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Die Regelung der Rechtschreibung. P.

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Für die werdende gemeindeutsche Literatursprache war eine ungeregelte


Schreibung kennzeichnend. Die Uneinheitlichkeit der Schreibung fand ihren
Ausdruck darin, dass derselbe Laut sehr oft verschiedene Bezeichnungen hatte: j
und y standen sehr oft für i, z. B. jm, yhm 'ihm', v für u, z. B. vnd 'und' neben du
'du', umgekehrt u für v (f), z. B. beuolgt 'befolgt' neben valsch 'falsch', w für u, z.
B. fraw 'Frau', fewer 'Feuer'. Das [i:] wurde durch ii, ij oder y wiedergegeben. Der
Umlaut, den man durch Überschreibung des e bezeichnete, also a (е над а), o (е
над о), u (е над u), wurde nur unregelmäßig gekennzeichnet. Sehr beliebt,
besonders in der schriftlichen Tradition der Kanzleien, waren
Buchstabenhäufungen, z. B. unnd neben und, funffczig für fünfzig. Die
Zeichensetzung war labil und uneinheitlich.

Im 16. - 17. Jh. haben sich infolge der Sprachregelung viele Charakterzüge des
neuzeitlichen orthographischen Systems herausgebildet. Die regelmäßige
Bezeichnung des Umlauts setzte sich schon im 16. Jh. durch. Zu Anfang des 16.
Jh. machte sich die Tendenz zur Großschreibung der Substantive bemerkbar. Im
17.Jh. wurde die Großschreibung der Substantive von den Sprachreglern zur Regel
erhoben. Die Zeichensetzung wurde im 17. Jh. regelmäßiger. Es breitete sich die
Anwendung des Ausrufezeichens, der Klammern und der Anführungszeichen aus.

Hieronymus Freyer setzte 1722 in seiner ,,Anweisung zur teutschen Orthographie"


folgende vier Grundsätze der orthographischen Regelung fest: 1. Übereinstimmung
der Schreibung mit der Aussprache; 2. Beachtung der Etymologie des Wortes; 3.
Beachtung der Analogie; 4. Beachtung des Usus (des allgemeinen Gebrauchs).

Die Anwendung des etymologischen Prinzips begünstigte die Verbreitung der


Schreibungen ä, äu anstelle der Lutherschen e, eu in älter, Fähre, Hände, Häuser
(doch Eltern, fertig, behend); das Bestreben nach Unterscheidung der Homonyme
veranlasste die später zum Teil wieder aus dem Gebrauch gekommenen
Schreibungen Leib - Laib, Tau 'Schiffstau' – Thau (veraltet für
'Wasserniederschlag'), meine (zu mein) - meyne 'glaube' u. a.

Der Qualitätswandel der Vokale brachte solche Schreibungen aus dem Gebrauch
wie eddel, fedder, odder, die noch bei Luther üblich gewesen waren
(Konsonantenverdoppelung wurde zum Zeichen der Vokalkürze), und trug zur
Festigung der Schreibung ie und zur Ausbreitung des stummen h als Zeichen der
Vokallänge bei.

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