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[Tutorium GK Literaturwissenschaft]

[Übersicht]: [Analyse von lyrischen Texten]

Übersicht: Formanalyse von lyrischen Texten


Metren
Jambus (,,Steiger“) Wechsel von Senkung (unbetont) und Hebung (betont)

Als ihn der Gott in seiner Not betrat,


erschrak er fast, den Schwan so schön zu finden;
er ließ sich ganz verwirrt in ihm verschwinden.
Schon aber trug ihn sein Betrug zur Tat,[…]
Aus: Rainer Maria Rilke: Leda (1907/1908)
Trochäus (,,Faller“) Wechsel von Hebung (betont) und Senkung (unbetont)

Freude, schöner Götterfunken,


Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum.
Aus: Friedrich Schiller: An die Freude (1785)
→ alternierendes Metrum = regelmäßiger Wechsel von Hebung und Senkung (NUR bei
Jambus und Trochäus)
Anapäst (,,Doppelsteiger“) auf zwei Senkungen folgt eine Hebung → A-na-päst

Alle blinken die Sterne mit zitterndem Schein,


Alle laden zum Freuden der Liebe mich ein.
Aus: Johann Wolfgang Goethe: Pandora (1807/1808)
Daktylus (,,Doppelfaller“) auf eine Hebung folgen zwei Senkungen → Dak-ty-lus

Schrecken und Stille und dunkeles Grausen,


finstere Kälte bedecket das Land.
Aus: Andreas Gryphius: Mitternacht (1658)
Katalexe
akatalektisch vollständige, also nicht verkürzte Versfüße innerhalb
eines Versmaßes/Metrums

katalektisch unvollständige, also verkürzte Versfüße innerhalb eines


Versmaßes/Metrums

hyperkatalektisch Verlängerung bzw. Erweiterung des Versmaßes/Metrums


durch eine überzählige Silbe im letzten Versfuß

• zwei Hebungen = zweihebiges Metrum, drei Hebungen = dreihebiges Metrum...


• Versfuß als kleinste, sich wiederholende Einheit innerhalb des Versmaß/Metrums
• ein Vers beginnt mit einem Auftakt, wenn die erste (Jambus) oder die ersten
beiden Silben (Anapäst) unbetont sind
• Tipp für die Bestimmung des Metrums: Silben im längsten Wort betonen

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• beachte ggf. Tonbeugung: Betonung einer Silbe entgegen dem genormten


Sprachgebrauch zugunsten des Metrums

Kadenzen (Versausgang)
stumpfe/männliche Kadenz Hebung (betont) am Versende
klingende/weibliche Kadenz Senkung (unbetont) am Versende
Versmaße
Blankvers ungereimter fünfhebiger Jambus mit zehn oder elf Silben

Er ist es! Nathan! - Gott sei ewig Dank,


Daß Ihr doch endlich einmal wiederkommt.
Aus: Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise
(1779)
Alexandriner sechshebiger jambischer Reimvers mit zwölf oder
dreizehn Silben und Zäsur (Sinneinschnitt/Sprechpause)
im Vers nach der dritten Hebung

Was dieser heute bawt / reist jener morgen ein;


Wo itz und städte stehn / wird eine wiesen sein […]
Aus: Andreas Gryphius: Es ist alles eitell (1637)
elegische Distichon Einheit aus zwei Versen (Hexameter & Pentameter)

→ Hexameter 6-hebiger Vers ohne Auftakt mit je ein bis zwei


Binnensenkungen und weiblicher Kadenz

Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten,


du habest

→ Pentameter 6-hebiger Vers ohne Auftakt mit Hebungsprall und


Mittelzäsur, d.h. dass zwischen der 3. und 4. Hebung
sowie nach der 6. Hebung die Senkung(en) fehl(t/en)
(vgl. katalektisch)

Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl


Aus: Friedrich Schiller: Der Spaziergang (1795)
Reimarten
Reim vollständiger Gleichklang von zwei oder mehreren
Wörtern vom letzten betonten Vokal an
reiner Reim die Reimsilben zweier Verse sind gleich und/oder lautlich
identisch

hoffen – offen, Straßenkehrer – Hauslehrer, Welt – hält


unreiner Reim die Reimsilben zweier Verse sind nur annähernd gleich
und lautlich nicht exakt identisch

Vokale:

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• kurze Vokale
◦ Dächer – Löcher → ä – ö
◦ ziehen – glühen → i – ü
◦ See – Höh' → e – ö

• lange Vokale
◦ Nähe – Höhe → ä – ö
◦ Genie – früh → i – ü
◦ Lehne – Geklöne → e – ö
◦ Tränen – Sehnen → ä – e

• lange und kurze Vokale


◦ Straßen – Massen
◦ Ton – davon
◦ Bild – zielt
◦ Luft – ruft

Konsonanten
• reden – beten → d – t
• Segen – Kopeken → g – k
• neige – weiche → g – ch
• Strafe – Enklave → f – v
• Adonis – Antlitz → s – z/tz

Diphtonge (Doppellaute)
• Reichen – keuchen → ei – eu/äu

Reimformen
Paarreim Sie trug den Becher in der Hand a
(a a b b) - Ihr Kinn und Mund glich seinem Rand -, a
So leicht und sicher war ihr Gang, b
Kein Tropfen aus dem Becher sprang. b
Aus: Hugo von Hofmannsthal: Die Beiden (1896)
Kreuzreim Wenn schweigend still das All zerstiebt a
(a b a b) Und mit ihm auch die letzten Fragen, b
Wird es die Welt, die's nicht mehr gibt, a
niemals gegeben haben. b
Aus: Wolfgang Herrndorf: Arbeit und Struktur (2013)

Blockreim/umarmender Reim Zum Himmel auf! Doch du bist mitten drinnen, a


(a b b a) Dein Bällchen Erde rollt mit Gottes Sonnen.b
Ach! wärest du so mitten in den Wonnen b
Des höchsten Lichts mit allen deinen Sinnen! a
Aus: Ernst Moritz Arndt: Klinglied (1856)
Schweifreim Wie stolze Menschenkinder a
(a a b c c b) Sind eitel arme Sünder a
Und wissen gar nicht viel; b
Wir spinnen Luftgespinste c

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Und suchen viele Künste c


Und kommen heiter von dem Ziel. b
Aus: Matthias Claudius: Abendlied (1778)
Binnenreim die sich reimenden Wörter befinden sich im Versinneren
der gleichen Zeile
Endreim die sich reimenden Wörter befinden sich am Ende zweier
(oder mehrer) Verse
Stabreim entspricht der rhetorischen Figur der Alliteration
Reimbesonderheiten
Assonanz Gleichklang nur der Vokale in mindestens zwei
→ Figur der Wiederholung benachbarten, betonten Silben

ottos mops trotzt


otto: fort mops fort
ottos mops hopst fort
Aus: Ernst Jandl: Ottos Mops (1963)

Konsonanz Gleichklang nur der Konsonanten in mindestens zwei


→ Figur der Wiederholung benachbarten, betonten Silben

Rat – rot
Wort – Wert
Enjambement (Zeilensprung) Eine Satz- bzw. Sinneinheit endet nicht mit dem
Versende, sondern greift auf den folgenden Vers über

Er sagte, es wäre schon viertel nach Vier


und Zeit, irgendwo einen Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch Klavier.
Aus: Erich Kästner: Sachliche Romanze (1928)
Strophenformen
Quartett Gedicht oder Strophe aus 4 Verszeilen
Terzett Gedicht oder Strophe aus 3 Verszeilen
Gedichtformen
Volksliedstrophe 4 bis 6 Zeilen, welche immer gereimt sind (Paar- oder
Kreuzreim);
→ Volksliedzeile Versausgang meist wechselnd bei 2- oder 4-hebigen
Versen; kein bestimmtes Versmaß
Sonett 14 meist elfsilbige Verse (z.B. frz. Alexandriner, dt. 5-
hebige Jamben)
→ italienisches Sonett 4 Strophen: zwei Quartette und zwei Terzette

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Checkliste für die Formanalyse von Lyrik


Analyse = Feststellen der formalästhetischen und strukturellen Besonderheiten
→ sammeln von Befunden mit dem Ziel, eine Deutungshypothese zu entwickeln

 Metrum/Versmaß vorhanden?
→ welches Metrum?
 Alternierendes Metrum?
 Auftakt?
 Wie viele Hebungen?

• Kadenzen
 Männliche oder weibliche Kadenz?

• Versmaß?

• Reimschema vorhanden?
 Binnen- oder Endreime?
 Reine und/oder unreine Reime?
 Reimform?
 Reimbesonderheiten?
 Enjambements?
 Assonanzen?

 Gedicht-/ Strophenform?

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Tutorium zum GK Literaturwissenschaft
Lyrik I
Lisa-Marie Grünewald
Curriculum Lyriktheorie
Curriculum (Reaktivierung)

- lyrisches Ich / Sprecher:inneninstanz und


Apostrophisierung

- Versfuß / Vers / Strophe

- Vers / Zäsur

- Tonbeugung

NdL-Tutorium
Einführung
lyrisches ich - Instanz
innerhalb eines Gedichts, die aus personaler Perspektive über etwas spricht, also sein

sprechendes, meist auch handelndes subjekt.

Apostrophiering- zunächst
Apostrophe ist eine
Figur der
Abwendung einer Sprechinstanz
von einem oder mehreren

bisherigen Adressaten hin zu einem anderen Adressaten.

Sprecherinstant bezeichnen wir jene Position innerhalb eines Textes, von der Kommunikative Prozesse aus-

gehen, also sein sprachliches Subjekt. Dabei muss es sich bei der Sprecherinstanz weder um ein

menschliches subjekt handeln noch müssen seine kommunikativen Akte sich konkret
an

andere Instanzen richten;auch selbstgespräche oder ungerichtete Kommunikation ist

möglich. Kann einer im Text


mit handelnden Figur zusammenfallen, muss aber nicht.
Curriculum (Reaktivierung)

- reiner / unreiner Reim

- Metrum. Jambus, Trochäus, Daktylus, Anapäst


 katalektisch, akatalektisch, hyperkatalektisch

 Kadenz ( stumpf / klingend )

• Reimstellung im Gedicht
• Binnenreim, Endreim, Paarreim, Kreuzreim, umarmender Reim, Schweifreim

NdL-Tutorium
Einführung
Curriculum (Reaktivierung)

• Alliteration bzw. Stabreim

• Assonanz und Konsonanz

• Kadenz / Enjambement

• Versformen
 Alexandriner, Blankvers, Hexameter und Pentameter (elegisches Distichon)

• Strophenformen
Volksliedstrophe mit Füllungsfreiheit, Sonett, Quartett, Terzett, freie Verse und
Füllungsfreiheit

NdL-Tutorium
Einführung
Metrik Wiederholung
Metrik

1. Jambus (Wechsel Senkung u. Hebung x X) Be trug

2. Trochäus (Wechsel Hebung u. Senkung X x) Jam bus

3. Daktylus (1 Hebung u. 2 Sekungen X x x) dunk e les

4. Anapäst (2 Senkungen u. 1 Hebung x x X) Zau be rei

NdL-Tutorium
Einführung
Metrik

1. Stammbetonung: leben, geben, streben


2. Schlusssilben mit kurzem e immer Senkung

Bsp.: -e (lese), -er (Lehrer), -el (Esel), -en (Leben)

4. Auch Schlusssilben mit kurzem i


Bsp.: -ig (lästig), -lich (gräßlich), -isch (magisch)

NdL-Tutorium
Einführung
Metrik

Wortbetonung i.d.R. Orientierung an üblicher Wortbetonung


ABER in Gedichten nie absolut
IMMER auf die Nachbarsilben schauen

Bsp.: das liebliche Herz


das liebliche Gesicht

NdL-Tutorium
Einführung
Metrik

- Zweisilbige Substantive mit Schlusssilben -ung, -eit


Bsp.: Klugheit, Senkung  Betonung auf Stammsilbe

ABER Achtung bei dreisilbigen

Bsp.: Kleinigkeit, Plünderung

NdL-Tutorium
Einführung
Metrik

Vorsilben mit Vokal e werden nicht betont


Bsp.: brechen
Gebrechen, erbrechen, verbrechen, zerbrechen

ABER Vorsilbe mit Vokal a zieht Betonung an sich


anbrechen, ausbrechen, aufbrechen, abbrechen,
einbrechen
 Betonung wird auf erste Silbe verschoben

NdL-Tutorium
Einführung
Metrik

Zusammengesetzte Wörter

Holzbein, Tischbein, Flussufer

 Betonung verschiebt sich mit der Bedeutung

NdL-Tutorium
Einführung
Metrik

Annahmen :

NdL-Tutorium
Einführung
Metrik

1. Zwei Hebungen stehen nur in einem Fall nebeneinander


 Hebungsprall beim Pentameter

NdL-Tutorium
Einführung
Metrik

Elegisches klausurrelevant
->

Distichon

NdL-Tutorium
Einführung
Metrik

1. Es gibt maximal 2 Senkungen zwischen den Hebungen


2. Substantive und Verben ziehen meist Betonung an sich
(Daumenregel)

NdL-Tutorium
Einführung
Lyrik l - Stabreim
Stabreim oder Alliteration

- betonten Stammsilben benachbarter Wörter besitzen


gleichen Anfangslaut

Milch macht müde Männer munter.

NdL-Tutorium
Einführung
Assonanz / Konsonanz
Assonanz und Konsonanz

NdL-Tutorium
Einführung
Kadenzen / Enjambement
Kadenz / Enjambement

NdL-Tutorium
Einführung
Versformen
Versformen

NdL-Tutorium
Einführung
Versformen

NdL-Tutorium
Einführung
Strophenformen / Gedichtformen
Strophenformen / Gedichtformen

NdL-Tutorium
Einführung
Übungen
Übung I Metrum

• Bestimmt das Metrum und die Kadenzen


X

-
X
X X 2
nebige
X

X X X X Anapast
X X X
nebige Anapart

NdL-Tutorium
Einführung
Übung I Metrum

• Bestimmt das Metrum und die Kadenzen

** ** ** s-4nebiger
* X

3 Jambus

NdL-Tutorium
Einführung
Übung I Metrum

• Bestimmt das Metrum und die Kadenzen

* **
x

3
* *
X x

x
x X Jambus

X x
x -nebig
x x x

NdL-Tutorium
Einführung
Übung II Versmaß und Strophenform

NdL-Tutorium
Einführung
Übung II Versmaß und Strophenform

„Im Pentameter drauf läßt er ihn wieder raus“

(Claudius)

NdL-Tutorium
Einführung
Übung II Versmaß und Strophenform

„Die Fahrten gehn zu Ende,


der Fahrtenwind bleibt aus.
Es fällt dir in die Hände
ein leichtes Kartenhaus.“

(Bachmann)

NdL-Tutorium
Einführung
Übung II Versmaß und Strophenform

„Packt euch nach Haus, ihr Tagediebe! fort!


Ist dies ein Feiertag! Was? wißt ihr nicht,
Dass ihr als Handwerksleut an Werkeltagen
Nicht ohn ein Zeichen der Hantierung dürft
Umhergehn? – Welch' Gewerbe treibst du? sprich!
(Schlegel)

NdL-Tutorium
Einführung
Übung II Versmaß und Strophenform

„Wer groß im Kleinen ist, wird größer sein im Großen“

(Gryphius)

NdL-Tutorium
Einführung
Übung II Versmaß und Strophenform

„Blumen reicht die Natur, es windet die Kunst sie zum Kranze“
(Goethe)

NdL-Tutorium
Einführung
Übung II Versmaß und Strophenform

„aber der große Moment, findet ein kleines Geschlecht“

(Schiller)

NdL-Tutorium
Einführung
Übung II Versmaß und Strophenform

„Was ihr hinein nicht gelegt, ziehet ihr nimmer heraus.“

(Goethe)

NdL-Tutorium
Einführung
Versmaße

NdL-Tutorium
Lyrikanalyse l
Strophenformen

NdL-Tutorium
Lyrikanalyse l
Katalektischer Vers

NdL-Tutorium
Lyrikanalyse l
Akatalektischer Vers

NdL-Tutorium
Lyrikanalyse l
Hyperkatalektischer Vers

NdL-Tutorium
Lyrikanalyse l
Lyrikanalyse
Grundlegendes zur Lyrikanalyse

• Es gibt nicht die „eine“ richtige Interpretation / Lesart.


• Aber: genauso wenig ist die Interpretation willkürlich.
• Interpretation nachvollziehbar am Text belegen
• Interpretation muss einer gewählten Bedeutungsrichtung
folgen
• Wenn Text mehrere Bedeutungsrichtungen anbietet,
begründen, weshalb der Ausgewählten gefolgt wird.
• Einbezug von Weltwissen, literaturhistorischem Wissen
(Epoche), Gattungswissen etc. wertet die Analyse über die
rein subjektive Lesart auf.

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Lyrikanalyse l
Frage an euch

Welche Fragen müssen in einer vollständigen Lyrikanalyse


beantwortet werden?

Wie geht ihr bei der Lyrikanalyse vor?

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Lyrikanalyse l
Fünf Leitfragen der Lyrikanalyse

(1) Wann ist das Gedicht entstanden?


• histor. Hintergrund & Umstände der Textentstehung

(2) Worum geht es?


• Erfassung des Themas

(3) Wer spricht?


Wer spricht im Gedicht mit wem (Adressat*in) wann und wo (zeitliche und
räumliche Situierung) worüber (Objekt der Rede) und aus welcher
Motivation heraus?
• Tipp: Personal- oder Possessivpronomina
• Welche Merkmale werden dem Sprecher/Adressaten zugeordnet? (biologische, soziale,
psychische, ethische; Geschlecht, Alter, Beruf, Aussehen, Bildung etc.) In welcher
Relation stehen Sprecher und Adressat(en)? In welcher Relation steht der Sprecher zum
Besprochenen?

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Lyrikanalyse l
Fünf Leitfragen der Lyrikanalyse

(4) Wie ist das Gedicht sprachlich strukturiert?


 deduktives Vorgehen:
• Gedichtform als Ganzes
• Aufbau: Strophe(n), Verse, Reimstruktur
• Metrum & Kadenzen
• Syntax
• Tropen und rhetorische Figuren

(5) Wie wirken Sprache und Inhalt zusammen?


• Einordnung / Interpretation auf metaliterarischem Abstraktionsniveau
• Liegt Intertextualität vor?

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Lyrikanalyse l
Methodik der Lyrikanalyse

Analyse: induktiv, deskriptiv


• Textarbeit: formale und strukturelle Besonderheiten werden festgestellt → Leitfragen
beantworten

 gesammelte Befunde dienen als Grundlage für die Interpretation

Interpretation: deduktiv, explanativ


• Keine Befunde ohne Deutung!

• Thesen mit Textstellen belegen [Muster: … (vgl. V. 3) oder ,, … “ (V. 3)]

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Lyrikanalyse l
Argumentativer Drei-Schritt

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Lyrikanalyse l
Übung zur ersten Römischen Elegie

1) Versucht die fünf Leitfragen zu beantworten.


Für spezielle Fragen (Entstehung usw.) könnt ihr auch das Internet nutzen. (QUELLEN
NOTIEREN!)

2) Stellt Thesen auf: Was will der Sprecher mit seinem Gedicht ausdrücken?

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Lyrikanalyse l
Übung zur ersten Römischen Elegie / Leitfragen Analyse

1. Wann ist das Gedicht entstanden?

2. Worum geht es?

3. Wer spricht?

4. Wie ist das Gedicht sprachlich strukturiert?

5. Wie wirken Sprache und Inhalt zusammen?

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Goethes „Erste Römische Elegie“ (1795)
Saget, Steine, mir an, o! sprecht, ihr hohen Paläste. 1
Straßen redet ein Wort! Genius, regst du dich nicht?
Ja es ist alles beseelt in deinen heiligen Mauern
Ewige Roma, nur mir schweiget noch alles so still.
O! wer flüstert mir zu, an welchem Fenster erblick ich 5
Einst das holde Geschöpf, das mich versengt und erquickt?
Ahnd’ ich die Wege noch nicht, durch die ich immer und immer
Zu ihr und von ihr zu gehn, opfre die köstliche Zeit.
Noch betracht’ ich Paläst und Kirchen, Ruinen und Säulen,
Wie ein bedächtiger Mann sich auf der Reise beträgt. 10
Doch bald ist es vorbei, dann wird ein einziger Tempel,
Amors Tempel nur sein, der den Geweihten empfängt.
Eine Welt zwar bist du, o Rom, doch ohne die Liebe
Wäre die Welt nicht die Welt, wäre denn Rom auch nicht Rom.
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Fünf Leitfragen: „Erste Elegie“

(1) Wann ist das Gedicht entstanden?  1788-1790 entstanden, 1795 erste
Veröffentlichung in den Horen, biografische Verortung: unmittelbar nach Goethes Italienreise
(1786-1788)

(2) Worum geht es? Stadt Rom und Liebe

(3) Wer spricht? Wer spricht im Gedicht mit wem (Adressat*in) wann und wo (zeitliche und
räumliche Situierung) worüber (Objekt der Rede) und aus welcher Motivation heraus?

• Personal- oder Possessivpronomina: „ich“ = Sprecher / lyr. Ich

• Welche Merkmale werden dem Sprecher zugeordnet? Männlich (V. 10), Reisender (V.
10), heterosexuell (V. 6-8), gebildet (implizit), geschichtsinteressiert, nach sinnlicher /
gefühlvoller Liebe trachtend

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Fünf Leitfragen: „Erste Elegie“

• Adressaten: Stadt Rom (V. 1, 13), Geliebte (V. 6), Genius (V. 2)

• In welcher Relation stehen Sprecher und Adressat(en)? Rom: Bewunderung, Inspiration,


Entdeckung; Geliebte: Liebesbeziehung; Genius: Kunst?

• Ort: in Rom

• Gegenstand: Isoliertheit des Sprechers in Rom, Liebe

• Motivation: Lob auf Stadt/Liebe, Nostalgische Stimmung (Erinnerung)

• In welcher Relation steht der Sprecher zum Besprochenen? Einbezogen

(4) Wie ist das Gedicht sprachlich strukturiert?

• Metrum & Kadenzen:  Distichon (= Zweizeiler aus Hexameter+Pentameter mit Zäsur)

• Syntax, Tropen und rhetorische Figuren

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Fünf Leitfragen: „Erste Elegie“

(5) Wie wirken Sprache und Inhalt zusammen?

• metaliterarisches Abstraktionsniveau:

• Elegie als antikes Liebes-/Klagegedicht enthält positive Konnotation, Liebesverhältnis


auf Augenhöhe, Klagefunktion?

• Distichon als antikes Metrum programmatisch für Goethes nachitalienische Lyrik?


Produkt der Italienreise?

• Letztes Distichon fällt rhythmisch heraus, fungiert als Fazit?

• Intertextualität? Anspielungen auf Properz, Tibull, Catull, Ovid, Vergil

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Interpretationshypothesen
Interpretationsthesen (Bsp.): „Erste Elegie“

Stellt pro Gruppe eine Interpretationshypothese auf Grundlage der


vorangegangenen Analyse auf.

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Interpretationsthesen (Bsp.): „Erste Elegie“

• Obwohl das lyr. Ich in Rom ist, fühlt es sich von der Stadt ausgeschlossen

• Die Liebe ist das Zentrum der Welt / des Lebens


• Wortspiel: Roma / Amor

• Rom ist die Stadt der Weltgeschichte


• Entstehungskontext: Bildungsreise
• Ruinen „sprechen“ zu dem lyr. Ich / Vergangenheit ist erlebbar (Personifikation)

• Epochen-/Gattungstheoretische Deutung: Die Römischen Elegien markieren


Rückbesinnung auf Antike (Klassik-Programm)
• Antike Versform, Rom als Thema, mythologische Bezüge (Amor)

• Autobiographische Deutung (umstritten, weil Autor nicht lyrischem Ich entspricht)


• Goethe selbst war als Reisender in Rom (V. 10),
• Goethe findet in Rom die große Liebe (Faustine)?
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Transfer zu Recherche
Transfer zu Recherche

Stellt euch vor, ihr würdet eine Hausarbeit über Goethes Römischen Elegien schreiben. Wo
würdet ihr folgende Begriffe nachschlagen:

• Elegie

• Goethe (biografischer Hintergrund)

• Goethes Römische Elegien

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Transfer zu Recherche

Stellt euch vor, ihr würdet eine Hausarbeit über Goethes Römischen Elegien schreiben. Wo
würdet ihr folgende Begriffe nachschlagen:

• Elegie  Reallexikon der dt. Sprache und Literatur

• Goethe (biografischer Hintergrund)  Killy Literaturlexikon

• Goethes Römische Elegien  Kindlers Literaturlexikon

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