CME

Chirurgie 2023 · 94:968–978

https://doi.org/10.1007/s00104-023-01922-w
Angenommen: 25. April 2023
Online publiziert: 3. August 2023
© The Author(s), under exclusive licence to
Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von
Springer Nature 2023

Wissenschaftliche Leitung
Zertifizierte Fortbildung
M. Betzler, Essen
H.-J. Oestern, Celle
P. M. Vogt, Hannover
Chirurgisches Management des
brandverletzten Patienten
Kommentar zur Leitlinie Behandlung thermischer
Verletzungen des Erwachsenen

Hans-Oliver Rennekampff1 · Thomas Kremer2

1
Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, Rhein Maas Klinikum, Würselen,
Deutschland
2
Klinik für Plastische und Handchirurgie mit Schwerbrandverletztenzentrum, Klinikum St. Georg, Leipzig,
Deutschland

Zusammenfassung

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Die Behandlung brandverletzter Patienten stellt eine herausfordernde Tätigkeit dar.
Das Ausmaß der thermischen Verletzung reicht von kleinsten Verbrennungen bis zu
lebensbedrohlichen Brandverletzungen. Eine unzureichende Behandlung kann eine
erhebliche Einschränkung der Lebensqualität nach sich ziehen. Zur Vermeidung solcher
Folgen muss eine zielgerichtete Behandlung erfolgen. Die Diagnosestellung gibt die
Behandlung vor. Oberflächlich zweitgradige Verbrennungen (2a) mit einer Fläche kleiner
als 10 % Körperoberfläche (KOF), die weder Gesicht, Hände oder gelenkübergreifend
sind, können in der Regel mit modernen Wundauflagen ambulant behandelt werden.
Tief zweitgradige Wunden (2b) stellen eine Indikation zum Débridement dar. Neben
dem klassischen chirurgischen Verfahren mit tangentialer Exzision, wird hierfür auch
das enzymatische Débridement eingesetzt. Auch nicht klar zuzuordnende Wunden
(2a/2b) stellen eine Indikation für das enzymatische Débridement dar. Die drittgradige
Verbrennung bedarf nach dem zeitnahen Débridement einer Hautransplantation.
Zudem können für diese Patienten spezielle Hautersatzverfahren zur Verbesserung
des funktionellen und ästhetischen Ergebnisses zur Anwendung kommen. Aufgrund
der langfristig sichtbaren Folgen einer Verbrennung ist eine Nachsorge dieses
Patientengutes indiziert.

Schlüsselwörter
Verbrennungsgrad · Notfallmanagement · Escharotomie · Enzymatisches Débridement ·
Verbrennungserkrankung

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Lernziele
Nach Studium des Artikels können Sie ...
– klinische Unterschiede der Verbrennungstiefen benennen,
– die Indikationen für eine Verlegung in ein Verbrennungszen-
trum nennen,
– die Notwendigkeit einer Escharotomie beurteilen,
– verschiedene Arten des Débridements mit Vorteilen und Risiken
beurteilen,
– eine moderne konservative Therapie der oberflächlich zweit-
gradigen Verbrennung einleiten.
Hintergrund
Die kutane Verbrennung stellt in Abhängigkeit des Ausmaßes des
verbrannten Areals (in der Regel ab 20 % verbrannter Körper-
oberfläche) und des Alters des Patienten nicht nur eine akute,
lokal begrenzte Erkrankung dar, sondern es handelt sich um eine
schwerwiegende systemische Erkrankung. Bei genauerer Analy-
se zeigt sich [1, 2, 3], dass es sich bei großflächigen Verbrennungen
um eine langwierige Erkrankung, wenn nicht sogar chronische
Erkrankung handelt. Diese bezieht sich sowohl auf somatische
Parameter als auch auf die Lebensqualität. Daher kann die Beur-
teilung der Behandlungsqualität auch nicht an der Überlebensrate
alleine festgemacht werden [4]. Vielmehr hat die moderne Verbren-
nungsbehandlung neben einer möglichst geringen Mortalität vor
allem die Funktion, Ästhetik und Lebensqualität der Patientinnen
und Patienten im Fokus. Daher kann die Überlebensrate – wenn
überhaupt – nur ein Parameter im Rahmen der Qualitätssicherung
sein.
Eine andere mögliche Kennzahl, die als Surrogat für eine suf-
fiziente Behandlung auch weniger schwer verbrannter Patienten
herangezogen werden kann, ist die stationäre Liegezeit [5]. Sie
kann als Ausdruck einer stringenten zielgerichteten Behandlung
gewertet werden, da ein zeitgerechter Wundverschluss Komplika-
tionen wie Wundinfektionen und Sepsisepisoden reduzieren kann.
Aus diesen Gründen kommt der differenzierten chirurgischen
Therapie der Verbrennung eine entscheidende Bedeutung zu. Hier
spielt die die Implementierung regelhafter Behandlungsabläufe
(Standard Operating Procedures, SOP) eine wichtige Rolle und
kann die Behandlungsqualität positiv beeinflussen [6].
Vergleichbar mit anderen chirurgischen Bereichen wird die Ver-
brennungsbehandlung zunehmender individualisiert auf die vor-
liegenden Befunde angepasst und damit komplexer. Aufgrund
dieser Komplexität werden in Deutschland schwerbrandverletzte
Patienten vornehmlich in spezialisierten Zentren behandelt. Dies
betrifft sowohl Kinder als auch erwachsene Patienten. Allerdings
sind vor allem kleinere Verbrennungen und Verbrühungsverlet-
zungen im Alltag häufig, sodass keinesfalls alle Patientinnen und
Patienten in entsprechenden Zentren behandelt werden, sondern
vielmehr die Mehrzahl der Patienten mit Verbrennungen in am-
bulanten und anderen stationären Einrichtungen versorgt wird.
Obgleich viele dieser „kleinen“ thermischen Verletzungen mit einer
lokalen Wundbehandlung zur Abheilung gebracht werden können,
müssen langfristige Folgen mit sichtbarer Narbenbildung und nar-
benbedingter funktioneller Einschränkung, wenn immer möglich,
vermieden werden. Um die Versorgungsqualität zu steigern setzt
Abstract
Surgical management of burn injury patients.
Comments on the guidelines on treatment of thermal
injuries in adults
The treatment of burn injury patients is a unique challenge for clinicians.
The extent of thermal injuries ranges from very small burns to life-
threatening burn injuries. Insufficient treatment can result in a substantial
impairment in the quality of life. In order to avoid such sequelae a
targeted treatment must be carried out. A precise diagnosis determines
the necessary treatment. Superficial second-degree burns (2a) not
involving the face, hand or joints with a total body surface area smaller
than 10% can usually be treated with modern wound dressings in an
outpatient setting. Deep second-degree burns (2b) are an indication
for debridement. In addition to the classical surgical procedures with
tangential excision, enzymatic debridement can also be employed.
Similarly, indeterminate burns (2a/2b) are also considered to be an
indication for enzymatic debridement. Third-degree burns are treated
with early debridement and skin grafting. These patients can also benefit
CME
from special dermal replacement procedures for an improvement of the
functional and esthetic results. Due to the long-term visible sequelae of
burns, aftercare of these patients is indicated.
Keywords
Burn degree · Emergency management · Escharotomy · Enzymatic
debridement · Burn illness
sich in allen Bereichen der Medizin eine evidenzbasierte Medizin
mit der Erstellung von Handlungsempfehlungen bzw. Leitlinien
wie die S2k-Leitlinie Behandlung thermischer Verletzungen des
Erwachsenen [7] durch (Abb. 1).
Initiales Notfallmanagement bei Verbrennungen
Die Notfall- und Erstversorgung von Brandverletzten umfasst die
(Eigen-)Sicherung, die Ersteinschätzung sowie die initiale Thera-
pie. Hierbei kommt in vielen Notfallsituationen dem Eigenschutz
der Ersthelfer eine besondere Bedeutung zu, da z. B. Explosio-
nen, elektrischer Strom, aber auch toxische Gase eine erhebliche
Gefährdung darstellen können. Ist eine sichere Rettung der be-
troffenen Patienten möglich, sollten die Patienten ggf. gelöscht
und Hitzespeicher (z. B. verbrannte Kleidung) entfernt werden.
Eine Kühlung von Brandverletzungen kann aufgrund des an-
algetischenEffektes nur beisehr kleinenVerbrennungen empfohlen
werden, führt aber bei ausgedehnteren thermischen Verletzungen
zu einer signifikanten Auskühlung der Patienten mit einer kon-
sekutiv reduzierten Überlebenswahrscheinlichkeit und auch lokal
negativen Folgen für die Brandwunden [8, 9]. Aus diesem Grund
sollte in der Regel nach Entfernung der Hitzespeicher lediglich ei-
ne sterile Abdeckung der Verbrennungsareale erfolgen und der
Patient möglichst warm gehalten werden.
Anschließend erfolgt eine grobe Einschätzung der betroffenen
Körperoberfläche und der Verbrennungstiefe. Erstere kann am
einfachsten nach der sogenannten 9er-Regel abgeschätzt wer-
den, bei der die Köperoberfläche in Untereinheiten von jeweils 9 %
eingeteilt wird (Abb. 2 aus [10]). Eine weitere Hilfe bei der Beur-
teilung der verbrannten Körperoberfläche (vKOF) ist die Tatsache,
dass die Handfläche des Patienten etwa einem Prozent seiner KOF
entspricht.
Die Chirurgie 11 · 2023 969
CME
Abb. 1 8 19 Jahre alte Patientin nach einem Kleiderbrand durch Explosion
eines Ethanolkamins. Nach Löschung und Erstversorgung durch den Not-
arzt direkte Verlegung in ein Brandverletztenzentrum. a Bild des vorderen
Rumpfes bei Aufnahme; b gesamtes Verbrennungsausmaß in Übersichts-
zeichnung
Die Verbrennungstiefe wird in Grade eingeteilt. Dabei ent-
spricht eine erstgradige Verbrennung einer oberflächlichen ther-
mischen Schädigung, die in ihrer klinischen Ausprägung einem
Sonnenbrand ähnelt. Zweitgradige Verbrennungen werden in
oberflächliche (Grad 2a) und tief dermale (Grad 2b) Verletzungen
eingeteilt. Diese zeigen eine Blasenbildung und ein erhaltenes
Schmerzempfinden (Grad 2a: starke Schmerzhaftigkeit; Grad 2b:
nur noch dumpfes Schmerzempfinden). Oberflächlich zweitgradige
Verbrennungen weisen eine erhaltene Perfusion des Wundgrundes
mit einer normalen Rekapillarisierungszeit auf, während tief zweit-
gradige Verbrennungen durch einen roten, teils blassen Wund-
grund mit reduzierter Rekapillarisierung erkennbar sind. Die Haare
sind beim Grad 2a noch fest haftend, lassen sich bei 2b-Verbren-
nung jedoch leicht herausziehen. Drittgradige Verbrennungen
sind durch eine allschichtige Nekrose der Haut mit vollständiger
Analgesie und aufgehobener Perfusion der Haut gekennzeichnet.
Wichtig im Rahmen der Ersteinschätzung von Patienten mit
thermischen Verletzungen ist zusätzlich die Untersuchung auf
mechanische Begleitverletzungen. Diese treten bei bestimmten
Verletzungsmechanismen gehäuft auf, wie z. B. Explosionen mit
direkten oder indirekten Traumata, Verkehrsunfällen oder aber auch
Sprüngen aus größerer Höhe, um einem Feuer zu entkommen.
Treten die Verbrennungen im Rahmen eines Feuers in geschlos-
senen Räumen auf, sollte zusätzlich an die Möglichkeit eines In-
halationstraumas gedacht werden.
Bei der Erstversorgung eines Brandverletzten sollten, wenn im-
mer möglich, großlumige venöse Zugänge angelegt werden, um
einerseits eine ausreichende analgetische Therapie zu ermögli-
chen und andererseits eine ausreichende intravenöse Flüssigkeits-
substitution zu ermöglichen. Letztere sollte in der präklinischen
Behandlung mit etwa 500–1000 ml balancierter Elektrolytlösung
erfolgen und wird dann in der Klinik entsprechend gesonder-
ten Formeln und dem klinischen Verlauf angepasst. Wenn auf-
grund ausgedehnter Verbrennungsverletzungen das Legen eines
i.v. Zuganges erschwert oder unmöglich ist, sollte ein intraos-
970 Die Chirurgie 11 · 2023
Abb. 2 8 9er-Regel nach Wallace beim Erwachsenen. (Aus [10])
särer Zugang etabliert werden. Eine Intubation zur Sicherung
der Atemwege ist nicht in jedem Fall notwendig, sollte aber ggf.
durchgeführt werden, wenn das Gesicht oder die oberen Atem-
wege von der Verletzung betroffen sind oder eine ausgeprägte
Schwellung zu erwarten ist.
Indikationen zu Verlegung eines Patienten in ein
Schwerbrandverletztenzentrum
Nach der Erstversorgung eines Brandverletzten erfolgt in der Regel
der Transport in das nächstgelegene Traumazentrum. Patienten
mit folgenden Kriterien sollen direkt in ein Brandverletztenzentrum
verlegt werden:
– Verbrennungen Grad 2 von 10 % und mehr Körperoberfläche,
– Verbrennungen Grad 3,
– Verbrennungen an Händen, Gesicht oder Genitalien,
– Verbrennungen durch Elektrizität inklusive Blitzschlag,
– Verätzungen durch Chemikalien,
– Inhalationstrauma,
– Verbrennungspatienten mit Begleiterkrankungen oder Verlet-
zungen, die die Behandlung erschweren,
– Verbrennungspatienten, die eine spezielle psychologische,
psychiatrische oder physische Betreuung benötigen.
Alle Patienten, die keines dieser Kriterien erfüllen, können auch au-
ßerhalb von Brandverletztenzentren behandelt werden, auch wenn
eine Vorstellung in einem Verbrennungszentrum auch in diesen
Fällen angeboten werden kann. Allerdings kann die Mehrzahl der
oberflächlichen zweitgradigen Verbrennungen mit einer ver-
brannten Fläche unter 10 % KOF nach initialer Wundbehandlung
und unter adäquater Schmerztherapie ambulant weitergeführt

Abb. 3 8 48-jähriger Mann mit einer Verätzung (a; pH-Teststreifen in grün), nach Débridement und Auflage eines
temporären synthetischen Hautersatzes auf Milchsäurebasis (b) und nach spontaner Abheilung (c)
werden. Auch die flächenmäßig kleine oberflächlich zweitgradi-
ge Verbrennung an Händen kann bei sicherer Tiefenbestimmung
ambulant außerhalb eines Brandverletztenzentrums behandelt
werden, wenn eine leitliniengerechte Wundbehandlung und Nach-
sorge gewährleistet ist.
Die Verbrennungserkrankung
Ab einer verbrannten Körperoberfläche von mehr als 15–20 %
tritt bei Verbrennungsopfern zusätzlich zu den lokalen Folgen
des thermischen Traumas eine systemische Erkrankung auf, die als
Verbrennungskrankheit bezeichnet wird [11]. Durch die Ausschüt-
tung immunmodulatorischer Zytokine kommt es dabei zu einer
systemischen Inflammation mit konsekutivem Kapillarleck. Dies
führt unter anderem zu einem Verlust intravasaler Flüssigkeit in das
Interstitium mit resultierendem hypovolämischem Schock und
ubiquitärer Ödembildung. Zusätzlich treten aber auch spezifische
Veränderungen an zahlreichen Organen auf. Diese reichen von einer
Nieren- und kardialen Insuffizienz, über pulmonale und zerebrale
Beeinträchtigungen bis hin zu einer ausgeprägten Immundefi-
zienz und Störungen der intestinalen Funktion. Ein besonderes
Merkmal ist die Entwicklung eines ausgeprägten Hypermetabo-
lismus im Verlauf der Verbrennungskrankheit mit resultierendem
Mehrverbrauch an Energie und Substraten [12].
Behandlung zweitgradiger Verbrennungen
Oberflächlich zweitgradige Verletzungen
Da oberflächlich zweitgradige Verletzungen stark schmerzhaft sind,
ist eine adäquate Schmerztherapie wichtig; hier wird auf die S3-
Leitlinien DAS-Leitlinie 2020 und Behandlung akuter periopera-
tiver und posttraumatischer Schmerzen verwiesen. Die Basis der
Schmerztherapie bilden periphere Analgetika ggf. in Kombina-
tion mit schwachen oder stark wirksamen Opioiden (vergleiche
o. g. Leitlinien zur Schmerztherapie [13, 14]).
Die initiale Wundbehandlung der oberflächlich zweitgradi-
gen Verbrennung umfasst eine Wundreinigung mit Gaze oder
CME
Schwamm und eine Abtragung der Brandblasen [15]. Für die
Wundreinigung werden desinfizierende Lösungen eingesetzt, wo-
für eine Reihe von Produkten wie Polihexanid, Natriumhypochlorid,
Chlorhexidin und Octenidin zur Verfügung stehen. Je nach Ausmaß
der Verletzung muss diese initiale Wundreinigung in Analgosedie-
rung erfolgen. Anschließend werden in der Regel Wundauflagen
aufgebracht, eventuell in Kombination mit antimikrobiellen Sal-
ben auf Polihexanid- oder Octenidinbasis. Besonders geeignet
sind spezielle synthetische oder biologische temporäre Hauter-
satzmaterialien. Auch Hydrokolloidauflagen oder synthetische
Materialien können zur Anwendung kommen (Abb. 3). Mehrere
systematische Reviews und Metaanalysen [16, 17, 18] konnten
keine klare Überlegenheit eines Verbandsregimes aufzeigen.
Bei allen Anwendungen sind Wundkontrollen bis zur Heilung
durchzuführen, wobei Materialien, die weniger Verbandswechsel
über die Zeit erfordern und damit auch die Schmerzbelastung
für den Patienten reduzieren, der Vorzug zu geben ist. Silbersul-
fadiazin ist daher heute bei der Behandlung der oberflächlichen
zweitgradigen Verbrennung nicht mehr erste Wahl, weil es ei-
nerseits die Epithelisierung verzögert und andererseits tägliche
Verbandwechsel notwendig sind [17].
Eine Antibiotikagabe ist bei der Verbrennung unter 10 % KOF
primär nicht indiziert [19, 20]. Sollte sich im Verlauf eine flächige
Rötung von 2 cm und mehr um die Verbrennungswunde zeigen,
kann eine Wundinfektion vorliegen. Eine antiinfektive Therapie
kann dann ggf. stationär notwendig werden. Wundabstriche als
alleiniges Diagnostikum sind hier ungeeignet, da einerseits eine
Unterscheidung zwischen Kontamination/Kolonisation und einer
invasiven Infektion nicht möglich ist und andererseits die Relevanz
eines Keimes nicht beurteilt werden kann. Bei klinisch manifester
Infektion sollte neben der antiinfektiven Therapie ein operatives
Débridement mit Entfernung des infizierten Gewebes erfolgen.
Bei korrekter Befundung und Diagnosestellung soll eine ober-
flächlich zweitgradige Verbrennung in maximal 3 Wochen abgeheilt
sein [21].
Die Chirurgie 11 · 2023 971
CME
Tief zweitgradige Verbrennung
Die Behandlung der tief zweitgradigen Verbrennung muss deutlich
differenzierter erfolgen. Hier kommt der genauen Beurteilung der
Verbrennungstiefe eine besondere Bedeutung zu. Dabei ist es
wesentlich, zu unterscheiden, ob eine Verbrennungswunde zeitge-
recht abheilen wird oder ob eine chirurgische Therapie notwendig
ist. Eine inkorrekte Befundung kann in einem Fall zu einer nicht
notwendigen chirurgischen Therapie führen und im anderen Fall
zu einer verlängerten Behandlungszeit mit den damit verbunde-
nen Risiken. Diese Entscheidungen sind oft schwer zu treffen, weil
apparative objektive Hilfsmittel wie das Laser-Doppler- oder das
Hyperspektral-Imaging (HSI) häufig nicht vorhanden sind [22, 23].
Ist die Verbrennung eindeutig als tief zweitgradig klassifiziert,
so soll eine Abtragung der nekrotischen Hautschichten erfol-
gen. Begründet wird dieses Vorgehen mit der Erkenntnis, dass bei
tief zweitgradiger Wunde die Narbenbildung unter konservativem
Management schlechter ausfällt als nach einem Débridement mit
nachfolgender Hauttransplantation [21]. Das chirurgische Débri-
dement erfolgt tangential mit dem Humby- oder Goulian-Messer
oder in Wasserstrahltechnik [24].
Eine weitere Möglichkeit zur differenzierten Nekrektomie mit
Schonung vitaler Haut einerseits und Entfernung nekrotischer An-
teile andererseits ist das sog. enzymatische Débridement, in
dessen Rahmen die abgestorbenen Hautanteile selektiv aufgelöst
und dann abgetragen werden (s. unten; [25, 26]).
Behandlung drittgradiger Verbrennungen
Gemäß der S2k-Leitlinie stellt die drittgradige Verbrennung eine
Indikation für die Behandlung in einem Verbrennungszentrum
dar. Die zeitnahe Entfernung der verbrannten Haut kann mit einer
Senkung der Morbidität und bei speziellen Patientengruppen auch
der Mortalität in Verbindung gebracht werden [27, 28]. Da seit der
Beschreibung sog. „Verbrennungstoxine“ durch Allgöwer und
Kollegen im Jahr 1968 [29] die thermisch geschädigte Haut als
pathogene Ursache für die systemische Verbrennungserkrankung
(s. oben) angesehen wird [30, 31], sollte diese möglichst zeitnah
entfernt werden. Insbesondere Patienten mit einer verbrannten
Körperoberfläche > 30 % profitieren von einer frühzeitigen Ne-
krektomie. Der optimale Zeitraum der frühen Nekrektomie wurde
in einer Metaanalyse bis zum 6. Posttraumatag definiert [27].
Erschwert wird die Interpretation bezüglich eines optimalen
Zeitpunktes durch die Tatsache, dass viele der Studien zwar einen
Zeitpunkt der ersten Nekrektomie angeben, jedoch keine Angaben
machen, zu welchem Zeitpunkt die komplette Nekrektomie aller
Areale abgeschlossen ist. In Abhängigkeit von Größe und Lokali-
sation der Wunde und Zustand des Patienten werden nämlich die
Wunden komplett oder sequenziell nekrektomiert.
Da schwerstbrandverletzte Patienten häufig die typischen Sym-
ptome des „lethal triad“ (Hypothermie, Koagulopathie, Azidose)
zeigen [32], sollten Prinzipien der Damage Control Surgery für
diese Patientengruppe berücksichtigt werden [33]. In diesem Zu-
sammenhangkanneinerseits die Nekrektomiein mehrereoperative
Schritte unterteilt werden und andererseits können die Nekrekto-
mie und die spätere Rekonstruktion mittels Spalthaut voneinander
972 Die Chirurgie 11 · 2023
separiert werden, indem nach der Entfernung der verbrannten Haut
ein temporärer Wundverschluss erfolgt. Hierfür können allo- oder
xenogene Haut, Niederdrucksysteme oder andere Wundmanage-
mentsysteme verwendet werden.
Prinzipiell sollte jedoch möglichst zeitnah eine Defektdeckung
durch autologe Hauttransplantate angestrebt werden, da der
definitive Wundverschluss mit einer reduzierten Morbidität und
Mortalität in Verbindung gebracht werden kann [34]. Dies zeigt,
dass sowohl ein stringentes Management als auch die jederzeit
verfügbaren Ressourcen wie z. B. Operationskapazität notwendig
sind, um diesen Vorgaben nachzukommen.
Chirurgische Maßnahmen in der Verbrennungs-
behandlung
Escharotomie
Tiefgradige Verbrennungen führen zu einer Denaturierung und
Schrumpfung der Haut. Hinzu kommt das sich ausbildende Ödem.
Deshalb muss bei Verbrühungen oder Verbrennungen an den
Extremitäten, an Hals, Thorax bzw. Rumpf, die mindestens zwei
Drittel der Zirkumferenz betreffen oder zirkulär sind, die Indika-
tion zur Escharotomie geprüft werden. Hierbei sind der aktuelle
und zu erwartende Schwellungszustand und die aktuelle Perfusi-
on der betroffenen Extremitäten sowie Beatmungsparameter zu
bewerten.
Die Escharotomie umschreibt das Einschneiden des Verbren-
nungsschorfes bzw. der Verbrennungswunde – meist mit dem mo-
nopolaren Kauter. Die Schnittführung muss funktionelle Aspekte
wie Lymph-, Nerven- und Gefäßbahnen berücksichtigen. Insbeson-
dere an den Körperregionen wo Stammnerven relativ oberfläch-
lich verlaufen, ist bei aller Dringlichkeit der Escharotomie Vorsicht
geboten. Bei zweitgradigen Arealen sind zudem die resultierenden
Narbenlinien bei der Schnittführung zu bedenken, d. h. bei der
Escharotomie sollen Gelenke nicht gekreuzt werden. Das gesamte
verbrannte Areal muss bis in gesunde Gewebeschichten (meist die
Subkutis) eingeschnitten werden. Das Durchtrennen des gesamten
subkutanen Fettgewebes und der Faszien bis auf die Muskulatur
ist nicht notwendig. Dies wäre nur bei dem Verdacht auf ein Kom-
partmentsyndrom z. B. im Rahmen einer Starkstromverbrennung
zu bedenken und ggf. indiziert.
Neuerdings zeigen erste klinische Studien, dass auch ein sehr
frühes enzymatisches Débridement im Sinne einer „Escharekto-
mie“ zur Druckentlastung bei zirkulären tiefgradigen Verbrennun-
gen führen kann. Dies sollte daher als therapeutische Alternative
evaluiert werden [26].
Nekrektomie
Die chirurgische Therapie bei Brandverletzungen kann in zwei
operative Schritte gegliedert werden:
– die Entfernung der verbrannten Haut bzw. des verbrannten
Gewebes und
– die anschließende Defektrekonstruktion, die in der Regel mittels
Spalthauttransplantation erfolgt.

Abb. 4 8 Flammenverbrennung der rechten Hand (a), nach enzymatischem Débridement mit grobem Blutungs-
muster (b; tiefe Verbrennung) und daher Indikation zur Spalthauttransplantation (c) mit letztlich ästhetisch und
funktionell guter Einheilung (d)
Bei eindeutiger Befundung einer tief zweitgradigen Verbrennung
oder drittgradigen Verbrennung ist die Entfernung des nekro-
tischen Gewebes indiziert. Das Débridement sollte wenn immer
möglich als tangentiale Exzision (s. oben) erfolgen. Die epifasziale
Nekrektomie, d. h. die Abtragung der verbrannten Haut zusam-
men mit dem gesamten subkutanen Gewebe bis zur Faszie, stellt
insgesamt die Ausnahme dar. Es gilt, dass vitale Verschiebeschich-
ten, wenn immer möglich, erhalten werden sollten. Nachteile der
epifaszialen Nekrektomie sind zudem Lymphabflussstörungen
und lebenslange Konturveränderungen.
Es ist allerdings zu bedenken, dass der Blutverlust bei der tan-
gentialen Exzision erheblich sein kann. Mit bis zu 200 ml Blutverlust
pro Prozent nekrektomiertes Areal muss gerechnet werden, sodass
eine Transfusion notwendig werden kann [35]. Eine retrospektive
Untersuchung zeigte [36], dass Patienten mit 20 % oder mehr Pro-
zent Verbrennungsfläche in der Regel eine oder mehrere Blutkon-
serven transfundiert wurden. Die mit der allogenen Bluttransfusi-
on einhergehenden Komplikationen (transfusionsassoziierte akute
Lungeninsuffizienz [TRALI], thrombotische Komplikationen, Elek-
trolytverschiebungen, Immunsuppression, transfusionsassoziierte
Graft-versus-Host-Reaktion [TA-GVHD]) sind hinlänglich beschrie-
ben, sodass der restriktiven Bluttransfusion eine wichtige Rolle
zukommt.
In der TRIBE-Studie zur Bluttransfusion bei Verbrennungspa-
tienten (Median 31 % vKOF) wurde ein Transfusionstrigger von
7 g/dl gegen 10 g/dl untersucht [36]. Wie zu erwarten, konnte
eine deutliche Reduktion der Bluttransfusionen (8 vs. 16) in der
7 g/dl Gruppe festgestellt werden; ein signifikanter Unterschied
im Outcome wurde nicht beobachtet. Es wurde diskutiert, dass
die Transfusionsmengen noch weiter reduziert werden sollten und
der Messung der Gerinnung z. B. Rotationsthromboelastometrie
ggf. mit Korrektur z. B. durch FFP („fresh frozen plasma“) und/oder
CME
Thrombozytenkonzentraten mehr Bedeutung zukommen sollte.
Zudem sind medikamentöse Ansätze wie die Gabe von Tranexam-
säure bei der chirurgischen Therapie von Verbrennungspatienten
beschrieben [37]. Neben diesen Ansätzen sollte die Verwendung
von Tourniquets und die topische Anwendung von hämostypti-
schen und vasokonstriktiven Substanzen sowohl bei der Nekrekto-
mie als auch bei der Spalthautentnahme nicht vergessen werden
[38].
Im begründeten Einzelfall wie z. B. bei tiefreichendem Wundin-
fekt, bei schwerstbrandverletztem Patienten mit eingeschränkter
Operabilität und erhöhtem Operationsrisiko durch Blutverlust kann
auch eine epifasziale Nekrektomie notwendig werden.
Enzymatisches Débridement
Gerade für Verbrennungen unklarer Tiefenausdehnung, hat das
enzymatische Débridement eine zunehmende therapeutische Be-
deutung und hat sich seit seiner Einführung im Jahr 2013 im
klinischen Alltag etabliert. In Studien wurde
– eine signifikante Verkürzung der Zeit für das komplette Débri-
dement,
– eine Reduktion der nekrektomierten Fläche mit konsekutiv
reduziertem Blutverlust und
– eine Reduktion hauttransplantierter Fläche
gezeigt [25, 26]. Zudem kann nach dem Débridement klinisch
deutlich besser entschieden werden, ob eine Epithelisierung der
Wunde noch möglich ist oder eine Spalthauttransplantation er-
folgen muss. Auch für spezielle Lokalisationen wie Hände oder
Gesicht kann das enzymatische Débridement sinnvoll eingesetzt
werden, um eine unnötig tiefe chirurgische Nekrektomie zu ver-
meiden [39, 40]. Unter adäquater Anästhesie wird das Bromelaingel
Die Chirurgie 11 · 2023 973
CME
auf die zu débridierenden Stellen aufgetragen und für 4 h belas- Bei noch ausgedehnteren Verbrennungen, bei denen nicht aus-
sen. Anschließend erfolgt die manuelle Abtragung der lysierten reichend gesunde Hautareale vorhanden sind, um eine autologe
Nekrosen. Hauttransplantation zu ermöglichen, besteht die Möglichkeit, au-
Zeigt sich nach dem Débridement, dass noch ein Reepitheli- tologe kultivierte Keratinozyten zu verwenden. Hierfür wird eine
sierungspotenzial vorliegt, kann eine moderne Wundauflage zur Biopsie von etwa 2 cm2 bei dem Patienten entnommen und zur
Anwendung kommen. In alle anderen Fällen erfolgt nach dem en- Kultur eingesandt. Nach etwa 10 Tagen können dann kultivierte
zymatischen Débridement eine Spalthauttransplantation (Abb. 4). Keratinozyten in Suspension verwendet werden, die als alleini-
ge Transplantate die Epithelisierung beschleunigen können. Sie
Hauttransplantation kommen aber v. a. in Kombination mit weit expandierter Haut
zum Einsatz. Innerhalb von 3 bis 4 Wochen können darüber hi-
Anschließend an die Entfernung der verbrannten Haut erfolgt naus kultivierte epitheliale Autografts (CEA) als Sheets gezüchtet
die Defektrekonstruktion. In alle Regel werden hierfür Spalt- werden, die dann zur Defektrekonstruktion verwendet werden
hauttransplantate verwendet. Die Entnahme erfolgt mit dem können. Beste Voraussetzung hierfür ist allerdings eine erhaltene
Dermatom in einer gleichmäßigen Dicke von 0,2–0,3 mm. Spalt- oder rekonstruierte (s. unten) Dermis, weil epitheliale Zellen nur
hauttransplantate setzen sich somit aus Epidermis und Anteilen der in Verbindung mit dermalen Fibroblasten einheilen können. Zu-
papillären Dermis zusammen. Die Reepithelisierung der Entnah- künftig werden hier eventuell kultivierte Vollhauttransplantate
mestelle kann damit aus den verbliebenen Hautanhangsgebilden aus mehreren Zelllinien Abhilfe schaffen können, die sich aktuell
erfolgen. Für spezielle Indikationen wie an der Hand oder Gesicht in klinischer Evaluation befinden.
stehen überbreite Dermatome zur Verfügung. Die Entnahmestelle
kann mit verdünnter Adrenalinlösung ggf. auch mit zusätzlichem Zweizeitige Rekonstruktion einer Neodermis
lokalem Betäubungsmittel unterspritzt werden. Mineralöl oder ein
Kochsalzlösung-Öl-Gemisch erleichtern das Gleiten des Dermatoms Wie oben beschrieben, sollten im Rahmen der Nekrektomie, wenn
über die Haut. immer möglich, vitale Hautschichten und insbesondere die Dermis
Die Spalthautentnahmestelle soll unter funktionellen und erhalten werden. Dies ist allerdings in einigen Fällen nicht möglich.
ästhetischen Gesichtspunkten gewählt und mit dem Patienten Für diese Patienten existieren unterschiedliche Materialien, die eine
besprochen werden, da bei Spalthautentnahmestellen Texturver-
änderungen der Haut zurückbleiben können. Entnahmestellen
sind daher Oberschenkel, Abdomen und Gesäß. Auch ist die Ent-
nahme am behaarten Kopf zu erwägen, wobei es sich empfiehlt,
dieses eingehend mit dem Patienten zu besprechen. Für die Wun-
dabdeckung der Spalthautentnahmestelle gibt es keine klare Emp-
fehlung; sie sollte die Abheilung fördern und den Patientenkomfort
berücksichtigen.
Die Spalthaut sollte bei kleinen Flächen und an ästhetisch
und funktionell sensiblen Arealen (z. B. Hände, Gesicht, Dekolleté)
ungemesht verwendet werden und ergibt dann das bestmögliche
ästhetische und funktionelle Ergebnis.
Bei ausgedehnten Verbrennungen und an weniger sensiblen
Arealen kann die entnommene Spalthaut expandiert werden. Hier-
für kann die Haut als Maschentransplantat aufgearbeitet werden.
Hierbei sind sinnvolle Expansionsraten von 1,5:1 bis 3:1 möglich.
Allerdings erfolgt die Heilung in den Maschen der expandier-
ten Haut per secundam, sodass das Maschenmuster lebenslang
sichtbar ist und zudem vermehrt Narbenkontrakturen auftreten.
Eine weitere Expansion der Haut ist mittels des Meek-Ver-
fahrens möglich. Für diese Technik wird die Spalthaut in kleine
millimetergroße Quadrate geschnitten und dann auf gefaltete
Stoffbahnen (Plissee) aufgebracht. Vergrößerungen von 4:1 bis 9:1
stehen zur Verfügung.
Die Spalthaut kann mit Klammernaht, Nähten oder Fibrinkleber
fixiert werden. Ein Niederdrucksystem hilft, um das Transplantat
auf dem Wundgrund zu fixieren, Scherkräfte zu minimieren und
stellt einen guten Sterilverband für die ersten 3 bis 5 Tage dar. Je Abb. 5 8 64-jähriger Mann nach Flammenverbrennung mit 3.-gradigen
Verbrennungen des vorderen Rumpfes (a). An Tag 2 erfolgte die Nekrekto-
nach Körperregion sollte eine Ruhigstellung mit immobilisieren- mie und Auflage einer biodegradablen dermalen Matrix auf Polyurethan-
den Verbänden für 5 bis 10 Tage erfolgen. basis (b), die im Verlauf von 4 Wochen einheilte (c) und dann mit Spalthaut
zweizeitig gedeckt wurde (d frühpostoperatives Bild nach 7 Tagen)

974 Die Chirurgie 11 · 2023

Rekonstruktion der Dermis ermöglichen. Diese können kollagene
oder synthetische Matrizes darstellen.
Das therapeutische Prinzip ist hier ziemlich einheitlich. Im An-
schluss an die Nekrektomie wird die Matrix auf den Wundgrund
aufgebracht und geeignet fixiert. Innerhalb von 3 bis 4 Wochen
revaskularisiert die Matrix und heilt damit ein (Abb. 5). Anschlie-
ßend kann eine Schutzschicht abgezogen werden und auf die
Matrix transplantiert werden. Dieses Vorgehen ermöglicht einer-
seits eine Rekonstruktion dermaler Strukturen und kann ande-
rerseits genutzt werden, um einen temporären Wundverschluss
zu erreichen, bis Spalthaut zur Abnahme oder kultivierte autologe
Keratinozyten zur Verfügung stehen.
Nachbehandlung und Rehabilitation
Verbrennungen, die tiefer als oberflächlich zweitgradig waren, hin-
terlassen Narben. Dieses kann sich in Texturstörungen, Pigment-
störungen, verminderter Elastizität und Durchblutungsstörungen
manifestieren. Die Nachbehandlung Brandverletzter ist ein wesent-
licher Bestandteil der Therapie. Sie sollte durch erfahrene Chirurgen
erfolgen und wenn möglich in speziellen Sprechstunden verortet
sein (vgl. Abb. 1 in [41]). Sie beinhaltet eine differenzierte Narben-
therapie, die eine Kompressionstherapie mit entsprechender Klei-
dung, Silikonauflagen und ggf. Lagerungs- und Quengelschienen
beinhaltet. Für die Behandlung des Juckreizes sollten Antihista-
minika verwendet werden. In zweiter Linie kommen Gabapentin
oder Pregabalin zur Anwendung. Zudem ist eine differenzierte
Narben- und Bewegungstherapie durch erfahrene Physio- und
Ergotherapeuten notwendig. Zusätzlich können im Verlauf Kon-
trakturen mit Schmerzen oder Narbenprobleme mit instabilen
Narben auftreten, die eines breiten chirurgischen rekonstruktiven
Spektrums bedürfen.
Zudem sollte die bereits initial notwendige und oft langfristig
begleitende psychologische Betreuung nicht vergessen werden.
Sie trägt dazu bei, die Lebensqualität der Patienten zu erhalten bzw.
zu verbessern. Eine spezialisierte „Verbrennungsrehabilitation“
ist ebenfalls geeignet, die Funktion, Lebensqualität, Ästhetik und
Zufriedenheit der betroffenen Patienten zu verbessern.
Fazit für die Praxis
5 Oberflächlich zweitgradige Verbrennungen (2a) können in der Regel
mit modernen Wundauflagen ambulant behandelt werden.
5 Tief zweitgradige Wunden (2b) stellen eine Indikation zum Débride-
ment dar. Neben dem klassischen chirurgischen Verfahren mit tan-
gentialer Exzision wird hierfür auch das enzymatische Débridement
eingesetzt.
5 Die drittgradige Verbrennung bedarf nach dem zeitnahen Débride-
ment einer Hautransplantation. Spezielle Hautersatzverfahren kön-
nen das funktionelle und ästhetische Ergebnis verbessern.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Hans-Oliver Rennekampff
Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, Rhein
Maas Klinikum
Mauerfelchen 25, 52146 Würselen, Deutschland
hans-oliver.rennekampff@rheinmaasklinikum.de
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. Gemäß den Richtlinien des Springer Medizin Verlags werden
Autoren und Wissenschaftliche Leitung im Rahmen der Manuskripterstellung und
Manuskriptfreigabe aufgefordert, eine vollständige Erklärung zu ihren finanziellen
und nichtfinanziellen Interessen abzugeben.
Autoren. H.-O. Rennekampff: A. Finanzielle Interessen: Vortragshonorare oder
Kostenerstattung als aktiver Teilnehmer: Nürnberger Wundkongress, Conventus Kon-
CME
gressorganisation., Honorar als Fachgutachter für das Institut für medizinische und
pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP), Honorar für Publikationen für uptodate.
– B. Nichtfinanzielle Interessen: Angestellter Plastischer Chirurg, Chefarzt, RheinMaas
Klinikum, Würselen seit 2018; erweiterter Vorstand European Tissue Repair Society
(ETRS); Leitlinienbeauftragter der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin
(DGV) bis 2022 | Mitgliedschaften: Deutsche Gesellschaft für Plastische, Rekonstrukti-
ve und Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC), Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH),
Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie (DGH). T. Kremer: A. Finanzielle Interessen:
T. Kremer gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle
Interessen: Chefarzt der Klinik für Plastische und Handchirurgie mit Brandverletzten-
zentrum, Klinikum St. Georg Leipzig | Mitgliedschaften: Deutsche Gesellschaft für
Verbrennungsmedizin (DGV); Deutsche Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive
und Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC); Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Mikrochir-
urgie der peripheren Nerven und Gefäße (DAM); Vorstandsmitglied (Schatzmeister
DGV); erweitertes Vorstandsmitglied DGPRÄC.
Wissenschaftliche Leitung. Die vollständige Erklärung zum Interessenkonflikt der
Wissenschaftlichen Leitung finden Sie am Kurs der zertifizierten Fortbildung auf www.
springermedizin.de/cme.
Der Verlag erklärt, dass für die Publikation dieser CME-Fortbildung keine Sponsoren-
gelder an den Verlag fließen.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tie-
ren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen
ethischen Richtlinien.
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976 Die Chirurgie 11 · 2023

CME-Fragebogen
Chirurgisches Management des
brandverletzten Patienten

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oder gehen Sie auf www.springermedizin.de/kurse-die-chirurgie

? Patienten mit schweren Verbrennun-
gen sind initial durch eine Reihe von
Faktoren gefährdet. Hierzu gehört der
Symptomenkomplex des „lethal triad“.
Welcher Befund gehört am ehesten
zum „lethal triad“?
◯ Alkalose
◯ Hypothermie
◯ Hypoglykämie
◯ Thrombosen
◯ Hypernatriämie
? Welches der folgenden Verletzungs-
muster beim Erwachsenen stellt eine
Indikation zur Verlegung in ein Brand-
verletztenzentrum dar? Welche Ant-
wort ist am ehesten richtig?
◯ 1 % Körperoberfläche (KOF), oberflächlich
zweitgradig am rechten ventralen Ober-
schenkel bei einem 50-jährigen Patienten
◯ 5 % KOF, oberflächlich zweitgradig am
Rücken bei einem 80-jährigen Patienten
ohne Vorerkrankungen
◯ komplette rechte Handinnenfläche, tief
zweitgradig bei einem 20-jährigen Patien-
ten
◯ 3 % KOF, tief zweitgradig an der rechten
Schulter bei einer 25-jährigen Frau
◯ 10 % KOF, erstgradig am Rücken bei einem
50-jährigen Patienten
? Die Escharotomie soll bei welcher der
folgenden Verletzungen am ehesten
durchgeführt werden?
◯ 1 % Körperoberfläche (KOF), 2a-gradige
Verbrennung an der linken Halsseite
◯ 4 % KOF drittgradige Verbrennung am
dorsalen Thorax
◯ Zirkuläre tief zweitgradige Verbrennung
am Unterarm
◯ Zirkuläre erstgradige Verbrennung am
Unterschenkel und Fuß
◯ Drittgradige Verbrennung, 1 % KOF aus-
schließlich an der Wade
? Eine 30-jährige Patientin ohne Vor-
erkrankungen stellt sich in der Not-
fallaufnahme vor. Vor ca. 3 h habe sie
eine Verbrennung beim Kochen mit
heißem Öl am Oberschenkel erlitten.
Die Wunde würde nur wenig schmer-
zen; nun sei sie aber doch besorgt
und möchte eine Beratung zum wei-
teren Vorgehen. Sie diagnostizieren
eine tief zweitgradige (2b) Verbren-
nung von 3 % Körperoberfläche (KOF)
am rechten Oberschenkel, nicht zirku-
lär. Welche Therapie soll am ehesten
durchgeführt werden?
◯ Zuwarten unter regelmäßigen Verband-
wechseln und die Spontanheilung abwar-
ten
◯ Tangentiales Débridement, Wundabde-
ckung mit biologischem Material und
zweizeitige Vollhauttransplantation
◯ Tangentiales Débridement und zeitgleiche
Spalthauttransplantation
◯ Epifasziale Nekrektomie und zeitgleiche
Spalthauttransplantation
◯ Notfallmäßige Escharotomie und zwei-
zeitiges tangentiales Débridement nach
5 Tagen
? Ein 7-jähriges Mädchen hat sich eine
drittgradige Verbrennung am Bauch
mit einer Fläche von 1 % der Körper-
oberfläche zugezogen. Die Mutter
berichtet Ihnen, dass der behandelnde
Kinderchirurg eine Spalthauttrans-
plantation durchführen will. Hierzu
soll Spalthaut von ca. 5 × 4 cm vom
behaarten Kopf des Mädchens ent-
nommen werden. Die Mutter ist sehr
besorgt, da sie eine Glatze in dem
Spalthautentnahmeareal befürchtet.
Welche Aussage trifft am ehesten zu?
◯ Die Sorge ist berechtigt, da in dem Spalt-
hautentnahmeareal die Haare nicht mehr
wachsen werden.
◯ Die Sorge ist unberechtigt, da die Spalthaut
oberhalb der Haarwurzeln entnommen
wird.
◯ Die Sorge ist berechtigt, da bei der Spalt-
hautentnahme die Epidermis und gesamte
retikuläre Dermis entfernt werden.
◯ Die Sorge ist unberechtigt, da die Haa-
re wieder von den Seiten in das kleine
Entnahmeareal einsprießen werden.

Informationen zur zertifizierten Fortbildung

Diese Fortbildung wurde von der
Ärztekammer Nordrhein für das
„Fortbildungszertifikat der Ärztekammer“
gemäß § 5 ihrer Fortbildungsordnung mit
3 Punkten (Kategorie D) anerkannt und ist
damit auch für andere Ärztekammern
anerkennungsfähig.
Anerkennung in Österreich und der
Schweiz: Für das Diplom-Fortbildungs-
Programm (DFP) werden die von
deutschen Landesärztekammern
anerkannten Fortbildungspunkte
aufgrund der Gleichwertigkeit im gleichen
Umfang als DFP-Punkte anerkannt (§ 14,
Abschnitt 1, Verordnung über ärztliche
Fortbildung, Österreichische Ärztekammer
(ÖÄK) 2013). Die Schweizerische
Gesellschaft für Chirurgie vergibt 1 Credit
für die zertifizierte Fortbildung in „Die
Chirurgie“.
Hinweise zur Teilnahme:
– Die Teilnahme an dem zertifi-
zierten Kurs ist nur online auf
www.springermedizin.de/cme möglich.
– Der Teilnahmezeitraum beträgt
12 Monate. Den Teilnahmeschluss
finden Sie online beim Kurs.
– Die Fragen und ihre zugehörigen
Antwortmöglichkeiten werden
online in zufälliger Reihenfolge
zusammengestellt.
– Pro Frage ist jeweils nur eine Antwort
zutreffend.
– Für eine erfolgreiche Teilnahme müssen
70% der Fragen richtig beantwortet
werden.
– Teilnehmen können Abonnenten
dieser Fachzeitschrift und e.Med- und
e.Dent-Abonnenten.

Online teilnehmen unter www.springermedizin.de/cme Die Chirurgie 11 · 2023 977

CME-Fragebogen
◯ Die Sorge ist berechtigt, da die Spalt-
hautentnahme am Kopf nahezu einer
Vollhautentnahme entspricht.
? Als diensthabende/r Chirurg/in in der
Notaufnahme erhalten Sie einen Anruf
des Rettungsdienstes. Es wird von ei-
nem Arbeitsunfall berichtet, bei dem
sich ein 55-jähriger Heizungsmonteur
Verbrennung des Gesichtes sowie bei-
der Hände zirkulär mit heißem Wasser
zugezogen hat. Der Notarzt ist vor Ort
und der Patient sei kreislaufstabil. Sie
sollen das weitere Vorgehen mit dem
Notarzt koordinieren. Welche Aussage
trifft am ehesten zu?
◯ Die weitere, definitive Versorgung dieses
Patienten kann in jeder chirurgischen Klinik
erfolgen.
◯ Die Versorgung dieses Patienten soll in
einer Spezialklinik (Verbrennungszentrum)
erfolgen.
◯ Eine Vorstellung in einer dermatologischen
Klinik ist indiziert.
◯ Der Patient darf nur in einer Berufsgenos-
senschaftlichen Klinik behandelt werden.
◯ Der Patient sollte in eine Universitätskli-
nik mit Plastischer Chirurgie eingeliefert
werden.
? Bei der körperlichen Untersuchung
eines 50-jährigen Patienten nach Ver-
brennung mit heißem Wasser 2 h zu-
vor finden sich an Gesicht und Händen
oberflächlich zweitgradige Verbren-
nungen (2a). Die weitere chirurgische
Versorgung der bei diesem Patienten
vorliegenden Wunden an der Hand
sollte am ehesten folgenden Therapie-
schritt beinhalten:
◯ Abtragung der verbrannten Hautschichten
bis auf die Faszie
◯ Gerben der Wunden mit Tannin und Luft-
exposition
◯ Auftragen von Quark
◯ Wundreinigung und Auflage eines wund-
heilungsfördernden temporären Hauter-
satzes bzw. Wundauflagen
◯ Tangentiale Abtragung der verbrannten
Hautschichten und eine Hauttransplanta-
tion mit 1:1 gemeshter autologer Haut
978 Die Chirurgie 11 · 2023
? Sie planen, einen 60-jährigen Pati-
enten mit einer tief zweitgradigen
Verbrennung von 4 % Körperober-
fläche (KOF) am Rücken operativ zu
versorgen. Sie haben eine tangentiale
Nekrektomie und einzeitige Spalt-
hauttransplantation vorgesehen. Als
Entnahmestelle der Spalthaut haben
sie mit dem Patienten den rechten
Oberschenkel besprochen. Im Rah-
men des präoperativen Team-Time-
Out fragt der Anästhesist nach dem zu
erwarteten Blutverlust. Mit welchem
Blutverlust haben sie bei der tangen-
tialen Nekrektomie ohne weitere blut-
stillende Maßnahmen zu rechnen?
◯ < 50 ml
◯ 100–200 ml
◯ 300–400 ml
◯ Ca. 500 ml
◯ Bis zu 800 ml
? Als Chirurg/Chirurgin planen sie ein
enzymatisches Débridement einer 2b-
Verbrennungswunde am linken Ober-
schenkel von 3 % Körperoberfläche
(KOF). Sie klären den Patienten über
das Verfahren auf. Welche Aussage
trifft am ehesten zu?
◯ Das Verfahren ist schmerzfrei und bedarf
keiner Anästhesie.
◯ Das enzymatische Débridement schont
vitale Gewebeanteile.
◯ Der Blutverlust ist beim enzymatischen Dé-
bridement höher als bei der chirurgischen
Nekrektomie.
◯ Das Bromelaingel verbleibt für 24 h auf der
Verbrennungswunde.
◯ Das enzymatische Verfahren kann bei jeder
Verbrennungsgröße angewendet werden.
? Die Befundung der Verbrennungstie-
fe ist ein wichtiger Parameter für die
weitere Behandlung. Eine aufgeho-
bene Schmerzempfindung spricht am
ehesten für welche der angegebenen
Verbrennungstiefen?
◯ Subdermal
◯ Basalmembran
◯ Stratum corneum
◯ Stratum papillare
◯ Stratum basale
Online teilnehmen unter www.springermedizin.de/cme