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Seit wir mit Handys nicht mehr nur telefonieren, sondern auch noch surfen, E-Mails schreiben und
Videokonferenzen abhalten können, ist es zur Gewohnheit geworden, immer erreichbar zu
sein. Das führt dazu, dass wir auch von Anderen erwarten, dass sie jederzeit abrufbar sein
müssen. Doch welche Folgen hat die durchgehende Erreichbarkeit für unser Unternehmen und für
uns?
Wer außerhalb der Arbeitszeit für die Firma erreichbar sein muss, der erbringt dem Grunde nach
eine Arbeitsleistung. Damit widerspricht das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) und
das Bundesurlaubsgesetz (BUrlg) dem Anspruch auf laufende Erreichbarkeit für die Arbeit.
Viele Arbeitnehmer werden mit einem Diensthandy oder einem Betriebslaptop ausgestattet,
damit sie auch nach Dienstschluss oder an Sonn- und Feiertagen berufliche Anrufe entgegen
nehmen oder E-Mails für den Betrieb beantworten. Sind diese Tätigkeiten für den Betrieb
erforderlich und zudem im Arbeitsvertrag als verpflichtend aufgenommen, dann muss der
Arbeitnehmer diese auch ausführen. Ähnlich wie bei der Rufbereitschaft ist die Zeit für das
Telefonat oder für das Beantworten von E-Mails als Arbeitszeit zu erachten und entsprechend
zu entlohnen. Die Erreichbarkeit in der Freizeit muss in diesem Fall jedoch genau geregelt sein.
So kann sie nicht als grundsätzliche Verpflichtung aufgefasst werden, immer erreichbar zu
sein. Vielmehr kann in Ausnahmefällen, wenn ein wichtiger Anruf oder eine unaufschiebbare
E-Mail-Korrespondenz zu führen sind, die Erreichbarkeit für einen bestimmten Zeitraum
angeordnet werden. Dabei sind jedoch die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu beachten.
Eine Klausel, nach der ein Angestellter rund um die Uhr erreichbar zu sein hat, ist grundsätzlich
unwirksam. Hierzu haben mehrere Gerichtsurteile eindeutige Aussagen getroffen. Denn im
Hinblick auf das Arbeitszeitgesetz, das die Arbeitszeit regulär auf acht Stunden pro Tag
beschränkt und auch die Anzahl der Überstunden bestimmt, die innerhalb eines Monats
auflaufen dürfen, stellt die Forderung nach unbegrenzter Erreichbarkeit eine Rechtsverletzung
des Arbeitszeitgesetzes. Damit steht der gesetzlich geregelte Arbeitsschutz über einer
entsprechenden individuell getroffenen Vereinbarung.
Unternehmen, die darauf angewiesen sind, dass ihre Mitarbeiter fallweise auch in ihrer Freizeit
oder im Urlaub erreichbar sind, sollten ihren Bedarf klar umreißen und zeitlich eingrenzen. So
können Vereinbarungen in klarer Form in den Vertrag aufgenommen werden, damit weder die
gesetzlichen Regelungen verletzt, noch die Interessen des Unternehmens oder der Mitarbeiter
beeinträchtigt werden. Der Arbeitsvertrag sollte daher genau festlegen, in welchen Fällen und
zu welchen Zeiten der Arbeitnehmer erreichbar sein muss. Auch die Vergütung für diese Fälle
sollte vertraglich genau beziffert und festgeschrieben werden.
Der Arbeitsvertrag kann nur dann eine Vertragsklausel zur Erreichbarkeit von Mitarbeitern
während ihrer Freizeit enthalten, wenn dieser die gesetzlichen Vorgaben des
ArbZG berücksichtigt. Zum Beispiel kann der Vertrag aufnehmen, dass bei Eintritt bestimmter
Umstände der Mitarbeiter für genau festzulegende Uhrzeiten innerhalb begrenzter Zeiträume
während seiner Freizeit erreichbar sein muss oder E-Mails zu kontrollieren hat. Dabei ist zu
beachten, dass auch kürzere Tätigkeiten, wie das Kontrollieren von E-Mails oder das Führen
eines Telefongesprächs zur Arbeitszeit gehört und im gegebenen Fall zu einem Verstoß gegen
das ArbZG führen kann. Daher sollte der Vertrag erklären, dass diese Tätigkeiten nicht nur
vergütet, sondern auch durch zusätzliche Freizeiten abgegolten werden.
Der Arbeitsvertrag sollte eindeutig zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und weiteren
Urlaubszeiten, die das Unternehmen freiwillig gewährt, unterscheiden. Denn nur während
des gesetzlichen Mindesturlaubs ist eine Erreichbarkeit grundsätzlich ausgeschlossen.
Während der zusätzlich durch den Betrieb freiwillig gewährten Urlaubszeiten kann eine Pflicht
zur Erreichbarkeit in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden.
Welchen Einfluss hat der Betriebsrat auf die Erreichbarkeit nach der Arbeit?
Wenn ein Betriebsrat im Unternehmen vorhanden ist, dann hat dieser ein Recht darauf, über die
Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit mitzubestimmen.
Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten darauf eingestellt, dass die
Kommunikation immer schneller und zugleich zeitlich flexibler erfolgt. Die permanente
Abrufbarkeit stellt sich auf die Anforderungen der modernen Geschäftswelt ein. Doch die
ständige Erreichbarkeit bringt sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich.
Ein entscheidender Vorzug der ständigen Erreichbarkeit liegt in der zeitlichen Verkürzung von
Arbeitsabläufen. Unternehmen profitieren durch die verkürzte Kommunikation in ihrer
Produktivität. Tritt eine unvorhergesehene Situation ein, dann können Mitarbeiter, die
eingreifen können, innerhalb kurzer Zeit herangezogen werden. So können Arbeitsausfälle auf
ein Minimum reduziert, Probleme schneller gelöst und anfallende Kosten eingespart werden.
Viele Berufe bringen es mit sich, dass Geschäftsabschlüsse sehr kurzfristig anfallen. Besonders
Selbstständige und Freiberufler müssen laufend bereit stehen, wenn sich Angebote eröffnen, die
nur kurzfristig zur Verfügung stehen. Wer seine Mitarbeiter in solchen Unternehmen schnell
erreichen kann, der kann von kurzen Entscheidungswegen profitieren und schnell auf gute
Angebote reagieren.
Mit dem Stress, der sich auch in der Freizeit nicht vollständig abbauen kann, steigt die Gefahr
einer Depressionserkrankung durch die ständige Erreichbarkeit erheblich. Aber auch andere
psychische und physische Erkrankungen, wie Überlastungsstörungen bis hin
zum Burnout sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehen auf die ständige Erreichbarkeit durch
den Betrieb zurück.
Wer ständig mit halbem Ohr auf sein Handy hören muss, der kann auch in seiner Freizeit nicht
vollständig bei seiner Familie ankommen. Die ständige Erreichbarkeit kann daher auch zu einer
Beeinträchtigung der Familienbeziehungen und anderer sozialer Kontakte führen. Denn wer
sich in der Freizeit nicht mehr ganz auf seine Umgebung einlassen kann, der erleidet einen
Verlust an Qualität in seinen Beziehungen innerhalb der Familie und im Freundeskreis. Das
kann schnell dazu führen, dass ernsthafte Konflikte entstehen, die das Privatleben in ein
Ungleichgewicht bringen.
Die Folgen der ständigen Erreichbarkeit, die sich bei den betroffenen Mitarbeitern negativ
auswirken, schlagen schließlich auch im Betrieb durch. Denn das Engagement und die
Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern, die nach der Arbeit nicht abschalten können und laufend
unter Stress stehen, lassen auch im Betrieb in der Folge nach. So müssen sich gestresste
Mitarbeiter erheblich mehr anstrengen, um ihre Anforderungen in der Arbeit zu erfüllen, als gut
ausgeruhte Arbeitnehmer. Somit trifft die Überlastung der Mitarbeiter, die an der ständigen
Erreichbarkeit durch den Arbeitgeber leiden, am Ende auch den Betrieb. Denn eine optimale
Arbeitsleistung können Betriebe nur von gut erholten Mitarbeitern erwarten.