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DEUTSCHE SPRACHGESCHICHTE

Themenbereich: Frühneuhochdeutsch
WO STEHEN WIR?
➤ AHD
➤ MHD

➤ weiß (witt) <> weise (wîse)


➤ (ver)ehren (die Ehre) <> die Ähre <> die Ära
ABLAUF
➤ Wiederholung der Kriterien
für Periodisierung
➤ Abgrenzung des
Frühneuhochdeutschen
➤ Kulturhistorischer
Hintergrund
➤ Luther und die deutsche
Sprache
➤ Vertiefungsphase: Lektüre
➤ Abschlussdiskussion
PERIODISIERUNG - ABER WIE?
➤ Einteilung in zwei Gruppen (?)
➤ innersprachliche Kriterien: v. a. lautliche Kriterien, aber
auch andere sprachtypologische Kriterien;
soziolinguistische Kriterien, z. B. die Varietäten und ihr
Verhältnis zueinander, die Rolle fremder Sprachen und ihr
Einfluss auf das Deutsche, also allg. Sprachkontakte
➤ außersprachliche Kriterien: v. a. historische,
sozialgeschichtliche, ökonomische und kulturelle Faktoren
VORAUER NOVELLE, V. 441-444
➤ MHD:
[…] sîn vriunt der gesunde, 

er sprach ûz wîsem munde: 

'vil herzenlieber vriunt mîn, 

êre got und trôste die sêle dîn...

➤ NHD: Übersetzung
[...] sein gesunder Freund, er sprach aus weisem Munde [auf
weise Art]: 'Mein herzliebster Freund, preise Gott und tröste die
Seele dein...
INNERSPRACHLICHE KRITERIEN: LAUTWANDEL
➤ Mitteldeutsche
Diphtongierung
➤ mhd. Langvokalen /
i:/, /u:/, /y:/
entstehen die
schließenden
Diphthonge /
ae/, /oi/, /ao/
➤ mîn hûs hât miuse–
mein Haus hat Mäuse
INNERSPRACHLICHE KRITERIEN: LAUTWANDEL
➤ Was passierte vom MHD zum FNHD bei den folgenden
Wörtern?
➤ zît, wîp, lîp, rîch, mîden, hûs, krût, mûs, lûter
Zeit, Weib, Leib, reich, meiden, Haus, Kraut, Maus, lauter
➤ bluot, buoch, muot, ruom, suochen, güete, küen, rüeren, küele
➤ Blut, Buch, Mut, Ruhm, suchen, Güte, kühn (dreist), rühren, kühl
➤ Soest, Hueber
INNERSPRACHLICHE KRITERIEN: LAUTWANDEL
➤ Mitteldeutsche Monophtongierung
➤ aus den mhd. öffnenden Dipththongen /ie/, /ye/, /uo/
entstehen die Langvokale /i:/, /y:/, /u:/
➤ mhd. liebe guote brüeder – fhd. liebe gute Brüder
➤ Nur im Falle von /ie/ wurde die mitteldeutsche Schreibung
beibehalten
➤ Verbreitung in Ostmitteldeutschland (!)
➤ Hueber, Soest, -ie; <> Goethe
WENN DIE AUSSPRACHE WICHTIG WIRD…
➤ der Weg, weg, gut, ab, Mut, rot, Klug, ob, Lob, Tat, Tag, was,
Ofen, offen, tot, Tod, oft, Blut, Rum, Grab, Lid, Sud, Nil, den,
Not, Ruß, die Sucht, suchen, der Schal, der Schall, schal,
bieten, bitten, kiffen, die Kiefer, der Rum, der Ruhm, die Säge,
der Segen, der Bär, die Brombeere, das Obst, der Stil, der Stiel,
still, die Muse, das Mus, der Schoß, die Silbe, die Hochzeit
WENN DIE AUSSPRACHE WICHTIG WIRD

➤ Zur Wiederholung: i.d.R.


➤ Offene Tonsilben: lang (sá.gen)
➤ Auf zwei oder mehrere Konsonanten auslautende Tonsilben: kurz
(Most)
➤ Auf nur einen (gesprochenen) Konsonanten auslautende Tonsilben:
meist kurz (was, dass, Wasser); Ausnahmen (!) (wem, mir,…)
INNERSPRACHLICHE KRITERIEN: LAUTWANDEL
➤ Vokaldehnung (von Nord nach Süd)
➤ kurze Vokale in offenen Silben und in einsilbigen Wörtern vor m, n, l, r
werden gedehnt
➤ ha-ben, ge-ben, gi-bel, wo-nen, tu-gent > haben, geben, Giebel, wohnen, Tugend
➤ im, den, wol, ir > ihm, den, wohl, ihr
➤ Kennzeichnung der Langvokale ist uneinheitlich, normalerweise wird
nicht markiert, teilweise durch Doppelschreibung oder Längungs-e
(Giebel)
➤ die Dehnung wurde auch in zweisilbigen Flexionsformen durchgeführt,
z. B. tac – tage, weg – wege
➤ Analoge Übertragung auf die einsilbigen Formen in geschlossenen Silben
> Tag, Weg
INNERSPRACHLICHE KRITERIEN: LAUTWANDEL
➤ Mitteldeutsche Vokalkürzung
➤ Wegen Dehnung in betonten offenen Silben entsteht
Gegentendenz: Kürzung in betonten geschlossenen Silben
➤ mhd. brâh.te > fnhd. brachte
➤ Manchmal sogar Kürzungen in betonten offenen Silben:
➤ mhd. wâ.fen > fnhd. waffen
➤ Standarddeutsch basiert größtenteils auf Ostmitteldeutsch >
Erhalt dieser Kürzungen
➤ Längen und Kürzen im FNHD an Silbenstruktur gebunden;
nur teils Markierung in der Orthographie (heute noch
uneinheitlich (Los, Moos, Soest, froh)
INNERSPRACHLICHE KRITERIEN
➤ Lautwandel
➤ Frühneuhochdeutsche Diphtongierung
➤ Mitteldeutsche Monophtongierung
➤ Vokalveränderungen: Vokaldehnung/-kürzung
➤ Lexikalischer Wandel
➤ Morphologischer Wandel: Einheitlichere Endungen; Ausgleiche (Stedje S.
167)
➤ Syntaktischer Wandel:
➤ Orientierung am Lateinischen: lange, komplexe Satzgefüge (Schachtelsätze)
➤ Verbzweitstellung ausgeprägt; Satzklammer noch nicht Regel:
Er mus dencken an ein vas voll Bier (Luther)
> Er muss an ein Fass voll Bier denken.
INNERSPRACHLICHE KRITERIEN: LEXIKALISCHER WANDEL
➤ Welle des Humanismus:
➤ Lateinische Wörter: ‚Mach Latein aus deutschen Wörtern wie
Mist und Gabel - um gelehrt zu erscheinen‘ > Mischsprachen
➤ Griechische Wörter (oft durch Latein):
➤ Monatsnamen, diverse Bereiche
➤ Romanische Lehnwörter
➤ Neue deutsche Wörter: Lehnübersetzung/-übertragung;
Abstrakta auf -ung, synonyme Doppelung:
➤ Abbildung, Belohnung, Verfolgung
➤ schnell und behend, Testament und letzter Wille
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Ostermonat Heumonat
Eismonat

Hornung
Christmonat

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Lenzmonat
Erntemonat

Nebelmonat

Brachmonat/ Weinmonat Wonnemonat


Sonnwend
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Immatrikulieren
Kommilitone
Akademie
Katarrh
Infanterie Testament
Multiplizieren
Armada
Student Arrest Testament

Kanone Patient
Brigade
Bombe
FRÜHNEUHOCHDEUTSCH: BASISINFORMATIONEN
➤ 1350-1650
➤ Jüngste Stufe des Neuhochdeutschen
➤ lange Zeit nicht als eigenständige Sprachstufe angesehen, sondern
lediglich als Übergangsphase zwischen Mhd. und Nhd.
➤ viele Sprachentwicklungen finden in den verschiedenen
Dialektgebieten zum Teil zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten und
unterschiedlich ausgeprägt statt, so dass die Festlegung auf einen
Zeitraum bzw. eine Binnengliederung sehr schwierig ist
➤ v. a. die Abgrenzung zum Nhd. hin ist sehr schwierig ! 1650 wird
angesetzt, da zu dieser Zeit sprachliche Ausgleichsprozesse zwischen
mehreren Sprachlandschaften relativ weit fortgeschritten sind; hierin
spielen die in der Folge der Ostkolonisierung entstandenen
Mischmundarten eine wichtige Rolle
ÄUßERE KRITERIEN
HISTORISCH-SOZIALER HINTERGRUND
➤ Verbreitung des Deutschen:
➤ keine Veränderung des deutschen Sprachgebietes; immer
noch Konglomerat von Dialekten
➤ Noch 1538 klagte Luther beim Mittagessen, ein Student in der
Tischrunde hat es aufgezeichnet: „Es sind aber in der
deutschen Sprache viel Dialecti, unterschiedne Art zu reden,
daß oft Einer den Andern nicht wol versteht, wie Bayern
Sachsen nicht recht verstehen, sonderlich die nicht gewandert
sind. – Ja, die Leute können in 30 Meilen Weges einander nicht
wol verstehen.“
➤ Siehe Luthers Tischreden. Lauterbachs Sammlung B, Nr. 6146
(Stedje S. 146)
AUF DEM WEG ZUM STANDARD - VERTIKALISIERUNG
➤ Behinderung des Textverständnisses durch sprachregionale
Unterschiede
➤ Lösungen:
➤ Doppelung von Heteronymen als Lösung? vgl. schnell und behend
➤ Vertikalisierung: Variantenauswahl - aber wie, ohne
Prestigevarietät? <> Italien (Florenz), Spanien (Kastilien),
Frankreich (Paris)
➤ In der Nahsprache bleiben Heteronyme bestehen.
➤ Faktoren:

Geltungsareal Landschaftskombinatorik Geltungshöhe


MONOSEMIERUNG
➤ mono + sem
➤ Reduktion des Bezeichnungsbereichs eines Lexems
➤ Beispiel: abenteuer (von 17 auf 4 Bedeutungen), essen
(ursprünglich auch für Tiere verwendet)
➤ Heteronymie und Monosemierung: Ursprüngliche Synonyme
verschieben ihre Bedeutung
➤ gleich ≠ ähnlich
➤ befremden ≠ verwundern
➤ Anfall ≠ Zufall
➤ fantastisch ≠ albern
HISTORISCH-SOZIALER HINTERGRUND
➤ Beginn der sprachlichen Einigung:
1. Bedeutung der Kanzleien
2. Papier und Buchdruck
3. Die großen Schreibsprachen
4. Luthers sprachliche Bedeutung
„MAN MUSS JA MAL DEUTSCH MIT EUCH REDEN, IHR
SCHLANGEN UND OTTERNGEZÜCHT…..“
Von Pontius zu Pilatus laufen Jemand mit wenig Vertrauen, von Zweifel niedergedrückt

Jemand, der schadenbringende Absichten durch ein harmloses


Auf Herz und Nieren prüfen
Auftreten zu tarnen versucht
Im Dunkeln tappen jemand, der andere zu einem schlechten, oft verbrecherischen
Zweck ködern soll; der Köder
Auf Sand bauen
Jemand mit einer bösen Zunge
Lückenbüßer
einer Sache gründlich/genau nachgehen
Lockvogel Schuldbewusstsein/Reue empfinden

Lästermaul (lästern <> lästig) Keine Ahnung haben

Kleingläubig jemand, der für etwas Bestimmtes in letzter Minute als Ersatz
angefordert wird
Gewissensbisse haben
einen Plan auf unsicheren Grundlagen verwirklichen; / sich auf
Wolf im Schafspelz etwas höchst Unsicheres verlassen haben

Anderen nicht zeigen, was man kann


Auf eigene Faust
viele nutzlose Gänge zu Ämtern oder Personen
Sich unter den Scheffel stellen
selbstständig, von sich aus
4. LUTHER UND SEINE BEDEUTUNG FÜR DIE SPRACHE
4. LUTHER UND SEINE BEDEUTUNG FÜR DIE SPRACHE
➤ Keine Erfindung einer neuen Sprache, sondern Belebung der sächsischen
Kanzleisprache: Übernahme von Rechtschreibung, Lautstand, Formen
und Wortwahl, aber NICHT „lateinischen“ Satzbau und Wortbildung
➤ mittel- und niederdeutsche Varianten vor oberdeutschen (siehe Zitat)
➤ Einführung neuer Fremdwörter und Neologismen (Übung)
➤ Verwendung von einfühlenden Modalpartikeln
➤ Bildhafte Ausdrucksweise: Metaphern, Redensarten, Sprichwörter
(Übung)
➤ Verwendung weniger Fremdwörter; Schriftkultur geprägt von Hörkultur
➤ relativ geregelte Großschreibung
➤ Ziel: der „einfache Mann“ soll die Bibelübersetzungen verstehen:
„Luther in Kiel oder in Konstanz hätte sich


sprachlich schwergetan, wäre
wahrscheinlich gescheitert. Das mittlere
Deutschland hatte Brückenfunktion, das
östliche Mitteldeutsche in sprachlicher
Hinsicht damals noch mehr als das
westliche.“ (Prof. Werner Besch)
LUTHERS SPRICHWÖRTER: BRINGE SIE IN DIE RICHTIGE REIHENFOLGE
➤ Hinein, andern, Grube, fallen, graben, eine, wer, selbst
➤ Schaden, werden, klug, man, durch
➤ Vor, der Hochmut, der Fall, kommen,
➤ Kein, ein Arsch, verzagt, kommen, kein fröhlicher Furz, aus
„Man muß nicht die Buchstaben in der
lateinischen Sprache fragen, wie man soll


Deutsch reden, wie diese Esel tun,
sondern man muß die Mutter im Hause,
die Kinder auf der Gassen, den gemeinen
Mann auf dem Markt darum fragen und
denselbigen auf das Maul sehen, wie sie
reden, und darnach dolmetschen; da
verstehen sie es denn und merken, daß
man deutsch mit ihnen redet.“
DIE DEUTSCHEN BIBELÜBERSETZUNGEN
➤ Handschriften: Schon in ahd. Zeit und verstärkt seit 1300
Übersetzungen einzelner Bibelbücher; erste bekannte ÜS
wohl in der letzten Hälfte des 14. Jh.
➤ Erste gedruckte Bibel 1466 bei Johannes Mentel in Straßburg
mit Vulgata (lat. Bibel) als Urtext
➤ 1522: Luthers Übersetzung mit griechischer und hebräischer
Bibel als Urtext
➤ Luthers Schriften machten zu Beginn des 16. Jh. einen
Großteil der deutschen Drucke aus; Bibelübersetzungen von
1522, 1534 und 1545 als Verkaufsschlager
VERGLEICH: PSALM 23
➤ Johannes Mentelin (1466):
➤ „Der Herr der regieret mich und mir gebrist nichts: und an
der stat der weyde da saczt er mich. Er hat mich gefuret auff
dem wasser der widerbringung.

➤ Luther Bibel (1534):


➤ „Der Herr ist mein Hirte, Mir wird nichts mangeln. Er weidet
mich auff einer grünen Awen, Vnd füret mich zum frisschen
Wasser.“
LATEIN UND DEUTSCH
➤ Humanismus als Strömung aus Italien im dt. Sprachgebiet
➤ Renaissance der antiken Kultur
➤ Festigung der Stellung des Latein, aber auch (!) Erneuerung
der dt. Sprache
➤ Bereicherung von Wortschatz und Syntax; Interesse an
eigener Muttersprache wächst (>Sprachgesellschaften)
➤ Latein als Sprache in Schulen, Wissenschaft, Liturgie; v.a. als
Schriftsprache (1570: 70% des Buchdrucks); 1687 erste
Vorlesungen auf Deutsch
1. DIE BEDEUTUNG DER KANZLEIEN
➤ Lokale Schreibtraditionen in den Kanzleien der Städten:
Vermeidung lokaler Mundartmerkmale
➤ Streben nach verwaltungs- und verkehrsmäßiger Einigung
zwecks Handelsverbindungen
➤ Sukzessive Annäherung der Schreibsprachen
➤ Vorbilder: Wiener und Sächsische Kanzlei
2. PAPIER- UND BUCHDRUCK
➤ Ende des 14. Jh.: Übergang von Pergament zu
Papier (billiger!)
➤ Anstieg der Handschriften aufgrund der
fabrikmäßigen Produktion
➤ Erfindung des Buchdrucks in Europa
(Johannes Gutenberg; ca. 1450)
➤ Erste Drucke mit mundartlicher Färbung,
zunehmende Orientierung an
Kanzleisprachen
➤ Effekt: Vereinheitlichung von Orthographie
und Sprachformen
➤ Ende des 16. Jh. Beinahe ausschließlich
Drucke im Ostmitteldeutschen oder
3. DIE 5 GROßEN SCHREIBSPRACHEN UM 1500
➤ Mittelniederdeutsche Schreibsprache
➤ Kölner Schreibsprache: Orientierung am niederdt. Raum
➤ Ostmitteldeutsche Schreibsprache
➤ Südöstliche Schreibsprache
➤ Südwestliche Schreibsprache

Kanzleisprachen und Schreibsprachen ebnen den Weg


zur Standardsprache
DEUTSCHE PROSALITERATUR
➤ Verwaltung und Handel: Deutsche Akten und Urkunden
➤ Wissen: Schul- und Unisprache Latein, aber deutsche
Lehrbücher
➤ Lebensbeschreibungen von Heiligen, Predigten und
didaktisch-moralische Schriften
➤ Unterhaltung: Volksbücher (Till Eulenspiegel, Die
Schildbürger), Volkslieder
➤ Meinungsbildung und Nachrichtenvermittlung:
Flugblätter (vgl. Nürnberger Flugblatt, Hans Sachs; Stedje S.
158)
EXKURS:
ORTHOGRAPHISCHER
WANDEL
ENTWICKLUNG DER GROßSCHREIBUNG
➤ kann vom Althochdeutschen bis zum Frühneuhochdeutschen grob
(Überschneidungen!) in zwei Phasen gegliedert werden:
➤ Von den ersten schriftlichen Quellen des Althochdeutschen bis ins
17. Jahrhundert: allmähliche Ausweitung des Gebrauchs von
Großbuchstaben und der darin begründeten Entwicklung von
Schreibnormen feststellen.
➤ Ab der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts: allmähliche Kodifizierung
dieser Schreibnormen bis zur Entwicklung umfassender Regelwerke
hinreicht.
➤ Besonderheit der deutschen Sprache: Zusatzmarkierung ohne lautliche
Entsprechung: pragmatisch-textual>syntaktisch>grammatisches
Prinzip
➤ Vergleich zu anderen Sprachen (?)
GROßSCHREIBUNG IM ALTHOCHDEUTSCHEN
➤ In althochdeutscher Zeit wurde fast ausnahmslos in Minuskeln
(Kleinbuchstaben) geschrieben. Großbuchstaben konnten jedoch z.B.
in Form von Schmuckinitialen vorkommen.
➤ Die für diese Zeit typische Schriftart ist die Karolingische Minuskel.
➤ Hervorhebung des Textbeginns:
➤ Ersatz der Interpunktion:
➤ vgl. St. Galler Vaterunser
➤ Auch untergeordnete Nebensätze:
Es begab sich aber zu der zeit
Das ein Gebot von dem Kaiser (…) ausgieng
(Luther-Bibel von 1545, Lukas 2,1)
GROßSCHREIBUNG IM MITTELHOCHDEUTSCHEN
➤ vermehrter, jedoch noch ungeregelter Gebrauch von Majuskeln.
➤ besonders im Falle von Eigennamen und zur Kennzeichnung von
Satz- und Zeilenanfängen mit gewisser Häufigkeit verwendet.
➤ Variation von Groß- und Kleinschreibung von Satz- oder
Zeilenanfängen selbst innerhalb eines Text variieren (mal groß,
mal klein); auch bestimmte Wörter mitten im Satz groß
geschrieben.
➤ Beispiele für Großschreibung (unregelmäßige Tendenzen):
➤ Schmuckinitialen, Folgeinitialen, Lombarden
➤ Am Beginn eines Satzes, Verses, einer Strophe
➤ Majuskel als (semantische) Hervorhebung
ENTWICKLUNG DER SUBSTANTIVGROßSCHREIBUNG IM FRÜHNEUHOCHDEUTSCHEN

➤ Durchsetzung im Laufe des 16. /17. Jahrhunderts, mit Ausnahmen bis ins 18. und 19.
Jahrhundert
➤ zunächst Großschreibung von Eigennamen; nach und nach auch Titel (z.B. Babst, Kayser,
Churfursten, usw.), weitere Personenbezeichnungen und Kollektivbegriffe (z.B. Apostel, Mensch,
Münch, usw.).
➤ Weiterhin Wörter, die etwas Verehrungswürdiges (vor allem aus dem religiösen Bereich)
bezeichnen oftmals mit Majuskel am Wortanfang geschrieben (z.B.: Evangelium, Christ,
Sacrament, usw.)
➤ Prinzip der Hervorhebung (Zählbarkeit, Individualität, Belebtheit, Ehrerbietung).
➤ Bei den sog. nomina sacra verwendet man des Öfteren auch mehrere Majuskeln in einem
Wort (z.B. AMEN, GOTT, HErr). Dies erfüllte die Funktion der erweiterten
Hervorhebung und ggf. auch die der Differenzierung.
➤ Schnelle Entwicklung der Substantivgroßschreibung im Verlaufe der frühneuhochdeutschen
Zeit: Während 1532 nur Eigennamen und Substantive die einen hohen Rang bezeichnen
(wie z.B. König, Fürst) groß geschrieben wurden, lässt sich vom Jahre 1540 sagen, dass etwa
80% der Substantive, die keine Eigennamen sind, ebenfalls groß geschrieben wurden.
HEUTIGE REGELN ZUR GROßSCHREIBUNG
➤ Substantivierungen, besonders nach Artikel und Präposition: im Allgemeinen, der
Einzelne, als Zweiter, das Gleiche, des Weiteren, zum Ersten …
➤ unflektierte Substantive nach Präpositionen: auf Deutsch, in Schwarz, für Groß
und Klein …
➤ Paarformeln: Jung und Alt >(alle jungen und alten Menschen), Arm und Reich …
➤ Tageszeiten nach „gestern“, „heute“, „morgen“: gestern Abend, heute Früh,
morgen Mittag …
➤ Adjektive in Eigennamen: die Dritte Welt, der Zweite Weltkrieg, der Heilige
Abend, die Vereinten Nationen, ..
➤ das Anredepronomen „Sie“ und das entsprechende Possessivpronomen „Ihr“: Ich
würde Sie, Frau Müller, gerne zum Parkplatz begleiten. Ist der erste Wagen in
dieser Reihe Ihr Auto?
➤ Binnenmajuskel: BahnCard, StudentInnen, …
➤ etwas Großes; das Große
DIE SCHILDBÜRGER
➤ erschien 1597 erstmals unter
dem Titel Das Lalenbuch.
Wunderseltsame, abenteuerliche,
unerhörte und bisher
unbeschriebene Geschichten und
Taten der Lalen zu Laleburg;
➤ bekannt wurde die zweite
Ausgabe von 1598 mit dem
Titel Die Schiltbürger
➤ mehrere Autoren sind als ihr
Urheber im Gespräch, u. a.
Friedrich von Schönberg.
DIE SCHILDBÜRGER
➤ Inhalt: Die Bürger Schildas waren
gemeinhin als äußerst klug
bekannt, weswegen sie begehrte
Ratgeber der Könige und Kaiser
dieser Welt waren. Da die Stadt auf
diese Weise langsam, aber sicher
entvölkert wurde, verlegte man sich
auf eine List: Die Schildbürger
begannen sich dumm zu stellen, so
dumm sogar, dass sie anfingen, jede
Aussage, auch Metaphern, wörtlich
zu interpretieren. Dies war so
erfolgreich, dass sie mit der Zeit in
ihrer Dummheit verblieben und
dafür genauso bekannt wurden wie
ehedem für ihre Klugheit.
WAS MARKIERT DIE
FRÜHNEUHOCHDEUTSCHE PERIODE?
ZUSAMMENFASSUNG
➤ lange Zeit nicht als eigenständige Sprachstufe angesehen, sondern lediglich als
Übergangsphase zwischen MHD und NHD; Abgrenzung zum NHD sehr schwierig
➤ keine Veränderung des deutschen Sprachgebietes
➤ Innere Abgrenzung zum MHD: u.a.
➤ neuhochdeutsche Diphthongierung und Monophthongierung
➤ Dehnung von Kurzvokalen
➤ morphologische und syntaktische Tendenzen des Mhd. setzen sich im Frühnhd. durch, z.
B. Umbau der nominalen Flexionsparadigmen
➤ Ausbau der Tempus-, Modus- und Passivperiphrasen

➤ Entstehungsprozess der deutschen Standardvarietät wird in frühnhd. Sprachepoche eingeleitet


➤ von entscheidender Bedeutung für den Ausgleichsprozess sind u. a. Städte, Kanzleien,
Sprachgesellschaften, Grammatiker, Buchdruck und Luthers Bibelübersetzung
➤ es entwickeln sich überregionale Schreibsprachen (z. B. Druckereisprachen,
Kanzleisprachen), die wichtige Voraussetzung für Herausbildung des Standards bilden

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