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JIEHHHfPAA 1962
DUD E N
Grammatik
der deutschen Gegenwartssprache
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coöoh He3HaqHTejibH0 coKpameHHoe nepeH3flaHHe KHHrn «Duden.
Grammatik der deutschen Gegenwartssprache».
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cHTeTax.
VORWORT DES VERLAGES

Zum Lebenswerk Konrad Dudens gehören nicht nur sein berühmtes Buch
über die Rechtschreibung, sondern auch seine Neubearbeitungen der
„Etymologie der neuhochdeutschen Sprache“ und der „Grundzüge der
Neuhochdeutschen Grammatik für höhere Bildungsanstalten und zur
Selbstbelehrung für Gebildete“ von Friedrich Bauer. Konrad Dudens.
Bemühen galt also der Pflege der neuhochdeutschen Schriftsprache im
weitesten Sinne.
Der Verlag hat sich nach Konrad Dudens Tod die Fortführung seines
Lebenswerkes zur Aufgabe gestellt und die Dudenredaktion zur Neu¬
bearbeitung und Neuschöpfung von Nachschlagewerken über die deutsche
Gegenwartssprache ins Leben gerufen. Im Rahmen ihres Auftrages sind
nach dem zweiten Weltkrieg bereits der Band „Rechtschreibung“, der
„Stilduden“ und der „Bilderduden“ als Neubearbeitungen erschienen.
Jetzt folgt die Grammatik als letzter Band der großen Vier.
Die Absicht, die sprachpflegerische Aufgabe der Dudenredaktion auch
auf den grammatischen Bereich auszudehnen, wurde 1935 durch die
von Otto Basler bearbeitete Duden-Grammatik erstmals verwirklicht.
Inzwischen haben sich die Auffassungen über den Aufbau unserer Mutter¬
sprache so grundlegend geändert, daß der jetzt vorgelegte Band gegen¬
über dieser ersten Ausgabe als völlig neues Werk betrachtet werden muß.

Am Ende dieser umfangreichen Arbeit gilt es, zunächst jenen Mitarbeitern


zu danken, die außerhalb der Dudenredaktion stehen und Sonderkapitel
bearbeitet haben. Es sind dies folgende Herren mit folgenden Themen:
Dozent Dr. Max Mangold: Der Laut
Dr. Helmut Gipper: Der Inhalt des Wortes und die Gliederung
des Wortschatzes
Professor Dr. Christian Winkler: Die Klanggestalt des Satzes.
Die übrigen Kapitel wurden von der Dudenredaktion geschrieben. Dabei
fiel Herrn Dr. phil. habil. Paul Grebe neben der Gesamtplanung des
Werkes der Abschnitt über den Satz, Herrn Dr. Rudolf Köster der
Abschnitt über die Wortarten und Herrn Dr. Dieter Berger das
Kapitel über die Wortbildung zu. Fräulein Dipl.-Phil. Gisela Preuss
übernahm die Registerbearbeitung. Fräulein Dr. Isolde Baur half bei
der Aufstellung von Wortlisten und beim Lesen der Korrekturen.
Der Verlag wußte, daß er die schwierige Aufgabe, eine Grammatik der
deutschen Gegenwartssprache zu schreiben, in keine besseren Hände
legen konnte als in die seiner Dudenredaktion. Er wird das von ihr ge¬
schaffene Werk mit gutem Gewissen neben seine in 130 jähriger Tradition
entstandenen Nachschlagewerke stellen können. Dafür sei Herrn Dr.
Paul Grebe und seinen Mitarbeitern der Dank des Hauses ausge¬
sprochen.

Mannheim, im Juni 1959 BIBLIOGRAPHISCHES INSTITUT

VORWORT DES HERAUSGEBERS

Jeder Kenner der germanistischen Forschungslage weiß, daß sich die


Auffassungen über das Wesen der Sprache an sich und über den Aufbau
der deutschen Sprache im besonderen in den letzten Jahrzehnten grund¬
legend gewandelt haben.
Früher ging man fast ausschließlich davon aus, daß es nur allgemein¬
gültige (etwa im indogermanischen Sprachbereich geltende) grammatische
Strukturformen geben könne, die es auch im Deutschen aufzusuchen gelte.
Die Überbewertung dieses Gesichtspunktes führte vor allem-in den Schul¬
grammatiken dazu, daß die Vorstellungen über den Aufbau unserer
Sprache weitgehend der lateinischen Sprache entnommen wurden. Diese
Betrachtungsweise verleitete aber auch zu jener sprachfremden, schema¬
tischen Satzbetrachtung, die uns aus der Schulzeit in so schlechter Er¬
innerung ist.
Demgegenüber hat sich seit den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts
eine neue Sprachauffassung Geltung verschafft, die mit den Namen
G. Schmidt-Rohr, G. Ipsen, W. Porzig, J. Trier und L. Weisgerber ver¬
knüpft ist. Nach ihr gibt es keine Sprache schlechthin, sondern nur eine
Fülle von Einzelsprachen (etwa 3000). Jede Einzelsprache (Mutter¬
sprache) aber ist ein gegliedertes Sinngefüge, hat also bis zu einem ge¬
wissen Grade eine eigene Struktur. Diese Struktur ist das Ergebnis des
sprachlichen Zugriffs der Sprachgemeinschaft gegenüber dem Seienden
in der Welt.
Daraus ergibt sich als Aufgabe einer Grammatik unserer Muttersprache,
„die innere Form des Deutschen“1 bewußt zu machen, d. h. die Grund¬
strukturen zu verdeutlichen, die sich aus der Zuordnung von Form und
Inhalt über lange Zeiträume hinweg ergeben haben.

1 So der Titel des bedeutungsvollen Buches von Hans Glinz, Die innere Form des
Deutschen, Bern 1952.
Die Vertreter dieser inhaltbezogenen Grammatik wissen es aber selbst
am besten, daß sich ihre Auffassungen noch im Aufbau befinden. Wir
hatten deshalb zunächst zu prüfen, welche Ergebnisse dieser Forschungs¬
richtung bereits als gesichert angesehen werden können. Nur sie konnten
Eingang in diese Volksgrammatik finden. Wo dies nicht der Fall war,
zogen wir es vor, zunächst bei den überlieferten Erkenntnissen zu bleiben.
Aber auch dort glauben wir uns von dem bisher weithin bestehenden
Schematismus der Satzbetrachtung genügend entfernt zu haben und
sprachgerechter vorgegangen zu sein. Wenn es uns dabei gelungen sein
sollte, hier und da einen eigenen Beitrag zum grammatischen Bild unserer
Gegenwartssprache zu leisten, so würde uns dies besonders freuen.
Diese Grundfragen gewinnen für die Dudenredaktion im Rahmen der ihr
seit Jahrzehnten zugefallenen Sprachberatung praktische Bedeutung,
weil alle an sie gerichteten Zweifelsfragen aus dem inneren Gefüge der
Gesamtsprache heraus beantwortet sein wollen. Der Sprachpflege galt
deshalb neben der Sprachbeschreibung unsere besondere Aufmerksamkeit.
Das umfangreiche Material unserer Sprachberatungsstelle war hierfür die
beste Quelle. Wer Tag für Tag die zahlreichen Anfragen überprüfen kann,
die aus allen Kreisen der Sprachgemeinschaft bei uns eingehen, erfährt
am besten die Wahrheit des Humboldt Wortes, daß die Sprache kein Ergon
(Werk, statisches Gebilde), sondern eine Energeia (wirkende Kraft) ist,
die das „Worten der Welt“ (Weisgerber) täglich neu vollzieht.
Diese Einsicht hat uns hoffentlich bei der Beantwortung der vielen
Zweifelsfragen vor jeder Beckmesserei bewahrt. Andererseits glauben
wir nicht, in eine übertriebene Toleranz verfallen zu 3ein.
Der Benutzer unserer Grammatik wird also nicht nur erfahren, daß es in
der Sprache große Leitbilder gibt, die weithin gelten, sondern auch, daß
daneben Zonen des Übergangs und sogar des Behelfes bestehen, die außer¬
halb der „logischen“ Ordnung liegen. Eine Volksgrammatik mußte diesen
Zonen besondere Aufmerksamkeit zuwenden, weil sich die Sprachgemein¬
schaft außerhalb der festen Leitbilder am unsichersten fühlt und deshalb
beraten sein will. Der Sprachfreund wird diese Zonen besonders lieben,
weil sie das Gestern und Morgen unserer Sprache offenbaren.
An dieser Stelle gilt es noch jenen zu danken, deren Gedankengut am
stärksten auf unsere Darstellung eingewirkt hat. Es sind dies die Herren
Professoren Leo Weisgerber, Hans Glinz, Hennig Brinkmann
und Walter Porzig. Ihre Arbeiten werden mit aufrichtigem Dank an
den entsprechenden Stellen genannt. Herr Professor Dr. Hugo Moser
hat uns mit seinem guten Rat unterstützt.

Wiesbaden, den 1. Juni 1959


PAUL GREBE
INHALTSVERZEICHNIS

Das Wort
Der Laut 5. Wortbetonung. 35

1. Einleitung. 23 6. Lesestück mit Lautschrift. 36


a) Hochsprache. 23 7. Nichthochsprachliche Aussprache. 37
b) Alphabet. 23 a) Landschaftliche Aussprachen . 37
c) Lautschrift . 24 b) Umgangssprache. 37
2. Grundbegriffe. 25 8. Von den Buchstaben zu den
a) Klangfarbe (Qualität). 25 Lauten (Aussprachelehre). 38
b) Dauer (Quantität). 25
c) Stärke (Betonung, Intensität) 25 Die Wortarten
d) Höhe (Tonhöhe). 25
e) Laute. 26 A. Die Einteilung der Wortarten 77
f) Anzahl der Laute. 26 B. Das Verb. 81
g) Phoneme. 26
I. Grundleistung und Einteilung
h) Stellungsbedingte Varianten . 26
der Verben. 81
i) Freie Varianten .... 27
1. Die Bedeutungsgruppen des
k) Anzahl der Phoneme . 27
Verbs. 81
l) Silben. 27
a) Zustandsverben . 81
m) Silbengrenze. 27
b) Vorgangsverben. 82
3. Vokale (Selbstlaute). 27 c) Tätigkeitsverben. 82
a) Höhe der Zunge. 27 2. Transitive und intransitive
b) Vorder- und Hinterlage der Verben. 82
Zunge. 28 3. Reflexive Verben. 82
c) Lippenstellung.. 29 a) Echte reflexive Verben.. 82
d) Vokalschema. 29 b) Unechte reflexive Verben 83
e) Diphthonge (Zwielaute). 29 4. Vollverben, Hilfsverben
f) Unsilbische Vokale. 29 und modifizierende Verben. 83
g) Nasal vokale . 29 5. Die Aktionsarten des Verbs 83
h) Dauer. 30 a) Die zeitliche Verlaufsweise 84
i) Dauer und Betonung . 30 eines Seins oder Geschehens
4. Konsonanten (Mitlaute). 31 b) Die Wiederholung
a) Artikulationsart . 31 eines Geschehens. 84
b) Artikulationssfcelle. 31 c) Der Grad, die Intensität
c) Stimmhaftigkeit. 32 eines Geschehens. 84
d) Stärke. 32 d) Kennzeichnung der
e) Behauchung (Aspiration) .... 34 Aktionsarten durch
f) Dauer . 34 zusätzliche Wörter. 84
10

II. Die Konjugation der Verben . 84 (7. Das Substantiv (Nomen) ... 138
1. Überblick über die Aufgaben I. Die Grundleistung des Sub¬
und die Formen der Kon¬ stantivs . 138
jugation . 84 II. Die Einteilung der Substan¬
a) Die Endungen . 85 tive . 138
b) Die Veränderungen. 85 1. Konkreta. 138
c) Die Umschreibung. 98 a) Eigennamen. 138
d) Konjugationstabellen... 99 b) Gattungsnamen. 139
2. Die Zeit (Tempus). 107 2. Abstrakta. 140
a) Die 1. Stammform und III. Das Genus der Substantive.. 140
ihr Passiv (Präsens) .... 107 1. Natürliches und gramma¬
b) Die mit „habe“ und „bin“ tisches Geschlecht . 140
+ 2. Partizip umschrie¬ 2. Substantive bestimmter
benen Form und ihr Sachgruppen und ihr
Passiv (Perfekt). 109 Geschlecht. 141
c) Der Unterschied zwischen a) Personen :. 141
der Perfektumschreibung b) Tiere . 141
mit „haben“ und der mit c) Sachen und Abstrakta . 141
„sein“ (im Aktiv). 110 d) Eigennamen.. 142
e) Abkürzungen und Kurz¬
d) Die 2. Stammform und
wörter . 145
ihr Passiv (Präteritum) 111
f) Substantivierte Buch¬
e) Die mit „hatte“ und
staben . 145
„war“ -f 2. Partizip um¬
g) Das Geschlecht bei zu¬
schriebene Form und ihr
sammengesetzten Sub¬
Passiv (Plusquamperfekt) 112
stantiven . 145
f) Die mit „werde“ + In¬
3. Der Geschlechtswandel... 149
finitiv umschriebene Form
a) von der Sache her. 149
und ihr Passiv (1. Futur) 112
b) von der Endung der Sub¬
g) Die mit „werde“ + stantive her . 149
2. Partizip + „haben“ 4. Schwankendes Geschlecht 150
oder „sein“ umschriebene
IV. Der Artikel. 154
Form und ihr Passiv
1. Die Leistung des Artikels . 154
(2. Futur) . 113
2. Die Beugung des Artikels . 155
h) Zusammenstellung der 3. Der Gebrauch des Artikels 155
Formen von der zeit¬ a) Zur Einführung. 155
lichen Leistung her. 113 b) Setzung oder Nicht¬
3. Die Verhaltensrichtung ... 114 setzung des Artikels in
a) Das Aktiv. 114 Einzelfällen. 156
b) Das Passiv. 115 c) Zur Verschmelzung des
c) Das Zustandspassiv .... 117 Artikels mit bestimm¬
d) Ersatzformen des Passivs 117 ten Präpositionen . 162
4. Die Aussageweise (Modus) . 118 V. Der Numerus der Substantive 163
a) Der Indikativ.. 119 1. Allgemeines. 163
b) Der Konjunktiv... 120 2. Der Singular. 164
c) Der Imperativ.. 125 a) Eigennamen. 164
5. Finite und infinite Formen b) Gattungsnamen . 164
Person und Zahl (Numerus) 128 c) Sammelnamen. 165
a) Die finiten Verbformen . 129 d) Stoffnamen. 165
b) Die infiniten Verbformen 132 e) Abstrakta. 166
11

f) Generalisierung . _ 167 III. Die Deklination des Adjektivs 205


g) Maß-, Mengen- und
1. Die Deklination des bei
Münzbezeichnungen ... 167
einem Substantiv stehen¬
3. Der Plural . 169
den Adjektivs. 206
VI. Die Deklination der Substan¬
a) Die Deklinationsarten . 206
tive . 171
1. Die Deklinationsarten ... 171 b) Auswertung eines unbe¬
2. Die Kasus (Fälle).'. 174 tonten „e“ in den
3. Die Deklinationsendungen 176 Deklinationsformen be¬
a) Der Singular.. 176 stimmter Adjektive ... 208
b) Der Plural . 180 c) Ausnahmen, Schwan-:
4. Die Deklination der Fremd¬ kungen und andere
wörter . 185 Schwierigkeiten bei der
a) Allgemeines. 185 Deklination des attri-
b) Bemerkungen zur star¬ butiven'Adjektivs. 208
ken Deklination. 186 2. Die Deklination des sub¬
c) Bemerkungen zur stantivierten Adjektivs
schwachen Deklination 187 (Partizips) . 218
d) Bemerkungen zur ge¬ a) Starke Deklination .... 218
mischten Deklination.. 188
b) Schwache Deklination . 218
e) Die Fremdwörter auf-us 189
c) Deklination nach Pro¬
5. Die Deklination der Eigen¬
nominaladjektiven ... 219
namen . 189
a) Familien-, Personen- d) Das substantivierte
und Vornamen. 189 Adjektiv (Partizip) in
b) Völkernamen. 195 der Apposition . 219
c) Geographische Namen . 196 e) Schwankungen zwischen
d) Die Namen von Straßen adjektivischer und sub¬
Gebäuden, Firmen u. a. 198 stantivischer Deklina¬
6. Die Deklination der Abkür¬ tion . 220
zungen und Kurzwörter .. 198 f) Substantivierte Adjek¬
a) Abkürzungen . 198 tive (Partizipien) ohne
b) Kurzwörter. 199 Deklinationsendung ... 221
7. Die Unterlassung der
3. Die Deklination des Adjek¬
Deklination bei Gattungs¬
tivs als Gleichsetzungs¬
namen . 199
glied.■... 222
a) Annerkannte
Unterlassung der a) Klassifizierende Adjek¬
Deklination. 199 tive . 222
b) Noch nicht aner¬ b) Adjektive, die in Gegen¬
kannte Unterlassung satz zu einem voran¬
der Deklination . 202 gegangenen attributiven
Adjektiv gestellt werden 222
D. Das Adjektiv. 203
I. Die Grundleistung des c) Die Superlative. 222
Adjektivs. 203 d) Die Ordnungszahl¬
II. Die zweifache Verwendung wörter . 223
des Adjektivs. 204 e) Bestimmte Pronomen
a) Begrenzung auf den attri¬ (außer Possessivpro¬
butiven Bereich. 204 nomen) und Adjektive
b) Begrenzung auf die Ver¬ mit demonstrativer Be¬
wendung als Artangabe .. 205 deutung . 223
12
IV. Die Vergleichsformen des E. Begleiter und Stellvertreter
Adjektivs.:. 223 des Substantivs. 236
1. Die regelmäßigen Ver¬ I. Der Artikel [abgehandelt
gleichsformen einfacher beim Substantiv, vgl. 206 bis
Adjektive.. 223 236]. 236
a) Der Positiv. 224
II. Das Pronomen. 236
b) Der Komparativ. 224
1. Leistung und Einteilung
c) Der Superlativ _... 228
der Pronomen. 236
d) Der Elativ (absoluter
2. Allgemeines zur Deklina¬
Superlativ) . 230
tion der Pronomen . 237
e) Weitere sprachliche
3. Die einzelnen Pronomen
Mittel zum Ausdruck
nach Form, Bedeutung
des sehr hohen Grades . 230
und Gebrauch. 238
f) Weitere Gradabschat¬
a) Persönliche Pronomen . 238
tungen . 231
bl Das Possessivpronomen 243
2. Die unregelmäßigen Ver¬
c) Das Demonstrativ¬
gleichsformen einfacher
pronomen . 248
Adjektive ... 232
d) Das Relativpronomen . 255
3. Die Vergleichsformen zu¬ e) Das Interrogativ¬
sammengesetzter oder zu¬
pronomen . 256
sammengeschriebener Ad¬ f) Das Indefinitpronomen 259
jektive (Partizipien) . 232
III. Das Numerale (Zahlwort) ... 275
a) Vergleich des Bestim¬
mungswortes . 232 1. Die Kardinalzahlen. 275
b) Vergleich des Grund¬ a) Die Bildung der Kar¬
wortes . 232 dinalzahlen . 276
c) Schwankungen. 233 b) Die Deklination der
d) Unzulässiger Vergleich Kardinalzahlen. 277
beider Bestandteile.... 233 c) Die Kardinalzahl bei
Jahreszahlen. 281
4. Vergleichsunfähige
d) Die Kardinalzahl bei
Adjektive. 233
der Uhrzeit. 282
a) Nach der Art charakte¬
e) Ausdruck der Unbe¬
risierende Adjektive mit
stimmtheit. 282
bestimmter Bedeutung. 233
2. Die Ordinalzahlen. . 283
b) Adjektive mit begrenz¬
3. Die Bruchzahlen. 284
ter syntaktischer Ver¬
wendung ... 234 4. Die Verteilungszahlwörter 286
c) Partizipien. 234 5. Die Vervielfältigungszahl¬
V. Irrtümlicher Gebrauch des wörter . 286
attributiven Adjektivs.234 6. Die Wiederholungszahl¬
a) Irrtümliche Beugung eines wörter ... 286
Adjektivs, das ein anderes 7. Die Gattungszahlwörter .. 287
näher bestimmt. 234 F. Die Partikeln.. 287
b) Irrtümliche Attribuierung
I. Das Adverb. 288
einer Artangabe. 235
c) Irrtümliche Beziehung 1. Die Aufgabe des Adverbs
eines attributiven Adjek¬ im Satz. 288
tivs auf das Bestimmungs¬ 2. Die durch die Adverbien
wort einer substantivi¬ ausgedrückten Umstände. 288
schen Zusammensetzung.. 235 a) Umstände des Ortes ... 288
13

b) Umstände der Zeit .... 288 f) Fremde Präpositionen 309


c) Umstände der Modalität 289 4. Verstärkung der Präpo¬
d) Umstände des Grundes. 289 sition durch Adverbien
3. Die gelegentlichen Ver¬ (oder andere Präpositionen) 309
gleichsformen des Adverbs 290 5. Zum Gebrauch der Präpo¬
4. Bemerkungen zu bestimm¬ sitionen . 309
ten Adverbien . 291 a) Zwei Präpositionen
a) Die Pronominaladver¬ nebeneinander.. 309
bien .. 291 b) Zwei oder mehrere
b) Die Adverbendung -e .. 295 durch „und“ oder
c) Adverbien in Verbindung „oder“ verbundene Prä¬
mit bestimmten Zahlen 295 positionen vor einem
d) Die attributive Verwen¬ Substantiv . 310
dung bestimmter c) Präpositionen bei mehr¬
Adverbien. 295 teiligen Konjunktionen 311
e) Pleonastische Verwen¬ d) Wiederholung der Prä¬
dung von Adverbien ... 296 position bei aufgezähl¬
f) Falscher Gebrauch von ten Substantiven. 311
Adverbien. 297 6. Bedeutungsschwierig¬
5. Übergang des Adverbs zur keiten bei Präpositionen .. 311
Präposition und Konjunk¬
III. Die Konjunktion. 315
tion .. 298
1. Die Aufgabe der Konjunk¬
II. Die Präposition. 298
tion . 315
1. Herkunft und Aufgabe der
2. Die Arten der Konjunk¬
Präposition. 298
tionen . 316
a) Die Herkunft der Prä¬
3. Die Form der Konjunk¬
positionen . 298
tionen . 316
b) Die Aufgabe der Prä¬
position . 299 4. Die Einteilung der Kon¬
2. Die von den Präpositionen junktionen nach ihrer Ver¬
ausgedrückten Verhältnisse 300 wendung . 316
a) Die Arten der Verhält¬ a) Kopulative (anreihende)
nisse und die zugehöri¬ Konjunktionen. 316
gen Präpositionen. 300 b) Disjunktive (ausschlie¬
b) Die Wahl der richtigen ßende) Konjunktionen. 316
Präposition. 300 c) Adversative (entgegen¬
3. Die Rektion der Präpo¬ setzende) Konjunk¬
sitionen . 301 tionen . 317
a) Präpositionen mit dem d) Lokale (örtliche) Kon¬
Genitiv . 301 junktionen . 317
b) Präpositionen mit dem e) Temporale (zeitliche)
Dativ. 302 Konjunktionen. 317
c) Präpositionen mit dem f) Modale (die Art und
Akkusativ. 302 Weise bestimmende)
d) Präpositionen mit Da¬ Konjunktionen. 318
tiv und Akkusativ. 302 g) Kausale (begründende)
e) Rektionsschwierigkei¬ Konjunktionen. 319
ten bei Präpositionen h) Die Konjunktionen daß
mit einfachem Kasus und ob . 320
(in alphabetischer 5. Bemerkungen zum Ge¬
Reihenfolge). 304 brauch der Konjunktionen 320
14

a) Zur Neben- und Unter¬ c) Verdeutlichende


ordnung . 320 Zusammensetzungen .. 335
b) Über den Gebrauch 4. Verdunkelte Zusammen¬
einzelner nebenordnen¬ setzungen . 335
der Konjunktionen.... 321 IV. Der Bau zusammengesetzter
G. Die Interjektion. 324 Wörter. 335
I. Das Wesen der Interjektion .. 324 1. Zusammensetzungen mit
II. Die Einteilung der Interjek¬ Substantiv oder Adjektiv
tionen nach ihrer Bedeutung . 325 als Grundwort. 336
1. Körperliche und seelische a) Zweigliedrige Zusam¬
Empfindungen, Gemüts¬ mensetzungen . 336
bewegungen u. a. 325 b) Drei- und mehrgliedrige
2. Begehren, Aufforderung (an Zusammensetzungen .. 344
Mensch oder Tier). 326 2. Zusammensetzungen mit
3. Nachahmung von Men¬ einem Verb als Grundwort 346
schen-, Tier- und anderen a) Feste Zusammen¬
Lauten. 327 setzungen . 346
b) Unfeste Zusammen¬
Die Wortbildung setzungen . 346
3. Zusammengesetzte
A. Die Zusammensetzung. 329
Partikeln. 350
I. Zweck und Wesen der
a) Partikel + Partikel .. . 351
Zusammensetzung. 329
b) Präposition + abhängi¬
II. Vorstufen der Zusammen¬ ges Wort . 351
setzung . 330 c) Substantiv + Partikel. 351
III. Die Arten der Zusammen¬ d) Adjektiv + Partikel.. . 351
setzung nach der Bedeutung e) Pronomen (Zahlwort)
und nach dem logischen Ver¬ -I- Partikel. 351
hältnis der Glieder. 331
B. Die Ableitung . 352
1. Die determinativen
Zusammensetzungen .... 331 I. Zweck und Wesen der
a) Das Wesen der deter¬ Ableitung. 352
minativen Zusammen¬ 1. Begriff der Ableitung. 352
setzungen . 331 2. Die Bildungsmittel der
b) Die Rolle des Bestim¬ Ableitung. 352
mungswortes . 332 3. Die Leistung der Ableitung 353
2. Die possessiven Zusam¬ II. Die Ableitung aus Einzel¬
mensetzungen . 333 wörtern . 353
a) Der Sinn der possessi¬ 1. Das abgeleitete Substantiv 353
ven Zusammen¬ a) Geschehens- und Sach-
setzungen . 333 bezeichnungen aus
b) Ihre Herkunft aus der Verben. 353
Namengebung . 333 b) Abstrakta und Sachbe-
c) Adjektivische Possessiv¬ zeichnungen aus Adjek¬
komposita . 333 tiven und Substantiven 358
d) Die Satznamen. 334 c) Personenbezeichnungen
3. Die kopulativen Zusam¬ aus Verben, Substanti¬
mensetzungen . 334 ven und Adjektiven .... 361
a) Eigentliche Kopulativa 334 d) Verkleinerung und Ge¬
b) Uneigentliche Kopula¬ schlechtswechsel mit
tiva . 335 Hilfe von Suffixen. 363
15

2. Das abgeleitete Adjektiv . 365 b) Die Verbalisierung von


a) Die Bedeutungsgruppen Substantiven und Ad¬
abgeleiteter Adjektive . 365 jektiven durch Präfixe 382
b) Die Ableitungsmittel .. 366 2. Die einzelnen Verbal¬
3. Das abgeleitete Verb. 370 präfixe . 382
a) Die Bedeutungsgruppen a) Das Präfix be-. 382
abgeleiteter Verben.... 370 b) Das Präfix er-. 383
b) Die Ableitungsmittel .. 372 c) Das Präfix ent-. 383
4. Die abgeleitete Partikel .. 375 d) Das Präfix ver-. 384
a) Das Suffix -e. 375 e) Das Präfix zer-. 384
b) Das Suffix -lieh. 376 f) Scheinbare Doppel¬
c) Das Suffix -s. 376 präfixe . 384
d) Das Suffix -lings. 376 g) Verbindungen bestimm¬
e) Das Suffix -lei. 376 ter Präfixe mit bestimm¬
f) Substantive und Adjek¬ ten Verbalsuffixen. 385
tive in der Rolle von h) Fremde Verbalpräfixe . 385
Suffixen. 376 III. Präfixe, die bei mehreren
III. Die Ableitung aus Wortgrup¬ Wortarten stehen können ... 385
pen (Zusammenbildung) .. . 376 1. Das Präfix ge-. 385
1. Begriff der Zusammen¬ 2. Das Präfix miß-. 386
bildung . 376
D. Besondere Arten der Wort¬
2. Die Zusammenbildung
bildung . 386
nach Wortarten. 377
I. Wechsel der Wortart. 386
a) Das zusammengebildete
1. Vorbemerkung. 386
Substantiv . 377
b) Das zusammengebildete 2. Übertritt in die Wortart
Adjektiv . 378 Substantiv. 387
c) Das zusammengebildete a) Gelegentliche Substan¬
Adverb . 379 tivierungen . 387
b) Feste Substantivierun¬
C. Die Präfixbildungen. 379
gen . 387
I. Die Präfixe beim Substantiv 3. Übertritt in die Wortart
und Adjektiv (Partizip). 379 Adjektiv. 388
1. Das Präfix un-. 379 4. Übertritt in die Wortart
a) Un-als Verneinungs¬ Partikel . 388
präfix . 379
II. Bildung von Kurzformen und
b) Un- als Verstärkungs¬
Kurzwörtern. 389
präfix .380
c) Ersatz des Präfixes un- a) Ausfall unbetonter Silben. 389
durch andere Partikeln b) Verkürzung zusammen¬
und Präfixe. 380 gesetzter oder langer
2. Das Präfix ur-. 381 Wörter. 389
3. Fremde Präfixe bei Sub¬ c) Wortbildung aus Buch¬
stantiven und Adjektiven. 381 staben und Teilen von
Wörtern. 390
II. Die Präfixe beim Verb. 381
III. Wortbildung durchVer-
1. Die Leistung der Verbal¬
doppelung. 390
präfixe . 381
a) Die Modifizierung von IV. Wortmischung (Konta¬
Vcrbinhalten durch mination) . 391
Präfixe . 381 V. Volksetymologie. 391
16

Der Inhalt des Wortes und die II. Wortfamilie und Fächerung . 413
Gliederung des W ortschatzes
III. Das sprachliche Feld. 415
A. Der Inhalt des Wortes.392 1. Allgemeine Bemerkungen 415
I. Vorbemerkung über Stil- und
2. Beispiele. 415
Sprachschichten . 392
a) Die Zensurenskalen.... 416
II. Der Laut .. .*. 393 b) Die Verwandtschafts¬
III. Die Leistung der lautlichen wörter . 416
Mittel in Wortbildung und c) Das Feld der Färb Wörter 417
Flexion. 396 d) Die Temperaturwörter . 419
IV. Das Wort .. 396 e) Der Sinnbezirk klug
1. Die herkömmliche Wort¬ und dumm. 421
bedeutungslehre. 396
a) Die Semasiologie .396 IV. Gegenwörter oder Oppo¬
b) Die Onomasiologie .... 400 sitionen . 422
2. Die inhaltbezogene Be¬ V. Syntaktische Felder. 423
trachtung . 400
1. Das Wesen des syntak¬
3. Ein praktisches Beispiel .. 401
tischen Feldes. 423
V. Das zusammengesetzte Wort 408
2. Das Sonderproblem der
VI. Stehende Redewendungen .. 409
unpersönlichen Verben
1. Die Arten der stehenden
(Impersonalia) und der
Redewendungen . 409
unpersönlich gebrauchten
a) Zitate. 409
Verben. 425
b) Sprichwörter und
a) Unpersönliche Wendun¬
sprichwörtliche Redens¬
gen mit „es“ als unbe¬
arten . 409
stimmter Ursache eines
c) Redensarten . 410
Geschehens. 426
d) Gemeinplätze (Topoi).. 410
e) Zwillingsformeln und b) Unpersönliche Wendun¬
stereotype Vergleiche .. 410 gen mit „es“ als bloßem
f) Feste Verbindungen ... 410 Einleitewort oder als
2. Herkunft und Deutung der Vorläufer eines Satz¬
stehenden Redewendungen 411 gliedes . 427
c) Schlußbemerkung.428
B. Die Gliederung des Wort¬
schatzes. 411 VI. Wortinhalt und Satz¬
I. Die Wortstände. 412 zusammenhang . 428

Der Satz
A. Die Abgrenzung des Satzes II. Gliederung und Leistung der
gegenüber Rede und Wort ... 431 Grundformen. 436
B. Die Satzarten. 432 1. Der ergänzungslose Satz.. 436
G. Der Satz als gegliederte Sinn¬ 2. Sätze mit einer einglied¬
einheit. 433 rigen Ergänzung . 437
Z>. Die Grundformen deutscher a) Der Gleichsetzungs¬
Sätze. 434 nominativ . 437
I. Die Bestimmung der Grund¬ b) Die Objektergänzungen 438
formen mit Hilfe der Ab¬ c) Die Umstandsergänzun¬
strichmethode . 434 gen . 445
17

3. Sätze mit einer mehrglied¬ v) Die modifizierenden


rigen Eränzung . 446 Umstandsergänzungen 458
a) Akkusativobjekt + III. Eine vergleichende Be¬
Dativobjekt . 446 trachtung der Grundformen. 459
1. Grundformen mit zielen¬
b) Akkusativobjekt +
dem und nichtzielendem
Genitivobjekt. 447
Geschehen. 459
c) Akkusativobjekt +
a) Zielendes Geschehen... 459
Präpositionalobjekt ... 447
b) Nichtzielendes Ge¬
d) Akkusativobjekt + schehen..... 459
Raumergänzung. 450 2. Grundleistungen der
e) Akkusativobjekt + Ergänzungen. 459
Raumergänzung + a) Die Sonderstellung des
Dativobjekt. 450 Akkusativobjekts .... 459
f) Akkusativobjekt + b) Die übrigen Ergän¬
Zeitergänzung . 451 zungen . 459
g) Akkusativobjekt + 3.. Haupt- und Nebenformen 460
Artergänzung. 451 4. Die Verbalbereiche der
h) Akkusativobjekt 4- Grundformen. 460
Artergänzung + Dativ¬ 5. Wechsel der Verbal¬
objekt . 451 bereiche. 461
i) Akkusativobjekt + 6. Die Häufigkeit der einzel¬
Artergänzung + nen Grundformen . 463
Genitivobjekt :. 452 7. Veränderungen und Ver¬
j) Akkusativobjekt + Art¬ schiebungen innerhalb des
ergänzung + Präposi¬ Grundformbereichs.464
tionalobjekt . 452 a) Sterbender Objekts¬
k) Akkusativobjekt 4- genitiv .. . 465
Gleichsetzungsakkusativ 452 b) Akkusativierung . 465
l) Doppeltes Akkusativ¬ 8. Grundformen sind Ganz¬
objekt. 453 heiten . 465
m) Akkusativ + E. Die freien Satzglieder. 470
Infinitiv (a. c. i.). 453 I. Die am Verhalten eines Sub¬
n) Präpositionalobjekt + jekts nur teilnehmenden
Dativobjekt. 454 Wesen oder Dinge. 470
o) Doppeltes Präpositio¬ II. Die das Verhalten eines Sub¬
nalobjekt . 454 jekts nur begleitenden Um¬
p) Raumergänzung + stände . 470
Dativobjekt. 454 F. Das Attribut. 471
q) Artergänzung + I. Bestimmung und Leistung
Dativobjekt. 455 der Attribute. 471
r) Artergänzung + II. Die Attribute des Substantivs 472
Genitivobjekt (Akkusa¬ 1. Das adjektivische Attribut 472
tivobjekt). 455 2. Die Begleiter des Substan¬
s) Artergänzung + Präpo¬ tivs . 473
sitionalobjekt . 456 3. Das substantivische
t) Artergänzung + Prä¬ Attribut im Genitiv. 473
positionalobjekt + 4. Das substantivische At¬
Dativobjekt. 457 tribut als Präpositionalfall 475
u) Artergänzung + Raum¬ 5. Das Adverb als Attribut
ergänzung . 457 zum Substantiv. 476
18

6. Der Infinitiv als Attribut VI. Das Akkusativobjekt. 488


zum Substantiv. 476 1. Die verschiedenen Be¬
7. Das substantivische At¬ deutungsinhalte des Akku¬
tribut im gleichen Kasus sativobjekts . 488
wie das Bezugssubstantiv a) Das Akkusativobjekt ist
(Apposition) . 477 Zielpunkt einer Hand¬
a) Die unmittelbar beim lung. 488
Substantiv stehende b) Das Akkusativobjekt
Apposition . 477 nennt Vorhandenes,
b) Die nachgetragene Inhalt oder Menge,
Apposition . 478 Instrument oder Lage.. 490
c) Kasusabweichung bei 2. Die Form des Akkusativ¬
der Apposition. 479 objekts . 490
III. Die Attribute des Adjektivs VII. Das Dativobjekt. 491
(Partizips) . 480 1. Verben, die ein Dativobjekt
IV. Die Attribute des Adverbs .. 481 als einzige Ergänzung
fordern. 491
O. Redeteile, die außerhalb des 2. Die Form des Dativobjekts 491
eigentlichen Satzverbandes VIII. Das Genitivobjekt. 492
stehen (Parenthesen). 482 1. Verben, die ein Genitiv¬
1. Die Interjektion oder ein objekt als einzige Ergän¬
anderes zum Gefühlsausdruck zung fordern. 492
gebrauchtes Wort. 482 2, Die Form des Genitivobjekts
2. Der Anredenominativ (Vokativ) 482 IX. Das Präpositionalobjekt.... 492
3. Der absolute Nominativ. 482 1. Verben, die ein Prä¬
4. Der Schaltsatz. 483 positionalobjekt als einzige
Ergänzung fordern. 492
H. Die Satzglieder im einzelnen 483
2. Die Form des Prä¬
I. Zur Benennung der Satz¬ positionalobjekts . 495
glieder . 483 3. Zur Abgrenzung der Prä¬
II. Das Subjekt. 483 positionalobjekte von den
1. Das Subjekts wort. 483 Umstandaergänzungen.... 495
2. Der Kasus des Subjekts .. 483 X. Die Umstandsergänzungen
3. Die Form des Subjekts ... 484 und die freien Umstands¬
III. Das Prädikat. 484 angaben. 496
1. Das einteilige Prädikat... 484 1. Die Form der Umstands¬
2. Das mehrteilige Prädikat . 484 ergänzungen und der freien
a) Hilfsverb + 2. Partizip Umstandsangaben . 496
oder reiner Infinitiv ... 484 2. Die Arten der Umstands¬
b) Modalverb + reiner ergänzungen und der freien
Infinitiv... 485 Umstandsangaben . 497
c) Andere Verben, die das a) Raumangaben. 497
Verhalten des Subjekts b) Zeitangaben . 497
nur modifizieren + c) Artangaben. 497
Infinitiv mit ,,zu“. 485 d) Begründungsangaben.. 498
d) Nichtmodale Verben + J. Die Wortreihe. 498
Infinitiv mit „zu“. 486 I. Das Wesen der Wortreihe ... 498
e) Nichtverbale Teile + II. Die Formen einer Wortreihe. 499.
Verb. 486 K. Satzglieder und Gliedteile
IV, Der Gleichsetzungsnominativ 487 unter einem eigenen Teil¬
V. Der Gleichsetzungsakkusativ 488 bogen. 500
19

I. Herausgehobene Attribute a) Der Inhaltssatz als Glied¬


und Satzglieder. 500 satz ohne Einleitewort.. 522
II. Satzwertige Infinitive. 500 b) Der indirekte Fragesatz
1. Die Abgrenzung der satz¬ als Gliedsatz ohne
wertigen Infinitive. 500 Einleitewort. 522
2. Die Leistling der Infinitive c) Umstandssätze als Glied¬
mit „zu“.. 501 sätze ohne Einleitewort . 522
3. Zusammenfassung der 6. Überblick über den Ersatz
Verwendungsmöglich¬ von Satzgliedern oder Glied¬
keiten des Infinitivs im Satz 501 teilen durch Gliedsätze .... 523
III. Satzwertige Partizipien. 504 6. Teilsätze in der Form von
1. Die Abgrenzung der satz¬ Gliedsätzen mit voneinan¬
wertigen Partizipien. 504 der unabhängigen Sachver¬
2. Die syntaktische Verwen¬ halten (weiterführende
dung der satzwertigen Teilsätze). 525
Partizipien. 504 a) Weiterführende Teilsätze
3. Satzwertige Wortgruppen, in der Form eines Rela¬
in denen ein Partizip zu er¬ tivsatzes . 525
gänzen ist . 505 b) Weiterführende Teilsätze
in der Form eines indi¬
L. Der zusammengesetzte Satz.. 505 rekten Fragesatzes .... 526
I. Die Satzreihe. 505 c) Weiterführende Teilsätze
1. Die Satzverbindung. 506 in der Form eines Kon¬
a) Die Arten der Satz¬ junktionalsatzes . 526
verbindung . 506 7. Der mehrfach zusammen¬
b) Besondere Formen der gesetzte Satz (die Periode) . 526
Satzverbindung. 506 8. Zeit und Aussageweise im
Gliedsatz.527
2. Die Gliedsatzreihe. 507
a) Indikativ. 527
3. Die Zusammenfassung b) Konjunktiv. 532
gleichwertiger Sätze. 507
a) Das Wesen der Zusam¬ M. Besonderheiten der Satz¬
menfassung gleichwerti¬ bildung. 557
ger Sätze . 507
b) Die Formen der Zusam¬ I. Die Gestaltungsarten der
menfassung gleichwerti¬ Rede. 557
ger Sätze . 507 a) als direkte Rede. 557
b) als indirekte Rede. 558
II. Das Satzgefüge.508
c) als erlebte Rede. 558
1. Wesen und Leistung des
Satzgefüges . 508 II. Die Verneinung (Negation). . 558
2. Die Rangordnung im Satz¬ 1. Die Arten der Verneinung. 558
gefüge . 509 a) Satzverneinung . 558
b) Wortverneinung. 559
3. Gliedsätze mit
Einleitewörtern. 509 2. Die Verstärkung der
a) Der Relativsatz. 509 Verneinungswörter. 559
b) Der indirekte Fragesatz 3. Die doppelte Verneinung. . 560
(Interrogativsatz). 514 a) Im einfachen Satz. 560
c) Der Konjunktionalsatz . 515 b) Im Satzgefüge. 560

4. Gliedsätze ohne Einleite¬ III. Die Ersparung von Redeteilen


wörter . 522 (Ellipse). 561
20

1. Zum Wesen der Ersparung 561 IV. Die Kongruenz des substan¬
2. Die Arten der Ersparung . 562 tivischen Attributs (Appo¬
a) Ersparung von Rede¬ sition) in Kasus, Numerus
teilen, die im gleichen und Genus. 577
oder in einem benach¬ a) Im Kasus. 577
barten Satz nicht mehr b) Im Numerus. 577
Vorkommen... 562 c) Im Genus. 577
b) Ersparung von Rede¬ V. Die Beziehungskongruenz
teilen, die im gleichen des Pronomens. 578
oder im benachbarten
a) Alleinstehende Pronomen 578
Satz noch einmal Vor¬
b) Possessivpronomen. 578
kommen . 563
c) Besondere Fälle. 578
IV. Der Satzbruch. 565
VI. Die Kongruenz im Numerus
N. Die Kongruenz im Satz. 565 zwischen einem Objekt bzw.
I. Die Kongruenz zwischen Sub¬ einer Umstandsangabe und
jekt und Prädikat . 566 einer pluralischen Personen¬
1. Person. 566 angabe . 580
a) Normale Kongruenz ... 566 0. Die Wortstellung. 581
b) Besondere Fälle. 566
I. Das Satzschema mit der Per¬
2. Numerus. 567 sonalform des Verbs in Zweit¬
a) Normale Kongruenz ... 567 stellung . 581
b) Besondere Fälle. 567
II. Das Satzschema mit der Per¬
II. Die Kongruenz im Gleichset¬ sonalform des Verbs in An¬
zungssatz und in den inhalt¬ fangsstellung . 582
lich dazugehörigen Sätzen... 572
III. Das Satzschema mit der Per¬
1. Die Kongruenz des Prädi¬
sonalform des Verbs in End¬
kats . 572
stellung . 583
a) Person .. 572
1. Die Endstellung in Glied¬
b) Numerus. 572 sätzen . 583
2. Die Kongruenz des Gleich¬ ' 2. Die Endstellung in Haupt¬
setzungsgliedes oder eines sätzen . 583
anderen inhaltlich hierher
IV. Weitere stellungsfeste Satz¬
gehörigen Gliedes mit
teile in den drei Schemata ... 583
Subjekt bzw. Objekt. 573
1. Die nichtpersonalen Prä¬
a) Im Genus. 573
dikatsteile in den Sche¬
b) Im Numerus. 575 mata mit Zweit- und An¬
c) Im Kasus. 575 fangsstellung der Personal¬
III. Die Kongruenz des attributiv form und die durch sie ent¬
gebrauchten Adjektivs, Pro¬ stehende verbale Klammer 584
nomens (einschl. Artikels) und a) Die Prädikatsteile mit
Zahlworts mit ihrem Sub¬ Endstellung . 584
stantiv in Genus, Numerus b) Die verbale Klammer.. 584
und Kasus. 576 2. Die nichtpersonalen Prä¬
a) Adjektiv (Partizip). 576 dikatsteile in dem Schema
b) Pronomen (Artikel). 576 mit Endstellung der Per¬
c) Zahlwort. 576 sonalform .. 586
d) Besondere Fälle. 577 a) Die Rangordnung der
21

Prädikatsteile am Ende II. Der Tonfall... 600


des Satzes. 586 a) Der Spannbogen. 600
b) Die Klammerwirkung b) Der Tonfall. 600
im eingeleiteten Glied¬
c) Die drei Grundformen des
satz . 586
Tonfalls. 601
V. Die Stellung der nicht-
d) Inverse Betonung. 602
verbalen Satzteile. 586
e) Führtöne. 602
1. Allgemeingültiges Stel¬
lungsprinzip . 586 III. Die Schweren und die
Leichten. 603
2. Die Stellung der Satz¬
glieder . 587 1. Beschwerungsweisen. 603
a) Zur Stellung der ein¬ 2. Schwereabstufung . 603
fachen Satzglieder. 587 3. Schwere und Wortton_ 603
b) Zur Stellung der Infini¬ 4. Die Leistung der Schweren
tiv- und Partizipial- und der Leichten. 603
gruppen.. 591 a) Die Leistung im all¬
c) Zur Stellung der Glied¬ gemeinen . 603
sätze . 591 b) Die Leistung im
3. Die Stellung der Glied teile 592 besonderen . 604
a) Adjektiv (Partizip) ... 592 5. Die Verteilung der Schwe¬
b) Pronomen. 594 ren und Leichten im Satz . 607
c) Zahlwort. 594 a) Die Einschaltspitze.... 607
d) Adverb . 594 b) Die Stellung der Über¬
e) Das substantivische schwere. 608
Attribut. 595 c) Der Überschwere fol¬
4. Die Stellung der Präpo¬ gende Leichten, Voil-
sitionen und Konjunk¬ oder Kaumschweren ... 609
tionen . 596 d) Die Binnenschweren ... 610
a) Präpositionen. 596
IV. Die Gliederung. 610
b) Konjunktionen. 597
1. Die Gliederung der Rede.. 610
5. Die Stellung der Inter¬
a) Die phonetischen Mittel
jektionen und der Vokative 598
zur Gliederung. 610
a) Interjektionen. 598
b) Die Gliederungseinheiten 611
b) Vokative. 598
2. Die Gliederung des Spann¬
6. Die Leistung der Wort¬
bogens . 612
stellung ... 598
a) Auf- und Abast. 612
a) Der Satz als Spannungs¬
b) Angelehnte Satzteile... 612
einheit . 598
c) Wachsende Glieder .... 612
b) Die Sicherung des Satzes d) Untergliederung. 613
als ein Miteinander im e) Neuansatz. 613
Nacheinander... 599 f) Rhythmisierung. 613
c) Die rollencharakteri¬
sierende Leistung . 599 3. Der Akzent der Rede. 615
4. Besonderheiten der Gliede¬
P, Die Klanggestalt des Satzes.. 599 rung des Spannbogens bei
I. Zur Klanggestalt der Rede bestimmten Satzteilen und
allgemein. 699 Teilsätzen . 616
22

a) Anredenominativ ... .. 616 i) Doppelsetzungen. 621


b) Interjektion.... .. 616 j) Satzgefüge. 622
c) Einschub. .. 616 k) Die Periode. 626
d) Zusatz. .. 617
e) Vorausstellung. .. 618 Q. Die sprachliche Wirklichkeit
f) Nachtrag. .. 618 des Satzeä. 627
g) Aufzählungen. .. 619 1. Der Satz an sich. 627
h) Gereihte Sätze. .. 620 2. Der Satz im besonderen. 628
Register und Verzeichnis der Fachausdrücke 631

Verwendete Abkürzungen

a. c. i. = Akkusativ mit Jh. = Jahrhundert s. = siehe


Infinitiv kaufm. = kaufmännisch S. = Seite
Akk. = Akkusativ Kinderspr. = Kinder¬ sächs. = sächsisch
Akt. = Aktiv sprache schles. = schlesisch
alemann. = alemannisch Konj. = Konjunktiv schriftspr. = schriftsprachlich
altfranz. = altfranzösisch landsch. = landschaftlich schwäb. = schwäbisch
althochdt. = althoch¬ lat. = lateinisch Schweiz. = schweizerisch
deutsch latinis. = latinisiert Sing. = Singular
Anm. = Anmerkung mask., Mask. = maskulin, sog., sogen. = sogenannt
bayr. = bayrisch Maskulinum span. = spanisch
bergm. = bergmännisch mdal. = mundartlich Sportspr. = Sportsprache
bes. = besonders med. = medizinisch Sprw. = Sprichwort
bzw. = beziehungsweise mhd. = mittelhochdeutsch siiddt. = süddeutsch
ehern. = chemisch milit. = militärisch südwestdt. = südwest
Dat. — Dativ mineral. = mineralisch deutsch
ders. = derselbe mitteldt. = mitteldeutsch techn. = technisch
dicht. = dichterisch . mittellat. = mittellatei¬ thüring. = thüringisch
d. h. = das heißt nisch trans. = transitiv
dt. = deutsch mundartl. = mundartlich u. a. = und andere
eigtl. = eigentlich neutr., Neutr. = neutral, u. ä. = und ähnliche
engl. = englisch Neutrum u. a. m. = und andere mehr
f. = (und) folgende (Kenn¬ nhd. = neuhochdeutsch übertr. — übertragen
ziffer) Nom. = Nominativ übl. = üblich
fern., Fern. = feminin, norddt. = norddeutsch u. E. = unseres Erachtens
Femininum oberdt. = oberdeutsch ugs. =■ umgangssprachlich
ff. = (und) folgende österr. = österreichisch usw. = und so weiter
(Kennziffern) ostmd. = ostmitteldeutsch verächtl. = verächtlich
franz. = französisch Pass. = Passiv veralt. = veraltet
gebr. = gebräuchlich Perf. = Perfekt vgl. = vergleiche
geh. = gehoben Pers. = Person , Wahlspr. = Wahlspruch
Gen. = Genitiv PL, Plur. = Plural weidm. = weidmännisch
Ggs. = Gegensatz Plusq. = Plusquamperfekt Wetterk. = Wetterkunde
griech. = griechisch Präp. = Präposition z. B. = zum Beispiel
Ind., Indik. = Indikativ Präs. = Präsens Ziff. = Ziffer
Inf. = Infinitiv Prät. = Präteritum z. T. = zum Teil
iron. = ironisch roman. = romanisch Zus. = Zusammensetzung
italien. = italienisch russ. =-- russisch z. Zt. = zur Zeit

Die in den Verweisen genannten Zahlen beziehen sich auf die am äußeren Rande der
Seiten stehenden Kennziffern. Wird ausnahmsweise einmal auf eine Seite verwiesen,
dann steht vor der Verweiszahl ein S.
Das Wort

Der Laut

1. Einleitung
a) Hochsprache
Unter Hochsprache verstehen wir die deutsche Aussprache, wie sie in dem 1
Werk „Siebs, Deutsche Hochsprache“, 17. Aufl. (Berlin 1958), beschrie¬
ben ist. Die Hochsprache gilt für Rundfunk, Schulen und Post in Deutsch¬
land, für die deutschsprachige Bühne sowie für Rundfunk und Deutsch¬
unterricht in fast allen nichtdeutschsprachigen Gebieten.
Ob und wie sehr man die Regeln der Hochsprache befolgt, hängt zum Teil
von der Landschaft, der Sprechlage und dem Bildungsgrad des Sprechen¬
den ab. Im Norden und in der Mitte des deutschen Sprachgebietes spricht
man mehr nach der Hochsprache als im Süden Deutschlands. Stärkere
Abweichungen stellen wir in Österreich und vor allem in der deutschen
Schweiz fest. Bei Feierlichkeiten, in offiziellen Reden, im Unterricht
kommt die Hochsprache mehr zur Geltung als in der gewöhnlichen Unter¬
haltung. Der Gebildete hält sich mehr an die Hochsprache als der weniger
Gebildete.
Wir folgen im wesentlichen der Hochsprache. Nur in wenigen Punkten
weichen wir aus Gründen der Einfachheit davon ab.

b) Alphabet
Das Alphabet der Rechtschreibung verwendet folgende Buchstaben: 2
A a [a] J j [jot] s s [eß]
Ä ä [e-] K k [ka] ß [eßzet]
B b [be] L 1 [el] T t [te-]
C c [»•] M m fem] U u [u]
D d [de] N n [en] Ü ü [ü]
E e [e-] 0 o [o] V V [fau]
F f [ef] Ö ö [Ö-] w w [we-]
G g [ge-] P P [pe] X X [ikß]
H h [ha-] Q q [ku-] Y y [jjpßilQn]
I i [i] R r [er] Z z [zet]
Von diesen Buchstaben sind a, ä, e, i, o, ö, u, ü, y Vokalbuchstaben,
die übrigen Konsonantenbuchstaben.
24 Der Laut

Zudem verwendet man vereinzelt auf Vokalbuchstaben die Zeichen


(Akut), ' (Gravis), A (Zirkumflex), z. B. Separee, ä condition, Tete-a-
tete; ferner 9 (c mit Cedille [ßedi-j*]), n (n mit Tilde) und Ä, z. B. Aper9u,
Senor, Ängströmeinheit. In Abweichung von der Rechtschreibung ver¬
wenden wir manchmal einen Bindestrich, um Wörter in Teile zu zer¬
legen: leb-, leb-en, leb-te, er-leben.

c) Lautschrift

3 Da die Rechtschreibung die Aussprache nur unvollkommen wiedergibt,


benutzen wir eine besondere Lautschrift, um die Aussprache zu be¬
schreiben. Die Lautschrift bringen wir in eckigen Klammern. Zum Ver¬
gleich geben wir hier auch die Zeichen der Internationalen Lautschrift,
wie sie von „Siebs, Deutsche Hochsprache“, gebraucht werden.

Zeichen der Beispiel in Beispiel in Internationale


Lautschrift Rechtschreibung Lautschrift Lautschrift

[a] Ratte [ratc] [a]


La] Rate [rat0] [a:]
[ä] Camping fkämping] [ae]
Lei Fett [fet] [e]
Lei spät [schpe-t] [e:]
[e] lebendig [lebendich] [e]
[e] Rede [re*d°] [e:]
n mache [maeh°] [a]
m mich [mich] [I]
m Niveau [niwö • ] [i]
[i*] Niete [ni-ta] [i:]
[öl Hölle [höl°] [oe]
[ö] ökonomisch [ökonö- misch] [0]
[Ö] lösen [lös°n] [o:]
IUI Kürze [kürz0] m
fü] Büro [bürö] [y]
[ü-] Düse [düs0] [y:]
[0] voll [foi] [o]
[Q‘] Shorts [scliQ-rz] [o:]
Lo] Moral [mord-1] [0]
Io-] los [loß] [o:l
tu] kurz [kurz] [u]
[u] brutal [brutd-1] [U]
[u] Mut [mut] [u:]
[ai] Bein [bain] [ae]
[au] Haut [haut] [ao]
[Qi] Heu [hoi] [00)
[a-*] Chance [scha ®*ßc] [d]
[e1**] Mannequin [maneko,,t] m
[ö*] Parfüm [parf$**] [ce]
[Q~] Bon [bo**] [51
[p] Paar [pa-r] [p]
[b] Ball [bal] [b]
[t] Takt [takt] [t]
[d] dann [dan] [dl
[k] kalt [kalt] [k]
[g] Gast [gaßt] lg]
Grundbegriffe 25

[m] Markt [markt] [m]


[n] nein [nain] [n]
[Hg] lang [lang] [Q]
[1] Land [lant] [1]
[r] rauh [rau] [r]
[f] Fall [fal] ff]
[w] Wand [want] [v]
[«*] Commonwealth [konVnwelth] [0]
[ß] lassen [laß°n] [s]
[s] Rasen [ra-s"n] [z]
[sch] Schau [schau] m
[seh] Genie [sehen! •] l3l
[ch] mich [mich] i?]
Ul ja [ja-] ij]
[<*] Bach [baeh] [X]
[h] Hand [hant] [h]
[pf] Pfanne [pfan0] [Pf]
[z] Zahn [za-n] [ts]
[tsch] Tscheche [tschech*] [tJ]
[dseh] Gin [dsehin] [d3l

Ein Punkt auf mittlerer Höhe bedeutet, dato der Vokal davor laut? ist. Rasen
[ra s'n] hat langes [a*l.
Der Akut gibt den Hauptton an, d. h. den Vokal, der im Wort am stärksten
betont ist. Wir setzen den Akut nur dann, wenn der Hauptton nicht auf dem
ersten Vokal des Wortes ist: lebendig [leböndich], aber: Leben [leb°n].
Der senkrechte Strich bezeichnet die Silbengrenze: Mitte [mi|t']
Der waagrechte Strich unter einem Vokal bedeutet, daß der Vokal Silben¬
träger ist: Vase [wa-s'], Haus |hauß].
Der Halbkreis gibt an, daß der Vokal darunter nicht Silbenträger ist: Podium
[po-dipm].
Der senkrechte Strich, der waagrechte Strich und der Halbkreis werden nur
ausnahmsweise gebraucht.

2. Grundbegriffe

a) Klangfarbe (Qualität)
Die einzelnen Laute unterscheiden sich durch verschiedene Klangfarbe. 4
[a] besitzt eine andere Klangfarbe als [o], [b] eine andere als [r].

b) Dauer (Quantität)
Laute können mit verschiedener Dauer gesprochen werden, [a] in Bann 5
[ban] ist kurz, [a*] in Bahn [ban] ist lang.

c) Stärke (Betonung, Intensität)


Laute können mit mehr oder weniger Stärke gesprochen werden. In trag- 6
bar [tra-kba-r] ist [a-] in [tra-k] stärker als [a-] in [ba'r],

d) Höhe (Tonhöhe)
Vokale und stimmhafte Konsonanten können verschieden hoch ge- 7
sprochen werden, so wie man beim Singen oder auf einem Musikinstrument
verschieden hohe Töne (c, cis, d, e usw.) hervorbringt.
26 Der Laut

e) Laute
8 Ein Laut unterscheidet sich von einem anderen durch verschiedene
Klangfarbe. So sind [ch] in dich [dich] und [eh] in Dach [daeh] ver¬
schiedene Laute, sie haben verschiedene Klangfarbe, sie werden vom
menschlichen Gehör als verschieden wahrgenommen. Ebenso sind [r] in
Ratte [rat®] und [1] in Latte [lat®] verschiedene Laute.

f) Anzahl der Laute


9 Die Anzahl der Laute läßt sich nicht bestimmen. Wenn wir die feinsten
Unterschiede zwischen den Lauten — wie etwa den Unterschied zwischen
[k] in Kies [ki ß] und [k] in Kuh [ku-] — wiedergeben wollen, so ergibt
sich eine verhältnismäßig große Zahl von Lauten. Wenn wir aber nur
die auffälligsten Unterschiede in der Klangfarbe — wie etwa den Unter¬
schied zwischen [ch] in dich [dich] und [eh] in Dach [daeh] — berück¬
sichtigen, so kommen wir mit wenig Lauten aus. Die Hochsprache kennt
62, beziehungsweise 73 Laute, eine Zahl, die vor allem darum so^roß ist,
weil versucht wurde, fremde Namen und Wörter mit der fremden Aus¬
sprache anzugeben. Wir beschränken uns auf die Zahl von 57 Lauten.

g) Phoneme
10 Zwei Laute sind verschiedene Phoneme, wenn sie in derselben Stellung
Vorkommen und Wörter unterscheiden. So sind [r] und [1] verschiedene
Phoneme, denn erstens treten sie in derselben Stellung auf wie zum
Beispiel vor [a] in Ratte [rat®] und in Latte [lat®], und zweitens unter¬
scheiden sie verschiedene Wörter wie zum Beispiel Ratte [rat®] und
Latte [lat®]. Phoneme werden zwischen schräge Striche gesetzt: /r/, /1 /.
Phoneme können verschiedene Varianten haben. Es gibt stellungsbe¬
dingte Varianten und freie Varianten.

h) Stellungsbedingte Varianten
11 Stellungsbedingte Varianten können keine Wörter unterscheiden und
können nicht in derselben Stellung auftreten. So sind [ch] — wie in dich
[dich] — und [eh] — wie in Dach [daeh] — stellungsbedingte Varianten
des Phonems, das wir / ch / schreiben. Erstens kommt [ch] in der Stellung
nicht vor, wo [eh] vorkommt, und [eh] kommt in der Stellung nicht vor,
wo [ch] vorkommt; in der Tat tritt [ch] gewöhnlich nach vorderen
Vokalen ([i i e] usw.) und nach Konsonanten auf wie in dich [dich],
manch [manch] usw., während [eh] nach anderen Vokalen ([u y o q a]j
auftritt wie in Buch [bu-eh], Dach [daeh]; somit schließen [ch] und [eh]
in derselben Stellung sich gegenseitig aus. Zweitens kann man mit [ch]
und [eh] keine Wörter unterscheiden; Dach als [dach] und Dach als
[daeh] gesprochen ergeben keine verschiedenen Wörter; höchstens kann
man sagen, daß die Aussprache [dach] in der Hochsprache nicht vor¬
kommt.

i) Freie Varianten
12 Freie Varianten eines Phonems sind voneinander verschiedene Laute, die
in derselben Stellung auftreten, ohne Wörter zu unterscheiden. Das ge-
Vokale (Selbstlaute) 27

rollte Zungenspitzen-R [r] und das gerollte Halszäpfchen-R [R] sind freie
Varianten des Phonems /r/. Man kann in Ratte gerolltes Zungenspitzen-R
[r] oder gerolltes Halszäpfchen-R [R] sprechen. Beide Aussprachen sind
in der Hochsprache möglich. Verschiedene Wörter ergeben sich dadurch
nicht.

k) Anzahl der Phoneme


Während sich die Anzahl der Laute nicht bestimmen läßt, ist die Anzahl 13
der Phoneme beschränkt. Allerdings ist man sich über die genaue Anzahl
der Phoneme nicht einig. Sie hängt unter anderem davon ab, ob und wie
man die Aussprache fremder und seltener Wörter und Namen berück¬
sichtigt. Im folgenden lassen wir den Begriff Phonem außer Betracht,
indem wir den überlieferten Begriff Laut verwenden. Doch dürfte sich
unser Begriff Laut im wesentlichen mit dem Begriff Phonem decken,
wenn man von den stellungsbedingten Varianten [ch] und [eh] des
Phonems / ch / absieht, die wir nicht einfach als [ch], sondern als [ch]
und [eh] schreiben. Für die beiden freien Varianten [r] und [R] des
Phonems / r / schreiben wir in unserer Lautschrift nur ein Zeichen,
nämlich [r].

l) Silben
Die in einem Wort besonders hervortretenden Vokale heißen Silben- 14
träger. Ein Wort besitzt so viele Silben, als es Silbenträger hat. In den
folgenden Wörtern ist der Silbenträger unterstrichen. Einsilbig: a [&•],
oh [o*], hat [hat], Haut [haut]; zweisilbig: Kasten [kaßt!n], Verfall
[fgrfäl]; dreisilbig: Hauptbahnhof [hauptba-nho-f], Politik [politl-k];
viersilbig: Mathematik [matemati-k], Theologe [teolö-g!].

m) Silbengrenze
Die Silbengrenze ist dort, wo eine Silbe auf hört oder beginnt (Zeichen: |), 15
z. B. Mitte [mi|te], Rate [ra |te], Eier [ai|°r], Natron [na*|trQn]. Die
Silbengrenze der Aussprache fällt oft, aber nicht immer mit der Silben¬
trennung der Rechtschreibung zusammen (vgl. Duden, Rechtschreibung,
14. Aufl., erster, verbesserter Neudruck 1957, S. 40 ff.): gel-ten [gel|ten],
aber kämp-fen [kem|pfen].
Im übrigen gibt es in der Hochsprache keine eindeutigen Regeln für die
Silbengrenze.

3. Vokale (Selbstlaute)
Vokale sind Laute, bei denen die Stimmbänder im Kehlkopf schwingen
und die Atemluft ungehindert durch den Mund oder durch Mund und Nase
ausströmt. Die Zunge darf dabei eine gewisse Grenzlinie nach oben nicht
überschreiten. Die Klangfarbe der Vokale hängt vor allem von der Zunge
und den Lippen ab. Drei Faktoren sind wichtig:

a) Höhe der Zunge


Je weiter oben der höchste Punkt der Zunge ist, um so geschlossener ist 16
ein Vokal, [i ] in Kino [ki-no] ist geschlossener als [i] in Bitte [bjt0].
28 Der Laut

Umgekehrt ist [i] offener als [i*]. [u] in brutal [brutä-1] ist geschlossener
als [y] in Butter [byter]. Umgekehrt ist [y] offener als [u]. Man ist ge¬
wohnt, die hier mit dem Zeichen Ä versehenen Vokale als offene Vokale
zu bezeichnen, nämlich offenes e [$], offenes i [i], offenes ö [ö], offenes
ü [y], offenes o [q], offenes u [y]. Die sogenannten geschlossenen Vokale
sind: geschlossenes e [e], geschlossenes i [i], geschlossenes ö [ö], ge¬
schlossenes ü [ü], geschlossenes o [o], geschlossenes u [u].

b) Vorder- und Hinterlage der Zunge


17 Je weiter vorne der höchste Punkt der Zunge ist, um so heller ist ein
Vokal. Je weiter hinten der höchste Punkt der Zunge ist, um so dunkler
ist ein Vokal, [i] ist hell, [u] ist dunkel. Als helle oder vordere Vokale
gelten [ä], [e], [e], [i], [i], [q], [ö]. [y], [ü]; als dunkle oder hintere [qJ, [o],
[y], [u]; als mittlere Vokale [a] und [°],

Hell dunkel
(vorne) (Mitte) (hinten)
Vokale (Selbstlaute) 29

c) Lippenstellung
Vokale werden mit gerundeten oder ungerundeten Lippen gesprochen. 18
Die gerundeten Vokale sind [q], [ö], [ü], [ü], [q], [o], [y], [u], die un¬
gerundeten [a], [ä], [e], [e], [e], [i], [i].

d) Vokalschema
Die Abbildung auf Seite 28 zeigt für die einzelnen Vokale die Höhe der 19
Zunge (geschlossen - offen), Vorder- und Hinterlage der Zunge (hell -
dunkel) und die Lippenstellung. Die ungerundeten Vokale sind mit
einem Punkt, die gerundeten mit einem Kreis dargestellt. Die langen
Vokale [a ], [§•], [e ], [i ], [ö-], [ü-], [q-], [o ], [u ] haben dieselbe Zungen-
und Lippenstellung wie die entsprechenden kurzen Vokale [a], [q], [e],
PL [öl [Ü], [ö], [O], [U].

e) Diphthonge (Zwielaute)
Die Diphthonge [ai], [au], [Qi] bestehen aus zwei kurzen Vokalen, von 20
denen der erste Vokal, der Silbenträger ist, stärker gesprochen wird als
der zweite Vokal, der nicht Silben träger ist und zur Silbe des ersten
Vokals gehört. Über die genaue Aussprache der beiden Teile der
Diphthonge gehen die Meinungen auseinander. Die Hochsprache ver¬
langt die Aussprache [ae], [ao], [qö]: weit [waet], Haut [haot], Heu
[hgö]. Ohne die Aussprache der Hochsprache abzulehnen, ziehen wir
wegen ihrer besseren Verständlichkeit die Umschrift [ai], [au], [Qi] vor:
weit [wait], Haut [haut], Heu [hQi].

f) Unsilbische Vokale
Wenn unbetontes [i], [ü], [o], [u] vor einem Vokal stehen, so werden sie 21
beim schnellen Sprechen oft unsilbisch, d. h., sie sind nicht mehr Silben¬
träger. Die folgenden Wörter z. B. haben beim schnellen Sprechen oft
eine Silbe weniger. Das Zeichen “ bedeutet, daß der Vokal unsilbisch ist.
Beim langsamen Sprechen : Beim schnellen Sprechen
Podium [po-diym] (dreisilbig) [po-dium] (zweisilbig)
sexuell [sekßu£l] (dreisilbig) [seküütfl] (zweisilbig)
Foyer [foaje ] (dreisilbig) [föaj6 ] (zweisilbig)
Habitue [abitüe-] (viersilbig) [abituö ] (dreisilbig)

Stehen unbetontes [i], [ü], [o], [u] zwischen [p b t d k g] | [r 1 m n]


und Vokal, so sind sie auch bei schnellem Sprechen Silbenträger:
Natrium [na-triym] (dreisilbig)
Ganglion [gangglipn] (dreisilbig)
Insignien [insigni°nj (viersilbig)

g) Nasalvokale
Während bei den bisher besprochenen Vokalen die Luft durch den Mund 22
entweicht, strömt sie bei den Nasalvokalen durch Mund und Nase aus.
Die Hochsprache kennt die vier Nasalvokale [a"*], [q"8], [q"*], [q"8]:
Chance [scha^ß6], Teint [te **], Parfüm [parftf*8], Bon [bQ**]. Abgesehen
von ihrem nasalen Charakter besitzen die Nasalvokale mehr oder we¬
niger dieselbe Klangfarbe wie die entsprechenden nichtnasalen Vokale
30 Der Laut

[a], [q], [q], [q]. An Stelle der Nasalvokale hört man oft in nichthoch¬
sprachlicher Aussprache einen nichtnasalen Vokal, dem der nasale Kon¬
sonant [ng] folgt: Teint [t$ng] (wie: eng [eng]) an Stelle des hochsprach¬
lichen [tQ1*8].

h) Dauer
23 Nach ihrer Dauer lassen sich die Vokale in kurze und lange einteilen.
Kurz sind [aäQeeiiQöjjüQOUu]:
Bach [baeh], Camp [kämp], Speck [schpek], senil [seni l], Höhe [hö-c], List [lißtj,
Finale [finäle],möchte [möchte],Ödem [ödö-m], Glück [glük], amüsieren [amüsf-r‘:n],
fort [fort], Olive [oli-we], Butter [but°r], Fusion [fusiö-n]

Lang sind [a- q- e* i- ö- ü- q- o- u*]:


Gabe [gabe], spät [schpe*t], See [se-], Stil [schti-1], böse [bö-se], üben [ü-ben],
Shorts [schQ-rz], Not [no-t], Mut [mu t]

In den Diphthongen [ai au Qi] sind beide Vokale kurz:


Bein [bain], laut [laut], heute [hoitn]

Bei den Nasalvokalen [a*8 q*8 q”8 q”8] hat die Hochsprache nicht fest¬
gelegt, ob sie kurz oder lang sind. Es besteht die Neigung, sie als lang
zu betrachten. Wir geben in unserer Lautschrift diese Länge nicht be¬
sonders an:
Chance [scha^ß6], Teint [te**], Parfüm [parfö**], Bon [bo**]

i) Dauer und Betonung


24 Dauer und Betonung der Vokale verhalten sich folgendermaßen:

Betont kommen vor:


1. Die langen Vokale [a- g- e* i* ö- ü- q- o* u ], die Diphthonge [ai au
Qi], die Nasalvokale [a1*8 q**8 q”8 q”8]:
Base [ba*se], Advokat [atwokä-t], Seife [saif*], Pfarrei [pfaräi], Fasson [faßtf "*]

2. Die kurzen Vokale [a ä q i q ü Q v]:


Wasser [waß°r], Bitte [bit*], kurz [kurz]

3. Selten oder überhaupt nicht die kurzen Vokale [eiöüou]:


allegretto [alegr6to], Aperitif [aperitif], Gulasch [gulasch]

4. Nie der kurze Vokal [e]

Unbetont kommen vor:


1. Die kurzen Vokale [a q e 6 j i q ö ü ü q o » u], die Diphthonge
[ai au Qi], die Nasal vokale [a"8 q"8 q*8 q"*]:
Volumen [wolü-men], Modus [mo*duß], feudal [foidä-1], lancieren [la**ßl-ren]

2. Die langen Vokale [a* e- i- ö- ü- o* u*]. Vor dem betonten Vokal


und am Ende des Wortes werden sie öfters durch die entsprechenden
kurzen Vokale ersetzt:
Heirat [haira-t], Kleinod [klaino-t], Wermut [we-rmu-t]; Präsident [pre*sid^nt]
oder [presid^nt], Diastole [diäßtole ] oder [diäßtole]
Konsonanten (Mitlaute) 31

4. Konsonanten (Mitlaute)
Konsonanten sind Laute, bei denen die ausströmende Atemluft während
einer gewissen Zeit gehemmt oder eingeengt wird. Sie wrerden eingeteilt
nach Artikulationsart, Artikulationsstelle, Stimmhaftigkeit, Stärke, Be¬
hauchung und Dauer.

a) Artikulationsart
Artikulationsart ist die Art und Weise, wie die Konsonanten gebildet 25
(artikuliert) werden.
1. Verschlußlaute
Es wird ein Verschluß gebildet. Die Luft wird während einer gewissen
Zeit am Ausströmen gehindert: [p b t d k g].
2. Nasenlaute (Nasale)
Die Luft entweicht nicht durch den Mund, sondern durch die Nase:
[m n »g],
3. Seitenlaut (Lateral)
Die Luft entweicht nicht durch die Mitte des Mundes, sondern auf
einer oder auf beiden Seiten des Mundes: [1].
4. Schwinglaute (Zitterlaute, Vibranten)
Die Zungenspitze oder das Halszäpfchen schwingen (vibrieren).
Findet nur eine Schwingung (Vibration) statt, so sprechen wir von
angeschlagenen Konsonanten. Schwinglaute sind das Zungenspitzen-R
[r] und das Halszäpfchen-R [R].
5. Reibelaute (Frikative)
Die ausströmendc Luft wird eingeengt. Es entsteht ein Reibegeräusch:
[f w th ß s sch seht ch j eh h].
6. Lautverbindungen
Enge Laut Verbindungen (Affrikaten) sind eng zusammen ausgespro¬
chene Verschluß- und Reibelaute mit ungefähr gleicher Artikulations¬
stelle: [pf], [z] (— [tß]), [tsch], [dsek].
Weite Lautverbindungen sind eng zusammen ausgesprochene Ver¬
schluß- und Reibelaute mit ungleicher Artikulationsstelle: [pß],
[kß].

b) Artikulationsstelle
Artikulationsstelle ist die Stelle, wo die Konsonanten gebildet (artikuliert) 26
werden. Wir unterscheiden:
1. Lippenlaute (Bilabiale)
Unter- und Oberlippe werden zusammengepreßt und verhindern das
Entweichen der Luft durch den Mund: [p b m].
2. Lippenzahnlaute (Labiodentale)
Unterlippe und obere Schneidezähne engen die ausströmende Luft
ein: [f w].
32 Der Laut

3. Zahnlaute (Dentale)
Der Konsonant wird an den Zähnen oder in ihrer Nähe gebildet:
[th t d n 1 r ß s sch sefe]. Im einzelnen werden sie folgendermaßen
artikuliert: [th] (sogenanntes stimmloses englisches th) wird,inter¬
dental (Zungenspitze zwischen oberen und unteren Schneidezähnen)
oder postdental (Zungenspitze gegen die oberen Schneidezähne) ge¬
sprochen. [t d n r 1] spricht man mit der Zungenspitze gegen die
hintere Seite der oberen Schneidezähne (postdental) oder gegen den
Vorsprung hinter den oberen Schneidezähnen (alveolar). Bei [ß s]
strömt die Luft über eine in der vorderen Zunge gebildete Rille auf
die Schneidezähne. Die Zungenspitze befindet sich hinter den oberen
Schneidezähnen oder berührt die hintere Seite der unteren Schneide¬
zähne. Für [sch seh] wird die Zunge etwas zurückgezogen und die
Rille in der vorderen Zunge verbreitert.

4. Vordergaumenlaute (Palatale)
Die Zunge nähert sich dem vorderen Gaumen: [ch j].

5. Hintergaumenlaute (Velare)
Die Zunge artikuliert gegen den hinteren Gaumen: [k g eh].

6. Halszäpfchenlaut (Uvular)
Der Laut wird mit dem Halszäpfchen gegen die hintere Zunge ge¬
bildet: [R], d. h. sogenanntes Halszäpfchen-R. Da man an Stelle von
Halszäpfchen-R [R] in allen Stellungen Zungenspitzen-R [r] sprechen
kann, verwenden wir in unserer Lautschrift nur das Zeichen [r].

7. Kehlkopf laut
Der Laut wird im Kehlkopf gebildet: [h].

c) Stimmhaftigkeit
27 Schwingen die Stimmbänder im Kehlkopf, so ist der Konsonant stimm¬
haft. Das Schwingen läßt sich leicht nachprüfen, indem man die Hand an
den Kehlkopf legt. So ist zum Beispiel der Konsonant [s] in Sonne
[sQne] oder in Hase [ha-se] stimmhaft. Schwingen die Stimmbänder
nicht, so ist der Konsonant stimmlos. In Haß [haß] oder in hasse [haß0]
ist der Konsonant [ß] stimmlos. Man teilt die Konsonanten in stimmhafte
und stimmlose ein. Stimmhaft sind [bdgmnnglrRws seh j],
stimmlos [p t k f th ß sch ch eh h],

d) Stärke
28 Konsonanten können als starke (fortes) oder als schwache (lenes) ge¬
sprochen werden, ein Unterschied, der besonders für Verschlußlaute
und Reibelaute (außer [h]) wichtig ist. Starke Konsonanten sind [p t
k f th ß sch ch eh], schwache Konsonanten sind [b d g w s seh j].
Vgl. die Tabelle der Konsonanten Ziff. 29.
Tabelle der Konsonanten
34 Der Laut

e) Behauchung (Aspiration)
30 Hochsprachlich sind [p t k] im allgemeinen behaucht, also genauer
[ph th kh]:
Tag [tha kh] fragte [fra-khth°] mit ihm [mjth i m]
Klinke [khlingkhC] raspeln [raßphCln] hast [haßth]
stark [schtharkh] redlich [re-thlich] Quark [khwarkh]
abteilen [aphthailen] mit [mjth] lebt [le*phth]
Die Behauchung unterbleibt:
1. Im ersten Teil der langen Konsonanten [pp tt kk] im Wort- und
Satzinnern:
Abprall [apphral], nicht [aphphral]
ab Potsdam [apphQzdam], nicht [aphph0zdam]
mitteilen [mitthailcn], nicht [miththail°n]

2. Wenn im Wort- oder Satzinnern [b] auf [p], [d] auf [t], [g] auf
[k] ohne Pause folgt, so sind [p t k] nicht behaucht:
Abbau [apbau], nicht aphbau]
es wird dunkel [eßwirtdungkhCl], nicht [eßwirthdungkh°l]
Weggang [wekgang], nicht [wekhgang]
3. In engen und weiten Laut Verbindungen [pfz (= tß) tsch pß kß],
deren beide Teile zu derselben Silbe gehören, ist der erste Teil,
d. h. [p t k] nicht behaucht:
Pfand [pfanth], nicht [phfanth]
Apfel [apfel], nicht [aphfel]
knutschen [khnu-tschcn], [nicht khnuthsch°n]
Ist in [pf pß tß tsch kß] zwischen dem ersten Teil und dem zweiten Teil
eine Silbengrenze (also [p|f p|ß t|ß t|sch k|ß], so spricht man [p t k]
behaucht, d. h. [ph th kh]:
Abfall [aphfal], nicht [apfal]
Spätsaison [schphe-t11ßeso"*], nicht [schphe-zeso"*J
Gutschrift [gu-thschrifth], nicht [gu-tschrifth]
Im übrigen werden wir für [p t k] in der Lautschrift die Behauchung
nicht besonders angeben.
f) Dauer
31 In einfachen Wörtern spricht man Konsonanten kurz, gleichgültig, ob
sie in der Rechtschreibung einfach oder doppelt geschrieben werden:
Rate [ra t*] Roggen [rgg'n], nicht [rpgg'n]
Ratte [rat0], nicht [ratt0] fallit [fallt], nicht [falllt]
Wasser [waßer], nicht [waßß°r] Arrest [ar£ßt], nicht [arrgßt]
Stoßen die Konsonanten [ptkmnlrfßs sch eeh ch j eh] mit dem¬
selben Konsonanten in abgeleiteten, zusammengesetzten oder mit Prä¬
fixen gebildeten Wörtern oder im Satz ohne Pause zusammen, so spricht
man nicht zwei [ptk] usw., sondern langes [p t k-] usw., wofür wir in
der Lautschrift Doppelschreibung verwenden, d. h. [pp tt kk] usw.:
abpassen [appaß°n] wahllos [wa llo-ß]
Arzttum [a*rzttu-m] erraten [^rrä-t'n]
Stadttor [schtatto r] Lauffeuer [lauffQier]
entthronen [enttrö*n°n] Paßskandal [paßßkandad]
wegkommen [wekkomen] Waschschüssel [waschschüß‘1]
annehmen [anne m°n] zahm machen [za mmaeh°n]
Fehlleistung [fe-llaißtu»g] mich Chemiker [michch6-mik°r]
Wortbetonung 35

5. Wortbetonung
In mehrsilbigen Wörtern ist eine Silbe stärker als die anderen betont 32
(Hauptton). Die Stärke der einzelnen Silben hängt zudem von der Ge¬
stalt des Satzes ab. Was die Höhe der einzelnen Silben betrifft, so wird
sie von der Gestalt des Satzes bestimmt.

Einfache Wörter
In einfachen Wörtern ist gewöhnlich die erste Silbe betont:
Erde [e rd1] - Acker [akcr]
Elend [e-lent] Ekel [e-kcl]

Abgeleitete Wörter
In abgeleiteten Wörtern ist gewöhnlich die erste Silbe betont:
Mannschaft [manschaft] lesbar [leßbar]
langsam flangsa-m] möglich [möklich]

Prä fixb ildungen


Die Präfixe be-, er-, ent-, ge-, ver-, zer- sind nicht betont:
begreifen [b'gniir'n] entfernen [cntf(Tn°n]
Begriff [b'grifj Verfall [fcrfäl]

Zusammengesetzte Wörter
In zusammengesetzten Wörtern ist gewöhnlich das erste Wort stärker
betont als das zweite, das zweite stärker als das dritte usw.:
Bahnhof (stark - weniger stark)
Hauptbahnhof (stark - weniger stark - noch weniger stark)

Die Partikeln ab-, an-, aus-, bei-, ein-, nach-, wieder- sind meistens betont:
Abweg [apwek] beistehen [baischte-°n]
ausfahren [außfa-r'n] Eingriff [aingrjf]

Die Partikeln da-, dar-, durch-, her-, hier-, hin-, hinter-, in-, miß-, ob-,
über-, um-, un-, voll-, vor-, wider-, zu- kommen betont und unbetont vor:
durchgehen [dyrchge°n j Inbegriff [inbegrif]
durchgehen [dyrehge°n] infolge [infolg0]

Betonte Endungen
Die Endungen -ei und -ieren und Ableitungen davon betonen gewöhnlich
ei [ai] und ie [i-]:
Partei [partdi] polieren [poli r°n]
parteiisch [parteiisch] Polierer [poHr°r]

Abweichende Betonungen
Abweichend von diesen Regeln werden betont:
1. Einige deutsche Wörter:
lebendig [lebendich] Holunder [holynd'r]
Forelle [foryl0] Hornisse [horniß0]
Hermelin [herm'li n] Wacholder [wachtfld°r]

2. Viele Fremdwörter:
Atom [atö-m] Realismus [realißnniß]
Parlament. [Parlament-] Skandal [ßkandd,-ll
36 Der Laut

3. Gewisse Personennamen und geographische Namen:


Roswitha [rQßwi-ta] Berlin [berli-n]
Vandervelde [fand°rf£ldc] Heilbronn [haiibrgn]

4. Aneinanderreihungen und Doppelnamen, in denen der letzte


Teil betont wird:
schwarzweißrot [schwarzwaißröt] Sachsen-Anhalt [sakß,!n|änhalt]

5. Abkürzungen mit voll ausgesprochenen Buchstabennamen:


UKW [u-ka-we-] USA [u*cßd*]

Im übrigen verweisen wir auf die Angabe der Betonung in „Siebs,


Deutsche Hochsprache“ und „Duden, Rechtschreibung“

6. Lesestück mit Laütschrift


33 [scho n bai sainem e rßt'n bo-g'nschtrich hat'n sich di kuliß'n p i n he*r
Schon bei seinem ersten Bogenstrich hatten sich die Kulissen um ihn her
fer|end°rt er schtant mit sain°m musikpult plgzlich in ain°m hait°rcn zim'r
verändert; er stand mit seinem Musikpult plötzlich in einem heiteren Zimmer,
wglch'ß lußtich un|grd“ntlich dekori-rt mit fgrschiiÖrk°ltcn mö*beln im
welches lustig unordentlich dekoriert mit verschnörkelten Möbeln im
pg"*padürgcschmak über|dl klain“ schpig'l fgrgöld“te amorgt°n chindsisch'ß
Pompadourgeschmack: überall kleine Spiegel, vergoldete Amoretten, chinesisches
pgrz°lä*n ain alcrli*p|ßtcß ka*|gß fgn bgnd'rn blu m°ngirland°n waiß°n
Porzellan, ein allerliebstes Chaos von Bändern, Blumengirlanden, weißen
hant|schu*“n zgrriß°nen blgnd'n falsch'n pgrlcn diade-m,>n fgn ggltblgch unt
Handschuhen, zerrissenen Blonden, falschen Perlen, Diademen von Goldblech und
sonßtigem ggt°rflitcrkra*m wi*. man de*rgldicli°n im schtudi-rzimer aincr
sonstigem Götterflitterkram, wie man dergleichen im Studierzimmer einer
primadgna zu* find°n pfle*kt paganl*niß giß°rcß hatc sich e*bcnfalß unt zwa*r
Primadonna zu finden pflegt. Paganinis Äußeres hatte sich ebenfalls, und zwar
aufß alcrftfrtailhaftcßt* f£r|<*.nd“rt er tru-k kurz“ bainklaidcr fgn li*lafarbigcm
aufs allervorteilhafteste, verändert; er trug kurze Beinkleider von lilafarbigem
atlaß ainc silbcrg°schtikt° waiß“ wgßt“ ain“n rgk fon hglblau'm samt mit
Atlas, eine silbergestickte weiße Weste, einen Rock von hellblauem Samt mit
ggltlumschpgn'n'n knöpf “n unt di sgrksam in klain'n lgkch'n frisl*rt°n
goldumsponnenen Knöpfen, und die sorgsam in kleinen Löckchen frisierten
ha*r° umschpHt'n sain g“sicht daß ganz jung unt ro sich blü*t° unt fgn
Haare umspielten sein Gesicht, das ganz jung und rosig blühte und von
sü*ßcr zg rtlichkait ergänzt“ wen er na*eh dem h\ipschen dg-mch'n hin|gig*lt°
süßer Zärtlichkeit erglänzte, wenn er nach dem hübschen Dämchen hinäugelte,
daß ne*bcn im am no t'npult schtant wg*rent er wioli*ne schpi lt“]
das neben ihm am Notenpult stand, während er Violine spielte.
(aus: Heinrich Heine, Florentinische Nächte, Erste Nacht)
Nichthochsprachliche Aussprache 37

7. Nichthochsprachliche Aussprache

a) Landschaftliche Aussprachen
In den verschiedenen Teilen des deutschen Sprachgebietes finden wir 34
Ausspracheformen, die mehr oder weniger stark von der Hochsprache
(HS) abweichen. Diese landschaftlichen Aussprachen besitzen jedoch
keine festgelegte Norm, die sich mit der Norm der Hochsprache ver¬
gleichen ließe. Im folgenden seien einige Hauptzüge der norddeutschen
(ND) und der süddeutschen (SD) nichthochsprachlichen Aussprache er¬
wähnt.

a) Norddeutsche Aussprache
An Stelle von [$•] spricht man [e*]: Bären HS [b$ ren], ND [be ren], 35
d. h., ND werden Bären und Beeren gleich gesprochen, während sie^in
der Hochsprache verschieden gesprochen werden.
g der Rechtschreibung wird nach vorderen Vokalen bzw. nach Konso¬
nanten und vor einem Vokal, der zu demselben einfachen Wort gehört,
vielfach als [j] gesprochen: legen HS [le-g°n], ND. [le-j*n], Sorge HS
[sorg*], ND [sQrje], vor Konsonanten und vor Pause als [ch]: gelegt HS
[g*le-kt], ND [g*le-cht].
g der Rechtschreibung wird nach hinteren Vokalen bzw. nach [a a ] und
vor einem Vokal, der zu demselben einfachen Wort gehört, als [gh]
( = stimmhaftes [eh]) gesprochen: Wagen HS [wa:g*n], ND [wa gh*n],
vor Konsonanten und vor Pause als [eh]: sagte HS [sa-ktc], ND [sa eht*],
lag HS [la*k], ND [la-eh].
sp und st der Rechtschreibung werden weithin in allen Stellungen als
[ßp] und [ßt] gesprochen: Spiel HS [schpi-1], ND [ßpi-1]; Stein HS
[schtain], ND [ßtain].

ß) Süddeutsche Aussprache
Der Unterschied in der Klangfarbe zwischen den geschlossenen Vokalen 36
[e i ö ü o u] und den offenen Vokalen [o i Q Ü 0 v] ist weniger ausgeprägt
als in der Hochsprache.
b, d> g der Rechtschreibung (HS [b d g p t k]) werden als schwache
mehr oder weniger stimmlose Verschlußlaute gesprochen. Bei [p t k] ist
die Behauchung schwächer als in der Hochsprache, [s] ist mehr oder
weniger stimmlos. Die Endung -ig spricht man vor Konsonanten und vor
Pause als [g], nicht als [ch]: einig IIS [ainjeh], SD [ainig], beleidigt
HS [beläidjcht], SD [b*läidjgt].
b) Umgangssprache
Die Hochsprache (HS) ist eine offiziell festgelegte Norm-. Die von ihr ab- 37
weichende lässige Umgangssprache (US) besitzt keine Norm. Wir können
darum nur einige ihrer Hauptzüge erwähnen.

Vokale
1. [*] kann ausfallen, besonders vor [m n 1 r] am Wortende, wodurch
[m n 1 r] Silbenträger ([m n 1 r]) werden:
hatten HS [hat'n], US [hatn],Esel HS [e-s’l], US [e-sj]
38 Der Laut

2. Unbetonte, nicht vor Vokal stehende [e] und [e] werden zu [e]:
Psyche HS [pßü-che], US [pßüche]
Examen HS [ekßämen], US [ckßä*m°n]
Verkehr HS [ferke r], US [furke‘rj

3. Unbetonte lange Vokale werden gekürzt:


Heimat HS [haima-t], US [haimat]
langsam HS [langsa-m], US [langsam]

Konsonanten
1. Konsonanten mit verschiedener Artikulationsstelle können einan¬
der angepaßt werden, d. h., sie haben jetzt ähnliche oder gleiche Arti¬
kulationsstelle :
haben HS [ha-b°n], US [ha-bm]
anpassen IIS [anpaß'n], US [ampaßn]
konkret HS [konkre t], US [konkre t]
in Berlin HS [inborli-n], US [imbcrh-n]
2. Nach stimmlosen Konsonanten wird stimmhaftes [s] zu stimm¬
losem [ß]:
Absatz HS [apsaz], US [apßaz] (wie in Kapsel [kapßcl])
Drucksache HS [dryksaehL], US [drpkßaeh' ] (wie in Büchse [btikßp])

3. Man behaucht [p t k] vor betontem Vokal: Tal [tha l] und nach


betontem Vokal vor Pause: Tod [tho*th]. In den übrigen Stellungen
behaucht man wenig oder überhaupt nicht:
fragte HS [fra khth°], US [fra-kt']
schrecklich HS [schrekhüch], US [schreklich]
4. Die langen Konsonanten können gekürzt werden:
erraten HS [erra-fn], US ['rA-tn]
Waschschüssel HS [waschschtiß<'l], US [waschlißi]
er kann nicht HS [erkännjcht], US ["rkanicht]
5. Die Silbengrenze kann verschoben werden:
Abfall HS [ap|fal], US [a|pfal] (wie in Apfel [ä|pfcl])
Hutschachtel HS [hu-t|schacht'l], US [hu-Itschachtl] (wie in: knutschen
[knu-|tschcn])

8. Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre)


38 Schrift und Aussprache decken sich nicht. Ein Buchstabe steht bald für
diesen Laut, bald für jenen Laut. So kann s als [ß] gesprochen werden,
etwa in Ast [aßt], während es in Stunde [schtynd®] als [sch] ausge¬
sprochen wird. Ein Buchstabe kann für mehrere Laute stehen. So
spricht man für x in Hexe [h$kße] nicht einen, sondern zwei Laute,
nämlich [k] und [ß]. Andererseits können mehrere Buchstaben einen
Laut ausdrücken; in Phrase [fra-se] schreibt man p und h, d. h. zwei
Buchstaben, es wird aber nur ein Laut ausgesprochen, nämlich [f].
Die folgende Übersicht zeigt, welchen Lauten die Buchstaben ent¬
sprechen. Wollen wir wissen, welchem Laut oder welchen Lauten ein
Buchstabe oder eine Buchstabenfolge entspricht, so müssen wir vor
allem feststellen, ob die Silbe betont oder unbetont ist, welche und wie¬
viele Buchstaben vorausgehen oder folgen, ob der Buchstabe oder die
Buchstabenfolge am Wortanfang, im Wortinneren, am Wortende oder
an der Wortgrenze steht.
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 39

Vorbemerkungen zu folgender Übersicht


Vokal und Konsonant
Vokal und Konsonant bedeuten hier in erster Linie Vokalbuchstaben und Konsonanten¬
buchstaben, in gewissen Fällen auch ausgesprochenen Vokal und ausgesprochenen Kon¬
sonanten. In unklaren Fällen haben wir durch den Zusatz „ausgesprochen“ angedeutet,
daß nicht geschriebene Buchstaben, sondern ausgesprochene Vokale oder Konsonanten
gemeint sind.
Buchstaben und Lautzeichen
Nichteingeklammerte Buchstaben bedeuten Buchstaben, eckig eingeklammerte Buch¬
staben bedeuten Laute. In diesem Sinne bedeutet etwa die Regel 2 für die Aussprache
von ea „Sonst spricht man wie e und a“ nicht, daß man die Laute [e] + [a] spricht.
Vielmehr verweist sie auf die Buchstaben e und a und auf Buchstabenfolgen, die mit e
enden oder mit a beginnen. Dort schaue man nach, wie man im gegebenen Fall zu spre¬
chen hat.
Betonung
Wer die nachstehenden Regeln anwenden will, muß die Wortbetonung kennen, die von
der Rechtschreibung nicht angegeben wird.
Lin zusammengesetztes Wort enthält so viele betonte Silben, als es einfache Wörter ent¬
hält; in ab-gehen [apge-'n] sind ab- [ap] und geh- [ge*] betonte Silben.
Wortgrenze
Die Wortgrenze ist die Stelle, wo ein einfaches, ein abgeleitetes oder ein zusammen¬
gesetztes Wort (vgl. 611 ff.) anfängt oder aufhört.
Wortende
Die Aussprache eines unbetonten Vokals am Wortende wird durch das Hinzutreten einer
Flexionsendung, einer Ableitungssilbe (vgl. 684 ff.) oder eines Wortes nicht verändert:
Auto [auto], Autos [autoßj, Autolein [autolain], Autobahn [autoban].
Die Buchstaben in den Buchstabenjolgen
Der Leser, der wissen will, wie etwa der Buchstabe a zu sprechen ist, schaut unter a und
unter den mit a beginnenden Buchstabenfolgen (aa, ah, ai usw.) nach. Der Buchstabe a
kommt aber auch als nichterstes Glied in nicht mit a beginnenden Buchstabenfolgen
vor. Für solche Fälle benutze man die folgende Liste. Sie zeigt, in welchen Buchstaben¬
folgen ein Buchstabe als nichterstes Glied vorkommt.
a ea, eau, oa m am, ein, im, om, um
c dsch, sch, teil, tsch n ain, an, ein.en, gn, in, kn, oin, on
e 6e, ie, ieh, ier, oe, öe, ocu o ao, gio
f Pf p sp
g igh, ng q kq
h ah, äh, cch, ch, chs, dsch, eh, eih, r er, erc, ier
ieh, igh, oh, öh, ph, rh, rrh, sch, sh, s chs, cs, ds, dsch, ts, tsch
tch, th, tsch, uh, üh, wh t dt, st
i ai, ain, cci, ei, ei, eih, ein, ggi, gio, u au. äu, eau, eu, gu, oeu, ou, qu
gli, oi, oin w aw, ew, ow
k clc y ay, ey, oy
1 gli, il z tz

A. Betont
1. spricht man langes a [a-]:
a) wenn im Stamm nur ein Konsonant (außer x), nur ph oder nur
th folgt:
hab-en [ha-b'n], hab-t [ha-pt], rat-sam [ra-tsa-m]. Tag [ta k], Photograph
[fotogrdf]
40 Der Laut

b) wenn mehrere Konsonanten folgen, aber eine Nebenform oder


der Stamm langes a [a*] hat:
fasle [fa*slc] (Nebenform: fasele [fa-sT])
Wagner [wa*gner] (Stamm: wag(e)n [wa*g(e)n])

c) bei folgendem ß, wenn andere Formen nicht -ass-, sondern


-aß- haben:
Maß [ma*ß] (daneben nicht: Masses, sondern: Maßes)

d) vor den Konsonantengruppen bl, br, dl, dr, gl, gr, kl, kr,
phl, phr, pl, pr, qu, thl, thr, tl, tr (einfache Wörter):
Adler [adl'r], Natron [natrpn]

e) vor ausgesprochenem, zur nächsten Silbe gehörendem Vokal:


Ai [a*|i], ais [a*|iß], archaisch [archd*lisch], Chaos [ka*|pß]

f) am Wortende:
da [da*], ja [ja*], Papa [papd*], Ulema [ulemd*]

g) in:
Art, artig, Arzt, brach, Brache, brachliegen, Bratsche, Drasch, drasch,
Gemach, gemach, Harz, Jagd, Karbatsche [karbd*tsche], Kladderadatsch
[klad°radd*tsch], Latsche, latschen, Magd, Master, nach (außer in Nachbar
[nachba r]), Papst, Quarz, Radscha [ra-dseha], Schmach, Schwarte,
sprach, Sprache, stach, Tratsch, Watsche, watscheln, zart

2. spricht man kurzes a [a]:


a) vor x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht unter
Absatz A, 1 erfaßt):
lax [lakß], Dach [daeh], Dachs [dakß], hart [hart], fasten [faßt'ri], warten
[wart'n], Zacke [zake], zappeln [zap°ln]

b) bei folgendem ß, wenn andere Formen nicht -aß-, sondern


-ass- haben:
Faß [faß] (daneben nicht: Faßes, sondern: Fasses)

c) in
ab, am, Ammoniak [amonidk], an, Ananas [ananaß], Araber [arab°r],
As, as, baß, Claque [klake], Damwild, das, daß, Fiaker, Grammatik
[gramdtik], hat, Januar [janua r], Kaliko, Kanapee, Kanevas [kan*waß],
Kap, Kosak, Madam [maddm], man, Marstall, Paletot [paleto], Paprika,
Salmiak [salmidk], Tram, Tschako, Walfisch, Walnuß,. Walroß, was

3. spricht man in englischen Wörtern


a) den kurzen Vokal [ä] (zwischen a [a] und offenem e [§]; an
Stelle von [ä] spricht man auch kurzes offenes e [§]):
Camping [kämping] neben [kemping]), Cash [käsch] (neben [kesch])

b) langes geschlossenes e [e ]:
Cape [ke p], Lady [le-di]

c) langes offenes o [q-]:


all right [p'l rait]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 41

B. Unbetont
1. spricht man kurzes a [a]:
a) vor der betonten Silbe:
Kanal [kanäl], massieren [maßi-ren]
b) nach der betonten Silbe in nichtletzter Silbe:
Kabbala [kabala], Prostata [proßtata]
c) am Wortende:
Kola [ko-la], Naphtha [nafta]
d) meistens am Wortende vor Konsonant:
Bräutigam [broitigam], Karneval [karncwal], Kaviar [ka-wiar], Monat
[monatl
2. spricht man langes a [a ]:
a) in den deutschen Ableitungssilben -bar, -sal, -sam:
zahlbar [zalbar], Schicksal [schiksa-1], langsam [langsa-m]
b) meistens in -ian:
Grobian [grobia-n], Thymian [tti mia n]
c) in folgenden anfangsbetonten Wörtern:
Balsam, Dual, Februar, Hangar, Heimat, Heirat, Hektar, Jaguar, Januar,
Leichnam, Ozean, Plural, Safran, Singular, Sultan, Zierat

A. Betont
1. spricht man langes offenes e [©•]:
a) wenn im Stamm nur ein Konsonant (außer x), nur ph oder nur
th folgt:
Bär [be-r], gär-te [ge-rtc], Mädchen [me*tchen], Äther [e*tcr]
b) wenn mehrere Konsonanten folgen, aber eine Nebenform oder
der Stamm langes offenes e [$•] hat:
näsle [ne-slc] (Nebenform: näsele [ne-sT])
Mäkler [me-kPr] (Stamm: mäk(e)l [me*k(c)l])
c) bei folgendem ß, wenn andere Formen nicht -äss- oder -ass-,
sondern -äß- oder -aß- haben:
säße [se*ß°] (daneben nicht sassen, sondern saßen)
d) wenn verwandte Formen mit langem a [a*] bestehen (vgl. a,
Absatz A, 1, g):
Ärzte[e ist0] (zu: Arzt[a-rzt]),spräche [schpre ch*](zu:sprach [schpra eh])
e) vor ausgesprochenem, zur nächsten Silbe gehörendem Vokal:
trochäisch (trpehc-lisch], Trophäe [trof£T]

f) in:
Gebärde, Grätsche, hätscheln, Kartätsche, Jädt, Rätsel, Städte, tätscheln
2. spricht man kurzes offenes e [s] :
a) vor x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht unter
Absatz A, 1 erfaßt): s
hätte [het°], mästen [meßt'n], Härte [h^rt0], Wäldchen [weltch°n]
b) bei folgendem ß, wenn andere Formen nicht -äß- oder -aß-,
sondern -äss- oder -ass- haben:
läßt [leßt] (daneben nicht: läßest, sondern: lässest)
42 Der Laut

B. Unbetont spricht man kurzes offenes e [§] (zum Teil langes offenes
e [«•]):
Ästhet [gßt6t], Äthyl [gttl-1] (auch: [g-tti-1])

a
Man spricht langes a [a-] in tschechischen und ungarischen Wörtern:
Dvoräk [dwQrseha-k], Csärdäs [tschardasch]

\
a
Man spricht kurzes a [a]:
k jour [asehu-r], ä la carte La la kart]

Ä
Man spricht kurzes offenes o [q] :
Ängström [ongßtrö-m]
aa
1. Man spricht langes a [a*] in einfachen deutschen Wörtern:
Aal [al], Waage [wa gcl

2. Man spricht wie a und a in einigen fremden Namen und an der Wort¬
grenze :
Kanaan [ka na|an], Asthmaanfall [aßtma|anfal]

ah
1. Man spricht langes geschlossenes a [a ] in einfachen deutschen Wörtern
(h ist stumm):
mahne [ma n0], nah [na ], sahst [sa ßt]

2. Man spricht wie a und h:


a) in:
aha! [aha-], ahoi! [ahtfi], Ahorn [a-liQrn]
b) an der Wortgrenze:
daher [da|hc r], schemahaft [sche ma|haft]
c) in Fremdwörtern:
Mahagoni [mahagö-ni], Mahonie [maho ni0]

äh
Man spricht langes offenes e [*£•] in einfachen deutschen Wörtern (h ist
stumm):
mähe [me c], näht [ng-t], zäh [zg ]

ai
1. Man spricht den Diphthong [ai] in einfachen deutschen Wörtern und
in einzelnen Fremdwörtern:
Maid [mait], Hai [hai], Taifun [taifü-n]
Von den Buchstaben zu den Laute^ (Aussprachelehre) 43

2. Man spricht betont langes offenes e [§•], unbetont kurzes offenes e [§]
in französischen Wörtern:
Chaise [schg-s®], Defaitist [defetißt]

3. Man spricht langes geschlossenes e [e ] in englischen Wörtern:


Mailcoach [me-lko-tsch]

4. Man spricht wie a und i an der Wortgrenze und in einzelnen Fremd¬


wörtern :
Malariaindex [mala-ria|indckß], prosaisch [prosä,-lisch], Mosaik [mosa|i-k]

am
Man spricht nasales e [q Bg] in französischen Wörtern am Wortende und
vor Konsonant:
Refrain [rcfr£”*], Saint-Simonist [ße "•ßimonfßt]

am
Man spricht nasales a [a,,g] in französischen Wörtern vor Konsonant:
Chambre [scha,,Kbr]

an
Man spricht nasales a [aMg] in vielen französischen Wörtern am Wortende
und vor Konsonant:
Cancan [ka"*kä,"*], Orange [ora^sch®], va banqne [waba**k]

ao
Man spricht wie a and o
Kaolin [ka|oli-n], Kakao [kak&-|o]

au
1. Man spricht den Diphthong [au] in einfachen deutschen Wörtern und
in den meisten nichtenglischen und nichtfranzösischen Fremdwörtern:
Auto [auto], bauen [bau'n], Haus [hauß]

2. Man spricht betont langes geschlossenes o [o-] in französischen


Wörtern:
Hausse [ho-ßc]

3. Man spricht unbetont kurzes geschlossenes o [o] oder kurzes offenes*


o [q] in französischen Wörtern:
Chaussee [schoßc-J, Chauffeur [schofo r]

4. Man spricht wie a und u in einigen fremden Namen und an der


Wortgrenze:
Kapernaum [kapcrnaluni], Galauniform [gala|uniform]
44 Der Laut

äu
1. Man spricht den Diphthong [Qi] in einfachen deutschen Wörtern:
Häuser [hQiser], täuschen [tQisch°n]

2. Man spricht wie ä und u:


Apogäum [apog^ lum], Jubiläum [jubil£-|um], Trochäus [troeh^ luß]

aw
Man spricht langes offenes o [q-] in englischen Wörtern:
Yawl [jQ-1]

ay
1. Man spricht den Diphthong [ai] in deutschen Namen:
Bayer [bai'r], Mayer [mai'r]

2. Man spricht langes geschlossenes e [e*] in englischen Wörtern:


Okay [ok6]

b
1. Man spricht [b]:
a) am Wortanfang:
Bach [baeh], blau [blau]

b) vor Vokal im Inneren einfacher Wörter:


Gabel [ga b*l], Narbe [narbe]

c) vor 1, n, r, wenn sie zum Stamm gehören:


kable [ka ble] (Stamm: kab(e)l), ebnen [e bnen], (Stamm: eb(e)n)

d) in den lateinischen Präfixen ab- (meistens vor Vokal und 1), ob-
(vor Vokal und meistens vor 1), sub- (zum Teil vor Vokal und vor 1):
Abitur [abitü-r], obligatorisch [öbligatörjsch], sublim [subli-m]

2. Man spricht [p]:


a) am Wortende in einfachen und zusammengesetzten Wörtern sowie
vor den Ableitungssilben -bar, -chen, -haft, -heit, -lein, -lieh, -ling,
-lings, -los, -nis, -sal, -sam, -sei, -schaft, -tum, -wärts:
ab [ap], Klub [kipp], Sieb [si-p], Staubtuch [schtauptu-eh], lieblich [liplich]

b) vor stimmlosen Konsonanten, vor d:


Erbse [erpß0], lebte [le-pte], Gelübde [g°lüpdc]

c) in den lateinischen Präfixen ab-, ob-, sub- (ausgenommen die Fälle


unter Absatz 1, d):
absurd [aps^rt], Objekt [Qpjfckt], Subjekt [sppj£kt]

bb
1. Man spricht ein [b] in einfachen Wörtern vor Vokal, 1, r:
Ebbe [ebe], krabblig [krabljch], knabbre [knabre]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 45

2. Man spricht ein [p] vor stimmlosen Konsonanten, am Stammende


in zusammengesetzten Wörtern und vor den Ableitungssilben -bar,
-chen usw. (vgl. b, Absatz 2, a):
ebbt [ept], Schrubbmittel [schrupmit'l], Kräbbcnen [krepch'n]

3. Man spricht wie b und b an der Wortgrenze:


abbrechen [apjbrech'n], Schrubbesen [schrup|be-scn]

C
1. Man spricht [k] vor a, o, u, 1, r:
Cafe [kaf<H. Cour [ku r], Clown [klaun], Crew fkrir]

2. Man spricht [z] vor ä, e, i, y in lateinischen und griechischen Wörtern:


Cäsar [z^-sar], Circe [zirze], Cyrenaika [ztirenä-ika]

3. Man spricht stimmloses („scharfes“) s [ß] vor e, i, y in englischen,


französischen und spanischen Wörtern:
Cent [ßent], Farce [farß0], Centavo [ßentä-wo]

4. Man spricht [tsch] vor e, i in italienischen Wörtern:


Cembalo [tschcmbalo], Cinquecento [tschingkwetsch£nto]

<5
Man spricht stimmloses („scharfes“) s [ß]:
Apercu [aperßü-], Curacao [kuraßäo]

cch
Man spricht [k] in italienischen Wörtern:
Malocchio [tnaltfkio]

CC1
Man spricht [tsch] vor Vokal in italienischen Wörtern:
Boccia [botscha]

ch
1. Man spricht [ch] (Ich-Laut):
a) nach Konsonanten, nach ä, e, i, ö, ü, y und nach den beiden Diph¬
thongen [ai], [Qi] (geschrieben: ai, ei, äu, eu):
manch [manch], nächst [nechßt], Mechanik [mechä*nik], ich [ich]

b) in der Ableitungssilbe -chen:


Frauchen [frauch'n], Häuschen [hoißch'n]

c) in Fremdwörtern vor e, i, y, in seltenen Fremdwörtern (vor allem


griechischer Herkunft) auch vor a, o und vor Konsonanten:
Chemie [chemi ], Chirurg [chiryrk], Chorograpjiie [chorografi ], chthonisch
[chto nisch]; aber: Orchester [qrk^st'r]
46 Der Laut

2. Man spricht [eh] (Ach-Laut):


a) nach a. o. u und nach dem Diphthong [au] (geschrieben au):
mache (.mach0], autoclithon [autoehtö-n], Tuch [tu-ehj, Kauch [raueh]
b) selten am Wortanfang:
Charkow [eharkof], meist [charkof]

3. Man spricht [k]:


a) in griechischen Wörtern (besonders am Wortanfang) vor a, o, 1, r:
Chaos [ka-Qß], Chor [ko-rj, Melancholie [melangkoli*], Chlor [klo-r], Christ
[krißt]

b) in italienischen Wörtern:
Chianti [kiänti], Marchese [marke-sei

4. Man spricht [sch] in französischen Wörtern:


Chassis [schaßi-J, Cochon [koscho"*]

5. Man spricht [tsch] oder [sch] in einigen bekannteren englischen


Wörtern:
chartern [tscharturnj, (oder: [schart°rn])

6. Man spricht [tsch] in den meisten englischen Wörtern:


Chesterkäse [tschestcrke-sL], China-Clay [tschain'kle-]

7. Man spricht [tsch] in spanischen Wörtern:


Gaucho [gautscho], Sancho Pansa [ßantscho panßa]

chs
1. Man spricht [kß] (wie x) in einfachen Wörtern, wenn das s in chs zum
Stamm gehört:
Buchs (Buchsbaum) [bykßj, Ochse [okße], sechs [sykß], wachsen [wakß'n]

2. Man spricht wie ch und s, wenn das s in chs nicht zum Stamm gehört,
oder an der Wortgrenze:
Buch-s (Buches) [bu-ehß], Buch-seite [bu-eh|saitc]

CI

Man spricht [tsch] in italienischen Wörtern vor a, e, o, u:


Ciacona [tschakö-na]

ck
Man spricht [k] in einfachen Wörtern:
Bock [bok], Hecke [hyk°]

CS

Man spricht [tsch] in ungarischen Wörtern:


Csärd'äs [tscha rda-sch]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 47

d
1. Man spricht [d]:
a) am Wortanfang:
Dame [da*mc], drei [drai]
b) vor Vokal im Inneren einfacher Wörter (Ausnahmen vgl. 2, b, c):
baden [ba-d°n], Halde [halde]
c) vor 1, n, r, wenn sie zum Stamm gehören:
Handlung [Handlung] (.Stamm: hand(e)l), rudre [rirdrc] (Stamm: rud(e)r)

d) im lateinischen Präfix ad- vor Vokal oder r:


adoptieren [adoptir'm], Adrenalin [adrenali-n]

2. Man spricht [t]:


a) am Wortende in einfachen und zusammengesetzten Wörtern sowie
vor den Ableitungssilben -bar, -chen usw. (vgl. b, Absatz 2, a):
Bad [ba t], Badball [ra-tbal], leidlich [laitlich]
b) im lateinischen Präfix ad- vor Konsonant (außer vor r):
Adjunkt [atjvmgkc], Advokat. |at\vokä-t]
c) vor m:
Admiral [atmirälf widmen hvitm'nj

3. d ist stumm am Wortende in einigen französischen Wörtern:


Boulevard [bur'wa r), Fond (fo "HJ

1. Man spricht ein |d] in einfachen Wörtern:


Kladde [klad"], paddle [padf]

2. Man spricht wie d und d an der Wortgrenze:


Raddampfer fra-t|dampf"r ]
ds
1. Man spricht [z] am Wortende:
Leids [laiz], Bads |raz]

2. Man spricht wie d und s an der Wortgrenze:


beredsam [b’re • t|sa-m ]

lisch
1. Man spricht fdseh] in einfachen Wörtern:
Dschungel [ds<4iung’i], Badscha Iradseha]

2. An der Wortgrenze spricht man wie d und sch oder wie ds und ch:
Radschlagen [ra t|schla-g'iil, Hundscharakter [hunz|karaktcr]

dt
1. Man spricht ein [t] in einfachen Wörtern:
beredt [b're t], lädt [lc t], Städte [schtg t0]

2. Man spricht wie d und t an der Wortgrenze:


Erdteil [e rt|tail], leidtragend [lait|tra-gcnt]
48 Der Laut

]. spricht man langes geschlossenes e [e ]:


a) wenn im Stamm nur ein Konsonant (außer ß oder x), nur ph
oder nur th folgt (vgl. aber B, 1, g) :
dem [de-m], den [de-n], der [de r] (wenn als Pronomina gebraucht); er
[e r], leb-en [le;bcn], leb-t [le-pt], Weg [we-k], wer [we-r], Ethik [e-tik]

b) wenn mehrere Konsonanten folgen, aber eine Nebenform oder


der Stamm langes geschlossenes e [e*] hat:
edle [e dlc] (Nebenform: edele [e-dT])
regnen [re-gncn] (Stamm: reg(e)n [re-g(e)n])

c) vor den Konsonantengruppen bl, br, dl, dr, gl, gr, kl, kr, phl,
phr, pl, pr, qu, thl, thr, tl, tr (einfache Wörter) :
Allegro [al6-gro], Exequien [<jkß6-kwien], Metrik [me-trik]

d) vor ausgesprochenem, zur nächsten Silbe gehörendem Vokal:


Kreas [kre|aß], Museum [mus6-|lim]

e) am Wortende:
Akme [akm6], je [je ], Koine [koinö-]

f) in:
beredt, Beschwerde, Erde, erst, Erz, Herd, Herde, Kebse, Keks, Krebs,
nebst, Pferd, Schwert, stets, werden, Wert, wert

2. spricht man kurzes offenes e [$]:


a) vor ß, vor x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht
unter Absatz A, 1 erfaßt):
Dreß [dreß], Hexe [hekß0], Erbse [erpßc], messen [meß°n]
b) in:
ces, Chef, des, es, fes, ges, Herberge, Herzog, Hotel, Karamel, Rebhuhn,
Relief [reli£f], weg, wes

3. spricht man* kurzes geschlossenes e [e] in einigen italienischen


Wörtern (dafür spricht man nach Absatz A, 2, a auch kurzes
offenes e [§]):
Arpeggio [arp6dseho] (neben: [arpedseho])
Grandezza [grandeza] (neben: [grandeza])

4. spricht man langes geschlossenes a [a*] in:


Clerk [kla rk]

B. Unbetont
1. spricht man kurzes geschlossenes e [e]:
a) vor einem Konsonanten (außer x), vor bl, br, dl, dr, gl, gr, kl,
kr, ph, phl, phr, pl, pr, qu, th, thl, thr, tl, tr + Vokal (einfache
Wörter):
Neglig6 [negliseh^ ], Nephritis [nefri tiß], Frequenz [frekwgnz], Methan
[metdn]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 49

b) vor ausgesprochenem, zur nächsten Silbe gehörendem Vokal:


Geograph [ge|ogrd-f], Koffein [kgfe|i-n], Lineal [line|d-l]
c) am Wortende nach ausgesprochenem, zur vorhergehenden
Silbe gehörendem Vokal (Fremdwörter):
Aloe [a-loje], Benzoe [bgnzole]
d) am Wortende nach Konsonant in einigen Fremdwörtern, be¬
sonders in italienischen, griechischen und lateinischen Wörtern,
wenn das e bereits in diesen Sprachen besteht:
"andante [anddnte], Psyche [pßü-che], Faksimile [fak|si*mile]
e) meistens in den lateinischen Präfixen de- und re-:
desperat [deßperd-tl, Reflex [refl£kß]
f) in:
lebendig [lebgndich]
g) in:
dem [dem], den [den], der [der] (wenn als Artikel gebraucht); er [er] (wenn
unbetont)

2. spricht man kurzes offenes e [$] :


a) vor x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht unter
Absatz B, 1 erfaßt):
Infektion [infckzid-n]

b) am Wortende vor Konsonant in Fremdwörtern, besonders


wenn das Wort wie in der Fremdsprache endet:
Index [indekß], Karies [ka ri|gß], Präsens [prg-senß], Requiem [re-kwi|em],
Volumen [wolü ingn]
c) in emp-, ent-, er-, her-, ver-, zer-:
Empfang [gmlpfäng], Erlaß [grldß], herein [herdin], Verlust [ferlyßt]

d) in:
Elen [e ien], Elend [elcnt], vollends [fQlenz]

3. spricht man den mittleren Laut [e] („schwaches, dumpfes, ge¬


murmeltes e“):
a) in deutschen Wörtern, vor allem in Endungen :.
Atem [at*m], rostet [rQßtct], saubererer [saub'rVr], unsere [unscrc]
b) in den Präfixen bu- und ge-:
beobachten [b^ baeht^n], geeignet [gedignct], Gewand [g'wdnt]

c) bei griechischen, lateinischen und anderen Fremdwörtern in


der Endung, besonders wenn sie von der fremden Endung ver¬
schieden ist:
Synthese [sünte s®], Plebejer [plebe j*r], Sonate [sond tc]

d) manchmal in griechischen und lateinischen Wörtern vor 1 oder


r bei folgendem Vokal:
kannelieren [kan°H r°n], Dysenterie [düsenteri ], General [gen'rd l]

e) oft in französischen Wörtern in unbetonter, nichtletzter Silbe:


Jeton IfSeh'to "*], Paletot [paPto], Refrain [refr$""]
50 Der Laut

f) oft am Wortende in französischen Wörtern nach Konsonant,


wobei das [e] in gewissen Wörtern auch ausfallen kann:
Garage [gardseh0], Melange [meld"®sehc] (neben: [melä^seb])

C. e ist stumm
1. am Wortende nach Vokal in französischen Wörtern:
Lieue [liö-]> Revue [rcwl'i]

2. manchmal am Wortende nach Konsonant in französischen Wör¬


tern :
Bonhomme [bon<5m], College [kgle-seh]

Man spricht in französichen Wörtern betont langes geschlossenes e [e-],


unbetont kurzes geschlossenes e [e]:
Cafe [kafe-], Seance [ßeä."*ße], Separ6e [ßepare]

e
Man spricht betont langes offenes e [$•], unbetont kurzes offenes e [q]:
Tete-ä-tete [tetaty-t]

ea
1. In englischen Wörtern spricht man:
a) meistens langes geschlossenes i [i-]:
Clearing [kli-riug], Seal [ßil]

b) kurzes offenes e'[e] in:


Commonwealth [kompmvelth]

2. Sonst spricht man wie e und a:


Kornea [kgrne|a], real [re|ä l]

eau
1. ln französischen Wörtern spricht man betont langes geschlossenes
o [o-], unbetont kurzes geschlossenes o [o]:
Niveau [niwö-J, Beautö [botö * ]

2. An der Wortgrenze spricht man wie e und au oder wie ea und u:


beaugapfeln [bcfdugapfcln], Korneaulkus [kornealylkyß]

ee
1. Man spricht in französischen und in einfachen deutschen Wörtern
a) betont langes geschlossenes e [e-]:
Idee [id6 ], leer [1e r], See [se*]

b) unbetont kurzes geschlossenes e [e]:


Kaffee [kafe]
Von den Buchstaben zu den Lauten. (Aussprachelehre) 51

2. Man spricht langes geschlossenes i [i-] in englischen Wörtern:


Jeep [dsehip], Spleen [ßplin]
3. Sonst spricht man wie e und e:
beerben [bu|£rbcn], reell [relcl]
f
ee
Man spricht langes geschlossenes e [e ] in französischen Wörtern:
Dragee [drasehe-]. Separee [ßcpare ]

eh
1. Man spricht langes geschlossenes e [e ] in einfachen deutschen Wörtern
(h ist stumm):
Ehe [e-“], gehen [ge 'nj, wehren [we-r'n], Weh [we-], weht [we t]

2. An der Wortgrenze und in Fremdwörtern spricht man wie e und h:


behaupten [bLMuptcn], Gehilfe [g'hilf1*], Vehikel [wchik‘1]

ei
1. Man spricht den Diphthong [ai] in einigen griechischen und in ein¬
fachen deutschen Wörtern:
Eidetik [aide tik], Bein [bain], Eis [aiß]

2. Man spricht langes offenes e [$•] in französischen Wörtern:


beige [be-seh]

3. An der Wortgrenze und in den meisten Fremdwörtern spricht man


wie e und i:
beirren [bc|ir‘n], Äncide [cne|Hlc], eis [e-|iß], Koffein [kofe|i*n]

eih
1. Man spricht [ai] in einfachen deutschen Wörtern (h ist stumm):
leiht [la.it], Reihe trai1'], Weih [wai]

2. An der Wortgrenze spricht man wie ei und h oder wie e und ih:
Eihaut [ai|hautf Freiheit |frai|hait], geihrzt [g°|i-rzt]

ein
Man spricht nasales e [e"g] vor Konsonant in französischen Wörtern:
Tleinpouvoir [plc1Hrpuwod-r], Teint [tc**]

em
Man spricht nasales a [a**8] vor Konsonant in französischen Wörtern:
Ensemble [a,"*ßdH*bl]
en
In französischen Wörtern spricht man:
1. nasales a [a**8] vor Konsonant:
Detente |deta'"'t|. l’eiulant Ipa^dd**]
52 Der Laut

2. nasales e [$ Bg] nach i oder y am Wortende:


Ancien rögime [a^ßi^resehi-m], Citoyen [ßitoaj£**], Doyen [doaj£"*]

er
In französischen Wörtern spricht man langes geschlossenes e [e ] am
Wortende nach Konsonant:
Baiser [bes6], Diner [dinö ]
ere
1. Man spricht [e-rc] am Wortende in französischen Wörtern:
Portiere [portie r0], Tabatiere [tabatie rc]

2. Man spricht [e re] am Wortende in italienischen Wörtern:


Gondoliere [gondoli£re], Karabiniere [karabinie re]

eu
1. Man spricht den Diphthong [Qi] in einfachen deutschen Wörtern und
in griechischen Wörtern:
euer [Qi*r], heute [hoitc], Euphorie [oifori-]

2. In französischen Wörtern spricht man:


a) betont langes geschlossenes ö [ö*]:
Charmeuse [scharmös], Redakteur [redaktör]
b) unbetont kurzes geschlossenes ö [ö]:
Dejeuner [desehön6 ]

3. An der Wortgrenze und in den meisten anderssprachigen Fremd¬


wörtern spricht man wie e und u:
beurteilen [b0|Cirtail°n], Eheurkunde [e °|u-rkund°], Museum [muse lum]

ew
Man spricht [ju ] in englischen Wörtern:
New Deal [nju- di-1], Steward [ßtju-°rt]

ey
Man spricht kurzes geschlossenes i [i] (häufigere Aussprache) oder kurzes
offenes i [i] (neuere, weniger häufige Aussprache) in englischen Wörtern
am Wortende:
Hockey [hoki] (oder: [hoki])
f
Man spricht [f] in einfachen Wörtern:
auf [auf], Fach [faeh]
fr
1. Man spricht ein [f] in einfachen Wörtern:
Affäre [affc-r6], Affe [afe], Muff [mpf]

2. Man spricht wie f und f an der Wortgrenze:


Lauffeuer [lauf|foicr], Schiffahrt [schif|fa-rt]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelekre) 53

g
1. Man spricht [g]:
a) am Wortanfang (Ausnahmen vgl. Absatz 4 u. 5):
Gas [ga-ß], gleich [glaich], grau [grau]

b) vor Vokal im Inneren einfacher Wörter:


Felge [felg0], Lage [la g0], Sorge [sorg0]

c) vor 1, m, n, r, wenn sie zum Stamm gehören:


segle [se*gl°] (Stamm: seg(e)l), Signal [signäl] (Stamm: sign)

2. Man spricht [k]:


a) am Wortende in einfachen und in zusammengesetzten Wörtern
sowie vor den Ableitungssilben -bar, -chen usw. (vgl. b, Absatz 2, a):
lag [la k], Tragbahre [trakbar0], tragbar [tra kba r]

b) vor stimmlosen Konsonanten, vor d:


bugsieren [bukßir°n], legte [le-kt*], Mägde [me*kdc]

3. Man spricht [ch] in der Endung -ig:


a) am Wortende:
einig [ainich], König [kö-nich], zweisprachig [zwaischpraehich]

b) vor Konsonant, wenn nicht -lieh oder -reich folgt:


vereinigt [feräinicht] (aber: königlich [kö-niklich], Königreich [kö nikraich])

4. Man spricht [seh] vor allem in französischen Wörtern vor e, i:


Garage [garä seh0], Gelee [sehele], Gilet [sehite-]

5. Man spricht [dseh] in italienischen, zum Teil in englischen Wörtern


vor e, i:
Girandola [dsebirdndola], Gentleman [d9ehontrm0n]

gg
1. Man spricht ein [g] in einfachen Wörtern vor Vokal, 1, r:
Egge [eg°], Ros.-gen [rog°n]

2. Man spricht ein [k] vor stimmlosen Konsonanten, am Stammende in


zusammengesetzten Wörtern und vor den Ableitungssilben -bar, -chen
usw. (vgl. b, Absatz 2, a):
eggte [ckt°], Eggzeit [ekzait], eggbar [ekba-r]

3. Man spricht wie g und g an der Wortgrenze:


Berggeist [berkgaißt], Weggang [wekgang]

ggi
Man spricht [dseh] in italienischen Wörtern vor a, o, u, sonst [deehi]:
Arpeggio [arpedseho], Arpeggi [arpedsehi]
54 Der Laut

gio
1. Man spricht [ds<eh] in italienischen Wörtern vor a, o, u:
Adagio [add-dscho]

2. Sonst spricht man wie g, i, o:


Hagiologie [hagiologi • ]

gH
1. Man spricht [lj] in italienischen Wörtern vor a, e, o, u:
Passacaglia [paßakdlja]

2. Sonst wird wie g und li gesprochen:


englisch [englisch], hüglig [hü güch]

gn
1. Man spricht [nj] in französischen und italienischen Wörtern:
Champagner [schampdnj°r], Bagno [banjoj

2. Sonst spricht man wie g und n:


Signal [signd-1], Wegnahme [wekna-me]


1. Man spricht [g] in englischen, französischen und spanischen Wörtern
vor e, i:
Guinee [gine-], Guillotine [gijoti*ne], Guerrilla [gedlja]

2. Sonst spricht man wie g und u:


Gummi [gpmi], Jaguar [ja-guar]

h
1. Man spricht [h] (h wird ausgesprochen):
a) am Wortanfang der deutschen und der meisten Fremdwörter:
Hals [halß], Hausse [ho ßR], Hymne [hümnc]
b) nach der Wortgrenze in nichteinfachen deutschen Wörtern:
da-heim [dahdim], ver-haften [fcrhdft'n]
c) in Ausrufewörtern vor Vokal:
ahoi! [ahtfi], oho! [ohö-]
d) in:
Ahorn [a horn], Oheim [o-haim], Uhu [u-hu]
e) im Inneren der meisten Fremdwörter:
Mahagoni [mahagd ni], Vehikel [wehi k'l]

2. Man spricht h nicht aus (h ist stumm):


a) im Inneren und am Ende einfacher deutscher Wörter:
Ehe [e-c], geht [ge-1], Weh [we-]
b) im Inneren und oft am Anfang französischer Wörter:
Bonhomie [bonomi ], Honneurs [QnÖ-rß]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 55

A. Betont

1. spricht man langes geschlossenes i [i-]:

a) wenn im Stamm nur ein Konsonant (außer x), nur ph oder


nur th folgt:
gib [gip], gib-t [gi pt], Latrine [latrl-n*], Tarif [tarl-f], wider [wid'r], wir
[wir], Sipho [si-fo]

b) vor den Konsonantengruppen bl, br, dl, dr, gl, gr, kl, kr, phl,
phr, pl, pr, qu, thl, thr, tl, tr (einfache Wörter):
Iglu [i-glu], Reliquie [reli kwi*], Mitra [mi tra]

c) vor ausgesprochenem, zur nächsten Silbe gehörendem Vokal:


Trias [tri-laß], Trio [tri|o], via [wi|a]

d) am Wortende:
Kikeriki [kikrriki-], Pi [pi-], Schi [schi ]

e) in:
Haschisch, Nische

2. spricht man kurzes offenes i [i]:

a) vor ß, vor x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht


unter Absatz A, 1 erfaßt):
Biß [biß], mixen [mikß'h], List [lißt], Wissen [wiß'n]

b) zuweilen in der Fachsprache in der Endung -it (chemisch,


mineralogisch):
Sulfit [sylfit] (neben: [sylff-t])

c) in:
April, bim, cis, Clique [klikc], dis, Finish [fjnisch], Flip, Gambit, gis, Him¬
beere, his, Kapitel, Tip, Trafik

d) in folgenden Wörtern, ob betont oder nicht:


bin, bis, hin, im, in, mit

3. spricht man kurzes geschlossenes i [i] in einigen wenigen Fremd¬


wörtern :
Affiche [afisch0] (neben: [afisch®]), Aperitif [aperitif]

4. spricht man kurzes offenes ö [q] in englischen Wörtern vor r am


Wortende oder bei folgendem Konsonanten:
Sir [ßQr], Flirt [flört]
56 Der Laut

B. Unbetont

1. spricht man kurzes geschlossenes i [i]:


a) vor einem Konsonanten (außer x), vor bl, br, dl, dr, gl, gr,
kl, kr, ph, phl, phr, pl, pr, qu, th, thl, thr, tl, tr + Vokal (ein¬
fache Wörter):
Antiquität [antikwite-t], Diplom [diplö-m]

b) vor ausgesprochenem Vokal:


Natrium [na-tripm], Portion [pprziö-n]

c) am Wortende:
Alibi [alibi], Gummi [gpmi], Juli [juli]

d) in einigen französischen Wörtern vor mehreren Konsonanten:


Ficlm [fisclUr], Klischee [klischc-]

2. spricht man kurzes offenes i [i]:


a) vor x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht unter Ab¬
satz B, 1 erfaßt):
fixieren [fikßi-r'n], Kristall [krißtäl], Million [mjliö-n]

b) am Wortende vor Konsonant:


Defizit [de*flzit], gratis [gra tiß], Saphir [sa-fir], Tänzerin [tenz'rin], zeit¬
lich [zaitlich]

c) in dem Suffix -ig am Wortende, vor Vokal oder vor Konsonant


und in dem Suffix -iker:
einig [ainich], einigen [ainig°n], geeinigt [g°äinicht], Techniker [technjkcr]

3. spricht man langes geschlossenes i [i-]:


a) in -im (hebräische Mehrzahl), in -[l]in (Personennamen), in -iv
und in schurigeln:
Cherubim [che rubi m], Hölderlin [h§lderli-n], Passiv [paßi-f]

b) vereinzelt in -in (Gattungsnamen), -ir und -is:


Baldachin [baldaehi n], Vampir [wampi-r], Exlibris [ekßli-bri ß]

ie
A. Man spricht einen Laut in einfachen Wörtern, und zwar:
1. langes geschlossenes i [i-]:
a) wenn im Stamm ein oder mehrere Konsonanten folgen:
parkieren [parki-r'n], Tier [ti r], Biest [bi ßt], riecht [ri eht]

b) wenn e (ausgesprochen [e]) folgt:


geschrieen [g°schri*cn]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprächelehre) 57

c) betont in nichtflektierten Wörtern, in Pronomen, in der Ein¬


zahl von Substantiven, in Verbalformen auf -ie, -ien, -iest, -iet-:
wie [wi-], die [di ], sie [si*], Knie (Einzahl) [kni-J, Kolonie [koloni-]. knie!
[kni-], schrie [schri], knien [kni-n], schriest [schri-ßt], knietest [kni-t'ßt]

2. betont kurzes offenes i [i] in:


Viertel, vierzehn, vierzig

3. unbetont kurzes geschlossenes i [i] in:


die [di] (Artikel), vielleicht [filäicht], vielmehr

B. Man spricht wie i und e:

1. betont in den Mehrzahlformen von Substantiven auf -ie, -ien,


-ier und in -iend:
Knie (Mehrzahl) [kni-f], Kolonien [kolom cn], Schier [schi-*r], kniend [kni-*nt]

2. in Fremdwörtern:
a) bei unbetontem i und e:
dielektrisch [di|el£ktrisch], Studie [schtu di*]

b) bei betontem e:
Diese [dilö s0], Triere [tri|6 r°]

c) vereinzelt, wenn i betont ist:


Chrie [chri-0]

3. an der Wortgrenze:
Gummielastikum [gumi|eläßtikum]

ieh
1. Man spricht langes geschlossenes i [i-] in einfachen Wörtern (h ist
stumm):
lieh [li], ziehst [zi-ßt], ziehen [zi 'n]

2. Man spricht wie ie und h oder wie i und eh an der Wortgrenze:


kniehoch [kni- o-eh], Dreiehe [drai|e-*]

ier
In der französischen Endung -ier spricht man:
1. zum Teil [1t]:
Barbier [barbl-r], Offizier [ofizi-r]

2. zum Teil [ie ]:


Bankier [bangki6-], Portier [porti6 ]

igh
Man spricht [ai] in englischen Wörtern:
all right [q-1 rait]
58 Der Laut

m
Man spricht in französischen Wörtern nach Vokal:
i- m=
mouillieren [mujir'n]

2. [lj]:
Kanaille [kan&lj*]

im
Man spricht nasales e [$ "*] in französischen Wörtern vor Konsonant:
Timbre [te**br]

m
Man spricht nasales e [e Bg] in französischen Wörtern am Wortende und
vor Konsonant:
Bassin [baße**], Inseparables [o"*ßeparabl]

j
1. Man spricht [seh] in französischen Wörtern:
Journalist [sehurnalißt]

2. Man spricht [dsefe] in englischen Wörtern:


Jam [dsekem], Jeep [dsehi-p]

3. Man spricht [eh] in spanischen Wörtern:


Don Juan [don ehudn]

4. Man spricht [j] in anderssprachigen und deutschen Wörtern:


junior [ju nior], Boje [bo*j°], Jagd [ja kt]

k
Man spricht [k]:
kalt [kalt], Kino [ki-no], Kognak [konjak]

kk
1. Man spricht ein [k] in einfachen Wörtern:
Kokke [kok*], Okkasion [okasiö-n]

2. Man spricht wie k und k an der Wortgrenze:


starkknochig [schtark|knoehich], Werkküche [work|küche]

kn
1. Man spricht [n] (k ist stumm) am Anfang englischer Wörter:
knockout [nok&ut]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 59

2. Sonst spricht man wie k und n:


Knie [kni-], Knollen [kngl'n]

kq
Man spricht ein [k] in einfachen Wörtern:
Akquisition [akwisiziö n]
1
1. Man spricht [1]:
Land [lant], Feld [feit], Teil [tail]

2. In den folgenden Wörtern spricht man 1 nicht aus:


Detail [detdi], Fauteuil [fotö-j], Serail [seräi]

11
1. Man spricht ein [1] in einfachen deutschen und in den meisten Fremd¬
wörtern :
alle [alc], fülle [fül°L Kristall [krjßtdl]

2. Man spricht wie 1 und 1 an der Wortgrenze:


wahllos [wa l|lo ß] (Ausnahme: vielleicht [flldicht])

3. Man spricht [lj] in einigen französischen und spanischen Wörtern:


brillant [brjljdnt], Kamarilla [kamarilja]

4. Man spricht [j] in einigen französischen Wörtern:


Guillotine [gijoti-n°]

m
Man spricht [m]:
mischen [misch'n], Lampe [lamp®], kam [ka m]

mm
1. Man spricht ein [m] in einfachen Wörtern:
Amme [am*], kommun [komü-n]

2. Man spricht wie m und m an der Wortgrenze:


Baummarder [baum|mard°r], Ohmmeter [o-m|me-t*r]

n
1. .Man spricht [n]:
a) in einfachen deutschen Wörtern (außer vor g und k):
nein [nain], manch [manch]. Plan [pla n]

b) an der Wortgrenze:
Eingang [aingaug], Methangas [metd-nga-ß]

c) in Fremdwörtern außer vor g, k, qu, x (Ausnahmen vgl. d):


Koncha [koncha], Insulin [insuli n]
60 Der Laut

d) in den lateinischen und griechischen Präfixen in-, kon-, en-, syn-:


Kongress [kongreß], Enkaustik [enkäußtik], Synthese [sünt6-se]

2. Man spricht [ßg]:


a) in einfachen deutschen Wörtern vor k:
sinken [singk*n], wanken [wangk'n]
b) in Fremdwörtern vor g, k, qu, x (Ausnahmen vgl. 1, d; ng, Ab¬
satz 1, b; ng Absatz 2):
Delinquent. [delingkw£nt], Sphinx [ßfingkß], Tango [tanggo]

n
Man spricht [nj]:
Senor [ßenjqr]
ng
1. Man spricht [ng] (einen Laut):
a) in einfachen deutschen Wörtern:
Angst [angßt], bringen [bring'n], Zeitung [zaitung]
b) in einigen Fremdwörtern:
Dschungel [dsehung'l], Gong [gQftg], Swing [ßwjng]

2. Man spricht wie n und g an der Wortgrenze und in einigen Fremd¬


wörtern :
angehen [ange 'n], Ingrainfarbe [ingr^-nfarb*]

nn
1. Man spricht ein [n] in einfachen Wörtern:
Annalen [anä-l'n], Tanne [tan*]

2. Man spricht wie n und n an der Wortgrenze:


Annahme [an|na m8], Bahnnetz [ba n|nez]

o
A. Betont

1. spricht man langes geschlossenes o [o-]:


a) wenn im Stamm nur ein Konsonant (außer x), nur ph oder
nur th folgt:
Lob [lo p], lob-en [lo b"n], lob-t [lo pt], Philosoph [fllosö-f]
b) wenn mehrere Konsonanten folgen, aber eine Nebenform oder
der Stamm langes geschlossenes o hat:
lodre [lo dr°] (Nebenform: lodere [Io-dV])
Jodler [jo dl'r] (Stamm: jod(e)l [jo-d(*)l])
c) bei folgendem ß, wenn andere Formen nicht -oss-, sondern
-oß- haben:
groß [gro-ß] (daneben nicht: grosse, sondern: große)
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 61

d) vor den Konsonantengruppen bl, br, dl, dr, gl, gr, kl, kr, phl,
phr, pl, pr, qu, thl, thr, tl, tr (einfache Wörter):
Kobra [ko-bra], Kolloquium [kolö-kwium]
e) vor ausgesprochenem, zur nächsten Silbe gehörendem Vokal:
Boa [bo |a], Oboe [obö |e]
f) am Wortende:
Büro [bürö], Hallo [halb-], so [so-]

g) in:
Fort [fo-r], hoch, Kloster, Koks, Korps [ko-r], Lotse, Mond, Obst, Ostern,
Propst, prost, Ressort [reßö-r], Trost, Vogt

2. spricht man kurzes offenes o [9]:


a) vor x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht unter Ab¬
satz A, 1 erfaßt):
Boxe [bokßc], Korb [kQrp], Rost [roßt]

b) bei folgendem ß, wenn andere Formen nicht -oß-, sondern -oss-


haben:
Schloß [schloß] (daneben nicht: Schloßes, sondern: Schlosses)
c) in:
Bob, Brombeere, Don, Grog, Gros (12 Dutzend) [groß], Log, Lok, Lorbeer,
Mob, Mop, ob, Rokoko [rokoko], Toque [tok], von, Vorteil

3. spricht man langes offenes o [q ] in sehr wenigen Fremdwörtern:


Ravioli [rawib li] (häufiger: [rawiö li]), Shorts [schQ*rz]

B. Unbetont
1. spricht man kurzes geschlossenes o [o]:
a) vor einem Konsonanten (außer x), vor bl, br, dl, dr, gl, gr, kl,
kr, ph, phl, phr, pl, pr, qu, th, thl, thr, tl, tr + Vokal (einfache
Wörter):
Forelle [for01c], Hoplit [hopli-t], Eloquenz [elokwenz], Kothurn [kotyrn]
b) vor ausgesprochenem Vokal:
Koalition [ko|aliziö-n], Zoologie [zo|ologi ]
c) am Wortende:
Auto [auto], desto [deßto], Trio [tri o]
d) in:
Herzog [hgrzok] (auch: [herzo k])

2. spricht man kurzes offenes o [9]:


a) vor x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht unter Ab¬
satz B, 1 erfaßt):
Oxyd [QkßÜ-t], forcieren [forßi-r'n]
b) am Wortende vor Konsonant:
Alkohol [alkohol], Bischof [bischpf], Faktor [faktor]

3. spricht man langes geschlossenes o [o*] in:


Alkoven [alko w’n], Almosen [almoVn], Kleinod [klaino-t], Korridor [kyrido r]
62 Der Laut

1. spricht man langes geschlossenes ö [ö•]:


a) wenn im Stamm nur ein Konsonant (außer x), nur ph oder nur
th folgt:
lös-en [lö s'nj, lös-t [lö ßt], seriös [seriö-ß], Synalö'phe [stinalö fe]
b) wenn mehrere Konsonanten folgen, aber eine Nebenform oder
der Stamm langes geschlossenes ö [ö-] hat:
trödle [trö-dlc], (Nebenform: trödele [trö-dT]), Trödler [trö-dlcr] (Stamm:
tröd(e)l [trö-d(c)l])
c) bei folgendem ß, wenn andere Formen nicht -öss- oder -oss-,
sondern -öß- oder -oß- haben:
stößt [schtö ßt] (daneben nicht: stossen, sondern: stoßen)
d) wenn verwandte Formen mit langem geschlossenem o [o-] be¬
stehen (vgl.o, Absatz A, 1, g):
höchst [hö-chßt] (zu: hoch [ho-eh]), trösten [trö ßtcn] (zu: Trost [tro ßt])

e) vor Vokal (Ausnahmen vgl. öe):


böig [bö* lieh], Epopöe [epopÖ-|c]
f) am Wortende:
Bö [bö-]

g) in:
Behörde, Börse [bö-rsc] (neben: [bgrsc]), Gehöft, Österreich [ö-ßt'raich,

2. spricht man kurzes offenes ö [q]:


a) vor x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht unter Ab¬
satz A, 1, erfaßt):
Föxchen [fökßch'n], Förster [förßt'r], möchte [möchtc]
b) bei folgendem ß, wenn andere Formen nicht -öß- oder -oß-,
sondern -öss- oder -oss- haben:
Schlößchen [schlgßchun] (daneben nicht: Schlößer, sondern: Schlösser)

B. Unbetont

1. spricht man kurzes geschlossenes ö [ö]:


a) vor einem Konsonanten und vor bl: .
Diözese [diöze s0], ökonomisch [ökonö-misch], möblieren [möbli-r°n]

b) in:
Stöchiometrie [ßtöchiometn-]

2. spricht man kurzes offenes ö [q] vor mehreren Konsonanten (so¬


fern nicht unter Absatz B, 1 erfaßt):
Östrogen [ößtroge n]

3. spricht man langes geschlossenes ö [ö*] in:


Bischöfe [bischö-fc] (neben: [bischgf6]), Herzoge [herzö g*]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 63
)

J oa
Man spricht langes geschlossenes o [o-] in einigen englischen Wörtern:
Roastbeef [ro-ßtbi-fj, Toast [to-ßt]

oe
Man spricht:
1. einen Laut, und zwar:
a) kurzes geschlossenes ö [ö] in:
Oeillet [öjC'-]
b) langes geschlossenes ö [ö-] in einigen Namen:
Goethe [götn]

2. sonst wie o und e:


Poet [pole t], Protozoen [protozö-l'n]

öe
Man spricht:

1. einen Laut, und zwar langes geschlossenes ö [ö-] in -rrhöe (nur Ein¬
zahl) :
Diarrhöe [diarö*], Menorrhoe [menprO-l

2. sonst wie ö und e:


Diarrhöen [diarO-|“n], Epopöe [epopd-f]

oeu
Man spricht langes geschlossenes ö [ö]* in einigen französischen Wörtern:
Coeur [kö-rl, Oeuvre [öwr]

oh
1. Man spricht langes geschlossenes o [o-] in einfachen deutschen Wörtern
(h ist stumm):
Lohe [loM, roh [ro-], wohne [wo-n' ]

2. Man spricht wie o und h:


a) in:
Oheim [o-haiin], oho [oho*]
b) an der Wortgrenze:
Autohandcl [auto|handcl]
c) in Fremdwörtern:
Alkohol [alkohpl]
öh
Man spricht langes geschlossenes ö [ö ] in einfachen deutschen Wörtern
(h ist stumm):
Höhe [hö-c], löhnen [lö-ncn], Öhr [ö r]
64 Der Laut

oi
1. Man spricht den Diphthong [Qi]:
ahoi! [ahtfi], Koine [koine*], Konvoi [konwQi]

2. Man spricht betont [oa*], unbetont [oa] in französischen Wörtern:


Memoiren [memoä.*rcn], Toilette [toal£tc]

3. Man spricht sonst wie o und i:


Heroin (Rauschgift) [hero|i-n], Heroin (Heldin) [herö-|in], heroisch [herö-|isch]

orn
Man spricht [oq”8] in französischen Wörtern vor Konsonant:
Point [po^**], Pointe [poe**tc]

om
Man spricht nasales o [q“8] vor Konsonant in französischen Wörtern:
Komtesse [kQ**tgße], ombriert [o**bri-rt]

on
1. Man spricht nasales o [q*8] am Wortende und vor Konsonanten
(außer h) in einigen französischen Wörtern:
Fasson [faßö**], Bonmot [bQ**mö]

2. Man spricht:
Balkon [balkO***], [balkdng] oder [balkö-n]; Beton [bet$**], [bettfng] oder [betö'n];
Salon [ßalQ**], [saldng] oder [salö-n]; Waggon [wagö"*] oder [wagQftg]

3. Sonst spricht man wie o und n:


Telephon [telefö-n], Ton [to-n]

OO

1. Man spricht langes geschlossenes o [o ] in einfachen deutschen Wör¬


tern und in Kurzformen:
Boot [bot], Moos [moß], Zoo [zo*]

2. Man spricht langes geschlossenes u [u*] in englischen Wörtern:


Boom [bu-m], Looping [lu-ping]

3. Sonst spricht man wie o und o:


Zoologie [zo|ologi*]

OU

1. Betont spricht man meistens langes geschlossenes u [u*] in fran¬


zösischen Wörtern:
Ragout [ragü*], Velours [welü-r]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 65

2. Unbetont spricht man meistens kurzes geschlossenes u [u] in fran¬


zösischen Wörtern:
Boudoir [.budod-r]

3. Man spricht kurzes offenes u [u] in französischen Wörtern auf -ouille


und in Ableitungen davon:
Patrouille [patrplj0], patrouillieren [patrylji-rcn]

4. Man spricht [au] in englischen Wörtern:


Couch [kautsch], Count [kaunt]

5. Sonst spricht man wie o und u:


Autounfall [autolunfal]

OW

Man spricht langes geschlossenes o [o-] bzw. [au] in englischen Wör¬


tern :
Bowle [bo lc], Browning [brauning]

oy
1. Man spricht den Diphthong [Qi] in englischen Wörtern:
Boy [boi], Boykott [bpikot]

2. Man spricht [oaj] in französischen Wörtern:


loyal [loajd-1] -

3. Sonst spricht man wie o und y:


Pseudoyankee [pßpidojengki]

P
1. Man spricht [p]:
Panne [pan0], Oper [o-p°r], Mumps [mumpßj

2. p ist stumm am Wortende in französischen Wörtern


Coup [ku ]

pf
1. Man spricht [pf] (einen Laut) in einfachen Wörtern:
Ivopf [köpf], Pfanne [pfanc], Pflaume [pflaum0]

2. Man spricht wie p und f an der Wortgrenze :


Nonstopflug [nonßtop|flu*k]

ph
1. Man spricht [f] in einfachen Wörtern:
Naphthalin [naftalfn], Photo [fo-to]

2. Man spricht wie p und h an der Wortgrenze:


Kapholländer [kap|holend°r]
66 Der Laut

PP
1. Man spricht ein [p] in einfachen Wörtern:
Appell [apgl], Kappe [kape], zapple [zapl°]

2. Man spricht wie p und p an der Wortgrenze:


Kapprovinz [kap|provinz]

qu
1. Man spricht [kw]:
Qual [kwa-l], Quantum [kwantiim], Reliquie [relikwi®]

2. Man spricht [k] in französischen und spanischen Wörtern:


Quadrille [kadrjlj0], Quarantäne [karant£-nc], Quebracho [kebrätscho]

r
1. Man spricht [r]:
Kerbe [kerb®],/und [rpntj, wer [we*r]

2. r ist stumm am Wortende in Monsieur [meßi6*], Messieurs [meßiö ]


und in der französischen Endung -er (ausgenommen einige Wörter auf
_ier):
Diner [din6-J, Portier [portiä*] (aber: Offizier [Qfizi-r])

rh
1. Man spricht [r] in einfachen Wörtern:
Rheuma [rgima], Rhythmus [riitmpß]

2. Man spricht wie r und h an der Wortgrenze:


wahrhaft [wa r|haft]

rr
1. Man spricht ein r in einfachen Wörtern:
Dürre [dyrc], Narr [nar], Terror [terpr]

2. Man spricht wie r und r an der Wortgrenze:


erraten [er|rä-tcn], Ohrring [o-r|riag]

rrh
1. Man spricht ein [r] in einfachen Wörtern:
Arrhythmie [arütmi ], Katarrh [katär]

2. Man spricht wie rr und h oder r und rh an der Wortgrenze:


Sperrholz [schperlhplz], Niederrhein [ni-d®r|rain]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 67

s
1. Man spricht stimmhaftes („weiches“) s [s]:
a) am Wortanfang vor Vokalen, vor b und g:
Sonne [son°], Wertsache [we-rt|saeh°], Sbirre [sbire], Sgrafflto [sgrafi-to]

b) im Wortinneren zwischen Vokalen:


Hase [ha-s°], These [te-s°]

c) in ls, ms, ns, rs vor Vokalen in einfachen Wörtern:


Bremse [brems0], Ferse [fers0]

d) in einfachen deutschen Wörtern vor 1, m, n, r, wenn Nebenformen


stimmhaftes s haben:
fasle [fa sl°] (Nebenform: fasele [fa-sT]), unsre [pnsr0] (Nebenform: unsere
[iins'r0])

e) in den Ableitungssilben -sal, -sam:


Schicksal [schiksa-1], ratsam [ratsam]

f) in der Ableitungssilbe -sei nach 1, m, n, ng, r:


Füllsel [ftils°l], Anhängsel [anhcngs°l]

2. Man spricht stimmloses („scharfes“) s [ß]:


a) am Wortende:
Gas [ga ß], los [lo-ß], Hausarzt [hauß|a rzt]

b) im Wortanfang vor c [k] [z], ch [ch] [k], f, k, 1, m, n,.ph, qu, r, v,


w, z:
Schisma [ßchißma], Smaragd [ßmaräkt]

c) am Wortanfang vor Vokal in weniger häufig gebrauchten Fremd¬


wörtern, die nicht aus dem Griechischen oder Lateinischen stammen:
Sauna [sauna], Soubrette [ßubr(‘t°]

d) am Wortanfang vor p, t in weniger häufigen Fremdwörtern:


Speech [ßpitsch], Stracchino [ß^aki-no]

e) im Wortinneren vor ausgesprochenem Konsonanten, wenn keine


Nebenformen mit stimmhaftem s bestehen:
Asbest [aßbgßt], Atheismus [atefßmuß]

f) im Wortinneren nach b, ch, ck, f, g, k, p:


Erbse [erpßc], höchst [hö chßt], Ochse [okß0]. Kapsel [kapß°l]

g) im Wortinneren vor c [k] [zj, ch [ch], f, k, p, ph, qu, t, z:


Eschatologie [eßchatologi ], Wespe [weßp0], fasten [faßt°n]

h) im Wortinneren nach Nasalvokalen:


Chanson [scha^ßo**]

i) in der Ableitungssilbe -sei nach Konsonanten (außer 1, m, n, ng, r):


rberbloibsel [ü brrblaipß 11
68 Der Laut

3. Man spricht [sch] :


a) Vgl. sp, st
b) in ungarischen Wörtern:
Csärdäs [tscha-rdasch]

4. s ist stumm am Ende französischer Wörter:


Glacis [glaßi-], Gros (Hauptmasse) [gro]

ß
Man spricht stimmloses („scharfes“) s [ß]:
Maß [ma-ß], paßte [paßt0], stoßen [schto-ßen]

sch
1. Man spricht [sch] in einfachen deutschen und in den meisten Fremd¬
wörtern :
rasch [rasch], Schule [schu-T], Scheck [schek]

2. Man spricht [ßk] in italienischen Wörtern:


Scherzo [ßkgrzo]

3. Man spricht wie s und ch:


a) in einigen Fremdwörtern:
Schisma [ßchißma]
b) an der Wortgrenze:
Gaschemie [ga ß|chemi ]

sh
1. Man spricht [sch] in englischen Wörtern:
Shorts [schQ-rz]

2. Sonst spricht man wie s und h:


gashaltig [ga ß|haltich]

sp
1. Man spricht [schp] am Wortanfang in deutschen Wörtern und in häufig
gebrauchten Fremdwörtern:
Spiel [schpi-lj, Spion [schpiö-n]

2. Man spricht [ßp]:


a) im Wortinneren:
Aspirin [aßpiri-n], Wespe [weßp0]
b) am Wortanfang in weniger häufig gebrauchten Fremdwörtern:
spasmodisch [ßpaßmö-djsch], Sputum [ßpu/tpm]

3. Man spricht wie s und p an der Wortgrerize:


Gasprüfer [ga ß|prü fer]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 69

ss
1. Man spricht ein stimmloses („scharfes“) s [ß] in einfachen Wörtern:
lassen [laß°n], Mission [mißiö n]

2. Man spricht wie s und s an der Wortgrenze:


Ortssinn [orz|sin], weissagen [waiß|sagcn]

St
1. Man spricht [seht] am Wortanfang in deutschen Wörtern und in
häufig gebrauchten Fremdwörtern (vgl. jedoch ZifF. 35):
Stein [schtain], Station [schtaziön]

2. Man spricht [ßt]:


a) im Wortinneren und am Wortende:
Bastion [baßtibn], Taste [taßtc], Ast [aßt]
b) am Wortanfang in weniger häufig gebrauchten Fremdwörtern:
Steak [ßte-k], Stigma [ßtigma]

3. Man spricht wie s und t an der Wortgrenze:


Gasturbine [ga-slturbi-n1], Weistum [waiß|tu-m]

t
1. Man spricht [t] in deutschen Wörtern und meistens in Fremdwörtern:
Tat [ta-t], Tomate [toma-tc]

2. Man spricht [z] vor unbetontem i und ausgesprochenem Vokal in


lateinischen Wörtern:
Aktien [akzi°n], Ration [raziö-n], Stimulantia [ßtimuldnzia]

3. t ist stumm am Wortende in französischen Wörtern:


Depot [depo ], Etat [etd ], Point [poe"*]

tch
1. Man spricht [tsch] in englischen Wörtern:
Catch [ketsch], Match [j-gtsch]

2. Sonst spricht man wie t und ch:


Bötchen [bö tlch'n]

th
1. Man spricht [t] in nichtenglischen einfachen Wörtern:
Athlet [atlc t], Thron [tro*n]

2. Man spricht [th] in englischen Wörtern:


Commonwealth [koni'nweltk ]

3. Man spricht [z] in:


Forsythie [forsÜ-zic]
70 Der Laut

4. Sonst spricht man wie t und h:


Nothilfe [no t|hilfe]

ts
1. Man spricht [z] in einfachen Wörtern:
Lotse [lo-z*], Rats [ra-z], Tsetsefliege [zezefli-g*]

2. An der Wortgrenze spricht man wie t und s:


ratsam [ra-t|sa-m], Rotstift [ro t|schtift]

tsch
1. Man spricht [tsch] in einfachen Wörtern:
Tscheche [tschech*], tratschen [tra tschcn]

2. Sonst spricht man wie t und sch oder ts und ch:


fortschieben [fort|schi ben], Ratschronik [ra-z|kro*nik]

tt'
1. Man spricht ein [t] in einfachen Wörtern:
Mitte [mit*], quittieren [kwiti*rcn]

2. An der Wortgrenze spricht man wie t und t:


enttäuschen [ent|t6isch°n]

tz
1. Man spricht [z] in einfachen Wörtern:
Katze [kaze], Spitze [schpjz*]

2. An der Wortgrenze spricht man wie t und z:


fortziehen [fort | zi • *n ]

u
A. Betont

1. spricht man langes geschlossenes u [u*]:


a) wenn im Stamm nur ein Konsonant (außer x), nur ph oder nui
th folgt:
Blut-s [blu-z], nur [nu-r], Rute [ru-t°]

b) wenn mehrere Konsonanten folgen, aber eine Nebenform oder


der Stamm langes geschlossenes u hat:
kugle [ku-gl*] (Nebenform: kugele [ku-gT]);
Hufner [hu-fn*r] (Stamm: huf(e)n [hu-f(*)n])

c) bei folgendem ß, wenn andere Formen nicht -uss-, sondern -uß-


haben:
Gruß (daneben nicht: Grusses, sondern: Grußes)
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 71

d) vor den Konsonantengruppen bl, br, dl, dr, gl, gr, kl, kr, phl,
phr, pl, pr, qu, thl, thr, tl, tr:
Nukleus [nu-kleyß], Duplum [du-plym]

e) vor ausgesprochenem, jiur nächsten Silbe-gehörendem Vokal:


Duo [du|o], tue [tu-1°]

f) am Wortende:
du [du ], Kanu [kanü*] (neben: [ka-nu])

g) in:
Blust, Bruch (Sumpfland), Buch. Buche, Buchstabe, Eunuch [yinü-eh],
Fluch, Geburt, Husten, Knust, knutschen, Kuchen, Nutsche, plustern,
prusten, Puste, Schuster, suchen, Tuch, Wucher, Wuchs, wuchs, wusch,
Wust

2. spricht man kurzes offenes u [#.]:


a) vor x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht unter Ab¬
satz A, 1 erfaßt):
Lux [lykß], Busch [bysch], Lust [lußt], Mutter [myt°r], Spruch [schpryeh]

b) bei folgendem ß, wenn andere Formen nicht -uß-, sondern -uss-


haben:
Fluß [flyß] (daneben nicht: Flußes, sondern: Flusses)

c) in:
Bus, Jus, Klub, Luther, muß, plus, Rum, um, un- [yn] (z. B. unecht un¬
echt]), Urteil, wußte

3. spricht man kurzes geschlossenes u [u] in einigen wenigen Fremd¬


wörtern (man spricht dafür nach Absatz *A, 1, 2 auch langes geschlos¬
senes u [u-] bzw. kurzes offenes u [y]):
Gulasch [gulasch](neben: [gu-lasch]), Notturno [notürno](neben: [notyrno])

4. spricht man langes geschlossenes ü [ü ] in einigen französischen


Wörtern:
Apercu [aperßü ]

5. spricht man kurzes geschlossenes ü [ü] in einigen französischen


Wörtern:
Nocturne [nyktürn], uni [üni] uneben: [üni-])

6. spricht man kurzes, a [a] oder kurzes offenes ö [q] in einigen eng¬
lischen Wörtern:
Cut [kat], Truck [trak], Pumps [pömpß], Turn [töm}

B. Unbetont
1. spricht man kurzes geschlossenes u [u]:
a) vor einem Konsonanten (außer vor x), vor bl, br, dl, dr, gl,
gr, kl, kr, ph, phl, phr, pl, pr, qu, th, thl, thr, tl, tr -f- Vokal (ein¬
fache Wörter) :
Musik [musi-k], Duplikat [duplikä t], Ruthenium [rutc niym]
72 Der Laut

b) vor ausgesprochenemVokal:
Ruine [rui-ne], Statue [schtatu®]

c) am Wortende:
Emu [e-mu], Uhu [uhu]

2. spricht man kurzes offenes u (y]:


a) vor x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht unter Ab¬
satz B, 1 erfaßt):
luxieren [lykßir®n], bugsieren [bykßf-r'n], Konkurrent [kynkyr(jnt]

b) am Wortende vor Konsonant:


Konsul [konsyl], minus [mi nyß]

3. spricht man langes geschlossenes u [u ] in deutschen Wörtern auf


-mut und-rtum:
Demut [de-mut], Bistum [bißtu-m]

4. spricht man kurzes geschlossenes ü [ü] in französischen Wörtern:


Bulletin [bült£**], Nuance [nüd^ß®]

5. spricht man kurzes offenes ü [ü] in:


Budget [büdsehd ]

6. spricht man langes geschlossenes ü [ü ] in:


Reaumur [re-omü r]

C. Man spricht den Konsonanten [w]:

1. in qu (ausgenommen qu, Absatz 2):


Antiqua [anti-kwa], Qual [kwa l], Quelle [kwel0], Quotient [kwozi£nt]

2. in einigen französischen Wörtern vor i:


fetui [etwi ], Suite [ßwi-t®]

ü
A. Betont

1. spricht man langes geschlossenes ü |ü-]:


a) wenn im Stamm nur ein Konsonant (außer x) folgt:
Düs-e [dü s®], manikür-t [manikü rt]

b) wenn mehrere Konsonanten folgen, aber eine Nebenform oder


der Stamm langes geschlossenes ü hat:
hüglig [hü-glich](Nebenform: hügelig [hü-g®lieh])
übrig [ü-brich] (Stamm: üb(e)r [ü*b(®)r]

c) bei folgendem ß, wenn verwandte Formen nicht -üss- oder -uss-,


sondern -üß- oder -uß- haben:
Füßchen [fü ßch°n] (daneben nicht: Füsse, sondern: Füße)
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 73

d) wenn verwandte Formen mit langem geschlossenem u bestehen


(vgl. u, Absatz A, 1, g):
hüsteln[hüßt°ln] (zu: Husten [hußten]), Tücher [tü ch°r](zu: Tuch[tueh]>

e) am Wortende:
Menü [menti ], Parvenü [parw6nü*]

f) in:
düster, Küchlein, Nüstern, Plüsch, Rübsen, Rüsche, Rüster, wüst, Wüste

2. spricht man kurzes offenes ü [y]:


a) vor. x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht unter Ab¬
satz A, 1 erfaßt):
Büx [btikß], Büsche [bUsch6], Hütte [hflt*], Küche [kUchc]
b) bei folgendem ß, wenn andere Formen nicht -üß- oder -uß-,
sondern -üss- oder -uss- haben:
Flüßchen [flyßch9n] (daneben nicht: Flüße, sondern: Flüsse)
c) in:
gebürtig [g’bßrtich], Gelübde [g'lflpd*]

B. Unbetont
1. spricht man kurzes geschlossenes ü [ü] vor einem Konsonanten -f-
Vokal (einfache Wörter):
amüsieren [amüsf-r'n], debütieren [debütf r'n]

2. spricht man kurzes offenes ü [y] vor mehreren Konsonanten:


Küsterei [kUßt°räi], reüssieren [reüßl-ren]

3. spricht man langes geschlossenes ü [ü-] in -mütig und -tüm-:


demütig [de mü-tjch], altertümlich [alt°rtü*mlich)

uh
1. Man spricht langes geschlossenes u [u-] in einfachen deutschen Wör¬
tern (h ist stumm):
Kuh [ku ], Ruhe [ru *], ruht [ru t]

2. Man spricht wie u und h


a) in:
juhe [juh6*]> Uhu [u-hu]
b) an der Wortgrenze:
Bantuhütte [bantu|hUt°]
c) in Fremdwörtern:
Buhurt [bu-hprt]
üh
1. Man spricht langes geschlossenes ü [ü*] in einfachen deutschen Wörtern
(h ist stumm):
früh [frü ], glüht [glü t], Kühe [kü #]
74 Der Laut

2. Man spricht wie ü und h an der Wortgrenze:


parvenühaft [parw*nü-|haft]
11m

1. Man spricht nasales ö [ö®8] in:


Parfüm [parfö"*]

2. Sonst spricht man wie u und m:


Konsum [kQnsü m]
V
1. Man spricht [f]
a) in deutschen und in einigen wenigen Fremdwörtern:
Vogel [fo'g'l], Larve [larf8], Nerv [ngrf], Nerven [nerfen], Vers [fgrß], Vesper
[feßper],
b) in fremden und niederdeutschen Wörtern vor stimmlosen Kon¬
sonanten und am Wortende:
aktivst [aktifßt], luvt [lu-ft], aktiv [akti-f], passivartig [paßi-fjartieh]

2. Sonst spricht man [w] in den meisten fremden und niederdeutschen


Wörtern:
Aktiven [aktiw'n], nervös [n^rwö-ß], Violine [wiolLn8], luven [lu-w n] 8
W

1. Man spricht [w] in deutschen und in den meisten Fremdwörtern:


Wonne [won8], Löwe [löw8], powre [po-wr8], Watt [wat]

2. Man spricht [f ] vor stimmlosen Konsonanten und in russischen Na¬


men auf -ow:
8
Löwchen [lö*fch n], Asow [a-SQf ], Tschechow [tscheehgf ]

3. Man spricht w nicht aus (w ist stumm) in deutschen Namen auf


-ow und ihren Ableitungen:
8
Lützow [liizo-], Teltower [telto- r]

wh
Man spricht [w] in englischen Wörtern:
Whisky [wißki]
X
Man spricht [kß]:
Hexe [hgkß8], Xylophon [kßülofö n]

y
A. Betont
1. spricht man langes geschlossenes ü [ü*]
a) vor einem Konsonanten, vor ch, ph, th, auf die ein Vokal
oder eine mit einem Konsonanten beginnende deutsche Endung
folgen kann:
zynisch [zü-nisch], Äthyl-s letü*lß], Psyche [pßü che]
Von den Buchstaben zu den Lauten (Aussprachelehre) 75

b) vor den Konsonantengruppen bl, br, chl, ehr, dl, dr, gl, gr, ki,
kr, phl, phr, gl, pr, thl, thr, tl, tr (einfache Wörter):
Hydra [hü-dra], Zyklus [zükluß]

c) am Wortende:
My [mü ], Ny [nti]

2. spricht man kurzes offenes ü [ü] vor x und vor mehreren Konso¬
nanten (sofern nicht unter Absatz A, 1 erfaßt):
Pyxis [pükßiß], Myrte [mtirt*], Mystik [miißtjk]

3. spricht man langes geschlossenes i [i ] in:


Ysop [i-SQp]

4. spricht man [ai] in englischen Wörtern:


Nylon [nailon]

B. Unbetont

1. spricht man kurzes geschlossenes ü [ü]


a) vor einem Konsonanten (außer x), vor bl, br, ch, chl, ehr, dl,
dr, gl, gr, kl, kr, ph, phl, phr, pl, pr, th, thl, thr, tl, tr -f Vokal (ein¬
fache Wörter):
Äthylen [etül6*n], Psychologie [pßüchologi ], typhös [tüföß], Typhlitis
[tüfHtiß]

b) vor ausgesprochenem Vokal:


myopisch [mtlö pisch], Ptyalin [ptüali n], Zyan [züä*n]

2. spricht man kurzes offenes ü [ü]


a) vor x und vor mehreren Konsonanten (sofern nicht unter Ab¬
satz B, 1 erfaßt):
Onyxe (o-nUkß°], Hypnose [htfpnös0], hysterisch [hüßtSrisch], Pygmäe
(pügm6°], Satyrn [sa tüm]

b) am Wortende vor Konsonant:


Onyx [o-nilkß], Satyr [satür]

3. spricht man kurzes offenes ü [fi] oder kurzes geschlossenes ü [ü] vor
Vokalen in dys- (Dys-) und in syn- (Syn-):
Dysenterie ldüsent*rf] (oder: [düsent'ri-]), Synode [stfnöd0] (oder: [stinö’d0])

4. spricht man kurzes geschlossenes i (häufigere Aussprache) oder


kurzes offenes i [i] (neuere, weniger häufige Aussprache) in englischen
Wörtern am Wortende:
Dandy [dendi] (oder: [dändi])

C. Man spricht den Konsonanten [j] in einigen nichtgriechischen Fremd¬


wörtern vor Vokal:
ennuyieren [a^nüji r'n], Yawl [jo*l]
76 Der Laut

z
1. Man spricht [z] in deutschen, griechischen, lateinischen, italienischen
und einigen anderssprachigen Wörtern:
Harz [ha-rz], Zahl [za*l], zynisch [zü nisch], Zentrum ]Zentrum], sforzando
[ßforzändo], Zar [za r]

2. Man spricht stimmhaftes (,,weiches“) s [s] in französischen, holländi¬


schen und polnischen Wörtern:
Zero [se-ro], Zuidersee [soid’rse-], Zloty [slgti]

3. Man spricht stimmloses („scharfes“) s [ß] in:


Bronze [brQ**ße]

4. z ist stumm am Wortende in französischen Wörtern:


Cachenez [kaschn6 ]

zz
1. Man spricht ein [z] in einfachen Wörtern:
Mezzotinto [mgzotlnto], Skizze [ßkize]

2. Jazz spricht man [jaz] oder [dsehgs]


3. An der Wortgrenze spricht man wie z und z:
herzzerreißend [herzlzerraiß'nt]
Die Wortarten

A. DIE EINTEILUNG DER WORTARTEN1

Jedes Wort unseres Sprachschatzes gehört einer Gemeinschaft anderer


Wörter gleicher Art an, die man als Wortart bezeichnet.
Die Wörter einer Wortart kennzeichnen entweder die Welt, die durch
die Sprache in unser geistiges Bewußtsein gerückt wird, in einer ihnen
eigentümlichen Weise, oder sie tragen durch ihren gleichbleibenden
Auftrag im Satze dazu bei, die Einzelinhalte in Verbindung mit der
Formenwelt zu einer Ganzheit zusammenzufügen. Diese Unterscheidung
ist Grundlage der folgenden Einteilung. Wir gehen dabei von einem Text
J. v. Eichendorffs aus (Ahnung und Gegenwart):
Bald darauf langten sie an dem Gebirgsstädtchen an, wohin sie wollten. Das Tor
war noch verschlossen. Der Torwäohter trat schlaftrunken heraus, wünschte ihnen
einen guten Morgen und pries die Reisenden glückselig und beneidenswert in dieser
Jahreszeit. In dem Städtchen war noch alles leer und still. Nur einzelne Nachti¬
gallen vor den Fenstern und unzählige von den Bergen über dem Städtchen
schlugen um die Wette. Mehrere alte Brunnen mit zierlichem Gitterwerk rauschten
einförmig auf den Gassen. In dem Wirtshause, wo sie abstiegen, war auch noch nie¬
mand auf. Der Postillon blies daher, uip sie zu wecken, mehrere Stücke, daß es
über die stillen Straßen weg in die Berge hineinschallte.

Beim Lesen dieses Textes treten folgende Wortarten hervor:

L Verben
Im Vordergrund stehen die Wörter, die uns sagen, was sich ereignet oder 40
was ist:
sie langten an, wohin sie wollten; der Torwächter trat heraus, wünschte ihnen einen
guten Morgen, pries die Reisenden; in dem Städtchen ivar noch alles leer und still;
Nachtigallen schlugen; Brunnen rauschten u. a.
Da sich alles Geschehen oder Sein aber in der Zeit vollzieht, sind sie mit
Hilfe ihrer Formenwelt auch nach der Zeit veränderlich: wünsche,
wünschte usw. Man nennt diese Wörter deshalb Zeitwörter oder auch
Verben (vgl. 53ff.).

1 Vgl. hierzu besonders Hans Glinz, Der deutsche Satz, Düsseldorf 1957, S. 28ff.
78 Die Einteilung der Wortarten

2. Substantive
41 a) Fast mit gleicher Stärke treten die Wörter hervor, die Lebewesen oder
Dinge benennen:
Torwächter, Reisende, Nachtigallen, Gebirgsstädtchen, Tor, Fenster u. a.
Wörter dieser Art bezeichnen aber auch „Dinge“1, die nur in der ge¬
dachten Welt des Menschen vorhanden sind:
Wette, Jahreszeit.
Es ist also die Aufgabe dieser Wörter, den Wesen oder Dingen ihren
Namen zu geben. Man nennt sie deshalb zutreffend Nomen oder auch
Substantiv (vgl. 171).

b) Da der Mensch aber die Wesen und Dinge der Welt in seinem Bilde
sieht, verbindet er mit jedem Substantiv eine Geschlechtsvorstellung:
männlich, weiblich oder keines von beiden (sächlich; vgl. 177):
der Torwächter, die Nachtigall, das Gebirgsstädtchen.

c) Zu den Eigentümlichkeiten des Substantivs gehört weiterhin, daß es


die Fähigkeit besitzt, das genannte Wesen oder Ding in der Einzahl oder
Mehrzahl auszudrücken (vgl. 237ff.):
das Tor, die Jahreszeit; aber: die Reisenden, die Nachtigallen.

3. Adjektive
42 In dem gewählten Text begegnen uns weiterhin Wörter, deren Aufgabe
vor allem darin besteht, die im Satz genannten Wesen oder Dinge zu
charakterisieren oder das Geschehen oder Sein zu beurteilen. Geben sie
die Eigenschaft eines Wesens oder Dinges wieder, dann bilden sie in ver¬
änderter Form mit dem Substantiv eine enge Gemeinschaft:
Der Torwächter wünschte ihnen einen guten Morgen.
Drücken sie aber ein Urteil aus, dann stehen sie unverändert beim Verb:
Der Torwächter trat schlaftrunken heraus und pries die Reisenden glückselig und
beneidenswert.
Da diese Wörter in erster Linie aussagen, wie ein Wesen oder Ding ge¬
artet ist oder wie sich ein Geschehen vollzieht, nennt man sie Artwörter
oder auch Eigenschaftswörter oder Adjektive (vgl. 325).

4. Begleiter und Stellvertreter des Substantivs


Neben diesen inhaltsreichen, die Wirklichkeit der Welt in Begriffen
prägenden Wörtern mit ihrer zur Dienstleistung im Satze ausgebauten
Formenwelt finden wir in unserem Text zunächst noch Wörter, die nur
in engster Gemeinschaft mit dem Substantiv zu denken sind:
sie, dem, das, der, ihnen, einen, dieser, die, mehrere, niemand, sich u. a.

1 Wenn wir künftig von Dingen im sprachlichen Sinne sprechen, sind die gedachten
„Dinge“ immer eingeschlossen.
Die Einteilung der Wortarten 79

a) Artikel
Es ist die Aufgabe einiger dieser Wörter, die Substantive, die sie be- 43
gleiten, als bestimmte Einzelwesen und -dinge oder als Vertreter einer
Gattung zu kennzeichnen:
das Tor, der Torwächter, die Wette; aber: einen guten Morgen.
Man nennt diese Wörter Artikel oder, weil ihnen auch die Geschlechts¬
bezeichnung zugefallen ist, Geschlechtswort (vgl. 206).

b) Pronomen
Andere Wörter dieser Gruppe haben vornehmlich die Aufgabe, das Sub- 44
stantiv zu vertreten oder darauf hinzuweisen:
sie langten an; der Torwächter wünschte ihnen einen guten Morgen; in dem Wirts¬
hause war noch niemand auf; daß es in die Berge hineinschallte; in dieser Jahreszeit.
Man nennt sie von ihrer stellvertretenden Aufgabe her Fürwort oder
Pronomen (vgl. 416).

c) Zahlwörter
Schließlich finden sich in dieser Gruppe Wörter, die das Substantiv be- 45
gleiten, um seine Fähigkeit, zwischen Einheit und Vielheit zu unter¬
scheiden, zählend zu unterstützen:
mehrere alte Brunnen. Es könnte auch heißen: zwei, drei alte Brunnen.
Wörter dieser Art nennen wir Zahlwort oder Numerale (vgl. 523).
Gemeinsam ist allen Wörtern dieses Abschnittes, daß sie aus ihrem
Wesen heraus mit dem Substantiv, das sie begleiten, eine enge Gemein¬
schaft bilden oder es sogar zu vertreten vermögen. Wie sehr sie nur mit
dem Substantiv zu denken sind, zeigt sich auch daran, daß sie überwiegend
an seinen beiden Wesensmerkmalen, Genus und Numerus, teilnehmen.
Wir fassen sie deshalb zu einer Wortart als Begleiter und Stellver¬
treter des Substantivs zusammen (vgl.414).

5. Partikeln
Ferner finden wir in unserem Text Wörter, die weder über eine gleich 46
große Aussagekraft verfügen wie die Verben, Substantive und Adjektive
noch über eine Formenwelt wie alle bisher betrachteten Wörter. Sie sind
gleichsam der Restbestand des gesamten Wortschatzes (vgl. jedoch
noch Ziff. 50), den man unter dem Namen Partikeln zusammenfaßt:
bald darauf; an dem Gebirgsstädtchen, wohin sie wollten; war noch geschlossen, und
pries die Reisenden, in dem Städtchen, nur einzelne Nachtigallen vor den Fenstern,
von den Bergen, über dem Städtchen, mit zierlichem Gitterwerk, auf den Gassen.
Der Postillon blies daher, um sie zu wecken, mehrere Stücke, daß es über die stillen
Straßen weg in die Berge hineinschallte.

a) Adverbien
Einige dieser Wörter geben die näheren Umstände eines Geschehens, 47
eines Zustandes oder einer Eigenschaft an:
bald darauf langten sie an; war noch geschlossen; nur einzelne Nachtigallen; über
die stillen Straßen weg.
80 Die Einteilung der Wortarten

Man nennt sie deshalb Umstandswörter oder auch, weil sie meistens
beim Verb stehen, Adverbien (vgl. Ö45).
b) Präpositionen
48 Andere Wörter bezeichnen die Verhältnisse, die zwischen Wesen oder
Dingen bestehen:
sie langten an dem Gebirgsstädtchen an; in dem Städtchen war noch alles leer; nur
einzelne Nachtigallen vor den Fenstern und unzählige von den Bergen über dem
Städtchen schlugen um die Wette; mehrere alte Brunnen mit zierlichem Gitterwerk
rauschten einförmig auf den Gassen.
Man nennt sie deshalb Verhältniswörter oder, nach ihrer Stellung
vor dem von ihnen abhängigen Wort, Präpositionen (vgl. 569).
c) Konjunktionen
49 Wieder andere Wörter verbinden Satzteile oder Sätze:
glückselig und beneidenswert; der Postillon blies daher, um sie zu wecken, mehrere
Stücke, daß es in die Berge hineinschallte.
Man nennt sie deshalb Bindewörter oder Konjunktionen (vgl. 590).

6. Interjektionen
50 Schließlich gibt es noch Wörter, die als Ausdruck von Gefühlsausbrüchen
außerhalb des grammatischen Zusammenhanges stehen:
ah! oh! ach! pfui!
Man nennt sie Ausrufewörter oder Interjektionen (vgl. 606).

7. Die Rangordnung der Wortarten


51 Unter diesen sechs Wortarten heben sich deutlich Verb, Substantiv und
Adjektiv als die drei Hauptwortarten heraus, weil sie am stärksten
dazu beitragen, „die Welt in das Eigentum des Geistes umzuschaffen“
(Humboldt), und weil sie über eine ausgeprägte Formenwelt verfügen,
um den ihnen gestellten wechselnden Aufgaben im Satze gerecht zu
werden. Ihnen gehört deshalb auch die weitaus größte Zahl unserer
Wörter an. Den Hauptwortarten am nächsten stehen die Begleiter und
Stellvertreter des Substantivs, die wegen dieser Aufgaben auch an seiner
Formenwelt teilnehmen. Demgegenüber zeigen die Partikeln durch
ihre schwächere Aussagekraft und durch das Fehlen einer Formenwelt,
daß ihre Leistung im Satze beschränkt ist.
Die Wortart Substantiv ist am umfangreichsten. Ihr ist etwas mehr als die Hälfte des
gesamten Wortschatzes zuzurechnen. Es folgen das Verb, das Adjektiv und das Adverb.
Bei den Präpositionen, Konjunktionen und Pronomen handelt es sich nur um wenige
Hundert Wörter.

8. Der Austausch zwischen den Wortarten und ihre Schichtung


52 Die Wortarten sind weder streng voneinander geschieden noch einheitlich
in sich gestaltet.
Einerseits kann ein ständiger Wechsel zwischen den Wortarten stattfinden.
So kann jedes Wort z. B. substantiviert werden (vgl. 785 ff.). Andererseits
Orundleistung und Einteilung der Verben 81

ist das Verb in der Lage, durch die beiden Partizipien an der Wortart
des Adjektivs teilzunehmen oder durch den Infinitiv Substantive zu
vertreten (vgl. 160; 167f.). Substantive können zu Präpositionen werden
(vgl. 792) u. a. m.
Auch von der Leistung der einzelnen Wortarten her gesehen, findet ein
ständiger Austausch statt. Die Tatsache z. B., daß das Verb das Sein
oder Geschehen in der Welt bezeichnet, schließt nicht aus, daß auch ein
Substantiv an dieser Leistung teilnimmt (der Sturz, die Abfahrt, der Lauf
u. a.; vgl. 176; 689).
Dann können, wie bei den Zahlwörtern, die reinen Sachbezüge die
Wortarten einfach überspielen. Das Zählende ist meist Begleiter des
Substantivs (drei Bücher), es kann aber auch als Substantiv selbst
(die Million) oder auch als Adverb (drittens) auftreten (vgl. 523ff.)..
Schließlich nehmen nicht alle Wörter einer Wortart in gleichem Maße an
der Grundleistung ihrer Wortart teil. Es gibt z. B. Adjektive, die nur in
der Satzaussage stehen und deshalb nur urteilen können, während die
meisten Adjektive daneben in attributiver Stellung auch charakterisieren
können.
Es findet also nicht nur ein reger Austausch zwischen den Wortarten
und auch zwischen ihren funktionellen Untergruppen (z. B. zwischen
Adverbien, Präpositionen und Konjunktionen) statt, sondern die Wort¬
arten selbst sind in sich auch noch vielfältig geschichtet. Die folgende
Einzelbetrachtung wird sich damit noch ausführlich zu beschäftigen
haben.

B. DAS VERB

I. Grundleistung und Einteilung der Verben

Da es dem Verb zufällt, das Sein und Geschehen zu bezeichnen (vgl. 40), 53
bildet es in fast allen Sätzen den grammatischen Kern der Aussage (vgl. 862).
Dadurch kommt ihm eine Bedeutung zu, die es über alle anderen Wörter
erhebt. Das bringt auch das lateinische Wort verbum zum Ausdruck, das
einfach „Wort“ bedeutet.

1. Die Bedeutungsgruppen des Verbs


Von der Bedeutung her lassen sich alle Verben in drei große Gruppen
einteilen, in die Zustands-, Vorgangs- und Tätigkeitsverben.

a) Zustandsverben
Sie stehen zur Verfügung, um das Sein, das Beharren in der Welt zu be- 54
zeichnen:
sein, bleiben, wohnen u. a.
82 Das Verb

b) Vorgangsverben
55 Sie geben das Geschehen wieder, das sich im Gegensatz zum Sein ver¬
ändert, vollzieht:
fallen, wachsen, erfrieren, verblühen, einschlafen u. a.

c) Tätigkeitsverben
56 Verben dieser Art bezeichnen ein Geschehen, das von dem zugehörigen
Subjekt Aktivität verlangt:
Karl kämpfte tapfer.
In sehr vielen Fällen (vgl. transitive Verben, ZifF. 57) ist diese Aktivität
so groß, daß dadurch ein außerhalb des Subjekts stehendes Wesen oder
Ding in seinem bisherigen Zustand verändert wird:
Der Bauer pflügt den Acker (der Acker war bisher ungepflügt).
Verben dieser Art bilden nicht nur den Hauptteil der Wortart Verb,
sondern haben auch unter allen Verben den reichsten Formenbestand
(vgl. 76). Es lag deshalb nahe, daß man mit diesen „Tätigkeitswörtern“
die ganze Wortart zu benennen versuchte.

2. Transitive und intransitive Verben


57 Von der syntaktischen Verwendung her schälen sich aus der Bedeutungs¬
gruppe der Tätigkeitsverben jene Verben heraus, die im Satz ein Ak¬
kusativobjekt (vgl. 872 ff.) nach sich haben. Da das von diesen Verben be-
zeichnete Geschehen auf das Objekt gerichtet ist und sich an ihm voll¬
zieht, nennt man Verben dieser Art transitive1 (zielende) Verben. Alle
Verben, die kein Akkusativobjekt nach sich haben können, heißen dem¬
gegenüber intransitive Verben.
58 Intransitiv sind sinngemäß auch Tätigkeitsverben, wenn sie ohne ihr sonst
mögliches Akkusativobjekt stehen:
Der Bauer pflügt (gegenüber: Der Bauer pflügt den Acker).

3. Reflexive (rückbezügliche) Verben


Es gibt echte und unechte reflexive Verben.

a) Echte reflexive Verben


Bei den echten reflexiven Verben ist das Verb mit einem Reflexiv¬
pronomen im Akkusativ oder im Dativ (vgl. 435 ff.) eine feste Verbindung
eingegangen.
cc) Verben mit einem Reflexivpronomen im Akkusativ
59 Das durch diese Verben gekennzeichnete Geschehen zielt nicht auf ein
Wesen oder Ding außerhalb des Subjekts, wie sonst bei einem Akkusativ¬
objekt (vgl. 874), sondern wendet sich durch das Reflexivpronomen zum
Subjekt zurück:
Er schämt sich, beeilt sich, sorgt sich u. a.
Verben dieser Art sind trotz des Akkusativpronomens intransitiv.

1 Lat. transire = übergehen [auf das Objekt].


örundleistung und Einteilung der Verben 83

ß) Verben mit einem Reflexivpronomen im Dativ


Echte reflexive Verben mit einem Reflexivpronomen im Dativ sind da- 60
gegen immer transitive Verben. Das auf das Akkusativobjekt gerichtete
Geschehen dieser Verben kann allerdings nur dem Subjekt zugewandt
sein:
Ich eigne mir dieses Buch an. Er nimmt sich eine Reise vor.

b) Unechte reflexive Verben


Unechte reflexive Verben sind Verben, bei denen ein Geschehen nur ge¬
legentlich auf das Subjekt zurückbezogen wird.
a) Verben mit einem Reflexivpronomen im Akkusativ
Es sind transitive Verben, bei denen sich die bezeichnet« Tätigkeit auf 61
ein fremdes Objekt wie auf das Subjekt selbst richten kann:
Ich ärgere ihn. Ich ärgere mich. Entsprechend: sich trösten, beruhigen, verbergen.,
waschen u. a.

ß) Verben mit einem Reflexivpronomen im Dativ


Es sind transitive Verben. Die auf das Akkusativobjekt gerichtete 62
Tätigkeit kann sich einem anderen Wesen oder dem Subjekt selbst zu¬
wenden :
Ich kaufe ihm ein Buch. Ich kaufe mir ein Buch. Entsprechend: holen, erlauben,
gestatten u. a.

4. Vollverben, Hilfsverben und modifizierende Verben


Nicht alle Verben nehmen an der sprachlichen Erschließung des Seins 63
oder Geschehens in der Welt gleich starken Anteil. Einige Verben dienen
vorwiegend als Hilfsverben, um den Vollverben bestimmte Aufgaben im
Satz zu ermöglichen (vgl. 75). Es sind „haben“, „sein“ und „werden“
(vgl. S. 104ff.):
Er hat gesungen. Er ist gelaufen. Er wird kommen.

Diese Verben können aber auch als Vollverben stehen:


Karl ist ein Künstler. Wilhelm ist gut. Es wird Licht. Ich habe ein Auto.
Andere Verben dienen vorwiegend (wie: wollen, sollen, können, müssen,
dürfen, mögen) oder nur von Fall zu Fall (wie: pflegen, scheinen, ver¬
mögen) dazu, ein anderes Sein oder Geschehen zu modifizieren (vgl. 1011 f.):
Er pflegt bis in den Morgen hinein zu schlafen.

5. Die Aktionsarten des Verbs


Die Aktionsarten, die an Verben sichtbar werden können, sagen etwas
aus über die Art und Weise, wie das Sein oder Geschehen sich voll¬
zieht. Es handelt sich dabei im einzelnen besonders um die zeitliche
Verlaufsweise eines Seins oder Geschehens, um die Wiederholung und um
den Grad, die Intensität eines Geschehens.
84 Das Verb

a) Die zeitliche Verlaufsweise eines Seins oder Geschehens


64 a) Verben, die eine zeitliche Begrenzung des Geschehens ausdrücken,
nennt man perfektive1 Verben (zu den Mitteln der Wortbildung, mit
deren Hilfe ein Verb perfektiv wird, vgl. 668; 772):
besteigen, entnehmen, erfrieren, verblühen, vollenden.
Die perfektiven Verben werden, je nachdem, ob sie den Beginn oder das
Ende eines Geschehens bezeichnen, ingressiv2 bzw. inchoativ8 oder
resultativ4 genannt.
Inchoativ sind z. B.
erblicken, erblassen, entbrennen, sich setzen, losrennen.
Resultativ sind z. B.
aufessen, verklingen, erschlagen, finden, durchschneiden.
ß) Verben, die das Sein oder Geschehen als ohne zeitliche Begrenzung ab¬
laufend, als unvollendet, als dauernd kennzeichnen, nennt man imper¬
fektiv6 oder durativ6:
schlafen, wachen, frieren, essen, wohnen, blühen, sein, bleiben, andauern.

b) Die Wiederholung eines Geschehens


65 Es gibt Verben, die eine stete Wiederholung von Vorgängen ausdrücken.
Man nennt sie iterativ7 (vgl. 744 f.):
fliegen (ständig mit den Flügeln schlagen), graben (stäiidig mit dem Spaten in die
Erde stoßen und die Erde umwerfen), sticheln (immer wieder stechen).

c) Der Grad, die Intensität eines Geschehens


66 In einigen Fällen stehen Verben zur Verfügung, die den größeren oder
geringeren Grad, die Intensität eines Geschehens kennzeichnen (vgl.744 f.).
Man nennt sie intensiv:
schnitzen (kräftig schneiden), schwenken (hastig schwingen), schluchzen (heftig
schlucken), liebeln (oberflächlich lieben).

d) Kennzeichnung der Aktionsarten durch zusätzliche Wörter


67 Eine Aktionsart wird häufig durch zusätzliche Wörter sichtbar gemacht:
perfektiv: über den See schwimmen,
imperfektiv: er ist am Schreiben (statt: er schreibt),
iterativ: er trinkt eländig,
intensiv: er irrt eich (statt: er irrt; vgl. 438).

n. Die Konjugation der Verben

1. Überblick über die Aufgaben und die Formen der Konjugation


68 Alles Sein und Geschehen, das die Wortart Verb bezeichnet, vollzieht
sich in einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten Verhaltensrichtung
und Aussageweise und unter dem Einfluß eines jeweiligen Gesohehens-

1 Lat. perfeetue = geschehen, vollendet. * Lat. ingreeeue = angefangen. ’ Lat. inehoare


« beginnen. 4 Lat. reeultatue =* herausgekommen. 6 Lat. imperfeetue « unvollendet.
4 Lat. durare — dauern. 7 Lat. üerare =* wiederholen.
Die Konjugation der Verben 85

trägere. All dies zusammen macht erst mit den bereits besprochenen
Aktionsarten die sprachliche Wirklichkeit eines Verbs im Satze aus.
In dem Satz Du zogst den Wagen werden durch die Verbform zogst gleichzeitig
ausgedrückt: 1. die Zeit (=■= Vergangenheit); 2. die Handlungsrichtung (= Aktiv);
3. die Aussageweise (= Wirklichkeitsform); 4. die Person < = 2. Person) und 6. die
Zahl (— Singular) des Geschehensträgers du.
Die Kennzeichnung dieser Variationen des Seins oder Geschehens ge¬
schieht durch die Abwandlung des Verbs, die man Konjugation1 nennt.
Bei dieser Abwandlung handelt es sich einmal um Endungen, die dem
Verbstamm angefügt werden, zum anderen um Veränderungen des Verb-
stamjnee selbst und schließlich um Umschreibungen.

a) Die Endungen
«Zu den Endungen des Verbs vgl. die Konjugationstabellen Ziff. 76. 69

b) Die Veränderungen
Je nach den Veränderungen des Verbstammes unterscheidet man starke,
schwache und unregelmäßige Verben.

a) Die starken Verben


Stark nennt man ein Verb, dessen Stammvokal im Präteritum (vgl. 93) 70
sich von dem des Präsens (vgl. 78) unterscheidet (Ablaut) und dessen
2. Partizip (vgl. 162) auf -en ausgeht:
glimme, glomm, geglommen.
Bei der Veränderung des Stammvokals kann man drei Gruppen unter¬
scheiden.

1. In der ersten Gruppe haben Präsens, Präteritum und 2. Partizip


jeweils verschiedenen Stammvokal:
Präsens Präteritum 2. Partizip Präsens Präteritum 2. Partizip
i a 0 schwimme schwamm geschwommen
i a u schwinde schwand geschwunden
i a e bitte bat gebeten
ie a e liege lag gelegen
e a 0 helfe half geholfen
ä a o gebäre gebar geboren

2. In der zweiten Gruppe haben Präsens und 2. Partizip gleichen


Stammvokal, während das Präteritum ab weicht:
Präsens Präteritum 2. Partizip Präsens Präteritum 2. Partizip
a u a fahre fuhr gefahren
a i a fange fing gefangen
a ie a rate riet geraton
e a e gebe gab gegeben
o a o komme kam gekommen
0 ie 0 stoße stieß gestoßen
u ie u rufe rief gerufen
au ie au laufe lief gelaufon
el ie ei heiße hieß geheißen

1 Lat. eoniugalio -= Verbindung, Verknüpfung [des Verbstammes mit den Endungen].


86 Das Verb

3. In der dritten Gruppe haben Präteritum und 2. Partizip gleichen


Stammvokal, während das Präsens abweicht:
Präsens Präteritum 2. Partizip Präsens Präteritum 2. Partizip
e o o : quelle quoll gequollen
i u u schinde schund geschunden
i 0 o : glimme glomm geglommen
ie 0 o : fliege flog geflogen
ä o o : gäre gor gegoren
ö 0 o : schwöre schwor geschworen
ü 0 o : lüge log gelogen
au 0 o : saufe soff gesoffen
ei ie ie : meide mied gemieden
ei i i : reite ritt geritten

ß) Die schwachen Verben


71 Schwach nennt man ein Verb, dessen Stamm bei gleichbleibendem Vokal
im Präteritum die Endung -[e]t und im 2. Partizip die Endung -[e]t hat:
zeige, zeigte, gezeigt; ende, endete, geendet.

y) Schwankungen
72 Ein Schwanken zwischen starker und schwacher Konjugation ist fast
nur bei den starken Verben zu beobachten, weil die Sprachgemeinschaft
zwischen den starken und den schwachen Formen keinen Leistungs¬
unterschied mehr zu erkennen vermag. In vielen Fällen ist die Wandlung
von der starken zur schwachen Form bereits abgeschlossen:
belle, boll, gebollen; heute nur noch: belle, bellte, gebellt.
In anderen Fällen sind wir Zeuge dieser Wandlung:
glimme, glomm, geglommen; heute auch schon: glimme, glimmte, geglimmt.
Gelegentlich ist das Präteritum schon schwach, während das 2. Partizip
noch stark ist:
melke, melkte, gemolken.
Eine gepflegte Sprache wird sich trotz dieser eindeutigen Entwicklungs¬
tendenz bemühen, die klangreichen starken Formen zu erhalten.
Die starken Formen sind nur dort fester gestützt, wo sie sich von der
entsprechenden schwachen Form durch Bedeutungsdifferenzierung ge¬
trennt haben:
schaffen (im Sinne von arbeiten schwach): schaffe, schaffte, geschafft; (im Sinne
von gestaltend hervorbringen stark): schaffe, schuf, geschaffen.

d) Die unregelmäßigen Verben


73 Unregelmäßig nennt man ein Verb, das weder in die starke noch in die
schwache Konjugation eingereiht werden kann. Zu den unregelmäßigen
Verben gehören besonders diejenigen, deren Stammvokal sich trotz
schwacher Beugung ändert:
nenne, nannte, genannt.
Andere unregelmäßige Verben haben daneben im Präteritum und im
2. Partizip noch konsonantische Änderungen:
denke, docAte, gedacAt; bringe, bracAte, gebracAt; ziehe, zog, gezogen; sitze, saß,
gesehen.
Die Konjugation der Verben 87

Die Stammformen von „sein“ werden von verschiedenen Stämmen ge¬


bildet :
bin, war, gewesen.
Unregelmäßig sind ferner die sogenannten Präteritopräsentia (vgl. 157).
Dies sind die modifizierenden Verben „können, dürfen, sollen, mögen,
müssen“ und das Verb „wissen“.

Liste der starken, der unregelmäßigen und der Verben mit


schwankender Konjugation

Bemerkungen
1. In dieser Liste sind die starken, die unregelmäßigen und die Verben mit schwankender
Konjugation in der Reihenfolge: Infinitiv — 2. Stammform (Präteritum) — 3. Stamm¬
form (2. Partizip) aufgeführt. Die einzelnen Formen dagegen sind im 2. Teil der Liste
alphabetisch geordnet und mit dem Verweis auf den betreffenden Infinitiv versehen.
2. Beim Infinitiv stehen die 2. und 3. Pers. Sing. Präs. Akt. sowie der Imperativ in
Klammern, wenn diese Formen im Stammvokal abweichen.
3. Bei der 2. Stammform (Präteritum) steht der Konjunktiv in Klammern, wenn er im
Stammvokal abweicht.
4. Vor der 3. Stammform (2. Partizip) steht „hat“ oder „ist“ in Klammern, je nachdem,
ob Perfekt und Plusquamperfekt mit den Hilfsverben „haben“ oder „sein“ umschrieben
werden.
5. Die zusammengesetzten Verben werden wie die einfachen Verben gebeugt, z. B. ab¬
brechen wie brechen. Ausnahmen sind angegeben.

Infinitiv 2. Stammform 3. Stammform


(Präteritum) (2. Partizip)

backen1 [vgl. 143] backte (er hat) gebacken


(du bäckst, er bäckt) (älter: buk [büke])
befehlen [vgl. 144] befahl (er hat) befohlen
(du befiehlst, er befiehlt; (beföhle, selten:
befiehl!) befähle)
befleißen, sich2 befliß (er hat sich) beflissen
beginnen begann (begönne, (er hat) begonnen
selten: begänne)
beißen biß (er hat) gebissen
bergen [vgl. 144] barg (bärge) (er hat) geborgen
(du birgst, er birgt; Mrg!)
bersten3 [vgl. 144] barst (bärste) (er ist) geborsten
(du birst, er birst;
Imperativ: birst! nicht üblich)
bewegen ( = veranlassen)4 bewog (bewöge) (er hat) bewogen
biegen bog (böge) gebogen (Er ist um die Ecke
gebogen; aber: Er hat das
Rohr gebogen)
bieten bot (böte) (er hat) geboten
binden band (bände) (er hat) gebunden

1 In der Bedeutung „festkleben“ schwach: Der Schnee backt, backte, hat gehackt.
2 Heute selten. Das üblichere „sich befleißigen“ beugt schwach.
* Selten schAvach.
4 „BeAvegen“ = die Lage ändern beugt schwach: bewegte, bewegt.
88 Das Verb

Infinitiv 2. Stammform 3. Stammform


(Präteritum) (2. Partizip)

bitten bat (bäte) (er hat) gebeten


blasen [vgl. 143] blies (er hat) geblasen
(du bläst, er bläst)
bleiben blieb (er ist) geblieben
bleichen (= bleich werden)1 blich (er ist) geblichen
braten [vgl. 143] briet (er hat) gebraten
(du brätst, er brät)
brechen [vgl. 144] brach (bräche) gebrochen (Das Eis ist ge¬
(du brichst, er bricht; brich!) brochen; aber: ErAa/sein
Wort gebrochen)
brennen [vgl. 152] brannte (brennte [selten]) (er hat) gebrannt
bringen [vgl. 153] brachte (brächte) (er hat) gebracht
denken [vgl. 153] dachte (dächte) (er hat) gedacht
dingen (in gehobener Sprache) dang (dänge)* (er hat) gedungen*
dreschen [vgl. 144] drosch (veraltet: drasch) (er hat) gedroschen
(du drischst, er drischt; (drösche, veraltet:
drisch I) dräsche)
dringen drang (dränge) gedrungen (Er hat darauf
gedrungen; aber: Der
Feind ist in die Stadt ge¬
drungen)
dünken4 [vgl. 153] deuchte (ihm hat) gedeucht
dürfen [vgl. 157] durfte (dürfte) (er hat) gedurft
(ich darf, du darfst, er darf)
empfehlen [vgl. 144] empfahl (empföhle, (er hat) empfohlen
(du empfiehlst, er empfiehlt; selten: empfähle)
empfiehl t)
essen [vgl. 144] aß (äße) (er hat) gegessen
(du ißt, er ißt; iß!)
fahren [vgl. 143] fuhr (führe) gefahren (Er ist über die
(du fährst, er fährt) Brücke gefahren; aber:
Er hat einen Mercedes ge¬
fahren)
fallen [vgl. 143] fiel (er ist) gefallen
(du fällst, er fällt)
fangen [vgl. 143] fing (er hat) gefangen
(du fängst, er fängt)
fechten [vgl. 144] focht (föchte) (er hat) gefochten
(du fichtst4, er ficht; ficht 1)
finden fand (fände) (er hat) gefunden
flechten [vgl. 144] flocht (flöchte) (er hat) geflochten
(du flichtst4, er flicht; flicht!)
fliegen flog (flöge) geflogen (Er ist nach Lon¬
don geflogen; aber: Er
hat die Maschine nach
London geflogen)

1 Meist nur noch in Zusammensetzungen und Präflxbildungen wie aus-, er-, verbleichen.
Das trans. „bleichen“ = bleich machen beugt schwach: bleichte, hat gebleicht.
* Heute meist schwach: dingte.
• Seltener schwach: gedingt.
4 Auch regelmäßig: dünkte, gedünkt.
4 Umgangssprachliche Erleichterungsformen, die der Aussprache folgen, sind: flehst,
fliehst.
Die Konjugation der Verben 89

Infinitiv 2. Stammform 3. Stammform


(Präteritum) (2. Partizip)

fliehen floh (flöhe) geflohen (Er tsl geflohen;


aber: Der Schlaf hat mich
geflohen)
fließen floß (flösse) (er ist) geflossen
fragen [vgl. 143] fragte (bes. norddt.: frug) (er hat) gefragt
fressen [vgl. 144] fraß (fräße) (er hat) gefressen
(du frißt, er frißt; friß!)
frieren fror (fröre) (er hat) gefroren
gären1 gor (göre) gegoren (Der Wein hat oder
ist gegoren)
gebären* [vgl. 144] (in ge- gebar (gebäre) (sie hat) geboren
hobener Sprache) (du
gebierst, sie gebiert; gebier!)
geben [vgl. 144] gab (gäbe) (er hat) gegeben
(du gibst, er gibt; gib!)
gedeihen gedieh (er ist) gediehen3
gehen [vgl. 154] ging (er ist) gegangen
gelingen gelang (gelänge) (es ist) gelungen
gelten [vgl. 144] galt (gölte, seltener: gälte) (er hat) gegolten
(du giltst, er gilt; Imperativ:
gilt! nicht üblich)
genesen genas (er ist) genesen
genießen genoß (genösse) (er hat) genossen
geschehen [vgl. 144] geschah (geschähe) (es ist) geschehen
(es geschieht)
gewinnen gewann (gewönne, (er hat) gewonnen
seltener: gewänne)
gießen goß (gösse) (er hat) gegossen
gleichen glich (er hat) geglichen
gleiten4 glitt (er ist) geglitten
glimmen6 glomm (glömme) (es hat) geglommen
graben [vgl. 143] grub (grübe) (er hat) gegraben
(du gräbst, er gräbt)
greifen griff (er hat) gegriffen
haben [vgl. S. 105 f.; 155] hatte (hätte) (er lmt) gehabt
(du hast, er hat)
halten [vgl. 143] hielt (er hat) gehalten
(du hältst, er hält)
hängen intrans.4 hing (er hat) gehangen
hauen [vgl. 143]7 hieb (er hat) gehauen
heben hob (veraltet: hub) (er hat) gehoben
(höbe, veraltet: hübe)
heißen ( = einen Namen tragen) hieß (er hat) geheißen8
helfen [vgl. 144] half (hülfe, selten: hälfe) (er hat) geholfen
(du hilfst, er hilft; hilf!)

1 Besonders in übertragener Bedeutung auch schon schwach: gärte, gegärt.


• Auch schon schwach: du gebärst, sie gebärt; gebäre!
• Das alte Partizip ,.gediegen“ (ebenfalls zu: gedeihen) ist zum Adjektiv geworden.
4 Selten schwach: gleitete, gegleitet.
6 Die schwache Beugung ist heute schon üblicher: glimmte, geglimmt.
4 Älter oder mundartlich: hangen. Das trans. „hängen“ ist schwach: Er hängte das Bild
an die Wand; er hat das Bild an die Wand gehängt.
7 In der ugs. Bedeutung „prügeln“ schwach: haute, (landsch.:) gehaut.
8 Das 2. Partizip „gehießen“ ist mitteldeutsch.
90 Das Verb

Infinitiv 2. Stammform 3. Stammform


(Präteritum) (2. Partizip)

kennen [vgl. 152] kannte (kennte [selten]) (er hat) gekannt


klimmen1 * 3 klomm (klömme) (er ist) geklommen
klingen klang (klänge) (es hat) geklungen
kneifen* kniff (er hat) gekniffen
kommen [vgl. 143] kam (käme) (er ist) gekommen
(veraltet: du kömmst, er kömmt)
können [vgl. 157] konnte (könnte) (er hat) gekonnt
(ich kann, du kannst, er kann)
kreischen® krisch (er hat) gekrischen
kriechen kroch (kröche) (er ist) gekrochen
küren4 * (in gehobener Sprache) kor (köre) (er hat) gekoren
laden (= aufladen) [vgl. 143] lud (lüde) (er hat) geladen
(du lädst, er lädt)
laden (= zum Kommen auf- lud (lüde) (er hat) geladen
fordern) [vgl. 143]; (du lädst,
er lädt; gelegentlich noch:
du ladest, er ladet)
lassen [vgl. 143] ließ (er hat) gelassen
(du läßt, er läßt)
laufen [vgl. 143] lief gelaufen (Er ist in den Wald
(du läufst, er läuft) gelaufen; aber: Er hat sich
die Füße wund gelaufen)
leiden litt (er hat) gelitten
leihen lieh (er hat) geliehen
lesen [vgl. 144] las (läse) (er hat) gelesen
(du liest, er liest; lies!)
liegen lag (läge) gelegen (Er hat lange krank
gelegen [vgl.92]; aber:
Das Dorf ist schön gelegen)
löschen intrans.® [vgl. 144] losch (lösche) (es ist) geloschen (veralt.)
(du lischst, er lischt; lisch!)
lügen log (löge) (er hat) gelogen
mahlen mahlte (er hat) gemahlen
meiden mied (er hat) gemieden
melken® [vgl. 144] molk (mölke)6 (er hat) gemolken
(du milkst, er milkt; milk!)
messen [vgl. 144] maß (mäße) (er hat) gemessen
(du mißt, er mißt; miß!)
mißlingen mißlang (mißlänge) (es ist) mißlungen
mögen [vgl. 157] mochte (möchte) (er hat) gemocht
(ich mag, du magst, er mag)
müssen [vgl. 157] mußte (müßte) (er hat) gemußt
(ich muß, du mußt, er muß)
nehmen [vgl. I<f4] nahm (nähme) (er hat) genommen
(du nimmst, er nimmt; nimm 1)

1 Heute auch schon schwach: klimmte, geklimmt.


* Die Formen „kneipen, knipp, geknippen“ sind landschaftlich. „Kneipen“ = in einer
Kneipe verkehren, trinken beugt schwach: kneipte, hat gekneipt.
3 Die starken Formen sind entweder veraltet oder mundartlich. Schriftsprachlich heute
schwach: sie kreischte, hat gekreischt.
4 Die schwache Beugung ist heute üblicher: kürte, gekürt.
6 Meist nur noch in Zusammensetzungen und Präflxbildungen wie aus-, er-, verlöschen.
Das trans. „löschen“ ist schwach: Er löschte das Feuer, hat das Feuer gelöscht.
• Die schwachen Formen „du melkst, er melkt; melkeI; melkte“ sind heute üblicher.
Die Konjugation der Verben 91

Infinitiv 2. Stammform 3. Stammform


(Präteritum) (2. Partizip*)

nennen [vgl. 152] nannte (nennte [selten]) (er hat) genannt


pfeifen pfiff (er hat) gepfiffen
pflegen1 pflog (pflöge) (er hat) gepflogen
preisen pries (er hat) gepriesen
quellen in trans.1 * [vgl. 144] quoll (quölle) (er ist) gequollen
(du quillst, er quillt; quillt)
raten [vgl. 143] riet (er hat) geraten
(du rätst, er rät)
reiben rieb (er hat) gerieben
reißen riß gerissen (Er hat ein Loch in
die Hose gerissen; aber:
Der Strick ist gerissen)
reiten ritt geritten (Er hat den Schim¬
mel geritten; aber: Er ist
in den Wald geritten)
rennen [vgl. 152] rannte (rennte [selten]) (er ist )gerannt
riechen roch (röche) (er hat) gerochen
ringen rang (ränge) (er hat) gerungen
rinnen rann (ränne) (es ist) geronnen
rufen rief (er hat) gerufen
salzen salzte (er hat) gesalzen oder ge¬
salzt (übertr. nur stark:
gesalzen)
saufen (du säufst, er säuft) soff (söffe) (er hat) gesoffen
saugen* [vgl. 143] sog (söge) (er hat) gesogen
schaffen (= gestaltend schuf (schüfe) (er hat) geschaffen
hervorbringen)4 5 [vgl. 143]
schallen scholl (schölle)6 (es hat) geschaht
scheiden schied geschieden (Er hat die Bök-
ke von den Schafen ge¬
schieden; aber: Er ist aus
dem Dienst geschieden)
scheinen schien (es hat) geschienen
scheißen (vulgär) schiß (er hat) geschissen
schelten [vgl. 144] schalt (schölte) (er hat) gescholten
(du schiltst, er schilt; schilt!)
scheren (= abschneiden)6 schor (schöre) (er hat) geschoren
schieben schob (schöbe) (er hat) geschoben
schießen schoß (schösse) (er hat) geschossen
schinden7 schund (schünde) (er hat) geschunden
schlafen [vgl. 143] schlief (er hat) geschlafen
(du schläfst, er schläft)

1 Nur noch stark in der Wendung ,,der Ruhe usw. pflegen“. In der Bedeutung „Kranke
pflegen“ nur schwach: „Er pflegte ihn, hat ihn gepflegt.“
1 Das trans. „quellen“ ist schwach: Die Mutter quellte Bohnen, hat Bohnen gequellt.
* Die schwachen Formen „saugte, gesaugt“ werden heute schon viel gebraucht.
4 In der Bedeutung „arbeiten“ schwach: schaffte, geschafft.
5 Dieses starke Präteritum stammt von mhd. schellen, das heute untergegangen ist,
und ist dem Präteritum des sonst durchgängig schwach beugenden „schallen“ zur Seite
getreten. Die Präflxbildung erschallen hat außerdem neben dem schwachen ein star¬
kes Partizip: Es ist erschollen. „Verschollen“ ist heute isoliert.
6 Die schwache Beugung ist hier noch nicht üblich, dagegen in „sich scheren“: Er scherte
eich, hat sich geschert.
7 Die schwachen Formen „schindete, geschindet“ sind veraltet oder mundartlich.
92 Das Verb

Infinitiv 2. Stammform 3. Stammform


(Präteritum) (2. Partizip)
t'

schlagen [vgl. 143] schlug (schlüge) (er hat) geschlagen


(du schlägst, er schlägt)
schleichen schlich (er ist) geschlichen
schleifen (== schärfen)1 * * schliff (er hat) geschliffen
schleißen* (Federn) schliß (er hat) geschlissen
schließen schloß (schlösse) (er hat) geschlossen
schlingen schlang (schlänge) (er hat) geschlungen
schmeißen (ugs.) schmiß (er hat) geschmissen
schmelzen intrans.* [vgl. 144] schmolz (schmölze) (er ist) geschmolzen
(du schmilzt, er schmilzt;
schmilzt)
schnauben4 [vgl. 143] schnob (schnöbe) (er hat) geschnoben
schneiden schnitt (er hat) geschnitten
schrecken intrans.4 * [vgl. 144] schrak (schräke) (er ist) geschrocken (veralt.)
(du schrickst, er schrickt;
schrick!)
schreiben schrieb (er hat) geschrieben
schreien schrie (er hat) geschrie[e]n
schreiten (in gehobener Sprache) schritt (er ist) geschritten
schweigen schwieg (er hat) geschwiegen
schwellen intrans.4 [vgl. 144] schwoll (schwölle) (er ist) geschwollen
(du schwillst, er schwillt;
schwill!)
schwimmen schwamm (schwömme, geschwommen (Er hat den
seltener: schwämme) ganzen Vormittag ge¬
schwommen; aber: Er
ist über den Fluß ge¬
schwommen)
schwinden schwand (schwände) (er ist) geschwunden
schwingen schwang (schwänge) (er hat) geschwungen
schwören schwor, veraltend: schwur (er hat) geschworen
(veraltend: schwüre7)
sehen [vgl. 144] sah (sähe) (er hat) gesehen
(du siehst, er sieht; sieh[e]l) -
sein [vgl. S. 104 f.; 164] war (wäre) (er ist) gewesen
senden4 [vgl. 162] sandte oder sendete (er hat) gesandt oder
(sendete [selten]) gesendet
sieden4 sott (sötte) (er hat) gesotten
singen sang (sänge) (er hat) gesungen
sinken sank (sänke) (er Ist) gesunken

1 „Schleifen" — über den Boden ziehen beugt schwach: Er schleifte ihn, hat ihn ge¬
schleift.
* Auch schwach: Er schleißte, hat geschleißt.
* Das trans. „schmelzen" — flüssig machen beugte früher regelgemäß schwach (Er
schmelzte das Eisen, hat das Eisen geschmelzt). Heute herrschen jedoch auch hier die
starken Formen: Er schmilzt, schmolz das Eisen, hat das Eisen geschmolzen.
4 Die schwachen Formen „Er schnaubte, hat geschnaubt" sind heute herrschend.
4 Meist nur noch in Präflxbildungen und Zusammensetzungen „er-, zurückschrecken".
Das trans. „schrecken“ = in Schrecken versetzen beugt schwach: Es schreckte ihn, hat
ihn geschreckt.
* Das trans. „schwellen" — größer machen beugt schwach: Er schwellte, hat geschwellt.
7 Der 2. Konj. „schwöre" (von: schwor) ist mit dem 1. KonJ. lautgleich.
4 In der Bedeutung „[durch Rundfunk] übertragen" nur schwach.
* Die schwachen Formen „Er siedete, hat gesiedet" werden daneben öfter gebraucht.
Die Konjugation der Verben 93

Infinitiv 2. Stammform 3. Stammform


(Präteritum) (2. Partizip)
sinnen sann (sänne, veraltend: (er hat) gesonnen1 * *
sönne)
sitzen saß (säße) (er hat) gesessen [vgl. 02]
sollen [vgl. 157] sollte (er hat) gesollt
(ich soll, du sollst, er soll)
spalten spaltete (er hat) gespalten (auch:
gespaltet)8
speien8 spie (er hat) gespie[e]n
spinnen spann (spönne, seltener: (er hat) gesponnen
spänne)
spleißen spliß (er hat) gesplissen
sprechen [vgl. 144] sprach (spräche) (er hat) gesprochen
(du sprichst, er spricht; sprich!)
sprießen sproß (sprösse) (er ist) gesprossen
springen sprang (spränge) (er ist) gesprungen
stechen [vgl. 144] stach (stäche) (er hat) gestochen
(du stichst, er sticht; stich!)
stecken (= sich befinden) stak (stäke)4 * (er hat) gesteckt
stehen [vgl. 154] stand (stünde, jünger: (er hat) gestanden [vgl. 02]
stände)
stehlen [vgl. 144] stahl (stöhle, jünger: (er hat) gestohlen
(du stiehlst, er stiehlt; stiehl!) stähle)
steigen stieg (er ist) gestiegen
sterben [vgl. 144] starb (stürbe) (er ist) gestorben
(du stirbst, er stirbt; stirb!)
stieben6 stob (stöbe) gestoben (Die Funken sind
oder fiaben gestoben)
stinken stank (stänke) (er hat) gestunken
stoßen [vgl. 143] stieß gestoßen (Er ist auf Wider¬
(du stößt, er stößt) stand gestoßen; aber: Er
hat mich gestoßen)
streichen strich gestrichen (Er hat Butter
auf das Brot gestrichen;
aber: Die Schnepfen sind
über den Acker gestrichen)
streiten stritt (er hat) gestritten
tragen [vgl. 143] trug (trüge) (er hat) getragen
(du trägst, er trägt)
treffen [vgl. 144] traf (träfe) (er hat) getroffen
(du triffst, er trifft; triff!)
treiben trieb getrieben (Der Wind hat
den Ballon südwärts ge¬
trieben; aber: Der Ballon
ist südwärts getrieben)
treten [vgl. 144] trat (träte) getreten (Er hat ihn getre-
(du trittst, er tritt; tritt!) ten; aber: Er ist in die
Pfütze getreten)

1 Die Wendung „gesonnen sein“ (Er ist gesonnen) stammt von dem ausgestorbenen Verb
„gesinnen“. „Gesinnt“ (Er ist treu gesinnt) ist eine Ableitung aus dem Substantiv „Sinn“.
8 Die starke Form „gespalten“ steht besonders bei adjektivischem Gebrauch: gespal¬
tenes Holz; Deutschland ist gespalten usw.
8 Gelegentliche schwache Formen sind mundartlich geblieben.
4 Auch schwach: steckte. In der Bedeutung „festheften“ beugt trans. „stecken“ nur
schwach: Er steckte, hat gesteckt.
8 Heute auch schon schwach: stiebte, gestiebt.
94 Das Verb

Infinitiv 2. Stammform 3. Stammform


(Präteritum) (2. Partizip)
triefen1 * * troff (tröffe) (er hat) getroffen
trinken trank (tränke) (er hat) getrunken
trügen trog (tröge) (er hat) getrogen
tun [vgl. 164] tat (täte) (er hat) getan
verderben* [vgl. 144] verdarb (verdürbe) verdorben (Er hat sich den
(du verdirbst, er verdirbt; Magen verdorben; aber:
verdirb!) Das Eingemachte ist ver¬
dorben)
verdrießen verdroß (verdrösse) (es hat) verdrossen
vergessen [vgl. 144] vergaß (vergäße) (er hat) vergessen
(du vergißt, er vergißt; vergiß!)
verlieren verlor (verlöre) (er hat) verloren
wachsen [vgl. 143] wuchs (wüchse) (er ist) gewachsen
(du wächst, er wächst)
wägen [vgl. wiegen]* wog (wöge) (er hat) gewogen
waschen [vgl. 143] wusch (wüsche) (er hat) gewaschen
(du wäschst, er wäscht)
weben4 wob (wöbe) (er hat) gewoben
weichen (= nachgeben)4 * wich (er ist) gewichen
weisen wies (er hat) gewiesen
wenden® [vgl. 152] wandte oder wendete (er hat) gewandt oder
(wendete [selten]) gewendet
werben [vgl. 144] warb (würbe) (er hat) geworben
(du wirbst, er wirbt; wirbl)
werden [vgl. S. 106 f.; 156] wurde (dicht, noch: ward) (er ist) geworden (als Hilfs¬
(du wirst, er wird; werde!) (würde) zeitwort: worden
[vgl. 164])
werfen [vgl. 144] warf (würfe) (er hat) geworfen
(du wirfst, er wirft; wirf!)
wiegen [vgl. wägen]7 wog (wöge) (er hat) gewogen
winden wand (wände) (er hat) gewunden
winken winkte (er hat) gewinkt8
wissen [vgl. 157] wußte (wüßte) (er hat) gewußt
(ich weiß, du weißt, er weiß)
wollen [vgl. 154] wollte (er hat) gewollt
(ich will, du willst, er will)
wringen wrang (wränge) (er hat) gewrungen
zeihen zieh (er hat) geziehen
ziehen [vgl. 73] zog (zöge) gezogen (Er hat den Wagen
gezogen; aber: Er ist aufs
Land gezogen)
zwingen zwang (zwänge) (er hat) gezwungen

1 Heute meist schwach: Seine Nase triefte, hat getrieft.


• Die frühere schwache Beugung des trans. „verderben" = jemanden zugrunde richten,
schlecht machen lebt nur noch im 2. Partizip „verderbt" = sittlich verkommen.
• Die schwache Beugung „wägte, gew&gt" kommt gelegentlich vor.
4 In der Alltagssprache schwach: Er webte, hat gewebt.
6 Das etymologisch nicht hierher gehörende „weichen" = ein-, aufweichen beugt
schwach: Er weichte, hat geweicht.
• In der Bedeutung „einen Mantel usw., Heu wenden" nur schwach: Er wendete, hat
gewendet. „Gewandt" steht auch isoliert (= geschickt).
7 Das etymologisch nicht hierher gehörende „wiegen" = schaukeln beugt schwach:
Er wiegte, hat gewiegt.
• Das starke 2. Partizip „gewunken" ist veraltet und wird heute nur noch scherzhaft
gebraucht.
Die Konjugation der Verben 95

Die einzelnen Formen der starken, der unregelmäßigen


und der Verben mit schwankender Konjugation in
alphabetischer Reihenfolge

Bemerkungen

1. In Klammern stehen die Infinitive, die im 1. Teil der Liste alphabetisch aufgeffihrt
sind und zu denen die hier genannten Formen gehören.
2. Zweite Partizipien, deren Vokal mit dem des Infinitivs übereinstimmt, sind nicht
besonders aufgeführt, z. B. geschlafen (Infinitiv: schlafen), gesalzen (Infinitiv: salzen).

aß, äße (essen) fängst, fängt (fangen)


bäckst, bäckt (backen) ficht, ficht I, fichtst (fechten)
band, bände (binden) fiel (fallen)
barg, bärge (bergen) fing (fangen)
barst, bärste (bersten) flicht, flicht!, flichtst, flocht, flöchte
bat, bäte (bitten) (flechten)
befahl, befähle, befiehl!, befiehlst, be¬ flog, flöge (fliegen)
fiehlt (befehlen) floh, flöhe (fliehen)
befliß, beflissen (befleißen) floß, flösse (fließen)
beföhle, befohlen (befehlen) focht, föchte (fechten)
begann, begänne, begönne, begonnen (be¬ fraß, fräße, friß!, frißt (fressen)
ginnen) fror, fröre (frieren)
bewog, bewöge, bewogen (bewegen) fuhr, führe (fahren)
bin (sein) gab, gäbe (geben)
birg!, birgst, birgt (bergen) galt, gälte (gelten)
birst (bersten) gebar (gebären)
biß (beißen) gebeten (bitten)
bist (sein) gebier!, gebierst, gebiert (gebären)
bläst (blasen) gebissen (beißen)
blich (bleichen) geblichen (bleichen)
blieb (bleiben) geblieben (bleiben)
blies (blasen) gebogen (biegen)
bog, böge (biegen) geboren (gebären)
bot, böte (bieten) geborgen (bergen)
brach, bräche (brechen) geborsten (bersten)
brachte, brächte (bringen) geboten (bieten)
brannte(brennen) gebracht (bringen)
brät, brätst (braten) gebrannt (brennen)
brich!, brichst, bricht (brechen) gebrochen (brechen)
briet (braten) gebunden (binden)
buk, büke (backen) gedacht(denken)
dachte, dächte (denken) gedeucht(dünken)
dang, dänge (dingen) gedieh, gediehen (gedeihen)
darf, darfst (dürfen) gedroschen (dreschen)
deuchte (dünken) gedrungen (dringen)
drang, dränge (dringen) gedungen (dingen)
drasch, dräsche, drisch!, drischst, drischt, gedurft (dürfen)
drosch, drösche (dreschen) geflochten (flechten)
durfte (dürfen) geflogen (fliegen)
empfahl, empfähle, empfiehl!, emp¬ geflohen (fliehen)
fiehlst, empfiehlt, empföhle, empfohlen geflossen (fließen)
(empfehlen) gefochten (fechten)
fährst, fährt (fahren) gefroren (frieren)
fällst, fällt (fallen) gefunden (finden)
fand, fände (finden) gegangen (gehen)
96 Das Verb

gegessen (essen) geschnitten (schneiden)


geglichen (gleichen) geschnoben (schnauben)
geglitten (gleiten) geschoben (schieben)
geglommen (glimmen) gescholten (schelten)
gegolten (gelten) geschoren (scheren)
gegoren (gären) geschossen (schießen)
gegossen (gießen) geschrieben (schreiben)
gegriffen (greifen) geschrie[e]n (schreien)
gehangen (hängen) geschritten (schreiten)
gehoben (heben) geschrocken (schrecken)
geholfen (helfen) geschunden (schinden)
gekannt (kennen) geschwiegen (schweigen)
geklommen (klimmen) geschwollen (schwellen)
geklungen (klingen) geschwommen (schwimmen)
gekniffen (kneifen) geschworen (schwören)
gekonnt(können) geschwunden (schwinden)
gekoren (küren) geschwungen (schwingen)
gekrischen (kreischen) gesessen (sitzen)
gekrochen (kriechen) gesoffen (saufen)
gelang, gelänge (gelingen) gesogen (saugen)
gelegen (liegen) gesonnen (sinnen)
geliehen (leihen) gesotten (sieden)
gelitten (leiden) gespie[e]n (speien)
gelogen (lügen) gesplissen (spleißen)
geloschen (löschen) gesponnen (spinnen)
gelungen (gelingen) gesprochen (sprechen)
gemieden (meiden) gesprossen (sprießen)
gemocht (mögen) gesprungen (springen)
gemolken (melken) gestanden (stehen)
gemußt (müssen) gestiegen (steigen)
genannt (nennen) gestoben (stieben)
genas, genäse (genesen) gestochen (stechen)
genommen (nehmen) gestohlen (stehlen)
genoß, genösse, genossen (genießen) gestorben (sterben)
gepfiffen (pfeifen) gestrichen (streichen)
gepflogen (pflegen) gestritten (streiten)
gepriesen (preisen) gestunken (stinken)
gequollen (quellen) gesungen (singen)
gerannt (rennen) gesunken (sinken)
gerieben (reiben) getan (tun)
gerissen (reißen) getrieben (treiben)
geritten (reiten) getroffen, (treffen, triefen)
gerochen (riechen) getrogen (trügen)
geronnen (rinnen) getrunken (trinken)
gerungen (ringen) gewandt (wenden)
gesandt (senden) gewann, gewänne (gewinnen)
geschah, geschähe (geschehen) gewesen (sein)
geschieden (scheiden) gewichen (weichen)
geschieht (geschehen) gewiesen (weisen)
geschienen (scheinen) gewoben (weben)
geschissen (scheißen) gewogen (wägen, wiegen)
geschlichen (schleichen) gewönne, gewonnen (gewinnen)
geschliffen (schleifen) geworben (werben)
geschlissen (schleißen) geworden (werden)
geschlossen (schließen) geworfen (werfen)
geschlungen (schlingen) gewrungen (wringen)
geschmissen (schmeißen) gewunden (winden)
geschmolzen (schmelzen) gewußt (wissen)
Die Konjugation der Verben 97

geziehen (zeihen) muß, mußt, mußte (müssen)


gezogen (ziehen) nahm, nähme (nehmen)
gezwungen (zwingen) nannte (nennen)
gib!, gibst, gibt (geben) nimm!, nimmst, nimmt (nehmen)
gilt, giltst (gelten) Pfiff (pfeifen)
ging (gehen) pflog (pflegen)
glich (gleichen) pries (preisen)
glitt (gleiten) quill!, quillst, quillt, quoll, quölle (quellen)
glomm, glömme (glimmen) rang, ränge (ringen)
goß, gösse (gießen) rann, ränne (rinnen)
gräbst, gräbt (graben) rannte (rennen)
griff (greifen) rät, rätst (raten)
grub, grübe (graben) rieb (reiben)
half, hälfe (helfen) rief (rufen)
hält, hältst (halten) riet (raten)
hast, hat, hatte, hätte (haben) riß (reißen)
hieb (hauen) ritt (reiten)
hielt (halten) roch (riechen)
hieß (heißen) sah, sähe (sehen)
hilf!, hilfst, hilft (helfen) sandte (senden)
hing (hängen) sang, sänge (singen)
hob, höbe, hub, hübe (heben) sank, sänke (sinken)
hülfe (helfen) sann, sänne (sinnen)
iß!, ißt (essen) saß, säße (sitzen)
ist (sein) säufst, säuft (saufen)
kam, käme (kommen) schalt (schelten)
kannte (kennen) schied (scheiden)
klang, klänge (klingen) schien (scheinen)
klomm, klömme (klimmen) schilt!, schiltst (schelten)
kniff (kneifen) schiß (scheißen)
konnte(können) schläfst, schläft (schlafen)
kor, 1 öre (küren) schlägst, schlägt (schlagen)
krisch (kreischen) schlang, schlänge (schlingen)
kroch, kröche (kriechen) schlich (schleichen)
lädst, lädt (laden) schlief (schlafen)
lag, läge (liegen) schliff (schleifen)
las, läse (lesen) schliß (schleißen)
läßt (lassen) schloß, schlösse (schließen)
läufst, läuft, lief (laufen) schlug, schlüge (schlagen)
lieh (leihen) schmilz!, schmilzt (schmelzen)
lies! (lesen) schmiß (schmeißen)
ließ (lassen) schmolz, schmölze (schmelzen)
liest (lesen) schnitt (schneiden)
lisch!, lischst, lischt (löschen) schnob, schnöbe (schnauben)
litt (leiden) schob, schöbe (schieben)
log, löge (lügen) scholl, schölle (schallen)
losch (löschen) schölte (schelten)
lud, lüde (laden) schor, schöre (scheren)
mag, magst (mögen) schoß, schösse (schießen)
maß (messen) schrak, schräke, schrick!, schrickst,
mied (meiden) schrickt (schrecken)
milk!, milkst, milkt (melken) schrie (schreien)
miß! (messen) schrieb (schreiben)
mißlang, mißlänge, mißlungen (mi߬ schritt (schreiten)
lingen) schuf, schüfe (schaffen)
mißt (messen) schund, schünde (schinden)
mochte, möchte (mögen) schwamm, schwämme (schwimmen)
molk, mölke (melken) schwand, schwände (schwinden)
98 Das Verb

schwang, schwänge (schwingen) trat, träte (treten)


schwieg (schweigen) trieb (treiben)
schwill!, schwillst, schwillt, schwoll, triff!, triffst, trifft (treffen)
schwölle (schwellen) tritt!, tritt, trittst (treten)
schwömme (schwimmen) troff, tröffe (triefen)
schwor, schwur, schwüre (schwören) trog, tröge (trügen)
seid (sein) trug, trüge (tragen)
sieh[e]!, sichst, sieht (sehen) verdarb, verdirb!, verdirbst, verdirbt,
sind (sein) verdorben (verderben)
soff, söffe (saufen) verdroß, verdrösse, verdrossen (ver¬
sog, söge (saugen) drießen)
sonne (sinnen) verdürbe (verderben)
sott, sötte (sieden) vergaß, vergäße, vergiß!, vergißt (ver¬
spann, spänne (spinnen) gessen)
spie (speien) verlor, verlöre, verloren (verlieren)
spliß (spleißen) Avächst (wachsen)
spönne (spinnen) wand, wände (winden)
sprach, spräche (sprechen) wandte (wenden)
sprang, spränge (springen) war (sein)
sprich!, sprichst, spricht warb (werben)
(sprechen) ward (werden)
sproß, sprösse (sprießen) wäre (sein)
stach, stäche (stechen) warf (werfen)
stahl, stähle (stehlen) wäschst, wäscht (waschen)
stak, stäke (stecken) weiß, weißt (wissen)
stand, stände (stehen) wich (weichen)
stank, stänke (stinken) wies (weisen)
starb (sterben) will, willst (wollen)
stich!, stichst, sticht (stechen) wirb!, wirbst, wirbt (werben)
stieg (steigen) wird (werden)
stiehl!, stiehlst, stiehlt (stehlen) wirf!, wirfst, wirft (werfen)
stieß (stoßen) wirst (werden)
stirb!, stirbst, stirbt (sterben) wob, wöbe (weben)
stob, stöbe (stieben) wog, wöge (wägen, wiegen)
stöhle (stehlen) wrang, wränge (wringen)
stößt (stoßen) wuchs, wüchse (wachsen)
Strich (streichen) würbe (werben)
stritt (streiten) wurde, würde (werden)
stünde (stehen) würfe (werfen)
stürbe (sterben) wusch, wüsche (waschen)
tat, täte (tun) wußte, wüßte (wissen)
traf, träfe (treffen) zieh (zeihen)
trägst, trägt (tragen) zog, zöge (ziehen)
trank, tränke (trinken) zwang, zwänge (zwingen)

c) Die Umschreibung

75 Die Konjugationsformen bestehen nicht nur aus einteiligen Formen (den


Stammformen), sondern auch aus mehrteiligen (umschriebenen) Formen.
Zu den Stammformen zählen das Präsens (ich schlafe), das Präteritum
(ich schlief) und das 2. Partizip (geschlafen). Umschriebene Formen sind
die mit den Hilfsverben „haben, sein, werden“ und den infiniten Formen
(vgl. 158ff.) des Verbs gebildeten Gefüge (ich habe geschlafen; ich bin ge¬
flogen; ich werde schlafen). An Stelle der Hilfsverben können auch mo¬
difizierende Verben treten (vgl. 63): Ich muß schlafen; ich kann fliegen;
Die Konjugation der Verben 99

er pflegte nach dem Essen zu schlafen. Zu den Vollverben, die auf dem
Wege sind, Hilfsverben zu werden, oder es nur gelegentlich sind, vgl.
die Ausführungen über das Prädikat (1002 f.).

Zur Erfüllung der Aufgaben, die der Konjugation gestellt sind, werden
also, wie dieser Überblick zeigt, verhältnismäßig wenige formale Mittel
eingesetzt: Endungen, Änderung des Verbstammes und Umschreibungen.
Dies geht nur, weil gleiche Formen oft Verschiedenes leisten.

d) Konjugationstabellen
(Die eingeklammerten Formen werden selten oder gar nicht gebraucht. Dieser Überblick 76
zeigt also, daß das Schema der lateinischen Grammatik für das Deutsche nicht gilt.)
lieben-, schwach, mit „haben“; tragen: stark, mit „haben“; fliegenl: stark, mit „sein“

Aktiv

1. Stammform
(Präsens)
Indik. 1. Konj. Indik. 1. Konj.
1. Pers.Sing. ich lieb e (ich lieb e) ich trage (ich trag e)
2. Pers. Sing. du lieb st (du lieb est) du trägst (du tragest
3. Pers. Sing. er, sie, es lieb t er, sie, es lieb e er, sie, es trag t2 er, sie, es trag e
1. Pers.Plur. wir lieb en (wir lieb en) wir trag en (wir trag en)
2. Pers.Plur. ihr lieb t (ihr lieb et) ihr tragl (ihr trag et)
3. Pers. Plur. sie lieb en (sie lieb en) sie trag en (sie trag en)

2. Stammform
(Präteritum)
Indik. 2. Konj. Indik. 2. Konj.
.l.Pers.Sing. ich Jieb te ich lieb te ich trug ich trüg e
2. Pers. Sing. du lieb test du lieb test du trug st du trüg [e} 9t
3. Pers. Sing. er, sie, es lieb te er, sie, es lieb te er, sie, es trug er, sie, es trüg e
1. Pers.Plur. wir lieb ten wir lieb ten wir trugen wir trüg en
2. Pers. Plur. ihr lieb tet ihr lieb tet ihr trug t ihr trüg [e] t
3. Pers.Plur. sie lieb ten sie lieb ten sie trugen sie trüg en

Umschreibung mit „habe” + 2. Partizip


(bei bestimmten Verben mit „bin“ [sei] vgl. 91)
(Perfekt)
Indikativ Konjunktiv
1. Pers.Sing. ich habe geliebt (ich habe geliebt)
2. Pers.Sing. du hast geliebt (du habest geliebt)
3. Pers. Sing. er, sie, es hat geliebt er,sie, es habe geliebt
1. Pers.Plur. wir haben geliebt (wir haben geliebt)
2. Pers.Plur. ihr habt geliebt (ihr habet geliebt)
3. Pers.Plur. sie haben geliebt (sie haben geliebt)

1 Von „fliegen“ werden im allgemeinen nur die Formen mit „sein“ angeführt.
2 Vgl. 143.
100 Das Verb

Indikativ Konjunktiv
l.Pers.Sing. ich habe getragen (ich habe getragen)
2.Pers.Sing. du hast getragen (du habest getragen)
3.Pers.Sing. er, sie, es hat getragen er, sie, es habe getragen
l.Pers.Plur. wir haben getragen (wir haben getragen)
2.Pers.Plur. ihr habt getragen (ihr habet getragen)
3.Pers.Plur. - sie haben getragen (sie haben getragen)

l.Pers.Sing. ich bin geflogen ich sei geflogen


2.Pers. Sing. du bist geflogen du sei[e]st geflogen
3.Pers. Sing. er, sie, es ist geflogen er, sie, es sei geflogen
l.Pers.Plur. wir sind geflogen wir seien geflogen
2.Pers.Plur. ihr seid geflogen (ihr seiet geflogen)
3.Pers.Plur. sie sind geflogen sie seien geflogen

Umschreibung mit „hatte” [hätte] + 2. Partizip


(bei bestimmten Verben mit „war“ [wäre] vgl. 91)
(Plusquamperfekt)
Indikativ Konjunktiv
l.Pers.Sing. ich hatte geliebt ich hätte geliebt
2.Pers. Sing. du hattest geliebt du hättest geliebt
3.Pers. Sing. er, sie, es hatte geliebt er, sie, es hätte geliebt
l.Pers.Plur. wir hatten geliebt wir hätten geliebt
2.Pers. Plur. ihr hattet geliebt ihr hättet geliebt
3.Pers. Plur. sie hatten geliebt sie hätten geliebt

l.Pers.Sing. ich hatte getragen ich hätte getragen


2.Pers.Sing. du hattest getragen du hättest getragen
3.Pers.Sing. er, sie, es hatte getragen er, sie, es hätte getragen
l.Pers.Plur. wir hatten getragen wir hätten getragen
2.Pers.Plur. ihr hattet getragen ihr hättet getragen
3.Pers.Plur. sie hatten getragen sie hätten getragen

l.Pers.Sing. ich war geflogen ich wäre geflogen


2.Pers.Sing. du warst geflogen du wär[e]st geflogen
3.Pers. Sing. er, sie, es war geflogen er, sie, es wäre geflogen
l.Pers.Plur. wir waren geflogen wir wären geflogen
2.Pers.Plur. ihr war[e]t geflogen ihr wär[e]t geflogen
3.Pers. Plur. sie waren geflogen sie wären geflogen

Umschreibung mit „werde “ + Infinitiv


(1. Futur)
Indikativ Konjunktiv
l.Pers.Sing. ich werde lieben (ich werde lieben)
2.Pers.Sing. du wirst lieben (du werdest lieben)
3.Pers.Sing. er, sie, es wird lieben er, sie, es werde lieben
l.Pers.Plur. wir werden lieben (wir werden lieben)
2.Pers.Plur. ihr werdet lieben (ihr werdet lieben)
3.Pers.Plur. sie werden lieben (sie werden lieben)

l.Pers.Sing. ich werde tragen (ich werde tragen)


2.Pers. Sing. du wirst tragen (du werdest tragen)
3.Pers. Sing. er, sie, es wird tragen. er, sie, es werde tragen
l.Pers. Plur. wir werden tragen (wir werden tragen)
2.Pers.Plur. ihr werdet tragen (ihr werdet tragen)
S.Pers. Plur. sie werden tragen (sie werden tragen)
Die Konjugation der Verben 101

(Umschreibung mit „werde” + 2. Partizip -f „haben”


[sein], im Deutschen selten)
(2. Futur)
Indikativ Konjunktiv
1. Pers. Sing. ich werde geliebt haben (ich werde geliebt haben)
2. Pers. Sing. du wirst geliebt haben (du werdest geliebt haben)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird geliebt haben er, sie, es werde geliebt haben
1. Pers. Plur. wir werden geliebt haben (wir werden geliebt haben)
2. Pers. Plur. ihr werdet geliebt haben (ihr werdet geliebt haben)
3. Pers. Plur. sie werden geliebt haben • (sie werden geliebt haben)

1. Pers. Sing. ich werde getragen haben (ich werde getragen haben)
2. Pers. Sing. du wirst getragen haben (du werdest getragen haben)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird getragen haben er, sie, es werde getragen haben
1. Pers. Plur. wir werden getragen haben (wir werden getragen haben)
2. Pers. Plur. ihr werdet getragen haben (ihr werdet getragen haben)
3. Pers.Plur. sie werden getragen haben (sie werden getragen haben)

1. Pers. Sing. ich werde geflogen sein (ich werde geflogen sein)
2. Pers. Sing. du wirst geflogen sein (du werdest geflogen sein)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird geflogen sein er, sie, es werde geflogen sein
1. Pers. Plur. wir werden geflogen sein (wir werden geflogen sein)
2. Pers. Plur. ihr werdet geflogen sein (ihr werdet geflogen sein)
3. Pers. Plur. sie werden geflogen sein (sie werden geflogen sein)

Umschreibung mit „würde” + Infinitiv


1. Konditional [Gegenwart]; Ersatzform für den 2. Konjunktiv; vgl. 120

(liebte) (trüge) (flöge)


l.Pers. Sing. ich würde lieben, wenn . . tragen, wenn ..; fliegen, wenn . ..
2.Pers. Sing. du würdest lieben tragen fliegen
3.Pers. Sing. er, sie, es würde lieben tragen fliegen
l.Pers. Plur. wir würden lieben tragen fliegen
2.Pers. Plur. ihr würdet lieben tragen fliegen
3.Pers. Plur. sie würden lieben tragen fliegen

Umschreibung mit „würde ” + 2. Partizip + haben [sein]


2. Konditional [Vergangenheit]; Ersatzform für den Konjunktiv Plusquamperfekt

(hätte geliebt, getragen) (wäre geflogen)


l.Pers. Sing. ich würde geliebt, getragen haben geflogen sein, wenn ...
2.Pers. Sing. du würdest geliebt, getragen haben geflogen sein
3.Pers. Sing. er, sie, es würde geliebt, getragen haben geflogen sein
l.Pers. Plur. wir würden geliebt, getragen haben geflogen sein
2.Pers. Plur. ihr würdet geliebt. getragen haben geflogen sein
3.Pers. Plur. sie würden geliebt, getragen haben geflogen sein

Imperativ Infinitiv
Sing. liebe! trage! fliege! Präs, lieben, tragen, fliegen
Plur. liebt! tragt! fliegt! Perf. geliebt, getragen haben, geflogen sein

1. Partizip 2. Partizip
liebend, tragend, fliegend geliebt, getragen, geflogen
102 Das Verb

Passiv

Umschreibung mit „werde” + 2. Partizip


(Präsens)
Indikativ Konjunktiv
1. Pers.Sing. ich werde geliebt (ich werde geliebt)
2. Pers. Sing. du wirst geliebt (du werdest geliebt)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird geliebt er, sie, es werde geliebt
1. Pers. Plur. wir werden geliebt (wir werden geliebt)
2. Pers. Plur. ihr werdet geliebt (ihr werdet geliebt)
3. Pers. Plur. sie werden geliebt (sie werden geliebt)

1. Pers. Sing. ich werde getragen (ich werde getragen)


2. Pers.Sing. du wirst getragen (du werdest getrageh)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird getragen er, sie, es werde getragen
1. Pers. Plur. wir werden getragen (wir werden getragen)
2. Pers. Plur. ihr werdet getragen (ihr werdet getragen)
3. Pers.Plur. sie werden getragen (sie werden getragen)

Umschreibung mit „wurde” [würde] + 2. Partizip


(Präteritum)
Indikativ Konjunktiv
1. Pers. Sing. ich wurde geliebt ich würde geliebt
2. Pers. Sing. du wurdest geliebt du würdest geliebt
3. Pers. Sing» er, sie, es wurde geliebt er, sie, es würde geliebt
1. Pers. Plur. wir wurden geliebt wir würden geliebt
2. Pers. Plur. ihr wurdet geliebt ihr würdet geliebt
3. Pers.Plur. sie wurden geliebt sie würden geliebt

1. Pers.Sing. ich wurde getragen ich würde getragen


2. Pers. Sing. du wurdest getragen du würdest getragen
3. Pers.Sing. er, sie, es wurde getragen er, sie, es würde getragen
1. Pers. Plur. wir wurden getragen wir würden getragen
2. Pers. Plur. ihr wurdet getragen ihr würdet getragen
3. Pers. Plur. sie wurden getragen sie würden getragen

Umschreibung mit „bin” [sei] + 2. Partizip + worden


(Perfekt)
Indikativ Konjunktiv
1. Pers.Sing. ich bin geliebt worden ich sei geliebt worden
2. Pers. Sing. du bist geliebt worden du sei[e]st geliebt worden
3. Pers.Sing. er, sie, es ist geliebt worden er, sie, es sei geliebt worden
1. Pers. Plur. wir sind geliebt worden wir seien geliebt worden
2. Pers. Plur. ihr seid geliebt worden (ihr seiet geliebt worden)
3. Pers. Plur. sie sind geliebt worden sie seien geliebt worden

1. Pers. Sing. ich bin getragen worden ich sei getragen worden
2. Pers.Sing. du bist getragen worden du sei[e]8t getragen worden
3. Pers. Sing. er, sie, es ist getragen worden er, sie, es sei getragen worden
1. Pers. Plur. wir sind getragen worden wir seien getragen worden
2. Pers.Plur. ihr seid getragen worden (ihr seiet getragen worden)
3. Pers.Plur. sie sind getragen worden sie seien getragen worden
Die Konjugation der Verben 103

Umschreibung mit „war” [wäre] + 2. Partizip -f worden


(Plusquamperfekt)
Indikativ Konjunktiv
1. Pers.Sing. ich war geliebt worden ich wäre geliebt worden
2. Pers.Sing. du warst geliebt worden du wär[e]st geliebt worden
3. Pers.Sing. er, sie, es war geliebt worden er, sie, es wäre geliebt worden
1. Pers.Plur. wir waren geliebt worden wir wären geliebt worden
2. Pers.Plur. ihr war [eit geliebt worden ihr wär[e]t geliebt worden
3. Pers.Plur. sie waren geliebt worden sie wären geliebt worden
1. Pers.Sing. ich war getragen worden ich wäre getragen worden
2. Pers.Sing. du warst getragen worden du wär[e]st getragen worden
3. Pers. Sing. er, sie, es war getragen worden er, sie, es wäre getragen worden
1. Pers.Plur. wir waren getragen worden wir wären getragen worden
2. Pers. Plur. ihr war[e]t getragen worden ihr wär[e]t getragen worden
3. Pers.Plur. sie waren getragen worden sie wären getragen worden

Umschreibung mit „werde” + 2. Partizip + werden


(1. Futur)
Indikativ Konjunktiv
1. Pers. Sing. ich werde geliebt werden (ich werde geliebt werden)
2. Pers. Sing. du wirst geliebt werden (du werdest geliebt werden)
3. Pers.Sing. er, sie, es wird geliebt werden er, sie, es werde geliebt werden
1. Pers.Plur. wir werden geliebt werden (wir werden geliebt werden)
2. Pers.Plur. ihr werdet geliebt werden (ihr werdet geliebt werden)
3. Pers. Plur. sie werden geliebt werden (sie werden geliebt werden)
1. Pers. Sing. ich werde getragen werden (ich werde getragen werden)
2. Pers. Sing. du wirst getragen werden (du werdest getragen werden)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird getragen werden er, sie, es werde getragen werden
1. Pers.Plur. wir werden getragen werdep (wir werden getragen werden)
2. Pers. Plur. ihr werdet getragen werden (ihr werdet getragen werden)
3. Pers.Plur. sie werden getragen werden (sie werden getragen werden)

(Umschreibung mit „werde” 4 2. Partizip + worden sein)


(2. Futur)
ich werde geliebt worden sein usw. Im Deutschen nicht üblich.

Umschreibung mit „würde” H- 2. Partizip + werden


(1. Konditional [Gegenwart])
1. Pers.Sing. ich würde geliebt, ich würde getragen werden, wenn...
2. Pers.Sing. du würdest geliebt du würdest getragen werden
3. Pers.Sing. er, sie, es würde geliebt er, sie, es würde getragen werden
1. Pers.Plur. wir würden geliebt wir würden getragen werden
2. Pers. Plur. ihr würdet geliebt ihr würdet getragen werden
3. Pers. Plur. sie würden geliebt sie würden getragen werden

Umschreibung mit „würde” + 2. Partizip + worden sein


(2. Konditional [Vergangenheit]; Ersatzform für den Konjunktiv
Plusquamperfekt)
1. Pers.Sing. ich würde geliebt worden sein (= wäre geliebt worden), wenn . . .
2. Pers. Sing, du würdest geliebt worden sein
3. Pers.Sing. er, sie, es würde geliebt worden sein
104 Das Verb

1. Pers. Plur. wir würden geliebt worden sein


2. Pers. Plur. ihr würdet geliebt worden sein
3. Pers. Plur. sie würden geliebt worden sein
(Ebenso: ich würde getragen worden sein usw.)

Imperativ Infinitiv
Sing, sei (werde) geliebt 1 Präs, geliebt, getragen werden
Plur. seid (werdet) geliebt! Perf. geliebt, getragen worden sein

Die Konjugation der Hilfsverben „sein“, „haben“, „werden“

1. sein (vgl. 154)


1. Stammform
(Präsens)
Indikativ Konjunktiv
1. Pers. Sing. ich bin ich sei
2. Pers. Sing. du bist du sei [e] st
3. Pers. Sing. er, sie, es ist er, sie, es sei
1. Pers. Plur. wir sind wir seien
2. Pers. Plur. ihr seid1 (ihr seiet)
3. Pers. Plur. sie sind sie seien
2. Stammform
(Präteritum)
1. Pers. Sing. ich war ich wäre
2. Pers. Sing. du warst du wärst (gewählt: wärest)
3. Pers. Sing. er, sie, es war er, sie, es wäre
1. Pers. Plur. wir waren wir wären
2. Pers. Plur. ihr wart ihr wärt (gewählt: wäret)
3. Pers. Plur. sie waren sie wären
Perfekt
1. Pers. Sing. ich bin gewesen ich sei gewesen
2. Pers. Sing. du bist gewesen du sei [e] st gewesen
3. Pers. Sing. er, sie, es ist gewesen er, sie, es sei gewesen
1. Pers. Plur. wir sind gewesen wir seien gewesen
2. Pers. Plur. ihr seid gewesen (ihr seiet gewesen)
3. Pers. Plur. sie sind gewesen sie seien gewesen
Plusquamperfekt
1. Pers. Sing. ich war gewesen ich wäre gewesen
2. Pers. Sing. du warst gewesen du wär[e]st gewesen
3. Pers. Sing. er, sie, es war gewesen er, sie, es wäre gewesen
1. Pers. Plur. wir waren gewesen wir wären gewesen
2. Pers. Plur. ihr wart gewesen ihr wär[e]t gewesen
3. Pers. Plur. sie waren gewesen sie wären gewesen
1. Futur
1. Pers. Sing. ich werde sein (ich werde sein)
2. Pers. Sing. du wirst sein (du werdest sein)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird sein er, sie, es werde sein
1. Pers. Plur. wir werden sein (wir werden sein)
2. Pers. Plur. ihr werdet sein (ihr werdet sein)
3. Pers. Plur. sie werden 3ein (sie werden sein)

1 Zur Schreibung vgl. 154, 1.


Die Konjugation der Verben 105

2. Futur (selten)
1. Pers. Sing. ich werde gewesen sein (ich werde gewesen sein)
2. Pers. Sing. du wirst gewesen sein (du werdest gewesen sein)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird gewesen sein er, sie, es werde gewesen sein
1. Pers. Plur. wir werden gewesen sein (wir werden gewesen sein)
2. Pers. Plur. ihr werdet gewesen sein (ihr werdet gewesen sein)
3. Pers. Plur. sie werden gewesen sein (sie .werden gewesen sein)

Imperativ Infinitiv Partizip


Sing, sei! Pr&s. sein Präs, (seiend)
Plur. seid l1 Perf. gewesen sein Perf. gewesen

2. haben (vgl. 155)

1. Stammform
(Präsens)
Indikativ Konjunktiv
1. Pers. Sing. ich habe (ich habe)
2. Pers. Sing. du hast (du habest)
3. Pers. Sing. er, sie, es hat er, sie, es habe
1. Pers. Plur. wir haben (wir haben)
2. Pers. Plur. ihr habt t(ihr habet)
3. Pers. Plur. sie haben (sie haben)

2. Stammform
(Präteritum)
1. Pers. Sing. ich hatte ich hätte
2. Pers. Sing. du hattest du hättest
3. Pers. Sing. er, sie, es hatte er, sie, es hätte
1. Pers. Plur. wir hatten wir hätten
2. Pers. Plur. ihr hattet ihr hättet
3. Pers. Plur. sie hatten sie hätten

Perfekt
1. Pers. Sing. ich habe gehabt (ich habe gehabt)
2. Pers. Sing. du hast gehabt (du habest gehabt)
3. Pers. Sing. er, sie, es hat gehabt er, sie, es habe gehabt
1. Pers. Plur. wir haben gehabt (wir haben gehabt)
2. Pers. Plur. ihr habt gehabt (ihr habet gehabt)
3. Pers. Plur. sie haben gehabt (sie haben gehabt)

Plusquamperfekt
1. Pers. Sing. ich hatte gehabt ich hätte gehabt
2. Pers. Sing. du hattest gehabt du hättest gehabt
3. Pers. Sing. er, sie, es hatte gehabt er, sie, es hätte gehabt
1. Pers. Plur. wir hatten gehabt wir hätten gehabt
2. Per». Plur. ihr hattet gehabt ihr hättet gehabt
3. Pers. Plur. sie hatten gehabt sie hätten gehabt

Zur Schreibung vgl. 154,1.


106 Das Verb

l. Futur
Indikativ Konjunktiv
1. Pers. Sing. ich werde haben (ich werde haben)
2. Pers. Sing. du wirst haben (du werdest haben)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird haben er, sie, es werde haben
1. Pers. Plur. wir werden haben (wir werden haben)
2. Pers. Plur. ihr werdet haben (ihr werdet haben)
3. Pers. Plur. sie werden haben (sie werden haben)

2. Futur (selten)
1. Pers. Sing. ich werde gehabt haben (ich werde gehabt haben)
2. Pers. Sing. du wirst gehabt haben (du werdest gehabt, haben)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird gehabt haben er, sie, es werde gehabt haben
1. Pers. Plur. wir werden gehabt haben (wir werden gehabt haben)
2. Pers. Plur. ihr werdet gehabt haben (ihr werdet gehabt haben)
3. Pers. Plur. sie werden gehabt haben (sie werden gehabt haben)

Imperativ Infinitiv Partizip


Sing, habe! Präs, haben Präs, (habend)
Plur. habt! Perf. gehabt haben Perf. gehabt

3. werden '(vgl. 156)

1. Stammform
(Präsens)
Indikativ Konjunktiv
1. Pers. Sing. ich werde (ich werde)
2. Pers. Sing. du wirst (du werdest)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird er, sie, es werde
1. Pers. Plur. wir werden (wir werden)
2. Pers. Plur. ihr werdet (ihr werdet)
3. Pers. Plur. sie werden (sie werden)

2. Stammform
(Präteritum)
1. Pers. Sing. ich wurde ich würde
2. Pers. Sing. du wurdest du würdest
3. Pers. Sing. er, sie, es wurde er, sie, es würde
1. Pers. Plur. wir wurden wir würden
2. Pers. Plur. ihr wurdet ihr würdet
3. Pers. Plur. sie wurden sie würden

Perfekt
Indikativ Konjunktiv
1. Pers. Sing. ich bin geworden ich sei geworden
2. Pers. Sing. du bist geworden du sei [e] st geworden
3. Pers. Sing. er, sie, es ist geworden er, sie, es sei geworden
1. Pers. Plur. wir sind geworden wir seien geworden
2. Pers. Plur. ihr seid geworden (ihr seiet geworden)
3. Pers. Plur. sie sind geworden sie seien geworden
Die Konjugation der Verben 107

Plusquamperfekt
1. Pers. Sing. ich war geworden ich wäre geworden
2. Pers. Sing. du warst geworden du war [e] st geworden
3. Pers. Sing. er, sie, es war geworden er, sie, es wäre geworden
1. Pers. Plur. wir waren geworden wir wären geworden
2. Pers. Plur. ihr wart geworden ihr wär[e]t geworden
3. Pers. Plur. sie waren geworden sie wären geworden
1. Futur
1. Pers. Sing. ich werde werden, (ich werde werden)
2. Pers. Sing. du wirst werden (du werdest werden)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird werden er, sie, es werde werden
1. Pers. Plur. wir werden werden (wir werden werden)
2. Fers. Plur. ihr werdet werden (ihr werdet werden)
3. Pers. Plur. sie werden werden (sie werden werden)

2. Futur (selten)
1. Pers. Sing. ich werde geworden sein (ich werde geworden sein)
2. Pers. Sing. du wirst geworden sein (du werdest geworden sein)
3. Pers. Sing. er, sie, es wird geworden sein er, sie, es werde geworden sein
1. Pers. Plur. wir werden geworden sein (wir werden geworden sein)
2. Pers. Plur. ihr werdet geworden sein (ihr werdet geworden sein)
3. Pers. Plur. sie werden geworden sein (sie werden geworden sein)

Imperativ Infinitiv Partizip


Sing, werde! Präs, werden Präs, (werdend)
Plur. werdet! Perf. geworden sein Perf. geworden (bei hilfszeit¬
wörtlichem Gebrauch:
worden)

2. Die Zeit (Tempus-1)


Zeityorsteilungen können durch bestimmte Formen des Verbs ausge- 77
drückt werden. Diese Zeitformen entsprechen aber nicht immer den ob¬
jektiven Zeitverhältnissen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Die Sprache folgt auch hier eigenen Gesetzen. Mit den gleichen Zeit¬
formen verbinden sich daher oft ganz verschiedene Zeitvorstellungen.
Das Verb drückt Zeitliches besonders in der Wirklichkeit (im Indikativ)
aus. Die indikativischen Formen, die dies leisten, sind die beiden Stamm¬
formen Präsens und Präteritum und die mit den Hilfsverben „haben“,
„sein“ und „werden“ umschriebenen Formen Perfekt, Plusquamperfekt,
Futur.
Wir berücksichtigen innerhalb der Formenlehre nur die absoluten Tempora des Indi¬
kativs im Hauptsatz. Die relativen Tempora werden in dem Kapitel „Die Tempora des
Indikativs im zusammengesetzten Satz“ (vgl. 1102 ff.), die Tempora des Konjunktivs in
dem Kapitel „Die Tempora des Konjunktivs im Gliedsatz“ (vgl. 1153 ff.) behandelt.

a) Die 1. Stammform und ihr Passiv (Präsens).


Aktiv: ich fahre, lobe, erkranke usw.; Passiv: ich werde gefahren, gelobt usw.
a) Die 1. Stammform und ihr Passiv drücken oft, aber nicht immer ein 78
in der unmittelbaren Gegenwart ablaufendes Geschehen aus. Nach

1 Lat. tempus = Zeit; Plural: Tempora.


108 Das Verb

diesem Gebrauch werden sie auch Präsens1 genannt. Die Gegenwart


wird manchmal noch durch besondere Wörter betont:
Ich schreibe (gerade, eben, jetzt u. a.). Das Kind wird (in diesem Augenblick) ge¬
badet.
79 ß) Die 1. Stammform und ihr Passiv werden auch gebraucht, wenn der
Sprecher ein Geschehen, das vor seinen Augen gerade abgelaufen ist,
schildern will. Literarische Darstellungsformen sind die moderne Repor¬
tage und die sogenannte Teichoskopie im Drama (dem Zuschauer wird
ein Geschehen berichtet, das nicht auf der Bühne stattfindet). Da dieses
Geschehen strenggenommen bereits vergangen sein muß, ehe der Sprecher
es schildern kann, dienen hier also die 1. Stammform und ihr Passiv auch
zur Bezeichnung der eben erst vergangenen Zeit:
Ich linde soeben einen wichtigen Hinweis. Ich höre, du bist krank. Ich werde
gerade darauf aufmerksam gemacht.
Aber auch wenn das Geschehen längst vergangen ist, können für seine
Schilderung die 1. Stammform und ihr Passiv gebraucht werden. Der
Sprecher vergegenwärtigt sich dann das Vergangene so lebhaft, daß er
unwillkürlich die sprachliche Form der Gegenwart wählt (historisches
Präsens):
Und aus einem kleinen Tor, das . .. sich plötzlich aufgetan hatte, bricht—ich wähle
hier die Gegenwartsform, weil das Ereignis mir so sehr gegenwärtig ist — etwas
Elementares hervor . . . (Th. Mann).
Dieses Stümittel ist nicht leicht zu handhaben. Es ist typischer Ausdruck
der Erregung, die sich in kurzen Sätzen äußert, und steht in Gegensatz
zu dem ruhigen Fluß einer epischen Handlung, die gewöhnlich in der
Vergangenheit erzählt wird.
In Chroniken, Geschichtstabellen usw. können die 1. Stammform und
ihr Passiv aber auch rein registrierenden Charakter haben:
49 v. Chr.: Cäsar überschreitet den Rubikon.
44 v. Chr.: Cäsar wird ermordet.
80 y) Die 1. Stammform und ihr Passiv drücken ein Geschehen aus, das in
der Vergangenheit begann, aber in der Gegenwart noch andauert. Das
wird durch besondere Wörter noch betont:
Ich lerne [seit einem halben Jahr] Englisch. Wir warten [schon eine Stunde].

81 <*>) In der 1. Stammform und ihrem Passiv wird weiterhin [zeitlos] All¬
gemeingültiges, beständig oder unter bestimmten Verhältnissen Wieder¬
kehrendes ausgesagt. Deshalb bedienen sich Sprichwörter und allgemeine
Aussagen meist dieser Zeitform (vgl. 85; 94; 98):
Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert. Er schreibt schön. Peter
geht in die Goetheschule. Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben (Goethe).
82 e) Ufo 1 • Stammform und ihr Passiv können auch Zukünftiges Ausdrücken.
Die Zukunft wird oft durch besondere Wörter mit Zukunftsbedeutung
noch betont:
Ich verreise (morgen, nächstens, in acht Tagen). Ich komme (sofort, bald, gleich,
heute nachmittag) zu dir. Wann kommst du ? Ich werde morgen geprüft.

1 Lat. praesens = gegenwärtig, jetzig.


Die Konjugation der Verben 109

Die 1. Stammform und ihr Passiv drücken auch Zukünftiges in Form einer 83
Vermutung, einer Frage, einer schwächeren oder stärkeren Aufforderung
aus, meist in Verbindung mit Wörtern entsprechender Bedeutung:
Kommst du nicht mit ? Wirst du morgen geprüft? Du fährst (wohl) nach München ?
Du kommst mitt Kommst du [wohl] bald!

b) Die mit „habe” und „bin” + 2. Partizip umschriebene Form und


ihr Passiv (Perfekt)
Aktiv: ich habe gefahren, ich habe gelobt usw.; ich bin erkrankt usw; Passiv: ich
bin gefahren worden, ich bin gelobt worden usw. (Über die mit „bin“ ohne „worden“
gebildete Passivform transitiver Verben vgl. 110).

a) Diese Formen bezeichnen meist Vergangenes, das sich noch irgendwie 84


auf die Gegenwart des Sprechenden bezieht, in die Gegenwart hinein¬
reicht, ein Geschehen, das sich erst in der Gegenwart vollendet hat, Ge¬
schehnisse der jüngsten Vergangenheit. Der Sprecher wendet den Blick
von der Gegenwart aus in die Vergangenheit zurück:
„Es hat geschneit/“ ruft ein Junge, der früh am Fenster den in der Nacht ge¬
fallenen Schnee erblickt. Ebenso: Ich bin eben aus der Stadt gekommen. Jetzt
habe ich den Schlüssel gefunden. Inge iH heute geprüft worden. Gestern ist ein
Eind ertrunken.

Die Verknüpfung eines Geschehens in der Vergangenheit mit der Gegen- 85


wart ist auch dann gegeben, wenn Allgemeingültiges oder Erkenntnisse,
die aus Wissen und Erfahrung geschöpft sind, in der Gegenwart noch
gelten (vgl. 81; 94; 98):
Kolumbus hat Amerika entdeckt. Die Burg ist im 15. Jahrhundert erbaut worden.
Ein Unglück ist bald geschehen.

Formen, die wie in ZifF. 84 u. 85 Vergangenes mit Bezug auf die Gegen- 86
wart bezeichnen, nennt man Perfekt1. Dieser Name trifft jedoch nicht
mehr den Inhalt unserer Formen in den folgenden Fällen.

ß) Mitunter bezeichnet das Perfekt auch den völligen Abschluß eines Ge- 87
schehens ohne Erstreckung in die Gegenwart, was eigentlich dem Präteri¬
tum zukommt (vgl. 93):
Was nicht ist, kann werden; was war, ist für immer gewesen (Börne). Wie sehr
habe ich das einst geliebt! (H. Hesse).

y) Das Perfekt drückt (wie die 1. Stammform für die Gegenwart; vgl. 83) 88
eine Vermutung über vergangenes Geschehen aus, oft in Verbindung mit
Wörtern entsprechender Bedeutung:
Er ist doch nicht etwa ins Wasser gefallen? Du hast den Brief wohl schon gelesen?

ö) Das Perfekt wird ferner gebraucht an Stelle der vollendeten Zukunft 89


(vgl. 100). Die Handlung wird als vollendete Tatsache aufgefaßt, das
Zukünftige, die Voraussage als sicher, als vollendet angenommen:
In einer halben Stunde habe ich den Brief geschrieben. Das hast du bald erledigt.

1 Lat. perfectum = Vollendetes.


110 Das Verb

90 e) Das Perfekt ist ferner die familiäre, umgangssprachliche (bes. süddeut¬


sche) Zeitform des Erzählens auch bei abgeschlossener Handlung gegen¬
über dem schriftsprachlich korrekten (norddt.) Präteritum (vgl. 93):
„Wir haben gezittert am ganzen Leib“, fuhr der braune Schmied fort, „wir haben
ein Vaterunser beten wollen, aber die Zunge ist wie gelähmt gewesen vor Schreck“
(Rosegger).

Eine Mischung zwischen süddeutschem Perfekt und norddeutschem


Präteritum ist die im Grenzgebiet zwischen Süd- und Norddeutschland
zu hörende Wendung ,,Ich war [beim Bäcker usw.] gewesen“ (statt: „Ich
bin beim Bäcker gewesen“ oder: „Ich war beim Bäcker“). Davon zu
trennen ist „war gewesen“ als relatives Plusquamperfekt, das durchaus
korrekt ist (vgl. 1105, dd).

c) Der Unterschied zwischen der Perfektumschreibung1 mit „haben”


und der mit „sein” (im Aktiv)
91 Die transitiven Verben bilden ihr Perfekt im Aktiv mit „haben“:
Ich habe [den Wagen] gefahren. Er hat [den Schüler] gelobt.
Die reflexiven Verben bilden ihr Perfekt ebenfalls mit „haben“, gleich,
ob sie transitiv oder intransitiv sind (vgl. 59 ff.):
Sie hat sich geschämt. Ich habe mich beeilt. Du hast dich verletzt.
Diejenigen intransitiven Verben, die ein Geschehen in seinem unvoll¬
endeten Verlauf, in seiner Dauer ausdrücken, bilden ihr Perfekt ebenfalls
mit „haben“:
Wir haben gut geschlafen. Die Rose hat nur sehr kurz geblüht.

Diejenigen intransitiven Verben, die eine Zustands- oder Ortsveränderung,


einen neuen, erreichten Stand bezeichnen, bilden ihr Perfekt mit „sein“:
Die Rose ist verblüht. Er ist angekommen.
92 Schwanken tritt ein, wenn über die Zugehörigkeit eines Verbs zu einer
dieser beiden letzten Gruppen Unsicherheit besteht oder wenn sich die
Auffassung der Sprachgemeinschaft über die Zugehörigkeit zu einer
dieser beiden Gruppen ändert.
Unsicherheit tritt z. B. ein, wenn das Verb eine allmähliche Veränderung
bezeichnet:
Nach dem Regen hat oder ist es schnell wieder abgetrocknet. Er isi.oder hat gealtert.
Der Wein isfoder hat gegoren.

Ein Beispiel für den Wechsel in der Auffassung der Sprachgemeinschaft


ist der unterschiedliche Gebrauch von „haben“ und „sein“ bei den
Verben „sitzen, liegen, stehen” in Norddeutschland und in Süddeutsch¬
land. Im Norden sagt man:
Ich habe gesessen, gelegen, gestanden.
Im Süden heißt es:
Ich bin gesessen, gelegen, gestanden.
Die Konjugation mit „sein“ ist in diesen Fällen die sprachgeschichtlich
ältere, die mit „haben“ die zur Zeit hochsprachliche.

1 Dasselbe gilt für das Plusquamperfekt und das 2. Futur.


Die Konjugation der Verben 111

Verschiedene Sehweise ist immer möglich bei den Verben der Be¬
wegung:
tanzen, reiten, segeln, paddeln, fahren, fliegen, bummeln, flattern, rumpeln, rudern,
treten u. a.
Sieht der Sprecher den Vorgang als bloßes Verhalten in der Dauer, dann
steht das Verb im Perfekt mit „haben“:
Ich habe als junger Mensch viel getanzt. Er hat den ganzen Vormittag gepaddelt,
gesegelt.
Sieht der Sprecher dagegen eine Veränderung in der Bewegung (einen
Ortswechsel), dann steht das Verb im Perfekt mit „sein“:.
Das Mädchen ist aus der Stube getanzt. Ich bin über den See gepaddelt, gesegelt.
Der Gebrauch von „sein“ nimmt bei den Bewegungsverben immer mehr
zu, weil die Vorstellung von der Veränderung in der Bewegung die der
Dauer der Bewegung überwiegt:
Wir sind den ganzen Tag geschwommen, geklettert, galoppiert u. a., statt: Wir
haben den ganzen Tag geschwommen, geklettert, galoppiert u. a.
Die Verben „sein“ und „bleiben“, die ausgesprochene Zustandsverben
sind, d. h. die Dauer eines Verhaltens kennzeichnen, werden seltsamer¬
weise nicht mit „haben“, sondern mit „sein“ umschrieben:
Ich bin schon in Amerika gewesen. Wir sind in Berlin gewesen. Sie ist lange bei mir
geblieben.

d) Die 2. Stammform und ihr Passiv (Präteritum)


Aktiv: ich fuhr, lobte, erkrankte usw.; Passiv: ich wurde gefahren, gelobt usw.

a) Die 2. Stammform war früher das einzige Mittel, die Vergangenheit 93


auszudrücken, und mußte die Aufgaben des heutigen umschriebenen
Perfekts und Plusquamperfekts mit übernehmen. Sie und ihr Passiv
drücken ein absolut in der Vergangenheit ablaufendes Geschehen ohne
Bezug auf die Gegenwart aus (im Gegensatz zum umschriebenen Perfekt)
und sind daher das eigentliche, neutrale Tempus der Abstand wahrenden
Schilderung, der erzählenden, berichtenden Darstellung. Man nennt sie
deshalb auch Präteritum1, Imperfekt2 oder I. Vergangenheit. In
dieser Zeitform werden vorzugsweise in der schriftlichen Darstellung Er¬
eignisse der Vergangenheit aneinandergereiht3:
Bald darauf langten sie an dem Gebirgsstädtchen an, wohin sie wollten. Das Tor war
noch geschlossen. Der Torwächter trat schlaftrunken heraus, wünschte ihnen einen
guten Morgen und pries die Reisenden glückselig (Eichendorff). Im Alter von
15 Jahren erlebte. Goethe, wie Joseph II. in Frankfurt gekrönt wurde. Es war
einmal ein König . . .
Auch Allgemeingültiges bzw. häufig Wiederkehrendes der Vergangenheit 94
wird in dieser Zeitform ausgedrückt (vgl. 81; 85; 98):
Richard III. hinkte. Die dcutschei Kaiser wurden in Frankfurt gekrönt. Goethe
wurde am 28. August 1749 geboren.

1 Lat. praeterilum = das Vorübergegangene.


3 Lat. imperfeetwn = das Unvollendete, d. h. das in der Vergangenheit Fortdauernde.
3 Diese Geschichte ist sehr lange her, sie ist. . . unbedingt in der Zeitform der tiefsten
Vergangenheit vorzutragen... je vergangener, desto besser. . . für den Erzähler, den
raunenden Beschwörer des Imperfekts (Th. Mann).
112 Das Verb

95 ß) Die 2. Stammform und ihr Passiv drücken ferner (wie das Perfekt;
vgl. 89) die Gedanken einer Person über ihre Zukunft aus. Die Zukunft
wird damit zu einem Geschehen, das in der lebhaften Phantasie des Spre¬
chers bereits stattgefunden hat (erlebte Rede; vgl. 1144,3, Beachte):
Mein Gott, wie bald, dann sah ich sie nicht mehr, hörte nicht mehr ihren festen,
guten Schritt durchs Haus, fand nicht mehr ihre Blumen auf meinem Tisch
(H. Hesse).
Gelegentlich wird für den völligen Abschluß eines Geschehens ohne Er¬
streckung in die Gegenwart auch das Perfekt genommen (vgl. 87).
Das Gefühl für die strenge Scheidung von Perfekt und Präteritum ist
während der ganzen neueren Sprachperiode nie stark ausgeprägt gewesen
(vgl. 90). Da das Präteritum die schriftsprachliche Form des Berichtens
und darüber hinaus durch seine Kürze von größerer Prägnanz als das
Perfekt ist, wird es häufig auch dort gesetzt, wo das Perfekt stehen müßte.
Auch der Rhythmus kann dabei eine Rolle spielen:
Den Umschlag zeichnete K_Gundermann (statt: Den Umschlag hat K. Gunder¬
mann gezeichnet). Gab es eine mittelhochdeutsche Schriftsprache? (Titel der
Habilitationsschrift von H. Paul).
Es wäre bedauerlich, wenn durch das Vordringen des Präteritums in der
Hochsprache (die süddeutschen Mundarten wirken hier allerdings ent¬
gegen) das Perfekt seine Bedeutung verlöre.

e) Die mit „hatte” und „war” + 2. Partizip umschriebene Form und


ihr Passiv (Plusquamperfekt)
Aktiv: ich hatte gefahren, ich hatte gelobt usw.; ich war erkrankt usw.; Passiv: ich
war gefahren worden, ich war gelobt worden.
96 Diese Formen drücken aus, daß ein Geschehen vor einem anderen Ge¬
schehen, das in der Vergangenheit stattgefunden hat, abgelaufen ist oder
sich vollendet hat. Man nennt sie Plusquamperfekt1, vollendete Ver¬
gangenheit, Vollendung in der Vergangenheit, Vorvergangenheit oder
3. Vergangenheit. Man gebraucht das Plusquamperfekt ausschließlich zu
dem Zweck, eine Handlung mit einer anderen zeitlich in Beziehung zu
setzen (relatives Tempus). Seine Verwendung als selbständige Zeitform
ist nicht korrekt. Es wird daher bei den „Tempora im zusammenge¬
setzten Satz“ abgehandelt (vgl. 1102 ff. u. 90). Vgl. noch Ziff. 91 f.

f) Die mit „werde” + Infinitiv umschriebene Form und ihr Passiv


(1. Futur)
Aktiv: ich werde fahren, loben, erkranken usw.; Passiv: ich werde gefahren
werden, ich werde gelobt werden usw.

97 a) Diese Formen und ihr Passiv bezeichnen mitunter ein angekündigtes,


in der Zukunft ablaufendes Geschehen und heißen deshalb Futur2
(1. Futur, unvollendete Zukunft):
Ich- werde ihn morgen besuchen. Das Paket wird morgen ausgetragen werden. Du wirst
noch im Zuchthaus enden !

1 Lat. plusquamperfectum = mehr als vollendet, vergangen


* Lat. futurum = Zukunft.
Die Konjugation der Verben 113

Die Zukunft wird durch besondere Wörter mit Zukunftsbedeutung noch


betont (einst, bald, morgen, nächstens usw.). Dieses Futur wird aber in
der gewöhnlichen Sprache meist durch das Präsens ersetzt (vgl. 82).
Allgemeingültiges kann vom Sprecher auch in die Zukunft gelegt werden 98
(vgl. 81; 85; 94):
Ein guter Mann wird stets das Bessere wählen. Nie wird der Weidenbaum dir
Datteln tragen (Herder).

ß) Viel häufiger wird die Umschreibung mit „werde“ modal verwendet 99


(weil die Zukunft nie ganz sicher ist) und drückt dann meist eine Ver¬
sicherung, eine Vermutung oder eine Aufforderung aus, oft mit Wörtern
entsprechender Bedeutung:
1. ' Versicherung (meist 1. Person):
Ich werde kommen. Wir werden es schaffen.
Ich versichere dem anderen nachdrücklich, daß etwas ganz be¬
stimmt geschehen wird.
2. Vermutung (meist 3. Person):
Morgen wird sicher schönes Wetter sein (Zukunft). Das wird schon stimmen
(Gegenwart). Die Sitzung wird wojil beendet sein (Vergangenheit).

3. Aufforderung (meist 2. Person):


Du wirst mit uns gehen! Du wirst den Apfel schießen von dem Kopf des
Knaben! (Schiller). Wirst du still seinl

g) Die mit „werde” + 2. Partizip + „haben” oder „sein” umschrie¬


bene Form und ihr Passiv (2. Futur)
Aktiv: ich werde gefahren haben, ich werde gelobt haben, ich werde erkrankt sein
usw.; Passiv: ich werde gefahren worden sein, ich werde gelobt worden sein usw.

a) Diese im Deutschen selten gebrauchten Formen verknüpfen die Ver- 100


gangenheit mit der Zukunft und drücken die Zeit einer Handlung aus,
die sich (meist vor einer anderen) in der Zukunft vollendet hat [relatives
Tempus] (2. Futur, vollendete Zukunft). Sie werden daher bei den
„Tempora im zusammengesetzten Satz“ abgehandelt (vgl. 1102 ff. u. 91 f.).

ß) Wie das 1. Futur, so drückt auch das 2. Futur viel häufiger eine 101
Vermutung aus, meist mit dem Wörtchen „wohl“ verbunden:
Er wird es [wohl] gewesen sem. Er wird [wohl] nicht umsonst gelobt worden sein. Sie
wird jetzt [wohl] schon eine halbe Stunde auf mich gewartet haben. Oder als verwun¬
derte Frage: [A.: Wo warst du gestern?] B.: Wo werde ich schon gewesen sein?

h) Zusammenstellung der Formen von der zeitlichen Leistung her


Bei der Untersuchung der vorhandenen Zeitformen des Verbs, wie wir sie 102
eben durchgeführt haben, hat sich gezeigt, daß sich die Namen dieser
Tempora häufig nicht mit ihren Leistungen decken (so besonders Präsens
und Futur). Wir gehen jetzt den umgekehrten Weg und stellen zusammen,
durch welche Formen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft im Deut¬
schen ausgedrückt werden können. Die Zahlen vor den Beispielsätzen
verweisen auf die entsprechenden Kennzahlen.
114 Das Verb

a) Gegenwart
Die Gegenwart im weitesten Sinne wird ausgedrückt, durch die Zeit¬
form :
Präsens (78): Ich schreibe [gerade].
Präsens (81): Er schreibt schön (für die unmittelbare Gegenwart wie für die
allgemeingültige Feststellung).

ß) Vergangenheit
Die Vergangenheit wird ausgedrückt durch die Zeitformen:
Präteritum (93): Der -Torwächter trat schlaftrunken heraus (schriftsprachlich als
Zeit der Erzählung).
Perfekt (84): Es hat geschneit, Ich bin eben aus der Stadt gekommen.
Perfekt (90): Wir haben gezittert am ganzen Leib (umgangssprachlich süddeutsch
als Zeit der Erzählung).
Perfekt (87): Er hat gelebt (völliger Abschluß).
Präsens (80): Ich schreibe schon lange an einem Roman (mit Erstreckung in die
Gegenwart).
Präsens (79): Ich höre, du bist krank. Cäsar überschreitet den Rubikon (historisches
Präsens).
y) Zukunft
Die Zukunft wird ausgedrückt durch die Zeitformen:
1. Futur (97): Ich werde ihn morgen besuchen.
Präsens (82): Ich verreise morgen.
Präteritum (95): Wie bald, dann sah ich sie nicht mehr.
Die Namen, die die „Tempora“ des Deutschen üblicherweise auf Grund
des lateinischen Vorbildes führen, entsprechen also in vielen Fällen
nicht der Sprachwirklichkeit. Wir dürfen die Namen der Formen darum
nicht „wörtlich“ nehmen, sondern müssen uns immer bewußt sein, daß
sich diese Formen leistungsmäßig in mehr oder minder großem Umfang
aufspalten. Wenn wir bedenken, daß das Germanische rur zwei Zeit¬
formen besaß (Präsens und Präteritum) und mit ihrer Hilfe alles Zeit¬
liche ausdrücken mußte, so erkennen wir ohne Mühe, wie sehr sich die
Zeitformen über das Alt- und Mittelhochdeutsche bis zum Neuhoch¬
deutschen entwickelt und differenziert haben1. Ob wir heute in einer
rückläufigen Bewegung stehen (vgl. den Rückgang des Perfekts, Ziff. 95),
muß die Zukunft zeigen.

3. Die Verhaltensrichtung
Man unterscheidet beim Verb zwei Richtungen des Geschehens oder Seins
(Verhaltensrichtungen), das Aktiv und das Passiv.
a) Das Aktiv
103 Das Aktiv hat seinen Namen von jenen Sätzen, in denen das Subjekt
„tätig2“ ist. Dies gilt vor allem für die Sätze, in denen ein transitives Verb
steht:
Fritz schlägt den Hund.

1 Trotzdem ist noch heute das deutsche Tempussystem in der Hauptsache auf der
Gegenüberstellung von Vergangenheit und Nicht Vergangenheit aufgebaut (vgl. Hans
Weber, Das Tempussystem des Deutschen und des Französischen. Übersetzungs¬
und Strukturprobleme. Bern 1954, S. 260).
2 Lat. activus — die Tätigkeit kennzeichnend.
Die Konjugation der Verben 115

Ein tätiges Subjekt kann aber auch bei intransitiven Verben stehen:
. Der Hund beißt.
Man bezeichnet ferner auch jene Sätze als „aktivisch“, in denen das
Subjekt keineswegs tätig ist, sondern in einem Zustand verharrt:
Vater schläft. Die Rosen blühen.
Das Aktiv meint also eine Verhaltensrichtung, die von der Bedeutung
des Verbs unabhängig ist. Man könnte sie als Grundrichtung be¬
zeichnen,. die vom Geschehensträger her gesehen ist. Bei den unter¬
schiedlichen Sehweisen aber, in denen unsere Sprache das Sein und Ge¬
schehen in der Welt betrachtet (vgl. hierzu die gesamte Syntax), kann
man eigentlich nur sagen: Aktivisch ist alles, was nicht passivisch ist.

b) Das Passiv
Beim Passiv ist das Subjekt ebensowenig immer „leidend1“, wie es beim 104
Aktiv „tätig“ ist. Leidend ist das Subjekt in dem Satz:
Der Hund wird geschlagen.
Erfreut ist es aber sicher in dem Satz:
Der Sieger wird gefeiert.
Auch das Passiv muß deshalb unabhängig von der Bedeutung des Verbs
betrachtet werden. Es ist die Gegenrichtung zum x4ktiv.

cc) Das Passiv der transitiven Verben


Daß das Passiv die Gegenrichtung zum Aktiv ist, wird am deutlichsten in 105
den Sätzen mit einem transitiven Verb. Während hier im Aktiv die
Handlung von einem Subjekt ausgeht und sich an einem Objekt vollzieht
(vgl. 874)? wird im Passiv dieses Objekt zum Subjekt des Satzes. Gleich¬
zeitig tritt das Subjekt des früheren aktivischen Satzes im Präpositional-
fall als Urheber des Geschehens in Erscheinung, das sich jetzt am pas- .
sivischen Subjekt vollzieht. Die grammatische Umsetzung des Aktivs
ins Passiy erfolgt mit dem Hilfszeitwort „werden“ und dem 2. Partizip
des betreffenden Verbs:
Aktiv: Der Gärtner bindet —>■ die Blumen.
Passiv: Die Blumen 4— werden vom Gärtner gebunden.
Diese Umkehrung der Verhaltensrichtung ist in allen Zeiten möglich, die
auch im Aktiv gebraucht werden (Präsens, Präteritum, Perfekt, Plus¬
quamperfekt, Futur).
Die meisten Verben mit einem Akkusativobjekt (vgl. 872 ff.) sind voll um¬
kehrbar. Sie bilden deshalb auch ein persönliches Passiv:
Aktiv: Ich schreibe einen Brief. Passiv: Ein Brief wird von mir geschrieben.
Nicht alle Verben, die ein Akkusativobjekt bei sich haben, können jedoch
ein Passiv bilden (vgl. 1017; 1019).

ß) Das Passiv der intransitiven Verben


Von den intransitiven Verben bilden im allgemeinen nur die Verben mit 106
einem tätigen Lebewesen als Subjekt ein Passiv. Dieses Passiv ist jedoch
nicht persönlich, wie bei den transitiven Verben, sondern unpersönlich

1 Lat. passivus = das Leiden kennzeichnend.


116 Das Verb

mit Hilfe des Pronomens es gebildet (das ausfällt, wenn ein anderes Wort
an die Spitze des Satzes tritt; vgl. 847):
Aktiv: Der Sohn dankte dem Vater.
Passiv: Es wurde dem Vater oder demVater wurde [vom Sohne] gedankt.
Zustandsverben bilden gewöhnlich kein Passiv, weil das Subjekt
(gleichgültig, ob Lebewesen oder Sache) im Zustand verharrend, also
bereits ,,passivisch‘; dargestellt wird:
Der Vater schläft (nicht: Es wird vom Vater geschlafen).
Wenn bei Zustandsverben die passivische Rolle des Subjekts besonders
ausgedrückt werden soll, dann geschieht dies meist durch die Versetzung
des Subjekts in die Objektsrolle:
Ich friere — Es friert mich. Ich schaudere — Es schaudert mir.
Auch bei den übrigen intransitiven Verben, die kein Passiv bilden
können, liegt häufig bereits eine ,,passivische'' Bedeutung vor:
Das Eis schmilzt ( das Eis wird von der Sonne geschmolzen). Der Baum fällt
( ^ der Baum wird gefällt).

107 Das unpersönliche Passiv hat vielfach keine eigentliche passivische Be¬
deutung. Es drückt dann ein aktivisches Verhalten oder gar eine energi¬
sche Aufforderung aus:
1. ein aktivisches Verhalten, bei dem der Sprecher das Subjekt nicht
nennen will oder kann:
Es wurde getanzt ( =--- Man tanzte). Im Saal wurde gelacht (•-= Man lachte im
Saal). Bei uns wurde immer viel geschlafen ( Man schlief viel).

2. eine energische Aufforderung, bei der ebenfalls das Subjekt ge¬


mieden wird:
Es wird hiergohlieben! Jetzt wird aber geschlafen!

108 Manche intransitiven Verben neigen zu einem persönlichen Passiv, was


aber noch nicht als völlig korrekt gilt:
Die Kinder mirriot beschert (obwohl: jemandem bescheren). Der Professor betrat
den Hörsaal, gefolgt von seinem Assistenten.
Gelegentlich wird auch aus Scherz ein persönliches Passiv von einem
intransitiven Verb gebildet, wenn ausgedrückt werden soll, daß das Ver¬
halten des Subjekts nicht freiwillig, sondern unter Zwang erfolgt ist:
Er ist gegangen worden.

y) Das Sonderproblem des Passivs bei reflexiven Verben

109 Reflexive Verben sind nicht passivfähig, weil das Objekt mit dem Subjekt-
identisch ist: 1
Ich wasche mich. (Aber nicht, weil sinnlos: Ich werde von mir gewaschen.)
Auch bei ihnen bestehen, wie bei den Zustandsverben, nur zwei Ausnahmen.
Ein unpersönliches Passiv ist möglich, wenn das Subjekt verschwiegen
oder eine energische Aufforderung ausgesprochen werden soll (vgl. 107):
Da wurde ... in zitternder Angst sich verkrochen (C. Viebig).
Jetzt wird sich hingelegt! Jetzt wird sich gewaschen!
Die Konjugation der Verben 117

c) Das Zustandspassiv
Vor einer weiteren passivischen Aussagemöglichkeit stehen wir beim Zu¬ 110
standspassiv. Es sagt aus, in welchen Zustand ein Subjekt geraten ist,
das vorher Objekt einer Handlung gewesen ist. Es wird deshalb auch nicht
mit „werden“, sondern mit „sein“ verbunden:
Das Fenster ist geöffnet (weil jemand das Fenster geöffnet hat). Ich bin ermüdet
(weil das Gehen mich ermüdet hat).
Auch hier sind alle Zeitformen möglich:
Ich bin beteiligt (Präsens), ich war beteiligt (Präteritum), ich bin beteiligt gewesen
(Perfekt), ich werde beteiligt sein (1. Futur), ich wäre beteiligt (2. Konj. Prät.) usw.
Wenn in diesen Fällen ein 2. Partizip Artangabe geworden ist (vgl. 168),
stehen wir nicht mehr vor einer Konjugationsform (mehrteiliges Prädikat;
vgl. 1010), sondern vor einem selbständigen Satzglied (vgl. auch 902).
Konjugationsform: Die Tür ist geöffnet.
Artangabe: Der Mann ist gebildet.

Beachte:
1. Das Zustandspassiv darf nicht durch Auslassung von „worden"4 hervorgerufen
werden, wenn ein Vorgang im Handlungspassiv berichtet werden muß:
Die Sperre ist heute wieder aufgehoben worden (nicht: Die Sperre ist heute wieder
aufgehoben). Falsch ist auch: Die Mitglieder sind (statt: werden) gebeten, pünktlich
zu sein.

2. Manchmal kann die Auffassung schwanken, ob das Zustandspassiv oder das übliche
Passiv eines transitiven Verbs gesetzt werden soll:
Er ist in Hamburg geboren [worden]. So hat auch Gräfin Dubarry . . . mach all
ihren erfüllten Wünschen noch (‘inen: von der ersten Frau des Hofes empfangen zu
sein (St. Zweig).
3. Die Norddeutschen verwenden öfter das Zustandspassiv und bewahren hier einen
älteren Gebrauch. Er gilt jedoch als nicht, hochsprachlich:
Im übrigen gibt der Staatsanwalt, selbst zu, daß in der Nähe, des Postens zweimal
scharf geschossen ist- (Hamburger Nachrichten 1914).
4. Auffällig ist der Gebrauch von „werden“, wenn für unser Gefühl ein Zustand vorliegt:
Durch das Mittehneer wird Europa von Afrika getrennt.
Er ist so zu erklären, daß hier der Tatbestand vom Sprecher immer wieder von neuem
geistig nach vollzogen, d. h. als Vorgang gefaßt wird.
5. Das Hilfsverb „sein“ beim Pass , hat sich gegenüber „werden“ auch in anderen
Fügungen erhalten, weil (las Zuständlicho stärker empfunden wird.
So als Infinitiv nach Modalverben:
Wenn er im Lager-einherging, wollte er nicht gegrüßt sein (Ranke).
Ferner beim Imperativ in der 2. und 3. Person Singular:
Küsse Lieschen und die Kinder und sei geküßt von Deinem Theodor (Fontane).

„Werden“ ist hier seltener:


Ewig werde dein gedacht (Schiller).

d) Ersatzformen des Passivs


Das Bestreben, das Passiv zu ersetzen, ist im Deutschen auffallend stark. 111
Einige Ausweichformen seien hier genannt :
118 Das Verb

a) Aktive Formen von „bekommen, kriegen, erhalten, führen, bringen,


nehmen, gehören“ in Verbindung mit dem 2. Partizip:
Er hat es hundertmal gesagt bekommen (= Es ist ihm hundertmal gesagt worden). Ich
kriege, erhalte meine Auslagen erstattet. Sie brachten ihn getragen. Dem gehört das
Handwerk gelegt (= Dem muß das Handwerk gelegt werden).

ß) Die aktive Form des Infinitivs nach Hilfsverben und modifizie¬


renden Verben hat oft passivische Bedeutung:
Der Schmerz ist kaum zu ertragen (= kann kaum ertragen werden). Es bleibt ab¬
zuwarten (= Es muß abgewartet werden). Das Bild geht nicht zu befestigen (ugs.
= kann nicht befestigt werden). Es gibt viel zu tun (= vieles muß getan werden).

;/) Ein Passiversatz ist ferner die Verbindung eines Nomen actionis
(vgl. 689) mit einem Richtungsverb, wobei letzteres in aktiver Form er¬
scheint :
Das Geschäft kam zum Abschluß (besser: wurde abgeschlossen). Die Bücher ge¬
langten zum Versand (besser: wurden versandt).

4, Die Aussageweise (Modus1)


112 Die allgemeine, normale und neutrale Art und Weise des Sprechenden,
über etwas auszusagen, ist die der Wirklichkeit. Sie ist „die Ruhelage
der Rede“ (Behaghel). Die Form des Verbs, die diese Wirklichkeit aus¬
drückt, nennt man Indikativ2 oder (nicht sehr glücklich verdeutscht)
„Wirklichkeitsform“3:
Peter liest ein Buch. Gisela hat das Abitur bestanden. Goethe wurde 1749 in Frankfurt
geboren. Er sagt, daß er kommt.
Alle diese Verbalformen bezeichnen die objektive Wirklichkeit der Aus¬
sage, eine sachliche Feststellung, die der Sprecher selbst vertritt. Die
Geschehnisse und Vorgänge finden statt, haben wirklich und tatsächlich
stattgefunden.
Es gibt aber für den Sprecher mancherlei Gründe, von der Wirklichkeits¬
form abzuweichen, einen geringeren Sicherheitsgrad der Aussage aus¬
zudrücken, das Geschehen subjektiv nach seinem eigenen Urteil zu bewer¬
ten, kurz: es „problematisch“ zu sehen:
1. die Notwendigkeit, einen Wunsch (der noch nicht Wirklichkeit
geworden ist) auszudrücken;
2. die Notwendigkeit, einen Befehl (der erst Wirklichkeit werden soll)
zu erteilen;
3. die Notwendigkeit, einen Aussageinhalt als zukünftig, als nur
möglich, als unsicher, ungewiß, unbestimmt, als nichtwirklich (irreal)
oder als nur bedingt (konditional) hinzustellen;
4. die Notwendigkeit, die Aussage eines anderen (der selbst nicht
gegenwärtig ist und daher nicht in der 1. Person sprechen kann)
wiederzugeben (indirekte Rede; vgl. 1160).

1 Lat. modus = Art und Weise (Plural: Modi).


2 Lat. indicare = anzeigen, [aus]sagen.
3 Daß die „Wirklichkeitsform“ nicht immer nur die „Wirklichkeit“ ausdrückt, sehen
wir später (vgl. 113).
Die Konjugation der Verben 119

Die Verbform, die fast alle diese Aufgaben übernommen hat, ist der
Konjunktiv1 oder die „Möglichkeitsform“ (eine Verdeutschung, die
nur eine Teilleistung des Konjunktivs kennzeichnet). Sie wird dabei nur
noch unterstützt durch die Befehlsform oder denlmperativ2, der dazu
dient, eine Mahnung, ein Verbot, einen Befehl auszudrücken, und ferner
durch gewisse Gebrauchsweisen des Indikativs. Wir haben also im
Deutschen drei Aussageweisen oder Modi: den Indikativ, den Konjunktiv
und den Imperativ.

a) Der Indikativ
a) Über Endungen, Personalformen und Zeitformen des Indikativs 113
vgl. 76; 139-157 u. 78-102.
ß) Die sprachliche Wirklichkeit ist nicht immer identisch mit der tat¬
sächlich vorhandenen. Der Sprecher kann bewußt oder unbewußt Nicht-
wirkliches als wirklich hinstellen:
Schnell sprang Rotkäppchen aus dem Bauche des Wolfes und die Großmutter auch
(Grimm).

y) Die Wirklichkeitsform steht nicht nur, wenn ein Sachverhalt festge¬


stellt wird, sondern auch, wenn er verneint, erfragt oder als Ausruf gefaßt
wird:
Feststellung: Ich gehe ins Theater.
Verneinung: Ich gehe nicht ins Theater.
Frage: Gehst du [nicht] ins Theater?
Ausruf: Wie schön ist das Theater!

ö) Die Wirklichkeitsform steht sehr häufig auch, wenn ein zukünftiges


(also noch gar nicht Wirklichkeit gewordenes) Geschehen ausgedrückt
werden soll (vgl. 82) oder eine Hypothese in sprichwörtliche Form ge¬
gossen wird:
Dann esse ich und gehe ins Bett (nach meiner Rückkehr). Wenn du das noch einmal
sagst, gebe ich dir eine Ohrfeige. Wer wagt, gewinnt.

e) Sie steht auch für etwas, was nur unter besonderen Bedingungen er¬
wogen wird, für eine bedingte Möglichkeit (vgl. 1109; 1150):
Wenn ich Geld habe, kaufe ich mir ein Faltboot.
Machte ich früher Lärm, so wurde die Pforte besetzt (Immermann).

£) Selten (dichterisch) für eine offensichtliche Nichtwirklichkeit:


Standen ihm damals nicht die Tröstungen der Religion zur Seite, er mußte verzwei¬
feln (Heine).

)]) Die Wirklichkeitsform kann, meist durch Hinzufügung bestimmter


Wörter oder Wortgruppen mit entsprechender Bedeutung bzw. durch
den Ton, modal eingeschränkt, subjektiv abgewandelt werden:
1. Vermutung, Wahrscheinlichkeit, Zweifel, Frage:
Präsens (vgl. 83): Er ist sicher zu Hause. Wahrscheinlich ist sie krank.
Meiner Meinung nach hast du dich hier geirrt.
1. Futur (vgl. 99): Das wird schon stimmen. Morgen wird vielleicht schöneres
Wetter sein.

1 Lat. conjunctivus = abhängig, hypothetisch.


* Lat. imperare — befehlen.
120 Das Verb

2. Futur (vgl. 101): Er wird es sicher gewesen sein. Wo werde ich schon
gewesen sein?
Perfekt (vgl. 88): Er ist doch nicht etwa ins Wasser gelallen?

2. Wille, Versicherung:
1. Futur (vgl. 99): Wir werden es bestimmt schaffen.

3. Aufforderung:
Präsens (vgl. 83): Du kommst mit! Kommst du bald!
1. Futur (vgl. 99): Du wirst jedenfalls mit uns gehen!

b) Der Konjunktiv

cc) Die Formen des Konjunktivs


Es gibt zwei einfache Konjunktivformen, die ohne Umschreibung vom
Verb selbst gebildet werden: den Konjunktiv Präsens und den Kon¬
junktiv Präteritum. Wir sprechen vom 1. und 2. Konjunktiv, ent¬
sprechend der 1. und 2. Stammform.

114 1. Über die Formen und die Endungen des Konjunktivs der starken
und schwachen Verben vgl. die Tabelle ZifF. 76. Viele von ihnen stimmen
mit denen des Indikativs überein. Die Auswertung des „e“ ist im
allgemeinen unstatthaft. Es kann nur dann wegfallen, wenn die Form
durch abweichende Bildung dem Indikativ gegenüber deutlich ab¬
gehoben ist (Umlaut im 2. Konjunktiv). Da aber diese Formen der
gewählten Sprache angehören, bleibt auch hier das „e“ oft erhalten
(nach Zischlauten, d oder t notwendigerweise:)
du schlüg[e]st, du tränk[e]st, ihr trtig[e]t, du läsest, du wüschest, ihr bändet,
du föchtest, du bötest.

115 2. Der 2. Konjunktiv der starken Verben mit nicht umlautfähigem


Stammvokal (i, ie) hat den gleichen Vokal wie der Indikativ:
Indikativ Prät.: er ging, rief, griff
2. Konjunktiv: er ginge, riefe, griffe

Verben mit umlautfähigem Stammvokal (a, o, u) haben jedoch im


2. Konjunktiv Umlaut:
Ind. Prät.: sangfen] Konj. Prät.: sänge[n]
Ind. Prät.: flog[en] Konj. Prät.: flöge[n]
Ind. Prät.: fuhr[en] Konj. Prät.: führe[n]

Da der Stammvokal im Plural des Indik. Prät. früher von dem des
Singulars ab wich, haben sich einige Konjunktivformen mit diesem
älteren Stammvokal erhalten. So erklären sich die Formen:

alt: würbe[nl trotz neu: warbfen]


würfeln] warf[en]
verdürbe [n] verdarb [en]
stürbe[n] starb [en]
beföhle [n], befahl[en]
schölte [n] schalte [n]
Die Konjugation der Verben 121

Bei einigen haben sich jüngere Konjunktivformen neben die älteren


gestellt:
Plur. Ind. Prät.: veraltet: hülfen stunden
heute: halfen standen
2. Konj.: älter: hülfe [n] stünde[n]
jünger: hälfe [n] stände [n]
Ebenso:
älter: schwömme [n] jünger: schwämmefn]
(diese Formen spönne [n] (diese Formen spänne [n]
richteten sich begönne [n] richten sich begänne [n]
nach dem empföhle [n] nach dem empfähle [n]
2. Partizip) sonne [n] Präteritum) sänne[n]
gölte[n] gälte[n]
rönne[n] ränne[n]

Die ältere Form wird dann noch gern gebraucht, wenn der jüngeren
im Präsens eine ähnlich lautende Indikativform zur Seite steht; z. B.
wird statt „hälfe“ lieber „hülfe“ gebraucht, weil „helfe“ mit „hälfe“
lautlich identisch ist.
3. Bei den Verben, deren Stammvokal im Indikativ der 2. und 3. Pers. 116
Sing. Präs. Akt. umlautet oder von e zu i wechselt (vgl. 144), entfällt
dieser Vokalwechsel im Konjunktiv:
2. u. 3. Pers. Sing. Ind. Präs. Akt.: du fällst er fällt
2. u. 3. Pers. Sing. 1. Konj. Akt.: du fallest er falle

4. Der 1. und der 2. Konjunktiv der schwachen Verben haben nie den 117
Umlaut. Deshalb ist die Form „bräuchte“, die man im Süden unseres
Vaterlandes vielfach hört, eigentlich nicht korrekt. Sie ist durch das
Bestreben entstanden, den Konjunktiv „brauchte“ gegenüber der
gleichlautenden Indikativform abzuheben:
Keiner wird mich künftig sehen,
der mich nicht wahrhaftig bräuchte! (Hans Carossa).

5. Der Konjunktiv der unregelmäßigen Verben zeigt ebenfalls Un- 118


regelmäßigkeiten:
a) So hat „hätte“ den Umlaut, obwohl „haben“ schwach ge¬
beugt wird.
b) Bei „rennen, nennen, kennen, brennen, senden, wenden“ be¬
wahren die Formen des 2. Konj. den Vokal des Präsens:
rennte usw., sendete, wendete.

c) Die Verben „bringen“ und „denken“ haben trotz schwacher


Beugung im 2. Konj. Vokalwechsel:
brächte, dächte.

d) Der 2. Konjunktiv von „stehen“ hat zwei Formen: eine ältere,


die auf den .alten Plural des Indikativs „stunden“ zurückgeht
(stünde) und eine jüngere, die sich von der dem Singular ange¬
glichenen Pluralform „standen“ ableitet (stände) (vgl. 115).
e) Zu den Indikativformen des Präsens von „sein“ (ich bin, du
bist, er ist, wir sind, ihr seid, sie sind) lauten die entsprechenden
Konjunktivformen „ich sei, du sei[e]st, er sei, wir seien, ihr seiet,
122 Das Verb

sie seien“. Der 2. Konj. lautet um: ich wäre, du wär[e]st, er wäre,
wir wären, ihr wär[e]t, sie wären. Ebenso bei ,,tun“: ich täte, du
tätest, er täte, wir täten, ihr tätet, sie täten.
f) Der Konjunktiv der Modalverben hat (außer bei „sollen“)
Umlaut bzw. Ablaut:
Ind. Präs.: ich kann, darf, mag, muß, soll
1. Konj.: ich könne, dürfe, möge, müsse, solle
Ind. Prät.: ich konnte, durfte, mochte, mußte, sollte
2. Konj.: ich könnte, dürfte, möchte, müßte, sollte
Ebenso „wissen“:
Ind. Präs.: ich weiß 1. Konj.: ich wisse
Ind. Prät.: ich wußte 2. Konj.: ich wüßte
„Wollen“ bildet den Konjunktiv wie die schwachen Verben:
1. Konj.: ich wolle 2. Konj.: ich wollte

ß) Die gedanklichen Inhalte (Bedeutungen) des Konjunktivs


Die Bedeutungen des Konjunktivs im Hauptsatz zeigt folgende Über¬
sicht. Über die Bedeutungen des Konjunktivs im Gliedsatz vgl. 1108 ff.
Der Konjunktiv erscheint im Hauptsatz:
1. Bei einem Wunsch (voluntativ, optativ1): .
119 a) bei einer Bitte oder einem Wunsch, der in eine Aufforderung,
einen Befehl übergehen kann (imperativisch), als 1. Konjunktiv.
Er tritt in der 1. und 3. Person auf, da für die 2. der lipperativ
(vgl. 128ff.) eintritt. Die Erfüllung wird als möglich betrachtet:
Seien Sic bitte so freundlich: Kdcl sei
der Mensch, hilfreich und gut! (Goethe). Geheiligt ivenle dein Name!
Er lebe hoch! Das bleibe dahingestellt! Grüß' Gott! Gesteh' ich’s nur!
(Goethe). Hoffen wir es!
Dabei stimmen die 1. Pers. JSing. und Plur. mit dem Indikativ
lautlich überein. Der Konjunktiv wird aber deutlich durch die
Wortstellung (Subjekt stehfc nach dem Prädikat; vgl. 1210,4).
Die Aufforderung in der 3. Pers. Sing, unter Verwendung des
Personalpronomens ist veraltet:
Höre Sie, Mamsell! (Schiller). Er sei uns willkommen!
Die Aufforderung in der 3. Pers. Plur. wird heute nur als Anrede
für eine Person gebraucht, die man nicht duzt. Die Form stimmt
lautlich mit dem Indikativ überein:
Schweigen Sie! Nehmen Sie bitte Platz!
Ersatz durch Modalverben:
Das wolle Gott verhüten! (Schiller).
Laßt (Imperativ!) uns gehen!

120 b) Der Wunsch oder die Aufforderung treten hinter einem Zu¬
geständnis, einer Einräumung zurück (konzessiv2).
Es steht der 1. Konjunktiv:
Nun, so sei es! Sei es denn so . . . (Th. Mann). Es komme, was wolle.

1 Lat. voluntas = der Wunsch; lat. optare = wünschen.


2 Lat. concessus = zugestanden.
Die Konjugation der Verben 123

Ersatz durch Modalverben:


Möge (auch Indikativ: mag) kommen, was da wolle? Dann mag (Indikativ!)
der Strom der wildbewegten Welt ans sichre Ufer dieser Berge schlagen!
(Schiller).

c) Die Erfüllung des Wunsches wird als unmöglich oder als weit- 121
gehend unbeeinflußbar betrachtet (irreal). Es stehen die Kon¬
junktivformen der Vergangenheit (der 2. Konjunktiv für die Ge¬
genwart, der Konj. Plusq. für die Vergangenheit):
Hätte er doch noch länger gelebt!
Ersatz durch Modalverben:
Möchte er cs doch endlich einsehen ! Könnten wir Euch nur einmal besuchen!

2. Bei Unbestimmtheit, Möglichkeit, Zweifel, Nicht¬


wirklichkeit (hypothetisch). Es stehen im allgemeinen die Kon¬
junktivformen der Vergangenheit (der 2. Konjunktiv für die Gegen¬
wart, der Konj. Plusq. für die Vergangenheit). Die Bedeutungen
dieser Konjunktive gehen leicht ineinander über.
ä) Bei Unbestimmtheit. Die Tatsachen (besonders auch 122
Wünsche) werden vorsichtig, diplomatisch, höflich, bescheiden im
Unbestimmten gelassen. Der Indikativ ist in solchen Fällen
härter, schroffer:
Ich vninschte, daß Sie nachgäben. (Indikativ: Ich wünsche, daß Sie nach¬
geben). Ich ivollte, es regnete! Das wüßte ich nicht zu sagen. So iväre es
vielleicht besser. Ich ivürde es Ihnen empfehlen. Ich hätte (möchte) gerne
eine Tafel Schokolade. Ich dächte doch! (Lessing). Dazu bedürfte es eines
Vorwandes (St. Zweig).
Beachte:
Dieser Konjunktiv steht auch bei Feststellung eines mühsam erreichten Er¬
gebnisses, obwohl es sich hier doch um eine objektive Tatsache handelt:
Da wären ( = sind) wir endlich. Das iväre ( —- ist) getan. Das hätten ( = haben)
wir endlich überstanden!
Die Erklärung dieser merkwürdigen Verwendung des Konjunktivs liegt viel- '
leicht in der Vorstellung des Sprechers: Da sind wir. Es wäre aber schön, wenn
wir noch weiter wären. Der Gedanke an diese irreale Bedingung tritt schon bei
Feststellung der Tatsache ins Bewußtsein. Die Vorstellung des endgültig Er¬
strebten fehlt. Das erreichte Ergebnis wird daher als unsicher hingestellt.
Ersatz durch Modalverben:
Das möchte schwer ,:u erweisen sein (Schiller). Freilich dürfte noch der Um¬
stand bleiben . . . (G. Keller). Sollte ich mich denn so sehr irren ? (Tieck).
Das könnte gehen.
Vgl. Börne: ,,Die Konjunktive .könnte* und .möchte* machen uns nicht irre,
das ist diplomatischer Stil.“

b) Bei einer Möglichkeit (potential). Der Inhalt des Satzes 123


wird als nur möglicherweise eintretend angesehen. Dies gibt ihm
oft futurische Bedeutung:
Du wärst bestimmt ein guter Beamter! Er hätte auf einem Maskenball er¬
scheinen können.
Ersatz durch Modalverben:
Es dürfte bald schneien. Es sollte doch möglich sein. Es möchte gegen neun
Uhr abends sein.
124 Das Verb

124 c) Bei einem Zweifel, einer Frage (dubitativ1). Die Frage kann
rein rhetorisch und zum zweifelnden Ausruf werden (der Indikativ
ist in allen Fällen möglich):
Das hättest du getan * Du wärst so falsch geweseni (Schiller).

Ersatz durch Modalverben:


Sollte er wirklich schon fort sein? Wer möchte dem Helden der Tragödie
« Fehler anwünschen ? (Lessing).

125 d) Bei Nicht Wirklichkeit des Ausgesagten (irreal):


Ich wäre gerne gekommen, aber ich hatte keine Zeit. Beinahe hätte ich dich
nicht erkannt. Es wäre vernünftiger gewesen, das Geld zu sparen.
Hierher gehört auch der konditionale Konjunktiv einer Aussage,
die nur unter einer bestimmten Bedingung Wirklichkeit geworden
wäre:
Ohne seine Beziehungen wäre er nicht Minister geworden. Das täte ich nicht
(wenn ich an seiner Stelle wäre). Mit deiner Hilfe hätte ich mein Ziel erreicht.
Ersatz durch Modalverben:
Häufig sind Umschreibungen mit „sollen, müssen, können“ zur
Angabe eines notwendigen oder möglichen Verhaltens, das nicht
eingetreten ist:
Nie hätte meine Andacht inniger .. . sein sollen als heute; nie ist sie weniger
gewesen, was sie sein sollte (Lessing). Man hätte vorsichtig sein müssen.

y) Die Umschreibung des 2. Konjunktivs im Hauptsatz


(Zur Umschreibung im Gliedsatz vgl. 1115).
126 Der 2. Konjunktiv, der besonders in potentialer, hypothetischer (irrealer)
und diplomatischer Bedeutung gebraucht wird, kann in vielen Fällen
durch Umschreibungen ersetzt werden:
1. Die wichtigste Umschreibung ist die mit „würde“ + Infinitiv.
Sie wird „Konditional“ (Bedingungsform) genannt, wenn sie im be¬
dingten Hauptsatz steht2 (vgl. Ziff. 76, S. 101 u. S. 103):
Ich würde fliegen, wenn ich so wenig Zeit hätte. Es stellte nur neue Anforderungen
an sein Herz und würde ihn während des ganzen Vortrags in Atem halten
(Th. Mann). Würden Sie mir bitte den Mantel halten? Ich würde raten, die alten
Strohsessel nicht etwa hinweg zu tun (G. Keller).
Die einfachen Konjunktivformen werden in der lebendigen Alltagssprache bereits
in großem Umfang mit „würde“ + Infinitiv umschrieben, weil sie als altertümlich
oder als gekünstelt, als geziert empfunden werden. Ein weiterer Grund ist der, daß
viele starke 2. Konjunktive sich lautlich vom Präsens kaum unterscheiden (sähe -
sehe, läse - lese, träte - trete) und die 2. Konjunktive der schwachen Verben sogar
völlig mit dem Indikativ übereinstimmen (lernte, baute, lebte, förderte). Das Be¬
dürfnis nach Deutlichkeit läßt daher den Sprecher nach der umschriebenen Form
greifen. Im bedingten Hauptsatz ist die Umschreibung heute das Übliche (wo die
einfache Form noch verwendet wird, geschieht es in teilweise bewußter Weiter¬
führung alten Gebrauches):
Wenn ich flöhe, würde ich meine Freiheit gewinnen.
Der Liebhaber klanglich schöner und historisch ehrwürdiger Sprachformen wird
die überall im Vorrücken begriffene, für ihn farblose und aufschwemmende Um-

1 Lat. dubitare = zweifeln.


a Dieser Gebrauch reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück.
Die Konjugation der Verben 125

Schreibung mit „würde“ + Infinitiv ablehnen, er kann aber nicht leugnen, daß sich
die einfachen Konjunktivformen auf dem Rückzug befinden. Eine Grammatik der
deutschen Gegenwartssprache muß dieser Entwicklung gerecht werden.
Die 2. Konjunktive der Hilfsverben „haben“ und „sein“ (hätte, wäre), der Modal¬
verben (müßte, könnte, dürfte, möchte, sollte, wollte; vgl. Abschnitt 2) sowie der
umgangssprachlich viel gebrauchte 2. Konjunktiv „täte“ (vgl. 118, e) widerstehen
im allgemeinen der Umschreibung durch „würde“ + Infinitiv, weil sie selbst schon
Mittel der Umschreibung sind. Die Fügung würde dann zu schwerfällig. Die Um¬
schreibung von „hätte“ und „wäre“ kommt in der Literatursprache allerdings vor,
besonders um störende Gleichklänge mit einem „hätte“ oder „wäre“ des Gliedsatzes
zu vermeiden;
... nie würde ich in diesem Hause eine ruhige Stunde haben (St. Zweig). .. . nie¬
mand, der sie gesehen hätte, würde geahnt haben (statt: hätte geahnt), wie Be¬
deutendes es damit auf sich hatte (Th. Mann). . .. und ein Boot würde auch
bereit sein (Raabe).
Aber:
Es dürfte (sollte) kein Zweifel darüber herrschen ... Ugs.: Ich täte mich be¬
schweren. .. . denn trinken täten sie alle, Freunde und Feinde (Freytag). Gern
täte ich ihn ablösen (H. Carossa).

2. Der 2. Konjunktiv kann auch mit Modalverben umschrieben


werden. Vgl. hierzu die entsprechenden Beispiele 119-125.

<f) Das Tempus des Konjunktivs im Hauptsatz


Die eigentliche Leistung des Konjunktivs ist die Aussageweise (der Mo- 127
dus). Der Ausdruck der Zeitverhältnisse, wie wir sie in den Kapiteln 78 ff.
kennengelemt haben, tritt bei ihm völlig zurück. (Der Verlust der Zeit¬
funktion geht bis ins Mittelhochdeutsche zurück.) Dagegen unter¬
scheiden sich die Konjunktivformen der Gegenwart von denen der Ver¬
gangenheit in ihrer modalen Bedeutung, wie aus Ziff. 119ff. hervorgeht.
Die Konjunktivformen der Gegenwart drücken im allgemeinen aus, daß
die Aussage der Verwirklichung näher steht als bei den Konjunktiv¬
formen der Vergangenheit, die die Verwirklichung entweder ganz aus¬
schließen oder in den Bereich der bloßen Vorstellung, des nur Denk¬
möglichen rücken. Aus den Ziff. 119 ff. geht weiter hervor, daß der
1. Konj. gegenüber dem 2. Konj. weit seltener ist. Im Haupt- wie im
Gliedsatz hat in der Tat im Neuhochdeutschen der 2. Konj. sein Gebiet,
im Vergleich zu früheren Sprachperioden, beträchtlich erweitert.

c) Der Imperativ (Befehlsform)


Der Imperativ1 drückt keine objektive, sondern eine subjektive, vom 128
Willen einer Person abhängige Notwendigkeit aus: eine Bitte, einen Rat,
eine Aufmunterung, eine Aufforderung, einen Befehl, eine Mahnung,
eine Warnung, eine Drohung, ein Verbot usw. Seine Formen werden aus
dem Präsens abgeleitet. Sie haben kein besonderes Moduszeichen. Sie
beziehen sich, da der Befehl einen Partner voraussetzt, immer nur auf
die 2. (angerejiete) Person im Singular und im Plural2 und gelten als

1 Lat. imperare = befehlen.


* Die Aufforderung an die eigene' Person (im Singular wie im Plural) wird durch den
Konjunktiv ausgedrückt (vgl. 119).
126 Das Verb

ganzer [Haupt]satz. In ihnen ist Geschehen und Geschehensträger in


einer Verbform vereinigt:
Geh, gehorche meinen Winken, nutze deine jungen Tage, lerne zeitig klüger sein!
(Goethe). Windet zum Kranze die goldenen Ähren, flechtet auch blaue Zyanen
hinein! (Schiller),
129 Der Imperativ des Passivs wird meist mit „sein“, seltener mit „werden“
gebildet (vgl. 10, Beachte 5) :
Sei mir gegrüßt, mein Berg, mit dem rötlich strahlenden Gipfel! (Schiller). Werde
gegrüßt, schönes Amalfl, dreimal werde gegrüßt! (Platen).
130 Da der Aufgeforderte stets gegenwärtiger, unmittelbarer Partner ist,
genügt meist die Form ohne Personenangabe. Die Person wird nur dann
gesetzt, wenn sie besonders herausgehoben werden soll:
Kümmere du dich um deine Angelegenheiten! Sprich du mit ihm, mir graut in seiner
Nähe! (Schiller). Landsmann, tröstet Ihr mein Weib, wenn mir was Menschliches
begegnet. .. (Schiller).
131 Da ein Befehl nur in der gegenwärtig bestehenden Sprechsituation sinn¬
voll ist, gibt es eigentlich keinen Imperativ der Vergangenheit. Er ist
aber von Dichtern zu bilden versucht worden:
In die Ecke! Besen, Besen, seid's gewesen! (Goethe). Habt Euch vorher wohl prä¬
pariert, Paragraphos wohl einstudiert! (Goethe).
132 Die Imperative vieler Verben treten nur oder fast nur in der Verneinung
auf, weil diese Verben selbst schon negative Bedeutung haben und eine
positive Aufforderung der Moral oder der. Logik widerspräche:
stiehl nicht!; beschädige die Uhr nicht!; verschluck dich nicht!
Die Imperative mancher Verben werden überhaupt nicht verwendet,
weil eine Aufforderung in diesen Fällen entweder unlogisch oder un¬
üblich ist. Zu diesen Verben gehören: gelten, geraten, kennen, kriegen,
bekommen, vermissen, Wiedersehen, wohnen u. a. und die unpersön¬
lichen Verben: es regnet, es schneit, es geschieht u. a.
In der Märchen- und Dichtersprache gibt es davon manche Ausnahmen.

Die Formen des Imperativs

133 1. In der 2. Pers. Sing, steht bei den meisten Verben (starken wie
schwachen) in gehobener Sprache in der Endung ein „e“ (Ausnahmen
s. unten):
trinke! wasche! biete! gehe!
In der Umgangssprache fällt das Endungs-e gewöhnlich weg:
trink! wasch! biet! geh!
Aus Gründen des Versmaßes und des Satzrhythmus fällt das „e“ aber
auch in der Schriftsprache nicht selten weg. Vergleiche:
Geh, ich bitte dich, gehe und quäle mich nicht länger! (Baabe).
Das „e“ muß stehen bei den schwachen Verben auf -em, -ein und
-nen (sofern diesen Endungen ein Konsonant vorausgeht):
fördere! handele! zeichne! trockne ab! leugne nicht!
Das „e“ der Bildungssilbe (-el-, -er-) kann jedoch ausfallen, wobei die
Verben auf -ein dem Ausfall leichter zugänglich sind:
handle! sammle! fördre!
Die Konjugation der Verben 127

Starke Verben, deren 2. und 3. Person Sing. Indik. Präs. Akt. dem 134
e (ä, ö)/i-Wechsel unterliegen (vgl. 144), haben im allgemeinen ihren
Imperativ unter Ausfall der Endung „e“ dem i (ie) dieser Personal¬
formen angeglichen:
lies! (du liest); wirf! (du wirfst); birg! stirb! verdirb! sprich! iß! miß! vergiß!
nimm! hilf! quilfl gib! schilt! wirb! sieh! (nur bei Verweisungen in Büchern
und als Ausruf auch: siehe!).

Wenn Klassiker wie Goethe oder Herder die dem Infinitiv ange¬
glichenen Formen mit „e“ (trete, verspreche, schelte, nehme usw.)
gebrauchen, so ist dies aus dem noch nicht fest gewordenen Gebrauch
zu erklären. Heine und Börne gebrauchen sie sogar ausschließlich.
Auch die heutige Umgangssprache bevorzugt sie, sie gelten aber als
nicht schriftsprachlich. Eine Ausnahme von dieser Regel ist „werde!“
(vgl. 156).
Bei einigen Verben ist das „e“ eingedrungen, weil sie zur schwachen
Konjugation neigen oder weil der alte Imperativ unüblich geworden
ist:
schere! (nicht mehr: schier!), melke! (nicht mehr: milk!), schwäre! (nicht mehr:
schwier!), gebäre! (kaum mehr: gebier 1).

Unterscheide bei stark oder schwach konjugierten Verben:


Erschrick nicht!, aber: Erschrecke ihn nicht! Quill empor!, aber: Quelle die
Bohnen! Schmilz!, aber: Schmelze das EisenJ Schwill!, aber: Schwelle den
. Umfang nicht so auf! Lisch aus, mein Licht! (Bürger), aber : Lösche das Feuer!

2. Die 2. Pers. Plur. stimmt mit der 2. Pers. Plur. Indik. Präs. Akt. 135
überein:
ihr geht — geht!

Im Normalfall und nach Zischlauten fällt das Endungs-e heute ge¬


wöhnlich weg. In der alten und in der poetischen Sprache ist es er¬
halten; nach d oder t und bei sonst schwer aussprechbaren Buch¬
stabenverbindungen muß es stehen:
bindeil, rettet!, öffnet!

3. Der Imperativ von „sein“ ist aus der Konjunktivform gebildet: 136
sei!, seid! (zur Schreibung mit ,,d“ vgl. 154, 1).

Die Präteritopräsentia (vgl. 157; außer „wissen“) haben keinen Impe¬


rativ. Der Imperativ von „wollen” (Wolle nur!) kommt selten vor.

4. Umschreibungen des Imperativs mit Modalverben: 137


a) Mit „sollen“ (mehr subjektive Notwendigkeit, Aufforderung):
Du sollst still sein!

b) Mit „müssen“ (mehr objektive Notwendigkeit, Zwang, Gebot):


Du mußt jetzt still sein!

c) Mit „lassen“ (zulassende Aufforderung):


Laß uns tanzen 1 Laßt uns gehen! Laß dich ja nicht wieder sehen!

d) Mit „wollen“ (willensmäßig bestimmte Aufforderung):


Wir wollen lieber zu Fuß gehen! Wollt ihr endlich still sein!
128 Das Verb

e) Mit „dürfen“ (mehr moralisch gefärbte Aufforderung):


Ihr dürft nicht so laut schreien!

f) Mit „mögen“ (wünschende Aufforderung):


Mögest du den ersten Schritt tun!

138 Andere sprachliche Möglichkeiten, einen Befehl aus¬


zudrücken, sind :
1. Die 1. Pers. Sing. Indik. Präs.:
Ich bekomme Rumpsteak mit Salat! (zum Kellner gesprochen).
2. Die 2. Pers. Sing, und Plur. des Indik. Präs. (vgl. 83) als Ausruf oder Frage:
Du siehst dich vor! Du gehst jetzt l Kommt ihr bald ?
3. Die 1. Pers. Plur. Indik. Präs, (zu einem Partner gesprochen; vgl. 424):
Wir sehen uns jetzt immer vor, nicht wahr, Peter? Wir tun so etwas nicht
wieder, Hans I
4. Die 3. Pers. Plur. Indik. Präs.:
Sie sind so nett und nehmen hier Platz I
5. Die 2. Pers. Sing, und Plur. des Futurs (vgl. 99) als Ausruf oder Frage:
Du wirst dich vorsehen! Wirst du still sein! Ihr werdet Euch hüten!
6. Die 3. Pers. Sing, und Plur. des 1. Konj. (vgl. 119):
Er sehe sich vor! Er komme! Man nehme drei Eier ... ! Seien Sie still!
7. Der Infinitiv mit „zu“ + „haben“ oder „sein“ (vgl. 1013):
Du hast dich vorzusehen! Die Tür ist sofort zu öffnen!
8. Das unpersönliche Passiv (vgl. 107; 109):
Jetzt wird sich vorgesehen! Jetzt wird geschlafen!
9. Der Infinitiv (elliptisch):
Vorsehen! (Mit Unterdrückung des Reflexivpronomens). Nur nicht weich
werden! Antreten! Langsam fahren! Einsteigen!
10. Das 2. Partizip (die Aufforderung wird als vollendet betrachtet):
Vorgesehen! (Mit Unterdrückung des Reflexivpronomens). Stillgestanden!
Rosen auf den Weg gestreut und des Harms vergessenl (Hölty).
11. Ein einzelnes Substantiv, Adjektiv oder Adverb (elliptisch):
[Übt] Vorsicht! [Gebt] Achtung! [Seid, verhaltet euch] Vorsichtig! Vorwärts
[gegangen]! Schneller!
12. Ein Gliedsatz:
Daß ihr euch ja vor seht! Wenn du das noch einmal tust!
13. Ein Satzgefüge mit einem Verb des Aufforderns:
Ich wünsche (verlange, fordere), daß das geschieht!

5. Finite und infinite Formen


Person und Zahl (Numerus)

139 Wie wir Ziff. 866 sehen werden, zwingt das Substantiv (oder dessen
Stellvertreter) in der Rolle als Subjekt dem Verb Person und Zahl auf:
ich erwache, das Kind erwach*, du erwachs*, die Kinder erwache», das Kind ist er¬
wacht.
Verbformen, die in dieser Weise Person und Zahl enthalten, heißen
finite1 (bestimmte) Formen des Verbs oder auch Personalformen.

1 Lat. finitus = bestimmt, inffniius = unbestimmt.


Die Konjugation der Verben 129

Verbformen, die weder Person noch Zahl enthalten, die deshalb auch
keiner satzbildenden Aussage fähig sind, nennt man demgegenüber
infinit (unbestimmt):
erwachen, erwachend, erwacht.

a) Die finiten Verbformen


a) Der Bestand an finiten Formen

Das Verb besitzt für die drei Personen des Subjekts Personalformen in 140
der Einzahl und in der Mehrzahl durch alle Zeiten (Tempora; vgl. hierzu
die Tabellen Ziff. 76):
1. für die sprechende (erste) Person:
ich erwache, erwachte, wir erwachen, erwachten; ich bin erwacht.

2. für die angesprochene (zweite) Person:


du erwachs«, erwachtes«, ihr erwach«, erwach«e«; ihr seid erwacht.

3. für die besprochene (dritte) Person bzw. Sache:


er, sie, es, das Kind erwach«, erwach«e; sie, die Kinder sind erwacht.

ß) Der Verwendungsbereich der finiten Formen

Nur wenn der Mensch oder ein personifiziertes Wesen bzw. Ding als 141
Subjekt stehen, können alle finiten Formen ins Spiel kommen:
Ich komme, wir kommen u. a. In der Fabel: ,,Das wäre was für uns“, sprach der
Hahn (Grimm).
Dagegen ist das unbekannte „es“ auf die dritte Person Singular be¬
schränkt (vgl. hierzu auch Ziff. 843):
es donner«, blitz«, regne«.
Alles, was zwischen dem Menschen und dem unbekannten „es“ steht,
kann nur in der dritten Person Singular und — wenn möglich — auch in
der 3. Person Plural erscheinen:
Das Wasser rausch«. Die Wasser rauschen. Das Unglück ereigne«e sich um drei Uhr.
An dieser Straßenkreuzung ereignen sich viele Unglücke. Das verdroß mich.

y) Bemerkungen zu einzelnen Personalformen der starken Verben

1. Pers. Sing. Indik. Präs. Akt. 142


Das ,,e“ der Endung fällt bei starken (und schwachen) Verben nur in der Mundart, in
der Umgangssprache und in poetischer Sprache weg:
Ich schreib’ dir bald. Ich wohn’ in einem steinernen Haus (Schiller). Meinen Posten
halt’ ich (Raabe).
Schriftsprachlich bleibt es erhalten.
2. und 3. Pers. Sing. Indik. Präs. Akt. 143
Bei den Verben mit dem Stammvokal a, au, o tritt Umlaut ein:
fallen, du fällst, er fällt; laufen, du läufst, er läuft; stoßen, du stößt, er stößt.
Ausnahmen: schaffen, hauen, saugen, schnauben, kommen.
Das ursprünglich schwache Verb ,,[ein]laden“ = zum Kommen auffordern ist in die
starke Konjugation übergetreten (du lädst, er lädt [ein]), man trifft aber noch öfter die
schwachen unumgelauteten Formen (du ladest, er ladet [ein]). Sie gelten nicht mehr als
korrekt.
130 Das Verb

Da „fragen“ schriftsprachlich nur noch schwach gebeugt wird, sind die starken Formen
„du frägst, er frägt“ (frag) nicht korrekt, auch wenn sie, besonders in Norddeutschland,
öfter gebraucht werden.
144 Die Verben mit dem Stammvokal e (ä, ö) haben ein i (ie). Man nennt diese Erscheinung
e/i- Wechsel (vgl. die betreffenden Verben in der Liste Ziff. 74):
geben, du gibst, er gibt; gebären, du gebierst, sie gebiert; erlöschen, du erlischst,
es erlischt.
Den e/i-Wechsel aufgegeben oder nie gehabt haben u. a. „bewegen, denken, gären,
stecken, weben** und die unregelmäßigen Verben „gehen“ und „stehen“.
Der Wegfall des „e“ in der 2. und 3. Pers. Sing. Ind. Präs., in der 2. Pers. Plur. Ind.
Präs., in der 2. Pers. Sing. Ind. Prät., in der 2. Pers. Plur. Ind. Prät. Akt.:
145 1. Im Normalfall fällt heute das „e“ in den obengenannten Formen weg:
du trinkst, er trinkt^; ihr trinkt; du trankst, ihr trankt.
Das „e“ in diesen Formen ist entweder veraltet oder poetisch, vom Standpunkt der
Umgangssprache aus geziert:
Wer allzu eifrig bekräftigt sein Versprechen, beweiset dir damit den Willen,
es zu brechen (Rückert). Drin liegst du, wie du starbest (Uhland).
146 2. Bei Verben mit Vokalwechsel fällt das ,,e“ in der 2. und 3. Pers. Sing. Ind. Präs,
weg:
du fällst, er fällt; du gibst, er gibt; du fichtst, er ficht (für: flehtt).
147 3. Nach Zischlauten (s, ß, sch, z, tz) ist es unterschiedlich:
In den Präsensformen fällt das -e- oder -es- heute gewöhnlich weg:
du liest (für: liesest), ihr lest (für: leset), du reißt (für: reißest), ihr reißt (für:
reißet), du wäschst (Vokalwechsel!), ihr wascht (für: waschet).
Die Formen mit „e“ gelten als veraltet, poetisch oder geziert:
Wenn du der Stunde dienst, beherrschest du die Zeit (Rückert). ... doch nur
die Anmut sieget (Schiller).
Der Ausfall des „s“ nach „sch“ in Fällen wie „du wäscht“ wird als allzu unge¬
zwungen schriftsprachlich vermieden.
In der 2. Pers. Sing. Ind. Prät. bleibt das „e“ nach Zischlauten meist erhalten:
du lasest, du rissest, du wuschest.
In der 2. Pers. Plur. Ind. Prät. kann es wegfallen:
ihr las[e]t, ihr risset (rißt), ihr wusch[e]t.
148 4. Nach d oder t bleibt in den Präsensformen das „e“ erhalten, wenn kein Vokal¬
wechsel stattflndet:
du findest, du bietest; er findet, er bietet; ihr findet, ihr bietet.
In der 2. Pers. Sing. Ind. Prät. bleibt es nur in ge wählt er‘Sprache erhalten:
du fandst (du fandest), du botst (du botest).
In der 2. Pers. Plur. Ind. Prät. muß es aus lautlichen (gründen erhalten bleiben:
ihr fandet, ihr botet.
149 Das „e“ der Endung -en (1. und 3. Pers. Plur. im Ind. und Konj. des Präsens und des
Präteritums Akt.) kann nach Vokal oder h wegfallen, wenn Versmaß oder Satzrhythmus
es erfordern. Die Umgangssprache bevorzugt diese synkopierten Formen:
wir, sie schrein, schrien; wir, sie fliehn, flohn. ^

<f) Bemerkungen zu einzelnen Personalformen der schwachen Verben

150 Der Stammvokal der schwachen Verben bleibt unverändert. Die Endungen der
Personalfonnen entsprechen denen der starken, außer in der 1. und 3. Pers. Sing. Prät.:
ich suchte, er suchte.
Die Konjugation dev Verben 131

Das „e“ dieser Endung kann nur in dichterischer Sprache oder in süddeutscher Um¬
gangssprache wegfallen:
einen vergänglichen Tag lebt* ich und wuchs ihit den Meinen (Hölderlin).
Eine kleinere Gruppe wirft das ,,e“ zwischen Stamm und Endung nicht aus. Es sind 151
Verben, deren Stamm auf d, t, m, n ausgeht':
badete (aber: fragte), betete, wettete, hustete, geachtet (aber: gefragt), atmete,
leugnete.
Der sonstige Wegfall des „e“ vollzieht sich im allgemeinen wie bei den starken Verben
(vgl. 142; 145; 147 [Präsensformen]; 149 [Präsens]). Verben, deren Infinitiv.auf -ein,
-ern ausgeht (sammeln, ändern), werfen vor st, t und n das Endungs-e aus:
du sammelst (Indikativ und Konjunktiv 1), er, ihr sammelt; du änderst, er, ihr
ändert; wir, sie sammeln; wir, sie ändern.
In der 1. Pers. Sing. Ind. Präs, wird bei den mit -ein gebildeten Verben das „e“ dieser
Bildungssilbe häufiger ausgeworfen (ich sammle) als bei den mit -em gebildeten (ich
ändre).

6) Bemerkungen zu einzelnen Personalformen der unregelmäßigen Verben


Trotz schwacher Beugung ändert sich der Stammvokal bei den Verben „rennen, nennen, 152
kennen, brennen“:
renne, rannte, gerannt; nenne, nannte, genannt.
Bei „senden“ und „wenden“ stehen daneben Formen, die den Vokal des Präsens be¬
wahren :
sende, sandte oder sendete, gesandt oder gesendet; wende, wandte oder wendete,
gewandt oder gewendet.
Die heutige Sprache drängt darauf, diese Formen auph in der Bedeutung zu differen¬
zieren. Es heißt z. B. nur:
Der Schneider hat den Bock gewendet. Der Bundfunk hat ein Hörspiel gesendet.
Aber noch:
Er sandte oder sendete einen B|Oten. Ein Bote wurde; gesandt oder gesendet. Das Glück
wandte oder wendete sich, hat sich gewandt oder gewendet.
Die Verben „bringen, denken, dünken“ haben trotz schwacher Beugung Wechsel des 153
Stammvokals und Veränderung des Stammauslautkonsonanten:
bringe, brachte, gebracht; denke, dacAte, gedacAt; dünken, deucAte, gedeucAt (da¬
neben die regelmäßigen Formen: dünkte, gedünkt).
Die Verben „gehen, stehen, sein, tun, wollen“ sind ganz unregelmäßig: 154
gehe, ging, gegangen; stehe, stand, gestanden; (sein) bin, war, gewesen; tue, tat,
getan.
1. Die 2. Pers. Plur. Ind. Präs, sowie die 2. Pers. Plur. des Imperativs von „sein“
haben statt der lautgesetzlichen Endung auf -t (seit) zur Unterscheidung von der
gleichlautenden Partikel „seit“ ein d erhalten: ihr seid, seid!
2. Im Präs. Ind. wurde früher bei bestimmten Personalformen von „tun“ in Analo¬
gie zu anderen Verben ein „e“ eingeschoben, ebenso im Infinitiv:
ich tu[e], du tust, er tut; wir tu[e]n, ihr tu[e]t, sie tu[e]n; Infinitiv: tu[e]n.
Diese Formen sind bis auf die 1. Person (ich tue) unüblich geworden. Auch der
Imperativ steht meist ohne „e“: tu! Der alte Ind. Prät. „täte“ kommt noch in der
Dichtung vor:
Die Augen täten ihm sinken (Goethe). Er tät’ nur spöttisch um sich [blicken
(Uhland).
3. Bei dem schwach beugenden „wollen“ sind nur die Personalfprmen des Sing, im
Präsens Ind. unregelmäßig:
ich will, du willst, er will.
132 Das Verb

155 Die Unregelmäßigkeit des Verbs „haben“ beruht auf seinen zusammengezogenen
Formen:
Präs. Ind.: du hast (für: ha[be]st), er hat (für: ha[be]t); Prät. Ind.: hatte (für:
h&[be]te).
Die regelmäßigen Formen werden in „sich gehaben“ und „handhaben“ noch gebildet.
156 Das Verb „werden“ geht nach der starken Beugung bis auf drei Abweichungen:
2. Pers. Sing. Präs. Ind.: du wirst (für: wir[de]st)
3. Pers. Sing. Präs. Ind.: er wird (für: wirdt)
2. Pers. Sing. Imperativ: werde! (für: wird!)
Im Sing. Prät. hat sich die ursprünglich starke Form ich „ward“, du „wardst“, er „ward“
an den Plural „wurden“ angeglichen und die Endung „e“ des schwachen Prät. ange¬
nommen (wurde). Die älteren Formen werden noch gelegentlich von Dichtern und
Schriftstellern gebraucht. Aus der Umgangssprache sind sie ganz geschwunden :
Der kleine, sorgfältig gezeichnete Wäscheschatz . . . ward von Schalleen aufs beste
betreut (Th. Mann).
157 Das Präsens der Modalverben „können, dürfen, sollen, mögen, müssen“ und das Voll¬
verb „wissen“ (kann, darf, soll, mag, muß, weiß) ist eigentlich ein früheres, in Ver¬
gessenheit geratenes starkes Präteritum, dessen neue Vergangenheitsformen schwach
beugten (konnte, durfte, sollte, mochte, mußte, wußte). Dazu trat auch ein schwach
gebeugtes 2. Partizip (gekonnt, gedurft, gesollt, gemocht, gemußt, gewußt). Diese
Verben heißen deshalb „Präteritopräsentia“.
Im Präsens unterscheiden sich bei „können, dürfen, mögen“ und bei „wissen“ Einzahl
und Mehrzahl in ihrem Stammvokal:
ich kann, darf, mag, weiß; aber: wir können, dürfen, mögen, wissen.
Das „e“ der Präteritümendung fällt umgangssprachlich gelegentlich weg (vgl. 150):
was soll*’ ich denn sonst auch wohl tun ? (Th. Mann). Da möch<’ ich doch wetten
(ders.).

b) Di© infiniten Verbformen


158 Die drei infiniten Verbformen (erwachen, erwachend, erwacht) können
im Gegensatz zu den finiten Formen für sich allein kein Prädikat bilden
(vgl. 139). Dafür sind sie (wiederum im Gegensatz zu den finiten Formen,
die syntaktisch nur Prädikat sein können) in der Lage, in vielen Fällen
das Substantiv oder Adjektiv syntaktisch zu vertreten. Schließlich
können sie auch im Gegensatz zu den finiten Formen substantiviert
werden (das Erwachen, die Erwachenden, die Erwachten; vgl. aber ZifF.
788). Die infiniten Formen stehen deshalb zwischen Verb und Nomen
(Nomen hier im alten Sinne = Substantiv und Adjektiv) und heißen aus
diesem Grunde auch Nominalformen.
«) Der Infinitiv
159 Die Form, die das gekennzeichnete Sein oder Geschehen nur in seiner
unbestimmten Ausdehnung benennt, ohne Verbindung mit Person, Zahl,
Aussageweise oder Zeit, heißt Infinitiv1. Er ist der reine Ausdruck des
VerbalbegrifFes. Es gibt vier Infinitivformen, von denen drei mit Hilfs¬
verben gebildet werden:
1. loben, erwachen (Inf. Präs. Akt.)
2. gelobt werden (Inf. Präs. Pass.)
3. gelobt haben, erwacht sein (Inf. Perf. Akt.)
4. gelobt worden sein (Inf. Perf. Pass.)

1 Lat. infinitivus = unbestimmt, unbegrenzt.


Die Konjugation der Verben 133

Die 1. Form (der eigentliche und ursprünglich einzige Infinitiv des


Deutschen) drückt nur die Verhaltensrichtung eines als unvollendet auf-
gefaßten Geschehens (Aktiv) aus. Die 3. Form drückt die Vollendung
dieses Geschehens aus. Die 2. und 4. Forrn kennzeichnen die gleichen
Verhältnisse für die Verhaltensrichtung des Passivs.
Die Endung des Infinitivs ist -en (lesen, loben, zeichnen) oder -n (sam¬
meln, ändern). Das „e“ der Endung -en kann nach Vokal oder h weg¬
fallen, wenn Versmaß oder Satzrhythmus es erfordern. Die Umgangs¬
sprache bevorzugt diese synkopierten Formen:
freun, blühn, schrein, ziehn, gehn.
Der Infinitiv kann auftreten: 1. als reiner Infinitiv 2. mit ,,zu“ ver¬
bunden und 3. als substantivierter Infinitiv. Die beiden ersten Arten
heißen auch „nichterweiterter“ Infinitiv im Gegensatz zum „erweiterten“,
bei dem noch Bestimmungen hinzutreten (üm zu loben, ohne zu loben,
anstatt zu loben, um den fleißigen Schüler zu loben).
Über den Gebrauch des Infinitivs vgl. 1040 f.

ß) Die Partizipien

Die beiden anderen infiniten Formen (erwachend, erwacht) haben auf 160
Grund ihrer Mittelstellung zwischen Verb und Adjektiv den Namen
„Mittelwort“ oder „Partizip”1. „Erwachend” ist das 1. Mittelwort oder
Mittelwort der Gegenwart (1. Partizip oder Partizip Präsens), „erwacht”
das 2. Mittelwort oder Mittelwort der Vergangenheit (2. Partizip oder
Partizip Perfekt). Über den Grad der Teilnahme der Partizipien an der
Wortart Adjektiv vgl. 166if.

Das 1. Partizip
Das 1. Partizip wird aus dem Präsensstamm durch Anhängen der Endung 161
-nd gebildet:
lobe-wd, erwache-nd, tadel-ntf.
Es drückt das im Verb genannte Sein oder Geschehen besonders für die
Gegenwart als ablaufend, dauernd, unvollendet und in aktiver Bedeutung
in der Rolle eines Adjektivs aus. Man nennt es daher auch „Ablaufform“:
der lobende Lehrer; sie kam tanzend herein.
Durch Hinzufügen temporaler Adverbialbestimmungen kann es auch auf
Vergangenheit und Zukunft bezogen werden:
die damals stattflndenden Feiern; die künftig stattfindenden Feste.
Daß es zeitlich neutral ist, sieht man auch daraus, daß es bei jeder be¬
liebigen Zeitform des Verbs stehen kann:
Die blühenden Blumen erfreuten uns, werden uns erfreuen.
Dem 1. Partizip gleich gebildet ist die Form „zu billigend, zu fürchtend“.
Sie ist Ausdruck des beginnenden Vorgangs im Passiv und entspricht
daher dem lateinischen Gerundiv [um]2. Diese Form wird in der Schrift¬
sprache ziemlich häufig verwendet:
Das ist ein nicht zu billigender Schritt. Sein anzuerkennender Fleiß . . .

1 Lat. participare = teilnehmen.


2 Lat. gerundivus = zu vollziehend, auszuführend.
134 Das Verb

Dichtung und Umgangssprache gebrauchen sie nicht. Sie drückt in


passivischer Bedeutung stets die Notwendigkeit oder Möglichkeit aus.
Entstanden ist sie dadurch, daß der ursprünglich nur in der Satzaussage
verwendete Infinitiv mit „zu“ (der Schritt ist zu billigen) unter An¬
hängen eines -d attributiv verwendet wurde (der zu billigende Schritt).
Da das Gerundiv immer nur passive Bedeutung hat, kann es nur von
Handlungsverben gebildet werden. Eine deutsche Bezeichnung für diese
Form gibt es nicht.

Das 2. Partizip
162 Das 2. Partizip ist das Partizip des vollendeten Seins oder Geschehens.
Es hat gewöhnlich passivische Bedeutung. Die starken Verben bilden das
2. Partizip mit der Endung -en. (Über den verschiedenen Ablaut dabei
vgl.70.) Die schwachen Verben haben im 2. Partizip die Endung -t oder -et.
Dazu tritt bei beiden Verbklassen gewöhnlich die Vorsilbe ge-:
stark: (binde, band) gebunden; schwach: (lobe, lobte) gelobt; (rede, redete) geredef.
Das „e“ der Endung -en bei starken Verben kann gelegentlich wegfallen,
wenn Versmaß oder Satzrhythmus es erfordern, aber nur nach Vokal
oder h:
gehaun, geschrien, gesehn.
Die Umgangssprache bevorzugt diese Formen. Über unregelmäßige
Bildung des 2. Partizips vgl. 152 ff.

Zur Vorsilbe ge-


163 Verben, die nicht auf der ersten Silbe betont werden, haben kein ge-,
weil sonst zwei oder mehr tonlose Silben vorangingen. Diese Möglichkeit
wird im Deutschen aus klanglichen Gründen innerhalb eines Wortes
meist vermieden:
studieren, nicht: gestudlert, sondern: studiert; hintertröiben, nicht: hintergetrieben,
sondern: hintertrieben.
Man kann die Regel auch umgekehrt fassen. Alle Verben, die den Ton
auf der ersten Silbe tragen, stehen mit ge-. Unfest zusammengesetzte,
anfangsbetonte Verben (vgl. 667) nehmen die Vorsilbe zyischen ihre
beiden Bestandteile:
abhören, ich höre ab, ich habe abgehört.
Dazu gehören auch Verben, die ursprünglich aus einer syntaktischen
Wortfolge bestanden haben. Sie bilden das 2. Partizip so, als stünden sie
getrennt:
teilnehmen, teilgenommen; haushalten, hausgehalten; stattfinden, stattgefunden;
kopfstehen, kopfgestanden.
Bei anfangsbetonten Verben, die von Zusammensetzungen abgeleitet
sind, steht ge- voran:
wetteifern, ich wetteifere, habe gewetteifert.
Bei schwankender Betonung des ursprünglich unfest zusammengesetzten
Verbs schwankt auch die Bildung des 2. Partizips. Die Zusammen¬
setzung wird dann fest:
Ursprüngliches überführen: ich führe'Über, habe übergeführt, überzuführen (unfest)
wird zu überführen: ich überführe, habe überführt, zu überführen (fest).
Die Konjugation der Verben 135

Daher kann man sagen:


Er ist in ein Krankenhaus über^eführt oder überführt worden. Das Kind hat seine
Mutter ^liebkost oder liebkost.
Das unregelmäßige Verb „werden“ verliert das ge-, wenn es Bestandteil 164
einer umschriebenen Verbform ist:
Ich bin betört worden.
Als Vollverb steht es mit ge-:
Er ist Lehrer geworden.
Es gibt Verben, die einen reinen Infinitiv anschließen können. Hierzu 165
gehören die Modalverben (vgl. 1011), die a.c.i.-Verben (vgl. 922) und
Verben, bei denen das Akkusativobjekt in der Gestalt eines reinen In¬
finitivs auftreten kann (lernen, helfen und lehren; vgl. 1020). Diese
Verben bilden im allgemeinen kein 2. Partizip, wenn ihnen der reine
Infinitiv vorangeht. Sie stehen dann ebenfalls im Infinitiv:
Er muß kommen — Er hat kommen müssen (nicht: gemußt). Ich sehe ihn kommen —
Ich habe ihn kommen sehen (nicht: gesehen).
Dieser Gebrauch ist bei den Modalverben noch fest:
Er hat kommen wollen, müssen, sollen u. a.
So verhält sich auch das modal verwendete „brauchen“, selbst dann,
wenn es mit „zu“ verbunden ist (vgl. 1012):
Das hättest du nicht [zu] tun brauchend
Bei den übrigen Verben dieses Bereiches setzt sich das 2. Partizip immer
stärker durch.
Bei „lassen“ und „hören“ ist das 2. Partizip schon fast gleichberechtigt:
Er hat das Buch liegenlassen oder liegengelassen. (Im Passiv nur ge-: Das Buch
wurde von ihm liegengelassen). Ich habe ihn schreien hören oder gehört.
Bei „lehren, lernen, machen“ ist die Form mit ge- bereits üblicher, der
Infinitiv seltener oder veraltet:
Er hat viel von sich reden gemacht (seltener: reden machen). Er hatte sie in Berlin
kennengelernt (veraltet: kennenlernen).

Zur Mittelstellung der Partizipien zwischen Verb und


Adjektiv
Nicht alle Partizipien nehmen an der Wortart Adjektiv teil: 166

1. Die 2. Partizipien derjenigen intransitiven Verben, die mit „haben“


verbunden werden:
Das Kind hat geschlafen oder gespielt (aber nicht: das geschlafene oder ge¬
spielte Kind).
Gelegentlich wird zwar versucht, diese Partizipien attributiv zu ver¬
wenden. Diese Verwendung ist aber inkorrekt oder mundartlich:
Also nicht: die stattgefundene Versammlung, die überhandgenommene Un¬
ordnung. Süddeutsche Umgangssprache ist: ein gestandener (= gesetzter) Mann.

2. Die 2. Partizipien derjenigen intransitiven Verben, die mit „sein“


verbunden werden und imperfektiv sind:
Das Kind ist gelaufen oder geschwommen (aber nicht: das gelaufene oder ge¬
schwommene Kind).'
136 Das Verb

3. Die 2. Partizipien der reflexiven Verben mit dem Reflexiv¬


pronomen im Akkusativ (vgl. 59):
Das Kind hat sich geschämt (aber nicht: das [sich] geschämte Kind). Auch
nicht: die sich dargebotene Gelegenheit.
Für diese Partizipialformen trifft also die Benennung „Mittelwort“ oder
Partizip nicht zu. Man kann deshalb bei ihnen die Bezeichnung „Par¬
tizip“ nur formal nehmen.
167 Die nachstehend aufgeführten Partizipien nehmen an der Wortart Ad¬
jektiv teil. Sie können hier alle syntaktischen Aufgaben des Adjektivs
außer die der subjektbezogenen Artergänzung (vgl. 902 und weiter unten)
übernehmen. Als Attribut werden sie aueh wie ein Adjektiv dekliniert.
Die in dieser Weise an der Wortart Adjektiv teilnehmenden Partizipien
sind:
1. alle 1. Partizipien:
Das schlafende Kind . . . Ich fand meine Schwester schlafend. Sie kam tanzend
ins Zimmer.

2. die 2. Partizipien der transitiven Verben:


Der geprüfte Schüler ... Er traf seinen Freund verwirrt an. Verlassen blieb er
zurück.

Gelegentlich wird ein 2. Partizip transitiver Verben syntaktisch


falsch bezogen, nämlich auf das Subjekt einer vorausgegangenen
Handlung und nicht auf das betroffene Objekt. Dieser Gebrauch ist
inkorrekt:
Das ihn betroffene Unglück (nicht das Unglück ist betroffen worden, sondern
es hat „ihn“ betroffen).
Durch den häufigen Gebrauch ist die eine oder andere attributive
Verwendung dieser Art jedoch umgangssprachlich schon üblich ge¬
worden:
ein gelernter Kaufmann.

3. die 2. Partizipien derjenigen intransitiven Verben, die mit „sein“


verbunden werden und perfektiv sind: *
die verblühte Rose, das untergegangene Schiff.
Hierzu können auch 2. Partizipien imperfektiver Verben mit „sein“
treten, wenn sie durch besondere Wörter perfektiv geworden sind:
das in den Wald gelaufene Kind, der über den See geschwommene Knabe.
Als subjektbezogene Artergänzung können diese Partizipien aus folgenden Gründen
nicht stehen:
Stehen die 2«Partizipien transitiver Verben nach „sein“, dann handelt es sich immer um
das Zustandspassiv (vgl. 110), d. h. um eine Konjugationsform:
Die Tür ist geöffnet.
Stehen die 2. Partizipien der intransitiven Verben mit perfektiver Aktionsart nach
„sein“, dann handelt es sich immer um das Perfekt, also wiederum um eine Konjugations¬
form:
Das Haus ist eingestürzt.
- Die 1. Partizipien werden im Deutschen im allgemeinen nicht in der Aussage gebraucht.
Die Verlaufsform ist bei uns — im Gegensatz etwa zum Englischen — hier nicht üblich:
Also n i c h t: Er ist schlafend, sondern: Er schäftt.
Die Konjugation der Verben 137

Neben den vorstehend genannten Partizipien, die an der Wortart Ad- 168
jektiv teilnehmen, gibt es noch eine Gruppe, die es besonders zu be¬
trachten gilt. Es sind jene Partizipien (1. und 2.), die durch Bedeutungs¬
differenzierung oder durch das Absterben der übrigen Konjugations¬
formen isoliert sind. Diese Partizipien können dann auch fast alle
als subjektbezogene Artangabe stehen und auch gesteigert werden. Die
2. Partizipien werden parallel mit der Isolierung aktivisch verwendet.
Selbstverständlich gibt es hier vielerlei Übergänge:
Das reizende Mädchen . .. Inge ist reizender als ... (Das Verb „reizen“ hat eine
andere Bedeutung.) Er ist ein gedienter Soldat. (Das abgestorbene transitive Verb
„gedienen“ zu diesem Partizip hatte die Bedeutung: jemanden durch Dienen er¬
proben.)
Hierher gehören Partizipien wie: betrunken, verliebt, geeignet, verirrt,
erkältet, ausgeruht, verschwiegen, besorgt, erfahren, spannend u. a.
Diesen Partizipien ist das Tor zur Wortart Adjektiv am weitesten ge¬
öffnet. In der Wortart Verb sind sie dafür allerdings kaum noch be¬
heimatet.

Zur Substantivierung der Partizipien


Partizipien, die nur im Konjugationssystem stehen (vgl. 166), können 169
nicht substantiviert werden:
Also nicht: der, die, das Geschlafene, Gelaufene, Geschämte.
Dies ist aber mit allen Partizipien möglich, die an der Wortart Adjektiv
teilnehmen:
der Betrunkene, der Verliebte, der Schlafende, der Geprüfte, das Spannende.
Dabei werden gelegentlich auch 2. Partizipien, die an sich passivisch
sind, in aktiver Bedeutung verwendet:
der Bediente (ist nicht der Mann, der bedient worden ist, sondern der selbst bedient
bzw. bedient hat).
Andere Substantivierungen dieser Art gelten noch weithin als inkorrekt
oder als umgangssprachlich:
der Unterzeichnete (ist nicht der Mann, der unterzeichnet worden ist, sondern der
unterzeichnet hat). Ebenso (ugs.): ein Studierter.

Schlußbemerkung zu den infiniten Formen


Durch die infiniten Formen wird ein wesentlicher Teil des Austausches 170
zwischen den drei Hauptwortarten bestritten. Während der Infinitiv,
wie wir sehen werden, in vielen Fällen ein Substantiv syntaktisch ver¬
treten kann (vgl. 1040), sind zahlreiche Partizipien Bindeglieder zur Wort¬
art Adjektiv. Die infiniten Formen stehen auf diese Weise eigentlich zwi¬
schen den drei Hauptwortarten, an denen sie je nach dem Grad ihrer Be¬
reitschaft stärker oder schwächer teilhaben, so sehr sie im Grunde in
der Wortart Verb verwurzelt sind.
138 Das Substantiv (Nomen)

•C. DAS SUBSTANTIV (NOMEN)

I. Die Grundleistung des Substantivs


171 Das Wort „Substantiv“ kommt von lat. nomen substantivum, eine Be¬
zeichnung, die eine Reihe von Wörtern nach der Kategorie des „Vor¬
handenseins“ in einer Klasse zusammenfaßt. Es bezeichnet danach in
erster Linie die stofflich vorhandenen und deshalb dem Menschen wahr¬
nehmbaren Dinge oder Lebewesen. Aber auch nichtgegenständliche, bloß
gedachte Erscheinungen, Eigenschaften, Gefühle, Empfindungen, Hand¬
lungen, Zustände, Vorgänge und Beziehungen, Zeitangaben, Wissen¬
schaften, Künste usw. werden vom Menschen als „Dinge“ aufgefaßt und
mit Hilfe des Substantivs benannt. Es ist also die Leistung des Sub¬
stantivs, den „Dingen“ der Welt einen Namen zu geben, mit dem wir
das stofflich oder gedanklich Seiende sprachlich prägen, um es geistig
zu erfassen. Die Bezeichnung „Nomen“1 oder „Nennwort“ trifft diesen
Sinngehalt am besten. Die Bezeichnung „Dingwort“ ist zu eng. Die
gebräuchliche Bezeichnung „Hauptwort“ erweckt allzu leicht die Vor¬
stellung, als ob dem Substantiv eine im Satz bevorzugte Stellung zu¬
komme.

II. Die Einteilung der Substantive


Man unterscheidet nach den (stofflich) vorhandenen (konkreten) und
den bloß gedachten (abstrakten) Dingen, die das Substantiv benennt,
Konkreta2 und Abstrakta3.

1. Konkreta
a) Eigennamen
172 Sie bezeichnen einzelne Dinge oder Lebewesen, die so, wie sie sind, nur
einmal Vorkommen, z. B. Menschen, Länder, Städte, Straßen, Berge,
Gebirge, Flüsse, Seen, Meere, Fluren und andere Örtlichkeiten, Schiffe,
Sterne, menschliche Einrichtungen, geistige Schöpfungen:
Karl, Theodor Storm, Deutschland, Berlin, Kurfürstendamm, Brocken, Harz, Rhein,
Wannsee, Prater, Titanic, Saturn, Firma Berger und Co., CDU, „Faust“.
Da viele Personen „Peter“, „Müller“, „Schmidt“ oder viele Orte „Neustadt“ heißen,
bezeichnet in diesen Fällen der Eigenname zwar nichts absolut Einmaliges mehr, doch
bleibt jede Person und jeder Ort „Individuum“, d. h. ein bestimmtes unteilbares
Einzelnes.
Eigennamen können im allgemeinen nicht übersetzt "werden: Menschen mit den Fa¬
miliennamen Braun, Brown oder Lebrun sind immer drei verschiedene Personen. Eine
Ausnahme machen nur Vornamen und historische Fürstennamen: Anton van Dyck;
Ludwig XIV. für : Louis XIV.
Volkssprache und Märchen geben auch [Haustieren und Dingen Namen: der Schimpanse
Moritz im Zoo, Fallada (Pferd), Karo (Hund), Dicke Berta (Geschütz), Siegfrieds Schwert
Balmung.
Tier-, Pflanzen-, Monats-, Wochentags-, Krankheits-, Schimpf-, Verwandtschaftsnamen
gelten nicht als Eigennamen. Sie gehören den folgenden Gruppen an.

1 Lat. nomen — Name. 2 Lat. concretus = verdichtet, körperlich. 3 Lat. abstractus =


abgezogen [vom Dinglichen, von der Wirklichkeit].
Die Einteilung der Substantive 139

b) Gattungsnamen
Sie bezeichnen eine ganze Gattung gleichgearteter Dinge oder Lebewesen 173
und zugleich jedes einzelne Wesen oder Ding dieser Gattung. Sie können
wieder in verschiedene Arten unterteilt werden:
Personen: Mensch - Europäer - Germane - Deutscher - Mann - Handwerker - Schnei*
der - Damenschneider - Kostümschneider
Tiere: Tier - Säugetier - Affe - Rhesusaffe
Pflanzen: Pflanze - Blume - Rose - Heckenrose
Dinge: Hausrat - Möbel - Tisch - Schreibtisch

Eigennamen können zu Gattungsnamen werden:


Bayreuth ist das Mekka der Wagnerfreunde. Ich bin kein Krösus. Dieser Lastkraft¬
wagen ist ein Diesel, ein Opel. Weitere Beispiele: Duden, Baedeker, Browning, Cel¬
sius, Kognak, Grimm (Wörterbuch), Havanna (Zigarre), Maggi, Mentor (Erzieher),
Quisling (Verräter), Schrapnell, Teddy, Xanthippe, Zeppelin.

Gattungsnamen können umgekehrt zu Eigennamen werden, wie das bei


einem großen Teil unserer Familiennamen geschehen ist:
Müller, Schmidt, Becker, Schreiner, Wagner.
Die Grenze zwischen Eigennamen und Gattungsnamen kann fließend sein. Das wird be¬
sonders deutlich, wenn ein Name ein Adjektiv enthält. Nach den Regeln der Recht¬
schreibung1 wird dieses groß geschrieben, wenn es sich um einen Eigennamen (Goldener
Sonntag), klein geschrieben, wenn es sich um einen Gattungsnamen (goldene Worte)
handelt. Bei manchen Bezeichnungen schwankt nun die Schreibung, weil man sie ent¬
weder noch ajs Gattungsnamen auffaßt oder schon als Eigennamen deutet.

Untergruppen der Gattungsnamen sind die Sammel- und Stoffnamen:

cc) Sammelnamen (Kollektiva)


Sie fassen gleichgeartete Dinge oder Lebewesen in einer Einzahl zu- 174
sammen, mit der das einzelne Stück nicht benannt werden kann:
Wald für: Bestand aus Tannen, Buchen, Eichen u. a.;
Herde für: Ansammlung von Schafen, Kühen, Ochsen u. a.;
Flotte für: Gesamtheit der Schlachtschiffe, Flugzeugträger, Torpedoboote u. a.
Sammelnamen werden insbesondere gebildet mit der Vorsilbe Ge- (Gebirge) und mit den
Nachsilben -schaft und -keit (Beamtenschaft, Geistlichkeit). Vgl. 700; 710 ff.
Zu den Sammelnamen gehören auch die Mengenangaben:
Anzahl, Haufen, Dutzend, Schock, Gros.
Manche Substantive sind im Singular Gattungsname oder Sammelname: ,,Werkzeug“ ist
entweder das einzelne Werkzeug oder eine Menge von Werkzeugen; ebenso Spielzeug,
Gerät. Im Plural sind sie nur Gattungsnamen (vgl. 240).

ß) Stofffiamen
Sie bezeichnen eine gleichartige Stoffmasse und deren Teile: 175
Wasser, Leder, Holz, Gold, Stahl, Wein, Fleisch, Salz, Wolle, Zement.
Wenn Stoffnamen im Plural stehen (vgl. 241), sind sie Gattungsnamen:
Hölzer, Salze, Stähle.

Vgl. Duden, Rechtschreibung, 14. Auflage, erster, verbesserter Neudruck, S. 43 ff.


140 Das Substantiv (Nomen)

2. Abstrakta
176 Abstrakta heißen diejenigen Substantive, die Nichtgegenständliches so
nennen, als ob es Dinge seien, z. B.
Menschliche Vorstellungen: Geist, Seele;
Handlungen: Schlag, Wurf, Schnitt, Boykott;
Vorgänge: Leben, Sterben, Schwimmen, Schlaf, Reise;
Zustände: Friede, Reichtum, Liebe, Alter;
Eigenschaften: Würde, Verstand, Ehrlichkeit, Krankheit, Dummheit;
Verhältnisse oder Beziehungen: Ehe, Freundschaft, Nähe, Unterschied;
Wissenschaften, Künste: Biologie, Mathematik, Musik, Maleret;
Maß- und Zeitbegriffe: Meter, Watt, Gramm; Jahr, Stunde, Mai.
Die Zweiteilung in Konkreta und Abstrakta deckt sich in vielen Fällen
nur dann mit der Sprachwirklichkeit, wenn man den Wortinhalt und
nicht nur das äußere Wortbild beachtet:
„Grund“ bedeutet konkret „Boden“, abstrakt „Ursache“; „Jugend“ ist konkret, wenn
es „die jungen Menschen“, aber abstrakt, wenn es „das jugendliche Alter“ bezeichnet.
Weitere Beispiele sind die Substantive Schönheit, Verwandtschaft, Erscheinung, Wesen,
Heizung u. a.

III. Das Genus der Substantive

1. Natürliches und grammatisches Geschlecht


177 Genus heißt im Lateinischen „Geschlecht“ (griech. = genos), Mehrzahl
Genera. Die Geschlechtsvorstellung ist mit jedem Substantiv untrennbar
verbunden. Die Sprache hat sich jedoch bei der Einteilung der Substan¬
tive nicht ausschließlich an die vorgegebene Zweiteilung des natürlichen
Geschlechtes gehalten. Sie schuf eine dritte, neutrale Gruppe, zu der sie
durch das Vorhandensein lebloser Dinge veranlaßt wurde. Bereits in
indogermanischer Zeit sind die drei Gruppen des grammatischen Ge¬
schlechtes ausgebildet:
Maskulinum (lat. m(asculinus = männlich),
Femininum (lat. femininus — weiblich),
Neutrum (lat. ne-utrum = keines von beiden).
Die Substantive sind jedoch nicht sinngemäß nach den lebenden Wesen
oder den Dingen, die sie benennen, auf diese Gruppen verteilt. Einmal
beseelte der Mensch, vor allem in früher Zeit, die ganze Natur und sprach
vielen Dingen männliche oder weibliche Züge zu, d.h., er prägte die Welt
nach seinem Bilde. Umgekehrt wurde das geschlechtlich Unbestimmte
auch auf Lebewesen übertragen. Zum anderen wurden schon sehr früh
rein formale Gesichtspunkte entscheidend. Das grammatische Geschlecht
richtete sich nach bestimmten Endungen der Substantive, also nach
ihrer Lautform. Das war besonders in altgermanischer Zeit ausgeprägt.
Noch heute vermögen wir diesen formalen Charakter daran abzulesen,
daß z. B. alle Substantive auf -ung, -heit, -keit weiblich, die auf -ling
männlich sind. Die Veränderung der Endungssilben führte deshalb im
Laufe unserer Sprachentwicklung bei vielen Substantiven zum Ge¬
schlechtswandel (vgl. 200). Wir halten also fest, daß sich das heutige
grammatische Geschlecht von der Bindung an das natürliche Geschlecht
Das Oenus der Substantive 141

fast völlig gelöst hat und daß die Genera nichts anderes sind als Klassen
des Substantivs1.
Über die besondere Leistung des grammatischen Geschlechts bei der
Kongruenz vgl. 1178 ff.
Da die Sprachentwicklung dazu geführt hat, daß sich für die Zugehörig¬
keit der Substantive zu bestimmten Geschlechtsgruppen keine festen
Regeln aufstellen lassen, muß man zu jedem Substantiv den geschlechts¬
bezeichnenden Artikel lernen. Dabei sind nachstehende Hinweise von
Nutzen.

2. Substantive bestimmter Sachgruppen und ihr Geschlecht

a) Personen
Das grammatische Geschlecht der Substantive, die Personen benennen, 178
stimmt im allgemeinen mit dem natürlichen Geschlecht der Person über¬
ein:
der Vater, die Mutter; der Sohn, die Tochter; der Bruder, die Schwester; der Onkel,
die Tante; der Mann, die Frau; der Lehrer, die Lehrerin.
Ausnahmen: z. B. das Weib, die Wache (milit.) und alle Verkleinerungsformen auf
-chen, -lein, -el, -le: das Mädchen, das Fräulein, das Mädel, das Schätzle, das
(auch: der) Kasperle.

b) Tier©
Das grammatische Geschlecht der Tiernamen entspricht dem natürlichen 179
Geschlecht der Tiere, wenn der Geschlechtsunterschied wichtig erscheint :
der Ochse, die Kuh; der Löwe, die Löwin; der Hahn, die Henne.
Dieses Unterscheidungsbedürfnis ist in der Jägersprache besonders aus¬
geprägt:
der Bock, die Ricke; der Rüde, die Hündin; der Keiler, die Bache.
Meist steht jedoch ohne Rücksicht auf das natürliche Geschlecht die Ge¬
samtbezeichnung als Maskulinum, Femininum oder Neutrum:
das Pferd (für: Hengst und Stute), der Igel (für: Igelmännchen und -Weibchen), die
Biene (für den weiblichen Weisel, die männliche Drohne und die geschlechtslose
Arbeitsbiene).

c) Sachen und Abstrakta


Für Sachnamen und Abstrakta lassen sich nur wenige Hinweise geben, 180
weil sie allen drei Geschlechtern angehören. Feste Anhaltspunkte bieten
einige Ableitungssilben (vgl. 195) und folgende. Wortgruppen:

Maskulina sind:
die Namen der Jahreszeiten, Monate, Tage:
der Frühling, der Winter, der Lenz, der Januar, der Freitag,der Mittwoch; aber: die
Woche, das Jahr;

} Über den Versuch, diesen Klassen Grundleistungen zuzusprechen, vgl. H. Brinkmann.


Zum grammatischen Geschlecht im Deutschen. Festschrift öhmann. Ann. Acad. Scient.
Fennicae B, 84, 1954, S. 372 und 380 ff.
142 Das Substantiv (Nomen)

die Namen der Himmelsgegenden, Winde, Niederschläge:


der Norden, der Westen; der Föhn, der Taifun, der Passat, der Schirokko, der Monsun,
der Boreas; der Hagel, der Schnee, der Regen, der Tau, der Reif, der Nebel; aber:
die Bora;
die Namen der Erd- und Gesteinsarten:
der Granit, der Basalt, der Kalk, der Sand, der Schiefer, der Lehm, der Ton, der Gneis,
der Kies; aber: die Gur (Kieselgur), die Kreide;
die meisten Geldnamen:
der Heller, der Taler, der Dollar, der Schilling, der Pfennig, der Franken, der Gulden,
der Rubel; aber: die Mark, die Krone, die Drachme, das Pfund.

Feminina sind:
Baumnamen und sehr viele Blumennamen:
die Ulme, die Rüster, die, Eiche, die Tanne, die Linde, die Buche, die Lärche, die
Kiefer, die Fichte, die Erle, die Pappel, die Birke, die Espe, die Eibe, die Palme (aber:
der Ahorn); die Dahlie, die Narzisse, die Nelke;
Substantivierungen von Zahlen:
die Vier, die Zehn.

Neutra sind:
die meisten Namen der Metalle und der chemischen Elemente:
das Gold, das Silber, das Platin, das Blei, das Nickel, das Eisen, das Erz, das Uran, das
Kupfer, das Zink, das Zinn, das Kalzium, das Brom, das Helium; aber: der Stahl, der
Schwefel, die Bronze.
Die Verkleinerungsformen auf -chen und -lein:
das Plauderstündchen, das Brünnlein.
Wörter aus anderen Wortarten, die nur gelegentlich substantiviert
werden:
das Schöne, das Gute; das Gedachte, das Gewünschte; das Lesen, das Schreiben; das
Seine, das vertraute Du; das Ja und Nein, das Drum und Dran, das Auf und Nieder,
das Wenn und Aber, das V^eh und Ach.
Kollektivbegriffe mit der Vorsilbe Ge-:
das Gebirge, das Getier, das Gewürm, das Gewässer, das Gestirn.
Gesamtvorgänge mit der Vorsilbe Ge-:
das Gelaufe, das Geschieße, das Gejodel, das Geschrei.

d) Eigennamen
a) Personennamen
181 Das Geschlecht der Personennamen stimmt meist mit ihrem natürlichen
Geschlecht überein:
der kleine Karl, der reiche Schulze, die fleißige Liese, die alberne Schmidt; Karl V. und
seine Zeit.
Ausnahmen bilden die Neutra der Verkleinerungsformen auf -chen,
-lein, -le:
das vierjährige Karlchen, das doppelte Lottchen (Buchtitel), das niedliche Ingelein,
das arme Hannele (G. Hauptmann).
Die Verkleinerungsform auf -[e]l richtet sich jedoch noch mehr nach dem
natürlichen Geschlecht (vgl. 183; 1200,1):
die fleißige Gretel, die schöne Liesel (aber auch: das schöne Liesel), arme Liesel (Anzen¬
gruber), der dumme Hansel (aber auch: das dumme Hansel).
Das Oenus der Substantive 143

Noch im 18. Jahrhundert gebrauchte man die Endung -in auch bei Fa- 182
miliennamen, um eine weibliche Person der Familie zu bezeichnen:
Luise Millenn (Schiller), die Karschwi, die Neuberin.
Abgeschwächtes -in steckt noch in den heutigen vulgären Bezeichnungen
die Schulzen, die Schmidt’^.
Im Brief können bei einer bestimmten Form des Briefschlusses Zweifel 183
auftreten, ob es heißt:
Ihr getreues Lencheh Schmidt oder: Ihre getreue Lenchen Schmidt.
Man zieht hier formal-grammatische Übereinstimmung vor und schreibt
heute meist:
Ihr getreues Lenchen Schmidt (aber noch Keller: Ihre ergebenste Käthchen Ambach).
Dagegen: Ihre getreue Grete? Müller (vgl. 181).

ß) Geographische Namen
Länder- und Gebietsnamen sind im allgemeinen neutral, seltener 184
feminin oder maskulin:
das schöne Thüringen, das Frankreich Ludwigs XIV., das geheimnisvolle Tibet,
das tropische Afrika, unser ganzes Europa, das Elsaß, das Ries, das Wallis, das
Pandschab.
Feminin sind die auf -ei, -ie oder -e endenden Länder- und Gebietsnamen:
die Tschechoslowakei, die Türkei, die Lombardei, die Walachei, die Mongolei, die
Mandschurei; die Normandie, die Pikardie; die Bretagne, die Champagne, die Gas-
cogne, die Levante, die Provence, die Ukraine.
Außerdem:
die Schweiz, die Lausitz, die Pfalz, die Krim, die Dobrudscha, die Riviera, die [Ant¬
arktis, die Sahara, die Gobi.
Maskulin sind z. B.
der Peloponnes, der Chersones, der Balkan, der Sudan, der Irak, der Iran, der Jemen,
der Hedschas.
Zum Artikel bei Ländernamen vgl. 234.
Das bei Elsaß im 19. Jahrhundert gelegentlich auftretende männliche
Geschlecht ist wieder aufgegeben worden. Einige Ländernamen kommen
nur im Plural vor (vgl. 254):
die Niederlande, die USA.

Ortsnamen sind im allgemeinen neutral, selbst wenn in Zusammen- 185


Setzungen (vgl. 194) das Grundwort ein anderes Geschlecht hat:
das ewige Rom, das herrliche Sevilla, das altertümliche Büdingen, das schöne Salz¬
burg (obwohl: die Burg), das berühmte Heidelberg (obwohl: der Berg).
Städtenämen treten in altertümlich-dichterischem Gebrauch auch als
Feminina auf:
die rege Zürich, die edle Bern (Schiller); die hohe Rom (Klopstock); weil Carthago
alle ihre Kräfte zusammennehmen wird (Wieland).

Bergnamen sind im allgemeinen maskulin, weil das Substantiv „der 186


Berg“ im Bewußtsein mitschwingt:
der Brocken, der Großglockner, der Große Arber, der Kieferle, der Kyffhäuser, der Elm,
der Melibokus, der Säntis, der Ortler, der Piz Palü, der Monte Rosa, der Montblanc,
der Olymp, der Elbrus, der Vesuv, der Kilimandscharo, der Popocatepetl, der Nanga
Parbat.
144 Das Substantiv (Nomen)

Einige auf -a endende Bergnamen sind Feminina:


die Scesaplana, die Marmolata; aber: der Ätna.
Gebirgsnamen sind maskulin, seltener feminin:
der Harz, der Taunus, der Hunsrück, der Spessart, der Jura, der Fläming, der Ith,
der Himalaja; aber: die Rhön, die Hardt, die Eifel, die Silvretta, die Sierra Nevada.
Viele Gebirgsnamen kommen nur im Plural vor (vgl. 254):
die Pyrenäen, die Dolomiten, die Alpen, die Ardennen, die Kordilleren.
187 Deutsche Flußnamen sind im allgemeinen feminin, doch gibt es auch
einige Maskulina, meist vorgermanischen Ursprungs:
die Weser, die Werra, die Fulda, die Donau, die Weichsel, die Spree, die Lahn, die
Elbe, die Oder, die Maas, die Memel, die Mosel, die Nahe; aber: der Rhein, der Main,
der Lech, der Inn, der Neckar, der Regen.
Ausländische Flußnamen sind überwiegend maskulin:
der Nil, der Kongo, der Amazonas, der Orinoko, der Paranä, der Uruguay, der Jenissei,
der Mississippi, der Jangtsekiang, der Ganges, der Indus, der Euphrat, der Tigris, der
Don, der Bug, der Ebro, der Tiber, der Po.
Feminin sind die meisten auf -a und -e endenden:
die Wolga, die Lena, die Moskwa, die Adda (aber: der Paranä); die Loire, die Rhone,
die Seine, die Themse.

y) Namen der Sterne und Sternbilder

188 Sterne und Sternbilder haben ihr Geschlecht von dem betreffenden Wesen
oder Ding, nach dem sie benannt sind:
der Jupiter, der Saturn, der Drache; die Kassiopeia, die Waage, die Venus; das Cha¬
mäleon, das Dreieck.
Wo das Geschlecht aus der Bedeutung nicht abzuleiten ist, steht meist
das maskuline:
der Algol, der Arktur, der Fomalhaut, der Beteigeuze.
Die auf -a endenden sind jedoch weiblich:
die Wega, die Kapella, die Gemma.

6) Schiffsnamen

189 Sie sind im allgemeinen feminin, vor allem bei Schiffen, die nach Städten
und Ländern benannt sind:
die Nautilus; die Bremen, die Hessen, die Europa, die Deutschland.
Nach englischem Vorbild sind die Schiffsnamen heute meist auch dann
feminin, wenn ein männlicher Personenname zugrunde liegt:
die Graf Spee. Seltener: des „Graf Spee“ (H. Mann).
Aber: der ,.Fliegende Holländer“, der „General San Martin“

Bei Sachnamen schwankt das Geschlecht zwischen dem des Namens und
dem weiblichen:
die Seetüchtigkeit des „Pfeil[s]‘‘ oder der „Pfeil“.
Bei Tiernamen tritt meist das betreffende Geschlecht dieser Namen ein:
das „Krokodil“, des „Kormoran“ (G. Hauptmann), des „Windspiels“ (Leip), die
„Möwe“, der „Jaguar“.
Das Genus der Substantive 145

e) Flugzeugnamen
Man muß hier unterscheiden zwischen individuellen Namen und Gat- 190
tungsbezeichnungen (Flugzeugtypen). Wo überhaupt noch individuelle
Namen gebraucht werden, ist das Geschlecht wie bei den Schiffsnamen
weiblich:
die Storch, die Adler, die Pfeil.
Weiblich sind auch die Gattungsbezeichnungen nach dem Hersteller
(dabei ist wohl das Grundwort „Maschine“ erspart):
die Ju[nckers] 52, die He[inkel] 111, die Do[rnier] X, die Focke-Wulf, die Me[sser-
schmidt] 109.
Ist die Gattungsbezeichnung jedoch ein gewöhnliches Substantiv, dann
tritt dessen Geschlecht ein:
der [Fieseier-]Storch, der Condor, die Flying Fortress (weil man an „Festung“
denkt).

5) Namen von Hotels, Kaffees, Kinos


Sie sind, dem Geschlecht dieser drei Wörter entsprechend, neutral: 191
das Continental, das Astoria; ich gehe ins Kranzier, ins Blum; das Capitol.

e) Abkürzungen und Kurzwörter


Abkürzungen richten sich im Geschlecht nach ihrem Grundwort: 192
die CDU ('die Christlich-Demokratische Union), die SPD (die Sozialdemokratische
Partei Deutschlands), das BGB (das Bürgerliche Gesetzbuch).
Kurzwörter richten sich ganz überwiegend nach dem Geschlecht des
vollen Wortes:
der Akku[mulator], der Trafo (der Transformator), der [Auto-, Omni] bus,die Lokomo¬
tive], die Kripo (die Kriminalpolizei), das Auto[mobil], das Velo[ziped] (Schweiz.).
Nur selten setzt sich ein abweichendes Geschlecht durch:
das Kino (obwohl: der Kinematograph), das Foto (obwohl: die Fotografie; Schweiz.:
die Foto), die Taxe, das Taxi (obwohl: der Taxameter).

f) Substantivierte Buchstaben
Substantivierte Buchstaben sind neutral: .193
das A und [das] O, einem ein X für ein U vormachen.

g) Das Geschlecht bei zusammengesetzten Substantiven


Das Geschlecht eines zusammengesetzten Substantivs wird durch das 194
Grundwort bestimmt (vgl. jedoch 185), gleichgültig, ob es dem natürlichen
Geschlecht des Begriffsträgers entspricht oder nicht:
die Mannsperson (weil: die Person), das Frauenzimmer (weil: das Zimmer), der Haus¬
bau (weil: der Bau), die Zugspitze (weil: die Spitze), der Böhmerwald (weil: der Wald),
das Zungen-R (weil: das R).
Hiervon gibt es nur wenige Ausnahmen, z. B.
der Abscheu neben die Abscheu (weil „Scheu“ früher auch maskulin war), der Mitt¬
woch (obwohl: die Woche, weil man an den Tag denkt), die Heirat (obwohl: der Rat;
Luther sagt noch „der Heirat“); die Anmut, die Großmut, die Langmut, die Sanft¬
mut, die Schwermut, die Wehmut (obwohl: der Mut; Analogiebildungen zu: die
146 Das Svbstantiv (Nomen)

Armut, die Demut, deren -mut auf das althochdeutsche Adjektivsuffix -muoti zu¬
rückgeht), das Gegenteil, das Vorderteil, das Hinterteil (obwohl heute meist: der
Teil).
Fällt gelegentlich das Grundwort einer Zusammensetzung fort, dann
bleibt sein Geschlecht erhalten:
der FD [-Zug], die Senoussi[-Zigarette], das Roulett [spiel].

195 Zusammenstellung einiger Endungen, die das Geschlecht des


Substantivs bestimmen (Ausnahmen sind möglich)

Maskulina

a) Substantive mit deutschen (eingedeutschten) Ableitungssilben


-ich: der Teppich, der Bottich, der Kranich, der Rettich, der Lattich, der Fittich, der
Estrich;
-ig: der König, der Käfig, der Honig, der Pfennig, der Essig; aber: das Reisig;
-fing: der Däumling, der Fäustling, der Bückling, der Schädling, der Schmetterling,
der Fremdling, der Zwilling, der Prüfling (aber: die Reling, weil das 1 zum Stamm
gehört!);
-s: der Schnaps, der Klaps, der Knicks, der Schwips.

b) Substantive mit fremden Ableitungssilben


-ant (lat., roman.): der Aspirant, der Brillant, der Adjutant, der Garant, der Fabri¬
kant, der Musikant, der Konsonant, der Foliant;
-är (franz.; soweit Personenbezeichnung) : der Aktionär, der Kommissionär, der Par¬
lamentär, der Militär (aber: das Militär als Sammelname);
-ast (griech.-lat.): der Dynast, der Kontrast, der Morast, der Palast, der Phantast,
der Gymnasiast;
-eur (franz.): der Amateur, der Friseur, der Ingenieur; eingedeutscht: der Likör;
-ier [. . . i<H (franz.): der Bankier, der Routinier, der Conferencier;
-ier [... 1-r] (franz.): der Offizier, der Kavalier, der Grenadier;
-iker (lat.-dt.): der Fanatiker, der Graphiker, der Mechaniker, der Phlegmatiker,'' der
Philharmoniker;
-ikus (lat.): der Musikus, der Kanonikus, der Luftikus;
-Ismus (griech.-lat.): der Idealismus, der Realismus, der Kapitalismus, der Fanatis¬
mus, der Organismus, der Optimismus, der Egoismus;
-ist (griech.-lat.): der Anarchist, der Antagonist, der Artist, der Jurist, der Pietist, der
Optimist, der Hornist, der Pianist;
-or (lat.): der Motor, der Regulator, der Totalisator, der Katalysator, der Rektor.

Feminina

a) Substantive mit deutschen (eingedeutschten) Ableitungssilben


-ei: die Bücherei, die Metzgerei, die Jägerei, die Reiberei, die Plauderei, die Singerei;
-ln: die Löwin, die Freundin, die Lehrerin, die Studentin;
-heit: die Gottheit, die Blindheit, die Faulheit, die Entschlossenheit, die Einheit,
die Kindheit;
Das Genus der Substantive 147

-keit: die Fruchtbarkeit, die Eitelkeit, die Bitterkeit, die Höflichkeit, die Feuchtig¬
keit, die Kleinigkeit;
-schaft: die Freundschaft, die Eigenschaft, die Verwandtschaft, die Herrschaft, die
Kundschaft;
-ung: die Schöpfung, die Achtung, die Nahrung, die Bildung, die Kündigung, die
Vertretung, die Werbung.

b) Substantive mit fremden Ableitungssilben (bzw. Wortendungen)

-a (lat., Italien., span.): die Kamera, die Ära, die Aula, die Prokura, die Lira, die
Ballerina, die Signora, die Senora, die Hazienda;
-ade (franz.): die Ballade, die Fassade, die Maskerade, die Marmelade, die Schoko¬
lade, die Kanonade;
-age (franz.): die Garage, die Bagage, die Courage, die Etage, die Menage, die
Kartonage;
-aille (franz.): die Kanaille, die Journaille, die Bataille, die Emaille;
-aise (franz.): die Frangaise, die Marseillaise; eingedeutscht: die Majonäse, die
Polonäse;
-ance (franz.): die Renaissance, die Mesalliance, die Usance;
-äno (franz.): die Fontäne, die Moräne, die Quarantäne;
-anz (lat., roman.): die Arroganz, die Bilanz, die Brisanz, die Distanz, die Eleganz,
die Prägnanz;
-eile (franz., Italien.): die Bagatelle, die Frikadelle, die Zitadelle, die Morelle;
-enz (lat.): die Audienz, die Existenz, die Exzellenz, die Frequenz, die Konsequenz,
'die Prominenz;
-ette (franz.): die Dublette, die Etikette, die Facette, die Pinzette, die Rosette, die
Toilette;
-euse (franz.): die Friseuse, die Masseuse, die Balletteuse, die Pleureuse, die Mitrail-
leuse;
-ie [. . . i°] (lat.): die Materie, die Folie, die Historie, die Glorie, die Kastanie, die
Pinie, die Fuchsie;
-ie [. . . i-] (griech., lat., roman.): die Kolonie, die Geographie, die Lotterie, die Ka¬
lorie, die Phantasie; aber: das Genie;
-[l]ere (franz.): die Misere, die Garderobiere, die Voliere, die Portiere, die Bon¬
bonniere;
-ik (griech., lat.): die Musik, die Politik, die Lyrik, die Ethik, die Botanik, die Ma¬
thematik, die Dialektik;
-Ille (lat., franz.): die Bastille, die Quadrille, die Pupille, die Kamille;
-ine (griech., lat., franz.): die Margarine, die Latrine, die Blondine, die Maschine, %
die Vitrine, die Kabine;
-Ion (lat., franz.): die Nation, die Explosion, die Dimension, die Kalkulation, die
Religion, die Station;
-isse (lat.): die Kulisse, die Prämisse, die Narzisse, die Kanonisse, die Diakonisse,
die Abszisse, die Mantisse;
-[i]tät (lat.): die Banalität, die Fakultät, die Kapazität, die Qualität, die Rarität,
die Realität, die Vitalität;
-itis [med.] (griech.): die Bronchitis, die Rachitis, die Neuritis, die Nephritis, die
Arthritis;
-ive (lat., franz.): die Defensive, die Offensive, die Alternative, die Direktive, die
Kursive;
148 Das Substantiv (Nomen)

-ose [med.] (griech.): die Sklerose, die Neurose, die Furunkulose, die Tuberkulose;
-se vgl. -sis;
•sis (griech.): die Basis, die Dosis, die Genesis, die Analysis, eingedeutscht -se: die
Base, die Genese, die Analyse, die Katechese;
-ur (lat.): die Natur, die Kultur, die Temperatur, die Karikatur, die Statur, die
Registratur, die Rasur, die Mixtur, die Tortur, die Ligatur, die Fraktur;
-iire (franz.): die Allüre, die Broschüre, die Gravüre, die Bordüre.

Neutra

a) Substantive mit deutschen Ableitungssilben


-eben, -lein, -le: das Mädchen, das Wäldchen, das Frauchen, das Wägelchen, das
Fräulein, das Ingelein, das Ringlein, das Wässerlein, das Mariele;
-lcht: das Dickicht, das Röhricht, das Tannicht, das Spülicht, das Kehricht (seit dem
18. Jahrhundert auch: der Kehricht);
-tel: das Drittel, das Viertel (aus: -teil);
-tum: das Eigentum, das Christentum, das Heldentum, das Volkstum; aber: der
Irrtum, der Reichtum.

b) Substantive mit fremden Ableitungssilben (bzw. Wortendungen)


-ett (franz., italien.; soweit keine Personenbezeichnung: der Kadett): das Amulett,
das Ballett, das Bankett, das Büfett, das Parkett, das Quartett;
-in [meist ehern.] (lat.): das Benzin, das Chinin, das Insulin, das Pepsin, das Ter¬
pentin, das Nikotin;
-[i]um (lat.): das Album, das Datum, das Faktotum, das Faktum, das Fluidum, das
Plenum, das Aquarium, das Gremium, das Stadium.
-ma (griech.): das Asthma, das Dogma, das Paradigma, das Phlegma, das Plasma,
das Klima, das Komma, das Thema;
-ment (lat.): das Argument, das Dokument, das Pigment, das Segment, das Element,
das Experiment; aber: der Zement, fachsprachlich auch noch: das Zement;
-ment [... ma**](franz.): ^^Appartement, das Abonnement, das Bombardement,
das Engagement.

Beachte noch im einzelnen:


196 1. Mit Hilfe des Geschlechtswortes werden gleichlautende Substan¬
tive mit verschiedener Bedeutung auseinandergehalten (vgl. die Listen
Ziff. 203 u. 204). Das Neutrum ist dabei gegenüber dem Maskulinum
häufig pejorativ1, d. h. abschätzig, oder bemitleidend:
abschätzig: das Pack, das Mensch, das Ekel; bemitleidend: das Wurm.
197 2. Ferner dient das Neutrum dazu, das Junge (noch Geschlechtslose)
zu bezeichnen:
das Kind, das Lamm, das Ferkel, das Küken, das Fohlen, das Kalb.
198 3. Das Neutrum wird oft bei substantivierten Adjektiven, beson¬
ders auch bei Pronomen angewendet, wenn man nicht weiß, welches
natürliche Geschlecht vorliegt oder wenn männliche und weibliche
Personen zusammengefaßt werden sollen:
Heute ist Familientag, und dazu muß alles da sein, was unseren Namen trägt
(Ompteda). Vater und Mutter sind jedes ein Mensch für sich (Wildenbruch).

1 Lat. peior = schlechter, schlimmer.


Das Qenus der Substantive 149

Nach dem Nominativ der indefiniten Pronomen „jemand, niemand,


wer“ steht das folgende substantivierte Adjektiv (oder substanti¬
vierte Pronomen) meist im Neutrum, um auszudrücken, daß es sich
um eine Person unbekannten Geschlechts handelt (vgl. 494; 506) oder
daß das Geschlecht unwichtig ist:
Jemand (niemand) Fremdes hat gefragt. Jemand anderes (Benrath); nieman¬
den anderes (Hauptmann).
Im Süddeutschen tritt das „neutrale“ Maskulinum an die Stelle
des Neutrums:
niemand anderer (Arnet); jemand anderer (Schnitzler); wer anderer (Schnitzler);
jemand Fremder.
4. In der Schriftsprache verwendet man auch gern das Maskulinum 199
zu „neutralen“ Geschlechtsangaben. Es generalisiert gleichzeitig:

Teuer ist mir der Freund, doch auch den Feind kann ich nützen; zeigt mir
der Freund, was ich kann, lehrt mich der Feind, was ich soll (Schiller).

Zum Genus im Gleichsetzungssatz vgl. 1190 ff.

3. Der Geschlechtswandel
Viele Substantive haben im Laufe der Sprachgeschichte ihr Geschlecht 200
geändert. Nicht immer können wir die Gründe dafür erkennen. In den
meisten Fällen jedoch wurde der Geschlechtswandel durch Analogie
bewirkt:

a) von der Sache her


mhd. daz sper wird nhd. der Speer (weil: der Spieß, der Ger);
lat. murus (Mask.) wird die Mauer (weil: die Wand);
franz. la douzaine (Fern.) wird dm Dutzend (weil: das Hundert, das Tausend, das
Schock).

b) von der Endung des Substantivs her


Im Mittelhochdeutschen waren z. B. Substantive auf -e weitgehend
feminin. Deshalb glichen sich viele ursprünglich maskuline oder neutrale
Substantive auf -e diesem Geschlecht an:
mhd.: der bluome, nhd.: die Blume; mhd.: der vane; nhd.: die Fahne.
Aus dem gleichen Grunde wurden ursprüngliche Feminina zu Maskulina,
weil sie ihr Endungs-e verloren:
mhd.: diu boteche, nhd.: der Bottich; mhd.: diu phlume, nhd.: der Flaum-.
Schließlich wurden Maskulina oder Neutra zu Feminina, weil ihr ur¬
sprünglicher Singular ohne -e durch eine aus dem Plural abgeleitete weib¬
liche Form auf -e verdrängt wurde:
mhd. Singular: der trän, Plural: die trene, nhd. Singular: die Träne, Plural: die
Tränen.
Fremdwörter unterliegen oft der gleichen Analogiewirkung:
franz. le bagage (Mask.) wird die Bagage; franz. le flanc (Mask.) wird die Flanke;
franz. le cigare (Mask.) wird die Zigarre.
150 Das Substantiv (Nomen)

4. Schwankendes Geschlecht
201 Das Geschlecht schwankt, wenn sich das neue Geschlecht noch nicht
durchgesetzt hat (vgl. 202).
Solche Schwankungen können sich über lange Zeiträume erstrecken:
mhd.: diu oder daz versumnisse, nhd.: das (auch: die) Versäumnis; mhd.: derwulst
oder diu wulste, nhd.: der oder die Wulst; mhd.: daz oder der zepter, nhd.: das
(seltener: der) Zepter.
Oft lebt das absterbende Geschlecht in einem Teil des Sprachraumes oder
im engeren Bereich einer Mundart fort:
mhd.: der oder daz hast, ostmd.: das Bast, schriftspr.: der Bast;
mhd.: diu oder der buter, schwäb.: der Butter, schriftspr.: die Butter;
mhd.: der oder diu bach, mdal. oft: die Bach, schriftspr.: der Bach.
Fremdwörter haben oft deshalb schwankendes Geschlecht, weil das Ge¬
schlecht der Herkunftssprache unbekannt ist:
der oder das Radar; der, das oder die Dschungel; der oder das, auch die Zigarillo,
oder weil man sich zwischen dem Geschlecht der Ursprungssprache und
dem im Deutschen durch Analogie hervorgerufenen Geschlecht nicht ent¬
scheiden kann:
lat. metrum (Neutr.) — das Meter, aber in Analogie zu vielen maskulinen Substan¬
tiven auf -er häufig auch: der Meter.
Bei Übernahme fremder Wörter in den deutschen Text besteht manch¬
mal Zweifel, ob man das fremde Geschlecht beibehalten oder das der be¬
treffenden deutschen Übersetzung wählen soll. In diesen Fällen ist das
letztere meist vorzuziehen:
der Place de la Concorde (seltener: die, obwohl franz. place Femininum istl.dieBanco-
di Credito (seltener: der, obwohl italien. banco Maskulinum ist).

202 Liste gebräuchlicher Substantive mit noch heute schwankendem


Geschlecht in der Schriftsprache

Abscheu, der oder die Haspel, die (seltener: der)


Barock, das oder der Hehl (nur noch in der Wendung: kein,
Bauer (Käfig), das (seltener: der) lauch:] keinen Hehl daraus machen)
Begehr, der oder das Juchten, der oder das
Bonbon, der oder das Kasperle, das oder der
Breisgau, der oder das Katapult, der oder das
Bruch (Sumpfland), der (seltener: das) Katheder, der oder das
Buna, der oder das Kehricht, der oder das
Chor (Kirchenraum), der (seltener: das) Keks, der oder das
Dotter, der oder das Klafter, die (auch: der oder das)
Drangsal, die (seltener: das) Klunker’ die oder der .
Dschungel, der oder das oder die Knäuel, der oder das
Episkopat, der oder das Kompromiß, der oder das
Erbteil, das (BGB: der) Lampion, der oder das
Filter, der (techn. meist: das) Lasso, der oder das
Friesei, der oder das Liter, das oder der
Gelee, das oder der Match, der oder das
Gong, der (auch: das) Meteor, der oder das
Gummi, das (auch: der) Meter, das oder der
Häcksel, das (seltener: der) Mündel, der oder das (seltener: die)
Halfter, die (auch: der oder das) Münster, das (seltener: der)
Das Genus der Substantive 151

Perpendikel, der oder das Spachtel, Spatel, der oder die


Pflichtteil, der oder das Spind, das oder der
Pflugschar, die (landw. auch: das) Teil, der (in bestimmten Wen¬
Plaid, der oder das dungen und Zusammensetzungen
Podest, das oder der auch: das)
Primat, der oder das Tingeltangel, der oder das
Quader, der (auch: die) Traktat, der oder das
Radar, der oder das Trikot, das (auch: der)
Salbei, der oder die Tüpfel, der oder das
Schar vgl. Pflugschar Versäumnis, das (auch: die)
Schmer, der oder das Willkommen, das (auch: der)
Schnippei, Schnipsel, der oder das Wulst, der oder die
Schorlemorle, die oder das Zepter, das (seltener: der)
Sellerie, der oder die Zigarillo, der oder das (auch: die)
Sims, der oder das Zölibat, der oder das
Soda, die (auch: das; süddt.: der) Zubehör, das oder-der

Liste gleichlautender verwandter Substantive mit verschiedenem Geschlecht 203


und verschiedener Bedeutung

Oft ist mit verschiedenem Geschlecht verschiedene Bedeutung ver¬


bunden. Hierzu trug vor allem die neuhochdeutsche Schriftsprache bei,
die das schwankende Geschlecht zur Differenzierung benutzte.
Band, das (Fessel, Gewebestreifen) — Band, der (Buch)
Bauer, der (Landmann) — Bauer, das (Vogelbauer; seltener: der)
Bord, der (Schiffsrand), in Zus.: das — Bord, das (Bücherbrett)
Bund, der (Bündnis) — Bund, das (Gebinde)
Chor, der (Sängergemeinschaft) — Chor, das (Schar, Gesellschaft)
Erbe, der (Erbender) — Erbe, das (Geerbtes)
Erkenntnis, die (Einsicht) — Erkenntnis, das (richterliches Urteil)
Fasson, die (Form, Muster, Art) — Fasson, das (Revers)
Flur, der (Korridor) — Flur, die (Landfläche)
Gefallen, der (Gefälligkeit) — Gefallen, das (Freude)
Gehalt, der (Inhalt, Wert) — Gehalt, das (Monatsgehalt)
Hut, der (Kopfbedeckung) — Hut, die (Schutz)
Junge, der (Knabe) — Junge, das (Tierjunges)
Kaffee, der (Getränk) — Kaffee, das (Kaffeehaus, Cafe)
Kredit, der (Glaubwürdigkeit, — Kredit, das ([Gutjhaben)
Zahlungsfähigkeit, Darlehen)
Kristall, der (mineral. Körper) — Kristall, das (Glas)
Kunde, der (Käufer) — Kunde, die (Nachricht)
Maß, das (richtige Größe, Menge) — Maß., die (Flüssigkeitsmaß), süddt.
Mensch, der (allgemein) — Mensch, das (verächtl. für eine Frau)
Moment, der (Augenblick) — Moment, das (Umstand)
Nickel, der (Münze), veralt. — Nickel, das (Metall)
Ort, der (Ortschaft) — Ort, das (bergm. für: Ende der Strecke)
Pack, der (Packen) — Pack, das (verächtl. für: gemeine, min¬
derwertige Menschen)
Schild, der (Schutzwaffe) — Schild, das (Erkennungszeichen)
See, der (Landsee) — See, die (Meer)
Steuer, das (Lenkvorrichtung) — Steuer, die (Abgabe)
Stift, der (Bleistift, kurzes Stäbchen, — Stift, das (fromme Stiftung)
Halbwüchsiger)
Verdienst, der (Erwerb) — Verdienst, das (anerkennenswerte Leistung)
Wehr, das (Stauanlage) — Wehr, die (Verteidigung)
Weise, der (weiser Mensch) ‘ — Weise, die (Art, Singweise)
Wurm, der (Tier) — Wurm, das (hilfloses Kind)
152 Das Substantiv (Nomen)

204 Liste gleichlautender nichtverwandter Substantive mit verschiedenem


Geschlecht und verschiedener Bedeutung

Alp, der (Alpdrücken) — Alp, die (Bergweide)


Harz, das (Baumabsonderung) — Harz, der (Gebirge)
Heide, die (Ödland) — Heide, der (Nichtchrist)
Kiefer, der (Knochen) — Kiefer, die (Baum)
Koller, das (Kragen) — Koller, der (Wutausbruch)
Lama, das (Tier) — Lama, der (Priester)
Leiter, die (SteigVorrichtung) — Leiter, der (Leitender)
Mangel, der (Fehler) — Mangel, die (Wäscherolle)
Mark, die (Geldeinheit; Grenzland) — Mark, das (Knochenmark)
Marsch, der (Marschieren) — Marsch, die (Niederung)
Mast, die (Mästung) — Mast, der (Mastbaum)
Messer, das (Schneidegerät) — Messer, der (Messender, Meßgerät)
Ohm, der (Oheim) — Ohm, das (Flüssigkeitsmaß)
Otter, der (Marderart) — Otter, die (Schlange)
Reis, der (Getreide) — Reis, das (Zweiglein)
Tau, der (Niederschlag) — Tau, das (starkes Seil)
Taube, die (Vogel) —Taube, der (Gehörloser)
Tor, das (große Tür) — Tor, der (törichter Mensch)

205 Liste verwandter Wörter von etwas abweichender Form mit verschiedenem
Geschlecht und gleicher oder verschiedener Bedeutung

In manchen Fällen sind mit dem verschiedenen Geschlecht besondere


Wortformen verbunden. Es handelt sich hier meist um Substantive, die
ihr früheres maskulines oder neutrales Geschlecht mit abweichender
Endung gegenüber der femininen schriftsprachlichen Form in Um¬
gangssprache, Mundart, Fachsprache oder feststehenden Redewendungen
behaupten. Daneben steht, wie bei den Substantiven in den beiden
vorhergehenden Listen, das Streben nach Bedeutungsdifferenzierung.

Akte, die (Schriftstück) Akt, der (Handlung, Theateraufzug)


Backe, die Backen, der (süddt.); mhd.: der backe
Drohne, die Drohn, der (in der Fachsprache der
Imker); mhd.: der tren
Ecke, die Eck, das (bes. süddt. in Ortsbezeichnungen
[das Deutsche Eck] und in Zusam¬
mensetzungen [Dreieck usw.]); mhd.:
diu oder daz ecke
Etikette, die (Förmlichkeit, Hofsitte; Etikett, das (Zettel)
selten noch für: Etikett)
Gurt, der Gurt[e], die (landschaftl. Fachsprache)
Idyll, däs (idyllische Szene) Idylle, die (Gedichtgattung, auch für
Idyll)
Importe, die (eingeführte Zigarre) Import, der (Einfuhr)
Karre, die Karren, der; mhd.: der oder diu karre

In Norddeutschland leben beide Formen mit Bedeutungsunterschied: Karre ist hier


meist die Schubkarre (auch: schlechtes Fahrrad), Karren ein kleiner Wagen. In Süd¬
deutschland ist für beide Bedeutungen der Karren geläufiger.

Knolle, die Knollen, der (seltenere Nebenform); mhd. :


der knolle
Lüge, die Lug, der (fast nur noch in der Formel: Lug
und Trug); mhd. Nebenform: der luc
Das Oenus der Substantive 153

Maie, die (Birkengrün) Mai, der (Monat)


Maien, der (Schweiz, für: Blumenstrauß)
Muff, der (Handwärmer) Muffe, die (Verbindungsstück zweier
Rohre)
Niete, die (veraltend für: Metallbolzen) Niet, der (techn. nur so); mhd.: der oder
diu niet[e]
Posse, die (Possenspiel, lustiges Possen, der (lustiger Streich, Unsinn,
Theaterstück) Spielerei); mhd.: diu oder der posse
Quaste, die (Troddel am Vorhang usw.) Quast, der (norddt. für: breiter Pinsel);
mhd.: der oder diu quaste
Quelle, die Quell, der (dicht.; jüngere Nebenform)
Ratte, die (ugs.: Ratze) Ratz, der (süddt. mdal.); mhd.: der ratz
Ritze, die Ritz, der (noch in Hautritz, sonst mehr
ugs.); mhd.: diu ritze, der riz
Röhre, die Rohr, das,
ln älterer Sprache wurden beide Wörter unterschiedslos gebraucht. Sich anbahnende
Differenzierung geht aus den Zusammensetzungen hervor: Bambus-, Schilf-, Zuckerrohr;
Blas-, Fern-, Kanonenrohr; Abfluß-, Wasser-, Ofenrohr; aber: Ofenröhre (= Backröhre);
Harn-, Luft-, Speiseröhre; Röntgen-, Radioröhre. Mhd.: diu rcere, daz ror.
Ruine, die (verfallenes Bauwerk) Ruin, der (Zusammenbruch, Untergang,
Verfall)
Scherbe, die Scherben, der (oberdt. auch in der spe¬
ziellen Bedeutung Blumentopf);
mhd.: der oder diu scherbe
Schürze, die Schurz, der (meist nur noch Handwerks¬
sprache) ; mhd.: der schürz
Socke, die Socken, der (oberdt. und ugs.); mhd.: der
socke
Spalte, die (bes. in: Gletscher-, Druck¬ Spalt, der (bes. in: Fenster-, Türspalt);
spalte) mhd.: der spalt, diu spalte
Spanne, die (Längenmaß; landsch. für: Spann, der (Fußrücken). (Jüngeres, in der
Spann; in: Gewinn-, Preis-, Fachsprache der Schuhmacher ent¬
Verdienstspanne) standenes Maskulinum)
Sparren, der Sparre, die (dieses Femininum hat sich
gegenüber dem alten Maskulinum
[mhd.: der sparre] nicht durchgesetzt,
weil das Wort meist nur handwerklich
gebraucht wurde)
Spitze, die Spitz, der (oberdt.; sonst nur in den Be¬
deutungen: Hundeart, leichter
Rausch); mhd.: diu spitze, der spiz
Sprosse, die (Querholz [an der Leiter]; Sproß, der (Pflanzentrieb, Nachkomme)
Sommersprosse) Bereits mhd. in diesen Bedeutungen
differenziert
Stapfe, die Stapfen, der (seltenere Nebenform); mhd.
der oder diu stapfe
Stolle, die (Weihnachtsgebäck) Stollen, der (waagrechter unterirdischer
Gang, seltener für: die Stolle); mhd.:
der stolle
Streife, die (Streifzug, Polizeistreife) Streifen, der (in Stoff-, Papier-, Filmstrei¬
fen) ; mhd.: der strife
Striemen, der Strieme, die (dieses Femininum hat sich
gegenüber dem alten Maskulinum
[mhd.: der strime] nicht durchsetzen
können)
Tapfe, die Tapfen, fler
Jüngere Bildung durch falsche Trennung von Fußs/tapfe; vgl. deshalb Stapfe.
154 Das Substantiv (Nomen)

Trupp* der (größere Menschenansamm¬ Truppe, die (Schauspieler-, Artisten truppe,


lung, Schar) bes. soldatische Einheit [meist PI.])
Typ, der (Gepräge, [Grundjform, Urbild, Type, die (gegossener Druckbuchstabe;
Vorbild, [Eigenjart, Gattung, Bei¬ ugs. für: komische Figur; immer sel¬
spiel) tener für: Typ)
Zacke, die (Spitze) Zacken, der (seltenere Nebenform); mhd.:
der oder diu zacke
Zehe, die Zeh, der (seltenere Nebenform; oft ugs.
und mdal.) In Analogie zii „der Fin¬
ger“; mhd.: diu zehe
Zinke, die (Spitze, Zacke; altes Blas¬ Zinken, der (ugs. für: grobe, dicke Nase;
instrument; Gaunerzeichen; Zinke auch für: Gaunerzeichen); mhd.: der
einer Gabel, eines Kammes) zinke

IV. Der Artikel


1. Die Leistung des Artikels
206 Obwohl der Artikel1 der Wortart Begleiter und Stellvertreter des Sub¬
stantivs angehört (vgl. 43), behandeln wir ihn bereits hier, weil er nur in
Zusammenhang mit dem Substantiv betrachtet werden kann.
Der Artikel dient zunächst zur Unterscheidung des Geschlechtes. Außer¬
dem drückt er, da er beugbar ist, auch den Numerus (vgl. 237 ff.) und den
Kasus (vgl. 259 ff.) aus, denen jedes Substantiv zugänglich ist, und ver¬
stärkt dadurch die Aussagekraft der Substantivendung, die heute für
sich allein nicht immer imstande ist, Singular und Plural oder einzelne
Kasus zu unterscheiden:
der Lehrer - die Lehrer, das Becken - die Becken, das Segel - die Segel; des,
eines fleißigen Knaben; dem, einem fleißigen Knaben.
Die Entstehung des Artikels ist daher auch dem Umstand zuzuschreiben,
daß das Substantiv selbst durch Abschwächung seiner Endungen Genus,
Numerus und Kasus nicht mehr deutlich genug auszudrücken vermochte.
Sprachen, in denen die Endungen voll erhalten blieben, haben deshalb
auch keinen Artikel ausgebildet (indogermanische Grundsprache, Alt¬
indisch, Latein, Russisch). Im Gotischen ist er noch wenig entwickelt,
selbst im Althochdeutschen ist er noch nicht ganz fest geworden. Das ist
erst im Mittelhochdeutschen der Fall. Aus der Not wurde aber eine
Tugend: Wenn wir andere Sprachen, die keinen Artikel besitzen, mit der
deutschen vergleichen, dann merken wir bald, welche feinen, abgetönten
sprachlichen Inhalte wir heute mit der Anwendung oder Nichtanwendung
des Artikels ausdrücken können. Der bestimmte und der unbestimm¬
te Artikel bereichern also unsere stilistischen Ausdrucksmöglichkeiten
sehr.
Die bedeutsame Leistung des Artikels besteht darin, auf bestimmte oder
unbestimmte Wesen oder Dinge vorzubereiten, auf sie hinzudeuten,
sie anzumelden (vgl. 208). Es gibt für diesen Zweck zwei verschiedene
Formen: den bestimmten Artikel (der, die, das, Plural die) und den un¬
bestimmten (ein, eine, ein). Der bestimmte Artikel ist aus dem Demon-

1 Lat. articulus = Gelenk, kleines Satzstück. Dieser Terminus ist also ziemlich nichts¬
sagend.
Der Artikel 155

strativpronomen „der, die, das” durch Abschwächung hervorgegangen,


während der unbestimmte Artikel sich von dem Zahlwort „ein, eine, ein”
herleitet. Diese Herkunft zeigt deutlich, daß der Artikel mit dem Pro¬
nomen und dem Zahlwort in einer Wortgruppe steht.

2. Die Beugung des Artikels


Der bestimmte Artikel wird stark, der unbestimmte Artikel gemischt in 207
folgender Weise gebeugt (vgl. 331):

Singular Plural
Mask. Fern. Neutr. für alle Geschlechter

Nom. der die das die


Gen. des der des der
Dat. dem der dem den
Akk. den die das die

Singular Plural fehlt 1


Mask. Fern. Neutr.

Nom. ein eine ein Die Unbestimmtheit plurali-


Gen. eines einer eines scher Gattungsbezeichnungen
Dat. einem einer einem wird im Deutschen durch die
Akk. einen eine ein bloße Pluralform wiedergege-
ben: Hier blüht eine Blume;
aber nur: Hier blühen Blumen.
Vor bestimmten Indefinitpronomen (vgl. 484) bleibt der unbestimmte
Artikel manchmal ungebeugt:
mit ein wenig Geduld, mit ein paar Mark.

3. Der Gebrauch des Artikels


a) Zur Einführung
Der bestimmte (oder besser: bestimmende) Artikel meldet in erster Linie 208
etwas irgendwie Bestimmtes, Bekanntes oder ein bereits erwähntes Wesen
oder Ding an. Der unbestimmte Artikel hebt ein beliebiges unbestimmtes,
nicht näher definiertes Wesen oder Ding aus mehreren derselben Gattung
heraus, um es neu einzuführen, zum erstenmal vorzustellen. Beide Artikel
individualisieren also, der eine in bestimmter Weise, der andere in unbe¬
stimmter. Darauf beruht der Wechsel der Artikel im Anfang einer Er¬
zählung :
Es war einmal eine Witwe. Die Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön
und fleißig, die andere aber häßlich und faul.
Oder: Ich sehe einen Baum. Der Baum blüht. Er trägt rote und weiße Blüten. Die
Blüten sind schön.
Im Zusammenhang der Rede wird vieles als bekannt vorausgesetzt: Das Buch [, das
du mir vorhin gegeben hast,] ist spannend.
Die Vorstellung der Individualisierung kann so stark werden, daß viele
Abstrakta nur mit dem bestimmten Artikel auftreten:
die Natur, das Schicksal, die Vorsehung, die Ehe, der Tod, die Nachwelt, das Chri¬
stentum.
156 Das Substantiv (Nomen)

Besonders Dinge, die nur einmal Vorkommen, gelten als so bekannt, daß
sie den bestimmten Artikel haben:
die Sonne, die Erde, das Fegefeuer, der Himmel, das Paradies.
Die Voraussetzung der Bestimmtheit und Bekanntheit ist schon dann er-'
füllt, wenn das betreffende Substantiv nur durch seine Zugehörigkeit zu
einer bekannten Gattung, als bloßer Gattungsbegriff bestimmt und damit
generalisiert wird. Diese Funktion übernimmt vor allem der bestimmte
Artikel (besonders in kollektiver Bedeutung) :

. Der Baum ist eine Pflanze. Die Bäume sind Pflanzen. Die Wahrheit sagen. [Die]
Geduld ist eine schöne Tugend. [Das] Gold ist ein Metall. Vgl. zu den zwei letzten
Beispielen Ziff. 213 und 227.
Aber auch der unbestimmte Artikel übt die generalisierende Funktion aus,
allerdings seltener und mehr in disjunktiver (sondernder) Bedeutung:
Das weiß ja ein Kind (= jedes Kind). Kinder dürfen das nicht. Ein Baum ist eine
Pflanze. Bäume sind Pflanzen.
209 Der bestimmte Artikel steht im allgemeinen auch dann, wenn das
betreffende Substantiv (der Gliedkem) durch irgendeinen Zusatz näher
bestimmt wird (attributives Adjektiv, voranstehende Apposition, Geni¬
tivattribut usw.):
das schöne Haus; der Monat Juli; die Liebe einer oder der Mutter; der Zaun des Nach¬
bars; die Belagerung von Paris; er starb im hohen Alter von 85 Jahren (aber ganz
allgemein; er starb in hohem Alter); die Freude, die du mir damit erwiesen hast.. .
Bei vorangestelltem Genitivattribut steht jedoch kein Artikel beim Glied¬
kern:
der Mutter Liebe, des Nachbars Zaun. Viele Hunde sind des Hasen Tod (Sprw.).
210 Im allgemeinen steht der Artikel nicht neben Pronomen, da er ja selbst
aus einem Pronomen entstanden ist. Wo es aber der Fall ist, übt er die
gleichen Wirkungen aus, die wir bereits kennengelemt haben: In „der¬
selbe“, „derjenige“ wird ein einmaliges Einzelwesen bestimmt, in „ein
jeder“, „ein solcher“, „solch ein“, „welch ein“ der Vertreter einer Gat¬
tung. Ähnlich:
all die Leute, all das Volk, die beiden, manch ein, ein jeglicher.
211 Der bestimmte Artikel steht oft nur zur Verdeutlichung des Kasus, auch
dort, wo ihn die Bedeutung des Substantivs gar nicht verlangen würde:
Ich ziehe Wein dem Wasser vor. Dieses Metall gleicht dem Golde; die schöne Tugend
der Geduld; einem Pfau gleichen; er hat sich der Physik gewidmet.
212 Da im heutigen Deutsch der Artikel im allgemeinen gesetzt wird, betrach¬
ten wir in den folgenden Einzelfällen vor allem die Ausnahmen von dieser
Regel. Sie sind stets darauf zurückzuführen, daß das folgende Substantiv
ohne Beziehung auf eine besondere Gegebenheit in allgemeinem, unbe¬
stimmtem, nicht begrenztem Sinne gebraucht wird. Das ist nicht nur eine
grammatische, sondern auch eine stilistische Frage, da sich in der Weg¬
lassung des Artikels das Streben nach Kürze ausdrückt.

b) Setzung oder Nichtsetzung des Artikels in Einzelföllen


Der Artikel fehlt vor allem in folgenden Fällen:
213 Bei Abstrakta, wenn sie ganz allgemein eine Eigenschaft, einen Zustand
bzw. Vorgang oder einen Zeitbegriff bezeichnen:
Tugend besteht, Schönheit vergeht. Widerstand ist nutzlos. Sie hätte Geduld. Durch¬
gang verboten! Ende der Woche, Mitte Oktober, Mittwoch abend, nächsten Dienstag.
Der Artikel 157

Über den generalisierenden Artikel, der auch bei Abstrakta gebraucht


wird, vgl. 208.
Tätigkeiten werden jedoch oft individualisiert, also als Gattungsnamen
aufgefaßt und stehen dann mit Artikel:
Der Hieb drang durch den Helm. Ein Sprung in die Tiefe rettet dich.
Der Artikel kann ferner stehen, wenn ein Abstraktum durch einen quali¬
tativen Unterschied bestimmt und herausgehoben (individualisiert) wird:
Das ist die reine Wahrheit (für: das ist reine Wahrheit); einem eine [große] Freude
machen (aber: einem Freude machen).
Nachahmung des Französischen ist es, näher bestimmte Abstrakta mit
dem unbestimmten Artikel ,,ein“ zu setzen:
mit einer vor Wut zitternden Stimme; eine grausame Hache nehmen; von einem
blinden Haß getrieben.
„Gott“ und „Christus“ sind keine Gattungsbezeichnungen mehr, sondern 214
zu Eigennamen (vgl. 232) geworden. Sie stehen daher ohne Artikel:
Qott ist mein Zeuge. Christus trägt der Welt Sünde.
Aber in heidnischem Sinn:
So wandert’ er an leichtem Stabe aus Rhegium, des Gottes (= Apollo) voll (Schiller).
Bei näherer Bestimmung steht auch bei „Gott“ im monotheistischen Sinn
der Artikel:
der liebe Gott; der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte (Arndt).
Bei manchen Sprichwörtern als urtümlichen Aussageweisen: 215
Not kennt kein Gebot. Zeit ist Geld. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Bei feststehenden oder zufälligen, meist durch „und“ oder durch Prä- 216
Position verbundenen Wortpaaren:
Mann und Frau, Haus und Hof, in Form und Inhalt ungenügend, weder Baum noch
Strauch, Woge auf Woge; Urahne, Großmutter, Mutter und Kind.
Stehen solche Wortgruppen im Genitiv, dann steht der Artikel:
Die Ankunft des Königs, der Königin und des Gefolges.
Bei festen Wendungen mit ganz allgemeinem Sinn und bei formelhaften 217
Akkusativobjekten:
nachts, sonntags, bestenfalls, höheren Orts; Fuß fassen, Widerstand leisten, Frieden
schließen, Feuer machen, guten Tag sagen, Atem holen, Wurzel schlagen.
Bei Substantiven, die bloß angeführt oder definiert werden (vgl. 315): 218
Die Beugung von „Bauer"; wie heißt „Brot" auf englisch?; „Liebe" hat viele Be¬
deutungen; was ist „Freiheit" ?
Beim Gleichsetzungsnominativ (vgl.868) oder bei der Artangabe (vgl. 901) 219
mit „als“, wenn die Allgemeinheit betont wird:
Er ist Schaffner. Wir sind Deutsche. Sie wird Kindergärtnerin. Du bleibst Schlosser.
Er fühlt sich als Held. Ich betrachte ihn als Freund.
Aber: Sie ist die Autorin eines bekannten Frauenbuches; es ist der Briefträger;
er ist ein Narr. Hier hat der Artikel identifizierende Kraft.
Bei Superlativen, wenn diese nicht zu etwas anderem in Gegensatz treten, 220
sondern nur eine sehr hohe Stufe, einen sehr hohen Grad bezeichnen (Ela¬
tiv; vgl. 393):
Dieser Betrieb besitzt modernste Maschinen. Es war tiefster Winter. Einfachste,
ist im Sturm wie in der Windstille (Raabe).
tiefste Harmonie
158 Das Substantiv (Nomen)

Tritt der Superlativ jedoch in Gegensatz zu anderem, dann steht der


Artikel:
Er ist der klügste Schüler in der Eiasse. Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe,
diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen (1. Kor. 13, 13).
221 In der Dichtung:
Suppe kocht und siedet ein, Braten will verbrennen (Goethe). Knabe sprach: Ich
breche dich. Röslein sprach: Ich steche dich (Goethe).
222 In der Kanzlei- und Gerichtssprache u. ä.:
Beklagter hat zugegeben . . . Verfasser dieser Schrift hat... Überbringer ist berech¬
tigt . .. [Endes] Unterzeichneter . . .
223 Norddeutsch umgangssprachlich bei Verwandtschaftsbezeichnungen, die
als Eigennamen aufgefaßt werden (vgl. 232, e; 290):
Vater ist nicht zu Hause. Das sage ich Mutter. Tantes Kleid. Aber emphatisch und
hinweisend: Der Vater kommt!
224 In Über- und Aufschriften, Titeln, Schlagzeilen, Anzeigen usw.:
Metzgerei von E. Schulze. Herbststimmung (Gedichtüberschrift). Mutter und Kind
(Bildunterschrift). Saal im Schloß (Ort einer Theaterszene). Wiedervereinigung ge¬
fordert (Zeitungsschlagzeile). Lehrling gesucht (Zeitungsanzeige).
225 Bei Kommandos, Aufforderungen usw., die zur Kürze drängen:
Gewehr ab! Kopf hoch! Durchgang verboten! Aber: das Gewehr über! die Augen
links! (als Ankündigungskommando, zur Unterscheidung von anderen, artikellosen
Befehlen).
226 Bei Telegrammen (zur Ersparung von Gebühren):
Unterredung mit Direktor günstig verlaufen stop erbitte Weisung für Abschluß
geplanter Verträge.

227 Bei Stoffnamen, wenn sie eine unbestimmte Menge bezeichnen:


Milch ist ein hochwertiges Nahrungsmittel. Ich brauche Geld. Gold schmilzt bei
1063° C.
Werden sie als bestimmte Menge individualisiert, steht der Artikel. Sie
sind dann Gattungsnamen:
DieMilch [in der Tasse] ist heiß. Wieviel kostet das Brot [= der Laib Brot]? Ich
möchte einen Kaffee [= eine Tasse Kaffee]. Das ist ein guter Wein.
Über den generalisierenden Artikel, der auch bei Stoffnamen ^gebraucht
wird, vgl. 208.
228 Bei Präpositionalgefügen, wenn sie ganz allgemeinen Sinn (und zum Teil
die volle sinnliche Bedeutung verloren) haben:
an Bord, an Hand, anstatt; auf Erden, auf Deck, auf Borg leben; aus Liebe, aus Haß,
aus Kindermund; bei Tische, bei Hofe, beiseite; gegen Morgen; in [tiefe] Not ge¬
raten, in Zorn versetzen, in See stechen1; mit Güte, mit Absicht; nach Hause, nach
Wunsch, nach Tisch; über Land, über Bord; unter Dach und Fach bringen; von Her¬
zen, von seiten, von Kopf bis Fuß; vor Augen bringen, vor Anker liegen, vor Freude,
vor Sonnenaufgang; zu Lande, zu Abend essen, 2u Zeiten (aber: zur Zeit = zur
jetzigen Zeit), zu Tode hetzen.
Norddeutsche lassen auch in anderen, nicht fest gewordenen Fügungen
fälschlicherweise den Artikel weg:
nach Schule gehen.

1 Besonders die Zusammenziehung ,,im“ (vgl. 236) oder „in“ -1- Artikel werden jedoch
auch bei allgemeinen Zuständen gebraucht, z. B. im Krieg, im Traum, im Bewußtsein,
im Begriff, sich im Bau befinden, im Einklang stehen, im Urlaub sein, in der Not.
Der Artikel 159

Doch werden auch neuere Fügungen allmählich fest:


auf Jagd, auf Fahrt gehen, von (statt: vom) Stapel lassen.
Bei Verbalsubstantiven mit Präposition, die nähere Bestimmungen bei
sich haben, fehlt ebenfalls meist der Artikel:
auf Anordnung des Lehrers; nach Abschluß der Verhandlungen; seit Beendigung
des Krieges; auf Befehl des Ministers; unter Angabe des Preises; in Anerkennung
seiner Verdienste.
Ebenso bei Verbindung eines partizipialen Attributs mit einem Sub¬
stantiv :
bei eintretender Dunkelheit, nach bestandener Prüfung, hinter verschlossener Tür; nach
getaner Arbeit ist gut ruhn (Sprw.).
Selbst näher bestimmte Sachbezeichnurigen können in der Einzahl ohne
Artikel stehen, wenn Allgemeinheit des Ausdrucks erzielt werden soll:
ein Haus mit flachem Dach; in tiefem Tal, auf schneebedeckten Höhen war stets dein
Bild mir nah (Goethe).
Bei der Anrede1 und im Ausruf: 229
Gnade, Königin! Er hat gelogen, Hpchwürden! Sehr wohl, gnädige Frau! He, Junge!
Hilfe!
Bei Festbezeichnungen: 230
Ostern, Pfingsten, Weihnachten.

Der Artikel vor Eigennamen

Da die Eigennamen schon ganz bestimmte Einzelwesen oder -dinge be- 231
zeichnen, die so, wie sie sind, nur einmal Vorkommen, haben sie im all¬
gemeinen keinen Artikel bei sich.

a) Personennamen
Der bestimmte Artikel fehlt im allgemeinen: 232
Hans ist ein braver Junge. Der Geburtsort Johann Wolfgang Goethes ist Frankfurt
am Main.

a) Der bestimmte Artikel steht aber, um den Kasus zu verdeut¬


lichen:
die Dramen des Sophokles, eine Ausgabe des Horaz (Sophokles’ Dramen, eine
Ausgabe Horaz’ wäre undeutlich).

ß) Er steht bei Werken der Kunst, Literatur usw., die mit Eigennamen
bezeichnet werden. Er drückt hier die Vertrautheit mit bestimmten,
allen bekannten Werken aus:
der Laokoon, die Emilia Galotti (von Lessing). Ich habe den Livius (ein Werk von
Livius) vergessen; den Wallenstein spielen.
Fehlt diese Vertrautheit, dann kann auch der Artikel fehlen:
ein Zitat aus „Oberon“; ich höre heute abend „Rienzi“; die Ouvertüre zu
„Lukrezia
Dejr Artikel fehlt ferner bei Namenspaaren:
die bekannte Stelle aus „Romeo und Julia“.

1 In salopper Umgangssprache begegnet man hier auch dem Artikel: „Hoppla, Achtung
die Herren.!“ sagte Behrens (Th. Mann).
160 Das Substantiv (Nomen)

y) Der bestimmte Artikel steht ferner in der süd- und mitteldeutschen


Umgangssprache und in der Kanzleisprache:
Ich . . . will’s nicht glauben, daß mich der Max verlassen kann (Schiller). Doch
nicht den Teil erblick' ich in der Menge (Schiller). Die Akte des Anton Meier ist
nicht aufzuflnden.

6) Familiennamen von Frauen, die ohne einen das Geschlecht be¬


zeichnenden Zusatz stehen, brauchen mindestens den bestimmten
Artikel, um als weiblich erkannt zu werden; das gilt auch gelegent¬
lich für fremde weibliche Vornamen:
die Werke der Droste-Hülshoff; War das die Hu jus ? (Th. Mann). Auf die Galeone
mit der Myga! (Raabe); aber: die Gedichte von Ricarda Huch (da der Vor¬
name das weibliche Geschlecht bereits deutlich ausdrückt).

e) Der bestimmte Artikel steht weiterhin bei Personennamen, die


mit einem Adjektiv verbunden sind:
der kleine Karl, der reiche Schulze, die alberne Schmidt.
Wenn das Adjektiv aber zu einem Teil des Namens geworden ist, steht
der bestimmte Artikel nicht:
Schön Rotraud (Mörike); Jung Siegfried (Uhland); Klein Erna.
Bei vorangestellter Apposition erhält diese den Artikel:
der Dichter Hölderlin; der Geschichtsschreiber Meinecke; die Schauspielerin
Karoline Neuber.
Ist die vorangestellte Apposition jedoch ein Titel oder eine Verwandt¬
schaftsbezeichnung, dann fehlt der Artikel:
Kaiser Karl, Doktor Schmidt, Herr Wahl, Frau Eck, Fräulein Schneider, Vater
Schulze, Mutter Spohr.
Aber süddeutsch: der Herr Müller, die Frau Schmidt.

£) Der bestimmte Artikel steht, wenn der Personenname zum Gat¬


tungsnamen wird:
Er war der Cicero unserer Zeit. Der Duden (= Wörterbuch der Rechtschreibung
von K. Duden) ist neu bearbeitet.

rj) Der Artikel steht auch beim Plural von Personennamen (vgl. 294 ff.):
die Gretchen, die Hilden, die Heinriche; die Grimm (Jacob und Wilhelm Grimm),
besonders dann, wenn der Plural bekannte Herrschergeschlephter oder
bekannte Familien bezeichnet:
die Ottonen, die Scipionen; Konradlll. war ein Hohenstaufe; die Bismarcks, die
Buddenbrooks (Th. Mann).
Die Bezeichnung für die Mitglieder einer Familie steht meist ohne
Artikel (vgl. 297, Beachte) :
Meyers sind eine schreckliche Familie (doch auch: die Meyers im Sinne von:
diese Meyers).

#) Der unbestimmte Artikel steht vergleichend in der Bedeu¬


tung „ein Mann wie“:
Von den poetischen Klängen eines Körner begleitet (= eines Mannes wie Kör¬
ner). Wer wird nicht einen (= einen Mann wie) Klopstock loben ? (Lessing).
In einem Satz wie „Er ist ein [zweiter] Napoleon“ wird der Personenname zum
Gattungsbegriff. Ebenso: Sie ist eine Xanthippe. Der Wagen ist ein Diesel.
Der Artikel 161

i) Der unbestimmte Artikel kann ferner bei Namen stehen, die das
Werk eines Künstlers bezeichnen:
Dieses Bild ist ein Rembrandt. Das Schauspiel ist ein echter Zuckmayer.

b) Völkernamen
Völkemamen haben den bestimmten oder unbestimmten Artikel: 233
der Deutsche, ein Franzose.
Im Plural kann der Artikel wegfallen, wenn die Namensträger nicht
näher bestimmt sind:
Neuyork ist von Holländern gegründet worden.
Durch „und“ zusammengefaßte pluralische Völkernamen haben keinen
Artikel, wenn sie als Einheit gefaßt werden:
Griechen und Römer.

c) Geographische Namen
a) Länder-, Gebiets- und Städtenamen haben im allgemeinen keinen 234
bestimmten Artikel:
Deutschland, Europa; Thüringen, Wales, Kreta; Rom, Heidelberg.
Es gibt jedoch nicht wenige Ausnahmen. Dabei handelt es sich vielfach
nicht um politische Bezeichnungen, sondern um Landschaftsnamen:
Mask.: der .Darß, der Peloponnes, der Chersones, der Balkan, der Sudan, der
Libanon.
Fern.: die auf -ei, -ie, -e, -a endenden: die Tschechoslowakei, die Türkei; die
Normandie, die Pikardie; die Bretagne, die Champagne; die Riviera,
die Dobrudscha; ferner: die Schweiz, die Lausitz, die Pfalz, die Krim,
die [Antarktis.
Neutr.: das Elsaß, das Ries, das Engadin, das Pandschab.
Pluralische Ländernamen (vgl. 254):
die USA, die Niederlande.
Zusammensetzungen:
die Sowjetunion, der Thurgau, die Steiermark, die Wetterau, das Allgäu, das
Vogtland.
Manche Ländernamen schwanken in der Setzung oder Nichtsetzung
des bestimmten Artikels:
[der] Iran, [der] Irak, [der] Jemen, [der] Hedschas. Der Haag (Hauptstadt der
Niederlande) war früher Gattungsname und hat heute noch den Artikel: im Haag,
in Den Haag (aber auch: in Haag).
Die Mundart gebraucht manchmal den Artikel, wo ihn die Schrift¬
sprache nicht kennt:
ins Tirol hinüber; ins Österreich.
Der bestimmte Artikel steht ferner, wenn der Länder- oder Städtename
mit einem Adjektiv, einer Apposition oder einem Genitivattribut ver¬
bunden ist oder sonst näher bestimmt ist:
das schöne Thüringen, das Land Thüringen, das Frankreich Ludwigs XIV.; das
ewige Rom, das Rom Michelangelos; das Heidelberg, das ich so liebe.
Der Artikel steht, wenn der Länder- oder Städtename zum Gattungs¬
namen geworden ist:
eine [gute] Havanna; Bayreuth ist das Mekka der Wagnerfreünde.
162 Das Substantiv (Nomen)

Bei Ländernamen mit bestimmtem Artikel fällt der Artikel weg, wenn
sie in Paarungen auftreten:
in Rheinland-Pfalz.
Vor „ganz“ und „halb“ sowie in Listen kann der bestimmte Artikel
auch wegfallen:
ganz Deutschland (auch: das ganze Deutschland), halb Europa (auch: das halbe
Europa). Mit je einem Studierenden sind vertreten: Frankreich, Schweiz,
Griechenland, Türkei, Tschechoslowakei.

235 ß) Die Namen der Berge, Gebirge, Flüsse, Seen, Meere, Sterne, Schiffe,
Gebäude, Hotels, Kaffees, Kinos haben den bestimmten Artikel:
der Brocken; der Harz, die Dolomiten; der Main; der Bodensee; die Nordsee; die
Venus; die „Bremen“; der „Schwan“; das Continental; das Kranzier: das Gloria.
Ortsnamen mit vorangestellter Apposition stehen vielfach ohne Artikel:
Schloß Wilhelmshöhe, Burg Stolzenfels, Kloster Banz, Kap Skagen.
Zusammensetzungen stehen jedoch mit Artikel:
die Wartburg, der Regenstein, das Rothaargebirge.
Aufzählungen von zwei oder mehr Namen brauchen nicht unbedingt
den Artikel:
Fulda und Werra vereinigen sich in Münden zur Weser. Harz, Schwarzwald und
Thüringer Wald sind große Waldgebirge.

c ) Zur Vorschmelzung des Artikels mit bestimmten Präpositionen

236 Die Verschmelzung der singularischen Artikelformen dem, den, das und
der mit bestimmten Präpositionen findet statt, wenn der Artikel nur
schwach betont ist. Sie steht also sozusagen zwischen vollem Artikel und
artikellosem Gebrauch. Die Verschmelzung ist in manchen Fällen so fest
geworden, daß sie nicht mehr auflösbar ist:
am Tage der Befreiung; am Dienstag; am Leben bleiben; am Rhein; am besten;
ans Werk gehen; jemandem etwas ans Herz legen; aufs Land reisen; aufs Eis; aufs
Haupt schlagen; Hand aufs Herz; aufs herzlichste; beim Lesen; beim Schopf pak-
ken; beim Wort nehmen; durchs Ziel gehen; fürs erste; fürs Auge; hinterm
Hause; hinterm Schrank; mit seiner Meinung nicht hinterm Berg halten; hinters
Licht führen; hinters Haus gehen; im Krieg; im Ernst; im Vertrauen; im Begriff;
im Walde; im Freien; im Herbst; ins Wanken bringen; ins Stocken geraten; ins
Gewissen reden; ins Blaue hinein; überm Wald; übern Graben springen; übers
Knie brechen; übers Herz bringen; übers Jahr; ums Leben kommen; ums Eck
gehen; unterm Eis; untern Tisch fallen lassen; unters Wasser tauchen; vom
Acker kommen; vorm Tor; vors Tor gehen; zum Heile gereichen; zum Mann
werden; Gasthaus „Zum Roten Hahn“; das ist zum Lachen; zum besten; zur Schule;
zur See; zur Tür hinaus; zur Zeit; zur Warnung dienen; zur Not.
In der Verschmelzung kann der bestimmte Artikel seine bestimmende
Kraft so sehr verlieren, daß er sich dem unbestimmten Artikel nähert
oder Allgemeines ausdrückt:
jemanden zum Künstler (= zu einem Künstler) ausbilden; jemanden zum Arzt be¬
stimmen. Er ist zum Bürgermeister gewählt worden. Der Garten lag am Hang. Im
Krieg (= in einem Krieg) gibt es wenig zu essen. Das Haus befindet sich im Bau
(= in Bau). Am Tage; zur Strafe; im Wege stehen; im Verhältnis.
Der Numerus der Substantive 163

Wo der Artikel auf einen folgenden Gliedsatz hin weist, also demonstra¬
tive Kraft hat, steht die Verschmelzung meist nicht:
an dem Tag, an dem dies geschah; er ging zu der Tür hinaus, durch die er eingetreten
war. Aber dichterisch: Zum Werke, das wir ernst bereiten (Schiller). Vom Rechte,
das mit uns geboren (Goethe).
Man vermeide, von einer Verschmelzung ein nachfolgendes zweites Sub¬
stantiv mit verschiedenem Geschlecht oder verschiedener Zahl abhängen
zu lassen:
Falsch: Man sprach vom Erfolg des Ministers und seinen weiteren Plänen. Wir er¬
kannten sie am Gang und der Haltung. Richtig:. . . und von seinen weiteren Plänen;
. . . und an der Haltung.
Die Grenze zwischen schriftsprachlicher 'und umgangssprachlicher Ver¬
schmelzung ist fließend. Im allgemeinen gelten Verbindungen wie „außerm,
hinterm, hintern, überm, übern, unterm, untern, unters, vorm, vors“ schon
als umgangssprachlich, kommen aber schriftsprachlich vor. Sie werden
alle ohne Apostroph geschrieben. Reine Umgangssprache dagegen sind:
an’n, auf’m, auf’n, aus’m, durch’n, für’n, gegen’s, nach’m, in’n, vor’n, zu'n.
Sie werden stets mit Apostroph geschrieben.
Die Verschmelzungen von ,,in den“, „an den“, „zu den“ zu „in“ (= in’n),
„an“ (= an’n) und „zun“ (= zü’n) waren im 18. Jahrhundert noch sehr
üblich:
Und setz dich in Sessel (Goethe). Laß uns in Himmel kommen (Matthias Claudius).
An Galgen kommen (Lessing). Vom Kopf bis zun Füßen (Schiller).
In der Umgangssprache kann der Artikel auch mit vorangehenden Verben
zusammengezogen werden. Es steht dann ein Apostroph:
Er hat's (= hat das) große Los gewonnen. Er scfdug’n (= schlug den) Nagel in die
Wand.

V. Der Numerus der Substantive

I. Allgemeines
Der Numerus1 „zählt“ das Substantiv, er gibt an, ob das Genannte nur 237
einmal (der Tisch) oder mehrmals (die Tische) vorhanden ist. Diese recht
unvollkommene Mehrzahlangabe, die zudem den Geschlechtsunterschied
verwischt (der Artikel für alle drei Geschlechter heißt „die“), aber der
Sprache vielfach durchaus genügt, kann nur mit Hilfe von Zahlen ge¬
nauer ausgedrückt werden (vgl. 523 ff.).
Das einmalige Vorhandensein eines Wesens oder Dinges wird durch den
Singular2, das mehrmalige durch den Plural3 ausgedrückt. Der Singular
bezeichnet eine Einheit (die gelegentlich in sich eine Vielheit darstellen
kann), der Plural macht die Einheit zu einer Vielheit. Das Indogermanische
kannte noch eine eigene Numerusform für zwei Personen oder Dinge (wie
heute noch das Baltische und das Slawische), den sogenahnten Dual4. Er ist
heute durch den Plural ersetzt (die Eltern, die Gatten) oder durch Um¬
schreibungen (wir beide, wir zwei).

1 Lat. numerus = Zahl. 2 Lat. singularis [numerus] = einfach[e Zahl]. 3 Lat.pluralis


[numerus] = mehrfach[e Zahl]. 4 Lat. duo = zwei.
164 Das Substantiv (Nomen)

Wenn der Numerus nicht deutlich wird, müssen hinzutretende Wörter


(Adjektiv, Pronomen, Artikel) Hilfestellung leisten. Die Formen des
Plurals werden aus denen des Singulars abgeleitet (vgl. 257). Der Singu¬
lar ist zugleich Ersatz für die numeruslose Form der Stoffnamen und
Abstrakta (vgl. 241; 242; 244). Der Plural (der ursprünglich nur den
konkreten Gattungsnamen zukam) ist entweder einteilend (die Stähle)
oder vervielfältigend (die Menschen). Die Sprache kennt noch andere
Mittel, den Plural auszudrücken, z. B. die bestimmte oder unbestimmte
Zahl (zehn Mann, viel Geld) oder Fügungen wie „Mann für Mann“,
„Schritt für Schritt“, Sammelnamen (Kollektiva) wie Vieh, Schreib¬
zeug, Gebirge, Beamtenschaft, Material usw. Zu einer grammatischen
Kategorie wird der Numerus durch die Forderung der Kongruenz (vgl.
1178 ff.), der alle flektierbaren Satzglieder unterliegen.

2. Der Singular
Zu den Wörtern, die auf Grund ihrer Bedeutung nur im Singular Vor¬
kommen oder nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Plural
bilden können, gehören:

a) Eigennamen
238 Sie haben auf Grund ihrer Individualität keinen Plural (vgl. 172):
Fritz, Johann Wolfgang Goethe, Berlin, Deutschland, der Brocken, die Weser, der
Kurfürstendamm.
Personennamen und geographische Namen bilden nur dann einen
Plural, wenn sie zu Gattungsnamen geworden sind (vgl. 173; 294):
Die Goethe (= Menschen wie Goethe) sind selten. Die beiden sind keine Krösusse. Drei
Zeppeline wurden gebaut. Diese Havannas sind ausgezeichnet.
Der Plural von Personennamen bezeichnet ferner sämtliche Mitglieder
einer Familie, eines Geschlechtes oder verschiedene Träger des gleichen
Namens (vgl. 294):
die Barrings, die Buddenbrooks; [die] Meyers; die Ottonen; die Heinriche, die Gret-
chen.
Völkernamen sind als Gattungsnamen zu werten, da sie, wie diese,
einen Plural bilden (vgl. 304):
Germane - Gerfnanen.
Ländernamen werden gelegentlich im Plural gebraucht, um verschie¬
dene politische Gebilde innerhalb der Einheit, die der Name ausdrückt,
zu kennzeichnen (vgl. 310):
die politische Geschichte beiden Amerika, die zwei Deutschland [s], das Königreich
beider Sizilien.

b) Gattungsnamen
239 Sie bilden zwar ohne weiteres einen Plural (der Mann, die Männer, die
Frau, die Frauen, das Haus, die Häuser), doch gibt es Sübstantive dieser
Gruppe, deren Plural nur selten gebraucht wird, z. B.
Antlitz, Bräutigam, Strand, Ausguß.
Dazu gehören auch bestimmte Körperorgane oder -teile:
Leber, Milz, Galle, Nabel, Mund, Kinn, Stirn.
Der Numerus der Substantive 165

c) Sammelnamen (Kollektiva)
Es sind Wörter, deren Singular mehrere Wesen oder Dinge umfaßt, sie 240
gewissermaßen in sich sammelt. Eine Vielheit wird hier sprachlich durch
eine Einheit ausgedrückt. Wir sehen daran, daß die Sprache nicht unbe¬
dingt auf den Numerus Plural angewiesen ist, um eine Mehrheit zu be¬
zeichnen :
Getreide, Obst, Wald, Vieh, Herde, Flotte, Gebirge, Adel, Geistlichkeit, Polizei,
Beamtenschaft, Publikum, Anzahl, Haufen, Dutzend, Schock, Tausend.
Diese Wörter bilden nur dann einen Plural, wenn ihre Vielheit (die als Ein¬
heit zusammengefaßt ist) als individualisierte Gruppe aufzutreten vermag:
Wälder, Herden, Flotten, Gebirge, Dutzende, Tausende; aber nicht: Polizeien,
Viehe u. ä.
Es gibt Wörter, die im Singular sowohl Gattungsname wie Sammelname
sind und die dann nur in ihrer Bedeutung als Gattungsname einen Plural
bilden können:
das Spielzeug, das Werkzeug (Sammelname), ohne Plural; das Spielzeug, das Werk¬
zeug (Gattungsname: das einzelne Spielzeug, Werkzeug), Plural: die Spielzeuge, die
Werkzeuge; das Unkraut (Sammelname), ohne Plural; das Unkraut (Gattungsname:
die einzelne Unkrautpflanze), Plural: die Unkräuter.

d) Stoffnamen
Sie stehen nur im Singular, wenn sie ganz allgemein als formlose Masse 241
ohne „Individualität“, ohne Gestalt gebraucht werden:
Milch, Gold, Fleisch, Leder, Butter.
Werden sie zur Unterscheidung von Arten und Sorten im Plural gebraucht
(einteilender Plural), dann sind sie Gattungsnamen:
edle Hölzer, rheinische Weine, feste Game.
Die vor allem aus dem Unterscheidungsbedürfnis der Kaufleute und
Techniker gebildeten Pluralformen sind heute sehr zahlreich:
die Bleie, die Eisen, die Salze, die Stähle, die Zemente.
Wo sich solche Pluralformen nicht gebildet haben, kann die gewünschte
Unterscheidung nur durch die Zusammensetzung mit -Sorten, -arten er¬
reicht werden:
Fleischsorten, Butterarten.
Wenn eine Pluralendung noch nicht üblich geworden ist, werden beide
Möglichkeiten der Pluralbildung nebeneinander gebraucht:
Wollarten - Wollen, Mehlarten - Mehle, Tonsorten - Tone.
Der Übergang vom Stoff zur Gattung, von der unbestimmten Masse zum
gestalteten Einzelding, Einzelstück, Teil ist bei vielen dieser Wörter leicht
vollziehbar. Sie bilden dann einen Plural:
die Lüfte, die Körner, die Gräser, die Dämpfe, die Gase, die Papiere, die Tücher, die
Gläser usw.
Das Brot ist teuer (das Brot ganz allgemein). Aber: Wieviel kostet das Brot (der
Laib Brot)? Wieviel kosten die Brotef
Wenn kein Plural gebildet werden kann (wie besonders bei Naturerschei¬
nungen), müssen Umschreibungen eintreten:
Regen - Regenfälle, -güsse, Schnee - Schneemassen, Asche - Aschenhaufen, Rauch -
Rauchschwaden.
166 Das Substantiv (Nomen)

Manche entziehen sich auch dieser Möglichkeit, z. B. Tau (Niederschlag)*


Ohne nähere Erklärung oder bei gleicher Form der Plurale entsteht manch¬
mal Zweideutigkeit:
Ich habe Kohlen bekommen (nur Briketts, Kohlenstücke der gleichen Art, Gattung,
Plural vervielfältigend).
Ich habe Kohlen bekommen (Briketts, Anthrazit, Braunkohle, verschiedene Koh¬
lensorten; Stoffname, Plural einteilend).
Manchmal werden zur Unterscheidung verschiedene Pluralformen ge¬
braucht:
die Wasser (Plural vervielfältigend); die Wässer (Plural einteilend).
Die Namen der Edelsteine (Diamant, Rubin, Topas, Smaragd u. a.) sind
Gattungsnamen, keine Stoffnamen. Ihre Plurale bezeichnen, wie ihre
Singulare, Stücke und keine Arten.

e) Abstrakta
242 Sie stehen im allgemeinen nur im Singular:
Freiheit, Kälte, Hitze, Kindheit, Jugend, Ruhe, Grausamkeit, Leid, Schutz, Schön¬
heit, Treue, Musik, Geheul, Nähe, das Blau, das Schöne, das Stehen, das Schreiben.
Einen Plural können sie nur dann bilden, wenn sie zum Konkretum, zu
einer zählbaren, umrissenen Einzelerscheinung, zu einer Spielart werden:
das Leiden, die Leiden (= Krankheiten); die Grausamkeit, die Grausamkeiten
(= grausame Handlungen); eine Schönheit (= eine schöne Frau), die Schönheiten
(auch: die Schönheiten einer Landschaft); die Tugenden (= die verschiedenen
Arten der Tugend); früher übliche, heute erstarrte Plurale sind: mit Schanden,
zu Gunsten, in Gnaden.
Abstrakta können im Gebrauch zweideutig sein, je nachdem, ob sie in
ihrer abstrakten oder konkreten Bedeutung verwendet werden. Der Plu¬
ral ist, wo er möglich, dann entweder einteilend oder vervielfältigend:
Das sind große Talente (verschiedene Arten von Talenten, Abstraktum, Plural ein¬
teilend). Das sind große Talente (Menschen von Talent, Konkretum, Plural ver¬
vielfältigend).
Abstrakta, die Tätigkeiten bezeichnen, haben vielfach einen Plural:
die Bemühung - die Bemühungen, der Wurf - die Würfe, der Tanz - die Tänze, der
Gesang - die Gesänge.
Der Plural bezeichnet dann die Mehrheit der einzelnen Tätigkeiten oder
den Übergang zur Sachbedeutung:
die Malerei - die Malereien.
Ohne Begrenzung werden Farbenbezeichnungen und substantivierte Ad¬
jektive gedacht, letztere, soweit sie keine Personen bedeuten:
das Blau, das Grüne, das Gute.
Sie haben aus diesem Grunde keine Mehrzahl. Werden Farbenbezeich¬
nungen im Plural gebraucht, dann treten sie als Arten, Sorten auf:
Die zwei Grün sind ganz verschieden. Das schattige Gesicht voll kranker Blaus
(Rüke).
Der substantivierte Infinitiv drückt einen Vorgang als grenzenlos aus:
das Schlafen. Von ihm kann daher kein Plural gebildet werden.
Auch bei den Abstrakta können Umschreibungen zu Hilfe genommen
werden:
Streit - Streitigkeiten, Rat - Ratschläge; viele Altersstufen, die verschiedenen
Grade der Kälte, Regungen der Scham, Gefühle des Hasses.
Der Numerus der Substantive 167

Es ist mehr und mehr Mode geworden, von Abstrakta Plurale zu bilden,
die früher unbekannt waren. Der Anlaß dazu ist entweder dichterische
Eigenwilligkeit oder nachahmende Manier:
Sehnsüchte ( = verschiedene Arten oder Grade der Sehnsucht), Einsamkeiten
(= verlassene Gegenden), Wirklichkeiten (= verschiedene Arten der Wirklichkeit),
Unglücke (= Unglücksfälle), Unendlichkeiten, Hochmüte u. a.

f) Generalisierung
Oft tritt der Singular für eine Mehrheit ein. Er steht dann generalisierend 243
an Stelle des Plurals (vgl. 208) oder hat rein kollektive Bedeutung:

Bei den Fahrrädern wurde nur die Bremse kontrolliert. Teuer ist mir der Freund,
doch auch den Feind kann ich nützen (Schiller).

g) Maß-, Mengen- und Münzbezeichnungen


Ein ähnlicher Vorgang wie der unter f) ist der Gebrauch einer numerus- 244
losen Form (d. h. des ungebeugten Singulars) bei bestimmten Maß- und
Münzbezeichnungen hinter Zahlen, die größer als 1 sind:
Ich habe drei Glas [Bier] getrunken. Das kostet zwanzig Pfennig. Er hat zehn Mark
verloren. Er wiegt 120 Pfund. Drei Mann hoch. Zwei Handvoll [Erde], 5 Klafter
[Holz], 9 Sack [Kohle], 800 Rubel, 6 Schuß [Munition], 5 Schritt [Abstand].
Da der gezählte Gegenstand durch die Angabe der genauen Zahl genügend
bestimmt ist, besteht kein Bedürfnis nach einer besonderen Pluralform.
Die Konstruktion ist von solchen Fällen ausgegangen, wo eine echte
Pluralform lautlich mit dem Singular zusammengefallen war (Pfund,
Mann). Andere Wörter wie Mark, Mandel, Klafter, Fuß, Zoll usw. folgten
in Analogie.
Fremde oder veraltete Maß- und Münzbezeichnungen werden jedoch 245
häufig, die auf -e auslautenden fremden und deutschen Bezeichnungen
immer gebeugt:
5 Peseten (Singular: Peseta), 100 Lei (Singular: Leu), 10 Lire (Singular: Lira), hun¬
dert Centesimi (Singular: Centesimo); mit guten englischen Pfunden (auch: Pfund);
zwanzig Kronen, sechs Kopeken, zehn Drachmen; drei Ellen Tuch, zwei Flaschen
Wein, drei Tassen Kaffee, drei Tonnen, zwei Kannen Bier.
Bei manchen fremden Schwankt der Gebrauch:
5 Yardfs], 10 InchfsJ, 20 Bus hei [sj.
Nach Präpositionen mit Dativ schwankt der Sprachgebrauch: 246
eine Summe von drei Taler[n]; mit drei Liter[n] reiche ich. Er hat eine Länge von
fünf bis sechs MeterfnJ und ein Gewicht von drei bis vier ZentnerfnJ.
Steht die Maßangabe ohne Zahlwort, dann wird jedoch besser noch ge¬
beugt :
Die Zuteilung erfolgt in Hektolitern. Man mißt heute nach Metern.
Folgt das Gemessene, dann steht die Maßangabe, wenn sie ohne Artikel
ist, meist ohne Endung. Die Beugung ist seltener:
in hundert Meter Höhe; mit drei Liter Milch reiche ich; mit 1000 Taler Gehalt; ein
Schwein von vier Zentner Gewicht; mit vier Fünftel des Gewichtes. Seltener: ein
Sumpf von etwa zehn Kilometern Länge.
Mit Artikel vor der Maßangabe, wird meist noch gebeugt:
von den drei Litern Milch.
168 Das Substantiv (Nomen)

Substantive, die noch nicht ganz feste Maßangaben sind, ziehen ebenfalls
die Beugung vor:
mit einigen Eßlöffeln saurem Rahm.
247 Im Genitiv Singular wird die Maßangabe jedoch stets gebeugt:
eines Glases Wasser, wegen eines Liters Milch, der Preis eines Zentners Weizen.
Dafür tritt oft die Nichtbeugung der Maßangabe und die Beugung des
Gemessenen ein:
eines Glas Wassers, der Preis eines Pfund Fleisches, die Wirkung eines Tropfen Öls,
zum Ankauf eines Stück Viehs (Raabe).

Völlige Nichtbeugung beider Glieder gilt jedoch als nicht korrekt:


der Preis eines Pfund Fleisch.
248 Der Plural tritt dann wieder ein, wenn das betreffende Substantiv den
vollen Begriff enthält, d. h. den konkreten einzelnen Gegenstand be¬
zeichnet. Das ist besonders dann der Fall, wenn ein attributives Adjektiv
usw. bei der Maß-, Mengen- und Münzbezeichnung steht:
Er besaß nur noch einige Pfennige. Zehn leere Fässer. Er zertrümmerte zwei Gläser.
Dutzende von Büchern. Eine Ausnahme ist „Mark“ (bei dem sich Singular und
Plural nicht unterscheiden): Ein Betrag von 500 Deutschen Mark.
Manchmal ist es dem Schreiber bedeutungslos, ob Maßangabe oder voller
Begriff steht. Das ist besonders bei Gefäßen der Fall (Glas, Faß, Sack
usw.):
Er trank noch zwei Gläser Grog. Niemals hatte er bemerkt, daß Brüne mehr als drei
Glas Wein auf einen Sitz trank (zweimal Löns). . . . und aß dann ... zwei Stücke von
einer Torte (Th. Mann).
Aber auch bei Münzbezeichnungen:
Brabanter Spitze für fünf Schillinge die Elle (Schaeffer). . . . mit Hilfe von ein paar
Schilling (Flake).
249 In der Alltagssprache steht oft nur das Gemessene im Singülar (seltener
im Plural) mit der Zahl davor, während die Maßangabe selbst wegge¬
lassen wird:
drei KaffeefsJ, zwei Kognak[sJ, drei Eis, vier Bier. .
Wohl in Analogie hierzu haben sich die fachsprachlichen Zählungen „zwei
bis drei Eigelb“, „zwei Eiweiß“ u. a. gebildet, die bereits fest geworden
sind. Umgangssprachlich wird heute auch oft nur die Zahl genannt, weil
die Maßangabe aus der Sprechsituation hervorgeht:
Hier kann man nicht schneller als 60 fahren. Mein Sohn ist fünfzehn.
250 Bei Zahlen, deren letztes Glied „eins“ ist, z. B. 101, 1001 usw., wird das
folgende Substantiv in den Singular gesetzt, wenn „ein“ durch „und“ mit
dem vorhergehenden Zahlwort verbunden ist und dekliniert auftritt
(vgl. 527, 3):
Ein Märchen aus Tausendundeiner Nascht; hundertundein Buch, hundertundeine
Mark (aber: hundertein Bücher, doch auch: hundertundein Bücher).
251 Zeitangaben in Verbindung mit Zahlen werden stets gebeugt:
fünf Minuten, drei Tage, vier Monate; er ist zehn Jahre alt; nach zwei Jahrhunderten.
Zur Beugung des der Maßangabe folgenden Gemessenen oder Gezählten
vgl. 980,5.
Zur Beugung des den Zahlsubstantiven „Hundert, Tausend, Million“ usw.
folgenden Gezählten vgl. 533,1.
Der Numerus der Substantive 169

3. Der Plural

Es gibt Substantive, die nur oder fast nur in der Pluralform gebraucht 252
werden1:
Ahnen Honoratioren Ränke
Akten Hosenträger Rauchwaren
Aktien Iden Realien
Aktiva Immobilien Recherchen
Alimente Imponderabilien Repressalien
Allotria Importen Röteln
Allüren Ingredienzien Sämereien
Altwaren Insignien Saturnalien
Annalen Jura Scherben
Annaten Kaldaunen Schnippei
Äonen [olle] Kamellen Schnipsel
Auslagen Katakomben Schraffen
Auspizien Kinkerlitzchen Shorts
Bauten ([Sing. Baute' Kollektaneen Skrofeln
veralt.] jetzt als Konsorten Spanten
Plural zu: Bau) Kosten Sperenzien
Blattern Koteletten (Backenbart) Spesen
Briefschaften Kurzwaren Spikes
Brosamen Kutteln Spirituosen
Chemikalien Ländereien Sporen
Dehors Lebensmittel Sporteln
Diäten Leute Stoppeln
Dubiosen Machenschaften Streitigkeiten
Effekten Machinationen Streusel
Eingeweide Manen Subsidien
Einkünfte Masern Thermen
Eltern Memoiren Treber
Exequien Mißhelligkeiten Trester
Fasten Möbel Tropen
Faxen Mobilien Trümmer
Ferien Molesten Umtriebe
Finanzen Moneten Unkosten
Fisimatenten Mores U nstimmigkeiten
Flausen Musikalien Utensilien
Flitterwochen Nach wehen Varia
Formalien Naturalien Vegetabilien
Fossilien Niederschläge Vergnügungen
Frieseln Noten (Notenbücher) Viktualien
Gebrüder Ostern Vorfahren
Genitalien Pandekten Wanten
Gerätschaften Passiva Wehen (Geburtswehen)
Geschwister Penaten Weihnachten
Gewissensbisse Personalien Wirkwaren
Gliedmaßen Pfingsten Wirren
Graupeln Pocken Zeitläuf[t]e
Graupen Präliminarien Zerealien
Hämorrhoiden Pretiosen Zinsen
Händel Pusteln Zutaten
Honneurs Quisquilien Zwillinge

1 Ein solches Substantiv nennt man Pluraletantum, Plur.: Pluraliatantum. It&t. Plurale¬
tantum = nur im Plural.
170 Das Substantiv (Nomen)

253 Bei manchen dieser Wörter wird die pluralische Form so stark als Einheit
gefühlt, daß sie wieder zur Singularform wird. Dies ist ein in der Sprach¬
geschichte häufig beobachteter Vorgang (vgl. 200, b):
die Bibel = lat. biblia (= die Bücher); die Brille = mhd. die b[e]rille (= die
Berylle, PI. von „der Beryll“ [Edelstein]); der Keks = engl, cakes < = die Kuchen);
die Allotria PL wird ugs. zu das Allotria. Die Länderbezeichnungen Bayern, Fran¬
ken, Sachsen usw. waren früher Dative im Plural ([bei den] Bayern usw.). Heute
sind sie singularisch.

Während hier der Plural nur dem Sprachwissenschaftler bewußt wird,


ist er bei anderen Wörtern noch deutlich erhalten oder sogar noch in
Gebrauch:
die ewigen Ostern des Herzens (Gottfried Keller). Aber: Ostern ist vorüber. So waren
wieder Pfingsten gekommen, aber wie waren es diesmal andere Pfingsten I (Stifter).
Aber: Pfingsten war, das Fest der Freude (Uhland). Pfingsten, das liebliche Fest,.
war gekommen (Goethe).

Gelegentlich als Singularform treten auf;


der Ahn das Ostern
die Akte das Pfingsten
die Aktie die Pustel
das Eingeweide die Recherche
das und der Elter die Repressalie
(naturwissenschaftlich und statistisch) die Sämerei
die Faxe die Scherbe
die Flause der oder das Schnippei, Schnipsel
das Fossil die Skrofel
der Gewissensbiß der Spant
der Hosenträger der Sporn
die Importe die Stoppel
das Jus das Streusel
die Kaldaune das Trumm (landsch.)
die Katakombe die Unstimmigkeit
das Lebensmittel der Vorfahr
die Machenschaft die Wehe (Gebürtswehe)
die Machination das Weihnachten
die Mißhelligkeit der Zins
das Möbel der Zwilling
Gelegentlich hat der Singular andere Bedeutung:
Diät = Schonkost; Personal = Gesamtheit der Angestellten; Pocke = einzelne
Pustel; Note = Einzelnote.

254 Auch geographische Namen treten gern in der Pluralform auf, be¬
sonders Länder, Inseln, Gebirge: ,
die Niederlande, die USA; die Azoren, die Bermudas, die Kanaren, die Hebriden,
die Kurilen, die Zykladen; die Alpen, die Apenninen, die Anden, die Kordilleren,
die Rocky Mountains, die Cevennen, die Vogesen, die Karpaten, die Pyrenäen.

255 Wissenschaftliche Bezeichnungen für Tier- und Pflanzenarten werden


meist im Plural gebraucht;
Amphibien, Reptilien, Protozoen, Weichtiere, Stachelhäuter.

Zu den verschiedenen Pluralformen bei deutschen Wörtern vgl. 265ff.;


zum Plural bei Fremdwörtern vgl. 282ff.; zum Plural bei Maß-, Mengen-
und Münzbezeichnungen vgl. 244 ff.
Die Deklination der Substantive 171

VI. Die Deklination der Substantive1


Deklination2 heißt die jeweilige Formveränderung des Substantivs und 256
der anderen deklinierbaren Wortarten, die entsprechend ihrer Satzglied¬
rolle im Zusammenhang des Satzes erforderlich ist. Sie ist ein Teü der
Flexion, d. h. der in bestimmten Regeln ablaufenden Formveränderung,
der alle flektierbaren Wortarten (Verb, Substantiv, Artikel, Pronomen,
Adjektiv, Numerale) überhaupt unterliegen und die sie dazu befähigt,
die sprachlichen Beziehungen im Satz auszudrücken, alle zusammenge¬
hörenden Glieder des Satzes in eine sinnvolle und geordnete Überein¬
stimmung zu bringen. Die Deklination ist also ein wichtiges Beziehungs¬
mittel. Die Veränderungen der'Substantivform drücken sich im heutigen
Deutsch in vier Kasus3 (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ) aus, die
jeweils für die zwei Numeri Singular und Plural gelten.

1. Die Deklinationsarten
Es gibt, vom Formalen her gesehen, im heutigen Deutsch drei ver- 257
schiedene Arten, in denen das Substantiv dekliniert. Man erkennt sie an
der Art und Weise, wie der Genitiv Sing, und der Nominativ Plur. ge¬
bildet werden. Der Genitiv Sing, der ersten Gruppe endet auf -es oder -s,
der Nominativ Plur. entweder auf -e, -er, -s oder endungslos, oder er wird
mit Umlaut (mit oder ohne Endung) gebildet. Die zweite Gruppe endet
in allen Fällen auf -en oder -n, außer im Nominativ Sing. Der Genitiv
Sing, der dritten Gruppe endet auf -es oder -s (wie bei der ersten Gruppe),
der Nom. Plural endet jedoch auf -en oder -n (wie bei der zweiten Gruppe);
diese dritte Gruppe ist also eine Mischung zwischen der ersten und der
zweiten4. Wir bringen im folgenden Beispiele für alle drei Gruppen (über
die Deklination der Fremdwörter vgl. 279 ff.):

1. Gruppe (stark)

Maskulina
Sing.: Nom. der Tisch der Bart der Leib
Gen. des Tisches des Bartes des Leibes
Dat. dem Tisch[e] dem Bart[e] dem Leib[e]
Akk. den Tisch den Bart den Leib

Plur.: Nom. die Tische die Bärte die Leiber


Gen. der Tische der Bärte der Leiber
Dat. den Tischen den Bärten den Leibern
Akk. die Tische die Bärte die Leiber

1 Die Beispiele dieses Kapitels sind zum Teil der wertvollen Arbeit „Zur Nominalflexion
in der deutschen Literatursprache nach 1900“ von Ivar Ljungerud (Lund 1955)
entnommen.
* Lat. declinatio = die Neigung, das Biegen, die Beugung.
* Lat. Casus = Fall, Sturz, Beugefall (vgl. S. 174, Anm. 1).
4 Nach Jacob Grimm heißt die erste Deklinationsart auch die starke, weil sie keine kon¬
sonantische Stütze zur Kasusbildung braucht, die zweite die schwache, weil ihre Formen
mit Hilfe von n gebildet werden müssen. Welche sprachliche Leistung von den Deklina¬
tionsarten vollbracht wird, vermögen wir heute nicht mehr zu erkennen.
172 Das Substantiv (Nomen)

Sing.: Nom. der Wald der Garten der Uhu der Lehrer
Gen. des Waldes des Gartens des Uhus des Lehrers
Dat. dem Wald[e] dem Garten dem Uhu dem Lehrer
Akk. den Wald den Garten den Uhu den Lehrer

Plur.: Nom. die Wälder die Gärten die Uhus die Lehrer
Gen. der Wälder der Gärten der Uhus der Lehrer
Dat. den Wäldern den Gärten den Uhus den Lehrern
Akk. die Wälder . die Gärten die Uhus die Lehrer

Neutra

Sing.: Nom. das Schaf das Floß das Brett


Gen. des Schafes des Floßes des Brettes
Dat. dem Schaf[e] dem Floß[e] dem Brett [e]
Akk. das Schaf das Floß das Brett
Plur.: Nom. die Schafe die Flöße die Bretter
Gen. der Schafe der Flöße der Bretter
Dat. den Schafen den Flößen den Brettern
Akk. die Schafe die Flöße die Bretter
Sing.: Nom. das Lamm das Kloster das Hurra das Segel
Gen. des Lammes des Klosters des Hurras des Segels
Dat. dem Lamm[e] dem Kloster dem Hurra dem Segel
Akk. das Lamm das Kloster das Hurra das Segel
Plur.: Nom. die Lämmer die Klöster die Hurras die Segel
Gen. der Lämmer der Klöster der Hurras der Segel
Dat. den Lämmern den Klöstern den Hurras den Segeln
Akk. die Lämmer die Klöster die Hurras die Segel

Feminina (im Singular endungslos)

Sing.: Nom. die Trübsal die Kraft die Mutter" die Mutti
Gen. der Trübsal der Kraft der Mutter der Mutti
Dat. der Trübsal der Kraft der Mutter der Mutti
Akk. die Trübsal die Kraft die Mutter die Mutti
Plur.: Nom. die Trübsale die Kräfte die Mütter die Muttis
Gen. der Trübsale der Kräfte der Mütter der Muttis
Dat. den Trübsalen den Kräften den Müttern den Muttis
Akk. die Trübsale die Kräfte die Mütter die Mutti»

2. Gruppe (schwach)

Maskulina1

Singular: Nominativ der Mensch der Hase


Genitiv des Menschen des Hasen
Dativ dem Menschen dem Hasen
Akkusativ den Menschen den Hasen

1 Reste früherer schwacher Deklination haben sich bei bestimmten männlichen Wörtern,
die heute allgemein stark gebeugt werden, in besonderen Fällen erhalten: Wirtshaus
„Zum Schwanen“, Gasthaus „Zum Storchen“. Mundartlich: Gebratene Hahnen usw.
Auch in Zusammensetzungen: Storchennest, Hahnenfeder, Schwanengesang.
Die Deklination der Substantive 173

Plural: Nominativ die Menschen die Hasen


Genitiv der Menschen der Hasen
Dativ den Menschen den Hasen
Akkusativ die Menschen die Hasen

Feminina1 (im Singular endungslos)


Singular: Nominativ die Frau die Gabe
Genitiv der Frau der Gabe
Dativ der Frau der Gabe
Akkusativ die Frau die Gabe
Plural: Nominativ die Frauen die Gaben
Genitiv der Frauen - der Gaben
Dativ den Frauen den Gaben
Akkusativ die Frauen die Gaben

3. Gruppe (gemischt)

Maskulina und Neutra


Singular: Nominativ der Staat der See das Ohr das Ende
Genitiv des Staates des Sees des Ohres des Endes
Dativ dem Staat [e] dem See dem Ohr[e] dem Ende
Akkusativ den Staat den See das Ohr das Ende

Plural: Nominativ die Staaten die Seen die Ohren die Enden
Genitiv der Staaten der Seen der Ohren der Enden
Dativ den Staaten den Seen den Ohren den Enden
• Akkusativ die Staaten die Seen die Ohren die Enden

Die Maskulina gehören also allen drei Deklinationsarten an, die Feminina
der starken und schwachen, die Neutra der starken und gemischten De¬
klinationsart. Wenn Feminina keinen Plural haben (Geduld, Gunst,
Leinwand, Notdurft, Vernunft, Wucht, Wut, Milch usw.), kann man sie
vom heutigen Standpunkt aus keiner der drei Gruppen zu weisen.

Zwischen starker und schwacher Deklination im Singular schwanken 258


heute nur noch einige Wörter (vgl. dazu noch 279 und 320). Sie sind im
Plural schwach oder stark, seltener noch beides (vgl. 276; 279; 286; 288):

der Bauer / des Bauern (scnriftspr.) PI. die Bauern


(Landmann) \ des Bauers (weniger gebr.)
(aber: des Vogelbauers, die Vogelbauer)
/ des Fexes (übl.) PI. die Fexe (seltener: Fexen)
der Fex
\ des Fexen (seltener)
der Gevatter / des Gevattern (älter) PI. die Gevattern
(veralt.) \ des Gevatters (jünger)

1 Reste früherer Beugung im Singular haben sich in älterer, poetischer Sprache oder in
traditionellen Ausdrücken erhalten: Röslein auf der Heiden (Goethe). Festgemauert
in der Erden (Schiller). Das höchste Glück auf Erden. Von seiten; inmitten; auch
in Zusammensetzungen: Frauenkirche, Sonnenuhr, Lindenblatt, Heidenröschen, Erden¬
rund usw. (vgl. 034).
174 Das Substantiv (Nomen)

/ des Greifs PI. die Greife oder Greifen


der Greif \ des Greifen
/ des Lumpen (älter, selten) PI. die Lumpen
der Lump
\ des Lumps (jünger, übl.) (veralt.: Lumpe)
der Mai / des Mai[e]s od. Mai (schriftspr.) PI. die Maie
(Monat) \ des Maien (dicht.)
/ des März [es] (schriftspr.) PI. die Märze
der März
\ des Märzen (dicht.)
/ des Nachbarn PI. die Nachbarn
der Nachbar
\ des Nachbars
/ des Obersten (älter) PI. die Obersten
der Oberst
\ des Obersts (jünger)
/ des Prahlhanses (übl.) PI. die Prahlhänse
der Prahlhans
\ des Prahlhansen(seltener)
/ des Protzes PI. die Protze oder Protzen
der Protz
\ des Protzen
/ des Truchsesses (übl.) PI. die Truchsesse
der Truchseß
\ des Truchsessen (älter)
/ des Untertans (jünger) PI. die Untertanen
der Untertan
\ des Untertanen (älter)

Gelegentliche landschaftliche Schwankungen finden sich im Singular auch


bei Ahn, Fratz, Hanswurst, Hirsch, Luchs, Pfau, Schelm, Star, Wirt,
Zwerg. Die vom Schriftsprachlichen abweichende Form ist dann meist
mundartlich, dichterisch oder altertümelnd.
Im allgemeinen läßt sich sagen, daß gegenüber der verwirrenden Fülle
der historischen Deklinationsformen und dem uneinheitlichen, ungeregel¬
ten Zustand der letzten zwei- bis dreihundert Jahre sich in der heutigen
Schriftsprache eine starke Neigung zum Ausgleich und zur Vereinheit¬
lichung bemerkbar macht. Immer mehr „Ausnahmen“ werden von den
großen Gruppen aufgesogen, den allgemeinen Gesetzen unterworfen, falls
sie nicht zu Bedeutungsdifferenzierungen verwendet werden.

2. Die Kasus (Fälle)1


259 Die Sprache trifft immer nur eine Auswahl aus den möglichen Mitteln,
die Beziehungen im Satze ausdrücken können. Daher kommt es, daß
verschiedene Sprachen eine verschiedene Zahl von Fällen aufweisen oder
daß ein einzelner Kasus unter Umständen verschiedene Funktionen
übernehmen muß, solange das Verständnis gesichert ist. Das Indo¬
germanische hatte acht Fälle, aber schon hier waren nicht mehr alle
formal geschieden. Schon in jener frühen Zeit bahnte sich also die Ver¬
minderung der Kasuszahl an. Das Finnische hat heute noch mehr Fälle,
als das Indogermanische einst hatte. Das Lateinische und das Russische
haben sechs, das Deutsche kennt nur noch vier. Die Funktionen der
anderen Fälle wurden hier entweder von den übrigbleibenden über¬
nommen, oder es wurden andere sprachliche Hilfsmittel zum Ausdruck

1 Lat. Casus = Fall, d. h. wie die Abwandlung des Substantivs im Zusammenhang des
Satzes „[ausjfällt“. Zu den Endungen der einzelnen Kasus vgl. 261 ff.
Die Deklination der Substantive 175

der Verhältnisse und Beziehungen verwandt. Daneben schritt der Verfall


der Substantivendungen immer weiter fort. Selbst dort, wo sie heute
noch vorhanden sind, werden durch sie Genus, Kasus und Numerus
nicht immer eindeutig bestimmt. Zum Beispiel gehen aus der Deklina¬
tionsendung -es (Tages, Lammes) zwar Numerus und Kasus hervor,
aber nicht das Genus; aus der Endung -en (Staaten, Gaben) geht der Nu¬
merus, aber nicht Kasus und Genus hervor; aus der Endung -e (Tage)
schließlich werden weder Genus noch Kasus noch Numerus deutlich.
Dies geschieht erst mit Hilfe anderer Wortarten, die zum Substantiv
treten (Adjektiv, Pronomen, Artikel). Gelegentlich wird sogar der Fall
nur durch die Wortstellung deutlich (vgl. 1252).
Die Leistung der Kasus ist es besonders, die Wesen oder Dinge, mit
denen das Verhalten in Beziehung gesetzt wird, sprachlich-formal so zu
kennzeichnen, daß die besondere Verhaltensart, die an den Wesen oder
Dingen ausgedrückt werden soll, deutlich hervortritt. Daneben hat der
Kasus andere, weniger wichtige Aufgaben zu erfüllen (der Genitiv und
Akkusativ als Adverbialkasus). Zum Kasus als Mittel der Kongruenz
vgl. 1178 ff.
Man muß zwischen dem reinen (unmittelbaren, direkten) Kasus, dem
Flexionskasus, und dem durch eine Präposition veranlaßten (mittelbaren,
indirekten) Fall, dem Präpositionalfall oder -kasus, unterscheiden:

Heiner Fall (Flexionskasus) Präposition alf all

Ich erinnere mich des Vorgangs. Ich erinnere mich an den Vorgang.
Goethes Gedichte. Die Gedichte von Goethe.
Er ist des langen Hafters müde. Er ist müde von dem langen Hader.
Karl schreibt seinem Vetter. Karl schreibt an seinen Vetter.
Wir bauten ein Haus. Wir bauten lange an dem Haus.

In der Frühzeit der deutschen Sprachgeschichte ist der reine Fall weitaus
verbreiteter gewesen als heute, weil er eine unkomplizierte Ausdrucks¬
form ist. Mit fortschreitender Entwicklung suchte die deutsche Sprach¬
gemeinschaft nach differenzierteren, deutlicheren Formen der Beziehung.
Sie fand sie in dem Präpositionalfall, der wegen seiner sinnlichen Grund¬
lage (er beruht auf konkreten Lage- und Richtungsbezeichnungen mit
Hilfe von Präpositionen) einen schärferen, genaueren Gedankenausdruck
ermöglicht. So kam es, daß der Präpositionalfall den reinen Fall immer
mehr verdrängte. Alltags- und Umgangssprache gehen auf diesem Wege
der Schriftsprache voran, die ja traditionsgebundener ist und daher
stärker an alten Formen hängt. So ist z. B. der Genitiv in Mundart und
Umgangssprache fast völlig ausgestorben. Ähnlich (wenn auch noch
nicht in gleichem Umfang) muß auch der Dativ allmählich dem Prä¬
positionalfall weichen. Bei dem großen Einfluß, den die Umgangs¬
sprache heute auf die Schriftsprache ausübt, bleibt auch diese nicht un¬
berührt von solchem Wechsel. Der Akkusativ hält sich bei der großen
Zahl transitiver Verben zäh, muß aber auch den Präpositionalfall
wenigstens neben sich dulden (ein Haus bauen — an einem Haus bauen).
Wir sind hier Zeugen einer tiefgreifenden sprachlichen Entwicklung, der
langsamen Veränderung einer sprachlichen „Sehweise“. Wir werden uns
in der Syntax eingehend damit zu beschäftigen haben.
176 Das Substantiv (Nomen)

260 Ob in einem Satz der Genitiv, Dativ oder Akkusativ eines Substantivs
gewählt werden muß, wird durch das Wort bestimmt, von dem das betref¬
fende Substantiv abhängig ist. Diese Fähigkeit bestimmter Wortarten (des
Verbs, des Substantivs, des Adjektivs und der Präposition), Fälle zu
„regieren“, d. h. das von ihnen abhängige Wesen oder Ding in seiner
besonderen Lage gegenüber dem Geschehen durch einen bestimmten
Kasus zu kennzeichnen, nennt man „Rektion“1.

3. Die Deklinationsendungen
Die Deklinationsendungen des Substantivs sind, soweit noch vorhanden,
ein wichtiges Mittel, die Funktion des Kasus im Satz zu verdeutlichen.
Die nachstehenden Ausführungen über die Deklination der Substantive
im einzelnen zeigt allerdings, daß die Sprachgemeinschaft in sehr vielen
Fällen den Endungen keine Leistung mehr zuzusprechen vermag und sie
deshalb weiter abbaut (vgl. 313ff.).

a) Der Singular
a) Der Nominativ Singular
261 Der Nominativ2 Singular steht immer ohne Deklinationsendung:
Der Mann ist fleißig.

Beachte:
Doppelformen im Nominativ des Singulars sind bei einigen Substantiven entstanden, die
meist von der schwachen zur starken Deklination übergingen. Das ,,n“ der früheren
schwachen Deklination drang aus den übrigen Fällen auch in den Nominativ ein, weil es
bei starker Deklination als zum Wort gehörig empfunden wurde. Die Analogie zu stark
deklinierenden Wörtern wieWagen oder Regen trug zu dieser Entwicklung bei. Die älteren
Bildungen ohne ,,n“ gehören meist auch heute noch der gehobenen Sprache an, bei einigen
ist die Form mit „n“ die weniger gebräuchliche geblieben:

heute gebräuchlich gehoben, weniger gebräuchlich usw.

Frieden Friede (fast gleich gebr.)


Funke Funken (etwas weniger gebr.)
Gedanke Gedanken (selten)
Gefallen Gefalle (veralt.)
Glaube Glauben (weniger gebr.)
Haufen Haufe (weniger gebr.)
Name Namen (seltener)
Samen Same (geh.)
Schaden Schade (veralt., geh., erhalten in: es ist schade)
Wille Willen (seltener)

„Drache“ (= Fabeltier) und „Drachen“ (= Fluggerät, zanksüchtige Person) sind in den


Bedeutungen differenziert. Ein leichter Unterschied ist auch zwischen „Gehaben“ (= Be¬
nehmen im allgemeinen) und „Gehabe“ (= Ziererei). Der Genitiv von „Buchstabe“ wird
heute meist stark dekliniert (des Buchstabens), in den Nominativ ist jedoch das „n“ der
obliquen Kasus 3 bisher nicht eingedrungen.

1 Lat. rectio = Regierung, Leitung, Lenkung. 2 Lat. nominare = nennen, benennen.


3 Lat. casus obliqui = schiefe, abgebogene Fälle, Bezeichnung für den Genitiv, Dativ
und Akkusativ im Gegensatz zum Nominativ, dem casus rectus = gerader Fall.
Die Deklination der Substantive 177

Doppelformen wie Ball - Ballen, Bolz - Bolzen, Bronn - Bronnen, Fels - Felsen, Fleck -
Flecken, Gelüst - Gelüsten, Kork - Korken, Lump - Lumpen, Nord - Norden, Nutz -
Nutzen, Pfropf - Pfropfen, Reif - Reifen, Schreck - Schrecken, Tropf - Tropfen, Zapf -
Zapfen sind ähnlich zu erklären. Zum Teil haben sie sich zu Wörtern mit verschiedenem
Sinngehalt entwickelt.
Doppelformen im Nominativ entstehen auch durch Abfall von „e“. Viele der e-losen For¬
men sind umgangssprachlich oder mundartlich, manche sind differenziert:
Bursch - Bursche; Scheck - Schecke (scheckiges Pferd oder Rind); Bub (oberdt. für:
Junge) - Bube (Schurke; Spielkarte); Gesell (fahrender Gesell) - Geselle (im Hand¬
werk).
Besonders häufig fällt das „e“ bei den mit der Vorsilbe Ge- gebildeten Substantiven weg:
Gebalg[e], Gebälk[e], Geläüt[e], Geleise - Gleis..
Oft bezeichnet die Form mit -e ein fortgesetztes unangenehmes Tun, das getadelt wird, im
Gegensatz zur e-losen Form (vgl. 694):
das Geschreis, aber: das Geschrei; das Geheule, aber: das Geheul; das Geräusche, aber:
das Geräusch (Umlaut!).
Umgekehrt ist das ,,e“ in Türe, Hirte, Bette, Herze, Hemde usw. nicht mehr schrift¬
sprachlich (vgl. 706).
Ein Unterschied besteht zwischen der endungslosen Form und der Endung auf -e bei
substantivierten adjektivischen Sprachen- und Farbenbezeichnungen:
das Deutsch - das Deutsche; das Blau - das Blaue.
„Das Deutsche“ (Hochdeutsche, Plattdeutsche usw.) bezeichnet die betreffende Sprache
ganz allgemein, während „das Deutsch“ jeweils eine besondere Art der deutschen Sprache
kennzeichnet, die durch irgendeinen Zusatz näher bestimmt wird. Ebenso ist es bei den
Farben:
Das Deutsche gehört zu den indogermanischen Sprachen. Eine Fahrt ins Blaue.
Aber: Sein Deutsch ist schlecht. Sein Blau ist von starker Wirkung. Das jetzige
Deutsch; das tiefe Blau; Heines Deutsch; das Blau des Himmels; das Kauf¬
mannsdeutsch ; das Marineblau.
Über die Substantive mit verschiedener Endung im Nominativ und verschiedenem Ge¬
schlecht (die Backe - der Backen) vgl. 205.

ß) Der Genitiv Singular

Den Genitiv1 Singular kennzeichnet; 262

1. bei starken Maskulina und Neutra die Endung -es oder -s.
Welche Form gewählt wird, hängt von vielerlei Gründen ab, die im
folgenden genannt werden:
a) Die wolle Form auf -es steht immer bei Wörtern, die auf Zisch¬
laut enden (s, ß, x, z, tz):
des Glases, des Überflusses, des Kongresses, des Straußes, des Reflexes, des
Gewürzes, des Sitzes.
Sie wird gern gesetzt nach -sch und -st;
des Busches, des Zwistes.

1 Lat. genüivu8 = angeboren, ursprünglich; von gignere = erzeugen, hervorbringen.


Dieser Name (Zeugefall) ist nicht ausreichend, den Bedeutungsumfang dieses Kasus zu
bestimmen, und zudem eine irrtümliche Übersetzung des griechischen Ausdrucks, der den
Begriff der Gattung, der Klasse, des Teils (Genus) enthält.
178 , Das Substantiv (Nomen)

b) Die volle Form auf -es bevorzugen:


deutsche Substantive mit betonter Endsilbe (das gilt von
vornherein für die einsilbigen), die nicht auf Zischlaut enden:
des Tages, des Leibes, des Gemütes, des Mannes, des Baches, Gottes,
des Ertrages,
besonders auch bei Voranstellung als Attribut:
des Tages Hitze, dieses Mannes Ehre, Gottes Güte
oder wenn drei oder mehr Konsonanten nebeneinanderzustehen
kämen:
des Feldes, des Erfolges, des Kampfes.
Man berücksichtige dabei allerdings den Sprachgebrauch, der
gelegentlich anders entscheidet, weil er die volle Form als
gekünstelt oder geziert empfindet:
des Kerls, des Lärms, des Quarks, des Rahms, des Pechs, des Ulks, des
Verkehrs.

c) Die kürzere Form auf -s steht immer:


aa) bei Substantiven auf -en, -em, -el, -er:
des Wagens, des Lesens, des Atems, des Gürtels, des Lehrers,
bb) in festen, formelhaften Wendungen:
tags darauf, höheren Orts, unterwegs, mittags, von Rechts wegen,
cc) bei Farben- und Sprachbezeichnungen (wenn sie nicht
nach Ziff. 316 überhaupt endungslos stehen und letztere nicht
schwach dekliniert werden):
des Schweinfurter Grüns; die Eigenart seines Deutschs; ein Schwall. ..
heftigen Italienischs (Zuckmayer).
dd) Manche Feminina nehmen in festen Wendungen im Gen.
Sing, ein „s“ an in Analogie zu ähnlichen Fügungen, die ein
stark gebeugtes Mask. oder Neutr. auf -s enthalten. Sie ver¬
halten sich dann so, als wären sie Bestimmungswörter von
Zusammensetzungen (vgl. 637, a):
an Zahlungs Statt (analog zu: an Kindes Statt); von Obrigkeits wegen
(analog zu: von Amts oder Rechts wegen).
ee) In der Umgangssprache werden Genitivformen auf -s ge¬
legentlich für alle Fälle des Singulars gebraucht:
das (dem, das) Dings [da], dieses (diesem, dieses) Zeugs [da],
ff) Zum Genitiv-s bei Fremdwörtern vgl. 280.
gg) Zum Genitiv-s bei Eigennamen vgl. 290ff.

d) Die kürzere Form auf -s bevorzugen:


aa) Substantive, die mit unbetonter Silbe schließen (so beson¬
ders Zusammensetzungen, allerdings nur, wenn sie nicht auf
Zischlaut ausgehen):
des Urteils, des Urlaubs, des Vortrags, des Heilands, des Abends, des
Jünglings, des Königs, des Dornstrauchs, des Alltags; aber: des Erd¬
rutsches, des Fensterglases.
Die Deklination der Substantive 179

Geht in Zusammensetzungen ein Fugen-s des Bestimmungs¬


wortes voraus, darin wird jedoch aus lautlichen Gründen die
volle Form des Grundwortes auf -es bevorzugt:
des Kriegsjahre« 1915, des Kindskopfes, des Blutsfreundes,
bb) Substantive, die auf Vokal oder auf Vokal + h enden:
des Schnees, des Knies, des Schuhs, des Flohs, des Uhus.

2. bei schwachen Maskulina die Endung -en oder -n (wenn der


Stamm bereits auf -e auslautet):
des Menschen, des Boten.

3. Feminine Substantive sind auch im Genitiv endungslos:


der Trübsal, der Frau.

y) Der Dativ Singular


Den Dativ1 Singular kennzeichnet:
263
1. bei starken Maskulina und Neutra die Endung -e (soweit nicht
das Substantiv selbst schon auf -e endet, z. B. Ende). Diese Endung
fällt jedoch immer mehr weg.
Immer ohne e stehen:
aa) starke Substantive auf -en, -em, -el, -er:
dem Garten, dem Atem, dem Gürtel, dem Lehrer,
bb) starke Substantive, die auf Vokal enden:
im Nu, dem Schnee, dem Hurra.
cc) die dichterischen Kurzformen der Himmelsrichtungen und
der danach benannten Winde:
von Nord nach Süd, vom West getrieben,
dd) Substantive, die ohne Artikel von einer Präposition ab-
hängen:
aus Holz, in öl malen, von Haß getrieben, von Ast zu Ast, in Wald und
Flur, von Kopf bis Fuß.
ee) Fremdwörter (vgl. 281).
Überwiegend ohne e stehen:
aa) starke Substaritive, die auf Diphthong enden:
dem Bau, im Heu, dem Ei.
bb) mehrsilbige Substantive, die nicht auf der letzten Silbe be¬
tont werden:
dem Frühling, dem Schicksal, dem Ausflug.

In den übrigen Fällen hängt es vom rhythmischen Gefühl des Schrei¬


benden oder Sprechenden ab, ob das Dativ-e gesetzt wird oder nicht.
In festen Redewendungen und formelhaften Verbindungen hat sich
das Dativ-e meist ziemlich fest gehalten:
zustande kommen, zugrunde gehen, zu Kopfe steigen, zu Rate ziehen, zu Kreuze
kriechen.

1 Lat. dare = geben, also „Gebefall“. Diese Bezeichnung trifft den Sinn des Dativs nur
zum Teil.
180 Das Substantiv (Nomen)

2. bei schwachen Maskulina die Endung -[e]n:


dem Menschen, dem Hasen.
3. Feminine Substantive sind auch im Dativ endungslos:
der Frau, der Heizung.

6) Der Akkusativ Singular


264 Den Akkusativ1 Singular kennzeichnet:
1. bei schwachen Maskulina die Endung -[e]n:
den Menschen, den Hasen.

Beachte:
Männliche Substantive, die der schwachen Deklinationsart aiigehören, also in allen
Fällen außer im Nominativ auf -[e]n enden, müssen auch im Dativ und Akkusativ
des Singulars diese Endung behalten (vgl. 320):
Er gab ihm als Boten eine Belohnung (nicht: als Bote). Man wählte ihn als
Boten (nicht: als Bote).
Das gilt besonders für Fremdwörter:
Er legte ihm als Juristen diese Frage vor (nicht: als Jurist). Man wählte ihn
zum Präsidenten (nicht: zum Präsident).
Die Form ohne -n ist nur möglich, wenn entweder syntaktisch der Nominativ ver¬
langt wird (Man trug seiner Stellung als Präsident Rechnung, vgl. 991) oder wenn
zwei durch „und“ verbundene Substantive von einer Präposition abhängen (Für
Patient und Arzt war die Lage kritisch; die Haltung von Mensch zu Mensch; vgl.
313, 2).
2. Endungslosigkeit bei allen übrigen Substantiven.

b) Der Plural
265 Aus der Deklinationstabelle ZifF. 257 ist zu ersehen, daß es acht verschie¬
dene formale Möglichkeiten gibt, den Plural von Substantiven zu bilden.
Nominativ Plural, Genitiv Plural und Akkusativ Plural sind sich in
allen drei Deklinationsarten stets gleich. Der Dativ endet, außer bei
den im Plural auf -s ausgehenden Substantiven, stets auf -en oder -n.
Doppelte Pluralformen entstehen nicht nur durch das Schwanken
zwischen starker und. schwacher Deklination, sondern auch durch das
Schwanken zwischen den verschiedenen Endungen -e, -er, -s usw. oder
zwischen den umgelauteten und nicht umgelauteten Formen der starken
Deklination. An die verschiedenen Pluralformen knüpfen sich immer
mehr auch verschiedene Sinngehalte. Es kommt auch hier das Bestreben
der Schriftsprache zum Ausdruck, einmal erhaltene Doppelformen in der
Bedeutung zu differenzieren. Man könnte auch umgekehrt sagen, daß nur
die eintretende Differenzierung diese Doppelformen vor dem Untergang
bewahrt hat. Im folgenden betrachten wir die verschiedenen Plural¬
formen mit besonderer Berücksichtigung dieser Doppelformen.
a) Umlaut im Plural
266 Der Umlaut ist ein Kennzeichen starker Deklination. Er hat sein Gebiet
erweitert und viele Wörter erfaßt, denen er ursprünglich nicht zukam.

1 Lat. accusare = anklagen. Dieser Name ist sinnlos und nur eine falsche Übertragung des
griechischen „ptösis aitiatikS“, der Ausdrucksform für das Bewirkte. Der richtige Name
wäre „Effektiv“.
Die Deklination der Substantive 181

Den Umlaut haben die Typen „Bart“ (Bärte), „Wald“ (Wälder), „Garten“
(Gärten), „Kraft“ (Kräfte) und „Mutter“ (Mütter) aus der 1. Deklina¬
tionsgruppe.
Einen Wechsel zwischen umgelauteten starken Formen auf -e und -er zeigt das Wort #
„Balg“:
Balg, der oder das / die Bälge (auch: Tierhäute)
(ugs. für: unartiges Kind) \ die Bälger
Häufiger ist der Wechsel zwischen dem umgelauteten starken Plural auf -er und dem 267
unumgelauteten starken Plural auf -e (vgl. auch 271):

Band, das / die Bande (Fesseln)


\ die Bänder (Gewebestreifen; Eisen-, Leinen-, Halsbänder)
(vgl. Band, der [Buch]: die Bände)
/ die Mäler (Flecke; Zeichen; Monumente; üblich in: Denk-, Ehren-,
Mal, das Grabmäler)
\ die Male (Zeitpunkte; trotzdem üblich in: Brand-, Mutter-, Wund¬
male; gewählt für „Mäler“ als „Monumente“: Denk-,
Ehren-, Grabmale)
/ die Wörter (Einzelwörter, ohne Rücksicht auf Zusammenhang:
/ Haupt-, Zeit-, Eigenschafts-, Schlagwörter usw. Aus-
Wort, das ^ nähme: Sprichwörter)
\ die Worte (Teile zusammenhängender Rede: Dichter-, Text-,
Trost-, Vorworte usw.)
Das Schwanken zwischen Umlaut und Nichtumlaut ist häufig. Die Schriftsprache hat 268
sich hier oft für die eine der beiden Formen entschieden Und die andere, soweit sie noch
lebt, in die Mundart oder in die Umgangssprache abgedrängt, falls sie sie nicht bedeutungs¬
mäßig differenziert hat, z. B.
Schriftspr., üblich: Älter, mundärtl., ugs., seltener
die Böden die Boden (älter, selten)
die Bogen die Bögen (süddt.)
die Erlasse die Erlässe (österr.)
die Hammel oder Häihmel
die Kästen die Kasten (älter, seltener)
die Knuste oder Knüste
die Kragen die Krägen (süddt.)
die Kräne die Krane (seltener)
die Läden die Laden (selten und nur in der Bedeutung
„Fensterladen“)
‘ die Lager die Läger (bes. süddt. und kaufm.)
die Magen oder Mägen
die Nachlässe oder Nachlasse
die Püffe (= Stöße) die Puffe (seltener)
die Schlote die Schlöte (seltener)
die Schlucke die Schlücke (seltener)
die Stähle (techn.) die Stahle (seltener)
die Stäube (techn.) die Staube (techn., seltener)
die Wagen die Wägen (süddt.)
die Zwiebacke oder Zwiebäcke
Differenziert hat die Sprache:
die Bunde (das Bund— Gebinde, in: Schlüsselbunde) - die Bünde (der Bund=Bünd¬
nis); die Drucke (zu drucken: Ab-, Nach-, Neudrucke) - die Drücke (zu drücken: Ab-,
Aus-, Ein-, Händedrücke); die Spünde (FaßVerschlüsse) - die Spunde (tibertr. ugs.
für: junge Kerle); die Wasser (Wassermassen) - die Wässer (meist in: Ab-, Mineral-,
Sauerwässer usw.)
182 Das Substantiv (Nomen)

269 Manchmal stehen den umgelauteten starken Formen unumgelautete schwache auf -n
oder starke auf -s gegenüber:
die Mütter - die Muttem (Schraubenteile); die Säue (meist Hausschweine, bes. auch
übertragen) - die Sauen (meist weidm.: Wildschweine); die Schnüre (tibi.) - die
Schnuren (selten); die Blöcke (Klötze, z. B. in: Fels-, Granit-, Holz-, Eis-, Stein-,
Metallblöcke) - die Blocks (z. B. in Abreiß-, Notiz-, Durchschreibe-, Zeichen-, Wohn-,
Häuserblocks).
270 Eine ausführlichere Betrachtung verdient das Substantiv „Mann“:
/ die Männer (übl.)
Mann, der — die Mannen (dicht, für: Lehnsleute; iron. für: treue Gefolgsleute)
\ Mann (alle Mann an Deck!)
Bei Zusammensetzungen wechseln im Plural -männer und -leute:
-leute bei Berufen, Ständen, Menschengruppen u. ä. (kollektiv):
Bauersleute, Bergleute, Edelleute, Eheleute (Ehemann und Ehefrau),
Geschäftsleute u. a.
-männer bei Betonung des Geschlechtes, der Individualität, der äußeren Gestalt
(vervielfältigend): Biedermänner, Ehemänner, Ehrenmänner, Hampel¬
männer, Lebemänner u. a.
-männer oder -leute, wenn es auf einen Unterschied nicht ankommt:
Amtmänner, Amtleute; Dienstmänner, Dienstleute (Gepäckträger); Dienst¬
mannen, Dienstleute (Lehns-, Gefolgsleute); Ersatzmänner, Ersatzleute;
Fachmänner, Fachleute u. a.
Bildungen wie Obstmann, Milchmann, Gemüsemann usw. werden fast ausschließlich im
Singular verwendet.

ß) Plural auf -er und -e (vgl. auch 266 f.)


271 Der Plural auf -er, der ursprünglich keine Endung, sondern eine
Wortbildungssilbe war, hat sich über die Neutra, auf die er ursprünglich
beschränkt war, hinaus auch auf Maskulina ausgedehnt, weil seine Form
so deutlich erkennbar ist. Er steht ohne und mit Umlaut. Besonders
süddeutsche Mundart und Umgangssprache gehen in seiner Verwendung
noch weiter als die Schriftsprache:
Schriftspr. Mundart, Umgangsspr.
Brote Bröter
Beine Beiner
Stücke Stücker
Scheusale Scheusäler
Scheite Scheiter'
Klötze Klötzer
Steine Steiner
Dinge Dinger (vgl. 272)
Geschmäcke (selten) Geschmäcker (scherzhaft)
Bosse Bösser
Mark Märker
272 Zwischen den starken Formen auf -er und -e schwanken folgende Substantive (über den
Wechsel zwischen umgelautetem Plural auf -er und unumgelautetem Plural auf -e vgl. 267):

Schriftspr. übl. Seltener


die Bösewichter die Bösewichte
die Beste die Bester (kaufm.) [die Besten, Schweiz.]
die Stifte (Altersheime) die Stifter
Die Deklination der Svbstantive 183

Differenziert hat die Sprache die folgenden Formen:

die Dinge (schriftspr. für: Gegenstände) - die Dinger (ugs. verächtl. für bestimmte
Gegenstände, junge Mädchen);
die Gesichte (Visionen, Erscheinungen) - die Gesichter (Antlitze; auch in: Angesichter);
die Lichte (dicht, und veralt. für: Kerzen, Wachslichte) - die Lichter (Lichtquellen
jeder Art, in: Himmels-, Irrlichter; weidm. für: Augen des Haarwildes);
die Schilde (der Schild = Schutzschild) - die Schilder (das Schild = Aushängeschild).

In einigen Fällen hat der Plural auf -e zusammenfassende Bedeutung


(Worte, Lande, Bande usw.), der Plural auf -er dagegen trennende, in¬
dividualisierende Bedeutung (Wörter, Länder, Bänder usw.).
In umgangssprachlichen Verkleinerungen erscheint, wenn das Grundwort 273
den Plural auf -er bildet, das Verkleinerungssuffix -chen oder -lein erst
nach der Pluralendung -er, weil diese ursprünglich gar keine Endung
war (vgl. 724):
die Kinderchen, die KinderZein, die Weiberchen, die Häuserchen, die Würmerchen.

y) Plural auf -s (über das Plural-s bei Fremdwörtern vgl. 283)


Der Plural auf -s bei deutschen Wörtern ist vielfach unterschiedslos ge- 274
tadelt worden. Dem wollen wir uns nicht anschließen. In folgenden
Fällen ist gegen seinen Gebrauch nichts einzuwenden:
1. Bei Substantiven, die auf Vokal oder Diphthong ausgehen, der Deutlichkeit
halber: die Hurras, die Muttis, die Uhus, die Wauwaus, die Nackedeis.
So auch bei den meisten Kurzwörtern, die auf Vokal enden:
die Schupos, die Nazis, die Sozis, die Taxi[s] (vgl. 312, b).

2. Bei Substantiven aus dem Niederdeutschen, der sprachlichen Heimat des


Plurals auf -s. Hochdeutsche Pluralformen auf-e oder-n stehen hier oft gleichberech¬
tigt daneben, manchmal mit Bedeutungsverschiebung:
die Decks - die Decke; die Piers - die Piere; die Wracks - die Wracke; die Knicks
(= Hecken) - die Knicke (= Knickungen); die Haffs - die Haffe; die Blocks -
die Blöcke (vgl. 269); die Jungs - die Jungen.

3. Satzwörter, die kein deklinierbares Grundwort haben, nehmen gern, das Plural-s
zu Hilfe:
die Stelldichein/s/, Fackeln und Lebehochs (Th. Mann), die Lebewohles/, die
Schlagetots, die Dreikäsehoch [sj.

Gelegentlich wird aber auch der Plural auf -e gebildet:


die Vergißmeinnicht/e], die Gernegroße, die Tunichtgute, die Springinsfelde,
die Störenfriede, die Taugenichtse.

4. Bei manchen Substantiven sind nur die Pluralformen auf-s üblich:


die Hochs, die Tiefs (Wetterk.); die Steppkes.

5. Das Plural-s kann stehen bei Abkürzungen, die nicht auf „s“ enden. Es ist hier
aber nicht unbedingt erforderlich (vgl. 312, a):
die PKW[s], die BGB[s].

Auch bei einfachen Buchstaben steht besser kein Plural-s (vgl. 316):
die A, die B.

Ebenso bei substantivierten Konjunktionen und Interjektionen, die nicht auf einen
Vokal enden (vgl. 316):
die Wenn und Aber, die Entweder-Oder, die vielen Ach und Weh.
184 Das Substantiv (Nomen)

Falscher Gebrauch des Plurals auf -s:


275 Die Volkssprache hängt oft an Wörter, deren Plural mit dem Singular gleich lautet,
ein Plural-s an, um den Plural noch besonders zu verdeutlichen:
die Fräuleins (für:' die Fräulein), die Mädels (für: die Mädel), die Mädchens (für:
die Mädchen), die Schlingels (für: die Schlingel), die Kumpels (für: die Kumpel),
die Bengels (für: die Bengel).

Das Plural-s wird aber auch im Wechsel mit an sich deutlichen Pluralformen ge¬
braucht :

die Jungens (für: die Jungen, Sing.: der Junge); die Kerls (für: die Kerle, Sing.:
der Kerl); die Bestecks (für: die Bestecke, Sing.: das Besteck).

In Analogie zu Eigennamen werden in der Umgangssprache Plurale von Titeln und


Berufen auf -s zu Familienbezeichnungen:

Apothekers, Bürgermeisters, Pastors usw.

Über das Plural-s bei Eigennamen vgl. 294-297.

cf) Plural auf -n

276 Der Plural auf -n ist ein Zeichen schwacher Deklination: Er ist nie mit
Umlaut verbunden. Bei manchen Substantiven ist ein Schwanken
zwischen dieser schwachen Form auf -n und der starken Form auf -e
oder -er bzw. der endungslosen Form zu beobachten (vgl. auch 269; oft mit
Bedeutungsdifferenzierung):
die Bauern (Menschen vom Lande) - die Bauer (Vogelbauer, Erbauer usw.) vgl. 258;
die Dornen (Spitzen des Dornbusches), ugs. Dörner - die Dorne (techn. Werkzeuge);
die Kleinode (so immer bei bildlichem Gebrauch) - die Kleinodien (mit latinis.
' Endung aus mittellat. clenodium) vgl. 288; die Masten (übl.) - die Maste (Nebenform);
die Menschen (der Mensch = menschl. Lebewesen) - die Menscher (das Mensch, ver-
ächtl. für: Frau).

Der „Bau“ in der Bedeutung „Bauwerk“ hat jetzt den Plural „Bauten“ (eigtl. Plural zu:
die1 Baute = Gebäude, in: Pfahl-, Prunk-, Schiffs-, Um-, Neubauten; vgl. aber das Wort
Baude), während „Baue“ nur noch die Erdwohnungen bestimmter Tiere bezeichnet:
Fuchs-, Dachsbaue. - Der starke Plural „Flußbette“ wird noch gelegentlich neben der
schriftsprachlichen schwachen Form „Flußbetten“ gebraucht als Rest alter Deklinations¬
weise. Über die Formen Reste, Rester, Resten vgl. 272.

Feminina, die auf -er und -el ausgehen, erhalten die schwache Endung -n, wenn kein Um¬
laut eintritt:

die Muttern (Schraubenteile), Kiefern (Bäume), Blattern, Masern; die Semmeln,


Brezeln, Graupeln, Kutteln, Pusteln, Röteln, Stoppeln. Aber mit Umlaut: die
Mütter, Töchter, vgl. 269.

Maskulina und Neutra auf -er und -el erhalten kein -n. Sie folgen der starken Deklination:

die Teller, Messer, Gitter; die Streusel, Möbel, Kiefer (Knochen), Würfel, Gipfel.

Ausnahmen sind jedoch:

die Bauern, Vettern, Stacheln, Muskeln, Pantoffeln

sowie manche Stammesnamen:

die Pommern, Bayern.

1 Daher kommt es, daß das Sprachgefühl noch schwankt, ob es „in eihem der Pfahlbauten“
oder „in einer der Pfahlbauten“ heißt.
Die Deklination der Substantive 1$5

Mundart und Umgangssprache weichen oft von der Norm der Schriftsprache ab:
Schriftspr. Mundart, Umgangsspr.
die Kartoffel die Kartoffeln (schwach) Kartoffel (stark)
die Semmel die Semmeln (schwach) Semmel (stark)
der Stiefel die Stiefel (stark) Stiefeln (schwach)
der Stummel die Stummel (stark) Stummeln (schwach)
der Muskel die Muskeln (schwach) Muskel (stark)
der Pantoffel die Pantoffeln (schwach) Pantoffel (stark)
der Brösel die Brösel (stark) Bröseln (schwach)
der Ziegel die Ziegel (stark) Ziegeln (schwach)
Ebenso ist „die Trümmern“, „in Trümmern schlagen“ nicht schriftsprachlich, weil
•der dazugehörige Singular „das Trumm“ (nicht: die Trümmer) heißt.

e) Endungsloser Plural
Maskuline Substantive, die auf unbetontes -el, -en, -er enden, neutrale, 277
die auf unbetontes -el, -en, -er, -chen, -lein, -le, -erl ausgehen, und solche
auf -e mit der Vorsilbe Ge- sowie das Substantiv „Käse“ unterscheiden
sich im Nominativ Plural nicht* vom Nominativ Singular (soweit nicht
Umlaut eintritt):
der Flügel — die Flügel das Fenster — die Fenster
der Apfel — die J!pfel das Kloster — die Klöster
der Balken — die Balken das Mädchen — die Mädchen
der Graben — die Gräben das Fräulein — die Fräulein
der Fischer — die Fischer das Kasperle — die Kasperle
der Bruder — die Brüder das Hascherl — die Hascherl
das Segel — die Segel das Gebirge — die Gebirge
das Kissen — die Kissen der Käse — die Käse
Von femininen Substantiven gehören nur „Mutter“ (die Mütter) und „Tochter“ (die
Töchter) hierher.
Neutrale Substantive mit den Verkleinerungssilben -el oder -erl werden in der Mundart 278
oft schwach dekliniert, was gelegentlich in die Schriftsprache übernommen wird:
das Mädel, PI. die Mädeln (I. Kurz, St. Zweig); das Hendel, PI. die Hendeln; das
Mandl, PI. die Mandln; das Gössel, PI. die Gösseln (W. Raabe); das Brettel, PI. die
Bretteln (Carossa); das Hascherl, PI. die Hascherin (Ertl, Anzengruber, Müller-Par¬
tenkirchen) ; das Zuckerl, PI. die Zuckerln (Zuckmayer).

4. Die Deklination der Fremdwörter


a) Allgemeines
Auch die Fremdwörter können stark, schwach oder gemischt dekliniert 279
werden:
stark: der Plural, des Plurals, die Plurale; der Trupp, des Trupps, die Trupps;
schwach: der Student, des Studenten, die Studenten;
gemischt: der Doktor, des Döktors, die Doktören (Betonung!).
Substantive, die im Singular wie im Plural sowohl stark als auch schwach
dekliniert werden, gibt es auch bei den Fremdwörtern:
schwach:
des Papageien die Papageien (übl.)
des Tribunen die Tribunen
des Magneten . die Magneten
des Chrysolithen die Chrysolithen
186 Das Substantiv (Nomen)

stark:
des Papageis die Papageie (selten)
des Tribuns die Tribüne
des Magnets die Magnete
des Chrysoliths die Chrysolithe
Das früher stark gebeugte „Elektrolyt“ (des Elektrolyts, die Elektrolyte) wird im Ge¬
nitiv Singular heute schon dürchgehends schwach gebeugt (des Elektrolyten), während
der Plural noch stark gebraucht wird (die Elektrolyte).
Im Singular wechseln zwischen starker und schwacher Deklination:
des Augurs oder Augur[e]n; PI.: die Augur[e]n - des Satyrs oder Satyrn; PI.: die
Satyrn - des Kakerlaks oder Kakerlaken; PL: die Kakerlaken - des Triumvirs oder
Triumvirn; PL: die Triumvirn - des Partisans oder Partisanen; PL: die Partisanen.
In sprachwissenschaftlichen Büchern werden noch gelegentlich, aber
immer seltener Fachausdrücke wie im Lateinischen dekliniert :
Nominativws Singulam, Accusativws cum Inflnitivo, Indicativws Praeseniis Activi
(heute üblicher: Nominativ Singular, Akkusativ mit Infinitiv, Indikativ Präsens
Aktiv).
Dabei werden lateinische Nominative des Plurals heute allgemein in
allen Kasus gebraucht:
den Pronomina, der Kasus (Gen. Plur.), den Feminina.
Manches ist allgemein üblich:
Korpus delikti, Nervus rerum, Anno Domini usw.
Über Schwankungen im Plural vgl. die nächsten Abschnitte.

b) Bemerkungen zur starken Deklination


280 Zur starken Deklinationsgruppe gehören z. B. Fremdwörter mit den En¬
dungen -är, -ett (soweit keine Personenbezeichnung), -eur, -ier [. . . ie-],
-ier [.. .l r],-iker, -in, -ment (Beispiele vgl. 195).
Die stark (und gemischt; vgl. 288) deklinierten Fremdwörter bilden den
Genitiv Sing, im allgemeinen mit bloßem -s:
des Offiziers, des Plurals, des Doktors, des Hotels, des Typs, des Insekts, \ des
Lexikons, des Klosetts.
Endet das Fremdwort auf -s, -ß, -x oder -st, dann wird der Genitiv
unter Beibehaltung des „e“ nur bei Eindeutschung gebildet:
des Dispenses, des Prozesses, des Komplexes, des Morastes.
Bei anderen stehen eingedeutschte Formen neben ungebeugten:
des Atlas oder Atlasses, des Globus oder Globusses, des Index oder Indexes, des
Rhinozeros oder Rhinozerosses.
281 Das Dativ-e fällt ganz weg:
dem Doktor, dem Hotel, dem Balkon, dem Typ, dem Ingenieur, dem Januar.
Für den Dativ Singular der gemischten Gruppe (vgl. 288) gilt das gleiche.
282 Der Plural bleibt entweder ohne Endung (das Pronomen, des Pronomens,
die Pronomen) oder geht auf -s oder -e (mit oder ohne Umlaut) aus. Ge¬
legentlich tritt noch fremdsprachlicher Plural auf:
die Papyrosy (russ. Zigaretten), die Bambini, die Gondolieri, die Gonfalonieri
(neben: die Gonfalonieres), die Soli (neben: die Solos), die Porti (neben: die
Portos), die Tempi (neben: die Tempos), die Konkreta, die Abstrakta, die Prono¬
mina (neben: die Pronomen), die Examina (neben: die Examen), die Indizes
(neben: die Indexe).
Die Deklination der Substantive 187

Der Plural auf -er ist selten:


die Spitäler, die Hospitäler (daneben: Hospitale), die Regimenter, die Schier
(seltener: Schi).

Scherzhaft sind:
Publikümer, Lokäler.

Noch nicht heimisch gewordene Fremdwörter starker Deklination und 283


solche, die auf Vokal enden, bilden den Plural auf -s.
die Abonnements, die Bankiers, die Salons, die Beefsteaks, die Büros, die Echos,
die Autos, die Sofas.

Wenn der Singular auf stummes ,,s“ ausgeht, wird dieses im Plural ge¬
sprochen :
die Marquis (marki ß), die Korps (ko-rß), die Fonds (fo**ß).

Hat sich das Fremdwort mehr eingebürgert, tritt neben die Endung auf
-s die auf -e:
die Ballons (franz. Aussprache), seltener Ballone (dt. Aussprache); die Kartons
(franz. Aussprache), seltener Kartone (dt. Aussprache); die Balkons (franz. Aus¬
sprache) oder Baikone (dt. Aussprache); die Docks oder Docke; die Karussells
oder Karusselle; die Klosetts oder. Klosette; die Leutnants, seltener Leutnante.

Dabei gibt es Übergangsstufen aller Art:


Parke, Schecke, Schocke, Streike sind bisher noch selten, soviel die einzelnen
Wörter auch gebraucht werden. Wir sehen hier, daß sich die Eindeutschung
manchmal wenig nach der Häufigkeit des Gebrauches richtet. Nicht so häufig
gebrauchte Wörter wie z.B.,,Kollektiv“ ziehen dagegen den deutschen Plural bereits
vor (Kollektive).

Bei häufig gebrauchten Fremdwörtern (auch Lehnwörtern), deren Plu- 284


ralform umlautfähig ist, ist der Umlaut teils fest geworden:
die Jfbte, die Bischöfe, die Altäre, die Choräle, die Kapläne, die Paläste, die
Pröpste, die Kardinäle, die Bässe, die Kanäle,

teils dringt er ein:


die Korporale oder Korporäle. die Moraste oder Moräste, die Generale oder
Generäle, die Chore oder Chöre [Kirchenraum]). Bei ,,Tenor“ (= Männerstimme)
ist der umgelautete Plural gebräuchlicher (Tenöre, seltener: Tenore). Der Plural
„Admiräle“ steht besonders in Verbindung mit „Generäle“: die anwesenden
GeneräZe und AdmiräZe.

Ein häufiger Fehler ist es, das Plural-s an fremdsprachige Pluralendungen 285
zu hängen, die nicht als solche erkannt werden (vgl. 288):
die Portis (Italien, porti ist schon Plural!), die Kollis.

Wechsel zwischen starker und schwacher Pluralform’ (mit gelegentlicher 286


Bedeutungsdifferenzierung) zeigen:
die Atlasse oder Atlanten, die Globusse oder Globen, die Fasane oder Fasanen,
die Juwelen (Edelsteine) - die Juwele (übertr. auf Personen), die Effekte (Wirkun¬
gen) - die Effekten (Sachen, Wertpapiere).

c) Bemerkungen zur schwachen Deklination

Zur schwachen Deklinationsgruppe gehören z. B. maskuline Fremd- 287


Wörter mit den Endungen -ant und -ist (Beispiele vgl. 195) sowie Fremd¬
wörter aus dem Griechischen auf -arch, -agoge, -krat, -löge, -nom, -soph.
188 Das Substantiv (Nomen)

Fremdwörter, deren auslautendes -e erhalten blieb, werfen es heute un¬


gern ab, weil die schwache Beugung daran deutlich wird:
Pädagoge, Psychologe, Theologe, Demagoge, Invalide, Rivale, Matrose, Sklave,
Halunke, Stratege, Rhapsode. Früher waren die gekürzten Formen (Pädagog,
Psycholog usw.) häufiger.

Weibliche Fremdwörter, besonders mit den Endungen -ade, -age,


-aille, -ance, -äne, -anz, olte. -enz, -ette, -euse, -ie [.. .ie], -ie[. ..!•], -iere,
dlle, -ine, -ion, -isse, -[i]tät, -ive, -oac, ur, -üre sind im Singular endungs¬
los, im Plural schwach (Beispiele vgl. 195).
Starken Plural auf -s zeigt daneben:
die Mamsells (oder: Mamsellen).

d) Bemerkungen zur gemischten Deklination


288 Zur gemischten Deklinationsgruppe (im Singular stark, im Plural
schwach) gehören u. a. die sehr zahlreichen Fremdwörter mit der
Endung -or und der Betonung auf der zweitletzten Silbe1:
des Typs, die Typen; des Insekts, die Insekten; des Rektors, die Rektören (mit
Betonungswechsel!); des Doktors, die Doktoren.
Danach müßte „Mötor“ ebenfalls gemischt dekliniert werden (des Mötors, die Motören),
man findet aber auch, besonders bei Süddeutschen, die starke Deklination im Plural
(die Motore), weil man „Motör“ betont (vgl. Anm. 1). „Pastöre“ ist eine norddeutsche
Eigentümlichkeit (sphriftspr.: Pastoren), die ebenfalls auf der veränderten Betonung
„Pastör“ beruht.

Fremdwörter griechischen Ursprungs mit der Endsilbe -ma gehören


ebenfalls im allgemeinen der gemischten Deklination an:
des Dramas, die.Dramen; des Dogmas, die Dogmen; des Themas, die Themen.
Manche von ihnen bilden jedoch abweichende Pluralformen, und zwar entweder die
starke auf -s (die Kommas, die Aromas, die Klimas) oder die ursprüngliche griechi¬
sche (Kommata, Aromata, Themata). Zwitterformen sind: die Klimate u. ä. „Lexi¬
kon“ hat meist den fremden Plural „Lexika“, daneben: Lexiken. Falsch ist es, an
die griechischen Pluralendungen noch die Pluralendung -s zu hängen, was häufig
aus Unkenntnis geschieht (vgl. auch 285):
die Kommatas, Thematas usw.

Ebenso deklinieren Fremdwörter auf -eum, *[i]um, -al und -il im all¬
gemeinen gemischt:
des Museums, die Museen; des Albums, die Alben; des Datums, die Daten; des
Verb [um ]s, die Verben; des Aquariums, die Aquarien; des Materials, die Mate¬
rialien; des Fossils, die Fossilien.

Auch sie körinen aber den Plural gelegentlich auf -s (die Faktotums,
Albums) oder den ursprünglichen lateinischen Plural bilden:
Adverbia, Verba, Fluida, Skripta, Neutra.

Manche von ihnen neigen zur stark gebeugten Pluralform:


die Mineralien oder Minerals, die Prinzipien oder Prinzips, die Konzilien oder
Konzils, die Kollegien oder Kollegs, die Reptilien oder Reptils, die Konten oder
Kontos (auch Italien. Plural: Konti), die Risiken oder Risikos.

Zum Schwund des „e“ im Genitiv und Dativ vgl. die starke De¬
klinationsgruppe (280; 281).

1 Ist dagegen -or betont, dann gehört das betreffende Wort zur starken Beugung:
des Majörs, die Majöre.
Die Deklination der Substantive 189

e) Die Fremdwörter auf -us


Die Fremdwörter auf -us (griech. -os) behalten im Singular in allen Fällen 289
diese Endung, solange sie noch nicht völlig eingebürgert sind:
der Typus, des Typus, dem Typus, den Typus; der Rhythmus, des Rhythmus, dem
Rhythmus, den Rhythmus; das Epos, des Epos, dem Epos, das Epos.
Dazu gehören auch die Fremdwörter auf -ismus:
der Organismus, des Organismus, dem Organismus, den Organismus.
Gehen die Fremdwörter auf -us aber durch aller Munde, dann stellt sich
oft der stark deklinierte Plural bzw. der starke Genitiv Sing, neben
die ungebeugten Formen oder verdrängt diese sogar. Die Verdrängung
nimmt meist ihren Ausgang vom Plural und erfaßt dann auch den Ge¬
nitiv Singular:
die Krokus oder Krokusse, noch: des Krokus; die Soziusse, noch: des Sozius; die
Zirkusse, noch: des Zirkus; die Fidibus oder Fidibusse, des Fidibus oder Fidibussee;
die [Omnijbusse, des [Omnijbusses.
Nicht eingedrungen ist der starke Genitiv auf -es bei den Fremdwörtern
auf -ismus. Er wird ganz selten gewagt, um den Kasus deutlich zu
machen:
voll packenden Realismusses (Meyrink).
Manche Fremdwörter auf -us haben neben dem deutschen Plural noch den
ursprünglichen lateinischen Plural (manchmal sogar in eindeutschender
Schreibung) bewahrt:
(der Famulus) die Famulusse oder Famuli, (der Musikus) die Musiker oder MusLzi
(lat. musici).
Oder sie haben nur den fremden, wenn sie weniger eingebürgert sind:
(der. Filius) die Filii; (der Modus) die Modi; (der Kasus) die Kasus (lat. casus,
langes u!); (das Tempus) die Tempora.
Andere Fremdwörter auf -us haben die schwache Pluralform auf -en:
der Typus, die Typen; der Nuntius, die Nuntien; der Rhythmus, die Rhythmen; der
Genius, die Genien; der Kaktus, die Kakteen.
Dazu gehören auch die Fremdwörter auf -ismus, falls sie einen Plural
bilden können:
der Organismus, die Organismen; der Antagonismus, die Antagonismen.
Einige Fremdwörter auf -us haben neben der schwachen Pluralform auf
-en eine starke auf -e entwickelt:
die Globen oder Globusse, die Disken oder Diskusse.

5. Die Deklination der Eigennamen

a) Familien-, Persollen- und Vornamen


a) Ohne Bestimmungswort
1. Singular
a) Familien-, Personen- und Vornamen im Singular erhalten, wenn 290
sie ohne vorangehenden Artikel (Pronomen) stehen, nur im
Genitiv die Endung -s, sonst sind sie endungslos:
Goethes Gedichte, der Geburtsort Schillers, Caesars Ermordung, die Nieder¬
lage Hannibals, Karls Heft, Sophias (Sophies) Kleid.
Man ehrte Goethe wie einen Fürsten. Ich besuchte Earl. Die Bürger
Karthagos dankten Hannibal für seinen Sieg. Ich widersprach Fritz.
Das Substantiv (Nomen)

Die schwache Beugung ist veraltet:


Mit Gelierten stand er nicht im besten Vernehmen (Goethe). Börnes Zorn
loderte am grimmigsten gegen Menzeln (Heine). Mit des alten Fritzen
eigenhändigem Krückstock (Fontane). '

In der norddt. Kinder- und Umgangssprache werden manche


Gattungsbezeichnungen aus dem Kreis der Familie (besonders
„Vater“ und „Mutter“) wie Eigennamen behandelt. Sie stehen
dann ohne Artikel und bilden den Genitiv auf -s, den Dativ und
Akkusativ auf -n:
Vaters, Mutter« Ermahnungen; Tante» Kleid; ob er sich zu Vätern oder
Muttern halten soll (Holtei); . . .und sagte, daß er Vätern holen solle
(Fontane).

b) Geht ein Artikel (oder Pronomen) voran, dann bleiben


die Namen heute meist ungebeugt, weil der Kasus durch diese
Begleitwörter deutlich wird (zum Gebrauch des Artikels bei
Eigennamen vgl. 232):
der Sohn des Tydeus (Schiller), die Rolle des Lohengrin, die Erkrankung
unseres Lothar, die Taten des grausamen Nero (Veraltet: die Leiden des
jungen Werther« [Goethe]).

Bei Voranstellung des Genitivs, die nur in der gewählten Sprache


üblich ist, ist das Genitiv-s noch ziemlich fest:
meines Peter« Zeugnisse; des armen Joachim» Augen (Th. Mann).

Daneben stehen allerdings auch hier bereits endungslose Formen:


des alten Wilhelm wohlbekannte Züge (Kleist), des alten Petersen Tochter
(Fontane).

Ist ein männlicher Personenname völlig zu einem Gattungsnamen


geworden, dann muß er wie ein gewöhnliches Substantiv die
Genitivendung -s erhalten:
des Dobermann«, des Zeppelins, des Schrapnell«, des Nestor«, des Nim¬
rod [e]«.

Schwankungen entstehen, wenn der eine noch den Namen, der


andere schon die Sache ausgedrückt empfindet:
des Diesel [s], des Dudenfs], des Ampere [s], des Ohm[s], des Baedeker[s],
des Volt oder Volt[e]s.

c) Gehen die Namen auf s, ß, x, z, tz aus, gibt es fünf Möglich¬


keiten, den Genitiv zu bilden (Namen auf -sch bilden den Genitiv
normal):
aa) durch Auslassungszeichen: Dies ist die besonders beim
Schreiben gewählte Form, weil das Auslassungszeichen deut¬
lich die Abhängigkeit hervorhebt. Der Name muß vorangehen:
Fritz’ Hut, Demosthenes’ Reden, Paracelsus’ Schriften, Perikies’ Tod,
Horaz* Satiren.

Beim Sprechen sind die folgenden Möglichkeiten deutlicher:


bb) durch vorgesetztes „von“ (beim Sprechen die übliche
Form):
der Hut von Fritz, die Operetten von Strauß, die Schriften von Para¬
celsus.
Die Deklination der Substantive 191

cc) durch Vorgesetzten Artikel (Pronomen) mit oder ohne


Gattungsnamen (dies gilt jedoch nicht für Familien- und
Vornamen, die ohne Artikel stehen):
des Horaz Satiren, die Reden des Demosthenes, der Tod des Perikies,
des [Arztes] Paracelsus Schriften.

dd) seltener durch die altertümliche Endung -ens, die aus


schwacher und starker Genitivform gemischt ist:
Vossens „Luise“, Marxens Lehre, Horazens Satiren, Fritzens Streiche,

ee) Bei antiken Personennamen durch Weglassung der Endung


und darauffolgende normale Beugung:
Achill[es], Genitiv: Achills; Priam(us], Genitiv: Priams Feste war ge¬
sunken (Schiller).

d) Fremdsprachliche Deklination von Eigennamen ist 293


nur noch innerhalb des religiösen Bereiches üblich:
Gen.: Jesu Christi, Akk.: Jesum Christum, im Jahre 30 nach Christi
Geburt, Mariä Himmelfahrt, das Evangelium Johannis.

2. Plural
Familien-, Personen- und Vornamen bilden nur dann einen Plural, 294
wenn sie zu Gattungsnamen geworden sind (vgl. 173; 238). Sie bezeich¬
nen dann entweder die reine Gattung (Krösus = ein reicher Mann)
oder Personen, die mit dem ursprünglichen Träger des Namens ver¬
glichen werden (Männer wie . . . ) oder sämtliche Mitglieder einer
Familie, eines Geschlechtes bzw. verschiedene Träger des gleichen
Namens. Der Nom. Plur. wird mit den Endungen -e, -[n]en, -s gebildet
oder ist endungslos. Umlaut oder Plural auf -er tritt niemals ein, höch¬
stens scherzhaft (die Salzmänner, die Wölfe, die Köche u. ä.) oder in
Gattungsbezeichnungen (Prahlhänse, Faselhänse).
a) Personen- und Vornamen
aa) männliche Personen- und Vornamen, die auf einen 295
Konsonanten enden, haben die Endung -e:
die Heinriche, die Rudolfe, die Friedriche, die Krösusse.

Verkleinerungsformen auf -chen und -el sowie Namen auf -er


und -en (vgl. 297) stehen ohne Endung:
die Hänschen, die Fränzchen; die Hansel; die Peter; die Jürgen.

Aus der Umgangssprache dringt der Plural auf -s ein:


die Heinrichs, die Rudolfs.

Dieser steht auch meist bei Personen- und Vornamen, die


auf Vokal enden:
die Albas, die Platos, die Ottos, die Hugos.
Die Endung -nen erhalten männliche Personen- und Vornamen
auf -o, wenn Herrschergeschlechter oder verschiedene berühmte
Träger des gleichen Namens bezeichnet werden sollen:
die Ott orten (die sächsischen Kaiser Otto I., II. und III.); die Scipionen.

bb) weibliche Personen- und Vornamen auf -e bilden 296


den Plural mit -n:
die Mariannen, die Greten, die Lotten, die Isolden, die Ottilien.
192 Das Substantiv (Nomen)

Enden sie auf-einen Konsonanten (außer S-Lauten), dann


bilden sie den Plural mit -en (ugs. auf -s):
die Diethilden, die Adelheiden, die Gertruden (ugs.: die Diethilds, die
Adelheids usw.).

Endet der Name auf einen S-Laut, dann bleibt er im Plural


unverändert:
die beiden Agnes.

Verkleinerungsformen auf -chen und -el stehen ohne Endung:


die deutschen Gretchen (aber ugs.: Gretchens), die beiden Gretel
(ugs.: Gretels).

Nach der Endung -a, -o und -i (y) steht der Plural auf -s :
die Annas, die Marias, die Sapphos, die Emmis, die Liddys.

Wo für das a ein e eintreten kann, steht auch die Endung -n:
die Annen, die Sophien, die Marien.

b) Familiennamen
297 Die Familiennamen bilden den Plural heute meist auf -s:
die Rothschilds, die Buddenbrooks (Th. Mann), die Barrings (Simpson),
die Stoltenkamps und ihre Frauen (Herzog); das sind Holbeins (= Bilder
von Holbein).

Gelegentlich stehen sie ganz ohne Endung, so besonders die auf


-en, -er, -el endenden Namen, weil sie wie gewöhnliche, auf diese
Endungen ausgehende Substantive behandelt werden:
die Goethe, die [Brüder] Grimm, die Confalonieri (R. Huch), die beiden
"Schlegel; die Münchhausen sterben nicht aus.

Die schwache Endung -en ist seltener:


die Manzen (G. Keller).

Die Endung -e ist im allgemeinen veraltet. Sie tritt heute nur


noch gelegentlich auf:
Wir Stillinge (H. Stillings Jugend), die Gottschede (Lessing), die Stol-
berge (Goethe), die Ohrdrufer Bache (heutiger Buchtitel).

Geht der Familienname auf Zischlaut aus, dann steht die Endung
-ens:
Schulzens4, Lauxens, Klotzens.

Beachte:
In Fügungen wie „Ich gehe zu Müllers, besuche Bauers“ usw. liegt eigentlich
ein Genitiv-s vor (= Müllers Familie), das zum Plural-s umgedeutet wurde.

ß) Mit Bestimmungswort
Bei der Deklination der Familien-, Personen- und Vornamen, die bei
einem Bestimmungswort stehen, gilt heute im allgemeinen die Regel,
daß im Genitiv (die anderen Kasus des Singulars bleiben ja bei den Namen
unbezeichnet) entweder nur der Name oder nur das Bestimmungswort
dekliniert wird. Doppelsetzung des Genitiv-s wird überall vermieden. Es
besteht die Tendenz, das Genitiv-s bei den Namen dieser Gruppe weg¬
zulassen, wenn Artikel oder Pronomen den Fall deutlich ausdrücken:
Die Deklination der Substantive 193

1. Vorname + Vorname oder Familienmime


Hat eine Person mehrere Namen, dann wird nur der letzte (Vor- 298
oder Familienname) dekliniert:
Friedrich Karls Erfolge, Klaus Peters Geburtstag, Gotthold Ephraim Lessings
Werke, die Werke Rainer Maria Rilkes.

Wenn vor dem Familiennamen eine Präposition (von, zu, van, de,
ten) steht, dann wird heute gewöhnlich der Familienname gebeugt:
die Gedichte Friedrich von Schillers, Wolfgang von Goethes Balladen, Heinrich
von Kleists Werke, die Bilder Anton van Dycks, der Sieg Hein ten Hoffs.

Ist der Familienname jedoch noch deutlich als Ortsname zu er¬


kennen, dann wird der Vorname gebeugt:
die Lieder Walthers von der Vogelweide, der „Parzival“ Wolframs von Eschen¬
bach, die Geschichte Gottfriedsws von Berlichingen (Goethe), die Erfindungen
Leonardos da Vinci, die Predigten Abrahams a Sancta Clara, die Regierung .
Friedrich Wilhelm« III. (des Dritten) von Preußen.

Wo Zweifel bestehen, neigt man zur Beugung des Ortsnamens:


die Erfindungen Leonardo da Vincis usw.

Steht jedoch der Ortsname unmittelbar vor dem dazugehörigen


Substantiv, dann wird mehr und mehr auch der Ortsname gebeugt,
weil die Genitivendung für das Gehör sonst zu weit entfernt steht:
Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ (auch noch: Wolframs von Eschenbach
Gedichte); Hoffmann von Fallerslebens Gedichte (auch noch: Hoffmanns von
Fallersleben Gedichte).

Die einfache Regel, daß dasjenige Wort gebeugt wird, das neben dem
regierenden Wort steht, wird erstrebt, hat sich aber noch nicht völlig
durchsetzen können:
die Gedichte Friedrichs von Schiller-Friedrich von Schillers Gedichte; Wolfram
von Eschenbachs Parzival - der Parzival Wolframs von Eschenbach.

2. Artikelloses Substantiv + Name


Bei dieser Verbindung wird nur der Name dekliniert, weil die ganze 299
Fügung als Einheit aufgefaßt wird (Ausnahmen: Herr, schwache Sub¬
stantive auf -e und substantivierte Partizipien):
der Sieg Kaiser Karls, Onkel Pauls Hut, Vetter Fritz’ (Fritzens) Frau, die
Mätresse König Ludwigs [des Vierzehnten], Professor Lehmanns Sprechstunde,
Frau Müllers Jüngster, Architekt Müllers Einwand; er sprach mit Graf Hol¬
stein (Dativ!).

Selbst Verbindungen, die keinen Namen im strengen Sinne enthalten,


werden gelegentlich als Einheit aufgefaßt:
Im Dienst Frau Modes (statt: der Frau Mode [Zeitungsnotiz 1958]).

Aber (Ausnahme):
Herrn Müllers Einladung; das müssen Sie Herrn Müller melden; rufen Sie
Herrn Müller!
Bei den auf -e endenden schwachen Substantiven ist die Nichtbeugung
schon stark im Vordringen:
An Kollegen Schulze liegt es nun ... Genossen Meyers Austritt aus der Partei
(auch: An Kollege Schulze liegt es nun . .. , Genosse Meyers Austritt ...).
194 Das Substantiv (Nomen)

Substantivierte Partizipien sind, wenn man sie überhaupt verwendet


(man ersetzt sie besser durch die Fügurigsweise Artikel + Substantiv
-I- Name), zu beugen:
Abgeordneten Mayers Zwischenrufe, Vorsitzenden Schmidts Ausführungen
(besser: die Zwischenrufe des Abgeordneten Mayer).

Steht eine Apposition nach dem Namen, so steht diese im gleichen


Fall:
am Hofe Kaiser Karls des Großen.

Die Unterlassung der Beugung des Namens greift um sich, gilt aber
noch nicht als korrekt:
Kanzler und Erzbischof König Ludwig des Heiligen (Langgässer).
Geht der Name auf einen Zischlaut aus, dann muß man sich entweder
mit dem Auslassungszeichen behelfen (ein Dekret Papst Innozenz’ III.
[des Dritten]), oder man wählt den Artikel (ein Dekret des Papstes
Innozenz III. [des Dritten]).

3. Artikel (Pronomen) 4- [Adjektiv] + Substantiv + Name


300 Bei diesen Fügungen wird das bestimmende Substantiv (der Titel.
Rang usw.) dekliniert, während der Name ungebeugt bleibt:
des Vetters Fritz, des Herrn Meyer, unseres [lustigen] On¬
kels Paul, der Fleiß meines Sohnes Peter, jenes [berühmten] Geologe;« Schardt,
des Architekten Müller Einwand.

Eine Apposition steht im gleichen Fall (vgl. 987):


in den Dienst des Königs Philipp des Zweiten (Münchhausen).
Die Unterlassung der Deklination gilt als nicht korrekt, wenn sie
auch schon häufig erscheint:
das Schloß des Fürst Blücher, die Tochter des Baron Holbach, die Briefe des
Apostel Paulus, ah den Regierungsassistent Georg Müller.
Der Titel Doktor (Dr.) bleibt immer ungebeugt, weil er Bestandteil
des Namens ist. Auch „Fräulein“ wird nicht gebeugt:
die Ausführungen unseres Doktor Meyer. Der Platz Ihres Fräulein Meyer.

4. Zwei oder mehr artikellose Substantive + Name


301 In diesen Fällen wird nur der Name gebeugt:
Regierungsrat Professor Pfeifers Rede, Professor Dr. Lehmanns Sprechstunde,
Privatdozent Dr. Schmidts Abhandlung.

Der Titel „Herr“ wird jedoch immer gebeugt (vgl. 299):


Herrn Regierungsrat Professor Pfeifers Rede, Herrn Professor Dr. Lehmanns
Sprechstunde, Herrn Architekt Müllers Einwand.

In Anschriften (die den Dativ oder Akkusativ erfordern) wird außer


dem Titel „Herr“ der folgende Titel gern noch gebeugt:
Herrn Regierungspräsidenten X (auch schon: Herrn Regierungspräsident X).

Bei substantivierten Partizipien tritt Beugung ein:


Herrn Abgeordneten Meyer.
Die Deklination der Substantive 195

6. Artikel (Pronomen) + [Adjektiv] + zwei oder mehr Substantive +


Name
Hier erhält meist nur das erste Substantiv (Titel, Rang usw.) das 302
Genitiv-s, während das zweite und die folgenden als enger zum Na¬
men gehörig meist ungebeugt bleiben:
die Rede des [Ersten] Vorsitzenden Regierungsrat Professor Doktor Pfeifer,
die Aussage des [verhafteten] Stadtrats Bankier Dr. Schulze.

Ist „Herr“ das erste Substantiv, dann wird der folgende Titel gerne
noch mitgebeugt. Die Nichtbeugung des folgenden Titels ist aber
ebenfalls häufig. Bei substantivierten Partizipien tritt wieder Beu¬
gung ein:
die Bemerkungen des Herrn Generaldirektors Meyer, die Ausführungen des
Herrn Studienrats Schönberg (auch: des Herrn Studienrat Schönberg), die
Abhandlung des Herrn Privatdozenten Dr. Schmidt (auch: des Herrn Privat¬
dozent Dr. Schmidt), die Rede des Herrn Ministers [Dr.] Müller (auch: des
Herrn Minister [Dr.] Müller). Aber: des Herrn Abgeordneten Müller.

In Anschriften (die den Dativ oder Akkusativ erfordern):


An den Herrn Regierungspräsidenten X; Dem Herrn Regierungspräsidenten X
(aber auch schon: An den Herrn Regierungspräsident X; Dem Herrn Re¬
gierungspräsident X). Aber: An den Herrn Abgeordneten E. Müller.

Doktor (Dr.) wird als Bestandteil des Namens auch hier nicht ge¬
beugt (vgl. 300):
der Vortrag des Herrn Dr. ( = Doktor) Meyer.

6. Name 4- Apposition (Artikel + Substantiv [oder substantiviertes


Adjektiv])
Beide Bestandteile werden dekliniert: 303
das Leben Ludwigs des Kindes; ein Enkel Ludwigs des Deutschen; die Regierung
Karls des Großen. ■*

Es ist noch inkorrekt, in diesen Fällen den Namen nicht zu dekli¬


nieren, sondern nur die Apposition, obwohl es schriftsprachlich öfter
vorkommt:
die einzige Tochter Karl des Kühnen, der Bruder Friedrich des Großen (Fon¬
tane), das fuchsrote Haar Wilhelm des Eroberers (Bruckner), seit Widukinjds
und Karl des Großen Zeiten (W. Schäfer).

b) Völkernamen
Die Völkernamen stehen den Gattungsnamen sehr nahe und deklinieren 304
wie diese (vgl. 238) :
Sing, mit Artikel:
der Franzose, ein Franzose; die, eine Französin.

Plur. mit und ohne Artikel:


[die] Franzosen; [die] Französinnen.

Die meisten Völkernamen werden schwach dekliniert:


des, die Deutschen; des, die Franzosen; des, die Sachsen; des, die Schwaben; des, die
Ungarn; des, die Tataren.
196 Das Substantiv (Nomen)

Die meisten auf die Ableitungssilbe -er ausgehenden Völkernamen sowie


die von Ortsnamen gebildeten Einwohnernamen auf -er beugen jedoch
stark:
des Engländers, die Engländer; des Italieners, die Italiener; des Spaniers, die Spanier;
des Berliners, die Berliner; des Wieners, die Wiener.

So auch:
des Negers, die Neger; des Berbers, die Berber.

Völkernamen, bei denen das -er zum Stamm gehört, deklinieren dagegen
schwach;
des, die Bayern; des, die Pommern; des, die Kaffern.

Zur gemischten Deklination gehört:


Zimber (des Zimbers, die Zimbern).

Fremde Völker- und Stammesnamen, die auf Vokal enden, können den
Genitiv Sing, und den Plural auf -s bilden, sie brauchen es aber nicht:
des Eskimo[s], die Eskimo[s]; des Papua[s], die Papuas; des Duala(s], die Duala;
des Zulu|sJ, die Zulu[s].

c) Geographische Namen
Die meisten geographischen Namen kommen* wenn sie nicht von vorn¬
herein pluralisch gebildet sind (vgl. 254), naturgemäß nur im Singular
vor (vgl. 238). Über den gelegentlich auftretenden Plural von Länder¬
namen vgl. 310.
a) Ohne Artikel
305 Die ohne Artikel gebrauchten Länder- und Ortsnamen erhalten, soweit
sie neutral sind, nur im Genitiv die Endung -s, sonst sind sie endungslos:
Preußens Niederlage, die Negerstämme Ugandas, die Verfassung Deutschlands.
Ich wohne in Hessen. Er reiste nach Bayern.

Nach ortsangebenden Präpositionen mit Genitiv steht der Städte- oder


Ländername schon oft ohne Beugungs-s; dies gilt jedoch noch nicht als
korrekt (vgl. 323). Bei alten Belegen muß hier allerdings ein Dativ an¬
genommen werden:
oberhalb Dinkelsbühl, innerhalb Deutschland, unterhalb Gießen, außerhalb Europa
(Herder), unweit Prag.

Geht der Länder- oder Ortsname auf einen Zischlaut (s, ß, z, tz, x) aus, so
gibt es vier Möglichkeiten, den Genitiv zu bilden:
1. Durch Auslassungszeichen bei vorangehendem Namen:
auf Korinthus* Landesenge (Schiller), von Aulis’ Strand (Schiller), Florenz*
Geschichte.

Beim Sprechen sind diese Formen undeutlich.


2. Durch Umschreibung mit „von“:
die höchste Erhebung von Wales, die Fabriken von Chemnitz, die Theater von
Paris.

3. Durch Setzung des Gattungsbegriffes vor den Namen:


die höchste Erhebung der Halbinsel Wales, die Fabriken der Stadt Chemnitz,
die Theater der Hauptstadt Paris.

4. Die Genitivendung -ens ist veraltet:


Grazens Umgebung, Chemnitzens Fabriken, Florenzens Krone.
Die Deklination der Substantive 197

ß) Mit Artikel
Die mit Artikel gebrauchten maskulinen und neutralen geographischen 306
Namen werden meist noch mit dem Genitiv-s gebildet, also wie die
Gattungsnamen dekliniert:
des Balkans, des Iraks, des Engadins, des Rheinlejs, des Brockens.

Die Beugung ist bei deutschen Namen zwar immer noch korrekt, sie fällt
aber, besonders bei fremden, mehr und mehr weg:
des Inn[sl, des Rigi[s], des Ätna[s], des Himalaja[s], des Nil[s], des Kongo[s], des
Hohenstaufen (Raabe).

Gehen die Namen auf Zischlaut aus, dann werden sie entweder unter An¬
hängung von -es oder, gar nicht gebeugt, manche schwanken:
des Elsaß oder Elsasses, des Harzes, des Rieses, des Taunus, des Peloponnes oder
Peloponneses, des Chersones, des Hedschas.

Zusammensetzungen mit -fluß, -ström, -bach, -berg, -gebirge, -wald usw.


müssen immer gebeugt, werden.

y) Artikel + Adjektiv + geographischer Name

Es gilt noch als korrekt, auch in diesen Verbindungen das Genitiv-s zu 307
setzen, doch richtet sich der Sprachgebrauch überwiegend nicht mehr
danach. Man muß daher auch die endungslose Form zulassen, zumal bei
den Familien- und Personennamen die entsprechende Beugung auf -s
bereits veraltet ist (vgl. 291). Die Ortsnamen zeigen noch stärker un¬
flektierte Formen als die Ländernamen:

die Länder des heutigen Europa[s], der Wiederaufbau des zerstörten Frankfurt[sl,
der Gipfel des sagenumwobenen Brocken[s],

cf> Artikelloses Substantiv + Länder- oder Ortsname

Wie bei den Familien- und Personennamen (vgl. 299) wird nur der Name 308
gebeugt. An die Stelle des Genitivs tritt häufig „von“:
Der Betstuhl Kloster Susdals ist ein Sarg (Immermann); die Quellen Bad Orbs
( « von Bad Orb), die Spitze Kap Skagens (= von Kap Skagen).

£) Artikel + [Adjektiv] + Substantiv + geographischer Name

Wie bei den Familien- und Personennamen (vgl. 300), wird bei diesen 309
Fügungen das bestimmende Substantiv dekliniert, während der Name
ungebeugt bleibt:
das Gebiet des Landes Frankreich, der Lauf des Baches Kidron, die Ufer des [hüb¬
schen] Flusses Itz, auf dem Gipfel des Berges Zion.

£) Der Plural von Ländernamen


Der Plural von Ländernamen wird gelegentlich gebraucht, um ver- 310
schiedene [politische] Gebilde oder Gruppen innerhalb eines Landes oder
Gebietes zu bezeichnen. Er wird mit oder ohne -s gebildet:
die politische Geschichte beider Amerika, die zwei Deutschi andfs].
198 Das Substantiv (Nomen)

d) Die Namen von Straßen, Gebäuden, Firmen u. a.


311 Die Beugung der Namen von Straßen, Gebäuden, Firmen, Organisa¬
tionen, Regierungssitzen, Schiffen, Büchern, Zeitungen, Zeitschriften,
Theaterstücken, Opern, Gedichten, Kunstwerken u. a. ist in gutem
Deutsch auch dann notwendig, wenn sie in Anführungszeichen stehen:
Ich wohne in der Langen Gasse (nicht: in der Lange Gasse), im „Europäischen
Hof“ (nicht: im „Europäischer Hof“). Die Bilder des Louvres (nicht: des Louvre),
die Aktien der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik AG (nicht: der Badische Anilin- &
Soda-Fabrik AG); des Kremls, des Vatikans, des Quirinais; die Seetüchtigkeit des
„Pfeils“ (nicht: „Pfeil“); Zitate aus Büchmanns „Geflügelten Worten“ (nicht: „Ge¬
flügelte Worte“); das Titelbild der „Frankfurter Illustrierten“ (nicht: „Frankfurter
Illustrierte“); die neuen Beiträge des „Monats“ (nicht: des „Monat“); in Schillers
„Räubern“ (nicht: „Räuber“); die Wirkung des „Zauberlehrlings“ (nicht: des
„Zauberlehrling“).

Soll der Name unverändert wiedergegeben werden, was bei Firmennamen


unter Umständen von Bedeutung sein kann, dann muß mit einem ent¬
sprechenden Substantiv umschrieben werden, zu dem dann der unge¬
beugte Name in ein appositionelles Verhältnis tritt:
Im Hotel „Europäischer Hof“, aus der Gaststätte „Schwarzer Adler“, die Aktien der
Firma Badische Anilin- & Soda-Fabrik AG, das Titelbild der Zeitschrift „Frank¬
furter Illustrierte“.

Einfache (eingliedrige) stark gebeugte Namen, Titel usw. ohne nähere


Bestimmungen stehen oft schon ohne Genitiv-s, besonders dann, wenn
sie Eigennamen oder Fremdwörter sind:
die Manuskripte des „Goldmund“ (Hesse); der Dichter des Götz, des Faust; des
Kormoran (Schiffsname bei G. Hauptmann).

312 6. Die Deklination der Abkürzungen und Kurzwörter


a) Abkürzungen
Die Abkürzungen gewinnen im modernen Leben, besonders in der Technik,
im Handel und bei den Behörden, immer mehr an Bedeutung. Es
empfiehlt sich jedoch, sie auch sprachlich in ihrer dienenden Rolle zu be¬
lassen und sie nicht - im Gegensatz zu den Kurzwörtern - durch die
Beugung zu vollwertigen Wörtern zu erhöhen. Es ist nicht notwendig,
die ohne Punkt geschriebenen Abkürzungen, deren einzelne Buchstaben
als Wort gesprochen werden (nur um solche handelt es sich in diesem Zu¬
sammenhang) mit Beugungsendungen zu versehen:
der PKW, des PKW, die PKW; die GmbH, der GmbH, die GmbH; die AG, der
AG, die AG; das EKG, des EKG, die EKG.

Das Bestreben, auch diese Abkürzungen zu echten Substantiven zu


stempeln, äußert sich in der Anhängung besonders der Endung -s (im
Genitiv und im Plural; vgl. 274, 5), aber auch in der Anhängung
anderer Beugungsendungen im Plural (-e, -en):
des PKWs, die PKWs; der GmbH, die GmbHs; der AG, die AGen.

Man beschränke sich jedoch auch bei Abkürzungen, deren ausgeschrie¬


benes Grundwort im Plural auf -en ausgeht (wenn man überhaupt
Endungen gebraucht), auf die Endung -s:
Pl.: die AGs, die THs.
Die Deklination der Substantive 199

b) Kurzwörter
Die Kurzwörter fügen sich besser in die Wortart des Substantivs ein:
der Zoo, des Zoo[s], die Zoos; der Toto, des Totos, die Totos; die Lok, der Lok, die
Loks; der Akku, des Akkus, die Akkus; der Bus, des Busses, die Busse.

7. Die Unterlassung der Deklination bei Gattungsnamen

(Über die Unterlassung der Deklination bei Eigennamen vgl. 290 bis 311; bei Maß-,
Mengen- und Münzbezeichnungen vgl. 244; bei Abkürzungen vgl. 312.)

Man muß unterscheiden zwischen schriftsprachlich anerkannter und nicht


anerkannter Unterlassung der Deklination. Die nicht gebeugte Form
entspricht stets dem Nominativ und ist besonders deutlich beim Genitiv
Singular starker Maskulina und Neutra.

a) Anerkannte Unterlassung der Deklination


a) Bei Wortpaaren
Bei einzahligen Wortpaaren, die mit ,,und“ verbunden sind, gibt es zwei 313
Arten der Nichtbeugung. Im ersten Fall wird nur das erste Glied nicht
gebeugt, im zweiten beide nicht:
1. Nichtbeugung des ersten Gliedes. Das Wortpaar wird als formel¬
hafte Einheit empfunden (vgl. 615):
ein Stück eignen Orund und Bodens (Weinheber), trotz Sturm und Regens, des
Sturm und Drangs, in die Kreuz und Quere (nicht erkennbar!), Verwendung
seines Fleisch und Blutes (Ina Seidel).

Seltener und auffallender in poetischer Sprache bei nicht formelhaft


empfundenen Verbindungen. Hier wird die Pluralendung des ersten
Gliedes aus rhythmischen Gründen erspart:
an Tier und Vögeln fehlt es nicht (Goethe). Dann hört man sie auf Trepp’ und
Gängen stöhnen (Storni). Seid vergessen tag und nächte! (George). Auf den Berg’
und Bäumen (Hesse).

2. Nichtbeugung beider Glieder, besonders im Dativ und Akkusativ


Sing., da weder ein Artikel noch ein Adjektiv die Substantive kon¬
kreter bestimmt und zudem bei schwacher Beugung Verwechslung
mit dem Plural eintreten kann:
Ich sag es Fürst und Edelmann (Münchhausen); ganz von Geist und Wille ge¬
formt (Hesse); von Kameraa z.ü Kamerad (Löns); das Verhältnis zwischen Pa¬
tient und Arzt', die Grenze zwischen Affe und Mensch.
Bei Beugung eines schwachen Substantivs weiß man nicht, ob der
Dativ, Akkusativ Sing, oder der Plural gemeint ist:
die Kluft zwischen Fürsten und Volk. (Ist nur ein Fürst oder sind mehrere
Fürsten gemeint ?) Der Krieg trennt wohl noch viel grausamer Herz von Herzen
(Raabe).

Sie wird deshalb vielfach vermieden.


Die Beugung eines schwachen Substantivs bezeichnet also formal
immer Plural und Singular zugleich:
die Beziehungen zwischen Produzenten und Konsumenten; der Unterschied
zwischen Affen und Menschen.
200 Das Svbstanliv (Nomen)

Ist keine Verwechslung möglich, empfindet man auch bei schwach


gebeugten Substantiven die Nichtbeugung als auffallend:
Nun setze dich dahin zwischen Herr und Frau Dörr (Fontane); üblich: zwi¬
schen Herrn und Frau Dörr.

ß) Bei Substantiven nach der Präposition „von“


314 Ein der Präposition „von“ folgendes alleinstehendes, einzahliges Sub¬
stantiv in appositioneller Bedeutung steht in der Nominativform, wenn
das vor der Präposition stehende Substantiv im Nominativ steht;
ein armer Teufel von Philologe (Schücking); eine Seele von Mensch; da wurde er so
eine Art von Sachverständiger (Fallada); ein Prachtmensch von Vater (nicht er¬
kennbar!).

Steht jedoch das vor der Präposition „von“ stehende Substantiv in einem
obliquen Pall (Genitiv, Dativ, Akkusativ; vgl. S. 176, Anm. 3), dann wird
das folgende Substantiv überwiegend gebeugt:
Zuhörer, welche eine Art (Akk.) von Propheten in ihm vermutet hatten (Hesse);
diesen Hohlkopf (Akk.) von Prinzen (Th. Mann); deinem dummen Teufel (Dat.) von
Neffen (I. Kurz).
Im Plural steht schriftsprachlich noch der Dativ:
Und meine Hunde von Reitern (Goethe); Wrackstücke von Mannsbildern (Luserke);
die Halunken von Kriegsleuten (Löns).

Aber auch schon ohne Endung:


die Teufel von Indianer; die Teufelskerls von Amerikaner (Hausmann).
Diese Nichtbeugung geht von Fällen aus, in denen zwischen Dativ Plural
und Nominativ Plural kein Unterschied besteht:
diese armen Hühner von Studentinnen (Vicki Baum); wenn sich Männer in die Affen
von Mädchen verlieben (Ric. Huch).

Steht das Substantiv mit dem unbestimmten Artikel oder einem attribu¬
tiven Adjektiv, dann wird es immer gebeugt:
ein Schurke von einem Soldaten (Lessing); dieser hübsche Ausbund von einem Hirten¬
jungen (G. Hauptmann); diesem hinfälligen Wrack von altem Menschen (Werfel).

y) Bei nur angeführten Substantiven


315 Sie stehen stets in der Nominativform und vielfach in Anführungs¬
zeichen :
die Beugung vort „Dirigent“; „Baum“ ist der Singular zu „Bäume“; was man so
Idealist nennt. Der Wirt nannte mich Gral und dann Exzellenz (Immermann). ... du
strecktest mir die Zunge raus und spieltest Gassenjunge (Münchhausen). Ich habe
Drogist gelernt (Kreuder). ... als hätten sie Ingenieur studiert (H. Mann).

d) Bei Substantivierungen
316 Substantivierungen aller Art können ohne Deklination stehen, weil sie
’ keine ursprünglichen Substantive sind. Die Beugung wird jedoch schon
oft angewendet:
meines geliebten Deutsch[s], des modernen Deutsch (Porzig), des Zelleneiweiß
(Th. Mann), das Gesicht meines Gegenüber (Hesse), eines gewissen JemandfsJ, diese
Niemand, viele Wenn und Aber, die Unbedingtheit dieses Entweder-Oder,
die Philosophie des Als-ob.
Meist ohne Beugung stehen die als Substantive gebrauchten Buchstaben:
das A, des A, die A usw.; Verwandlung des A . . . in O (Flake); anstatt des o
(H. Mann).
Die Deklination der Substantive 201

e) Bei Substantiven nach Maß- und Mengenangaben


Starke männliche und sächliche Substantive, die einer im Genitiv 317
stehenden stark gebeugten Maß- oder Mengenangabe folgen und kein
den Fall anzeigendes Begleitwort haben, bleiben im Genitiv Singular
ungebeugt. Ein doppelter starker Genitiv wird dadurch vermieden:
der Preis eines Pfundes Fleisch (nicht: eines Pfundes Fleisches). Ebenso: eines Stückes
Brot, eines Zentners Weizen, eines Tropfens öl.
In allen übrigen Kasus besteht zwischen den beiden Gliedern ein ap-
positionelles Verhältnis und daher Kasuskongruenz, wenn nicht der
attributive Genitiv gewählt wird (vgl. 980, 5)':
mit einem Tropfen [warmem] Öl; von einem Sack [schlechten] Nüssen.

£) Die Namen der Monate und Wochentage

1. Die Namen der Monate


Die Namen der Monate beugen stark, das Dativ-e tritt nicht mehr auf: 318
in den ersten Tagen des Novembers (Raabe); im Januar.
Sie können aber in Analogie zu den Familien- und Personennamen
die starke Genitivendung -[e]s abstoßen. Diese unflektierten Formen
überwiegen heute bereits. Die -er-Monate bewahren das Genitiv-s eher:
des Januar[s], des März[es], des Mai, des Juni[s], des August, des September[s];
des 6. Juni (Th. Mann), des 24. Dezembers (Th. Mann), des dreizehnten August
(Werfel), des zwölften Novembers (Werfel).
„März“ bildet auch den Genitiv „des Märzes“, weil es auf Zischlaut ausgeht.
Die schwache Form „des Märzen“ (noch in den Zusammensetzungen
„Märzenbier, Märzenschnee“ erhalten) ist veraltet.
„Mai“ und „August“ bilden den Genitiv auch auf -[e]s:
des Maies oder des Mais, des Augustes oder des Augusts.
Die schwache Form „des Maien“ (noch in den dichterischen Zusammensetzungen
„Maienkönigin, Maiennacht“, u. a. erhalten) ist veraltet.
Die ungebeugte artikellose Form steht vor allem dann, wenn ein Sub¬
stantiv vorangeht:
Anfang Mai, Mitte Juli, Ende Oktober.
Die auf -er endenden Monatsnamen (September, Oktober, November,
Dezember) sind im Plural endungslos, die auf -ar (Januar, Februar)
enden mit -e (die Januare, Februare, ebenso: die Märze, Aprile, Maie,
Auguste), Juni und Juli enden auf -s (die Junis, Julis).
Stehen die Monatsnamen in einem appositioneilen Verhältnis zu dem
Gattungsbegriff „Monat'dann bleiben sie uhgebeugt:
des Monats Januar, im Monat April.

2. Die Namen der Wochentage


DieNamen derWochentage beugen ebenfalls stark. Das Genitiv-s bleibt 319
in korrekter Sprache noch erhalten, das „e“ wird jedoch meist ausge¬
stoßen, das Dativ-e selten gesetzt:
die Vorwürfe des Mittwochs (I. Seidel), am folgenden Sonntag.
In Analogie zu den Familien- und Personennamen wird die Genitiv¬
endung mitunter auch schon ganz abgestoßen, was aber noch nicht
als korrekt gilt:
am Morgen des folgenden Mittwoch, mit Ausnahme des Montag.
202 * Das Substantiv (Nomen)

b) Noch nicht anerkannte Unterlassung der Deklination

a) Bei schwach gebeugten Maskulina

320 Es besteht eine ziemlich starke Neigung, bei schwach gebeugten Mas¬
kulina im Dativ und Akkusativ Singular die Deklinationsendung ab¬
zuwerfen und die Substantive dadurch zu starken zu machen:
Die Mütze gehört diesem Bub (statt: diesem Buben). Ich nenne ihn einen Held (statt:
einen Helden).

Dieser Wechsel erstreckt sich auch auf“ den Genitiv:


die Mütze des Bubs (statt: des Buben); das Gefieder des Buckfinks (statt: des Buch¬
finken).

Solange die Sprachgemeinschaft Substantive dieser Art noch über¬


wiegend schwach beugt, empfindet sie diese starken Formen als fehler¬
haft, selbst dann, wenn sie bereits von namhaften Schriftstellern ge¬
legentlich verwendet werden. Bei der Beurteilung dieser Fälle muß aber
bedacht werden, daß sich solche Deklinationsänderungen ständig in der
Sprachgeschichte vollzogen haben und sich auch künftig vollziehen
werden.
Von den Substantiven, die z. Zt. von dem Deklinationswechsel betroffen
sind, nennen wir:
Bär1, Bub, Bursch, Elefant, Fink2, Fürst3, Geck4, Graf5, Held, Hirt, Kamerad,
Mensch, Mohr, Narr, Ochs, PfafF, Prinz, Schenk, Soldat, Spatz, Steinmetz, Tor ( =
törichter Mensch), Vorfahr und Fremdwörter wie Barbar, Diplomat, Dirigent,
Dramaturg, Exponent, Fabrikant, Gendarm6, Gnom, Jurist, Komet, Konimandant,
Konkurrent, Lakai, Leopard, Obelisk7, Paragraph, Patient, Präsident, Regent,
Vagabund, Zar.

ß) Bei stark gebeugten Fremdwörtern und deutschen Wörtern

321 Das Genitiv-s wird bei Fremdwörtern oft weggelassen, obwohl es schrift¬
sprachlich fest ist:
des Barock, des Dativ, des Dynamo, des Enzian, des Festival, des Film, des Inter¬
esse, des Jasmin, des Kaffee, des Klima, des Komitee, des Papa, des Salbei,
des Smaragd, des Vitamin u. v. a.

Besonders die auf einen Zischlaut endenden Fremdwörter stehen oft


ohne Genitivendung, obwohl sie schriftsprachlich fest ist:
eines kleinen Strauß (Vogel), des Gulasch.

Die Weglassung des Genitiv-s greift aber auch schon gelegentlich auf
deutsche Wörter über:
des Heiligen Abend, des Abkommen, des Biedermeier, des Vergnügen, des Barsch,
des Tran, des öhmd, des Gründonnerstag, des Hanswurst, des Holunder, des
Löwenzahn.

1 ,,Da lauerte einst der wilde Urgermane auf den zottigen Bär“ (Raabe).
2 „des Blut/?nfcs“ (Zuckmayer).
3 „den Kurfürst“ (W. Schäfer).
4 „einen ausgemachten Geck“ (Hofmannsthal).
6 „mit des Markgrra/s Weib“ (G. Hauptmann).
6 „den Gendarm“ (Fallada).
7 „seinen schweren Obelisk“ (Gertrud v. le Fort).
Die Grundleistung des Adjektivs 203

y) Bei pluralischen Substantiven auf -er


Endungsschwund tritt auch oft bei pluralischen Substantiven auf -er 322
ein, deren regierendes Wort (Präposition) durch Einschübe von ihnen
getrennt steht:
aus aller Herren Länder (statt richtig: Ländern); wenn sie so in der Leute Mäuler
wäre (Fallada); sie war so in der Leute Mäuler (Storm).

d) Bei starken Substantiven nach Präpositionen mit Genitiv


Das Genitiv-s schwindet häufig auch bei alleinstehenden stark gebeugten 323
Substantiven in der Einzahl in Verbindung mit bestimmten, den Genitiv
regierenden Präpositionen (vgl. 305):
laut Vertrag, mittels Kran, einschließlich Risiko, infolge Kurzschluß, vermittels
Draht, wegen Umbau, inklusive Rabatt.

Über die noch nicht übliche Unterlassung der Beugung bei. Maß- und
Mengenangaben vgl. 247 am Schluß.

Die zu Beginn des Abschnittes über die Deklinationsendungen ge- 324


troffene Feststellung, daß die Sprachgemeinschaft den Endungen nicht
mehr in allen Fällen Leistungen zuzusprechen vermag und sie deshalb
teüweise abbaut, wird in diesem letzten Abschnitt besonders deutlich.
Es zeigt sich hier, daß der Endungsschwund über das Namengut hinaus
bereits das allgemeine Wortgut erfaßt hat. Daß hiervon der Genitiv am
stärksten betroffen ist, überrascht nicht, wenn man sich den Gesamt¬
rückgang dieses Kasus in unserer Sprache vergegenwärtigt (vgl. vor
allem Ziff. 883 ff.).

D. DAS ADJEKTIV

I. Die Grundleistung des Adjektivs1


Auch das Adjektiv nimmt an der „Wortung der Welt“ (Weisgerber) in 325
besonderer Weise teil. Seine Grundleistung besteht darin, die Stellung¬
nahme des Sprechers zu den Wesen oder Dingen (Substantiven), zum
Sein oder Geschehen (Verben), zu Eigenschaften selbst (Adjektiven) oder
auch zu Umständen (Adverbien; vgl. 545) auszudrücken, den Eindruck
zu bezeichnen, den Wesen, Dinge, Geschehen, Eigenschaften und Um¬
stände auf ihn ausüben.
In sehr vielen Fällen besteht diese Stellungnahme durch das Adjektiv
darin, daß es Wesen, Dinge, Eigenschaften oder Umstände, bei denen es
steht, charakterisiert:
das schöne Kind, der abscheulich kalte Wind; das Dorf liegt tief unten.

1 Lat. adiectivum = das [zum Substantiv] Hinzugeworfene, Hinzu-, Beigefügte, daher im


Deutschen auch mit „Beiwort“ übersetzt. Da hiermit aber nur Teilleistungen getroffen
werden, ist es am besten, beim Fremdwort zu bleiben. Der Leistung der Wortart am
nächsten kommen noch die Namen Art wort oder Eigenschaftswort. Vgl. zum Folgenden
besonders H. Brinkmann in „Muttersprache“ 1949, S. 13; Wirk. Wort 1950/51,
S. 70 ff.; Festschrift öhmann, S.376f. und Weisgerber, Weltbild II, 2, 1954, S. 128 ff.
204 Das Adjektiv

Ebensohäufig kann das Adjektiv aber auch über ein Wesen oder Ding
oder über deren Verhalten urteilen:
Das Mädchen ist schön. Karl singt laut. Wilhelm benimmt sich schlecht.
Schließlich kann das Adjektiv auch einfach einen Zustand registrieren,
in dem sich ein Wesen oder Ding befindet oder in den sie geraten
(vgl. 914):
Der Jäger schoß den Hasen tot (der Hase ist tot). Die Mutter macht die Suppe warm
(die Suppe wird warm).
326 Zur Grundleistung des Adjektivs gehört es weiterhin, daß es jede Stel¬
lungnahme dem Grade nach unterscheiden kann. Zu diesem Zweck
kann es Vergleichsformen bilden (die sog. Steigerung1):
ein schönes Haus, ein schöneres Haus, das schönste Haus. Karl spielt gut, besser, am
besten (Vgl. aber 407 ff.).
327 Über die Teilnahme vieler Partizipien an dieser Leistung des Adjektivs
vgl. 167 f.

II. Die zweifache Verwendung des Adjektivs


Die meisten Adjektive können als Gliedteil (attributiv2; vgl. 974 ff.)
oder als selbständiges Satzglied, d. h. als Artangabe3 stehen (vgl.
901 ff.). Diese Adjektive erfüllen die Anforderungen ihrer Wortart voll:
Der fleißige Knabe. Der Knabe ist fleißig. Der Knabe arbeitet fleißig.
Nun gibt es aber Adjektive, die in ihrer Verwendungsfähigkeit begrenzt
sind, und zwar entweder dadurch, daß sie an sich nur attributiv oder nur
als Artangabe verwendet werden können4, oder dadurch, daß die be¬
stimmte Fügung, in der sie stehen, keine andere Verwendung zuläßt.

328 a) Begrenzung auf den attributiven Bereich


1. Nur attributiv stehen Adjektive, die das Substantiv, bei dem sie
stehen, nicht nach seiner Art, sondern nach seiner örtlichen oder zeit¬
lichen Lage charakterisieren (Adverbialadjektive). Attributive Fügun¬
gen dieser Art können deshalb auch nicht aussagend gewendet werden:
das hiesige Theater (aber nicht: Das Theater ist hiesig), der dortige Berg, der
obere Rand, der heutige Tag, der linke Flügel.
2. Ebenfalls nur attributiv stehen Adjektive, die das Substantiv, bei
dem sie stehen, nach Besitz oder Herkunft oder nach dem Stoff
charakterisieren, aus dem es besteht. Auch diese Fügungen lassen
sich nicht aussagend wenden:
das väterliche Haus (= das Haus des Vaters; aber nicht: das Haus ist väterlich).
Ebenso: das bayrische Bier (= das Bier aus Bayern), das silberne Besteck (= das
Besteck aus Silber).

1 Den zu engen Begriff „Steigerung“ lassen wir als nicht für alle Fälle zutreffend fallen
und verwenden dafür den umfassenden Begriff „Vergleichsform“.
* Lat. attribuere = zuteilen, züschreiben, verleihen.
* Wir verdanken diese glückliche Bezeichnung für das Adjektiv als selbständiges Satz¬
glied H. Glinz, Der deutsche Satz, Düsseldorf 1957, S. 116 ff.
4 Wörter, die nicht an allen Möglichkeiten ihrer Wortart teilnehmen, nennt man „defek¬
tiv“ oder „Defektiva“ (lat. defectus = geschwächt).
Die Deklination des Adjektivs 205

Viele dieser Adjektive können jedoch dann wieder aussagend stehen,


wenn sie nach der Art charakterisieren:
Er ist sehr väterlich. Seine Rede war sehr hölzern.

3. Schließlich sind jene Adjektive noch auf den attributiven Bereich


eingeschränkt, die bei Verbalsubstantiven stehen. Sie charakterisieren
die durch das Substantiv benannte Person nicht, sondern beurteilen
sie von ihrer Tätigkeit her, als ob sie als Artangabe beim Verb stün¬
den (vgl. 1032):
Karl ist ein starker Raucher (= er raucht stark). Aber nicht: Der Raucher ist
stark. (Das ergäbe einen anderen Sinn.) Ebenso: Er ist ein scharfer Kritiker
(= er kritisiert scharf), ein guter Redner (= er redet gut), ein schwacher Esser
(= er ißt schwach).

b) Begrenzung auf die Verwendung als Artangabe 329

1. Nur aussagend als Artangabe stehen:


a) nachstehende Adjektive, bei denen es sich teils um Fremdwörter,
teils um umgangssprachliches Wortgut, teils um feststehende Wort¬
paare, teils um Adjektive handelt, die nur noch in der genannten
Wendung Vorkommen:
Er ist fit (Sportspr.), perplex (ugs.), meschugge (ugs.). Wir sind quitt. Das ist
prima (ugs.), futsch (ugs.). Das ist gang und gäbe, klipp und klar, null und nichtig,
recht und billig. Er ist mir gram, untertan, zugetan. Ich bin dieser Sache eingedenk,
gewärtig, teilhaftig. Er wird dieser Sache gewahr, habhaft. Ich bin dazu nicht
gewillt. Er machte ihm seine Kunden abspenstig. Ich machte seinen Wohnort
ausfindig.

ß) Adjektive, die ursprünglich Substantive gewesen sind (vgl. 409):


Mir ist angst. Er ist schuld. Ihm tut es not. Ebenso: fehl [am Ort], freund, feind,
schade, barfuß pleite (ugs.), wett, wurscht (ugs.), schnuppe (ugs;).

2. Vorwiegend als Artangabe stehen die Adjektive:


einem abhold sein, werden. Selten: eine dem Protzigen abholde Gesinnung.
Das Fleisch ist gar. Selten: ein gares Gericht, gares Leder. Ich bin getrost.
Selten: Seien Sie getrosten Mutes! Er ist irre. Nur poetisch: irrer Mut, irre
Befehle. Mir ist weh. Selten: ein wehes Gefühl. Ugs.: Er hat einen wehen Finger.

III. Die Deklination des Adjektivs1

Adjektive werden dekliniert, wenn sie als Attribut ein Substaptiv 330
näher bestimmen (vgl. 331 ff.) oder wenn sie substantiviert werden
(vgl. 363ff.):
der fleißige Knabe, ein schüchternes Mädchen; der Braune, der Abgeordnete.
Über die Ausnahmen vgl. 355ff.; 370.

1 Die modernen Belege in diesem Kapitel und manche andere Anregung verdanken wir
der wertvollen Arbeit von J. Ljungerud, Zur Nominalflexion in der deutschen Lite¬
ratursprache nach 1900, Lund 1955.
206 Das Adjektiv

Adjektive bleiben aber ungebeugt, wenn sie als Artangabe stehen oder
wenn sie als Attribut ein anderes Adjektiv oder ein Adverb näher be¬
stimmen1 :
Wilhelm arbeitet fleißig. Der abscheulich kalte Wind. Die Burg liegt hoch oben.
Über die gelegentliche Beugung des Adjektivs als Gleichsetzungsglied
vgl. 371 ff.

1. Die Deklination des bei einem Substantiv stehenden Adjektivs

331 a) Die Deklinationsarten


Das attributive Adjektiv wird bis auf wenige Ausnahmen (vgl. 355ff.)
dekliniert, wenn es ein Substantiv näher bestimmt. Die Deklination
kann stark oder schwach sein.
Die starke Deklination übernahm ihre Formen vom Pronomen. Sie wird
dann angewendet, wenn das Adjektiv allein vor dem Substantiv steht
oder wenn das voraufgehende Pronomen (Artikel, Numerale) selbst
keine starke (pronominale) Endung aufweist (Ausnahme: Genitiv Sin¬
gular des Maskulinums und Neutrums2):
lieber Freund!, gute Fahrt, gutes Wetter, nach langer Trennung, bei gutem Wetter,
liebe Freunde!, guter Menschen, ein nachdenklicher Mensch, etwas Schönes, mit
nichts anderem.
Die schwache Deklination, die ihre Formen von den schwachen Sub¬
stantiven auf -e hat, zeigt überall, außer im Nominativ Singular (dem der
Akkusativ im Femininum und Neutrum entspricht), die Endung -en. Sie
wird gebraucht, wenn das Adjektiv determiniert ist, d. h., wenn bereits
eine stark deklinierte Form des Artikels oder Pronomens vor dem Ad¬
jektiv steht:
der gute Vater, des guten Vaters, seines alten Vaters, auf dem einsamen Bauernhof,
in einer flachen Mulde, bei unserem guten Vater, in euerem alten Haus, vom alten
Haus (vom = von deml), durchs ganze Land (durchs = durch das), die guten Men¬
schen, alles Gute, dieser aufrechte Mann.

Wir geben im folgenden ein Deklinationsmuster für alle drei Geschlechter :

stark Singular schwach


Maskulinum
Nom. guter Mann der gute Mann
Gen. guten Mannes (Ausnahme t)2 des guten Mannes
Dat. gutem Mann[e] dem guten Mann [e]
Akk. guten Mann den guten Mann

Femininum
Nom. gute Frau die gute Frau
Gen. guter Frau der guten Frau
Dat. guter Frau der guten Frau
Akk. gute Frau die gute Frau

1 Wir rechnen die ungebeugten Adjektive ebenso zur Wortart Adjektiv wie die gebeugten
und nicht zur Wortart Adverb, wie die ältere Grammatik. Vgl. hierzu H. Glinz, Der
deutsche Satz, Düsseldorf 1957, S. 33.
2 Vgl. 333.
Die Deklination des Adjektivs 207

stark Singular schwach


Neutrum
Nom. gute« Kind das gute Kind
Gen. guten Kindes (Ausnahme!)1 des guten Kindes
Dat. gutem Kind[e] dem guten Kind[e]
Akk. gute« Kind das gute Kind

Plural für alle drei Geschlechter


Nom. gute Männer, Frauen, Kinder die guten Männer, Frauen, Kinder
Gen. guter Männer, Frauen, Kinder der guten Männer, Frauen, Kinder
Dat. guten Märtnern, Frauen, Kindern den guten Männern, Frauen, Kindern
Akk. gute Männer, Frauen, Kinder die guten Männer, Frauen, Kinder

An den Formen sehen wir, daß im Akk. Sing. Mask., im Nom. und Akk.
Sing. Fern, und im Dat. Plur. die starken mit den schwachen Endungen
übereinstimmen.
Der bestimmte Artikel z. B. hat in allen Kasus die sogenannte prono¬
minale (starke) Deklination (vgl. 207). Das folgende Adjektiv zeigt daher
überall schwache Endungen (vergleiche die rechte Seite der Tabelle);
ebenso steht die schwache Form nach den Pronomen „dieser, jener, jeder,
jedweder, jeglicher“:
dieser kleine Junge, dies sonderbare Benehmen, jene schönen Tage, jedes kleinen
Jungen; er habe . . . jedwedem stillen Erdenglück entsagt (Schiller). Jegliches ge¬
schichtliche Erleben.
Der unbestimmte Artikel zeigt demgegenüber in seinen Kasusendungen
starke und schwache Beugung gemischt, und je nachdem wird dann das
folgende Adjektiv entweder schwach oder,stark gebeugt. Ebenso: „kein“
und die Possessivpronomen „mein, dein, sein, unser, euer, ihr“ :

Mask. Fern. Neutr.


Nom. ein guter Mann eine gute Frau ein gutes Kind
schw. st. st. schw. schw. st.
(ohne Unterschied)
Gen. eine« guten Mannes einer guten Frau eine« guten Kindes
st. schw. st. schw. st. schw.
Dat. einem guten Mann[e] einer guten Frau einem guten Kind[e]
st. schw. st. schw. st. schw.
Akk. einen guter Mann eine gute Frau ein gute« Kind
st. schw. st. schw. schw. st.
(ohne Unterschied!) (ohne Unterschied!)

Ebenso:
kein freundlicher Anblick, von keiner menschlichen Schuld, keine vergeßlichen Leute,
meine wertvollen Bücher, unser kleiner Bruder, unserem kleinen Bruder, Ihr an das
Amt gerichtete« Schreiben.

Man beachte, daß -er in den Wörtern „jeder, jener, dieser” Endung ist,
während es in „unser, euer“ zum Stamm gehört. Daher:
jeder gute Mann, aber: unser guter Mann.

Vgl. 333.
208 Das Adjektiv

332 b) Auswerfung eines unbetonten „e“ in den Deklinationsformen


bestimmter Adjektive

a) Adjektive auf -el


Die Adjektive auf -el werfen in attributiver Stellung wie auch im Kom¬
parativ (vgl. 377) das „e“ der Ableitungssilbe aus:
,ein dunfcZer (nicht: dunkeier) Wald, einen noblen Herrn, ein eiZZes Beginnen.
Früher warf man bei diesen Adjektiven statt dessen häufig das Endungs-e
aus:
einen dunkeZn Wald.

ß) Adjektive auf -er und -en


Die Adjektive auf -er und -en behalten gewöhnlich das „e“ der Ab¬
leitungssilbe :
ein finsteres Gesicht, ein ebenes Gelände.
Nur in gewählter Sprache und bei fremden Adjektiven wird es aus¬
geworfen :
mit flnsZren Zügen, die lauZre Seligkeit (R. Dehmel), ein ebnes Land; makabre Vor¬
gänge, eine illusZre Gesellschaft.
Früher warf man statt dessen* bei den Adjektiven auf -er (wie bei denen
auf -el) das Endungs-e häufig aus:
mit finstern Zügen, einen muntern Knaben.

c) Ausnahmen, Schwankungen und andere Schwierigkeiten bei der


Deklination des attributiven Adjektivs
Das Deklinationssystem des Adjektivs ist nicht ohne zahlreiche Aus¬
nahmen, Schwankungen und Schwierigkeiten. Das hat wohl auch hier
seinen, tiefsten Grund darin, daß die Sprachgemeinschaft den starken
und schwachen Formen keine echte Leistung mehr zuzuweisen vermag.
Im. einzelnen spielen jedoch auch Gründe der Aussprache, der Zu¬
ordnung zu verschiedenen Wortarten u. a. mit.

a) Das Adjektiv im starken Genitiv Singular


333 Steht das Adjektiv allein, dann müßte es eigentlich im Genitiv Singular
des Maskulinums und Neutrums stark dekliniert werden:
frohes Sinnes, trauriges Herzens.
Die neuere Sprache beugt hier jedoch (in Anfängen seit dem 17. Jahr¬
hundert) schwach, um die zwei S-Laute zu vermeiden:
frohen Sinnes, traurigen Herzens.
Erhalten hat sich die starke Deklination nur noch in einigen fest ge¬
wordenen Fügungen sowie innerhalb von Zusammensetzungen:
reines Herzens (neben: reinen Herzens), gutes Mut[e]s (neben: guten Mutes), ge-
radeswegs (neben: gerade/nywegs).
Ferner vor schwachen Substantiven und vor substantivierten Adjektiven
zur Kennzeichnung des Kasus (selten):
Genanntes Fürsten Macht war groß; reines Menschen Wollen . . .; beim Vergessen
empfangenes Guten (Goethe).
Die Deklination des Adjektivs 209

ß) Das Adjektiv nach Personalpronomen


Nach den Personalpronomen muß das in der unselbständigen Apposition 334
folgende attributive Adjektiv regelgemäß stark stehen, da diese Pro¬
nomen keine starke Endung aufweisen. Es sind aber Störungen einge¬
treten (im Dativ Sing, aller drei Geschlechter und im Nom. Plural):
Bat. Mask. und Neutr.:
mir jungem Kerl, mir närrischem Ding (Th. Mann), von Dir jungem Schnaufer
(Raabe).
In diese Gruppe dringt die schwache Beugung nach „mir“ und besonders bei dem
Adjektiv „arm“ ein:
mir kranken Sohn der Musen (Heine), mir fremden Menschen (Frenssen), mir
armen Idioten (Hesse).
Bat. Fern.:
mir alten erfahrenen Frau (G. Hauptmann), dir alten Frau.
Hier hat sich die schwache Deklination weithin durchgesetzt. Seltener noch: mir
alter Person (I. Seidel).
Nom. Flur.:
wir alten Juristen (Raabe), wir älteren Leute (Carossa).

In dieser Gruppe hat heute die schwache Deklination über die starke gesiegt, bei
„ihr“ noch eindeutiger als bei „wir“.
Nach dem Possessivpronomen „Ihr“ steht jedoch das folgende Adjektiv richtig in der
starken Form, weil hier die Regel nicht durchbrochen ist (vgl. 331):
Ihr an das Finanzamt gerichtetes Schreiben ...

Über die Beugung des Adjektivs in der Apposition mit „als“ nach Per¬
sonalpronomen vgl. 352.

y) Das Adjektiv nach den Zahlwörtern „zwei“ und „drei“


Bei den wenigen Zahlwörtern, die im Genitiv mit Beugungsendungen 335
versehen werden können (zwei, drei; vgl. 528), steht das Adjektiv im
Genitiv Plural nach der starken Endung -er heute meist nicht mehr
schwach, sondern stark, weil die Zahlwörter als eigenschaftswörtlich
aufgefaßt werden:
in der Betreuung zweier weiblicher Wesen (Th. Mann), dreier achtbarer Einwohner
(Kluge). Seltener schwach: zweier liebend erhobenen Arme (Wiechert), Wirkungen
zweier mitgestaltenden Kräfte (Weisgerber).

<f) Das Adjektiv nach unbestimmten Für- und Zahlwörtern

Besonders zahlreich sind die Schwankungen in der Deklination der Ad- 336
jektive nach einer Reihe von Wörtern, die zwischen den Wortarten
stehen. Werden diese Wörter als Pronomen aufgefaßt, dann behandelt
man sie nach der eingangs erwähnten Regel (vgl. 331); werden sie als
Adjektive angesehen, dann werden sie wie zwei nebeneinanderstehende
Adjektive dekliniert (vgl. 353). Wir besprechen im folgenden die wichtig¬
sten Wörter dieser Gruppe, die man auch unter dem Namen Prono¬
minaladjektive zusammenfaßt, am besten in alphabetischer Reihenfolge,
weil die Störungen im Deklinationssystem eine übersichtliche Zusammen¬
fassung in Gruppen nicht recht zulassen.
210 Das Adjektiv

Vorausgeschickt sei noch, daß „einzeln, gewiß, verschieden, derartig,


letztere, öbig, selbig, sonstig, ähnlich, besagt, [so]genannt, gedacht, un¬
gezählt, unzählbar, unzählig, zahllos, zahlreich, weitere“ heute als Ad¬
jektive, nicht mehr, wie früher oft, als Pronomen aufgefaßt werden. Es
heißt heute also nur:
obiges zu unseren Gunsten ausgestelltes Akkreditiv, derartige häßliche Vorkomm¬
nisse, ähnlicher freudiger Ereignisse.
Veraltet und heute nur noch selten vorkommend:
verschiedene zu grellen Züge (Seume), gewisser eintretenden Umstände halber
(Musäus), letzteres harmlose Vergnügen (Raabe), ein Balkenkreuz und sonstiges
treibende Gut (Hausmann).
Besonders im Dativ Mask. und Neutr. und im Gen. Plur. bewirken diese
Adjektive oder Partizipien aber noch gelegentlich schwache Beugung
des folgenden Adjektivs:
in selbigem hessischen Dorf (H. Franck), gewisser allegorischen Darstellungen
(Scheffler).

Alphabetische Zusammenstellung der wichtigsten Pronominaladjektive, nach denen die


Deklination schwankt
all-:
337 Es wird heute ganz überwiegend als Pronomen behandelt, das folgende Adjektiv wird
daher meist schwach dekliniert, im Singular wie im Plural;
aller . . . erzeugte Respekt (Fallada), alles irdische Glück (Carossa), bei allem bösen
Gewissen (Hesse), fern von aller spöttischen Überlegenheit (I. Seidel), alle jungen
Leute. Aller guten Dinge sind drei (Sprw.).
Die starke Form ist veraltet und kommt heute nur noch selten vor:
aller inflationärer Pomp (Th. Mann), trotz aller angewandter Mühe (Raabe), alle
heilige Handlungen (Lessing), aller menschlicher Konflikte (I. Seidel).
Erhalten hat sich dife starke Form bei „halb“ und „solch“:
alle halbe Jahre, alle halbe Meter, alle halbe Stunde[n], (daneben: alle halben Jahre,
Stunden); alle solche Anweisungen (Barlach; vgl. 472, c).

ander-:
338 Es wird heute überwiegend als Adjektiv behandelt, das folgende Adjektiv wird daher
parallel gebeugt:
anderes gedrucktes Material, bei anderer seelischer Verfassung, andere zuverlässige
Quellen, eine Unmenge anderer deutscher Wörter.
Im Dativ Sing. Mask. und Neutr. überwiegt jedoch auch heute noch die schwache
Beugung (vgl. 353):
unter anderem kleinen Privatbesitz (Th. Mann); und begann in anderem berichten¬
den Ton (Rilke); anderm harmlosen Getier (Fallada).
Sonst ist die schwache Deklination veraltet und kommt heute nur noch selten vor:
anderes überholte Gerümpel (Carossa).

beide:
339 Es wird heute überwiegend als Pronomen behandelt, das folgende Adjektiv wird daher
meist schwach gebeugt:
beide abgezehrten Hände, beider jungen Menschen.
Die starke Beugung gilt als veraltend, kommt*aber noch öfter in der modernen Literatur
vor:
beide geschlossene Augen (Hesse), beider sozialistischer Parteien (H. Mann).
Die Deklination des Adjektivs 211

einig-:
1. Im Singular, der seltener gebraucht wird, schwanken die Formen mehr. Im Nom. 340
Mask. und Gen., Dat. Fern, wird das Adjektiv stark gebeugt:
einiger poetischer Geist (Goethe), nach .. . einiger teils erfolgreicher Zurwehrsetzung
(Leip).
Im Nom., Akk. Neutr. überwiegt die schwache Deklination:
Einiges floristische Rüstzeug (Th. Mann), einiges milde Nachsehen (Th. Mann);
doch kommt die starke gelegentlich vor:
einiges slawisches Blut (Th. Mann).
Im Dat. Mask. und Neutr. herrscht die schwache Deklination ausschließlich:
bei einigem guten Willen (Th. Mann).
2. Im Plural wird „einige“ wie ein Adjektiv behandelt:
einige wenige gute Menschen; die Lebenszeiten einiger großer Männer (Alverdes).
Im Gen. Plur. erscheint heute noch gelegentlich schwache Flexion, sie gilt aber als
veraltend:
die Spitzen einiger großen Radnägel (Immermann), den Wünschen einiger extra¬
vaganten Gräfinnen (Werfel).

etlich-:
Stimmt in der Deklination mit „einige“ überein, wird aber im Singular kaum gebraucht. 341
et welch- vgl. welch-.

folgend-:
1. Im Singular tritt ganz überwiegend schwache Deklination des Adjektivs auf, 342
„folgende“ gilt also hier als Pronomen:
folgender überraschende Anblick (Werfel), folgendes schauderhafte Geschehnis
(Penzoldt), nach folgendem . . . wirksamen Prinzip (Kirst), folgender kleinen Be¬
gebenheit (Rilke).
2. Im Plural überwiegt die starke Flexion, hier wird „folgende“ wie ein Adjektiv
behandelt:
folgende auffallende Fakten (Bergengruen).
Doch kommt die schwache Beugung noch vor, zumal im Genitiv:
folgende interessanten Sätze (Kesten), folgender wichtigen Ereignisse.

irgendweich- «vgl. welch-,

kein vgl. 331.

manch-:
1. Im Singular gilt *s als Pronomen, daher dekliniert das folgende Adjektiv nach den 343
flektierten Formen schwach:
mancher heimliche Pfad (Claudius), manches umfangreiche wissenschaftliche Werk
(Wassermann), manches jugendlichen Schäfers Auge (Münchhausen), mit manchem
zärtlichen Seufzer (P. Emst), in mancher heißen Stunde (Blunck).
Veraltet:
manches poetisches Fahrzeug (Herder).
2. Im Plural überwiegt bereits die starke (parallele) Flexion:
Ich knüpfte manche zarte Bande („Bettelstudent“), manche kleine Begegnungen
(Hesse), manche große Bauernhöfe (Keller), mancher schöner Bilder (Frenssen).
Aber auch die ältere schwache tritt noch auf:
manche ziemlich tollen und gefährlichen Laster (Hesse), manche alten Weiber
(Kluge), im Besitz so mancher majestätischen Kleider (Goethe), trotz mancher
bereits ausgesprochenen lieblosen Bemerkungen (Fallada).
212 Das Adjektiv

3. Nach den endungslosen Formen steht regelgemäß die starke Deklination:


manch harter Sturm (P. Gerhardt), manch braven Kindes (Ausnahme!, vgl. 331),
mit manch bravem Kind, manch bunte Blumen (Goethe), manch schöner Mädchen.

mehrere:

344 Es wird wie ein Adjektiv behandelt. Das folgende Adjektiv wird daher stark (parallel)
gebeugt:
mehrere dunkle Kleider.
Im Genitiv Plural erscheint neben der starken auch noch schwache Flexion:

Gravamina . . . mehrerer katholischer Inwohner (v. Handel-Mazzetti), in Beglei¬


tung mehrerer bewaffneter Helfershelfer (H. Mann).

sämtlich-:

345 1. Ini Singular wird es wie ein Pronomen behandelt, das folgende Adjektiv wird
daher schwach gebeugt:
sämtlicher aufgehäufte Mist, sämtliches gedruckte Material (Wassermann), mit
sämtlichem gedruckten Material, mit sämtlicher vorhandenen Energie.
2. Im Plural herrscht die schwache Form vor:
sämtliche vorhandenen Damenstrümpfe (Boree), sämtliche alten Bäume (Zuck¬
mayer), sämtlicher . . . vorhandenen Milchstraßenbildungen (Th. Mann).
Seltener stark im Nominativ und Akkusativ:
sämtliche schwedische Offiziere (Bic. Huch).
Dagegen öfter im Genitiv:
meine exakte Beherrschung sämtlicher bei Karl May vorkommender indianischer
und arabischer Eigennamen (Zuckmayer).

solch-:

346 1. Im Singular wird es wie ein Pronomen behandelt, das folgende Adjektiv wird
daher schwach gebeugt:
solcher weiche Stoff (selten stark: all solcher abergläubischer Spuk [LuserkeJ),
solches herrliche Wetter, in solchem grauen Giebelhause (Th. Mann), aus solcher
übelwollenden Stimmung heraus (H. Mann), in solcher allharmonischen Stille (Jatho).
Im Gen., Dat. Fern, begegnet gelegentlich.starke (parallele) Beugung:
solcher erziehender Beeinflussung (Hesse), in solcher grammatischer Forschung
(Weisgerber).
2. Im Plural überwiegt ebenfalls die schwache Flexion:
solche zahmen Versuche (Barlach), solche unchristlichen Beden (P. Ernst), solcher
geglückten Symbole (Laniggässer).
Aber auch die starke tritt ziemlich häufig auf:
solche prachtvolle Attacken (Hesse), solche geheimnisvolle Beziehungen (Schnitzler),
solcher lärmiger Feste (Hesse), solcher zunächst vereinzelter Beobachtungen (Weis¬
gerber).
3. Nach den endungslosen Formen steht regelgemäß die starke Flexion:
solch guter Mensch, solch herrliches Wetter (A. W. Schlegel), mehr solch alten Ge¬
wispers (Leip; Ausnahme!, vgl. 331), bei solch ausgezeichnetem Arzt (Wassermann),
solch bunte Blumen, solch schöner Mädchen.

viel-:

347 1. Im Singular schwanken die Formen mehr. Im Nom. Mask., der seltener gebraucht
wird, besteht starke (parallele) Beugung:
vieler schöner Putz.
Die Deklination des Adjektivs 213

Im Nom., Akk. Neutr. und im Dat. Mask. und Neutr. herrscht jedoch fast ausschlie߬
lich die schwache Endung:
vieles andere Zeug (Turnier), mit vielem kalten Wasser (Fallada).
Im Gen., Dat. Fern, überwiegt wieder die starke Beugung:
so vieler bisheriger Philosophie (Morgenstern), mit vieler natürlicher Anmut (Goethe).
Aber auch:
mit vieler klassischen Gelehrsamkeit (Lessing).
2. Im Plural werden die Formen mit Endung heute als Adjektiv betrachtet, das
folgende Adjektiv dekliniert stark (parallel):
viele kleine Kümmernisse (Luise Rinser), viele freundliche Namen (Rilke), vieler
heimlicher Witze (Alverdes).
Gelegentlich tritt im Genitiv Plural noch schwache Deklination auf:
vieler anständigen Generationen (Jatho), vieler entzückten Briefe (Schäfer).
Die schwache Beugung im Nom., Akk. ist veraltet:
viele verdeckten Tränen (Jean Paul).
3. Nach den endungslosen Formen steht regelgemäß die starke Flexion:
viel gute« Essen, mit viel gutem Essen, viel treue Freunde. Preisend mit viel schönen
Reden ... (J. Kerner).
Man achte jedoch auf die Beugung von „viel“ (und auch auf die von „wenig“), da die
endungslose Form den gemeinten Sinn ganz verändern kann (vgl. 349):
viele ältere Studenten („viele“ ist mit. „ältere“ koordiniert), aber: viel ältere Studen¬
ten („viel“ bestimmt „ältere“ näher); viele vermögende Personen, aber: viel ver¬
mögende Personen.
welch- (Irgendweich-, etwelch-) (fragend oder unbestimmt):
Es gilt jetzt als Pronomen, besonders im Singular; das folgende Adjektiv wird daher 348
schwach gebeugt:
welcher andere Text, welches reizende Mädchen (Benrath), et welches
kleine Geschenk (H. HofTmann; vgl. 521), welches braven Kindes, mit
welchem unerschütterlichen Willen (A. Neumann), in welcher aufregenden
Stunde (Gollwitzer), aus irgendwelcher inneren Tasche (Th. Mann), welche
herrlichen Glieder (Th. Mann), irgendwelche sinnlosen Schüsse (Th. Mann),
.welcher menschlichen Gebete (Bergengruen).
Im Plural tritt die starke (parallele) Beugung selten auf, da sie veraltet ist:
welche verschiedene Arten und Weisen (G. Hauptmann).
Bei „irgendwelche“, besonders im Genitiv, ist jedoch die starke Beugung wieder häufiger:
irgendwelche neue Arbeiten (Hesse), irgendwelche sinnlose Silben (Th. Mann), um
irgendwelcher erzieherischer Gesichtspunkte willen (Th. Mann).
Nach den endungslosen Formen steht regelgemäß die starke Flexion:
welch guter Mensch, welch schönes Wetter, welch braven Kindes (Ausnahme!,
vgl. 331), mit welch gutem Menschen, welch jämmerliche Pferde (Kellermann),
welch schöner Mädchen.

wenig-:
1. Im Singular und Plural werden die Formen mit Endung heute wie ein Adjektiv 349
behandelt, das folgende Adjektiv dekliniert stark (parallel), mit Ausnahme des Dat.
Sing. Mask. und Neutr::
Weniger schöner Schmuck, weniges gutes Essen, mit weniger geballter Energie,
wenige wilde Jahre (Luserke), weniger hoher Kerzen (Scholz).
Im Dat. Sing. Mask. und Neutr. tritt schwache Deklination auf:
mit wenigem guten Willen.
214 Das Adjektiv

2. Nach den endungslosen Formen steht regelgemäß die starke Flexion:


wenig gutes Essen, wenig schöner Schmuck, mit wenig gutem Essen, wenig treue
Freunde.
Man achte darauf, daß die endungslose Form etwas anderes besagen kann (vgl. 347):
wenig gutes Essen (nähere Bestimmung zu ,,gut“), weniges [, aber] gutes Essen
(mit dem folgenden Adjektiv koordiniert); wenig treue Freunde, wenige [, aber]
treue Freunde^

e) Das Adjektiv hach Demonstrativ- und Relativpronomen


350 Nach den Demonstrativ- und Relativpronomen „dessen“ und „deren“
steht die starke Deklination eines folgenden attributiven Adjektivs, weil
die Pronomen als attributive Genitive keinerlei Einfluß auf die Flexion
der folgenden Wortgruppe ausüben. Das ist besonders im Dativ zu be¬
achten :
Der Künstler, dessen tiefempfundenes Spiel alle begeisterte, . . . Der Künstler,
von dessen tiefempfundenem Spiel alle ergriffen waren, .. . Die Künstlerin, von
deren tiefempfundenem Spiel alle ergriffen waren, . . .

Die bei solchen Fügungen im Dat. Sing, gelegentlich auftretende schwache


Deklination gilt als ungewöhnlich:
Der Ausdruck < .. wird dessen eigentümlichen Stellung . . . vorzüglich gerecht
(Hesse). Ihre . . . Augen . . ., von deren ihm gehörende« Wunderreichtum er nichts
wußte (Baabe).

Falsch ist es, „dessen“ und „deren“ zu einem Pronomen mit starker
Deklinationsendung zu machen (in Analogie etwa zu „seinem“ oder
„diesem“) und das folgende attributive Adjektiv dann schwach zu
beugen:
Der Künstler, von dessem tiefempfundene« Spiel. . . (statt: von dessen tiefemp¬
fundenem . . .). Die Künstlerin, von derem tiefempfundenen Spiel. . .

Diesem Fehler begegnet man zwar kaum in der guten Literatur, aber
gar nicht so selten in Zeitungen, Zeitschriften und sonstigem Tages¬
schrifttum.

5) Das Adjektiv in Verbindung mit verschiedenen anderen Pronomen

351 Stehen „der, ein, kein, dieser, jener“ und die Possessivpronomen zu¬
sammen mit einem Pronominaladjektiv (ander, solch) oder Zahlwort vor
einem folgenden attributiven Adjektiv, dann werden sie für die De¬
klination des attributiven Adjektivs maßgebend, nicht die Pronominal-
adjektive oder Zahlwörter:
der andere kleine Junge, ein solcher unerschöpflicher Schwall (liofmannsthal),
[k]ein solches wichtiges Ereignis, irgendein anderer hoher Beamter (Carossa), diese
beiden treuen Freunde, kein anderer verhaltener Grund (H. v. Kleist), der Verlust
meines vielen gesparten Geldes, unsere drei lieben Kinder.
Tritt aber ein echtes Pronomen an die Stelle des Pronominaladjektivs
oder Zahlwortes, dann wird das Pronomen maßgebend:
ein jeder redliche Mensch.
Tritt das Possessivpronomen hinter „dieser“ oder „jener“, dann wird es
für die Deklination des folgenden Adjektivs maßgebend:
dieses mein großes Glück, dieser unser liebster Freund.
Die Deklination des Adjektivs 215

7]) Das Adjektiv in der Apposition


Steht das artikellose attributive Adjektiv in einer Apposition (vgl. 987), 352
dann muß regelgemäß die starke Deklination eintreten (über das Ad¬
jektiv in der Apposition nach einem Personalpronomen vgl. 334):
Herr Erich Müller, ordentlicher Professor . ein Stück brüchiges Eisen; von Herrn
Erich Müller, ordentlichem Professor . ..; von . . . dessen . . . Weibe Anna, geborener
Weibikin (Raabe); . .. und seiner Ehefrau Wilhelmine, geborener Schmidt; ich, du,
er als ältester Sohn; ihr, dir, mir als ältester Tochter; ihm, dir, mir als ältestem Sohn;
wir als treue Freunde; mit einem Stück brüchigem Eisen; mit einer Art wilder Ironie;
mit einer Art widernatürlicher Wollust (Th. Mann).

Gelegentlich wird aber im Dativ das attributive Adjektiv so sehr auf den
Artikel (Pronomen) des Bezugssubstantivs bezogen, daß es schwach
dekliniert wird:
mit der schönen Baronesse Christine Arne, jüngsten Schwester seines Gutsnach¬
barn Arne (Fontane); und seiner Ehefrau Wilhelmine, geborenen Schmidt; in der
kleinen Gertrud Hackendahl, geborenen Gudde (Fallada); mit einer Art wilden
Ironie (Raabe); mit einem Stück brüchigen Eisen (Raabe).

Weicht das Substantiv in der Apposition im Kasus von seinem Bezugs¬


substantiv ab (vgl. 994), so folgt ihm selbstverständlich das Adjektiv:
und seiner Ehefrau Wilhelmine, [die eine] geborene Schmidt [ist], . . .; Also da liegt
nun dieses mondbeschienene Land vor Frau Emma Pinneberg, geborene Mörschel
(Fallada).

&) Die Deklination mehrerer attributiver Adjektive


Wenn zwei oder mehr gleichwertige (nebengeordnete) attributive Adjek- 353
tive nebeneinanderstehen, dann gehen sie in ihrer Deklination parallel,
d. h., sie erhalten alle die gleichen Endungen und werden durch ein
Komma getrennt:
ein breiter, tiefer Graben; eines breiten, tiefen Grabens; einer hübschen, gepflegten
Frau; nach langem, schwerem Leiden; in dem breiten, tiefen Graben; auf bestem,
holzfreiem Papier; in den breiten, tiefen Graben.

Selbst wenn das zweite Adjektiv im Verhältnis der Einschließung1 steht


und deshalb kein Komma gesetzt wird, werden beide übereinstimmend
gebeugt. Die frühere Regel, daß in diesem Falle beim Dativ Singular und
Genitiv Plural das zweite Adjektiv schwach gebeugt werden müsse, gilt
also nicht mehr grundsätzlich:
Früher als Regel: bei dunklem bayerischen Bier, der Genuß hoher künstlerischen
Leistungen. Heute: bei dunklem bayerischem Bier, der Genuß hoher künstlerischer
Leistungen.

Im Dativ Sing. Mask. und Neutr. wird allerdings das zweite Adjektiv
aus lautlichen Gründen noch öfter schwach gebeugt:
auf schwarzem hölzernen Sockel (Carossa), an weiterem leichten Gewichtsverlust
(Th. Mann), in ewigem tödlichen Kampfe (Hesse), bei gelöschtem oberen Licht
(Alverdes), mit frischem, roten Gesicht (Döblin), mit fließendem warmen und kalten
Wasser (Jatho).

1 Als „Einschließung“ pflegt man nach H.Paul solche Fügungen zu bezeichnen, bei
denen die Verbindung eines Substantivs mit einem attributiven Adjektiv als Ganzes
noch einmal durch ein attributives Adjektiv usw. näher bestimmt wird (dunkles / bayeri¬
sches Bier, zwei / arme Studenten, einige / alte Bekannte).
216 Das Adjektiv

Beachte:
354 Bei enger Verbindung von zwei oder mehr attributiven Adjektiven wird mitunter nur
das letzte gebeugt. Diese Fügungsweise ist noch in poetischer Sprache und in festen
Wendungen erhalten. Die Adjektive stehen in getrennter Schreibung nebeneinander (mit
oder ohne „und“):

, in mondlos stillen Nächten (Uhland). Ursprünglich eignen Sinn laß dir nicht rauben 1
(Goethe); in schwarz und weißer Emaille (Th. Mann); im Wechselspiel der Irisch und
müden Kräfte (Hofmannsthal). Er war ein stolz, verdrießlich, schwerer Narr (Schiller).

Heute werden solche Fügungen, soweit sie nicht durch „und“ verbunden sind, meist
zusammen- oder mit Bindestrich geschrieben, weil sie trotz der zwei selbständigen Glieder
eine Gesamtvorstellung ausdrücken:
naßkaltes Wetter, sein dummdreistes Benehmen, mit seiner feuchtfröhlichen Meteoro¬
logie (Th. Mann), das grünbleiche Antlitz (Carossa), eine schaurig-schöne Erzählung,
seine ruhig-ernste Art, deutsch-amerikanische Verhandlungen.
Bei zwei oder mehr attributiven Farbadjektiven geben sich Unterschiede der Bedeutung
durch die Zusammenschreibung oder durch die Anwendung des Bindestriches zu er¬
kennen :
ein blau-rotes Kleid (die Farben Bläu und Rot in beliebiger Verteilung selbständig
nebeneinander: 2 Farben); aber: eine blaurote Na,se (mit einer bläulichen Abschat¬
tung des Rots: 1 Farbe).
Wappenkundliche Farbenzusammensetzungen schreibt man zusammen, obwohl jede
Farbe ihre Eigenbedeutung behält, weil hier, wo es keine Abschattung gibt, Mißver¬
ständnisse nicht möglich sind:
die schwarzrotgoldene Fahne.

i) Das bei einem Substantiv stehende flexionslose Adjektiv


Da das Adjektiv in attributiver Stellung beim Substantiv normalerweise
gebeugt wird, bilden flexionslose attributive Formen in dieser Verwendung
Ausnahmen, die meist als Reste .alten Sprachgebrauchs zu deuten sind.
Die flexionslose Form kennzeichnet entweder eine altertümliche oder eine
volkstümliche Redeweise und wird meist aus rhythmischen Gründen an¬
gewendet:
355 1. In poetischer oder volkstümlicher Sprache, besonders vor neu¬
tralen Substantiven im Nominativ und Akkusativ:
Positiv:
Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern (Schiller). Ein garstig Liedl Pfuil
Ein politisch Lied 1 Ein leidig Lied! (Goethe). Abendrot, gut Wetter droht (Sprw.);
von einem steinalt, lieb Mütterlein (Fallada).
Komparativ:
Kein schöner Land ... (Volkslied). Du trägst ein züchtiger, höher Gemüt (Bürger).
Seltener vor maskulinen Substantiven:
ein tätig, höflich Mann (Goethe). War einst ein Riese Goliath, gar ein gefährlich
Mann (M. Claudius).

356 Ebenso nach Substantiven, eine archaisierende dichterische Fügungs¬


weise, die seit der Sturm-und-Drang-Zeit wieder aufgenommen wurde:
Ein Adjektiv:
O Täler weit, o Höhen (Eichendorff). Bei einem Wirte wundermüd . .. (Uhland).
Röslein rot. . . (Goethe). Hänschen klein . .. (Volksweise). Erdspinnchen grau . ..
(Carossa).
Die Deklination des Adjektivs 217

Aber auch in der Werbe- und in der Alltagssprache:


Henkell trocken, Aal blau, Schauma mild.
Zwei Adjektive:
ein Mädchen, schön und wunderbar (Schiller); Fräulein Levi, dünn und elfenbein¬
farben (Th. Mann).
Drei Adjektive:
An dir Gesellen, unhold, barsch und toll, ist wahrlich wenig zu verlieren (Goethe).
Diese Fügungsweise wird bei Adjektiven (Partizipien) mit näheren
Bestimmungen auch noch in der heutigen Prosa gern verwendet,
meist im Nominativ:
Gewehrkugeln, groß wie Taubeneier und klein wie Bienen (Brecht). Dieses
Mädchen, klein, zart, aber sehr bestimmt und energisch, bezauberte ihn völlig.
... die ausgeruhte Arbeitsstätte, morgendlich ernüchtert, neuer Besitzergreifung
gewärtig (Th. Mann).

2. In formelhaften, feststehenden Wendungen und Sprichwörtern: 357


Vor dem (meist neutralen) Substantiv:
auf gut Glück, ein halb Dutzend, ruhig Blut. Out Ding will Weile haben (Sprw.).
Ein gut Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen (Sprw.); alt Bundesrat (Schweiz.).
In Kapitel A, I, 1, b (gelesen: groß A, römisch Eins, arabisch Eins, klein Be).

Häufig sind unflektierte Adjektive auf -isch von Länder- und Orts¬
namen, die vor neutralen Färb-, Stoff- und anderen Bezeichnungen
stehen. Sie werden vielfach schon zusammengeschrieben:
bayrisch Bier, Kölnisch Wasser (auch: Kölnischwasser), Englischleder, Englisch-
pflaster,holländisch Bütten, Preußischblau, Indischrot.
Nach dem Substantiv (veraltet):
fünf Gulden rheinisch (Wassermann), tausend Mark bar.

Noch üblich bei „voll“:


mit einem Kopf voll Sorgen (oder mit der erstarrten gebeugten Form „voller“:
mit einem Köpf voller Sorgen).
Ebenso stehen die lateinischen Adjektive „junior, senior“ ungebeugt
nach Namen:
mit Max Schulze jun., bei Friedrich Schmidt sen.

3. In Zusammensetzungen, deren Bedeutung manchmal von der der 358


getrennten Fügung abweicht.
ein andermal (= ein anderes Mal), Bargeld (auch noch: bar Geld = bares Geld),
Reinschiff (auch noch: rein Schiff), FerZiphaus (aber: fertiges Haus), Jungfrau
(aber: junge Frau).

Diese Zusammensetzungen sind entstanden aus der Stellung des attri¬


butiven flexionslosen Adjektivs zwischen Artikel und Substantiv :
mhd. das wilt swin, nhd. das Wildschwein.

4. In Ortsnamen und geographischen Bezeichnungen: 359


.ZVewruppin; KZein-Ostheim, AZZ-Wien, Groß-Berlin, HannovmcA-Münden, in
ganz England, von halb Deutschland.

5. Bei Vornamen: 360


Schön Suschen (Goethe), Schön Rotraud (Mörike), Jung Siegfried (Uhland).
218 Das Adjektiv

361 6. Bei einigen Pronominaladjektiven, meist neben den gebeugten


Formen, z. B. bei all (vgl. 487), manch (vgl. 343,3; 510), solch (vgl.
346, 3; 473), viel (vgl. 347, 3; 517), welch (vgl. 348; 482), wenig
(vgl. 349, 2; 517).
362 7. Bei bestimmten Adjektiven, die meist aus Substantiven hervor¬
gegangen sind, besonders Farbadjektiven:
diese beige und lila Schinkenbeutel (Fallada), ein rosa Landhaus (Luserke), ein
orange Schleifchen. Ebenso: bleu, chamois, creme, oliv.
In der Umgangssprache wird aber oft die Flexion gewagt, wobei
manchmal ein n zwischen die Vokale geschoben wird:
ein beiges Kleid, ein rosaes (rosanes) Band.

Bei ,,orangen“ findet sich die Beugung auch schon schriftsprachlich:


Blüten mit orangenen Mittelpunkten (Carossä).

In der Schriftsprache hilft man sich durch Zusammensetzung (mit


-färben oder -farbig u. ä.), wenn man die unflektierten Formen ver¬
meiden will:
in rosafarbigem Kleid, eine cremefarbene Tasche, ein olivgrüner Rock.
Ein Substantiv (eigentlich ein Gen. Plural des betreffenden Einwoh¬
nernamens als vorangestelltes Genitivattribut) ist auch die von einem
Orts- oder Ländernamen abgeleitete Form auf -er, die wie ein attri¬
butives Adjektiv verwendet wird, aber immer flexionslos bleibt:
einen guten Krug Merseburger Bieres (Th. Mann), ähnlich den Zeichnungen
Baseler Frauen des jüngeren Holbein (G. Hauptmann), eines Frankfurter Würst¬
chens, den Wiesbadener Finanzämtern, dieser Schweizer Käse.

2. Die Deklination des substantivierten Adjektivs (Partizips)


Substantivierte Adjektive (Partizipien) werden im allgemeinen wie
attributive Adjektive, dekliniert.

a) Starke Deklination
363 ein Glücklicher, ein Angestellter (nach 331), Lieberl (nach 331), mit Bedientem und
Gepäck (Ina Seidel; nach 331); dies grundsonderbare Trio von Dichter, Freund und
Geliebter (Th. Mann; nach 331, Dat. Sing. Fern.; aber Hesse: Ich hatte aber mit des
Grafen Geliebten eine Zusammenkunft); viel, wenig, etwas, nichts Gutes (nach 331).
Zu was Besserem sind wir geboren (Schiller; nach 331); drei Delegierte (nach 331),
unser Kleiner (nach 331); mir völlig Ahnungslosem (Wiechert; nach 334), auch
häufig schon: mir Armen (Th. Mann).

b) Schwache Deklination
364
eines Weisen, eines Angestellten (nach 331), der Weise (nach 331), Verlust der
Vertikalen (Döblin; nach 331), die Weisen (nach 331), in jedem Ganzen (nach 331).
wegen etwas Bösen (nach 331), dir Heiligen (Th. Mann; Dat. Sing. Fern.; nach 334),
Ihr Hochmütigen (Carossa; ? nach 334); abweichend (vgl.
335): zweier Liebenden (P. Ernst), zweier Obern (Hesse), doch auch stark: dreier
Enthaltsamer (Th. Mann).
Die Deklination des Adjektivs 219

c) Deklination nach Pronominaladjektiven


Nach den unter 337-349 genannten Pronominaladjektiven verhält sich 365
das substantivierte Adjektiv im großen und ganzen ebenso wie das
attributive Adjektiv. Doch kommen Abweichungen vor:
a) nach 337: alles Wichtige (Carossa), allem Ekelhaften. (Rinser), alle Anwesenden
(P. Emst), aller Arbeitenden (Fallada).

b) nach 338: manch anderer Gelehrter; abweichend: anderes Wirkliche (Porzig);


mit anderem Neuen, andere Bekannte (Th. Mann), anderer Leidtragender (Bemard v.
Brentano).

c) nach 339: beide Angestellten, beider Reisenden.

d) nach 340: einiges Neue, gelegentlich: einiges Wahres (G. Hauptmann); mit
einigem Neuen, einige besonders Fromme (Leip), einiger Gelehrter.

e) etliche: wie „einige“.

f) nach 342: folgender Angestellte, folgendes Neue, mit folgendem Angestellten,


mit folgender Vorsitzenden; (Plür.:) folgende Angestellte (auch noch: folgende An¬
gestellten^, folgender Angestellter (auch noch: folgender Angestellten).

g) nach 331: keine Bekannten (Bernard v. Brentano), keiner Angestellten (Gen.


Plur.).

h) nach 343: mancher Reisende, manches Neue, mit manchem Schönen, mit mancher
Geliebten, manche Blinde (Carossa), mancher Deutscher, aber häufig auch: manche
Intellektuellen (H. Mann); mancher Deutschen (H. Mann), manch Neues.
i) nach 344: mehrere Beamte, mehrerer Gelehrter (auch noch: Gelehrten).

j) nach 345: sämtliches Schöne, mit sämtlichem Neuen; aber auch:


sämtliche Gefangenen (Döblin); sämtlicher Eingeladenen (Benrath).

k) nach 346: solohes Schöne, mit solchem Schönen; abweichend: solche Verstorbene
(G. Hauptmann), seltener schwach: solche Alten (Mechow); solcher Armen (Thieß),
solch Schönes.

l) nach 347: vieles Seltsame (Scheffler), mit vielem Neuen (Carossa), viele Fremde
(Kluge); vieler Untergebener (H. Franck), gelegentlich: um so vieler Ungerechten
willen (Fallada); viel Schönes.

m) nach 348: welcher Reisende, welches Schöne, mit welchem Neue7i, welche Mäch¬
tigen (H. Mann), irgendwelche Angestellte/n), irgendwelcher Angestellter.

n) nach 349: weniges Gutes, mit wenigem Neuen, wenige Auserwählte QLanggässer),
weniger Überreicher (H. Mann), wenig Gutes.

d) Das substantivierte Adjektiv (Partizip) in der Apposition

Steht das artikellose substantivierte Adjektiv als Apposition, so muß 366


nach Ziff. 352 regelgemäß die starke Deklination eintreten (über das sub¬
stantivierte Adjektiv nach einem Personalpronomen vgl. 363 und 364):
Unser langjähriges Mitglied, Verlagsangeätellter Ludwig Schmidt; ich, du, er als
Ältester; wir als Älteste, ihr als Älteste..

Im Dativ sind die starken Formen wiederum aus lautlichen Gründen


manchen Störungen ausgesetzt:
mit unserem langjährigen Mitglied, Verlagsangestellten Ludwig Schmidt, . . . (selten:
Verlagsangestelltem); als Nachfolger von Herrn Abgeordneten Müller; mir, dir, ihm
als Ältestem; ihm als Verliebtem (Hesse), aber: ihm als Verliebten (Raabe); ihm als
kaum Dreißigjährigen (Werfel).
220 Das Adjektiv

Beim Dat. Sing. Fern, wird die starke Form auf -er gern vermieden, weil
sie mit dem Nom. Mask. gleich lautet:
bei Frau Arndt, Vorsitzende» (eigtl.: Vorsitzender) des Vereins für soziale Fürsorge;
ihr als Älteste» (eigtl.: ihr als Ältester). ■,

Auch die substantivierten Partizipien, die auf dem Wege sind, die sub¬
stantivische Deklination anzunehmen, neigen sehr zur schwachen De¬
klination :
ihm als Beamte», dir als Gesandte».

Manchmal ist bei schwacher Beugung der Numerus des Wortes nicht klar:
Die Chancen in dem Kampf zwischen Richter und Angeklagte» . . . (Edschmid).

„Angeklagten“ kann Dat. Sing, wie Dat. Plural sein. Wo Mißverständ¬


nisse entstehen können, empfiehlt sich daher eine andere Satzkonstruk¬
tion.

e) Schwankungen zwischen adjektivischer und substantivischer De¬


klination
367 Während die substantivierten Adjektive (Partizipien) an sich wie attri¬
butive Adjektive dekliniert werden, gibt es substantivierte Adjektive
(Partizipien), die sich so sehr von ihrer ursprünglichen Wortart gelöst
haben, daß sie wie ein Substantiv dekliniert werden:
der Gläubiger: die Forderungen aller Gläubiger (substantivisch); im Gegensatz zu:
der Gläubige: die Hoffnung der Gläubige» (adjektivisch). Entsprechend: die Blon¬
dine, aber: die Blonde; das Dunkel, aber: das Dunkle. Hierher gehören: die Brü¬
nette, die Kokette, der Invalide, der Falbe, der Jünge, der Oberst u. a.

368 Schwankungen treten bei substantivierten Adjektiven (Partizipien) ein,


die auf der Grenze zwischen adjektivischer und substantivischer De¬
klination stehen. Ursache dieser Schwankungen ist also wieder, wie bei
den Pronominaladjektiven (vgl. 337 ff.), der fließende Übergang zwischen
den Wortarten:
Wir kauften Illustrierte (meist so); aber auch schon: . .. Menschen, die am Kiosk
Zigaretten, Bier und Illustrierte» kauften (Karl Korn). Es waren lauter Beamte,
die . . . (meist so); aber auch schon: Es waren lauter Beamte». Auch drei Angestellte
(meist so; aber auch schon: Angestellte»,) haben den Aufruf unterzeichnet.

Ebenso schwanken:
die Elektrische, die Parallele, die Waagrechte, die Vertikale.

Gelegentlich kann die Entwicklung von der adjektivischen zur sub¬


stantivischen Deklination auch wieder umgekehrt werden:
an ihrer stolzen Rechte (Lessing), bei dieser männlichen Rechte (Schiller); heute nur:
an ihrer Rechte» (rechten Hand).

369 Wenn ein substantiviertes Adjektiv einem stark gebeugten attributiven


Adjektiv folgt * wäre heute die parallele Beugung die allein regelgemäße;
sie tritt auch auf im Nom. Sing. Mask., im Nom., Akk. Plural und über¬
wiegend im Nom., Akk. Sing. Neutr., aber im Dat. Mask., Fern., Neutr.
sowie im Genitiv Plural tritt auch schwache Beugung ein (als Rest
früheren allgemeinen Gebrauches):
Nom. Sing. Mask.:
unser reicher Bekannter, ein tüchtiger Beamter, ein echter Geistesverwandter
(Carossa). Veraltet: Welch ein glücklicher Sterblichei (Heine).'
Die Deklination des Adjektivs 221

Nom., Akk. Sing. Neutr.:


einen Notersatz für fehlendes Sinnliche« (Hesse); vergangenes Unvergängliche«
(Jatho).
Die schwache Deklination tritt hier nur noch bei bestimmten substantivierten
Adjektiven auf, besonders bei „Äußere, Innere, Ganze“. Sonst ist sie veraltet:
ein anmutiges Äußere (Kluge), kein unschönes Äußere (H. Seidel), mein eigenes
Innere (Th. Mann).
Aber auch schon starke Beugung:
mein ganzes Innere« (Th. Mann).
Dat. Sing. Neutr.:
Du . .. hast deiner Magd noch von fernem Zukünftigem geredet (Th. Mann).
Aber auch noch:
ein volles Maß von eigenem Menschlichen (Morgenstern), nach genossenem
Guten (Raabe).
Dat. Sing. Mask.:
Hier herrscht die schwache Deklination noch fast ausschließlich:
Eine Mischung zwischen weltfremdem Gelehrten und geschicktem Diplomaten.
. . . Ich bin . . . zu . .. Michaels notwendigem Vertrauten geworden (Benrath).
.. . das ihn zu jedermanns beliebtem Bekannten machte (H. E. Busse).
Dat. Sing. Fern.:
Auch hier überwiegt noch die schwache Deklination:
mit ausgestreckter Linken (G. Hauptmann), mit spielender Linken . .. mit
spielender Rechten (Hesse), bei dem angeblichen Baron Perotti und dessen
blatternarbiger Geliebten (Schnitzler).
Nom. Akk. Plur.:
gute Bekannte, sonstige Verwandte.
Gen. Plural:
an den Sterbebetten naher Angehöriger (Th. Mann), in Gesellschaft anderer
gleichgültiger Reisender (Schnitzler).
Aber auch noch:
böser Wille untergeordneter Beamten (ders.), eine größere Anzahl. . . des Zu-
schauens wegen gekommener Hausverwandten (Th. Mann).

Stehen das Adjektiv und das ihm folgende substantivierte Adjektiv vor der
starken Form eines der unter Ziff. 337-349 aufgeführten unbestimmten
Für- und Zahlwörter, dann wird die ganze Wortgruppe heute meist in
Parallelschaltung ebenfalls stark gebeugt, wenn nicht che dort genannten
Ausnahmen eintreten:
manche kaufmännisch« Angestellte (häufig auch: manche kaufmännischen An¬
gestellten, aber nicht: manche kaufmännische Angestellten); nach der Meinung
mancher kaufmännischer Angestellter (häufig auch: mancher kaufmännischen
Angestellten, aber nicht: mancher kaufmännischer Angestellten); einige mitleidige
nahe Verwandte, durch die Hilfe einiger mitleidiger naher Verwandter.

Ebenso bei der Apposition (mit den unter 366 genannten Ausnahmen):
ich als ältester Angestellter, wir als gute Deutsche, mir als technischem Angestellten,
mir als ältester Angestellten (Dat. Fern.).

f) Substantivierte Adjektive (Partizipien) ohne Deklinationsendung


Ohne Deklinationsendungen stehen formelhafte Substantivierungen des 370
Maskulinums, besonders von Adjektiven, die als Gegensatzpaare auf-
treten:
Strafanzeige gegen Unbekannt erstatten, arm und reich (= jedermann), klein uild
groß (= jedermann), alt und jung (= jedermann), Unstimmigkeiten zwischen Alt
und Jung (= zwischen Alten und Jungen), hoch und niedrig, vornehin und gering.
Aber auch Verdoppelung des Adjektivs kommt vor:
Gleich und gleich gesellt sich gern.
Ebenso stehen formelhafte Verbindungen und Wendungen des N eutrums
vielfach ohne Endung:
jenseits von Gut und Böse, ohne Arg, von jung (klein) auf; was man schwarz auf
weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen (Goethe); von fern und nah, durch
dick und dünn.
Diese Wendungen sind jedoch zu unterscheiden von der bloßen Nennung
von Eigenschaftswörtern ohne Beziehung auf ein Wesen oder Ding:
auf schuldig, plädieren; Ehrlich währt am längsten (Sprw.). Allzu scharf macht
schartig (Sprw.). Die Begriffe „recht“ und „unrecht“.

3. Die Deklination des Adjektivs als Gleichsetzungsglied


371 Das in der Rolle eines Gleichsetzungsgliedes stehende Adjektiv (Ordnungs¬
zahlwort, Pronomen) wird immer gebeugt (mit oder ohne Artikel und
mit Kongruenz in Numerus, Genus und Kasus, vgl. 1190ff.). Es lassen sich
dabei folgende Gruppen unterscheiden:

372 a) Klassifizierende Adjektive


Adjektive, die klassifizieren, eine Art oder Sorte unterscheidende Be¬
deutung ausdrücken sollen, wobei die Art, von der sie sich unterscheiden;
genannt sein kann, werden als Gleichsetzungsglied gebeugt. Die Aussage
wird durch die Flexion des Adjektivs betont und herausgehoben und
anderen Arten gegenübergestellt:
Diese Weise zu leben ist nicht die rechte für dich. Dieses Problem ist ein Öffentliches
[, kein privates]. Die ganze Frage scheint mir keine politische, sondern eine pädago¬
gische zu sein. Denn das Reich des Geistes ist ein heiteres und freies, . . . (A. Stifter).
xDie Betonung der attributiv stehenden Adjektive erfüllt oft den gleichen
Zweck, die Nuance der Klassifizierung fällt dann allerdings weg:
Das ist ein öffentliches [, kein privates] Problem.

Die Beugung des Subjekt- oder objektbezogenen Adjektivs sollte bei


normalen Aussagen ohne Klassifizierungsbedeutung vermieden wer¬
den. Sie ist vorwiegend süddeutscher Sprachgebrauch, der sich aber
auch in der Literatur findet:
Wenn auch dein Eintritt hier ein etwas ungewöhnlicher war (Ewers); statt:. . . etwas
ungewöhnlich war. Diese Tage im Waldlager wurden ihm plötzlich ganz seltsame
(Doderer); statt: ganz seltsam. Deine Meinungen nenne ich weibische (G. Hauptmann);
statt: nenne ich weibisch.

b) Adjektive, die in Gegensatz zu einem vorangegangenen attri¬


butiven Adjektiv gestellt werden
Ein neues Buch ist nicht immer ein gutes (Lessing).

Aber auch:
Ein neues Buch ist nicht immer gut.

c) Die Superlative (vgl. 392)


Dieser Schüler ist der beste [oder am besten]. Seine Auffassung vom Eheleben war
die strengste (H. Mann).
Die Vergleichsformen des Adjektivs 223

Die Fügung mit „am“ wird vor allem dann gebraucht, wenn der höchste
Grad einer Eigenschaft mit einer freien Umstandsangabe verbunden ist:
Der Starke ist am mächtigsten allein (Schiller). Das Kleid ist bei künstlichem Licht
am schönsten.

d) Die Ordnungszahl Wörter, (vgl. 537)


Fritz ist der erste, der dritte.

e) Bestimmte Pronomen (außer Possessivpronomen) und Adjektive mit


demonstrativer Bedeutung
Es ist immer dasselbe . . . Seine Absicht war diese . . . Mein Plan ist lolgender
Seine Worte waren ganz andere. Der einzig mögliche Weg ist der genannte. Der Er¬
folg war ein doppelter.

IV. Die Vergleichsformen des Adjektivs1 2 3 4 (Komparation)

1. Die regelmäßigen Vergleichsformen einfacher Adjektive


Durch die Vergleichsformen des Adjektivs werden Beziehungen und 373
Verhältnisse bestimmter Art zwischen zwei oder mehr Wesen oder Dingen
sprachlich gekennzeichnet. Dies geschieht in den folgenden Formen :
1. a) Fritz ist groß.
b) Fritz ist so groß wie Lotte.
2. Fritz ist größer als Lotte.
3. Fritz ist der größte unter (von) seinen Mitschülern.
4. Der Betrieb arbeitet mit modernsten Maschinen.

Im ersten Fall wird in Satz a) nur die Eigenschaft eines Wesens ge¬
geben. Diese einfache Setzung der Eigenschaft ist der Positiv2 (Grund¬
stufe). Vom Positiv geht auch Satz b) aus. In Satz b) wird die Gleichheit
zweier (oder mehrerer) Wesen in bezug auf ihre Größe festgestellt. Die
Grundstufe des Adjektivs steht hier zwischen den Vergleichspartikeln
„so“ und „wie“: so groß wie.
Im zweiten Fall wird die Ungleich hei t. zweier (oder mehrerer) Wesen in
bezug auf ihre Größe festgestellt: Fritz übertrifft Lotte an Größe. Dies
ist der Komparativ3 (1. Steigerungsstufe, Höher-, Mehrstufe).
Im dritten Fall wird gesagt, daß Fritz alle seine Mitschüler an Größe
übertrifft. Diese Vergleichsform kennzeichnet also den höchsten Grad,
der überhaupt oder innerhalb einer getroffenen Auswahl (mindestens
aber drei) zu erreichen ist. Sie heißt Superlativ4 (2. Steigerungsstufe,
Höchst-, Meiststufe).
Im vierten Fall wird ein sehr hoher Grad ausgedrückt: Die Maschinen,
mit denen der Betrieb arbeitet, sind (nicht die modernsten von allen

1 In den Beispielen ist nicht unterschieden, wie das Adjektiv syntaktisch auftritt. Über
die Vergleichsformen des Adverbs vgl. 553.
2 Lat. positio = [normale] Lage, [Grundstellung.
3 Lat. comparare = vergleichend zusammenstellen, vergleichen.
4 Lat. superlatum, wörtlich = das über etwas hinaus Getragene, das Übertriebene.
224 Das Adjektiv

Maschinen überhaupt, sondern nur) sehr modern. Diese Vergleichsform


heißt absoluter Superlativ oder Elativ1. Sie stimmt formal mit der des
Superlativs überein. Zu den einzelnen Vergleichsformen wird folgendes
bemerkt:
a) Der Positiv
374 Er wird mit der normalen, unveränderten Form des Adjektivs gebildet.
Die Vergleichspartikeln sind in der heutigen Schriftsprache im allge¬
meinen „so-wie“ (nicht: „so-als“). „Als“ wird nur noch gebraucht in
traditionellen Wendungen, die bis heute’ korrekt geblieben sind:
sowohl - als (auch), neben: sowohl - wie (auch); so wenig als, neben: so wenig wie;
so bald [schnell, gut, viel, weit, lange usw.] als möglich, neben: . .. wie möglich.
Und ich halte sie so fest, als der Respekt es zuläßt (Th. Mann)... so günstig . . .als
möglich (ders.)

Die Vergleiehspartikel „als wie“ statt des bloßen „wie“ ist heute nicht
mehr schriftsprachlich:
... und bin so klug als wie zuvor (Goethe).
„So“ kann durch Grad- und Zahladverbien näher bestimmt werden:
ebenso, genauso, geradeso, doppelt so, dreimal so ...

Nach doppelt oder dreimal so [groß] steht „wie“ oder „als“, je nachdem,
ob die Gleichheit oder Ungleichheit betont wird; man neigt heute jedoch
mehr zur Betonung der Gleichheit:
Die Ernte ist doppelt so groß wie (seltener: als) im vorigen Jahr.
Der gleiche Grad zweier Eigenschaften eines Wesens oder Dinges wird
ebenfalls durch so - wie ausgedrückt:
Er ist so dumm wie faul. Der Versuch ist so kostspielig wie nutzlos.
Die Gleichheit kann auch verneint werden:
Dieses Bild ist nicht so schön wie jenes.
Bei formelhaft gewordenen Vergleichen kann „so“ wegbleiben:
Er ist [so] hart wie Stahl, [so] kalt wie Eis, [so] schlau wie ein Fuchs.
Die Umstellung „wie Schnee so weiß“ ist dichterisch.

b) Der Komparativ
a) Bildung, Umlaut
375 Der Komparativ wird durch Anhängen von -er an die Grundstufe ge¬
bildet, wobei bei den umlautfähigen Wörtern überwiegend Umlaut
eintritt (ebenso beim Superlativ):
frei - freier; fleißig - fleißiger; alt - Älter (- Älteste); groß - größer (- größte); jung
- jünger (- jüngste).

Der Umlaut tritt nicht auf:


1. bei Adjektiven auf -el, -er, -en, -e, -bar, -sam, -lieh, -ig, -haft und
mit dem Diphthong au:
dunkel - dunkler (- dunkelste); mager - magerer (- magerste); offen - offener
(- offenste); lose - loser (- loseste); dankbar - dankbarer (-dankbarste); spar¬
sam - sparsamer (- sparsamste); tunlich - tunlicher (- tunlichste); artig - artiger
(-artigste); boshaft - boshafter (-boshafteste); schlau - schlauer (-schlauste);
laut - lauter (- lauteste).

1 Lat. elatum = das Empor-, Herausgehobene, Erhabene.


Die Vergleichs formen des Adjektivs 225

2. bei allen Partizipien:


passend - passender (- passendste); gewandt - gewandter (- gewandteste).

3. bei den folgenden einzelnen Adjektiven:


Stammvokal a: barsch, blank, brav, fahl, falb, falsch, flach, gemach, kahl, klar,
knapp, lahm, matt, platt, rasch, sacht, sanft, satt, schlaff, schlank, starr,
straff, wahr, zahm, zart.
Stammvokal o: froh, hohl, hold, morsch, roh, schroff, stolz, toll, voll.
Stammvokal u: bunt, dumpf, plump, rund, stumpf, stur, wund.

4. bei allen fremden Adjektiven:


logischer, galanter, rigoroser, obskurer.

Manche Adjektive schwanken besonders im Komparativ (aber auch 376


im Superlativ):
banger oder bänger (bangste oder bängste); blasser, auch: blässer (blässeste, auch:
blässeste); frommer oder frömmer (frommste oder frömmste); gesunder, auch: ge¬
sunder (gesündeste, auch: gesundeste); glatter, auch: glätter (glatteste, auch:
glätteste); karger, auch: kärger (kärgste, auch: kärgste); krummer, auch: krümmer
(krummste, auch: krümmste); nasser oder nässer (nässeste oder nässeste); röter,
röteste (seltener, vor allem übertragen: roter, röteste); schmaler oder schmäler
(schmälste, auch: schmälste).

Die Schriftsprache bevorzugt hier allerdings immer mehr die nicht-


umgelauteten Formen (abgesehen von „gesund“, bei dem die umge¬
lauteten Formen vorherrschen). Im Zweifelsfalle wähle man daher
stets die nichtumgelautete Form. Der Umlaut ist in diesen Fällen,
sprachgeschichtlich betrachtet, in starkem Rückgang.
In den Vergleichsformen umlautende Adjektive verlieren in Zusammen¬
setzungen gelegentlich den Umlaut:
Er ist klftger, aber: Er ist noch altkluger als sie.

ß) Auswertung des „e“


Adjektive, die auf -el ausgehen, werfen im Komparativ das „e“ der Ab- 377
leitungssilbe aus:
ein dünnerer (nicht: dunkelerer) Wald; eines edleren Menschen.

Adjektive auf -er und -en können das „e“ der Ableitungssilbe behalten,
werfen es aber oft aus, um drei unbetonte „e“ zu vermeiden:
ein heit[e]reres Wetter; fin8t[e]rere Gesichter; ein trock[e]neres Handtuch.

Da in der nichtdeklinierten Form nur zwei „e“ stehen, wird hier meist
die volle Form gebraucht:
Sie Ist nicht heiterer als ich. Dieses Handtuch ist trockener.

Das Endungs-e auszuwerfen, ist nur in besonderen Fällen, wie z. B. in der


Dichtung üblich:
dem bessern Rat, den kürzern Weg.

Man vermeide aber, das „e“ der Komparativendung -er wegzulassen:


also nicht: beßre, größre, längre.

y) Vergleichspartikel
Die Vergleichspartikel beim Komparativ ist in der heutigen Schrift- 378
spräche „als“ (daneben wird in der Alltagssprache allerdings häufig
auch „wie“ verwendet):
Fritz ist größer als Lotte.
226 Das Adjektiv

„Als“ steht auch nach „anders, niemand, keiner, nichts, umgekehrt, ent¬
gegengesetzt“ und nach „zu“ + Positiv, die alle ebenfalls zwei Wesen
oder Dinge in vergleichende Beziehung setzen:
Er ist anders als ich. Nichts als Ärger hat man davon. Die Sache ist umgekehrt, als
man sie darstellt, . .. zu groß, als daß .. .
Die Vergleichspartikel „denn“ ist veraltet. Sie findet sich noch in der
formelhaften Wendung „mehr denn je“ und manchmal, wenn zwei „als“
nebeneinanderstehen würden:
Er sprach mit mir mehr als Freund denn als Vorgesetzter.
Sonst trifft man sie nur noch in gewählter Sprache:
. . . mehr aus Klugheit denn aus Überzeugung (Th. Mann). Wir sind ärmer denn
die armen Tiere (R. M. Rilke).
Die Vergleichspartikel „als wie“ statt des bloßen „als“ ist heute nicht
mehr schriftsprachlich:
. . . geschwinder als wie der Wind (Immermann).

6) Verstärkung und Negation des Komparativs


379 Der Komparativ kann durch Gradadjektive und -adverbien ver¬
stärkt werden ([noch] viel, [noch] weit, bei weitem, erheblich, bedeutend,
entschieden, wesentlich, ungleich, noch, wenig, etwas):
Fritz ist viel größer als Lotte. Er ist noch fleißiger als Karl. Sie ist etwas hübscher
als Lilo.
Der negative (geringere) Grad wird stets mit „weniger“ oder „minder“
umschrieben:
Dieses Bild ist weniger (minder) schön als jenes. In dem nicht minder fesselnden
zweiten Teil des Romans . ..

Beachte:
Die Fügung „nicht[s] weniger als“ hat zwei Bedeutungen:
1. „Nicht weniger als“ dient zur umschreibenden Hervorhebung der Ganzheit eines
Begriffes (gelegentlich tritt auch „nichts“ an die Stelle von „nicht“):
Ich habe nicht weniger als 100 DM dabei eingebüßt (= Ich habe ganze, volle
100 DM eingebtißt). Es hatten nämlich nicht weniger als drei von uns . . . den
Versuch gemacht, eine Geschichte unserer Reise zu geben (Hesse) (= ganze drei
von uns). Was ihm equestrisch dabei zur Verfügung stand, war freilich nichts
weniger als ein Dänenroß voll Kraft und Feuer (Fontane) ( = ein ganzes, wirk¬
liches Dänenroß, nichts Geringeres als ein Dänenroß).
2. „Nichts weniger als“ dient aber auch zur verstärkenden Verneinung. Der nega¬
tive (tadelnde) Satzinhalt „Ich bin mit allem zufriedener als mit deinen Leistungen“
wird durch die doppelte Verneinung „Ich bin mit nichts weniger zufrieden als mit
deinen Leistungen“ noch verstärkt (wobei „weniger zufrieden“ auch durch „un¬
zufriedener“ ausgedrückt werden könnte):
Ich marschierte rüstig und leicht, aber nichts weniger als ruhig durch die Dörfer
(Seume) (= ganz und gar nicht ruhig). Ein solcher war nun zwar der Pfarrer
meines Heimatdorfes nicht, auch nichts weniger als ein reicher Mann (G. Keller)
(= Er war ganz und gar nicht reich).
Man vermeide; die Fügung ,,nicht[s] weniger als“ zu gebrauchen, wenn Mißver¬
ständnisse dadurch auftreten könnten. Der Satz „Das Fahrzeug war nichts weniger
als ein Rennwagen“ ist mißverständlich, wenn der Sinn nicht aus dem Zusammen¬
hang hervorgeht. Ist das Fahrzeug kein Rennwagen oder nichts Geringeres als
ein Rennwagen?
Die Vergleichsformen des Adjektivs 227

e) Besondere Verwendungen des Komparativs

1. Die Komparativform wird auch dann gebraucht, wenn sich der 380
Vergleich nicht auf die Grundstufe des betreffenden Adjektivs, son¬
dern auf sein Gegenwort, sein polares Gegenüber bezieht. Dieser
Gebrauch betrifft aber nur die geläufigsten Extrempaare (ebenso bei
Ziff. 381). Der Komparativ „besser“ z. B. steigert in diesen Fällen nicht
das Wort „gut“, sondern sein Gegenteil „nicht gut, schlecht“, jedoch
in positivem Sinne:
Gestern ging es dem Kranken gar nicht gut, heute geht es ihm aber schon wesent¬
lich heuer (aber immer noch schlechter, als wenn es ihm gut ginge!).

Ebenso:
Es ist wärmer geworden (im Vergleich zu der früheren Kälte).
Es findet also eine regelrechte Umkehrung statt.

2. Von etwas anderer Art ist die Wortgruppe „ein älterer Herr“ u. ä. 381
Zwischen den gegensätzlichen. Größen alt - jung wird eine Zwischen¬
größe gesucht, da Zweifel über das zu wählende Adjektiv besteht:
alt - älter - jünger - jung.

Der Komparativ hat hier abschwächende, mindernde, einschränkende


Bedeutung: Ein „älterer“ Herr ist jünger als ein alter, aber auch älter
als ein junger; er ist etwas alt, eher alt als jung. Ebenso:
seit längerer Zeit, eine größere Zahl; das Buch ist schon länger vergriffen; diese
Schreibungen treten häufiger auf.

3. Der Vergleichsgegenstand ist manchmal aus dem Zusammenhang 382


zu ergänzen, etwa mit „als gewöhnlich“ o. ä.:
Seine Ansprüche werden größer [als gewöhnlich]. Die reicheren Familien [die
reicher sind als die gewöhnlichen Familien] wohnen in diesem Stadtviertel.
Der Komparativ nähert sich hier absoluter Bedeutung (vgl. 393) und
steht nur noch als Attribut.

4. Der Komparativ stellte in unseren Beispielen bisher stets die Un- 383
gleichheit zweier Wesen oder Dinge fest. Soll jedoch der ungleiche
Grad zweier Eigenschaften eines Wesens oder Dinges gekennzeichnet
werden, dann bedient man sich der komparativischen Gradadverbien
„mehr“ (eher) und „weniger“ vor der Grundstufe der Adjektive:
Ich war mehr tot als lebendig. Er ist eher faul als dumm. Sie handelte weniger
leichtsinnig als unüberlegt.

Doch kommt auch die reine Komparativform vor:


Vielleicht hat er wahrer als klug und fromm gesprochen (Goethe). Das zwei¬
fenstrige Gemach war bedeutend länger als breit (Raabe).

Der mit „als“ angeschlossene Vergleich kann fehlen:


mehr praktische [als theoretische] Ziele verfolgen; Wüllersdorf war wieder darauf
aus, das Gespräch auf mehr gleichgültige Dinge zu lenken (Fontane).

Die Eigenschaften können auch durch Substantive oder Verben aus- 384
gedrückt werden:
Er ist mehr Kaufmann als Offizier. Es war mehr Spaß als Emst. Er redet mehr
als er handelt.
228 Das Adjektiv

5) Die Beugung des Komparativs


385 Die Komparative werden wie die Positive stark und schwach gebeugt:
Es gibt kein schöneres Land. Du kannst es einem ärmeren Menschen schenken.
Sie bilden auch flexionslose Formen, die als Artangabe gebraucht werden:
Eva wird immer reizender. Der Mut stellt sich die Wege kürzer vor (Goethe).

c) Der Superlativ

a) Bildung, Umlaut

386 Der Superlativ wird durch Anhängen von -st oder -est an die Grundstufe
gebildet:
fleißig - fleißigste; alt - älteste; frei - frei[ejste.
Über den Umlaut beim Superlativ vgl. Komparativ Ziff. 375 f.

ß) Auswertung des ,,e“

387 Ob -st oder -est gebraucht wird, bestimmen Auslaut und Silbenzahl des
Adjektivs:
Die meist einsilbigen Adjektive auf -d, -s, -ß, -st, -t, -tz, -x, -z und die
mehrsilbigen, die den Ton auf der letzten Silbe tragen, erhalten -est:
hold - holdeste, kraus - krauseste, süß - süßeste, dreist - dreisteste, sanft - sanfteste,
spitz - spitzeste, lax - laxeste, schwarz - schwärzeste, berühmteste, gespreizteste, ver¬
störteste, behendeste.

Ausnahme:
größte (für: größeste).
Beibehaltung des „e“ kommt aber doch gelegentlich vor:
mit dem größesten Vergnügen (Baabe), mit dem allergrößesten Eifer (Wildenbruch).

Die auf -sch endenden können das „e“ auch auswerfen:


rasch[e]ste, frisch[e]ste.
Adjektive, die auf Diphthong oder ailf Vokal (Diphthong) + h enden,
stoßen das „e“ überwiegend aus, behalten es aber auch bei besonderer
Betonung des Superlativs:
freiste - freieste, frohste - froheste, rauhste - rauheste.
Alle anderen, vor allem auch mehrsilbige, nicht auf der letzten Silbe be¬
tonte Adjektive haben -st:
kleinste, längste, edelste, verworrenste, gefürchtetste, passendste, fleißigste, komischste.

Die Adjektive auf -el, -en, -er werfen ebenfalls im Superlativ das „e“ der
Endung -est aus:
edelste, erhabenste, bitterste.
Bei auf -sch endenden Adjektiven wurde früher in ungezwungener Aus¬
sprache das „s“ der Endpng -st ausgeworfen (vgl. Preußisches Regel¬
buch) :
hübschte, nftrrischte.
Dies ist heute unüblich geworden.
Die Vergleichsformen des Adjektivs 229

y) Verstärkung und Negation des Superlativs

Noch verstärkt wird der Superlativ durch Vorsetzen von „aller [aller]-, 388
weitaus, bei weitem, denkbar“:
die allerschönste, der allergrößte, das aller aller schönste, weitaus der beste, bei wei¬
tem d'.r größte, in denkbar kürzester Frist.
Der geringste Grad wird stets mit „am wenigsten“ oder „am mindesten“
umschrieben:
Dieses Bild ist am wenigsten (am mindesten) schön.

b) Zum Gebrauch des Superlativs

1. Der Superlativ ist nur dort sinnvoll, wo ein Wesen oder Ding 389
mit mehreren anderen verglichen wird. Beim Vergleich von nur zwei
Wesen oder Dingen ist er überflüssig, weil das Mehr oder Weniger
xdes einen bereits durch den Komparativ deutlich wird. Früher war
man hier unbedenklicher (wie heute noch in der Umgangssprace) :h
Früher: Wir wollen sehen, welcher Genius der stärkste ist, dein schwarzer oder
mein weißer (Goethe). Ein Vater hatte zwei Söhne, davon war der älteste klug
und gescheit (Grimm). Jetzt: Fritz ist der größere von beiden (nicht: der größte).

2. „Erste“ und „letzte“ würden nicht mehr als ausgesprochene Super r 390
lative gefühlt, sondern als Positive aufgefaßt. Man bildete daher neue
Komparativformen „ersterer - letzterer“, die auf das Näher- oder
Fernerliegen zweier Wesen oder Dinge hinweisen im Sinne von „jener -
dieser“ oder „der eine - der andere“. Sie halten sich hartnäckig, da
sie deutlicher sind als diese und daher einem Bedürfnis entsprechen.
Falsch steht jedoch „letzterer“ nach mehr als zwei Wesen oder
Dingen und als Umschreibung eines Pronomens. Also nicht:
Karl, Fritz, Anna und Elisabeth gingen spazieren. Letztere war eben erst. . .
Ein Garten, der durch eine Lücke in der Mauer des Schloßgartens an den schat¬
tigsten Teil des letzteren stößt (statt: an dessen schattigsten Teil).

e) Andere sprachliche Mittel zum Ausdruck des höchsten Grades

Der höchste Grad kann auch durch andere sprachliche Mittel ausge- 391
drückt werden, z. B. durch den hinweisenden, stark hervorhebenden
Gebrauch des Artikels:
Persil ist das Waschmittel (= das beste Waschmittel).
Oder durch den Genitiv der Steigerung (vgl. 980, 2):
das Buch der Bücher (= das bedeutendste Buch).
Über die Umschreibung des Superlativs bei Partizipien vgl. 410.

§) Beugung des Superlativs

Die Superlative werden wie die Positive stark und schwach gebeugt, 392
bilden aber im allgemeinen keine flexionslosen Formen (Ausnahme:
allerliebst) und müssen, auch wenn sie aussagend verwendet werden,
ebenfalls gebeugt werden:
Dieser Tag ist der kürzeste (nicht: ... ist kürzest). Die Tage sind im Winter am kür¬
zesten (vgl. 372, c). Es steht mit ihm nicht zum besten. Aber: Der>Junge ist allerliebst.
230 Das Adjektiv

d) Der Elativ (absoluter Superlativ)


393 Der Elativ stimmt in der Form mit dem Superlativ überein, bezeichnet
aber nicht den höchsten, sondern nur einen sehr hohen Grad. Weil bei
ihm das Vergleichsglied fehlt, nennt man ihn auch den absoluten Super¬
lativ :
[Meine] liebste Mutter!, Ihr ergebenster...» in tiefster Trauer, nur beste Weine. Auf
fadeste Dummköpfe machte er Eindruck (6. Hauptmann).
Der Elativ steht besonders nach „ein“, „jeder“ und anderen Pronominal-
adjektiven:
Es ist ein tiefster Zug der Unternehmungswirtschaft, einen endlos anwachsenden
Markt für ihre Industrieerzeugnisse zu ersehen (Lamprecht). Jede leiseste Anspielung;
viele erste Autoritäten.
394 Absolute Bedeutung haben auch flektierte und unflektierte Superlativ¬
formen des Adjektivs, die als Umstandsangaben stehen:
Ich grüße dich auf das (aufs) herzlichste. Man spielt aufs schändlichste mit dir(Schiller).
Bei einem Wirte wundermild, da war ich jüngst zu Gaste(Uhland). Ebenso: gehör-
samst (mil.), ergebenst (Briefschlußformel), weitestgehend
und Ableitungen auf -ig und -lieh, besonders in Ergebenheits- und Höf¬
lichkeitsfloskeln :
gefälligst, gütigst, baldigst, billigst, herzlichst, freundlichst, höflichst, höchlichst,
möglichst (vgl. 402), tunlichst.

e) Weitere sprachliche Mittel zum Ausdruck des sehr hohen Grades


Der sehr hohe Grad wird auch ausgedrückt :
395 a) durch bestimmte Gradadjektive und -adverbien wie „sehr, höchst,
äußerst, überaus, ungemein, [ganz] besonders, außerordentlich, unge¬
wöhnlich, wirklich, erstaunlich, wunder[s] wie usw. + Positiv:
ein sehr geschickter Tischler, eine höchst einflußreiche Persönlichkeit, ein ganz be¬
sonders schönes Geschenk.
Man hüte sich vor unpassenden, stillosen Übertreibungen beim Gebrauch
solcher Wörter:
riesig oder schrecklich nett, phantastisch schön, furchtbar interessant, fabelhaft belesen,
kolossal appetitlich, verblüffend ehrlich, enorm aufschlußreich.

396 ß) durch Zusammensetzung von verstärkenden Bestimmungswörtern


mit dem Positiv:
wordsschwer, goldrichtig, «rzdumm, siegreich, urkomisch.

397 y) durch Zusammensetzung von vergleichenden. Bestimmungswörtern


mit dem Positiv:
steinhart, /ederleicht, zentnerschwer, bettelarm.

398 ö) durch zwei nebeneinanderstehende gleiche Positive (vgl.553 am Ende):


eine lange, lange Reihe; meine süße, süße Braut (Raabe). Wohl in fernen, fernen Tagen
(Uhland).

Gelegentlich werden die Adjektive zusammengezogen, und nur das


letzte wird gebeugt:
Das Lied vom rotroten Mohn (Löns)... lieb-liebste Mutter (Th. Mann).
Diese Ausdrucksweise ist volkstümlich, poetisch und kindersprachlich.
Die Vergleichsformen des Adjektivs 231

e) Durch entsprechende Wortwahl: 399


eine vollendete Haltung, ein vollkommener Körper, eine absolute Unmöglichkeit, ein
winziges Teilchen, ein gewaltiger Aufschwung.

f) Weitere Gradabschattungen

Weitere Gradabschattungen sind:

a) Der zu hohe Grad


Dieser Grad wird ausgedrückt: 400
1. durch das Gradadverb „zu, allzu“ 4- Positiv:
Sie war allzu schön. Br ist zu vorlaut.
2. durch den Komparativ eines Adjektivs, dessen Grundstufe oder
Eigenschaftsträger als Vergleichsgegenstand genannt wird:
Der ist klüger als klug. Er ist päpstlicher als der Papst.
3. durch Zusammensetzung von „über“ mit dem Positiv:
überreif, übereifrig, übervoll, überwach.

ß) Der gesteigerte Grad


Der gesteigerte Grad einer Eigenschaft wird auch durch „mehr als“ -f 401
Positiv bezeichnet. Die folgende Erläuterung dazu kann fehlen:
Er ist mehr als durchtrieben [er ist unehrlich, ein Betrüger]; eine mehr als leichtsinnige
Auffassung.

y) Der möglichst hohe Grad


Dieser Grad wird ausgedrückt durch „so + Positiv 4- wie (als) möglich“, 402
durch „möglichst 4- Positiv“ oder durch eine Zusammensetzung:
so grdß wie möglich - möglichst groß - größtmöglich.
Für „baldestmöglich“ tritt „baldmöglichst“ ein. Die Zusammensetzungen „größt¬
möglich, bestmöglich“ usw. hat die Sprachgemeinschaft geschaffen, um sie mit dem
bestimmten Artikel davor attributiv verwenden zu können:
die größtmögliche Glätte und Ebenmäßigkeit (Th. Mann).
Statt der umständlichen Konstruktion „Warten Sie die beste Gelegenheit ab, die mög¬
lich ist“ sagt man kürzer und nicht schlechter „Warten Sie die bestmögliche Gelegen¬
heit ab“. Wo diese Notwendigkeit nicht vorliegt, begnüge man sich mit den nicht
zusammengesetzten Formen:
Kommen Sie möglichst bald (nicht: baldmöglichst).
Man vermeide, „möglichst“ neben Begriffen zu gebrauchen, die nicht verglichen werden
können. Falsch ist also:
Vertreter gesucht, möglichst verheiratet. . .; möglichst unter freiem Himmel.
Hier muß „wenn möglich“, „wo möglich“ oder „nach Möglichkeit“ eintreten.

ö) Der beständig zunehmende Grad


Der beständig zunehmende Grad einer Eigenschaft wird außer durch 403
„immer“ 4- Komparativ auch durch die Verbindung von Positiv 4- Kom¬
parativ oder noch häufiger durch Komparativ 4- Komparativ desselben
Adjektivs ausgedrückt:
Immer enger . .. ziehen sich die Lebenskreise ... (Th. Fontane). Und ihr Hals wird
lang und länger. Ihr Gesang wird bang und bänger (Busch). Sie wurde schöner und
schöner, je näher man vor ihr stand (Wieland).
232 Das Adjektiv

Daneben ist auch zweimaliges durch „und“ verbundenes „mehr“ + Po¬


sitiv üblich:
Die Sache wird mehr und mehr bedenklich,

e) Der eingeschränkte, ermäßigte Grad


404 Dieser Grad wird durch Gradadjektive wie „mäßig“ oder ;,ziemlich“ +
Positiv ausgedrückt:
Er ist mäßig groß, ziemlich reich.
Über den eingeschränkten Grad, den die doppelte Verneinung ausdrückt,
vgl. 1166.

2. Die unregelmäßigen Vergleichsformen einfacher Adjektive


405 Bestimmte, in der Zähl sehr beschränkte Adjektive und Pronominal-
adjektive zeigen unregelmäßige Vergleichsformen, d. h. Komparativ und
Superlativ werden von anderen Wortstämmen oder durch Veränderung
eines Konsonanten gebildet. Es handelt sich um die Adjektive „gut“,
„hoch“, „nahe“ und um die Pronominaladjektive „viel“ und „wenig“
(vgl. 514 ff.):
gut - besser - best, viel - mehr - meist, wenig - minder - mindest (daneben: weniger -
wenigst).
Den Konsonanten verändern:
hocA - höAer - höchste, naAe - näAer - näcAste.
Die eigentlichen Komparative „äußere, innere, obere, untere, vordere,
hintere, mittlere, niedere“ wurden schon in althochdeutscher Zeit als
Positive aufgefaßt. Sie bilden die Superlative „äußerste, innerste“ usw.,
aber keinen Komparativ.

406 3. Die Vergleichsformen zusammengesetzter oder zusammen¬


geschriebener Adjektive (Partizipien)

a) Vergleich des Bestimmungswortes


Bei zusammengesetzten oder zusammengeschriebenen Adjektiven (vgl.
650) setzt man den ersten Bestandteil in die Vergleichsform, wenn jedes
von den beiden Gliedern noch seinen eigenen Sinn bewahrt hat:
ein acAwerverständlicher Text, ein noch schwerer verständlicher Text, der am
schwersten verständliche Text; der verbietende - der verbietende Käufer; eine
AocAgestellte - AdcAelgestellte Persönlichkeit.
Zur Steigerung „größtmöglich“ vgl. 402.

b) Vergleich des Grundwortes


Man setzt das Grundwort und damit die ganze Fügung in die Vergleichs¬
form, wenn die Zusammensetzung einen einheitlichen Begriff, zumal
einen Begriff mit neuem, übertragenem Sinn ergibt:
in sXtmodischster Kleidung, die weit tragendsten Entscheidungen, mit den viel-
sagendsten Gesichtern, wohlfeilste Waren, die hoch fliegendsten Pläne, der Wohl-
gesinnteste von ihnen, zartfühlender als du.
Die Vergleichs formen des Adjektivs 233

c) Schwankungen
Man setzt die Vergleichsform nach persönlichem Ermessen bei Parti¬
zipien, die verschieden (nach a oder nach b) empfunden werden
können:
schwerer wiegende oder schwerwiegendere Gründe, weitestgehende oder weitgehendste
Einschränkungen. Sie ist zarter besaitet oder zartbesaiteter als Inge.
Man beachte den Unterschied zwischen der konkret-sinnlichen und der
übertragenen Bedeutung:
höher fliegende Flugzeuge, aber: hochfliegendere (= ehrgeizigere) Pläne.

d) Unzulässiger Vergleich beider Bestandteile


Vergleichsformen bei beiden Bestandteilen sind unzulässig:
das nächstliegende (nicht: nächstliegendste) Problem, das meistgelesene (nicht:
meistgelesenste) Buch, in größtmöglicher (nicht: größtmöglichster) Eile, weiter¬
reichende (nicht: weiterreichendere) Befugnisse.

4. Vergleichsunfähige Adjektive

a) Nach der Art charakterisierende Adjektive mit bestimmter


Bedeutung
Vergleichsformen können nur Adjektive bilden, die ein Wesen oder Ding 407
nach der Art zu charakterisieren vermögen (vgl. 326). Ausgenommen
hiervon sind lediglich Adjektive, die zwar nach der Art charakterisieren,
deren Bedeutung aber einen Gradunterschied nicht zuläßt. Dies sind:
a) Adjektive, die bestimmte Verfahrens- oder Zustandsweisen aus-
drücken:
schriftlich, mündlich, wörtlich, ledig, sterblich, viereckig, rund, tot, lebendig, leblos,
stumm, nackt.
Hierher gehören auch zusammengesetzte Adjektive, deren Bestimmungs¬
wort bereits eine Verstärkung bezeichnet:
schneeweiß, Muljung, «leinreich, urkomisch, riesengroß
und Adjektive, die bereits einen höchsten oder geringsten Grad aus-
drücken:
maximal, minimal, total, absolut, erstklassig.
Die letzteren werden trotzdem gelegentlich gesteigert, weil sich der
Sprecher entweder der Bedeutung des Fremdwortes nicht bewußt ist
oder weil er aus bestimmten Gründen (so besonders bei der Werbung) den
höchsten (geringsten) Grad noch verstärken will:
minimalster Verschleiß; erstklassigste Ausführung.
Diese Superlative sollten in der gepflegten Sprache gemieden werden.
Anders zu beurteilen sind jedoch die Vergleichsformen der Adjektive, die
an sich einen höchsten (geringsten) Grad ausdrücken, aber auch in re¬
lativer Bedeutung verwandt werden können:
Was leer ist, kann an sich nicht leerer sein; was still ist, kann nicht am stillsten sein.
Gebraucht der Sprecher aber das Wort nicht in seiner absoluten, sondern ln einer
relativen Bedeutung (das Eino ist leer [obwohl einige Sitzreihen gefüllt sind]), dann
kann er auch vergleichen: Das Eino ist heute leerer als gestern. In den stillsten
Stunden der Nacht...
234 Das Adjektiv

ß) Adjektive, die ein mögliches Geschehen verneinen:


unrettbar, unüberhörbar, unverlierbar.

y) Zahladjektive:
letzt, einzig, neunfach, ganz, halb (vgl. aber 390).

ö) Indeklinable Farbadjektive (vgl. 362):


oliv, rosa, lila.

b) Adjektive mit begrenzter syntaktischer Verwendung


408 Alle Adjektive, die nur attributiv oder nur als Artangabe verwendet
werden (vgl. 328; 329), können (bis auf die unter 328, 3 aufgeführten
Adjektive bei Verbalsubstantiven) nicht gesteigert werden.

409 Die unter a) und b) genannten Adjektive können jedoch dann Vergleichs¬
formen bilden, wenn sie in übertragener Bedeutung verwendet werden:
eine lebendigere Darstellung . . . Die Straße ist lebloser als gestern. Er arbeitet mit
eisernstem Fleiß. Einzigstes, einzigstes Mädchen . . . (Goethe).

Vergleichsformen werden auch gelegentlich gewagt, wenn Adjektive, die


an sich nur die Herkunft charakterisieren (vgl. 328, 2), als Artadjektive
gebraucht werden:
Er ist der schwäbischste unter diesen Dichtem.

Die von Substantiven herkommenden Adjektive (vgl. 329,1, ß) können


Gradunterschiede nur durch Ümschreibungen ausdrücken:
Er ist weniger schuld als ich. Ihm tut es am meisten not.

c) Partizipien
410 Partizipien, die an der Wortart Adjektiv teilnehmen (vgl. 167 f.), können
nicht gesteigert werden, es sei denn, daß sie innerhalb der Wortart Verb
isoliert sind (vgl. 168):
Nur: das schreiende Kind, der ausgesprochene Tadel; aber (isoliert): das reizendste
Mädchen, der gelehrteste Mann.

Nicht steigerungsfähige Partizipien können jedoch Gradunterschiede


durch Umschreibungen ausdrücken, wenn die Bedeutung des Verbs dies
zuläßt:
der mich am meisten verdrießende Umstand.

V. Irrtümlicher Gebrauch des attributiven Adjektivs

a) Irrtümliche Beugung eines Adjektivs, das ein anderes näher


bestimmt
411 Ein Adjektiv, das ein anderes näher bestimmt, bleibt immer ungebeugt
(vgl. 330). Gelegentliche Beugungen gehören der Umgangssprache an:
Er ist ein rechter geiziger Kerl. Statt richtig: Er ist ein recht geiziger Kerl. Die
Wendung „Ich habe schöne warme Hände“ ist allerdings auch schriftsprachlich
schon fest geworden.
Irrtümlicher Gebrauch des attributiven Adjektivs 235

b) Irrtümliche Attribuierung einer Artangabe


Eine Konstruktionsverschiebung ist es, wenn eine Artangäbe, die verbal 412
zu beziehen ist, einem Substantiv attribuiert wird:
Das hieße tatsächlichen Selbstmord begehen. Statt: Das hieße tatsächlich Selbstmord
begehen. Ich wäre deshalb dankbar, wenn hierzu eine verbindliche Stellung genom¬
men würde. Statt: . . . verbindlich Stellung genommen würde.
Gelegentlich kann diese Verschiebung Sinnänderung hervorrufen:
Mein Gewissen gab mir eindeutig Antwort (verbal bezogen: das eindeutige Geben).
Mein Gewissen gab mir eindeutige Antwort (Attribut zu Antwort).

c) Irrtümliche Beziehung eines attributiven Adjektivs auf das Be¬


stimmungswort einer substantivischen Zusammensetzung
Steht das attributive Adjektiv vor substantivischen Zusammensetzungen, 413
dann bezieht sich das Adjektiv auf das Grundwort der Zusammensetzung.
Man darf deshalb keine Zusammensetzung so attribuieren, daß sich das
Adjektiv auf das Bestimmungswort bezieht. Also nicht:
„kleines Kindergeschrei“, sondern „das Geschrei kleiner Kinder“.
Das Lächerliche solcher Wendungen hat gelegentlich zu absichtlichen
Erfindungen gereizt, die zum Teil sprachüblich geworden sind:
des chemischen Fabrikbesitzers, in der sauren Gurkenzeit, dem vierstöckigen Haus¬
besitzer, des geräucherten Fischladens.
Nicht so auffällig sind:
der armen Sünderglocke, der roten Kreuzschwester, die schwarze Meerflotte, die
höhere Schulreform, im alten Weibersommer, des alten Herrenverbandes.
Die falsche Beziehung in diesen attributiven Fügungen wird durch die
falsche Getrenntschreibung noch verstärkt. Auch Schriftsteller haben,
teils mit, teils ohne Absicht, solche Bildungen gebraucht:
Der halbe Mond . . . war meist von treibendem Wolkendunkel überzogen (Storm).
Ein ehemaliger bonnetier, d. h. baumwollener Nachtmützenfabrikant (Heine).
Korrekt werden diese Verbindungen nur, wenn man sie durch Zusammen¬
schreibung oder durch Setzung von Bindestrichen notdürftig zu drei¬
gliedrigen Zusammensetzungen machen kann (vgl. 659 ff.). Dabei
tritt das Adjektiv unflektiert und flektiert auf:

a) Unflektiert (Adjektiv in der Stammform)


KZeüikinderspielzeug (Isolde Kurz), AZ/frauenge sicht (Borchert), unter diesem
AZZ-Damen-Erröten (Th. Mann).

ß) Flektiert
1. mit der (erstarrten) flektierten Form auf -e:
ein Armeleuteschloß (Wassermann), Gelberübenbrei (Heimeran), die Tracht der
Rote-Kreuz-Schwestern (Plievier), die Vorteile einer Loseblattausgabe, Grund¬
züge einer Geschichte der Hoheliedauslegung (Ohly), ein Bauer mit der-Rote-
Kreuz-Binde (Zuckmayer).
Schriftsprachlich werden die Möglichkeiten a und ß, 1 bevorzugt.
2. in Kongruenz mit dem Grundwort (mehr Alltagssprache):
eine Dumme-August-Fratze (Wassermann), der Gute-Wetter-JEind (Boree), ein
DitmmerjungensZmcA, Armersünderweg (Straßenname), in dieser Sawrengurken-
zeit, einen Armensxm&eigang (Barlach), nach AUend&menspeisen (Kluge).
236 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

Man sollte die Zusammensetzung aber stets durch die entsprechende


syntaktische Fügung ersetzen, wenn kein besonderer Anlaß zu ihr vor¬
liegt:
Die Manöver fanden an der Küste des Stillen Ozeans statt. Nicht: Die Manöver
fanden an der Stillen-Ozean-Küste statt. Das Gasthaus „Roter Hahn“, nicht: das
Rote-Hahn-Gasthaus.
Andere solche Fügungen sind sprachüblich und korrekt geworden, weil
das Adjektiv [zur Not] auch beim Grundwort Sinn hat und zum zu¬
sammengesetzten Wort paßt:
die deutsche Sprachwissenschaft, das Bürgerliche Gesetzbuch, das evangelische
Pfarrhaus, medizinische Buchhandlung, das geheime Wahlrecht.

E. BEGLEITER UND STELLVERTRETER


DES SUBSTANTIVS

414 In dieser Wortart fassen wir alle Wörter zusammen, die nur vom Sub¬
stantiv her verständlich sind. Wörter dieser Art sind ausschließlich für
das Substantiv geschaffen, um es in ganz bestimmter Weise näher zu
kennzeichnen oder sogar zu vertreten. Für die einzelnen Aufgaben, die
dieser Wortart gestellt sind, haben sich drei „Funktionsgruppen“ ge¬
bildet, zwischen denen es allerdings zahlreiche Übergänge gibt: der Ar¬
tikel, das Pronomen und das Zahlwort.

I. Der Artikel
415 Zur Wortart „Begleiter und Stellvertreter des Substantivs“ gehört auch
der Artikel. Da er aber nur in unmittelbarem Zusammenhang mit dem
Substantiv betrachtet werden kann, haben wir ihn bereits dort be¬
handelt (vgl. 206-236).

II. Das Pronomen

1. Leistung und Einteilung der Pronomen


416 Die wichtigste Leistung des Pronomens ist es, ein Substantiv zu ver¬
treten. Es bezeichnet dann das gemeinte Wesen oder Ding nur noch
ganz allgemein:
. Ein Kind ging über die Straße. Es war sehr unachtsam.
Hinter dem gleichen Pronomen können sich auf diese Weise Substantive
verschiedenster Bedeutung verbergen:
ich kann ein Mann, eine Frau, ein Kind, ein Bauer oder ein Minister sein; er ein
Mann, ein Lehrer, ein Tisch oder der Mut.
417 Die Pronomen nehmen als Stellvertreter des Substantivs am gramma¬
tischen Geschlecht ganz unterschiedlich teil, je nachdem, welche Be¬
deutung dieser Unterscheidung zugemessen wird. Die persönlichen Für¬
wörter, die im persönlichen Gespräch verwendet werden, können z. B.
Das Pronomen 237

auf diese Unterscheidung verzichten, weil der oder die Gemeinte stets
„da“ ist (ich, du, wir, ihr). Wird von einem Dritten (unter Umständen
Abwesenden) gesprochen, wird der Unterschied wieder wichtig (er, sie,
es). Die Pluralformen kennzeichnen jedoch, wie auch sonst beim Sub¬
stantiv, nirgends das grammatische Geschlecht. Ebenso verzichten die
Fragepronomen natürlicherweise auf das weibliche Geschlecht, da es ja
dem Fragenden nicht bekannt sein kann (Wer hat es gesehen ? Wen, was
habt ihr gesehen ?).
Das Pronomen vertritt aber nicht nur das Substantiv, sondern begleitet 418
es auch wie der Artikel oder das Zahlwort (vgl. 523):
Das Ist das Haus meines Vaters. Dieser Mann wird uns helfen. Welcher Junge hat
das getan?

Wie sich aus den beiden Verwendungsmöglichkeiten des Pronomens er- 419
gibt, trifft der Name „Pronomen“1 nur für die erste Leistung der Stell¬
vertretung zu. Er trifft also auch hier nicht das Ganze.
Nach den Beziehungen zwischen dem Pronomen und dem zugehörigen 420
Substantiv unterscheidet man:
1. die stellvertretende Nennung einer Person [oder Sache] (Personal¬
pronomen) ;
2. die Kennzeichnung eines Eigentumsverhältnisses (Possessiv¬
pronomen) ;
3. die Kennzeichnung eines Ortsverhältnisses (Demonstrativpro¬
nomen) ;
4. die Kennzeichnung der Zugehörigkeit einer verbalen Aussage zu
einem Substantiv (Relativpronomen);
5. die Kennzeichnung einer Frage nach einem Wesen oder Ding
(Interrogativpronomen).
6. Schließlich kann man zu diesen Beziehungen auch noch die
zahlenmäßig sehr unbestimmte Kennzeichnung eines Substantivs
rechnen (Indefinitpronomen), wenn man sich nicht entschließen will,
diese Pronomen den Zahlwörtern zuzuordnen. Gerade hier zeigt sich,
daß zwischen den drei „Funktionsgruppen“ (Artikel, Pronomen,
Zahlwort) keine festen Grenzen zu ziehen sind.

2. Allgemeines zur Deklination der Pronomen


Die Deklination der Pronomen stimmt vielfach weder mit der des Sub- 421
stantivs noch mit der des Adjektivs überein. Die Formen der nur allein¬
stehend gebrauchten Personalpronomen weichen völlig voneinander ab,
sie bestehen aus ganz verschiedenen Stämmen:
ich, du, ihm, uns.
Die Formen anderer Pronomen, die alleinstehend oder attributiv ge¬
braucht werden, zeigen meist die starke (pronominale) Adjektivae-
klination:
dieser, manche, jene«.

1 Lat. pronomen = [Wort] für das Nomen (vgl. 171).


238 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

Eine Ausnahme ist der Gen. Sing. Mask. und Neutr., der abweichend
von dem des Adjektivs (vgl. 333) stark ist:
dieses Menschfen, jenes Kindes.
Doch neigen besonders Indefinitpronomen hier zur schwachen Beugung
(vgl. 486; 494; 498; 502; 505; 509; 513; 515):
allen geistigen Lebens usw., dessen.
Andere Pronomen wieder können flexionslos stehen:
dies, manch, solch, welch, ein, kein, mein
oder sind überhaupt indeklinabel:
etwas, nichts, man, selbst, selber, ein paar.
Nach einem anderen Pronomen werden die Pronomen in der Regel nur
dann schwach gebeugt, wenn sie auch attributiv mit dem bestimmten
Artikel davor stehen können:
alle anderen Menschen (weil auch: die anderen Menschen), diese wenigen Blätter;
aber: diese alle (weil nicht: die allen), alle jene Gestalten.

3. Die einzelnen Pronomen nach Form, Bedeutung und Gebrauch

a) Persönliche Pronomen
Zu den persönlichen Pronomen gehören das eigentliche Personalpro¬
nomen, das Reflexivpronomen und das reziproke Pronomen.

a) Das Personalpronomen
1. Die Deklination des Personalpronomens
422 Wir geben im folgenden eine Übersicht über die Deklination der
Personalpronomen:
1. Person 2. Person 3. Person
Mask. Fern. Neutr.
Sing. Nom. ich du er sie es
Gen. meiner deiner seiner ihrer seiner
(veralt.: mein) (veralt.: dein) (veralt. : sein) (veralt.: sein)
Dat. mir dir ihm ihr ihm
Akk. mich dich ihn sie es
Plur. Nom. wir ihr sie
Gen. unser euer ihrer (veralt.: ihr)
Dat. uns euch ihnen
Akk. uns euch sie

Der Name „Personalpronomen“ weist auf die Hauptleistung dieses


Pronomens hin: auf die stellvertretende Nennung von Personen.
Wie so oft, deckt er aber nicht die Gesamtleistung: „er, sie, es” be¬
zeichnen neben Personen auch Sachen. Die Nennung von Personen
ist auch nicht den Personalpronomen allein vorbehälten. Demonstrativ¬
pronomen wie „der, dieser, jener” können ebenfalls stellvertretend
Personen bezeichnen. Singular und Plural des Personalpronomens
werden unterschieden, das Genus wird teils ausgedrückt (er, sie, es),
teils nicht ausgedrückt (ich, du). Die vertretene Person ist entweder
Das Pronomen 239

die sprechende (1. Person: Ich möchte . . wir möchten . . .), die an¬
gesprochene (2. Person: Du sollst. . ihr sollt. . .) oder die be¬
sprochene (3. Person: Er meinte ...» sie meinten).
Uber den Ersatz der Verbindungen (des Dativs und Akkusativs
der) Personalpronomen + Präposition durch Pronominaladverbien
vgl. 558, a.
Zur Verstärkung des Personalpronomens durch „selbst“ vgl. 466.
Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach einem Personal¬
pronomen vgl. 334.

2. Bemerkungen zu einzelnen Formen des Personalpronomens


a) Ich, du, wir, ihr
aa) Zur Auslassung der Subjekte „ich, du, wir“ vgl. 1170, a.
bb) „Du” ist als stellvertretende Bezeichnung für die ange- 423
sprochene Person heute nur nöch in vertraulich-familiärer
Sprache und in der Dichtung üblich. Man duzt sich in der Fa¬
milie, zwischen Verwandten, Freunden, Jugendlichen; Er¬
wachsene duzen Kinder. Auch in Leichenreden verwendet man
noch „du“, wenn man den Gestorbenen anredet, ebenso ist
„du“ die Anrede an heilige Personen, an Tiere, Dinge oder Ab¬
strakta :
Und du, du Menschenschifflein du, fahr immer, immer zu (Goethe).
Der du von dem Himmel bist, . . . Süßer Friede . . . (Goethe).

Kollektive Bedeutung hat es in Fällen wie:


Was du nicht willst, daß man dir tu’, das füg auch keinem andern zu
(Sprw.).
Sonst ist an seine Stelle die 3. Person Plural (Sie) getreten
(vgl. 431).
Über „du“ beim Imperativ vgl. 130.
cc) „Wir“ bezeichnet gelegentlich auch den Sprechenden und 424
den Angesprochenen, meint aber im Grunde nur den Ange¬
sprochenen :
Was haben wir Neues, Marihelli? (Lessing). Wir tun das nicht wieder,
nicht wahr, Fritz ?
Weiterhin whd „wir“ als Plural der Majestät und als Plural
der Bescheidenheit auch für eine Person gebraucht (Pluralis
m.ijestatis, Pluralis modestiae):
Wir kommen damit zu einer sehr wichtigen Frage, auf die wir etwas näher
eingehen müssen (d. h. ich und meine Zuhörer; der Sprechende will in der
.Menge aufgehen).

Der Pluralis modestiae wird auch „Autorenplural“ genannt.


dd) „Ihr“ gilt heute nur im vertrauteren Verkehr für mehrere 425
Personen, die man duzt. Gelegentlich wird es auch bei Per¬
sonen gebraucht, von denen man die einzelnen siezt, so be¬
sonders als Anrede des Geistlichen an die Gemeinde.
240 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

b) Meiner, deiner, seiner, ihrer, unser, euer


426 aa) Die veralteten Formen „mein, dein, sein“ sind die ur¬
sprünglichen. Heute gebraucht man dafür die Formen „meiner,
deiner, seiner“, die durch Angleichung an die Plurale „unser,
euer“ entstanden sind. Die alten Kurzformen leben noch in
der Dichtung und in fest gewordenen Ausdrücken:
Mein selbst und der Welt vergessend (Lied „An die Weser“). Ewig
werde dein gedacht, Bruder, bei der Griechen Festen (Schiller). Sein
bedarf man, leider meiner nicht (Goethe). Das Vergißmeinnicht (Blume).
427 bb) Bei Verbindung mit -wegen, -willen, -halben wird des
Wohlklangs halber ein t eingeschoben:
meinetwegen, um deinetwillen, seinethalben, ihretwegen, um unsert¬
willen, euerthalben.
428 cc) In die Genitiv-Plural-Formen „unser“ und „euer“ wird
gelegentlich das „er“ aus der Deklination des attributiv ge¬
brauchten Possessivpronomens übernommen. Diese Formen
gelten aber nicht als korrekt; bei „ihrer“ ist die Vermengung
allerdings durchgedrungen:
Wir waren unser (nicht: uns[e]rer) fünf. Erbarme dich unserI Sie
spotteten euer (nicht: eu[e]rer). Veraltet: Eurer, wahrlich, hätt’ ich
nicht gefehlt (Schiller). Es waren ihrer sechs (Titel eines Romans von
A. Neumann).
Die Kurzform „ihr“ ist veraltet und gilt heute nur noch poe¬
tisch:
ihr beider Gefühl, ihr beider Ungestüm,

c) Er, sie, es; sie (Plur.)


429 Diese Pronomen dienen besonders dazu, Substantive zu ver¬
treten, wenn sie wiederholt werden müßten1. Sie haben dann satz¬
verbindende Funktion. Man vermeidet es, „er, sie, es“ auf artikel¬
los gebrauchte Substantive zu beziehen, deren konkrete Bedeutung
verblaßt ist: *
Nicht: Er traf ihn nicht zu Hause, es war verschlossen,
aa) „Er“ und „sie“ wie ihre flektierten Formen werden in der
Umgangssprache oft in der Bedeutung „Mann-Frau“ oder
„Geliebter-Geliebte“ gebraucht:
Da wohnten die beiden. Et; ein Lump und sie nichts wert (B. v. Münch¬
hausen). Alle Liebende reden nur von ihm oder von ihr, sind aber äußerst
sparsam mit dem Namen (Heine). Bücher von „ihm“ - für „sie" (Zei¬
tungsanzeige 1957).
Das großgeschriebene „Er“ ist „Gott“:
... und Er wird mir verzeihen (Liliencron).
bb) „Sie“ (Plur.) steht häufig ohne Beziehung auf ein vorauf¬
gehendes Substantiv für „die Leute“, „man“, „der Staat“,
„das Gericht“ usw.:
Sie können mir doch nicht einfach das Haus wegnehmen. Diese Nacht
sind sie mir wieder im Hohl und unter den Kartoffeln gewesen (Raabe).

* Über die dichterische Wiederaufnahme des Subjekts durch die 3. Person des Personal¬
pronomens vgl. 1037, d; 1200, 1.
Das Pronomen 241

Großgeschriebenes „Sie“ ist, obwohl es eigentlich pluralisch


ist, auch zum Anredepronomen für eine Person geworden. Es
ist die höfliche Anredeform zwischen Personen, die sich ferner
stehen.
cc) Es
1. „Es“ kann sich auf ein einzelrles Wort und auf einen 432
ganzen Satzinhalt beziehen, und zwar als Subjekt wie als
Objekt.
a) Auf ein einzelnes Wort:
Subjekt: Lies das Buch, es wird dir bestimmt gefallen. Objekt:
Wo ist nur das-Buch? Du hast es sicher verlegt.
Im Gleiolisetzungssatz (vgl. 868 ff.) ersetzt es als Subjekt
auch ein vorausgehendes nicht neutrales Substantiv:
Seine Mutter lebt noch. Es (sie) ist eine tüchtige Frau.
ß) Auf einen ganzen Satzinhalt :
Meine Mutter liebte mich nicht und verhehlte es keinen Augen¬
blick (Goethe).
Zur Setzung vqn „es“ nach Präpositionen vgl. 558, a.
2. Ferner steht „es“ als Subjekt unpersönlicher oder un¬
persönlich gebrauchter Verben (vgl. 843 ff.).
3. „Es“ ist unbestimmter, ganz allgemeiner Objekts- 433
akkusativ:
Mit dir nehme ich es noch auf. Etliche, die 's redlich meinen (Schiller).
4. „Es“ ist schließlich noch alter (heute für den Akkusativ 434
oder Nominativ gehaltener) Objektsgenitiv, der sich in
bestimmten Redewendungen erhalten hat:
Ich bin es zufrieden, satt, müde, los, überdrüssig, überzeugt. Es
nimmt mich wunder. Er ist es würdig. Sie wollen es nicht Wort
haben (Goethe).
Da dieses „es“ heute als Akkusativ aufgefaßt wird, wählt
man häufig auch den Akkusativ eines anderen Objektes,
besonders den des Demonstrativpronomens:
Das bin ich überzeugt. Er war das zufrieden. Das Geld bin ich los.
Ich bin das Treiben satt (Vgl. 933).

ß) Das Reflexivpronomen (vgl. 59 ff.)

1. Es handelt sich hier um keine selbständige Pronomenart, da in 435


der 1. und in der 2. Person Sing, und Plur. die Formen des Per¬
sonalpronomens verwandt werden. Nur die 3. Person hat ein eigenes
Reflexivpronomen „sich“ für den Dativ und Akkusativ des Singulars
wie des Plurals. Das Reflexivpronomen steht überall dort, wo sich
ein Geschehen auf das Subjekt des Satzes zurückbezieht1. Es kann
außer im Nominativ in allen Fällen auftreten:
Akkusativ:
Ich wasche mich. Du hast dich verletzt. Er, sie, es hat sich geweigert. Wir
waschen uns. Ihr habt euch verletzt. Sie haben sich geweigert.

1 Lat. reflexivum — das rückwärts Gebeugte, Gewendete.


242 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

Dativ:
Ich diene mir damit am besten. Du gefällst dir selbst nicht. Er, sie, es hat
sich nur geschadet. Wir haben uns allein geholfen. Ihr huldigt damit nur
euch selbst. Sie gefielen sich gar nicht in dieser Rolle.
Genitiv:
Ich spotte meiner. Du spottest deiner. Er, es war seiner [selbst] nicht mäch¬
tig. [Die Chemie] spottet ihrer selbst und weiß nicht wie (Goethe). Wir
spotten unser. Ihr spottet euer. Sie spotten ihrer [selbst].
Präpositionalfall:
Ich habe etwas bei mir. Du denkst zu sehr an dich [selbst]. Er, sie, es zwei¬
felte an sich. Wir vertrauten auf uns. Ihr kämpft mit euch. Sie lachten über
sich [selbst].
Wie aus den Beispielen hervorgeht, wird das Reflexivpronomen oft
durch „selbst“ verstärkt (vgl. 466).
Das Reflexivpronomen kann sich ferner auf das Akkusativobjekt
eines Satzes beziehen:
Die Bitte brachte den wilden Mann außer sich (Goethe). Wir überlassen die beiden
am besten sich selbst. Den Quotienten multipliziere man mit sich selbst.

2. Gelegentlich bereitet die Frage Schwierigkeiten, ob das Reflexiv¬


pronomen oder das Personalpronomen stehen soll.
a) Reflexiv- oder Personalpronomen beim a. c. i.
436 Beim a. c. i. (vgl. 922) ist es üblich, daß bei der-Beziehung eines
Pronomens auf das Akkusativobjekt das Reflexivpronomen steht:
Er sah den Fremden sich entfernen (= Er sah den Fremden. Er entfernte
sich.),
bei Beziehung auf das Subjekt aber das Personalpronomen:
Er sah seine Frau ihm noch einmal zu winken (= Er sah seine Frau. Sie
winkte ihm noch einmal zu.).
Es wird jedoch öfters das Reflexivpronomen an Stelle des Per¬
sonalpronomens gewählt, weil die Beziehung zum Subjekt oder
zum Objekt nicht streng unterschieden wird:
Er hörte jemanden die Treppe zu sich (eigentlich: zu ihm) heraufsteigen.
In Fällen, wo das Akkusativobjekt des a. c. i. nicht genannt ist,
bleibt nur die Subjektsbeziehung übrig:
Er läßt sich überzeugen. (Obwohl = Er läßt es zu. Man überzeugt ihn.)
Durch diese Möglichkeit der doppelten Beziehung des Pronomens
können allerdings Mißverständnisse entstehen:
Er ließ den Bauern für sich arbeiten. (Für wen arbeitet der Bauer ? Für sich
selbst oder für das Subjekt „er“ ?)

b) Reflexiv- oder Personalpronomen im Attribut


437 Im substantivischen Attribut als Präpositionalfall (vgl. 982) steht
gewöhnlich das Personalpronomen:
Karl traf seine Freunde im Gespräch über ihn. (Karl traf seine Freunde, die
über ihn sprachen.)
Überwiegt jedoch die Vorstellung der Subjektsbeziehuhg, dann
wird oft auch das Reflexivpronomen gesetzt:
Der Erzähler hatte die ganze Gesellschaft um sich her vergessen (statt: um
ihn her; denn eigentlich: die Gesellschaft, die um ihn her war).
Das Pronomen 243

3. In der Schriftsprache wird bei manchen Verben das Reflexiv- 438


pronomen entweder gesetzt oder weggelassen. Gelegentlich wirkt es
bedeutungsverstärkend:
Er irrt [sich]. Der Betrunkene fand [sich] nicht mehr nach Hause.

Die Umgangssprache setzt es öfter, wo es die Schriftsprache nicht


kennt:
Er badet sich gerade. Da hört sich doch alles auf.

Über den Gebrauch von „sich“ im Passiv ohne Beziehungswort


(jetzt wird sich gewaschen) vgl. 109.
Über die Stellung des Reflexivpronomens vgl. 1225, Beachte.

y) Das reziproke Pronomen

Das reziproke Pronomen bezeichnet nicht, wie das reflexive, eine Rück- 439
bezüglichkeit, sondern eine gegenseitige Bezüglichkeit1 von gesonderten
Subjekten. Seine Formen sind jedoch die gleichen wie die des Reflexiv¬
pronomens (sich, uns, euch).. Zur Vermeidung von Mißverständnissen
treten oft „einander“, „einer dem oder den andern“ oder „gegenseitig“
für das reziproke Pronomen ein oder daneben auf:
Heute umarmt ihr euch als Brüder (Schiller). Wir grüßten uns gar freundlich, wir
drückten uns die Hand (Grillparzer). Zweideutig: Sie rauften sich die Haare aus
(jeder seine eigenen oder gegenseitig?) Eindeutig: Sie rauften einander die Haare
aus (gegenseitig). Verwaltung und Gäste unterstützten einander in diesem Bestreben
(Th. Mann). Die Menschen kennen sich einander nicht (Goethe).

„Einander gegenseitig“ gilt als Pleonasmus (vgl. 563). In Verbindung mit


einer Präposition gebraucht man meist „einander“:
Die Kinder standen nebeneinander (nicht: neben sich).

Vom Plural wird der reziproke Gebrauch auch auf singularische Kollek-
tiva ausgedehnt:
Pack schlägt sich. Pack verträgt sich.

b) Das Possessivpronomen

Das Possessivpronomen ist die attributive Form zum substantivischen 440


Personalpronomen und zeigt den Besitz2 des Wesens oder Dinges, bei
dem es steht, jeweils für die sprechende, angesprochene oder besprochene
Person an. Es vertritt dadurch den Namen des Besitzers. Die einzelnen
Wortformen leiten sich vom Genitiv Singular des Personalpronomens ab
(mein, dein, sein, ihr, sein, unser, euer, ihr). Sie stehen nichtreflexiv oder
reflexiv:
Ich bin gern in deinem Garten. Ich bin gern in meinem Garten.

1 Lat. recilprocus = rückwärts -f vorwärts, auf demselben Wege zurückkehrend.


1 Lat. possidere = besitzen.
244 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

a) Die Deklination des Possessivpronomens


441 Die Possessivpronomen nehmen wie die Adjektive bei der Deklination
Rücksicht auf Genus, Kasus und Numerus der Substantive, bei denen
sie stehen. Die folgende Tabelle möge dies veranschaulichen:

1. Person Singular (ungeschlechtig [ich])


Mask. Neutr. Fern. .
Sing. Nom. mein Freund mein Buch meine Schwester
Gen. meines Freundes meines Buches meiner Schwester
Dat. meinem Freundfe] meinem Buch[e] meiner Schwester
Akk. meinen Freund mein Buch meine Schwester
Plur. Nom. meine Freunde Bücher Schwestern
Gen. meiner Freunde Bücher Schwestern
Dat. meinen Freunden Büchern Schwestern
Akk. meine Freunde Bücher Schwestern

1. Person Plural [wir]


Mask. Neutr. Fern.
Sing. Nom. unser Schrank unser Haus unsere1 Trübsal
Gen. uns[e]resx Schrankes unseres1 Hauses unsiejrer1 Trübsal
Dat. unserem1 Schränkte] unserfejm1 Haus[e] unstejrer1 Trübsal
Akk. unser [ejn1 Schrank unser Haus unsfejre1 Trübsal
Plur. Nom. unsfejre1 Schränke Häuser Trübsale
Gen. unstejrer1 Schränke Häuser Trübsale
Dat. unseren1 Schränken Häusern Trübsalen
Akk. unstejre1 Schränke Häuser Trübsale

2. Person Singular (ungeschlechtig [du])


Mask. Neutr. Fern.
Sing. Nom. dein Stein dein Ohr deine Tasche
Gen. deines Steines deines Ohres deiner Tasche
Dat. deinem Stein [e] deinem Ohrfe] deiner Tasche
Akk. deinen Stein dein Ohr deine Tasche
Plur. Nom. deine Steine Ohren Taschen
Gen. deiner Steine Ohren Taschen
Dat. deinen Steinen- Ohren Taschen
Akk. deine Steine Ohren Taschen

2. Person Plural [ihr]


Mask. Neutr. Fern.
Sing. Nom. euer Stuhl euer Bett eu[e]re2 Mutti
Gen. eu[e]res2 Stuhles eu[e]res2 Bettes eu[e]rer* Mutti
Dat. euer[e]m2 Stuhl[e] euer[e]m2 Bett[e] eu[e]rer2 Mutti
Akk. euer[e]n2 Stuhl euer Bett eu[e]re2 Mutti

Plur. Nom. eu[e]re2 Stühle Betten Muttis


Gen. eu[e]rer2 Stühle Betten Muttis
Dat. euer[e]n2 Stühlen Betten Muttis
Akk. eu[e]re2 Stühle Betten Muttis

1 Vgl. 445.
a Vgl. 445.
Das Pronomen 245

3. Person Singular Mask. und Neutr. [er, es]


Mask. Neutr. Fern.
Sing. Nom. sein Hut sein Heft seine Sorge
Gen. seines Hutes seines Heftes seiner Sorge
Dat. seinem Hut[e] seinem Heft[e] seiner Sorge
Akk. seinen Hut sein Heft seine Sorge

Plur. Nom. seine Hüte Hefte Sorgen


Gen. seiner Hüte Hefte Sorgen
Dat. seinen Hüten Heften Sorgen
Akk. seine Hüte Hefte Sorgen

3. Person Singular Fern, [sie]


Mask. Neutr. Fern.
Sing. Nom. ihr Topf ihr Kleid ihre Nadel
Gen. ihres Topfes ihres Kleides ihrer Nadel
Dat. ihrem Topf[e] ihrem Kleid [e] ihrer Nadel
Akk. ihren Topf ihr Kleid ihre Nadel
Plur. Nom. ihre Töpfe Kleider Nhdeln
Gen. ihrer Töpfe Kleider Nadeln
Dat. ihren Töpfen Kleidern Nadeln
Akk. ihre Töpfe Kleider Nadeln

3. Person Plural [sie]


Mask. Neutr. Fern.
Sing. Nom. ihr Hund ihr Herz ihre Besitzung
Gen. ihres Hundes ihres Herzens ihrer Besitzung
Dat. ihrem Hund[e] ihrem Herzen ihrer Besitzung
Akk. ihren Hund ihr Herz ihre Besitzung
Plur. Nom. ihre Hunde Herzen Besitzungen
Gen. ihrer Hunde Herzen Besitzungen
Dat. ihren Hunden Herzen Besitzungen
Akk. ihre Hunde Herzen Besitzungen

Aus der Tabelle ersieht man, daß die Wahl des Possessivpronomens von 442
der Person, dem Genus und dem Numerus des Substantivs abhängig ist,
das es vertritt; seine Deklination und die Bildung seiner Geschlechts¬
formen dagegen wird in Numerus, Genus und Kasus von dem Substantiv,
bestimmt, bei dem es attributiv steht (vgl. 1198).
Aus der Tabelle geht ferner hervor, daß das Possessivpronomen bei 443
attributivem Gebrauch wie der unbestimmte Artikel „ein“ stark de¬
kliniert wird:
Er hatte nicht erwartet, daß jemand, der seines Blutes war, ihn verachten würde
(Wiecherth
Die starke Deklination tritt auch auf, wenn sich das Possessivpronomen
auf ein bereits genanntes Substantiv bezieht:
Ich sorge schon für mein Kind, sorgen Sie nur für Ihres! Nach einer Weile schob er
seinen Arm unter meinen (W. Flex).
Es wird aber auch schwach dekliniert, nämlich dann, wenn der Artikel
vor ihm steht. Das ist aber nur möglich bei substantivischer Verwendung
des Pronomens:
Er liebt die Seinen. Ewig der Deine! — Kardinal I Ich habe das Meinige getan. Tun
Sie das Ihre (Schiller).
246 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

Heute stehen dafür häufiger die entsprechenden Formen auf -ig. Sie haben stets den
Artikel vor sich und werden ebenfalls substantivisch gebraucht:
Mische dich nicht in fremde Dinge, aber die deinigen tue mit Fleiß (Matthias Claudius).
Wie parteiisch eure Geschichtschreiber sein müssen! Die unsrigen erzählen diese
Historie ganz anders (Lessing).
Diese -ig-Formen werden von süddeutschen Schriftstellern allerdings auch attributiv
gebraucht:
ein unsriger Sprachbildner (Carossa), ein Ihriger Brief (Rilke). Hierum liegen lauter
meinige Verwandte (Hofmannsthal).
Stehen „all[er], dieser, jener, selbst“ vor dem attributiven Possessiv¬
pronomen, dann beeinflussen sie dessen Beugung nicht:
all meines Besitzes, mit aller meiner Kunst (Waggerl), diesem ihrem eigentlichen
Leben (G. v. le Fort), diese seine Worte (Bonseis). Selbst unsere Bekannten wußten
es nicht.
444 Das Possessivpronomen bleibt in den folgenden Fällen flexionslos (hi¬
storisch gesehen, handelt es sich hier um die Genitive der Personal¬
pronomen) :
1. In aussagender Verwendung:
Aber der Stoff ist doch mein (W. Schäfer). Du bist unser (Schiller).
Sind „es“ oder „das“ Subjekt, dann wird jedoch das in der Aussage
stehende Possessivpronomen flektiert, und zwar stark:
Wem gehört dieses Buch? Es ist meines. Wem gehört der Bleistift? Das ist
meiner. Wem sind die Hefte hier? Es sind meine.
2. In attributiver Verwendung nach dem Substantiv. Dies ist heute
veraltet und lebt nur noch in der Bibelsprache und in der Poesie,
besonders im Anruf:
Nimm auf meine Seel’ in die Hände dein (b hland). Schöne Schwester mein
(Penzoldt).
3. Durch „und“ verbundene substantivisch gebrauchte Possessiv¬
pronomen :
Mein und dein verwechseln oder nicht unterscheiden können (ugs. Euphemismus
für: stehlen).. . . wenn Verwandte ums Mein und Dein gefühllos hadern (Goethe).
Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach dem Possessiv¬
pronomen vgl. 331.

ß) Auswerfung des „e“


445 In der Deklinationstabelle Ziff. 441 sind diejenigen Formen gekennzeich¬
net, die ein unbetontes „e“ auswerfen können. Es handelt sich um die flek¬
tierten Formen von „unser“ und „euer“. Im Nom., Akk. Sing. Fern., im
Gen. Singi aller Geschlechter, im Dat. Sing. Fern, und im Nom., Gen.,
Akk. Plur. kann das Wortbildungs-e, dagegen im. Dat. Sing. Mask.,
Neutr., im Akk. Sing. Mask. und im Dat. Plur. das Endungs-e ausge¬
stoßen werden. Andere Auswertungen kommen gegenüber diesen häufig¬
sten seltener vor.

y) Zum Gebrauch des Possessivpronomens


446 1. Ein Ersatz des Possessivpronomens durch ein Demonstrativ¬
pronomen ist unnötig, wenn kein Zweifel auftritt:
Der Sohn hörte auf des Vaters Mahnung und folgte seinen [unnötig: dessen]
Worten.
Das Pronomen 247

Das Demonstrativpronomen muß jedoch stehen, wenn die Be¬


ziehungen nicht deutlich würden:
Grete verabschiedete sich von Begine und deren Mann {„ihrem Mann“ kann
sowohl Gretes wie Begines Mann bedeuten!). Herr Müller, Herr Schulze und
dessen (nicht: sein) Sohn waren anwesend (= der Sohn des Herrn Schulze).

2. Man beachte bei Verwendung noch nicht ganz formelhafter Rede- 447
Wendungen mit Possessivpronomen (seine Reize haben, seine Richtig¬
keit haben), daß bei femininem Subjekt „ihre“ gewählt werden muß:
Das hat seine Bichtigkeit. Aber: Die Sacke hat ihre Bichtigkeit. Eine Reise in
die Schweiz hat ihre (nicht: seine) Beize.

Das zusammengeschriebene „seinerzeit“ (= damals, dann) ist jedoch


unveränderlich, weil völlig formelhaft:
Frau Müller war seinerzeit ein sehr hübsches Mädchen.

Ans Nachlässigkeit werden ganz allgemein öfter Rückbeziehungs-


fehler gemacht:

daß . . . das große Pariser Blatt Le Monde es vorgezogen hat, den Namen ihres
(falsch statt: seines) Chefredak teurs nicht mehr zu notieren (Zeitungsnotiz).

3. Das Possessivpronomen kann mit einem anderen Possessiv- 448


pronomen oder mit einem Genitivattribut verbunden werden:
Meine und deine Wohnung, unsere und euere Einnahmen, meine und meiner
Frau gute Wünsche. Er sprach von seinem und des Landes Leid (Immermann).

4. Der „Besitz“, den das Possessivpronomen ausdrückt, umfaßt über 449


die eigentliche konkrete Bedeutung des Wortes hinaus alle möglichen
übertragenen und allgemeineren:
Konkret: Das ist mein Haus (= Es ist mein Eigentum, es gehört mir). Über¬
tragen : Das ist mein Haus (= in dem ich wohne). Mein Leipzig lob’ ich mir
(Goethe). Mein Betrieb (den ich selbst nicht besitze, in dem ich nur arbeite)
schließt um 17 Uhr. Ich muß gehen, mein Zug (= mit dem ich fahren muß)
fährt pünktlich. Der Apparat kostet seine 1000 Mark.

Wie durch den sogenannten „ethischen“ Dativ das Interesse einer


Person mit der Satzaussage verknüpft wird (vgl. 968), so wird es
durch das sogenannte „ethische“ Possessivpronomen mit einer öder
mehreren Personen verbunden:
Drauf spricht der Engel meinen Knaben an (H. Kurz; d. h. den Knaben, von
dem der Autor spricht.) Was taten da meine Spitzbuben ? (= die Spitzbuben,
von denen ich gerade rede).

Mit „unser“ beteiligt der Autor sich selbst und seine Leser oder Hörer,
er berichtet mit ihnen gemeinsam :
Darauf hatt’ unser Pflanzer auf der Jagd im Walde sich verirrt (Seume). . . . und
unsere beiden Helden sind ... Jan Norris und Myga van Bergen (Baabe).

„Mein“ steht ferner in der Anrede und in Ausrufen:


Guten Tag, meine Herren! Wie alt bist du, mein lieber Junge?

Zur Umschreibung des Genitivs durch ein Substantiv im Dativ (auch


Genitiv) mit folgendem Possessivpronomen (meinem Vater sein Hut)
vgl. 980,1.
248 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

c) Das Demonstrativpronomen
a) Allgemeines
450 Die Leistung des Demonstrativpronomens besteht darin, auf ein Wesen
. oder Ding hinzuweisen, sozusagen mit dem „Zeigefinger“ darauf zu
deuten1. Es ist daher auch nur ein Pronomen der 3. Person. Es unter¬
scheidet sich von dem Personalpronomen der 3. Person durch seine
nachdrücklich demonstrierende Bedeutung. Demonstrativpronomen sind:
der, die, das; dieser, diese, dieses; jener, jene, jenes; derjenige, diejenige, das¬
jenige; selbst, selber; derselbe, dieselbe, dasselbe; solcher, solche, solches.
Das Demonstrativpronomen weist auf ein schon bekanntes oder noch
näher zu kennzeichnendes Wesen oder Ding hin; seine neutralen For¬
men können sich (wie „es“) auch auf den Inhalt eines ganzen Satzes be¬
ziehen:
Stets war er da und half, wo er konnte. Solch ein treuer Freund war er. Wähle solche
Freunde, denen du vertrauen kannst.
Die Demonstrativpronomen können attributiv oder allein stehen:
Dieser Junge war es! Doch dem war kaum das Wort entfahren . . . (Schiller).
Stilistisch sehr schlecht ist es, wenn das Demonstrativpronomen die
Subjektstelle im Satz an sich reißt und das eigentliche Substantivsubjekt
in einen abhängigen Fall hinunterdrückt:
Bei der Abreise des Vaters sah dieser (derselbe) sehr vergnügt drein (statt: Der Vater
sah bei der Abreise sehr vergnügt drein).
Über den Ersatz der Verbindungen des Dativs und Akkusativs der De¬
monstrativpronomen der, dieser, derselbe + Präposition durch ein
Pronominaladverb vgl. 558, a.

ß) Bemerkungen zu den einzelnen Demonstrativpronomen


1. dert die, das
Aus diesem Demonstrativpronomen sind der bestimmte Artikel
(vgl. 206) und das Relativpronomen (vgl. 477) entstanden.

451 a) Deklination
Attributiv gebraucht, dekliniert das Demonstrativpronomen stark
wie der bestimmte Artikel (vgl. 207):
Das sei dein Stolz, des Adels rühme dich (Schiller).
Steht es allein, treten im Gen. Sing, sowie im Gen. und Dat.
Plural erweiterte Formen auf -en und -er auf (dessen, deren, derer,
denen), die von der Adjektivdeklination beeinflußt sind. Die alten
kurzen Formen kommen noch in der Dichtung vor, der alte kurze
Genitiv Singular auch noch vor einem attributiven Genitiv (der
durch „von“ ersetzt sein kann) und in Zusammensetzungen:
Des freut sich das entmenschte Paar (Schiller). Wes Brot ich ess\ des Lied
ich sing’ (Sprw.). Die Karosserie meines Wagens und des meines Bruders.
Auf Grund der Eingabe von X und der von vielen anderen Schriftstellern.
In Zusammensetzungen: deswegen, deshalb, desgleichen, indessen], unter¬
dessen].

1 Lat. demonstrare — auf jemanden weisen, zeigen.


Das Pronomen 249

Bei Verbindung mit -wegen, -willen, -halben wird des Wohlklangs


halber ein t eingeschoben:
dessentwegen, um derentwillen, derenthalben.

b) Leistung
Die Leistung von „der, die, das“ ist es, auf etwas voraus- oder 452
zurückzuweisen, und zwar so, daß die Lage in bezug auf den
Sprechenden (sei es Nähe, sei es Ferne) nicht berücksichtigt wird.
Sie sind also lagemäßig neutral. Bei Vorausweisung folgt dem
Pronomen ein Relativsatz, der das angekündigte Wesen oder Ding
genauer bestimmt (vgl. auch 464):
Nicht der ist auf der Welt verwaist, dessen Vater und Mutter gestorben, son¬
dern der für Herz und Geist keine Lieb' und kein Wissen erworben (Rückert).
Bei Rückweisung ist der Bezug auf ein einzelnes Wort, bei
„das“ auch der auf einen ganzen Satzinhalt möglich. Im ersteren
Fall steht das Pronomen oft vor einem Genitiv oder einem Prä-
positionalfall:
Meine Anschauungen und die meiner .Freunde. Gebt euch mit dem nicht ab!
(Goethe). Die Erinnerung an ihn ist für mich immer mit der an seine Mutter
verknüpft. Die Fürsten sind versöhnt, das ist die Wahrheit (Schiller).
„Das“ bezieht sich (wie „es“) auch auf ein nichtneutrales Sub- 453
stantiv, das als Gleichsetzungsnominativ steht (vgl. 461):
Das ist die Liebe. Das ist der Wagen. Siehst du diesen Mann dort ? Das ist
mein Chef.
„Das“ ist Subjekt unpersönlicher oder unpersönlich gebrauchter
Verben:
Wie das blitzt und donnert l

Auf Personen bezogen:


Da sieh nur, wie das jubelt und lacht! (Fontane).
Die substantivische Rückweisung im Nom. Sing, und Plural wird 454
oft als umgangssprachlich bezeichnet, obwohl sie auch in der
Schriftsprache viel angewendet wird:
Na, der kann mir gestohlen bleiben.. .. auch der blieb verschont (G. Keller).
. . . auch der hatte jetzt keine Zeit mehr (H. Hesse).
Die Formen „derer“ und „deren“ (Gen. Sing. Fern, und Gen. 455
Plural) werden gelegentlich vertauscht. „Derer“ wird gebraucht
bei Vorausweisung im Gen. Sing. Fern, und im Gen. Plural aller
drei Geschlechter:
Das Schicksal derer, die diesen Namen trug . . . Verächtlich blickte sie auf
die Schar derer, die zu Fuß gehen mußten.
„Deren“ wird gebraucht (vgl. 446) bei Rückweisung im Gen. Sing.
Fern, und im Gen. Plural aller drei Geschlechter:
Meine Mutter und deren Freundin, meine Freunde und deren Anschauungen.
Der Hinweis bei dem Demonstrativpronomen „der“ kann durch 456
Adverbien (da, hier, eben usw.) verstärkt werden:
Der da hat es getan. Die hier war es. Ebendas meine ich.
Vgl. noch 462; 468.
250 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

457 Mit „und“ verbundene Doppelungen kennzeichnen die Unbe¬


stimmtheit :
Ich bin der und der. Ich habe die und die getroffen, das und das gehört. Er
sprach von dem und jenem.

2. dieser, diese, dieses; jener, jene, jenes


a) Deklination
458 „Dieser“ und „jener“ können alleinstehend oder attributiv ge¬
braucht werden und deklinieren stark:
Dieses Abends erinnere ich mich heute (Schnitzler). . . . mit Mädchen jenes
Standes (Lernet-Holenia). Segnen wollen wir also jenes Unbequeme (Goethe).
Statt „dieses“ wird auch das unflektierte „dies“ in gleicher Be¬
deutung gebraucht, vor allem, wenn es alleinstehend verwendet
wird. Entscheidend für die Wahl ist der Satzrhythmus. Der Genitiv
„dieses“ wird schriftsprachlich nur attributiv gebraucht:
der Besitzer dieses Hauses.
Der substantivische Gebrauch ist kanzleisprachlich:
der Überbringer dieses (d. h. dieses Schreibens usw.).
Stark beugen „dieser“ und „jener“ auch nach ,,all[er]“:
all diesem; allem diesem (Wiechert); in Übertreibung alles dieses CBarlaöh);
aller dieser Kinder (Carossa); all jenem Neuen stand er aufgeschlossen
gegenüber.
Das „dieser“ und „jener“ folgende attributive Adjektiv beugt
stet» schwach (vgl. 331).

b) Leistung
459 „Dieser“ weist auf ein dem Sprechenden oder Schreibenden
näheres Wesen oder Ding, „jener“ auf ein entfernteres hin. Für
den Sprechenden äußert sich das konkret in Raum oder Zeit:
Diese Bank ist gegenüber jener Bank die räumlich nähere, ebenso: diese
[irdische] Welt - jene [himmlische] Welt. Dieser Tag ist gegenüber jenem
Tag der Gegenwart des Sprechenden näher gerückt.
Die Grenze zwischen „näher“ und „entfernter“ ist allerdings
nicht immer klar zu ziehen. Manchmal wählt man „jener“ an
Stelle eines sinnvolleren „dieser“, weil man sich innerlich von der
- betreffenden Sache entfernt hat und sie nachdrücklich-feierlich
der Vergangenheit zuordnet :
Ich hatte das Vergnügen, bei dem Kinde meiner Angebeteten . . . Gevatter
zu stehen ... Da mehr als vierundzwanzig Stunden seit jenem (man erwartet:
diesem) feierlichen Moment hingegangen sind ... (W. Raabe).
Oft ist es auch ohne Belang, ob eine Sache „näher“ oder „ent¬
fernter“ ist:
Jener Menschen Denkart ist auch die meinige. (Auch wenn erst vorher von
ihnen die Bede war!)
460 Wenn von zwei Wesen oder Dingen im Satz die Rede ist, bezieht
man sich oft mit „dieser - jener“ darauf zurück. Von den rein
räumlichen Verhältnissen auf dem Papier geht auch der Schrei-
Das Pronomen 251

bende aus: Das zuletzt genannt© Weseii oder Ding ist „dieser“,
das zuerst genannte „jener“:
Sie wundern sich über die Veränderung meines Aufenthalts und beklagen
sich über mein Stillschweigen. Der Grund von diesem liegt in jener, der
Grund von jener aber in hundert kleinen Zufällen (Goethe).

Da „dieser - jener“ nicht allzu deutlich in der Klarstellung der


Beziehungen sind, werden oft „ersterer — letzterer“ dazu ge¬
nommen, die den Vorzug der Eindeutigkeit haben (vgl. 390).
Das Neutrum „dies[es]“ und „jenes“ kann sich auch auf den 461
Inhalt eines ganzen Satzes beziehen:
Ein anderes ist, sich mit den Regeln abflnden, ein anderes, sie wirklich be¬
obachten. Jenes tun die Franzosen, dieses scheinen nur die Alten verstanden
zu haben (Lessing).

Es bezieht sich auch auf ein nichtneutrales Substantiv, das als


Gleichsetzungsnominativ (vgl. 453) steht:
Dies hier ist der Stall, jenes dort die Scheune.

Auch „dieser“ und „jener“ können durch Adverbien verstärkt 462


werden (vgl. 456; 468):
Beschränket Euch auf dieses Eiland hier (C. F. Meyer). Gib mir dies Buch
da! An ebendieser Stelle.

Die Paarungen „dieser und (oder) jener“, „der und jener“, 463
„dies und das“ charakterisieren wieder etwas Unbestimmtes (vgl.
457):
Er begrüßte diesen und jenen ( = einige); in dem und jenem Hotel (Th. Mann).
Drum denken wir gern an dies und das. (= an einiges)^

3. derjenige, diejenige, dasjenige


Dieses Pronomen ist gebildet aus „der“ + „jener“ + ,,-ig“, eine Form, 464
die es bei „derselbe“ (vgl. 470) auch gegeben hat, die sich aber, wie
wir noch sehen werden, nicht durchgesetzt hat. Wie bei „derselbe“
bewirkt auch bei „derjenige“ das selbst stark deklinierende „der“ die
schwache Beugung von „jenig“. Das Pronomen hat auswählende,
determinierende Kraft. Die nähere Bestimmung erfolgt durch einen
Relativsatz1. Es ist nachdrücklicher, wenn auch etwas schwerfälliger
als das einfache „der“, das die gleiche Aufgabe erfüllt» ist aber zur
Verdeutlichung des gemeinten Sinnes gelegentlich nicht zu entbehren.
Wenn ich schreibe:
Der Antiquar verkaufte die Bücher, die beschädigt waren, um die Hälfte ihres
Wertes,

dann geht aus dem einfachen „die“ nicht hervor, ob Artikel oder De¬
monstrativpronomen gemeint ist. Der Artikel besagt, daß es sich nur
um beschädigte Bücher und um keine anderen handelt, das De¬
monstrativpronomen dagegen hebt die beschädigten unter anderen
Büchern heraus. Meine ich das letztere, dann schafft die Wahl von
„diejenigen“ sofort Klarheit.

1 Wobei die etwas schwerfällige Fügung „derjenige, der“ durch einfaches „wer“ (sel¬
tener durch „der“) ersetzt werden kann (vgl. 1060; 1065).
252 Begleiter nnd Stellvertreter des Substantivs

465 Das überaus schwerfällige „derjenige, welcher“ wird heute nur noch
ironisch gebraucht:
Ah, du bist also derjenige, welcher [das getan hat] I - Da aber empörte sich Guste.
„Das sagen Siel Sie sind derjenige, welcher und haben immer gegen ihn gehetzt
(H. Mann).

4. selbst, selber
466 Diese Pronomen sind undeklinierbar und werden wie eine Apposition
gebraucht. Sie treten zu einem Substantiv oder zu einem anderen
Pronomen (Personal-, Reflexivpronomen). Sie drücken aus, daß kein
anderes Wesen oder Ding gemeint ist als das, bei dem sie stehen,
und schließen ein anderes nachdrücklich aus. Sie stehen immer nach
ihrem Bezugswort, wenn auch nicht immer unmittelbar dahinter,
und tragen den Ton:
Fritz selbst hat es gesagt. Fritz hat es selbst gesagt.

In „von selbst“ ist „sich“ ausgefallen (eigentlich = von sich selbst):


Dies versteht sich von selbst. Das wird schon von selbst kommen.
Das Bezugswort kann gelegentlich fehlen, weil kein bestimmtes Wesen
oder Ding gemeint ist:
Selber essen macht fett.
„Selbst“ gehört mehr der Schriftsprache, „selber“ mehr der Alltags¬
sprache sowie der Mundart an:
Schriftspr.: Er hat sich selbst für seine Idee geopfert. Alltagsspr.: Das glaubst
du doch selber nicht 1
„Selbst“ kann sich auch noch mit Pronominaladverbien verbinden.
Diese Formen klingen uns aber schon etwas altertümlich:
daselbst, hierselbst, woselbst.
467 Zu unterscheiden von dem pronominalen hinweisenden Gebrauch von
„selbst“ ist der mehr adverbielle. „Selbst“ bedeutet dann soviel wie
„sogar“. Das folgende (seltener da vorstehende) Substantiv trägt den
Hauptton:
' Selbst in der Schule haben wir immer bloß .Tapferkeit' gesagt, wenn ,virtus‘
im Buche stand (Th. Mann). Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens
(Schiller).

5. derselbe, dieselbe, dasselbe


468 „Derselbe“ ist eine Zusammenrückung aus „der“ und,, selber“. Dar¬
aus ist die schwache Deklination von „selber“ in Abhängigkeit von
dem stark deklinierenden Artikel.„der“ zu erklären:
derselbe, desselben, demselben, dieselben.
Wenn der Artikel in eine Präposition hineingezogen wird, wird
„selber“ abgetrennt:
zur selben (= zu derselben) Zeit, ins selbe (= in dasselbe) Dorf, vom selben (=
von demselben) Verlag.
Das Demonstrativpronomen „derselbe“ kennzeichnet die strenge
Identität:
Das sind dieselben Topf’ und Krüge, oft an der Heimat Born gefüllt (Freiligrath).
Das Pronomen 253

Es wird aber, besonders in der Umgangssprache, oft auch für die


bloße Ähnlichkeit gebraucht, da diese Begriffe vom Sprecher nicht
immer deutlich getrennt werden. „Gleich“; das nicht nur „ähnlich“,
sondern auch „identisch“ bedeutet, kann deshalb für „derselbe“ ein-
treten, aber nicht immer „derselbe“ für „gleich“. So kann man zwar
sagen:
Es läuft auf dasselbe oder auf das gleiche hinaus. Sie trafen sich heute um dieselbe
oder die gleiche Uhrzeit wie gestern. Er hat denselben oder den gleichen Vornamen
wie sein Vater,
weil in allen Beispielen die Identität ausgedrückt werden soll. „Der¬
selbe“ darf aber nicht stehen, wenn die bloße Ähnlichkeit gekenn¬
zeichnet werden soll. Umgangssprachlich ist das allerdings sehr häufig:
Also nicht: Ich trage denselben Hut wie mein Kollege. Sondern: Ich trage den
gleichen Hut wie mein Kollege.
Verstärkt wird „derselbe“ durch „eben“ (vgl. 456; 462):
von ebenderselben Heimat zu ebenderselben Empfindung (Schiller),
und durch die Paarung mit „ein“ (ein und derselbe).
Schwerfällig ist „derselbe“ als Ersatz für ein Personal- oder Possessiv- 469
pronomen. Manchmal wird es gewählt, um ein doppeltes gleich¬
lautendes Pronomen zu vermeiden:
Sie brachte sie (die Brieftasche) ihm unter die Augen, und erst nachdem er an den
Anblick des Gegenstandes gewöhnt schien, legte sie dieselbe (statt: sie sie) am
Rande des Schreibtisches nieder (H. Mann). Aber nicht: Das höchste Bauwerk
von Paris ist der Eiffelturm. Die Höhe desselben (statt: seine Höhe) beträgt
300 m.
Manchmal wird es so noch ironisierend verwendet: .
Er hat einerseits eine breite Stirn . . ., andererseits aber schwarze Haare in
derselben (H. Mann).
Die erweiterte Form „derselbige“ ist veraltet: 470
Wir saßen um dasselbige Tischchen (Goethe).
Neuere Schriftsteller verwenden es nur altertümelnd-komisch:
er besaß eine biedere . . . Visage, und der Enthusiasmus der letzten Stunden
hatte dieselbige sogar noch sehr verschönert (Raabe).
Ebenso bloßes „selbig-“ (ohne Artikel und deshalb stark gebeugt):
Selbiger Fall trug sich zu unserem Kummer nicht mit Herrn Schulze zu, sondern
mit Herrn Ministerpräsidenten X (Zeitungsnotiz 1959).

. ,
6 solcher solche, solches
Dieses Pronomen weist ganz allgemein, ohne besondere konkrete 471
Bedeutungsangabe, auf die Beschaffenheit (Qualität) hin, oft auch
auf den Grad (die Intensität) im Sinne von „so beschaffen, so groß“.
Es vertritt ein gradbezeichnendes Adjektiv mit „so“:
Dieses Schiff rannte mit solcher (= so großer) Heftigkeit gegen die Brücke, daß
es sie wirklich auseinandersprengte (Schiller).
Es dekliniert wie ein Adjektiv: 472
a) Alleinstehend und ohne Artikel stark:
Ich habe solchen Hunger, solche Kopfschmerzen 1 Solche« Wetter, solche«
häßliche Wetter habe ich noch nicht erlebt; bei solchem unmotivierten Herz¬
klopfen (Th. Mann).
254 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

Im Genitiv jedoch heute schon überwiegend schwach vor stark


gebeugten Substantiven:
Hohlheit all solchen Plänemachens (Bergengruen); Bestätigung solchen
Traums (Jatho); solchen Adels Glanz (Uhland).

Seltener und älter:


das Ende solches Säumens (R. A. Schröder), die Zerstörung solches Friedens¬
tages (Goethe).

Vor schwach gebeugten Substantiven bleibt die starke De¬


klination erhalten, weil der Genitiv deutlich werden muß:
Die Taten solches Helden.

Dafür tritt jedoch meist „eines solchen . . ein.


b) Nach „ein“ oder „kein“ gemischt:
Ein solches Wetter habe ich noch nicht erlebt; eines solchen Glaubens
(Bonseis), kein solcher Streich; keines solchen Streiches (Ric. Huch).

c) Nach „all-“ stark (vgl. aber 337):


alle solche Anweisungen(Barlach); all solcher abergläubischer Spuk(Luserke).

d) Nach „jeder“ schwach:


jeder solche Transport (V. Baum); jedes solche Geräusch (Hesse).

Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „solcher“ vgl. 346.


473 Die flexionslose (nicht ganz so stark betonte) Form „solch“ steht
nur in bestimmten Fällen:
a) Vor dem unbestimmten Artikel:
Solch ein Wetter habe ich noch nicht erlebt; solch ein prominenter Stern
(Werfel); mit solch einem Freunde (Goethe).

b) Vor einem attributiven oder substantivischen Adjektiv. „Ein“


kann davorstehen:
solch herrliches Wetter (A. W. Schlegel), mehr solch alten Gewispers (Leip);
eines solch außerordentlichen Kindes Pflegerin (Mampell); solch Schönes.

c) Vor einem meist neutralen (seltener maskulinen) Substantiv


im Nominativ oder Akkusativ Singular:
Nom. Neutr.: Solch Wetter ist wirklich schwer zu ertragen. Nom. Mask.:
solch Theaternarr (Löns); Akk. Neutr.; solch Ding (Leip); ein solch Gefühl
(Raabe); Akk. Mask.: solch Leckerbissen (Leip).

474 Substantiviert und alleinstehend ist es kaum mehr üblich. Dafür


treten andere hinweisende Pronomen ein wie „dies“.
Die ältere Literatur- und Kanzleisprache verwandte es viel als Ersatz
für ein einfaches Personalpronomen:
Franz (dringt ihm einen Beutel auf). Hermann (wirft ihm solchen verächtlich
vor die Füße) . . . (Schiller). Als sie die Mooshütte erreichten, fanden sie solche
auf das lustigste ausgeschmückt (Goethe).

Als Verstärkung von „eines“ kommt es heute meist nur noch im, Ge¬
schäftsdeutsch vor:
Unter den vielen Telegrammen war auch ein solches (statt: eines) aus London.
Das Pronomen 255

Umgangssprachlich tritt meist das Adverb „so“ für „solcher“ ein. 475
Der Gebrauch findet sich aber auch schriftsprachlich, vielfach um der
Charakterisierung des Sprechenden willen:
Ich habe einen Hunger, so hab' ich mein Lebtag keinen verspürt (Auerbach;
statt: solch einen . . . nicht). Aber wir reden so unangenehmes Zeug (Th. Mann).
So was (statt: solches) ist doch nicht zu glauben 1 So einer ist dasl
„So“ allein vor einem Substantiv ist besonders volkstümlich (vgl.
562):
So Zeug kann ich nicht essen. Es gibt so Leute. Das sind so Sachen.

d) Bas Relativpronomen
Das Relativpronomen (der; welcher; wer; was) bezieht den Gliedsatz, 476
den es einleitet, auf ein Substantiv (Pronomen) des übergeordneten Satzes
zurück1 (vgl. 1057):
Der Postbote, der das Telegramm gebracht hatte, fuhr rasch wieder weg. Die Frau,
welche das gesagt hat, sollte sich schämen. Wer das tut,*[der] hat die Folgen zu
tragen. Das ist edles, was wir besitzen.
Mit dem Bezugswort muß es in Genus und Numerus übereinstimmen,
der Kasus wird dagegen durch die Konstruktion des Relativsatzes be¬
stimmt (vgl. 1204):
Der Vater, dessen Telegramm wir heute erhielten, . . . Die Frau, der dies zugemutet
wurde, . . . Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt
(Eichendorff). Alle Fabriken, deren Besitzer enteignet wurden, . . .

a) der, die, das; PI.: die


Das älteste und häufigste Relativpronomen ist das in den Gliedsatz überge- 477
tretene Demonstrativpronomen „der, die, das“. Es bringt durch den
Übertritt die beim Demonstrativpronomen nebengeordneten Sätze in
Abhängigkeit voneinander und verbindet sie. Es ist also Pronomen und
„unterordnende Konjunktion“ zugleioh:
Nebenordnung (zwei Hauptsätze, demonstrativ): Du sprichst von Zeiten. Die sind
vergangen.
Unterordnung (Hauptsatz und Gliedsatz, relativ): Du sprichst von Zeilen, die ver¬
gangen sind (Schiller).
„Der, die, das“ werden nur alleinstehend gebraucht. Sie jleklinieren
ebenso wie das gleichlautende Demonstrativpronomen (vgl. 451), aus¬
genommen der Genitiv Plural, der „deren“ heißt. Wie beim Demonstra¬
tivpronomen, so gibt es auch beim Relativpronomen „der, die, das“ beson¬
ders im Genitiv Singular Maskulinum (Neutrum) alte kurze Formen,
die in der Poesie noch Vorkommen:
Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang? (Goethe). Ersah den Feind im Sande,
des Kugel ihn bedroht (Hebbel).
Ein Fehler ist es, „deren“ und „dessen“ als deklinierbar aufzufassen:
Falsch: Die Künstlerin, von derem tiefempfundenen (-m) Spiel. . .
Richtig: Die Künstlerin, von deren tiefempfundenem Spiel.. .
Fälsch: Der Autor, mit dessem vollen (-m) Einverständnis . . .
Richtig: Der Autor, mit dessen vollem Einverständnis ...

1 Lat. relativum = das wieder Zurückgebrachte, Zurückgeführte, das auf etwas Bezogene.
256 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

Über das Personalpronomen beim Relativpronomen vgl. 1182.


Über das relativische „der“ im Sinne von „derjenige, der“ vgl. S. 251,
Anmerkung 1.

ß) welcher, welche, welches; PI.: welche


478 Dieses Relativpronomen wird seit dem 15. Jahrhundert gebraucht, zuerst
als Ersatz für das fehlende attributive Relativpronomen. In dieser
Funktion ist es aber heute selten geworden (vgl. unten); meist wird es
jetzt im gleichen Sinne wie „der“, d. h. alleinstehend gebraucht. Es de¬
kliniert stark; im Genitiv treten heute die Formen „dessen“ und „deren“
ein, weil der Gen. Sing, „welches“ auch Nom. oder Akk. Sing. Neutr., der
Gen. Fern. Sing, „welcher“ auch Dat. Fern. Sing., Nom. Mask. Sing,
oder Gen. Plural sein kann:
, Singular Plural
Mask. Eem. Neutr.
Nom. welcher welche welches welche
Gen. dessen deren dessen deren
Dat. welchem welcher welchem welchen
Akk. welohen welche welches welche

Die attributive Verwendung von „welcher“ im Relativsatz ist nicht


sehr gebräuchlich:
Welcher Held von ihnen bemerkt zu werden das Glück hatte, dessen Name war un¬
sterblich (Lessing).
Sie tritt heute meist bei Abstrakta auf, die ein Verhalten des überge¬
ordneten Satzes wiederaufnehmen:
Sie möchte ihr Haar färben lassen, mit welcher Absicht ich gar nicht einverstanden
bin. Er sagte „Guten Abend“, welchen Oruß sie mit einem Nicken erwiderte.

y) wer, was
479 „Wer“ und „was“ sind verallgemeinernde Relativpronomen:
Wer wagt, gewinnt (Sprw.). Was du sagst, stimmt nicht.
Es fehlen, wie beim Interrogativpronomen, die Formen für das Fe¬
mininum und den Plural. „Wer“ und „was“ werden alleinstehend ge¬
braucht, oft in Verbindung mit „[auch] immer“. Die Deklination stimmt
mit der des Interrogativpronomens überein (vgl. 481). Im Genitiv steht
heute die erweiterte Form „wessen“, die alte kurze Form „wes“ hat
sich nur noch in Resten erhalten:
Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über (Luther). Wes Brot ich ess’, des Lied
ich sing' (Sprw.). JTeshalb, weswegen.

480 d) Auch Pronominaladverbien können in relativischer Funktion ge¬


braucht werden (vgl. 555).

e) Das Interrogativpronomen
Das Interrogativpronomen fragt1 in einer ganz allgemeinen Weise nach
einem Wesen oder Ding. Es gehört verständlicherweise zu den ältesten
Pronomen, die wir kennen. Zum Interrogativadverb vgl. 555 u. 558, b.

1 Lat. irUerrogare =» fragen.


Das Pronomen 257

Wir unterscheiden :
cc) wer? was?
„Wer?“ und „was?“ werden nur alleinstehend gebraucht. „Wer?“ 481
fragt nach männlichen oder weiblichen Personen, gleich, ob diese in der
Einzahl oder in der Mehrzahl vorhanden sind:
Wer war das ? (Ilse oder Michael?) Wer von euch will mitfahren? (Inge? oder: Inge
und Gisela ?) Wessen Buch ist das ? Wem gehört das Buch ? Wen können wir schicken ?
Besondere Formen für das Femininum, für Singular oder Plural gibt es
also nicht, ebenso nicht bei „was?“, das nach Sachen oder nach einem
Verhalten fragt:
Was ist das ? Ein Hammer! Eine Blume! Ein Buch! Was. hast du getan ? Ich habe das
Geschirr gespült; ich habe geschlafen.

„Wer?“ und „was?“ deklinieren folgendermaßen:


Mask. + Fern. Neutr.
Hom. wer was
Gen. wessen (veralt.: wes) wessen (veralt.: wes)
Dat. wem —
Akk. wen was

Der Dativ Neutrum fehlt. Für ihn tritt öfter in der älteren Literatur¬
sprache sowie heute noch meist in der Umgangssprache die Form „was“
ein, die für den Akkusativ gilt:
An was, ihr Herrn, gebricht’s? (Schwab). Zu was die Posse? (Goethe). Wie willst
du sonst leben? Von was? (Brecht).

In der Schriftsprache treten für die Verbindung Präposition + was


(Dativ oder Akkusativ) die sogenannten Pronominaladverbien ein (vgl.
558, b):
Woran fehlt es? Worauf wartet ihr? Womit kann ich dienen? Worüber lachst du?
Worum handelt es sich ? Wovon willst du leben ? Wozu die Posse ?

Der veraltete Genitiv „wes“ findet sich alleinstehend nicht mehr, attri¬
butiv hat er sich in einigen alten Redewendungen und in Zusammen¬
setzungen erhalten:
Wes Geistes Kind sind Sie eigentlich? Wes Namens, Standes, Wohnorts seid Ihr?
(Kleist). Weshalb, weswegen hast du das getan ?

Die Allgemeinheit des Fragens wird noch betont durch die erstarrte
(wohl ursprüngliche Genitiv-)Form „alles“, die überdies die Frage nach
einer Mehrzahl von Personen oder Sachen andeutet. In der Stellung ist
sie unfest:
Er ahnte nicht, wie sorgfältig und von wem alles sein Brief würde gelesen werden
(Hesse). Wcts gibt es denn dort alles zu sehen?

Da „wer“ nach jemandem fragt, der nicht bekannt ist, hat sich in der
Umgangssprache die Bedeutung des Unbestimmten (einer, irgendeiner,
jemand) eingestellt. Es ist hier zum Indefinitpronomen geworden (vgl.
522)’.
„Was“ verblaßt in der Alltagssprache oft ganz zum Frageadverb im
Sinne von „warum“ oder „wozu“:
Was hinkt er denn so ? (Th. Mann). Was braucht’s da Hand' und Füß’ ? (Immermann).
258 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

Der Übergang zum Ausruf liegt Jbei „wer ?“ und „was ?“ sehr nahe, da der
Ausruf meist aus einer ungeklärten, fraglichen Situation entspringt (vgl.
482; 483):
Wer könnte das auseinanderhaltenI (I. Seidel). Was du nicht sagst!

ß) welcher ? welche ? welches ?; was für ein ?


.
1 welcher?
482 Die Frage „welcher ?“ hat vor allem aussondemde, auswählende Be¬
deutung. Sie fragt nach einem ganz bestimmten Einzelwesen oder
-ding aus einer jeweiligen Klasse, Art und Gattung. Hierbei kann
„welcher ?“ attributiv oder allein stehen:
„Welchen Pullover soll ich nur nehmen ?“ - „Den blauen.“ „Ich habe mir einen
Rechtsanwalt genommen.“ - „Welchen denn?“ Wir suchten einen Feind und
wußten nicht, welchen (J. Stinde).
„Welcher?“ dekliniert stark (zum Genitiv vgl. unten):
Singular Plural
Mask. Fern. Neutr.
Nom. welcher ? welche ? welches ? welche ?
Gen. welches od. welchen ? welcher ? welches od. welchen ? welcher ?
Dat. welchem ? welcher ? welchem ? welchen ?
Akk. welchen ? welche ? welches ? welche ?
Im Genitiv Mask. und Neutr. Sing, überwiegt vor stark gebeugten
Substantiven die schwache Form „welchen“:
Welchen Blicks empfange ich sie ? (Uhland). Die Verhältnisse welchen Staates ?
Aber nicht vor schwach gebeugten, weil hier der Genitiv deutlich
werden muß:
welches Zeugen ?
Die neutrale Form „welches“ fragt auswählend nach allen drei Ge¬
schlechtern, gleich, ob im Singular oder im Plural (vgl. 432; 453; 461):
Welches ist der größte [Tisch] ? Welches ist die schönste [Frau] ? Welches ist das
jüngste [Kind] ? Welches (aber auch: welche) sind die schönsten [Bilder] ?
Auch „welcher“ ist (wie „wer“) infolge der Unbestimmtheit der Frage
zum Indefinitpronomen geworden (vgl. 519), und auch bei ihm
finden wir den Wechsel von der Frage zum Ausruf, den wir schon bei
„wer“ und „was“ trafen (vgl. 481; 483):
Frau Kommerzienrätin - Welche Ehre -»! (Fontane). Welche Wohltat für den
menschlichen Geist! (Schopenhauer).
Die ungebeugte Form „welch“ tritt besonders im Ausruf vor „ein“
und vor attributiven Adjektiven auf:
Sehet, welch ein Mensch! (Joh.19,0). Welch düstere Härte... I (Langgässer). Welch
ein würdiger Mann ist doch der . . . verspottete Christian Wolf (Schopenhauer).
Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „welcher“ vgl. 348.
2 . was für ein?
483 „Was für ein ?“ fragt nach der Beschaffenheit, nach der Eigenschaft,
nach dem Merkmal eines Wesens oder eines Dinges und steht in dieser
Funktion daher attributiv:
Was für eine Sprache führst du? (Eine anmaßende). Mit was für einer Feder
schreibst du denn nur ? (Mit einer beschädigten).
Das Pronomen 259

Gelegentlich wird umgangssprachlich „was für ein“ auch im ausson-


dernden Sinne gebraucht. Dann steht es attributiv oder allein:
„Was für ein Abendkleid ziehst du an ?“ - „Das rote“. „Ich vermisse ein Buch“.-
Was für eines denn ?“
Umgekehrt wird auch „welcher“ oft im Sinne von „was für einer“ ge¬
braucht :
„Welches Kleid ziehst du an?“ „Mein Abendkleid.“
Bei „was für ein ?“ fällt im Plural „ein“ weg:
Was für Autos parken denn dort ? Was für Möglichkeiten ergeben sich hier ?
Meist auch vor Stoffnamen:
Was für Papier willst du ? Was für Wein trinkt er am liebsten ?
Die Trennung des „für“ von „was“ geht auf die ursprüngliche, mittel¬
hochdeutsche Wortfolge zurück und ist heute noch sehr volkstümlich:
Was bracht’ es dem Kaiser für Gewinn? (Schiller). Was er für Vokabeln ge¬
braucht! (Th. Mann).
Dekliniert wird nur „ein“:
vor einem Substantiv wie der unbestimmte Artikel:
Was für ein Mensch ist er ? Von was für einer Art Philosophie ? Mit was für
einem Auto ?
alleinstehend wie das starke Zahlwort „einer“:
Was für einer t Was für einest
Diese alleinstehenden Formen von „einer“ bzw. die betreffenden Sub¬
stantive werden besonders in Norddeutschland gern durch „welcher“
ersetzt:
„Wir haben ausgezeichneten Wein getrunken.“ „Was für welchen?'' (statt: Was
für einen?) „In diesem Park stehen viele schöne Bäume.“ „Was für weichet"
(statt: Was für Bäume?)
Der Wechsel von der Frage zum Ausruf tritt auch bei „was für ein“
auf (vgl. 481; 482) :
Was für eine herrliche Aussicht! Was für eine stolze Eroberung hab’ ich gemacht
an der feisten Signora dort! (Raabe).
Das Interrogativpronomen tritt auch satzverbindend auf (wie das
Relativpronomen). Uber die von ihm eingeleiteten Gliedsätze (in¬
direkte Fragesätze) vgl. 1068 ff.

f) Das Indefinitpronomen
a) Allgemeines
Die Indefinitpronomen bezeichnen ein Wesen oder Ding in jganz allge¬ 484
meiner, unbestimmter1 Weise, wenn der Sprecher es nicht näher bestim¬
men kann oder will. Zu ihnen rechnen wir auch die Zahlwörter, die eine An¬
zahl oder ein Maß in ganz unbestimmter Weise ausdrücken. Sie werden teils
alleinstehend, teils attributiv gebraucht. Einen Zahlbegriff drücken die¬
jenigen Indefinitpronomen aus, die auf eine Gesamtheit oder das Gegen¬
teil davon unbestimmt hinweisen:
all, jeder, jedermann, jedweder, jeglicher, sämtliche; kein, nichts, nieinand;

1 Lat. indefinüum = das nicht näher Bestimmte, Definierte. „


260 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

ebenso diejenigen, die eine beschränkte Anzahl, ein beschränktes Maß


unbestimmt ausdrücken:
einer (irgendeiner), beide, einige, etliche, manche, welche, viel[e], wenig[e], mehrere,
ein paar, etwas.

Demgegenüber betonen „wer, man, jemand, ander“ mehr die bloße Un¬
bestimmtheit der Gattung.
Man pflegt die gesamte Gruppe der Indefinitpronomen auch als „unbe¬
stimmte Für- und Zahlwörter“ zu bezeichnen. Hier zeigt sich besonders
deutlich, daß die Grenzen zwischen den Funktionsgruppen der Wortart
„Begleiter und Stellvertreter des Substantivs“ fließend sind. Wörter
dieser Art werden deshalb auch in den einzelnen Grammatiken gelegent¬
lich anders eingereiht.
Zu den Indefinitpronomen gehören jedoch nicht mehr die Wörter „ein¬
zeln, einzig, übrig, verschieden, gewiß, gesamt, ganz, halb“, weil sie zu
Adjektiven geworden sind.

ß) Die Indefinitpronomen im einzelnen


all
485 „All“ bezeichnet eine Zusammenfassung, eine Gesamtheit einzelner
Wesen oder Dinge im Unterschied zu „ganz“, das das gesamte Wesen oder
Ding im Gegensatz zu seinen Teilen meint:
alle Bäume, aber: der ganze Baum.

Im Singular verwischt sich dieser Unterschied, zumal bei Abstrakta.


Hier berühren sich „all“ und „ganz“:
Mit aller (= ganzer) Kraft. Es bedurfte allen (= des ganzen) Mutes. Vergleiche: alle
Welt (--= jedermann), die ganze Welt (= das Universum).

486 „AU“ steht entweder attributiv vor dem Substantiv (Pronomen) oder
allein. Es dekliniert im allgemeinen stark (Ausnahmen werden genannt)
und hat nie den Artikel vor sich:
Aller Gram, alle Gier, alles Leid (Meyrink). Jn aller Schnelligkeit wurden die Arbeiten
vollendet. Alle kamen ange laufen. Wir alle haben schuld.
Alles, was Ich besitze, habe ich verloren.
Die neutrale Form „alles“ wird alleinstehend auch in der Bedeutung
„alle Menschen“ gebraucht:
Alles rennet, rettet, flüchtet (Schiller).

Der Genitiv des vor einem starken Substantiv attributiv stehenden ,,aU“
neigt heute sehr zur schwachen Beugung. Man muß sie neben der starken
anerkennen:
Stark: trotz alle» Widerstrebens (Raabe); Geiz ist die Wurzel alle« Übels (Spfw.),
Aber schon oft schwach: Hebel allen Unheils, Ratgeber allen Übels (Feuchtwanger).
die unerbittliche Ablehnung allen Unernstes (Jatho), das spannungserfüllte Bild
allen geistigen Lebens (H. Moser).

Völlig gesiegt hat sie in „aUen Ernstes“ und in „aUenfaUs“.


Vor einem substantivierten Adjektiv beugt „all“ jedoch wieder stark,
weil der Genitiv deutlich werden muß:
Urheber alle« Schlechten (Feuchtwanger), Entbehrung alle« Gewohnten (Goethe).
Das Pronomen 261

Attributiv steht „all“ ferner vor einem Substantiv mit bestimmtem Ar- 487
tikel oder mit einem Pronomen. Dabei kann es flexionslos auftreten. Im
Singular sind heute überwiegend die flexionslosen Formen üblich:
all der Fleiß; der Anblick all des Jammers (Börne). Es bedurfte all seines Mutes.
.. .all das Gold und all das Gut (M. Claudius); aber auch: Wozu alles dieses Ge¬
schwätz? (Lessing). .. . bei all seinem Eifer; aber auch; mit allem seinem Eifer
(Mechow).
Im Nominativ, Akkusativ Plural überwiegen dagegen die flektierten
Formen, in den übrigen Fällen halten sich die flektierten und die un¬
flektierten Formen etwa die Waage:
alle die Menschen der Schwedenküste (Luserke). Wer hat für alle deine Bedürfnisse
gesorgt und alle deine Launen ertragen? (v. Handel-Mazzetti). Erentsann sich noch
all[er] seiner Jugendstreiche. . . . mit all den Aufsätzen, mit allen den Feuilletons
(Hesse).
Ein größerer Bedeutungsunterschied zwischen flektierten und nicht-
flektierten Formen liegt nicht vor. Entscheidend für die Wahl der einen
oder der anderen ist der Satzrhythmus. In einigen Fällen können die
flektierten Formen allerdings bedeutungssteigemde (intensivierende)
Wirkung haben.
In Verbindung mit einem Personalpronomen steht „all“ hinter diesem: 488
sie alle, uns alle, wir andern alle, unser aller Leben. Aber hervorhebend: Alle tragen
wir die Schuld.
Die Nachstellung ist (neben der Voranstellung) auch möglich im Nom., 489
Akk. Plural von „diese“ wie auch im Neutrum bei „das“, ,,dies[es]“
und seinen Deklinationsformen:
Nachstellung: das alles, dieses alles, bei dem allem, mit diesem allem, diese alle.
Voranstellung: alles das, alles dies, alles dieses, bei allem dem, mit allem diesem,
alle diese.
Dabei treten bei Voranstellung auch flexionslose Formen auf :
all das, all dies, bei all dem, mit all diesem, all diese.
Bei den Verbindungen „dem allem“ und „diesem allem“ ist heute die
schwache Beugung „dem allen“ bereits häufiger als die starke „dem allem“,
die schwache Beugung „diesem allen“ etwa gleich häufig wie die starke
„diesem allem“. Der Genitiv ist, wenn er vorkommt, schwach:
des allen völlig unbewußt (Frenssen); ... als habe sie sich dieses allen bedient
(Wiechert).
„All“ kann auch flektiert hinter das Substantiv oder hinter die Personal- 490
form des Verbs treten. Im Singular besteht diese Möglichkeit nur umgangs¬
sprachlich bei Neutrum und Femininum:
Von des Lebens Gütern allen ist der Ruhm das höchste doch (Schiller). Wir tragen
alle die Schuld. Ugs.: Das Geld ist alles verloren. Sie'hat die Milch alle verschüttet.
Die voranstehende erstarrte Form „alle“ ist ziemlich unüblich geworden: 491
Auf alle den Ruhm verzichte ich gern. Laut wehklagte der Wirt mit alle den Seinen
(P. Heyse). Bei alle den deutlichen Worten (Löns).
In der Zusammenschreibung „alledem“ hat sie sich erhalten (bei alledem,
trotz alledem).
Eine erstarrte Form liegt auch vor bei dem am Oberrhein, am Main, an
der Mosel und in Hessen vielgebrauchten mundartlichen „alls“ (meist
262 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

„als“ geschrieben), das selten in die Schriftsprache dringt und hier nur
zur Charakterisierung gebraucht wird. Es hat die Bedeutung von „immer-
[fort]“:
Er hat al[l]s getanzt.
„Alle“ in der ugs. Bedeutung „zu Ende, erschöpft“ ist heute ebenfalls
erstarrt. Die Redensart ist besonders nord- und mitteldeutsch:
Mein Geld ist alle. Die Dummen werden nicht alle (Sprw.).
492 Verstärkend tritt „all“ zu „ein“ und „jeder“ in den formelhaften Wen¬
dungen:
Er ist mein ein und [mein] alles; all und jeder; all [es] und jedes; ein Mensch ohne all
und jede Bildung (Th. Mann).
493 „All“ ist der sinngemäße zusammenfassende Plural zu dem vereinzelnden
„jeder“:
jedes Buch — alle Bücher.
Berührung mit „jeder* ‘ findet sich besonders beim Singular von Abstrakta:
Dinge aller (= jeder) Art. Aller (= jeder) Anfang ist schwer (Sprw.). Alle zehn
Schritte (= ugs.: jede zehn Schritte), mitteldt.: aller zehn Schritte.
Über die Deklination des attributiven Adjektivs nach „all-“ vgl. 337.
Über die Deklination von solch- nach „all-“ vgl. 472, c.

ander
494 Es bedeutet, daß ein Wesen oder Ding nicht dasselbe, ist wie das, dem es
gegenübergestellt wird. Es verneint die Identität:
der eine — der andere.
Es bezeichnet ferner etwas artmäßig Verschiedenes:
Heute sind andere Zeiten.
„Ander“ wird attributiv und alleinstehend gebraucht. Es dekliniert wie
ein Adjektiv:
Es war ein anderer. Jeder andere. Das ist etwas anderes; nichts anderes; mit etwas
anderem. Bist du denn andern Sinns geworden ? (P. Ernst).
In Gen. Sing. Mask. und Neutr. ist die starke Deklination veraltet und
kommt heute nur noch selten vor:
. . . wenn der Kaiser etwa gar ander«« Sinnes würde (Ric. Huch).
Nach den persönlichen Pronomen „wir“ und „ihr“ dekliniert „ander“
schwach (vgl. 334):
wir, ihr ander[e]n.
Vor -n fällt meist das Endungs-e weg:
des, dem, den, die ander/«/?! [Jungen].
Sonst das „e“ der Ableitungssilbe:
in and/e/rer Weise, kein and/e/rer, keine and/«/re, and/e/rer Menschen.
Das Neutrum heißt jetzt meist nur „and[e]res“, im Unterschied zu dem
alten neutralen Genitiv „anders“, der zum Adverb geworden ist, besonders
in Verbindung mit „jemand“ und „niemand“:
jemand anders, niemanden anders, aber auch noch: jemand andere« (Benrath);
niemanden andere« (Hauptmann); wer anders, wo anders, mit niemand[em] anders,
jemandem anders, für niemand anders.
Das Pronomen 263

Die Süddeutschen gebrauchen dagegen bei ^jemand, niemand“ die mas¬


kuline Form „anderer“. Sie hat dann vom Süden gelegentlich auf anderes
deutsches Sprachgebiet übergegriffen:
jemand anderer (Schnitzler), niemand anderer (Arnet), jemand anderm (Werfel),
jemand anderen (Hesse, Werfel), jemanden anderen (Werfel), wer anderer
(Schnitzler).
Im Dativ wird doppelte starke Flexion (mit niemandem anderem) ver¬
mieden, „ander“ beugt hier immer schwach, wenn diese Fügungsweise
überhaupt gebraucht wird:
mit niemandem anderfejn; jemandem andern.
Über die Deklination des attributiven Adjektivs nach „ander“ vgl. 338.
Über die Paarung von „ein“ mit „ander“ vgl. 497.

beide
„Beide“ faßt zwei Wesen oder Dinge zusammen und setzt sie als be- 495
kannt voraus. Nach dem Artikel oder einem anderen stark deklinierten
Pronomen wird es schwach gebeugt, sonst stark (Ausnahmen unten). Es
steht allein oder attributiv, überwiegend pluralisch:
die beiden Mädchen, diese beiden Räume. Aber was konnte zu beider Rettung ge¬
schehen ? (Raabe).
Über die Deklination von „beide“ nach einem. Personalpronomen ist fol¬
gendes zu bemerken:
Nach „wir“ dekliniert es meist stark:
Wir beide zusammen stellen Berlin auf den Kopf (H. Mann).
Die schwache Endung ist selten:
Wir beiden schwiegen natürlich über die Gründe (Andres).
Nach „ihr“ schwanken die Formen zwischen stark und schwach, die
schwache überwiegt jedoch etwas, besonders in der Anrede:
Ihr beide solltet miteinander nicht verkehren (Werfel). Ihr beiden geht mir zu schnell
(I. Kurz). Ihr seid große Klasse, ihr beiden l (Hausmann).

Zwischen „wir“ bzw. „ihr“ und einem Substantiv dekliniert „beide“


jedoch wie ein gewöhnliches Adjektiv schwach (vgl. 334):
wir beiden Brüder (Fallada), wir beiden Spieler (Hesse), ihr .. . beiden Kinder (Fallada).

Nach „sie, unser, euer, ihrer“ (vgl. 428), „uns“ (Akk.), „euch“ (Akk.)
dekliniert „beide“ stark:
sie beide allein (I. Seidel), mit unser beider gemeinsamer Schuld (Barlach), euer beider
leben (George), durch ihrer beider Erhöhung (Th. Mann), für uns beide (Bonseis),
euch beide hübschen Schätzchen (Fallada).

Nach dem Neutr. Sing. ,,dies[es]“ und „alles“ sowie nach „alle“ steht
„beide“ stark:
dies[es] beide«, alles beide«, alle beide; es braucht .. . aller beider (Bergengruen).

Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „beide“ vgl. 339.


Man vergleiche: 496
Beide Brüder sind gefangen (nicht bloß der eine) = betont, vereinzelnd. Aber: Die
beiden Brüder sind gefangen (nicht gefallen) = unbetont, zusammenfassend.
264 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

Die Stellung des betonten vereinzelnden „beide“ ist verhältnismäßig frei


(wie bei alle); es kann auch nach der Personalform des Verbs stehen:
Beide Schwestern kommen. Die Ehefrauen ... waren damals bereits beide tot
(Baabe).
In Verbindung mit einem Pronomen steht es immer nach diesem:
Da wir beide keine redseligen Menschen sind (Fallada). Wir sind doch beide ein bi߬
chen verrückt (Langgässer). Es gibt tatsächlich nur diese beiden Möglichkeiten
(Th. Mann).
Der neutrale Singular „beides“ ist noch üblich:
Beides ist möglich; in beidem bewandert sein. Warst du stumm oder taub ? — Keines
von beidem (Musäus).

einer
497 Es handelt sich hier um das ursprüngliche Zahlwort „ein“, das, ohne
Nachdruck und Betonung gesprochen, unbestimmt eine andere Person
(im Sinne von „man“ [vgl. 508] oder „jemand“) oder die eigene Person
(im Sinne eines Personalpronomens) kennzeichnet. Es steht nur allein;
vor einem Substantiv wird es zum unbestimmten Artikel. Die Grenze
zum Zahlwort ist fließend. Ohne bestimmten Artikel dekliniert es stark,
mit bestimmtem Artikel schwach. Viele Gebrauchsweisen gehören der
Umgangssprache an:
Was soll einer (= ich) dazu schon sagen!
Volkstümlich: Das ist einer! (halb tadelnd, halb bewundernd). Nach den Aussagen
eines (= jemandes), der dabei war ... Er tut einem (= mir) wirklich leid. Was man
nicht weiß, macht einen (auch: einem) nicht beiß (Sprw.). Auf ein andermal lassen
Sie einen (= mich) mit Ihren Dummheiten ungeschoren! (Immermann).
„Einer“ steht häufig vor einem Relativpronomen und in Gliedsätzen.
Gern steht „einer“ ferner vor dem Genitiv Plural eines Substantivs (oder
Pronomens) oder vor einem diesen vertretenden Präpositionalfall. Hier
berührt es sich mit dem Zahlwort (vgl. 527):
einer dieser Burschen, einfejs von uns Kindern. Der Wagen gehört einem unserer
Nachbarn (C. Boß). Ist ein schön Spiel und herrlich Kurzweil für einen vom Adel
(G. Hauptmann).
Altertümlich und heute noch poetisch steht „einer“ auch nach dem
Genitiv Plural:
Ist es der Winzerinnen eine, die sich loslöste aus dem Chor ? (Jatho). Wenn ihrer
einer über den Gutshof ging .. . (Münchhausen).
In der Schriftsprache erhalten hat sich die Verbindung „unsereiner“
(= einer von uns):
Er meint . .. wahrhaftig, er sei aus einem andern Teig gebacken als wie unsereiner
(H. Kurz). .. . jenen Best von Freiheit. . ., der unsereinem übrigbleibt (Th. Mann).
Im Nom. und Akk. Neutrum steht die kurze Form „eins“ gleichberechtigt
neben „eines“:
Eins der reichsten Häuser.. . repräsentierte diese Firma (Baabe). Du brauchst dir
nur eins (= ein Thermometer) zu kaufen (Th. Mann). „Kennen Sie ein Mittel da¬
gegen?“ — „Ich kenne ein[ejs“.
Umgangssprachlich und mundartlich bezeichnet „eins“ auch soviel wie
„einer“ oder „eine“. Von Schriftstellern wird diese Form zur Charakteri¬
sierung verwendet:
Nun sag mir eins, man soll kein Wunder glauben! (Goethe)_wenn eins hier oben
in dem armen Lande mit sieben Kindern sitzt (E. v. Wolzogen).
Das Pronomen 265

Sonst bedeutet „eins“ soviel wie „etwas“:


Eins noch, du Verächter der freien Künste nnd des Wortes (Kolbenheyer). Ein»
jedoch fehlt mir nicht: die Sonntagsseele (G. Fock).
„Einer“ steht ferner umgangssprachlich als Ersatz für die Verbindung
unbestimmter Artikel + Substantiv. Dann steht es stellvertretend für
einen aus der Redesituation leicht zu verstehenden Begriff:
einen (= einen Schnaps) nehmen; jemandem eine (= eine Ohrfeige) ’runterhauen.
He, singt eins, junges Volk 1 (Lulu v. Strauß und Torney).
Das Neutrum „eins“ drückt dabei oft ein ganz unbestimmtes Objekt aus,
es braucht sich jedenfalls nicht notwendigerweise auf ein neutrales Objekt
zu beziehen:
Und wer sein Maul zu Schimpf verzieht, der bekommt eins drüber mit dem Schwert
(Kolbenheyer). . . . und dann ah meine Brust gedrückt, und weidlich eins geküßt
(Goethe).
Nach dem bestimmten Artikel steht „einer“ schwach. Hier berührt es
sich mit dem Zahlwort „ein“ (vgl. 527):
Die einen schikanieren die andern. Was dem einen sin Uhl (Eule) ist, ist dem andern
sin Nachtigall (Sprw.).
Mit „ander“ steht es überhaupt häufig gepaart, entweder verstärkend
oder in Gegenüberstellung:
einer und (oder) der and[e]re (auch: ein und [oder] der and[e]re), der eine und [oder]
der andere (auch: der ein und [der] and[e]re); ein oder der andere Blick (Th. Mann).
Die schönen Sommertage gingen einer um den andern hin (Hesse).
Auch die Paarung „ein und derselbe“ ist üblich.
Zur Verstärkung der Unbestimmtheit wird auch „irgend“ gebraucht:
Irgendeiner muß es doch getan haben I
Das unbestimmte „einer“ finden wir auch in den Verbindungen:
so einer (vgl. 475), was für einer (vgl. 483), manch einer (vgl. 610, 2).

einige
„Einige“ ist eine Weiterbildung des vorigen „ein“. Der Plural „einige“ 498
hat die Bedeutung „etliche, ein paar“ und kennzeichnet eine bestimmte,
aber nicht große Anzahl, mehr als zwei bis drei, aber nicht viele. Der
Singular bedeutet soviel wie „etwas, ein wenig“ und steht heute meist bei
Stoff- und Zustandsbezeichnungen. „Einige“ dekliniert meist stark (Aus¬
nahmen s. unten) und steht allein oder attributiv:
Dort drüben, in einiger Höhe, lag der . . . Friedhof (Th. Mann). Einiges Geld konnte
ich ja dort verdienen (W. Lange wies che).
. . . einige meiner Freunde; einige von den vornehmsten Männern der Stadt (Ranke);
einiges Gute; doch schien mir einiges davon geeignet (Carossa).
Das Pronomen wird auch ironisierend im Sinne von „nicht unbeträcht¬
lich, ziemlich groß“ usw. verwendet:
Das wird einigen Ärger kosten! Es gehört schon einiger Humor dazu, um das er¬
tragen zu können!
Im Genitiv Singular des Maskulinums und Neutrums herrscht schwache
Beugung vor, in Anlehnung an die Flexion der Adjektive:
einigen Verständnisses gewiß sein (Bergengruen). Das boshafte Wort . . . entbehrte
nicht einigen Grundes (Wassermann).
266 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

Die starke ist selten:


... daß er einiges Behagens bedurfte (Th. Mann).
Ebenfalls schwach dekliniert „einige“, wenn es - was jedoch nicht häufig
ist - nach dem bestimmten Artikel oder nach einem Monomen steht:
die einigen hundert Exemplare (Salomon). Einige auf dieser Erde sind auserwählt...
Diese Einigen müssen den Mut haben . . . (Skutsch).
„Einige tausend“ sind etliche tausend. Die Verbindung „Es waren so
einige zwanzig“ (d. h. zwanzig und noch einige) ist veraltet oder
umgangssprachlich. „Einige“ verleiht hier dem bestimmten Zahlwort
Unbestimmtheit:
einige vierzig Winkel von der Stadt anstecken (Schiller).
Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „einige“ vgl. 340.

ein paar
499 Es hat die Bedeutung „einige wenige“ oder „etliche“ und'ist indeklinabel:
mit ein paar kühlen Tropfen.
Oft steht es in Verbindung mit Zahlen:
Ein paar tausend Mark würden genügen.
Bas großgeschriebene „Paar“ ist dagegen ein deklinierbares Substantiv
und bezeichnet die Zweiheit, zwei gleiche oder entsprechende, einander
ergänzende oder zwei zusammengehörige Wesen oder Dinge. Der be¬
stimmte oder unbestimmte Artikel davor wird stets dekliniert:
mit einem (zwei) Paar schwarzen Schuhen (oder: schwarzer Schuhe).
Die Bedeutungsverschiebung „von ein paar“ zu „einige“ beruht auf
ungenauer Zählung, auf der Abschwächung der bestimmten Zahlenangabe
zu einer unbestimmten.
In der Verbindung „die (diese) paar“, die bestimmte, zahlenmäßig ge¬
ringe Einzelgrößen, oft in herabsetzendem oder verächtlichem Sinn, zu¬
sammenfaßt, wird der bestimmte Artikel oder das Pronomen stets ge¬
beugt:
Ich soll ja mitmachen die paar Wochen (Th. Mann). In den (diesen) paar Tagen
habe ich viel erlebt. Mit den paar Mark soll ich auskonimen ?

etliche
500 Es bezeichnet, wie „einige“, eine unbestimmte, aber nicht große Anzahl,
steht attributiv oder allein (hier besonders im Plural) und dekliniert
stark. Attributiv verbindet es sich im Singular heute meist nur noch mit
Zahl-, Zeit- und Maßbegriffen. Es hat etwas altertümelnde Färbung und
weicht vor „einige“ immer mehr zurück:
Es verging etliche Zeit, ehe er wieder herauskam. Etliche der jungen Leute (J. Stinde);
etliche von, unter den Burschen; in etlichen hundert Jahren. Etliche tausend Mark
sind draufgegangen ^ Ich habe schon etliches gesammelt.
Seltener im Plural mit Artikel:
Die etlichen Schriftsteller, die .. . (Henrik Becker).
Die veraltete Form „etzlich“ wird nur noch altertümelnd oder, scherz¬
haft-ironisch gebraucht.
„Etliche zwanzig“ wird wie „einige zwanzig“ gebraucht (vgl. 498).
Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „etliche“ vgl. 341.
Das Pronomen 267

etwas
„Etwas“ ist ein “»indeklinables Neutrum (das auch als Adverb gebraucht 501
wird). Es ist eine unbestimmte, sehr allgemeine Mengenbezeichnung,"oft
im Sinne von „ein wenig“, aber auch von „etwas Rechtes“. Es steht*
attributiv oder allein im Nominativ, Akkusativ und vor Präpositionen:
etwas Neues, etwas anderes, etwas Salz, etwas von dieser Liebe; gib mir etwas davon 1;
er gilt etwas; an, auf, in, mit, von etwas; mit etwas Gutem; mit dem Gefühl der
zweifellosen Erwartung von etwas Wichtigem (I. Seidel).

Umgangssprachlich wird es zu *,was“ verkürzt. Das wird von Schrift¬


stellern übernommen, um zu charakterisieren:
Ich will dir mal was sagen. Schäm dich was! Da kannst du aber was erlebenI Keiner
versteht was vom Bauen (Kluge). Wie kannst du nur so was zu deiner Mutter sagen
(Billinger). ... so was Ziviles ..., so was Komfortables (Th. Mann).
Mit Präposition:
Zu was Besserem sind wir geboren (Schiller). Zu was anderem taugt er nicht.

Die Unbestimmtheit nooh verstärkend, tritt „irgend“ zu ,‘,[et]was“:


Irgend etwas (irgendwas) war doch losl

Nach ,,[et]was“ dekliniert das folgende substantivierte Adjektiv stark


(wie aus den Beispielen oben bereits hervorgeht), mit Ausnahme des
Genitivs, weil hier sonst Zusammenfall mit dem Nominativ eintreten
würde:
für etwas Neu«*, aber: anstatt etwas Neuen,

jeder, jedermann, jedweder, jeglicher


Sie bedeuten alle das gleiche: Im Gegensatz zu „alle“ (vgl. 485), das zu¬
sammenfaßt, vereinzeln sie die Gesamtheit und bedeuten „jeder einzelne“
[von allen]. Einen Plural kennen sie daher nicht. Wenn er bei „jeder“
auftritt, steht er umgangssprachlich für „alle“.
„Jeder“ wird alleinstehend und attributiv gebraucht. Sein Gegenwort 502
ist „keiner“ oder „niemand“:

Er . . . trat in jedes Seele wie in ein wohlbekanntes Haus (Frenssen). Jeder leiseste
Lufthauch ist spürbar. Ugs.: Die Straßenbahn kommt jede (= alle) zehn Minuten.

Die alleinstehende männliche Form „jeder“ kann generell jedes Ge¬


schlecht mit bezeichnen:
Jeder hebe nun sein Glas I (Männer, Frauen, Kinder),

gelegentlich auch noch die neuträle Form „jedes“:


Jede« hebe nun sein Glas 1 ... obwohl sich jede* (=* Vater und Mutter) nach seiner
Art bemühte (H. Stehr).
Oft tritt der unbestimmte Artikel davor. Starke und schwache Beugung
richten sich dann nach den entsprechenden Formen des Artikels:
Ein jeder muß mithelfen. Die Mithilfe eine* jeden einzelnen von euch ist notwendig.
Ich freute mich bei einem jeden Schritte (Goethe).

Vor einem Substantiv dekliniert „jeder“ stark (besonders vor schwachen


Substantiven und substantivierten Adjektiven), nur vor dem Genitiv
Singular Maskulinum und Neutrum starker Substantive ist die schwache
268 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

Deklination daneben schon in ziemlichem Umfange eingedrungen. Man


muß sie hier neben der starken gelten lassen:
Stark: Korrektur jede« Staatsabsolutismus (Th. Mann), Leiden jede« Grades (Vicki
* Baum), die Aufgabe jede« einzelnen (H. Moser; stark, weil ein schwach gebeugtes
Adjektiv folgt I).
Schwach: Stetiger Wandel gehört zum Wesen jeden Kulturgutes (H. Moser).
Blumen jeden Aussehens (Vicki Baum), Verachtung jeden Anstandes (Schaeffer).
In der Zusammensetzung „jedenfalls“ hat die schwache Beugung auf
Grund von Analogiewirkung gesiegt.
Die endungslose Form „jed“ kommt sehr selten vor und dann auch nur
poetisch im Nominativ oder Akkusativ Neutrum:
jed Körnlein (Billinger). Jed Blatt schaut noch zum Himmel hinauf (Dauthendey).
Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „jeder“ vgl. 331. Zur
Beugung von „solch“ nach „jeder“ vgl. 472, d. Zur Verbindung und Be¬
rührung mit „all“ vgl. 493.
503 „Jedermann“ ist im 14. Jahrhundert aus „jeder Mann“ zu einem
Wort zusammengetreten und lebt heute vorzugsweise in der Sprache der
Gebildeten. Der Genitiv heißt „jedermanns“ (in jedermanns Händen),
Dativ und Akkusativ lauten gleich dem Nominativ. Es hat die gleiche
Bedeutung wie „jeder“.
504 „Jedweder“ ist ein besonders nachdrückliches „jeder“ und gehört nur
noch der gehobenen Schriftsprache an. Es steht allein oder attributiv
und dekliniert stark, nur der Genitiv Singular ist vor starken Substan¬
tiven schwach:
Jedwedem zieht er seine Kraft hervor (Schiller). Jedwede Art von Sünde (Hauke),
von den Geheimnissen jedweden Mannes (Brecht), Nutznießer . . . jedweden Luxus
(Th. Mann).
Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „jedweder“ vgl. 331.
505 „Jeglicher“ ist überall vor „jeder“ auf dem Rückzug. Es ist in tlie ge¬
hobene, feierliche Schriftsprache verwiesen. Es wird formal wie „jeder“
verwendet. Im Genitiv Singular beugt es allerdings vor starken Substan¬
tiven schwach:
Jetzt, da jeglicher liest (Goethe); ein Schützer und Segner jeglichen Getiers (Bergen -
gruen); von allem und jeglichem das Höchste (Immermann).
Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „jeglicher“ vgl. 331.

jemand (niemand)
506 „Jemand“ meint irgendeinen beliebigen völlig Unbestimmten, gleich,
welchen Geschlechtes. Es steht nur allein (vgl. aber weiter unten!), ge¬
legentlich mit näheren Bestimmungen (Präpositionalfall):
Es hat jemand geklingelt. Das kann jemand von euch machen.
Der Genitiv lautet „jemand[e]s“, der Dativ und der Akkusativ wie der
Nominativ, daneben treten aber seit dem 18. Jahrhundert deklinierte
Formen auf (Dat. = jemandem, Akk. = jemanden), die heute über¬
wiegen. Das gleiche gilt für „niemand“. „Jemand“ steht jedoch im
ganzen noch häufiger endungslos als „niemand“, und die endungslosen
Formen stehen auch häufiger im Akkusativ als im Dativ. Vor „anders“
oder einem flektierten Adjektiv ist die endungslose Form „jemand“
(niemand) sogar üblicher als die mit Endung.
Das Pronomen 269

Ein schwacher Dativ „jemanden“ (niemanden) kommt schriftsprachlich


selten vor; er gehört vorzugsweise der gesprochenen Umgangssprache an:
Nichts war darin, was jemanden etwas sagen konnte (Muschler).
In den Fügungen „jemand anders“, „jemand Fremdes“ usw. sind „anders“
und „Fremdes“ ursprüngliche Genitive des Neutrums, die jetzt erstarrt sind
und als Adverb bzw. als Nominativ oder Akkusativ Neutrum aufgefaßt
werden. Sie können deshalb auch in anderen Kasus stehen:
Ich bin von jemand anders gesehen worden. Der Brief muß von jemand Fremdes
sein.
Über „jemand anders“ vgl. noch 494.
Statt des gewöhnlichen „jemand Fremdes“ gebraucht der Süddeutsche
auch das Maskulinum des Adjektivs:
jemand Fremder.
In den übrigen Kasus ist die Beugung des Adjektivs allgemeiner:
Das war jemandes anderen Werk. Ich habe mit jemand Fremdem gesprochen; mit
jemand Unsichtbarem (Glaeser); jemand Fremden (Stefan Zweig).
Die Unbestimmtheit verstärkend, tritt „irgend“ zu'„jemand“:
Wir werden schon irgend jemand[enj treffen.
Flexion und Konstruktion von „niemand“ stimmt mit der von „jemand“
übefein.

kein
„Kein“ bedeutet „auch nicht einer“, negiert also das Zahlwort, das un- 507
bestimmte Fürwort und den unbestimmten Artikel „ein“. Es steht
allein oder attributiv; allein wird es statt des gewählteren „niemand“ ge¬
braucht. Sein Gegen wort ist „jeder“. Es beugt im Singular gemischt wie
der unbestimmte Artikel (vgl. 331):
Mir kann keiner helfen. Kein Ausweg — keine Hilfe — keine, im ganzen Umkreis
der Natur I (Schiller). Er ist kein gesunder Mensch. Von ihm erwart' ich keine frohen
Tage (Goethe). Keiner von uns war dabei. . .. fehlt ihm keins der Erfordernisse
(Goethe). Es ist noch keine fünf Minuten her. Das kostet keine zehn Mark.
Da „kein“ im Singular gemischt wie der unbestimmte Artikel gebeugt
wird, ist auch der schwache Genitiv hier noch nicht eingedrungen (auch
nicht in die Zusammensetzung „keinesfalls“).
Verstärkend tritt „einziger“ zu „kein“:
Kein einziger ist dageblieben.
Gepaart wird es mit „ander“ und „dieser“:
Keiner will vom andern etwas wissen.
Gegensätzlich :
Diese oder keine will er.
Das Neutrum „kein[e]s“ kann gelegentlich auf verschiedene Geschlechter
bezogen werden (vgl. „jedes“ ZifF. 502 und „eines“ Ziff. 497):
Keines wagte, das Licht anzuzünden (H. Stehr). Keines der viere steckt in dem Tiere
(Goethe). Was jedoch daraus werden sollte, wußte . . . keines von beiden zu sagen
(Baabe).
Über die Verschiebung der Satzverneinung „nicht“ zur attributiven Ver¬
neinung „kein“ vgl. 1163, Beachte. Zur doppelten Verneinung „kein -
nicht (nie, nirgends“ usw.) vgl. 1165.
270 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

man
508 „Man“ ist der zum unbestimmten Pronomen der 3. Person gewordene
Nominativ Singular des Substantivs „Mann“, bedeutet also ursprünglich
„irgendein Mensch“. Es ist indeklinabel, d. h. es kommt nur im Nominativ
Singular vor und steht nur allein, nicht attributiv. Der Dativ wird durch
„einem“, der Akkusativ durch „einen“ ersetzt:
Je älter man wird, um so rätselhafter wird einem das Leben (G. Schröer).
„Man“ umfaßt singularische und pluralische Vorstellungen und reicht
von der Vertretung des eigenen Ich1 2 bis zu der der gesamten Menschheit:
Bei diesem ewigen Gekneter wachte man ja alle fünf Minuten auf (Hausmann).
Man bittet, die feine Symbolik seiner Kleidung zu beachten (Th. Mann).

mancher
509 Dieses Pronomen vereinzelt eine unbestimmte Menge; es ist „ein und der
andere“ unter vielen. Es steht allein oder attributiv und flektiert wie ein
Adjektiv:
Es hat schon mancher einen Schatz gehabt und sieben Jahr um ihn gedient
(L. Finckh). Frauen waren für ihn ein begrifflicher Plural. . . Manche kriegt man,
manche kriegt man nicht (Spoerl). Mancher der Anwesenden; mancher von den
Anwesenden. Bückst du dich doch vor manchem hohlen Schädel (Schiller). . . . man¬
ches Mal (Hesse). Ich habe um dieser Höhle willen manche Schelte und 'manche
Hiebe bekommen (H. Claudius).
„Gar, so, wie“ treten verstärkend zu „mancher“:
Gar mancher steht lebendig hier (Goethe). Nun bin ich durch so manches Land ge¬
zogen (Münchhausen). Wie mancher stürzet seine Seel’ . . . (P. Gerhardt).
Im Genitiv Singular des Maskulinums und Neutrums überwiegt bei
attributivem Gebrauch bereits die schwache Beugung:
in manche« Mannes Bart (Uhland); auf Grund manchen Einverständnisses (Th.
Mann); manchen Pferdes Widerrist (Münchhausen).
Aber auch die ältere starke tritt noch auf:
Sie entäußerte sich auch manches Möbelstücks (Th. Mann); . . .manches jugend¬
lichen Schäfers Auge (Münchhausen).
Die starke Beugung muß aber vor schwach gebeugten Substantiven und
substantivierten Adjektiven stehen:
manches Menschen; die Erinnerung so manches Vergangenen (Goethe).

510 Ohne Flexionsendung steht „manch“ noch in folgenden Fällen (meist


poetisch):
1. Im Nominativ oder Akkusativ Singular des Neutrums (selten im
Maskulinum):
Es weiß Homer von seinen Helden manch Abenteuer zu vermelden (E. Roth).
Manch Ritter ist ein Bösewicht (Bürger). Ebenso: manchmal.

2. Vor dem imbestimmten Artikel:


manch ein Alter (Scheffel); noch manch ein Mal (Raabe); manch eine Geschichte
(Kreuder). Es war manch einer gut zu uns (Gmelin).
Das Pronomen 271

3. Vor „anderer“:
manch anderer, manch andere.

4. Vor Adjektiv + Substantiv:


manch harter Sturm (P. Gerhardt); manch bunte Blumen sind an dem Strand
(Goethe);.... und gewann manch reich beladenes Kauffahrteischiff, manch armes
Fischerboot (Raabe).

Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „mancher“ vgl.


343.

mehrere
ist etwa gleichbedeutend mit „einige, ein paar“/Zu dieser Verwendung 511
kam es dadurch, daß es in Vergleich zu „einer“ gesetzt wurde (mehr als
einer). Es steht attributiv oder allein und dekliniert wie ein Adjektiv:
Mehrere Stunden war ich in der Kathedrale (Seume). Edeltraut . . . wurde auf
mehreren Reisen mitgenommen (H. Hauser). Mehrere kamen herbeigelaufen. . . . meh¬
rere seiner Stücke (Seume). Mehrere von seinen Freunden begleiteten ihn.
Das zusammenfassende Neutrum im Singular ist veraltet:
. . . bemerkten wir alles dieses und noch mehreres (Immermann).
Ebenfalls veraltet ist der Plural mit bestimmtem Artikel, er erscheint
aber gelegentlich noch heute:
die mehreren Fälle (Schiller) [ = die Mehrzahl der Fälle], einer der mehreren Schlüssel
(Barlach), die weitaus mehreren hohen Offiziere (Feuchtwanger)[ =••= die Mehrzahl der
Offiziere]. Erzähle den Mehreren deine Träume (Th. Mann).
Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „mehrere“ vgl. 344.

nichts

„Nichts“ bedeutet „kein Ding“, „nicht etwas“ und ist wie „etwas“ ein 512
indeklinables Neutrum. Es steht allein oder attributiv im Nominativ,
Akkusativ und vor Präpositionen. Das folgende substantivierte Adjektiv
dekliniert stark:
Der prophezeite dem armen Bengel handgreiflich nichts Gutes iur seine Seefahrt
ih. Leip). Ich hab’ mein' Sach' auf nichts gestellt (Goethe). Aus nichts wird nichts
(Sprw.).
Die Umformung zu „nix“ (Assimilation des t an das s) ist allgemein
umgangssprachlich, was von Schriftstellern zur Charakterisierung be¬
nutzt wird:
Sowas ist nämlich nix for mich (Hausmann).
Die Umformung zu „nischt“ ist mitteldeutsch, besonders berlinisch:
Es kömmt doch nischt dabei heraus (Aus einem Brief an Lessing 1769).
Verstärkend tritt „gar“, „ganz und gar“ oder „rein gar“ zu „nichts“:
Der Jung ist faul, für gar nichts hat er Sinn (Fontane). Sie hatten sich in Berlin ernst¬
lich Sorge um ihn gemacht, als sie rein gar nichts von ihm hörten (Spoerl).

niemand vgl. jemand

paar vgl. ein paar


272 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

sämtlich
513 „Sämtliche“ ist ein nachdrücklicheres „alle“ und faßt, wie dieses, zu¬
sammen. Im .Singular wird es meist durch „ganz“ ersetzt. Es steht
attributiv oder allein und dekliniert wie ein Adjektiv:
Sämtlicher Mist muß hier weg; eine Versammlung fast sämtlichen in Frankreich
zurzeit auf bringbaren Geistes (Bartsch); dazu bimmelten sämtliche Kirchenglocken
(Gaudy); mit sämtlichen (etwa: Bewohnern) stehe ich auf gutem Fuße.
Häufig steht ein Possessivpronomen voran, seltener der bestimmte Ar¬
tikel (üblicher: „gesamt“ mit Artikel):
meine sämtlichen Hausgenossen (Fallada), die sämtlichen Geschöpfe (Haushofer).
Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „sämtliche“ vgl. 345:

viel, (Ggs.:) wenig


514 „Viel“ bedeutet eine ziemlich große Menge oder Fülle, „wenig“ eine
ziemlich geringe. Beide werden attributiv oder alleinstehend gebraucht
(letzteres im Nominativ, Dativ, Akkusativ Neutrum des Singulars und im
ganzen Plural):
Vielen Dank! Das hat mich viele Mühe gekostet. Viele Menschen waren unterwegs.
Wenige Gute gleichen vielchlechie aus (Spe Srw.). Ich habe vieles erlebt. Viele sind
berufen, aber wenige sind auserwählt (Matth. 20.6). Viele dieser Bücher sind vergriffen.
Sich mit wenigem begnügen ist schwer, sich mit vielem begnügen unmöglich (M. von
Ebner-Eschenbach).
515 Mit vorstehendem bestimmtem Artikel bzw. Pronomen flektiert „viel“
(wenig) schwach wie ein gewöhnliches Adjektiv:
All das viele Geld ist verloren. Das wenige Gute und das viele Schlechte in seinem
Leben wurde alles wieder lebendig (Kluge). Die vielen Bücher! Welche vielen Men¬
schen! Dreimal stündlich zum wenigsten umarmte sie ihre zukünftige Schwägerin
(Th. Mann). . . . (er) starrte die wenigen Zeilen an, in denen sein Name durch Sperr¬
druck hervorgehoben war (Bergengruen). Die wenigsten wissen das.

Nach den endungslosen Formen des Possessivpronomens werden „viel“


und „wenig/“ natürlich stark gebeugt:
mein vieles Bitten (Carossa), unser vieles Geld.

Ohne vorstehenden Artikel flektiert „viel“ (wenig) entweder stark, oder


es steht flexionslos. In bestimmten Kasus kommen jedoch Schwankungen
vor:
516 1. Starke Deklination:
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen (Goethe). Mit vielem hält man
haus, mit wenig kommt man aus (Sprw.). Mit vieler Anstrengung erreichten wir
unser Ziel. Es waren viele Menschen unterwegs. Viele von diesen Büchern sind
sehr billig. Das Geheimnis ist im Besitz weniger Personen.

Im Genitiv Singular Mask. und Neutr. deklinieren „viel“ und „wenig“


jedoch schwach:
Der alte Mensch bedarf nur wenigen Schlafes.. .. dem sanften, fettigen Glänzen
vielen Brokates (Doderer).

Starke Flexioü im Nom. Mask. ist veraltet und kommt heute selten
vor:
wenig Taten, vieler Schein (Liliencron).
Das Pronomen 273

2. Flexionslos: 517
a) Singular
aa) Der Nom. Mask. erscheint heute nur so:
Wo viel Licht ist, da ist viel Schatten (Sprw.). Dazu gehört wenig Mut.

bb) Der Akk. Mask. erscheint meist flexionslos:


Ich habe viel (wenig) Kummer in meinem Leben gehabt.

Aber nur:
vielen Dank!

cc) Im Nom., Akk. Fern, und Neutr. überwiegt ebenfalls


Flexionslosigkeit:

Viel Geschrei und wenig Wolle (Sprw.). Ich habe wenig Hoffnung.
Er hat viel Gutes getan. Viel Vergnügen! Ich habe nur noch wenig
Geld.

Seltener:
Das hat mich viele (wenige) Mühe gekostet. Ich meine nicht vieles
(= vieles einzelne), sondern viel •( = ein Gesamtes) (Lessing). Vieles
Rauchen schadet.

dd) Im Dat. Mask. und Neutr. erscheint die flektierte Form


ziemlich häufig neben der unflektierten:
Mit vielem hält man haus, mit wenig kommt man aus (Sprw.). Mit
vielfem] Fleiß kannst du es erreichen.

ee) Im Dat. Fern, überwiegt dagegen wieder die flexionslose


Form:
Ich habe es mit viel (wenig) Mühe erreicht. (,,Mit weniger Mühe“
könnte mißverständlich sein!).
Aber auch:
Mit vieler Anstrengung erreichten wir unser Ziel.

ff) Im Genitiv überwiegt die Beugung, weil der Fall dadurch


deutlicher wird:
Der Kranke bedarf vielen Schlafes. Er erfreut sich vieler Gunst. Er er¬
freut sich leider immer nur wenigen Beifalls.

b) Plural
Die flektierten Formen überwiegen. Im Genitiv stehen sie aus¬
schließlich. „Viel“ ist oft zusammenfassend, „viele“ vereinzelnd:
Viele Hunde sind des Hasen Tod (Sprw.). Sie machte sich nicht viel Ge¬
danken darüber (Musil). Die Kleidung vieler (weniger) Menschen ist dürf¬
tig. Das wissen nur wenige. Er gab mir einige wenige Ratschläge (Hesse).
Aber auch: Im Grunde interessieren mich ja so furchtbar wenig Dinge
außer meiner eigenen Arbeit (E. Langgässer). Mit wenigEdelknechten
zieht er ins Land hinaus (Uhland). . . . mit ganz wenig Ausnahmen
(Fontane).

Die Verbindung „ein wenig“ bleibt gewöhnlich unflektiert: 518


Es schien, als hätten wir uns ein wenig entfremdet (Leip); mit ein wenig Geduld;
ein wenig mehr Freundlichkeit (W. v. Scholz). Verstärkt: ein [ganz] klein wenig.
274 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

Wird „ein wenig“ alleinstehend gebraucht, dann kann allerdings auch


(starke) Deklination auftreten:
Meine Aufzeichnungen sollen dazu ein weniges beitragen (Hesse).
Zu den Mißverständnissen, die durch die flexionslosen Formen entstehen
können vgl. 347; 349. Zur Steigerung von „viel“ und „wenig“ vgl. 405.
Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „viel“ und „wenig“
vgl. 347 u. 349.

welcher

519 Der Gebrauch von „welcher“ als Indefinitpronomen ist Alltagssprache,


die auch'von Schriftstellern aufgenommen wird. „Welcher** bedeutet soviel
wie „[irgend] ein“, im Plural „einige, manche“. Es vertritt ein vorher ge¬
nanntes Substantiv. Es steht immer allein und dekliniert stark. Der Ge¬
nitiv Singular wird vermieden :
Je mehr Geld sie verloren, desto sehnsüchtiger wünschten sie welches zu haben
(G. Keller). Manchmal waren gar keine Zigaretten im Haus . .. Albert mußte am
Automaten welche ziehen (H. Böll).
Im Süddeutschen wird das Indefinitpronomen gelegentlich ausgelassen:
Dort standen allerlei Schächtelchen mit guten Hustenbonbons . . , „Nimm dir
[welche]*‘, sagte sie (Ebner-Eschenbach). Jetzt hast du Ohrringe. Wart einmal, ich
hänge mir auch [welche] an (Anna Schieber).

520 Die Verstärkung „irgendwelcher“ wird auch attributiv gebraucht:


aus irgendwelcher inneren Tasche (Th. Mann); um irgendwelcher erzieherischen
Gesichtspunkte willen (Th. Mann).
Der Genitiv Singular ist, wenn er überhaupt gebraucht wird, überwiegend
schwach (Leip, Th. Mann, Ina Seidel), doch kommt die starke Beugung
auch vor:
mangels irgendwelches zuverlässigen Kompasses (Barlach).

521 Die Form „etwelch“ ist veraltet und kommt nur noch altertümelnd in
der gehobenen Schriftsprache vor:
etwelches ökonomisches Interesse (Th. Mann); (Überlegenheit), die nicht einmal
durch etwelche Verliebtheit seinerseits auszugleichen war (Ric. Huch); etwelche
Portionen Kaffee (Fontane).
Schweizerisch mit bestimmtem oder unbestimmtem Artikel:
Wegen der etwelchen Unsicherheit, in welcher die Männer die Welt halten . . .
(Keller). Hierauf trat eine etwelche Besserung ein (Keller).
Zur Deklination des attributiven Adjektivs nach „welcher“, „irgendwel¬
cher“ und „etwelcher“ vgl. 348.-

wenig vgl. viel

wer (was)
522 Es ist nur umgangssprachlich und hat die Bedeutung von „jemand,
einer“ (vgl. 481). Es steht fast nur allein. Der Genitiv wird nicht gebraucht:
Da vorn ist jetzt wer ins Wasser gesprungen (Billinger). „(Du) könntest schon sechs
Jahre verheiratet sein.“ „Ja..., das könnt' ich, wenn mich wer gewollt hätte*'
(Fontane). Oft trifft man wen, der Bilder malt, viel seltner wen, der sie bezahlt
(W. Busch). Selten: wer anderer (Bartsch, Schnitzler, Lernet-Holenia), wer Be¬
kannter (Schnitzler), wen anderen (Hausmann. Schnitzler).
Das Numerale 275

Verstärkend tritt „irgend“ zu „wer“:


Irgendwer wird schon kommen. Irgendwen wird er ja schicken.
Zu dem Gebrauch von „[irgend]was“ vgl. 501.

III. Das Numerale1 (Zahlwort)

Zu den Begleitern und Stellvertretern des Substantivs im Sinne unserer 523


Wortart gehören neben dem Artikel und dem Pronomen auch die reinen
Zahlwörter. Diese Wörter sind überall dort unentbehrlich, wo ein Sub¬
stantiv über den Singular und den Plural hinaus zahlenmäßig näher be¬
stimmt werden soll:
null Grad/ ein Haus, zwei Bücher, zehn Jahre, hundert Mark.
Hierher gehören alle Wörter, die Zahlen von null bis 999 999 bezeichnen.
Über die unbestimmten Zahlwörter (manche, mehrere, andere, viele u. a.)
vgl.die Indefinitpronomen (484 ff.). Sie wurden dort abgehandelt, weil sie
viele pronominale Eigentümlichkeiten zeigen.
Die Aufgabe, ein Substantiv zahlenmäßig zu bestimmen, kann aber auch 524
von Wörtern anderer Wortarten erfüllt werden:
Aus der Wortart Substantiv: Hunderte "von Menschen, zwei Millionen Ein¬
wohner. Ein Drittel des Weges. Aus der Wortart Adjektiv: das zweite Mal, die
vierfache Menge, ein halber Liter, in den achtziger Jahren.
Schließlich gibt es aber auch Zahlwörter, die ein Geschehen oder eine
Eigenschaft näher bestimmen können. Sie gehören der Wortart Partikel
(Adverbien) an:
Er kam jede Woche dreimal hierher (= sein dreimaliges Kommen). Ich habe ihn
tausendmal lieber als dich.
Es ist aus vielen Gründen zweckmäßig, auch diese Zahlwörter zusammen
mit den reinen Zahlwörtern zu betrachten. Es handelt sich also in den
folgenden Abschnitten nicht mehr um die Wortart „Begleiter und Stell¬
vertreter des Substantivs“ allein, sondern um die Sachgruppe Zahlwort,
die Wörter aus mehreren Wortarten in sich vereinigt.

1. Die Kardinalzahlen (Grundzahlen)


Die Kardinalzahl wird attributiv oder alleinstehend gebraucht. Sie 525
antwortet auf die Frage: Wie viele ?
Attributiv:
Null Fehler im Aufsatz haben. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer
(Sprw.). Drei Wochen war der Frosch so krank (W. Busch). Der Tag hat vier¬
undzwanzig Stunden, die Stunde sechzig Minuten, die Minute sechzig Sekunden.
Die Kirche ist schon ein paar hundert Jahre alt..
Alleinstehend:
Dreißig Tage bilden einen Monat, sieben eine Woche. Gedulden Sie sich eine
Woche oder zwei! Es waren ihrer sechs (Titel eines Romans von A. Neumann).
Aller guten Dinge sind drei (Sprw.).

1 Lat. numerus = [An]zahl.


276 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

a) Die Bildung der Kardinalzahlen


526 Die Grundzahlwörter von 0 bis 10 heißen:
null, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn.

Die Zahlen „elf“ und „zwölf“ weichen in der Bildung von den Zahlen 13
bis 19 ab, die aus den Verbindungen der Zahlen 3 bis 9 mit „zehn“ be¬
stehen :
dreizehn, vierzehn, fünfzehn, sechzehn (nicht: sechszehn), siebzehn (nicht: sieben¬
zehn), achtzehn, neunzehn.

Die Zehnerzahlen von 20 bis 90 werden durch Anhängen der Nachsilbe


-zig (got. tigus = Dekade, Zehnzahl) an die Einerzahlen gebildet:
zwanzig (ahd.: zweinzug), dreißig (nicht: dreizig, weil das t von tigus hier nicht
nach einem Konsonanten, sondern nach einem Vokal stand und sich deshalb nicht
zur Affrikata „z“, sondern zur Spirans ,,ß“ verschob), vierzig, fünfzig, sechzig
(nicht: sechszig), siebzig (siebenzig ist veraltet), achtzig, neunzig.

Die Zahlen zwischen den Zehnern werden dadurch gebildet, daß die Einer¬
zahl durch „und“ mit der Zehnerzahl verbunden wird:
einundzwanzig (nicht: zwanzigeins, wie z. B. im Englischen), zweiundzwanzig,
dreiunddreißig, vierundvierzig, Sechsundsechzig, siebenundsiebzig, neunundneunzig.
Hundert ist ursprünglich ein Substantiv, das dann attributiv gebraucht
wurde. Die Hundertzahlen werden durch Verbindung der Einerzahlen
mit hundert gebildet:
[ein]hundert (hundert[und]eins, hunderteinundzwanzig), zweihundert, dreihundert
usw., neunhundert.

Tausend bedeutet eigentlich „großes Hundert“ und ist ebenfalls ur¬


sprünglich ein Substantiv. Die Tausenderreihe wird wie die Hunderter¬
reihe gebildet:
[eintausend (tausend[und]eins, tausendeinundzwanzig), zweitausend, dreitausend
usw., neuntausend, zehntausend, zwanzigtausend usw., neunzigtausend, [ein]-
hunderttausend, zweihunderttausend usw., neunhunderttausend;

eine Million (italien. milione von lat. mille = tausend, also eigentlich: großes Tau¬
send), zwei Millionen, zehn Millionen, hundert Millionen, neunhundert Millionen;
eine Milliarde (= 1000 Millionen; franz. milliard), zehn, hundert, neunhundert
Milliarden;
eine Billion (= 1000 Milliarden; franz. billion), hundert Billionen;
eine Billiarde (= 1000 Billionen; franz. billiard), hundert Billiarden;
eine Trillion (= 1000 Billiarden; italien.), hundert Trillionen, tausend Trillionen,
neunhunderttausend Trillionen;
eine Quadrillion (= 1 Million Trillionen; franz.);
eine Quinquillion oder Quintillion (= 1 Million Quadrillionen; lat.);
eine Sextillion (= 1 Million Quintillionen; lat.);
eine Septillion (=1 Million Sextillionen; lat.);
eine Oktillion ( = 1 Million Septillionen; lat.) usw.;
eine Myriade (= eigentlich 10000; griech.; heute nur noch unbestimmt im
Sinne von „ungeheuer viel“, vgl. 536).

Zur Beugung des Gezählten hinter den Substantiven „Million“, „Mil¬


liarde“ usw. und hinter den substantivisch gebrauchten „Hundert“ und
„Tausend“ vgl. 533. Zur Beugung von Maß-, Mengen- und Münzbezeich¬
nungen nach Kardinalzahlen vgl. 244.
Das Numetale, 277

b) Die Deklination der Kardinalzahlen

Die Deklination der Kardinalzahlen ist immer mehr verkümmert.

a) ein
„Ein“ hat die volle Flexion bewahren können, weil der unbestimmte Ar- 527
tikel gleich lautet. Es berührt sich mit dem Indefinitpronomen „einer“, .
besonders in der Gegenüberstellung mit „anderer“ (vgl. 497). Es ist
als Zahlwort immer stark betont und flektiert stark, wenn es allein steht;
schwach dagegen, wenn der bestimmte Artikel oder ein Pronomen mit
starker Endung vorausgeht:
eine8 Buches. Wir baten um den Besuch eines Ihrer Herren. Ich habe jetzt zwei
Freunde statt eines. . . . daß der Preuße mit dem Adel unter einer Decke liege
(Treitschke). Mit einem Worte. Die beiden Länder hatten einen König. . . . des
einen Buches, dieses einen Umstandes, meines einen Sohnes; seines einen Mund¬
winkels (Th. Mann).

1. Im Nominativ des Maskulinums sowie im Nominativ und Akku¬


sativ des Neutrums werden bei attributivem Gebrauch die starken
Formen „einer“ und „eines“ zu „ein“ gekürzt. Sie stimmen damit
mit den Formen des unbestimmten Artikels überein (vgl. 207):
ein Schüler. Sie waren ein Herz und eine Seele.

Wenn „ein“ allein steht, treten jedoch die vollen Formen wieder ein:
Das Ganze ist wichtig, einer ist nichts (Burte). Nur einer kann den Vorsitz
führen. Auch nicht einer der Burschen rührte sich. Eines schickt sich nicht für
alle (Goethe).

2. Neben der gehobeneren Vollform „eines“ wird auch „eins“ ge¬


braucht :
Eins tut not. Auf eins muß ich noch aufmerksam machen. Zwei Augen sehen
mehr als eins (Sprw.).

Ebenso in der Bedeutung „gleich“:


Sie sehen und sie lieben war für Gustav eins (O. Ernst). Schließlich kommt es
auf eins hinaus (G. Schröer).

Ferner in den Bedeutungen „einig, zusammenstimmend“ (Gegen¬


teil: uneins) und „gleichgültig“:
Und doch war sein Geist zu jener Stunde ganz eins mit dem Geiste Englands
(A. SchaefFer). Es ist mir alles eins.

Die kürzere, alleinstehend gebrauchte Form „eins“ dient zum Rechnen


und Zählen:
Ein mal eins ist eins. Eins, zwei, drei! im Sauseschritt läuft die Zeit, wir laufen
mit (W. Busch). ... und als die Glocke schlug eins (Münchhausen); 2,1 (gelesen:
zwei Komma eins).

Sie steht.auch, wenn hundert, tausend usw. vorausgeht:


hundert [und ]eins, tausend [und ] eins.

Folgt jedoch die größere Zahl, dann wird unflektiertes „ein“ gebraucht:
einundzwanzig, einhundert, eintausend.
278 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

3. Wenn „und“ und eine größere Zahl (hundert, tausend usw.) vor¬
ausgehen, steht das attributive „ein“ flektiert (im Nom. Mask. und
Nom., Akk. Neutr. allerdings wieder die gekürzte Form „ein“):
hundertundwi Salutschuß; er hatte tausendiindeiwe/i Grund (Zschokke);
hundertundewe Seite, mit tausendundeinem Weizenkorn, ein Märchen aus
Tausendundeiner Nacht.

Es kann aber auch dem Sinne nach der Plural des Substantivs stehen,
dann bleibt „ein“ stets flexionslos, „und“ fällt dabei häufig weg:
mit hundert [und ]ein Salutschüssen, mit tausend [ und ]ein Weizenkörnern.

4. „Ein“ bleibt flexionslos vor Bruchzahlen und vor dem Substantiv


„Uhr“:
Ein Sechstel multipliziert mit ein Viertel. Wir treffen uns nach ein Uhr.

5. Flexionsloses „ein“ steht gewöhnlich auch, wenn es durch „oder“,


„bis“, „und“ u. a. an „zwei“ und „ander“ gekoppelt ist:
Gedulden Sie sich noch ein bis zwei Tage. Du mußt noch ein oder zwei Wochen
warten. Ein und dem andern kann man es schon sagen.

In Verbindung mit „mehrere“ steht meist flektiertes „ein“:


mit einer oder mehreren Nuten versehen; für einen oder mehrere Betriebe.

6. Verstärkend tritt „derselbe“ zu „ein“ mit „und“ als Verbindung.


„Ein“ kann in diesem Falle auch flektiert auftreten (mit den unter 1
erwähnten Ausnahmen). Die Beugung intensiviert noch:
Sie wohnen in einferj und derselben Straße. Es ist einfe] und dieselbe Größe.
Sie schneiden mit ein fern] und demselben Messer.

Ebenso „alles“:
Der Junge ist mein ein und [mein] alles. Meinem ein und alles kann ich doch
nichts abschlagen.

ß). zwei, drei usw.


528 1. Von den weiteren Kardinalzahlen können nur „zwei“ und „drei“
im Genitiv gebeugt werden, meist, wenn der Kasus nicht bereits
durch ein anderes Wort (best. Artikel, Demonstrativpronomen)
kenntlich gemacht ist:
Durch zweier Zeugen Mund wird allerwegs die Wahrheit kund (Goethe). Nach
den schattenhaften Gestalten zweier Polizisten . . . (Dürrenmatt).

Aber:
Nach der Aussage der zwei Zeugen stimmt das nicht. Das Schicksal dieser drei
ist unbekannt.
Der flektierte Genitiv ist jedoch gebräuchlicher vor einem attributiven
Adjektiv, obwohl dieses den Fall anzeigen würde:
das Bruchstück eines Gespräches zweier spitzmäuliger Damen (Tucholsky);
der Puls dreier kräftiger Männer (E. v. Handel-Mazzetti).

In der Zusammensetzung mit -lei (vgl. 543) können allerdings alle


Kardinalzahlen den Genitiv auf -er bilden:
mit Speck und siebenerlei Gewürzen (R. Schaumann):
hunderterlei Erinnerungen (Federer); tausenderlei Dinge (Hesse).
Das Numercde 279

Die Form „zwei“, die wir heute (seit Ende des 18. Jahrhunderts) verwenden, stand
ursprünglich nur vor neutralen Substantiven. Für Maskulinum und Femininum gab
es abweichende Formen:
mhd. Mask.: zwene man; Fern.: zwo frouwen; Neutr.: zwei kint.
Verfasser historischer. Romane und Dichter verwenden gelegentlich noch die alten
Formen, teils richtig, teils falsch:
Zwo mächt’ge Feien nahten dem schönen Fürstenkind (Uhland). Ein Hifthorn
hing ihm um die Schulter, zween Messer an der Seite (Alexis). Drum sandten
wir zwo Späher auf dem Fuß ihm nach (Scheffel).
Heute wird im Fernsprechverkehr, beim Heer u. a. vielfach „zwo“ für alle drei Ge¬
schlechter gesagt, um Verwechslungen mit „drei“ zu vermeiden. D>anach sagt man
auch schon'„zwote“, obwohl „zweite“ mit „dritte“ gar nicht verwechselt werden
kann.
Für „die zwei“ tritt zur Zählung bereits bekannter Wesen oder
Dinge oft das kollektive „beide“ mit dem Wert eines Duals ein (vgl.
495; ^96). Die tautologische Kopplung „die zwei beiden“ oder „wir
zwei beide[n]“ ist mundartlich und umgangssprachlich, besonders in
Nord- und Mitteldeutschland.
Der heute noch umgangssprachliche neutrale Singular „dreies“ faßt
(analog „beides“) zusammen:
Das Theaterstück fordert alles dreies zusammen (Goethe). . . . alles dreies auf
einmal (Lessing). Und ich bin eigentlich alles drei’s ( = Kind, Narr, Poet;
Fontane).
Zur Deklination des attributiven Adjektivs im Genitiv nach „zweier“
und „dreier“ vgl. 335.
2. Im Dativ können bei substantivischem Gebrauch alle Zahlwörter 529
von zwei bis zwölf gebeugt werden, besonders wenn der Kasus sonst
nicht deutlich würde:
Weniger Worte sind zwischen ziveien, die einander lieben, wohl nie gemacht
worden (Ebner-Eschenbach). Was zweien zu weit, ist dreien zu eng (Sprw.).
Wir gingen zu vieren auf und ab (Goethe). ... auf allen vieren in die Schule
krabbeln (Penzoldt); falls es bei fünfen sein Bewenden haben würde (Th.Mann);
er fährt mit achten (acht Pferden). Ich sage dir ja, daß sie zu zehnen sind und
nicht zu eilen (Th. Mann).
Neben den Formen auf -en in „zu zweien“ usw. finden sich indeklinable
Starrformen auf -t, die von den Ordinalzahlen abgeleitet sind:
zu zweit, zu dritt. Sonst sitzen wir Abend für Abend zu sechst im Kasino (Renn).
Wir saßen zu dritt in einer Schenke des Dorfes Eschenbach (Jatho).
Man unterscheidet bereits vielfach, aber nicht durchgehends:
zu zweien (je zwei und zwei): zu zweien 'her die Straße gehen; zu zweit (nur
zwei Personen betreffend): zu zweit in den Wald gehen.
Die auf -zehn und -zig endenden Kardinalzahlen werden im allge¬
meinen weder im Genitiv noch im Dativ gebeugt. Ausnahmen kommen
beim Dativ vor:
einer von zehnen oder zwanzigen (Lernet-Holenia).
Das gleiche gilt für die Substantivierung:
Das Frauenzimmer mochte noch in den Siebzigen sein (Meyrink).
Beugung bei attributivem Gebrauch ist veraltet und kommt heute
nur ganz selten im Dativ vor:
Und zweien Knechten winket er (Schiller). Nach dreien Tagen .. . (Th. Mann).
Über „hundert“, „tausend“, „Million“ usw. vgl. 533.
280 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

530 3. Die substantivisch gebrauchten Formen auf -e, die bei den Zahl¬
wörtern 2-12 möglich sind, finden sich nur noch in alter oder in
volkstümlicher Sprache. Sie werden für den Nominativ, Genitiv und
Akkusativ verwandt:
. . . und zweie kehrten zurück (Jatho); . . . vielleicht gelinge es einmal, alle
neune (= Jungen) einzufangen (Carossa). Es schlägt zwölfe. Ringel, Ringel,
Reihe! Sind der Kinder dreie (Des Knaben Wunderhorn). Keines der viere
steckt in dem Tiere (Goethe).
Fest gewordene volkstümliche Redewendungen sind:
alle viere von sich strecken, alle neune werfen (beim Kegeln).

531 4. Die Kardinalzahlen haben eine indeklinable Starrform auf -er


entwickelt, die attributiv gebraucht wird. Sie ist aus der Substan¬
tivierung auf -er entstanden:
eine fünf zehner Birne (Böll).
-ziger kann dabei die Dekade ausdrücken:
Das ist ein achtziger Jahrgang (aus dem Jahre 80 eines Jahrhunderts). Es ge¬
schah in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts (d. h. zwischen 1880 und
1890). ... in den zwanziger Tagen des September (Th. Mann).

532 5. Die Kardinalzahlen von vier an werden in keinem Falle mehr ge¬
beugt, wenn sie mit einem Substantiv verbunden sind:
die Stimmen von zehn Funktionären; die vier Elemente. Mit seinen achtund¬
achtzig Jahren ist er noch sehr rüstig.

y) Hundert, Tausend, Million usw.


533 „Hundert“ und „tausend“ werden auch als Substantive verwendet.
„Million“, „Milliarde“ usw. treten nur als Substantive auf, ebenso
„Dutzend, Schock, Mandel, Gros“ usw.:
1. das Hundert, das Tausend:
ein halbes Hundert; vier vom Hundert', Hunderte und aber Hunderte. Es geht
in die Hunderte. Die Zustimmung vieler Tausende ist gewiß.

Als Maßeinheit werden „Hundert“ und „Tausend“ im Nom. und Akk.


Plural seltener auch unflektiert gebraucht, wenn der Fall durch ein
Begleitwort deutlich wird:
Viele Hundertfe], mehrere TausendfeJ umsäumten die Straßen. Einige Hundert
Zigarren (Packungen von je hundert Stück).

Über den Genitiv „Hunderter, Tausender, Dutzender“ s. unter b).


a) Das Gezählte kann auf dreierlei Weise von den Zahlsubstan¬
tiven (auch „Million“ usw.) abhängen:
aa) Das Gezählte steht im Genitiv, wenn es mit einem ad¬
jektivischen Attribut verbunden ist (Genitivus partitivus;
vgl. 980,5). Diese Konstruktion ist von den dreien die seltenste:
das Gekreisch von Tausenden entfesselter Bauern (Bartsch); die Mann¬
schaft der Hunderte kleiner und großer Kähne (Fr. Wolf); ein halb
Dutzend der Gäste oder der Auf Wärter (Schiller); Millionen silberner
Perlen (Jatho).
Das Numerale 281

bb) Den Genitiv ersetzt in der gewöhnlichen Sprache „von“


(mit oder ohne attributives Adjektiv). Diese Konstruktion
wird unter allen dreien am häufigsten angewandt:
die Hunderte von Marmorheiligen (Hesse); alle diese Hunderte und
Tausende von durchnäßten Soldaten (Inglin); viele Tausende von
Kriegsgefangenen (Gollwitzer); .trotz Hunderttausender von Armen
(Thieß).

cc) Das Gezählte steht als Apposition im gleichen Fall wie das
Zahlsubstantiv (mit oder ohne attributives Adjektiv). Diese
Konstruktion ist stark im Vordringen. Die Kleinschreibung des
Zahlsubstantivs ist sehr häufig, aber noch nicht amtlich:
auf den nackten Körpern von Hunderten schwitzenden und lachenden
Trägern (Vicki Baum); tausende Herzen (Jatho),

b) Wenn „Hundert“, „Tausend“ und „Dutzend“ im Genitiv


stehen und dieser Fall durch kein anderes Wort deutlich wird,
nehmen sie adjektivische Flexion an. Die Kleinschreibung ist hier
ebenfalls schon sehr häufig, gilt aber noch als unzulässig;
trotz der Tapferkeit Tausender (Franck). Aber um einen Kindertag im
Gedächtnis wiederherzustellen, bedürfte es tausender Bilder (Hesse). Der
deutsche Gelehrte bedient sich hunderter, tausender von Fremdwörtern.

2. „Million“, „Milliarde“ usw. werden immer dekliniert:


einer halben Million, eine dreiviertel Million, mit 0,8 Millionen DM, mit 2,1
(gelesen: zwei Komma eins) Millionen DM, vier Millionen Menschen, eine
Summe von zehn Millionen DM; mit hundert Milliarden Dollar.

Steht der bestimmte Artikel u. ä. vor „Million“, dann wirkt er


auf die Beugung des folgenden Adjektivs (bei „Hundert“ und
„Tausend“ wird diese Konstruktionsweise vermieden):
die Millionen zarten Märzenflecklein (Federer); der einstigen sechzig Mil¬
lionen Deutschen (H. Mann); die Millionen Toten (Werfel).

c) Die Kardinalzahl bei Jahreszahlen

Bei Angabe von Jahreszahlen sagt man statt ,,[ein]tausendneunhundert- 534


sechzig“ gewöhnlich „neunzehnhundertsechzig“. Die Jahreszahl schließt
sich an die [Tag- und] Monatsangaben unmittelbar an:
Am 28. August 1749 . . . kam ich . . . auf die Welt (Goethe).

„Das Jahr“ oder „im Jahre“ versteht sich von selbst und wird daher
vielfach ausgelassen:
Wir schreiben jetzt 1950.1813 war die Schlacht bei Leipzig.

Bloßes „in 1948 (in neunzehnhundertachtundvierzig)“ statt „im Jahre


1948“ ist Nachahmung des Englischen und gilt nicht als korrekt.
282 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

d) Die Kardinalzahl bei der Uhrzeit

535 Zur Angabe der Uhrzeit dienen die flexionslosen Kardinalien (eins bis
£wölf) mit oder ohne „Uhr“. Die Formen auf -e sind veraltet oder volks¬
tümlich (vgl. 530) und stehen immer ohne „Uhr“:
Es ist eins, aber: Es ist ein Uhr. Um fünf [Uhr] aufstehen (volkst.: um fünfe auf¬
stehen; veraltet: Er geht vor zwölfe schlafen [Platen]). Der Zug fährt Punkt zwölf
[Uhr] ab. Es ist jetzt halb elf [Uhr]. Es schlägt, [ein] Viertel vor sechs. Es ist [ein]
Viertel nach sieben. Es ist fünf Minuten vor drei Viertel (dreiviertel) acht. Es ist [ein]
Viertel [auf] neun (bes. mitteldt. für: ein Viertel nach acht). Von Köllen war ich
drei Viertel auf acht des Morgens abgereist (Heine).

Für die zweite Hälfte der Tageszeit gebraucht man adverbielle Angaben,
wenn Verwechslungen mit der ersten möglich sind und umgekehrt:
Der Zug fährt um halb acht [Uhr] abends. Ich wartete bis zwei Uhr nachmittags. Um
fünf Uhr morgens. Um sechse des Morgens ward er gehenkt, um sieben ward er ins
Grab gesenkt, sie aber schon um achte trank roten Wein und lachte (Heine).

Die Zahlen 0 bis 24 (nach dem ersten Weltkrieg eingeführt) werden amt¬
lich viel gebraucht, dringen aber in die Umgangssprache nur schwer ein.
Sie stehen noch meist mit „Uhr“:
Der Zug fährt 1715 von Köln ab (gesprochen: siebzehn Uhr fünfzehn [Minuten]).
Ich komme um 20 Uhr zu dir (nicht: um 20).

„Minute“ und „Sekunde“ werden auch nach Zahlen gebeugt (vgl. 251):
fünf Minuten vor zwölf, zehn Sekunden vor halb fünf.

536 e) Ausdruck der Unbestimmtheit

a) Bestimmte Zahlen in unbestimmtem Gebrauch


Einige bestimmte Zahlen können auch eine unbestimmte Menge angeben
(vgl. noch 543). Die genaue Zahl wird nicht genau genommen:
Eine große Zahl:
Viel hundert weiße Lilien im Klostergarten blühn (= hundert und noch viele
mehr [H. Löns]). Ich habe es Dir schon hundertmal gesagt. Aus tausend Perlen
blinkt und blitzt der Morgenröte Glut (Vogl). Es grüßt und küßt Dich tausend¬
mal Deine Gretel. Zu Dutzenden', mit Myriaden Stimmen (Jatho; vgl. 526); über
Millionen Sternen (Hölty).

Eine geringe Zahl:


Das Glück dauerte nie länger als zwei Minuten (G. Keller). Nun, Freund, zwei
Worte noch! (Grillparzer). Das kannst du mit zwei [oder], drei Stichen fest¬
nähen. Das kann ich dir mit drei Worten sagen. Sie müssen noch fünf Minuten
warten. Ich packte meine Siebensachen. ; . . das Dutzend Bücher, so der alte
Herr besaß (G. Keller).

Ebenso mit Voranstellung von „einige“:


Er ist höchstens einige dreißig Jahre alt (Heine; = dreißig und einige).

Über „halb“ vgl. 539 am Ende.


Zur unbestimmten Angabe von Zehnerstellen dient umgangssprachlich
auch die Nachsilbe -zig:
nach motorischer Raffung weiterer .. . zig Kilometer (Jatho).
Das Numerale 283

ß) Unbestimmtheit durch Adverbien

Sonst wird die bestimmte Zahl durch Hinzufügung zum Teil einschrän¬
kender oder erweiternder Adverbien unbestimmt gemacht (vgl. auch
560):
gegen hundert, über zwölf, unter zehn, nahezu fünfzig, um die zwanzig, ungefähr zehn,
etwa tausend. An hundfert verschiedene Leucht- und Leitfeuer bezeichnen nachts
dem Kundigen den Weg (Leip). . . . aber Warenhaus Mandel hat auch an die tausend
Angestellte (Fallada).

Ein unbestimmter Zwischen wert zwischen zwei Zahlen wird durch „bis“
ausgedrückt :
in drei bis vier Wochen, des zwölften bis fünfzehnten Jahrhunderts.

Einschränkend, mit Angabe der Höchstgrenze:


Bis zu fünf Lehrern kann gleichzeitig Urlaub gewährt werden.

2. Die Ordinalzahlen (Ordnungszahlen)


Diese Zahlen geben, konkret oder übertragen, eine bestimmte Reihen- 537
folge an. Sie werden attributiv oder alleinstehend gebraucht:
der erste [Mensch]; der zweite (vgl. 528), der dritte [Turner]; der siebte, älter: siebente.

Bei zusammengesetzten Ordinalzahlen wird nur die letzte Zahl flektiert:


der hundert|und)erst.e: der [einjtausendzweihundertfünfundmemgste Besucher.

Die Ordinalzahlen 1 bis 19 werden gebildet, indem an die betreffenden


Kardinalzahlen das Suffix -t tritt:
der zweite, der vierte, der neunzehnte Februar.

Abweichende Bildungen sind jedoch:


der erste (statt: einte; eigentlich ein Superlativ), der dritte (statt: dreite, entstanden
durch Kürzung des „ei“ und nachfolgende Verdoppelung des ,,t“), der achte (statt:
achtte).

Statt „hundertunderste“ wird landschaftlich (besonders norddeutsch)


auch „hundertundeinte“ oder „hundertundeinste“ gesagt.
Von 20 an tritt -st an die Kardinalzahlen (vgl. die Bildung des Super¬
lativs Ziff. 386):
der zwanzigste, der dreißigste uBw., der hundertste, der tausendste, der millionste.

Analog wird „der wievielte“ (seltener: wievielste) gesagt.


Bei der Nennung des Datums wird die Angabe „Tag“ ausgelassen. Der
Monatsname kann zur Erläuterung stehen:
Morgen ist der Zwanzigste (= der zwanzigste Tag des Monats). Am Achten [des Mo¬
nats] ist eine Feier. Am ersten April (= am ersten Tag des Aprils).

Die Ordinalzahlen deklinieren schwach, wenn der bestimmte Artikel oder


ein Pronomen mit starker Endung davor steht, sonst stark:
Heinrich der Achte, Heinrichs des Achte», am Achte», zum dritte» Mal[e]; Karl ist
erster. Siebzigste Geburtstage von Gelehrten pflegt man mit Festschriften zu feiern.
Heute ist Erster Mai.
284 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

Wie die Superlative (vgl. 392) können sie nicht flexionslos gebraucht
werden, auch nicht aussagend:
der erste Schüler — der Schüler ist der erste. Fritz ist der Erste oder Erster in der
Klasse.
Die Zusammensetzungen der Ordinalzahl mit „selb-“ sind veraltet:
selbdritt (= ich [er, sie] selbst als dritter), selbviert, selbander (= selbzweit) usw.
Gelegentlich erscheint „selbdritt“ noch als Unterschrift unter Bildern,
z. B.
Anna selbdritt (von Leonardo da Vinci), d. h. die heilige Anna mit Maria und Jesus.
Neuere Schriftsteller gebrauchen die Formen altertümelnd:
Dann schritten sie selbzweit dahin (A. Schieber).
Durch Anfügen der Endung -ens an die Ordinalzahlen entstehen Ad¬
verbien, die die ordnende Reihenfolge bezeichnen., Von zwanzig an werden
sie unüblich:
erstens, zweitens, drittens usw.
Zum gelegentlichen Ersatz der Ordinalzahl durch die Kardinalzahl vgl.
1239.

3. Die Bruchzahlen

538 Die Bruchzahlen von „drei“ an entstehen durch Anfügen der Endung
-tel (= Teil) an die Ordinalzahl, deren „t“ dabei wegfällt. Da das Sub¬
stantiv „Teil“ zugrunde liegt, sind auch die Bruchzahlen ursprünglich
(neutrale) Substantive (vgl. aber unten). Statt „Zweitel“ (zweitel) sagt
man gewöhnlich „Hälfte“ (halb):
ein Drittel, drei Viertel, vier Fünftel, sechs Siebtel (älter: Siebentel), neun Zehntel,
ein Zwanzigstel, ein Hundertstel, Tausendstel, Millionstel.
„Eintel“ und „Zweitel“ werden in der Mathematik gebraucht:
2 3
zwei Hunderteintel (-j^-), drei Hundertztm'teZ (^^).

Die substantivischen Bruchzahlen werden wie gewöhnliche starke Sub¬


stantive dekliniert; Das Gezählte steht als Genitivattribut (das durch
die Konstruktion mit „von“ ersetzt werden kann) oder als Apposition:
Der Mond ist im letzten Viertel. Ich bedurfte nur eines Drittels der Masse. Ein
Drittel von der Masse ist genug. Er war mit einem Viertel Huhn zufrieden.
Im Plural wird die Bruchzahl als Maßangabe gebraucht, die nach Ziff. 244
in der Form des Singulars auftritt:
Mit der Zahlung von vier Fünftel des Betrages bin ich einverstanden. Die Ware kam
mit drei Zehntel Gewichtsverlust an.
Der Plural steht nur, wenn die Vorstellung der genauen Maßangabe
zurücktritt:
In drei Vierteln aller Lustspiele wird gehorcht (Fontane).
In Verbindung mit immer wiederkehrenden Substantiven wird die sub¬
stantivische Bruchzahl häufig zum Bestimmungswort einer Zusammen¬
setzung, die dann zum Maßbegriff wird:
Vierteljahr, Viertelpfund, Viertelstunde, Viertelliter, Achtelliter, Achtelzentner,
Zehntelpackung, Sechzehntelnote usw.
Das Numerale 285

Besonders häufige Begriffe wie Pfund, Liter, Maß können dabei weg¬
fallen, so daß die Bruchzahl allein vor dem Gemessenen steht:
Ein Viertel Leberwurst, bitte! (= ein Viertelpfund). Ich möchte ein Achtel sauren
Rahm (= einen Achtelliter), ein Viertel Rotwein (= einen Viertelliter).
Aus diesen Zusammensetzungen entwickeln sich besonders bei Maßen
und Gewichten Fügungen, in denen die kleingeschriebene Bruchzahl als
indeklinable Starrform attributiv gebraucht wird:
ein achtel Kilo, ein viertel Zentner, neun zehntel Gramm, [drei und) fünf siebtel Meter.
Eine Soiiderentwicklung hat „drei Viertel“ durchgemacht: Sowohl in
substantivischer Verwendung wie als attributiv gebrauchte Starrform
wird diese Wortgruppe als Einheit gefühlt und zusammengeschrieben.
Man schreibt also
als Substantiv: in Dreiviertel der Länge, mit Dreiviertel der Masse;
als attributive Starrform (hinter der das Substantiv dann im Singular steht I): Aus
„drei Vierteljahre“ wird ,.dreiviertel Jahr“; aus ,,in drei Viertelstunden“ wird ,,in
[einer] dreiviertel Stunde“; eine und eine dreiviertel Million Menschen; aber: ein-
[undjdreiviertel Millionen Menschen.
Die Starrform ,,dreiviertel“ kann wiederum als Bestimmungswort einer
Zusammensetzung auftreten:
eine Dreiviertelstunde, dreiviertelfett (Buchdruck).
„Halb“ wird wie ein Adjektiv dekliniert (zu seiner Deklination nach 539
„alle“ vgl. 337):
Wir .trafen uns auf halbem Wege. Ich bin nur noch ein halber Mensch. Der halbe
Mond . . . war meist von treibendem Wolkendunkel überzogen (Storm).
Steht „halb“ nach der Zahl „ein“, dann wird es, analog „ein“, entweder ge¬
beugt oder nicht gebeugt (vgl. 527):
Zwei und ein halber Großbauer (Lilien fein); zwei und ein halbes Jahr
(Th. Mann); vor zwei und einer halben Stunde, eine und eine halbe Million.

Aber:
zehn mit ein halb multipliziert, drei[und]einhalb Seiten, vor zwei[und]einAaM
Stunden, ein[und]einAaZ6 Millionen.
Für „ein[und]einhalb“ (bzw. zweitehalb = das zweite [andere] nur halb)
wird auch „anderthalb“ gesagt:
Cläre wagte den ungeheuer kühnen Schritt, nach anderthalb Jahren in ihrer eigenen
Vaterstadt ... als erste Liebhaberin aufzutreten (Fr. Reuter). . . . anderthalb Mi¬
nuten (Wassermann).
„Anderthalb“ wird seltener flektiert, meist, wenn es substantivisch ge¬
braucht wird:
auf einen Schelmen anderthalbe (Goethe); anderthalbe Bahnstunden (Schaeffer).

Die Zusammensetzungen „dritt[e]halb“ (= das dritte nur halb, d. h.


zweieinhalb), viert[e]halb (= dreieinhalb) usw. sind veraltet:
Das sind schon dritthalb Jahre (Hebbel) | um dritthalb Jahre (Fontane). In neunt-
halben Stunden verlor er Land und Leut’ (Uhland).
Unbestimmte Zahlangabe wird „halb“ in den folgenden Beispielen:
Die halbe Stadt strömte auf dem Platze zusammen. Halb Paris war auf den Beinen.
Frisch gewagt ist halb gewonnen (Sprw.).
Zum flexionslosen Gebrauch von „halb“ vgl. noch 357.
286 Begleiter und Stellvertreter des Substantivs

4. Die Verteilungszahlwörter
540 Die Verteilungszahlwörter werden durch Voranstellen des Wörtchens
„je“ vor die Zahl gebildet. Sie drücken eine zahlenmäßig gleiche Ver¬
teilung aus:
Je zwei von ihnen wurden liereingeführt. Die beiden Bettler erhielten von ihm
je fünf Mark. Je dreimal.
Die Verbindung mit der Ordinalzahl ist veraltet:
In dieser Not beschloß die Landsgemeine, daß je der zehnte Bürger nach dem Los
der Väter Land verlasse (Schiller).

5. Die Vervielfältigungszahlwörter
541 Die Vervielfältigungszahlen werden von der Kardinalzahl und der Nach¬
silbe -fach (veralt.: -fältig) gebildet. Sie werden nicht nur wie ein Adjek¬
tiv, sondern auch wie ein Adverb gebraucht:
einfach, einfältig (Bedeutungsverschiebung 1); zweifach (veraltend: zwiefach),
dreifach, hundertfach, hundertfältig, tausendfach, millionenfach usw.
Unbestimmt:
mehrfach, vielfach (vielfältig), mannigfach (mannigfaltig).
Für „zweifach“ tritt seit dem 16. Jahrhundert auch „doppel(t)“ ein.
Heute unterscheidet man - aber nicht durchgehend - so, daß „zweifach“
verschiedene Begriffe, „doppelt“ den gleichen Begriff noch einmal aus¬
drückt.
Das ist ein zweifaches Verbrechen (Mord und Raub).
Aber:
Geteilte Freude, doppelte Freude (Sprw.). Doppelt genäht hält besser (Sprw.). Ein
Koffer mit doppeltem Boden.

6. Die Wiederholungszahlwörter
542 Die Wiederholungszahlwörter werden von der Kardinalzahl und dem
Substantiv „Mal“ gebildet. Wortartmäßig gehören sie zu den Adverbien.
Sie antworten auf die Frage: Wie oft ?
einmal (aber: einmal = zu irgend einer Zeit), zweimal, dreimal, zehnmal, dutzend¬
mal, hundertmal, tausendmal, millionenmal usw.
Unbestimmt:
vielmal, manchmal, allemal, einigemal, keinmal, x-mal (ugs.), beidemal, jedesmal,
etlichemal, mehreremal, unzähligemal, verschiedenemal, ein andermal, ein paarmal.
„Vielmals“ und „mehrmals“ haben die Adverbendung -s angenommen.
Durch Anfügen der Nachsilbe -ig können die Wiederholungszahlwörter
auch attributiv verwandt werden:
einmalig, dreimalig usw.
Von den unbestimmten:
jedesmalig, mehrmalig.
Die Wiederholung drückt auch der Akkusativ oder eine präpositionale
Wortgruppe mit Ordinalzahl aus:
das erste Mal oder das.erstemal, zum ersten Mal[e] oder zum erstenmal usw. (= erst¬
mals).
Unbestimmt:
viele Male, mehrere Male; zu vielen, verschiedenen, mehreren, wiederholten Malen.
Das Numerale 287

7. Die Gattungszahlworter
Die Gattungszahlwörter bezeichnen nicht die Zahl der einzelnen Gegen- 543.
stände, sondern die Zahl der Gattungen, der Arten, aus denen etwas
besteht. Sie sind zusammengesetzt aus den Genitiven der Kardinalzah¬
len oder der unbestimmten Zahlwörter und der Nachsilbe -lei (mhd.
lei[e] = Art).
Sie stehen als undeklinierbare Attribute,, werden aber auch als selbstän¬
dige Satzglieder verwendet:
(ein Schluß) von einerlei Kost zu einerlei Neigung (Schiller); ihn singen hören oder
trinken aus Lethes Flut war einerlei (Wieland); er hatte zweierlei zu tun (Leip); (er)
tut zehnerlei gleichzeitig (Spoerl).

Unbestimmt sind allerlei, beiderlei, keinerlei, mancherlei, mehrerlei,


vielerlei, auch hunderterlei, tausenderlei (vgl. 536):
allerlei besondere Gedanken, junge Leute beiderlei Geschlechts, keinerlei Zweifel,
mancherlei Ziele, aus mehrerlei Gründen. Der Knabe fragte vielerlei (Zillich). . . . mit
hunderterlei solcher Vorsätze (Hauptmann); seine tausenderlei Dumpfheiten und
Narreteien (Carossa).

Da -lei (= Art) zur Nachsilbe herabgesunken ist, empfinden wir heute


Wendungen wie „auf keinerlei Weise, auf mancherlei Art und Weise“ usw.
nicht mehr als Pleonasmus.

F. DIE PARTIKELN

Bereits in Ziff. 46 ff. hatten wir jene Wörter, die nicht zu den drei Haupt- 544
Wortarten oder zu den Begleitern und Stellvertretern des Substantivs ge¬
hören, als Restgruppe erkannt. Gemeinsam ist diesen Wörtern, daß sie
- von geringen Ausnahmen abgesehen - keiner Formveränderung unter¬
liegen. Dies läßt bereits darauf schließen, daß ihre Verwendung im Satz
eng begrenzt ist.
Eine dieser Wortart zukommende Grundleistung ist kaum zu erkennen.
Hans Glinz hat sie mit den Begriffen „Lage, Situation“ zu umreißen
versucht.1 Wahrscheinlich aber wird man nur negativ sagen können, daß
es dieser Restgruppe zufällt, alle Aufgaben im Satz zu übernehmen, die
von den anderen Wortarten nicht erfüllt werden können. Da diese Auf¬
gaben unterschiedlich sind/haben sich bestimmte Wörter dieser Rest¬
gruppe für bestimmte Aufgaben spezialisiert, so daß auch hier, wie bei
den Begleitern und Stellvertretern des Substantivs (vgl. 414), Funktions¬
gruppen unterschieden werden müssen, nämlich die Adverbien, die Prä¬
positionen und die Konjunktionen.
Manche Wörter der Gesamtgruppe vermögen in mehreren dieser Funk¬
tionsgruppen zu stehen. Daraus ergeben sich zahlreiche Einordnungs¬
schwierigkeiten. Man kann aber der Leistung dieser Wortart für den Satz
nur von den Teilleistungen, d. h. von den Funktionsgruppen her gerecht
werden.

1 H. Glinz, Der deutsche Satz, S. 43. Die Bezeichnung „Partikel“ (lat. particula =
Stückchen, kleiner Teil) sagt über diese Leistung nichts aus.
288 Die Partikeln

I. Das Adverb

1. Die Aufgabe des Adverbs im Satz


545 Dem Adverb fällt die Aufgabe zu, die im Satz genannten Umstände nach
den allgemeinsten Umrissen zu kennzeichnen. (Über die sprachlichen For¬
men, in denen die Umstände sonst ausgedrückt werden können, vgl. 1029).
Da das Adverb bei dieser Aufgabe meist als selbständiges Satzglied (Um¬
standsangabe; vgl. 969) beim Verb steht, hat es von hier aus auch seinen
Namen erhalten1:
Karl singt gern.
Es kann aber ebensogut in der Rolle eines Attributs (vgl. 998) ein Substan¬
tiv, ein Adjektiv oder ein anderes Adverb näher bestimmen:
das Buch dort; ein besonders schönes Buch. Dein Bruder kommt sehr oft.
Auch der Name Adverb kann deshalb nicht in allen Fällen wörtlich ge¬
nommen werden.
Eine besondere Gruppe unter den Adverbien, die Pronominaladverbien
(vgl. 554 ff.), vermögen über die bereits genannte Aufgabe hinaus stell¬
vertretende Funktionen auszuüben:
Ich habe nicht darauf geachtet.

2. Die durch die Adverbien ausgedrückten Umstände


Von der Sache her kennzeichnen die Adverbien folgende Umstände:

a) Umstände des Ortes


546 Sie können mit den Fragen Wo ?, Wohin?, Woher ? erfragt werden:
Wo? (Verharren): hier, da, dort, hie[r] und da, darin, oben, unten, draußen, nir¬
gends, überall, links, rechts.
Wohin? (Richtung): hin, hierhin, dahin, dorthin, darein, aufwärts, abwärts, hinauf,
hinunter, nieder, hinein, hinaus, heim, überallhin, nach links, links hin.
Woher? (Herkunft): her, hierher, daher, dorther, von oben [her], von unten [her],
herauf, herunter, von da unten, von drinnen [her], von nirgends [her], von links [her].

b) Umstände der Zeit


547 Sie können mit den Fragen Wann ?, Wie lange ? (Seit wann ?, Bis wann ?),
Wie oft ? erfragt werden:
Wann?: vor-, ehedem, gestern, einst[mals], vor-, ehemals, damals, seinerzeit,
vorhin, neulich, bereits, schon, jetzt, nun, [gerade] eben, soeben, heute, bald, dann,
nächstens, dereinst, niefmals], nimmermehr, je[mals], abends, morgens, vorher,nach¬
her, zugleich, beizeiten, endlich, hierauf, anfangs. Formen wie „morgens, mittags“
können auch ein wiederholtes Vorkommen auf die Frage „Wann?“ ausdrücken.
Wie lange? (seit wann?, bis wann?): stets, immer, zeitlebens, allezeit, bisher, seit¬
her, seitdem, fortan, noch.
Wie oft? (wiederholtes Vorkommen): oft, öfterfs], zeitweise, manchmal, abermals,
mehrmals, vielmals, zweimal, zuweilen, dann und wann, wieder [um]. Diese Adver¬
bien berühren sich mit den Zahladverbien (vgl. 542).

1 Lat. ad -f- verbum = zum Verb [tretend].


Das Adverb 289

Eine relativ bestimmte Zeit geben an:


derzeit, heute, gestern, morgen, jetzt, nun, [so]eben, noch, morgens, abends, mit¬
tags, nachts.
Eine unbestimmte Zeit:
dann und wann, immer, nie, jederzeit, letztens, bisweilen, einstweilen.-
Eine auf einen anderen Zeitpunkt sich beziehende Zeit:
vorher, nachher (hernach), vorhin, hierauf, seitdem, seither, bisher, schon, mittler¬
weile, der weil [e], unterdessen, indessen, anfangs.

c) Umstände der Modalität


a) Die Verhaltensbeschaffenheit, die Art und Weise, die Qualität 548
Diese Umstände können meist mit der Frage „Wie geschieht etwas ?“ er¬
fragt werden:
gern, kopfüber, anders, vergebens, umsonst, flugs, eilends, derart, dergestalt, glück¬
licherweise, kurzerhand, bestens.

ß) Die Zahl, das Maß, die Quantität (über die Zahladverbien vgl. 537; 549
541; 542)
etwas, mehr, meistenteils, minder, genug, erstens, zweitens, zweimal, dreimal,

y) Der Grad, die Intensität 550


. so, gar, sehr, zu, allzu, gar zu, überaus, besonders, weitaus (neben Superlativ).
Besonders die Gruppen a, ß und y können oft Adjektive und Adverbien
näher bestimmen:
Er ist ein gern gesehener Gast. Das Brett ist groß genug Ein sehr glücklicher
Mensch. Er kommt allzu oft.
Vgl. dazu noch 379; 395; 400; 404.
<f) Die Redeweise, die Modalität der Aussage im engeren Sinne 551
{Wirklichkeit, Gültigkeit, Notwendigkeit, Möglichkeit, Zweifel, Frage,
Wunsch, Bejahung, Verneinung, Begrenzung, Beschränkung, Ein¬
schränkung oder Erweiterung)
vielleicht, schwerlich, vermutlich, möglicherweise, wohl, sicherlich, etwa, nur, schon,
ja, doch, wahrlich, durchaus, nein, nicht, keineswegs, keinesfalls, niemals, i wo (ugs.),
kaum, nur, wenigstens, mindestens, höchstens, zwar, freilich, allerdings, fast,
beinahe, meinesteils, noch, überdies, gleichfalls, ebenfalls, sogar, eben, übrigens,
auch, vielmehr.

d) Umstände des Grundes


%.
Sie können mit den Fragen Warum?, Weshalb?, Wozu?, Wodurch?, 552
Worüber? usw. erfragt werden:
Kausal oder konsekutiv (warum ?, weshalb ?):
davon, darüber, deshalb, darum, deswegen, daher, mithin, folglich, demnach.
Instrumental (wodurch?, womit?):
dadurch, damit, hierdurch, hiermit.
Konditional (unter welcher Bedingung ?):
schlimmstenfalls, gegebenenfalls, günstigenfalls, nötigenfalls, andernfalls, sonst.
Konzessiv (mit welcher Einräumung ?):
jedenfalls, trotzdem, gleichwohl.
Final (wozu?, wofür?, zu welchem Zweck?):
dazu, dafür, hierzu, hierfür.
290 Die Partikeln

Die Adverbien des Grundes werden besonders leicht zu nebenordnenden


Konjunktionen, weil sie den ganzen Satz auf einen anderen beziehen.
Zur Grenze zwischen Adverb und Konjunktion vgl. 591.

3. Die gelegentlichen Vergleichsformen des Adverbs


553 Der größte Teil der Adverbien ist nicht fähig, Vergleichsformen zu bilden.
Zu den wenigen Ausnahmen gehört z. B. „oft“, das die Häufigkeit in
ganz unbestimmter Weise ausdrückt. Djß Vergleichsformen sind die
gleichen wie beim Adjektiv:
oft — öfter — am öftesten.
Unregelmäßige Vsrgleichsformen haben die Adverbien „wohl, sehr, gern,
bald“. Sie bilden sie von anderen Stämmen:
wohl — besser — am besten (vgl. bestens); sehr — mehr — am meisten (vgl. meist,
meistens); gern[e] — lieber — am liebsten; bald — eher — am ehesten (vgl. ehe¬
stens, baldigst).
Bei „bald“ und ,,gem[e]“ treten die regelmäßigen Vergleichsformen ge¬
legentlich in der älteren Literatur und in der heutigen Umgangssprache
noch auf:
Das ist bald gesagt und bälder noch getan (Goethe); je bälder, je lieber; aufs baldeste
(Musäus). Man hat sie mit jedem Tage (ferner (Stinde). Hab’ Euch immer am
gemsten gehabt (Schiller).
„Ungern“ steigert gelegentlich auch regelmäßig:
am allerungernsten (Lessing); ... die Verwandte hatten, schieden am üngernsten
(A. Schaeffer).
Im Komparativ können gelegentlich adverbiale Genitive die Normalform
auf -er ersetzen:
Wir werden dich in Zukunft des öfteren (= öfter) besuchen. Wir wollen diese Frage
heute nicht des näheren (= näher) erörtern.
Die Adverbialendung -s (die sich von der Genitivendung herleitet) findet
sich zusätzlich bei „öfters“ und „weiters“. Letzteres ist österreichischer
Sprachgebrauch.
Gelegentlich tritt im Superlativ ein adverbialer Genitiv auf -ens auf.
Dies ist vorzugsweise bei einsilbigen Positiven zu beobachten:
Wir danken Ihnen bestens für Ihren freundlichen Hinweis. Er besucht uns nächstens.
Ich komme spätestens um 8 Uhr. Sie fährt frühestens übermorgen. Ebenso: minde¬
stens wenigstens, schönstens, längstens, meistens, höchstens, erstens usw.
In Zusammensetzungen sind die Superlative flexionslos:
zuerst, zuletzt, zunächst, zuunterst, zuoberst, zuvorderst, zumeist, zutiefst, zu¬
mindest.
Adverbien, die ihrer Bedeutung nach Vergleichsformen bilden könnten,
dies aber nicht tun, müssen den Komparativ mit „mehr, weiter“, den
Superlativ mit „am meisten, am weitesten“ oder mit „zu“ umschreiben:
Das Verantwortungsgefühl der Menschen geht mehr zurück, als man gemeinhin
glaubt. Der Rucksack liegt weiter oben. Er marschiert am weitesten voran. Er saß
zuoberst am Tische.
Eine zusätzliche Möglichkeit, die Steigerung eines Adverbs auszudrücken,
ist seine Verdoppelung (eine Möglichkeit, die wir schon bei den Adjek¬
tiven angetroffen haben; vgl. 398):
Ich habe mich sehr, sehr gefreut.
Das Adverb 291

4. Bemerkungen zu bestimmten Adverbien

a) Die Pronominaladverbien
Die Pronominaladverbien sind von alten Pronominalstämmen gebildete 554
Adverbien:
h-Adverbien: hier, hin, her;
d - Adverbien: da, dort, dann;
w-Adverbien: wie, wo, wann usw.
Diese Adverbien können oft Zusammensetzungen unter sich (hierher,
dahin), mit anderen Adverbien (dar-innen = drinnen) oder mit Prä¬
positionen (hieraus, hinab, damit, wofür) eingehen. Die Herkunft von
Pronominalstämmen zeigt sich auch noch darin, daß alle Pronominal¬
adverbien stellvertretend für ein Substantiv stehen:
da =■ an dieser Stelle; damit = mit dem Hammer; wo = an welcher Stelle ?

Übersicht über den Gebrauch der Pronominaladverbien

1. Die Pronominaladverbien in der Rolle der verschiedenen Pronomen


Die nachstehende Übersicht zeigt die Verwendung der Pronominal- 555
adverbien in den einzelnen Pronomengruppen (vgl. 420). Da diese Ad¬
verbien neben ihrer pronominalen Funktion auch noch Umstände an¬
geben wie alle anderen Adverbien, sind sie gleichzeitig auch danach ge¬
ordnet. Zu beachten ist noch, daß die Grenze zu den Konjunktionen
manchmal fließend ist, besonders bei den demonstrativen und relativen
Pronominaladverbien sowie bei denen des Grundes (vgl. 591):
a) Ort:
Wo (Lageangabe):
Demonstrativ: da (allgemein): Da ist das Haus; das Haus da.
hier (Nähe): das Haus hier; hie[r] und da.
dort (Ferno): das Haus dort; da und dort.
Interrogativ: wo ?: Wo bist du gewesen ?
Relativ: wo: Die Stadt, wo (= in der) ich geboren wurde.
da (veralt.): ... im Meer, da es am tiefsten ist (Matth. 18, 6).
Indefinit: [irgend]wo: Kann’s der Soldat wo (ugs.) besser kaufen? Da
piepst cs ängstlich wo im Waldesgrund (Jatho). Irgendwo
werde ich ihn schon linden.

Wohin (Richtungsangabe):
Demonstrativ: her (Richtung auf den Sprechenden zu): Komm her!
hin (Richtung vom Sprechenden weg): Ich gehe hin.
dahin (allgemein): Ich gehe nicht dahin.
hierher (Nähe): Kommst du hierherf
hierhin (Nähe): Setze dich hierhin!
dorthin (Feme): Ich gehe nicht dorthin.
Interrogativ: wohin ? : Wohin gehst du ?
Relativ: wohin: der Ort, wohin (= nach dem) ich gehe . ..
dahin (veralt.): in Regionen, dahin (= in die) ich ihr nicht
folgen kann (Immermann).
Indefinit: [irgend]wohin: Die beiden wollten nie getrennt irgendwohin
oder (ugs.:) wohin gehen.
292 Die Partikeln

Woher (Herkunftsangabe):
Demonstrativ: daher (allgemein): Daher, wo du gewesen bist, komme ich. Vom
Himmel hoch, da komm' ich her (Luther),
von daher (allgemein): Ich komme von daher, wo du gewesen
bist.
von dannen (allgemein; veralt.): von dannen gehen,
von hier (Nähe): Von hier [aus] hat man einen schönen Rund¬
blick.
von hinnen (Nähe; veralt.): von hinnen gehen,
von dort [her] (Ferne): von dort [her] kommen.
Interrogativ: woher ?: Woher kommst du ?
von wannen (veralt.): Von wannen'kommt dir diese Wissen¬
schaft ? (Schiller).
Relativ: woher: der Ort, woher (— von dem) ich komme .. .
Indefinit: [irgend]woher: Er muß es irgendwoher oder (ugs.:) woher neh¬
men.
b) Zeit:
Demonstrativ: da: Da kamen zum Küchenfenster zwei weiße Täubchen her¬
ein (Grimm); von da an.
dann (alsdann, sodann): Dann kam ein Häschen zum Vor¬
schein.
dann und wann, hier und da, hin und wieder (wie oft ?): Dann
und wann leistete er sich eine Zigarette.
Ferner: darauf, hierauf, vorher, forthin, nachher, hernach,
bisher.
Interrogativ: wann ?: Wann kommst du ?
Relativ: wann (veralt.): In schönen Sommertagen, wann (= an denen)
lau die Lüfte wehn, da . . .(Uhland). Im Herbste, wann (= in
dem) die Trauben glühn (Geibel).
da: In der Zeit, da (= in der) sich dies ereignete,
wo: ln der Zeit, wo (= in der) sich dies ereignete; an Tagen,
wo . . . Es gibt im Menschenleben Augenblicke, wo man dem
Weltgeist näher ist als sonst (Schiller). Vgl. dazu 1061.
Indefinit: irgendwann: Irgendwann wirst du dich doch entscheiden
müssen.

c) Art und Weise:


Demonstrativ: so: So kannst du nicht ausgelien! So nannte man ihn überall
im Lande.
Interrogativ: wie?: Wie war es im Theater? Wie hast du das gemacht?
wieso ?: Wieso eigentlich ? Wieso denn ?
Relativ: wie: Er erzählte mir, wie (= auf welche Weise) er es gemacht
hätte.
Indefinit: irgendwie: Ich muß dem irgendwie ausweichen.

d) Grund:
Demonstrativ: daher, darum, davon (kausal): Darum kann es nicht sein. Da¬
von kann man krank werden.
dazu, hierzu (final): Und dazu ward ihm der Verstand, daß er
im innern Herzen spüret, was er erschafft mit seiner Hand
(Schiller).
sonst (konditional): Du mußt Licht machen, ich kann sonst
nicht arbeiten.
dadurch, hierdurch, somit, damit, hiermit (instrumental): Ich
kann dadurch in die ärgsten Ungelegenheiten kommen.
Das Adverb 293

Interrogativ: warum'( (kausal): Warum lachst du ?


wozu? (final): Wozu tust du das?
womit ?, wodurch ? (instrumental): Womit kann ich dienen ?
Wodurch könnte das erreicht werden ?
woher ?: Woher weißt du das ?
Relativ (selten): woher, daher: Die Arbeitsbienen ernähren bestimmte Larven
mit einer besonderen . . . Kost, woher es dann kommt, daß ...
Das war der Gewaltige, . . . der aber den Zauber einer be¬
zwingenden persönlichen Liebenswürdigkeit besaß, daher er in
der Familie ebenso geliebt wie anderwärts gehaßt . . . war
(Isolde Kurz).
Indefinit: irgendwozu (final): Er wird das Heft schon irgendwozu brau¬
chen.
irgendwodurch (konsekutiv): Es wird schon irgendicoditrch er¬
reicht werden.
irgendwomit (instrumental): Irgendwomit wird man schon hel¬
fen können.

2. Trennung der Glieder bei zusammengesetzten Pronominaladverbien


Bei den Pronominaladverbien „dahin, daher, wohin, woher“ ist im Satz 556
die Trennung der Zusammensetzungsglieder möglich. Das zweite Glied
wird dann zum Verb gezogen:
Aus Wohin gehst du ? wird Wo gehst du hin ? (= hingehen). Woher kommst du ?
wird zu Wo kommst du her ? (= herkommen). Vom Himmel hoch, da komm* ich her
(Luther).
In anderen Fällen ist die Trennung älter oder umgangssprachlich, be¬
sonders in Norddeutschland:
Da habt ihr kein Recht zu (Wieland). Da hatte ich rechte Furcht vor (Will. Alexis).
Da steckt was Schlechtes [dajhinter. Da kann ich nichts [dajfür. Da weiß ich kein
Mittel gegen. Er sagte, da habe er nichts von gehört.
In der Umgangssprache kann das Demonstrativadverb „da“ auch ganz
fehlen. Die Präposition übernimmt dann allein die pronominale Aufgabe:
Ich habe nichts von gehört.

3. Kurzformen zusammengesetzter Pronominaladverbien


Die Kurzformen zusammengesetzter Pronominaladverbien sind meist 557
umgangssprachlich.
Die Formen mit anlautendem n sind vorwiegend süddeutsch, die mit
anlautendem r norddeutsch (vgl. dazu noch 565):
dran( = daran), drauf(= darauf), draus (= daraus), drein (= darein), drin(= darin),
drob ( = darob), drüber (= darüber), drum (= darum), drunter (= darunter),
’nauf (= hinauf), ’naus (= hinaus), ’nein (= hinein), 'nüber (= hinüber), ’nunter
(= hinunter), ’ran (= heran), 'rauf (= herauf), 'raus (= heraus), ’rein (= herein),
’rüber (= herüber), ’rum (= herum), ’runter (= herunter).

4. Das Pronominaladverb als Ersatz für die Verbindung Präposition +


Pronomen
Das Pronominaladverb ersetzt Fügungen aus den Präpositionen „an, 558
auf, aus, bei, durch, für, gegen, hinter, in, mit, nach, neben, über, um,
unter, von, vor, zu, zwischen“ mit den Dativen und Akkusativen der
persönlichen, demonstrativen, interrogativen und relativen Pronomen.
In allen diesen Verwendungen ist es auf dem Rückzug, weil es keine
294 Die Partikeln

große Deutlichkeit besitzt. Die Verbindung Präposition + Pronomen


gilt allerdings oft noch als umgangssprachlich, weil die Schriftsprache
das Pronominaladverb ais-kurze prägnante Zusammensetzung vorzieht:

a) personal und demonstrativ (bei Sachen und Abstrakta, kaum


mehr bei Personen; vgl. unten):
Die Jungen standen darum (um das Bad; nicht: um es oder um das) herum.
Denke daran1 (An deinen Auftrag; weniger gut: an ihn oder an den.) Damit (mit
der Feder; auch: mit ihr oder mit der) ist nichts mehr anzufangen. Beziehungs¬
los: Ein Mädchen ist übel dran (Goethe). Ugs.: draufgehen = sterben.

Oft steht aber auch schon bei Sachen und Abstrakta die Verbindung
Präposition 4- Pronomen:
Neben.dem Zaun aber, in gleicher Linie mit ihm ( = damit) stand eine
gfüngestrichene Bank (Fon tane).

Sogar das unbetonte „es“ wird manchmal nach einer der obengenann¬
ten Präpositionen gebraucht. Die Schriftsprache vermeidet allerdings
gewöhnlich diesen Gebrauch, der dem „es“ eine Betonung verleiht, die
, es nicht tragen kann1:

... als eine warme Menschenhand sich vorsichtig und sicher auf es
(= das Küken) niedersenkte (Jatho).

Bei den Präpositionen ohne, seit, gegenüber, entgegen, nächst, außer,


binnen, bis, samt gibt es keinen Ersatz durch ein Pronominaladverb:
Es (das Blasen des Nachtwächters) gehört unbedingt dazu, und ohne es fehlt der
ganzen Jubelmusik etwas ganz Hauptsächliches (W. Raabe). Seitdem kann ich
schwimmen. Demgegenüber (aber: dagegen), demnächst (aber: danach).

Bei Personen ist das Pronominaladverb heute schriftsprachlich


ziemlich unüblich geworden:
Viele Flüchtlinge, unter ihnen (= darunter) Professoren, Lehrer . . . Ein Vater
hatte zwei Söhne, von denen (Grimm: davon) war der älteste klug und
gescheit. Ebenso: Die Soldaten gingen weg, aber einer von ihnen (noch ugs.:
einer davon) kam wieder.

Das Pronominaladverb steht auch nicht, wenn ein Attributsatz folgt:


Schwerlich werde ich so bald mich freuen nach dem (nicht: danach), was ich
alles erfahren (Goethe). Es kehrt an das, was Kranke quält, sich ewig der Ge¬
sunde nichts (Platen). Ich hab es ... aufgegeben, über das zu grübeln, was uns
dieser Krieg bringt (Raabe).

b) interrogativ: Hier ist die Verbindung Präposition 4- „was“


veraltet oder umgangssprachlich. Für sie tritt heute in der Schrift¬
sprache das Pronominaladverb ein, weil es als kurze Zusammen¬
setzung der umständlicheren Fügung mit zwei Wörtern vorgezogen
wird (vgl. 481):
Wozu machst du das? (Nicht: Zu was machst du das?). Älter: An was, ihr
Herrn, gebricht's? (Schwab). Aber bei Personen nur: Zu wem'gehst, du?

1 Jacob Grimm setzte sich zwar sehr für das „es“ in dieser Stellung ein.
Das Adverb 295

c) relativ: Hier ist die Verbindung Präposition + „was“ ebenfalls


veraltet oder umgangssprachlich. Für sie tritt das Pronominal¬
adverb ein:
Das ist es, wozu (weniger gut: zu was) ich euch auffo.rdere Woran die Menge
glaubt, ist leicht zu glauben (Goethe). Älter: Hilf mir erringen, nach was ich
ringe (Grillparzer).
In der Literatur tritt die Verdrängung des Pronominaladverbs aber
gelegentlich schon mit dem Anspruch auf schriftsprachliche Geltung
auf:
Ich weiß wirklich nicht mehr genau, um was es sich handelte (Th. Mann).

b) Die Adverbendung -e
Die Adverbendung -e (althochdt. -o, mittelhochdt. -e) hat sich in Resten 559
erhalten. Sie ist zum Teil veraltet, zum Teil noch umgangssprachlich:
Warte nur, balde ruhest du auch (Goethe). Nein, nein: sie wandelt oft und gerne zur
Kirche hin, obschon sie ferne (W. Busch).
Diese Endung stand früher auch bei Adjektiven, wenn sie in der Rolle
eines Adverbs standen:
Guter Mond, du gehst so stille . . . (unbek. Verf.). Hu, wie pfiff der Wind so kalte ...
(Scheffel).

c) Adverbien in Verbindung mit bestimmten Zahlen


Einige Adverbien können bestimmten Zahlen Unbestimmtheit ver- 569
leihen (vgl. auch 536, ß). Es sind dies:
an [die], bei [veraltet], bis [zu], gegen, über, um [die], unter.
Sie üben aber keinen Einfluß auf die Rektion des folgenden Substantivs
aus, wie die gleichen Partikeln in der Rolle von Präpositionen:
An die fünf Bekannten bin ich begegnet. Ging nicht jüngst ein Gerüchte, daß das
Feuer ... bei vierhundert Familien an den Bettelstab gebracht habe ? (Schiller).
Bis zu zehn Schüler können daran teilnehmen. Es waren so um [die] zwanzig
Mädchen.
Beachte:
Diese Adverbien üben auch dann keine Rektion aus, wenn sie in einem Präpositio-
nalattribut stehen:
Gemeinden von über 10000 Einwohnern (der Dativ „Einwohnern“ ist von der
Präposition „von“ abhängig!)
Die Wortgruppe „bis zu“ wird in diesen Fällen jedoch anders behandelt. Da die
Wortgruppe „von bis zu“ allzu schwerfällig wäre, übernimmt „zu“ in „bis zu“ die
Rolle der ausgefallenen Präposition „von“:
Kinder bis zu zehn Jahren, Gemeinden bis zu 100000 Einwohnern.
Man sieht an diesem Fall besonders deutlich, daß die Funktionsgruppen innerhalb
der Wortart Partikel offen sind (vgl. 544).

d) Di© attributive Verwendung bestimmter Abverbien


Es gibt ehemalige Adverbien, die durch ihre attributive Verwendung 561
bereits voll in die Wortart Adjektiv übergewechselt sind:
zufrieden, behende, vorhanden, selten u. a.
296 Die Partikeln

Daneben gibt es ehemalige Adverbien, die schon zur Wortart Adjektiv zu


rechnen sind, obwohl sie dort nur eingeschränkt verwendet werden
können (Adverbialadjektive; vgl. 328):
ungefähr, gänzlich, sämtlich, völlig, kürzlich, täglich u, a. Die täglichen Posteingänge
sind zahlreich. Aber nicht: Die zahlreichen Posteingänge sind täglich.

562 Zu den Adverbien, die heute auf dem Wege in die Wortart Adjektiv sind,
gehören vor allem jene, die aus einem Substantiv und -weise zusammen¬
gesetzt sind. Sie können allerdings nur dann attributiv stehen, wenn sie
sich auf ein Nomen actionis (vgl. 689) beziehen. Dieser Gebrauch wird seit
dem 18. Jahrhundert in steigendem Maße üblich:
Stine macht eine ruckweise ärgerliche Kopfbewegung (= sie bewegt ruckweise den
Kopf) (L. von Strauß und Torney). Ebenso: das schrittweise Vorgehen, die zeit¬
weisen Unterbrechungen,-die teilweise Erneuerung, der stückweise Verkauf, die
probeweise Anstellung, eine strafweise Versetzung, die zwangsiccisc Versteigerung.

Zusammensetzungen von -weise mit einem Adjektiv gehören nicht hier¬


her. Man kann nicht sagen: ein gleicherweises Vorgehen.
Die folgenden attributiven Verwendungen z. B. sind abzulehnen, da sie
noch nicht durchgedrungen sind:
die bislangen Lehren, die neuliche Regierungserklärung, die zutiefste Empörung, die
sogleiche Anmeldung, die zuhandenen Bilder, der ständig zugegene Hintergrund
unseres persönlichen Schicksals.

Volkstümlicher Wechsel, der auch in der Literatur zur Kennzeichnung


umgangssprachlicher Redeweise auftritt, ist:
zuwidere Menschen (Herrn. Bahr [österr.]), das zuefnej Fenster, der aufe Laden,
das kaputte Klavier (Münchhausen), der abe Knopf, eine tipptoppe Polizei, ein
extraes Geschenk, der nicht lang genüge Rock. Es gibt so Leute, die . . .

e) Pleonastische Verwendung von Adverbien

563 Man vermeide es, Adverbien zu solchen Wörtern (z. B. Verben, Adjek¬
tiven, Adverbien, Konjunktionen) zu setzen, die schon gleiche oder ähn¬
liche Bedeutung haben. Dieser Fehler gilt als Pleonasmus1:
Nicht: Wir haben bereits schon erklärt, daß wir mit dieser Sache nichts zu tun haben
wollen. Sondern: Wir haben bereits (oder: schon) erklärt . . . Nicht: Zu alledem
kommt noch hinzu, daß . . . Sondern: Zu alledem hemmt hinzu, daß . . .

Ebenso verwende man nicht die Paarungen:


ausschließlich nur, wieder von neuem, nachdem danach, einander gegenseitig,
überdies noch, darüber hinaus noch oder ferner, möglicherweise können, not¬
wendigerweise müssen, gern hofFen, zuerst anfangen, zuletzt schließen, vielleicht
möglich sein.

Nicht als fehlerhafter Pleonasmus gelten Doppelungen von Adverbien


wie „durch und durch“, „nie und nimmer“ oder Fälle, wo neben der
Präposition das entsprechende Adverb gesetzt wird:
sich an etwas anschließen, auf den Baum Ainaw/klettern, aus etwas awsJreten, in
etwas Ainewgeraten, sich durch etwas hindurchv/in&en, sich um etwas Aerwmdrüclcen.

Über die doppelte Verneinung vgl. 1165.

1 Griech. pleonasmös = Fülle des Ausdrucks.


Das Adverb 297

f) Falscher Gebrauch von Adverbien

a) darein / darin - worein / worin

Man verwechsele nicht „darin“ mit „darein“ und „worin“ mit „worein“. 564
„Darin“ und „worin“ bezeichnen die Lage, „darein“ und „worein“ die
Richtung:
Falsch: Er vertiefte sich darin. Richtig: Er vertiefte sich darein (= in das Buch).
Falsch: ... ein Zettelchen, worin ich Geld gewickelt hatte. Richtig: ... ein Zettel¬
chen, worein ich Geld gewickelt hatte.

ß) her / hin

Im allgemeinen bedeutet „her“ die Richtung auf den Sprecher 2u, „hin“ 565
die von ihm weg. Dieser Unterschied wird aber von den Sprechenden
nicht in allen Fällen festgehalten. Je undeutlicher oder zweifelhafter die
Richtung wird, desto mehr tritt „her“ an die Stelle von „hin“ (zumal bei
übertragenen Bedeutungen):
eine Tablette Aerunter- oder Amunterschlucken; sein Haar floß die Schultern herab
oder Airtab; etwas her- oder Aingeben; etwas frei Aeraussagen; sich zu jemandem
Aßrablassen; er ist herein- oder reingcfallen; er ist ganz Amintergekommen; ein
Buch Aßrausgcben; jemanden Acrabsetzen; er ist sehr hinter dem Geld her.

Die Schriftsprache wählt gelegentlich sogar bei konkreten Richtungsbe¬


zeichnungen „her“. Eine im Innern einer Kirche befindliche Person be¬
obachtet bei Ricarda Huch:
Durch das fortwährende J/ßrausdrängen (statt: Hinausdrängen) einiger . . . Be¬
sucher.
Die norddeutsche Umgangssprache bevorzugt stets „her‘'‘:
Gehen Sie 'rüber (statt: Ainüber)!
In der süddeutschen Umgangssprache wird der Unterschied in den ver¬
kürzten Formen noch bewahrt:
Ich geh’ 'nunter (= Ainunter), aber: komm 'rüber (= Acrüber).

y) herum/umher
Von manchen Sprachpflegern wird eine scharfe Unterscheidung dieser 566
beiden Adverbien gefordert. Dies ist nicht voll durchführbar. „Herum“
bedeutet „rundherum“, also eine kreisförmige Bewegung (um die Stadt
herumlaufen), „umher“ heißt „kreuz und quer, dahin und dorthin, nach
dieser und jener Richtung“ (in der Stadt umherlaufen). Die Umgangs¬
sprache richtet sich gar nicht nach dieser Begriffstrennung, sie bevorzugt
„herum“, auch wo „umher“ stehen müßte:
sich herum treiben, Amiiwfuchteln, Aenziulungcrn, Aerumdrucksen.
Wo die Richtung zweifelhaft wird, wählt auch die Schriftsprache oft
schon „herum“:
sich Aerwwisprechen (Kreis oder Zickzack?), jemanden Aerwmschwenken, sich
Aenmwälzen.

Sie tut es auch in allen Fällen, wo eine erfolglose oder unnütze, aber an¬
haltende Beschäftigung mit einer Sache ausgedrückt werden soll:
an etwas Aerwmbasteln, Aerwmtüfteln, an jemandem her um erziehen, im Zimmer
Aerumhantieren, müßig Aßruinstehen.
298 Die Partikeln

Auch der Zeitablauf wird durch „herum“ gekennzeichnet (Kreislauf der


Uhrzeiger):
die Zeit Aerwmbringen; die Zeit geht langsam herum.
Ferner die Bedeutung „zurück, nach der anderen Seite“:
das Steuer Äerumwerfen.

d) fort/weg
567 Der Ersatz von „weg“ durch „fort“ geht von Norddeutschland aus. Man
unterscheidet schriftsprachlich aber noch:
Die Strömung hat die Brücke wepgerissen (= beiseite). Die Strömung hat das Boot
mit /orfgerissen (= vorwärts). Dieser Abschnitt ist weßrgefallen (nicht: fortgefallen,
auch nicht: in Fortfall gekommen). Er fuhr fori zu lesen. Aber: Er fuhr weg, ohne
sich verabschiedet zu haben.

5. Übergang des Adverbs zur Präposition und Konjunktion


568 Wenn sich Adverbien unmittelbar mit einem Substantiv in einem ab¬
hängigen Fall verbinden, wechseln sie damit zur Gruppe der Präposi¬
tionen über (vgl. 569 ; 570). Die Grenze zu den Konjunktionen ist eben¬
falls offen; je nach Auffassung können bestimmte Partikeln Adverb oder
Konjunktion sein (vgl. 591).

II. Die Präposition

1. Herkunft und Aufgabe der Präposition


a) Die Herkunft der Präpositionen
569 Die ältesten Präpositionen sind aus Lokaladverbien entstanden. Sie
standen ursprünglich nur (in der Art eines Attributes) zur genaueren
Kennzeichnung bei dem vom Verb geforderten reinen Kasus. Im Laufe
der Entwicklung wurden sie entweder mehr zum reinen Kasus oder mehr
zum Verb gezogen: Im ersteren Fall wurden sie Präpositionen, die heute
den Kasus des folgenden Substantivs regieren, im letzteren Fall Adver¬
bien, die heute meist mit dem Verb zusammengewachsen sind (vgl. auch
664 ff.):
durch die Stadt laufen — die Stadt dwrcAIaufcn; bei jemandem stehen — jeman¬
dem Entstehen usw.

Zu diesem ältesten Stamm der Präpositionengehören u. a. „an, auf, aus,


bei, durch, hinter, mit, nach, über, um, unter, von, vor, wider, zu“.
Einige wie „er-, after-, ant-, ent-“ sind nur noch als Präfixe erhalten,
andere wie „ob“ sind im Begriff zu veralten. Zu letzteren gehörte auch
' ,,ab“, es wird aber heute in steigendem Maße wieder als Präposition ver¬
wendet (vgl. 582).
570 Ein Adverb wechselt also zur Gruppe der Präpositionen über, wenn es
den Fall des ihm folgenden Substantivs unmittelbar bestimmt. Bei diesem
Wechsel sind jedoch mancherlei Stufen zu beobachten. Es gibt Prä-
Die Präposition 299

Positionen, die keinerlei Beziehungen mehr zum Adverb haben und völlig
zur Präposition „erstarrt“ sind (außer, binnen, einschließlich, seit).
Dann gibt es Präpositionen, die nur noch beschränkt als Adverbien auf-
treten können (ab, an, auf, aus, bis usw.; vgl. 560). Eine dritte Gruppe
bilden diejenigen, die auch als Adverb, meist in Verbindung mit Raum¬
verben, noch lebenskräftig sind (abseits, außerhalb, innerhalb, dies¬
seits, fern, jenseits, entlang, inmitten, nahe, oberhalb, unterhalb, unfern,
unweit, längs, anfangs, ausgangs, eingangs). Eine vierte Gruppe besteht
aus Adverbien, die man heute zwar noch nicht als „Präpositionen“ be¬
zeichnet, die aber gelegentlich in der Art einer Präposition verwendet
werden können (seitab, rings, rechts, links, nordwärts, zuleide, zuliebe,
je):
links des Hauses (Stifter; für: links vom Hause), rechts und links der Isar (für:
seitab des Weges (Raabe; für: seitab vom Wege).
rechts und links von der Isar),

Auch aus anderen Wortarten erhalten die Präpositionen Zuzug. Heute 571
sind es insbesondere Adjektive und Partizipien. Viele von ihnen sind erst
auf dem Wege zur Präposition;
frei deutsche Grenze liefern; fob (= free on board) deutschen Ausfuhrhafen; gelegent¬
lich seines Besuches; nördlich der Donau; entsprechend seinem Verhalten.

Auch Präpositionalfälle wachsen zu Präpositionen zusammen. Die Ent¬


wicklung kann abgeschlossen oder noch nicht abgeschlossen sein:
Abgeschlossen: infolge, zufolge.
Noch nicht abgeschlossen: auf Grund (häufig auch schon: aufgrund), von seiten, in
bezug [auf], an Stelle (jetzt häufig: anstelle).

b) Die Aufgabe der Präposition

Die Aufgabe der Präposition ist es, die Art des Verhältnisses anzugeben, 572
in welchem das ihr folgende Substantiv zu einem anderen Substantiv
steht. So kann z. B. das Subjekt „Buch“, das mit dem Prädikat „liegen“
verbunden wird, zu dem Substantiv „Schrank“ in verschiedene Verhält¬
nisse treten (vgl. 574):
Das Buch liegt auf dem Schrank, in dem Schrank, unter dem Schrank.

Auf diese Aufgabe geht die deutsche Bezeichnung „Verhältniswort“


zufiiek. Ihren Namen „Präposition“ verdanken diese Wörter dem for¬
malen Umstand, daß sie meist vor ihrem zugehörigeh Substantiv stehen1
(vgl. 1244).
Einige Präpositionen vermögen auch Verhältnisse zu kennzeichnen, i]n 573
denen sich eine Person oder Sache gegenüber einem Umstand befindet.
Der Präposition folgt dann ein Adverb oder ein Adjektiv:
Er geht nach oben. Er kommt von vorn. Das reicht bis morgen. Genug für jetzt! Ich
halte das für gut. Ich sage es ihm auf deutsch.

Über die Präpositionen „ohne, um, statt“, die in Verbindung mit der
Konjunktion „daß“ oder der Präposition „zu“ Gliedsätze oder Infinitiv¬
gruppen anschließen (ohne daß, ohne zu, um zu, [anjstatt daß, [anjstatt
zu), vgl. 1039; 1079.

1 Lat. prae-positio =» Voran-stellung.


300 Die Partikeln

2* Die von den Präpositionen ausgedrückten Verhältnisse

574 a) Die Arten der Verhältnisse und die zugehörigen Präpositionen

а) Raumverhältnis

ab, abseits, an, auf, aus, außer, außerhalb, bei, bis, diesseits, jenseits,
durch, entlang, fern, gegen, gegenüber, gen (veraltet), hinter, in, in¬
mitten, innerhalb, längs, nach, nächst, nahe, neben, ob (veraltet), ober¬
halb, seitlich, seitwärts, über, um, unfern, unter, unterhalb, unweit, von,
von - an, vor, wider, zu, zunächst, zwischen.
Das Buch liegt auf dem Tisch. Er schläft unter freiem Himmel. Übertragen: Er be-
harrt auf seiner Meinung. Ich befinde mich in einer schlimmen Lage.

ß) Zeitverhältnis
ab, an, auf, bei, binnen, bis, durch, für, gegen, in, innerhalb, mit, nach,
seit, über, um, unter, von - an, vor, während, zeit, zu, zwischen.
Er fährt gegen Abend. Er kommt in drei Tagen. Er bleibt von Ostern bis Pfingsten.

y) Modalverhältnis
abzüglich, an, auf, aus, ausschließlich, außer, bei, bis an, bis auf, bis zu,
einschließlich, entgegen, für, gegen, gegenüber, gemäß, in, mit (nebst,
[mit-, zu-]samt), nach, ohne, sonder (veralt.), über, unter, von, wider, zu,
zuwider, zuzüglich.
Er spricht in Rätseln. Er ist außer Fassung. Er ist ihm gegenüber ein Riese.

б) Kausalverhältnis
an, angesichts, anläßlich, auf, aus, behufs, bei, dank, durch, für, -halben,
halber, infolge, kraft, laut, mangels, mit, mittels[t], nach, ob (veraltet),
trotz, über, um, um - willen, unbeschadet, ungeachtet, unter, ver¬
mittels^], vermöge, von, vor, wegen, wider, zu, zufolge, zwecks.
Er ist von all der Arbeit erschöpft. Auf die erste Nachricht von dem Unglück eilte
er nach Hause. Ich sage es dir aus diesem Grunde.

b) Die Wahl der richtigen Präposition


575 Bestimmte Verben, Substantive und Adjektive verlangen bei bestimmten
Verhältnissen im allgemeinen ganz bestimmte Präpositionen. Die je¬
weilige Präposition ist dann für dieses Verhältnis mit dem zugehörigen
Wort eine feste Verbindung eingegangen:
Es heißt immer: auf etwas achten (und nicht etwa: unter etwas achten). Der Gang
durch die Stadt . .. Ich bin froh über etwas.
Es gibt aber auch Verben, Substantive und Adjektive, die sich bei
gleichem oder annähernd gleichem Sachverhalt mit verschiedenen Prä¬
positionen verbinden können:
beharren auf, in oder bei etwas; die Klage gegen oder über jemanden; zornig sein
auf oder über jemanden.
Die richtige Wähl der Präposition ist in diesen Fällen selbst für uns ge¬
legentlich schwierig. Ein Ausländer wird sie nur im Ausnahmefall voll
beherrschen. Die Wiedergabe der richtigen Präposition in bestimmten
Wendungen ist jedoch nicht die Aufgabe einer Grammatik, sondern die
Die Präposition 301

eines deutschen Wörterbuches. (Große Hilfe gewährt hier auch der „Stil¬
duden“). Im folgenden seien nur einige Fälle zusammengestellt, bei denen
die Wahl der Präposition Schwierigkeiten bereitet:
Forderung an . . . (nicht: gegen)
Annäherung an .. . (nicht: zu)
Bedarf an . . . oder (kaufm.) in . . . (nicht: für)
Hoffnung, Zuversicht, Vertrauen auf . . . (nicht: in)
Rücksicht auf .. . (nicht: für)
stolz auf .. . (nicht: über)
anwesend bei . . . (nicht: an)
sich entscheiden für .. . (nicht: zu)
verantwortlich für . . . (nicht: an)
Interesse für oder an . . . (nicht: nach)
Mißtrauen, Groll, Zorn, Wut, Haß, Feindschaft, Güte, Milde, Großmut gegen ...
(nicht: für oder zu)
Freundschaft mit.. . (nicht: für oder zu)
Verbundenheit mit . . . (nicht: zu)
zufrieden mit.. . (nicht: über)
Verkauf von . . . (nicht: in)
Verständnis von seiten .. . (nicht: durch)
sich schämen wegen . . . (nicht: über)
bekannt, berühmt wegen ... (nicht: für oder durch)
Liebe, Neigung zu . .. (nicht: für)
Es gibt Sprachpflege!*, die den Gebrauch von „für“ statt „gegen“ in
Sätzen wie „Geben Sie mir ein Mittel gegen meinen Husten!“ verpönen,
aber zu Unrecht. Dem „für“ liegt die Vorstellung zugrunde, daß ein
Schutz, ein Mittel vor die abzuwehrende Sache gestellt wird. Hier ist
eine alte Bedeutung von „für“, die sonst nicht mehr lebendig ist, be¬
wahrt worden.

3. Die Rektion1 der Präpositionen


Präpositionen „regieren“ bestimmte Kasus. Meistens folgt einer Prä- 576
Position immer der gleiche Kasus:
Er wohnt außerhalb des Dorfes (Genitiv). Er befindet sich außerhalb des Hauses
(Genitiv).
Einige Präpositionen können jedoch mit zwei Kasus verbunden werden
(Dativ und Akkusativ):
Er wohnt auf dem Lande (Dativ). Er geht auf den Markt (Akkusativ).
Über Schwankungsfälle vgl. 582.

a) Präpositionen mit dem Genitiv


abseits, abzüglich, anfangs, angesichts, anhand, anläßlich, anstatt (vgl. 577
582), anstelle, antwortlich (selten), aufgrund, ausgangs, ausschließlich,
außerhalb, behufs, beiderseits, betreffs, bezüglich, diesseits, eingangs,
einschließlich, exklusive, halber, hinsichtlich, infolge (vgl. 589), in¬
klusive (vgl. 583), inmitten, innerhalb (vgl. 582), jenseits, kraft,
längs (vgl. 582), längsseits, laut (vgl. 582; 589), mangels, mittels[t] (vgl.
582), namens, oberhalb, rücksichtlich, seitens, seitlich, seitwärts, statt
(vgl. 582), trotz (vgl. 582), um - willen, unbeschadet, unerachtet (ver-

1 Zu der Bedeutung des Wortes „Rektion“ vgl. 260.


302 Die Partikeln

altend), unfern (vgl. 582), ungeachtet, unterhalb, unweit (vgl. 582), ver¬
mittels^] (vgl. 582), vermöge, vorbehaltlich, während (vgl. 582; 589),
wegen (vgl. 582; 589), von - wegen, zeit, zufolge (vgl. 582; 589), zu¬
gunsten, zuungunsten (vgl. 582), zuzüglich, zwecks u. a.

Beachte:
1. Bei stark deklinierten Substantiven ist der Genitiv Plur. undeutlich; es sei denn,
er drückt sich an einem Attribut aus. Fehlt dieses, dann wird häufig auf den
Dativ Plur. ausgewichen:
innerhalb zehn Monaten (statt: zehn Monate; aber mit deutlichem Fall, weil
gebeugtes Attribut: innerhalb dreier Monate); mangels Beweisen (statt: Be¬
weise; aber: mangels eindeutiger Beweise); trotz Irrtümern (statt: Irrtümer;
aber: trotz vieler Irrtümer).
2. Auch der Dativ Sing, steht gelegentlich an Stelle des Genitivs, weil der Genitiv
Sing, als Fall nicht deutlich würde oder weil Genitivhäuftmg einträte:
. . . daß statt Bösem Gutes daraus gewonnen wird (R. Hildebrand); allem
Abmahnen Truds -unerachtet (Fontane); während Müllers aufschlußreichem
Vortrag', ob dieses Landvogts Geiz (Schiller).
3. Der Genitiv nach Präpositionen kann vielfach durch „von“ -f Substantiv (oder
Pronomen) ersetzt werden, besonders dann, wenn das Substantiv allein oder
ohne den Fall ausdrückendes Attribut steht. Bei nachfolgendem Pronomen ist
dies die Regel. Die Präposition wird dadurch zum Adverb:
jenseits von Gut und Böse (Nietzsche); seitwärts von unserem Hof (Storni);
innerhalb von vier Wänden (Raabe); abseits von seinen Kameraden (Raabe);
unterhalb von uns (Halbe).

Zur Nichtbeugung alleinstehender starker Substantive nach den Genitiv


regierenden Präpositionen vgl. 323.

578 b) Präpositionen mit dem Dativ


ab (vgl. 582), aus, außer (vgl. 582), bei (vgl. 582), binnen (vgl. 582), dank
(vgl. 582; 589), entgegen, fern, gegenüber, gemäß, mit, mitsamt, nach
(vgl. 589), nächst, nebst, ob (vgl. 582), samt, seit (vgl. 589), von (vgl. 589),
zu (vgl. 589), zunächst, zuwider u. a.

579 c) Präpositionen mit dem Akkusativ


bis (vgl. 582; 589), durch (vgl. 589), entlang (vgl. 582), für, gegen, gen
(veraltet), ohne (vgl. 582), per (vgl. 583), sonder, um, wider.

5S0 d) Präpositionen mit Dativ und Akkusativ


an (vgl. 589), auf (vgl. 589), hinter, in (vgl. 589), neben, über, unter, vor
(vgl. 589), zwischen.
Diese Präpositionen werden mit dem Dativ oder mit dem Akkusativ ver¬
bunden, je nachdem, ob das durch das Verb ausgedrückte Verhalten lage-
(Dativ) oder richtungsmäßig (Akkusativ) bestimmt ist:
Ich sitze auf dem Stuhl. Ich setze mich auf den Stuhl.

Bei dieser doppelten Anschlußmöglichkeit können Schwankungsfälle


nicht ausbleiben. Überall dort, wo sich die Sprachgemeinschaft nicht
Die Präposition 303

überwiegend für Lage oder Richtung entschieden hat, müssen des¬


halb beide Kasus zugelassen werden:
Wir haben die Montage in unser Angebot {oder: in unserem Angebot) eingeschlossen.
Der Badeofen muß an die gleiche (oder: an der gleichen) Wasserleitung angeschlossen
werden. Die Punkte sind noch in die (oder: in der) Zeichnung einzutragen.
Dies trifft u. a. auch bei folgenden Verben zu:
befestigen an (der oder die Wand), vergraben in (der oder die Erde), verstauen in
(der oder die Tasche), [sich] einschließen in (das oder dem Zimmer), verpacken in
(den oder dem Koffer), sich niederlassen auf (dem oder das Sofa).
In den folgenden Beispielen hat sich ein Kasus bereits stärker durchge¬
setzt :
Wir kehrten in einem Gasthaus ein (selten: in ein Gasthaus). Er verschwand im Ge¬
büsch {selten: ins Gebüsch). Der Osterhase versteckte die Eier hinter dem Baum
(selten: hinter den Baum). Er wurde sofort in das (seltener: im) Krankenhaus auf¬
genommen.

B eachte:
1. Selbst im Zustandspassiv (vgl. 110) bleibt die Rektion der aktiven Fügung er¬
halten :
Sie ist in ihre Arbeit vertieft (weil: sich vertiefen in eine Arbeit) und nicht: Sie
ist in ihrer Arbeit vertieft, wie es der ruhende Zustand erwarten lassen könnte.
Bei den zuvor genannten Verben, nach denen der Akkusativ oder Dativ stehen
kann, steht im Zustandspassiv, bei dem die Vorstellung der Lage überwiegt, nur der
Dativ:
Sie ist im Keller eingeschlossen. Das Bild ist an der Wand befestigt.
2. Die gelegentliche Vorstellung, daß bei Rektionsschwankungen der Akkusativ
gesetzt werden müsse, wenn es sich um etwas Zukünftiges, aber der Dativ, wenn es
sich um etwas Vergangenes handelt, ist irrig:
Es heißt bei Zukunft wie bei Vergangenheit: Ich werde den Schatz in der oder
in die Erde vergraben. Ich vergrub den Schatz in der oder in die Erde.
Ist bei übertragenem Gebrauch die Lage- oder Richtungsvorstellung 581
noch deutlich, so wird wie bei konkretem Gebrauch entschieden:
Lage:
Ich bestehe auf meiner Forderungl. Das beruht auf einem Irrtum. Er reist unter
einem fremden Namen.
Richtung:
Ich denke an dich. Die Mutter achtete auf das Kind. Er stellte sich unter den Schutz
der Regierung.
Wo die Raum Vorstellung jedoch völlig geschwunden ist, regieren „an, in,
unter, vor, zwischen*‘ den Dativ, „auf, über“ den Akkusativ:
Dativ:
Ich erkenne ihn an seinem Bart. Er tat es in meinem Namen. Unter allen Umständen.
Kinder unter zehn Jahren. Er beschützte sie vor den vielen Gefahren einer langen
Reise. Es war kein großer Unterschied zwischen den Schwestern.
Akkusativ:
Auf jede Weise. Auf dieses Verbrechen steht Zuchthaus. Kinder über zehn Jahre. Sie
rümpfte die Nase über seine Grobheit. Über alle Maßen.

1 Die Konstruktion mit Akkusativ: „Ich bestehe auf meine Forderung“ ist veraltet und
und heute selten.
304 Die Partikeln

Beachte:
Bei Gleichzeitigkeit zweier Tätigkeiten, deren erste oft den Grund für die zweite
bildet, regiert „über“ heute den Dativ oder den Akkusativ, wobei der Sprachgebrauch
entscheidet:
Über dem Lesen das Essen vergessen.
Dies gilt auch, wenn an die Stelle einer Tätigkeit eine Sache tritt:
über dem Lärm erwachen. Laß dir über diesen Vorfall keine grauen Haare wach¬
sen! Er hat über diesen Dingen den Verstand verloren.

582 ©) Rektionsschwierigkeiten bei Präpositionen mit einfachem Kasus


(in alphabetischer Reihenfolge)
(Zu den Rektionsschwierigkeiten bei Präpositionen mit doppeltem Kasus
vgl. 580, bei fremden Präpositionen vgl. 583).

ab
wird heute in der Verkehrs- und Verwaltungssprache wieder als Prä¬
position gebraucht. Es regiert den Dativ:
ab unserem Werk, ab erstem April.
Der Akkusativ bei Zeitangaben ist weit verbreitet, gilt jedoch als um¬
gangssprachlich :
ab ersten April.
Dieser Fügungsweise hat wohl der adverbiale Akkusativ der Zeit (den
ersten April) als Vorbild gedient.

anstatt vgl. statt

außer
regiert gewöhnlich den Dativ, bei Verben der Bewegung den Akkusativ,
in seltenen. Resten den Genitiv:
Dativ:
außer dem Haus, außer allem Zweifel, ich bin außer mir.
Akkusativ:
außer Kurs, außer Tätigkeit, außer stand, außer allen Zweifel setzen, außer Zu¬
sammenhang stellen; ich geriet außer mich.
Genitiv:
außer Landes gehen, außer Hauses sein.
Über „außer“ als Konjunktion vgl. 605.

bei
regiert heute nur noch den Dativ (Lage):
bei dem Hause, bei den Eiehen.
Der Akkusativ (Richtung) ist veraltet und kommt nur noch in der Kin¬
der- und Volkssprache vor:
Komm bei mich, Vati! (ugs.). Die Katze legte sich auf den Herd bei die warme
Asche (Grimm). Die Fliegen gehn bei die Wurst! (norddt. ugs.).
Überreste der akkusativischen Fügung haben sich bei „Seite“ erhalten,
weü der Dativ gleich lautete:
etwas beiseite legen, schaffen, setzen, bringen; jemanden beiseite nehmen.
Die Präposition 305

binnen
regiert überwiegend den Dativ:
binnen kurzem, binnen den nächsten drei Stunden (Raabe).
Der Genitiv gehört der gehobenen Sprache an:
binnen eines Monats (Schiller); binnen knapper zwei Wochen (Th. Mann).

bis
steht entweder allein oder in Verbindung mit anderen Präpositionen; es
regiert den Akkusativ, wenn es allein steht. In Verbindung mit anderen
Präpositionen ist „bis“ Adverb, dann bestimmt die nachfolgende Prä¬
position den Fall:
bis nächsten Oktober, bis diesen Tag (Schiller); bis an die Elbe, bis zum Berge.
Bei einer folgenden Apposition achte man darauf, daß sie in dem Fall
erscheint, den „bis“ verlangt:
bis Dienstag, den 3. September.
Nicht: (man) gelangt aber vorderhand nur bis Landquart, einer kleinen Alpenstation.
Sondern:. . . bis Landquart, eine kleine Alpenstation.
Über „bis [zu]“ als ein die Unbestimmtheit angebendes Adverb bei Zahl¬
angaben vgl. 560.

dank
Man sollte bei „dank“ als einer unechten, aus einem Substantiv ent¬
standenen Präposition den Genitiv erwarten, der übrigens auch öfter
irrtümlich verwendet wird:
dank des besonders schönen Wetters, dank seines ehrlichen Willens.
Der richtige Dativ entspringt dem besonderen .syntaktischen Verhältnis
der Ellipse, das hier zugrunde liegt:
Dank sei seinem Einfluß = dank seinem Einfluß.

entlang
verbindet sich heute meist mit dem (vorangestellten) Akkusativ:
den Wald entlang (Deibel). Sie gingen die Reihe der Tischchen entlang (Th. Mann).
Früher wurden der Dativ und selbst der Genitiv daneben gebraucht:
entlang dem Hügel (Droste-Hülshoff); entlang dem unteren Rande (Storm); entlang
eines süß rauschenden Baches (E. T. A. Hoffmann).
Reines Adverb ist „entlang“ in der Fügung:
am Ufer entlang.

innerhalb
regiert gewöhnlich den Genitiv, wenn dieser formal erkennbar ist:
innerhalb eines Jahres, innerhalb dreier Monate.
Wenn der Genitiv (bei mehrzahligen starken Substantiven) formal nicht
zu erkennen ist, setzt man den Dativ (vgl. laut, wegen):
innerhalb drei Monaten.
Sonst ist der Dativ veraltet und gilt nicht mehr als schriftsprachlich:
innerhalb den geweihten Mauern (Zschokke), innerhalb dem Kreise (Goethe).
306 Die Partikeln

längs
regiert den Genitiv, daneben auch den Dativ:
längs seines Kornfeldes (Wieland), längs der Fronten der Paläste (Jelusich).
Der Dativ hat sich festgesetzt, weil er sich beim Femininum nicht vom
Genitiv unterscheidet:
die Wälder längs der Straße (Flex; Genitiv oder Dativ).
Daher auch:
längs dem ganzen TJfer (Schiller).
Der Dativ wird besonders auch dann gesetzt, wenn dem starken Sub¬
stantiv ein weiteres starkes Substantiv im Genitiv folgt. Dem Gleichklang
der Artikel weicht man dadurch aus:
längs des Simses des Palastes, dafür besser: längs dem Simse des Palastes.

laut
regiert den Genitiv:
laut [des, eines] amtlichen Nachweises.
Folgt ein alleinstehendes starkes Substantiv im Singular, so wird dieses
nicht flektiert, was besonders in der Kaufmanns- und Kanzleisprache,
aber auch in der Alltagssprache üblich ist (vgl. 323 und mittels, wegen):
laut Vertrag, laut Bericht, laut Übereinkommen, laut Befehl.
Steht ein alleinstehendes starkes Substantiv im Plural, dann wird der
Dativ gewählt, weil der Genitiv auf Grund seiner Übereinstimmung mit
dem Nominativ und .Akkusativ den Fall nicht deutlich erkennen ließe:
laut Briefen.
Dieser Dativ ist auch in den Singular eingedrungen:
laut ärztlichem Gutachten, laut dem Verhaftbefehl (Heine), laut beiliegendem Briefe
(Schiller).

Der Dativ steht auch dann, wenn dem starken Substantiv ein weiteres
starkes Substantiv im Genitiv folgt:
laut des gestrigen Berichtes des Oberbürgermeisters, dafür besser: laut dem gest¬
rigen Bericht des Oberbürgermeisters.

Das Vorbild von „nach“ trägt ebenfalls zur Wahl des Dativs bei.

mittels
regiert den Genitiv:
mittels eines Drahtes.
Ein alleinstehendes einzähliges starkes Substantiv steht in der Alltags¬
sprache unflektiert (vgl. 323 und laut, wegen):
mittels Draht.

ob
ist veraltet oder noch dichterisch. Es regiert in kausalem Sinne meist
den Dativ, seltener den Genitiv (was auf der gleichen Form des Genitivs
und Dativs bei Feminina beruht):
Du bist dem Lehrer zu vergleichen, der seinen Zögling ob gestohlenen Kirschen aus¬
schalt (Uhland). ... schwankend ob all dem Abenteuerlichen (Raabe). Ihr seid ver¬
wundert ob des seltsamen Gerätes in meiner Hand (Schiller). Und das griechische
Mädchen . . . hielt ob dieses seltenere Kusses still (Jatho).
Die Präposition 307

ohne
mit dem Dativ erhielt sich schriftsprachlich bis Lessing, mundartlich bis
heute; ein Rest ist „ohnedem“ und das Sprichwort:
Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.
Heute regiert „ohne“ den Akkusativ:
ohnedies, ohne den Vater.

statt (anstatt)
hat den Genitiv nach sich. Der Dativ gilt als veraltet oder als umgangs¬
sprachlich; schriftsprachlich steht er nur, wenn ein weiteres starkes Sub¬
stantiv im Genitiv folgt oder wenn der Genitiv nicht deutlich würde:
habe er . . . den Müller statt seiner zum Präsidenten gemacht (Gaudy).
Veraltet:
statt einem solchen Steine (Lessing), statt feierlichsten Grußes, wie sich ziemte, statt
ehrfurchtsvollem Willkomm (Goethe; Genitiv und Dativ 1).
Ugs.:
Jetzt muß ich statt dem Vater den Brief schreiben.
Aber noch:
Statt dem Plan des Vaters (für: Statt des Planes des Vaters). Statt Worten will ich
Taten sehen. ... daß statt Bösem Gutes daraus gewonnen wird (R. Hildebrand).

Über [an]statt als Konjunktion vgl. 605.

trotz
ist aus dem wie eine Interjektion gebrauchten Substantiv „Trotz!“ her¬
vorgegangen und stand ursprünglich mit dem Dativ (Trotz sei. . .):
Dem widersprech’ ich trotz Ihnen (Lessing). Trotz meiner Aufsicht, meinem starken
Suchen nach Kostbarkeiten noch geheime Schätze 1 (Schüler).
Geblieben ist der Dativ in „trotzdem“, in „trotz allem“ und in „trotz
alledem“. Nach dem Vorbild anderer Präpositionen ist jedoch heute der
Genitiv durchgedrungen:
trotz alles Widerstrebens (Baabe); trotz heftiger, ja verzweifelter Anstrengungen
(Th. Mann).

Der Dativ ist daneben aber noch nicht falsch geworden; er steht besonders
dann, wenn ein starker Genitiv unmittelbar beim Substantiv steht:
trotz des Meeres wilde.;. Rauschen (statt: trotz des Meeres wilden Rauschens oder
trotz des wilden Rauschens des Meeres)

und vor alleinstehenden starken Substantiven in der Mehrzahl:


trotz Atomkraftwerken.

unfern, unweit
regieren den Genitiv. Der Dativ ist veraltet oder umgangssprachlich:
unfern eines verwachsenen Weges (G. Keller), unweit des Ofens (G. Hauptmann).
Veraltet:
unfern dein Kloster (Schiller), unweit dem Städtchen (Nicolai),

vermittels vgl. mittels *


308 Die Partikeln

während
regiert den Genitiv, da es aus einer absolut gebrauchten partizipialen
Genitivfügüng erwachsen ist:
währendes Krieges (Lessing) = während des Krieges, währender Zeit = während
der Zeit.
Der Dativ erklärt sich aus der gleichen Form des Genitivs und Dativs bei
Feminina; er ist veraltet oder umgangssprachlich:
Während dem Schießen und Geschrei war er aus dem Wagen gesprungen (Tieck).
Der Dativ ist jedoch bei mehrzahligen starken Substantiven anzuer¬
kennen, da hier der Genitiv mit dem Nominativ und dem Akkusativ
gleich lautet:
während zehn Jahren.
Er lebt auch noch in der Zusammensetzung „währenddem“, bei voraus¬
gehendem starkem Genitiv: 9
während meines Freundes Hiersein
und bei dem Relativpronomen „welcher“:
Erinnerst du dich noch jenes Gewitters, während welchem ich dich dort traf ... ?
(Baabe).

wegen
regiert schriftsprachlich den Genitiv:
wegen eines Motorschadens.
Der Dativ ist veraltet, umgangssprachlich oder süddeutsch:
Veraltet: wegen dem ungewöhnlichen Empfang (Wieland). IJgs.: wegen mir, wegen
dem Kinde. Süddt.: wegen dem Kreuzmann! (Scheffel), österr.: wegen dem Hunde
(Stifter). Schweiz.: wegen einem Dorfbonzen (V. Brunner).
Der Dativ ist aber anzuerkennen, wenn ein starker Genitiv dem Substantiv
vorausgeht :
wegen Ludwigs Tode.
Ferner bei alleinstehenden, mehrzahligen starken Substantiven, weil der
Genitiv mit dem Nominativ und Akkusativ gleich lauten würde:
wegen Geschäften, wegen Sommerkostümen (L. Fulda).
Ein ähnlicher Grund liegt auch vor bei:
wegen etwas anderem, wegen manchem, wegen Vergangenem und Zukünftigem.
Ein alleinstehendes starkes Substantiv in der Einzahl steht oft schon
ohne Beugungsendung (vgl. 323 und laut, mittels); dies gilt aber nooh
nicht als völlig korrekt:
wegen Umbau, wegen Urlaub geschlossen, wegen Mangel an Lebensmitteln. .
Tritt „wegen“ zu einem Personalpronomen, dann werden in der Schrift¬
sprache die Zusammensetzungen „meinetwegen“, „unsertwegen“ usw.
gebraucht. „Wegen mir, wegen uns“ usw. ist allgemein umgangssprach¬
lich, „wegen meiner“ usw. veraltet oder landschaftlich (Bayern, Schwa¬
ben, Niederrhein).
zufolge
regiert meist den Genitiv, wenn das Substantiv folgt, den Dativ, wenn
es voransteht:
zufolge seines Wunsches, seinem Wunsche zufolge.
Der Dativ ist ursprünglich, weil „folgen“ mit dem Dativ verbunden wird.
Die Präposition 309

zugunsten (zuungunsten)
regiert wie „zufolge“ den Dativ, wenn das Substantiv voransteht, den
Genitiv, wenn das Substantiv folgt:
zugunsten des Examinanden- (Raabe), zuungunsten der Römer (Mommsen).

f) Fremde Präpositionen
Von fremden Präpositionen haben „inklusive“, „exklusive“ und andere 583
Rektion nach deutschem Vorbild angenommen, wenn der Fall durch
ein Begleit wort deutlich wird:
inklusive aller Versandkosten (analog: einschließlich aller Versandkosten); per
ersten Januar (analog: zum ersten Januar, für den ersten Januar); punkto gottloser
Reden.(C. F. Meyer; analog: betreffs gottloser Reden); pro Angestellten (analog: für
jeden Angestellten)1; vis-ä-vis (veraltet) dem Bahnhof (analog: gegenüber dem Bahn¬
hof).

Hinter diesen Präpositionen steht das alleinstehende starke Substantiv


jedoch ungebeugt (vgl. 323):
inklusive Porto, pro Stück (Paar), per Flugzeug, via Hamburg, punkto Geld.

4. Verstärkung der Präposition durch Adverbien


(oder andere Präpositionen)
Adverbien, die verstärkend (attributiv) zur Präposition hinzutreten, 584
können vor der Präposition oder nach dem Substantiv stehen:
Vor der Präposition:
oben auf dem Berg, bis an die Grenze, mitten durch, quer durch das Feld, draußen vor
dem Tor, rings um die Stadt.

Nach dem Substantiv:


auf dem Berg oben, aus dem Loch heraus, durch das Rohr hindurch, um die Stadt
herum, vom Berge her, von Jugend auf, von Kind an.

5. Zum Gebrauch der Präpositionen

a) Zwei Präpositionen nebeneinander


In der gewählteren Schriftsprache vermeidet man es immer noch gern, 585
zwei Präpositionen nebeneinanderzustellen, weil das Verständnis der
zwei ineinandergeschachtelten Verhältnisse dadurch erschwert ist:
mit vor Zorn funkelnden Augen, für im vergangenen Jahr geleistete wertvolle Ar¬
beit, von unter der Erde befindlichen Anlagen, in mit allem Luxus ausgestatteten
Wohnräumen, mit über jedes Lob erhabenem Pflichteifer, von aus dem Mund hervor¬
quellendem Blut, bei zum Tode verurteilten Verbrechern.

1 Dieses „pro“ wird heute oft durch „je“ ersetzt, das aber noch keine Präposition im
eigentlichen Sinne ist. Man schwankt deshalb, welchen Kasus man wählen soll. Analog
„pro“ wird gern der Akkusativ gesetzt (je angefangenen Monat), daneben aber auch der
Nominativ (je angefangener Monat), aus der Vorstellung heraus, daß „je“ noch Adverb
ist. Beides ist richtig.
310 Die Partikeln

Doch begegnet man dieser Fügungsweise nicht nur im Kanzlei- und


Zeitungsstil, sondern auch in der schöngeistigen Literatur immer öfter:
Noch steht Amele mit auf der Brust übereinander geschlagenen Armen träumend da
(Auerbach). Die genannten Personen sollen in mit Extrapostpferden bespannten
Wageh folgen (Borne).

Selbst neuere Grammatiker verwenden sie:


Bei aus älterer Zeit uns überlieferten Wörtern . . . (Behaghel). Die Biegungssilben
sindaus in das Wort verschmolzenen Partikeln entstanden (Delbrück).

Drei Präpositionen sind allerdings auf jeden Fall zu vermeiden:


Infolge von durch das Finanzamt erlassenen Verordnungen . ..

Nicht zu verurteilen ist es, wenn die Präposition mit einem Adverb oder
einer Konjunktion zusammensteht, die auch als Präposition auftreten
können:
mit gegen hundert Arbeitern, eine Summe von über tausend Mark, bis
zu drei Exemplare, außer am Sonntag, statt im Haus

oder wenn zwei Präpositionen zufällig nebeneinanderzustehen kommen:


Er hielt cs für an der Zeit. Er dachte an zu Haus.

Selbst Präpositionalfügungen werden gelegentlich von einer anderen


Präposition abhängig gemacht:
von jenseits des .Meeres, von vor 50 Jahren.

Das meiste hierher Gehörige ist jedoch umgangssprachlich oder mund¬


artlich :
für auf die Krönung (Hebel), eine Brille für in die Nähe.

586 b) Zwei oder mehrere durch „und“ oder „oder“ verbundene Prä¬
positionen vor einem Substantiv

a) Gleicher Kasus
Zwei oder mehrere Präpositionen mit dem gleichen Kasus können ohne
weiteres vor einem Substantiv stehen. Das Substantiv braucht dann
nicht wiederholt zu werden:

Büdesheim lag vor und unter uns (Goethe). Das Gestein starrte über, neben, vor der
Ilöhle (Immermann). Was man über oder unter oder zwischen den Windungen von
dem Leibe noch erblickt hätte . . . (Lessing),

ß) Verschiedener Kasus
Regieren aber zwei Präpositionen verschiedene Fälle, dann ist die ein¬
malige Setzung des Substantivs nur zulässig, wenn sich dessen Flexions¬
form dabei nicht ändert:
durch und mit Gott, mit oder ohne Aufbegehren, in und um sich.

Trifft dies nicht zu, dann müßte das Substantiv eigentlich wiederholt
oder durch ein Pronomen ersetzt werden, was ziemlich schwerfällig
wirkt:
mit Büchern oder ohne Bücher; mit Büchern oder ohne sie, diese (aber gar nicht:
dieselben).
Die Präposition 311

Die Schriftsprache neigt deshalb schon dazu, den Kasus zu setzen, den
die dem Substantiv zunächst stehende Präposition verlangt, um eine
Wiederholung zu vermeiden:
mit oder ohne Kinder, ohne oder mit Kindern, mit oder gegen Ihren Willen (H. Sei¬
del); Literatur aus und über andere Länder (Prospekttitel). Sieh das Leben und
Weben auf und in und um diesen Ameisenhaufen (Lessing).

Man setze aber nicht den Kasus nach der entfernter stehenden Präpo¬
sition :
Falsch: in und um unseren Dörfern.

c) Präpositionen bei mehrteiligen Konjunktionen 587

Bei Substantiven (Pronomen), die durch mehrteilige Konjunktionen


verbunden sind, sollte die Präposition besser zweimal gesetzt werden:
teils mit List, teils mit Gewalt. Das ist sowohl für dich wie für mich eine Belastung.
Sie hat es entweder von ihm oder von seiner Schwester erfahren.

d) Wiederholung der Präposition bei aufgezählten Substantiven 588

Werden verschiedene oder die gleichen Substantive ohne Verbindung


durch eine Konjunktion von derselben Präposition abhängig gemacht,
dann wird diese in dichterischer Sprache gern wiederholt (vgl. dazu noch
1175):
mit dem Gürtel, mit dem Schleier (Schiller); am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre
Reben (M. Claudius); aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit (Rüclcert); durch die
Wälder, durch die Auen („Freischütz“).

Aber auch ohne Wiederholung:


Wer ein Lump ist, bleilit ein Lump, zu Wagen, Pferd und Fuße (Goethe). Lag es an
der Beschaffenheit . . ., der richtigen Neigung . . ., der passenden Höhe . . . oder
auch nur der zweckmäßigen Konsistenz der Nackenrolle . . . (Th. Mann).

6. Bedeutungsschwierigkeiten bei Präpositionen 589


an, auf
Die Berührung von oben wird heute meist durch „auf“ ausgedrückt:
auf dem Wasser, auf dem Boden, auf der Straße usw.

Mittelhochdeutsches „an“, das in dieser Bedeutung gebraucht wurde, hat


sich aber in bestimmten Resten erhalten:
am (an den) Boden, an der (die) Erde, am (an das) Ufer, an der (die) Küste, an der
(die) Stelle, an dem (den) rechten Platz, Ort; am Lager (kaufm.), an Bord, ans
Land (vom Wasser aus).

Weitergehender Gebrauch von „an“ für „auf“ ist jedoch umgangs¬


sprachlich-mundartlich, besonders in der Schweiz und in Österreich:
eine offene Lade, wie sie die Verkäufer an Jahrmärkten trägen (H. Hesse); am
Grunde seines Wesens (Musil); eine Buchhandlung an der Saffa (= Schweizer
Ausstellung für Frauenarbeit; „Dör Schweizer Buchhandel“).
312 Die Partikeln

1. Bei der Verwendung von „bis“ beachte man, daß diese Präposition
gewöhnlich einschließende Bedeutung hat:

Wenn die Ferien vom.22. Juli bis [zürn] 31. August dauern, dann ist der 31. Au¬
gust der letzte Ferientag. Wenn die Gemäldegalerie von Montag bis Freitag ge¬
öffnet ist, dann ist sie auch noch am Freitag offen.

Man gebrauche „bis auf“ deshalb nicht im entgegengesetzten Sinne


von „außer, ausgenommen“, wenn Mißverständnisse entstehen
könnten:
Das Gedicht ist bis auf die letzte Strophe ausgefeilt. Außer oder einschließlich
der letzten Strophe? Eindeutig dagegen: Er hat alles bezahlt, bis auf einige
Kleinigkeiten. Er hat alles bis auf den letzten Pfennig bezahlt.

2. Die Umgangssprache gebraucht gelegentlich „bis“ zur Bezeichnung


einer Zeitangabe auf die Frage „Wann ?“:
Auf Wiedersehen bis Montag (= am Montag)! Auch den Kuchen aßen die
Kinder auf, weil sie meinten, bis zu (= bei) unserer Rückkehr wäre er nicht
mehr zu genießen (E. Förster).
Dieser Gebrauch ist nicht schriftsprachlich.

dank
gebrauche man auf Grund seiner Bedeutung nicht bei neutralen, gleich¬
gültigen oder gar schlechten Dingen, Mißerfolgen usw.:
Nicht: Dank seiner~Nachlässigkeit mißglückte das Unternehmen. Sondern: Infolge
(wegen) seiner Nachlässigkeit .-. .
Aber ironisierend:
Nun ist sie (= die Königin) hin, auf immer hin, dank Eurer allzu raschen Hitze
(Wieland).

durch, infolge, von, vor, wegen, zufolge


durch
gibt u. a. das Mittel oder Werkzeug an. Die Verknüpfung ist un¬
mittelbar:
durch Gründe überzeugen, jemanden durch einen Boten benachrichtigen,

infolge
weist mittelbar auf den zurückliegenden Grund. Das von ihm ab¬
hängige Substantiv darf dabei nur ein Geschehen, aber keine
Sache oder Person bezeichnen:
Infolge des Streiks wurde die Beladung eingestellt. Nicht: Infolge des
Weines schwankte ich hin und her. Infolge des Vaters kam ich gut vorwärts.
von
nennt die wirkende Ursache, die von einem Urheber ausgeht:
Die Brücke ist von Pionieren gesprengt worden.
vor
nennt den Beweggrund für Zustände und Gemütslagen:
vor Zorn, vor Neid, vor Freude, vor Kälte.
Die Präposition 313

wegen
bezeichnet den Sachgrund ganz allgemein, ohne Rücksicht auf
zeitliche Verknüpfung:
wegen Diebstahls verurteilt werden, wegen eines Motorschadens nicht weiter¬
fahren können.

zufolge
weist (wie „infolge“) mittelbar auf den Grund, dem das Verhalten
entspringt:
Seinem Wunsch zufolge wurde die Feier verschoben.
Es kann deshalb nicht bei Personen oder Dingen stehen, die gar
nicht die Ursache für das folgende Verhalten sind:
Unserem Korrespondenten zufolge richtete das Unwetter erheblichen
Schaden an. (Richtig: Nach unserem K. ...)

Die genannten Präpositionen werden zudem öfter verwechselt, be¬


sonders „durch“ mit „wegen“ (infolge) oder „von“:
Falsch: nach einem durch die späte Jahreszeit anstrengenden Marsche.
Richtig: nach einem wegen der späten Jahreszeit anstrengenden Marsche.
Falsch: Diese Anthologie, herausgegeben durch X. Richtig: Diese Antho¬
logie, herausgegeben von X.

Bei den Verben des Schützens und Schirmens steht heute „vor“,
nicht „von“:
vor finanziellen Verlusten bewahrt bleiben; jemanden vor etwas behüten,
vor jemandem beschirmen; jemanden vor dem Tode erretten.
„Von“ ist veraltet und wird heute nur noch selten gebraucht:
Wer rettete vom Tode mich, vom Sklaverei?,(Goethe). ... rettete ihn von
dem Schicksale des Pentheus (Wieland). ... damit sie Diederich von seinen
Feinden erretteten (H. Mann).

in, nach, zu
werden zur Angabe einer Richtung unterschiedlich gebraucht. „In“ be¬
deutet „in etwas hinein“:
in den Wald gehen, in die Stadt fahren, in die Schweiz reisen.
Da „in“ vor artikellosen Stadt- und Ländernamen aber auch die Ruhe¬
lage (Frage: Wo?) bezeichnen könnte, tritt bei Richtungsangabe dafür
„nach“ (das eigentlich nur „in die Nähe von . . .“ bedeutet) ein:
nach Berlin fahren, nach Italien reisen.
„Zu“ bezeichnet ebenfalls die Bewegung auf ein Ziel zu, aber mit der
Vorstellung des Zweckes, der Absicht:
Peter geht zur Schule. Michael geht zu seinem Freund.
„Zu“ findet sich besonders viel bei festen Formeln ohne Artikel:
zu Bett, zu Tisch gehen, zu Herzen gehen, zugrunde gehen, zu Pferde steigen, zu
Kopfe steigen, zu Felde ziehen, zu Markte tragen, zu Füßen fallen, zu Ohren kommen,
zu Papier bringen.
Zu diesen alten Wendungen, die alle die Richtung bezeichnen, gehört auch eigentlich
das vielgebrauchte ,,zu Hause“. Hier hat sich aber schriftsprachlich das deutlichere
„nach“ an die Stelle gesetzt (nach Hause), weil ,,zu Hause“ auch die Ruhelage (= im
Hause) bezeichnen kann. In Mundart und Umgangssprache hat sich jedoch „zu Hause“
314 Die Partikeln

in der alten Bedeutung kräftig gehalten. Auch unsere Klassiker kennen noch diesen
Gebrauch:
Man bringe die Königin zu Hause (Schiller). ... als wir zu Hause gingen (Hebbel).
Ich geh’ nicht zu Hause (G. Hauptmann).
Vor Personennamen und -bezeichnungen steht ebenfalls nur „zu“ (nicht:
nach; Ausnahmen unten!), weil die Hinwendung zu Personen sich be¬
sonders deutlich mit einem bestimmten Zweck verbindet:
zum Arzt, zum Bäcker, zum Fleischer gehen.
Die Verwechslung von „zu“ mit „nach“ ist besonders norddeutsche Um¬
gangssprache :
nach dem Garten, nach dem Bahnhof, nach dem Fleischer gehen. Er hat sich nach
seiner Schwester in Rendsburg ... begeben (Niebuhr).
„Nach“ steht vor Personenbezeichnungen nur dann, wenn die genannte
Person getroffen, erreicht, geholt werden soll:
Hans schlägt nach dem Kind. Sie streckte die Hand nach ihm aus. Er schickte nach
dem Arzt.

laut
kann auf Grund seiner Herkunft (= nach Laut des. . .) nur mit einem
Substantiv verbunden stehen, das etwas Gesprochenes oder Geschriebenes
bezeichnet :
laut seirtes Berichtes, laut seiner Mitteilungen, laut Brieten. Also nicht: laut Muster,
sondern: gemäß, nach dem Muster.

seit
kennzeichnet ein Verhalten, das bis zur Gegenwart des Sprechers an¬
dauert. Es kann deshalb nur bei Verben stehen, die ein andauerndes
Geschehen bezeichnen (imperfektive, durative Verben; vgl. 64), nicht
bei solchen, die ein in einer bestimmten Zeit abgeschlossenes Geschehen
ausdrücken (perfektive Verben; vgl. 64):
sehen (imperfektiv):
Seit voriger Woche haben wir uns nicht mehr gesehen.
eröffnen (perfektiv), also falsch:
In dem seit drei Tagen eröffneten Schuhgeschäft. Richtig: In dem vor drei Tagen
er öffneten Schuhgeschäft,
sterben (perfektiv), also falsch:
Er ist seit drei Jahren gestorben. Richtig: Er ist seit drei Jahren tot oder: Er ist vor drei
Jahren gestorben.
Deshalb auch besser:
Die Geschichte der Stadt Rom von der Gründung [an] (nicht: seit der Gründung) bis
zum Ausgang des Mittelalters. Von 1521 an (nicht: seit 1521) übersetzte Luther die
Bibel.

während
bezeichnet eine Zeit, innerhalb deren etwas vor sich (oder nicht vor sich)
geht (Frage: Wann ?), und drückt die Gleichzeitigkeit zweier Geschehen
aus:
Während der Veranstaltung darf [nicht] geraucht werden. Settembrini schwieg
während einiger Schritte (Th. Mann).
Die Konjunktion 315

Es ist daher falsch, „während“ bei der Frage nach einer Zeitdauer
(Frage: Wie lange?) zu gebrauchen:
Nicht: Während dreier Jahrhunderte dauerte dieser Zustand.
Sondern: Drei Jahrhunderte dauerte dieser Zustand.

Präpositionen des Kanzleistils


Vor allem meide man auch die schwerfälligen Präpositionen des Kanzlei¬
stils und der Kaufmannssprache:
Nicht: jemandem anläßlich seines Geburtstages Glück wünschen. Sondern: jeman¬
dem zu seinem Geburtstag Glück wünschen.
Nicht: Behufs, zwecks Ermittlung des Diebes. .. Sondern:, Zur Ermittlung des
Diebes ...
Nicht: Betreffs Ihrer Forderung . . . Sondern: Wegen Ihrer Forderung . . .
Nicht: Ihre Klagen bezüglich der Beschaffenheit. . . Sondern: Ihre Klagen über die
Beschaffenheit...
Nicht: Seitens des Beklagten . . . Sondern: Von dem Beklagten . . .
Nicht: Vermittelst eines Drahtes . . . Sondern: Mit einem Draht. . .
Nicht: Antwortlich Ihres Schreibens . . . Sondern: Auf Ihr Schreiben . . .

III. Die Konjunktion

1. Die Aufgabe der Konjunktion 590


Die dritte Funkt ionsgruppe innerhalb der Wortart Partikeln wird von
den Konjunktionen gebildet. Wie der Name schon sagt, ist es ihre Auf¬
gabe, Satzteile oder Sätze zu verbinden1. Ihr Auftrag ist damit bereits
fest umrissen:
Sie lobten die Knaben und Mädchen, weil sie alle fleißig waren.
Diese Verbindung kann unterordnend und nebenordnend sein (vgl. 1045).

2. Die Arten der Konjunktionen 591


Es gibt Konjunktionen, die nur der verbindenden Aufgabe dienen. Man
nennt sie deshalb echte Konjunktionen. Hierzu gehören alle unter¬
ordnenden Konjunktionen (daß, weil, wenn u. a.) und die nebenordnenden
Konjunktionen „aber, allein,, denn, ja, sondern, und“. Man erkennt sie
daran, daß sie die gewöhnliche Wortstellung nicht verändern, wenn sie an
der Spitze des Satzes stehen:
Ich ging nach Hause, weil ich müde war. Er grübelte und er grübelte.
Es gibt aber auch Konjunktionen, die gleichzeitig noch adverbiales Satz¬
glied sind und deshalb auch die Wortstellung ändern, wenn sie an der
Spitze des Satzes stehen (vgl. 1222):
Als ich nach Hause kam, da sah ich ihn.

1 Lat. coniunctio =■ Verknüpfung, Verbindung. Daher auch die (gute) Verdeutschung


Bindewort.
316 Die Partikeln

Man spricht hier von unechten Konjunktionen. Da es Adverbien in der


Rolle einer Konjunktion sind, nennt man sie wohl zweckmäßig Kon-
junktionaladverbien. Der adverbiale Gehalt einer solchen Konjunktion
kann stärker oder schwächer sein:
stark: Weiter sage ich euch ...
schwächer: Insofern kann ich dich verstehen.
Auf der Schwelle des Übergangs von den unechten zu den echten Kon¬
junktionen stehen:
[je]doch, auch, nur, nicht nur - sondern auch, entweder - oder, indessen, gleichwohl,
zwar, also, vielmehr.
Zwar weiß ich viel, doch (Satzglied) macht’ ich alles wissen (Goethe). Du scheinst be¬
denklich, doch (echte Konjunktion) du scheinst vergnügt (Goethe).
Die verbindende Aufgabe im Satz wird jedoch nicht ausschließlich von
den Konjunktionen geleistet. Hierher gehören an sich auch die Demon¬
strativpronomen (vgl. 450ff.), die Relativpronomen (vgl. 476ff.) ein¬
schließlich der Relativadverbien (vgl. 555) und die Interrogativpronomen
(vgl. 481 ff.). Da aber bei diesen Wörtern der pronominale oder adverbiale
Charakter überwiegt, wurden sie bereits früher behandelt.

592 3. Die Form der Konjunktionen


Nach der Form unterscheidet man eingliedrige (einfache) und mehr¬
gliedrige (gepaarte) Konjunktionen:
eingliedrig: und, auch, denn, als usw. ”
mehrgliedrig: sowohl - als auch, entweder - oder, nicht nur - sondern auch, zwar -
aber, teils - teils [- teils], weder - noch [- noch], wenn - so, bald - bald, halb - halb,
erst - dann, einerseits - ander[er]seits.

4. Die Einteilung der Konjunktionen nach ihrer Verwendung


Je nach dem Gedankenverhältnis1, das zwischen den Satzteilen oder
Sätzen besteht, die von einer Konjunktion verbunden werden, unter¬
scheidet man:

593 a) Kopulative (anreihende) Konjunktionen


Nur nebenordnend:
und, auch, wie, söwie, außerdem, zudem, überdies, desgleichen, dann,
ferner, weiter, ja, hernach, zuletzt, endlich, erstens, zweitens usw.,
' sowohl - als auch (sowohl - als, sowohl - wie auch, sowohl wie),
weder - noch, nicht nur - sondern auch, bald - bald, teils - teils,
erst - dann, halb - halb, zum einen - zum ander[e]n.
Mäßigkeit und Ruh’ schließt dem Arzt die Türe zu (Sprw.). Dort ist Gelegenheit
zu Stadtrundfahrten und Ausflügen sowie zu ^Besichtigungen. . . . seine Eltern
sowohl wie der Großvater (Th. Mann). Halb zog sie ihn, halb sank er hin (Goethe).

594 b) Disjunktive (ausschließende) Konjunktionen


Nur nebenordnend:
oder, entweder - oder, sonst, andernfalls.

1 Vgl. die Arten der Satzverbindung (1048) und die Konjunktionalsätze (1072 ff.)..
Die Konjunktion 317

Du schießest oder stirbst mit deinem Knaben 1 (Schiller). Entweder Ihr laßt
Euch einen Zahn ausbrechen» oder Ihr könnt Euch mit mir stechen auf Leben
und Tod (Hebel).

c) Adversative (entgegensetzende) Konjunktionen 595


Nebenordnend:
aber, allein, doch, jedoch, dennoch, dagegen, hingegen, indes, in¬
dessen, gleichwohl, vielmehr, nur, hinwieder[um], nichtsdesto¬
weniger, sondern (nach negiertem Satzteil).
Für ganz einsam hielt er sich, aber er war belauscht (Immermann). Die Bot¬
schaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube (Goethe). Die Magier kamen,
doch keiner verstand zu deuten die Flammenschrift an der Wand (Heine). Nicht
der Natur durch einen Querstrich den Weg verrannt, sondern sie in ihrem eigenen
Gange befördert 1 (Schiller).
Unterordnend: während.
Sie setzte sich neben die Alte n den Fond des Wagens, während die jungen Mäd¬
chen die Kückplätze einnahmen (Th. Mann); ... weil sie (= die Einschränkungen)
einen Lebensstandard herbeiführten, der den Menschen andernorts in bitterer Er¬
innerung'hafte, während er für das Gebiet dieses Kreises etwas kaum Erlebtes, ein
Novum sozusagen darstelle (H. Kasack).

d) Lokale (örtliche) Konjunktionen 596


Ausgesprochen lokale Konjunktionen gibt es nicht. Wenn gelegentlich
einmal ein Lokaladverb (da, hier u. a.) nebenordnend im konjunk-
tionalen Sinne gebraucht wird, dann ist der adverbiale Gehalt doch noch
so stark, daß man sich nicht entschließen kann, es als Konjunktion anzu¬
sprechen (vgl. 546). Unterordnend leiteh Lokaladverbien entweder einen
Relativsatz (vgl* 1061/66) oder einen indirekten Fragesatz ein (vgl. 1069).

e) Temporale (zeitliche) Konjunktionen 597


Nebenordnend:
Für die gelegentlich nebenordnend im konjunktionalen Sinne ge¬
brauchten Zeitadverbien gilt das gleiche wie für die zuvor genannten
. Lokaladverbien (vgl. 647).
Unterordnend:
1. Gleichzeitigkeit: während, indem, indessen, solange, sooft, als (ver¬
altet: da), wie, wenn, nun.
Über dies Wort mußte Hans Castorp lachen, während er. .. sich zurückfallen
ließ (Th. Mann). Indem sie Kopf und Oberkörper leicht nach vorn schob, fragte
sie den Fremden nach seinem Begehr (H. Kasack). Als ich noch ein Knabe war,
sperrte man mich ein (Goethe).
Zum Relativadverb „wo“ (das auch zeitlich gebraucht wird) vgl. 1061.
2. Vorzeitigkeit: nachdem, als, wenn, sobald, seit[dem].
Nachdem der Kaiser Unterhandlungen ... fruchtlos erschöpft hatte ...» fingen
die Feindseligkeiten an (Schiller). Als er geendet hatte, schwiegen alle.
3. Nachzeitigkeit: bis, bevor, ehe.
Doch bevor wir’s lassen rinnen, betet einen frommen Spruch (Schiller). Er kam,
ehe ich ihn erwartet hatte.
318 Die Partikeln

598 f) Modale (die Art und Weise bestimmende) Konjunktionen


a) Modale Konjunktionen im engeren Sinne
Nur unterordnend: indem.
Er trat zurück, indem er erblaßte.

ß) Vergleichende Konjunktionen
1. Nebenordnend: so - wie, wie, als, also, ebenso, genauso.
Er ist so groß wie ich. Die Erfahrungen leuchten dem Menschen wie die Sterne
erst am Abend (Jean Paul). Edelmetalle wie Gold und Silber sind selten. Er ist
größer als ich. Ein Weib, das dich vernichten will, ist gefährlicher als alle fal¬
schen Freunde (G. Weerth). Es war so schön wie ernst.
2. Unterordnend: wie, gleichwie, sowie, so - wie, als, als ob, als wenn,
wie wenn.
Er schlief nur kurz, wie er es nach Mittag zu tun pflegte. Es war mir zumute,
... als läse ich einen Leitartikel der Kölnischen Zeitung (G. Weerth). Er
rauchte mehr, als er vertragen konnte. ... es sei ihm nicht anders gewesen,
als ob ihn vierzig Millionen Flöhe plagten (G. Weerth).
Vgl. 1080; 1146,6; 1212.
y) Proportionale Konjunktionen
1. Nebenordnend: um so, desto.
Das Leben ist kurz, um so sorgfältiger muß man es nützen. Um so besser. Desto
besser.
2. Unterordnend: je (-um so); je (- desto), älter: je (- je); je nach¬
dem.
Je simpler eine Maschine ist, desto vollkommener ist sie (Lessing). Je dünner der
Klee steht, um so müder wird man beim Mähen (Auerbach). Älter: Je länger,
je lieber.

d) Restriktive (einschränkende) Konjunktionen


1. Nebenordnend: [in]sofern, [insoweit.
Insofern kann ich dich verstehen.
2. Unterordnend: inwiefern, wiefern, [insofern, [insoweit, soviel,
nur daß.
Die Kunst ist sittlich, sofern sie weckt (Th. Mann).

e) Den fehlenden oder den stellvertretenden Umstand angebende Kon¬


junktionen
1. Nebenordnend: geschweige [denn].
Ich kann kaum gehen, geschweige [denn] laufen.
2. Unterordnend: ohne daß, geschweige daß, kaum daß, statt daß
(auch: anstatt daß).
... und küßte den niedlichsten Schuh, den ich in meinem Leben gesehen hatte,
ohne daß sie es merkte (Goethe). Dieser wird ... die Folge haben, daß der König
andere . . . Minister erwählt. . ., statt daß . .. ihn unmittelbar selbst der Unmut
des Volkes trifft (Heine).
5) Den Grad, die Steigerung, das Übermaß angebende Konjunktionen
Nur nebenordnend : ja, geradezu.
... im Besitz einer Person, die er so sehr liebte, ja verehrte (Goethe). Er war ein
unhöflicher, geradezu grober Mensch.
Die Konjunktion 319

g) Kausale (begründende) Konjunktionen 599


а) Rein kausale Konjunktionen
1. Nebenordnend: denn, nämlich, ja, doch.
Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da (Goethe). Ich war
nämlich in den Gasthof gegangen (Goethe). Der ist ja dumm.
2. Unterordnend: weil, da, zumal [da], nun [da], ugs.: wo doch.
Die Hälfte der . . . Hofstellen stand leer, weil ihre Insassen . .. verstorben waren
(Fontane). Da ich nicht immer die ganzen Stücke auszuhören Geduld hatte . . .
(Goethe). Da es sehr anstrengend ist, zugleich zu steigen und zu singen, so wurde
ihm bald der Atem knapp (Th. Mann). Was kann dich ängstigen, nun du mich
kennst ? (Schiller).
ß) Konsekutive (die Folge angebende) Konjunktionen
1. Nebenordnend: also, folglich, infolgedessen, mithin, somit, sonach,
demnach, daher, darum, deswegen, deshalb.
Also würden wir höchstwahrscheinlich gegen die Azoren zu getrieben (G. Haupt¬
mann). Ich habe zwei gesunde Augen und daher bessere Hoffnung als Sie (Bene-
dix). Der griechische Künstler hält sich nur an den Menschen. Deswegen wirft
der weise Bildhauer die Bekleidung weg (Schiller).
2. Unterordnend: daß, so daß, als daß.
Du bist jetzt in dem Alter, daß ich dir alles erzählen kann (Auerbach). Ich zeigte
... ihr die Bilder . .. auf eine so lebendige herzliche Weise, daß ihr die Tränen
in die Augen traten (Goethe). Die Sonne blendete ihn, so daß er nichts sah. Die
Sonne blendete ihn zu sehr, als daß er das Bild hätte erkennen können.
Diese Sätze berühren sich mit den Gradsätzen (vgl. 598, a, 2).
y) Finale (den Zweck, die Absicht angehende) Konjunktionen
1. Nebenordnend: dazu, darum.
Dazu ist er gewählt worden.
2. Unterordnend:,damit, daß (veraltet: auf daß).
Führ ihn herein, damit wir ihn erquicken (Schiller). ... daß ich erkenne, was die
Welt im Innersten zusammenhält. . . (Goethe). Veraltet: Du sollst Vater und
Mutter ehren, auf daß dir 's wohl ergehe (Ephes. 6, 2-3).
б) Konditionale (den möglichen Grund, die Bedingung angebende) Kon¬
junktionen
1. Nebenordnend: sonst, andernfalls.
Seht Euch nach einem andern Namen um, sonst deuten Krämer und Gasse'!jun¬
gen mit Fingern auf Euch (Schiller).
2. Unterordnend: wenn, falls (im Fall[e]), sofern, wofern.
Wenn ich nicht Alexander wäre, möchte ich Diogenes sein (nach Alexander dem
Großen).
€) Konzessive (einräumende) Konjunktionen
1. Nebenordnend: zwar (wohl) - aber ([je]doch, allein), trotzdem.
Zwar weiß ich viel, doch möcht* ich alles wissen (Goethe). Trotzdem war es nicht
der Rede wert, was der Gast bis jetzt zu sich genommen (G. Keller).
2. Unterordnend: obgleich, obwohl, obschon, obzwar, wenngleich,
wenn auch, wennschon, wiewohl, trotzdem1, ungeachtet.
Für etwas Unverfänglich's halt’ ich ihn (= den Eid), obgleich ich dieses Förm¬
liche nicht liebe (Schiller). Nachrichten ..., die des alten Rochus Herz, trotzdem
es den Schweden zuneigte, mit... Stolz erfüllten (Fontane).

Vgl. hierzu 005.


320 Die Partikeln

£) Instrumentale (das Mittel angebende) Konjunktionen


Nur unterordnend: indem; dadurch, daß; damit, daß.
Indem er bedürftigen Talenten . . . half, gewann er sich .. .viele Freunde (Goethe).
Die Kunst ist nur dadurch wahr, daß sie das Wirkliche ganz verläßt und rein ideal
wird (Schiller).

600 h) Die Konjunktionen daß und ob


Diese beiden Konjunktionen können nur unterordnend verwendet
werden. Sie drücken dann kein bestimmtes Gedankenverhältnis aus wie
die bisher genannten Konjunktionen, sondern bezeichnen eine rein
grammatische Abhängigkeit. Über die syntaktische Rolle der daß- und
ob-Sätze vgl. 1073; 1068.
Über die Infinitivkonjunktionen vgl. 1039.

5. Bemerkungen zum Gebrauch der Konjunktionen

a) Zur Neben- und Unterordnung


a) Neben- oder unterordnender Gebrauch der gleichen Konjunktion
601 Einige Konjunktionen können, wenn sie Sätze verbinden, nebenordnend
oder unterordnend gebraucht werden:
da, daher, indem, indessen, seitdem, trotzdem, so, sooft, [in]sofern,
[insoweit, solange, nun u. a.
Nebenordnend:
Nun ist die Stunde der Entscheidung da. Wir müssen tapfer sein.
Unterordnend:
Nun die Stunde der Entscheidung da ist, müssen wir tapfer sein.
Nebenordnend:
Trotzdem wollte Friedrich Wilhelm seine Großmut zeigen (Treitschke).
Unterordnend:
Darin waren sich die drei Schwestern gleich, trotzdem1 ihre sonstigen Charak¬
tere sehr verschieden waren (Fontane).

ß) Zwei nebenordnende Konjunktionen nebeneinander


602 Oft gebraucht man zwei nebenordnende Konjunktionen nebeneinander.
Zu den Konjunktionen allgemeinerer Bedeutung wie „und, oder, aber“
tritt z. B. eine zweite zur genaueren Angabe des Gedankenverhältnisses
(vgl. 593ff.):
und: und auch, und zudem, und dazu, und dann, und da, und so,
und doch, und dennoch, und darum, und deshalb, und deswegen,
und daher, und zwar (vgl. 604, 4), und somit,
aber: aber auch, aber doch, aber dennoch, aber freilich, aber trotzdem,
aber ja.
oder: oder auch, oder aber, oder vielmehr,
denn: denn auch, denn"doch, denn - ja.
Und auch mein Spielzeug war mir manchmal gut (Rilke). Ich höre doppelt, was
er spricht, und dennoch überzeugte mich nicht (Goethe).

1 Vgl. 605.
Die Konjunktion 321

Getrennt durch andere Satzteile:


Ein anhaltender Regen hatte die Wege äußerst verdorben, und unsere Reise
war daher weder angenehm noch glücklich (Goethe). Manches glänzt nicht und
ist doch Gold (Hebel). Kuhglockengeläut zog ihn an, und er fand auch die Herde
(Th. Mann).

y) Verbindung von Satzteilen durch unterordnende Konjunktionen


Satzteile können auch durch unterordnende (meist konzessive) Kon- 603
junktionen verbunden werden. Diese Fügungsweise beruht auf einer
Kürzung des Konzessivsatzes (vgl. 1087):
So kehrte ich zuletzt, obgleich [ich] ungern [zurückkehrte], nach Leipzig zurück
(Goethe). Einst noch werden, wenn [es] auch spät [geschieht], mir verklärt der Seele
Schatten (Uhland). ... indem er ihn (= den Nadelwald) durchwanderte, begann er
sogar wieder ein wenig zu singen, wenn [er] auch mit Vorsicht (zu singen begann] und
obgleich . .. (Th. Mann). In den Wirtshäusern zahlte ich, obzwar mit der Mutter Geld
(Rosegger).

b) Über den Gebrauch einzelner nebenordnender Konjunktionen1


a) Mehrgliedrige Konjunktionen
Mehrgliedrige Konjunktionen vertausche man nicht in ihren Gliedern. 604
Die Glieder müssen sich formal entsprechen. Man sage also nicht: ein¬
mal - ebenso, einerseits - im andern Falle, sei es - oder, sondern: ein¬
mal - ein andermal, einerseits - anderseits, sei es - sei es usw. Einige
wichtige Verbindungen mögen hier noch folgen:
1. Einem „sowohl“ entspricht gewöhnlich „als auch“ oder „wie auch“,
aber auch bloßes „wie“ oder bloßes „als“ (aber nicht: sowie). „So¬
wohl“ wird dem ersten der zu verknüpfenden Glieder gewöhnlich
unmittelbar vor-, seltener nachgestellt:
sowohl der Vater als auch die Mutter; sowohl auf Märschen als im Lager (Archen¬
holz); sowohl der Vater wie auch die Mutter; seine Eltern sowohl wie der Gro߬
vater (Th. Mann).
Das zweite Glied „als (auch)“ darf nicht allein stehen; daher falsch:
Als ständiger Begleiter . . . half er diesem bei der Deutschen Meisterschaft in L.
als auch (richtig: und) bei der Mundharmonika-Weltmeisterschaft in St. (Die
Harmonika).
2. „Sondern“ hat stets ein verneintes Vorderglied:
nicht du, sondern er; nicht nur du, sondern auch er. Freiem Volk sollen nicht
allein die Gedanken frei sein, sondern auch die Rede (nach Aventin).
Bei besonderem Nachdruck kann „sondern“ weggelassen werden:
Nicht deine Eltern, dich selbst will ich fragen.
Die Negation muß im heutigen Schriftdeutsch immer ausgesprochen
sein, sie darf nicht mehr nur dem Sinne nach vorhanden sein, wie es
früher noch als korrekt galt:
Man sah mich selten auf öffentlichen Promenaden, sondern ich lag in irgend¬
einem Dickicht (Seume). Sie enthielt sich jedoch, alle die Orte, die ihr teuer waren,
aufzusuchen, sondern eilte .. . (G! Keller).

1 Die unterordnenden Konjunktionen sind im einzelnen bei den Konjunktionalsätzen


abgehandelt (vgl. 1072 ff.).
322 Die Partikeln

3. Auch vor „noch“ muß der Satzteil stets verneint sein (nicht - noch,
weder - noch). „Weder - noch“ ist die übliche Form, „nicht - noch“
ist mehr dichterisch:
Nicht dich, Hans, noch dich, blonde Inge! (Th. Mann). . . . aber nicht Rosa noch
Irmgard wurde mein (Hesse).
Das „noch“ kann auch zweimal auftreten:
Hier helfen nicht Sprüche, noch Kreuze, noch Schwüre (Geibel).
„Weder - weder“ und „noch - noch“ sind veraltet:
Bin weder Fräulein, weder schön . . . (Goethe). Noch Krankheit kannten sie, noch
Furcht, noch Klage (A. W. Schlegel).
4. Zwar - aber (doch, jedoch, allein)
Das einräumende „zwar“ korrespondiert gewöhnlich mit „aber“ oder
anderen adversativen Konjunktionen:
seine Schülerin sei zwar außerordentlich intelligent ... aber ihr Talent reiche
nicht aus (Th. Mann). Zwar weiß ich viel, doch möcht’ ich alles wissen (Goethe).
Die Einräumung, die durch „zwar“ eingeleitet, und ihre Aufhebung,
die durch „aber“ eingeleitet wird, müssen dem Sinne nach aufein¬
ander bezogen sein; daher zu vermeiden:
Zwar war er blond . . . Aber seine Augen . . . zeigten einen eigentümlichen . . .
Schnitt (Th. Mann).
Die mit „aber“ eingeleitete Aufhebung kann gelegentlich unausge¬
sprochen bleiben, dann steht „zwar“ bekräftigend im Sinne von
„allerdings, freilich“:
Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen . . . (Goethe). Ein solcher war nun
zwar der Pfarrer meines Heimatdorfes nicht (G. Keller). Und die Geschichte war
damit eigentlich abgetan, der Saalfelder zwar war anderer Meinung (O. Ludwig).
Seltener bleibt die mit „zwar“ eingeleitete Ausnahme unausge¬
sprochen :
Meine Selma, wenn aber der Tod uns Liebende trennt ? (== Wir sind zwar glück¬
lich, aber was geschieht, wenn der Tod uns trennt ?) Aber er ist doch ein Lump!
(= Er hat zwar eine einzelne anständige Tat vollbracht, aber er ist trotzdem ein
Lump.)
„und zwar“ ist erläuternd:
Ich muß übrigens gehen, und zwar schleunigst (Th. Mann).

605 ß) Einfache Konjunktionen


allein
Bei dem Gebrauch von „allein“ beachte man, daß das geschriebene (nicht
das gesprochene!) „allein“ Mißverständnisse hervorrufen kann. Das be¬
tonte „allein“ bedeutet „nur, einzig, ausschließlich“, das unbetonte be¬
deutet „dagegen, aber“:
Wir wollten Spazierengehen, allein der Vater war dagegen.

[anjstatt, außer
Sie regieren als Konjunktionen keinen Fall, dagegen als Präpositionen
(vgl. 582):
Niemand kann mir helfen — außer ich selbst. Eine Maschine, die das Feuer treibt,
anstatt der Fuhrmann . . . (Rosegger)
Die Konjunktion 323

dann, denn
Man verwechsele in der Schriftsprache nicht die kausale Konjunktion
„denn“ und die temporale Konjunktion „dann“:
Na, dann geht es eben nicht! (Nicht norddt.: Na, denn geht es eben nicht!)

oder vgl. und

sowie, wie
Es ist unnötig, diese beiden Konjunktionen im Sinne von „und“ zu ver¬
wenden, wenn nur zwei Glieder zu verbinden sind. Sie werden aber gern
zur Vermeidung mehrerer aufeinanderfolgender „und“ gebraucht:
Nicht: Die Mädchen sowie (besser: und) die Jungen begannen zu singen. (Sie konnte)
.. . im Kopfe wie (besser : und) auf der Tafel rechnen (t. v. Francois). Sondern : Sie
haben dort Gelegenheit zu Stadtrundfahrten und Besichtigungen sowie zu Aus¬
flügen in die nähere und weitere Umgebung. ... zu wirklichen und echten Leistungen
in der Philosophie wie in der Poesie und den schönen Künsten (Schopenhauer).

statt vgl. anstatt

trotzdem
„Trotzdem“ kann nebenordnend, aber auch unterordnend gebraucht
werden (vgl. 601):
Nebenordnend: Er kam zu spät; trotzdem war sie nicht ungehalten.
Unterordnend: Trotzdem er zu spät kam, war sie nicht ungehalten.
Da die letztere Verwendung erst in der neueren Zeit aufgekommen ist,
wird sie von manchen Grammatikern noch getadelt, allerdings ohne Be¬
rechtigung. Bei „trotzdem“ vollzieht sich im Augenblick noch ein Vor¬
gang, der bei anderen Konjunktionen bereits abgeschlossen ist, nämlich
der Übertritt aus dem Hauptsatz in den Gliedsatz, wobei die eigentliche
Konjunktion (daß) wegfällt:
Seit dem, daß ich ihn kenne, ist er mein Freund = Seitdem ich ihn kenne, ist er mein
Freund. In dem, daß ich dies schreibe, überzieht sich der Himmel = Indem ich dies
schreibe, überzieht sich der Himmel. Trotz dem, daß ich gehen wollte, horchte ich
doch wieder auf seine Worte hin (A. Stifter). Trotzdem daß man nicht weiß, ob man
. sich mehr ärgern, lachen oder weinen soll (Raabe). Trotzdem ihm der Wein ... im
Kopfe saß (G. Hauptmann).

und
Zwei Verben oder Substantive (Prönomen) werden gewöhnlich durch
„und“1 miteinander verbunden:
lesen und rechnen, Eichen und Buchen, er oder sie.
Zwei attributive Adjektive werden jedoch oft ohne „und“ aneinander¬
gereiht:
Er ist ein aufmerksamer, fleißigerSchüler. .. . eine dunkle, stürmische Nacht (Baabe).
Bei Aufzählung von mehr als zwei Satzteilen steht „und“ gewöhnlich
nur einmal, und zwar vor dem letzten:
mit feiner, geweckter und kritischer Miene (Th. Mann); Wachheit, Geist und Kost¬
barkeit (Th. Mann). Es gibt vier Erscheinungsformen der UnWahrhaftigkeit: die
Notlüge, die gemeine Lüge, die Statistik und die Diplomatie.

1 Das Folgende gilt auch für das ausschließende „oder“.


324 Die Interjektion

Bei Hervorhebung kann „und“ vor jedem neuen Satzteil stehen:


Da werden wir alle Tage Feiertag haben und essen und trinken und tanzen und
springen und lachen und fröhlich sein (Wieland). . . . und es wallet und siedet und
brauset und zischt (Schiller). Drauf erhebt er sich wieder und ist noch und denkt
noch und fluchet, daß er noch ist (Klopstock).' Er (= der Arm) war zugleich zart
und voll und kühl (Th. Mann).

Straffe Zusammenfassung verzichtet oft auf eine Bindung durch die Kon¬
junktion „und“ und stellt die Satzteile, nur durch Kommas getrennt, ein¬
fach nebeneinander. Sie ist ebenfalls ein Stilmittel der Ausdruckssteige¬
rung:
es (= das Opiat der Musik) schafft Dumpfsinn, Beharrung, Untätigkeit, knechti¬
schen Stillstand (Th. Mann). Schiffer, Pilger, Kreuzesritter (Uhland). Alles rennet,
rettet, flüchtet (Schiller).

Es gibt auch eine paarweise Bindung von Satzteilen durch „und“ (oder
„oder“):
alte und junge, schöne und häßliche, reiche und arme Menschen. Sehr viel mehr
urteilen und handeln die Menschen nach Liebe und Haß, Gier oder Jähzorn, Schmerz
oder Freude, Furcht oder Hoffnung, auch in Ärger und Gemütsaufregung als nach
der Wahrheit oder nach den Regeln . . . des Lebens (nach Cicero).

Über die Inversion nach „und“ vgl. 1222, Beachte.


wie vgl. sowie

G. DIE INTERJEKTION
I. Das Wesen der Interjektion
606 Interjektionen sind Lautgebilde, mit denen ohne besondere sprachliche
Formung Empfindungen ausgedrückt werden. Sie sind deshalb auch nicht
wie die anderen Wörter in das Beziehungssystem des Satzes eingebaut,
sondern stehen außerhalb des Satzverbandes (vgl. 1000). Dies sagt bereits
ihr Name1. Die deutschen Bezeichnungen „Ausrufewort“ oder „Emp¬
findungswort“ gehen auf Bedeutungsinhalte zurück.
Da die Interjektionen Empfindungen ausdrücken, sind sie spontan aus
einer Sprechsituation entstanden und können jederzeit neu entstehen.
Sie haben deshalb auch keine Wortgeschichte im Sinne der Etymologie
wie die übrigen Wörter, was jedoch nicht ausschließt, daß sich gelegent¬
lich Ableitungen zu ihnen bilden lassen (z. B. ächzen zu „ach“, puffen
zu „puff“, jauchzen zu „juch“).
Aus dem Wesen der Interjektion versteht es sich von selbst, daß sie in der
Mundart, in der Umgangssprache, in der Kindersprache, im Märchen und
im Volkslied besonders beliebt ist. Von dorther hat sie auch Eingang in
die Poesie und Literatur gefunden. Ihre Schreibung ist, wie es nicht
anders sein kann, gelegentlich schwankend. Oft entzieht sie sich über¬
haupt einer schriftlichen Fixierung.

1 Lat. interieciio = der Dazwischenwurf.


Die Einteilung der Interjektionen nach ihrer Bedeutung 325

Häufig werden auch Wörter anderer Wortarten zum Gefühlsausdruck 607


benutzt. Diese Sachbezogenheit rechtfertigt es jedoch nicht, sie den
außerhalb der eigentlichen Wortarten stehenden Interjektionen zuzu¬
rechnen:
zum TeufelI alle Wetter! potz Blitz! still! bravo! Gott sei Dank!

II. Die Einteilung der Interjektionen nach ihrer Bedeutung


Mit jeder Interjektion verbinden sich bestimmte Empfindungsgehalte.
Dies können mehrere, oft auch einander entgegengesetzte sein. Die Art
der Empfindung kann dann nur dem Ton oder der Sprechsituation ent¬
nommen werden. Wenn es aus diesem Grunde auch nicht möglich ist,
klare Abgrenzungen zu schaffen, so soll nachstehend doch eine Bedeu¬
tungsübersicht gegeben werden, um vor allem dem Ausländer einen Ein¬
blick in den intimsten Bereich unserer Muttersprache zu gewähren.

I. Körperliche und seelische Empfindungen, 60$


Gemütsbewegungen u. a.

a) körperlicher Schmerz: au, autsch, auweh, oh.


Au, au, ich liege schon unten! (Goethe). Autsch! Wie tut der Fuß so wehl (Busch)

b) Kältegefühl: hu, huhu.


Hui Wie das eiskalt durch meine Adern schauert (Schiller).

,o) Wohlbehagen: ah.


Ah, wie ich mich hier wohl fühlej

d) Ekel: brr, bäh, pfui, pfui äks, fi, ih, igitt[e], äh, puh.
Pfui, Ruprecht, pfui, o schäme dicht (Kleist).

e) Freude: oh, ach, ei, hei, heisa, juchhe, juchhei, juchheisa, juchhei¬
rassa, juchheirassassa; heidi, heida; hurra, holdrio; trari, trara.
Juchhe! juchhe! juchheisa! heisa! he!, so ging der Fiedelbogen (Goethe). Ha! Wis
das blitzt und rauscht und rollt! Hurra! Du Schwarz, du Rot, du Gold! (Freiligrath).

f) Lachen: haha[ha], hehehe; Kichern: hihi.


Hahaha, laß sie nur drunten suchen! (Raabe). Hebe! — lacht der böse Schlich
(Busch).

g) Liebkosung, Zärtlichkeit: ei, eia, eiapopeia.


(wir) wiegten uns, eia popeial im Arm (Bürger).

h) Schmerz, Kummer, Klage, Bedauern: ach,oh, o weh, weh[e],


oje, ojemine, herrje, herrjemine.
Weh! Weh! Du hast sie zerstört, die schöne Welt (Goethe). Ach neige, du Schmer¬
zensreiche, dein Antlitz gnädig meiner Not! (Goethe).

i) Sehnsucht: ach, o[h].


O selig, o selig, ein Kind noch zu sein! (Zarenlied aus Lortzings ,,Zar und Zimmer¬
mann“)-
326 Die Interjektion

k) Verwunderung, Erstaunen, Überraschung: ah, ach, aha,


o[h], oha, oho, oje, hoho, au, ei, hoppla, nanu, o la la, [h]ui, ih, ha
(veraltet).
Jetter: Ah! Vansen: Wollt ihr eure Rippen für ihn wagen? Soest: Eh! Vansen (sie
nachäffend): Ih! Oh! Uh! Verwundert euch durchs ganze Alphabet! (Goethe). Aha,
Danischmend, bist du’s? (Wieland). Ah! Nun merk’ ich! (Schiller). 0 du Spitz, du
Ungetüm (W. Busch). Ei! — denkt Helene — schläft er noch ? (W. Busch).

l) Entrüstung, Ärger, Unwillen: ha, oho, oha, hoho, ih, na.


Oho! Die Frau Gemahlin steckt doch dahinter! (Immermann). Oha! schrie er noch¬
mals, als ob ilftn ein Gaul durchginge (Auerbach).

m) Spott: ätsch, hehehe.


Die Weiber und Mädchen werfen einen Blick auf Thryallis, als ob sie sagen wollten:
Ätsch! er hat uns auch schön geheißen (Wieland).

n) Verachtung, Verunglimpfung, Geringschätzung : bah (pah),


bäh, papperlapapp.
Ah bah, das verstehst du nicht (Gotthelf).

o) Furcht, Schauder: uh, hu, huhu.


Hu! draußen welch ein schrecklich Grausen! (Busch). . . . und aus der Erd’ empor,
huhu!, fährt eine schwarze Riesenfaust (Bürger).

p) Abweisung, Ablehnung: ach [was], na.


Ach, laß mich in Ruh’!

q) Beifall, Zustimmung: aha, hm, topp.


Topp, Kanzler, Euren Vorschlag nehm’ ich an! (Grillparzer).

r) bei Verwirklichung von etwas Erwartetem: ah, aha, na


[also].
Aha! Meine Arzneien wirken! (Schiller).

s) Nachdenken, Zweifel: hm, (älter: hum); hm, hm; na, na.


Hm! Was will ich denn ? Etwas Abscheuliches muß es sein, weil dieser Mensch dazu
ratet (Schiller).

t) Frage : he ? na ?
Könnt Ihr mir ein Protokoll machen, he? (Immermann).

u) Beschwichtigung : na, na.


Na, na, so schlimm wird es schon nicht sein!

609 2. Begehren, Aufforderung (an Mensch oder Tier)

a) Erregung der Aufmerksamkeit durch Anruf: he, heda,


holla, hallo, ahoi.
Heda! Wer schleicht da? Holla! (Kleist).

b) Aufforderung zum Ruhigsein: pst, pscht, st, sch.


Pst, Herr Adrastl Ein Wort im Vertrauen! (Lessing).
Die Einteilung der Interjektionen nach ihrer Bedeutung 327

c) Aufforderung, sich zu entfernen, zu kommen u. ä.:


sch, ksch, dalli (ugs.); bei Hühnern: put, put; bestimmte Richtung
bei Zugtieren: hü, hottehü (Kinderspr.) = vorwärts; har, wist = links;
hott = rechts; huf = zurück.
Der fremde Mann lockte den Hans, wie man eine Henne lockt: putt, putt, und hielt
ihm eine Brezel hin (Freytag). Hü, Schimmel, hü! (Volkslied).

d) Aufforderung zum Takthalten bei der Arbeit: hau ruck,


ho ruck.

3. Nachahmung von Menschen-, Tier- und anderen Lauten 610

a) Mensch
äh (beimSprechen zögern), hatschi oder hatzi (niesen), hick (schlucken),
uff (schnaufen), pfui (ausspeien), uah (gähnen), hem (räuspern), hopp,
hops, hoppla,.hopsa (springen, hüpfen, stolpern), trallala (trällern).
Uf — laßt mich erst verschnaufen! (Immermann). ... über deine Gartenhecken
sprang’ ich, hops! mit einem Sprung (Gökingk).

b) Tier
Rind: muh Ferkel: quiek
Schaf: mäh Frosch: quak
Ziege: meck Vogel, Maus: piep
Hund: wau Biene: summ
Esel: iah Lerche: tirili
Katze: miau Kuckuck: kuckuck
Hahn: kikeriki Rabe, Krähe: kräh
Huhn: gack Sperling: tschilp.
Die Kuh im Stalle ruft muh, muh! (Schiller). Da schrie’s plötzlich aus einer Ecke:
,,Au, miau, was uns friert!“ (Grimm). Wie die Hunde bellen! Wau! Wau! (Goethe).'
Summ, summ, summ, Bienchen, summ herum! (Kinderlied).

c) Geräuschnachahmungen verschiedenster Art


Ticken der Uhr: ticktack
Schlagen der Pauke: bum, bum
Blasen der Trompete: trara, tätärätätä, schnedderengteng
Musik: dideldum, dideldumdei
Schießen: piff, paff; tack, tack, tack
Läuten: bim, bam
helles Klingen: klingelingeling, kling, klang
Lokomotive: tsch-tsch-tsch, tsch-tsch-tsch
Feuerwehr: ta-tü, ta-tü
Leerlaufen eines Motors: ruo-ruo-ruo
Sägen: ritze, ratze
Lärmen, Explodieren: krach, wumm, rums, bum[s], puff
Geschwindigkeit: husch, hui, schnapp, schwupp[diwupp], schwups
Fallen (auch von Flüssigkeiten): bauz, plumps, pardauz, bum[s],
holterdiepolter, p[l]atsch, schwapp, klack[s]
328 Die Einteilung der Interjektionen nach ihrer Bedeutung

Zerreißen: rips, raps; ritsch[e], ratsch[e]


[Metallisches] Auf- oder Zusammenschlagen: klapp
Brechen spröder Körper: knack[s], klirr
Schneiden: schnipp, schnapp; schnips
Gehen, laufen: tapp, tapp; trapp, trapp
Da brannt’ ich ihn auf das Fell, piff, paff! (Uhland). Max und Moritz . . . sägen . ..
.ritzeratze ... in die Brücke eine Lücke (Busch). MuH wie beide auf die Füße fuhren I
(Gotthelf). Knacks! — Da bricht der Stuhl entzwei (Busch). . . . und humpelt also,
tippe, tapp, durchs Haselholz ins Tal hinab (Mörike).
Die Wortbildung

Dieses Kapitel handelt von der Bildung der Wörter, das heißt von der 611
Zusammenfügung vorhandener sprachlicher Elemente zu neuen Ein¬
heiten1. Dabei lassen sich drei große Bereiche unterscheiden:
1. die Zusammensetzung von zwei oder mehreren Wörtern zu einem
neuen Wort,
2. die Ableitung eines neuen Wortes aus einem alten mit Hilfe von
Nachsilben (Suffixen) oder durch den Ablaut des Stammvokals,
3. die Bildung eines neuen Wortes aus einem alten mit Hilfe von
Vorsilben (Präfixen).
Neben diesen drei Möglichkeiten gibt es noch einige weniger bedeut¬
same Wortbildungsarten, die wir im Anschluß an die Betrachtung
der drei Großbereiche behandeln2.
Die Wortbildungslehre hat es nicht mit den Wortstämmen zu tun, obwohl es sich auch
bei ihnen ursprünglich um Zusammensetzungen handelt. Die Beschäftigung mit diesen
Stämmen ist Aufgabe der Etymologie.

A. DIE ZUSAMMENSETZUNG

I. Zweck und Wesen der Zusammensetzung


Die Zusammensetzung (Komposition3) ist ein bedeutsames sprach- 612
ökonomisches Mittel, ganze Inhaltsbereiche, die sonst nur durch syn¬
taktische Fügungen der verschiedensten Art wiedergegeben werden
können (vgl. 618ff.), in einem Wort zu verdichten. Diese Wörter sind
dann wiederum in jeder syntaktischen Rolle verwendbar,' in der auch die

1 Die Möglichkeit, neue Wörter ohne Anlehnung an vorhandene sprachliche Elemente


zu bilden, spielt heute kaum mehr eine Bolle. Solche Urschöpfungen begegnen uns
höchstens einmal bei neuen Interjektionen (vgl. 606). Selbst das oft als Beispiel einer
Urschöpfung angeführte Wort „Gas“ (v. Helmont, 17. Jahrhundert) folgt dem Vorbild
von griechisch „Chaos“ (Kluge, Etymologisches Wörterbuoh).
•Die beste Gesamtdarstellung der Wortbildung gibt Walter Henzen, Deutsche
Wortbildung. 2. Auflage, Tübingen 1957. Viel wertvollen Stoff bietet auch Hermann
Paul, Deutsche Grammatik, Band V, Wortbildungslehre. Halle 1920. Neudruck: 1957.
* Lat. compositio = Zusammensetzung, daher auch Kompositum = zusammenge¬
setztes Wort.
330 Die Zusammensetzung

einfachen Wörter der gleichen Wortart stehen können. Besonders die


deutsche Sprache hat die Zusammensetzung zu einem vielseitigen und
leicht zu handhabenden Ausdrucksmittel entwickelt.
613 Der weitaus größte Teil der heutigen Zusammensetzungen ist in Analogie
zu älteren Mustern gebildet worden. Sie können aber auch unmittelbar
aus syntaktischen Fügungen hervorgegangen sein. In jedem Falle sind
sie, wenn sie einmal bestehen, etwas völlig Neues. Jedes so oder in Ana¬
logie gebildete Wort ist fortan eine formale und begriffliche Einheit.
Das zusammengesetzte Wort ist eine formale Einheit, weil es nur
einen Hauptakzent trägt und nur als Ganzes flektiert werden kann.
Akzent: Das wilde Schwein — das Wildschwein.
Flexion: Der Vogelkopf — die Vogelköpfe, nicht: die Vögelköpfe.
Ursprüngliche oder scheinbare Flexionsendungen im ersten Glied einer Zusammen¬
setzung dienen nur zur Bezeichnung der Fuge und haben keinerlei syntaktische Be¬
deutung (vgl. 632ff.).

Das zusammengesetzte Wort ist eine begriffliche Einheit, denn seine


Bedeutung umfaßt mehr und anderes als die der entsprechenden selb
ständigen Wörter:
Muttersprache ist nicht das gleiche wie die Fügung der Mutter Sprache. In Kalbfleisch
sind die Begriffe Kalb und Fleisch zu einer Einheit verschmolzen. Ein Junggeselle
braucht nicht jung zu sein.
614 Weil die Zusammensetzung eine neue Einheit ist, ist sie unlösbar und
unumkehrbar. Die syntaktische Beziehung ihrer Gliedwörter zu¬
einander ist gelöscht1 2. Umkehrungen ergeben Wörter anderen Sinnes
(vgl, jedoch 627):
Kuhmilch — Milchkuh. Auch scheinbar gleiche Begriffe wie Bandmaß — Maßband
sind in der Sehweise unterschieden: Maß in Bandform und Band zum Messen.

Die Unumkehrbarkeit einer Zusammensetzung gilt jedoch nicht in dieser


Ausschließlichkeit für das Verb, weil es bei ihm unfeste Zusammen¬
setzungen gibt (vgl. 667).

II. Vorstufen der Zusammensetzung

615 Die Übergänge zwischen syntaktischer Fügung und Zusammensetzung


sind fließend. Als Vorstufen der Zusammensetzung lassen sich unter¬
scheiden:
1. Syntaktische Gruppen mit voll flektierbaren Gliedern, die eine
begriffliche Einheit bilden (sog. Mehrwortbezeichnungen), meist Ad¬
jektiv + Substantiv:
das Schwarze Meer, das Rote Kreuz, das Kap der Guten Hoffnung, italienischer
Salat, das Schwarze Brett.

Sie werden in Einzelfällen zusammengeschrieben, ohne die Flexion


des Adjektivs zu verlieren:
der Geheimerat (veraltet); der Hohepriester — die Hohenpriester; mein Feins¬
liebchen, aus Langerweile. Aber auch schon: ein Hohepriester, aus Lang¬
weile ; und heute nur noch: der Geheimrat.

1 Vgl. Hennig Brinkmann, Die Zusammensetzung im Deutschen. Sprachforum


2 (1957), S. 222ff.
Die Arten der Zusammensetzung 331

Die Mehrwortbezeichnungen haben also die Möglichkeit, zu festen


Zusammensetzungen zu werden (vgl. 648).
2. Syntaktische kopulative Gruppen, die ihre Flexion im ersten Glied
eingebüßt haben (vgl. 313):
Mit Gefahr Leib und Lebens. Die Dichter des Sturm und Drangs. Mein ein und
alles. Von Haus und Hof treiben.
3. Syntaktische kopulative Gruppen mit gemeinsamen, nur einmal
genannten Gliedern (sog. Klammerfügungen):
Vor-[teile] und N&chteile, Freundeshand und -herz, Brot- und Feinbäckerei, Im-
und Fixport, gebackene und Brat fische.
Aus ihnen können in besonderen Fällen Zusammensetzungen mit
zwei oder mehr gleichgeordneten Vordergliedern entstehen:
Haushofmeister aus: Haus- und Hofmeister (zugleich); Erbsreissuppe, rotgrün¬
blind, kohlpechrabenschwarz.
Nicht hierher gehören Tagundnachtgleiche (vgl. 759), Bahn-Schiff-
Verkehr (vgl. 661).

III. Die Arten der Zusammensetzung nach der Bedeutung


und nach dem logischen Verhältnis der Glieder

Wir unterscheiden nach dem logischen Verhältnis der Glieder in der Zu- 616
sammensetzung drei große Gruppen: die determinativen, die posses¬
siven und die kopulativen Zusammensetzungen. Diese Gruppen treten
mit ganz welligen Ausnahmen nur bei den zusammengesetzten Sub¬
stantiven und Adjektiven auf, die überhaupt die Mehrzahl aller Zu¬
sammensetzungen ausmachen. Eine vierte Gruppe bilden die verdun¬
kelten Zusammensetzungen, deren Glieder entweder verkümmert oder
etymologisch nicht mehr ohne weiteres verständlich sind.

1. Die determinativen Zusammensetzungen

a) Das Wesen der determinativen Zusammensetzungen


Die determinativen1 (bestimmenden) Zusammensetzungen machen die 617
Überzahl der zusammengesetzten Substantive und Adjektive aus.
Sie bestehen aus einem vorangehenden (untergeordneten) Bestimmungs¬
wort2 (Vorderglied) und einem nachstehenden (übergeordneten) Grund¬
wort2 (zweites Glied). Das Bestimmungswort trägt den Ton.
Das Grundwort kann ein Substantiv, Adjektiv oder Partizip sein.
Nach ihm richten sich Wortart, Geschlecht und Numerus der Zusammen¬
setzung. Das Grundwort ist im Vergleich zum Gesamtwort immer der
weitere Begriff, den das Bestimmungswort einengt. Bestimmungs¬
wörter können sein: Substantive, Adjektive (Partizipien), Zahlwörter,
Pronomen, Verben und Partikeln.

1 Lat. determinare = abgrenzen, bestimmen.


3 „Wort“ ist hier im Sinne von ,»Teilwort“ zu verstehen.
332 Die Zusammensetzung

Ein nachgestelltes Bestimmungswort kennt die deutsche Sprache nur bei Namen, vor
allem Ländernamen wie Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Ortsnamen wie Berlin-
Schöneberg u. a. Wie ein Name wird auch das zusammengeruckte Wort Muttergottes ge¬
braucht. Alle diese Bildungen werden ebenfalls auf dem Bestimmungswort, in diesem
Fall also auf dem zweiten Glied betont.

b) Die Rolle des Bestimmungswortes


618 Stellt man die determinativen Zusammensetzungen den entsprechenden
syntaktischen Fügungen gegenüber — die aber, wohlgemerkt, nicht das
gleiche bedeuten (vgl. 613) —, so entspricht das Bestimmungswort in den
meisten Fällen einem Attribut, zuweilen auch einem Objekt oder einem
anderen Satzglied. Seine Form ist dabei ohne Belang, sie kann sogar
irreführen (vgl. 632).

a) Das Bestimmungswort entspricht einem Attribut


619 Das Bestimmungswort kann im Hinblick auf das im Grundwort ge¬
nannte Wesen oder Ding folgendes ausdrücken:
1. eine Charakterisierung:
Edelmann — der edle Mann.
2. ein Besitz Verhältnis:
Vaterhaus Haus des Vaters; Feindesland — Land des Feindes.
3. den Stoff oder einen [Hauptbestandteil:
Kartoffelsuppe — Suppe aus Kartoffeln; Dornbusch — Busch mit Dornen.
4. die Lage oder Richtung :
Seebad — Bad an der See; Unterarm — der untere Arm; Alpenflug — Flug über
die Alpen.
5. die Zeit:
Julihitze — Hitze im Juli.
6. den Grund:
liebeskrank — aus Liebe krank; Freudenträne — Träne aus Freude.
7. den Zweck:
Handtuch — Tuch für die Hände; Regenschirm — Schirm gegen den Regen;
Lesebuch — Buch zum Lesen.
8; das Mittel:
handgemalt — mit der Hand gemalt; Zangengeburt — Geburt mit Hilfe der
Zange.
9. einen Vergleich:
Staubregen — Regen wie Staub; himmelblau — blau wie der Himmel.
10. eine Verstärkung:
Hundekälte, Mordskerl, Höllenqualen, todunglücklich, bitterböse.

620 ß). Das Bestimmungswort entspricht einem Objekt oder einem anderen
Satzglied
Zusammensetzungen dieser Art sind nur bei Adjektiven (Partizipien) mög¬
lich. Substantive wie „Dachdecker^sind Zusammenbildungen (vgl. 758):
ruhmvoll — des Ruhmes voll; göttergleich — den Göttern gleich; kriegsgefangen
— im Krieg gefangen; schwimmfähig — fähig zu schwimmen.
Die Arten der Zusammensetzung 333

2. Die possessiven Zusammensetzungen

a) Der Sinn der possessiven Zusammensetzungen


In den determinativen Zusammensetzungen bezeichnet das zweite Glied 621
ein Wesen oder Ding von der gleichen Gattung wie das Gesamtwort.
Ein Pferdestall ist ein Stall, ein Lesebuch ein Buch. Es gibt aber eine
wichtige Gruppe von Zusammensetzungen, für die das nicht zutrifft.
Mit Dickkopf bezeichnet man nicht den Kopf, sondern seinen (störri¬
schen) Besitzer. Dieser wird also nach einem hervorstechenden Merkmal
benannt. Man hat solche Bildungen Possessivkomposita1, auch exozen-
trische2 Komposita genannt. Die Namen reichen aber, wie viele gram¬
matische Bezeichnungen, nicht aus.
Eine zweite Untergruppe dieses Typs benennt nämlich ein Lebewesen
oder Ding nicht nach seinem wirklichen Besitz, sondern schreibt ihm ein
nur vorgestelltes Merkmal zu, das an sich oft einem fremden Wesen gehört:
Schafskopf, Löwenzahn.
Während Determinativkomposita übertragen gebraucht werden können
(Faultier, Spottvogel), ist bei den possessiven Zusammensetzungen die
Metapher3 der Grundzug des ganzen Typs: Ein wirklicher oder gedachter
Teil (Körperteil, Kleidungsstück) wird für das Ganze genommen4 und
mit ihm gleichgesetzt:
Du bist ein Dickkopf, eine Schlafmütze.

b) Ihre Herkunft aus der Namengebung


Der Anlaß zu diesen eigenartigen Bildungen liegt in der Namengebung. 622
Sie sind Spitz- oder Übernamen, wie sie in vielen Familiennamen erblich
geworden sind:
Langbein (= der mit den langen Beinen), Schwarzkopf, Rotärmel.
So werden zahlreiche Namen für Menschen, Tiere, Pflanzen und auch für
Sachen als Gattungsbezeichnungen gebraucht:

a) Nach wirklichem Besitz:


Krauskopf, Stelzfuß, Schöngeist; Nashorn, Rotkehlchen, Pfauenauge (Falter);
Schiefblatt, Schwarzwurzel, Einbeere; Dreifuß, Rechteck (vgl. 761),’ Sieben¬
sprung (Tanz).

ß) Nach gedachtem Besitz:


Grünschnabel, Geizkragen, Hasenfuß, Faulpelz, Blaustrumpf; Hahnenfuß, Löwen¬
mäulchen, Storchschnabel (Pflanze; Zeichengerät).

c) Adjektivische Possessivkomposita
Die Possessivkomposita reichen weit in die Vorzeit unserer Sprache 623
zurück. Da sie im Grunde Eigenschaften eines Wesens oder Dinges be¬
zeichnen, wurden sie ursprünglich auch unverändert als Adjektive ge-

1 Lat. possessivus = besitzanzeigend.


* Griech. exokentrikös = außerhalb der Mitte, weil das bezeichnete Lebewesen oder Ding
scheinbar außerhalb der Zusammensetzung steht.
3 Griech. metapherein = übertragen.
4 Lat. pars pro toto = der Teil für das Ganze.
334 Die Zusammensetzung

braucht. Letzte Reste davon sind barfuß und barhaupt (= mit bloßen
Füßen, bloßem Haupt).
Heute können adjektivische Possessivkomposita nur mit der Endung
-ig gebildet werden und sind dann meist Zusammenbildungen (blau¬
äugig; vgl. 761). Das gleiche gilt für die Weiterbildungen auf -er (Doppel¬
decker; vgl. 759).

d) Die Satznamen
624 Als Possessivbildungen lassen sich auch die sog. Satznamen auffassen,
die eine charakteristische Eigenschaft des Trägers in der Form eines ihm
zugeschriebenen Ausspruchs festhalten. Sie sind also gleichfalls Über¬
namen (z. B. die Familiennamen Habedank, Trinkaus) und dienen viel¬
fach als Personenbezeichnungen, Tier- und Pflanzennamen:
Taugenichts, Tunichtgut; Wendehals; Vergiß meinnicht, Rührmichnichtan; ohne
Verb: Jelängerjelieber.

3. Die kopulativen Zusammensetzungen


Wenn das erste und das zweite Glied einer Zusammensetzung einander
gleichgeordnet sind, spricht man von kopulativen1 Zusammensetzungen
oder Additionswörtern. Man unterscheidet eigentliche und uneigentliche
Kopulativa.

a) Eigentliche Kopulativa
a) Substantive
625 Bei den Substantiven sind eigentliche Additionswörter selten2:
Strichpunkt, Hemdhose.

Das Ganze besteht hier nur als Summe der Teile. Die Hemdhose ist
weder Hose noch Hemd, sondern beides zugleich (engl, combination).
Auch zusammengerückte Namen vereinigter Länder und Städte gehören
hierher: Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Elberfeld-Barmen
(heute Wuppertal). Sie tragen jedoch, wie die Fügungen aus zwei Sub¬
stantiven (Hab und Gut, Müller & Sohn), den Ton auf dem zweiten
Gliedwort.

ß) Adjektive
626 Häufig sind addierte Eigenschaftswörter:
taubstumm (taub und stumm zugleich), naßkalt, bittersüß, helldunkel, ernstheiter
(Goethe). Farbenzusammenstellungen wie schwarzweiß, blaugelb, schwarzrot¬
golden. Dazu kommen Zahlwörter wie dreizehn, neunzehn u. a.
Kopulativ gebildet, aber zumeist determinativ gebraucht sind namenähnliche Adjektive
wie römisch-katholisch, griechisch-katholisch, griechisch-uniert, evangelisch-lutherisch,
evangelisch-reformiert. Je nach dem beabsichtigten Gegensatz kann hier die Betonung
zwischen den Gliedern wechseln, und das zweite Glied kann dann unter Umständen als
nachgestelltes Bestimmungswort aufgefaßt werden.

1 Lat. copulare = verbinden.


* Henzen a. a. O. S. 75ff.
Der Bau zusammengesetzter Wörter 335

b) Uneigentliche Kopulativa
Anders ist es, wenn die beiden gleichgeordneten Glieder zwei Seiten der- 627
selben Person oder desselben Dinges bezeichnen. Ein Hosenrock ist als
Ganzes sowohl Rock wie Hose, ein Fürstabt ist ein Abt, der Fürst, und
ein Fürst, der Abt ist. Hier bestimmen sich also beide Glieder wechsel¬
seitig. Man könnte die Wörter umkehren, wenn sie nicht in der einmal
geprägten Form fest geworden wären. Weitere Beispiele:
Gottmensch, Prinzregent, Königinmutter, auch das verdunkelte Werwolf (=- Mann¬
wolf).

c) Verdeutlichende Zusammensetzungen
Nahe bei den Kopulativkomposita stehen die verdeutlichenden Zu- 628
sammensetzungen, in denen ein unbekanntes Wort durch ein bekanntes
erläutert wird. Das erste Glied ist:

a) ein veraltetes deutsches Wort:


Lindwurm, TPüufhund, Auerochse, Salweide, Femgericht.

ß) ein Lehnwort oder Fremdwort:


Maultier, Damhirsch, .Bimsstein, /Servicedienst, Tastversuch; umgedreht: Berufs-
Jcollege, Fachressort, Waschlavoir (mit Verb im 1. Glied).
Oft ist das zweite Glied ein weiterer Begriff (-tier, -stein). Dann wirken die Wörter wie
Determinativkomposita, sind aber vom Bestimmungswort her aufgebaut, nicht vom
Grundwort her. Bei einigen (Windhund, Maultier) hat Volksetymologie mitgewirkt
(vgl. 798).
Kopulativ zusammengesetzte Verben und Adverbien sind in Ziff. 666 und 679, y be¬
handelt.

4. Verdunkelte Zusammensetzungen
Wenn eines der beiden Glieder, meist das zweite, durch fehlende oder 629
schwache Betonung verkümmert, so kann das Kompositum so zusammen¬
schrumpfen, daß es wie ein einfaches Wort aussieht. So wird:
mhd. nächgebür (der nahe Wohnende) zu Nachbar, Dritt-Teil zu Drittel, Jungfrau
zu Jungfer.
Wörter, die in freiem Gebrauch untergegangen sind, können als Teile
einer Zusammensetzung erhalten geblieben sein (vgl. 628). Diese ist dann
als solche noch kenntlich, aber ohne Wörterbuch nicht mehr richtig zu
verstehen:
Brombeere, Meineid, Maulwurf, Wiedehopf, Beispiel, Mitgift.
In solchen Fällen greift oft die Volksetymologie zur Selbsthilfe (vgl. 798).

IV. Der Bau zusammengesetzter Wörter

Die folgende Übersicht über die formalen Möglichkeiten, Zusammen- 630


Setzungen zu bilden, ist nach der Wortart des Grundwortes geordnet.
Innerhalb dieser großen Gruppen folgt die Gliederung der Wortart des
Bestimmungswortes.
336 Die Zusammensetzung

1. Zusammensetzungen mit Substantiv oder Adjektiv


als Grundwort

a) Zweigliedrige Zusammensetzungen

a) Substantiv + Substantiv (Adjektiv, Partizip)


1. Die Bildungsformen
631 Mit einem Substantiv als Bestimmungswort ist der größte Teil der
determinativen Zusammensetzungen gebildet. Das Bestimmungswort
ist mit dem Grundwort wie folgt verbunden:
a) unmittelbar (sog. eigentliche Zusammensetzung), bei weib¬
lichen Substantiven oft unter Ausfall der Endung -e:
Amtmann, Maurerkelle, Rasenstück, Bobrennen, Autofahrer, Beinlänge,
Notwehr, Säuregehalt; Rachsucht, Mühlrad, Endrunde; hilfreich, wasser¬
scheu, taufrisch, marineblau, postlagernd.
b) durch ein Fugenzeichen, d. h. einen Fugenlaut oder eine
Fugensilbe (sog. uneigentliche Zusammensetzung):
Pferdestall, Lindenblatt, Lämmerschwanz, Waldesrauschen, Vereinslokal.
Beide Arten der Komposition sind heute noch voll lebendig, wenn
auch die Zusammensetzung mit einem Fugenzeichen mehr Boden
gewonnen hat (vgl. 641 f.). Eine Sonderform sind gelegentliche
Zusammenrückungen der Pressesprache, die aber auch fest
werden können :
Tunesien-Vermittlung, Steuerneuordnung.

2, Die Fugenzeichen
a) Die Herkunft der Fugenzeichen
632 Die Fugenzeichen sind in den meisten Fällen in Zusammen¬
setzungen eingegangene Flexionsendungen (über das stamm¬
auslautende -e vgl. 633):
Bundeskanzler aus: des Bundes Kanzler, Hirtenstab aus: des Hirten Stab.
Gelegentlich kann es sich auch um erstarrte Flexionsendungen
handeln:
Sonnenstrahl aus: Strahl der Sonnen (alter Genitiv Singular; vgl. S. 173,
Anm. 1).
In vielen Fällen entsprechen die Fugenzeichen jedoch nicht den
Flexionsendungen vorausgegangener syntaktischer Fügungen,
weil , die Zusammensetzung in Analogie zu bereits bestehenden
Mustern gebildet wurde:
Bischofskonferenz (weil schon Bischofsmütze u. a., obwohl es sich um eine
Konferenz mehrerer Bischöfe handelt), Hühnerei (Ei eines Huhnes),
Freundeskreis (Kreis der Freunde), Liebesdienst (Dienst der oder aus
Liebe), Königstiger (Tiger wie ein König).
Gerade diese Zusammensetzungen ohne eine entsprechende syn¬
taktische Fügung zeigen besonders deutlich, daß es sich bei den
Fugensilben und -lauten nur um Fugenmerkmale handelt.
Die vorausgegangenen syntaktischen Beziehungen werden durch
die Bildung einer Zusammensetzung gelöscht.
Der Bau zusammengesetzter Wörter 337

b) Die Fugenzeichen im einzelnen

Die einzelnen Fugensilben und -laute sind:

aa) Das Fugen-e


Der alte Fugenvokal -e- (noch in Mauseloch, Tagedieb) ist mit 633
der Pluralendung -e zusammengefallen. Dieser Laut erscheint
aber nur in wenigen Zusammensetzungen, z. B.
Hundehütte, Gänsefeder, Läusekraut (aber: Lausejunge), mausetot.

bb) Die Silbe -en-


Die Silbe -en- entspricht der Genitivendung der schwachen 634
Maskulina (des Boten), aber auch der der früheren schwachen
Femmina (der Sonnen; vgl. S. 173, Anm. 1). Sie ist als
Fugenzeichen für weibliche Bestimmungswörter allgemein ge¬
worden und wird meist als Pluralendung verstanden, analog
auch bei schwachen Maskulina:
Rosenblatt, Zeugeneid, rabenschwarz.

Ehemals schwach, jetzt stark gebeugte Maskulina behielten


in der Zusammensetzung die alte Genitivendung:
Straußenei (Ei des Strauße«,), Schwanenhals (Hals des Schwan«),

Die Fugensilbe -en- ist auch gelegentlich in Fremdwörter ein¬


gedrungen, denen sie nach den syntaktischen Verhältnissen
nicht zukäme:
Instrumentenbau, Zitatenschatz.

cc) Die Silbe -er-


Die Silbe -er- ist schon in althochdeutscher Zeit aus einem 635
Stammaüslaut iu einer reinen Pluralendung geworden:
Lämmerwölkchen, Götterspeise; kinderlieb.

dd) Das Fugen-s (Binde-s)


Das Fugenzeichen -s-, -esn entspricht bei starken männlichen 636
und sächlichen Bestimmungswörtern der Endung des Gen.
Sing. (Königskerze, Siegesfest). Als sich die Nachstellung des
attributiven Genitivs durchsetzte, ging das -s- (nicht aber die
volle Form -es-) auch auf weibliche Bestimmungswörter, vor
allem Abstrakta, über und weiterhin auf solche Bestimmungs¬
wörter, die eigentlich im Plural stehen müßten ;
Liebesdienst, Scheidungsgrund, Armutszeugnis; Zwillingspaar, Kar¬
dinalskollegium.

Die Ausdehnung des Fugen-s beruht auf seiner besonders


deutlichen Kennzeichnung der Fuge. Bei dieser Ausdehnung
mögen hier und da auch lautliche Gründe mitgespielt haben,
weil das -s- zwischen Konsonanten das Sprechen erleichtert
(Geburtstag, Bischofskonferenz; man nennt es deshalb auch
Binde-s). Diese Gründe sind jedoch für die starke Ausdehnung
des Fugen-s nicht ausschlaggebend gewesen (vgl. auch 641).
338 Die Zusammensetzung

Die folgende Zusammenstellung zeigt, wo wir heute das Fugen-s


antreffen, wo es fehlt und wo der Gebrauch schwankt.

1. Zusammensetzungen mit Fugen-s


637 Das Fugen-s steht in Zusammensetzungen mit
a) abgeleiteten Bestimmungswörtern auf -tum, -ing,
-ling, -heit, -keit, -schaft, -ung, -ut:
Altertumskunde, Heringssalat, Frühlingssturm, Schönheits¬
königin, Heiterkeitserfolg, Mannschaftskampf, hoffnungsvoll,
Armutszeugnis.
b) fremden Bestimmungswörtern auf -ion und -tat:
Konfessionsstatistik, Fakultätssiegel, sensationslüstern; aber
als Ausnahme: Kommunionbank und andere Zusammenset¬
zungen mit „Kommunion“.
c) einem substantivisch gebrauchten Infinitiv:
Schlafenszeit, küssenswert.

d) den Bestimmungswörtern Liebe, Hilfe, Ge¬


schichte :
Liebesgabe, Hilfslinie, Geschichtslehrer (aber: Geschichten¬
erzähler), hilfsbereit (aber auch: Liebreiz, lieblos, liebevoll,
hilfreich, Hilfeleistung [vgl. 757]).
Über das Fugen-s in mehrgliedrigen Zusammenset¬
zungen vgl. 662.

2. Zusammensetzungen ohne Fugen-s


638 Kein Fugen-s steht in Zusammensetzungen mit
a) einsilbigen weiblichen Bestimmungswörtern und
zweisilbigen auf -e (Ausnahme vgl. 637, d):
Nachtwächter, Bahnhof, Jagdhund; Wärmeleiter, säurefest.

b) Bestimmungswörtern auf -er, -el:

Bäckerladen, Marterpfahl; Krüppelheim, Pendel uhr, spindeldürr.

Bei den männlichen Bestimmungswörtern auf -er ist


jedoch zum Teil das Fugen-s eingedrungen:
Reitersmann, Wandersmann, Bauersmann.
Mit deutlicher Vorstellung eines Genitivs:
Lehrerswitwe, Bauersfrau, Müllerstochter.

c) weiblichen fremden Bestimmungswörtern auf -ur


und -ik:
Kulturschande, naturgetreu, Musiklehre, Plastiktasche, kri¬
tiklustig.

d) allen Bestimmungswörtern auf -sch, -[t]z, -s, -ß:


Fleischgericht (aber: Fleischeslust), Blitzstrahl (aber: Blitzes¬
schnelle), Platzkarte, Preisliste, Flußbett.
Der Anlaut des Grundwortes spielt dagegen keine Rolle,
vgl. die Beispiele Ziff. 637, aber auch Ziff. 639, b.
Der Bau zusammengesetzter Wörter 339

3. Schwankender Gebrauch des Fugen-s


Der Gebrauch des Fugen-s schwankt besonders in folgen- 639
den Fällen:

a) Wenn das Bestimmungswort sowohl als Verbalstamm


wie als Substantiv aufgefaßt werden kann (vgl. 654):
Umlaufvermögen — Umlaufsmittel; Mietpreis — Miets¬
kaserne ; Empfangschein — Empfangsschein.

Das Fugen-s ist nur bei einem substantivischen Bestimmungswort


zulässig. So ist es z. B. in Zusammensetzungen mit Werk- zwar
angebracht, wenn ein deutliches Besitzverhältnis zu Werk =
Fabrik ausgedrückt werden soll. Notwendig ist es auch hier nicht.
Liegt aber der Verbalstamm von „werken“ vor, so darf kein
Fugen-s stehen. Es heißt also:
Werksanlage, -kindergarten, -arzt, werk [s] ei gen, aber:'
Werkzeug, -Stätte, -meister, -Student (zu: werken); und
schließlich: Werkanalyse, werkgetreu (zu: Werk = Arbeits¬
ergebnis, Kunstwerk).

b) In Straßennamen bewirkt der Anlaut des Grund¬


wortes -straße oft, jedoch nicht immer, den Ausfall des
Fugen -s:
Königstraße, Bahnhofstraße, jedoch: Königsplatz, Bahnhofs-
, weg.

c) Durch behördliche Sprachregelung ist das Fugen-s


teils beseitigt, teils aber erst eingesetzt worden:
Vermögensteuer, Versicherungsteuer (trotz -ung, vgl. 637, a);
Schadensersatz (nur so im BGB).

Die vorausgegangene Zusammenstellung zeigt, daß es wohl 640


bestimmte Wortgruppen gibt, die zum Fugen-s neigen oder
es meiden. Eine allgemeine Regel über den Gebrauch des Fugen-s
läßt sich daraus nicht ableiten. Das zeigen besonders die
Schwankungsfälle. Man sollte aber die unmittelbaren Zusam¬
mensetzungen bevorzugen, solange die Formen mit Fugen-s
noch nicht üblich geworden sind.
Also nicht: Wegsgenosse, sondern: Weggenosse.

Besonders in Österreich ist das Fugen-s in stärkerem Maße


üblich:
Gehörssinn, Fabriksarbeiter, Zugs verkehr.

3. Die wachsende Neigung zu Zusammensetzungen mit Fugenzeichen


Die Fugenzeichen -e-, -en-, -er- werden nur an solche Wörter ange- 641
hängt, die sie auch in der syntaktischen Fügung tragen können.
Die Sprachgemeinschaft sieht in die Zusammensetzungen Flexions¬
formen hinein, ohne sich bewußt zu werden, daß sie für die Bedeutung
der Komposita belanglos sind. So ist, besonders in der Neuzeit, die
Neigung zur uneigentlichen Zusammensetzung stark. Das hat vor
340 Die Zusammensetzung

allem zu einer Vermehrung der Genitivkomposita geführt und auch


den Gebrauch des -e-r -es- gefördert.
Goethe sagte noch Augknochen neben Augenknochen, Wieland Befehlhaber, Aug-
Uder. Heute stehen nebeneinander:
Augapfel — Augenbraue, Waldrand — Waldesrand, Schiffbau — Schiffsbau,
Eichwald — Eichenwald, Kirchturm — Kirchenglocke, Bim-, Kirschbaum —
Pflaumenbaum; pflaumweich — pflaumenweich.
Ein System läßt sich darin nicht erkennen. Einflüsse der verschiedensten Art
kreuzen sich in den einzelnen Wörtern. Etymologie, Wortgeographie, Bedeutungs¬
geschichte und Wortfeldkunde müssen hier einspringen, und jedes Wort muß für
sich betrachtet werden.

642 Obwohl der Plural eines Bestimmungsgliedes nicht bezeichnet zu


werden braucht {Schafstall, Baumschule, FZoAzirkus), hat die Aus¬
breitung der uneigentlichen Komposition auch die pluralischen Bil¬
dungen gefördert. Sie folgen überlieferten Mustern, die als Mehrzahl¬
bildungen verstanden werden (vgl. 633-635):
Pferdestall, Augenbraue; danach: Motorenlärm, Gästebuch, Bücherstube,
Ärztekongreß.

Im ganzen gesehen, ist das Streben der Sprache deutlich, die Vor¬
stellung einer syntaktischen Beziehung zwischen den beiden Gliedern
einer Zusammensetzung durch die Fugenzeichen anzudeuten.

4. Partizipien als Grundwörter


643 Partizipien sind gewöhnlich mit ihren Ergänzungen oder Umstands¬
angaben zusammengewachsen:
friedliebend, postlagernd, himmelschreiend, zweckentsprechend; notge¬
drungen, stadtbekannt, inhaltbezogen, mondbeglänzt; techn.: gasbeheizt,
frequenzmoduliert, dauerbeansprucht.

Einige sind sogar zu festen Substantiven geworden:


der Gewerbetreibende, Leidtragende, Forstbeflissene, Kriegsgefangene.

Das Substantiv ist in diesen Partizipialgruppen kein Satzglied mehr,


nicht nur wegen der Unterdrückung der Präposition, sondern in be¬
sonderen Fällen auch da, wo es als. Akkusativobjekt noch erkennbar
ist. Das geschieht dann, wenn Substantiv und Partizip eine klassen¬
bildende Verbindung eingehen, d‘ h. eine charakteristische, differen¬
zierende Eigenschaft bezeichnen:
die blutstillende Watte, die besitzanzeigenden Fürwörter, die fleischfressenden
Pflanzen. Aber: die ihr Kind stillende Mutter, ein (gerade) Fleisch fressender
Löwe.

Als Partizipien stehen diese Zusammensetzungen dem Verb nahe.


Das Objektsverhältnis scheint daher so weit durch, daß das Fugen-s
seltener auftritt; es fehlt oft sogar in Bildungen mit ung- und -hilfe-
(vgl. 637, a, d):
achtunggebietend, hilfebringend; als Substantiv: der Wohnungsuchende.

Zu entsprechenden Verbalsubstantiven (Hilfeleistung) vgl. 757.

5. Doppelformen
644 Wenn die gleichen Gliedwörter Zusammensetzungen mit und ohne
Fugenzeichen oder mit verschiedenenen Fugenzeichen bilden, so lassen
sich diese Doppelformen zwar in manchen Fällen nach landschaft-
Der Bau zusammengesetzter Wörter 341

lichem Sprachgebrauch oder nach der Bedeutung unterscheiden, aber


solche Unterschiede sind höchstens die Folge der zweigleisigen Ent¬
wicklung, nicht ihre Ursache.
Landschaftliche Unterschiede zeigen etwa:
süddeutsch: Schweins-, Rindsbraten, Kindsmutter
gegen norddeutsch: Schweine-, Rinderbraten, Kindesmutter.

Unterschiede der Bedeutung treten auf bei:


Landmann (Bauer) — Landsmann (Heimatgenosse), Wassernot (Mangel an
Wasser) — Wassersnot (Überschwemmung).

Weniger eindeutig sind sie bei den folgenden größeren Gruppen, wo die -s-lose Form
mehr den Grundbegriff, die Form mit -s- mehr die übertragene Anwendung kenn¬
zeichnet :
Herzblut, -Chirurg, herzkrank gegen Herzenswunsch, herzensgut. Blutgruppe,
-stürz, blutftrank gegen Blutsgemeinschaft, blutsfremd (aber: Blutstropfen
= ein Tropfen Blutes, vgl. 980, 5). Schafherde, -leder, -pelz gegen Schafskleid,
-pelz (sprichwörtlich), -nase (Apfelsorte), -geduld.

Auch drei und mehr verschiedene Formen kommen nebeneinander 645


vor:
Mannloch (im Dampfkessel), Mannsbild, Manneswort, Mannentreue, Männer¬
würde.
Aschbecher, aschblond, -fahl — Aschenbecher, -bahn, aschenfarbig — Aschege¬
halt (chemisch), -fangscheibe (technisch) — Aschermittwoch.
Kohlmeise, kohlschwarz — Kohlenhändler, -feuer, -säure — Kohle[njhydrat,
Kohlepapier, -Verflüssigung. (Die alte Stammkomposition Kohl- ist wegen des
Gleichklangs mit dem Pflanzennamen ,,Kohl“ aufgegeben. Kohle- meint den
Stoff, Kohlen- die feste Stückware. Die Unterscheidung ist aber nicht ganz
durchgeführt, und der Gebrauch schwankt: Kohle[n]import.)

Weibliche Fremdwörter auf -e nehmen gewöhnlich analog zu den 646


entsprechenden deutschen Wörtern (z. B. Sonnen-) das Fugen¬
zeichen -en an:
Maschinenbaus, Visitenkarte, Klassenlehrer.

In einigen Fällen erscheint daneben die unmittelbare Zusammen¬


setzung, ohne daß ein Bedeutungsunterschied besteht:
Schokolade[n Jfabrik, Toilette[n Jartikel.

Bis auf den Stamm verkürzte Formen kommen landschaftlich vor. Allgemein süd¬
deutsch ist Klaßlehrer, vorwiegend österreichisch Maschinschrift, Visitkarte.

Verbalstämme im ersten Glied (vgl. 654), die lautlich mit Substan- 647
tiven übereinstimmen, können eine Differenzierung hervorrufen.
Meßband, -technik (zu: messen) — Messehalle, -leitung (zu: Messe); aber ohne
-e- die alten Kirchen Wörter: Meßopfer, -gewand.
Preßglas, -luft (zu: pressen) — Pressehaus, -gesetz, -freiheit (zu: Presse); aber
älter: Preßfreiheit.
Speisewagen, -eis (zu: speisen) — Speisenwagen (zur Beförderung von Speisen) —
Speiskobalt (Mineral); aber ohne wesentlichen Unterschied: Speise[njkarte.

ß) Adjektiv (Partizip) 4- Substantiv (Adjektiv, Partizip)

1. Der syntaktische Gehalt dieser Zusammensetzungen


Zusammensetzungen mit einem Adjektiv als Bestimmungswort sind 648
in den weitaus meisten Fällen aus einem attributiven Verhältnis ent-
342 Die Zusammensetzung

standen. Flexionsendungen sind dabei in keinem Fall in die Fuge ein¬


gegangen:
der, ein Edelmann (aus: der edle, ein edler Mann); die Hochzeit (aus: die hohe
Zeit); die Oberfläche (aus: die obere Fläche); der Gebrauchtwagen (aus: der
gebrauchte Wagen); spätgotisch (aus: spät gotisch).
In einigen Fällen hat sich die syntaktische Fügung neben der Zu¬
sammensetzung ohne Bedeutungsunterschied erhalten:
der Heilige Abend — Heiligabend, der Grüne Donnerstag — Gründonnerstag.
In Orts- und Personennamen, die als syntaktische Fügungen nur zusammengerückt
wurden, blieb die Flexionsendung des Adjektivs oft erhalten:
Neuenburg (aus: zu, in der neuen Burg), Breitenfeld; Langermann, Rotermund.
Aber auch: Altdorf, Neumann.

2. Besonders häufig als Bestimmungswort auftretende Adjektive


An sich kann jedes Adjektiv als Bestimmungswort stehen. Besonders 649
häufig sind jedoch Zusammensetzungen mit allgemein charakterisie¬
renden und Ortsadjektiven. Sie bilden oft ganze Reihen von Wörtern:
Oberhaus, -kellner, oberdeutsch, Unterarm, -tasse, Hoch- und Niederdruck,
Hintertür, -list, Alteisen, altfränkisch, Neubau, Freistaat, -marke, freireligiös,
Edelmetall, -kitsch, Großvater, Kleinhandel u. a.
Hinter, unter und nieder können als Bestimmungswort auch Adverbien sein (vgl. 657).
Für ober tritt dagegen als Adverb stets über ein.

3. Zusammensetzung oder syntaktische Fügung?


Stehen zwei Adjektive oder ein Adjektiv und ein 1. oder 2. Partizip 650
nebeneinander, dann gilt es zu unterscheiden, ob eine Zusammen¬
setzung oder eine syntaktische Fügung vorliegt. Die Zusammen¬
schreibung vermag hier nicht immer Richtschnur zu sein, weil auch
syntaktische Fügungen von ihr erfaßt werden.
Nicht Bestimmungswort, sondern Attribut zum folgenden Adjektiv
(Partizip) sind die kursiv gekennzeichneten Adjektive in folgenden
Fügungen:
ein mißrkalter Wind, ein weichgekochtes Ei, AeZtstrahlende Sterne.
Um Bestimmungswörter einer Zusammensetzung aber handelt es
sich überall dort, wo die syntaktischen Beziehungen gelöscht sind:
spätgotisch, bitterböse, hteinlaut, stiWschweigend, tie/schürfend (zur Steigerung
des Typs tiefschürfend vgl. 406).
Hierher gehören auch Begriffe, die innerhalb eines Sachzusammen¬
hanges klassenbildend sind (vgl. 643), während sie sonst nur als syn¬
taktische Fügungen auftreten:
vollfett (Käse), leicht-, schwerkrank, steifleinen, freibleibend [es Angebot], blond¬
gelockt.
Sie werden teilweise durch Substantivierungen gestützt (z. B. der
Leicht-, Schwerkranke).

4. Scheinbare Zusammensetzungen
Nicht Zusammensetzungen, sondern Ableitungen aus Wortgruppen 651
sind:
Liebhaber (vgl. 758); blauäugig (vgl. 761).
Der Bau zusammengesetzter Wörter 343

y) Zahlwort + Substantiv (Adjektiv, Partizip)


Zusammensetzungen mit einem Zahlwort als Bestimmungswort sind nicht 652
allzu häufig.
1. Mit einer Kardinalzahl:
Einbaum, Zweigespann, Dreiklang, Dreisprung, Siebensachen, Tausendfuß (zu
Dreieck vgl. 761).
2. Mit einer Ordinalzahl:
Erstgeburt, Zweitschrift, drittbeste.
3. Mit der Bruchzahl halb:
Halbinsel, halbrund, halbleinen (Gewebe), halbgewalkt.

d) Pronomen 4- Substantiv (Adjektiv, Partizip)


Zusammensetzungen mit einem Pronomen oder einem unbestimmten 653
Für- und Zahlwort im ersten Glied sind selten:
Selbstsucht, Selbsttor, jedermann, Nichtsnutz; selbstsicher, -redend, -gebacken;
Vielzahl, Mehrzahl, Meistbegünstigung, allweise, allumfassend, allbekannt.

€) Verb 4- Substantiv (Adjektiv)


Ist das erste Glied einer Zusammensetzung ein Verbalsubstantiv (vgl. 654
689), dann läßt es sich oft von einem Verb nicht unterscheiden:
Schlafkammer, Baustein, Trauerkleid, Reisegeld.
Das hat zu der heute sehr großen Gruppe von Zusammensetzungen ge¬
führt, deren erstes Glied wirklich ein Verb ist. Es erscheint als endungs¬
loser Verbalstamm oder aber mit dem Fugen vokal -e-, dessen Setzung
keiner bestimmten Regel folgt. Er steht oft, aber nicht immer bei Verben,
deren Stamm mit b, d, g, s auslautet, weniger nach 1, m, n, r, t:
Lebemann, Redezeit, Schweigepflicht, Sausewind; Malkasten, Wärmflasche, Wohn¬
küche, Kläranlage, Reithose. Aber auch: Haltepunkt, Schreibtisch, Tragbahre,
Blas[e]balg.
Bildungen mit -e- sind besonders im Ostmitteldeutschen beliebt:
Singebuch, Hackebeil gegenüber sonst gebräuchlichem Singkreis, Hackmesser.
Bei den Verben auf -nen (zeichnen, rechnen, trocknen u. a.) ist der Verbal¬
stamm Zeichen- usw.:
Zeichenbrett, nicht: Zeichnenbrett.
Das Bestimmungswort gibt meist ein .Geschehen an, dem das im Grund- 655
wort genannte Ding oder auch Wesen dienen oder das es verhüten soll:
Lesebuch (Buch zum Lesen), Kaufladen, Prügelknabe; Scheuklappen ([Augen]-
klappen gegen das Scheuen), Beißkorb (Maulkorb), Gleitschutz.
In einer größeren Gruppe von Bezeichnungen für Lebewesen, aber auch
für Dinge, nennt das Bestimmungswort eine Tätigkeit des im Grundwort
genannten Wesens (Dinges) oder einen Vorgang, der sich an diesem voll¬
zieht :
Bettelmann, Lachtaube, Kletterrose, Springbrunnen; Ziehkind, Setzei.
Zu Mähdrescher, Tauchsieder vgl. 758.
Zusammensetzungen von Verb + Adjektiv sind selten: 656
treffsicher, denkfaul, trinkfest.
Die meisten von ihnen sind verborgen in den Ableitungen mit einst selb¬
ständigen Suffixen (-bar, -sam, -lieh, -haft; vgl. 731 ff.).
344 Die Zusammensetzung

£) Partikel + Substantiv (Adjektiv, Partizip)


657 Eine Partikel hat als Bestimmungswort nur geringes Eigengewicht, sie
bestimmt im allgemeinen lediglich die Lage des Grundwortes.
Zusammensetzungen dieser Art nehmen heute stark zu. Als Bestimmungs¬
wörter treten meist Baumadverbien oder Präpositionen auf. Wir unter¬
scheiden zwei Gruppen:
1. Das Bestimmungswort entspricht einem Adverb in attributivem
Gebrauch:
Vorabend (der Abend davor), Rückweg (der Weg zurück), Gegenmittel (das
Mittel dagegen).

2. Das Bestimmungswort entspricht der Präposition eines prä-


positionalen Gefüges:
Nachsommer (der Sommer nach dem Sommer), Vorstadt (die Stadt vor der
Stadt), Beiname (der Name bei dem Namen), überschlau (schlau über alle
Maßen).

Diese Wortbildung empfinden wir als Ellipse1 eines PräpoSitionalge-


füges, bei dem das regierende Substantiv (z. B. der Name) eine Abart
des im Präpositionalfall stehenden Substantivs (bei dem Namen) be¬
zeichnet. Beide werden sozusagen identisch gesehen. Hier zeigt sich
besonders deutlich die verdichtende Kraft der Zusammensetzung.
Zurück wird in Zusammensetzungen durch rück- ersetzt, in als Ortsangabe oft
durchein- (vgl. 672):
Rückweg, -fracht (aber zum Substantiv Rücken: Rückgrat, -wand). Einge¬
weide, einheimisch; aber: Inhalt, Innenraum; mit verstärkender Wirkung:
Inbrunst, Ingrimm.
Hinter-, Unter- und Nieder- können auch Adjektive sein (vgl. 649). Gelegentlich ist
nicht zu entscheiden, ob ein Adjektiv oder eine Partikel vorliegt:
Hinterlist, Unterpfand, Untergrund.

Zu Adjektiven wie,,vorgermanisch“ vgl. 762; zu „Vormittag“ vgl. 790.


658 Weitere flexionslose Bestimmungswörter erscheinen in:
Fürbitte, -sorge, -spräche (nur mit Verbalsubstantiven!), Jawort, wohlklingend,
Nichtchrist, nichtdeutsch, nichtrostend, Nichterscheinen (vgl. 769), Immer¬
grün, nimmermüde, Jetztzeit, Afterweisheit.

Zu fremden Partikeln vgl. 771; zu Miß- vgl. 784.


Beachte:
Sehr viele Substantive und Adjektive mit einer Partikel im ersten Glied sind jedoch
Ableitungen aus zusammengesetzten Verben und gehören deshalb nicht hierher
(z. B. Aufgabe aus aufgeben, Unterschrift aus unterschreiben, abhängig aus abhängen;
vgl. 690; 693; 729).

b) Drei- und mehrgliedrige Zusammensetzungen


a) Scheinbare Mehrgliedrigkeit
659 Die bisher besprochenen Komposita können selbst wieder Bestimmungs¬
und Grundwörter von Zusammensetzungen sein. Solche Bildungen er¬
wecken fälschlich den Eindruck der Mehrgliedrigkeit:
Zimmermanns/axt = Axt des Zimmermanns. Ebenso: Armband/uhr, Haupt¬
bahnhof, Eisenbahn/fahrplan, Druckluft/bremszylinder.

1 Griech. elleipsis — das Ausbleiben, der Mangel.


Der Bau zusammengesetzter Wörter 345

Zu überlangen Bildungen dieser Art neigt vor allem die Sprache der
Technik und der Ämter. Man strebt nach möglichst genauen Bezeich¬
nungen und kommt so zu praktisch kaum verwendbaren „Katalog-
begriffen“, die ihrerseits wieder den ausgedehnten Gebrauch von Kurz¬
wörtern und Abkürzungen fördern (vgl. 794 f.):
Rundsicht/windschutzscheibe, Treibstoff/zufuhrregulierung, Röntgen/reihenunter-
suchung.

Man wird sie in vielen Fällen besser durch eine Wortgruppe ersetzen.

ß) Wirkliche Mehrgliedrigkeit
Manche mehrgliedrigen Wörter sind aus Klammerfügungen (vgl. 615, 3) 660
zusammengewachsen. Sie verstärken oft nur einen einfachen Ausdruck:
hochwohlgeboren (aus: hoch- und wohlgeboren), hochnotpeinlich, mutterseelen¬
allein.

Wo die Hauptfuge zu setzen ist, läßt sich schon in manchen der oben
(659) genannten Wörter schwer erkennen. In dichterischen Wortbildungen
bleibt die Hauptfuge oft mit Absicht ungewiß:
dämmernacht verstohlen, falterfluggeküßt.

Aus mehr als zwei Gliedern bestehen auch Zusammenrückungen, deren 661
Einzelglieder unter sich nicht zusammengesetzt sind:
Sauregurkenzeit, Rote-Kreuz-Schwester, Heiliggeistkirche, Liebfraüenmilch, Drei¬
zimmerwohnung, Unterflurmotor, Unterseeboot, Zwischeneiszeit, Vorkriegszeit,
Bahn-Schiff-Verkehr, Berg-und- Tal-Bahn.

Diese Bildungen haben gewöhnlich vor dem letzten Glied ihre Hauptfuge
(Zeit der sauren Gurken usw.), sind also im Grunde ebenfalls zweigliedrig
zu verstehen.
Zur Flexion des ersten Gliedes, wenn dieses ein Adjektiv ist, vgl. 413.

y) Die Anwendung von Fugenzeichen in mehrgliedrigen Zusammen¬


setzungen
Die Hauptfuge in mehrgliedrigen Zusammensetzungen wird oft, aber 662
nicht immer durch das Fugen-s bezeichnet:
Friedhofstor, Mitternachtsstunde, Eingangstür (gegenüber den entsprechenden
zweigliedrigen Bildungen ohne Fugen-s: Hoftor, Nachtstunde, Gangtür); aber ohne
Fugen-s: Fußballmeister, Ellbogenknochen, Kindbettfieber.

Dreigliedrige Zusammensetzungen mit Zahlen über eins im ersten Glied 663


machen manchmal Schwierigkeiten in der Bildung. Es bestehen grund¬
sätzlich drei Möglichkeiten:
1. Unmittelbare Zusammensetzung:
Fünf jahrplan, Zweitaktmotor, Vierkanteisen, Ftinfpolröhre.

2. Das zweite Glied steht in der Mehrzahlform:


Fünfjahreplan, Zweiröhrengerät, Vierfarbendruck, Zwölfpunkteprogramm.

3. Das zweite Glied trägt ein Fugenzeichen:


Fünfjahresplan, Dreikönigstag, Siebenmonatskind.

Alle diese Bildungsarten sind korrekt, auch die dritte (vgl. 632). Vielfach
bestehen bei ein und demselben Wort Doppelformen:
Zehn jahrfeier — Zehnjahresfeier.
2. Zusammensetzungen mit einem Verb als Grundwort
Das Verb verhält sich in der Zusammensetzung ganz anders als das Sub¬
stantiv und das Adjektiv. Es kennt zwar auch feste, d. h. unlösbare und
unumkehrbare Bildungen, aber die meisten verbalen Zusammensetzungen
sind unfest.

a) Feste Zusammensetzungen
a) Partikel + Verb
664 Fest zusammengesetzte Verben mit einer Partikel im ersten Glied wer¬
den auf dem zweiten, dem verbalen Glied betont:
Ich durchbreche, durchbrach, habe durchbröchen, durchbrich!

Als erste Glieder erscheinen vor allem die Raumadverbien über-, unter-,
durch-, um-, hinter-. Mit wider- gibt es etwa 10 Bildungen, mit dem ur¬
sprünglich sinngleichen wieder- nur wiederholen. Als einziges Adjektiv
hat sich voll- diesen Partikeln angeschlossen. Alle diese Vorderglieder
können jedoch auch unfeste Zusammensetzungen bilden (vgl. 672). Ver¬
ben mit Vorsilben, die als selbständige Wörter nicht auftreten (be-, er-
usw.) sind Ziff. 772 ff. behandelt. Zu miß- vgl. 784.

ß) Substantiv (Adjektiv) + Verb


665 Feste Bildungen mit Substantiven und Adjektiven im ersten Glied sind
meist aus zusammengesetzten Substantiven abgeleitet und demgemäß
auf dem ersten Glied betont (maßregeln, langweilen, vgl. 741).
Nicht als Ableitungen nach zu weisen sind aber einige Verben dieser Art
mit einem syntaktisch gelöschten Akkusativobjekt oder Präpositional-
fall im ersten Glied. Sie werden allerdings wie die Ableitungen meist auf
dem ersten Glied betont:
(etwas) gewährleisten; nasführen, schweifwedeln, siegprangen, kielholen, lobhudeln,
liebäugeln; auf dem 2. Glied betont: frohlocken; mit schwankender Betonung:
liebkosen, willfahren (zur Vorsilbe ge- im 2. Partizip solcher Verben vgl. 163).

y) Verb 4* Verb
666 Kopulative feste Zusammensetzungen aus zwei Verben sind selten, aber
nicht unmöglich, wenn zwei gleichzeitige Tätigkeiten bezeichnet werden
sollen:
singreden, redsingen (Th. v. Hippel), ziehschleifen, saugbohnem (mit dem Staub¬
sauger bohnern); aber als Ableitung: mähdreschen (vgl. 758).

b) Unfeste Zusammensetzungen
a) Allgemeine Bemerkungen
1. Form und Betonung
667 Bei unfesten Zusammensetzungen ist das Verb mit seinem nichtver¬
balen Teil nur in den infiniten Formen (Infinitiv, 1. u. 2. Partizip)
und im Gliedsatz mit Einleitewort (vgl. 1056) fest verbunden:
änführen, äuftihrend, angeführt; wenn ich änführe, änführte.
Der Bau zusammengesetzter Wörter 347

In den finiten Formen (Indikativ und Konjunktiv des Präsens und


des Präteritums, Imperativ) steht der nichtverbale Teil der Zu¬
sammensetzung stets getrennt hinter dem Verb, und zwar in der
Regel am Ende des Satzes (vgl. 1215, y):
Ich wache (wachte) zu Hause jeden Morgen um sechs Uhr auf. Er sagt, er hole
den Wagen in zwei Stunden ab. Oeh sofort hin!
Im Gegensatz zu den festen Zusammensetzungen trägt der nicht-
verbale Teil immer den Hauptton (vgl. 665). Zur Vorsilbe ge- vgl. 163.
Zur Stellung der Infinitivkonjunktion „zu“ vgl. 1247.

2. Verhältnis zwischen festen und unfesten Zusammensetzungen


Die Betonung unterscheidet feste und unfeste Zusammensetzungen 668
mit Partikeln im ersten Glied nicht zufällig. Je nachdem liegt das
größere Gewicht auf dem verbalen Geschehen und seiner Vollendung
(perfektive Aktionsart, vgl. 64) oder auf der Partikel.
Es gibt Verben, die, je nachdem, ob sie den Ton auf dem ersten Glied .
oder auf dem zweiten Glied tragen, verschiedene Bedeutung haben:
Der Fährmann setzt den Wanderer über — er Übersetzt ein Buch; er ^ieht den
Faden durch — er durchzieht das Land ; er gräbt Dünger unter — er untergräbt
eine Mauer, seine Gesundheit.
Der Bedeutungsunterschied ist jedoch manchmal so gering, daß die
Betonung und damit die Zuweisung zu fester oder unfester Bildungs¬
weise offen bleibt (vgl. 163):
ein Brett dürchbohren, durchböhren. Ebenso: überführen, übersiedeln, wider¬
hallen.
Ein Sonderfall ist festes „überanstrengen“ gegenüber unfestem „an¬
strengen“.
Gelegentlich bleibt die unfeste Zusammensetzung wie das einfache
Verb intransitiv, während die feste Zusammensetzung transitiv ist:
gehen — ein Gerücht geht um — er umgeht das Hindernis; laufen — der Eimer
läuft Über — es überläuft mich heiß.

3. Der Verbzusatz
a) Begriff und Leistung des Verbzusatzes
Der nichtverbale Teil ist entweder aus einer Umstandsangabe 669
oder aus einem Objekt hervorgegangen. Wenn er vom Verb ge¬
trennt ist, stehen wir vor einem Gefüge aus einem Verb und
einem nichtverbalen Teil. Diesen nichtverbalen Teil nennt man
Verbzusatz1. Der Verbzusatz ist also nicht als Satzglied geprägt,
sondern er bestimmt nur den Ablauf des vom Verb bezeichneten
Geschehens, er tönt das Geschehen sozusagen ab. Beide Teile des
Gefüges sind also auch bei räumlicher Trennung eine Einheit, sie
wirken wie die Glieder einer festen Zusammensetzung.
Die unmittelbare Folge von Verbzusatz und Verb in den infiniten
Formen und im Gliedsatz mit Einleitewort kommt sehr häufig vor
und hat das Zusammenwachsen beider Gefügeteile zweifellos be¬
günstigt.

1 Hans Glinz, Der deutsche Satz, S. 64. Ders., Die innere Form des Deutschen, S.389ff.
348 Die Zusammensetzung

Als Verbzusätze treten vor allem einfache Partikeln, unter be¬


stimmten Bedingungen auch zusammengesetzte Partikeln, Adjek¬
tive und Substantive auf.
Ungenau ist die oft gebrauchte Bezeichnung „trennbare Verben“. Sie werden
ja nicht getrennt, sondern sie sind auf dem halben Wege zur Zusammen¬
setzung stehengeblieben. Ihr Infinitiv und ilire Partizipien sind bereits un¬
trennbar zusammengesetzt.
Der besondere Charakter des Verbzusatzes spricht dafür, den Ausdruck Präfix
nicht auf diese zusammengesetzten Verben anzuwenden, wie es vielfach ge¬
schehen ist, sondern ihn auf die in Ziff. 772 ff. besprochenen Bildungen zu be¬
schränken.

b) Die Neigung, den Verbzusatz als fest aufzufassen


670 Es besteht eine Tendenz, auch die finiten Formen als feste Zu¬
sammensetzungen zu behandeln:
Ich anbete in ihr das Licht (Goethe). Seine Stimme überschnappte (H.Kurz).
Jukundus anerbot sich; diesen vorenthielt sie (G. Keller). Diese Bticher-
schwemme imderspiegelt den menschlichen Trieb ... (Frankf. Allg. Ztg.
1958). Das anerkennt der Arzt (Kristall 1968).

Diese Bildungen sind vor allem — aber nicht ausschließlich —


schweizerisch und süddeutsch. Dabei sprechen zum Teil wohl die
im Verb enthaltenen Präfixe -er- und -ent- mit (vgl. 776 f.).

c) Die Wiederbelebung des Verbzusatzes als Satzglied


671 Da der Verbzusatz aus selbständigen Satzgliedern hervorgegangen
ist, kann er gelegentlich wieder als Satzglied verwendet werden1.
Dieser Gebrauch ist vor allem dichterisch:
Auf steigt der Strahl (C. F. Meyer). Aus hielt er, bis er das Ufer gewann
(Freiligrath). Und entgegen kommt ihm Philostratus (Schüler).

Aber auch die in der Alltagssprache beliebten und hier ohne Ge¬
fühl für den wiedererlangten Satzgliedwert meist zusammen-
geschriebenen Satzanfänge dieser Art gehören hierher:
Fest steht, daß ... Auf fällt, daß ... Hinzu kommt, daß ...

ß) Partikel + Verb

I. Einfache Partikel + Verb


a) Die einfache Partikel als Verbzusatz
672 Die umfangreichste und lebendigste, zugleich auch die älteste
Gruppe der unfesten Zusammensetzungen wird mit einfachen
Raumadverbien gebildet, z. B.
an-, ab-, auf-, vor-, zu-, nach-, bei-, mit-, ein- (statt: in-, vgl. 667), her-,
hin-, dar-, fort-, weg-, inne-, über-, unter-, durch-, um-, wieder-, wider-;
ugs.: hinter-.

Diese Partikeln sind als Verbzusätze stets aus Adverbien hervor¬


gegangen ; also nicht nur in Fällen wie:
anheben, beitreiben, aufbauen, hingehen, wiederkommen, innehaben,

1 Vgl. Hans Gllnz, Die innere Form, S. 377ff., 393.


Der Bau zusammengesetzter Wörter 349

sondern auch, wenn die Zusammensetzungen einem einfachen


Verb mit präpositionaler Fügung zu entsprechen scheinen:
anbinden — an (den Zaun) binden, überlaufen — über (den Band) lauten.
Ihr adverbialer Charakter zeigt sich deutlich, wenn sie in den
folgenden durch Ellipse entstandenen, zum Teil umgangssprach¬
lichen Wendungen Satzglied (Umstandsangabe) werden:
Der Ofen ist <m[gezündet]. Das Licht bleibt aus [geschaltet]! Die Schuhe
sind dwrcÄtgelaufen]. Der Kranke ist wieder aut [gestanden]. Vgl.: Meine
Ruh’ ist hin, mein Herz ist schwer (Goethe).
In Fügungen wie „auf und ab gehen“ u. a. sind „auf“ und „ab“
ebenfalls Adverbien, im Gegensatz zu den in Klammerform ver¬
bundenen Zusammensetzungen „auf-[steigen] und absteigen“.

b) Die Funktion der einfachen Partikel


Durch die Zusammensetzung mit Partikeln kann ein intransitives 673
Verb transitiv werden. Häufig werden dabei Personen zu Objekten
gemacht (akkusativiert)1:
lachen — jemanden auslachen; blicken — jemanden oder etwas anblicken;
rennen — jemanden oder etwas umrennen; stehen — etwas durchstehen.
Meist wird freilich der transitive oder intransitive Charakter des
einfachen Verbs durch den Verbzusatz lediglich unterstrichen.
Doch kann sich dabei das Objekt des Verbs ändern und auch ein
personales Objekt an die Stelle eines Sachobjekts treten:
Farbe an die Wand streichen — die Wand anstreichen; einen Briet an jeman¬
den schreiben — jemanden anschreiben.
In solchen Fällen wirkt die Partikel im ersten Glied ähnlich wie 674
ein Präfix (vgl. 772). Wie die Präfixe können manche Partikeln
auch die Aktionsart des Grundverbs ins Perfektive ändern (vgl.
64):
ausblasen, ausgießen, ablaufen, abreisen (resultativ); aufblühen, an-
springen (Motor), losgehen (inchoativ).
Das zieht auch die attributive Verwendung der 2. Partizipien
nach sich (vgl. 167; 168).

2, Zusammengesetzte Partikel + Verb


Die zusammengesetzten Raumadverbien (vgl. 679, a) sind weit mehr 675
als die einfachen selbständige Orientierungshilfen und damit Satz¬
glieder. Sie bilden also im allgemeinen keine Zusammensetzungen,
auch wenn sie heute mit dem Verb zusammengeschrieben werden.
Nur in einigen Fällen sind sie als Verbzusatz zu betrachten, zum Bei¬
spiel
dahimtetben, herausgeben, Aeröeiführen, drautgehen, d[a]rankommen, empor-
steigen, daherkommen.
Aber eine allgemeine Regel läßt sich in diesem Übergangsbereich
nicht geben (vgl. 1014, a).

1 Vgl. Leo Weisgerber , Verschiebungen in der sprachlichen Einschätzung von Men¬


schen und Sachen, Köln und Opladen 1958, bes. S. 12ff., über die an-Verben S. 121 ff.
350 Die Zusammensetzung

Die Partikel „zusammen“ kann sowohl als Verbzusatz wie als Satz¬
glied gebraucht werden, wobei sich die Bedeutungen unterscheiden:
Zusammenkommen, -schreiben, -fallen (= [sich] vereinigen); aber: zusammen
kommen usw. (= zugleich, miteinander kommen).

y) Adjektiv + Verb
676 Das eben Gesagte gilt in verstärktem Maße für die Verbindung eines
Verbs mit einem Adjektiv. Ein Adjektiv kann als Verbzüsatz gelten:
1. wenn es als selbständiges Wort nicht mehr oder nicht mehr in der
gleichen Verwendung vorkommt:
loslassen, -fahren, kundgeben, weismachen, feilhalten, irreführen.
2. wenn es wie eine Partikel nur noch den Ablauf des Geschehens
bestimmt:
/es/binden (wie an-), freigeben (wie her-), hochheben (wie auf-, empor-),
weiterie&en (wie fort-).
3. wenn es nur noch verstärkende oder erfüllende (perfektivierende)
Funktion hat:
fertigbimgen, -stellen (= zu Ende bringen), AocAachten, -schätzen, voZZfüllen,
-pfropfen, -weinen, -kritzeln, -laufen (voll- kann in dieser Weise zu fast allen
Verben treten).
Zur Übergangszone zwischen dem Gebrauch des Adjektivs als Verb¬
zusatz und als Satzglied vgl. 1014, a.

d) Substantiv + Verb
677 Mit Substantiven verbundene Verben sind meist Ableitungen (vgl.
741). Ein Substantiv kann aber als Verbzusatz in einer unfesten
Zusammensetzung erscheinen:
1. wenn das Substantiv als selbständiges Wort nicht mehr oder
nicht mehr in der gleichen Verwendung vorkommt:
achtgeben, heimfahren, sZoZZflnden, ZeiZnehmen, /eAZschießen, AoAnlachen, stand¬
halten, preisgeben (zu franz. prise = Beute).
Heim- und fehl- sind zu Adverbien erstarrte Substantive (vgl. 792).
2. wenn das Bedürfnis zur Bezeichnung bestimmter Tätigkeiten — vor
allem in den technischen Fachsprachen — klassenbildende zusammen¬
gesetzte Verben her vor bringt. Diese Verben sind oft nur in den in¬
finiten Formen üblich:
Punktschweißen, trommelpolieren, maschineschreiben, probeschreiben.
Auch diese Verben können unter Umständen von zusammenge-
gesetzten Substantiven abgeleitet sein (vgl. 741).

3. Zusammengesetzte Partikeln
678 Es gibt eine große Zahl zwei- und mehrgliedriger flexionsloser Wörter.
Sie sind zum Teil Zusammenrückungen, deren syntaktische Beziehungen
noch erkennbar sind. Sie sind in jedem Fall Partikeln, auch wenn sie ein
Substantiv oder Adjektiv als letztes Glied haben.
Gliederung und Aufzählung dieser Wörter kann nicht erschöpfend sein,
weil sich ein großer Teil der Bildungen der Deutung entzieht. Zusammen-
Der Bau zusammengesetzter Wörter 351

Setzungen mit -weise, -weg, -seits, -halb bilden lange Reihen und stehen
damit der Ableitung nahe (vgl. 755).
Vorstufen sind einige noch getrennt geschriebene Fügungen, die aber
vielfach schon in Zusammenschreibung übergehen:
in bezug, vor allem, auf Grund, zu guter Letzt, so daß, gar nicht.

a) Partikel + Partikel
Abgesehen von verdunkelten Zusammensetzungen wie „etwas“ oder 679
„nicht(s)“ sind wichtig:

a) Raum- und Zcitadverbien


dahin, dorther, vorhin, nachher, hinterdrein, gegenüber, einher; herab, hinzu,
hinweg, obenan; verkürzt: droben (= daroben), hüben und drüben; ugs.: 'rauf,
’naus (vgl. 557).
Sie sind teilweise noch getrennt verwendbar (vgl. 556):
Dort kam er her. Er ging hinter ihm drein. Veraltet: Gegen Frankfurt liegt ein Ding
über, heißt Sachsenhausen (Goethe).
Eine Präposition kann einem eine Beziehung ausdrückenden Adverb
nachgestellt sein:
daran (= an es oder an das), hiermit (= mit dieser Sache), worauf (= auf was),
wodurch; verkürzt: drunter, drüber.

ß) Sonstige Adverbien und Konjunktionen:


immerhin, mithin, sofort, überaus; obwohl, sosehr, wofern.

y) Kopulative verstärkende Zusammensetzungen:


jawohl, wohlan, nebenbei, nunmehr, mitunter, zugegen, voran, wiederum.

b) Präposition + abhängiges Wort


Die Präposition kann ein Substantiv, Adjektiv, Pronomen, Zahlwort oder 680
Adverb regieren:
Substantiv: imstande, zugunsten, abhanden, anstatt, beiseite, überhaupt, zufolge,
vorderhand.
Adjektiv: insgemein, vorlieb, beinahe.
Pronomen: außerdem, ohnedies, unterdessen, miteinander, überall.
Zahlwort: entzwei (= in zwei; vgl. 777, 3).
Adverb: bisher, zusammen, umsonst, vorgestern.
Auch in dieser Gruppe gibt es verdunkelte Bildungen:
besonders, binnen, empor, neben.

c) Substantiv + Partikel 681


bergan, treppauf, jahrein — jahraus, kieloben, kopfüber; stufenweise, ordnungs¬
gemäß.

d) Adjektiv + Partikel (erstarrtes Substantiv) 682


gleichwohl, geradeaus, schlechtweg, gemeinhin, kurzum; keineswegs, jederzeit, kur¬
zerhand, heutigentags. Verdunkelt: innerhalb.

e) Pronomen (Zahlwort) + Partikel (erstarrtes Substantiv) 683


demnach; derart, derweil[en], diesmal, einmal, allemal, all[e]zeit.
352 Die Ableitung

B. DIE ABLEITUNG

I. Zweck und Wesen der Ableitung

1. Begriff der Ableitung


684 Die Ableitung verändert oder erweitert ein Wort durch Laute oder Silben,
die nicht für sich allein bestehen können, sondern nur in Verbindung mit
diesem Wort, dem Stammwort der Ableitung, wirksam werden. Zum
Wesen der Ableitung gehört ihre Fähigkeit, das Stammwort in eine
andere Wortart überzuleiten.
Grundlage der Ableitung können nicht nur einfache und zusammenge¬
setzte Einzelwörter sein, sondern auch Gruppen von Wörtern. Ableitun¬
gen dieser Art heißen Zusammenbildungen; sie stehen in vielem den Zu¬
sammensetzungen nahe (vgl. 756 ff.).

2. Die Bildungsmittel der Ableitung (Ablaut und Suffixe)


Die Ableitung von Wörtern geschieht durch Ablaut oder durch wort¬
bildende Endungen, die Suffixe1:
Ablaut: Band, Band (zu: binden), Flag (zu fliegen).
Suffix: Beugung (zu: beugen), bildfo'cA (zu: Bild).

685 Der Ablaut ist als sog. innere Ableitung auf die. starken Verben und
ihren Einflußbereich beschränkt (vgl. 690; 727; 738). 0ft wird auch der
Präsensvokal des starken Verbs der Ableitung zugrunde gelegt:
Rwf (zu: rufen), Grab (zu: graben).

686 Die Suffixe sind, historisch gesehen, aus selbständigen Wörtern hervor¬
gegangen. Die Ableitung ist daher sprachgeschichtlich jünger als die
Zusammensetzung. Die Suffixe können ihren Eigenwert schon in der Vor-
und Frühzeit unserer Sprache verloren haben oder erst in geschichtlicher
Zeit (-heit, -Schaft und -tum sind z. B. im Althochdeutschen noch selb¬
ständig). Derselbe Vorgang vollzieht sich aber noch heute, wenn zweite
Glieder von Zusammensetzungen (etwa: -zeug, -voll, -weise) reihen¬
bildend wirken und so ihren eigentlichen Sinn einbüßen (vgl. 715; 722;
735; 755).
Das Suffix bestimmt die Wortart der abgeleiteten Bildung. Wir unter¬
scheiden danach Substantiv-, Adjektiv-, Verbal- und Adverbialsuffixe.
687 Die Fruchtbarkeit eines Suffixes beruht auf der Analogie, d. h., es müssen
genügend Muster da sein, die noch als Ableitungen empfunden werden.
So lebt z. B. das Suffix -ig durch Bildungen wie kräftig (von: Kraft),
feurig (von: Feuer), gütig (von: gut), nicht aber durch solche wie emsig,
tüchtig, heftig, die für das heutige Sprachempfinden nicht mehr durch¬
schaubar sind. Anderseits kann allein die geringe Zahl überlieferter
Bildungen (etwa bei den Substantiven auf -de, -ter, -sal, vgl. 692; 701)
ein Hemmnis für die weitere Entwicklung sein.

1 Lat. suffixum = das Angeheftete.


Zweck und Wesen der Ableitung 353

Einige ursprünglich i- und j-haltige Suffixe bewirken in der Stammsilbe


Umlaut, soweit deren Vokale oder Diphthonge umlautfähig sind (a, o, u,
au, z. B. tränken, Höhe, Hütchen, bläulich). Dieser Umlaut wirkt viel¬
fach durch Analogie auch bei Schwächung und Schwund des Suffixes
in jungen Wörtern der gleichen Bildungsweise weiter.
Zu den Suffixen gehören strenggenommen auch die Flexionsendungen
der Formenlehre, die aber hier außer Betracht bleiben.

3. Die Leistung der Ableitung


Wie die Zusammensetzung ist die Ableitung ein Mittel sprachlicher Ver- 688
dichtung. Durch sie und den mit ihr verbundenen Wortartwechsel ist die
Sprache imstande, syntaktische Aussagen oder Teile von ihnen in der
Form abgeleiteter Wörter in neue Sätze einzubauen. So kann ein ab¬
straktes Substantiv den vom Sprecher als wesentlich empfundenen Teil
des Inhalts eines bereits ausgesprochenen Satzes in einem folgenden
Satz wieder aufnehmen1 (vgl. auch 984):
Ich fahre zum Wochenende gern in die Berge. Die Fahrt dauert ja nur zwei Stunden. *
Wir hatten damals einen sehr kalten Winter. Die Kälte war so groß, daß .. .
Kann man so die Verbal- und Adjektivabstrakta als „Vergegenständ¬
lichungen von Satzinhalten“ (Porzig) oder als „Satzwörter“ (Brinkmann)
bezeichnen, so lassen sich verdichtete syntaktische Gehalte auch in
anderen Ableitungstypen erkennen, wie die folgende Darstellung zeigt.

II. Die Ableitung aus Einzelwörtern


I. Das abgeleitete Substantiv
a) Geschehens- und Sachbezeichnungen aus Verben
Wird ein Geschehen, das gewöhnlich durch ein Verb bezeichnet wird, 689
durch ein Substantiv (Verbalsubstantiv) ausgedrückt, dann spricht man
von einem Nomen actionis2. Es handelt sich dabei immer um Abstrakta.

Der Vater schläft — der Schlaf


Der Junge urirft — der Wurf

Statt des Geschehens kann aber auch das durch das Geschehen erreichte
Ergebnis bezeichnet werden! Ein Substantiv dieser Art heißt Nomen
aoti3. Es kann abstrakt oder konkret sein:
Abstrakt: Das war ein guter Wurf [mit dem Speer].
Konkret; ein Wurf junger Hunde.
Schließlich kann das Verbalsubstantiv auch den Ort des Geschehens
bezeichnen;
Rinne, Wohnung, Räucherei.
Zu den Verbalsubstantiven, die Personen bezeichnen, vgl. 717,1.

1 Vgl. Walter Porzig, Die Leistung der Abstrakta in der Sprache. Blätter für deutsche
Philosophie 4 (1930/31), S. 66ff. Derselbe, Das Wunder der Spräche, 2. Aufl. Bern 1957,
S. 104fr., 129. Hennig Brinkmann, Die Wortarten im Deutschen. Wirkendes Wort
1 (1950), S. 65 ff.
2 Lat. actio = Handlung.
3 Lat. actum = das Getane.
354 Die Ableitung

Die Geschehens- und Sachbezeichnungen aus Verben werden entweder


mit Hilfe des Ablautes oder mit Suffixen gebildet:

a) Ablautbildungen
690 Die starken Verben selbst (vgl. 738) vermehren sich zwar seit langem
nicht mehr, sie haben aber durch den Ablaut ihrer Stammformen die
Bildung suffixloser Substantive begünstigt und zeigen diese Kraft auch
heute noch. Die Ableitungen haben gewöhnlich männliches Geschlecht.
Die wenigen Neutra erscheinen vor allem als Sachbezeichnungen.
Das abgeleitete Substantiv übernimmt meist den Vokal des Präsens oder
des Präteritums, zuweilen auch den des 2. Partizips (vgl. 70):
Vokal des Präsens: der Ruf, Schlaf, Sitz, Streit, das Grab, Leid; mit i für e (vgl. 144):
der Stich.
Vokal des Präteritums; der Trieb, Trank, Wuchs, das (der) Band, das Schloß;
mit u für o: der Zug, Fluß, Hub.
Vokal des 2. Partizips: der Bund, Sprung, Trunk; mit u für o: der Bruch.
Jünger sind die zahlreichen Ableitungen aus zusammengesetzten (vgl.
664ff.) und Präfixverben (vgl. 772ff.). Sie können jederzeit neu entste¬
hen, auch da, wo sie zum einfachen Verb fehlen:
Aus zusammengesetzten Verben:
der Antrag, Ausweis, Einlaß; Einschub, Abstieg.
Aus Präfixverben:
der Erwerb, Behelf, Verleih, Entscheid; Bewuchs, Versand; das Verlies (zu: ver¬
lieren), Verbot.
Süddeutsch, besonders schweizerisch und österreichisch, sind abgelautete
kürzere Formen, denen in der Schriftsprache längere Formen entsprechen:
der Hinschied (statt: das Hinscheiden), der 40jährige Bestand (statt: das Bestehen)
des Vereins.
Analog zu den Ableitungen vom Präsens starker Verben werden auch
zu schwachen Verben suffixlose Substantive gebildet:
der Dank, Gruß, Kauf, Bericht, Versuch, Schimmer, Handel, Ärger; das Verhör,
Verdeck, Besteck.
Man bezeichnet diese Substantive als Rückbildungen, weil sie durch
Verkürzung der Ausgangsverben entstanden sind.

ß) Suffixbildungen
692 Der Ableitung von Geschehens- und Sachbezeichnungen aus Verben
dienen heute vor allem die Suffixe -e, -ung, -nis, -ei, (-erei), -el, -er, -ling
in begrenztem Umfange auch -sal, -sei. Dazu kommen einige Fremdwort¬
suffixe.
Neben diesen ,,olfenen“, d. h. heute noch fruchtbaren Ableitungsgruppen stehen andere,
deren Fruchtbarkeit »erloschen ist, auch wenn bei manchen von ihnen Stammwort und
Suffix noch zu unterscheiden sind. Es sind die Suffixe:
-t in Schlacht, Trift, Saat, Fahrt, Furt (zu: schlagen, treiben, säen, fahren); er¬
weitert in Brunst, Kunst, Vernunft (zu: brennen, können, nehmen).
-de in Zierde, Freude, Begierde, Gemälde, Gebäude.
-ler in Gelächter, Malter (zu: mahlen), Blatter (zu: blähen).
-icht in Spülicht, Kehricht.
-m- in Blume, Same (zu: blühen, säen).
-s in Knicks, Schnaps, Pieps (zu: knicken, schnappen, piepen).
Die Ableitung aus Einzelwörtern 355

1. Das Suffix -e
In Verbalsubstantiven kennzeichnet das Suffix -e die Zugehörigkeit 693
zur alten Deklinationsklasse der schwachen Feminina (vgl. S. 173).
Es bildet Ableitungen aus starken und schwachen Verben.
Die Ableitungen aus starken Verben tragen meist den Vokal des Prä¬
sens, weniger den des Präteritums und des 2. Partizips:
die Lese, Hilfe, Quelle, Schere, Trage, Rinne, Breche, Pfeife, Flechte, Liege;
die Grube, Gabe, Sprache, Gosse, Fuhre.
Starke zusammengesetzte (vgl. 664ff.) und Präfixverben (vgl. 772ff.)
werden statt mit -e meist mit -ung abgeleitet. Ausnahmen:
die Auslese, Ein-, Ab-, Vorgabe, Ein-, Aus-, Nachnahme, Aus-, An-, Einspra¬
che; Entnahme, Vergabe u. a.
Zahlreich sind Ableitungen und Rückbildungen von schwachen
Verben:
die Suche, Rede, Hetze, Kehre, Blende, Kralle, Schraube, Presse, Leuchte;
Durchreiche, Anzeige, Vorhersage.
Das -e ist zum Teil abgefallen:
die Schau, Wahl, Rast, Hut.
In Ableitungen aus Verben auf -ein und -ern (vgl. 744 f.) tritt es gar
nicht auf:
die Klingel, Klapper.
Ob das Substantiv oder das Verb ursprünglich ist, bleibt für das
Sprachgefühl in vielen Fällen offen.
Unter den Sachbezeichnungen dieser Ableitungen sind Benennungen
für Werkzeuge besonders häufig. Daneben stehen auch einige Tier¬
namen, die man hierher‘rechnen muß:
Spinne, Schlange, Krähe, Heuschrecke.

2. Das Suffix -c in Verbindung mit der Vorsilbe Ge-


Ein anderes -e-Suffix (aus -ja), das ursprünglich Umlaut bewirkte, bildet 694
zusammen mit der Vorsilbe Ge- Sachbezeichnungen (vgl. 706):
das Gewerbe, Gebläse, Gehege, Getriebe; mit Abfall des Suffixes: Gestell,
Gesäß, Gedicht, Gefühl, Geläuf (Spur des Federwildes), Gebäck.
Jünger, und daher meist ohne Umlaut, sind kollektive Bezeichnungen
für wiederholte Tätigkeiten. Sie haben oft verächtlichen Sinn und sind
besonders in der Umgangssprache und in den Mundarten beliebt
(vgl. 701):
das Gelaufe, Getue, Getute, Gequake, Gescharre, Gehabe, Geblase; mit teil¬
weisem Abfall des Suffixes: Geschwätzte], Gekicherte], Gemetzelte],

3. Das Suffix -ung


Mit -ung können Geschehensbezeichnungen zu allen Verben gebildet 695
werden. Sie fehlen aber meist, wenn schon eine Ableitung vom Typ
„Ruf“ oder „Hilfe“ vorhanden ist. Vor allem treten sie auf bei zu¬
sammengesetzten (vgl. 664fF.), abgeleiteten (vgl. 737ff.) und Präfix¬
verben (vgl. 772ff.):
Ausbreitung, Überlegung, Krönung, Steinigung, Markierung, Kräuselung,
Besteigung, Verspätung.
356 Die Ableitung

Doppelformen sind überwiegend in der Bedeutung unterschieden:


Schwelle — Schwellung, Band — Bindung, Unterhalt — Unterhaltung.

Oft entspricht die suffixlose Bildung dem intransitiven, die Form mit
-ung dem transitiven Gebrauch des Verbs. Das gilt besonders, wenn
das Verb sowohl als feste wie als unfeste Zusammensetzung auftritt
(vgl. 668):
Verstoß —- Verstoßung (er verstößt gegen die Vorschrift — er verstößt seinen
Sohn); Übertritt — Übertretung (er tritt zum Christentum über — er Über¬
tritt das Gesetz).

Vielfach ist jedoch das kürzere Wort eine Rückbildung des länge¬
ren, wobei sich die Sprache, auch auf Kosten der eben genannten
Unterscheidung, gern an ablautende Substantive desselben Stammes
anlehnt:
Betrachtung — in Betracht kommen, Erhaltung — bei, nach Erhalt, Voll¬
ziehung — Vollzug, Beschießung — Beschuß, Verbindung — Verbund.

Darin zeigt sich deutlich ein Streben nach kürzeren Wörtern (vgl. 793),
das der übergroßen Beliebtheit des Suffixes -ung in der Papiersprache
ein gewisses Gegengewicht schafft. Auch hier sind die kurzen Formen
vielfach landschaftlich begrenzt (süddeutsch, besonders schweize¬
risch) :
der Unterbruch (statt: die Unterbrechung) der Arbeiten; der Untersuch (statt:
die Untersuchung) des Verbrechens; jemandem Vorhalte (statt: Vorhaltungen)
machen; der Verlad (statt: die Verladung) von Fässern.

Allerdings verleitet die Prägnanz und Schlagkraft dieser Bildungen


gelegentlich zum Mißbrauch. Man sage also:
die Beilegung eines Streites (nicht: die Beilage . . .); die Aufziehung (oder Auf¬
zucht) von Kälbern (nicht: der Aufzug . . .); die Einbeziehung dieser Möglich¬
keiten (nicht: der Einbezug . ..).

Neben der Rückbildung besteht natürlich durchaus die Möglichkeit,


solche kurzen Substantive neu aus den Verben abzuleiten.

4. Das Suffix -nis

696 Die Ausgangsform der Verbalsubstantive auf -nis war das 2. Partizip
(Betrübnis aus: Betrübtnis). Da das -t- dann meist ausfiel, hielt man
den Infinitiv für die Ausgangsform und bildete jüngere Ableitungen
unmittelbar mit dem Verbalstamm. Bezeichnet wird vor allem das
Ergebnis oder der Ort eines Geschehens. Viele dieser Ableitungen sind
aus Präfixverben entstanden:
Erzeugnis, Kenntnis, Vermächtnis, Gelöbnis; Behältnis, Gefängnis, Verzeichnis,
Hemmnis.

Das Geschlecht der Wörter ist feminin oder neutral. Der Geschlechts¬
unterschied kann differenzierend wirken:
die Erkenntnis (Einsicht) — das Erkenntnis (Urteil).

Zu den Ableitungen mit -nis von einem Adjektiv oder Substantiv vgl.
707.
Die Ableitung aus Einzelwörtern 357

5. Das Suffix -ei (-erei)


Die Verbalsubstantive auf -ei und -erei haben überwiegend ta- 697
delnden Sinn. Als Affektbildungen sind sie überaus fruchtbar, be¬
sonders in der Umgangssprache, -ei tritt nur an Verben auf -ein und
-ern:
Heuchelei, Bummelei, Liebelei, Zauberei; Raserei, Schreierei, Marschiererei.
Über die Herkunft des Suffixes vgl. 708.

6. Das Suffix -el


Die Verbalsubstantive mit dem Suffix -el bilden vorwiegend Be- 698
Zeichnungen für Geräte, Werkzeuge und Körperteile:
Hebel (zu: heben), Schlüssel (zu: schließen), Schaufel (zu: schieben), Winde
(zu: winden); Flügel (zu: fliegen), Stachel (zu: stechen).
Zum Suffix -el bei Personenbezeichnungen vgl. 718.

7. Das Suffix -er


Mit dem Suffix -er werden u. a. Geschehensbezeichnungen gebildet, die 699
zugleich das Ergebnis dieses Geschehens ausdrücken:
Seufzer, Hopser, Walzer, Jodler, Triller, Schnitzer (Fehler).
Über die Herkunft des Suffixes vgl. 719.

8. Das Suffix -ling


Aus Verben abgeleitete Sachbezeichnüngen mit -ling meinen kleine, 700
unvollkommene oder pflegebedürftige Dinge, besonders junge Pflan¬
zen:
Setzling, Keimling, Steckling.
Zu der gleichen Leistung der Ableitungssilbe -ling bei Sachbezeich-
nungen aus Substantiven und Adjektiven vgl. 709, bei Personenbe¬
zeichnungen vgl. 720.

9. Die Suffixe -sal und -sei


Die Suffixe -sal und -sei gehören zusammen. Das erste ist kaum noch 701
produktiv:
Abstrakta: Schicksal, Mühsal, Drangsal. Konkreta: Rinnsal, Scheusal.
Das zweite hat durch Anlehnung an das -1-Suffix (vgl. 724) verkleinern¬
den Sinn erhalten. So stehen hier neben altem Wortgut manche
jungen Bildungen aus Verben:
der Wechsel, das Rätsel, das oder der Häcksel, der Stöpsel, das Füllsel, An¬
hängsel, Mitbringsel, Einschiebsel; verächtlich: das Geschreibsel, Gemengsel.

10. Fremde Suffixe


Mit fremden Verbalsubstantiven sind Suffixe ins Deutsche gekommen 702
wie:
-ion (Flexion, Nation), -ur (Rasur, Garnitur), -age (Blamage).
Sie dienen neben -ung zur Substantivierung der Verben auf -ieren
(vgl. 748) und treten auch zu deutschen Stammwörtern:
Schraffur, Stellage, Takelage.
358 Die Ableitung

b ) Abstrakta und Sachbezeichnungen aus Adj ektiven und Substantiven


a) Allgemeines
703 Aus Adjektiven abgeleitete Substantive bezeichnen als Abstrakta
einen Zustand oder eine Eigenschaft (Nomen qualitatis1):
der Ofen ist heiß — die Hitze
der alte Mann — das Alter
er ist reich — der Reichtum
Diese Substantive können auch als Konkreta stehen:
Höhe (= Berg), Flüssigkeit, Eigentum.
Aus Substantiven werden Kollektiva abgeleitet, die,Gruppen von
Personen oder Dingen benennen und vielfach auch zu Raumbezeich¬
nungen werden:
Menschheit, Mannschaft, Gebirge, Kartei, Pfarrei, Herzogtum.
Abstrakta aus Substantiven sind seltener:
Christentum, Meisterschaft, Dieberei.

ß) Die Suffixe
704 Die gemeinsamen Ableitungsmittel dieser ganzen Gruppe von Abstrakta
und Sachbezeichnungen sind die Suffixe -e, -nis, -ei (-erei), -ling, -heit,
-keit, -igkeit, -schaft, -tum.
- ,
Nicht mehr produktiv sind die Suffixe -ut, at -od (Armut, Heimat, Kleinod), -ig (Reisig),
-icht (Dickicht, Röhricht).

7. Das Suffix -e
705 In Substantiven, die von Adjektiven abgeleitet sind, stammt das
Suffix -e aus altem -i[n] und bewirkt deshalb Umlaut (vgl. 687). Da¬
durch allein unterscheidet es sich von dem -e der Verbalsubstantive,
mit dem es lautlich zusammengefallen ist (vgl. 693). Es bildet Ab¬
strakta und Konkreta. Durch -heit und -keit ist es stark zurückge¬
drängt worden. In manchen Wörtern ist däs -e abgefallen:
die Größe, Liebe, Schläue, Länge; die Ebene, Sänfte, Höhle; zu einem Adverb:
die Bälde; ohne -e: die‘Zier, Gier, Schmach, Huld.

2. Das Suffix -e in Verbindung mit der Vorsilbe Qe-


706 Ein drittes, gleichfalls Umlaut bewirkendes -e-Suffix (aus: -ja) bildete
neutrale Substantive, die heute meist nicht mehr als Ableitungen er¬
kennbar sind. Es ist gewöhnlich abgefallen:
das Netz, Hirn, Herz; noch erhalten in: das Erbe, Ende, Auge, ugs.: Bette,
Hemde.
Dieses Suffix ist aber im Zusammenwirken mit der Vorsilbe Ge- sehr
fruchtbar geworden in der Bildung neutraler Kollektiva zu Substan¬
tiven. Ge- (vgl. 783) hat hier noch seinen alten Sinn „Vereinigung“:
das Gebirge (= die Berge), Gelände, Gefilde.
Viele dieser Bildungen, besonders die auf -el und -er, haben das Suffix
-e allerdings eingebüßt; in anderen Fällen ist es veraltet:
Gewölk, Gesträuch, Geflügel, Gemäuer; Gebälk (veraltet: Gebälke), Gemüt
(veraltet: Gemüte).

1 Lat. qualitas = Beschaffenheit.


Die Ableitung aus Einzelwörtern 359

Heute werden oft auch Bezeichnungen für Einzelgegenstände so ge¬


bildet, meist ohne -e:
Gehäuse, Geleise (neben: Gleis), Geschütz, Gelenk, Geweih; dazu die alten Wör¬
ter Gestirn (= Stern), Gehirn (= Hirn), Getränk (= Trank).

Zu den seltenen Personenbezeichnungen auf -e in Verbindung mit der


Vorsilbe Ge- vgl. 718. Zu den Geschehens- und Sachbezeichnungen aus
Verben mit -e in Verbindung mit der Vorsilbe Ge- vgl. 694.

3. Das Suffix -nis


707 Die Hauptmasse der auf -nis ausgehenden Substantive ist von Verben
abgeleitet (vgl. 696). Einige Ableitungen aus Adjektiven und Sub¬
stantiven sind zwar vorhanden, doch werden keine neuen mehr ge¬
bildet :
Finsternis, Geheimnis, Wildnis; Bildnis, Bündnis.

4. Das Suffix -ei (-erei)


708 Die Endung -ei beruht auf lat. -ia, franz. -ie, ist aber voll einge¬
deutscht; nur daß sie heute noch den Hauptton des Wortes trägt.
Sie bezeichnet die Zugehörigkeit zu einer Person und den Ort ihres
Wirkens, besonders bei Berufsnamen auf -er; sie bildet aber auch
kollektive Ableitungen aus anderen Substantiven:
Pfarrei, Abtei, Schlosserei, Bäckerei; Detektei, Ziegelei, Bücherei, Kartei.

Aus Bildungen wie Maler-ei, Schreiber-ei, die als Ableitungen von


Verben verstanden wurden, hat sich das Suffix -erei abgespalten (vgl.
697), das auch an Substantive treten konnte:
Schweinerei,* Schurkerei, Büberei, Dieberei.

5. Das Suffix -ling


709 Ableitungen aus Substantiven und Adjektiven mit dem Suffix -ling
bezeichnen kleine Dinge (vgl. hierzu 700; 720):
Fäustling, Beinling, Silberling.

Häufig sind Pilzbezeichnungen auf -ling:


Pfifferling, Röhrling, Schüppling, Bläuling.

6. Die Suffixe -heit (-heit, -igkeit), -schaft, -tum


710 Aus der Zeit ihrer Selbständigkeit (vgl. 686) haben die Suffixe -heit
(-keit, -igkeit), -schaft, -tum noch Reste eigener Bedeutung bewahrt.
Sie können sich aber, z. B. als Kollektivsuffixe, auch überschneiden.
Das Suffix -tum ist in Neubildungen weniger fruchtbar als die anderen.
Da Ableitungen dieser Art sich aus Zusammensetzungen entwickelt
haben, können ihre substantivischen Stammwörter noch heute Fugen¬
zeichen aufweisen (vgl. 633ff.):
Manncstum, Christenheit, Genossenschaft; daneben: Mannschaft, Kindheit.

711 Mit -heit („Art und Weise, Beschaffenheit, Stand“) werden vor
allem Eigenschafts- und Zustandsbezeichnungen aus Adjektiven und
Partizipien gebildet. Das Suffix hat in diesem Bereich die Typen
„Größe“ und „Finsternis“ zurückgedrängt:
Schönheit, Weisheit, Anwesenheit, Vergangenheit, Gedrängtheit.
360 Die Ableitung

Wo Doppelformen auftreten, bezeichnet die Form mit -heit meist den


weniger sinnlichen Begriff. Überhaupt werden Bildungen mit -heit
nur selten konkret gebraucht :
Höhe — Hoheit, Leere — Leerheit. Sie ist eine Schönheit, eine Berühmtheit.
Vgl. auch den Titel Königliche Hoheit.

Zu Substantiven bildet -heit Kollektiva oder Zustandsbezeichnungen :


Menschheit, Christenheit; Kindheit, Mannheit.

712 Die Nebenform -keit ist von Ableitungen der Adjektive auf -ig
(mittelhochdt.: -ec-heit) ausgegangen und bald selbständig geworden.
Sie steht heute statt -heit bei den Adjektiven auf -ig,.-bar, -sam, -lieh
(vgl. 729; 731 ff.), teilweise auch bei denen auf -er und -el:
Traurigkeit, Furchtbarkeit, Einsamkeit, Herrlichkeit, Heiterkeit, Eitelkeit.
Aber: Sicherheit, Dunkelheit.

Auch die Endung -igkeit machte sich selbständig und ^bildete Ab¬
leitungen, deren adjektivische Stammwörter gar nicht auf -ig aus¬
gehen :
Heilig-keit, danach: Hell-igkeit, Müdigkeit, Obrigkeit, Leichtigkeit.

Doppelte Formen wirken oft differenzierend:


Neuheit — Neuigkeit, Kleinheit — Kleinigkeit.

Im ganzen neigt -(ig)keit eher zu konkreter Anwendung als -heit:


Flüssigkeit, Süßigkeit, Fettigkeiten.

713 Mit -schaft („Beschaffenheit, Gestalt“) werden vor allem kollektive


Standes- und Raumbezeichnungen aus Substantiven gebildet:
Bruderschaft, Genossenschaft, Lehrerschaft, Gewerkschaft, Sippschaft; Graf¬
schaft, Ortschaft, Landschaft. Zu einem Adjektiv: Barschaft, Eigenschaft.

Ableitungen aus 2. Partizipien bezeichnen einen Zustand, können


aber auch kollektiven Sinn haben:
Gefangenschaft, Errungenschaft; kollektiv: Verwandtschaft, Gesandtschaft.

In gleicher Weise sind Ableitungen aus einem substantivierten In¬


finitiv oder einem 1. Partizip unter Ausfall des -d- gebildet worden:
das Leiden — Leidenschaft; wissend — Wissenschaft.

714 Die Bedeutung von - tum ist sehr vielfältig. Oft weist das Suffix auf
das innere Wesen einer Erscheinung, oft abstrahiert es wie -heit ohne
besondere Färbung. Kollektiva sind heute selten, hier ist -schaft
stärker geblieben:
Christentum, Mannestum, Priestertum; aus Verbalsubstantiven: Wachstum
(aus untergegangenem Wachs), Brauchtum; aus Adjektiven: Reich-, Eigen-,
Alter-, Irrtum; kollektive Raumbezeichnungen: Fürsten-, Bistum, Besitztum.

7. Substantive in der Rolle von Suffixen


715 Auch manche Substantive allgemeineren Inhalts werden durch
häufigen Gebrauch als Grundwörter von Zusammensetzungen in die
Rolle von Suffixen gedrängt. Sie haben nicht mehr das Gewicht, das
dem Grundwort zukommt, sondern verblassen dem Bestimmungswort
gegenüber zu bloßen Funktionsträgem.
Vgl. etwa die vollwertigen Zusammensetzungen Meisterwerk, Tagewerk mit Bil¬
dungen wie Schuh-, Busch-, Trieb-, Mauer-, Mundwerk. Das gleiche gilt für -zeug:
Feuer-, Werk-, Spiel-, Schreibzeug. Weiteres vgl. 722.
Die Ableitung aus Einzelwörtern 361

8. Fremde Suffixe
Fremde Suffixe in Ableitungen aus Substantiven und Adjektiven 716
(auch aus deutschen) sind u. a. (vgl. 195):
-tät (Gravität, Universität, auch Schwulität), -[izjismus, -asmus (Sozialismus,
Klassizismus, Sarkasmus, zu Personennamen: Marxismus, Mesmerismus).
-enz (Pestilenz, Exzellenz, Konsequenz), -al[ienJ (Material, Lappalien, Schmie¬
ralien), -ie (Melodie, Prüderie, Drogerie).

Die Fach- und Werbesprache benutzt mit Vorliebe fremde Suffixe:


-it (Dynamit, Granit), -il (Ventil), -at (Sulfat), -ol (Lederol, Sidol), -in (Benzin,
Boxin), -al (Veronal, Luminal).

Fremde Suffixe entwickeln in den Fachsprachen oft ganz bestimmte


Bedeutungen, die bei Neubildungen immer wieder zugrunde gelegt
werden:
-itis bedeutet medizinisch immer eine Entzündung: Bronchitis; -id und -at
kennzeichnen chemisch immer ganz bestimmte Verbindungen: Sulfid, Nitrat.

c) Personenbezeichnungen aus Verben, Substantiven und Adjektiven


Wir behandeln die abgeleiteten Personenbezeichnungen nicht wie die
Abstrakta und Sachbezeichnungen nach den Wortarten, aus denen sie
abgeleitet sind, sondern nach den Ableitungssilben, weil es sich hier um
eine geschlossene Bedeutungsgruppe handelt.

a) Möglichkeiten zur Bezeichnung von Personen


Personen können nach ihrem Verhalten oder nach einem bestimmten her- 717
vorstechenden Merkmal bezeichnet werden.

1. Bezeichnung nach dem Verhalten


Die Bezeichnung nach dem Verhalten kann nur durch Ableitungen aus
Verben geschehen. Das so entstehende Verbalsubstantiv benennt
dann den Träger des im Verb bezeichneten Geschehens und heißt
deshalb Nomen agentis1:
Der Vater schläft — der Schläfer
Fritz bäckt Brot — der Bäcker
Diese Substantive können grundsätzlich zu jedem Verb gebildet
werden.
Zu ihnen rechnen wir auch die personifizierenden Bezeichnungen
für Geräte und Werkzeuge (Nomen instrumenti2, vgl. die weniger
aVhiv empfundenen Bildungen auf -e [693] und -el [698]):
Bohrer (er bohrt), Leuchter (er leuchtet).
In einigen Fällen wird der Träger der Handlung passivisch gesehen
(Nomen patientis3):
Überzieher (er wird übergezogen), Prüfling (er wird geprüft).

2. Bezeichnung nach einem besonderen Merkmal


Personenbezeichnungen dieser Art werden von Substantiven oder
Adjektiven abgeleitet. Ein substantivisches Stammwort nennt als

1 Lat. agens = der Handelnde.


2 Lat. instrumentum = Werkzeug.
3 Lat. patiens = der Erleidende.
362 Die Ableitung

besonderes Merkmal der Person das Objekt ihrer Tätigkeit oder den
Ort ihrer Herkunft und Zugehörigkeit:
Max baut Wagen — der Wagner
der Mann aus Berlin — der Berliner

Ist das besondere Merkmal eine Eigenschaft, dann liegt immer eine
Ableitung aus einem Adjektiv mit dem Suffix -ling vor:
Jüngling, Wüstling.

ß) Die Suffixe
718 Suffixe, die heute noch Ableitungen von Personenbezeichnungen bilden
können, sind: -er (-1er, -ner) und -ling.
Nicht mehr produktiv sind in der Gruppe der Personenbezeichnungen das Suffix -el
(Büttel, Krüppel, Weibel) und das mit Ge- verbundene, gelegentlich abgefallene Suffix
-e (Genosse, Gesellte]).

i. Das Suffix -er (-ler, -ner)


719 Das Suffix -er stammt aus lat. -arius. Es bildet Nomina agentis zu
Verben, leitet aber auch von Substantiven ab und ist vor allem in Be¬
rufsbezeichnungen häufig (vgl. 832). Manchmal ist es mit Umlaut des
Stammwortes verbunden:
Lehrer, Bäcker, Schlächter (niederdeutsch: Schlachter), Schreiber, Läufer,
Maler.

Grundsätzlich kann jedes Verb eine solche Ableitung bilden, aber


auch hier schöpft die Sprache nicht alle Möglichkeiten aus (nicht bei
leben, sterben, lieben und vielen abgeleiteten Verben). So bildet sie
manchmal Ableitungen zu zusammengesetzten Verben, aber nicht zu
deren Grundverben:
Zu-, Überbringer, aber nicht: Bringer; ebenso Nachfolger, Ansager.

Gerätenamen auf -er sind personifizierend:


Bohrer, Sucher, Brenner, Träger, Schläger, Behälter.

Sie sind zum Teil passivisch und dann oft Rückbildungen:


Läufer (= Teppich), Überzieher, Füller (aus: Füllfederhalter), Hocker, Um¬
steiger (aus: Umsteigefahrschein).

Viele Ableitungen mit -er sind aus Substantiven gebildet:


Tauber, Witwer, Grenzer, Fleischer, Schreiner, Sänger. Dazu die Einwohner¬
namen : Berliner, Gießener, Göttinger (die auch wie ein attributives Adjektiv
gebraucht werden können; vgl. 362; 791).

Aus Wörtern wie Bettl-er, Sattl-er, Wagn-er, deren Stammwörter


bereits ein Suffix enthalten, haben sich die erweiterten Suffixe -ler,
-ner abgespalten und sind auch an Substantive getreten, die diese
Suffixe nicht besitzen:
TischZer, Sommerfrische, Schaffner, Klempner, Bildner.

Gelegentlich treten Doppelformen auf:


Gewerkschaft[Z]er, Wissenschaftler (seltener: Wissenschafter), Genossenschaft¬
er.

Das Suffix -ler kann, wie das verkleinernde -1-Suffix (vgl. 724), auch
herabsetzenden Sinn haben:
FabrikZer, Kriegsgewinnler, VernünftZer.
Die Ableitung aus Einzelwörtern 363

2. Das Suffix -[l]ing


Das einst häufige Suffix -ing, das Herkunft und Zugehörigkeit 720
einer Person bezeichnete, ist heute auf Namen. (Wiking, Sigmaringen,
Karolinger) und wenige Gattungsbezeichnungen (Hering, Wirsing,
Messing u. a.) beschränkt. Dagegen ist das aus Wörtern wie Edel-ing
falsch abgetrennte Suffix -ling sehr fruchtbar geworden. Es bildet
Ableitungen aus Substantiven, Adjektiven und Verben. Dabei be¬
zeichnet es oft das Kleine, Unvollkommene oder Pflegebedürftige:
Säugling, Erstling, Nestling, Dichterling, Söldling, Sträfling, Jüngling, Liebling.

Hierhin stellen wir auch die Tiernamen mit -ling:


Stichling, Sperling, Hänfling, Schmetterling, Kohlweißling.

3. Namen, Namenteile und Substantive in der Rolle von Suffixen


a) Die Suffixe -rieh und -bold
Das Suffix -rieh tritt in Personenbezeichnungen und Vogelnameri 721
auf. Es steht unter dem Einfluß von zweigliedrigen Rufnamen wie
Friedrich:
Wüterich, Fähnrich, scherzhaft: Streberich; Enterich, Gänserich.

Um des Zusammenhangs willen seien hier auch die seltenen


Pflanzennamen auf -rieh angeschlossen:
Wegerich, Knöterich, Hederich.

Lebendiger ist noch das aus alten Rufnamen wie Wigbold stam¬
mende Suffix -bold:
Trunken-, Rauf-, Witz-, Tugendbold.

b) Namen und Substantive in der Rolle von Suffixen


Noch lebende Namen erscheinen suffixartig in folgenden Bil- 722
düngen:
PrahlAans, Heulpeter, Transuse,’ Schlauberger, Vereinsmeier, KraftAwber.

Ähnlich folgende Substantive (vgl. 715):


Mann in: Dienst-, Milch-, Gasmann; Frau in: Eier-, Wasch-, Putzfrau;
Vogel in: Spott-, Spaß-, Galgenvogel.

4. Fremde Suffixe
Fremde Suffixe in Personenbezeichnungen, z. T. auch mit deutschen 723
Grundwörtern, finden sich'-u. a. in folgenden Bildungen (vgl. 195):
-and in: Konfirmand, Doktorand; -ant, -entin: Fabrikant, Lieferant, Schnur¬
rant, Student, Referent, Skribent; -är in: Aktionär, Parlamentär; -aster in:
Kritikaster; -eur, -euse in: Ingenieur, Amateur, Masseur, Friseuse; -ian (teilweise
zum Namen Johann, Jan) in: Grobian, Dummian, Dummerjan; -ier in: Of¬
fizier, Kavalier, Polier; -iker,' -ikus in: Fanatiker, Pfiffikus; -ist in: Jurist, Nihi¬
list, Lagerist.

d) Verkleinerung und Geschlechtswechsel mit Hilfe von Suffixen


a) Verkleinerung
Der Verkleinerung oder Diminuierung1 dienen heute in der Schriftsprache 724
die Suffixe -chen und -lein. Das Suffix -chen ist. aus der Vereinigung eines

1 Lat. diminuere = verkleinern.


364 Die Ableitung

alten -k-Suffixes mit der Endung -in (noch in Füll-en, Kük-en) ent¬
standen; mit der gleichen Endung hat sich ein altes -1-Suffix zu -lein ver¬
einigt.
In Ruf- und Kosenamen (Rudi, Leni, Mutti) und in einigen Mundarten
(alemann. Häsi, Äugi) leben noch andere alte Diminutivsuffixe fort.
Die Endung -chen ist heute die gewöhnlichere:
Häuschen, BübcAen, StädtcAera, PferdcAen.

Das Suffix -lein ist eigentlich oberdeutsch, aber in gehobener Sprache


allgemein:
Lämmlein, Kindlein, MückZein.
Nach Wörtern, die auf -g oder -ch ausgehen, wird meist -lein verwendet,
nach solchen, die auf -1 ausgehen, steht -chen:
BäcAlein, Zwerglein, SpieZchen; aber: FläscAchen, TäscAchen neben: FläscAlein,
Tä^cAlein.

Hier benutzt die nord- und mitteldeutsche Umgangssprache gern dop¬


pelte Verkleinerung als Ausweg:
BächeZcAen, Tüchelchen, Beigelchen.
Im Niederdeutschen erscheint -chen als -ken, auch mit eingeschaltetem -8- (Stücksken).
-lein ist in den oberdeutschen und ostmitteldeutschen Mundarten verkürzt zu schwäb.
-Ze, Schweiz, -li, bayr.-österr. -el, -erl, thüring.-sächs. -el, schles. -la, -le (Vögele, Müsli,
Hunderl, Mädel^ usw.).
Schon vorhandene Ableitungssilben können die Verkleinerung ver¬
hindern :
Jüngling, SchönAeiZ, Botin.

Die Endung -e wird ausgestoßen:


Häschen, Knäblein, Endchen, Sümmchen, Entchen.

Die Endung -er bleibt in der Verkleinerung erhalten, soweit sie schon zum
Singular gehört:
V&terchen, Reiterlein.
Als Pluralendung steht -er dagegen nur in besonders kosenden Bildungen
wie:
Kinderchen, -lein, B&merchen, Bfkderchen.
Die Endung -el bleibt vor -chen erhalten, vor -lein wird sie ausgestoßen
oder doch verkürzt:
BeuteZcAen, Kügelchen; Spieglein, Vöglein, EseZetw; in gehobener Sprache auch:
Vög eiein. Eng eiein.

Die Endung -en wird meist ausgestoßen oder in -el verwandelt:


Gärtchen, -lein; Fädchen, -lein; Wägelchen, Wäg[ejlein.

Das Grundwort wird in der Verkleinerung im allgemeinen umgelautet.


Eine Ausnahme machen manche Wörter auf -er:
ulnkerchen, Talerchen, Dotterchen, Luderchen.

Nicht mehr als Verkleinerungen empfunden werden einige Bildungen, die


die Beziehung zu ihren Grundwörtern verloren oder eine spezielle Be¬
deutung erworben haben:
Kaninchen, Mädchen, Fräulein, bißchen.
Die Ableitung aus Einzelwörtern 365

Im allgemeinen werden nur Personen- und Sachbezeichnungen verklei¬


nert, gelegentlich aber auch Abstrakta:
sein Mütchen kühlen; sein Schläfchen halten.
Landschaftlich können jedoch auch Wörter aus anderen Wortarten ver¬
kleinert werden:
sachtchen, buchen, sochen.

ß) Geschlechtswechsel
Für die Bildung weiblicher Formen zu männlichen Personenbezeich- 725
nungen, die sog. Movierung1, wird heute nur das Suffix -in verwandt. Es
bewirkt in älteren Bildungen meist Umlaut:
Ärztin, Hündin, Bäuerin, Störchin, Sächsin, Göttin; aber ohne Umlaut: Botin,
Mohrin, Gattin, Polin, Sklavin, Genossin.

Eigentlich überflüssig ist die Endung -in bei weiblichen Fremdwörtern.


Sie wird aber zur Verdeutlichung gelegentlich gesetzt:
Prinzessin (statt: Prinzeß); Diakonissin (statt: Diakonisse).

Zur Frage, ob die Movierung durch -in vorgenommen wird oder nicht,
vgl. 832; 1200.
Mundart und Umgangssprache kennen noch andere movierende, gelegentlich etwas ab-
wertende Endungen: -sehe (die Krügersche), -se (die Tippse). Auch die früher schrift¬
sprachliche Movierung von Familiennamen kommt dort noch vor: die Müller [i]n = Frau
Müller (vgl. 182).

2. Das abgeleitete Adjektiv


a) Die Bedeutungsgruppen abgeleiteter Adjektive
Bei den abgeleiteten Adjektiven unterscheiden wir Ableitungen aus 726
Verben, Substantiven (Pronomen), Adjektiven und Adverbien. Das aus
einem Verb abgeleitete Adjektiv besagt, daß ein Geschehen möglich oder
notwendig ist oder daß man zu ihm neigt:
tragbar (es kann getragen werden), fällig (es muß oder soll fallen), brummig (er neigt
zum Brummen).

Das aus einem Substantiv abgeleitete Adjektiv bezeichnet eine Eigen¬


schaft im engeren Sinne:
seiden (aus Seide), feindlich (wie ein Feind), indisch (in der Art eines Kindes).
Ableitungen aus einem Pronomen kommen selten vor:
selbstisch, tcAhaft.
Zur attributiven Verwendung des Typs „seinig“ vgl. 443.
Das aus einem Adjektiv abgeleitete Adjektiv modifiziert im weitesten
Sinne die vom Stammwort bezeichnete Eigenschaft :
weichlich, gütig, bitterlich, fälschlich.
Mit stärkerer Differenzierung:
langsam, linkisch, kleinlich.
Das aus einem Adverb abgeleitete Adjektiv kennzeichnet räumliche oder
zeitliche Merkmale (vgl. 328):
dortig, baldig, jetzig, heutig, obere.

1 Lat. movere = bewegen, verändern.


366 Die Ableitung

b) Die Ableitungsmittel
727 Adjektive werden im allgemeinen mit Hilfe von Suffixen abgeleitet.
Daß auch beim Adjektiv die suffixlose Ableitung einmal wirksam war (vgl. 690), erkennt
man noch heute an dem Nebeneinander der Ablautstufen:
flott - fließen, flügge - fliegen; entsprechend stehen neben schwachen Verben: zahm
(zähmen), treu (trawen), ungefüge (fügen).
Junge Rückbildungen aus Verben sind dagegen:
schlicht, schmuck, rege (aus: schlichten, schmücken, regen).

Der bunten Vielfalt substantivischer Ableitungsmittel stehen beim Ad¬


jektiv nur wenige Suffixe gegenüber. Neben den eigentlichen Suffixen
-en, -ern, -ig, -isch bilden auch hier ehemalige Grundwörter von Zu¬
sammensetzungen eine besondere Gruppe: -lieh, -sam, -bar, -haft.
Die Endungen -en und -t des starken und des schwachen 2. Partizips (vgl. 162) sind in
Adjektiven wie eigen, trocken, a\t, satt enthalten, deren verbale Stammwörter unter¬
gegangen sind. Nicht mehr als Ableitungen erkennbar sind auch die Adjektive auf -er
wie sauer, tapfer, bitter (zu beißen). Das Suffix -icht ist durch -ig verdrängt worden und
nur in töricht geblieben. Gelegentlich tritt es noch in altertümelnder Verwendung auf:
schlenkricAJ, buckhcM (Th. Mann), faulicAJ (Nietzsche).
Zu den ursprünglichen Komparativen obere, hintere u. a. vgl. 405.

a) Die Suffixe -en und -ern


728 Mit -en (aus -In, das auch verkleinerte; vgl. 724) werden Stoffadjektive
aus Substantiven gebildet. Alter Umlaut ist meist beseitigt:
seiden, eichen, wollen, papieren, golden (veralt. noch: gülden); mit Umlaut: irden,
hänfen (neben: hänfen).

Aus Wörtern wie silber-n, leder-n hat sich daneben ein Suffix -ern ent¬
wickelt, das den Umlaut festhielt:
hölzern, gläsern, stählern, tönern, bleiern, steinern.

ß) Das Suffix -ig


729 Das häufigste Adjektivsuffix ist -ig. Es bezeichnet Besitz, Beschaffenheit
oder Ähnlichkeit und kann zu allen in Ziff. 726 genannten Wortarten treten:
freudig, haarig, deinig, gütig, findig, gehörig, abwendig, klapp [e]rig, wack[e]lig,
jetzig, gestrig, hiesig.

Umlaut tritt nicht immer ein, da -ig auch altes -ag fortsetzt (faltig, aber:
vielfältig).
Steht -ig neben Bildungen auf -en, -ern, so bezeichnet es meist die Ähn¬
lichkeit :
seiden - seidig, gläsern - glasig; aber: steinern (= aus Stein) — steinig (= mit Stei¬
nen bedeckt).

Über das Verhältnis von -ig und -lieh vgl. 731.

y) Das Suffix -isch


730 Das Suffix -isch drückt zunächst die Herkunft und Art aus und dient
daher vor allem zur Ableitung aus Eigennamen und aus Personenbe¬
zeichnungen, dann auch wie -ig zur Bezeichnung von — allerdings meist
schlechten — Eigenschaften. Bei älteren Wörtern, seltener bei Namen,
bewirkt es Umlaut:
goethiscA, engliscA, kölniscA, rheiniscA, afrikaimcA, lügneriscA, malemcA, närmcA,
kindiscA, städtiscA, neidiscA, selbstiscA.
Die Ableitung aus Einzelwörtern 367

In Doppelformen drückt -isch Abwertung und Tadel, -lieh (vgl. 731) die
Zugehörigkeit aus:
bäumcA - bäuerZ&A, kindiscA - kindZicA, dörfücA - dörfZicA.

Bei geographischen Adjektiven schließt -isch gewöhnlich an den Ein¬


wohner- oder Volksnamen an:
schweizemcA, französiscA, frankfurtemcA; aber zum Orts- oder Landesnamen selbst:
erfurtiscA, kölniscA, badiscA. Verdunkelt: deutsch, welsch.

In Fremdwörtern ersetzt -isch lateinisches -icus, griechisches -ikos:


histomcA (lat.: historicwsL physiscA, tragiscA.

Es tritt dann auch unmittelbar an fremde Substantive:


gigantiscA (zu: Gigant), modtscA (zu: Mode), fakttscA (zu: Fakt[um]), humanisttscA
(zu: Humanist)

oder verdeutlichend an fremde Adjektive:


musikaliscA, vegetamcA, merkantil/wcA/; veralt.: idealtscA, sentimentalt scA,
kolossaltscA.

Gelegentlich schwankt man noch zwischen den Bildungen mit -isch oder
ohne -isch:
planetar - planetarisch.

Seltener sind hier Bedeutungsdifferenzierungen:


antik (dem Altertum angehörend), aber: antikisch (der Antike nachstrebend); genial
(geistvoll, schöpferisch), aber: genialisch (nach Art eines Genies).

öfter wird das Suffix -isch auch abgeworfen (sog. Rückbildung):


stereotyp (aus: stereotypisch), amorph (aus: amorphisch).

d) Die Suffixe -lieh, -sam, -bar, -haft

I. -lieh
Das Suffix-lieh ist aus einem alten Substantiv mit der Bedeutung,,Leib“ 731
hervorgegangen (vgl. Leiche), das schon sehr früh adjektivisch gebraucht
wurde. Es diente als Grundwort zahlreicher zusammengesetzter Ad¬
jektive, die eine wesensgemäße Eigenschaft oder einen Besitz bezeich¬
nen, und wurde so zum Suffix:
königZicA (= mit dem Wesen eines Königs, Besitz eines Königs), gütZtcA (= von
guter Art).
Der Umlaut in den Bildungen mit -lieh ist jung und folgt keiner Hegel. Gelegent¬
lich treten Doppelformen auf, z. B.
österlich - österlich; mit Bedeutungsunterschied: sachlich - sächlich.

Bei Stammwörtern, die auf -n ausgehen, tritt vor -lieh der Gleitlaut -t- (-d-) ein:
ordentlich (zu: Orden), morgendlich, eigentlich, flehentlich; danach auch:
wöchentlich.

Heute drückt -lieh Merkmale aller Art aus:


herzlich, jugendZicA, tödZrcA, jährZicA, ängstZicA, namentZicA, freiheitZicA, freund-
schaftZicA; mit Lösung vom Grundwort: häßZicA, herrlich (nicht mehr als Ab¬
leitungen von hassen und Herr empfunden).

Ableitungen aus Adjektiven drücken eine Annäherung an den Begriff


des Stammwortes aus, auch im Sinne einer Neigung:
rötlich, öffentlich, weichZicA (er neigt zur Weichheit), kleinZtcA.
368 Die Ableitung

Ableitungen aus Verben sind entweder mit Hilfe des erwähnten Gleit¬
lautes -t- nach dem Infinitiv bzw. nach dem Partizip gebildet:
wissentZicA, gelegentZZcA, 'kenntlich,

oder das Suffix tritt nach dem Muster mehrdeutiger Formen wie kläg¬
lich (zu Klage oder klagen) zum Verbalstamm:
frag lieh, verbindZtcA, untrügZicA.

Diese Bildungsweise ist sehr fruchtbar geworden. Sie trifft vor allem
transitive Präfixverben (vgl. 772ff.) und kann sich aktivisch auf das
Subjekt oder passivisch auf das Objekt der Handlung beziehen:
erbauZZcA, bedrohZZcA (was erbaut, bedroht) - erhältZicA, zerbrechZicA (= was
man erhalten, zerbrechen kann).

Im passivischen Gebrauch konkurriert hier -lieh mit -bar (vgl. 733), besonders bei
Verneinung mit un-. Dieser Form haben sich auch viele Ableitungen von zusammen¬
gesetzten Transitiven angeschlossen:
[wn] verdauZicA, imbeschreibZicA, imerbittZicA; unauslöschlich, [wnJwiderrufZicA,
unnachahmlich.

Bei solchen Bildungen mag das leichtere Sprechgewicht von -lieh gegenüber -bar
mitwirken, noch mehr aber die Bedeutung der beiden Suffixe: -lieh betont die nicht
ablösbare Eigenschaft, -bar die auf den Gegenstand [nicht] anwendbare Handlung1:
ein unaussprechZicAes Glück - ein unaussprechbares Fremdwort; ein unlös-
liches Pulver - eine unlösbare Aufgabe; seit undenkZZcAen Zeiten - es ist un¬
denkbar, daß ...

Gelegentlich können die Adjektive aber auch gleiche oder fast gleiche Bedeutung
haben:
unvermeidZi'cAe oder unvermeidbare Auseinandersetzung; unsägZicAe oder un¬
sagbare Schmerzen.

Nur zum Teil austauschbar sind die Doppelbildungen mit -lieh und -sam (vgl. 732),
-lieh und -haft (vgl. 734):

sorgZz'cA - sorgsam, empflndZtcA - empfindsam, greuZicA - grausam - grauenAa/Z,


bildZicA - bildsam - bildAa/Z.

Die Suffixe -lieh und -ig werden stärker differenziert, besonders auch bei Zeitangaben:
fremdsprachZicAer Unterricht = über eine Fremdsprache gehaltener Unterricht;
fremdsprachiger Unterricht = in einer Fremdsprache gehaltener Unterricht;
dreistündZicA = alle drei Stunden (Wiederholung), dreistündig = drei Stunden
lang (Dauer).

Bei dem Substantiv „Kündigung“ haben beide Bedeutungen Sinn:


halbjährige Kündigung = die Kündigungsfrist dauert ein halbes Jahr; halbjähr-
liche Kündigung = die Möglichkeit der Kündigung wiederholt sich jedes
halbe Jahr.

Aus Adjektiven wie ärger-lich hat sich das. erweiterte Suffix -erlich
entwickelt:
lächerlich, fürchterZicA, weinerlich.

2. -sam
732 Das Suffix -sam (= derselbe, vgl. engl, same) ist ein altes Adjektiv,
das Fähigkeit und Neigung ausdrückt und demgemäß meist Eigen¬
schaften lebender Wesen bezeichnet. Es bildet Ableitungen aus ab-

1 Leo Weisgerber, Weltbild I, S. 167 ff.


Die Ableitung aus Einzelwörtern 369

strakten Substantiven und aus Adjektiven, nicht aber aus Personen¬


bezeichnungen. Seine Ableitungen aus Verben sind jung. Es ist nicht
mehr besonders fruchtbar:
friedsara, wundersam, langsam, fügsam, strebsam, lenksam, unbeugsam, unlieb¬
sam.

Zur Konkurrenz mit -lieh vgl. 731.

3r -bar
Das Suffix -bar (= fähig zu tragen) gehört zu althochdt. heran (noch 733
in gebären) und leitet ursprünglich von Substantiven ab, dann auch
von anderen Wortarten :
fruchtbar, jnannbar, offenbar, sonderbar.

Zahlreich sind noch jetzt die von Verben abgeleiteten Bildungen, in


denen -bar das typische Mittel passivischer Ableitung ist und die
Möglichkeit ausdrückt:
lieferbar (= kann geliefert werden), [bejfahrbar, ansprechbar, drehbar.

Viele dieser Wörter kommen nur verneint vor:


unnahbar, unleugbar, unausrottbar, unverkennbar.

Das kaufmännisch häufig gebrauchte „zahlbar in 30 Tagen“ wird dagegen nicht


im Sinne der Möglichkeit, sondern in dem der höflichen Aufforderung verwendet
(zahlbar =-- ist zu zahlen), was sprachlich als nicht korrekt gilt.

Zur Konkurrenz mit -lieh vgl. 731.

4. -haft
Das Suffix -haft ist ein altes Partizipialadjektiv. Bei Abstrakta und 734
Sachbezeichnungen als Stamm Wörtern bedeutet es meist ,,behaftet
mit“; bei Personenbezeichnungen und bei Adjektiven als Stamm Wör¬
tern bezeichnet es die Art. Jung sind auch hier die Ableitungen aus
Verben:
sündhaft, vorteil haft, frühling[s]haft, mädchenhaft, krankhaft; schwatzhaft.

Neubildungen sind nicht häufig, am ehesten noch zu Personen-


bezeichnungen:
stümperhaft, roboterhaft, pöbelhaft, komödiantenhaft, kometenhaft.

Gelegentlich wird -haft noch durch -ig erweitert; die -ig-losen For¬
men kommen allmählich außer Gebrauch:
leibhaftig, wahrhaftig, teilhaftig.

Zur Konkurrenz mit -lieh vgl. 731.

6) Adjektive in der Rolle von Suffixen


Auch Adjektive können allmählich zu Suffixen werden (vgl. 686). Das 735
betrifft vor allem Adjektive ohne festen Inhalt wie -los, -voll, -reich, -frei,
-fertig, -fähig, -artig usw. Vgl. etwa Reihen wie:
wasser-, lieb-, arbeits-, einfluß-, ereignis-, kurvenreich; mengen-, strecken-, gehalts-,
haltungs-, routinemäßig.

Besonders Modewörter wie -mäßig oder -technisch (steuertechnisch u. a.)


verleiten zu bequemen, aber im Grunde oft nichtssagenden Bildungen.
370 Die Ableitung

Beachte:
Man verwechsle nicht -mäßig mit -gemäß. Das „Suffix“ -mäßig ist eine Ableitung von
„Maß“ ( = Art, wie etwas eingerichtet ist), z. B. regelmäßig; das Adjektiv „gemäß“
bedeutet „entsprechend, angemessen“, z. B. regelgemäß (= der Regel entsprechend).
Nicht: Ist meine Buchführung ordnungsmäßig ? Grundsätze ordnungsmäßiger Buch¬
führung (Buchtitel); sondern: Ist meine Buchführung ordnungsgemäß? Grund¬
sätze ordnungsgemäßer Buchführung.
Nicht: Turnusmäßig findet der nächste Lehrgang am 12. 2. statt; sondern: Turnus¬
gemäß .. .

£) Fremde Adjektivsuffixe
736 Die fremden Adjektivsuffixe sind sehr zahlreich:
praktikaöeZ, nationaZ, human, mondän, eklatant, polar, regulär, desperat, kultureZZ,
turbulent, grotesk, adrett, flexibel, hybrid, merkantiZr positiv, dubio«, religiös.

Mit deutschen Grundwörtern sind nur wenige verbunden:


burschikos, pauschaZ (zu: Bausch).

Beachte:
Die Suffixe -al und -eil haben verschiedene Bedeutung:
formaZ = auf die Form bezüglich, aber: form eil = die [ Umgangs jformen beachtend;
rationaZ = vernunftgemäß, aber: rationeZZ = wirtschaftlich.
Das wird oft nicht beachtet. So werden z. B. formal und formell, funktional und funk¬
tionell oft in gleicher Bedeutung gebraucht.
Auch in der Schriftsprache sind dagegen gleichbedeutend:
dubios und dubiös.

3. Das abgeleitete Verb

a) Die Bedeutungsgruppen abgeleiteter Verben


737 Verben können aus Substantiven (Pronomen), aus Adjektiven und aus an¬
deren Verben, seltener aus Interjektionen (vgl. 606) abgeleitet werden.
Das abgeleitete Verb verdichtet wie das abgeleitete Substantiv und Ad¬
jektiv eine syntaktische Aussage:
Gras fressen - grasen; eine Krone aufsetzen - krönen; satt machen - sättigen; trin¬
ken machen - tränken.

Aus der Masse der abgeleiteten Verben lassen sich, soweit die Verhältnisse
heute zu überblicken sind, folgende Bedeutungsgruppen herausheben, an
denen jeweils verschiedene Ableitungsmittel (vgl. 738ff.) teilhaben1. Einige
dieser Bedeutungsgruppen (Nr. 4-7) werden uns bei den Präfixverben
wieder begegnen (vgl. 774).
1. Verben des Beschäftigtseins
Die Verben des Beschäftigtseins oder Okkupative2 sind intransitiv
und von Substantiven abgeleitet. Transitiver Gebrauch ist zuweilen
möglich:
ackern (= den Acker pflügen), wassern (= aufs Wasser niedergehen); tanzen
(transitiv: einen Walzer tanzen); ebenso: spielen, witzeln, konzertieren, landen,
tafeln.

1 Bedeutungsgruppen dieser Art werden neuerdings auch Wortstände genannt (vgl. 832).
* Lat. occupare = besetzen, sich bemächtigen.
Die Ableitung aus Einzelwörtem 371

Eine kleine Untergruppe bilden Verben, die ein Her Vorbringen be¬
zeichnen :
mauern, kalben, lammen, fohlen.

2. Verben des Benutzens


Die Verben des Benutzens oder Instrumentative1 sind intransitiv und
von Substantiven abgeleitet. Auch transitiver Gebrauch kommt vor:
hämmern (= mit dem Hammer arbeiten), pflügen (transitiv: den Acker pflü¬
gen), leimen, trommeln, fingern, steinigen, schnabulieren.

3. Verben des Nachahmern


Die Verben des Nachahmens oder Imitative2 * sind intransitiv und von
Substantiven oder-Adjektiven abgeleitet:
büffeln (= arbeiten wie ein Büffel), kaspern, robben, schwäbeln, berlinern,
bramarbasieren; von Personennamen; morsen, mensendiecken; von Adjektiven:
frömmeln (= fromm tun), stolzieren.

4. Verben des Versehens und Zuwendens


Die Verben des Versehens (mit einem Ding) und Zuwendens (z. B.
einer Gesinnung, eines Leides) oder Ornative8 sind transitiv und von
Substantiven abgeleitet:
kleiden (= mit Kleidern versehen), füttern, uniformieren, hassen (= Haß
zuwenden), peinigen.

5. Verben des Enteignens


Die Verben des Enteignens oder Privative4 sind transitiv und von
Substantiven abgeleitet:
häuten (= die Haut abziehen), schuppen, köpfen.

6. Verben des Verwandelns


Die Verben des Verwandelns oder Effektive5 sind transitiv und von
Substantiven abgeleitet:
knechten (= zum’Knecht machen), substantivieren, romanisieren, russiflzieren.

7. Verben des Bewirkens


Die Verben des Bewirkens oder Faktitive6 sind transitiv und von Ad¬
jektiven abgeleitet:
schärfen (= scharf machen), heizen (= heiß machen), halbieren.

8. Verben des Veranlassens


Die Verben des Veranlassens oder Kausative7 werden schwach
flektiert, sind aber von starken Verben abgeleitet:
legen (= liegen machen), tränken (= trinken machen), stellen ( — stehen machen )

1 Lat. imtrumentum = das Werkzeug.


* Lat. imüari = nachahmen.
* Lat. ornare = schmücken.
4 Lat. privare = berauben.
5 Lat. efficere = hervorbringen.
6 Lat. factitare = bewirken. Wir verwenden diesen Ausdruck im Anschluß an Leo
Weisgerber, Verschiebungen in der sprachlichen Einschätzung von Menschen und
Sachen, Köln und Opladen 1958, S. 21 ff.
7 Lat. causa == Ursache.
372 Die Ableitung

Nicht alle Verben lassen sich eindeutig einer bestimmten Gruppe zu-
weisen. Schwierigkeiten treten besonders bei den Gruppen 6 und 7
auf. Vor allem Fremdwörter wie „romanisieren, idealisieren“ können
vom Substantiv oder vom Adjektiv abgeleitet sein.

b) Die Ableitungsmittel

a) Suffixlose Ableitung
1. Die starken Verben
738 Die starken, ablautenden Verben sind in ihrem eigenen Bestand
heute nicht mehr produktiv. Daran ändern auch gelegentliche Neu-
und Analogiebildungen nichts (ich stak, dang, habe gedungen, zu
sonst schwachem stecken und dingen; vgl. auch 143). Diese werden
nämlich durch Übertritte in die schwache Klasse mehr als aufgewogen
(bellen, früher: boll, gebollen; vgl. 72).
Die Kraft und Bedeutung der ablautenden Verben liegt auf anderem
Gebiet. Sie gehören — mit Vorstufen im Indogermanischen — zum
ältesten Bestand der germanischen Sprachen. Der Ablaut, mit dem
sie ihre Formen gebildet haben (vgl. 70), ließ sie zur Grundlage reicher
und bis heute lebendiger Wortfamilien werden (vgl. 690; 834).

2. Die schwachen Verben


739 Die Erweiterung des deutschen Verbbestandes durch Ableitung
kommt seit langem fast ausschließlich der Klasse der schwachen
Verben zugute. Dabei ist hier die Zahl und Vielfalt der Ableitungen
ohne besonderes Suffix weit größer als im Bereich des Adjektivs und
auch des Substantivs. Durch bloßes Anhängen der Infinitivendung
-en werden Substantive und Adjektive verbalisiert (zu Verben ge¬
macht), und durch Umlaut entstehen zu starken intransitiven Verben
schwache transitive.
Die schwachen Verben bilden, formal gesehen, heute eine Einheit. Nur
der Umlaut, soweit er überhaupt möglich ist (vgl. 687), erinnert an
eine alte Gruppe mit der Infinitivendung -jan, am deutlichsten bei den
Gruppen der faktitiven und der kausativen Verben.
Nach den Stammwörtern lassen sich folgende Gruppen unterscheiden
(zur inhaltlichen Aufgliederung vgl. 737):

a) Ableitungen aus einfachen Substantiven


740 Sie sind sehr häufig und werden immer neu gebildet. Der Umlaut
tritt teilweise, aber ohne Regel auf, wobei Doppelbildungen in der
Bedeutung unterschieden sind:
pflügen, trösten, drahten, landen, hungern, schaufeln; dämpfen - dampfen,
münden - munden.

b) Ableitungen aus zusammengesetzten Substantiven


741 Da das zusammengesetzte Substantiv eine Worteinheit ist (vgl.
613), wird es in der Ableitung wie ein einfaches Wort behandelt.
Es bildet also Verben, die in allen Formen fest bleiben, obwohl sie
Die Ableitung aus Einzelwörtem 373

wie die unfest zusammengesetzten Verben den Ton auf dem ersten
Glied tragen (vgl. 665):
maßregeln, ich maßregele, gemäßregelt (zu: Maßregel). Ebenso: wehklagen,
ratschlagen, wetteifern, langweilen.

Diese Verben dürfen nicht verwechselt werden mit unfest zu¬


sammengesetzten Verben, deren erstes Glied ein syntaktisch ge¬
löschtes Substantiv oder Adjektiv ist (teilnehmen, vgl. 677; fest¬
binden, vgl. 676).
Es gibt aber, besonders im Bereich der Fachsprachen, zahlreiche
zweigliedrige Verben, die wie unfeste Zusammensetzungen be¬
handelt werden, obwohl sie — mindestens in vielen Fällen —
ebenfalls Ableitungen aus zusammengesetzten Substantiven sind.
Manche von ihnen treten allerdings nur in den infiniten Formen
auf:
kurzschließen, ich schließe kurz, habe kurzgeschlossen (zu: Kurzschluß);
blindfliegen, ich fliege blind, bin blindgeflogen (zu: Blindflug); ebenso:
kurzarbeiten; nur im Infinitiv und Partizip: ferntrauen,
radfahren, ich fahre Rad (zu: Radfahrer); radschlagen, ich schlage Rad (zu:
Radschläger); nur im Infinitiv und Partizip: bauchreden, schleppstarten,
dienstverpflichten (zu: Bauchredner, Schleppstart, Dienstverpflichtung).

Bei einigen neugebildeten Verben dieser Art treten außer dem


Infinitiv und den Partizipien auch schon finite Formen nach dem
Muster der unfest zusammengesetzten Verben auf. Das geschieht
aber nur da, wo die Wortfolge die gleiche ist wie bei der ent¬
sprechenden syntaktischen Fügung:
Wer prämienspart, ist auf gutem Wege (aber nicht: er prämienspart, weil
die entsprechende syntaktische Fügung heißt: Er spart für Prämien). Die,
die am meisten fernsahen . . .; sieh fern mit Hör zu! (Aber nicht: er fernsieht).

Auch gemischte Typen mit festen und unfesten Formen treten auf:
notlanden, ich notlande, aber: notgelandet (statt: genotlandet); ebenso:
notschlachten, schutzimpfen.

c) Ableitungen aus Adjektiven


Die von Adjektiven abgeleiteten Verben, besonders die Gruppe 742
der Faktitive (vgl. 737,7), haben in der Regel Umlaut. Es gibt
einige Doppelbildungen mit und ohne Umlaut, die sich in der Be¬
deutung unterscheiden:
töten, bräunen, sichern", bangen, welken, heilen, trocknen; lähmen - lahmen,
läuten - lauten.

d) Ableitungen aus Verben


Die zu manchen intransitiven starken Verben gebildeten trän- 743
sitiven Bewirkungsverben (Kausative, vgl. 737, 8) enthalten ge¬
wöhnlich den umgelauteten Vokal der zweiten Stammform des
Grundverbs (ä wird oft e geschrieben):
tranken (zu: trank, von trinken), setzen (zu: saß, von sitzen), legen (zu: lag,
von liegen), führen (zu: fuhr, von fahren); zur ersten Stammform: fällen,
hängen (das hangen verdrängt hat); mit anderem Stamm: stellen (zu:
stehen).
374 Die Ableitung

Einige Ableitungen aus starken Verben zeigen Verschärfung des


Stammauslautes (pf, tz, ck), wodurch eine Intensivierung des
Geschehens bezeichnet wird (vgL 66):
schlüp/en (zu: schliefen), schniteen (zu: schneiden), büc&en (zu: biegen); von
der zweiten Stammform: trop/en (zu: troff, von triefen).

ß) Ableitung mit Suffixen


Die Verbalsuffixe -ein, -ern, -igen sind aus entsprechenden substan¬
tivischen (-el, -er) oder adjektivischen Suffixen (-ig) und der Infinitiv¬
endung -[e]n zusammengewachsen. Bei den seltenen Suffixen -sen,
-sehen, -chen, -zen, -enzen und -stern ist der Ursprung verdunkelt. Die
Suffixe geben dem Stammverb meist eine bestimmte Bedeutung, können
aber auch an mehreren Bedeutungsgruppen teilhaben.

1. Das Suffix -ein


744 Mit -ein, das dem diminutiven -el-Suffix nahesteht (vgl. 724), wird
die kurzfristige Wiederholung, dann auch die Abschwächung und
selbst die Intensivierung eines Vorgangs oder einer Tätigkeit ausge¬
drückt (vgl. 65f.). Der Umlaut ist uneinheitlich, vor allem bei den
zahlreichen Neubildungen. Das Suffix kann auch zur unmittelbaren
Verbalisierung dienen:
betten (zu: bitten), lächeZn (zu: lachen), grübein (zu: grub, von graben);
viitzeln (zu: Witz), frömmeZn (zu: fromm).

2. Das Suffix -ern


745 Auch -ern wirkt iterativ und intensiv (vgl. 65f.), besonders in schall-
nachahmenden Verben. Oft fehlt das zugehörige Stammverb:
glitzern (zu: gleißen), schillern, klimpern, schnattern, wiehern.

Schallwortstämme mit einem -1- erhalten meist das Suffix -ern


(pZapp-em, aber: k&hk-eln).
Nicht eigentlich hierher gehören Verben zu -er-Pluralen (blätter-n)
und Komparativen (besser-ri* schmäler-n).

3. Das Suffix -igen


746 Die Verben auf -igen gehören eigentlibh als Faktitive (vgl. 737, 7) zu
Adjektiven mit der Endung -ig (kräftig-en). Das Suffix wurde selb¬
ständig und konnte auch Ableitungen von Substantiven bilden. Es
ist aber heute nicht mehr fruchtbar:
rein igen, steinigen, angst igen, sündigen.

Die meisten Verben auf -igen werden allerdings mit Präfixen gebildet
(vgl. 781).

4. Die Suffixe -sen, -sehen, -chen, -zen, -enzen, -stern


747 Nur in geringem Maße haben sich andere Suffixe in der heutigen
Schriftsprache erhalten:
-sen, -sehen in grinsen (zu: greinen), feilschen (zu: feil); -chen in horchen (zu:
hören); -zen in blitzen (zu: blecken = leuchten); -enzen in faulenzen; -stern in
flüstern, knistern. Diese Verben sind meist iterativ (vgl. 65).
Die Ableitung aus Einzelwörtern 375

5. Das fremde Suffix -ieren (-isieren)


Als einziges Verbalsuffix fremder Herkunft ist bei uns unter fran- 748
zösischem Einfluß die Endung -ieren (aus -ir + en) heimisch geworden.
Sie wird bei der Übernahme lateinischer, romanischer u. a. Fremd¬
verben angewandt, doch auch als bequemes Ableitungsmittel mit
deutschen Stammwörtern verbunden. Ihr Gebrauch erscheint über¬
mäßig ausgedehnt:
addieren, disputieren, kolportieren, shainpoonieren usw.; amtieren, glasieren,
drangsalieren, halbieren; scherzhaft: schnabulieren, quinkelieren.

Als Erweiterung tritt -isieren auf, das gewöhnlich effektiv oder faktitiv
und damit transitiv gebraucht wird (vgl. 737, 6 f.):
amerikanisieren, pulverisieren; aber intransitiv: polemisieren, spintisieren.

Wie ein Suffix erscheint im Deutschen -fizieren (aus lat. facere =


machen) mit adjektivischem oder substantivischem Stammwort:
mumifizieren (zu: Mumie), glorifizieren (zu lat. gloriosus = ruhmreich).

In der Bedeutung unterschieden sind:


elektrisieren (= elektrisch laden), elektrifizieren (= auf elektrischen Betrieb
einrichten).

In den Fachsprachen wird -ieren vielfach zu -en zurückgebildet und


dadurch der Ausdruck in willkommener Weise gestrafft:
lackieren - lacken, ebenso: schraffen, chloren.

4. Die abgeleitete Partikel


Die abgeleiteten Partikeln lassen sich nur zum Teil von der Gegenwarts- 749
spräche her erklären und verstehen. Insbesondere sind die aus Prono¬
minalstämmen abgeleiteten Partikeln heute nicht mehr als Ableitungen
erkennbar (hier, unter, oben).
Wir betrachten im folgenden die aus Substantiven oder Adjektiven mit
Hilfe von Suffixen abgeleiteten Partikeln. Partikeln, die auf den er¬
starrten Kasus eines Substantivs oder Adjektivs oder auf eine erstarrte
finite Verbform zurückgehen, sind im Abschnitt „Wechsel der Wortart“
behandelt (vgl. 792).
Zur Ableitung von Partikeln aus Substantiven und Adjektiven dienen
die Suffixe -e, -lieh, -s, -lings, -lei.

a) Das Suffix -e
Die Adverbendung -e trat früher in weit größerem Maße als heute an Ad- 750
jektivstämme. Im Neuhochdeutschen ist das Suffix in der Regel abge¬
fallen, es hat sich nur noch in Resten erhalten:
gern[e], lang/W, fern[e], nahfej.
Einige dieser Bildungen sind veraltet (dichterisch) oder umgangs¬
sprachlich :
veralt., dicht.: balde, kalte, stille;
ugs.: helle, dicke, feste, sachte, späte, alleine.

Vgl. dazu noch 559.


376 Die Ableitung

b) Das Suffix -lieh


751 Neben dem Adjektivsuffix -lieh (vgl. 731) hatte sich ein mittelhoch¬
deutsches Adverbsuffix -liehe [n] entwickelt, das im Neuhochdeutschen
zu -lieh verkürzt wurde:
neulich, schwer lieh, wahrlich, sicher lieh, frei lieh, ledig lieh, hoffentZicÄ.
Eine zweite Gruppe dieser Ableitungen geht auf Bildungen zurück, die
ursprünglich als Adjektive, heute aber nur noch als Adverbien gebraucht
werden:
treuZicA, weidlich.

c) Das Suffix -s
752 Das Suffix -s ist ursprünglich die Genitivendung starker männlicher und
sächlicher Substantive oder stark gebeugter Adjektive, die zu Adverbien
erstarrt sind (flugs aus: Flug[e]s, rechts aus: recht[e]s; vgl. 792). Es
w urde dann selbständig und trat auch an weibliche Substantive und an
schwach gebeugte Adjektive und Zahlwörter (vgl. 763):
nachts, seitens, übrigens, erstens, meistens.

d) Das Suffix -lings


753 Das Suffix -lings ist aus dem Substantivsuffix -ling (vgl. 720) und dem
Adverbsuffix -s zusammengesetzt und tritt zu Substantiven und Adjek¬
tiven :
rittlings, rück lings, blind lings, jäh lings; vor lings (Gegenwort der Turnersprache zu
rücklings, dessen Stammwort rück- als Adverb [ = zurück] aufgefaßt wurde).

e) Das Suffix -lei


754 Mit dem Suffix -lei (aus altfranz. ley = Art) werden bestimmte und un¬
bestimmte Gattungszahlwörter gebildet (vgl. 543):
einerlei, hunderterZei, vielerZei, mancherZei, keinerZßi.

f) Substantive und Adjektive in der Rolle von Suffixen


755 Suffixartig gebraucht werden Substantive und Adjektive als zweite
Glieder in Adverbien wie:
teil-, meter-, beispielsweise; der-, einiger-, unverdienterma/ten; außerÄaZö, meinet-
halben; der-, allerart; allerhand; manch-, ein-, keinmaZ; mehr-, vielfach; heim-, seit-,
aufwärts.

III. Die Ableitung aus Wortgruppen (Zusammenbildung)

1. Begriff der Zusammenbildung


756 Wird eine syntaktische Wortgruppe als Ganzes zur Grundlage für eine
Ableitung gemacht, dann erhält ein Wort der Gruppe das Ableitungs¬
merkmal (Suffix) und tritt ans Ende der Ableitung:
Der Bundestag gibt Gesetze - die Gesetzgebung. Er nimmt Arbeit - der Arbeitnehmer.
. . . mit blauen Augen - blauäugig.
Diese Wörter sehen aus wie Zusammensetzungen, ihre zweiten Glieder
kommen aber in vielen Fällen nicht als selbständige Wörter vor. Man
Die Ableitung aus Wortgruppen 377

spricht daher von einer Zusammenbildung. Im Gegensatz zur Zu¬


sammensetzung (vgl. 613 f.) kann die Zusammenbildung fast immer in
ihre syntaktischen Bestandteile aufgelöst werden.
Diese Bildungsweise tritt zum Teil in lang eingebürgerten Formen auf,
zum Teil aber in schwerfälligen jungen Bildungen. Am häufigsten er¬
scheint sie beim Substantiv und beim Adjektiv, seltener beim Adverb.

2. Die Zusammenbildung nach Wortarten

a) Das zusammengebildete Substantiv


d) Geschehensbezeichnungen
Da für das Sprachgefühl im Verbalsubstantiv die Leistung des Verbs 757
noch nach wirkt, können Objekte oder Artangaben in die Ableitung mit
einbezogen werden. Die Ableitung erhält dann meist das Suffix -ung
(vgl. 695), zuweilen auch das Suffix -e (vgl. 693):
Menschwerdim#, Grenzzieh ung, Hilfeleistung; Großschreibung, Tieferlegunp, Nicht¬
zahlung, Hintansetzung; Vor wegnahme.
Ein Präpositionalgefüge kann entweder vollständig oder mit Unter¬
drückung der Präposition in die Ableitung eingehen. Diese Bildungen
sind oft sehr schwerfällig:
Inanspruchnahme, Außerachtlassung, Instandsetzung; Schaustellung (aus: zur
Schau stellen), Grablegung (aus: ins Grab legen).
Die Übergänge zwischen Zusammenbildung und Zusammensetzung können fließend
werden, wenn das einfache Verbalsubstantiv auch als selbständiges Wort vorkommt:
Zusammenbildung: Nichtzahlung (= wenn nicht gezahlt wird). Aber Zusammen¬
setzung: Teilzahlung, Ratenzahlung.

ß) Personen- und Gerätebezeichnungen nach dem Verhalten


Bildungen wie „Dachdecker* ‘ und „Langschläfer“ erscheinen auf den 758
ersten Blick wie Zusammensetzungen. Daß es sich aber hier nicht um
echte Zusammensetzungen handelt, zeigt uns die syntaktische Auf¬
lösung. Die echten Zusammensetzungen „Dachtraufe“ und „Langholz“
drücken attributive Verhältnisse aus (= Traufe des Daches, langes Holz;
vgl. 619). Im Gegensatz dazu handelt es sich bei dem Vorderglied der
Bildung „Dachdecker“ um ein Objekt (= er deckt das Dach) und bei
dem Vorderglied der Bildung „Langschläfer“ um eine Artangabe (= er
schläft lang). Daß solche Bildungen überhaupt möglich sind, rührt daher,
daß in den Verbalsubstantiven -decker und -Schläfer die Bektionskraft*
der Verben decken und schlafen noch lebendig ist.
Solche Wortbildungen gehören zum ältesten indogermanischen Sprachgut.
Ihr erstes Glied erscheint zwar in allen auch bei den Zusammensetzungen
üblichen Formen, und auch der Plural braucht bei ihm nicht bezeichnet
zu werden, aber aus den obengenannten Gründen müssen wir sie als Zu¬
sammenbildungen ansehen.
Zu den eigentlichen Personenbezeichnungen treten auch hier wieder per¬
sonifizierte Gerätebezeichnungen (vgl. 717,, 1):
Bürstenbinder, Buchdrucker, Liebhaber, Feinschmecker, Neinsager, Selbstfahrer,
Staubsauger, Wärmeregler, Fliegenfänger, Fußabtreter, Fernsprecher; passivisch:
Hinterlader.
378 Die Ableitung

Zusammenbildungen dieser Art mit einem Verb im ersten Glied sind


kopulativ gebildet:
Mähdrescher (die Maschine mäht und drischt zugleich), Tauchsieder.

Häufiger als bei den Geschehensbezeichnungen finden sich unter den Per¬
sonen- und Gerätebezeichnungen Bildungen mit verkürztem Präposi-
tionalfall im ersten Glied:
Türsteher (aus: er steht an der Tür); ebenso: Buchhändler, Regenpfeifer, Nagel¬
bohrer.
Einige Wörter, deren zweite Glieder auch selbständig Vorkommen (z. B. Berufsnamen
wie Maler und Jäger), können auch als Zusammensetzungen mit einem Attribut ge deutet
werden. Dasselbe gilt für nicht mehr durchschaubare oder fremdsprachliche Nomina
agentis:
Reitlehrer (= er lehrt das Reiten oder Lehrer des Reitens), Waffenschmied, Herren¬
friseur.

Der Charakter des Typs als Ganzes wird aber von diesen mehrdeutigen
Fällen nicht betroffen.

y) Sach- und Personenbezeichnungen sonstiger Art


759 Eine Zusammenbildung kann ein Wesen oder Ding mit Hilfe des Suffixes
nach einem auffälligen Merkmal bezeichnen:
Viersitzer (= Wagen mit vier Sitzen), Geradflügler (= Insekt mit geraden Flügeln),
Zwölfpfünder (= Geschütz mit zwölfpfündigen Kugeln), Doppeldecker, Vierzehn¬
ender, Endvierziger (Mann von Ende der Vierzig), Mittfünfziger u. a.

Diese jungen Bildungen stehen inhaltlich den Ableitungen aus posses¬


siven Zusammensetzungen nahe (vgl. 621-623):
Tausendfüßer (aus: Tausendfuß = Tier mit „tausend“ Füßen).
Ein Sonderfall ist Tagundnachtgleiche, aus: [wenn] Tag und Nacht gleich [sind].

b) Das zusammengebildete Adjektiv


Das zusammengebildete Adjektiv charakterisiert oder beurteilt in der
Regel, wie die anderen Adjektive, ein Wesen oder Ding. Wenn ein Prä-
positionalfall in die Zusammenbildung eingeht, erscheint er auch hier
verkürzt und damit syntaktisch gelöscht.

a) Umstandsangabe oder Objekt + Verb


760 Diese Zusammenbildungen tragen das Suffix -ig:
schwerhörig (aus: er hört schwer), augenfällig (aus: es fällt in die Augen), weitläufig,
ruhmredig, goldhaltig; mit verbal empfundenem Substantivstamm im zweiten
Glied: kurzsichtig.

ß) Adjektiv (Zahlwort) + Substantiv


761 Diese Zusammenbildungen tragen das Suffix -ig, seltener -lieh:
blauäugig ( = mit blauen Augen), großspurig, kurzlebig, dreitägig, englischsprachig,
neusprachZicA, öffentlich-rechtZicA (zu: öffentliches Recht).

Bildungen dieser Art gehen wohl aus von Ableitungen aus possessiven
Zusammensetzungen (dickköpfig aus: Dickkopf; vgl. 621-623). Sie haben
sich aber in der Bedeutung von diesem Worttyp zumeist entfernt.
Als Rückbildungen gehören hierher:
Zweirad (aus: zweirädrig), Dreieck (aus: dreieckig), Vierflach (aus: vierflächig) u. a.
Die Präfixe beim Substantiv und Adjektiv 379

y) Präposition + Substantiv
Diese Zusammenbildungen tragen die Suffixe -lieh oder -isch: 762
vorsintflutZicA (aus: vor der Sintflut), nachbörsfo'cA (aus: nach der Börsenzeit); vor-
germamscA (aus: vor den Germanen), außereuropäisch (aus: außerhalb Europas).
Die zuletzt genannten Adjektive folgen äußerlich dem Vorbild von Zu¬
sammensetzungen wie „frühgermanisch, alteuropäisch“ (vgl. 649 f.). Ihr
erstes Glied bestimmt aber nicht den im zweiten Glied genannten Begriff,
sondern es schließt ihn aus. Diese Adjektive sind also keine Zusammen¬
setzungen (vgl. auch 617).
Als Einzelfall sei hier die Bildung „eidesstattlich“ (aus: an Eides Statt)
angeschlossen.
c) Das zusammengebildete Adverb
Aus syntaktischen Gruppen abgeleitete Adverbien tragen das Suffix -s 763
(vgl. 752):
unterwegs (aus: unter [= während] dem Wege), hinterrücks (aus: hinter dem Rük-
ken); jeweils (aus: zu jeder Weile); oft-, je-, viel-, vormals; beider-* aller-, meiner-,
a nder [er ]seits u. a.

C. DIE PRÄFIXBILDUNGEN
Eine Mittelstellung zwischen Zusammensetzungen und Ableitungen 764
nimmt die nach Wortzahl und Leistung sehr gewichtige Gruppe der
Wortbildungen mit Vorsilben (Präfixen1) ein.
Die Präfixe sind Partikeln, die als freie Wörter nicht mehr Vorkommen
(vgl. 669). Das trennt diese Wortbildungsart %von der Zusammensetzung,
zu der sie ursprünglich gehörte. Doch haben wenigstens die Substantiv-
und Adjektivpräfixe ihre Betonung und damit ihren bestimmenden
Charakter behalten:
Unmensch, ürverwandt, 6rzböse.
Die Verbalpräfixe sind jedoch, wie die Partikeln in fest zusammenge¬
setzten Verben, unbetont und nähern sich damit den Ableitungssuffixen.
Ähnliches gilt für manche Bildungen mit un-:
beseelen, vergüten, unabänderlich.
Einige Präfixe erscheinen nur bei Substantiven und Adjektiven (un-, ur-),
andere nur bei Verben (be-, er-, ent-, ver-, zer-). Ge- (783) und miß- (784)
können zu allen drei Hauptwortarten treten.

I. Die Präfixe beim Substantiv und Adjektiv (Partizip)


1. Das Präfix un-
a) Un- als. Verneinungspräfix
Die Vorsilbe un- dient vor allem der Verneinung von Eigenschaften und 765
Zuständen. Sie schafft eine Opposition2 zu einem positiven Begriff, wenn
kein echtes Oppositionswort vorliegt:
unhöflich, unecht, ungepflegt, Z/nfriede.
Un- wird daher im allgemeinen nicht angewandt:
1. bei festen Gegensatzpaaren:
groß - klein, reich - arm, schnell - langsam.

Lat. praefixum = das vorn Angeheftete. 2 Lat. oppositio = Gegensatz.


380 Die Präfixbildungen

Treten bei ihnen trotzdem Bildungen mit un- auf, dann handelt es
sich um Abschwächung des echten Oppositionswortes (vgl. 1166):
ungut (neben: schlecht), unschön (neben: häßlich), unschwer (neben: leicht).
2. bei Adjektiven, die mehrere Gegensätze zulassen:
rot, warm, mittel.
3. bei Adjektiven, die selbst schon einen negativen Sinn haben:
gering, arg, nackt, böse.

d) Un- + Adjektiv (Partizip)


766 In erster Linie steht un- bei Adjektiven:
unecht, unmündig, unmoralisch, unfair, unlängst, unweit.
Bei Adjektiven mit un-, die aus Verben abgeleitet sind, besteht die
Opposition oft nur gegenüber dem Verb, ohne daß ein positives Adjektiv
auftritt. Präfix und Adjektivsuffix wirken also zusammen:
unablässig (ohne abzulassen; aber nicht: ablässig), unweigerlich, unaufhaltsam, un¬
ausrottbar; jedoch auch: [un]hörbar, [unbegreiflich, bei denen ebenso die Adjektive
„hörbar“ und „begreiflich“ verneint sein können.
Bei Partizipien mit un- wird meist das Verb verneint, auch wenn posi¬
tive Formen danebenstehen:
ungewaschen, ungedeckt; nur negativ: unbeholfen, ungefrühstückt (ohne gefrüh-
stückt zu haben), unbeschadet, unerachtet; aber auch: [unbefangen, [unjgezie-
mend, bei denen eher die Partizipien „befangen“ und „geziemend“ verneint sind.

ß) Un- + Substantiv
767 Die Substantive mit Un- sind meist Ableitungen, Rückbildungen oder
Substantivierungen von Adjektiven mit un-:
Untreue, Unentschlossenheit (Ableitungen aus: untreu, unentschlossen); Unschuld,
Unmensch (Rückbildungen aus: unschuldig, unmenschlich); Ungeheuer, Ungehor¬
sam (substantivierte Adjektive).
Direkte Negation des Substantivs liegt dagegen vor in:
Undank, Unrast, Unvermögen; mit verlorenem Grundwort: Unflat, Ungeziefer.

b) Un- als Verstärkungspräfix


768 Der verneinende Charakter des Präfixes un- führte dazu, daß es auch
verstärkend gebraucht wurde, vor allem in abwertender Weise:
Unkraut, Unart, Untat, Unwetter, Unkosten.
Untiefe hat zwei Bedeutungen: als Ableitung von „untief“ bedeutet es eine flache Stelle
im Wasser, als Zusammensetzung mit „Tiefe“ bezeichnet es eine ungeheure Tiefe.
Bei Adjektiven kann durch nachdrückliche Betonung die Aussage verstärkt werden:
unglaublich, üngläublich.

c) Ersatz des Präfixes un- durch andere Partikeln und Präfixe


769 Bei Personenbezeichnungen. tritt meist Nicht- (vgl. 658) für Un- ein
(Nichtkatholik), ebenso bei deutlich gefühlter Ableitung aus Verben
(nichtrostend). Anders als un- enthält nicht- keine Wertung:
nicAfdeutsch - imdeutsch.
Gleichfalls bloß verneinend ist das fremde Präfix a-, obwohl es gelegentlich auch abwertend
gebraucht wird: «katholisch, atonal, amoralisch. Das (meist üble) Gegenteil wird auch
mit anderen Mitteln bezeichnet: miß- (vgl. 784), wider- (Widersinn), ab- (abhold, Ab¬
gunst), aber- (Aberglaube, -witz), after- (vgl. 658), anti-, dis-, in-, non- u. a. (vgl. 771).
Die Präfixe beim Verb 381

2. Das Präfix ur-


Das vor Substantiven und Adjektiven stehende Präfix ur- ist dieselbe 770
Partikel wie das vor Verben stehende er- (vgl. 776; Urlaub — erlauben).
Seine älteste Bedeutung war „aus“ (Urfehde schwören = aus dem Fehde¬
zustand heräustreten). So bezeichnet es noch heute vor allem den Aus¬
gangs- und Anfangszustand oder den ersten Vertreter einer Gattung:
Ursache, Urwald, Urgeschichte, Urkunde, Urmensch; urverwandt, urindogerma-
nisch.

Daraus ergibt sich der häufige verstärkende Gebrauch:


uralt, urgemütlich, urgesund; sogar: urplötzlich.

Fast nur noch die Stufen der Geschlechterfolge bezeichnet ur- in den
Gegenbildungen [Urjurgroßvater - [Ur]urenkel. Wie ein selbständiges
Wort wird es anderseits abgeleitet in ,,urig“ (Schweiz.: urchig) und in dem
jüngeren „urtümlich“.

3. Fremde Präfixe bei Substantiven und Adjektiven


In großer Zahl sind fremdsprachige Präfixe mit meist Wissenschaft- 771
liehen Fremdwörtern zu uns gekommen:
Analyse, .Kongreß, Epilog, Konsens, atonal, antiklerikal, Antibiotikum, Disharmonie,
indirekt u. a.1. Mit deutschen Grundwörtern: Daweltmeister, Fizekönig, superklug,
/Superbombe, Antikörper.

Eingedeutscht ist erz- aus archi- der griechischen Kirchensprache (Archi-


diakon, Erzbischof). Es wird meist verstärkend gebraucht:
Krzbösewicht, Erzfeind, erzfaul, erzdumm.

II. Die Präfixe beim Verb

1. Die Leistung der Verbalpräfixe


Von großer Bedeutung für die deutsche Wortbildung sind die verbalen
Präfixe. Vor allem be-, er-, ent-, ver-, zer- bilden umfängliche und noch
sehr lebendige, für Neubildungen offene Gruppen, während ge- und miß-
nicht mehr fruchtbar sind.

a) Die Modifizierung von Verbinhalten durch Präfixe


Die Präfixe ermöglichen es der Sprache, Verbinhalte zu modifizieren, 772
insbesondere den Beginn oder die Beendigung eines Voganges auszu¬
drücken. Sie dienen damit zur Bezeichnung der perfektiven Aktionsart
(vgl. 64):
stehen - entstehen, erstehen; denken - gedenken, erdenken; schlagen - beschlagen,
erschlagen, zerschlagen. In zeitlicher Abfolge: erklingen - klingen - verklingen.

Die Perfektivierung ist oft mit der Einwirkung auf ein Ding oder Wesen
verbunden, so daß intransitive Verben durch das Präfix transitiv werden:
steigen - einen Berg besteigen, ersteigen; drohen - einen Menschen bedrohen.

1 In vielen Fällen ist der Endkonsonant des fremden Präfixes an den ersten Konso¬
nanten des Grundwortes angeglichen: Korrespondenz (statt: Korrespondenz), illegal,
immens (statt: inlegal, iwmens).
382 Die Präfixbildungen

Auch wo das Präfixverb intransitiv bleibt, ist sein 2. Partizip attributiv


verwendbar (vgl. 167):
die erblühte, verblühte Rose, aber nicht: die geblühte Rose.
Über entsprechende Wirkungen der Partikeln in zusammengesetzten
Verben vgl. 668; 674.

b) Die Verbalisierung von Substantiven und Adjektiven durch Präfixe


773 Die Präfixe dienen auch in Verbindung mit dem Verbalsuffix in weitem
Umfange dazu, Verben aus Substantiven und Adjektiven abzuleiten.
Das geschieht zum Teil in Abwandlung bereits vorhandener einfacher Ab¬
leitungen, so daß man über das zugrunde liegende Wort im Zweifel sein
kann:
bestrafen (zu: strafen oder: Strafe), verspotten (zu: spotten oder: Spott), erhärten
* (zu: härten oder: hart).
Oft aber entsteht erst mit Hilfe des Präfixes aus dem Substantiv oder
Adjektiv ein Verb:
versilbern, bemannen, en/fernen.
774 Die Präfixverben gliedern sich in einige der Bedeutungsgruppen ein,
die wir bereits bei den abgeleiteten Verben kennengelernt haben (vgl.
737,4-7)!:
1. Verben des Versehens und Zu Wendens (Ornative):
bekleiden, vergolden, beaufsichtigen, betreuen.
2. Verben des Enteignens (Privative):
entkleiden, entwässern, enteignen, enthärten.
3. Verben des Verwandelns (Effektive):
betören, versklaven, vermassen, verausgaben, zertrümmern, zerstückeln.
4. Verben des Bewirkens (Faktitive):
erhöhen* verbittern, verstaatlichen, zermürben, entblößen, befreien.

2. Die einzelnen Verbalpräfixe


a) Das Präfix be-
775 Be- ist mit „bei“ verwandt und bezeichnet ursprünglich die Richtung
(Gefallen). Daraus entwickelte sich seine transitivierende Wirkung, die
neben Dingen oft auch Personen zu Objekten macht2:
gehen - eine Straße, ein Fest begehen; lachen - einen Witz belachen; einen Menschen
bedrohen, beschimpfen, belohnen, bemitleiden.
Das Präfix be- bildet Verben zu Substantiven, Adjektiven und Verben.
1. Die Bildungen zu Substantiven sind besonders zahlreich und
lebenskräftig. Sie haben meist ornative Bedeutung und gehören oft
der Verwaltungssprache an:
bekleiden, bemannen, beflügeln, bezuschussen, bestreiken. Technische Fach¬
wörter: belichten, beschottern, be^asen u. a. Mit anderer Bedeutung: behaupten,
bewirten.

1 Leo Weisgerber, Verschiebungen, S. 21 ff.


a Zu den Verben mit be- vgl. Leo Weisgerber, a. a. O. S. 99 ff.
Die Präfixe beim Verb 383

Zum Teil sind nur die 2. Partizipien gebräuchlich:


beleibt, begütert, beheimatet.
2. Die Bildungen zu Adjektiven haben faktitive Bedeutung:
beengen, bereichern, betäuben, bekräftigen.
3. Die Bildungen zu Verben wirken meist perfektiv:
bebauen, belassen, beharken, bemogeln, beschmieren, beheben.

b) Das Präfix er-


Er- ist das in der Nebenbetonung vor Verben abgeschwächte ur- (vgl. 776
770). Es bedeutet „heraus, empor, zu Ende“. Demgemäß bezeichnet
es das Einsetzen eines Geschehens oder die Erreichung eines Zweckes.
Das Präfix er- bildet Verben vor allem zu vorhandenen Verben und zu
Adjektiven.
1. Bildungen zu Verben sind inchoativ oder resultativ (vgl. 64):
inchoativ: er blühen, erwachsen, erschrecket, sich ergießen', resultativ: erbitten,
ersteigen.
Nur als Partizipien sind üblich:
erhaben (zu: heben), erlaucht (zu: leuchten), erstunken und erlogen.
2. Bildungen zu Adjektiven gehören der inchoativen Aktionsart
an. Wenn sie transitiv sind, haben sie an der Bedeutungsgruppe der
Faktitive teil:
erfassen, erkalten, erröten; erbittern, erschweren, ergänzen, erneuern, erneuen.
3. Vereinzelt bleiben Bildungen zu anderen Wortarten:
sich ermannen (zu: Mann); erwidern (zum Adverb wider).
Eine auffällige, durch Analogie verbundene Reihe bilden er-Verben mit der Bedeutung
„sterben, töten“:
ertrinken, ersticken, erlöschen, ermorden, erdolchen, erdrücken, ertränken, (über¬
tragen:) ertöten, ersterben.

c) Das Präfix ent-


Reich gegliedert sind die Verben mit ent-. Es bedeutet eigentlich „ent- 777
gegen“, so noch verdunkelt in: Antwort, entgelten. Jetzt be¬
zeichnet es den auf hebenden Gegensatz. In „empfangen, empfehlen, emp¬
finden“ hat sich ent- zu emp- assimiliert, in „empören“ zu em-. Wir
unterscheiden folgende Gruppen:
1. Bildungen zu Verben drücken Gegensatz oder Trennung aus:
Gegensatz: binden - entbinden; ebenso: entfalten, entstören; Trennung: ent¬
ziehen, entsagen, ent wenden.
2. Bildungen zu Substantiven und Adjektiven sind im allge¬
meinen privativ. Sie stellen eine große, für Neubildungen offene Gruppe
dar, die teilweise in Opposition zu ornativen Verben steht:
zu Substantiven: entgleisen, enthaupten, entwesen, entmannen, sich entpuppen;
entehren (gegen: ehren), entschädigen (gegen: schädigen); nur als Partizipien:
entgeistert, entseeZt.
zu Adjektiven: entmutigen, entsehär/en, enteignen.
Verstärkend privativ zu miLrativen Adjektiven: entblößen, entleeren, entfremden,
sich entwerten.
3. Eine Sondergruppe bilden einige inchoative Verben, deren ent-
auf altes in- (= hinein) zurückgeht:
entfachen, entflammen, entzünden, entschlafen, entstehen, sich entsinnen.
384 Die Präfixbildungen

4. Einige Verben lassen sich heute kaum einordnen:


entbehren, entscheiden, entstellen, sich entschließen.

d) Das Präfix ver-


778 Ver- ist schon im Althochdeutschen aus mehreren Partikeln zusammen¬
gewachsen, die „vorbei“, „weg“, „heraus“ bedeuteten. Es bietet bei
großer Wortzahl eine Fülle verschiedenster Inhalte, die im wesentlichen
perfektiver Art sind1.
1. Bei Verben drückt ver- neben einfacher Perfektivierung (ver¬
breiten, verdienen) vor allem das „Verarbeiten“ bis hin zum „Ver¬
derben“ aus, weiter das „Verschließen“ und das „Verbringen“ der
Zeit:
Verarbeiten: ver mahlen, verbrauchen, verkonsumieren; Verderben: verbiegen,
verbrennen, verbluten; Verschließen: verkleben, vernageln, verriegeln, verbergen;
Hinbringen der Zeit: verschlafen, ver tanzen, versäumen.
2. Zu Adjektiven bildet ver- Faktitive, oft mit dem Komparativ,
sowie einige intransitive Verben, die die inchoative Aktionsart be¬
zeichnen :
verschönern, verschönen, verbessern, verbreitern, vergüten, verfremden; ver¬
waisen, vermorschen. Mit einem Adverb: vernichten.
3. Zu Substantiven bildet ver- Effektive und Ornative:
verfilmen, verhärten, verkoken, verkitschen; vergolden, verchromen, verschalen
( = mit Gold usw. überziehen).
Alle diese Gruppen sind offen für Neubildungen. Dabei spielt viel Ge¬
fühlsmäßiges hinein:
verjuxen, verbiestern, veralbern, verdattern; nur als Partizip: verflixt.

e) Das Präfix zer-


779 Zer- drückt die Begriffe der Trennung und Zerkleinerung aus, es ist
stärker als entsprechendes ver-. Seine inhaltliche Leistung läßt sich fort¬
schreitend etwa mit den Stichwörtern „zerschneiden - zerkleinern - zer¬
trümmern - zerstreuen - zerstäuben“ erfassen.
1. Die meisten Bildungen gehören zu Verben :
zerbrechen, zertrennen, zerschlagen, zerreden, zerhämmern, zerbomben, zerstückeln;
intransitiv: zer bersten, zerfallen.
2. Zu Substantiven sind gebildet:
zerlöchern; nur als Partizipien: zerfurcht, zerklüftet, zerlumpt.
3. Zu Adjektiven und Adverbien gehören:
zerkleinern, zermürben, (veralt.:) zernichten.

f) Scheinbare Doppelpräfixe
780 Verben mit zwei Präfixen treten nur mit be- und ver- auf, sie sind aber
Ableitungen aus Präfixsubstantiven und -adjektiven:
beurlauben (aus: Urlaub), beunruhigen, verunglücken, vergesellschaften, verbeamten;
sich veruneinigen (aus: uneinig).
Ein etwaiges drittes Präfix wird dabei unterdrückt:
verunstalten (zu: Ungestalt), Schweiz.: verunschicken (zu: Ungeschick).

1 Vgl. Walter Henzen, Der heutige Bestand der Verben mit ver-, in: Fragen und
Forschungen im Bereich der germ. Philologie (Festgabe f. Th. Frings), Berlin 1956,
S. 173-189. Henzen gliedert z. T. nach anderen Gesichtspunkten.
Präfixe, die bei mehreren Wortarten stehen können 385

Etwas anderes ist es, wenn Präfixverben zu Grundwörtern unfester Zu¬


sammensetzungen werden (vgl. 670):
anerkennen, aibbekommen, vorenthalten, ein beziehen; nufer stehen (nur üblich in den
Formen mit aufer-: auferstanden, wenn er aufersteht).

g) Verbindungen bestimmter Präfixe mit bestimmten Verbalsuffixen


Bestimmte Präfixe werden gern mit bestimmten verbalen Suffixen ver- 781
bunden, vor allem mit -igen (vgl. 746), aber auch mit -ieren (-isieren,
-fizieren; vgl. 748):
beend igen, belobigen, herein igen, be-, entfestigen, verunreinigen; verbarrikadieren,
entnationalisieren, entnazifixieren.
Neben den Bildungen auf -ig- stehen gelegentlich einfache Ableitungen:
Ohne Bedeutungsunterschied: beenden-beendigen, sich befleißen (veralt.) - sich be¬
fleißigen, beeiden - beeidigen. Mit Bedeutungsunterschied: befrieden (= Frieden
schaffen) - befriedigen (= zufrieden machen).

h) Fremde Verbalpräfixe
Fremde Verbalpräfixe sind sehr zahlreich, sie treten nur selten zu deut- 782
sehen Wörtern1:
adoptieren, demontieren, desodorisieren, disponieren, emanzipieren, exhumieren,
inserieren, inhaftieren (deutsches Stammwort!), intervenieren, konferieren, per¬
forieren, prädominieren, produzieren, rezitieren, snöskribieren,. transportieren.

III. Präfixe, die bei mehreren Wortarten stehen können


1. Das Präfix ge-
Ge- bezeichnete wie lateinisch con- ursprünglich die Vereinigung. In 783
dieser Funktion wirkt es heute noch fruchtbar mit der Ableitungssilbe -e
zusammen (Geschreibe, Gebirge; vgl. 694; 706), jedoch nicht mehr allein.
Von Adjektiven mit ge- hat sich nur ein Restbestand erhalten. Sie stehen,
der Herkunft nach oft nicht mehr durchsichtig, neben Substantiven,
Verben und einfachen Adjektiven:
zu Substantiven: geheim, getrost,, gehässig; zu Verben: gemach, gemäß, gewiß (zu:
machen, messen, wissen); zu Adjektiven: gerecht, gestreng; mit verlorenem Stamm¬
wort: genug, gering, geschwind, gesund.
Im verbalen Bereich ist die Grundbedeutung der ,,Vereinigung“ fast
ganz verschwunden (vgl. aber: gerinnen = zusammenrinnen). Aus ihr
ergab sich eine perfektivierende Wirkung, die ge- zum typischen Kenn¬
zeichen des 2. Partizips gemacht hat (vgl. 162). Damit aber schied es als
Mittel verbaler Wortbildung aus. Der überlieferte Bestand an perfektiven
Verben mit ge- vermehrt sich also nicht mehr:
gebieten (zu: bieten), geleiten, gebrechen, gemahnen, gereichen; [ich] geschweige (vgl.
792, 3); mit verlorenem Stammverb: gebären, gelingen, geschehen; verkürzt in:
glauben, gleichen, gönnen.
Nur als Adjektive, aber doch mit eigentlich verbaler Vorstellung werden
einige unmittelbar zu Substantiven gebildete 2. Partizipien gebraucht:
geharnischten: Harnisch),gestiefelt,gelaunt,gewillt, gesittet, gesinnt, gestirnt; ugs.:
gelackmeiert = betrogen.

Vgl. Fußnote S. 381.


386 Besondere Artert der Wortbildung

Bei anderen ist das Verb nur in der Fachsprache üblich:


geköpert (zu: köpern [Webart]), gehörnt, geblümt, gemasert, gepunktet.

2. Das Präfix miß-


784 Miß- nimmt unter den Präfixen eine Sonderstellung ein. Da es kein selb¬
ständiges Wort mehr ist, steht es vor Verben unbetont. Das 2; Partizip
und der Infinitiv mit „zu“ werden also wie bei den anderen Präfixverben
und den festen Zusammensetzungen gebildet (vgl. 664):
mißachten,-mißachtet, zu mißachten; ebenso: mißdeuten, -leiten, -billigen.
Der Sprachgebrauch wird aber unsicher durch andere Formen mit be¬
tonter Partikel wie bei den unfesten Zusammensetzungen (vgl. 667) oder
gar nach dem Muster von „maßregeln“ (vgl. 741):
mißgeachtet,. nilßgeleitet, mißzuachten, sogar: ich mißbilde, mißgebildet, mißzu-
bilden; gemißachtet, gemlßdeutet.
Hier mag einmal der Einfluß von Verben mit scheinbar doppeltem Präfix
wirken, die nach dem Muster von „anerkennen“ betont werden, aber in
allen Formen fest bleiben (vgl. 780):
mißbehagen, mißverstehen, mißgestalten.
Wenn miß- in dieser Weise den Hauptton trägt, bezeichnet es (wie
„un-“, das aber nicht vor Verben treten kann, vgl. 765) besonders deut¬
lich das üble Gegenteil. Damit wird der einstige freie Gebrauch des
Wortes (althochdeutsch missi = verschieden, mittelhochdeutsch mis(se)
= das Fehlen, neuhochdeutsch missen, mißlich, Missetat) wieder ak¬
tiviert, es erhält wieder eigenen Sinn (etwa = fehl, falsch). So erklärt
sich selbst eine scherzhafte Wendung wie „versteh mich nicht miß!“
Betont ist miß- auch vor (teils abgeleiteten) Adjektiven, vor adjektivisch
gebrauchten Partizipien und vor Substantiven:
mißbräuchlich, mißtrauisch, mißtönend, mißvergnügt, mißgelaunt; Mißgunst, Mi߬
griff, Mißernte, Mißkredit (aber: Mißhandlung, weil von „mißhandeln“ abgeleitet).
Diese Bildungen treten neben die Zusammensetzungen mit flexionslosem
Vorderglied (vgl. 657). Auch die substantivierten Infinitive folgen meist
nicht dem Gebrauch bei Präfixverben (z. B. Verhalten), sondern dem bei un¬
festen Zusammensetzungen (z. B. Vorhaben):
Mißtrauen, Mißfallen; aber: Mißlingen.

D. BESONDERE ARTEN DER WORTBILDUNG

I. Wechsel der Wortart

1. Vorbemerkung
785 Bei der Ableitung standen wir vor einem Austausch zwischen den Wort¬
arten, der durch Veränderung des Stammwortes mit Hilfe von Suffixen
erreicht wurde (vgl. 684 ff.). Beim Wortartwechsel tritt das Wort ohne
formale Änderung in eine andere Wortart über. Auch durch dieses Mittel
bereichert die Sprache ihre Ausdrucksmöglichkeiten nicht unwesentlich.
Wechsel der Wortart 387

Es tritt allerdings gegenüber der Ableitung und der Zusammensetzung


an Bedeutung zurück.
Grundsätzlich kann ein Wechsel zwischen allen Wortarten stattfinden.
Jedoch scheidet das Verb als empfangende — nicht als gebende — Wort¬
art aus, da ja bei ihm zumindest die Infinitivendung -en hinzutreten
muß (vgl. 739).

2. Übertritt in die Wortart Substantiv

a) Gelegentliche Substantivierungen
Nach Bedarf können alle deutschen Wörter als Substantive verwandt 786
werden, ebenso einzelne Buchstaben, ganze Wortgruppen und Sätze.
Zur Flexion dieser Substantivierungen vgl. 316. Sie können Artikel und
Attribute zu sich nehmen und werden im allgemeinen groß geschrieben:
Das Dumme, Schorfe [bei dieser Sache]; das Bleibende, die Unvergessenen; das ver¬
traute Du; die letzten acht; Betteln und Hausieren verboten; Sein oder Nichtsein;
genieße das Heute', das lateinische S; das In-den-April-Schicken. Luthers „Hier stehe
ich, ich kann nicht anders“ ist. . .

b) Feste Substantivierungen
Viele ursprünglich gelegentlich verwandte Substantivierungen sind durch
den langen Gebrauch ziemlich fest, ja sogar zu echten Substantiven ge¬
worden (vgl. hierzu 367 f.).

a) Substantive aus Adjektiven (Partizipien)


Bei substantivierten Adjektiven (Partizipien) sind ‘Sach- und Personen- 787
bezeichnungen in allen drei Geschlechtern möglich:
das Deutsche, das Göttliche, das Unbewußte, die Linke, die Elektrische, die Gerade;
der Heilige, der Geistliche, der Gläubige, die Schöne, das Kleine (= Kind), der Rei¬
sende, der Abgeordnete, der Beamte.
Adjektive, die zu echten Substantiven geworden sind, werden nicht mehr
wie ein Adjektiv, sondern wie ein starkes Substantiv dekliniert. Sie sind
meist Neutra:
das Gut (des Gutes, nicht: des Guten), das Fett, das Recht, das Grün, das Hoch,
das Deutsch, das Unentschieden; aber: der Stolz, der Jünger, der Gläubiger.
Der Superlativ eines untergegangenen Adjektivs ist enthalten in: Fürst (vgl. engl .first),
alte Partizipien in: Heiland, Freund, Feind. Manche Bildungen dienen als verhüllende
Namen für göttliche und dämonische Wesen: der Allmächtige, dw Leibhaftige, der Böse.
Ausgang der Entwicklung ist in manchen Fällen eine Ellipse (Auslassung) des ursprüng¬
lich zugehörigen Substantivs. Das gilt auch für gelegentliche Substantivierungen. Meist
aber werden die Formen unmittelbar in Analogie zu bereits vorhandenen gebildet:
die Gerade [Linie], der Geistliche [Herr]. Du ziehst mir nicht das Grüne [Kleid] an,
weil ich’s nun mal nicht leiden kann (W. Busch).

ß) Substantive aus Verben


Zur Substantivierung von Verben wird meist die Infinitivform benutzt. 7 88
Diese Bildungen haben alle neutrales Geschlecht:
das Leben, das Essen, das Wandern, das Leiden, das Verbrechen, das Dasein, das
Einkommen; isoliert: das Wesen, das Darlehen; zusammengerückt: das Autofahren,
das Schiläufen, das Segelfliegen, das Großreinemachen.
388 Besondere Arten der Wortbildung

In einigen Fällen sind deutsche und fremde Personalformen zu Sub¬


stantiven geworden:
Jedes Werde ist heilig, wie das erste Werde war (Rilke); das Soll, das Debet (lat. =
er schuldet), das Plazet (lat. = es gefällt), das Kredo (lat. = ich glaube).

y) Substantive aus anderen Wortarten, aus Buchstaben und aus Suffixen

789 Substantive aus anderen Wortarten sind zumeist Gelegenheitsbildungen.


Zu den festen Begriffen gehören:
aus Pronomen : das Du, das Nichts, das Seine; aus Zahlwörtern : die Eins usw.
(Ziffer), das Hundert; aus Partikeln: das Jenseits, das Auf und Ab, der Garaus,
der Rechtsaußen, mein Gegenüber, das Aus (im Sport), [die Philosophie des] Als-ob,
das Wenn und Aber; aus Interjektionen: mit Ach und Weh, das Hurra, der
Plump [s], der Kladderadatsch; aus Suffixen : der Ismus; aus Buchstaben: das
A und [das] 0, das hohe C.

6) Substantive aus Sätzen und Präpositionalgefügen

790 Ganze Sätze erscheinen als Substantive in den sog. Satznamen (vgl. 624).
In seltenen Fällen sind Präpositionalgefüge ohne besonderes Suffix sub¬
stantiviert worden:
der Vormittag, Nachmittag (aus: vor, nach Mittag); die Mitternacht (aus: mhd. ze
mitter [= halber] nacht); das Zuhause (aus: zu Hause).

3. Übertritt in die Wortart Adjektiv


791 In die Wortart Adjektiv sind in begrenzter Anzahl Substantive und Ad¬
verbien übergetreten.
Von Substantiven kommen z. B.:
ernst, schade, freund, feind, angst, schuld, not. Farbbezeichnungen: orange, rosa,
reseda. Herkunftsbezeichnungen auf -er: Frankfurter Würstchen.
Zur Deklination dieser Bildungen vgl. 329, l,ß; 362.
Aus Adverbien entstanden die. Adjektive:
zufrieden, behende, selten, vorhanden.
Zur attributiven Verwendung der Adverbien auf -weise vgl. 562.

4. Übertritt in die Wortart Partikel


792 Viele Partikeln sind erstarrte Kasusformen von. Substantiven und Ad¬
jektiven oder erstarrte finite Verbformen:
i. Erstarrte Kasus des Substantivs (Pronomens)
Es handelt sich hier um die Genitive, Dative und Akkusative von
alleinstehenden einfachen oder zusammengesetzten Substantiven.
Diese Kasus sind heute oft nicht mehr erkennbar:
Nominativ: dank; Genitiv: abends, morgens, anfangs, spornstreichs, flugs,
nichts, anders, namens; Dativ: mitten, morgen, gestern, veralt.: traun, wei¬
land; Akkusativ: heim, weg, weil, fehl; Präpositionalfall: kraft (aus:
in, durch Kraft), laut (aus: nach [dem Wort]laut).
Bildung von Kurzformen und Kurzwörtern 389

2. Erstarrte Kasus des Adjektivs (Partizips)


Genitiv: links, rechts, unversehens, vergebens, eilends, während; Dativ:
einzeln; Akkusativ : genug, meist.

3. Erstarrte finite Verbformen


geschweige, bewahre, gelt (süddt., mitteldt. = es gelte, es möge gelten), nur (aus:
althochdt. niwari = wäre es nicht).

II. Bildung von Kurzformen und Kurzwörtern

Die Verkürzung der sprachlichen Ausdrucksformen, insbesondere der


Wörter, ist nicht erst eine Erscheinung der Gegenwartssprache. Sie hat
aber in unserem technischen und bürokratischen Zeitalter bei dem großen
Bedarf an neuen Wörtern eine früher unbekannte Bedeutung gewonnen.
Es handelt sich dabei einmal um die Verkürzung überlieferter Wörter
um einzelne Laute und Silben, zum anderen um die Bildung neuer Wörter,
die von vornherein als Kurzformen gedacht sind.

a) Ausfall unbetonter Silben


Wenn im Laufe der Sprachgeschichte unbetonte Silben abgeschliffen 793
werden, so kann ein ursprünglich zusammengesetztes Wort schließlich
wie ein einfaches Wort aussehen (Jungfer aus: Jungfrau, vgl. 629), oder
es können verschiedenartige Ableitungssuffixe lautlich zusammenfallen
(vgl. die drei -e-Suffixe, 693 f. und 705 f.). Anders ist es, wenn ganze
Präfixe und Suffixe weggelassen werden, um den sprachlichen Ausdruck
leichter und zugleich straffer zu gestalten (vgl. 695; 730). So entstanden
z. B.
Ausdruck (aus: Ausdrückung), ideal (aus: idealisch), fühllos (neben: gefühllos),
schmeidig (neben: geschmeidig).

b) Verkürzung zusammengesetzter oder langer Wörter


Wie jede Zusammensetzung, verglichen mit einer entsprechenden syn- 794
taktischen Fügung, schon eine Kurzform ist (vgl. 612), so kann sie auch
selbst gelegentlich verkürzt werden. So wird in dreigliedrigen Zusammen¬
setzungen gern das Mittelglied weggelassen (sog. Klammerformen):
Ölzweig statt: öl(baum)zweig, Hustenmischung statt: Husten(bonbon)mischung,
Fernamt statt: Fern(sprech)amt.
In den meisten Fällen wird allerdings das Kompositum von vornherein
zweigliedrig gebildet.
Häufig gebrauchte Zusammensetzungen werden in der Umgangssprache
gern um ein Glied gekürzt, damit sie bequem auszusprechen sind:
Ober (aus: Oberkellner), Auto (aus: Automobil), Kilo (aus: Kilogramm), Foto (aus:
Fotografie); mit Verkleinerungssufflx (vgl. 724): Pulli (aus: Pullover). Mit falscher
Abtrennung: Echse (aus: Eidechse).
Dasselbe geschieht auch mit langen Fremdwörtern:
Lok (aus: Lokomotive), Labor (aus: Laboratorium), Uni (aus: Universität), Bus
(aus: Omnibus).
Kurzwörter dieser Art können selbst wieder Bestandteile von Zusam¬
mensetzungen und Grundlage von Ableitungen werden:
Lokführer, kiloweise, fotogen, Busschaffner; Autler.
390 Besondere Arten der Wortbildung

Etwas anderes ist es, wenn von der Zusammensetzung nur das zweite Glied (Grundwort)
gebraucht wird, weil das Bestimmungswort aus dem Sachzusammenhang selbstverständ¬
lich ist:
Bing statt: Fingerring, Wagen statt: Kraftwagen, Eisen statt: Hufeisen, Bügel¬
eisen usw.
Hier liegt in den meisten Fällen keine Wortkürzung vor, sondern die Anwendung einer
allgemeinen Bezeichnung auf die häufigsten oder im Augenblick wichtigsten Erschei¬
nungsformen der Gattung.

c) Wortbildung aus Buchstaben und Teilen von Wörtern


795 Einen großen Umfang hat in der Neuzeit — nicht nur in der deut¬
schen Sprache — der wortartige Gebrauch von Abkürzungen angenom¬
men. Zum Unterschied von nur graphischen Abkürzungen (usw., z. B.,
i. A.), die meist im vollen Wortlaut ausgesprochen werden, bilden hier
die zusammengerückten Buchstaben selbst das Wort. Wir unterscheiden:
1. Abkürzungen, deren Einzelbuchstaben mit ihrem Lautwert aus¬
gesprochen werden. Dabei werden teilweise auch Silben und Silben¬
teile der abzukürzenden Wörter verwandt:
Agfa(= Aktiengesellschaft /ür Anilinfabrikation); Hapag (= Hamburg-Ame¬
rikanische Packetfahrt-Actien^esellschaft); DIN (= Deutsche /iidustrie-Norm);
Flak (= PZugabwehrkanone); Schupo (= Schutzpolizei) u. a.
2. Abkürzungen, die mit dem Buchstabennamen ausgesprochen
werden:
BGB (= Bürgerliches Gesetz&uch; gesprochen: be-ge-be*), DB (= Deutsche
Bundesbahn), Edeka (= Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler),
LKW (= Lastkraftwagen). Alt ist: Abc.
3. Kunstwörter aus Teilen meist fremder Stoffbezeichnungen, be¬
sonders bei Markennamen des Handels:
Persil (aus: Perborat und /SWikat), Indanthren (aus: Indigo uhd Anthr&zeri),
Eulan (aus: griech. eu = gut und lat. lana, = Wolle) uäw.
Selbst einzelne Buchstaben werden mit Wörtern verbunden oder ver¬
schmolzen:
D-Zug, U-Bahn; Krad (== Kraftrad).
Kurzwörter dieser Art können Teile von Zusammensetzungen werden:
Obraldruck (aus: Oskar Brandstetter, Leipzig), K.-o.-Schlag (= Knockout¬
schlag), Kradschütze.

IM. Wortbildung durch Verdoppelung

796 Silben- und Wortverdoppelung (Iteration1) ist ein altes Mittel vieler
Sprachen, das der Verstärkung des Ausdrucks und selbst der Mehrzahl¬
bildung dienen kann. Im Deutschen gehören verdoppelte Silben und
Wörter meist der Umgangssprache oder der Spräche des Kindes an.
Einfache Verdoppelungen sind etwa:
jaja, soso; plemplem (= verrückt); als Substantive: Mama, Papa, Popo, Wau¬
wau, Weh weh; schriftsprachlich: Kuckuck.

1 Lat. iteratio = Wiederholung.


Wortmischung 391

Zu diesen Verdoppelungen kann man auch Bildungen rechnen wie:


tagtäglich, wortwörtlich.

Ihnen nahe stehen Bildungen mit lautmalendem Ablaut:


zickzack, ticktack, das Bimbam, der Singsang

und mit Reimwort:


Hokuspokus, Klimbim, Schorlemorle (Getränk).

IV. Wortmischung (Kontamination)


Unter Wortmischung (Kontamination1) versteht man das Ineinander- 797
rücken von zwei Wörtern, die gleichzeitig in der Vorstellung des Sprechen¬
den auftauchen und von ihm versehentlich in ein Wort zusammenge¬
zogen werden (z. B. hintertückisch [aus: hinterlistig und heimtückisch]).
Solche Fälle des „Versprechens“ werden vom Sprecher meist sofort be¬
richtigt und finden daher kaum Eingang in die Schriftsprache, eher
schon in die Mundarten.
Eine fehlerhafte Wortmischung ist z. B. Gebäulichkeiten (aus: Gebäude und Bau¬
lichkeiten), ebenso anormal (aus: anomal und ab norm).
Ziemlich häufig werden jedoch Wortmischungen absichtlich geschaffen,
um scherzhafte oder satirische Wirkungen zu erzielen:
Aufkläricht (aus: Aufklärung und Kehrieht, geprägt von H. Leo, 1840); Marlit-
teratur (aus: Marlitt und Literatur, geprägt von O. Ernst); Melancholik (aus:
Melancholie und Kolik, geprägt von H. Heine); Kompromißgeburt, Medizyniker,
Modeschauerliches u. a.

V. Volksetymologie
Von Volksetymologie spricht man, wenn ein unbekanntes Wort der 798
eigenen Sprache oder ein Fremdwort in naiver tVeise verdeutlicht wird,
indem es ganz oder teilweise an bekannte, klangähnliche Wörter der
eigenen Sprache angelehnt wird (vgl. 628 f.):
Friedhof (nicht zu Frieden, sondern aus mhd. vrithof = eingefriedeter Hof); Gras¬
mücke (nicht zu Mücke, sondern aus altem grasa-smucka — Vogel, der sich durch
das Gras schmiegt); Murmeltier (nicht zu murmeln, sondern aus lat. mure(m)
mont(is) = Bergmaus); Armbrust (nicht zu Arm und Brust, sondern aus lat.
arcubällista = Bogenschleuder); Hängematte (nicht zu hängen und Matte, sondern
aus indianisch hamaca).

Auch hier sind scherzhafte Umdeutungen beliebt:


Zuflöte statt: Souffleuse, ratzekahl statt: radikal, Spätnik (nach: Sputnik) für den
amerikanischen Erdsatelliten, weil er später als der sowjetische startete.

1 Lat. contaminatio = Befleckung, Verunreinigung.


Der Inhalt des Wortes
und die Gliederung des Wortschatzes
Wie die Überschrift bereits zeigt, soll in diesem Kapitel nicht nur von
der herkömmlichen Wortbedeutungslehre gesprochen werden, sondern vor
allem von der inneren Ordnung unseres Wortschatzes, auf den die inhalt¬
bezogene Sprachbetrachtung unseren Blick gelenkt hat und von der der
eigentliche Inhalt eines Wortes mitbestimmt ist. Dabei ist es notwendig,
bereits vom einfachen Laut auszugehen, weil damit zu rechnen ist, daß
allen Sprachmitteln eine bestimmte inhaltliche Leistung zukommt.

A. DER INHALT DES WORTES

I. Vorbemerkung über Stil- und Sprachschichten


799 Bevor wir uns d^r Betrachtung der Wortinhalte zuwenden, ist es nötig»
etwas über die Stil- und Sprachschichten zu sagen, denen die Wörter an¬
gehören, d. h., in denen sie gebraucht werden oder gebraucht werden
können. Diese Schichten sind nicht leicht abzugrenzen. Die Wörterbücher
pflegen den Stil wert eines Wortes mit poetisch, vulgär, familiär u. ä. an¬
zugeben. Für die Sprachschichten stehen Bezeichnungen wie Mundart, All¬
tagssprache, Umgangssprache, Gemeinsprache, Verkehrssprache, Fach¬
sprache, Sondersprache, Schriftsprache, Literatursprache, Hochsprache
und Bühnensprache zur Verfügung.
Diese Ausdrücke weisen auf eine vielfältige Gliederung unserer Sprach¬
gemeinschaft hin, aber sie sind keineswegs alle ausreichend geklärt.
Einmal ist mit einer horizontalen (geographischen) Gliederung zu rechnen (Mundarten
usw.), zum anderen mit einer vertikalen (soziologischen) Gliederung (Standessprachen
usw.). Eine gute Darstellung dieser komplizierten Verhältnisse bietet W. Porzig in seinem
Kapitel über „Die Sprachgemeinschaft“1.
Besonders für die Varianten des Hochdeutschen reichen die begrifflichen Unterschei¬
dungen nicht aus. Wenn man mit W. Porzig Alltagssprache für die hochdeutsche
Sprachform vorbehält, die im täglichen Umgang der Menschen angewendet wird (S. 251),
Gemeinsprache für die gemeinsame Sprache, die verschiedene Mundarten zu höherer
Einheit verbindet (S. 225), Umgangssprache für die Mittelstufen zwischen Mundart
und Gemeinsprache (S. 227) und Hochsprache für die gehobene Sprachform, die die
Begriffe Schriftsprache und Literatursprache mit umgreift (S. 255), so sind damit noch
nicht alle Feinheiten erfaßt.

1 Vgl. W. Porzig, Das Wunder der Sprache, 2. Aufl. 1957, S. 212-270.


Der Laut 393

Es gibt z. B. bestimmte Sprachformen, die ein Du-Verhältnis voraussetzen; andere, die


die Höflichkeitsform wahren, ohne den vertraulichen Charakter zu verlieren. Im Umgang
mit Menschen anderer Gesellschaftsschichten können bestimmte Zwischenformen auftre-
ten usw. Solange darüber noch keine eingehenden Untersuchungen vorliegen, ist eine be¬
griffliche Regelung nicht möglich. Jedenfalls ist jeder Sprecher in mehreren Sprachformen
zu Hause. Er wechselt sie je nach Bedarf.

Für uns ist aber die Sprachform wichtig, die man als die für die Sprach¬
gemeinschaft verbindliche hochsprachliche Norm bezeichnen kann.
Es ist die Schicht, die in der Literatur, in Presse und Rundfunk als
korrekt und richtungweisend anerkannt ist. Diese deutsche Hochsprache
ist, auch wenn sie von keinem Angehörigen der Sprachgemeinschaft
in voller Reinheit gesprochen wird, keine Fiktion, sondern eine Wirk¬
lichkeit im vollen Sinne des Wortes. Sie gewinnt ständig an Einfluß,
besonders auf Kosten der Mundarten, die langsam, aber ständig zu
rückgehen, so sehr man das auch bedauern mag. Die sogenannte Bühnen¬
sprache stellt nur besondere Forderungen an die Aussprache, ist aber keine
eigene Sprachform in diesem Sinne.

II. Der Laut

Es gibt in der deutschen Sprache eine Reihe von Wörtern, deren Lautung 800
uns Hinweise gibt auf das, was mit ihnen gemeint ist1.
Kikeriki und Kuckuck, wau, wau und mäh, mäh ahmen bestimmte Tier¬
stimmen nach, es sind lautmalende (onomatopoetische) Bildungen.
Allerdings lehrt uns genauere Beobachtung, daß kein Hahn kikeriki
kräht und kein Hund wau, wau bellt. Die deutschen Wörter zeigen nur
eine oberflächliche Verwandtschaft mit den Tferstimmen, es sind keine
einfachen Imitationen, sondern Wörter mit den gewohnten Lautmitteln
und dem üblichen Silbenbau unserer Sprache. Im Französischen schreit
der Hahn coquerico, im Englischen cock-a-doodle-doo usw. Die Wörter
sind nicht verschieden, weil dort andere Tierlaute erschallen — was an
sich auch denkbar wäre —, sondern weil in jeder Sprache die Tierlaute in
die Hörweise ihrer Sprecher umgesetzt und mit ihren lautlichen Möglich¬
keiten ausgedrückt werden. Der Inhalt dieser Wörter aber ist durchaus
von den Tierlauten her zu verstehen, die an unser Ohr dringen.
Etwas anders steht es schon, wenn wir Tierstimmen als bellen, blöken, 801
brummen, brüllen, gackern, grunzen, gurren,* krächzen, krähen, quaken;
summen, zwitschern usw wiedergeben. Auch hier scheint uns, wenn auch
in verschiedener Stärke, eine Verwandtschaft zum Tierlaut spürbar, aber
die Entfernung der Wörter zu den tatsächlichen Tierstimmen hat sich
doch erheblich vergrößert. Auch zeigt sich bei genauerem Hinhorchen
eine ziemliche Willkür in der Verknüpfung des Tieres mit dem zuge¬
ordneten Verb2.
Manchen Tieren wird ein eigenes Verb für ihre Stimme zugebilligt, mehrere andere müs¬
sen sich in ein Verb teilen. Nur das Pferd wiehert, nur der Hahn kräht, nur die Taube
.gurrt. Dagegen zwitschern viele Vögel, summen und brummen alle Bienen, Hummeln,
Wespen und Käfer, obwohl sie gar keine Stimmen haben, sondern das Geräusch mit

1 Vgl. dazu auch Walter Porzig, Das Wunder der Sprache, 2. Aufl. 1957, S. 20-30.
1 Vgl. Leo Weisgerber, Vom Weltbild der deutschen Sprache II, 1, 1953, S. 123-
126 und 131.
394 Der Inhalt des Wortes

den Flügeln erzeugen. Aber auch der Bär brummt. Wer hat diese Geräusche je verglichen ?
Sehr verschiedene Tierstimmen wie die des Rindes und des Löwen werden mit dem glei¬
chen Verb brüllen gefaßt, ziemlich ähnliche Stimmen wie die der Frösche und der Krähen
werden durch krächzen und quaken deutlich auseinandergehalten.

Die Zuordnung von Tier und Verb ist also keineswegs rein sachlich zu
begründen, sondern es spielt offenbar der Zufall eine Rolle, zumindest
lassen sich keine greifbaren Motive erkennen. Uns sind die heute geltenden
Zuordnungen so vertraut, daß wir sie als fest und unabänderlich be¬
trachten. Aber krächzen konnte z. B. im 16. Jahrhundert auch von
Schweinen gesagt werden, und der Dichter Freidank (13. Jahrhundert)
sagt gurren sogar von einem Esel1.

802 Ähnliche Beziehungen von Laut und Sinn liegen auch vor, wenn wir vom
Surren der Nähmaschine, vom Zischen des Wasserkessels und vom
Klappern der Topfdeckel sprechen. Lautmalende Wörter sind in unserer
Sprache ziemlich zahlreich vorhanden, es können auch jederzeit neue
Bildungen dieser Art geschaffen werden.

Auch Wörter wie spitz und Blitz, Gruft und Höhle scheinen uns lautlich
recht angemessen. Wir hören das Spitze, das Blitzartige, das Dunkle und
Geheimnisvolle der Gruft und der Höhle aus den hellen und dunklen
Vokalen und den Konsonanten Verbindungen heraus. Aber es wird be¬
denklich, wenn wir solche Beziehungen zwischen Laut und Sinn in allen
Sprachmitteln zu entdecken hoffen: tief paßt z. B. gar nicht dazu, es
müßte dann schon eher tuf heißen.

Blicken wir wieder aufs Französische und Englische, so zeigt sich, daß dort ganz andere
Lautungen als angemessen empfunden werden. Spitz: franz. pointu; engl, sharp. Blitz:
franz. Eclair; engl, lightning usw.

Wir hören also mehr in die eigene Sprache hinein oder aus ihr heraus, als
in ihr steckt bzw. ein Ausländer in ihr entdecken würde, wenn er die
Wörter zu beurteilen hätte. Ihm scheinen die Lautungen seiner Mutter¬
sprache angemessener. Künstlerisch veranlagte Menschen sind sehr viel
empfänglicher für solche Klangwirkungen als Verstandesmenschen.

Alle Versuche, einzelnen Lauten eine Eigenbedeutung zuzuerkennen,


müssen also, aufs Sprachganze gesehen, zum Scheitern verurteilt bleiben.

1 Vgl. Walter Porzig a. a. O., S. 376.


Die Leistung der lautlichen Mittel 395

Wohl ist es möglich, einzelnen Lauten eine bestimmte Disposition zum


sinnlichen Ausdruck bestimmter Gefühlswerte zuzuerkennen. Die dunkeln
Vokale a, o und u z. B. mögen gewissen Gefühlslagen günstiger sein als die
hellen Vokale e und i. Das spürt man in manchen lyrischen Gedichten
sehr deutlich. Entsprechend können auch die Konsonanten bestimmte
Gefühlsakzente unterstreichen. Aber man kann hier höchstens von Mög¬
lichkeiten sprechen, nie von Notwendigkeiten. Die wachsende Zeichen-
haftigkeit der Sprache, die sich unter anderem darin zeigt, daß der Laut
vornehmlich geistigen Funktionen dient, ist so ausgeprägt, daß die Laut-
Sinn-Bezüge am Rande bleiben müssen. Beobachtungen wie die, daß in
vielen Sprachen z. B. die Wörter für hier helle Vokale, dagegen die Wörter
für dort dunkle Vokale enthalten, lassen keine allgemeinen Folgerungen
zu. — So können jvir uns zwar an einem Gedicht wie Josef Weinhebers
schöner Ode „An die Buchstaben“ erfreuen, aber keinen wissenschaft¬
lichen Maßstab für die Bewertung einzelner Laute daraus entnehmen.

III. Die Leistung der lautlichen Mittel in Wortbildung


und Flexion
In ganz anderer Weise werden bestimmte Lautungen, Einzellaute und 803
Silben bedeutsam, wenn sie als Vor- oder Nachsilben (Prä- oder Suffixe)
oder als Flexionsendungen usw. zu formalen Kennzeichen bestimmter
Funktionen in der Wortbildung und im Satzzusammenhang werden.
Hier ist der Laut reines Zeichen für Funktionen, die ebensogut auch von
anderen Lauten übernommen werden könnten. Jedenfalls ist es ange¬
sichts der Tatsache, daß verschiedene Lautungen die gleiche gramma¬
tische Form (z. B. einen Kasus) kennzeichnen können, ausge¬
schlossen, bestimmten Lauten als solchen eine bestimmte Leistung zu¬
zuerkennen. Die Geltung dieser Lautmittel ergibt sich vielmehr aus dem
Formensystem und der Struktur unserer Sprache, die wir mit all ihren
Unregelmäßigkeiten erlernt haben, so daß uns ihre zahlreichen In¬
konsequenzen gar nicht bewußt werden. Diese formalen Mittel leiten
unser Verständnis auf Schritt und Tritt, auch beim Auffassen noch nie
gehörter Wörter.
Wer deutsch kann, erkennt ohne weiteres, daß ein Wort wie Düsung (wir haben es ge¬
rade erfunden) ein Substantiv sein muß. Auch ohne Artikel ist das der Fall, weil uns die
Endung -ung als Substantivsufflx bekannt ist. Wer friegeln hört (auch das ist reine Phan¬
tasie), wird es als Verb erkennen und ohne weiteres ein Präsens dazu bilden können:
ich f riegele, du /riegelst, er friegelt usw. Wer lachig hört (es wäre möglich für den Gesichts¬
ausdruck eines wohlgelaunten Menschen), der weiß, es kann nur ein Adjektiv sein.

Allerdings müssen wir gleich einschränkend bemerken, daß uns dabei


ein in langer Gewohnheit geschultes Einordnungsvermögen leitet, denn
die formalen Mittel allein garantieren nicht, daß wir die Wörter richtig
verstehen. Düsung wird vielleicht blitzschnell als Ableitung von Düse
interpretiert, friegeln in Analogie zu striegeln verstanden und lachig an
lustig usw. angeschlossen.
Daß z. B. die Endung -er in Bäcker einen Menschen anzeigt, in Schalter
dagegen eine Sache, entnehmen wir nicht der Endung, sondern dem
Umstand, daß wir wissen, was gemeint ist. Bei süßer wiederum wissen
396 Der Inhalt des Wortes

wir, daß es eine Form des Adjektivs süß sein muß, aber so isoliert können
wir nicht sagen, welche. (Vergleiche: ein süßer Junge, ein Hauch süßer
Düfte, Küsse süßer als Wein).

IV. Das Wort


1. Die herkömmliche Wortbedeutungslehre

a) Die Semasiologie
a) Allgemeines
804 Die Semasiologie1 ist jene Wissenschaft, die sich seit ihrer Begründung
durch Chr. K. Reisig (in dem Jahrzehnt zwischen 1820 und 1830) mit
der Bedeutung der Einzelwörter beschäftigt, und zwar vornehmlich mit
der Bedeutung von Wörtern der Hauptwortarten (Verb, Substantiv, Ad¬
jektiv). Zwar kann sie sich ebensogut auch der Bedeutung aller Bestand¬
teile der Sprache, angefangen vom Laut bis zum Satz, zuwenden, aber
hier — im Bereich der „Vollwörter“ — liegt ihr eigentliches Schwer¬
gewicht.
In der Regel wird von der Lautung eines Wortes ausgegangen und nach
ihrer Bedeutung gefragt, d. h. danach, was mit ihr gemeint ist bzw. woran
man denkt, wenn man sie gebraucht. Dabei wird — einem Zuge des aus¬
gehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts folgend — psycho¬
logischen Gesichtspunkten ein weiter Raum zugestanden: Man denkt
sich die Bedeutung als Verknüpfung der Lautung mit bestimmten Vor¬
stellungen im Einzelmenschen. Da sich diese Vorstellungen unter be¬
stimmten Bedingungen ändern können, kann sich ein Bedeutungswandel
ergeben, dem besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird2.

ß) Ihre Arbeitsweise
1. Die Erschließung der „eigentlichen“ Wortbedeutung
805 Lange Zeit war es üblich, die Frage nach der Bedeutung eines Wortes
mit der weiteren Frage zu verbinden, wie das Wort zu dieser Bedeu¬
tung gelangt ist. Die Blickrichtung war damit rückwärts gewandt.
Sie führte in die Sprachgeschichte hinein und zielte folgerichtig auf
die Erschließung der ursprünglichen oder „eigentlichen“ Bedeutung
des Wortes. Dabei berührte sie sich in vielem mit der Etymologie,
d. h. jener Forschungsrichtung, die mit den Mitteln einer ausgereiften
Methode die lautliche Grundform der Wörter zu erschließen sucht
und dann erst nach deren Bedeutung fragt.
Beispiele:
Bei einem Wort wie neuhochdeutsch Wand wäre demnach aiizugeben, daß es ur¬
sprünglich zu winden gehört und eigentlich das Gewundene bedeutet, nämlich das
Flechtwerk, aus dem in früherer Zeit die Hauswände hergestellt wurden. Vom Fach¬
werkbau kennen wir das heute noch. Die Methoden des Hausbaues haben sich ge¬
ändert, das Wort Wand aber ist geblieben.

1 Griech. seitiasia = Bedeutung.


1 Eine zusammenfassende Darstellung dieser Forschungsrichtung bietet Heinz Kro-
nasser in seinem Handbuch der Semasiologie, Heidelberg 1952.
Das Wort 397

Oder bei einem Fremdwort wie Snob wäre zu sagen, daß es wahrscheinlich aus dem
England des 18. Jahrhunderts stammt: Seit dieser Zeit konnten auch Bürgerliche
in englische Adelsschulen wie Eton usw. aufgenommen werden. Sie wurden mit dem
Vermerk s(ine) nob(ilitate) (ohne Adel) in die Schülerliste eingetragen. Da sich
diese meist aus reichen oder neureichen Familien stammenden Bürgerlichen nicht
immer entsprechend zu benehmen wußten und häufig protzerhaft auftraten, um es
ihren adligen Mitschülern gleichzutun, wurde die Abkürzung Snob zur Bezeichnung
für stutzerhafte Großtuer (Kluge, Etymologisches Wörterbuch).

2. Der Bedeutungswandel
Dabei wurde man in den meisten Fällen zugleich darauf aufmerk¬
sam, daß sich im Laufe der Zeit ein Bedeutungswandel vollzogen hat.
Diese Entdeckung schien so wichtig, daß man, dem Vorbild der
Altphilologie folgend, die auf diesem Gebiet richtungweisend war,
lange Zeit unter Bedeutungslehre die Lehre vom sogenannten Be¬
deutungswandel ^verstand.
a) Grundbegriffe
Betrachtet man die Wörter unter dem Gesichtspunkt ihres Be¬ 806
deutungswandels, so ergeben sich verschiedene Möglichkeiten:
Die Bedeutung eines Wortes kann sich erweitern oder verengen,
verbessern oder verschlechtern, von einem Gegenstand auf den
anderen übertragen werden usw. Entsprechend sind in der Sema¬
siologie verschiedene Fachterminologien aufgebaut worden, die
sich je nach dem Standpunkt der einzelnen Forscher voneinander
unterscheiden1.
Bedeutungserweiterung:
machen bedeutet ursprünglich kneten, streichen und konnte nur vom Lehm
und dergleichen gesagt werden. Deute kann eine Vielzahl von Tätigkeiten
mit machen ausgedrückt werden. Die Ausweitung der Bedeutung soll mit der
Wichtigkeit des Lehmbaues in alter Zeit Zusammenhängen.
Caesar, der Eigenname eines römischen Feldherrn und Staatsmannes, wird
als Kaiser zur Bezeichnung für ein monarchisches Staatsoberhaupt.

Bedeutungsverengerung:
Hochzeit, ursprünglich ein Wort, das hohe kirchliche und weltliche Feste be-
zeichnete, besonders jene Kirchenfeste, die länger als einen Tag dauern,
wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten, wird auf die Eheschließung einge:
schränkt. Dieser Wandel hängt einmal mit dem Vordringen des Lehnwortes
Fest (lat. festum) im 13. Jh. zusammen, zum anderen damit, daß das Wort
Brautlauf (brüta uf) und vor allem das dazugehörige Verbum briuten (sprich:
brüten) einen ausgesprochen anstößigen Sinn annahm.
Schirm, eigentlich Schutz, Schild oder schützender Gegenstand, wird speziell
auf den Regen- oder Sonnenschirm eingeschränkt. Spricht man nur von
Schirm, ist in der Regel ein Regenschirm gemeint. Sonst braucht man meist
Zusammensetzungen wie Lampen-, Ofenschirm usw.

Bedeutungsverbesserung:
Marschall, einst der Pferdeknecht (mittelhochdeutsch marschalc, darin steckt
unser Wort Mähre und Schalk im Sinne von Knecht) wird zur Bezeichnung

1 Die Beispiele sind teilweise entnommen aus: Kluge, Etymologisches Wörterbuch,


17. Auf!., Berlin 1957; Walter Porzig, Das Wunder der Sprache. Probleme, Metho¬
den und Ergebnisse der modernen Sprachwissenschaft. 2. Aufl., Bern 1957 (Porzig);
H. Sperber, Einführung in die Bedeutungslehre, Bonn und Leipzig 1923.
398 Der Inhalt des Wortes

eines Feldherrn. Eingewirkt hat das altfranzösische mareschal. Der Bedeu¬


tungsübergang ist vermittelt durch den Aufseher des fürstlichen Gesindes
auf Reisen und Heerzügen.
Bedeutungs Verschlechterung:
Dienstmann, einst ein angesehenes Wort für Diener und Vasallen hoher
Herren, wird zur Bezeichnung für den Gepäckträger.
Dirne, einst ein ehrendes Wort für Mädchen und Jungfrau, das auch von
der Gottesmutter Mariä gebraucht werden konnte, sinkt zu der heutigen
schlechten Bedeutung herab, weil es wahrscheinlich zunächst als be¬
schönigendes Deckwort gebraucht wurde.
Alle beschönigenden Wörter für anstößige Dinge sinken erfahrungsgemäß
zu der Bedeutung herab, die sie verhüllen sollen, und müssen durch neue
Deckwörter ersetzt werden.
Bildliche Übertragung (Metapher):
Verwendung eines Wortes außerhalb seines eigentlichen Bereichs mit dem
Bewußtsein, daß und woher es übertragen ist. Verblaßte Metaphern sind kei¬
ne mehr (Porzig). Lahme Entschuldigung, beißender Schmerz usw. König der
Tiere für Löwe, Frühling des Lebens für Jugend usw.
Namensvertauschung (Metonymie):
Chauffeur, eigentlich der Heizer auf der Lokomotive der Dampfeisenbahn,
wird für den Autofahrer gebraucht, der nichts mehr mit Heizen zu tun hat.
Bedeutungsverhüllung (Euphemismus):
entschlafen statt sterben, vollschlank statt dick.
Eine Sonderform der Verhüllung ist das sogenannte Tabu. Bestimmte Dinge
dürfen aus Aberglauben nicht genannt werden, um böse Einflüsse abzuwen¬
den : Der Bär wird der Braune genannt usw.
Volksetymologie:
Irrige Deutung der Ursprungsbedeutung eines Wortes auf Grund der Laut¬
form: Maulwurf soll etwas mit Maul zu tun haben. Dieses Maul geht in
Wahrheit auf ein altes mult oder molt zurück, das Erde bedeutet.
Maultier andererseits ist kein Tier mit einem besonders auffälligen Maul.
Der Bestandteil Maul geht auf das lateinische Wort mulus für dieses Saum¬
tier zurück (vgl. 628, ß).
Sinngleiche Wörter (Synonyme):
Wörter mit gleicher Bedeutung, aber verschiedener Lautform werden im
strengen Sinne selten anzutreffen sein: Sonnabend und Samstag sind land¬
schaftlich verschiedene Bezeichnungen desselben Tages, Fernsprecher und
das Fremdwort Telefon bezeichnen dasselbe Gerät. Dagegen sind Wörter
wie hinscheiden, sterben, entschlafen usw. keine Synonyme im strengen Sinne.
Man pflegt aber den Ausdruck „synonym“ auch für sinnverwandte Wörter
zu gebrauchen.
Gleichlautende Wörter mit verschiedener Bedeutung (Homonyme):
Der Hahn auf dem Hühnerhof liefert auch die Bezeichnungen für die Wetter¬
fahne, den Zapfen an Brunnen und Fässern und einen Teil des Gewehrs,
denen das 15. Jh! allen Hahnengestalt gegeben hatte. Heute ist die Verbin¬
dung in den meisten Fällen gerissen. Der Hahn an der Wasserleitung hat
nichts mehr mit dem Hahn auf dem Mist zu tun. Man muß hier von zwei
verschiedenen Wörtern sprechen.
Dem Schloß an der Tür, an Handfeuerwaffen und auf dem Berge war ge¬
meinsam, daß es etwas abschloß, einen Wohnraum, eine Geschoßkammer und
ein Tal gegen den Feind. Auch hier hat die Entwicklung die Wörter getrennt.
Das Schloß im Park erfüllt keinen strategischen Zweck mehr und hat nichts
mehr mit dem Schloß an der Tür gemein.
Das Wort 399

Entlehnungen:
Bureau wird unverändert aus dem Französischen übernommen, heute jedoch
in der Schreibung eingedeutscht (Büro).

Lehnübersetzungen:
Ausstellung wird dem franz. exposition (ex = aus, Position = Stellung) nach¬
gebildet. Das Wort ist erst seit Goethe gebräuchlich, vorher sagte man
Schau. Dieses Wort wiederum dringt heute aus dem Amerikanischen ein,
allerdings meist im Sinne von Varieteveranstaltungen und ähnlichem.
Gewissen ist dem lat. conscientia (con = Ge-, scientia = Wissen) im 11. Jh.
von Notker als gawissan nachgebildet worden.

Weitere Sonderfälle wie Übertreibungen, „Untertreibungen“, Ironie


usw. seien hier übergangen, weil sie schon sehr stark in die Stilistik
weisen. Auch die oben genannten Begriffe kehren z. T. in Stilistik
und Rhetorik wieder. Wer die Beispiele aufmerksam liest, wird erken¬
nen, daß sich mehrere Kategorien überschneiden. Man sieht auch,
wie wenig im Grunde gewonnen ist, wenn man ein Wort in eine solche
Kategorie eingeordnet hat.

b) Gründe des Bedeutungswandels


Eine ihrer Hauptaufgaben mußte die Semasiologie darin erblicken, 807
Gründe für den festgestellten Bedeutungswandel aufzuzeigen. Dazu
war schwierige Einzelforschung nötig. Man mußte sich mit Tat¬
sachen verschiedenster Art vertraut machen, kulturhistorische wie
psychologische Begleitumstände prüfen und viel Scharfsinn auf¬
wenden, um manchen Bedeutungswandel zu begründen. Als An¬
triebskräfte des Bedeutungswandels wurden im Laufe der Zeit
verschiedene Ursachen genannt: logische Gesichtspunkte, Wir¬
kungen des Affekts, Kultur- und Sachwandel.

y) Leistung und Mängel der Semasiologie

Die Semasiologie hat viele und wichtige Einsichten gebracht. Sie ist voll 808
von aufschlußreichen Überlegungen und verrät oft geradezu kriminali¬
stischen Spürsinn, aber natürlich fehlt es dabei auch nicht an Spekulatio¬
nen, die über das Ziel hinausschießen.
Die Mängel, hängen mit der geschilderten Grundauffassung zusammen
(Bedeutung verstanden als Verknüpfung von Laut und Vorstellung im
Individuum). Dies verleitet dazu, das, was die Bedeutung ausmacht, aus¬
schließlich außerhalb der Sprache zu suchen (im Bereich des Psychischen
oder in der Gegenstandswelt). Dabei wird die eigentümliche Natur des
Wortes als Glied einer überpersönlichen Ordnung, von der die Bedeutung
mitbestimmt ist, meist übersehen. Zugleich wird die Geltung eines Wortes
in bedenklicher Weise dem einzelnen Individuum ausgeliefert. Außerdem
wird angenommen, daß sich die mit einer Lautung verbundene Bedeutung
- aus was für Gründen immer - sehr erheblich wandeln könne, ohne doch
aufzuhören, das gleiche Wort darzustellen. Aufschlüsse über den Bedeu¬
tungswandel und die heutige Geltung eines Wortes glaubt man weithin
aus der Untersuchung des Einzelwortes gewinnen zu können. Erst in
neuerer Zeit wurde auch der Einfluß benachbarter Sprachmittel stärker
berücksichtigt.
400 Der Inhalt des Wortes

b) Die Onomasiologie
809 Demgegenüber geht die Bezeichnungslehre oder Onomasiologie1 von der
Frage aus, wie gegebene Erscheinungen, Wesen und Dinge sprachlich be¬
zeichnet werden. Dabei wird angenommen, daß die Wörter den Wesen
und Dingen, für welche sie gebraucht werden, unmittelbar zugeordnet
sind wie die Eigennamen einzelnen Menschen. Die Onomasiologie setzt
nicht nur voraus, daß man die Bezeichnungen für bestimmte greifbare
Gegenstände feststellen kann, sondern hält das ebenso bei geistigen Be¬
griffen für möglich, als seien Ehre und Treue, Geiz und Habsucht unab¬
hängig von jeder Sprache vorgegeben und man brauche nur zu fragen,
wie sie an verschiedenen Orten benannt werden2. Hier aber ergeben sich
Einwände.
Die moderne Onomasiologie ist vorwiegend eine Frucht romanistiscljer Forschungen und
nahm ihren Aufschwung im Zusammenhang mit wortgeographischen Untersuchungen,
die hauptsächlich in Frankreich, Spanien und Italien durchgeführt wurden. Um der
Sprach Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen und das Leben der Mundarten mit ein¬
zufangen, verfolgte man die Bezeichnungen für einzelne Gegenstände und Begriffe in
ihrer geographischen Verteilung über ganze Sprachgebiete und konnte so eine große
Mannigfaltigkeit der Ausdrucksmittel nach weisen. Um diese Untersuchungen auf ge¬
sicherte Grundlagen zu stellen, ging man mit Vorliebe von bestimmten Gegenständen
aus (Pflug oder Schlitten, Biene oder Mücke) und fragte nun, wie die Bewohner der ein¬
zelnen Landstriche diese Gegenstände nennen. Da es sich um das Feststellen der Be¬
ziehungen zwischen Gegenständen und ihren Bezeichnungen handelt, ergeben sich
auch Verbindungen zu der von R. Meringer begründeten Forschungsrichtung „Wörter
und Sachen“3, die Bedeutungsprobleme durch Prüfung der Sachzusammenhänge zu
lösen sucht.

2. Die inhaltbezogene Betrachtung


810 Gegenüber den Auffassungen der Semasiologie und der Onomasiologie
wandte die inhaltbezogene Sprachwissenschaft folgendes ein:
Ein Wort ist weder ein Name, der einem Gegenstand unmittelbar zuge¬
ordnet ist wie der Name Franz Müller einem bestimmten Menschen, noch
eine Lautung, die bestimmte Vorstellungen erwecken soll. Vielmehr er¬
füllt es eine eigenartige Leistung, indem es eine ganze Fülle gleicher oder
ähnlicher Erscheinungen zusammenzufassen gestattet. Es steht, wie die
Logiker zu sagen pflegen, für eine ganze Klasse von Erscheinungen, wobei
allerdings das, was als Erscheinung im Wort herausgehoben wird, durch¬
aus spracheigentümlich und von keinem Logiker vorauszusehen ist.
Das deutsche Wort Tisch ist kein Name für das Möbelstück, das hier vor mir steht,
sondern ein Wort der deutschen Sprache, das die ganze Vielzahl von Gegenständen um¬
faßt, die gleichen menschlichen Zwecken dienen, auch wenn im konkreten Sprechakt
ein bestimmter Gegenstand gemeint, ist. Will man feststellen, was das Wort Tisch in
unserer Sprache bedeutet, so genügt es nicht, auf einen konkreten Tisch hinzuweisen.
Auch ist es mit keiner Definition getan,, die übrigens schwer genug zu finden ist. Viel¬
mehr gilt es herauszuflnden, wo die Grenzen der Anwendbarkeit dieses Wortes liegen,
was allein von den Sachen her gar nicht auszumachen ist. Man wird dabei feststellen,
daß es Fälle gibt, wo das Wort Tisch in Konkurrenz tritt zu Theke, Pult, Regal usw.,
aber womöglich auch zu Bank, Schemel und Hocker, sofern nicht ganz deutlich wird,

1 Griech. önoma = Name.


‘Hierüber unterrichtet H. Quadri, Aufgaben und Methoden der onomasiologischen
Forschung. Bern 1952.
3 Unter diesem Titel gab R. Meringer die Zeitschrift „Wörter und Sachen“ heraus.
Das Wort 401

daß diese Gegenstände zum Sitzen dienen. Nicht nur die Funktion des Gegenstandes
allein, bestimmten Zwecken zu dienen, sondern auch die gedankliche Gliederung, die
unsere Sprache wie ein Netz über die Gegenstände ausgebreitet hat (J. Trier), kommen
dabei ins Spiel (vgl. 835 ff.).
Bei geistigen Begriffen ist die Sprachabhängigkeit noch unvergleichlich
größer, denn erst in und mit der Sprache werden die Werte, die sie ver¬
körpern sollen, gedanklich greifbar, und nur aus der Einbettung in das
Sinngefüge der Sprache wird der Einzelwert bestimmbar. Diese Inhalte,
die man sich untrennbar mit den Lautungen verknüpft denken muß -
beides zusammen, Laut und Inhalt, machen erst das Wort aus -, sind also
keineswegs dem Individuum überlassen, sondern sie empfangen ihre
Geltung vom überindividuellen Sinngefüge der Sprache her, das ich durch
den Prozeß der Spracherlemung in mich aufgenommen habe (vgl. hier¬
zu 832 bis 853).

3. Ein praktisches Beispiel


Das nachfolgende Beispiel soll zeigen, wie die vorgenannten Gesichts¬
punkte bei der Bestimmung einer Wortbedeutung angewandt werden
können und wie sie sich dabei bewähren. Das Beispiel ist so gewählt, daß
jeder die Überlegungen nachvollziehen und aus seiner eigenen Erfahrung
heraus ergänzen kann.

Die Bedeutung des Wortes Weib


1. Herkunft und Oenus
Wenn uns heute ein Ausländer nach der Bedeutung oder dem Inhalt des 811
Wortes Weib fragt, so können wir ihm ohne lange Überlegung antworten,
es bedeute Frau, in der Hoffnung, daß er dieses weit häufigere Wort kennt.
Er wird sich dann darüber wundern, daß es das Weib heißt, mit säch¬
lichem Geschlecht. Wer die Herkunft des Wortes nicht kennt, kann das
auch nicht erklären. Vielleicht weisen wir darauf hin, daß man auch das
Fräulein und das Mädchen sagt, ohne daran Anstoß zu nehmen.
Über die Herkunft eines Wortes geben die etymologischen Wörterbücher Auskunft.
Die Grundbedeutung von Weib ist nicht sicher, doch nimmt man heute an, daß es ur¬
sprünglich als das Verhüllen, dann als Schleier, Brautlinnen, endlich als die verhüllte
Braut zu verstehen war1. Das sächliche Geschlecht bei Fräulein und Mädchen kann man
von den Verkleinerungsendungen -lein und -chen her verstehen: Fräulein geht auf
frouwe-lin zurück, Mädchen auf mägd-chc*• (Magd im Sinne von Jungfrau). Die neu¬
tralen Formen sind also sprachgeschichtlich begründet. Der heutige Sprecher über¬
nimmt sie, ohne etwas Auffälliges dabei zu finden. Neben das Fräulein war zeitweise
auch die Fräulein gebräuchlich. In manchen Gegenden ist die Fräulein, besonders im
Kindermund, gleichbedeutend mit Lehrerin.
Grammatisches und natürliches Geschlecht können also durchaus in Wider¬
streit geraten (vgl. 177 ff.; 1190; 1203). Diese Tatsache ist uns ein erster
Hinweis darauf, daß man nicht von der Lautform ohne weiteres auf den
Inhalt schließen darf. Es ist daher besser, statt Geschlecht den Fach¬
terminus Genus zu gebrauchen, der eigentlich nur Art bedeutet. Man
begünstigt dann nicht den Fehlschluß, das grammatische Genus müsse
etwas mit dem natürlichen Geschlecht zu tun haben.

Kluge, Etymologisches Wörterbuch, 17. Aufl., Berlin 1967.


402 Der Inhalt des Wortes

2. Heutiger Gebrauch
812 Es genügt aber nicht zu sagen, Weib bedeute soviel wie Frau. Vielmehr
muß man noch manches hinzufügen, wenn man vermeiden will, daß unser
Frager das Wort falsch verwendet und unter Umständen sogar in pein¬
liche Lagen gerät. Zunächst dies:
Weib ist in der heutigen Sprache nur noch wenig gebräuchlich. Häufig
haftet ihm ein abwertender (pejorativer) Sinn an. Früher hätte man ohne
weiteres sagen können: Hinter dem Künstlernamen George Sand verbirgt
sich ein Weib. Heute könnte man das als abwertendes Urteil über die
französische Schriftstellerin empfinden. Wohl ist uns Weib im guten Sinne
noch in stehenden Wendungen wie Mann und Weib, mit Weib und Kind
u. ä. vertraut. Aber auch diese Wendungen fließen nicht so leicht in die
Alltagssprache. Wer sie verwendet, möchte meist eine besondere Wirkung
damit erzielen. Unter Männern hört man auch Wendungen wie ein tolles
Weib, wobei es im positiven Sinne um die äußere Erscheinung einer Frau
geht, während bei Prachtweib auch andere Eigenschaften mitgemeint
sein können. Der abwertende Klang wird deutlich in Zusammensetzungen
wie Marktweib und Waschweib, besonders, wenn man sie mit Marktfrau
und Waschfrau vergleicht.

3. Weib in der Bibel


813 Dagegen ist allgemein bekannt, daß das Wort Weib einen biblischen Klang
hat. In der Bibelübersetzung Luthers heißt es meist Weib, nur sehr selten
Frau. In den vier Evangelien kommt Frau gar nicht vor.

Allerdings täuschen die nach der Übersetzung Luthers bearbeiteten Bibel -


ausgaben an vielen Stellen, denn Luthers eigene Fassung ist oft noch
altertümlicher, auch hinsichtlich der Wörter, auf die es hier ankommt.
So hat man zwar in der Schöpfungsgeschichte die schöne Stelle belassen, wo Luther
sagt: Man wird, sie Mennin (Männin) heißen, darum daß sie vom Manne genommen ist
(I. Mose 2, 23), denn im hebräischen Urtext steht das Wort ischa, eine weibliche Ab¬
leitung zu isch, der Mann. Aber andere Stellen sind später geändert worden: So lesen
wirl. Mose 1, 27: Er schuf sie einen Mann und ein Weib, aber bei Luther heißt es noch:
Er schuß sie eyn menlin (Männlein) und frewlin (Fräulein). Die entsprechenden he¬
bräischen Wörter können für Mensch und Tier gebraucht werden. Auch bei der An¬
kündigung der Sintflut, wo Gott zu Noah sagt: XJnd du sollst in den Kasten tun allerlei
Tiere von allem Fleisch, je ein Paar, Männlein und Weiblein, heißt es bei Luther: das
menlin und seyn frewlin. Wir müßten heute sagen: Männchen und Weibchen, was nur
bei Tieren möglich ist.
Ansonsten ist aber auch bei Luther Weib das weitaus gebräuchlichste Wort.
In den zehn Geboten ist vom Weib des Nächsten die Rede, hier im Sinne
von Ehefrau gemeint. Weib kann aber auch die unverheiratete Frau sein,
das ist sogar häufiger der Fall.
Frau hat an einigen wenigen Stellen, wo es vorkommt, d 3utlich den Sinn von Herrin,
was der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Frau entspricht. An anderen Stellen
steht es im Sinne von Ehefrau. Unserem .heutigen Sprachempflnden steht zwar der
auffällige Satz nicht allzu fern: Und er (Salomo) hatte sieben hundert Weiber zu Frawen
(I. Könige, 11, 3), aber Luther will mit jFrau nicht nur sagen, daß es Ehefrauen waren,
sondern dem hebräischen Urtext entsprechend ausdrücken, daß es vornehme fürstliche
Frauen, also gleichberechtigte Gattinnen waren. Im ganzen gesehen ist aber auch
Luthers Sprachgebrauch nicht konsequent, ebensowenig konsequent wie der von
Das Wort 403

neueren Übersetzern (z. B. Menge, 1926), die zwar häufig Frau für Weib einsetzen.
aber andererseits auch Weib an Stellen stehen lassen, wo wir heute Frau erwarten
würden. Es lassen sich auch keine festen Zuordnungen zu den verschiedenen Wörtern
der lateinischen und griechischen Vorlage feststellen, was wohl damit zusammenhängt,
daß auch dort der Sprachgebrauch nicht immer eindeutig ist.
Als Luther die Bibel übersetzte, muß Weib das gebräuchlichste Wort für
Frau gewesen sein. Das Wort hat also, wie die Semasiologie sagt, einen
Bedeutungswandel erfahren.

4. Der Bedeutungswandel von Weib


Befragen wir zunächst einen Denker, dem eine sehr kritische Einstellung 814
zu den Frauen nachgesagt wird. Friedrich Nietzsche verwendet das Wort
Weib häufig. Wir können mit Leichtigkeit im Nietzsche-Register von
R. Oehler (Taschenausgabe im Kröner-Verlag, 1943) die entsprechenden
Stellen überblicken und auch mit den Stellen vergleichen, wo er das Wort
Frau verwendet.
Es zeigt sich, daß auch noch bei Nietzsche Weib seinen guten Klang bewahren kann.
Besonders fällt auf, daß die Stellen, wo er Frau verwendet, keinen inhaltlichen Unter¬
schied zwischen beiden Wörtern erkennen lassen. Das ist überraschend bei einem Sti¬
listen und Meister der deutschen Sprache vom Bange Nietzsches. Weib und Frau sind
bei ihm gleichwertig, er kann beide Wörter in denselben Sinnzusammenhängen ge¬
brauchen, seien sie nun positiv oder negativ. Man vergleiche dazu folgende Sätze:
Ich habe eine höhere und tiefere Auffassung des Weibes.
Man kann nicht hoch genug von den Frauen denken.
Wenig versteht sich das Weib auf Ehre,
ln Sachen der Ehre sind die Frauen schwerfällig.
Wohl fällt hier auf, daß Nietzsche den Singular Weib, aber den Plural Frauen gebraucht,
wenn er die ganze Gattung bezeichnen will. Es gibt aber auch Gegenbeispiele. Selbst
der Plural Weiber, der uns besonders pejorativ vorkommt, kann bei Nietzsche positiv
gebraucht sein.
Bei einer genaueren. Untersuchung mag man noch auf manche Nuance
aufmerksam werden, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß Nietz¬
sche Weib und Frau gleichwertig gebrauchen kann.
Nun aber ist folgende Beobachtung, die jeder nachprüfen kann, auf¬
schlußreich: Viele kennen ein bekanntes Nietzsche-Zitat, das fast zum
geflügelten Wort geworden ist. Fragt man nach dem Wortlaut dieses
Zitats, so antworten die meisten - und zwar auch solche, die Nietzsche
gelesen haben: Du gehst zum Weibe? Vergiß die Peitsche nicht! oder fast
noch häufiger: Wenn du zum Weibe gehst, vergiß die Peitsche nicht!
Hier ist eine Stelle, wo der Bedeutungswandel schlagartig sichtbar wird.
Denn das Wprt Weib scheint uns an dieser Stelle am Platze. In diesem
Ausspruch schwingt deutlich eine negative Auffassung der Frau mit. Wer
aber das Zitat in Nietzsches „Zarathustra“ nachprüft, wird erstaunt sein
zu finden, daß es dort in Wirklichkeit heißt: Du gehst zu Frauen? Vergiß
die Peitsche nicht!
Die übliche Version des Zitats stellt gleichsam eine Übersetzung in die
heutige Sprache dar.
Der Irrtum lag allerdings sehr nahe: Die Stelle beschließt das Kapitel: „Von alten und
jungen Weiblein“. Dort kommt 28 mal Weib Vor (zweimal im Plural), viermal Weiblein
und nur zweimal Frauen.
404 Der Inhalt des Wortes

5. Erste Folgerungen
815 Auf zweierlei machen unsere bisherigen Beobachtungen aufmerksam:
Ein Wandel in der Geltung des Wortes Weib muß sich vollzogen haben,
aber er kann noch nicht alt sein, wenigstens noch nicht in der Sprache der
Literatur. Ferner zeigt sich, daß das Wort Frau immer wieder als Kon¬
kurrenzwort auftaucht. So drängt, alles dazu, die isqlierte, vornehmlich
semasiolögische Betrachtung des Wortes Weib ganz aufzugeben, wenn
wir den Wandel erklären wollen. Wir müssen dazu die sinnverwandten
Wörter heranziehen.

6. Sinnverwandte Wörter
816 Es gibt zwei neuere Wörterbücher, die nach „Sachgruppen“ geordnet
sind: „Deutscher Wortschatz“ von H. Wehrle (11. Auflage, Stuttgart
1954) und „Der Deutsche Wortschatz nach Sachgruppen“ von F. Dornseiff
(5. Auflage, Berlin 1959).
Beide Werke bieten zwar lediglich ungeordnete Wortsammlungen, aber als Ausgangs¬
punkt sind sie nützlich. Unter den Stichwörtern Ehe, Verlobung, Weibusw. finden wir
eine Fülle von Wörtern für den weiblichen Menschen, die aber erst in eine inhaltliche
Ordnung gebracht werden müssen. Ausscheiden können wir hier Wörter wie Pussel und
Schickse, weil sie nicht zur Hochsprache gehören, ferner die heute veralteten oder
ungebräuchlichen Wörter Frauensperson, Frauenzimmer, Weibsbild, Weibsmensch,
Weibsperson, Weibsstück u. ä. Diese Wörter sind vielfach zu Schimpfwörtern geworden,
ebenso wie Dirne, das früher einen guten Klang hatte. In Dirndlkleid steckt noch ein
Rest der guten Bedeutung. Mägdelein und Maid sind poetisch, Magd ynd Herrin
findet man vielleicht noch auf einem Gutshof. Eheweib ist veraltet, Jungfrau wird zu¬
nehmend medizinisch verstanden, Jungfer ist umgangssprachlich nur in Verbindung
mit alt zu verwenden, Weibchen ist heute vornehmlich von Tieren üblich. Umschreibun¬
gen wie bessere Hälfte, Evastochter usw. können beiseite bleiben, ebenso die zahlreichen
Verwandtschaftswör.ter wie Mutter, Tochter, Schwester, Tante, usw. Auch Freundin und
Geliebte sind in steter Gefahr, ab wertend gebraucht zu werden.
Es verbleiben in alphabetischer Reihenfolge:
Backfisch, Braut, Dame, Ehefrau, Ehegattin, Frau, Fräulein, Gattin,' Gemahlin, Haus¬
frau, Mädchen, Mädel, Verlobte, Weib, Witwe.

7. Gliederung des Sinnbezirks „Frau“


817 Versuchen wir diese Wörter zu ordnen, so heben sich zwei inhaltbestim¬
mende Gesichtspunkte heraus: einmal die Unterscheidung jugendlich /er¬
wachsen, zweitens die Unterscheidung verheiratet/unverheiratet, mit den
Zwischenstufen „noch nicht verheiratet“ und „nicht mehr verheiratet“.
Ferner zeigen sich bei einigen Wörtern soziologische Wertakzente. Für
die unverheiratete, heran wachsende Frau haben wir Mädchen (oder
Mädel), Backfisch (heute durch das Modewort Teenager verdrängt). Er¬
wachsen, aber unverheiratet: das Fräulein. Verlobt: Verlobte, Braut (bis
zur Hochzeit). Verheiratet: Ehefrau, Ehegattin, Frau, Gattin, Gemahlin,
Hausfrau, Weib (mit besitzanzeigendem Fürwort). Die Frau, die den Mann
durch Tod verloren hat: Witwe. Einer gehobenen Sprachschicht gehören
an: Dame, Gattin, Gemahlin. Ehefrau ist hauptsächlich in Urkunden und
Fragebogen gebräuchlich, Hausfrau ist zu einer Berufsbezeichnung ge¬
worden. Dame, Frau und Weib können für Verheiratete wie Unverhei¬
ratete gebraucht werden. Frau ist unser gebräuchlichstes Wort für die
Verheiratete, besonders wenn es mit dem besitzanzeigenden Fürwort ver¬
bunden ist. Es wird aber auch in wachsendem Maß für Unverheiratete
Das Wort 405

gebraucht. Ledige, die früher Wert auf die Anrede Fräulein legten, möch¬
ten heute mit Frau angeredet werden, ja sie haben sogar einen rechtlichen
Anspruch auf diese Anrede. So dehnt sich die Geltung des Wortes Frau
auch noch auf Kosten von Fräulein ständig aus. Die gebräuchlichsten
Wörter sind heute wohl Mädchen, Fräulein und Frau. Unwichtig ist auch
nicht, die männlichen Gegenwörter Mann, Ehemann, Gatte, Gemahl usw.
mit zu beachten.
Zur Anrede eignen «ich besonders Fräulein und Frau, gegebenenfalls mit Ergänzungen
(Hebe, sehr geehrte, verehrte, gnädige usw.>, deren Gebrauch vom Verhältnis des Sprechers
zur Angeredeten und von ihrer gesellschaftlichen Stellung abhängt. Der Nachteil, daß man
die Anrede Frau nicht gebrauchen kann, wenn man den Namen der Angeredeten nicht
tfennt (gnädige Frau ist nicht immer ersatzweise möglich), zwingt Verkäufer und Kellner
zu der Notlösung „die Dame“ oder „meine Dame“. Aber die Eleganz und Leich¬
tigkeit des französischen Madame ist damit nicht zu erreichen.

Dame ist ein Wort mit soziologischem Wertakzent, wie aus den Wendun¬
gen eine wahre Dame, eine Dame der Gesellschaft usw. hervorgeht. Her¬
kunft und Stand, aber auch Erziehung und Umgangsformen können dabei
eine Rolle spielen.
Dame im negativen Sinne ist uns weniger geläufig, wohl Dämchen oder Lebedame.
Wir stutzen daher bei folgendem Zitat von Th. Fontane: Sie war überhaupt keine Frau;
im günstigsten Fall war sie eine Dame, Hierin liegt wohl eine Kritik an der Äußerlichkeit
des Gesellschaftslebens.

S. Die Polarität Mann-Weib

Kommen wir nun auf unser Wort Weib zurück und fragen wir, ob es nicht 818
auch sonst noch im guten Sinne gebraucht werden kann. Vergleichen wir
die Wendungen Mann und Frau und Mann und Weib, so empfindet der
Leser mit feinem Sprachempfinden einen Unterschied: Bei Mann und Frau
denkt man eher an Ehegatten,, bei\Mann und Weib an die Polarität der
Geschlechter. Das wird noch deutlicher, wenn wir folgende Buchtitel
heranziehen:
Ploss/Bartels: Das Weib in der Natur- und Völkerkunde (11. Auflage, Berlin 1927);
Margaret Mead: Mannund Weib. Das Verhältnis der Geschlechter in einer sich wan¬
delnden Welt (Hamburg 1958).

Hier ist offenbar Weib als Gegenpol zu Mann gemeint, die Frau als Ver¬
treterin des weiblichen Geschlechts.
Bei dem Buch der amerikanischen Völkerkundlerin M. Mead handelt es sich tatsächlich
um die Übersetzung des Originaltitels: Male äpd Female. Bei Tieren würde man sagen:
Männchen und Weibchen.

Weib kann also heute noch als Gattungsbezeichnung gebraucht werden.


Aber selbst in diesen Zusammenhängen geht-die Verwendung des Wortes
zurüök.
So lautet- die .Übersetzung.des umstrittenen Büches von A. Kinsey, Sexual Behavior ln
the Human Female bezeichnenderweise: „Das sexuelle Verhalten der Fm«“ — und nicht
des Weibes,wie. wir erwarten könnten. Daß der Übersetzer des Meadschen Werkes
Mann undWeib sagen konnte, mag damit Zusammenhängen, daß es sich hauptsächlich
um Untersuchungen bei Naturvölkern handelt, wo man eher geneigt ist, das Wort
Weib zu dulden als in unserem Kulturbereich.
406 Der Inhalt des Wortes

Neuere Arbeiten bevorzugen einwandfrei das Wort Frau im Buchtitel:


F. J. J. Buytendijk: Die Frau — Natur, Erscheinung, Dasein. Köln 1953;
C. G. Jung: Die Frau in Europa. Zürich 1948.
Man beachte auch die Zusammensetzungen Frauenarzt, Frauenheilkunde,
Frauenbewegung usw.
9. fraulich - weiblich - weibisch
819 Der Unterschied von Frau und Weib wird auch durch die zugehörigen
Adjektive fraulich und weiblich unterstrichen: fraulich weist auf die
Eigenschaften hin, die einer Frau als Mittelpunkt der Familie wohl an¬
stehen, weiblich betont die Eigenschaften des weiblichen Geschlechts als
solchen. Weibisch hat deutlich pejorativen Gehalt, es gilt als Beschimp¬
fung für den Mann, der sich unmännlich benimmt.
10. Frau heute Zentralwort
820 Frau ist heute das maßgebende Wort für erwachsene verheiratete wie
unverheiratete weibliche Personen.
Innerhalb des Sinnbezirks Frau hat sich also offenbar eine Umgliederung
vollzogen. Frau ist in die Mitte vorgerückt, Weib in eine Randstellung
verdrängt worden. Zur Zeit Luthers muß der Sinnbezirk noch anders ge¬
gliedert gewesen sein. Es ist bekannt, daß Frau in der mittelalterlichen
Ritterkultur Herrin bedeutete (frouwe; die männliche Entsprechung fro
gleich Herr ist schon in althochdeutscher Zeit geschwunden und nur noch
in Fronleichnam, Frondienst usw. erhalten). Das Wort ist allmählich in
bürgerliche Kreise eingedrungen und hat unter Verlust seines hohen
Sinnes das Wort Weib nach jahrhundertelangem Ringen mehr und mehr
zurückgedrängt.
11. Die sprachgeschichtliche Entwicklung
821 Will man sich über diese Entwicklung näher orientieren, so kann man im
großen Grimmschen Wörterbuch oder auch in Trübners Deutschem Wör¬
terbuch nachschlagen. Zwar behandeln unsere alphabetischen Wörter¬
bücher die einzelnen Wörter getrennt, aber im Vergleich der Artikel Frau,
Weib usw. und unter Berücksichtigung der Kommentare ergibt sich doch
schon ein aufschlußreicher Überblick.
In beiden Wörterbüchern ist der Artikel Weib wesentlich länger als der Artikel Frau.
Grimm bietet allein auf 47 engbedruckten Spalten Belege für Weib aus allen Sprach¬
epochen mit Kommentar. Zwar heißt es bei Trübner: „Weib bezeichnet im Deutschen
zu allen Zeiten das erwachsene, zur Mutterschaft befähigte menschliche Wesen“ (häufig
im Gegensatz zu Mädchen und Jungfrau und ohne Rücksicht auf Alter und Stand),
aber die Geltung des Wortes muß auch schon vor Luther erheblich geschwankt haben,
was sicher in Zusammenhang mit der wechselnden kulturhistorischen Stellung der Frau
steht. Seit dem 12. Jahrhundert ist das Wort schon einmal stark gesunken und geradezu
zum Schimpfwort geworden. Aber die ritterliche Minnedichtung, die das unhöfische Wort
Weib zunächst meidet, führt zu Beginn des 13. Jahrhunderts durch die größten Dichter
dieser Zeit (Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach u. a.) eine erste
Ehrenrettung herbei. Doch trotz diesem. Lobpreis des Weibes, in welchem der Wert
des Menschen unabhängig von Stand und Herkunft zum Ausdruck kommen soll, sinkt
das Wort doch wieder zu sozialer Geringschätzung herab. In der Bibelübersetzung
Luthers kommt das Wort zu erneuter Geltung, die bis in die Gegenwart nachwirkt, be¬
sonders im Sprachgebrauch der Dichtung. Vielleicht bleibt der positive Klang am
längsten in wissenschaftlichen Texten erhalten.
Zwei Zitate sind kennzeichnend für diese Entwicklung. Walther von der Vogelweide
schrieb: Wvp muoz iemer sin der wlbe hohste name und tiuret baz den frouwe als ichz er-
Das Wort 407

kenne (und ist mehr wert als Frau, so dünkt mich). Aber Schopenhauer (19. Jahrhundert)
zürnt über den „immer allgemeiner werdenden Gebrauch des Wortes Frauen statt
Weiber, wodurch abermals die Sprache verarmt, denn Frau heißt uxor (lateinisches
Wort für Ehefrau) und Weib mulier (das allgemeinere lateinische Wort für Frau, das
allerdings auch für Ehefrau vorkommt) . . . Die Weiber wollen nicht mehr Weiber
heißen“ (Trübner, Bd. 8, S. 74 und 75).

12. Weitere Folgerungen


Welche Folgerungen lassen sich aus diesen Beobachtungen ziehen? Es 822
bestätigt sich, daß die Sprache keine Ansammlung isolierter Teile oder
Namen ist, sondern ein gegliedertes Sinngefüge, in dem jedem Wort ein
Stellenwert zukommt. Dieses Sinngefüge ist nicht starr und ein für alle¬
mal festgelegt, sondern es wandelt sich gemäß den kulturhistorischen
Entwicklungen und den sinh ändernden Ansichten der Menschen von den
Dingen. Die Ausdrücke Bedeutung und Bedeutungswandel verleiten dazu,
wesentliche Zusammenhänge zu übersehen. Die Bedeutung des Wortes
Weib kann weder durch den Hinweis auf eine bestimmte Frau noch durch
den Hinweis auf die Vorstellungen, die das Hören der Lautung im Indi¬
viduum aufruft, ausgeschöpft werden. Es ist kein Name wie Anna Müller
und auch kein nur psychisches Phänomen. Es ist nicht möglich, sich die
äußere Erscheinung einer Frau oder auch ihren Charakter gerade so aus¬
zumalen, daß dafür notwendig das Wort Weib und kein anderes gefor¬
dert wäre. Der spezifische Inhalt von Weib kann nicht sinnenfällig gemacht
werden. Auch die Suche nach einem vorgegebenen außersprachlichen Be¬
griff, für den die Lautung Weib eine Bezeichnung wäre, ist aussichtslos.

13. Der heutige Wortinhalt Weib


Das Wort Weib - die untrennbare Verbindung von Lautung und Inhalt - 823
wird also in keiner Weise von der Natur der Dinge, verlangt, sondern es
ist ein Glied unserer deutschen Sprach weit. Wahrscheinlich kommt dieser
Inhalt in keiner anderen Sprache in genau der gleichen Weise vor.
Das Hören und Lesen ungezählter Verwendungs weisen des Wortes, der
eigene Gebrauch, die Korrekturen, die sich an diesem Gebrauch aus der
Reaktion der Gesprächspartner ergeben, die unbewußte Mitwirkung des
benachbarten Sprachguts, kurz der ganze Prozeß der Spracherlernung
und die eigene Lebenserfahrung haben den ganzen Sinnbezirk Frau ge¬
danklich in uns aufgebaut und uns den Inhalt des Wortes Weib ver¬
mittelt. Diese Geltung hängt sicher nicht von uns persönlich ab, wenn wir
auch zusätzlich persönliche Gefühle und Erfahrungen mit dem Wort ver¬
binden. Seine Geltung hängt vielmenr entscheidend vom überindivi¬
duellen Sinngefüge der Muttersprache ab. Freilich können wir dem Frem¬
den, der das Wort nicht kennt, einige grobe Gebrauchsanweisungen geben,
aber völlig sicher in der Verwendung des Wortes wird er erst werden, wenn
er sich ebenfalls das ganze Sinngefüge mit den dazugehörigen Verwen¬
dungsweisen zu eigen gemacht hat. Dabei muß allerdings zugegeben wer¬
den, daß wir alle im sprachlichen Alltag die Wörter nicht mit Bedacht
wählen und sicher auch das Wort Weib, wenn wir es überhaupt gebrauchen,
nicht immer seinem heutigen Gehalt entsprechend richtig einsetzen. Inso¬
fern braucht der Fremde nicht jedesmal aufzufallen, wenn auch er das
Wort ungenau gebraucht. Das ändert aber nichts daran, daß die vorge¬
gebene Sprachordnung für die Geltung der Wörter äls bestimmend ange¬
sehen werden muß.
408 Der Inhalt des Wortes

V. Das zusammengesetzte Wort1


824 Die inhaltliche Bestimmung von Zusammensetzungen wirft besondere
Fragen auf. Wir wollen das am Beispiel der substantivischen Zusammen -
Setzungen, die besonders zahlreich und wichtig sind, erläutern.
Wer Deutsch kann, braucht sich um die Bedeutung zusammengesetzter
Wörter wie „Blumenvase“ und „Fensterbank“ keine Gedanken zu
machen. Er versteht sie, weil er aus eigener Erfahrung weiß, was damit
gemeint ist. Dennoch können Fälle eintreten, wo man den Inhalt irgend¬
wie erschließen muß, und es stellt sich dann die Frage, ob und wie das
möglich ist. Es zeigt sich dabei, daß Zusammensetzungen oft verschieden
verstanden werden können. Viele Wortwitze zeigen uns, daß auch bei
bekannten Wörtern solche Mißverständnisse möglich sind.
Es gibt einen Bobby-Witz, in dem Graf Bobby einen Hausierer nach seinem Beruf
fragt und die Antwort erhält: „Straßenhändler!“ Diese Bemerkung quittiert er mit dem
Ausruf: „Was kostet denn bei Ihnen so eine mittelgroße Straße in einer ruhigen "•Ge¬
gend ?“ — Das Wort kann auch in diesem Sinne verstanden werden.
Ähnlich könnte man unter Büstenhalter einen Mann verstehen, der die Büste eines be¬
rühmten Mannes hält, oder unter Raupenschlepper, einen Mann, der Raupen schleppt.
Das naive Vertrauen des Sprechers, durch die syntaktische Auflösung einer
Zusammensetzung ihren Sinn zu erschließen (Freundeshand = die Hand
des Freundes), wird häufig enttäuscht. Es zeigt sich, daß die Beziehung
der Wortglieder zueinander sehr verschieden sein kann und nicht an der
Form abzulesen ist2 (vgl. dazu 632):
Die Bischofskonferenz ist nicht die.Konferenz eines Bischofs.
Viele Zusammensetzungen müssen deshalb als neue Ganzheiten verstanden
werden. Das kann damit Zusammenhängen, daß sich die Verhältnisse, die
ausgedrückt werden sollten, geändert haben, während die Wörter geblie¬
ben sind.
Zapfenstreich kann heute niemand mehr ohne historische Kenntnisse als Streich,
d. h. Schlag verstehen, mit dem der Zapfen ins Schenkfaß geschlagen wurde, wenn das
Trompetensignal im Landsknechtslager den Beginn der Nachtruhe ankündigte.
Tintenfaß ist kein Faß im heutigen Sinne des Wortes. Früher war es allgemein als
Behälter zu verstehen.
Aschenbecher ist kein Becher im heutigen Sinne. Der alte Sinn „irdenes Gefäß im all¬
gemeinen“ lebt nicht mehr.
Fragen wir nun, wodurch das Verständnis der Zusammensetzungen ge¬
sichert sein kann. Diese Frage läßt sich besonder^ beim Aufkommen
neuer Wörter untersuchen:
Am 2. Mai 1958 brachte ein deutsches Massenblatt die Überschrift: ,,Atombefragung in
Bremen beschlossen.“ •
Jeder deutsche Leser verstand, worum es sich handelte. Vorausgegangen war eine lange
politische Auseinandersetzung über die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen.
Die Oppositionsparteien wollten hierüber eine Volksbefragung abhalten. Die Zu¬
sammensetzung Atom Volksbefragung war bekannt. Ein Redakteur, der eine knappere
Überschrift brauchte, ließ, wie es in solchen Fällen möglich ist, das Mittelglied aus
(vgl. 794) und gewann das Wort Atombefragung.
Ohne diesen Zusammenhang wäre das Wort nioht zu verstehen gewesen.

1 Zur formalen Bildung der Zusammensetzungen vgl. 612ff.


2 Vgl. Hennig Brinkmann, Die Zusammensetzung im Deutschen. Sprachforum 2,
1956/57, Heft 3/4, S. 222-230.
Stehende Redewendungen 409

In einem anderen Zusammenhang hätte es auch etwas anderes bedeuten


können. Wir können einen solchen Fall konstruieren.
Die Altertumskunde hat eine Methode entwickelt, das Alter von Funden durch Unter¬
suchung des radioaktiven Elementes Kohlenstoff 14 (C 14), das sich in allen pflanzlichen
Geweben, besonders in Holz befindet, festzustellen. Dieses Element zerfällt so langsam,
daß sich aus dem jeweiligen Stadium des Zerfalls Rückschlüsse auf das Alter des Fundes
ziehen lassen. Die Methode hat also auch etwas mit Atomen zu tun. Wäre sie bei einem
sensationellen Fund mit Erfolg angewandt worden, hätte sich das Wort Atombpfragung
auch in diesem Sinne durchsetzen können.
Diese Beobachtung, die sich an vielen ähnlich gelagerten Beispielen wie¬
derholen läßt, gibt zu erkennen, daß es oft unerläßlich ist, den Gesche¬
henszusammenhang zu kennen, um eine Zusammensetzung richtig zu
verstehen.

VI. Stehende Redewendungen


Unsere Sprache vererbt eine Fülle von stehenden Redewendungen, ange¬
fangen von ganzen Sätzen, mit denen wir unsere Rede ausgestalten, bis
zu festen Wortpaaren, auf die wir gar nicht verzichten können. Besonders
die inhaltreichen Redewendungen erweisen sich oft als praktische Situa¬
tionshilfen und ersparen uns eine eigene sprachliche Formulierung. Darin
stecken zugleich Vorteile wie Gefahren.

I. Die Arten der stehenden Redewendungen


Es ist schwer, die einzelnen Arten von Redewendungen voneinander ab¬
zugrenzen.

a) Zitate
Als erste Gruppe können wir Zitate berühmter Dichter und Denker nen- 825
nen, mit denen wir unsere Rede schmücken. Freilich geschieht das bis¬
weilen nicht ohne den Hintergedanken, uns dadurch zugleich als Kenner
der Literatur zu erweisen:
Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen
(Goethe). Etwas ist faul im Staate Dänemark (Shakespeare).
Wenn solche Zitate derart in Umlauf sind, daß der Sprachgebrauch ihre
Form abschleift und ihre Herkunft verwischt, kann man von geflügel¬
ten Worten sprechen.1.

b) Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten


Eine zweite große-Gruppe bilden Sprichwörter. Sie bewahren alte Volks- 826
Weisheit, ihre Schöpfer aber sind unbekannt.
Hier werden mit Vorliebe beispiel- und gleichnishafte Lebenserfahrungen
in anschaulicher, bilderreicher Sprache auf eine knappe Formel gebracht
und Ratschläge oder Lehren erteilt:
Früh übt sich, was ein Meister werden will. Was du nicht willst, daß man dir tu’,
das füg auch keinem andern zu.

1 Vgl. G. Büchmann; Geflügelte Worte, Fischer-Bücherei, 1957.


410 Der Inhalt des Wortes

Verwandt damit sind die sprichwörtlichen Redensarten1, die eine


Zwischenstellung zwischen Sprichwort und allgemeiner Redensart ein¬
nehmen (Schirmer). Sie sind ebenfalls bilderreich und anschaulich, aber
unselbständig. Auch fehlt ihnen meist die lehrhafte Tendenz:
den Kopf in den Sand stecken, d. h. Vogel-Strauß-Politik treiben; zwei Fliegen mit
einer Klappe schlagen.

c) Redensarten
827 Die allgemeinen Redensarten werden demgegenüber als so allgemeinver¬
ständlich und für sich selbst sprechend empfunden, daß man gar nicht
merkt, daß auch hier ein übertragener Sinn vorliegt;
Aus einem bestimmten Grund mit den Achseln zucken oder den Köpf schütteln usw.
Übergänge von einer Kategorie in die andere sind möglich, aber doch
wohl seltener als man annehmen köniite. Wenn einer etwas schwarz auf
weiß bewiesen haben möchte oder der Ansicht ist, daß an einer Sache
etwas faul ist, so ist gar nicht gesagt, daß diese Wendungen aus den ge¬
nannten Zitaten stammen müssen.

d) Gemeinplätze (Topoi)
828 Hier könnte man nun die Fülle der Gemeinplätze (Topoi) anschließen, die
ebenfalls von ganzen Sätzen bis zu kurzen Wortverbindungen reichen. Sie
gehen zum Teil auf antike Vorbilder zurück, wo sie zu einem festen System
von Redefloskeln ausgebaut waren. Es waren bestimmte Muster zum
Ausdruck eigener Bescheidenheit, der Anteilnahme, des Lobes usw. Ihre
Formel- und Phrasenhaftigkeit ließ sie teilweise bis zur Bedeutungslosig¬
keit verblassen2:
Mir fehlen die Worte, um . . .; meiner unmaßgeb liehen Meinung nach; zu meinem
größten Bedauern; es ist mir eine besondere Ehre; mit Recht.

e) Zwillingsformeln und stereotype Vergleiche


829 Feststehende Zwillingsformeln sind mitunter durch Stab- oder Endreim
verbunden. Auch sie gehen meist auf anschauliche und bildhafte Vorstel¬
lungen zurück, die allerdings nicht immer verständlich sind:
Geld und Gut, Haus und Hof, Kind und Kegel, Sack und Pack, Rat und Tat.
Stereotype Vergleiche sind:
schwarz wie die Nacht, weiß wie Schnee, schlafen wie ein Murmeltier usw.

f) Feste Verbindungen
830 Von besonderer Wichtigkeit sind schließlich eine Menge von festen Ver¬
bindungen, die zum Teil unersetzbar sind (Erfolg haben, erfolgreich sein,
während das Französische und Englische einfache Verben dafür haben:

1 Vgl. Borchardt-Wustmaiin-Schoppe, Die sprichwörtlichen Redensarten im


deutschen Volksmund. 7. Aufl. Leipzig 1955. W. Schmidt-Hidding, Sprichwört¬
liche Redensarten. Abgrenzungen - Aufgaben der Forschung. Rhein. Jahrb. f. Volks¬
kunde 7, 1955, S. 95-144.
2 Vgl. H. Lausberg, Elemente der literarischen Rhetorik, München 1949.
Stehende Redewendungen 411

r&ussir und to succeed), zum Teil aber auf Umschreibung einfacher Verben
beruhen (Anordnung treffen für anordnen> Befehl erteilen für befehlen, Be¬
richt erstatten für berichten usw.).
Diese festen Verbindungen scheinen in der heutigen Sprache stark zuzunehmen, zum
Verdruß vieler Sprachfreunde. Man spricht vom „Schwellcharakter der deutschen
Sprache“, von einem „Hang zur Nominalisierung“ und kämpft für die rein verbale
Ausdrucksweise. Sicher ist an dieser Stellungnahme viel Wahres. Es sind aber noch
eingehende Untersuchungen nötig, um diese Erscheinung gerecht beurteilen zu können1.

2. Herkunft und Deutung der stehenden Redewendungen


Die Herkunft der stehenden Redewendungen unserer Sprache ist viel- 831
faltig:
Viele stammen aus der Bibel (sein Lieht nicht unter den Scheffel stellen), manche
aus der Seefahrt (jemandem den Wind aus den Segeln nehmen), aus dem Kriegs¬
wesen (übers Ziel hinausschießen), aus der Ritterzeit (jemandem den Fehdehandschuh
himverferi), aus dem Hauswesen (sich zwischen zwei Stühle setzen), aus dem Hand¬
werk (den Nagel auf den Kopf treffen), aus dem Sport (k. o. sein = erledigt, er¬
schöpft sein).
Das für die Inhaltforschung Bemerkenswerte, ja Erstaunliche an den
stehenden Redewendungen ist, daß ihre Herkunft, ihr eigentlicher Sinn
häufig nicht mehr durchschaut wird, trotzdem aber der gleichnis- oder
beispielhafte Sinn, der in ihnen ausgedrückt werden soll, erhalten ge¬
blieben ist. Das läßt sich nur so erklären, daß sich trotz dem Wandel der
kulturhistorischen Verhältnisse, denen sie entstammen, der Sinn der
Wendungen durch den ständigen situationsgebundenen Sprachgebrauch
vererbt hat. Wir verstehen diese Wendungen als Gesamtkomplex und
gewinnen den Sinn nicht mehr aus wörtlichem Verständnis.
So versteht jeder Das geht mir über die Hutschnur als Ausdruck dafür, daß einer die Ge¬
duld verliert und seine Erregung nieht mehr zügeln kann. Daß aber ursprünglich die
Dicke der Schnur, die den Hut hielt oder schmückte, als Maß benutzt wurde (z. B. für
Wasserleitungen) und somit etwas über dieses offenbar normale Maß hinausgehen
konnte, weiß heute niemand mehr.
Mit Kind und Kegel kennt jeder als eine Wendung, die anzeigt, daß alles, Familie und
Hausrat, mitgenommen wird. Daß Kegel ursprünglich ein uneheliches Kind bedeutet,
also von Hausrat gar keine Rede sein kann, weiß man zwar nicht mehr, aber es tut der
Wendung keinen Abbruch. Denn wenn man den Kegel im Sinne der Holzfigur des
Kegelspiels stellvertretend für das letzte Stück des Hausrats einsetzt, so wird der Sinn
nur geweitet, aber keineswegs unbrauchbar.

B. DIE GLIEDERUNG DE S WORTSCHATZES

Die Wörter unseres Wortschatzes stehen nicht als Einzelwörter beziehungs¬


los nebeneinander, sondern sie sind immer Glieder von Gefügen, von denen
ihr Inhalt mitbestimmt wird. So kann der Inhalt eines Wortes mitbe¬
stimmt sein vom Ableitungstyp (Wortstände), von einem Grundwort,
von dem es abgeleitet ist (Wortfamilie und Fächerung), von der Ein-

1 Vgl. demnächst Karlheinz: Daniels, Nominaler Ausbau des verbalen Denk¬


kreises, Diss. Bonn 1959.
412 Die Gliederung des Wortschatzes

bettung in einen Bezirk sinnverwandter Wörter (sprachliche Felder), von


einem zugehörigen Gegenwort (Oppositionen) und von Wörtern, mit
denen es in besonders enger, inhaltlich bedingter syntaktischer Verbindung
steht (syntaktische Felder).

I. Die Wortstände
832 Um deutlich zu machen, was sich die inhaltbezogene Sprachbetrachtung
unter einem Wortstand vorstellt, wählen wir das Beispiel der Berufswörter
und gehen hierbei von der Endung -er aus.
Das Suffix -er (vgl. 719) zeigt uns bei zahlreichen Substantiven Berufe an.
Zu hacken gehört der Bäcker, zu lehren der Lehrer, zu schneiden der Schnei¬
der usw. Aber es wäre ganz falsch anzunehmen, alle Berufsbezeichnungen
müßten so gewonnen werden, ebenso falsch wie die Annahme, die Substan¬
tivendung -er könnte nur Berufsbezeichnungen liefern.
Welche anderen Möglichkeiten kennt nun die deutsche Sprache, Berufe
anzuzeigen ?
Zu den Wörtern auf -er gehören zunächst die Varianten auf -ler und -ner wie Drechsler,
Künstler und Gärtner, Klempner usw.
Dann gibt es stammhafte Berufswörter wie Bote, Hirte, Koch, Schmied, Wirt usw.
Ferner Zusammensetzungen mit -mann wie Hauptmann, Kaufmann, Seemann und
Schutzmann (wobei im Plural -männer und -leute in Konkurrenz treten können, vgl. 270).
Schließlich eine Fülle von Berufs Wörtern, die aus fremden Sprachen, besonders dem Grie¬
chischen und Lateinischen, aber auch aus dem Französischen, entweder entlehnt sind
oder aber später erst künstlich nach vorhandenen Vorbildern neu gebildet worden sind:
Geologe, Graphologe, Philologe, Psychologe (griechisch); Archivar, Bibliothekar
(griechisch-lateinisch); Astronom, Ökonom (griechisch-lateinisch); Direktor, Doktor,
Professor (lateinisch); Dentist, Jurist (lateinisch); Chauffeur, Friseur, Ingenieur,
Monteur (französisch); Sergeant, Fabrikant (französisch); Kapitän, Pilot (französisch).
(Die französischen Wörter gehen ihrerseits wieder meist auf lateinische zurück.)
Zu beachten ist, daß die weibliche Berufsvertreterin in manchen Fällen die zusätzliche
Endung -in erhält (Ärztin, Lehrerin, Stenotypistin usw.), in anderen Fällen aber auch
die männliche Form diesen Dienst mit versieht (Frau Doktor, Frau Professor usw., vgl.
1203).
Diese kurze Übersicht ergibt, daß Berufe im Deutschen auf verschiedene
Weise formal angezeigt werden können. Verschiedene Endungen oder
endungsartige Elemente wirken zusammen, um den Bedarf an solchen
Wörtern zu decken.
Man hat diese Teilgruppen, wie z. B. die auf -er, nach einem Vorschlag des
RomanistenK. Baidinger (semantische) Nischen genannt1 (das Bild mag
an die Nischen der Bauwerke erinnern, die besondere Gehalte aufnehmen).
Die inhaltlich zusammengehörigen Obergruppen aber - wie in unserem
Falle die Berufswörter - werden nach einem von L. A. Stoltenberg ge¬
prägten Ausdruck Wort stände genannt2.

1 Vgl. K. Baidinger, Kollektivsuffixe und Kollektivbegriff. Ein Beitrag zur Be¬


deutungslehre im Französischen mit Berücksichtigung der Mundarten. Berlin 1950.
2 Stoltenberg gebraucht Wortstand allerdings in anderem Sinne, wie aus seinem Bei¬
trag „Der Wortstand auf -tum“ (Wissenschaftliche Beihefte des deutschen Sprach¬
vereins 50, 1938, S. 116) hervorgeht.
Wortfamilie und Eächerung 413

Ob diese noch ungewohnten Fachaiisdrücke sich durchsetzen werden,


bleibt abzuwarten und ist auch nicht entscheidend. Wichtig ist, daß hier
ein bedeutsames Aufbauprinzip getroffen ist, und zwar der Aufbau grö¬
ßerer Sinneinheiten vornehmlich durch das Zusammenwirken verschie¬
dener Ableitungsmittel.
Man erkennt daran erneut, daß man nicht vom Lautlichen ohne weiteres
aufs Inhaltliche schließen darf, denn ein Ableitungsmittel kann recht ver¬
schiedene Inhalte tragen (vgl. Säugling, Pfifferling, Frühling usw.). Man
könnte fast sagen, es handele sich heute um verschiedene, nur gleich¬
lautende (homonyme) Endungen. Dagegen tragen lautlich verschiedene
Endungen - wie bei unseren Berufswörtern - den gleichen oder ähnlichen
Inhalt.
Bei näherem Hinsehen zeigen sich allerdings auch innerhalb der Wort- 833
stände inhaltliche Nuancierungen, so daß es voreilig wäre, einen Wortstand
einfach als Summe gleichbedeutender Nischen zu definieren. Selbst bei den
Berufs Wörtern, die auf den ersten Blick völlig gleichwertig erscheinen,
können sich Schattierungen zeigen.
Einige empfinden z. B. manche Berufsbezeichnungen auf -ler als leicht abwertend, was
mit dem Anklang an Bildungen wie Vernünftler, Eigenbrötler usw. Zusammenhängen
mag. Sie möchten deshalb lieber Wissenschafter statt Wissenschaftler, Gewerkschafter
statt Gewerkschaftler sagen. Dagegen denkt niemand daran, den Künstler zum Künster
zu machen. Schuster wird ebenfalls von manchen als abwertend im Vergleich zu Schuh¬
macher empfunden, vielleicht unter dem Einfluß von Flickschuster. — Ein nicht leicht
zu fassender Unterschied besteht zwischen Pluralbildungen wie Seemänner und Seeleute
usw. Bei Seemänner scheinen viele mehr an die einzelnen zur See fahrenden Männer zu
denken, bei Seeleute mehr an den ganzen Berufsstand. — Zwischen Hirt und Schäfer be¬
steht ein Unterschied, der sich nicht darin erschöpft, daß Hirt der weitere Begriff ist
(Kuhhirt, Ziegenhirt usw.). Obwohl in der Bibel, wenn vom guten Hirten die Bede ist,
der seine Schafe oder Lämmer weidet, stets der Schäfer gemeint ist und diese Haupt¬
bedeutung auch dem griechischen poimtn und dem lateinischen pastor zukommt, kann
man doch, nicht sagen: Er ist ein guter Schäfer seiner Gemeinde. Hier überschneiden sich
allerdings schon Wortstand- und Feldbezüge.
Solche - hier nur andeutungsweise spürbaren - Schattierungen können in
änderen Wortständen wesentlich ausgeprägter und möglicherweise einzel¬
nen oder mehreren Nischen zugeordnet sein.
Selbstverständlich sind Wortstände nicht auf Substantive beschränkt.
Bei den verbalen Wortständen können auch die Präfixe (Vorsilben) eine
nischenbildende Rolle spielen. - Das alles ist noch zu untersuchen: eine
große Aufgabe für die Inhaltforschung, bei der die Ergebnisse der bisheri¬
gen Wortbildungslehre herangezogen werden sollten.
L. Weisgerber hat weitere substantivische Wortstände (Weltbild II, 1, S. 158-175)
und einige verbale Wortstände in „Verschiebungen in der sprachlichen Einschätzung
von Menschen und Sachen“, Köln und Opladen 1958, behandelt.

II. Wortfamilie und Fächerung

Bekannt sind die inhaltlichen Beziehungen, die zwischen verschiedenen 834


Ableitungen eines Stammwortes bestehen können. Mit Hilfe solcher Ablei¬
tungen erreicht die Sprache eine beachtliche Ausweitung ihres Wort¬
schatzes.
Wer rauhen kennt, kann ohne weiteres Räuber gedanklich daran anschließesn, aber auch
'Raub, Räuberei, räuberisch usw. Es ist dabei für den Sprecher ganz unwesentlich zu
414 Die Gliederung des Wortschatzes

wissen, in welcher Reihenfolge die Wörter entstanden, sind, ob also das Verb voranging
und von ihm die anderen Formen abgeleitet wurden oder ob ein Substantiv am Anfang
stand und von ihm die weiteren Formen gebildet wurden.
Wichtig ist, daß die inhaltliche Zusammengehörigkeit der Wortgruppen
empfunden wird, daß also die inhaltliche Geltung der Wörter in der heu¬
tigen Sprache noch zusammenhängt.
Für solche inhaltlich zusammenhängenden Ableitungsgruppen wäre an
sich der Ausdruck Wortfamilie recht gut geeignet, wenn er sich nicht
im Sinne der lautlich begründeten Abhängigkeit, d. h. der etymologischen
Verwandtschaft eingebürgert hätte. Diese Verwandschaft garantiert aber
keineswegs eine inhaltliche Zusammengehörigkeit in der Gegenwarts¬
sprache. Denn die Lautform ist auch hier kein sicherer Wegweiser zum
Inhalt. Viel öfter, als man erwarten sollte, ist das inhaltliche Band zwi¬
schen etymologisch zusammengehörigen Ableitungen gerissen.
So bringen wir zwar noch Hof, Höfling und höfisch in Verbindung, wobei wir aus Kennt¬
nis der geschichtlichen Zusammenhänge an den Königs- und Fürstenhof und nicht an
den Bauernhof denken. Aber höflich, das auch dort beheimatet ist, wird schon nicht
mehr als zugehörig empfunden. — Wer eine Sache häßlich findet, braucht sie deshalb
nicht zu hassen, also häßlich nicht an hassen anzuschiießen, von dem es herkommt.
Hier würde man aber auch von Wortfamilien sprechen.
Deshalb empfiehlt es sich, für die inhaltlich zusammengehörige Ableitungs¬
gruppe einen neuen Ausdruck einzuführen. L. Weisgerber hat dafür den
Begriff Fächerung vorgeschlagen und ihn in Zusammenhang mit dem
sprachlichen Feld der Färb Wörter, auf das wir noch eingehen (vgl. 838),
an den deutschen Grundfarbwörtem rot, gelb, grün usw. erläutert.
Diese Farbwörter, deren Inhalt von der Gesamtordnung der Farbwörter mitbestimmt
ist, falten sich gedanklich wie ein Fächer in mehrere Ableitungen auf: Neben rot haben
wir rötlich, das Rot, die Röte, die Rötung, ferner röten, sich röten und erröten. Diese Ab¬
leitungen ermöglichen uns, das Farbige unter verschiedenen Gesichtspunkten zu sehen
und zu beurteilen. Die -lieh-Ableitung deutet eine Ähnlichkeit oder Annäherung eines
Farbwertes zum Stammwort an. Die Substantivierung, das Rot, erlaubt uns, den Farb¬
eindruck zum Gegenstand einer Aussage zu machen (Das Rot dieser Rose ...), aber
auch im allgemeinen Sinne über alle Roterscheinungen oder etwa über das Wesen
dieser Farbe zu sprechen. Ähnliche Dienste leistet die Röte, die aber wohl weniger ge¬
bräuchlich ist (vgl. das Morgenrot und die Morgenröte). Das Verb röten ist im Sinne von
rot machen oder rot färben zu verstehen, sich röten kann man von Gegenständen sagen,
die rot werden (Früchte, aber auch vom Himmel oder etwa von Papieren, die unter
Einwirkung von Chemikalien rot werden usw.). Den Vorgang wie das Ergebnis des Rot¬
werdens kann man als Rötung bezeichnen, allerdings ist dieses Verbalabstraktum meist
für die krankhafte Entzündung der Haut u. ä. gebräuchlich. Erröten ist nur vom Men¬
schen möglich, dem aus irgendeiner inneren Erregung, Scham, Verlegenheit oder Über¬
raschung das Blut zu Kopf steigt. Bei den letztgenannten Wörtern ist zwar die inhalt¬
liche Beziehung zum Farbwort noch gewahrt, aber es fragt sich, ob man diese Glieder
noch zum Rotfächer rechnen soll, denn sie gehören zugleich in andere Sinnbezirke,
Rötung etwa in einen Sinnbezirk der Krankheits- und Entzündungserscheinungen,
erröten neben erbleichen u. ä. in einen Sinnbezirk menschlicher Verhaltensweisen.
Auffällig ist, daß nicht von allen Farbwörtem alle Ableitungen möglich
sind, eine Beobachtung, die man auch sonst häufig machen kann1.

1 Eine ausführliche Darstellung der Fächerung im Farbfeld bietet Leo Weisgerber,


Weltbild II, 1, S. 176-180. Erwähnt sei noch, daß er die Fächerung im Zusammenhang
mit der Entfaltung der sprachlichen Felder sieht .und Wert auf die Feststellung legt, daß
sich für die Wortinhalte die feldmäßigen Bindungen gegenüber allen etymologischen und
ableitungsmäßigen Zusammenhängen als vorrangig erweisen.
Das sprachliche Feld 415

m. Das sprachliche Feld

1. Allgemeine Bemerkungen
Eine wichtige Methode, den Inhalt eines Wortes aus seiner Einbettung in 835
einen Bezirk sinnverwandter Wörter zu bestimmen, ist unter dem Namen
des sprachlichen Feldes bekanntgeworden. Sofern es sich nur um die
Bestimmung von Wortinhalten handelt, kann man auch von Wortfel¬
dern sprechen. Das Prinzip läßt sich aber auch auf größere sprachliche
Einheiten anwenden, und deshalb ist der weitergefaßte Gedanke des
sprachlichen Feldes oft vorzuziehen. „Feld“ ist dabei allerdings nicht als
Bild für zweidimensionale Gebilde, etwa im Sinne von Wortmosaiken zu
verstehen, sondern eher im Sinne von Kraßfeld, womit zum Ausdruck
kommt, daß die Wörter nicht isoliert stehen, sondern daß zwischen ihnen
Wechselbeziehungen wirksam sind. Der Gedanke des Feldes stützt sich
auf die Grundvorstellung, daß sich aus dem Gesamtgefüge des deutschen
Wortschatzes einzelne Sinnbezirke ausgliedem oder ergliedern, aus diesen
wieder Wortfelder im eigentlichen Sinne. Aus den Wortfeldern gliedern
sich wiederum die Einzelwörter aus. Ihr Inhalt ist von den Feldnachbam
mit bestimmt, sie haben innerhalb des Feldes Stellenwert. - Die Entwick¬
lung des Feldgedankens ist besonders Jost Trier zu verdanken.
Diese Theorie hat sich als sehr fruchtbar erwiesen, sofern man sie als erhellendes Prinzip
gelten läßt. Schwierigkeiten können sich jedoch ergeben, wenn man den Gedanken zu
streng formuliert. Geht man so weit, die Geltung eines Wortes sei nur dann voll erfaßbar,
wenn man über das gesamte Feld verfügt, läßt man ferner nur das Prinzip gegenseitiger
Abgrenzung gelten und duldet man keine Überschneidungen und Überlagerungen, dann
werden ernste Einwände möglich.
Denn einmal hat es sich als geradezu unmöglich erwiesen auszumachen, wo genau die
Grenzen eines Feldes liegen und ob man alle zugehörigen Wörter erfaßt hat. Zweitens
muß das Feld — wie die ganze Sprache — in steter Bewegung und Entwicklung ge¬
sehen werden. Ständig können neue Wörter hinzutreten und andere ausscheiden. Wenn
sich aber der Inhalt des Einzelwortes automatisch mit jeder Veränderung im Gesamtfeld
verändert, so wird er nie genau zu erfassen sein. Schließlich verfügt jeder Angehörige der
Sprachgemeinschaft nur über einen mehr oder minder großen Ausschnitt seiner Mutter¬
sprache — niemand kann behaupten, er besitze sie vollständig —, so daß er praktisch
auch über keinen Inhalt voll verfügen könnte. So weit braucht man aber sicher nicht
zu gehen.
Auch wenn die Diskussion um den FeldbegrifF heute noch nicht abgeschlossen ist, darf
man sagen, daß er, mit Maß und Ziel angewandt, wertvolle Aufschlüsse verschaffen
Hann, die auf keine andere Weise zu erlangen sind.1

2. Beispiele
a) Die Zensurenskalen
Zur Darstellung der Feldbetrachtung wird gerne das Beispiel der ver- 836
schiedenen Zensurenskalen herangezogen2, die in den vergangenen Jahr¬
zehnten an den deutschen Schulen nacheinander gebräuchlich waren.

1 Vgl. hierzu die Beiträge von H. Schwarz und G. Kandier in der Festschrift für
L. Weisgerber „Sprache - Schlüssel zur Welt“, Düsseldorf 1959.
8 Das Beispiel stammt von Jost Trier und wurde wiederholt von Leo Weisgerber
(z. B. Weltbild II, 1, S. 90) aufgegriffen.
416 Die Gliederung des Wortschatzes

Zunächst gab es eine Viererreihe:


sehr gut — gut — genügend — mangelhaft;
dann eine Fünferreihe:
sehr gut — gut — genügend — mangelhaft — ungenügend;
schließlich eine Sechserreihe:
sehr gut — gut — befriedigend — ausreichend — mangelhaft — ungenügend.

Der Feldgedanke besagt nun, daß die einzelnen Werte nicht dieselben
bleiben, wenn sie von einer Vierer- in eine Fünfer- oder Sechserreihe über¬
wechseln. Gut behält zwar stets die zweite Stelle, aber sein Wert steigert
sich, wenn dahinter statt drei noch vier oder fünf Prädikate folgen. Das
leuchtet ein.
Allerdings erlaubt das Beispiel auch Einwände, die man nicht übersehen sollte. Es
handelt sich zunächst um. kein Beispiel aus der gewachsenen Sprache, sondern um Be¬
schlüsse von Schulbehörden, die einen bestimmten Zweck verfolgen, wobei sie allerdings
auf die muttersprachliche Geltung der verwendeten Wörter Rücksicht nehmen mußten.
Die wachsende Differenzierung der Notenskala sollte den Lehrern Gelegenheit geben,
die Leistungen der Schüler genauer zu beurteilen. Zum Beispiel hatte die Aufspaltung
des Prädikats genügend in befriedigend und ausreichend den Sinn, den weiten Durch¬
schnittsbereich des genügend aufzugliedern, um dem Schüler zu zeigen, ob seine Leistung
dem gut oder dem mangelhaft nähersteht. Die Aufgliederung hatte also nicht den Zweck,
etwa den Bereich von gut einzuengen. Praktisch wird allerdings diese Wirkung doch er¬
zielt , denn es ist sehr wahrscheinlich, daß gut nunmehr, da es mehr Noten
darunter gibt, weniger häufig gegeben wird. Sehr gut kann aber in bestimmten Fällen
in allen Skalen gleichwertig bleiben, z. Bi bei Rechenaufgaben und Diktaten, wo man
sehr gut = null Fehler festsetzen kann. Sehr gut und gut werden jedoch unmittelbar be¬
troffen, wenn, wie bei Hochschulzensuren, noch ein ausgezeichnet oder mit Auszeichnung
(summa cum laude) an die Spitze tritt.
Das Fruchtbare der Feldbetrachtung wird also an diesem Beispiel durch¬
aus deutlich, allerdings zeigt sich daran auch, daß man den Gedanken
nicht zu schematisch auslegen darf. Denn es handelt sich in der Sprache um
geistige Beziehungen, die nicht mit der kausalgesetzlichen Verteilung von
Gasdruck in verbundenen Behältern oder von Flüssigkeit in kommuni¬
zierenden Röhren verglichen werden darf. Hinzu kommt gerade im ge¬
nannten Beispiel der Schulzensuren die Möglichkeit individueller Aus¬
legung, wie sie in dem Ausspruch eines Lehrers zum Ausdruck kommt,
der nicht gerne ein gut gab: „Gut ist zu gut, genügend genügt, genügend
ist auch gut“.

b) Die Verwandtschafts Wörter


837 Die Eigenart sprachlicher Gliederung zeigt sich auch bei unseren Ver-
wandtschaftswörtem deutlich1. In unserer Gesellschaftsordnung, die im
Zeichen der Einehe steht, kann sich jeder Mensch als Mittelpunkt eines
gleichstrukturierten Netzes von Verwandtschaftsbeziehungen betrachten.
Er hat Vater und Mutter, diese haben ihrerseits Vater und Mutter und
so fort. Es können Geschwister da sein, ebenso können die Eltern Ge¬
schwister haben. Jedes Glied der Familie kann verheiratet sein und Kin¬
der haben. Es wäre nun denkbar, daß jedes Glied der Familie mit einem
besonderen Verwandtschaftswort bezeichnet würde. Das würde aber viel
zu weit führen und ist auch in keiner Sprache der Fall,

Vgl. Leo Wei3gerber, Weltbild II, 1, S. 58-66.


Das sprachliche Feld 417

Vielmehr werden bestimmte Verwandtschaftsverhältnisse unter einem Be¬


griff zusammengefaßt, so daß sich eine sprachliche Gliederung ergibt, die
nicht von den Verhältnissen selbst gefordert wird, sondern von den Auffas¬
sungen und Bedürfnissen der Sprachgemeinschaft. So werden bei uns alle
Brüderdes Vaters und derMutter aAsOnkel zusammengefaßt, alle Schwestern
beider Eltern als Tanten usw. Das Mittelhochdeutsche scheidet noch den
Vaterbruder vetere vom Mutterbruder oheim und die Vaterschwester base
von der Mutterschwester muome. Diese Unterscheidungen müssen offen¬
bar nicht mehr als nötig empfunden worden sein, so daß sich die franzö¬
sischen Lehnwörter Onkel (oncle) und Tante (tante) im 17. Jh. durchsetzen
konnten. Unter den Begriffen Schwager und Schwägerin werden noch eine
große Zahl von Verwandtschaftsbeziehungen zusammengefaßt: Schwager
kann ein Bruder der Frau oder des Mannes sein, ferner der Mann der
Schwester usw. Die lateinische Sprache unterschied hier noch schärfer. -
Der Mensch hat zwei Großeltempaare, und es fällt dem Kind zunächst
nicht leicht, zu zwei Männern Opa und zu zwei Frauen Oma sagen zu
müssen. Auch die Schwiegereltern redet man mit Vater und Mutter an.
Diese müssen zu Umschreibungen greifen, wenn sie von den Eltern des
Schwiegersohnes oder der Schwiegertochter sprechen wollen. Die Sprache
hat hier begriffliche Lücken, weil das Bedürfnis nach Ausfüllung nicht
groß genug ist, um entsprechende Wörter hervorzubringen.
Die deutsche Sprache breitet also ein bestimmtes Beziehungsnetz über
die genealogischen Verhältnisse, dessen Dichte unseren Bedürfnissen ent¬
spricht. Andere Sprachen verfahren anders; Kulturen, die keine Ehe
kennen, ja die Beziehung von Zeugung und Geburt ignorieren (wie die
Aranda in Australien), gliedern ihre Gesellschaftsordnung nach ganz
anderen Gesichtspunkten.
Wiederum ist die Ordnung muttersprachlich mitbestimmt, allerdings so,
daß die Geltung der einzelnen Wörter genau definierbar ist, man also zur
Bestimmung des Inhalts nicht die benachbarten Wörter heranzuziehen
braucht, wie es der strenge Feldgedanke fordert.

c) Das Feld der Farbwörter


Die Mitwirkung des Feldgedankens bei der Bestimmung von Wortinhalten 838
kann auch im Sinnbezirk der Farbwörter verdeutlicht werden . Ver¬
suchen wir zunächst einen Überblick über das Wortmaterial zu gewinnen,
welches unsere Sprache hier zur Verfügung stellt.
Wir pflegen die Farbempfindungen heute vornehmlich adjektivisch auszudrücken (rot,
gelb, grün usw.). Das ist nicht selbstverständlich. Früher herrschte im Deutschen
die verbale Auffassung stärker vor, also Wörter vom Typ grünen, blauen. Unsere Farb-
adjektive sind zumeist abstrakt verwendbar, d. h. ihr Gebrauch ist nicht auf bestimmte
Gegenstände beschränkt. Auch das ist nicht notwendig so: Im Griechischen und Latei¬
nischen waren viele Farbwörter gegenstandsgebunden, sie durften nur von bestimmten
Gegenständen gebraucht werden. Reste solcher Verwendungsweisen haben wir noch in
blond (für Haare, mancherorts auch für Semmel und Bier) und falb (als Fellfarbe oder
vom Laub). Neben den sogenannten GrundfarbWörtern wie blau und grün haben wir eine
Fülle von Färb Wörtern, die von einem Farbträger gewonnen sind wie erdbeer- und himbeer-

1 Vgl. Leo Weisgerber, Weltbild II, 1, S. 127-133, 139-140. Helmut Gtpper,


Über Aufgabe und Leistung der Sprache beim Umgang mit Farben. Die Farbe 6, 1957,
S. 23-48.
418 Die Gliederung des Wortschatzes

färben oder mit einem Grundfarbwort gekoppelt sind (kornblurrien~ und himmelblau). Der
Riesenbereich der Malerfarben kann hier am Rande bleiben. Dort gibt es Bezeichnungen,
die den chemischen Grundstoffanzeigen (Ocker, Zinnober usw.) oder für die sich bestimmte
Bezeichnungen eingebürgert haben (Preußischblau, marineblau usw.). Es gibt ferner Mode-
farbwörter wie tizian und cognac, die kaum festzulegen sind, und reine Phantasiebezeich¬
nungen wie Miami und Florida (für Lippenstiftfarben).
Am wichtigsten sind für uns die altererbten abstrakten Grundfarbwörter
rot, gelb, grün und blau, ergänzt um die neueren Farbwörter orange und
violett, sowie Wörter für Mischfarben wie rosa, lila, braun usw., ferner
auch die sogen, unbunte Reihe schwarz, grau, weiß. Auf die Ableitungen
und ihre besonderer^ Verwendungsweisen wurde schon bei der Fächerung
hingewiesen (vgl. 834).
Nach Auffassung der heutigen. Fachwissenschaft vermögen alle normal-
sichtigen Menschen den gleichen begrenzten Bereich physikalisch me߬
barer Lichtstrahlen als Farbempfindungen wahrzünehmen und auch die
gleiche Vielzahl von Farbtönen zu unterscheiden. Dieses menschliche
Farbsehvermögen hängt wesentlich ab von der Struktur unserer Seh¬
organe, des Auges und der mit ihm verbundenen Hirnzentren. Demnach
könnte man erwarten, daß in allen Sprachen auch die gleiche Vielfalt von
Färb Wörtern ausgebildet wäre. Aber der Sprachvergleich zeigt, daß davon
keine Rede sein kann.
Das Farbband des Sonnenspektrums (das allerdings nur einen Bruchteil der sichtbaren
Farben umfaßt) wird in den Sprachen nicht in gleicher Weise aufgegliedert. Anzahl und
Geltung der zur Verfügung stehenden Farbwörter sind verschieden (wenn auch in den
europäischen Sprachen ein weitgehender Ausgleich eingetreten sein mag).
Die Geltung der Farbwörter läßt sich also nicht allein von äußeren Be¬
dingungen her ableiten. Wohl mögen wichtige Farbträger wie das Blut,
der wolkenlose Himmel und die Blätter der Pflanzen sowie besonders die
Struktur der für das Farbsehen wichtigen Netzhaut die Ausprägung be¬
stimmter Grundwerte begünstigt haben. Aber ähnlich wie schon das
Wahrnehmen eines bestimmten Farbwertes nicht ohne Mitwirkung aller
übrigen Werte zu denken ist (die Farbe des Blutes kann sich nur aus einer
andersfarbigen Umgebung als Eigenwert herausheben, und alle Netzhaut¬
schichten müssen mitwirken, um diesen bestimmten Farbwert entstehen
zu lassen), so ist auch die Geltung eines Färb Wortes nicht unabhängig von
der Geltung der übrigen Farbwörter zu begreifen. Die Reichweite von rot
geht so weit, bis Farbwörter wie orange, gelb usw. in Konkurrenz treten.
Die Grenzen zwischen den einzelnen Wörtern sind sicher nicht mit dem
Lineal zu ziehen, sie schwanken auch von Sprecher zu Sprecher, aber der
Feldgedanke erweist sich doch als mitbestimmender Faktor. Schon im
Deutschen selbst können wir die Richtigkeit dieser Beobachtung prüfen.
Es gibt Angehörige unserer Sprachgemeinschaft, z. B. ältere Leute auf dem Lande, die
nie modernere Farbwörter wie orange und violett gelernt haben. Wie können sie nun einen
Farbton zwischen rot und gelb, für den man orange gebraucht, und einen Farbton zwischen
blau und rot, der violett genannt werden kann, bezeichnen ?
Sie können sich mit Zusammensetzungen wie rotgelb und blaurot (oder auch mit umge¬
kehrter Gliederfolge) behelfen, wie es auch Goethe anfangs in seiner Farbenlehre tat.
Sie können auch von rötlich und bläulich sprechen, um die Nähe zu diesen Farben anzu¬
deuten. Sie können schließlich möhrenfarbig und veilchenfarbig oder so ähnlich sagen,
d. h. auf einen ihnen bekannten Farbträger hinweisen. Wem aber eine solche Ausweich¬
möglichkeit nicht liegt, dem bleibt nichts anderes übrig, als einfach von rot oder blau oder
gelb zu sprechen, d. h. er bezieht die Zwischentöne mit in das bekanntere Farbwort ein
Das sprachliche Feld 419

Der Besitz differenzierender Farbwörter wie orange und violett (nicht zu verwechseln mit
dem viel helleren, weißhaltigen lila) erlaubt aber, auf einfachste Weise eine genauere
Gliederung vorzunehmen, wobei allerdings orange wegen gewisser Ausspracheschwierig¬
keiten bei uns nicht recht heimisch werden will (W. Ostwald schlug kreß vor, aber auch
das hat sich nicht eingebürgert).
Die Folgerungen sind nicht unwichtig: Maler, Modefachleute und andere
Berufszweige, die mit einer Fülle von genaueren Farbbezeichnungen ver¬
traut sind, werden sich kaum klar darüber, daß sie ihr feineres Unterschei¬
dungsvermögen nicht nur dem täglichen Umgang mit Farben verdanken,
sondern auch der Wirkung der differenzierenden sprachlichen Begriffe,
die ständig auf feinere Nuancen aufmerksam machen.

Bei den Schulzensuren handelt es sich um eine künstliche Setzung. Die


muttersprachliche Geltung der Verwandtschaftswörter ließ sich fest auf
vorgegebene außersprachliche Verhältnisse beziehen. Bei den Farbwörtem
war zwar der außersprachliche Wahmehmuhgsbereich, den sie aufgliedern,
auf Grund der Struktur der menschlichen Sehorgane ebenfalls abgrenzbar,
und er wies auch eine mit Schwerpunkten ausgestattete Eigengliederung
auf, aber bei der sprachlichen Aufgliederung zeigen sich doch schon
stärker spracheigene Einflüsse. Je weniger Anhaltspunkte für die Glie¬
derung der Umwelt entnommen werden können, desto stärker wird die 4
geistige Setzung deutlich, und der sprachliche Einschlag nimmt zu. Das
zeigt sich noch eindrucksvoller in einem anderen Bereich sinnlicher Wahr¬
nehmung, den Wärmeempfmdungen.

d) Die Temperaturwörter
Für Wärme- und Kälteempfindungen stellt unsere Muttersprache eine 839
ganze Reihe von Wörtern zur Verfügung. Mustern wir sie durch, so fällt
auf, daß ihr Anwendungsbereich und ihre Gleitung schwankt, genauer
gesagt, abhängig davon ist, wo oder woran die Temperatur festgestellt
wird. Man kann also nicht alles von allem sagen.
Temperaturwörter brauchen wir vornehmlich für die Beurteilung des
Wetters und der Luft (z. B. in Räumen) sowie von Flüssigkeiten, Speisen
und Gegenständen.
In manchen Bereichen kann man mit den beiden Grundwörtern kaU und
warm auskommen, und so finden sich an vielen Geräten, Heizungen und
Wasserleitungen nur diese beiden Pole bezeichnet. In anderen Bereichen
braucht man zusätzlich den Steigerungsgrad heiß. Mit dieser Dreierreihe
kommt man notfalls überall aus, zumal man noch mit Zusätzen wie sehr,
ziemlich usw. differenzieren kann. Kalt, warm und heiß sind ziemlich all¬
gemein verwendbar. Wie aber steht es mit den weiteren Zwischenstufen
und Zusammensetzungen wie eisig kalt, bitter kalt, kühl, mild. Und, lau oder
lauwarm, schwül, drückend oder drückend warm, brüllend, kochend, sen¬
gend und siedend heiß usw. ? Hier zeigen sich schon eine Reihe von Ein¬
schränkungen.
Zunächst macht die Sprache darauf aufmerksam, daß offenbar ein Bedürfnis nach einer
Aufgliederung des Bereiches zwischen kalt und warm besteht. Die entsprechenden Wörter
sind aber nicht allgemein verwendbar. Manche lassen z.. B. fine kühle Stirn, kühle Hände
u. ä. gelten, andere halten kühl nur vom Wetter, der Luft, Flüssigkeiten, besonders Ge-
420 Die Gliederung des Wortschatzes

tränken, für möglich, abgesehen von den übertragenen Verwendungen (ein kühler Emp¬
fang). Auch lau oder lauwarm beschränken die einen auf Wetter, Luft, Flüssigkeiten und
Speisen, andere finden es auch normal, von einem lauwarmen Ofen oder einer lauwarmen
Heizung zu sprechen. Mild, schwül, drückend oder drückend warm, aber auch brüllend heiß
wird meist nur vom Wetter oder von der Luft gesagt. Lind kann man von der Luft und
vom Kegen sagen (es wirkt leicht poetisch), siedend heiß nur von Flüssigkeiten, kochend
heiß von Flüssigkeiten und Speisen.
Die Temperaturwörter sind also nicht unabhängig. Heiß ist offenbar nicht
der gleiche, in Celsius meßbare Wärmegrad, wenn man es vom Wetter,
von Händen, vom Badewasser, von einer Tasse Kaffee oder einem Teller
Suppe, einem Bügeleisen oder einem Ofen sagt. Vielmehr spielen dabei
verschiedene Faktoren eine Rolle.
Einmal zeigt heiß einen Wärmegrad an, der über das normale oder zu erwartende Maß
hinausgeht, so beim Wetter oder bei Händen, deren Hitze eine Krankheit erkenfien
lassen kann. - Weiter kann heiß einen erwünschten und auch für den Körper erträglichen
Wärmegrad anzeigen wie bei Speisen und Getränken. - Schließlich kann heiß bei Geräten
einen für bestimmte Zwecke notwendigen Wärmegrad bezeichnen, der jedoch Verbren¬
nungen verursachen würde, käme der Mensch unmittelbar damit in Berührung.
Heiße Hände sind, in Wärmegraden gemessen, sicher wesentlich kälter als heißer Kaffee,
und dieser ist wiederum wesentlich kälter als ein heißes Bügeleisen. Wäre das Bügeleisen
nur so heiß wie der heiße Kaffee, dann wäre es zum Bügeln zu kalt.
Heiß ist also ein relativer Wert, der an bestimmte Tauglichkeits- und
Erwartungsnormen1 gebunden ist. Dabei sind auch Kontrastwirkun¬
gen wichtig: Wer aus Eis und Schnee in eine wohlgeheizte Stube tritt,
wird sie ausgesprochen heiß finden, während sie dem, der sich schon
länger dort aufgehalten hat, normal warm vorkommt.
Daß die sprachliche! Ordnung auch auf physiologische Voraussetzungen
aufmerksam machen kann, ist für den, der die innige Verwobenheit von
Sprache, Mensch und Umwelt kennt, nicht weiter verwunderlich.
Wenn wir eine mit den Händen gemessene Wassertemperatur warm nennen, die gleiche
Temperatur aber z. B. am Ellenbogen als heiß beurteilen (eine Erfahrung, welche die
Mutter nutzt, wenn sie die Temperatur des Badewassers für das Kind prüft), dann zeigt
sich daran, daß die Hand nicht so wärmeempflndlich ist wie der Arm. Wenn wir heißen
Kaffee oder eiskalte Getränke mit Behagen schlürfen, so weist das darauf hin, daß die
Mundhöhle relativ wärmeunempflndlich ist. Weit weniger unempfindlich sind Zungen¬
spitze und Zähne, denen wir deshalb die Berührung mit extremen Temperaturen zu er¬
sparen suchen. Die Sinnenphysiologie bestätigt, daß die Wärmeempflndungsorgane am
menschlichen Körper verschieden dicht verteilt sind.*
Die Mehrschichtigkeit des muttersprachlichen Sinngefüges der Tempe¬
raturwörter ist also nicht unbegründet. Andererseits kann man nicht
sagen, es müßte gerade so sein. Denn es wären auch andere Gliede¬
rungen denkbar. Eine besonders auffällige menschliche Setzung zeigt sich
in der Physik, wo man auf den Begriff Kälte ganz verzichtet hat und die
Wärmeskala bei —273° beginnen läßt.
Physiologische Gegebenheiten, klimatische Bedingungen, menschliche
Lebensgewohnheiten und Einstellungen haben also in steter Wechsel¬
wirkung mit der Sprache und ihren Mitteln zu der heute üblichen Ord-

1 Diese Begriffeatammen von E. Leisi, der sie in eine wichtige Arbeit einführt: Der
Wortinhalt, seine Struktur im Deutschen und Englischen, Heidelberg 1958.
* Vgl. F. Brock, Bau und Leistung unserer Sinnesorgane I, Dalp-Taschenbücher,
Bd. 323, 1956.
Das sprachliche Feld 421

nung geführt. Sie ist nicht unabänderlich. Zum Beispiel könnte steter
übertreibender Gebrauch des Wortes heiß dazu führen, daß es auf die
Stufe von warm herabsinkt - beim Wetter sind Anzeichen dazu vorhan¬
den. An die Spitze müßten dann Ersatzwörter treten (wie viele sprechen
schon nur noch von Affen- und Bullenhitze), und damit würde eine Um¬
strukturierung des ganzen Sinnbezirks eintreten.

e) Der Sinnbezirk klug und dumm


Am stärksten werden die muttersprachlichen Sehweisen spürbar in gei- 840
stigen Sinnbezirken, die gar keine Orientierung an dinglich greifbaren
oder körperlich meßbaren Gegebenheiten gestatten. Ein Beispiel dafür
liefern die Wörter für Verstandesqualitäten und Intelligenzgrade. Gewiß
liegen auch hier objektiv feststellbare äußere Anlässe vor, die solche Ur¬
teile hervorlocken, aber die Gesichtspunkte, nach denen geurteilt wird,
und die Kategorien, in denen das geschieht, sind doch rein geistiger Natur
und werden erst in und mit der Sprache faßbar.
Versucht man, die zum Sinnbezirk klug und dumm gehörigen Wörter zu
sammeln und eine verbindliche Ordnung zu ermitteln, so zeigen sich viele
Schwierigkeiten.1
Zwei große Gruppen lassen sich leicht unterscheiden, die positiven und
die negativen Bewertungen:
aufgeweckt, befähigt, begabt, gebildet, geistreich, geistvoll, genial, gescheit, intelli¬
gent, klug, scharfsinnig, schlagfertig, schlau, talentiert, tiefsinnig, vernünftig, ver¬
ständig, weise usw.
beschränkt, blöde, dämlich, dumm, einfältig, geistesarm, geistesschwach, geistlos,
töricht, unbegabt, ungebildet, untalentiert usw.
Die zahlreichen umgangssprachlichen Varianten sind kaum zu überschauen: be¬
hämmert, bekloppt, *doof, saudumm, strohdumm usw.
Wie aber soll man nun weiter verfahren ?
Es empfiehlt sich, zusätzlich möglichst viele übliche und typische Ver¬
wendungsweisen dieser Wörter in stehenden Wendungen, Redensarten
und Zitaten zu sammeln, denn nur aus der Gesamtübersicht läßt sich
die muttersprachliche Gliederung und der Wert des Einzelwortes er¬
schließen. Hier können nur Ansätze dazu geboten werden.
Der Stilduden kann uns bei der Materialsammlung helfen. Es finden sich da Sprich¬
wörter, Zitate und Redensarten in großer, Zahl: Der kluge Mann baut vor. Durch Schaden
wird man klug. Seid klug wie die Schlangen. Ein kluger Kerl, ein schlauer Fuchs, ein
gerissener Gauner usw.
Wichtig ist auch zu beachten, aus welcher Sprach- und Stilschicht die gefundenen Wörter
stammen. Auf der Straße steht von Kinderhand: Grete ist doof. Dämlich klingt salopp,
töricht gehört einer gehobenen Sprachschicht - und der Bibelsprache an.
Ferner ist zu fragen, von wem man solche Wörter gebrauchen darf. Zum Beispiel können
Lebenserfahrung und Alter eine Rolle spielen: Nur ein alter und lebenserfahrener Mann
kann weise sein.Aufgeweckt wird man vornehmlich von Kindern sagen, genial nur von
wirklichen Ausnahmemenschen.
Auf diese Weise ergeben sich schon eine ganze Reihe von Gesichtspunkten,
und einzelne Wörter lassen sich jetzt etwas näher bestimmen. So zeigt
sich:
, ,
klug ist mehr als schlau gebildet mehr als intelligent vernünftig mehr als verständig,
,
genial mehr als begabt weise mehr als geistreich.

1 Für die früheren Verhältnisse und die eingetretenen Umgliederungen vgl. Jost Trier,
Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes, 1031.
422 Die Gliederung des Wortschatzes

Nützlich ist es auch, eine Ordnung nach Gegensatzpaaren zu versuchen,


wenn auch die Zuordnungen nicht immer zwingend erscheinen:
dumm, - klug, töricht - weise, unbegabt - begabt, geistvoll - geistlos.
Zu beachten sind ferner bestimmte Sprachgewohnheiten. So wird gerade
bei Urteilen über die geistigen Fähigkeiten der Mitmenschen oft über¬
treibend geurteilt: Man spricht von einem genialen Burschen, der nur das
Prädikat begabt verdiente, und man nennt einen Kerl blöde, der durchaus
normal ist, über den wir uns aber geärgert haben.
Ein Kind wird man nicht so leicht blöde nennen, denn es könnte als geisteskrank ver¬
standen werden. Daß blöde bei Goethe und auch heute noch in manchen Gegenden
nur schüchtern besagt, sei nur am Rande vermerkt. Ebenso ist dumm auch im Sinne von
benommen, verwirrt zu verstehen in Wendungen wie: Mir ist ganz dumm im Kopfe usw.
Mehrere Wörter, die an sich positive Verstandesqualitäten anzeigen, sind doch negativ
zu bewerten, weil sie darauf hinweisen, daß die Verstandesgaben zu niederen Zwecken
mißbraucht werden wie gerissen, gerieben und raffiniert. Der umgekehrte Fall ist selten.
Vielleicht kann einfältig positiv verstanden werden, wenn man damit einen kindlich¬
naiven Menschen kennzeichnen will, der das Böse dieser Welt nicht sieht, wie etwa
Parzival.
Die Sprache hebt also ganz verschiedene Gesichtspunkte heraus: einmal
den reinen Verstand, dann auch die Kräfte des Gemüts, schließlich auch
mehr künstlerische Veranlagungen und allgemein menschliche Quali¬
täten. Wenn man also genügend Geduld aufwendet, wird eine mutter¬
sprachliche Gliederung sichtbar, die sich gewiß in kein Kästchensystem
einordneri läßt, die aber doch eine überraschende Fülle von Gesichts¬
punkten erkennen läßt, von deren Existenz man kaum etwas ahnt. Daß
dabei die negativen Eigenschaften sprachlich reicher differenziert werden
als die positiven, scheint mit allgemein menschlichen Wesenszügen zu¬
sammenzuhängen. 1

IV. Gegenwörter oder Oppositionen

841 Der Inhalt vieler Wörter wird durch die Opposition oder das Gegenüber
anderer Wörter mitbestimmt. Wenn es auch von manchen Forschern be¬
stritten wird, so erscheint es doch nicht zu kühn anzunehmen, daß tat¬
sächlich vorhandene und vom Menschen wahrgenommene und gespürte
Polaritäten in der Natur das Vorbild für diese sprachlichen Sehweisen
geliefert haben. Das Prinzip der Polarität, dem Goethe so viel Aufmerk¬
samkeit gewidmet hat, ist sicher ein außersprachliches Phänomen, an
dem der Mensch und seine Sprache nicht Vorbeigehen können.
Mann und Weib, Tag und Nacht, rechts und links, oben und unten, Himmel und Erde, leben
und sterben sind sicher sprachliche Werte, die zum Teil spezifisch menschliche Sehweisen
verraten, aber sie treffen doch Tatbestände, die sich dem Menschen zweifellos von außen
aufdrängen. Wäre der Mensch z. B. nicht in der Weise symmetrisch gebaut und mit
zwei Greif- und Gehwerkzeugen ausgestattet, wie es der Fall ist, dann wären vielleicht
. die Begriffe rechts und links in seiner Sprache nicht anzutreffen. (Hier ist vielleicht eine
Verallgemeinerung gestattet, da, soweit wir sehen, in allen Sprachen diese Begriffe auf¬
tauchen.)

1 Eine ganze Reihe weiterer Felder hat Leo Weisgerber untersucht. Vgl. besonders
Weltbild II, 1.
Syntaktische Felder 423

In Analogie zu natürlichen Gegebenheiten, die sprachlich aufgenommen


werden, kann sich natürlich das Prinzip der Polarität beliebig ausweiten,
und es durchzieht in der Tat alle Sprachen. Hierbei werden nun auch
menschliche Sehweisen und Maßstäbe in wachsendem Umfang bestim¬
mend. Was als groß oder klein, lang oder kurz, dick oder dünn gelten darf,
kann von vielerlei Umständen abhängen. Hier erweist, sich eine Beob¬
achtung als fruchtbar, die wir schon bei den Temperaturwörtem machen
konnten (vgl. 839) und die von E. Leisi methodisch ausgebaut worden ist.
Leisi spricht von Spezies- und Erwartungsnormen1, an denen die Geltung der Wörter im
Einzelfall zu messen ist.
Ob ein Kind groß oder klein ist, hängt von der zu erwartenden Normalgröße ab, die der
Altersstufe angemessen ist. Ein zweijähriges Kind, das sehr groß für sein Alter ist, wird
doch viel kleiner sein als ein achtjähriges Kind, das zu klein ist. Ein sehr kurzer Kinder¬
schi ist immer noch sehr viel länger als der längste Bleistift, eine dicke Scheibe Käse wird
normalerweise dünner sein als eine dünne Scheibe Brot usw.
Bei der Bestimmung der Wortinhalte wird also das von der Natur oder
vom Menschen festgelegte Maß, die Norm, der Durchschnitt eine Rolle
spielen. Darüber hinaus steht es dem Menschen natürlich frei, nach eigenem
Ermessen Gegenüberstellungen vorzunehmen, die vielleicht nur in seiner
Phantasie bestehen. Von solchen Oppositionen sind manche Dichtungen
übervoll.

V. Syntaktische Felder

1. Das Wesen des syntaktischen Feldes


Eine weitere Möglichkeit der inhaltlichen Bestimmbarkeit von Wörtern 842
ergibt sich aus derb Umstand, daß bestimmte Wörter stets mit anderen
gekoppelt zu denken sind, sei es auf Grund sachlicher Beziehungen, sei es
auf Grund muttersprachlicher Sehweisen. W. Porzig spricht in solchen
Fällen von syntaktischen Feldern2, da diese Bezüge zugleich syn¬
taktisch wichtig sind.
So setzt das Verbum beißen das Vorhandensein von Zähnen voraus, die eben zum Beißen
nötig sind. Wenn dagegen davon die Rede ist, daß Säure, Schmerz und Spott beißen
können, so spüren wir, daß es sich um eine übertragene Verwendungsweise handelt.
Zu lecken gehört Zunge, zu bellen - Hund, zu fällen - Baum, zu blond - Haar; ferner gehört
zu reiten jede Art von Reittier, zu fahren gehören bestimmte Fahrzeugarten usw. Dieses
Prinzip läßt sich nun beliebig ausweiten: Man könnte sagen, zu Schnee gehört weiß und
kalt, zu Laub grün, welk usw., zu backen-Bäcker oder Bäckerin, aber auch Teig, Form,
Backofen, Brot, Kuchen. Eine solche Ausweitung wird allerdings schon bedenklich, denn
sie führt zu der sehr allgemeinen und darum für den konkreten Fall unergiebigen Fest¬
stellung, daß schließlich alles mit allem zusammenhängt. An sich ist das natürlich, be¬
sonders im Hinblick auf die Spräche, gar nicht falsch, aber für die Bestimmung einzelner
Wortinhalte ist damit nicht viel zu gewinnen.
Entscheidend ist bei diesen sogenannten Bedeutungsbeziehungen, daß
man den sprachlichen Charakter erkennt und nicht naiv meint, hier wür¬
den einfach sachliche Beziehungen benannt. Es mag uns selbstverständ¬
lich scheinen, daß beißen und Zähne zusammengehören, aber diese Sicher-

v E. Leisi, a. a. O., S. 100, 101. 8 Vgl. dazu Walter Porzig, Wesenhafte Bedeu¬
tungsbeziehungen. Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 58,
1934, S. 70 ff.; ders.: Das Wunder der Sprache, 2. Aufl. S. 120.
424 Die Gliederung des Wortschatzes

heit gerät bereits ins Wanken, wenn wir fragen, ob nicht auch ein zahn¬
loses Geschöpf beißen kann, etwa mit scharfen Kiefern oder ähnlichem.
Auch ist nicht einzusehen, weshalb es für eine bestimmte Tätigkeit der
Zunge ein besonderes Verb lecken, für den Laut des Hundes ein besonderes
Verb bellen, für das Schlagen der Bäume ein besonderes Verb fällen geben
müßte. In jedem Fall könnten auch allgemeinere Verben ausreichen. Zwar
trifft die Sprache mit ihren Spezialverben sachliche Verhältnisse, aber es
ist doch nicht so, daß diese Beziehungen nur auf diese Weise und nicht
anders gefaßt werden müßten. Die sprachlichen Setzungen sind, wie wir
schon wiederholt sahen, weder von den Dingen unausweichlich gefordert,
noch ist vorauszusehen, was die Sprache hervorhebt und wie sie es tut.
Auch die deutschen Verben der Bewegung machen darauf aufmerksam,
daß bei jedem bestimmte Momente mitgesetzt sind, die seinen Inhalt
mitbestimmen1. Oder anders ausgedrückt: Diese Verben dürfen nur dann
gebraucht werden, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind.
So kennen wir z. B. für schnelle Bewegungsarten des Menschen die Verben laufen, eilen,
,
rennen rasen, flitzen usw., wobei umgangssprachlich laufen und rennen in manchen Ge¬
genden auch für das normale Gehen eintreten kann. Die Steigerung führt von laufen zu
rennen und reuen, während das lautmalende /Zitzen wohl mehr in den Kindermund gehört.
Damit so etwas möglich ist, müssen naturgemäß gesunde Gehwerkzeuge vorhanden sein.
Aber auch die Unterlage, der Weg, muß geeignet sein; auf schlammiger Straße ist das
nicht möglich. Das scheint nun sehr banal, ist aber doch nicht unwichtig. Denn wir werden
so auf eine ganze Reihe von Bedingungen aufmerksam, die der Gebrauch bestimmter
Verben fordert.
Liegt eine subjektive Gehbehinderung vor, eine Beinverletzung oder ähnliches, so kann
man von hinken oder humpeln sprechen. Liegt eine objektive Gehbehinderung vor, also
eine Behinderung durch den Gehweg, so kann die Gangart zu stapfen oder stampfen (in
hohem Schnee), zu waten (in knietiefem Wasser) usw. werden. Bequem und lässig oder
nichtstuerisch ist schlendern, bummeln, flanieren. Lautlos und heimlich ist schleichen;
mühsam, unter Umständen auf allen vieren und in vertikaler Richtung, ist klettern; am
Boden muß man kriechen. Zügig und womöglich im Gleichschritt einer Kolonne mar¬
schiert man, zum Zwecke der Erholung wandert man durch Wald und Feld; ein einge¬
bildeter Mensch stolziert wie ein Hahn oder Pfau; eine steife Gangart kann man stelzen
nennen.

Folgende Faktoren können also eine Rolle spielen: die Beschaffenheit


dessen, der sich bewegt, sowie die Beschaffenheit des Weges oder des
Untergrundes, auf dem er sich bewegt. Ferner die Richtung, in der die
Bewegung erfolgt. Davon ist wiederum abhängig die Art, wie die Be¬
wegung abläuft. Schließlich kann auch der Zweck, ja die Einstellung dessen,
der geht, zu seiner Tätigkeit mit berücksichtigt sein. Und zum guten
Schluß kann der Geher selbst in seinem Charakter beurteilt werden.
Daß die deutsche Sprache eine solche Vielfalt von Gesichtspunkten in die
Verbinhalte mit aufgenommen hat, ist wiederum nicht selbstverständ¬
lich, sondern spracheigentümlich.
Gut sichtbar wird die Eigenart der deutschen Sprache beim Verbum schwimmen, das wir
sowohl von Menschen und Tieren wie auch von Gegenständen sagen können. Der Fran-,
zose unterscheidet hingegen nager, eine Fortbewegung im Wasser mit eigenen Schwimm¬
bewegungen, und flotter, auf der Wasseroberfläche treiben wie ein Stück Holz. Die Fort-

1 Das Beispiel der Bewegungsverben stammt von W.Porzig, ist aber unveröffentlicht.
Die Methode entspricht der von'E. Leisi.
Syntaktische Felder 425

bewegung eines Schiffes, die mit der Kraft des Windes oder durch Motoren erfolgen kann,
würde er alB aller oder auch als marcher bezeichnen; wir sprechen in diesem Fall von segeln
oder fahren.
Was für die Bewegungsarten des Menschen gilt, trifft natürlich in gleicher
Weise für die Bewegungsarten von Tieren und Vögeln zu und wäre ge¬
sondert zu untersuchen.

2. Das Sonderproblem der unpersönlichen Verben (Impersonalia)


und der unpersönlich gebrauchten Verben
In dem vorausgehenden Abschnitt sahen wir, daß eine ganze Reihe von 843
Verben auf bestimmte Subjekte beschränkt ist (wiehern - Pferd, hellen
- Hund usw.).
Als einen Extremfall in bezug auf die Subjektbeschränkung kann man
diejenigen Vorgangsverben ansehen, die gewöhnlich unter dem Stichwort
„unpersönliche Verben“ (auch Impersonalia) in den Grammatiken vor¬
geführt werden, falls man nicht vorzieht, sie zu den stehenden Wendun¬
gen zu stellen, deren Veränderlichkeit ohnehin eingeschränkt ist. Es han¬
delt sich um solche Verben, die kein persönliches Subjekt haben können,
sondern nur mit unpersönlichem „es“ konstruiert werden.
Die Einteilung dieses Abschnittes ergibt sich jedoch weniger von den Ver¬
ben, als von dem Einleitewort „es“ her, weil ihm zwei verschiedene
inhaltliche Leistungen zuzusprechen sind.

a) Unpersönliche Wendungen mit „es“ als unbestimmter Ursache


eines Geschehens
Sobald man die unpersönlichen Wendungen unter dem Gesichtspunkt der 448
Subjektbeschränkung sieht, ergibt sich die Frage, ob das „es“ überhaupt
als echtes Subjekt anerkannt werden kann und, wenn ja, welcher inhalt¬
liche Wert ihm nach heutigem Sprachempfinden zukommt. Damit gerät
man unversehens in eins der umstrittensten Kapitel der Sprachwissen¬
schaft. Während manche Forscher dem „es“ gar keinen inhaltlichen Wert
zuerkennen und tes als reines Formwort oder Scheinsubjekt bezeichnen,
erblicken andere in ihm den sprachlichen Ausdruck für das Wirken un¬
persönlicher, irrationaler oder mythologischer Kräfte.
Auch wer mythologischen Deutungen gegenüber skeptisch ist, dürfte
doch für nachstehende Wendungen die Ansicht zulassen, daß mit dem
„es“ eine nicht näher zu bestimmende Ursache des Geschehens angezeigt
wird.

a) Witterungsimpersonalia
Die Witterungsimpersonalia sind in der Regel nur mit „es“ möglich: 845
es regnet, es nieselt, es hagelt, es schneit u. a.
Nur einige dieser Verben können mit wenigen anderen, zu ihrem Inhalt
passenden Subjekten verbunden werden:
Eis und Schnee tauen; der Morgen und der Abend dämmert; Mensch und Tier können
frieren.
Im Übertragenen Sinn sind natürlich auch andere Subjekte möglich. Welche, das hängt
,
wieder vom Verbinhalt ab. Es wird z. B. weniger Fälle geben, wo man von regnen hageln
oder schneien sprechen kann, als es Möglichkeiten gibt, von blitzen und donnern zu
sprechen.
426 Die Gliederung des Wortschatzes

Schläge können hageln, Konfetti regnen, Daunenfedern schneien (vgl. das Märchen von
der Frau Holle). Blitzen kann hingegen alles, was Licht entsprechend zu reflektieren
vermag, also alle polierten Gegenstände, Waffen, Schmuck, Edelsteine usw. Aber auch
das Auge kann im Zorn blitzen und das Meer in der Sonne. - Donnetn können in unserer
lärmerfüllten Zeit viele Dinge: Maschinen, Züge (etwa über Brücken), Geschütze, Raketen
usw.
Das „es“ bei den Witterungsverben kann heute noch als Hinweis auf
eine unbekannte Ursache empfunden werden.
ß) Andere Verben im unpersönlichen Gebrauch
846 Bei den Verben, die unpersönlich gebraucht werden können, wenn die
Ursache des Geschehens ungewiß ist, heben sich folgende Gruppen heraus:
1. Wachstumsverben
£8^grünt und blüht; es wächst und gedeiht (auf Pflanzen und Lebewesen be¬
schränkt).

2. Geräuschverben
es raschelt, knistert, klopft, pocht, poltert, spukt u. a.
Da diese Gehörseindrücke leicht in den Bereich des Geheimnisvollen, ja Unheim¬
lichen weisen, wird eine entsprechende Deutung des „es" begünstigt. Bei „es spukt",
wo man eigentlich nur an Geister denken kann, wird das besonders deutlich.

3. Verben körperlicher und seelischer Empfindung


Fremder, unpersönlicher Einfluß auf den Menschen kann ferner bei
einer Reihe unpersönlicher Wendungen verspürt werden, die in den
Bereich körperlicher und seelischer Empfindungen weisen. Dabei tritt
die betroffene Person in den Akkusativ, der - sofern er die Satzspitze
einnimmt - das „es“ vielfach überflüssig macht:
es friert mich - mich friert; es dürstet mich - mich dürstet; es hungert mich -
mich hungert u. a.
Während manche dieser Wendungen in sich geschlossen sind, ver¬
langen andere noch eine Ergänzung (vgl. 862 f.): .
es verlangt mich nach,dir - mich verlangt nach dir; es gelüstet ihn nach Geld-
ihn gelüstet nach Geld.
Die meisten dieser Ausdrücke wirken heute veraltet. Sie haben zum
Teil biblischen oder poetischen Klang. Wir bevorzugen persönliche
Wendungen wie
ich habe Hunger, ich bin hungrig,
die in alter Zeit gar nicht möglich waren. Man darf annehmen, daß das
Vordringen der persönlichen Wendungen gegenüber dem unpersön¬
lichen, auf frenjden Einfluß weisenden „es“ mit der veränderten,
selbstbewußteren Einstellung des Menschen der Natur gegenüber
zusammenhängt.
4. Besonderer unpersönlicher Gebrauch eines Verbs
Die unpersönlichen Wendungen, die im Deutschen sehr beliebt sind,
ermöglichen spezifische Aussagen, die in anderen Sprachen nicht
mit dieser Leichtigkeit zu bilden sind. So kann z. B. ein Verb jederzeit
unpersönlich verwendet werden, wenn ausgedrückt werden soll, daß
es sich um ein Geschehen handelt, das dem menschlichen Willen weit-,
hin entzogen ist. So kann man ohne weiteres sagen:
Eigentlich atme nicht ich, sondern: es atmet in mir.
Syntaktische Felder 427

Dabei kann das „es“ als bedeutsam empfunden werden, weil es darauf
hinweist, daß hier eine unerklärliche, nicht von unserem Willen ab¬
hängige Kraft wirksam ist. Schriftsteller mit ausgesprochenem Ge¬
fühl für Nuancen haben solche Möglichkeiten genutzt:
„Ich schrie auch nicht selbst, es schrie, es war eine heilige Ekstase der Schmer¬
zen“1 (Thomas Mann).
Es ist also auch heute jederzeit möglich, das „es“ in einer Weise aus¬
zuwerten, die weit über das hinausgeht, was ein bloßes Scheinsubjekt
leisten könnte. Daher bleibt es vertretbar, auch diese Wendungen unter
dem Gesichtspunkt der Subjektbeschränkung zu sehen.
5. Darstellung eines Geschehens an sich
Auch bei der Darstellung eines Geschehens an sich, bei dem der Mensch,
der es verursacht, zurüektreten soll, sind von vielen Verben unper¬
sönliche Konstruktionen (hier im Passiv; vgl. 107) mit „es“ möglich:
Es wurde gegessen und getrunken, getanzt und gesungen.
Hier kann allerdings auch ein weiterer Subjektsnominativ
hinzutreten und den Charakter des „es“ ändern oder, ganz über¬
flüssig machen:
Es wurde ein Walzer getanzt - Ein Walzer wurde getanzt.
Damit sind wir bereits bei den Fällen, deren „es“ sich von dem der
echten unpersönlichen Wendungen so stark unterscheidet, daß man
es strenggenommen als ein anderes Wort bezeichnen kann.

b) Unpersönliche Wendungen mit „es“ als bloßem Einleitewort oder


als Vorläufer eines Satzgliedes
Das „es“ in nachstehenden Wendungen kann man einmal als präludie- 847
rendes, erzählungseinleitendes Wort ansprechen, zum anderen als Vor-
läufere ines Satzgliedes: eines Subjektsnominativs oder eines Infinitivs
bzw.. Gliedsatzes in der Rolle eines Subjekts oder Akkusativobjekts:
Es stand/in alten Zelten ein Schloß so hoch und hehr (Uhland). Ich verschmähe es,
. solche Mittel zu gebrauchen. Ich erwarte es nicht, daß er kommt.
Sofern dies6 Wendungen formelhaft geworden .sind, behält das „es“ seinen, festen Platz.
Sonst ist häufig auch die Voranstellung des Ausdrucks möglich, den das vorangehende
„es“ vertritt. In diesen Fällen füllt das „es“ ganz weg (vgl. auch 106).

a) Ereignisverben
Eine Gruppe dieser unpersönlichen Wendungen bilden Ereignisverben 848
wie geschehen, gelingen, glücken, sich ereignen u. a.:
Es geschah etwas Unerwartete» - etwas Unerwartetes geschah. Es ereignete sich
ein Unglück - ein Unglück ereignete sich.

ß) Einleitende formelhafte Wendungen


Einleitende formelhafte Wendungen wie „es war einmal“ lassen einen 849
zweiten Subjektsnominativ folgen, nämlich das, worauf der Erzähler hin¬
zielt. Eine solche Wendung kann als erwartungssteigernd empfunden
werden:
Es war einmal - ein König.

1 Dieses schöne Beispiel hat J. Erben in seinem „Abriß der deutschen Grammatik“,
S. 31, angeführt.
428 Die Gliederung des Wortschatzes

Solch© einleitenden Wendungen können auch in der Dichtung aus rhyth¬


mischen oder metrischen Gründen angezeigt sein:
Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein ... Es ging ein Jäger jagen ...

y) Unpersönliche Wendungen vor Gliedsätzen oder Infinitivkonstruktionen


850 Als stehende Wendungen können auch folgende Fügungen angesehen
werden, denen meist ein daß-Satz oder auch eine Infinitivkonstruktion
folgt:
es ist nötig, möglich, wahrscheinlich, natürlich, sicher u. a.
Hier ist fast immer die Deutung vertretbar, daß das „es“ Vorläufer ist:
Daß er kommt, ist möglich: es ist möglich, daß er kommt.
Hierher gehören auch Wendungen wie:
es freut mich, es überrascht mich [, dich zu sehen].

<f) Besondere Urteile und Feststellungen


851 Wieder anderer Art sind Sätze wie:
Es ist der Vater [mit seinem Kind],
die nicht selten als Antworten auf Fragen ein identifizierendes Urteil ge¬
statten, während Sätze wie:
es ist Nacht, es ist dunkel
bestimmte Situationen feststellen.
Wendungen wie „es gibt“ + Akkusativ eignen sich, sofern sie selbständig
gebraucht werden, zu Existenzialurteilen, d. h. sie sagen aus, daß das ge¬
nannte Wesen oder Ding vorhanden ist:
Es gibt einen Gott.

c) Schlußbemerkung
852 Die unpersönlichen Wendungen sind, wie Bich gezeigt hat, keineswegs
gleichwertig. Während dem „es“ als imbestimmter Ursache eines Ge¬
schehens in einer Reihe von unpersönlichen Wendungen der Charakter
eines echten Subjekts durchaus zukommt, sieht man sich bei anderen
Wendungen gedrängt, es mehr von der Satzstruktur her. zu beurteilen.

VI. Wortinhalt und Satzzusammenhang

853 Immer wieder wird - auch in der Sprachwissenschaft - behauptet, die Be¬
deutung eines Wortes ergebe sich aus dem Zusammenhang der Rede oder
des Textes. Diese Ansicht stützt sich auf scheinbar unanfechtbare Be¬
obachtungen, und doch muß ihr vom Standpunkt der hier vertretenen
inhaltbezogenen Sprachauffassung widersprochen werden. Sie hängt eng
zusammen mit der oft erörterten sogenannten Vieldeutigkeit der Wörter,
ja sie ergibt sich zwangsläufig aus ihr. Wenn aber, wie wir mit guten Gründen
annehmen, ein Wort als eine untrennbare Einheit von Laut und Inhalt
aufgefaßt werden muß, wenn ferner der Wortinhalt aus der Einbettung in
einen muttersprachlichen Sinnbezirk zu verstehen ist und damit jeder
konkreten Sprechsituation und jedem formulierten Satz vorausgeht, dann
Wortinhalt und Satzzusammenhang 429

kann es im Grunde keine mehrdeutigen Wörter geben, sondern höchstens


verschiedene Wörter mit gleicher Lautung (Homonyme). Schloß (Gebäude)
und Schloß (Türverschluß) sind also demnach zwei Wörter.
Die Frage, ob ein oder mehrere Wörter vorliegen, ist allerdings nicht immer so leicht zu
entscheiden wie hier. Maßgebend ist der im heutigen Sprachbewußtsein gespürte inhalt¬
liche Zusammenhang. Es gibt verschiedene Grade sachlich begründeter und heute noch
empfundener Verwandtschaft zwischen gleichlautenden. Wörtern. In Zweifelsfällen
kommt man der Sprachwirklichkeit aber sicher näher, wenn man eher zu viel als zu
wenig verschiedene Wörter ansetzt, zumal die Sinnbezirke, in die sie weisen, oft recht weit
auseinanderliegen1.

Die eingangs angeführte Behauptung ist aber auch deshalb abzulehnen,


weil sie zu dem weiteren Irrtum verleitet, bereits die Lautung eines Wortes
als Wort aufzufassen und den jeweiligen Inhalt dann erst im formulierten
Satz hinzutreten zu lassen. Selbständige Wortinhalte könnte es nach einer
solchen Auffassung gar nicht geben.
Es soll nun hier nicht gesagt werden, die Sprechsituation und der Zusam¬
menhang seien für das richtige Verständnis eines Wortes unwichtig. Jeder,
der schon einmal aus fremden Sprachen übersetzt hat oder isolierte Text¬
stellen deuten sollte, weiß, wie absurd eine solche Behauptung wäre. Aber
wenn der Zusammenhang häufig zum vollen Verständnis unentbehrlich
ist, dann nicht etwa deshalb, weil er den Wortinhalt sozusagen erst schafft,
sondern weil er das gemeinte Wort erkennen und identifizieren hilft.
- Verdeutlichen wir das an einem Beispiel:
Wer den Satzanfang hört: Ich habe das Schloß . .. kann noch nicht wissen, welches Schloß
gemeint ist, denn es kann weitergehen: besichtigt - schon denkt man an ein Gebäude -
aber auch: repariert - und schon denkt man an ein Türschloß. In Ausnahmefällen wären
beide Sätze auch noch anders zu deuten: Ein Kunsthistoriker oder Schlosser könnte sich
für ein bestimmtes historisch wertvolles Türschloß interessieren und ebenfalls sagen:
Ich habe'das Schloß besichtigt. - Ein Waffenmeister, der dem Soldaten das Gewehr zurück¬
gibt, kann sagen: Ich habe das Schloß repariert und meint den entsprechenden Teil des
Gewehres.

Der Kontext ist also durchaus wichtig und unentbehrlich, ganz besonders
für den Leser oder Hörer. Aber er „macht“ die Lautung „Schloß“ nicht
erst zum Gebäude oder zum Türverschluß oder zum Teil des Gewehres,
sondern er hilft, die drei leider gleichlautenden, aber verschiedenen Wör¬
ter „Schloß“ 1 (Gebäude), „Schloß“ 2 (Türverschluß) und „Scnloß“ 3
(Gewehrteil) zu identifizieren. Derjenige, der den Satz mit „Schloß“ for¬
muliert, weiß bereits vorher, welches Schloß er meint, und meist ist er
sich überhaupt nicht bewußt, daß es auch noch zwei andere „Schlösser“
gibt. Auch der Hörer identifiziert in der Regel sofort richtig, weil die
Sinnbezirke, in die die drei Wörter gehören, heute so weit auseinander¬
liegen, daß sie kaum je in Konkurrenz zueinander treten.
Der Wortinhalt ist also auf keinen Fall ein Produkt des Zusammenhangs.
Abgesehen davon darf man natürlich durchaus zugeben, daß der vorge¬
gebene muttersprachliche Inhalt eines Wortes zusätzlich durch die spe¬
zielle Situation wie auch durch persönliche Erlebnisse und Assoziationen
vielfältig nuanciert und modifiziert werden kann.

1 Vgl. hierzu W. P o r z i g, Die Einheit des Wortes. In: Sprache - Schlüssel zur Welt, Fest¬
schrift für L. Weisgerber, Düsseldorf 1969, S. 158-167.
Der Satz

Mit der Betrachtung des Wortes im 1. Hauptteil schufen wir die Voraus- 854
Setzungen für die Beschreibung unserer Sätze - das Kernstück jeder
Grammatik -, weil alles, was einem Wort eigentümlich ist, mit ihm in den
Satz eingeht: die Wesensmerkmale seiner Wortart, einschließlich der
Formenwelt, und der Inhalt, den es aus den verschiedenen geistigen Be¬
zugssystemen innerhalb des Wortschatzes empfängt.
Während es bisher also weitgehend um die dem Satz vorgegebenen sprach¬
lichen Mittel ging (so wenig sich diese allerdings ohne den Satz voll ver¬
stehen lassen; vgl. hierzu auch 853), geht es nun um die Erkennung des
Satzes selbst, in dem diese Mittel wirksam werden und um dessentwillen
sie da sind.
Doch bevor wir uns der inneren Gestalt unserer Sätze zuwenden, gilt es
zunächst einmal, den zu untersuchenden Gegenstand einzugrenzen.

A. DIE ABGRENZUNG DES SATZES


GEGENÜBER REDE UND WORT
Beim Sprechen wird das in einem Menschen vorhandene Bewußtsein von 855
einem konkreten oder gedachten Sachverhalt anderen Menschen über¬
mittelt. Diese Übermittlung nennt man Rede1.
Der Umfang einer Rede wird durch ihr Thema bestimmt. Die Rede kann
aus einem Wort bestehen, wenn der Sprechende aus unmittelbarer Beob¬
achtung ruft: „Feuer!“ Sie kann sich aber auch über Stunden erstrecken.
Jede Rede, die aus mehr als einer Äußerung besteht, ist in sich gegliedert,
weil der zeitliche Ablauf gewahrt werden muß, wenn der Zusammenhang
nicht verloren gehen soll.
Dieser Ablauf in der Zeit gilt jedoch nicht für die einzelnen, in sich abge¬
schlossenen Äußerungen, aus denen sich die Rede zusammensetzt. Bei
ihnen nimmt der Hörende die im Nacheinander gesprochenen Wörter als
ein Miteinander in das Bewußtsein auf, weil er den Sinn des Ganzen erst
zu erfassen vermag, wenn das letzte Wort gesprochen ist:
Der Mann gefällt mir - nicht.

1 Vgl. hierzu Walter Porzig, Das Wunder der Sprache, Bern 1957, S. 109 ff. Rede
meint hier nicht nur das gesprochene Wort, sondern jeden, also auch den schriftlichen
Niederschlag von Sprache.
432 Die Satzarten

Diese sprachliche Einheit, in der die Zeit gleichsam aufgehoben ist, nennt
man Satz.
856 Betrachtet man den Satz von seinen Teilen her, dann zeigt sich, daß ein
Wort oder eine Wortgruppe ohne Satzcharakter für sich allein nur Einzel¬
inhalte, aber keine Sinnzusammenhänge zu geben vermag. Sie lassen alle
Möglichkeiten offen:
Das Pferd ... ? Auf dem Tisch .. . ?
Ihnen gegenüber ist der Satz immer eine Sinneinheit:
Das Pferd ist schwarz. Das Pferd zieht den Wagen. Auf dem Tisch liegen Äpfel. Auf
dem Tisch stehen Blumen.
Danach ist der Satz zunächst jene Redeeinheit, mit der der Sprechende
zu einer besonderen Wirklichkeit im Leben, d. h. zur zeitlichen Ver¬
haltensweise eines Wesens oder Dinges im geschlossenen Gedankenschritt
Stellung nimmt und bei welcher der Hörende das nacheinander Ge¬
sprochene als ein Miteinander in sein Bewußtsein aufnimmt.

B. DIE SATZARTEN
857 Nach der Art der Stellungnahme des Sprechenden zu einer besonderen
Wirklichkeit unterscheidet man vier Satzarten:
1. den Aussagesatz, der den Sachverhalt einfach berichtend wieder¬
gibt:
Die Sonne scheint. Der Himmel ist blau. Karl trägt den Koffer. Ilse fährt
nach Frankfurt.
2. den Aufforderungssatz, der Erfüllung oder Vollzug erwartet.
Er kann Wunsch- oder Befehlssatz sein:
Vertraue ihm doch! Hilf ihm doch bitte! O wären wir weiter, o wär* ich zu
Haus! (Goethe). In die Ecke! Besen, Besen, seid's gewesen 1 (Goethe). Folge
ihm! Rauchen verboten! Links um!
3. den Ausrufesatz, der den Sachverhalt mit innerer Anteilnahme
zum Ausdruck bringt:
Wie herrlich leuchtet mir die Natur! Wie glänzt die Sonne, wie lacht die Flur!
(Goethe). Wie schön hast du das gemacht!
4. den Fragesatz. Man unterscheidet:
a) Entscheidungsfragen, die ein Verhalten klären wollen. Man
antwortet auf sie durch einen Aussagesatz oder durch ein bloßes
Ja oder Nein:
Kommst du? Antwort: Ich komme (Ich komme nicht) oder: Ja (Nein).
b) Ergänzungsfragen, die nach einer Person, einer Sache oder
einem Umstand fragen. Sie werden immer durch ein Fragewort
eingeleitet (vgl. Interrogativpronomen Ziff. 481 ff. und Interroga¬
tivadverbien Ziff. 554 ff.):
Wer ist krank? Antwort: Karl (ist krank). Was ißt du gern? Antwort:
Kalbsbraten (esse ich gern). Wann fährst du ? Antwort: Um 5 Uhr (fahre ich).
c) rhetorische Fragen, die ‘der Sprechende nur stellt, um den
Gesprächspartner zur Anerkennung einer bereits vorhandenen Mei¬
nung zu bewegen. Sie bedürfen meist keiner Antwort:
Will die Menschheit sich wirklich selbst vernichten ? Habe ich nicht immer
vor ihm gewarnt ?
Der Satz als gegliederte Sinneinheit 433

Beachte:
Die Satzarten gehen vielfach ineinander über:
Sie kommen doch morgen. (Aussagesatz)
Sie kommen doch morgen! (Ausrufesatz)
Sie kommen doch morgen ? (Fragesatz)

C. DER SATZ ALS GEGLIEDERTE SINNEINHEIT


Der Satz besteht nicht aus nebeneinandergereihten Einzelwörtern, son¬ 858
dern aus Gliedern. Dies zeigt'am deutlichsten die Verschiebeprobe1:
Brunnen | rauschten | auf den Gassen.
Auf den Gassen | rauschten | Brunnen.
Mehrere alte Brunnen | rauschten | einförmig auf den Gassen.
Einförmig | rauschten | mehrere alte Brunnen auf den Gassen.
Einförmig | rauschten | auf den Gassen mehrere alte Brunnen.
Auf den Gassen j rauschten j einförmig mehrere alte Brunnen.

Als Satzglied sind danach alle Teile anzusprechen, die sich selbständig um
das im Aussagesatz an zweiter Stelle verharrende Glied (Verb) wie um
eine Achse bewegen:
Auf den Gassen | rauschten | einförmig | mehrere alte Brunnen.

Diese Glieder können, von Satz zu Satz verschieden, aus einem Wort oder
aus mehreren Wörtern bestehen. Satzglieder und Wortarten dürfen des¬
halb nicht verwechselt werden.
Bei umschriebenen Zeitformen bildet das Hilfsverb die Achse, während
das Hauptverb an das Ende des Satzes tritt2 :
Mehrere alte Brunnen | haben | einförmig | auf den Gassen | gerauscht.
Auf den Gassen | haben | mehrere alte Brunnen | einförmig | gerauscht.
Einförmig | haben | auf den Gassen | mehrere alte Brunnen | gerauscht.

Bei Teilsätzen, die zu einem Ganzen gefügt sind (vgl. 1045 ff.), muß man
vor der Verschiebeprobe die einzelnen Sätze herauslösen und gegebenen¬
falls umformen und ergänzen. Wörter, die dabei wegfallen, sind keine
Satzglieder, sondern nur Verbindungsteile (vgl. 590 ff.):
Der Torwächter trat heraus und pries die Reisenden glückselig.
Der Torwächter trat heraus (und); er pries die Reisenden glückselig.
Heraus | trat | der Torwächter; glückselig | pries | er | die Reisenden.

Der Postillon blies, daß es über die stillen Straßen schallte.


Der Postillon blies (daß); es schallte über die stillen Straßen.
Der Postillon | blies; über die stillen Straßen | schallte | es.

Der Satz ist danach auch eine gegliederte Sinneinheit. Die meisten
Glieder sind jedoch nur in bestimmten syntaktischen Formen wirklich.
Wir können sie deshalb nur innerhalb dieser Formen erkennen.

1 Vgl. Hans Glinz, Der deutsche Satz, Düsseldorf 1957, S. 69 f.


* Über die Stellung des Verbs in Frage-, Befehls- und Gliedsätzen vgl. 1209 ff.
434 Die Grundformen deutscher Sätze

D. DIE GRUNDFORMEN DEUTSCHER SÄTZE

I. Die Bestimmung der Grundformen


mit Hilfe der Abstrichmethode
859 Jede Sprache besitzt eine überschaubare Zahl syntaktischer Grundformen,
nach deren Muster der Sprechende die von ihm wahrgenommenen be¬
sonderen Wirklichkeiten so zu „setzen“ vermag, daß der Hörende die
Setzung nachvollziehen kann.
Die von unserer Sprachgemeinschaft in einer langen Entwicklung hierfür
herausgebildeten Grundformen erkennen wir am besten, wenn wit mit
Hilfe der Abstrichmethode1 aus allen nur denkbaren Sätzen jdie frei
hinzugefügten Satzteile herausstreichen:
Die Kosen blühen jjrf ünqjefem Gapfen. Der Bauer pflügt j/i c\$t F^Öie seinen Acker.
880 Wenn wir von den eingliedrigen Sätzen wie Feuer! Herein! Wunderbar/
Guten Tag! Au! absehen, weil sie nur bei einer gegebenen Redesituation
möglich sind, verbleiben nach der Anwendung der Abstrichmethode Sätze,
denen gemeinsam ist, daß sie ein Etwas nennen, über dessen zeitliche Ver¬
haltensweise etwas ausgesagt wird.
861 Diese Aufspaltung einer zunächst nur komplexhaft wahrgenommenen
besonderen Wirklichkeit in ein Etwas und in eine verhaltensmäßig ge¬
prägte Aussage über dieses Etwas ist allen unseren Sätzen eigentümlich2.
Erst durch die Gestaltung der Aussage schafft sich die Sprache die Mög¬
lichkeit, das gesamte Sein und Geschehen unter bestimmten Sehweisen
zu bewältigen. Die Syntax hat es deshalb vornehmlich mit der sprachlichen
Prägung dieser Aussagen zu tun. An ihnen erkennen wir am deutlichsten
den geistigen Zugriff unserer Muttersprache gegenüber dem Sein und Ge¬
schehen in der Welt.
862 Die Aussage kann in bestimmten Fällen von dem verbalen Glied allein
geleistet werden:
Die Sonne - scheint.
Aussage

In den meisten Fällen fordert das verbale Glied aber eine Sinnergän¬
zung3, die mit ihm zusammen die Aussage über das im ersten Glied ge¬
nannte Etwas bildet. Das verbale Glied ist dann nur noch der gramma¬
tische Kern der Aussage:
Das Pferd - zieht - den Wagen
| Aussagekem Sinnergänzung |
Aussage

1 Vgl. hierzu Leo Weisgerber, Vom Weltbild der deutschen Sprache, 2. Halbband,
2. Auflage, 1954, S. 178.
a Dies gilt darüber hinaus für alle indogermanischen Sprachen. In anderen Sprach-
bereichen erfolgt diese uns so selbstverständlich erscheinende Aufspaltung nicht immer.
. Wenn ein Japaner beispielsweise Kirschblüten sieht, dann würde er nicht sagen: Ich sehe
Kirschblüten, sondern: Mein Kirschblüten-Schen (vgl. P. Hartmann, Einige Grund¬
züge des japanischen Sprachbaues, 1952, S. 91; zitiert nach L. Weisgerber, Weltbild
II, S. 186).
* Vgl. hierzu F. Kahn und W. Pfleiderer, Neue Satzlehre, Frankfurt, 1940.
Die Bestimmung der Grundformen mit Hüfe der Abstrichmethode 435

Die Sinnergänzung kann eingliedrig, wie in dem vorstehenden Beispiel,


oder mehrgliedrig sein:
Ich - nenne - ihn - einen Dummkopf.
| Aussagekem Sinnerg&nzung j
Aussage

Danach lassen sich die Sätze von ihren sinnotWendigen Gliedern her zU- 863
nächst in drei Gruppen einteilen1:
1. die ergänzungslosen Sätze,
2. Sätze mit einer eingliedrigen Ergänzung,
3. Sätze mit einer mehrgliedrigen Ergänzung.

Da sich die Ergänzungen wiederum nach Form und Inhalt unterscheiden,


ergeben sich von hier aus die weiteren Grundformen, die neben dem er¬
gänzungslosen Satze stehen.
Der Abstrichmethode kommt im Rahmen dieser Grammatik eine be- 864
sondere Bedeutung zu, weil es keine andere linguistische,Methode gibt, die
für die Erfassung der Sinnergänzungen und damit der Grundformen
unserer Sätze geeignet wäre. Es ist deshalb gleich zu Beginn dieses Ab¬
schnittes wichtig, etwaige Mißverständnisse über ihre Anwendung zu
beseitigen.
1. Voraussetzung für die Anwendung der Abstrichmethode ist, daß
der fragliche Satz vollständig ist, d. h., daß kein Glied fehlt, weil es
aus dem Redezusammenhang als bekannt vorausgesetzt wird:
.Es war z. B. die Bede davon, verschiedene Personen nach ihren Verwandten zu
fragen. Der Sprechende kann dann fortfahren: Ich frage nun Herrn Meier. Ohne
diesen Redezusammenhang müßte er aber sagen: Ich frage Herrn Meier nach
seinen Verwandten.

Glieder, die aus diesem Grunde fehlen, sind vor der Anwendung der
Abstrichmethode zu ergänzen.
2. Bei der Frage nach den notwendigen Gliedern in einem Satze darf
man nicht nur von den Gliedern ausgehen, die für den grammatischen
Bestand unbedingt erforderlich sind, weil man dann in den meisten
Fällen beim „Kemsatz“ der älteren Grammatik endet. Also nicht:
Der Bauer pflügt den Acker. Der Vater schreibt an seinen Sohn.
Der Bauer pflügt. Der Vater schreibt.

Es wird sich am Ende dieses Abschnittes zeigen (vgl. 965), daß wir
gerade mit den Grundformen die formalistische Theorie von dem
Kemsatz und seinen Erweiterungen überwinden wollen.
Da jede Setzung unter einer bestimmten Sehweise erfolgt, gilt es viel¬
mehr, diejenigen Glieder zu ermitteln, die diese Sehweise begründen,
Das sind in den obigen Beispielsätzen zweifellos auch die Glieder „den
Acker“ und „an den Sohn“. Die so verbleibenden Glieder bilden das
Satzgerüst, das mit der betreffenden Grundform identisch ist.

1 Zu fast gleichen Überlegungen ist jetzt völlig unabhängig von uns auch Johannes
Erben in seinem Abriß der deutschen Grammatik, Berlin 1958, S. 165 ft., gekommen.
Wir sehen darin eine wertvolle Bestätigung unserer eigenen Überlegungen.
436 Die Grundformen deutscher Sätze

Das Gerüst eines Satzes zeigt sich am deutlichsten, wenn wir einen
Satz mit möglichst vielen freien, d. h. wegstreichbaren Satzteilen be¬
trachten und am besten laut lesen (das Gerüst ist kursiv gedruckt)1:
A/h Samst^morgen - vierun^wanzig Stipfden v/r dffa Höh^unkt c^r auf¬
regendsten, abenteuerlichsten u/d phantastischsten Fgtfrt, y jih Seemann
mitgepfacht h/t - fuhren 116 Menschen jri ung^ähr 4jt) I'/ü Tjfefe qjrtt ü^r
Kiyften Geschwindigkeit auf Kurs null Orad.
Daß auch die Abstrichmethode Zweifelsfälle offenläßt, versteht sich bei
dem lebendigen Charakter der Sprache von selbst. Trotzdem vermag sie
uns, wie wir sehen werden, über weite Strecken des syntaktischen Feldes
sicher zu führen.
Bei der Ermittlung der Grundformen mit Hilfe der Abstrichmethöde wurden nur Aus¬
sagesätze herangezogen. Diese Grundformen gelten selbstverständlich auch für die ande¬
ren Satzarten (vgl. 857).

II. Gliederung und Leistung der Grundformen


1. Der ergänzungslose Satz
Die Rosen blühen
865 Das erste Glied dieses Satzes Die Rosen ist ein Substantiv mit seinem
Begleiter, das seiner Wortart gemäß etwas Seiendes, Vorhandenes, in
diesem Falle ein Ding im Plural benennt.
Das zweite Satzglied blühen ist ein Verb, das seiner Wortart gemäß ein
Verhalten in der Zeit, in diesem Falle einen Vorgang in der Gegenwart
ausdrückt.
Da durch das erste Satzglied zunächst nur das Seiende hingestellt wird,
über dessen Verhalten das zweite Satzglied etwas aussagt, nennt man das
erste Glied Subjekt2 oder Satzgegenstand, das zweite Satzglied
Prädikat3 oder in diesem Falle (vgl. 862) Satzaussage.
866 Das Subjekt (vgl. 1005 ff.) stellt aus der Fülle der benannten wirklichen oder
gedachten Dinge der Welt ein Etwas im Kasus des unabhängigen Nomi¬
nativs hin, wobei es offen bleibt, was über dieses Etwas ausgesagt werden
soll:
Der Vater . . .? Die Schönheit... ?
Dadurch entsteht eine Spannung zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit,
die allen Sätzen eigentümlich ist. Erst das Prädikat (vgl. 1008ff.) vermag sie
zu lösen, weil es durch seine Aussage darüber entscheidet, was für das
Subjekt gelten soff:
Der Vater? (in welchem Zustand befindet er sich?) — schläft. Die Schönheit?
<welche Veränderung vollzieht sich mit ihr ?) — vergeht.
Das Prädikat erweist sich damit als das wichtigste Glied, weil es den Satz
begründet.

1 Der Satz ist dem Bericht „Ich fuhr die Nautilus“ in der „Quick“ 42/1958, S. 64 ent¬
nommen.
* Lat. subiectuni = das Untergelegte.
3 Lat. praedicare = ausrufen.
Gliederung und Leistung der Grundformen 437

Das Subjekt hat andererseits die Kraft, wesentliche Merkmale der mit ihm
verbundenen Wortart Substantiv (für das auch ein Pronomen stehen kann)
auf das Prädikat zu übertragen, d. h. ihm Person und Zahl vorzuschreiben
(vgl. Kongruenz, Ziff. 1179):
Der Vater schläft. Die Rosen blühen. Du arbeite«*.
Spannung und grammatische Übereinstimmung lassen diese beiden Glie¬
der zu jener inhaltlich-formalen Einheit werden, die dem Satz an sich über
die Sinneinheit hinaus eigen ist.
Die Leistung des ergänzungslosen Satzes wird allein durch das Prädikat und 867
die mit ihm fest verbundene Wortart Verb bestimmt. Es handelt sich näm¬
lich in diesen Sätzen nicht um Verben schlechthin, sondern um eine be¬
stimmte Schicht der Wortart Verb. In ihnen können nur Verben als Prä¬
dikat stehen, die einen in sich ruhenden Zustand oder Vorgang und eine
in sich ruhende Tätigkeit an dem im Subjekt genannten Wesen oder Ding
feststellen. Es sind diejenigen intransitiven und echten reflexiven (vgl. 57 ;
59) Verben, die keine Sinnergänzung fordern, und die unpersönlichen
Verben. Man nennt sie deshalb auch absolute Verben:
Der Hahn kräht. Die Erde dampft. Die Sonne scheint. Die Kinder lachen. Der Bauer
pflügt. Karl freut sich. Es regnet.
Das Prädikat wendet sich in diesen Sätzen gleichsam zum Subjekt zurück
und ermöglicht so die Eigenständigkeit dieser beiden Glieder:
Der Hahn kräht.
Das Subjekt wird dadurch in vielen Fällen sogar zu dem von der Aussage
unmittelbar betroffenen Wesen oder Ding im Satz, weil sich das im Prä¬
dikat genannte Geschehen an ihm selbst vollzieht:
Die Bosen verblühen1.
Wir stehen bei diesen Sätzen vor in sich ruhenden Zuständen, Vorgängen
oder Tätigkeiten.

2. Sätze mit einer eingliedrigen Ergänzung


a) Der Gleichsetzungsnominativ

Karl ist mein Freund

Das erste Glied dieses Satzes Karl ist wiederum das Subjekt. Das von ihm 868
Ausgesagte wird aber nicht mehr, wie im ergänzungslosen Satz, vom Verb
allein geleistet, sondern von der Aussagegruppe ist mein Freund. In dieser
Gruppe bildet ist das Prädikat und mein Freund die Sinnergänzung. Die
Sinnergänzung steht, wie das Subjekt, im Nominativ. Das Prädikat drückt
in diesem Satze lediglich ein Verhältnis aus, das zwischen zwei Substan¬
tiven im gleichen Kasus besteht. Das als Subjekt gesetzte Etwas wird
deshalb nicht in derselben Weise von der Aussage betroffen, wie im ergän¬
zungslosen Satz, sondern mit dem in der Ergänzung genannten Etwas
gleichgesetzt. Das Prädikat ist in diesen Sätzen inhaltlich neutralisiert,
um die ihm zugefallene Gleichsetzungsfunktion ausüben zu können. Es
gibt deshalb nur wenige Verben, die diese Funktion übernehmen können:
sein, werden, bleiben, sich dünken, heißen, scheinen.
438 Die Grundformen deutscher Sätze

Diese wenigen Verben werden allerdings häufig gebraucht:


Er ist Bäcker. Karl wird Rechtsanwalt. Kinder bleiben Kinder. Er heißt Karl.
Bei allen anderen Verben, die inhaltlich hierher gehören, steht eine An¬
knüpfung mit „als“ (vgl. 901):
Er erwies sich als Held. Er fühlt sich als Künstler.
869 Die ältere Grammatik erkannte. - übrigens nie einheitlich - den Gleich¬
setzungsverben lediglich die Rolle eines Satzbandes (Kopula) zu und
sprach damit dem ergänzenden zweiten Nominativ die Rolle eines selb¬
ständigen Satzgliedes ab. Der zweite Nominativ bildete als Prädika-
tivum mit der Kopula zusammen das Prädikat.
Neuere Auffassungen sprechen auch diesen Verben den gleichen Rang zu
wie jedem anderen Verb im Satze, weil auch sie das Verhalten de»'Sub¬
jekts in der Zeit zum Ausdruck bringen und die dem Verb zukommende
Achsenstellung innehaben:
Karl | ist | mein Freund.
Mein Freund j ist | Karl.
Daraus ergibt sich, daß dem zweiten Nominativ in unserem Satze der
Wert eines selbständigen Satzgliedes zukommt1. Dieses Glied steht in
gleicher Reihe mit den übrigen Ergänzungen, die es noch aufzuzeigen gilt.
Wir nennen es von seiner inhaltlichen Leistung her Gleichsetzungs¬
nominativ (vgl. 1015).
870 Der Satz, in dem diese Ergänzung steht, ist ein Zustands- oder Vorgangs¬
satz, in dem ein Etwas einem Etwas gleichgesetzt wird. Man spricht auch
kurz vom Gleichsetzungssatz:
Karl ist mein Freund. Karl wird mein Freund. Karl ist unsere Hoffnung.
871 Hinter dem Gleichsetzungssatz können sich aber auch einfache Feststel¬
lungen verbergen (vgl. 851):
Es ist Nacht, Frühling.

b) Die Objektergänzungen

a) Das Akkusativobjekt

Der Gärtner bindet die Blumen


872 Das Subjekt dieses Satzes Der Gärtner befindet sich in einem grundlegend
anderen Verhältnis zu dem von ihm Ausgesagten als die Subjekte der
beiden vorhergehenden Beispielssätze. Während das Subjekt des ergän¬
zungslosen Satzes ein von der Aussage unmittelbar berührtes, das Subjekt
des Gleichsetzungssatzes ein zum Vergleich einfach hingestelltes Etwas
war, ist das Subjekt hier der Täter, dessen im Prädikat ausgedrücktes
Verhalten sich zielstrebig einem anderen Wesen oder Ding zuwendet:
Der Gärtner —> bindet -> die Blumen.
873 Auch der Charakter des Prädikats hat sich gegenüber den bisher behan¬
delten Prädikaten entscheidend geändert. Verben, die zu einer solchen
zielstrebigen Aussage fähig sind, gehören ausschließlich der Bedeutungs-

1 Diese Auffassung vertritt besonders stark Hans Glinz, Der deutsche Satz, S. 84.
Glinz benannte dieses Satzglied allerdings von dem aufgelösten „Prädikat“ her: Prä¬
dikatsnominativ.
Gliederung und Leistung der Grundformen 439

gruppe der Tätigkeitsverben an (vgl. 56). Es sind die transitiven Verben


(vgl. 57). Wenn sie im Prädikat stehen, ist immer eine Handlung möglich,
die von einem Etwas ausgeht und auf ein Etwas gerichtet ist:
Die Mutter liebt ihre Kinder. Der Bauer pflügt den Acker. Das Pferd zieht den
Wagen. Der Mann trägt den Koffer.
Man hat diese transitiven Verben deshalb treffend im Deutschen „zie¬
lende Zeitwörter“ genannt.
Das Etwas, auf das sich die Handlung des Täter-Subjekts richtet, ist 874
unser drittes Satzglied, das immer im Akkusativ steht:
Der Gärtner bindet —> die Blumen.
Man nennt dieses Satzglied Akkusativobjekt (lat. obiectum = das [dem
Prädikat] Entgegengeworfene; vgl. 1017 ff.). In Wirklichkeit wird dieses
Glied jedoch dem Prädikat nicht „entgegengeworfen“, sondern von der
Handlung getroffen. Das Akkusativobjekt ist in diesen Sätzen der Ziel¬
punkt, auf den sich die Tätigkeit des Subjekts richtet (vgl. aber 1019).
Das im Akkusativobjekt genannte Wesen oder Ding ist nach der Wirkung
der durch das transitive Verb bezeichneten Handlung nicht mehr im glei¬
chen Zustand wie vorher1. Das Akkusativobjekt dieser Sätze sagt deshalb
vornehmlich aus, daß Seiendes in der Welt durch die Handlung verändert,
angeeignet oder geschaffen wird (vgl. 1018):
Karl bringt den Korb. Inge liest ein Buch. Meine Mutter bäckt einen Kuchen.
Das Akkusativobjekt macht andererseits das Subjekt als Täter erst ver¬
ständlich, weil die Aussage der Handlung vollzogen sein muß, bevor sich
das Wesen des Subjekts offenbart. Durch diese rückläufige Erfassung des
Subjekts wird wieder jenes Miteinander im Nacheinander sichtbar, das
dem Satz an sich eigentümlich ist (vgl. 855).
Wie sehr das Akkusativobjekt fester Bestandteil dieser Sätze ist, ergibt
sich auch daraus, daß es im Passiv zum Subjekt des Satzes werden
kann. Das Subjekt erscheint dann als Präpositionalgefüge (vgl. 893):
Die Blumen werden vom Gärtner gebunden.
Sätze mit einer Akkusativergänzung, die ins Passiv gewendet werden kön- 875
nen (vgl. aber auch 1017), ermöglichen es dem Sprechenden, das tätige Ver¬
halten eines Etwas in der Welt, d. h. Handlungen sprachlich zu bewäl¬
tigen. Man nennt diese Sätze deshalb von ihrer inhaltlichen Leistung her
Handlungssätze. Da es Handlungssätze gibt, die einer weiteren Ergän¬
zung bedürfen (vgl. 905 ff.), sprechen wir überall dort, wo das Akkusativ-
öbjekt allein die Ergänzung bildet, von in sich geschlossenen Handlungen.
Um Handlungssätze handelt es sich aber nicht nur dann, wenn sich die 876
Tätigkeit auf ein fremdes Wesen oder Ding richtet, sondern auch dann,
wenn das Subjekt selbst von der Handlung getroffen wird (vgl. aber 59):
Ich wasche das Kind — Ich wasche mich.
Sätze wie der letzte können nicht ins Passiv gewendet werden, weil das
durch das Reflexivpronomen ausgedrückte Akkusativobjekt mit dem Sub¬
jekt identisch ist. Ein Passiv wäre hier sinnlos.
Über Sätze mit einer Akkusativergänzung, die keine Handlungssätze 877
sind, vgl. 1019.

1 Vgl. hierzu vor allem Bennig Brinkmann, Der deutsche Satz als sprachliche Ge¬
stalt. Wirkendes Wort, 1. Sonderheft, 1952, S. 15 ff.
440 Die Grundformen deutscher Sätze

ß) Das Dativobjekt

Der Sohn dankt dem Vater


878 Auch in diesem Satz ist das im Prädikat ausgedrückte Verhalten des Sub¬
jekts auf ein zweites Wesen gerichtet. Dieses Wesen wird aber nicht, wie
im Handlungssatz, unmittelbar getroffen und in seinem bisherigen Zu¬
stand verändert. Es bleibt von dem Verhalten des Subjekts unberührt,
weil sich ihm dieses Verhalten lediglich zuwendet:
Der Sohn dankt —^ dem Vater.
Die Ergänzung dieses Satzes kann deshalb auch nicht, wie das Akkusativ¬
objekt, im Passiv zum Subjekt des Satzes werden. Sie bleibt auch dann
unverändert:
Dem Vater wird vom Sohne gedankt (vgl. 106).
Wir nennen dieses Satzglied, soweit es sinnotwendig steht, Dativobjekt
(vgl. 1021 f.).
879 Wo das Dativobjekt, wie in unserem Beispielsatz, allein die Sinn¬
ergänzung bildet, haben wir es mit einem Geschehen zu tun, das im Gegen¬
satz zu den in sich ruhenden Zuständen, Vorgängen oder Tätigkeiten der
ergänzungslosen Sätze (vgl. 865) sinnotwendig einem Etwas zugewandt ist.
Dabei ist es nicht unwichtig zu beachten, daß es sich bei diesem Etwas
weitgehend um Personen handelt. Hennig Brinkmann hat deshalb formu¬
liert: „Der Dativ bringt den Menschen als Person zur Geltung1“. Im
880 Prädikat dieser Sätze stehen darum vornehmlich Verben, die ein zwischen¬
menschliches oder räumliches Verhalten ausdrücken (vgl. 1021):
Earl hilft seinem Freunde. Der Hund folgt seinem Herrn.
Das Geschehen kann sich auch hier dem Subjekt selbst zuwenden:
Ich helfe mir. Er gefällt sieh.
881 Der Dativ als einziges Objekt steht aber auch dann, wenn der Körper¬
teil eines Lebewesens als Subjekt steht:
Mir brennen die Augen, zittern die Hände, schmerzen die Füße.
882 Wenn der Sprechende solches Geschehen an Körperteilen aktiver einp-
findet, dann verwendet er an Stelle eines Zuwendungssatzes einen Hand¬
lungssatz, in dem der Körperteil zum Täter-Subjekt gegenüber der eigenen
Person wird, die dann im Akkusativ steht:
Die Füße schmerzen mich. Ihn juckt das Fell.
Diese doppelte Sehweise ist aber auch bei anderen Verben möglich (vgl.
957):
Es dünkt mich oder mir. Es ekelt mir oder mich. Südwestdt. ugs.: ich rufe ihm (statt
schriftsprachlich: ihn) an.

y) Das Genitivobjekt
Ich harre seiner
883 Den Sinngehalt der Ergänzung dieses Satzes vermögen wir von der Ge¬
genwartssprache her nur noch schwer zu erfassen, weil das Genitiv¬
objekt (vgl. 1023 f.) im Sterben begriffen ist.

Mennig Brinkmann, Der Umkreis des persönlichen Lebens im deutschen Dativ.


Muttersprache 1953, S. 164 ff.
Gliederung und Leistung der Grundformen 441

Ein wesentlicher Teil seines Sinngehaltes wird noch faßbar, wenn wir
einen Satz Goethes wählen:
Sorgsam brachte die Mutter des klaren, herrlichen Weines.
Das Geschehen in diesem Satz ist, wie im Handlungssatz, zielgerichtet.
Die Handlung zielt aber nicht auf allen vorhandenen Wein, sondern nur
auf den Teil, den die Mutter brachte:
des klaren, herrlichen Weines (von dem klaren, herrlichen Wein).
Der Genitiv bezeichnet hier den Teil eines Ganzen (partitiver Genitiv; 884
vgl. 980,5). Dieser Gebrauch des Genitivs ist bis ins Mittelhochdeutsche weit
verbreitet gewesen. In der deutschen Klassik lebt er noch teilweise fort:
Es schenkte der Böhme des perlenden Weins (Schiller).
In der Gegenwartssprache ist dieses Bewußtsein vom partitiven Bild nach
transitiven Verben völlig geschwunden. Wir ersetzen heute den von der
Handlung getroffenen Teil durch das Ganze und sagen:
Es schenkte der Böhme den perlenden Wein.
Der Genitiv konnte und kann aber auch nach intransitiven und echten
reflexiven Verben als einziges Glied einer Sinnergänzung stehen:
Du lachst des trotzigen Entschlusses (Goethe). Wir wollen nicht frohlocken seines
Falls (Schiller). Er entledigte sich seines Auftrages. Er wehrte sich seiner Haut.
Der Genitiv steht in diesen Fällen in loserer Abhängigkeit als nach tran¬
sitiven Verben. Der Sprecher wählt aus der Fülle aller denkbaren Wesen
oder Dinge, die Veranlassung für das Verhalten des Subjekts sein können,
das für seinen Fall zutreffende Etwas aus. Das dadurch entstehende Ver¬
hältnis läßt sich wohl am besten mit dem Begriff des Beteiligtseins, des
Teilhabens eines Etwas an dem Verhalten eines Subjekts umreißen.
Doch auch dieses Bild der Teilhabe eines Wesens oder Dinges an dem Ver- 885
halten eines Subjekts ist in der neueren Sprache bis auf geringe Reste
verblaßt. Wir sagen nicht mehr:
Wie ich des Schauspiels staune (Kleist),
sondern:
Wie ich über das Schauspiel staune.
Oft schwankt der Gebrauch noch :
Ich schäme mich seines Verhaltens — Ich schäme mich wegen seines Verholtem.
Ich spotte seiner — Ich' spotte über ihn.
An die Stelle des Genitivs, der das teilhabende Wesen oder Ding innerhalb
des Bereichs eines übergeordneten Ganzen Umrissen hat, tritt ein Präposi¬
tionalgefüge (vgl. 887 ff.), das durch die läge- oder richtungbezeichnende
Präposition dieses Wesen oder. Ding als Punkt genauer bestimmt. Dieser
Verdeutlichungsprozeß ist bereits soweit fortgeschritten, daß es nur noch
wenige Verben gibt, die ein Genitivobjekt fordern (vgK 1023):
sich enthalten, gedenken, bedürfen, ermangeln u. a.
Obwohl es sich gerade beim Objektsgenitiv um einen sterbenden Kasus 886
handelt, der früher einmal mit gleicher Kraft neben den anderen reinen
Fällen gestanden hat und dessen Reste eine gepflegte Sprache erhalten
sollte, müssen wir überall dort, wo er allein die Sinnergänzung bildet,
noch von einer besonderen Grundform unserer Sprache sprechen. Nach
dem vollständigen Untergang der Handlungssätze mit nur teilweise ge¬
troffenem Objekt (Genitiv nach transitiven Verben) stehen wir heute nur
442 .Die Grundformen deutscher Sätze

noch vor Sätzen mit einem Genitiv als einzigem Objekt nach intransi¬
tiven oder reflexiven Verben, deren Aufgabe es ist, ein Geschehen dar¬
zustellen, an dem ein Etwas teilhat:
Ich bedarf t— seiner Hilfe. Er enthält sich I— der stimme.

d) Das Präpositionalobjekt
Inge achtet auf ihre Schwester
887 Die Ergänzung dieses Satzes auf ihre Schwester hebt sich bereits durch
ihre Form von den bisherigen Ergänzungen ab. Während in den voran¬
gegangenen Sätzen die Ergänzung in einem bestimmten Kasus unmittel¬
bar vom Verb gefordert wurde, ist hier eine Präposition eingeschaltet,
die ihrerseits dem folgenden Substantiv den Kasus vorschreibt:
• Der Vater schreibt an seinen Sohn. Ilse zweifelte an seiner Treue.
Der Kasus des in der Ergänzung stehenden Substantivs wirkt also nur
innerhalb des Präpositionalgefüges und hat keine unmittelbare Beziehung
zum Satze mehr wie bei den Ergänzungen im reinen Fall.
Der fehlende Fallwert zum Satze hin wird aber durch den Beziehungs¬
hinweis ersetzt, den die Präposition leistet. Die durch diese Beziehungs¬
hinweise ausgedrückten Verhältnisse können sehr verschiedener Art sein
(vgl. 574). Da sie aber aus früheren Raum Verhältnissen hervorgegangen
sind, ißt es möglich, alle im Präpositionalfall stehenden Wesen oder Dinge
als läge- oder richtungsbestimmt im weitesten Sinne zu betrachten. Diese
Merkmale sind allen Präpositionalgefügen gemeinsam. Zu dieser Situierung
trägt gelegentlich auch noch der Fafl bei, in dem das Substantiv steht
(vgl. 580 fl*.).
888 Vom Sachkern her ergibt sich allerdings eine Zweiteilung der Präposi¬
tionalgefüge.
In den Sätzen
Ich denke an dich.
Ich zweifle an dir, an deiner Treue
steht in den Präpositionalgefügen trotz der ihnen anhaftenden Richtungs¬
und Lagemomente das Wesen oder Ding im Vordergrund, auf das sich das
Verhalten des Subjekts bezieht:
An wen denke ich ?
An wem oder woran zweifle ich ?
Präpositionalgefüge dieser Art sind läge- oder richtungsbestimmte Wesens¬
oder Dingergänzungen.
In den Sätzen
Ich gehe auf den Berg.
Ich stehe auf dem Berg
wird durch das Präpositionalgefüge vornehmlich der Raum angesprochen,
auf den sich das Subjekt hin bewegt oder in dem es besteht:
Wohin gehe ich ?
Wo stehe ich ?
Auch andere Umstände, die für das Verhalten des Subjekts von Bedeutung
sind, können auf diese Weise ausgedrückt werden:
Er kommt am Samstag. (Wann kommt er?) Er singt mit Hingabe. (Wie singt er?)
Das Verbrechen geschah aus Eifersucht. (Warum geschah das Verbrechen ?)
Gliederung und Leistung der Grundformen 443

Präpositionalgefüge dieser Art sind Umstandsangaben (vgl. 1029 ff.), die mit
Hilfe eines Wesens oder Dinges ausgedrückt werden. Sie stehen, von ihrem
Sachkem her gesehen, den fallfremden Adverbien, den reinen Umstands¬
angaben, am nächsten (vgl. 545 ff.).
Die läge- oder richtungsbestimmten Wesens- oder Dingergänzungen sind 889
demgegenüber die unmittelbare Fortsetzung der reinen Objektsfälle. Da
bei ihnen die Präposition an Stelle des reinen Falles die Beziehung zum
Satze übernimmt, nennt man sie Präpositionalobjekte (vgl. 1025ff.).
Die Sprachgemeinschaft ist seit langer Zeit und heute in besonderem 890
Maße bestrebt, die mit den reinen Fällen verbundenen Sehweisen unserer
Sprache durch den läge- oder richtungsbestimmten Hinweis der Prä¬
positionalobjekte zu ersetzen. Der Sprechende betrachtet damit den Ab¬
lauf des Geschehens in der Welt in einer genaueren Sicht als in den Grund¬
formen mit einer Ergänzung im reinen Fall.
Wir sahen bereits beim Genitivobjekt (vgl. 883 ff.), in welchem Umfang
hier der reine Fall durch einen Präpositionalfall ersetzt wurde:
Was sollte der Höchste ihrer achten (Luther).
Heute: Was sollte der Höchste auf sie achten.
Wie verlang’ ich dein (Uhland).
Heute: Wie verlang’ ich nach dir.
N ur noch in gehobener Sprache:
Ich freue mich meines Erfolges.
Sonst immer:
Ich freue mich über meinen Erfolg.
Auch das Dativobjekt ist von dieser neuen Blickrichtung erfaßt:
Ich schreibe ihm. — Ich schreibe an ihn.
Gisela vertraut ihm. — Gisela vertraut auf ihn.
Aus allen diesen Beispielsätzen wird zugleich deutlich, wie sich auch das 891
Verhalten des Subjekts gegenüber dem anderen Wesen oder Ding mit der
grammatischen Form der Ergänzung ändert. Beim Genitivobjekt kam
die Sehweise der neutralen Teilhabe eines anderen Wesens oder Dinges an
dem Verhalten des Subjekts und beim Dativobjekt die Sehweise der
ruhigen Zuwendung des Verhaltens eines Subjekts zu einem anderen Wesen
oder Ding zum Ausdruck. Demgegenüber ist das Verhalten des Subjekts in
einem Satze mit einem Präpositionalobjekt, vor allem dort, wo der Prä-
positionalfäll im Akkusativ steht, aktiver und zielgerichteter.
Es überrascht deshalb nicht, daß das Akkusativobjekt von dieser Ent- 892
wicklung nicht erfaßt ist, weil es die Aufgabe des Handlungssatzes ist, die
zielgerichtete Tätigkeit schlechthin auszudrücken. Sätze mit einem Prä¬
positionalobjekt können sich deshalb nur daneben stellen. Der Sprechende
kann mit dem Blick auf das betroffene Objekt die Handlung feststellen
und sagen:
Er baute das Haus.
Er kann aber auch mit dem Blick auf das Verhalten des Subjekts die
Tätigkeit an sich darstellen und sagen:
Er baute lange an dem Haus.
Um ein Geschehen mit einem Präpositionalobjekt handelt es sich auch, 893
wenn der Handlungssatz ins Passiv gekehrt wird:
Das Haus wurde von ihm gebaut.
444 Die Orundformen deutscher Sätze

Das Präpositionalobjekt gibt hier das Wesen oder Ding an, von dem die
sich am Subjekt vollziehende Tätigkeit ausgeht.
Häufig ist dieses Etwas nicht genannt, weil es als bekannt vorausgesetzt
wird oder weil es nicht interessiert:
Die Straßen werden ausgebessert. Künstler werden geboren.
Einen passivischen Satz ohne Nennung des den Vorgang verursachenden
Wesens oder Dinges rechnen wir zu der formal entsprechenden aktivischen
Grundform, in diesem Falle zum ergänzungslosen Satz (vgl. 865).
Bei dieser Einordnung der passivischen Sätze darf jedoch das Bewußtsein
von der grundlegend verschiedenen Sehweise bei den passivischen Sätzen
gegenüber den aktivischen nicht verlorengehen. Dem „Vorgang als Aus¬
wirkung einer Handlung“ im passivischen Satz steht der „Vorgang phne
Anstoß von außen1“ im aktivischen Satz gegenüber.
894 Viele Präpositionalobjekte sind aber auch durch die übertragene Anwen¬
dung von Raum Vorstellungen entstanden:
ein Haus auf Felsen gründen
daraus:
Sein Verdacht gründet sich auf meine^Äußerungen;
abhangen (veraltet) im Sinne von herunterhängen:
abhangendes Laub, abhangende Weinberge
daraus:
Mein Glück hängt von ihm ab;
auf den Tisch pochen
daraus:
Er pocht auf sein Recht.
In vielen Fällen ist die räumliche Herkunft dieser Präpositionalgefüge
nur noch dem Sprachgeschichtler erkennbar:
sich herleiten von etwas, hervorgehen aus etwas, beruhen auf etwas, entsprießen
aus etwas, folgen aus etwas, bestehen auf etwas u. a.
g95 Aber auch bei all diesen Präpositionalgefügen, die aus Raumangaben
hervorgingen, vermögen wir nur noch das läge- oder richtungsbestimmte
Wesen oder Ding zu erkennen, auf das das Verhalten des Subjekts be¬
zogen ist (über Grenzfälle2 vgl. 1027). Gegenüber den Zuständen, Vor¬
gängen oder Tätigkeiten, die in sich ruhen (ergänzungsloser Satz), die
einem anderen Wesen oder Ding zugewandt sind (Dativobjekt) oder an
denen ein anderes Wesen oder Ding teilhat (Genitivobjekt), handelt es
sich bei allen Sätzen, in denen das Präpositionalobjekt allein die Ergän¬
zung bildet, um Zustände, Vorgänge oder Tätigkeiten, die auf ein Etwas
gerichtet oder mit einem Etwas lagebestimmt verbunden sind:

Ich achte auf dich.

Ich kämpfe mit db\

1 Hennlg Brinkmann, Der deutsche Satz als sprachliche Gestalt. Wirkendes Wort,
1. Sonderheft 1952, S. 19.
* Trotz dieser Grenzfälle können wir uns nicht entschließen, wie Hans Glinz (Innere
Form des Deutschen, S. 177 u. Der deutsche Satz, S. 92) alle Präpositionalgefüge um der
Sprachform willen einheitlich als „Lagegrößen0 zu bezeichnen. Die hinter den Prä¬
positionalgefügen stehenden Sachbezüge sind für das Verständnis unserer Sätze un¬
entbehrlich.
Gliederung und Leistung der Grundformen 445

c) Die Umstandsergänzungen
München liegt an der Isar. Die Beratung dauerte zwei Stunden. Wilhelm
benimmt sich schlecht. Das Verbrechen geschah aus Eifersucht.
Auch in diesen Sätzen stehen wir vor Zuständen, Vorgängen oder Tätig- 896
keiten, die einer Sinnergänzung bedürfen. Diese Ergänzungen sagen je¬
doch nichts über jene anderen Wesen oder Dinge aus, auf die sich bisher
alles Verhalten bezog, wenn es nicht in sich ruhte, sondern sie antworten
auf die Frage nach dem Wo ?, Wann ?, Wie ? und Warum ? eines Verhal¬
tens in der Welt:
Wo liegt München ? An der Isar.
Wie lange dauerte die Beratung ? Zwei Stunden.
Wie benimmt sich Wilhelm ? Schlecht,
Warum geschah das Verbrechen? Aus Eifersucht.
Wie die Beispiele zeigen, können alle Umstandsangaben (vgl. 1030 ff.) in
dieser syntaktischen Rolle stehen. Wir sprechen dann jeweils von einer Um¬
standsergänzung des Raumes, der Zeit, der Art und Weise und des Grun¬
des oder kürzer von einer Raum-, Zeit-, Art- und Begründungsergänzung.
Über die verschiedenen Sprachformen dieser Ergänzungen vgl. 1029.

a) Raum- und Zeitergänzung


Aus dem Bereich der Zustands-, Vorgangs- und Tätigkeitsverben, die 897
einer Umstandsergänzung bedürfen, heben sich zunächst die reinen
Raum- und Zeitverben heraus:
Br befindet sich in Frankfurt. Er bleibt in München. Er wohnt, lebt auf dem Lande.
Er haust in einem Keller. Er hält sich in Berlin auf. Er parkt auf dem Marktplatz.
Er zeltet am Fluß. Der Adler horstet in Felsspalten. Er übernachtete in Hamburg.
Das Unglück ereignete sich am Bahnhof. Die Versammlung fand im Rathaussaal
statt. Er begab sich nach Rom. Er geriet in den Sumpf. Diese Ereignisse spielten
sich in Frankreich ab. Er irrte vom Wege ab. Er kroch durch den Zaun. Der Berg¬
steiger schwebte über dem Abgrund. Die Herren verweilten zwei Stunden. Der Ziegel
fiel vom Dach. Das Boot trieb an das Ufer. Das Schiff sticht in See. Er blickte zum
Himmel auf. Die Wanderer verweilten am Waldesrand. Er steht auf dem Teppich.
Der Vater sitzt im Sessel. Mainz liegt am Rhein. Wilhelm fährt nach Bremen. Karl
fliegt nach London. Die Kinder springen ins Wasser. Der Wald erstreckt sich bis
Holzhausen, dehnt sich bis Holzhausen aus. Die Versammlung dehnte sich bis nach
Mitternacht aus, zog sich bis Mitternacht hin. Karl geht ins Theater. Das Tanztest
ging bis zum Morgengrauen. Die Sitzung währte, dauerte zwei Stunden. Der Mensch
war vor der Wissenschaft, nicht die Wissenschaft vor dem Menschen. Er ist in Berlin.
Es ist, schlägt 7 TJhr.
Hierher gehören auch die bildlichen Gebrauchsweisen wie: 898
Der Wein geht zur Neige. Er geriet in Zweifel, in Zorn. Das Gesetz tritt in Kraft.
Er fällt in Ungnade. Das kommt von Herzen. Sein Zynismus kommt zum Vorschein.
Über die Abgrenzung dieser Präpositionalgefüge gegenüber den Präpo¬
sitionalobjekten vgl. 1027.
Die zahlreichen Beispiele zeigen, daß es eine Fülle von Zuständen, Vor- 899
gängen und Tätigkeiten gibt, die nur im Raum lind in der Zeit denkbar
sind. Sie unterscheiden sich deutlich von den bisher betrachteten Zu¬
ständen, Vorgängen und Tätigkeiten, die der Sprechende als ein in sich
ruhendes Geschehen einfach feststellt oder die er in bestimmter Weise auf
ein anderes Wesen oder Ding bezieht.
Es handelt sich um Zustands-, Vorgangs- und Tätigkeitssätze, in denen das 900
Verhalten des Subjekts raum- oder zeitgebunden ist.
446 Die Grundformen deutscher Sätze

ß) Artergänzung
901 Die Artergänzung folgt vor allem den Verben des Sichverhaltens:
Er steht da wie ein Ölgötze. Er tritt auf wie ein Baron. Er beträgt sich gut. Er verhält
sich einwandfrei. Er zeigt sich dankbar. Er gibt sich wie ein Fürst. Er gebärdet sich
wie toll. Er führt sich wie ein Betrunkener auf. Er stellt sich ungeschickt an. Diese
Änderung erscheint wünschenswert. Diese Mittel erwiesen sich am wirksamsten, als
nützlich. Er fühlt sich als Held (vgl. 868). Er stellt sich krank. Er zeigt sich er¬
kenntlich. Er wirkt komisch. Er sieht schlecht aus. Das Haus steht leer, das Fenster
offen. Das Wartezimmer sitzt (= ist) voller Patienten.
902 Um eine Artergänzung handelt es sich aber auch dort, wo die Artangabe
den „kopulativen“ Verben folgt, weil wir ihr auch in diesen Fällen den
Wert eines selbständigen Satzgliedes zusprechen (vgl. 868 ff.):
Karl ist gut. Die Blätter werden gelb. Die Tür ist zu. Kein Stern ist zu sehen. Dieser
Hammer scheint brauchbar. Du bleibst gesund.
Diese Auflösung des prädikativen Bereichs der älteren Grammatik er¬
fordert lediglich, daß wir die Zuordnung dieser Umstandsergänzung be¬
achten.
Die in der Ergänzung dieser Sätze stehende Artangabe bezieht sich auf
das Verhalten des Subjekts, wenn die Umsetzprobe ergibt:
Er verhält sich einwandfrei = sein einwandfreies Verhalten.
Sie bezieht sich auf das Subjekt selbst, wenn die Umsetzprobe ergibt:
Karl ist gut = der gute Karl (und nicht: das gute Sein). Er arbeitet sich müde = Er
wird müde (und nicht: das müde Arbeiten).
Über die Zuordnung der Artergänzung zum Akkusativobjekt vgl. 914 ff.
903 Überall dort, wo eine Artangabe allein die Sinnergänzung eines Satzes
bildet, stehen wir vor Zustands- und Vorgangssätzen, in denen das Verhal¬
ten des Subjekts notwendig artbestimmt ist.

y) Begründungsergänzung
904 Diesen Raum-, Zeit- und Artsätzen entsprechende Begründungssätze
treffen wir nur selten an.
Begründungsergänzungen stehen fast nur bei den reinen Geschehensver¬
ben, wenn ein Vorgang - von Raum und Zeit gelöst - einmal an sich be¬
trachtet werden soll:
Mancher Mord geschieht aus Eifersucht. Viele Unfälle ereignen sich infolge Über¬
müdung des Fahrers. Der Brand entstand aus Unachtsamkeit.
Wir sprechen in diesen Fällen von Vorgängen, die notwendig kausalbestimmt
sind.

3. Sätze mit einer mehrgliedrigen Ergänzung

a) Akkusativobjekt + Dativobjekt

Karl schenkt seinem Freunde ein Buch


905 Da uns die Leistung des Akkusativobjekts (vgl. 872 ff.) und des Dativ¬
objekts (vgl. 878 ff.) bereits bekannt ist, erkennen wir in unserem Bei¬
spielsatz mühelos eine Handlung, die notwendig einem Etwas zugewandt ist.
Weil es zahlreiche Handlungen gibt, die sich zwischen zwei Personen voll-
Gliederung und Leistung der Grundformen 447

ziehen, steht der sinngebende Dativ in dieser Grundform am häufigsten.


Zu den Verben, die ein Dativobjekt neben dem Akkusativobjekt fordern,
gehören vor allem:

a) die Verben des Gebens und Nehmens:


abnehmen, anbieten, antun, aufdrängen, aufzwingen, bereiten, bescheren, bieten,
bringen, einflößen, entreißen, entziehen, geben, gewähren, gönnen, lassen, leihen,
leisten, liefern, nehmen, opfern, rauben, reichen, schenken, schicken, schulden,
senden, stehlen, übergeben, überlassen, versagen, verschaffen, verweigern, weihen,
widmen, zufügen, zuführen, zuwenden, zuwerfen.

ß) die Verben der Mitteilung und des Verschweigens:


befehlen, berichten, bewilligen, bezeichnen, empfehlen, erlauben, erwidern, ge¬
statten, klagen, melden, mitteilen, offenbaren, raten, sagen, schreiben, untersagen,
verbergen, verbieten, verhehlen, verheimlichen, verheißen, verkünden, verspre¬
chen, verzeihen, vorlesen, vorrechnen, vortragen, vorwerfen, zeigen, zumuten,
zürufen.

Die Handlung kann sich auch dem Subjekt selbst zu wenden:


Ich tue ihm ein Leid an — Ich tue mir ein Leid an.

Das Wesen, dem sich die Handlung zuwendet, kann mit dem durch das
Akkusativobjekt genannten Wesen identisch sein:
Wir überlassen die beiden sich selbst.

b) Akkusativobjekt + Genitivobjekt

Der Richter beschuldigte den Angeklagten des Diebstahls


Das Genitivobjekt dieses Handlungssatzes nennt uns aus der Fülle der 906
Tatbestände, deren das Akkusativobjekt beschuldigt werden könnte, jenen
Tatbestand, der für die zu setzende besondere Wirklichkeit zutrifft.
Diese Konstruktion mit dem Genitiv neben dem Akkusativobjekt war im 907
Mittelhochdeutschen weit verbreitet. Heute ist sie auf wenige Verben be¬
schränkt, die meist dem gerichtlichen Bereich angehören :
anklagen, berauben, beschuldigen, bezichtigen, entbinden, entheben, überführen,
zeihen; aber auch: belehren, versichern, würdigen.

Doch auch hier stehen bereits in einigen Fällen die Konstruktionen mit
dem Akkusativobjekt + Präpositionalobjekt (vgl. 908) und dem Akku¬
sativobjekt -f Dativobjekt (vgl. 905) daneben:
Ich entbinde ihn seiner Pflicht — Ich entbinde ihn von seiner Pflicht. Ich ver¬
sichere ihn des Gegenteils — Ich versichere ihm das Gegenteil.

Überall dort, wo das Genitivobjekt neben einem Akkusativobjekt noch


erhalten ist, sprechen wir von Handlungen, an denen ein Etwas teilhat.

c) Akkusativobjekt -f Präpositionalobjekt

Er verriet ihn an seine Feinde


Die Präpositionalobjekte im Handlungssatz sind ebenso vielschichtig wie 908
in den Zustands-, Vorgangs- und Tätigkeitssätzen (vgl. 887 ff.).
450 Die Grundformen deutscher Sätze

verweisen, jemanden auf eine Sache oder wenden, etwas an jemanden oder etwas
an jemanden wissen, etwas von jemandem (etwas) oder
verwenden, jemanden oder etwas zu etwas; etwas über jemanden (etwas)
Mühe, Zeit, Energie auf eine Sache
zählen, jemanden oder etwas zu jemandem
vorsehen, jemanden zu oder für etwas
oder etwas
wählen, jemanden zu jemandem oder
etwas (vgl. 919) zubringen, etwas mit jemandem oder
warnen, jemanden vor jemandem oder etwas
etwas zwingen, jemanden zu etwas

d) Akkusativobjekt + Raumergänzung

Ich hänge das Bild an die Wand


910 Die Raumergänzung gibt im Handlungssatz den Ort ah, an dem sich das
Objekt nach der Tätigkeit des Subjekts befindet. Sie steht deshalb dann,
wenn die Lage eines Wesens oder Dinges tatsächlich oder in Gedanken
verändert wird:
Ich lege das Buch auf den Tisch, aus der Hand. Ich befestige den Schirm an dem,
Koffer. Die Mutter näht den Knopf an den Mantel. Der Spieler wirft den Ball ins Tor.
Ich ziehe den Vorhang zur Seite. Er barg das Papier in der Brusttasche. Er klopfte
den Schnee von seinem Hut. Dieser Mann bettelt sich durchs Land.
911 Im Prädikat dieser Sätze können deshalb alle Verben stehen, die eine
Tätigkeit ausdrücken, durch die ein Wesen oder Ding im Raum bewegt
wird:
etwas oder jemanden wohin bringen, stellen, legen, setzen, fahren u. a.
Hierher gehören auch Wendungen wie:
Er redete das Blaue vom Himmel herunter. Er ärgerte sich die Schwindsucht an den
Hals. Er treibt das Mißtrauen auf die Spitze. Ich jage ihn ins Bockshorn. Er brachte
seinen Freund in Verlegenheit, in Sicherheit. Er versetzte die Zuhörer in Begeisterung.
Er nahm den Koffer in Empfang, Er setzte die Maschine in Betrieb, in Gang. Er
leitete diesen Vorgang in die Wege. Die Mutter singt das Kind in den Schlaf. Er
stellte diesen Aufsatz zur Diskussion. Er brachte seinen Plan zur Sprache. Sein
Verhalten zieht schwere Folgen nach sich. Er brachte den Plan zum Scheitern.
Die Raumergänzung steht auch, wenn etwas ausdrücklich an einem Ort
belassen wird:
Die Mutter ließ das Kind im Bett.
Es handelt sich bei allen diesen Sätzen um Handlungssätze, in denen die
Tätigkeit des Subjekts raumgebunden ist.

e) Akkusativobjekt + Raumergänzung + Dativobjekt

Karl legte seinem Freunde die Hand auf die Schulter


912 Da in diesem Satz die Ortsveränrderung des im Akkusativobjekt genann¬
ten Etwas nur in Verbindung mit einem Wesen denkbar ist, wird dieses
Wesen im Datiy mit genannt. Weitere Beispiele sind:
Er stieß ihm den Dolch in das Herz. Er warf ihm den Ball ins Gesicht. Er legte ihr den
Arm um den Hals. Der Wind riß ihm den Hut vom Kopf.
Hierher gehören auch Wendungen wie:
Ich stelle dir den Wagen zur Verfügung. Er legt ihm das Vergehen zur Last.
Gliederung und Leistung der Grundformen 451

Das Dativobjekt steht selbstverständlich auch, wenn sich die Tätigkeit in


umgekehrter Richtung vollzieht:
Ich habe ihm seinen Einfall aus dem Sinn geredet.
Es handelt sich um raumgebundene Handlungen, die notwendig einem
Etwas zugewandt sind.

f) Akkusativobjekt + Zeitergänzung
Er zog das Gespräch in die Länge
Gelegentlich kann auch die Zeit unmittelbar in die Handlung des Sub- 913
jekts einbezogen sein. In diesen Fällen steht dann eine Zeitangabe als
Umstandsergänzung beim Akkusativobjekt:
Ich schiebe diese Arbeit auf die lange Bank. Er zögert seinen Besuch absichtlich
hinaus.
Es handelt sich um Handlungssätze, in denen die Tätigkeit des Subjekts
zeitgebunden ist.
g) Akkusativobjekt 4- Artergänzung
Die Mutter macht die Suppe warm
Die Artergänzung gibt in diesen Sätzen den Zustand an, in dem sich das 914
Objekt nach der Tätigkeit des Subjekts befindet:
Der Jäger schießt den Hasen tot. Er macht dich glücklieh. Er faßt ihn sicher, er hält
ihn warm (Goethe). Er pries ihn weise. Der Arzt schreibt den Patienten krank. Er
nimmt die Arbeit leicht. Sein Verhalten stimmt mich nachdenklich. Man nennt ihn
feige. Karl arbeitet sich müde, schreit sich heiser, läuft sich warm. Ich halte ihn zum
besten, für gewissenhaft. Er reitet das Pferd zu Tode. Diese Ereignisse halten die
Welt in Atem. Iph betrachte ihn als feige, als Lügner (vgl. 919). Er betrachtet sich
als unseren Freund (vgl. 919).
Es handelt sich um Handlungssätze, in denen die Tätigkeit des Subjekts
artbestimmend ist.
In einigen Fällen bezeichnet jedoch die Artergänzung den Zustand, in
dem sich das Objekt während der Tätigkeit des Subjekts befindet:
Er trug die Haare kurz, lang.
Gelegentlich schwankt die Sehweise zwischen dem Bild der Handlung und 915
dem der Zuwendung:
Ich mache ihn oder ihm bang, heiß. Das kleidet dich (oder ugs.:) dir gut.

h) Akkusativobjekt -f Artergänzung + Dativobjekt


Ich machte ihm die Beine lang
Das Dativobjekt steht in diesen Sätzen, weil der Zielpunkt der artbe- 916
stimmenden Handlung, Teil oder Zubehör eines Wesens ist oder weil
die Handlung Partnerschaft verlangt:
Ich ziehe ihm die Ohren lang. Die Fackel soll ihnen den Buckel braun und blau
brennen (Schiller). Ich mache ihm die Hölle heiß, sein Unrecht klar. Ich nehme ihm
diese Äußerung übel.
Hierher gehören auch Redensarten wie:
Ich tue dir nichts zu Leide, zu Gefallen.
Es handelt sich um artbestimmende Handlungen, die notwendig einem Etwas
zugewandt sind.
452 Die Grundformen deutscher Sätze

i) Akkusativobjekt + Artergänzung + Genitivobjekt

Der Richter sprach diesen Mann des Diebstahls schuldig


917 Das Genitivobjekt in diesem artbestimmenden Handlungssatz nennt uns
jenes Etwas, das Veranlassung für den Zustand ist, in dem sich das Ob¬
jekt nach vollzogener Handlung befindet (er ist des Diebstahls schuldig;
vgl. 931 ff.):
Ich mache ihn seines Lebens froh. Ich halte ihn dieses Verbrechens fähig. Ich erachte
diese Gleichgültigkeit deiner unwürdig.
Doch auch hier ist der Genitiv fast völlig vom Präpositionalfall verdrängt
(vgl. 918).
Bei den noch vorhandenen Resten dieser Grundform handelt es sich um
Handlungssätze, bei denen ein Etwas an dem durch die Handlung hervorge¬
rufenen Zustand des im Akkusativobjekt genannten Etwas teilhat.

j) Akkusativobjekt + Artergänzung + Präpositionalobjekt

Mein Freund machte mich auf dieses Mädchen aufmerksam


918 Mit dem Präpositionalobjekt dieser Sätze treffen wir erneut Wesen oder
Dinge in einer bestimmten Situierung an, und zwar hier zu einem art¬
bestimmenden Handlungssatz (vgl. hierzu 887 ff. und 908 ff.):
Ich spreche ihn von aller Schuld frei. Ich mache ihn mit diesem Manne bekannt. Ich
stimme ihn für deinen Wunsch empfänglich. Ich glaubte ihn auf dich angewiesen. Ich
bezeichne ihn als reif fürs Irrenhaus.
Als Artergänzung können in diesen Sätzen alle Adjektive oder Parti¬
zipien stehen, die fest mit einem Präpositionalobjekt verbunden sind
(vgl. 936), soweit sich der von ihnen ausgesagte Zustand durch die
Tätigkeit eines Subjekts bewirken läßt:
Er ist für Musik empfänglich. - Ich mache ihn für Musik empfänglich.
Er ist von diesem Manne abhängig. - Ich mache ihn von diesem Manne abhängig.
Es handelt,sich hier um Handlungssätze, bei denen der durch die Handlung
hervorgerufene Zustand des im Akkusativobjekt genannten Etwas läge- oder
richtungsbestimmt auf ein Etwas bezogen ist.

k) Akkusativobjekt + Gleichsetzungsakkusativ
Karl nennt mich einen Lügner
919 Der zweite Akkusativ dieses Satzes ist dem Akkusativobjekt gleichgesetzt
wie der Gleichsetzungsnominativ dem Subjekt (vgl. 868 ff.). Wir nennen
deshalb dieses Satzglied Gleichsetzungsakkusativ (vgl. 1016).
Der Gleichsetzungsakkusativ steht fast ausschließlich nach den Verben:
nennen, heißen, schelteii, schimpfen, schmähen, ttfufen.
Bei allen anderen Verben, die inhaltlich hierher gehören, steht ein Prä¬
positionalfall (vgl. 909) oder eine Anknüpfung mit „als“ (vgl. 914):
Wir ernennen, wählen ihn zum Vorsitzenden. Wir halten ihn für einen Dieb. Wir laden
dich zu Oast. Wir betrachten dich als unseren Freund.
Überall dort, wo ein Gleichsetzungsakkusativ steht, handelt es sich um
Handlungssätze, in denen ein Etwas einem Etwas gleichgesetzt wird.
Gliederung und Leistung der Grundformen 453

1) Doppeltes Akkusativobjekt
Herr Meier lehrte uns die französische Sprache
Zwei Akkusativobjekte, die in gleicher Weise von einem Prädikat ab- 920
hängen, sind an sich unmöglich. Man kann zwei Handlungssätze nur
nebeneinanderstellen und sagen:
Er faßte den Knaben. Er faßte den Arm.

Man kann sie aber nicht zusammenfügen und sagen:


Er faßte den Knaben den Arm, sondern: Er faßte den Knaben am Arm.

Diese Konstruktion ist nur bei wenigen Verben üblich, am häufigsten bei
lehren und kosten:
Er lehrte mich die Lieder Schuberts. Das kostete ihn seinen Kopf, einige Mark. Ich
höre ihn da* Gedicht ab. Er fragte mich schwierige Dinge.

Man bezeichnet deshalb mit Recht das Verhalten dieser Verben als un¬
regelmäßig, ja willkürlich1.
Da sich das Sprachgefühl gegen die Hinzufügung zweier Akkusativ- 921
Objekte zu einem Verb wehrt, weicht es auch in diesen Fällen immer wie¬
der auf die allgemein übliche Grundform mit Dativ- -j- Akkusativobjekt1
aus (vgl. 905):
Nur das Leben lehret jedem, was er sei (Goethe). Ich kann das Herrschen dir nicht
lehren (Kleist). Was kostet Ihnen denn eine Lüge (Lesslng).

Im Passiv ist der Dativ schon ziemlich fest geworden:


Mir ist Dankbarkeit gelehrt worden.
Das persönliche Passiv, wie es nach transitiven Verben eigentlich richtig
ist, lebt jedoch noch vor einem Gliedsatz oder Infinitiv:
Ich bin gelehrt worden, daß dies meine Pflicht ist. Wir sind gelehrt worden, dankbar
zu sein.

Man wird diesen Gebrauch des Dativs der Person angesichts der Ausnahme¬
stellung der beiden Verben lehren und kosten nicht länger als Fehler be¬
zeichnen können.
Falsch bleibt jedoch die Verwechslung von lehren und lernen. Man kann
nicht sagen:
Ich lerne ihn (ihm) die englische Sprache.

Man muß sagen:


Ich lehre ihn (ihm) die englische Sprache.

m) Akkusativ + Infinitiv (a. c. i.)


Karl hört seine Schwester singen
Diese Konstruktion des Akkusativs mit Infinitiv (a. c. i.2), die im Latei- 922
nischen sehF verbreitet war, muß als eine Vereinigung zweier Geschehens-
keme gesehen werden, bei der das Akkusativobjekt des ersten Verbs zu¬
gleich als Subjekt zum zweiten Verb auftritt:
Karl hört seine Schwester. Seine Schwester singt.

1 Hans Glinz, Die innere Form des Deutschen, Bern 1952, S. 175.
8 Lat. = accusativus cum infinitivo (=Akkusativ mit Infinitiv).
454 Die Grundformen deutscher Sätze

Dies bleibt auch so, wenn zwei Handlungssätze zusammengefügt sind:


Karl hört seine Schwester die Lieder Schuberts singen. (Karl hört seine Schwester.
Seine Schwester singt die Lieder Schuberts.)
Der Akkusativ mit Infinitiv ist auf wenige Verben beschränkt:
sehen, hören, fühlen, lassen, heißen, machen, finden, spüren.
Zuweilen findet sich diese Konstruktion auch noch bei den Verben
[be]merken, wissen, meinen:
Er bemerkte einen Reiter auf sich zukommen. Ich weiß drüben im Wald eine Höhle
liegen.

n) Präpositionalobjekt + Dativobjekt
Ich rate ihm zum Nachgeben
923 Wenn die auf ein läge- oder richtungsbestimmtes Etwas bezogenen Zu¬
stände, Vorgänge oder Tätigkeiten (vgl. 887 ff.) nur in Verbindung mit
einem weiteren Wesen denkbar sind, dann wird dieses Wesen im Dativ
mit genannt (vgl. aber 925) :
Mein Freund berichtete meiner Mutter über mein Examen. Ich verhelfe meinem
Freunde zu einer Stellung. Es fehlt mir an Geld. Es liegt mir an deiner Freundschaft.
Dieses Laster wird ihm zum Verhängnis.
Es handelt sich in diesen Fällen um läge- oder richtungsbestimmte Zustände,
Vorgänge oder Tätigkeiten, die notwendig einem Etwas zugewandt sind.
924 Auch in diesen Fällen steht gelegentlich auf Grund unterschiedlicher Seh-
weise ein Akkusativ an Stelle des Dativs (vgl. 957):
Es ekelt mir oder mich davor. Es graut mir (seltener: mich) vor ihm. Es schaudert
mir oder mich vor diesem Gedanken.

o) Doppeltes Präpositionalobjekt
Der Forschungsreisende sprach zu den Schulkindern über seine
£25 Afrikareise
Das für das gesamte läge- oder richtungsbezogene Geschehen sinngebende
Wesen (vgl. 923) kann auch als Präpositionalobjekt stehen:
Er klagt auf Schadenersatz gegen Herrn Meier.
Es handelt sich um läge- oder richtungsbestimmte Zustände, Vorgänge oder
Tätigkeiten, die auf ein anderes läge- oder richtungsbestimmtes Etwas be¬
zogen sind.
p) Raumergänzung + Dativobjekt
£2g Icä klopfe meinem Freund auf die Schulter
In diesen Sätzen steht neben der Raumergänzung noch ein Dativobjekt,
weil der durch die Raumergänzung bezeichnete Ort nur in Verbindung
mit einem Wesen oder Ding denkbar ist:
Ich sehe ihm ins Gesicht. Ich springe ihm auf den Rücken. Er ging mir aus dem Wege.
Ich stehe ihm zur Seite. Ich rede ihm ins Gewissen. Ich fühle ihm auf den Zahn. Das
Kleid sticht ihr in die Augen. Das liegt mir am Herzen. Ich komme ihm zu Hilfe. Die
Regierung steht Schwierigkeiten gegenüber.
Es handelt sich um raumgebundene Zustände, Vorgänge oder Tätigkeiten,
die notwendig einem Etwas zugewandt sind.
Gliederung und Leistung der Grundformen 455

Bei den Verben der körperlichen Berührung, deren Inhalt als besonders 927
aktive und zielgerichtet empfunden wird, steht oft an Stelle des Dativs
ein Akkusativ:
Ich schlage dir auf die Schulter - Ich schlage dich auf die Schulter.
Ich trete dir auf den Fuß - Ich trete dich auf den Fuß.
Der Hund heißt mir in das Bein - Der Hund beißt mich in das Bein.
Der Sprechende wechselt hier die Sehweise. Aus einer raumgebundenen,
nichtzielenden Tätigkeit, die einem anderen Wesen zugewandt ist, wird
eine räumgebundene Handlung (vgl. 910 ff.).
Bei übertragener Bedeutung ist jedoch der Dativ in der Regel die ein¬
zige Möglichkeit:
Die Uhr stach ihm ins Auge. Das schlägt der Wahrheit ins Gesicht.

q) Artergänzung + Dativobjekt
Ich hin diesem Manne fremd
Wenn der durch das Adjektiv beurteilte Zustand des Subjekts nur im 928
Hinblick auf ein anderes Wesen denkbar ist, dann wird dieses Wesen im
Dativ mit genannt.
Dies geschieht vor allem bei folgenden Adjektiven und adjektivisch ge¬
brauchten Partizipien, gelegentlich auch bei einem Adverb :
abhold, ähnlich, angeboren, begreiflich, behilflich, bekannt, bekömmlich, benach¬
bart, bewußt, dienlich, dienstbar, eigen, ergeben, feind, fern, fremd, freund, ge¬
mäß, genehm, geneigt, gewogen, gleich, gleichgültig, gram, leid, lieb, nachteilig,
nahe, nützlich, schädlich, treu, untertan, verderblich, verwandt, zugetan, zuwider.
Hierher gehören aber auch die wenigen stehenden Redensarten mit einem
Präpositionalgefüge wie:
Ich bin dir zu Willen, zur Hand,
ferner der sinngebende Dativ neben der Artergänzung, wenn der durch 929
das Adjektiv ausgedrückte Zustand des Subjekts nur für die im Dativ
genannte Person gilt (vgl. hierzu auch 935):
Die Hose ist mir zu lang. Das Zimmer ist mir zu groß.
Ein Dativobjekt steht auch, wenn sich das artbestimmte Verhalten eines 930
Subjekts nur in Verbindung mit einem Wesen oder Ding vollziehen kann:
Es geht ihm schlecht. Es tut mir leid. Es wird mir zu bunt. Dein Benehmen steht
dir frei. Diese Arbeit fällt ihm leicht. Deine Liebe tut ihm wohl. Das Kleid steht ihr
gut. Der Wein bekommt mir schlecht. Er handelt seinen Interessen zuwider. Die
Rechtsprechung dient diesen Leuten als bloßes Werkzeug. Er gilt uns als Unmensch.
Das erscheint uns merkwürdig. Das kam ihm zugute, zupaß, zustatten. Das gereichte
ihm'zom Schaden, Nutzen. Das wurde mir zuteil. Ich stehe ihm zu Diensten.
Es handelt sich in allen diesen Fällen um notwendig artbestimmte Zustände,
Vorgänge oder Tätigkeiten, die notwendig einem Etwas zugewandt sind.

r) Artergänzung -f Genitivobjekt (Akkusativobjekt)


Er ist des Diebstahls schuldig
Das Genitivobjekt dieses Satzes nennt uns aus der Fülle aller Tatbestände, 931
die den Zustand des Subjekts hervorgerufen haben könnten, jenen Tat¬
bestand, der für die zu setzende besondere Wirklichkeit zutrifft. Der
Genitiv ist also vom Adjektiv in gleicher Weise abhängig wie vom Verb
456 Die Grundformen deutscher Sätze

(vgl. 883 ff.)* Entsprechend der dort festgelegten Terminologie sprechen


wir in allen Fällen, wo ein Genitiv von einem Adjektiv abhängig ist, von
notwendig artbestimmten Zuständen oder Vorgängen, an denen ein Etwas
teilhat.
932 Der Genitiv ist auch in dieser Verwendung ständig zurückgegangen. In
der Gegenwartssprache steht er nur noch bei folgenden Adjektiven regel¬
mäßig :
bar, bedürftig, bewußt, eingedenk, geständig, gewärtig, gewiß, habhaft, [unjkun-
dig, ledig, mächtig, sicher, teilhaftig, verdächtig, verlustig, würdig.
933 In Konkurrenz mit dem Genetiv steht der Akkusativ1 oder der Präposi-
tionalfall (vgl. 935 f.) bei den Adjektiven „fähig, gewahr, müde, satt,
schuldig, überdrüssig, voll2, wert“ :
Er ist neuer Eindrücke fähig. Er ist zu dieser Tat fähig. Wir wurden unseres Irrtums,
unseren Irrtum gewahr. Ich bin des Redens müde. Ich bin von dieser Arbeit müde. Er
ist des Mordes schuldig. Er ist an dem Mord schuldig. Ich bin seiner überdrüssig. Ich
bin ihn überdrüssig. Er ist keiner Beachtung wert.

Der Akkusativ als Ersatz für einen früheren Genitiv ist bereits fest nach
den Adjektiven „los“ und „gewohnt“:
Ich bin ihn los. Ich bin diese Arbeit gewohnt.
Da Artsätze mit einem Akkusativobjekt ungewöhnlich sind, bemüht
sich die Sprachgemeinschaft bereits in einzelnen Fällen, sie durch haben-
Sätze (vgl. 1019, 1) zu ersetzen:
Ich bin den Streit satt. Ich habe den Streit satt. Ich bin meinen Husten los. Ich habe
meinen Husten los.
934 Neben dieses Akkusativobjekt kann dann auch in Analogie zu jenen
Handlungssätzen, die einem anderen Wesen zügewandt sind (vgl. 905),
ein Dativobjekt treten: ,
Ich bin ihm keinen Pfennig, großen Dank, das Leben schuldig.

s) Artergänzung + Präpositionalobjekt
Ich bin auf deinen Bericht gespannt
935 Auch das Präpositionalobjekt dieser Sätze (vgl. 887 ff. und 908 f.) ist so
vielschichtig wie die Verhältnisse sind, die Präpositionen auszudrücken
vermögen (vgl. 574). Sie stehen wiederum teilweise für einen älteren
Genitiv:
Ich bin des Redens müde - Ich bin vom Reden müde.
Er ist dieser Tat fähig - Er ist zu dieser Tat fähig.
oder auch für einen Dativ:
Diese Nachricht ist schmerzlich für mich (ist mir schmerzlich). Diese Hose ist für mich
zu lang (ist mir zu lang).
Wir stellen auch hier wiederum nur allgemeine Situierung eines Wesens
oder Dinges fest, und zwar diesmal zum Artsatz. In der Rolle der Art¬
ergänzung kann auch hier ein Präpositionalgefüge stehen:
Das ist von Vorteil für ihn.

1 Über diesen „Akkusativ aus Irrtum“ vgl. 434.


2 Das Adjektiv „voll“ wird gelegentlich auch mit dem Dativ verbunden:
Er ist voll heiligem Emst.
Gliederung und Leistung der Grundformen 457

Gebräuchliche Adjektive und Partizipien, bei denen ein Präpositional- 936


objekt steht, sind:
abhängig von erstaunt über neidisch auf
angewiesen auf fähig zu (vgl. aber 933) nützlich für
ärgerlich über fertig ihit passend für
arm an frei von reich an
aufgebracht über freundlich gegen schädlich für
begierig nach, auf froh über schmerzlich für
bekannt mit, unter geeignet zu stolz auf
beliebt bei gefaßt auf streng gegen
bereit zu geneigt zu traurig über
besorgt um genug für tüchtig in
bestürzt über gewandt in überlegen an
bezeichnend für gierig nach ungeduldig über
durstig nach gleichgültig gegen verderblich für
eifersüchtig auf grausam gegen verdient um
eingebildet auf habgierig nach vergleichbar mit
«inverstanden mit hart gegen verliebt in
empfänglich für hungrig nach verlobt mit
entrüstet über interessant für verwandt mit
entschlossen zu interessiert an voll von (vgl. aber 933)
ergriffen von krank an wesentlich für
ergrimmt über mißtrauisch gegen wichtig für
erhaben über müde von (vgl. aber 933) zornig auf, über
erschöpft durch nachteilig für zufrieden, mit
Aber nicht nur der notwendig artbestimmte Zustand eines Subjekts, 937
sondern auch sein notwendig artbestimmtes Verhalten kann lagebestimmt
auf ein anderes Wesen oder Ding bezogen werden:
Wilhelm hat als Freund an mir gehandelt. Deine Erklärung steht in Widerspruch zu
meinen Grundsätzen.
Es handelt sich um notwendig artbestimmte Zustände, Vorgänge oder Tätig- 938
keiten, die läge- oder richtungsbestimmt auf ein Etwas bezogen sind.

t) Artergänzung + Präpositionalobjekt + Dativobjekt


Er ist mir an Fleiß überlegen
Wenn in notwendig artbestimmten Zustandssätzen, die notwendig einem 939
anderen Wesen zugewandt sind (vgl. 928), der durch das Adjektiv aus¬
gedrückte Zustand des Subjekts nur im Hinblick auf eine bestimmte Sache
zutrifft, dann wird diese Sache als Präpositionalobjekt mit genannt:
Er ist ihm im Charakter gleich, ähnlich. Er wird ihm an Tapferkeit überlegen, eben¬
bürtig sein. Karl war mir in der Musik voraus.
Es handelt sich um notwendig artbestimmte Zustände und Vorgänge, die
auf ein läge- oder richtungsbestimmtes Etwas bezogen und einem Etwas not¬
wendig zugewandt sind
u) Artergänzung + Raumergänzung
Er ist in München ansässig
Der Zustand, in dem sich das Subjekt dieses Satzes befindet, ist nur an 940
einem bestimmten Ort denkbar, der mit genannt werden muß. Eine Raum¬
ergänzung steht deshalb vor allem bei den Partizipien, die dem Wortfeld
„wohnen“ angehören und darum stark behördlich klingen:
Er war in Ostpreußen begütert, in Hessen beheimatet, in München wohnhaft, in Zürich
heimatberechtigt.
458 Die Grundformen deutscher Sätze

Auch andere Zustände können raumgebunden sein:


Das ist bei uns nicht üblich, im Gebrauch.
941 Es gibt aber auch notwendig artbestimmte Vorgänge (Verben des Sich-
verhaltens, vgl. 901), die nur gemeinsam mit einem Raum zu denken sind:
Auf der Festwiese geht es lustig zu. Auf der Hochzeit ging es hoch her.
Es handelt sich in beiden Fällen um notwendig, artbestimmte Zustände und
Vorgänge, die raumgebunden sind.
942 Eine Raumangabe erwartet der Hörende auch, wenn an einem Gegen¬
stand ein Zustand festgestellt wird, der nicht selbstverständlich und nicht
ohne weiteres zu lokalisieren ist:
Du bist weiß am Ärmel, rot im Gesicht, schwarz an der Nase.
Diese Umstandsangaben können aber bereits gestrichen werden, ohne die
Sinneinheit der verbleibenden Glieder zu gefährden. Wir stehen hier an
der Grenze zwischen sinnotwendigen und freien Satzgliedern, die fließend
ist wie alle Grenzzonen der Sprache. In Zweifelsfällen muß man deshalb
beide Möglichkeiten gelten lassen.

v) Die modifizierenden Umstandsergänzungen

Sie ging die Treppe hinunter. Karl ist zwölf Jahre alt.
Das Haus ist 10000 DM wert.
943 In diesen Sätzen stehen Raum-, Zeit- und Artergänzungen, die zweigliedrig
sind, wie die Verschiebeprobe zeigt:
Die Treppe ging sie hinunter. Zwölf Jahre ist Karl alt. 10 000 DM ist das Haus wert.
Trotz dieser Zweigliedrigkeit der Ergänzungen stehen wir nicht vor neuen
Grundformen wie bisher, sondern vor den uns bereits bekannten not¬
wendig raum-, zeit- und artbestimmten Zuständen, Vorgängen und Tätig¬
keiten (vgl. 897-903), weil die erste Umstandsergänzung die zweite Um¬
standsergänzung nur wie ein Attribut modifiziert (vgl. 972). Wir sprechen
in diesen Fällen von modifizierenden Umstandsergänzungen. Sie
stehen meist im Akkusativ. Sie gehören der Übergangszone zwischen
Satzglied und Gliedteil an.
944 Die modifizierende Raumergänzung kann nach allen Raumverben stehen,
die an sich bereits eine Umstandsergänzung fordern (vgl. 897), wenn der
Raum nicht punkthaft (mit Hilfe eines Präpositionalgefüges: an der Ecke),
sondern flächenhaft (den Berg hinauf) angegeben wird (vgl. aber auch die
Attribute des Adverbs Ziff. 998):
Wir stiegen den Berg hinauf. Er geht die Straße hinunter. Er wohnt kilometerweit von
der Haltestelle. Ich schlendere die Wiesen auf und ab. Sie warfen ihn die Treppe
hinunter, zur Tür hinaus. Er lagerte einen Steinwurf von hier. Meine Freundin sitzt
drei Reihen weiter.
945 Gelegentlich können sogar zwei modifizierende Raumangaben stehen:
Er wohnt 1000 Meter vom Fluß entfernt.
946 Die modifizierenden Raum- und Zeitergänzungen stehen an Stelle eines
früheren Genitivs bei allen Adjektiven, die eine Ausdehnung im Raume
und in der Zeit bezeichnen:
Der Stoff ist eine Elle lang. Der Spalt ist einen Fuß breit. Das Seil ist einen Finger
dick. Die Grube ist drei Meter tief. Der Knabe ist neun Jahre alt.
Eine vergleichende Betrachtung der Grundformen 459

Als modifizierende Artergänzung kann man die Preisangabe neben dem 947
Adjektiv „wert“ ansehen:
Dieser Ring ist 100 Marie wert.

III. Eine vergleichende Betrachtung der Grundformen


(Siehe hierzu die tabellarische Übersicht Ziff. 966)

1. Grundformen mit zielendem und nichtzielendem Geschehen


a) Zielendes Geschehen
Wenn wir alle Grundformen, die sich durch die Abstrichmethode ergeben 948
haben, vergleichend nebeneinanderstellen, dann heben sich durch Form
und Leistung zunächst alle Sätze mit einem passivfähigen Akkusativ¬
objekt in der Ergänzung deutlich heraus. Es sind die Handlungssätze^ver¬
schiedenster Prägung. Als Prädikat stehen die transitiven Verben (vgl. 57),
nach deren Wirkung sich der Zustand eines Objekts gewandelt hat.

b) Nichtzielendes Geschehen
Den verbleibenden Grundformen ist ein gemeinsames Kennzeichen nicht 949
mehr eigen, es sei denn, daß ihr Geschehen im Gegensatz zu den Hand¬
lungssätzen nichtzielend, intransitiv ist. Als Prädikat können Verben
aller drei Bedeutungsgruppen (Zustand, Vorgang, Tätigkeit) stehen. Im
übrigen werden diese Grundformen in gleicher Weise durch die Ergän¬
zungen differenziert wie bei den Handlungssätzen.

2. Grundleistungen der Ergänzungen


a) Die Sonderstellung des Akkusativobjekts
Das Akkusativobjekt nimmt unter allen Ergänzungen eine Sonderstellung 950
ein, weil es das vom Verhalten des Subjekts tatsächlich getroffene Etwas
bezeichnet und zugleich für eine ganze Reihe von Handlungssätzen kon¬
stituierend ist.
Ob man deshalb den Namen „Objekt“ auf dieses Satzglied beschränken
soll, wie es gelegentlich verlangt wird, ist eine Frage der Übereinkunft. In
dieser Grammatik wird mit Ausnahme des Gleichsetzungsnominativs und
-akkusativs und der im Präpositionalfall stehenden Umstandsangaben
jedes Wesen oder Ding Objekt genannt, das von einem Verb als Ergänzung
gefordert wird.

b) Die übrigen Ergänzungen


Die Differenzierung der Sehweisen innerhalb der beiden Grundform- ,951
gruppen mit zielendem oder nichtzielendem Verhalten des Subjekts erfolgt
durch die übrigen Ergänzungen (vgl. jedoch 943 ff.). Sie erfüllen die
Grundleistungen1 der Gleichsetzung (Nominativ und Akkusativ), der Zu¬
wendung (Dativ), der Teilhabe (Genitiv), des Lage- und Richtungsbezugs

1 Vgl. hierzu auch die „Grundbilder“ von Hans Glinz, Der deutsche Satz, Düsseldorf
1957, S. 163.
460 Die Grundformen deutscher Sätze

von Wesen oder Dingen (Präpositionalfall) und der Raum-, Zeit-, Art- und
Begründungsangaben (in flektierter und unflektierter Gestalt). Es ist die
immer wieder zu bewundernde Gesamtleistung der Sprache, daß sie gegen¬
über dem Sein und Geschehen in der Welt mit diesen wenigen Variations¬
möglichkeiten auszukommen vermag. Über die verschiedenen Sprach-
formen, mit denen diese Grundleistungen der , Ergänzungen ausgedrückt
werden können, vgl. den Abschnitt über die Satzglieder im einzelnen
(1004-1033).
3. Haupt- und Nebenformen
952 Die durch die Sinnergänzungen gekennzeichneten Grundformen lassen
sich wiederum in Haupt- und Nebenformen unterteilen.
Zu den Hauptformen zählen wir außer dem ergänzungslos^n Satz alle
Grundformen mit eingliedriger Ergänzung:
Die Rosen blühen (vgl. 865). Karl ist mein Freund (vgl. 868). Der Gärtner bindet die
Blumen (vgl. 872). Der Sohn dankt dem Vater (vgl. 878). Ich harre seiner (vgl. 883).
Inge achtet auf ihre Schwester (vgl. 887). München hegt an der Isar (vgl. 897). Die
Beratung dauerte zwei Stunden (vgl. 897). Wilhelm benimmt sich schlecht (vgl. 901).
Das Verbrechen geschah aus Eifersucht (vgl. 904).
Von den Grundformen mit mehrgliedriger Ergänzung rechnen wir zu den
Hauptformen die Handlungssätze, die einen Gleichsetzungsakkusativ (vgl.
919), einen Objektsdativ (vgl..905), einen Objektsgenitiv (vgl. 906), ein
Präpositionalobjekt (vgl. 908), eine Raumergänzung (vgl. 910), eine Zeit¬
ergänzung (vgl. 913) und eine Artergänzung (vgl. 914) neben dem Akku¬
sativobjekt haben.
Alle übrigen Grundformen sind Nebenformen, Weil sie nur die eine oder
andere Hauptform variieren, z. B.
Hauptform: Der Arzt schrieb den Patienten krank.
Nebenform: Der Richter sprach*diesen Mann des Diebstahls schuldig.
953 Bei mehrgliedrigen Ergänzungen muß man demnach zwischen primären
und sekundären Gliedern unterscheiden.
Primär ist immer das Akkusativobjekt, weil es den Typ der Handlungs¬
sätze konstituiert (vgl. 950):
Der Richter beschuldigte den Angeklagten des Diebstahls.
primär sekundär

Bei Zustands-, Vorgangs- oder Tätigkeitssätzen ist das Glied primär, das
die Ergänzung der jeweiligen Hauptgrundform bildet:
Hauptgrundform: Meine Freundin wohnt auf dem Lande.
(Raumergänzung)
Nebengrundform: Ich klopfe meinem Freund auf die Schulter.
sekundär primär
Dativobjekt Raumergänzung

4. Die Verbalberciche der Grundformen


954 Jeder Grundform ist ein Verbalbereich zugeordnet. Wir haben diese Be¬
reiche bei der Betrachtung der einzelnen Grundformen nach Möglichkeit
sichtbar gemacht.
Eine vergleichende Betrachtung der Grundformen 461

Die Verbalbereiche schließen sich jedoch gegenseitig nicht aus.


Es gibt zwar Verben, die einem Verbalbereich fest zugeordnet sind.
So kann z. B. das Verb wohnen nur mit einer Umstandsergänzung stehen; andere
Verben können entweder nur absolut stehen (regnen, schneien, blühen) oder nur mit
einem Objektskasus verbunden sein (jemandem helfen, einer Sache ermangeln u. a.). 7
Es gibt aber viele Tätigkeitsverben, die mehreren Verbalbereichen ange¬
hören;
Richtet der Sprechende den Blick auf das von der Handlung getroffene Objekt, dann
muß er sagen:
Der Hund beißt das Kind:
Beobachtet er aber nur die Tätigkeit an sich, dann kann er auch sagen:
Der Hund beißt. y
Entsprechende Möglichkeiten gibt es bei Tätigkeiten, die man entweder
auf ein läge- oder richtungsbestimmtes Etwas beziehen kann oder die man
als in sich ruhende Tätigkeiten anzusehen vermag;
Der Vater schreibt an seinen Sohn. Der Vater schreibt. Inge spielt mit ihrem Ring.
Inge spielt.
Bei den Raum-, Zeit-, Art- und Geschehensverben ist in vielen Fällen ein 955
Austausch der Umstandsergänzung möglich. Mit dem Verb „fahren“ z. B.
ist primär eine Raumvorstellung verknüpft:
Karl fährt nach Frankfurt.
Will der Sprechende aber das Verhalten des Subjekts an sich beurteilen,
dann kann er auch sagen:
Karl fährt gut, schnell.
Daß die Zeitverben fast ausnahmslos auch als Raumverben gebräuchlich
sind, zeigten wir schon (897).
Die reinen Geschehensverben (vgl. 904) können mit Ergänzungen des
Raumes, der Zeit und des Grundes verbunden werden:
Das Unglück ereignete sich in der Wilhelmstraße. Die meisten Überfälle ereignen sich
nachts, die meisten Unfälle aus Unachtsamkeit.
Diese ausgedehnte Möglichkeit zur Verwendung der gleichen Verben in
verschiedenen Grundformen gehört wiederum zur Ökonomie der Sprache,
die bestrebt ist, mit dem geringsten Aufwand höchste Leistungen zu voll¬
bringen.

5. Wechsel der Verbalbereiche


Unabhängig von der Zugehörigkeit eines Verbs zu verschiedenen Verbal- 956
bereichen vollzieht sich in der Sprachgeschichte ein ständiger Übertritt
von Verben aus dem Verbalbereich einer Grundform in den einer anderen.
Dies erfolgt immer dann, wenn die Sprachgemeinschaft mit einem be¬
stimmten Verhalten des Subjekts eine neue Sehweise verbindet. Daraus
ergeben sich in den Zeiten des Durchbruchs der neuen Seh weise, oft
Schwankungen. Das von diesem Vorgang betroffene Verb kann dann mit
verschiedenen Sinnergänzungen verbunden werden. Über die wichtigsten
z. Z. bestehenden Schwankungen (schwankende Rektion) vgl. die folgende
Zusammenstellung. In ihr überwiegen die Schwankungen zwischen Dativ-
und Akkusativobjekt.
462 Die Grundformen deutscher Sätze

Verben mit schwankender Rektion

957 abfragen, abhören: jemanden entbehren: jemanden, etwas


(auch: jemandem) etwas aber: das entbehrt jeder Grundlage
- (vgl. 920) (vgl. 884)
abonnieren: eine Zeitschrift oder auf eine entbinden: jemanden von etwas
Zeitschrift - (vgl. 892) gewählt: eines Dinges - (vgl. 907)
achten: auf jemanden oder etwas entfliehen: jemandem oder vor jemandem
veraltet oder gewählt: - (vgl. 890)
jemandes oder eines Dinges entsinnen: sich jemandes oder einer
- (vgl. 890) Sache, sich an jemanden oder etwas -
angehen: das geht dich nichts an; (vgl. 890)
norddeutsch ugs.: das geht dir nichts erbarmen (gewählt): sich jemandes oder
an (vgl. 920) über jemanden - (vgl. 890)
angleichen: etwas einer Sache oder an erfreuen: sich einer Sache oder ah einer
eine Sache - (vgl. 890) Sache - (vgl. 890)
anklagen: jemanden eines Vergehens erinnern: sich an jemanden, etwas
oder wegen eines Vergehens veraltet oder gewählt: sich jemandes,
- (vgl. 890) eines Dinges - (vgl. 890);
ankommen, an wandeln: auch landschaftlich: etwas -
etwas kommt, wandelt mich (ver¬ fliehen: vor jemandem
altet : mir) an (vgl. 882) veraltet: jemanden - (vgl. 892)
applaudieren: jemandem fürchten: jemanden -;
auch schon mit persönlichem Passiv: aber: sich vor jemandem - (vgl.892)
Die Schauspieler wurden applaudiert [ge]trauen: ich [ge]traue mich
(vgl. 108) (seltener: mir), das zu tun.
aufpassen: auf jemanden Aber nur: ich [ge]traue mir den
seltener: jemandem - (vgl. 890) Schritt nicht (vgl. 920)
bedeuten: ich bedeute ihm, daß ...; grauen: mir (seltener: mich) graut vor je¬
veraltet: ich bedeute ihn, daß . . . mandem oder etwas (vgl. 924)
(vgl. 907) harren (gewählt): jemandes oder eines
bedürfen: jemandes oder eines Dinges Dinges gelegentlich auch: auf je¬
seltener: jemanden oder etwas - manden oder etwas - (vgl. 890)
(ygl. 884) heißen (= befehlen): jemanden (seltener:
begegnen: jemandem jemandem) etwas -
veraltet oder landschaftlich: helfen: das hilft mir (veraltet und land¬
jemanden - (vgl. 882) schaftlich : mich) nichts (vgl. 920)
begehren: jemanden oder etwas jucken vgl.. 882
veraltet: jemandes oder eines Dinges kleiden: das kleidet dich (ugs.: dir) gut
- (vgl. 884) (vgl. 915)
beginnen: etwas oder mit etwas klingeln: jemandem oder nach jemandem
- (vgl. 892) - (vgl. 890)
beißen vgl. 927 klopfen vgl. 927
bescheren: jemandem etwas kneifen vgl. 927
auch schon: jemanden [mit etwas] kommen vgl. stehen
- (vgl. 108) kosten: das kostet mich oder mir 20 DM,
besinnen: sich auf jemanden oder etwas -; das Leben (vgl. 920)
aber: sich eines Besseren - kündigen: eine Sache
(vgl. 890) aber: jemandem -
brennen vgl. 882 Auch schon mit persönlichem Passiv:
danken: jemandem für etwas Die Arbeiter wurden gekündigt
aber: [ich] danke der Nachfrage (vgl. 108)
(vgl. 890) lehren: jemanden etwas
dünken: mich oder mir dünkt (vgl. 882) auch: jemandem etwas - (vgl. 920)
ekeln: mir oder mich ekelt vor etwas oder lohnen: es lohnt die (auch: der) Mühe
jemandem (vgl. 924); nicht (vgl. 884)
aber nur: ich ekele mich vor etwas machen: jemanden oder jemandem bange,
oder jemandem heiß - (vgl. 916)
Eine vergleichende Betrachtung der Grundformen 463

nützen: das nützt mir nichts; stechen vgl. 927


veraltet und noch süddeutsch: stehen, zu - kommen: das kommt mir
das nützt mich nichts (vgl. 920) oder mich teuer zu stehen (vgl. 915)
pflegen: Rat veraltet oder gewählt: subskribieren: ein Werk oder auf ein Werk
Rats - (vgl. 884) - (vgl. 892)
rufen: jemanden trauen vgl. getrauen
vor allem süddeutsch u. schweizer.: treffen vgl. 927
jemandem - (vgl. 882) treten vgl. 927
sagen: etwas jemandem, zu jemandem überzeugen: sich von etwas
- (vgl. 890) aber noch: sich eines Besseren
schaudern: mir oder mich schaudert vor - (vgl. 890)
jemandem oder etwas (vgl. 924) unterstehen: untersteh dich (selten: dir)
schießen vgl. 927 nicht, das zu tun! (vgl. 920)
schlagen vgl. 927 vergessen: jemanden oder etwas -;
schmähen: jemanden -; auf, über je¬ österreichisch: auf jemanden, etwas
manden - (vgl. 892) - (vgl. 892); veraltet oder gewählt:
schmerzen vgl. 882 jemandes, einer Sache - (vgl. 884)
schneiden vgl. 927 versichern: ich versichere Ihnen (veraltet:
schreiben: jemandem oder an jemanden Sie), daß . . . ich versichere Sie ipeines
- (vgl. 890) Vertrauens oder ich versichere Ihnen
schwindeln: mir (selten: mich) schwindelt; mein Vertrauen (vgl. 907); aber nur:
aber nur: mir schwindelt der Kopf versichere dich, ob ...!; ich versichere
(vgl. 882) Sie gegen [Unfall]
spotten: über jemanden oder etwas —; wurmen (— ärgern): es wurmt mich
aber: das spottet jeder Beschreibung (veraltet: mir; vgl. 882)
(vgl. 890) zwicken vgl. 927

Diese Schwankungsfälle zeigen besonders deutlich, daß es sich bei den 958
Grundformen unserer Sprache nicht um eine Nachbildung der objektiv in
der Welt vorhandenen Seins- und Geschehensarten handelt, sondern um
Blickrichtungen und damit um geistige Zugriffe der Sprache selbst; denn
das Geschehen an sich bleibt das gleiche, ob ich sage:
ich rufe ihn oder ich rufe ihm.

6. Die Häufigkeit der einzelnem Grundformen


Für die Häufigkeit und damit auch für die Bedeutung einer Grundform in 959
unserer Rede ist nicht nur die Größe des ihr zugehörigen Verbalbereiches,
sondern auch die Häufigkeit des Gebrauchs der einzelnen Verben ent¬
scheidend. So gebrauchen wir die Grundform I, 21 (Gleichsetzungen)
relativ häufig, obwohl ihr Verbalbereich nur fünf gebräuchliche Verben
umfaßt. Darunter befinden sich allerdings die so zahlreich verwendeten
Verben „sein“ und „werden“. Genauere Untersuchungen darüber fehlen
noch.
Eine zur Überprüfung der hier aufgestellten Grundformen vorgenommene
Auszählung von 50 Seiten aus Thomas Manns „Buddenbrooks“ ergab fol¬
gendes Bild:
Gezählt wurden insgesamt 1802 Sätze. Davon waren 58°/0 Zustands-, Vor¬
gangs- oder Tätigkeitssätze und 42°/0 Handlpngssätze.

1 Diese Ziffern beziehen sich auf die Zusammenstellung ZifF. 906.1 ist die nichtzielende
Gruppe (Zustands-, Vorgangs-, Tätigkeitssätze), 2 die dazugehörige Grundform 2 (Gleich¬
setzungen).
464 Die Grundformen deutscher Sätze

Die einzelnen Grundformen verteilten sich wie folgt:


II, 1 = 29,8% I, 5 = 6,5% II, 3 = 2,5 %
I, 6 = 17 % II, 6 = 5,9% I, 3 = 1,7 %
I, 1 = 12,9% I, 2 = 5,6% I, 8c = 1,2 %
I, 8 = 10,2% II, 5 = 3,3% I, 8a = 0,55% = 97,15%
Alle anderen Grundformen (etwa 3°/0) lagen unter 0,5% oder waren über¬
haupt nicht vertreten.
Eine Auszählung des täglichen Leitartikels einer großen Zeitung über einen
längeren Zeitraum ergab folgendes Bild:
Gezählt wurden 1794 Sätze. Davon waren 61,2% Zustands- und Vor¬
gangs- oder Tätigkeitssätze und 38,8°/o Handlungssätze1. Die einzelnen
Grundformen verteilten sich wie folgt:
II, l = 26,1% I, 6 = 8,1% II, 3 = 2,9%
I, 5 = 12,8% I, 2 = 7,2% II, 6=2 %
I, 1 = 11,7% II, 5 = 5,3% II, 8 = 1,6%
I, 8 = 11,5% I, 3 ='3,2% I, 8a = 1,2%
I, 8c = 3,2% = 96,8%
Alle anderen Grundformen (3,2%) lagen unter 0.4% oder waren über¬
haupt nicht vertreten.
960 Beim Vergleich mit den Sätzen aus Thomas Manns „Buddenbrooks“ er¬
gibt sich ein bedeutungsvoller Unterschied. Die raumbezogenen Zustände,
Vorgänge oder Tätigkeiten (1,6)liaben mit den Zuständen, Vorgängen und
Tätigkeiten, die auf ein läge- oder richtungsbestimmtes Etwas bezogen
sind (1,5), den Platz getauscht. Dies darf wohl als charakteristisch für den
Sprachgebrauch des Epikers und den des intellektualisierenden Journalisten
gedeutet werden. Jedenfalls eröffnen sich von hier aus neue stilkritische
Einblicke.
961 Wie sehr aber die Häufigkeit einer Grundform auch vom Gegenstand der
Darstellung her bestimmt werden kann, sollen die nachstehenden Sätze
aus Thomas Manns „Buddenbrooks“ zeigen, die fast ausschließlich der
Grundform I, 6 angehören, weil ein Raum beschrieben wird2:
Senator Langhals fragte: ,,Da oben wohnst du also, Buddenbrook?" Rechts führte
die Treppe in den zweiten Stock hinauf, wo die Schlafzimmer des Konsuls und seiner
Familie lagen; aber auch an der linken Seite des Vorplatzes befand sich noch eine
Reihe von Räumen. Die Herren schritten rauchend die breite Treppe mit dem wei߬
lackierten, durchbrochenen Holzgeländer hinunter. Auf dem Absatz blieb der Konsul
stehen. „Dies Zwischengeschoß ist noch drei Zimmer tief“, erklärte er, ,,das Früh¬
stückszimmer, das Schlafzimmer meiner Eltern und ein wenig benutzter Raum nach
dem Garten hinaus; ein schmaler Gang läuft als Korridor nebenher. . . Aber vor¬
wärts 1 - Ja, sehen Sie, die Diele wird von den Transportwagen passiert, sie fahren
dann durch das ganze Grundstück bis zur Bäckergrube."

7. Veränderungen und Verschiebungen


innerhalb des Grundformbereichs
962 Der Grundformbestand einer Sprache ändert sich nur in sehr langen
Zeiträumen. Dies ist verständlich, weil dadurch ihr Gefüge am stärksten
betroffen wird. Dabei können einzelne Kasus ganz aussterben, wie zum
Beispiel der Instrumental, den schon das Althochdeutsche nur noch in
Resten kannte.

1 Hans Eggers teilte auf dem Germanistentag in Hamburg 1958 mit, daß er bei ähn¬
lichen Zählungen (500 Sätze) auf 37,8% Handlungssätze gestoßen ist.
2 Die Raumergänzungen sind kursiv gesetzt.
Eine vergleichende Betrachtung der Grundformen 465

a) Sterbender Objektsgenitiv
Die Darstellung der heutigen Grundformen unserer Sprache hat deutlich 963
gezeigt, daß wir beim Objektsgenitiv Zeuge eines solchen Unterganges
sind. Die mit ihm verbundene Seh weise der Teilhabe ist unserer Sprach¬
gemeinschaft nicht mehr geläufig. Soweit diese Veränderung nicht den
Handlungssätzen zugute gekommen ist (vgl. 884), hat sie die Ausbrei¬
tung des Präpositionalobjekts wesentlich gefördert (vgl. 885). Von diesem
Sog zum Präpositionalobjekt ist aber auch das Dativobjekt schon stark
erfaßt (vgl. 890). Es ist nicht Aufgabe unserer Grammatik, auf Grund dieser
Beobachtungen Rückschlüsse auf den sich wandelnden geistigen Zugriff
unserer Muttersprache gegenüber dem Sein und Geschehen in der Welt
zu ziehen. Insgesamt drängt sich jedoch die Überzeugung auf, daß das
Verhalten des Subjekts genauer und aktiver gesehen wird. Dies gilt vor
allem auch für die Verschiebungen innerhalb unseres Grundformbereiches,
auf die Leo Weisgerber hingewiesen hat1.
b) Akkus ativierung
Es ist ein auffallender Zug unserer Zeit, Personalobjekte, die bisher im 964
Dativ standen, in den Akkusativ zu setzen:
einem raten - einen beraten; einem Waren liefern - einen mit Waren beliefern; einem
Waffen geben-einen mit Maschinenpistolen bewaffnen; einem dienen - einen bedienen.
Damit wird die Person, die bisher im Mittelpunkt stand, weil ihr das Ge¬
schehen entweder sinngebend oder teilnehmend zugewandt war, in die
Rolle einer „behandelten Sache“ gedrängt:
einem etwas schenken - einen mit etwas beschenken.
Bei der Beobachtung dieser Akkusativierung der Person drängt sich die
Vermutung auf, daß Sich hier bereits die geistige Haltung des modernen
Massenzeitalters niederschlägt, aus der heraus der Mensch schließlich auch
„berentet“ wird. Diese Fragen sollen hier nur angedeutet werden, denn sie
führen uns bereits aus der rein grammatischen Sprachbetrachtung hin¬
aus in die Sprachsoziologie hinein.

8. Grundformen sind Ganzheiten


Die Grundformen sind Ganzheiten und deshalb nicht weiter reduzierbar. 965
Sie sind dem Sprechenden als geschlossene Einheiten für die Bildung v on
Sätzen muttersprachlich vorgegeben. Dies gilt es gegenüber der bisherigen
Lehre vom Kernsatz und seiner Erweiterung besonders zu betonen.
Mit der Wahl einer solchen Ganzheit hat der Sprechende bereits über die
Seh weise seiner Setzung entschieden. Er vermag dann nur noch die Glied¬
stellen der betreffenden Grundform mit Wörtern zu besetzen, die er einem
Sinnbezirk entnehmen kann (vgl. 835 ff.) und die die syntaktischen Fel¬
der erlauben (vgl. 842).
Für die Gestaltung des individuellen Bereichs einer Setzung hält die
Sprache aber über die Stellenbesetzung in der Grundform hinaus weitere
Mittel bereit, die es noch zu betrachten gilt: die freien Satzglieder (vgl.
967 ff.), die Attribute (vgl. 971 ff.), die Ersetzung der Satzglieder durch
Teilsätze im Satzgefüge (vgl. 1053 ff.), die Wortstellung (vgl. 1208 ff.) und
die Satzmelodie (vgl. 1253 ff.).

1 Leo Welsgcrber, Verschiebungen in der sprachlichen Einschätzung von Menschen


und Sachen, Köln 1958.
(966) Zusammenstellung der
Diese Zusammenstellung enthält die Grundformen deutscher Sätze, die dem Sprechenden
als Ganzheiten durch die Muttersprache vorgegeben sind. Die mit a), b) usw. bezeichneten
Formen sind Nebenformen der darüber stehenden Hauptform. Über die verschiedenen
sprachlichen Formen, in denen die einzelnen Satzglieder auftreten können, vgl. den Ab-

I. Zustands-, Vorgangs- und Tätigkeitssätze I Notwendige Satzglieder

1. In sich ruhende Zustände, Vorgänge Subjekt


oder Tätigkeiten (vgl. 865): Prädikat
Die Hosen blühen.

2. Zustände oder Vorgänge, bei denen ein Subjekt


Etwas einem Etwas gleichgesetzt wird Prädikat
Gleichsetzungsnominativ
(vgl. 868):
Karl ist mein Freund.
3. Zustände,VorgängeoderTätigkeiten,die Subjekt
notwendig einem Etwas zugewandt sind Prädikat
Dativobjekt
(vgl. 878):
Der Sohn dankt dem Vater.
4. VorgängeoderTätigkeiten, an denen ein Subjekt
Etwas teilhat (vgl. 883): Prädikat
Ich harre seiner. Genitivobjekt

5. Zustände, Vorgänge oder Tätigkeiten, Subjekt


die auf ein Etwas gerichtet oder mit ei¬ Prädikat
Präpositionalob j ekt
nem Etwas lagebestimmt verbunden
sind (vgl. 887) :
Inge achtet auf ihre Schwester.
Karl spielt mit mir.
5a) Lage- oder richtungsbestimmte Zu¬ Subjekt
stände, Vorgänge oder Tätigkeiten, Prädikat
Präpositionalobjekt.
die notwendig einem Etwas zuge¬
Dativobjekt
wandt sind (vgl. 923):
Ich rate ihm zum Nachgeben.
5b) Lage- oder richtungsbestimmte Zu¬ Subjekt
stände, Vorgänge oder Tätigkeiten, Prädikat
Präpositionalob j ekt
die auf ein anderes läge- oder rich¬
Präpositionalobjekt
tungsbestimmtes Etwas bezogen
sind (vgl. 925):
Der Forschungsreisende sprach zu den
Schulkindern über seine Afrikareise.
6. Zustände, Vorgänge oder Tätigkeiten, Subjekt
die raumgebunden sind (vgl. 897): Prädikat
Raumergänzung
München liegt an der Isar.

6a) Raumgebundene Zustände, Vor¬ Subjekt


Prädikat
gänge oder Tätigkeiten, die notwen¬
Raumergänzung
dig einem Etwas zugewandt sind Dativobjekt
(vgl. 926):
Ich klopfe meinem Freund auf die
Schulter.
Grundformen deutscher Sätze
schnitt: Die Satzglieder im einzelnen, Ziff. 1004ff. Über die passivischen Satzformen vgl.
893. Die halbfett und kursiv gedruckten Wörter zeigen, daß die Sprache nur wenige
Satzglieder mit unterschiedlicher Leistung benötigt, um das gesamte Sein und Ge¬
schehen zu variieren.

II. Handlungssätze Notwendige Satzglieder

1. In sich geschlossene Handlungen (vgl. Subjekt


872): Prädikat
Der Gärtner bindet die Blumen. Akkus ati vob j ekt

2. Handlungen, bei denen ein Etwas einem Subjekt


Etwas gleichgesetzt wird (vgl. 919): Prädikat
Karl nennt mich einen Lügner. Akkusativobjekt
Gleichsetzungsakkusativ

3. Handlungen, die notwendig einem Et Subjekt


was zugewandt sind (vgl. 905): Prädikat '
Karl schenkt seinem Freunde ein Buch. Akkusativobjekt
Dativobjekt

4. Handlungen, an denen ein Etwas teilhat Subjekt


(vgl. 906): Prädikat
Der Richter beschuldigte den Angeklagten Akkusativobjekt
des Diebstahls. Genitivobjekt

5. Handlungen, die auf ein Etwas gerichtet Subjekt


oder mit einem Etwas lagebestimmt ver - Prädikat
Akkusativobjekt
bunden sind (vgl. 908):
Präpositionalobjekt
Er verriet ihn an seine Feinde.
Ich bewahre ihn vor seinen Feinden.

6. Handlungen, die raumgebunden sind Subjekt


(vgl. 910): Prädikat
Ich hänge das Bild an die Wand. Akkusativobjekt
Raumergänzung
6a) Raumgebundene Handlungen, die Subjekt
notwendig einem Etwas zugewandt Prädikat
sind (vgl. 912): Akkusativobjekt
Karl legte seinem Freunde die Hand Präpositionalobjekt
auf die Schulter. Dativobjekt
I. Zustands-, Vorgangs- und Tätigkeitssätze Notwendige Satzglieder

7. Zustände oder Vorgänge, die zeitgebun Subjekt


den sind (vgl. 897) : Prädikat
Zeitergänzung
Die Beratung dauerte zwei Stunden.

8. Zustände oder Vorgänge, die notwendig Subjekt


artbestimmt sind (vgl. 901): Prädikat
Artergänzung
Die Rose ist schön.
Wilhelm benimmt sich schlecht.

8a) Notwendig artbestimmte Zustände, Subjekt


Vorgänge oder Tätigkeiten, die not¬ Prädikat
wendig einem Etwas zugewandt sind Artergänzung
Dativobjekt
(vgl. 928):
Ich bin diesem Manne fremd.
Deine Liebe tut Ihm wohl.

8b) Notwendig artbestimmte Zustände Subjekt


oder Vorgänge, an denen ein Etwa*! Prädikat
Artergänzung
teilhat (vgl. 931):
Genitivobjekt
Er ist des Diebstahls schuldig.

8c) Notwendig artbestimmte Zustände, Subjekt


Vorgänge oder Tätigkeiten, die lage- Prädikat
Artergänzung
oder richtungsbestimmt auf ein Et¬
Präpositionalobjekt
was bezogen sind (vgl. 935):
Ich bin auf deinen Bericht gespannt.

8ca) Notwendig artbestimmte Zustän¬ Subjekt


de und Vorgänge, die auf ein lage- Prädikat
oder richtungsbestimmtes Etwas Artergänzung
bezogen und einem Etwas notwen¬ Präpositionalobjekt
dig zugewandt sind (vgl. 939): Dativobjekt

Er ist mir an Fleiß überlegen.

8d) Notwendig artbestimmte Zustände Subjekt


und Vorgänge, die raumgebunden Prädikat
Artergänzung
sind (vgl. 940):
Raumergänzung
Er ist in München ansässig.

9. Vorgänge oder Tätigkeiten, die notwen¬ Subjekt


dig kausalbestimmt sind (vgl. 904): Prädikat
Das Verbrechen geschah aus Eifersucht. Begründungsergänzung
II. Handlungssätze Notwendige Satzglieder

7. Handlungen, die zeitgebunden sind (vgl. Subjekt


013). Prädikat
L , ~ „ T ■ Akkusativobjekt
Er zog das Gespräch ln die Länge. Zeitergänzung

8. Handlungen, die artbestimmend sind Subjekt


fvel 914V Prädikat
‘ '\ ^ ^ 0 Akkusativobjekt
Die Mutter macht die.Suppe warm. Artergänzung

8a) Artbestimmende Handlungen, die Subjekt


notwendig einem Etwas zugewandt Prädikat
Akkusativobjekt
sind (vgl. 916):
Artergänzung
Ich machte ihm die Beine lang.
Dativobjekt

8b) Handlungen, bei denen ein Etwas an Subjekt


dem durch die Handlung hervorge¬ Prädikat
Akkusativobjekt
rufenen Zustand des im Akkusativ¬
Artergänzung
objekt genannten Etwas teilhat (vgl. Genitivobjekt
917):
Der Richter sprach diesen Mann des
Diebstahls schuldig.

8c) Handlungen, bei denen der durch Subjekt


die Handlung hervorgerufene Zu¬ Prädikat
Akkusati vob j ekt
stand des im Akkusativobjekt ge¬
Artergänzung
nannten Etwas läge- oder richtungs¬ Präpositionalobjekt
bestimmt auf ein Etwas bezogen ist
(vgl. 918):
Mein Freund machte mich auf dieses
Mädchen aufmerksam.

Sonderformen

a) Doppelter Akkusativ (vgl. 920):


Herr Meier lehrte uns die französische Sprache.

b) Akkusativ + Infinitiv (vgl. 922):


Karl hört seine Schwester singen.

Über Sätze mit einem Akkusativobjekt, die keine Handlungssätze


sind (Ich habe einen Hut), vgl. 1019.
470 Die freien Satzglieder

E. DIE FREIEN SATZGLIEDER


Die freien, also nicht sinnotwendigen Satzglieder ermöglichen es dem
Sprechenden in erster Linie, die besonderen Züge einer wahrgenommenen
Wirklichkeit sprachlich zur Geltung zu bringen. Mit ihnen kann er nach
freiem Ermessen weitere Wesen oder Dinge und Angaben an dem Ver¬
halten eines Subjekts beteiligen.

I. Die am Verhalten eines Subjekts nur teilnehmenden


Wesen oder Dinge1
967 Der freie Dativ nennt uns im Gegensatz zum Dativobjekt (dem sinn¬
gebenden Dativ2) jene Wesen oder Dinge, die an dem Verhalten eines
Subjekts nur teilnehmen. Auf diese Weise kann fast jedes Geschehen
einem Etwas zugewandt werden.
Der freie Dativ kann zunächst ein Dativ des Interesses sein, d. h.,er
benennt die Person, um derentwillen etwas sein oder geschehen kann:
Mir leuchten die Sterne. Er ist mir ein lieber Freund. Die Zeit verging uns schnell.
Karl trägt seinem, Freunde den Koffer zum Bahnhof. Inge singt uns ein Lied. Ich
hole mir eine Fahrkarte.
968 Der freie Dativ kann in einem noch loseren Verhältnis zum Verhalten des
Subjekts stehen, wenn er nur die Person bezeichnet, die an dem Bestehen
oder Geschehen im Satze inneren Anteil nimmt oder nehmen soll (Dati-
vus ethicus). Dieser Dativ ist der volkstümlichen Redeweise und der
Dichtung besonders eigen:
Du bist mir ein hübsches Bürschchen. Du bist mir der Rechte. Ich war dir ein Sol¬
dat, und keiner von den schlechten (Claudius). Sind euch gar trotzige Kameraden
(Schiller). Nur greift mir zu und seid nicht blöde (Goethe). Eile mir nicht zu schnell,
du goldner Tag (Hölderlin).
Als freie Wesensangabe muß man wohl auch den Subjektsnominativ an-
sehen, wenn er in der Gestalt eines Personalpronomens im Aufforderungs¬
satz steht (vgl. 130), weil das Subjekt in der Imperativform schon enthalten
ist:
Sprich du mit ihm!

II, Die das Verhalten eines Subjekts nur begleitenden


Umstände
969 Umstandsängaben, die im Gegensatz zu den Umstandsergänzungen (vgl.
896 ff.) einem Satz nur frei hinzugefügt sind, nennen wir freie Um¬
standsangaben (vgl. 1029ff.). Mit ihnen kann der Sprechende jede Ver-

1 Bei einem im Präpositionalfall stehenden Wesen oder Ding, das an einem Verhalten
nur teilnimmt, ist die Abgrenzung zu den freien Umstandsangaben sehr schwierig. Da sie
aber nach unserer Meinung den freien Umstandsangaben näher stehen als den Personen¬
oder Sachangaben, haben wir sie dort behandelt (vgl. 1032, 5).
* Vgl. hierzu Hennig Brinkmann, Der Umkreis des persönlichen Lebens im deut¬
schen Dativ, Muttersprache 1953, S. 104 ff. Hier heißt es S. 111: „Der Dativ kann die
v Person jeweils in doppelterWeise ins Spiel bringen: Er kann sie einmal als den eigentlichen
Sinn des Geschehens setzen (Dativ der sinngebenden Person), und er kann sie jederzeit
am Geschehen beteiligen (Daxiv der teilnehmenden Person).“
Bestimmung und Leistung der Attribute 471

haltensweise eines Subjekts auf das Wo, Wann, Wie und Warum in der
Welt beziehen. Die freien Umstandsangaben sind deshalb die eigentlichen
„Ausbaustücke“ des Satzes, durch die die Grundformen an die besonderen
Züge der zu setzenden Wirklichkeit herangebracht werden:
Die Sonne scheint heute besonders warm. Ich rate dir als guter Freund zur Annahme
dieser Bedingungen. Der Gärtner bindet jeden Morgen seine Blumen hinter dem
Treibhaus. Der Arzt schrieb den Patienten wegen seines starken Hustens krank.

Bei den freien Artangaben müssen wir ebenso wie bei den Artergänzungen 970
(vgl. 902) auf die Zuordnung des in der Aussage stehenden selbständigen
Adjektivs achten.
Das Adjektiv ist dem Subjekt zugeordnet, wenn es heißt:
Karl kam krank in Frankfurt an,
weil nur der kranke Karl und nicht das kranke Ankommen gemeint sein
kann.
Das Adjektiv ist aber dem Prädikat wie ein Adverb zugeordnet, wenn es
heißt:
Karl hat laut um Hilfe gerufen,
weil nur das laute Rufen gemeint sein kann.
Gelegentlich sind verschiedene Zuordnungen denkbar:
Ruhig im Sessel liest der Vater sein Buch.

Handelt es sich um ein ruhiges Lesen, um den ruhigen Vater, der liest,
oder um das ruhige Sein, das den lesenden Vater umgibt? Die Grenzen
sind, wie so oft in der Sprache, fließend. Der im Adjektiv zum Ausdruck
kommende Stimmungsgehalt vermag so den ganzen Satz zu durchdringen.
Wir sollten uns deshalb nicht bemühen, diesen wertvollen Schwebezustand
durch eindeutige Zuordnungen zu zerstören.

F. DAS ATTRIBUT

I. Bestimmung und Leistung der Attribute


Während es bisher darauf ankam, die selbständigen Glieder eines Satzes 971
zu ermitteln, gilt es nunmehr, die Gliedteile zu betrachten, die sich als
nähere Bestimmungen um einen Gliedkem lagern können.
Bereits die Verschiebeprobe (vgl. 858) zeigte, daß es Satzglieder gibt, die
aus einem Wort oder aus mehreren Wörtern bestehen:
Die blasse Wintersonne strich schräg über die Häuser der Großstadt. — Über die
Häuser der Großstadt strich schräg die blasse Wintersonne.

Den Kern der mehrwortigen Glieder ermitteln wir, wenn wir die entbehr¬
lichen Gliedteile weglassen:
Die Wintersonne strich schräg über die Häuser.

Die weggestrichenen Gliedteile sind also dem Gliedkern nur beigefügt.


Sie beziehen sich deshalb auch nicht selbst auf den Satz, sondern nur
durch ihren Kern, mit dem sie sich gemeinsam um die Verbachse bewegen
müssen. Man nennt die sich um einen Kern lagernden Gliedteile Attri-
472 Das Attribut

bute1 (lat.: attributum — das Zugeteilte). Die deutsche Bezeichnung


Beifügung gibt den Charakter dieser Gliedteile treffend wieder. Es wird
sich allerdings an mehreren Stellen zeigen, daß die Grenze zwischen den
Gliedteilen und den selbständigen Satzgliedern nicht immer scharf zu
ziehen ist.
972 Die allgemeine Leistung der Attribute ist leicht zu umreißen. Die Attri¬
bute ermöglichen es, jedes zum Satz aufgerufene Substantiv, Adjektiv
oder Adverb zu charakterisieren, auszudeuten und genauer zu bestimmen.
Mit ihnen wird dem Sprechenden ein weiteres wichtiges Mittel an die Hand
gegeben, um jede Grundform so dicht wie möglich an die zu setzende be¬
sondere Wirklichkeit heranzubringen:
Der Baum — der schöne Baum — der Baum der Erkenntnis — der dicke Eichbaum
am Waldesrand.

II. Die Attribute des Substantivs

973 Jedes zum Satz aufgerufene Substantiv oder Pronomen kann ein Attribut
zu sich nehmen. Das Attribut steht dann adnominal (zum Nomen ge¬
hörig).
Der sprachlichen Form nach kann das adnominale Attribut sein:
ein Adjektiv oder Partizip: das liebe, das geliebte Kind;
ein Begleiter des Substantivs: mein Hut;
ein Substantiv im Genitiv: der Hut meines Vaters;
ein Substantiv mit Präposition: die Liebe zur Musik;
ein Adverb: er blickte nach der Burg dort drüben;
ein Infinitiv mit zu: die Kunst zu schweigen;
ein Substantiv im gleichen Kasus wie das zu bestimmende Substantiv: Nathan
der Weise.

1. Das adjektivische Attribut


974 Zum adjektivischen Attribut gehören nicht nur die eigentlichen Adjektive,
sondern auch alle Partizipien, die an der Wortart des Adjektivs teil¬
nehmen (vgl. 167 f.).
975 Das adjektivische Attribut charakterisiert das Substantiv, bei dem es
steht. Es antwortet deshalb auf die Frage was für ein ?:
ein schnelles Pferd.
976' Das adjektivische Attribut beim Substantiv ist im Gegensatz zum selb¬
ständigen Adjektiv in der Satzaussage in der Regel flektiert (vgl. 331):
Der fleißige Mann ist meist auch ein zuverlässiger MAnn.
Über unflektierte adjektivische Attribute vgl. 355 ff.

1 Es gibt auch Attribute, die notwendig zum Satz gehören und deshalb nicht weg¬
streichbar sind:
Er stahl die Hälfte meines Geldes.
In diesen Fällen muß der Gliedkern aus dem Zusammenhang erschlossen werden
(„die Hälfte“ wird durch „meines Geldes“ näher bestimmt).
Es erübrigt sich wohl, bei dieser Gelegenheit auch darauf hinzuweisen, daß die not¬
wendigen Attribute im Gegensatz zu den notwendigen Satzgliedern keine Grundformen
begründen.
Die Attribute des Substantivs 473

Um ein adjektivisches Attribut handelt es sich auch, wenn das flektierte 977
Adjektiv auf sich gestellt ist, weil sein Substantiv in Gedanken ergänzt wird:
Sie war die schönste [Frau] aller Frauen. Er liebte alle Kinder, vor allem die an¬
ständigen und fleißigen [Kinder]. Von des Lebens Gütern allen ist der Ruhm das
höchste [Gut] doch (Schiller).
Über die attributiv zu verwendenden Ableitungen auf -er von einem Orts¬
oder Ländernamen vgl. 362.

2. Die Begleiter des Substantivs


Auch die Begleiter des Substantivs (vgl. 414 ff.) sind von ihrem Gliedwert 978
her als Attribute anzusprechen:
der Hut, mein Hut, drei Hüte.

3. Das substantivische Attribut im Genitiv


Das substantivische Attribut im Genitiv hat sich im Gegensatz zum 979
Objektsgenitiv (vgl. 883 ff.) trotz mancher Verluste noch gut erhalten:
Dies ist der Hut meines Vaters. Er ist ein Opfer meines Zornes, ein Freund meiner
Schwester. Er stahl die Hälfte meines Geldes.
Es antwortet auf die Frage: wessen ?
Das substantivische Attribut im Genitiv drückt folgende Verhältnisse aus: 980

1. Besitz oder Zugehörigkeit (Qenitivus possessivus)


das Haus meines Vaters, die Strahlen der Sonne, die Liebe des Kindes.
In der Umgangssprache läuft der possessive Genitiv Gefahr, durch einen Dativ in
Verbindung mit einem Possessivpronomen verdrängt zu werden:
meinem Vater sein Hut.
Gelegentlich wird auch der den Besitz bezeichnende Genitiv durch ein Pos¬
sessivpronomen verstärkt:
Das ist des Teufels sein Handwerk.
Die Umgangssprache weicht dem possessiven Genitiv aber am häufigsten durch
präpositionalen Anschluß mit von aus:
Das ist der Bruder von der Frau Meier. Wir hörten das Zwitschern von den
Vögeln.
Die Umschreibung mit „von“ ist jedoch in folgenden Fällen auch in der
Schriftsprache notwendig oder üblich:
a) wenn das attributive Substantiv das Wesen oder Ding, das es nennt, all¬
gemein einführt: der Ankauf von Kleidern; die Aufführung von Dramen;
der Genuß von Fleisch; aber: der Ankauf dieses weißen Kleides; die
Aufführung solcher Dramen; der Genuß eines schönen Bratens.
b) wenn vor dem attributiven Substantiv ein unflektierbares Zahlwort ohne
Artikel steht:
der Vater von fünf Söhnen (aber : der Vater fünf zuverlässiger Söhne;
auch: von fünf zuverlässigen Söhnen).
c) um Mißverständnisse auszuschließen, wenn das attributive Substantiv den
Urheber nennt:
Die Bilder von Albrecht Dürer (die Bilder Albrecht Dürers könnten auch
Bilder anderer Maler in seinem Besitz sein oder auch Darstellungen von
ihm selbst).
474 Das Attribut

Wo keine Mißverständnisse möglich sind, sollte der Genitiv stehen:


die Lieder Schuberts, die Dramen Goethes.

d) wenn das attributive Substantiv ein geographischer Name ist:


die Königin von England, die Museen von München, die Kirchen von Rom.

e) wenn das Aufeinandertreffen mehrerer Genitive vermieden werden soll:


Das Jahr des Friedensschlusses war das Jahr von Wilhelms Tod.

f) wenn das attributive Substantiv von seinem Gliedkern getrennt ist (selten;
vgl. 1242):
Bela hat mir die Hand geboten von seinem Enkelkind (Grillparzer).

g) in stehenden Redensarten:
Das ist das Ende vom Lied.

In Konkurrenz mit dem Genitivus possessivus stehen aber auch präpositionale


Fügungen wie:
Die Museen in München (Münchens), die Brücken über den Rhein (des Rheins),
die Keller im Hause (des Hauses).

Beachte:
Der possessive Genitiv darf sich nicht auf das Bestimmungswort einer Zusammen¬
setzung beziehen (vgl. 984, Beachte):
Also nicht: Die Meldepflicht der Berufskrankheiten.
Sondern: Die Pflicht zur Meldung der Berufskrankheiten.

2. Identität (Genitivus definitivus und explicativus)


das Laster des Trunkes (Trunk = Laster); dies Kleinod einer Perle (Kleinod
= Perle).
Zu dem Genitiv der Identität rechnet man auch den Genetiv der
Steigerung (vgl. 391):
das Buch der Bücher; das Fest der Feste.

3. Subjekt eines Vorganges (Genitivus subiectivus) oder Objekt einer


Handlung (Genitivus obiectivus)
Ist der Gliedkern ein Verbalsubstantiv (vgl. 689 und 717,1), dann kann
der Genitiv ein Wesen oder Ding bezeichnen, das entweder Subjekt
oder Objekt zu dem in das Verbalsubstantiv eingegangenen Verb ist:
die Ankunft des Zuges (der Zug kommt an); die Abfahrt des Schiffes (das
Schiff fährt ab); der Zerstörer Karthagos (er zerstörte Karthago).
Ergibt der Zusammenhang nicht deutlich, ob ein Subjekts- oder Objektsgenitiv vor¬
liegt, dann folgt häufig ein Präpositionalgefüge, auch wenn das Verb keine Präpo¬
sition regiert:
die Liebe zu den Kindern.
„Die Liebe der Kinder“ kann mißverständlich sein: die Liebe der Kinder zu den
Eltern oder die Liebe der Eltern zu den Kindern.

4. Eigenschaft (Genitivus qualitatis)


ein Mann mittleren Alters; Kunstschätze aller Art.
Auch der Eigenschaftsgenitiv wird häufig mit von umschrieben:
Ein Mann von echtem Schrot und Korn.
Die Attribute des Substantivs 475

Diese Umschreibung muß stehen, wenn das attributive Substantiv ohne nähere
Bestimmung oder Artikel ist:
ein Mann von Geist.
Wenn der Eigenschaftsgenitiv den Stoff nennt, aus dem die im Gliedkem genannte
Sache besteht, dann wird fast nur noch mit der Präposition aus umschrieben:
ein Becher edlen Golde» — ein Becher au» edlem Gold.

5. Teil (Genitivus partitivus)


Beim Genitivus partitivus bezeichnet der Gliedkem ein Maß oder eine
Menge, der Genitiv das übergeordnete Ganze:
ein Schwarm wilder Tauben; ein Glas edlen Weines; eine Schar fröhlicher Kinder.
Der Genitivus partitivus ist von allen attributiven Genitiven am stärksten bedroht,
und zwar
a) durch einen präpositionalen Anschluß:
eine Schar von fröhlichen Kindern; ein Glas mit edlem Wein; die besten
unter den Schülern.
b) durch einfache Nebenstellung im gleichen Kasus wie der Gliedkem (vgl. 988):
ein Becher Weins - ein Becher Wein; ein Bissen Brots - ein Bissen Brot;
bei einem Glase edlen Weines - bei einem Glase edlen Wein; mit zwei
Säcken schlechter Nüsse - mit zwei Säcken schlechten Nüssen.
Von einem attributiven Genitiv kann ein zweiter oder gar ein dritter oder 981
vierter Genitiv abhängen:
Die Schilderung der Personen dieses Dramas; die Schilderung des Charakters der
Personen dieses Dramas; die Anerkennung des Beschlusses der Unterkommission des
Straf recktsausschusses.
Aus Gründen des sprachlichen Wohlklanges sollte man jedoch nicht mehr als zwei
attributive Genitive hintereinanderstellen. Läßt sich dies nicht vermeiden, so wähle
man, wenn irgend möglich, ungleiche Artikel. Also nicht: die Anerkennung des Be¬
schlusses des Strafrechtsausschusses des Bundestages.

4. Das substantivische Attribut als Präpositionalfall


Der attributive Präpositionalfall gibt die gleichen Sachbezüge wieder wie 982
der Präpositionalfall als selbständiges Satzglied, und zwar:
a) Wesen oder Dinge in einer bestimmten Situierung:
meine Freude über den Sieg — Ich freue mich über den Sieg. Mein Beitrag zur Unter¬
haltung - Ich trage zur Unterhaltung bei. Sein Verzicht auf die Erbschaft - Er ver¬
zichtet auf die Erbschaft..
b) Umstände, die mit Hilfe eines Wesens oder Dinges ausgedrückt werden:
Ich bin die Christel von der Post (Zeller, Der Vogelhändler). Dies ist der Weg nach
Frankfurt. Die Aussicht in die Ebene wurde immer freier. Die Luftangriffe auf Kassel
waren besonders schwer.
Wenn der durch das Attribut bezeichnete Raum nicht punkthaft mit
Hilfe eines Präpositionalgefüges, sondern flächenhaft angegeben werden
soll, dann tritt zu dem Präpositionalgefüge noch ein Adverb (vgl. 944):
Der Weg vom Berge herunter war steiler als der Pfad zum Gipfel hinauf.
Bei den Präpositionalfällen ist die Grenze zwischen dem Attribut und den 983
selbständigen Satzgliedern nicht immer scharf zu ziehen:
Maria schrieb täglich einen liebevollen Gruß aus München an ihren Verlobten.
476 Das Attribut

In dieser Stellung liegt bei normaler Betonung die Deutung nahe, daß die
Raumangabe „aus München“ attributiv zum Akkusativobjekt steht.
Wird die Raumangabe aber betont, dann kann sie auch als selbständiges
Glied an die Spitze des Satzes treten:
Aus München schrieb Maria täglich einen liebevollen Gruß an'ihren Verlobten.
In Zweifelsfällen muß man beide Möglichkeiten gelten lassen.
984 Die Gegenwartssprache liebt das präpositionale Attribut besonders, weil
sie mit seiner Hilfe ganze Satzinhalte in die Rolle eines Satzgliedes zu
bringen vermag. Gliedkern ist dann meist ein Nomen actionis, insbesondere
auf -ung1 (vgl. 689 und 695):
Eine Besinnung auf das Verhältnis von Geld und Moral in der gegenwärtigen Ge¬
sellschaft tut uns not.

Beachte:
Das präpositionale Attribut darf sich nicht auf das Bestimmungswort einer Zusammen¬
setzung beziehen:
Also nicht: Die Abfahrtszeit nach Kassel, sondern: Die Zeit der Abfahrt nach Kassel.

5. Das Adverb als Attribut zum Substantiv


985 Ein Adverb kann in gleicher Weise wie eine Umstandsangabe im Präpo-
sitionalfall (vgl. 982) ein Substantiv näher bestimmen.
Meist sind es Orts- und Zeitadverbien:
Das Haus dort kann in wenigen Tagen bezogen, werden. Die Sitzung gestern war sehr
aufregend. Seine Aktivität von heule ist mir angenehmer als sein Zögern von neulich.
Das Adverb kann auch vorangestellt sein:
Rechts das weiße Haus gehört meinem Onkel.
Die Modaladverbien stehen oft vor substantivierten Adjektiven (Par¬
tizipien) :
das kaum Auszusprechende; das keineswegs Wünschenswerte; das überaus Viel¬
fältige ; das günstigenfalls Glaubwürdige.
Auch hier ist die Grenze zwischen dem Attribut und dem selbständigen
Satzglied fließend. Gelegentlich kann die Einordnung schwierig sein:
Auch ich war von ihm begeistert. Ich war auch von ihm begeistert. Ich war von ihm
auch begeistert.
Im ersten Satz ist das Adverb „auch“ so eng mit dem Pronomen ver¬
bunden, daß man es als Attribut auffassen kann*. Im zweiten Satz
hängt es von der Betonung ab, ob sich das Adverb „auch“ auf das
Geschehen oder auf das Pronomen „ihm“ bezieht (Ich war äuch von
ihm begeistert. Ich war auch von ihm begeistert). Im dritten Satz
kann „auch“ nur als freie Umstandsangabe aufgefaßt werden.

6. Der Infinitiv als Attribut zum Substantiv


986 Auch ein Infinitiv mit „zu“ oder eine Infinitivgruppe (vgl. 1038) können
ein Substantiv näher bestimmen^
Die Kunst zu schweigen sollte jeder beherrschen, die Lust zu essen näch Möglichkeit
zähmen. Seine Fähigkeit, die Menschen zu begeistern ...

1 Vgl. hierzu Hans Eggers, Beobachtungen zum präpositionalen Attribut in der


deutschen Sprache der Gegenwart. Wirkendes Wort, 1957/58, S. 257 ff.
1 Vgl. hierzu auch Hermann Paul, Deutsche Grammatik, III, Neudruck 1956, S. 66.
Die Attribute des Substantivs 477

7. Das substantivische Attribut im gleichen Kasus wie das


Bezugssubstantiv (Apposition)
Die Apposition1 ist ein substantivisches Attribut, das im gleichen Kasus 987
steht wie das Substantiv oder Pronomen, zu dem es gehört. Die Appo¬
sition kann unmittelbar bei ihrem Bezugswort stehen (vor- oder nach-
gestellt) oder aber nachgetragen sein.

a) Die unmittelbar beim Substantiv stehende Apposition

Zu den unmittelbar bei ihrem Bezugssubstantiv stehenden Appositionen 988


gehören:

1. die Vornamen:
Karl Müller, Luise Meier.

2. die Beinamen:
Karl der Große, Ludwig der Fromme.

3. Stand, Titel oder Berufsbezeichnung:


Fürst Bismarck, Professor Dr. Schulze, Schlossermeister Braun.

4. der Verwandtschaftsgrad:
mein Onkel Walter, meine Tante Minna.

5. der Gattungsbegriff:
die Provinz Hannover, der Monat Januar.

6. das Gemessene oder Gezählte, das früher im Genitiv stand (vgl.


980,5, b):
ein Glas Wein, ein Zentner Weizen, ein Sack Kartoffeln, mit einem Pfund
Nüssen.

7. Namen, die eigentlich als genitivisches oder präpositionales Attri¬


but stehen müßten:
die Villa Neumann (des [Herrn] Neumann), der Fall Dreyfus (des [Hauptmanns]
Dreyfus), der Verlag Bibliographisches Institut (des Bibliographischen Instituts);
die Universität Marburg (in Marburg).

Beachte:
Die zur Kürze drängende Gegenwartssprache bedient sich dieses sprachlichen
Mittels im Übermaß. Man sollte deshalb Fügungen wie das nachstehende Apposi¬
tionsverhältnis vermeiden:
Nicht: die Redaktion Krähtoinkler Nachrichten, sondern: die Redaktion der
Krähwinkler Nachrichten.

8. Appositionen sind auch die Attribute mit „als“ und „wie“:


Dr. Meier als Arzt, der dritte Ausschuß als beratende Instanz, des weiblichen
Geschlechts als solchen, in Zeiten wie den heutigen, einem Manne wie ihm.

1 Lat. appositio = das Beigefügte.


478 Das Attribut

Beachte:
1. Das Verhältnis des Bezugssubstantivs zu der unmittelbar bei ihm stehenden
Apposition kann im Zusammenhang der Rede wechseln:
Zahnarzt Müller hat sich verheiratet (Zahnarzt ist Apposition zum Namen
Müller).

Aber:
Der Zahnarzt Müller hat sich verheiratet, nicht der Apotheker Müller (jetzt ist
Müller Apposition zu den Berufsbezeichnungen).

2. Die Apposition mit „als“ darf nicht verwechselt werden mit:


der Artergänzung (vgl. 901):
Er fühlt sich als Held.
der freien Artangabe (vgl. 969):
Ich rate dir als guter Freund zur Annahme dieser Bedingungen,
dem Attribut zum Adjektiv (vgl. 997, 3):
Er ist größer als ich.

3. Die Apposition mit „wie“ darf nicht verwechselt werden mit:


der Artergänzung (vgl. 901):
Er sieht aus wie ein Clown.
der freien Artangabe (vgl. 969):
Er fährt wie ein Fürst nach Hamburg,
dem Attribut zum Adjektiv (vgl. 997, 3):
so weiß wie Schnee, so rot wie Blut.

b) Die nachgetragene Apposition

989 a) Mit der nachgetragenen Apposition treffen wir zum ersten Mal auf
Redeteile, die den glatten Ablauf des Satzes unterbrechen und deshalb als
Einschübe oder Zusätze wirken (vgl. 1037). Sie werden darum auch durch
Kommas vom übrigen Satz getrennt.
Beispiele für nachgetragene Appositionen:
Earl, mein bester Freund, ist gestern verreist. Schubert, den Schöpfer vieler Lieder,
liebe ich von allen Komponisten am meisten. Ich habe dieses Buch Karl Müller,
meinem Klassenkameraden, geschenkt. Ich schätze ihn besonders, namentlich ab**
seinen Fleiß. Das ist ein Bild Fritz Walters, des besten Fußballspielers unserer Zeit.

ß) Zu den nachgetragenen Appositionen gehören auch die Datums¬


angaben. Der Monatstag steht deshalb' im gleichen Kasus wie der als
Bezugswort stehende Wochentag:
... am Montag, dem 14. März 1908, ...
.. . Montag, den 14. März 1908, . . .

Beachte:
Bei der Datumsangabe [am] Montag, den 25. Januar ging ich ... ist der Monatstag
keine Apposition zum Bezugswort Montag, sondern eine selbständige Zeitangabe im
Akkusativ neben der ebenso selbständigen Zeitangabe [am] Montag, Es handelt sich hier
um eine Aufzählung.
Die Attribute des Substantivs 479

c) Kasusabweichung bei der Apposition


Von der Grundregel, nach der die Apposition im gleichen Kasus steht wie 990
das Bezugssubstantiv, gibt es zahlreiche Abweichungen zugunsten des
Nominativs, die heute als schriftsprachlich angesehen werden. In allen
diesen Fällen stellt sich der Sprechende das fragliche Substantiv nicht
mehr als Attribut (Apposition) vor, sondern als Restglied eines Satzes, in
dem es im Nominativ erscheint. Dieser syntaktische Wechsel vollzieht
sich vor allem dort, wo das Bezugswort der Apposition ein attributiver
Genitiv ist. Er greift aber auch bereits weit über die Verdrängung des
Genitivs hinaus.

d) Kasusabweichungen bei der Apposition, die unmittelbar neben ihrem


Bezugssubstantiv steht
1. Die Kasusabweichungen bei der Apposition mit „als“ 991
Die unmittelbar und ohne Artikel beim Substantiv stehende Apposi¬
tion mit „als“ steht heute meist im Nominativ, wenn das Bezugswort
der Apposition ein attributiver Genitiv o<Jer in seiner Stellvertretung
ein Possessivpronomen ist. Dies ist besonders der Fall, wenn der at¬
tributive Genitiv von einem Verbalsubstantiv abhängt:
die Anstellung meines Bruders als Finanzsekretär (mein Bruder wird al3 Finanz¬
sekretär angestellt); das Auftreten dieses Rechtsanwaltes als Verteidiger des
Herrn . . . (dieser Rechtsanwalt tritt als Verteidiger des Herrn . . . auf). Aber:
Die Bestrafung Müllers als des verantwortlichen Leiters dieser Behörde.. .
Gelegentlich greift dieser Gebrauch auch auf Appositionen mit „als“
über, die auf ein Substantiv oder Pronomen im Dativ bezogen sind:
Mit dem Sänger Meier als Graf von Luxemburg .. . (Meier hat als Graf von
Luxemburg gesungen . . .).

2. Die Kasusabweichung bei der Apposition mit „wie“ 992


Auch bei der unmittelbar beim Substantiv stehenden Apposition mit
„wie“ stellt sich gelegentlich die Vorstellung eines elliptischen Satzes
ein:
in einem Falle[,] wie [es] dieser [ist], statt mit Kasusgleichheit: in einem Falle
wie diesem,. Heinz ließ sich ziehen wie ein Sack [sich ziehen läßt] (Biono Brehm).

3. Unterlassung der Beugung bei Appositionen ohne „als“ oder „wie“ 993
Über die Unterlassung der Beugung von Appositionen ohne „als” oder
„wie“ vergleiche:
Maß- und Mengenangaben 317; Vornamen 298; Stand, Titel oder Berufsbezeich»
nungen 299-302 ; Verwandtschaftsgrade 299; 300; Gattungsbegriffe 308; Namen
und Titel von Büchern, Zeitschriften, Gedichten, Kunstwerken u. a. 311.

ß) Kasusabweichungen bei der nachgetragenen Apposition


Die nachgetragene Apposition steht in folgenden Fällen oft im Nominativ: 994
1. Wenn sie ohne Artikel oder mit dem unbestimmten Artikel
angeschlossen wird. Dies trifft besonders dann wieder zu, wenn das
Bezugswort der Apposition ein attributiver Genitiv ist:
Der Tod des großen Forschers, Mitglied (seltener: Mitgliedes) der Göttinger
Akademie. . .. einem Geschenk seines Onkels und Pflegevaters, Konsul Tien-
480 Das Attribut

appel, ... (Thomas Mann). Durch die Sorgfalt eines bewährten Freundes,
Hofrat Roehlitz, kam ein Flügel aus Leipzig an (Goethe). Leitfaden der Ana¬
tomie, herausgegeben von Professor Dr. Walter Schmidt, leitender Arzt am
Städtischen Krankenhaus in Hamburg. An Herrn Dr. Meier, Privatdozent
in ... Das Haus gehört Frau Maier, geborene (auch: geborener oder ge¬
borenen [vgl. 352]) Schulze. Der Zug wendete sich nach der inneren Stadt durch
die Katharinenpforte, ein ehemaliges Tor und seit Erweiterung der Stadt
ein offener Durchgang (Goethe).

Beachte:
Die Kasuskongruenz muß, obwohl die Apposition ohne Artikel steht, erhalten
bleiben, wenn Mißverständnisse möglich sind:
der Sohn des Grafen, Günstling« des Herzogs (der Graf ist Günstling); der Sohn
des Grafen, Günstling des Herzogs (der Sohn ist Günstling).

995 2. Wenn sich die Apposition zusammenfassend (kollektiv) oder ein¬


teilend (distributiv) auf zwei oder mehrere Substantive oder auch auf
ein Substantiv im Plural bezieht :
Die Gesellschaft bestand aus Deutschen, Franzosen, Kriegern und Diplomaten,
alles bedeutende Personen, Männer, sämtlich von Wert und Würde (Goethe).
Sie sahen zwei junge Herren mit hohen Hüten daherkommen, jeder mit einer
hübschen, jungen Dame am Arme (G. Keller).

996 3. Wenn die Apposition in gehobener Sprache von ihrem Bezugswort


getrennt wird, um sie zur Hervorhebung an die Spitze des Satzes zu
stellen:
Seit Jahren ein beständiger Gegenstand der Kritik, darf man mir eine hinlängliche
Gleichgültigkeit Zutrauen (H. Heine).

Beachte:
Häufig wird in der Umgangssprache die Apposition fälschlich in den Dativ gesetzt,
obwohl das Bezugswort in einem anderen Falle steht:
Dort steht das Haus des neuen Finanzministers, dem Nachfolger von Dr. Meier
(richtig: des Nachfolgers ...).
Ebenso falsch ist es, die Apposition in den Genitiv zu setzen, wenn das Bezugswort
mit „von“ verbunden ist:
Das ist ein Gedicht von Schiller, eines Dichters, der... (richtig: einem Dichter ...).

HI. Die Attribute des Adjektivs (Partizips)


997 Jedes Adjektiv (Partizip) im Satz kann durch ein Attribut näher bestimmt
werden.
Ein Attribut des Adjektivs (Partizips) kann sein:

1. ein unflektiertes Adjektiv:


Der abscheulich kalte Wind blies durch die offenen Fenster. Inge ist eine selten
begabte Geigerin.

Beachte:
Oft ist nicht klar zu entscheiden, ob wir vor einem adjektivischen Attribut des Ad¬
jektivs oder vor einer freien Artangabe stehen;
Er ist leicht erkältet.
Die Attribute des Adverbs 481

Liegt hier der Ton auf leicht in der Bedeutung von „schnell“, dann ist leicht freie
Artangahe innerhalb des Satzes „Er ist erkältet“: Es geschieht leicht, daß er er¬
kältet ist. Liegt aber der Ton auf erkältet, und leicht gibt den Grad der Erkältung
an, dann ist leicht Attribut zu erkältet: Er ist leicht (nicht schwer) erkältet.

2. ein Adverb:
Ich bin sehr müde. Er sieht äußerst schlecht aus. Dies war ein überaus unglück¬
liches Zusammentreffen.

3. ein Substantiv, Pronomen, Präpositionalfall oder Adjektiv mit


„wie“ oder „als“:
Er ist so groß wie Karl (ich). Gisela ist schöner als ihre Freundin (sie). Die sach¬
lichen Gegensätze sind so groß wie vor dem Besuch des Außenministers. Es ist
so schön wie selten (= wie es selten war).
Über den Gebrauch von „als“ oder „wie“ beim Vergleich siehe Ziff. 374
und 378.
Nähere Bestimmungen des Adjektivs, aber keine Attribute im
engeren Sinne sind alle Satzglieder und Gliedteile, die zu ihm in
die attributive Stellung gebracht werden können. Dies ist möglich,
soweit, die durch den Artikel und den Gliedkern gebildete Klammer
nicht überlastet wird. Der gute Stilist mutet allerdings dieser Klam¬
mer nur wenig zu:
der meiner harrende Jüngling (der Jüngling harrt meiner); der mir vertrauende
Freund (der Freund vertraut mir); der mich innig liebende Vater (der Vater
liebt mich innig); der des Vertrauens würdige Sohn (der Sohn ist des Vertrauens
würdig); der mir fremde Mann (der Mann ist mir fremd); die auf der Bank sit¬
zende Frau (die Frau sitzt auf der Bank); die als Künstlerin bekannte Dame
(die Dame ist als Künstlerin bekannt) u. a.
Beachte:
Substantive, die von einem Partizip abhängen, stehen im gleichen Kasus, in dem
sie in der Satzaussage stehen würden:
den mich einen Angsthasen nennenden Spielkameraden (der Spielkamerad
nennt mich einen Angsthasen) .. .; die Aussage des als Lügner bekannten
Mannes (der Mann ist als Lügner bekannt) . . .
Gelegentlich wird aber das Substantiv mit „als“ (strenggenommen fälschlich) nicht
auf das Partizip, sondern auf den substantivischen Gliedkern bezogen und mit ihm
im Falle gleichgesetzt:
die Worte dieses als Narren (statt: als Narr) angesehenen Menschen ^dieser
Mensch wird als Narr angesehen) . .. Wir haben in der Klasse einen als Angst¬
hasen (statt: als Angsthase) bekannten Mitschüler (der Mitschüler ist als
Angsthase bekannt).

IV. Die Attribute des Adverbs


Die Attribute des Adverbs können sein:
1. ein Adverb:
Er besucht uns sehr oft. Du gehst noch heute zum Zahnarzt.

2. ein unflektiertes Adjektiv:


Er sitzt weit hinten, ganz oben, tief unten.

3. ein Substantiv (Pronomen) mit „als“ oder „wie“:


Schweigen wirkt mehr als alles Schelten.
482 Redeteile, die außerhalb des eigentlichen Satzverbandes stehen

4. ein Akkusativ:
Er lebte zehn Jahre lang in Frankreich.

5. ein Präpositionalfall:
Dort am Hang blüht der Ginster. Rechts von dieser Eiche steht ein Reh. Der
Stall liegt nahe bei dem Hause.

Die näheren Bestimmungen eines Adverbs haben oft Gliedwert (vgl.


die modifizierenden Umstandsergänzungen Ziff: 943 ff.). In Zweifels¬
fällen muß man beide Möglichkeiten gelten lassen :
Die Burg liegt noch sehr weit von hier (Attribut ?). Sehr weit von hier liegt die
Burg noch. Aber: Von hier (selbständige Raumangabe) liegt die Burg noch
sehr weit.

G. REDETEILE, DIE AUSSERHALB DES


EIGENTLICHEN SATZVERBANDES STEHEN
(PARENTHESEN)
999 Mit den Satzgliedern und den Attributen sind wir auf jene Redeteile
gestoßen, die innerhalb eines Satzes wirksam und durch und durch auf¬
einander bezogen sind (vgl. Kongruenz, Ziff. 1178 ff.). Neben ihnen gibt
es aber auch Redeteile, die auf sich gestellt sind und deshalb außerhalb
des eigentlichen Satzverbandes stehen. Hierher gehören:
1000 1. Die Interjektion oder ein anderes zum Gefühlsausdruck gebrauchtes
Wort:
Ach, ich bin des Treibens müde (Goethe). Oh, wie so trügerisch sind Weiber¬
herzen (Verdi, Rigoletto).

2. Der Anredenominativ (Vokativ)


1001 Der Anredenominativ dient zum Anruf irgendeines Wesens. Im Grie¬
chischen und Lateinischen gab es zur Kennzeichnung dieser Anrufe
einen besonderen Fall, den Vokativ1. Der Anredenominativ kann
überall im Satze stehen:
Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht ? Sei ruhig, bleibe ruhig, mein
Kind. Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn ? (Alle Beispiele sind aus Goethes
Erlkönig.)
Der Anredenominativ.ist oft mit einer Interjektion verbunden:
0 Mädchen, Mädchen, wie lieb’ ich dich (Goethe). O du Ausgeburt der Hölle, soll
das ganze Haus ersaufen ? (Goethe).

3. Der absolute Nominativ


1002 Der absolute Nominativ steht für besondere Wirklichkeiten, die sonst
nur in einem vollständigen Satz wiedergegeben werden können:
Der Fürst fuhr durch das Schloßtor, ein Reiter voraus. Karl wül nun doch aus-
wandem, ein schwerer Entschluß. Joachim Ziemßen hatte elfenbeinfarbene
Flanellhosen zu seinem blauen Rock getragen, eine Zusammenstellung, die seiner
Erscheinung ein vollständig militärisches Gepräge verlieh (Thomas Mann).

1 Lat. vocare = rufen.


Das Subjekt 483

4. Der Schaltsatz
Auch ein ganzer Satz kann als unabhängiger Einschub in einem ande- 1003
ren Satz stehen. Man spricht dann von einem Schaltsatz. Er wird oft
in Gedankenstriche eingeschlossen:
Eines Tages - es war mitten im Winter - stand ein Reh in unserem Garten.

H. DIE SATZGLIEDER IM EINZELNEN

I. Zur Benennung der Satzglieder


Der Streit um die Benennung der Satzglieder ist bis in die .Gegenwart 1004
hinein erbittert geführt worden. Wir halten ihn weitgehend für müßig,
weil es bei der Vielseitigkeit der sprachlichen Erscheinungen und den
sich ständig ergebenden Überschneidungen doch nur selten gelingen
wird, einen für alle Fälle zutreffenden Namen zu finden. Wir haben
deshalb soweit wie möglich an gewohnten Benennungen festgehalten.
Wichtig allein sind die Sprachinhalte, die mit den einzelnen Gliedern ver¬
bunden sind.

II. Das Subjekt


Über den unterschiedlichen Sinn des Subjektes in den einzelnen Grund¬
formen vgl. insbesondere ZifF. 866 f.; 872; 891.

1. Das Subjektswort
Im allgemeinen bedarf es eines besonderen Wortes, und zwar meist aus 1005
der Wortart des Substantivs, um das Subjekt zu benennen:
Die Rose blüht. Das PI erd zieht den Wagen.

Lediglich bei der 2. Person des Imperativs ist das Subjekt in der Verbal¬
form enthalten:
Komm! Lebt wohll Aber : Kommen Sie!

Alle übrigen Sätze ohne Subjekt empfinden wir als Ellipse (vgl. 1170):
Danke schön (= Ich danke schön).

2. Der Kasus des Subjekts


Das Subjekt steht immer im Nominativ. Es antwortet deshalb in Verbin- 1006
düng mit dem Prädikat auf die Frage wer oder was ? :
Wer blüht ? - Die Rose. Was brennt ? - Das Haus.

In altertümlicher Sprache kann auch ein Genitiv oder dessen Umschrei¬


bung mit „von“ stehen (partitives Subjekt):
.. . und solcher Stellen waren überall (O. Ludwig). Hier kommen von den alten,
redlichen, wachem Männern! (Goethe).
484 Die Satzglieder im einzelnen

3. Die Form des Subjekts


1007 Der Form nach kann das Subjekt sein:
a) ein Substantiv oder Pronomen:
Die Kinder spielen auf der Wiese. »Sie sind glücklich und zufrieden. Das ist schön.
Wer möchte es ihnen verbieten ?
Über das unpersönliche Pronomen „es“ als Subjekt vgl. 843 ff.
b) ein einfacher oder ein satzwertiger Infinitiv (vgl. 1038):
Arbeiten schützt vor Torheit. Mitzuspielen ist eine Freude. Bachs Fügen zu spielen
ist nicht leicht.

c) ein Gliedsatz:
Daß ihr mit ins Theater gehen wollt, freut mich sehr. Wer glücklich ist, ist auch zu¬
frieden.

III. Das Prädikat

1008 Über den unterschiedlichen Sinn des Prädikats in den einzelnen Grund¬
formen vgl. insbesondere Ziff. 867; 868; 873.
Das Prädikat ist fest mit der Wortart Verb verbunden. Es antwortet auf
die Frage: Wie verhält sich das Subjekt ? Der Form nach kann das Prä¬
dikat einteilig oder mehrteilig sein.

1. Das einteilige Prädikat


1009 Die erste und die zweite Stammform des Verbs (vgl. 75) bilden das ein¬
teilige Prädikat:
Karl singt. Wilhelm fuhr nach Frankfurt.

2. Das mehrteilige Prädikat


Das mehrteilige Prädikat kann wie folgt zusammengesetzt sein:
a) Hilfsverb + 2. Partizip oder reiner Infinitiv
1010 Hilfsverben sind die Verben „haben“, „sein“ und „werden“ (vgl. 76):
Ich habe meinen Freund gesehen. Ich bin um 12 Uhr heimgegangen. Ich werde um
4 Uhr kommen.
Diese Formen können je nach der Zeit und der Handlungsrichtung (Pas¬
siv) des Verbs auch dreiteilig sein:
Karl wird seine Schularbeiten bereits begonnen haben. Er wird deshalb gelobt werden.
Auch ich wäre gelobt worden, wenn ...
Mehr als dreiteilige Prädikate dieser Art gelten im Deutschen als schwer¬
fällig. Sie sind dem lateinischen Konjugationssystem nachgebildet. Üblich
sind sie nur bei modaler Bedeutung des Prädikats:
Er wird wohl nicht umsonst gelobt worden sein.
Das Prädikat 485

Das umgangssprachliche, tun in Verbindung mit dem reinen Infinitiv kommt oft einem
Hilfsverb nahe:
Ich tu’ das schon erledigen (= ich werde das schon erledigen).
Diese Erweiterung des Prädikats wird mit Recht bekämpft. Schriftsprachlich ist sie nur
bei vorangestelltem Infinitiv zulässig, weil das tun hier die verbale Achse einnehmen
muß (vgl. 1041, 2):
Kennen tu’ ich sie nicht.

b) Modalverb + reiner Infinitiv


Es handelt sich um die Verben „wollen, sollen, können, müssen, dürfen, 1011
mögen“:
Karl will kommen. Wilhelm sollte zu Hause bleiben. Das Fest könnte begonnen werden,
wenn...

c) Andere Verben, die das Verhalten des Subjekts nur modifizieren


4- Infinitiv mit „zu“
Immer modifizierend stehen in Verbindung mit einem Infinitiv die Verben 1012
„pflegen, scheinen, vermögen“:
Er pflegt jeden Montag ins Theater zu gehen. Er scheint meine Vorwürfe zu entkräf¬
ten. Er vermag mich zu trösten.

Bei anderen Verben dieser Gruppe kann man nur aus dem Sinnzusammen¬
hang entnehmen, ob sie den im Infinitiv ausgedrückten Vorgang modifi¬
zieren oder als Vollverb einem Infinitiv mit eigenem Satzgliedwert gegen¬
überstehen :
Der Kranke drohte (= lief Gefahr) sich ein Leid anzutun.

Aber als Vollverb mit selbständiger Infinitivgruppe an Stelle eines Prä¬


positionalobjektes (drohen mit etwas):
Er drohte (= sprach die Drohung aus), sich ein Leid anzutun.

Entsprechend das Verb „versprechen“:


Er verspricht (allem Anschein nach) ein tüchtiger Kaufmann zu werden.

Aber:
Er verspricht (= gibt das Versprechen), mir diesen Korb zu bringen.

Bei einer dritten Gruppe von Verben (glauben, hoffen, wünschen, fürch¬
ten, bitten, [versuchen, anfangen, beginnen, aufhören, sich gestatten,
erlauben u. a.) muß man es völlig offenlassen, welche dieser beiden Mög¬
lichkeiten anzusetzen ist:
Er glaubt mich mit diesen Einwänden zu überzeugen.

Aber als Vollverb mit selbständiger Infinitivgruppe an Stelle eines Akku¬


sativobjekts (etwas glauben):
Er glaubt, mich mit diesen Einwänden zu überzeugen.

Unsere Kommasetzung versucht, diesen Unterscheidungen zu folgen.


Wir stehen bei .dieser Verknüpfung eines finiten Verbs mit einem Infini¬
tiv vor einer nicht abgrenzbaren Übergangszone. Sie reicht von dem selb¬
ständigen Gebrauoh eines Verbs über die Nebeneinanderstellung eines
Verbs und eines zweiten Gesohehenskemes im Infinitiv bis zum Dienst
486 Die Satzglieder im einzelnen

eines modifizierenden Verbs an einem Infinitiv im gleichen Gefüge1.


Wenn man diese Zone in Beispielen verdeutlichen will, dann muß man
etwa nebeneinanderstellen:
Ich gehe singen.
Ich pflege zu singen.
. Ich kann singen.
Ich werde singen.

Die in dieser Grenzzone entstehenden Konjugationsmöglichkeiten - da¬


rum handelt es sich hier - werden besonders deutlich aus der Verwen¬
dung des Verbs brauchen.
Vollverb mit Akkusativobjekt: Ich brauche Geld (= habe Geld nötig).
Modifizierendes Verb zum Infinitiv: Ich brauche nicht zu kommen (habe es nicht
nötig zu kommen = ich muß nicht kommen).

Durch die Gleichsetzung mit „muß“ entsteht modaler Gebrauch mit


reinem Infinitiv:
Ich brauche nicht kommen.

Diese Verwendung von „brauchen“ mit dem reinen Infinitiv gilt noch
weithin als umgangssprachlich. Wenn man aber dieses Beispiel in den an¬
gedeuteten Zusammenhang stellt, ist zum mindesten Toleranz geboten.
Modifizierend wirkt auch das Wort gehören in Verbindung mit einem 2. Partizip:
Er gehört geprügelt (= Er muß geprügelt werden).
Bei dem formal gleich gebauten Satz Er kam gelaufen charakterisiert das 2. Partizip das
vorausgehende Verb. Wir stehen deshalb hier vor einer Artangabe (vgl. 1032) und nicht
vor einem Teil des Prädikats.

d) Nichtmodale Verben + Infinitiv mit „zu“


1013 Die Modalität eines im Infinitiv ausgedrückten Verhaltens muß nicht
unbedingt durch ein Verb mit modalem Inhalt ausgedrückt werden
(vgl. 1012). Sie kann sich auch mit bestimmten Gefügen verbinden. Hier¬
her gehören:
Er hat zu gehorchen (= er muß gehorchen). Das ist zu prüfen (= das soll geprüft
werden). Die Regierung gibt zu verstehen (= will verstanden haben). Niemand
weiß (= vermag, kann) zu sagen, ob ... Es steht zu erwarten (= es ist zu erwarten,
muß erwartet werden), daß ...

In allen anderen Fällen (die nicht zu a-d gehören) steht der Infinitiv für
ein Satzglied und die finite Verbform als Vollverb (vgl. 63).

e) Nichtverbale Teile + Verb


1014 Die nichtverbalen Teile eines Prädikats können sein:

a) Verbzusätze
Verbzusätze sind alle mit dem Infinitiv eines Verbs zusammengeschrie¬
benen nichtverbalen Teile, die nicht oder nicht mehr als selbständiges
Satzglied oder selbständiger Gliedteil geprägt sind (vgl. hierzu 669 ff.):
aMrängen, Angehen, feil bieten, Joaschlagen u. a.

1 Vgl. hierzu HansGlinz, Die innere Form des Deutschen, Bern 1952, S. 326ff.
Der Gleichsetzungsnominativ 487

Verbzusätze sind aber nicht:


alle Satzteile, die heute mit dem Verb im Infinitiv zusammengeschrieben
werden, wenn sie deutlich als Satzglied geprägt sind:
<o£-schießen: Ich schieße den Hasen tot (= der Hase ist tot; artbestimmender Hand¬
lungssatz ; vgl. 914).
Ebenso: aufrechterhalten, /er%kochen, penwgschätzen u. a.
hinunter-gehen: Ich gehe die Treppe hinunter (wohin ?; raumgebundener Tätigkeits¬
satz; vgl. 897 ff.). Ebenso: davongehen, entlang\dMien, her auf ziehen, Aer vorholen,
hineingehen u. a.
dank-sagen: Er sagte mir Dank (was?: Akkusativobjekt).
Die Übergänge zwischen einem selbständigen Satzglied und einem Verb¬
zusatz sind jedoch fließend, weil es der Sprechende jederzeit in der Hand
hat, mit einem nichtverbalen Wort nur den Ablauf des Vorganges zu be¬
stimmen oder den Gliedwert des Wortes selbst zu betonen. Es ist offen¬
sichtlich, daß die Sprachgemeinschaft heute die erste Möglichkeit bevor¬
zugt. Von dem deutlich zu erkennenden verbalen Sog sind vor allem die
Artergänzungen im Handlungssatz (Ich schieße den Hasen tot = tot¬
schießen) und die adverbialen Raumergänzungen erfaßt (Ich gelie hinun¬
ter = hinuntergehen). Ob wir bei diesem Vorgang, der in der Zusammen-
und Getrenntschreibung sichtbar wird, vor einem Wandel bestimmter
Grundformen stehen, muß die Zukunft zeigen.
ß) Selbständige Gefügeteile
Es handelt sich bei diesen Gefügeteilen um Präpositionalfälle, die auch
im Infinitiv mit dem Verb nicht zusammengeschrieben werden und doch
ohne eigene Gliedprägung sind:
außerstand setzen; instand halten; zugrunde legen; zustande bringen, kommen;
zuwege bringen u. a.

y) Reflexivpronomen
Zum Prädikat rechnet man auch das Reflexivpronomen der echten refle¬
xiven Verben (vgl. 59; 60), weil dieses Pronomen mit seinem Verb eine
feste Einheit eingegangen ist und nicht mehr als Objekt empfunden wird:
Er schämt sich. Er entschließt sich zu dieser Tat. Er maßt sich dieses Urteil an.

IV. Der Gleichsetzungsnominativ


Über den Sinn dieses Satzgliedes vgl. 868 ff..
Der Gleichsetzungsnominativ steht nach den Verben: 1015
sein, werden, bleiben, sich dünken, heißen, scheinen.
Er antwortet wie das Subjekt auf die Frage: Wer oder was ? Der Gleich¬
setzungsnominativ ist in der Regel ein Substantiv:
Karl ist mein Freund. Sein Besuch war eine 'Überraschung. Inge wird noch eine
Künstlerin.
Der Gleichsetzungsnominativ kann auch sein:
a) ein flektiertes Adjektiv (Ordnungszahlwort oder Pronomen, vgl. 371):
Dieses Dreieck ist ein stumpfwinkliges, jenes ein rechtwinkliges. Diese Frage ist eine
politische und keine wirtschaftliche. Karl ist der erste, Wilhelm der dritte. Es ist
immer dasselbe.
488 Die Satzglieder im einzelnen

b) ein Zahlwort:
Wir sind drei.

Die Fälle a) und b) sind elliptisch zu erklären:


Dieses Dreieck ist ein stumpfwinkliges [Dreieck]. Wir sind drei [Männer, Erauen
u. a.].

c) ein einfacher oder ein satzwertiger Infinitiv (vgl. 1038):


Verbannt werden heißt sterben. Sein Ziel war, Politiker zu werden.

d) ein Gliedsatz:
Ich werde, was meinen Wünschen entspricht.

V. Der Gleichsetzungsakkusativ

Über den Sinn dieses Satzgliedes vgl. 919.


1016 Der Gleichsetzungsakkusativ steht nach den Verben:
nennen, heißen; schelten, schimpfen, schmähen, taufen.

Er antwortet wie das Akkusativobjekt auf die Frage: Wen oder was?
Der Gleichsetzungsakkusativ ist wie der Gleichsetzungsnominativ in der
Regel ein Substantiv:
Karl nennt mich einen Lügner.

Der Gleichsetzungsakkusativ kann.auch sein:

a) ein flektiertes Adjektiv (vgl. 371):


Seine Vorstellungen nenne ich ‘weibische.

b) ein einfacher oder ein satzwertiger Infinitiv (vgl. 1038):


Das nenne ich arbeiten. Das nenne ich Wasser in den Rhein schütten.

c) ein Gliedsatz:
Ich nenne ihn auch heute das, was ich ihn schon früher genannt habe, nämlich einen
Lügner.

VI. Das Akkusativobjekt

1. Die verschiedenen Bedeutungsinhalte des Akkusativobjekts

a) Das Akkusativobjekt ist Zielpunkt einer Handlung


1017 Das Akkusativobjekt (Frage: Wen oder was ?.) nennt in den weitaus mei¬
sten Fällen jenes Wesen oder Ding, das von-der Handlung eines Subjekts
getroffen wird. Das Akkusativobjekt ist dann der Zielpunkt einer Hand¬
lung (vgl. 874).
Um einen Zielpunkt handelt es sich beim Akkusativobjekt immer dann,
wenn sich der Satz ins Passiv wenden läßt (vgl. 104ff.):
Der Bauer pflügt den Acker. Der Acker wird vom Bauern gepflügt.
Das Akkusativobjekt 489

Es gibt aber auch Fälle, in denen das Akkusativobjekt Zielpunkt ist, ob¬
wohl ein Passiv unmöglich oder ungebräuchlich ist. Dies trifft zu:
1. wenn das Subjekt selbst von der Handlung betroffen wird (vgl. 876):
Ich wasche mich. (Sinnlos, weil Subjekt und Objekt identisch: Ich werde von
mir gewaschen.)

2. wenn das Objekt Körperteil des Subjekts ist:


Ich hebe die Hand, breite die Arme aus, schüttele den Kopf.

3. - wenn das Subjekt Scheintäter ist:


Die Füße brennen mich. Der Finger, das Geld juckt mich. Das Auge, sein Ver¬
halten schmerzt mich..
Das Passiv würde sichtbar machen, daß diese Subjekte nicht in der Lage sind, die
ihnen zugesprochene Handlung auszuführen:
Nicht: Ich werde von den Füßen geschmerzt.

4. wenn das Objekt mit dem Verb eine feste Verbindung eingegangen
ist:
Er faßte Mut, schöpfte Atem, lief Gefahr, trug Sorge, verlor die Besinnung, faß te
Fuß, nahm Urlaub u. a.

6. meist auch, wenn ös sich um einen Akkusativ des Inhalts handelt


(vgl. 1018, a):
Er hat einen schweren Kampf gekämpft.

6. bei unpersönlichen oder unpersönlich gebrauchten Verben:


Es friert, schaudert, dürstet, jammert, wundert mich.

7. beim Akkusativ -f Infinitiv (vgl. 922):


Ich höre ihn singen. (Nicht: Er wurde von mir singen gehört.) Eine Ausnahme
macht „lassen“: Der Einwand wurde nicht gelten gelassen.

Der Zielpunkt einer Handlung kann wiederum sein: 1018


a) ein durch die Handlung erzeugtes Objekt:
Der Architekt baut Häuser. Er schreibt einen neuen Roman. Wilhelm singt ein Lied.

Hierher gehören auch die Akkusativobjekte nach. Verben, die sonst nur
absolut gebraucht werden. Die zielende Verwendung dieser Verben findet
sich vor allem in der Dichtung, gelegentlich auch in der Umgangssprache
(Akkusativ des Inhalts):
Er schläft den Schlaf des Gerechten. Die Erde dampft erquickenden Geruch (Goethe).
Leben duftet nur die frische Pflanze (Schiller). Er lacht Tränen, strahlt Freude. Er
lacht sich einen Buckel, eine ins Fäustchen. Er schläft sich rote Wangen. Sie tanzen
einen Walzer.

ß) ein durch die Handlung verändertes Objekt:


Der Gärtner bindet die Blumen. Fritz schlägt den Hund. Der Lehrer verbesserte die
Fehler.

y) ein dem Subjekt zum inneren Besitz gewordenes Objekt:


Karl liest ein Buch. Wilhelm hört meine Stimme. Otto hat diese Aufgabe begriffen.
Wir sehen die Berge.
490 Die Satzglieder im einzelnen

S) ein mit dem Subjekt in Partnerschaft tretendes Objekt:


Die Mutter ruft das Kind. Der Vater tadelt den Sohn. Inge schätzt ihre Geigenlehrerin.
In allen diesen Fällen stehen wir vor Handlungssätzen.

b) Das Akkusativobjekt nennt Vorhandenes, Inhalt oder Menge, In¬


strument oder Lage
1019 Neben der großen Zahl von Sätzen, in denen das Akkusativobjekt Ziel¬
punkt einer Handlung ist, gibt es auch Sätze, in denen durch das Akku¬
sativobjekt andere Verhältnisse ausgedrückt werden. Diese Sätze können
ebenfalls nicht ins Passiv gekehrt werden. Das Akkusativobjekt gibt dann
in den meisten Fällen an:
1. Das für ein Subjekt Vorhandene1:
Wir besitzen ein Raus. Wir haben schönes Wetter, Zeit. Wir bekommen (erhalten)
Ferien. Er behielt das Buch.
In den Wendungen ,,es gibt“ + Akkusativ (vgl. 851) ist das Vorhandene nicht wie in
den vorstehenden Beispielen für ein persönliches Subjekt da, sondern es wird lediglich
festgestellt. Wir stehen bei Sätzen dieser Art vor reinen Existentialurteilen:
Es gibt einen Gott.

2. einen Inhalt oder eine Menge:


Das Faß enthält 100 Liter Wein. Der Saal faßt tausend Menschen. Das Kleid
kostet 100 Mark.

3. Instrument oder Lage:


Ich fahre Auto (= mit dem Auto). Ich spiele Flöte (= auf der Flöte). Ich laufe
eis (= auf dem Eis). Ich stehe köpf (= auf dem Kopf).

Über das Akkusativobjekt bei Adjektiven vgl. 931 ff.


Wir stehen hier vor Zustands-, Vorgangs- und Tätigkeitssätzen, die ir
das sprachliche Bild eines Handlungssatzes gefaßt sind. Dies gilt auch füi
alle Sätze dieser Art, die neben dem Akkusativobjekt noch eine Art- oder
Raumergänzung haben:
Karl hat seinen Bruder lieb. Wilhelm hat das Leben noch vor sich. Er behält den Hut
auf dem Kopf.

2. Die Form des Akkusativobjekts


1020 Der Form nach kann das Akkusativobjekt sein:
a) ein Substantiv oder Pronomen:
Ich werde meinen Bruder fragen, wenn ich ihn sehe. Ich wasche mich (vgl. 876).

b) ein Infinitiv mit „zu“, ein satzwertiger Infinitiv (vgl. 1038) und in weni¬
gen Fällen (lehren, lernen, helfen) auch ein reiner Infinitiv:
Er entschloß sich zu gehen. Wir beabsichtigen, heute abend ins Theater zu gehen. Fritz
lernt gehen.

c) ein Gliedsatz :
Ich weiß, daß du fleißig bist.

1 Vgl. darüber Hennig Brinkmann, Die Haben-Perspektive im Deutschen. Fest¬


schrift Weisgerber, „Sprache - Schlüssel zur Welt“, 1959, S. 176ff.
Das Dativobjekt 491

VII. Das Dativobjekt


Über den Sinn des Dativobjekts vgl. 878ff.

1. Verben, die ein Dativobjekt als einzige Ergänzung fordern


Da der Dativ (Frage: wem?) der Kasus der Zuwendung ist und über¬ 1021
wiegend Personen nennt, steht er als einzige Ergänzung vor allem nach
den Verben des persönlichen Bereiches, von denen genannt seien:

absagen gehorchen schmecken


ähneln gehören schmeicheln
antworten gelingen sein (ugs. = gehören)
ausweichen genügen trauen
begegnen geraten trotzen
behagen gleichen unterliegen
beipflichten glücken vergeben
beistehen gratulieren versagen, sich
beistimmen grollen verzeihen
belieben helfen wehren
bleiben huldigen weichen
danken kondolieren widersprechen
dienen lauschen widerstehen
drohen mißfallen widerstreben
entfliehen mißlingen willfahren
entgehen mißraten winken
entsagen mißtrauen ziemen
entsprechen munden zuhören
erwidern nacheifern zujauchzen
fehlen nachgeben Zureden
fluchen nachlaufen zürnen
folgen nahen Zusagen
frommen nähern, sich zustehen
gebühren nutzen, nützen zustimmen
gefallen schaden zuvorkommen

Über das Dativobjekt neben einem Akkusativobjekt vgl. 905, 912 und 916, neben einem
Präpositionalobjekt vgl. 923, neben einer Kaumergänzung vgl. 926, neben einer Art¬
ergänzung vgl. 928 und 939.

2. Die Form des Dativobjekts


Der Form nach kann das Dativobjekt sein: 1022
a) ein Substantiv oder Pronomen:
Ilse hilft ihrer Mutter. Karl winkt mir.

b) ein Gliedsatz:
Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand (Sprw.).
492 Die Satzglieder im einzelnen

VIEL Das Genitivobjekt


Über den Sinn des Genitivobjekts vgl. 883ff.

1. Verben, die ein Genitivobjekt als einzige Ergänzung fordern


1023 Da es sich beim Genitiv (Frage: wessen ?) um einen sterbenden Objekts¬
kasus handelt (vgl. 886), wird er nur noch von wenigen Verben aus¬
schließlich regiert. Dazu gehören:
sich annehmen, sich bedienen, bedürfen, sich befleißigen, sich bemächtigen, sich
entäußern, sich enthalten, sich entledigen, entraten, ermangeln, sich erwehren, ge¬
denken, sich rühmen, sich vergewissern.
Darüber hinaus ist das Genitivobjekt noch in stehenden Wendungen fest:
sich eines Besseren besinnen; seines Amtes walten; der Ruhe pflegen; das spottet
jeder Beschreibung; das entbehrt jeder Grundlage,
Wo das Genitivobjekt sonst noch als einzige Ergänzung auftritt, steht es
bereits in Konkurrenz mit einem anderen Kasus (vgl. die Liste der Verben
mit schwankender Rektion, Ziff. 957). ■
Über das Genitivobjekt neben einem Akkusativobjekt vgl. 9O0f., 917, neben einer Art¬
ergänzung vgl. 931.

2. Die Form des Genitivobjekts


1024 Der Form nach kann das Genitivobjekt sein:
a) ein Substantiv oder Pronomen:
Wir gedenken unserer Toten. Wir bedürfen deiner.
b) ein einfacher oder ein satzwertiger Infinitiv (vgl. 1038):
Er konnte sich nicht enthalten zu lachen. Er befleißigte sich, höflich zu sein.
c) ein Gliedsatz:
Ich werde nicht müde, diesen Satz zu wiederholen.

IX. Das Präpositionalobjekt


Über den Sinn des Präpositionalobjekts vgl. 887ff.

1025 1. Verben, die ein Präpositionalobjekt als einzige Ergänzung fordern


abhängen von jemandem oder etwas ankommen, es kommt auf jemanden oder
abheben, sich - von etwas etwas an
abnehmen an einer Sache ansetzen zu etwas
abschreiben von etwas anspielen auf jemanden oder etwas
absehen von etwas anstoßen auf jemanden oder etwas
abstechen gegen jemanden oder etwas antreten zu etwas
abzielen auf eine Sache anwachsen, etwas wächst auf oder zu et¬
achten auf jemanden oder etwas was an
anfangen mit, von etwas appellieren an jemanden oder etwas
angeln nach etwas arbeiten an einer Sache
ängstigen, sich-vor jemandem oder etwas, ärgern, sich - über jemanden oder etwas
um jemanden oder etwas oder an jemandem oder etwas
anknüpfen an eine Sache aufhören mit etwas
Das Präpositionalobjekt 493

aufregen, sich - über jemanden oder etwas einwilligen in eine Sache


aufschwingen, sich - zu etwas enden auf etwas (eine Silbe), mit etwas
ausbrechen in Tränen. Lachen entscheiden, sich - für, gegen jemanden
ausdrücken, etwas drückt sich in etwasaus oder etwas
ausgehen auf eine Sache entschließen, sich - für, gegen jemanden
ausholen zu etwas . oder etwas
äussehen nach etwas entsinnen, sich - an jemanden oder etwas
ausspreöhen, sich - über, für etwas; gegen erbarmen, sich - über jemanden (vgl. 957)
jemanden oder etwas ; mit jemandem erfreuen, sich - an einer Sache (vgl. 957)
ausweisen, sich - über etwas ergeben, aus diesem ergibt sich
bangen vor jemandem oder etwas, um je¬ erheben, sich - gegen jemanden oder etwas
manden oder etwas erhellen, aus diesem erhellt
basieren auf einer Sache erholen, sich - von etwas
beben vor jemandem oder etwas erkennen auf etwas (juristisch)
bedanken, sich - für etwas erkranken an etwas (der Ruhr)
befassen, sich - mit etwas erregen, sich - über jemanden oder etwas
befinden über jemanden oder etwas erröten über jemanden oder etwas
beginnen mit, von etwas erschrecken vor jemandem oder etwas;
begnügen, sich - mit etwas über jemanden oder etwas
beharren bei oder auf einer Sache erstaunen über jemanden oder etwas
beitragen zu etwas erstrecken, es erstreckt sich auf viele Me¬
bekümmern, sich - um jemanden oder et¬ ter, lange Zeit
was erwachsen, aus diesem erwächst...
belaufen, es beläuft sich auf eine Summe experimentieren mit etwas
belustigen, sich - mit etwas fahnden nach jemandem oder etwas
bemühen, sich - um jemanden oder etwas fehlen, es fehlt an einer Sache
berichten über jemanden oder etwas, von feilschen um etwas
jemandem oder etwas feuern auf jemanden oder etwas
berufen, sich - auf jemanden oder etwas fiebern nach jemandem oder etwas
beruhen, etwas beruht auf etwas (einem fischen nach etwas
Irrtum) flehen um etwas
beschränken, sich - auf etwas (das Äußer¬ fliehen vor jemandem oder etwas
ste) folgen auf jemanden oder etwas; aus etwas
besinnen, sich - auf jemanden oder etwas forschen nach jemandem oder etwas
bestehen auf etwas (einem Recht; selten: fragen nach jemandem oder etwas
ein Recht) freuen, sich - an jemandem oder etwas;
bestehen aus, in etwas (vielen Dingen) auf, über jemanden oder etwas
beziehen, sich - auf jemanden oder etwas fügen, sich - in eine Sache
bleiben bei etwas (einem Entschluß) führen, das führt zu nichts (Gutem)
buchen für eine Fahrt fürchten, sich - vor jemandem oder etwas
dasein zu etwas fußen, etwas fußt auf einer Sache
debattieren über jemanden oder etwas gebieten über jemanden oder etwas
denken an jemanden oder etwas gehen, es geht gegen jemanden oder etwas;
dienen zu etwas es geht um jemanden oder etwas
differieren in einer Sache, um etwas gehören zu jemandem oder etwas
distanzieren, sich - von jemandem oder gelangen zuJMacht, Ansehen
etwas gelten, das gilt für jemanden oder etwas;
drängen nach, auf etwas von jemandem oder etwas
drücken, sich - um etwas geradestehen für jemanden oder etwas
duften nach etwas gewinnen an etwas
dürsten nach etwas gieren nach jemandem oder etwas
eingehen auf jemanden oder etwas glauben an jemanden oder etwas
einigen, sich - auf etwas (einen Vergleich) graben nach etwas
einlassen, sich - in, auf etwas (einen Streit) greifen nach jemandem oder etwas
einschreiten gegen jemanden oder etwas grübeln über eine Sache
einstellen, sich - auf, gegen jemanden oder halten auf etwas; ich halte an mich
etwas handeln an jemandem; über jemanden
ein treten für jemanden oder etwas oder etwas; von jemandem oder etwas
494 Die Satzglieder im einzelnen

hängen an jemandem oder etwas reflektieren auf jemanden oder etwas


haschen nach jemandem oder etwas reimen, das reimt sich auf dieses Wort
hereinbrechen, ein Unglück bricht über resultieren aus etwas
jemanden oder etwas herein riechen nach etwas
herfallen über jemanden oder etwas ringen um jemanden oder etwas
herrschen über jemanden oder etwas schämen, sich - vor jemandem; wegen et¬
herziehen über jemanden oder etwas was
hinausgehen, hinauslaufen, es geht, läuft schelten auf jemanden oder etwas
aufs gleiche hinaus scherzen über jemanden oder etwas
hinausreden, sich - auf jemanden oder et¬ scheuen, [sich] - vor jemandem oder etwas
was schimpfen auf, über jemanden oder etwas
hoffen auf jemanden oder etwas sehreiben über, gegen jemanden oder et¬
hören auf jemanden; von jemandem oder was ; von jemandem oder etwas
etwas schwärmen von jemandem oder etwas
hungern nach etwas schwören auf jemanden oder etwas
hüten, sich - vor jemandem oder etwas sehen (= achten) auf jemanden oder etwas
interessieren, sich - für jemanden oder et¬ sehnen, sich - nach jemandem oder etwas
was sein gegen jemanden oder etwas; es ist
intrigieren gegen jemanden an ihm
jammern über jemanden oder etwas sinnen auf eine Sache
jubeln über jemanden oder etwas sorgen für jemanden oder etwas; sich sor¬
kämpfen um, für jemanden oder etwas gen um jemanden oder etwas
kehren, sich - an jemanden oder etwas spekulieren auf eine Sache
klagen über jemanden oder etwas sprechen für, über, gegen jemanden oder
kommen zu einer Sache; auf, um eine etwas; mit, zu jemandem; von jeman¬
Sache dem oder etwas
konzentrieren, sich - auf jemanden oder stehen zu jemandem oder etwas
etwas sterben an einer Sache; für jemanden
korrespondieren mit jemandem oder etwas
kümmern, sich - um jemanden oder etwas stimmen für, gegen jemanden oder etwas;
lachen über jemanden oder etwas das stimmt zu seiner Aussage
lassen von jemandem oder etwas stinken nach etwas
lechzen nach etwas sträuben, sich - gegen jemanden oder
leiden an, unter jemandem oder etwas etwas
lesen von jemandem oder etwas; über eine streben nach etwas
Sache (= vor tragen) streiten um jemanden oder etwas
liegen, mir liegt an jemandem oder etwas; subskribieren auf ein Buch (vgl. 957)
es liegt an ihm suchen nach jemandem oder etwas
loskommen von jemandem oder etwas taugen zu etwas
machen, sich - an jemanden oder etwas täuschen, sich - über eine Sache; in je¬
meditieren über eine Sache mandem
merken auf jemanden oder etwas teilhaben an einer Sache
mitwirken bei, an einer Sache . trachten nach etwas
nachdenken über jemanden oder etwas tragen an etwas (einer Schuld); sich - mit
nachsuchen um etwas etwas
neigen zu etwas trauen auf jemanden oder etwas
passen zu jemandem oder etwas trauern um jemanden oder etwas
philosophieren über eine Sache träumen von jemandem oder etwas
pochen auf etwas (ein Recht) trinken auf jemanden oder etwas
polemisieren gegen jemanden oder etwas umgehen mit jemandem oder etwas
präsidieren bei etwas urteilen nach etwas; über jemanden oder
protestieren gegen jemanden oder etwas etwas
rächen, sich - an jemandem oder etwas; verfallen auf jemanden oder etwas; in einen
sich - für etwas Zustand
reagieren auf eine Sache verfügen über jemanden oder etwas
rechnen auf jemanden oder etwas; mit je¬ verlangen nach jemandem oder etwas
mandem oder etwas verlassen, sich - auf jemanden oder et¬
referieren über eine Sache was
Das Präpositionalobjekt 495

verlegen, sich - auf eine Sache widerhallen von etwas


verstehen, sich - auf jemanden oder etwas wissen um jemanden oder etwas; von je¬
verstoßen gegen etwas mandem oder etwas
vertrauen auf jemanden oder etwas wundern, sich-über jemanden oder etwas
verwandeln, sich - in jemanden oder etwas zählen auf'jemanden oder etwas; zu je¬
verzichten auf jemanden oder etwas mandem oder etwas
wachen über jemanden oder etwas zerbrechen an jemandem oder etwas
warten auf jemanden oder etwas zögern mit etwas
wehren, sich-gegen jemanden oder etwas zunehmen an einer Sache
weinen über, um jemanden oder etwas zurückkommen auf jemanden oder etwas
wenden, sich-gegen jemanden oder etwas zusammenfinden, sich - zu einem Zweck
werden aus, zu etwas zusammenstoßen mit jemandem oder etwas
wetteifern in einer Sache zweifeln an jemandem oder etwas

Über das Präpositionalobjekt im passivischen Satz vgl. 893, neben einem Akkusativ¬
objekt vgl. 908, 918, neben einem Dativobjekt vgl. 923, neben einer Artergänzung vgl.
935, 939. Doppeltes Präpositionalobjekt vgl. 925.

2. Die Form des Präpositionalobjekts


Der Form nach kann das Präpositionalobjekt sein: 1026
a) ein Substantiv oder Pronomen mit einer Präposition:
Maria denkt an ihre Schwester. Karl erinnerte sich an mich.

b) ein einfacher oder ein satzwertiger Infinitiv (vgl. 1038):


Otto fürchtet sich zu kommen. Ludwig schämt sich, dieses Geschenk anzunehmen.

c) ein Gliedsatz:
Wilhelm zweifelt daran, daß du die Prüfung bestehst.

d) ein Pronominaladverb:
Er hatte schon früher darauf hingewiesen.

3. Zur Abgrenzung der Präpositionalobjekte


von den Umstandsergänzungen
Die Frage nach dem Präpositionalobjekt ist die Frage nach einem Sub¬ 1027
stantiv (Pronomen), das als Objekt steht. Sie enthält die entsprechende
Präposition:
Ich denke an meinen Freund, an das Buch. An wen oder woran denke ich ? Ich
schäme mich vor mir selbst. Vor wem schäme ich mich ? Wir lachen über deine Be¬
merkung. Worüber lachen wir ?

Das Präpositionalobjekt gibt sich mit Hilfe dieser Fragen überall dort
eindeutig zu erkennen, wo es für einen älteren reinen Kasus steht:
Ich spotte seiner - Ich spotte über ihn (über wen ?).

Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich aber bei jenen Präpositional¬


objekten, die aus der übertragenen Anwendung von Raumangaben ent¬
standen sind, weil man bei ihnen ebenso nach dem im Präpositional¬
gefüge genannten Wesen oder Ding wie nach dem mit Hilfe des Wesens
oder Dinges bezeichneten Raum fragen kann:
Seine Anstrengungen führten zum Erfolg. (Wohin oder wozu führten sie ?)
496 Die Satzglieder im einzelnen

In diesen Fällen muß an Stelle der Frage die Inhaltsdeutung weiterhelfen:


Da in unserem Beispielsatz das Substantiv „Erfolg“ selbst angesprochen
wird, entscheiden wir uns für ein Präpositionalobjekt. Dagegen sollte
man alle Präpositionalgefüge, die einem im übertragenen Sinne angewand¬
ten Raumverb folgen, als Umstandsergänzungen deuten, solange sich das
darin genannte Substantiv nicht eindeutig als Wesen oder Ding erfragen
läßt:
Der Wein geht zur Neige. Kurze Röcke kommen wieder in Mode. Jetzt geht es ihm
an den Kragen, über die Hutschnur. Er fiel in Ungnade. Alles ging in Trümmer. Sie
geriet in Vergessenheit, außer Fassung. Sein Wunsch ging in,Erfüllung.
Steht jedoch das Wesen oder Ding im Vordergrund, dann sollte man sich
auch nach übertragen gebrauchten Raumverben für ein Präpositional¬
objekt entscheiden:
Ich komme nicht auf seinen Namen. (Worauf? Er fällt mir nicht ein.) Er kam um
sein ganzes Geld. (Worum? Er büßte es ein.)
1028 Im übrigen sollte man auch in diesem Grenzbereich Toleranz walten las¬
sen, weil es für unseren Einblick in den Aufbau der Sprache völlig gleich¬
gültig ist, ob wir ein bestimmtes Beispiel innerhalb dieser Grenzzone der
einen oder der anderen Seite zurechnen. Andererseits können wir uns trotz
dieser Grenzschwierigkeiten nicht dazu entschließen, alle Präpositional¬
gefüge ohne Rücksicht auf den vorhandenen Sachbezug einheitlich zu
behandeln (vgl. Fußnote zu Ziff. 895).

X. Die Umstandsergänzungen und die freien


Umstandsangaben

1. Die Form der Umstandsergänzungen und der freien


Umstandsangaben

1029 Die Umstandsergänzungen (vgl. 896ff.) und die freien Umstandsangaben


(vgl. 969f.) können der Form nach sein:
a) eine Partikel:
Karl wohnt dort. Inge kommt bald. Die Tür ist zu. Das Spiel ist aus.
b) ein Präpositionalfall (eine mit Hilfe eines Dinges ausgedrückte Um¬
standsangabe) :
Karl wohnt auf dem Lande. Inge kommt in aller Frühe. Er arbeitet mit Geduld.
c) ein unflektiertes Adjektiv:
Die Pferde laufen schnell. Inge ist gut.
d) ein Substantiv im Genitiv (adverbialer Genitiv):
Er ist des Teufels. Er kommt des Weges. Er wird noch Hungers sterben.
e) ein Substantiv im Akkusativ (adverbialer Akkusativ):
Er geht den Berg hinauf. Er wartet einen Augenblick.
f) ein einfacher oder ein satzwertiger Infinitiv (vgl. 1038):
Karl geht schwimmen. Der Vater nimmt Urlaub, um sich zu erholen. Das ist zu ver¬
stehen (vgl. aber auch 1013).
Die Umstandsergänzungen 497

g) ein einfaches oder ein satzwertiges Partizip (vgl. 1042):


Singend kam er nach Hause. Vor Freude jubelnd, liefen die Kinder davon. Dieser
Mann ist sehr gebildet. Er kam gelaufen.

Bei bestimmten 2. Partizipien, die entweder isoliert sind (vgl. 168) oder
unmittelbar zu einem Substantiv gebildet wurden (vgl. 783), steht in
der Artergänzung noch ein Attribut:
Er ist wohl geraten, gut gelaunt.

h) ein Substantiv mit Vergleichspartikel:


Er fühlt sich als Held, wie ein Fürst.

i) ein Gliedsatz:
Wilhelm ist zornig, weil er verloren hat. Ich komme nach Hause, wenn ich mit der
Arbeit fertig bin.

2. Die Arten der Umstandsergänzungen und der freien


Umstandsangaben
Die Umstandsergänzungen und die freien Umstandsangaben kann man
ihrem Sachbezug nach in vier Gruppen einteilen:

a) Raumangaben
Die Raumangaben antworten auf die Fragen: Wo ? Wohin ? Woher ? Wie 1030
weit ? (lokal):
Wo?: Karl Avohnt in München. Wohin?: Wilhelm geht ins Theater. Woher?: Inge
komint aus dem Schwimmbad. Wie weit ?: Peter wirft den Ball bis an den Fluß.

Beachte:
Oft wird eine Person für einen Ort genannt. Man fragt dann nicht: Wo? usw., sondern
Bei wem ? usw.:
Karl wohnt bei seinem Onkel.

b) Zeitangaben
Die Zeitangaben antworten auf die Fragen: Wann? Wie lange? Seit 1031
wann ? Bis wann ? (temporal):
Wann?: Otto besuchte mich am späten Abend. Wie lange?: Er blieb zwei Stunden.
Seit wann ?: Dies hat er seit langem nicht mehr getan. Bis wann ?: Er wäre bis Mitter¬
nacht geblieben, wenn ...

c) Artangaben
Die Artangaben antworten auf die Frage Wie ? oder auf eine andere mit 1032
Wie? verbundene Frage: Wieviel? Wie sehr? usw. (modal). Sie bezeich¬
nen im einzelnen:
1. die Beschaffenheit, die Qualität (Frage: Wie?):
Karl singJ laut. Ilse ist schön. Wilhelm spricht in Rätseln. Die Tür ist zu.
2. die Quantität. (Frage: Wieviel?):
Otto arbeitet genug. Michael schläft zu wenig.
3. den Grad, die Intensität (Frage: Wie sehr?):
Er peinigte mich bis aufs [ilut. Wir kämpften auf Tod und Leben.
498 Die Wortreihe

4. den Bereich der Gültigkeit einer Aussage:


Ich habe mich vidieicht geirrt. Wahrscheinlich wird er heute nicht kommen.

5. den begleitenden oder fehlenden Umstand (Fragen: Mit wem oder


womit ? Ohne wen oder was ?):
Mein Freund fährt mit seinen Eltern nach Hamburg. Ohne Taschenlampe werden
wir den Weg in dieser dunklen Nacht nicht finden.

6. Maß- und Wertangaben (vgl. 943):


Dieser Junge ist keinen Schuß Pulver wert.

7. die stoffliche Herkunft (Frage: Woraus?):


Diese Figur ist aus Holz. Was hast du nur daraus gemacht ?

d) Begründungsangaben
1033 Die Begründungsangaben bezeichnen:
1. den Grund und die Ursache im engeren Sinne. Frage: Warum ? Wes¬
halb ? (kausal) :
Das Verbrechen geschah aus Eifersucht. Das Mädchen zittert vor Frost. Der
Tenor kann wegen Heiserkeit nicht singen.

2. einen angenommenen Grund. Frage: In welchem Falle ? Unter wel-


, eher Bedingung ? (konditional):
Bei ruhiger Überlegung wird er sein Verhalten bedauern. Unter diesen Umständen
kann ich das nicht genehmigen.

3. eine Folge (konsekutiv):


Auf diese Nachricht hin fuhr er nach Hause. Demnach war er damals noch Mini¬
ster.

4. einen Zweck. Frage: Wozu ? In welcher Absicht ? (final):


Wir fuhren zur Erholung an die See. Er kam zu einer Unterredung in meine Woh¬
nung.

5. einen wirkungslosen Grund. Frage: Mit welcher Einräumung ? Trotz


welchen Umstandes ? (konzessiv):
Trotz des Regens ging er spazieren. Ungeachtet der Warnung des Kanzlers wurde
das Gesetz vom Parlament angenommen.

6. ein Mittel oderWerkzeug. Frage: Womit ? Wodurch ? (instrumental):


Er schlug den Nagel mit einem Stein in die Wand. Das Haus wurde durch Feuer
zerstört.

J. DIE WORTREIHE

I. Das Wesen der Wortreihe

1034 Die Wortreihe beruht auf dem Prinzip der Nebenordnung im Satz.
Nebenordnen kann man, was gleichwertig ist, d. h. alle Wörter oder Wort¬
gruppen, die in der Rolle des gleichen Satzgliedes oder Gliedteiles stehen
können. Durch die Nebenordnung entstehen jedoch keine neuen Satzglie¬
der. Jede Wortreihe bildet ein Satzglied.
Die Formen einer Wortreihe 499

Jedes Satzglied und jedes Attribut kann aus einer Wortreihe bestehen:
Der Neckar, der Main und die Lahn sind Nebenflüsse des Rheins. Der Sturm tobt
und heult um unser Haus. Wir schicken ihm Äpfel und Nüsse in einem Paket. Die
Nächte sind hell und klar. Ich nenne ihn einen Lügner und einen Dummkopf. Am
späten Abend und am frühen Morgen sind diese guten, alten Leute noch fleißig.

Beachte:
1. Zwei adjektivische Attribute bilden nur dann eine Wortreihe, wenn die durch sie aus- 1035
gedrückten Eigenschaften dem Gliedkern in gleichem Maße zugesprochen werden:
ein hoher, runder Tisch; ein breiter, tiefer Graben.
Es liegt aber keine Wortreihe vor, wenn das zweite Adjektiv mit dem Gliedkern einen
Gesamtbegriff bildet (vgl. Fußnote zu Ziff. 353):
die lehrreichen physikalischen Versuche (die physikalischen Versuche sind lehrreich).
2. Einem Satzglied kann auch ein Gliedsatz (vgl. 1053) nebengeordnet sein:
Die Dichter sollten sich vor den Gelehrten, Philosophen, Philologen und wie sie alle
heißen mögen hüten (Tieck). ... begann er sogar wieder ein wenig zu singen, ... mit
Vorsicht und obgleich seine Knie ... zitterten (Th. Mann).

II. Die Formen einer Wortreihe

Die Glieder einer Wortreihe können auf verschiedene Weise miteinander 1036
verknüpft werden:

1. syndetisch1 2
Bei der syndetischen Bildung sind alle Glieder einer Wortreihe durch eine
Konjunktion verbunden:
Dies gilt nicht mir, sondern dir. Er ist zwar ein häßlicher, aber ein guter und stiller
Mann.
Über die nebenordnenden Konjunktionen vgl. 593 ff.

2. asyndetisch2.
Bei der asyndetischen Bildung stehen die Glieder einer Wortreihe unver¬
bunden nebeneinander;
Alles rennet, rettet, flüchtet. ... es schafft Dumpf sinn, Beharrung, Untätigkeit, knech¬
tischen Stillstand (Th. Mann).

3. monosyndetisch3
Bei der monosyndetischen Bildung ist nur das letzte Glied einer Wort¬
reihe durch eine Konjunktion verbunden:
Dicht nebeneinander liegen Ehre, Macht und Verrat. . . . mit feiner, geweckter und
kritischer Miene (Th. Mann).

4. Eine Wortreihe kann aus syndetisch gebildeten Gruppen bestehen:


Tag und Nacht, Morgen und Abend, Winter und Frühling kehren immer wieder
zurück. Alte und junge, schöne und häßliche, reiche und arme Menschen ...

1 Griech. syndetos = (durch Konjunktion) verbunden.


2 Griech. a-syndetos — nicht (durch Konjunktion) verbunden.
3 Griech. mono-syndetos = einzig (das letzte Glied durch Konjunktion) verbunden.
500 Satzglieder und Oliedteile unter einem eigenen Teilbogen

K. SATZGLIEDER UND GLIEDTEILE


UNTER EINEM EIGENEN TEILBOGEN

1037 Die Übergangszone zwischen Satzglied und Satz


Die folgenden Satzglieder und Gliedteile können aus dem Gesamtbogen
eines Satzes heraus- und unter einen eigenen Teilbogen treten (vgl. 1289ff.).
Sie unterbrechen den glatten Ablauf des Satzes noch nachhaltiger als die
gereihten Glieder (vgl. 1034) und werden deshalb auch in Kommas ein¬
geschlossen.

I. Herausgehobene Attribute und Satzglieder


a) Nachgestellte flektierte Adjektive (vgl. 356):
Da bricht der Abend, der frühe, herein. Du Schaf, dummes!

b) Zwei oder mehrere nachgestellte unflektierte Adjektive (vgl. 356):


Die Hände des Bauern, kräftig -und breit, führen den Pflug.

c) Nachgetragene Appositionen (vgL 989):


Karl, mein bester Freund, ist gestern verreist.

d) Dem Satz vörangestellte Satzglieder, die durch ein Pronomen oder Ad¬
verb erneut aufgenommen werden:
Der Tag, er ist nicht fern. Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum.

e) Dem Satz nachgestellte Satzglieder:


Das Schiff kommt wöchentlich einmal, und zwar sonntags. Ich werde in Gedanken
bei euch sein, zu jeder Zeit.-

f) Frei hinzugefügte Satzglieder


Der Sprechende hat die Möglichkeit, Umstandsangaben in den glatten
Fluß des Satzes einzubauen oder aber lockerer unter einen eigenen Teil¬
bogen zu stellen. Die freie Hinzufügung geschieht entweder, um die Um¬
standsangabe hervorzuheben oder um sie zurücktreten zu lassen:
Er wollte seinem Leiden insbesondere durch Verzicht auf Alkohol nachhaltig begeg¬
nen. Er wollte seinem Leiden, insbesondere durch Verzicht auf Alkohol, nachhaltig
begegnen. Der Vater schläft tief und fest. Der Vater schläft, tief und fest. Ein alter
Ofen in der Form einer Pyramide verbreitete Behaglichkeit. Ein alter Ofen, in der
Form einer Pyramide, verbreitete Behaglichkeit.

II. Satzwertige Infinitive


Von allen Satzgliedern, die unter einem eigenen Teilbogen stehen können,
sind die mit „zü“ angeschlossenen Infinitive am häufigsten.

1. Die Abgrenzung der satzwertigen Infinitive


1038 Der einfache Infinitiv mit „zu“ kann sich im Gegensatz zu dem reinen
Infinitiv aus dem Klangbogen seines Satzes herauslösen, wenn andere
Satzwertige Infinitive 501

Glieder zu ihm treten. Diese Heräuslösung vollzieht sich jedoch je nach


dem Klanggewicht der hinzutretenden Glieder in Übergängen:
Er nahm sich vor zu gehen.
Er nahm sich vor, sofort zu gehen.
Er nahm sich vor, sofort nach Hause zu gehen.
Er nahm sich vor, sofort mit allen seinen Freunden nach Hause zu gehen.
Ein eigener Teilbogen ist erst dann ausgebildet, wenn der Wirkungs¬
bereich des Infinitivs groß genug ist, um sich von dem verbalen Wirkungs¬
bereich des eigentlichen Satzes abzuheben. Wir sprechen dann von einem
satzwertigen Infinitiv, durch den eigentlich erst ein Komma ge¬
rechtfertigt ist.

2. Die Leistung der Infinitive mit „zu“


Die Infinitive gestatten es, ein weiteres Geschehen oder Sein ohne neue 1039
Personalform an bereits vorhandene Glieder anzuschließen. Während sich
aber der reine Infinitiv nur mit wenigen, wenn auch häufigen Verben ver¬
binden kann (können, müssen, dürfen, mögen, gehen, fahren u. a.), er¬
weitern die Infinitivkonjunktionen „zu“, „um...zu“, „ohne...zu“,
„(an)statt.. .zu“ diese Möglichkeit auf sehr viele andere Verben und vor
allem auch auf nichtverbale Glieder im Satz:
Er beginnt zu schwimmen. Der Versuch zu schwimmen ... Er ist fähig zu schwimmen.
Da der mit einer Konjunktion verbundene Infinitiv über diese ausgedehnte
Anschlußfähigkeit hinaus in der Lage ist, alle anderen Satzglieder mit
Ausnahme des Prädikats und des Subjekts zu sich zu nehmen, verfügt
die' Sprache hier über ein geschmeidiges Mittel zur Heranführung neuer
Verbalkomplexe. Ohne dieses Mittel wäre der Sprechende gezwungen,
immer neue Sätze zu bilden:
Karl war fest entschlossen, seinen ganzen Besitz zu verkaufen, seinem Lande den
Rücken zuzuwenden, eine Schiffskarte nach Amerika zu lösen, den nächsten Dampfer
zu benutzen und für immer drüben zu bleiben.

3. Zusammenfassung der Verwendungsmöglichkeiten


des Infinitivs im Satz
Ein einfacher oder ein satzwertiger Infinitiv kann sein: 1040
a) ein Teil des Prädikats (vgl. 1010ff.): *
loh werde kommen. Karl kann schwimmen. Dieser Mann scheint mich zu kennen.
Dieser Vorgang ist zu prüfen.

b) ein Attribut (vgl. 986):


die Kunst zu schweigen; seine Fähigkeit, die Menschen zu begeistern.

c) ein Satzglied, und zwar:


1. ein Subjekt (vgl. 1007):
Arbeiten schützt vor Langeweile. Euch zu helfen ist mein größter Wunsch.
2. ein Gleichsetzungsnominativ (vgl. 1015):
Verbannt werden heißt sterben. Sein Ziel war, Politiker zu werden?
502 Satzglieder und Gliedteile unter einem eigenen Teilbogen

3. ein Gleichsetzungsakkusativ (vgl. 1016):


Karl nennt das sparen. Das nenne ich Wasser in den Rhein schütten.
4. ein Akkusativobjekt (vgl. 1020):
Not lehrt beten. Er glaubt, mich mit dieser List zu überwinden.
5. ein Genitivobjekt (vgl. 1024):
Er erinnert sich, mich gesehen zu haben. Er rühmte sich, Erlolg gehabt zu haben.
6. ein Präpositionalobjekt (vgl. 1026):
Er entschloß sich zu arbeiten. Er bat mich, ihm bei dieser Arbeit zu helfen. Er ist
bereit zu singen.
7. eine Umstandsergänzung (vgl. 1029):
des Raumes (lokal):
Rudolf geht schwimmen. Wilhelm bleibt stehen.
der Art (modal) :
Das ist, um aus der Haut zu fahren. Das ist gut zu verstehen.
8. eine freie Umstandsangabe (1029):
der Art (modal) :
Er lief diesen weiten Weg, ohne zu ermüden. Statt zu arbeiten, geht er spazieren,
des Zwecks (final) :
Die Mutter ging in die Stadt, um einzukaufen. Auch ohne „um“: Ein Wundarzt
kam, die Wunde des ... Antonio zu untersuchen (W. Raabe).
der Folge (konsekutiv) :
Er ist viel zu aufmerksam, um dies zu übersehen.
9. Ein reiner Infinitiv steht beim Akkusativ mit Infinitiv (a. c. i.;
vgl. 922):
Ich höre ihn singen.

1041 Beachte:
1. Der Gebrauch der Infinitivkonjunktion „zu“ bei den Verbei} „liegen“, „stehen“,
„wohnen“ u. a., die mit dem Hilfszeitwort „haben“ verbunden sind, ist mundartlich
(Berlin) und gilt hochsprachlich als falsch:
Falsch: Er hat ein Faß Wein im Keller zu liegen.
Richtig: Er hat ein Faß Wein im Keller liegen.
2. Die Verbindung von tun mit einem reinen Infinitiv ist fast immer umgangssprachlich:
Ich tu singen.
Schriftsprachlich kann tun mit einem reinen Infinitiv nur dann stehen, wenn der Infinitiv
an der Spitze des Satzes steht (vgl. 1010):
Lieben tue ich ihn gerade nicht, aber ...
3. Nach „lehren“, „lernen“, „helfen“, „heißen“ steht der reine Infinitiv:
Er lehrte mich schwimmen. Er half mir graben.
Schließt sich ein satzwertiger Infinitiv an, dann schwankt in vielen Fällen der Gebrauch
von „zu“, in anderen Fällen ist der Anschluß mit „zu“ bereits fester geworden:
Helfen Sie mir bitte[,[ das Auto in die Garage [zu] schieben.
Aber bereits fester:
Mein Professor lehrte mich, dieses Instrument nur so anzwwenden. Er ... lernte auch,
die Frauen in ihrer Mannigfaltigkeit zu sehen, zu fühlen, zu tasten, zu riechen (Hesse).
Satzwertige Infinitive 503

Der reine Infinitiv steht jedoch auch bei Satzwertigkeit, wenn er bei Einstellung des
Prädikats oder dessen infiniter Form vor diese zu stehen kommt:
Nun, da er so mühsam und kummervoll lieben lernte ... (Rilke). Du mußt mir von
nun an viel Geld verdienen helfen.
Der Gebrauch von zu schwankt auch dann, wenn ein satzwertiger Infinitiv in der Rolle
des Subjekts oder Gleichsetzungsnominativs steht:
Ein Tier [zu] quälen ist böse. Für ihn [zu] kochen müßte ein Vergnügen sein. Mit
diesem Berufsboxer [zu] spaßen bekommt niemandem gut. Ein guter Christ sein
heißt allen armen Menschen ein stets bereiter Helfer [zu] sein.
Da sich der Gebrauch des Infinitivs mit oder ohne zu in dieser Übergangszone nicht
reglementieren läßt, müssen beide Gebrauchsweisen freigegeben werden.
4. Über die Verwendung von „brauchen“ mit oder ohne „zu“ vgl. 1012.
5. Schwierigkeiten beim Infinitiv mit „um ... zu“:
a) Der attribütive Infinitiv steht immer ohne „um“:
Das ist nicht der Weg, diese Frage zu lösen. (Welcher Weg?) Falsch: .... um
diese Frage zu lösen. Aber (final) richtig: Er mußte diesen Weg gehen,um die
Frage zu lösen. (Wozu mußte er diesen Weg gehen ?)
b) Zwei voneinander unabhängige Sachverhalte (vgl. 1095ff.) können im allgemeinen
nur durch zwei Hauptsätze und nicht durch einen Infinitiv mit „um ... zu“ ausge¬
drückt werden:
Karl ging in die Stadt und wurde dort von einem Auto überfahren. Aber nicht:
Karl ging in die Stadt, um dort von einem Auto überfahren zu werden. (Dies
war sicher nicht seine Absicht!)
Ein solcher Inflnitivanschluß kann aber besondere Ausdruckskraft besitzen, wenn
eine Schicksalsbestimmung ausgedrückt werden soll:
Goethe über Schiller: So schieden wir vor seiner Haustür, um uns niemals
wiederzusehen.
In der Gegenwartssprache greift der weiterführende Gebrauch von „um ... zu“ all¬
gemein um sich. Soweit nicht Mißverständnisse entstehen, ist er jedoch nicht zu tadeln:
Die Sonne, welche soeben unter d'fem Rande mächtiger Wolken herabhing, um
in das schwarzgrüne Wipfelmeer zu versinken, goß Ströme von Purpur über den
Forst (G. Hauptmann). Der Rhein war bis zur Mitte des Monats stark gestiegen,
um dann wieder rasch zu fallen.
6. Der Infinitiv mit „um ... zu“ bezieht sich im allgemeinen auf das Subjekt des zuge¬
hörigen Satzes:
Er kam, um mir zu helfen = Er kam, und er half mir.
Soll das Subjekt wechseln, dann muß gewöhnlich ein neuer Satz gebildet werden:
Er kam zu mir, damit ich ihn begleiten sollte.
Inflnitivanschlüsse, die sich nicht auf das Subjekt des zugehörigen Satzes beziehen, sind
nur dann möglich, wenn sich das zqm Infinitiv gehörende Subjekt aus dem Zusammen¬
hang deutlich ergibt:
Die Bücher wurden auf schlechtes Papier gedruckt, um Geld zu sparen. (Jeder weiß,
daß der Verleger das Geld spart [und nicht die Bücher].)
504 Satzglieder und Gliedteile unter einem eigenen Teilbogen

III. Satzwertige Partizipien

1. Die Abgrenzung der satzwertigen Partizipien


1042 Auch das Partizip hat wie der Infinitiv mit „zu“ die Fähigkeit, sich aus
dem Gesamtbogen eines Satzes herauszulösen, wenn andere Glieder zu
ihm treten. Der Übergang ist auch hier fließend:
Denkend schlief ich ein.
Angestrengt denkend, schlief ich ein.
Angestrengt denkend und sinnend, schlief ich ein.
Die Ereignisse des Tages noch einmal überdenkend, schlief ich ein.

Auch hier ist der Teilbogen, unter dem die Partizipialgruppe steht, erst
voll ausgebildet, wenn sich der Wirkungsbereich des Partizips genügend
von dem verbalen Wirkungsbereich des eigentlichen Satzes abhebt. Wir
sprechen dann von einem satz wertigen Partizip.

2. Die syntaktische Verwendung der satzwertigen Partizipien


1043 Die satzwertigen Partizipien können sein:
a) ein Attribut (vgl. 974):
Die Turner, von allen Städten und Dörfern herbeigeströmt, füllten die Straßen zum
Sportplatz. (Welche Turner füllten die Straßen ?)

b) eine freie Umstandsangabe (vgl. 1030 ff.):


der Art (modal):
Fröhliche Lieder singend, fuhren die Kinder in die Ferien. (Wie fuhren die Kinder in
die Ferien ?)

des reinen Grundes (kausal):


Von seiner schauspielerischen Anlage überzeugt, ging er zum Theater (Weil er über¬
zeugt war, ...).

des wirkungslosen Grundes (konzessiv):


Obgleich gewarnt, ließ der Kapitän das Schiff aus dem sicheren Hafen auslaufen.

des angenommenen Grundes (konditional):


Die Sache so angesehen, scheint also Kants Annahme ... ganz wohl befugt (Schopen¬
hauer; wenn ich die Sache so ansehe...).

der Zeit (temporal; dichterisch):


Die Geschäfte beendet und signiert, kam Isaak Landauer diesmal nicht auf denRavens-
berger Kindermord zu sprechen ... (Feuchtwanger; als die Geschäfte beendet
waren ...).

Beachte:
Die satzwertigen Partizipien müssen deutlich auf ein Glied des zugehörigen Satzes be¬
zogen sein, um Mißverständnisse oder ungewollten Humor zu vermeiden:
Subjektsbezug: Alle Erfahrungen der älteren Generation weit von sich weisend, geht
die sorglose Jugend in die Zukunft.
Objektsbezug: Im Lager sahen wir Flüchtlinge, ihrer ganzen Habe beraubt.
Die Satzreihe 505

Unklarer Bezug und deshalb unmöglich :


Lange Jahre an der Spitze unseres Betriebes stehend, verehren wir in Herrn Maier
einen guten Vorgesetzten. (Wer steht lange Jahre dem Betrieb vor: wir oder Herr
Maier ?)
Mit Wein angefüllt, überreiche ich dem Jubilar diesen goldenen Becher. (Wer ist
mit Wein angefüllt': ich oder der Becher?)
Hierher gehört strenggenommen auch die im geschäftlichen Briefwechsel angewandte
Formel:
Beiliegend übersende ich einen Brief ...
Die Möglichkeit eines Mißverständnisses ist hier jedoch gering, weil nur der Brief bei¬
liegen kann. Trotzdem schreibt man besser:
Ich übersende Ihnen einen Brief ...

3. Satzwertige Wortgruppen, in denen ein Partizip zu ergänzen ist


Es gibt Wortgruppen, die den satzwertigen Partizipien gleichzustellen 1044
sind, weil man sich Formen wie ,,habend“ und „seiend“ hinzudenken muß.
Es handelt sich bei diesen Gruppen um freie Artangaben, die meistens auf
das Subjekt bezogen sind:
Neben ihm saß der dünnhaarige Pianist, den Kopf im Nacken, und lauschte ...(Tho¬
mas Mann). Das Kneiferband hinter dem Ohr, sprach sie nicht nur geziert, sondern
geradezu gequält (Thomas Mann).
Gelegentlich ist auch Objektbezug möglich:
... indem sie (die Blutung) ihn zwang, ... sich wieder flach auf den Brettersitz hinzu¬
strecken, das feuchte Tuch auf der Nase (Thomas Mann).
Beachte:
Man nennt die satzwertigen Wortgruppen oft „verkürzte Nebensätze“. Diese Bezeich¬
nung ist irreführend, weil es sich nicht um Ellipsen, sondern um ursprüngliche Ausdrucks¬
formen handelt.

L. DER ZUSAMMENGESETZTE SATZ

Der zusammengesetzte Satz besteht aus. zwei oder mehreren Teilsätzen, 1045
die eine Aussageeinheit bilden. Besteht diese Einheit aus gleichgeordneten
Teilsätzen, dann sprechen wir von einer Satzreihe, die ebenso wie die
Wortreihe (vgl. 1034) auf dem Prinzip der Nebenordnung beruht. Ver¬
langt aber die Aussageabsicht, daß mehrere Verbalbereiche zu einer fest¬
gefügten Einheit verschmolzen werden, dann tritt an die Stelle der lok-
keren Nebenordnung die festgefügte Unterordnung von Teilsätzen. Wir
sprechen dann von einem Satzgefüge.

I. Die Satzreihe

Eine Satzreihe besteht aus zwei oder mehreren gleichwertigen Sätzen, die 1046
asyndetisch (ohne Konjunktion) oder syndetisch (mit Konjunktion) ver¬
knüpft sein können (vgl. die Formen der Wortreihe, 1036). Die Reihung
von Hauptsätzen (vgl. 1047) nennt man Satzverbindung, die Reihung von
Gliedsätzen (vgl. 1050) Gliedsatzreihe.
506 Der zusammengesetzte Satz

1. Die Satzverbindung

1047 Die Satzverbindung besteht aus einander nebengeordneten Hauptsätzen,


die durch Komma oder Semikolon voneinander getrennt werden:
Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll, ein Fischer saß daran (Goethe). Sieben
Jungfrauen saßen im Kreis um den Brunnen; in das Haar der Siebenten aber ...
schien die sinkende Sonne ... (Th. Mann).

a) Die Arten der Satzverbindung


1048 Je nach dem Gedanken Verhältnis, das zwischen den Sätzen einer Satzver¬
bindung besteht, unterscheidet man folgende Verbindungsarten:

a) kopulativ (anreihend)
Die Sätze dieser Verbindung enthalten in der Bedeutung gleichwertige
Gedanken:
Es ist Abend, und die Herden kehren heim.
Kopulative Konjunktionen vgl. 593.

ß) disjunktiv (ausschließend)
Der Inhalt des zweiten Satzes schließt den Inhalt des ersten aus:
Entweder läßt du mich in Buhe, oder ich gehe nach Hause.
Disjunktive Konjunktionen vgl. 594.

y) adversativ (entgegensetzend)
Der Inhalt des zweiten Satzes ist dem des ersten entgegengesetzt:
Er zahlte nicht bar, sondern überwies das Geld durch die Bank.
Adversative Konjunktionen vgl. 595.

6) kausal (begründend)
Der Inhalt des zweiten Satzes begründet den Inhalt des ersten:
rein kausal; Er muß zu Hause sein, denn das Licht brennt.
konsekutiv: Du bist Karls Freund, deshalb bist du mein Feind.
final; Er ist Vorsitzender, dazu ist er gewählt worden.
konditional; Laß mich in Buhe, sonst gehe ich naeh Hause!
konzessiv: Es regnete nach dem Gewitter noch sehr lange; trotzdem gingen
wir spazieren.
Kausale Konjunktionen vgl. 599.

b) Besondere Formen der Satzverbindung


1049 Bei asyndetischen, gelegentlich auch bei syndetischen Satzverbindungen
können besondere Stilmittel die gedankliche Zusammengehörigkeit der
Teilsätze nachhaltig unterstreichen:
a) Pronomen oder Adverbien des zweiten Satzes weisen auf den ersten
Satz zurück:
Da schlug der Greis die Saiten; er schlug sie wundervoll (TJhland). Ich wohn’ in einem
steinernen Haus, da lieg’ ich verborgen und schlafe (Schiller).
Die Satzreihe 507

ß) Die Teilsätze beginnen mit dem gleichen Wort oder der gleichen Wort¬
gruppe (Anaphora oder Anapher1):
Regungslos lag Antonio auf seinem Lager, regungslos saß' Leone bei ihm, regungslos
kauerte Myga in dem dunkelsten, entferntesten Winkel (Raabe).

y) Zwischen den Teilsätzen besteht eine Antithese2:


Des gereiften Mannes Fehltritt ist ein Verbrechen, des Jünglings Fehltritt ist ein
verfehlter Tritt (Grillparzer). Friede ernährt, Unfriede verzehrt (Sprw.).

ö) Die Antithese kann durch die Kreuzstellung von Satzgliedern (Chias¬


mus3) noch verstärkt werden:
Der Einsatz war groß, gering war der Gewinn.

2. Die Gliedsatzreihe
Auch gleichwertige Gliedsätze können wie Hauptsätze einander asynde- 1050
tisch (ohne Konjunktion) oder syndetisch (mit Konjunktion) nebenge¬
ordnet werden. Man spricht dann von einer Gliedsatzreihe:
Karl ist ein Freund, der mir immer hilft, der mich nie verläßt. Wenn die Nebel steigen
und wenn die Blätter fallen, dann ist es Herbst.

3. Die Zusammenfassung gleichwertiger Sätze


a) Das Wesen der Zusammenfassung gleichwertiger Sätze
Wenn gleichwertige Haupt- oder Gliedsätze Satzteile gemeinsam haben, 1051
dann braucht das Gemeinsame nur in einem der beiden Sätze ausgedrückt
zu werden (vgl. auch 1171):
Die Mutter stand'auf dem Balkon und wartete ungeduldig auf ihre Tochter. Karl
fährt pach Italien, Wilhelm an dite Nordsee. Am Waldesrand rasteten wir und schliefen
ein. Weil du büse warst und deine Aufgaben nicht gemacht hast, bleibst du zu Hause.
Man spricht bei Verbindungen dieser Art gewöhnlich von der Zusammen¬
ziehung von Sätzen, obwohl die in der zweiten Geschehenseinheit ausge¬
drückte besondere Wirklichkeit nie als Satz ausgeprägt war. Tatsächlich
handelt es sich um zwei oder mehrere Geschehenseinheiten, die aus sprach-
ökonomischen Gründen zusammengefaßt sind.
Beachte:
Bei der Häufung von Prädikaten muß es offenbleiben, ob eine Wortreihe (vgl. 1034)
oder eine Zusammenfassung gleichwertiger Sätze vorliegt:
Der Bauer pflügt, sät und erntet.

b) Die Formen der Zusammenfassung gleichwertiger Sätze


Die Zusammenfassung gleichwertiger Sätze mit gemeinsamen Satzteilen 1052
kann, wie die normale Reihung, asyndetisch (ohne Konjunktion) oder
syndetisch( mit Konjunktion) erfolgen:
Asyndetisch: Der Bauer mäht, die Bäuerin wendet das Gras. Syndetisch: Er wa r
immer krank und verdiente deshalb wenig. Sie hat es weder gewußt noch geahnt.

1 Griech. anaphorä = Erneuerung, Wiedervorbringung, Wiederholung.


2 Griech. antühesis = Gegensatz, d. h. Gegenüberstellung entgegengesetzter, aber auf
eine gemeinsame Grundvorstellung bezogener Begriffe.
3 Zum griechischen Buchstaben Chi = X (= kreuzweise).
508 Der zusammengesetzte Satz

II. Das Satzgefüge

1. Wesen und Leistung des Satzgefüges


'S

1053 Ein Satzgefüge entsteht, wenn ein vollständiger Satz an die Stelle eines
Satzgliedes oder eines Gliedteiles tritt (vgl. jedoch auch 1095 ff.):
Deine Zuverlässigkeit hat mich immer gefreut.
Daß du zu allen Zeiten zuverlässig bist, hat mich immer gefreut.
Alle fleißigen Kinder erhalten ein Buch.
Alle Kinder, die in diesem Jahr besonders fleißig gewesen sind, erhalten ein Buch.

Sätze, die auf diese Weise die Rolle eines Satzgliedes oder Gliedteiles
einnehmen, heißen Gliedsätze. Dieser Name ist zutreffender als die Be¬
zeichnung Nebensatz. Aus dem Namen Gliedsatz ergibt sich auch ohne
weiteres, daß Sätze dieser Art ohne den „Stammsatz“ nicht bestehen kön¬
nen, in dem sie ihren Gliedwert haben. Zwischen beiden besteht im Gegen¬
satz zu der gleichwertigen Nebenordnung in der Satzreihe eine Über- und
Unterordnung. Man nennt deshalb den übergeordneten Satz zutreffend
Hauptsatz. Das Satzgefüge ist also eine Vereinigung von Teilsätzen, die
, auf Abhängigkeit beruht.
1054 Bei der Verwendung von Gliedsätzen in der Rolle von Satzgliedern und
Gliedteilen bedient sich die Sprache der gleichen syntaktischen Grund¬
formen wie beim einfachen Satz (vgl. 966). Auf diese Weise kann eine
Grundform zum Baustein einer anderen werden:

Ich weiß, daß er kommt.

I In sich ruhefnder Tätigkeitssatz |


Handlungssatz

Die Sprache schafft sich so die Möglichkeit, ganze Verhaltenseinheiten in


die Position von Satzgliedern und Gliedteilen zu bringen. Dies ist das
überzeugendste Beispiel für ihre Ökonomie.
Wir sind immer dann auf die Gliedsätze angewiesen, wenn die Satzglieder
und Gliedteile die Fülle größerer Verhaltenseinheiten nicht zu fassen ver¬
mögen :
Es freut mich sehr, daß er sich noch zu diesem Entschluß durchgerungen hat. Und nicht:
Sein Sich-noch-Durchringen zu diesem Entschluß freut mich sehr.

Dieses letzte Beispiel zeigt aber schon, daß zwischen dem Satzglied oder
seinen Teilen und dem Gliedsatz ein echtes Spannungsverhältnis besteht,
weü die Sprachgemeinschaft - wiederum aus ökonomischen Gründen -
ständig bestrebt ist, Verhaltensinhalte, wenn irgend möglich, in substan¬
tivischer Form zum unmittelbaren Einsatz im einfachen Satz bereitzu¬
halten (vgl. 688 ff. und 984). Daraus entsteht allerdings oft der mit Recht
getadelte nominale Stü unserer Gegenwartssprache (vgl. hierzu Stilduden,
4. Auflage, Seite 12). Es gilt, zwischen diesen Möglichkeiten, die die Sprache
bietet, das rechte Maß zu halten.
Das Satzgefüge 509

2. Die Rangordnung im Satzgefüge


Das Verhältnis der Unterordnung, das zwischen Haupt- und Gliedsatz 1055
besteht, setzt sich auch fort, wenn weitere Gliedsätze vom ersten abhängig
werden. Man spricht dann vom Gliedsatz 1., 2., 3. usw. Grades:
Gliedsatz 1. Grades:
1. Grades
l-1
Ich freue mich, daß du kommst.

Gliedsatz 2. Grades:
1. Grades
l-1
Das ist eine Frage, die erst dann geklärt werden kann,
2. Grades

wenn alle Unterlagen vorhanden sind.

Gliedsatz 3. Grades:
1. Grades 2. Grades

Ich glaube, daß er fleißiger geworden ist, seit er gesehen hat,


3. Grades

wie leicht man durch das Examen fallen kann.

Nebengeordnete Gliedsätze in der Gliedsatzreihe (vgl. 1050) haben den


gleichen Grad der Abhängigkeit vom Hauptsatz, im folgenden Beispiel
den des 1. Grades:
Er fürchtete sich nach Hause zu gehen, weil es schon spät tvar und
weil er noch keine Schulaufgaben gemacht hatte.

3. Gliedsätze mit Einleite Wörtern


Die meisten Gliedsätze sind mit ihrem Hauptsatz und auch unter sich 1056
durch besondere Einleite Wörter verbunden, deren Aufgabe es ist, den for¬
malen und inhaltlichen Anschluß innerhalb des Satzgefüges sicherzustel¬
len. Zu den Wörtern, die diesen Anschlußdienst im Satzgefüge leisten, den
„Bindewörtern“ im weitesten Sinne, gehören die Relativpronomen (vgl.
476ff.), die Relativadverbien (vgl. 555), die Interrogativpronomen (vgl.
481 ff.) und die unterordnenden Konjunktionen (vgl. 593ff.). Man teilt
danach die eingeleiteten Gliedsätze in Relativsätze, indirekte Fragesätze
und Konjunktionalsätze ein.

a) Der Relativsatz
Der Relativsatz kann in der Rolle eines Attributs oder eines Satzgliedes
stehen. Über die weiterführenden Teilsätze in der Form eines Relativsatzes
vgl. 1096.

et) Der Relativsatz in der Rolle eines Attributs


1. Seine Leistung
Nähere Bestimmungen, die einem bereits genannten Substantiv zuge- 1057
dacht sind und die man nicht als Attribut (vgl. 971) diesem Substantiv
510 Der zusammengesetzte Satz

unmittelbar beifügen will oder kann, können durch einen Relativsatz


angeschlossen werden. Auf diese Weise ist es dem Sprechenden mög¬
lich, umfangreichere Bestimmungen in die Anschlußstellung zu ver¬
weisen, wodurch der Ablauf des eigentlichen Satzprozesses stark ent¬
lastet wird:
Ein Mann, der bisher still auf dem anderen Bürgersteig gestanden hatte, sprang
plötzlich vor ein Auto, das aus einer Seitenstraße gekommen war.
Wie dieses Beispiel zeigt, können durch den Relativanschluß umfang¬
reiche Vorgänge einbezogen werden, die dem Hauptvorgang gleich¬
sam synchronisiert sind.
Da die Relativsätze dieser Art „Attribute in Satzgestalt“ sind, ant¬
worten sie auch wie ein Attribut auf die Fragen: Was für ein? oder
Welcher ?

2. Seine Einleitewörter
a) der, die, das
1058 Die ältesten und gebräuchlichsten Einleitewörter des Relativsatzes in
der Rolle eines Attributs sind die Relativpronomen „der, die, das“
(vgl. 477):
Ein Mann, der zur Arbeit geht, ...
Eine Frau, die in der Küche steht, ...
Ein Kind, das auf dein Rasen spielt, ...

b) welcher, welche, welches


1059 Seit dem 15. Jahrhundert werden auch „welcher, welche/welches44
an Stelle von „der, die, das“ gebraucht (vgl. 478). Sie wirken fast
immer schwerfällig und werden deshalb von Sprachpflegen! oft ver¬
dammt :
Gut: Die Lerche, die im Äther singt, ...
Schwerfällig: Die Lerche, welche im Äther singt, ...
y,Welcher, welche, welches“ können gute Dienste leisten, wenn der
Gleichlaut stört:
Die, die die Bücher haben = Die, welche die Bücher haben. Der, der den Mann
kennt = Der, welcher den Mann kennt.
Doch auch in diesen Fällen sind „der, die, das“ stilistisch völlig ein¬
wandfrei, zudem sich die drei „der“, „die“ oder „das“ in der gespro¬
chenen Sprache deutlich unterscheiden.
c) wer, was
1060 Die Relativpronomen „wer“ und „was“ sind an sich Fremdlinge unter
den Einleitewörtern des Relativsatzes in der Rolle eines Attributs,
weil die w-Formen unter den Relativpronomen sonst alle dem Rela¬
tivsatz in der Rolle eines Satzgliedes angehören.
Wer findet sich beim Relativsatz in der Rolle eines Attributs nur dann,
wenn sein Bezugssubstantiv folgt:
Wer die Krebskrankheit besiegt, dem Manne wird ein Denkmal gesetzt werden.
Große Unsicherheit besteht heute bei der Verwendung von „das“ oder
„was“, wenn sich das Relativ auf ein substantiviertes neutrales Ad¬
jektiv bezieht. Hier sollten folgende Richtlinien gelten:
Das Satzgefüge 511

Ist das substantivierte neutrale Adjektiv Nomen, d. h., benennt es ein


bestimmtes wirkliches oder gedachtes „Ding“ (vgl. 171), dann sollte
wie bei allen substantivischen Bezugswörtern „das“ stehen:
Das Junge, das aus dem Nest fiel... Das Kleine, das die Mutter in den Kinder¬
wagen legte ...
Bezeichnet aber das neutrale Adjektiv nur eine Eigenschaft (Qualität)
von etwas, dann steht „was“. Hierher gehören die meisten Superlative:
Das ist das Schönste, was ich je gesehen habe = Das ist das Schönste von allem,,
was ... Das Beachtenswerteste, was der Dichter geschrieben hat = Das Beach¬
tenswerteste von dem, was ...
Aber, weil der Superlativ hier Nomen ist:
... war es auch da ein Größtes, das wir erblickten (Jatho).
Da zwischen jenen substantivierten neutralen Adjektiven, die Nomen
sind, und jenen, die nur eine Qualität von etwas benennen, eine Zone
des Übergangs besteht, die nicht abgrenzbar ist, kann hier der Ge¬
brauch schwanken:
Das Häßliche, das oder was in seinem Gesicht lag ... Das Gute, das oder was er
uns antat ...

d) Relativadverbien
Den Anschluß beim Relativsatz in der Rolle eines Attributs können 1061
neben den Relativpronomen auch noch die Relativadverbien in be¬
stimmten Fällen übernehmen. Es sind dies: wo, wohin, woher, womit,
worauf, wodurch, wovon u. a. (vgl. 555).
Das Relativadverb „wo“ und das veraltete oder gewählte „da“ kön¬
nen sich nur auf ein Substantiv beziehen, das den Ort oder die Zeit
bezeichnet:
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn? (Goethe). An Abenden, wo ... der
Mond seine Bahn beschrieb (H. Hesse). Dies ist der Tag, da Tauris seiner Göttin
für wunderbare neue Siege dankt (Goethe).

Beachte:
Der Bezug von wo auf Substantive, die nicht Ort oder Zeit bezeichnen, ist stark
umgangssprachlich oder mundartlich. Also niemals:
Das Geld, wo auf der Bank liegt.
Die mit einer Präposition verschmolzenen Relativadverbien (wobei,
womit, wodurch, worin, woran, woraus, worauf, worunter, wovor u. a.)
können sich auf alle Sachsubstantive beziehen:
Ich gebe Ihnen den Dolch selbst in die Hand, womit Sie mich ermorden sollen
(Lessing). Der Druck, worunter die Kirche seufzte (Schiller). Die Folgen, wovor
sie den König gewarnt hatten (Schiller).
In der Gegenwartssprache werden diese Relativadverbien jedoch mehr
ünd mehr durch Relativpronomen in Verbindung mit einer Präposition
verdrängt, besonders bei Personenbezeichnungen (vgl. 558). Es heißt
jetzt zumeist:
Die Stelle, an der (seltener: wo) das Unglück geschah. Dies ist der Dolch, mit dem
(seltener: womit) er sich erstach. Das Bett, auf dem (seltener: worauf) ich schlafe,
ist hart. Wenn du die Stellung, auf die (kaum noch: worauf) du hoffst, erhältst,
kannst du froh sein. Das Mädchen, von dem (nicht mehr: wovon) du mir erzähl¬
test, ist verlobt. Die Leute, von denen (nicht mehr: wovon) ich euch erzählte, sind
umgezogen.
512 Der zusammengesetzte Satz

3. Sein Verhältnis zum Bezugswort


1062 Wie jedes Attribut einen Gliedkern vöraussetzt, dem es beigefügt ist
(vgl. 971), so erfordert jeder Relativsatz in der Rolle eines Attributs
ein Substantiv oder Pronomen, an das er sich anschließt:
Wir sahen ein dreijähriges Kind, das allein über den Fahrdamm lief. Ich, der
ich ihn so gut kannte, ...
Das Relativ (Relativpronomen oder Relativadverb) steht an der Spitze
seines Satzes. Nur eine Präposition kann es von dort verdrängen:
Ich bewundere den Mut, mit dem ihr davon sprecht.
Der Anschluß des Relativs an sein Bezugswort muß möglichst eng sein,
um Unklarheiten zu vermeiden. Deshalb steht das Relativ meist un¬
mittelbar hinter seinem Bezugswort:
Ein Mann, der seinen Auftrag ernst nahm. :..
Wird das Relativ von seinem Bezugswort durch ein Substantiv ge¬
trennt, das mit dem Bezugswort im Genus übereinstimmt, dann ent¬
steht Unklarheit oder gar Komik:
Wir bieten eine Wohnung für eine größere Familie, die frisch instand gesetzt ist.
Ist aber ein falscher Bezug ausgeschlossen, und wird der Satz durch
den .eingeschobenen Relativsatz stark zerrissen, dann ist die Trennung
des Relativs vom Bezugswort stilistisch zu begrüßen:
Nicht: Bei mir stellte sich eine starke Abneigung, deren ich nicht Herr werden
konnte, gegen Karls Freund ein.
Sondern: Bei mir stellte sich eine starke Abneigung gegen Karls Freund ein, deren
ich nicht Herr werden konnte.

1063 Beachte:
1. Der Anschluß eines Belativsatzes an das letzte von mehreren Substantiven mit
welch letzterer usw. ist sprachlich unschön:
Aus Italien kommen Weintrauben und Pfirsiche, welch letztere besonders saftig
sind.
Wenn man diesen Anschluß vermeiden will, muß man entweder das letzte Substantiv
von dem vorausgehenden distanzieren oder mit einem neuen Satz beginnen:
Aus Italien kommen Weintrauben und außerdem Pfirsiche, die besonders saftig
sind.
Aus Italien kommen Weintrauben und Pfirsiche. Die Pfirsiche sind besonders
saftig.
2. Wird ein einzelner oder ein einzelnes aus einer Gesamtheit herausgehoben und
schließt sich ein Relativsatz an das die Gesamtheit bezeichnende Wort an, dann
steht das Pronomen dieses Relativsatzes nicht im Singular, sondern im Plural:
Er war einer der ersten, die das taten (und nicht: der das tat). Frankfurt ist eine
der wenigen Großstädte, in denen es eine solche Einrichtung gibt (und nicht: in
der es ...).

ß) Der Relativsatz in der Rolle eines Satzgliedes


I. Seine Leistung
1064 Der Relativsatz in der Rolle eines Satzgliedes ist im Gegensatz zu dem
nur beigefügten Relativsatz in der Rolle eines Attributs Bestandteil
des Hauptsatzes selbst. Er vermag hier das gleiche zu leisten wie das
Glied, an dessen Stelle er steht.
Das Satzgefüge 513

Der Relativsatz steht in der Rolle


des Subjekts:
Wer nicht hören will, muß fühlen,
des Gleichsetzungsnominativs oder -akkusativs:
Er ist heute erst, was ich vor fünf Jahren war. Ich muß ihn das schelten, was
ich ihn schon einmal gescholten habe, einen Zauderer.
des Akkusativobjekts:
Er wußte, was ich wollte.
des Dativobjekts:
Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand (Sprw.).
des Genitivobjekts:
Er entbehrte all dessen, was man unbedingt zum Leben braucht.
des Präpositionalobjekts:
Er erinnerte mich an alles, was ich gesagt hatte.
der Raumergänzung:
Wo früher Wiesen waren, stehen jetzt Häuser,
der freien Umstandsangabe (hier Artangabe):
Lauf, was du kannstf

2. Seine Einleitewörter
a) wer, was
Die Einleite Wörter des Relativsatzes in der Rolle eines, Satzgliedes 1065
sind die Relativpronomen „wer“ und „was“ (vgl. 479) :
Er wußte, wer kam. Er wußte, was ich wollte.
Wenn eine bestimmte Person gemeint ist, steht „der“ statt „wer“:
Der da lag ..., war also nicht der Großvater selbst (Th. Mann).
Über den Ersatz von „wer“ durch „was“ in der Umgangssprache
und in der Dichtung vgl. 1206, 3.
b) Relativadverbien
Die Relativadverbien „wo, wohin“ u. a. geben räumliche Bezüge an: 1066
Er wußte sehr gut, wohw.er fahren sollte.
Die mit einer Präposition verschmolzenen Relativadverbien (wo¬
mit, wodurch, woran, worum u. a.) können sich wiederum auf alle
Sachsubstantive beziehen (vgl. 1061):
Ich fragte ihn, womit ich ihm eine Freude bereiten könnte. Ich weiß nicht
mehr, worum es sich handelte. Woran die Menge glaubt, ist leicht zu glauben
(Goethe).
Im Gegensatz zu den Relativsätzen in der Rolle eines Attributs
(vgl. 1061) sind hier die mit einer Präposition verbundenen Relativ¬
adverbien noch fest im Gebrauch. Ihre Verdrängung durch „was“
mit einer Präposition gilt als umgangssprachlich (vgl. 558):
Ich fragte ihn, mit was (statt: womit) ich ihm eine Freude bereiten könnte.

3. Korrelate
Oft wird der Relativsatz in der Rolle eines Satzgliedes schon im Haupt- 1067
satz durch ein Demonstrativpronomen oder durch ein unbestimmtes
514 Der zuammengesetzte Satz

Für- oder Zahlwort angekündigt. Das Ankündigungswort und das fol¬


gende Relativ stehen dann korrelativ:
Er bekam alles, was er sich gewünscht hatte.
Andere korrelative Paare sind:
der, der weniges, was
der, welcher manches, was
derjenige, der sonstiges, was
derjenige, welcher etwas, was
derselbe, der nichts, was
derselbe, welcher
das, was allerlei, was
dasjenige, was mancherlei, was
dasselbe, was vielerlei, was
einiges, was allerhand, was
vieles, was folgendes, was
Das Demonstrativpronomen kann auch dem Relativsatz nachgestellt
sein. Diese Stellung ist für Sinnsprüche charakteristisch:
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. ...
Bei Relativsätzen, die in der Rolle einer Raumangabe stehen, kann
ein Adverb Korrelat sein:
Das Haus steht dort, ivo der Weg in den Wald biegt.

b) Der indirekte Fragesatz (Interrogativsatz'


a) Seine Leistung
1068 Der indirekte Fragesatz ist im Unterschied zum direkten Fragesatz (vgl.
857, 4) von einem Hauptsatz abhängig. Er läßt sich durch geringe Ände¬
rungen in der Wortstellung in eine direkte Frage zurück verwandeln:
Erzähle mir, was du gesehen hast = Erzähle mir: Was hast du gesehen ?
In seiner Rolle als Satzglied oder Gliedteil vermag der indirekte Fragesatz
zu sein:
Subjekt:
Ob er noch kommt, ist völlig ungewiß.
Objekt:
Ich weiß nicht, ob er noch kommt.
Attribut:
Die Ungewißheit, ob er kommt, beunruhigt mich.

ß) Seine Einleitewörter
1069 Die Einleitewörter des indirekten Fragesatzes können sein:
1. die Interrogativpronomen (vgl. 481 ff.) wer, was, welcher, was für
ein u. a.:
Er sagt mir nicht, iver eben gekommen ist. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.

2. die Interrogativadverbien (vgl. 555) wo, wohin, woher, wann, wie,


warum u. a.:
Er. überlegte sich, wohin er gehen sollte. Ich möchte wissen, warum er nicht
kommt.
Über das Hinüberwechseln des zweiten Teiles der zusammengesetzten Interrogativ¬
adverbien wohin, woher zum Verb (Er überlegte sich, wohin er gehen sollte oder: wo
er hingehen sollte) vgl. 556.
Das Satzgefüge 515

3. die Konjunktion „oi“


Während die Interrogativpronomen und -adverbien wie in der direk¬
ten Frage nur dort stehen, wo nach Personen, Sachen oder Umständen
gefragt wird, steht „ob“ überall dort, wo ein in Frage gestelltes Ver¬
halten von einem übergeordneten Satz abhängig ist (vgl. 1072):
Sieh, ob die Mutter kommt. Frage ihn, ob er mit uns essen will.

y) Korrelate
Auch hier kann, wie beim Relativsatz (vgl. 1067), das durch den indirek- 1070
ten Fragesatz vertretene Satzglied bereits im Hauptsatz durch ein Kor¬
relat angekündigt werden:
Das möchte ich wissen, was er über mich gesagt hat. Ob er die Wahrheit gesagt hat,
darüber wage ich mich nicht zu äußern.

6) Seine Abgrenzung gegenüber dem Relativsatz und dem sogenannten


Inhaltssatz
Indirekte Fragesätze lassen sich von Relativsätzen in der Rolle eines 1071
Satzgliedes (vgl. 1064) oft nur vom Inhalt her unterscheiden. Um einen
Relativsatz in der Rolle eines Akkusativobjekts handelt es sich in dem
Beispielsatz:
Ich erzähle nur, was ich wirklich gesehen habe (= das, was ich gesehen habe).
Um einen indirekten Fragesatz in der gleichen Satzgliedrolle aber handelt
es sich in dem Satz:
Ich konnte nicht erfahren, was er wirklich gesehen hatte. (Was hatte er gesehen?)
Es gibt aber auch Sätze, die sowohl Relativsatz als auch indirekter Frage¬
satz sein können. Die Absicht des Sprechenden kann dann nur aus dem
Redezusammenhang ermittelt werden:
Ich habe mir lange überlegt, was er gesagt hat.
Als Relativsatz:
Ich habe mir lange all das überlegt, was er gesagt hat.
Als indirekter Fragesatz:
Ich habe mir lange überlegt, was er wohl gesagt hat.
Die indirekten Fragesätze berühren sich gelegentlich mit den sogenann¬
ten Inhaltssätzen (vgl. 1073), da auch ihr Inhalt das Wesentliche der
Gesamtaussage sein kann:
Ich fühle, wie meine Kräfte allmählich abnehmen.

c) Der Konjunktionalsatz
Auch die Konjunktionalsätze können wie die Relativsätze und die indi- 1072
rekten Fragesätze in der Rolle eines Satzgliedes oder eines Attributes
stehen. Zu ihnen sind auch die ob-Sätze zu rechnen, die wir nur um des
Zusammenhanges willen bereits bei dem indirekten Fragesatz behandelt
habpn (vgl. 1069, 3).

a) Der Konjunktionalsatz in der Rolle eines Satzgliedes


1. Der Konjunldionalsatz in der Rolle des Subjekts, des Objekts und. des
Gleichsetzungsnominativs
Die Konjunktionalsätze in der Rolle des Subjekts, des Objekts und des 1073
Gleichsetzungsnominativs sind daß-Sätze:
516 Der zusammengesetzte Satz

Subjekt:
Daß du mir schreiben willst, freut mich besonders.
Gleichsetzungsnominativ :
Die Hauptsache ist, daß du kommst.
Akkusativobjekt:
Ich weiß, daß du ein Künstler bist.
Genitivobjekt:
Er rühmt sich, daß er unschlagbar sei.
Präpositionalob j ekt:
Er besteht darauf, daß ich ihn zuerst besuche.
Da die daß-Sätze den wesentlichen Inhalt der Gesamtaussage ent¬
halten, nennt man sie auch Inhaltssätze. Der grammatische Haupt¬
satz wirkt ihnen gegenüber nur wie eine Anführung der eigentlichen
Setzung:
Wir wissen, daß er uns ein lieber Freund ist.
Wie sehr die daß-Sätze Kern der ganzen Setzung sind, ergibt sich am
deutlichsten daraus, daß sich das grammatische Unterordnungsver¬
hältnis oft umkehren läßt:
Er ist uns ein lieber Freund, wie wir wissen.
1074 Bei den daß-Sätzen in der Rolle eines Subjekts und eines Akkusativ¬
oder Genitivobjekts stehen.nur selten Korrelate im Hauptsatz:
Daß dieses Mädchen die Schönste->war, (das) wurde mir bereits erzählt. Ich
habe (es) genau gesehen, daß er das Geld eingesteckt hat.
Korrelate stehen aber fast immer, wenn der daß-Satz in der Rolle
eines Präpositionalobjekts steht:
Er dachte nicht daran, daß sich sein Glück noch einmal wenden könnte. Ich be¬
stehe darauf, daß du dich entschuldigst. Mein Freund wird schon dafür sorgen,
daß alles gut geht. Ich bleibe dabei, daß alles falsch ist.

1075 2. Der Konjunktionalsatz in der Rolle einer Umstandsergänzung oder


einer freien Umstandsangabe (Umstandssätze)
Konjunktionale Gliedsätze, die in der Rolle von Umstandsergänzun¬
gen oder freien Umstandsangaben stehen, gehören zu den Umstands¬
sätzen1. Man teilt sie wie diese nach ihrem Sachgehalt ein. Es gibt
konjunktionale Temporal-, Modal- und Kausalsätze2. Daß sich die
Umstände auch hier nicht immer voneinander trennen lassen, zeigt
sich besonders deutlich an dem schwankenden Gebrauch der Konjunk¬
tionen in Verbindung mit ihren Korrelaten (vgl. 1081; 1084; 1088).
Zu den Konjunktionen, die den einzelnen Umständen zugeordnet sind,
vgl. 593 ff.
a) Der Temporalsatz
1076 Der Temporalsatz gibt an, wann sich das Verhalten des Subjekts
im Hauptsatz vollzieht:
Als es im Saal völlig still geworden war, erhob der Dirigent den Taktstock.

1 Es gibt auch Umstandssätze ohne Einleitewort (vgl. 1093).


2 Lokale Umstandssätze werden nicht durch Konjunktionen, sondern durch Relativ-
adverbien eingeleitet (vgl. 1066).
Das Satzgefüge 517

Das Zeitverhältnis, in dem das Geschehen im Temporalsatz 1077


zu dem im Hauptsatz steht, wird durch die Konjunktion und
durch das Tempus des Verbs im Temporalsatz ausgedrückt. Das
Verhältnis kann gleichzeitig, vorzeitig und nachzeitig sein. (Über
die Konjunktionen für diese Verhältnisse vgl. 597.)
Gleichzeitig: Wir waren kaum zu Hause, als es anfing zu regnen. Während
ich bei dem Verunglückten blieb, holte mein Freund den Arzt.
Vorzeitig: Ihm fiel sein Versprechen erst ein, nachdem er weggegangen war.
Nachzeitig: Bevor du schlafen gehst,, mußt du mir noch etwas behilflich
sein. Ich bitte dich um Geduld, bis ich von meiner Reise zurückkomme.

Als Korrelate der Konjunktionen des Temporalsatzes können 1078


die Zeitadverbien „da, damals, dann, darauf, jetzt“ u. a. stehen:
Als wir in das Haus hineingingen, da kam er gerade heraus. Wenn du wieder¬
kommst, dann wollen wir feiern.

Beachte:
1. Die zeitliche Bedeutung der Konjunktion „während“ kann so stark zurück¬
treten, daß ein adversatives Verhältnis entsteht (vgl. 596).
2. Bei dem Gebrauch der temporalen Konjunktionen als und wie besteht oft
Unsicherheit wegen des zu setzenden Tempus.
Bei der Vergangenheit steht schriftsprachlich im allgemeinen als:
Als wir nach Hause kamen, war die Tür geöffnet.
Wie ist hier zwar auch literarisch zu belegen; im ganzen ist es jedoch bei der
Vergangenheit stärker auf den umgangssprachlichen Bereich beschränkt.
Bei der Gegenwart empfiehlt sich dagegen wie auch ln der Schriftsprache. Als
ist hier veraltet:
Wie ich an seinem Fenster vorbeigehe, höre ich ihn singen.
3. Die Konjunktion nachdem wurde früher temporal und kausal verwendet. Der
kausale Gebrauch ist in der Schriftsprache heute jedoch nicht mehr üblich. Er
findet sich nur noch landschaftlich, vor allem in Österreich. Daher erklärt sich
die oft zu bemerkende Unsicherheit bei der Anwendung dieser Konjunktion.
Es empfiehlt sich also, nachdem nur noch temporal zu verwenden, und auch nur
dann, wenn das Geschehen im Gliedsatz vor dem Geschehen im Hauptsatz voll¬
endet ist:
Nachdem das Urteil verkündet worden war, wurde die Sitzung geschlossen.
4. Die temporale Konjunktion wenn darf nicht mit dem Fragewort wann verwech¬
selt werden. Es muß also heißen: ■
Wann kommst du ?
und nicht (wie umgangssprachlich weithin üblich):
Wenn kommst du ?

b) Der Modalsatz
Der Modalsatz gibt an, wie sich das Verhalten des Subjekts im
Hauptsatz vollzieht.
Dabei kehren nur wenige der Modalumstände wieder, die wir bei der 1079
Betrachtung der Umstandsergänzungen und der freien Umstands¬
angaben angetroffen haben (vgl. 1032). Umgekehrt treten neue
Modalumstände hinzu (vgl. zu diesen Umständen und den dazu¬
gehörigen Konjunktionen Ziff. 598). Die Modalsätze können fol¬
gende Umstände bezeichnen:
1. die Modalität im engeren Sinne:
Er verabschiedete sich von mir, indem er mir freundlich zulächelte.
518 Der zusammengesetzte Satz

2. den fehlenden oder stellvertretenden Umstand:


Er verleumdete mich, ohne claß er einen Grund dafür hatte. Er redete,
[anfstatt daß er handelte1.
3. den einschränkenden (restriktiven) Umstand:
Soweit ich dies beurteilen kann, hat er richtig gehandelt. Soviel ich mich
erinnere, ist er in Hamburg geboren.
1080 Auch Vergleichssätze können in der Rolle von Artergänzungen
oder freien Artangaben stehen. Sie sagen dann nichts über die
Modalität des Verhaltens im Hauptsatz selbst aus wie die eigent¬
lichen Modalsätze, sondern vergleichen dieses Verhalten mit der
Modalität eines anderen Verhaltens. Dabei können die verschie¬
denen Modalumstände (Qualität, Quantität, Intensität) wieder¬
kehren.
Ist die Modalität des Verhaltens in Haupt- und Gliedsatz gleich,
dann steht die Konjunktion „wie“, ist sie ungleich, dann steht
die Konjunktion „als“:
Ilse ist so schön, ivie ihre Mutter es im gleichen Alter war.
Ilse ist schöner, als ihre Mutter es im gleichen Alter war.
„Als“ steht jedoch auch bei Gleichheit, wenn es sich um die fest
gewordenen Konjunktionspaare „als ob, als wenn [auch: wie
wenn]“ handelt:
Er gibt sein Geld aus, als ob er Millionär wäre.
1081 Als Korrelate der Konjunktionen des Vergleichssatzes können
„so, ebenso, insofern“ stehen:
Er handelt immer so, wie es sein Vorteil verlangt. Er wird sich ebenso quälen
müssen, wie ich mich gequält habe. Er ist insofern unentbehrlich, als er über
Spezialkenntnisse verfügt.

Beachte:
1. Nach dem Korrelat insofern wird öfters die Konjunktion als durch die Kon¬
junktion weil ersetzt, weil die kausale Bedeutung des Gliedsatzes empfunden
wird. Dieser Gebrauch gilt jedoch noch nicht als schriftsprachlich.
2. Die Konjunktionen als, als ob, als wenn, wie wenn können nur dann für die
Konjunktion daß stehen, wenn der Inhalt cles Gliedsatzes nicht als Tatsache,
sondern als annähernder Vergleich aufgefaßt wird:
Ich habe das Gefühl, daß mir noch eine Überraschung bevorsteht. Ich habe
das Gefühl, als ob mir noch eine Überraschung bevorstünde.
1082 Dem Vergleichssatz nahe steht der Proportionalsatz. Mit
seiner Hilfe wird angegeben, daß sich der Grad oder die Intensität
des Verhaltens im Hauptsatz gleichmäßig mit dem Verhalten im
Gliedsatz ändert:
Je älter er wird, desto bescheidener wird er.
Die Konjunktion „je“ des Proportionalsatzes ist immer auf ein
Korrelat im Hauptsatz angewiesen. Dies können sein „desto,
um so“ und das in dieser Stellung veraltete „je“:
Je länger ich ihn kenne, desto (um so, je) lieber habe ich ihn.

\ Flüssiger klingen hier satzwertige Infinitive (vgl. 1039): Er verleumdete mich, ohne
einen Grund dafür zu haben.
Das Satzgefüge 519

c) Der Kausalsatz
Nach den unterschiedlichen kausalen Beziehungen, die in den
Kausalsätzen zum Ausdruck kommen, unterteilt man die Kausal¬
sätze weiterhin. Über die Konjunktionen, die diese Beziehungen
ausdrücken, vgl. 599.
aa) Der reine Kausalsatz 1083
Der reine Kausalsatz gibt an, warum sich das Verhalten des
Subjekts im Hauptsatz vollzieht.
Er'wird gewöhnlich mit den Konjunktionen „weil“ und „da“
eingeleitet. Als Korrelate der Konjunktion „weil“ können im
Hauptsatz stehen „darum, deswegen, deshalb“:
Sie wagen sich nicht herein, weil sie sich fürchten. Da alle Zeugen einer
Meinung sind, wird das Urteil bald zu erwarten sein. Weil du böse
warst, darum, (deswegen, deshalb) darfst du nicht mitgehen.
Der reine Kausalsatz kann auch mit der Konjunktion „daß“
in Verbindung mit den Korrelaten „daher, daran, darin, darum,
davon, daraus, dafür“ eingeleitet werden:
Das zeigte sich besonders daran, daß er schmutzige Schuhe hatte.
In vielen Fällen, besonders bei den Korrelaten „daher“ und
„darum“, steht jedoch die stärker kausal empfundene Kon¬
junktion „weil“ für „daß“:
Das kommt daher, iveil du nicht gehört hast.

Beachte:
1. Zwischen dem Gebrauch der kausalen Konjunktionen weil und da bestehen
feine Unterschiede.
Weil wird fast immer dann verwendet, wenn das Geschehen im kausalen
Gliedsatz gewichtig und neu ist. Der Gliedsatz ist dann meist Nachsatz:
Wir können nicht kommen, iveil der Vater krank ist. Es geschah des¬
halb, weil ich dir zeigen wollte, daß ...
Da wird häufig verwendet, wenn das Geschehen im Gliedsatz ohne be¬
sonderes Gewicht ist, weil es bereits als bekannt vorausgesetzt wird. Der
Gliedsatz ist dann meist Vordersatz:
Da dies nun einmal so ist, mußt du dich mit dieser Tatsache abflnden.
Da der Vater krank ist (wie du ja weißt!), können wir nicht kommen.
2. Das Weglassen der kausalen Konjunktion da nach den Adverbien zumal
und nun wird gelegentlich noch als Fehler bezeichnet. Wir stehen hier jedoch
vor dem allgemeinen Ehtwicklungsvorgang, daß Teile des Hauptsatzes in
den Gliedsatz übertreten, sich hier an die Stelle der ursprünglichen Konjunk¬
tion setzen und dadurch selbst Konjunktion werden können:
Ich kann es ihm nicht abschlagen, zumal [da] er immer so gefällig ist.
Nun [da] die Reise einmal beschlossen wrar, fuhren wir trotz des Regens.
Auf diese Weise sind viele unserer Konjunktionen entstanden, z. B. auch
weil. Mittelhochdeutsch: die wdle daz ... (w'elche Weile ? Der daß-Satz war
hier noch Attributsatz zu wile). Vgl. hierzu 1084, Beachte, 1.

bb) Der Konditionalsatz


Der Konditionalsatz gibt an, unter welcher Bedingung sich 1084
das Verhalten des Subjekts im Hauptsatz vollzieht. Er wird
eingeleitet mit den Konjunktionen „wenn“ und „falls“. Als
520 Der zusammengesetzte Satz

Korrelate dieser Konjunktionen können im Hauptsatz stehen:


„dann“ und „alsdann“:
Wenn das wahr ist, dann ist Schlimmes zu befürchten. Falls die Haus¬
tür geschlossen ist, gehe über den Hof!

Beachte:
1. Oft werden zu den Konjunktionen des Konditionalsatzes auch die Fügun¬
gen im FallfeJ, daß; unter der Voraussetzung (Bedingung), daß; vorausge¬
,
setzt daß; gesetzt den Fall, daß gerechnet. Es handelt sich hier jedoch nicht
um Konjunktionen, sondern entweder um ein Substantiv mit einem Attri¬
butsatz (im Falle, daß ... = in welchem Falle?) oder um ein Partizip mit
einem Inhaltssatz als Subjekt (vorausgesetzt, daß = es sei vorausgesetzt,
daß ...). Daß sich auch hier ein Substantiv mit seiner Präposition an die
Stelle der ursprünglichen Konjunktion setzen und damit selbst Konjunk¬
tion werden kann (vgl. 1083, Beachte, 2), zeigt sich bei obengenannten
Beispielen nur bei im FallfeJ, daß.
Im Fall [,daß] du kommst, gehen wir ins Theater. [Aus der freien Um¬
standsangabe als Satzglied + Attribut (im Falle, daß ... = in welchem
Falle?) ist ein Umstandssatz geworden (Im Fall du kommst, ...)]
2. Da sich die Konditionalsätze mit den reinen Kausalsätzen überschneiden
können, wird die Konjunktion wenn gelegentlich für daß gebraucht:
,
Das kommt davon wenn [daß] man so gutmütig ist.
Man wird diesen Gebrauch der Konjunktion wenn zulassen müssen, solange
er sich auf Gliedsätze mit überwiegend konditionaler Bedeutung beschränkt.

cc) Der Konsekutivsatz


1085 Der Konsekutivsatz gibt an, was aus dem Verhalten des Sub¬
jekts im Hauptsatz folgt.
Er wird eingeleitet mit den Konjunktionen „daß, so daß, als
daß“. Als Korrelat der Konjunktion „daß“ steht im Hauptsatz
sehr häufig „so“:
Ich bin so glücklich, daß ich weinen könnte. Ich bin ganz verwirrt, so
daß ich keine Antwort finde. Du bist noch zu jung, als daß ich dir alles
erzählen könnte.

dd) Der Finalsatz


1086 Der Finalsatz gibt an, zu welchem Zweck sich das Verhalten
des Subjekts im Hauptsatz vollzieht. Er wird eingeleitet mit
den Konjunktionen „damit, daß“:
Gib acht, damit du dich nicht verletzt. Ziele gut, daß du den Apfel
treffest auf den ersten Schuß! (Schiller).
Der finale Gedanke wird jedoch am häufigsten durch einen
satzwertigen Infinitiv mit „um - zu“ ausgedrückt (vgl. 1040, c,
8 u. 1041,5):
Er kam zu mir, um gelobt zu werden.

ee) Der Konzessivsatz


1087 Der Konzessivsatz nennt einen Gegengrund zum Verhalten des
Subjekts im Hauptsatz. Dieser Grund reicht jedoch nicht aus,
um das Verhalten im Hauptsatz zu verhindern.
Das Satzgefüge 521

Er wird eingeleitet mit den Konjunktionen „obgleich, obwohl,


obschon, wenn auch, wennschon, trotzdem“ u. a. (vgl. 599, e):
Ich liebe ihn, obwohl er mich hintergangen hat. Er kam, trotzdem er er¬
kältet war.

Beachte:
Die Verwendung von „trotzdem“ als unterordnende Konjunktion wird ge¬
legentlich noch getadelt. Wir stehen hier jedoch vor dem gleichen Entwick¬
lungsvorgang, den wir in Ziflf. 1083, Beachte, 2 und iii ZifF. 1084,1 (im Falle,
daß) bereits kennengelernt haben. Aus der freien Umstandsangabe des Haupt¬
satzes als Satzglied + Attributsatz (trotz dem, daß ...) ist ein Umstands¬
satz mit der Konjunktion trotzdem geworden (vgl. 605).

ff) Der Instrumentalsatz


Der Instrumentalsatz nennt das Mittel, mit dessen Hilfe sich 1088
das Verhalten des Subjekts im Hauptsatz vollzieht.
Er wird eingeleitet mit der Konjunktion „indem“ und der
Konjunktion „daß“ in fester Verbindung mit den Korrelaten
„dadurch“ und „damit“:
Er vernichtete die unbrauchbar gewordenen Lebensmittel, indem [da¬
durch, daß] er Benzin darüber goß und sie anzündete. Er erwarb seinen
Unterhalt damit, daß er tagaus, tagein auf den Hinterhöfen musizierte.
Beachte:
Da sich die Instrumentalsätze vor allem dann stark mit den reinen Kausal¬
sätzen überschneiden, wenn das Korrelat dadurch im Hauptsatz steht, wird
hier oft die Konjunktion weil für daß verwendet:
Du wurdest nur dadurch gerettet, weil [daß] ich dich am Haarschopf
fassen konnte.
Man wird diesen Gebrauch der Konjunktion weil nicht als Fehler werten
können, solange er sich auf Gliedsätze mit überwiegend kausaler Bedeutung
beschränkt.
Der Gebrauch der Konjunktion weil für daß ist jedoch dann fehlerhaft,
wenn der Gliedsatz reiner Instrumentalsatz ist:
Er erwarb seinen Unterhalt damit, daß [und nicht: weil] er auf den
Hinterhöfen musizierte.

ß) Der Konjunktionalsatz in der Rolle eines Attributs


Konjunktionalsätze können wie Relativsätze (vgl. 1057) und indirekte 1089
Fragesätze (vgl. 1068) in der Rolle eines Attributs stehen.
Es handelt sich dabei meist um daß-Sätze (Inhaltssätze):
Ich bin der Überzeugung, daß uns der Friede erhalten bleibt. (Welcher Überzeu¬
gung ?) Er hat den Fehler, daß er jeden Abend ins Wirtshaus gehl (Welchen Fehler ?)
Er konnte sich nicht von der Erinnerung lösen, daß sein bester Freund ihn verraten
hatte. (Von welcher Erinnerung ?)

Aber auch andere Konjunktionen können Attributsätze einleiten. Unter


ihnen wieder am häufigsten die Vergleichspartikeln „wie“ und „als“:
Sie machen einen Krach, als ob eine Kompanie Soldaten über uns exerzierte. (Was
für einen Krach ?) Oft erscheinen mir Gestalten, wie ich sie im Traum gesehen habe.
(Was für Gestalten ?) Die Sorgfalt der Tochter, damit alles zum Empfang der Mutter
gut vorbereitet sei, ist bewundernswert. (Welche Sorgfalt?) Zur Zeit, als man noch
hoch zu Pferde ausritt, ... (Zu welcher Zeit ?)
522 Der zusammengesetzte Satz

In allen diesen Fällen leisten die Konjunktionalsätze das gleiche wie die
Relativsätze und die indirekten Fragesätze in der Rolle eines Attributs,
nämlich die Verweisung umfangreicher Bestimmungen in die Anschlu߬
stellung (vgl. 1057).

4. Gliedsätze ohne £inleitewörter


1090 Die Gliedsätze ohne Einleitewörter #bilden den Übergang zwischen dem
Satzgefüge im engeren Sinne (mit Einleitewörtern) und der Satzreihe
(vgl. 1046). Sie sind sprachgeschichtlich älter als die Gliedsätze mit einem
Einleitewort.
Da diesen Gliedsätzen das von dem Einleitewort gebildete Eröffnungs¬
signal fehlt, kann man sie nur an dem inhaltlichen Abhängigkeitsverhältnis
erkennen, das zwischen den Teilsätzen besteht. Dazu tritt als Erken¬
nungszeichen - soweit noch üblich - der Konjunktiv des Gliedsatzes
(vgl. 1108ff.) und bei den meisten Umstandssätzen die Anfangsstellung
der Personalform des Verbs (vgl. 1210, 7).

a) Der Inhaltssatz als Gliedsatz ohne Einleitewort


1091 Gliedsätze ohne Einleitewort werden besonders gern für daß-Sätze (In¬
haltssätze; vgl. 1073) verwendet, weil sie geschmeidiger sind als diese.
Dies gilt vor allem nach den Verben des Sagens, Hörens, Denkens oder
Fühlens, wo sich der Gliedsatz in der Rolle eines Objekts befindet:
Er sagte, er sei krank gewesen. Ich weiß, er ist unschuldig. Ich bat ihn, er möge doch
kommen. Ich erinnere mich, er hatte weiße Haare.
Ein Inhaltssatz ohne Einleitewort in der Rolle eines Akkusativobjekts
ist auch die direkte Rede:
Er sagte: „Ich bin krank gewesen.“
Der Gliedsatz ohne Einleitewort k^nn aber auch an Stelle eines daß-
Satzes als Subjekt stehen:
Es ist gewiß, wir werden ihn bald Wiedersehen.
Schließlich kann er auch den daß-Satz in der Rolle eines Attributs ver¬
treten :
Dieser Mann hatte eine sonderbare Gewohnheit, er trug seinen Regenschirm wie ein
Gewehr über der Schulter.

h) Der indirekte Fragesatz als Gliedsatz ohne Einleitewort


1092 Gliedsätze ohne Einleitewort stehen hier und da auch an Stelle von indi¬
rekten Fragesätzen, die sonst mit der Konjunktion „ob“ eingeleitet wer¬
den (vgl. 1069,3):
Ich weiß nicht mehr, kommt er oder kommt er nicht. Ich frage mich immer, ist er
fleißig oder tut er nur so.

c) Umstandssätze als Gliedsätze ohne Einleitewort


1093 Von den Umstandssätzen stehen die Konditionalsätze (vgl. 1084) und die
Konzessivsätze (vgl. 1087) am häufigsten ohne Einleite wort.
a) Konditionalsätze ohne die Konjunktion „wenn“:
Kannst du es nicht allen recht machen, dann mache es wenigstens so, daß ... Seid ihr
aulgeregt, dann glückt euch gar nichts. Versagen die Bremsen, dann ist alles verloren.
Das Satzgefüge 523

ß) Konzessivsätze ohne die Konjunktionen „obgleich, obwohl, wenn


auch“ u. a.:
Ist es auch dunkel, wir werden das Ziel schon erreichen. Der Weg sei noch so lang, wir
werden ihn bewältigen.

y) Konsekutivsätze (vgl. 1085) stehen in gehobener Sprache gelegent¬


lich ohne die Einleitewörter „daß [nicht], ohne daß“:
Es ist keine Mutter so arm, sie hält ihr Kindlein warm (Auerbach). Es ist kein Lügner
so schlau, er verrät sich doch.

Beachte:
An der Naht zwischen der Satzreihe und dem Satzgefüge stehen in noch stärkerem
Maße als die Gliedsätze ohne Einleitewort jene Sätze, die inhaltlich einander untergeord¬
net, der Form nach aber nebengeordnet sind:
Sei so gut und tue das. Wenig fehlte, und er hätte mir ins Gesicht geschlagen.

5. Überblick über den Ersatz von Satzgliedern 1094


oder Gliedteilen durch Gliedsätze

Satzglied Gliedsatz (mit oder ohne Einleitewort)

Subjekt Relativsatz
Wer nicht hören will, muß fühlen. 0)
indirekter Fragesatz 1
Ob er kommt, ist völlig ungewiß.
Inhaltssatz
|
S
P
Daß du mir schreiben willst, freut mich ÖQ
besonders. Es ist gewiß, wir werden
ihn bald Wiedersehen. \

Gleichsetzungs- Relativsatz i
nominativ Er ist heute erst, icas ich vor fünf Jah- ob
ren uar. faß
Ö ®
Inhaltssatz P s

Die Hauptsache ist, daß du kommst. © ä


00
Relativsatz .2
Gleichsetzungs¬ O rP
akkusativ . 2 00
Ich nenne ihn auch heute das, was ich
ihn schon früher genannt habe, nämlich 3
einen Lügner.
Akkusati vob j ekt Relativsatz
Er wußte, was ich wollte.
indirekter Fragesatz ©
N
+3
Ich weiß nicht, ob er kommt. Ich weiß
nicht mehr, kommt er oder kommt er 1
nicht. ©
Inhaltssatz s
o
Ich weiß, daß du ein Künstler bist. Er
sagte, er sei krank gewesen. Er sagte:
„Ich bin krank gewesen
524 Der zusammengesetzte Satz

Satzglied Gliedsatz (mit oder ohne Einleitewort)

Dativobjekt Relativsatz
Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er
auch den Verstand.
Genitivobjekt Relativsatz
Er entbehrte all dessen, was man un¬
bedingt zum Leben braucht.
indirekter Fragesatz
Ich erinnere mich nicht mehr, ob ich

Objektsätze
ihn wirklich gesehen habe.
Inhaltssatz
Er rühmt sich, daß er unschlagbar sei.
Ich erinnere mich, er hatte weiße Haare.
Präpositional¬ Relativsatz
objekt Er erkundigte sich, was ich im Theater
gesehen hätte.
indirekter Fragesatz
Ich zweifle daran, ob dieser Versuch
gelingt.
Inhaltssatz
Er besteht darauf, daß ich ihn zuerst
besuche.

Umstands¬ Relativsatz
ergänzung Wo früher Wiesen waren, stehen jetzt
des Raumes Häuser.

Konj unktionalsatz
der Zeit Das Fest dauerte, bis der Morgen
graute.
der Art Er benahm sich, als ob er ein Fürst
Umstandssätze

wäre.
des Grundes Das Unglück geschah, weil er pmackt-
sam war.

freie Umstands¬
angabe Relativsatz
des Raumes Die Kinder spielen dort, ivo der Weg
in den Wald biegt.
der Art Lauf, was du kannst.
Konj unktionalsatz
der Zeit Als es dunkel geworden ivar, gingen wir
nach Hause.
der Art Er begrüßte mich, indem er mir auf
die Schulter klopfte.
des Grundes Sie wagen sich nicht herein, weil sie
sich fürchten. Seid ihr aufgeregt, dann
gelingt euch gar nichts.
Das Satzgefüge 525

Gliedteil Gliedsatz (mit oder ohne Einleitewort)

Attribut Relativsatz
Die Lerche, die im Äther singt, ...
indirekter Fragesatz
Die Ungewißheit, ob er kommt, beun¬
1
GQ
+=>
ruhigt mich. 3
Kon j unktionalsatz •+3
Er hat den Fehler, daß er jeden Abend <
ins Wirtshaus geht. Sie machen einen
Krach, als ob die Hölle los wäre.

6. Teilsätze in der Form von Gliedsätzen mit voneinander


unabhängigen Sachverhalten (weiterführende Teilsätze)

Voneinander unabhängige Sachverhalte werden im allgemeinen durch ge- 1095


trennte Hauptsätze oder durch eine Satzreihe ausgedrückt:
Ich traf sie auf dem Marktplatz. Sie kaufte gerade ein. Er fuhr nach Frankfurt, und
er kaufte dort einen Anzug.

Es ist aber auch in begrenztem Maße möglich, voneinander unabhängige


Sachverhalte mit Hilfe eines Einleitewortes so aufeinander zu beziehen,
als ob es sich um eine Unterordnung von Haupt- und Gliedsatz handele.
Man spricht dann von weiterführenden Teilsätzen.

a) Weiterführende Teilsätze in der Form eines Relativsatzes


Das Beziehen unabhängiger Sachverhalte aufeinander geschieht am 1096
häufigsten mit Hilfe eines Relativs. Dieser Anschluß ist aber meist nur
dann zu billigen, wenn sich beide Teilsätze durch die Einschaltung eines
„aber, dann, denn, auch, darauf“ u. a. genügend voneinander distanziert
haben:
Sie machten einen Versuch, der aber restlos scheiterte. Ich suchte meinen Freund,
den ich auch endlich fand. Mein Wirt bereitete mir ein höchst wohlschmeckendes
Gastmahl, das mir aber sehr übel bekam (Goethe).
Vermeide aber Sätze wie die folgenden, weil die Nebenordnung beider Vorgänge offen¬
sichtlich ist oder weil man die beiden Sachverhalte nur in getrennten Sätzen ausdrücken
kann:
Er öffnete den Schrank, dem er einen Anzug entnahm. Richtig: Er öffnete den
Schrank und entnahm ihm einen Anzug. Machen Sie eine Probefahrt mit dem neuen
Wagen, der Ihnen gefallen wird. Richtig: Machen Sie eine Probefahrt mit dem neuen
Wägen. Er wird Ihnen gefallen.

Als schriftsprachlich gilt der weiterführende Anschluß mit dem lokalen


Relativadverb „wo“ und dem adversativen Relativadverb „wogegen“:
Ich komme eben aus der Stadt, wo ich Zeuge eines Unglücks gewesen bin. Und so
gelangten wir nach Rüdesheim, wo uns der Gasthof zur Krone sogleich anlockte
(Goethe). Wer nach seiner Überzeugung handelt, ... kann nie ganz zugrunde gehen,
wogegen nichts seelentötender wirkt, als ... (A. v. Droste-Hülshoff).
526 Der zusammengesetzte Satz

Üblich ist schließlich der Anschluß eines neuen Sachverhaltes mit dem
Relativ „was“, das sich auf den ganzen Inhalt des vorausgehenden
Satzes bezieht:
Mutter mußte immer wieder Märchen erzählen, was sie auch gerne tat.

b) Weit er führ ende Teilsätze in der Form eines indirekten Fragesatzes


1097 Neue Sachverhalte werden gelegentlich auch mit den konsekutiven Inter¬
rogativadverbien „weshalb“ und „weswegen“ an einen vorhergehenden
Sachverhalt angeschlossen:
Der Kerl suchte offenbar Streit, weshalb ich mich schleunigst entfernte.

c) Weiterführende Teilsätze in der Form eines Konjunktionalsatzes


1098 Unter den weiterführenden Teilsätzen in der Form eines Konjunktional¬
satzes sind wohl jene Sätze am häufigsten, die mit der temporalen Kon¬
junktion „als“ oder auch »»bis“ eingeleitet werden. Auch hier ist die
Distanzierung beider Teilsätze durch ein eingeschobenes „kaum, soeben,
gerade, schon, noch“ gebräuchlich:
Es war im August, als ich mit meinem Freund in Italien wanderte. Kaum sah er
mich, als er freudig auf mich zueilte. Niemand war vorbereitet, jedermann über¬
rascht, bis endlich ein munterer Offizier anfing und sagte ... (Goethe).

Auch die adversative Konjunktion „während“ kann weiterführend ver¬


wendet werden:
Sie setzte sich neben die Alte in den Fond des Wagens, während die jungen Mädchen
die Rückplätze einnahmen (Th. Mann).

Beachte:
Über die Verknüpfung von zwei unabhängigen Sachverhalten mit Hilfe der Infinitivkon¬
junktion „um ... zu“ vgl. 1041, 5.

7. Der mehrfach zusammengesetzte Satz (die Periode)


1099 Satzreihe und Satzgefüge lassen sich im Deutschen zu kunstvollen Ge¬
samtsätzen vereinigen, die man Perioden nennt. Sie führen bereits aus
der Grammatik hinaus und zur Stükunde hin. Es soll deshalb hier nur an
zwei Beispielen gezeigt werden, bis zu welchem Umfang sich Haupt- und
Gliedsätze vereinen lassen, ohne daß der Gesamtsatz gesprengt wird:
Dies Verhältnis ist das zentrale Kapitel seiner Biographie, und eine wie große Be¬
deutung die Begegnung, diese auf Gegensätzlichkeit, Polarität gegründete Freund¬
schaft auch für Goethe besessen haben mag, wie hoch er sie, namentlich nach des
anderen Tode, gehalten hat - der ihr eigentlich Verfallene, immer tief mit ihr Be¬
schäftigte, mit ihr Ringende, der, dem sie Leid und Glück jeder Liebesheimsuchung
ersetzte, war Schiller, und Goethes Verhalten darin war kühl und affektfern im Ver¬
gleich mit der zu ihm drängenden Haßliebe des Partners, der seinen Egoismus schilt,
von ihm als von einer spröd-hochmütigen Schönen redet, der man „ein Kind machen“
müsse, ganz und gar der Werbende ist; dessen erregt antithetisches Denken ganz
vom Dasein des anderen bestimmt ist und dessen Gefühl für dieses dem seinen so
fremde Dasein sich in Gedankenlyrik ergießt, welche in schwermütiger Demut, wenn
auch mit vollkommener Manneswürde, die heldische Mühe, die sein Teil und Los ist,
der Begnadung unterordnet und sich verbietet, ihr zu „zürnen“ (Thomas Mann,
Versuch über Schiller).
Das Satzgefüge 527

Aber auch die einfache Reihung von Hauptsätzen vermag durch die Hand
des Dichters stärkste Wirkung zu erzielen:
Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar;
der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel
wunderbar (M. Claudius). ;

8. Zeit und Aussageweise im Gliedsatz


Im Gliedsatz können von den drei Modi Indikativ, Konjunktiv und Impe¬
rativ nur die beiden ersten gebraucht werden.

a) Indikativ
a) Die Aussageweise des Indikativs
Der Indikativ steht im Gliedsatz aus den gleichen Gründen wie im Haupt- 1100
satz (vgl. 112-113). Der Sprechende will etwas objektiv Wirkliches und
Unbezweifelbares aussagen, etwas Sachliches feststellen oder einen Ge¬
danken als seinen eigenen vertreten:
Es steht fest, daß sich die Erde um die Sonne dreht. Er ahnte nicht, was sich inzwi¬
schen ereignet hatte. Er streitet ab, daß er das getan hat.
Darüber hinaus kann der Sprechende aber auch eine (subjektive) Be- 1101
hauptung, eine Annahme, eine Möglichkeit, einen Wunsch, eine Notwen¬
digkeit, eine Bedingung oder eine Frage im Indikativ ausdrücken, weil
sie ihm von der Gegenwart aus als subjektiv gewiß erscheinen. Diese
Sehweise ist die heute übliche, wenn der Hauptsatz im Präsens steht
(über den Konjunktiv, der hier noch möglich ist, vgl. 1108ff.):
1. Behauptung: v
Es gibt keinen Rehnfahrer, der schneller fährt.

2. Annahme:
Ich hoffe, daß sie schreibt. Wir fürchten, daß er bald sterben wird. Wir vermuten,
daß er es gewesen ist.

Dieser Indikativ tritt heute nach vielen Verben der Meinungswieder¬


gabe häufig auf, z. B. nach „annehmen, antworten, behaupten, beken¬
nen, berichten, beteuern, bezweifeln, denken, ein wenden, erklären,
erwidern, erzählen, folgern, gestehen, glauben, lehren, leugnen, mei¬
nen, melden, sagen, schließen, überzeugt sein, vermuten, versichern,
voraussetzen, sich vorstellen, zugeben” u. ä.
Ich nehme an, daß dies der heißeste Tag gewesen ist.

3. Möglichkeit:
Es ist möglich, daß es morgen regnet.

4. Wunsch:
Ich wünsche, daß er kommt.

5. Verlangen, Notwendigkeit:
Ich verlange, daß du fleißig bist.

6. Bedingung:
Ich gehe nicht, wenn es regnet.
528 Der zusammengesetzte Satz

7. Frage:
Ich frage mich, ob das noch Zweck hat.

Vom Blickfeld der Vergangenheit aus ist diese Sehweise nur dann
möglich, wenn Tatsachen der Vergangenheit vorliegen und diese dem
Sprechenden als solche bekannt sind:
a) Behauptung:
Es gab damals keinen Rennfahrer, der schneller fuhr.

b) Verlangen, Notwendigkeit:
Er verlangte, daß man seine Pflicht tat.

In den oben unter 2, 3, 4, 6, 7 genannten Fällen ist der Indikativ noch


nicht eingedrungen. Hier herrscht der Konjunktiv noch ausschließlich
(vgl. 1108 ff.).

ß) Die Tempora des Indikativs im zusammengesetzten Satz


1. Absolute und relative Tempora
1102 Wir lernten in den Abschnitten 77-102 die indikativischen Zeitformen
der Verben mit ihren Bedeutungen kennen. Zur Veranschaulichung
wählten wir Beispiele von Zeitformen, wie sie im einfachen Satz Vor¬
kommen. Wir müssen nun im Zusammenhang des Satzes hier noch
einiges nachholen, was in der Formenlehre keinen Platz finden
konnte.
Die Zeitformen des einfachen Satzes beurteilen die Zeit allein vom
Standpunkt des Sprechenden aus. Sie sind selbständig, ohne Ab¬
hängigkeit von der Zeit eines anderen Verhaltens. Man nennt sie
daher auch absolute Tempora.
Anders ist es im zusammengesetzten Satz. Hier wird - in der Satz¬
verbindung wie im Satzgefüge - die Zeit einer zweiten Verhaltens¬
einheit auf die Zeit einer ersten bezogen. Man nennt die Zeiten dieser
zweiten Verhaltenseinheit daher auch relative Tempora.
Präsens, Perfekt, Präteritum und 1. Futur können sowohl absolut
wie relativ gebraucht werden, Plusquamperfekt und 2. Futur werden
nur relativ gebraucht. Gewöhnlich stehen die absoluten Tempora im
Hauptsatz, die relativen im Nebensatz, doch kommen Ausnahmen
öfter vor.
Neben diesen Funktionen der Zeitformen spielt das Zeitverhältnis
eine gleich wichtige Rolle. Die Bezogenheit zweier Verhaltenseinheiten
kann im Verhältnis der Gleichzeitigkeit, der Vorzeitigkeit und der
Nachzeitigkeit stehen. Beispiele mögen das Gesagte verdeutlichen:

1103 I. Absolute Tempoiv


a) Präsens
Blinder Eifer schadet nur (Sprw.).
b) Perfekt
Nun hob' ich geschmiedet ein gutes Schwert (Uhland).
c) Präteritum
Auf dem Hofe ... gingen die Schüler in Reihen auf und nieder (Th. Mann).
Das Satzgefüge 529

d) 1. Futur
Der Kardinal-Infant wird ... ein spanisch Heer durch Deutschland nach den
Niederlanden führen (Schiller).

II. Relative Tempora

a) Gleichzeitigkeit (Verhalten im Gliedsatz gleichzeitig mit dem Verhalten im Haupt- 1104


satz)
aa) Präsens
Während du schläfst, arbeite ich. Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers
nicht wert (Sprw.). Als Ersatz für 1. Futur: Einst wird kommen der Tag, da
die heilige Ilios hinsinkt (Voß).
bb) Perfekt
Wir sind zu Hause geblieben, weil es geregnet hat.
Für das relative Perfekt kann in bestimmten Fällen das absolute Präsens ein-
treten, wenn es sich um Dinge handelt, die noch für die Gegenwart Geltung
haben oder allgemeingültig sind :
Ich habe die Stellung aufgegeben, weil ich zu alt dafür bin.

cc) Präteritum
Während er tanzte, steckte er ihr einen goldenen Ring an den Finger
(Grimm).
Ungenau für II, b, dd (Plusquamperfekt):
Als er mich erblickte, trat er auf mich zu. Als er das hörte, erschrak er.
Für das relative Präteritum kann in bestimmten Fällen das absolute Präsens ein-
treten, wenn etwas Allgemeingültiges oder noch in der Gegenwart Gültiges aus¬
gesagt wird:

Ich übernachtete in einer Stadt, die Chalons heißt (seltener: hieß).

Bezieht der Sprecher jedoch das heute noch Gültige subjektiv auf die Vergangen¬
heit (weil er vielleicht nicht genau weiß, ob es noch heute objektiv zutriift), dann
bleibt das relative Präteritum:
Ich begab mich nach Hannüverisch-Minden, dessen merkwürdige Lage auf
einer Erdzunge einen sehr erfreulichen Anblick darbot (Goethe).

dd) 1. Futur
Diesen lieblichen Anblick wird sie (= die Welt) fortfahren dir zu geben,
solange du Menschen entbehren wirst (Schiller).

ee) Plusquamperfekt -

ff) 2. Futur -

b) Vorzeitigkeit (Verhalten im Gliedsatz vor dem Verhalten im Hauptsatz) 1105


aa) Präsens
Wenn du diese Bedingung erfüllst, stimmen wir zu (werden wir zustimmen;
Präsens als Ersatz für 2. Futur).

bb) Perfekt
Ich kann nicht schreiben, weil ich meinen Füllfederhalter verloren habe. Zur
Orgel singen hell die Nonnen, die heil’ge Messe hat begonnen (Redwitz). Ich
530 Der zusammengesetzte Satz

weiß nicht, ob er gestern im Theater gewesen ist. Wenn du Schularbeiten ge-


macht hast, kannst du wieder spielen (wirst du wieder spielen können; Per¬
fekt als Ersatz für 2. Futur).

cc) Präteritum
Das Präteritum wird bei Vorzeitigkeit öfter angewandt, gilt aber als nicht ganz
korrekt, weil es gegenüber dem Präsens des Hauptsatzes absolut steht. Streng
richtig müßte das Perfekt stehen:

Ich weiß nicht, ob er gestern im Theater war. ... Denn wo das Strenge mit
dem Zarten, wo Starkes sich und Mildes paarten, da gibt es einen guten
Klang (Schiller). Bericht mir lieber von der Gefahr, der du soeben kaum
entrannst (Raabe).
Gelegentlich tritt das Präteritum auch als Ersatz für das 2. Futur auf (vgl.
95). Das Verhalten im Gliedsatz, das vor dem Verhalten im Hauptsatz sich voll¬
endet, wird von der lebhaften Phantasie des Sprechenden bereits als Vergangen¬
heit betrachtet:
Und wenn wir dann so manches Jahr im stillen Grabe lagen, wird uns ein
Morgen tagen (Schenkendorf). Ich will die strafende Hand nicht werden,
die dich ins Elend stieß (Chamisso).

dd) Plusquamperfekt (vgl. II, a, cc):


Im Satzgefüge:

Kaum hatte er sich niedergelegt, so hörte er klopfen. Als er eingeschlafen war,


träumte er etwas Sonderbares. Als er mich erblickt hatte, trat er auf mich zu.
In der Satzverbindung:

Er hatte uns auf gef ordert zu kommen, wir konnten aber seiner Einladung
nicht folgen. Zur Schmiede ging ein junger Held, er halt' ein gutes Schwert
bestellt (Uhland).
Im Zusammenhang der Rede:

,. Vielmehr pfiff ein eiskalter Wind durch die


Straßen ... Kurz zuvor hatte dieser Ostwind noch fröhliche Studentenge¬
sänge herüber geweht. ... In Buer ... hatten Studenten ... eine Kneipe abge¬
halten ... Jetzt war alles still.

Einem Plusquamperfekt des Hauptsatzes (das selbst in Abhängigkeit von einem


Präteritum steht) kann im Gliedsatz ein Präsens entsprechen, wenn etwas All¬
gemeingültiges oder in der Gegenwart noch Gültiges ausgesagt wird:

In seinem Kummer hatte er nicht daran gedacht, daß auf Regen Sonnen¬
schein folgt. Er begann ...

Umgangssprachlich-mundartliche (besonders süddeutsche) Umschreibungen des


Plusquamperfekts sind z. B.
Ich hab’s ganz vergessen gehabt (Auerbach; = Ich hatte es ganz vergessen).
Ich bin eingeschlafen gewesen = Ich war eingeschlafen.
Schriftsprachlich werden sie nicht gebraucht. Davon zu unterscheiden sind die
Formen „ich habe [Angst] gehabt“, „ich bin [ängstlich] gewesen“, die richtige
Perfektformen der als Vollverb gebrauchten Hilfsverben „haben“ und „sein“
sind.

ee) 1. Futur (seltener)


Wenn er kommen wird, werde ich ihm allerlei zeigen können (1. Futur als
Ersatz für 2. Futur).
Das Satzgefüge 531

ff) 2. Futur (selten)

Du Wirst mich bedauern, wenn du alles gehört haben wirst (Wieland). Wfenn
er diese Bedingung erfüllt haben wird, werden wir zustimmen. In einer halben
Stunde werde ich den Brief geschrieben haben, dann kann ich mich schlafen
legen.

Diese schwerfällige Zeitform ist im Aktiv selten, im Passiv gar nicht vorhanden.
An ihrer Stelle steht gewöhnlich das Präsens, das Perfekt oder (seltener) auch das
1. Futur (vgl. II, b, aa, bb, ee). Präsens und 1. Futur lasssen die Vorzeitigkeit au¬
ßer acht, das Perfekt hebt sie hervor, läßt aber die Zukunft unbeachtet.

c) Nachzeitigkeit (Verhalten im Gliedsatz nach dem Verhalten im Hauptsatz) 1106


aa) Präsens
Ich werde meinen Ausweis zeigen müssen, damit man mich einläßt. Der Krug
geht so lange zum Brunnen, bis er bricht (Sprw.). (Präsens als Ersatz für 1.
Futur.)

bb) Perfekt
Ehe ich eingelassen worden bin, habe ich erst meinen Ausweis zeigen müssen,

cc) Präteritum
Bevor ich eingelassen wurde, hatte ich erst meinen Ausweis zeigen müssen.
Er spielte so lange mit dem Gedanken, bis er ihn nicht mehr \osicurde.

dd) Plusquamperfekt -

ee) 1. Futur
Du spielst so lange mit diesem Gedanken (wirst so lange mit diesem Gedan¬
ken spielen), daß du ihn nicht mehr loswerden wirst.

ff) 2. Futur -

2. Die Zeitenfolge im indikativischen Gliedsatz

Aus der Liste der relativen Tempora ist zu erkennen, daß hier immer 1 107
eine ganz bestimmte Zeitenfolge eintreten muß, die nur selten durch¬
brochen wird. Im einzelnen gilt folgendes:

a) Gleichzeitigkeit
Einem Präsens, Perfekt, Präteritum und 1. Futur im Hauptsatz
entsprechen die gleichen Zeiten im Gliedsatz (vgl. II, a).

b) Vorzeitigkeit
aa) Einem Präsens des Hauptsatzes entspricht im Gliedsatz
ein Präsens oder ein Perfekt als Ersatz für das 2. Futur (vgl. II,
b, aa, bb), selten ein 2. Futur (vgl. II, b, ff).
bb) Einem Präsens des Hauptsatzes entspricht im Gliedsatz
ein Perfekt (vgl.,II, b, bb).
cc) Einem Präteritum des Hauptsatzes entspricht im Gliedsatz
ein Plusquamperfekt (ungenauer auch ein Präteritum; vgl. II,
b, dd).
532 Der zusammengesetzte Satz

dd) Einem 1. Futur des Hauptsatzes entspricht im Gliedsatz


entweder ein Präsens oder ein Perfekt als Ersatz für das
2. Futur oder (seltener) ein 1. Futur als Ersatz für das 2. Futur
oder (ganz selten) ein 2. Futur (vgl. II, b, aa, bb, ee, ff).

c) Nachzeitigkeit
Einem Präsens (1. Futur) des Hauptsatzes entspricht im Gliedsatz
ein Präsens oder ein 1. Futur.
Einem Perfekt des Hauptsatzes entspricht im Gliedsatz ein Per¬
fekt.
Einem Präteritum (Plusquamperfekt) des Hauptsatzes entspricht
ein Präteritum des Gliedsatzes.
Diese Zeitenfolge entspricht im großen ganzen derjenigen bei
Gleichzeitigkeit. Die Nachzeitigkeit geht also allein aus dem Sinn
hervor (aus bestimmten Konjunktionen und Adverbien).

b) Konjunktiv
a) Die Aussageweise des Konjunktivs
Der Konjunktiv erscheint im Gliedsatz zum Teil aus den gleichen Grün¬
den wie im Hauptsatz, daneben tritt er aber auch in nur dem Gliedsatz
eigentümlicher Verwendung auf.
1. Die gedanklichen Inhalte (Bedeutungen) des Konjunktivs
Der Konjunktiv erscheint im Gliedsatz:
1108 a) bei einem Wunsch oder Verlangen (voluntativ, Optativ;
wie im Hauptsatz; vgl. 119)
aa) Die Erfüllung des Wunsches oder des Verlangens wird als
möglich betrachtet:
Sie wollen, daß er sich von Josephine scheiden lasse (St. Zweig). Und
außerdem schreibst du ihm, daß er mir seine Photographie und die deiner
Schwestern schicke (Raabe).

In vielen Fällen wird jedoch heute der Wunsch oder die Auf¬
forderung bereits ,,wie eine Tatsache“ bewertet. Das gilt vor
allem von der Gegenwart des Sprechenden aus. Es steht darin
der Indikativ:
Sieh zu, daß nichts abhanden kommt. Es verlangt ja niemand von dir,
daß du einen Sarg trägst (Schnitzler).
Bei Vergangenheit des Hauptsatzes hat sich der Konjunktiv
besser gehalten:
Ich verlangte von ihm, daß er zu mir käme. Ich redete ihm ein, daß er
das Geld zur Sparkasse trüge (Frenssen). Meister Richwin hatte ... den
strengsten Befehl gegeben, daß man den Hund wohl eingesperrt halte
(Riehl). .

Aber auch hier ist der Indikativ eingedrungen, wenn die Vor¬
stellung der tatsächlichen Wirkung des Verlangens überwiegt:
Wie konnte er verlangen, daß sie frei davon war! (H. Böhlau). Aber dein
Vater und deine Großmutter wollten ... nicht, daß Darnekow verkauft
wurde (Enking).
Das Satzgefüge 533

Ersatz durch Modalverben:


Man gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Neuerung auf dem Gebiet des
reinen Turnens nicht nachträgliche Wirkungen zeitigen möge (H. Stahl).
Du sagtest, sie solle vom Bett aufstehen (Frenssen). Sie bestand darauf,
Ottilie müsse entfernt werden (Goethe).

bb) Der Wunsch tritt hinter einem Zugeständnis, einer Ein¬


räumung zurück (konzessiv; wie im Hauptsatz; vgl. 120). Auch
hier ist heute der Indikativ eingedrungen:
Wer sucht, findet, was er auch verlange (JELemo). Was immer du seist,
ich glaube, wir werden heut nicht spielen (Schnitzler). Was auch komme,
ich führe es durch.

Ersatz durch Modalverben:


Was auch kommen möge (auch Indikativ: mag), ich führe es durch.
Aber wie Sie auch von mir denken mögen ..., ich werde Sie nicht ver-'
gessen können (Hesse).

cc) Die Erfüllung des Wunsches wird als unmöglich oder als
unbeeinflußbar betrachtet (irreal; wie im Hauptsatz; vgl. 121):
Wenn sie (= die Rosen) doch nicht welken würden! (H. Böhlau). O daß
sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe! (Schiller). Daß
sie bei dem Geier wären, die verdammten Ausleger! (Lessing).

b) bei Unbestimmtheit, Möglichkeit, Nichtwirklich- 1109


keit (hypothetisch; wie im Hauptsatz; vgl. 122-125). Die
Bedeutungen dieser Konjunktive gehen leicht ineinander über.

aa) bei Unbestimmtheit


Die Tatsachen werden vorsichtig, diplomatisch, höflich, be¬
scheiden im Unbestimmten gelassen:
Meint ihr, daß er Lust dazu hättet Ich wüßte wohl, was zu tun wäre. Ich
möchte gern einen Geldbeutel haben, der nie leer würde (Grimm).

Ersatz durch Modalverben:


Es ist mir oft angst, dies oder jenes möchte vorgefallen sein (G. Keller).
Einige Punkte, welche ... zu berichtigen sein dürften (Goethe). Ich finde,
der Verfasser müßte diese (= Ergebnisse) doch noch gesondert darbieten
(Baesecke).

bb) bei einer Möglichkeit, einer Vermutung (potential)


Die Bank war so groß, daß alle darauf Platz gehabt hätten. Ich habe ge¬
wartet, bis ich sie allein träfe (Frenssen). Wer dich in diesem Aufzug sähe,
käme auf den Gedanken, du wolltest in die Tropen.

Ersatz durch Modalverben:


Sie fürchtet, daß du noch leichtsinniger werden könntest. Das ist das
Schiff, mit dem ich hinüberfahren könnte.

cc) bei Nichtwirklichkeit des im Gliedsatz Ausgesagten (irreal)


Ich will mir einbilden, meine Pferde dort unten wären Schafe (Kleist).
Sie tat so, als schliefe sie (als wenna als ob sie schliefe). Nettchen lehnte
sich so zufrieden an ihn, als ob er eine Kirchensäule wäre (G. Keller).
534 Der zusammengesetzte Satz

Hierher gehört auch der konditionale Konjunktiv einer Aus¬


sage, die eine nicht mögliche oder nicht eingetretene Bedingung
für eine andere Aussage enthält:
Wenn ich ein Vöglein wär’ und auch zwei Flügleii} hätt', flog’ ich zu dir
(Volkslied). Wenn er vorsichtiger gewesen wäre, wäre ihm das nicht pas¬
siert.

Der bedingende Gliedsatz kann durch eine präpositionale Wort¬


gruppe mit entsprechendem Sinn ersetzt werden:
Ohne deine Hilfe (= wenn du mir nicht geholfen hättest,) hätte ich das
nicht erreicht. Unter anderen Umständen (= wenn die Umstände anders
gewesen wären,) wäre ich erfolgreicher gewesen.

Die irreäle Bedingung kann eine Einräumung enthalten:


Und wenn die Welt voll Teufel wär* ... (Luther). Und käm* die Hölle
selber in die Schranken, mir soll der Mut nicht weichen und nicht wan¬
ken (Schiller).

Ersatz durch Modalverben:


Er meint, daß du hättest vorsichtiger sein müssen. Auch wenn du ihm
noch mehr Geld leihen könntest, wäre ihm dadurch nicht geholfen. Sollte
ich ihn morgen nicht treffen, sage ich dir Bescheid.

1110 c) bei einer Absicht (final)


(Dieser Konjunktiv erscheint nur im Gliedsatz.)
Der Inhalt des Gliedsatzes soll geschehen (oder nicht geschehen).
Diese Sätze sind mit den unter Ziff. 1108 genannten verwandt,
die eine Aufforderung ausdrücken:
Er darbte, damit seine Kinder anständig erzogen würden. Daß du meine
Briefe an dich nicht viel aufzeigst, damit unser Verkehr nicht falsch beurteilt
werde (Rosegger). Gewisse Bücher scheinen geschrieben zu sein, nicht damit
man daraus lerne, sondern damit man wisse, daß der Verfasser etwas gewußt
hat (Goethe).

Bei präsentischem Hauptsatz steht heute statt des gewählt klin¬


genden Konjunktivs in lebendiger Umgangs- und Schriftsprache
der Indikativ:
Sie möchte etwas recht Hübsches sagen, damit man freundlich mit ihr w£(H.
Böhlau). Soll ich den Gemeinen Heiderieter zurückschicken, daß er die Alarm¬
kanone löst ? (Frenssen).
Selbst bei Vergangenheit kommt er vor:
Da begannen die Menschen des Ackers zu warten, damit er ihnen im Herbst
ihre Nahrung und Notdurft graft (Enking). Die Bambergs... haben die Traute
... verkuppelt ..., damit du frei wurdest und dich verloben konntest (Hart¬
leben).
Der 2. Konjunktiv steht dann, wenn die Absicht völlig irreal ist:
Könnt’ ich als Leiche vor dir niedersinken, damit du blühend stündest und
verjüngt 1 (Uhland).

1111 d) bei Wiedergabe einer Meinung, oft ohne Gewähr


für deren Richtigkeit (oblique)
Dieser Konjunktiv steht, wenn der Sprecher für die Richtigkeit
einer Meinung keine Gewähr übernehmen will oder kann. Er er-
Das Satzgefüge 535

scheint nur im Gliedsatz, ist aber mit dem hypothetischen Kon¬


junktiv verwandt; er ist der Konjunktiv der indirekten Rede und
bezeichnet hier oft die bloße grammatische Abhängigkeit, unab¬
hängig davon, ob das Ausgesagte Wirklichkeit ist oder nicht:
Ich hätte dir ja schreiben können, daß die Butter ausgezeichnet gemundet
habe (Rosegger). Sebastian Brant schreibt, daß die Welt betrogen sein ivolle.
Es kam die Nachricht, daß die Brücke zerstört sei. Er sagt, er schreibe gerade.
Unterworfen hätV ich mich dem Richterspruch der Zweiundvierzig, sagt Ihr ?
(Schiller). Die Leute lügen, die da unten schreien, Ihr warf ein andrer als Ihr
wäret (Gr. Hauptmann).

Da der Indikativ Präsens auch ein Geschehen ausdrücken kann,


das in der Zukunft liegt, also noch nicht verwirklicht ist (vgl. 82),
steht bei präsentischem Hauptsatz ebenfalls oft der Indikativ des
Gliedsatzes (vgl. 1100 u. 1130):
Nun behauptet einer von unseren Bekannten, daß er sie gesehen hat (Frens-
sen). Übrigens vermute ich, daß die Geschichte von Weißen Brüdern ein¬
gefädelt worden ist (Rosegger).

e) bei negativer Beeinflussung 1112

Bei verneintem Haupt- oder Gliedsatz tritt im Gliedsatz ein nega¬


tiv beeinflußter Konjunktiv auf, der mit dem irrealen Konjunktiv
verwandt ist. Durch die Verneinung oder durch den verneinenden
Sinn wird der tatsächliche Inhalt des Gliedsatzes gelegentlich in
das Gebiet des Nichtwirklichen, des Unwahrscheinlichen oder des
bloß Vorgestellten verlegt. Die Aussage erscheint dadurch gemil¬
derter, als wenn der Indikativ stünde (der überall möglich ist).
Dieser Konjunktiv tritt bei Relativsätzen, Konsekutivsätzen,
Inhaltssätzen und Sätzen des fehlenden Umstands auf:
Ich kenne keinen Menschen, den ich lieber hätte. Ich hatte keinen Menschen,
bei dem ich eine Zuflucht hätte finden können (II. Kurz). Er ist nicht so klug,
daß er alles wüßte. Es begegnete ihm nicht, daß er sieh irgendwo angelehnfc
oder seinen Ellbogen auf den Tisch gestemmt hätte (Goethe). Sie schien auf¬
merksam auf das Gespräch, ohne daß sic daran teilgenommen hätte (Goethe).

Verneinender Sinn liegt vor, wenn im Hauptsatz ein Übermaß ge¬


nannt wird, auf Grund dessen das Verhalten des Gliedsatzes nicht
eintreten kann:
Das Argument ist zu dumm, als daß es überzeugen könnte. Ich war zu schüch¬
tern, als daß ich mich getraut hätte, ihn anzureden.

f) bei Angleichung

Gelegentlich wird der Konjunktiv des Gliedsatzes ohne inhalt¬ 1113


lichen Grund durch bloße Angleichung an den Konjunktiv des
übergeordneten Satzes hervorgerufen. Der Indikativ ist hier immer
möglich:
Wenn du wüßtest, wie lieb ich dich hätte (= habe), würdest du mich nicht
kränken. Ich muß es erreichen, koste es, was es wolle (= will). Wollte Gott,
daß ich immer ein Elysium fände (= finde), wo ich wäre (= bin).
536 Der zusammengesetzte Satz

1114 g) Schlußbemerkung
Wie sich in den vorausgegangenen Abschnitten a-f gezeigt hat, ist
der Indikativ in viele Konstruktionen eingedrungen, die früher
meist dem 1. Konjunktiv Vorbehalten waren. Dies hat nur zum
Teil formale Gründe (vier von sechs Formen des 1. Konjunktivs
lauten mit dem Indikativ gleich!). Wir können mit Gewißheit an¬
nehmen, daß der Indikativ nicht allein als bloßer formale^ „Er¬
satz“ für den Konjunktiv zu werten ist oder gar als Sprachnach-
lässigkeit, sondern daß sein Vordringen auf einer veränderten Seh¬
weise beruht. Der heutige deutsche Mensch betrachtet viele Ge¬
schehnisse nicht mehr als bloß Gedachtes, Vorgestelltes, sondern
bereits als vorgestellte Wirklichkeit, deren Aktualität ihm so nahe
ist, daß er sich mit ihr wie mit einer „Tatsache“ befaßt. Daneben
konnte der Indikativ, wie wir gesehen haben (vgl. 113), auch
früher schon durchaus für etwas Angenommenes gebraucht werden.
Auch von daher ist der Ersatz verständlich.

1115 2. Die Umschreibung des 2. Konjunktivs im Gliedsatz durch, würde +


Infinitiv
Die Umschreibung der einfachen Konjunktivform durch „würde“ -f
Infinitiv, die wir schon im Hauptsatz beobachten konnten (vgl. 126,1),
treffen wir auch im Gliedsatz wieder an. Ihre ausgeprägt futurische
Bedeutung macht sie so beliebt: .
Ich bin der Meinung, daß alles besser gehen würde (= ginge), wenn man mehr (zu
Fuß) ginge (Seume). 0, wenn doch der Herr Assessor mal kommen würde! (Raabe).
Die sehen nicht aus, als wenn sie so bald Brüderschaft mit uns trinken würden
(Goethe). Ich habe überhaupt manchmal ein Gefühl, als ob sich Hannes schon
allein wieder rausarbeiten würde (G. Hauptmann). Sie ließen sich gar nicht bei
uns sehen, wie wenn sie das Elternhaus geflissentlich flieken würden (G. Keller).

Die Umschreibung muß heute überall dort als korrekt betrachtet


werden, wo die einfache Konjunktivform veraltet ist, ge¬
schraubt klingt oder mit der Indikativform überein¬
stimmt. Sie ist nur dort überflüssig, wo die einfache Konjunktivform
noch der natürlichen Sprechweise entspricht. Dem Mißklang und der
Weitschweifigkeit zweier würde-Formen in Haupt- und Gliedsatz
sollte man freilich lieber ausweichen (obwohl die (Grammatiker einem
doppeltem „hätte“ oder „wäre“ gegenüber auch nachsichtig sind!).
Also nicht im Konditionalsatz:
Wenn ich fliehen (flüchten) würde, würde ich meine Freiheit gewinnen (erlangen).

Sondern:
a) mit Verwendung noch nicht veralteter oder geziert klingender
einfacher Konjunktivformen:
Wenn ich davonliefe, würde ich meine Freiheit erlangen.

b) mit Verwendung eines Modalverbs:


Wenn ich fliehen könnte, würde ich meine Freiheit erlangen.

c) notfalls mit Verwendung einer ganz anderen Fügungsweise:


Durch eine Flucht würde ich meine Freiheit erlangen.
Das Satzgefüge 537

Die würde-Form des wenn-Satzes ist aber unter den obengenannten


Bedingungen zulässig, wenn im Hauptsatz keine würde-Form steht:

Wenn ich fliehen (flüchten) würde, könnte ich meine Freiheit gewinnen (erlangen).
Auch.wenn ich ihm noch mehr Geld leihen würde, könnte ich ihm nicht helfen.
Wenn einer seiner Begleiter ... seinen verstorbenen Vater ... erblicken würde,
so wäre das ... (Th. Mann).

Die Regel, die dies verdammte, ist heute nicht mehr aufrechtzuerhal¬
ten1. Sogar doppeltes „würde“ (im Haupt- wie im Gliedsatz) ist von
Schriftstellern gewagt worden. Man muß allerdings zugeben, daß dies
der Satzkonstruktion eine unnötige Breite verleiht und lautlich un¬
schön ist:
Wenn man die Werke ... bestimmen würde, so würde keiner ... in die Gruppe ...
kommen können (H. Bahr). Aber wenn man dir nun sagen würde...» so würdest du
antworten, ... (Eic. Huch). Würde ich das behaupten, tvürden auch die Plattköpfe
darauf ’reinfaUen (H. Fallada).

Korrekt ist „würde“ im wenn-Satz immer, wenn es als Vollverb oder


im Passiv gebraucht wird:
Aber was hätte das alles für einen Sinn ..., wenn wir nicht Vertraute würden
(Zuckmayer). Wenn ich geschlagen würde, wüßte ich nicht, was ich täte.

Auch in andere Gliedsätze ist „würde“ eingedrungen, aber wiederum


nur dann ohne Berechtigung, wenn die einfache Konjunktivform noch
nicht als veraltet oder geziert empfunden wird. In den folgenden Bei¬
spielen ist die Umschreibung u. E. nooh nicht notwendig:

Vergleichssatz
Sie sahen aus, als würden sie von der See kommen (besser: als Kamen sie von der
See)*. Aber berechtigt: Die sehen nicht aus, als wenn sie so bald Brüderschaft mit
uns trinken würden (Goethe).

Wunschsatz
Wenn doch alles so bleiben würde! (besser: bliebe). Aber berechtigt: Wenn du
ihn kennen würdest! (Max Frisch).

Konzessivsatz
So gern ich mit dir gehen würde (besser: ginge), so muß ich doch Zurückbleiben.
Aber berechtigt: So gern ich es abwenden würde ..., ich kann es nicht ändern.

Abhängige Rede
Frau Meyer sagte, ihr Mann würde gern Auto fahren (besser: führe). Aber berech¬
tigt : Sie meinten, das würde nichts helfen.

Am gefährdetsten sind im allgemeinen die einfachen Konjunktivfor¬


men mit ö, ä und ü: flöhe, beföhle, göre, löge, spönne, stänke, schwän¬
de, schünde, hülfe usw. Die i[e]-Formen halten sich oft besser.

1 Vgl. M. Tamsen, Über wenn-würde im modernen Deutsch. Moderna Sprak 1958.


Hugo Moser, Entwicklungstendenzen des heutigen Deutsch. Ebdt. 1956.
538 Der zusammengesetzte Satz

Wie im Hauptsatz, so ist auch im Gliedsatz Undeutlichkeit des 2. Kon¬


junktivs der Grund für. viele Umschreibungen:
Es sah so aus, als würden sie flüchten (= als flüchteten sie). Frau Schulze sagte,
ihr Mann würde gern in Italien leben (= lebte gern in Italien).

Für die Hilfsverben „haben“ und „sein“, die Modalverben und die
umgangssprachliche Umschreibung „täte“ gilt das gleiche wie im
Hauptsatz. Sie sträuben sich gegen eine Umschreibung, da sie selbst
schon Mittel der Umschreibung sind:
Wenn er mäßig wäre (seltener: sein würde), ginge es ihm besser. Ach, wenn Sie
nur die Güte haben wollten, nicht immer du zu mir zu sagen (F. Raimund). Frei¬
lich oft, wenn man auch möchte, findet sich nicht gleich der Rechte (W. Busch).

Auch der Konjunktiv Plusquamperfekt wird selten mit „würde“ um¬


schrieben, da diese Fügungen zu umständlich sind:
Wenn er sich den Schnurrbart ... hinauf gebunden haben würde, er hätte ... (H.
Mann). Röhrings und Benneckes harrten in ihrer Loge aus, bis der Strom sich
einigermaßen verlaufen haben würde (= verlaufen hätte; Wildenbruch). ... ohne
daß er sich darob gewundert haben würde ( —■ gewundert hätte; Raabe).

1116 3. Der Konjunktiv des 1. und 2. Futurs im Gliedsatz


(Dieser Konjunktiv kommt im Hauptsatz nicht vor.)
Für die Konjunktivformen des I. und 2. Futurs, die mit dem 1.Kon¬
junktiv von „werden“ umschrieben werden und sich von denen des
Indikativs nicht unterscheiden (vgl. 76), treten die Formen des
2. Konjunktivs von „werden“ ein:
Ich erzählte ihm, daß ich morgen nach Hamburg fahren würde (nicht: werde, da
gleichlautend mit dem Indikativ). Ich konnte hoffen, daß Sie auf meinen Brief
vom 8. Mai gleich zurückkehren würden (Goethe; nicht: werden). Ich meinte,
daß ich den Brief in einer halben Stunde geschrieben haben würde (nicht: werde).
Aber: Sie behauptete, er werde droben sitzen (Heyse; Indikativ: wird).

Selbst die Konjunktivformen des Futurs, die sich von denen des Indi¬
kativs unterscheiden, werden durch „würde“ zurückgedrängt:
Der Anwalt hatte.dir gesagt, daß du den Prozeß verlieren würdest (seltener: wer¬
dest). Der Anwalt hatte ihm gesagt, daß er den Prozeß verlieren würde (seltener:
werde). Hab’ ich doch schon lange gedacht, daß es so kommen würde (Hauff).
Hat Cervantes geahnt, welche Anwendung eine spätere Zeit von seinem Werke
machen würdet (Heine). Ein Bauunternehmer hatte dem Facharbeiter ... in Aus¬
sicht gestellt, ihn bei sich zu beschäftigen, sobald er bei der anderen Firma ge¬
kündigt haben würde (Zeitungsnotiz).

Treffen präsentische Konjunktivformen des Verbs „werden“ mit


der Passivumschreibung „werden“ zusammen, dann werden sie des
Wohlklangs wegen durch die Formen des Präteritums ersetzt:
Sie hielten mich für einen Burschen, der zu nichts zu brauchen sei und aus dem
niemals etwas werden würde (Tieck). Ich zweifelte, ob aus mir je ein sogenannter
vernünftiger Mann werden würde (Heyse; nicht: werden werde).

Man verwechsele den Konjunktiv des Futurs nicht mit dem Kondi¬
tional und dem Passiv:
Konditional: Ich würde den Koffer tragen, wenn ich die Hände frei hätte.
geschlagen würde (Hauptmann).
Passiv: Mir jst zumute, als ob ich
539

Manchmal kann man zweifeln, ob konditionaler oder futurischer Sinh


vorliegt:
Konditional: Der Anwalt hatte mir gesagt, daß ich den Prozeß verlieren würde
[, wenn ich ihn begönne].
Futurisch: Der Anwalt hatte mir gesagt, daß ich den Prozeß verlieren würde
[, trotzdem führte ich ihn].

ß) Die Aussageweise in den einzelnen Arten der Gliedsätze

1. Im Relativsatz
Im allgemeinen steht im Relativsatz der Indikativ: 1117
Menschen, die nach immer größerem Reichtum jagen, ohne sich jemals Zeit zu
gönnen, ihn zu genießen, sind wie Hungrige, die immerfort kochen, sich aber nicht
zu Tische setzen (M. von Ebner-Eschenbach). Der Angeredete, der bis jetzt... an
der Brüstung gelehnt hatte, zuckte die Achseln (Raabe).

Der Konjunktiv steht:


a) Wenn die Vorstellung des Wunsches, der Wirkung besteht 1118
(hier tritt allerdings heute in den meisten Fällen der Indikativ
ein; vgl. 1108, a):
... gegen unsre Königin, die Gott erhalte, Meuchelrotten zu bewaffnen (Schil¬
ler). Das ist eine Voraussetzung; die an dieser Stelle besonders betont sei.
Ich hoffte doch ein Lied noch zu ersinnen, das deiner Schönheit vollen Glanz
umschreibe (Rückert).

b) Wenn die Vorstellung der Einräumung besteht (das Relativ- 1119


pronomen ist verallgemeinernd - zusammenfassend; heute tritt
meist der Indikativ ein; vgl. 1108, a, bb):
Was der Mensch auch gewinne, er muß es teuer bezahlen (Hebbel). Es macht
keinem Schande, wer er auch sei (Lessing). Was es auch sei, dein Leben sichr*
ich dir (Goethe).

c) Wenn die Vorstellung der Möglichkeit besteht (vgl. 1109, bb). 1120
Dies wird durch einen verallgemeinernden Begriff im Hauptsatz
(der mit Vorliebe negiert ist) bereits angedeutet. Der 1. Konjunk¬
tiv ist veraltet (für ihn tritt der Indikativ ein, der übrigens auch
überall für den 2. Konjunktiv gesetzt werden könnte):
1. Konjunktiv: Unter unsern Freunden kenne ich niemand; der sich dazu
eigne (Goethe).
2. Konjunktiv: Es ist kein Mensch, der nur Gutes täte und nie sündigte
(Auerbach). Es gibt keine Luft, die so viel Heilkraft hätte, den Hotelärger zu
balancieren (Fontane).

Einem negativen Hauptsatz folgt gelegentlich in poetischer


Sprache ein Relativsatz in der Form eines Gliedsatzes ohne Ein¬
leitewort mit dem Modus des Indikativs:
Kein Becher ward geleert, du hattest ihn gefüllt, kein Brot gebrochen und ver¬
teilt, es kam aus deinem Korb (Hebbel; = Kein Becher ward geleert, den
du nicht gefüllt hättest...).
540 Der zusammengesetzte Satz

1121 d) Wenn die Vorstellung der Nichtwirklichkeit (Irrealität) besteht


(vgl. 1109, cc). Der Relativsatz hat konditionalen Charakter:
Er ist der letzte, den ich um Rat fragen würde, wenn ich in Verlegenheit
kommen sollte. Wer mir das vorausgesagt hätte, würde mich zur Verzweif¬
lung gebracht haben (Goethe). Selbst die Griechen des östlichen Kaisertums
erlaubten sich Niederträchtigkeiten gegen Überwundene, die in Spanien,
Italien und Frankreich kein Ritter sich jemals erlaubt haben würde (Herder).

1122 e) Wenn der Relativsatz eine fremde Meinung wiedergibt oder


wenn die bloße grammatische Abhängigkeit bezeichnet werden
soll (vgl. 1111):
Der Lord nannte Wiesbaden ein nettes Landstädtchen, wo sich im Winter
ländliche Stille mit städtischem Komfort vereine (Riehl).

1123 f) In indirekter Rede (vgl. 1111):


... so müsse er bitten, seine Stelle mit einem andern zu besetzen, der den
Absichten Seiner Majestät mehr entspräche (Schiller).

1124 g) Wenn das Verb des Gliedsatzes durch einen Konjunktiv des
Hauptsatzes beeinflußt wird (Angleichung; vgl. 1113):
Komme, wer wolle, ich bin nicht zu sprechen. Ich muß das Ziel erreichen,
es koste, was es woCle.

1125 2. Im indirekten Fragesatz


Eine im Gliedsatz ausgesprochene Frage verlangt im allgemeinen den
Indikativ, gleich, ob das Verb des Hauptsatzes in der Gegenwart
oder in der Vergangenheit steht. Die indirekte Frage wird als objektiv
feststehender Befund betrachtet, es schwebt der Indikativ der direkten
IJrage vor. Der Zweifel kann auch im Hauptsatz bereits genügend aus-
gedrückt sein:
Gegenwart:
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin neugierig, wo er das Stück wieder ge¬
stohlen haben wird (Kretzer). Er will versuchen, ob er den Hof noch mal sehen
kann (Frenssen).
Vergangenheit:
Vorläufig war nicht abzusehen, welche Höhe sie noch erreichen konnten (G.
Hauptmann). Ich sah, wohin das Mädchen ging. Ich wußte, wer es gewesen war.
Felix ahnte nicht, was sich inzwischen ereignet hatte (Heyse).

Der Konjunktiv verliert im Interrogativsatz mehr und mehr an


Boden, besonders dann, wenn der Hauptsatz in der Gegenwart steht.
Nur bei starkem Überwiegen der Ungewißheit steht hier noch der
ältere Konjunktiv, vor allem bei „ob“:
... ohne zu wissen, was mir eigentlich fehle (Holtei). In einer Krämerei fragt sie
an, ob man nichts wisse von einem Einsiedler (Rosegger). Ob G. dem Lernbegieri-
, gen den Zugang ... besonders leicht mache, wollen wir hier nicht weiter erörtern
(„Schweizer Schule“ 1958).

Wenn der Hauptsatz in der Vergangenheit steht, tritt der Konjunktiv


noch in den folgenden Fällen auf:
1126 a) Er ist vom Konjunktiv des Inhaltssatzes (vgl. 1130) beeinflußt
und drückt Unsicherheit in bezug auf das Geschehen im Gliedsatz
aus:
Aber Langloff schnarchte so mächtig, daß Kortüm sich aus dem Fenster
lehnte, um nachzusehen, ob dieses Schreibzimmer etwa über dem Speisesaal
Das Satzgefüge 541

läge und der Kapitän die Unterhaltung der Hochzeitsgesellschaft beeinträch¬


tigen könne (K. Kluge)_konnte er mit untrüglicher Sicherheit bestimmen,
wo man nach Wasser graben könne (Thoma). So hatte er keine Zeit festzustel¬
len, wer der Missetäter gewesen sei (Th. Mann). Noch stand ihm die Bestür¬
zung bevor zu erfahren, wie schwer diese Sprache sei (Rilke). ... da sie nicht
wisse, sei sie an einen Siebenkäs oder an einen Leitgeber verheiratet (Jean
Paul).

b) Er drückt die Nichtwirklichkeit aus (vgl. 1109, cc) : 1127


Man braucht sich nur einmal vorzustellen, wie es auf Erden aussähe, wenn
es diese Wirklichkeit des Wortes nicht mehr gäbe (Manfr. Hausmann). Man
kann nicht wissen, bis zu welchen unangenehmen Auftritten dies noch ge¬
führt haben würde (Immermann).

c) Er wird durch die indirekte Rede hervorgerufen (vgl. 1111): 1128


Er sagte, er wisse nicht mehr, was er damit gemeint habe. Der Vorsitzende
... betonte in seiner Ansprache, ein wie großes Interesse er dem neusprach¬
lichen Unterricht entgegenbringe (W. Vietor).

d) Er ist von einem Konjunktiv des Hauptsatzes hervorgerufen 1129


(Angleichung; vgl. 1113):
Sehe jeder, wie er's treibe, sehe jeder, wo er bleibe (Goethe).

3. Im Konjunktionalsatz (und im Gliedsatz ohne Einleitewort)

a) Im Inhaltssatz (vgl. 1073)


(Zum Modus in der indirekten Rede vgl. 1144)
' aa) Ein im Gliedsatz ausgesprochener Inhalt (eine Behauptung 1130
oder ein Verlangen) verlangt heute im allgemeinen den Indi¬
kativ, wenn der Hauptsatz im Präsens steht und die Aussage
als Tatsache betrachtet wird (das ist bei 1. Person des Haupt¬
satzverbs häufiger der Fall als bei 2. und 3. Person, deren
Meinung unsicherer ist):
Übrigens vermute ich, daß die Geschichte von Weißen Brüdern einge¬
fädelt worden ist (Rosegger). Ich glaube, ein Amt ist in der Jugend ge¬
sünder als ein Buch (Jean Paul). Meinst du, daß ich hier versauern iüill?
(Erenssen)v Es verlangt ja niemand von dir, daß du einen Sarg trägst
(Schnitzler).

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Tatsache bereits eingetreten


ist oder als möglich in die Zukunft verlegt wird:
’s ist gut, aber ich hätt’ nicht geglaubt, daß du dies Jahr noch fertig wirst
(Hesse). Es ist nichts Neues unter den Gelehrten, daß einer vom andern
etwas erdlehnt.

Aus diesem Grunde sind manche Sätze, für sich betrachtet,


mißverständlich:
Ich kann doch nicht sagen, daß ich krank bin. (Ist der Sprecher wirklich
krank, oder lehnt er es nur ab, sich als krank hinzustellen ? In letzterem
Fall wäre deshalb der Konjunktiv zu empfehlen.)

Der Konjunktiv des Gliedsatzes erscheint, wenn der Haupt¬


satz im Präsens steht, noch in den folgenden Fällen:
542 Der zusammengesetzte Satz

1131 1. Wenn die Vorstellung des Wunsches, der Aufforderung


besteht (vgl. 1108; heute meist Indikativ):
Ich muß wünschen, daß unser geschwisterlicher Friede keine Stö¬
rung erleide (Mörike). Was du nicht willst, daß man dir tu’, das füg
auch keinem andern zu (Sprw.).

1132 2. Wenn die Vorstellung der Möglichkeit, des Hypothe¬


tischen besteht (vgl. 1109; heute aber schon oft Indikativ):
Die Möglichkeit, daß mich ein Unfall träfe, erschreckt mich (Kleist).
Glauben Sie, ich hätte nichts davon gewittert ? (Wassermann). Ge¬
setzt, daß das so wäre ... (Herder). Vorausgesetzt, sie sei das unge-
gemeine Weib (Mörike).
1133
3. Wenn die Vorstellung der Nichtwirklichkeit (Irrealität)
besteht (vgl. Il09, cc):
Ich gebe es zu, daß die Künstler besser getan hätten, wenn sie statt
des Ovid den Homer zu ihrem Handbuche gemacht hätten (Lessing).

1134 4. Wenn für die Aussage eines anderen keine Gewähr über¬
nommen wird (vgl. 1111):
Er behauptet mir gegenüber, daß er krank sei. Es wird der Fürstin
gemeldet, daß in einigen Dörfern die spanischen Soldaten das Vieh
weggetrieben hätten (Schiller).

1135 5. Wenn - und dies besonders bei Gliedsätzen ohne Ein¬


leitewort mit Zweitstellung des Verbs - die bloße Abhängig¬
keit gekennzeichnet werden soll (vgl. 1111):
Später hört sie, die Operation sei sehr schwierig gewesen (Hegeier).
... so daß die Mutter manchmal brummt, sie solle nicht so dumm
sein (ders.).

1136 6. Wenn das Verhalten im Gliedsatz durch das negative


Verhalten im Hauptsatz beeinflußt wird (vgl. 1112; heute
meist Indikativ):
Es ist ja nicht so, daß er Mangel litte. Ich habe nie gesehen, daß
tüchtige Menschen wären undankbar gewesen (Goethe).

1137 bb) Steht der Hauptsatz in der Vergangenheit, dann steht der
Indikativ des Gliedsatzes, wenn nicht der mindeste Zweifel
an der Tatsächlichkeit des Inhalts besteht:
Ich wußte ja, daß er krank war. ... die andere achtete darauf, daß im
Kleid nicht schmutzig wurde (Frenssen). Der König sah mit Schrecken,
daß schon einige Wochen seiner Herrschaft verflossen waren (Herder).

Der Konjunktiv des Gliedsatzes steht aber in folgenden


Fällen:
1138 1. Wenn die Vorstellung der Ungewißheit, des Zweifels, des
Hypothetischen besteht. Die Aussage wird nicht mit Be¬
stimmtheit vertreten (vgl. 1109):
Das Satzgefüge 543

a) Der Inhalt des Gliedsatzes liegt in der Zukunft:


Ich wußte, daß es nicht ohne Streit abgehen würde. Er*befahl,
daß ihm niemand folgen solle (Heyse).

b) Der Inhalt des Gliedsatzes liegt in der Gegenwart:


Indem ich ihn bedeutete, daß ich nichts wissen wolle (Th. Mann).
Barrees gestand bedauernd, daß er sich nicht erinnere (Bartsch).
Sie sei, hinterbrachte Nannette, mit einem ... Briefe beschäftigt
(Mörike).

c) Der Inhalt liegt in der Vergangenheit:


... bald wieder wußte sie, daß er verreist sei (Ompteda). ... der
antwortete, Frau Gräfin hätte sie bestellt (ders.). Er faßte es
nicht, daß diese Lippen erkaltet wären, die so oft, noch gestern
mit ihm über alle Fragen der Menschen geredet (ders.). [Er
wehrt sich gegen die Gewißheit des Todes, stellt ihn gewisser¬
maßen als noch zweifelhaft hin.]

d) Bei indirekter Rede kann das Verb des Hauptsatzes


auch fehlen, man muß es sich dann ergänzen:
Da trat eines Tages der treue Corbulo vor Rusticiana. [Er sagte,]
Er hätte längst bemerkt... (Dahn) ... wurde er sehr zornig. [Er
sagte,] Er habe nicht nötig ... (Gabr. Reuter).

2. Wenn die Vorstellung der Nichtwirklichkeit (Irrealität) 1139


besteht (vgl. 1109, cc). Die Aussage kann einen Wunsch
enthalten:
Er meinte, daß es besser um die Welt stünde, wenn es mehr wirk¬
liche Christen gäbe. Ich wollte, du hörtest einmal! (R. Voß). Mir
träumte, ich wäre dir begegnet.

3. Wenn die Aussage nicht als eigene, sondern als fremde 1140
Meinung betrachtet wird, für die keine Gewähr übernom¬
men werden kann (vgl. 1111):
Er behauptete mir gegenüber, daß er krank sei (oder: wäre). (Ich
wußte nicht, ob das stimmte). Friedbert war bemüht, sich von dem
Verdachte zu reinigen, daß er ein Geisterbeschwörer sei (Musäus).

4. Wenn bei Gliedsätzen ohne Einleitewort die bloße Ab- 1141


hängigkeit gekennzeichnet werden soll (vgl. 1111):
... daß kein Vorübergehender merken konnte, er folge der Heiter-
rethei (Otto Ludwig).

5. Wenn die Negation des Hauptsatzes ihn hervorruft 1142


(Vgl. 1112):
Es begegnete ihm nicht, daß er sich irgendwo angelehnt oder seinen
Ellbogen auf den Tisch gestemmt hätte (Goethe).

6. Wenn ein Konjunktiv des Hauptsatzes ihn hervorruft 1143


(Angleichung; vgl. 1113; heute meist Indikativ):
Es wäre möglich, daß er noch käme (statt: kommt). Ich dächte, wir
ließen das sein.
544 Der zusammengesetzte Satz

cc) Der Modus in der indirekten Rede (einer besonderen


Art des Inhaltssatzes; vgl. 1160; 1156)
1144 Wenn indikativische Haupt- und Gliedsätze der direkten Rede
von einem Verb des Sagens, Behauptens, Denkens, Fragens
oder der Willensäußerung abhängig gemacht werden und so zur
abhängigen, indirekten Rede werden, tritt eine Verschiebung
des Modus ein:

1. Der Indikativ eines Hauptsatzes geht in den Konjunktiv


über:

[Direkte Rede: Er sagt[e]: „Ich bin krank.“] Indirekte Rede: Er


sagt[e], er sei krank. [Direkte Rede: Du erklärtest: „Ich werde
kommen.“] Indirekte Rede: Du erklärtest, du werdest (würdest)
kommen.

[Direkte Rede: Er versichert[e]: „Der Lehrgang wird verschoben.“]


Indirekte Rede: Er versichert[e], der Lehrgang werde (würde) ver¬
schoben.

[Direkte Rede: Ich $rag[t]e: „Werde ich bestraft ?“ ] Indirekte Rede:


Ich frag[t]e, ob ich bestraft würde (nicht: werde, weil diese Form mit
dem Indikativ übereinstimmt). Sie antwortete dem Bedienten, er
hätte ihr keine erwünschtere Botschaft bringen können, sie wollte
kommen, wohin er sie bestellte (Hofmannsthal).

2. Der Indikativ eines beliebigen Gliedsatzes geht ebenfalls


in den Konjunktiv über (Angleichung):

[Direkte Rede: Er sagte: „Ich muß bitten, meine Stelle mit einem
andern zu besetzen, der den Absichten Seiner Majestät mehr, ent¬
spricht und mehr als ich über die Gemüter der Nation vermag.“]
Indirekte Rede: ... so müsse er bitten, seine Stelle mit einem an¬
dern zu besetzen, der den Absichten Seiner Majestät mehr entspräche
und mehr als er über die Gemüter der Nation vermöchte (Schiller).

[Direkte Rede : Die Kommission hat die Vorschläge, die schon bei
der letzten Sitzung Vorgelegen haben, weiter verfolgt.] Indirekte
Rede: Die Kommission habe die Vorschläge, die schon bei der letz¬
ten Sitzung Vorgelegen hätten (nicht: haben, weil diese Form mit dem
Indikativ übereinstimmt), weiter verfolgt.

3. Konjunktive der direkten Rede bleiben in der indirekten


Rede erhalten:

[Direkte Rede: Er sagte: „Wäre ich doch nur eher gekommen,


dann hätte ich ihn noch sehen können.“] Indirekte Rede: Er sagte,
wäre er doch nur eher gekommen, dann hätte er ihn noch sehen
können.
Das Satzgefüge 545

Dabei kann der 2. Konjunktiv gelegentlich mit dem 1. wech¬


seln (allerdings nicht bei Irrealität):
[Direkte Bede: Er sagt[e]: „Wenn ich Zeit habe, komme ich.“]
Indirekte Rede: Er sagt[e], wenn er Zeit habe (oder: hätte), komme
(oder: käme) er.

Beachte:
Eigene erklärende Bemerkungen des Sprechers innerhalb der indirekten
Rede stehen im Indikativ, wenn es sich um Tatsachen handelt:
Karl erzählte mir, er wolle das Haus [das er von seinem Vater geerbt
hat] verkaufen.
Der Konjunktiv würde hier ausdrücken, daß Karl den Relativsatz mit¬
gesprochen hat und daß der Sprecher dies wieder berichtet.
Der Indikativ steht in der Umgangssprache auch dann; wenn der Inhalt
zwar als direkte Rede geformt, aber durch ein Komma in Abhängigkeit
vom Hauptsatz gebracht wird. Diese Fügungsweise ist ein Zwitterding
zwischen direkter und indirekter Rede:
So, also das sagst du und meinst, ich bin solch ein Mensch ? (Halbe).
Sag der Moidi, daß ich gesagt hätt’, es wird noch alles gut (Heyse).
Haben die Leut' nicht erzählt, der Deichhauptmann ist vorbei¬
geritten auf'n Schimmel, Mama ? (Halbe).

Ebenso steht schriftsprachlich der Indikativ, wenn der Inhalt der in¬
direkten Rede als berichtende Erzählung in grammatisch unabhängiger
Form wiedergegeben wird (erlebte Rede, style indirect libre; vgl. 1161):
Sie ahnte, er hatte es falsch verstanden (Ompteda). Allerhand Ge¬
danken gingen ihm durch den Kopf. Sein Ämtlein freilich verlor er,
wenn die Zensur abgeschafft wurde - was tat es ? (Ertl).

Zur Verschiebung des Tempus in der indirekten Rede (1. oder 2.


Konjunktiv usw.) vgl. 1156.

b) Im Utnstandssatz

aa) Im Lokalsatz: vgl. Relativsatz Ziff. 1066.


bb) Im Temporalsatz 1145
Der Umstand der Zeit verlangt im allgemeinen ebenso wie der
des Ortes den Indikativ im Gliedsatz:
Ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nachdenkt
(Hölderlin). Er ließ sich den Namen wiederholen und buchstabieren,
bevor er ihn auf faßte (Th. Mann). Hatte er zu hoch eingesetzt, so verlegte
er sich auf fistelnde Kopftöne (Th. Mann).

Doch können der potentiale (vgl. 1109, bb) und der irreale
(vgl. 1109, cc) Konjunktiv auch in den Temporalsatz über¬
nommen werden:
Ich habe gewartet, bis ich sie mal allein träfe (Frenssen). Er wollte nicht
zustimmen, bevor alle seine Forderungen erfüllt wären.

Bei indirekter Rede steht wie in allen anderen Gliedsätzen so


auch im Temporalsatz der Konjunktiv (vgl. 1144, 2):
Er meinte, der Mensch sei ein Gott, wenn er träume, ein Bettler, wenn er
nachdenke.
546 Der zusammengesetzte Satz

1146 cc) Im Modalsatz


Auch im Modalsatz steht jetzt im allgemeinen der Indikativ;
der Umstand der Art und Weise wird als Tatsache aufgefaßt:
Er trat zurück, indem er erblaßte. Nie bin ich von diesen Statuen hin¬
weggegangen, ohne daß mein Herz innig erweicht war (Herder).

Der potentiale 1. Konjunktiv ist im Veralten (für ihn tritt


heute meist der Indikativ ein):
Aber eine Kultur von solcher Größe bricht nicht zusammen, ohne daß
aus ihren Trümmern neues Leben erblühe (E. Norden).

1. Im Satz des fehlenden und stellvertretenden Umstandes


treten jedoch der irreale {vgl. 1109, cc) und der negativ be¬
einflußte 2. Konjunktiv (vgl. 1112) auf:
Ich verkehre mit ihm, ohne daß er mir besonders gefiele (statt: ge¬
fällt). Felix mußte eine große Lektion anhören, ohne daß er darauf
je einige Besserung hätte verspüren lassen (Goethe). Und die Mutter
schaffte ihnen noch braunlederne feine Handschuhe an, statt daß
sie sich selbst ein Sommermäntelchen gekauft hätte (H. Böhlau).

2. Beim Vergleich im Positiv wie im Komparativ steht der


Indikativ, wenn der Inhalt des Vergleichssatzes als Tat¬
sache aufgefaßt wird:
Eine halbe Sekunde später folgte dieser Lichterscheinung der
dumpfe Knall einer ... Explosion, wie ein Trauerspiel mit einer
Katastrophe endet (Baabe). ... aber müde und abgehetzt, wie er
war, was sollte es ihm da? (Th. Mann). Mein Kummer könnte kaum
größer sein, als er ist. Ilse ist größer, als ihre Mutter im gleichen
Alter war.

3. Ebenso steht der Indikativ gewöhnlich in Proportional-


und. Restriktivsätzen:
Je näher der Tod kommt, desto fester klammert er sich an diese
Liebe (Baabe). Das Kind zeigte sich immer unartiger, je mehr sie
es tadelte (Goethe). Er ehrt die Wissenschaft, sofern sie nutzt; er
schätzt die Kunst, sofern sie ziert (Goethe).

In Restriktivsätzen sind jedoch der potentiale (vgl. 1109,


bb) und der irreale Konjunktiv (vgl. 1109, cc) möglich:
Angesichts der Gefahr ... ist es daher erfreulich, daß ... Behörden
für die überflüssigen fremden Ausdrücke vernünftige deutsche ein¬
führen, soweit ... nicht Verarmung des Sprachinhalts oder Mangel
an Deutlichkeit zu befürchten wäre (Sütterlin-Waag). (Ich) gebe
nichts auf diese dunklen Anregungen, insofern sie nur solche wären
(Goethe). '

4. Wird ein Inhaltssatz (mit „daß“) mit einem Vergleich


verbunden, dann steht der Indikativ, wenn der Inhalt des
daß-Satzes als Tatsache bewertet wird:
Es gibt keine andere Erklärung für den Unfall, als daß der Fahrer
übermüdet gewesen ist. Es blieb mir in diesem Augenblick nichts
anderes übrig, als daß ich alle meine Kräfte zusammennahm.
Das Satzgefüge 547

Der 1. Konjunktiv ist hier veraltet:


Der ungeduldige Genius unsres Zeitalters bricht lieber herbe
Früchte, als daß er ihre Reife abwarte (Herder). Wir alle wissen, daß
in gegebener Lage der Offizier, der Soldat lieber blindlings kühn
den ersten Schritt tun soll und muß, als daß er hin und her erwäge:
Soll ich oder soll ich nicht ? (Liliencron).

Es steht aber der Konjunktiv, wenn der Inhalt oblique


(vgl. 1111), hypothetisch oder irreal ist (vgl. 1109):
Er wußte nicht mehr, als daß Karl gestern in Zürich angekom-
nfen sei. Ich wünschte nichts sehnlicher, als daß mir
eine Uhr beschert ivürde (Auerbach).

5. Wird ein Konsekutivsatz mit einem Vergleich verbunden,


dann steht der Indikativ, wenn die Folge als Tatsache be¬
trachtet wird:
Die Überlegenheit der Feinde war viel zu groß, als daß er es auf
den bedenklichen Ausschlag eines Treffens durfte ankommen lassen
(Schiller).

Der Konjunktiv steht, wenn der Inhalt hypothetisch oder


irreal ist (vgl. 1109):
Ich war noch zu jung in der Wirklichkeit der Dinge befangen, als
daß ich hätte an Anfang und Ende denken sollen (Goethe). Ihr
Schmerz ist ein süßrer Schmerz, als daß man gleich an Heilung
dächte (Wieland).

6. Wird ein Konditionalsatz mit einem Vergleich gekoppelt,


dann steht der Indikativ, wenn die Bedingung als tatsäch¬
lich (oder als sehr wahrscheinlich) betrachtet wird. Das ge¬
schieht sehr oft bei Gegenwart; des Verhaltens im Haupt¬
satz:
Man kann einem jungen Menschen keine größere Wohltat erweisen,
als wenn man ihn zeitig in die Bestimmung seines Lebens einweiht
(Goethe). Das Geräusch klang so, wie wenn eine Säge hartes Holz
zerschneidet (Tieck). ... als ob ein Weib je unerfahren ist (Böhlau).
Von der Vergangenheit aus betrachtet, ist diese Sehweise
nicht üblich geworden (s. unten), weil sich hier die Unsicher¬
heit verstärkt, doch kommt der Indikativ gelegentlich vor:
Es war, als ob sich unter der Haut pulsierende Strähne hinzogen
(Auerbach). Sieh, mir ist, als waren lauter Puppen sonst um mich
(Schnitzler). ... als wenn das nicht wirkliche Häuser waten (Frens-
sen).

Wird die Bedingung als irreal oder auch als nur gedacht
oder möglicherweise eintretend betrachtet (was häufiger ist),
dann steht der hypothetische Konjunktiv (vgl. dazu noch
Ziff. 1154):
Sorge für deinen Leib, doch nicht so, als wenn er deine Seele wäre
(M. Claudius). Als ob HansCastorp die Absicht gehabt hätte, den Stift
etwa nicht zurückzuerstatten (Th. Mann). Es war ihm zumute, wie
wenn er ein Stück von seinem Wesen verloren habe (Auerbach).
Wenn ich vorüberfahre, legt sie die Finger an den Mund, als pfiffe
sie einem Mannsvolk (C. F. Meyer). Ihm war, er höre einen zarten
Engel weinen (Handel-Mazzetti).
548 Der zusammengesetzte Satz

7. Der Konjunktiv steht bei indirekter Rede (vgl. 1144, 2):


Herr Richter sagte, daß er die Akten genauer geprüft habe, als es
durch den Vorsitzenden geschehen sei.

dd) Im Kausalsatz
1147 1. Im reinen Kausalsatz steht gewöhnlich der Indikativ,
wenn der Grund als objektive Tatsache betrachtet werden
kann:
... weil die Gelegenheit so günstig ist, so wird in der nächsten Nacht
der feine Plan ins Werk gesetzt (Raabe). ... konnte man die Tür
nicht verfehlen, zumal sie durch ein Porzellanschild ausgezeichnet
war (Th. Mann).

Der Konjunktiv steht:


a) Wenn der Gliedsatz eine fremde Meinung wiedergibt,
für die der Sprecher keine Gewähr übernimmt (vgl.
1111):

Ein kaiserlicher Brief befiehlt uns, die Pflicht dir aufzukünden,


weil du ein Feind und Landsverräter seist (Schiller).

b) Wenn der Grund als Möglichkeit, als Hypothese be¬


trachtet wird (vgl. 1109):
Die Gebärde darf nicht übertrieben werden, weil er (der
Schauspieler) sonst seinen Mitmenschen zum Gelächter würde
(Goethe). ... weniger wohl, weil er durchaus nichts zu entgegnen
gewußt hätte als aus allgemeiner Betrübnis und Müdigkeit
(Ric. Huch).

c) Wenn der Gliedsatz negativ beeinflußt ist (vgl. 1112) :


Wenn ich Gutzkow erst nach Laube erwähne, so geschieht es
keineswegs, weil ich von seinen Tendenzen minder erbaut wäre
(Heine).

1148 2. Im Konsekutivsatz steht im allgemeinen der Indi¬


kativ, wenn die Folge tatsächlich eingetreten ist:
Das Leben ist so ernst, daß sich der Ernst eines Menschen schon
dazu geziemt (Stifter). Der Arzt kommt zu spät, als daß er noch
helfen kann. Dieser Auftrag ist zu ehrenvoll, als daß ich mich ihm
entziehen darf (Immermann).

Der Konjunktiv steht in folgenden Fällen:


a) Wenn die Folge ganz allgemein als erwünscht, als mög¬
lich, als bedingt eintretend oder als nichtwirklich auf¬
gefaßt wird (vgl. 1109):
... und will meine Erfahrungen so stellen, daß meine Arbeit
andern nicht ganz unnütz bleibe (Goethe). Alte Linden bedeck¬
ten den Platz völlig, so daß die zahlteichen Gesellschaften in
der größten Tageshitze sich darunter hätten erquicken können
(Goethe). Meine Liebe zu Ihr ist so groß, wenn alle Blätter an
den Bäumen Zungen wären sie könnten's nicht aussagen( Grimm).
Sie war so ergriffen, daß sie fast einen Weinkrampf bekommen
hätte (Ompteda).
Das Satzgefüge 549

b) Wenn der Hauptsatz verneint ist (vgl. 1112; hier ist


auch der Indikativ möglich). Die Möglichkeit wird be¬
tont:
Ich halte das Buch nicht für so gut, daß es sich verlohnen würde,
es zu lesen. Keine Wissenschaft hat eine so abgezäunte Sphäre,
daß sie nicht mit andern zu tun hätte (Herder).

Ein negativer Konsekutivsatz mit Konjunktiv kann ge¬


legentlich in alter oder poetischer Sprache als Gliedsatz
ohne Einleitewort mit Indikativ auftreten:
Kein Tal war so versteckt, ich späht' es aus (Schiller; = Kein
Tal war so versteckt, daß ich es nicht ausgespäht hätte.) Es ist
kein Mensch so arg, er hat etwas Gutes an sich (nach Luther).

c) Wenn wegen eines im Hauptsatz ausgedrückten Über¬


maßes die beabsichtigte Folge nicht [mehr] eintreten
kann oder soll. Die Folge wird als fraglich oder als irreal
betrachtet (das trifft für die Vergangenheit voll zu, in
der Gegenwart ist der Indikativ möglich; vgl. 1109):
Der Junge ist mir viel zu schön, als daß er mir ein Schneider
werden dürfte (Riehl). Ich'war zu jung, als daß die Traurigkeit
von langer Dauer hätte sein können (Wieland). Der Arzt kommt
(kam) zu spät, als daß er noch helfen könnte (hätte helfen kön¬
nen).

d) Wenn der Hauptsatz eine Frage ist (hier steht heute


meist der Indikativ):
Was bin ich, daß ich so großer Taten mich unterfinge ?(Schiller).
Hältst du mich für so schwach .... daß solch ein Fall mich
gleich zerrütten könne ? (Goethe).

3. Im Finalsatz stand früher durchweg der Konjunktiv, 1149


weil eine Absicht, die sich erst in der Zukunft verwirklichen
soll, nicht als Tatsache aufgefaßt wurde. Heute ist meist der
Indikativ eingotreten, besonders bei präsentischem Haupt¬
satz. Hierher gehören auch daß-Sätze, in denen etwas ge¬
schehen soll (vgl. 1132 und 1138, a):

Konjunktiv:
Du sollst Vater und Mutter ehren, auf daß dir *s wohl gehe und du
,
lange lebest auf Erden (Ephes. 6 2-3). ...
mußte er mit Helenen
ins klare kommen, damit er sich stark wüßte (Sudermann). Staats¬
anwalt Paravant schüttelte rasch noch einmal sein Ohr, damit es ...
aufnahmefähig wäre (Th. Mann).

Indikativ:
Von Euch wünscht die Mutter, daß Ihr Euch vermählen möchtet,
damit Euer Name nicht erlischt (Tieck). Aber ich mußte mich bän¬
digen, daß ich mich nicht verriet (Raabe). ... stutzte ihr derKnecht
die Flügel, damit sie nicht fortfliegen konnte (Rosegger).
4. Im Konditionalsatz. Steht der bedingte Hauptsatz in
der Gegenwart, dann steht im Gliedsatz der Indikativ. Die Be¬
dingung wird als erfüllbar vorgestellt:
. Wenn du mich begleitest, erzähle ich es dir ausführlicher. Licht und
Schatten muß es geben, soll das Bild vollendet sein (Uhland). Ge¬
müt kann man nur haben, wenn man wenig zu tun hat (Immermann).

Der (potentiale) Konjunktiv kann sowohl im bedingten


Hauptsatz wie im bedingenden Gliedsatz eintreten, wenn
nur die Möglichkeit angedeutet werden soll, die sich von der
bestehenden Wirklichkeit deutlich abhebt (vgl. 1109):
Wenn man diese Banditen wieder fortlaufen läßt, so bliebe von
diesem Schlosse kein Stein auf dem andern (Redwitz). Wenn man’s
gut hat, hätt* man’s gern besser (Hebel). Sollte Fritz nicht kommen,
dann sage mir gleich Bescheid.

Bei Vergangenheit des Hauptsatzes steht der Konjunktiv.


Die Bedingung wird als erfüllbar oder als unerfüllbar vor¬
gestellt. Für die Gegenwart der Rede gilt der 2. Konjunktiv,
für die Vergangenheit der Konjunktiv Plusquamperfekt.
Im bedingten Hauptsatz steht meist der gleiche Modus:
Sie würden vielen Dank verdienen, wenn Sie uns eine solche Ge¬
schichte vortrügen (Goethe). Wenn alle auf der Welt wüßten, was
ihnen nützt, dann gäbe es nicht Betrug, Haß, Verwirrung und der¬
gleichen (Stifter), Hütte ich seit gestern Steine geklopft, hätte ich
den Dreschflegel geführt, hätte ich mit einem englischen Porter¬
brauer geboxt, ich wäre nicht so todmüde als nach dem Studium
dieses Artikels (Weerth).

Gelegentlich erscheint bei den Klassikern und auch noch


bei späteren Dichtem in gehobener Sprache im Haupt- wie
im Gliedsatz des Konditionalsatzes der Indikativ (wie im
Griechischen und im Französischen). Der Gliedsatz tritt in
diesen Fällen, sehr oft ohne Einleitewort auf. Meist handelt
es sich um Erwägungen, die in Gedanken angestellt und so
betrachtet werden, als seien es Tatsachen:
Warf er das Schwert von sichrer mr verloren (Schiller). Standen
ihm damals nicht die Tröstungen der Religion zur Seite, er mußte
verzweifeln (Heine). Machte ich früher Lärm, so wurde die Pforte
besetzt (Immermann).

Oder der Indikativ erscheint nur im bedingten (Haupt-),


der Konjunktiv im bedingenden (Gl^ed-)Satz:
Mit diesem zweiten Pfeil durchschoß ich Buch, wenn ich mein liebes
Kind getroffen hätte (Schiller). ... mit... Grüßen, die ich Ihnen ...
in diesen Tagen selbst überbrachte, hätten Sie ... mir heute nicht
diese Überraschungen gemacht (Holfei).

Umgekehrt erscheint auch der Indikativ im bedingenden


(Glied-), der Konjunktiv im bedingten (Haupt-)Satz:.
So sinnend wär’ entschlummert ich zumal, wenn nicht der Tau sich
durch den Mantel stahl (A. v. Droste-Hülshoff). Er wäre auf die
Frau losgestürzt, sah er nicht den alten Valentin an der Kammer¬
türe sitzen (G. Ludwig). Sprang ich eicht schnell über den Rhein,
der Narr hätte mir mit seiner Peitsche das Haupt zerschlagen
(Heine).
Das Satzgefüge 551

Zur Umschreibung mit „würde“ ~f Infinitiv im Gliedsatz


des Konditionalsatzes vgl. 1115.

Beachte:
a) Der Konjunktiv kann in gewählter Sprache auch hei exzeptiver1
Bedeutung des bedingenden Gliedsatzes auftreten, d.h., wenn dieser
eine Ausnahme von dem Inhalt des verneinten Hauptsatzes aus¬
drückt. Als Konjunktion steht „denn“ nach der Personalform des
Verbs:
... erhält man nichts, man bringe denn was hin (Goethe). Die
Nürnberger henken keinen, sie hätten ihn denn vor (Schiller).

Selten ohne „denn“:


Ich lasse dich nicht von der Stelle, du hörest zuvor meine
Beichte an (Heine).

Allgemein üblich ist noch „es sei denn“ usw.:


Große Gedanken wirken mächtiger als bloß scharfsinnige Ge¬
danken, es sei denn, daß diese eine neue Welt öffnen (Herder).
Elimar hatte ... Worte fallen lassen, die nicht mißdeutet wer¬
den konnten, er hätte denn ein schändlicher ... Lügner sein
müssen (Fontane).

b) Der bedingende Gliedsatz kann in der Form eines Imperativs


oder Konjunktivs dem bedingten Hauptsatz vorangehen. Als Ver¬
bindung der beiden Sätze dienen „und“, „so“, „dann“:
Sei im Besitze, und du wohnst im Recht (Schiller). Sage mir,
mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist ,(Sprw.).
Man schnitze nur dem Volke einen Götzen, und gewiß, sie werden
ihn verehren (Immermann).

5. Im Konzessivsatz steht der Indikativ, wenn die Ein- 1151


räumung als Tatsache aufgefaßt wird (dies ist immer der Pall
bei den Konjunktionen obschon, obgleich, obwohl, wiewohl,
obzwar):
Hofrat Behrens war keineswegs Inhaber und Besitzer der Anstalt,
obgleich man wohl diesen Eindruck gewinnen konnte (Th.. Mann).
Die Bienen, obzwar ihnen die Natur einen Giftstachel gegeben hat,
stechen nur gereizt (Immermann). So gutmütig und friedfertig er im
Grunde war, empfand er doch stets eine rechte Sehnsucht, sich mit
schlimmen Käuzen herumzuzanken (G. Keller).

Der Konjunktiv steht in den folgenden Pallen:


a) Wenn die Einräumung in der Form eines Gliedsatzes
ohne Einleitewort als bloße Möglichkeit betrachtet wird
(vgl. 1109, bb):
Alle müßigen Menschen, und seien sie die bestgearteten, be¬
kommen eine Neigung, andern wehe zu tun (Immermann). Die
bloße Macht, sei sie auch noch so furchtbar und grenzenlos,
kann keine Majestät verleihen (Schiller). Der Verwüstungsgeist
ist etwas Entehrendes, er erscheine, wo er wolle (Seume).

1 Lat. exceptus = ausgenommen.


552 Der zusammengesetzte Satz

Der Konjunktiv der Vergangenheit steht analog dem


Konjunktiv in den Konditionalsätzen:
Es ist unmöglich, aus dem bloßen Lesen zu begreifen, wenn
auch alles noch so eigentlich und scharf geschrieben wäre
(Goethe). Ich mag nicht kriechen, und wenn es Mode des Jahr¬
hunderts wäre (Herder).

b) Wenn die Einräumung als in Wirklichkeit nicht ein¬


tretend, als irreal betrachtet wird (vgl. 1109, cc):
Aber was hilft cs ihnen, wenn sie sich vor der ganzen Welt ver¬
bergen könnten? (Lessing). Keiner von allen Sterblichen, und
wäre er der Tugendhafteste, hat Mut genug, in der Welt ohne
Maske einherzugehen (Zschokke).

c) Die Einräumung kann als Modus des Imperativs auf-


treten:
Schwatzt noch so hoch gelehrt, man weiß doch nichts, als was
man selbst erfährt (Wieland).
Zum konzessiven Relativsatz vgl. 1119.

1152 6. Im Instrumentalsatz steht der Indikativ. Das Mittel,


das der Gliedsatz ausdrückt, wird als Tatsache aufgefaßt:
Indem das Wort unverständlich wird, gewinnt es eine neue hinter¬
gründige Verständlichkeit (M. Hausmann). Er ... reizte, indem er
mit eigener wunderbarer Kraft mir widerstrebte, meine Empfindlich¬
keit (E. T. A. Hoffmann). Indem er ... weitläufigere Kompositionen
vermied,... konnte ihm ... der wohlverdiente Beifall niemals fehlen
(Mörike).

Der Konjunktiv ist möglich bei indirekter Rede (vgl. 1144):


Ich sagte, er könne einen guten Eindruck hinterlassen, indem er
sich in seinen Forderungen bescheide.

y) Die Tempora des Konjunktivs im Gliedsatz


1. Allgemeine Bemerkungen über die Zeitenfolge
1153 Die eigentliche Leistung des Konjunktivs - im Hauptsatz (vgl. 119ff.)
wie im Gliedsatz - besteht darin, die Aussageweise (die Sagweise, den
Modus) auszudrücken. Hinter dieser Aufgabe tritt der Ausdruck der
Zeitverhältnisse, wie wir sie in den Kapiteln 1102 ff. kennengelernt
haben, in der Sprache der Gegenwart völlig zurück. Die Konjunktiv¬
formen des Gliedsatzes beginnen etwa vom Ausgang des Mittelhoch¬
deutschen an allmählich ihre Zeitfunktion zu verlieren. Der heutige
Stand (der ungefähr seit der Mitte des 18. Jahrhunderts datiert) ist der,
daß im Gliedsatz der 1. wie der 2. Konjunktiv ein unvollendetes Ver¬
halten, der Konjunktiv Perfekt wie Plusquamperfekt ein vollendetes
Verhalten, der Konjunktiv Futur wie der 2. Konjunktiv ein zukünfti¬
ges Verhalten ausdrücken können. Dagegen hängen, wie wir in den
Kapiteln 1108ff. und 1117 ff. gesehen haben, starke modale Unter¬
schiede an den verschiedenen Konjunktivformen. Die Konjunktive des
Gegenwartsbereiches (Präsens, Perfekt, Futur) drücken im allgemei¬
nen aus, daß die Verwirklichung des Verhaltens im Gliedsatz eher mög¬
lich ist, als es bei den Konjunktiven des Vergangenheitsbereiches (Prä-
Das Satzgefüge 553

teritum, Plusquamperfekt, Konditional) der Fall ist, die im allgemei¬


nen die Möglichkeit der Verwirklichung entweder ganz ausschließen
oder in den Bereich der bloßen Vorstellung rücken.
Allerdings wird dieser Unterschied nicht streng beachtet; es ist sogar
zu beobachten, daß der 2. Konjunktiv gegenüber dem 1. Konjunktiv
immer mehr an Boden gewinnt, da er volkstümlicher ist. Auch die
Mundarten haben sich für den 2. Konjunktiv entschieden, außer dem
Alemannischen und seihen benachbarten Gebieten (dem Südwesten des
Bayrisch-österreichischen). In der Schriftsprache wird am 1. Konjunk¬
tiv noch stärker festgehalten, vielleicht aus dem Gefühl heraus, daß er
das Vornehmere, Gewähltere sei.
Früher gab es im Deutschen bei dem Gebrauch der Konjunktivformen
so Qtwas wie eine Oonsecutio temporum (eine gesetzmäßige Zeiten¬
folge). Maßgebend war die Zeit des Hauptsatzes: Stand dieser in der
Gegenwart (oder in der Zukunft), dann mußte der Konjunktiv des
Gliedsatzes ebenfalls im Präsens stehen; stand der Hauptsatz in der
Vergangenheit, dann mußten im Gliedsatz die Konjunktive der Ver¬
gangenheit gebraucht werden. Dieses Verhältnis ist heute ziemlich ge¬
stört. Die Wahl der Konjunktivform wird jetzt im allgemeinen ent¬
schieden durch die Rücksicht auf Deutlichkeit und durch den Um¬
stand, ob der Sprecher eine Konjunktivform als veraltet bzw. gekün¬
stelt empfindet oder nicht. Der 1. Konjunktiv steht, wenn sich seine
Form deutlich vom Indikativ abhebt, der 2. Konjunktiv dagegen über¬
all dort, wo die Form des 1. Konjunktivs undeutlich wäre. Am deut¬
lichsten unterscheidet sich beim gewöhnlichen Verb die 3. Person
Singular des 1. Konjunktivs vom Indikativ:
3. Person: Sie fragt[e] ihn, ob er komme (Indikativ: kommt).
1. Person: Nicht: Sie fragt[c] mich, ob ich komme (Indikativ ebenfalls: komme).
Sondern: Sie fragt[e] mich, ob ich käme.
2. Person: Auch nicht (weil gekünstelt): Sie fragt[e] dich, ob du kommest (Indi¬
kativ: kommst). Sondern: Sie fragt[e] dich, ob du käm[e]st.

Im Plural wird nach den gleichen Gesichtspunkten entschieden:


1. Person: Nicht: Sie frag[t]en uns, ob wir kommen. (Indikativ ebenfalls: kom¬
men).
3. Person: Nicht: Wir frag[t]en sic, ob sie kommen (Indikativ ebenfalls: kom¬
men).
2. Person: Auch nicht (weil gekünstelt): Wir frag[t]en euch, ob ihr kommet
(Indikativ: kommt).

Im Plural tritt daher überall der 2. Konjunktiv an die Stelle des I.


Konjunktivs:
Sie frag[t]en uns, ob wir kämen usw.
Dieser Umstand beeinflußt auch wieder die Wahl des 2. Konjunktivs
im Singular.
Da das Verb „sein“ im Präsens sehr deutliche Konjunktivformen
besitzt, die ganz anders als der Indikativ lauten, gilt für dieses die
genannte Regel nicht (Ausnahme: 2. Person Plural):
Sie fragt[e] mich, ob ich krank sei (Indikativ: bin). Sie frag[t]en uns, ob wir
krank seien (Indikativ : sind).
554

Die 2. Person Plural gilt jedoch als veraltet:


Man meint, ihr seiet... (Riehl).

Hier tritt heute der 2. Konjunktiv „wär[e]t“ ein. Er verbreitet sich


von hier aus gelegentlich auch über die anderen Personen, was nicht
notwendig wäre.
Das gleiche gilt auch für den 1. Konjunktiv Singular der Modalverben,
der sich ebenfalls deutlich vom Indikativ abhebt:
Ich fragte ihn, ob ich ... dürfe (könne, möge, wolle, solle, müsse).

Die 2. Person klingt uns heute, allerdings schon ein wenig veraltet oder
gekünstelt:
... wir sagen, dieser Würmer sollest du dich einmal annehmen (Jean Paul).

Über den Ersatz des 1. Konjunktivs von „werden“ durch den 2. Kon»
junktiv vgl. 1116.

2. Die Zeitenfolge im einzelnen


a) Der Optative und der hypothetische Konjunktiv
1154 Diese Konjunktive behalten im allgemeinen ihr Tempus bei ohne
Rücksicht auf das Tempus des Hauptsatzes (vgl. 1108; 1109). Man
beachte aber: Bei irrealen Konditionalsätzen, die mit einem Ver¬
gleich gekoppelt sind (vgl. 1146, 6; Konjunktionen: als wenn, wie
wenn, als ob, als oder konjunktionslos), tritt mitunter statt der
üblichen Konjunjttivform der Vergangenheit der Konjunktiv der
Gegenwart auf, besonders dann, wenn die Wahrscheinlichkeit der
Aussage betont wird oder wenn der 2. Konjunktiv undeutlich wäre:
Er sieht aus, als wenn er krank sei. Silvia spielte die Szene, als ob sie solch
eine Lage selber schon erlebt habe (Riehl). Es war ihm zumute, als erwache
er (G. Hauptmann). Es war ihm, als höre er noch einmal... den Nachtwächter
... die Stunde rufen (Raabe).

Dieser Konjunktiv ist vom obliquen Konjunktiv (vgl. 1156) be¬


einflußt.,

b) Der finale Konjunktiv


1155 Beim finalen Konjunktiv (vgl. 1110), zu dem wir den voluntativen
Konjunktiv (vgl. 1108) rechnen müssen, ist das Zeitverhältnis
gestört. Aus den unter Ziff. 1153 angegebenen Gründen folgt einem
präsentischen Hauptsatz gelegentlich ein 2. Konjunktiv im Glied¬
satz und umgekehrt:
Er kann es dahin bringen, daß ich nie mehr ein poetisches Buch wieder je
in die Hand nähme (Tieck). Er verlangte von mir, daß ich ihm einen goldenen
Gürtel machen solle (Goethe). ... hieß dem Manne eine große Geldsumme
vorstrecken, damit die berühmte Windmühle in dem alten Zustand stehen
bleibe (Heine).

ö) Der oblique Konjunktiv


1156 Beim obliquen Konjunktiv (vgl. 1111), dem Konjunktiv der in¬
direkten Rede, ist das alte Zeitenverhältnis völlig durcheinander-
geraten. Dies wird an folgenden Beispielen deutlich.
Das Satzgefüge 555

Beispiele für den Gebrauch des Konjunktivs in der indirekten Bede

I. Gleichzeitigkeit des Geschehens in Haupt- und Gliedsatz

1. Gegemvartsbereich

Wenn der Hauptsatz in einer Zeit des Gegenwartsbereiches steht (Präsens, Perfekt,
1. Futur), kann der Modus des Gliedsatzes (wenn nicht der Indikativ gebraucht wird) sein:

a) 1. Konjunktiv

Br sagt, er schreibe gerade an einem Buch. Er hat gesagt, er lese gerne. Er wird be¬
haupten, daß er kein Geld habe.

In der Gegenwartssprache steht in diesen Fällen schon oft der Indikativ, wenn der Inhalt
des Gliedsatzes als Tatsache bewertet wird:
Er sagt, er schreibt gerade an einem Buch. Er hat gesagt, er liest gern. Er wird behaup¬
ten, daß er kein Geld hat (vgl. 1101).
Da bei den schwachen Verben Indikativ und Konjunktiv Präsens und Futur in den
meisten Personen (außer 2. und 3. Person Singular) gleich lauten und auch die 2. Kon¬
junktive nicht einspringen können, weil sie ebenfalls mit dem Indikativ Präteritum
übereinstimmen wird in diesen Fällen meist die Umschreibung mit „würde“ + Infinitiv
zu Hilfe genommen:
Nicht: Sie sagen, sie freuftjen sich. Er meint, ich freu[t]e mich.
Sondern: Sie sagen, sie würden sich freuen. Er meint, ich würde mich freuen.
Aber: Er sagt, er freue sich (3. Pers. Sing.!).

Der 1. Konjunktiv der 3. Pers. Sing, steht auch dann, wenn der 2. Konjunktiv veraltet
ist oder gekünstelt klingt:
Er schreibt mir, daß er in einem Meer von Glückseligkeit schwimme (kaum mehr:
schwömme oder schwämme).

Steht die einfache Konjunktivform eines starken Verbs in der Nähe, dann wird auch der
2. Konjunktiv eines schwachen Verbs mit deutlich:
Schmidts sagen, sie zögen nach Mannheim und bauten sich dort ein Haus.

b) 2. Konjunktiv

Der 2. Konjunktiv wird besonders dann gewählt, wenn der Konjunktiv Präsens oder
Futur unkenntlich ist (mit dein Indikativ übereinstimmt) oder der Inhalt des Glied¬
satzes als betont zweifelhaft, bedingt oder unwirklich angesehen wird:
Ich erkläre, daß ich alles getan hätte, um ihn zu retten (ich habe es nicht getan, daher
nicht „habe“, weil der gleichlautende Indikativ ja die, Tatsächlichkeit feststellt!).
Ihr meint, ihr würdet (statt: werdet) kommen ? Menzel sagt, ich hätte den deutschen
Patriotismus für eine Narrheit erklärt, ich zöge gegen die Deutschen zu Felde, ich
verhöhnte die Geister der deutschen Helden, ich hätte mich von der deutschen Nation
losgesagt (Börne). [Es ist aber gar nicht so.]
Oft steht der 2. Konjunktiv eines starken Verbs selbst dort, wo der 1. Konjunktiv durch¬
aus genügen würde, weil seine Form so überaus deutlich ist:
Der Arzt sagt, d,er Kranke hätte (statt: habe) Anfälle von Umnachtung, er schlüge
(statt: schlage) stundenlang um sich und fiele (statt: falle) zuletzt in eine todesähn¬
liche Erschöpfung.
556 Der zusammengesetzte Satz

2. Vergangenheitsbereich

Wenn der Hauptsatz in einer Zeit des Vergangenheitsbereiches steht (Präteritum, Plus¬
quamperfekt), kann der Modus des Gliedsatzes sein:

a) 1. Konjunktiv

Der 1. Konjunktiv wird heute normalerweise gebraucht, wenn nicht die Fälle unter b)
auftreten, besonders aber auch dann, wenn der Inhalt des Gliedsatzes für die Gegenwart
noch gilt:
Er rief laut in den Saal, daß er der Bürgermeister sei und daß er darüber zu bestim¬
men habe, ob... Femov sagte mir, ... es sei ausgemacht, daß es eine Gräfin sei
(Seume). Frau Schulze erzählte mir, ihre Untermieterin sei heute’früh nach M. ge¬
fahren, sie wolle nach ihrem kranken Mann sehen. Sie werde nicht eher Ruhe finden,
als bis sie wisse, wie es ihm gehe.

b) 2. Konjunktiv
Der 2. Konjunktiv wird gewählt:
a) Wenn Konjunktiv Präsens, Perfekt und Futur nicht deutlich werden:
Ich teilte ihm mit, daß ich keine Zeit hätte (statt: habe). Sie fragten nach meinem
Befinden und sagten selber sogleich, ich hätte (statt: habe) mich gar nicht verändert
(Heine). Sie meinten, sie würden (statt: werden) das gleich mit erledigen.

Bei schwachen Verben wird oft die Umschreibung mit „würde“ + Infinitiv zu Hilfe ge¬
nommen, w;eil die Formen des 1. wie des 2. Konjunktivs undeutlich sind:
Ich versicherte ihr, daß ich keinen Zweifel jn ihre Treue setzen würde (statt: setze
oder setzte).

ß) Wenn der Inhalt des Gliedsatzes als betont zweifelhaft, bedingt oder unwirklich ange¬
sehen wird, was bei Vorgängen der Vergangenheit für den Sprecher oft der Fall ist:
Sie meinte, daß er mit dem Nachmittagszug käme. Ich dachte, du wärst schon
weg. (Der Angesprochene ist noch da.) Nimm an, ich wäre ein ganz, ganz antiker,
vom Roste des Altertums überzogener Torso! (Teubert).

Da also im Gegenwarts- wie im Vergangenheitsbereich der 1. und der 2. Konjunktiv im


Gliedsatz möglich sind, geht der Gebrauch dieser Formen heute oft willkürlich durchein¬
ander. Selbst in einem Satz wechseln manchmal beide Formen ohne ersichtlichen Grund:
Die Nadel, sagte die Fee, sei ein kostbarer Talisman, der Wunderkräfte in sich
schlösse (Platen). Die Räte entließen mich mit leerem Trost: der Kaiser habe diesmal
keine Zeit, er würde sonst einmal wohl an uns denken (Schiller).

Manchmal wechselt man mit den Konjunktiven, um Wiederholungen gleichlautender


Konjunktive zu vermeiden:
Sie erzählte, sie sei damals in große Not gekommen, und nur mit Mühe wäre (statt:
sei) es ihr gelungen, den Richter von ihrer Unschuld zu überzeugen (Börne).

II. Vorzeitigkeit des Geschehens im Gliedsatz

Zum Ausdruck der Vollendung des Geschehens im Gliedsatz dienen in gleicher Weise
die Konjunktive Perfekt und Plusquamperfekt. Das Geschehen des Gliedsatzes liegt vor
dem des Hauptsatzes:
Er sagt[e], er sei (oder wäre) krank gewesen. Er berichtet [e], daß er an alles gedacht
habe (oder hätte). Sie meint[e], ich hätte eher daran denken sollen. Sie glaubt[e],
unsere Mühe sei (oder wäre) sowieso vergeblich Gewesen.
557

III. Nachzeitigkeit des Geschehens im Gliedsatz


Zur Kennzeichnung eines Geschehens im Gliedsatz, das nach dem Geschehen im Haupt¬
satz liegt, dienen der 1. Konjunktiv, der Konjunktiv Futur und der 2. Konjunktiv.
a) 1. Konjunktiv
Er versichert[e] mir, er komme heute abend.
In den Formen, die mit dem Indikativ gleich lauten oder als gekünstelt gelten, tritt der
2. Konjunktiv als Ersatz ein (vgl. c).
b) Konjunktiv Futur
Er versichert[e] mir, daß er heute abend kommen werde.
In den Formen, die mit dem Indikativ gleich lauten oder als gekünstelt gelten, tritt der
2. Konjunktiv von „werden“ als Ersatz ein (vgl. 1116):
Ich versicher[t]e ihm, daß ich kommen würde (statt: werde). Der Anwalt hatte dir
ja gesagt, du würdest (statt: werdest) den Prozeß verlieren.
c) 2.' Konjunktiv
Er versichert [e] mir, daß er heute abend käme. Du hast doch behauptet, du träfest
ihn heute abend.
Die Umschreibung mit „würde“ + Infinitiv ist hier sehr beliebt, weil sie einerseits stark
futurische Kraft hat (vgl. 1115) und andererseits der 2. Konjunktiv eine zu starke
irreale Bedeutung erweckt:
Er versicherte] mir, er würde kommen (statt: er komme oder käme).
Sie wird überall dort gebraucht, wo der 2. Konjunktiv veraltet ist oder als gekünstelt
erscheint (vgl. 1115).

d) Der negativ beeinflußte Konjunktiv


.Beim negativ beeinflußten Konjunktiv sind die Konjunktive der Ver- 1157
gangenheit üblich, weil der Inhalt des Gliedsatzes irreale Bedeutung hat.
Doch kommen bei präsentischem Hauptsatz Konjunktive der Gegenwart
vor. Heute steht in solchen Fällen meist der Indikativ:
Das Haus ist... in zu gutem Rufe, als daß es einer Aufschrift bedürfe (Thümmel).
... während sie bei keiner Blume an etwas anderes denkt, als daß sie wohl rieche
(Immermann).

e) Der angeglichene Konjunktiv


Der angeglichene Konjunktiv stimmt im Tempus mit dem Konjunktiv 1158
überein, dem er sich angeglichen hat:
1. Konj.: Koste es, was es wolle, ich muß es erreichen.
2. Konj.: Es wäre der Mühe wert, daß man der Sache näher käme (Goethe).

M. BESONDERHEITEN DER SATZBILDUNG

I. Die Gestaltungsarten der Rede


Eine Rede kann in dreifacher Weise gestaltet werden:
a) als direkte Rede
Die direkte Rede gibt die Aussagen wieder, wie sie vom Sprecher geformt 1159
wurden:
Karl sagte: „Ich komme.“
558 Besonderheiten der Satzhildung

b) als indirekte Rede


1160 Die indirekte Rede gibt die Aussagen eines anderen wieder oder auch
Aussagen des Sprechers selbst, wenn dieser darüber berichtet:
Karl sagte, er komme. Ich sagte damals nur, daß ich wenig Hoffnung hätte.

Der Form nach können in der indirekten Rede stehen:


1. Inhaltssätze mit und ohne „daß“:
Br wünschte sich, daß er einmal nach Griechenland fahren könne. Er sagte, er sei
krank gewesen.

2. Indirekte Fragesätze mit einem Einleitewort:


Er fragte mich, ob Karl dies wirklich gesagt habe.

Gelegentlich kann die Konjunktion „ob“ auch fehlen:


... da sie nicht wisse, sei sie an einen Siebenkäs oder an einen Leitgeber ver¬
heiratet (Jean Paul).

Über den Modus in der indirekten Rede vgl. 1144.

c) als erlebte Rede


1161 Die erlebte Rede1 ist erst seit einem halben Jahrhundert ein beliebtes
Stilmittel. Mit ihr wird meist .die gedachte, aber auch die gesprochene
Rede einer Person vom Erzähler unter dem empfangenen Eindruck neu
gestaltet:
Thomas Mann schreibt beispielsweise in den Buddenbrooks über das, was der Senator
gerade denkt: . .. Schreiben also - heute abend noch schreiben - nicht auf dem Ge¬
schäftspapier mit Firmendruck, sondern auf einem Privatbriefbogen, auf dem nur
»Senator Buddenbrook* gedruckt stand - in rücksichtsvollster Weise schreiben und
fragen, ob ein Besuch in den nächsten Tagen genehm sei. Eine heikle Sache immer¬
hin. Ein etwas glatter Grund und Boden, auf dem man sich mit einiger Grazie be¬
wegen mußte - desto mehr etwas für ihnl

II. Die Verneinung (Negation)

1. Die Arten der Verneinung

Man unterscheidet zwei Arten der Verneinung:


a) Satzverneinung
1162 Bei der Satzveraeinung stellt das Veraeinungswort das gesamte Sein
oder Geschehen eines Satzes in Abrede. Es ist dann meist Umstandsan¬
gabe:
Ich komme nicht, keinesfalls, keineswegs, nie, niemals, nimmer. Er war nirgends.

Es kann aber auch Subjekt oder Objekt sein:


Niemand war zu sehen. Keiner kam. Ich habe nichts gefunden.

1 Vgl. hierzu Herbert Seidler, Allgemeine Stilistik, Göttingen 1953, S. 322 ff.
Die Verneinung (Negation) 559

b) Wort Verneinung
Bei der Wortveraeinung wird der Inhalt eines Wortes in Frage gestellt. 1163
Das Vemeimmgswort steht dann unmittelbar bei dem zu verneinenden
Wort und ist Attribut:
Nicht jeder ist ein Held. Nicht dich habe ich gemeint, sondern deinen Freund. Ich
habe kein Geld.

Beachte:
Da „kein“ zugleich wort- und satzverneinend ist, wird in der Amtssprache und gelegent¬
lich auch in der Sprache der Wissenschaft an seiner Stelle das den Satz deutlicher ver¬
neinende „nicht“ verwendet:
Dieser Tatsache ist eine besondere Bedeutung nicht zuzumessen (statt: . . . keine be¬
sondere Bedeutung zuzumessen).
Schriftsprachlich sollte das satzverneinende „nicht“ nur dann für das attributive „kein“
stehen, wenn sich das zu „kein“ gehörende Substantiv in Ausdrucksstellung befindet
(vgl. 1272):
Geld habe ich nicht. Urlaub gibt es nicht.
Das nachgestellte flektierte „kein“ ist umgangssprachlich (oberdeutsch und westmittel¬
deutsch) :
Geld habe ich keim. Urlaub gibt es keinen. Gesellschaft habe ich noch keine gefunden
(Goethe).
Wie beliebt die Ersetzung von „nicht“ durch „kein“ ist, zeigen auch Beispiele wie:
Es ist noch keine 3 Uhr (statt:... noch nicht 3 Uhr). Sie war noch keine 18 Jahre alt
(statt: . .. noch nicht 18 Jahre alt).
In der Umgangssprache führt dies zu nicht korrekten Sätzen wie:
Ich esse keine Kartoffeln gern (statt: Ich esse Kartoffeln nicht gern).

Über die Wortveraeinungen mit Hilfe von Präfixen vgl. 765 ff.

2. Die Verstärkung der Verneinungswörter


Die Vemeinungswörter werden gern verstärkt, um den Grad der Ab¬ 1164
rede zu erhöhen. Die Verstärkung kann erfolgen:
a) durch Gradadverbien:
Er liebt das durchaus nicht, gar nicht, ganz und gar nicht.

b) durch Ersatz eines VemeinungsWortes mit Hilfe der Fügung „nicht


oder kein ab wertendes Substantiv“. Diese Verstärkung ist besonders
volkstümlich:
Das ist nicht eine Bohne, keinen Deut, keinen Heller, keinen Pfifferling wert (= nichts
wert).
In einigen dieser Fügungen fällt das Veraeinungswort aus und das ab¬
wertende Substantiv übernimmt allein die verneinende Aufgabe:
Ich frage [nicht] den Henker danach (= niemanden danach). Darum kümmere ich
mich [nicht] den Teufel (= durchaus nicht).

c) durch die herausgehobene Partikel „nein“ und andere Wörter oder


Wortgruppen mit entsprechender Bedeutung:
Nein, ich komme nicht. Gott bewahre, das tue ich nicht. I wo (ugs.), das mag ich nicht.
Als Antwort auf Entscheidungsfragen kann „nein“ auch allein stehen
(vgl. 857,4, a).
560 Besonderheiten der Satzbildung

d) durch Doppelungen. Sie wirken besonders nachdrücklich:


Nie und nimmer werde ich das tun (für: niemals werde ich das tun).

3. Die doppelte Verneinung

a) Im einfachen Satz
1165 Eine doppelte Verneinung im selben Satz hat über lange Zeiten unserer
Sprachgeschichte hinweg eine Verstärkung der Negation ausgedrückt.
Dieser Gebrauch lebte teilweise bis ins 19. Jahrhundert fort:
Unsre Weiber haben nie kein Geld und brauchen immer viel (Goethe). Alles ist Partei
und nirgends kein Richter (Schiller). Reiß dir deshalb kein Haar nicht ausl (M. Clau¬
dius).

Im Volkslied und in Dialekten hat er sich bis heute erhalten:


Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß als heimliche Liebe, von der niemand
nichts weiß (Volkslied).

Sonst heben sich in der Gegenwartssprache zwei Verneinungen im selben


Satz auf, d. h. die Aussage ist bejahend. Dieser Bedeutungswandel, der
von manchen Sprachpflegern noch bedauert wird, vollzog sich untef dem
Einfluß der lateinischen Grammatik.
Beachte:
Keine Bejahung entsteht, wenn die Konjunktion ,,nicht nur - sondern auch0 in einem
verneinten Satz steht:
Er hat nicht nur nicht gearbeitet, sondern auch noch die anderen abgehalten.

1166 Eine doppelte Verneinung ist heute allerdings nur noch üblich mit Hilfe
einer Verbindung von „nicht (kein) + Wort mit negativer Bedeutung“
oder „nicht -f Präfix Verneinung4 u. Mit diesen Verbindungen soll nicht
die volle Bejahung, sondern eine bestimmte Abschattung ausgedrückt
werden:
Er sah das nicht ohne Wohlgefallen (= mit einem gewissen Wohlgefallen). Das ist
nicht ungewöhnlich (= ziemlich gewöhnlich). Das ist nicht unmöglich (= wohl mög¬
lich).

Es empfiehlt sich, diese Verneinungen sparsam anzuwenden, weil sie


für eine allzu vorsichtige Ausdrucksweise öder gar für eine bewußte
Untertreibung charakteristisch sind:
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß .. . Das Mädchen ist nicht unflott.
Eigentlich unlogisch ist die scherzhafte Wendung „Das ist gar nicht so unübel,\ weil
ein bereits negatives Wort doppelt verneint wird.

Über die doppelte Verneinung in der Wendung „nichts weniger als“


vgl. 379.

b) Im Satzgefüge
1167 Positiver Sinn entsteht auch, wenn im Satzgefüge Haupt- und Gliedsatz
verneint sind:
Es war niemand im Zimmer, der das nicht gewußt hätte (= jeder im Zimmer hat das
gewußt).
Die Ersparung von Redeteilen (Ellipse) 561

Als nicht mehr korrekt gelten heute jedoch doppelte Verneinungen im 1168
Satzgefüge und auch bei Infinitivgruppen in folgenden Fällen (pleo-
nastische Negation):
1. Wenn die Verneinung des Satzgefüges bereits durch ein negatives
Verb oder eine negative Wortverbindung im Hauptsatz erfolgt.
Es handelt sich um Verben und Wortverbindungen wie „abhalten,
abraten, sich in acht nehmen, ausbleiben, bestreiten, bezweifeln, sich
enthalten, fehlen, fürchten, hindern, sich hüten, leugnen, verbieten,
verhindern, verhüten, verweigern, warnen, es fehlte wenig u. a.:
Was hindert mich, daß ich nicht eine der grünen Schnüre ergreife ? (Goethe).
Hüte dich, daß du mit Jacob nicht anders redest I (Lessing). Du hattest mir ver¬
boten, dir nichts mitzubringen (Goethe).
Wir können heute nur noch sagen:
Es fehlte nur wenig, daß es ihm ebenso ergangen wäre (statt wie früher oft:
..., daß es ihm nicht ebenso ergangen wäre).

2. Wenn bei verneintem Hauptsatz der Gliedsatz durch eine Kon¬


junktion mit verneinendem Sinn eingeleitet wird. Gemeint sind Kon¬
junktionen wie „bevor, ehe, ohne daß“:
Noch Goethe: Ehe diese Vorbereitungen nicht vollkommen zustande sind, wer¬
den die Kästen nicht eröffnet. Heute nur: Mutter legt sich nie zu Bett, ehe Vater
zurück ist (und nicht: ... ehe Vater nicht zurück ist).

QI. Die Ersparung von Redeteilen (Ellipse)


I. Zum Wesen der Ersparung
Die Ersparung von Redeteilen (Ellipse1) ist ebenso eine Abweichung von 1169
der grammatischen Norm wie der Pleonasmus (vgl. z. B. 563), bei dem das
Gegenteil geschieht.
Es wäre aber falsch anzqnehmen, daß dem Sprechenden bei dieser Ab¬
weichung von den grammatischen Grundverhältnissen immer die voll aus¬
geformte syntaktische Form vorschwebt, aus der er dann bewußt einzelne
Teile ausläßt.
In vielen Fällen ist gerade das Gegenteil der Fall. Es handelt sich dann um
erste Ansätze der sprachlichen Gestaltung einer besonderen Wirklichkeit,
weil sich der Sprechende über die grammatischen Grundformen noch nicht
klar ist, in denen seine Rede verlaufen soll. Es liegt nahe, daß dies bei Er¬
regungszuständen besonders häufig ist:
Was ? Ich ? Ich soll - ? Ich soll das Geld gestohlen haben ?
Ebenso in der Dichtung’*:
Was? Ich? Ich hätt’ ihn -? Unter meinen Hunden -?
Mit diesen kleinen Händen hätt’ ich ihn -?
Und dieser Mund hier, den die Liebe schwellt -?
Ach, zu ganz anderm Dienst gemacht, als ihn -1
Die hätten, lustig stets einander helfend,
Mund jetzt und Hand, und Hand und wieder Mund - ?

1 Griech. blleipsis = das Ausbleiben.


* Kleist, Penthesilea. Zitiert nach Herbert Seidler, Allg. Stilistik, 1953, S. 195.
562 Besonderheiten der Satzbildung

Daneben sind aber weitere Gründe wirksam:


Oft erlaubt es die eindeutige Sprechsituation, nur teilweise ausgeformte
Grundformen zu verwenden (vgl. hierzu auch 860):
Sieh, der Vater! Hilfe! Ein Unfall 1 Alle Mann an Deck!

Manchmal scheut sich der Sprechende, den Namen Gottes auszusprechen:


Bewahre! Behüte!

In weiteren Fällen sind sprachökonomische Gründe maßgebend:


Karl fährt nach Italien, Wilhelm an die Nordsee. Rauchen verboten! Achtung!

In gewählter Sprache wird gelegentlich auch um des Wohlklangs willen


das Hilfszeitwort ausgelassen:
... die Lichter des Kurhauses, darin er mit seinen Eltern gewohnt [hatte] (Thomas
Mann). Die Herren wüßten, daß er gegen die Welt hier oben manches auf dem Herzen
habe, sooft er es sich bereits davon heruntergeredet [habe] (Thomas Mann).

Über die Auslassung von „worden“ vgl. 110, Beachte, 1.


Dies alles zeigt, daß die Gründe für eine elliptische Bildung Mannigfaltig
sind.

2. Die Arten der Ersparung


Alle Ersparungen lassen sich in zwei Gruppen einteilen:

a) Ersparung von Redeteilen, die im gleichen oder in einem benach¬


barten Satz nicht mehr Vorkommen
1170 Ersparte Redeteile, die im gleichen oder in einem benachbarten Satz nicht
mehr Vorkommen, können Satzteile und Teilsätze sein.

a) Satzteile
[Ich] Danke schön. Träume [sind] Sch&ume. Wozu [dient] diese große Mühe ? [Seid
uns, mir] Willkommen 1 [Ich habe] Hunger I [Habe] Geduld 1 Er will heute nach
Frankfurt [fahren]. Sie ist noch nicht 16 Jahre [alt]. Vielleicht [geschieht es], daß
er heute noch eintrifft.

Die Auslassung des pronominalen Subjekts ist umgangssprachlich sehr


beliebt :
[Ich] Weiß wohl. [Ich] Komme «chon.

Dichter verwenden diese Auslassung gern als Stilmittel, zudem subjekt¬


lose Sätze besonders innerlich wirken:
Hast mich denn auch lieb ? fragte sie (H. Hesse). Kann dir die Hand nicht ge¬
ben (Uhland). Füllest wieder Busch und Tal still mit Nebelglanz, lösest endlich
auch einmal meine Seele ganz (Goethe).

Beachte:
Im Kaufmannsstil wird das Subjekt gelegentlich ausgelassen, weil der Schreiber sich
scheut, einen Brief mit der ersten Person des persönlichen Pronomens zu beginnen.
Dies ist jedoch eine Unsitte:
Habe Ihren Brief erhalten. Statt: Ich habe Ihren Brief erhalten.
Die Ersparung von Redeteilen (Ellipse) 563

ß) Teilsätze
Die Einsparung ganzer Teilsätze ist üblich:
1. bei gewichtslosen Zwischensätzen:
Wenn du mich schon fragst, [dann antworte ich,] es war um 9 Uhr.

2. bei gewichtslosen Einleitesätzen, wenn der Gliedsatz ein Wunsch-,


Ausrufe- oder Fragesatz ist:
[Ich verlange,] Daß du mir die Wahrheit sagst! [Ich frage mich,] Ob er
glücklich ist?

b) Ersparung von Redeteilen, die im gleichen oder in einem benach¬


barten Satz noch einmal Vorkommen

a) Ersparung von gemeinsamen Redeteilen in gleichwertigen Sätzen


Über die Ersparung dieser Redeteile vgl. 1051. 1171
Beachte aber noch:
1. Ein gleichlautendes Relativpronomen in zwei gleichwertigen Glied¬
sätzen darf nicht erspart werden, wenn es sich um verschiedene Kasus
handelt:
Adverbien, die [Akkusativ] man heute noch nicht als Präpositionen bezeichnet,
die [Nominativ] aber in der Art einer Präposition verwendet werden.

2. Gelegentlich wird in zusammengefaßten Sätzen fälschlich von zwei


Hilfsverben eines ausgelassen, obwohl die beiden Hilfsverben im Nume¬
rus unterschieden sind:
Die Kontrolle wurde verstärkt und in einem Monat zehn Schmuggler verhaftet
(statt: ... in einem Monat wurden . . .).

ß) Ersparung eines Attributs, das mehreren Substantiven zugehört


1. Ersparung eines Adjektivs, eines Pronomens oder eines Artikels
Wenn ein Adjektiv, ein Pronomen oder ein Artikel mehreren neben¬ 1172
geordneten Substantiven zugehört, darf eine Ersparung nur dann ein-
treten, wenn die Substantive im Genus und Numerus übereinstimmen:
Br beschäftigt sich mit französischer Literatur und Geschichte. Er freut sich über
die bunten Kleider und Tücher. Meine Bücher und Bilder bereiten mir Freude.
Die Kraft und Tiefe seiner Gedanken . . . Auch (weil der Geschlechtsunterschied
im Plural nicht sichtbar ist): Die schönen Burgen und Schlösser des Franken¬
landes . . .
Es gilt aber heute als Fehler, wenn sich ein Adjektiv auf zwei Substan¬
tive mit verschiedenem Genus oder Numerus bezieht:
Also nicht: Er erledigte diesen Auftrag mit großer Umsicht und Verständnis.
Sondern: ...mit großer Umsicht und großem Verständnis. Auch nicht (bei
gleicher Form, aber verschiedenem Numerus): Die Einfachheit ländlicher Natur
und Sitten . .. Sondern: Die Einfachheit ländlicher Natur und ländlicher Sitten.
Ebenso nicht: Sehr geehrter Herr und Frau Schulze! Sondern: Sehr geehrter Herr
Schulze, sehr geehrte Frau Schulze! Schießlich nicht: Seine (des Kleinpferdes)
Verwendungsmöglichkeiten, Haltung und Aufzucht. Sondern: Seine Verwen¬
dungsmöglichkeiten, seine Haltung und Aufzucht. Nicht: Das Sportfest der
Jugend und Studenten. Sondern: Das Sportfest der Jugend und der Studenten.
564 Besonderheiten der Satzbildung

Solche Abweichungen wurden von Dichtem bis ins 19. Jahrhundert


noch gewagt, wenn die Wiederholung des gleichen Adjektivs schlep¬
pend wirkte:
Und mit vieler Müh und Sorgen findet er sein Stückchen Brot (Goethe). Mit einer
hölzernen Kelle oder Kochlöffel (G. Keller).

2. Ersparung eines genitivischen oder präpositionalen Attributs


1173 Genitivische und präpositionale Attribute, die sich in gleicher Weise
auf mehrere Substantive beziehen, können ebenfalls erspart werden:
Die Bäume und Sträucher unseres Gartens (oder: im Garten) blühen.
Weil dies möglich ist, müssen Sätze wie der folgende vermieden werden,
in denen sich das genitivische Attribut nur auf das letzte Substantiv
bezieht:
Also nicht: Von dort siehst du die Burgen, die Weinberge und die Gärten des
Königs. Sondern: ... die Burgen, die Weinberge und die königlichen Gärten.

y) Ersparung eines Substantivs, das mehreren Attributen gemeinsam ist


1174 Beziehen sich mehrere Attribute auf gleiche Substantive, dann braucht
das Substantiv nur einmal zu stehen:
Das alte und das neue Rathaus. . . Die weißen und die roten Rosen ... Des Was¬
sers und des Feuers Kraft...

Beachte:
1. In den beiden ersten Beispielen ist die Ersparung des Artikels nicht zu emp¬
fehlen, weil die beiden Adjektive nicht zwei Eigenschaften benennen, die einem
Wesen oder Ding zugesprochen werden, sondern zwei Eigenschaften, die zwei
oder mehr Wesen oder Dingen eigentümlich sind:
Also nicht: Das alte und neue Rathaus... Die weißen und roten Rosen.
2. Ein Substantiv wird gelegentlich auch dann eingespart, wenn an Stelle des zweiten
Attributs ein Bestimmungswort steht (so schon mittelhochdeutsch: zam und wild-
braete):
zahme und Wildschweine; öffentliche und Privatmittel. Auch umgekehrt:
Geld- und andere Sorgen.

d) Ersparung einer Präposition, die mehreren nebengeordneten Substan¬


tiven zugehört
1175 Über die Ersparung dieser Präpositionen vgl. 236; 587; 588.
Beachte aber noch:
Die Präposition darf nicht erspart werden, wenn Mißverständnisse auf-
treten:
Nicht von Gottes Weisheit oder Rechtsgelehrsamkeit war die Rede . . . (Hans
Künkel). Besser: Nicht von Gottes Weisheit oder von Rechtsgelehrsamkeit war die
Rede.

e) Ersparung von Redeteilen im Dialog


1176 Im Dialog können Redeteile, die sich aus dem vorausgehenden Satz von
selbst verstehen, erspart werden:
Wohin gehst du morgen ? [Ich gehe] In den Wald. [Gehst du] Allein ? Nein, [ich
gehe] mit meiner Familie.
Der Satzbruch 565

IV. Der Satzbruch

Beim Satzbruch oder Anakoluth1 verläßt der Sprechende die begonnene 1177
Satzkonstruktion und fährt mit einer neuen fort. Dies geschieht besonders
häufig, um einem Gliedsatz - besonders nach Zwischensätzen - das Ge¬
wicht eines Hauptsatzes zu verleihen.
So in der Umgangssprache:
Wenn ich nach Hause komme, und der Vater ist noch da, dann .. . Statt: Wenn ich
nach Hause komme und [wenn] der Vater noch da ist, dann . . .

In früherer Zeit waren solche Satzbrüche auch noch bei Dichtem - ins¬
besondere bei Goethe - als Stilmittel beliebt:
Man fand, daß, weil dieses eine Sache der guten Laune und des freien Willens sei, so
müsse sich eigentlich kein Direktor darein mischen (Goethe). Statt: daß ... sich eigent¬
lich kein Direktor darein mischen müsse. In gleicher Weise Mörike: Meine einfältige
Meinung ist, daß, wenn Don Giovanni nicht aller Welt den Kopf verrückt, so schlägt
der liehe Oott seinen Musikkasten gar zu. Statt: daß . . . der liebe Gott seinen Musik¬
kasten gar zuschlägt.

Hierher rechnet man auch die Heraushebung eines Satzgliedes und dessen
Wiederaufnahme oder Vorausnahme durch ein Pronomen. Fügungen
dieser Art gelten als schriftsprachlich:
Der ernste, kühle Knabe, wäre er nicht ein guter Mit- und Gegenspieler im Kreis der
Kräfte ? (Carossa). Dir helfen, das ist jetzt unsere Aufgabe (Keyserling). Und wer sie
liebte, der mußte es wohl mitlieben, dieses verfluchte Genie (Carossa). Es war gut, das
Bild (H. Hesse).

Gelegentlich wird dabei die Kongruenz nicht beachtet (vgl. 1206).


Von diesen Satzbrüchen sind jene weit unterschieden, von denen man sagt,
daß der Sprecher „den Faden verloren hat“. Solche Satzbrüche kennt jeder
aus Reden ungeschulter oder temperamentvoller Redner. Auch in Briefen
sind sie häufig. In diesem Zusammenhang wird immer wieder auf nach¬
stehenden Satz aus einem Brief der Frau Charlotte Kestner (geb. Buff)
hingewiesen, der nach einem Besuch bei Goethe in Weimar geschrieben
wurde:
Ich habe eine neue Bekanntschaft von einem alten Mann gemacht, welcher, wenn ich
nicht wüßte, daß er Goethe wäre, und auch dennoch hat er keinen angenehmen Ein¬
druck auf mich gemacht.

N. DIE KONGRUENZ IM SATZ

Mit der Kongruenz2 stoßen wir auf ein weiteres bedeutsames Mittel 1178
der Sprache zur Sicherung der Einheit des Satzes. Wir verstehen unter
ihr die formale Übereinstimmung zusammengehöriger Satzglieder oder
Gliedteile mit Hilfe der Flexionsendungen. Durch sie werden die Glieder
auf das engste verzahnt.

1 Griech. An-aköluthon = Das ohne Folgerichtigkeit Gesprochene.


2 Lat. congruentia = Ebenmäßigkeit, Gleichförmigkeit, Übereinstimmung.
566 Die Kongruenz im Satz

Ein Verstoß gegen diese formale Übereinstimmung, also eine Konstruktion


nach dem Sinn, nicht nach dem grammatischen Gesetz, wird Synesis1 oder
constructio ad sensum2 genannt. Wir werden ihr im folgenden gelegentlich
begegnen, da sie zum Teil noch schriftsprachlich ist. Früher war sie sehr
viel häufiger; der Einfluß der lateinischen Grammatik hat ihr jedoch stark
entgegengewirkt.
Die Kongruenz zeigt sich in Person, Numerus, Kasus und Genus der Satz¬
glieder. Da sich das alte Formensystem der germanischen Sprachen im
Deutschen weithin erhalten hat, ist die Kongruenz hier noch von beson¬
derer Wichtigkeit. Wie die nachstehende Darstellung zeigt, ist sie auch bis
auf. wenige Ausnahmen fester Besitz der Sprachgemeinschaft. Diese Aus¬
nahmen beruhen fast ausschließlich auf den sachlichen Schwierigkeiten,
die sich aus dem Einzahl-Mehrzahl-Problem oder aus der Frage der Zu¬
ordnung zweier Satzglieder oder Gliedteile ergeben.

I. Die Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat


(in Person und Numerus)3

1. Person
a) Normale Kongruenz
1179 Das Prädikat steht in der Per3onalform, die ihm das Subjekt vorschreibt
(vgl. 139):
1. Person Sing.: Ich gehe nach Hause.
2. Person Sing.: Du fährst in die Alpen.
3. Person Sing.: Er (Fritz, mein Sohn) hat sich verheiratet. Er ist Arbeiter.
2. Person Plur.: Ihr geht jetzt nach Hause usw.

b) Besondere Fälle
a) Bei anreihenden Konjunktionen
1180 Besteht das Subjekt aus verschiedenen grammatischen Personen, die
mit anreihenden Konjunktionen verbunden sind, dann gilt folgendes:
1. Bei Bezug des Prädikats auf die Einzelsubjekte
Nach der 1. und 3. Person des Subjekts folgt die 1. Person Plural des
Verbs, manchmal mit Einschaltung eines „wir“:
Der da und ich, wir sind aus Eger (Schiller). Ich und HohenblaU können uns kaum
im Sattel halten (Wieland). Vater, Mutter und ich freuen uns sehr.

Nach der 1. und 2. Person findet das gleiche statt:


Ich und du (.wir) gehen in den Wald. Du und wir werden das Opfer (Wieland).
Weder du noch ich sind das gewohnt.

Nach der 2. und 3. Person steht das Verb meist in der 2. Person Plural,
manchmal mit Einschaltung eines „ihr“:
Du und sie, ihr tötet mich (Grillparzer). Weder Ihr noch der Papst könnt etwas
Besseres erdenken (Goethe).

1 Griech. synesis = Sinn.


1 Lat. = Konstruktion nach dem Sinn.
• Zur Kongruenz des Prädikats im Gleichsetzungssatz vgl. 1188f.
Die Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat 567

Die 3. Person Plural ist veraltet:


Du mußt den Schuß tun, oder du und dein Knabe sterben (Schiller).

2. Bei Bezug auf die Subjekte als Einheit


Bei Bezug auf die Subjekte als Einheit kongruiert das Prädikat meist
mit der zunächst stehenden Person :
Hierin irrst du und ich. Ich und alle Welt jürchtet das. Schon seit einer Stunde
suche ich und Johann Sie auf diesem Berge (Zschokke).

ß) Bei disjunktiven Konjunktionen


Besteht das Subjekt aus verschiedenen grammatischen Personen, die mit 1181
disjunktiven Konjunktionen verbunden sind, dann richtet sich das Prä¬
dikat nach der zunächst stehenden Person:
Ich oder du bist überflüssig. Entweder er oder ihr seid daran schuld. ... ob ich oder
du sollst dienen den Geiern zum Mahl (Chamisso).
Der Bezug auf die zuerst genannte Person ist veraltet:
... bis er oder ich erliegt (Friedrich Müller).
Wenn eine der Personen durch Verneinung ausgeschlossen ist, drückt
meist das positive Glied dem Prädikat seine Person auf:
Ein alt Gesetz, nicht ich, gebietet’s dir (Goethe). Du behauptest, daß nicht ich, wohl
aber du Amphitryons Diener seist (Kleist).

y) Bei Relativpronomen
Bezieht sich ein Relativpronomen auf eine 1. oder 2. Person, dann wird das 1182
betreffende Personalpronomen heute meist wiederholt. Das Prädikat
richtet sich dann nach der Person des Personalpronomens:
Du, der du so etwas erlebt hast, . . . Ich, der ich geschworen habe,...
Die Auslassung des Personalpronomens ist heute nicht mehr üblich, war
früher aber häufiger. Das Prädikat steht dann in der 3. Person:
Ich, der mit jedem Herzensschlag ihr angehört (Wieland). Was kann ich tun, der
selber hilflos ist ? (Schiller).
Ausgenommen ist der Fall,wo ein „es“ vor dem Relativpronomen steht:
Ich war es, der das sagte.

2. Numerus
a) Normale Kongruenz
Das Prädikat richtet sich in der Zahl im allgemeinen nach der Zahl des 1183
Subjekts:
Die Rose blüht. Die Rosen blühen.
Bei asyndetischer Reihung singularischer Subjekte steht das Prädikat im
Plural:
Peter, Michael, Gretel gehen zusammen in die Schule.

b) Besondere Fälle
a) Ohne Konjunktionen
1. Treffen singularische und pluralische Subjekte aufeinander, steht 1184
gewöhnlich der Plural:
Der Sport, die Bücher, die Musik verschlingen sein ganzes Taschengeld.
568 Die Kongruenz im Satz

Das Prädikat kann hier jedoch ajich im Singular stehen, wenn das
, singularische Subjekt zunächst steht:
Im Westen aber winkt Lille, gotische Kirchen, Museen, gebildete Menschen (A.
Zweig). . .. meine Anschauungen, mein Geschmack, mein ganzes Denken ...
war jetzt verwahrlost (Hesse).

2. Der Singular nach mehreren singularischen Subjekten kommt ge¬


legentlich noch vor. Das Ganze wird dann als Einheit aufgefaßt:
Der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein (Schiller). Ihre Wäsche, ihr
blauer Schlaf sack, ihr graues ZeU ... hing über der Leine .. . am Herd (Jatho).
Nur zuweilen klang ein wilder Schrei, ein Jauchzen auf (Raabe).

3. Pluralische Mengenangaben werden besonders umgangssprachlich


gern mit dem Singular des Prädikats verbunden, wenn der Betrag, die
Zahl, die Menge usw. als Einheit aufgefaßt wird:
Zwei Mark soll ziemlich viel gewesen sein (Claudius). Hundert Mark reicht aber
nicht. Für diese Mietkutsche wurde .. . 200 Franken gefordert (Heine). Zwanzig
Prozent des Materials wurde beschlagnahmt. Zwei Drittel der Schiffbrüchigen
wurde gerettet.
Der Plural ist grammatisch korrekt:
Sechs Siebentel des Buches werden von einem Wörterverzeichnis eingenommen
(Jellinek).
Schriftsprachlich ist der Singular des Prädikats jedoch bei Uhrzeit¬
angaben und rechnerischen Aufgaben mit alleinstehenden Zahlen:
Acht JJhr ging vorbei. Es schlägt drei Viertel acht. Es war fünf Minuten vor acht
[Uhr]. Fünf weniger drei ist zwei. Zehn geteilt durch fünf ist oder macht oder
gibt zwei.

4. Selten ist heute der Plural des Prädikats nach einem singularischen
MengenbegrifF (Synesis, constructio ad sensnm; vgl. 1178). In der
klassischen Zeit war er noch häufiger:
Wie eine rasende Menge ... erst Kapellen, Kirchen und Klöster anfallen, die
Andächtigen verjagen (Goethe). Gewiß würden eine Menge die Gelegenheit be¬
nutzen (A. Zweig).

5. Der Plural des Prädikats bei singulariächem Titel von Personen ist
veraltet. Wo er heute noch ernsthaft gebraucht wird, ist er ein
Kennzeichen übertriebener Höflichkeit und Servilität:
... daß seine Majestät der König die Gnade gehabt haben (Moltke). Gnädiges
Fräulein hatten mir doch versprochen.. . (Fulda). Was wünschen die gnädige
Frau ?
Noch ironisch:
... während die Gräfin Löwenjoul... in einigem Abstand folgten (Th. Mann).
Unterwegs erinnerten seine Exzellenz sich .. . des Ordens (H. Mann).

6. Ist der pluralische Titel eines Buches, einer Zeitung, eines Theater¬
stückes usw. Subjekt, dann steht das Prädikat ebenfalls im Plural (vgl.
aber: ß, 1, c, ee):
„Die Räuber“ haben immer eine starke Wirkung auf die Jugend ausgeübt. „Die
Piccolomini“ werden selten gegeben (Goethe).
Oft ist es stilistisch besser, den Gattungsbegriff vor den Titel zu setzen:
Das Drama „Die Räuber" hat immer eine starke Wirkung auf die Jugend aus¬
geübt.
Die Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat 569

Fremde Titel, die eine Mehrzahlform sind, aber nicht als solche erkannt
werden, werden - eigentlich unrichtig - oft mit dem Singular des Prä¬
dikats verbunden. Man muß diese Konstruktion überall dort an¬
erkennen, wo die Kenntnis der fremden Sprache nicht ohne weiteres
vorausgesetzt werden kann:
Die „Times“ meldet aus Moskau, daß ... i)ie „Iswestija“ (im Russischen Plural 1)
bestätigt in einem Leitartikel, daß .. . Aber: Die USA haben Schritte unter¬
nommen . .. (nicht: Die USA hat...)
7. Das vorläufige Subjekt „es“ (vgl. 847) übt keinen Einfluß auf den
Numerus des Prädikats aus:
Es Zögen sich alle Bande frommer Scheu (Schiller). ... daß es keine drei Stunden
her sind (E. T. A. Hoffmann). Es werden acht Stunden dazu benötigt.
Aber „es“ als echtes Subjekt [+ adverbialer Akkusativ der Zeit] mit
Singular des Prädikats:
Es nagt wie tausend Skorpionen an ihm (H. Kurz). Es ist drei Tage, einen Monat
her, daß ... Es wird jetzt acht Stunden geschlafen.
8. Zum Prädikat nach ursprünglich pluralischen Subjekten, die auch
als Singulare gebraucht werden, vgl. 253.

ß) Mit Konjunktionen

1. Werden singularische Subjekte mit anreihenden (kopulativen) 1185


Konjunktionen verbunden, dann steht das Prädikat gewöhnlich eben¬
falls im Plural, weil die Vorstellung der Mehrheit herrscht:
Peter, Michael und Gretel gehen zusammen in die Schule. Finsternis und Grabes¬
stille lagen auf der Burg und der Stadt (Raabe). .. . daß sie sowohl wie die
Familie eine Verbindung mit mir wünschten (Tieck). Der Pastor wie der Ver¬
walter eilten'. . . zu ihren Berufsgeschäften (Holtei). . . . daß . . . weder Maß
noch Verhältnis noch Stellung . . . dem Auge angenehm bleiben (Goethe).
Das Prädikat in solchen Fällen in den Singular zu setzen ist eine ältere
Fügungsweise:
.. . und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß (Schiller). Aber die Nacht
ist dunkel, weder Mondenschein noch Sternenflimmer erhellt sie (Raabe).. . . weil
sowohl die Malerei als die Poesie ihren Mann ganz fordert (Schiller).

Beachte:
a) Treffen singularische und pluralische Subjekte zusammen, dann steht gewöhnlich
auch das Prädikat im Plural:
Quadersteine, Pech und Schwefel regneten herab. Das alte Rom und seine Trümmer
sind eingehend durchforscht worden. Die Stadt schützen Wall und Türme.
b) Das Prädikat steht im Singular, wenn in einer Zusammenfassung gleichwertiger
Sätze (vgl. 1061) mehrere durch „und“ verbundene Subjekte zwar die finite Form, aber
nicht die infiniten Formen des Verbs gemeinsam haben:
Die Polizei stellte fest, daß die Fensterscheibe eingeschlagen, der Tisch umgestürzt
und der Kassenschrank aufgebrochen war. Lassen Sie bitte überprüfen, ob die Aus-
puffanlage entkohlt, der Vergaser repariert und die Benzinzufuhr gereinigt werden
muß.
c) Das Prädikat kann noch heute im Singular stehen:
aa) Wenn vor den durch „und“ verbundenen singularischen Substantiven ein dis¬
junktives Attribut wie „kein“ oder „jeder“ steht:
Kein Mädchen und kein Junge möchte einen Fehler machen. Was jede Frau und
jeder Mann vom Krebs wissen muß (Buchtitel).
570 Die Kongruenz im Satz

bb) Wenn die - meist mit „und“ verbundenen - Subjekte als Einheit aufgefaßt
werden. Das ist besonders bei nur einem Artikel, bei Artikellosigkeit oder bei vorauf¬
gehendem Prädikat der Fall:
. . . und mit alldem kommt mir der Wunsch und Gedanke (Raabe). ... bis das
Lachen und Geschrei hinter ihm verhallte (H. Mann). An ihm ist Hopfen und Malz
verloren. Zwei und zwei macht vier. Das bißchen Brust und die frische Haut war
schnell ausverkauft (Brecht). Geplauder und Gesang lief über Brücken und
Gassen (Hesse).
cc) Wenn das Prädikat beim Aufeinandertreffen singularischer und pluralischer
Subjekte dem singularischen Subjekt zunächst steht:
Die Mitschüler und jedermann gab zu .. . (Hesse).
dd) Wenn das Prädikat Mittelstellung zwischen einzahligen Subjekten hat. Dies gilt
auch dann, wenn das dem Prädikat folgende Subjekt ein Plural ist:
Meister rührt sich und Geselle . . . (Schiller). Hermine Kleefeld gehörte dazu sowie
Herr Albin . . .; ferner der . . . Jüngling . . . (Th. Mann). . . . das Meer gehorcht
ihm und die Länder . . .
ee) Wenn das Subjekt ein Titel ist, dessen einzahiige Glieder durch „und“ verbunden
sind. Der Titel wird als Einheit betrachtet:
Morgen wird „Hermann und Dorothea“ gelesen. Gestern ist „Romeo und Julia“
zum erstenmal aufgeführt worden.
ff) Wenn Infinitive als Subjekte durch „und“ verbunden werden (an Stelle eines
Infinitivs kann auch ein Verbalsubstantiv stehen):
zu Hause sitzen und nichts tun können und auf die Bomben warten ist grauenvoll
(Feuchtwanger). Die Vereinigten Staaten zu verlassen und mit Bhakaroff näch
Europa zu gehen brachte immer den gleichen Aufruhr mit sich (Vicki Baum).
Das Betreten des Verkaufsraumes und der Aufenthalt im Speisesaal ist im Trai¬
ningsanzug nicht gestattet.

2. Werden einzahiige Subjekte mit ausschließenden (disjunktiven)


Konjunktionen verbunden, dann steht das Prädikat meist im Singular,
weil das Einzelglied zu stark herausgehoben wird. Die Vorstellung der
Addierung tritt zurück:
Ich weiß nicht, ob Karl oder Fritz es getan hat. Nur zuweilen ertönte der rauhe
Gesang einer wüsten Soldatenschar oder der Ruf der Nachtwächter (Raabe).

Das pluralische Prädikat ist hier veraltet oder ungewöhnlich:


_ohne daß Christian oder einer von uns Bescheid gaben (E. T. A. Hoffmann).

y) Bei Maß- und Mengenangaben


1186 Wenn einem singularischen Mengen- oder Maßbegriff (wie Anzahl, Art,
Bande, Dutzend, Gramm, Gros, Gruppe, Hälfte, Handvoll, Haufen, Heer,
Herde, Kilofgramm], Kreis, Mandel, Masse, Mehrzahl, Menge, Million,
Paar, Pfund, Reigen, Reihe, Schar, Schock, Teil, Trupp, Unmasse, Viertel,
Volk, Zahl usw.) das Gezählte im Plural folgt, dann müßte nach der
grammatischen Regel, daß das Prädikat sich immer nach dem Subjekt
zu richten hat, der Singular des Mengenbegriffes den Singular des Prädikats
hervorrufen:
1. Eine Menge fauler Äpfel lag unter dem Baum.
2. Eine Menge von faulen Äpfeln lag unter dem Baum.
3. Eine Menge faule Äpfel lag unter dem Baum.
Die Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat 571

Dieser Singular des Prädikats ist auch in allen Fällen grammatisch korrekt:
Eine Reihe mehrerer Jahrhunderte . .. hatte diese Form der Hierarchie unverändert
gelassen (Schiller). An diese allgemeinen Beschwerden schloß sich .. . eine Reihe von
besonderen Vorfällen an (Schiller). Eine Menge Konjekturen wird nötig sein
(Freytag). Es war eine Menge Leute da (Hesse).
Daneben ist aber der Plural des Prädikats (Synesis, constructio ad
sensum; vgl. 1178) heute durchaus noch schriftsprachlich, besonders
dann, wenn das Gezählte als Apposition im gleichen Fall wie der Mengen-
begrifiF'steht (Beispiel 3, S. 570 unten). Bei grammatisch sichtbarer Ab¬
hängigkeit des Gezählten (Genitiv- oder Präpositionalattribut, Beispiele 1
und 2) ist der Plural etwas seltener; er wird beim Genitivattribut auch
nur dann gebraucht, wenn ihm der bestimmte Artikel fehlt :
Ein Reigen leichter Lenzwölkchen schwebten mit Grazie... (C. F; Meyer). Eine
Reihe von edlen und nüchternen Geistern haben den Rauchtabak verabscheut
(Th. Mann). ... wo eine Menge sonderbare Sacken herumliegen (Th. Mann). Eine
Menge Freundschaften waren geschlossen (Hesse). Eine Unmasse Familien geraten
ins Elend (H. Mann).
Für den Fall, daß die Maßangabe im Plural, das Gezählte im Singular
folgt, gilt das gleiche:
100 g Speck werden in feine Würfel geschnitten. Oder: 100 g Speck wird in feine
Würfel geschnitten.
Bei Mengenangaben mit genauer Zahl (wie Dutzend, Paar, Schock usw.)
steht gern der Singular des Prädikats, weil die Maßeinheit den Ausschlag
gibt:
Ein Dutzend Eier (= 12 Stück) kostet 3 Mark. Dieses Paar [Schuhe] kostet 30 Mark.
Aber (unbestimmte Menge): Ein Dutzend Bediente hatten die Arbeit übernommen
(Seume).

6) Bei Appositionen und Attributen


1. Bei singularischer nachgetragener Apposition und pluralischem 1187
Subjekt als Bezugswort steht das Prädikat korrekt im' Plural, weil es
sich nach dem Subjekt richten muß (dies gilt auch umgekehrt):
Ihre süßen Ausscheidungen, der Honigtau, werden von den Honigbienen eifrig
eingesammelt (Rammner). Schmidt & Co., Buchdruckerei, drucken für Behör¬
den und Private schnell, geschmackvoll und billig.
öfter richtet sich das Prädikat aber auch nach der zunächst stehenden
Apposition. Man kann diese Konstruktion nicht für falsch erklären:
Das kostbare Nachtigallenpaar, Signor Mario und Signora Orisi, waren immer
auf ihrem Posten (Heine). . . . beides, Rahmen und Spiegel, waren schmutzig
(Seelhoff). Meine Kinderjahre, die schöne, unvergeßliche Zeit, verfloß mir als
Berliner Schusterjungen (J. Rodenberg).
2. Folgt eine singularische Abkürzung in Gestalt einer unmittelbar bei
einem Substantiv stehenden Apposition einem pluralischen Subjekt,
dann steht das Prädikat im Plural:
Die Flottmann- Werke GmbH suchen Arbeiter . ..
3. Bei der Verbindung von „nichts (anderes, mehr u. a.)“ -f Attribut
mit „als“ ist keine feste Regel zu erkennen. Das Glied, auf dem
die Betonung ruht, ist für den Numerus des Prädikats maßgebend:
... eine Fabrik, in welcher nichts als Nähnadeln gemacht werden (Hebel). Nichts
als die Erinnerungen seiner frühesten Jugend spielten vor seiner Seele (Auerbach).
572 Die Kongruenz im Satz

Aber: Anderes als Nähnadeln wurde dort nicht hergestellt. Mehr als Lumpen
und Unrat fand sich nicht. Wer anders als Sie ist dazu berechtigt ? Dagegen:
Niemand anders als seine Eltern sind dazu befugt.
4. Sind die unbestimmten Für- und Zahlwörter „viel, wenig, mehr,
weniger, genug“ Subjekt, dann steht das Prädikat im Plural, wenn
ein pluralischer Begriff (etwa „Menschen, Leute“ u. ä.) ergänzt werden
kann:
Viel (wenig, genug [Menschen]) waren dort versammelt.
Wenn ein Genitivattribut hinzugefügt wird oder ein singularisches
Attribut mit „als“ bei den Komparativen „mehr“ ünd „weniger“
steht, tritt ebenfalls der Plural des Prädikats ein:
Unser sind [zu] wenig. Der Worte sind genug gewechselt (Goethe). Mehr als eine
Million haben bereits gewählt. Das Jünglingsalter erreichen weniger als die Hälfte
(Börne). .
Doch ist bei den beiden letzten Sätzen der Bezug auf das zunächst
stehende singularische Attribut ebenfalls möglich:
Mehr als eine Million hat bereits gewählt.
In anderen Fällen ist der Singular im Sprachgebrauch bereits durch¬
gedrungen:
Mehr als ein Fall ist uns bekannt... Mehr als einer soll darüber erstaunen
(Goethe).
Ist kein Plural zu ergänzen, so steht auch das Prädikat im Singular:
Wie wenig gehört dazu, glücklich zu sein! Genug ist nicht genug (Sprw.).

EL Die Kongruenz im Gleichsetzungssatz


und in den inhaltlich dazugehörigen Sätzen
In diesem Abschnitt müssen wir, um Wiederholungen zu vermeiden, die
Sätze mit einem Gleichsetzungsnominativ oder -akkusativ (vgl. 868 und
919) mit den inhaltlich dazugehörigen Sätzen (vgl. 919) gemeinsam be¬
handeln. In letzteren treten die betreffenden Glieder als Präpositional¬
objekte (meist mit „zu“ oder „für“) und als Anschlüsse mit „als“ auf.

1. Die Kongruenz des Prädikats


1188 a) Person
Zur Kongruenz des Prädikats in der Person vgl. im allgemeinen Ziff. 1179 ff
Beachte ferner:
Das Prädikat kongruiert in der Person mit dem Gleichsetzungsnominativ,
wenn dieser ein Personalpronomen ist:
Dieser Mann bin ich. Das ist er. Bist du es? Seid ihr es? IchHn es.

1189 b) Numerus
a) Stehen beide Gleichsetzungsglieder im Singular oder im Plural, dann
steht auch das Prädikat entweder im Singular oder im Plural:
Singular: Ilse ist Apothekerin.
Plural: Beide Männer sind Angestellte. Ebenso: Karl und Fritz sind Brüder. Dies
sind der vierte und der fünfte Fall von Entlassung.
Die Kongruenz im Oleichsetzungssaiz 573

Steht eines von ihnen im Plural, dann steht auch das Prädikat im Plural:
Besonders Rechtschreibfehler waren ihm immer ein Greuel. Eine magdeburgische
Kaufmannsfamilie waren die Hauptpersonen (Kleist). ... weil es immer Denk¬
steine vergangener Zustände bleiben (Goethe). Alles ... waren Versuche eines Schülers
(Lessing). Welches oder was sind die Ergebnisse ? Wer waren diese Männer ?
ß) Wird das pluralische Subjekt nur nach seiner Lautgestalt bewertet,
dann steht das Prädikat im Singular:
„Häuser“ ist (heißt) der Plural von „Haus“. „Mondsüchtige Bebellen“ ist doppelt
falsch (Börne).
y) Ebenso bei der Vorstellung einer Einheit oder Ganzheit, besonders
wenn sie durch einen singularischen Gleichsetzungsnominativ gestützt
wird:
„Die Räuber“ heißt ein Drama von Schiller. „Die Verdammten“ ist ein Roman, der . . .
„Hermann und Dorothea“ ist unsere nächste Lektüre. Eine Mark ist (neben: sind)
hundert Pfennig[e]. Tausend Mark ist (neben: sind) viel Geld. Fünf und fünf ist zehn.
Es war fünf Minuten vor acht.
ö) Ist ein Personalpronomen Gleichsetzungsnominativ, dann richtet sich
das Prädikat im Numerus nach ihm:
Das bist du und deine Tochter. Das wart ihr. Das gehetzte Wild bist du immer nur
selber (RedWitz).

2. Die Kongruenz des Gleichsetzungsgliedes oder eines anderen


inhaltlich hierher gehörigen Gliedes mit Subjekt bzw. Objekt
a) Im Genus (vgl. dazu auch Ziff. 371)
1. Die deutsche Sprache hat bei vielen persönlichen Gattungsbegrif- 1190
fen für das männliche und das weibliche Geschlecht besondere Formen
ausgebildet:
Lehrer - Lehrerin, Freund - Freundin, Arzt - Ärztin usw.
Aus diesem Grunde ist die Kongruenz im Genus in vielen Fällen mög¬
lich. Regel ist sie dort, wo das Subjekt eine Person oder ein persönlich
gedachter Begriff ist:
Sie ... war die unumschränkte Herrin ihrer Gebärden (Raabe). Lisa war die
treue Hüterin unserer Kinder. Der Löwe ist der König der Tiere. Karl nennt
Fritz seinen Freund. Ihr habt mich (= Maria) stets als eine Feindin nur be¬
trachtet (Schiller).
Ausnahmen kommen in der Literatur vor:
Du warst die Königin, sie der Verbrecher (Schiller).
Bei Sachbegriffen (Konkreta und Abstrakta) ist es verschieden, je
nachdem, welches Geschlecht sie haben. Sind sie männlich, dann wird
Kongruenz durchgeführt:
Der Motor ist ein treuer Helfer der Menschheit.
Sind sie weiblich, dann besteht keine Vorschrift. Wenn weibliche For¬
men möglich sind, dann können sie gewählt werden, müssen es aber
nicht. In der Alltagssprache wird das maskuline Geschlecht als „neu¬
trale“ Angabe bevorzugt:
Die Autoindustrie ist der beste Abnehmer (auch: die beste Abnehmerin) für
Kunststoffe. Die Vernunft ist der Urheber (auch: die Urheberin) dieses Gesetzes.
Die Laune ist gewöhnlich der erstgeborene Sohn der Unzufriedenheit mit sich
selbst (Gotthelf). Der erste Gesetzgeber ist die Not (Schiller). Die Not und die
Begeisterung... können nur die rechten Lehrmeister sein (Tieck).
574 Die Kongruenz im Satz

Sind sie sächlich (einschl. sächlicher Wortformen für Personen), steht


meist das Maskulinum:
Das Gesetz ist der Freund der Schwachen (Schiller). Deutschland - größter Auto¬
exporteur der Welt. Dieses Mädchen ist ein Dieb. Ein zärtliches Mädchen ist ein
gläubiger Richter in solchen Dingen (Immermann).

Bei sächlichen Personenbezeichnungen tritt jedoch gelegentlich Synesis


des Genus ein, wenn es sich um Personen weiblichen Geschlechts han¬
delt:
Das Mädchen war allen eine hilfreiche Trösterin in diesem Unglück. Hältst du
das Mädchen für eine Diebin?

Sind keine entsprechenden Formen vorhanden, ist überhaupt keine


Kongruenz möglich:
Ein gutes Buch ist ein großer Schatz. Die Liebe ist ein starker A ntrieb für Hand¬
lungen, die sonst niemals ausgeführt worden wären. Bodmer konnte man in Süd¬
deutschland die Hebamme des Genius nennen (Goethe).

1191 2. Keine Kongruenz tritt ferner ein, wenn das Gleichsetzungsglied oder
ein anderes inhaltlich hierher gehöriges Glied mit dem Prädikat eine
feststehende, unveränderliche Verbindung eingegangen ist:
Alles in allem, sie ist ein guter Kerl (Spielhagen). Ich machte mir dadurch die
alte Dame zum Freunde. Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen (Frau
. Marthe in Goethes „Faust“). Die Regierung ist Herr der Lage, konnte des
Aufstandes Herr werden. Agnes, mein* Tochter, hör mal zu ... Du bist ein
vernünftiger Mensch (Sudermann). Frau Schmidt war Zeuge des Unfalls. O
die, die könnt General seinl (Auerbach).

In manchen Fällen schwankt der Sprachgebrauch:


Sie ist die Erbin oder der Erbe eines großen Vermögens. Diese Frau war meine
Nachbarin oder mein Nachbar.

1192 3. Bei Berufsbezeichnungen und Titeln dringt die weibliohe Form


sehr schwer durch:
Frau Schulze ist Schlosser. Fräulein Schmitt ist Doktor der Philosophie.

Nur einige wenige sind bisher üblich geworden (vgl. die Kongruenz bei
der Apposition, ZifF. 1203):
Sie ist eine tüchtige Lehrerin, Ärztin, Schaffnerin.

1193 4. Keine Kongruenz im Genus ist erforderlich, wenn das Subjekt bzw.
Objekt ein Pronomen ist. Die neutralen Pronomen „es, das, was, dies,
dieses, beides, keines, jedes“ usw. werden in Beziehung auf substanti¬
vische Gleichsetzungsnominative und -akkusative jeden Geschlechts
und jeder Zahl gebraucht (vgl. auch 198):
Es war meine Frau. Sie war es. Ein König und eine Königin hatten zwölf
Kinder, das waren lauter Buben (Grimm). Was sind diese Männer ? Beides
waren liebenswerte Wesen. Der Preisrichter war . .. nicht, was man eine schöne
Mannsperson nennt (P. Heyse). Das nenne ich einen aufmerksamen Wirt
(Redwitz).

Aber mit verschiedenem Sinn:


Sie war meine Frau (= Sie war früher einmal meine Frau).

1194 Steht bei einem Gleichsetzungsglied in Form eines Adjektivs im


Superlativ ein neutrales Attribut, das eine Person weiblichen
Dis Kongruenz im Gleichsetzungssatz 575

Geschlechts bezeichnet, dann tritt heute meist grammatische Kon¬


gruenz ein (vgl. 1203):
Gisela war das hübscheste dieser drei Mädchen. Seltener: Gisela war die hüb¬
scheste dieser drei Mädchen.

b) Im Numerus
Im allgemeinen entspricht der Numerus dieser Glieder dem des Subjekts 1195
(bzw. Objekts):
Ilse ist Apothekerin. Die Männer sind Angestellte. Karl und Fritz sind meine Brüder.
Ich nenne ihn einen Lügner. Wir wählen ihn zum Vorsitzenden.
Von dieser Regel gibt es einige Ausnahmen:
a) Ein pluralisches Subjekt (bzw. Objekt) kann mit einem singularischen
Kollektivum gleichgesetzt werden, aber nicht umgekehrt:
Die Römer waren das tapferste Volk des Altertums. Dieser Schrank und dieser Tisch
bleiben mein Eigentum.
Mit Endstellung des Subjekts:
Das gebildetste Volk des Altertums waren die Griechen (Herder). Die Bahr’ sind
zwei Gewehre mit Läufen rund und lang (Freiligrath).
Aber nicht:
Meine Familie sind Frühaufsteher.
Selten, als bewußtes Stilmittel:
Der Mann, der fünf Männer war (von den fünf Pseudonymen Tucholskys).
ß) Das fragliche Glied kann ferner trotz des pluralischen Subjekts (bzw.
Objekts) im Singular stehen, wenn es Teil einer feststehenden, unveränder¬
lichen Verbindung ist wie „Zeuge sein, Gast sein, Ingenieur sein, Herr sein,
gut Freund bleiben oder sein“ u. a.:
Nur Wachsfiguren waren Zeuge (Romantitel). Er machte sie alle zum Zeugen seiner
verwerflichen Tat. Beide Brüder sind Ingenieur. Bald hielt er eine ganze Stube voll
Leute zu Gast (Gotthelf). Wir sind nicht mehr Herr über das, was entsprungen ist,
aber wir sind Herr, es unschädlich zu machen (Goethe). Unter Umständen können
wir alle Modell sein (G. Hauptmann).
y) Ist das Subjekt ein pluralisches Anredepronomen für eine Person,
dann steht auch das Gleichsetzungsglied im Singular:
So können Sie uns einst ein treuer Freund ... werden (Schiller).

c) Im Kasus
Von den Präpositionalgefügen abgesehen, müssen diese Glieder mit ihrem 1196
Subjekt (oder Objekt) im Fall kongruieren:
Nominativ: Er ist mein Freund.
Akkusativ: Ich nenne ihn meinen Freund. Ich betrachte ihn als meinen Freund.
Ich denk’ ihn mir als meinen ärgsten Feind (Goethe).
Bei den Präpositionalgefügen wird der Kasus von der Präposition be¬
stimmt :
Ich hielt ihn für einen Freund. Wir wählten ihn zum Vorsitzenden.

Beachte:
1. Bei den reflexiven Verben, wo Subjekt und Objekt identisch sind, ist doppelter Bezug
des als-Anschlusses möglich: der auf das Objekt wie der auf das Subjekt:
Objekt: Er betrachtet sich als Helden.
Subjekt: Er betrachtet sich als Held.
576 Die Kongruenz im Satz

Die Beziehung auf das Subjekt ist jedoch heute fast ganz durohgedrungen, die Be¬
ziehung auf das Objekt ist veraltet:
Was Wunder, daß er sich kaum noch als Mensch empfand (G. Hauptmann). Hans
Castorp ,.. fühlte sich überdies als Gast und „unbeteiligter Zuschauer“ hier oben
(Th. Mann).
Veraltet:
Als einen Freund beweisest du dich heut* (Goethe). Gönne, daß ich mich aller Welt
als deinen Sohn bew&hre! (Schiller).
Wechsel in ein und demselben Satz:
Gleim beweist sich gegen Stadt und Provinz und Königreich als Patriot, gegen
deutsches Vaterland und Welt als echten Liberalen (Goethe).
2. Die Pallangleichung bei der Gleichsetzung in der a.-c.-i.-Konstruktion ist heute im
Veralten, kommt aber in einigen festen Redewendungen, in der älteren Literatur und
in der Poesie noch vor:
Er läßt den lieben Gott einen guten Mann sein. Ja, laß mich deinen Engel sein! (Schil¬
ler). Laß du mich deinen Gesellen sein! (Uhland). Laß ihn niemals einen Hirten
werden (Bergengruen). Die Nacht.... umarmt mich sanft und läßt mich ihren Freund
und ihren Bruder sein (Hesse).
In der Alltagssprache wählt man nur noch den Nominativ:
Laß den wüsten Kerl, den Grobitzsch, meinetwegen ihr Komplize sein (Hartleben).

m. Die Kongruenz des attributiv gebrauchten Adjektivs,


Pronomens (einschließlich Artikels) und Zahlworts mit
ihrem Substantiv in Genus, Numerus uud Kasus
a) Adjektiv (Partizip)
1197 Das attributive Adjektiv (Partizip) kongruiert mit seinem Substantiv in
Kasus, Numerus und Genus:
ein kluger Mann, eines klugen Mannes; die hübsche Frau, der hübschen Frau; ein
schönes Kleid, schöner Kleider.
Vgl. dazu 331 ff.

b) Pronomen (Artikel)
1198 Das attributiv gebrauchte Pronomen (einschl. Artikels) kongruiert in
Kasus, Numerus, Genus mit seinem Substantiv (das Possessivpronomen
hat außerdem noch Beziehungskongruenz mit seinem Bezugswort, vgl.
1205):
Ich gehe gerne in meinen Garten; dieses Buch, diejenigen Leute, dasselbe Mädchen,
solcher Respekt, welchem Bilde, alle Schuld, anderen Tages, einiger Polizisten, die Frau,
den Onkel, einem Hause, den Leuten.
Vgl. dazu 421 ff. Zum Artikel: 206 f.

e) Zahlwort
1199 In Kasus, Numerus und Genus kongruieren die Ordinalzahlen, die Ver¬
vielfältigungszahlwörter, von den Bruchzahlen „halb“, von den Kardinal¬
zahlen „ein“.
Nur im Genitiv können ferner die Kardinalzahlen „zwei“ und „drei“
kongruieren. Bei allen andereuattributiv gebrauchten Zahlwörtern drückt
sich im allgemeinen die Kongruenz formal nicht mehr aus. Vgl. dazu 523 ff.
Die Kongruenz des substantivischen Attributs 577

d) Besondere Fälle 1200


1. Bei der neutralen Verkleinerungsform männlicher und weiblicher
Vornamen auf -el wird das natürliche Geschlecht des Namenträgers
vorgezogen (vgl. 181):
Lieber, guter Hansell; der dumme Hansel; Mein guter Hansel!; die fleißige
Liesel; Liebe Bärbel! Meine liebe Bärbel!
2. Bezieht sich ein Pronomen (Artikel) oder Adjektiv auf eine un¬
mittelbar bei ihrem Bezugswort stehende Apposition, deren neutrales
Geschlecht von dem natürlichen Geschlecht der betreffenden Person
abweicht, dann setzt man heute meist das grammatische Geschlecht:
Ihr Fräulein Tochter (Sudermann); Ihr Fräulein Schwester; das Fräulein
Irmgard; Liebes Fräulein Irmgard!
Der Bezug auf das natürliche (weibliche) Geschlecht ist im Veralten:
mit Ihrer Fräulein Tochter (Schiller); Gute Fräulein Marie 1 (G. Keller); gegen
deine Fräulein Schwester (Raabe).

IV. Die Kongruenz des substantivischen Attributs


(Apposition) in Kasus, Numerus und Genus

a) Im Kasus
Vgl. 987. Abweichungen: vgl. 990-996; 311; 318. 1201

b) Im Numerus
Im Numerus besteht meist Kongruenz: 1202
im Monat Juli; Lykurg, der Gesetzgeber Spartas, hat.. .
Die nachgetragene Apposition kann jedoch im Numerus abweichen, wenn
sie als Kollektiv einen vorangehenden Plural zusammenfaßt:
Die Ägypter aber, dies harte und gesetzmäßige Volk . . . (Herder). Da lebten die
Hirten, ein harmlos Geschlecht . .. (Schiller). Was können wir, ein Volk der Hirten,
gegen Albrechts Heers ? (Schiller).

c) Im Genus
Für die Apposition gelten dieselben Regeln wie für die Gleichsetzung (vgl. 1203
1190 ff.\z
Bei Personen Kongruenz:
meine Freundin Anne; Lisa, als Hüterin unserer Kinder. Den Sänger vermiss’ ich,
den Bringer der Lust (Schiller). .. . was Venus band, die Bringerin des Glücks
(Schiller). .. . ergeben der Gebieterin, der Gräfin von Savern (Schiller).
Steht jedoch bei einer nachgetragenen Apposition in Form eines Adjektivs im Super¬
lativ ein neutrales Attribut, das eine Person weiblichen Geschlechts bezeichnet, dann
tritt heute meist Kongruenz ein (vgl. 1194):
Friederike, das schönste aller Frauenzimmer (von allen Frauenzimmern),
blieb ... Seltener: Penelopeia redet zu mir, die treueste der Weiber (Goethe).
Bei weiblichen Konkreta oder Abstrakta besteht keine bindende Vorschrift:
Es schickt die Liebe die Bewunderung als ihren flücht’gen Läufer nur voran (Platen) ;
die Not als der beste Lehrmeister.
578 Die Kongruenz im Satz

Aber bei feststehenden, unveränderlichen Ausdrücken:


Frau Marthe, stets ein großer Freund der Ordnung, hatte ... Die Regierung,
wieder Herr der Lage, konnte nichts Besseres tun ...
Bei Berufsbezeichnungen ist die Kongruenz bisher nur wenig durch¬
gedrungen:
die Ärztin Dr. Liselotte Kranz; Dr. Gertrud W., Staatssekretärin im Familienmi¬
nisterium; die Lehrerin Annemarie Müller. Aber: Professor Elly Ney; Bauassessor
Margarete Stein; Lotte K., Staatssekretär im Kultusministerium; ... Gertrud W.,
Professor für anorganische Chemie; ... Grete B., Rechtsanwalt (auch schon: Rechts¬
anwältin).
Manchmal bedient man sich des Attributs „weiblich“:
Anna Pauker, der erste weibliche Außenminister Rumäniens, ...
Von dem Brauch, eine Frau mit dem Titel ihres Mannes anzureden, kommt
man mehr und mehr ab:
Also nicht: Frau Professor X (wenn die Frau nicht selbst Professor ist).

V. Die Beziehungskongruenz des Pronomens


a) Alleinstehende Pronomen
1204 Pronomen kongruieren im allgemeinen in Numerus und Genus mit ihrem
Bezugswort (vgl. 416 ff.). Im besonderen beachte man:
Das Personalpronomen der 1. und 2. Person muß im Numerus, das
Personalpronomen der 3. Person sowie die Demonstrativ- und Rela¬
tivpronomen , müssen in Numerus und Genus mit ihrem Bezugswort
kongruieren. Der Kasus kann, muß aber nicht übereinstimmen; er ist
durch die Konstruktion des betreffenden Satzes bestimmt:
Mutter, kannst du mir zu essen geben ? Der Vater ist nicht zu sprechen, er arbeitet.
Die Mutter ist in der Küche. Bringe ihr bitte den Teller 1 Unser Kind ist krank. Wir
können es deshalb an dem Ausflug nicht teilnehmen lassen. Meine Eltern haben sich
sehr über das Geschenk gefreut, das ich ihnen zu Weihnachten machte. Seine
Schwester und deren Verlobter ... Hast du Freunde ? Ich habe deren wenige.
. . . folgende Fragen. Diese sind:... Die Frau, von der ich dir erzählte ... Sie wissen
ihren Weg zu Anden auf den Wassern, welche ihre Heimat sind (Raabe).

b) Possessivpronomen
1205 Das Possessivpronomen stimmt mit dem Substantiv, bei dem es steht, in
Kasus, Numerus und Genus überein (vgl. 1198). Darüber hinaus steht
es in Beziehungskongruenz mit seinem Bezugswort, das es vertritt. Das
Possessivpronomen der 1. und 2. Person kongruiert in diesem Falle im
Numerus:
Ich kenne doch meinen Freund (meine Freunde) l Hast du dein Heft (deine Hefte)
gefunden ? Wir haben unsere Verwandten eingeladen.
Das Possessivpronomen der 3. Person kongruiert ferner auch im Genus:
Er (es) kennt seinen Freund genau. Sie kennt ihre Kinder genau.

1206 c) Besondere Fälle


1. Nimmt ein Personal- oder Demonstrativpronomen innerhalb des¬
selben Satzes ein Satzglied wieder auf, dann kongruiert es im all¬
gemeinen auch im Kasus (vgl. auch 1177):
Das rasche Schicksal, es treibt ihn fort (Schiller). Und die Sonne, sie machte
den weiten Ritt um die Welt (E. M. Arndt).
Die Beziehungskongruenz des Pronomens 579

Seltener ist die Wiederaufnahme in einem anderen Kasus:


Die friedlosen Steppenwölfe .... denen die . . . Wucht versagt ist, die sich zum
Unbedingten berufen fühlen und doch in ihm nicht zu leben vermögen:
ihnen bietet sich ... (Hesse).

2. Nicht nur Plurale, sondern auch syndetisch oder asyndetisch


aneinandergereihte Singulare werden durch ein pluralisches Personal-,
Demonstrativ- oder Relativpronomen wiederauf genommen:
Karl und Anna waren vergnügt, weil sie nicht in die Schule zu gehen brauch¬
ten. Ein Heller und ein Batzen, die waren beide mein. Österreich hat einen Geist
und eine Wärme gezeigt, die dankbare Anerkennung verdienen (Börne).
Der Singular des Pronomens ist in diesen Fällen nur dann zulässig,
wenn die Wortgruppe Substantive gleichen Geschlechts enthält und
als Einheit äufgefaßt werden kann:
Wenn Unschuld, Treue, Herzensreinigkeit auf Erden irgend wohnt — auf
ihren Lippen, ihren Augen muß sie wohnen (Schiller).

3. Die neutralen Singularformen vieler Pronomen können sich auf


Substantive gleich welchen Geschlechts, und welcher Zahl beziehen
(vgl. 1193). Oft stehen sie zusammenfassend oder vereinzelnd (vgl.
auch 198):
Sie hält sich für eine Künstlerin, ohne es (das, dies) zu sein. Ugs.: Hätt’ mich
sollst meine Hansi, was meine Frau ist, genommen ?

Zusammenfassend: Sind sonst wackre Brüder, aber das denkt wie ein
Seifensieder (Schiller). Früh übt sich, was ein Meister werden will (Sprw.)

Vereinzelnd: Die Messer und die Gabeln stechen, drum rühre keins von beiden
anl (Geliert). Jedes (der Gatten) wird den Wert des andern anerkennen und
schätzen (Goethe). Fundevogel und Lenchen hatten einander so lieb, daß, wenn
eins das andere nicht sah, es traurig war (Grimm).

Bei Nennung zweier verschiedengeschlechtiger Personen kann auch


die maskuline Form des Pronomens stehen. Sie ist heute üblich:
Es starb der Vater, die Mutter folgte, keiner blieb von beiden (Tieck). Das Ehe¬
paar, die Marquise unausgezogen, der Marchese Degen und Pistolen neben
sich, setzten sich jeder auf sein Bett (Kleist).

4. Der Plural des Pronomens wird trotz eines voraufgehenden Singulars


gelegentlich gebraucht, wenn entweder eine Verallgemeinerung aus¬
gedrückt werden soll oder der Singular kollektive Bedeutung hat
(Konstruktion nach dem Sinn):
Der Fremde trug ein Gewand, wie sie bei Zirkusleuten üblich sind ... einen
blanken, niedrigen Hut, wie ich solche an unseren Droschkenkutschern zu sehen
gewohnt war (Ric. Huch). Sonst trank ein Bürger seine zwei Maß und blieb
nüchtern, jetzt wirft sie ein Schoppen um (Hauff). Drauf kam des Wegs 'ne
Christenschar, ... die sahen nun mit gutem Bedacht .. . (Uhland). Wir lassen
je ein Galvano anfertigen, die Sie dann schnellstens erhalten werden. Den Teufel
spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte (Goethe). Ein echter
deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, doch ihre Weine trinkt er gern
(Goethe).
Die Schriftsprache zieht hier in vielen Fällen den Singular vor.
5. Bezieht sich ein Relativpronomen auf das neutrale Gleichsetzungs¬
glied „es“, dem ein Personalpronomen als Subjekt gegenübersteht.
580 Die Kongruenz im Satz

dann wird nicht die neutrale, sondern entsprechend dem natürlichen


Geschlecht die maskuline oder die feminine -Form gewählt:
Ich bin es, der (oder: die) das getan hat.
6. Bezieht sich ein Personal-, Demonstrativ-, Relativ- oder Pos¬
sessivpronomen auf eine (meist) neutrale Wortform, die eine Person
bezeichnet, dann tritt heute überwiegend grammatische Kongruenz
ein. Die Berücksichtigung des natürlichen Geschlechtes war früher
üblicher, man begegnet ihr auch heute noch, aber seltener, vor allem
noch in der Umgangssprache:
Was macht Ihr Söhnchent Ist es (seltener: er) noch krank ? - Das Mädchen, das
(nicht mehr: die) mich seit einiger Zeit so sehr fesselte, lief gerade über die
Straße. Es (seltener: sie) lief rasch und beschwingt. Sein (seltener: ihr) Kleid
bauschte sich. - Ein. kleines, schwarzes Männlein, welches auf der Bank an
der anderen Seite der Tür saß ... (Baabe). Vrenchen, welches nur das eine zu
fühlen fähig war . . . (G. Keller).
Älter: Bitte, grüßen Sie das gnädige Fräulein, die so gut ist . . . (Fontane). Als
mich das Mädchen erblickt, trat sie den Pferden näher (Goethe). Vielmehr hatte
sich ein armes Männchen ... darin angesiedelt. Als f»; herankam . . . (G. Keller).
Ugs.: Das Männlein greift zur Fahne. Er hat Spätzündung. Als er das Fähn¬
chen hebt...
Wechsel: Schneewittchen wuchs heran, und als sie sieben Jahr alt war, war
es so schön wie der klare Tag (Grimm).
ie weiter das Pronomen von seinem Bezugswort entfernt steht, desto
mehr drängt sich das natürliche Geschlecht vor:
Ein ... Mädchen ... strich dicht an Hans Castorp vorbei, indem es ihn fast
mit dem Arme berührte. Und dabei pfiff sie. .. (Th. Mann).
Grammatische Kongruenz tritt immer ein, wenn ein feminines Sub¬
stantiv einen Mann bezeichnet:
Eine .. . Mannsperson, deren Kleidung sich nicht deutlich erkennen ließ.

VI. Die Kongruenz im Numerus zwischen einem Objekt


bzw. einer Umstandsangabe und einer pluralischen
Personenangabe
1207 Entgegen der Logik kann eine Sache (Konkretum oder Abstraktum), die
sich in gleicher Weise auf eine Mehrzahl von Personen bezieht, im Singular
stehen. Dieser Singular hat dann distributive Bedeutung:
Die Herren zündeten sich eine Zigarre an (Ompteda). Alle hoben die rechte Hand.
Haltet den Kopf gerade! Viele haben ihr Leben dabei verloren. Dieser Kummer
brach ihnen das-Herz.
Dieser distributive Singular ist oft schon so fest geworden, daß ein Er¬
satz durch den Plural schlecht oder überhaupt nicht mehr möglich ist:
Nicht: Dieser Kummer brach ihnen die Herzen. Nicht: Alle hoben die rechten Hände.
Nicht: Auch sie können aus ihren Häuten nicht heraus.
Das Kriterium für die Entscheidung bleibt in diesen Fällen nur die Sprach-
üblichkeit.
Man vermeide Mißverständnisse :
Die Antragsteller werden gebeten, das ausgefüllte Formular rechtzeitig einzureichen.
Der Plural „die ausgefüllten Formulare“ würde bedeuten, daß jeder An¬
tragsteller mehrere Formulare einreichen soll. Man berücksichtige also in
diesen Fällen den gemeinten Sinn.
Das Satzschema mit der Personalform des Verbs in Zweitstellung 581

0. DIE WORTSTELLUNG

Im Deutschen gibt es so viele Möglichkeiten der Wortstellung, daß der 1208


Lernende diese Vielfalt oft für Willkür hält. Es müssen aber alle erlaubten
Stellungen bestimmten Gesetzen unterliegen, weil es andererseits Stel¬
lungen gibt, die unmöglich sind. Man kann zum Beispiel nicht sagen:
Den Hut auf ich habe.

Bei der Suche nach den Ordnungsprinzipien, die den erlaubten Stellungen
zugrunde liegen, hebt sich zunächst die Personalform des Verbs als
Festpunkt heraus, weil ihr in bestimmten Sätzen ein bestimmter Platz
zugewiesen ist. Sie erweist sich hier erneut als das wichtigste Glied im
Satz (vgl. 866), weil sie durch ihre möglichen Stellungen die Satzschemata
begründet. ^

I. Das Satzschema mit der Personalform des Verbs


in Zweitstellung
In den nachstehenden Sätzen steht die Personalform des Verbs in Zweit- 1209
Stellung.
Vor dieser Form hat nur noch ein Satzglied Platz. Es sei hier gleich vor¬
weggenommen, daß dieses den Satz eröffnende Glied, wenn es sich nicht
um eine Ausdrucksstellung handelt (vgl. 1272), am spannungslosesten
ist, weil es eine Gegebenheit bezeichnet, die sich aus der vorangegangenen
Rede ergibt oder die als bekannt vorausgesetzt werden kann1:

Der Sprecher berichtet über eine Persgn und fährt fort: Dann ging er nach Hause.

Alle anderen Glieder des Satzes müssen der Personalform folgen. Man
spricht deshalb auch von der Mittelstellung oder der Achsenstellung des
Verbs.

Die Sätze mit der Personalform in Zweitstellung sind:


1. die Aussagesätze bis .auf die geringen Ausnahmen in Ziff. 1210, 6.
Das Schema mit Zweitstellung der Personalform entspricht also dem
Normalfall ruhiger Rede:
Karl ging um 8 Uhr ins Theater. Der Gewitterregen schlug die Blüten von den
Bäumen.

Das Verb bleibt auch in Zweitstellung, wenn der Aussagesatz durch


den Ton zur Frage wird:
Ihr kommt doch morgen ? Du rauchst doch nicht etwa ?

2. die Inhaltssätze ohne Einleitewort:


Ich erinnere mich, sie trug gestern einen blauen Hut. Ich glaube, er kommt morgen.

1 Vgl. hierzu Karl Boost, Neue Untersuchungen zum Wesen und zur Struktur des
deutschen Satzes. Berlin 1955, S. 26.
582 Die Wortstellung

3. die Ergänzungsfragen:
Wann kommt ihr? Was kannst du ?

4. die Aufforderungssätze mit Konjunktiv (vgl. aber 1210, 3):


Der Herr sei mit dir! Er lebe hoch!

II. Das Satzschema mit der Personalform des Verbs


in Anfangsstellung
1210 In folgenden Sätzen steht die Personalform des Verbs am Anfang des
Satzes:

1. In der Entscheidungsfrage (vgl. aber 1209, 1):


Kommt ihr morgen ? Liebt er dich ?

Das Verb bleibt auch in der Anfangsstellung, wenn die Frage in einen
Ausruf übergeht:
Wird der Augen machen! War das eine Hetze!,

2. In Befehlssätzen:
Schweigen Sie! Tu das bitte! Mach die Tür auf!

3. In Aufforderungssätzen mit der 3. Person Plural als Anrede (vgl.


aber 1209, 4) :
Seien Sie bitte so freundlich und. . .

Über die veraltete 3. Person Einzahl vgl. 119.

4. In Aufforderungssätzen, die einen Partner zu gemeinsamem Ver¬


halten aufmuntern:
Gehen wir! Verschieben wir das! Nutzen wir den Augenblick!

5. In irrealen Wunschsätzen:
Käme er doch! Hätte er doch länger gelebt!

6. Gelegentlich auch in Aussagesätzen. Diese Ausnahmen gehen auf


alten Gebrauch zurück und sind in Sätzen mit „doch“ auch heute
noch üblich:
Stand ein Mädchen an dem Fenster . .. (Eichendorff). War auch kein übel Ge¬
sicht .. .(Otto Ludwig). Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben
(Goethe).

7. In Konditional- und Konzessivsätzen ohne Einleitewort:


Versagen die Bremsen, dann ... Ist es auch dunkel, wir . ..

Beachte:
Als Anfangsstellung wird gelegentlich auch die Stellung der Personalform nach dem
präludierenden „es“ (vgl. 847 ff.) angesehen:
Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein . . . (Uhland).
Das Satzschema mit der Personalform des Verbs in Endstellung 583

III. Das Satzschemä mit der Personalform des Verbs


in Endstellung

1. Die Endstellung in Gliedsätzen


Die Endstellung des Verbs ist heute fast ganz auf die Gliedsätze mit einem 1211
Einleitewort beschränkt. Sie ist geradezu zum Kennzeichen dieser Sätze
geworden:
Der Unfall ereignete sich, weil der Fahrer übermüdet war. Ich bin gewiß, daß er
kommt. Ich weiß nicht, ob er Klavier spielt. Ein Mann, der zur Arbeit geht, . . . Das
Land, wo meine Wiege stand.

Ausnahmen: 1212
1. Im irrealen Vergleichssatz mit „als“ steht die Personälform un¬
mittelbar hinter der Konjunktion:
Er tat so, als hätte er von all dem nichts gewußt.

2. Gelegentlich können auch in den Gliedsätzen mit Einleitewort


der Personalform weitere. Glieder folgen. Dies geschah früher häufiger
als jetzt. In der Gegenwartssprache finden wir fast nur noch nach¬
gestellte Infinitivgruppen (vgl. auch 1217):
. . . der sich anmaßte, ein Meister zu sein.

Die übrigen Nachstellungen sind veraltet:


1. eines Glcichsetzungsnominativs:
. . . welche sind seine Zeugen an das Volk (Luther).
2. eines Objekts:
.. . wenn du erkennst dje Gaben Gottes (Luther).

2. Die Endstellung in Hauptsätzen


Endstellung der Personalform in Hauptsätzen war im Althochdeutschen 1213
häufig. Sie war vor allem in der klassischen Dichtung als Stilmittel noch
beliebt. Sonst ist sie veraltet:
... das Mädchen kam und nicht in acht das Veilchen nahm (Goethe). Und hinein
mit bedächtigem Schritt ein Löwe tritt (Schiller).

Unabhängig davon ist die Endstellung der Personalform in Parallel- 1214


Sätzen, die in Analogie zu Gliedsätzen mit Endstellung gebildet sind.
Sie kommen allerdings kaum noch vor:
Je toller er mich wirbelte, je schwindliger ich wurde. Wes Brot ich ess’, des Lied
ich sing*.

IV. Weitere stellungsfeste Satzteile in den drei Schemata


Außer der Personalform des Verbs sind in den drei Schemata auch noch
die übrigen Teile des Prädikats stellungsfest, wenn man von der Aus¬
drucksstellung (vgl. 1272) und der Ausklammerung (vgl. 1217) absieht.
Da sich diese Teile jedoch in den Schemata I und II anders verhalten als
im Schema III, müssen wir sie zweimal aufsuchen.
584 Die Wortstellung

1. Die nichtpersonalen Prädikatsteile in den Schemata


mit Zweit- und Anfangsstellung der Personalform
und die durch sie entstehende verbale Klammer
a) Die Prädikatsteile mit Endstellung

1215 Wenn das Prädikat mehrteilig ist, dann treten mit Ausnahme der in
Zweit- oder Anfangsstellung befindlichen Personalform alle anderen
Teile an das Ende des Satzes. Dies sind:

a) 2. Partizip und Infinitiv (infinite Formen)


Ich habe (Personalform) meinen Freund seit mehreren Monaten nicht mehr gesehen.
Ich werde (Personalform) meinen Freund nach seiner Abreise mehrere Monate nicht
mehr sehen. Wirst (Personalform) du deinen Freund nicht bald wieder sehen?

ß) Modalverben
Modalverben stehen am Ende des Satzes, wenn sie nicht selbst die Per¬
sonalform bilden:
Er hätte (Personalform) wirklich kommen sollen, körnen, müssen, dürfen. Hätte er
nicht kommen sollen ? Aber als Personalform: Er sollte wirklich kommen.

y) Verbzusätze
Der Händler bot (Personalform) die seltensten Waren aus dem Orient an, feil. Er
kommt (Personalform) von dieser drückenden Verpflichtung so schnell nicht wieder
los. Gießt (Personalform) die Mutter den Kaffee schon ein ?

ö) Selbständige Gefügeteile des Prädikats


Er legte (Personalform) seiner Predigt einen Text aas dem Johannesevangelium
zugrunde. In diesem Jahr hält (Personalform) er seine Schulbücher besonders gut
instand. Bringt (Persönalform) er das wirklich zuwege!

€) Rangordnung der Prädikatsteile am Ende des Satzes


Treffen mehrere Prädikatsteile am Ende des Satzes zusammen, dann be¬
steht hinsichtlich der Endstellung eine feste Rangordnung. Der Teil,
von dem der andere Teil abhängig ist, erhält jeweils die hintere Stellung.
Der übergeordnete Teil kann dann auch bei Umsatzung zur Personalform
werden:
Er hat recht schnell Englisch sprechen gelernt. (Umsetaung: Er lernte recht schnell
Englisch sprechen.) Er hätte der Dame den Koffer tragm sollen. Er müßte eigentlich
gelobt werden. Du hättest dir den Vorgang genauer erzählen lassen sollen.

b) Die verbale Klammer

1216 a) Das Gesetz der Umklammerung


Durch die in Zweit- oder Anfangsstellung befindliche Personalform
und durch die übrigen Verbalteile in Endstellun# entsteht eine verbale
Klammer, die mit Ausnahme des satzeröffnenden Gliedes (vgl. 1209)
alle übrigen Glieder in sich aufnimmt. Diese Klammerfähigkeit des mehr-,
teiligen Prädikats gehört zu den größten Besonderheiten der deutschen
Weitere Stellungsfeste Satzteile in den drei Schemata 585

Sprache. Wir begegnen mit ihr dem Gesetz der Umklammerung1,


das im ganzen Satz zur Geltung kommt und das uns deshalb in diesem
Kapitel noch öfters beschäftigen wird. Dieses Gesetz trägt neben anderen
Sprachmitteln, auf die wir bereits gestoßen sind oder noch stoßen werden
(vgl. 1178 u. 1254), wohl am sichtbarsten dazu bei, die Gleichzeitigkeit
der nacheinander gesprochenen Wörter eines Satzes und damit dessen
Einheit zu sichern.

ß) Abweichungen von der verbalen Umklammerung

1. Ausklammerung 1217

Wenn ein Prädikatsteil mit Endstellung zu sehr nachklappt, ist es


aus stilistischen Gründen besser, Teile des Gesamtsatzes auszu¬
klammern.
Dies gilt fast immer, wenn Gliedsätze eingeschaltet sind :
Man forderte am folgenden Tag den Künstler zum Empfang des Preises, den er
sich durch seine mühevolle und hervorragende Mitarbeit an diesem großen Werk
zweifellos mit Recht verdient hatte, auf. Besser: Man forderte am folgenden
Tag den Künstler zum Empfang des Preises auf, den . . .

In dieser Weise werden häufig auch Infinitive mit ihren zugehörigen


Gliedern aus der Klammer herausgenommen (vgl. auch 1212):
Danach fing sie an, bitterlich zu weinen. Statt: Danach fing sie bitterlich zu weinen

1218
2. Sätze mit Zweit- oder Anfangsstellung der Personalform ohne Klam-
merbildung
Neben der großen Zahl von Sätzen der hier betrachteten Schemata
mit verbaler Klammer bei mehrteiligem Prädikat gibt es aber auch
klammerlose Sätze. Schriftsprachlich sind sie im Vergleich zu den
Klammersätzen ziemlich selten, umgangssprachlich allerdings recht
häufig. (Es wäre deshalb lohnend, die Umgangssprache einmal auf
das Gesetz der Umklammerung hin gesondert zu untersuchen.) In
allen diesen Fällen behandelt der Sprechende unwichtigere freie
Satzglieder als nachgetragene Glieder:
. . . wie sie blaß wurden bei ihrem Anblick (Feuchtwanger). Ich möchte nicht
verreisen in diesem Sommer. Ich habe soviel zu tun in meinem Garten, daß . . .
Kommst du morgen mit in unseren Garten ?

Hiervon sind jedoch die Sätze mit einem Vergleichsglied zu trennen,


die ohne Klammer auch schriftsprachlich üblich sind:
Gestern hat es mehr geregnet als heute. Weniger üblich: Gestern hat es mehr
als heute geregnet.

1 Es ist das Verdienst von E. Drach, dieses Gesetz besonders betont zu haben. Vgl. sein
Buch: Grundgedanken der deutschen Satzlehre, Frankfurt 1937. Vgl. auch Leo Weis¬
gerber, Weltbild, 2. Halbband, S. 187 ff.
586 Die Wortstellung

2. Die nichtpersonalen Prädikatsteile in dem Schema


mit Endstellung der Personalform

a) Die Rangordnung der Prädikatsteile am Ende des Satzes


1219 Treffen in Sätzen dieses Schemas Prädikatsteile mit der Personalform
zusammen, dann herrscht folgende Rangordnung:

1. Infinitiv -f Personalform:
.... obwohl er nicht schreiben kann.

2. Zweites Partizip ~f~ Personalform:


. . . , obwohl er es nicht geschrieben hat.

3. Zweites Partizip -f- Infinitiv + Personalform:


Ich muß herausfinden, wo das gewesen sein könnte.

4. Personalform -f- Infinitiv -J- Infinitiv eines Modalverbs:


. . . , obwohl er nicht hat schreiben können.

In diesem Falle wird die Personalform „hat“ vom Satzende verdrängt, weil Modalverben,
wenn sie nicht Personalform sind, immer am Ende stehen. Der von ihnen abhängige
Infinitiv steht dann unmittelbar davor.

b) Die Klammerwirkung im eingeleiteten Gliedsatz


1220 Das Gesetz der Umklammerung, dem wir bei der verbalen Klammer be¬
gegnet sind (vgl. 1216), ist auch im eingeleiteten Gliedsatz wirksam.
Durch das Einleitewort, dem zudem meist das Subjekt folgt, und durch
das in Endstellung befindliche Prädikat entsteht auch hier ein Innenraum,
der alle übrigen Satzglieder aufnimmt:
Er ging nach Hause, weil er sich beim Fußballspiel über seine Kameraden allzu sehr
geärgert hatte.

V. Die Stellung der nichtverbalen Satzteile

1. Allgemeingültiges Stellungsprinzip
1221 Für die Stellung der nichtverbalen Satzglieder (mit Ausnahme des satz-
eröffnenden Gliedes, vgl. 1209) gilt folgendes Prinzip:
Die Stellung aller nichtverbalen Satzglieder, die der Personalform folgen
oder die im Rahmen des eingeleiteten Gliedsatzes stehen, richtet sich
nach dem Mitteilungswert dieser Glieder.. Dabei besetzt das Glied mit
dem höchsten Mitteüungswert die Endstelle, soweit diese nicht bereits
durch einen Prädikatsteil besetzt ist:
Gestern nachmittag pflanzte der Gärtner in unserem Garten endlich die langerwar¬
teten Sträucher. Er war böse, weil ihn seine Freunde ständig geärgert hatten.
Es ist außerdem beachtenswert, daß noch unbestimmte Substantive
gegenüber den bestimmten (determinierten) einen höheren Mitteilungs¬
wert haben. Pronomen haben beiden gegenüber den geringsten Mit-
Die Stellung der nichtverbalen Satzteile 587

teilungswert, weil sie aus dem Zusammenhang heraus bereits bekannt


sein müssen1:
Ich wünschte mir zu Weihnachten ein Buch. Ich wünschte mir dieses Buch zu Weih¬
nachten. Ich wünschte es mir zu Weihnachten.

Die Ausdrucksstellung (vgl. 1272) ist auch im folgenden immer aus¬


genommen.

2. Die Stellung der Satzglieder


a) Zur Stellung der einfachen Satzglieder
a) Das Subjekt
Wenn das Subjekt satzeröffnendes Glied ist (vgl. 1209) und die Perso- 1222
nalform ihm folgt, spricht man von „gerader“ Wortstellung:
Der Frühling ist in diesem Jahr besonders früh gekommen.

Eröffnet aber ein anderes Glied den Satz, so wechseln Subjekt und
Personalform den Platz. Man spricht dann von „ungerader“ Wort¬
stellung oder von Inversion2:
Morgen geht er ins Theater.

Beide Stellungen des Subjekts sind im Deutschen normal. Es hängt vom


Redezusammenhang oder von der gegebenen Situation ab, welche ge¬
wählt wird.
Bei „ungerader“ Wortstellung kann sich zwischen die Personalform des
Verbs und das Subjekt im allgemeinen nur noch ein Pronomen ein-
schieben:
Gestern begeisterten mich alle Spieler.

Die Endstellung des Subjekts bei arideren Gliedern zwischen ihm und der
Personalform des Verbs ist dichterisch:
Doch bald trat näher und näher an unser Ufer der große Wald, und .. . (Jatho). Eins
der reichsten Häuser des reichen Antwerpens repräsentierte diese Firma (Raabe).

Beachte:
Echte Konjunktionen rufen keine Inversion hervor, wenn sie unmittelbar vor dem Sub¬
jekt stehen:
Er grübelte und er grübelte. Franz hat gute Anlagen, allein er ist faul.

Die in der Kanzlei- und Kaufmannssprache oft verwendete Umkehrung nach „und“
gilt deshalb als nicht korrekt, obwohl sie seit althochdeutscher Zeit in wechselnder
Häufigkeit vorkommt:
Also nicht: Die Abhaltung der Prüfung wird auf den 10. Juni festgesetzt; und sind
die Gesuche um Zulassung zu derselben bis zu diesem Termin einzureichen. Sondern:
.. . festgesetzt, und die Gesuche . . . sind . . .
Inversion hach „und“ ist nur gestattet, wenn eine gemeinsame Umstandsangabe an der
Spitze der beiden durch „und“ verbundenen Sätze steht:
Dorten rauscht die grüne Tanne und erglänzt der goldne Mond (Heine).
Über die Inversion nach unechten Konjunktionen vgl. 591.

1 Vgl. hierzu Karl Boost, Neue Untersuchungen zum Wesen und zur Struktur des
deutschen Satzes, Berlin 1965, S. 54 f.
2 Lat. inversio = Umkehrung.
588 Die Wortstellung

ß) Der Gleichsetzungsnominativ
1223 Der Gleichsetzungsnominativ ist im allgemeinen der Personalform des
Verbs nachgestellt. Diese Stellung erfüllt insbesondere einen rollen¬
charakterisierenden Zweck, weil die syntaktische Rolle der beiden gleich¬
gesetzten Glieder durch die Flexionskennzeichen nicht deutlich wird:
Träume sind Schäume. Karl wird Bäcker.

Im Gliedsatz steht dieses Satzglied gewöhnlich vor dem schließenden


Prädikat :
Ich hätte mich gefreut, wenn er trotz aller Fehlschläge doch noch ein Meister seines
Faches geworden wäre.

y) Der Gleichsetzungsakkusativ
1224 Auch der Gleichsetzungsakkusativ strebt in Haupt- und Gliedsatz
Endstellung an:
Ich nannte ihn gestern abend vor allen Leuten einen infamen Lügner. Es wäre nichts
geschehen, auch wenn ich ihn gestern abend vor allen Leuten einen infamen Lügner
genannt hätte.

d) Die Objekte
1225 Stehen mehrere Objekte in einem Satz, dann gilt gewöhnlich folgendes:
1. Das persönliche Objekt geht dem sachlichen voran:
Er schenkte seinem Freunde ein Buch. Er beschuldigte diesen- Mann des Dieb¬
stahls. Ich lehrte den Schüler Französisch.

Das Dativobjekt kann jedoch auch dem Akkusativobjekt folgen, wenn


es den höheren Mitteilungswert hat:
Karl schenkte den Apfel seiner Schwester (und nicht seinem Bruder).

Das Akkusativobjekt steht meist vor dem Dativobjekt, wenn es Perso¬


nalpronomen ist:
Er schenkte seinem Freunde ein Buch. - Er schenkte es. ihm.
Aber:
Gib mir*s! Nimm dir's!

Oder bei höherem Mitteilungswert':


Bleibe sitzen! Ich bringe dir ihn (den Koffer).

2. Das Präpositionalobjekt folgt den übrigen Objekten:


Ich schrieb den Brief an meinen Freund. Karl berichtete seinem Freunde über
seine Italienreise.

Über die Stellung der Objekte im Beisein von Umstandsangaben


vgl. 1228 f.
Beachte:
Es besteht in der Gegenwartssprache eine starke Neigung, Pronomen, die in der Rolle
eines Objekts stehen, von der ihnen zukommenden Stellung zu verdrängen. Ihre richtige
Stellung ist bei Sätzen mit Zweitstellung der Personalform des Verbs unmittelbar hinter
dieser. Bei Gliedsätzen stehen die Pronomen im allgemeinen unmittelbar hinter dem
Einleitewort. Nur wenn das Subjekt des Gliedsatzes ebenfalls ein Pronomen ist, geht
dieses voraus. Bei Infinitivgruppen stehen die Pronomen an der Spitze.
Die Stellung der nichtverbalen Satzteile 589

Die Veränderung dieser richtigen Stellungen beruht auf dem Bestreben des Sprechers,
das Pronomen näher zu dem Verb zu stellen, von dem es regiert wird. Das heißt, er stellt
den Gesichtspunkt der syntaktischen Zusammengehörigkeit von Gliedern höher als das
Stellungsgesetz. Dies gilt jedoch nicht als korrekt:
Als er Rom zum erstenmal sah, war ihm die Stadt bereits aus Büchern bekannt.
Und nicht: . . . war die Stadt ihm bereits aus Büchern bekannt, Da er verletzt war,
mußte ihn der Arzt krank schreiben. Und nicht: . . . mußte der Arzt ihn krank
schreiben. Wir widersprechen diesem Vorschlag, weil uns die Ansichten von Herrn
Meier mißfallen. Und nicht: . . . , weil die Ansichten von Herrn Meier uns mißfallen.
Ich wünschte, ihn nach so langer Zeit einmal wiederzusehen. Und nicht: Ich
wünschte, nach so langer Zeit ihn einmal wiederzusehen.
Besonders häufig ist diese Umstellung beim Reflexivpronomen, das um des Zusammen¬
hanges willen hier mit behandelt sei. Sie hat vorzugsweise rhythmische Gründe:
Selten hat sich ein Mann so blamiert wie du. Und nicht: Selten hat ein Mann sich
so blamiert wie du. Darüber hoffe ich mich in den nächsten Wochen äußern zu
können. Und nicht: Darüber hoffe ich in den nächsten Wochen mich äußern zu
können. Die Kinder liefen heim, als sich der Himmel verdunkelt hatte. Und nicht:
. .. , als der Himmel sich verdunkelt hatte.

e) Die Umstandsergänzungen
Die Umstandsergänzungen haben eine besondere Neigung zur End¬ 1226
stellung, weil sie aus Bedeutungsgründen der Personalform am nächsten
sind:
Er verhält sich in allen Lagen einwandfrei. Er stellt sich bei allen praktischen
Arbeiten besonders ungeschickt an. Der Brand in der Maschinenfabrik gestern
abend entstand aus Unachtsamkeit.

Unter ihnen erweisen sich die Raumergänzungen am Ende des Satzes


geradezu als stellungsfest1:
Karl fliegt in diesem Jahr schon wieder mit seiner ganzen Familie über England
s und Neufundland nach Nordamerika. Wilhelm fährt in diesem Sommer mehrere
Wochen mit seiner Frau an die Nordsee. Ilse lebt seit Kriegsende trotz vieler Ent¬
behrungen immer noch auf dem Lande.

Der Rahmen aus Personalform und Raumergänzung erweist sich


neben dem verbalen .und dem Gliesdsatzrahmen als besonders fest. Da die
Raumsätze in unseren Reden recht häufig sind (vgl. 959ff.), kommt auch
diesem Rahmen eine allgemeine Bedeutung zu. Dies gilt vor allem für die
Sätze, in denen die Raumergänzung einem Akkusativobjekt folgt, weil
wir diese Sätze bei jeder Orts Veränderung eines Wesens oder Dinges
verwenden müssen:
Ilse hängt das Bild ihres Verlobten mit besonderer Liebe über ihr Bett an die Wand.
Jeden Morgen zieht Irmgard ihre duftigen Vorhänge mit besonderer Freude über die
aufgehende äonne zur Seite.

£) Die freien Umstandsangaben


Die freien Umstandsangaben stehen häufig als satzeröfinendes Glied 1227
(vgl. 1209):
Gestern kamen wir spät nach Hause. Heute müssen wir viel arbeiten.

1 Darauf weist auch Karl Boost hin: Neue Untersuchungen zum Wesen und zur
Struktur des deutschen Satzes, Berlin 1955, S. 44 f.
590 Die Wortstellung

Ebenso häufig stehen sie auch nach der Personalform des Verbs. Treffen
hier mehrere freie Umstandsangaben zusammen, dann gilt gewöhnlich
die Folge: Zeit, Grund, Art und Weise, Ort:
Die Kinder spielen in der Pause aus Bewegungsdrang laut schreiend auf dem Schulhof.

Hat jedoch eine Umstandsangabe einen erhöhten Mitteilungswert, dann


ändert sich die Reihenfolge sofort:
Wir spielten mit zunehmender Leidenschaft jeden Sonntag Tennis.

7j) Die freien Umstandsangaben neben einfachen Objekten und mehrglied¬


rigen Ergänzungen
Auch die Wortfolge beim Zusammentreffen von freien Umstandsangaben
und Ergänzungen richtet sich nach dem Mitteilungswert der einzelnen
Glieder. Die sich dabei ergebenden Möglichkeiten sind so vielfältig, daß
sich weitere allgemeine Richtlinien kaum ergeben. Im einzelnen sei jedoch
noch folgendes bemerkt:
1228 1. Neben einfachen Objekten
a) Mit geringerem Mitteilungswert
Ist der Mitteilungswert der freien Umstandsangabe geringer als
der des Akkusativ-, Genitiv- oder Präpositionalobjekts, dann
steht sie vor diesen. Die Objekte wirken dann mit der Personal¬
form klammerbildend:
Der Bauer pflügte in aller Frühe seinen Acker. Die Polizei bemäch¬
tigte sich nach wochenlangem Suchen gestern abend des Raubmörders.
Ich warte schon zwei Stunden auf meine Schwester.
Dies gilt jedoch nicht, wenn ein Dativobjekt bei einem Akkusativ¬
objekt steht. In diesem Falle steht auch die gering betonte Um¬
standsangabe meist zwischen den Objekten:
Karl brachte seiner Mutter jeden Sonntag nach dem Kirchgang aus Dank¬
barkeit einen Strauß Blumen.

b) Mit höherem Mitteilungswert


x Ist der Mitteilungswert der freien Umstandsangabe höher als
der der neben ihnen stehenden einfachen Objekte, dann können
sie diese aus der Endstellung oder von ihrem Platz unmittelbar
vor dem schließenden Prädikatsteil verdrängen:
Sie bringt die Zeitung schon seit fünf Jahren. Ich eiwehrte mich dieses zu¬
dringlichen Mannes mit ganzer Kraft. Ich habe auf diesen Mann nun schon
zwei Stunden gewartet.

1229 2. Neben mehrgliedrigen Ergänzungen


Besteht die Ergänzung eines Satzes aus mehreren Gliedern, dann
nehmen im allgemeinen die nichtdativischen Glieder die freie Um¬
standsangabe in die Mitte, wenn sie betont ist. Auch hier ist also
das Gesetz der Umklammerung wirksam:
Er beschuldigte diesen Mann schon über zwei Jahre mit besonderer Hartnäk-
kigkeit des Diebstahls. Erforderte diesen Mann mit betonter Freundlich¬
keit zürn Verlassen des Saales auf. Karl hängt seine Bilder mit größter
Sorgfalt an die Wand. Er zieht das Gespräch schon über zwei Stunden in
die Länge. Emimmt mir diese Äußerung gerade jetzt übel. Mein Freund
machte mich auf dieses Mädchen erst gestern aufmerksam.
Die Stellung der nichtverbalen Satzteile 591

Freie Umstandsangaben mit geringerem Mitteilungswert als die


Glieder der Ergänzung stehen auch hier voran :
Er beschuldigte schon zwei Jahre lang diesen harmlosen Mann des Diebstahls.
Er forderte zum, zweitenmal diesen Mann zum Verlassen des Saales auf.

b) Zur Stellung der Infinitiv- und Partizipialgruppen


a) Die Infinitivgruppen
Infinitivgruppen können entweder in den glatten Ablauf des Satzes ein- 1230
bezogen oder unter einen eigenen Teilbogen gestellt werden.
Sind sie in den Satz einbezogen, dann richtet. sich die Stellung nach dem
allgemeinen Gesetz des höheren Mitteilungswertes. Der Infinitiv selbst
tritt an das Ende des Satzes bzw. vor die zur Personalform gehörigen
Prädikatsteile:

Jener Schüler, . . . mit dem er in diesem Winter den Euklid zu studieren begonnen
hatte.

Steht die Infinitivgruppe unter einem eigenen Teilbogen, dann folgt sie
ihrem übergeordneten Satz nach. Innerhalb der Gruppe steht der In¬
finitiv selbst am Ende. Die übrigen Glieder richten sich nach dem allge¬
meinen Stellungsgesetz:
Er bedauerte, mir etwas Unmögliches zugemutet zu haben. Das erste Kleidungsstück,
das ich mich entsinne, in meiner Jugend getragen zu haben, ist ein blauer Kittel
gewesen.

ß) Die Partizipialgruppen
Die Partizipialgruppen stehen aus .rhythmischen Gründen meist am 1231
Anfang oder am Ende des Satzes, zudem sie in vielen Fällen, vor allem
als* Artangabe, einen besonderen Mitteilungswert haben:
Aber aus dem Gehölz hervortretend, stand er überrascht vor einer prächtigen Sze¬
nerie . . . (Th. Mann). Aber er blieb doch noch liegen, sinnend und sich erinnernd
(Th. Mann).

Als Attribute stehen sie meist unmittelbar beim zugehörigen Substantiv,


schön um Mißverständnisse zu vermeiden (vgl. 1043):
Das Publikum, mit erster Aufmerksamkeit an Dr. Krokowskis Lippen hängend, be¬
achtete ihn kaum (Th. Mann).

c) Zur Stellung der Gliedsätze


Nach ihrer Stellung zum Hauptsatz teilt man die Gliedsätze in Vorder-, 1232
Zwischen- und Nachsätze ein:
Vordersatz:
Wenn es möglich ist, kommen wir pünktlich.

Zwischensatz:
Hunde, die viel bellen, beißen nicht.

Nachsatz:
Ich freue mich, wenn du kommst.
592 Die Wortstellung

Als Vordersätze stehen besonders häufig Temporalsätze, weil die durch


sie ausgedrückten Gegebenheiten zur Satzeröffnung gut geeignet sind
(vgl. 1209):
Als er von seiner langen Reise zurückkehrte, fand er seine Vaterstadt völlig verändert
vor. Wenn du nach Hause gehst, sage der Mutter Bescheid.

Die häufigsten Zwischensätze sind die attributiven Relativsätze, weil sie


sich an ihr Bezugswort anschließen:
Ein Klavierspieler, der nicht ständig übt, wird es niemals zur Meisterschaft bringen.
Der Angeredete, der bis jetzt ein wenig abseits von seinen Kameraden an der Brüstung
gelehnt hatte, zuckte die Achseln (Baabe).

Über die Vor- und Nachstellung der Kausalsätze mit „da“ und „weil“
vgl. 1083, Beachte, 1.
Beachte bei Zwischensätzen:
1. Mit Ausnahme der Attributsätze sollte ein Zwischensatz erst dann in einen Haupt¬
satz eingeschaltet werden, wenn dessen Verb genannt ist:
Wir bleiben heute, da es regnet, zu Hause.
Gelegentlich wird aber auch bei guten Schriftstellern der Gliedsatz bereits unmittel¬
bar nach dem Subjekt eingeschoben, wenn dieses in Ausdrucksstellung gebracht
werden soll (im Lateinischen ist diese Stellung üblich):
Mützell, wenn er den jungen Freibel in das Lokal eintreten sah, salutierte (Fon¬
tane). Der Kurfürst, indem er errötend ihre Hand ergriff, sagte . . . (Kleist)1.

2. Die Einschaltung eines Zwischensatzes in einen Gliedsatz geschieht erst nach dem
Satzglied, das dem Einleitewort folgt:
. . . , weil wir, wie uns Herr Meier mitgeteilt hat, erst morgen an der Beihe sind.
Die Einschaltung eines Gliedsatzes unmittelbar nach dem Einleitewort geht auf
lateinischen Einfluß zurück und sollte, wenn möglich, vermieden werden:
Es zeigt sich, daß, wenn Karl uns hilft, dies nur aus Eigennutz geschieht.
Gelegentlich werden dabei sogar drei Konjunktionen gehäuft, wodurch der Satz
völlig unübersichtlich wird:
Man sieht aber auch, daß, wenn - wie wir es noch besprechen werden - die Mensch¬
heit einmal die Vernunft verlieren sollte, die Atombombe die Welt zerstören
. wird.

3. Die Stellung der Gliedteile

a) Adjektiv (Partizip)

a) Das vorangestellte attributive Adjektiv


1233 Attributive Adjektive stehen bis auf wenige Ausnahmen vor ihrem
Gliedkern:
die blauen Veilchen, die grünen Wiesen.

Bei mehreren nebengeordneten Adjektiven richtet sich deren Reihen¬


folge ebenfalls nach ihrem Mitteilungswert, wenn auch der Sprecher hier
größere Freiheit hat als bei der Stellung der Satzglieder:
ein schöner, heiterer, taufrischer, sonnendurchfluteter Morgen.

1 Vgl. hierzu Ludwig Beiners, Stilkunst, 4. Aufl., S. 72.


Die Stellung der nichtverbalen Satzteile 593

Gehört eines von ihnen im Verhältnis der Einschließung zum Substantiv


(vgl. 353), dann belasse man es unmittelbar vor dem Substantiv. Es heißt
„die gute alte Zeit“ (weil die alte Zeit gut gewesen sein soll), nicht: die
alte, gute Zeit.
Ebenso:
genähte lederne Bälle (Lederbälle), nicht: lederne, genähte Bälle; schönes grünes
Gras, nicht: grünes, schönes Gras'; eine sympathische junge Frau, nicht: eine junge,
sympathische Frau; eine erdichtete lehrhafte Erzählung, nicht: eine lehrhafte, er¬
dichtete Erzählung. '

ß) Das nachgestellte attributive Adjektiv


1. Die Nachstellung eines Adjektivs
Die Nachstellung des attributiven Adjektivs ist im Althochdeutschen 1234
in größerem Umfang möglich gewesen. Heute noch vorkommende
Nachstellungen wirken deshalb vielfach archaisierend und beschrän¬
ken sich weitgehend auf die Dichtung:
Röslein rot. Alles geben die Götter, die unendlichen, ihren Lieblingen ganz, alle
Freuden, die unendlichen, alle Schmerzen, die unendlichen, ganz (Goethe).

Hiervon heben sich die nachgestellten Adjektive bei Schimpfwörtern


ab. Dem Sprechenden ist dabei der Inhalt des Substantivs so wichtig,
daß er es nach vorn holt. Das Attribut wirkt dadurch ebenfalls
stärker:
Lump, elender! Schaf, dummes! Kerl du, infamer! Hast du die Bestie, die ver¬
fluchte $ (Carossa).

2. Die Nachstellung von zwei oder mehreren Adjektiven


Nimmt das adjektivische Attribut größeren Umfang an, dann finden 1235
wir es auch in der Gegenwartssprache gelegentlich nachgestellt, ob¬
wohl es dann einen feierlichen Klang erhält und deshalb wieder stärker
in der Dichtung beheimatet ist:
Die Hände des Bauern, kräftig und breit, führen den Pflug. Auf der Flut, der
sanften, klaren, wiegte sich des Mondes Bild (Lenau).

Dies gilt besonders, wenn nähere Bestimmungen beim Adjektiv


stehen oder wenn es sich um mehrere nebengeordnete''Adjektive mit
entgegengesetzter Bedeutung handelt:
Kinder, hold wie Engelscharen (Uhland); eine Anzahl Menschen, alte und junge,
gesunde und kranke (Goethe).

3. Die Entfernung des attributiven Adjektivs von seinem öliedkern


Will man das attributive Adjektiv nachdrücklich hervorheben, dann 1236
trennt man es von seinem Gliedkern. Da es ih diesen Fällen den höch¬
sten Mitteilungswert im Satz hat, tritt es an das Ende bzw. vor den
schließenden Prädikatsteil:
Gesellschaft könnte sie die allerbeste haben (Goethe). Beweise hat er äußerst
triftige vorgebracht.

Konstruktionen dieser Art gelten heute allerdings weithin als nicht


schriftsprachlich.
594 Die Wortstellung

y) Die vom attributiven Adjektiv abhängigen Satzteile


1237 Dem attributiven Adjektiv (Partizip) gehen zunächst seine eigenen
Attribute voraus:
ein empfindlich kalter Wind, das überaus schöne Mädchen.

Weitere abhängige Satzteile ordnen sich davor, und zwar wiederum so,
daß der Teil mit dem höchsten Mitteilungswert dem Adjektiv am näch¬
sten steht:
Der seit langer Zeit des Mordes verdächtige Mann . . . Die in diesem Frühjahr be¬
sonders zahlreich auftretenden Maikäfer . . .

Diese umfangreichen Attribute sind nur möglich, weil das Gesetz der
Umklammerung auch hier wirksam ist. Klammerbildend wirken mit
dem substantivischen Gliedkern zusammen der das attributive Gefüge
eröffnende Artikel oder ein Pronomen.

b) Pronomen
1238 Pronomen gehen ihrem Substantiv immer voran:
dieser Mann, mein Vater.

Treten weitere Attribute hinzu, dann stehen sie zwischen Pronomen und
Substantiv:
dieser weitgereiste Mann, mein überall geschätzter Vater, diese zwei starken Männer.

Die Pronomen „diese, jene, alle“ gehen einem Possessivpronomen voran:


diese meine Freunde, alle meine schönen Pläne.

Über die Stellung von „all“ in Verbindung mit anderen Pronomen und
mit Substantiven vgl. 487 ff.

c) Zahlwort
1239 Im allgemeinen stehen die Zahlwörter vor ihrem zugehörigen Substantiv:
zwei Menschen, der erste Mann im Glied, ein viertel Kilo.

Nachstellungen sind selten, z. B.


dichterisch:
Und von flinken Rossen vier scholl der Hufe Schlagen (Lenau). In dem Dome zu
Cordova stehen Säulen dreizehnhundert (Heine)

oder als Ersatz einer Ordinalzahl:


Band 80, Heft 1, Seite 46, Kapitel VI, Absatz 2; Akt III schlug am mächtigsten ein
(Wildenbruch an Litzmann). Im Jahr neunzehnhundertsechzig, mit dem Glocken¬
schlage zwölf, Regerstraße 17.

d) Adverb
1240 Das Adverb geht als Gliedteil einem Adjektiv oder Adverb voraus:
Er ist ein überaus belesener Mann. Er kam sehr oft.

Nur das Adverb „genug“ folgt nach:


Er ist gescheit genug. Er kann nicht behutsam genug mit ihr umgehen.
Die Stellung der nichtverbalen Satzteile 595

■Beim Substantiv steht das Adverb meist nach:


Das Haus dort, die Sitzung morgen. Es gibt Brot genug.

Aber auch Voranstellung ist hier möglich:


dort das rote Haus, rechts -die weiße Wand; es gibt genug Brot.

Beachte:
1. Attributiv gebrauchte Adverbien müssen bei ihrem Gliedkern stehen und dürfen
nicht so gestellt werden, daß die Beziehung auf den Gliedkern verlorengeht. Dies
gilt besonders für ,.nicht“ und ,,nur“:
Nicht alle Mitglieder sind verheiratet. Und nicht: Alle Mitglieder sind nicht
verheiratet. Er brachte alle seine Bücher in nur fünf Kisten unter. Und nicht:
Er brachte alle seine Bücher nur in fünf Kisten unter.
2. Adverbien, die sich attributiv auf das ganze Präpositionalgefüge beziehen, dürfen
nicht hinter die Präposition gestellt werden:
spätestens in einer Stunde (und nicht: in spätestens einer Stunde), längstens nach
zwei Jahren (und nicht: nach längstens zwei Jahren).
Hiervon sind jene Fälle zu unterscheiden, bei denen ein Gliedteil innerhalb des Prä-
positionalgefüges attribuiert wird:
in fast allen Fällen (im Gegensatz zu: fast in allen Fällen), in ungefähr acht Tagen
(im Gegensatz zu: ungefähr in acht Tagen).

e) Das substantivische Attribut

a) Der attributive Genitiv

Der attributive Genitiv steht heute gewöhnlich hinter seinem Substantiv: 1241
das Haus meiner Schwester, der Giebel unseres Hauses.

Die Voranstellung (sächsischer Genitiv) ist heute nur in folgenden Fällen


üblich:
Bei Namen oder namenähnlichen Substantiven:
Goethes Werke, Peters Hut, des Vaters Segen.

In festen Redewendungen:
aller Laster Anfang, des Tages Mühen.

Die übrigen Voranstellungen sind dichterisch:


Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind (Goethe).

Die dadurch beabsichtigte Hervorhebung kann so weit gehen, daß


Attribut und Gliedkern voneinander getrennt werden:
Deines Geistes hab' ich einen Hauch verspürt (Uhland).

Diese Trennung ist jedoch im allgemeinen nicht erlaubt (zudem sie oft
mißverständlich ist):
Also nicht: Die großen Verdienste um den Wiederaufbau unseres Bürgermeisters.
Sondern: Die großen Verdienste unseres Bürgermeisters um den Wiederaufbau.

ß) Das präpositionale Attribut

Das präpositionale Attribut folgt seinem Substantiv: 1242


Das Haus am Marktplatz, die Straße nach Frankfurt, seine Hoffnung auf Befreiung.
596 Die Wortstellung

Auch hier kann wie beim Genitiv in der Dichtung gelegentlich eine
völlige Trennung vom Gliedkern gewagt werden:
Wenn er ins Getümmpl mich von Löwmkriegern reißt (Goethe).

Im allgemeinen ist diese Trennung jedoch ebensowenig erlaubt wie beim


attributiven Genitiv:
Also nicht: Schuhe für Kinder aus Gummi. Sondern: Schuhe aus Gummi für Kinder.

y) Die Apposition
1243 Appositionen können ihrem Substantiv vor- und nachgestellt oder nach¬
getragen sein. Vgl. dazu im einzelnen 987 ff. Zusätzlich sei vermerkt:
1. Appositionen sind immer nachgestellt, wenn sie sich auf ein
Pronomen beziehen:
wir armen Menschen, uns guten leuten.

2. Wie bei den anderen substantivischen Attributen kann auch hier


bei starker Hervorhebung Trennung vom Bezugswort erfolgen, wobei
gelegentlich Kasusabweichung auftritt:
Als biographischer Erzähler steht es mir durchaus zu (Th. Mann). Als erstem
Redner erteile ich Herrn Rechtsanwalt Dr. X das Wort.

4. Die Stellung der Präpositionen und« Konjunktionen


a) Präpositionen
1244 Gewöhnlich steht die Präposition vor dem Substantiv. Davon hat sie
ihren Namen (vgl. 572). Nicht selten steht sie aber auch hinter dem Sub¬
stantiv, entweder nur so oder im Wechsel mit der Voranstellung. In diesen
Fällen entscheidet der Satzrhythmus die Stellung:'
entgegen:
deinen Anweisungen entgegen oder entgegen deinen Anweisungen.

entlang:
den Bach entlang (seltener: entlang dem oder den Bach).

gegenüber:
dem Bahnhof gegenüber oder gegenüber dem Bahnhof; aber bei Pronomen nur:
mir gegenüber, euch gegenüber.

deinem Wunsche gemäß (seltener:genäß deinem Wunsche).

halber:
des großen Vergnügens halber.

nach:
nach meinem Erachten oder meinem Brachten nach (falsch: meines Erachtens nach).
Die Nachstellung ist nur bei modalem Sinn zu beobachten, bei lokaler und temporaler
Bedeutung steht „nach“ voran:
. nach Hamburg, nach dem Essen.
unbeschadet:
unbeschadet seiner verwandtschaftlichen Gefühle oder seiner verwandtschaftlichen
Gefühle unbeschadet.
Die Stellung der nichtverbalen Satzteile 597

‘ungeachtet:
ungeachtet des Wetters oder des Wetters ungeachtet.

wegen:
wegen des Kostüms (seltener: des Kostüms wegen).

zufolge:
seinem Wunsch zufolge oder zufolge seines Wunsches.

zunächst:
zunächst dem Hause oder dem Hause zunächst.

zuwider:
seinem Vorschlag zuwider.

In anderen Fällen tritt das Substantiv zwischen zweiteilige Präposi¬


tionen :
von Rechts wegen, um seiner Zufriedenheit willen.

b) Konjunktionen
a) Unterordnende Konjunktionen
Die unterordnenden Konjunktionen stehen immer an der Spitze des 1245
Gliedsatzes. Sie sind gleichsam sein Eröffnungssignal (vgl. auch 1220):
Karl ging nach Hause, weil ich ihn geärgert hatte. Ich hoffe, daß er wiederkommt.

ß) Nebenordnende Konjunktionen
Die Stellung der nebenordnenden Konjunktionen ist unterschiedlich. 1246
1. Die Konjunktionen „und, oder, allein, sondern, denn“ stehen
immer an der Spitze des Satzteiles oder Satzes, den sie nebenordnen:
Wiesen und Felder ... Er grübelte und er grübelte. Franz hat gute Anlagen,
allein er ist faul. Das Sein ist ewig; denn Gesetze bewahren die lebend’gen Schätze
(Goethe).

2. Die übrigen nebenordnenden Konjunktionen sind beweglicher.


Sie können an der Spitze oder innerhalb des Satzes stehen, ferner
auch nach unterordnenden Konjunktionen (daß aber, daß nämlich):
Ich ginge gerne spazieren, aber das Wetter ist zu unsicher. Sieben Jung¬
frauen saßen im Kreis um den Brunnen; in das Haar der Siebten aber, der
•Ersten, der Einen, schien die . . . Sonne . . . (Th. Mann). Die Natur nämlich
hat unserem Geschlecht keinen Herrn bezeichnet (Herder). Die Familie ist
also schon abgereist.

y) Infinitivkonjunktionen
Die Infinitivkonjunktion „zu“ steht immer unmittelbar vor dem In- 1247
finitiv eines einfachen oder fest zusammengesetzten Verbs:
Er hoffte zu kommen. Er beschloß, das Buch iu übersetzen.

Bei unfesten Zusammensetzungen schiebt sich „zu“ zwischen den mit


dem Verb zusammengeschriebenen Teil und den Infinitiv:
Er hoffte, pünktlich anzMkommen. Er wünschte, diese Nachricht bekanntzwmachen,
ihn kennenzwlernen.
598 Die Wortstellung

Die mit der Infinitivkonjunktion „zu“ in Aktionsgemeinschaft stehenden


Präpositionen „ohne, um, [an]statt“ nehmen immer die Spitze der In¬
finitivgruppe ein:
Er verließ den Raum, ohne seinen Bruder eines Blickes zu würdigen. Die Mutter ging
in die Stadt, um die Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Er spielte Fußball, statt seine
Schulaufgaben zu machen.

5. Die Stellung der Interjektionen und der Vokative

a) Interjektionen
1248 Interjektionen stehen im allgemeinen am Anfang des Satzes:
Oh, ich kenne dich! (Schiller). Ha, wären wir am Strande des Ligurischen Meeres!
(Raabe). 0 daß sie Frucht, o daß sie Freude bringe! (Goethe).

Gelegentlich sind sie in den Satz eingeschoben. Sie stehen dann Vor dem
Satzteil, der die Empfindung besonders ausgelöst hat:
Aber einen Bedienten hat er, oh, ein recht abscheulicher Mensch i (Lenz).. .. flog eine
feindliche Kanonenkugel ihm über den Rücken weg, paff! in das benachbarte Schiff
(Hebel).

Gehäufte Interjektionen stehen gern am Ende des Satzes:


Bin Käfer auf dem Zaune saß, summ, summ, summ! Es klappert die Mühle am
rauschenden Bach, klipp, klapp! He, heraus! du Ziegen-Böck! Schneider, Schneider,
meck, meck, meck! (Busch).

b) Vokative
1249 Der affektbetonte Vokativ steht im allgemeinen am Anfang des Satzes:
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an . . . (Goethe). Franz, verlaß meine
Amalia nicht! (Schiller). Karl, deine Mutter ruft!

Der nicht affektbetonte Vokativ steht meist später:


Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn ? (Goethe). Komm, lieber Mai, und mache die
Bäume wieder grün! (A. Overbeck). Willst du mit mir gehen, liebe Ingei

6. Die Leistung der Wortstellung


a) Der Satz als Spannungseinheit
1250 In dem ganzen Kapitel über die Wortstellung begegneten wir immer
wieder dem allgemeingültigen Stellungsprinzip, daß Wörter mit höherem
Mitteilungswert den Wörtern mit geringerem Mitteilungswert folgen
und daß demgemäß das Wort mit dem höchsten Mitteilungswert, das
Sinnwort oder der Sinnkem, dem Satzende zustrebt, wenn es sich nicht
in Ausdrucksstellung befindet (vgl. 1221).
Dadurch hält der deutsche Satz die mit dem satzeröffnenden Glied aus¬
gelöste Spannung (vgl. auch 866), wenn irgend möglich, bis zum Ende
aufrecht. Der Satz wird zur Spannungseinheit, in der sich die Be-
deutungs-(Sinn-)Einheit (vgl. 856) schrittweise verwirklicht. Das sprach¬
liche Mittel dazu ist die Wortstellung, die dies allerdings nur in Gemein¬
schaft mit dem Tori (vgl. 1254ff.) zu leisten vermag.
Zur Klanggestalt der Rede allgemein 599

b) Die Sicherung des Satzes als ein Miteinander im Nacheinander


Eine zweite Leistung der Wortstellung, die nicht geringer für die Einheit 1251
des Satzes zu bewerten ist, ist die sich immer wieder vollziehende Klam¬
merbildung (verbale Klammer [vgl. 1216], Ergänzungsklammer [vgl.
1228 f.], Gliedsatzklammer [vgl. 1220], attributive Klammer [vgl. 1237]).
Dadurch werden die Gliedteile und die Glieder selbst auf das engste zur
Sicherung der Einheit des Ganzen umschlossen. Das nacheinander Ge¬
sprochene (vgl. 855) wird auch formal als ein Miteinander sichtbar ge¬
macht.

c) Die rollencharakterisierende Leistung


Obwohl die deutsche Sprache noch über genügend Flexionsmittel ver- 1252
fügt, um die syntaktische Rolle der einzelnen Wörter kenntlich zu
machen, gibt es doch Konstellationen, in denen allein durch die Wort¬
stellung die syntaktische Rolle festgelegt wird. Wir wiesen bei der Stel¬
lung des Gleichsetzungsnominativs schon darauf hin (vgl. 1223). Aber
auch in folgendem Satz ist der Akkusativ des letzten Satzgliedes nicht
aus der Form, sondern nur aus der Wortstellung zu entnehmen:
Kleider machen Leute.

Schließlich kennzeichnet die Wortstellung alle stellungsfesten Satz¬


glieder und. damit, wie besonders im Falle des Gliedsatzes, auch den
Charakter eines Satzes selbst.
In all diesen Fällen unterstützt die Wortstellung die Flexion bei der Cha¬
rakterisierung der syntaktischen Rollen. Sprachen, die flexionsärmer
sind als das Deutsche, sind auf diese Leistung stärket angewiesen, wo¬
durch ihre Wortstellung allerdings starrer wird.

P. DIE KLANGGESTALT DES SATZES

I. Zur Klanggestalt der Bede allgemein

An dem vernehmbaren Sprachschall, der Schallform der Rede, können 1253


wir die Reihe der Sprachlaute und deren rhythmisch-melodische Ge¬
staltung unterscheiden. Diese Gestaltung beachten wir als Hörer nur,
soweit sie für den Sinn des Ausspruchs wesentlich wird. Wir deuten die
jeweilige Schallform als sprachliche Gestalt. Dabei kümmern wir uns
nicht um die Elemente des Sprachschalls, wie sie z. B. die experimentelle
Phonetik herauslöst und als jeweilige Tonhöhe, Tonstärke usw. mißt
und beschreibt, sondern fassen diese Elemente in ihrer Verbindung und
Beziehung auf. Die Gesamtheit dessen, was am Sprachschall so über die
Reihe der Laute (Phoneme) hinaus als sinnträchtige akustische Gestalt
gebildet und aufgefaßt wird, nennt man Klanggestalt. „Klang“ geht
hier also über den physikalischen Begriff hinaus — ähnlich wie wir auch
vom Ton der Rede sprechen. Anderseits geht es uns hier um Rhythmik
und Melos der Rede, während wir Klangart und Sprechweise, die vor¬
nehmlich der persönlichen Sprechart und dem Gefühlsausdruck dienen,
beiseite lassen.
600 Die Klanggestalt des Satzes

Eine Grammatik der Klanggestalt des Deutschen kann es freilich nicht


geben. In der lebendigen Rede verbinden sich unauflöslich die Wirkungen
verschiedener Gestaltungskräfte, die die grammatischen Grundformen
immer wieder überspielen. Zwar geht es uns vornehmlich um das, was
allgemeiner Gebrauch der Sprachgemeinschaft ist, aber weder die je¬
weilige Redeabsicht noch der zumeist unbewußt einfließende Gefühls¬
ausdruck sind davon ablösbar. Persönliche Eigenheiten allerdings lassen
wir ebenso beiseite wie meist jene Zufalls- und Fehlformen, die dem
Sprecher aus der Not und dem Unvermögen der Ausspruchsplanung
unterlaufen.

Wir stehen hier auf der Schwelle von der Sprache zum Sprechen, von der
Bindung, die das überlieferte Gemeinschaftsgut „deutsche Sprache44 dem
einzelnen um der allgemeinen Verständlichkeit willen auferlegt, zu der
Freiheit, die diese Sprache ihm zum Ausdruck seines jeweiligen Aussage¬
bedürfnisses läßt. Darum kann unsere Schilderung der Klanggestalt des
deutschen Satzes für das einzelne Beispiel nicht unverbrüchlich gelten.
Sehr oft sind auch andere Gestaltungen möglich — dann freilich nur mit
anderen Sinndeutungen desselben Textes. Wir können nur das Spiel der
Kräfte in der jeweiligen Klanggestalt zeigen und sagen: Wenn man so
spricht, klingt es deutsch!

II. Der Tonfall


a) Der Spannbogen

1254 Die Rede stellt die Einheit eines Satzes in der Gestalt eines Spann-
bogens dar. Dieser trennt den Satz in zusammenhängender Rede und
im Gespräch von seinen Nachbarn, dem Kontext, und schließt die Aus¬
sageglieder zusammen.

Die Schokolade, Dofia Catarina. - Die Schokolade. -

Das Tablett auf die Bettdecke, so daß cs den Schlafrock berührt. -

Befolge meine Befehle, Rosita, wiederhole sie nicht wie ein Papagei! -

Zehn Uhr? - Genau. - Genau kann es nicht sein. -

Es schlug, als ich zur Tür hercinkam. (Eich)

b) Der Tonfall

1255 Die Stimme gestaltet den Spannbogen vornehmlich als Tonhöhenbe¬


wegung, mit der sich aber Gliederung und Schwereabstufung verbinden.
Da die häufigste Satzform, die feststellende Aussage, aus einer mittleren
Tonlage aufsteigt (Aufast, vgl. 1281) und tiefer fällt, als sie begann
(Abast), und vor allem der Abschwung zum Ende hin ins Ohr fällt,
spricht man allgemein vom Tonfall der Rede. Der Steigton des Aufastes
Der Tonfall 601

zieht den Hörer beunruhigend in die Aussage herein, der Tiefton des
Abastes löst die Spannung auf:
Dem Unkraut' schadet der Frost nicht.
Was er allda gesehen und erfahren,
hat seine Zunge nie bekannt (Schiller).

c) Die drei Grundformen des Tonfalls


Der Spannbogen ist bezogen auf die grammatisch-syntaktische Form, 1256
aber nicht an sie gebunden (vgl. 1257). Er richtet sich vielmehr nach
dem Ausdrucksgehalt der Rede: Er macht die Gefühlslage des
Sprechers kund (Kundgabe) und seine Beziehung zum Hörer (Aus¬
lösung). Seine Gestalt wird vielfältig abgewandelt, bleibt aber als Grund¬
form erhalten, ob der Satz nun einsilbig ist oder vielgliedrig. Nach dem
Ausdrucksgehalt unterscheiden wir drei Grundformen des Tonfalls:

a) entladender Ausruf
■\
(Erleichtert:) Jal Ach! Peinlich! Wie lange das dauert!

ß) heischender Anruf

He! Er kommt! Kommen Sie herein! Hinaus! Machen Sie, daß Sie fortkomnien!

Den gleichen Hochschluß des Spannbogens hat auch dieE nt scheidungs¬


frage, die vom Hörer die Antwort Ja! oder Nein! verlangt. Je höflich¬
verbindlicher sie gestellt wird, um so mehr schwingt der Tonbogen aus:
/
Allein ? Ist er krank ? Er ist krank ? Kennen wir uns ? Waren Sie gestern im Theater ?

Je schroffer der Wille hervortritt, um so mehr löst sich der Tonbogen in


Stufen auf, und die Tonlage des Satzes rückt ein Stück nach oben:

Wird’s bald? Wollen Sie mir nun endlich die Wahrheit sagen? Hinaus! Schau mir
ins Auge!

y) darstellende Aussage
(Er ging) hinaus. (Zustimmend:) Ja. (Feststellend:) Er ist krank. Gut! Mit dieser
ütegelung bin ich einverstanden. Gesagt, getan. Kaum hatte er seinen Plan ent¬
wickelt, als den Worten schon die Tat folgte. Besser ein strohener Vergleich als ein
goldener Prozeß.

So auch die Ergänzungsfrage :


Was hast du da ? Was sagen Sie dazu ? Wie teuer ist das ? Wie konnte das geschehen ?
Von wem wird hier gesprochen? Und was weiter? Womit soll ich nun mein Brot
verdienen ?

Wird das Fragewort selbst hervorgehoben, bo sprechen wir meist, bei der
Nachfrage immer, Hochschluß.
(Woher kommen Sie?) Woher ich komme?
y
602 Die KlanggestaU des Satzes

d) Inverse Betonung
1257 Über den Tonfall entscheidet nicht die grammatische Satzprägung,,
sondern die Ausdruckshaltung des Sprechers. Darum kann es zu Wider¬
sprüchen zwischen grammatischer Aussageweise und Tonfall kommen
(inverse Betonung). Den Sinn des Satzes bestimmt dann immer der Ton.
Wo der Sprecher einen Sachverhalt nicht neutral mitteilt, sondern sich
damit nachdrücklich dem Gesprächspartner zuwendet, Antwort oder
eine bestimmte Handlung von ihm verlangend, schließt er hoch, auch
wenn er grammatisch die Form der Aussage wählt :
Du bist unvorsichtig! Wir sind hier nicht allein!

oder die der Ergänzungsfrage: j/


Wer hat das gesagt ? Wohin gehst du ? Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
(Goethe) .Was hör' ich draußen vor dem Tor, was auf der Brücke schallen ? (Goethe).

Umgekehrt wird dem Fragesatz das Persönlich-Verbindliche genommen,


wenn wir ihn im Aussagetonfall sprechen,
sei es im Sinne ruhiger Erkundigung: \
Sagten Sie etwas ? Kennen wir uns ? Bist du dabei gewesen ?
sei es, daß wir mit dem Ton der Feststellung den Partner zu einer sach¬
lich-verbindlichen Erklärung nötigen: "
Ist das wahr ? Was hast du da ?
Dabei rückt der Wille den Tonfall in eine höhere Lage und vergrößert
den Ausschlag der Tonhöhenbewegung (die Intervalle):
Von wem wird hier gesprochen ? (= Heraus mit der Sprache!) Willst du (wohl) hören!
Ob er das tut! Wollt ihr nicht anfangen ? (= Schluß mit dem Gerede!) Du bist hier
nicht allein! ( = Sei nicht so lautl)
Am deutlichsten wird der Einfluß des Willens auf Tonlage und Ton¬
stufen, wenn sich grammatische Aussageweise und Ton verbinden:
Schau mir ins Auge! Geh (nun endlich) an die Arbeit!

e) Führtöne
1258 Der Spannbogen ist keine geschlossene Tonhöhenbewegung. Diese wird
vielmehr durch alle stimmlosen Laute unterbrochen und durch die Her¬
vorbringungsart der Laute abgewandelt. Der Hörer aber beachtet auch
an den stimmhaften Lauten nur die Schwerpunkte der Silbenkämme,
vornehmlich der betonten Silben, die damit zu Fiihrtönen werden.
Um die Gestaltung des Spannbogens im einzelnen zu verstehen, müssen
wir darum die Schwereabstufung der Rede betrachten.
Er kam an, als es Abend war und schon dunkel wurde,
experimentalphonetisch gewonnene Tonhöhenkurye1:
er kaman ai sesaben tvar un tSon durj kalvur da

1 Nach W. Kuhlmann, Die Tonhöhenbewegung des Aussage satzes, Heidelberg 1931,S.68.


Die Schweren und die Leichten 603

Maß und Ziel im Ernst, im Spiel. Wir notieren

oder

IQ. Die Schweren und die Leichten

1. Beschwerungsweisen
Unter Schwere verstehen wir das Gewicht, mit dem eine Silbe ins Ohr 1259
fällt. Sie bedient sich verschiedener stimmlicher Mittel. Schwer wirkt
eine Silbe vornehmlich, wenn sie entscheidende Stufen der Auf- und Ab¬
schwünge des Tonfalls übernimmt (musikalischer Akzent). Daneben hebt
die Betonung durch Lautheit (Atemdruck) eine Silbe heraus (dynamischer
Akzent). Auch Dehnung der Vokale kann eine Silbe beschweren (tem¬
poraler Akzent); anderes, z. B. Klangwechsel, kann mitspielen. Gewöhn¬
lich verbinden sich diese Beschwerungsweisen. Für das Deutsche ist der
starke Anteil der Betonung durch Lautheit bezeichnend. Einseitige Be¬
schwerung durch Tonerhöhung und Lautheit jedoch vereinzelt das Wort,
weist feststellend auf seinen begrifflichen Kern und wirkt darum ver¬
standesmäßig, obendrein monoton.

2. Schwereabstufung
Die Abstufung der Silbengewichte ist unendlich. Es kommt dabei nicht 1260
auf das absolute Gewicht der Silben an, sondern auf das Verhältnis zu den
Nachbarn in dem Redeteil, der durchgegliedert als Einheit vor dem Be¬
wußtsein des Sprechers steht. Wir beschränken uns hier auf vier Stufen.
Sie werden mühelos unterschieden und erlauben, alles sprachlich Wesent¬
liche darzustellen:
Überschwere (•) gewöhnlich laute Steigspitze oder betonter Schlußfall;
Vollschwere (') gewöhnlich geringere Tonerhöhung bei deutlich vermehrter
Lautheit;
Kaumschwere (') gewöhnlich fallend, aber noch laut;
Leichte (bleibt unbezeichnet) schwach und fallend.

3. Schwere und Wortton


Die Schwefe hält sich an den Worttoh, d. h., sie hebt im Deutschen die 1261
Stammsilben der Wörter stärker hervor:
Er hat sich vor zwei Jahren verheiratet.

Doch kann der Redesinn den Wortton gelegentlich auch brechen:


Er hat nicht geheiratet, er hat sich verheiratet. Lies lebe, nicht leb€n\ Wer ein Gedicht
6rlebt, belebt es.

4. Die Leistung der Schweren und der Leichten


a) Die Leistung im allgemeinen
Entwickelt der Sprecher den Satz für das Verständnis des Hörers, so 1262
führt er ihn bei ruhiger Rede über eine Reihe von Schwereabstufungen
604 Die Klanggestalt des Satzes

zur Überschwere, die sich möglichst am Ende des Satzes mit dem Sinn-
kem der Aussage verbindet. Das dadurch entstehende Spannungsver¬
hältnis zwischen den Satzgliedern und ihren Teilen ist das gleiche, das
auch von dem allgemeingültigen Stellungsprinzip (vgl. 1221) hervorge¬
rufen wird, nach dem Wörter mit höherem Mitteilungswert jenen mit
geringerem folgen. Wortton und Wortstellung sind also in ihrer Leistung
gekoppelt (soweit nicht Rhythmisierung im Spiel ist; vgl. 1286 f.).
Es wär einmal ein Müller.. . (Müller ist Sinnkern der Aussage, steht deshalb am
Ende und verbindet sich mit der Überschwere.)

Beachte:
Der Ton vermag aber auch unabhängig von der Wortstellung den Sinn zu deuten,
wenn es sich um gleiche Fügungen handelt:
Wir sind zusammen gekommen. Wir sind zuskmmengekommen. Ich ziehe Köln
Düsseldorf vor. Ich ziehe Köln Düsseldorf vör.
Ein Kind stellt die ganze Wirtschaft auf den Kopf, tnn Kind stellt die ganze Wirt¬
schaft auf den Kopf.

1263 Daneben folgt die Schwere aber auch rhythmischen Bedürfnissen (vgl.
1286):
Das Schiff ist mit Mknn und Maus üntergegangen. (Gleiches Gewicht wird bei Wort¬
paaren [vgl. 1266] vermieden.)

und Gepflogenheiten der Mundart und der Umgangssprache:


Willst, feiner Knäbe, du mit mir gehn ? (Goethe als Frankfurter beschwert die Prä¬
position.) Und vor mir lag in der Wiege . .. (Der Wiener Grillparzer läßt sie leicht.)

b) Die Leistung im besonderen


a) Die Überschwere
1264 Die Überschwere bezeichnet in allen Fällen den Sinnkern des Satzes.
Durch sie wird im allgemeinen etwas im Lauf der Rede neu Auftauchendes
oder etwas Besonderes und Unterscheidendes beschwert.
1. Beschwerung des Neuen
(... gar zu artiges Spielding) Mir ist der Bauer kein Spielzeug (Grimm). (... ließ
ihn hineinblicken) Was hast du da so Zkppeliges darin ? (Grimm). . . . und
sauste scharf und gerade auf Jupps Köpf hinunter; Jupp hatte blitzschnell
einen Holzklotz auf seinen Kopf gelegt (Böll).

Dementsprechend bleibt das Wiederholte leicht :


Gutes Wört findet gute Statt. Schöne Täge soll man Abends loben, schöne Fräuen
morgens. Wenn Ihr mich nicht ins Gesicht schneidet, so bezähl' ich Euch vier
Krönentaler, w6nn Ihr mich aber schneidet, so stöch’ ich Euch töt (Hebel).

Es sei denn, das doppelt Genannte soll ausdrücklich als dasselbe


unterstrichen werden:
Für Lebendiges muß man Lebendiges einsetzen - sich selber (Rosegger). Doch
nur deswegen, um däs zu machen, wirklich zu mkchen, was jene erkännt haben
(Stehr).

2. Beschwerung des Besonderen und Unterscheidenden

Der beste Wille ist der fkste Wille. Die Rute macht aus bösen Kindern güte.
Die Schweren und die Leichten 605

Ist das zweite Glied eines Gegensatzes nicht genannt, aoer mitgemeint,
so weist die Überschwere den Hörer an, es mitzudenken:
(Ist all dein Vieh verbrannt ?) Das Kalb wurde gerettet. (Wie stehst du mit
dem Ehepaar ?) Ihn schütze ich. Alte Ziegen lecken auch gern Salz. Der Xlndank
ist immer eine Art Schwäche. Ich habe nie gesehen, daß tüchtige Menschen wären
undankbar gewesen (Goethe).

Dementsprechend können ausgesprochene Gegensätze tonlich zurück¬


treten :
Große Wörte, kleine Werke. Die W&iber haben lange Röcke, aber kürze Gedanken.

ß) Die Voll- und Kaumschweren


Das Sinngewicht der Voll- und Kaumschweren bleibt hinter dem der
Überschweren zurück. Dieses verminderte Gewicht haben meist die
Attribute und die zweiten Glieder von Wortpaaren, daneben die mehr
formal wirkenden Verneinungen und die Zeigschweren. Je nach Zu¬
sammenhang und Ausdruck köniien aber alle diese Satzteile gelegentlich
auch die Überschwere tragen.
1. Attribute
Attribute bilden mit ihrem Kern, um den sie gelagert sind, einen 1265
Wortblock, der in der Regel am Ende beschwert wird.
So die beigefügten Genitive, gleichgültig, ob sie vor oder nach dem
Gliedkern stehen:
das Schlöß des Königs - des Königs Schlößs das Licht der Sänne - der Sönne
Licht, das Büch der Bücher - die Tücke des Objekts. Er zählt die Häupter seiner
Lieben (Schiller). Es atmeten der dunklen &rde Blüten mich liebend an (Hölder¬
lin). . .. und an dessen Stimme uns mehr gelegen ist als an dem Beifall der
. ganzen Weit und der Weisheit der Griechen und Ägypter (M. Claudius). ... stam¬
melte sie von einem Gefühl der Spükhaftigkeü angerührt bei der Wiederkehr
dieses Wörtes (Th. Mann).

So auch Präpositionalattribute:
das Häus am Bärge; das Wirtshaus zu den drei Rösen. Wär es eine Art von Nach¬
ahmung, von Ansteckung f (Th. Mann). Alle unmittelbare Aufforderung zum
Ideellen ist bedenklich (Goethe). Den teleolögischen Beweis vom Dasein Göttes
hat die kritische Vernunft beseitigt (Goethe).

Ferner das als Attribut nachgestellte Substantiv (Apposition):


Karl der Kühne.

Das attributive Adjektiv bleibt leichter als der Gliedkem:


im Krug zum grünen Kränze; aus voller KähV und frischer Brüst. Der Rausch
liegt im letzten Gl&se. Ein freundlich Gesicht - das beste Gericht. Ein beschränkter
ehrlicher Mensch sieht oft die Schelmerei der feinsten Mächler durch und durch
(Goethe). . . . während die blanke Schneide in einem Bündel letzter Sonnen¬
strahlen wie ein goldener Fisch schimmerte (Böll).

Werden die Attribute gehäuft, so gewinnen sie an Gewicht, ohne


aber das des Gliedkems zu erreichen:
Ich bring’ euch güte näue Mär. Die liebe, frbmme, fette Herde! (Lessing). Franz
war ein größer, stimmiger Mensch, an die dreißig, mit rühigen, fast schläfrigen
Zügen. Die höchste Annäherung, welche möglich ist zwischen zwei Wesen, ist die
schnelle, ünunterbrochene, liebevolle Wkhrheit gegeneinander (Schiller);
606 Die Klanggestalt des Satzes

Ihr Gewicht wird geringer, wenn sie mit „und“ oder „oder“ ver¬
bunden werden:
An einem unfreundlichen und kalten Novembertage ... Es war einmal ein kluges
und verschmitztes Bkuerlein, . . . (Grimm).

Überwiegt das Gewicht des Attributs das des Gliedkems, so ruft das
den begrifflichen Gegensatz des Attributs wach (vgl. 1264, 2):
Ein Iberer Wagen muß einem völlen äusweichen. Ein rechtschaffener ööhse geht
mitten durch den Dreck. Alte Ziegen lecken auch gern Salz.

2. Wortpaare
1266 Und-Verbindungen logisch gleichwertiger Glieder tragen den Ton auf
dem zweiten Glied:
Märin und Mails; Hinz und Kilnz; bräun und blku schlagen. Besser äng und
wöhl als wäit und weh. Mißgunst und Hkß beschränken den Beobachter auf die
Oberfläche, selbst wenn Scharfsinn sich zu ihnen gesellt; verschwistert sich
dieser hingegen mit Wöhlwollen und Liebe, so durchdringt er die Wält und den
Menschen (Goethe). Zum Erwerben eines Glücks gehört Fläiß und Geduld, und
zur Erhaltung desselben gehört Mäßigung und Vorsicht (Hebbel).

Folgt dem Paar jedoch eine Überschwere, dann rückt der Ton auf
das erste Glied vor (vgl. 1286):
Das Schiff ist mit Mknn und Maus üntergegangen. T&re und FSnster waren
geschlossen. Wer Wbin und Wöiber meiden mag, d6r wische diesen Reimen ab.

3. Verneinung
1267 Bezieht sich die Verneinung nur auf ein Wort (Wortverneinung,
vgl. 1163), so fällt sie im allgemeinen leichter als dieses. Offenbar
bleibt das „nicht“ formales Minuszeichen, während sich der Sprecher
an den eigentlichen Bedeutungsträger hält. Deshalb tut ein zwar
negiertes, aber eben ausgesprochenes Wort dennoch seine Wirkung:
Es ist nicht älle Tage Sonntag. Kbin Geistlicher hat ihn begleitet (Goethe).
. . . wendet kein Jätend, macht dich nicht frei (Goethe). Es rauscht kein Wald,
es schlägt im Mai kein Vögel ohne Unterlaß (Storm).

Auch bei der Satzverneinung (vgl. 1162) bleibt das Vemeinungswort


gewöhnlich leicht:
Unrecht Gut gedeihet nicht. Zuviel Leim hält nicht. Donner dir selbst, so
schlägt dich der Hagel nicht.

Es sei denn, die Verneinung ist eigens ans Ende oder an den Anfang
gerückt:
Ich vergess’ das dunkle Antlitz nie (G. Keller). Vereinigen kann sich der Geist
des Menschen mit einem anderen nie. Nie kann sich der Geist des Menschen mit
einem anderen vereinigen, über die Vernunft mag dies alles sein, aber wider die
Vernunft ist es nicht (M. Claudius).

Auch wo ein bereits genannter oder noch zu nennender Begriff nach¬


drücklich verneint oder ein denkbarer Gegensatz ausgeschaltet
werden soll, gewinnt die Verneinung an Gewicht:
Kbine Antwort ist auch eine Antwort. Gönnt alles seinen Erben, den Becher
nicht zugleich (Goethe). (. .. gar zu artiges Spielding) Mir ist der Bauer kein
Spielzeug (Grimm).
Die Schweren und die Leichten 607

Die Beschwerung der Verneinung wirkt hier ausdrücklich fest¬


stellend. Darum bekommt die Rede bei besonderer Beschwerung der
Verneinung leicht etwas lehrhaft Verstandesmäßiges. In Gedichten
sollte man deshalb die Negation nicht wie folgt betonen:
Labt sich die liebe Sonne nicht, der Mond sich nicht im Meer ?

Aber auch der Ausdrucksdrang wirft sich gern auf die Verneinung:
Kein Mensch muß müssen. Es geht kein Ruf von nichts aus.

4, Zeigschweren
Zeigschweren verweisen auf etwas in der Redelage zu Findendes oder 1268
auf ein früher oder später in der Rede selbst genanntes Wort:

Nur d€r verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern
muß (Schiller). Es gibt Menschen, die ihr Gleiches lieben und aufsuchen, und
wieder sölche, die ihr Gegenteil lieben und diesem nachgehn (Goethe). Wahr¬
heitsliebe zeigt sich dkrin, daß man überall das Gute zu finden und zu schätzen
weiß (Goethe).

y) Leichte Wörter
Bestimmte Wörter übernehmen den Ton kaum je. Hierzu gehören das 1269
Relativpronomen, der Artikel, die Infinitivkonjunktion „zu“, „am“ und
„als“ bei der Steigerung und das unpersönliche „es“. Vor allem fällt auf,
daß das Verb, sofern es nicht selbst zum inhaltlichen Kern der Aussage
gehört, gewöhnlich zurücktritt. Es steht dann ganz im Dienste seiner
grammatischen Funktion, die Aussage zu begründen (vgl. 866):
Auf trüben Mörgen folgt höiterer Täg. Begierde setzt Spören in die Haut. Charlötte
fand seine Ausdrucksweise Altklug (Th. Mann).
Aber mit stärkerer Sinnfülle: Es schnbit noch Immer, lieber Herr, als ob's gär nicht
auf hören wollte (M. Claudius). Der junge Ritter stand lächelnd auf und ging die
Freundin suchen (Musil).

Die Beschwerung der Hilfs- und Modalverben wirkt nachdrücklich be¬


hauptend:
Er war [aber] nicht tot. Er könnte [durchaus] nicht kommen. Ich hkbe gestanden,
und ich werde stehen (Goethe).

5. Die Verteilung der Schweren und Leichten im Satz

a) Die Einschaltspitze

Bei ruhiger Rede, das heißt also im Aussagesatz, befindet sich am Anfang 1270
des Satzes eine Einschaltspitze. Sie übernimmt den ersten Tonaufschwung
und braucht kaum Sinngewicht zu haben:
Obstern kam mein Freund an.
608 Die Klanggestalt des Satzes

Gehen der Einschaltspitze Leichten voraus, so halten sich diese, fallend,


in mittlerer Tonlage (Vorlauf)1:
Es wär einmül ein König . . .

Es geht kein Hilf von nichts aus.

b) Die Stellung der Überschwere

a) Die Überschwere bewirkt Kadenz2 im Aussagesatz


1271 Im ruhig gesprochenen Aussagesatz befindet sich der überschwere Sinn¬
kern am Ende des Satzes, wenn keine Prädikatsteile folgen, (vgl. 1221 ff.).
Er übernimmt dann den Schlußfall des Spannbogens (vgl. 1256, y). Da
dieser entschiedene Tonfall am Ende stark beschwerend wirkt, bedarf es
hier kaum eines Nachdrucks durch Lautheit. In neutral mitteilender
Rede ordnet sich dabei die Überschwere dem allgemeinen Tonfall des
Satzes ein. Soll jedoch der Hörer auf den Sinnkern nachdrücklich auf¬
merksam gemacht werden, so springt die Tonhöhe auf der beschwerten
Silbe nach oben und schleift auf der gleichen Silbe zur Tiefe hinab, gleich¬
gültig, ob ihr Vokal lang oder kurz ii
neutral nachdrücklich

Ich brächte dem Freunde das Büch.

Issel dülden stümm; ällzu gut ist dümm

ß) Die Überschwere in der Ausdrucksstellung


1272 Entgegen ruhig mitteilender Rede, die den Hörer zum Sinnkern als Er¬
gebnis des Satzes hinführt, rückt der Drang zur Ausdrucksentladung den
Sinnkem oft an den Anfang (vgl. 1256, a):
Habe ich dich nicht gewärntl So was Schönes hab' ich mein Lebtag noch nicht ge¬
sehen! (Grimm).

Der den Sprecher beherrschende Vorstellungsgehalt bricht dabei zuerst


hervor (Sofortstellung), ohne Rücksicht auf den Mitvollzug des Gedankens
durch den Hörer. Der Nachdruck (Emphasis3) überfällt ihn:
Die Augen möchte ich ihm auskratzen! Nimmermehr wird das geschehen!

Auch weniger beschwerte Glieder können, so vorangestellt, Ausdrucks¬


gewicht gewinnen:
H€ute, zum örsten Mäl, tranken wir Wässer aus dem neuen Brünnen (Carossa).

y) Die Kadenz bei der Entscheidungsfrage


1273 Die Entscheidungsfrage schließt hoch. Sie läßt den Sachverhalt beun-

1 O. von Essen, Grundzüge der hochdeutschen Satzintonation, 1956.


* Kadenz = Schlußfall, lat. cadere = endigen.
3 Grlech. Emphasis = besondere Kraft eines Ausdrucks.
Die Schweren und die Leichten 609

ruhigend offen und verlangt Antwort. Über den Frageeindruck entscheiden


die Leichten, die melisch nach oben ausschlagen:

Kennen wir um? oder: V


Wir kennen uns ? '•/

Haben Sie meine Frau gesehen?


Sie haben meine Frau gesehen?

SMd Ihr mir nicht einen Täler schuldig? (Hebel). 0

Das ist auch bei der Ergänzungsfrage möglich, sofern das Fragewort selbst
beschwert ist (vgl. 1256, y):

W6r hat das behäupte<?

W6r bittet den Armen zur Hoch zeit?

Liegt die Überschwere auf der letzten Silbe, so schlägt sie entweder nach
oben oder schleift hinauf:
Wär das recht ? W6r hat das gesägt?

Kommen Sie herein ?

Häst du wohl einen größern Wöhltftter unter den Tieren als Uns? (Lessing).

c) Der Überschwere folgende Leichten, Voll- oder Kaumschweren

cc) Leichten
Folgen der Überschwere noch leichte Silben nach, so bleiben sie in der 1274
gleichen Tiefenlage (Nachlauf) :
(Es gibt Personen, denen ich wohl will,) und wünschte, ihnen besser wollen zu
2 \
können (Goethe). • * '• I

Das wird besonders deutlioh beim Vergleich verschiedener ‘Sinnerfül¬


lungen des gleichen Textes:
ber Lahme führte den Blinden.
entweder oder oder
610 Die Klanggestalt des Satzes

Der entscheidende Tieffall bezeichnet den Sinnkem und kann nicht


durch Lautheitsbetonung ersetzt werden:
Ich habe getan, was mir befohlen war.
/

Sinnkern: das Tun Sinnkern: der Gehorsam

ß) Voll- und Kaumschweren


1275 Folgen der Überschwere Voll- oder Kaumschweren nach, so fallen sie alle:
Wie länge das dkuert! —•
• *2..
So entsinnt sich heute kaum mehr Girier des Vörfalls (Neumann).

—* * i.
Der Hochwald wächst an die Flknken des Harnes herkn (Kluge).

d) Die Binnenschweren
1276 Von den Binnehschweren, d. h. von den Schweren zwischen Einschalt-
und Überschwere, schlagen die Vollschweren nach oben aus, während die
Kaumschweren sich wie die Leichten dem allgemeinen Fall des Satzes
einordnen:
JL
Der Hönig ist nicht whit vom Stachel. v

. ✓
Entflöhner Augenblick kommt nicht zurück. . ^ . r

Das bewöhnte Tkl in der Tiefe ist nicht zu s6hen (Kluge).

IV. Die Gliederung


1. Die Gliederung der Rede
a) Die phonetischen Mittel zur Gliederung
1277 Zur Gliederung der Rede verbinden sich gewöhnlich mehrere phonetische
Mittel. Die tieferen Einschnitte (von der Fuge an aufwärts) haben Atem¬
pause und davor eine kennzeichnende Tonhöhenbewegung (Kadenz:
Die Gliederung 611

Hoch-, Halb- oder Tiefschluß). Die flacheren Einschnitte (vom Gelenk


an abwärts) erlauben keine Atememeuerung, sondern stauen den Strom
der Laute und gliedern gegebenenfalls durch Neuahsatz oder Wendung
der Tonhöhenbewegung. Diese Einschnitte tragen dazu bei, die nach¬
stehenden Gliederungseinheiten tonlich zu* kennzeichnen.

b) Die Gliederungseinheiten

a) Der Redeabschnitt

Der Redeabschnitt (Absatz im Buchtext) ist tonlich dadurch gekenn- 1278


zeichnet, daß sich gewöhnlich der Wortlaut davor verlangsamt und daß
die Stimme zur vollen Tiefe herabsinkt. Wir bezeichnen ihn in unseren
Beispielsätzen durch einen Doppelbalken ||.

ß) Der Satz

Die Stimme folgt am Ende dieser Redeeinheit der Kadenz, die dem Aus- 1278
drucksgehalt des Satzes entspricht (vgl. 1271; 1273). Der Sprecher
schöpft neuen Atem. Wir bezeichnen diesen Einschnitt mit || (Strich¬
balken). Im Schriftbild stehen dafür der Punkt, das Ausrufe- oder Frage¬
zeichen. Gelegentlich kann dieser Einschnitt jedoch auch mehrere Sätze
als eine tonliche Einheit kennzeichnen (vgl. 1297).

y) Der Sinnschritt

Der letzte Einschnitt mit Atememeuerung trennt die Sinnschritte. 1280


Unter Sinnschritt versteht man jene Redeteile, die als solche weitgehend
verständlich sind, auch wenn der gesamte Ausspruch noch nicht be¬
endet ist. Häufig fallen die Sinnschritte mit den einfachen Sätzen und
mit den Teilsätzen eines zusammengesetzten Satzes zusammen. Sie
können aber auch innerhalb eines einfachen Satzes stehen (vgl. z. B. Ziff.
1283 u. 1296) oder zwei Teilsätze, umfassen (vgl. 1300; 1302; 1303). Das
Schriftbild bezeichnet diese Fugen - soweit sie nicht mit dem Satzschluß
zusammenfallen - mit Semikolon, Komma oder auch gar nicht.
Der Sinnschritt steht unter einem eigenen Teilbogen, der sich dem
Spannbogen des Gesamtsatzes einfügt. Am Ende des Teilbogens kann
die Stimme leicht sinken, oder sie bleibt in der Schwebe oder erhöht sich
zum Zeichen des Fortgangs. Wir bezeichnen diesen Einschnitt mit | (Bal¬
ken), wenn die Stimme sinkt, und mit | (Strich) in den beiden anderen
Fällen.
Die weitere Untergliederung der Sinnschritte bezeichnen wir durch '
und ', Kurzbalken und Kurzstrich. An diesen Stellen wird der Fluß der
Laute nur noch mehr oder minder gestaut. Atememeuerung ist nicht
mehr möglich. Schwaehe Stauungen kennzeichnet der gepunktete Strich =.
Unberücksichtigt läßt unsere Notierung der Texte die Wortblöcke, d. h.
solche Redeteile, die „wie ein Wort“ ausgesprochen werden und gewöhn¬
lich auch nur eine Schwere tragen.
612 Die Klanggestalt des Satzes

2. Die Gliederung des Spannbogens


a) Auf- und Abast
1281 Der Spannbogen eines Aussagesatzes gliedert sich in einen spannenden
Aufast, der den Gegenstand oder die Voraussetzung der Aussage enthält,
und den lösenden Abast der Aussage selbst. Am Scheitel des Spann¬
bogens entsteht eine Stauung des Redeflusses. Das letzte Wort gewinnt
damit an Schwere (Ballung, Höhepunkt).
Aufast und Abast können mit dem grammatischen Subjekt und Prädikat
zusammenfallen:

Die Sönne' brannte. ||


Ein unglaublicher Zwischenfall1 ereignete sich im vorigen Jähr1 an einer StrAße von
Wien. H (Lernet-Holenia)

In vielen Fällen ist aber für. die Gliederung des Spannbogens nicht die
Folge Subjekt-Prädikat maßgebend, sondern eine andere Gruppierung
der Satzglieder im Bewußtsein des Sprechers:
Mit einem plötzlichen Rück1 wArf er das Messer hoch. || (Böll) - Gerade dem ein¬
samen Haus gegenüber’ wölbt sich mächtig der bläugrüne Kolmberg. || (Kluge) -
Außer dem fremden HErrn und. ihm1 befAnd sich nür noch , der Totengräber am
Plätz. || (Kluge)

b) Angelehnte Satzteile
1 282 Grammatisch selbständige, aber sinnschwache und daher unbeschwerte
Wörter lehnen sich nach vorn oder hinten an:
| Der größte Schritt ist | | d£r aus der Tür. |

oder:

I_II__I
Der älte fromme Fischer jedoch durchschritt ihn ohne Anfechtung zu vielen MAlen.
|___||_ (Fouqug) |

oder:

I_II_:_I
c) Wachsende Glieder
1283 Je mehr die Glieder wachsen, um so tiefer werden auch die Einschnitte
zwischen Auf- und Abast:
Diese1 in Abständen sich wiederhölende Gebärde * kam mänchmal fast einem Zücken
gleich. H (Lorberg)

Wird der Satz unüberschaubar groß, dann formt der Sprecher zunächst
den Aufast aus und gestaltet den Abast erst durch,' nachdem jener
bereits ausgesprochen wurde. Zwischen solchen Atisspruchsgliedem ent¬
steht dann eine Atemfuge; Auf- und Abast werden selbst Sinnschritte:
In Fälun in Schweden1 küßte vor guten 50 Jähren und m6hr| ein junger Bergmann’
seine jünge hübsche Bräut |... (Hebel). Mit der soeben Ausgesprochenen Selbst¬
anklage | war ünerwartet1 ein sehr Ernsthaftes Gespräch1 in Aller Traulichkeit und
Güte1 zwischen beiden eröffnet. H (Mörike)
Die Gliederung 613

Id) Untergliederung
[Auf- und Abast können sich weiter untergliedern. Die Gelenke und 1284
fNähte zwischen den so entstehenden Bauteilen machen sich durch
' schwächere Stauungen im Redefluß geltend. Je langsamer die Rede läuft,
um so häufiger und tiefer werden die Einschnitte:
Sie trug1 ein ausgewaschenes blaues Kleid' mit weißen Punkten. || Madame Cou-
dray,' die Gattin des Oberbaurats,| zeichnete sich' außer durch die Bauschigkeit
ihres Rockes' durch einen breit schattenden' und schleierumwundenen Corona-
Schröter-Hut aus, | der ihr . . . (Th. Mann).

Eine Sprechart, die verdeutlichen will, kennzeichnet besonders um¬


fänglichere Attribute durch Stauung nach dem Spannglied der Klam¬
mer. Im Gegensatz zum Einschub (vgl. 1291) liegt die Stauung hier vor
dem Zwischenglied. Mit der Stauung kann sich Neuansatz (vgl. 1285)
verbinden:
die1 in ihr wirksamen Kräfte; das' auf der Höhe sichtbare Häus; der' in seinen ein¬
zelnen Teilen erst allmählich wirksam werdende Plän. In Frönt' dös' schon seit Kür¬
fürst Georg Wilhelm' von der Familie von Briest' bewöhnten Herrenhauses zu
Hohen-Cremmenl . . . (Fontane).

Dieselbe Stauung ist in der gesprochenen Sprache häufig und zeigt, daß
das Attribut in den fertig vorgeplanten Satz erst nachträglich eingefügt
wurde:
der' vorher stärkere,' jetzt unterlegene Hirsch . . .

e) Neuansatz
Hintereinandergeschaltete Satzglieder fügen sich dem Spannbogen des 1.285
Satzes ein, nebeneinandergeschaltete wiederholen im Neuansatz die
Spannungsbewegung des vorangehenden Gliedes. So spricht man gegen¬
geordnete Satzglieder gern mit Neuansatz: .

Nicht Bösen bloß,' auch Dörnen' hat der Himmel. ||


/ /r \ll
Nicht die Stärke,' sondern die Däuer der hohen Empfindungen' macht die höhen
Manschen. || (Nietzsche)
Im sogenannten reihenden Sprechen, das nicht Sinnganze, sondern
Wörter und Wortblöcke plant und sogleich ausspricht, aber auch beim
ungewandten Lesen der Kinder, werden die Glieder — bis auf den
Schluß — vielfach sinnwidrig mit Neuansatz gesprochen:
Es war einmal1 eine alte Geiß,| die hätte' sieben junge Geißlein, | und sie hatte sie
lieb,' wie eine Mutter' ihre Kinder lieb hat. || (Grimm)

f) Rhythmisierung
a) Der Drang zur Rhythmisierung
Es liegt in der menschlichen Natur, Bewegungen, also auch den Fluß der 1286
Rede, zu rhythmisieren. Das kann zu versmäßiger Gliederung führen;
doch macht sich diese Neigung auch in der Prosa geltend, zum Beispiel
beim Zählen:
eins zwei dröi vier fünf sechs sieben ...
614 Die Klanggestalt des Satzes

So auch bei fortlaufender Rede:


Er voran,' wir ihm nach,' und im Hüi' sind wir dort. || Mische dich nicht in fremde
Dinge,| aber die döinigen tüe mit Fleiß. || Es war einmal ein König| .. .

Wir ordnen die Wörter gern so, daß beschwerte und leichte Silben regel¬
mäßig wechseln (Gewichtswechsel) oder von Schwere zu Schwere takt-
artig der gleiche Zeitabstand entsteht:
.. . und er gibt ihm das Büch und geht wäg. Nimm das und gib es dem Väter, wünn
er nach Hause kommt. Mit äinem großen Färrenschwänz regiert er sie wie ein’n
Affentanz (Goethe).

Darum werden Glieder von Aufzählungen, die nach ihrem Sinngewicht


gleichen Wert haben, dennoch verschieden beschwert (vgl. 1295):
Sonne, Mond und Stärne, schwärzrotgöld, Narkösen, Verbände, kleine Eingriffe.
Die ZbiV teilt, ' höilt,' eilt. || Da war völlauf von1 Bröt,' Fleisch,1 Würsten, * Käse und
allem. H (Luther) - Hünger,J Arbeit und Schwäiß' sind die besten. Gewürze. Wir
hüben das unausweichliche,' täglich zu erneuernde,' gründ1 ernstliche Bestreben, |
das Wört' mit dem Empfündenen,1 Geschäuten,1 Gedächten,' Erfährenen,1 Ima-
ginlerten,1 Vernünftigen! möglichst unmittelbar zusämmentreffend zu erfüssen. U
(Goethe)

Auch sonst werden Wortgruppen gern auf diese Weise rhythmisiert. Das
fällt besonders bei Wiederholung und beim Überspielen des Worttons auf:
In der chirurgischen Klinik des Gehäimrats von o. . . . (Weiß). Das Schwärmen
der Säele über der Asche der Ver gängenheit ... (I. Seidel). Friedrich von B.,
ein höchgewächsener, hellblonder Mensch . . . (Weiß).

ß) Rhythmik und Ausdrucksgehalt

1287 Die Neigung, die Rede zu rhythmisieren, macht sich vor allem im Alltag
geltend, in stark gefühlshaltiger Rede und im Stil der Dichtung:
Du ündankbäres Kind! - Das Räd an meines Väters Mühle1 brauste und raüschte
schon wieder recht lüstig, |' | der Schnäe1 tröpfelte ämsig vom Dache, |' | die Sperlinge
zwitscherten und tummelten sich dazwischen; |' | ich saß auf der Türschwelle|' | und
wischte mir den Schlaf aus den Augen. || (Eichendorff)

Verstandesmäßig überwachte Rede dagegen stuft und gliedert streng


nach dem Sinngewicht (vgl. 1262):
(Die Sprache) ist nämlich die1 sich äwig wiederhölende Arbeit des Geistes,! den ar¬
tikulierten Läut' zum Ausdruck des Ged&nkens1 fähig zu machen. |{ ünmittelbar
und str6nggenommen' ist dies1 die Deflnitiön des jedesmaligen Sprechens;! aber im
währen und wesentlichen Sinne' känn man auch nur gleichsam' die Totalität dieses
Sprechens' als die Spräche ansehen. || (W. v. Humboldt)

Darum ergreift die Rhythmisierung aüch leichter die niederen Schwere¬


grade, nicht die mit wacherem Bewußtsein gesprochene Überschwere.
Zumal Alltagsrede beachtet und gestaltet oft nur den Sinnkern und über¬
läßt die sonstige Abstufung des Sinnschritts dem selbsttätigen Rhythmus
der Rede, wahrt jedoch meist den Wortton, den leidenschaftlicher Aus¬
druck unbekümmert bricht, am häufigsten im Vers:
Ich will hintrkten vor sein Gesicht. . . (Fontane). Undeutlich jetzt' und jätzt im
reinsten Strählen .. . (Goethe).
Die Gliederung 615

3. Der Akzent der Rede


Die Gliederung des Spannbogens verbindet sich mit der Schwere zum 1288
Akzent der Rede. Je sorgfältiger die Rede gegliedert und je langsamer
sie gesprochen wird, um so mehr Schweren entstehen und um so feiner
stufen sie sich ab:
(leichthin) Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln. ||
(nachdrücklich) Vom Hunger' will ich' in diesem schönen Büche1 hündeln. ||
(Raabe)

Alltagsrede gliedert wenig und stuft grob ab; sorgsame, dicht gefüllte
und nachdrückliche Rede gliedert und stuft vielfältig und fein

Wenig gegliedert:
Hüben Sie gut geschlafen ? || Wir sind gestern spazierengegangen. || Düs hab ich mir
doch gleich gedacht. || Da liefen also die Hühner herum, | das höißt, die Hühner waren
eingesperrt j und die Küken liefen herum. |( Und auch sonst war es mehr dreckig als
säuber. |1
Ein Väter hatte zwei Söhne, | davon war der älteste klug und gescheit | und wüßte
sich in alles wohl zu schicken, | der jüngste aber war dümm,| könnte nichts begreifen
und lernen:| und wönn ihn-die Leute sahen,' sprächen sie:| Mit döm wird der Vater
noch seine Last haben. || (Grimm)

Dabei hebt sich die schwere Silbe auf Kosten der leichten heraus — bis
zu deren Verschwinden:.
Gott bewahre (mich)I (Das) weiß Gott! (bei) meiner Tröul

Reich gegliedert und abgestuft dagegen:


Glück' hat auf die Däuer' nur der Tüchtige. || (Moltke) - Ich wär dazu gelängt,' das
mir Innewohnende dichterische Talent' gänz als Natür zu betrachten, | um so möhr,'
als ich dazu ängewiesen war,’ die äußere Natür' als den Gegenstand desselben1
änzusehen. || (Goethe) - M6nger sah Herrn Körtüm rätlos än. || Die Selbstverständ¬
lichkeit,1 mit der dieser Echowirt spräch,' kläng so öcht. || Und düzu dieser gänze
Anblick:! die silberne Windfahne .. . || (Kluge)

In jedem Redeteil pflegt eine Silbe alle anderen an Gewicht zu über¬


treffen: im Sinnschritt die Überschwere, im Glied die Vollschwere; die
jeweils niederen Schweregrade können mehrfach auftreten:
Zum Müßiggang gehören hohe Zinsen' öder hohe Gälgen. || Weiter sich ins Einsame
vörzuwagen,' schien nicht geheuer,| und sö' waren wir im Begriff,' den Rückzug
anzutreten,1 als in unser Gespräch' ein Laut,1 ein Ruf,' halb Stöhnen* drang,' der
.uns die Füße fesselte. H (Th. Mann)

Wo Schweren aufeinandertreffen, werden sie durch Stauung des Rede¬


flusses getrennt:
Von den Lästern1 ist der Göiz' König. |) Währheit' ist der Zöit' Töchter. || Gött
sitzt' höch,' äber sieht' weit. || Pfäii,' schäu' döine' Beine. ||
616 Die Klanggestalt des Satzes

4. Besonderheiten der Gliederung des Spannbogens bei


bestimmten Satzteilen und Teilsätzen

a) Anredenominativ
1289 Soweit Anredenominative nicht ohne Zusammenhang für sich stehen,
bleiben sie tonlich unselbständig und schwach, ob sie der Rede vor- oder
nachgestellt oder in sie eingefügt werden:

Bleibe ruhig, mein Kindl Wohlauf, Kameraden! /\-

Kind, das ist kein Spielzeug 1 Herr, die Not ist groß I ~ ^
Es ist nicht alles Gold, lieber Sohn,' was glänzet. || (M. Claudius) - Ist das dein
Knabe,1 Teil? || (Schiller) - Das ist nicht recht, Vater,' daß Ihr reitet, | und laßt
Euren Sohn laufen. || (Hebel)

Werden die Anreden umfänglicher oder mit einer Interjektion verbunden,


so spalten sie sich ab; nach ihnen wird melisch neu angesetzt:

Ach, mein gnädiger Herr und J&ger,'


auch der Löwe ist lös, |. . . (Goethe).
O du Ausgeburt der Hölle,1 söll das ganze Haus ersaufen? || (Goethe)

Wird zwischen nominalen und verbalen Anruf ein anderer Satzteil ein¬
geschoben, erhalten beide Anrufe Steigspitzen:

Töter,' ich säge dir,' wkndle! ||


aI. i

b) Interjektion
1290 Die Interjektion kann tonlich selbständiger Sinnschritt sein; meist aber
leitet sie, den Ausdrucksdrang entladend, die Aussage ein:
0 Täler weit,' o Höhen! | (Eichendorff) - Ach, ich bin des Tröibens müde 11 (Goethe)
. .. flög eine feindliche Kanönenkugel' ihm über den Rücken weg,' pkffl' in das
benächbarte Schiff. || (Hebel)

c) Einschub
1291 Der Sprecher kann in einem fertig vorgeplanten Satz den Fluß der Rede
unterbrechen und eine Ergänzung einfügen. Solche Einschübe unter¬
brechen, welche grammatische Form sie auch annehmen, den Spann¬
bogen und kehren ihn zur Mulde um. Der Satzrahmen nimmt danach den
Spannbogen an der gleichen Stelle wieder auf, wo er unterbrochen wurde:
Als wir am sechsten Abend unser Hotel verließen,! hatte ich den Einfall1 - ob un¬
willkürlich oder aus Absicht' besinne ich mich nicht mehr] - den Bedienten zu hinter-
lassen,' wo wir zu Anden sein würden, |... (Schiller). \A
M
... I und die,' sooft ich in den fünf oder sechs Monaten vorüberkam,' sich tief ver¬
neigte, |... (Hofmannsthal).
In der Königstraße,1 wo ich die Kiste abgeben wollte,' steh’ ich einen Augenblick,
um mich auszuruhen,' vor dem Rathause still. H (Kleist) . .
Die Gliederung 617
!
j,Der Einschnitt vor dem Einschub pflegt dabei flacher zu sein als der
^danach. Der Einschub selbst verläuft gewöhnlich rascher und unbe¬
schwerter als der Rahmen:
Der Turnlehrer,' ein junger Offizier1 mit hartem braunem Gesicht und höhnischen
Augen,' hat Freiübungen kommandiert. || (Rilke) - Bin Rittersmann,' von Kopf zu
Fuß in Eisen,1 mit offenem Visier, | reitet durch eine finstere Felsschlucht. || (Dehio)

Sofern dem Einschub nur ein Wort noch folgt, liegt der tiefere Einschnitt
vom und wird bei umfänglichen Gliedern (vgl. 1283) zur Atemfuge:
Einige Augenblicke später1 war der letzte Schwanz des bunten Zuges von der Vier¬
lingswiese im gegenüberliegenden Tannönwalde, | wo sich der Reitpfad plötzlich
ziemlich steil bergabwärts zog,' verschwunden. || (Raabe)

Vielgebrauchte Einschübe können sich dem Spannbogen eingliedern,


z. B. Gott sei Dank!, gottlob!, Gott weiß wieviel; mir nichts, dir nichts.
Auch eingeschobene Zeitbestimmungen gehen häufig im Gesamtbogen
des Satzes unter:

Schließlich fand ich1 - Gott sei Dank\-' den Weg.

Schließlich fand ich1 Gott sei Dank den Weg. ||


Er läßt sich' - wer weiß wasV - auf binden.
Er läßt sich1 wer weiß was auf binden. ||

d) Zusatz
Der Einschub unterbricht den Spannbogen des Satzes (vgl. 1291), der 1292
Zusatz wiederholt im Neuansatz den Spannbogehteil des Gliedes, das er
ergänzt. So z. B. die nachgetragene Apposition:

Ich,' dein Vater,' verlange es. "ll


Konrad,1 ein alter Jäger,' führte die Gäste in den Wald. || Zu Dionys, dem Ty¬
rannen, ' schlich Dämon . . . (Schiller).

Auch der Zusatz kann sehr unterschiedliche grammatische Formen an¬


nehmen.
Die Höhe des im Neuansatz wiederholten Teilbogens richtet sich nach
seinem Sinngedicht:
• : \ i \
. . . und die Stimme,1 die rtfende,' schicket. . . (Schiller), s* '"’S

Häns, sein Brxider, 'kam gestern zurück.


Menschenliebe,' die allerhöchste, ' ist
Im Gründe1 Auch nicht mehr und nicht
weniger' als Gerechtigkeit. || (Lavater)

Ob ein Satzglied als Zusatz oder Einschub (vgl. 1291) zu verstehen ist,
lehrt oft nur der Zusammenhang. Innerhalb einer Aufzählung (vgl. 1295)
nimmt man das Glied zur Unterscheidung immer als Einschub:
Die Töchter des Kirchspielschreibers,1
einer gewaltigen Respektsperson,' die
Söhne des Arztes usw.1 wurden mit halben
Dutzenden von Kuchen beladen. H (Hebbel)
618 Die Klanggestalt des Satzes

e) Vorausstellung
1203 Neuansatz findet auch statt, wenn dem Satz Glieder unter eigenem Teil¬
bogen vorangestellt werden, die ein Pronomen oder Adverb später wieder
aufnimmt. Die Vorsenkungen ordnen sich dann nicht dem Spannbogen
ein, sondern hegen tief:

Der Tkg,' er Ist nicht mehr fern.


Am Brunnen vor dem Tore,' da steht ein Lindenbaum. || Die Berge,1 die schönen
Berge,1 die ihm so sehr gefallen hatten,1 wurden immer schwarzer. || (Stifter)

Auch bei bloßer Vorausstellung, insbesondere von Zeitbestimmungen,


sprechen wir häufig mjt Neuansatz:

Vor dem Gesetz 1 steht ein Türhüter. ||

Bei Sonnenaufgang ' kam schon der König, | .. . (Grimm). Wie eine schwarze Fliege 1
stand das Schiffchen neben der dunklen Fußspitze des Orlaberges, | . . . (Stifter).
Außer diesen beiden Xjnglücksfällen ' hatte nichts vermocht 1 ihn . . . fernzuhalten. ||
(Hauptmann)

f) Nachtrag

1294 Der Zusatz (vgl. 1292) ergänzt ein Satzglied. Wo einem ganzen Satz
oder Sinnschritt ein Nachtrag angefügt wird, richtet sich die ■Tonführung
nach seinem Sinngewicht. Der sinnschwache Nachtrag folgt dem Schluß -
fall in der Tiefe:
... und sie wird Trost gewinnen 1 durch •.. ; II
eure traurige Nkchricht. || (Brentano) .1_. II
Freilich war Elisabeth 1 in ihrer Art fürsorglich wie von j6 bemüht ' um die alte
Frku. ||(I. Seidel)

Gewinnt der Nachtrag an Sinngewicht, so wiederholt er den Schluß des


Sinnschritts unter eigenem Teilbogen. Auch dann aber bleibt der Aus¬
sageinhalt zu schwach, um einen eigenen Sinnschritt mit neuer Über¬
schwere auszubilden (vgl. 1283):
Das Schiff kommt wöchentlich einmal,
und zwar sönntags. ||

Die Kdtze aber geht nöch 1 ohne Schelle umher, 1 Ms auf den heutigen Tkg. || Sie
stehen sich beide gegenüber, 1 nur durch den Bkch getrennt. || Es sind prächtige
Btirschen ' mit mächtigem GewHh. ||

Die Beziehung von Aussagegliedem ist im Lesetext, im Gegensatz zur


gesprochenen Sprache, nicht immer eindeutig und erlaubt gelegentlich
verschiedene Auffassungen:
^enn ich ein Pflanzengebilde nach tastend ergründen möchte, 2so darf ich das
keine Tätigkeit nennen, höchstens ein inneres Besch&ftigtsein (Carossa).
•als Nachtrag 1 8 und * zusammen¬
genommen: gefaßt:
619

g) Aufzählungen
Neuansatz haben vor allem die Aufzählungsglieder: 1295
Lähr, ' 'thr, ' W€hr '
köin Männ braucht mehr!
II
H\tz im Rät, ' tiil in der Tkt ' bringt nichts als Schäd. || Frohem Mut, ' freiem Wort,
weisem Rat ' soll man trauen.' ||

Steht die Aufzählung am Ende, so übernimmt das letzte Glied den lösen¬
den Schlußfall:
Liebe bringt auf Idöen ' und in Gefahren. || Cäsar kirn, ' skh 1 und siegte. ||

Dröi Arbeiten 1 sind die schwersten auf ifcrden: | | -5^ |y I ^


Regieren, ' Geboren, ’ Lehren. || I
Die tat ihr gütlich mit Eicheln, ' Gerste, ' Nüssen ' und womit sie konnte. H (Luther)
— Es roch nach Kreide, ' altem Butterbrotpapier 1 und schwarz geöUem Fußboden. ||
(Meuffels)

Werden Aufzählungsglieder erläuternd eingeschoben (vgl. 1291), dann


wiederholen sie die Mulde im Spannbogen:
Das fürstliche Schloß mit seinen Teilen, '
Hauptgebäuden, ' Flügeln, ' Kuppeln und Türmen,
erschien gar stattlich |... (Goethe).
-M-^l
Gehäufte Aufzählungsglieder ordnet man zu Gruppen:
Die Referendäre, ' Assessören, * Staatsanwälte, ' Advokäten, ' Kämmerräte, *
Archivare, ' Sekretäre, ' Rendänten und Richter, * eine öhrwürdige Hierarchie. ||
(Wassermann)

Sind sie mit „und“ verbinden, so pflegen Gelenk und Neuansatz schwä¬
cher zu sein oder ganz wegzufallen, denn was wortbegrifflich ausgedrückt
ist, bedarf des Tones nicht:
Garderobenständer mit Hüten und Mänteln _II
stehen herum. || (Döblin) \ ||
. .. daß er den Sorgen des Alltags völlig enthoben war, | und daß Speis und Trank, '
Ordnung, ' Sauberkeit, ' Wärme und Behaglichkeit der häuslichen Umgebung ' ihm .. .
zubereitet wurden .,. | (I. Seidel). Friödrich von B. leistete ... in der Hochschul¬
klinik ' allerlei kleine, 1 aber doch unent¬
behrliche und verantwortungsvolle Dienste. H (Weiß)

Gelegentlich bindet die Rede auch nichtverknüpfte Aufzählungsglieder


in den Spannbogen ein:
6ine Sünde ' Mckt, ' dbckt 'und , \ I
wbckt die ändere. || *
Die Sonne schien durch die höhen, vorhanglosen Fönster (Meuffels).

Syndetisch gebildete Gruppen (vgl. 1036,4) werden als Glieder behandelt:


Tag und Nacht, ' Morgen und Abend, '
Winter und Frühling ' kehren immer wieder.

. . ., und die Sönne, im Niedersteigen, lächelte wöiter ' auf "klend und W(Mbehagen,
Gesunde und Kränke, ' rhiche und arme Leute, | ... (Raabe). — Knecht hatte
Plinio 1 als einen stürmischen und heiteren, ' mitteilsamen und glänzenden Jüngling
gekannt. || (Hesse)
620 Die Klanggestalt des Satzes

Bildet bei zwei adjektivischen Attributen das zweite mit dem Gliedkern
einen Gesamtbegriff (vgl. 353), so entfällt der Neuansatz:
köstlicher weißer Wein (wir setzen hier auch kein Komma). Das dreizehnte große
Messer ' stak wie ein tödlicher Pfeil dort, .. . (Böll. Denn daß die Messer groß
waren, ist schon vorher gesagt.)
Ein Aufzählungsglied kann als selbständiger Sinnschritt nachgetragen
werden; es erhält dann eigenen Teilbogen und eigene Überschwere:
Ich nenne ihn einen Lügner | und einen Dümmkopf || (obendrein). — Es hat ein
paar Wochen lang kein Fleisch gegeben | und nur gefrörene Kartoffeln. || (Rinser)

Der Neuansatz entfällt, wo er die Schrittfolge (vgl. 1296) beunruhigen


würde:
... | ich wickelte mir Strang um Strang um
Arm und Hände, | zog und entwurzelte | und
sah mit Vergnügen, wie ... || (Carossa)

h) Gereihte Sätze
a) Sinnschrittfolge
1296 Wie Aufzählungsglieder den Fluß der Rede durch Neuansatz stauen, so
auch gereihte Sätze. Auch sie fügen sich dem Spannbogen des Gesamt¬
satzes ein, bilden aber eigene Teilbogen und Sinnkeme aus und erlauben
an der entstehenden Fuge Atememeuerung. Es handelt sich also bei den
gereihten Sätzen um eine Sinnschrittfolge.
Dies ist sowohl bei zusammengefaßten gleichwertigen Sätzen wie bei der
Verbindung von selbständigen Sätzen der Fall.
1. Zusammengefaßte gleichwertige Sätze
Die erste Frau von Gott, . . ..
die zweite vom Menschen, | I
die dritte vom Teufel. || I I I II

Da kniete sie nieder zur Erde, | spreitete ihre Schürze aus, | strich mit der Hand
über das Feld hin, | fing alles zusammen | und tat’s hinein. || (Grimm) - Klagen
wurden vorgebracht, | Eide geschworen, | Verdikte gefällt, | Gesetze ausgelegt. ||
(Wassermann) — Reiten, 1 reiten, ' reiten. || Durch den Tag, | durch die Nacht, |
durch den Tag. || Reiten, ' reiten, 1 reiten. || (Rilke)

2. Verbindung selbständiger Sätze


Zwischen die zu einem Ausspruch vereinigten selbständigen Sätze
(rhetorische Bindung) setzt der Schreiber gewöhnlich Komma
statt Punkt:
Der Nebel steigt, | I ^ II
es fällt das Laub. || (Storm) ' \ | ||
Priester bete, | Fürst vertrete, | Bauer jäte! || Bergauf sachte, | bergab achte, |
gradaus trachte! || Es war einmal ein Müller, I der war arm, | aber er hatte
eine schöne Tochter. || (Grimm) — Er nahm Liesbeth bei der Hand, | die
Frauen folgten (Immermann).

ß) Sinnschrittkadenz
1297 Bei gereihten Sätzen schließen die ersten Sinnschritte im allgemeinen
mit Hochschluß (weiterweisende Tonführung), und erst der letzte Sinn¬
schritt löst die Ausspruchsspannung im Vollschluß (vgl. die Spannbogen-
üguren unter a, 1. und 2.).
Die Gliederung 621

Es ist aber auch möglich, daß einer der ersten Sinnschritte sinkende Ton¬
führung hat:
Alle Menschen sind sterblich. | ■ i ia
Oaius ist ein Mensch. |
Also ist Caius sterblich. ||
I«I I
II
l II

Der dadurch entstehende Halbschluß (relativer Abschluß) wird in der


Schrift oft auch mit Semikolon angezeigt. Doch bleibt die Entscheidung,
ob weiterweisender Fortgang (also Zusammenhang) oder Trennung durch
Halbschluß vorliegt, meist dem Verständnis des Lesers überlassen:
Wer früh aufsteht, ' der viel verzehrt; | wer lange schläft,' den Gott ernährt. ||

Der Halbschluß kann sich so weit vertiefen, daß er sich dem Vollschluß
nähert:
Jupp hatte blitzschnell einen Holzklotz auf seinen Kopf gelegt; || das Messer
pflanzte sich mit einem Katsch fest | und blieb .. . (Böll).

Wir stehen hier bereits vor der rhetorischen Auflösung, die bei den
nachstehenden umfangreichen Satzeinheiten besonders deutlich wird:
Offenbar fehlte ihm nichts, | denn er begnügte sich immer mit einem kurzen Be¬
tasten der Tasche oder Taschen, || und diese in Abständen sich wiederholende Ge¬
bärde kam manchmal fast einem Zucken gleich. || (Torberg)

Heutige Schreibweise gibt, besonders im Brief, mit den Satzzeichen kaum


einen Anhalt für die Einheit des Ausspruches und überläßt es vielfach
dem Leser, sinngemäß zu binden und aufzulösen:
Hochwald umrahmt auch die Bergwiese, | nur der Ausblick in der Mitte ist abge¬
holzt, || gerade dem einsamen Haus gegenüber ' wölbt sich mächtig der blaugrüne
Kolmberg. || (Kluge) — Jupp hielt das Messer an der Spitze der Schneide | und ließ
es lässig wippen, || 03 war ein langes, ' dünngeschliffenes Brotmesser, | und man
sah, daß e3 scharf war. || (Böll) — Strom und Straße sind uns zu langsam. | Sind
uns zu krumm. H Denn wir wollen nach Hause. || Wir wissen nicht, 1 wo das ist: ' zu
Hause. | Aber wir wollen hin. || Und Straße und Strom sind uns zu krumm. ||
(Borchert)

i) Doppelsetzungen
Bei Doppelsetzungen, insbesondere von Gegensätzen, wahrt die Ton¬ 1298
führung, auch wenn sie umfänglicher werden, die Einheit und kenn¬
zeichnet ihre Glieder nur durch Staupause:
Aus den Augen, ' aus dem Sinn. H Das Jahr ist kurz, 1 die Stünde lang. || Alles
vergeht, 1 Tugend besteht. || Den Sack schlägt man, ' den Esel meint man. || Der
Milde gibt sich reich, 1 der Geizige gibt sich arm. || Für das ich lebe, 1 für das
weiß ich auch zu sterbe'n. ||

Wenn eine Konjunktion die Beziehung anzeigt, wird der Spannbogen


flacher:
Wie die Zeit, ' so die Leut. || Erst wäg’s, ' dann wag’s. ||

Ebenso bei überschaubaren Fügungen mit den mehrgliedrigen Kon¬


junktionen „weder — noch, je — desto, entweder — oder, sowohl — als
auch, nicht (nur) — sondern auch, teils — teils, hier — dort, einer¬
seits — andererseits, bald — bald“:
Das ist weder Fisch 1 noch Fleisch. || Je ruppiger der Hund, ' desto mehr Flöhe. ||
Die Klanggestalt des Satzes

Weiten sich die Glieder von Doppelsetzungen aus, so werden sie selb¬
ständig (vgl. 1283):
Der Verständige ' fehlt, | die Diimmheit ist unfehlbar. || Wenn wir täten, ‘ was wir
sollten, | so täte auch Gott, ' was wir wollten. || Altwerden, ' das ist Gottes Gunst, |
Jungbleiben, ' das ist Lebenskunst. || Nicht die Geburt ! macht schlecht und gut, |
vom Adel ist, 1 wer edel tut. ||

j) Satzgefüge
(Über die Gliederung des Spannbogens bei eingeschobenen Gliedsätzen
vgl. 1291, bei Gliedsätzen in Doppelsetzungen vgl. 1298).

a) Gliederung im allgemeinen
1. Sinnschrittkadenz
Hat der Sprecher die Unterordnung von Sätzen im Auge, dann deutet
er dies durch die Tonführung an, auch wenn kein Einleitewort sie be¬
zeichnet :
Er hat die Macht, ' er ist im Recht. || •_ | _ II
(Weil er die Macht hat, ist er...) 'N I
Mag ist tot, ' (aber) Soll lebt. || Mische dich nicht in fremde Dinge, | (aber) die
deinigen tue mit Fleiß. || Faul in der Arbeit, 1 (und) fleißig im Beten, ' (das ist
wie) Orgelspiel ohne Baigetreten. ||

Der erste Teilsatz verweist dann im allgemeinen mit Hochschluß


auf den zweiten. Dabei ist es gleichgültig, ob der Haupt- oder der
Gliedsatz voransteht:
Ich kann heute nicht ins Theater gehen, | ich habe Dienst. || Ich habe Dienst, |
ich kann heute nicht ins Theater gehen. ||

Es ist aber auch hier wie bei den gereihten Sätzen möglich, daß einer
der ersten Teilsätze sinkende Tonführung hat:
Die Freunde nennen sich aufrichtig, | die Feinde sind es, 1 daher man ihren
Tadel ’ zur Selbsterkenntnis benutzen sollte, | I I ^ I | k
als eine bittre Arzenei. || (Schopenhauer) *" ^ y I

Über den Halbschluß bei der direkten Rede vgl. 1304. Auch im Satz¬
gefüge kann sich bei umfangreichen Teilsätzen die Fuge bis zur rhe¬
torischen Auflösung vertiefen:
. . ., daß ich* erkannt und gegrüßt wurde, || am auffälligsten aber und regel¬
mäßigsten von einer sehr hübschen Krämerin . . . (BEofmannsthal).

2. Neuansatz
Sind Haupt- und Gliedsatz kurz, dann führen wir sie ohne Neu¬
ansatz fort, d. h., sie bleiben in einem Sinnschritt vereint:
Ich kann heute nicht ins Theater gehen, 1 i ii
denn ich habe Dienst. || ' 7"\ II
weil ich Dienst habe. || ' '■
Es sei denn, der Sprecher hat, wie es oft in der gesprochenen Sprache
geschieht, das Satzgefüge nacheinander geplant, es gleichsam vor den
Augen des Hörers erst hergestellt. Dann erfolgt auch in diesen Fällen
Neuansatz:
Ich kann heute nicht ins Theater
gehen, | denn ich habe Dienst. ||
Die Gliederung 623

Weiten sich Haupt- und Gliedsatz aus, dann bilden sie eigene Sinn¬
schritte :
Die Bräut senkte ihr Häupt ein wenig, |
als die Freundinnen ihr
die Krone aufsetzten ]|.. . (Immermann).
Als am anderen Tag das Männchen kam, | fing sie an mit Kaspar, ' Melchior, '
Balzer | ... (Grimm). Als der edle und kluge Spiegel so heruntergekommen
war, [ saß er eines Tages ganz mager und traurig auf seinem Stein ||.. . (Keller).

3. Abspaltung
Sind die abhängigen Gliedsätze (von denen einer auch durch eine 1301
Infinitivgruppe ersetzt werden kann) einander untergeordnet, dann
treten sie eng zusammen, und der erste Gliedsatz spaltet sich von
seinem Hauptsatz ab:
Der Müller denkt, | es wachse kein Weizen, 1 als damit seine Mühle gehe. || (Goethe)
Und nicht der ist frei, ' der da will tun können, ' was er will, | sondern der ist
frei, ' der da wollen kann, ' was er tun soll. || (M. Claudius) — Wer nichts fürch¬
tet, | der ist nicht weniger mächtig ' als der, den alles fürchtet. || (Schiller) — Man
verzögert den Besuch bei einem Kranken, | und er stirbt, ' ohne ein letztes Wort
gesagt zu hohen, dessen man bedurfte. || (Keller) — Wahrscheinlich ist der
Mensch das einzige Geschöpf der Erde, | das den Willen hat, ' in ein arideres
hineinzuschauen. || (Carossa)

Dasselbe gilt übrigens auch, wenn sich ein Gliedsatz nur auf das
letzte Glied einer Aufzählung bezieht:
Unreine Lebensverhältnisse soll man niemandem wünschen; | sie sind aber
für den, 1 der zufällig hineingerät, | Prüfsteine des Charakters ' und des Ent¬
schiedensten, was der Mensch vermag. || (Goethe)

Sind die Gliedsätze nebengeordnet, dann unterbleibt die Abspaltung:


Immer noch bezweifeln sie’s, ' daß ich die Quelle selbst mit der Wünschelrute
gefunden habe | und daß es einfach ein gegabelter Haselzweig gewesen sei. || (Ca¬
rossa) — Aber Langloff schnarchte so mächtig, ' daß Kortüm sich aus dem
Fenster lehnte, | um nachzusehen, 1 ob dieses Schreibzimmer etwa über dem
Speisesaal läge | und der Kapitän die Unterhaltung der Hochzeitsgesellschaft be¬
einträchtigen könne. || (Kluge)

Die Gliederung bei bestimmten Gliedsätzen

1. Der Relativsatz
Der Relativsatz wird nach Gewicht, Umfang und Zusammensetzung 1302
verschieden gesprochen. Trägt er gleiches Gewicht wie der überge¬
ordnete Satz, dann wird er selbst Sinnschritt mit eigenem Teilbogen
und eigener Überschwere.:

Es ist nichts groß, | was nicht g&t ist; \


und nichts währ, | was nicht bestehet. || (M. Claudius)
Sollte es nicht auch drüben einen Tod geben, | dessen Resultat irdische Geburt
wäre? || (Novalis) — Vor dem Gewitter erhebt sich zum letzten Male der Staub
gewaltsam, | der nun bald für lange getilgt sein soll. || (Goethe) — ... und lasse
dich in einer Welt zurück, | wo guter Rat ' nicht überflüssig ist. || (M. Claudius)
. .. und merkte bald, ' daß er unter einem Leintuch einen Burschen am Brust¬
tuch habe, | der noch nicht auf dem Kirchhof daheim sei. || (Hebel)
624 Die Klanggestalt des Satzes

Meist aber schließt sich der Relativsatz, zumal bei geringerem Um¬
fang und Gewicht, dicht an den übergeordneten Satz an. Dann bildet
er keinen eigenen Teilbogen und gliedert sich höchstens durch Stau¬
ung aus. In Haupt- und Gliedsatz gibt es dann nur eine Überschwere:
Säge nicht älles, 1 was du weißt, | , # I i II
aber wisse alles, ' was du sagst. || (M. Claudius) V" : |' ' A ||

Inwendig in uns ! wohnt der Richter, ' der nicht trügt | ... (M. Claudius). Du
sprichst von Zeiten, 1 die vergangen sind. || (Schiller)-Kram alles sachte wieder
ein | und trag’s an den nämlichen Ort, •' wo du's her genommen hast. j| (Grimm)

Wenn der Relativsatz einen Sinnschritt unterbricht, kann er wie ein


Einschub (vgl. 1291) genommen werden: rascher, leichter, als Mulde
und mit tieferem Einschnitt danach:
In einem gewissen Dorfe, 1
das ich wohl nennen könnte, ' Ul-
geht ein üblicher Fußweg . . . (Hebel).
... und ein Geist, 1 der auf den Kirchhof gehört. * geht nicht aufs Ackerfeld. ||
(Hebel) — Und ich habe manchen Stern vom Himmel fallen | und manchen
Stab, ‘ auf den ich mich verließ, ' brechen sehen. || (M. Claudius)

Schwellen die Glieder durch Gewicht oder Umfang weiter auf, so


vertieft sich das Gelenk nach dem Relativsatz zur Atemfuge:
Das erste und letzte, 1 was vom Genie gefordert wird, | ist Wahrheitsliebe. ||
(Goethe) — Es ist auf Erden nichts zu geben, ' was des Nehmens wert ist, |
als das innerste Vertrauen. || (Brentano) — Und wenn ein unverständiger
Mensch diesen Weg kam, ' der lieber seine Schuhe als seines Nachbars Gerstensaat
schonte, \ so lief er schnell hinzu. . . (Hebel)

Trägt der eingeschobene Relativsatz — etwa durch Gegensatz —


besonderes Gewicht, so bekommt er außerdem Neuansatz:
Einen Regenbogen,' der eine Viertelstunde steht, |
sieht man nicht mehr an. || (Goethe)

Die Pferde, ' die den Wagen mit Gütern hinter sich haben, | gehen langsameren
Schrittes. || (M. Claudius)

In fortlaufender Rede muß sich der P ogen des Relativsatzes dem Bogen
des Gesamtsatzes gut einfügen. Er darf den Spannbogen höchstens als
Neuansatz vund Mulde unterbrechen, weil er sonst den Zusammenhang
sprengt. Erst am Ende des Satzes kann der Relativsatz einen eigenen
Teilbogen tragen:
Es ist mit Meinungen, die man wagt, '
wie mit Steinen,' die man voran im Brette bewegt \: f
sie können geschlagen werden, | aber sie haben
ein Sniel eingeleitet. ' das gewonnen urird. || (Goethe)
'-'^krhii
Bei Nacht aber, wo man noch am ehesten einen guten Weg braucht und sucht, ’
war’s nur desto schlimmer, | and die Dornenäste und Rispen, 1 mit welchen er
den Wandernden verständlich machen
wollte, Wo der Weg sei, | wären allemal ln
wenig Nächten niedergerissen. |f (Hebel)
Die Gliederung 625

2. Der Inhaltssatz
Inhaltssätze bilden im allgemeinen keinen eigenen Sinnschritt,. 1303
gleichgültig, ob sie mit oder ohne Einleitewort stehen. Sie führen den
Spannbogen ihres Hauptsatzes bruchlos fort und schließen mit Stau¬
pause (ohne Atememeuerung) an:

Ich glaube, ' er kommt.


Es meint jede Frau, ' ihr Kind sei ein Pfau. || Aber der Esel merkte, daß kein
guter Wind wehte. || (Grimm)-Wer nicht bitter gekostet hat, ' weiß nicht, was
süß ist. || Ich wickelte mir Strang auf Strang um Arm und Hände, | zog und
entwurzelte | und sah mit Vergnügen, ' wie die braungrünen Hindernisse davon¬
schwammen. H (Carossa)

Wachsen die Inhaltssätze allerdings so stark, daß Sprecher und Hörer


Haupt- und Gliedsatz nicht mehr überschauen,, dann werden sie als
selbständige Sinnschritte geplant, und das Gelenk vertieft sich zur
Atemfuge:
Schon mehrmals an diesem Abend hatten wir bemerkt, | daß Dr. M. mit einer
sonderbar fahrigen Handbewegung ' an eine seiner Anzugtaschen griff. || (Torberg)

Der Inhaltssatz als direkte Rede hebt sich von seiner Einführung 1304
durch Atemerneuerung ab, wenn die Einführung oder die direkte
Rede nicht gerade sehr kurz ist. Folgt der Einführung allerdings eine
längere Rede, dann hat die Einführung meist Halbschluß. Ihre Ka¬
denz weist auf das Folgende:
Der König sprach zum Müller: |
„Das ist eine Kunst. '
die mir wohl gefällt.“ || (Grimm) mi
Da riefen die Tannen: | „Ist das der Dank, ' daß du dich überhebst | . . . (Goethe).
Die ergrimmten, ' daß sie so herrlich dastand in ihrer Kraft vor dem Antlitz
des Himmels | und riefen:' „Wehe dem Stolzen, | er überhebt sijch seines Wuchses!“ ||
(Goethe) — Denn wenn er hundertmal in einer Stunde Vergeuderin sagte, j
sagte sie hunderteinmal: „Du Knicker!“, | und das letzte Wort gehörte allemal
Ihr. || (Hebel)

Die Anrede und die einfache Bejahung und Verneinung werden gern
zum einführenden Verb gezogen:
. .. und der Frieder sagte: „Katherlieschen, | hast du auch unser Haus ver¬
wahrt V* || (Grimm) — Dann schrieb ich an Hiltiburg: ' ,.Geehrtes Fräulein 1“ ||
(Stifter) — Da sagte er: „Ja, | das läßt sich wohl hören.“ ||

Die nachgestellte Einführung bleibt tonschwach. Sie wird mit leichter


Stauung angeschlossen, gelegentlich wohl auch ganz ohne solche, und
entwickelt keinen neuen Tonbogen:
„Ganz aus“, 1 hatte die arme Maus . i|
schon auf der Zunge. || (Grimm) ^ : II
„Hier schwimmen wir Fische“,1 sagte der Zwergstichling. ||

Auch das eingeschaltete einführende Verb ist tonschwach. Je kürzer


es ist, um so enger schließt es sich an die Rede an. Es setzt den Ton¬
fall der Rede fort oder schließt hoch und weitet die Unterbrechung
der Rede meist zur Atemfuge :
„Es schmeckt nichts besser“, sagte sie, '
„als wenn man selber ißt“ | und war . .. (Grimm).
626 Die Klanggestalt des Satzes

„Ei was, du Rotkopf“,1 sagte der Esel, | „zieh lieber mit uns fort“ |... (Grimm).
„Das mache mit der Gottheit aus“, ' versetzt der Hierophant, | „kein Sterb¬
licher ...“ (Schiller). „Das wäre ja höllenmäßig!“ ' rief der dicke, ' gutmütige, '
doch etwas jähe Mann; \ „das geht ja über alle Begriffe!“ R (Mörike)
3. Bedingungssatz ohne Einleitewort
1305 Im Bedingungssatz ohne Einleitewort hören wir noch deutlich die
zugrundeliegende Frage:
Willst du wissen, ‘ wie einer sei (?) |
Füll ihn von ' und merk dabei 1 ||
Willst du die Wahrheit suchen auf, '
geh nur die Zweifelstraß’ hinauf. II

k) Die Periode
1306 In der Periode streiten der statische syntaktische Aufbau und die dy¬
namische Abfolge der Redeglieder miteinander. Jener richtet sich an
der Sachordnung des Gegenstandes aus, diese sucht den Gedankengang
für den Hörer mitvollziehbar zu machen. Die Tonführung scheidet darum
einerseits die tragenden, den Gedankengang weiterführenden und die
Aufzählungsglieder (mit Neuansatz) und anderseits die ergänzenden
Einschübe (mit Mulde, vgl. 1291), Zusätze (vgl. 1292) und Nachträge
(vgl. 1294):
Darauf nahm sie eines nach dem anderen heraus | und stellte es auf den Tisch:
den Pflug, ’ die Bauern mit ihren Pferden, | lief herum. | schaute es an |.:. (Grimm).
Am Fuße der Alpen 1 bei Locarno im oberen Italien 1 befand sich ein altes, 1 einem
Marchese gehöriges Schloß, | das man jetzt, ' wenn man vom St. Gotthard kommt, '
in Schutt und Trümmern liegen sieht. H (Kleist)
Hm Verläufe von zehn Jähren ' war er zweimal kränk gewesen; | ‘das äine Mal ' in¬
folge eines vom Tönder einer Maschine 1 während des Vorböifahrens herabgefallenen
Stückes Köhle, | *welches ihn getröffen ' und mit zerschmettertem B6in in den
Bähngraben geschleudert hatte; | Mas ändere Mal1 einer Weinflasche wegen, | ®die
aus dem vorüberrasenden Schnellzuge 1 mitten auf seine Brust geflogen war. R (G.
Hauptmann)

Dabei können die gleichen grammatischen Formen verschieden ge¬


braucht werden:
Die Braut senkte ihr Haupt ein wenig, ' als die Freundinnen ihr die Krone auf-
setzten, | und ihr .Antlitz wurde, 1 als sie die leichte Last auf ihrem Haare fühlte, \
womöglich noch röter als früher. H (Immermann)

Wo es gilt, den gedanklichen Aufbau besonders deutlich zu machen,


-rnnii
werden Redeteile, die den Bau formal bestimmen, z. B. Konjunktionen,
beschwert und durch Stauung abgesetzt:
Entweder 1 irrte also der Schöpfer ' mit dein Ziel, 1 das er uns vörsteckte, | ‘und mit
der Orgänisatiön, 1 die er zur Erziehung desselben so künstlich zusämmengeleitet
hat |; *bder 1 dieser Zwöck 1 geht über unser Däsein hinäus | 4und die £rde 1 ist nur
ein Übungsplatz,1 eine Vörbereitungsstätte. 9 (Herder)

3 4
Der Satz an sich 027

Anderseits kann die Rede Sinnschritt nach Sinnschritt hervorspinnen,


so daß die Tonführung sich immer neu aufschwingt und ein gelegentlicher
grammatischer und tohlicher Abschluß zufällig erscheint:
Leerer wurde die Straße, fl Die letzten von mir abgefertigten Patienten über¬
querten sie laufend, | und ich, 1 am offenen Fenster stehend, ' das Herannahende
erwartend | — sinnlos wäre es für mich gewesen, ' jetzt den Weg ins Oberdorf an¬
zutreten—, | ich sah ihnen nach, | sah die stauberfüllten Windstöße, ' mit denen
das Gewitter kalt durch die Hohlheit der Welt fegt, | um von all ihren Hitzen Besitz
zu ergreifen, 1 ehe es sich selber in sie herabstürzt, | und ich sah, 1 wie die Drohung
mit sich kämpfte 1 und sich spaltete, | aufhellend zu einem bösartigen, sprung¬
bereiten Weiß abdunkelnd zu wartender Finsternis: U schon grollte es den Him¬
melskreis entlang, | grollte gewichtslos ' und eben in dieser Gewichtslosigkeit so
sehr drohend, | daß es wie das ferne Stürzen und Brüllen von Schattenlawinen
war, 1 die vernichtend in den Weltenabgrund dröhnen, ' ungeheuer ihr Schatten¬
gewicht, | und dann, ' gesteigert ' und übersteigert die Drohung ' und sie zur un¬
ausweichlichen Tat sammelnd, | zückten die Gewitter, ' strotzend vom Unbe-
wftltigbaren, ' unbezähmt mit ihrem äußersten, dumpfkrachenden Kampfbrüllen
Just über dem Talkessel aufeinander los, | mit den Hörnern ihrer Blitze einander
aufschlitzend, ' ihren Inhalt zur Erde zu ergießen. |) (Broch)

Q. DIE SPRACHLICHE WIRKLICHKEIT DES SATZES

Jede grammatische Darstellung leidet darunter, daß sie Tatbestände


hintereinander darstellen muß, die während des Sprechaktes gleichzeitig
in Erscheinung treten. Es ist deshalb am Ende einer solchen Dar¬
stellung notwendig, noch einmal alle Erkenntnisse über den zu unter¬
suchenden / Gegenstand zusammenzufassen.

1. Der Satz an sich


Gegenstand unserer Betrachtung war der Satz, der sich als Gliederungs- 1307
einheit der Rede oder eines Textes erwies. Diese Einheit ist mehrfach
gesichert. Zunächst ist der Satz eine Sinneiiiheit, die sich von den benach¬
barten Sinneinheiten deutlich abhebt. Dies geschieht vornehmlich da¬
durch, daß der Hörende oder Lesende gezwungen ist, das nacheinander
Gesprochene oder Geschriebene als ein Miteinander in sein Bewußtsein
aufzunehmen (vgl. 866). Der Hörende wird hierbei vom Tonfall des
Sprechers nachhaltig unterstützt, weil ihm die Kadenz des Spannbogens
zeigt, daß ein Gedankenschritt beendet ist (vgl. 1263 ff.). Ebensosehr
hilft ihm die Wortstellung bei der Abgrenzung des Satzes, wenn ein
klammerbildender Satzteil am Ende steht (vgl. 1251).
Aber auch die innere Struktur des Satzes dient dazu, diese Einheit zu
erhalten. In diesem Sinne wirkt zunächst die Kongruenz, durch die alle
Glieder auf das engste verzahnt werden (vgl. 1178 ff.). In gleicher Weise
wirkt ferner die durch Wortstellung (vgl. 1260) und Ton (vgl. 1262)
aufrechterhaltene Aussagespannung und das auch im Innern des Satzes
wirksame Gesetz der Umklammerung (vgl. 1251).
628 Die sprachliche Wirklichkeit des Satzes

Die Sprache hält also recht bedeutende Mittel bereit, um jene Einheit
zu sichern, in deren Rahmen sich alle Setzungen vollziehen müssen.

2. Der Satz im besonderen .

1308 Bei der Setzung einer bestimmten Wirklichkeit ist der Sprechende an
die grammatischen Grundformen gebunden (vgl. 966), die sich aus der
Zuordnung von Form und Inhalt über lange Zeiträume hinweg ergeben
haben.
Dabei zeigte sich allerdings, daß der Idealzustand, in dem jedem Inhalt eine besondere
Form entspricht, nicht erreicht ist. Dies liegt auch aus sprachökonomischen Gründen
gar nicht in der Tendenz der Sprache, die umgekehrt sogar bestrebt ist, Formen
abzubauen. So kommt es, daß gleichen Formen verschiedene Inhalte (z. B. beim Ak¬
kusativobjekt; vgl. 1017 ff.) oder gleichen Sachverhalten verschiedene Formen (z. B. bei
den Umstandsangaben; vgl. 1029) zugeordnet sind. Dies führt zu dem vielumstritte-
den Problem der „Mischgrammatik“, das aber nicht lösbar ist, wenn man sich von
den hinter den Formon stehenden Sachbezügen und Inhalten nicht allzuweit entfernen
vMl.

Die für einen bestimmten Sachverhalt zutreffende Grundform bildet


das grammatische Gerüst des Satzes. Mit ihrem Einsatz ist bereits über
die Sehweise entschieden, unter der dieser Sachverhalt sprachlich be¬
wältigt werden soll, weil jede Grundform aus bestimmten Satzgliedern
besteht, denen bestimmte Grundleistungen zugeordnet sind (vgl. 865 f.).
Die Wirklichkeit eines bestimmten Satzes wird jedoch durch die nach¬
stehend genannten sprachlichen Mittel nicht minder stark bestimmt.
Es ist dies zunächst die Ausgestaltung der Grundform mit Hilfe der
freien Satzglieder und der Attribute, soweit dies in der Absicht des
Sprechers liegt und soweit der Rahmen des Satzes dies zuläßt
(vgl. 967 ff. u. 971 ff.). Das durch die Grundform ausgerichtete Ver¬
halten des Subjekts erhält auf diese Weise erst sein eigentliches indivi¬
duelles Gepräge. Dies ist um so eindrucksvoller, je treffender die Wörter
ausgewählt werden, die die Gliedstellen besetzen. Durch diese Auswahl
wirken die innerhalb des Wortschatzes bestehenden Sinnbezüge in den
Satz hinüber (vgl. 832 ff.)
Alle diese Glieder und Gliedteile ordnen sich nach dem Gesetz der
Spannung, soweit ihnen nicht feste Plätze zugewiesen sind (vgl. 1215 ff.).
Nach diesem Gesetz folgen die Wörter mit höherem Mitteilungswert
jenen mit geringerem Aussagegehalt, wobei das Wort mit dem höchsten
Mitteilungswert, der Sinnkern, dem Ende zustrebt, wenn es sich nicht
in Ausdrucksstellung befindet (vgl. 1250 u. 1272).
Der Tön unterstreicht diese schrittweise Spannungslösung durch die
Schwereabstufung des Spannbogens, die in der Überschwere gipfelt
(vgl. 1260 ff.).
Wortstellung und Ton sind deshalb die wichtigsten Mittel für den
Sprechenden, um seine Rede ab sicht zu bekunden. Die Wörter, die
den stärkeren Ton tragen, bilden den Redekern seiner Aussage. Er
Der Satz im besonderen 629

ist für die Wirklichkeit des Satzes von größter Bedeutung. Ob es der
inhaltbezogenen Sprachbetrachtung gelingen wird, von hier aus neue
Erkenntnisse über den Satz zu gewinnen, müssen wir der Zukunft über¬
lassen1. Bis dahin begnügen wir uns mit der Aufzeigung der gramma¬
tischen Grundstrukturen, deren jede Aussage bedarf, um sich für den
Hörenden nachvollziehbar verwirklichen zu können..

1 Vgl, hierzu Hans Glinz, Grammatik und Sprache. Wirkehdes Wort, 9. Jhrg.,
1959, S. 129 ff.
Wortregister und Register für Zweifelsfragen

Gewöhnlich wird auf die am Bande der Seiten stehenden Kennziffern verwiesen. Nur
wenn es für den Benutzer praktischer ist, wird die Seite angegeben. Die Seitenzahl
hat stets die Abkürzung S. vor sich stehen.

A abstechen gegen jemanden oder etwas


S. 492
A, das; die A 274 abstrahieren, etwas von etwas a. S. 448
-a, geschlechtsbestimmende Wortendung Abstraktum, Plur.: die Abstrakta 282
S. 147 abtrocknen, es ist oder hat abgetrocknet ?
ab, Präp. mit Dativ 678, 682, S. 304 92
aber, Konjunktion 605 abzielen auf eine Sache S. 492
abfragen, jemanden oder jemandem etwas abzüglich, Präp. mit Genitiv 577
a. ? 967 achten, auf jemanden oder etwas /jemandes
abhalten, jemanden von etwas a. S. 448 oder eines Dinges a. ? 890, 967, S. 492
abhängen, von jemandem oder etwas a. addieren, eine Zahl mit einer anderen a.
S. 492 S. 448
abhängig von 930 -ade, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
- machen, jemanden von einer Person silbe S. 147
a. m. 918 Admiral, die Admiräle oder Admirale ? 284
- sein von jemandem 918 adressieren, etwas an jemanden a. S. 448
abhärten, jemanden gegen etwas a. S. 448 Adverb, Plur; Adverbien oder Adverbia ?
abheben, sich a. von etwas S. 492 288
abhold 329 AG, die AGs oder AGen ? 312
abhören, jemanden oder jemandem etwas -age, Ableitungssilbe S. 147, Ziff. 702
a. 920, 957 ähneln, jemandem ä. 1021
Abkommen, des Abkommens 321 Ahnen 252, 253
abnehmen an einer Sache S. 492 -aille, geschlechtsbestimmende Ab¬
jemandem etwas a. 906 leitungssilbe S. 147
abonnieren, eine Zeitschrift oder auf eine -aise, geschlechtsbestimmende Ab¬
Zeitschrift a. ? 957 leitungssilbe S. 147
absagen, jemandem a. 1021 Akte, die / Akt, der S. 152
Abscheu, der oder die ? 202 Akten 252, 253
abschreiben von etwas S. 492 Aktien 252, 253
absehen von etwas S., 492 Aktiva 252
abseits, Präp. mit Genetiv 577 -alu. -eil, Adjektivsufflxe 736
abspenstig machen, jemandem eine Person -alfien], Substantivsuffix 7i6
a. m. 329 Alimente 252
632 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

all 485-493 670


Deklination des folgenden Adjektivs anfangen mit, von etwas S. 492
337, 365 anfangs, Präp. mit Genitiv 577
allein, Konjunktion 595, S. 322 angehen, das geht dich [nichts] an 957
allerhand, was 1067 Angehöriger, Deklination 369
allerlei, was 1067 angeln nach etwas S. 492
alles, was 1067 angesichts, Präp. mit Genitiv 577
Allotria 252 Angestellter, Deklination 363-365,368,369
Allüren 252 angewiesen auf 936
allzu + Grundstufe eines Adjektivs 400 angleichen, etwas einer Sache oder an eine
Alp, der /Alp, die 204 Sache a. 957
als, Konjunktion 597, 598,1089,1098 angst, mir ist a. 329
Vergleichspartikel beim Komparativ ängstigen, sich ä. vor jemandem oder
[größer als] 378 etwas, um jemanden oder etwas S. 492
-, imVergleichssatz nach Komparativ anhalten, jemanden zu etwas a. S. 448
1080 anhand, Präp. mit Genitiv 577
als oder wie ? Gebrauch der temporalen anklagen, jemanden eines Vergehens oder
Konjunktionen 1078 wegen eines Vergehens a. 907, 957
als daß, Konjunktion 599,1085 anknüpfen an eine Sache S. 492
als ob, Konjunktion 598,1080 ankommen, es kommt auf jemanden oder
als wenn, Konjunktion 598,1080 etwas an S. 492
als wie 374 -, etwas kommt mich an 957
also, Konjunktion 598, 599 anläßlich, Präp. mit Genitiv 577, S. 315
alt und jung (jedermann) 370 Annäherung an oder zu ? 675
Alt und Jung (Alte u. Junge) 370 Annalen 252
älter (ein älterer Herr) 381 Annaten 252
altern, er ist oder er hat gealtert ? 92 anomal oder anormal ? 797
Altwaren 262 ans (an das) 236
am (an dem) 236 anschließen, etwas an dem oder an den
am meisten 553 Hahn a. ? 580
am weitesten 553 anschreiben, er schreibt einen Brief an
Ampere, des Ampere oder Amperes ? 291 jemanden oder schreibt jemanden an ?
Amtmann, die Amtmänner oder 673
Amtleute ? 270 ansetzen zu etwas S. 492
an, Präp. mit Dativ u. Akkus. 580, 581 anstatt, Konjunktion S. 322
an oder auf? S. 311 -, Präp. mit Genitiv 577, S. 307
an [die], vor Zahlen 560 anstatt daß, Konjunktion 598
anbieten, jemandem etwas a. 905 anstelle, Präp. mit Genitiv 577
-ance, geschlechtsbestimmende anstoßen auf jemanden oder etwas S. 492
Ableitungssilbe S. 147 -ant, Ableitungssilbe S. 146, Ziff. 723
-and, Substantivsuffix 723 antreten zu etwas S. 492
ander 494 antun, jemandem etwas a. 905
Deklination des folgenden Adjektivs antworten, jemandem a. 1021
338, 365 antwortlich, Präp. mit Genitiv 577, S. 315
ändern, etwas in eine Sache ä. S. 448 anwachsen, etwas wächst auf oder zu
andernfalls, Konjunktion 594, 599 etwas an S. 492
anders als 378 anwandein, etwas wandelt mich an 957
anderthalb 539 anwesend bei oder an 575
-äne, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬ -anz, geschlechtsbestimmende Ab¬
silbe S. 147 leitungssilbe S. 147
anerkennen, er anerkennt oder erkennt an Äonen 252
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 633

appellieren an jemanden oder etwas S. 492 ausbrechen in Tränen, in Lachen S. 493


applaudieren, jemandem a. 957 ausdrücken, etwas drückt sich in etwas
-är, Ableitungssilbe S. 146, 723 aus 3. 493
arbeiten an einer Sache S. 492 ausersehen, jemanden zu etwas a. S. 448
Arg, ohne A. 370 ausfindig machen, etwas a. m. 329
ärgerlich über 936 ausgangs, Präp. mit Genitiv 577
ärgern, sich ä. über jemanden oder etwas ausgeben, etwas für etwas oder jemanden
S. 492 a. 3. 448
arm an 936 ausgehen auf eine Sache S. 493
arm und reich (jedermann) 370 ausholen zu etwas S. 493
Aroma, die Aromas oder Aromata ? 288 Auslagen 252
-art, als Adverbsufflx 765 Auspizien 252
Asch-, Asche- oder Aschen- in Zusammen¬ ausschließlich, Präp. mit Genitiv 577
setzungen 645 aussehen nach etwas 3. 493
-asmus, Substantivs ufflx 716 außer, Präp. mit Dativ 578, 582
aß, äße (essen) S. 88 -, Konjunktion 3. 322
-ast, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬ außerdem, Konjunktion 593
silbe S. 146 Äußere, Deklination 369
-aster, Substantivsufflx 723 außerhalb, Präp. mit Genitiv 677
-at, Substantivsufflx 716 aussprechen, etwas über jemanden a.
Atlas, des Atlas oder Atlasses ? 280 3. 448
-, die Atlasse oder Atlanten ? 286 -, sich a. über, für etwas; gegen
Ätna, des Ätna oder Ätnas ? 306 jemanden oder etwas; mit jemandem
auch, Konjunktion 593 3.493
auf, Präp. mit Dativ u. Akkus. 580, 581 austeilen, etwas an oder unter jemanden a.
auf oder an ? S. 311 S. 448
auf daß, Konjunktion 599 ausüben, Druck oder Einfluß auf je¬
aufdrängen, jemandem etwas a. 905 manden a. S. 448
auffordern, jemanden zu etwas a. S. 448 ausweichen, jemandem a. 1021
aufgebracht über 936 ausweisen, sich a. über etwas 3. 493
aufgrund, Präp. mit Genitiv 577 autorisieren, jemanden zu etwas a. 3. 448
aufheben, hebt auf 676
auf hören mit etwas S. 492 B
aufnehmen, jemanden in das oder im
Krankenhaus a. ? 580 Backe, die /Backen, der S. 162
aufpassen auf jemanden 957 backen 3. 87
aufregen, sich a. über jemanden oder etwas bäckst, bäckt (backen) S. 87
S. 493 Baedeker, des Baedeker oder Baedekers ?
aufs (auf das) 236 291
aufschwingen, sich a. zu etwas S. 493 bald - bald, Konjunktion 593
aufwenden, etwas für etwas oder je¬ bald - eher - am ehesten 553
manden a. S. 448 baldmöglichst 402
aufziehen, jemanden mit jemandem oder Balg, die Bälge oder die Bälger ? 266
etwas a. S. 448 Balkon, die Balkons oder Baikone ? 283
aufzwingen, jemandem etwas a. 905 Ball/Ballen 261
Augur, des Augurs oder Auguren ? 279 Ballon, die Ballons oder Ballone ? 283
August (Monat), des August oder Bambino, Plur.: die Bambini 282
August[e]s ? 318 band, bände (binden) 3. 87
aus, Präp. mit Dativ 578 Band, das /Band der 203
aus aller Herren Ländern oder Länder ? -, die Bande oder die Bänder ?.267, 272
322 bangen vor jemandem oder etwas, um je-
634 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

manden oder etwas 8. 493 manden b. 8. 448


banger oder bänger ? 376 befreien, jemanden von etwas b. S. 448
bar, einer Sache b. sein 932 befrieden oder befriedigen ? 781
-bar, Adjektivsuffix 712, 733 begann, begänne (beginnen) S. 87
-bar oder -lieh ?-731 begänne oder begönne ? 115
Bär, des Bären 320 begegnen, jemandem b. 1021
Barbar, des Barbaren 320 Begehr, der oder das ? 202
barfuß [gehen] 329 begehren, jemanden oder etwas b. 957
barg, bärge (bergen) 8,87 begierig nach, auf 936
Barock, das oder der ? 202 beginnen S. 87
-k des Barocks oder Barock ? 321 - mit, von etwas 8. 493
Barsch, des Barsches oder Barsch ? 321 - etwas oder mit etwas 967
barst, bärste (bersten) 8, 87 beglückwünschen, jemanden zu etwas b.
Bart, Deklinationstabelle 8.171 8. 448
basieren auf einer Sache 8.493 begnügen, sich b. mit etwas 8. 493
bat, bäte (bitten) 8.88 begönne, begonnen (beginnen) 8. 87
Bau, die Baue oder Bauten ? 276 begönne oder begänne ? 115
bauchreden 741 behagen, jemandem b. 1021
bauen, etwas oder an etwas 890 beharren auf, in u. bei etwas 575
Bauer, der / Bauer, das 202, 203 beharren bei oder auf einer Sache 8. 493
-, des Bauern oder des Bauers ? 258 behufs, Präp. mit Genitiv 577, 8. 315
-, die Bauer u. die Bauern 276 bei, Präp. mit Dativ 578, 8. 304
Bauten 252, 276 beide 495, 496
be-, Präfix 776, 780, 781 -, Deklination des folgenden Adjektivs
Beamter,. Deklination 368, 369 339, 365
beben, vor jemandem oder etwas 8. 493 beiderseits, Präp. mit Genitiv 577
bedanken, sich b. für etwas S. 493 beim (bei dem) 236
Bedarf an, in oder für ? 575 Bein, die Beine oder Beiner ? 271
bedenken, jemanden mit etwas b. 8. 448 beipflichten, jemandem b. 1021
bedeuten, jemandem b., daß . .. 957 beißen 8.87
Bediente, der 169 -, der Hund beißt mir oder mich ins
bedrängen, jemanden mit etwas b. 8. 448 Bein ? 927
bedürfen, jemandes oder eines Dinges b. beistehen, jemandem b. 1021
jemanden oder etwas b. ? 957 beistimmen, jemandem 1021
bedürftig, einer Sache bedürftig sein 932 beitragen, etwas zu etwas b. 8.448
beeiden oder beeidigen ? 781 - zu etwas 8. 493
beenden oder beendigen ? 781 bekannt machen, jemanden mit einer
befahl, befähle (befehlen) 8. 87 Person b. m. 918
befassen, sich b. mit etwas 8. 493 bekannt mit, unter 936
befehlen 8. 87 bekannt wegen oder durch (für) ? 575
jemandem etwas b. 905 Bekannter, Deklination 369
befestigen, etwas an der oder an die Wand bekümmern, sich b. um jemanden oder
b. ? 580 etwas 8. 493
befiehl !, befiehlt (befehlen) S. 87 belasten, jemanden mit etwas b. 8. 448
befinden über jemanden oder etwas 8. 493 belaufen, es beläuft sich auf eine Summe
befleißen S. 87 8. 493
-, sich oder befleißigen, sich ? 781 belehren, jemanden eines besseren b. 907
befliß, beflissen (befleißen) 8.87 belieben, es beliebt ihm 1021
beföhle, befohlen (befehlen) S. 87 beliebt bei 936
beföhle oder befehlen würde ? 126,1115 belustigen, sich b. mit etwas 8. 493
befragen, jemanden über et>vas oder je¬ bemerken, mit a. c. i. 922
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 635

bemühen, sich b. um jemanden oder beurteilen, jemanden nach etwas b. S. 448


etwas S. 493 bevor, Konjunktion 597
benennen, jemanden oder etwas nach je¬ bewahren, jemanden vor jemandem oder
mandem oder etwas b. S. 448 etwas b. S. 448
Bengel, die Bengel oder Bengels ? 276 bewegen S. 87
benutzen, etwas zu etwas b. S. 448 bewilligen, jemandem etwas b. 905
berauben, jemanden einer Sache 907 bewog, bewöge, bewogen (bewegen) S. 87
bereden, jemanden zu etwas b. S. 448 bewußt, sich einer Sache b. sein 932
bereit zu 936 bezeichnen, jemandem etwas b. 905
bereiten, jemandem etwas b. 906 bezeichnend für 936
bergen S. 87 bezichtigen, jemanden einer Sache b. 907
Bergmann, die Bergm&nner oder beziehen, sich b. auf jemanden oder etwas
Bergleute ? 270 S. 493
berichten, jemandem etwas b. 906 bezüglich, Präp. mit Genitiv 577, S. 315
berichten über jemanden oder etwas, von BGB, die BGB oder BGBs ? 274
jemandem oder etwas 923, S. 493 Biedermeier, des Biedermeiers 321
bersten S. 87 biegen S. 87
berufen, sich b. auf jemanden oder etwas bieten S. 87
S. 493 -, jemandem etwas b. 905
beruhen, etwas beruht auf einer Sache bildlich, bildsam u. bildhaft 731
581, S. 493 bin (sein) S. 104
berühmt wegen oder durch (für) ? 576 binden S. 87
beschäftigen, jemanden mit etwas b. Binde-s, Fugenzeichen 630-639
S. 448 binnen, Präp. mit Dativ 578, S. 305
bescheren, jemandem etwas oder jeman¬ birg, birgt (bergen) S. 87
den [mit etwas] b. 905, 957 birst (bersten) S. 87
-, die Kinder wurden beschert ? 108 bis, Konjunktion 597,1098
beschirmen, jemanden vor etwas oder bis, Präp. mit Akkusativ 579, S. 305, S. 312
jemandem b. S. 448 - [zu], vor Zahlen 660
beschränken, etwas auf eine Sache b. biß (beißen) S. 87
S. 448 bist (sein) S. 104
-, sich b. auf etwas S. 493 bitten S. 88
beschuldigen, jemanden einer Sache b. 907 jemanden um etwas S. 448
beschützen, jemanden vor jemandem oder blasen S. 88
etwas b. S. 448 blasser oder blässer ?
besinnen, sich b. auf jemanden oder etwas bläst (blasen) S. 88
957, S. 493 Blattern 252
-, sich eines Besseren b. 890, 967 blau-rot oder blaurot ? 354
besorgt um 936 Blau, das / Blaue, das 261
besser - am besten 563 bleiben 868, 3. 88
Besteck, die Bestecke oder Bestecks ? 275 - bei etwas S. 493
bestehen auf einer Sache oder auf eine -, etwas bleibt jemandem 1021
Sache ? 581, S. 493 bleichen S. 88
- aus, in etwas S. 493 blich (bleichen) S. 88
bestimmen, jemanden zu jemandem oder blieb (bleiben) 8.88
etwas b. S. 448 bliebe oder bleiben würde ? 126,1115
bestmöglich 402 blies (blasen) S. 88
bestürzt über 936 blindfliegen 741
betreffs, Präp. mit Genitiv 577, S. 315 Block, die Blocks oder Blöcke ? 274
betrügen, jemanden um etwas b. S. 448 Blondine, Deklination 367
Bett oder Bette ? 261 Boden, die Böden oder Boden ? 268
636 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

bog, böge (biegen) S. 87 Bursch oder Bursche ? 261


Bogen, die Bogen oder Bögen ? 268 -, des Burschen 320
-bold, Suffix 721 Bushel, drei Bushel oder Busheis ? 245
Bolz/Bolzen 261
bombardieren, jemanden mit etwas b.
C
S. 448
Bonbon, der oder das ? 202 Chemikalien 252
Bord, der /Bord, das 203 -chen, geschlechtsbestimmende Ablei¬
Bösewicht, die Bösewichter oder Böse¬ tungssilbe 724, S. 148
wichte ? 272 -chen, Verbalsufflx 747
bot, böte (bieten) S. 87 Chor, der oder das ? 202, 203
brach, bräche (brechen) S. 88 -, die.Chore oder Chöre ? 284
brachte, brächte (bringen) 8, 88 Chrysolith, die Chrysolithen oder
brächte (2. Konj.) 118, 163 Chrysolithe ? 279
brannte (brennen) S. 88
brät, brätst (braten) S. 88 D
braten S. 88
brauchen, mit Infinitiv ohne oder mit da, Konjunktion 599,1083
„zu“ ? 1012 Relativadverb 1061
-, jemanden oder etwas zu etwas b. da oder weil? 1083
S. 448 dachte, dächte (denken) S. 88
brauchte oder bräuchte ? 117 dächte (2. Konj.) 118, 153
brechen S. 88 dadurch, daß 599
Breisgau, der oder das ? 202 dadurch, daß oder weil ? 1088
brennen S. 88 dafür, daß 1083
-, mir oder mich brennen die Augen ? dagegen, Konjunktion 695
881 daher, Konjunktion 599
Brett, Deklinationstabelle S. 172 daher, daß oder weil ? 1083
brich!, bricht (brechen) S. 88 damit, Konjunktion 599,1086
Briefschaften 252 dang, dänge (dingen) S. 88
briet (braten) S. 88 dank, Präp. mit Dativ 678, S. 305, S. 312
bringen S. 88 danken, der Nachfrage d. 967
-, jemandem etwas b. 905 -, jemandem d. 1021
-, jemanden um oder auf eine Sache b. -, jemandem für etwas d. 957
S. 448 dann, Konjunktion 593, S. 323
Bronn oder Bronnen ? 261 daran 557
Brosamen 252 daran, daß 1083
Brösel, die Brösel oder Bröseln ? 276 darauf 557
Brot, die Brote oder Bröter ? 271 daraus 557
Brucli, der oder das ? 202 daraus, daß 1083
Brünette, Deklination 367 darein 557
Bub oder Bube ? 261 darein oder darin ? 564
buchen für etwas S. 493 darf, darfst (dürfen) S. 88
Buchstabe, des Buchstabens oder Buch¬ darin 557
staben ? 261 - oder darein ? 564
buk, büke (backen) S. 87 -, daß 1083
bummeln; ich bin oder habe gebummelt ? darob 557
92 darüber 657
Buna, der oder das ? 202 darum, Konjunktion 699
Bund, der / Bund, das 203 darum, Pronominaladverb 557
-, die Bunde und die Bünde 268 -, daß 1083
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 637

darum, daß oder weil ? 1083 -, Deklination des folgenden Adjektivs


darunter 557 350
das, Artikel 206 desto, Konjunktion 598
Demonstrativpronomen 451-457 deswegen, Konjunktion 599
Relativpronomen 477,1058 deswegen, weil 1083
das, was 1067 deuchte (dünken) S. 88
dasein zu etwas S. 493 Deutsch, das / Deutsche, das 261
dasjenige 464-465 Deutscher, Deklination 369
dasjenige, was 1067 Dezember, des Dezember oder Dezem¬
daß, Konjunktion 599, 600,1073, bers ? 318
1074,1085,1089 Diäten 252
dasselbe 468-470 dick und dünn 370
dasselbe, was 1067 die, Artikel 206
Dativ, des Dativs oder des Dativ -, Demonstrativpronomen 451-457
321 -, Relativpronomen 477,1058
davon, daß 1083 die, die 1067
davon, daß oder wenn ? 1084 die, welche 1067
dazu, Konjunktion 599 diejenige 464-465
-de, Substantivsufflx 692 diejenige, die 1067
debattieren über jemanden oder etwas diejenige, welche 1067
S. 493 dienen, jemandem d. 1021
Deck, die Decks oder Decke ? 274 - zu etwas S. 493
degradieren, jemanden zu jemandem oder Diesel, des Diesel oder Diesels ? 291
etwas d. S. 448 Dienstmann, die Dienstmänner, Dienst¬
Dehors 252 leute oder Dienstmannen 270
dein, Deklination 441 dienstverpflichten 741
demnach, Konjunktion 599 dieselbe 468-470
denken S. 88 dieselbe, welche 1067
- an jemanden öder etwas S. 493 dieser, diese, dieses, Demonstrativ¬
denn, Konjunktion 599, S. 323 pronomen 458-463
Vergleichspartikel 378 diesseits, Präp. mit Genitiv 577
dennoch, Konjunktion 595 differieren in einer Sache, um etwas S. 493
der, Artikel 206 Ding, die Dinge oder Dinger ? 272
-, Demonstrativpronomen 451-457 dingen S. 88
-, Relativpronomen 477,1058 Diplomat, des Diplomaten 320
der, der 1067 Dirigent, des Dirigenten 320
der, welcher 1067 Diskus, die Disken oder Diskusse ? 289
deren 477, 446 dispensieren, jemanden von etwas d.
-, Deklination des folgenden Adjektivs S. 448
350 distanzieren, sich d. von jemandem oder
derer oder deren ? 455 etwas S. 493
derjenige 464-465 dividieren, eine Zahl durch eine andere d.
derjenige, der 1067 S. 448
derjenige, welcher 1067 doch, Konjunktion 595, 599
derselbe 468-470 Dock, die Docks oder Docke ? 283
derselbe, welcher 1067 doppelt oder zweifach ? 541
derselbige 470 doppelt so ... wie oder doppelt so ... als ?
deshalb 599 374
deshalb, weil 1083 Dorn, die Dornen und die Dorne 276
desgleichen 593 Dotter, der oder das ? 202
dessen 477, 446 Dr. (Titel), Deklination 300, 302
638 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

Drache, der / Drachen, der 261 dürfen, mit Infinitiv 1011


Dramaturg, des Dramaturgen 320 durfte (dürfen) S. 88
dran (daran) 567 dürfte (Konj.) 118
drang, dränge (dringen) S. 88 dürsten nach etwas S. 493
drängen, jemanden zu etwas d. S. 448 durstig nach 936
- nach, auf etwas S. 493 Dutzend 533
Drangsal, die oder das ? 202 Dynamo, des Dynamos 321
drasch, dräsche (dreschen) S. 88
drauf(darauf)557
draus(daraus) 557 £
drei, Deklination im Genitiv 528
-, Deklination des folgenden Adjektivs -e, Substantivsufflx 693, 705, 757
335 -e, Substantivsuffix + Vorsilbe Ge-
Dreikäsehoch, die Dreikäsehoch oder 694, 706
Dreikäsehochs ? 274 -e, Adverbsufflx 750
dreimal so... wie oder dreimal so ... als ? eben; ebener oder ebner ? 332
374 ebenso, Konjunktion 598
drein (darein) 557 ebenso wie 374
dreschen S. 88 ebenso, wie... 1081
drin (darin) 557 Ecke, die /Eck, das Si 152
dringen S. 88 Edelmann, Plur.: die Edelleute 270
drisch!, drischt (dreschen) S. 88 Effekt, die Effekte u. Effekten 252, 286
drittens 537 ehe, Konjunktion 597
drob (darob) 557 Ehemann, Ehemänner u. Eheleute 270
drohen, jemandem d. 1021 eher - am ehesten 553
Drohne, die / Drohn, der S. 162 eher, vor der Grundstufe eines Adjektiv;
drosch, drösche (dreschen) S. 88 383
drüber (darüber) 557 -ei, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
Druck, die Drucke und die Drücke 268 silbe 697, 708, S. 146
drücken, sich d. um etwas S. 493 Eichwald oder Eichenwald ? 641
drum (darum) 557 eifersüchtig auf 936
drunter (darunter) 657 ein, Kardinalzahl 527
Dschungel, der, das oder die ? 202 -, unbestimmter Artikel 207
du, Deklination 422, 426, 426, 428 ein paar 499
dubios oder dubiös ? 736 ein[undjeinhalb 639
Dubiosen 252 einer, Indefinitpronomen 497
Duden, des Duden oder Dudens ? 291 einfältig 541
duften nach etwas S. 493 einflößen, jemandem etwas e. 906
dunkel, dunkler oder dunkeier ? 332 eingangs, Präp. mit Genitiv 577
Dunkel, das /Dunkle, das 367 eingebildet auf 936
dünken S. 88 eingedenk, einer Sache e. sein 329, 932
-, es dünkt mir oder mich ? 882, 957 eingehen auf jemanden oder etwas S. 493
-, sich 868 Eingeweide 252, 263
durch, Präp. mit Akkusativ 679, S. 312 einige 498
durchbohren, durchbohrt oder bohrt Deklination des folgenden Adjektivs
durch? 668 340,365
durchs (durch das) 236 einigen, sich e. auf etwas S. 493
durchziehen, durchzieht und zieht durch einiges, was 1067
668 einkehren, in ein oder einem Gasthaus ?
dürfe (Konj.) 118 580
dürfen S. 88, Ziff. 118,157 Einkünfte 262
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 639

einladen, jemanden zu etwas e. S. 448 Sache, Reue über eine Sache e. S. 449
einlassen, sich e. in, auf etwas S. 493 empfindlich / empfindsam 731
einmal, Wiederholungszahlwort 542 empföhle, empfohlen (empfehlen)! 15,
einmalig 542 S. 88
ein paar 499 emporheben, hebt empor 676
einschließen, etwas in ein Angebot oder -en, Adjektivsufflx 728, 729
in einem Angebot e. ? 580 -en, Partizipialsuffix 162, 727
-, sich oder etwas in dem oder in das -en, Infinitivsufflx 159, 739, 748
Zimmer ? 580 Ende, Deklinationstabelle S. 173
einschließlich, Pr&p. mit Genitiv 323, 577 enden auf, mit etwas S. 493
einschreiten gegen jemanden oder etwas endlich, Konjunktion 593
S. 493 ent-, Präfix 777, 781
ein3tßllen, etwas auf eine Sache e. S. 449 -ent, Substantivsuffix 723
-, sich e. auf, gegen jemanden oder entbehren, das entbehrt jeder Grundlage
etwa3 S. 493 957
einteilen, jemanden oder etwas in eine jemanden oder etwas e. 957
Sache e. S. 449 entbinden, jemanden einer Sache oder von
Eintel 538 einer Sache e. 907, 957, S. 449
eintragen, etwas in eine oder in einer entfliehen, jemandem oder vor jemandem
Zeichnung e. ? 580 e. 957
eintreten für jemanden oder etwas entgegen, Präp. mit Dativ 578
S. 493 -, Stellung 1244
einverstanden mit 936 entgegengesetzt als 378
ein willigen in eine Sache S. 493 entgehen, jemandem e. 1021
eitel, eiteler oder eitler 332 enthalten, sich einer Sache e. 885
ekeln, es ekelt mir oder mich ? 882 entheben, jemanden einer Sache e. 907
-, ich ekle mich vor etwas oder entlang, Präp. mit Akkusativ 579, S. 305
jemandem 957 -, Stellung 1244
mir oder mich ekelt vor etwas oder entlasten, jemanden von etwas e. S. 449
jemandem 924, 957 entnehmen, etwas aus etwas e. S. 449
-el, Substantivsufflx 698, 718 entreißen, jemandem etwas e. 905
-el, Adjektivsufflx 712 entrüstet über 936
Elefant, des Elefanten 320 entsagen, jemandem oder einer Sache e.
elektrifizieren / elektrisieren 748 1021
Elektrische, Deklination 368 entscheiden, sich e. für, gegen jemanden
-eil und -al, Adjektivsuffixe 736 oder etwas S. 493
-eile, geschlechtsbestimmende Ablei¬ -, sich e. für oder zu ? 675
tungssilbe S. 147 entschlossen zu 936
-ein, Verbalsuffix 693, 744 entsinnen, sich jemandes oder einer Sache,
Elsaß, des Elsaß oder Elsasses ? 306 an jemanden oder an eine Sache e.
Eltern, die 252, 253 957
em[pj-, Präfix 777 entsprechen, etwas entspricht jemandem
empfahl, empfähle (empfehlen) S. 88 oder einer Sache 1021
empfähle oder empföhle ? 115 entweder - oder, Konjunktion 594
empfänglich, für etwas e. sein 936 entziehen, jemandem etwas e. 905
- stimmen, jemanden für etwas e. st. -enz, Ableitungssilbe S. 147, 716
oder machen 918 -enzen, Verbalsuffix 747
empfehlen S. 88 Enzian, des Enzians 321
-, jemandem etwas e. 905 Episkopat, der oder das ? 202
empfiehl 1, empfiehlt (empfehlen) S. 88 er, Deklination 422, 426
empfinden, Freude an, Furcht vor einer -, Gebrauch 429-431
640 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

er-, Präfix 776 erstens, 537, 593


-er, Substantivsufflx 699, 719, 758, 759 ersterer- letzterer 390
-er, Adjektivsufflx 712, 727 erstklassig, erstklassigste ? 407
erachten, etwas einer Person [un]wilrdig e. erstrecken, etwas erstreckt sich auf lange
917 Zeit 3.493
Erachten, meinem Erachten nach oder ersuchen, jemanden um etwas e. S. 449
meines Erachtens nach ? 1244 erwachsen, etwas erwächst aus einer
erbarmen, sich jemandes oder über je¬ Sache 3. 493
manden e. 957, S. 493 erwidern, jemandem etwas 905,1021
Erbe, der / Erbe, das 203 erz-, Präfix 771
Erbteil, das oder der ? 202 erziehen, jemanden zu etwas e. 3. 449
-erei, Substantivsufflx 697, 708 es, Deklination 422
erfreuen, sich einer Sache oder an einer -, Gebrauch 429, 431, 432-434
Sache e. 957, S. 493 essen 3. 88
ergeben, aus diesem ergibt sich S. 493 Etikette, die / Etikett, das 3.152
ergriffen von 936 etliche 500
ergrimmt über 936 -, Deklination des folgenden Adjektivs
erhaben über 936 341, 365
erheben, sich e. gegen jemanden oder -ett, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
etwas S. 493 silbe 3.148
-, jemanden zu etwas e. S. 449 -ette, geschlechtsbestimmende Ab¬
erhellen, aus diesem erhellt S. 493 leitungssilbe 3.147
erholen, sich e. von etwas S. 493 etwas 601
erinnern, jemanden an eine Sache e. S. 449 etwas, was 1067
-, sich, jemandes oder eines Dinges, etwelche 521
an jemanden oder etwas e. 957 -, Deklination des folgenden Adjektivs
erkennen auf etwas S. 493 341
-, jemanden an einer Sache e. S. 449 etzlich 500
Erkenntnis, die / Erkenntnis, das 203 euer, Deklination 441
erkranken an etwas S. 493 -eur, geschlechtsbestimmende Ab¬
Erlaß, die Erlasse oder Erlässe ? 268 leitungssilbe S. 146, 723
erlauben, jemandem etwas e. 905 -euse, geschlechtsbestimmende Ab¬
-erlich, Adjektivsufflx 731 leitungssilbe S. 147,723
ermahnen, jemanden zu etwas e. S. 449 Examen, die Examina oder Examen ? 282
ermangeln, einer Sache e. 885 Exequien 252
-em, Adjektivsufflx 728 exklusive, Präp. mit Genitiv 677, 583
-ern, Verbalsufflx 693, 745 Exponent, des Exponenten 320
ernennen, jemanden zu jemandem oder experimentieren mit etwas 3. 493
etwas e. 919, S. 449
erregen, sich e. über jemanden oder etwas
F
S. 493
erröten über jemanden oder etwas S. 493 Fabrikant, des Fabrikanten 320
Ersatzmann, die Ersatzmänner oder -fach, Suffix 541, 755
Ersatzleute ? 270 Fachmann, die Fachmänner oder
erschöpft durch 936 Fachleute ? 270
erschrecken vor jemandem oder etwas, fähig zu 933, 936
über jemanden oder etwas S. 493 fähig sein, einer Sache oder zu einer Sache
ersehen, etwas aus etwas e. S. 449 f.s. 933,935
erst - dann, Konjunktion 593 fähig halten, jemanden einer Sache f. h.
erstaunen über jemanden oder etwas S.493 917
erstaunt über 936 fahnden nach jemandem oder etwas 3. 493
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 641

fahren S.88 Filter, der oder das ? 202


ich bin oder habe gefahren ? 92 Finanzen 252
fährst, fährt (fahren) S. 88 finden S. 88
Falbe, Deklination 367 -, Gelegenheit zu etwas f. S. 449
fallen S. 88 -, mit a. c. i. 922
falls, Konjunktion 699,1084 -, Vergnügen an einer Sache f. S. 449
fällst, fällt (fallen) S. 88 fing (fangen) S. 88
-fältig, Suffix 541 Fink, des Finken 320
Famulus, die Famuli oder Famulusse ? 289 finster, finstrer oder finsterer ? 332
fand, fände (finden) S. 88 fischen nach etwas S. 493
fangen S. 88 Fisimatenten 252
fängst, fängt (fangen) S. 88 fit sein 329
Fasan, die Fasane oder Fasahen ? 286 -fizieren 748, 781
Fasson, die /Fasson, das 203 flattern, ich bin oder habe geflattert ? 92
Fasten 252 Flausen 252, 253
Faxen 252, 253 flechten S. 88
Februar, des Februar oder Februars ? 318 Fleck u. Flecken 261
fechten S. 88 flehen um etwas S. 493
fehl [am Ort] sein 329 flicht, flicht I (flechten) S. 88
fehlen, es fehlt [jemandem] an einer fliegen S. 88
Sache 923, S. 493 - ich bin oder habe geflogen ? 92
jemandem fehlen, etwas fehlt mir 1021 fliehen S. 89
fehlschießen, schießt fehl 677 - vor jemandem oder etwas 967, S. 493
feilhalten, hält feil 676 fließen S. 89
feilschen um etwas S. 493 Flitterwochen 262
feind sein 329 flocht, flöchte (flechten) S. 88
Feindschaft gegen oder für (zu) ? flog, flöge (fliegen) S. 88
Fels oder Felsen ? 261 flöge oder fliegen würde ? 126,1115
Femininum, Plur.: die Feminina 279 floh, flöhe (fliehen) S. 89
Fensterladen, die Fensterladen oder die flöhe oder fliehen würde ? 1116
Fensterläden ? 268 Floß, Deklinationstabeile S. 172
Ferien 252 floß, flösse (fließen) S. 89
fern, Präp. mit Dativ 678 fluchen, jemandem f. 1021
fern und nah, 370 Fluidum, Plur.: die Fluida 288
ferner, Konjunktion 693 Flur, der, /Flur die 203
fernsehen 741 focht, föchte (fechten) S. 88
ferntrauen 741 folgen, jemandem folgen 1021
fertig mit 936 -, auf jemanden oder etwas, aus etwas f.
fertigbringen, bringt fertig 676 S. 493
fertigstellen, stellt fertig 676 -, gefolgt von ? 108
Fest steht, daß... 671 folgende, Deklination des folgenden Ad¬
festbinden, bindet fest 676 jektivs 342, 365
Festival, des Festivals 321 folgendes, was 1067
feuern auf jemanden oder etwas S. 493 folgern, etwas aus etwas f. S. 449
Fex, des Fexes oder des Fexen ? 258 folglich, Konjunktion 699
ficht, ficht I (fechten) S. 88 Forderung an oder gegen ? 675
Fidibus, die Fidibus oder Fidibusse ? 289 formal/formell 736
fiebern nach Jemandem oder etwas S, 493 Formalien 252
fiel (fallen) S. 88 forschen nach jemandem oder etwas S. 493
Filius, Plur.: die Filii 289 fort oder weg ? 567
Filni, des Films 321 fortreden, redet fort 676
642 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

Fossilien 252^ 253 G


fragen, jemanden etwas, nach jemandem
oder etwas f. 921, S. 449, S. 493 gab, gäbe(geben)S.89
fraß, fräße (fressen) S. 89 Gabe, Deklinationstabelle S. 173
Frau, Deklinationstabelle S. 173 galt, gälte (gelten) S. 89
Frau + Name, Deklination 299 gälte oder gölte? 115
Fräulein, die Fräulein oder Fräuleins ? gang und gäbe, etwas ist 329
275 Ganze, Deklination 369
Fräulein 4- Name, Deklination 300 gar 329
frei von 936 Garten, Deklinationstabelle S; 172
freigeben, gibt frei 676' ge-, Präfix 162, 783
freisprechen, jemanden von etwas f. Ge-, Vorsilbe -I- -e, Suffix 694, 706, 718
918, S; 449 Gebalg oder Gebalge ? 261
fremdsprachlich oder fremdsprachig ? 731 Gebälk oder Gebälke ? 261
fressen S. 89 ' . gebar (gebären) S. 89
freuen, sich f. an jemandem oder etwas, gebären S. 89
über jemanden oder etwas S. 493 geben S. S9
-, sich einer Sache oder über eine Sache Anlaß zu etwas g. S. 449
f. 890 -, etwas für etwas g. S. 449
freund sein 329 -, jemandem etwas g. 905
freundlich gegen 936 gebeten (bitten) S. 88
Freundschaft mit oder für (zu) ? 575 gebier!, gebiert (gebären) S. 89
Frieden oder Friede ? 261 gebieten über jemanden oder
frieren S. 89 etwas S. 493
es friert mich u. mich friert 846 gebissen (beißen) S. 87
Friesei, der oder das ? 202 geblichen (bleichen) S. 88
Frieseln 252 geblieben (bleiben) S. 88
friß!, frißt (fressen) S. 89 gebogen (biegen) S. 87
froh über 936 geboren (gebären )S. 89
froh machen, jemanden einer Sache f. m. geborgen (bergen) S. 87
917 geborsten (bersten) S. 87
frohen Sinnes oder frohes Sinnes ? 333 geboten (bieten) S. 87
frohlocken, frohlockte 665 gebracht (bringen) S. 88
frommen, etwas frommt jemandem 1021 gebrannt <brennen) S. 88
frommer oder frömmer ? 376 gebrochen (brechen) S. 88
fror, fröre (frieren) S. 89 Gebrüder 252
fügen, sich f. in eine Sache S. 493 gebühren, etwas gebührt jemandem
fühlen, mit a. c. i. 922 1021
fuhr, führe (fahren) S. 88 gebunden (binden) S. 87
führe oder fahren würde ? 1115 Geck, des Gecken 320
führen, das führt zu nichts S. 493 gedacht(denken)S.88
Fünfjahrplan, Fünf jahreplan oder Fünf¬ Gedanke oder Gedanken ? 261
jahresplan ? 663 gedeihen S. 89
Funke oder Funken ? 261 gedenken, einer Sache g. 885
funktional / funktionell 736 • gedeucht (dünken) S. 88
für, Präp. mit Akkusativ 579 gedieh, gediehen (gedeihen) S. 89
fürchten, jemanden oder sich vor je¬ gedroschen (dreschen) S. 88
mandem f. 957 gedrungen (dringen) S. 88
fürs (für das) 236 gedungen (dingen) S. 88
Fürst, des Fürsten 320 gedurft (dürfen) S. 88
fußen, etwas fußt auf einer Sache S. 493 geeignet zu 936
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 643

gefallen, jemandem gefallen, etwas ge¬ gelegen (liegen) S. 90


fällt jemandem 1021 Gelehrter, Deklination 369
Gefallen oder Gefalle 261 Geleise oder Gleis ? 261
Gefallen, der / Gefallen, das 203 geliehen (leihen) S. 90
gefaßt auf 936 gelingen S. 89
geflochten (flechten) S. 88 -, etwas gelingt jemandem 1021
geflogen (fliegen) S. 88 gelitten (leiden) S. 90
geflohen (fliehen) S. 89 gelogen (lügen) S. 90
geflossen (fließen) S. 89 geloschen (löschen) S. 90
gefochten (fechten) S. 88 gelten S. 89
gefolgt von 108 -, etwas gilt für jemanden oder etwas,
gefroren (frieren) S. 89 von jemandem oder etwas S. 493
gefunden (Anden) S. 88 gelungen (gelingen) S. 89
gegangen (gehen) S. 89 Gelüst oder Gelüsten ? 261
gegen, Präp. mit Akkusativ 579 gelüsten, es gelüstet mich nach etwas u.
- vor Zahlen 560 mich gelüstet nach etwas 846, S. 449
gegenüber, Präp. mit Dativ 578 gemäß, Präp. mit Dativ 578
-, Stellung 1244 Stellung 1244
gegessen (essen) S. 88 -gemäß oder -mäßig ? 735
geglichen (gleichen) S. 89 gemieden(meiden) S. 90
geglitten (gleiten) S. 89 gemocht (mögen) S. 90
geglommen (glimmen) S. 89 gemolken (melken) S. 90
gegolten (gelten) S. 89 gemußt (müssen) S. 90
gegoren (gären) S. 89 gen, Präp. mit Akkusativ 579
gegossen (gießen) S. 89 genannt (nennen) S. 91
gegriffen (greifen) S. 89 genas, genäse (genesen) S. 89
Gehabe oder Gehaben 261 genauso, Konjunktion 598
Gehalt, der / Gehalt, das 203 genauso wie 374
gehangen(hängen)S.89 Gendarm, des Gendarmen 320
gehen S. 89, ZifT. 154 geneigt zu 936
-, gegangen werden ? 108 General, die Generäle oder Generale ? 284
-, es geht gegen, um jemanden oder genesen S. 89
etwas S. 493 genießen S. 89
Geheul oder Geheule ? 261 Genitalien 252
gehoben(heben)S.89 Genius, Plur.: die Genien 289
geholfen (helfen) S. 89 genommen (nehmen) S. 90
gehorchen, jemandem g. 1021 genoß, genösse, genossen (genießen) S. 89
gehören, etwas gehört jemandem 1021 Genosse + Name, Deklination 299
- zu jemandem oder etwas S. 493 genug für 936
gekannt(kennen)S.90 genügen, etwas genügt jemandem 1021
geklommen (klimmen) S. 90 gepfiffen (pfeifen) S. 91
geklungen (klingen) S. 90 gepflogen (pflegen) S. 91
gekniffen (kneifen) S. 90 gepriesen (preisen) S. 91
gekonnt(können)S. 90 gequollen (quellen) S. 91
gekoren (küren) S. 90 geradeso wie 374
gekrischen (kreischen) S. 90 geradestehen für jemanden oder etwas
gekrochen (kriechen) S. 90 S. 493
gelang, gelänge (gelingen) S. 89 geradeswegs oder gerade[njwegs ? 333
gelangen, zu Macht, Ansehen g. S. 493 geradezu, Konjunktion 598
Geläut oder Geläute ? 261 gerannt (rennen) S. 91
Gelee, das oder der ? 202 geraten, etwas gerät jemandem 1021
644 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

Gerätschaften 252 gesessen (sitzen) S. 92


Geräusch / Geräusche 261 gesetzt den Fall, daß 1084
gerieben (reiben) S. 91 Gesicht, Plur.: die Gesichte oder
gerissen (reißen) S. 91 Gesichter ? 272
geritten (reiten) S. 91 gesoffen (saufen) S. 91
gern - lieber - am liebsten 553 gesogen (saugen) S. 91
Gernegroß, die Gernegroße 274 gesonnen (sinnen) 8. 93
gerochen (riechen) S. 91 gesotten (sieden) S. 92
geronnen (rinnen) S. 91 gespie[e]n (speien) S. 93
gerungen (ringen) S. 91 gesplissen (spleißen) S. 93
gesandt (senden) S. 92 gesponnen (spinnen) S. 93
gesandt oder gesendet ? 152 gesprochen (sprechen) S. 93
Geschäftsmann, Plur.: die Geschäftsleute gesprossen (sprießen) S. 93
270 gesprungen (springen) S. 93
geschah, geschähe (geschehen) S. 89 gestanden (stehen) 8. 93
geschehen S. 89 geständig, einer Sache g. sein 932
geschieden (scheiden) S. 91 gestatten, jemandem etwas g. 905
geschieht (geschehen) S. 89 gestiegen (steigen) 8. 93
geschienen (scheinen) S. 91 gestoben (stieben) S. 93
geschissen, (scheißen) S. 91 gestochen (stechen) 8. 93
geschlichen (schleichen) S. 92 gestohlen (stehlen) 8. 93
geschliffen (schleifen) S. 92 gestorben (sterben) S. 93
geschlissen (schleißen) S. 92 gestrichen (streichen) S. 93
geschlossen (schließen) 8. 92 gestritten (streiten) 8. 93
geschlungen (schlingen) S. 92 gestunken (stinken) S. 93
Geschmack, die Geschmäcke oder Ge¬ gesunder oder gesünder ? 376
schmäcker ? 271 gesungen (singen) 8. 92
geschmissen (schmeißen) S. 92 gesunken (sinken) 8. 92
geschmolzen (schmelzen) S. 92 getan (tun) S. 94
geschnitten (schneiden) S. 92 getraue, ich getraue mich oder mir, etwas
geschnoben (schnauben) S. 92 zu tun? 957
geschoben (schieben) S. 91 getrieben (treiben) 8. 93
gescholten (schelten) S. 91 getroffen (trefTen, triefen) S. 93, 8. 94
geschoren (scheren) S. 91 getrogen (trügen) 8. 94
geschossen (schießen) S. 91 getrost 329
Geschrei oder Geschreie ? 261 getrunken (trinken) S. 94
geschrieben (schreiben) 8. 92 Gevatter, des Gevattern oder des Ge¬
geschrie[e]n (schreien) S. 92 vatters ? 258
geschritten (schreiten) S. 92 gewahr, einer Sache oder eine Sache g.
geschrocken (schrecken) S. 92 werden 329, 933
geschunden (schinden) S. 91 gewähren, jemandem etwas g. 905
geschweige daß, Konjunktion 598 gewährleisten, gewährleistet 665
geschwiegen (schweigen) 8. 92 gewandt (wenden) 'S. 94
Geschwister 252 gewandt in 936
geschwollen (schwellen) 8. 92 gewandt oder gewendet ? 152
geschwommen (schwimmen) 8. 92 gewann, gewänne (gewinnen) S. 89
geschworen (schwören) S. 92 gewärtig, einer Sache g. sein 329, 932
geschwunden (schwinden) 8. 92 gewendet oder gewandt ? 152
geschwungen (schwingen) 8. 92 gewesen (sein) S. 92, S. 104
Gesell oder Geselle ? 261 gewichen (weichen) 8. 94
gesendet oder gesandt ? 152 gewiesen (weisen) S. 94
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 645

gewillt sein zu etwas 329 GmbH, die GmbH oder GmbHs ? 312
gewinnen S. 89 Gnom, des Gnomen 320
- an etwas S. 493 gölte (gelten) S. 89
jemanden zu etwas g. S. 449 - oder gälte ? 115
gewiß, einer Sache g. sein 932 Gondoliere, Plur.: die Gondolieri
Gewissensbisse 252, 253 282
gewoben (weben) S. 94 Gonfaloniero, Plur.: die Gonfaionieri oder
gewogen (wägen, wiegen) S. 94 Gonfalonieres ? 282
gewöhnen, jemanden an eine Sache g. Gong, der oder das ? 202
S. 449 gönnen, jemandem etwas g. 905
gewohnt, etwas g. sein 933 göre oder gären würde ? 126,1116
gewönne, gewonnen (gewinnen) S. 89 goß, gösse (gießen) S. 89
geworben (werben) S. 94 graben S. 89
geworden (werden) S. 94 - nach etwas S. 493
geworden oder worden ? 164 gräbst, gräbt (graben) S. 89
geworfen (werfen) S. 94 Graf, des Grafen 320
gewrungen (wringen) S. 94 .gram sein, jemandem g. s. 329
gewunden (winden) S. 94 gratulieren, jemandem 1021
gewunken (winken) S. 94 grauen, es graut mir vor jemandem oder
gewußt (wissen) S. 94 einer Sache 923
geziehen (zeihen) S. 94 -, mir oder mich graut vor jeman¬
gezogen (ziehen) S. 94 dem oder etwas 957
gezwungen (zwingen) S. 94 grauenhaft / grausam / greulich 731
gib I, gibt (geben) S. 89 Graupeln 252
gieren nach jemandem oder etwas S. 493 Graupen 252
gierig nach 936 grausam gegen 936
gießen S. 89 Greif, des Greifs oder des Greifen ? 258
gilt, giltst (gelten) S. 89 -, die Greife oder Greifen ? 268
ging (gehen) S. 89 greifen S. 89
ginge oder gehen würde ? 126,1115 - nach jemandem oder etwas S. 493
Glas, drei Glas oder Gläser ? 244, 248 Gretchen, die Gretchen oder Gretchens ?
glatter oder glätter ? 376 * 296
glauben an jemanden oder etwas S. 493 Gretel, die Gretel oder Gretels ? 296
Glauben oder Glaube ? 261 greulich / grausam / grauenhaft 731
Gläubiger, der / Gläubige, der 367 griff (greifen) S. 89
gleich und gleich 370 Groll gegen oder für (zu) ? 675
gleichen S. 89 grollen, jemandem g. 1021
—, jemandem g. 1021 Großmut gegen oder für (zu) ? 575
gleichgültig gegen 936 größtmöglich 402
gleichwie, Konjunktion 598 grub, grübe (graben) S. 89.
gleichwohl, Konjunktion 595 grübeln über eine Sache S. 493
Gleis oder Geleise ? 261 Grund, der (konkrete und abstrakte
gleiten S. 89 Bedeutung) 176
glich (gleichen) S. 89 Gründonnerstag, des Gründonnerstags
Gliedmaßen 252 oder Gründonnerstag 321
glimmen S. 89 Grüner Donnerstag oder Gründonnerstag ?
glitt (gleiten) S. 89 648
Globus,,des Globus oder Globusses ? 280 Gulasch, des Gulaschs 321
die Globen oder Globusse ? 289 Gummi, das oder der ? 202
glomm, glömme, (glimmen) S. 89 Gurt, der / Gurt[e], die S. 152
glücken, etwas glückt jemandem 1021 gut - besser - best 405
646 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

Gut und Böse 370 - an jemandem oder etwas S. 494


Güte gegen oder für (zu) ? 575 Hanswurst, des Hanswurstes 321
gutes Mut[e]s oder guten Mutes ? 333 harren, jemandes oder eines Dinges h. 957
hart gegen 936
Harz, das /Harz, der 204
H
haschen nach jemandem oder etwas S. 494
Haag oder Den Haag, Gebrauch des Hase, Deklinationstabelle S. 172
Artikels 234 Haspel, die oder der ? 202
haben, Konjugationstabelle S. 105, Haß gegen oder für (zu) ? 575
S. 89, Ziff. 155 hast, hat (haben) S. 89, S. 105
- oder sein in umschriebenen hatte, hätte (haben) S. 89, S, 105
Verbformen 91 f. hätte oder würde haben ? 126
-, Anspruch auf eine Sache h. S. 449 hauen S. 89
-, einen Eindruck von etwas h. S. 449 Haufen oder Haufe ? 261
-, etwas zu tun h. mit jemandem oder heben S. 89
etwas S. 449 Hedschas, Gebrauch mit oder ohne Arti¬
-, Grund, Anlaß, Veranlassung, Kraft, kel ? 234
Recht zu etwas h. S. 449 Hehl, das oder der ? 202
habgierig nach 936 Heide, die / Heide, der 204
habhaft, einer Sache h. werden Heiliger Abend, des Heiligen Abends 321
329, 932 Heiliger Abend oder Heiligabend ? 648
Häcksel, das oder der ? 202 heimfahren, fährt heim 677
Haff, die Haffs oder Haffe ? 274 heißen S. 89
-haft, Adjektivsufflx 731, 734 -, (= befehlen), jemanden oder jeman¬
halb, Deklination 357, 539 dem etwas heißen ? 967
-halb[en], Adverbialsuffix 755 -, mit a. c. i. 922
halb - halb, Konjunktion 593 -, mit reinem Infinitiv 1041
halber, Präp. mit Genitiv 577 -, mit Gleichsetzungsnominativ 808
-, Stellung 1244 -, mit Gleichsetzungsakkusativ 919
halbjährig oder halbjährlich ? 731 -heit, geschlechtsbestimmende Ablei¬
half, hälfe (helfen) S. 89 tungssilbe S. 146, 710,711
hälfe oder hülfe? 115 Held, des'Helden 320
Halfter, die, der oder das ? 202 helfen S. 89
hält, hältst (halten) S. 89 -, das hilft mir oder mich nichts ? 957
halten S. 89 -, jemandem h. 1021
- auf etwas S. 493 -, mit Infinitiv 1041
-, an sich h. S. 493 Hemd oder Hemde ? 261
-, Ausschau h. nach jemandem oder her oder hin ? 565
etwas S. 449 herauslesen, etwas aus etwas h. S. 449
-, etwas von jemandem h. S. 449 hereinbrechen, etwas bricht über jeman¬
-, jemanden oder etwas für jemanden den oder etwas herein S. 494
oder etwas h. S. 449 herfallen über jemanden oder etwas S. 494
Hammel, die Hammel oder Hammel ? 208 hergeben, gibt her 670
Hämorrhoiden 252 -, seinen Namen, sein Geld für
-hand, Adverbialsuffix 755 etwas h. S. 449
Händel 252 hernach, Konjunktion 593
handeln an jemandem, über jemanden Herr + Name, Deklination 299-303
oder etwas, von jemandem oder etwas herrschen über jemanden oder etwas S.494
S. 493 herum oder umher ? 566
Handvoll, drei Handvoll 244 Herz oder Herze ? 201
hängen S. 89 herziehen über jemanden oder etwas S. 494
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 647

hieb (hauen) S. P9 hülfe (helfen) S. 89


hielt (halten) S. 89 - oder hälfe? 115
hieß (heißen) S. 89 - oder helfen würde ? 126,1115
hilf I, hilft (helfen) S. 89 hundert 526
Himalaja, des Himalaja oder Himalajas ? Hundert 533
306 hundertundein, Deklination des folgenden
hin oder her ? 565 Substantivs 250
hinausgehen, es geht aufs gleiche hinaus hungern, es hungert mich und mich hun¬
S. 494 gert 846
hinauslaufen, es läuft aufs gleiche hinaus - nach etwas S. 494
S. 494 hungrig nach 936
hinausreden, sich h. auf jemanden oder Hurra, Deklinationstabelle S. 172
etwas S. 494 Hut, der / Hut, die 203
hinbringen, etwas mit etwas h. S. 449 hüten, sich h. vor jemandem oder etwas
hindern, jemanden an einer Sache h. S. 449 S. 494
hing (hängen) S. 89
hingegen, Konjunktion 595
hinsichtlich, Präp. mit Genitiv 577 I
hinter, Präp. mit Dativ und Akkusativ
580 -ian, Substantivsuffix 723
hinterm (hinter dem) 236 -ich, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
hinters (hinter das) 236 silbe S. 146
hinwieder[um], Konjunktion 595 ich, Deklination 422, 424, 426, 428
hinwcisen, jemanden auf jemanden oder -, Auslassung 1170
etwas h. S. 449 -icht, geschlechtsbestimmende Ablei¬
Hinzu kommt, daß . . . 671 tungssilbe 692, S. 148
Hirt oder Hirte ? 261 -icht, Adjektivsufflx 727
Hirt, des Hirten 320 '-id, Substantivsuffix 716
hob, höbe(heben)S.89 Iden 252
Hoch, Plur.: die Hochs 274 Idyll, das / Idylle, die S. 152
hoch - höher - höchste 405 -ie, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
hoch und niedrig (jedermann) 370 silbe 716, S. 147
hochachten, achtet hoch 676 -ie, [ . . . i-], geschlechtsbestimmende Ab¬
hochheben, hebt hoch 676 leitungssilbe S. 147
hochschätzen, schätzt hoch 676 -ie, Suffix 716
hoffen auf etwas oder jemanden S. 494 -ier [ . . . rr], geschlechtsbestimmende
Hoffnung auf oder in 575 Ableitungssilbe S, 146
hohnlachen, lacht hohn 677 -ier [. .. ie*], geschlechtsbestimmende
Holunder, des Holunders 321 Ableitungssilbe S. 146
Honneurs 252 -[i]ere geschlechtsbestimmende Ablei¬
Honoratioren 252 tungssilbe S. 147
hören, mit a. c. i. 165, 922 -ieren, Verbalsuffix 702, 748, 781
- auf jemanden, von jemandem oder -ig, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
etwas S. 494 silbe S. 146
-, etwas von jemandem oder etwas über -ig, Adjektivsufflx 712, 729, 731, 760, 761
jemanden oder etwas h. S. 449 -ig oder -lieh ? 731
Hosenträger 262, 253 -igen, Verbalsufflx 746, 781
Hospital, die Hospitäler oder Hospitale ? -igkeit, Substantiivsufflx 712
282 ihr, Deklination 441
hub, hübe (heben) S. 89 -ik, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
huldigen, jemandem h. 1021 silbe S. 147
648 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

-iker, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬ interessieren, jemanden an einer Sache


silbe 723, S. 146 oder für eine Sache4. S. 449
-ikus, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬ -, sich i. für jemanden oder etwas S. 494
silbe 723, S. 146 interessiert an 936
-il, Substantivsufflx 716 intrigieren gegen jemanden S. 494
-ille, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬ Invalide, Deklination 367
silbe S. 147 inwiefern, Konjunktion 598
Illustrierte, Deklination 368 -ion, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
?m (in dem) 236 silbe 702, S. 147
im Fall[e], Konjunktion 599 Irak, Gebrauch mit oder ohne Artikel ? 234
im Fall[e], daß 1084 Iran, Gebrauch mit oder ohne Artikel ? 234
immer + Komparativ 403 irgendwelcher 520
Immobilien 252 -, Deklination des folgenden Adjektivs
Imponderabilien 252 342
Importe, die / Import, der S. 152 irre 329
Importen 252, 253 irreführen, führt irre 676
in, Präp. mit Dativ und Akkusativ 580, -isch, Adjektivsuffix 730, 762
581,8.313 -isieren, Verbalsuffix 748, 781
in 1948 Ziff. 534 -ismus, geschlechtsbestimmende Ablei¬
-in, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬ tungssilbe 716, S. 146
silbe 725, S. 146 iß I, ißt (essen) S. 88
-in, Suffix in Fremdwörtern S. 148, -isse, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
Ziff. 716 silbe S. 147
[insofern, Konjunktion 598 -ist, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
[injsoweit, Konjunktion 698 silbe 723, S. 146
Inch, drei Inch oder Inches ? 245 ist (sein) S. 104
indem, Konjunktion 597, 599 -it, Substantivsufflx 716
indes, Konjunktion 595 -[i]tät, geschlechtsbestimmende Ablei¬
indessen, Konjunktion 595, 597 tungssilbe S. 147
Index, des Index oder Indexes ? 280 -itis, geschlechtsbestimmende Ablei¬
die Indizes oder Indexe ? 282 tungssilbe 716, S. 147
-ine, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬ -[i]um, geschlechtsbestimmende Ablei¬
silbe 8.147 tungssilbe S. 148
Infinitiv mit oder ohne ,,zu“ ? 1041 -ive, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
Infinitiv mit „um . . . zu“ 1041,1086 silbe S. 147
infolge, Präp. mit Genitiv 577, 323, S. 312 -izismus, Substantivsuffiix 716
infolgedessen, Konjunktion 599
-ing, Substantivsufflx 720 J
Ingredienzien 252
inklusive, Präp. mit Genitiv 577, 583, 323 ja, Konjunktion 593, 598, 699
inmitten, Präp. mit Genitiv 577 Jahreszahl [1948] 634
Inn, des Inn oder Inns ? 306 -jährig oder -jährlich ? 731
innehaben, hat inne 672 jammern über jemanden oder etwas S. 494
Innere, Deklination 369 Januar, des Januar oder Januars ? 318
innerhalb, Präp. mit Genitiv 577, S. 305 Jasmin, des Jasmins 321
ins (in das) 236 je anstelle pro 583
Insignien 252 je - desto 598,1082
insofern, als 1081 je - je 598
interessant für 936 je nachdem 598
Interesse, des Interesses 321 je-um so 598,1082
- für oder an ? 575 je, vor Zahlen 540
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 649

jeder, jede, jedes 502 Karussell, die Karussells oder Karusselle ?


-, Deklination des folgenden Adjektivs 283
331 Kasperle, das oder der ? 202
-, j. oder all- ? 493 Kasten, die Kästen oder Kasten ? 268
jedermann 503 Kasus, Plur.: die Kasus 279, 289
jedesmalig] 542 Katakomben 252, 253
jedoch 595 Katapult, der oder das ? 202
jedweder 504 Katheder, der oder das ? 202
jeglicher 505 kaum daß 598
jener, jene, jenes 458-403 kehren, sich k. an jemanden oder etwas
jemand 506 ' S. 494
Jemen, Gebrauch mit oder ohne Artikel ? Kehricht, der oder das ? 202
234 kein 507
jenseits, Präp. mit Genitiv 577 Deklination des folgenden Adjektivs
Jesus Christus, Deklination 293 331,365
jubeln über jemanden oder etwas S. 494 keiner als 378
Juchten, der oder das ? 202 -keit, geschlechtsbestimmende Ablei¬
jucken 882 tungssilbe 710, 712, S. 147
Jugend, die (konkrete und abstrakte Keks, der oder das ? 202
Bedeutung) 176 kennen S. 90
Juli, des Juli oder Julis ? 318 Kerl, die Kerle oder Kerls ? 275
jung, von jung auf 370 Kiefer, der / Kiefer, die 204
Junge, der /Junge, das 203 kielholen, kielholte 665
Junge, die Jungen, Jungs oder Jungens ? Kindesmutter oder Kindsmutter ? 644
274, 275 Kinkerlitzchen 252
.1 uni, des Juni oder Junis ? 318 Klafter, die, der oder das ? 202
Jura (das Jus) 252, 253 , Klage gegen oder über jemanden 575
J uwel, die Juwelen oder Juwele ? 286 klagen, jemandem etwas k. 905
Jurist, des Juristen 320 - über jemanden oder etwas S„ 494
klang, kläpge (klingen) S. 90
kleiden, das kleidet dich oder dir gut ?
K 915, 957
klein und groß (jedermann) 370
-k-, Suffix 724 klein, von k. auf 370
Kaffee, der /Kaffee, das 203 Kleinod, die Kleinode oder Kleinodien ?
Kaffee, des Kaffees 321 276
Kakerlak, des Kakerlaks oder Kaker¬ klingeln, jemandem oder nach Jemandem
laken ? 279 k. 957
Kaktus, Plur.: die Kakteen 289 klingen S. 90
Kaldaunen 252, 253 Klima, des Klimas 321
kam, käme (kommen) S. 90 die Klimate 288
käme oder würde kommen ? 120,1115 kiimmen S. 90
Kamerad, des Kameraden 320 klipp und klar sein 329
kämpfen um, für jemanden oder etwas klomm, klömme (klimmen) S. 90
S. 494 -, er klopfte mich oder mir auf die
kannte (kennen) S. 90 • Schulter ? 927
karger oder kärger ? 376 Klosett, die Klosetts oder Klosette ? 283
Karre, die /Karren, der S. 152 Kloster, Deklinationstabelle S. 172 .
Kartoffel, die Kartoffeln oder Kartoffel ? Klotz, die Klötze oder Klötzer ? 271
276 Klunker, die oder der ? 202
Karton, die Kartons oder Kartone ? 283 Knäuel, der oder das ? 202
650 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

kneifen S. 90 Kosten 252


er hat mich oder mir in den Arm Koteletten (Backenbart) 252
gekniffen? 927 kraft, Präp. mit Genitiv 577
Knick, die Knicke oder Knicks ? 274 Kraft, Deklinationstäbelle S. 172
kniff (kneifen) S. 90 Kragen, die Kragen oder Kragen ? 268
Knolle, die / Knollen, der ? S. 152 Kran, die Kräne oder Krane ? 268
knüpfen, etwas an eine Sache k. S. 449 krank an 936
Knust, die Knuste oder Knüste ? 268 Kredit, der / Kredit, das 203
Kohl-, Kohle- oder Kohlen- in kreischen S. 90
Zusammensetzungen ? 645 kriechen S. 90
Kokette, Deklination 367 krisch (kreischen) S. 90
Kolleg, die Kollegien oder Kollegs ? 288 Kristall, der / Kristall, das 203
Kollege -|- Name, Deklination 299-303 kroch, kröche (kriechen) S. 90
Kollektaneen 252 Krokus, die Krokus oder Krokusse ? 289
Kollektiv, die Kollektive oder Kollektivs ? krummer oder krümmer ? 376
283 kümmern, sich k. um jemanden oder etwas
Koller, das / Koller, der 204 S. 494
Kolli oder Kollis ? 285 Kunde, der / Kunde, die 203
Komet, des Kometen 320 kundgeben, gibt kund 676
Komitee, des Komitees 321 kundig, einer Sache k. sein 932
Komma, die Kommas, Kommata oder kündigen, eine Sache, aber jemandem k.
Kommatas ? 288 957
Kommandant, des Kommandanten 320 -, die Arbeiter wurden gekündigt ? 108
kommen S. 90 Kumpel, die Kumpel oder Kumpels ? 275
-, zu einer Sache, auf, um eine Sache k. küren S. 90
S. 494 kurzarbeiten 741
Kompromiß, der oder das ? 202 kurzschließen 741
kondolieren, jemandem k. 1021 Kurzwaren 252
konfrontieren, jemanden mit jemandem k. Kutteln 252
S. 449
Kongo, des Kongo oder Kongos ? 306 L
Konkretum, Plur.: die Konkreta 282
Koiikurrent, des Konkurrenten 320 -1-, Suffix 701, 719, 724
könne 118 lachen über jemanden oder etwas S. 494
können S. 90,118,157 lacken oder lackieren ? 748
-, mit Infinitiv 165,1011 Laden, die Läden oder Laden ? 268
konnte (können) S. 90 laden S. 90
könnte 118 -, jemanden zu Gast 1. S. 449, 919
Konsorten 252 lädst, lädt (laden) S. 90
Konto, die Konten, Konti oder Kontos ? lag, läge (liegen) S. 90
288 Lager, die Lager oder Läger ? 268
konzentrieren, sich k. auf jemanden oder Lakai, des Lakaien 320
etwas S. 494 Lama, das / Lama, der 204
Konzil, die Konzilien oder Konzile ? 288 Lamm, Deklinationstabelle S. 172
kor, köre (küren) S. 90 Lampion, der oder das ? 202
Kork oder Korken ? 261 Land, die Länder oder Lande ? 272
Korporal,' die Korporale oder Korporale ? Ländereien 252
284 längs, Präp. mit Genitiv 577, S. 306
korrespondieren mit jemandem S. 494 längsseits, Präp. mit Genitiv 577
kosten, die Sache kostet mich oder mir viel Langweile, aus Langweile oder aus
Geld? 920, 921,957 Langerweile ? 615
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 651

las, läse (lesen) S. 90 -leute oder -männer in Zusammen¬


lassen S. 90 setzungen ? 270
mit a. c. i. 165, 922 Leutnant, die Leutnants oder Leutnante ?
jemandem etwas 1. 905 283
- von jemandem oder etwas S. 494 Lexikon, die Lexika oder Lexiken ? 288
Lasso, der oder das ? 202 -lieh, Adjektivsuffix 712, 730, 731,
läßt (lassen) S. 90 761, 762
laufen S. 90 -lieh oder -bar ? 731
läufst, läuft (laufen) S. 90 -lieh, Adverbialsuffix 75J
lauschen, jemandem 1.1021 Licht, die Lichte oder Lichter ? 272
laut, Präp. mit Genitiv 577, 323, S. 306, lieb, etwas ist mir lieb 928
S. 314 Liebe zu oder für ? 575
lauter, lauterer oder lautrer ? 332 lieben, Konjugationstabelle 76
-le, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬ lieber - am liebsten 553
silbe S. 148 liebkosen, geliebkost und liebkost 163
Lebehoch, die Lebehoch oder Lebe¬ -, liebkoste 665
hochs ? 274 lief (laufen) S. 90
Lebensmittel 252, 253 liefern, etwas an oder für jemanden oder
Lebewohl, die Lebewohl oder Lebewohls ? etwas 1. S. 449
274 -, jemandem etwas 1. 905
lechzen nach etwas S. 494 liegen S. 90
ledig, einer Sache 1. sein 932 -, ich bin oder habe gelegen ? 92
legen, Wert 1. auf eine Sache S. 449 -, es liegt jemandem an etwas 923,
lehren, mit Infinitiv 1041 S. 494
-, jemanden oder jemandem etwas 1. ? -, etwas liegen haben oder zu liegen
920, 921, 957 haben ? 1041
- oder lernen ? 921 lieh (leihen) S. 90
Lehrer, Deklinationstabelle &. 172 lies!, (lesen) S. 90
-lei, Suffix 543, 754 ließ (lassen) S. 90
Leib, Deklinationstabelle S. 171 liest (lesen) S. 90
leid, etwas ist mir leid 928 -ling, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
leiden S. 90 silbe 700, 709, 720, S. 146
- an, unter jemandem oder etwas S. 494 -lings, Adverbialsufflx 753
leihen S. 90 Linke, Deklination 369
-, jemandem etwas 1. 905 lisch!, lischt (löschen) S. 90
-lein, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬ Liter, das öder der ? 202
silbe S. 148, 724 litt (leiden) S. 90
leisten, jemandem etwas 1. 905 lobhudeln, lobhudelte 665
Leiter, die /Leiter, der 204 log, löge (lügen) S. 90
lenken, Aufmerksamkeit 1. auf jemanden löge oder lügen würde ? 126,1115
oder etwas S. 449 lohnen, es lohnt die oder der Mühe
Leopard, des Leoparden 320 884, 957
-ler, Substantivsufflx 719 los, eine Sache 1. haben oder 1. sein ? 933
lernen, mit Infinitiv 1041 losch (löschen) S. 90
- oder lehren ? 921 löschen S. 90
-, etwas aus etwas 1. S. 449 losfahren, fährt los 676
lesen S. 90 loskommen von jemandem oder etwas
-, von jemandem oder etwas, über eine S. 494
Sache 1. (= vortragen) S. 494 loslassen, läßt los 676
letzterer, ersterer - letzterer 390 Löwenzahn, des Löwenzahns 321
Leute 252 lud, lüde (laden) S. 90
652 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

Lüge, die /Lug, der S. 152 Mark, die / Mark, das 204
lügen S. 90 -, die Mark oder Märker ? 271
Lump, des Lumpen oder Lumps ? 258 Marsch, der / Marsch, die 204
Lump/Lumpen 261 März, des März, Märzes oder Märzen ?
258,318
maschineschreiben 677.
M Masern 252
-m-, Suffix 692 maß (messen) S. 90
-ma, geschlechtsbestimmende Wort¬ Maß, das / Maß, die 203
endung S. 148 -maßen, Adverbalsufflx 755
machen, mit a. c. i. 165, 922 -mäßig oder -gemäß ? 735
einen Besuch m. bei jemandem S. 449 Mast, die / Mast, der 204
-, einen Vers, m. auf eine Sache S. 449 Mast, der, Plur.: die Masten oder Maste ?
-, Gebrauch m. von etwas S. 449 276
-, jemanden oder etwas zu jemandem Match, der oder das ? 202
oder etwas m. S. 449 meditieren über eine Sache S. 494
-, jemanden oder jemandem bange, heiß mehr - am meisten 553
m. 915, 957 -, Umschreibung des Komparativs beim
-, sich m. an jemanden oder etwas S. 494 Adverb 553
Machenschaften 252, 253 -, vor der Grundstufe eines Adjektivs
Machinationen 252, 253 383, 384
mächtig, einer Sache m. sein 932 - als + Grundstufe eines Adjektivs 401
Mädchen, die Mädchen oder Mädchens ? - und mehr 403
275 mehrere 511
Mädel, die Mädel oder Mädels ? 275 -, Deklination des folgenden Adjektivs
mag (mögen) S. 90 344, 365
Magen, die Magen oder Mägen ? 268 mehrmalig 542
Magnet, des Magneten oder Magnets ? 279 mehrmals 542
die Magneten oder Magnete ? 279 meiden S. 90
magst (mögen) S. 90 mein, Deklination 441, 449
mähdreschen 666 meinen, mit a, c. i. 922
Mai, der / Maie, die / Maien, der S. 153 melden, jemandem etwas m. 905
des Mai, Mai[e]s oder Maien ? 258, 318 melken S. 90
makaber, makabrer oder makaberer ? 332 Memoiren 252
Mal, das erste Mal oder das erstemal ? 542 Mensch, Deklinationstabelle S. 172
-, die Mäler oder Male ? 267 der / Mensch, das 203
-mal, Suffix 542, 755 -, die Menschen oder Menscher ? 276
man 508 -ment, geschlechtsbestimmende Ablei¬
mancher 509, 510 tungssilbe S. 148
-, Deklination des folgenden Adjektivs -ment [ .. . ma**], geschlechtsbestimmen¬
343, 365 de Ableitungssilbe S. 148
mancherlei, was 1067 merken, mit a. c. i. 922
manches, was 1067 - auf jemanden oder etwas S. 494
Manen 252 messen S. 90
Mangel, der / Mangel, die 204 Messer, das / Messer, der 204
mangels, Präp. mit Genitiv 577 Meteor, der oder das ? 202
Mann, Plur.: die Männer, Mannen, Mann Meter, der oder das ? 201, 202
270 mied (meiden) S. 90
-, drei Mann 244 Milde gegen oder für (zu) ? 575
-männer oder -leute in Zusammen¬ milk!, milkt (melken) S. 90
setzungen ? 270 Milliarde 533
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 653

Million 533 Mündel, der, das oder die ? 202


Mineral, die Mineralien oder Minerale ? 288 munden, etwas mundet jemandem 1021
minimal, minimalste 407 Münster, das oder der ? 202
miß! (messen) S. 90 Musikalien 252
miß-, Präfix 769, 7$4 Musikus, die Musiker oder Musizi ? 289
mißbrauchen, jemanden oder etwas zu Muskel, die Muskeln oder Muskel ? 276
etwas m. S. 449 . muß (müssen) S. 90
mißfallen, jemandem m. 1021 müssen 118,157, S. 90
Mißhelligkeiten 252, 253 -, mit Infinitiv 166,1011
mißlang, mißlänge (mißlingen) S. 90 mußt, mußte (müssen) S. 90
mißlingen S. 90 Mutti, Deklinationstabelle S. 172
-, etwas mißlingt jemandem 1021 Mutter, Deklinationstabelle S. 172
mißlungen (mißlingen) S. 90 -, die Mütter und Muttern 269
mißraten, etwas mißrät jemandem 1021
mißt (messen) S. 90
mißtrauen, jemandem m. 1021 N
Mißtrauen gegen oder für (zu) ? 575
mißtrauisch gegen 936 nach, Präp. mit Dativ 578, S. 313
mit, Präp. mit Dativ 578 Stellung 1244
mitbringen, etwas für jemanden oder Nachbar, des Nachbars oder Nachbarn ?
etwas m. S. 449 258
mithin, Konjunktion 599 nachdem, Konjunktion 597,1078
mitsamt, Präp. mit Dativ 578 nachdenken über jemanden oder etwas
mitteilen, jemandem etwas m. 905 S. 494
mittels[t], Präp. mit Genitiv 577, 323, nacheifern, jemandem n. 1021
S. 306 nachgeben, jemandem n. 1021
mit wirken bei, an einer Sache S. 494 Nachlaß, die Nachlässe oder Nachlasse ?
Möbel 252, 253 268
Mobilien 252 nachlaufen, jemandem n. 1021
mochte, möchte (mögen) S. 90 nächst, Präp. mit Dativ 578
Modus, Plur.: die Modi 289 nachsuchen um etwas S. 494
mögen 118,157, S. 90 nachteilig, etwas ist mir nachteilig 928
-, mit Infinitiv 165,1011 - für 936
möglichst [bald] 402 Nachwehen 252
- 4- Grundstufe eines Adjektivs 402 nahe - näher - nächste 405
Mohr, des Mohren 320 nahe, jemand ist mir nahe 928
Molesten 252 nahen, jemandem oder einer Sache n. 1021
molk, mölke (melken) S. 90 nähern, sich jemandem n. 1021
Moment, der / Moment, das 203 nahm, nähme (nehmen) S. 90
Moneten 252 Name oder Namen ? 261
Montag, am Montag, dem oder den namens, Präp. mit Genitiv 677
24. April ? 989 nämlich, Konjunktion 699
Morast, die Moraste oder Moräste ? 284 nannte (nennen) S. 91
Mores 252 Narr, des Narren 320
Motor, die Motoren oder Motore ? 288 nasführen, nasführte 665
müde von 936 nasser oder nässer ? 376
-, einer Sache oder von einer Sache m. Naturalien 252
sein 933, 935 'nauf (hinauf) 667
Muff, der /Muffe, die S. 153 'naus (hinaus) 557
multiplizieren, eine Zahl mit einer anderen neben, Präp. mit Dativ und Akkusativ 580
m. S. 449 nebst, Präp. mit Dativ 578
654 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

necken, jemanden mit jemandem oder nützen, das nützt mir nichts 957
etwas n. S. 449 nützlich, das ist ihm nützlich 928
nehmen S. 90 - für 936
jemandem etwas n. 905
—, Notiz von jemandem oder etwas n.
O
S. 449
Rücksicht auf jemanden oder etwas n. ob, Konjunktion 600,1068,1069,1072
S. 449 ob, Präp. 578, S. 306
neidisch auf 936 Obelisk, des Obelisken 320
neigen zu etwas S. 494 oberhalb, Präp. mit Genitiv 577
Neigung zu oder für ? 575 Oberst, Deklination 258, 367
’nein (hinein) 557 obgleich 599,1087
nennen S. 91 obschon 599,1087
mit Gleichsetzungsakkusativ 919 obwohl 599,1087
-ner, Substantivsufflx 719 obzwar 599
Neutrum, Plur.: die Neutra oder Ochs, des Ochsen 320
Neutren ? 288 oder 594, S. 323
nicht - noch 604 offenbaren, jemandem etwas o. 905
nicht nur - sondern'auch 593,1165 oft, öfter, am öftesten 553
nichts 512 öfters 553
- als 378 Ohm, der / Ohm, das 204
was 1067 -, des Ohm oder Ohms ? 291
—[s] weniger als 379 öhmd, des öhmd[e]s 321
nichtsdestoweniger 595 ohne, Präp. mit Akkusativ 579, S. 307
Nickel, der /Nickel, das 203 ohne daß 598
niederlassen, sich auf dem oder auf das Ohr, Deklinationstabelle S. 173
Sofa n. ? 580 Oktober, des Oktober oder Oktobers ? 318
Niederschläge 252 \ -ol, Substantivsuffix 716
niemand 506, 512 opfern, jemandem etwas o. 905
- als 378 -or, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
Niet, der /Niete, die ? S. 153 silbe S. 146
Nil, des Nil oder Nils ? 306 orientieren, jemanden über jemanden oder
nimm!, nimmt (nehmen) S. 90 etwas o. S. 449
-nis, Substantivsüffix 696, 707 Ort, der / Ort, das 203
nobel, nobeler oder nobler? 332 -ose, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
Nord oder Norden ? 261 silbe S. 148
not tun 329 Ostern 252, 253
Noten (Notenbücher) 252 Otter, der / Otter, die 204
nötigen, jemanden zu etwas n. S. 449
November, des November oder Novem¬
P
bers? 318 v
’nüber (hinüber) 557 paar 512
nun, Konjunktion, 597 Pack, der / Pack, das 203
nun [da], Konjunktion 599 paddeln, ich bin oder habe gepaddelt ? 92
'nunter (hinunter) 557 Pandekten 252
Nuntius, Plur.: die Nuntien 289 Pantoffel, die Pantoffeln oder Pantoffel ?
nur, Konjunktion 595 276
nur daß, Konjunktion 598 Papa, des Papas 321
Nutz oder Nutzen ? 261 Papagei, des Papageis oder Papageien ?
nutzen, jemandem n. 1021 279
nützen, jemandem n. 1021 -, die Papageie oder Papageien ? 279
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 655

Papyros, Plur.: die Papyrosy 282 Primat, der oder das ? 202
Paragraph, des Paragraphen 320 Prinz, des Prinzen 320
Parallele, Deklination 368 Prinzip, die Prinzipien oder Prinzipe ? 288
Park, die Parks oder Parke ? 283 pro 583
Partisan, des Partisanen oder Partisans ? probeschreiben 677
279 Pronomen, die Pronomina oder Pro¬
passen zu jemandem oder etwas S, 494 nomen ? 279, 282
passend für 936 protestieren gegen jemanden oder etwas
Passiva 252 S. 494
Pastor, die Pastoren oder Pastöre ? 288 Protz, des Protzes oder Protzen ? 258
Patient, des Patienten 320 Puff, die Püffe oder Puffe ? 268
Peloponnes, des Peloponnes oder Pelo¬ punkto 583
ponneses ? 306 Punktschweißen 677
Penaten 252 Pusteln 252, 253
per, Präp. mit Akkusativ 579, 583
Perpendikel, der oder das ? 202 Q
Personalien 252
Pfaff, des Pfaffen 320 Quader, der oder die ? 202
pfeifen S. 91 Quaste, die / Quast, der S. 153
Pfennig, drei Pfennig oder Pfennige ? Quelle, die / Quell, der S. 153
244, 248 quellen S. 91
pfiff (pfeifen) S. 91 quill!, quillt (quellen) S. 91
Pfingsten 252, 253 Quinquillion, Quintillion 526
pflegen S. 91 Quisquilien 252
-, Rat pf. 957 quitt sein 329
Pflichtteil, der oder das ? 202 quoll, quölle (quellen) S. 91
pflog (pflegen) S. 91 •
Pflugschar, die oder das ? 202 R
Pfropf / Pfropfen 261
Pfund, drei Pfund 244 rächen, sich r. an jemandem oder etwas
philosophieren über eine Sache S. 494 für etwas S. 494
Pier, die Piers oder Piere ? 274 Radar, der oder das ? 202
PKW, die PKW oder PKWs ? 274, 312 radfahren 741
plagen, jemanden mit etwas p, S. 449 radschlagen 741
Plaid, der oder das ? 202 'ran (heran) 557
pochen auf eine Sache S. 494 rang, ränge (ringen) S. 91
Pocken 252 Ränke 252
Podest, das oder der ? 202 rann, ränne (rinnen) S. 91
polemisieren gegen jemanden oder etwas ränne oder rönne ? 116
S. 494 rannte (rennen) S. 91
Porto, die Porti oder Portos ? 282 rät, rätst (raten) S. 91
Posse, die / Possen, der S. 153 raten S. 91
Prahlhans, des Prahlhanses oder Prahl¬ -, jemandem etwas r. 905
hänsen ? 258 rational oder rationefl ? 736
Präliminarien 252 Ratte, die / Ratz, der S. 153
Prämiensparen 741 rauben, jemandem etwas r. 905
präsidieren bei etwas S. 494 'rauf (herauf) 557
preisen S. 91 'raus (heraus) 557
preisgeben, gibt preis 677 Ratz, der / Ratte, die S. 153
Pretiosen 252 reagieren auf eine Sache S. 494
pries (preisen) S. 91 Recherchen 252, 253
656 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

rechnen auf jemanden oder etwas, mit Röhre, die /Rohr, das S. 153
jemandem oder etwas S. 494 rönne oder ränne ? 115
recht und billig 329 Roß, die Rosse oder Rösser ? 271
Rechte, Deklination 369 Röteln 252
rechtfertigen, etwas mit etwas r. S. 449 röter oder roter ? 376
redsingen 666 'rüber (herüber) 557
referieren über eine Sache S. 494 Rücksicht auf oder für ? 575
reflektieren auf jemanden oder eine Sache rücksichtlich, Präp. mit Genitiv 577
S. 494 rudern, ich bin oder habe gerudert ? 92
Regent, des Regenten 320 rufen S. 91
Regiment, die Regimenter 282 er ruft mich oder mir ? 882, 957
reiben S. 91 Ruine, die /Ruin, der S. 153
reich an 936 ’rum (herum) 557
reichen, jemandem etwas r. 905 rumpeln, der Wagen ist oder hat
Reif / Reifen 261 gerumpelt ? 92
reimeh, das reimt sich auf dieses Wort rümpfen, die Nase über jemanden oder
S. 494 etwas r. S. 449
’rein (herein) 557 ’runter (herunter) 557
reines Herzens oder reinen Herzens ? 333 runzeln, die Stirn über jemanden oder
Reis, der / Reis, das 204 etwas r. S. 449
Reisender, Deklination 369
S
reißen S. 91
reiten S. 91 -s-, Fugenzeichen 636-639
ich bin oder habe geritten ? 92 -s, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
rennen 118, S. 91 silbe 692, S. 146
Repressalien 252, 253 . -s, Adverbsufflx 752, 763
Reptil, die Reptilien oder Reptile ? 288 Sack, drei Sack oder Säcke ? 244, 248
Rest, die Reste, Resten oder Rester ? 272 sagen, etwas über jemanden oder etwas s.
resultieren aus etwas S. 494 S. 449
Rhinozeros, des Rhinozeros oder Rhino¬ jemandem oder zu jemandem etwas
zerosses ? 280 s. 905, 957
Rhythmus, die Rhythmen 289 sah, sähe (sehen) S. 92
'•rieh, Substantivsufftx 721 -sal, Substantivsufftx 701
richten, etwas an jemanden r. S. 449 Salbei, der oder die ? 202, 321
rieb (reiben) S. 91 -sam, Adjektivsufflx 712, 731, 732
riechen S. 91 Samen oder Same ? 261
- nach etwas S. 494 Sämereien 252, 253
rief (rufen) S. 91 samt, Präp. mit Dativ 578
riet (raten) S. 91 sämtlich 513
riete oder raten würde ? 126,1115 Deklination des folgenden Adjektivs
Rigi, des Rigi oder Rigis ? 306 345, 365
Rinderbraten oder Rindsbraten ? 644 sandte (senden) S. 92
ringen S. 91 sandte oder sendete ? 152
- um jemanden oder etwas S. 494 sang, sänge (singen) S. 92
rinnen S. 91 sank, sänke (sinken) S. 92
Risiko, die Risiken oder Risikos ? 288 sann, sänne (sinnen) 3. 93
riß (reißen) S. 91 sänne oder sönne ? 115
ritt (reiten) S. 90 saß, säße (sitzen) S. 93
Ritze, die / Ritz; der S. 153 satt, eine Sache s. haben oder sein ? 933
roch (riechen) S. 91 einer Sache oder von einer Sache s.
rodeln, ich bin oder habe gerodelt ? 92 sein 933
Register für Zweifelsfragen 657

Saturnalien 252 schieben S. 91


Satyr, des Satyrs oder Satyrn ? 279 schied (scheiden) S. 91
Sau, die Säue und Sauen 269 schien (scheinen) S. 91
saufen S. 91 schießen S. 91
säufst, säuft (saufen) S. 91 -, er hat mich oder mir ins Bein
saugbohnern 666 geschossen ? 927
saugen S. 91 Schiffbau oder Schiffsbau ? 641
schade sein 329 Schild, der / Schild, das 203
schaden, jemandem sch. 1021 -, die Schilde oder Schilder ? 272
Schaden oder Sch. ? 261 Schilling, drei Schilling oder Schillinge ?
schädlich für 936 248
etwas ist mir sch. 928 schilt!, schiltst (schelten) S. 91
Schaf, Deklinationstabelle S. 172 schimpfen auf, über jemanden oder etwas
schaffen S. 91 S. 494
-schaft, geschlechtsbestimmende Ablei¬ mit Gleichsetzungsakkusativ 919
tungssilbe 710, 713, S. 147 schinden S. 91
schallen S. 91 schiß (scheißen) S. 91
schalt (schelten) S. 91 schlafen S. 91
schämen, sich einer Sache oder wegen schläfst, schläft (schlafen) S. 91
einer Sache sch. 575,885 schlagen S. 92
sich sch. vor jemandem, wegen etwas -, er schlägt mir oder mich auf die Schul¬
S. 494 ter ? 927
-, sich sch. wegen oder über . Schlagetot, die Schlagetots 274
etwas ? 575 schlägst, schlägt (schlagen) S. 92
Schar, die oder das ? 202 schlang, schlänge (schlingen) S. 92
schaudern, mir oder mich schaudert vor schleichen S. 92
vor jemandem oder etwas 957 schleifen S. 92
-sehe, geschlechtsbestimmendes Suffix 725 schleißen S. 92
Scheck, die Schecks oder Schecke ? 283 schleppstarten 741
Scheck/Schecke (scheckiges Pferd) 261 schlich (schleichen) S. 92
scheiden S. 92 schlief (schlafen) S. 91
scheinen S. 92 schließen S. 92
-, Gleichsetzungsverb 1015 etwas aus etwas sch. S. 449
scheißen 3. 91 schliff (schleifen) S. 92
Scheit, die Scheite oder Scheiter ? 271 Schlingel, die Schlingel oder Schlingels ?
schelten S. 91 275
- auf jemanden oder etwas S. 494 schlingen S. 92
-, mit Gleichsetzungsakkusativ 919 schliß (schleißen) S. 92
-sehen, Verbalsufflx 747 schloß, schlösse (schließen) S. 92
Schenk, des Schenken 320 Schlot, die Schlote oder Schlöte ? 268
schenken, jemandem etwas sch. 905 Schluck, die Schlucke oder Schlücke ? 268
Scherbe, die / Scherben, der S. 153 schlug, schlüge (schlagen) S. 92
Scherben (Plur.) 252, 253 . schmähen, jemanden sch. 957
scheren S. 91 - auf, Über jemanden 957
scherzen über jemanden.oder etwas S. 494 -, mit Gleichsetzungsakkusativ 919
scheuen, [sich] sch. vor jemandem oder schmaler oder schmäler ? 376
etwas S. 494 schmecken, etwas schmeckt jemandem
Scheusal, die Scheusale oder Scheusäler ? 1021
271 schmeicheln, jemandem sch. 1021
Schi, die Schier oder Schi ? 282 schmeißen S. 92
schicken, jemandem etwas sch. 905 schmelzen S. 92
658 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

Schmer, der oder, das ? 202 schuldig, jemandem etwas sch. sein 933
schmerzen, die Füße sch. mir oder schund, schünde (schinden) S. 91
mich?881, 882 schünde oder schinden würde ? 126,1115
schmerzlich, etwas ist mir oder für mich Schürze, die /Schurz, der S. 153
sch. 935, 936 Schuß, drei Schuß 244
schmilz!, schmilzt S. 92 schützen, jemanden oder etwas vor je¬
schmiß (schmeißen) S. 92 mandem oder, etwas sch. S. 449
schmolz, schmölze (schmelzen) S. 92 schwamm, schwämme (schwimmen)
schnauben S. 92 S. 92
schneiden S. 92 schwämme oder schwömme ? 115
ich habe mich oder mir in den Finger schwand, schwände (schwinden) S. 92
geschnitten ? 927 schwände oder schwinden würde ?
Schnippei 252, 253 126,1115
-, der öder das ? 202 schwang, schwänge (schwingen) S. 92
Schnipsel 252, 253 schwärmen von jemandem oder etwas
der oder das ? 202 S. 494
schnitt (schneiden) S. 92 schwarz auf weiß 370
schnob, schnöbe (schnauben) S. 92 schweifwedeln, schweifwedelte 665
Schnur, die Schnüre oder Schnuren ? 269 schweigen ß. 92
schob, schöbe (schieben) S. 91 Schweinebraten oder Schweinsbraten ? 64
Schock, die Schocks oder Schocke ? 283 schwellen S. 92
Schokoladefabrik oder Schokoladen¬ schwieg (schweigen) S. 92
fabrik? 646 schwill 1, schwillt (schwellen) S. 92
scholl, schölle (schallen) S. 91 schwimmen S. 92
schölte (schelten) S. 91 schwindeln, mir oder mich schwindelt;
schor, schöre (scheren) S. 91 aber: mir schwindelt der Kopf 967
Schorlemorle, die oder das ? 202 schwinden S. 92
schoß, schösse (schießen) S. 91 schwingen S. 92
Schraffen 252 schwoll, schwölle (schwellen) S. 92
schrak, schräke (schrecken) S. 92 schwömme (schwimmen) S. 92
Schreck / Schrecken 261 - oder schwämme? 115
schrecken S. 92 schwor (schwören) S. 92
schreibenS. 92 schwören S. 92
-, etwas an jemanden sch. S. 449 - auf jemanden oder etwas S. 494
-, jemandem etwas 905 schwur, schwüre (schwören) S. 92
-, jemandem oder an jemanden -se (= -sis), geschlechtsbestimmende
sch. 890, 957 Wortendung S. 148
- über, gegen jemanden oder etwas, von -se, geschlechtsbestimmendes Suffix 725
jemandem oder etwas S. 494 See, Deklinationstabelle S. 173
schreien S. 92 See, der / See, die 203
schreiten S. 92 Segel, Deklinationstabelle S. 172
schrick I, schrickt (schrecken) S. 92 segeln, ich bin oder habe gesegelt ? 92
schrie (schreien) S. 92 sehen S. 92
schrieb (schreiben S. 92 -, mit a. c. i. 165, 922
schritt (schreiten) S. 92 -, eine Aufgabe, Verlockung in einer
Schritt, drei Schritt 244 Sache s. S. 449
schuf, schüfe (schaffen) S. 91 - (= achten) auf jemanden oder etwas
schuld sein 329 S. 494
schulden, jemandem etwas sch. 905 sehnen, sich s. nach jemandem oder etwas
schuldig, einer Sache oder an S. 494
einer Sache sch. sein 933 sehr - mehr - am meisten 553
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 659

seid (sein) S. 104 Ski vgl. Schi


sein, Deklination des Possessivpronomens Skriptum, Plur.: die Skripten oder
441 Skripta? 288
sein S. 92, Ziff. 154 Skrofeln 252, 253
Konjugationstabelle S. 104 Smaragd, des Smaragd[e]s 321
Gleichsetzungsverb 868 so bald als möglich oder wie möglich ?
- oder haben in umschriebenen Verb¬ 402
formen 91 f. so daß, Konjunktion 599,1085
- gegen jemanden oder etwas; es ist an so - wie, Konjunktion 598,1081
ihm S. 494 so - wie, Vergleichspartikeln 373
- (= gehören), das ist ihm 1021 sobald, Konjunktion 597
Seit, Präp. mit Dativ 578, S. 314 Socke, die /Socken, der S. 153
seit [dem], Konjunktion 597 Soda, die, das oder der ? 202
seitens, Präp. mit Genitiv 577, S. 315 sofern, Konjunktion 598, 599
seitlich, Präp. mit Genitiv 577 soff, söffe (saufen) S. 91
seitwärts, Präp. mit Genitiv 577 sog, söge (saugen) S. 91
-sei, Substantivssufflx 701 solange, Konjunktion 597
selber, Demonstrativpronomen 466 solcher, solche, solches, Demonstrativ¬
selber oder selbst ? 466 pronomen 471-475
selbst, Demonstrativpronomen 466-467 -, Deklination des folgenden Adjektivs
Sellerie, der oder die ? 202 346, 365
Semmel, die Semmeln oder Semmel ? 276 Soldat, des Soldaten 320
-sen, Verbalsufflx 747 solle (1. Konjunktiv) 118
senden S. 92 sollen 118,157
-, jemandem etwas s. 905 -, mit Infinitiv 165,1011
sendete oder sandte ? 152 sollte (2. Konjunktiv) 118
sendete (2. Konjunktiv) 118 Solo, die Soli oder Solos ? 282
September, des September oder Septem¬ somit, Konjunktion 599
bers ? 318 sonach, Konjunktion 599
setzen, seine Bemühungen, seinen Ehr¬ sonder, Präp. mit Akkusativ 579
geiz, seinen Stolz in eine Sache s. S. 449 sondern, Konjunktion 595, 604
Shorts 252 sönne (sinnen) S. 93
sich, Reflexivpronomen 59 f., 435 f. - oder sänne? 115
-, Stellung 1226 sonst, Konjunktion 594, 699
sicher, mit Genitivobjekt 932 sonstiges, was 1067
sie, Deklination 422, 426 sooft, Konjunktion 597
-, Gebrauch 429-431 sorgen, sich s. um jemanden oder etwas
sieden S. 92 8. 494
siegfrrangen, siegprangte 666 - für jemanden oder etwas S. 494
sieh[e]!, sieht (sehen) S. 92 sorglich oder sorgsam ? 731
Sims, der oder das ? 202 sott, sötte (sieden) S. 92
sind (sein) S. 104 soviel, Konjunktion 598
singen S. 92 soweit, Konjunktion 598
singreden 666 sowie, Konjunktion 593, 598, S. 323
sinken S. 92 sowohl - als 593, 604
sinnen S. 93 sowohl - als auch 593, 604
- auf eine Sache S. 494 sowohl - wie 593, 604
-sis, geschlechtsbestimmende Wortendung sowohl - wie auch 593, 604
S. 148 Spachtel, der oder die ? 202
sitzen S. 93 Spalte, die /Spalt, der S. 153
-, ich bin oder habe gesessen ? 92 spann, spänne (spinnen) S. 93, S. 98
660 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

spänne oder spönne ? 115 * stank, stänke (stinken) S. 93


Spanne, die /Spann, der S. 153 3tänke oder stinken würde ? 126,1115
Spanten 252, 253 Stapfe, die / Stapfen, der S. 153
Sparren, der /Sparre, die S. 153 starb (sterben) S. 93
Spatel, der öder die ? 202 statt, Präp. mit Genitiv 577, S. 307
Spatz, des Spatzen 320 statt, Konjunktion S. 322
äpeien S. 93 statt daß 598
spekulieren auf eine Sache S. 494 stattflnden, findet statt 677
Sperenzien 252 -, diö stattgefundene Versammlung ?
Spesen 252 166
spie (speien) S. 93 Staub, die Stäube oder Staube ? 268
Spikes 252 stechen S. 93
Spind, das oder der ? 202 -, die Schnake hat mich oder mir in die
spinnen S. 93 Backe gestochen ? 927
Spirituosen 252 stecken S. 93
Spital, die Spitäler 282 stehen 154, S. 93
Spitze, die /Spitz, der S. 153 -, ich bin oder habe gestanden ? 92
spleißen S. 93 -, etwas stehen haben oder zu stehen
spliß (spleißen) S. 93 haben? 1041
spönne (spinnen) S. 93 - zu jemandem oder etwas S. 494
- oder spänne ? 116 -, zu stehen kommen; das kommt mir
- oder spinnen würde ? 126,1116 oder mich teuer zu stehen 957
Sporen 252 stehlen S. 93
Sporteln 252 -, jemandem etwas st. 905
spotten, das spottet jeder Beschreibung steigen S. 93
957 Stein' die Steine oder Steiner ? 271
-, sie spottet seiner oder über ihn 886 Steinmetz, des Steinmetzen 320
-, über jemanden oder etwas sp. 957, Stelldichein, die Stelldichein oder Stell¬
1027 dicheins ? 274
sprach, spräche (sprechen) S. 93 Steppke, die Steppkes 274
sprang, spränge (springen) S. 93 sterben S. 93
sprechen S. 93 - an einer Sache, für jemanden oder
- für, über, gegen jemanden oder etwas, etwas S. 494
von jemandem oder etwas Sterblicher, Deklination 369
S. 494 -stern, Verbalsufflx 747
sprich!, spricht (sprechen) S. 9ä Steuer, das / Steuer, die 203
sprießen S. 93 stich!, sticht (stechen) S. 93
springen S. 93 stieben S. 93
Springinsfeld, die Springinsfelde 274 Stiefel, die Stiefel oder Stiefeln ? 276
sproß, sprösse (sprießen) S. 93 stieg (steigen) S. 93
Sprosse, die /Sproß, der S. 153 stiehl!, stiehlt (stehlen) S. 93
Spund, die Spünde oder Spunde ? 268 stieß (stoßen) S. 93
spüren, mit a. c. i. 165, 922 Stift, der / Stift, das 203
Staat, Deklinationstabelle S. 173 - die Stifte oder Stifter ? 272
stach, stäche (stechen) S. 93 stimmen für, gegen jemanden oder etwas;
stahl, stähle (stehlen) S. 93 das stimmt zu seiner Aussage S. 494
Stahl, die Stähle oder Stahle ? 268 stinken S. 93
stak, stäke (stecken) S. 93 - nach etwas S. 494
stand, stände (stehen) S. 93 stirb!, stirbt (sterben) S. 93
stände oder stünde ? 115 stob, stöbe (stieben) S. 93
standhalten, hält stand 677 stöhle (stehlen) S. 93
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 661

Stolle, die / Stollen, der S. 153 taufen, mit Gleichsetzungsakkusativ 919


stolz auf 936 taugen zu etwas S. 494
- auf oder über ? 576 Taugenichts, die Taugenichtse 274
Stoppeln 252, 253 tauschen, etwas mit jemandem t. S. 449
Störenfried, die Störenfriede 274 täuschen, sich t. über eine Sache, in je¬
stoßen S. 93 mandem S. 494
stößt (stoßen) S. 93 tausend 526
sträuben, sich st. gegen jemanden oder Tausend 633
etwas S. 494 tausendundein, Deklination des folgenden
Strauß (Vogel), des Straußes 321 Substantivs 250
streben nach etwas S. 494 Teil, der oder das ? 202
streichen S. 93 teilhaben an einer Sache S. 494
Streife, die / Streifen, der S. 153 teilhaftig, einer Sache t. sein 329
Streik, die Streiks oder Streike ? 283 -, einer Sache t. werden 932
streiten S. 93 teilnehmen, nimmt teil 677
- um jemanden oder etwas S. 494 teils - teils, Konjunktion 593
Streitigkeiten 252 -tel, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬
streng gegen 936 silbe S. 148
Streusel 252, 253 Tempo, die Tempi oder Tempos ? 282
strich (streichen) S. 93 Tempus, die Tempora 289
Striemen, der / Striemen, die S. 163 Tenor, die Tenöre oder Tenore ? 284
stritt (streiten) S. 93 -ter, Substantivsufflx 692
Stück, die Stücke oder Stücker ? 271 Thema, die Themata, Thematas oder
-, drei Stück oder Stücke ? 244, 248 Themen ? 288
Stummel, die Stummel oder Stummeln ? Thermen 262
276 Tief, die Tiefs 274
stünde (stehen) S. 93 Tingeltangel, der oder das ? 202
- oder stände? 115 Tisch, Deklinationstäbelle S. 171
-stündig oder -stündlich ? 731 Toiletteartikel oder Toilettenartikel ?
stürbe (sterben) S. 93 646
Subsidien 252 Tor, das/Tor, der 204
subskribieren, ein Werk oder auf ein Werk Tor, des Toren 320
s. 892, 967, S. 494 trachten nach etwas S. 494
subtrahieren, eine Zahl von einer anderen traf, träfe (treffen) S. 93
s. S. 449 tragen S. 93
suchen nach jemandem oder etwas S. 494 -, sich t. mit etwas S. 494
- an etwas (einer Schuld) S. 494
trägst, trägt (tragen) S. 93
Traktat, der oder das ? 202
T
Tran, des Tran[e]s 321
trank, tränke (trinken) S. 94
-t, S ubstantivsufflx 692 trat, träte (treten) S. 93
-t, Partizipialsufflx 162, 727 trauen, jemandem 1.1021
tanzen, ich bin oder habe getanzt ? 92 -, ich traue mich oder mir, etwas zu tun ?
Tapfe, die / Tapfen, der S. 163 957
tat (tun) S. 94 - auf jemanden öder etwas S. 494
-tät, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬ trauern um jemanden oder etwas S. 494
silbe 716, S. 147 träumen von jemandem oder etwas S. 494
täte (tun) 164, S. 94 traurig über 936
Tau, der/Tau, das 204 traurigen Herzens oder trauriges Herzens ?
Taube, die/Taube, der 204 333
662 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

Treber 252 Ü
treffen S. 93
treiben S. 93 über, Pr&p. mit Dativ und Akkusativ
jemanden zu etwas t. S. 449 580, 581
Trester 252 vor Zahlen 660
treten S. 93 - + Grundstufe eines Adjektivs
-, ich bin oder habe getreten ? 92 [übergroß] 400
er tritt mir oder mich auf den Fuß ? überanstrengen, überanstrengt 668
927 überdies 593
treu, sie ist mir treu 928 überdrüssig, einer Sache oder eine Sache
Tribun, die Tribunen oder Tribüne ? 279 ü. sein 933
-, des Tribuns oder Tribunen ? 279 überführen, überführt oder übergeführt ?
trieb (treiben) S. 93 163, 668
triefen S. 94 jemanden einer Sache ü. 907
triff 1, trifft (treffen) S. 93 übergeben, jemandem etwas ü. 905
Trikot, das oder der ? 202 überlassen, jemandem etwas ü. 905
trinken S. 94 überlaufen', überl&uft und läuft über
- auf jemanden oder etwas S. 494 668, 672
tritt!, tritt (treten) S. 93 überlegen an 936
Triumvir, des Triumvirn oder Triumvirs ? überm (über dem) 236
279 übern (über den) 236
troff, tröffe (triefen) S. 94 überreden, jemanden zu etwas ü. S. 449
trog, tröge (trügen) S. 94 übers (über das) 236
trommelpolieren 677 überschütten, jemanden oder etwas mit
Tropen 252 etwas ü. S. 449
Tropf /Tropfen 261 übersetzen, übersetzt und setzt über 668
trotz, Präp. mit Genitiv 577, S. 307 übersiedeln, übersiedelt und siedelt Übei
trotzdem 599 608
-, als unterordnende Konjunktion übertreffen, jemanden in oder an einer
599, 601, 605, 1087 Sache ü. S. 449
trotzen, jemandem 1.1021 überzeugen, sich von etwas ü. 957
Trübsal, Deklinationstabelle S. 172 -, sich eines Bessern ü. 957
Truchseß, des Truchsesses oder Truch¬ Uhrzeit, mit Kardinalzahl 535
sessen ? 258 Uhu, Deklinationstabelle S, 1.72
trug, trüge (tragen) S. 93 -um, geschlechtsbestimmende Wort¬
trügen S. 94 endung S. 148
Trümmer 252, 253, um, Präp. mit Akkusativ 679
- oder Trümmern ? 276 um [die], vor Zahlen 560
Trupp, der/Trüppe, die S. 154 um so, Konjunktion 598
tüchtig in 936 um - willen, Präp. mit Genitiv 577
-tum, geschlechtsbestimmende Ablei¬ um zu -I- Infinitiv 1041
tungssilbe 710, 714, S. 148 umgehen mit jemandem oder etwas S. 494
tun 154, S. 94 -, umgeht und geht um 668
-, mit Infinitiv 1041 umgekehrt als 878
-, etwas in jemandes Namen t. 58) umher oder herum ? 566
Tunichtgut, die Tunichtgute 274 ums (um das) 236 .
Tüpfel, der oder das ? 202 Umtriebe 262
Tür oder Türe ? 261 un-, Präfix 765-769
Typ, der/Type, die S. 154 unaussprechbar oder unaussprechlich ? 731
Typus, Plur.: die Typen 289 unbeschadet, Präp. mit Genitiv 577
-.Stellung 1244
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 663

und 693, S. 328 Vegetabilien 252


und zwar 602, S. 322 ver-, Präfix 778, 780, 781
undenkbar oder undenklich ? 731 veranlassen, jemanden zu etwas v. S. 449*
unerachtet, Präp. mit Genitiv 577 verantwortlich für oder an ? 575
unfern, Präp. mit Genitiv 677, S. 307 Verb, Plur.: die Verben oder Verba ? 288
-ung, geschlechtsbestimmende Ablei¬ verbergen, jemandem etwas v. 905
tungssilbe 695, 757, S. 147 -, jemanden oder etwas vor je¬
ungeachtet, Konjunktion 699 mandem v. S. 449
ungeachtet, Präp. mit Genitiv 677 verbieten, jemandem etwas v. 905
-Stellung 1244 Verbundenheit mit oder zu ? 575
ungeduldig über 936 verdächtig, einer Sache v. sein 932
Unkosten 252 verdarb (verderben) S. 94
unkundig, einer Sache u. sein 932 verderben S. 94
unlösbar oder unlöslich ? 731 verderblich, das ist ihm verderblich 928
unsagbar oder unsäglich 731 ? - für 936
unser, Deklination 441 Verdienst, der / Verdienst, das 203
Unstimmigkeiten 262,253 verdient um 936
unter, Präp. mit Dativ und Akkus. 580,581 verdirb!, verdirbt, verdorben (verderben)
-, vor Zahlen 560 S. 94
- der Voraussetzung (Bedingung), daß verdrießen S. 94
1084 verdroß, verdrösse, verdrossen (ver¬
untergraben, untergräbt und gräbt unter drießen) S. 94
668 verdürbe (verderben) S. 94
unterhalb, Präp. mit Genitiv 677 vereinbaren, etwas mit jemandem v. S.449
unterliegen, jemandem u. 1021 vereinen, jemanden mit jemandem v.
unterm (unter dem) 236 S. 449
untern (unter den) 236 verfallen auf jemanden oder etwas, in
unters (unter das) 236 ! einen Zustand S. 494
untersagen, jemandem etwas u. 905 verfügen über jemanden oder etwas S. 494
unterstehen, untersteh dich oder dir nicht, verführen, jemanden zu etwas v. S. 449
das zu tun 1 957 vergaß, vergäße (vergessen) S. 94
Untertan, des Untertans oder Unter¬ vergeben, jemandem v. 1021
tanen ? 258 vergessen S. 94
untertan, jemandem u. sein 329,928 -, jemanden oder etwas v. 957
Unterzeichnete, der 169 vergiß!, (vergessen) S. 94
unvermeidbar oder unvermeidlich ? Vergißmeinnicht, die Vergißmeinnicht
731 oder Vergißmeinnichte ? 274
unweit, Präp. mit Genitiv 677, S. 307 vergißt (vergessen) S. 94
-ur, geschlechtsbestimmende Ableitungs¬ vergleichbar mit 936
silbe 702, S. 148 Vergnügen, des Vergnügens 821
ur-, Präfix 770 Vergnügungen 252
-tire, geschlechtsbestimmende Ablei¬ vergraben, etwas in der oder In die
tungssilbe S. 148 Erde v. ? 680
urteilen nach etwas,über jemanden oder verhängen, eine Strafe über jemanden v.
etwas S. 494* S. 449
Utensilien 252 Verhängnis, jemandem wird etwas zum V.
923
V verhehlen, jemandem etwas v. 905
verheimlichen, jemandem etwas v. 905
Vagabund, des Vagabunden 320 verheiraten, jemanden mit jemandem v.
Varia 252 S. 449
664 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

verheißen, jemandem etwas v. 905 vertrauen auf jemanden oder etwas S. 495
verhelfen, jemandem zu etwas v. 923 . Vertrauen auf oder in ? 575
Verkauf von oder in ? 575 verurteilen, jemanden zu etwas v. S. 449
verkaufen, etwas an jemanden v. S. 449 verwandeln, sich v. in jemanden oder
verknüpfen, etwas mit etwas v. S. 449 etwas S. 496
verkünden, jemandem etwas v. 905 verwandt, das ist seiner Auffassung
verlangen, es verlangt mich nach etwas v. 928
und mich verlangt nach etwas 846, S.449 - mit 936
- nach jemandem oder etwas 890, S. 494 Verwandter, Deklination 369
verlassen, sich v. auf jemanden oder etwas verweigern, jemandem etwas v. 906
S. 494 verweisen, jemanden auf eine Sache oder
verlegen, sich v. auf eine Sache S. 495 an jemanden v. S. 450
verleiten, jemanden zu etwas v. S. 449 verwenden, jemanden oder etwas zü etwas
verliebt in 936 v. S. 450
verlieren S. 94 -, Mühe, Zeit, Energie auf eine
verlobt mit 936 Sache v. S. 450
verlocken, jemanden zu etwas v. S. 449 verzeihen, jemandem etwas v. 905, 1021
verlor, verlöre, verloren (verlieren) S. 94 verzichten auf jemanden oder etwas S. 496
verlustig, einer Sache v. gehen 932 via 583
vermittels [t], Präp. mit Genitiv viel 514-518
577, 323, S. 307, S. 315 -, Deklination des folgenden Adjektivs
vermöge, Präp. mit Genitiv,577 347, 365
verpacken, etwas in dem ode* in den viel - mehr - meist 405
Koffer v. ? 680 vielerlei, was 1067
verpflichten, jemanden zu etwas v. S. 449 vieles, was 1067
verraten, jemanden oder etwas an jeman¬ vielmals 642
den v. S. 449 vielmehr, Konjunktion 695
versagen, jemandem etwas v. 905 Viktualien 252
-, sich jemandem v. 1021 Vitamin, des Vitamins 321
Versäumnis, das oder die ? 202 , voll Sorgen oder voller Sorgen ? 357
verschaffen, jemandem etwas v. 905 voll, einer Sache oder von einer Sache v.
verschwinden, im Gebüsch oder ins Ge¬ sein 933, 936
büsch v. ? 580 voll- in zusammengesetzten Verben 664,676
versehen, jemanden mit etwas v. S. 449 Volt, des Volt oder Volts ? 291
versichern,ich versichere Ihnen, daß... 957 vom (von dem) 236
-, jemanden einer Sache oder jemandem von, Präp. mit Dativ 578, S. 312
etwas v. 907 von - wegen, Präp. mit Genitiv 577
versprechen, jemandem etwas v. 905 vor, Präp. mit Dativ und Akkus. 580, 581,
Verständnis von seiten oder durch ? 675 S. 312
verstauen, etwas in der oder in die Tasche vorausgesetzt, daß 1084
v. ? 580 vorbehaltlich, Präp. mit Genitiv 577
verstecken, etwas hinter dem oder den Vorfahr, des Vorfahren 320
Baum v. ? 580 Vorfahren 252, 263
verstehen, sich v. auf jemanden oder vorlesen, jemandem etwas v. 905
etwas S. 495 vorm (vor dem) 236
verstoßen gegen etwas S. 495 vorrechnen, jemandem etwas v. 906
verteilen, etwas an jemanden v. S. 449 vors (vor das) 236
vertieft sein in eine Sache 580 vorsehen, jemanden zu oder für etwas v.
Vertikale, Deklination 368 S. 450
vertrauen, jemandem oder auf jemanden vortragen, jemandem etwas v. 905
v. 890 vorwerfen, jemandem etwas v. 905
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 665

W Weib (bedeutungsgeschichtliche Betrach¬


tung des Wortes) 811-823
Waagrechte, Deklination 368 weichen S. 94
wachen über jemanden oder etwas S. 496 -, jemandem w. 1021
wachsenS. 94 weihen, jemandem etwas w. 905
wächst (wachsen) S. 94 Weihnachten 252, 253
Wagen, die Wagen oder Wägen ? 268 weil, Konjunktion 599,1083
wägen S. 94 weil oder da ? 1083
wählen, jemanden zu jemandem oder weinen über, um jemanden oder etwas
etwas w. 919, S. 450 S. 495
während, Präp. mit Genitiv 577, S. 308, Weise, der / Weise, die 203
S. 314 -weise, Adverbialsufflx 755
während, Konjunktion 595, 597,1078, -, Adverbien mit -weise als Adjektive
1098 562
Wald, Deklinationstabelle S. 172 weisen S. 94
Waldrand oder Waldesrand ? 641 weismachen, macht weis 676
wand, wände (winden) S. 94 weiß, weißt (wissen) S. 94
wandte (wenden) S. 94 weiter, Konjunktion 593
- oder wendete ? 152 -, Umschreibung des Komparativs beim
wann 1069 Adverb 553
Wanten 262 weiterreden, redet weiter 676
war (sein) S. 92 weiters 653
warb (werben) S. 94 welch letzterer 1063
ward (werden) S. 94 welcher, welche, welches, Interroga¬
wäre (sein) S. 92 tivpronomen 482, 483, 1069
- oder würde sein ? 126 welcher, welche, welches, Relativpro¬
warf (werfen) S. 94 nomen 478,1059
warnen, jemanden vor jemandem oder welcher, welche, welches, Indefinit¬
etwas w. S. 450 pronomen 519-521
warten auf jemanden oder etwas S. 495 welcher, welche, welches, Deklination des
-wärts, Adverbialsuffix 755 folgenden Adjektivs 348, 365
warum 555,1069 wenden S. 94
was, Interrogativpronomen 481,1069 -, etwas an jemanden oder etwas w.
Relativpronomen 479,1060,1065, S. 450
1096 -, sich w. gegen jemanden oder etwas
Indefinitpronomen 522 S. 495 -
was für ein ? 483,1069 wendete (2. Konj.) 118
waschen S. 94 - oder wandte ? 162
wäschst, wäscht (waschen) S. 94 wenig 514-618
Wasser, die Wasser und Wässer 268 -, Deklination des folgenden Adjektivs
weben S. 94 349, 365
weder - noch 693, 604 wenig - weniger - wenigst 405
weg oder fort ? 667 wenig - minder mindest 405
wegen, Präp. mit Genitiv 577, 323, S. 308, weniger, vor der Grundstufe eines Adjek¬
S. 312 tivs 383
-, Stellung 1244 weniges, was 1067
weh 329 wenn 597, 599,1078,1084
Wehen 252, 253 wenn auch, Konjunktion 599,1087
Wehr, das / Wehr, die 203 wenn —, dann 1084
wehren, jemandem w. 1021 wenn ... würde 1115
-, sich w. gegen jemanden oder etwas wenngleich, Konjunktion 699
S. 495 wennschon, Konjunktion 599,1087
666 Wortregister und Register für Zweifelsfragen

wer, Interrogativpronomen 481,1069 winden S. 94


wer, Relativpronomen 479,1060,1065 winken, jemandem w. 1021
wer, Indefinitpronomen 622 wirb 1, wirbt (werben) S. 94
werben S. 94 wird (werden) S. 94
werden 166, S. 94 wirf!, wirft (werfen) S. 94
Konjugationstabelle S. 106 Wirkwaren 252
worden oder geworden ? 164 Wirren 252
-, Gleichsetzungsverb 868 wirst (werden) S. 94, S. 106
- aus, zu etwas S. 496 wisse (1. Konj.) 118
-, jemandem wird etwas zum Verhäng¬ wissen S. 94
nis 923 -, mit a. c. i. 922
werfen S. 94 -, etwas von jemandem (oder etwas) oc
Werkanlage oder Werksanlage ? 639 etwas über jemanden (oder etwas) w.
Werkarzt oder Werksarzt ? 639 S. 450
werkeigen oder werkseigen ? 639 - um jemanden oder etwas, von jemai
Werkkindergarten oder Werkskinder¬ dem oder etwas S. 496
garten? 639 wo, Interrogativädverb 555,1069
wert, einer Sache oder eine Sache w. sein -, Relativadverb 655,1061,1066,1096
933 indefinit 555
wesentlich für 936 wo doch, Konjunktion 599
weshalb 555,1097 wob, wöbe (weben) S. 94
weswegen 655,1097 wofern 599
wett sein 329 wog, wöge (wägen, wiegen) S‘. 94
- in einer Sache S. 495 wogegen 1096
wich (weichen) S. 94 woher 566,1069
wichtig für 936 wohin, Interrogativadverb 656,1069
wider, Präp. mit Akkusativ 679 -, Relativadverb 666,1066
widerhallen, widerhallt oder hallt wider ? -, indefinit 555
668 wohl - aber ([je] doch, allein) 599
- von etwas S. 4'95 wohl - besser - am besten 653
widersprechen, jemandem w. 1021 wohnen, jemanden w. haben oder zu
widerstehen, jemandem w. 1021 wohnen haben ? 1041
widerstreben, jemandem w. 1021 wolle (1. Konj.) 118
widmen, jemandem etwas w. 906 wollen 118,164, S. 94
wie, Interrogativadverb 665,1069 -, mit Infinitiv 165,1011
wie, Konjunktion 693,697, 598, 997,1080, wollte (2. Konj.) 118
1089, S. 323 worden oder geworden ? 164
wie oder als ? Gebrauch der temporalen worein oder worin ? 664
Konjunktionen 1078 Wort, die Wörter oder Worte ? 267
wie oder als beim Komperativ ? 378 Wrack, die Wracks oder Wracke ? 274
wie wenn, Konjunktion 598,1080 wrang, wränge (wringen) S. 94
wiefern 698 wringen S. 94
wiegenS. 94 wuchs, wüchse (wachsen) S. 94
wies (weisen) S. 94 Wulst, der oder die ? 202
wiewohl 599 wundern, sich w. über jemanden oder
will (wollen) S. 94 etwas S. 495
Wille oder Willen? 261 würbe (werben) S. 94
willfahren, jemandem w. 1021 wurde, würde (werden) S. 94, S. 106
willfahrte 665 würde + Infinitiv anstelle des 2. Kon¬
Willkommen, das oder der ? 202 junktivs 126, 1115
willst (wollen) 8. 94 würde, im wenn-Satz 1116
Wortregister und Register für Zweifelsfragen 667

würdig, einer Sache w. sein 932 Zorn gegen 575


würdigen, jemanden keines Blickes w. 907 zornig sein auf oder über jemanden
würfe (werfen) S. 94 575, 930
Wurm, der /Wurm, das 203 zu, Präp. mit Dativ 578, S. 318
wurmen, es wurmt mich 957 -, mit Grundstufe eines Adjektivs
wusch, wüsche (waschen) S. 94 378, 400
wußte, wüßte (wissen) S. 94 zu Willen sein, er war ihm zu Willen 928
wüßte (2. Konj.) 118 Zubehör, das oder der ? 202
Wut gegen 576 zubringen, etwas mit jemandem oder
etwas z. S. 450
zudem, Konjunktion 693
Y zufolge, Präp. init Genitiv 677, S. 808,
S. 312
Yard, drei Yard oder Yards ? 245 -, Stellung 1244
zufrieden mit 936
Z zufrieden mit oder über ? 576
zufügen, jemandem etwas z. 905
Zacke, die / Zacken, der S. 164 zuführen, jemandem etwas z. 905
zahlbar 733 zugetan, jemandem z. sein 329,928
zählen, jemanden oder etwas zu jeman¬ zugunsten, Präp. mit Genitiv 577, S. 309
dem oder etwas z. S. 450 zuhören, jemandem z. 1021
- auf jemanden oder etwas, zu jeman¬ zujauchzen, jemandem z. 1021
dem oder etwas S. 495 zuletzt, Konjunktion 593
Zapf / Zapfen 201 zum (zu dem) 280
Zar, des Zaren 320 zum einen - zum ander[e]n 693
Zehe, die /Zeh, der S. 164 zumal [da] 599
Zehnjahrfeier oder Zehn jahresfeier ? 003 zumuten, jemandem etwas z. 905
zeigen, jemandem etwas z. 905 zunächst, Präp. mit Dativ 678
zeihen S. 94 -, Stellung 1244
-, jemanden einer Sache z. 907 zunehmen an einer Sache S. 49f
zeit, Präp. mit Genitiv 577 zur (zu der) 230
Zeitläuf[t]e 262 zur Hand sein, ich war ihm zur Hand 928
-zen, Yerbalsufflx 747 Zureden, jemandem z. 1021
Zepter, das oder der ? 202 zürnen, jemandem z. 1021
zer-, Präfix 779 zurückkommen auf jemanden oder etwas
zerbreohen an jemandem oder etwas S. 495 S. 495
Zerealien 252 zurufen, jemandem etwas z. 905
Ziegel, die Ziegel oder Ziegeln ? 270 Zusagen, etwas sagt jemandem zu 1021
zieh (zeihen) S. 94 zusammenfallen oder zusammen fallen ?
ziehen S. 94 076
ziehschleifen 600 zusammertfinden, sich zu einem Zweck z.
ziemen, etwas ziemt jemandem 1021 S. 495
ziemlich + Grundstufe eines Adjektivs Zusammenkommen oder zusammen kom¬
404 men ? 676
Zigarillo, der, das oder die ? 202 zusammenschreiben oder zusammen
Zinke, die / Zinken, der S. 154 schreiben ? 675
Zinsen 252,263 Zusammenstößen mit jemandem oder
zog, zöge (ziehen) S. 94 etwas S. 496
zögern mit etwas S. 495 zustehen, etwas steht jemandem zu 1021
Zölibat, der oder das ? 202 zustimmen, jemandem z. 1021
Zoo, des Zoo oder Zoos ? 312 Zutaten 252
668 Wortregister und.. Register für Zweifelsfragen

zuungunsten, Präp. mit Genitiv 577,8.309 zwei, zu zweien oder zu zweit ? 529
Zuversicht auf oder in ? 575 zweifach oder zwiefach ? 541
zuvorkommen, jemandem z. 1021 zweifach oder doppelt ? 541
zuwenden, jemandem etwas z. 905 zweifeln an jemandem oder etwas S. 495
zuwerfen, jemandem etwas z. 905 Zweitel 538
zuwider, Präp. mit Dativ 578 zweitens 537, 593
-, Stellung 1244 zwicken, er hat mich oder mir in den
zuwider, jemandem z. sein 928 . Arm gezwickt ? 927
zuzüglich, Präp. mit Genitiv 677 , Zwieback, die Zwiebacke oder Zwiebäcke ?
zwang, zwänge (zwingen) S. 94 268
zwar - aber ([jejdoch, allein) 599, 604 Zwillinge 252, 253
zwecks, Präp. mit Genitiv 577, S. 315 zwingen S. 94
zwei, Deklination im Genitiv 528 -, jemanden zu etwas z. S. 450
-, Deklination des folgenden Adjektiva zwischen, Präp. mit Dativ und Akkusativ
335 580, 581
Sachregister

Die Zahlen verweisen auf die entsprechenden Kennziffern am Rande der Seiten.
Zahlen, die sich auf die Hauptstellen beziehen, sind halbfett gesetzt.

A Ableitungssilben, geschlechtsbestimmende
195
Abast vgl. Spannbogen absoluter Nominativ 1002
Abkürzungen absolute Tempora 77-102
Deklination 312, a Abspaltung, vgl. Spannbogen
Geschlecht 192 Abstrakta 176
Plural 274, 5; 312, a Genus 180
Wortbildung 795 Numerus 242
Ablaut Wortbildung 689-716
bei starken Verben 70 Abstrichmethode 869-864
in der Wortbildung 085, 690, 727, 738 Achsenstellung der Personalform des
Ableitung (Wortbildung) 684-763 Verbs 1209
Ablautbildungen 690f. a. c. i. vgl. Akkusativ + Infinitiv
aus Adjektiven 703-723, 726, 729-734, a. c. i.-Verben 165, 922
737, 742, 749, 752 f. Additionswort 625 f.
aus Eigennamen 730 Adjektiv 42, 325-413
aus Interjektionen 606, 737 Deklination 330-372
aus Personenbezeichnungen 730 als Gleichsetzungsglied 371 f.
aus Pronomen 726, 737 Arten der Deklination 331
aus Substantiven 703-723, 737,740f.,749 schwache Deklination 331
aus zusammengesetzten Substantiven starke Deklination 331
741 Ausnahmen, Schwankungen und
aus Verben 689-702, 726, 737, 743 andere Schwierigkeiten 333-362
aus zusammengesetzten Verben 690, flexionslose Formen 355-362
693, 695, 719 im starken Gen. Singular 333
aus Wortgruppen 651, 756-763 in der Apposition 352
Bildungsmittel 685-687 in Verbindung mit verschiedenen
des Adjektivs 726-736 Pronomen 351
der Partikel 749-755 mehrerer attributiver Adj. 363 f.
des Substantivs 689-725 nach Demonstrativ- u. Relativprono¬
des Verbs 737-748 men 350
Leistung 688 nach Pronominaladjektiven 336-349
Suffixbildungen vgl. Suffixe nach „zwei" und „drei" 335
vgl. auch Präflxbildungen Grundleistung 326-327
670 Sachregister

Adjektiv, Forts. Adjektiv, Forts.


Stellung 1233-1236 Verwendung im Satz
substantiviertes als Artangabe 328f., 901-903
Deklination 363-370 als Attribut 328f.
flexionslos 370 des Adjektivs 997
in der Apposition 366 des Adverbs 998
nach Prönominaladjektiven 365 des Substantivs 328, 974-996
schwache Deklination 364 irrtümlicher Gebrauch des
Schwankungen zwischen adjektivi¬ attributiven Adjektivs 411-413
scher u. substantivischer Kongruenz des attributiven Ad¬
Deklination 367-369 jektivs mit seinem Substantiv
nach Pronominaladjektiven 369 1197,1200
nach stark gebeugtem attributi¬ als Gleichsetzungsakkusativ 1016
vem Adjektiv 368 als Gleichsetzungsnominativ 1015
starke Deklination 363 als Umstandsangabe 1029
Vergleichsformen 326, 373-410 mit begrenzter syntaktischer Verwen¬
Elativ 393-399 dung 408 f.
Form 393 Wortbildung
Gebrauch 393 Ableitung 726-736
weitere sprachliche Mittel zum aus Adverbien 791
Ausdruck des sehr hohen Grades aus Substantiven 791
395-399 Präfixbildungen 764-771, 783
Gradabschattungen 400-404 Zusammenbildung 760-762
der beständig zunehmende Grad 403 Zusammensetzung 631-663
der eingeschränkte, ermäßigte Grad Adjektivpräflxe 764-771, 783
404 Adjektivsufflxe 686
der gesteigerte Grad 401 adnominales Attribut vgl. Attribut des
der möglichst hohe Grad 402 Substantivs
der zu hohe Grad 400 Adverb 47, 545-568
Komparativ 375-385 Abgrenzung zum Adjektiv 661 f.
Auswertung des ,,e“ 377 Abgrenzung zur Konjunktion 591
besondere Verwendung 380-384 Aufgabe
Beugung 385 Bezeichnung der Umstände des
Bildung 375f. Grundes 552
Negation 379 Bezeichnung der Umstände der Mo¬
Umlaut 3.75f. dalität 548-551
Vergleichspartikel 378 Bezeichnung der Umstände des Ortes
Verstärkung 379 546
Positiv 374 Bezeichnung der Umstände der Zeit
Superlativ 386-392 547
andere sprachliche Mittel zum Aus¬ Verstärkung der Präposition 584
druck des höchsten Grades 391 falscher Gebrauch 564-567
Auswertung des ,,e“ 387 Übergang zur Präposition oder Kon¬
Beugung 392 junktion 568
Bildung 386 Verwendung im Satz 545
Gebrauch 389 f. als Attribut
Negation 388 des Adjektivs 997, 2
Umlaut 386 des Adverbs 998
Verstärkung 388 des Substantivs 985
unregelmäßige Vergleichsformen 405 als Umstandsangabe 1029
vergleichsunfähige Adjektive 407-410 in der Funktion der Präposition 570
Adverb, Forts. Anapher 1049
in Verbindung mit bestimmten Zah¬ Anfangsstellung der Personalform des
len 500 Verbs 1210
pleonastische Verwendung 563 Anredenominativ 1001, 1289
Wortbildung Stellung 1249
Ableitung 749-755 Antithese 1049
Zusammenbildung 763 Apposition 987-996
Zusammensetzung 679 Kasusabweichungen 990-996
Wortstellung 1240 Stellung 987 f., 1243
Adverbendung -e 559, 750 nachgetragene 989
Adverbialadjektive 328, 561 unmittelbar beim Bezugswort
adverbialer Akkusativ 1029, e stehende 988
adverbialer Genitiv 1029, d unter eigenem Teilbogen 1037
Adverbialsufflxe 686, 749-755 Artangabe 951, 1032
Affrikata 25 Artergänzung 901-903, 914-918
Akkusativ als Attribut des Adverbs 998 —b Akkusativobjekt 931 f.
„Akkusativ aus Irrtum“ 434, 933 —b Dativobjekt 928
Akkusativ + Infinitiv (a. c. i.) 922 —b Genitivobjekt 931-934
Akkusativierung 964 -, modifizierende 947
Akkusativobjekt 872-877, 905-922, - + Präpositionalobjekt 935-938
931-934, 948, 950 —b Präpositionalobjekt + Dativobjekt
Bedeutungsinhalte 1017-1019 939
Form 1020 —b Raumergänzung 940-942
in Konkurrenz mit Dativobjekt 924, Artikel 43, 206-236, 415
927 Betonung 1269
Stellung 1225 f., 1228 Beugung 207
—b Artergänzung 914f. Gebrauch 208-235
—b Artergänzung + Dativobjekt 916 generalisierend 208
-, doppeltes 920f. individualisierend 208
—b Genitivobjekt 906 f. Kongruenz 1198,1200
—b Gleichsetzungsakkusativ 919 Leistung 206
—b Artergänzung + Genitivobjekt 917 Nichtsetzung 209, 213-235
—b Artergänzung + Präpositionalobjekt Setzung 208-216, 219f., 227, 232-236
018 Verschmelzung mit Präpositionen 236
—b Dativobjekt 905, 907 vor Eigennamen 231-235
—b Präpositionalobjekt 907, 908f. zur Differenzierung gleichlautender
- -b Raumergänzung 91 Of. Substantive 196
—b Raumergänzung -b Dativobjekt 912 Artikulationsart (Konsonanten) 25
- -b Zeitergänzung 913 Artikulationsstelle (Konsonanten) 26
Aktionsarten 64-67 Artverben 901, 955
Grad, Intensität eines Geschehens 66 Aspiration, vgl. Behauchung
Wiederholung eines Geschehens 65 asyndetische Gliedsatzreihe 1046,1050
zeitliche Verlaufsweise 64 asyndetische Satzverbindung 1046,1049
zusätzliche Wörter zur Kennzeichnung asyndetische Wortreihe 1036
67 asyndetische Zusammenfassung gleich¬
Aktiv vgl. Konjugation, Verhaltens¬ wertiger Sätze 1052
richtung Atemerneuerung, -fuge 1277-1280, 1283,
Akut 2 1291, 1296, 1302, 1304
Akzent 1259,1288 Attribut 971-998
Alphabet 2 Betonung 1265
Anakoluth vgl. Satzbruch des Adjektivs 997
672 Sachregister

Attribut, Forts, Begründungsergänzung 904, 951


des Adverbs 998 Behauchung von p, t, k 30
der Artergänzung 1029 Beinamen als Apposition 988
des Substantivs 972-996 Bergnamen
Ersatz durch Gliedsätze 1094 Deklination 306 f.
Leistung u. Bestimmung 971 Genus 184
mit ,,als“ (Apposition) 988, 991 Berufsbezeichnung als Apposition 988
mit „wie“ (Apposition) 988, 992 Berufsbezeichnungen, weibliche: Kon¬
Stellung gruenz 1192,1203
des adjekt. Attributs 1233-1236 Berufswörter als Wortstand 832
des präpositionalen Attributs 1242 Beschwerungs weisen 1259
des substantivischen Attributs 1241, Bestimmungswort einer Zusammen¬
1243 setzung 617-620, 626, 628, 631
unter eigenem Teilbogen 1037 Betonung im Satz vgl. Tonfall
attributives Adjektiv vgl. Adjektiv Betonung zusammengesetzter Wörter 613,
Aufast vgl. Spannbogen 664-668
Aufforderungssatz 857 Beugung vgl. Deklination u. Konjugation
Wortstellung 1209f. Beziehungskongruenz des Pronomens
vgl. auch Wunsch- u. Befehlssatz 1204-1206
Ausdrucksstellung 1272 Bilabiale 26
Ausrufesatz 857 Binde-s vgl. Fugenzeichen, Fugen-s
Aussagesatz 857 f. Bindewort vgl. Konjunktion
Betonung 1270f. Binnenschwere 1276
Wortstellung 1209 f. Bruchzahlen 538-539
Aussageweise vgl. Konjugation, Aussage¬ Buchstaben, substantivierte
weise u. Gliedsatz, Aussageweise Deklination 274,5; 316
Aussprache 34-38 Genus 193
hochsprachliche- 38
nichthochsprachliche 34-37 C
norddeutsche 35
süddeutsche 36 Cedille 2
umgangssprachliche 37 Chiasmus 1049
Aussprachelehre 38 Consecutio temporum 1153
Autorenplural vgl. Pluralis majestatis constructio ad sensum 1178,1184,4; 1186

B D

Bedeutungserweiterung 806 „daß^-Satz vgl. Inhaltssatz


Bedeutungsverbesserung 806 Dativ des Interesses vgl. freier Dativ
Bedeutungsverengerung 806 Dativobjekt 878-882, 905, 912, 916, 921,
Bedeutungsverschlechterung 806 923f., 926-930, 934, 939, 951,1021 f.
Bedeutungswandel 806f. Ersatz durch Präpositionalobjekt 890 f.
Bedingungssatz vgl. Konditionalsatz Form 1022
Befehlssatz 857,1210 nach bestimmten Verben (Zusammen¬
Begleiter des Substantivs als Attribut 978 stellung) 1021
Begleiter u. Stellvertreter des Substantivs Stellung 1225,1228 f.
43-45, 414-543 —(- Akkusativobjekt 905, 921
Artikel vgl. dort Dativus ethicus vgl. freier Dativ
Numerale vgl. dort Datumsangaben, nachgetragene Appo¬
Pronomen vgl. dort sition 989
Begründungsangabe 951,1033 Dauer der Laute 5
Sachregister 673

Deklination Doppelbildungen bei abgeleiteten Verben


der Abkürzungen 312, a 740, 742
der Adjektive 330-372 Doppelformen (Wortbildung) 644-647,
der Bergnamen 306 f. 695, 711, 719
der Bruchzahlen 538 f. Doppelpräfixe, scheinbare 780, 784
der Buchstaben 274,5; 316 Doppelsetzungen 1298
der Demonstrativpronomen 451, doppeltes Akkusativobjekt vgl. Akkusa¬
458, 464, 466, 468, 472f. tivobjekt, doppeltes
der Eigennamen 290-311 doppeltes Präpositionalobjekt vgl. Prä¬
der Familiennamen 290-303 positionalobjekt, doppeltes
der Farbadjektive 362 doppelte Verneinung vgl. Veneinung,
der Firmennamen 311 doppelte
der Flußnamen 306 durative Verben 64
der Fremdwörter 279-289 Dual 237
der Gebäudenamen 311
der Gebietsnamen 305-310 E
der Gebirgsnamen 306
der geographischen Namen 305-310 Eigennamen 172 f.
der Indefinitpronomen 421, 485-522 als Apposition 988
der Interrogativpronomen als Gattungsnamen 173
481-483 Genus 181-191
der Kardinalzahlen 527-533 Deklination 290-311
der Kurzwörter 312, b Numerus 238
der Ländernamen 305-307, 310 Plural als Gattungsnamen 294
der Ordinalzahlen 537 Eigenschaftsbezeichnungen (Wortbil¬
der Ortsnamen 305, 307 f. dung) 711
der Personalpronomen 421-434 Eigenschaftsgenitiv vgl. Genitivus
der Personennamen 290-303 qualitatis
der Possessivpronomen 421, 441-444 Einleite wort vgl. Gliedsatz mit Einleite¬
der Relativpronomen 476-480 wörtern u. Gliedsatz ohne Einleite¬
der Substantive (vgl. auch dort) 256-324 wörter
der Völkernamen 304 Einschaltspitze 1270
der Vornamen 290-303 Einschnitt 1277,1283-1284,
des Artikels 207 1291
des substantivierten Adjektivs 363-370 Einschub 1291
des substantivierten Partizips 363t370 Einwohnernamen 362, 719
der Zahlsubstantive 533 Elativ vgl. Adjektiv, Vergleichsformen
Unterlassung der Deklination 313-324 Ellipse vgl. Ersparung
Demonstrativadverbien 555-557 Entlehnungen 806
Demonstrativpronomen 420, 450-475, 591 Entscheidungsfrage 857
Betonung 1268 Betonung 1256,1273
Beziehungskongruenz 1204,1206 Wortstellung 1210
Deklination 451, 458, 464, 466, 468, Ergänzungen, Grundleistungen 950 f.
472f. im einzelnen vgl.
Leistung 452-457, 459-464, 466-468, Akkusativobjekt
471 Dativobjekt
Dentale 26 Genitivobjekt
Diminuierung 700f., 709, 720, 724 Gleichsetzungsakkusativ
Diphthong 20, 23, 24 . Gleichsetzungsnominativ
direkte Rede 1091,1159 Präpositionalobjekt
Gliederung des Spannbogens 1304 U mstandsergänzungen
674 Sachregister

Ergänzungsfrage 857 freie Umstandsangabe 969 f., 1029-1033


Betonung 1256 f., 1273 Artangabe 1032
Wortstellung 1209 Begründungsangabe 1033
ergänzungslose Sätze vgl. Satz Raumangabe 1030
erlebte Rede vgl. Rede, erlebte Zeitangabe 1031
Ersparung Form 1029
von Redeteilen 1170-76 Stellung 1227-1229
Wortbildung 657 freie Zeitangabe vgl. freie Umstands¬
„ethisches“ Possessivpronomen 449 angabe
Etymologie 805 Fremdwörter
Euphemismus 806 Deklination 279-289
Genus, Schwankungen 201
in verdeutlichenden Zusammen¬
F
setzungen 628
Fächerung 834 Wortbildung 702, 716, 723, 730, 736
Fachsprache 677, 783 748, 7.69, 771, 794f.
Familiennamen Frikative 25
Deklination 290-303 Fugenlaut vgl. Fugenzeichen
mit Bestimmungswort 298-303 Fugensilbe vgl. Fugenzeichen
ohne Bestimmungswort 290-297 Fugenzeichen 631-647
Wortbildung 622, 624 Doppelformen durch Fugenzeichen
Farbadjektive, Deklination 362 644-647
Farbwörter Fugen-e 633
Fächerung 834 Fugen-s 636-640
sprachliches Feld 838 Silbe -en- 634
Finalsatz vgl. Umstandssatz Silbe -er- 635
finite Verbformen 139-167 wachsende Neigung zur Anwendung
Firmennamen, Deklination 311 der Fugenzeichen 641 f.
Flexion vgl. Deklination u. Konjugation Führ töne 1258
Flexionsendungen, Leistung Futur vgl. Konjugation, Zeit
803 Gattungsbegriff als Apposition 988
Flexionskasus vgl. Kasus Gattungsnamen 173 ff.
Flugzeugnamen, Genus 190 Deklination vgl. Substantiv
Flußnamen Numerus 239-241, 294-297,
Deklination 306 Unterlassung der Deklination 313-324
Genus 187 anerkannte Unterlassung 313-319
formelhafte Wendungen mit ,,es“, noch nicht anerkannte Unterlassung
einleitende 849. 320-324
Fragesatz 857 Gattungszahlwörter 543, 754
Fragesatz, indirekter vgl. indirekter Wortbildung 754
Fragesatz Gebäudenamen
freie Artangabe vgl. freie Umstands¬ Deklination 311
angabe Genus 191
freie Begründungsangabe vgl. freie Uin- Gebietsnamen
standsangabe Deklination 305-310
freie Raumangabe vgl. freie Umstands¬ Genus 184
angabe Setzung oder Nichtsetzung des Artikels
freier Dativ 967 f. 234
Dativ des Interesses 967 Gebirgsnamen
Dativus ethicus 968 Deklination 306
freie Satzglieder 967-970 Genus 186
Sachregister 675

Gegenwart vgl. Konjugation, Zeit Genus, Forts.


Gegenwort vgl. Opposition Kongruenz im Genus 1200
Gemeinplätze 828 natürliches und grammatisches Ge¬
Gemessenes als Apposition 988 schlecht 177
Genitiv der Steigerung 980,2 schwankendes Geschlecht 201
Genitivkomposita 641 geographische Namen
Genitivobjekt 883-886, 890 f., 906 f., 917, Deklination 305-310
931-933, 951, 963, 1023 Genus 184
Form 1024 Numerus 238, 254
Sinn 883-886 Setzung oder Nichtsetzung des Artikels
Stellung 1228 f. 234 f.
sterbender Objektsgenitiv 963 Gerätebezeichnungen (Wortbildung)
Genitivus deflnitivus und explicativus 717,1; 758
980,2 Gerundiv 161
Genitivus obiectivus 980, 3 Geschehensbezei chnungen (Wortbildung)
Genitivus partitivus 980, 5 689-702, 757
Ersatz durch präpositionalen An¬ Geschehensverben 904, 955
schluß 980, 5 Geschlecht vgl. Genus
Genitivus possessivus 980,1 Gewichts Wechsel, Rhythmisierung der
Ersatz durch Anschluß mit „von“ 980,1 Rede 1286
Genitivus qualitatis 980, 4 Gezähltes als Apposition 988
Ersatz durch Anschluß mit „von“ 980, 4 Gleichsetzungsakkusativ 919, 950 f., 1016
Genitivus subiectivus 980, 3 Kongruenz 1188-1196
Genus 177-205 Stellung 1224
der Abkürzungen 192 Gleichsetzungsgliedsatz 1094
der Abstrakta 180 Gleichsetzungsnominativ 868-871,
der Bergnamen 186 950 f., 1015
der Flugzeugnamen 190 Kongruenz 1188-1196
der Flußnamen 187 Stellung 1223
der Gebietsnamen 184 Gliederung der Rede 1277-1280
der Gebirgsnamen 186 Gliederung des Spannbogens
der Hotelnamen 191 vgl. Spannbogen
der Kaffeehausnamen 191 Gliedkern 971
der Kinonamen 191 Gliedsatz 1053-1158
der Kurzwörter 192 als Akkusativobjekt 1020,1094
der Ländernamen 184 als Dativobjekt 1022,1094 .
der Ortsnamen 185 als Genitivobjekt 1024,1094
der Personenbezeichnungen 178 als Gleichsetzungsnominativ 1015, 1094
der Personennamen 181 als Präpositionalobjekt 1026,1094
der Sachnamen 180 als Subjekt 1007,1094
der Schiffsnamen 189 als Umstandsangabe 1029,1094
der Stern- und Sternbildnamen 188 Aussageweise 1100-1156
der substantivierten Buchstaben 193 in den einzelnen Arten der Gliedsätze
der Tiernamen 179 1117-1152
der zusammengesetzten Substantive 194 im indirekten Fragesatz 1125-1129
geschlechtsbestimmende Ableitungs¬ im Konjunktionalsatz 1130-1152
silben und Wortendungen im Inhaltssatz 1130-1144
(Zusammenstellung) 195 im Relativsatz 1117-1129
Geschlechtswandel 200 im Umstandssatz 1145-1152
Geschlechtswechsel mit Hilfe von Kausalsatz 1147-1152
Suffixen 725 Modalsatz 1146
676 Sachregister

Gliedsatz, Forts. Hilfsverb 63, 75,1010


Temporalsatz 1145 Betonung 1269
Indikativ 1100-1107 Konjugation S. 104-107
Aussageweise HOOf. historisches Präsens 79
Zeitenfolge im Gliedsatz 1107 Hochsprache 1, 799
Konjunktiv 1108-1116 Homonyme 806, 853
Ersatz durch Modalverben 1108 f. Hotelnamen, Genus 191
Aussageweise 1108-1114
Konjunktiv des 1. und 2. Futurs I, J
1116
Umschreibung des 2. Konjunktivs Imperativ 112,128-138
durch würde 4- Infinitiv 1115 Bedeutung 128
Zeitenfolge im Gliedsatz 1153-1156 des Passivs 129
mit Einleitewörtern 1056-1089 Formen 133-136
indirekter Fragesatz 1068-1071 weitere Möglichkeiten, einen Befehl
Konjunktionalsatz 1072-1089 sprachlich auszudrücken 138
Relativsatz 1057-1067 imperfektive Verben 64
Wortstellung 1211,1220 Impersonalia vgl. unpersönliche Verben
ohne Einleitewörter 1090-1093 inchoative Verben 64, 778
Rangordnung 1055 Indefinitpronomen 420 f., 484
Nebenordnung 1050 Allgemeines 484
Unterordnung 1055 im einzelnen 485-522
Stellung 1232 Indikativ 112 f.
Gliedsatzreihe 1046,1050-1052 vgl. Gliedsatz, Aussageweise
Gliedteil vgl. Attribut indirekte Rede 112,1160
Glottale 26 Aussageweise 1144,1146, S. 555
Gravis 2 Zeitenfolge 1156
Grundformen deutscher Sätze 859-966 indirekter Fragesatz 1056, 1068-1071
Bestimmung 859-864 Abgrenzung gegen Relativsatz und sog.
Gliederung und Leistung 865-947 Inhaltssatz 1071
ergänzungsloser Satz 865-867 als Attribut 1068
mit eingliedriger Ergänzung 868-904 als indirekte Rede 1160
mit mehrgliedriger Ergänzung 905-947 als weiterführender Teilsatz 1097
vergleichende Betrachtung 948-965 als Gliedsatz ohne Einleitewort 1092
Zusammenstellung 966 als Objekt 1068
Grundwort einer Zusammensetzung als Subjekt 1068
631-687 Aussageweise 1125-1129.
Adjektiv (Partizip) als Grundwort Einleite Wörter 1069
631-663 infinite Verbformen 158-170
Substantiv als Grundwort 631-663 im einzelnen vgl.
Verb als Grundwort 664-677 Infinitiv
Partizip
Infinitiv 159,1040 f.
H
als Akkusativobjekt 1020
Handlüngssatz 872, 875-877, 882, 892 f., als Attribut 986
905-908, 911-920, 927, 948, 950, 966 als freie Umstandsangabe 1029
Hauptfuge in mehrgliedrigen Zusammen¬ als Genitivobjekt 1024
setzungen 660-662 als Gleichsetzungsakkusativ 1016
Hauptsatz vgl. Satz als Gleichsetzungsnominativ 1015
Hauptwortarten 51, 764' als Präpositionalobjekt 1026
Herkunftsbezeichnungen 791 als Subjekt 1007
Sachregister 677

Infinitiv, Forts. Interrogativpronomen, Forts.


als Teil des Prädikats 1010-1013 Deklination 481-483
als Umstandsergänzung 1029 Leistung 481-483
beim Akkusativ mit Infinitiv 922 Interrogativsatz vgl. indirekter Fragesatz
mit „zu“ 980,1012 f., 1020,1024, intransitive Verben vgl. Verb
1026,1029,1039 iterative Verben 65, 745
satzwertiger 1038-1041 Jahreszahlen 534
A bgrenzung 1038
Stellung 1230 K
unter eigenem Teilbogen 1037 f.
Infinitivgruppe vgl. Infinitiv, satzwertiger Kadenz 1271,1273,1277,1279,1304
Inflnitivkonjunktion 1039,1041 Kaffeehausnamen, Genus 191
Stellung 1247 Kanzleistil, Gebrauch der Präpositionen
ingressive Verben 04 S. 315
Inhaltssatz 1073 f., 1089,1091,1094 Kardinalzahlen 525-536
Abgrenzung gegen indirekten Frage¬ bei der Uhrzeit 535
satz 1071 bei Jahreszahlen 534
als indirekte Rede 1160 Bildung 526
Aussageweise 1144 Deklination 527-533
Zeitenfolge 1156 Gebrauch 525
Aussageweise 1130-1143 in unbestimmtem Gebrauch 536, 560
Gliederung des Spannbogens 1303 Kasus 259 f.
konjunktionaler 1073 Leistung 259
als Akkusativobjekt 1073 Präpositionalkasus 259
als Attribut 1089 reiner Kasus 259
als Genitivobjekt 1073 Kasusabweichungen bei der Apposition
als Präpositionalobjekt 1073 990-996
als Subjekt 1073 Kaumschwere 1200,1265,1275
ohne Einleitewort 1091 Kausalsatz 1075,1083-1088
als Attribut 1091 als Gliedsatz ohne Einleitewort 1093
als Subjekt 1091 Aussageweise 1147-1152
Wortstellung 1209 Stellung 1232
Instrumentalsatz vgl. Umstandssatz Kernsatz 864
Intensität der Laute vgl. Stärke der Laute Kinonamen, Genus 191
intensive Verben 66 Klammerfügungen 615, 3; 060
Intensivierung 743-745 Klangfarbe der Laute 4,10
Interjektion 50, 606-610 Klanggestalt des Satzes 1253-1306
Akzent 1290 Allgemeines 1253
als Parenthese 1000 Gliederung 1277-1300
EinleilungnachihrerBedeutung608-610 Schweren u. Leichten 1259-1276
Stellung 1248 Tonfall 1254-1258
substantivierte, Plural 274,5 klug u. dumm, sprachliches Feld 840
Wesen 606 Kollektiva vgl. Sammelnamen
Interrogativadverbien 655 f., 558,867 Kollektivsufflx 094, 706, 708, 710f., 713f.
als Einleitewort des indirekten Frage¬ Komparativ vgl. Adjektiv, Vergleichs¬
satzes 1069 formen
in weiterführenden Teilsätzen 1097 Konditionalsatz vgl. Umstandssatz
Interrogativpronomen 420,481-483, Kongruenz 866,1177-1207
691,857 Beziehungskongruenz des Pronomens
als Einleitewort des indirekten Frage¬ 1204-1206
satzes 1069 der Apposition 1200-1203
678 Sachregister

Kongruenz, Forts, Konjugation, Forts.


des Artikels mit seinem Substantiv Präsens 78-83
1198,1200 Präteritum 93-95
des attributiven Adjektivs (Partizips) Unterschied zwischen der Perfektum-
mit seinem Substantiv 1197,1200 schreibung mit „haben“ und „sein“
des Pronomens mit seinem Substantiv 91 f.
1198,1200 Zusammenstellung der Formen von
des Zahlwortes mit seinem Substantiv der zeitlichen Leistung her 102
1199 vgl. Gliedsatz, Zeit
im Gleichsetzungssatz u. inhaltlich dazu Konjunktion 49, 590-605
gehörigen Sätzen 1188-1196 Arten 591
zwischen einem Objekt bzw. einer Um¬ Aufgabe 590
standsangabe u. einer pluralischen Einteilung nach der Verwendung 593-
Personenangabe 1207 600
zwischen Subjekt u. Prädikat 1179- adversativ 595
1187 „daß“ u. „ob“ 600
Konjugation 68-170 disjunktiv 594
Aufgabe 68 kausal 599
Aussageweise 112-138 kopulativ 593
vgl. im einzelnen lokal 596
Imperativ modal 598
Indikativ temporal 597
Konjunktiv Form 592
Formen 68-76 Gebrauch 601-605
Konjugationstabellen 76 einzelner nebenordnender Konjunk¬
der Hilfsverben „sein“, „haben“ u. tionen 604 f.
„werden“ S. 104-107 Neben- u. Unterordnung 601-603
starker u. schwacher Verben S. 99-104 Stellung 1245-1247
schwache Verben 71 substantivierte, Plural 274, 5; 316
Schwankungen 72 Könjunktionaladverbien 591
starke Verben 70 Konjunktionalsatz 1056,1072-1289,1094,
umschriebene Formen 75 1098
unregelmäßige Verben 73 als Attribut 1089
Zusammenstellung der starken, der un¬ als Inhaltssatz 1073
regelmäßigen u. der Verben mit als Umstandssatz 1075-1088
schwankender Konjugation 74 Kausalsatz 1075,1083-1088
Verhaltensrichtung 103-111 Finalsatz 1086
Aktiv 103 Instrumentalsatz 1088
Passiv 104-111, 876, 878, 921 Konditionalsatz 1084
bei intransitiven Verben 106-108 Konsekutivsatz 1085
bei reflexiven Verben 109 Konzessivsatz 1087
bei transitiven Verben 105 reiner Kausalsatz 1083
Ersatzformen 111 Modalsatz 1079-1082
persönliches 105,107 f. Modalsatz im engeren Sinne 1079
unpersönliches 106f„ 109 Proportionalsatz 1082
Zustandspassiv 110 Vergleichssatz 1080f.
Zeit 77-102 Temporalsatz 1076-1078
1. Futur 97-99 Aussageweise 1130-1152
2. Futur 100f. im Inhaltssatz 1130-1144
Perfekt 84-90 im Kausalsatz 1147-1152
. Plusquamperfekt 96 im Modalsatz 1146
Sachregister 679

Konjunktionalsatz, Forts, Lautschrift 3


im Temporalsatz 1145 Leseprobe 33
,,ob“-Satz 1069,3; 1072 Lautverbindungen 25
Stellung 1232 Lehnübersetzungen 806
weiterführende Teilsätze in der Form Lokalsatz vgl. Relativsatz
des Konjunktionalsatzes 1098
Konjunktiv 112, 114-127
M
Formen 114-118
Inhalt 119-125 Maskulinum, als neutrale Geschlechts¬
Umschreibung des 2. Konjunktivs im angabe 199
Hauptsatz 126 Maßbezeichnungen
Zeit im Hauptsatz 127 Deklination des Gemessenen 247
vgl. Gliedsatz, Aussageweise Kongruenz zwischen Subjekt u. Prä¬
Konkreta 172-175 dikat 1186
Konsekutivsatz vgl. Umstandssatz Numerus 244-251
Konsonanten 25-31 Numerus des Gemessenen 249
Artikulationsart 25 mehrfach zusammengesetzter Satz vgl.
Artikulationsstelle 26 Periode
Tabelle 30 Mehrwortbezeichnung 616
Konsonantenbuchstaben 2 Mehrzahlendung im Bestimmungswort
Konzessivsatz vgl. Umstandssatz von Zusammensetzungen 642
Korrelate Melos der Rede 1253
im daß-Satz 1074 Mengenangabe, -bezeichnung
im indirekten Fragesatz 1070 Kongruenz zwischen Subjekt u. Prä¬
im konjunktionalen Kausalsatz 1083- dikat 1184, 3, 4; 1186
1088 Numerus 244-251
im konjunktionalen Modalsatz 1081 f. Metapher 806
im konjunktionalen Temporalsatz 1078 Metonymie 806
im Relativsatz 1067 Mitlaute vgl. Konsonanten
Kunstwörter 795 Mittelstellung des Verbs vgl. Achsen¬
Kurzformen, Wortbildung 793-795 stellung des Verbs
Kurzwörter Modaladverbien 548-551
Deklination 312 Modalsatz 1075, 1079-1082
Genus 192 Aussageweise 1146
Wortbildung 793-795 Modalverb 63,157
• Betonung 1269
Konjugation 74
L mit reinem Infinitiv als Prädikat 1011
nach reinem Infinitiv 165
Labiodentale 26 Umschreibung des Imperativs 137
Ländernamen Umschreibung des Konjunktivs im
Deklination 305-307, 310 Gliedsatz 1108 ff.
Genus 184 Umschreibung für 2. Konjunktiv im
Numerus 238 Hauptsatz 119-125
Setzung oder Nichtsetzung des Artikels Modewörter 735
234 modifizierende Umstandsergänzung
Wortbildung 617, 625 943-947, 998
Laterale 25 modifizierende Verben 63, 73, 75
Laute 1-38 mit Infinitiv mit „zu“ als Prädikat 1012
Anzahl 9 Modifizierung von Verbinhalten durch
Inhalt u. Sinn 800-803, 832 Präfixe 772
680 Sachregister

Modus vgl. Konjugation, Aussageweise Objektergänzungen 872-895


Monatsnamen, Unterlassung der Dekli¬ Akkusativobjekt 872-877
nation 318 Dativobjekt 878-882
Movierung vgl. Genus Genitivobjekt 883-886
Münzbezeichnungen, Numerus 244-251 Präpositionalobjekt 887-895
Onomasiologie 809
onomatopoetische Bildungen 800f.
N Opposition 765, 841
Nachsatz.1232 Ordinalzahlen 537
Nachtrag 1294,1306 als Gleichsetzungsnominativ 1015
Nasale 25 Ortsadverbien 546
Nasalvokale 22, 23, 24 als Attribut des Substantivs 985
Nebenformen des Satzes 952 f. Ortsnamen
Nebenordnung Deklination 305, 307 f.
von Teilsätzen 1045 Genus 185
von Wörtern oder Wortgruppen 1034 Setzung oder Nichtsetzung des Artikels
Nebensatz vgl: Gliedsatz 235
Nebensatz, verkürzter vgl. Wortbildung 617, 625, 648, 719
Infinitiv, satzwertiger u.
Partizip, satzwertiges P
Nischen, semantische 832
Nomen acti 689 Palatale 26
Nomen actionis 689 Parenthese 999-1003
mit präpositionalem Attribut 984 absoluter Nominativ 1002
Nomen agentis 717, 719, 758 Anredenominativ 1001
Nomen instrumenti vgl. Gerätebe¬ Interjektion 1000
zeichnungen Schaltsatz 1003
Nomen patientis 717 Partikeln 46-49, 544-605
Nomen qualitatis 703 Adverb 545-568
nominaler Stil 1054 vgl. im einzelnen dort
Nominalformen des Verbs 158 als Umstandsangabe 1029
Numerale 523-543 Aufgabe 544 f., 572 f., 590
Bruchzahlen 538 f. Konjunktion 590-605
Gattungszahlwörter 543 vgl. im einzelnen dort
Kardinalzahlen 525-536 Präposition 569-589
Ordinalzahlen 537 vgl. im einzelnen dort
Verteilungszahlwörter 540 Wortbildung
Vervielfältigungszahlwörter 541 Ableitung 749-755
Wiederholungszahlwörter 542 aus Adjektiven 792
Numerus vgl. Substantiv, Numerus aus finiten Verbformen 792
aus Substantiven 792
Zusammensetzungen 678-683
O
partitiver Genitiv 884, 908, 980
,,ob“-Satz vgl. Konjunktionalsatz Partizip 160-169
Objekt 950f. Mittelstellung zwischen Verb u. Adjek¬
Stellung 1225,1228 f. tiv 166-168
vgl. im einzelnen 1. Partizip 161,167 f.
Akkusativobjekt 2. Partizip 162-169
Dativobjekt Vorsilbe ge-163-165
Genitivobjekt satzwertiges Partizip 1042-1044
Präpositionalobjekt Abgrenzung 1042
Sachregister 681

Partizip, Forts. Personennamen, Forts.


syntaktische Verwendung 1043 Wortbildung 648, 721-723
als Attribut 974,1043 persönliche Pronomen 422-439
als freie Umstandsangabe 1029, vgl. Personalpronomen, Reflexivprono¬
1043 men u. reziproke Pronomen
Stellung 1231 Pflanzennamen
Wortgruppen, in denen ein Partizip Wortbildung 622, 624, 721
zu ergänzen ist 1044 Phoneme 10-13,1253
substantiviertes Partizip 363-370 Pleonasmus 439, 563
Deklination 363 f. Plural 237-243, 248-250, 252-255
Deklination nach Pronominaladjek¬ einteilend 241
tiven 365 sprachliche Möglichkeiten des Aus¬
in der Apposition 3,66 drucks 237
Schwankungen zwischen adjektivi¬ Umlaut 266-270
scher u. substantivischer Umschreibungen 241 f.
Deklination 367-369 vervielfältigend 241
Substantivierung 169 Pluraliatantum 252 f.
Teilnahme an der Wortart Adjektiv 52, gelegentliche Singularformen 253
167f., 974-977,1029 Zusammenstellung 252
Vergleichsformen 410 Pluralis majestatis oder modestiae 424
Wortbildung Plusquamperfekt vgl. Konjugation, Zeit
Partizip als Grundwort 643, 650 Positiv vgl. Adjektiv, Vergleichsformen
Partizipialgruppe vgl. Partizip, satz- possessive Zusammensetzungen 621-623,
wertiges 759
Passiv vgl. Konjugation, Verhaltens¬ Possessivpronomen 420, 440-449
richtung als Attribut 973
passivischer Satz 105, 893 Auswerfung des unbetonten ,,e“ 445
Perfekt vgl. Konjugation, Zeit Beziehungskongruenz 442,1205 f.
perfektive Verben 64, 668, 674, 772, 775, Deklination 441-444
778,783 Gebrauch 446-449
Periode 1099 Prädikat 865-869, 872-873, 878, 1008-
Gliederung des Spannbogens 1306 1014
Personalpronomen 420-434 einteiliges Prädikat 1009
beim a. c. i. 436 Kongruenz
Bemerkungen zu den einzelnen Formen zwischen Prädikat u. Personalpro¬
423-434 nomen als Gleichsetzungs¬
Beziehungskongruenz 1204,1206 nominativ 1188
Deklination 422 zwischen Subjekt u. Prädikat 1179-
im Attribut 437 1187
Personenbezeichnungen mehrteiliges Prädikat 1010-1014
Genus 178 Hilfsverb mit 2. Partizip oder reinem
Wortbildung 622, 624, 717-725, 734, Infinitiv 1010
758 f. Modalverb mit reinem Infinitiv 1011
Personennamen modifizierende Verben mit Infinitiv
Deklination 290-303 mit ,,zu“ 1012
mit Bestimmungswort 298-303 nichtmodale Verben mit Infinitiv
ohne Bestimmungswort 290-297 mit ,,zu“ 1013
Genus 181-183 nichtverbale Teile mit Verb 1014
Numerus 238 Sinn 867 f., 873,1008
Setzung oder Nichtsetzung des Artikels Stellung 1208-1220
232 Prädikativum 869
682 Sachregister

Präfix 764-784 Präpositionalobjekt, Forts.


beim Adjektiv 764-771 Abgrenzung von ümstandsergänzungen
bei njiehreren Wortarten 764, 783 f. 1027 f.
beim Partizip 764-771 Form 1026
beim Substantiv 764-771 für Dativobjekt 908, 936
beim Verb 772-782 für Genitivobjekt 886, 917, 968
Präfixadjektive 765-771, 783 für partitiven Genitiv 908
Präfixbildungen 764-784 Stellung 1225,1228f.
Adjektiv 765-771, 783 —h Dativobjekt 923f.
Partizip 765-771, 783 doppeltes 925
Substantiv 766-771, 784 Präsens vgl. Konjugation, Zeit
Verb 772-784 Präteritopräsentia 73,157
Präfixsubstantive 765-771, 783 Präteritum vgl. Konjugation, Zeit
Präflxverben 690, 693, 695, 772-784 Pronomen 44, 416r-522
Präposition 48, 569-589 als Akkusativobjekt 1020
Aufgabe 572 f. als Attribut des Adjektivs
Bedeutungsschwierigkeiten (Zusammen¬ . (mit „wie“ oder „als“) 997, 3
stellung) 589 , als Attribut des Adverbs 998
bei mehrteiligen Konjunktionen 587 als Attribut des Substantivs 973
des Kanzleistils S. 315 Kongruenz 1198,1200
fremde 583 als Dativobjekt 1022
Herkunft 569-571 als Gleichsetzungsnominativ 1015
•mit Akkusativ 579f. als Genitivobjekt 1024
mit Artikel verschmolzen 236 als Präpositionalobjekt 1026
mit Dativ 578, 580 . als Subjekt 1007
mit Genitiv 577 Beziehungskongruenz 1204-1206
-Rektionsschwierigkeiten Deklination vgl. dort
(Zusammenstellung) 582 Einteilung und Leistung 416-420
Stellung 1244 im einzelnen (vgl. auch unter den ein¬
Verhältnisse, die durch Präpositionen zelnen Stichwörtern)
ausgedrückt werden 574 Demonstrativpronomen 450-475
Verstärkung durch Adverbien oder an¬ Indefinitpronomen 484-522
dere Präpositionen 584 Interrogativpronomen 481-483
Wahl der richtigen Präposition (Zu¬ Personalpronomen 422-434
sammenstellung schwieriger Fälle) Possessivpronomen 440-449
575 Reflexivpronomen 435-438
Wiederholung bei aufgezählten Sub¬ Relativpronomen 476-480
stantiven 588 reziprokes Pronomen 439
zwei nebeneinander 585 Stellung 1238
zwei oder mehrere durch „und“ oder Pronominaladverb 554-558
„oder“ verbundene 586 Pronominaladjektiv
Präpositionalfall 259 Zusammenstellung der Pronominal¬
als Attribut des Substantivs 982-984 adjektive, nach denen die Deklination
als Attribut des Adverbs 998 der Adjektive schwankt 337-349
als Präposition 571 Pronominaladverb 545, 554-558
mit Verb als Prädikat 1014, ß als Ersatz für Präposition + Pronomen
mit „wie“ oder „als“ als Attribut des 558
Adjektivs 997 als Präpositionalobjekt 1026
Präpositionalgefüge 887-895 Gebrauch (pronominale u. adverbiale
Präpositionalobjekt 887-895, 908f., 918f., Funktion) 555
923-925, 935-939, 951,1025-1028 Herkunft 554
Sachregister 683

Pronominaladverb, Forts. Relativadverb 556-558


Kurzformen zusammengesetzter Prono¬ als Konjunktion 591, 1061, 1066f., 1096
minaladverbien 557 relative Tempora 77, 1102 ff.
Trennung der Glieder bei zusammenge¬ Relativpronomen 420, 476-480, 591,
setzten Pronominaladverbien 556 1058-1060,1065
Proportionalsatz vgl. Modalsatz Betonung 1269
Beziehungskongruenz 1204,1206
in Verbindung mit einer Präposition
R
558,1061, 1064
Raumadverbien 546 Relativsatz
als Verbzusatz 672, 675 Abgrenzung gegen indirekten Fragesatz
zusammengesetzte 679 1071
Raumangabe 951, 969,1029f. als Akkusativobjekt 1084
Raumbezeichnungen (Wortbildung) 713 als Attribut 1057-1Ö63
Raumergänzung 897-900, 910-912 Stellung 1232
modifizierende 944-946 als Dativobjekt 1064
Stellung 1223 als freie Umstandsangabe 1064
- + Dativobjekt 926 als Genitivobjekt 1064
Raumverben 897, 955 als Gleichsetzungsnominativ 1064
Rede als Präpositionalobjekt 1064
Gestaltungsarten als Raumergänzung 1064
direkte Rede 1159 als Subjekt 1064
erlebte Rede 1161 Aussageweise 1117-1124
indirekte Rede 1160 vgl. auch dort Einleitewörter 1058-1061,1065f.
Klanggestalt 1253 Gliederung des Spannbogens 1302
Akzent 1288 weiterführende Teilsätze 1096
Gliederung 1277-1280 Restriktivsatz vgl. Modalsatz
Rhythmisierung 1286 f. resultative Verben 64, 776
Verhältnis zum Satz 855 reziprokes Pronomen 439
Redeabschnitt 1278 rhetorische Auflösung 1297
Redewendungen, stehende vgl. stehende rhetorische Frage 857,4, c
Redewendungen Rhythmik der Rede 1253,1286f.
reflexive Verben vgl. Verb Rückbildung 691, 693, 695, 719, 72.7, 730,
Reflexivpronomen 59-02,436-438 761, 767
bedeutungsverstärkend 438
beim a. c. i. 436
S
beim Verb 59-62, 435
im Attribut 437 Sachbezeichnungen (Wortbildung) 689-
im Prädikat 1014, y 716, 724, 758f.
Reihenbildung (Wortbildung) 686 Sachnamen
Rektion 260 Genus 180
der Präposition 576-583 Sammelnamen 174
des Adjektivs 928, 932, 936 Numerus 240
Schwierigkeiten Wortbildung 694, 703, 706, 708, 710f.,
(Zusammenstellung) 582 f. 713 f.
des Substantivs 979-984 Satz 854-1308
des Verbs 57-62, 905, 909 Abgrenzung gegen Rede u. Wort 855
schwankende Rektion als gegliederte Sinneinheit 858
(Zusammenstellung) 957 Grundformen 859-966
Relativ Bestimmung 859-864
vgl. Relativadverb u. Relativpronomen Gliederung u. Leistung 866-947
684 Sachregister

Satz, Forts. Satzglieder, Forts.


ergänzungslos 865-867 Genitivobjekt vgl. dort
mit eingliedriger Ergänzung 868- Gleichsetzungsakkusativ vgl. dort
904 Gleichsetzungsnominativ vgl. dort
mit mehrgliedriger Ergänzung 905- Prädikat vgl. dort
947 . Präpositionalobjekt vgl. dort
vergleichende Betrachtung 948-966 Subjekt vgl. dort
Zusammenstellung der Grund¬ Umstandsergänzung vgl. dort
formen 966 Gliedsätze in der Rolle von Satzgliedern
Klanggestalt 1253-1306 (Zusammenstellung)
Wortstellung 1208-1252 1094
Zusammenfassung Satzglieder u. Gliedteile
Satz an sich 1307 unter eigenem Teilbogen 1037-1044
Satz im besonderen 1308 herausgehobene Attribute u. Satz¬
Sätzbruch 1177 glieder 1037
Satzarten 857 satzwertige Infinitive 1038-1041
Aufforderungssatz 857, 2 satzwertige Partizipien 1042-1044
Ausrufesatz 857, 3 Übergangszone zwischen Satzglied u.
Aussagesatz 857,1 Satz 1037
Fragesatz 857, 4 Satzglieder, freie, vgl. freie Satzglieder
Satzband 869 Satznamen 624
Satzgefüge 1053-1158 Satzreihe 1046-1052,1090,1093
Gliedsätze mit Einleitewörtern 1056- Gliedsatzreihe 1050
1089 Satzverbindung 1047-1049
indirekter Fragesatz 1068-1071 Arten 1048
Konjunktionalsatz 1072-1089 besondere Formen 1049
Relativsatz 1057-1067 Zusammenfassung gleichwertiger Sätze
Gliedsätze ohne Einleitewörter 1090- 1051 f.
1093 Formen 1052
indirekter Fragesatz 1092 Satzverbindung, vgl. Satzreihe
Inhaltssatz 1091 Satz Verneinung 1162
Umstandssatz 1093 Betonung 1267
mehrfach zusammengesetzter Satz 1099 satzwertiges Partizip vgl. Partizip,
Rangordnung 1055 satzwertiges
Spannbogen, Gliederung 1291,1299- satzwertiger Infinitiv vgl. Infinitiv, satz-
1305 wertiger
weiterführende Teilsätze 1095-1098 Satzwörter, Plural 274, 3
indirekter Fragesatz 1097 Schaltsatz 1003
Konjunktionalsatz 1098 Schiffsnamen, Genus 189
Relativsatz 1096 schwache Verben, vgl. Konjugation
Wesen und Leistung 1053f. Schweren u. Leichten 1259-1276
Zeit u. Aussageweise im Gliedsatz 1100- Beschwerungsweisen 1259
1158 Binnenschwere 1276
Zusammenstellung über den Ersatz von der Überschwere folgende Leichte, Voll-
Satzgliedern oder Gliedteilen durch u. Kaumschwere 1274f.
Gliedsätze 1094 Leistung 1262-1265,1288
atzglieder 858,1004-1033 Schwere u. Wortton 1261
Arten Schwereabstufung 1260
Akkusativobjekt vgl. dort Stellung der Überschwere 1271-1273
Dativobjekt vgl. dort Verteilung im Satz 1270
freie Umstandsangabe vgl. dort Selbstlaute vgl. Vokale
Sachregister 685

Semasiologie 804-808 stehende Redewendungen, Forts.


Arbeitsweise 805-807 Herkunft und Deutung 831
Leistung und Mängel 808 stereotype Vergleiche 829
Silbe 14 Stern- und Sternbildernamen
Silbengrenze 15 Genus 188
Silbentrennung 15 Stilschichten 799
Singular 238-251, 257, 261-264 StofFadjektive 728
Sinnergänzung 862 Stoffnamen 175
sinngebender Dativ 905, 929 Numerus 241
Sinnschritt 1280,1283,1287 f., 1290,1294, Straßennamen
1296 f., 1302,1306 Deklination 311
Sinnschrittfolge 1296 Wortbildung 639
Sinnschrittkadenz 1297,1299 Subjekt 865-868, 872, 874, 878, 891,
Spannbogen 1254, 1258,1280-1306 1005-1007
Einheit des Satzes 1254,1258 Form 1007
Gliederung 1281-1287,1289-1306 Kasus 1006
Abspaltung 1301 Kongruenz zwischen Subjekt u. Prädikat
angelehnte Satzteile 1282 1179-1187
Anredenominativ 1289 Sinn 866 f., 872, 891
Auf- und Abast 1281 Stellung 1222
Aufzählungen 1295 Subjektsatz 1094
Doppelsetzungen 1298 Subjektsgenitiv vgl. Genitivus subiectivus
Einschub 1291 Subjektsnominativ 968
gereihte Sätze 1296 Subjektswort 1005
Interjektion 1290 Substantiv 41,171-324
Nachtrag 1294 Deklination 256-324, im einzelnen vgl.
Neuansatz 1285 das Stichwort Deklination
Periode 1306 Deklinationsarten 257 f.
Rhythmisierung 1286 f. Deklinationsendungen 261-278
Sinnschrittkadenz 1297 Deklinationstabelle 257
Untergliederung 1284 Kasus 259 f.
Vorausstellung 1293 Unterlassung bei Gattungsnamen
wachsende Glieder 1283 313-324
Zusatz 1292 anerkannte 313-319
Spitznamen 622 noch nicht anerkannte 320-324
sprachliches Feld 835-840 Schwankungen zwischen starker und
Beispiele 836-840 schwacher Deklination (Zusam¬
Sprachschichten 799 menstellungen) 258, 276,
Sprichwörter und sprichwörtliche Redens¬ 279, 286, 320
arten 826 Einteilung 172-176
Städtenamen, Setzung oder Nichtsetzung Abstrakta 176
des Artikels 234 Konkreta 172-175
Stammformen des Verbs 75 f. Genus 177-205
Stamm wort 684 bestimmter Sachgruppen 178-194
Standesbezeichnung Endungen, die das Geschlecht be¬
als Apposition 988 stimmen (Zusammenstellung) 195
kollektive (Wortbildung) 713 Geschlechtswandel 200
Stärke der Laute 6 natürliches und grammatisches Ge¬
starke Verben vgl. Verb schlecht 177
stehende Redewendungen 825-831 schwankendes Geschlecht (Zusam¬
Arten 825-830 menstellung) 201-205
680 Sachregister

Substantiv, Forts. Superlativ vgl. Adjektiv,


Grundleistung 171 V ergleichsformen
Numerus 237-256 syndetisch gebildete Gruppen 1295
Allgemeines 237 Synesis 1178,1184, 4; 1186
Plural 252-255 Synonyme 806
Singular 238-251 syntaktische Fügung 613,615, 618 f.,
Verwendung im Satz 648,650
als Akkusativobjekt 1020 syntaktische kopulative Gruppe 615
als Attribut des Substantivs syntaktisches Feld 842-852
979-983 syntaktische Wortgruppe 766
als Attribut des Adjektivs 997, 3 syntaktische Grundformen vgl. Satz,
als Attribut des Adverbs 998 Grundformen
als Dativobjekt 1022 Syntax vgl. Satz
als Genitivobjekt 1024
als Gleichsetzungsakkusativ 1016
T
als Gleichsetzungsnominativ 1015
i als Präpositionalobjekt 1026 Tätigkeitsbezeichnungen 694
als Subjekt 1007 Tätigkeitsverben 56 f., 873,964
als Umstandsangabe 1029 Teichoskopie 79
Wortbildung Teilbogen 1280,1294-1296,1302
Ableitung 689-725 Teilsätze, weiterführende vgl. weiter-
Bildung durch Verdoppelung führende Teilsätze
796 Temperaturwörter, sprachliches Feld 839
Bildung von Kurzformen und Kurz¬ Temporalsatz 1076-1078
wörtern 793-795 Aussageweise 1146
Präfixbildungen 765-771 Stellung 1232
Substantivierung 52,158,169; 767, Tiernamen
786-790 Genus 179
Wortmischung 797 Wortbildung 622, 624, 693, 720 f.
Zusammenbildung 767-759 Titel als Apposition 988
Zusammensetzung 631-663 Titel von Büchern, Theaterstücken usw.,
substantiviertes Adjektiv vgl. Adjektiv, Kongruenz zwischen Subjekt und Prä¬
substantiviertes dikat 1184, 6; 1185,1, c, ee
Substantivierung 62, 767, 786-790 Titel, weibliche: Kongruenz 1192,1203
der infiniten Verbformen 168 Tonfall 1264-1258
der Partizipien 169 Führtöne 1258
Substantivpräflxe 764-771, 784 Grundformen 1256
Substantivsufflxe 692-725 darstellende Aussage 1256, y
Sufflxableitungen 692-755 entladender Ausruf 1266, a
Adjektiv 727-736 heischender Ausruf 1266, ß
Partikel 749-756 inverse Betonung 1257
Substantiv 692-725 Spannbogen 1254
Geschlechtswechsel 725 Tonhöhe der Laute vgl. Höhe der Laute
Verkleinerung 724 transitive Verben 57,91,166, 873,884 948
Verb 744-748
Suffixe 196, 686, 692-725, U
727-736, 744-755
Adjektivsufflxe 727-736 übergeordneter Satz vgl. Satzgeruge
Adverbsufflxe 749-755 Übernamen 622, 624
Substantivsufflxe 692-725 Uhrzeit 535
Verbalsufflxe 744-748, 781 Umklammerung vgl. verbale Klammer
Sachregister 687

Umlaut
durch Suffixe 687, 725, 728 f., 739, 744
im Plural der Substantive 266-270 Varianten
in den Vergleichsformen freie 12
des Adjektivs 376 f., 386 stellungsbedingte 11
des Adverbs 553 Velare 26
Umstandsangabe 1029-1033 Verb 40, 63-170
vgl. freie Umstandsangabe Aktionsarten 64-67
und Umstandsergänzung Grad, Intensität eines Geschehens
Umstandsergänzung 896-904, 66
1029-1033 Wiederholung eines Geschehens 65
Abgrenzung vom Präpositionalobjekt zeitliche Verlaufsweise 64
1027 f. zusätzliche Wörter zur Kenn¬
Arten zeichnung 67
Artergänzung 901-903 Bedeutungsgruppen 54-56
Begründungsergänzung 904 Tätigkeitsverben 56
Baum- und Zeitergänzung 897-900 Vorgangsverben 55
Stellung 1226 Zustandsverben 54
Umstandsergänzung, modifizierende vgl. Einteilung
modifizierende Umstandsergänzung Hilfsverben 63
Umstandssatz 1075-1088,1094,1145-1152 intransitive Verben 67 f.
Konjunktionalsatz 1075-1088 modifizierende Verben 63
Kausalsatz 1083-1088 reflexive Verben 59-62
Finalsatz 1086 echte reflexive Verben 69 f.
Aussageweise 1149 unechte reflexive Verben 61 f.
Instrumentalsatz 1088 transitive Verben 67 f.
Aussageweise 1152 Vollverben 63
Konditionalsatz 1084 Konjugation vgl. dort
Aussageweise 1150 Bektion
Konsekutivsatz 1085 mit a. c. i. (Zusammenstellung) 922
Aussageweise 1148 mit Akkusativ und Präpositional¬
Konzessivsatz 1087 objekt (Zusammenstellung) 909
Aussageweise 1151 mit Dativobjekt (Zusammenstellung)
reiner Kausalsatz 1083 1021
Aussageweise 1147 mit Genitivobjekt (Zusammenstel¬
Modalsatz 1079-1082 lung) 1023
Aussageweise 1146 mit Gleichsetzungsakkusativ (Zusam¬
Proportionalsatz 1082 menstellung) 919
Aussageweise 1146 mit Gleichsetzungsnominativ (Zu¬
Vergleichssatz 1080 f. sammenstellung) 1015
Aussageweise 1146 mit Präpositionalobjekt (Zusammen¬
Temporalsatz 1076-1078 stellung) 1025
Aussageweise 1145 schwankende Bektion 956 f.
ohne Einleitewort 1093 Zusammenstellung 957
unpersönliche Verben 843-845 Stellung im Satz 858,1209-1220
unpersönlich gebrauchte Verben 846 Wortbildung
unpersönliche Wendungen 843 f., 847-851 Ableitung 737-748
unpersönliches Passiv vgl. Konjugation Präflxbildungen 772-784
V erhaltensrichtung Zusammensetzung 664-677
unregelmäßige Verben vgl. Konjugation feste Zusammensetzung 664-666
untergeordneter Satz vgl. Gliedsatz unfeste Zusammensetzung 667-677
688 Sachregister

Verbalbereiche der Grundformen deut¬ Vokativ vgl. Anredenominativ


scher Sätze 954 f. Völkernamen
Schwankungen 957 Deklination 304
Wechsel 956 Numerus 238
verbale Klammer 1216-1218 Setzung oder Nichtsetzung des Artikels
Verbalisierung 744, 773 f. 233
Verbalpräflxe 772-784 Volksetymologie 798, 806; 628, ß
Verbalstamm als Bestimmungswort Vollverb 63
647,654-656 als Hilfsverb 1012 f.
Verbalsubstantiv 689, 702, 717, 719 Vordersatz 1232
Verbalsufflxe 686, 744-748 Vorgangsverben 55
Verbindungen,.feste 830 Vornamen
Verbzusatz 669-677,1014 als Apposition 988
Arten 672-677 Deklination 290-303
Begriff und Leistung 669-671 in der Verkleinerungsform, Kongruenz
Vergangenheit vgl. Konjugation, Zeit des Genus 1200
Vergleiche, stereotype vgl. stereotype Ver¬ Vorvergangenheit vgl. Konjugation, Zeit
gleiche
Vergleichsformen vgl. Adjektiv bzw. Ad¬ W
verb, Vergleichsformen
Vergleichssatz vgl. Modalsatz Wechsel der Wortart vgl. Wortarten
Verkleinerungssufflxe 724 weiterführende Teilsätze 1095-1098
' an Pluralformen 273 in der Form des indirekten Fragesatzes
verkürzter Nebensatz vgl. 1097
Infinitiv, satzwertiger und in der Form des Konjunktionalsatzes
Partizip, satzwertiges 1098
Verneinung 1162-1168 in der Förm des Relativsatzes 1096
Arten 1162f. Werkzeugbezeichnungen vgl. Geräte¬
doppelte 1165-1168 bezeichnungen
Verstärkung 1164 Wiederholungszahlwörter 642
Verneinungspräfix 765-767 Wochentagnamen, Unterlassung der
Verschiebeprobe 858, 971 Deklination 319
Verschlußlaute 25 Wort 799-831
Verstärkungspräfix 768 herkömmliche Bedeutungslehre 804-809
Verteilungszahlwörter 540 Inhalt 799
Vervielfältigungszahlwörter 641 inhaltbezogene Betrachtung 810
Verwaltungssprache 775 Beispiel : Weib 811-823
Verwandtschaftsbezeichnung als Appo¬ Laut 800-802
sition 988 lautliche Mittel in Wortbildung und
V erwandtschafts Wörter, sprachliches Flexion 803
Feld 837 stehende Redewendungen 825-831
Vibranten 25 zusammengesetztes Wort 824
Vieldeutigkeit der Wörter 853 Wortarten
Vogelnamen 721 Austausch zwischen den Wortarten 62
Vokalbuchstaben 2 Einteilung 39
Vokale 16-24 Rangordnung 51
Betonung 24 Wortart Wechsel 785
Dauer 23 f. Wortbedeutung, inhaltbezogene Betrach¬
unsilbische 21 tung (Beispiel: Weib) 811-823
Zungen- und Lippenstellung 17 f. Wortbedeutungslehre, herkömmliche
Vokalschema 19 804-809
Sachregister 689

Wortbetonung 32 Wortschatz, Gliederung 832-853


Wortbildung Wortstände 832-833
Ableitung 684-763 Wortstellung 1208-1252
abgeleitete Partikel 749-755 Leistling 1250-1252
abgeleitetes Adjektiv 726-736 nichtverbale Satzteile 1221-1249
abgeleitetes Substantiv 689-725 allgemeingtiltigeses Stellungsprinzip
abgeleitetes Verb 737-748 1221
Begriff 684 Anredenominativ (Vokativ)
Bildungsmittel 685-687 1249.
Leistung 688 Gliedteile 1233-1243
Zusammenbildung 756-763 Adjektiv 1233-1237
Begriff 756 Adverb 1240
zusammengebildete Adjektive Pronomen 1238
760-762 substantivisches Attribut
zusammengebildete Adverbien 1241-1243
763 Zahlwort 1239
zusammengebildete Substantive Interjektion 1248
757-759 Konjunktion 1245-1247
Kurzformen und Kurzwörter Präposition 1244
793-795 Satzglieder 1222-1231
Präfixbildungen 764-784 freie Umstandsangabe
Adjektiv 765-771, 783 f. 1227-1229
Substantiv 765-771, 783 f. Gleichsetzungsakkusativ 1224
Verb 772-784 Gleichsetzungsnominativ 1223
Verdoppelung 796 Gliedsatz 1232
Volksetymologie 798 Infinitivgruppe 1230
Wortmischung 797 Objekt 1225,1228 f.
Zusammensetzung 612-683 Partizipialgruppe 1231
Arten 616-629 Subjekt 1222
determinativ 617-620 Umstandsergänzung 1226
kopulativ 625-628 Prädikat
possesiv 621-624 Personalform des Verbs
verdunkelt 629 in Anfangsstellung 1210
Bau zusammengesetzter Wörter in Endstellung 1211-1214
630-683 in Zweitstellung 1209
Adjektiv als Grundwort 631-663 nichtpersonale Prädikatsteile
Substantiv als Grundwort 631-663 1215-1220
Verb als Grundwort 664-677 Wort Verneinung 1163
zusammengesetzte Partikeln Betonung 1267
678-683 Wunschsatz 857
Wortfamilie 834 Wortstellung 1210
Wortfeld 835
Wortinhalt und Satzzusammenhang 853
Wortmischung 797
Wortpaare Zahladverbien 537, 541 f.
Betonung 1266 Zahlsubstantive 526
Unterlassung der Deklination Deklination 533
313 Deklination des Gezählten nach Zahl¬
Wortreihe 1034-1036 substantiven 533
Formen 1036 Zeitadverbien 547
Wesen 1034 f. Zeitangabe 951,1031
Zeitenfolge vgl. Gliedsatz, Zeitenfolge zusammengesetzte Verben 664-677
Zeitergänzung 913, 897-900, 966 feste Zusammensetzungen 664-666
Zeitverben 897, 955 unfeste Zusammensetzungen
Zensurenskalen, sprachliches Feld 836 067-677
Zirkumflex 2 Zusammenrückung 631, 678
Zitate als stehende Redewendungen Zusammensetzung vgl. Wortbildung
826 Zustandsbezeichnungen 711
Zukunft, vgl. Konjugation; Zeit Zustandspassiv 110
Zusammenbildung vgl. Wortbildung, Zustandsverben 54
Ableitung Zwielaut vgl. Diphthong
zusammengesetzter Satz vgl. Satzgefüge Zwillingsformeln 829
und Satzreihe Zwischensatz 1232
Verzeichnis der Fachausdrücke

Verschlußlaut mit folgendem Reibelaut


A
Akkusativ (lat. accusare = anklagen) =
Wenfall, 4. Fall
Absoluter Superlativ vgl. Elativ Akkusativobjekt = Ergänzung im 4. Fall,
Abstraktum (lat. abstractus) = begriff¬ Ergänzung im Wenfall
liches Substantiv Aktionsart (lat. actio = Handlung, Tätig¬
Abwandlung des Verbs vgl. Konjugation keit) = Geschehensart (beim Verb)
a. c. i. (lat. accu8ativu8 cum infinitivo = Aktiv (lat. activus = die Tätigkeit kenn¬
Akkusativ mit Infinitiv) Konstruktion, zeichnend) = Tatform, Tätigkeitsform
in der das Akkusativobjekt des ersten Akut (lat. acutus [accentus] = scharf [er,
Verbs zugleich Subjekt zum zweiten, steigender Ton]) = Betonungs¬
im Infinitiv stehenden Verb ist zeichen (')
Additionswort vgl. Kopulativum alveolar (lat. alveolus = kleiner Hohl¬
Adjektiv (lat adiectivum — das [zum Sub¬ raum [Zahnhöhle im Oberkiefer]) = an
stantiv] Hinzugeworfene, Hinzu-, Bei¬ den Alveolen gebildet
gefügte) = Eigenschaftswort, Artwort, Anakoluth (griech. An-akölutkon = das
Beiwort ohne Folgerichtigkeit Gesprochene) =
adjektivisch = als Adjektiv (vgl. dort) Satzbruch
gebraucht Anapher (griech. anaphorli = Erneuerung,
Adverb (lat. ad + verbum = zum Verb Wiedervorbringung, Wiederholung) =
[tretend]) = Umstandswort Wiederholung eines oder mehrerer Wör¬
adverbial = zum Adverb (vgl. dort) ge¬ ter zu Beginn aufeinanderfolgender
hörig, als Adverb gebraucht, Um¬ Sätze oder Satzteile
stands ... Anredefall vgl. Vokativ
adverbiale Bestimmung vgl. Umstands¬ Anredenominativ vgl. Vokativ
angabe Antithese (griech. antithesis = Gegen¬
adverbiale Bestimmung der Art und Weise satz) = Gegenüberstellung entgegenge¬
vgl. Artangabe setzter, aber auf eine gemeinsame
adverbiale Bestimmung des Grundes vgl. Grundvorstellung bezogener Begriffe
Begründungsangabe Apposition (lat. apposüio = das. Beige¬
adverbiale Bestimmung des Ortes vgl. fügte) = substantivisches Attribut,
Baumangabe meist im gleichen Fall wie das Bezugs¬
adverbiale Bestimmung der Zeit vgl. Zeit¬ wort ; auch Beisatz genannt
angabe Artangabe = (Umstandsergänzung* oder
Adverbialsatz = Umstandssatz freie Umstandsangabe der Art und
adversativ (lat. adversus = gegenüberste¬ Weise; auch adverbiale Bestimmung
hend) = entgegensetzend der Art und Weise, Umstandsbe¬
Affrlkate (lat. ad-fricare = anreiben) = stimmung der Art und Weise genannt
692 Verzeichnis der Fachausdrücke

Artikel (lat. artieulus = Gelenk, kleines Bezugswortsatz vgl. Relativsatz


Satzstück) = Geschlechtswort Bilabial (lat. büabiaUs = mit beiden Lip¬
Artikulation (lat. articvlatio = Gliede¬ pen gebildet) = Lippenlaut
rung) = [gegliederte] Aussprache, Laut¬ Bindewort vgl. Konjunktion
bildung
Artwort vgl. Adjektiv C
Aspiration (lat. aspirare = anhauchen)
= Behauchung [eines Lautes] Casus obliquus vgl. oblique
Assimilation (lat. assimilatio = Anglei¬ Casus rec.tus vgl. oblique
chung) = Angleichung eines Lautes an Cedille (franz. cedüle, nach dem griech.
einen Nachbarlaut Buchstaben Zeta, weil man früher ein
asyndetlsch (griech. asyndetos = unver¬ z hinter das c setzte) = Aussprachezei¬
bunden) = nicht durch Konjunktion chen in französischen Wörtern (f)
verbunden Chiasmus (zum griech. Buchstaben Chi =
Attribut (lat. attributum = das Zugeteilte) X [= kreuzweise]) = Kreuzstellung
= Beifügung, Gliedteil von Satzgliedern
attributiv = zum Attribut (vgl. dort)
gehörig, beifügend D
Attributsatz = Satz, in dem das Attribut
(vgl. dort) in Gestalt eines Gliedsatzes Dativ (lat. dare = geben) = Wemfall,
auftritt 3. Fall
Auslassungssatz vgl. Ellipse Dativobjekt = Ergänzung im 3. Fall, Er¬
Ausrufewort vgl. Interjektion gänzung im Wemfall
Aussageweise = Modus Defektivum (lat. defectus = geschwächt)
Wort, das nicht an allen formalen Mög¬
lichkeiten seiner Wortart teilnimmt
B Deklination (lat. declinatio = die Neigung,
das Biegen, die Beugung) => Beugung
Bedingungsform vgl. Konditional des Substantivs, Adjektivs, Pronomens
Befehlsform vgl. Imperativ und Zahlworts
begriffliches Substantiv vgl. Abstraktum deklinieren (lat. declinare = abbiegen) =
Begründungsangabe = (Umstandsergän¬ ein Substantiv, Adjektiv, Pronomen
zung oder freie Umstandsangabe des oder Zahlwort beugen
Grundes; auch adverbiale Bestimmung Demonstrativpronomen (lat. demomtrare
des Grundes, Umstandsbestimmung = auf jemanden weisen, zeigen) = hin¬
des Grundes genannt weisendes Fürworts
beifügend vgl. attributiv Dental (lat. dem = Zahn) = Zahnlaut
Beifügung vgl. Attribut determinativ (lat. deierminare = abgren¬
Beisatz vgl. Apposition zen, bestimmen) «= bestimmend
Beiwort vgl. Adjektiv Dlminulerung (lat. diminuere = verklei¬
besitzanzeigendes Fürwort vgl. Possessiv¬ nern) =* Verkleinerung
pronomen Dingwort vgl. Substantiv
beugen vgl. konjugieren, deklinieren, Diphthong (griech. diphthongos « Zwei-
flektieren laut)' = Doppellaut, Zwielaut
Beugung vgl. Konjugation, Deklination, direk (lat. directus = gerade, unmittel¬
Flexion bar) ; direkte Rede = wörtliche Rede
Bezeichnungslehre vgl. Onomasiologie disjunktiv (lat. disiunctus = getrennt) =
bezügliches Fürwort vgl. Relativpro¬ ausschließend
nomen distributiv (lat. distribuere = einteilen) =
bezügliches Umstandswort vgl. Relativ¬ einteilend
adverb Doppellaut vgl. Diphthong
Verzeichnis der Fachausdrücke 693

Dual (lat. duo = zwei) = Substantiv- oder final (lat. flnis = Zweck) = den Zweck,
Pronomenform, die zwei Personen oder die Absicht bestimmend
Dinge benennt Finalsatz = Umstandssatz der Absicht
dubitatlv (lat. dubitare = zweifeln) = finite Formen (lat. finitus = bestimmt) =
einen Zweifel ausdrückend Personalformen
durativ (lat. durare = dauern) = Aktions¬ flektieren (lat. fledere = krümmen, bie¬
art des Verbs, die die Dauer eines Seins gen) = beugen (Oberbegriff für dekli¬
oder Geschehens ausdrückt (svw. imper¬ nieren und konjugieren)
fektiv) Flexion (lat. flexio = Krümmung, Bie¬
gung) = Beugung (Oberbegriff für De¬
E klination und Konjugation)
Fragefürwort vgl. Interrogativpronomen
Effektiv (lat. effieere = hervorbringen) = Fragesatz vgl. Interrogativsatz
Verb des Verwandelns frlkativ (lat. frieare = reiben) durch Rei¬
Eigenschaftswort vgl. Adjektiv bung hervorgebrachtfer Laut]
Einzahl vgl. Singular Fürwort vgl. Pronomen
Elativ (lat. elatum = das Empor-, Heraus¬ Futur (lat. futurum = Zukunft):
gehobene, Erhabene) = absoluter 1. Futur = 1. Zukunft, unvollendete
Superlativ (ohne Vergleich) Zukunft; 2. Futur oder Futurum ex
Ellipse (griech. äleipsü = das Ausbleiben, actum = 2. Zukunft, vollendete Zu¬
der Mangel) = Auslassungssatz] kunft V orzukunft
Empfindungswort vgl. Interjektion
Ergänzung vgl. Objekt G
Ergänzung im 1. Fall oder Werfall vgl. gegenständliches Substantiv vgl. Konkre¬
Gleichsetzungsnominativ tum
Ergänzung im 2. Fall oder Wesfall vgl. Gegenwart vgl. Präsens
Genitivobjekt Genitiv (lat. genitivus = angeboren, ur¬
Ergänzung im 3. Fall oder Wemfall vgl. sprünglich) = Wesfall, 2. Fall
Dativobjekt Genitivobjekt = Ergänzung im 2. Fall,
Ergänzung im 4. Fall oder Wenfall vgl. Ergänzung im Wesfall
Akkusativobjekt Genus (griech. gtnos = Geschlecht) =
Etymologie (griech. äymos = wahr) = grammatisches Geschlecht
Lehre von der Herkunft und Ableitung Genus verbi (lat. = Art des Verbs) vgl.
der Wörter Verhaltensrichtung
Euphemismus (griech. euphemia = Spre¬ Gerundiv[um] (lat. gerundivus = zu voll¬
chen guter Worte) = beschönigendes ziehend, auszuführend) =- futurisches
Wort, Hüllwort Partizip des Passivs
exzeptlv (lat. exceptus = ausgenommen) = Geschlecht vgl. Genus
ausschließend Geschlechtswort vgl. Artikel
Gleichsetzungsakkusativ = Gleichset¬
F zungsglied neben einem Akkusativob¬
jekt
Faktltiv (lat. factitare = bewirken) = be¬ Gleichsetzungsnominativ = Ergänzung
wirkendes Verb im Nominativ
Fall vgl. Kasus Gleichsetzungssatz = Satz, in dem das
1. Fall vgl. Nominativ Subjekt mit der Ergänzung im NomL
2. Fall vgl. Genitiv nativ gleichgesetzt wird; früher auch
3. Fall vgl. Dativ Prädikativsatz genannt
4. Fall vgl. Akkusativ Gliedsatz = Satzglied in Gestalt eines ab¬
Femininum (lat. femininus = weiblich) = hängigen vollständigen Satzes, häufig
weibliches Substantiv auch Nebensatz genannt
694 Verzeichnis der Fachausdrücke

Gliedteil vgl. Attribut indirekte Bede = abhängige, nicht


Grammatik (griech. grammatike = Sprach¬ wörtliche Bede
lehre, -künde) infinite Formen (lat. inflnüus = unbe¬
grammatisches Geschlecht vgl. Genus stimmt) = unbestimmte Formen des
Gravis (lat. gravis [accentm] = schwerer, Verbs (Infinitiv, Partizip)
fallender Ton]) Betonungszeichen (') Infinitiv (lat. infinitivus = unbestimmt,
Grundform vgl. Infinitiv unbegrenzt) = durch Person, Numerus
Grundformsatz vgl. satzwertiger Infinitiv und Modus nicht näher bestimmte Form
Grundstufe vgl. Positiv des Verbs, auch Grundform, Nennform
Grundzahl vgl. Kardinalzahl genannt
Infinitivsatz vgl. satzwertiger Infinitiv
Ingressiv (lat. ingressus = angefangen) =
H Aktionsart des Verbs, die den Beginn
eines Geschehens ausdrückt (svw. in¬
Hauptwort vgl. Substantiv choativ)
hinweisendes Fürwort = Demonstrativ¬ Inhaltssatz = Satz, in dem das im Glied¬
pronomen satz ausgedrückte Geschehen den we¬
Höchststufe vgl. Superlativ sentlichen Inhalt bildet
Höherstufe vgl. Komparativ instrumental (lat. instrumentum = Werk¬
Homonym (griech. homlfnymos = gleich¬ zeug) = das Mittel oder Werkzeug be¬
namig) = ein mit einem anderen gleich¬ zeichnend
lautendes, aber in der Bedeutung von Instrumentalsatz = Umstandssatz des Mit¬
ihm-ab weichenges Wort tels oder Werkzeuges
Instrumentatlv (lat. instrumentum =
I Werkzeug) = Verb des Benutzens
Intensität (lat. intendere = anspannen)
Imitativ (lat. imüari = nachahmen) = Spannungsgrad, Heftigkeit, Stärke
Verb des Nachahmens Intensivum (lat. intendere. = anspannen)
Imperativ (lat. imperare = befehlen) = Verb der Intensität
Befehlsform Interjektion (lat. interiectio = der Da-
Imperfekt vgl. Präteritum zwischenwurf) = Ausrufewort, Emp¬
imperfektiv (lat. imperfectus = unvoll¬ findungswort
endet) = Aktionsart des Verbs, die das Interrogativadverb (lat. interrogare = fra¬
unvollendete Sein oder Geschehen aus¬ gen) = Frageumstandswort
drückt (svw. durativ) Interrogativpronomen (lat. interrogare =
Impersonalia = unpersönliches Verb fragen) = Fragefürwort
inchoativ (lat. inchoare = beginnen) = Interrogativsatz (lat. interrogare = fragen)
Aktionsart des Verbs, die den Beginn = Fragesatz
eines Geschehens ausdrückt (svw. In¬ Intervall (lat. intervallum = Zwischen¬
gressiv) raum) = Zwischenraum, Zeitspanne
Indefinitpronomen (lat. indefinitum = das intransitives Verb (lat. transire = über¬
nicht näher Bestimmte, Definierte) = gehen [auf das Objekt] + in- = Nega¬
unbestimmtes Fürwort tion) = nichtzielendes Verb
indeklinabel = der Deklination (vgl. dort) Inversion (lat. inversio = Umkehrung)
nicht fähig, nioht beugbar = „ungerade“ Wortstellung
Indikativ (lat. indicare = anzeigen, [aus]- Iteration (lat. iteratio = Wiederholung) =
sagen) = Wirklichkeitsform Verdoppelung (eines Wortes oder einer
indirekt (lat. in = Negation und directus SUbe)
= gerade, unmittelbar); indirekter iterativ (lat. iterare = wiederholen) = Ak¬
Fragesatz = Satz, in dem die Frage in tionsart des Verbs, die die stete Wieder¬
Gestalt eines Gliedsatzes auftaucht; holung von Vorgängen ausdrückt
Verzeichnis der Fachausdrücke 695

K junktion eingeleiteter Gliedsatz


Konjunktiv (lat. conjunctivut = Abhängig,
Kadenz (lat. cadere — endigen, ausgehen) hypothetisch) = Möglichkeitsform
=Schlußfall [der Stimme] Konkretum (lat. concretus = verdichtet,
Kardinalzahl (lat. cardinalis = vorzüg¬ körperlich) = gegenständliches Sub¬
lich, hauptsächlich) = Grundzahl stantiv
Kasus (lat. casus = Fall, Sturz, Beugefall) konsekutiv (lat. consequi = nachfolgen)
= Fall = folgend
kausal (lat. causa = Ursache) = begrün¬ Konsekutivsatz (lat. consequi = nach¬
dend folgen) = Umstandssatz der Folge
Kausalsatz (lat. causa = Ursache) = Um¬ Konsonant (lat. consonans litera] = mit-
standssatz des Grundes tönendfer Buchstabe]) = Mitlaut
Kausativ (lat. causa = Ursache) = ver¬ Kontamination (lat. contaminatio = Be¬
anlassendes Verb fleckung, Verunreinigung) = Wort¬
Kollektlvum (lat. cöllectivus = zusammen¬ mischung
fassend) = Sammelname Kontraktion (lat. contractio = Zusammen¬
Komparation (lat. comparare = verglei¬ ziehung) = Zusammenziehung (zweier
chend zusammenstellen, vergleichen) Laute)
Vgl. Vergleichsformen Konzessivsatz (lat. concessus = einge¬
Komparativ (lat. comparare = verglei¬ räumt, zugestanden) = Umstandssatz
chend zusammenstellen, vergleichen) = der Einräumung
1. Steigerungsstufe, Höherstufe, Mehr¬ koordinierend (lat. coordinare = beiord¬
stufe nen) = nebenordnend
Komposition (lat. compositio = Zusam¬ Kopula (lat. copula = Band) = Satzband
mensetzung) = Zusammensetzung von kopulativ (lat. copulare = verbinden) =
Wörtern verbindend
Kompositum (lat. compositum = das Zu¬ Kopulätlvum (lat. copulare = verbinden)
sammengesetzte) = zusammengesetztes = Additionswort
Wort, Zusammensetzung Korrelat (lat. con = mit und relatum =
konditional (lat. conditio = Bedingung, das Zurückgebrachte) = Wort, das mit
Vorbehalt) = bedingend einem andern in wechselnder Beziehung
Konditional (lat. conditio = Bedingung, steht
Vorbehalt) = Bedingungsform korrelativ = in der Art eines Korrelats
Konditionalsatz (lat. condicio = Bedin¬ (vgl. d.), wechselseitig aufeinander be¬
gung, Vorbehalt) = Umstandssatz der zogen
Bedingung
Kongruenz (lat. congruentia = Eben¬
L
mäßigkeit, Gleichförmigkeit, Überein¬
stimmung) = Übereinstimmung der Labiodental (lat. labium = Lippe, dens =
Satzglieder und Gliedteile Zahn) = Lippenzahnlaut
Konjugation (lat. coniugatio = Verbin¬ lateral (lat. lateralis = seitlich) = an der
dung, Verknüpfung [des Verbstammes Seite hervorgebracht [er Laut]
mit den Endungen]) = Abwandlung, Lautmalerei vgl. Onomatopöie
Beugung des Verbs Leideform vgl. Passiv
konjugieren (lat. coniu[nJgere = ver¬ lokal (lat. locus = Ort, Stelle) = örtlich
knüpfen) = das Verb abwandeln,
beugen M
Konjunktion (lat. coniunctio — Verknüp¬
fung, Verbindung) = Bindewort männliches Substantiv vgl. Maskulinum
Konjunktionalsatz (lat. coniunctio = Ver¬ Maskulinum (lat. masculinus =•= männlich)
knüpfung, Verbindung) = durch Kon¬ = männliches Substantiv
696 Verzeichnis der Fachausdrücke

Mehrstufe vgl. Komparativ O


Mehrzahl vgl. Plural
Meiststufe vgl. Superlativ oblique (lat. obliquus = schräg, schief) =
Metapher (griech. metapMrein = über¬ abhängig; oblique Kasus = Genitiv,
tragen) = Wort mit übertragener Be¬ Dativ und Akkusativ im Gegensatz zum
deutung, bildliche Wendung Nominativ, dem casus rectus (lat. = ge¬
Mitlaut vgl. Konsonant rader Fall)
Mittelwort der Gegenwart vgl. 1. Partizip Objekt (lat. obiectum = das [dem Prädikat]
Mittelwort der Vergangenheit vgl. 2. Par¬ Entgegengeworfene) = Smnergänzung,
tizip [Satzergänzung
modal (lat. modus = Art und Weise) = Objektsatz --- Satz, in dem das Objekt
die Art und Weise bezeichnend (vgl. d.) in Gestalt eines Gliedsatzes
Modalsatz (lat. modus = Art und Weise) auftritt
= Umstandssatz der Art und Weise Okkupativ (lat. occupare = besetzen, sich
Modalverben (lat. modus = Art und Weise) bemächtigen) = Verb des Beschäftigt¬
= Verben, die vorwiegend ein anderes seins
Sein oder Geschehen modifizieren (wol¬ Onomasiologie (griech. önom.a -- Name) =
len, sollen, können u. a.) Bezeichnungslehre
modifizieren (lat. modus = Art und Weise Onomatopöie (griech. onomatopoUin =■ mit
und facere = machen) = in der Art ver¬ Namen versehen) = Bildung von Wör¬
ändern, abwandeln; modifizierende Ver¬ tern durch Nachahmung des Lautes,
ben = alle Verben, die ein anderes Sein Lautmalerei. Adj. onomatopoetisch =
oder Geschehen modifizieren lautmalend
Modus (lat. modus = Art und Weise) = optatlv (lat. optare = wünschen) = den
Aussageweise Modus des Wunsches ausdrückend)
Möglichkeitsform vgl. Konjunktiv Ordinalzahl (lat. ordinäre = in eine be¬
monosyndetlsch (griech. mono-syndetos = stimmte Ordnung, Reihenfolge bringen)
einzig verbunden) nur das letzte Glied = Ordnungszahl
durch Konjunktion verbunden Ordnungszahl vgl. Ordinalzahl
Omativ (lat. ornare = schmücken) = Verb
N des Versehens und Zuwendens

Nachsilbe vgl. Suffix


nebenordnend vgl. koordinierend P
Nebensatz vgl. Gliedsatz
Negation (lat. negare = verneinen) = Ver¬ Palatal (lat. pälatum = Gaumen) = Gau¬
neinung menlaut
Nennform vgl. Infinitiv Partikel (lat. particula — Stückchen,
Nennformsatz vgl. satzwertiger Infinitiv kleiner Teil) = unflektierbares Wort
Nennwort vgl. Substantiv partltlv (lat. partiri = teilen) = den Teil
Neutrum (lat. ne-utrum = keines von bei¬ ausdrückend
den) = sächliches Substantiv Partizip (lat. participare = teilnehmen);
nichtzielendes Verb vgl. intransitives Verb 1. Partizip = Partizip Präsens, Mittel¬
Nomen (lat. nomen = Name) = Substan¬ wort der Gegenwart; 2. Partizip = Par¬
tiv, häufig auch für Adjektiv und an¬ tizip Perfekt, Mittelwort der Vergan¬
dere deklinierbare Wortarten genheit
Nominativ (lat. nominare = nennen, be¬ Partizipialgruppe vgl. satzwertiges Parti¬
nennen) = Werfall, 1. Fall zip
Numerale (lat. numerus = [Anjzahl) = Partizipialsatz vgl. satzwertiges Partizip
Zahlwort Passiv (lat. passivus = das Leiden kenn¬
Numerus (lat. numerus = Zahl) = Zahl zeichnend) «= Leideform
Verzeichnis der Fachausdrücke 697

pejorativ (lat. peior = schlechter, schlim¬ heftete) = Vorsilbe .


mer) = verschlechternd, abschätzig Präposition (lat. praeposüio = Voran¬
Perfekt (lat. perfectum = Vollendetes) = stellung) = Verhältniswort
vollendete Gegenwart, Vollendung in Präpositionalfall = Fall mit Präposition
der Gegenwart, Vorgegenwart, 2. Ver¬ Präpositionalobjekt = Verhältnisergän¬
gangenheit zung
perfektiv (lat. perfectus = geschehen,voll¬ Präsens (lat. praesens = gegenwärtig’
endet) = Aktionsart des Verbs, die eine jetzig) = Gegenwart
zeitliche Begrenzung des Geschehens Präteritum (lat. praeteritum = das Vor¬
ausdrückt übergegangene) = Imperfekt, 1. Ver¬
Periode (griech. periodos = Umlauf) = gangenheit
mehrfach zusammengesetzter Satz Privativ (lat. privare = berauben) = Verb
Personalformen vgl. finite Formen des Enteignens
Personalpronomen = persönliches Für¬ Pronomen (lat. pro-nomen = [Wort] für
wort das Nomen) = Fürwort
persönliches Fürwort vgl. Personalpro¬ pronominal = zum Pronomen (vgl. d.) ge¬
nomen hörig, fürwörtlich
Phonem (griech. phtinema = Laut, Ton) = Pronominaladverb = Umstandsfürwort
bedeutungsunterscheidender Laut proportional (lat. proportio = Verhältnis,
Phonetik (griech. phtiri&ma = Laut, Ton) = Ebenmaß) = entsprechend
Lehre von der Lautbildung
Pleonasmus (griech. pleonasmös = Fülle R
des Ausdrucks) = überflüssige Häufung
sinngleicher oder sinnähnlicher Aus¬ Raumangabe = (Umstandsergänzung oder
drücke freie Umstandsangabe) des Raumes;
Plural (lat. pluralis [numerusj = mehr¬ auch adverbiale Bestimmung des Ortes,
fachte Zahl]) = Mehrzahl Umstandsbestimmung des Ortes ge¬
Pluraletantum (lat. Pluraletantum = nur nannt
im Plural) = Substantiv, das nur im reflexives Verb (lat. reflectere = zurück¬
Plural gebraucht wird wenden) = rückbezügliches Verb
Plusquamperfekt (lat. plusquamperfectum Reflexivpronomen = rückbezügliches Für¬
= mehr als vollendet, vergangen) = wort
vollendete Vergangenheit, Vollendung Rektion (lat. rectio = Regierung, Leitung,
in der Vergangenheit, Vorvergangen¬ Lenkung) = die Kraft eines Wortes
heit, 3. Vergangenheit (Verb, Adjektiv, Präposition), den Ka¬
Positiv (lat. positio = [normale] Lage, sus des von ihih abhängigen Wortes zu
[Grundstellung) = die ungesteigerte bestimmen
Form des Adjektiys, Grundstufe relativ(lat.reZa<Mm = das Zürückgebrachte,
possessiv (lat. possessivus = besitzanzei¬ Bezogene) = bezüglich
gend) = besitzanzeigend Relativ = Oberbegriff für Relativprono¬
Possessivpronomen = besitzanzeigendes men (vgl. d.) und Relativadverb (vgl. d.)
Fürwort Relativadverb = bezügliches Umstands¬
Prädikat (lat. praedfeare = ausrufen) = wort
grammatischer Kern der Aussage, auch Relativpronomen
kurz Satzaussage genannt = bezügliches Fürwort
prädikativ zum Prädikat gehörend, aus¬ Relativsatz = Bezugswortsatz
sagend restriktiv (lat. restringere = beschränken,
Prädikativ [um] = mit der Kopula (vgl. d.) • hemmen) = ein-, beschränkend
verbundener Teil des Prädikats (Sub¬ resultativ (lat. resultatus = herausgekom¬
stantiv, Adjektiv usw.) men) = Aktionsart des Verbs, die das
Präfix (lat. praefixum = das vorn Ange¬ Ende eines Geschehens bezeichnet
698 Verzeichnis der Fachausdrücke

reziprokes Pronomen (lat. reci-procus ~ triebene) = 2. Steigerungsstufe, Höchst¬


rückwärts + vorwärts, auf demselben stufe, Meiststufe
Wege zurückkehrend) = wechselbezüg¬ Superlativ,, absoluter vgl. Elativ
liches Fürwort syndetisch (griech. syndetos = verbun¬
rückbezügliches Fürwort vgl. Reflexiv¬ den) = durch Konjunktion verbunden
pronomen Synesis (griech. synesis = Sinn) = sinn¬
rückbezügliches Verb vgl. reflexives Verb gemäß richtige Wortfügung, die nicht
den grammatischen Regeln entspricht
Synkope (griech. synkopf = das Abhau¬
S en) = Wegfall eines unbetonten Vokals
Syntax (griech. s^ntaxis = Zusammen¬
Sammelname vgi. Kollektivum ordnung) = Lehre vom Satzbau, Satz¬
Satzaussage = alle Satzteile, die etwas lehre
über das Subjekt aussagen; im engeren Synonym (griech. synonymos = gleich¬
Sinne auch für Prädikat gebraucht namig, gleichbedeutend) = sinnver¬
Satzbruch vgl. Anakoluth wandtes Wort
Satzergänzung vgl. Objekt
Satzgegenstand vgl. Subjekt
Satzlehre vgl. Syntax T
satzwertiger Infinitiv (vgl. Infinitiv); auch
Infinitivsatz, Grundformsatz, Nenn¬ Tatform, Tätigkeitsform, vgl. Aktiv
formsatz genannt Tätigkeitswort vgl. Verb
satzwertiges Partizip (vgl. Partizip) auch Tautologie (griech. tautä = dasselbe) =
Partizipialsatz, Partizipialgruppe ge¬ Wiedergabe des gleichen Sachverhalts
nannt mit zwei [oder mehr] verschiedenen,
Selbstlaut vgl. Vokal aber sinngleichen oder sinnähnlichefl
Semasiologie (griech. semasia = Bedeu¬ Wörtern
tung) = Wortbedeutungslehre temporal (lat. tempus = Zeit) = zeitlich
Singular (lat. singularis [numerus] = ein- Temporalsatz = Umstandssatz der Zeit
fach[e Zahl]) = Einzahl Tempus (lat.) = Zeit
Sinnergänzung vgl. Objekt • Tilde (span, tilde = Zeichen über dem n
Steigerung vgl. Vergleichsformen (fl); vielleicht von lat. titulus — Da¬
1. Steigerungsstufe vgl. Komparativ rübergeschriebenes, Überschrift) = Aus¬
2. Steigerungsstufe vgl. Superlativ sprachezeichen in spanischen Wörtern
Subjekt (lat. subiectum = das Unter¬ transitives Verb (lat; transire = über¬
gelegte) = Satzgegenstand gehen [auf das Objekt]) = zielendes
Subjektsatz = Satz, in dem das Subjekt Verb
(vgl. d.) in Gestalt eines Gliedsatzes
auftritt U
subordinierend (lat. sub = unter und
ordinäre = ordnen) == unterordnend Übereinstimmung vgl. Kongruenz.
Substantiv (lat. nomen substantivum; no- Umstandsangabe = Umstandsergänzung
men = Name; substantia = Wesen, oder freie Umstandsangabe ; auch ad¬
Bestand) = Nomen, Nennwort, Dinjg- verbiale Bestimmung, Umstandsbestim¬
wort, Hauptwort mung genannt
substantivisch = zum Substantiv gehörig, Umstandsbestimmung der Art und Weise
wie ein Substantiv verwendet vgl. Artangabe
Suffix (lat. suffixum = das Angeheftete) Umstandsbestimmung der Zeit vgl. Zeit¬
=Nachsilbe angabe
Superlativ (lat. superlatum = das über Umstandsbestimmung des Grundes vgl.
etwas hinaus Getragene, das Über¬ Begründungsangabe
Verzeichnis der Fachausdrücke

Umstandsbestimmung des Ortes vgl. Vokativ i\dX. vocare = rufen) == Anrede¬


Kaumangabe nominativ, Anredefall
Umstandsbestimmung vgl. Umstands¬ vollendeteOegenwart vgl. Perfekt
angabe vollendete Vergangenheit vgl; Plusquam¬
Umstandsfürwort vgl.' Pronominaladverb perfekt
Umstandssatz vgl. Adverbialsatz vollendete Zukunft vgl. 2. Futur
Umstandssatz der Absicht vgl. Finalsatz Vollendung in der Gegenwart vgl. Perfekt
Umstandssatz der Art und Weise vgl. Vollendung in der Vergangenheit vgl.
Modalsatz Plusquamperfekt
Umstandssatz der Bedingung vgl. Kon¬ veluntatlv (lat. voluntas = der Wunsch) —
ditionalsatz den Modus des Wunsches ausdrückend
Umstandssatz der Einräumung vgl. Kon¬ Vorgegenwart vgl. Perfekt
zessivsatz Vorvergangenheit vgl. Plusquamperfekt
Umstandssatz der Folge vgl. Konsekutiv¬ Vorsilbe vgl. Präfix
satz Vorzukunft vgl. 2. Futur
Umstandssatz des Grundes vgl. Kausal¬
satz
Umstandssatz der Zeit vgl. Temporalsatz W
Umstandswort vgl. Adverb
unbestimmtes Fürwort vgl. Indefinitpro¬ wechselbezügliches Fürwort vgl. rezi¬
nomen prokes Pronomen
unpersönliches Verb vgl. Impersonale weibliches Substantiv vgl. Femininum
unterordnend vgl. subordinierend Wemfall vgl. Dativ
unvollendete Zukunft vgl. 1. Futur Wenfall vgl. Akkusativ
Uvular (lat. uvula = Halszäpfchen) = Werfall vgl. Nominativ
Halszäpfchenlaut Wesfall vgl. Genitiv
Wirklichkeitsform vgl. Indikativ
Wortbedeutungslehre vgl. Semasiologie
V

Velar (lat. velum = [Gaumensegel) = Gau¬


menlaut Z
Verb (lat. verbum = Wort) = Zeitwort,
auch Tätigkeitswort genannt Zahl vgl. Numerus
'Vergangenheit: 1. Vergangenheit vgl. Zahlwort vgl. Numerale
Präteritum; 2. Vergangenheit vgl. Per¬ Zeitangabe = Umstandsergänzung oder
fekt; 3. Vergangenheit vgl. Plusquam¬ freie Umstandsangabe der Zeit; auch
perfekt adverbiale Bestimmung der Zeit, Um¬
Vergleichsformen = Formen der Steige¬ standsbestimmung der Zeit genannt
rung, Komparation Zeitwort vgl. Verb
Verhaltensrichtung (Aktiv und Passiv) = zielendes Verb vgl. transitives Verb
Genus verbi Zirkumflex (lat. circumflexus [accentus]
Verhältnisergänzung vgl. Präpositional¬ =eigentl. uiflgebogen; langer, stei¬
objekt gend-fallender Ton]) = Betonungs¬
Verhältniswort vgl. Präposition zeichen V)
Verkleinerung vgl. Diminuierung Zukunft: 1. und 2. Zukunft vgl. Futur
Vibrant (lat. vibrare = schwingen) = zusammengesetztes Wort vgl. Kompo-
Schwinglaut, Zitterlaut positum
Vokal (lat. vocalis [litera] = klangvoll[er Zusammensetzung vgl. Komposition und
Buchstabe]) = Selbstlaut Zwielaut vgl. Diphthong
KINDERDUDEN
(Mein erster Duden)

Bearbeitet von dem Jugendbuchlektorat des Bibliographischen

Instituts und der Dudenredaktion. 27 mehrfarbige Bildtafeln

von Susanne Ehmcke mit ca. 800 Begriffen und einem "Wörter¬

verzeichnis mit ca. 5000 Stichwörtern und 171 erläuternden

Strichzeichnungen (Auswahl aus Duden, Rechtschreibung,

Wortschatz der 6—12 jährigen) •

157 Seiten. In Halbleinen 4,80 DM

Einem von vielen Seiten ausgesprochenen Bedürfnis folgend, hat der


Verlag nun auch einen Duden für unsere Kinder geschaffen. Dabei
wurde ein völlig neuer Weg beschritten: Ein Bilderbuch mit 27 rei¬
zenden farbigen Tafeln von Susanne Ehmcke führt das Kind an das
Wortgut seiner Umwelt heran. Zu jedem Bild gehört eine Textseite,
auf der nicht nur eine Erzählung zu dem Bilde steht, sondern auf
der auch die wichtigsten Wörter, die auf den Bildtafeln dargestellt
sind, alphabetisch aufgeführt werden. Zahlen stellen die Verbindung
zwischen dem abgebildeten Gegenstand und dem Wort her. Die
Erzählungen zu den Bildern sind dem kindlichen Lebensraum ent¬
nommen und schildern 27 Erlebnisse der Kinder Peter und Monika.
Nachdem das Kind im ersten Teil das Alphabet gelernt ljat, ist
es imstande, das hierauf aufbauende, besonders einfache Wörter¬
verzeichnis zu benutzen, das den Wortschatz etwa bis zum
12. Lebensjahr umfaßt. Es ist mit weiteren 171 Zeichnungen ver¬
sehen, die vor allem die schwierigen gleichlautenden Wörter mit
verschiedener Bedeutung bildlich erläutern.

Zu beziehen durch jede Buchhandlung

BIBLIOGRAPHISCHES INSTITUT AG • MANNHEIM


DUDEN-BEITRÄGE
ZU FRAGEN DER RECHTSCHREIBUNG,
DER GRAMMATIK UND DES STILS

Herausgegeben von der Dudenredaktion


unter Leitung von Dr. phil. habil. PAUL GREBE

Heft 1

GROSS- ODER KLEINSCHREIBUNG?


Ein Hauptproblem, der Rechtschreibreform

Von Professor Dr. HUGO MOSER

91 Seiten im Format 15,5 X 23 cm. Kartoniert 8,— DM

Die Dudenredaktion eröffnet mit diesem Heft eine Schriftenreihe,


mit der sie wichtige Probleme innerhalb der von ihr betreuten Fach¬
gebiete zur Diskussion stellen will. Ein solches Problem ist die Frage
der Groß- oder Kleinschreibung, weil es bei dem ständigen Übergang
von Wörtern aus einer Wortart in die andere oft unmöglich ist, ein¬
deutig zu bestimmen, ob ein Wort schon oder noch Substantiv
ist, ob es deshalb groß oder klein geschrieben werden muß. Je
mehr diese Schwierigkeiten in den vergangenen Jahren den Ruf
nach der gemäßigten Kleinschreibung verstärkten, desto inniger
verliebten sich die konservativen Kräfte in den Gedanken, diese
Schwierigkeiten auf einem Mittelweg zu beseitigen. Man möge nur
jene Hauptwörter groß schreiben, mit denen sich ein Dingbegriff
verbinden lasse, alle anderen Substantivierungen aber klein. Professor
Dr. Hugo Moser weist in dieser Schrift sine ira et Studio nach,
daß alle diese Mittelwege nicht beschritten werden können, weil sich
dabei die Schwierigkeiten um ein Vielfaches vergrößern. Es bleibt
nach seinen wissenschaftlichen Ergebnissen nur die Alternative
zwischen der jetzigen Großschreibung mit den ihr notwendig an¬
haftenden Schwierigkeiten und der gemäßigten Kleinschreibung.

Heft 2

EMPFEHLUNGEN DES
ARBEITSKREISES FÜR RECHTSCHREIBREGELUNG

vom 15. 10. 1958 (Authentischer Text)

40 Seiten, Kartoniert 3,80 DM

Zu beziehen durch jede Buchhandlung

BIBLIOGRAPHISCHES INSTITUT AG • MANNHEIM


DUDEN
RECHTSCHREIBUNG
DER DEUTSCHEN SPRACHE
UND DER FREMDWÖRTER
(Der Große Duden Band 1)
Bearbeitet von der Dudenredaktion
unter Leitung von Dr. phil. habil. PAUL GREBE

14., völlig neu bearbeitete Auflage. Erster verbesserter Neudruck.


774 Seiten (über 120000 Wörter, deren Rechtschreibung ausdrück¬
lich angegeben ist, auf 2046 Spalten). Das Wörterbuch bringt in
seinen Vorbemerkungen (84 Seiten) sämtliche Regeln der Recht¬
schreibung und Zeichensetzung, einen kleinen Abriß der Formen-
und Wortbildungslehre, Einzel Vorschriften für den Schriftsatz sowie
eine Liste aller Korrekturvorschriften.
Ganzleinen 12,60DM, Kunststoffband 13,80 DM,
Halbleder 18,—DM

DUDEN
STILWÖRTERBUCH
DER DEUTSCHEN SPRACHE
(Der Große Duden Band 2)
Vierte Auflage, neu bearbeitet von
PAUL GREBE und GERHART STREITBERG
mit der Fachschriftleitung de9 Bibliographischen Instituts.
Mit einer Einleitung über guten deutschen Stil von
LUDWIG REINERS
780 Seiten. In Ganzleinen 12,60 DM, in Kunststoff band 13,80 DM,
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„Das Stüwörterbuch ist eine ausgezeichnete Ergänzung zum Recht¬
schreibungs-Duden: Läßt sich aus diesem ersehen, wie das einzelne
Wort richtig geschrieben wird, so zeigt jenes an einer Fülle von Bei¬
spielen und Redewendungen, wie die verschiedenen Wörter richtig
und treffend im Satzzusammenhang gebraucht werden. Zugleich
erfährt man, ob ein Ausdruck Hochsprache ist oder Papierdeutsch
oder ob er der Umgangssprache angehört, eine Entscheidung, die man
angesichts der zunehmenden sprachlichen Verwirrungen und Ver¬
irrungen dankbar begrüßt. Wer an den Klippen des Sprachmeeres zu
scheitern droht, der greife nach diesem Buche. Er wird nicht ent¬
täuscht sein.4* Der Tagesspiegel, Berlin
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BILDWÖRTERBUCH
DER DEUTSCHEN SPRACHE
(Der Große Duden Band 3)

Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage, herausgegeben von


den Fachschriftleitungen des Bibliographischen Instituts
in Gemeinschaft mit der Dudenredaktion
792 Seiten mit 368 Bildtafeln, davon 8 farbig, Register mit
ca. 25000 Stichwörtern. In Ganzleinen 12,60 DM, in Kunststoff¬
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Der vor über 20 Jahren erstmals erschienene „Bilderduden“ war ein


Welterfolg. Die Zeitschrift des Deutschen Sprachvereins schrieb dar¬
über: „Dem Deutschen bietet dieses umfassendste Bilderbuch der
Welt Gelegenheit, die Grenzen seines Wortschatzes abzuschreiten
und weiter zu stecken. Das in Plan und Ausführung unbedingt
gelungene Buch belebt den Sinn für das Anschauliche unserer Mutter¬
sprache. Dem Ausländer öffnet es den kürzestenWeg, deutsche Begriffe
mit Anschauung zu beleben.“ — Jetzt ist das Werk von der Fach¬
redaktion des Bibliographischen Instituts mit einem Stab von Mit¬
arbeitern aus allen Wissensgebieten und einem großen Kreis von
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Adapted from Duden’s „Bildwörterbuch“.
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Ha JleHHHrpaÄCKofi (j)a6pHKe o<f)ceTHOH ne^am
. Cejibxo3H3ÄaTa,
JleHHHrpaA, Bopoßaa, 53.

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