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Thanatologie (Wissenschaft vom Tod)

Abstract
Die Thanatologie beschäftigt sich mit dem Tod, dem Sterben und der Bestattung vom
Menschen aus rechtsmedizinischer Sicht. Bei der Leichenschau und der
gerichtsmedizinischen Obduktion werden Veränderungen des menschlichen Körpers
dokumentiert und beurteilt. Nach dem Tod eines Menschen kann anhand
von Todeszeichen der Tod festgestellt und der Todeszeitpunkt eingegrenzt werden. Bei der
Beurteilung werden sichere von unsicheren und frühe von
späten Leichenveränderungen unterschieden. Vitalitätszeichen sind Hinweise dafür, dass ein
Mensch zum Zeitpunkt einer schädigenden Einwirkung noch gelebt hat. Supravitale
Reaktionen sind ein Ausdruck für erhaltene Körperfunktionen bei einer Leiche (z.B. sind
erhaltene Pupillenreaktionen bis zu 17 Stunden nach dem Tod nachweisbar) – sie geben
hilfreiche Hinweise zur Eingrenzung des Todeszeitpunkts.

Leichenschau und Obduktion


 Äußere Leichenschau: Untersuchung zur Feststellung und Bestimmung der näheren
Todesumstände
 Leichenschaugesetze: Die Leichenschaugesetze werden von den Bundesländern
geregelt und sind demnach nicht einheitlich. Alle Bundesländer haben aber
festgelegt, dass die Leichenschau durch einen approbierten Arzt durchgeführt
werden muss.
 Durchführung
 Am Auffindungsort
 Bei vollständig entkleideter Leiche
 Bei ausreichender Beleuchtung
 Obduktion
 Klinische Obduktionen
 Zweck: Medizinische Klärung der natürlichen Todesursache und der
vorbestehenden Erkrankungen
 Zuständiger Arzt: Wird in der Regel von einem Pathologen durchgeführt
 Voraussetzungen
 Natürliche Todesursache
 Zustimmung des Verstorbenen in Lebzeiten oder des
Totensorgeberechtigten (einer nahestehenden Person)
 Ausnahmeregelungen auf Landesebene
 Gerichtsmedizinische Obduktionen
 Zweck: Rechtliche und medizinische Klärung eines unnatürlichen oder
ungeklärten Todes
 Zuständiger Arzt: Wird immer von zwei Ärzten durchgeführt, mindestens einer
muss Rechtsmediziner sein
 Voraussetzungen
 Totenschein mit unnatürlicher und ungeklärter Todesart
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 Anordnung der Staatsanwaltschaft/des Gerichts

Ein nichtnatürlicher oder ungeklärter Tod muss an die Polizei gemeldet werden. Die
Staatsanwaltschaft kann daraufhin eine gerichtsmedizinische Obduktion anordnen!

Laut Strafprozessordnung (§89) muss sich die Leicheneröffnung, soweit der Zustand der
Leiche dies gestattet, stets auf die Öffnung aller drei Körperhöhlen (Schädel-, Brust-
und Bauchhöhle) erstrecken!

 Todesart: Bei der äußeren Leichenschau ist eine Feststellung der Todesursache häufig
nicht möglich. Um der Todesursache nachzugehen, wird zunächst zwischen natürlichem,
nicht-natürlichem und ungeklärtem Tod unterschieden.
 Natürlicher Tod
 Eine für die konkrete Todesursache charakteristische Anamnese
 Deutliche objektivierbare Befunde für das ursächliche Krankheitsbild
 Kein Nachweis einer schädlichen Fremdeinwirkung in der
Krankheitsentwicklung
 Nicht-natürlicher Tod
 Liegt vor, wenn ein Todesfall auf ein von außen beeinflusstes oder
verursachtes Geschehen zurückzuführen ist
 Wird zwar durch das Einwirken von außen verursacht, impliziert aber nicht
zwingend ein Fremdverschulden
 Die häufigsten Ursachen sind Unfälle, Suizide und Tötungsdelikte
 Ungeklärter Tod
 Ungeklärt bedeutet, dass nicht geklärt werden kann, ob ein Tod natürlich
oder nicht-natürlich eingetreten ist; es handelt sich demnach nicht um die
medizinische Klärung eines Sachverhaltes

Ist ein vermeintlich natürlicher Tod im Krankenhaus (Ableben eines multimorbiden Patienten)
ursächlich auf einen anderen Zusammenhang zurückzuführen (z.B. Unfall), so handelt es sich
um einen nicht-natürlichen Tod!

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Totenschein
 Totenscheinausstellung: Ein Arzt stellt nach gründlicher Untersuchung die Todesursache
fest und stellt den Leichenschauschein(Totenschein) aus
 Angaben
 Personalien, Wohnadresse, Geburtstag und -Ort, zuletzt behandelnder Arzt,
Sterbezeitpunkt und -Ort, von wem der Tote identifiziert worden ist, etwaige
Warnhinweise (z.B. Infektionsgefahr), die Todesart (natürlich, nichtnatürlich,
ungeklärt)
 Weiteres Verfahren
 Vor der Bestattung
 Natürliche Todesursache: Ggf. klinische Obduktion
 Nichtnatürliche Todesursache: Rechtsmedizin/Staatsanwaltschaft
→ Gerichtsmedizinische Obduktion → Freigabe zur Bestattung
 Nach der Bestattung: Sammlung aller Totenscheine im Gesundheitsamt → ICD-
Verschlüsselung im Statistischen Landesamt→ Erhebung der
Todesursachenstatistik im Statistischen Bundesamt entsprechend des
Bevölkerungsstatistikgesetzes

Begriffsdefinitionen
 Klinischer Tod: Mit dem Kreislaufstillstand und der Einstellung der Atmung tritt der
klinische Tod ein. Erfolgt keine kardiopulmonale Reanimation, tritt der Hirntod wenige
Minuten später ein
 Durch kardiopulmonale Reanimation reversibel
 Intermediäres Leben: Der Zeitraum zwischen Individualtod und dem Absterben der
letzten Körperzelle wird als intermediäres Leben bezeichnet.
 Biologischer Tod: Das Absterben der letzten Körperzelle definiert den biologischen
Tod.

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Schwimmprobe
Schwimmproben werden an Lunge und Magen-Darm-Trakt durchgeführt, um nachzuweisen,
ob ein Totgeborenes doch schon gelebt hat.

 Lungenschwimmprobe: Das Schwimmen der Lunge deutet auf eine


stattgefundene Belüftung und damit auf Atemzüge hin. Das Neugeborene hat also mit
hoher Wahrscheinlichkeit gelebt. Das Ergebnis kann jedoch durch verschiedene Faktoren
verfälscht werden.
 Falsch positiv : Anderweitige Belüftung durch Reanimationsversuche oder Gasbildung
bei Fäulnis
 Falsch negativ : Flüssigkeitsaspiration oder Erstickung durch Burking
 Magen-Darm-Schwimmprobe: Der Nachweis von Luft im Gastrointestinaltrakt gibt
Hinweise über die Länge des Zeitraums, in dem ein Neugeborenes gelebt hat. Je distaler
Luft nachweisbar ist, desto länger hat es mit großer Wahrscheinlichkeit gelebt:
 Luft im Magen u. Duodenum: Wenige Minuten
 Luft im gesamten Dünndarm: Bis 6 Stunden
 Luft im gesamten Dickdarm: Bis 12 Stunden

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Todeszeichen
Todeszeichen dienen der Feststellung des Todes und der Eingrenzung des Todeszeitpunkts.

Sichere Todeszeichen
Frühe Leichenveränderungen

 Totenflecken (Livores)
 Totenstarre (Rigor mortis)
 Nicht mit dem Leben zu vereinbarende Verletzungen
 Cruor (Leichenhautgerinnsel): Schwarzrote postmortale Thromben
 Speckhautgerinnsel: Postmortale gelblich-weiße Akkumulationen von Leuko-
und Thrombozyten

Späte Leichenveränderungen

 Verwesung
 Fäulnis
 Fäulniszeichen: Durchschlagen des Venennetzes, Grünfärbung, Anstieg der
Leichentemperatur durch Bakterienbesiedlung
 Entomologische Untersuchung zur Schätzung des Todeszeitpunktes
 Die Casper-Regel besagt, dass eine Leiche in etwa jeweils die gleiche
Fäulnisausprägung nach 1 Woche an der Luft, nach 2 Wochen im Wasser oder nach 8
Wochen im Erdgrab zeigt.
 Autolyse
 Leichenfraß
 Mumifizierung
 Fettwachsbildung (Adipocire)

Unsichere Todeszeichen
Unsichere Todeszeichen sind diejenigen Erscheinungen, die zwangsläufig post mortem
auftreten, den Individualtod aber nicht beweisen.

 Fehlende Kreislauffunktionen (Puls, Atmung)


 Bewusstlosigkeit
 Blässe o. Vertrocknung der Haut
 Areflexie

Fehler entstehen durch das Nichterkennen eines Scheintodes mit unsicheren


Todeszeichen bei Ursachen, bei denen die Lebensvorgänge auf ein Minimum reduziert sind.
Die A-E-I-O-U-Regel nach Bahrmann fasst diese Ursachen zusammen:

 A = Anämie, Anoxämie, Alkohol


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 E = Epilepsie, Elektrizität
 I = Injury (Schädel-Hirn-Trauma)
 O = Opium (Betäubungsmittel, Barbiturate)
 U = Urämie, Unterkühlung

Vitalreaktionen (Vitalitätszeichen)
Vitalreaktionen geben Hinweise darauf, ob eine Person während der schädigenden
Einwirkung auf den Körper noch gelebt hat. Dadurch ist eine Abgrenzung zu
Verletzungen/Schädigungen möglich, die post mortem stattgefunden haben.

 Kreislauf
 Verblutungszeichen
 Zeichen einer Einflussstauung: Stauungsblutung, Perthes-Druckstauung
 Embolien
 Fettembolien bei Verletzung des Knochens und des subkutanen Fettgewebes
 Befund: Mikroembolien im Kapillarsystem, die sich geweihartig aufzweigen
 Färbemethode: Sudanfärbung zur Darstellung der Triglyzeride
 Luftembolien bei Gefäßverletzungen, offene Traumen und Gewebsembolien
 Stoffwechsel: Giftmetabolismus (Metabolite des Giftes im Urin nachweisbar)
 Atmung
 Aspiration: Ruß, Blut, Wasser, Mageninhalt
 Giftige Gase wie Kohlenmonoxid in der Lunge
 Hautemphysem bei tiefen Thoraxverletzungen
 Kollabierte Lunge bei Pneumothorax durch äußere Gewalteinwirkung
 ZNS
 Krähenfüße
 Hinweise auf das Funktionieren des vegetativen Nervensystems: Verschlucken und
Aushusten von Blut

Die Vitalreaktionen geben Hinweise darauf, dass eine Schädigung des Organismus vor dem
Todeszeitpunkt stattgefunden hat!

Supravitale Reaktionen
Supravitale Reaktionen entstehen durch erhaltene Körperfunktionen während des
intermediären Lebens (nach Eintritt des Individualtodes und vor Eintritt des biologischen
Tods). Sie geben konkrete Hinweise auf den Todeszeitpunkt.

 Bis ca. 8 Stunden nach Todeszeitpunkt


 Skelettmuskulatur
 Bis 1,5–2,5 Stunden p.m.: Zsako-Muskelphänomen
 3–5 Stunden p.m.: Nach mechanischem Reiz auf den Muskel entsteht ein
reversibler ausgeprägter idiomuskulärer Wulst

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 Bis 8 Stunden p.m.: Nach mechanischem Reiz auf den Muskel entsteht ein
leichter idiomuskulärer Wulst, der bis zu 24 Stunden persistiert
 Bis 17 Stunden
 Pupillenreaktion: Die Gabe von Mydriatika/Miotika führt zur Mydriasis/Miosis
 Bis 80 Stunden
 Bewegliche Spermien sind noch nachweisbar

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