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Der Panther

VON RAINER MARIE RILKE

Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation


In dem Gedicht „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke, geschrieben 1903, geht es um einen
gefangenen Panther und dessen Existenz in einem Käfig.
„Der Panther“ besteht aus drei Strophen mit jeweils einem Satz, der sich über vier Verse erstreckt.
In der ersten Strophe wird der ermüdete Blick des Tieres beschrieben, das hinter den Gitterstäben,
die es umschließen, nichts mehr wahrnehmen kann. Seine Welt besteht nur noch aus dem Käfig.
Der Sprecher beschreibt in der zweiten Strophe die Attribute des Tieres: es hat einen geschmeidigen
Gang voller Kraft. Jedoch geht es durch seine Gefangenschaft nur im Kreis und seine Willenskraft
scheint betäubt.
In der dritten Strophe wird die Wahrnehmung des Tieres beschrieben. Es nimmt zwar von Zeit zu
Zeit etwas wahr, jedoch erzielen die Bilder keine Wirkung in ihm, da es nicht mehr reagieren kann.
Zuerst wird also der Blick des Panthers betrachtet, anschließend der Gang und letztendlich sein
Inneres. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in dem Gedicht um ein gefangen gehaltenes
Tier geht, das äußerlich noch das zu sein scheint, was es einmal war, innerlich jedoch nicht mehr
am Leben ist.
Anschließend werden formale und sprachliche Mittel untersucht.
Bei dem Gedicht handelt es sich um ein Dinggedicht1. „Das Dinggedicht ist ein Gedichttypus, der
seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts deutlich ausgeprägt ist. In einem Dinggedicht wird ein
Gegenstand oder Lebewesen distanziert oder objektiviert erfasst und beschrieben. Das Gedicht hat
den Anspruch, das Ding so auszudrücken, als spräche es über sich selbst“. Das lyrische Ich tritt hier
völlig in den Hintergrund und dient nur dazu den Gegenstand der Betrachtung zu beschreiben.
Diese Merkmale treffen auch auf das vorliegende lyrische Werk zu, da ausschließlich der Panther
beschrieben wird. Die ersten beiden Strophen könnten von einem äußeren Betrachter stammen, in
der dritten Strophe jedoch wird das Innere des Tieres beschrieben, das von außen gar nicht
einsehbar ist. Mittels dieser Gedichtform wird es also möglich Äußeres und Inneres des Panthers
vollkommen darzustellen.
Das Versmaß in dem Gedicht ist ein fünfhebiger Jambus, mit einziger Ausnahme im letzten Vers,
der nur aus einem vierhebigen Jambus besteht. Dies verstärkt die Wirkung des beschriebenen
Bildes, der Wahrnehmung des Panthers, die im Inneren nicht mehr existiert. So wie das geregelte
Versmaß erlischt, so auch der Sinneseindruck des Panthers.
Die Kadenzen2 sind abwechselnd stumpf und klingend, was für die unablässige Bewegung des
Tieres in seinem Gefängnis steht. Auch der Kreuzreim (abab, cdcd, efef) steht für die steten Schritte
des Panthers.
Interessant ist, dass das Substantiv „Panther“ nur in der Überschrift auftaucht. Im Laufe des
Gedichts folgen nur noch Pronomen und Beschreibungen des Tieres verwendet („Sein Blick“ V. 1;
„Ihm ist“ V. 3).
In der ersten Strophe gibt es die dreimalige Wiederholung von „Stäbe“ (V. 1, 4, 5) und zugleich
eine ä – Assonanz3: hält (V. 2), gäbe (V. 3). Durch die Repetitio4 und die Assonanz folgt, dass der
Text in langsamen Tempo gelesen werden muss. Dies bewirkt einen verstärkten Eindruck der
Eintönigkeit der Gefangenschaft.
Interessant ist auch die Personifikation5 der Stäbe in dem ersten Vers. Hier wird vom „Vorübergehn
der Stäbe“ gesprochen. Tatsächlich wird dieser Vorgang jedoch durch die Bewegung des Panthers
ausgelöst. Durch dieses Stilmittel wird die Passivität des Panthers hervorgehoben und dies deutet
auf seine Abhängigkeit von der Umwelt hin. Ein gefangenes Tier ist auf Hilfe von außen, wie z.
B. Fütterung, angewiesen. Der Panther ist also vollständig von der Außenwelt bestimmt und
deshalb wirkt es auch so als ob die Stäbe – und nicht er selbst – sich bewegen würden.
Auch der Blick des Panthers ist personifiziert. Er ist „so müd geworden, dass er nichts mehr hält“
(V. 2). Das Adverb „müde“ zeigt an, dass sich das Tier schon lange in dem beschriebenen Zustand
befindet. Der Ausdruck „dass er nichts mehr hält“ (V. 2) ist schon eine Vorausdeutung auf die dritte
Strophe.
In Vers fünf gibt es eine Alliteration6: „Gang“, „geschmeidig“. Durch das Adjektiv „geschmeidig“
wird im Leser das Bild eines anmutigen Tieres hervorgerufen. Durch die Beschreibung dieser
eleganten Bewegung wird der Kontrast zu der Gefangenschaft weiter verstärkt.
Der Superlativ „im allerkleinsten Kreise“ (V. 6) soll den Kontrast zwischen dem Panther, der für
ein Leben in Freiheit geschaffen ist, und dem Eingesperrtsein verdeutlichen.
Der Vergleich „wie ein Tanz von Kraft“ (V. 7) soll im Rezipienten die Vorstellung eines mächtigen
Panthers hervorrufen. Der Tanz steht allgemein für Lebensfreude und Gefühlsausdruck. Hier wird
die potentielle Kraft, die in dem Tier steckt, deutlich.
Auch das Paradoxon7 „betäubt ein großer Wille“ (V. 8) steht für die Unterdrückung der
Lebenskraft des Panthers.
Die Metapher8 „der Vorhang der Pupille“ (V. 9) steht für das fehlende Bewusstsein des Tieres in
der Gefangenschaft. Durch das Auge werden die visuellen Eindrücke aus der Umgebung
wahrgenommen. Wenn Menschen sich vertrauen und wertschätzen, dann blicken sie sich in die
Augen. Im Deutschen wird es auch das „Fenster der Seele“ genannt. Dieses ist hier jedoch durch
einen Vorhang verhängt. Ein Vorhang bewirkt einerseits, dass von außen niemand hereinsehen kann
und zum anderen, dass man auch nicht herausblicken kann. Die Metapher verdeutlicht also, dass
den Betrachtern des Panthers dessen Innenleben verborgen bleibt. Ebenso kann dieser nichts von
seiner Außenwelt wahrnehmen.

In Vers zehn gibt es eine weitere Personifikation: „Dann geht ein Bild hinein“. Dieses Stilmittel
steht wie das „Vorübergehn der Stäbe“ (V. 1) für die Passivität des Panthers. Dinge um ihn herum
geschehen nur noch, er selbst scheint darauf kaum mehr Einfluss zu haben.
Beachtenswert ist auch die Metapher „Herz“ in Vers zwölf. Das Herz steht hier für das ganze
Lebewesen, in dem das Bild „zu sein“ aufhört. Der Eindruck von außen löst in dem Tier keine
Reaktion aus, da er sein Inneres überhaupt nicht erreicht. Das bedeutet, dass der Panther nicht mehr
in Kontakt mit der Außenwelt steht. So wie der Panther in dem Käfig gefangen gehalten wird, so
auch der Blick in dem Körper des Tieres. Ebenso wie der Panther hört der Blick dort auf „zu sein“
(V. 12), das heißt er und somit auch der Panther existieren nicht mehr in ihrer wirklichen Funktion.
Zuletzt soll noch die Bewegung des Panthers betrachtet werden. Interessant ist, dass sich das Tier
unablässig den „weichen Gang“ (V. 5) vollführt. Durch die Bewegung bekommt der Leser die
Vorstellung, dass es für den Panther die Möglichkeit gibt zu entkommen oder, dass er noch
unversehrt ist. Äußerlich hat der Panther noch nicht aufgegeben, jedoch wird in der letzten Strophe
klar, dass dies innerlich schon lange geschehen ist. Gerade durch die Betonung der Bewegung in
den ersten beiden Strophen scheint das Raubtier lebendig, um so größer wirkt der Bruch in dem
letzten Vers in dem beschrieben wird, dass in ihm nicht mal mehr ein Blick seiner Umgebung
existieren kann.
Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass in dem Gedicht „Der Panther“ von Rainer Maria
Rilke der Zustand der Gefangenschaft auf eindrucksvolle Weise geschildert wird, indem das Tier
zuerst von außen und am Schluss dessen Inneres beschrieben wird.
Eine weitere wichtige Funktion des Dinggedichts ist die Möglichkeit der Übertragung auf andere
Situationen. Automatisch folgt die Assoziation mit der Gefangenschaft von Menschen. Jedoch ist
die Lage des „Gefangenseins“ nicht ausschließlich auf Haftstrafe zu beziehen. Der Mensch befindet
sich in vielen alltäglichen Zwängen, die ihm die Gesellschaft auferlegt oder die er sich selbst
schafft. Diese können äußerst vielfältig sein und im Beruf oder auch im Privatleben auftreten. Eine
eigene Befreiung des Panthers scheint in dem Gedicht unmöglich. Jedoch kann es vielleicht auch
als Appell wirken sich nicht zu sehr von den fortwährenden Zwängen gefangen nehmen zu lassen,
da sonst Innere Leere droht.
Anmerkungen und Stilmittel
1 Dinggedicht: Bei einem Dinggedicht wird versucht ein Objektiv mit
möglichst formalen und sprachlichen Mitteln symbolisch zu deuten.
Damit soll das innere Wesen eines Gegenstandes ausgedrückt wer-
den. Das besagte Objekt wird dabei meist so beschrieben, als
spräche es über sich selbst, sodass das lyrische Ich in den Hinter-
grund tritt.
2 Kadenz: Männliche (stumpfe) Reime (einsilbig): Not/Tod, Mut/Gut;
Weibliche (klingende) Reime (zweisilbig mit Betonung auf der vorlet-
zten Silbe): singen/klingen, sagen/fragen.
3 Assonanz (Antonym: Dissonanz): Halbreim. Die Assonanz stellt
lediglich den Gleichklang der Vokale dar, z. B. „Schwindsucht und
Bindung“ oder „Laterne und Kapelle“.
4 Repetitio (Stilmittel): Wiederholung von Satzgliedern mit dem Ziel,
eine Aussage zu verstärken.
5 Personifikation: Bei der Personifikation wird ein lebloser oder ein ab-
strakter Begriff, oder aber auch ein Tier, „vermenschlicht“. Person-
ifikationen treten z. B. immer in Fabeln auf (da Tiere wie Menschen
handeln). Anderes Beispiel: Der Mond schaut zornig drein; der Mond
nimmt hier also charakteristische menschliche Züge an.
6 Alliteration: Bei der Alliteration beginnen mehrere Worte mit dem gle-
ichen Anfangslaut. Beispiel: „Milch macht müde Männer munter.“
7 Paradoxon: (Schein-)Widerspruch.
8 Metapher (Stilmittel): Bild.

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