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Ban d 5, Heft 2

. April 1915 Vorträge der 'Dresdener Tagung 139


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Abb. 2.

Experimentell untersucht sind noch, wie ich erwähnen will, Geschwindigkeitsvertei-


lungen in Kanälen von nicht kreisförmigem Querschnitt mit sehr merkwürdigen Ergeb-
nissen, für die die Erklärung noch fehlt 1). Weiter sind schwach erweiterte und verengte
glattwandige Kanäle untersucht, raube in · Vorbereitung. Ueber diese Dinge wird ein
Forschungsheft des VDI das Nähere berichten. Es. ist zu hoffen, daß. unser Ansatz sich
auch hierbei wieder bewährt, die Prüfung steht jedoch noch aus.

8. Beitrag zur Theorie des Walzvorganges.


Von TH. v. KARMAN in Aadlen.
Die vorliegende einfache Berechnung hat zweierlei Zweck: einerseits den Walz·
vergang vom Standpunkte der Mechanik zu beleuchten und dadurch Kräftespiel und Be-
wegungsv.erhältnisse dem praktischen Ingenieur verständlich darzustellen, anderseits für die
Auswertung der experimentellf!n Untersuchungen über Kraftbedarf von Walzstraßen eine
Grundlage zu schaffen. Es sei bemerkt, daS auf den Zusammenhang der Plastizitäts-
theorie mit der Theorie des Walzvorganges· zuerst Hr. Sonntag hingewiesen hat; die
Anregung zur Durchführung der hier mitgeteilten Berechnung erhielt ich teils durch ein
Gespräch mit Hrn. Dresden anläßlich des Internationalen Kong resses für Mechanik iJ:!,
Delft, teils durch Teilnahme an der Tagung des Walzwerkausschusses des Vereins
deutscher Eisenhüttenleute in Hagen.
Der Walzvorgang wird im allgemeinen als ein Stauchvorgang betrachtet; als neues
Element tritt in meinen Ansätzen hinzu, daß ich außerhalb des Stauchdruckes q die in der '
Walzrichtung auftretende Druck- Qder Zugspannung p einführe.
Es bezeichne:
r den Halbmesser der Walzen,
h, l die halbe Dicke des Walzgutes vor und nach dem Walzen,
h2 ~
x die Koordinate in der Walzrichtung, positiv gemessen gegen die Fortschreitungs-
richtung des Walzgutes,
cp die Winkelkoordinate,
p. den Reibungskoeffizienten,
ro die Drehgeschwindigkeit der Walzen .
Wir beschränken un11 zunächst auf das ebene Problem 1 d. h. sehen von der sog.
»B reitung« ab. Die Rechnung gilt dann angenähert für sehr -breites Walzgut oder für
seitlieb begrenztes Walzen, mit Vernachlässigung der Reibung an den Seitenwänden.
loh ersetze in erster Näherung die Spannungen über einen »Querschnitt«, d. h .
über einen Schnitt senkrecht zur Walzrichtung durch Mittelwerte und betrachte außerdem
x klein gegen 1·, .
Wird der Walzdruck senkrecht zur Walzenoberfläche mit q bezeichnet, so· besteht
zwischen den Spannungen und der Reibungskraft tt q folgende Gleicbgewiohtsbedingung:
.!:__ (p h) = q (sin q; - p. cos cp) . (1).
d~

Wenn man angenähert cos cp- 1 setzt und berücksichtigt, daß sin cp = x /r
h = h~ + r (1 - cos q,) ~ h~ + ~ ,
2r '
d
dx -
11
:l:

1) Es ist genähert so, da.ß n 1 über den Querschnitt des Kana.les &Jlfgetia.gen eine Böschungs-
fläche ergibt.
. 10*

....
l
Ztschr. f ; angew.
-- _ Vortrlt_ge der Dresdener Tagung _ Math. und Mech.

so erhalten wir die Gleichung: ' ...


iC
h dp
- +p-=q
X - ' -p..
(" ) •
..
~.
dx . r r
~

Als zweite Gleichung benut!ten wir die >>Fließ- ·


bedingung « gemäß der Plastizitätstheorie, d. h.: wir setzen
die Differenz der beiden Rauptspannungen gleich der
Fließgrenze k des Materials. In erster Annäherung
können wir die Rauptspannungen mit p und q identi-
fizieren und sclireiben:
q - p -=k. (2),
wobei k im wesentlichen von der Temperatur und der
Formänderungsgeschwindigkeit abhängig ist.
Die beiden Gleichungen liefern die Differential-
"'"' gleichung zur ·Bestimmung von p bzw. q:
2 ;....-.-...::~c ")")f_ '•

hdp+p.p'=k(!:.- p.)
<l x ,. .
odermit h=hj + "'
2r
jt

- ..

~.
"'~~'1'-_..._~'ir ~

-
dp
d-x
+ - -ft -
hl + x / 2r p 2
= - ."k--
h 2 + x 2 /2r
("'
- -p ) .
,.
•;· ·· .•' ( 3.
)

Wir wollen ausfüh; lich nur den' Fall behandeln, in welchem k konstant ist. Der
Einfluß der Formänderungsgeschwindigkeit soll in einer späteren Arbeit diskutiert werden.
Die Lösung der Diffe.r entialgleiehung (3) enthält nur eine Integrationskonstante,
während zwei Grenzbedingungen zu erfüllen sind,· indem die Lll.ngsspannung p an der
Ein- und an der Austrittsstelle des Walzgutes verschwinden muß . Dieser s'cheinbare
Widerspruch löst sich dadurch, daß die Lösung sich aus· zwei Stücken zusammensetzt,
welche man dadurch .erhält, daß man für den Reibungskoeffizienten + p. bzw. - p. ein-
setzt. Die beiden Lösungen · entsprechen zwei Bereichen, in welchen die Walze das
Walzgut bzw. das Walzgut die Walze mitschleppt. In dem Punkt X= Xo, in welchem
die beiden Lösungen ineinander greifen.' haftet.(das Walzgut an der Walze. Für x Xo <
eilt das Walzgut· vor, während ~es für x >
;r0 hinter , der Walze zurückbleibt.
Bezeichnen wir die zwischen den Walzen . befindliche Länge des Walzguts mit a,
so können wir die dimensionslose Variable ; = xia einführen und die Gleichung für die
ebenfalls dimensionslose Verhältnisgröße pik lautet: ·
~ (!?..) + -- ----'-
ft_a_/h"...2_ g_ , l
;;2· •. ( --
a2
; - ~-"a)
.. .; d; k
1 +-- s2
a2 t k
2 r h~
1 + -· - - ~2 r
2 ,. h2
h2 h2 . ..... '" .t·:r _\,.._j ~·

" .... . loh führe zwei Verhältniszahlen als charakteridUsehe Größen des Walzvorganges ein:
'. ~1'
• 4 .,...
__'!:?___ ~'LI II = llt - h2 = {j
2 r h2 h, h2

... '· ist das Verhältnis der Dickenabnahme zur lichten Weile zwischen den beiden Walzen .
Die zweite Größe sei :
a/p.r = E.
Diese hat folgende Bedeutmig: Man bezeichnet als Greifwinkel schlechthin den Winkel
r = arctg t.t:;:: p., da die rückstoßenden Komponente des Walzendruckes für diesen Winkel
gerade gleich der Haftreibung ist. Wenn nun der effektive Greifwinkel, d. h. der Winkel,
welcher der Eintrittsstelle entspricht, mit . (}lmax belleiebnet wird, so ist ·offenbar angenähert
Cfmox -~ a/.r
und e ist gleich dem Verhältnis ~ oder dem Verhältnis des effektiven Greifwinkels zu
y •
dem theoretischen GreifwinkeL Man sieht leicht, daß y keineswegs einen oberen Grenzwert
für cp bedeutet, so daß e auch größer als 1 sein kann.
o
· Wenn man und e verschiedene Werte erteilt, kann man alle Variationen ·diskutieren.
Die Abb. 2 stellt die Druckverteilung q über ; = o bis ; = 1 (0 < x < a) für den
o
Fall = 1, d. h. für den Fall, daß das Walzgut a-qf die Hälfte seiner ursprün'!:tliohen Höhe
niedergewalzt wird, dar. Variiert wurde e, und zwar zwischen e = 0 und e = 2. Man sieht,
daß bei e = 2 die beiqen Lösungen sich innerhalb 0 x a nicht mehr schneiden, < <
d. h . der größte effektive Greifwinkel wurde bereits übe rschritten.
9
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.. Band 5. Hef t 2
April 1925 Vortrllge der Dresden er Tagung

.. Falls wir sonst alle Größen festhalten, so können wir die Variierung von 8 als
Variiernng des Halbmessers r auffassen. So entsprechen die Fälle lJ = 1 und 8 = t/ 2 ,
11V2, 1, V2, 2 mit tt = 0,25 den Verhältniszahlen rr/li<J = 128, 64, 32, 16, 8.
Ganz interessant ist die Abhängigkeit des Wirkungsgrades von dem Verhältnis r /h 2 •
Wir definieren den Wirkungsgrad in folgender Weise. Die Formänderungsarbeit, d. h .
die Nutzleistung des Walzvorganges beträgt, wenn V das in der Zeiteinheit verwalzte
Volumen bezeichnet, J
L ,. __:_ k V log ht /h2.
Die auigewandte Leistung ist offenbar (für die Breite Eins)
<f';nax a
Lo = j tt q 1' ro d. <p = wJtt q d x .
0 0 ;

Mit Benutzung der GI. (3) wird a '·


Lo = k r ro (ht - h2 ) + ro Jp x/r d x.
0
Bezeichnen wir die halbe Dicke des Walzgutes in dem Punkte xo, wo das Gut an
der Walze haftet, mit ho, so ist offenbar V= r ro h 0 un~

)> ,.
r

'
~ .~··. ····=). 6

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.~ ·-·...~~
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·.
8 16 JZ 6'1 1Z8,
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,
1 F

Ab b. 2. Abb. a.
Der erste Faktor hängt nur von dem Verhältnis .d h h2 = lJ ab. Der zweite Faktor ist
gleich dem Voreilungsverhältnis v2 /r ro (v2 =Geschwindigkeit des Walzguts an der Aus-
trittsstelle). Der dritte Faktor stellt den Einfluß der Druckverteilung dar.
In Abb. 3 sehen wir den Einfluß d~ s Walzenhalbmessers auf den Wirkungsgrad.
Man sieht insbesondere den Vorteil einer Verkleinerung der Walzenabmessungen.
Die Berechnung soll in folgenden Punkten erweitert werden :
a) Einfluß der Walzgeschwindigkeit. Diese Rechnung ist bereits durchgeführt
und soll demnächst veröffentlicht werden .
• J.
b) Statt .der einfachen Annahme q - p = k soll die · Elementarlösung für den
Spannungszustand zWischen geneigten Flächen aus der Plastizitätstbeorie ein-
', •,; I •
geführt werden.
.. o) Es soll das Problem dreidimensional durchgearbeitet werden, um die Breitung
zu berücksichtigen.
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• T.. •
.... 9. Neue Beiträge zum ebenen Problem der Plastizität.
Von A. NADAI in Götllngen.

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