sich ein zusätzlicher dynamischer
Anteil in das Lastspektrum ein. Treten größere
Schwingungen auf, können weiterhin Selbsterre-
gungsmechanismen hervorgerufen werden.
Grundsätzlich ist nach Abb. 7 bei Erregungsme-
chanismen zwischen erzwungenen und selbsterregten
Schwingungen zu unterscheiden.
Bei erzwungenen Schwingungen sind in erster Li-
Abb. 6: Art der dynamischen Einwirkungen
nie die Schwingungen infolge periodischer Ablösung
von Wirbeln und die Buffeting-Schwingungen, bei
denen die Erregung des Bauwerks durch luvseitig

Abb. 7: Art der dynamische Antworten

117
M. Aschrafi und G. Hirsch

Abb. 10: Reziprok zur Strouhalzahl 1/S und Schlank-


heitsgrad B / D

Abb. 8: Strouhalzahl verschiedener Hauptträger

Abb. 11: Art der dynamischen Einwirkungen

schnitte sind in Abb. 8 angegeben. Nach Abb. 9 und


Abb. 10 ist in Windkanalversuchen festgestellt wor-
den, dass man für Hauptträgerquerschnitte den Me-
chanismus von wirbelerregten Schwingungen in drei
verschiedene Gruppen klassifizieren kann.
Bei selbsterregten Schwingungen handelt es sich
um bewegungsinduzierte Vorgänge mit stetig an-
wachsenden Amplituden, da durch die Bewegungen
die erregenden aerodynamischen Kräfte verstärkt
werden.
Abb. 9: Effektive Breite B und Höhe D verschiedene Die Galloping-Schwingungen ähneln dem Abriss-
Querschnittsformen flattern von Tragflächen in den Freiheitsgraden Bie
gung oder Torsion bei großem Anstellwinkel. Wie aus
gelegene Störkörper induziert wird, zu nennen. Beim Abb. 11 zu ersehen ist, erfolgt die Bewegung des
Abreißen eines Wirbels wirkt ein Stoß auf den Körper. Systems quer zur Windrichtung. Die kritische Windge-
Bei entsprechenden Frequenzabstimmungen kann schwindigkeit für die Galloping-Instabilität ist proporti-
dadurch ein schwingungsfähig gelagerter Körper zu onal zu dem Massendämpfungsparameter Mδ, der
Schwingungen angeregt werden. Eigenfrequenz fe und umgekehrt proportional zu dem
Die Strouhalzahlen am Rechteckprofil hängen vom Stabilitätsbeiwert (-dcy/dα)
Seitenverhältnis ( Höhe/Breite) ab. Die Abhängigkeit −1
§ dc ·¸
vom Anblaswinkel ist gering. Die Richtwerte für die u ¨−
uo = d . f M
y
o
=2 (1)
Strouhalzahlen anderer Brückenhauptträgerquer- r
e
δ¨
© dα ¸¹
118
Beherrschung der Schwingungen von Brücken in Leichtbauweise

Abb. 13: Die möglichen Kontrollmaßnahmen.

Abb. 12: Strouhalzahl in Abhängigkeit von W/D (B/D=1)

In Windkanalversuchen ist festgestellt worden, dass


bei engstehenden Baukörpern eine weitere Instabilität
auftreten kann, die in ihrer Erscheinungsform dem Abb. 14: Schematischer Signal-Verlauf der aktiven Schwin-
Galloping sehr verwandt ist. Grund dafür ist ein plötz- gungskontrolle
liches Umschlagen beim Überschreiten eines kriti-
schen Anströmwinkels (Interferenzgalloping). spannten Brücken in Wind zu erzielen ist. Die Kon-
Im Gegensatz zu eng beieinander stehenden trollmöglichkeiten sind in Abb.13 angegeben.
kreisförmigen Querschnitten wird das Verhalten der
Rechteckquerschnitte gemäß Abb.12 bei Wind durch 3 NEUERE ERKENNTNISSE
den Schlankheitsgrad B/D der einzelnen Querschnitte Aktive Kontrollmaßnahmen, d.h. geregelte Kontrolle,
sowie das Raumverhältnis W/D charakterisiert. wie man sie zur Flatterunterdrückung vom Flugzeug-
Die Flatterschwingung erfordert zwei Freiheitsgrade in bau her kennt, sind im Brückenbau bisher noch nicht
der Schwingbewegung, nämlich Dreh- und Schlagbe- eingesetzt worden. Bei einer solchen Kontrollaufgabe
wegungen, die phasenmäßig so zugeordnet sein werden Sensoren an der Brücke angeordnet, die z.B.
müssen, dass anfachende Kräfte eine positive Arbeit auf die Verdrehungen des Hauptträgers ansprechen.
am schwingenden Profil leisten. Die zur Neigungsbeschleunigung proportionalen elekt-
rischen Signale werden über Integrationsverstärker,
2.4 Abminderung der Schwingungen
Phasenverschieber und Leistungsverstärker einem
Allgemein ist zu unterscheiden zwischen einer Ab- elektrischen Stellmotor zugeführt, der z.B. eine aero-
minderung von Schwingungen aus Festigkeitsgründen dynamische Hilfsfläche so steuert, dass die mit ihrer
(Einsturzgefahr) oder aus Gründen des Komforts Hilfe induzierten aerodynamischen Kräfte der Schwin-
(Wohlbefinden in den passierenden Fahrzeugen oder gungsanfachung entgegenwirken.
von Fußgängern). Es ist natürlich auch eine aktive Steuerung durch
Die möglichen Kontrollmaßnahmen sind in Aschra- Hilfsmassensysteme denkbar, um die unerwünschten
fi (1999) zusammengestellt und sollen hier nur kurz Schwingungen mittels Trägheitskraftwirkung zu unter-
angerissen werden, denn im Allgemeinen steht das drücken. Abb.14 zeigt den schematischen Signal-
vorhandene umfangreiche Schrifttum dem Leser nicht verlauf der aktiven Schwingungskontrolle.
zur Verfügung. Für eine harmonische Erregung lässt sich die er-
Unter Kontrollmöglichkeiten seien hier alle aktiven forderliche Kontrollkraft ableiten aus der Bewegungs-
und passiven Dämpfungsmaßnahmen verstanden, mit gleichung des Einmassenschwingers (generalisiertes
deren Hilfe eine Verformungskontrolle von weitge-

119
M. Aschrafi und G. Hirsch

Abb. 15: Hilfsmassendämpfer (Passive, Aktive und Hybrid)

System). Die Matrize der Bewegungsgleichung kann


wie folgt beschrieben werden:
Mx(t ) + Cx (t ) + Kx(t ) = Du (t ) + Ef (t ) (2)

mit M als generalisierte Masse (n x n Massen-


Matrize), C als generalisierte Dämpfungs-Matrix, K
als generalisierte Federsteifigkeits-Matrix, x(t) ist der
n-dimensionale Bewegungsvektor, f(t) stellt den r-
Vektor der angebrachten Last oder Fremderregung
dar, und u(t) ist die m-dimensionale Matrix des Kon-
trollkraftvektors. Die n x m Matrix D und n x r Matrix E
sind örtliche Matrizen, welche die Standorte der Kon-
trollkraft und die Erregung definieren.
Für den Entwurf eines Aktuators mit Regelkreis
wurde eine gebaute Schrägseilbrücke mit 310 m
Hauptspannweite gewählt, Aschrafi (1999). Da es sich
bei dieser Brücke um eine Mittelträgerbrücke handelt, Abb. 16: Statisches System
welche nur eine mittlere Seilebene besitzt, können die
Seile keine Torsionsanteile des Hauptträgers durch Hauptspannweite in Intervallen von 200 m in 3-D Sys-
die elastische Unterstützung übernehmen. tem nach Theorie II: Ordnung in statischer Hinsicht
Daher ist bei dieser Brücke das Verhältnis Torsi- untersucht. Die Brückenbreite betrug je nach Haupt-
onseigenfrequenz ft zu Biegeeigenfrequenz fb deut- spannweite zwischen 28 m und 48 m mit einer kon-
lich geringer (ft/fb = 1,2 < 3), was bei kritischer Flat- stanten Konstruktionshöhe von 3,60 m, Aschrafi
tergeschwindigkeit eine große Rolle spielt. (2001).
Durch den –– zunächst passiven –– Gegenschwinger Die Untersuchung hat gezeigt, dass es die wirt-
mit der optimalen passiven Dämpfung von 5,4% der schaftlichste Lösung ist, die Seitenfelder auf das 0,4-
kritische Dämpfung, wurden die Torsionsschwingun- fache, und die Pylonhöhe bezogen auf Oberkante
gen auf den Restwert von 15% abgebaut. Durch den Fahrbahn, auf das 0,2-fache der Hauptspannweite
Einbau eines geregelten Aktuators zwischen den bei- auszulegen.
den Massen entsteht, wie Abb.15 zeigt, ein Hybridsys- Für die Auslegung eines Aktuators mit Regelkreis als
tem (Kombination zwischen Passive und Aktive), eine Entwurf, wurde für die untersuchten statischen Sys-
weitere Beruhigung der Torsionsschwingungen erzielt teme eine Hauptspannweite von 1600 m und eine
wird. Konstruktionsbreite der Hauptträger von 36 m gemäß
Nach dem Bau der Normandie-Brücke in Frank- Abb. 16 ausgewählt.
reich im Jahre 1994 mit einer Hauptspannweite von Die rechnerischen Verformungen und Verdrehun-
856 m und der Tatara-Brücke in Japan im Jahre 1999 gen in Abhängigkeit von Windgeschwindigkeit unter
mit einer Hauptspannweite von 890 m hat sich ge- Berücksichtigung der aerodynamischen C-Werte für
zeigt, dass die Schrägseilbrücken gegenüber Hänge- den Endzustand sind in Abb.17 dargestellt. Im Monta-
brücken konkurrenzfähig und wirtschaftlich sind, gezustand vor Schließen der Brücke, bei 800 m Krag-
Aschrafi (1998). arm, wurde eine horizontale Verformung von 22 m,
Es wurde eine weitgespannte Schrägseilbrücke, eine vertikale Verformung von 4,2 m und eine Winkel-
mit fächerartiger Aufhängung mit 1000 m und 2000 m

120
Beherrschung der Schwingungen von Brücken in Leichtbauweise

Abb. 17: Rechnerische Verformungen und Verdrehungen

Abb. 18: Hilfsmassendämpfer (Hybrid-System)

verdrehung der Hauptträger von 4,1 Grad bei einer In Abb. 18 ist der Entwurf der Hilfsmassendämpfer
Windgeschwindigkeit von 50 m/s errechnet. im Hybrid-System für Torsionsschwingungen mit Re-
Zum Entwurf eines Aktuators mit Regelkreis wur- gelkreis dargestellt.
den bei weitgespannten Schrägseilbrücken, hier mit Die Montagephasen sind die kritischsten Phasen
1600 m Spannweite, eine vertikale Biegeeigenfre- für weitgespannte Brücken, da diese während dieser
quenz mit 0,110 Hz, eine horizontale Biegeeigenfre- Phasen in freiem Vorbau, mit großen Kragarmen
quenz mit 0,124 Hz und eine Torsion-Eigenfrequenz höchst flexibel und schwingungsgefährdet sind.
mit 0,465 Hz für die ersten Grundtöne im Endzustand Um die Windwirkungen zu reduzieren, werden, wie
ermittelt. Abb. 19 zeigt, für die horizontalen Biegeschwingun-

121
M. Aschrafi und G. Hirsch

Abb. 19: Weitgespannte Schrägseilbrücke während der Montage

gen und Torsionsschwingungen verschiebbare Hilfs- LITERATUR


massendämpfer auf dem Brückendeck installiert. Aschrafi, M. & Hirsch, G. (1983), Control of Wind-Induced
Vibrations of Cable-Stayed Bridges, Journal of Wind-
4 VORSORGE Engineering and Industrial Aerodynamic, Vol. 14, 1983, 235-
246.
Da die tatsächlichen dynamischen Gegebenheiten
Aschrafi, M. (1998), Comparative Investigation of Suspen-
einer Brücke in Leichtbauweise während der Kon-
sion Bridges and Cable-Stayed Bridges for Spans exceed-
struktionsphase ungenügend bekannt sind, muss im ing 1000 m, IABSE Symposium Kobe, Japan 2-4 Septem-
Hinblick auf eine möglicherweise Kontrollmaßnahme ber, 1998, 447-452.
gegen Schwingungen Vorsorge getroffen werden. Aschrafi, M. (1999), Untersuchung zur Auslegung einer
Die Kontrollmaßnahme sollte zwar ausgelegt, nicht aktiven Schwingungskontrolle von weitgespannten Schräg-
aber von vornherein realisiert werden, denn nur auf seilbrücken, Dissertation, 1999, RWTH Aachen
diese Weise können Kosten eingespart werden. Aschrafi, M. (2001), Cable-Stayed Bridges for Main Spans
Es ist unerlässlich, die infrage kommenden An- exceeding 1000 m, IABSE Conference on Cable-Supportted
Bridges, Seoul, Korea, 12-14 Juni 2001, 88-89.
schlusskonstruktionen der Kontrolleinrichtungen im
Brückentragwerk oder den Komponenten vorzusehen Bachmann, H. (2000) Stahlbeton, Baudynamik und Erdbe-
beningenieurwesen Ein paar Widerspruche, Abschiedsvor-
und einzubringen. Im Falle von Zusatzmassen der
lesung an ETH Zürich, 27 Juni 2000
Kontrollmaßnahme muss an deren Einfluss auf die
Domke, H. Backe, W. Meyer, W. Hirsch, G.& Goffin, H.
Statik gedacht werden. (1981) Aktive Verformungskontrolle von Bauwerken, Bauin-
Nach der Inbetriebnahme wird sich dann bald zei- genieur, 56, 1981, 404-412
gen, ob die geplante Maßnahme verwirklicht werden OTUA & AFGC,(2002), Design and dynamic behaviour of
muss oder unterbleiben kann. Footbridges, Conference, Paris, 20-22 November 2002

5 ZUSAMMENFASSUNG
In dem Beitrag wurde gezeigt, auf welch vielfältige
Weise Brücken in Leichtbauweise zu unerwünschten
Schwingungen angeregt werden können. Diese kön-
nen sowohl die Dauerfestigkeit des Tragwerks und
seiner Komponenten als auch den Komfort (Fußgän-
ger, Verkehr) der benutzten Brücke betreffen.
Zur Beherrschung der Schwingungen werden, ba-
sierend auf früheren Erfahrungen und neueren Er-
kenntnissen, Möglichkeiten einer wirksamen Schwin-
gungskontrolle erläutert und Vorsorgemaßnahmen
diskutiert. Die Orientierung erfolgt dabei an prakti-
schen Beispielen.

122
Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN1991-2

Rainer Flesch
arsenal research, Wien

1 AUFGABENSTELLUNG search zusammengefasst wurden. Das Team umfass-


Das Kapitel 6 der prEN 1991-2 behandelt unter ande- te Vertreter der FA TDV/ Graz, der Zivilingenieurbüros
Kirsch –– Muchitsch-Partner/ Linz, Westhausser/ Salz-
rem das dynamische Verhalten von Eisenbahnbrü-
cken. In den als weniger kritisch eingestuften Fällen burg, und Pauser/ Wien sowie arsenal research. An
erfolgt beim Entwurf die Berücksichtigung dynami- den Workshops nahmen stets auch Vertreter der HL-
AG sowie der ÖBB teil.
scher Effekte nach der relativ einfachen Quasistati-
schen Methode. Es werden hierbei die Ergebnisse der Die Plausibilität der in der prEN1991-2 enthaltenen
statischen Berechnung mit dem „„dynamischen Inkre- Forderungen wurden hinterfragt und Wege für Verein-
fachungen gesucht. Folgende weitere wichtige Aufga-
ment““ (Φ - Faktor) multipliziert. Unter gewissen Be-
dingungen sind jedoch aufwendige dynamische Zeit- ben wurden der „„Baudynamik ––Spezialistengruppe““
verlaufsberechnungen erforderlich. Hierzu sind meh- gestellt: 1) Festlegung der wesentlichsten Modellie-
rungsgrundsätze für die Erstellung der Strukturmodel-
rere Modelle für unterschiedliche Zugskonfigurationen
(hierunter insbesondere die 10 HSLM-A Züge) ange- le von Brücken, 2) Festlegung wesentlicher Bau-
geben. Um die jeweils ungünstigsten Fälle herauszu- werksparameter (Dämpfungszahlen, dynamische E-
Moduli, etc.).
arbeiten, muss die Fahrgeschwindigkeit im Bereich
150 –– 300 km/ h etwa in 10 km/ h –– Schritten variiert Einige Vereinfachungen werden im Nationalen
werden. Man kommt somit in eine Größenordnung Anwendungsdokument festgeschrieben werden. Zu-
sätzlich ist die Erarbeitung der in Abschnitt 2 skizzier-
von über 100 Zeitverlaufsberechnungen. Es sind al-
lerdings weniger die Berechnungen selbst, die den ten Österreichischen Richtlinie geplant.
großen Aufwand verursachen, sondern die Auswer-
2 KONZEPT FÜR ÖSTERR. RICHTLINIE
tung und Darstellung der Ergebnisse. Hierfür ist viel
„„Handarbeit““ erforderlich. Zusätzlich sei erwähnt, dass 2.1 Eingrenzung der Notwendigkeit von dynami-
der durchschnittliche Planer dynamische Berechnun- schen Analysen
gen gar nicht durchführen kann bzw. wegen der feh- Es wurden zusätzlich zu Fig. 6.9 der prEN1991-2
lenden Praxis große Berührungsängste hat. weitere Kriterien für die Entscheidung zusammenge-
In der prEN 1991-2 gibt es eine Vielzahl von Krite- stellt, ob die Anwendung der einfachen quasistati-
rien, ob nach der Quasistatischen Methode vorgegan- schen Methode zulässig ist oder ob aufwendige Un-
gen werden darf, oder ob die Dynamische Methode tersuchungen nach der Zeitverlaufsmethode durchge-
anzuwenden ist. Der Anwender muss hier verschlun- führt werden müssen. Diese zusammengestellten
gene Pfade mit zahlreichen Abzweigungen verfolgen, Kriterien basieren auf den bisher durchgeführten Be-
ehe er weiß, wie er im konkreten Fall vorzugehen hat. rechnungen sowie ersten gezielten Parameterstu-
Die wesentlichen Parameter sind hierbei die Fahrge- dien. In den angeführten Fällen ist unabhängig von
schwindigkeiten (wichtige Grenze: 200 km/ h), die der max. zulässigen Fahrgeschwindigkeit keine dy-
Spannweiten sowie System + Zahl der Felder. namische Analyse erforderlich. Die wesentlichen Pa-
Auf Initiative der HL-AG/ Brückenbau wurde ein rameter sind hierbei Tragwerkstyp, Schlankheit und
österreichischer Expertenkreis für die vorliegende gesamte Brückenmasse.
Fragenstellung eingerichtet. Insgesamt wurden bisher In jedem Fall muss der Nachweis erbracht werden,
5 Workshops abgehalten, bei denen die Erfahrungen dass der in Fig. 6.10 der prEN1991-2 gegebene obere
aller Teilnehmer eingebracht und von arsenal re- und untere Grenzwert für die erste vertikale Biegeei-

123
R. Flesch

genfrequenz eingehalten wird. Dies ist mit einem ein- sen sich die aufwendigen dynamischen Berechnun-
fachen Stabmodell bzw. durch Einsetzen in Formeln gen auf das tatsächlich erforderliche Maß eingrenzen.
aus der Literatur möglich. Falls die vorgeschriebenen Im Wesentlichen werden Diagramme für Einfeldtrag-
Werte nicht eingehalten sind, ist es erforderlich die werke (Stab- und Plattenmodelle), Mehrfeldtragwerke
geplanten Tragwerksabmessungen entsprechend zu mit dominierendem Schwingungsverhalten in
modifizieren. Längsrichtung sowie Einfeld –– Rahmen erarbeitet
Insgesamt sieht die geplante österreichische Be- werden, die sich gut für eine erste Orientierung des
rechnungsrichtlinie die in der Folge dargestellten Stu- entwerfenden Ingenieurs eignen.
fen vor.
2.2.1 Vereinfachte Vorgangsweise im Falle des
2.1.1 STUFE I –– Verfahren Lastmodells HSLM –– B
Hier wird die vorliegenden Erfahrungen genutzt. Es Beim Lastmodell HSLM –– B sieht die prEN 1991-2
werden Fälle definiert, in denen sich eine dynamische eine periodische Belastung durch N Achsen im Ab-
Berechnung erübrigt. Auf Basis der vorliegenden Er- stand d vor. Es liegt somit eine periodische Belastung
fahrung (Berechnungen im Rahmen konkreter Projek- vor. Es bietet sich somit die Verwendung der Formeln
te sowie Parameterstudien) werden z.B. für praxisre- des Einmassenschwingers an, wobei die generalisier-
levante Kombinationen der „„Sortierbegriffe““ Zahl der ten Größen für den ersten Eigenschwingzustand zu
Gleise/ Baustoff+Querschnitt/ Tragsystem in Längs- verwenden sind ( „„fiktiver Einmassenschwinger). Die
richtung Mindestmassen + max. Schlankheiten defi- maximale Amplitude für einen teilweise eingeschwun-
niert, bei deren Einhaltung unabhängig von der zuläs- genen Zustand lässt sich nach folgender Formel er-
sigen Fahrgeschwindigkeit dynamische Analysen mitteln:
nicht erforderlich sind.
−ξ1 ω1 t E , i
a m (t E ,i ) = (1 − e ) a m ,max (1)
2.1.2 STUFE II –– Verfahren
Hier werden einfache Stabmodelle verwendet. Dies ist tE,i ist hierbei die Einwirkungsdauer des Zuges und ist
zulässig, falls kein maßgebliches Schwingungsverhal- von der Fahrgeschwindigkeit, N und d abhängig.
ten in Querrichtung vorliegt. Zur Abdeckung der Un-
2.3 Verwendung von STUFE II –– Verfahren
genauigkeiten gegenüber den räumlichen Vollmodel-
len sollen künftig Zuschlagsfaktoren verwendet wer- Falls eine dynamische Analyse erforderlich ist, kön-
den. Bis zum Vorliegen genauerer Untersuchungen nen einfache Stabmodelle (inkl. Zusatzmassen) he-
wird ein Zuschlagsfaktor von 1,2 vorgeschlagen. Die rangezogen werden, falls kein maßgebliches Eigen-
Stufe II –– Verfahren eignen sich gut für ein Zuarbeiten schwingverhalten in Tragwerks- Querrichtung vorliegt.
für Stufe I, da sich auch bei einer größeren Zahl von Eine Modellierung als „„globaler““ Stab darf dann
Varianten der Aufwand in Grenzen hält. Ferner be- vorgenommen werden, wenn die Betrachtung des
deuten sie ein Werkzeug, dass nach einer Grundein- „„globalen Verhaltens““ ausreicht. In Fällen, in denen
schulung von jedem Zivilingenieur angewendet wer- ein maßgebliches lokales Schwingungsverhalten (z.B.
den kann. Zur Erarbeitung der oben genannten Fakto- von Plattenfeldern, Aussteifungselementen, etc.) zu
ren ist es wesentlich, dass im Zuge der Parameter- erwarten ist, ist eine entsprechend detaillierte räumli-
studien an bestimmten „„Stützstellen““ die Verfahren che Modellierung unumgänglich. Es sei mit Nachdruck
der STUFE II mit Verfahren der STUFE III kombiniert darauf verwiesen, dass hier in sekundären Elemen-
und die Ergebnisse verglichen werden. ten, die statisch kaum belastet sind, maßgebliche
dynamische Schnittkräfte auftreten können. Es muss
2.1.3 STUFE III –– Verfahren klar sein, dass eine „„quasistatische Berechnung““, die
auf einem dynamischen Inkrement beruht, hier keine
Hier erfolgt eine möglichst genaue räumliche Model-
adäquate Bemessung ermöglichen kann. Entspre-
lierung (Plattenmodelle, Trägerrost), inkl. genaue Mo-
chende Vorsicht ist insbesondere bei Stahltragwer-
dellierung der Lagerungsbedingungen.
ken, Verbundbrücken, Fachwerk- und Bogenträgern,
2.2 Verwendung von STUFE I –– Verfahren etc. erforderlich.
Bei Betonbrücken können die dynamischen Wir-
Es ist geplant, die praxisrelevanten Kombinationen kungen auf sekundäre Elemente in vielen Fällen
durch gezielte Parameterstudien möglichst großflä- durch konstruktive Maßnahmen abgedeckt werden.
chig abzudecken und die Ergebnisse in übersichtli- Es ist z.B. bekannt, dass bei direkt befahrenen Ober-
chen Diagrammen darzustellen. Auf diese Weise las- gurtplatten von Hohlkästen beachtliche dynamische

124
Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN1991-2

Verformungen in Querrichtung auftreten, die aber –– Berücksichtigung der dynamischen Einwirkungen


leicht durch eine entsprechende konstruktive Zusatz- auf Schnittkräfte und Verschiebungen gemäß Ab-
bewehrung abgedeckt werden können. Bei Kragplat- schnitt 6.4.6.5.
ten wurden mehrfach Resonanzschwingungen beo- –– Nachweis der Dauerschwingfestigkeit. Gemäß der
bachtet, die eine Dauerbelastung darstellen. Es bilden im österr. NAD vertretenen Auffassung ist kein ei-
sich Risse, die dann meist zu Korrosionsschäden gener Nachweis erforderlich.
führen. Derartige Sekundärschwingungen können z.B.
Gemäß prEN1990-2 sind folgende weiteren Nach-
durch schräge Abstützungen in „„dynamisch richtig
weise erforderlich:
angeordneten““ Abständen unterbunden werden.
Eine schiefe Lagerung der Brücke ist kein grund- –– Vertikale Durchbiegung gemäß prA2.4.4.2.3
sätzlicher Ausscheidungsgrund für die Anwendung –– Überbauverwindung gemäß prA2.4.4.2.2, Tab.
eines Stabmodells. Es sollte jedoch bewusst sein, A2.7
dass derartige Brücken verstärkt zu Torsionsschwin- –– Endverdrehung gemäß prA2.4.4.2.3(2); EVN 1991-
gungen bzw. Schwingungen in Querrichtung neigen 3: 1995
können. In nicht extremen Fällen kann dieser Einfluss –– Horizontale Querverformung gemäß prA2.4.4.2.4,
durch einen entsprechenden Beiwert abgedeckt wer- Tab. A2.8
den. Bei schiefen Brücken ist ferner zu beachten, –– Erste horizontale Eigenfrequenz gemäß
dass es insbesondere bei dynamischen Einwirkungen prA2.4.4.2.4(3)
zum Abheben von den Lagern kommen kann. Es sind –– Nachweis der max. vertikalen Durchbiegung hin-
entsprechende konstruktive Gegenmaßnahmen zu sichtlich Reisekomfort gemäß prA2.4.4.3.
setzten. Im Zuge der bisher durchgeführten Parameterstu-
Es ist sehr wahrscheinlich, dass man in vielen Fäl- dien wurde die Einhaltbarkeit der Kriterien gemäß
len mit einfachen Stabmodellen, welche die Masse
prEN1990-2 noch nicht untersucht. Es wird vermutet,
und modale Steifigkeiten der maßgeblichen Eigen- dass sie im Großteil aller Fälle eingehalten werden
schwingzustände (häufig nur 1 bis 3 vertikale Moden) können. Bei einigen STUFE II –– Berechnungen der
gut wiedergeben, plausible Ergebnisse in der richtigen
letzten Zeit wurden allerdings neben den max. Be-
Größenordnung erhält. Wesentlich ist jedoch die Er- schleunigungen auch die max. vertikalen Durchbie-
kenntnis, dass man in den meisten Fällen nicht mit gungen, die Endverdrehungen sowie die dynamischen
einfachen Formeln z.B. des Einmassenschwingers
Schnittkräfte ermittelt.
das Auslangen findet, sondern mit den einfachen Künftig werden mit den STUFE - II Modellen auch
Stabmodellen Zeitverlaufsuntersuchungen durchfüh- die Torsionseigenfrequenzen, die erste horizontale
ren muss (Ausnahme: Fälle, in denen HSLM –– B zu-
Eigenfrequenz sowie die horizontale Querverformung
lässig ist). ermittelt werden können. Es sei jedoch darauf verwie-
Besonders wichtig ist eine realistische Modellie- sen, dass Torsionseigenfrequenzen und horizontale
rung der Massen (Tragwerksmasse + Zusatzmassen).
Schwingungen nur dann angeregt werden, wenn eine
Auf eine Modellierung von Lagern mit realistischen entsprechende exzentrische Anregung vorliegt, die
Federwerten kann bei der hier angestrebten Modellie- sich im Modell natürlich nur dann auswirkt, wenn sie
rungsgenauigkeit verzichtet werden. Es wird empfoh-
auch modelliert wird. Falls z.B. ein zweigleisiges
len ein räumliches Stabmodell zu verwenden. Tragwerk durch ein räumliches Stabmodell dargestellt
Meist steht der Nachweis der max. vertikalen Be- werden soll, ist es durchwegs sinnvoll das Torsions-
schleunigung zur Gewährleistung der Betriebssicher-
schwingungsverhalten zumindest näherungsweise
heit im Vordergrund. Bei Tragwerken mit Schotterbett abzubilden. Auch die Exzentrizität der Erregung lässt
beträgt die zulässige Maximalbeschleunigung 3,5 sich mit einfachen Mitteln modellieren.
m/s², bei schotterlosem Oberbau 5 m/s². Das Ziel
Betreffend die Verwindung um die Längsachse auf
dieser Limitierung ist die Sicherung der Gleisstabilität 3 m wird derzeit empfohlen, derartige Nachweise nur
(Stabilität des Schotterbettes). an „„Stützpunkten““ für STUFE I Darstellungen zu
Die realistische Modellierung der Massen ist insbe-
führen und hierzu STUFE III –– Modelle zu verwenden.
sondere deswegen notwendig, da die max. vertikalen Zwecks Berücksichtigung aller jener Effekte, die mit
Beschleunigungen den wirksamen Massen verkehrt dem Stabmodell nicht erfasst wurden, sind die max.
proportional sind.
Beschleunigungen, Verschiebungen und Verdrehun-
Folgende weitere Nachweise sind gemäß gen sowie die dynamischen Schnittkräfte mit dem
prEN1991-2 erforderlich: Zuschlagsfaktor 1,2 zu multiplizieren.

125
R. Flesch

2.4 Erforderliche Modellierung als Trägerroste darf somit nicht erwarten, dass Ergebnisse, die mit
bzw. mit Plattenelementen ( STUFE III - Ver- verschiedenen Mitteln berechnet wurden, besonders
fahren ) gut übereinstimmen. Eine plausible, vergleichbare
Bei Brücken, die als Flächentragwerke betrachtet Größenordnung sollte aber in jedem Fall erzielbar
werden müssen, z.B. bei einem Verhältnis Spannwei- sein. Es wird nochmals darauf verwiesen, dass die
te zu Tragwerksbreite ≤ 2 und maßgeblichem Eigen- Berechnung zahlreiche konservative Elemente enthält
schwingverhalten in Querrichtungen ist eine räumli- (z.B. bei Modellierung der Achslasten als Punktlas-
che Modellierung erforderlich (Trägerrost- bzw. Plat- ten).
tenmodelle). Ein maßgebliches Eigenschwingverhal-
ten in Querrichtung liegt vor, falls Eigenfrequenzen 2.5 Modellierung des Belastungszeitverlaufes
von Längs- und Querschwingungen nahe beisammen Die Zeitverlaufsanalysen werden normalerweise unter
liegen und somit eine gleichzeitige (bei bestimmter Verwendung der HSLM-A –– Züge 1 -10 durchgeführt.
Fahrgeschwindigkeit) phasengleiche Anregung wahr- Der Großteil aller FE- Programme mit Dynamik Modul
scheinlich ist. In diesem Fall ist auch eine exzentri- erlaubt die Durchführung von Zeitverlaufsanalysen.
sche Anregung gut modellierbar (z.B. zweigleisige Die Belastungszeitverläufe in den einzelnen Knoten
Brücken). lassen sich für die gegebenen Zugskonfigurationen
Bei räumlichen Modellierungen werden in der Re- einfach programmieren. Es ist zulässig, die Achslas-
gel auch die Lagerungsbedingungen (Lagerfedern) ten als wandernde Einzellasten anzusetzen. Diese
möglichst realistisch nachvollzogen. Bezüglich schie- Modellierung liegt auf der sicheren Seite. Es ist jedoch
fer Lagerungen ist festzustellen, dass sie zufolge der auch eine Verteilung der einzelnen Achslasten in
räumlichen Modellierung ebenfalls richtig dargestellt Längs- und/ oder Querrichtung zulässig (siehe 6.4
werden. und 6.5).
Bei räumlichen Modellierungen sind dann die max. Grundsätzlich ist die Fahrgeschwindigkeit im Be-
vertikalen Beschleunigungen stets in solchen Punkten reich 150 km/ h (ev. sogar 140 km/ h) bis vmax x 1,2 zu
zu beurteilen, wo sie für die Gleisstabilität maßgeblich variieren. Die Geschwindigkeit ist etwa in 10 km/ h
sind. Es wäre nicht zielführend für dieses Kriterium Schritten zu erhöhen. Ggf. sind auch Zwischenwerte
Maximalwerte heranzuziehen, die z.B. an einem se- erforderlich, um die Beschleunigungsmaxima genauer
kundären Element aufgetreten sind. Es ist jedoch sehr erfassen zu können.
wohl wichtig, das lokale Schwingungsverhalten derar- Alternativ hierzu kann die folgende Vorgangsweise
tiger stark betroffener Sekundärglieder getrennt zu herangezogen werden. Parameterstudien haben ge-
beachten. zeigt, dass in der Regel die max. Beschleunigungs-
Modelle von Bauwerken lassen sich auf Grund von werte stets dann auftreten, wenn jeweils ein einziger
insitu Messungen an bestehenden Objekten deutlich Eigenschwingzustand in Resonanz versetzt wird. Falls
verbessern. Von diesen Möglichkeiten ist künftig stär- man somit die einzelnen Züge mit der entsprechen-
ker Gebrauch zu machen. den Fahrgeschwindigkeit über das Tragwerk fahren
Die oben beschriebene Modellierung ist grundsätz- lässt, werden diese Resonanzzustände gezielt ange-
lich erstrebenswert, sie ist jedoch auch mit erheblich regt. Die zugehörige „„Fahrfrequenz““ ist hierbei gleich
größerem Aufwand verbunden als eine Berechnung der betrachteten Eigenfrequenz. Die Untersuchungen
mit einfachen Stabmodellen. Aus Kosten- Nutzen müssen nacheinander für alle maßgeblichen Eigen-
Abwägungen muss allerdings deutlich darauf verwie- frequenzen durchgeführt werden. Die „„Fahrfrequenz““
sen werden, dass auch die räumlichen Modellierun- fF ergibt sich hierbei wie folgt:
gen nur bis zu einem gewissen Grad ein besseres
Abbild der Wirklichkeit darstellen. fF = v / 3.6/ D [Hz] (2)
Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass Zeitver- mit
laufsanalysen sehr stark von den Details der Modellie- v…………..Fahrgeschwindigkeit [km/ h]
rung beeinflusst werden. Hier geht die tatsächliche D………….““charakteristische““ Länge [m]: die Parameter-
Phasenlage zwischen den einzelnen Eigenschwing- studien zeigen, dass bei den HSLM-A Zügen die Wa-
Um nun gezielt die i-te Eigenfrequenz ni anzuregen, genlänge D eingesetzt werden kann.
muss der HSLM-A Zug mit der Fahrgeschwindigkeit vi Zusätzlich zur obigen Fahrfrequenz sind auch de-
über das Tragwerk fahren: ren Harmonische wirksam.
zuständen maßgeblich in die Ergebnisse ein. Letztere
ist stark von den berechneten Eigenfrequenzen und Vi = ni *3,6 * D [km/ h] (3)
den angesetzten Dämpfungszahlen abhängig. Man

126
Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN1991-2

Will man auch die Harmonischen der Fahrgeschwin-


digkeit berücksichtigen, so ist vi durch n zu dividieren,
wobei n die Nummer der Harmonischen bedeutet. In
der Parameterstudie wurden die Harmonischen bis
n=7 berücksichtigt. Dies ist insbesondere bei den
kurzen einfeldrigen Tragwerken wichtig. Schließlich
sind alle jene Fahrgeschwindigkeiten vi heranzuzie-
hen, die im Bereich 150 bis 300 km/ h liegen.
Bei einer Untersuchung in 10 km/ h Intervallen sind
160 Zeitverlaufsuntersuchungen (16 x 10) erforderlich.
Beim „„gezielten Anregen““ der Bauwerkseigenfrequen-
zen waren in den Parameterstudien jeweils 1 bis 3
Zeitverlaufsuntersuchungen pro Zugtyp und Eigenfre-
quenz (meist 1 bis 3 maßgebliche Eigenfrequenzen)
notwendig. Bei 2 maßgeblichen Eigenfrequenzen Abb. 1: Brücke PÖ5
waren einmal z.B. nur 40 Zeitverlaufsberechnungen
erforderlich.
Grundsätzlich können Maxima der Schwingungs-
antwort insbesondere bei Mehrfeldsystemen auch bei
Anregungen mit Frequenzen zwischen 2 Eigenfre-
quenzen auftreten. Im Zuge der Parameterstudien
wurden Vergleiche beider Methoden durchgeführt. Es
zeigte sich, dass mit der Methode „„gezielte Anregung““
die absoluten Maxima meist ausreichend genau ermit-
telt werden konnten.
Spätestens beim Nachvollziehen der Methode „„ge-
zielte Anregung““ der Bauwerkseigenfrequenzen wird
verständlich, dass bei STUFE II –– Vorgangsweise
eine Modellierung der Lager durch Federn nicht sehr Abb. 2: Ergebnis der ODS –– Analyse, erste vertikale Ei-
maßgeblich sein wird. Es ergibt sich zwar beim An- genform bei 4, 75 Hz
satz von Auflagerfedern eine geringfügige Abnahme
der Eigenfrequenzen. Durch das gezielte Aufsuchen fahrt eines Güterzuges konnte mittels ODS –– Analyse
der Resonanzen ist es jedoch nicht wirklich wesent- (Operational Deflection Shape- Analyse) nachgewie-
lich, ob die Eigenfrequenz hier geringfügig höher oder sen werden, dass hier dominant die erste vertikale
tiefer liegt. Biegeeigenform angeregt wurde (siehe Abb. 2).
Aus dem Ausschwingen nach einigen Zugsüber-
3 UNTERSUCHUNG DER EISENBAHNBRÜCKE fahrten konnte eine modale Dämpfungszahl von ca.
PÖ5
0,0113 ermittelt werden, was für ein vorgespanntes
Im August 2002 konnten Messungen an der dreifeldri- Tragwerk völlig plausibel erscheint. Während der
gen Brücke PÖ5 ( 26m, 30m, 26 m; Trogquerschnitt; Zugsüberfahrt selbst ist jedoch –– hauptsächlich wegen
siehe Abb. 1 ) während Hochgeschwindigkeits - der Dämpfungswirkung durch die Beanspruchung des
Zugsüberfahrten vorgenommen werden. Es wurden Schotterbettes sowie wegen eventueller Bewegungen
auf den Trogwangen beidseitig von Gleis 4 in insge- im Bereich der Lager und Übergangskonstruktionen ––
samt 13 Messpunkten die Schwingungen bei Über- eine höhere Dämpfung sehr wahrscheinlich, der
fahrt von Messzügen sowie Regelzügen gemessen. Nachweis wurde aber noch nicht erbracht.
Aus den aufgezeichneten Zeitverläufen wurden der Es liegen Messergebnisse für 23 Hochgeschwindig-
„„maximale keitsfahrten vor. Es wurden die Zeitverläufe in den
gleitende Effektivwert““ der Schwingbeschleunigung jeweiligen Messpunkten sowie die zugehörigen Fre-
sowie der tatsächliche Maximalwert der Schwingbe- quenzspektren dargestellt. Ferner werden für jede
schleunigung (jeweils während der Zeit der gesamten Zugsüberfahrt die Maximalwerte Aeff, Amax und Amin
Zugsüberfahrt) bestimmt. Die Werte lagen deutlich (jeweils [m/ s²]) angegeben. , Amax und Amin bedeuten
unterhalb des Grenzwertes von 3,5 m/s² gemäß prEN hierbei den positiven bzw. negativen Größtwert, der
1991-2. Unter Verwendung der Messwerte bei Über- das gesamte dargestellte Frequenzspektrum umfasst.

127
R. Flesch

III_Mehrfeldträger_Beton gemessen wurden. Diese höherfrequenten Kompo-


nenten stehen eindeutig mit der „„Schwellenfrequenz““
4,50
4,00
im Zusammenhang. Offensichtlich wird hier eine dy-
namische Reaktion des Schotterbett –– Oberbaues
max. vert. Beschl. [m/s²]

3,50
3,00 angeregt. Der „„niederfrequente““ Anteil, der durch die
2,50
im Abschnitt 2.5 beschriebene Fahrfrequenz hervor-
2,00
1,50
gerufen wird beträgt hierbei nur etwa 30 - 40 % des
1,00 gesamten Beschleunigungssignals. Das Rechenmo-
0,50
dell kann derzeit nur den Anteil zufolge Fahrfrequenz
0,00
0,0 2000,0 4000,0 6000,0 8000,0 10000,0 12000,0 14000,0 16000,0 berücksichtigen. Es ist daher äußerst wichtig, die Be-
Gesam tm asse [t] deutung der höherfrequenten Anteile für die Gleissta-
bilität und Fahrsicherheit zu klären. Weitere Messun-
Abb. 3: STUFE III –– Ergebnisse für Mehrfeldtragwerke aus gen + Nachrechnungsversuche werden diesbezüglich
Beton, Schlankheit 1/15 sehr hilfreich sein.
Betreffend das Kriterium der max. vertikalen Trag-
werksbeschleunigung erscheint es wichtig, die ent-
I I I - R a hme n
sprechenden Grundlagen weiter zu hinterfragen.
45, 000
40, 000
Diesbezügliche Kontakte mit der BAM/ Berlin wurden
35, 000
30, 000
bereits aufgenommen.
25, 000
20, 000
15, 000
10, 000
4 PARAMETERSTUDIEN
5, 000
0, 000
Derzeit läuft die Planung von Parameterstudien, die
0,0 500,0 1000,0 1500,0 2000,0 2500,0 3000,0 im bis etwa Mitte 2004 abgeschlossen werden sollen.
Das Hauptziel ist hierbei, dass man sich künftig bei
G e s a mt ma s s e [ t ]

Brücken, die gemäß den HL-Richtlinien geplant wer-


Abb. 4: STUFE III –– Ergebnisse für Rahmen (Beton) den, im wesentlichen nur auf STUFE I bewegen
muss. Die Diagramme in der geplanten Richtlinie
stellen den Nachweis dar, dass das Tragwerk die
II-Einfeld_Beton
geforderten Kriterien erfüllt (siehe vorläufige Ergeb-
20
nisse in Abb. 3, 4 und 5).
18 Bisher liegen folgende Ergebnisse vor, die im Zuge
16
14
Pl. 1/ 12
Pl. 1/ 15
von Projektierungen durchgeführt wurden:
12
10 Pl. Balk.
8
6
Hohlk.
STUFE III/ Einfeldträger: 10
Gr enzwer t
4
2
Baustoff: 1 Stahl, 6 Beton, 3 WIB
0
Querschnitt: 1 Stahl (2 HT), 6 Platte, 3 WIB
0,0 500,0 1000,0 1500,0 2000,0
Zahl Gleise: 1 zweigleis., 9 eingleis.
Ge sa m t m a sse [ t ]
Spannweiten: 5,75 bis 34 m

Abb. 5: STUFE II –– Ergebnisse für Einfeldtragwerke aus STUFE III/ Mehrfeldträger: 8


Beton, Platte .Schlankheit 1/12 bzw. 1/15 , Plat- Baustoff: 4 Beton, 3 Verbund, 1 WIB
tenbalken und Hohlkasten Querschnitt: 1 Trog, 2 Hohlkasten, 1 Platte, 3 Ver-
bund, 1 WIB
Aeff hingegen ist der max. gleitende Effektivwert der Zahl Gleise: 4 zweigleis., 4 eingleis.
Beschleunigung mit einem Zeitfenster von 0,125 s. Spannweiten: Hauptspannweite 14 bis 120 m
Dieser Wert filtert die „„höherfrequenten““ Beschleuni- 6 dreifeldrige, 2 vierfeldrige
gungsanteile aus und liefert praktisch jenen Wert, der
mit dem Rechenmodell vergleichbar ist. Als Beispiel STUFE III/ Rahmen: 11
sind die Ergebnisse für die Zugsvorbeifahrt Nr. 8 in Baustoff: 11 Beton
Abb. 6 dargestellt. Querschnitt: 11 Platte
Aus den Spektren sowie den Tabellen mit Aeff, Amax Zahl Gleise: 11 zweigleis.
und Amin ist ersichtlich, dass maßgebliche „„höherfre- Spannweiten: 5 bis 14 m
quente““ Komponenten im Beschleunigungssignal

128
Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN1991-2

Zugsvorbeifahrt Nr.8 Erschütterungsmessungen


Zug Nr. 93926, v=250km/h Objekt PÖ5, Pöchlarn, NÖ
3.8.2002 MP Aeff Amax Amin
106 0,51 1,59 -1,41
104 0,64 1,64 -1,94 Legende:
Zeitsignal [m/s²] 6 0,55 1,46 -1,70 MP - Meßpunkt Nr.
2,0 MP 106
8 0,57 1,66 -2,07 Aeff - max. gleitender Effektivw ert von Be-
schleunigung mit Fenster von 0,125s.
7 0,52 1,74 -1,29
0,0 Amax - maximale Beschleunigung
1 0,52 1,20 -1,30 Amin - minimale Beschleunigung
-2,0 2 0,63 1,77 -1,63
2,0 3 0,62 1,61 -1,78 alle Angaben in m/s²
MP 104
0,0

-2,0 Frequenzspektren [m/s²]


2,0 0,10
MP 6
0,05 MP 106
0,0
0,00
-2,0
0,150
2,0 MP 104
MP 8 0,075
0,0 0,000
0,10
-2,0 MP 6
0,05
2,0
1,0 MP 7 0,00
0,0 0,10
-1,0 MP 8
-2,0 0,05
2,0 0,00
MP 1 0,10
0,0 MP 7
0,05
-2,0 0,00
2,0 0,10
MP 2 0,05 MP 1
0,0
0,00
-2,0 0,10
2,0 MP 2
0,05
MP 3
0,00
0,0
0,10
-2,0 MP 3
0,05
0,00
13:39:54 13:39:55 13:39:56
Uhrzeit 25 50 75 100 125 150 175 200 [Hz]
H

Abb. 6: Messungen bei Hochgeschwindigkeitsfahrten an der PÖ5. Ergebnisse der Zugsüberfahrt Nr. 8.

Zusätzlich wurden auf STUFE II –– Ebene auch ers- gesehenen niedrigen (sehr konservativen) Dämp-
te gezielte Parameterstudien durchgeführt sowie im fungszahlen im Mittelpunkt. Es hat sich allerdings
Rahmen von Projekten 3 mehrfeldrige Brücken Be- gezeigt, dass die Dämpfung dann eine untergeordne-
rechnet. Es liegen folgende Ergebnisse vor: te Rolle spielt, wenn andere Parameter günstig
(„„schwingungsmindernd““) gewählt wurden. Es gibt
STUFE II/ Einfeldträger: 19 z.B. meist keine Probleme, wenn die Schlankheit 1:12
Baustoff: 3 Spannbetonl, 16 Stahlbeton nicht überschritten wird und die Masse des Tragwerks
Querschnitt: 12 Platte, 4 Plattenbalken, 3 Hohlkasten nicht zu klein ist (siehe Abb. 5).
Zahl Gleise: 19 zweigleis. Die max. vertikale Be- Ferner wurde in der ersten Phase ein detaillierter
schleunigung für die eingleis. Variante ergibt sich Vergleich jener beiden räumlichen Vollmodelle der
durch Multiplikation mit 2!! Brücke PÖ5 vorgenommen, die von TDV ( Software
Spannweiten: 5 bis 35 m RM2000) und arsenal (Software SOFISTIK) erstellt
wurden. Die Unterschiede wurden im vorläufigen Be-
STUFE II/ Mehrfeldträger: 10 richt vom 20. August 2002 zusammengestellt. Ab-
Baustoff: 10 Stahlbeton schließend ist festzustellen, dass zuletzt eine gute
Querschnitt: 9 Platte, 1 Plattenbalken Übereinstimmung herbeigeführt werden konnte.
Zahl Gleise: 10 zweigleis. (eingleis. Variante ergibt Betreffend die „„Genauigkeit der Modellierung““ sind
sich durch Multiplikation mit 2!!) wertvolle weitere Erkenntnisse aus der geplanten
Spannweiten: Hauptspannweite 8 bis 18 m Parameterstudie, bei der räumliche Vollmodelle und
2 zweifeldrige, 6 dreifeldrige, 2 vierfeldrige Stabmodelle gezielt miteinander verglichen werden
sollen, zu erwarten. Auf der Fachtagung BAUDYNA-
5 SCHLUSSFOLGERUNGEN MIK in Kassel/ Mai 2003 befasste sich der Beitrag
In der ersten Phase der Diskussionen im Experten- Löhr, M. & Dinker, D. (2003) in übersichtlicher Weise
kreis standen besonders die in der prEN1991-2 vor- mit allen Phänomenen und Details, die grundsätzlich

129
R. Flesch

zu berücksichtigen sind. Einige dieser Aspekte (z.B. Bei den „„anderen Brücken““ (z.B. Bestand) findet
die Modellierung der über die Brücke wandernden man dann im Regelfall mit STUFE II Modellen das
Zugsmassen, Einflüsse aus Corioliskraft etc., d.h. alle Auslangen. Es ist eine wesentliche Strategie für das
Einflüsse, die zu zeitlich veränderlichen Systemmatri- geplante Projekt Vollmodelle und Stabmodelle an
zen führen) werden weder in der prEN1991-2 noch im wesentlichen „„Parameter –– Stützpunkten““ parallel zu
österreichischen Konzept berücksichtigt. Es besteht untersuchen. Hierdurch lassen sich dann ggf. vernünf-
die Auffassung, dass derartige Effekte gegenüber den tige Korrekturfaktoren/ Sicherheitszuschläge ermitteln.
sonstigen Modellierungsunsicherheiten vernachlässigt Stahltragwerke und Verbundtragwerke, bei denen
werden können. maßgebliche Schwingungsprobleme von Sekundär-
Betreffend das Kriterium der max. vertikalen Trag- elementen zu erwarten sind, müssen grundsätzlich
werksbeschleunigung erscheint es wichtig, die gemäß STUFE III behandelt werden.
entsprechenden Grundlagen weiter zu hinterfragen. Einen weiteren wesentlichen Punkt stellen die ge-
Diesbezügliche Kontakte wurden mit der BAM/ Berlin planten Versuche dar. Es wird versucht werden, die
aufgenommen. Es wird auf die möglicherweise sehr Messergebnisse rechnerisch nachzuvollziehen, wo-
wesentliche Erkenntnis aus den Messungen an der durch sich die wichtige Möglichkeit zur Überprüfung/
PÖ5/ August 2002 verwiesen, dass dort auch maß- Kalibrierung der Rechenmodelle ergeben.
gebliche „„höherfrequente““ Komponenten im Be- Insgesamt soll die Parameterstudie die folgenden
schleunigungssignal gemessen wurden. Diese hö- Punkte umfassen:
herfrequenten Komponenten stehen eindeutig mit der
–– Untersuchung von Brückenobjekten gemäß STU-
Schwellenfrequenz im Zusammenhang. Offensichtlich
FE III
wird hier eine dynamische Reaktion des Schotterbett
–– Untersuchung von Brückenobjekten gemäß STUFE
–– Oberbaues angeregt. Der „„niederfrequente““ Anteil,
II
der durch die im Abschnitt 2.5 beschriebene Fahrfre-
–– Richtlinienerarbeitung (Grundlagen; Darstellung der
quenz hervorgerufen wird beträgt hierbei nur etwa 30
Ergebnisse der Parameterstudie; gezielte Interpre-
–– 40 % des gesamten Beschleunigungssignals (siehe
tation wesentlicher Ergebnisse; Anleitungen für die
auch Abb. 6). Das Rechenmodell kann derzeit nur den
Durchführung von STUFE I –– III Verfahren; gut
Anteil zufolge Fahrfrequenz berücksichtigen. Es ist
dokumentierte Berechnungsbeispiele).
daher äußerst wichtig, die Bedeutung der höherfre-
–– Messungen an 10 Objekten. Hauptsächlich Mes-
quenten Anteile für die Gleisstabilität und Fahrsicher-
sungen der Schwingungen unter Zugverkehr inkl.
heit zu klären. Weitere Messungen + Nachrechnungs-
Messung der Fahrgeschwindigkeit, bei jedem Ob-
versuche werden diesbezüglich sehr hilfreich sein.
jekt einen Tag lang; gezielte „„Nachrechnung““ der
Den geplanten Parameterstudien kommt eine gro-
Messergebnisse; bei einigen Objekten werden mit-
ße Bedeutung zu. Der erste wesentliche Punkt ist die
tels Schwingungserreger VICTORIA die dynami-
Anwendung eines „„guten Mixes““ aus STUFE III –– Un-
schen Parameter Eigenfrequenzen, Eigenformen
tersuchungen („„volle““ Modelle) und STUFE II –– Unter-
und Dämpfungszahlen direkt gemessen.
suchungen (Stabmodelle). Einerseits soll es gelingen,
dass man sich künftig bei Brücken gemäß HL-
Richtlinien im wesentlichen nur auf STUFE I bewegen LITERATUR
muss. Die Diagramme in der geplanten Richtlinie Löhr, M. & Dinker, D. (2003), Schwingungsverhalten von
stellen den Nachweis dar, dass das Tragwerk die Eisenbahnbrücken bei Überfahrt von Hochgeschwindig-
geforderten Kriterien erfüllt. Andererseits sollen die keitszügen, Fachtagung Baudynamik, Kassel, 15. –– 16. Mai
2003, VDI- Berichte 1754, 23-40.
STUFE II Modelle soweit perfektioniert werden, dass
sie in den meisten Fällen als „„Standardwerkzeug““ für
einen „„eingeschulten Ziviltechniker““ dienen können.

130
Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interaktion

Reto Cantieni
rci dynamics, Ingenieurbüro für Baudynamik, Dübendorf

1 EINLEITUNG Für Strassenbrücken ist der Masseneffekt im Ver-


Wenn sich ein Fahrzeug über eine Brücke bewegt, gleich zum Interaktionseffekt vernachlässigbar klein.
Dies wird in der Folge gezeigt werden.
resultiert eine grössere maximale Durchbiegung als
wenn die Brücke mit dem gleichen Fahrzeug statisch Will man sich mit dem Interaktionseffekt beschäfti-
belastet wird. Diese Feststellung ist schon ziemlich gen, muss zunächst einigermassen Klarheit bezüglich
der dynamischen Charakteristika der beteiligten Sys-
bejahrt, sie wurde nämlich im Jahre 1847 von Willis im
Zusammenhang mit der Untersuchung von Einstürzen teme "Fahrzeug" und "Brücke" herrschen. Der vorlie-
von Eisenbahnbrücken in England publiziert (Willis gende Bericht stützt sich auf Arbeiten, die in den Jah-
ren 1977 bis 1997 an der EMPA durchgeführt worden
(1851)). Die Modelle, die den damals durchgeführten
analytischen Untersuchungen zu Grunde gelegt wur- sind, beziehungsweise auf die zugehörigen Publika-
den (Stokes (1849)), waren einfach: tionen.
–– Eine konstante Kraft bewegt sich über einen einfa-
2 DAS DYNAMISCHE SYSTEM "BRÜCKE"
chen Balken,
–– eine konzentrierte Masse bewegt sich über einen Verglichen mit einem Fahrzeug ist eine Brücke ein
einfachen Balken. einfaches System: Ihre dynamischen Eigenschaften
Solche Modelle haben den Vorteil, dass geschlos- sind im wesentlichen linear und zeitinvariant. Die
sene analytische Lösungen erarbeitet werden können. Streuungen der dynamischen Charakteristika einer
Ihr Nachteil ist, dass das Modell für das System Brücke, die natürlich immer auftreten, mögen im Zu-
"Fahrzeug" doch sehr rudimentär ist. Dies gilt vor sammenhang mit "Health Monitoring" von Interesse
allem für modernere Strassenfahrzeuge, deren dyna- sein; im vorliegenden Zusammenhang sind sie es
mische Freiheitsgrade sich mit der Einführung von nicht.
komplexen Aufhängungssystemen stark erweitert Von zentraler Bedeutung ist die Grundfrequenz ei-
haben. ner Brücke. Die zugehörige Schwingungsform ist im-
Untersucht man die Vorgänge, die bei der Fahrt mer einfach (keine Knoten in den Brückenfeldern) und
eines Fahrzeuges über eine Brücke auftreten, kann damit empfänglich für die Anregung durch dynami-
zwischen drei Effekten unterschieden werden: sche Radlasten. Die zugehörige Dämpfung streut für
–– dem Geschwindigkeitseffekt (Fahrzeug als beweg- Betonbrücken im Bereich ζ = 0.5...2%. Weil wir es hier
te, konstante Kraft), mit transienten Vorgängen zu tun haben, spielt die
–– dem Masseneffekt (Fahrzeug als bewegte, kon- Dämpfung eine sekundäre Rolle.
stante Masse), und Die Grundfrequenz der Strassenbrücken in der
–– dem Interaktionseffekt (Fahrzeug als bewegtes, Schweiz liegt schwergewichtig im Bereich von
dynamisches System). f = 2...4 Hz (Abb. 1).
Der Geschwindigkeitseffekt, bei dem die Relation Der Aufwand, der für die experimentelle Bestim-
zwischen der Überfahrtsdauer und der Periode der mung der dynamischen Charakteristika einer Brücke
Grundschwingung der Brücke wesentlich ist, kann für getrieben werden muss, hängt von der Komplexität
Strassen-Probleme meist vernachlässigt werden. Er der Tragstruktur und den Anforderungen ab.
ist in letzter Zeit im Zusammenhang mit Brücken für Im Falle eines geraden, einfachen Balkens genügt
Hochgeschwindigkeits-Bahnlinien aber wieder aktuell es, in einem Punkt den Ausschwingvorgang der Brü-
geworden. cke nach der Überfahrt eines Fahrzeuges zu messen
und (allenfalls von Hand) zu analysieren (Abb. 2).

131
R. Cantieni

Abb. 3: Deibüel-Brücke: Längsschnitt. Querschnitt: einzelli-


ger Kasten, 12 m breit, 1.8 m hoch. Spannbeton.

Abb. 1: Grundfrequenz von 202 Betonbrücken in der


Schweiz (Cantieni (1992)).

Abb. 4: Deibüel-Brücke.

Bei der FVT-Methode wird die Brücke mittels eines


Erregers zu Schwingungen angeregt. Für die Anre-
gung von Brücken mit einer Grundfrequenz
f = 2...4 Hz ist die Verwendung eines servohydrauli-
schen Erregers angezeigt. Andere Methoden können
für Brücken mit einer Grundfrequenz ausserhalb die-
ses Bandes verwendet werden (z.B. Impulsanregung
für höhere Frequenzen). Mit servohydraulischen Erre-
Abb. 2: Bestimmung von Grundfrequenz f, log. Dämp- gern können schmalbandige Sinus- oder breitbandige
fungsdekrement δ und dynamischem Inkrement φ Rauschsignale erzeugt werden. Durch zweckmässige
(Durchbiegungssignal eines einfachen Balkens).
Wahl der Dauer der Anregung kann die Qualität der
Resultate beeinflusst werden.
Für komplexere Tragwerke, falls neben der Grund-
Die Vorteile der FVT-Methode:
auch höhere Eigenfrequenzen sowie die zugehörigen
–– Die anregende Kraft wird mitgemessen, so dass die
Schwingungsformen und Dämpfungsgrössen von
modalen Resultate bezüglich Masse und Steifigkeit
Interesse sind, bieten sich zwei Methoden an:
skaliert sind. Sie können deshalb direkt für die Auf-
–– Forced Vibration Testing (FVT) und
datierung von FE-Modellen verwendet werden.
–– Ambient Vibration Testing (AVT).
–– Wenn die anregende Kraft wesentlich grösser als
Beiden Methoden gemeinsam ist, dass die Anzahl der
die Störkräfte ist, resultieren rein physikalische Ei-
Messpunkte durch Umsetzen der Aufnehmer beliebig
genschwingungen.
hoch getrieben werden kann. Je höher diese Anzahl,
Die Nachteile der FVT-Methode:
desto besser die grafische Auflösung der Eigenfor-
–– Der Aufwand für die Erzeugung der künstlichen
men. Als Bezugspunkt für das Zusammensetzen ins-
Anregung ist gross (Abb. 5 und 6),
besondere der Eigenformen dient bei FVT das Kraft-
–– Störende Anregungsquellen müssen ausgeschaltet
signal, bei AVT das (bzw. die) Referenzpunktsig-
werden. Für Strassenbrücken empfiehlt es sich
nal(e). Diese Methoden sollen anhand der Deibüel-
deshalb, den Verkehr während der Messungen zu
Brücke (Abb. 3 und 4), die weiter unten auch für die
unterbrechen.
Diskussion von Interaktionsphänomenen verwendet
wird, kurz vorgestellt werden.

132
Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interakton

Abb. 5: Servohydraulischer Schwingungserreger.

Abb. 8: Deibüel-Brücke: Erste drei Eigenfrequenzen und


Eigenformen (hier im Vergleich mit den Resultaten
einer numerischen Berechnung).

Bei der AVT-Methode werden jene Tragwerksschwin-


gungen gemessen, die durch ambiente Erregungen
(z.B. Wind, Verkehr usw.) erzeugt werden.
Die Vorteile der AVT-Methode:
–– Keine künstliche Anregung erforderlich, deshalb
deutlich weniger aufwendig als FVT,
Abb. 6: Infrastruktur für den Schwinger.
–– Besonders geeignet für tieffrequente Tragwerke
(f < 1 Hz), für die eine künstliche Anregung prak-
tisch nicht möglich ist,
–– Für Strassenbrücken: Messung unter Verkehr mög-
lich.
Die Nachteile der AVT-Methode:
–– Die modalen Resultate sind unskaliert,
–– Es ist nicht immer leicht, physikalische und Noise
Modes auseinander zu halten.
Ein Vergleich der Resultate von FVT- (Abb. 7 und
Abb. 8) und AVT-Versuchen an der Deibüel-Brücke
kann (Felber et al (1996)) entnommen werden.
Abb. 7: Deibüel-Brücke; Spektrum für harmonische Anre-
gung.
3 DAS DYNAMISCHE SYSTEM "FAHRZEUG"
Ein schweres Strassenfahrzeug setzt sich im wesent-
lichen aus den folgenden Elementen zusammen:

133
R. Cantieni

Abb. 10: Harmonische Anregung der Hinterachse.


Abb. 9: Schematisches Modell eines Zweiachsers.

Bei der AVT misst man die dynamischen Radlas-


–– Aufbaumasse,
ten während der Fahrt auf einer natürlichen Fahrbahn.
–– Aufbau-Aufhängung,
Im Falle der hier diskutierten EMPA-Versuche wur-
–– Achsmasse ("ungefederte" Masse),
den verschiedene blattgefederte, zweiachsige
–– Reifen.
Lastwagen in der Versuchsanlage der Firma Magirus-
Mit Ausnahme der Aufbau-Aufhängung sind diese
Deutz in Ulm einem FVT-Versuch unterworfen (Can-
Elemente mehr oder weniger zeitinvariant und linear.
tieni (1992)). Dabei konnte jeweils eine Achse des
Bei den Reifen spielt der Reifendruck eine gewisse
Fahrzeuges harmonisch, mit über den Frequenzbe-
Rolle; die Reifendämpfung ist zu gering, um wichtig zu
reich konstanter Amplitude angeregt werden. Das
sein. Das kritische Element ist die Aufbau-
Resultat: Ein schweres Fahrzeug weist zwei grund-
Aufhängung. Sie besteht aus Feder- und Dämpfer-
sätzlich zu unterscheidende, dynamische Verhal-
elementen. Hier ist zwischen Blattfederungen und
tensmuster auf:
modernen Aufhängungen zu unterscheiden.
–– Aufbaueigenschwingungen (Hub- oder Nickschwin-
Eine Blattfeder federt und dämpft gleichzeitig. Dies
gungen), f = 1.5...3 Hz,
allerdings nur, wenn die Anregung eine gewisse In-
–– Achseigenschwingungen, f = 7...15 Hz.
tensität überschreitet. Eine Blattfeder wird erst aktiv,
Bei Aufbauschwingungen bewegt sich primär die
wenn die Reibung zwischen den einzelnen Federblät-
Aufbaumasse. Die Frequenz liegt bei aktiver Aufbau-
tern überwunden wird. Ansonsten ist sie blockiert, d.h.
feder bei f = 1.5...2 Hz, bei blockierter Aufbaufeder bei
die Reifen sind dann das einzige Feder/Dämpfer-
f = 2.5...3 Hz. Die Aufbaumasse schwingt in letzterem
Element des Systems "Fahrzeug", das dynamisch
Fall lediglich auf der Reifenfeder. Bei Achseigen-
aktiv ist. Dies führt dazu, dass die dynamischen Cha-
schwingungen bewegt sich der Aufbau nicht, die
rakteristika eines blattgefederten Fahrzeuges sehr
Achsmasse dagegen bewegt sich zwischen Aufbau
stark nicht-linear sind. Je nach Fahrgeschwindigkeit
und Fahrbahnoberfläche hin und her. Die Aufbaufeder
und Fahrbahnebenheit ist die Blattfeder blockiert,
muss aktiv sein. Die Frequenz liegt im Bereich
teilweise oder vollständig aktiv.
f = 7...15 Hz.
Bei modernen Aufhängungen wie beispielsweise
Mit einer Anregungsamplitude von 3...5 mm wird
"Low-Friction" oder Luftfedern sind die Feder- und
eine Blattfeder im Bereich der Aufbauschwingungen
Dämpferelemente immer aktiv.
(f = 2.5...3 Hz) nicht aktiviert; das Fahrzeug schwingt
Für die experimentelle Bestimmung der dynami-
lediglich auf den Reifen (Abb. 11). Eine Aktivierung
schen Charakteristika eines Lastwagens stehen im
der Blattfeder wird dagegen im Bereich der Achsei-
Prinzip wiederum zwei Methoden zur Verfügung:
genschwingungen (f § 12 Hz) erzwungen.
–– Prüfstandversuch ("FVT"), und
Untersucht man das Unebenheitsspektrum einer
–– Fahrversuch ("AVT").
natürlichen Fahrbahn, stellt man fest, dass langwellige
Bei der FVT stellt man das Fahrzeug auf eine ser-
Unebenheiten wesentlich grössere Amplituden auf-
vohydraulische Anlage und erregt es künstlich.
weisen als kurzwellige (Abb. 12).

134
Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interakton

Abb. 11: Harmonische Anregung der Hinterachse. Anre- Abb. 13: Optoelektronische Systeme für die Messung dy-
gungsamplitude konstant, Reifendruck variabel. namischer Radlasten, hier an den beiden Hinterrä-
dern eines Zweiachsers. Sender vertikal.

tung verfügbar ist, mit der dynamische Radlasten


während der Fahrt gemessen werden können. Dazu
stehen verschiedene Technologien zur Verfügung.
Die aufwendigste besteht darin, die Radnabe(n)
mit Dehnmessstreifen zu bestücken und zweckmässig
zu kalibrieren (Beispiel: Daimler-Benz). Diese Metho-
de ist sehr exakt und erfasst neben den vertikalen
auch horizontale Radkräfte. Ihr Hauptnachteil ist, dass
ein bestimmtes Fahrzeug instrumentiert wird und da-
mit Parametervariationen nur begrenzt möglich sind.
Eine andere Methode arbeitet mit einer Kombinati-
on von Dehnmessstreifen auf der Nabe und Be-
schleunigungssensoren auf der Fahrzeugachse (Bei-
spiel: NRC, Canada). Hier ist man wiederum auf ein
bestimmtes Fahrzeug beschränkt. Allerdings können
beim NRC-Versuchsfahrzeug die Aufbauaufhängun-
gen ausgewechselt werden. Dieser Umstand wurde
beim OECD DIVINE Projekt ausgenützt (Cantieni et al
(2000)).
Ferner kann man sich den Umstand zu Nutze ma-
chen, dass die vertikale dynamische Radlast indirekt
über die Verformung der Reifen gemessen werden
kann. Das von der Firma Jenzer AG im Auftrag der
EMPA entwickelte, optoelektronische System misst
den Abstand zwischen der Fahrzeugachse und der
Belagsoberfläche, indem ein Infrarotsender einen
Abb. 12: Unebenheitsspektren zweier Fahrbahnbeläge. Fleck auf der Fahrbahnoberfläche erzeugt und eine
Kamera die Lage diese Flecks erfasst. Sender und
Bei nicht-linearen Aufhängungen ist es deshalb Kamera sind unter einem Winkel von 45 Grad ange-
notwendig, die Amplitudenverteilung der Anregung auf ordnet (Abb.13). Die geometrische Nichtlinearität des
die tatsächlichen Verhältnisse abzustimmen. Die er- Verfahrens wird elektronisch kompensiert.
mittelten Spektren gelten dann jeweils für eine be- Die Abbildungen 14 und 15 zeigen Frequenzspekt-
stimmte Kombination Belag/Fahrgeschwindigkeit. ren der dynamischen Radlast für die vier Räder eines
Die Anwendung der AVT-Methode zur Bestim- blattgefederten Zweiachsers. Es ist deutlich zu erken-
mung der dynamischen Charakteristika der Radlasten nen, dass die dominanten Frequenzen mit Zunahme
schwerer Fahrzeuge setzt voraus, dass eine Vorrich- der Geschwindigkeit zu tieferen Werten tendieren.

135
R. Cantieni

Abb. 14: Radlastspektren für v = 23 km/h (K1 und K2: hin-


ten links und rechts, K3 und K4 vorne links und Abb. 17: Frequenzspektren der frei ausschwingenden De-
rechts). büel-Brücke (Durchbiegung).

Abb. 18: Frequenzspektrum der Brücke (Durchbiegung im


Mittelfeld) während der Überfahrt eines Zweiach-
sers.

kann mittels eines Radiotelemetrie-Links geschehen.


Die Abbildung 16 zeigt, dass in einem Fahrzeug dann
Abb. 15: Radlastspektren für v = 63 km/h. doch einige Elektronik mitgeführt werden muss.
Die Problematik der Fahrzeug-Brücken-Interaktion
wird in der Folge anhand einiger an der Deibüel-
Brücke durchgeführter Versuche diskutiert.
Die Analyse eines Ausschwingvorganges der Dei-
büel-Brücke ergibt, dass, wie erwartet, die drei ersten
Grundschwingungen der Brücke (3.03 Hz, 4.35 Hz,
5.6 Hz) vorhanden sind (Abb.17). Je nach Lage des
Messpunktes sind sie an der Bewegung unterschied-
lich stark beteiligt.
Analysiert man die Durchbiegung der Brücke wäh-
rend der Überfahrt, kann beobachtet werden, dass
neben der Grundschwingung weitere Schwingungen
im Bereich von ǻf = ±0.3 Hz auftreten. Ein Beispiel
dazu zeigt Abb. 18. In der Abbildung 19 sind solche
Abb. 16: Elektronik in der Fahrerkabine. Brückenspektren in Abhängigkeit von der Fahrge-
schwindigkeit dargestellt (ein eigentlich kontinuierli-
4 FAHRZEUG-BRÜCKEN-INTERAKTION ches Spektrum wurde dabei auf einige wenige Spit-
zenwerte reduziert). Es ist deutlich zu erkennen, dass
Um Interaktionsprozesse experimentell untersuchen die Peak-Frequenz der Brückenreaktion in einem
zu können, müssen Brücke und Fahrzeug zweckmäs- Band von rund ǻf = ±0.3 Hz Breite um die Grundfre-
sig instrumentiert werden. Ferner müssen die gemes- quenz der Brücke auftritt. Weitere sekundäre Peaks
senen dynamischen Radlasten vom Fahrzeug zur treten im Bereich der zweiten und dritten Eigenfre-
Messzentrale übertragen werden, wo sie simultan mit quenz der Brücke auf.
den Brückenreaktionen aufgezeichnet werden. Dies

136
Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interakton

Abb. 19: Brückenreaktionsspektren (Mitte des mittleren


Feldes) in Funktion der Fahrgeschwindigkeit .

Abb. 21: Zweimassenschwinger Fahrzeug-Brücke.

Abb. 20: Kreuzleistungsspektren "dynamische Rad-


last"/"Durchbiegung der Brücke", v = 17 km/h.
K1 = Hinterrad links, WG XX = Durchbiegung in
der Mitte der drei Brückenfelder.

In einem nächsten Analyseschritt können aus dy-


namischen Radlast- und Durchbiegungssignalen der
Brücke Kreuzleistungsspektren berechnet werden
(Abb. 20). Diese Spektren geben an, bei welchen
Frequenzen sowohl die Brücke als auch das Fahr-
zeug dynamisch aktiv sind. Stellt man diese Interakti-
onsspektren als Funktion der Fahrgeschwindigkeit
dar, erhält man ein ähnliches Bild, wie es in Abb. 19
für die Brückenspektren gezeigt wird.
Wie können diese Frequenzverschiebungen erklärt
Abb. 22: Koppelungsverhalten bei konstanter Brücken- und
werden? Zunächst ergibt eine entsprechende Rech-
variabler Radlastfrequenz.
nung, dass der Masseneffekt im Fall der Deibüel-
Brücke bei Überfahrt eines 16-t-Zweiachsers für eine
Steifigkeit der Reifenfeder ist dabei die Systemvariab-
solche Erklärung nicht genügt. Die zugehörige Fre-
le. Abb. 21 zeigt das Modell für den Fall gleicher
quenzverschiebung beträgt rund ǻf = 0.06 Hz.
Grundfrequenz für die beiden Einmassenschwinger.
Als etwas komplizierteres Modell bietet sich an,
Man erhält ein System mit zwei Eigenfrequenzen, die
Fahrzeug und Brücke je als ungedämpften Einmas-
je um etwa 0.25 Hz beidseits der gemeinsamen
senschwinger zu modellieren und das Verhalten bei
Grundfrequenz liegen. Abb. 22 zeigt den Einfluss der
Koppelung der beiden Schwinger zu untersuchen. Die
Radlastfrequenz auf das Koppelungsverhalten.

137
R. Cantieni

Abb. 25: Normvorschlag für dynamische Beiwerte (SIA).

Telemetrie Schwierigkeiten auf, die eine zweckmässi-


ge Auswertung der Versuche verhinderten. Dagegen
Abb. 23: Interaktionsformen bei f = 2.73 Hz.
enthält dieser Bericht eine detaillierte Diskussion der
Interaktion im Bereich der Achseigenfrequenzen, auf
die hier aus Platzgründen verzichtet werden muss.

6 NORMUNG
Der in Abb. 25 gezeigte Vorschlag für die Definition
des dynamischen Beiwertes wurde 1985 für die SIA-
Lastnorm 160/89 gemacht. Er wurde in der Folge als
zu kompliziert verworfen, findet aber heute Anwen-
dung bei der Nachrechnung bestehender Brücken.
Die Tendenz ist heute, dynamische Beiwerte diskret in
den statischen Lastmodellen verschwinden zu lassen.
Leider gilt dies auch für Länder, die dynamische Bei-
werte, wie sie in der Abb. 25 gezeigt sind, in ihren
Normen benützten (Kanada, Australien). Betroffen ist
Abb. 24: Interaktionsformen bei f = 3.13 Hz. aber auch die EU und damit auch die Schweiz. Trotz
ausführlicher Untersuchungen an der RWTH Aachen
Eine Bestätigung, dass das Zweimassenmodell die gibt es in den Eurocodes keine dynamischen Beiwerte
tatsächlichen Verhältnisse zumindest qualitativ nicht für Strassenlasten mehr. Damit gibt es auch keine
allzu schlecht erfasst, liefert die Untersuchung der Möglichkeit mehr, im Bedarfsfall die Lastproblematik
Phasenlage (Abb. 23 und 24): Wie für das Modell detailliert in "statisch" und "dynamisch" zu zerlegen.
bewegen sich Brücke und Fahrzeug in Phase
(2.73 Hz) beziehungsweise in Gegenphase (3.13 Hz). LITERATUR
Cantieni, R. (1992), Beitrag zur Dynamik von Strassenbrü-
5 FOLGERUNGEN cken unter der Überfahrt schwerer Fahrzeuge, EMPA Be-
Eine dynamische Interaktion zwischen Brücke und richt Nr. 220.
Fahrzeug tritt auf, wenn die Grundfrequenz der Brü- Cantieni, R. & Krebs, W. & Heywood, R. (2000), OECD IR6
DIVINE Project - Dynamic Interaction Between Vehicle and
cke und die dominante Frequenz der dynamischen
Infrastructure Experiment - Element 6, Bridge Research -
Radlasten ähnlich sind. Für Fahrzeuge, deren Aufbau- Final Report, EMPA Test Report No. 153'031.
Aufhängung blockieren kann, betrifft dies den Fre- Felber, A.J. & Cantieni, R. (1996), Introduction of a New
quenzbereich um 3 Hz. Die Massen- und Steifigkeits- Ambient Vibration Testing System - Description of the Sys-
verhältnisse für die Systeme "Brücke" und "Fahrzeug" tem and Seven Bridge Tests, EMPA Test Report No.
sind dann so, dass eine dynamische Koppelung auf- 156'521.
treten kann. Ob dies auch für den Frequenzbereich Stokes, G.G. (1849), Discussion of a Differential Equation
1.5...2 Hz möglich ist, d.h. für Fahrzeuge mit immer Relating to the Breaking of Railway Bridges, Trans. of the
aktiver Aufbau-Aufhängung und Brücken mit einer Cambridge Philosophical Society VIII, Part V, No. LII.
grössten Spannweite von mindestens 60 m,bleibt Willis, R. (1851), An Essay on the effects Produced by Cau-
sing Weights to Travel Over Elastic Bars, Published as an
noch nachzuweisen. Bei den Versuchen, die in (Can-
Addendum to Barlow, P., A Treatise on the Strength of Tim-
tieni et al (2000)) beschrieben sind, traten mit der ber, Cast and Malleable Iron. John Weale, London.

138
Zur Festlegung des „„dynamischen Beiwerts““ bei der Überprüfung von
Strassenbrücken

Hannes Ludescher und Eugen Brühwiler


Lehrstuhl für Erhaltung, Konstruktion und Sicherheit von Bauwerken ENAC - IS - MCS
Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne EPFL

1 EINLEITUNG 2 LOKALE UND GLOBALE BEANSPRUCHUNG


Bereits in der ersten Schweizer Lastnorm von 1892 Die Festlegung „„dynamischer Beiwerte für Strassen-
fand sich ein Vergrösserungsfaktor, mittels dessen die brücken beruht traditionellerweise auf der experimen-
angegebenen Kennwerte der Verkehrslasten zu ver- tellen Untersuchung der Wirkung von Fahrzeugen,
grössern waren. In der Norm von 1956, nach der mit welche durch Fahrbahnunebenheiten angeregt wer-
Abstand die meisten Schweizer Brücken bemessen den. Dabei wird vernachlässigt, dass auch andere
wurden, betrug der „„Stosszuschlag““ je nach Spann- Szenarien zu einer Vergrösserung der Verkehrslasten
weite ca. 10 bis 30%. Umfangreiche Messkampagnen führen können:
liessen diese Werte als wesentlich zu tief erscheinen, –– Horizontale Beschleunigungen, wie Antriebsbe-
und die Norm von 1989 legte schliesslich einen Zu- schleunigung, Bremsverzögerung und Zentripetal-
schlag von 80% fest, der jedoch nur auf einen Teil der beschleunigung
Verkehrslastmodelle anzuwenden war. In der Folge –– Fahrbahngefälle, quer wie längs
stellte sich die Frage, ob die vor diesem Zeitpunkt mit –– Wind, im speziellen Seitenwind und Gegenwind
geringeren Werten bemessenen Brücken, welche ca. –– Ungenügende Lastausgleichsvorrichtungen bei
90% des Schweizer Bestands ausmachen, angesichts Achsgruppen
ständig zunehmender Verkehrslasten noch als sicher –– Ungleichmässige Beladung
beurteilt werden können. –– Ungleichförmigkeiten der Räder
Während das dynamische Verhalten von Stras- –– Unfall
senbrücken bei der Überfahrt von Fahrzeugen expe-
Die meisten der genannten Szenarien bewirken eine
rimentell ausgiebig studiert wurde (z.B. Billing et al.
Gewichtsverlagerung, welche wie im Beispiel von
(1990), Cantieni et al. (1983)), fand die Umsetzung
Fahrbahngefälle nicht einmal dynamischer Natur sein
der gewonnenen Erkenntnisse auf die Bemessung
muss. Daher wird in der Folge nicht von einem „„dy-
und Überprüfung von Brücken bisher wenig Beach-
namischen Beiwert““, sondern allgemein von einem
tung. In Versuchen wurde in der Regel die Wirkung
„„Vergrösserungsfaktor““ gesprochen. Auch wenn das
relativ leichter Einzelfahrzeugen untersucht. Bei der
gesamte Fahrzeuggewicht bei Gewichtsverlagerung
Überprüfung geht es jedoch um den Nachweis der
nicht erhöht wird, können einzelne Szenarien zu mas-
Tragsicherheit unter extrem hoher Belastung. Dabei
siv vergrösserten Radkräften führen, was für den
spielt das plastische Verhalten der Brücke im Bruch-
Nachweis der lokalen Beanspruchung von Bedeutung
zustand eine entscheidende Rolle.
ist. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass sich die Wir-
Der nachfolgende Beitrag soll ein grundsätzliches
kung mehrerer Szenarien überlagern kann.
Verständnis der dynamischen Phänomene im System
Vor allem im Fall von Fahrbahnunebenheiten
Brücke + Fahrzeug vermitteln und geht vertieft auf
kommt es zu Fahrzeugschwingungen, was gerade bei
deren Relevanz im Zusammenhang mit dem Nach-
Hubschwingungen zu einer dynamischen Vergrösse-
weis der Tragsicherheit von Strassenbrücken ein. Um
rung des gesamten Fahrzeuggewichts zur Folge hat.
den Rahmen dieses Aufsatzes nicht zu sprengen,
Wenn sich Fahrzeugschwingungen auf die Brücke
beschränken sich die Betrachtungen auf elastisches
übertragen, dann kann es zusätzlich zur Lastvergrös-
Verhalten. Der Einfluss des Bruchverhaltens wird
serung zu einer Vergrösserung der Beanspruchung
eingehend in Ludescher et al. (2003) behandelt.
durch Schwingungen des Tragwerks kommen. Von

139
H. Ludescher und E. Brühwiler

Wirkung der Lastbewegung: Durch die Ortsver-


Dehnungsmessung änderung der Fahrzeuglast wird die Brücke zu unter-
schiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich belastet,
wodurch die Brücke zu Schwingungen angeregt wird.
Dieser Effekt wird maximal, wenn die Zeit für die
Überquerung eines Feldes gleich der halben Periode
der 1. Eigenform ist. Nimmt man für eine typische
Wegmessung
Strassenbrücke mit Spannweiten von 35 m eine
Grundfrequenz von 3 Hz an, dann beträgt die kritische
Geschwindigkeit 750 km/h. Das Beispiel zeigt, dass
dieser Effekt bei Strassenbrücken gering ist.
Einfluss von Fahrzeugmasse und -steifigkeit
auf das Systemverhalten: Das Fahrzeug hat auf-
Abb. 1: Dynamische Effekte in der lokalen und globalen grund seiner Mass bzw. aufgrund der Kräfte, die es
Beanspruchung (Messungen Cantieni (1988)) auf die Brücke ausübt, einen Einfluss auf die Eigen-
formen der Brücke. Umgekehrt ändern sich die Eigen-
Bedeutung ist dies bei der „„globalen““ Beanspruchung
frequenzen des Fahrzeugs, wenn es anstatt auf fes-
der Längsträger. Die Elemente der Fahrbahn, welche
tem Untergrund auf einem flexiblen Brückenträger
der Lastabtragung in Querrichtung dienen, haben sehr
schwingt. Dieser Effekt ist stark abhängig vom Mas-
kurze Einflusslängen und nehmen die Wirkung von
senverhältnis sowie vom Steifigkeitsverhältnis zwi-
mehr als ca. 3 m entfernten Fahrzeugen kaum mehr
schen Brücke und Fahrzeug. Zur Veranschaulichung
wahr. Dies gilt auch für die auf das Tragwerk übertra-
dieses Effekts zeigt Abb. 2 die Veränderung der
genen Schwingungen (siehe Abb. 1). Massgeblich für
Grundfrequenz eines Zweimassenschwingers in
die Festlegung des Vergrösserungsfaktors für die
Funktion des Massen- und Steifigkeitsverhältnisses
Überprüfung der lokalen Beanspruchung wird somit
(mFz / fFz: modale Masse / Eigenfrequenz der domi-
die Lastvergrösserung einzelner, extrem schwerer
nanten Eigenschwingungsform des ungekoppelten
Achsen oder Achsgruppen, wobei das dynamische
Fahrzeugs, meff / fBr: wirksame Masse / Grundfre-
Verhalten des Tragelements vernachlässigt werden
quenz der unbelasteten Brücke).
kann. In der Folge wird nur noch auf den Nachweis
Durch die Präsenz eines Fahrzeugs auf einer Brü-
der Längsträger eingegangen, für welche das dyna-
cke wird deren Grundfrequenz immer reduziert, und
mische Verhalten der Brücke von Relevanz ist.
zwar je mehr desto schwerer und weicher das Fahr-
zeug ist. Bei sehr steifen Federungen besteht die
3 FAHRZEUG –– BRÜCKE WECHSELWIRKUNG
Wirkung nur in einer Vergrösserung der Brückenmas-
Von Fahrzeug –– Brücke Wechselwirkung spricht man, se. Weiche Federungen führen zu starken Schwin-
wenn sich die dynamischen Systeme gegenseitig gungen des Fahrzeugs, was zu einer dynamischen
beeinflussen. Nachfolgend wird darauf eingegangen, Vergrösserung von dessen Masse führt. Entspre-
unter welchen Bedingungen Brücken massgeblich zu chend addiert sich deren Masse mit einem Vergrösse-
Schwingungen angeregt werden und welche Bedeu- rungsfaktor behaftet zur Brückenmasse. Für leichte
tung dies für den Nachweis der Tragsicherheit hat. Fahrzeuge (Masse kleiner als 10 % der wirksamen
Die Betrachtungen setzen linear elastisches Verhalten Masse der Brücke) ist dieser Effekt gering.
voraus und sind strikt genommen nur für Belastungen
auf Gebrauchsniveau gültig.
3.0
Für das Verständnis der Wechselwirkungen sowie
des Einflusses der verschiedenen Parameter ist ein 2.5
fBr / fFz = 0.1
Frequenz [Hz]

einfaches Modell sehr hilfreich. Die Entwicklung und fBr / fFz = 0.2
Anwendung eines Modells setzt ein vertieftes Ver- 2.0 fBr / fFz = 0.5
ständnis jener Phänomene voraus, die bei der Fahrt fBr / fFz = 1
1.5 fBr / fFz = 2
eines Fahrzeugs über eine Brücke auftreten. Es lässt
fBr / fFz = 5
sich unterscheiden zwischen der Wirkung der Last- 1.0
bewegung, dem Einfluss von Fahrzeugmasse und - 1 10 100
steifigkeit sowie dem Einfluss der Fahrzeugposition log10(Massenverhältnis meff/mFz)

auf das Systemverhalten. Abb. 2: Variation der Grundfrequenz eines (ungedämpf-


ten) Zweimassenschwingers in Abhängigkeit des
Massen- und Steifigkeitsverhältnisses

140
Zur Festlegung des „„dynamischen Beiwerts““ bei der Überprüfung von Strassenbrücken

Einfluss der Fahrzeugposition auf das System- rung durch die Haftreibung der Räder und die Fahr-
verhalten: Die Veränderung der Fahrzeugposition auf zeugstabilität begrenzt ist. In der Folge wird primär auf
der Brücke bewirkt, dass sich nicht nur ständig die den wichtigsten Fall der resonanzartigen oder stossar-
dynamischen Kennwerte des Systems Fahrzeug- tigen Anregung durch Fahrbahnunebenheiten einge-
Brücke verändern, sondern dass auch die Intensität gangen.
der Anregung variiert (Abb. 3). Solange sich ein Fahr- Entscheidend ist, dass die Brücke grundsätzlich
zeug in der Nähe der Auflager (Widerlager, Stützen) durch das Fahrzeug angeregt wird. Das heisst, das
befindet, spürt die Brücke wenig vom Fahrzeug und Fahrzeug wird angeregt durch Fahrbahnunebenheiten
umgekehrt. Befindet sich das Fahrzeug in Feldmitte, und überträgt diese Anregung entsprechend seiner
dann entfaltet sich die stärkste Wechselwirkung des Übertragungsfunktion auf die Brücke, welche wieder-
Fahrzeugs mit der Brücke, welche dann zumeist in um in Abhängigkeit ihrer Übertragungsfunktion ant-
ihrer ersten Eigenform schwingt. Für Positionen da- wortet. Würde das Fahrzeug seine Lage nicht verän-
zwischen nimmt der Einfluss ab, es kommt jedoch zu dern und hätte die Reaktion der Brücke keine Rück-
einer mehr oder weniger starken Anregung höherer wirkung auf das Fahrzeug, dann liesse sich die Prob-
Eigenschwingungsformen der Brücke. lemstellung in Analogie zur digitalen Signalverarbei-
tung in der Elektrotechnik mittels einer Folge von Fil-
3.1 Anregung des Systems Fahrzeug + Brücke tern lösen. Daraus lassen sich bereits wesentliche
Massgeblich für die Anregung von Fahrzeug und Brü- Schlüsse ziehen: (1) Schwerfahrzeuge reagieren
cke sind grundsätzlich zwei vertraute Phänomene der kaum auf Anregungen unter 1.5 Hz, dementspre-
Dynamik: Resonanz und Stoss. Zu resonanzartiger chend ist nicht zu erwarten, dass eine Brücke durch
Anregung kann es kommen, wenn das Längsprofil der Fahrzeuge in diesem Frequenzbereich angeregt wird.
Fahrbahn periodische Unebenheiten aufweist, welche (2) Für lineares Systemverhalten, das heisst vor allem
bei der Überfahrt des Fahrzeugs mit einer bestimm- für lineare, viskose Dämpfung des Fahrzeugs, ist die
ten, „„kritischen““ Geschwindigkeit genau eine Anre- Antwort des Systems direkt proportional zur Uneben-
gung des Systems Brücke + Fahrzeug in dessen heitsamplitude.
Grundfrequenz bewirken. Offensichtlich ist die Anre-
3.2 Fahrbahnunebenheiten
gung je stärker, desto ausgeprägter die Unebenheiten
sind und je länger die Brücke ist, d.h. je mehr Anre- Fahrbahnunebenheiten wurden als wichtigste Quelle
gungszyklen übertragen werden. Eine stossartige dynamischer Effekte im System Brücke + Fahrzeug
Anregung kann sich grundsätzlich durch die Fahrt identifiziert, deren Stärke direkt den dynamischen
über ausgeprägte lokale Fahrbahnunebenheiten, ab- Vergrösserungsfaktor bestimmt. Es ist daher notwen-
ruptes Bremsen oder im Verlaufe eines Unfalls erge- dig sich eingehender mit deren Eigenheiten und Be-
ben, wobei Fahrbahnunebenheiten die grösste Be- schreibung zu befassen. Grundsätzlich lässt sich un-
deutung zukommt. Es ist relativ unwahrscheinlich, terscheiden zwischen zufällig verteilten, kontinuierli-
dass ein sehr schweres Fahrzeug gerade in kritischer chen Fahrbahnunebenheiten unterschiedlichster Wel-
Position auf einer Brücke verunfallt. Zudem führt ein lenlänge, hier auch bezeichnet als „„normale““ Fahr-
Unfall in der Regel zu einem horizontalen Stoss in der bahnunebenheiten, und lokalen, oft diskontinuierli-
Richtung der Bewegung. Bei Bremsmanövern ist der chen Unebenheiten mit einer ausgeprägten Wellen-
Stoss relativ sanft, da die maximale Bremsverzöge- länge, zwecks Unterscheidung bezeichnet als „„spe-
zielle““ Fahrbahnunebenheiten.
F(t) F(t)
Abb. 4 zeigt zwei Beispiele von Längsprofilen,
oben dasjenige einer sehr unebenen Strasse, und
unten ein auf einer Brücke gemessenes Profil. Das
~100 % ~90 %
1. Eigenform obere Profil zeigt deutlich, dass die Amplitude der
2. Eigenform
~10 %
Unebenheiten generell mit steigender Wellenlänge
zunimmt. Das heisst, dass ein Fahrzeug je stärker
F(t)
F(t) angeregt wird, desto schneller es fährt. Folglich wer-
90 %
10 %
den die stärksten dynamischen Vergrösserungsfakto-
ren zumeist für hohe Fahrgeschwindigkeiten der Ver-
suchsfahrzeuge gemessen. Da die Geschwindigkeiten
von Schwerfahrzeugen rechtlich auf ca. 100 km/h
begrenzt ist, und die niedrigsten Eigenfrequenzen der
Abb. 3: Einfluss der Fahrzeugposition auf die Fahrzeug –– Fahrzeuge bei 1.5 Hz liegen, sind nur Unebenheiten
Brücke Wechselwirkung

141
H. Ludescher und E. Brühwiler

40 kleine Wellenlängen -> kleine Amplituden mFz mFz : modale Fahrzeugmasse

““Fahrzeug““
grosse Wellenlängen -> grosse Amplituden zFz(t) kFz , cFz : Steifigkeit und Dämpfung der
20 kFz cFz Aufhängung
z [mm]

0
r(t) meff : wirksame Brückenmasse
-20 Profil einer sehr unebenen Strasse
meff kBr , cBr : Steifigkeit und Dämpfung der

““Brücke““
zBr(t) Brücke
-40 kBr cBr
20 Typisches Profil auf einer Strassenbrücke r (t) : Anregung
z [mm]

0
Abb. 5: Zweimassenschwinger zur Modellierung der
-20
Fahrzeug - Brücke Wechselwirkung
0 20 40 60 80 100 120 14
x [m]
ständig in Gefahr, über alle Probleme der Datenverar-
Abb. 4: Beispiele von Längsprofilen beitung und der komplizierten Modellierung die eigent-
liche Fragestellung aus den Augen zu verlieren, näm-
bis ca. 30 m Wellenlänge relevant. Der Zusammen-
lich die Relevanz dynamischer Effekte im Nachweis
hang zwischen Wellenlänge und Amplitude gilt jedoch
der Tragsicherheit einer Brücke. Es zeigt sich, dass
nicht für „„spezielle““ Fahrbahnunebenheiten. Bei Brü-
die wesentlichen Zusammenhänge bereits mit sehr
cken sind diese vor allem im Bereich der Fahrbahn-
einfachen Modellen erfasst werden können, welche
übergänge zu erwarten, aber auch infolge von Schlag-
leichter analysiert und ausgewertet werden können.
löchern, Schneeansammlungen, verlorenem Ladegut,
Das verwendete Modell ist in Abb. 5 dargestellt und
Absätzen im Belag, usw. Die Wirkung „„spezieller““
wird nachfolgend nur kurz vorgestellt. Eine ausführli-
Fahrbahnunebenheiten steigt nicht generell mit der
che Herleitung findet sich in Ludescher et al. (2003).
Fahrgeschwindigkeit, sondern das Phänomen des
Modell des Fahrzeugs: Fahrzeuge können im
„„Achsstandfilterns““ erhält grosse Bedeutung. Je nach
Hinblick auf die Simulation der dynamischen Radkräf-
Geschwindigkeit und Abstand zwischen den Achsen
te mit genügender Genauigkeit als Mehrmassen-
kann die Wirkung aufeinander folgender Achsen ver-
schwinger modelliert werden (Cebon (1999)). Die
stärkt oder abgeschwächt werden.
wichtigsten Eigenschwingungsformen ergeben sich
Die Belagsebenheit lässt sich anhand der spektra-
durch Hub- und Nickschwingungen des Aufbaus mit
len Dichte des Längsprofils beschreiben und klassifi-
Eigenfrequenzen zwischen ca. 1.5 und 4 Hz sowie
zieren. Gerade im Hinblick auf das Verhalten einer
durch Hubschwingungen der Achsen im Bereich von
speziellen Brücke kann die spektrale Dichte jedoch
meist 10 bis 15 Hz. Bei den Aufbauschwingungen ist
nicht das wahre Fahrbahnprofil ersetzen, da sie keine
nicht nur deren Eigenfrequenz sondern auch die
Auskunft über die Lage von Unebenheit und nur be-
Dämpfung im Bereich von 10% der kritischen Dämp-
schränkte Informationen über allfällige Periodizitäten
fung von grösster Bedeutung.
enthält. Zudem werden „„spezielle““ Fahrbahnuneben-
Bei der Fahrt eines Fahrzeugs werden die einzel-
heiten nicht auf geeignete Weise erfasst. Im Hinblick
nen Eigenschwingungen je nach Fahrbahnprofil und
auf die Überprüfung ist es auch nicht sinnvoll, einen
Geschwindigkeit in unterschiedlichem Masse ange-
strikten Zusammenhang zwischen einem gemesse-
regt. Die hochfrequenten Achseigenschwingungen
nen Fahrbahnprofil und einem Vergrösserungsfaktor
können bei der Analyse der Längsträger praktisch
für den Tragsicherheitsnachweis herzustellen. Über-
vernachlässigt werden, da sie normalerweise zu kei-
prüfungen werden bestenfalls alle fünf Jahre durchge-
nen nennenswerten Vergrösserungen im Bereich der
führt, die Belagsebenheit ändert sich jedoch mit der
Grundfrequenz führen. Für den Aufbau genügt es,
Zeit. Ausserdem reicht ein 5 cm hohes Schneehäuf-
eine einzige Eigenschwingungsform zu berücksichti-
chen, um die Situation völlig zu verändern.
gen, um den Einfluss der Fahrzeugmasse und des
3.3 Modellierung der Wechselwirkung Verhaltens der Aufhängung zu erfassen. Dies reflek-
tiert auch den Umstand, dass im ungünstigsten Fall
Auf der Basis eines vertieften Verständnisses der eine Schwingungsform dominiert. Als Modell für das
Fahrzeug –– Brücke Wechselwirkung ist es möglich, Fahrzeug ergibt sich somit ein Einmassenschwinger.
geeignete Modelle zur quantitativen Analyse des Sys- Modell der Brücke: Brücken weisen als kontinu-
temverhalten zu entwickeln. Offensichtlich muss sich ierliches Tragsystem grundsätzlich eine unendliche
ein Modell aus drei Komponenten zusammensetzen: Zahl von Eigenschwingungsformen auf. Von Bedeu-
Der Brücke, dem Fahrzeug und der Anregung. Um tung sind jedoch nur jene, die sich leicht anregen las-
alle Phänomene möglichst präzise zu erfassen, ist ein sen und deren Form mit der Verformung infolge des
hoch entwickeltes Computerprogramm erforderlich. massgeblichen Lastfalls kongruent ist. Wenn der Bie-
Bei der Anwendung dieser Programme läuft man gewiderstand eines einfachen Balkens nachgewiesen

142
Zur Festlegung des „„dynamischen Beiwerts““ bei der Überprüfung von Strassenbrücken

werden soll, dann besteht der massgebliche Lastfall das sehr schwere „„Fahrzeug““ fast halbiert (Φ = 1.45).
aus der zu erwartenden Verkehrslast im gesamten Zu beachten ist bei diesem Resultat nur das Verhält-
Feld. Die entsprechende Durchbiegung entspricht nis zwischen den Vergrösserungsfaktoren, die absolu-
ziemlich genau der ersten Eigenschwingungsform. te Grösse ist direkt abhängig von den vorgegebenen
Das heisst, mit einer Anregung höherer Schwingungs- Fahrbahnunebenheiten.
formen ist nicht zu rechnen. Dies gilt auch für den Bei genauer Analyse zeigt sich, dass der Einfluss
Schubnachweis, für den die zweite Eigenschwin- der Fahrzeugmasse indirekt den Einfluss der Dämp-
gungsform von Bedeutung wäre. Folglich wird auch fung im System Brücke + Fahrzeug wiedergibt. Für
die Brücke als Einmassenschwinger modelliert, wobei das „„Fahrzeug““ wurde jeweils eine Dämpfungsrate ζFz
die modale Masse der Hälfte der Gesamtmasse des = 10·ζBr = 10% angenommen, somit steigt die Dämp-
Balkens entspricht, und die Dämpfungsrate zu 1% fung im System mit zunehmender Fahrzeugmasse.
angenommen wird. Für Schwerfahrzeuge stellt 10% eine typische Dämp-
Modellierung der Anregung: Die Anregung des fungsrate der Aufhängung dar, für Personenwagen
Fahrzeug - Brücke Systems setzt sich im Fall von liegt der Wert wesentlich höher. Werte unter 10% sind
Fahrbahnunebenheiten aus dem Fahrbahnprofil und nur zu erwarten, wenn Fahrzeuge mit Blattfederungen
der Fahrgeschwindigkeit zusammen. Für gewisse geringfügig angeregt werden, wodurch die Reibungs-
Fragestellungen ist es zweckmässig, ein vereinfach- dämpfung zwischen den Stahllamellen nicht aktiviert
tes, sinusförmiges Profil anzunehmen, speziell zur wird, sowie bei Luftfederungen mit defekten Stoss-
Bestimmung der Übertragungsfunktion. Der Einfach- dämpfern.
heit halber wird der Einfluss der Fahrzeugposition auf Die in Abb. 6 gezeigten Simulationen erstrecken
die Stärke der Anregung nicht berücksichtigt, da die- sich über zwölf Anregungszyklen, was dem Beispiel
ser Einfluss bei Vergleichsrechnungen herausfällt. einer 35 m langen Brücke mit einer Grundfrequenz
von 3 Hz entspricht, welche periodische Unebenhei-
3.4 Einfluss der Systemparameter ten in 2.9 m Abstand aufweist und mit einer Ge-
Anhand des in Abb. 5 gezeigten Modells zur Simulati- schwindigkeit von 32 km/h überquert wird. Offensicht-
on der Fahrzeug - Brücke Wechselwirkung lässt sich lich genügt diese Anregung nicht, um den stationären
untersuchen, welchen Einfluss die Fahrzeug- und Zustand zu erreichen. Dies entspricht der Realität,
Brückenparameter auf das Systemverhalten haben. dass sich das System wegen der Irregularität des
Nachfolgend wird auf die Bedeutung der Fahrge- Fahrbahnprofils und der ständigen Ortsveränderung
schwindigkeit, des Massenverhältnisses meff / mFz, des Fahrzeugs immer in der transienten Phase befin-
des Frequenzverhältnisses fBr / fFz sowie der Dämp- det, d.h. der Einfluss der Anfangsbedingungen ist
fungsrate ζFz eingegangen. Die beiden Massen des noch am Abklingen. Die Anfangsbedingungen können
Modells werden mit „„Brücke““ und „„Fahrzeug““ bezeich-
net, da es sich nur um stark vereinfachte Repräsenta- a) 40
35 meff / mFz = 10
tionen handelt.
30
Verschiebung [mm]

Einfluss von Fahrzeugmasse und ––dämpfung:


25
Das Verhalten des Modells lässt sich gut mittels einer 20 ““Fahrzeug””
Zeitschrittberechnung illustrieren, wobei das Differen- 15
Fdyn,max
““Brücke”” =1.8
tialgleichungssystem integriert wird. Abb. 6 zeigt als 10 ““Fahrbahnprofil”” Fstat
Beispiel die Gegenüberstellung der Verschiebungs- 5
0
verläufe für unterschiedliche Massenverhältnisse. Bei 0 1 2 3 4
der „„Brücke““ ist die statische Verschiebung infolge Zeit [s]
b) 40
deren Eigengewicht bereits abgezogen. Für das 35 meff / mFz = 2
„„Fahrzeug““ ist die totale Relativverschiebung zwi-
Verschiebung [mm]

30
schen den zwei Massen angezeigt. Abb. 6 a) enthält 25
20 ““Fahrzeug””
das Resultat für ein Massenverhältnis meff / mFz = 10
15
und Abb. 6 b) dasjenige für ein Massenverhältnis 2.
10
Offensichtlich reagiert die „„Brücke““ wesentlich schwä- 5 ““Fahrbahnprofil”” Fdyn,max
““Brücke”” =1.45
cher auf das leichte „„Fahrzeug““. Bezogen auf die sta- 0
Fstat
0 1 2 3 4 5
tische Auslenkung infolge des Fahrzeuggewichts ist -5
Zeit [s]
die maximale dynamische Verschiebung jedoch deut-
lich stärker: Für das leichte „„Fahrzeug““ ergibt sich ein Abb. 6: Verschiebungsverläufe für unterschiedliche
Vergrösserungsfaktor Φ = 1.8, während sich dieser für Massenverhältnisse (Frequenzverhältnis fBr / fFz
= 1)

143
H. Ludescher und E. Brühwiler

6 4

Max. Vergrösserungsfaktor Φmax


Vergrösserungsfaktor zdyn/a

5
““Fahrzeug””
3
4

3
““Brücke”” 2
2
meff / mFz = 40 meff / mFz = 5
1 1
meff / mFz = 20 meff / mFz = 2
0 meff / mFz = 10 meff / mFz = 1
0 1.5 3 4.5 6
0
Anregungsfrequenz [Hz] 0 1 2 3 4
Frequenzverhältnis fFz / fBr
Abb. 7: Übertragungsfunktion des Systems Brücke +
Fahrzeug (meff / mFz = 10, fBr / fFz = 1) Abb. 8: Maximaler Vergrösserungsfaktor Φmax in Funktion
des Massen- und Frequenzverhältnisses
dabei variieren, indem das Fahrzeug bereits bei Errei-
chen der Brücke angeregt ist oder die Brücke noch in Vergrösserungsfaktoren ergeben als solche mit wei-
Folge einer vorausgegangenen Überfahrt aus- cheren Luftfederungen (Cantieni (1988) und Cantieni
schwingt. et al. (2000).
Einfluss der Fahrgeschwindigkeit: Es wurde be-
reits gezeigt, dass grundsätzlich eine Zunahme der 3.5 Multiple Fahrzeug - Brücke Wechselwirkung
dynamischen Effekte mit steigender Fahrgeschwin- Sobald eine Brücke mehr als eine Fahrspur oder eine
digkeit zu erwarten ist. Periodizitäten besonders aus- Spannweite über ca. 15 m aufweist, entspricht das für
geprägter Unebenheiten führen dazu, dass die maxi- den Tragsicherheitsnachweis massgebliche Gefähr-
male Vergrösserung bei dynamischen Belastungsver- dungsbild der Belastung durch mehr als ein Fahrzeug.
suchen normalerweise in einem eng begrenzten Be- Das heisst, tiefe Massenverhältnisse meff / mFz bedeu-
reich von Fahrgeschwindigkeiten gemessen wird. ten in der Regel, dass mehrere Fahrzeuge gleichzeitig
Dies lässt sich anhand der Übertragungsfunktion des auf die Brücke wirken. Da sich die dynamischen Ei-
Fahrzeug –– Brücke Systems illustrieren (siehe Abb. genschaften verschiedener Fahrzeuge nicht gleichen
7). Diese gilt nur für lineares Systemverhalten, das und eine ganze Reihe verschiedener Szenarien
heisst solange die Räder nicht abheben und die Auf- (Kreuzung, Kolonne, Überholmanöver,..) denkbar ist,
hängung kein ausgeprägt nicht-lineares Steifigkeits- muss mit einer grossen Bandbreite möglicher Ver-
oder Dämpfungsverhalten aufweist. Die stärkste An- grösserungsfaktoren gerechnet werden. Um diese für
regung findet bei der Grundfrequenz des Systems die Tragsicherheit sehr relevante Fragestellung zu
statt, reduziert sich jedoch schnell bei entfernten An- erfassen, wurde das Modell gemäss Abb. 9 für die
regungsfrequenzen. Je nach Fahrbahnprofil einer multiple Fahrzeug –– Brücke Wechselwirkung erwei-
Brücke kann die der Grundfrequenz entsprechende tert.
kritische Geschwindigkeit genau in den Bereich der Die Analyse zeigt, dass das Massenverhältnis meff /
Durchschnittsgeschwindigkeit fallen, oder ganz woan- ™mFz sowie das Anregungsszenario mit Abstand die
ders. wichtigsten Einflussfaktoren sind. Eine synchrone
Einfluss der Steifigkeit der Federung: Durch die Anregung ist theoretisch denkbar, wenn sich alle
Einführung eines absoluten Wertes der Anregungs- Fahrzeuge mit gleicher Geschwindigkeit und einem
amplitude lässt sich aus der Übertragungsfunktion der ganz gewissen Abstand über eine Wellenfahrbahn
maximale Vergrösserungsfaktor für die Brücke Φmax
bei Anregung in der Grundfrequenz bestimmen. In Szenario Φ
Abb. 8 ist dieser Wert in Funktion des Massen- und
1. Alle „„Fahrzeuge““ werden in Phase angeregt 1.49
Frequenzverhältnisses auftragen. Sieht man von der
Wirkung von (für die Tragsicherheit irrelevanten) sehr 2. Die „„Fahrzeuge““ werden genau gleichmässig 1.065
leichten Fahrzeugen ab (Massenverhältnis grösser phasenverschoben angeregt
10) so ergibt sich generell eine Zunahme von Φmax mit
3. Ein „„Fahrzeug““ wird angeregt während drei 1.18
zunehmender Steifigkeit des „„Fahrzeugs““. Je steifer
„„Fahrzeuge““ stehen
das Fahrzeug, desto weniger werden Fahrbahnune-
benheiten abgefedert bzw. je stärker wird die Brücke 4. Beispiel für eine zufällige Phasenverschiebung 1.3
angeregt. Bestätigt wird dies durch experimentelle
Resultate, bei denen in der Regel Fahrzeuge mit sehr Tabelle 1: Dynamischer Vergrösserungsfaktor Φ für
multiple Fahrzeug-Brücke Interaktion in Ab-
steifen Blattfederungen bedeutendere dynamische hängigkeit des Szenarios

144
Zur Festlegung des „„dynamischen Beiwerts““ bei der Überprüfung von Strassenbrücken

„„Fahrzeug““ 1 2 3 ... n und (2) den geeigneten dynamischen Vergrösse-


rungsfaktors für den Schubnachweis.

„„Fahrbahn 3.6.1 Durchbiegungs- und Dehnungsmessungen


-profil““
„„Brücke““ In der Vergangenheit wurden sowohl Durchbiegungs-
als auch Dehnungsmessungen zur experimentellen
Bestimmung des Vergrösserungsfaktors durchgeführt.
In Parallelmessungen wurde festgestellt, dass Durch-
Abb. 9: Modell für die multiple Fahrzeug –– Brücke biegungsmessungen immer die grösseren Werte er-
Wechselwirkung geben (z.B. [AASHO 1962], [Wright et al.1962]), ohne
bewegen. Je grösser die Zahl der Fahrzeuge bzw. je daraus Konsequenzen zu ziehen. Interpretiert man die
ungleichmässiger die Verteilung der Fahrbahnune- dynamische Vergrösserung als reine Lastvergrösse-
benheiten, desto unwahrscheinlicher wird dies. rung, dann lassen sich diese Unterschiede auch nicht
Tabelle 1 zeigt das Resultat für die Wirkung von vier erklären, da sowohl die Durchbiegungen als auch die
Fahrzeugen. Zu beachten ist wiederum nicht der ab- Dehnungen linear proportional zur Last sind. Es ist
solute Wert des Vergrösserungsfaktors, sondern die jedoch von entscheidender Bedeutung, dass sich die
Unterschiede in Funktion des Szenarios. Am realis- Lastkonfiguration bei dynamischer Belastung ändert.
tischsten erscheint das Szenario 3, welches die domi- Wenn die Spannweite mehr als ca. 25 m misst, dann
nante Anregung eines der vier Fahrzeuge wiedergibt. kann ein kompaktes Fahrzeug im statischen Fall als
Dies entspricht beispielsweise einer dichten Lastwa- konzentrierte Last angesehen werden (Abb. 10 a)). Im
genkolonne, welche von einem schweren Lastwagen dynamischen Fall hat die Lastkonfiguration aufgrund
überholt oder gekreuzt wird, oder dem Fall der starken der Trägheitskraft der wirksamen Balkenmasse viel
Anregung durch eine einzelne, ausgeprägte Fahrbah- mehr den Charakter einer verteilten Kraft (Abb. 10 b)).
nunebenheit. Die starke Abnahme des Vergrösse- Bei gleicher Durchbiegung ist die maximale Dehnung
rungsfaktors mit zunehmender Anzahl Fahrzeuge für eine konzentrierte Kraft wesentlich grösser als für
bzw. der Höhe der Nutzlast wird durch Messungen einer verteilte Kraft. Mittels trivialer Berechnungen
durch Cantieni (1988) und Bailey (1996) bestätigt. lässt sich zeigen, dass sich dadurch bei einfachen
Balken ohne weiteres Unterschiede des gemessenen
3.6 Spezielle Folgerungen für Balkenbrücken Vergrösserungsfaktors in der Grössenordnung von
15% erklären lassen, bei Zweifeldträgern sogar solche
In dynamischen Belastungsversuchen wird der Ver-
von 25% (Ludescher et al. (2003).
grösserungsfaktor bestimmt, indem die maximale
Im Hinblick auf den Tragsicherheitsnachweis sind
dynamische Reaktion der Brücke mit der maximalen
eindeutig Dehnungsmessungen vorzuziehen, da sie
statischen Reaktion infolge der Überfahrt eines Fahr-
den Spannungszustand (infolge Biegung) eines Trä-
zeugs verglichen wird. Das hat dazu geführt, dass der
gers korrekt abbilden. Die Durchbiegungen sind für
Vergrösserungsfaktor im Tragsicherheitsnachweis in
die Tragsicherheit von untergeordneter Bedeutung.
der Form eines Lastfaktors verwendet wird. Dadurch
Vergrösserungsfaktoren, welche auf der Messung der
wird missachtet, dass die dynamische Vergrösserung
Durchbiegungen bei der Fahrt eines relativ leichten,
bei Längsträgern hauptsächlich aus Tragwerks-
kompakten Fahrzeugs über eine Brücke mittlerer oder
schwingungen resultiert. Aus dieser Erkenntnis lassen
grosser Spannweite beruhen, können daher um 10 bis
sich für Balkenbrücken interessante Folgerungen
20% abgemindert werden.
ziehen, und zwar in Bezug auf (1) den Unterschied
zwischen Dehnungs- und Durchbiegungsmessungen, 3.6.2 Nachweis der Querkraft
Die Frage nach dem geeigneten dynamischen Ver-
a) grösserungsfaktor für den Nachweis des Schubwider-
stands wird kaum je gestellt, obwohl dieser Nachweis
gerade bei bestehenden Spannbetonbrücken eine
entscheidende Bedeutung hat. Vermutlich ist dies
b)
darauf zurückzuführen, dass (1) die Interpretation der
dynamischen Vergrösserung als Lastvergrösserung
diese Frage scheinbar erübrigt, (2) der dynamische
Abb. 10: Verteilung der Einwirkungen infolge a) statischer Vergrösserungsfaktor seine (historische Daseins-
Fahrzeuglast und b) Brückenschwingung )Berechtigung vor allem aus der Bemessung ermü-

145
H. Ludescher und E. Brühwiler

dungsanfälliger Eisenbahnbrücken bezieht, bei denen –– Vergrösserungsfaktoren, welche durch Messungen


der Schubwiderstand eine geringere Bedeutung hat, an Brückenträgern gewonnen wurden, ergeben bei
und (3) eine experimentelle Bestimmung schwierig ist. der Verwendung als Lastfaktor grundsätzlich fal-
Wenn ein Vergrösserungsfaktor über Dehnungs- sche Resultate.
messungen in der Mitte eines einfachen Balkens be- –– Je höher der Anteil der Verkehrslast an der Bean-
stimmt wurde, dann kann er in einer statischen Be- spruchung eines Brückenträgers und je grösser die
rechnung als Lastfaktor zur korrekten Bestimmung Anzahl Fahrzeuge im betrachteten Lastfall, desto
des maximalen, dynamischen Moments verwendet kleiner ist der Vergrösserungsfaktor.
werden, vorausgesetzt es wird die Wirkung eines mit –– Von grösster Bedeutung für die Höhe des Vergrös-
dem Versuchsfahrzeug vergleichbaren Lastwagens serungsfaktors ist die Grösse der Fahrbahnune-
analysiert. Die Verwendung als Lastfaktor in der Be- benheiten, sowohl für die lokale als auch für die
stimmung der maximalen, dynamischen Querkraft globale Beanspruchung.
resultiert jedoch in einem völlig falschen Ergebnis. Da Durch die Anwendung der Erkenntnisse auf die Über-
die Lastkonfiguration im dynamischen Fall viel stärker prüfung von Strassenbrücken ergibt sich ein Nach-
aus verteilten Kräften besteht, wird die Querkraft weiskonzept, das eine differenzierte Beurteilung be-
massiv überschätzt. Durch triviale Berechnungen lässt stehender Strassenbrücken ermöglicht. Im Hinblick
sich zeigen, dass Vergrösserungsfaktoren, die auf auf den Nachweis der Tragsicherheit muss zusätzlich
Durchbiegungsmessungen beruhen und als Lastfaktor der Einfluss des Bruchverhaltens berücksichtigt wer-
für konzentrierte Lasten verwendet werden, bei einfa- den. Für den Nachweis der Elemente der Fahrbahn ist
chen Balken zu einer Überschätzung um ca. 50% eine detaillierte Analyse der lokalen Beanspruchung
führen, und bei Zweifeldträgern sogar zu einer sol- erforderlich, indem die relevanten Bruchmechanismen
chen von ca. 100%. Bei auf Dehnungsmessungen und mögliche Achskonfiguration einbezogen werden.
basierenden Vergrösserungsfaktoren reduzieren sich Eine umfassende Behandlung der Problemstellung
die Fehler auf ca. 20 bzw. 50%. findet sich in Ludescher et al. (2003).
Die Berechnungen beruhen auf der Annahme,
dass es zu keiner nennenswerten Anregung höherer LITERATUR
Eigenschwingungsformen der Brücke kommt. Im Zu-
AASHO, (1962), Special Report 61D, AASHO Road Test,
sammenhang mit der Modellierung der Brücke wurde Report 4 –– Bridge Research, HRB, National Research
bereits gezeigt, dass höhere Eigenformen für tragsi- Council, Washington D. C.
cherheitsrelevante Lastfälle vernachlässigbar sind. Bailey S., (1996), Basic principles and load models for the
safety evaluation of existing road bridges, Thèse N° 1467
4 FOLGERUNGEN (1996), EPFL, Schweiz.
Billing J. R., Agarwal A. C. (1990), The art and science of
Die wichtigsten Erkenntnisse, welche in diesem Bei-
dynamic testing of highway bridges, Canadian Society for
trag erläutert wurden, lassen sich wie folgt zusam- Civil Engineering, Developments in short and medium span
menfassen: bridge engineering ’’90, Toronto, 531––544.
–– Vergrösserungsfaktoren lassen sich nicht nur durch Cantieni R., (1983), Dynamische Belastungsversuche an
Fahrbahnunebenheiten begründen, sondern durch Strassenbrücken in der Schweiz –– 60 Jahre Erfahrung der
eine Reihe von Szenarien, welche nicht alle dyna- EMPA, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungs-
anstalt, Bericht Nr. 116/1.
mischer Natur sind.
Cantieni R., (1988), Dynamische Belastungsversuche an
–– Es ist zwischen dem Nachweis der Elemente der
der Bergspurbrücke Deibüel, EMPA Bericht Nr. 116/4, EM-
Fahrbahn und dem Nachweis der Längsträger zu PA Dübendorf, Schweiz.
unterscheiden. Nur im zweiten Fall wird die dyna-
Cebon D., (1999), Handbook of Vehicle - Road Interaction,
mische Beanspruchung durch nennenswerte Brü- Swets & Zeitlinger B. V., Lisse , the Netherlands, ISBN 90
ckenschwingungen beeinflusst. Für die Elemente 265 1554 5.
der Fahrbahn ist die Radkraftvergrösserung infolge Ludescher H., Brühwiler E., (2003), Vergrösserungsfaktoren
von Fahrbahnunebenheiten, Kurvenfahrt und für die Überprüfung bestehender Strassenbrücken, Bundes-
Bremsmanövern entscheidend. Die Schwingungen amt für Strassenbau, Schweiz.
der Längsträger haben keinen nennenswerten Ein- Cantieni R., Krebs W., Heywood R., (2000), OECD IR 6
fluss auf die dynamischen Radkräfte. DIVINE Project Final Report, EMPA Test No. 153’’031,
EMPA Dübendorf, SChweiz.
–– Die Messung der Durchbiegungen bei der Überfahrt
eines leichten Einzelfahrzeugs über eine relativ Wright D. T., Green R., (1962), Highway Bridge Vibrations,
Part II, Ontario Test Program, Department of Civil Engineer-
lange Brücke führt zu einer massiven Überschät-
ing, Queen’’s University; Ontario Ministry of Transportation,
zung des Vergrösserungsfaktors. Downsview, Canada

146
Dynamische Untersuchungen an Brückenbauwerken
der Nationalstrasse A9 am Simplon

Armin Ziegler
Ziegler Consultants, Zürich

1 EINFÜHRUNG
Die Reaktion von Strassenbrücken auf die dynami- B2

schen Einwirkungen schwerer Lastwagen hängt ei- B3

B1

nerseits von der Masse und Grundfrequenz der Brü-


cke und andererseits von der Fahrbahnebenheit ab. In B4

B5

der Norm SIA 160 wird ein unabhängig vom Tragsys- B6

tem der Brücke konstanter dynamischer Beiwert


B7

φ1=1.8 vorgegeben. Damit geht man bezüglich der B8 B9

Grundfrequenz der Brücke auf die sichere Seite und


verlangt bei der Fahrbahnebenheit eine gewisse Mini-
malanforderung. Vielfach stellt sich jedoch im Zu-
sammenhang mit der Überprüfung und Beurteilung
bestehender Brücken die Frage nach den effektiven
Werten, da der konstante Normenwert u.U. zu auf-
wändigen Verstärkungsmassnahmen führen würde. Abb. 1: Lage der Brückenbauwerke
Eine Anpassung der Rechenwerte (aktualisierte
Lastmodelle) kann allenfalls umfangreiche Verstär- Bauwerke experimentell erfasst und ausgewertet wer-
kungsmassnahmen verhindern helfen bzw. diese kön- den. Mit den dynamischen Untersuchungen an den
nen optimiert werden. Mit der Bestimmung von ver- Brücken werden primär zwei Zielsetzungen verfolgt:
schiedenen dynamischen Kenngrössen am bestehen- –– Experimentelle Bestimmung der Eigenschwingun-
den Bauwerk ist es möglich, die hierzu erforderlichen gen der Bauwerke
Grundlagen bereitzustellen. –– Experimentelle Bestimmung des Stosszuschlages
Die Sektion Nationalstrassen Oberwallis erteilte für vertikale Einwirkungen.
der Ingenieurgemeinschaft BIAG/Ziegler Visp/Zürich
den Auftrag, an 10 Brückenbauwerken der National- Nebst dem Nachweis der Machbarkeit der vorge-
strasse A9 Messungen durchzuführen, die es erlau- schlagenen Messkampagne sollen auch Hinweise und
ben würden, den effektiven dynamischen Beiwert und Erfahrungen im Hinblick auf künftige analoge Mes-
die Eigenschwingungen der Brücke zu ermitteln. Da- sungen bei anderen Brückenbauwerken erarbeitet
bei sollte das von der Ingenieurgemeinschaft vor- werden.
geschlagene Messkonzept auf seine Machbarkeit
überprüft und allfällige Erkenntnisse im Hinblick auf 1.1 Lage der Brückenbauwerke
die Durchführung von entsprechenden Messungen bei Die 10 untersuchten Brücken liegen an der Simplon-
anderen Bauwerken gesammelt werden. Passstrasse, einem der wichtigsten Alpenübergänge
Experimentelle Untersuchungen zur dynamischen von der Schweiz nach Italien. Abbildung 1 zeigt die
Systemidentifikation erfordern in der Regel einen be- Lage der Brückenbauwerke B1 bis B9 an der Nord-
achtlichen Aufwand an Material und Personal. Beim rampe des Simplonpasses. Die Brücke B10 befindet
vorliegenden Projekt sollten nun aber mit relativ einfa- sich auf der Südrampe in der Nähe von Simplon-Dorf.
chen Mitteln (kostengünstig) und in kurzer Zeit die
massgebenden dynamischen Daten der Brücken-

147
A. Ziegler

1.2 Brückentypen 1. Bestimmung der Eigenfrequenzen


2. Bestimmung des Stosszuschlages
Die untersuchten Brücken sind zumeist Mehrfeldträ-
ger-Brücken in Stahlbeton-Bauweise mit Spannweiten
zwischen 20 und 50 m. Die Schlankheiten variieren Für die Bestimmung der Eigenfrequenzen wurden
Schwingungsmessungen mit Geschwindigkeitssen-
sehr stark und liegen zwischen 15 und 49. In Tabel-
le 1 sind die wichtigsten Daten zusammengestellt. In soren durchgeführt, wobei folgende dynamische An-
den Abbildungen 2 und 3 sind zwei Beispiele darge- regungen verwendet wurden:
stellt. –– Hintergrundanregung (Ambient vibration)
–– Harmonische Anregung (El.-dyn. Erreger)
1.3 Messaufgabe –– Impuls-Anregung (100 kg Masse)
Die Messaufgabe bestand im wesentlichen aus fol- –– Verkehrsanregung (16 t Lastwagen)
genden zwei Teilen: Für die Bestimmung des Stosszuschlages wurden

Stat. Bau- Träger- Anzahl Lager- Länge Max. Spann- Trägerhöhe Schlank-
Nr. Name System stoff typ Felder ung (m) weite (m) (m) heit

B1 Chritzibrücke MFT SB HK 7 s 165 26 1.48 18

B2 Feldgrabenbrücke MFT SB B 7 s 238 51.5 1.9 27

B3 Gunzigrabenbrücke Bogen SB P e 173 90

B4 Bächwaldbrücke MFT SB Hp 3 s 51.5 24.5 1.2 20

B5 Kinjigrabenbrücke MFT SB P 3 f/g 40.5 13.5 0.7 19

B6 Gasserenlochbrücke MFT SB B 6 s 118 22 1.5 15

B7 Ledischleifbrücke MFT SB Hp 3 s 62 27.6 1.2 23

B8 Brunnenbrücke A MFT SB P 9 s 137 16 0.5 32

B9 Brunnenbrücke B MFT SB P 5 s 132.4 29.1 0.6 49

B10 Durchlass Krumbach EFT SB P 1 e 15 15 0.6 25

Abkürzungen:

Statisches System: EFT = Einfeldträger Trägertyp: HK = Hohlkasten


MFT = Mehrfeldträger B = Balken
Baustoff: SB = Stahlbeton P = Platte
Lagerung: s = schwimmend Hp = Hohlplatte
f/g = fest/gleitend

Tabelle 1: Wichtigste Daten zu den Brücken

Abb. 2: Gunzigrabenbrücke Abb. 3: Gasserenlochbrücke

148
Dynamische Untersuchungen an Brückenbauwerken der Nationalstrasse A9 am Simplon

Abb. 4: Messgerät MR2002-CE von SYSCOM

0.20

0.10

mm/s
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 sec
-0.10

-0.20

2.39 Hz

0.040
Abb. 6: Dynamischer Erreger von APS mit 30 kg schwin-
gender Masse
0.030

0.020

4.37 Hz
Frequenz-Kraft-Diagram
0.010

1000
mm/s
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Hz

Begrenzt durch
Abb. 5: Vertikale Hintergrunderschütterung auf der Gun- Wegamplitude

zigrabenbrücke mit Amplitudenspektrum


Kraft (N)

Begrenzt durch
100 Leistungsverstärker

(statische) Deflektionsmessungen und Schwingungs-


messungen eingesetzt.
10
2 SCHWINGUNGSMESSUNGEN 0.1 1 10 100
Frequenz (Hz)

Die Schwingungsmessungen wurden mit dem Mess-


gerät MR2002-CE von SYSCOM durchgeführt
(Abb. 4), wobei der Geschwindigkeitssensor MS2003 Abb. 7: Kraft-Frequenz-Diagramm für Erreger APS 400
zum Einsatz kam. Der Messbereich umfasst 0.0001
bis 100 mm/s und 1 bis 315 Hz. 2.2 Harmonische Anregung
Für die harmonische Anregung wurde der elektrody-
2.1 Hintergrundanregung namische Erreger von APS mit einer schwingenden
Bei der Hintergrundanregung werden die dauernd Masse von 30 kg verwendet. Der Erreger hat (ohne
vorhandenen Schwingungen der Brücke gemessen, schwingende Masse) ein Gesamtgewicht von 80 kg
um die Eigenfrequenzen zu bestimmen. Um Verfäl- und lässt sich somit leicht durch zwei Personen tra-
schungen durch Eigenfrequenzen der Fahrzeugfeder- gen. Abbildung 6 zeigt den dynamischen Erreger APS
ung zu vermeiden, sollte nur dann gemessen werden, 400 mit 30 kg schwingender Masse.
wenn sich kein Fahrzeug auf der Brücke befindet. In Abbildung 7 ist die maximal erreichbare Kraft als
Abbildung 5 zeigt ein Beispiel einer Hintergrunder- Funktion der Frequenz dargestellt. Im Bereich von 1.5
schütterung auf der Gunzigrabenbrücke mit dem zu- bis 10 Hz kann die maximale Kraft von 450 N erreicht
gehörigen Amplitudenspektrum. Die Eigenfrequenzen werden. Unterhalb von 1.5 Hz fällt die Anregungskraft
lassen sich sehr gut bestimmen. wegen des beschränkten Weges der erregenden
Masse relativ rasch ab.

149
A. Ziegler

0.007

0.006
Dyn. Verstärkung (mm/kN)

0.005

0.004

0.003

0.002

0.001

0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Frequenz (Hz)

0.25
Dyn. Verstärkung (mm/kN)

0.2

0.15 Abb. 9: Impuls-Anlage


0.1

0.05

0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Frequenz (Hz)

0.35

0.3 Abb. 10: Prinzip der Impuls-Anlage


Dyn. Verstärkung (mm/kN)

0.25

0.2

0.15

0.1

0.05

0
0 2 4 6 8 10

Frequenz (Hz)

Abb. 8: Resonanzkurve für Längs-, Quer- und Vertikal-


schwingung

Abbildung 8 zeigt die mit dem APS-400 bei der


Gunzigrabenbrücke gemessenen Resonanzkurven.
Die Ergebnisse stimmen sehr gut mit den Resultaten
aus der „„Ambient vibration““-Messung überein. Die
harmonische Anregung bietet den zusätzlichen Vor- Abb. 11: 16-t-Lastwagen beim Befahren eines Brettes
teil, dass die dynamische Steifigkeit und die Dämp-
fung aus der Resonanzkurve berechnet werden kann.
dauer von ca. 10 ms; beim horizontalen Impuls ergibt
sich –– wegen der lockereren Lagerung des Sandpols-
2.3 Impuls-Anregung
ters - eine max. Kraft von 24 kN mit einer Stossdauer
Für die Impuls-Anregung wurde eine Impuls-Anlage von ca. 20 ms.
verwendet, wie sie in Abbildung 9 dargestellt ist. Eine
an einem Pendel befestigte Masse von 100 kg fällt 2.4 Verkehrsanregung
dabei aus einer Höhe von 1 m und verursacht - je
Für die Anregung durch Verkehr stand ein 16-t-
nach Orientierung - einen horizontalen oder vertikalen
Lastwagen zur Verfügung. Es wurden Messungen bei
Impuls (siehe Abb. 10). Zur Dämpfung des Aufpralls
normaler Durchfahrt (60 km/h) und beim Befahren
wird ein mit Sand gefülltes Polster verwendet. Die
eines Brettes von 5 cm Stärke mit 20 km/h durchge-
Grösse und Form des Polsters bestimmt weitgehend
führt (siehe Abb. 11).
die Stossdauer und damit auch die Stärke der einge-
leiteten Kraft. Der Impuls selbst ist jedoch stets gleich 3 DEFLEKTIONSMESSUNGEN
gross, nämlich 400 kgm/s. Beim vertikalen Impuls
ergibt sich eine max. Kraft von 48 kN mit einer Stoss- Für die Messung der Durchbiegung unter statischer
Last (d.h. parkierter 16-t-Lastwagen) wurde ein

150
Dynamische Untersuchungen an Brückenbauwerken der Nationalstrasse A9 am Simplon

6.4

4.8

3.2

m 1.6
m
0.0
2. 4. 6. 8. 10. 12. 14. 16. 18. 20. 22. 24. 26. 28. 30. 32. 34. 36. 38. 40.
-1.6

-3.2

-4.8

-6.4
Time (s)

Abb. 13: Darstellung der Deflektion unter 16 t LKW

3.2 Messungen
Abbildung 13 zeigt die Durchbiegung des Brückenträ-
gers während ein 16 t LKW langsam auf die Brücke
Abb. 12: Deflektionsmessung bei der Brunnenbrücke B fährt, in der Mitte des Messfeldes stoppt und dann
langsam weiter fährt.
magnetostriktiver Wegsensor verwendet. Der Weg-
4 AUSWERTUNG DER MESSDATEN
sensor wurde an einer (bis zu 40 m) langen Kette
befestigt und gleitend mit einem Stativ unter der Brü- Die wichtigsten Ergebnisse der Messdaten-
cke verbunden (Abb. 12). Auf diese Weise konnte die Auswertung sind in Tabelle 2 zusammengestellt. In
vertikale Relativbewegung zwischen Brückenmitte den nachfolgenden Abschnitten werden diese Daten
und dem Boden unter der Brücke gemessen werden. interpretiert und in einen grösseren Zusammenhang
gestellt.
3.1 Wegsensor
4.1 Eigenfrequenzen
Das Arbeitsprinzip des magnetostriktiven Wegsensors
lässt sich –– etwas vereinfacht –– wie folgt beschreiben: Abbildung 14 zeigt die Korrelation zwischen Eigenfre-
Durch ein Messelement (Stab) wird ein Stromimpuls quenz und Spannweite für die 10 gemessenen Brü-
geschickt, der ein Magnetfeld verursacht. Gleichzeitig cken. Die blaue Kurve stellt die häufig verwendete
befindet sich an einer bestimmten Stelle des Mess- Gleichung zur Abschätzung von Eigenfrequenzen bei
elementes ein Positionsmagnet mit eigenen Feld. Der Brücken (f = 100/L) dar (mit L = max. Spannweite). In
Stromimpuls wird beim Positionsmagnet sozusagen ähnlicher Weise kann die Eigenfrequenz als Funktion
reflektiert. Die Positionsbestimmung erfolgt durch der Schlankheit dargestellt werden. Als Ansatz zur
Laufzeitmessung. Bestimmung der Eigenfrequenz könnte die Gleichung
f = 2000/s2 verwendet werden (mit s = Schlankheit).

Brücken Nr.: B1 B2 B3 B4 B5 B6 B7 B8 B9 B10

Eigenfrequenz vertikal (Hz) 3.8 2 2.5 6 7.7 7.8 4.4 3.1 1.5 13

Eigenfrequenz quer (Hz) 2.4 1.7 1.2 5.3 7.7 2.8 3.5 2 1.2

Eigenfrequenz längs (Hz) 2.6 6 1.8

Durchbiegung statisch (mm) (16 t LKW) 0.58 2 1.9 0.52 0.46 1.02 2.75 8.8

Durchbiegung dyn. (16 t LKW; Brett) 0.79 0.68 0.84 0.43 0.64 0.41 1.14 0.97

Durchbiegung statisch (mm) (Verkehr) 0.55 0.25 3.1 0.85 0.42 1.2 2.85 13.7

Durchbiegung dynamisch (mm) (Verkehr) 0.3 0.25 0.15 0.03 0.04 0.25 0.43 0.57

Stosszuschlag Brett 2.36 1.34 1.44 1.83 2.39 1.40 1.41 1.11

Stosszuschlag Verkehr 1.55 2.00 1.05 1.04 1.10 1.21 1.15 1.04

Tabelle 2: Ergebnisse der Messdaten-Auswertung

151
A. Ziegler

14 Statische und dynamische Brücken-Einsenkung

1
12
d-dynamisch
0.5

10 0
Eigenfrequenz (Hz)

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5


-0.5
8

A m p litu d e
-1 d-statisch d-total

6
-1.5
f = 100 / L
-2
4

-2.5
2
-3
Zeit
0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Spannweite (m) Abb. 16: Darstellung der statischen und dynamischen Brü-
ckeneinsenkung
Abb. 14: Eigenfrequenz als Funktion der Spannweite
4

10
3.5
9
3
8

7 2.5
Stosszuschlag
Eigenfrequenz (Hz)

6
2
5
f = 2000 / (s^2)
1.5
4

3 1

2
0.5
1
0
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
0 10 20 30 40 50 60
Eigenfrequenz (Hz)
Schlankheit

Abb. 15: Eigenfrequenz als Funktion der Schlankheit Abb. 17: Stosszuschlag (16 t LKW mit Brett) als Funktion
der Eigenfrequenz. (Rote Linie: Grenzwert Cantie-
ni / EMPA)

4.2 Stosszuschlag
stellt. Bei den Durchfahrten mit Brett liegen sie zwi-
Die Durchbiegung - und damit auch die Beanspru- schen 1 und 2.5, bei den Durchfahrten ohne Brett
chung - eines Brückenträgers während der Durchfahrt zwischen 1 und 2. Als Vergleich ist die von Cantieni
eines Fahrzeuges setzt sich zusammen aus der stati- (Beitrag zur Dynamik von Strassenbrücken unter der
schen und der dynamischen Durchbiegung bzw. Be- Überfahrt schwerer Fahrzeuge; Reto Cantieni; EMPA
anspruchung. In Abbildung 16 sind diese beiden An- Dübendorf, 1992) angegebene Grösse für den Stoss-
teile (d-statisch und d-dynamisch) schematisch dar- zuschlag dargestellt. Mit einer Ausnahme liegen alle
gestellt und summiert zur gesamten Durchbiegung (d- an den Simplonbrücken gemessenen Stosszuschläge
total). Der Stosszuschlag ist definiert als das Verhält- unter den Werten von Cantieni.
nis aus der gesamten Durchbiegung zur statischen Abbildung 19 zeigt den Einfluss des Lastwagen-
Durchbiegung. Wird in der Bemessung z.B. ein Stoss- gewichts (in Form der statischen Brückendurchbie-
zuschlag von 1.8 verwendet, so bedeutet dies nichts gung) auf den Stosszuschlag. Die gelben Punkte zei-
anderes, als dass implizit angenommen wird, die dy- gen den Stosszuschlag verschiedener –– zufällig er-
namische Durchbiegung (bzw. Beanspruchung) sei fasster –– Lastwagen. Der Stosszuschlag nimmt mit
nicht grösser als das 0.8-fache der statischen Durch- zunehmendem Lastwagengewicht leicht ab. Das Ver-
biegung (bzw. Beanspruchung). hältnis zwischen dynamischer Beanspruchung und
In Abbildung 17 und 18 sind die aus den Messun- statischer Beanspruchung ist somit nicht konstant,
gen an den Simplonbrücken ermittelten Stosszu- sondern für schwerere Lastwagen tendenziell kleiner
schläge in Funktion der Eigenfrequenz zusammenge- als für leichtere.

152
Dynamische Untersuchungen an Brückenbauwerken der Nationalstrasse A9 am Simplon

4 2

3.5 1.8
Stosszuschlag
1.6 mit Brett
3

1.4
2.5
Stosszuschlag

1.2

Stosszuschlag
2
1
1.5
0.8
1
0.6

0.5
0.4

0
0.2
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Eigenfrequenz (Hz) 0
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5
Statische Einsenkung
Abb. 18: Stosszuschlag (16 t LKW ohne Brett) als Funktion
der Eigenfrequenz.(Rote Linie: Grenzwert Cantie-
ni) Abb. 19: Stosszuschlag bei Brücke „„Gunzigraben““ für ver-
schiedene LKW’’s

Der blaue Punkt stellt den Stosszuschlag für den 16-t-


tung sind oft recht schwierig oder gar nicht bestimm-
LKW dar bei der Überfahrt des Bretts. Dieser Punkt
bar.
liegt etwas höher als die gelben Punkte der Lastwa-
Es sei darauf hingewiesen, dass die Bestimmung
gen mit ähnlichem Gewicht. Mit einem 16-t-LKW, der
der Eigenfrequenzen von anderen Bauwerken mit
über ein Brett fährt, wird bei der Bestimmung des
Hilfe der Hintergrund-Anregung nicht unbedingt prob-
Stosszuschlags offensichtlich ein sinnvoller oberer
lemlos ist. Oft erreicht man mit harmonischer Anre-
Grenzwert erzeugt.
gung bessere Ergebnisse.
5 BEURTEILUNG DER MESSVERFAHREN
5.2 Harmonische Anregung
Die Messungen an den Simplonbrücken haben - ne-
Die Bestimmung der Eigenfrequenzen mit harmoni-
ben den vom Auftraggeber verlangten Resultaten -
scher Anregung ist nicht viel aufwendiger, bedingt
wertvolle Einblicke in die Möglichkeiten und Grenzen
jedoch das Vorhandensein eines –– vorzugsweise
beim Messen von dynamischen Kennwerten gegeben.
tragbaren –– dynamischen Erregers. Die Messungen
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die verwen-
an den Simplonbrücken haben gezeigt, dass ein
deten Mess-Sensoren (Geschwindigkeitssensor mit
elektro-dynamischer Erreger mit 30 kg Masse ohne
Messbereich 0.0001 bis 100 mm/s und Wegsensor
weiteres genügt, um auch sehr grosse Brückenbau-
mit Messbereich 0.004 bis 50 mm) für die Messaufga-
werke im Frequenzbereich zwischen 1 und 20 Hz
be bestens geeignet waren. Der Mess-Recorder
genügend anzuregen. Unterhalb 1 Hz ist ein Erreger
(MR2002 von SYSCOM) war –– nicht zuletzt wegen
mit 30 kg Masse nicht geeignet.
seiner einfachen Handhabung - für den Einsatz im
Bei der Durchführung der Messungen mit harmo-
Feld ebenfalls bestens geeignet. Die eingesetzten
nischer Anregung ist folgendes zu beachten:
Anregungsarten haben sich - wie in den folgenden
Abschnitten näher erläutert - unterschiedlich bewährt. –– Der Sweep durch den interessierenden Frequenz-
bereich (bei Brücken i.a. 1 bis 20 Hz) sollte relativ
5.1 Hintergrundanregung langsam durchgeführt werden, damit sich die Re-
Die Bestimmung der Eigenfrequenzen von Brücken- sonanzen gut ausbilden können. Bei den Simplon-
bauwerken (in Stahlbeton) mit Hilfe der Hintergrund- brücken hat sich ein Wert von 2 Minuten pro Fre-
Anregung (ambient vibration) ist einfach in der Durch- quenz-Dekade gut bewährt.
führung und zuverlässig in den Ergebnissen. Es ist –– Während den Messungen dürfen keine Störungen
darauf zu achten, dass nur Messungen ohne Fahr- durch fremde Anregungen auftreten, d.h. der Ver-
zeuge auf der Brücke berücksichtigt werden, da die kehr muss während der Messung kurzzeitig ge-
Eigenschwingung von schweren Fahrzeugen die Re- stoppt werden.
sultate verfälschen können. Das oben gesagte gilt für Der wesentliche Vorteil der harmonischen Anregung
Vertikalschwingungen und Schwingungen in Brücken- gegenüber der Hintergrundanregung liegt in der kon-
querrichtung. Eigenfrequenzen in Brückenlängsrich- trollierten Anregungsart. Da die Grösse der Anre-

153
A. Ziegler

gungskraft bekannt ist, lassen sich nicht nur die domi- 6 SCHLUSSFOLGERUNGEN
nanten Frequenzen sondern auch die dynamische
Die Messungen der Eigenfrequenzen und des Stoss-
Steifigkeit und die Dämpfung bestimmen. zuschlages an 10 Brücken des Simplonpasses haben
im Hinblick auf die Messmethodik folgendes gezeigt:
5.3 Impuls-Anregung
–– Für die Bestimmung der Grundfrequenzen in verti-
Mit einer Impuls-Anlage - wie in Kapitel 2.3 beschrie-
kaler und in Querrichtung genügt eine „„Ambient vib-
ben - lassen sich auf einfache Weise Vertikal- und
ration““-Messung vollauf.
Horizontalschwingungen bei sehr grossen Bauwerken
–– Die Messung mit harmonischer Anregung hat den
erzeugen, mit denen Hauptfrequenzen und Dämp-
wesentlichen Vorteil, dass nicht nur die dominanten
fungswerte berechnet werden können. Für die Erzeu-
Frequenzen, sondern auch die dynamische Steifig-
gung von Brücken-Längsschwingungen hat sich die
keit und die Dämpfung ermittelt werden können.
Anlage nicht bewährt, was allerdings auch mit der Art
Nahe beieinander liegende Eigenfrequenzen las-
der Brückenlagerung zusammenhängen dürfte.
sen sich mit harmonischer Anregung besser identi-
Ein wichtiger Parameter bei der Impulsanregung
fizieren als mit der „„Ambient vibration““-Messung.
ist die Stossdauer. Bei kurzer Stossdauer werden
–– Eigenfrequenzen in Brücken-Längsrichtung sind
neben der Grundschwingung auch die höheren Fre-
sehr schwierig zu bestimmen.
quenzen angeregt, was bei der Eigenfrequenzbe-
–– Deflektionsmessung mit einem Wegsensor, der an
stimmung nicht stört, aber die Bestimmung der Dämp-
einer Kette befestigt die Relativbewegung zwischen
fung erschwert. Die Stossdauer sollte etwa 1/8 bis 1/4
Brücke und Talboden misst, hat sich bestens be-
der Schwingdauer der interessierenden Schwingung
währt.
betragen, um –– im Hinblick auf die Dämpfungsbe-
stimmung - eine optimale Anregung zu erzielen. Die gemessenen vertikalen Grundfrequenzen ent-
Die Impulsanregung bringt bei Brückenbauwerken sprechen einigermassen der häufig verwendeten
keine wesentlichen Vorteile gegenüber der harmoni- Gleichung f = 100/L zur Abschätzung von Eigenfre-
schen Anregung. Sie wurde bei den Simplonbrücken quenzen bei Brücken. Eine bessere Korrelation ergibt
deshalb auch nur vereinzelt eingesetzt. die Gleichung f = 2000/s2, in der die Eigenfrequenz
als Funktion der Schlankheit s dargestellt wird.
5.4 Verkehrsanregung Die gemessenen Stosszuschläge liegen bei den
Die Verkehrsanregung stellt auf den ersten Blick die Durchfahrten mit Brett zwischen 1 und 2.5, bei den
naheliegendste Anregungsart bei Brückenbauwerken Durchfahrten ohne Brett zwischen 1 und 2. Interes-
dar. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Ergeb- sant ist die Beobachtung, dass schwere Lastwagen
nisse (d.h. die Eigenfrequenz der Brücke) durch die kleinere dynamische Verstärkungen hervorrufen als
Eigenschwingung der Fahrzeuge verfälscht wird. leichtere Lastwagen. Dies bedeutet, dass die mit ei-
nem 20-t-Fahrzeug ermittelten Stosszuschläge nicht
5.5 Einsenkungsmessungen ohne weiteres auf 40-t-Fahrzeuge übertragbar sind.

Die Einsenkungsmessung mit einem magnetostrikti-


ven Wegaufnehmer, der an einer langen Kette befes-
tigt die Relativbewegung gegenüber dem Boden unter
der Brücke misst, hat sich bestens bewährt. Befürch-
tungen, dass Kettenschwingungen oder Temperatur-
einflüsse die Messungen stören würden, haben sich
nicht bewahrheitet. Die erreichte Genauigkeit lag im
Bereich von 0.01 mm, was für die gestellte Aufgabe
vollauf genügte. Ein grosser Vorteil in der gewählten
Messanordnung war die synchrone Messung der
Schwinggeschwindigkeit und der Brückendurchbie-
gung, welche eine einfache Bestimmung des Stoss-
zuschlages für eine grosse Anzahl von Lastwagen
erlaubte. Selbstverständlich ist diese Art von Deflekti-
onsmessung nur dort realisierbar, wo der Boden unter
der Brücke zugänglich ist.

154

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