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Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.

Romanisches Seminar
Proseminar I: Einführung in die Literaturwissenschaft
Dozent: Marco Thomas Bosshard
Referentinnen: Nina Kett, Alma Arnoul Freiburg, 05.05.2010

Poetizität und Literarizität – Formalismus und Strukturalismus

1. Russischer Formalismus
- gegen 1915
- frühe Ausprägung des Strukturalismus
- Zentrale Frage: Was verleiht einem Text Poetizität / Literarizität?
- Fokus dadurch weg von den Kriterien für die Kanonisierung von Texten hin zu deren Form,
Machart – zu Verfahren, mit denen literarische Texte erzeugt werden.
- Wichtigstes Mittel zur Verleihung von Poetizität: Verfremdung: den Leser bewusst auf die
Machart des Textes, die Formalia (Klang, Bildlichkeit, Metrum, Reim, Metaphorik, Satzbau,
Erzähltechniken etc.) aufmerksam machen.
Damit wird Literarizität durch die Abweichung vom praktischen Gebrauch in der Alltagssprache
erzielt.

2. Strukturalismus
- Reihe von Modellen und Methoden seit Mitte der 50er Jahre, ins Leben gerufen von den Prager
Strukturalisten um Roman Jakobson
- Beeinflusst durch:
- Russischen Formalismus
- Linguist Ferdinand de Saussure (cours de linguistique général) → langue:
abstraktes Gesamtsystem (-struktur), über das jeder Mensch verfügt, Sprachregeln.
→ parole: individueller Ausdruck der langue (gesprochene
Sprache)
→ Signifikant: Lautbild eines Wortes, materiell fassbare äußere Textgestalt. Für die
Strukturalisten: Besonders dichte Strukturierung des Signifikanten in literarischen Texten.
→ Signifikat: Vorstellungsbild, inhaltliches Konzept eines Begriffs

- Text wird selbstständiges Gebilde (geordnetes System von Zeichen), dessen Bedeutung sich
allein aus den in ihm selbst verankerten Elementen und ihrer Verknüpfung zu einem eine
Ganzheit formenden System ergibt.
- Bedeutung der Zeichen nur relational in Beziehung zu anderen Zeichen in einem System;
Zeichen stehen nicht für sich.
- Perspektive zu Texten wechselt von der diachronen zur synchronen.
- Auf den Ebenen des Lautes, des Satzbaus und der Konzepte werden Strukturen sichtbar,
aufschlussreich bei der Untersuchung von Texten v.a. Stilmittel (Tropen), Metrum, Reimschema,
Versgestaltung, Betrachtung der Handlungstypen etc. (alle Aspekte, die sich schematisieren
lassen und so mit anderen Texten auf dieser Ebene verglichen werden können).
- unwichtig: äußere Objekte, die nicht „objektiv“ miteinander verglichen werden, wie z.B.
Biographie und Intention des Autors, Psychologie, Hermeneutik etc.

3. Claude Lévi-Strauss
3.1. Kurzbiographie
- Geburt: 28.11.1908 in Brüssel
- Schulbesuch in Paris
- Studium (Université de Sorbonne): Rechtswissenschaften und Philosophie
- Gastprofessur für Soziologie an der Universität São Paulo
- Militärdienst in Frankreich, verschiedene Lehrtätigkeiten
- Bekanntschaft mit Roman Jakobson in New York
- 1955: Reisebericht Traurige Tropen → Strukturalistische Theorien
- Professor für Sozialanthropologie am Collège de France
- 1973: Mitglied der Académie Francaise (Sprachnormierung)
- Tod: 30.10.2009 in Paris

4. Strukturale Ethnologie
- Suche nach den universalen Strukturen des menschlichen Geistes
- Ansatz: Ausgehen von empirischen Erkenntnissen (z.B. zu Verwandtschaftssystemen,
Mythologien, Sozialverhalten etc.), um grundlegende Regeln hinter dem menschlichen Handeln
aufzudecken.
- Strauss: Diese Strukturen ziehen sich durch das Denken aller Kulturen.
- KULTUR:
System der Benennung = Empirie
System der Haltung = Tatsächliches Verhalten von Personen
- Bezug zur Linguistik:
Strauss geht davon aus, dass Bedeutungen (-ähnlich wie die Sprache im Strukturalismus)
unabhängig von Dingen existieren und (-genau wie die Sprache) Strukturen bilden.
- Linguistische Konstrukte sind auf die Ethnologie übertragbar.
- Strukturen = wahre Realität einer Kultur.

Nur ein Außenstehender ist in der Lage, Kultur anhand der ihr zugrunde liegenden Regeln und
Strukturen zu interpretieren, zu erkennen und zu verstehen.
- Claude Lévi-Strauss

Literatur:

Gröne, Maximilian / von Kulessa, Rotraud / Reiser, Frank: Spanische Literaturwissenschaft. Eine
Einführung. Tübingen 2009.
Lévi-Strauss, Claude / Moldenhauer, Eva: Traurige Tropen. Überarb. Neuausgabe. 1999
http://anthropologie.suite101.de/ [03.05.2010]
 

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