Sie sind auf Seite 1von 11

Sommersemester 2011 8 M. J.

Kümmel

Altsächsisch

2. Synchrone Phonologie und Graphematik

2.1 Altsächsisch
2.1.1 Betonte Vokale
Kurz
i [ɪ] i u [ʏ] ü~[ʊ] u
e [e] e/ẹ/ė~e,ae [ɛ] ɛ/ę/e o [œ] ö~[ɔ] o
a [æ] ä~[a~ɑ] a
Lang
i [i:] ī u [y:] ǖ~[u:] ū
e,ie [e:/ɪɛ] ē/ẹ̄/ē ̇ o,uo [ø:/ʏœ] ȫ~[o:/ʊɔ] ō/ọ̄/ō̇
e,ei,a [ɛ:] ɛ̄/ę̄/ē ̄ [ɔ:] ɔ̄/ǭ/ō
o,a,ou,ao [œ:] ɔ̈~
a,e [æ:] ǟ~a [a:~ɑ:] ā
Diphthonge
ei ei [ɛi] eu~iu iu [ɪʏ~ɪu~eu] au au [œy~ɑu]
eo,io,ie io [ɪɔ>ɪɛ]

Die Umlautvarianten (jeweils linkes Allophon) sind in den frühesten Texten noch allophonisch,
werden später aber phonologisiert, jedoch auch mittelniederdeutsch sehr oft nicht geschrieben.
Langvokale werden nur selten durch Doppelschreibung oder ´ markiert. Die beiden kurzen e‐
Laute werden fast immer gleich geschrieben, müssen aber zumindest in den südlichen Dialekten
verschieden gelautet haben; ganz selten wird ae für das tiefere Allophon verwendet. 

Offene ɛ̄, ɔ̄ werden ganz überwiegend als e, o geschrieben, so fast immer im Hel. Für ō erscheint
aber auch a oder ou, selten ao, uo; für ē auch ei und a, selten ai, æ. Bei geschlossenem ē, ō haben
Hel. C, P meist ie, uo, oft auch Hel. V und Gen.; uo außerdem einige Glossen; sonst überwiegt e, o.
Die Schreibungen ie, uo kommen auch mnd. noch vor und stehen wohl überwiegend für reale
Diphthonge. ie fiel dann mit dem alten Diphthong io > ie zusammen, und beide wurden dann
spätas. (fast überall) zu ē monophthongiert, ebenso uo > ō.

2.1.2 Konsonanten
labial dental/alveolar (post)alveolar palatal-velar-glottal
Plosive Fortes p [p] p t [t] t k,c [k] k
Plosive Lenes b [b] b d [d] d g [ɡ] g
~ g,i [ɣ~ʝ~x]
Frikative f,ph [f] f th [θ] þ/ð s [s̺-z̺] s h [h~ç~x] h
~ ƀ,b,u,f [v] ~ th, đ, d [ð]
Approximanten uu [w] w i,g(i) [j-ʝ] j
Liquiden l [l] l r [r] r
Nasale m [m] m n [n~ŋ] n

Für [v] ist das Graphem ƀ in C (auch oft nachträglich korrigiert) und PV dominierend, sonst selten;
M und G haben normalerweise b, u ist in all diesen Hss. selten, sonst und später am häufigsten,
selten ist f.

Für [ð] im Inlaut gelten die folgenden Schreibungen „kleinere Denkmäler“ th; Hel..C th ~ đ (oft
nachträglich aus d korrigiert); P nur đ, überwiegend auch V und G; nur in Gen. III auch dh; M
einfaches d, nur selten đ oder th. Ebenso [θ] im Auslaut betonter Silben (aber th in CG häufiger als
Sommersemester 2011 9 M. J. Kümmel

Altsächsisch

inlautend). Nach unbetonten Vokalen dagegen wurde auslautendes đ wurde anscheinend früh zu
d bzw. mit Auslautverhärtung zu t. Daher Hel. M meist -d, seltener -t; C meist -t, seltener -d und
auch noch -đ; P nur đ, V selten auch d/t, G fast nur -t; sonst dominiert -d. Für diesen Fall wird in
den Flexionsparadigmen -D geschrieben.

Die Velare wurden vor Vordervokale zumindest dialektal allophonisch patalalisiert, was durch i
hinter dem Velar angedeutet werden kann. Das palatale g fiel wohl mit dem alten j zusammen, so
dass man für letzteres vor Vordervokalen meist g schreibt, manchmqal auch vor Hintervokalen gi.

2.1.3 Unbetonte Vokale


Das Altsächsische hatte wie die anderen „ingwäonischen“ Sprachen nur 4 Kurzvokale, urspr. /i, æ,
ɒ, u/ = <i>; <e, a>; <a, o>; <u>, dazu teilweise noch nasalierte Varianten ã, õ = <a>, <o,a> in den
Endungen der 3. Plural Präsens. Erst sekundär auch ‹e› für /i/, ‹o› für /u/ (vgl. Klein 1977 mit Lit.).
Davon weicht nur der Dialekt des westwestfälischen Übergangsgebiet zum Fränkischen ab, in dem
sich wie im Altniederfränkischen und im fränkischen Althochdeutsch 5 Kurzvokale i, e, a, o, u
finden.

Entsprechungen der unbetonten Vokale (Schreibungen) im Westgermanischen


„ingwäonisch“ i æ ? ã ɔ u
altenglisch anglisch i>e æ>e a u>o
altenglisch sächsisch-kentisch i>e æ>e e~a? a u>o
altfriesisch i~e e a u~o
altsäschsisch 1: „früh“ (M) i e (a) a (e) a o u
altsäschsisch 2: engrisch-ostfälisch i e a u
altsäschsisch 3: südwestfälisch (P,V,G) i a o u(>o)
altsächsisch 4: westwestfälisch (C) i e a o u(>o)
altniederfränkisch i~e e a o u~o
althochdeutsch i>e e a ā a o/ō u>o
Gemeinwestgerm. ī̆ ē̆ a ā aN ō̆ ū̆

2.2 Distribution und Phonotaktik

2.2.1 Stimmtonneutralisierung
In Konsonantengruppen findet in der Regel Stimmtonassimilation statt. Dabei richtet sich der
Konsonant eines Suffixes nach dem Stammauslaut. Bei sekundärem Kontakt durch Synkope hat
daher nach p, t, k, ff, ss das schwache Präteritalsuffix -t° und nicht -d°.

2.2.2 Auslautverhärtung
Schon voraltsächsisch waren die stimmhafte Frikative im Wortauslaut Auslaut stimmlos gewor-
den. Zahlreiche Schreibungen von t für altes d im Auslaut erweisen, dass diese Auslautverhärtung
im Altsächsischen auch für Plosive galt, zumindest nach unbetonten Vokalen; das Gleiche gilt
auch für b, g (die nur nach Nasalen vorkamen). Dennoch wird häufiger morphonologisch ge-
schrieben, d.h. der stimmhafte Laut anderer Formen steht auch im Auslaut.

Erst altsächsisch fand auch eine Art Auslautverhärtung im inneren Silbenauslaut statt: Für v er-
scheint nämlich vor folgendem n, l zunehmend f, und nach dem Mittelniederdeutschen galt ent-
sprechendes auch für frikativisches g. Für đ und d kann es nicht nachgewiesen werden.
Sommersemester 2011 10 M. J. Kümmel

Altsächsisch

3. Historische Phonologie
3.1 Konsonantismus

3.1.1 Die germanische Lautverschiebung


*T,Tʰ > *Þ; *D > *T; *Dʰ > *Ð/D
*p ʰ
( )
*t ʰ
( )
*k ʰ
( )
*b *d *g *bʰ *dʰ *gʰ
↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓
*f *þ *x *p *t *k *β/b *ð/d *ɣ/g
[ɸ > f] [θ] [x] [p] [t] [k] [β/b] [ð/d] [ɣ/ɡ]

Ausnahmen (wohl rückgängig gemacht): T nach *p > *f, *k > *x, *s; D vor Dʰ
Chronologie und Details sind umstritten, besonders die Frage, ob die germanischen Mediae pri-
mär Frikative oder Plosive waren.

3.1.2 Verners Gesetz


Traditionelle Deutung:
*Þ > Ð in stimmhafter Umgebung, außer a) im Anlaut und
b) wenn der vorhergehende Vokal idg. akzentuiert war

*f *þ *s *x

*f *þ *s *x *β *ð *z *ɣ

Ausnahmen im Anlaut unbetonter Partikeln, sicher jedenfalls bei *ga- < *ko(n)-; z wurde außergo-
tisch überall zu r, im Auslaut schwand es wgerm. (außer ahd. in kurzvokalischen Einsilblern).
Je nach Auffassung der Lautverschiebung wird auch angenommen, dass Verners Gesetz vor dieser
zu datieren sei, also vorgermanisch *pʰ, tʰ, kʰ > *bʰ, dʰ, gʰ oder (falls idg. *b, d, g nicht einfach
stimmhaft waren, sondern implosiv oder glottalisiert) *p, t, k > *b, d, g.

3.1.3 Medienspaltung
Phoneme /b/, /d/, /g/ > [b], [d], [ɡ] im Anlaut, nach Nasal und bei Gemination
> [β], [ð], [ɣ] sonst Æ Zusammenfall mit Verner‐Reflexen

Im Westgermanischen wurde später der dentale Frikativ in jeder Stellung zum Plosiv, im (südli-
cheren) Althochdeutschen alle Frikative in jeder Stellung. Umstritten ist, ob die Phonemspaltung
von primären Frikativen (so die traditionelle Annahme) ausgeht oder nicht eher von primären
Plosiven.

3.1.4 Nasalassimilation
Hinter unbetontem Vokal wurde n an vorangehende Obstruenten assimiliert; das Ergebnis der
Assimilation ist eine stimmlose Plosivgeminata (Kluges Gesetz): *TN > TT; *DN > DD > TT; hinter
langen Vokalen und Diphthongen wurde die Geminata dann vereinfacht.

Dadurch entstand in manchen Fällen ein Wechsel zwischen verschiedenen Obstruenten (konso-
nantischer „Stufenwechsel“); durch Merkmalsausgleich konnten weitere Varianten entstehen: *TT
~ *D Æ *DD ~ *D / *TT ~ *T, vgl. z. B. *knaban- ~ *knapp- Æ *knapan-, *knabb-
Sommersemester 2011 11 M. J. Kümmel

Altsächsisch

3.1.5 Westgermanische Gemination vor Resonant


C > CC /_$R
Nur im Oberdeutschen auch nach Langvokal (also V:C$R > V:C$CR) und Konsonanten (VN$CR >
VNC$CR), sonst überall nur nach Kurzvokal (also V̆ $CR > V̆ C$CR, aber V:$CR).
vor R = *j: alle Kons. außer r: *þakjan ‘decken’ > *þakkjan > as. thekkian; *kunja- ‘Geschlecht’ >
*kunnja- > as. cunni; *laidjan > *laid(d)jan > as. lēdian (ahd. leiten, leittan)
vor R = *l, r: nur *p, t, k: *aplu- ‘Apfel’ > *applu- > as. appul, ahd. apful; *utra- ‘(Fisch-)Otter’ > *ottra-
> as. ahd. ottar; *akra- ‘Acker’ > *akkra- > as. akkar, ahd. ackar (neben ahhar)
vor R = *w: nur *k: *nakwada- ‘nackt' > *nakkwad > ahd. nackot, as. Beispiele?
vor R = *n, m: fraglich

3.1.6 Frikativlenierung und Auslautverhärtung


Der velare Frikativ *x wurde schon gemeingermanisch vor Vokalen zum Hauchlaut [h], blieb aber
westgermanisch im Silbenauslaut als oraler Frikativ erhalten. Im Englischen und Friesischen
schwand der Hauchlaut im Inlaut früh, im Sächsischen später, am spätesten im größten Teil des
Hochdeutschen (im Südoberdeutschen ist es teilweise erhalten). Auch am Wortanfang vor l, r, n, w
schwand h als eigenes Segment, doch wurden die Resonanten stimmlos, und diese stimmlosen
Resonanten wurden mit hl, hr, hn, hw geschrieben, so dass das h erhalten scheint.

Im nördlichen Bereich des Westgermanischen (inkl. des Nordrands des Hochdeutschen) wurden
die übrigen stimmlosen Frikative f, þ, s im Inlaut zwischen stimmhaften Lauten ebenfalls stimm-
haft zu [v, ð, z], z. B. *ōfra > as. ōvar, afr. ōver, ae. ōfer, ahd.mfrk. ōvar* ‘Ufer’; *kweþan > as.
quethan/queđan, afr. quetha, ae. cweðan ‘sagen’. Diese Veränderung war nur allophonisch, auch
wenn beim Labial Zusammenfall mit dem frikativischen Allophon des alten *b eintrat (altes *d war
überall Plosiv). Im Nordgermanischen blieb dagegen der Sibilant s stimmlos, im südlicheren Alt-
hochdeutschen wurde zwar auch leniert, doch blieb die Lenis teilweise stimmlos (dort wurde der
dentale Frikativ wohl früh zum Plosiv d). Eine jüngere, parallele Lenierung auch der anlautenden
Frikative ging vom Süden aus und erfasste das frühe Altsächsische noch nicht, das Friesische und
Englische gar nicht.

Umgekehrt wurden im gleichen Gebiet die alten stimmhaften Frikative im Auslaut (z.T. auch im
Silbenauslaut) stimmlos, also [v] > [f], [ɣ] > [x], hier fielen also *b und *f sowie teilweise *g
und *h zusammen, z. B. *lauβa > as. lōf, afr. lāf, ae. lēaf, ahd.mfrk. louf ‘Laub’; *berɣa > as. berg, afr.
berch, ae. beorg, ahd.mfrk. berg ‘Berg’. Altsächsisch wird die Verhärtung bei g und đ meist nicht
geschrieben, da diese Grapheme auch für [x], [θ] stehen konnten (es gab keine eindeutigen ande-
ren Schreibweisen für diese Laute).

Auslautverhärtung auch der Plosive fehlt (teilweise oder nur graphisch?) im Englischen, wird aber
sonst im gesamten Gebiet durchgeführt (das Fehlen im modernen Englischen ist sekundär). Alt-
sächsisch wird sie auch schon öfter geschrieben, besonders wenn kein Einfluss von Inlautschrei-
bungen des gleichen Wortes möglich war.

Die niederdeutsche Verhärtung im inneren Silbenauslaut ist unabhängig davon und jünger.
Sommersemester 2011 12 M. J. Kümmel

Altsächsisch

3.2 Übersicht der germanischen Reflexe idg. Obstruenten


indogerm. urgerm. got. altnord. altengl. altsächs. ahd.
*b *p p p p p pf, ff
*b b b b b b~p
*bʰ
*β b/β, -f v, -f v, -f v, -f b
*p *f f f, -v- f, -v- f, -v- f>v

*d *t t t t t ts, ss
*d d d d d t
*dʰ
*ð d/ð, -þ ð, -þ d d t
*t *þ þ þ-, ð þ, -ð- þ, -ð- ð>d
*g̑/g *k k k k k k(x), xx
*g g g, -Ø g g g~k
*g̑ʰ/gʰ
*ɣ g/ɣ ɣ, j, -Ø ɣ ɣ g
̑
*k/k *x h h-, Ø h, -Ø- h, -x h, -x
*g̑w/*gw *kw q kv kw-, k kw-, k k(x)w-, xx
*b- b b b b b/p
*g̑ʰw/*g ʰ w
*gw gw gv g g g/k
*ɣw g/ɣ, w ɣ, v ɣ, w ɣ, w g/k, w
̑
*kw/*k w
*xw ƕ hv-, Ø hw-, h, -Ø- hw-, h w-, h
*s s s s, -z- s, -z- s>z
*s
*z z, -s r r, -Ø r, -Ø r, -(r)

3.3 Vokalismus der betonten Silben

3.3.1 Ur- und gemeingermanische Grundlagen


3.3.1.1 Aufhebung der a/o-Opposition
o ō oi ̯ ou̯
å>a å̄ > ō åi ̯ > ai ̯ åu̯ > au̯
a ā ai ̯ au̯

Æ frühurgerm. Vierecksystem
/i/ /u/ /ī/ /ū/ /ei ̯/ /eu̯/

/e/ /a/ /ē/ /ō/ /ai ̯/ /au̯/

Vgl. *nókʷtm̥ > *nahtun > as. naht ‘Nacht’; *mātḗr > *mōdēr > as. mọ̄der ‘Mutter’
*u̯ói ̯de > *wai ̯te > as. wę̄t ‘sie/er weiß’; *lóu̯kos > *lau̯haz > as. lǭh ‘Hain’
Aber Bewahrung von altem *ā vor (auslautendem) Nasal nach Kuryłowicz, Schrijver

3.3.1.2 Gemeingermanische Hebungen von e


a) eNC > iNC: *hrengaz ‘Ring’ (Æ finn. rengas) > *hringaz > an. hringr, ae. as. hring
b) *ei ̯ > *ii ̯ (wobei *ii ̯C =/> *īC): *bʰoi ̯déi ̯eti > *bai ̯tīdi > *baitīd > as. bę̄tid* ‘lässt beißen’
*bʰéi ̯deti > *bii ̯tidi > *bītid > as. bītid ‘beißt’
Sommersemester 2011 13 M. J. Kümmel

Altsächsisch

c) e > i vor folgendem ī,̆ j: 2. Sg. *beris > as. ahd. biris ‘du trägst’; 3. Sg. *welī > as. ahd. wili ‘will’;
*setjan ‘sitzen’ > *sitjan (an. sitia) > *sittjan > as. sittian
*neftiz > *nifti ‘Nichte’ [vor Synkope!] > an. nipt, ae. as. ahd. nift

3.3.1.3 Entwicklung von *Vŋx

*Vŋx > *Ṽx > *V̄̃h Æ (zunächst) nasalierte Langvokale ī,̃ ā,̃ ū̃

3.3.2 (Nord)westgermanische Entwicklungen


i u ī ī̃ ū ū̃

e o ē2    ē1 ō   

a ? ā ā̃
i, u > e, o vor folgendem a, ō, au (viele Ausnahmen bei i) außer vor NC:
*wiraz ‘Mann’ (lat. uir) > an. verr, as. ahd. wer : *kinþa ‘Kind’ > ahd. as. kind
*duxtēr ‘Tochter’ > an. dóttir, as. dohter, ahd. tohter : *sunuz ‘Sohn’ > as. ahd. sunu
*tungōn > as. tunga, ahd. zunga ‘Zunge’

*ē1 > ā: *jēra ‘Jahr’ > an. ár, as. ahd. jār; *slēpan > as. slāpan, ahd. slāfan ‘schlafen’
Neues *ē2 aus nicht ganz klaren Quellen (gedehntes *ĕ, Kontraktionen, gesenktes *ī?): got. her = as.
hẹ̄r ‘hier’, Prät. *leēt- > lẹ̄t ‘ließ’, *tīr° > as. tīr ‘Ruhm’ > *tẹ̄r° > ahd. ziara ‘Zier’

3.3.3 „Ingwäonische“ Entwicklungen

As. (wie afr. ae.) Neuentstehung urspr. nasalierter Langvokale ī,̃ ū,̃ ā ̃ durch Entwicklung von VnS >
V̄̃S: *finþan > *fīþan
̃ > as. fīthan ‘finden’ = ae. fīðan (ahd. findan); *fimf > *fīf̃ > as. ae. afr. fīf ‘fünf’
(ahd. finf); *uns > *̃ūs > as. ae. afr. ūs ‘uns’ (ahd. uns)
Bei ā ̃ Tendenz in Richtung ō,̃ as. schwankend ‹a,o›, ae. afr. Zusammenfall mit altem *ō: *anþer- >
*āþ̃ ær > as. āđar/ōđer ‘anderer’ = ae.ōðer, afr.ōther (ahd. ander); *gans > as. ae. afr. gōs (ahd. gans);
*ansu- > as. ōs-/ās- in Namen; ae. und afr. auch sonst bei *ā vor Nasal, as. nur allophonisch: as.
māno = ae. afr. mōna; bei kurzem *a nur allophonisch, ae. afr. hand ~ hond, as. in beiden Fällen nur
ganz selten ‹o›.

Tendenz zur Vorneverschiebung („Aufhellung“) von *a, *ā (außer vor Nasal) im As. nur sehr
schwach und rein phonetisch; anglofriesisch dagegen stark ausgeprägt und phonologisiert: *a > ae.
æ, fries. e (außer vor hinteren Vokalen): as. blad : ae. blæd, afr. bled; *ā > ae. ws. ǣ, inselnordfrie-
sisch ɛ̄ (partiell = *ai), ae. angl. kent. und sonst fries. > ē (= *ē): as. māg ~ mēg- ‘Verwandter’, ae. ws.
mǣg, angl. mēg, afr. mēch.

3.3.4 „Altdeutsche“ Entwicklungen


e > i auch vor folgendem ū:̆ *fehu, beru > as. fihu, biru (vgl. ae. fēo, beoru), *felu > as. filu
Aber: ahd. mëtu ‘Met’, dialektal auch (*)ë in 1. Sg., Hebung vielleicht doch nur analogisch übertra-
gen (Kümmel 2004)

i-Umlaut: "Primärumlaut" a > e [e] vor folgendem ī,̆ j; noch nnd.dial. ≠ altem ë [ɛ] ohne Umlaut
Æ 2 Phasen: 1. a > *ę; 2. *ę + ë > ẹ
*gasti ‘Gäste’ > *gęsti > gẹsti, spät geste
Den Umlaut (bzw. volle Hebung) verhindern as. h+l,n,s,t
Sommersemester 2011 14 M. J. Kümmel

Altsächsisch

Durch Zusammenfall mit altem *e wird dieser Umlaut früh phonologisiert, alle anderen erst später
durch Neutralisierungen in unbetonten Silben. Wie im Fränkischen und generell im Hochdeut-
schen fand der Umlaut relativ spät statt, im Gegensatz zum Anglofriesischen erst nach Synkope
von -i nach langer Silbe, daher gast und nicht †gest wie aengl. g(i)est, afr. iest usw.

Langvokale sind as. weitgehend unverändert, aber verbreitet Diphthongierung ē, ō > ie, uo, die
aber später meist wieder beseitigt wurde (s. oben). Anfrk. und hochdeutsch dagegen ist Dipthon-
gierung ē > ie, ō > uo (mnl., nnl. ie, oe, nnfrk. ī, ū) allgemein durchgeführt, am spätesten im Bairi-
schen.

3.3.4.1 Diphthonge

1. ai, au

As. generelle Monophthongierung: > ɛ̄, ɔ̄: brę̄d, ę̄ra, snę̄w-; bǭm, brǭd, hǭh
bewahrt im Hiat als ei, au: ei, hauwan; ei außerdem (sekundär?) bei Umlaut
Ahd./anfrk. nur partiell Monophthongierung: > (ae >) ę̄ vor r, h (nicht hh!), w: ēra, rēh, snēw-
(fehlt langobardisch) > (ao >) ǭ vor Dentalen (d, t, z, s, r, l, n) und h: brōt, hōh
sonst > ei, ou: breit, ei; boum, houwan

Anfrk. wechselt aber die Diphthongvariante mit Monophthongen ē, ō; nur umgelautetes ei scheint
immer Diphthong zu sein (wie auch im jüngeren Niederdeutschen).

Anglofriesisch vermutlich zuerst Dehnung > āi, āu, dann afr. Monophthongierung āi > ǣ (>ā/ɛ̄); āu
> ā; ae. āi > ā (umgelautet ǣ), aber āu > ǣu > ēa [æ:ə] (fällt später mit ǣ zusammen)

2. eu/iu
as. = anfrk. ahd.frk. eu > eo außer vor w, dagegen ahd. od. nur vor Dentalen und h (wie aisl.!)
as., frk. beogan, deop/deof/teof : od. biugan, tiuf (schwz. dial. tüüf/töüf, südbair. tuif/toif)
überall eo > io > (ia >) (11. Jh.) ie (> ē): keosan > kiosan > (kiasan >) kiesen

euw (unumgelautet) bleibt as. treuwa, hreuwan, aber ahd. > iuw: triuwa, riuwan

Anglofriesisch wie sächsisch eo ~ iu, danach afr. eo > ia, ae. > ēo [e:ə], kentisch > īo; iu afr. bewahrt,
ae. dialektal > ēo

3.3.5 Der „Sekundärumlaut“ (jüngerer i-Umlaut)


Unter gleichen Bedingungen wie „Primärumlaut“ a > e (s. oben), jedoch as. wegen des späteren
Schwundes von j erst später phonologisiert und auch nach Phonologisierung in der Regel nicht
geschrieben, selbst mnd. wird meist darauf verzichtet. Einzelne Fälle von ‹e› neben (langem) ‹a›, ‹e›
neben ‹o›, ‹i› neben ‹u› (wenn nicht Schreibfehler) sowie ‹ui, ue› zeigen aber schon as. graphische
Markierung des Umlauts.

a > ä (wo nicht schon „primär“): as. mahti [mæxtɪ] > mnd. mechte [mɛçtə]
u > ü: as. huldi ~ hildi [hʏldɪ] > mnd. hulde [hʏldə]
o > ö: as. nur analogisch wie in -hogdin [hœɣdin]
ā > ǟ (æ): as. cāsi [kʰæ:zɪ] > mnd. kase [kʰɛ:zə]
ō > ȫ (œ): as. bōsi [bø:zɪ] > mnd. bose [bø:zə]
ū > ǖ (iu): as. hūdi [hy:dɪ] > mnd. hude [hy:də]
ou > öü (öu): as. houwi [hœywɪ] >
iu > iü > ǖ (iu): as. liudi [lɪydə] > mnd. lude [ly:də]
ɛ̄ > ei überall (im Süden meist mit anderen Diphthongen zusammengefallen)
Sommersemester 2011 15 M. J. Kümmel

Altsächsisch

Der gleiche Umlaut auch im Althochdeutschen, wo er mhd. häufig auch geschrieben wird. Dage-
gen niederländisch heute sehr viel weniger verbreitet, vgl. kaas ‘Käse’ (analogisch beseitigt?).

3.3.6 Spätere Weiterentwicklungen


Schon im spätesten Altsächsischen fällt der Diphthong ie generell mit altem geschlossenem ē zu-
sammen (mnd. ê₄). Im Hauptgebiet spaltete sich ɛ̄ unter nicht ganz klaren Bedingungen in eine
höhere Variante (mnd. ê₂b) und eine tiefere (mnd. ê₂a) Variante. Erstere fiel mit ē (ê₄) zusammen,
letztere mit dem Umlaut von ā (mnd. ê₁); im Nordwesten des Nordniederdeutschen fielen diese
beiden Vokale dann auch noch zusammen. Dagegen gibt es im westlichen Westfälischen und dem
westlichsten Nordniederdeutschen sowie im Brandenburgischen keine Spaltung von ɛ̄. Branden-
burgisch fällt dieses mit umgelautetem ā zusammen, im Norden auch mit altem ē. Im Münsterlän-
dischen und Westmünsterländischen (außer dem Süden) fällt umgelautetes ā dagegen mit altem ē
zusammen, südlich und westlich davon nicht. Im Niederfränkischen fallen nur ɛ̄ und umgelaute-
tes ā zusammen, und ē und ō werden zu ī, ū gehoben. Der Umlaut von ɛ̄ (< *ai) wurde überall
diphthongiert zu ei, im Süden und in Mecklenburg fiel er dadurch entweder mit ē oder mit ɛ̄ zu-
sammen, die ebenfalls diphthongiert waren.

Im Ost- und Westfälischen (und in Mecklenburg?) gab es schon mnd. auch weitere Diphthongie-
rungen. Meist wurde der jeweils geschlossenste Vokal diphthongiert (also mnd. ô₁ sowie ê₄ und
ggf. ê₃); nur im Ostwestfälischen und Südwestostfälischen (Göttingisch) wurden gerade die offe-
nen Vokale (mnd. ô₂ und ê₂) diphthongiert; im Münsterländischen gilt dies für ô₂ und ê₁=ê₄ im
Gegensatz zu ê₂, so dass sich ausnahmsweise die alten Diphthonge nicht parallel entwickeln.
Später wurde auch in einigen Gebieten des Nordens die geschlossenen Vokale diphthongiert,
fielen aber nicht mit dem alten Diphthong (ê₃) zusammen. Eine schwächere Diphthongierung auch
der übrigen mittleren Langvokale ist in den modernen Dialekten auch sonst verbreitet.

Altes ā wurde überall zu [ɔ:] verschoben und fiel außer westfälisch und niederfränkisch mit ge-
dehntem a zusammen (s. gleich). Die hohen Langvokale blieben überwiegend stabil, im einem
großen Gebiet des modernen West- und Ostfälischen wurden sie aber häufig diphthongiert (ī > ei,
ui, ū > iu …).

Betonte Kurzvokale wurden in offener Silbe gedehnt und wahrscheinlich fallend diphthongiert;
die Diphthonge sind westfälisch erhalten, sonst aber bald wieder monophthongiert, jedoch mit
Senkung; diese war nordniederdeutsch sehr stark, so dass alle Höhenstufen zusammenfielen (da-
her ‹a› für gedehntes o). Ostfälisch fielen nur i=e, u=o und ü=ö zusammen, blieben aber von ɛ
und a getrennt. Im Niederfränkischen verlief die Entwicklung wie im Mittelfränkischen, es fielen
also nur e und ɛ zusammen, und die Kurzvokale wurden gesenkt. Noch vor der Dehnung in offe-
ner Silbe wurden Kurzvokale vor rd, rn gedehnt und fielen mit alten Langvokalen zusammen (die
sich vor r teilweise auf besondere Weise entwickelten); die Qualitäten blieben dabei genau wie bei
der jüngeren Dehnung getrennt. Vor sonstigem r + Konsonant waren schon spätas. alle hohen
Vokale gesenkt worden, danach wurde wie in offener Silbe diphthongiert, aber nicht gedehnt;
außer westfälisch entstanden daraus gesenkte Monophthonge. In begrenzterem Umfang wurden
auch Vokale vor ld gedehnt, vor allem a, das zudem überall zu einem (von altem o verschiedenen)
ɔ velarisiert wurde.
Sommersemester 2011 16 M. J. Kümmel

Altsächsisch

Hauptentsprechungen in den niederfränkischen und niederdeutschen Dialekten


as. mnd. w-nnd. nw-nnd. n-nnd. o-nnd. mckl. n-br. m/s-br. o/z-of. sw-of. o-wf. s-wf. ml. emsl. wml. nfrk. anfrk.
aii ê₃=ei ei>ai ei>ai ei>ai ei>ai ei>ai ei>ai ei>ai ei>ai ɛi ɛi ei>ai ei>ai ei>ɛi ei>ɛi ei>ai ei
ē/ie ê₄ ē ē>ɛi ē(>ei) ē>ei ē>ai ē ē>īə ē>ɛi ē>ɛi ɛ̄ ē ī ie
ɛ̄¹ ê₂b ɛ̄>ē ē>ɛi ē ē ei/ē
ɛ̄² ê₂a ɛ̄>ē ɛ̄>ē ɛ̄>ē ɛ̄>ē-īə ei>ai ei>ai
ā i
ê₁ ɛ̄ ɛ̄ ei>ai ē ē/ɛ̄ ē (āi)
ɔ̄ ô₂ ɔ̄ ɔ̄>ō ō(>ou) ɔ̄>ō ɔ̄>ō ō ɔ̄>ō ō-ūə ou>au ou>au ō>ɔu ou>au ō ō ō ō/ou
ō/uo ô₁ ō ō>ɔu ou ō>au ō>ūə ou>au ō>ɔu ō>ɔu ou>au ō ɔ̄ ū uo
ɔ̄i
ö₂̂ œ̄ œ̄ >ø̄ ø̄(>øy) œ̄ >ø̄ œ̄ >ø̄ ø̄ œ̄ >ē ø̄-ȳə øy>ɔi øy>ɔi ø̄>œy øy>ɔi ø̄ ø̄ ø̄ ō /oui
i

ōi/uoi ö̂₁ ø̄ œy ø̄>øy ø̄>ɔi ø̄>īə øy>ɔi ø̄>œy ø̄>œy øy>ɔi ø̄ œ̄ ȳ uoi
ā â ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ā
ī î ī ī ī ī ī ī ī ī,ei,oi ei,öi,ī ei,ui,ī ei,ui/ī ī ī ī ī ī
ū û ū ū ū ū ū ū ū ū ū ū ū ū
ū i
ü̂ ȳ ȳ ȳ ȳ ȳ ȳ ī ȳ ȳ ȳ ȳ ȳ
i ɪɛ ɛ̄ ɛ̄ ɛ̄ ɛ̄ ɛ̄ ɛ̄ ɛ̄ɐ ē-īə ē iə iə iə ē ɛ ē i
e ɪɛ ɛ̄ e
ɛ ɛɐ ɛ̄ ɛ̄ eə eə eə ? ɛ̄ ɛ
a aɐ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ ɔ̄ɐ ɔ̄ ɔ̄ ā ā ā ā ā ā a
o ɔɐ ō-ūə ō oə oə oə ō ɔ ɔ̄ o
u ʊɔ uə uə uə ō u
o i
œɐ œ̄ œ̄ œ̄ œ̄ œ̄ œ̄ ɛ̄ɐ ø̄-ȳə ø̄ öə öə öə ø̄ œ œ̄ oi
ui ʏœ üə üə üə ø̄ ui
Sommersemester 2011 17 M. J. Kümmel

Altsächsisch

3.4 Vokalismus der unbetonten Silben


Nach germanischer Festlegung des Akzents auf der ersten Silbe traten nach und nach Reduktionen
in den prinzipiell unbetonten End- und Mittelsilben auf.

3.4.1 Gemein- und Nordwestgermanische Entwicklung


3.4.1.1 Kurzvokale

*o = *a > *a (wie betont)


*a, e schwinden im absoluten Auslaut ohne weitere Wirkungen (keinerlei Umlaute)

Weitere Kontrastreduktion: nur unbetont *e=*i > *i, vgl.


3. Sg. Präsens *-eti > *-ið(i) > as. -id; Nom. Pl. *pōd-es > *fōtiz > an. fǿtr, ae. fēt ‘Füße’

Ausnahmen:
a) e > a vor r (jedoch nicht vor r + i): *upér > *uβar > ahd. obar; *upéri > *uβir(i) > ahd. ubir
b) vor ehemals folgendem *e/a/o? Nur ahd. unbetontes e neben i, aber nur dort, wo es analogisch
erklärt werden kann

(*o >) *a > (allophonisch) *o (> got. a, an. u, wg. o/u) vor folgendem u und vor -m?
Dat. Pl. run.*-umz, an. wg. -um gegen got. -am
Akk. Sg. der n-Stämme: *-onm̥ > *-anun > got. -an, as. ahd. -on/-un (aber an. ae. -an)

Gemeinnordwestgermanisch Assimilation von altem *-nz > *-n, danach Schwund auslautender
Nasale: *-anz > *-āz̃ > -ā ̃ usw.

*a/i/u schwinden auslautend sowie vor Nasalen und *z in auf unbetonte folgender Silbe, vielleicht
überhaupt in Endsilben nach unbetonter Silbe (Gegenbeispiele analogisch), vgl.:
Inf. *-onom > *-anan > *-an (= got. ae. as. ahd.) > an. afr. -a; analogisch Akk. Sg. *-an-an > urn. -ana >
got. an. afr. ae. as. ahd. -an
Nom. Pl. *-onm̥ > *-anun > got. -an, nicht †-anu (aber sunu usw.)
3. Pl. *-onti > *andi > *-and (= got.) > ahd. -ant ohne Umlautwirkung bzw. *-anþim > -anþ > as. -ađ

3.4.1.2 Langvokale und Diphthonge

Monophthongierung in unbetonten Silben: *ai, *au > ē, ō; (eu/iu bleiben aber)


Zu beachten: altes *ē bleibt unbetont erhalten, wurde aber vor Nasal gesenkt zu *ā
Nicht überlanges *ō wurde in Endsilben vor Konsonant gesenkt zu *ā (sonst > *ō)

Kürzung im absoluten Auslaut: *-ī, *-ē, *-ō > nwg. -i, -a, -u, aber got. -i, -a, -a
Urspr. durch Nasal, *-t, oder *-z gedeckte Vokale erhalten als *ī, *ē, *ā, *ō, *ū
Bei *-āN/-ōN und *-ās/-ōs jedoch je zwei Reflexe: *-ā/̃ -āz und *-ō/̃ -ōz, Verteilung unklar, nach
traditioneller Erklärung abhängig von Intonation oder Morenzahl, dagegen nach Schrijver (2003)
erhaltene Differenzierung von *ā und *ō im Gegensatz zu betonten Silben, vgl. *-ām > got. ahd. -a,
ae. -e : *-ōm > got. ahd. -o, ae. -a
Wichtig hierbei auch wgerm. *watar ‘Wasser’ < *watōr

3.4.2 Westgermanische und einzelsprachliche Entwicklung


3.4.2.1 Gemeinwestgermanisch

*ō > ū vor (sekundär) auslautendem -n: *tungōn(-) > *tungūn > as. tungun, ahd. zungūn ‘Zunge’
Sommersemester 2011 18 M. J. Kümmel

Altsächsisch

Schwund von a in Endsilben (vor Zusammenfall mit uridg. *-ē > nwgerm. -a, das bleibt)
Schwund von i, u außer nach kurzer Tonsilbe (ae. afr. nach, as. ahd. vor i-Umlaut!) bzw. zwei
kurzen Silben (dies praktisch nur für *-u < *-ō, da alte Kurzvokale schon vorher synkopiert):

*banki > as. ahd. banc, ae. benc ‘Bank’, *albi > ahd. alb, ae. ielf ‘Alb/Elf’; aber wini ‘Freund’, as. auch
slegi ‘Schlag’, beki ‘Bach’ (ahd. analogisch slag, bah)
*handu > as. hand, ahd. ‘Hand’, *swegru > ae. sweger, ahd. swigar ‘Schwiegermutter’, aber sunu
‘Sohn’, fihu ‘Vieh’, frithu ‘Friede’

Ähnlich Binnensilbensynkope von Kurzvokalen nur nach langer betonter Silbe (ahd. einge-
schränkt, aber vor Umlaut, daher "Rückumlaut" z.B. im Präteritum schwacher Verben):
*hauzidōn > as. hōrda ‘hörte’ (ahd. hōrta), mnd. hôrde zu hōren [hœ:ren], mhd. hœren; *sandidōn >
as. sande neben sende ‘sandte’ (ahd. sant(t)a zu sendian, mnd. senden
Dagegen *hulidōn > as. hulida ‘verhüllte’ (ahd. hulita) zu hullen, mhd. hüllen
analogisch auch Synkope in *lagidōn > as. lagde ‘legte’ (gegen ahd. legita) zu leggian ‘legen’

Entnasalierung: *-ā,̃ -ō̃ > *-ā, *-ō


Kürzung im abs. Auslaut (vor Schwund von *-z) -ī, -ē, -ā, -ō, -ū > wgerm. ahd. -i, -e, -a, -o, -u
Vor ehemaligem -z blieben ō, ā: *-ōz > -ō im Gen. Sg. der u-St. (ahd. Reliktform fridoo),
*-āz > -ā im Gen. Sg., Nom. Pl. der ā-St.; aber *-īz > -i, langes -ī nur analogisch
3.4.2.2 Altsächsisch

Frühe Kürzung aller Langvokale, ebenso wahrscheinlich generell im Fränkischen.

Das könnte Ihnen auch gefallen