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Themenbereich: Frühneuhochdeutsch
WO STEHEN WIR?
➤ AHD
➤ MHD
➤ NHD: Übersetzung
[...] sein gesunder Freund, er sprach aus weisem Munde [auf
weise Art]: 'Mein herzliebster Freund, preise Gott und tröste die
Seele dein...
INNERSPRACHLICHE KRITERIEN: LAUTWANDEL
➤ Mitteldeutsche
Diphtongierung
➤ mhd. Langvokalen /
i:/, /u:/, /y:/
entstehen die
schließenden
Diphthonge /
ae/, /oi/, /ao/
➤ mîn hûs hât miuse–
mein Haus hat Mäuse
INNERSPRACHLICHE KRITERIEN: LAUTWANDEL
➤ Was passierte vom MHD zum FNHD bei den folgenden
Wörtern?
➤ zît, wîp, lîp, rîch, mîden, hûs, krût, mûs, lûter
Zeit, Weib, Leib, reich, meiden, Haus, Kraut, Maus, lauter
➤ bluot, buoch, muot, ruom, suochen, güete, küen, rüeren, küele
➤ Blut, Buch, Mut, Ruhm, suchen, Güte, kühn (dreist), rühren, kühl
➤ Soest, Hueber
INNERSPRACHLICHE KRITERIEN: LAUTWANDEL
➤ Mitteldeutsche Monophtongierung
➤ aus den mhd. öffnenden Dipththongen /ie/, /ye/, /uo/
entstehen die Langvokale /i:/, /y:/, /u:/
➤ mhd. liebe guote brüeder – fhd. liebe gute Brüder
➤ Nur im Falle von /ie/ wurde die mitteldeutsche Schreibung
beibehalten
➤ Verbreitung in Ostmitteldeutschland (!)
➤ Hueber, Soest, -ie; <> Goethe
WENN DIE AUSSPRACHE WICHTIG WIRD…
➤ der Weg, weg, gut, ab, Mut, rot, Klug, ob, Lob, Tat, Tag, was,
Ofen, offen, tot, Tod, oft, Blut, Rum, Grab, Lid, Sud, Nil, den,
Not, Ruß, die Sucht, suchen, der Schal, der Schall, schal,
bieten, bitten, kiffen, die Kiefer, der Rum, der Ruhm, die Säge,
der Segen, der Bär, die Brombeere, das Obst, der Stil, der Stiel,
still, die Muse, das Mus, der Schoß, die Silbe, die Hochzeit
WENN DIE AUSSPRACHE WICHTIG WIRD
Hornung
Christmonat
Herbstmonat
Lenzmonat
Erntemonat
Nebelmonat
Kanone Patient
Brigade
Bombe
FRÜHNEUHOCHDEUTSCH: BASISINFORMATIONEN
➤ 1350-1650
➤ Jüngste Stufe des Neuhochdeutschen
➤ lange Zeit nicht als eigenständige Sprachstufe angesehen, sondern
lediglich als Übergangsphase zwischen Mhd. und Nhd.
➤ viele Sprachentwicklungen finden in den verschiedenen
Dialektgebieten zum Teil zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten und
unterschiedlich ausgeprägt statt, so dass die Festlegung auf einen
Zeitraum bzw. eine Binnengliederung sehr schwierig ist
➤ v. a. die Abgrenzung zum Nhd. hin ist sehr schwierig ! 1650 wird
angesetzt, da zu dieser Zeit sprachliche Ausgleichsprozesse zwischen
mehreren Sprachlandschaften relativ weit fortgeschritten sind; hierin
spielen die in der Folge der Ostkolonisierung entstandenen
Mischmundarten eine wichtige Rolle
ÄUßERE KRITERIEN
HISTORISCH-SOZIALER HINTERGRUND
➤ Verbreitung des Deutschen:
➤ keine Veränderung des deutschen Sprachgebietes; immer
noch Konglomerat von Dialekten
➤ Noch 1538 klagte Luther beim Mittagessen, ein Student in der
Tischrunde hat es aufgezeichnet: „Es sind aber in der
deutschen Sprache viel Dialecti, unterschiedne Art zu reden,
daß oft Einer den Andern nicht wol versteht, wie Bayern
Sachsen nicht recht verstehen, sonderlich die nicht gewandert
sind. – Ja, die Leute können in 30 Meilen Weges einander nicht
wol verstehen.“
➤ Siehe Luthers Tischreden. Lauterbachs Sammlung B, Nr. 6146
(Stedje S. 146)
AUF DEM WEG ZUM STANDARD - VERTIKALISIERUNG
➤ Behinderung des Textverständnisses durch sprachregionale
Unterschiede
➤ Lösungen:
➤ Doppelung von Heteronymen als Lösung? vgl. schnell und behend
➤ Vertikalisierung: Variantenauswahl - aber wie, ohne
Prestigevarietät? <> Italien (Florenz), Spanien (Kastilien),
Frankreich (Paris)
➤ In der Nahsprache bleiben Heteronyme bestehen.
➤ Faktoren:
Kleingläubig jemand, der für etwas Bestimmtes in letzter Minute als Ersatz
angefordert wird
Gewissensbisse haben
einen Plan auf unsicheren Grundlagen verwirklichen; / sich auf
Wolf im Schafspelz etwas höchst Unsicheres verlassen haben
„
sprachlich schwergetan, wäre
wahrscheinlich gescheitert. Das mittlere
Deutschland hatte Brückenfunktion, das
östliche Mitteldeutsche in sprachlicher
Hinsicht damals noch mehr als das
westliche.“ (Prof. Werner Besch)
LUTHERS SPRICHWÖRTER: BRINGE SIE IN DIE RICHTIGE REIHENFOLGE
➤ Hinein, andern, Grube, fallen, graben, eine, wer, selbst
➤ Schaden, werden, klug, man, durch
➤ Vor, der Hochmut, der Fall, kommen,
➤ Kein, ein Arsch, verzagt, kommen, kein fröhlicher Furz, aus
„Man muß nicht die Buchstaben in der
lateinischen Sprache fragen, wie man soll
„
Deutsch reden, wie diese Esel tun,
sondern man muß die Mutter im Hause,
die Kinder auf der Gassen, den gemeinen
Mann auf dem Markt darum fragen und
denselbigen auf das Maul sehen, wie sie
reden, und darnach dolmetschen; da
verstehen sie es denn und merken, daß
man deutsch mit ihnen redet.“
DIE DEUTSCHEN BIBELÜBERSETZUNGEN
➤ Handschriften: Schon in ahd. Zeit und verstärkt seit 1300
Übersetzungen einzelner Bibelbücher; erste bekannte ÜS
wohl in der letzten Hälfte des 14. Jh.
➤ Erste gedruckte Bibel 1466 bei Johannes Mentel in Straßburg
mit Vulgata (lat. Bibel) als Urtext
➤ 1522: Luthers Übersetzung mit griechischer und hebräischer
Bibel als Urtext
➤ Luthers Schriften machten zu Beginn des 16. Jh. einen
Großteil der deutschen Drucke aus; Bibelübersetzungen von
1522, 1534 und 1545 als Verkaufsschlager
VERGLEICH: PSALM 23
➤ Johannes Mentelin (1466):
➤ „Der Herr der regieret mich und mir gebrist nichts: und an
der stat der weyde da saczt er mich. Er hat mich gefuret auff
dem wasser der widerbringung.
➤ Durchsetzung im Laufe des 16. /17. Jahrhunderts, mit Ausnahmen bis ins 18. und 19.
Jahrhundert
➤ zunächst Großschreibung von Eigennamen; nach und nach auch Titel (z.B. Babst, Kayser,
Churfursten, usw.), weitere Personenbezeichnungen und Kollektivbegriffe (z.B. Apostel, Mensch,
Münch, usw.).
➤ Weiterhin Wörter, die etwas Verehrungswürdiges (vor allem aus dem religiösen Bereich)
bezeichnen oftmals mit Majuskel am Wortanfang geschrieben (z.B.: Evangelium, Christ,
Sacrament, usw.)
➤ Prinzip der Hervorhebung (Zählbarkeit, Individualität, Belebtheit, Ehrerbietung).
➤ Bei den sog. nomina sacra verwendet man des Öfteren auch mehrere Majuskeln in einem
Wort (z.B. AMEN, GOTT, HErr). Dies erfüllte die Funktion der erweiterten
Hervorhebung und ggf. auch die der Differenzierung.
➤ Schnelle Entwicklung der Substantivgroßschreibung im Verlaufe der frühneuhochdeutschen
Zeit: Während 1532 nur Eigennamen und Substantive die einen hohen Rang bezeichnen
(wie z.B. König, Fürst) groß geschrieben wurden, lässt sich vom Jahre 1540 sagen, dass etwa
80% der Substantive, die keine Eigennamen sind, ebenfalls groß geschrieben wurden.
HEUTIGE REGELN ZUR GROßSCHREIBUNG
➤ Substantivierungen, besonders nach Artikel und Präposition: im Allgemeinen, der
Einzelne, als Zweiter, das Gleiche, des Weiteren, zum Ersten …
➤ unflektierte Substantive nach Präpositionen: auf Deutsch, in Schwarz, für Groß
und Klein …
➤ Paarformeln: Jung und Alt >(alle jungen und alten Menschen), Arm und Reich …
➤ Tageszeiten nach „gestern“, „heute“, „morgen“: gestern Abend, heute Früh,
morgen Mittag …
➤ Adjektive in Eigennamen: die Dritte Welt, der Zweite Weltkrieg, der Heilige
Abend, die Vereinten Nationen, ..
➤ das Anredepronomen „Sie“ und das entsprechende Possessivpronomen „Ihr“: Ich
würde Sie, Frau Müller, gerne zum Parkplatz begleiten. Ist der erste Wagen in
dieser Reihe Ihr Auto?
➤ Binnenmajuskel: BahnCard, StudentInnen, …
➤ etwas Großes; das Große
DIE SCHILDBÜRGER
➤ erschien 1597 erstmals unter
dem Titel Das Lalenbuch.
Wunderseltsame, abenteuerliche,
unerhörte und bisher
unbeschriebene Geschichten und
Taten der Lalen zu Laleburg;
➤ bekannt wurde die zweite
Ausgabe von 1598 mit dem
Titel Die Schiltbürger
➤ mehrere Autoren sind als ihr
Urheber im Gespräch, u. a.
Friedrich von Schönberg.
DIE SCHILDBÜRGER
➤ Inhalt: Die Bürger Schildas waren
gemeinhin als äußerst klug
bekannt, weswegen sie begehrte
Ratgeber der Könige und Kaiser
dieser Welt waren. Da die Stadt auf
diese Weise langsam, aber sicher
entvölkert wurde, verlegte man sich
auf eine List: Die Schildbürger
begannen sich dumm zu stellen, so
dumm sogar, dass sie anfingen, jede
Aussage, auch Metaphern, wörtlich
zu interpretieren. Dies war so
erfolgreich, dass sie mit der Zeit in
ihrer Dummheit verblieben und
dafür genauso bekannt wurden wie
ehedem für ihre Klugheit.
WAS MARKIERT DIE
FRÜHNEUHOCHDEUTSCHE PERIODE?
ZUSAMMENFASSUNG
➤ lange Zeit nicht als eigenständige Sprachstufe angesehen, sondern lediglich als
Übergangsphase zwischen MHD und NHD; Abgrenzung zum NHD sehr schwierig
➤ keine Veränderung des deutschen Sprachgebietes
➤ Innere Abgrenzung zum MHD: u.a.
➤ neuhochdeutsche Diphthongierung und Monophthongierung
➤ Dehnung von Kurzvokalen
➤ morphologische und syntaktische Tendenzen des Mhd. setzen sich im Frühnhd. durch, z.
B. Umbau der nominalen Flexionsparadigmen
➤ Ausbau der Tempus-, Modus- und Passivperiphrasen