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Übungen Kapitel II: Grundlegende Konzepte der

Steuerlehre

Christian Keuschnigg
Universität St.Gallen, FGN-HSG∗

Februar 2005

Exercise 1 (Linearer Tarif) Es sei τ = .2 der proportionale Steuersatz eines linearen


Tarifs, und y 0 = 10.000 das Einkommen in der Ausgangssituation. Der Steuerpflichtige
könnte nun weitere 1000 Euro zusätzlich verdienen. Berechnen Sie Steuerschuld und Net-
toeinkommen jeweils mit und ohne Zuverdienst, und zwar für den Fall (a) eines Freibetrags
von b = 10.000 und (b) einer Freigrenze von b = 10.000.

Lösung: In der Ausgangssituation ist die Steuerschuld jeweils Null, da das Einkommen
weder Freibetrag noch Freigrenze überschreitet. Das Nettoeinkommen ist jeweils gleich
dem Markteinkommen, y 0 − T 0 = 10.000. Mit dem Zuverdienst steigt das Einkommen auf
y 1 = 11.000 Euro an.
(a) Beim Tarif (10) mit Freibetrag wird nur der übersteigende Betrag y 1 − b = 1000 be-
steuert. Die Schuld beträgt 200 Euro, das Nettoeinkommen steigt auf y 1 − T 1 = 10.800.
(b) Beim Tarif (11) mit Freigrenze wird der Steuersatz auf die gesamte Bemessungsgrund-
lage angewandt, so dass die Steuerschuld plötzlich von 0 auf T 1 = .2 · 11.000 = 2.200
zunimmt. Das Nettoeinkommen fällt auf y 1 − T 1 = 8.800 Euro ab. Der Zuverdienst ver-
wandelt sich in einen Nettoeinkommensverlust.

Institut für Nationalökonomie, Varnbüelstrasse 19, CH-9000 St.Gallen.

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Exercise 2 (Stufengrenzsatztarif) Die Grenzen für die Einkommensintervalle seien
U0 = 0, U1 = 10.000, U2 = 30.000, U3 = 50.000, U4 = 70.000 etc. Die Grenzsteuersätze in
den ersten Intervallen seien τ 0 = 0, τ 1 = .1, τ 2 = .2 und τ 3 = .3. Einkommen bis 10.000
Euro bleiben somit steuerfrei. Berechnen Sie die Steuerschuld für ein Einkommen gleich
y = 60.000 Euro. Geben Sie Grenz- und Durchschnittsteuersatz an.

Lösung: Wir wenden die Steuerschuldfunktion (12) an und berechnen T = .3 · 10.000 +


.2 · 20.000 + .1 · 20.000 + 0 · 10.000 = 9.000. Der Grenzsteuersatz des Steuerpflichtigen
beträgt τ 3 = .3, der Durchschnittsteuersatz t̄ = 9/60 = .15.

Exercise 3 (Isoelastische Tarife) Berechne Grenz- und Durchschnittssteuersätze, Pro-


gressionsgrad, sowie die Aufkommens- und Residualelastizitäten für folgende Tarife:
(a) T (y) = A · y α . Zeige, dass die Aufkommenselastizität konstant ist. Für welche Werte
von α ist der Tarif progressiv? Welchen Wert ρ ≷ 1 hat dann die Residualelastizität?
(b) T (y) = y − A · y ρ . Zeige, dass die Residualelastizität konstant ist. Für welche Werte
von ρ ist der Tarif progressiv? Welchen Wert α ≷ 1 hat dann die Aufkommenselastizität?

Lösung: (a) Wir berechnen: Grenzsteuersatz T 0 (y) = αAy α−1 , Durchschnittssteuer-


satz t̄ (y) = T /y = Ay α−1 , Progressionsgrad t̄0 (y) = (α − 1) Ay α−2 , Aufkommenselasti-
y dT
zität T dy
= T 0 /t̄ = α, und Residualelastizität [des Nettoeinkommens x = y − T (y)]
y dx y y dT
von ρ (y) = x dy
= x
(1 − T 0 (y)). Nachdem α = T dy
ist, können wir diesen Aus-
druck nützlich erweitern: ρ (y) = (y − αT ) /x. Wir halten fest: Die Aufkommenselasti-
zität ist konstant gleich dem Parameter α. Die Steuer ist progressiv, wenn t̄0 (y) > 0,
also α > 1 ist. Für α = 1 wäre die Steuer proportional und die Residualelastizität wäre
ρ (y) = (y − 1 · T ) /x = 1, da x = y −T . Im Progressionsfall α > 1 wird der Zähler kleiner,
woraus ρ (y) < 1 folgt.
(b) Wir berechnen: Grenzsteuersatz T 0 (y) = 1 − ρAy ρ−1 , Durchschnittssteuersatz t̄ (y) =
T /y = 1 − Ay ρ−1 , Progressionsgrad t̄0 (y) = − (ρ − 1) Ay ρ−2 und die Residualelastizität

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des Nettoeinkommens x = y − T (y) = Ay ρ gleich xy dx = ρ. Die Aufkommenselastizität
³ dy ´
beträgt wegen T = y − x gleich α (y) = Ty dT
dy
= Ty 1 − dx
dy
. Nachdem ρ = xy dx
dy
ist, können
wir diesen Ausdruck nützlich erweitern: α (y) = (y − ρx) /T . Wir halten fest: Die Steuer
ist progressiv, wenn t̄0 (y) > 0, also ρ < 1 ist. Für ρ = 1 wäre die Steuer proportional und
die Aufkommenselastizität wäre α (y) = (y − 1 · x) /T = 1, da T = y − x. Im Progressi-
onsfall ρ < 1 wird der Zähler grösser, woraus α (y) > 1 folgt.

Exercise 4 (Progression und Einkommensballung) Gegeben sei ein progressiver Ta-


rif der Form T (y) = y 2 /800 im relevanten Einkommensbereich. Zwei Steuerpflichtige, A
und B, beziehen über zwei Perioden Einkommen von insgesamt 200, die sich jedoch unter-
schiedlich aufteilen: y A = [100, 100] und y B = [40, 160]. Die Steuer wird in jeder Periode
getrennt berechnet. Ermitteln Sie für beide Fälle die insgesamt anfallende Steuerschuld.
Wie gross ist der Steuervorteil ∆ des A?

Lösung: Person A bezahlt in jedem Jahr T (100) = 25/2, also insgesamt T1A + T2A = 25.
Person B schuldet im ersten Jahr T1B = T (40) = 2 und im zweiten Jahr T2B = T (160) =
32, also insgesamt T1B + T2B = 34. Der Steuervorteil des A beträgt also ∆ = 9. Weil
Person B einen Grossteil seines Gesamteinkommens geballt in Periode 2 bezieht, zahlt er
um über ein Drittel mehr Steuern, als er bei gleichmässiger Verteilung des Einkommens
auf beide Perioden zahlen müsste.

Exercise 5 (Steueraufkommen) Die Abhängigkeit der Bemessungsgrundlage vom Steu-


√ √
ersatz sei mit B = A 1 − t mit A = 27
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5 beschrieben.
(a) Berechnen Sie den Steuersatz t∗ , der das Aufkommen maximiert.
(b) In der Ausgangssituation sei der Steuersatz gleich t0 = 4/9. Berechnen Sie B 0 und
das Auskommen R0 .
(c) Die Regierung beschliesst nun, den Steuersatz auf t1 = 5/9 zu erhöhen, und beauftragt
die Finanzverwaltung, den Zuwachs des Steueraufkommens zu schätzen. Diese nimmt an,

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dass die Bemessungsgrundlage unverändert bleibe und wendet einfach den höheren Steu-
ersatz auf B 0 an. Berechnen Sie, um wieviel sich die Behörde verschätzt. [Hinweis: Falls

hilfreich, dann verwenden Sie die Annäherung 5 = 11.18/5]

1−t dB
Lösung: (a) Wir berechnen die Elastizität der Bemessungsgrundlage ε = B d(1−t)
= 12 .
1
Gemäss (23) beträgt der aufkommensmaximale Steuersatz t∗ = 1+ε
= 23 .
45
(b) Wir erhalten B 0 = 2
und ein Aufkommen R0 = t0 B 0 = 10.
(c) Wenn wir B 0 festhalten, aber den Steuersatz t1 anwenden, dann errechnen wir wie
die Behörde ein Aufkommen von R̃1 = t1 B 0 = 12.5. Tatsächlich fällt aber die Bemes-

sungsgrundlage von B 0 = 45
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auf B 1 = 9 5 und das Steueraufkommen steigt tatsäch-

lich nur auf R1 = 5 5 ≈ 11.18. Dies bedeutet, dass die Behörde das Aufkommen um
12.5−11.18
100 × 11.18
≈ 11.8 Prozent überschätzt.

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