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MPSCAI 2010 Thomas Bindel PDF
MPSCAI 2010 Thomas Bindel PDF
Regelungstechnik I und II
von H. Unbehauen
Übungsbuch Regelungstechnik
von S. Zacher
www.viewegteubner.de
Thomas Bindel | Dieter Hofmann
Projektierung von
Automatisierungs-
anlagen
Eine effektive und anschauliche Einführung
Mit 203 Abbildungen und 22 Tabellen
STUDIUM
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Einschweißfolie besteht aus Polyäthylen und damit aus
organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe frei-
setzen.
Autoren und Verlag haben alle Programme, Verfahren, Schaltungen, Texte und Abbildungen in diesem
Buch mit großer Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Eine
Haftung der Autoren oder des Verlags, gleich aus welchem Rechtsgrund, ist ausgeschlossen.
1. Auflage 2009
ISBN 978-3-8348-0386-3
Vorwort
Anliegen des vorliegenden Buches ist eine effektive und anschauliche Einführung in
die Projektierung von Automatisierungsanlagen. Unter dem Begriff „Projektierung“ ist
die Gesamtheit aller Planungs- und Entwurfsmaßnahmen zur Vorbereitung und
Durchführung eines Automatisierungsprojektes für die im vorliegenden Buch betrach-
teten industriellen Prozesse zu verstehen, welche alle Ingenieurtätigkeiten für Planung
und Entwurf von Automatisierungsanlagen bezüglich der hier betrachteten Prozess-
klassen umfasst. Daraus ist ersichtlich, dass die Projektierung von Automatisierungs-
anlagen ein komplexes Arbeitsfeld ist, in dem mehrere Fachgebiete – allen voran
Elektrotechnik, Automatisierungstechnik, Verfahrenstechnik und Ökonomie – zusam-
menwirken.
Das vorliegende Lehrbuch wendet sich daher an Studenten von Fachhochschulen und
Universitäten, die den Fachrichtungen Elektrotechnik, Automatisierungstechnik, Ener-
gietechnik, Verfahrenstechnik, Chemieingenieurwesen, Wirtschaftsingenieurwesen
bzw. angewandte Informatik angehören. Nicht zuletzt ist es auch für Ingenieure in der
Praxis geeignet, die sich das Fachgebiet neu erschließen möchten.
Diesem Anliegen folgend, werden schwerpunktmäßig die wesentlichen Schritte und
Abläufe bei der Planung und Durchführung von Automatisierungsprojekten beschrie-
ben. Dazu werden ausgehend vom allgemeinen Aufbau einer Automatisierungsanlage
die Kernprojektierung, der Entwurf von Regelkreisen und binären Steuerungen sowie
die Projektierung der Hilfsenergieversorgung und die Maßnahmen zur Prozesssiche-
rung erläutert, wobei Darstellungen zum Einsatz von CAE-Systemen sowie zur Ange-
botserstellung und -kalkulation das Themengebiet abrunden. Besonderer Wert wurde
dabei auf die Veranschaulichung grundlegender Prinzipien gelegt, d. h. die Autoren
haben wegen der enormen thematischen Breite – wo sinnvoll erscheinend – bewusst
Abstriche am Umfang vorgenommen, um Leserinnen und Lesern das Verständnis
wichtiger Zusammenhänge zu erleichtern. Vorkenntnisse zu Aufbau und Funktions-
weise von Automatisierungsanlagen sowie Automatisierungsmitteln bzw. zum Rege-
lungs- und Steuerungsentwurf werden zwar nicht generell vorausgesetzt, erleichtern
aber das Verständnis.
Wird aus DIN-Normen zitiert, so erfolgt die Wiedergabe mit Erlaubnis des DIN Deut-
sches Institut für Normung e. V. Maßgebend für das Anwenden der DIN-Norm ist de-
ren Fassung mit dem neuesten Ausgabedatum, die bei der Beuth Verlag GmbH, Burg-
grafenstraße 6, 10787 Berlin, erhältlich ist.
Die Autoren danken allen Kolleginnen und Kollegen – insbesondere Herrn Prof.
Dr.-Ing. habil. Hans-Joachim Zander – sowie Studierenden, die das Zustandekommen
des vorliegenden Buches durch zahlreiche Diskussionen, wertvolle Hinweise sowie
Studien- bzw. Diplomarbeiten tatkräftig unterstützt haben. Besonderer Dank gilt Herrn
Horst Bindel für die kritische Durchsicht des Manuskripts sowie dem Verlag Vie-
weg+Teubner für die stets konstruktive Zusammenarbeit.
Industrielle Prozesse
Kontinuierliche Ereignisdiskrete
Prozesse Prozesse
Für beide Prozessklassen muss jeweils die Anlagentechnik mit entsprechenden Mess-
einrichtungen (Sensorik) sowie Stelleinrichtungen (Aktorik) ausgerüstet werden.1
Die Sensorsignale sind die Basis für die Informationsverarbeitung mittels Regel- bzw.
Steueralgorithmen, die im Standardfall in Kompaktreglern, speicherprogrammierbaren
Steuerungen (SPS) bzw. Prozessleitsystemen (PLS) implementiert sind. Diese infor-
Informations- Informations-
ausgabe erfassung
(Stelleinrichtungen) (Messeinrichtungen)
Informationsverarbeitung
(Prozessorik sowie Bedien- und Beob-
achtungseinrichtungen)
Automatisierungsanlage
Aufgabenkategorien
Regelungs- und Automatisie- Projekt- Hilfsenergiever- Informatik
Steuerungs- rungsmittel dokumentation sorgung, Pro-
theorie zesssicherung,
kommerzielle
Aspekte
Anforderungen
Entwurf u. Inbe- Auswahl und Erarbeitung von Ermittlung des Nutzung von
triebnahme von Dimensionie- Lasten-/Pflichten- Bedarfs an CAE-Mitteln
Regelungen rung von Sen- heft, elektrischer, für die Projek-
bzw. Steuerun- sorik, Aktorik, pneumatischer tierung sowie
gen, Prozessorik, und hydrauli- den Entwurf
Erarbeitung von scher Hilfsener- von Regelun-
Verfahrens- sowie gie sowie Pro- gen bzw.
Anwendung von Auswahl von R&I-Fließschema- jektierung der Steuerungen,
Standardent- Bussystemen ta und EMSR- Hilfsenergiever-
wurfsverfahren einschließlich Stellenplänen teilung,
der Regelungs- zugehöriger usw. Nutzung von
und Steuerungs- Hardware- echtzeitfähi-
theorie komponenten Entwurf von gen Betriebs-
Prozesssiche- systemen in
rungsstrukturen, SPS und PLS,
Angebotserstel- Entwicklung
lung der Anwen-
dersoftware
Bild 1–5: Aufgabenkategorien und daraus resultierende Anforderungen für die Projek-
tierung von Automatisierungsanlagen
2 Allgemeiner Ablauf von Automatisierungs-
projekten
In der Projektierungspraxis ist ein im Wesentlichen aus drei nacheinander abzuarbei-
tenden Phasen bestehender Projektablauf zu erkennen:
x Akquisitionsphase (Bild 2–1),
x Abwicklungsphase (Bild 2–2) und
x Servicephase (Bild 2–3).
Projektstart
Anfrage/Ausschreibung vom
• Anfrage wird oft als Lastenheft formuliert (siehe Abschnitt
3.3.2.2) und häufig auch als Ausschreibung (Aufgabenstel-
Auftraggeber
lung) bezeichnet.
Die Abwicklungsphase (Bild 2–2) erfordert das exakte Zusammenspiel zwischen den
für Vertrieb und Abwicklung verantwortlichen Bearbeitern (z. B. Vertriebsingenieure,
Projektierungsingenieure, Kaufleute) sowie die erfolgreiche Lösung zugeordneter Auf-
gaben.
6 2 Allgemeiner Ablauf von Automatisierungsprojekten
2 *) IBS: Inbetriebsetzung
Bild 2–1 bzw. Bild 2–2 zeigen also, dass sich wesentliche Projektierungsleistungen
jeweils auf Akquisitions- bzw. Abwicklungsphase verteilen. Das erscheint zunächst
ungewöhnlich, erklärt sich aber aus der Tatsache, dass ein bestimmter Teil der Pro-
jektierungsleistungen bereits in der Akquisitionsphase zu erbringen ist. Nur so ist es
möglich, den erforderlichen Liefer- und Leistungsumfang betriebswirtschaftlich richtig
zu kalkulieren und das leittechnische Mengengerüst (siehe Abschnitt 3.3.3.5), welches
Art und Anzahl
x zu realisierender Automatisierungsfunktionen (kenntlich gemäß Kennzeichnungs-
systematik nach DIN 19227)2 einschließlich
x dafür benötigter Automatisierungsgeräte (Sensorik, Aktorik und Prozessorik ein-
schließlich Bedien- und Beobachtungseinrichtungen) bzw. Bussysteme sowie
x zu verarbeitender Analog- und Binärsignale
umfasst, in dem erforderlichen Umfang zu berücksichtigen. Meist wird dieses Men-
gengerüst aus dem R&I-Fließschema (siehe Abschnitt 3.3.3.1) abgeleitet, das entwe-
der vom Auftraggeber bereits vorgegeben ist oder anhand des Verfahrensfließsche-
mas (siehe Abschnitt 3.3.2.3) vom Auftragnehmer, d. h. von den Projektierungsinge-
nieuren, erst zu erarbeiten ist. Aus dem R&I-Fließschema lassen sich gleichzeitig die
Ende
3 Oft auch als Regelschema bezeichnet und nicht zu verwechseln mit der häufig zur
Konfiguration und Parametrierung von speicherprogrammierbaren Steuerungen
(SPS) verwendeten Fachsprache „FUP“!
8 2 Allgemeiner Ablauf von Automatisierungsprojekten
Termine Ressourcen
Kalkulation
Projektmit-
arbeiter Prüffeld Fertigung
Wie Bild 2–1 und Bild 2–2 zeigen, bilden Basic- und Detail-Engineering den Kern des
Projektierungsablaufs. Dieser Kern kann folglich auch mit dem Begriff „Kernprojektie-
rung“ treffend bezeichnet werden. Bild 2–5 zeigt den Kernprojektierungsumfang, aus
dem gleichzeitig Aufgaben hervorgehen, die der Projektierungsingenieur bei der Kern-
projektierung bearbeitet.
Kernprojektierung
Basic-Engineering Detail-Engineering
x Erarbeitung R&I-Fließschema, x Erarbeitung des Pflichtenheftes,
x Auswahl und Dimensionierung x Erarbeitung von EMSR-Stellen-
von Sensorik/Aktorik/Prozesso- plänen und weiteren Projektie-
rik/Bussystemen, rungsunterlagen,
x Erarbeitung des leittechnischen x Entwurf der Regel- bzw. Steuer-
Mengengerüstes, algorithmen,
x Erarbeitung von Projektierungs- x Erarbeitung der Anwendersoft-
unterlagen als Angebotsbasis, ware
x Angebotserarbeitung
Kernprojektierungsumfang
Festo Didactic und Siemens AG als experimentelle Basis für die Ausbildung im Fach-
gebiet „Prozessautomatisierung“ entwickelt haben und u. a. auch für den anschauli-
chen Wissenserwerb zur Projektierung nutzen.4
Für die Auswahl der Prozessbeispiele wurde von der bereits in der Einführung getrof-
fenen Einteilung industrieller Prozesse in kontinuierliche und ereignisdiskrete (vgl.
Bild 1–3) ausgegangen. So konnten mit der sogenannten Kleinversuchsanlagentech-
nik5 (Bild 2–6) die Prozesskomponenten Füllstands-, Durchfluss- und Temperaturrege-
lung als typische Module für die kontinuierliche Verfahrenstechnik entwickelt werden.
Diese Module wurden mit modernen Automatisierungsstrukturen – basierend auf
„klassischer“ Verdrahtung, moderner Feldbustechnik wie „Profibus DP“ und „AS-Inter-
face“ – sowie mit einem WinCC-basierten Prozessleitsystem ausgerüstet.
Station „Reaktor“ Station „Filtern“ Simatic S7-300 WinCC Station „Mischen“ Station „Abfüllen“
In gleicher Weise wurden auch ereignisdiskrete Prozesse betrachtet, wobei als ein
Beispiel die sogenannte Abfüllanlage (Bild 2–10) entwickelt wurde, deren ereignisdis-
krete Verfahrenstechnik einen typischen Stückgutprozess der industriellen Fertigungs-
technik repräsentiert.
Rund-
schalttisch
Gesamtansicht Stationen
Bild 2–10: Ereignisdiskreter Prozess „Abfüllanlage“
Elektroprojekt,
EMSR-Projekt Pneumatikprojekt, Montageprojekt
Hydraulikprojekt
3.2.1 Basisstruktur
Die wesentliche Ausgangsposition für die Kernprojektierung bilden die bereits einge-
führten Komponenten einer Automatisierungsanlage (vgl. Bild 1–4). Bild 3–2 zeigt das
Ebenenmodell als den in den vergangenen Jahrzehnten für den Aufbau von Auto-
matisierungsanlagen herausgebildeten allgemeinen Standard. Dadurch sind alle Au-
tomatisierungsanlagen prinzipiell gleichartig aufgebaut, was einerseits das Gebiet
„Prozessleittechnik“ überschaubarer macht und andererseits die Tätigkeiten bei der
Instrumentierung effizienter gestaltet.
Bild 3–2: Ebenenmodell als allgemeiner Standard für den Aufbau von Automatisie-
rungsanlagen
Insbesondere letztgenannter Trend ist wohl auch eine Folge fortschreitender Expansi-
on von Unternehmen bei gleichzeitiger Bündelung immer größerer Verantwortung in
den Händen von immer weniger Personen, die Entscheidungen in immer kürzeren
Zeiträumen bei gleichzeitig wachsender Tragweite zu treffen haben. Basis dieser Ent-
scheidungen muss der sich in Informationen abbildende jeweils aktuelle Unterneh-
menszustand sein. Um diese Informationen als Entscheidungsgrundlage zur Verfü-
gung zu haben, müssen „just-in-time“ nach dem Prinzip „Zu jeder Zeit kostenloser
Zugriff auf jedes Datum an jedem Ort der Welt!“ Daten zur Verfügung gestellt und zu
Informationen aufbereitet werden. Hierzu werden heute verstärkt ERP-6 bzw. MES7-
Systeme eingesetzt (vgl. Bild 3–2). Dies setzt die sogenannte vertikale Integration
voraus, die sich über die Steuerungs- und Regelungsebene bis hin zur Unterneh-
mensleitebene erstreckt, wobei „Bürowelt“ (Betriebs- und Unternehmensleitebene)
und „Anlagenwelt“ (Feldebene und Prozessleitebene) auch über größere räumliche
Entfernungen hinweg miteinander zu koppeln sind.
Aus dem im Bild 3–2 dargestellten Standard lässt sich die Basisstruktur einer Automa-
tisierungsanlage ableiten (Bild 3–3). Damit umfasst also eine Automatisierungsanlage
im Kern
x Feldebene mit Feldinstrumentierung (Sensorik, Aktorik) und Feldbussystemen,
x Schaltraum mit Wandlern, Prozessorik (SPS-Technik sowie Hard- und Software-
komponenten für die Datenverarbeitung bzw. -kommunikation), Bussystemen so-
wie Einspeisung von elektrischer bzw. pneumatischer Hilfsenergie,
x Prozessleitwarte mit konventionellen bzw. rechnerbasierten Bedien- und Beobach-
tungseinrichtungen.8
Einheitssignalpegel repräsentieren einen internationalen Standard und ermöglichen
damit das Verbinden von Automatisierungsmitteln unterschiedlicher Hersteller. Dafür
sind folgende Signalpegel verbindlich:
x Analoge Regelkreise, basierend auf elektrischer Hilfsenergie:
- 4 bis 20 mA,
- 0 bis10 VDC,
- vereinzelt: 0 bis 20 mA; –10 bis +10 VDC.
x Binäre Steuerungen, basierend auf elektrischer Hilfsenergie:
- 0 V entsprechen „0“-Signal (Low-Pegel),
- 24 VDC entsprechen „1“-Signal (High-Pegel).
Verfahrensfließschema
Komponente: mit Back-up-Komponenten
Prozessleitwarte (PLW)
Prozessleitsystem
Automatisierungsmittel:
Bedien- und Beobach-
tungseinrichtungen (z. B.
Kompaktregler, Anzeiger,
usw.)
Schaltschränke / Gefäßsystem
Komponente:
Schaltraum (SR)
Automatisierungsmittel:
z. B. Wandler, SPS-
Technik, Bussysteme
Komponente:
Feld
PI LI+
305 306
Automatisierungsmittel:
LI-
z. B. Sensorik, Aktorik, 307
Feldbussysteme
9
Bild 3–3: Basisstruktur einer Automatisierungsanlage
Im Rahmen ständiger Innovation der Sensorik bzw. Aktorik sind in der Feldinstrumen-
tierung Wandler direkt integriert worden, so dass elektrische Einheitssignale unmittel-
bar ab Sensor im Feld zur Verfügung stehen bzw. vom Aktor direkt aufgenommen
werden. Damit wird der Schaltraum entlastet, so dass seine Funktionalität nur noch
aus Verteilung der elektrischen bzw. pneumatischen Hilfsenergie sowie dem soge-
nannten Rangieren besteht. Auch für diese Strukturvariante kommen für die Signal-
übertragung noch Stich- bzw. Stammkabel zum Einsatz (Bild 3–5).
Konventionelle
Rechnerbasierte
Bedien- und Beob-
Bedien- und Beob-
achtungseinrich-
achtungseinrich-
Prozessleitwarte tungen (Kompakt-
tungen (PC, Ope-
(PLW) regler, Anzeiger,
rator-Panel, usw.)
usw.)
EMSR-Stellenleiste
in der Prozessleitwarte
Stamm- Buskabel
pneumat. elektrische kabel
Einheits- Einheits- SPS-
signale signale Technik
(Mess- bzw. (Mess- bzw.
Stellsignale) Stellsignale) Stamm-
kabel
Einspeisung
Einspeisung
pneumat.
Schaltraum elektr. Hilfs-
Rangierung Hilfsener-
(SR) energie-
gieversor-
versorgung
elektrische gung
Einheits-
signale ...
(Mess-
bzw. Stell- Stamm- Stamm- Klemmen-
Feld kabel kabel kasten
signale) Feld (KKF)
Montage-
gerüst Wandler ... ...
...
Elektr.
Leitung Prozess mit Sensorik Stichkabel
Pneumat. bzw. Aktorik
Leitung
Rechnergestützte
Bedien- und
Prozessleitwarte Beobachtungs-
(PLW) einrichtungen
(PC, Operator-
Panel, usw.)
Buskabel Buskabel
SPS- SPS-
Technik Technik
Schaltraum Einspeisung
(SR) Einspeisung
pneumat.
... elektr. Hilfs-
Hilfsener-
energie-
gieversor-
versorgung
gung
Buskabel Buskabel
...
Feld
14 15
Bild 3–6: Strukturvariante „Busbasiert“
3.3 Kernprojektierungsinhalt
3.3.1 Überblick
Ausgehend von bereits erläutertem Projektablauf (vgl. Abschnitt 2), Kernprojektie-
rungsumfang (Bild 2–5) sowie Einordung der Kernprojektierung (Bild 3–1) hat sich in
der Projektierungspraxis die im Bild 3–7 dargestellte Einordnung der Kernprojektie-
rung bewährt. Bild 3–7 wird deshalb als Leitfaden für die weiteren Ausführungen ge-
nutzt.
Man kann erkennen, dass die Kernprojektierung das sogenannte Detail-Engineering
sowie das Basic-Engineering umfasst. Des Weiteren wird aus Bild 3–7 auch erkenn-
bar, dass die Projektierung der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Hilfs-
energieversorgung parallel zur Kernprojektierung stattfindet.
22 Kernprojektierung
Anfrage/Ausschreibung
x Lastenheft,
x Verfahrensfließschema
Basic-Engineering/An-
gebot
x R&I-Fließschema,
x Auswahl und Dimen-
sionierung von Senso-
rik, Aktorik, Prozes-
sorik sowie Bus-
systemen,
x Erarbeitung des leit-
technischen Mengen-
gerüstes,
x Erarbeitung von Pro-
jektunterlagen als An-
gebotsbasis,
x Angebotserarbeitung
Kernpro-
Auftragsvergabe jektierung
Detail-Engineering
Projektierung der x Erarbeitung von Pflich- Montage-
Hilfsenergie- tenheft sowie EMSR- projektierung
versorgung und Stellenplänen und wei-
-verteilung teren Projektie- x Montageprojekt
rungsunterlagen,
x Elektroprojekt, x Entwurf der Regel-
x Pneumatik- bzw. Steueralgorith-
projekt, men,
x Hydraulikprojekt x Erarbeitung der An-
wendersoftware
3.3.2 Einordnung und Inhalt von Lastenheft sowie Grund- bzw. Ver-
fahrensfließschema
3.3.2.1 Allgemeines
Die im Bild 3–7 dargestellte Einordnung der Kernprojektierung setzt voraus, dass als
erstes die Projektanforderungen in einem sogenannten Lastenheft, im üblichen Pra-
xisumgang auch als Ausschreibung bekannt, zusammengestellt wurden, wobei im
Allgemeinen gleichzeitig das Verfahrensfließschema vom Auftraggeber mit übergeben
wird.16 Das Lastenheft ist eine wesentliche Vertragsgrundlage für die mit der Planung
sowie dem Bau der Automatisierungsanlage beauftragten Firmen und den späteren
Betreibern. Daher soll im Folgenden zunächst der Aufbau eines Lastenheftes näher
erläutert werden, bevor darauf aufbauend das Verfahrensfließschema betrachtet wird.
3.3.2.2 Lastenheft
Das Lastenheft nach VDI/VDE 3694 definiert allgemein, d. h. sowohl hersteller- als
auch produktneutral, die Projektanforderungen, welche an die Automatisierungsanla-
ge gestellt werden. Im Lastenheft wird also hersteller- sowie produktneutral festgelegt,
Was und Wofür
zu bearbeiten ist. VDI/VDE 3694 [3] empfiehlt, das Lastenheft entsprechend der in
Tabelle 3–1 genannten Gliederungspunkte aufzubauen.
Weiterhin ist aus Tabelle 3–2 ersichtlich, dass der Informationsgehalt beginnend beim
Grund- über das Verfahrensfließschema bis hin zum R&I-Fließschema ansteigt und
beim R&I-Fließschema am größten ist. Bezüglich der Zeile „Aufgabenstellung für Mes-
sen/Steuern/Regeln“ wurde das „x“ in der Spalte „Verfahrensfließschema“ in Klam-
mern gesetzt, weil die Aufgabenstellung für Messen/Steuern/Regeln zwar aus dem
Verfahrensfließschema ableitbar, jedoch im Allgemeinen noch nicht darin dargestellt
wird. Das geschieht erst, wenn das Verfahrensfließschema durch Ergänzung mit so-
genannten EMSR-Stellen18 zum R&I-Fließschema ergänzt wird (siehe Abschnitt
3.3.3.1).
Das im Folgenden zu betrachtende Verfahrensfließschema dokumentiert die erforder-
liche Prozesstechnologie einer Produktionsanlage, welche zum Beispiel durch Behäl-
ter, Pumpen, Kolonnen, Armaturen etc. realisiert wird, die mittels normgerechter grafi-
scher Symbole nach DIN EN ISO 10628 dargestellt werden. Wie bereits im Abschnitt
3.3.2.1 erläutert, soll es vom Auftraggeber als Bestandteil der Ausschreibung mit
übergeben werden.19
Bild 3–8 zeigt ein Verfahrensfließschema, das an Hand eines Reaktors mit Tempera-
turregelstrecke als Beispiel für einen überschaubaren verfahrenstechnischen Prozess
dient. Dieses Verfahrensfließschema wird, wie bereits angesprochen, im Allgemeinen
vom Auftraggeber oder durch ein vom Auftraggeber beauftragtes Ingenieurbüro erar-
beitet.
Bild 3–8: Beispiel eines Verfahrensfließschemas (Station „Reaktor“ des MPS-PA, vgl.
S. 11)20
Wie ebenfalls bereits erläutert, wird mit dem Verfahrensfließschema die zu realisie-
rende Verfahrenstechnologie dokumentiert, wobei bereits in diesem Schema die wich-
tigsten EMSR-Stellen als Vorgabe für die zu projektierende Automatisierungsanlage
eingetragen werden können. Aus dem im Bild 3–8 dargestellten Verfahrensfließsche-
ma sind deshalb für die Automatisierungsanlage folgende allgemeine Anforderungen,
die anschließend im Lastenheft niederzulegen sind, abzuleiten:
x Über ein Heizmodul ist in Verbindung mit einem Widerstandsthermometer sowie
einem Rührer die Temperatur im Behälter zu regeln. Der Rührer soll für die gleich-
mäßige Durchmischung der Flüssigkeit im Behälter sorgen.
M H
Stetigförderer (allgemein)
Sachgruppe 19 Sachgruppe 21
D
Antriebsmaschine Absperrarmatur Absperrarmatur in Dreiwegearmatur
allgemein Eckform allgemein allgemein
Absperrschieber Absperrklappe
Sachgruppe 20 Sachgruppe 22
Sachgruppe 23 Sachgruppe 25
Sachgruppe 24 Sachgruppe 26
Tabelle 3–3: Kennbuchstaben für Maschinen, Apparate und Geräte nach DIN 28004
Kennbuch-
Bedeutung
stabe
Apparat, Maschine, soweit nicht in eine der nachstehenden Gruppen
A
einzuordnen
B Behälter, Tank, Silo, Bunker
C Chemischer Reaktor
D Dampferzeuger, Gasgenerator, Ofen
Filterapparat, Flüssigkeitsfilter, Gasfilter, Siebapparat, Siebmaschine,
F
Abscheider
G Getriebe
H Hebe-, Förder-, Transporteinrichtung
K Kolonne
M Elektromotor
P Pumpe
R Rührwerk, Rührbehälter mit Rührer, Mischer, Kneter
S Schleudermaschine, Zentrifuge
T Trockner
V Verdichter, Vakuumpumpe, Ventilator
W Wärmeaustauscher
X Zuteil-, Zerteileinrichtung, sonstige Geräte
Y Antriebsmaschine außer Elektromotor
Z Zerkleinerungsmaschine
3.3 Kernprojektierungsinhalt 31
Mit den vorliegenden Erläuterungen sind die Grundlagen dafür geschaffen, Verfah-
rensfließschemata verstehen bzw. solche selbstständig entwickeln zu können.
3.3.3 Basic-Engineering
3.3.3.1 R&I-Fließschema
Auf Basis des bereits erläuterten Verfahrensfließschemas wird nun das sogenannte
R&I-Fließschema (Rohrleitungs- und Instrumentierungsfließschema)21 als eines der
wichtigsten Engineeringdokumente des Automatisierungsprojekts erstellt und als Be-
standteil des Angebotes dem Auftraggeber zusammen mit der Kalkulation überge-
ben.22
Das R&I-Fließschema (vgl. Bild 3–14) beinhaltet das Verfahrensfließschema, erweitert
um die für die Automatisierung erforderlichen EMSR-Stellen (Elektro-, Mess-, Steuer-
und Regelstellen), welche man synonym oft auch als PLT-Stellen (Prozessleittechni-
sche Stellen) bezeichnet. Darüberhinaus enthält das R&I-Fließschema, wie bereits in
Tabelle 3–2 ausgeführt, häufig auch Angaben zu relevanten verfahrenstechnischen
Kenngrößen wie Maximaldrücken, Behältervolumina, Rohrleitungsnennweiten und
weiteren Kenngrößen (z. B. Höhenniveaus).
Bild 3–14: Beispiel eines R&I-Fließschemas (Stat. „Reaktor“ des MPS-PA, vgl. S. 11)
Im oberen Teil des EMSR-Stellensymbols wird die Funktionalität der EMSR-Stelle mit
einem Buchstabenkode dargestellt, auf den später noch eingegangen wird. Der untere
Teil enthält identifizierende Bezeichnungen, wofür meist laufende Nummern ent-
sprechend der Nomenklatur einer Projektierungsfirma verwendet werden.24 Aus der
äußeren Form des EMSR-Stellensymbols sind ebenfalls wichtige Informationen ab-
leitbar. Bevor hierauf näher eingegangen wird, gibt Bild 3–16 zunächst einen Über-
blick zu den in der Anlagenautomatisierung häufig verwendeten Formen von EMSR-
Stellensymbolen.
EMSR-Funktionen (allge- * * *
mein), realisiert durch Ein-
zelautomatisierungsmittel
EMSR-Funktionen, realisiert
*
mittels Prozessleitsystemen
EMSR-Funktionen, realisiert
mittels SPS-Technik
Abhängig von der Länge der Einträge in den EMSR-Stellensymbolen werden als For-
men häufig auch die im Bild 3–17 gezeigten modifizierten Symbole verwendet.
EMSR-Funktionen, darge-
stellt mittels Langrund,
Rechteck mit einbeschrie-
benem Langrund sowie
Langsechseck
PI PDI
305 707 EMSR-Stelle 3
Behälter (Differenzdruckmes-
sung an einer Rohr-
leitung mit Anzeige
vor Ort)
LIAL
306
Rohrleitung
EMSR-Stelle 2
(Füllstandsmessung in einem Behälter mit Anzeige und
Störungsmeldung bei Erreichen des unteren Grenzwer-
tes in der Prozessleitwarte)
Legende: P - Druck (Erstbuchstabe), L - Füllstand (Erstbuchst.), D - Differenz (Ergänzungs-
buchst.); I - Anzeige (1. Folgebuchst.), A - Alarmierung / Störungsmeldung (2. Folgebuchst.);
L - unterer Grenzwert (3. Folgebuchst.)
Bild 3–18: Beispiele zur Darstellung von Messstellen im R&I –Fließschema.
Betrachtet wird ein Behälter bzw. Apparat (Bild 3–18), der mit verschiedenen EMSR-
Stellen ausgerüstet ist. Es wurden als typische Messstellen für verfahrenstechnische
Prozesse Druckmessungen und eine Füllstandsmessung projektiert. Die Funktionalität
dieser Messstellen ist aus den jeweiligen Kennbuchstaben erkennbar. Das bedeutet
im Einzelnen, die EMSR-Stelle PI 305 ist eine Druckmessstelle: Erstbuchstabe27„P“
(engl. pressure) für Druck sowie Folgebuchstabe „I“ (engl. indication) für die analoge
Anzeige des gemessenen Drucks. Des Weiteren zeigt die waagerechte Linie im Sym-
bol dieser EMSR-Stelle, dass sich die Verkabelung vom Feld (Sensor/Aktor vor Ort)
bis in die Prozessleitwarte (Anzeigegerät) erstreckt (vgl. auch Bild 3–4). In EMSR-
Stelle PDI 707 ist gleichfalls eine Druckmessung installiert, bei der aber im Unter-
schied zur EMSR-Stelle PI 305 ein sogenannter Ergänzungsbuchstabe auftritt, in die-
sem Fall „D“ für Differenz (engl. difference), welcher folglich auf eine Differenzdruck-
messung hinweist, und schließlich wird an dritter Stelle mit dem Folgebuchstaben „I“
die analoge Anzeige gekennzeichnet. Ein weiterer Unterschied zwischen EMSR-Stelle
PI 305 und EMSR-Stelle PDI 707 besteht bezüglich der waagegerechten Linie und
verdeutlicht, dass PDI 707 eine örtliche EMSR-Stelle ist. Die zu PDI 707 gehörenden
Mess- bzw. Stelleinrichtungen, Regler bzw. Steuerungen sowie Bedien- und Beobach-
tungseinrichtungen sind also im Feld angeordnet. In EMSR-Stelle LIAL 306 schließlich
ist eine Füllstandsmessung installiert: Erstbuchstabe „L“ (engl. level) für den Füllstand,
erster Folgebuchstabe „I“ für die analoge Anzeige des Füllstandes, zweiter Folge-
buchstabe „A“ (engl. alarm) für Störungsmeldung, dritter Folgebuchstabe L (engl. low)
für Störungsmeldung bei Erreichen des unteren Füllstandsgrenzwertes. Es ist bereits
nach diesen Beispielen hervorzuheben, dass es eine Standardaufgabe des Projektie-
rungsingenieurs ist, für jede erforderliche EMSR-Stelle die richtigen Kennbuchstaben
auszuwählen.
Als weitere Beispiele werden EMSR-Stellen für einen Durchfluss- und einen Füll-
standsregelkreis dargestellt. Für beide EMSR-Stellen ist auch die im R&I-Fließschema
übliche Kennzeichnung von Regelgröße x und Stellgröße y erkennbar, weil die Ver-
bindung zwischen Messort und EMSR-Stellensymbol durch eine Voll- bzw. zwischen
EMSR-Stellensymbol und Stellort durch eine strichlierte Linie dargestellt wurde (siehe
28
Bild 3–19). Die EMSR-Stelle FIC 315 (Bild 3–20a) zeigt einen Durchflussregelkreis.
Dabei wird die zu regelnde Prozessgröße „Durchfluss“ mit dem Erstbuchstaben „F“
(engl. flow) für Durchfluss/Durchsatz gekennzeichnet und der erste Folgebuchstabe „I“
für die analoge Anzeige des momentanen Durchflusswertes verwendet. Der zweite
Folgebuchstabe „C“ (engl. control) kennzeichnet die Funktion des selbsttätigen Re-
gelns.
28 Die Linienstärke für diese Voll- bzw. strichlierten Linien beträgt üblicherweise 50%
der Linienstärke für Rohrleitungen, Armaturen, Behälter, Maschinen und Apparate.
3.3 Kernprojektierungsinhalt 37
Die zweite EMSR-Stelle LIC 320 (Bild 3–20b) repräsentiert einen Füllstandsregelkreis,
wobei die zu regelnde Prozessgröße „Füllstand“ durch den Erstbuchstaben „L“ ge-
kennzeichnet ist und der erste Folgebuchstabe „I“ wieder die analoge Anzeige des
momentanen Wertes der Prozessgröße „Füllstand“ sowie der zweite Folgebuchstabe
„C“ das selbsttätige Regeln kennzeichnet. Die in beiden EMSR-Stellen eingetragene
waagerechte Linie zeigt, dass gemäß Bild 3–16 die Bedienung und Beobachtung in
der Prozessleitwarte realisiert wird und sich daher die Verkabelung beider EMSR-
Stellen von der Feldebene aus über den Schaltraum bis in die Prozessleitwarte er-
streckt.
a) Durchflussregelung an einer Rohrleitung mit Anzeige der
Regelgröße in der Prozessleitwarte
FIC
315
Stellsignal Messsignal (Regelgröße x)
Behälter (Stellgröße y)
(zum Verbraucher)
Pumpe
LIC
320
Stellsignal Messsignal
(Stellgröße y) (Regelgröße x)
Zu-
fluss
Pumpe Behälter
Abfluss
(zum Verbraucher)
zeichen im Sinne einer binären Anzeige („H“ oder „+“ bzw. „L“ oder „–“) deklariert. Im
Unterschied zu den EMSR-Stellen für Regelkreise oder Messstellen zeigt Bild 3–21
anhand der EMSR-Stelle LSO± 322 auch, dass mehrere Eingangssignale, zum Bei-
spiel hier die Binärsignale der Sensoren für den oberen bzw. unteren Füllstands-
grenzwert, dem in dieser EMSR-Stelle realisierten Steueralgorithmus zugeführt und
verarbeitet werden können. Dazu wird die Verbindung zwischen Binärsensoren und
EMSR-Stellensymbol als Volllinie und in entsprechender Weise die Verbindung zwi-
schen EMSR-Stellensymbol und Stelleinrichtungen strichliert dargestellt.
Zufluss
Abfluss
(zum Verbraucher)
Nachdem die Anwendung der Kennbuchstaben für die EMSR-Technik nach DIN
19227 [9] an ausgewählten Beispielen demonstriert wurde, zeigt Bild 3–22 eine an
[10] angelehnte zusammenfassende Zuordnung der Kennbuchstaben zur jeweiligen
Bedeutung. Bild 3–22 enthält in
x Tabelle 1 bzw. Tabelle 2 Kennbuchstaben, welche als Erst- bzw. Ergänzungsbuch-
staben verwendet werden und eine Messgröße oder andere Eingangsgröße sowie
ein Stellglied kennzeichnen,
x Tabelle 3 Kennbuchstaben, die als Folgebuchstaben verwendet werden und die
Verarbeitung der in Tabelle 1 bzw. Tabelle 2 aufgeführten Messgrößen oder ande-
ren Eingangsgrößen sowie des Stellgliedes kennzeichnen.
Tab. 1: Erstbuchstabe Tab. 2: Ergänzungsbuchstabe Tab. 3: Folgebuchstabe
D Dichte D Differenz A Störungsmeldung
E elektrische Größen F Verhältnis C Selbsttätige Regelung
F Durchfluss, Durchsatz J Messstellenabfrage E Aufnehmerfunktion
Abstand, Länge, Stellung, Q Integral, Summe I Anzeige
G
Dehnung, Amplitude
Sichtzeichen, Ja/Nein-Anzeige
O
H Handeingabe, Handeingriff (nicht Störungsmeldung)
K Zeit R Registrierung
3.3 Kernprojektierungsinhalt
29 In diesem Fall ist der Kennbuchstabe „S“ sinnvollerweise ohne „+“ und/oder „-“ zu
verwenden!
3.3 Kernprojektierungsinhalt 41
Ventilstelleinrichtung,
bei Hilfsenergieausfall schließend
Ventilstelleinrichtung,
bei Hilfsenergieausfall öffnend
Ventilstelleinrichtung,
bei Hilfsenergieausfall verharrend
31
Bild 3–23: Typisches Verhalten von Stelleinrichtungen bei Hilfsenergieausfall am
Beispiel von Ventilstelleinrichtungen
Die Projektierung einer Automatisierungsanlage erfordert eine weitere Detaillierung
der projektierten EMSR-Stellen, das heißt, es ist die Frage zu stellen, welche Automa-
tisierungsmittel im Einzelnen für die technische Realisierung einer EMSR-Stelle ein-
zusetzen sind. Diese Aufgabe wird durch Auswahl und Dimensionierung von Mess-
bzw. Stelleinrichtungen sowie Prozessorik und Bussystemen gelöst (vgl. Abschnitt
3.3.3.3).
31 Neben den im Bild 3–23 dargestellten Symbolen sind in DIN 19227 weitere Sym-
bole für das Verhalten von Stelleinrichtungen bei Hilfsenergieausfall definiert, d. h.
Bild 3–23 enthält nur die typischen und daher häufig verwendeten Symbole.
3.3 Kernprojektierungsinhalt 43
einschließlich Wandler
Temperatur 1 Widerstandsthermometer
Temperatur 2 Thermoelement
Druck jeweils Halbleiterdrucksensor
Messbe-
Füllstand reich Ultraschallsensor
Durchfluss von … induktiver Durchflusssensor
bis…
Bei Auswahl und Dimensionierung von Stelleinrichtungen, häufig auch als Aktorik
bezeichnet, sind vom Projektierungsingenieur umfangreichere Überlegungen anzu-
stellen. Die im Abschnitt 2 bereits vorgestellten Prozessbeispiele beruhen auf der
Darstellung von Durchfluss- bzw. Füllstandsregelungen als typische Regelungsaufga-
ben. Für beide Regelungsaufgaben ist von einem Flüssigkeitsdurchfluss (häufig Was-
ser) auszugehen. Folglich besteht die Regelungsaufgabe darin, jeweils einen Durch-
fluss entsprechend dem vom Regelalgorithmus erzeugten Stellsignal (Stellgröße) zu
realisieren.
46 Kernprojektierung
Die Kreiselpumpe (Bild 3–26) wird als erstes Stellglied für die Stoffstromstellung vor-
gestellt.33
Druckseite
Laufradschaufeln
Saugseite Antriebswelle
Vorderansicht Seitenansicht
34 Bildet sich an der Saugseite der Pumpe ein Unterdruck aus, der geringer ist als der
sogenannte Dampfdruck der Flüssigkeit, tritt eine Verdampfung ein, so dass beim
Implodieren der entstandenen Dampfblasen an Stellen höheren Druckes eine Zer-
störung des Schaufelrades eintreten kann. Diese Erscheinung wird Kavitation ge-
nannt.
48 Kernprojektierung
' p ,K Pumpenkennlinie
Wirkungsgradkennlinie
A
'p0 (n1 )
B
K ( n1 )
' p ( n1 )
q0 q
Im ersten Fall wird die Pumpe als binäre Stelleinrichtung für die Realisierung eines
konstanten Förderstroms – z. B. in einer Rohrleitung – eingesetzt, wobei die Pumpe
mit konstanter Drehzahl arbeitet.
Im zweiten Fall wird die Pumpe als analoge Stelleinrichtung eingesetzt, wobei die
Drehzahl zur Realisierung unterschiedlicher Förderströme verändert wird (Bild 3–28).
' p ,K
'p (n 2 ) n
A ' p ( n1 )
B
K ( n1 ) K (n 2 )
q0 q
Zunächst wird der erste Fall – die Pumpe arbeitet mit konstanter Drehzahl – detaillier-
ter betrachtet. Dazu sind Pumpenkennlinie und Kennlinie des Anlagenabschnitts, der
an die Druckseite der Pumpe angeschlossen ist (Anlagenkennlinie35) gemeinsam in
ein Koordinatensystem (Druckabfall 'p über q, Bild 3–29) einzutragen und der geplan-
te Arbeitspunkt der Kreiselpumpe durch den Schnittpunkt von Pumpen- und Anlagen-
kennlinie festzulegen.
ο Pumpenkennlinie
Anlagenkennlinie
q0 ݍ
Bild 3–29: Zur Auswahl einer Kreiselpumpe an Hand der statischen Kennlinien von
Anlagenabschnitt und Pumpe (qo: Förderstrom im Arbeitspunkt)
Des Weiteren ist der Wirkungsgrad der Pumpe gleichfalls zur Bestimmung des Ar-
beitspunktes (der Nennverhältnisse) heranzuziehen (Bild 3–30).
K
K max
q0 q
(optimal)
akzeptabler
Bereich
35 Die Anlagenkennlinie gibt an, wie groß der von der Anlage durch darin befindliche
Strömungswiderstände verursachte Druckabfall in Abhängigkeit vom durch die An-
lage fließenden Förderstrom ist.
50 Kernprojektierung
Entsprechend der erfolgten Pumpenauswahl ist hierbei ein Kompromiss für das Errei-
chen des Wirkungsgradmaximums Șmax häufig nicht zu vermeiden. Die Auswahl bzw.
Dimensionierung der Pumpe ist im Sinne der Planung akzeptabel, wenn für den Nenn-
förderstrom q0 noch eine Toleranz von zum Beispiel ±10% zum Wirkungsgradmaxi-
mum Kmax eingehalten wird.
'p n1 n2 n3
Pumpenkennlinien Anlagenkennlinie
n3
n2
n1
qmin q0 q max q
n3
K max
n1 n2
qmin q0 q max q
akzeptabler
Bereich
Bild 3–32: Wirkungsgradkennlinienfeld einer Kreiselpumpe in Abhängigkeit vom För-
derstrom (q0: Förderstrom im Arbeitspunkt)
Anhand des im Bild 3–33 dargestellten Algorithmus lassen sich die einzelnen Schritte
zur Auswahl einer Pumpe einprägsam nachvollziehen und berücksichtigen.
Festlegung von
qmax und qmin nach verfah- ߟ௫ ሺ݊ሻ ݍ nach ߟ௫
renstechnischen Vorgaben nach ݍ ሺ݊ሻ ο௨ ൌ ο nach ݍ
sowie q0 nach
ο௨ ሺ݊ሻ ൌ ο
Pumpenauswahl
Die Kolbenhubpumpe wird als zweites Stellglied für die Stoffstromstellung vorgestellt.
Im Unterschied zur Kreiselpumpe ist bei diesem Pumpentyp der Förderstrom unab-
hängig vom Gegendruck, das heißt, die Pumpe arbeitet für jeden Förderstrom mit
konstantem Förderdruck. Im Bild 3–34 wird dieser Sachverhalt prinzipiell aufgezeigt.
52 Kernprojektierung
Dieses für den Projektierungsingenieur durchaus günstige Verhalten erklärt sich aus
dem konstruktiven Aufbau dieses Pumpentyps.
ǻp
Bild 3–34: Kennlinie einer Kolbenhubpumpe für den Zusammenhang zwischen För-
derdruck und Förderstrom
Entscheidend für den druckunabhängigen Förderstrom ist der Aufbau dieser Pumpe,
bei der der Förderstrom mittels eines Kolbens und zweier wechselnd wirkender Rück-
schlagventile erzeugt wird (Bild 3–35).
Damit wird ersichtlich, dass durch die Verstellung des Kolbenhubes zwischen 0% und
100% auch der Förderstrom zwischen 0% und 100% stellbar ist. Folglich ist auch die
Kolbenhubpumpe ein Stellglied zur kontinuierlichen Stoffstromstellung, dessen Aus-
3.3 Kernprojektierungsinhalt 53
h h
ij ij
Der im Bild 3–36 dargestellte Schieber ist eine häufig in der Anlagentechnik einge-
setzte Stellarmatur, die im Vergleich zum Stellventil entweder vollständig geöffnet
oder geschlossen sein kann und damit den Förderstrom entweder komplett sperrt
oder vollständig freigibt. Der gleichfalls dargestellte Kugelhahn ist auch eine Stellar-
matur und verhält sich funktionell vergleichbar dem Schieber. Schließlich ist es mit der
Stellklappe möglich, im Vergleich zu Schieber bzw. Kugelhahn auch ein näherungs-
weise kontinuierliches Stellen zu realisieren, wobei Stellklappen vorrangig für das
Stellen von Gasströmen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Verbrennungsrege-
lungen eingesetzt werden. Entsprechend der Bedeutung der Stellventile werden sie im
Folgenden ausführlicher betrachtet. Bild 3–37 zeigt den schematischen Aufbau eines
solchen Ventils.
Ventilspindel
Ventilhub h
Ventil- Stopfbuchse
kegel
ο
ο
nach Projektierungsvorgabe gefertigte Stellventil auf dem Prüfstand, so dass mit Hilfe
einer stellbaren Kreiselpumpe unterschiedliche Förderströme durch das Stellventil
gepumpt werden können. Als Medium wird dafür Wasser mit der Dichte ȡ= 1000
kg/m3 bei einer Temperatur von 20° Celsius verwendet. Eine Differenzdruckregelung
(Bild 3–39) sorgt dafür, dass der Differenzdruck über dem Stellventil unabhängig vom
momentanen Ventilhub stets konstant bleibt.
PDIC FI
݄ ሺͲ ǥ ͳͲͲΨሻ
ο ൌ ܿݐݏ݊Ǥ
Der jeweils bei einem bestimmten Ventilhub h durch das Stellventil fließende Förder-
strom wird gemessen, wobei der Förderstrom bei der cV -Wert-Methode in Gallonen
pro Minute und bei der kV -Wert-Methode in m3 pro Stunde erfasst wird. Für beide Me-
thoden wird, wie bereits ausgeführt, der Differenzdruck über dem Stellventil konstant
gehalten und beträgt bei der cV -Wert-Methode 1 psi bzw. bei der kV -Wert-Methode
0,98 bar (0,98·105 Pa). Der sich unter diesen Bedingungen bei einem bestimmten
Ventilhub h einstellende Förderstrom heißt daher cV -Wert bzw. kV -Wert. Werden cV -
Wert bzw. kV -Wert als Messwerte über dem Ventilhub h in einem Diagramm eingetra-
gen und diese Punkte anschließend miteinander verbunden, so entsteht die statische
Kennlinie des Stellventils, die als Ventilkennlinie oder auch Grundkennlinie bezeichnet
wird. Bild 3–40 zeigt dazu die beiden grundsätzlichen Formen dieser Ventilkennlinien,
die man je nach Form als lineare bzw. gleichprozentige Kennlinie bezeichnet.
56 Kernprojektierung
Generell ist die Form der Ventilkennlinien vom Projektierungsingenieur nach einem
noch zu erläuternden Algorithmus festzulegen und vom Ventilhersteller für das jeweils
angeforderte Stellventil zu realisieren. Wie bereits ausgeführt, schließen Stellventile
bei Ventilhub Null im Allgemeinen nicht dicht, um Beschädigungen durch direktes
Aufsetzen des Ventilkegels auf dem Ventilsitz zu vermeiden. Den auf diese Weise
noch vorhandene Restförderstrom des Stellventils bezeichnet man als kVo-Wert
(Bild 3–41).
kV
[m³/h]
kVS
nicht vollständig
schließend
Bild 3–41: Lineare Kennlinie eines vollständig schließenden bzw. nicht vollständig
schließenden Stellventils
Diese Gegebenheit ist aus Kosten- und Funktionsgründen nicht als Nachteil zu be-
trachten, da für das vollständige Absperren einer Rohrleitung – wie bereits erläutert –
häufig die vergleichsweise einfach aufgebauten Auf/Zu-Ventile eingesetzt werden.
Darüber hinaus kann das Stellventil auch durch konstruktive Gestaltung, z. B. durch
den Einsatz von Weichdichtungen, vollständig schließend ausgeführt werden.
Als weitere Ventilparameter werden mit Bild 3–41 der kVs- bzw. ݇బ -Wert eingeführt, die
gleichfalls für die Auswahl und Dimensionierung eines Stellventils relevant sind. Be-
rücksichtigt man hierbei – wie bereits festgestellt – dass der Verfahrenstechniker den
Arbeitsbereich einer verfahrenstechnischen Anlage bestimmt, so kann man wieder auf
die bereits bei der Pumpenauswahl erläuterten verfahrenstechnischen Parameter qmin
und qmax zurückgreifen und diese für die Berechnung der Parameter kVmax (kleiner kVs )
3.3 Kernprojektierungsinhalt 57
und kVmin (größer ݇బ ) nutzen. Dazu wird die allgemeine Größengleichung ݇௩ ൌ ͲǡͲ͵ʹ ȉ
ఘ
ݍට verwendet [7]. In diese Gleichung werden jeweils qmin bzw. qmax eingesetzt. Dar-
ο
aus folgt für die Parameter ݇௩ bzw. ݇௩ೌೣ :
ఘ ఘ
݇௩ ൌ ͲǡͲ͵ʹ ȉ ݍ ට bzw. ݇௩ೌೣ ൌ ͲǡͲ͵ʹ ȉ ݍ௫ ට mit q als Förderstrom (Durch-
ο ο
satz) in m3/h, ȡ als Dichte des strömenden Mediums in 103 kg/m3 sowie ǻp als Druck-
abfall über dem Stellventil (Vorgabe 1 bar). Anhand des ݇௩ - und ݇௩ೌೣ -Wertes wird
ೡೌೣ
nun das sogenannte Stellverhältnis ܵ ൌ berechnet, welches auch als theoreti-
ೡ
sches Stellverhältnis bezeichnet wird und somit eine Kennzahl repräsentiert, die den
erforderlichen minimalen bzw. maximalen Förderstrom durch das Stellventil festlegt.
Der Projektierungsingenieur ermittelt dieses Stellverhältnis als Orientierungsgrundlage
für die Stellventilauswahl anhand von Firmenunterlagen der Ventilhersteller, die ent-
sprechende Vorzugsstellverhältnisse ausweisen. Folglich ist das Stellverhältnis ein
weiterer wesentlicher Parameter für Auswahl und Dimensionierung eines Stellventils.
Anhand des im Bild 3–42 dargestellten Algorithmus’ lassen sich die einzelnen Schritte
zur Auswahl eines Stellventils einprägsam nachvollziehen und berücksichtigen.
Des Weiteren hat der Projektierungsingenieur in die Auswahl der Stellventilkennlinie
auch die Eigenschaften des Rohrleitungssystems der verfahrenstechnischen Anlage
mit einzubeziehen. Zunächst ist dafür die sogenannte Rohrleitungskennlinie erforder-
lich. Diese Kennlinie ist gleichfalls eine statische Kennlinie, die sich aus dem Aufbau
des Rohrleitungssystems einer Anlage bzw. eines Anlagenabschnittes ohne Stellventil
ergibt und den Zusammenhang zwischen Druckabfall (über dem Rohrleitungssystem)
und Durchsatz beschreibt. Die Bestimmung der Rohrleitungskennlinie ist im Vergleich
zur Ermittlung der Stellventilkennlinie wesentlich schwieriger, da auf Grund der Konfi-
guration des Rohrleitungssystems erheblicher Aufwand für die Berechnung des
Druckabfalls über dem Rohrleitungssystem in Abhängigkeit vom veränderlichen
Durchsatz zu betreiben ist. Nur bei Kenntnis der Rohrleitungskennlinie kann der Pro-
jektierungsingenieur die Form der Stellventilkennlinie so bestimmen, dass der optima-
le Betrieb der Anlage mit eingebautem Stellventil gewährleistet ist. Optimaler Betrieb
der Anlage bedeutet, mit Kenntnis der Rohrleitungskennlinie die Stellventilkennlinie so
auszuwählen, dass durch additive Überlagerung beider Kennlinien möglichst eine line-
are statische Kennlinie für den Arbeitsbereich der Anlage erzielt wird. Diese resultie-
rende Kennlinie bezeichnet man als Anlagenkennlinie. Nicht selten fehlen aber dem
Projektierungsingenieur ausreichend exakte Kenntnisse zum Verlauf der Rohrleitungs-
kennlinie, die durch Berechnung oder experimentell – ggf. auch mittels Schätzung –
bestimmbar ist, so dass das angestrebte Entwurfsziel – Realisierung einer linearen
Anlagenkennlinie – nicht immer vollständig erreichbar ist. Als effizientes Hilfsmittel für
diese Aufgabe kann die sogenannte Vierquadrantenmethode [7] eingesetzt werden,
die auf folgenden Überlegungen beruht:
58 Kernprojektierung
kennlinie
2.
ೇೌೣ
Berücksichtigung der Berechnung des Stellverhältnisses ܵ ൌ
ೇ
Prozessbedingungen 4.
(Medium, Tempera- Wähle in der Vorzugsreihe des Ventillieferan-
tur, Druck) ten das Stellventil mit dem nächstgrößeren
Stellverhältnis aus!
5.
3.
x Zunächst muss der Projektierungsingenieur über die für das einzusetzende Stell-
ventil ausgewählte Kennlinie sowie die berechnete oder experimentell ermittelte
Rohrleitungskennlinie der jeweils betrachteten Anlage verfügen (Bild 3–43).
3.3 Kernprojektierungsinhalt 59
x Auf dieser Basis ist durch Überlagerung beider Kennlinien eine annähernd lineare
Anlagenkennlinie – zumindest im Arbeitsbereich der verfahrenstechnischen Anlage
(vgl. Bild 3–44) – zu erzeugen. Die Lösung dieser Aufgabe ist nicht elementar, so
dass hierfür ein tragfähiger Lösungsansatz benötigt wird.
x Im Nomalfall kann davon ausgegangen werden, dass eine Kreiselpumpe den er-
forderlichen Druck für den betrachteten Anlagenabschnitt aufbringt, wobei je nach
Länge des Rohrleitungssystems der Förderdruck der Pumpe mit steigendem För-
derstrom sinkt und gleichzeitig der Druckabfall über dem Rohrleitungssystem zu-
nimmt. Im Bild 3–45 wird dieses Verhalten qualitativ dargestellt.
60 Kernprojektierung
x Dabei wird deutlich, dass der von der Kreiselpumpe erzeugte Förderdruck ǻpges. mit
zunehmenden Förderstrom an der Kreiselpumpe (ǻpPumpe) und dem Rohrleitungs-
system (ǻpRohrleitung) nur soweit ab- bzw. aufgebaut wird, dass je nach momentanem
Durchsatz ein bestimmter Restdruck (ǻpStellventil) für das Stellventil verbleibt. Dieser
Restdruck entspricht dem Druckabfall, der je nach vorhandenem Durchsatz q am
eingebauten Stellventil abfällt.
x Auf dieser Tatsache baut die bereits erwähnte Vierquadrantenmethode [7] auf und
führt zur Vorausberechnung der zu erwartenden Anlagenkennlinie. Dafür sind fol-
gende Arbeitsgänge vorgesehen:
Arbeitsgang 1: Ermittlung (Berechnung oder experimentelle Erfassung) der
Rohrleitungskennlinie.
Arbeitsgang 2: Auswahl der Stellventilkennlinie – linear bzw. nichtlinear – falls
eine Kompensation der Nichtlinearität der ermittelten Rohrlei-
tungskennlinie erforderlich ist.
Arbeitsgang 3: Eintragen der ausgewählten Stellventilkennlinie in das Vier-
quadrantenschema (siehe Bild 3–47).
Arbeitsgang 4: Ermittlung der am eingebauten Stellventil auftretenden Druck-
abfälle (ǻpStellventil) in Abhängigkeit vom Durchsatz q aus
Bild 3–46.
Ein weiterer Schwerpunkt der Projektierungsarbeit ist die Auswahl der Prozessorik
für die Informationsverarbeitung, die das Bindeglied zwischen der Sensorik (Informati-
onserfassung) und Aktorik (Informationsausgabe) ist. Das sogenannte leittechnische
Mengengerüst (vgl. Abschnitt 3.3.3.5) erfasst dazu systematisch und umfassend alle
Geräte für die Informationsverarbeitung sowie die zugehörigen Signalpegel. Daher
wird bezüglich Auswahl und Dimensionierung der Prozessorik auf entsprechende
Erläuterungen zum leittechnischen Mengengerüst verwiesen.
Die Auswahl und Dimensionierung von Bussystemen ist in der Fachliteratur (z. B. [8])
so umfassend und ausführlich behandelt, dass darauf verwiesen wird.
Verbraucher-Stellenblatt
Ähnlich wie für eine EMSR-Stelle kann man für jeden Verbraucher (z. B. Antriebe von
Lüftern oder Ventilen) Detailangaben in sogenannten Verbraucher-Stellenblättern fest-
halten. Weil das Verbraucher-Stellenblatt prinzipiell ähnlich wie das EMSR-Stellenblatt
aufgebaut ist, braucht hier darauf nicht in der gleichen Ausführlichkeit eingegangen zu
werden. Bild 3–49 zeigt beispielhaft ein Datenblatt, das sich heute in der Projektie-
rungspraxis prinzipiell durchgesetzt hat.
36 Hinweis zur Spalte „Spezifikation“ im Bild 3–48: Eine Spezifikation umfasst neben
der Angabe eines allgemeinen Gerätetyps (z. B. Stellventil, Speisetrenner etc.)
auch Angaben zum eingesetzten konkreten Gerät eines bestimmten Herstellers.
3.3 Kernprojektierungsinhalt 63
Schließlich wird das leittechnische Mengengerüst auch zur Kalkulation des Engineer-
ings sowie zur Kalkulation von Montage und Inbetriebsetzung benutzt.
Den prinzipiellen Aufbau des leittechnischen Mengengerüstes zeigt Bild 3–50. Die in
diesem Bild unterhalb der Komponenten „Informationserfassung“, „Informationsverar-
beitung“ sowie „Informationsausgabe“ in Verbindung mit den jeweiligen Ebenenbe-
zeichnungen fettgedruckten Kategorien sind als Kriterien zu verstehen, nach denen
das leittechnische Mengengerüst gemäß der im R&I-Fließschema dargestellten
EMSR-Stellenfunktionen im Detail strukturiert wird. Diese Struktur wird zunächst an-
hand Bild 3–50 allgemein sowie komponentenbezogen im Detail erläutert und an-
schließend in Strukturtabellen umgesetzt, die als Orientierung für den Aufbau des leit-
technischen Mengengerüstes dienen können.
In der Ebene „Messverfahren“ werden – jeweils bezogen auf die in der übergeordne-
ten Ebene „Signalform“ angeordneten Kategorien „analog“, bzw. „binär“ – diejenigen
Kategorien angeordnet, die das zur Informationserfassung jeweils angewendete
Messverfahren beschreiben.
Die Ebene „Art der Hilfsenergieversorgung“ enthält – jeweils bezogen auf die in der
wiederum übergeordneten Ebene „Messverfahren“ angeordneten Kategorien – die
Kategorien „pneumatisch“ bzw. „elektrisch“40 zur Charakterisierung der benötigten
Hilfsenergieversorgung.
Zugeordnet zur jeweils benötigten Hilfsenergieversorgung werden in der Ebene „Si-
gnalart“ als Kategorien schließlich die im jeweils vorliegenden Anwendungsfall zu
nutzenden Signalarten (z. B. analog: 0/4…20 mA, 0…10VDC, 0,2…1 bar, örtlich41,
softwaremäßig42, digital43; binär: 0/24 VDC, 0,2/1 bar, digital) angegeben, wobei im
Falle analoger elektrischer bzw. binärer elektrischer Signale zusätzlich in Signale ei-
gensicherer44 bzw. nichteigensicherer Messeinrichtungen unterschieden wird.
Am Beispiel der Prozessgröße „Stand“ wird die erläuterte Struktur im Bild 3–51
exemplarisch dargestellt, wobei aus Platzgründen nicht alle Messverfahren berück-
sichtigt wurden. Hierzu wird auf die im Anhang 1 enthaltenen Strukturtabellen für die
in der Verfahrenstechnik wesentlichen Prozessgrößen verwiesen.
Leittechnisches Mengengerüst
Signalart: 0,2…1 bar örtlich 0/4…20 mA, örtlich software- digital 0/24 VDC digital 0,2/1 bar
0…10 VDC mäßig
Die nachfolgende Ebene „Signalform“ enthält die Kategorien „analog“ bzw. „binär“.
Die Signalform „analog“ sagt aus, dass das Drosselstellglied zwischen den beiden
Endlagen „Auf“ bzw. „Zu“ stetig positioniert werden kann. Bei Signalform „binär“ nimmt
das Drosselstellglied entweder nur die Endlage „Auf“ oder die Endlage „Zu“ ein.
Die Ebene „Art der Hilfsenergieversorgung des Stellantriebs“ sagt aus, dass der
Stellantrieb der Stelleinrichtung mit pneumatischer bzw. elektrischer Hilfsenergie be-
trieben wird.46
Die sich anschließende Ebene „Zubehör“ enthält zur näheren Charakterisierung der
Stelleinrichtung die Kategorien
x Stellungsregler,
x Stellgliedrückmeldung (z. B. mittels Widerstandsferngeber über ein Analogsignal
oder mittels Endlagenschaltern über Binärsignale)
x Einrichtung für den Noteingriff (z. B. „Handrad“).
Zugeordnet zu den übergeordneten Kategorien „Stellungsregler“ bzw. „Stellgliedrück-
meldung“ werden in der Ebene „Signalart“ als Kategorien schließlich die im jeweils
vorliegenden Anwendungsfall zu nutzenden Signalarten (z. B. analog: 0/4…20 mA,
0…10 VDC, 0,2…1 bar, örtlich47, softwaremäßig48, digital49; binär: 0/24 VDC, 0,2/1
bar, digital) angegeben, wobei im Falle binärer elektrischer bzw. analoger elektrischer
Signale ähnlich wie bei Messeinrichtungen zusätzlich in Signale eigensicherer50 bzw.
nichteigensicherer Stromkreise unterschieden wird.
Aus Platzgründen wird die Detailgliederung des leittechnischen Mengengerüstes je-
weils für die Gerätekategorie „Drosselstellglied“ (Bild 3–52 und Bild 3–53) bzw. „Ar-
beitsmaschine“ (Bild 3–54 und Bild 3–55) getrennt betrachtet.
Leittechnisches Mengengerüst
Signalart: 0/4…20 mA, digital 0,2…1 bar 0/4…20 mA, 0,2…1 bar * ) örtlich software- 0/24 VDC 0,2/1 bar * ) digital
0….10 VDC 0….10 VDC mäßig
)
* Nur relevant, wenn die Stelleinrichtung mit einem pneumatischen Signal angesteuert wird!
Bild 3–52: Detaillierte Struktur der Komponente „Informationsausgabe“ für die Gerä-
tekategorie „Drosselstellglied mit Stellantrieb als Stelleinrichtung“, Signalform „analog“
Wie aus Bild 3–52 ersichtlich und bereits erläutert, wird die Gerätekategorie „Dros-
selstellglied mit Stellantrieb als Stelleinrichtung“ in der Ebene „Signalform“ in die
Kategorien „analog“ bzw. „binär“ unterteilt. Ebenfalls aus Platzgründen wird die Detail-
gliederung für diese beiden Kategorien getrennt dargestellt, wobei die Detailgliede-
rung für die Kategorie „analog“ im Bild 3–52 und für die Kategorie „binär im Bild 3–53
dargestellt ist. Wie aus Bild 3–52 bzw. Bild 3–53 zu erkennen ist, schließt sich – wie
ebenfalls bereits weiter oben erläutert – an die Ebene „Signalform“ die Ebene „Art der
Hilfsenergieversorgung“ an.
Da sich die nächstfolgenden Ebenen „Zubehör“ bzw. „Signalart“ bei mit elektrischer
bzw. pneumatischer Hilfsenergie betriebenen analogen Drosselstellgliedern kaum
unterscheiden, werden sie im Bild 3–52 für die Kategorien „elektrisch“ bzw. „pneuma-
tisch“ der übergeordneten Ebene „Art der Hilfsenergieversorgung“ weitestgehend zu-
sammengefasst dargestellt, wobei Unterschiede im Bild 3–52 kenntlich gemacht wur-
den. Während die Zuordnung der Signalarten aus der Ebene „Signalart“ zur Zubehör-
kategorie „Stellungsregler“ keiner weiteren Erläuterung bedarf, werden Hinweise be-
züglich der Zuordnung zur Zubehörkategorie „Stellgliedrückmeldung“ als notwendig
erachtet. Das betrifft im Einzelnen:
x Eine mit einem pneumatischen Stellantrieb ausgerüstete Stelleinrichtung kann
51
durchaus mit einer elektrischen Stellgliedrückmeldung versehen sein.
51 Im Gegensatz dazu ist der Fall, dass eine mit einem elektrischen Stellantrieb und
einem elektrischen Stellungsregler ausgerüstete Stelleinrichtung über eine pneu-
matische Stellgliedrückmeldung verfügt, eher unwahrscheinlich und wird hier des-
halb nicht betrachtet.
3.3 Kernprojektierungsinhalt 71
x Für die Signalarten „örtlich“ und „softwaremäßig“ sind die diesbezüglichen Hin-
weise bei der Erläuterung der Komponente „Informationserfassung“ (siehe ent-
sprechende Fußnoten auf S. 69) zu beachten.
Im Vergleich dazu unterscheiden sich die nächstfolgenden Ebenen „Zubehör“ bzw.
„Signalart“ bei mit elektrischer bzw. pneumatischer Hilfsenergie betriebenen binären
Drosselstellgliedern erheblich, weswegen sie im Bild 3–53 für die Kategorien „elek-
trisch“ bzw. „pneumatisch“ der übergeordneten Ebene „Art der Hilfsenergieversor-
gung“ jeweils getrennt betrachtet werden. Zu beachten ist hierbei ferner, dass es sich
bei den im Bild 3–53 genannten Zubehörkategorien „Koppelrelais“ und „Verbraucher-
abzweig“52 anders als beim Zubehör für analoge Drosselstellglieder nicht um direkt an
der Stelleinrichtung montiertes Zubehör handelt.
Bei der Zuordnung von Signalarten aus der Ebene „Signalart“ zu Kategorien überge-
ordneter Ebenen wurden bei der Zubehörkategorie „Druckschalter“ zwecks übersicht-
licherer Strukturierung die Unterkategorien „pneumatisch“ bzw. „elektropneumatisch“
zusätzlich eingeführt. Im Übrigen sind die für analoge Drosselstellglieder geltenden
Hinweise zu den Signalarten „örtlich“ bzw. „softwaremäßig“ zu beachten (s. o.).
Leittechnisches Mengengerüst
Signalart: 0/24 VDC, digital ** ) 0/24 VDC 0,2/1 bar * ) örtlich digital 0,2/1 bar digital 0/24 VDC
0/230 VAC
eigen- nicht eigen- nicht eigen- nicht
sicher eigens. sicher eigens. sicher eigens.
)
* Nur relevant, wenn die Stelleinrichtung mit einem pneumatischen Signal angesteuert wird!
)
** Nur für Verbraucherabzweig relevant!
Bild 3–53: Detaillierte Struktur der Komponente „Informationsausgabe“ für die Gerä-
tekategorie „Drosselstellglied mit Stellantrieb als Stelleinrichtung“, Signalform „binär“
Bild 3–54: Detaillierte Struktur der Komponente „Informationsausgabe“ für die Gerä-
tekategorie „Arbeitsmaschine mit Stellantrieb als Stelleinrichtung“, Signalform „analog“
Wie bereits aus Bild 3-54 ersichtlich und schon weiter oben erläutert, wird die Geräte-
kategorie „Arbeitsmaschine mit Stellantrieb als Stelleinrichtung“ in der Ebene
„Signalform“ in die Kategorien „analog“ bzw. „binär“ unterteilt. Ebenfalls aus Platz-
gründen wird die Detailgliederung für diese beiden Kategorien getrennt dargestellt,
wobei die Detailgliederung für die Kategorie „analog“ im Bild 3–54 und für die Katego-
rie „binär“ im Bild 3–55 dargestellt ist.
Wie aus Bild 3–54 bzw. Bild 3–55 zu erkennen ist, schließt sich – wie ebenfalls bereits
weiter oben erläutert – an die Ebene „Signalform“ die Ebene „Art der Hilfsenergiever-
sorgung“ an.
Gemäß Bild 3–55 werden bei analogen Stellantrieben für Arbeitsmaschinen die
nachfolgenden Ebenen „Zubehör“ bzw. „Signalart“ jeweils getrennt für die Kategorien
„elektrisch“ bzw. „pneumatisch“ der übergeordneten Ebene „Art der Hilfsenergiever-
sorgung“ betrachtet. Bei Arbeitsmaschinen mit analogen elektrischen Stellantrie-
ben ist bei der Zuordnung von Signalarten aus der Ebene „Signalart“ zur Zubehörka-
tegorie „Frequenzumrichter“ zu beachten, dass eine Unterscheidung zwischen eigen-
sicheren bzw. nichteigensicheren Signalen entfällt, weil sich Frequenzumrichter im
Allgemeinen im nicht explosionsgefährdeten Bereich befinden und daher keine Explo-
sionsschutzmaßnahmen erforderlich sind. Dies gilt auch bezüglich der Zuordnung zur
53
Zubehörkategorie „Stellgliedrückmeldung“, wobei ferner die gleichen Hinweise wie
für die Stellgliedrückmeldung an analogen Drosselstellgliedern (siehe Gerätekategorie
„Drosselstellglied mit Stellantrieb als Stelleinrichtung“) zu beachten sind. Bei Arbeits-
Bild 3–55: Detaillierte Struktur der Komponente „Informationsausgabe“ für die Gerä-
tekategorie „Arbeitsmaschine mit Stellantrieb als Stelleinrichtung“, Signalform „binär“
58 Diese Ebene ist wie eine zusätzliche Unterteilung der Ebene „Gerätekategorie“ zu
verstehen, d. h. sie bildet innerhalb der Ebene „Gerätekategorie“ eine Unterebene.
59 z. B. Analogbaugruppe mit 8 Analogeingängen und 8 Analogausgängen bzw. Bau-
gruppen mit sowohl Analogein- bzw. -ausgängen als auch Binärein- bzw. -aus-
gängen auf einer einzigen Baugruppe
60 Beispiel eines solchen CAE-Mittels ist der elektronische Katalog CA 01 [17].
61 Zum Anschluss von Signalen, die nicht dem im Bild 3–56 in der Ebene „Signalart“
dargestellten Spektrum entsprechen (z. B. 0/48…125 VDC-, 0/120 VAC-, 0/230
VAC-Signale), werden von den SPS-/PLS-Herstellern Spezialbaugruppen angebo-
ten.
76 Kernprojektierung
kehrt.62 Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, wird daher die Ebene „Art der Hilfs-
energieversorgung“ hier – anders als z. B. bei der Komponente „Informationserfas-
sung“ – in Teilebenen gegliedert, die sich durch Kombination der Art der Hilfsenergie-
versorgung von jeweils Eingangssignal (elektrisch/pneumatisch) und Ausgangssignal
(elektrisch/pneumatisch) ergeben. Eine Zuordnung von Kategorien in der Ebene „Sig-
nalart“ durch Angabe von Einheitssignalen ist bei Wandlern – anders als bei den bis-
her betrachteten Gerätekategorien – im Allgemeinen nicht sinnvoll, weil Wandler prin-
zipiell beliebige Eingangssignale – also z. B. auch Signale, die keine Einheitssignale
sind – in beliebige Ausgangssignale wandeln können. Der Versuch, diese sich daraus
ergebende Vielfalt hier systematisch darzustellen, würde aber jeden Rahmen spren-
gen und muss daher unterbleiben.
Leittechnisches Mengengerüst
Gerätekategorie: SPS/PLS
stationär mobil
(z. B. Desktop-PC) (z. B. Laptop)
Während für Wandler sowohl die Signalformen „analog“ als auch „binär“ relevant sind,
ist für Rechenglieder 65 nur die Signalform „analog“ von Bedeutung. Anders als bei
Wandlern werden in der Ebene „Art der Hilfsenergieversorgung“ die Kategorien „elek-
trisch“ bzw. „pneumatisch“ getrennt betrachtet. Die Zuordnung von Signalarten zu
Kategorien übergeordneter Ebenen ist eindeutig und wird daher nicht näher erläutert.
Die detaillierte Struktur der Gerätekategorie „Kompaktregler“ ist im Bild 3–59 dar-
gestellt. Bezüglich der Ebenen „Signalform“, „Art der Hilfsenergieversorgung“ bzw.
„Signalart“ ist zu beachten, dass sich die definierten Kategorien und deren Zuordnung
zu Ebenen sowohl auf die Eingangs- als auch die Ausgangssignale eines Kompakt-
reglers beziehen. Ferner wird die Art der Hilfsenergieversorgung des Kompaktreglers
an sich (z. B. 24 VDC, 230 VAC) zwar hier aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht mit
betrachtet, der Vollständigkeit halber aber mit in die Strukturtabellen (siehe Anhang 3)
einbezogen. Die sonstige Zuordnung von Kategorien untergeordneter Ebenen zu Ka-
tegorien übergeordneter Ebenen ist eindeutig und wird daher nicht näher erläutert.
Die jeweils im Bild 3–56, Bild 3–57, Bild 3–58 bzw. Bild 3–59 dargestellten Detailglie-
derungen für die Komponente „Informationsverarbeitung“ wurden in Strukturtabellen
umgesetzt, die im Anhang 3 enthalten sind.
63 Beispiel für derartige (analoge) Wandler sind Potentialtrennstufen, die den elektri-
schen Stromkreis des Eingangssignals galvanisch von dem des Ausgangssignals
trennen.
64 Unterscheiden sich bei einem Wandler Art der Hilfsenergieversorgung von Ein-
gangs- bzw. Ausgangssignal, so kann man das im weitesten Sinn als eine Art Po-
tentialtrennung betrachten. Der als Synonym für den Begriff „galvanische Tren-
nung“ in der Gerätetechnik verwendete Begriff „Potentialtrennung“ ist nur dann
sinnvoll anwendbar, wenn sowohl Eingangs- als auch Ausgangssignale des Wand-
lers elektrische Signale sind. Streng genommen ist seine Anwendung im betrachte-
ten Fall daher überflüssig, wird aber dennoch beibehalten, um betrachtungskon-
form zu dem Fall zu sein, bei dem sowohl Eingangs- als auch Ausgangssignale
des Wandlers elektrische Signale sind.
65 Beispiel eines solchen Gerätes ist ein elektrisches bzw. pneumatisches Radizier-
glied.
3.3 Kernprojektierungsinhalt 79
Leittechnisches Mengengerüst
Signalart: potential- nicht poten- potential- 0/4…20 mA 0…10 VDC 0,2…1 bar
getrennt tialgetrennt getrennt
Leittechnisches Mengengerüst
0/4…20 mA 0…10 VDC Wider- Thermo- Wider- digital 0,2…1 bar digital Relais- 0/24 VDC
stands- element stands- ausgang
Signalart: thermo- fern-
pot.- nicht pot.- pot.- nicht pot.- pot.- nicht pot.-
getr. getr. getr. getr.
meter geber
getr. getr.
E: Eingangssignal
A: Ausgangssignal
66 Aus didaktischen Gründen wurde hier die Instrumentierung vereinfacht bzw. geän-
dert.
67 Die Begriff „Eigensicherheit“ wird später im Zusammenhang mit den Ausführungen
im Abschnitt 5.3 erläutert.
68 Die Angabe „eigensicher“ ist hier strengegnommen überflüssig und wird nur der
Vollständigkeit halber mit genannt.
3.3 Kernprojektierungsinhalt 81
Bild 3–60 zeigt das zugehörige R&I-Fließschema, wobei die Überfüllsicherung der
Einfachheit halber nicht mit dargestellt wurde.
US
1
GS±O± GS±O±
M1 M M M2
5 6
Stoff A M M3 Stoff B
P1 V1 V2 P2
GS±O± LIS+/-
7 2
R1 Rücklauf
Heizen
V3
V4 TIS±
Kühlen 3
GS±O± TI
8 V5 4
GS±O±
9
Reaktionsprodukt
Bild 3–60: R&I-Fließschema des Rührkesselreaktors
82 Kernprojektierung
Tabelle 3-5: Leittechnisches Mengengerüst für den im Bild 3–60 dargestellten Rühr-
kesselreaktor – Komponente Informationserfassung bzw. Informationsausgabe (Ab-
kürzungen siehe Bild 3–50)
Informationserfassung:
Art der Signalart
Si-
Messver- Hilfsener- 4…20 mA,
gnal- Signalform software-
fahren gieversor- nicht ei- örtlich
form binär mäßig
gung gensicher
Prozessgröße L (EMSR-Stelle LIS± 2)
ana- Verdrän-
elektrisch 1 X
log gerprinzip
Prozessgröße T (EMSR-Stellen TIS± 3 und TI 4)
Wider-
stands-
elektrisch 1 X
thermome-
ana- ter
log Metallaus- 1
dehnungs-
thermome- (eigen-
ter sicher)
Informationsausgabe:
Art der Signalform
Hilfsen- binär
Si-
ergiever- Signalform software-
gnal- Zubehör 0/24 VDC, örtlich
sorgung analog mäßig
form nicht ei-
des Stell-
antriebs gensicher
Drosselstelleinrichtung mit Stellantrieb (Armaturen V1 bis V5)
5x elek-
Koppelre- tromagne-
lais tisch (5x
24 VDC)
binär elektrisch
5 Endla-
Stellglied-
genschal-
rückmel-
ter (10x 24
dung
VDC)
Arbeitsmaschine mit Stellantrieb (Rührwerk und Pumpen)
Verbrau- Ein, Aus
cherab- (6x 24
zweig VDC)
binär elektrisch
Stellglied- Ein, Aus
rückmel- (6x 24
dung VDC)
Tabelle 3-6: Leittechnisches Mengengerüst für den im Bild 3–60 dargestellten Rühr-
kesselreaktor – Komponente Informationsverarbeitung (Abkürzungen siehe Bild 3–50)
Informationsverarbeitung: PLS
Anzahl Baugruppen
Allgemei- S
ner Bau- T C
Signalart
gruppen- R P AE BE BA
typ V U
G
STRVG 1
CPU 1
1x AE-Bau-
2x 4…20 mA, gruppe mit
AE potentialge- 8 potential-
trennt getrennten
AE
1x BE-Bau-
16x 0/24 VDC, gruppe mit
BE potentialge- 16 poten-
trennt tialgetrenn-
ten BE
1x BA-Bau-
11x 0/24 VDC, gruppe mit
BA
Relaisausgang 16 Relais-
ausgängen
Bedien- und Beobachtungseinrichtung
Gerätetyp Anzahl Bemerkung
Desktop-PC als Bedien- und Beob-
achtungsrechner, Prozessdatenver-
arbeitungsrechner sowie Konfigurier-
1 Kompaktgerät
und Parametriereinrichtung (ein-
schließlich Tastatur, Maus, Bild-
schirm)
84 Kernprojektierung
Zur Abbildung des leittechnischen Mengengerüstes wird neben der erläuterten Tabel-
lenform oft auch auf projektspezifische Typicals zurückgegriffen.69 In diesen grafi-
schen Darstellungen werden einerseits die Komponenten zur Informationserfassung
und des „eingangsseitigen“ Teils der Informationsverarbeitung (siehe Bild 3–61) sowie
andererseits die Komponenten des „ausgangsseitigen“ Teils der Informationsverarbei-
tung und der Informationsausgabe (siehe Bild 3–62) dargestellt. Wie Bild 3–61 und
Bild 3–62 zeigen, können Typicals durch Verwendung der Spalte „Kosten“ auch als
übersichtliches Hilfsmittel für die Angebotskalkulation eingesetzt werden.
Erläuterungen:
AE: Analogeingabekanal
Kl: Klemme
LU-LT: Lieferumfang Leittechnik
St: Stück
UV: Unterverteiler (Feldebene)
69 Auf dieser Basis lassen sich die im Abschnitt 3.3.4.4. erläuterten Grob-EMSR-
Stellenpläne generieren, die das Verständnis der angebotenen Lösung erheblich
verbessern. Als hilfreiche Projektierungsunterlagen werden sie daher manchmal
bereits beim Basic-Engineering erarbeitet.
3.3 Kernprojektierungsinhalt 85
Erläuterungen:
AA: Analogausgabekanal
AE: Analogeingabekanal
BE: Binäreingabekanal
Kl: Klemme
LS: Lageschalter
LU-LT: Lieferumfang Leittechnik
St: Stück
UV: Unterverteiler (Feldebene)
WFG: Widerstandsferngeber
3.3.3.7 Angebotserarbeitung
Die Erarbeitung des Angebots ist eine wichtige beim Basic-Engineering zu erbringen-
de Leistung. Hierbei wird auf Basis der in den Abschnitten 3.3.2.2 (Lastenheft), 3.3.2.3
(Grund- bzw. Verfahrensfließschema) sowie 3.3.3.1 bis 3.3.3.6 erläuterten Unterlagen
der Liefer- und Leistungsumfang beschrieben und kalkuliert. Es wird hier nicht darauf
eingegangen, sondern im Rahmen von Abschnitt 7 (Kommerzielle Aspekte), weil dort
die diesbezüglichen Erläuterungen sich besser strukturiert darstellen lassen.
3.3.4 Detail-Engineering
3.3.4.1 Allgemeines
Ausgehend von der im Bild 3–7 dargestellten Einordnung der Kernprojektierung in den
Projektablauf werden vom Auftraggeber in der Anfrage bzw. Ausschreibung die Pro-
jektanforderungen im Allgemeinen in einem Lastenheft zusammengestellt. Zusammen
mit der Anfrage bzw. Ausschreibung übergibt der Auftraggeber dem Anbieter, der sich
um den Auftrag bemüht, das Verfahrensfließschema. Auf dieser Basis wird das im
Abschnitt 3.3.3 beschriebene Basic-Engineering durchgeführt und ein Angebot erar-
beitet. Vergibt der Auftraggeber den Auftrag an den Anbieter, so sind im Rahmen des
Detailengineerings Projektierungsunterlagen für die Errichtung der Automatisierungs-
anlage zu erarbeiten, z. B.
x Pflichtenheft (vgl. Abschnitt 3.3.4.2)
x Verkabelungskonzept (vgl. Abschnitt 3.3.4.3)
x EMSR-Stellenpläne (vgl. Abschnitt 3.3.4.4)
x Kabellisten und Klemmenpläne (vgl. Abschnitt 3.3.4.5)
x Schaltschrank-Layouts (vgl. Abschnitt 3.3.4.6)
x Montageanordnungen (vgl. Abschnitt 3.3.4.7)
sowie Regelungs- und Steuerungsentwurf einschließlich Erarbeitung der Anwender-
software durchzuführen (vgl. Abschnitte 3.3.4.8, 3.4.2 und 3.4.4 sowie 3.4.5).
3.3.4.2 Pflichtenheft
Im Lastenheft (vgl. Abschnitt 3.3.2.2) wurden nach VDI/VDE 3694 die allgemeinen
Projektanforderungen, welche an die Automatisierungsanlage gestellt werden, sowohl
hersteller- als auch produktneutral definiert, und auf dieser Grundlage wurde auch das
R&I-Fließschema erarbeitet. Nun sind diese allgemeinen Anforderungen vom Auftrag-
nehmer in die konkrete Lösung umzusetzen, wobei gleichzeitig auch die Unterlagen
(z. B. EMSR-Stellenpläne, Kabel- und Klemmenpläne, Schaltschrank-Layouts) entste-
hen müssen, nach denen die Automatisierungsanlage errichtet werden kann. Damit
wird das Lastenheft durch die Beschreibung der konkreten Lösung zum Pflichtenheft
ergänzt. Ähnlich wie im Abschnitt 3.3.2.2 ergibt sich die Fragestellung,
Wie und Womit
die im Lastenheft definierten allgemeinen Anforderungen an die Automatisierungsan-
lage durch die vom Auftragnehmer umzusetzende Lösung realisiert werden.
3.3 Kernprojektierungsinhalt 89
VDI/VDE 3694 empfiehlt, das Pflichtenheft, welches die Frage „Wie und Womit?“ be-
antwortet, gemäß der in Tabelle 3-7 genannten Gliederungspunkte aufzubauen. Be-
züglich Untersetzung dieser Gliederungspunkte wird erneut auf VDI/VDE 3694 [3]
verwiesen.
Durch den in Tabelle 3–7 dargestellten Aufbau wird das Pflichtenheft zu einem Prüf-
instrument, das den Liefer- und Leistungsumfang des Auftragnehmers sowie die er-
forderlichen Beistellungen des Auftraggebers verbindlich festlegt und anhand dessen
der Auftraggeber kontrollieren kann, ob und wie der Auftragnehmer den vereinbarten
Liefer- und Leistungsumfang erbracht hat. Damit ist das Pflichtenheft auch gleichzeitig
eine wichtige Grundlage für die Abnahme des Liefer- und Leistungsumfangs durch
den Auftraggeber, die ihrerseits Bedingung dafür ist, dass der Auftragnehmer dem
Auftraggeber die Schlussrechnung zur Bezahlung vorlegen darf.
Die Ergebnisse aus dem „Wie und Womit“ werden in einzelnen Ausführungsunterla-
gen dokumentiert, nach denen die Automatisierungsanlage errichtet werden kann. Zu
diesen Unterlagen zählen:
x R&I-Fließschema,
x EMSR-Stellen-, Signal-, Geräte-,
Verbraucher- und Armaturenlisten, Basic-Engineering
x EMSR-Stellen- bzw. Verbraucherstellenblätter,
90 Kernprojektierung
x EMSR-Stellenpläne,
x Kabellisten und Klemmenpläne, Detail-Engineering
x Schaltschrank-Layouts,
x Montageanordnungen.
3.3.4.3 Verkabelungskonzept
Um die für das Detail-Engineering erforderlichen Unterlagen (z. B. EMSR-Stellenplä-
ne, Kabellisten und Klemmenpläne) erarbeiten zu können, muss zuvor ein Verkabe-
lungskonzept entwickelt werden. Welche Art von Verkabelungskonzept im jeweils
vorliegenden Anwendungsfall zweckmäßig ist, hängt vom Typ der umzusetzenden
Strukturvariante (siehe Abschnitt 3.2.2) ab. Insofern kann Bild 3–4 bis Bild 3–6 als
Basis für das zu entwickelnde Verkabelungskonzept dienen. Anhang 4 zeigt hierzu ein
Beispiel.
x Steuergeräte,
x Stellgeräte und Zubehör,
x Bediengeräte,
x Leitungen, Leitungsverbindungen, Anschlüsse, Signalkennzeichen.
Bild 3–64 bis Bild 3–67 zeigen häufig verwendete Symbole. Es ist zulässig, diese
Symbole miteinander zu kombinieren. Im Bild 3–68 sind Beispiele von Kombinations-
symbolen dargestellt.
Bild 3–66: Ausgewählte Symbole für Ausgeber, Regler, Steuer- und Bediengeräte
nach DIN 19227
3.3 Kernprojektierungsinhalt 93
Bild 3–67: Ausgewählte Symbole für Stellgeräte und Zubehör sowie Signalkennzei-
chen und Leitungen nach DIN 19227
Die nachfolgenden Darstellungen (Bild 3–69 bis Bild 3–73) zeigen beispielhaft, wie die
zuvor erläuterte Symbolik in EMSR-Stellenplänen angewendet wird.
1,4 bar
PID
H
Prozessleitwarte
0,2 … 1 bar
Schaltraum
0,2 … 1 bar
1,4 bar
Feld
PD
F max. 3 bar
Graphisches Symbol für Zuluft nach DIN ISO 1219 (pneumatische Druckquelle)
PID
H
Prozessleitwarte
L N PE
230 VAC
Schaltraum
L+ L- PE L+ L- PE
Feld
PD
F max. 3 bar
w
x PID y
Ein-/Aus-
Schaltraum
L+ L- PE L+ L- PE
Schalt- und
Feldverteiler
Feld
Mess- und Stell-
PD
ebene
F max. 3 bar
I I
Verarbeitungsebene –
Funktionsebene
T
Bild 3–72: Grob-EMSR-Stellenplan der EMSR-Stelle TIC 302 (siehe auch R&I-Fließ-
schema im Bild 3–14)
98 Kernprojektierung
Zugeordnete über-
geordnete Kenn-
zeichnung
kennzeichnung
Betriebsmittel-
Querverweis
Potential
Bild 3–73: Fein-EMSR-Stellenplan der EMSR-Stelle HSI 1302 mit Kennzeichnung der
Betriebsmittel sowie Darstellung von Potentialen, Querverweisen und übergeordneter
Kennzeichnung
3.3 Kernprojektierungsinhalt 99
Betriebsmittelkennzeichnung
Im EMSR-Stellenplan miteinander verbundene Geräte (Aufnehmer, Anpasser, Regler,
Ausgeber, Stellgeräte, Klemmen etc.) werden allgemein als Betriebsmittel bezeichnet.
Um in der Projektdokumentation diese Betriebsmittel eindeutig identifizieren zu kön-
nen, enthalten die Projektdokumentationen ausführliche Fein-EMSR-Stellenpläne (vgl.
Bild 3–73), in denen u. a. das Kennzeichnungssystem nach DIN 40719 [18] verwendet
wird.73 Dieses Kennzeichnungssystem ist in Kennzeichnungsblöcke gegliedert, die
durch Vorzeichen jeweils voneinander getrennt werden (Tabelle 3-8).
73 DIN 40719 ist zurückgezogen und zum Teil durch DIN 6779 [19] bzw. DIN IEC
61346 [20] ersetzt worden. Grundlegende aus DIN 40719 bekannte Prinzipien der
Betriebsmittelkennzeichnung bleiben aber weitgehend erhalten, Änderungen erge-
ben sich hauptsächlich bei Kennbuchstaben. Aus diesem Grund und weil darüber
hinaus in der Praxis nach wie vor die Kennzeichnungssystematik nach DIN 40719
dominiert [21], stützen sich die Erläuterungen zum Prinzip der Betriebsmittelkenn-
zeichnung auf DIN 40719.
74 Weitere Hinweise zur Anlagenstrukturierung siehe DIN IEC 61346 [20].
100 Kernprojektierung
75 In der Projektierungspraxis wird diese Tätigkeit auch als „Einrichtung der Ortswelt“
bezeichnet.
76 Im weitesten Sinne ist somit auch die Ebene „Feld“ wie ein Aufstellungsort zu be-
trachten.
77 Anhang 5 zeigt hierzu ein verallgemeinertes Beispiel.
3.3 Kernprojektierungsinhalt 101
Ortskennzeichnung
Aufstellungsorte Einbauorte
++ Feld
+ Montagegerüst 1 (MG1)
+ Montagegerüst 1 (MG2)
+ Bedienpult (BP)
+ Schaltschrank (S)
++Schaltraum (SR)
+ Schaltschrank 1 (S1)
+ Schaltschrank 2 (S2)
+ Verteilerschrank (V)
++ Prozessleitwarte (PLW)
+ Schaltschrank 1 (S1)
+ Schaltschrank 2 (S2)
+ Bedienpult (BP)
78 Wenn gefordert wird, den Einbauort eines Gerätes z. B. innerhalb eines Schalt-
schrankes genauer anzugeben, wird dem Schaltschrank ein Koordinatensystem
zugeordnet, das die Einbauorte (Steckplätze) durch Angabe von Einbauzeile und -
spalte lokalisiert. Die Angabe von Einbauzeile und -spalte wird mit einem Punkt
von der übrigen Kennzeichnung des Einbauortes abgetrennt. Will man z. B. ange-
ben, dass ein Gerät im Schaltschrank „S2“, Ebene „C“ eingebaut ist, so lautet die
Kennzeichnung des Einbauortes +S2.C.
102 Kernprojektierung
Gemäß Bild 3–75 lautet unter Verwendung der dort angegeben Abkürzungen die
Ortskennzeichnung für ein in der Prozessleitwarte im Schaltschrank 1, Ebene C ein-
gebautes Gerät: ++PLW+S1.C (vgl. Bild 3–82). Bei der Ortskennzeichnung ist zu be-
achten, dass nach DIN 40719 auf die Angabe des Aufstellungsortes auch verzichtet
werden kann bzw. in diesem Fall dem Einbauort der Kennzeichnungsblock „Über-
geordnete Kennzeichnung“ vorangestellt werden darf (vgl. Bild 3–79). Die diesbezüg-
liche Entscheidung hängt im Wesentlichen von den Gegebenheiten des zu bearbei-
tenden Projektes ab. Der Aufstellungsort ist aber unbedingt anzugeben, wenn die
Bezeichnung eines Einbauortes in mehreren Aufstellungsorten verwendet wird. Ge-
mäß Bild 3–75 betrifft das z. B. Einbauort „Bedienpult“ in den Aufstellungsorten „Feld“
sowie „Prozessleitwarte“ bzw. Einbauort „Schaltschrank 1“ in den Aufstellungsorten
„Schaltraum“ sowie „Prozessleitwarte“.
Hinsichtlich der Ortskennzeichnung wird ähnlich verfahren wie beim Kennzeichnungs-
block „Übergeordnete Kennzeichnung“ (siehe S. 99): Man benutzt auch hier die aufge-
teilte Kennzeichnungsschreibweise, indem die Ortskennzeichnung durch Eintrag in
das Schriftfeld des EMSR-Stellenplans formal allen in diesem EMSR-Stellenplan dar-
79
gestellten Betriebsmitteln zugeordnet wird. Soll einem einzelnen Betriebsmittel eines
EMSR-Stellenplans eine andere Ortskennzeichnung zugeordnet werden, so ist an
dieses Betriebsmittel die Ortskennzeichnung in der zusammenhängenden Kennzeich-
nungsschreibweise anzutragen (vgl. Bild 3–73).
Kennzeichnungsblock „Betriebsmittelkennzeichen“
Nach DIN 40719 wird bei der Betriebsmittelkennzeichnung zwischen elektrischen und
nichtelektrischen Betriebsmitteln unterschieden. Dem Betriebsmittelkennzeichen für
elektrische Betriebsmittel ist das Zeichen „-“, nichtelektrischen Betriebsmitteln das
Zeichen „--“ voranzustellen. Sowohl bei elektrischen Betriebsmitteln als auch nicht-
elektrischen Betriebsmitteln werden Kennbuchstaben verwendet, die jeweils für elek-
trische Betriebsmittel im Bild 3–76 und Bild 3–77, für nichtelektrische Betriebsmittel im
Bild 3–78 aufgeführt sind. Beispielsweise sind Relais bzw. Schütze elektrische Be-
triebsmittel, die gemäß Bild 3–77 Betriebsmittelkennzeichen „-K“ tragen, das um die
laufende Nummer innerhalb der Betriebsmittelart (im vorliegenden Fall „K“) zu ergän-
zen ist (vgl. auch Bild 3–73, Strompfad80 B4). Nichtelektrische Betriebsmittel sind z. B.
Ventile, die gemäß Bild 3–78 das Betriebsmittelkennzeichen „--A“ tragen, das auch
hier um die laufende Nummer innerhalb der Betriebsmittelart (im vorliegenden Fall
„A“) zu ergänzen ist. Betrachtet man unter Berücksichtigung der vorgenannten Aus-
führungen die im Bild 3–73 dargestellten Betriebsmittel, ist festzustellen, dass die in
den Strompfaden A4, A5 und A6 dargestellten Ventilstelleinrichtungen nicht das Be-
triebsmittelkennzeichen „--A“, sondern das für elektrische Betriebsmittel zutreffende
81 Für den Fall, dass – obwohl eher die elektrischen Eigenschaften wesentlich sind –
das nichtelektrische Betriebsmittelkennzeichen besser geeignet ist, so ist es an-
stelle des elektrischen Betriebsmittelkennzeichens zu verwenden. Dies trifft z. B.
für die Betriebsmittelkennzeichnung elektrisch angetriebener Pumpen zu.
104 Kernprojektierung
Bild 3–77: Kennbuchstaben für elektrische Betriebsmittel nach DIN 40719 (Fortset-
zung von Bild 3–76)
3.3 Kernprojektierungsinhalt 105
Durchfluss- und Armatur, Hahn, Klappe, Schieber, Ventil, Benzinmotor, Turbine, Dieselmotor,
A M nichtelektrische Antriebe
Durchsatzbegrenzer Berstscheibe, Blende, Düse, Begrenzer Gasmotor
Anschlusskennzeichnung
Die Anschlusskennzeichnung wird durch Anfügen des Kennzeichnungsblocks „An-
schluss“ an die Betriebsmittelkennzeichnung gebildet. Dem Kennzeichnungsblock
„Anschluss“ wird dabei das Vorzeichen „:“ vorangestellt (siehe Tabelle 3-9). Dieses
Vorzeichen kann – wie aus Bild 3–73 zu entnehmen ist – abhängig von den Gege-
benheiten des jeweils zu bearbeitenden Projekts auch weggelassen werden. Das
Prinzip der ausführlichen Anschlusskennzeichnung zeigt Tabelle 3-9.
Potentiale
Potentiale ermöglichen, Stromkreise blattübergreifend und dabei zugleich übersicht-
lich darzustellen. Um Potentiale im EMSR-Stellenplan eindeutig voneinander unter-
scheiden zu können, werden sie – wie Bild 3–73 beispielhaft zeigt – mit einer Kenn-
zeichnung versehen. Diese Kennzeichnung kann aus einer, z. B. der Betriebsmittel-
kennzeichnung angelehnten, Kennzeichnung bestehen, die in jedem Fall durch den
nachfolgend erläuterten Querverweis zu ergänzen ist.
Querverweise
Querverweise ermöglichen ähnlich wie Potentiale, Stromkreise blattübergreifend und
dabei zugleich übersichtlich darzustellen. Querverweise werden bei Betriebsmitteln
benötigt, die – wie z. B. Potentiale oder Relais – aus bestimmten Gründen blattüber-
greifend darzustellen sind. Wird beispielsweise das gleiche Potential auf mehreren
Zeichnungsblättern gleichzeitig verwendet, so werden darin jeweils an den Enden der
jeweiligen Potentiallinie mit einem Querverweis der Ursprungsort (Wo kommt das
Potential her?) bzw. Zielort (Wo führt das Potential hin?) angegeben (vgl. Bild 3–73).
Ähnliches gilt für Relais, wenn die Verdrahtung der Relaisspule getrennt von der Ver-
drahtung der Relaiskontakte (z. B. Öffner, Schließer, Wechsler) auf verschiedenen
Blättern darzustellen ist. In diesem Fall werden die Querverweise in den betreffenden
Zeichnungsblättern an die Relaisspule bzw. die -kontakte angetragen. Wie Bild 3–73
zeigt, können Querverweise ähnlich wie Potentialbezeichnungen aufgebaut werden,
d. h. sie setzen sich z. B. aus einer dem Kennzeichnungsblock „Übergeordnete Kenn-
zeichnung“ angelehnten Kennzeichnung – verbunden durch die Vorzeichen „/“ sowie
„.“ – einer Zeichnungsblattnummer und einer Strompfadangabe zusammen. Der im
Bild 3–73 markierte Querverweis =.HSI1/1.8B am Potential =STRVG-S2.PE ist unter
diesen Maßgaben wie folgt zu interpretieren: Das Potential entstammt laut übergeord-
82 83
neter Kennzeichnung „=.HSI1“ der Teilanlage „B1“ , Anlagenteil „HSI1“ . Die übri-
gen Angaben des Querverweises sagen aus, dass der Ursprungsort dieses Potentials
auf Blatt 1, Strompfad „8B“ zu finden ist.
Signalkennzeichnung
Mit Blick auf die Dokumentation der Signalverarbeitung in Regelungen bzw. Steue-
rungen – ob konventionell oder mit speicherprogrammierbaren Steuerungen bzw.
Prozessleitsystemen realisiert – werden in EMSR-Stellenplänen Verbindungslinien als
Übertragungswege von Signalen aufgefasst. An diese Verbindungslinien können – wo
zweckmäßig – Signalkennzeichnungen entsprechend Tabelle 3-10 angetragen wer-
den.
82 Der Punkt nach dem Gleichheitszeichen wurde durch die entsprechende Angabe
aus der übergeordneten Kennzeichnung ersetzt, die dem Zeichnungsblatt zuge-
wiesen wurde (siehe Markierung im Bild 3–73).
83 Ohne die Allgemeinheit einschränken zu wollen, wird hier vorausgesetzt, dass bei
der übergeordneten Kennzeichnung lediglich die letzten beiden Gliederungsstufen
gemäß Bild 3–74 verwendet werden.
3.3 Kernprojektierungsinhalt 107
Übergeordnete Kennzeichnung =
-
Betriebsmittel- + -
kennzeichnung
Betriebsmittel- elektrischer + -
kennzeichnung Betriebsmittel = + -
+ + -
Betriebsmittelkennzeich-
nung nichtelektrischer
--
Betriebsmittel *)
- :
+ :
Anschluss- + - :
kennzeichnung + - :
= + - :
+ + - :
Signal- "
kennzeichnung = "
84 Im Vergleich zu DIN 40719 stehen in DIN 6779 für die Kennzeichnung zusätzlich
auch die Kennzeichnungsblöcke „Gemeinsame Zuordnung“ (Vorzeichen „*“, darf
allen anderen Blöcken vorangestellt werden) sowie „Funktionale Zuordnung“ (Vor-
zeichen „==“) zur Verfügung.
108 Kernprojektierung
85
3.3.4.5 Kabelliste sowie Klemmenplan
Kabellisten sowie Klemmenpläne werden unter dem Begriff „Verkabelungsunterlagen“
zusammengefasst und für die Montageprojektierung und Schaltschrankfertigung be-
nötigt. Beim Einsatz von CAE-Systemen (siehe Abschnitt 6) entstehen diese wichtigen
Unterlagen gleichzeitig und quasi automatisch bei Erarbeitung der EMSR-Stellen-
pläne.
Kabelliste86
Kabellisten sind Tabellen (vgl. Bild 3–80), in denen jedes Kabel bezüglich seiner all-
gemeinen Kabelziele dokumentiert wird. Neben der Kabelkennzeichnung, auf die an-
schließend näher eingegangen wird, enthalten Kabellisten meist auch Angaben zu
Kabellänge, Kabeldurchmesser und Verlegeart (z. B. Verlegung auf Trassen, in Kanä-
len oder Panzerrohren). Anhand von Kabellänge und -durchmesser kann ferner be-
stimmt werden, welche Abmessungen Trassen, Kanäle oder Panzerrohre haben müs-
sen bzw. wie viele Trassen, Kanäle oder Panzerrohre zwischen Kabelursprung und
Kabelziel parallel zu verlegen sind, damit die Belastungsgrenzen von Trassen, Kanä-
len oder Panzerrohren eingehalten werden.
Bezüglich der Kabelkennzeichnung empfiehlt DIN 40719, Kabel für elektrische Lei-
tungsverbindungen als elektrische Betriebsmittel zu betrachten und zur Angabe der
Kabelziele die im Rahmen der Betriebsmittelkennzeichnung bereits erläuterte Kenn-
zeichnung des Einbauortes anzuwenden. Sofern auf dem Zeichnungsblatt ausrei-
chend Platz vorhanden ist, können im sogenannten klassifizierenden Teil der Kabel-
kennzeichnung die Kennzeichen der Einbauorte beider Kabelziele verwendet werden.
Im Unterschied zur bereits erläuterten Kennzeichnung elektrischer Betriebsmittel wer-
den in der Kabelkennzeichnung das Vorzeichen „-“ und das Betriebsmittelkennzeichen
„W“ sowie vor den Kennzeichen der Einbauorte das Vorzeichen „+“ weggelassen.
Bezüglich des zählenden Teils empfiehlt DIN 40719 – sofern es sich um ein Kabel für
elektrische Leitungsverbindungen handelt – eine einstellige Gruppierung der Kabel
nach Spannungsebenen, an die eine laufende Nummer angehangen wird. Für die
Gruppierung gilt dabei der in Tabelle 3-11 aufgeführte Vorschlag.
Tabelle 3-11: Vorschlag zur Gruppierung von Kabeln nach DIN 40719
Gruppen-Nr. Spannung
0 Leistungskabel > 1 kV
1 Leistungskabel 1 kV
2
Steuer- und Messkabel > 60 V
3
4
5
6
Steuer- und Messkabel 60 V
7
8
9
Klemmenplan
Leitungsverbindungen – gleichgültig ob elektrische zweiadrige verdrillte Leitung bzw.
mehradriges Kabel oder pneumatische, hydraulische bzw. optische Leitungsverbin-
dungen – werden zwecks „Signalübergabe“ in Schaltschränken auf Klemmenleisten
aufgelegt. Daher muss neben den Anfangs- bzw. Endpunkten eines Kabels – auch als
Ziele bezeichnet – bekannt sein, auf welche Klemmen welcher Klemmenleiste das
Kabel aufzuschalten ist. Diese detaillierten Informationen werden in Klemmenplänen
bereitgestellt, die wie Kabellisten ebenfalls tabellenartig aufgebaut sind. Bild 3–81
zeigt exemplarisch das Beispiel eines Klemmenplans für elektrische Leitungsverbin-
dungen. Klemmenpläne für pneumatische, hydraulische bzw. optische Leitungsver-
bindungen sind ähnlich aufgebaut und werden hier nicht weiter betrachtet.
3.3.4.6 Schaltschrank-Layout
Betriebsmittel wie z. B. Klemmenleisten, Messumformer, speicherprogrammierbare
Steuerungen sowie konventionelle Regler bzw. Anzeigegeräte werden in Schalt-
schränken installiert. Zu diesen Schaltschränken werden – wie bereits erläutert –
Stammkabel verlegt, die in den Schaltschränken auf Klemmenleisten aufgelegt wer-
den. Von diesen Klemmenleisten führen – sofern elektrische Betriebsmittel anzu-
schließen sind, was in der Mehrzahl der Fälle die Regel ist – einzelne elektrische Lei-
tungsverbindungen zu den im Schaltschrank eingebauten elektrischen Betriebsmit-
teln.88 Die Betriebsmittel werden im Allgemeinen nicht auf der Baustelle, sondern be-
reits während der Schaltschrankfertigung in die Schaltschränke eingebaut. Hierfür
sind einerseits Angaben erforderlich, nach denen die Betriebsmittel (schaltschrank-)
intern miteinander oder mit im Schaltschrank befindlichen Klemmenleisten89 verbun-
den werden sollen, andererseits werden Informationen benötigt, wo das jeweilige
elektrische Betriebsmittel im Schaltschrank einzubauen ist. Die erforderlichen Anga-
ben für die (schaltschrank-) interne Verdrahtung der Betriebsmittel liefern die bereits
erläuterten Klemmenpläne (vgl. Abschnitt 3.3.4.5), die Informationen für den Einbauort
werden sogenannten Schaltschrank-Layouts entnommen. Schaltschrank-Layouts sind
technische Zeichnungen, in denen Schaltschränke so in verschiedenen Ansichten
dargestellt werden, dass aus ihnen die Einbauorte der Betriebsmittel ersichtlich sind.
Wie Bild 3–82 zeigt, wird zu diesem Zweck in der Art eines Koordinatensystems ein
Schaltschrank in z. B. horizontale Ebenen90 aufgeteilt, in denen die Betriebsmittel
anzuordnen sind. Die festgelegten Ebenen bilden somit gleichzeitig die Basis für die
bereits erläuterte Ortskennzeichnung (vgl. Abschnitt 3.3.4.4).
91 DIN 40719 ist zurückgezogen und teilweises durch DIN 6779 [19] ersetzt worden.
Grundlegende Prinzipien der Unterlagenkennzeichnung bleiben aber weitgehend
erhalten. Aus diesem Grund und weil darüber hinaus in der Praxis nach wie vor die
Kennzeichnungssystematik nach DIN 40719 dominiert [21], stützen sich die Erläu-
terungen zum Prinzip der Betriebsmittelkennzeichnung auf DIN 40719.
114 Kernprojektierung
Vergleichsglied zV Strecke zL
PID-Regler Stelleinrichtung
r Messein-
richtung
92 Gemäß DIN 19226 besteht der Regler aus dem Vergleichsglied für den Vergleich
zwischen Führungsgröße w und Rückführgröße r (gemessene Regelgröße x) so-
wie dem Regelglied.
93 Der Proportionalbeiwert wird landläufig auch „Reglerverstärkung“ genannt.
3.4 Entwurf aus Sicht der Projektierung 117
P-Anteil
yR e PID- yR
e I-Anteil
Regelglied
D-Anteil
PID-Regelglied
Im Allgemeinen ist die Ermittlung der Reglerparameter – auch als Reglerentwurf be-
zeichnet – in einen Entwurfsablauf eingebettet (Bild 3–87).
Des Weiteren wird die bereits erläuterte Linearität der Strecke (vgl. Abschnitt 3.3.3.3,
S. 59) im Arbeitsbereich des Regelkreises vorausgesetzt und damit die Anwendbar-
keit der hierfür ermittelten Reglerparameter (auch als Parametersatz des Reglers be-
zeichnet) für den gesamten Arbeitsbereich gesichert. Um sicherzugehen, dass diese
Voraussetzung auch tatsächlich erfüllt ist, muss beim Reglerentwurf das statische
Verhalten von Stelleinrichtung, Regelstrecke und Messeinrichtung unbedingt unter-
sucht werden. Dazu liefert die sogenannte statische Kennlinie hinreichende Informa-
tionen. Diese Kennlinie ist sowohl auf Basis der theoretischen Prozessanalyse als
auch mittels experimenteller Prozessanalyse, auch häufig als Prozessidentifikation
bezeichnet, zu ermitteln. Generell wird für jede statische Kennlinie das allgemein mit
XA bezeichnete Ausgangssignal an der Ordinate (y-Achse) und das mit XE bezeichnete
Eingangssignal an der Abszisse (x-Achse) angetragen. Aus Sicht der Projektierung ist
die experimentelle Ermittlung der statischen Kennlinie auf jeden Fall zu bevorzugen,
weil dadurch alle die den Verlauf der statischen Kennlinie beeinflussenden Größen
angemessen berücksichtigt werden.
118 Kernprojektierung
Start
statisches Verhalten
(statische Kennlinie)
Prozessanalyse
dynamisches Verhalten
(Übergangsfunktion, Über-
tragungsfunktion) oder
Reglerstruktur
Reglerentwurf
Reglerparameter
Stabilitätsuntersuchung
Führungsverhalten Regelkreistest
Störverhalten
n
Ergebnis Ok?
j
Inbetriebnahme
n
Entwurfsziele erreicht?
j
Ende
pe
Aeff dS
FA
FM
hS
p2
FC
FR
p1
dx
FP
Legende: pe Eingangsdruck,
hS Hub der Ventilspindel (Ventilhub),
p1 Druck unterhalb des Ventilkegels,
p2 Druck oberhalb des Ventilkegels,
dS Durchmesser der Ventilspindel,
dx „aktueller“ (wirksamer) Durchmesser des Ventilkegels,
Aeff effektiv wirksame Membranfläche
x FC c hS ,
In guter Näherung kann man in Gleichung (3-1) für die weitere Modellbildung die Kraft
FT, sowie die Kraft FP am Ventilkegel vernachlässigen, woraus die Differenzialglei-
chung
A p
eff m h U h c h
e S S D S S
(3-2)
folgt, welche den analytischen Zusammenhang zwischen Eingangssignal pe und Aus-
gangssignal hs des pneumatischen Stellantriebs beschreibt. Setzt man nun in Glei-
chung (3-2) alle zeitlichen Ableitungen gleich Null (stationärer Zustand, Stationarität),
so erhält man daraus die für die statische Kennlinie des pneumatischen Stellantriebs
geltende Beziehung
Aeff p e
hS (3-3)
c
bzw. bei Berücksichtigung der üblicherweise für den stationären Zustand verwendeten
Großbuchstaben für das Eingangs- bzw. Ausgangssignal dann in Form der Beziehung
Aeff P e
HS . (3-4)
c
Das bedeutet, der Hub HS des pneumatischen Stellantriebs hängt linear vom Druck Pe
in der Membrankammer ab. Bild 3–89 zeigt die zugehörige statische Kennlinie in ei-
nem Diagramm.
Hs
[mm]
Pe [bar]
Die Dynamik des pneumatischen Stellantriebes ergibt sich gleichfalls aus der Differen-
tialgleichung (3-2). Um die Dynamik besser veranschaulichen zu können, wird aus
Differentialgleichung (3-2) die zugehörige Übertragungsfunktion abgeleitet. Das heißt,
durch Überführung der Differentialgleichung (3-2) in den Laplacebereich entsteht94
Aeff Pe ( s ) m S s 2 H S (s) U D s H (s) c H S (s) (3-5)
H S (s)
und daraus durch Bildung des Quotienten die Übertragungsfunktion
P e ( s)
H S ( s) Aeff
G( s ) . (3-6)
P e ( s) mS s U D s c
2
Aeff
Pe HS
mS s 2 U D s c
Als Beispiel für die experimentelle Ermittlung einer statischen Kennlinie wird nach-
folgend die Durchflussregelstrecke des Experimentierfeldes „Prozessautomatisierung“
am Institut für Automatisierungstechnik der TU Dresden betrachtet, in der ein Stellven-
til mit pneumatischem Stellantrieb (Bild 3–91) als Stelleinrichtung verwendet wird.
x Schritt 2: Ablesen Durchflusses ܸሶ (Ablesen jeweils erst nach Erreichen des statio-
nären Zustands),
x Schritt 3: Eintragen der so ermittelten Wertepaare in ein Diagramm und Verbinden
der eingetragenen Punkte miteinander (Bild 3–92).
Stellventil
mit pneuma-
tischem
(Membran-)
Stellantrieb
Durchfluss in %
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
0 20 40 60 80 100
Reglerausgangsgröße in %
Als ein weiteres Beispiel für die Modellbildung wird der häufig in der Verfahrenstechnik
eingesetzten Warmwasserbereiter (Bild 3–93) betrachtet. Auch bei dieser Modellbil-
dung, sowohl des statischen als auch dynamischen Verhaltens, soll wieder das Bilan-
zierungsprinzip als Basis für die Entwicklung des Prozessmodells angewendet wer-
den.
݉ሶǡ ܶா
ܳሶo
ܳሶௌ ܣை ǡ ߙo
ܶ
ߙଵ ܣௐ ǡ ߙଶ
ܶ
ܳሶ ܳሶா ߣ
݀
݉ሶ
ܲ ܳሶௌ
mit
99 Die Behälterwandung wird hierzu gedanklich aufgetrennt und in eine ebene Flä-
che umgeformt. Diese Fläche entspricht der Wärmeaustauschfläche.
100 Erforderliche Kenntnisse zur Wärmelehre (Kalorimetrie bzw. Wärmeausbreitung
in festen Substanzen) werden vorausgesetzt.
124 Kernprojektierung
U m c T,
Q ZE Pel ,
Q ZS m Z c TE ,
1 1 d 1 (3-8)
Q A k AW T T A , ,
k D1 O D2
Q Ü D Ü AO T T A ,
Wärme- Wärmeleit- Wärme-
Q AS m A c T . durchgangs- fähigkeit übergangs-
koeffizient koeffizient
Damit gilt, dass die in einem Warmwasserbereiter verbleibende Wärmemenge (Ener-
gie) aus der Summe der zugeführten bzw. abgeführten Wärmemengen resultiert. Die-
se Wärmemenge wird auch als innere oder gespeicherte Energie U des Warmwas-
serbereiters bezeichnet. Des Weiteren bezeichnet man den mittels elektrischer Ener-
gie zugeführten Wärmestrom mit Q , den durch das flüssige Medium zugeführten
ZE
Wärmestrom mit Q ZS , den durch die Behälterwände abfließenden Wärmestrom mit
Q A , den an die Umgebungsluft abfließenden Wärmestrom mit Q Ü und den durch
das flüssige Medium abgeführten Wärmestrom mit Q AS .
Für die Massebilanz gilt:
dm
m Z m A , (3-9)
dt
d. h. die Änderung der im Warmwasserbereiter gespeicherten Flüssigkeitsmenge
hängt von der Differenz zwischen zufließender und abfließender Wassermenge ab.
Setzt man nun für diese Bilanz voraus, dass zufließende und abfließende Wasser-
menge gleichgroß sind ( m Z m A ), so ergibt sich für die Änderung der im Warmwas-
serbereiter gespeicherten Flüssigkeitsmenge m
dm
0, (3-10)
dt
d. h. m const . Unter Berücksichtigung von (3-10) und der Annahme einer konstan-
ten spezifischen Wärmekapazität c gilt
dU d m c T dm dc dT dT
c T m T m c mc . (3-11)
dt dt dt dt dt dt
Damit lässt sich die Differenzialgleichung (3-7) durch Einsetzen und Umstellen in
dT
mc Pel m Z c TE T k AW DÜ AO m A c TA k AW DÜ AO (3-12)
dt
überführen. Nimmt man der Einfachheit halber ferner an, dass das zu erhitzende
Wasser mit der Temperatur TE TA in den Warmwasserbereiter eintreten soll, verein-
facht sich (3-12) unter Berücksichtigung von (3-10) zu
dT
mc Pel T k AW D Ü AO m A c TE k AW D Ü AO m Z c . (3-13)
dt
3.4 Entwurf aus Sicht der Projektierung 125
Pel (s) b1
1
T (s)
a1 s 1
TE (s) b2
Tg Wendetangente
h (t )
KS
Tt ˆ Totzeit
Tu ˆ Verzugszeit
Tg ˆ Ausgleichszeit
K S ˆ Proportionalbeiwert
der (erweiterten)
Strecke
Tu , Tt t
h (t )
Asymptote
Tt ˆ Totzeit
'h Tu ˆ Verzugszeit
ǻ݄
Tu , Tt t ܭூ ൌ
ǻݐ
102 Die Schreibweise „(erweiterte) Strecke“ weist darauf hin, dass an der betreffen-
den Stelle sowohl die Strecke als auch die erweiterte Strecke (vgl. Bild 3–85)
gemeint sind!
3.4 Entwurf aus Sicht der Projektierung 127
F/L ++ - - + +
I Füllstand
V - - + - +
Weg bei z. B. Perso- F/L + - - ++ -
IT1
nen-/Lastenaufzug V - - - - +
++ gut geeignet, + geeignet, - ungeeignet
F: Führungsverhalten, S: Störverhalten (V: Versorgungsstörung; L: Laststörung)
Bekannterweise gelingt es nicht immer, das analytische Modell der Strecke bzw. er-
weiterten Strecke hinreichend genau zu entwickeln. Deshalb ist die Fragestellung
nach einer alternativen Bestimmung des Modells der Strecke bzw. erweiterten Strecke
interessant. Eine Antwort darauf ist die experimentelle Prozessanalyse. Wie am Bei-
spiel des pneumatischen Stellantriebes erkennbar, ist die Ermittlung der statischen
Kennlinie einer (erweiterten) Strecke bzw. auch einer Streckenkomponente dabei der
erste Schritt. Darauf aufbauend wird als Vorgabe der Verfahrenstechnik der soge-
nannte Arbeitsbereich der (erweiterten) Strecke einschließlich des Arbeitspunktes in
die statische Kennlinie eingetragen und auf Linearität überprüft. Von diesem Arbeits-
punkt aus werden dann die erforderlichen Experimente, z. B. Aufprägen eines sprung-
förmigen Testsignals auf den Eingang der (erweiterten) Strecke zur Bestimmung des
dynamischen Verhaltens durchgeführt. Das heißt, anhand der Sprungantwort ist fest-
stellbar, ob die jeweilige (erweiterte) Strecke P-, PT1-, PTn- bzw. I- oder IT1-Verhalten
besitzt. Die Sprungantwort der erweiterten Strecke wird zur Ermittlung von Kennwer-
ten bzw. Parametern (Proportionalbeiwert, Zeitkonstanten) genutzt, mit denen durch
Einsetzen in sogenannte Bemessungsformeln, auch als praktische Einstellregeln be-
zeichnet, die Reglerparameter Kp, Tn und Tv berechnet werden. Aus dieser Sprung-
antwort werden beispielsweise die Kennwerte Tg, Tu sowie bei erweiterten Strecken
mit Ausgleich der Proportionalbeiwert KS bzw. bei erweiterten Strecken ohne Aus-
3.4 Entwurf aus Sicht der Projektierung 129
gleich der Integrierbeiwert KI (vgl. Bild 3–95 bzw. Bild 3–96) ermittelt,110 anschließend
z. B. in die Bemessungsformeln des Verfahrens nach Chien/Hrones/Reswick einge-
setzt und die Reglerparameter Kp, Tn sowie Tv berechnet.
Als Beispiel von auf der grafischen Auswertung der Sprungantwort basierenden Ein-
stellregeln wird nachfolgend das nach Chien/Hrones/Reswick benannte Verfahren
vorgestellt.
Voraussetzung für die Anwendung der Einstellregeln nach Chien/Hrones/Reswick ist
eine erweiterte Strecke mit Ausgleich und Verzögerung erster Ordnung mit Totzeit
bzw. zweiter oder höherer Ordnung (mit oder ohne Totzeit), so dass aus der Sprung-
antwort dieser erweiterten Strecke die Kennwerte Tg, Tu und KS (vgl. Bild 3–95) zu
ermitteln sind. Die erforderlichen Reglerparameter werden danach unter Berücksichti-
gung der in Tabelle 3-12 enthaltenen Hinweise zur Wahl der Reglerstruktur mittels der
in Tabelle 3-13 angegebenen Einstellregeln, auch als Bemessungsformeln bezeich-
net, berechnet.
zum Zeitpunkt t=0,5 s um ǻyR=6% erhöht,111 woraus sich der im Bild 3–97 dargestellte
Verlauf der Rückführgröße r(t) als Reaktion ergibt.
r (t ) % Tg Wendetangente
lim r (t ) 42%
t of
ܶ௨ ൌ Ͳǡͷ ݏ
ܶ ൎ ʹ ݏ
r0 30%
Tu1 2 3 4 t s
y R (t ) %
16%
'yR
y R0 10 %
1 2 3 4 t s
Bild 3–97: Beispiel der normierten Sprungantwort einer erweiterten Strecke als
Grundlage für den Reglerentwurf nach den Einstellregeln von Chien/Hrones/Reswick
Im Bild 3–97 sind bereits Wendetangente sowie Asymptote für lim r (t ) eingezeichnet.
t of
Mittels der Schnittpunkte der Wendetangente mit der Zeitachse einerseits sowie der
Asymptote für lim r (t ) andererseits werden – wie im Bild 3–97 gezeigt – die Kennwer-
tof
te Tg, Tu bestimmt. Der Proportionalbeiwert ܭௌ der Strecke wird aus der Beziehung
lim r (t ) r0
t of
KS berechnet. Mit r0 30% (Rückführgröße, d. h. gemessene Regel-
'y R
größe, im Arbeitspunkt), lim r (t ) 42 % und ' y R y R (t ) y R 0 6 % ergibt sich
t of
42% 30%
KS 2. Weiterhin ist aus Bild 3–97 erkennbar, dass es sich um eine er-
6%
weiterte Strecke mit P-Verhalten handelt, die mindestens zwei Zeitkonstanten112
größe im Arbeitspunkt.
112 Weil für t 0 der Anstieg der Sprungantwort gleich Null und keine Totzeit er-
kennbar ist, müssen mindestens zwei Zeitkonstanten in der erweiterten Strecke
enthalten sein.
3.4 Entwurf aus Sicht der Projektierung 131
enthält. Soll das Regelglied für Führungsverhalten ausgelegt werden, so ist aus Tabel-
le 3-12 zu entnehmen, dass es PI- oder PID-Verhalten aufweisen sollte. Bei der Inbe-
triebnahme wird man zuerst den weniger Entwurfs- sowie Realisierungsaufwand er-
fordernden PI-Regler erproben, dessen Parameter KP 1,2 sowie Tn 2s gemäß
Tabelle 3-13 für Führungsverhalten mit einer maximalen Überschwingweite
' h 20 % nach Führungsgrößensprüngen berechnet wurden. Ist mit diesem Reg-
ler das gewünschte Regelkreisverhalten nicht erzielbar, kann der PID-Regler heran-
gezogen werden.
Im Unterschied zu den auf der grafischen Auswertung der Sprungantwort basierenden
Verfahren für die Berechnung der Reglerparameter wird beim Verfahren von Zieg-
ler/Nichols am geschlossenen Regelkreis experimentiert, wobei folgende Schritte ab-
zuarbeiten sind:113
Schritt 1: Betreiben des geschlossenen Regelkreises mit einem P-Regler.
Schritt 2: Prüfung, ob der ausgewählte Regelkreis gefahrlos an der Stabilitätsgren-
ze, an der Dauerschwingungen114 auftreten, betrieben werden darf.
Schritt 3: Schrittweises Erhöhen des Proportionalbeiwertes KR („Reglerverstär-
kung“) des P-Reglers, bis der Regelkreis an der Stabilitätsgrenze Dauer-
schwingungen ausführt. Derjenige Proportionalbeiwert KR, bei dem der
Regelkreis an die Stabilitätsgrenze gelangt, entspricht der sogenannten
kritischen Reglerverstärkung KRkrit.
Schritt 4: Bestimmung der kritischen Periodendauer Tkrit. der Dauerschwingung an
der Stabilitätsgrenze.
Schritt 5: Auswahl der geeigneten Reglerstruktur entsprechend des dynamischen
Verhaltens der betrachteten erweiterten Strecke sowie gemäß Anforde-
rungen an das Führungs- bzw. Störverhalten (siehe Hinweise in
Tabelle 3-14).115
Schritt 6: Einsetzen von KRkrit bzw. Tkrit. in die Bemessungsformeln für die Berech-
nung der erforderlichen Reglerparameter (siehe Tabelle 3-15).
113 Prinzipiell kann das Verfahren auch angewendet werden, wenn die Übertragungs-
funktion der erweiterten Strecke bekannt ist. Sofern der Regelkreis mit P-Regler
aus systemtheoretischer Sicht die Stabilitätsgrenze erreichen kann, lassen sich
die Kennwerte KRkrit. (kritische „Reglerverstärkung“) bzw. Tkrit. (kritische Perioden-
dauer; Periodendauer der Dauerschwingung an der Stabilitätsgrenze) durch ana-
lytische Auswertung der charakteristischen Gleichung 1+GO(jȦ)=0 ermitteln, wo-
bei GO(jȦ) der Frequenzgang des aufgeschnittenen einschleifigen Regelkreises
ist.
114 Voraussetzung ist, dass der Regelkreis aus systemtheoretischer Sicht überhaupt
die Stabilitätsgrenze erreichen kann, d. h. nicht jeder Regelkreis ist in der Lage,
die erforderlichen Dauerschwingungen auszuführen.
115 Hierzu muss dass dynamische Verhalten der erweiterten Strecke qualitativ –
z. B. aus Erfahrungswissen oder einer qualitativen theoretischen Prozessanalyse
– bekannt sein.
132 Kernprojektierung
Die Anwendung des Verfahrens von Ziegler/Nichols wird zu einem späteren Zeitpunkt
am Beispiel einer Durchflussregelstrecke erläutert, so dass an dieser Stelle auf ein
Anwendungsbeispiel verzichtet wird.
Tabelle 3-14: Empfehlungen zur Wahl der Reglerstruktur beim Reglerentwurf nach
Ziegler/Nichols
x eine maximale Überschwingweite ' h (z. B. 10% des stationären Endwertes der
Regelgröße x) einstellbar ist.
beschrieben, wobei GR (s) die Übertragungsfunktion des Regelgliedes und GES ( s ) die
der (erweiterten) Strecke (s. o.) ist. Sofern man nun für GO (s) das für den aufgeschnit-
tenen Regelkreis geforderte IT1-Verhalten vorgibt und ferner GES ( s ) bekannt ist, lässt
sich aus (3-18) die Übertragungsfunktion
GO ( s ) (3-19)
GR (s)
G ES ( s )
des Regelgliedes bestimmen. Zu diesem Zweck wird zunächst die in Zeitkonstanten-
form darzustellende Übertragungsfunktion
K pS 1 sT1c1 sT2c 1 sTmc sT (3-20)
GES (s) e t
der (erweiterten) Strecke so approximiert, dass sich daraus die im Folgenden erläuter-
ten vier Streckentypen ableiten lassen116 und anschließend die „Soll“-Übertragungs-
funktion des aufgeschnittenen Regelkreises GO (s) geeignet vorgegeben.
116 Sind mehr als zwei dominierende oder keine dominierenden Zeitkonstanten vor-
handen, so lässt sich das Entwurfsverfahren im Allgemeinen nicht mit befriedi-
gendem Ergebnis anwenden!
117 Eine Zeitkonstante T1 ist im Vergleich zu einer anderen Zeitkonstanten T2 dominie-
rend, wenn T1>10T2 gilt!
118 Die Bildung der Summenzeitkonstanten wird zu einem späteren Zeitpunkt gleich-
zeitig für alle vier Streckentypen erläutert!
134 Kernprojektierung
(ZK: Zeitkonstante,
dom.: dominierend)
2. Festlegung der „Soll“-Übertragungsfunktion GO (s)
Tn T1 (3-29)
1 KP KP T1
KP .
s a TS A1 K p S A1 sTn sT1 a TS A1 K p S A1
Führt man diese Rechnung für jeden der festgelegten vier Streckentypen aus, er-
hält man die im Bild 3–98 gezeigte Zuordnung zwischen Streckentyp und Regler-
typ einschließlich der Beziehungen zur Berechnung der Reglerparameter.
136 Kernprojektierung
T T T T
PID-Regler K p aT K ; Tn T1 T2 ; Tv T T
1 2 1 2
Typ B
S pS B 1 2
B
TI
Typ C P-Regler Kp
aTSC K p S
C
TI
Typ D PD-Regler K p aTS D K p S
; Tv T1
D
einer erweiterten Strecke angewendet. Man erkennt aus dieser (in Zeitkonstantenform
dargestellten) Übertragungsfunktion, dass es sich um eine erweiterte Strecke mit P-
Verhalten handelt und zwei dominierende Zeitkonstanten, nämlich T1=120 s sowie
T2=40 s, auftreten. Demzufolge ist diese erweiterte Strecke dem Streckentyp B zu-
zuordnen. Daher kommt als Reglertyp gemäß Bild 3–98 nur ein PID-Regler in Be-
tracht. Fordert man ferner, dass die gemessene Regelgröße nach sprungförmigen
Führungsgrößenänderungen um höchstens 5% überschwingen darf, ergibt sich aus
Tabelle 3-16 a('h) 1,9 . Die Summenzeitkonstante beträgt 3,33 s, der Proportionalbei-
wert der erweiterten Strecke ist gleich Eins. Mit diesen Werten erhält man gemäß
Bild 3–98 folgende Reglerparameter:
ଵଶ௦ାସ௦ ଵଶ௦ȉସ௦
ܭ ൌ ൌ ʹͷǡ͵Ǣܶ ൌ ͳʹͲ ݏ ͶͲ ݏൌ ͳͲݏǢܶ௩ ൌ ൌ ͵ͲݏǤ (3-31)
ଵǡଽȉଷǡଷଷ௦ȉଵ ଵଶ௦ାସ௦
Kennlinie ermittelt (Bild 3–99). Dadurch ist es möglich, die Linearität der Regelstrecke
zu beurteilen und einen geeigneten Arbeitspunkt für die auszuführenden Sprungexpe-
rimente festzulegen. Wie aus der statischen Kennlinie im Bild 3–99 erkennbar, ist eine
ausgeprägte Nichtlinearität vorhanden. Das heißt, die eingesetzte Kreiselpumpe liefert
bis nahezu 40% der Stellleistung keinen signifikanten Durchsatz. Das ist ein anschau-
liches Beispiel einer im Vergleich zu den verfahrenstechnischen Erfordernissen zu
schwach ausgelegten Kreiselpumpe. Anders formuliert: Das Stellverhalten der einge-
setzten Kreiselpumpe ist für den projektierten Durchflussregelkreis unzureichend, da
nicht der gesamte Arbeitsbereich nutzbar ist.
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Reglerausgangsgröße yR [%]
KS lim h(t ) der erweiterten Strecke bestimmt120 und anschließend durch Abtragen
t of
von 0,2·KS und 0,8·KS auf der Ordinate jeweils die zugehörige t20% - bzw. t80% -
Prozentzeit ermittelt (vgl. Bild 3–101).
Reglerausgangsgröße
Rückführgröße
[%] Rückführgröße r
Reglerausgangsgröße yR (gemessener Durchfluss ܸሶ )
100
90
80
70
Werte für h10% bzw. h90%
60
Werte für h20% bzw. h80%
50
40
30
20
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 t [s]
h (t )
KS
0,8 K S
0, 2 K S
t 20 t 80 t s
120 Der Proportionalbeiwert kann auch aus der statischen Kennlinie nach der Bezie-
hung K S
'x bestimmt werden.
'y
3.4 Entwurf aus Sicht der Projektierung 139
Als weiteres bewährtes Paar [25] sind auch 0,1·KS und 0,9·KS für die Berechnung der
Reglerparameter verwendbar. In Tabelle 3-17 sind die erforderlichen Berechnungs-
formeln für die Kennwerte Tu und Tg angegeben.
Für die hier betrachtete Durchflussregelstrecke wird zunächst anhand der statischen
Kennlinie (vgl. Bild 3–99) der Proportionalbeiwert KS der Strecke berechnet. Aus der
'x 91,5% 27,5%
statischen Kennlinie ergibt sich K S 1,28. Darauf aufbauend
'y 90% 40%
bestimmt man dann zum Beispiel die Werte h20% bzw. h80% und setzt diese Werte in die
Berechnungsformeln entsprechend Tabelle 3-17 ein.121 In Tabelle 3-18 sind die zuge-
hörigen Ergebnisse zusammengestellt.
Tabelle 3-18: Berechnung der Kennwerte Tu und Tg nach Strejc (vgl. auch Bild 3–100)
ʹͲൗ ( ) ͳͲൗ ( )
ͺͲ ͻͲ
h20%/10% h20 40,3% : t 20 0,8s 0,35s 0,45s h10 33,9% : t10 0,65s 0,35s 0,3s
h80% / 90% h80 78,7% : t80 2,4s 0,35s 2,05s h90 85,1% : t90 3,2s 0,35s 2,85s
Setzt man nun die ermittelten Kennwerte des Ansatzes nach Strejc – zum Beispiel für
20%/80% – in die Einstellregeln nach Chien/Hrones/Reswick ein, ergeben sich die in
Tabelle 3-19 aufgeführten Reglerparameter für jeweils einen P-, PI- bzw. PID-Regler,
die jeweils für Führungsverhalten mit 20% Überschwingen ausgelegt wurden.
121 Wahlweise kann man auch die Werte für h10% und h90% verwenden.
140 Kernprojektierung
Tv 0,47 Tu 0 , 0893 s
Den Empfehlungen zur Wahl der Reglerstruktur (vgl. Tabelle 3-12) folgend, ist bei
einer erweiterten Strecke mit Ausgleich für Führungsverhalten ein Regler mit I-Anteil
einzusetzen. Betrachtet man die in Bild 3–100 dargestellte Sprungantwort, so kann
man für das dynamische Verhalten der erweiterten Strecke näherungsweise PT1Tt-
Verhalten ansetzen. Somit kommt gemäß Tabelle 3-12 im vorliegenden Fall nur der
PI-Regler für den Einsatz im Regelkreis in Frage. Die Ergebnisse der Reglererpro-
bung für das Führungsverhalten werden im Bild 3–103 dargestellt.
Ein anderer Zugang, der sich vor allem für schwingungsfähige Regelkreise, wie am
Beispiel der Durchflussregelstrecke gegeben, eignet, ist das Verfahren von Zieg-
ler/Nichols. Wie dazu Bild 3–102 für die bereits behandelte Durchflussregelstrecke
zeigt, gelingt es, den Durchflussregelkreis zum Dauerschwingen an der Stabilitäts-
grenze anzuregen.
5Tkrit.
Aus Bild 3–102 ist als kritische Reglerverstärkung KPkrit. = 11,8 sowie als Perioden-
dauer der Dauerschwingung an der Stabilitätsgrenze Tkrit. = 6,7 s abzulesen. Um blei-
bende Regeldifferenzen nach Führungs- bzw. Störgrößenänderungen ausregeln zu
können, ist, wie bereits ausgeführt (vgl. Tabelle 3-12 bzw. Tabelle 3-14), ein PI-Regler
einzusetzen, wenn für das dynamische Verhalten der erweiterten Strecke näherungs-
weise PT1Tt-Verhalten angenommen wird. Entsprechend den in Tabelle 3-15 angege-
benen Bemessungsformeln erhält man für den PI-Regler folgende Reglerparameter:
KP 0 , 45 K PKrit . 5 ,31 bzw. T n 0 ,83 T Krit . 5 ,5 s .
Die Validierung der mittels Ziegler/Nichols bzw. dem Verfahren nach Chien/Hro-
nes/Reswick (CHR-Verfahren) ermittelten Reglerparameter erfolgt gleichfalls wieder
an der Durchflussstrecke der Versuchsanlage MPS-PA der Fa. Festo Didactic. Dazu
wurden die Sprungantworten des geschlossenen Regelkreises für einen Sollwert-
sprung von 50 % auf 80 % aufgenommen und im Bild 3–103 dargestellt.
Führungsgröße
Rückführgröße
[%]
100
95
Führungsgröße w
90
85
80
75
Rückführgröße r (gemessener Durchfluss ܸሶ)
70
Ziegler/Nichols – PI-Regler
65
Rückführgröße r (gemessener Durchfluss ܸሶ)
60 CHR-Verfahren – PI-Regler
55
50
0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3.5 t [s]
Zusammenfassend ist demnach für den Entwurf einschleifiger Regelkreise mit PID-
Reglern aus Sicht der Projektierung wie folgt vorzugehen:
Schritt 1: Ermittlung der statischen Kennlinie der (erweiterten) Strecke mittels theo-
retischer Prozessanalyse
Ergebnis: Statische Kennlinie zur Festlegung des Linearitätsbereiches
bzw. Arbeitsbereiches sowie des Arbeitspunktes
122 Konnte die Prozessanalyse als Information über die (erweiterte) Strecke lediglich
Kennwerte wie z. B. Ausgleichs- bzw. Verzugszeit liefern, lässt sich der Regel-
kreis im Allgemeinen nicht simulieren, weil dazu Differenzialgleichung, Übertra-
gungsfunktion, Frequenzgang, Gewichts- bzw. Übergangsfunktion benötigt wer-
den.
144 Kernprojektierung
Die wesentlichen Leistungen für den Entwurf binärer Steueralgorithmen sind aus
Bild 3–104 erkennbar. Bereits hier muss hervorgehoben werden, dass der Steue-
rungsentwurf nur im wechselseitigen Zusammenwirken des Entwurfs binärer Steuer-
algorithmen mit der technischen Realisierung gelingen kann. Die vielfach in der Praxis
angewandte Vorgehensweise des „sofortigen (intuitiven) Programmierens“ einer SPS
impliziert zahlreiche Fehlermöglichkeiten, die nur durch einen gut strukturierten und
systemtheoretisch basierten Entwurf binärer Steueralgorithmen vermieden werden
können. Dies gilt auch für ggf. erforderliche Änderungen oder Erweiterungen der binä-
ren Steueralgorithmen bzw. die effektive Beseitigung von Entwurfsfehlern.
3.4 Entwurf aus Sicht der Projektierung 145
Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang die wesentliche Fragestellung nach dem
Entwurf eines kombinatorischen binären bzw. sequentiellen binären Steuerungsalgo-
rithmus’ zu beantworten. Das bedeutet, der Projektierungsingenieur muss aus der
Analyse der Steuerstrecke und der Kenntnis der Anforderungen an die Steuerstrecke
entscheiden, ob er einen kombinatorischen oder sequentiellen binären Steueralgo-
rithmus123 entwirft. Diese Entscheidungsfindung basiert auf der Auswertung verschie-
denster Überlegungen und erfordert deshalb eine systematische sowie Schritt für
Schritt abzuarbeitende Entwurfsmethodik. Diese Entwurfsmethodik zeigt Bild 3–105
im Überblick.
JA NEIN
Entwurf
Station 2:
Becher füllen
Station 1:
Becher zuführen
kontinuierliche
Prozesskomponente
„Füllstand“
Station 5:
Rundschalttisch
Station 3:
Becher verschließen
Station 4:
Becher entnehmen
B1 B3
B0
Zahnrad Tischmotor
Bild 3–108: Technologisches Schema und Anlagenansicht für die Station „Rund-
schalttisch“ (Station 5)
124 Sensor B0 ist alternativ zur 2 aus 3-Auswahl einsetzbar und wird in den folgenden
Entwurfsbeispielen nicht berücksichtigt, d. h. für den Entwurf der binären Steuer-
algorithmen sind nur die Sensoren B1, B2 und B3 relevant.
3.4 Entwurf aus Sicht der Projektierung 149
6 Zylinder 3.1
Zylinder 3.2 3
B11
B14 B13
2
5
B12
1
4
Vakuum-
sauger
Rundschalttisch
B22
B21
Arbeitsschritt
Sensor B15 4
5
Zylinder 3.3
Auf der Basis dieser Überlegungen lässt sich nun die Schalttabelle (Bild 3–110) für
den Rundschalttisch wie folgt entwickeln:
x4 x3 x2 x1 y1 y2 y3
0 0 0 0 0 0 1
0 0 0 1 0 0 1
0 0 1 0 0 0 1
0 0 1 1 0 1 0
0 1 0 0 0 0 1
0 1 0 1 0 1 0
0 1 1 0 0 1 0
0 1 1 1 0 0 0
1 0 0 0 0 0 1
1 0 0 1 0 0 1
1 0 1 0 0 0 1
1 0 1 1 1 1 0
1 1 0 0 0 0 1
1 1 0 1 1 1 0
1 1 1 0 1 1 0
1 1 1 1 1 0 0
Bild 3–110: Schalttabelle für die Station „Rundschalttisch“
An Hand der Schalttabelle kann demnach eindeutig festgestellt werden, dass in der
Steuerung für die Station „Rundschalttisch“ ein kombinatorischer binärer Steueralgo-
rithmus zu implementieren ist, weil jeder Eingangskombination genau eine Ausgangs-
kombination zugeordnet ist.
Damit wird aus der Schalttabelle (Bild 3–110) die sogenannte kanonische disjunktive
Normalform (KDNF) entwickelt und aus dieser wiederum durch Anwendung eines
systematischen Minimierungsverfahrens, zum Beispiel des Verfahrens von Karnaugh
[29] oder des Verfahrens von Kazakov [29], die minimale Normalform.
Die kanonische disjunktive Normalform (KDNF) ist eine binäre Verknüpfungsfunk-
tion125, die aus der disjunktiven Verknüpfung aller derjenigen Elementarkonjunktio-
nen126 gebildet wird, für welche die jeweils betrachtete Ausgangsgröße den Wert (die
Belegung) „1“ annimmt.
Als Beispiel wird für die Ausgangsgröße y1 die aus der Schalttabelle (Bild 3–110) ab-
gelesene KDNF angegeben:
125 Die Verknüpfungsfunktion (binäre Schaltfunktion) ordnet jeder Belegung des Ein-
gangsgrößenvektors (Eingangskombinationen) eindeutig eine Belegung des Aus-
gangsgrößenvektors (Ausgangskombinationen) unter Verwendung der boole-
schen Verknüpfungen UND, ODER bzw. NICHT zu.
126 Die Elementarkonjunktionen werden durch die konjunktive (UND-) Verknüpfung
aller Eingangsgrößen, welche am Aufbau der Schalttabelle beteiligt sind, in ihren
jeweiligen Belegungen (d. h. negiert bzw. nichtnegiert) gebildet.
152 Kernprojektierung
y1KDNF x 4
x 3 x 2 x 1 x 4 x 3 x 2 x 1 x 4 x 3 x 2 x 1 x 4 x 3 x 2 x 1
(3-32)
Auf dieser Basis kann nun die minimale Normalform mit Hilfe z. B. der Karnaugh-Tafel
(Bild 3–111) ermittelt werden. Dabei sind folgende Hinweise beim Erstellen der Kar-
naugh-Tafel zu beachten:
x Vorzugsweise Anwendung der Karnaugh-Tafel für bis zu 4 Eingangsgrößen, wo-
bei sowohl zeilen- als auch spaltenweise zwischen den benachbarten Feldern
stets die Hamming-Distanz D=1 einzuhalten ist,127
x Bilden möglichst weniger und zugleich großer symmetrischer 2er-, 4er- bzw. 8er-
Blöcke,
x Herauslesen der minimierten Verknüpfungsfunktion.
x2 x1 00 01 11 10
x 4 x3
00 0 0 0 0
01 0 0 0 0
11 0 1 1 1
10 0 0 1 0
Bild 3–111: Karnaugh-Tafel für die Ausgangsgröße y1
In der Karnaugh-Tafel für die Ausgangsgröße y1 kann man drei 2er-Blöcke bilden (vgl.
Bild 3–111). Jeder dieser Blöcke entspricht dabei jeweils einer Primkonjunktion (Prim-
implikant), die disjunktiv zur minimierten Verknüpfungsfunktion zusammengefügt wer-
den. Die sich in einem Block jeweils ändernde Eingangsgröße wird bei der Bildung der
Primkonjunktionen ignoriert, die übrigen werden mit der jeweils zugehörigen Belegung
übernommen.
Aus der Karnaugh-Tafel gemäß Bild 3–111 ergibt sich für die Ausgangsgröße y1
durch Bilden von drei 2er-Blöcken folgende minimierte Verknüpfungsfunktion:
y1 min x 4 x 3 x1 x 4 x 2 x1 x 4 x 3 x 2 (3-33)
Die somit vorliegende minimierte Verknüpfungsfunktion lässt sich günstig in Form
eines Logikplanes darstellen bzw. mittels der Fachsprachen FUP (Funktionsplan),
KOP (Kontaktplan) oder AWL (Anweisungsliste) in speicherprogrammierbarer Technik
implementieren. Sie ist, wie Gleichung (3-33) zeigt, die disjunktive Verknüpfung der
127 Diese Forderung bedeutet, die Karnaugh-Tabelle so aufzubauen, dass sich bei
zeilenweisem bzw. spaltenweisem Übergang von einem Feld zum nächsten nur
eine einzige Eingangsgröße in ihrer Belegung ändert.
3.4 Entwurf aus Sicht der Projektierung 153
x4 x3 x2 x1
1 0 1 1 PP1
1=x=4xx42x12 x 1
1-Menge 1 1 0 1 P2=x
P1 =4xx43xx13 x 1
2==
1 1 1 0 PP1
3=x=4xx43xx23 x 2
1 1 1 1 P1; P1;
P2; P2P3
0 0 0 0
0 0 0 1
0 0 1 0
0 0 1 1
0 1 0 0
0 1 0 1
0-Menge 0 1 1 0
0 1 1 1
1 0 0 0
1 0 0 1
1 0 1 0
1 1 0 0
Bild 3–112: Schema für die Ermittlung der Elementarkonjunktionen nach Kazakov
Stellt man fest, dass einer Belegung der Eingangsgrößen an Hand der Anforderungen
an die Steuerstrecke unterschiedliche Belegungen der Ausgangsgrößen zuzuordnen
sind, ist ein sequentieller binärer Steueralgorithmus zu entwerfen. Das heißt, basie-
rend auf der Anzahl der Eingangsgrößen soll mittels der Schaltbelegungstabelle im-
mer geprüft werden, ob für alle Belegungen der Eingangsgrößen stets ein eindeutiger
Zusammenhang zu den Ausgangsgrößen vorliegt. Dazu ist für jede der 2n (n entspricht
der Anzahl der Eingangsgrößen) Belegungen der Eingangsgrößen die eindeutige
Zuordnung zu einer Belegung der Ausgangsgrößen festzulegen. Das heißt also, aus
der zu entwickelnden Schalttabelle ist die Entscheidung bezüglich des Entwurfes
kombinatorischer oder sequentieller binärer Steueralgorithmen abzuleiten. Diese Vor-
gehensweise ist auch für die Station „Becher verschließen“ anzuwenden. Dazu wer-
den der bereits weiter oben beschriebene technologische Ablauf sowie die Definition
der Ein- bzw. Ausgangsgrößen für die Station „Becher verschließen“ detailliert ausge-
wertet und in der Schalttabelle (Bild 3–113) abgebildet.
3.4 Entwurf aus Sicht der Projektierung 155
x8 x7 x6 x5 x4 x3 x2 x1 y4 y3 y2 y1
0 0 0 0 0 1 0 1 0 0 0 0
1 0 0 0 0 1 0 1 0 0 0 1
1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1
1 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 0
1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0
usw.
Bild 3–113: Schalttabelle (nicht vollständig) für die Station „Becher verschließen“
Bereits nach wenigen Zeilen ist aus der Schalttabelle erkennbar, dass kein eindeutiger
Zusammenhang zwischen den Belegungen der Eingangsgrößen und den Belegungen
der Ausgangsgrößen vorliegt (vgl. Markierungen im Bild 3–113) und deshalb ein
sequentieller binärer Steueralgorithmus zu entwerfen ist. Des Weiteren ist zu bemer-
ken, dass – wenn z. B. neun Eingangsgrößen vorliegen, die 512 (29) unterschiedliche
Belegungen der Eingangsgrößen ermöglichen – die Entwicklung einer Schalttabelle
bzw. der Entwurf eines kombinatorischen binären Steueralgorithmus nahezu ausge-
schlossen ist und nur der Entwurf eines sequentiellen binären Steueralgorithmus in-
frage kommt.
Die Station „Becher verschließen“ repräsentiert nun eine solche Steuerungsaufgabe.
Dieser Steueralgorithmus129, aber auch andere sequentielle binäre Steueralgorithmen,
lassen sich im Allgemeinen effizient mittels Petri-Netzen130 beschreiben. Als Beispiel
wird das Petri-Netz des Steueralgorithmus` für den regulären Betrieb der Station „Be-
cher verschließen“ betrachtet.131 Dazu wird der oben bereits beschriebene technologi-
sche Ablauf in einem Petri-Netz dargestellt (Bild 3–114).
Zunächst befindet sich die Station „Becher verschließen“ in der Anfangsinitialisierung
(Stelle s1) und je nach Position der sogenannten Marke (schwarzer Punkt in Stelle s1)
befördern die Transitionen t8 oder t1 diese Marke in die Stelle s2. Sowohl in der Stelle s1
als auch in der Stelle s2 sind die Ausgangsgrößen y1, y2, y3 und y4 negiert und damit
die Arbeitszylinder in ihrer Ausgangsposition sowie der Vakuumsauger inaktiv
(Bild 3–114). Nach Auslösung des Startsignals (Eingangsgröße x8) an Transition t2
wird Stelle s3 markiert, und Arbeitszylinder 3.1 sowie Vakuumsauger werden als erste
Aktoren durch die Ausgangsgrößen y4 bzw. y1 aktiviert (y4 , y1=1). Nachdem Arbeitszy-
linder 3.1 die untere Endlage erreicht hat, schaltet Transition t3, so dass Stelle s4 mar-
kiert wird, wodurch Ausgangsgröße y1 deaktiviert (y1=0) wird und Arbeitszylinder 3.1 in
seine Grundstellung zurückfährt. Nachdem Arbeitszylinder 3.1 seine Grundstellung
wieder erreicht hat, schaltet nun Transition t4, so dass Stelle s5 markiert wird. An Stelle
s5 wird Ausgangsgröße y2 aktiviert (y2=1), und Arbeitszylinder 3.2 fährt in seine Arbeits-
129 Mit dem hier zu entwerfenden Steueralgorithmus soll ein technologischer Ablauf
realisiert werden. Daher werden derartige Steueralgorithmen auch als Ablauf-
steuerung bezeichnet.
130 Grundlegende Erläuterungen zum Petri-Netz-Konzept folgen auf S. 157.
131 Weil der reguläre Betrieb betrachtet wird, muss die Eingangsgröße x9, die für den
irregulären Betrieb wichtig ist, nicht mit einbezogen werden.
156 Kernprojektierung
s1 തതതǢ
ݕଵ തതതǢ
ݕଶ തതതǢ
ݕଷ തതത
ݕସ
t8 ݔଵ רതതത
ݔଶ ݔ רଷ רതതത
ݔସ רതതത
ݔହ ݔ ר t1 ݔଵ רതതത
ݔଶ ݔ רଷ רതതത
ݔସ רതതത
ݔହ ר ݔ רതതത
ר ݔതതത
଼ݔ
רതതത
ר ݔതതത
଼ݔ s2 തതതǢ
ݕଵ തതതǢ
ݕଶ തതതǢ
ݕଷ തതത
ݕସ
t2 ݔଵ רതതത
ݔଶ ݔ רଷ רതതത
ݔସ רതതത
ݔହ ר ݔ רതതത
଼ݔ ר ݔ
s3 ݕଵ Ǣ തതതǢ
ݕଶ തതതǢ
ݕଷ ݕସ
t3 ݔଵ ݔ רଶ ݔ רଷ רതതത
തതത ݔସ רതതത
ݔହ ר ݔ רതതത
଼ݔ ר ݔ
s4 തതതǢ
ݕଵ തതതǢ
ݕଶ തതതǢ
ݕଷ ݕସ
t4 ݔଵ רതതത
ݔଶ ݔ רଷ רതതത
ݔସ רതതത
ݔହ ר ݔ רതതത
଼ݔ ר ݔ
s5 ݕଵ ݕଶ Ǣ തതതǢ
തതതǢ ݕଷ ݕସ
t5 ݔଵ רതതത
ݔଶ רതതത
ݔଷ ݔ רସ רതതത
ݔହ ר ݔ רതതത
଼ݔ ר ݔ
s6 ݕଵ Ǣ ݕଶ Ǣ ݕଷ Ǣ ݕସ
t6 ݔଵ ݔ רଶ רതതത
തതത ݔଷ ݔ רସ ݔ רହ ר ݔ רതതത
଼ݔ ר ݔ
s7 ݕଵ ݕଶ Ǣ തതതǢ
തതതǢ ݕଷ തതത
ݕସ
t7 ݔଵ רതതത
ݔଶ רതതത
ݔଷ ݔ רସ רതതത
ݔହ ר ݔ רതതത
଼ݔ ר ݔ
s8 ݕଵ തതതǢ
തതതǢ ݕଶ തതതǢ
ݕଷ തതത
ݕସ
Aktuelle Veröffentlichungen und Aktivitäten (vgl. [30, 31, 32, 33, 34, 35]) deuten darauf
hin, dass es vorteilhaft ist, wenn Steueralgorithmen ähnlich wie Regelalgorithmen
beim Reglerentwurf auf Basis geeigneter (Steuer-)Streckenmodelle entworfen werden,
weil
x Regelungs- bzw. Steuerungsentwurf nach einer vereinheitlichten Methodik durch-
geführt werden können,
x „…es anschaulicher ist, die Probleme auf der Anlagenebene (Steuerstrecke) zu
durchdenken als auf der Ebene der Steuereinrichtung.“ [30]132
x Steuerstreckenmodell und Steueralgorithmus als Steuerkreis simuliert werden
können.
Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, soll hier das prozessmodellbasierte Ent-
wurfsverfahren nach Zander [30, 31] als Methode des prozessmodellbasierten Ent-
wurfs von Steueralgorithmen überblicksartig vorgestellt werden.133
Beim prozessmodellbasierten Entwurfsverfahren nach Zander wird auf Basis der in-
formellen Spezifikation das Streckenmodell entwickelt. Um die Entwurfsaufgabe über-
schaubar zu halten, ist Ziel der Modellierung nicht das Steuerstreckenmodell sondern
das Prozessmodell. Es unterscheidet sich vom Steuerstreckenmodell dadurch, dass
hierbei der nominale, nicht jedoch – wie beim Steuerstreckenmodell – der universelle
Prozessablauf modelliert wird.134 Um den nominalen Prozessablauf, d. h. das Pro-
zessmodell beschreiben zu können, bieten sich ablauforientierte Beschreibungen an.
Beim prozessmodellbasierten Entwurfsverfahren nach Zander werden hierzu die mit
Bild 3–114 bereits eingeführten Petri-Netze verwendet, die häufig zur Beschreibung
von Prozessabläufen benutzt werden. Das Petri-Netz ist ein Graph, der aus Stellen
und Transitionen aufgebaut ist, wobei Stellen und Transitionen durch gerichtete Kan-
ten miteinander verbunden sind. Zur Darstellung von Abläufen werden die Stellen als
Prozesssituationen und die Transitionen als Ereignisse aufgefasst [55]. Ferner enthal-
ten die Stellen Marken, die über die der Stelle nachfolgenden Transitionen zu anderen
Stellen abfließen, sobald die entsprechenden Transitionen schalten.135 Die sich dabei
ergebenden Markenflüsse symbolisieren somit die Prozessabläufe. Um Prozessmo-
delle in Petri-Netzen abbilden zu können, sind Stellen und Transitionen des Petri-
Netzes steuerungstechnisch zu interpretieren. Hierzu wird der in der Steuerstrecke
ablaufende Prozess als ereignisdiskreter Prozess aufgefasst, der sich als eine alter-
nierende Abfolge von Operationen und Prozesszuständen darstellen lässt [30]. Ge-
mäß [30] ist dabei eine Operation ein beliebiger in der Steuerstrecke ablaufender Vor-
gang (z. B. Werkstück fräsen, Zähler initialisieren, Zeitglied starten), der durch Stell-
132 Man umgeht dadurch beim Steuerungsentwurf das Einführen von Zuständen in
der Steuereinrichtung, was gerade für Ungeübte häufig zu abstrakt und daher be-
sonders problematisch ist [30].
133 Ausführlichere Erläuterungen siehe Anhang 8.
134 Der nominale Prozessablauf ist dadurch gekennzeichnet, dass hierbei nur Abläu-
fe betrachtet werden, welche im Sinne einer steuerungstechnischen Zielstellung
für den Entwurf des Steueralgorithmus’ relevant sind. Er bildet damit eine Teil-
menge innerhalb des universellen Prozessablaufs, bei dem alle Prozessabläufe,
die in der Steuerstrecke prinzipiell möglich sind, betrachtet werden.
135 Das Schalten von Transitionen ist gleichbedeutend mit dem Eintreffen von Ereig-
nissen, wodurch sich neue Prozesssituationen einstellen [30].
158 Kernprojektierung
signale y ausgelöst wird. Ein Prozesszustand ergibt sich gemäß [30] jeweils am Ende
einer Operation als ein im Sinne der steuerungstechnischen Zielstellung relevantes
Ergebnis (z. B. Werkstück ist gefräst, Zählwert ist erreicht), das über Ereignissignale x
(Messsignale, Bediensignale, Führungssignale von übergeordneten Steuereinrichtun-
gen, Signale für Störungsmeldungen von z. B. Sensoren oder Aktoren) erkannt und
der Steuereinrichtung rückgemeldet werden muss. Bild 3–115 zeigt, wie nominale
Prozessabläufe durch steuerungstechnische Interpretation von Stellen und Transitio-
nen in Petri-Netzen – im Folgenden als Prozessnetze bezeichnet – abgebildet wer-
den. Die Transition q1 schaltet, wenn die Stelle p1 eine Marke enthält (markiert ist) und
ߚ(q1) den Wert 1 annimmt.
5. Į(p) ist als ȕ(q) zu interpretieren, wobei q Element der vorgelagerten Transi-
tionen von p ist.
6. Die in der Stelle pa des Prozessnetzes vorhandene Anfangsmarkierung ist auf
die Stelle sa zu übertragen.
Das steuerungstechnisch interpretierte Petri-Netz mit den Stellen s und den Transitio-
nen t ist das generierte Steuernetz. Bei der Anwendung auf parallele ereignisdiskrete
Prozesse sind Besonderheiten (z. B. zeitbedingter Nichtdeterminismus) zu beachten,
auf die im Anhang 8 näher eingegangen wird.
Die folgenden Anwendungsbeispiele veranschaulichen den Entwurf von binären Steu-
eralgorithmen unter Nutzung des prozessmodellbasierten Entwurfsverfahrens nach
Zander. Dabei verdeutlicht das erste Beispiel ausführlich die prinzipielle Herange-
hensweise, während das zweite Beispiel mehr den Mechanismus nichtdeterministi-
scher Verzweigungen beleuchtet.
In beiden Beispielen werden an den Stellen des Prozessnetzes nur die Eingangsgrö-
ßen mit ihren Belegungen aufgeführt, die für die Rückmeldung des Prozesszustandes
unbedingt erforderlich sind, d. h. es wird zur Verbesserung der Übersichtlichkeit sowie
Handhabbarkeit eine verkürzte Schreibweise angewendet. Gleiches gilt in ähnlicher
Weise für die Ausgangsgrößen: An den Transitionen des Prozessnetzes werden nur
die Ausgangsgrößen mit ihren Belegungen angeführt, die für das Auslösen einer Ope-
ration unbedingt erforderlich sind.
Beispiel 1: Rührkesselreaktor
Das R&I-Fließschema des Rührkesselreaktors Bild 3–60 wurde bereits erläutert. Die
Bezeichnungen der Ereignis- bzw. Stellsignale werden – bis auf das Signal „START“ –
jeweils aus Kombinationen von Kennbuchstaben für Armaturen, Antriebe, Behälter mit
Kennbuchstaben für Prozessgrößen sowie laufenden Nummern gebildet. Beispiels-
weise bedeutet bei den Ereignissignalen V1 GS+, dass in der Armatur V1 die obere
Endlage erreicht ist, d. h die Armatur voll geöffnet ist, sowie R1 LS/, dass im Rührkes-
selreaktor R1 der Füllstand den Zwischenwert erreicht hat. Bei den Stellsignalen be-
deuten V2 bzw. M3, dass die Armatur V2 geöffnet bzw. der Antriebsmotor M3 für das
Rührwerk eingeschaltet wird.
Der bereits auf S. 80 im Überblick dargestellte Prozessablauf wird wie folgt präzisiert:
x Der Anfangsprozesszustand ist der Prozesszustand „Entleeren ist abgeschlos-
sen“ (Ereignissignal V5 GS-). Daran schließt sich die Ruheoperation an, bei der
sämtliche Stellsignale inaktiv sind. Im Anschluss an die Ruheoperation wird durch
Betätigen des Starttasters der Prozesszustand „Anlage ist eingeschaltet“ (Ereig-
nissignal START) eingenommen.
x Anschließend wird das Ventil V1 (Stellsignal V1) geöffnet und dadurch die Opera-
tion „Dosieren A vorbereiten“ ausgelöst, worauf sich, wenn die Ventilspindel des
Ventils V1 die Endlage „Auf“ erreicht, der Prozesszustand „Dosieren A ist vorbe-
reitet“ (Rückmeldung mittels Ereignissignal V1 GS+) einstellt.
x Nun wird die Pumpe P1 eingeschaltet (Stellsignal P1) und dadurch die Operation
„Dosieren A“ ausgelöst. Bei Erreichen des Füllstands-Zwischenwerts stellt sich
der Prozesszustand „Dosieren A ist beendet“ (Rückmeldung mittels Ereignissig-
nal R1 LS/) ein.
160 Kernprojektierung
Prozessnetz Steuernetz
q9 ܸͷ רതതതത
͵ܯ t9 ܴͳ ܵܮെ
p10 ܴͳ ܵܮെ s10 തതതത
ܸͷ
q10 തതതത
ܸͷ t10 ܸͷ ܵܩെ
Beispiel 2: X/Y-Schlittenverfahreinheit
Bild 3–118 zeigt den schematischen Aufbau der Schlittenverfahreinheit [37].
୦
My ୷
Sh
Sr
୰
Sl
୪ Mx
୶
Su
୳
Zwei Antriebsmotoren – jeweils einer für die Bewegung entlang der X-Achse (Motor
Mx, Stellsignal yx) bzw. entlang der Y-Achse (Motor My, Stellsignal yy) – sollen die
Schlittenverfahreinheit vom durch die Sensoren Sl und Su markierten Startpunkt zum
Zielpunkt, der durch die Sensoren Sh und Sr markiert wird, bewegen. Die Bewegung,
welche durch das von einer übergeordneten Steuereinrichtung erzeugte Ereignissig-
nal x0 ausgelöst wird, kann zwischen Start- bzw. Zielpunkt beliebig ablaufen, so dass
eine vorzeitige Berührung der rechten (Sensor Sr löst Ereignissignal xr aus) bzw. obe-
ren Kante (Sensor Sh löst Ereignissignal xh aus) nicht ausgeschlossen ist. In solchen
Fällen soll die Bewegung entlang der jeweils erreichten Kante durch den betreffenden
Antriebsmotor bis zum Zielpunkt fortgeführt werden, wobei der jeweils andere An-
triebsmotor ausgeschaltet ist. Hierin zeigt sich das nichtdeterministische Verhalten der
Steuerstrecke: Im Vorhinein kann nicht festgelegt werden, ob eine Kantenberührung
vor Erreichen des Zielpunktes auftritt oder nicht bzw. wenn eine Kantenberührung
auftritt, welche Kante berührt wird. Zehn Sekunden nach Erreichen des Zielpunktes
soll die Schlittenverfahreinheit zum Startpunkt zurückgefahren werden, wobei für die
Rückfahrt die gleichen Bedingungen wie für die Hinfahrt gelten und Kantenberührun-
gen jeweils durch die Sensoren Sl (löst Ereignissignal xl aus) und Su (löst Ereignissig-
nal xu aus) detektiert werden.
164 Kernprojektierung
Bild 3–119 zeigt das Prozess- bzw. das daraus generierte Steuernetz.
Zum besseren Verständnis des Prozessnetzes ist bezüglich der jeweils mit der Transi-
tion q0 bzw. q2 verbundenen Operation folgendes zu beachten:
x Mit der Transition q0 ist eine Ruheoperation verbunden, bei der sämtliche Stellsi-
gnale inaktiv sind.
x Mit der Transition q2 ist ebenfalls eine Operation verbunden, bei der sämtliche
Stellsignale inaktiv sind. Sie wirkt demzufolge ähnlich wie die mit der q0 verbundene
Ruheoperation, wird hier jedoch sinnvollerweise als Warteoperation bezeichnet,
weil anders als bei der Ruheoperation nicht auf den Start, sondern auf die Fortset-
zung des Prozessablaufs gewartet wird.
Der besseren Übersichtlichkeit wegen wurden die Operationen und Prozesszustände
nicht wie im Beispiel 1 (siehe Bild 3–116) bezeichnet.
Befehl „Load“
E Befehl „Store
Not“ (negiertes
B D Ergebnis wird
gespeichert)
Kreis bedeu-
FBS: A OR tet Negation
B
AND E
C OR
D
140 Mit der Ablaufsprache werden sequentielle binäre Systeme beschrieben. Die als
Beispiel dienende Verknüpfungsfunktion beschreibt jedoch ein kombinatorisches
binäres System. Eine Darstellung der Verknüpfungsfunktion mit der Ablauf-
sprache ist daher nicht zweckmäßig.
168 Kernprojektierung
Ausschalten der Antriebsmotoren M1 bzw. M2 für die Pumpen P1 bzw. P2 sowie des
Antriebsmotors M3 für das Rührwerk im Rührkesselreaktor R1.
Es bietet sich an, für die Bildung der Grenzwerte sowie des Zwischenwertes aus den
gemessenen Werten (Analogwerte) für Füllstand bzw. Temperatur einen geeigneten
Funktionsbaustein in der Fachsprache „FBS“ und für den Steueralgorithmus einen
Funktionsbaustein in der Fachsprache „AS“ zu entwickeln.141
Den Funktionsbaustein „ESV“ (Eingangssignalverarbeitung), der jeweils für die Bil-
dung der Grenzwerte sowie des Zwischenwertes aus den gemessenen Werten (Ana-
logwerte) für Füllstand bzw. Temperatur verwendet wird, zeigt (Bild 3–121). Er wird
zur Realisierung der Funktionen der EMSR-Stellen „LIS+/- 2“ bzw. „TIS±3“ eingesetzt.
Datentypen Datentypen
ESV
Real
min
Bool Real
Zwischenwert x
Bool Bool
max OGW
String Bool
Einheit ZW
Integer Bool
Steckplatznummer UGW
Integer
Kanalnummer
Bild 3–121: Funktionsbaustein zur Bildung von Grenzwerten bzw. des Zwischenwer-
tes von Füllstand bzw. Temperatur für das Beispiel „Rührkesselreaktor“
141 Es soll hier nur die prinzipielle Vorgehensweise veranschaulicht werden. Daher
wird auf die beim Entwickeln von Funktionsbausteinen erforderliche Variablen-
deklaration nicht eingegangen.
3.4 Entwurf aus Sicht der Projektierung 169
Auf der linken Seite des Funktionsbausteins werden jeweils Parameter sowie Signale
aufgeführt, die an den Funktionsbaustein übergeben werden. Parameter sind hier:142
x minimaler Wert (min), Zwischenwert, und maximaler Wert (max), bezüglich welcher
die Eingangsgröße zu überwachen ist,
x Einheit der Eingangsgröße,
x Steckplatznummer der Baugruppe, zu welcher der Kanal gehört, an den die Ein-
gangsgröße angeschlossen ist,
x Kanalnummer, an der die Eingangsgröße „angeschlossen“ ist.
Auf der rechten Seite werden jeweils Signale bzw. Parameter, die vom Funktions-
baustein ausgegeben bzw. übergeben werden, dargestellt. Signale sind hier: 143
x Ausgangswert (x),
x oberer Grenzwert erreicht (OGW),
x Zwischenwert erreicht (ZW),
x unterer Grenzwert erreicht (UGW).
Bild 3–122 zeigt den inneren Aufbau des mittels Ablaufsprache144 darzustellenden
Funktionsbausteins „Ablaufkette“ 145 für den regulären Betrieb,146 der den Steueralgo-
rithmus enthält und daher die Funktionen der EMSR-Stelle US 1 realisiert. Der Steu-
eralgorithmus wurde – wie im Abschnitt 3.4.4 bereits erläutert (siehe S. 157ff.) – pro-
zessmodellbasiert entworfen. Bei der Umsetzung des im Bild 3–117 gezeigten Steu-
ernetzes in die Symbolik der Ablaufsprache brauchen Stellsignale, die nicht über meh-
rere Schritte aktiv sein sollen, nicht im Folgeschritt deaktiviert zu werden, weil diese
Stellsignale aufgrund der Eigenschaften der Ablaufsprache nach Deaktivierung des
Schrittes, in dem sie aktiv waren, automatisch deaktiviert werden. Daraus ergeben
sich die im Bild 3–122 erkennbaren Vereinfachungen. Die Bezeichnungen der Schritte
S0…S10 korrespondieren mit den Bezeichnungen s0 … s10 der Stellen des Steuernet-
zes (vgl. Bild 3–117). Zur Verbesserung der Verständlichkeit können diese Bezeich-
nungen auch mit den Bezeichnungen derjenigen Operationen, die den Transitionen
des Prozessnetzes bzw. den Stellen des Steuernetzes zugeordnet sind, ergänzt wer-
den. Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit wurde im Bild 3–122 darauf verzich-
tet.
142 An den Funktionsbaustein „ESV“ werden in diesem Beispiel keine Signale von
anderen Funktionsbausteinen übergeben.
143 Vom Funktionsbaustein „ESV“ werden in diesem Beispiel keine Parameter an
andere Funktionsbausteine übergeben.
144 Zur Symbolik siehe Anhang 7.
145 Durch absolute Adressierung ist bei Binärsignalen die Kanalnummer festgelegt.
Da ferner Skalierungen oder Überwachungsmechanismen wie bei Analogsignalen
im Allgemeinen nicht erforderlich sind, werden bei Binärsignalen keine solchen
Funktionsbausteine wie für Analogsignale benötigt.
146 Der Einfachheit halber wird hier nur der Steueralgorithmus für den regulären Be-
trieb betrachtet.
170 Kernprojektierung
147 Die beim Entwurf des Steueralgorithmus für die Ereignis- bzw.Stellsignale ver-
wendeten Bezeichnungen werden bei der Entwicklung des Funktionsbausteins
„Ablaufkette“ zu Platzhaltern, an die jeweils die „realen“ Signale „angeschlossen“
werden. Um dies zu verdeutlichen, wurden für die „realen“ Signale zwar ähnliche,
jedoch nicht die gleichen Bezeichnungen gewählt (was prinzipiell auch möglich
wäre).
3.4 Entwurf aus Sicht der Projektierung 171
S0
START
S1 V1
V1 GS+
S2 P1
R1 LS/
S3 V1
V1 GS- Ablaufkette
Bool LS+
S4 V2 Bool LS/ V1 Bool
V2 GS+ Bool
Bool
LS- V2 Bool
TS+ Bool
Bool V3
S5 P2 M3
Bool
TS- V4 Bool
START V5 Bool
R1 LS+ Bool
Bool
V1 GS+ P1 Bool
V1 GS- P2 Bool
S6 V2 Bool V2 GS+
Bool M3 Bool
V2 GS- V2 GS-
Bool V5 GS-
S7 V3
R1 TS+
S8 V4
R1 TS-
S9 V5 M3
R1 LS-
S10 (warten)
V5 GS-
LIS 2 US 1
ESV Ablaufkette
L_Min
min x
L_ZW L_OGW
Zwischenwert OGW LS+
L_Max L_ZW
max ZW LS/
mm L_UGW
Einheit UGW LS-
L_SNR
Steckplatznummer
L_KNR V1_Auf
Kanalnummer V1
V2_Auf
V2
TIS 3 V3_Auf
V3
ESV V4_Auf
T_Min V4
min x V5_Auf
T_OGW V5
Zwischenwert OGW TS+ P1_Ein
T_Min P1
max ZW P2_Ein
°C T_UGW P2
Einheit UGW TS- M3_Ein
T_SNR M3
Steckplatznummer
T_KNR
Kanalnummer
STARTEN
START
V1_GS+
V1 GS+
V1_GS-
V1 GS-
V2_GS+
V2 GS+
V2_GS-
V2 GS-
V5_GS-
V5 GS-
Projektkomponenten
für die Hilfsenergieversorgung
und das Zusammenwirken
mit der EMSR-Technik
einer Automatisierungsanlage
Bereitstellung und
Verbinder Verbindung von Klemmen Bereitstellung und
Verteilung pneumati-
Sensorik, Aktorik Verteilung der elek-
scher und/oder
und Prozessorik trischen Hilfsenergie
hydraulischer Hilfs-
energie Verbinder Klemmen-
liste plan
Bild 4–1: EMSR-Projekt im Zusammenwirken mit dem Elektro-, Pneumatik- und Hy-
draulikprojekt
Damit ist im Weiteren die Fragestellung relevant, wie die notwendigen Hilfsenergien
bereitgestellt werden bzw. ihr Bedarf im Einzelnen ermittelt wird. Am Beispiel der
elektrischen Hilfsenergie wird zunächst auf die Bereitstellung und die Ermittlung der
erforderlichen elektrischen Leistung eingegangen.
Bild 4–2 dargestellten Struktur ausgegangen werden. Die benötigte elektrische Hilfs-
energie wird demnach meist aus einem leistungsstarken Energienetz entnommen.149
Bild 4–2: Übersicht zur Bereitstellung und Verteilung der elektrischen Hilfsenergie
Als Hauptverbraucher sind neben der Automatisierungsanlage vor allem die Produkti-
onsanlage an sich sowie der Büro- und Sozialkomplex zu berücksichtigen. Ausgehend
von der Automatisierungsanlage werden dazu Verbraucher der Spannungsebenen
400 VAC, 230 VAC und 24 VDC betrachtet. Diese Verbraucher sind für Automatisie-
rungsanlagen charakteristisch und bestimmen den elektrischen Leistungsbedarf der
Automatisierungsanlage.
4.3.2 Bedarfsermittlung
Als Basisansatz wird hierzu für jede einzelne EMSR-Stelle der elektrische Leistungs-
bedarf ermittelt und danach die Summe des Bedarfs aller EMSR-Stellen, die dem
Gesamtbedarf der Automatisierungsanlage entspricht, gebildet. Dazu wird folgende
Vorgehensweise empfohlen (vgl. Bild 4–3):
EMSR-Stellen
Hauptverteilung (Regelkreise, binäre Steuerungen und separate
Messstellen – Basis R&I-Fließschema und
der elektrischen Hilfsener- EMSR-Stellenpläne)
gie (Starkstromzellen)
Leistungsbedarf [kW]
EMSR- EMSR- EMSR- EMSR-
…
Ð
Stelle 1 Stelle 2 Stelle 3 Stelle n
400 V
AC
1,0 1,5 … 1,5 4,0
Prozessleitwarte
230 V 0,5
0,3 0,5 … 1,3
Î AC
24 V
(Reserve)
DC
… 0,0
400 V
AC
10,0 … 10,0
Schaltraum
230 V
1,0 0,5 0,5 … 2,0
Î AC
24 V
DC
… 0
400 V
AC
5,0 12,0 10,0 … 2,0 29,0
Feld
230 V 2,1
0,7 0,7 … 3,2 6,7
Î DC
24 V
(Reserve)
DC
0,3 1,2 1,0 … 0,5 3,0
Bild 4–3: Zur Ermittlung des Leistungsbedarfes für eine Automatisierungsanlage (Bei-
spiel Experimentierfeld „Prozessautomatisierung“ des Institutes für Automatisierungs-
technik der TU Dresden)
4.3 Elektrische Hilfsenergieversorgung 177
Für die vollständige Realisierung des Elektroprojektes zur Verteilung der elektrischen
Hilfsenergie sowie der Ermittlung des elektrischen Leistungsbedarfes einer Auto-
matisierungsanlage sind in Ergänzung der obigen Ausführungen weitere vertiefende
Projektierungsleistungen erforderlich, die nachfolgend zumindest benannt und kurz
vorgestellt werden. Dazu ist an erster Stelle der sogenannte Gleichzeitigkeitsfaktor zu
betrachten, welcher berücksichtigt, dass nicht alle Verbraucher einer Industrieanlage
gleichzeitig in Betrieb sind, wodurch eine gewisse Reduktion des Bedarfes an elektri-
scher Leistung erzielt werden kann. Die Ermittlung dieses Gleichzeitigkeitsfaktors ist
hauptsächlich durch die Anforderungen des verfahrenstechnischen Prozessbetriebes
sowie die redundante Auslegung der relevanten Verbraucher bestimmt. Des Weiteren
ist auch die Einteilung der Verbraucher nach statischer oder dynamischer Last we-
sentlich. So wirken zum Beispiel Apparateheizungen als statische Lasten und die
gleichfalls in der Automatisierungsanlage eingesetzten Elektromotoren als dynami-
sche Lasten. Dabei gilt, dass bei statischen Lasten an Hand des Wirkungsgrades die
tatsächlich vom Verbraucher aufgenommene elektrische Leistung berechnet werden
kann, während bei dynamischen Lasten eine Berechnung nach DIN ISO 5199 durch-
zuführen ist (vgl. auch [42]). Diese Betrachtungen erfordern folglich detaillierte Pla-
nungsleistungen, die den Rahmen der in diesem Abschnitt vorgestellten Grundansät-
ze zu Inhalt und Ausführung eines Elektroprojektes deutlich überschreiten würden.
4.3.3 Zuschaltung
Bei der Zuschaltung der elektrischen Hilfsenergie ist zwischen der Prozessorik, bei-
spielsweise repräsentiert durch speicherprogrammierbare Steuerungen oder Prozess-
leitrechner, und den eigentlichen Großverbrauchern der Produktionsanlage zu unter-
scheiden. Daher sollte die Zuschaltung der elektrischen Hilfsenergie stets getrennt
erfolgen, das heißt, zuerst die Zuschaltung der Prozessorik und danach der Großver-
braucher. Generell ist dabei nach dem Prinzip der Selbsthalteschaltung (Bild 4–4) zu
verfahren. Das heißt, mittels des Tasters „EIN“ sind zuerst für die Prozessorik die
Schaltschütze K1 und K2 zu betätigen, um damit die elektrische Spannung von
230 VAC durchzuschalten und danach mittels der Schaltschütze K3 und K4 das
Durchschalten der Spannung von 400 VAC zu bewirken. Dabei sind sowohl für die
Prozessorik als auch für die Großverbraucher jeweils zwei Schütze in Reihe geschal-
tet, womit erreicht wird, dass beim Ausschalten bzw. bei NOT-Ausschaltung die elekt-
rische Hilfsenergie durch mindestens ein Schaltschütz abgeschaltet wird, falls, bedingt
durch technischen Defekt, ein Schütz „klemmen“ sollte. Für die NOT-AUS-Schaltung
(Bild 4–4b) wurde hier beispielhaft je ein NOT-AUS-Schalter der Prozessleitwarte,
dem Schaltraum und dem Feld zugeordnet.
Der Anschluss von Baugruppen speicherprogrammierbarer Technik (z. B. Analogein-
gabebaugruppen, Binärausgabebaugruppen usw.) ist den jeweiligen Produktdoku-
mentationen zu entnehmen (z. B. [17]), so dass hier darauf verwiesen wird.
178 4 Projektierung
4.3.4 Systematisierung
Zur Einordnung des Elektroprojekts werden nachfolgend prinzipielle Vorgehensweise
und Leistungsumfang zusammenfassend dargestellt (Bild 4–5 und Bild 4–6). Dabei
soll verdeutlicht werden, wie die Projektierungsleistungen für die Bereitstellung der
elektrischen Hilfsenergieversorgung für die Automatisierungsanlage zugleich Bestand-
teil des Elektroprojekts einer Industrieanlage sind. Sowohl an Hand einzelner Ausfüh-
rungsbeispiele als auch durch die Vorstellung prinzipieller Lösungsschritte wird der
Elektroprojektierungsumfang dargestellt und damit ein detaillierteres Bearbeiten der
Projektierungsinhalte für die Bereitstellung und Verteilung der elektrischen Hilfsener-
gie ermöglicht.
4.3 Elektrische Hilfsenergieversorgung 179
Übersicht
Erarbeitung eines Übersichtbildes
zur Verteilung der elektrischen
Hilfsenergie für die einzelnen Ver-
brauchergruppen einer Industrie-
anlage (Bild 4–2). (Schritt 1)
Leistungsbedarf – Teil 1
Ermittlung des elektrischen Lei-
stungsbedarfes für die Automatisie-
rungsanlage, d. h. für
• Prozessleitwarte,
• Schaltraum und
• Feld (Bild 4–3). (Schritt 2)
Leistungsbedarf – Teil 2
Ermittlung des elektrischen Lei-
stungsbedarfes für die weiteren
Verbrauchergruppen der gesam-
ten Industrieanlage
(Schritt 3)
Basisstromlaufplan
Erarbeitung eines Basisstromlauf-
planes (Hauptverteilungsstromlauf-
planes) für die Automatisierungsan-
lage sowie die weiteren Verbrau-
chergruppen der gesamten Indu-
strieanlage
(Schritt 4)
Schaltschranklayout
Erarbeitung der Schaltschrankbele-
gungspläne (Schaltschranklayouts)
zur Realisierung der Verteilung der
elektrischen Hilfsenergie.
(Schritt 6)
Verbinderliste
Erarbeitung der Verbinderliste für
die Automatisierungsanlage,
d. h. des Planungsdokumentes zur
Kopplung von Elektroprojekt und
EMSR-Projekt.
(Schritt 7)
Dieser Vorgehensweise entsprechend ist für die Lufterzeugung und -aufbereitung die
im Bild 4–7 dargestellte Anlagenstruktur zu planen.
182 4 Projektierung
Druckluft-
speicher
Druck- zu den Ver-
minderer brauchern
Bild 4–7: Struktur einer Anlage zur Erzeugung und Verteilung pneumatischer Hilfs-
energie
Endlagen- Endlagen-
sensor 1 sensor 2
pneumatischer
Arbeitszylinder
Endlagensensor 1 Endlagensensor 2
hydraulischer
Arbeitszylinder
Öldruck- Druckbegren-
speicher zungsventil
Rückschlagventil
M Zahnradpumpe
Filter
Ölbehälter
5.1 Überblick
In den bisherigen Ausführungen wurden die hauptsächlichen inhaltlichen Schwerpunk-
te der Projektierungsarbeit beschrieben und erläutert. Zusätzlich dazu muss unbedingt
auch das Thema „Prozesssicherung“ ausgeführt werden, weil die Prozesssicherung
eine wichtige Ergänzung der Projektierungsarbeit ist. Dabei liegt auf der Hand, dass
zum Beispiel für die Automatisierung eines Kernkraftwerkes bedeutend höhere Anfor-
derungen umzusetzen sind, als für die Automatisierungsanlage einer Brauerei. Projek-
tierungsleistungen zur Prozesssicherung erfordern daher vom Projektierungsingenieur
viel Erfahrung und sind ein wesentlicher Beitrag für den sicheren Betrieb einer Auto-
matisierungsanlage. Die nachfolgenden Ausführungen können sich daher nur auf die
Erläuterung prinzipieller Herangehensweisen beziehen, wobei der Basisansatz ent-
sprechend VDI/VDE 2180 die Grundlage bildet.
Nachfolgend werden zur Auswahl sowie zum Einsatz der für die Prozesssicherung
relevanten Automatisierungsmittel die erforderlichen Grundlagen, verbunden mit einer
systematischen Vorgehensweise (Auswahlstrategie), aufgeführt.
a) Eigensicherheit „i“
b) Vergusskapselung „m“
Für den Berührungs- und Fremdkörperschutz sind die nachfolgend genannten Schutz-
grade festgelegt (Tabelle 5–1).
190 5 Maßnahmen zur Prozesssicherung
Für den Wasserschutz sind wie für den Berührungs- und Fremdkörperschutz Schutz-
grade festgelegt, die nachfolgend aufgeführt werden (vgl. Tabelle 5–2).
6.1 Einführung
Bei der Projektierung von Automatisierungsanlagen sind Basic- bzw. Detail-Engineer-
ing bevorzugte Einsatzgebiete für CAE-Systeme. Zweckmäßigerweise wird zwischen
CAE-Systemen für den Entwurf von Regel- bzw. Steueralgorithmen und CAE-
Systemen für die Erarbeitung der Unterlagen für das Basic- bzw. Detail-Engineering
unterschieden. Bekannte Systeme für den Entwurf von Regel- bzw. Steueralgorithmen
sind z. B. WinMOD [44], WinFact [45] und MATLAB simulink [46]. Schwerpunkt der
sich anschließenden Betrachtungen sind jedoch CAE-Systeme für die Erarbeitung der
Unterlagen für das Basic- bzw. Detail-Engineering. Bezüglich der CAE-Systeme für
den Entwurf von Regel- bzw. Steueralgorithmen wird auf die o. g. Fachliteratur ver-
wiesen.
6.2.1 Überblick
Vergleicht man bekannte CAE-Systeme für die Erarbeitung der Projektunterlagen wie
z. B. EPLAN PPE [47] bzw. PRODOK [48] miteinander, so lassen sich typische Funk-
tionen erkennen, die in nahezu allen CAE-Systemen der gleichen Leistungsklasse
vorhanden sind und hier unter dem Begriff „typischer Funktionsumfang“ zusammenge-
fasst werden. Da ein Teil der Projektunterlagen beim Basic- und ein Teil beim Detail-
Engineering erarbeitet wird, sind im typischen Funktionsumfang Funktionen sowohl für
das Basic- als auch für das Detailengineering enthalten.
Für das Basic-Engineering werden im Wesentlichen Funktionen für die Erarbeitung
von z. B.
x EMSR-Stellenlisten,
x Signallisten,
x Verbraucherlisten,
x EMSR-Stellenblättern
x Gerätelisten usw.
benötigt. Darüberhinaus unterstützen manche CAE-Systeme beim Basic-Engineering
auch die Erarbeitung von R&I-Fließschemata. Bei der Betrachtung des Funktionsum-
fangs für das Basic-Engineering soll davon ausgegangen werden, dass das R&I-Fließ-
schema vorliegt und so den Ausgangspunkt für das Basic-Engineering bildet.
Beim Detail-Engineering handelt es sich im Wesentlichen um Funktionen für die Erar-
beitung von
x EMSR-Stellenplänen,
x Montageunterlagen (Kabellisten und Klemmenpläne, Schaltschranklayouts).
192 6 Einsatz von CAE-Systemen
Verfahrensfließ-
schema, R&I-
Fließschema
Detail-Engineering
Das Verkabelungskonzept ist entsprechend den Hinweisen aus Abschnitt 3.2 (vgl.
Bild 3–4, Bild 3–5 sowie Bild 3–6) zu entwickeln. Mit dem in CAE-Systemen häufig
verwendeten Begriff „Ortswelt“ ist die örtliche Gliederung einer Automatisierungsanla-
ge gemeint. Im Allgemeinen umfasst diese örtliche Gliederung gemäß Abschnitt
3.3.4.4 (Bild 3–75) mindestens die Ebenen
x „Feld“:
- Aufstellungsort für die verfahrenstechnischen Komponenten (z. B. Behälter,
Apparate, Aggregate),
- Einbauort für Mess- bzw. Stelleinrichtungen, örtliche Wandler sowie örtliche
Verteiler (in der Feldebene installierte Klemmenkästen),
x „Schaltraum“:
- Aufstellungsort für Schaltschränke,
- Einbauort für SPS-Technik sowie Wandler (Messumformer),
x „Prozessleitwarte“:
- Aufstellungsort für Schaltschränke,
- Einbauort für Komponenten zur Bedienung und Beobachtung (z. B. Rechen-
technik für Bedien- und Beobachtungssysteme von Prozessleitsystemen).
6.2 Typischer Funktionsumfang 195
Jede Ebene kann – abhängig vom konkreten Anwendungsfall – mit Unterebenen un-
tergliedert werden. Um EMSR-Stellenelemente gemäß Verkabelungskonzept über
Kabel, Klemmenleisten, Klemmen und Anschlüsse miteinander verbinden zu können,
werden in Montagegerüsten153, örtlichen Verteilern154 sowie Schaltschränken und
Baugruppenträgern Steckplätze, die wie Platzhalter für die konkreten EMSR-Geräte
zu betrachten sind, eingerichtet.
Damit die EMSR-Stellenpläne quasi „auf Knopfdruck“ generiert werden können, muss
der EMSR-Stelle zuvor ein sogenanntes Typical (Stromlaufplan mit Platzhaltern für
z. B. Betriebsmittelkennzeichnungen, Gerätebezeichnungen, Anschluss- zw. Klem-
menleistenbezeichnungen) zugewiesen werden.155 Klemmenpläne, Kabellisten etc.
lassen sich in der gleichen Weise wie die EMSR-Stellenlisten, Verbraucherlisten,
EMSR-Stellenblätter usw. erzeugen.
Da nicht jedes CAE-System für die Projektierung von Automatisierungsanlagen das
Erstellen von Montageanordnungen (Hook-up’s) bzw. Schaltschrank-Layouts unter-
stützt, wurden die diesbezüglichen Funktionen im Bild 6–2 aus dem typischen Funkti-
onsumfang ausgeklammert.
153 Montagegerüste werden vorzugsweise als Unterebenen in der Ebene „Feld“ ein-
gerichtet und dienen beispielsweise zur Aufnahme örtlich installierter Messum-
former von Messeinrichtungen.
154 Örtliche Verteiler werden wie Montagegerüste vorzugsweise als Unterebenen in
der Ebene „Feld“ eingerichtet und dienen im Allgemeinen zur Aufnahme von
Klemmenleisten, von denen aus sogenannte Stammkabel zur Ebene „Schalt-
raum“ geführt werden (vgl. Abschnitt 3.2).
155 Vom Hersteller des CAE-Systems werden Typicals mitgeliefert, die mit den
gleichfalls mitgelieferten Editoren geändert bzw. neu erstellt werden können.
7 Kommerzielle Aspekte
7.1 Einführung
Die Ausführungen in den vorangegangenen Abschnitten waren – mehr oder weniger –
technikorientiert, weil diese Themen die hauptsächliche Substanz der Projektierungs-
arbeit für Automatisierungsanlagen sind. Weil aber bereits in den ersten Etappen der
Projektierung kommerzielle Erfordernisse eine Rolle spielen, sollen hier Kalkulation
und Angebotsaufbau näher betrachtet werden. Wie aus der Übersicht zum Projektie-
rungsumfang (siehe Abschnitt 2) hervorgeht, sind diese Aspekte bereits in der Akqui-
sitionsphase (vgl. Bild 2–1) zu berücksichtigen. Folgerichtig ist daher die Kalkulation
Bestandteil des die Akquisitionsphase durchdringenden Planungs- und Koordinie-
rungsinhalts (vgl. Bild 2–4) und bildet gleichzeitig eine wesentliche Grundlage des
Angebots. Beide Aspekte werden im Folgenden näher betrachtet.
156 Üblicherweise wird die Kalkulation auf Basis der ermittelten Kosten K erarbeitet.
Um daraus den Preis P zu ermitteln, wird auf die zuvor ermittelten Kosten K
die in Prozent anzugebende Vetriebsspanne Vsp entsprechend der Beziehung
P=K/(1-(Vsp/100%)) aufgeschlagen. Der besseren Übersicht wegen wurde dieser
Schritt im Bild 7–1 jedoch nicht mit dargestellt.
7.2 Hinweise zur Kalkulation von Automatisierungsprojekten 197
Basic-En- Preiskom-
Kalkulation ponente 1
gineering Hard-/Software
(Abschn. 7.2.2)
Komponen-
Preiskom- ten-Netto-
Leittechni- Kalkulation Ge-
ponente 2 preis
sches Men- Engineering samt-
gengerüst Netto-
(Abschn. 7.2.3) preis
Preiskom-
Kalkulation
ponente 3
Rahmen- Montage und In-
terminplan betriebsetzung
(für Personal- (Abschn. 7.2.4)
Kalkulation
einsatz- und Neben-„kosten“
Produktions-
planung) Hauptkomponenten (Abschn. 7.2.5)
157 Die Kalkulation des Detail-Engineerings ist in der Kalkulation des Engineerings
enthalten. Daher wird das Detail-Engineering im Bild 7–1 nicht explizit mit aufge-
führt.
158 Gemeint sind Analogeingabe-/Analogausgabe- bzw. Binäreingabe-/Binäraus-
gabe- sowie Sonderbaugruppen.
159 separat bzw. als Bestandteil eines Prozessleitsystems
160 Bezüglich Software siehe Abschnitt 7.2.2
198 7 Kommerzielle Aspekte
161 In vielen Unternehmen gilt als „Normal“-Arbeitszeit die Arbeitszeit montags bis
freitags 08:00 Uhr bis 17:00 Uhr.
162 Der Gesamt-Bruttopreis ergibt sich aus dem Gesamt-Nettopreis zzgl. Umsatz-
steuer.
7.2 Hinweise zur Kalkulation von Automatisierungsprojekten 199
163 Die leittechnische Inbetriebsetzung (auch „kalte“ IBS genannt) umfasst den Test
der Signalwege sowie die Kalibrierung von Mess- bzw. Stelleinrichtungen.
164 Die verfahrenstechnische Inbetriebsetzung (auch „heiße“ IBS genannt) umfasst
den Test von verfahrenstechnischer und Automatisierungsanlage unter realen
Produktionsbedingungen.
200 7 Kommerzielle Aspekte
165 Sinngemäß sind die nachfolgenden Ausführungen auch auf mit SPS-Technik
ausgerüstete Automatisierungsanlagen übertragbar. Einen Sonderfall bilden An-
lagen, die nicht mit einem Bedien- und Beobachtungssystem ausgerüstet sind.
Bei solchen Anlagen reduzieren sich die Aufwendungen für das Engineering so-
wie die Montage und Inbetriebsetzung.
7.2 Hinweise zur Kalkulation von Automatisierungsprojekten 201
Hard-/Software 40%
Engineering 45%
Montage und Inbetriebsetzung 15%
166 Entsprechend [50] ist auch der Standort mit seinen Bedingungen als dritter Ein-
flussfaktor mit zu berücksichtigen. Die Autoren des vorliegenden Buches sehen
diesen Faktor in der Kalkulation einer Automatisierungsanlage im Vergleich zu
den anderen genannten Faktoren aber eher als von untergeordneter Bedeutung
an.
167 Ein Beispiel hierfür ist, dass der Lieferant einer Automatisierungsanlage in einem
Projekt die gesamte Stelleinrichtung (z. B. Stellventil mit zugehörigem Antrieb), in
einem anderen Projekt jedoch nur die Stellantriebe zu liefern hat.
168 Am Beispiel der Kalkulation von Reisekosten zeigt sich dies deutlich: Bei Projek-
ten „vor der Haustür“ sind z. B. so gut wie keine Reisekosten zu kalkulieren, was
202 7 Kommerzielle Aspekte
7.3.1 Projektaquisition
Wie bereits im Abschnitt 2 erläutert, wird im Rahmen des vorliegenden Buches von
einem durch eine Projektierungsfirma (Auftragnehmer) typischerweise realisierten
Projektablauf ausgegangen, der im Wesentlichen durch folgende nacheinander abzu-
arbeitende Phasen beschrieben wird:
x Akquisitionsphase (vgl. Bild 2–1),
x Abwicklungsphase (vgl. Bild 2–2) und
x Servicephase (vgl. Bild 2–3).
Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen ist die Akquisitionsphase, in der sich
der Auftragnehmer um den Auftrag bemüht. Sie umfasst diejenigen Tätigkeiten, die
mit dem im Bild 2–1 dargestellten Ablauf, der sich vom Projektstart bis hin zur Verga-
be erstreckt, verbunden sind.
Der Projektstart setzt voraus, dass Auftraggeber Investitionen planen. Als diesbezügli-
che Informationsquellen können dienen:
x Kontakte zu Auftraggebern,
x Anfragen von Auftraggebern mit der Bitte um Abgabe eines sogenannten Bud-
getangebotes,169
x Amtsblätter (z. B. Amtsblätter der jeweiligen Bundesländer, Amtsblatt der Europä-
ischen Gemeinschaft, etc.).
Als wichtigste Informationsquellen sind sicherlich Kontakte zu Auftraggebern zu be-
trachten, weil man so im Vergleich zu den übrigen genannten Möglichkeiten am frü-
hesten von beabsichtigten Investitionen Kenntnis erhält. Je früher ein Auftragnehmer
Kenntnis von einer geplanten Investition hat, desto mehr Zeit bleibt ihm, zu gegebener
Zeit ein überzeugendes Angebot vorzulegen, d. h. desto größer sind seine Chancen
bei der Auftragsvergabe.
Hat ein Auftragnehmer Kenntnis über die beabsichtigte Investition eines Auftragge-
bers erlangt, so wird er im Allgemeinen mit diesem Auftraggeber telefonisch oder
schriftlich (z. B. per E-Mail) Kontakt aufnehmen, um einen Termin für ein persönliches
Gespräch im Rahmen eines Kundenbesuchs zu vereinbaren. Im Verlauf dieses Ge-
sprächs werden meist folgende Schwerpunkte angesprochen:
Abhängig vom mit dem Projekt verbundenen Investitionsvolumen führt der Auftragge-
ber häufig mit jedem der Anbieter mehrere Vergabeverhandlungen. Bei Vergabever-
handlungen, an denen auf Auftraggeberseite Entscheider teilnehmen, stehen für diese
Gruppe insbesondere Antworten auf folgende Fragen im Mittelpunkt:
x Wie beeinflussen die angebotenen Lieferungen und Leistungen die Geschäftsstra-
tegie des Unternehmens?
x Welchen Mehrwert bringen sie für das Unternehmen?
x Woraus besteht der im Angebot dargestellte Ansatz?
x Welches sind die Risiken des Ansatzes, und wie werden sie unter Kontrolle gehal-
ten?
x Welche Ressourcen werden auftraggeberseitig benötigt?
x Warum soll der Auftrag mit dem Anbieter statt mit einem der Konkurrenten reali-
siert werden?
Wenn es dem Anbieter gelingt, sowohl Angebot als auch Vergabeverhandlungen ein-
schließlich Angebotspräsentationen im dargestellten Sinn überzeugend zu gestalten,
kommt es zum Vertragsabschluss mit dem Auftraggeber, wodurch die Akquisi-
tionsphase abgeschlossen wird.
7.3.2 Angebotsaufbau
7.3.2.1 Prinzipielles
Die Erarbeitung des Angebots173 ist gemäß Bild 2–1 ein Teilschritt der Akquisitions-
phase. Es gleicht einer Bewerbung und ist daher mit entsprechender Sorgfalt zu erar-
beiten. Wie für eine gute Bewerbung ist für ein gutes Angebot ausschlaggebend, dass
es mit seinem Aufbau und dem auf die Interessen und Bedürfnisse seiner Empfänger
ausgerichteten Inhalt die Erfüllung der gestellten Anforderungen sowie den Nutzen der
angebotenen Lieferungen und Leistungen überzeugend vermittelt. Ziel der folgenden
Ausführungen ist es daher, ein paar diesbezügliche Empfehlungen für den Angebots-
aufbau zu geben.
Die aktuelle Vergabepraxis zeigt, dass eine prinzipielle Gliederung des Angebots in
x allgemeinen Teil,
x kommerziellen Teil,
x technischen Teil
günstig ist.
173 Auf die Erarbeitung von Budgetangeboten wird im Rahmen des vorliegenden
Buches nicht eingegangen, weil sie in der Praxis der Angebotserstellung (d. h. im
„Tagesgeschäft“) im Vergleich zum hier betrachteten verbindlichen Angebot nicht
so häufig vorkommen.
7.3 Hinweise zu Projektakquisition sowie Angebotsaufbau 205
Anliegen des allgemeinen Teils ist es, hauptsächlich den am Vergabeprozess beteilig-
ten Entscheidern (vgl. Abschnitt 7.3.1) das Angebot im Kurzüberblick zu präsentieren
und dabei vorzugsweise diejenigen Fragen zu beantworten, die sich den Entscheidern
im Vergabeprozess stellen. Mit anderen Worten: Der allgemeine Teil ist darauf auszu-
richten, hauptsächlich die Entscheider vom Nutzen der angebotenen Lieferungen und
Leistungen zu überzeugen. Daher hat gerade dieser Teil eine enorme Bedeutung für
die Vergabe, weil er aus den genannten Gründen den Vergabeprozess entscheidend
beeinflussen kann. Der kommerzielle Teil enthält die Vertragsbedingungen, mit denen
Auftragnehmer und Auftraggeber z. B. Liefer- und Leistungsumfang, Haftung, Liefer-
frist, Gewährleistungsfrist, Zahlungsbedingungen usw. vereinbaren. Im technischen
Teil werden die angebotenen Lieferungen und Leistungen schließlich detailliert be-
schrieben.
Richtet sich der allgemeine Teil an Entscheider bzw. Coach, so sind der kommerzielle
bzw. technische Teil an die Wächter bzw. Anwender adressiert. Mit der vorgeschlage-
nen Dreiteilung ist es daher möglich, die im Angebot enthaltenen Informationen emp-
fängerbezogen, d. h. orientiert an den Interessen und Informationsbedürfnissen der
genannten Gruppen gezielt darzustellen. Auf diese Weise entsteht also ein im Sinne
der im Abschnitt 7.3.1 dargelegten Ausführungen überzeugendes Angebot.
In den folgenden Abschnitten wird der Aufbau des allgemeinen, kommerziellen sowie
technischen Teils näher betrachtet. Dabei ist zu beachten, dass die genannten Teile –
obwohl sie inhaltlich klar voneinander getrennt sind – in der Angebotsgliederung flie-
ßend ineinander übergehen. Ein Beispiel zur Gliederung eines Angebots, aus dem der
hier überblicksartig beschriebene Angebotsaufbau ersichtlich wird, ist Anhang 9 zu
entnehmen.
174 Es sind hierbei nicht nur Preis und Preisbasis zu vereinbaren, sondern auch Ver-
einbarungen zur Preisanpassung bei Änderungen von Lieferungen und Leistun-
gen zu treffen.
175 Bei den Terminen sind nicht nur Liefer- bzw. Abnahmetermin zu vereinbaren,
sondern auch der Termin für den als „Design-Freeze“ bezeichneten Stichtag. Bis
zu diesem Stichtag sind vom Auftraggeber gewünschte Änderungen des Liefer-
und Leistungsumfangs vom Auftragnehmer ohne Mehrkosten für den Auftragge-
ber zu berücksichtigen. Nach diesem Stichtag gilt das nicht mehr, d. h. Änderun-
gen des Liefer- und Leistungsumfangs werden dem Auftraggeber nach den hierzu
getroffenen Vereinbarungen bezüglich Preis und Preisbasis in Rechnung gestellt.
208 7 Kommerzielle Aspekte
Der Idealfall wäre, dass die vom Anbieter in seinem Angebot zugrundegelegten Lie-
ferbedingungen mit den Bestellbedingungen des Auftraggebers übereinstimmen. Das
ist jedoch im Allgemeinen oft nicht der Fall. Besonders strittig sind regelmäßig die
Klauseln bezüglich Haftung sowie Gewährleistungsfrist. Im Rahmen der Vergabever-
handlungen einigen sich daher Auftraggeber und Auftragnehmer auf für beide Seiten
akzeptable allgemeine Vertragsbedingungen, d. h. es entsteht ein Kompromiss. So-
fern beide Vertragsparteien häufiger Verträge miteinander abschließen, kann ein sol-
cher Kompromiss zur Grundlage eines von Auftraggeber und Auftragnehmer anzu-
strebenden Rahmenvertrags werden, auf dessen Basis künftige Verträge abgeschlos-
sen werden. Dadurch können beide Vertragsparteien erheblich Zeit sparen, die sonst
für im Regelfall sehr zähfließend verlaufende Verhandlungen zu den allgemeinen Ver-
tragsbedingungen aufgewendet werden müsste.
176 Dabei ist zu beachten, dass in der Beschreibung der potentielle Auftraggeber auf
unklare Anforderungen aufmerksam gemacht und außerdem dargestellt wird, was
nicht im Liefer- und Leistungsumfang enthalten ist (Ausschlüsse).
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bildungsansatz. DVD, Technische Universität Dresden, Institut für Automatisie-
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[55] König, R.; Quäck, L.: Petri-Netze in der Steuerungstechnik. Berlin: Verlag
Technik, 1988.
Anhang
177 Zur besseren Strukturierung und Unterscheidung wurde in der Spalte „Signalart“
auf die Kategorie „Signalform“ Bezug genommen, obwohl diese Kategorie schon
als eigenständige Spalte existiert.
178 Beispielsweise können mit einer einzigen konduktiven Messeinrichtung mehrere
diskrete Füllstände gleichzeitig überwacht werden. Diese Messeinrichtung liefert
daher mehrere binäre Signale.
179 Die Bezeichnungen von Kategorien sind in den nachfolgenden Tabellen kursiv
geschrieben.
Anhang 1: Strukturtabellen für das leittechnische Mengengerüst 213
ein analoges oder binäres Einheitssignal handelt, d. h. parallele Angaben in den Spal-
ten mit den Einheitssignalen und in der Spalte „örtlich“ zum gleichen Messverfahren
sind zulässig, wobei in der Spalte „örtlich“ zusätzlich noch die Art der verwendeten
Messeinrichtung angegeben werden kann.
Ggf. sind den Tabellen Zeilen zur Erfassung weiterer Messverfahren hinzuzufügen
bzw. – um spezielle Kategorien-Kombinationen erfassen zu können – Messverfahren
mehrfach aufzuführen. Das betrifft insbesondere Messverfahren, die der Signalform
„binär“ zugeordnet sind. So lässt sich z. B. der Fall berücksichtigen, dass konduktive
Messverfahren zur binären Füllstandsmessung in einem Fall ein Binärsignal, in ande-
ren Fällen jedoch mehrere Binärsignale liefern.
214 Anhang
Anhang 2: Strukturtabellen für das leittechnische Mengengerüst 215
180 Zur besseren Strukturierung und Unterscheidung wurde in der Spalte „Signalart“
auf die Kategorie „Signalform“ Bezug genommen, obwohl diese Kategorie schon
als eigenständige Spalte existiert.
181 Die Bezeichnungen von Kategorien sind in den nachfolgenden Tabellen kursiv
geschrieben.
216 Anhang
Gerätekategorie „SPS/PLS“
Die Strukturtabelle für die Gerätekategorie „SPS/PLS“ ist in eine Tabelle für SPS-
bzw. PLS-Hardware sowie für Bedien- und Beobachtungseinrichtungen unterteilt. In
diesen Strukturtabellen brauchen die Ebenen „Signalform“ und „Art der Hilfsenergie-
versorgung“ nicht mit berücksichtigt zu werden.184
In die einzelnen (nicht gesperrten) Tabellenfelder der Spalte „Signalart“185 ist jeweils
die Anzahl der im Projekt benötigten Analogeingänge, Analogausgänge, Binäreingän-
ge sowie Binärausgänge des jeweiligen Signaltyps einzutragen. In der Spalte „Anzahl
der Baugruppen“ wird die Anzahl von Baugruppen eines konkreten Baugruppentyps
verdichtet (siehe Legende zur Strukturtabelle). Für Bedien- und Beobachtungseinrich-
tungen (S. 219) ist in der Spalte „Anzahl“ jeweils die Anzahl der pro Gerätetyp benö-
tigten gleichartigen Geräte einzutragen. Ggf. ist in den Tabellen zur Berücksichtigung
verschiedener Ausführungsformen desselben Gerätetyps der betreffende Gerätetyp
mehrfach aufzuführen. In der Spalte „Bemerkung“ können bei besonderer Ausfüh-
rungsart Eigenschaften wie
x Ausführung als Industrie-PC,
x Ausführung als Embedded-PC,
x Eignung für den Einsatz im explosionsgeschützten Bereich etc.
vermerkt werden.
In der Strukturtabelle werden folgende Abkürzungen verwendet:
AE: Analogeingang,
AA: Analogausgang,
BE: Binäreingang,
BA: Binärausgang,
CPU: Central Processing Unit (Zentrale Verarbeitungseinheit),
KB: Kommunikationsbaugruppe (z. B. für Profibusanschluss),
STRVG: Stromversorgung.
183 Die Bezeichnungen von Kategorien sind in den zugehörigen Strukturtabellen kur-
siv geschrieben.
184 Die Ebene „Signalform“ wird nicht mit berücksichtigt, weil diesbezügliche Informa-
tionen bereits aus den Bezeichnungen der Baugruppen für den Anschluss der
analogen bzw. binären Signale hervorgehen. Die Ebene „Art der Hilfsenergiever-
sorgung“ in einer gesonderten Spalte zu berücksichtigen, ist hier nicht sinnvoll,
weil diese Ebene nur die Kategorie „elektrisch“ enthält.
185 Zur besseren Strukturierung und Unterscheidung wurde in der Spalte „Signalart“
auf die Kategorie „Signalform“ Bezug genommen, obwohl diese Kategorie schon
als eigenständige Spalte existiert.
218 Anhang
186 Das Kriterium „Art der Hilfeenergieversorgung des Gerätes“ eignet sich nicht als
Unterscheidungskriterium und wurde daher in der Detailstruktur nicht mit betrach-
tet. Dennoch ist es sinnvoll, der Vollständigkeit halber dieses Kriterium auf diese
Art und Weise hier „indirekt“ mit zu berücksichtigen.
187 Analog-/Digital- bzw. Digital/Analogwandler sind von dieser Gerätekategorie nicht
erfasst, weil sie hier nicht als eigenständige Geräte sondern als Elemente von
Baugruppen der Gerätekategorie „SPS/PLS“ betrachtet werden.
188 Das Kriterium „Art der Hilfeenergieversorgung des Wandlers“ eignet sich nicht als
Unterscheidungskriterium und wurde daher in der Detailstruktur nicht mit betrach-
tet. Dennoch ist es sinnvoll, der Vollständigkeit halber dieses Kriterium wie bei
Wandlern hier „indirekt“ mit zu berücksichtigen.
189 Zur besseren Strukturierung und Unterscheidung wurde in der Spalte „Signalart“
auf die Kategorie „Signalform“ Bezug genommen, obwohl diese Kategorie schon
als eigenständige Spalte existiert.
Anhang 3: Strukturtabellen für das leittechnische Mengengerüst 219
p1 ݔଵ
nichtdeterministische
Verzweigung q1 ݕଵ ݕ ٿ
തതതଶ
q2 ݕଷ q3 ݕଷ
p3 ݔହ ǡ ݔ
തതതǡ
ݍതതത p4 ݔହ ݔǡ
തതതǡ തതത
q4 ݕସ q5 ݕହ
Prozessnetz
Das Prozessnetz ist das SIPN, welches den nominalen Prozessablauf beschreibt. Es
ist somit als Teilmenge des ebenfalls als SIPN dargestellten Steuerstreckennetzes zu
betrachten, das seinerseits den universellen Prozessablauf beschreibt. Da jedoch für
den Entwurf des Steueralgorithmus nur der nominale Prozessablauf interessiert, wird
beim prozessmodellbasierten Entwurf des Steueralgorithmus` das Prozessnetz und
nicht das Steuerstreckennetz benutzt.
Die Stellen des Prozessnetzes werden mit p bezeichnet, die Transitionen mit q (siehe
Bild A8-1). Die Stellen p des Prozessnetzes werden über die Interpretationen Įi(p) als
Prozesszustände interpretiert, denen Ereignissignale (Bediensignale, Rückmeldesi-
gnale von Stell- bzw. Zeitgliedern etc.) zugeordnet sind. Die Transitionen q werden
über die Interpretationen ȕj(q) als Operationen interpretiert, die mittels zugeordneter
boolescher Ausdrücke in den Stellsignalen y diese Operationen in der Steuerstrecke
auslösen.192 Der Übergang von einem Prozesszustand zum nächsten, dem Folgepro-
zesszustand, wird als Ereignis bezeichnet.
Der im Bild A8-1 dargestellte Ausschnitt eines willkürlich gewählten Prozessnetzes
zeigt den Prozesszustand p1, in welchem sich die Anfangsmarkierung befindet. Da-
durch kann die Transition q1 schalten, d. h. in der Steuerstrecke werden die mit den
Stellsignalen y1 und y2 verbundenen Operationen ausgelöst. Die beiden Stellsignale
müssen konjunktiv miteinander verknüpft sein (siehe Bild A8-1), um zu garantieren,
dass beide gleichzeitig mit den entsprechenden Belegungen aktiv sind. Der Schalt-
ausdruck ȕ(q1) nimmt folglich den Wert 1 an, die Transition schaltet, und die Operation
kann somit ausgeführt werden. Wird der neue Prozesszustand p2 erreicht, d. h. Į(p2)
nimmt den Wert 1 an, sind damit auch die mit den Stellsignalen y1 und y2 verbundenen
Teiloperationen beendet. Die jeweils den Stellen zugeordneten Ereignissignale (siehe
Bild A8-1) können entweder disjunktiv oder konjunktiv miteinander verknüpft sein. Im
Beispiel gemäß Bild A8-1 schließt sich an den Prozesszustand p2 eine nichtdetermi-
nistische Verzweigung an. Die in den Zweigen befindlichen Transitionen sind jeweils
mit der Ausführung der mit dem Stellsignal y3 verbundenen Operation gekoppelt. Im
Ergebnis der Operation kann sich entweder der Prozesszustand p3 oder p4 einstellen.
Aus der Menge der nach der aktuellen Operation möglichen Prozesszustände p3 oder
p4 stellt sich aber nur ein einziger tatsächlich ein, wobei zu Beginn der mit dem Stell-
signal y3 verbundenen Operation im Allgemeinen nicht vorhergesagt werden kann,
p3 ݔହǡ തതതݍ
ݔതതത p4 ݔହ ݔǡ
തതതǡ തതത s3 ݕସ s4 ݕହ
q4 ݕସ q5 ݕହ
sen der nächsten Operation im Prozessnetz führt. Zu beachten ist in diesem Zusam-
menhang, dass eine Transition im Prozessnetz anders als im Steuernetz nicht in theo-
retisch unendlich kurzer Zeit schaltet, sondern innerhalb einer bestimmten Zeitspanne
(z. B. innerhalb einer Minute). Oft kann das Steuernetz durch Zusammenlegung von
Stellen-Transitionsfolgen, die in der gleichen Stelle enden, vereinfacht werden. Dieses
Steuernetz nennt man dann auch reduziertes oder vereinfachtes Steuernetz.
q4 q5
193 Zur besseren Übersichtlichkeit wurden die Bezeichnungen der Plätze statt dane-
ben in die Plätze eingetragen.
232 Anhang
Prozessnetz Steuernetz
p1 ݔଵ s1 ݕଵ
q1 ݕଵ t1 ͵ݏȀݏଵ
p2 ͵ݏȀଵ s2 ݕଶ
Die Zeitspanne von drei Sekunden legt daher die Prozesszeit fest, indem derselbe
Schaltausdruck Į(p1) sowohl p1 als auch p2 zugeordnet wird, mit dem Unterschied,
dass durch die Zeitangabe die Einnahme des Prozesszustandes p2 erst nach der an-
gegeben Zeitspanne (in diesem Fall drei Sekunden) rückgemeldet wird. Hieraus ergibt
sich, dass die Beendigung der an q1 gekoppelten Operation verzögert wird. Im Steuer-
netz bedeutet dies, dass nach drei Sekunden die Transition t1 auf jeden Fall schaltet.
Prozessnetz Steuernetz
p1 ݔଵ s1 ݕଵ
q1 ݕଵ t1 ͵ݏȀݔ
p2 ͵ݏȀݔ s2 ݕଶ
Prozessnetz Steuernetz
<Absenderanschrift>
<Kundenanschrift>
Angebot ……….
Angebotsnummer ……….
<Datum>
Sehr geehrte Damen und Herren,
nachfolgend erhalten Sie, wie vereinbart, unser Angebot ……….
Das Angebot enthält alle Komponenten für Einführung und Einsatz ……….
Die Aufgabe
Am Standort werden……….
Als problematisch erweist sich hierbei……….
Hauptproblem ist……….
Darüber hinaus soll……….
Die Investition
Für eine Investition in Höhe von …. können Sie unsere Lösung einsetzen. Auf Basis
unserer Erfahrungswerte liegt die Amortisationszeit unserer Lösungen zwischen …
und … Jahren.
Die ausführliche Beschreibung des Liefer- und Leistungsumfangs sowie die allgemei-
nen Vertragsbedingungen entnehmen Sie bitte dem nachfolgenden Angebotsteil.
Wir hoffen, dass unser Angebot Ihren Wünschen entspricht und sehen Ihrer Antwort
erwartungsvoll entgegen. Für Fragen steht Ihnen ………. jederzeit gerne zur Verfü-
gung.
Anlage
Aufgabenstellung
Lösungskonzept
Liefer- und Leistungsumfang
x Allgemeine Vertragsbedingungen