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Resilienz – Psychische Widerstandsfähigkeit in Krisen

Der Resilienz Begriff

Ein Unfall, der Tod eines geliebten Menschen oder der Ausbruch einer schweren Krankheit:
Daran kann ein Mensch zerbrechen. Andere hingegen machen Schicksalsschläge stärker.
Wieso ist das so? Was ist das Geheimnis von Menschen, die in belastenden
Lebenssituationen bzw. Lebenslagen oder nach schweren Schicksalsschlägen dennoch
Lebensmut und Kraft behalten oder entwickeln? Alle Menschen müssen Krisen bewältigen.
Der Umgang mit einer Krise unterscheidet sich jedoch erheblich. Während die eine Person
wegen einer Krise in ein tiefes Loch fällt, fassen andere bald neuen Lebensmut. „Resilienz“
wird die Eigenschaft genannt, sich von Krisen nicht fertig machen zu lassen, sondern aus
ihnen neue Lebenskraft zu gewinnen. Ursprünglich beschreibt der englische Begriff
resilience (Spannkraft, Belastbarkeit) in der Materialkunde die Eigenschaft von Werkstoffen,
nach starker Verformung wieder die ursprüngliche Gestalt annehmen zu können. In den
letzten Jahren hat der Begriff jedoch in der Psychologie, der Ökologie oder Soziologie
Einzug gefunden. Hier wird das Fachwort zur Charakterisierung der „seelischen
Widerstandskraft“, welche bei jedem Menschen vorhanden ist, verwendet. Resilienz ist somit
die Fähigkeit trotz belastender Situationen oder Ereignissen gesund zu bleiben.

Niemand wird resilient geboren. Und es ist auch nicht so, dass ein einmal resilienter Mensch
vor jeder anderen Krise geschützt wäre. Vielmehr ist es umgekehrt: Erst in der Krise wächst
die Resilienz. Mit der psychischen Widerstandskraft verhält es sich also ähnlich wie mit dem
menschlichen Immunsystem: Um die nötigen Abwehrkräfte zu entwickeln, muss man den
entsprechenden Attacken (Krankheitserregern) erst einmal ausgesetzt sein. Früher dachte
man, dass Resilienz eine unveränderbare Persönlichkeitseigenschaft sei. Heutzutage weiß
man, dass nur ein Teil genetisch veranlagt ist, ein großer Teil aber auch erlern- und
veränderbar ist. Resilienz kann man trainieren und zwar bis ins hohe Alter.

Klar ist: Resilienz ist kein Allheilmittel gegen Probleme für jeden Menschen. Und auch die
allgemeine Frage, wie man generell Krisen bewältigt, ist wenig zielführend. Interessant ist
jedoch die Frage, welche Menschen unter welchen Umständen wohl welche Art von Krise
besser überstehen und welche Gründe es hierfür gibt.

Beispiele

Ein interessantes Beispiel für besondere Resilienz ist Og de Souza. Der aus Brasilien
stammende Mann ist im Alter von 5 Jahren an Poliomyelitis (Sog. Kinderlähmung) erkrankt.

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Bedingt durch eine Impfung, welche alle Personen in seinem Dorf bekamen, war er der
Einzige, bei dem die Impfung zur Erkrankung geführt hat. Og de Souza ließ sich davon
jedoch nicht einschränken und begann im Jahr 1988 Skateboard zu fahren. Da seine Beine
aufgrund der Krankheit nicht beweglich waren und Og de nicht gehen konnte, musste er
lernen, sein Skateboard im Sitzen zu fahren und mit seinen Armen Anschwung zu geben
bzw. das Skateboard festzuhalten, um springen zu können. Im Jahr 2000 ist OG de Souza,
der mittlerweile professioneller Skateboarder geworden ist, bei dem sog. „Monster
Mastership“ Contest, welcher als Weltmeisterschaft im Skateboarding galt, Sieger in der
Kategorie „Bester Trick“ geworden. Og de kann seit vielen Jahren vom Skateboarden leben.
Laut eigener Aussage, hat er sich nie von seiner Krankheit zurückweisen lassen. Als er ein
Skateboard sah, wollte er damit fahren, also fuhr er. In einem Interview berichtet er, dass er
schon immer ein Familienmensch gewesen ist, dem der Kontakt und die Harmonie zu seiner
Verwandschaft von großer Bedeutung sind. Heute ist Og de Souza ein verheirateter Mann,
welcher im Jahr 2019 zusätzlich ein Kind erwartet. Daraus lässt sich vermuten, dass er sein
ganzes Leben lang positive Beziehungen und Bezugspersonen hatte, die ihn unterstützend
begleitet haben. Ebenso wird deutlich, dass Hobbies mit dem Zusatz einer Art
Selbstverwirklichung erhebliche Auswirkungen auf die Resilienz Einzelner haben können.
Die Zugehörigkeit zu einer Gruppierung, bzw. Szene wie Og de Souza sie im Skateboarding
erfahren hat, können zusätzliche Kraft geben, um sich trotz eventueller Einschränkungen
nicht demotivieren zu lassen und seinen Interessen bestmöglich nachzugehen.

"Sou igual a todo ser humano, mas admito que respiro skate. O skate mudou pra valer a
minha vida, me fez ver o mundo com outros olhos", Og de Souza.

("Ich bin wie jeder Mensch, aber ich gebe zu, dass ich Skateboard atme. Das Skateboard
hat mein Leben verändert und mich die Welt mit anderen Augen sehen lassen", Og de
Souza.)

Am Beispiel des Og de Souza lässt sich ein weiterer Resilienz Faktor erkennen. Er agiert als
Vorbild für viele andere Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Es gibt heutzutage
eine große Zahl an skateboardfahrenden Personen. Diese finden sich im professionellen
aber auch im Amateur Bereich. Neue Medien, wie beispielsweise Youtube oder Instagram
haben eine nicht geringe Wirkung. Durch die Präsenz in diesen und ähnlichen Netzwerken
führt es häufig dazu, dass Menschen Wertschätzung und Anerkennung für die eigene
Leistung erfahren. Dieses bestärkt Menschen und kann ihnen helfen, resilienter zu werden.

Schutz- und Resilienzfaktoren

Welche Faktoren helfen resilienten Menschen Krisen besser zu bewältigen, als es anderen
Menschen gelingt? Trotz großer Unterschiede in der Methodik und in den, in der

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Resilienzforschung untersuchten Stichproben, kommen viele Studien zu ähnlichen
Ergebnissen, bezogen auf Schutz- bzw. Resilienzfaktoren.

Nach Christina Berndt „ruht die Widerstandsfähigkeit auf mehreren Säulen“ (vgl. 2017, S.
65). Am Beispiel der Kauai-Studie von Emmy Werner, bei der knapp 700 Kinder auf der
hawaiianischen Insel Kauai befragt und beobachtet wurden, aber auch weiteren Studien, wie
die Bielefelder Invulnerabilitätsstudie von Lösel und weiteren Mitarbeitenden, wird deutlich,
dass „Bindung der allergrößte Schutz im Leben ist“ (vgl. Lösel/Bender 1999, S. 39). Bei
nahezu allen untersuchten Kindern, bzw. Jugendlichen, welche trotz traumatischen
Erlebnissen, prekären Lebenslagen und schlechter Sozialprognose eine positive
Lebensführung erreichten, gab es mindestens eine enge Bezugsperson in ihrem Leben.
Diese Vertrauensperson muss nicht unbedingt die Mutter oder der Vater sein. Wichtig ist nur,
dass diese Person bedingungslos wertschätzend, liebevoll sowie verlässlich ist und dem
Kind Geborgenheit und Sicherheit vermittelt. Auch ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer
Gemeinschaft kann Helfen um mit schwierigen Lebenssituationen fertig zu werden. Das
Gefühl nicht alleine zu sein und im besten Falle Rückhalt zu erfahren ist besonders hilfreich.
In den unterschiedlichen Studien berichten befragte, wie wichtig Spiritualität und Glaube für
sie gewesen ist um neuen Lebensmut zu entwickeln. Dazu zählen eine tiefe Überzeugung,
dass alles „wieder gut“ werde und der Glaube daran, eine missliche Lage mit Erfolg
bewältigen zu können. Die eigene Lage richtig wahrnehmen, einordnen und durchschauen
zu können kann zu einer stärker ausgeprägten Resilienz helfen. Ein gewisses Maß an
Intelligenz ist notwendig um die eigene Lage in ihrer vollen Komplexität zu betrachten und zu
verstehen sowie um Alternativ abzuwägen und ggf. umzusetzen. Ein weiterer Schutzfaktor
ist Humor. Wer über sich selbst lachen kann und nicht alles im Leben zu ernst nimmt, hat
weniger Schwierigkeiten, dass eigene Schicksal zu akzeptieren und dennoch ein gesundes
Leben zu führen. Wer den Widrigkeiten des Alltags mit Witz, Fröhlichkeit und Optimismus
begegnet, lebt gesünder (vgl. Lösel 1999, S. 49).

Diese allgemeinen Resilienzfaktoren haben sich inzwischen vielfach bestätigt und ergaben
sich unabhängig von Herkunftsland, Alter oder Art der Krise (vgl. Berndt 2017, S. 73).
Dadurch gelangen immer mehr Wissenschaftliche Fachkräfte zu der Überzeugung, dass
neben Charaktereigenschaften auch diverse Umweltfaktoren Einfluss auf Resilienz haben.
Besonders für jüngere Kinder spielen das Erziehungsklima und die jeweiligen Vorbilder eine
besonders relevante Rolle. Ob ein Kind hilfsbereit ist, einem Hobby nachgeht oder
Niederlagen verkraften kann, liegt größtenteils an den jeweiligen Vorbildern in seiner
Umgebung (vgl. Berndt 2017, S 74). Ebenso können „berühmte“ Vorbilder dabei helfen, Kraft
und Motivation zu erlangen.

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„Wer Schicksalsschläge gut verarbeiten will, muss einiges aushalten“ (Lösel 1999, S. 46).
Dafür sind ein gewisses Maß an Frustrationstoleranz, Kraft und Durchsetzungsvermögen
von Nöten.

Dr. Isabella Helmreich formuliert folgende personale Ressourcen, welche im


Erwachsenenalter als Resilienzfaktoren belegt sind:

Aktives Coping, d.h. die aktive Bewältigung von Stress sowie kritischen oder traumatischen
Lebensereignissen beispielsweise mittels problemorientierter Lösungsstrategien;
Selbstwirksamkeitserwartung, also das Vertrauen, Anforderungssituationen aus eigener
Kraft bewältigen zu können; Optimismus, d.h. eine Tendenz, ein positives Ergebnis zu
erwarten; Soziale Unterstützung, einen Zugriff auf ein funktionierendes soziales Netzwerk
zu haben; Kognitive Flexibilität, d.h. die Fähigkeit, mein Denken und Handeln flexibel den
Umweltbedingungen anzupassen; Religiosität/Spiritualität, bedeutet die Übernahme von
Glaubensüberzeugungen und Teilnahme an religiösen Aktivitäten beziehungsweise
Beschäftigung mit Sinnfragen des Lebens; Positive Emotionen, das heißt auch angesichts
von Stress oder traumatischen Erfahrungen regelmäßig positive Gefühle und Stimmungen
zu erleben (hier kommt es nicht auf die Intensität, sondern auf die Häufigkeit an); Hardiness:
die Grundhaltung, aktiv an verschiedenen Lebensbereichen mitzuwirken, Situationen als
kontrollierbar zu empfinden und Anforderungen als Herausforderung wahrzunehmen;
Selbstwertgefühl, d.h. die positive Bewertung der eigenen Person. All diese Faktoren
wurden bei resilienten Menschen gefunden und zeichnen ihren Umgang mit Problemen und
negativen Erlebnissen im Leben aus.

Die sieben Resilienz-Schlüssel

Akzeptanz: Menschen neigen dazu, alles was sie wahrnehmen, zu bewerten und der Sache
gegenüber Gefühle zu entwickeln. Es ist jedoch möglich, bewusst Einfluss auf die Bewertung
zu haben und sich zu entscheiden, wie man etwas einordnet und bewertet.
Optimismus: Um eine Krise bewältigen zu können, ist es förderlich, fest daran zu glauben,
dass eine Krise zeitlich begrenzt ist und, dass wieder gute Zeiten auf einen zukommen.
Selbstwirksamkeit: Es ist wichtig, dass man von seinen eigenen Fähigkeiten und
Kompetenzen überzeugt ist und welchen Einfluss man dadurch, bezogen auf die eigene
Resilienz, hat.
Eigenverantwortung: Zu resilientem Verhalten gehören auch die Bereitschaft,
Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen. Dabei ist es jedoch wichtig, sich selbst
nicht zum „Sündenbock“ für alles zu machen, sondern zu wissen, wann es angebracht ist,
Verantwortung zu übernehmen.

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Netzwerkorientierung: Der Aufbau und die Pflege eines stabilen und wertschätzenden
Umfelds, gibt Kraft und ist hilfreich um schwierige und belastende Ereignisse besser zu
verkraften.
Lösungsorientierung: In kritischen Lebenslagen ist es wichtig, den eigenen Fokus auf eine
Lösung des Problems zu richten. Sich ständig damit zu beschäftigen, wie schlimm das
jeweilige Ereignisse bzw. die jeweilige Lage ist, verstärkt die negativen Auswirkungen der
Krise.
Zukunftsorientierung: Eine feste Zielsetzung in Bezug auf die Bewältigung möglicher
zukünftiger Krisen ist entscheidend um zu wissen, was man eigentlich möchte und von sich
erwartet. Wichtig hierbei ist, sich erreichbare Ziele zu setzen und keine utopischen Ziele,
welche fast nicht zu erreichen sind (vgl. Heller 2015 [online].

Diese sieben Schlüssel der Resilienz nach Prof. Dr. Jutta Heller sind in ihrer Ausführung mit
anderen Ausführungen, wie z.B. der von Christina Berndt vergleichbar. Jedoch wird die
Relevanz von sozialen Beziehungen, als wichtigste Ressource um seelische
Widerstandskraft zu erlangen, nicht genügend verdeutlicht. Die Bindung zu Bezugspersonen
ist in allen Untersuchung und Studien der häufigste, größte und stärkste Faktor von
resilienten Menschen.

Dem Konzept der Resilienz wird nicht selten unterstellt, Mittel zum Zweck für Arbeitgebende
zu sein, um von Mitarbeitenden trotz Belastungen mehr Leistung erwarten zu können. Und
gerade das beinhaltet das Konzept der Resilienz nicht. Resilienzstärkung heißt auch immer,
die Selbstwahrnehmung von Menschen zu stärken. Sie lernen ein besseres Gespür für sich
zu bekommen, ihre Grenzen zu erkennen, zu akzeptieren und lernen dementsprechend auch
das „Nein-Sagen“. Ebenso lernen sie dafür zu sorgen, genug Erholung und Ausgleich in ihr
Leben zu integrieren, um ihren inneren „Akku“ immer wieder aufzufüllen (z. B. durch Sport,
Unternehmungen mit Freunden o.a. Hobbies). Es ist jedoch wichtig zu berücksichtigen, dass
die Verantwortung für den Erhalt der Gesundheit nicht nur bei dem Einzelnen liegt, sondern
auch die Gesellschaft ihren Teil zur Resilienzstärkung beitragen muss. Nur wenn
menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen vorliegen, hat der Mensch überhaupt
die Chance, sein volles Potential zu entfalten und Krisen gut zu bewältigen.

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Literaturverzeichnis

Berndt, C. (2017): Resilienz – Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft – Was uns stark
macht gegen Stress, Depressionen und Burn-Out, 6. Auflage, München: dtv
Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

Welter- Enderlin, R. (2015): Resilienz und Krisenkompetenzen – Kommentierte Fallgeschichten, 2.


Auflage, Heidelberg: Carl-Auer Verlag GmbH

Lösel, F., & Bender, D. (1999). Von generellen Schutzfaktoren zu differentiellen protektiven
Prozessen: Ergebnisse und Probleme der Resilienzforschung. In G. Opp, M. Fingerle & A.
Freytag (Eds.), Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz (pp. 37-58).
München: Reinhardt.

Internetquellen

Helmreich, I.: Resilienz und Scheitern – ein Widerspruch? Dr. Isabella Helmreich [online]
https://www.drz-mainz.de/files/2017/11/07_Helmreich-I.-Gest%C3%A4rkt-aus-der-Krise.-V
%C3%B6gele-Kultur-Bulletin-2016.pdf [aufgerufen am 25.03.2019]

Heller, J. (2015): Die sieben Schlüssel der Resilienz [online]


https://juttaheller.de/wp-content/uploads/2017/02/4.pdf [aufgerufen am 26.03.2019]

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