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Einführung in die Textlinguistik – das 1.

Thema:
Wiederaufnahmeprinzip

Was wird in der Alltagssprache unter Text verstanden? Wie würden wir z.B. einem Kind
erklären, was ein Text ist?

In der Alltagssprache verwendet man folgende Formulierungen:

ein langer/kurzer/gedruckter Text

einen Text verfassen/auswendig lernen/lesen/kommentieren/übersetzen/vortragen

den Text einer E-Mail ausdrucken

Einen Text beschreibt man oft als eine Reihe von Sätzen. Ergibt aber jede beliebige
Aneinanderreihung von Sätzen einen Text?

Ich habe leider nicht genug zu lesen. Die Wurst ist heute im Sonderangebot. Das Spiel dauert
90 Minuten.

Ergeben diese drei Sätze einen Text? Nein!

Warum? Es besteht kein inhaltlicher, kein logischer Zusammenhang zwischen ihnen!

FAZIT: Nicht jede beliebige Aneinanderreihung von Sätzen ergibt einen Text. Die Sätze
müssen inhaltlich zusammenhängen, d.h. durch ein einheitliches Thema verbunden sein.

Unter Text versteht man eine Folge von inhaltlich zusammenhängenden Sätzen.

Ich habe leider nicht genug zu lesen. Gestern habe ich zwar zwei Bücher geliehen, aber sie
sind nicht interessant. Auch in den Büchereien gibt es nichts Bemerkenswertes.

Ergeben diese drei Sätze einen Text?

Ja, sie hängen zusammen, weisen ein gemeinsames Thema auf.

An welchen Wörtern kann man diese Zusammenhänge erkennen? Welche Wörter in unserem
Text knüpfen an andere Wörter an?

ich – ich, Bücher – sie, Bücher – lesen – leihen – Büchereien, interessant - bemerkenswert

Wir haben es hier mit dem Wiederaufnahmeprinzip zu tun. Es ist das wichtigste
Textverknüpfungsmittel. = środek spójności tekstu
Textverknüpfungsmittel (Textverflechtungsmittel) = Mittel zur Gestaltung des
Zusammenhangs zwischen den Sätzen:

I. das Wiederaufnahmeprinzip:
1. explizite (wyraźna, jasna) Wiederaufnahme – liegt vor, wenn sich zwei Ausdrücke auf
denselben Sachverhalt (Gegenstand, Person, Merkmal usw.) in der außersprachlichen
Wirklichkeit beziehen. Sie erfolgt durch:

a) wörtliche Wiederaufnahme = Repetition, Wiederholung

* totale Wiederholung – das Wort wird in der identischen Form wiederholt: es – es; dem Kind
– dem Kind; lesen – lesen

* partielle Wiederholung – das Wort wird in einer anderen Form (u.a. in einem anderen
Kasus, Numerus, in einer anderen Person) wiederholt: es – ihm (Kasus), dem Kind – die
Kinder (Kasus und Numerus); lesen – liest (Person); auch bei Ersetzung eines
Personalpronomens durch ein Possessivpronomen und umgekehrt spricht man von der
partiellen Wiederholung, z.B.: ich – mein; eure – euch, wir - unser

b) Wiederaufnahme durch Synonyme = Bedeutungsähnlichkeit

* sprachimmanente – sie gelten als Synonyme im Sprachsystem und sind als solche auch ohne
Kontext zu erkennen; man kann sie im Synonymwörterbuch finden: der Wagen – das Auto;
der Knabe – der Junge

* textimmanente – sie gelten nur in dem betreffenden Text als Synonyme: Peter – Polizist –
gelten als Synonyme nur in einem Text, in dem die Rede von einem Polizisten ist, der Peter
heißt.

* sprachtranszendente – ihre Bedeutungsähnlichkeit ergibt sich aus der außersprachlichen


Wirklichkeit: Merkel – Bundeskanzler; Berlin – Deutschlands Hauptstadt

c) Wiederaufnahme durch Ober-/ Unterbegriffe = Bedeutungsüber- und -unterordnung –


pojęcie nadrzędne i podrzędne: Zimmer – Klassenzimmer; Tier - Affe

d) Wiederaufnahme durch Proformen – Anaphern und Kataphern

Proform – ein Funktionswort, das über keine ausgeprägte lexikalische Bedeutung verfügt und
die Aufgabe hat, andere Wörter im Satz/im Text zu ersetzen
*die Anapher – eine nach links verweisende Proform; der Ausdruck, auf den sie sich bezieht,
erscheint vor ihr (Die Anaphern werden wir bei der Textanalyse mit Fettdruck markieren.)

Kennst du Peter? Der ist mein bester Freund. der zu Peter

Peter wohnt in Berlin. Dort studiert er Medizin. dort zu in Berlin; er zu Peter

Peter war im Jahre 2020 in Wien. Damals war er krank. damals zu im Jahre 2020; er zu
Peter

Peter fuhr mit dem Auto. Deshalb war er pünktlich. er zu Peter; deshalb zum ganzen
vorangehenden Satz

Der Professor hielt eine Rede, worin er seinen Lehrer erwähnte. worin zu eine Rede; er zu
der Professor

Ich kenne den Mann, der an der Ecke steht. der zu den Mann

*die Katapher – eine nach rechts verweisende Proform; der Ausdruck, auf den sie sich
bezieht, erscheint nach ihr (Die Kataphern werden wir bei der Textanalyse mit Kursivdruck
markieren.)

Im Kaufhaus kaufte ich Folgendes: Brot, Wurst, Milch, …

Als Kataphern treten oft Korrelate auf. Ein Korrelat ist ein Platzhalter im Satz, der darauf
verweist, dass eine erwartete Information an anderer Stelle steht. Es sind:

- Pronominaladverbien da + Präposition:

Ich warte darauf, dass der Bus endlich kommt. darauf zum ganzen kommenden Satz

Er träumt davon, Ruhe zu haben. davon zum ganzen kommenden Satz

- Personalpronomen es als Katapher zum ganzen kommenden Satz

Es ist für mich wichtig, dass meine Eltern mich unterstützen.

Hier ist es verboten, Hunde ohne Leine laufen zu lassen.

Wir wussten es nicht, dass er verheiratet ist.

Es ist gesund, Obst zu essen.


- bedeutungsleere Adverbien, die auf einen folgenden Adverbialsatz hinweisen:

Sie ruft immer dann an, wenn ich gar keine Zeit habe. dann zum ganzen kommenden Satz

Es sieht so aus, als ob das Wetter morgen besser wird. so zum ganzen kommenden Satz

Ein Jahr ließen sie ihn auf seinen Prozess warten. Peter konnte das nicht aushalten.

das zum ganzen vorangehenden Satz

ihn zu Peter

2. implizite (ukryta, domyślna) Wiederaufnahme – liegt vor, wenn sich zwei Ausdrücke
auf verschiedene Sachverhalte in der außersprachlichen Wirklichkeit beziehen, semantisch
aber zusammenhängen = semantische Kontiguität = semantyczna przyległość, begriffliche
Nähe = bliskość pojęciowa

- logische Nähe: Frage – Antwort, Buch – lesen

- ontologische Nähe – besteht zwischen einem Organismus und seinen Teilen: Baum – Ast,
Mensch – Kopf und zwischen Familienmitgliedern: Mutter – Kind, Opa - Enkel

- kulturelle Nähe – der Zusammenhang zwischen den Ausdrücken ergibt sich aus der
Entwicklung der Kultur: Stadt - Rathaus

Oft fallen logische und kulturelle Nähe zusammen: Haus – Fenster, Bibliothek – Buch

das Wiederaufnahmeprinzip – Textanalyse (der 1. Abschnitt)


totale er – er, der Bub – der Bub
Wiederholung
partielle er – ihm; er – seinem; einem Psychiater – Psychiater – der
Wiederholung Psychiater; Brr – Brr’s - Brrbrbrr
sprachimmanente waschen – putzen; sagen – reden; erkennen - verstehen
Synonyme
textimmanente der Fünfjährige – der Bub - Kind
Synonyme
sprachtranszendente
Synonyme
Ober- Schlauch – Gummischlauch; Kind - der Fünfjährige; Kind – der Bub
und Unterbegriffe
Anaphern ihrem zu Eltern; der zum Fünfjährigen; ihm zum Fünfjährigen; er zu
der Bub; ihn zu der Psychiater
Kataphern er (im Titel) zu Fünfjährige; früher zum ganzen kommenden Satz
logische Nähe Essen – Trinken; Teller – Tassen; Flüssiges – schütten – Trinken;
Reinlichkeitswahn – putzen; Frage – antwortete – Gespräch; Bett -
schlafen
ontologische Nähe der Fünfjährige – Mund, der Fünfjährige - Eltern
kulturelle Nähe Haus - Bett

Markierung im Text: Anaphern – Fettdruck, Kataphern – Kursivdruck, Synonympaare –


Farbdruck mit Unterstreichung, Ober- und Unterbegriffe – Unterstreichung, logische Nähe –
Farbdruck, ontologische Nähe, kulturelle Nähe – Farbdruck

Er war ein Auto

Zu einem Psychiater kamen verzweifelte Eltern mit ihrem Fünfjährigen Fünfjährigen


Fünfjährigen, der plötzlich nicht mehr reden konnte, das Essen von Tellern und das Trinken
aus Tassen verweigerte, eines Tages einen Gummischlauch anbrachte, und bedeutete, man
solle ihm Flüssiges durch den Schlauch in den Mund schütten. Auch wollte er nicht mehr in
seinem Bett schlafen, sondern vor dem Haus. Zugleich habe er einen Reinlichkeitswahn
bekommen, ganz im Gegensatz zu früher, als er sich nie waschen lassen wollte; er putzte
putzte dauernd an sich herum. Bei dem Gespräch zwischen Psychiater und Kind unter vier
Augen ergab sich: der Bub der Bub wollte nichts anderes mehr sagen als "Brrbrbrr". Auf jede
Frage antwortete er mit "Brr", jedoch waren diese "Brr's verschieden, so dass der Psychiater
erkannte, dass der Bub ihn recht wohl verstand.

Schlielich fragte der Psychiater: "Warum sagst du immer nur "Brr", du bist doch kein
Auto!" Da begann der Bub unter heftigem Brrbrr durchs Zimmer zu laufen. Es war klar. Er w a
r ein Auto. Aber wieso? Seine noch jungen und sportlichen Eltern waren Autonarren. Sie
hatten sich nach langem Sparen einen schicken Sportwagen gekauft, den sie zum
Mittelpunkt ihres Lebens machten. Er wurde gewaschen, poliert, innen gesäubert, er wurde
aufgetankt, gefahren, um ihn drehten sich die Gespräche.

Das Kind, einziges Kind fühlte sich vernachlässigt. Mit Recht. Es litt, es war
eifersüchtig, und es war genial: die Krankheit des Kleinen lenkte die Eltern von ihrem Wagen
ab, das Kind wurde wieder Mittelpunkt ihrer Sorgen.
Als ich das hörte, fiel mir mit Schrecken eine Szene aus dem Leben mit meinen
Kindern ein. (Ich schrieb es damals auf und lese es jetzt ab.) Christoph (vier Jahre alt) kniet
auf dem Boden, vor ihm liegt Stephan (der kleine Bruder, drei), er liegt regungslos und mit
einem fest gefrorenen Lächeln. Christoph macht über ihm sonderbare halbkreisförmige
Bewegungen mit dem rechten Arm. Ich frage schlielich, was sie da täten. Christoph sagt:
"Das siehst du doch, ich blättere in einem Buch; in dem Buch ist Steffi drin, aber ich muss so
lange blättern, bis ich ihn finde."

Ich hatte kein Auto, ich hatte Bücher und schrieb Bücher. Musste man ein Buch sein,
um mich zu interessieren? Ich hoffe, dass es nicht so war. Ich meine eher (da ich immer ein
enges gutes Verhältnis zu meinen Söhnen hatte), dass sie in meiner Welt leben wollten.

Aufgaben zum Thema Ober- und Unterbegriffe:

Begriffe helfen, die Wirklichkeit zu erfassen und zu ordnen. Oberbegriffe haben eine
allgemeine Bedeutung und schließen die Unterbegriffe mit ein. Unterbegriffe hingegen sind
präzise und speziell.

Beispiel:
Oberbegriff: Werkzeug
Unterbegriffe: Zange, Hammer, Feile

Es lassen sich komplette sogenannte Begriffspyramiden bilden:

Quizfragen zu Ober- und Unterbegriffen

1. Die Unterbegriffe: Hammer, Zange, Feile, Schraubenzieher gehören zu welchem


Oberbegriff?
Der Oberbegriff hierzu heißt Werkzeug. Es wird damit etwas repariert, gebaut etc.

2. Die Unterbegriffe: Nadel, Garn, Faden gehören zu welchem Oberbegriff?

Hier ist der Oberbegriff eindeutig Nähzeug. Es wird hiermit etwas genäht oder
zusammengenäht. Durch einige Begriffe könnten die Unterbegriffe noch erweitert
werden.

3. Die Unterbegriffe: Subjekt, Prädikat, Objekt gehören zu welchem Oberbegriff?

Hiermit sind die Satzglieder gemeint. Jeder Satz besteht aus mindestens einem
Satzglied und kann beliebig erweitert werden.

4. Welche Unterbegriffe gibt es zu dem Oberbegriff Religion?

Hierzu gibt es folgende Unterbegriffe: Hinduismus, Christentum, Islam, Judentum,


Buddhismus. Natürlich auch noch alle anderen Religionen fallen unter diesen
Oberbegriff.

5. Welche Unterbegriffe gibt es zum Oberbegriff Schneidewerkzeug?

Hierzu gibt es die Unterbegriffe: Messer, Skalpell, Schere, Nagelschere, elektrisches


Messer. Es gibt noch viele weitere Unterbegriffe die auch noch zu dem Begriff
Schneidewerkzeug passen.

6. Nenne einige Beispiele zum Oberbegriff Zeichentrickfiguren?

Goofy, Mickey Mouse, Dagobert Duck, Minnie Mouse, Asterix und Obelix. Es gibt
natürlich noch tausende weitere Zeichentrickfiguren.

7. Der Oberbegriff Brennmaterial hat eine Menge Unterbegriffe, wie lauten diese?

Gas, Holz, Steinkohle, Papier sind einige Brennmaterialien. Natürlich gibt es noch
viele weitere.

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