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Linguistik des österreichischen Deutsch

Suprasegmentale Eigenschaften

Die Lautbildung (Artikulation) und die Sprechmelodie (Intonation) sind landschaftlich


verschieden und schlagen vom Dialekt bis in den Standard durch. Nach den dialektalen
Grundlagen gelten in Österreich Varianten eines bairischen und in Vorarlberg mit dem
Westtiroler Gebiet um Reutte eines alemannischen Typus.
Zu den suprasegmentalen Eigenschaften gehört aber auch die Wortakzentuierung.
Obwohl die österreichischen Akzentuierungen ursprünglich auch in Bayern und teilweise in
Schwaben galten, sind sie dort ebenfalls zurückgegangen.

 In den Wörtern fremder Herkunft behaupten sich in Österreich noch sehr gut mit
Anfangs- bzw. Erstgliedakzentuierung 'Anis, 'Offset, 'Pankraz, 'Diakon, 'Kimono,
'Majoran, 'Marzipan, 'N/negativ, 'Vatikan, 'Kilogramm, 'Kilowatt,
'Superintendent, 'bilateral und 'Pentagon. Weniger gut erhalten sind 'Servaz,
'Camembert, 'Uniform, 'quantitativ.

 Dagegen hat sich die deutsche Akzentuierung statt österreichischem Initialakzent


schon mehrheitlich durchgesetzt in To'pas, Tok'ajer, Samo'war, Ob'oe,
Philhar'moniker/philhar'monisch, 'Aloe oder Alo'e und in zweisilbigem Ko'pie
statt dreisilbigem 'Kopi-e. Einen innerösterreichischen Ost-West-Gegensatz
zeigen 'Dechant: De'chant und 'Labor: La'bor.

 Die traditionelle österreichische End- oder Zweitgliedbetonung ist sehr gut


erhalten in Kaf'fee, Pla'tin, Kana'pee, Roma'dur, Tele'phon, weniger gut in
Fleu'rop, Si'phon, Ta'bak, Pale'tot, Roko'ko.
 Mittelsilbenbetonung hält sich sehr gut in Ka'tharis, Kle'matis, Cha'risma,
Am'moniak Mathe'matik und geringer in Al'gebra und fünfsilbigem Zere'monnie
gegenüber viersilbigem Zeremon'nie.

 In Komposita und Ableitungen deutscher Herkunft gilt Erstgliedakzent in


'Pfefferminze, 'Oberforstmeister, 'eigentümlich, 'nacheinander, 'insgeheim und in
Deutsch empfundenen 'Attentat sowie in geringerem Umfang in
'Oberlandesgericht, 'Oberleutnant, 'Attentäter, 'gleichermaßen, 'überglücklich,
'allfällig, 'unablässig, ge'radeaus, 'miteinander, 'entweder.

 Die deutsche Zweitgliedbetonung hat sich bereits mehrheitlich durchgesetzt in


Viertel'stunde, hundert'tausend, aller'liebst, alt'jüngferlich, un'möglich und
Kornelkirsche.

 Als ostösterreichisch erweist sich der Fachausdruck des Fußballspiels A/ab'seits


mit -s-Erweiterung und Zweitgliedbetonung.

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Segmentale Eigenschaften

Die auffälligsten Eigentümlichkeiten der deutschen Schrift- und Standardsprache in


Österreich betreffen Laut- und Konsonantensystem.

Konsonantismus. Über die landschaftlich unterschiedlichen suprasegmentalen


Unterschiede hinaus gibt es in Österreich auch segmentale phonetische Eigenschaften der
Standardsprache. Hinsichtlich der Lautqualitäten klingt das österreichische Deutsch relativ
weich.

In Österreich genauso wie in Süddeutschland und der Schweiz werden alle Plosiv- und
Frikativlaute stimmlos gesprochen, also auch die ungespannten Lenis, d. h. umgangssprachlich
fallen die anlautenden Plosivlenes und -fortes <d>/<t>, <b>/<p> besonders im Donau- und
Voralpenraum in stimmlose Halbfortes zusammen, so dass kein Unterschied mehr besteht
zwischen du : tu, Dank : Tank, backen : packen, Draht : trat, Blatt : platt, gebracht : Pracht.
Während <g>, <k> vor Vokalen unterschieden sind, z. B. Garten : Karten, fallen auch sie vor
Konsonanten zusammen, z. B. Greis : Kreis. Die s- und sch-Laute klingen im südlichen Bereich
praktisch gleich in böse-Blöße, Hose-große, Loge-koscher. Auch Wort- oder Silbenanlautendes s
ist stimmlos: satt, somit, Sonne. Das stimmhafte [z] wird in Österreich nur von geschulten
Sprechern realisiert. Genauso stimmlos sind <w> und [ӡ]: wann, Wiese, Loge.

Weitere spezifische Charakteristika im Konsonantensystem des österreichischen Deutsch


sind:

 <St> im Anlaut von (griechisch-lateinischen Wörtern) wird meist [st]


gesprochen: Standard, Stil, Struktur.
 Manche Ausdrücke mit <st> oder <sp> im Wortinneren werden mit [ʃt] bzw. [ʃp]
gesprochen: Inspektor, Installateur, Kasperl.
 Die Endsilbe <-ig> wird nach der Schreibung mit Plosiv wie [ɪk], realisiert, z.B.:
billig, heilig, Essig, König, wenig, berechtigt usw.
 In einer Reihe von Fremdwörtern wird anlautendes <ch> vor den Vordervokalen
e und i als [k] gesprochen, so in China, Chemie, Chinin, Chirurg, Charakter,
Chrysantheme, Chamäleon, Chaos, Charisma und in ihren Ableitungen. Das ist
auch im Inlaut mit Orchester, Melancholie der Fall. Dies gilt nicht für Chef [ʃe:f].
 Bei Wörtern auf -ett entfällt häufig das auslautende [t]: Kabarett, Bukett.

 In einigen Fällen ist der Eindeutschungsgrad der Entlehnungen niedriger: Billard


[bi'ja:r] (= schweiz.), Giraffe [ʒi'raf(ə)], Judo ['dʒu:do], Offizier [ofi'si:r]. Dagegen
in Deutschland ['biljart] und ['biljardə], [gi'rafə] bzw. ['ju:do]); [ᴐfi'tsi:r] (auch
schweiz.).

Im Vokalsystem des österreichischen Deutsch gibt es folgende auffälligste


Eigentümlichkeiten:

 fast geschlossene (gespannte) Aussprache der kurzen Vokale <i> - <ü> - <u>
(Wille, müssen, uns), während <e> - <ö> - <o> durchaus offen gesprochen werden.

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 Bei manchen Wörtern wird der betonte Vokal kurz gesprochen: Afrika, Behörde,
Dusche, Erde, Geburt, Husten, Krebs, rösten, Tratsch u.a.

 Das <i> in den Suffixen -ik, -it und -iz ist kurz: Fabrik, Kritik, Kredit, Hospiz, Notiz.

 Bei einigen Wörtern wird der betonte Vokal lang gesprochen: bis, Dogma, Bruch,
Geruch, Geschoß, hin, ob, rächen u.a.

 Geschriebenes langes <ä> etwa in Käse, nähen, spät, nämlich, Drähte, wählen,
erzählen, Universität wird außer in Vorarlberg meist als geschlossenes, gespanntes
[e:] realisiert (dagegen in Deutschland und in der Schweiz ungespannt als [ɛ:]).

 In der Endsilbe -er tritt durch die r-Vokalisierung der [ɐ]-Schwa ein (a-artige
Aussprache), so dass es [va:tɐ] Vater, [li:bɐ] Bruder, [bru:dɐ] lieber heißt.

 Das geschriebene <e> in einigen unbetonten Silben (z. B. be-, ge-, -el, -en) und im
Auslaut (Bote, Nase, Tage, Gäste) wird nicht als Schwalaut [ə], sondern schwach
betonter Vokal [e] oder [ɛ] artikuliert oder der Laut wird getilgt: Tische [ˈtɪʃe],
Boden [ˈbo:den] oder [ˈbo:dn].

 In Fremdwörtern aus dem Französischen wird Nasalvokal wie Vokal + n artikuliert


(dt./schweiz. -[õ], dt. auch -[ᴐŋ]): Fasson (auch <Faҫоn>), Balkon, Pardon, Saison,
Salon, Waggon auch Plafond. Der Plural endet dann meist auf -e: Balkone, Ballone.

 Das auslautende -e in französischen Fremdwörtern entfällt: Melange [meˈlã:nӡ̊],


Branche, Bronze, Chance, Clique, Nuance, Quadrille u. a. Das gilt auch für Wörter
auf -age (= schweiz., dt. -[ə]): Bandage, Blamage, Garage [gaˈra:ӡ̊] usw.

Genus- Formunterschiede, Wortbildung und Grammatik

Genusunterschiede zeigen im österreichischen Deutsch vor allem Fremdwörter. So heißt


es in Österreich gegenüber Deutschland meist der : das Gehalt „regelmäßige monatliche
Bezahlung der Beamten u. Angestellten“, das Sakko : der 'Sakko „Jackett“, das : die
(Coca-)Cola, die : der Dress, das SMS : die SMS. Schwanken herrscht in der (österr., dt.): das
(österr.) Pyjama, das : der Virus, das : der Keks, das : die Brezel, das : die Labsal, das : die
Vokabel, das (formell auch die): die E-Mail u.a. Gegenüber Deutschland gilt in Österreich nur
ein Genus in der (dt. auch das) Gummi, der (das) Spagat, das (der) Zubehör. Joghurt zeigt in
Österreich alle drei Genera: in Vorarlberg mit Deutschland und der Schweiz der, sonst das,
teilweise auch die.

Genusunterschiede können auch Formunterschiede auslösen. So heißt es in Österreich


gegenüber Deutschland der Schranken : die Schranke, der Akt : die Akte, der Karren : die Karre,
der Scherben : die Scherbe, die Zehe : der Zeh, das Offert : die Offerte.

In der Pluralbildung wird häufig umgelautet, so in die Erlässe, Wägen, Krägen,


(Papier)bögen, Pölster („Kissen“), Zäpfen. In französischen Fremdwörtern gilt in Österreich -s-

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Plural in die Parfums : Parfume, die Interieurs : Interieure, die Billiards : Billarde und -en-
Plural in die Saisonen : Saisons, die Fassonen : Fassons, die Cremen : Cremes.

Grammatische Besonderheiten des österreichischen Deutsch nach Kellermeier-Rehbein


gibt es bei Verben, Substantiven und Präpositionen [Kellermeier-Rehbein, 115].

In erster Linie fallen die Verben der Körperhaltung auf, deren Perfekt und
Plusquamperfekt mit dem Hilfsverb sein gebildet werden: ich bin gesessen, wir waren gelegen,
er ist gestanden usw. Ebenso bei kauern, hocken, schweben, knien, baumeln, lungern und bei
Zusammensetzungen mit diesen Verben, beispielweise daliegen, beistehen, vorliegen. Dieser
Gebrauch der Hilfsverben ist auch in Süddeutschland und der Schweiz standardsprachlich. Im
Syntax ist unter wenigen typischen Eigenheiten der mündliche und zunehmend auch schriftliche
oberdeutsche Gebrauch des Perfekts an Stelle des Imperfekts hervorzuheben.

Rektionsunterschiede im österreichischen Deutsch sind selten. Das Verb vergessen im


Sinnzusammenhang „vergessen etw. zu tun“ wird mit der Präposition auf kombiniert und durch
ein Substantiv ergänzt: Ich habe auf den Anruf vergessen (= ich habe vergessen anzurufen). In
anderen Bedeutungszusammenhängen gilt dies nicht: Ich habe ihren Geburtstag vergessen. Das
Verb präsidieren wird gewöhnlich mit einer Akkusativ-Ergänzung versehen: Er präsidiert die
Sitzung (= er präsidiert der Sitzung).

Gegenüber Deutschland gilt ein zum Teil abweichender oder zusätzlicher Gebrauch von
Präpositionen, z. B. er kommt auf : zu Besuch, sie gehen auf : in Urlaub, er macht eine Prüfung
aus : in Chemie, er hat auf : – den Geburtstag vergessen, wir bleiben für : – zwei Wochen, etw.
um : für 1 Euro kaufen/verkaufen, am : auf dem Friedhof, am : auf dem Prüfstand, über : auf
Antrag, über : auf Einladung, über : auf Bitten, über : auf Wunsch.

Wortbildung. Die Diminutivbildung erfolgt dialektal und umgangssprachlich auf


zweifache Weise, indem in Ost- und Südösterreich meist zum Ausdruck des Kleinen -(e)l und
mit persönlich-emotionalem Bezug -erl verwendet wird. Während schriftsprachlich meist -chen
und bei Wörtern auf -ch -lein gilt, z. B. Nachtkästchen, Fläschchen, Tüchlein. Formale
Diminuierungen ohne semantischen Verkleinerungsbezug sind Würstel, (Salat)häuptel
„Salatkopf“, Kipfel „Hömchen“, Krügel „halber Liter Bier“, Hendel „Huhn“, Brezel, Radel
„Fahrrad“. Ihre echten Diminuierungen werden dann mit -erl bzw. -(e)le gebildet. Solche feste
Austriazismen sind dann Sackerl „Tüte“, Zuckerl „Bonbon“, Weckerl „weckenförmiges
Gebäck“, Salzstangerl „längliches, mit Salz bestreutes Gebäck“, Schwammerl „Pilz“, Stamperl
,Schnapsgläschen“, Stockerl „einfacher Hocker aus Holz“, Marterl „Bildstock“, Pickerl,
„Autoprüfmarke“.

In der Wortkomposition wird bei Maskulina und Neutra vor allem nach den velaren
Konsonanten [g, k, х, ŋ] das Fugen-s häufiger als in anderen Zentren bevorzugt, so dass es
Abbruchsarbeit, Gesangsverein, Gelenksentzündung, Fabriksarbeit, Gepäcksnetz. Weitere
Komposite mit Fugen-s sind Rindsbraten, Schweinsbraten. Mit Fugen-s anstelle des Endvokals -
e (dt./schweiz. mit -e) wird bei folgenden Bestimmungswörtern ersetzt: aufnahmsfähig,
Aufnahmsprüfung, Ausnahmserscheinung, Ausnahmszustand, Übergabsprotokoll,
Übernahmsangebot usw.

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Ohne Fugenelement erscheinen: Abschreibposten, Tagblatt, Tragtasche. Bildungen mit
Advent als Bestimmungswort weisen grundsätzlich kein Fugen-s auf, z.B. Adventkalender.
Folgende Bildungen erhalten gekürzte Bestimmungswörter (dt./schweiz. mit Fugen-en):
Maschinschreiben, maschinschreiben, maschinschriftlich, strapazfähig, Schattseite, Sonnseite.

Im österreichischen Deutsch gibt es eine ganze Reihe von Affixoiden (Halbpräfixe und
Halbsuffixe). Besonders produktiv und reihenbildend sind folgende Affixoide:

-diener (Dienstleistender): Grundwehrdiener, Zivildiener.

-kaiser (mächtiger Politiker): Bezirkskaiser, Dorfkaiser.

-werber (Bewerber): Asylwerber, Beitrittswerber

-zuckerl (Vergünstigung, Anreiz): Lohnzuckerl, Wahlzuckerl.

Austro- (österreichisch): Austro-Krimi, Austrokatholizismus.

Wahl- (Adoptiv): Wahlkind, Wahltante.

Ebenfalls reihenbildend ist das Grundwort -fex (Bergfex, Sportfex).

Eine besondere Verbalableitung ist jene auf -ieren, so dass es röntgenisieren : röntgen,
strichlieren : stricheln, pulsieren : pulsen heißt.

Die Wortbildungsbestandteile -färbig, -hältig und -grädig stehen den unumgelauteten


Varianten der anderen Zentren gegenüber, -färbig: eier-, ein-, mehr-, vielfärbig usw.; -hältig:
eisen-, gift-, kofeinhaltig, stich-, vitaminhaltig usw.; -grädig (mit einer Zahl als Bestim-
mungswort): ein-, zweigrädig usw. aber: hochgradig.

Ein historisches Genitiv-s zeigt das Adverb durchwegs.

Andere Adverbbildung: heraußen/hier außen (dt. hier draußen, Schweiz, hier aussen),
herinnen/hier innen (dt. hier drinnen, schweiz. hier innen), heroben/hier oben (dt./schweiz. hier
oben), herüben (dt./schweiz. hier drüben) - entsprechend: herunten, hiebei/hierbei (dt./schweiz.
hierbei) - entsprechend: hiedurch, hiefür, hiegegen, hieher, hiemit, hievon, hievor, hiezu.

Wortschatz

Den auffälligsten Anteil am österreichischen Deutsch macht der Wortschatz aus.


Hinsichtlich des Umfangs des typisch österreichischen Wortbestandes verzeichnet Jakob Ebner
(1998) für Österreich auf dem auffälligen Gebiet des Wortschatzes rund 7000 Austriazismen.
Das macht einen Anteil der österreichischen lexikalischen Eigenheiten in der Schrift- und
Standardsprache von etwa 3% aus, oder anders ausgedrückt: auf einen Text von 100 Wörtern
entfallen durchschnittlich 3 Austriazismen, wobei freilich die tatsächlichen Verteilungen je nach
Inhalt und Sachgebiet schwanken.

Nicht aller zum österreichischen Deutsch zählender Wortschatz ist auf Österreich
beschränkt. Über solchen hinaus gibt es sowohl räumliche Grenzüber- als auch
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Grenzunterschreitungen. Hinsichtlich seiner Stellung im Rahmen der deutschen Sprache lässt
sich der österreichische Wortschatz nach seiner Verbreitung in fünf Bezeichnungs- und eine
sechste Bedeutungsgruppe gliedern (nach Ammon).

1. Oberdeutscher Wortschatz, der Österreich mit Süddeutschland und der Schweiz gegen Mittel-
und Norddeutschland verbindet, z. B. Bub : Junge, Orange : Apfelsine, Knödel: Kloß, Samstag :
Sonnabend, heuer : dieses Jahr, kehren : fegen u.a.

2. Bairisch-österreichischer Wortschatz auf Grund der gemeinsamen Stammesgrundlage bzw.


späterer Kulturbeziehungen zwischen Österreich und (Alt)bayern, z. B. Maut: Zoll, Kren :
Meerrettich, Kletze : Dörrbirne, Topfen : Quark u.a.

3. Gesamtösterreichischer Wortschatz. Er umfasst einerseits eine Fülle politischer,


verwaltungstechnischer, amtlicher und rechtlicher Terminologien, die in der staatlichen
Souveränität begründet sind, z.B. Nationalrat: Bundestag, Parlament: Bundeshaus,
Landeshauptmann : Ministerpräsident, Obmann : Vorsitzender (eines Vereins), Kundmachung :
Bekanntmachung, Ansuchen : Gesuch, Matura : Abitur.

4. Ost - und westösterreichischer Wortschatz. Metzger: Fleischhauer (älter Fleischhacker) und


Fasnacht : Fasching, meist handelt es sich um östliche Neuerungen, wie Rauchfang : Kamin.

5. Regionaler Wortschatz. Z. B. im ostösterreichischen Weinbaugebiet Weinbauer,


Weinhauer für den Winzer, Sturm für den gärenden Traubensaft, Heuriger für den
frischgegorenen neuen Wein. Hierher stellt sich auch Vorarlberg, das seine Eigenheiten vielfach
mit dem angrenzenden Allgäu und/oder der (Ost)schweiz teilt, wie schaffen : arbeiten,
Schreiner: Tischler, Lauch : Porree, Karfiol : Blumenkohl, Alpe : Alm, Arve : Zirbe (eine alpine
Kiefernart), Kilbi: Kir(ch)tag , Kirchweihfest', Bestattnis : Begräbnis.

6. In Österreich weisen eine Reihe von Bezeichnungen eine eigene oder eine über die
allgemeine deutsche Bedeutung hinaus gehende Zusatzbedeutung auf, wobei die Verbreitungen
den Gruppen 1-3 entsprechen, z.B. österr. Sessel ,einfaches Sitzmöbel mit Lehne' (dt. bequemes
gepolstertes Sitzmöbel), österr. Fauteuil ,bequemes gepolstertes Sitzmöbel'), österr. Pension
„Altersversorgung allgemein“ (in Deutschland nur der Beamten, sonst Rente), österr. Bäckerei
auch „süßes Kleingebäck“, Knopf auch ,Knoten', angreifen auch ,anfassen' u.a.

Zur Pragmatik

Die Ausdrucksweise (Pragmatik) in Österreich unterscheidet sich von der in Deutschland.


So geht man, wenn man krank ist, in Österreich zum Doktor, in Deutschland zum Arzt. Hat sich
in Österreich jemand den Fuß gebrochen, fährt ihn die Rettung ins Spital, während man in
Deutschland Bein, Krankenwagen, Krankenhaus sagt. Häufigen Sonderangeboten in
Deutschland stehen in Österreich verbilligte Waren in Aktion gegenüber. Wie teilweise auch
noch in Süddeutschland ist es in Österreich nicht üblich, beim Grüßen und bei der Anrede
gegenüber Bekannten den Namen zu verwenden. Dagegen gehört es in Österreich weiterhin zum
guten Ton, Höherangestellte und das auch in formellen Situationen – zu titulieren und den
erworbenen (Berufs)titel des Ehemannes auf die Frau zu übertragen. Unbekannte, höhergestellt
wirkende Herren werden gerne als Herr Direktor oder Herr Doktor angeredet, unbekannte
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Damen weiterhin mit verkürztem gnä(dige) Frau. Dass sich Österreicher besonders gegenüber
der meist kurz angebundenen norddeutschen Verhaltensweise liebenswürdig und wortreich, ist
auch ein pragmatischer Zug.

Die Vorliebe für Titel gehört zu den meistverbreiteten stereotypischen Vorstellungen von
den Österreichern in den anderen nationalen Zentren der deutschen Sprache. Es fällt nicht
schwer, Titel zu finden, die nur in Österreich existieren. Das berühmteste Beispiel ist der Hofrat,
der als Titel verdienstvoller Beamter der staatlichen Administration mit akademischer
Ausbildung auch nach der jüngsten Titelreform für Beamte fortbesteht.

Auffällige Unterschiede gibt es in den Formen des zwischenmenschlichen Kontakts, vor


allem bei Grüßen, militärischen Kommandos und Titeln.

Grüße: Grüß Gott! (= süddt., dt. guten Tag!, schweiz. Grüezi), Servus! (familiärer
Begegnungsgruß) (dt. Tag!, schweiz. Grüezi/Salü!), Servus! (familiärer Abschiedsgruß) (dt.
*Tschüß, schweiz. Tschau!/Salü!), Habe die Ehre! (veraltend) (Gruß gegenüber einer
höhergestellten Person) ohne spezifische dt./schweiz. Entsprechung), Ihr(e) sehr ergebene(r) (...)
(ehrerbietige briefabschließende Grußformel) (dt./ schweiz. Hochachtungsvoll), Küss die Hand!
(ehrerbietiger Gruß gegenüber einer Dame) ohne spezifische dt./schweiz. Entsprechung. Die drei
letztgenannten Grußformen sind in Österreich noch eher möglich als in Deutschland oder der
Schweiz, wo sie meistens nur noch ironisch wirken.

Militärische Kommandos: Habt acht! (dt. Stillgestanden!, schweiz. Achtung - steht!),


Ruht! (militärisch) (dt. Rührt euch!, schweiz. Ruhn!).

Manche Ausdrücke, auch viele aus den obigen Wortlisten, existieren auch im deutschen
und schweizerischen Standarddeutsch, werden aber in anderen Situationen verwendet. So ist z.B.
die (Gewichtseinheit Dekagramm „10 Gramm“ Bestandteil der naturwissenschaftlichen
Fachsprache während sie in Österreich für die alltäglichen Gewichtsangaben vor allem für
Lebensmittel üblich ist, z. B. in Kochrezepten oder beim Einkaufen. Gängig sind dabei dann die
Kürzel Deka (mündlich oder schriftlich) und dag (schriftlich).

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