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NIVELLE/FRÜHROMANTISCHE DICHTUNGSTHEORIE

ARMAND N I V E L L E

FRÛHROMANTISCHE
DICHTUNGSTHEORIE

WALTER D E G R U Y T E R & CO

B E R L I N 1970
©
Ardiiv-Nr. 495670/1
Copyright 1970 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Gösdien'sche Verlagshand-
lung —• J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer -— Karl J. Trübner —•
Veit & Comp., Berlin 30 —• Printed in Germany — Alle Rechte des Nachdrucks, der
Ubersetzung, der photomechanischen Wiedergabe und der Anfertigung von Mikro-
filmen — auch auszugsweise — vorbehalten.
Satz und Drude: Thormann & Goetsch, Berlin
Fur André und Eveline
INHALT

Seite

Vorwort 1

I. Der neue Geist 11


II. Philosophische Grundlagen 23
III. Wunderschrift der Endlichkeit 71
ZV. Kunst 81
V. Dichtung 111
Vi. Der Roman 146
VII. Romantik und romantisch 165

Literaturverzeichnis 199

Namenregister 217

Sachregister 219

VII
VORWORT

Das vorliegende Buch ist aus Interesse an der dichtungstheoretischen


Reflexion der Frühromantik entstanden und als Fortsetzung meiner
Kunst- und Dichtungstheorien zwischen Aufklärung und Klassik gedacht.
Nach der dort behandelten Periode, die sich von 1750 bis 1790 erstreckt,
verzweigt sich die deutsche Poetik in verschiedene Richtungen. Manche
setzt die vorigen Theorien ziemlich getreu fort, auch wenn sie ihnen im
Laufe der Entwicklung eine eigene Färbung gibt und ab und zu von
ihnen abweicht. Das gilt besonders für die Klassik. Man denke zum Bei-
spiel an die recht eindeutige Kontinuität zwischen der Kritik der Urteils-
kraft und den ersten bedeutenderen Aufsätzen Schillers. Dieser ist zwar
bald eigene Wege gegangen; Ausgangspunkt und Grundlage seines
kunsttheoretischen Denkens sind und bleiben aber die Kantschen Thesen,
und seine poetologischen Einsichten verdanken ihre historische Tragweite
und Eindringlichkeit nicht zuletzt einer langen Auseinandersetzung mit
Kant. Bei Goethe bietet sich das Problem mit einer beträchtlich größeren
Komplexität, und auch nach den äußerst wertvollen Beiträgen der zeit-
genössischen Forschung bleibt noch viel Raum für eine synthetische Zu-
sammenschau seiner ästhetischen Ansichten und für eine Ergründung
der Prinzipien, auf die er seine Kunsturteile stützt. Dennoch steht fest, daß
auch er, wie in den letzten Jahren mit Recht betont wurde, sich trotz des
Anscheins und trotz mancher scharfen Kritik der Einwirkung des ästhe-
tischen Kritizismus nicht ganz verschließen konnte. Insofern sie also mit
der Kantschen Lehre zusammenhängt und sie abwandelt, ist die ästheti-
sche Reflexion der deutschen Klassik eine Fortsetzung der vorigen Epoche
der Poetik.
Das Problem der Kontinuität stellt sich auch bei Hölderlin und Jean
Paul auf vielseitige Art, und nicht weniger verwickelt ist die historische
Einordnung der theoretischen und werkimmanenten Poetik Heinrich von
Kleists. Ich hegte ursprünglich die Absicht, diese drei Dichterpersönlich-
keiten, soweit sie sich theoretisch zu den Grundfragen der Poetik geäußert
haben, in diesem Zusammenhang zu behandeln, kam jedoch bald zu der
Einsicht, daß dies so viel Fragen aufwerfen und so viel Diskussionen,
Einzelerörterungen und begründete Stellungnahmen erfordern mußte,
daß es den Rahmen gesprengt und die Einheit des Buches zerstört hätte.

1
1 Nivelle
VORWORT

Schon die Problematik ihres Anschlusses an die Frühromantik bzw. ihrer


Abhebung davon liefert Stoff zu einer besonderen Untersuchung.
Auch die frühromantische Dichtungstheorie, die hier dargelegt wird,
bildet eine Fortsetzimg der ersten großen Epoche der deutschen Ästhetik.
Freilich ist der Begriff Fortsetzung in diesem Fall von anscheinend zwei-
felhafter Richtigkeit. Es handelt sich nämlich nicht um ein Fortschreiten
im Sinne eines Kontinuums, sondern in der Form eines dialektischen
Widerspruchs. Am Schluß des ersten Bandes wurde auf die Kluft hinge-
wiesen, die zwischen der Kritik der Urteilskraft und den ersten romanti-
schen Äußerungen liegt. Die Romantiker selbst haben ihre Abhebung von
Kant betont, wobei sie allerdings nicht verhehlen konnten, daß der ihren
Anschauungen zugrunde liegende Idealismus ohne ihn nicht möglich
gewesen wäre. Trotz dieser gelegentlichen Anerkennung seiner Leistung
haben sie ihn jedoch grundsätzlich abgelehnt und leidenschaftlich be-
kämpft, so daß die Frühromantik eher im Gegensatz zu Kant als in Fort-
führung seiner Gedanken entstanden ist. Ihren Sinn erblickte sie sogar
in der Uberwindung des kantischen Kategoriensystems und der damit
zusammenhängenden scharfen Trennungen und Fixierungen.

Ebensowenig wie der erste erstrebt dieser zweite Band eine rein
geschichtliche Darstellung. Er bietet keine Rekonstruktion der Vergan-
genheit in ihrem chronologischen Ablauf. Nicht der Historiker kommt
hier zu Wort, sondern der poetisch und philosophisch Interessierte. Ich
weiß, daß ich mich mit solcher Einstellung und Arbeitsweise unausweich-
lich in die Polemik — die ich gerne vermeiden möchte — begebe.
Petersen, Schlagdenhauffen und manche anderen haben die Möglichkeit
einer Wesensbestimmung der Romantik, die nicht auf dem Weg der
historischen Darstellung gewonnen wäre, geleugnet. Freilich hat Petersen
recht, wenn er behauptet, die von den Frühromantikern aufgestellten
Definitionen der Romantik seien widerspruchsvoll und ziemlich willkür-
lich, und ihre Nebeneinandersetzung ergebe nur eine unzusammenhän-
gende und unzuverlässige Vorstellung. Es stimmt auch, daß der Forscher
mehr Aussicht hat, ein richtiges Gesamtbild zu bekommen, wenn er den
historischen Werdegang der Anschauungen verfolgt. Es wäre töricht,
diese Tatsache in Frage stellen zu wollen. Nur die angebliche Allein-
berechtigung der historischen Sehweise erweckt meine Bedenken und
fordert meine Ablehnung heraus. Auch diese Arbeit will ein kohärentes
Romantikbild herausstellen, und dafür kann sie sich tatsächlich nicht nur
auf die romantischen Definitionen der Romantik stützen. Sie verzichtet
aber nicht a priori darauf, diese noch so widerspruchsvollen Bestimmun-

2
VORWORT

gen in ihren gedanklichen Zusammenhang einzufügen. Gewiß gilt es


dabei, die Widersprüche zu erklären und gegebenenfalls ins gesamte
Weltbild einzubeziehen. Ich bin aber der Meinung, daß das sehr um-
fangreiche kritische und theoretische Material, das heute dem Forscher
zur Verfügung steht, ihm die Gewähr bietet, daß er in der Deutung nicht
ganz und gar fehlgehen kann, solange er das Ganze im Auge behält. Wer
wollte schon die Romantik allein auf Grund der damaligen Definitionen
interpretieren? Weshalb soll sich die Forschung so willkürlich beschrän-
ken und ihrer Waffen berauben lassen? In den Schriften der Frühroman-
tiker begegnen auf Schritt und Tritt Belege, die — das sei hier schon
gesagt — ein im wesentlichen einheitliches Bild ergeben. Bei seiner Nach-
zeichnung kann zwar die Geschichte beträchtliche Hilfe leisten, nicht
weniger hilft aber eine synthetische Zusammenschau, die das geistige
Klima der Zeit, die Denkgewohnheiten, die philosophischen Grundbe-
griffe und nicht zuletzt die zahlreichen systematischen Schriften der
Frühromantik berücksichtigt. Das konsequente Durchhalten eines rein
geschichtlichen Gesichtspunkts würde übrigens nur dazu führen, die
Romantik auf ein historisches Phänomen zu reduzieren; das scheint mir
nicht geeignet, den zeitlosen Problemwert und die fortdauernde An-
regungskraft der romantischen Thesen ins Licht zu stellen. Dies ist in-
dessen das — wohl nur sehr unvollkommen erreichte — Ziel dieses
Buches.
Weder die Genesis der frühromantischen Anschauungen noch ihre
spätere Entwicklung sind für den Zweck dieser Arbeit relevant. Daß
Friedrich Schlegel erst auf dem Umweg über das 'Objektive' der grie-
chischen Kunst zu seiner Auffassung des Romantischen gelangte, mag
eine historisch anerkannte Tatsache sein; hier sollen aber nur die roman-
tischen Ansichten Schlegels in Betracht kommen, und von den früheren
Überzeugungen kann nur das berücksichtigt werden, was zu einem an-
gemesseneren Verständnis dieser Ansichten verhelfen kann. Es ändert
auch nichts, wenn er nach zwanzig Jahren seine Lucinde und etwa seinen
'Republikanismus' verleugnet hat; Hauptsache bei unserer Perspektive
ist, daß er sich einmal in einer Lage befand, in der er glaubte, die Lucinde
schreiben zu müssen, und sein Denken durch gewisse Grundanschauun-
gen Fichtes, an denen nach Minors Worten sein Republikanismus „seiner-
zeit groß geworden war" 1 , bestimmen ließ. Dies nur als Beispiel für
zahlreiche ähnliche Vorgänge.
Ebensowenig wie das Werden und Wirken der Jenaer Schule als
solcher wird uns der Werdegang jedes einzelnen Mitglieds beschäftigen.

1 Prosaische Jugendsdiriften, hg. v. Minor, I, S. VI. In allen Zitaten sind die Ortho-
graphie modernisiert und die Abkürzungen ausgeschrieben worden.

3
1*
VORWORT

Auf die Unterschiede und Widersprüche der individuellen Anschauungen


muß selbstverständlich hingewiesen werden, aber mein Augenmerk
bleibt auf die Frühromantik als Ganzes gerichtet, und ich frage nach
ihrer typischen Geistesverfassung in Sachen Poetik. Ich ignoriere die
Abweichungen von Person zu Person, von Theorie zu Theorie nicht im
geringsten, weigere mich indessen, vor lauter Einzelansichten die ver-
bindende Mitte zu übersehen.
Mancher Leser, der Antworten sucht auf Fragen, die nicht einmal
gestellt werden, wird enttäuscht sein. Das gilt zum Beispiel für die ge-
sellschaftlichen Voraussetzungen der romantischen Poetik. Auch hier ist
meine Einstellung alles andere als negativ, und ich würde es begrüßen,
wenn auf Grund einer unvoreingenommenen Forschung — nicht etwa
in dogmatischer Anwendung irgendeiner willkürlichen Lehre — die ro-
mantischen Positionen im Bereich der Poetik mit Hilfe einer Darlegung
der gesellschaftlichen Voraussetzungen erhellt würden. Eine solche Unter-
suchung liegt freilich außerhalb meiner Befugnisse. Sutor, ne ultra cre-
pidam! Ich glaube jedoch, daß man zuerst wissen soll, worin die früh-
romantische Theorie besteht, ehe man sich an die historische, gesellschaft-
liche, philosophische oder auch politische Deutung, Rechtfertigung oder
Verurteilung heranwagt.

Die Poetik der Frühromantik ist ein eifrig bearbeitetes Feld. Ich
erhebe keinerlei Anspruch auf unbedingte Originalität. Es hat sich in
ihrer Darstellung eine Art Tradition gebildet, und manche Ansichten und
Urteile sind landläufig geworden. In dieser Hinsicht besteht ein wirkliches
Gemeingut der Forschung. Man kann es in Frage stellen — was ich öfters
nicht unterlasse; wegleugnen und übersehen läßt es sich nicht. Ein je-
weiliger Hinweis darauf erübrigt sich. Das würde die Lektüre unnötig
erschweren und dem Kenner nichts Neues bringen.
Ich möchte die Anschauungen darstellen, die mir das Wesentliche an
der Poetik der Frühromantik zu sein scheinen. Dafür eignet sich eine
enzyklopädische Bestandsaufnahme nicht. Diese Arbeit ist eine synthe-
tische. Es gibt eine frühromantische Stellungnahme zu den Problemen
der Ästhetik und der Poetik: so könnte meine Arbeitshypothese lauten.
Auf die Heraushebung dieser charakteristischen Position kommt es mir
an.
In der ersten Rede über die Religion erläutert Schleiermacher mit
bemerkenswerter Klarheit, wie eine menschliche Begebenheit unter zwei
grundverschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden kann: einmal
von ihrem „Mittelpunkt" aus, nach ihrem „inneren Wesen", anderer-

4
VORWORT

seits von ihren „Grenzen" her, nach der „bestimmten Haltung und Ge-
stalt, die sie hie und da angenommen hat". Das eine Mal erscheint sie
als ein „Produkt der menschlichen Natur", das andere Mal als ein „Er-
zeugnis der Zeit und der Geschichte". Mich interessiert vor allem der
erste Gesichtspunkt, und ich halte ihn bis auf weiteres — den Ansprüchen
des Historismus zum Trotz — für fruchtbarer als den zweiten. Schelling
mag in dieser Hinsicht keine Autorität sein — was liegt aber an Autori-
tät? Ein Zitat aus seiner Betrachtung der Göttlichen Komödie möchte ich
jedoch anbringen, weil es mir Gelegenheit gibt, meinen Blickwinkel
genauer zu definieren. Er meint: „Unsere Absicht ist es nicht, (das
Gedicht) in seiner unmittelbaren Zeitbeziehung, sondern vielmehr in
seiner Allgemeingültigkeit und Urbildlichkeit... zu fassen"2. Es wäre
eine überhebliche Anmaßung meinerseits, wenn ich von der vorliegenden
Darstellung der romantischen Poetik auch nur Annäherndes zu schreiben
wagte. Die Versuchung liegt mir auch fem. Dennoch scheint mir der
Schellingsche Satz ganz besonders geeignet, die Tendenz dieser Studie
anzudeuten. Ich möchte nämlich an Hand der romantischen Dichtungs-
anschauung auf eine in ihrem Wesen zeitlose Art der menschlichen Ein-
stellung zur Kunst hinweisen.
Eine lebendige Romantik, wie sie um 1800 bestanden hat, in ihrer
Ganzheit zu rekonstruieren, ist trotz der äußerst zahlreichen Dokumente,
über die wir verfügen, unmöglich. Ausgerechnet für eine Bewegung, die
auf Geselligkeit so viel Wert legte und die dem mündlichen Austausch
von Ideen so Wesentliches verdankt, wäre ein solcher Versuch von vorn-
herein zum Scheitern verurteilt. Die Wirkung des gesprochenen Wortes,
durch das sich die Persönlichkeit direkter und ungehemmter ausdrückt
als durch bestimmten Moden und Imperativen unterworfene Schriften,
ist äußerst schwer einzuschätzen und angemessen zu würdigen. Abge-
sehen von ein paar allerdings sehr aufschlußreichen Zeugnissen sind wir
auf Geschriebenes angewiesen. Nun weiß jeder, daß die beste Schrift
unter Umständen nur ein blasser Abglanz der Persönlichkeit ist. Die
Tonalität des geistigen Austausches bleibt für Fremde und Nachkömm-
linge ein Geheimnis. Die Einsicht, die wir in die romantische geistige
Tätigkeit gewinnen können, ist eine Einsicht aus zweiter Hand. Die Um-
und Irrwege der Forschung beweisen es zur Genüge.
Ich habe mich also methodisch auf gedruckte und handschriftliche
Texte beschränkt und das Historisch-Biographische bewußt zurückge-
stellt. Mir kam es nicht darauf an, zu zeigen, was um 1800 in der litera-
rischen Welt vor sich ging; das haben andere getan. Mein Anliegen war
die Darstellung einer typischen kunsttheoretischen Gesinnung, die sich

2 Schelling, Über Dante in philosophischer Beziehung, Rd. III, S. 573.

5
VORWORT

gerade in der Frühromantik prägnant und charakteristisch vergegenwär-


tigt. Die ewige Bedeutung der Romantik und ihre Relevanz für spätere
Zeiten haben mich bei der Untersuchung geleitet. Dafür ist es belanglos,
ob ein Text, der 1802 verfaßt wurde, damals unbekannt blieb oder etwa
nur im Manuskript existierte und demnach keinen Einfluß ausüben
konnte. Ein solcher Text war mir im gleichen Maße wichtig wie ein
berühmter Traktat und ein epochemachendes Werk, weil er genau wie
diese von der damals herrschenden Mentalität Zeugnis ablegt.
Auf Grund solcher methodischer Einstellung habe ich mich ohne
Bedenken auf die Frühromantik beschränkt. Der bekannte, von S. Elkuß
und anderen vorgebrachte Einwurf, es sei willkürlich, sich auf die paar
Jahre um 1800 und somit auf Schriften, die meist nur Entwürfe, Frag-
mente, Skizzen und Versuche seien, zu begrenzen, konnte mich von
meiner Absicht nicht abbringen. Mir geht es zum Beispiel nicht darum,
zu ergründen, was Friedrich Schlegel von seinen Jugendansichten in seine
Wiener Zeit hinübergerettet hat, obschon ich selbstverständlich nicht
prinzipiell darauf verzichte, spätere Äußerungen eines Verfassers zur
Erläuterung einer Jugendansicht heranzuziehen, wenn ich die Gewähr
habe, daß die grundsätzlichen Positionen ähnlich geblieben sind. Ich
trage nur meine Auffassimg von der poetischen Grundhaltung in der
ersten Blütezeit der literarischen und philosophischen Romantik vor.
-i*

Meine Darlegung stützt sich hauptsächlich auf Schelling, Novalis


und die Brüder Schlegel. Auch Schleiermacher liefert wichtige Bausteine.
Tieck kommt wenig zu Wort. Das sieht ungerecht aus und fordert eine
Erklärung. Das Studium von Tiecks kritischen Schriften ist unerläßlich,
wenn man sich mit den Einzelformen der Dichtung befaßt: hier hat er
vieles und Wichtiges zu sagen. Weniger interessant ist er, wo es wie hier
in erster Linie auf den allgemeinen Begriff der Poesie ankommt. Für
diese Frage stellt sidi heraus, daß die Relevanz seiner Theorie sehr un-
gleichmäßig ist. Viel bedeutender sind — auch in bezug auf die Poetik —
seine Dichtungen. Ich habe der Versuchung nur schwer widerstanden,
seine 'werkimmanente Poetik' zu behandeln. Der Einheitlichkeit wegen
hätte mich das zu ähnlichen Interpretationen bei den anderen Früh-
romantikern verleiten müssen, was der Anlage dieses Buches nicht ent-
sprach und jede Kontinuität mit dem ersten Band aufgehoben hätte. Ich
wollte mich prinzipiell auf die ausdrückliche Theorie konzentrieren. Nur
dort, wo es unbedingt sein mußte, d. h. wo es galt, Mißverständnisse zu
beheben oder meines Erachtens falsche Meinungen zu widerlegen, bin
ich auf die Dichtungen eingegangen. Da bei Tieck praktisch nur die

6
VORWORT

Dichtungen in Betracht kommen, hat mich ein derartiges Ungleichgewicht


abgeschreckt.
Auch zum Fall Wackenroder muß einiges gesagt werden. Er wird als
Zeuge herangezogen, wenig mehr. Ob man sich auf ihn als Gewährsmann
für die romantische Dichtungstheorie in dem Maße verlassen kann, wie
mancher das tut, scheint mir sehr fragwürdig. Zwar findet sich bei ihm
eine Stimmung, die dem Entstehen einer romantischen Kunstauffassung
günstig war; seine 'theoretischen' Ansichten decken sich jedoch nur spär-
lich mit den Grundpositionen der Jenaer. Ein paar Formulierungen sind
ihm freilich gelungen, und er spricht öfters romantisches Gedankengut
aus. Dennoch stimme ich W. Kohlschmidt zu, wenn er zeigt, wie zusam-
mengesetzt und wenig linienfest seine Ästhetik ist3. Auf Wackenroder ist
für eine sichere Belegung romantischer Ansichten kein Verlaß; höchstens
stößt man in seinen Schriften auf Zeugnisse und Bestätigungen für An-
schauungen, die in der Luft lagen und von den anderen Jenaern nicht mit
der gewünschten Deutlichkeit geäußert wurden. In diese Fragwürdigkeit
sind indessen nur die 'theoretischen' Aufsätze eingeschlossen: der D i c h -
t e r Wackenroder ist ebenso genial wie verkannt.

Wenn ich den Jenaer Kreis als Frühromantik bezeichne, so geschieht


das mehr aus Gründen der Bequemlichkeit als aus polemischer Einstel-
lung. Auf die Frage, ob die Frühromantik in der Spät- bzw. Hochromantik
ihre Fortsetzung gefunden habe oder ob etwa mit der jüngeren Romantik
ein origineller „Neueinsatz" erfolgt sei, wird nicht eingegangen4. Der
Versuch zur Erhellung des Begriffs Romantik wird hier allein mit Rück-
sicht auf die erste Generation unternommen. Ob der Begriff auf sie paßt
oder nicht, ist ein terminologisches Problem, das meine dichtungstheore-
tische Arbeit nicht zu erörtern braucht. Inwiefern die Jenaer Schule der
letzte Ausleger, die Überhöhung der vorangegangenen Epoche oder ihre
Überwindung ist, wird aus der Darstellung ersichtlich sein.
Die Problematik, die sich vor etwa hundert Jahren um den Gebrauch
und die Reichweite des Begriffs Romantik entsponnen hat, soll uns hier
nicht in geschichtlicher Sicht, sondern nur in bezug auf eine Wesensbe-
stimmung der Poetik innerhalb der Jenaer Gruppe angehen. So glaube
ich am besten der Empfehlung nachzukommen, die Dilthey in seinem
Novalis-Aufsatz von 1865 äußerte, als er eine Klärung des Begriffs ver-
langte und vor dem Unfug im Gebrauch des Terminus warnte.
3 W. Kohlsdimidt, Wackenroder und die Klassik, in Unterscheidung und Bewahrung
(Kunisch-Festschrift), S. 175 ff.
4 Vgl. E. Ruprecht, Der Aufbruch der romantischen Bewegung, Einleitung.

7
VORWORT

Mir kommt es mehr auf die Darstellung einer poetischen Haltung als
auf terminologische Diskussionen an. Ob Novalis einer 'Romantik' oder
einem poetischen Idealismus' zuzuordnen ist, scheint mir gegenüber der
Darstellung seiner Poetik eine zweitrangige Frage. Mit dem Gebrauch
des Wortes Romantik soll jedoch keine Position zugunsten einer einheit-
lichen romantischen Bewegung bezogen, noch irgendwelche Abwertung
der Spätromantik verfochten werden. Daß die Lebenssphäre und das
Lebensgefühl der jüngeren Romantik von der geistigen Atmosphäre der
Jenaer Schule grundverschieden waren, steht fest. Daß die Jüngeren eine
Romantik „darlebten", während die Älteren sie nur als „geahntes Ideal"
anstrebten, dürfte — allerdings bei bedeutenden individuellen Unter-
schieden und ohne allzu enge Festlegung der Begriffe — großenteils zu-
treffen. Daß das Kunstwollen der beiden Generationen den veränderten
Umständen und Forderungen des Tages zufolge nicht gleich orientiert
war, unterliegt auch keinem Zweifel. Die Behauptung, daß die Früh-
romantik sich mehr durch Haltung und Gebärde, Wissen und Wollen als
durch Leben und Besitz charakterisiere, enthält viel Wahres. Aber das
sind Probleme, die, so interessant sie auch für eine Literatur- und Geistes-
geschichte sind, uns in diesem Zusammenhang nicht beunruhigen sollen.
Die 'sogenannte' Frühromantik soll hier in ihren poetischen Anschauun-
gen erhellt werden: darauf beschränkt sich meine Absicht.

Manch einer dürfte fragen, warum die Frühromantik ausgerechnet


bei einem romanisdien Literaturwissenschaftler so viel Interesse wach-
ruft, daß er sich vornimmt, darüber ein Buch zu schreiben. Wird doch
nicht selten gerade die Frühromantik als eine typisch deutsche Erschei-
nung ausgegeben, zu der ein Nichtdeutscher keinen Zugang habe. Aus
nicht so ferner Zeit klingt dein romanischen Forscher viel Derartiges in
den Ohren nach. Aber er weigert sich, den 'Zufall der Geburt' als höheres
Gesetz anzuerkennen, und weiß — nicht zuerst weil er aus der Romania
stammt, sondern hauptsächlich weil er Lessing gelesen hat —, daß es
eine 'Wahl der Vernunft' gibt. Nicht die Vernunft allein war jedoch an
seiner Wahl beteiligt, sondern in höherem Maße noch das poetische
Gefühl. Beide haben freilich Grenzen, aber keine politischen! Die Früh-
romantik hat ihn durch ihr hochgespanntes Dichtungsideal verlockt.
Die Begegnung eines Romanen mit der deutschen Frühromantik
verläuft auf eine Art, die ihn paradoxerweise nicht mit Fremdheit über-
rascht, sondern im Gegenteil mit einer unerwarteten Vertrautheit. Es
tauchen manche halbvergessenen jugendlichen Dichtungserlebnisse in
ihm auf, die den Weg ebnen und das Verständnis erleichtern. Er besinnt

8
VORWORT

sich auf gewisse Vorreden zu den ersten Gedichtzyklen des jungen Victor
Hugo, er holt Gedanken Jouberts aus seinem Gedächtnis hervor und er-
innert sich wieder, daß er vor Jahren für Rousseau geschwärmt hat.
Baudelaires Schatten dämmert auf, und von überallher spuken „corre-
spondances" in seiner Träumerei. Rimbaud winkt im Hintergrund, und
viel Dunkles, das der Fremde nur geahnt hatte, wird heller. Mallarmés
unverstandener Zauber öffnet ihm das Tor zur grauen Theorie. Und die
Sprachmagie der Surrealisten überwältigt ihn aufs neue. Der Fremde aus
der Romania wundert sich: steht er in der Frühromantik an der Quelle,
aus der sich die Macht des lyrischen Wortes in der französischen Dichtung
speist? Hat es denn in Frankreich eine 'dargelebte' Romantik gegeben,
zu der Deutschland das gedankliche Fundament hergab? Nicht alles
stimmt miteinander überein, beileibe nicht. Aber mancher Riegel ist weg-
geschoben, und der Weg ist freier, als man dachte.
Der Fremde begibt sich auf die Fahrt ins deutsche romantische Land.
Seit je haben ihn seine Erzieher gelehrt, daß eine klare Idee einen klaren
Ausdruck fordere, womöglich sogar eine Formel, die schön klinge und
den Gedanken bildlich zusammenfasse. Immer wieder hat er gehört, daß
die Formelfindung ein Zeugnis der geistigen Überlegenheit sei. Nun liest
er deutsche Bücher über die Romantik, wissenschaftliche, streng durch-
dachte, sorgfältig verfaßte, und findet darin praktisch keine Formel oder
nur solche, die zuviel zugleich sagen wollen und deshalb lang und schwer
sind. Er stutzt, liest sich tiefer ein, gewöhnt sich daran, denkt darüber
nach und lernt um: er sieht das Fragwürdige 'seiner' bildlichen und bün-
digen Formulierungen ein, wird ihnen gegenüber skeptisch, überskeptisch
sogar und bemüht sich, sie fortan zu meiden. Gefahr und Verführung
bedeuten sie ihm nun, und er zieht die schwerfälligere Differenzierung
vor. Es kann aber vorkommen, daß er in einem deutschen Buch auf eine
Formel der sonst ihm vertrauten Art stößt: Weite des Wunders, Wunder
der Weite. Da spitzt sich sein Ohr. Er hat Vertrauen in den Autor, den
er liest5. Er fühlt, daß dieser die frühromantische Poetik von innen er-
lebt hat, daß seine Darstellung ein tiefes Verständnis und einen aus-
geprägten Sinn für gedankliche Zusammenhänge bekundet. Er beneidet
fast den, der seine Einsichten dermaßen formelhaft zu sagen weiß; eine
so bündige Zusammenraffung des Wesentlichen imponiert ihm wieder.
Dann wird freilich die angelernte Skepsis wach, er fragt sich, ob der
Autor nach der Findimg der Formel nicht zum Gefangenen der Formel
geworden ist, ob sie ihm nicht die Sicht versperrt und den Weg verbaut,
ob sie seinen Blick nicht fälscht. Die Weite des Wunders präge vorzüglich
die Frühromantik; die jüngere sei eher dem Wunder der Weite verfallen.
s
B. Markwardt, Geschichte der deutschen Poetik, Bd. III, S. 198 ff.

9
VORWORT

Nun scheint dem Fremden ein wesentliches Grundstreben der Früh-


romantik dahin zu zielen, das Wunder in jeder Hinsicht und in jeder
Form aufzuheben und ins Alltägliche zurückzuführen. Der Bereich des
Wunders liegt nicht in weiter Ferne, sondern im banalen Alltag. 'Ent-
wunderung' der Welt scheint dem Fremden die Frühromantik ebenso
leidenschaftlich anzustreben wie das Gegenteil. Und der Autor selbst
bringt ihm den Beweis für die eigene Vermutung: der Geniebegriff zer-
dehne sich in der Frühromantik so sehr und nehme so viel Bewußtheit
in sich auf, daß er jede Wundersubstanz einbüße. Das liest er bei seinem
Autor nach, und er denkt bei sich: auch die besten Bücher sind nicht so
vollkommen, daß kein Platz mehr für einen neuen Versuch wäre. Da
macht er sich an die Arbeit.

Es wäre ungerecht, wenn ich dieses Vorwort beschließen wollte, ohne


meine Erkenntlichkeit für die Unterstützung, die mir von verschiedenen
Seiten zugekommen ist, auszudrücken. Frau Dr. Ingeborg Sauer-Geppert
und Herrn Dr. Ludwig Völker gebührt mein aufrichtigster Dank für ihre
stets förderlichen und geschickten Ratschläge. Auch der mir von der
Humboldt-Stiftung und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst
gewährten Hilfe soll hier dankbar gedacht werden.

10
I. DER NEUE GEIST

Uberblickt man die erste große Periode der deutschen Ästhetik, die
von Baumgarten bis Kant reicht, und vergleicht man sie mit dem Zustand
um die Jahrhundertwende, so fallen zunächst bedeutende Unterschiede
auf. Im Mittelpunkt der ästhetischen Bemühungen eines Baumgarten,
eines Winckelmann und auch noch Kants stand das Problem der S c h ö n -
h e i t . Entweder suchte man nach einer philosophischen Definition dieses
Begriffs, oder man war bestrebt, eine vom Zeitgeschmack bzw. von
individueller Vorliebe eingegebene Auffassung des Schönen kritisch zu
fundieren.
Ausgegangen war der Wunsch nach einer philosophischen Grund-
legung von Leibniz und seinen Schülern. Die berühmte Formel von der
Einheit in der Mannigfaltigkeit hatte die meisten Diskussionen ausgelöst:
bewußt lehnten sich die verschiedensten Denker an Leibniz an und trugen
sich mit der Absicht, ihn zu ergänzen und zu systematisieren. Baum-
gartens Grundbegriff der cognitio sensitiva, der bekanntlich den Aus-
gangspunkt und die materielle Grundlage der Aesthetica von 1750 bildet,
ist eine Leibnizische Vorstellung. Die Wesensbestimmung der Schönheit
als Vollkommenheit der sinnlichen Erkenntnis oder besser des anschaulich
Wahrgenommenen wäre ohne Leibnizens grundsätzliche Unterscheidung
der Vorstellungen nicht denkbar gewesen. Aber auch die sonstigen For-
meln, die mehr ins Psychologische als ins Erkenntnistheoretische gehen,
rühren großenteils von Leibnizisdhen Erkenntnissen her.
Recht verschieden war die Einstellung der 'Kritiker'. Winckelmann,
Lessing, Herder und die Stürmer wollten nicht so sehr die Schönheit
philosophisch definieren, als sich mit der herrschenden Geschmacksrich-
tung, die sie durchweg leidenschaftlich ablehnten, auseinandersetzen. Sie
beriefen sich dabei auf alle möglichen 'Autoritäten und werteten —
manchmal sehr willkürlich — alle ihnen zur Verfügung stehenden
'Quellen' aus, gleichviel ob diese nun zur Kunsttheorie oder zur Kunst-
praxis gehörten. Die meisten ihrer Stichworte und Hinweise hatten pole-
mischen Charakter und sollten eine persönliche Auffassung der Kunst
und die Reaktion gegen den Zeitgeschmack unterstützen: das gilt für
die Plastik des Altertums genauso wie für Shakespeare, für Aristoteles

11
DER NEUE GEIST

und Ossian, für Raffael und Diderot oder etwa für Young und die Bibel.
Das schließt natürlich nicht aus, daß die 'Kritiker' ab und zu sehr zu-
sammenhängende Ansichten erarbeitet haben, deren innere Kohärenz ich.
in meinen Kunst- und Diditungstheorien zwischen Aufklärung und
Klassik herauszuheben versuchte, aber ihr Interesse lag nicht primär auf
dem Gebiet der objektiven Erkenntnis der Schönheit. Auf Grund ihrer
Überzeugungen verfochten sie vielmehr neue Ideale und predigten neue
Kunstwerte, d. h. sie wollten die herrschende Auffassung der Schönheit
durch eine andere ersetzen und neue Kunstregeln und -muster aufstellen.
Mit der Kantschen Urteilskraft werden die Grundanschauungen des
Jahrhunderts in einem System vereinigt, das nur mit Hilfe der Ergebnisse
vorhergehender Forschung Zustandekommen konnte. Im Kantschen Den-
ken erfahren die Schönheit und dementsprechend die Gemütskräfte, die
sie wahrnehmen und schaffen, eine gewaltige Steigerung und erlangen
eine Autonomie, die im Vergleich mit früheren Theorien viel systema-
tischer und fester begründet ist. Zwar bleibt die Kantsche Schönheitsidee
— im Gegensatz etwa zum Moralisch-Guten — im subjektiven Bereich;
durch den ihr beigemessenen Symbolwert erhebt sie sich jedoch auf eine
Ebene, zu der sie bis dahin — von spärlichen Ausnahmen abgesehen —
noch keinen Zugang gewonnen hatte.
Parallel zu diesen Bemühungen um die Festsetzung des Wertes der
Schönheit werden in der ganzen Periode Überlegungen angestellt über
die geistigen Organe des Menschen, die spezifisch auf den Genuß und die
Schöpfung von Schönheit gerichtet sind. Im allgemeinen hat man für
diese Organe Bezeichnungen benutzt, deren strenge und eigentliche Be-
deutimg sich erst allmählich entwickelt hat. Das Beurteilungsvermögen
hieß fast immer 'Geschmadc'; der Terminus war jungen Datums, hatte
sich aber schon um 1750 so gut wie eingebürgert. Das Schöpfungsver-
mögen hieß 'Genie', ein Wort, das jedoch erst später einigermaßen all-
gemeingültig wurde und das im Grunde bis in die Romantik hinein
Begriffe deckte, über die man sich nicht im klaren war. Auch hier hat
Kant Wesentliches zur Klärung der Terminologie beigetragen, wenn-
gleich seine Definitionen von seinen Nachfolgern wieder in Frage gestellt
wurden.
Mit dem Ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus er-
klimmt die Idee der Schönheit plötzlich den höchsten Rang, greift ins
Gebiet des Objektiven über und wird zum Mittelpunkt des neuen Welt-
bildes. Mit diesem Vorgang beginnt eine neue Epoche der deutschen und
europäischen Ästhetik. Solch großartiger und folgenreicher intellektueller
Gewaltstreich darf indes nicht einfach als die endgültige Überwindung des
von der vorhergehenden Periode gestellten Problems aufgefaßt werden.

12
DER NEUE GEIST

Wie die meisten Entdeckungen des 18. Jahrhunderts wirft er im Gegen-


teil mehr Fragen auf, als er Lösungen bringt. Seine Problematik erhellt
namentlich aus der Tatsache, daß in frühromantischer Zeit so gut wie
keine eigentlichen Schönheitslehren mehr entwickelt werden. Fast jeder
frühere Denker hatte sich mit Definitionen der Schönheit gequält und um
die richtige Formulierung und Begründung gerungen. Nach dem Wort-
laut der frühromantischen Schriften zu urteilen, scheint das Schöne para-
doxerweise nur noch eine nebensächliche Rolle zu spielen, und man sucht
vergeblich nach Reminiszenzen früherer Positionen. Es ist nämlich mit
der 'Schönheit' das gleiche geschehen, was mit anderen Kerngedanken
der Poetik zu geschehen pflegt: wenn man zu einer klaren Auffassung
ihrer Bedeutung und ihrer Funktion gelangt, paßt der alte Terminus
nicht mehr in das neue Denkschema. Die „Schönheit" der Frühromantik
ist gleicherweise ein traditioneller Begriff für ein neues Ideal. Im Augen-
blick, wo sie den höchsten Rang im Wertsystem erhält, ist sie keine
Schönheit im alten Sinne mehr.
In vielen romantischen Aussagen bezeichnet das Wort allerdings noch
die Haupt- und Grundvorstellung, der der ganze ästhetische Bereich
zugeordnet bleibt; sie wird aber immer mehr zum rein philosophischen
Terminus — „in höherem platonischen Sinne genommen", wie es im
Systemprogramm heißt — und verliert in entsprechendem Maße ihre
Relevanz für die eigentliche Kunsttheorie sowohl in bezug auf die Be-
schaffenheit des Werkes als auch im Hinblick auf die inspirierenden
Kräfte des Künstlers. In seinem Buch Poesie und Nicht-Poesie meint
O. Walzel sehr richtig, die Schönheit bleibe als übergeordnete Idee be-
stehen, verliere jedoch jede Gültigkeit im Bereich der praktischen Kunst-
ausübung. Hier büße sie ihren Wert zugunsten des Poetischen ein.
Walzel zitiert in diesem Zusammenhang Worte von Novalis, nach denen
die Bezeichnungen schön, romantisch, harmonisch nur Teilausdrücke des
Poetischen seien1.
Bemerkenswert und typisch für die neue Einschätzung des Begriffs
ist zum Beispiel, daß der früher so unentbehrliche 'Geschmack' als Organ
für die Wahrnehmung der Schönheit nicht die gleiche Steigerung erfährt
wie die Schönheit selbst. Er wird im Systemprogramm nicht einmal er-
wähnt, was in keiner Weise durch die individuelle Einstellung des Ver-
fassers zu erklären ist, denn auch in der übrigen romantischen Poetik
spielt der Begriff keine bedeutendere Rolle. Waren Schönheit, Geschmack
und Genie die Leitsterne der früheren Epoche, so werden sie von nun an
verdrängt durch 'Poesie' und 'Einbildungskraft'. Schon im Systempro-
gramm erreicht die 'Poesie' die höchste Stufe innerhalb der menschlichen

1 Walzel, Poesie und Nicht-Poesie, S. 89.

13
DER NEUE GEIST

Tätigkeiten, und ein paar Jahre später wird sie sogar zu einem der
Grundelemente der Welt. Das wirklich Neue in der frühromantischen
Anschauung ist nicht die 'Schönheit', sondern die 'Poesie'.
Mit der Hervorhebung der sogenannten Schönheit als einer allen
andern überlegenen Idee ist jedoch eine wichtige Voraussetzung der
frühromantischen Dichtungstheorie gewonnen, nämlich die absolute
Autonomie der Kunst. Das ist freilich keine grundsätzlich neue Position.
Schon immer haben Dichter und Künstler in der praktischen Ausübung
ihrer schöpferischen Tätigkeit ein solches Prinzip implizite angenommen
und imbewußt angewandt. Auch der typisch klassische Dichter hat sich
beileibe nicht immer das prodesse et delectare vorgenommen, wenn er
sich an seinen Arbeitstisch gesetzt hat, und das lange Zögern eines Racine
zwischen „infortunés" und „misérables" hat bestimmt andere Gründe
gehabt als den Willen zur Belehrung und zur Besserung der Menschheit.
Erst die Theoretiker haben in diesem Problem Unfug gestiftet, indem sie
meistens Wirkung und Zweck miteinander verwechselten. So ist in ihren
glänzenden Epochen die Kunst schon immer eine von jedem fremden
Imperativ unabhängige Erscheinung gewesen, und nur ärmere Zeiten
haben sie bewußt einem fremden Zweck untergeordnet. Anders war es
aber mit der Reflexion über die Kunst bestellt, und bekanntlich hat die
Vormundschaft der Moral und der Logik die meisten Theorien bis in die
Mitte des 18. Jahrhunderts und sogar beträchtlich darüber hinaus be-
lastet. Ästhetiker wie Meier, teilweise auch Sulzer, sind die besten Be-
weise dafür.
Manchen Theoretikern der unmittelbar vorhergehenden Zeit hat
freilich der Begriff der Autonomie der Kunst vorgeschwebt, nur fehlte
ihnen die gedankliche Basis, auf der sie hätten bauen können. Ein guter
Teil ihrer Bemühungen galt eben der Suche nach einer philosopischen
Fundierung, der erst Kant mit Hilfe seines zusammenhängenden Systems
stabile Elemente beisteuern konnte. Vor ihm war alles gutgemeinter
Versuch und halbwegs richtige Ahnung. Wenn auch von Zeit zu Zeit ein
klares Denkbild zum Vorschein kam, das zu einer eingehenden Grund-
legung hätte verhelfen können, ermangelte es immer des begrifflichen Zu-
sammenhangs und konnte zu nichts Endgültigem führen.
Das, was also mit großer Mühe bis Kant erarbeitet wurde, ist den
frühromantischen Theoretikern eine Selbstverständlichkeit, ja sogar ein
Eckpfeiler ihrer Kunstanschauung. Die früheren Unterscheidungen zwi-
schen schöner, angenehmer, mechanischer Kunst sind ihnen gegenstands-
los geworden. Alles, was auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet ist,
verdient nicht mehr die Bezeichnung Kunst, auch wenn seine Herstellung
Talent und 'Kunstfertigkeit' erfordert. Das 'Bedürfnis', d. h. die prakti-

14
DER NEUE GEIST

sehe Bestimmung, ist ein Element, das am eigentlichen Wesen der Kunst
gar keinen Anteil hat und das die Kunst als solche aufhebt, wenn es die
Absicht und die Arbeit des Urhebers bestimmt. Der Zweck eines Ge-
bäudes, seine Verwendung als Wohnhaus oder Kirche, darf in der ästhe-
tischen Beurteilung keine Rolle spielen. Solcher Zweck ist bloß die „be-
stimmte Form der Erscheinung", an die jede Kunst mehr oder weniger
gebunden ist und die transzendiert werden muß, wenn ein Werk von
Menschenhand zum Bereich des Ästhetischen gehören soll. Es muß in
diese Form „der Abdruck und das Bild der Schönheit" gelegt werden,
damit das Produkt ein Werk der Kunst wird2.
Dieses Beispiel aus dem Gebiet der Architektur zeigt deutlich, daß
man jetzt von vornherein bestrebt ist, das Kunstphänomen in seiner gan-
zen Reinheit zu fassen und die Grenzen scharf und endgültig zu ziehen.
Es wird nach dem Prinzip, nach dem Ewigen der Kunst gesucht unter
strenger Ausschaltung alles dessen, was zwar notwendiger Bestandteil
des Kunstwerks ist, aber nicht zum Ästhetischen gehört. Nach August
Wilhelm Schlegels Rezension der Tieckschen Volksmärchen zielt das früh-
romantische Interesse auf die Dichtung in der Dichtimg und nicht auf
die Zufälligkeiten der jeweiligen Erscheinung3. Die Kunst lehnt jeden
äußeren Zweck ab. Weder der Nutzen noch das Vergnügen, weder die
Moral noch das Wissen haben den geringsten Anteil an ihrem Wesen. Sie
ist in sich absolut, völlig autonom, rein, unabhängig von jeglicher fremden
Bestimmung.
Schon vor dem Ältesten Systemprogramm und vor jeder Darlegung
der idealistischen Kunstauffassung wußte der junge Friedrich Schlegel
um die Eigengesetzlichkeit der Kunst und den Eigenwert der Schönheit.
In einer Epoche, in der er noch völlig im Banne seiner Gräkomanie stand,
gab es für ihn schon kein Problem der Zugehörigkeit und der Unterord-
nung des Schönen und der Kunst mehr; die Frage scheint er als ein für
allemal gelöst zu betrachten. Das Schöne behält seine volle Selbständig-
keit neben dem Wahren und dem Guten; es ist „ein echtes erstgeborenes
Kind der menschlichen Natur und hat mit jenen ein gleiches vollgültiges
Recht, niemand zu gehorchen als sich selbst". Dieser eindeutige Aus-
spruch findet sich in einer seiner allerersten Schriften, im Aufsatz Vom
ästhetischen Werte der griechischen Komödie aus dem Jahr 17944. Um
die gleiche Zeit bekräftigt er seine Meinung in der Studie Über die
Grenzen des Schönen. Dort sieht er Aufgabe und Wesen der Kunst darin,
daß sie die unendliche Fülle der Natur mit der Freiheit und der Liebe

2 Schelling, Philosophie der Kunst, 3. Ergänzungsband, S. 226.


3 Beiträge zur Kritik der neuesten Literatur, Athenäum, I, S. 168.
4 Prosaische Jugendschriften, hg. v. Minor, I, S. 13.

15
DER NEUE GEIST

des Menschen in ein neues, einheitliches Ganzes zusammenfasse, das


keiner fremden Gesetzgebung unterworfen sei, sondern sein eigenes Gesetz
in sich selbst habe. Im selben Zusammenhang stellt er sogar eine der
Grundthesen seiner romantischen Dichtungstheorie auf, nach der die so
aufgefaßte Kunst als Vermählung von Natur und Freiheit, von Sinn-
lichem und Geistigem, von Welt und Ich, von Universalität und Indivi-
dualität die „Vollendung des Daseins" darstelle5. Die Kunst als höchste
Tätigkeit des Menschen und Krönung des Lebens im Dienste der selb-
ständigen Schönheit als eines der drei Grundwerte ist eine rein romanti-
sche Position, die also schon im Jahre 1794 von Friedrich Schlegel ver-
treten wird.
Das Prinzip der Autonomie der Kunst ist der Romantik gelegentlich
streitig gemacht worden mit der Begründung, daß der ständige Hinweis
auf das Transzendente, das Göttliche, das Übersinnliche eine neue Dienst-
barkeit der Kunst zuwege gebracht habe. Die Nähe zur Religion scheint
eine solche Auffassung auf den ersten Blick zu bestätigen und legt den
Eindruck nahe, als hätte sich die Kunst von der Moral und dem Gebot
des Unterrichtens nur befreit, um sich in den Dienst einer Verkündung
der Transzendenz zu stellen. Es kann aber nichts irriger und verwir-
render sein als diese Ansicht, insofern sie die eigentliche Jenaer Schule
betrifft. Daß die Kunst und insbesondere die Dichtung den Roman-
tikern ihrem Wesen nach als eine Offenbarung des Unendlichen er-
scheint, bedeutet noch lange nicht, daß sie sich einer fremden Gesetzlich-
keit und Zweckmäßigkeit unterwirft. Das Unendliche, das sie auszu-
drücken hat, läßt sich nicht auf ein Dogma, ein festes System, ein Lehr-
gebäude zurückführen, das es zu propagieren gilt. Es kennt keine Gebote
und keine praktischen Anweisungen. Schleiermacher errichtet eine un-
umstößliche Wand zwischen der Religion, die in seinem Sinn tatsächlich
mit der romantischen Poesie so gut wie zusammenfällt, und jeder Form
von Moral, d. h. von Gesetzen. Die Offenbarung des Unendlichen stellt
einen inhärenten Wesenszug der Kunst dar und nicht etwa ein Gebot,
das ihr von außen auferlegt wird. Mit dem Verfechten eines fremden
Zwecks und dem Predigen irgendwelcher feststehenden Werte hat sie
nichts zu tun.
Die Behauptung einer absoluten Autonomie der Kunst hat auf die
frühromantische Poetik die folgerichtige Wirkung, daß das Problem der
Nachahmung der Natur in den Hintergrund tritt. Schon im oben erwähn-
ten Aufsatz Über die Grenzen des Schönen meint Friedrich Schlegel:
„Wer die Kunst nur für Erinnerung an die schönste Natur hält, der spricht
ihr alles selbständige Dasein ab. Hätte sie nicht ihre eigene Gesetzmäßig-
5 Ebd., I, S. 23 ff.

16
D E R N E U E GEIST

keit, wäre sie nur Natur, so wäre sie nicht viel mehr als ein dürftiger
Behelf des Alters6." Nun hatte sida bis hin zu Kant das vorige Zeitalter
immer wieder mit diesem Problem auseinandersetzen müssen. Der Be-
griff der Naturnachahmung war bekanntlich in sehr auseinandergehenden
Bedeutungen verstanden worden, die sich ab und zu bei einem und
demselben Denker belegen lassen. Als extreme Auffassungen kann man
einerseits die treue Wiedergabe der 'Naturdinge' und andererseits das
der natura naturans so weit wie möglich folgende Prinzip einer organi-
schen Kunstschöpfung bezeichnen. Das eine und das andere wurden ver-
treten und dazu noch alle erdenklichen Zwischenstufen. Nie war der
Begriff eindeutig festgelegt und allgemein anerkannt worden, obgleich
jeder das Wort von der Natumachahmung im Munde geführt und als
einen Kanon der Kirnst hingestellt hatte. Aber schon Kant hatte das
Problem entschärft, und die Romantik widmet ihm nur noch eine zweit-
rangige Aufmerksamkeit. Wie ist das auf Grund der verkündeten Auto-
nomie der Kunst zu erklären? Auf diese Frage mag ein Hinweis auf den
bei den Frühromantikern beliebten Hemsterhuis einiges Licht werfen.
Der holländische Philosoph unterscheidet in der Welt der Dinge die
Naturelemente von den menschlichen Erzeugnissen. Daraus zieht er zwar
selbst keine ästhetischen Schlußfolgerungen, und von einem möglichen
Quellenwert für die Romantik kann keine Rede sein. Aber die Unter-
scheidung an sich ist aufschlußreich. Die Stelle befindet sich im Traktat
Aristée ou de la Divinité7. Dort heißt es, alles Menschenwerk sei nur
Mittel, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen, während das „Natur-
werk" an sich sei, unabhängig von seiner Wirkung. Seinen Gedanken
verdeutlicht Hemsterhuis am Beispiel der Uhr: ohne Bezug auf ihre Be-
stimmung als Zeitmessungsgerät ist sie nur ein sinnloser Haufen hetero-
gener Teile, während ein Baum nichts von seinem Wesen verliert, wenn
seine möglichen Wirkungen außer acht gelassen werden. Hemsterhuis
war weit davon entfernt, diese Unterscheidung als Grundlage für eine
Definition der schönen Kunst benutzen zu wollen, denn unter den an-
gegebenen Beispielen begegnen uns außerdem die Feile, deren Wesen
in ihrer Qualität als Werkzeug, also als Mittel, liegt, und das Gedicht, das
ebenfalls als Mittel zur Belustigung und zur Belehrung angesehen wird.
In Sachen Ästhetik bleibt er also in herkömmlichen Schablonen befangen,
aber seine Idee von der unterschiedlichen Beschaffenheit des Menschen-
werks und des Naturelements führt möglicherweise zur Lösung des Pro-
blems von der Naturnachahmung, insofern es vom Prinzip der Autonomie
der Kunst her gesehen wird. Die Kunst ist für die Romantiker nämlich

• Ebd., I, S. 23 f.
7 Œuvres philosophiques, Paris, 1792, II, S. 37 ff.

17
2 Nivelle
DER NEUE GEIST

nicht ein Werk von Menschenhand wie andere mehr, ihr Zweck liegt nicht
außerhalb ihrer selbst: sie hat ihren Zweck in sich und i s t voll und ganz,
unabhängig von ihrer möglichen Wirkung. Dadurch unterscheidet sie sich
grundsätzlich und wesentlich von den sonstigen menschlichen Produk-
tionen und stellt sich auf die Seite der Naturdinge. Wenn der Begriff der
Nachahmung der Natur für die Romantik noch irgendeinen Sinn hat, so
kann er nur darin liegen, daß die unbedingte Seinsweise der Kunst mit
derjenigen der Natur identisch ist. Die Kunst ist im 'Idealischen1 das
gleiche, was etwa der Organismus im natürlichen Bereich ist. Durch solche
Aufwertung erlangt die Kunst die gleiche Würde wie die andere rein
geistige Tätigkeit des Menschen, nämlich die Ausübung der praktischen
Vernunft, die 'Tugend', die ja auch ein Selbstzweck ist; sie geht sogar über
die Tugend hinaus, was aber erst später begründet werden kann.
Der Parallelismus von Kunst und Natur hat manchen Forscher dazu
verleitet, sich die Frage vorzulegen, ob die Jenaer in ihrer Ablehnung der
Naturnachahmung konsequent gewesen seien. Die Natur wird ja von
ihnen als ein Gedicht der Gottheit gedacht, und die Frage scheint be-
rechtigt, warum sie denn die Nachahmung eines göttlichen Gebildes
grundsätzlich verwerfen. Wieder einmal liegt hier eine Verwechslung vor.
Natur und Kunst sind zwei in ihrer Zwecklosigkeit wesensgleiche Schöp-
fungen, die eine von Gott, die andere vom Menschen. Die Natur ist Aus-
druck der Gottheit, die Kunst ist Offenbarung der vom Menschen ent-
deckten Urbilder, die auch göttlich sind. Der Umweg über die Natur-
nachahmung erscheint demnach als überflüssig und irreführend: sie würde
eine Mittelbarkeit zum Unendlichen verursachen, die dem Wesen der
romantischen Kunst und Dichtung grob widersprechen müßte. Nicht auf
die Widerspiegelung eines schon Geschaffenen kommt es den Jenaern
an, sondern auf die 'Einbildung' des Unendlichen ins Endliche, wobei
das Unendliche primär ist. Die Nachahmung der Natur kann wohl den
Stoff der Kunst liefern, macht aber weder ihren Geist noch ihr Wesen
aus. Es ist ja alles in der Natur Chiffre, Zeichen, Hieroglyphe, Figur,
Symbol des Unendlichen. Die Kunst erstrebt eine ähnliche Offenbarung
mit anderen Mitteln.
Die Aufwertung der Kunst als Gegenstand der Reflexion bringt eine
erhebliche Wandlung dieser Reflexion selbst mit sich. Die Perspektive
ändert sich beträchtlich. Trotz der zahlreichen Versuche, die seit Baum-
garten unternommen wurden, Kunst und Schönheit dem Stoff der philo-
sophischen Betrachtung anzugliedern, war man eigentlich doch bei einer
mehr oder weniger tiefgehenden phänomenologischen Beschreibung der
Kunst stehen geblieben, und zur Klarstellung des Schönheitsbegriffes
hatte man sich hauptsächlich auf psychologische und logische Grundlagen

18
DER NEUE GEIST

berufen. Einen wesentlichen Teil der vorhergehenden Ästhetik bildeten


die Aufstellung von Regeln und Mustern — auch wenn eine solche Absicht
geleugnet wurde — und die Darlegung der Mittel, die dazu benutzt wer-
den sollten, das jeweilige Kunstideal zu erreichen. Das gilt für Baum-
garten so gut wie für Winckelmann, für Sulzer wie für Lessing und trotz
des gegenteiligen Anscheins auch für Herder. Diese gemeinsame Tendenz
näherte die Reflexion über die Kunst einer Disziplin, aus der sie übrigens
teilweise entsprungen war und von der sie sich bis dahin nicht ganz zu
befreien gewußt hatte, nämlich der Rhetorik. Die Ästhetik war eine
Einzelwissenschaft, und daß sie es werden konnte, war schon eine wich-
tige Eroberung und ein großes Verdienst ihrer Taufpaten. Auch noch bei
Kant hat sie diesen Charakter großenteils behalten: sie entspricht einem
besonderen Fach der Seele, das von den anderen qualitativ und modal
verschieden ist, obschon es auf dem Umwege der — allerdings noch etwas
stiefmütterlich behandelten — Symbolik mit der praktischen Vernunft in
Beziehung steht.
Die Konzentration auf das r e i n e Kunstphänomen — auf die
Dichtung in der Dichtung — und auf die I d e e der Schönheit, die die
idealistische Frühromantik kennzeichnet, mußte notwendigerweise eine
andere Einstellung hervorrufen. Kunst und Schönheit sind nämlich von
nun an nicht mehr auf einen Aspekt der Welt und eine menschliche
Tätigkeit unter anderen beschränkt, sondern die Schönheit wird zur
Zentralidee des geistigen Universums, und die 'Poesie* bezeichnet einen
Urzustand der Welt und die Grundtätigkeit des menschlichen Gemüts.
Schon im Systemprogramm wird die Schönheit bezeichnet als die Idee,
„die alle vereinigt", und der höchste Akt der Vernunft, „in dem sie alle
Ideen umfaßt", wird als ein ästhetischer Akt dargestellt. Die platonische
Idee der Schönheit erscheint demnach als der Urgrund und der Mittel-
punkt des Seins; nur in ihr sind Wahrheit und Güte „verschwistert".
Dementsprechend erklimmt die Poesie den Gipfel der geistigen Tätigkeit
und „überlebt" alle Künste und Wissenschaften, indem sie in den alten
Rang einer „Lehrerin der Menschheit", den sie in mythischen Urzeiten
innegehabt habe, wieder eingesetzt wird. Der Dichter versteht die Welt
besser als der wissenschaftliche Kopf, wird Novalis kühn und zugespitzt
behaupten. Ähnliches war früher selbstverständlich nicht ganz unbekannt;
es genügt, die Namen Hamann und Herder zu erwähnen, um sich dessen
zu vergewissem. Die Romantiker haben denn auch reichlich aus diesen
Quellen geschöpft, wenn sie gleich mit entsprechenden Hinweisen und
Andeutungen befremdlicherweise sehr sparsam sind. Hamann und
Herder sind aber Einzelerscheinungen geblieben und konnten außerdem
nicht auf zusammenhängenden Gedankengängen und systematisch Fun-

19
2'
DER NEUE GEIST

diertem aufbauen; erst der Idealismus lieferte die philosophische Basis,


an der Herder jedoch aus verschiedenen, hier nicht zu erörternden Grün-
den verständnislos vorbeiging.
Mit der Erhebung ihres Gegenstandes zum Mittelpunkt der Philo-
sophie mußte die romantische Ästhetik ihr Gebiet unermeßlich erwei-
t e m und eigentlich alle philosophischen Probleme umgreifen. Die
Ästhetik wird zur Philosophie, ohne deswegen dazu gezwungen zu sein,
ihren Gesichtspunkt zu verschieben; die Grundfragen der Philosophie
sind nun einmal ästhetische Probleme. Die Theorie der Kunst umfaßt
also die Theorie der Welt, des Geistes und des Lebens. Lang ist der Weg,
den sie seit Baumgarten zurückgelegt hat, der die ästhetische Tätigkeit
dem Bereich der „unteren Erkenntnis" zugewiesen hatte. Bei den Roman-
tikern kann von irgendeiner Angliederung der Kunst an die sinnliche
Erkenntnis nicht mehr die Rede sein. Sie verläßt endgültig das Seelenfach,
in das sie von den früheren Generationen geschoben worden war, und
wird zum Gegenstand einer 'universellen' Wissenschaft, d. h. einer
Disziplin, die alle anderen umfaßt. Diese sogenannte Universalisierung
ist mit dem Begriff Romantik unzertrennlich verbunden. Neben anderen
hat Friedrich Schlegel diese Tendenz häufig vertreten, und unter den
zahlreichen Formeln, die er benutzt hat, findet sich in den Philosophischen
Lehrjahren folgende: „Jede der klassifizierten Wissenschaften — Logik,
Ethik, Poetik, Politik, Historie — behauptet ihre Rechte (und Indivi-
dualität), wiewohl jede dieser Wissenschaften, progressiv behandelt,
universell ist und also alle übrigen umfaßt 8 ." Nun ist eine solche progres-
sive Behandlung jeder Wissenschaft eine Forderung der Zeit, die ihr
Leitbild nicht mehr im in sich selbst ruhenden Sein, sondern im ewigen
Werden erblickt. In bezug auf die Ästhetik scheint solche Forderung
besonders berechtigt und die erstrebte Universalität besonders leicht er-
reichbar, weil die Kunst sich in romantischer Sicht an den ganzen Men-
schen und nicht etwa an gesonderte Seelenvermögen richtet: „Die
Ästhetik ist die Philosophie über den ganzen Menschen" 8 .
Diese Anschauung zieht wichtige Folgen für die Bedeutung der
Kunst nach sich: einerseits wird die 'Poesie' die unbedingte Voraussetzung
zum Verständnis jeder menschlichen Tätigkeit und Wissenschaft, anderer-
seits läuft jede geistige Bemühung darauf hinaus, die 'Poesie' zu erhellen
und die Menschen zur Poesie zu bilden. Den „innersten Geist" etwa der
Grammatik „kann man nicht verstehen ohne Poesie" 10 . Auch der Zugang

8
Fr. Schlegel, Philosophische Lehrjahre, Kritische Ausgabe seiner Werke (abgekürzt
KA), Bd. XVIII, S. 81, Nr. 618.
9
Ebd., S. 207, Nr. 132.
10
Ebd., S. 376, Nr. 675.

20
DER NEUE GEIST

zur Philosophie ist ohne sie unmöglich: „Ohne Poesie wird hinfüro nie-
mand den Eingang zu Spinoza und Plato finden und auch zu Böhme"11.
„Der Philosoph muß ebensoviel ästhetische Kraft besitzen als der Dich-
ter", heißt es im Systemprogramm; „die Philosophie des Geistes ist eine
ästhetische Philosophie". Zum echten Selbstverständnis der Menschen
verhilft nur die Poesie als „intellektuelle Anschauung der Menschheit"12.
Ähnliches gilt für die Natur und das Universum: „Das Universum ist nur
ein Gegenstand der Poesie, nicht der Philosophie"13. „Selbst über Ge-
schichte kann man nicht geistreich räsonieren — ohne ästhetischen Sinn"14.
Die Poesie ist das A und O der Welt und des Menschen. Diese
Novalis'sehe Formel drückt die tiefste Überzeugung der Frühromantiker
aus. Poesie ist Ursprung und Ziel, Voraussetzung und Endzweck jeder
geistigen Tätigkeit. Bildlich ausgedrückt: „Die Poesie ist die Sonne, in
die sich alle Planeten der Kunst und Wissenschaft auflösen"15. Sie ist der
Mittelpunkt, um den sich alles dreht, der einzige wahrhaft lohnende
Gegenstand menschlicher Bemühung, der alle anderen in den Schatten
stellt. Als Friedrich Schlegel 1802 in Paris an einer französischsprachigen
Darlegung seiner Philosophie arbeitete, überkam ihn der grundsätzliche
Zweifel an der Möglichkeit solcher Darstellung: „Es wird doch immer
Poesie vorausgesetzt, und es kann selbst nichts anders sein als Bildungs-
mittel zur Poesie. Was also sollte es hier?"18
Sonach zwingt sich die Poesie den Frühromantikern immer wieder
als das Zentrum ihrer Welt auf. Alles geht von Poesie aus und führt dahin
zurück. Die Theorie der Poesie ist demnach die Theorie vom gesamten
Menschen und vom tieferen Wesen des Universums. „Am Ende wird alles
Poesie", meint Novalis. Das ÖVTWC; ÖV, die Quintessenz, das absolutum
der Welt kann nur die Poesie enthüllen und darstellen17.
Solcher Blickpunktwechsel in der Ästhetik hat sich obendrein auch
auf die praktische Ausübung der Kunst ausgewirkt. Die Kunst und vor-
züglich die Dichtung wird zum „Schlüssel der Welt und des Lebens", zum
Spiegel, in dem sich die Lebensfragen abbilden, was sie befähigt, zur
Lösung der Existenzprobleme beizutragen. Nicht zufällig ist die roman-
tische Zeit zugleich die Epoche des Wiederauflebens des großen, umspan-
nenden Entwicklungsromans — Goethe hat hauptsächlich durch seinen
Wilhelm Meister die Romantik beeinflußt. Gerade die Suche nach dem
11 Ebd., S. 391, Nr. 348.
12 Ebd., S. 208, Nr. 146.
13 Ebd., S. 141, Nr. 231.
14 Systemprogramm.
15 Fr. Sdilegel, Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 569, Nr. 84.
18 Ebd., S. 487, Nr. 155.
17 Vgl. ebd., S. 345, Nr. 288.

21
DER NEUE GEIST

Sinn des Lebens und der Wunsch zur totalen Entfaltung des individuellen
Daseins haben die Romantiker angezogen. Nicht mehr Zeitvertreib der
gebildeten Gesellschaft, gelehrtes Spiel mit Formen oder etwa spontaner
Ausdruck der Leidenschaften darf die Dichtung sein. Sie bekommt eine
existenzbezogene Aufgabe, und sie schreckt sogar nicht vor abstrakten
Einschaltungen zurück, die eine Reflexion auf ihren Inhalt, d. h. auf das
Leben, zum Zweck haben. Das Buch, und besonders der Roman, wird zur
„Bibel", zur „Enzyklopädie", zur Gesamtschau des Lebens.
Und da die Kunst zum notwendigen und wesentlichen Lebenselement
geworden ist, wird sie auch zum Hauptthema der romantischen Kunst
selbst. Romantische Dichtung ist auch 'Poesie der Poesie'; der romantische
Dichter wird zum 'Dichter des Dichters', wie es Heidegger im Blick auf
Hölderlin formuliert hat. Das ist Dichtung in der zweiten Potenz; und
die Idee der Potenzierung ist aus der romantischen Dichtungsschau nicht
auszuklammern, auch wenn sie nur von Schelling mit strenger Konsequenz
dargelegt wurde. 'Reine' Dichtung ist in romantischer Sicht sehr oft Dich-
tung, die sich selbst zum Gegenstand hat. Vielleicht ein poetischer Irrweg,
aber eine unleugbare historische Tatsache.

22
II. PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Obgleich die deutsche Romantik ihre Entstehung nicht so unbedingt


und prinzipiell wie etwa die französische einem Widerspruch zu den
Tendenzen ihrer Zeit verdankt, hat sie sich doch zu den Idealen der Auf-
klärung und der Klassik von vornherein antithetisch verhalten.

Im Falle der Aufklärung läßt sich die polemische Einstellung der


Romantiker eindeutig nachweisen. Die Angriffe gegen den damals in
breiten Schichten noch herrschenden Rationalismus begegnen in Hülle
und Fülle in jeder romantischen Zeitschrift und bei jedem romantischen
Theoretiker und Kritiker. Ob diese Polemik geistesgeschichtlich fruchtbar
war, muß man freilich von einer heutigen Perspektive aus bezweifeln,
und zwar in doppelter Hinsicht. Einerseits ist wohl kein überzeugter Auf-
klärer auf Grund der romantischen Einwände am Rationalismus irrege-
worden. Aufklärung und Romantik wenden sich nun einmal nicht an die
gleiche Menschenart, und ein echter Übertritt vom Rationalismus zur
Romantik ist kaum denkbar. Daß die meisten Frühromantiker in ihrer
Jugend die Ideale der Aufklärung geteilt haben, ist kein Gegenargument;
sie atmeten eben aufklärerische Luft, die Aufklärung war ihr Lebens-
element, ihre natürliche Umgebung. Nicht auf freier Wahl und bewußter
Überzeugung beruhte ihre damalige Geistesrichtung; sobald sie ein aus-
reichendes Selbst- und historisches Bewußtsein erlangten, auf Grund
dessen sie sich frei entscheiden konnten, haben sie vielmehr alle der Auf-
klärung, die ihrem Wesen nicht entsprach und es geistig vergewaltigte,
Valet gesagt. Das dürfte bei einem überzeugten Aufklärer wohl nie der
Fall gewesen sein, und insofern ist die Polemik nach außen hin unergiebig
gewesen. Andererseits hat diese Polemik der Ausarbeitung des romanti-
schen Ideals nur spärliche positive Elemente beigesteuert. Der Kampf
zwischen den beiden Welt- und Kunstanschauungen, so zwangsläufig er
sich nach den Gesetzen der menschlichen Psychologie abwickeln mußte,
war von vornherein zu einem unentschiedenen Ausgang verurteilt. Die
Gegner bedienten sich dabei so verschiedenartiger Waffen, daß eine rich-
tige Begegnung ausgeschlossen war. Ein Austausch von Argumenten und
Gegenargumenten, Beweisen und Gegenbeweisen war naturgemäß un-
möglich, weil die Parteien mit demselben Wort einen anderen Begriff

23
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

meinten. So blieb eigentlich auf beiden Seiten nur die Zuflucht zur Ironie
und zur Satire übrig, und die Gegner haben es tatsächlich daran nicht
fehlen lassen. Solche negative Polemik konnte aber für die Festigung und
Grundlegung der romantischen Weltschau um so weniger fruchtbar wer-
den, als die beiden Parteien über ihren Fehden und Voreingenommen-
heiten die teilweise Ähnlichkeit zwischen ihren Bestrebungen völlig über-
sahen. Im Grunde kennzeichnet derselbe anspruchsvolle Optimismus die
beiden Bewegungen; beide wollen das Universum erkennen und „überall
zu Hause sein". Nur sind ihre Methode und ihre Geistesrichtung ver-
schieden. Während die Aufklärung die verstandesmäßige Eroberung des
Weltmechanismus und die rationale Gestaltung des menschlichen Schick-
sals anstrebt, versucht die Romantik die Errungenschaften und die Metho-
den der Vernunft auf die Erhellung des Irrationalen und des Unbewußten
anzuwenden. Sie erhebt den Anspruch, die „Nachtseiten" des Universums
und des Menschen an den Tag zu legen, d. h. sie in der Kunst und vor-
nehmlich in der Dichtung zu enträtseln. Beide Bewegungen entspringen
einem großen Vertrauen in die Macht des menschlichen Geistes.
Was den Widerspruch zur Klassik anbelangt, erweist sich der Sach-
verhalt als viel differenzierter. Von einem Gegensatz zur deutschen
Klassik kann — wenigstens am Anfang der romantischen Bewegung —
nicht die Rede sein. Freilich haben die Angriffe nicht übermäßig lange
auf sich warten lassen. Bis zu dem Augenblick jedoch, in dem Goethe von
Novalis der Antipoesie bezichtigt wurde und von August Wilhelm
Schlegel den Vorwurf hören mußte, er begehe immer wieder die Sünde
wider den heiligen Geist, haben sich die Frühromantiker vollkommen im
Einklang mit ihm gefühlt und ihn als einen Gipfel der 'romantischen'
Dichtung gefeiert. Und was die Jenaer Schule der Schillerschen Lehre
von der naiven und sentimentalischen Dichtung und den Schillerschen
Begriffen von Anmut und Würde verdankt, ist für die Romantik über-
haupt so grundlegend, daß man sich ernsthaft fragen darf, ob eine romanti-
sche Dichtungstheorie ohne Schillers Vorgang hätte entstehen können. Die
persönlichen Zerwürfnisse ändern nichts an diesem geschichtlichen Tatbe-
stand. Nicht nur mit Rücksicht auf Goethe haben die Frühromantiker
Schiller totschweigen wollen, sondern vor allem, weil sie nicht immer
genau wußten, wo der Hebel anzusetzen war. Ein etwas ungelenker Griff
hätte das eigene Gedankengebäude sehr beschädigt. Genau das gleiche
gilt, wie schon oben gesagt, für Herder. Jugendlicher Ubermut und
kleinstädtischer Klatsch waren nie die besten Wege zum angemessenen
Verständnis für anderer Verdienste.
Nicht die deutsche Dichtung ist also gemeint, wenn bei der Entste-
hung der Romantik von einem Widerspruch zur Klassik die Rede ist, son-

24
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

dem die griechische Antike und das sogenannte Klassizistische, d. h. die


neuzeitliche Nachahmung des klassischen Altertums. Der Gegensatz zu
diesem 'Klassizismus' ist rein dichtungskritisch und hat mit den philoso-
phischen Grundlagen nicht viel zu tun. Er wird später behandelt. Die An-
tike aber wurde von den Romantikern als die große Antithese empfunden,
oder, besser gesagt, die Frühromantik hat sich bewußt antithetisch zu der
klassischen Antike entwickelt. Der frühromantische Grundbegriff, das
Unendliche, ist in einem dialektischen Widerspruch zur Antike erarbeitet
und begründet worden. Schon die negative Form des Wortes ist ein deut-
licher Hinweis darauf. Es wäre eine äußerst schwierige, wenn nicht un-
mögliche Aufgabe, den Begriff des Unendlichen in der frühromantischen
Terminologie ohne Beziehung auf das Korrelat des Endlichen als Inbe-
griff der antiken Kultur, wie die Jenaer sie verstanden, definieren zu
wollen.
Ein bei den Romantikern beliebtes Doppelsymbol zur Veranschau-
lichung des Unterschiedes zwischen der antiken und der eigenen Welt-
anschauung ist das Bild des Kreises und der Geraden. Der Kreis ist ge-
schlossen, er geht in sich selbst zurück, und alle Punkte, die er streift,
sind vom Zentrum gleich weit entfernt. Zugleich umfaßt er ein Feld, das
er begrenzt und gegen die größere Fläche, von der es sich abhebt, her-
metisch abschließt. Die Gerade geht in eine bestimmte Richtung, läßt
jeden Punkt hinter sich zurück, kehrt nie um, sondern entfernt sich
ständig von jedem Punkt, der auf ihr liegt, ohne daß dieser Entfernung
ein Ziel gesetzt wäre. Der Kreis ist das Bild des Seins, das in sich ruht
und sich in sich selbst gefällt, und zugleich das Symbol der Vollkommen-
heit. Die Gerade kennzeichnet das Werden, die unaufhörliche Entwick-
lung auf ein Ziel hin, das immer weiter wegrückt und in Wirklichkeit nie
zu erreichen ist. Der Kreis ist das Sinnbild der antiken, die Gerade das
der modernen, oder besser, wie erst später erklärt werden kann, der
romantischen Kultur. Das Wesen des Menschen und der Welt wird also
von den Romantikem als ewig unvollendbar aufgefaßt; es hat die Ten-
denz in sich, über alles Gegebene, alles Endliche hinauszustreben. Das
Werden wird zum eigentlichen Sein des Menschen und des Universums.
Wenn man die symbolische Bedeutung der Geraden weiter vertieft, wird
die romantische Vorstellung noch eindeutiger. Die Gerade ist nämlich
in beiden Richtungen 'unendlich': in der Richtung auf den Ursprung
sowohl als auf das Ziel hin. Der Ursprung des Menschen und der Welt
liegt demgemäß jenseits alles Endlichen genau wie ihr Ziel. Ursprung
und Ziel hegen im 'Unendlichen', im Geistigen, im Ubersinnlichen, im
Absoluten, in Bereichen, die dem Verstand als Vermögen des Endlichen
unzugänglich sind.

25
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Das Lebenselement des Menschen ist das Unendliche im Sinne eines


Über-Endlichen, einer Transzendierung der Welt der Dinge, eines 'Un-
bedingten'. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht eine Deutung des Be-
griffes 'absolut' durch Friedrich Schlegel. Absolut ist für ihn nicht etwa
das von der Kontingenz 'Abgeschnittene'; er faßt die Vorsilbe rein negativ
und stellt als Synonym von absolut das Wort 'unbegrenzt' auf. Die Stelle
lautet: „Des konsequenten Eklektizismus Wesen und Anfang ist das
willkürliche Vernichten des Absoluten (Unbegrenzten)"1. Solche Sinn-
verschiebung paßt in das romantische Weltbild gut hinein: das Absolute
ist nicht etwa von den Dingen getrennt, sondern es umfaßt das Ganze
des Universums, und jedes Ding bekommt erst dann seine rechte Ansicht,
wenn es unter dem Gesichtspunkt des alles umspannenden Absoluten
gesehen wird. Jedes Ding ist Träger des Absoluten; deshalb hat die
romantische Poesie das Absolute, das Unbegrenzte, das Unendliche jeder
Erscheinung zu offenbaren. Es ist willkürlich und unwahr, die Dinge, die
Natur, die Geschichte, die Kunst als für sich seiend zu betrachten; ihr
Sinn zeigt sich erst, wenn man sie als Offenbarungen des Übersinnlichen
auffaßt.
So ergibt sich die für die Romantik und besonders für die romanti-
sche Religionsanschauung folgenreiche Gleichung: Unendlich = Absolut.
Gewiß konnte sich, wie E. Hirsch mit vollem Recht hervorhebt2, eine
solche Weltansicht, wie überhaupt die idealistische Philosophie, erst aus
einer christlich geprägten Mentalität entwickeln. Alle Frühromantiker be-
stätigen die Tatsache, daß das Christentum die Kluft zwischen Antike und
Moderne aufgerissen hat. Davon wird noch die Rede sein. August Wilhelm
Schlegel sagt z. B. mit klaren Worten in seinen Wiener Vorlesungen, daß die
Welt der Antike, die Kultur des Endlichen, von der christlichen Anschauung
des Unendlichen, die das wesentliche Dasein ins Jenseits transponiert habe,
zerstört worden sei. Das Bemerkenswerte ist jedoch, daß die Romantik
die Welt des Endlichen nicht einfach negiert und verachtet, sondern im
Gegenteil etwa den menschlichen Körper als Mittler und Tempel des
Göttlichen ehrt und heiligt. Von einer christlichen Weltnegation und
-Verachtung kann bei den Romantikern keinesfalls die Rede sein; viel-
mehr erfährt bei ihnen die Welt als Spiegel des Unendlichen eine bedeu-
tende Wertsteigerung. Nur deshalb konnten sie die Kunst als die höchste
menschliche Tätigkeit ansehen. Mit einer solchen Welthaltung sind wir
dem Pantheismus viel näher als etwa der lutherischen Lehre. Die roman-
tischen Bezeichnungen für das Unendliche dürfen also nicht ohne weiteres

1 Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 4, Nr. 7. Das Wort „Unbegrenzt" ist
im Manuskript eine Randbemerkung.
2 Die idealistische Philosophie und das Christentum, S. 540.

26
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

im christlichen Sinne verstanden werden. Wenn eine Verwandtschaft ge-


sucht werden soll, dann allenfalls noch eher mit Spinoza und seiner um-
fassenden Anschauung von Geist und Natur als Seinsformen des Gött-
lichen oder des Universums. „Das Universum ist der Inbegriff der övroog
ÖVTCDV", schreibt Friedrich Schlegel in den Philosophischen Lehrjahren3;
und im selben Zusammenhang meint er: „Das Streben nach dem ÖVTCÜ;
öv, ins Unendliche fortgesetzt, führt auf Gott" 4 . Daher kann er sowohl
die Idee des Universums als auch die der Gottheit als die „Idee aller
Ideen" bezeichnen5. Trotzdem darf nicht übersehen werden, daß der Weg
von Spinoza zur Frühromantik in den meisten Fällen über den philoso-
phischen Idealismus führt. Die romantischen Unendlichkeitsbegriffe sind
zunächst rein philosophisch zu verstehen. Nur vereinzelt, wie vorzüglich
bei Novalis, und hauptsächlich erst im weiteren Verlauf der Entwicklung
kommt ihnen mitunter eine pantheistische, mystische oder christliche Be-
deutung zu. Diese darf nicht überall untergeschoben werden.
Friedrich Schlegels Formel von der „Idee aller Ideen", die er auf
das Universum und auf Gott, mithin auf das Unendliche und Absolute
bezieht, will wie die in der frühromantischen Theorie häufig vorkom-
menden ähnlichen Wendungen wörtlich verstanden sein. Es handelt sich
dabei nicht um eine Intensivierung des Ausdrucks, um die Verstärkung
des Begriffs, wie etwa in den Redensarten: das Herz des Herzens, die
Seele der Seele, die bloß auf den innersten Grund des Herzens oder der
Seele hindeuten. Die Romantiker fassen solche Ausdrücke anders auf: die
„Poesie der Poesie" ist nicht zuerst der intimste Kern der Poesie, sondern
eine Poesie, die die Poesie zum Gegenstand hat, ein richtiger genetivus
objectivus; das gleiche gilt für die „Ironie der Ironie", womit also die
Ironie gemeint ist, die sich gegen die Ironie richtet. Die Idee aller Ideen
ist demnach die Idee, die alle anderen erzeugt und umfaßt, die ihnen
zugrunde liegt, die Uridee, aus der alle geschöpft sind, etwa im gleichen
Sinne, wie Gott der Grund der Gründe oder die Ursache der Ursachen
genannt wird. Die Idee aller Ideen ist die höchste, die alle anderen be-
dingt, indem sie vom Menschen als die Quelle und die Möglichkeit der
Ideen überhaupt gedacht wird. Somit deckt diese Schlegelsche Umschrei-
bung des Unendlichen auch den traditionellen Begriff des Absoluten, und
daraus erhellt noch deutlicher die Gleichsetzimg des Unbedingten und
des Unendlichen.

» KA, Bd. XVIII, S. 326, Nr. 22.


4
KA, Bd. XVIII, S. 329, Nr. 55.
5
„Idee aller Ideen ist wohl die des Universums", KA, Bd. XVIII, S. 337, Nr. 168;
die Idee der Gottheit ist die Idee aller Ideen", Ideen, KA, Bd. II, S. 257,
Nr. 15.

27
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Die Romantik geht also von einem festen Glauben an das Absolute
aus. Das Absolute ist der Ausgangspunkt ihrer Philosophie, das Element,
aus dem heraus sie eigentlich philosophiert, die Triebfeder ihrer Dyna-
mik, die ohne jede Skepsis hingenommene Grundlage ihrer Weltschau.
Bei Friedrich Schlegel heißt es bestätigend: „der Grund des Bewußtseins
= Ansicht des Unendlichen" 8 . Es gibt kein Bewußtsein, kein Denken und
auch kein Sein, das nicht auf dem Absoluten beruht. Im Grunde und
richtig verstanden ist jedes Ding und jeder Denkvorgang unendlichkeits-
haltig; es schlägt alles seine Wurzeln im Absoluten. Aufgabe der roman-
tischen Dichtung ist es, diese einzig 'wahre' Ansicht der Welt zu ver-
künden.
Die Enthüllung des Unendlichen wirft aber schwierige Probleme auf,
weil das Absolute eben kein Etwas ist, das man ein für allemal entdecken
und offenbaren könnte. Es ist im Gegenteil in jedem Etwas das, was
immer weiter weg liegt als das Faßbare, es ist das denkbar Innerlichste
jedes Phänomens, das sich der gewöhnlichen Erkenntnis auf immer ent-
zieht. Es kann wohl 'angedeutet' werden — und die Romantiker machen
von dem Wort Andeutung in diesem Zusammenhang einen ausgiebigen
Gebrauch —, aber ein Beweis ist unmöglich. Das Unendliche ist eben
das begrifflich unfaßbare Innerste jedes Beweises. Es kann nicht bewie-
sen werden, aber erst von ihm her hat jeder Beweis seine Kraft. Es kann
auch nicht gewußt werden, aber es ist die Voraussetzung jedes Wissens.
Es kann nicht einmal wirklich gedacht werden, denn das Denken setzt
schon eine Trennung von denkendem Geist und gedachtem Gegenstand,
von Subjekt und Objekt voraus, die es im Absoluten nicht geben kann.
Das Absolute ist gerade die Abwesenheit solcher Trennung; in ihm fallen
Objekt und Subjekt zusammen und bilden eine Identität, deren Er-
kenntnis dem diskursiv arbeitenden Verstand unzugänglich ist. Die Suche
nach dem Absoluten verlangt eine völlige Umkehr des normalen Denk-
verfahrens; sie führt nur dann zum Erfolg, wenn sie von jedem Objekt,
das außerhalb des Denkens selbst liegt, absieht und so das Denken selbst
in seiner reinsten Tätigkeit zum Gegenstand des Denkens erhebt. Das ist
die Quelle und das Prinzip der anschauenden Erkenntnis. Die Identität
von Subjekt und Objekt kann sich naturgemäß in keinem Ding, in keinem
seienden Etwas finden, denn solches Ding ist notwendigerweise Objekt
oder Subjekt der Erkenntnis. Sie kann nur in einer Tätigkeit, in einem
reinen Akt vorhanden sein. Dieser reine Akt ist die intellektuelle Anschau-
img, in der das Ich sich seiner selbst vergewissert, indem es sich produ-
ziert, und mit der es eigentlich zusammenfällt. Das Ich ist also in roman-
tischer Sicht nicht etwa ein bestehendes Etwas, eine tatsächliche Synthese

» Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 415, Nr. 1127 (eine Randbemerkung).

28
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

verschiedener empirischer Elemente, sondern eine reine Tätigkeit7. In der


reinen Tätigkeit, die das Ich ausmacht, liegt demnach der vorzügliche
Offenbarungsort des Unendlichen. Alles muß auf ein so verstandenes Ich
zurückgeführt werden, damit ein gültiger Sinn erfaßt wird.
Die Vorstellung, nach der das Absolute sich primär in der Tätigkeit
des Geistes offenbart, der sich im Denken als denkender Geist erkennt
und sich seiner selbst denkend bewußt wird, ist der ganzen Romantik
gemeinsam. Fichte hat sie mehrmals ausgedrückt, etwa mit der Formel:
„Man muß in eigener Person das Absolute sein und leben" 8 , und auch
Friedrich Schlegel, der z. B. schreibt: „Es gibt kein Unendliches als ein
Ich"*, und „alles Unendliche ist ein Ich und jedes Ich ist unendlich. Das
Unendliche kann nur tätig, und das Ich nur in Wechselwirkung gedacht
werden"10. Was das Wort Wechselwirkung bei Friedrich Schlegel bedeu-
tet, ob die innere Tätigkeit des Geistes, der sich in seinem Akt anschaut,
oder seine notwendige Korrelation zum Du, kann erst später erörtert
werden. Wesentlich sind für jetzt die große Bedeutung, die dem Ich als
intellektueller Anschauung beigemessen wird, und die Einsicht, daß man
das Absolute nicht auf dem normalen Weg des Bewußtseins „erkennen",
sondern nur „sein und leben" kann. Das Absolute läßt sich nicht wie ein
beliebiges Objekt fassen; es manifestiert sich einzig und allein durch eine
Handlung des Geistes, durch eine Tätigkeit, die „rein" ist, weil sie auf
kein Objekt außer sich bezogen ist. Mit dieser Vorstellung hängt die ro-
mantische Dichtungsanschauung aufs engste zusammen, denn der — lo-
gisch freilich voreilige — Schluß liegt nahe, daß eine geistige Tätigkeit
ohne fremdes Objekt als Ziel und Grenze aus dem Absoluten entspringe.
Nun erblicken die Romantiker eine solche Tätigkeit nicht in den Hand-
lungen des Verstandes, die sich ja immer auf ein Objekt beziehen, sondern
— und darin folgen sie einer direkten Anregung Fichtes — in den Schöp-
fungen der Phantasie. Die schöpferische Einbildungskraft, sofern sie sich
keinem bestimmten Zweck dienstbar macht, produziert Emanationen des
Absoluten: Bilder, Märchen, Symbole, Mythen bekommen demnach im
romantischen Universum den Stellenwert von Offenbarungen des Unend-
lichen. Weil das Absolute nicht rational erkannt, sondern eben nur „ge-
lebt" und „gehandelt" werden kann, stehen diese seine Offenbarungen
notwendigerweise auf der Ebene des Irrationalen. Daraus ergibt sich
schon die Möglichkeit einer Wesensbestimmung der romantischen Poesie,
der es abwechselnd um ein Untertauchen ins Irrationale und um ein Be-
7 Vgl. Sdielling, System des transzendentalen Idealismus, Bd. II, S. 369.
8 Werke XI (3. Band der nachgelassenen Werke), S. 360; zitiert von Hirsch, a.a.O.,
S. 548.
• Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 301, Nr. 1282.
10 Ebd., S. 409, Nr. 1069.

29
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

wußtmachen des unbewußten Phantasieschaffens durch die Reflexion


geht. Die großen romantischen Mythen und Symbole sind fast durchweg
Ausdrücke des Irrationalen und des Unbewußten: die Nacht, der Schlaf,
der Traum, das Wasser, der Orient, der Wald, der Einsiedler, der Gold-
gräber, die Höhle, die blaue Blume, usw. Die Bedeutung des Todes als
eines romantisierenden Prinzips des Lebens ist in diesem Zusammenhang
natürlich, gehört er doch in die gleiche Vorstellungssphäre wie die Bilder
der Nacht. Und daß diese Symbole zum Teil in einer hymnischen Bilder-
sprache vorgetragen werden, kann auch nicht wundernehmen, denn eine
solche Sprache ist von jeher den Religionsstiftern und Sehern des Abso-
luten eigentümlich gewesen.
Das Ich oder die intellektuelle Anschauung, dieses „geheime, wun-
derbare Vermögen", das uns befähigt, „uns aus dem Wechsel der Zeit
in unser Innerstes . . . zurückzuziehen" 11 , ist also die Identität von an-
schauendem Subjekt, angeschautem Objekt und Anschauung selbst. Als
das Absolute ist das Ich die Grundlage jeder Erkenntnis und jedes Seins.
Es ist die Urform jeder Erkenntnis, weil nur in ihm die Unmittelbarkeit
des Wissens gesichert ist: Subjekt und Objekt sind im Gegensatz zu jedem
sonstigen Erkenntnisakt durch kein Medium getrennt. Es ist der Urgrund
jedes Seins, weil in ihm das Bewußtsein mit dem Sein zusammenfällt: das
Ich hat kein anderes Sein als eben das Bewußtsein seiner Existenz. Nach
dem Erlebnis dieses Urgrunds geht das Streben des geistigen Menschen.
Die Romantik kennt nur dieses eine Ziel. Das Bewußtsein der Objekt-
Subjektspaltung ist der Ansatz, die Aufhebung dieser Spaltung das Ziel
der romantischen Bemühungen. Das Wiederfinden der Identität, die
Rückeroberung des Absoluten ist der Leitstern der geistigen Tätigkeit.
„Das Notwendige im Menschen", schreibt Friedrich Schlegel, „ist gerade
nur die Sehnsucht nach dem Unendlichen" 12 . Die N o t w e n d i g k e i t die-
ser Sehnsucht ist der Inbegriff der menschlichen F r e i h e i t , sie macht das
Wesen des Menschen aus, das es zu erkennen, zu offenbaren und in die
Praxis des Lebens umzusetzen gilt. Dazu führt jedoch nicht das diskursive
Denken, das im Reich der Spaltung stattfindet und deswegen ein unvoll-
kommenes Denken ist, dessen richtig verstandenes Ziel nur in seiner
Selbstzerstörung, Selbstüberwindung und -transzendierung bestehen
kann. D a z u führt nur das intuitive, anschauende Denken, in dessen Ent-
faltung die Romantik ihre wesentliche Aufgabe und den Grund zur zen-
tralen Bedeutimg der Kunst im Leben erblickt.
So geht der romantische W e g vom Absoluten als Ursprung zum
Absoluten als Erfüllung. Das Schweben zwischen dem einen und dem

11 Schelling, Philosophische Briefe über Dogmatismus und Kritizismus, Bd. I, S. 242.


12 Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 420, Nr. 1200.

30
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

andern bestimmt die Auffassung des Geistes und seiner Funktion. Der
Mensch ist das Wesen, das sich an seinen unendlichen Ursprung dunkel
erinnert und das sich zugleich danach sehnt, diesen unendlichen Ursprung
wiederzufinden. So hängt er in einer ständigen Schwebe zwischen 'Er-
innerung' und 'Ahnimg'. Sein irdisches Leben, sofern es sich seines Sinnes
bewußt geworden ist, ist eine unaufhaltsame Bewegung von der Intuition
des Absoluten zu seiner Verwirklichung. Der menschliche Geist ist das
Mittelglied zwischen den beiden Polen, er ist wesentlich T e n d e n z
nach dem Absoluten, ein „ursprüngliches Wollen" 13 . Ahnen und Wollen
der Identität geschehen im Menschen uno actu; die intellektuelle An-
schauung ist, um mit Fichte zu reden, eine Tathandlung, die Wissen und
Handeln umgreift. Mit der Anschauung des Unendlichen wird zugleich
und mit ihr unzertrennlich verbunden der Wille zum Festhalten und zur
Verwirklichung dieses Absoluten geboren. Im bewußten Geist gibt es, so
meint Novalis, eine Identität von Wissen und Tun, von Erkennen und
Wollen. Darum ist der Geist in romantischer Sicht nicht etwa nur der
Spiegel des Universums oder ein reines Erkenntnisorgan. Das Wesen des
Menschen liegt nicht im Spekulieren, sagt Schelling, sondern im Han-
deln14. Schellings Schriften bieten eine Fülle solcher Formulierungen, in
denen der dynamische Charakter des Geistes zum Ausdruck kommt.
„Unser ganzes Dasein hängt an unserer Tätigkeit. Diese Tätigkeit aber
äußert sich in beständigen Produktionen" 15 ; „Das Wesen des Geistes [be-
steht] in Aktivität" 16 , er ist „nichts anderes als ein ewiges Werden" 17 .
Schon in ganz jungen Jahren war Schelling von dieser Idee durchdrungen,
und er wollte sie sogar in den ältesten Mythen der Menschheit entdecken,
deren symbolische Bedeutung er als „rastlose Begierde und ewige Unruhe"
auslegte18.
Der Geist ist demnach zugleich der Wille zur Wiederherstellung, zur
'Realisierung' des von ihm angeschauten Absoluten. Die Reflexion, und
insbesondere die Reflexion auf die eigene Erkenntnis, die Kritik des Er-
kenntnisvermögens, ist nur eine Teilfunktion des Geistes. Sie wird durch
das Bewußtsein der Spaltung ausgelöst und muß mit der Überbrückung
der Spaltung aufhören. Sie kann also kein Zweck an sich sein, sondern nur
ein Mittel zur Wiederentdeckung der Identität, aus welcher ja das wahre

13 Schelling, Abhandlungen zur Erläuterung des Idealismus der Wissenschaftslehre,


Bd. I, S. 319.
11 Vom Ich ah Prinzip der Philosophie (Autokritik), B d . I, S. 167.
15 Abhandlungen zur Erläuterung des Idealismus der Wissenschaftslehre, B d . I, S. 3 0 8 ;
v g l . auch Ideen zu einer Philosophie der Natur, B d . I, S. 663.
16 Über Offenbarung und Volksunterricht, B d . I, S. 401.
17 Abhandlungen zur Erläuterung des Idealismus der Wissenschaftslehre, B d . I, S. 291.
18 Über Mythen, historische Sagen und Philosopheme der ältesten Zeit, B d . I, S. 4 1 f.

31
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

geistige Leben hervorgeht. Das diskursive Denken erfüllt eine unter-


geordnete Aufgabe, und die Reflexion als typisches Verfahren dieses Den-
kens ist im Grunde ein krankhafter Zustand 1 '. Sie soll fruchtbar gemacht
werden, und zwar als Ansatz zum Streben nach der Realisierung des Un-
endlichen. Das höchste Gesetz lautet nicht etwa „Erkenne dich selbst",
sondern in Ubereinstimmung mit der Doppelfunktion der intellektuellen
Anschauimg als Wissen und Wollen: „Sei absolut identisch mit dir selbst".
Und Sdiellings Kommentar dazu lautet: „Das letzte Ziel des endlichen
Ichs ist also Erweiterung bis zur Identität mit dem Unendlichen"20. Er-
weiterung schließt nicht nur ein Erkennen, sondern auch ein Werden und
Streben in sich ein.
Das große Hindernis auf dem Weg der „Selbstbildung" — so nennt
Schelling das Streben nach der Identität unseres Geistes — ist das End-
liche, das Unbewußte, das Dunkle unserer irdischen Natur, vor allem das
Triebhafte und das Träge. Nim wird der Geist durch seine Tendenz, „sich
selbst anzuschauen", sich selbst „in seinem reinen Tun" zu ergreifen, wo
er „nichts weiter anschaut als sich selbst in seiner absoluten Tätigkeit"",
dazu angespornt, alles Endliche zu transzendieren und als solches aufzu-
heben, d. h. in ein Unendliches zu verwandeln. Die Selbstbildung besteht
nun gerade darin, „das in uns bewußtlos Vorhandene zum Bewußtsein
zu erheben, das angeborene Dunkel in uns in das Lidit zu erheben, mit
einem Wort zur Klarheit zu gelangen"28. Klarheit gibt es für den Ideali-
sten Schelling nur in der intellektuellen Anschauung, im Selbstbewußt-
sein des Geistes. Darum kann er schreiben: „Das ganze Leben ist eigent-
lich nur ein immer höheres Bewußtwerden", wobei in der irdischen
Existenz jeweils ein dunkler Rest übrigbleibt 23 . Mit Novalis' Worten
handelt es sich dabei um die geistige Vernichtung des Endlichen, um die
Verwandlung des Unwillkürlichen in ein Willkürliches. Die Formeln, in
denen dieses großangelegte Ideal der Frühromantik ausgedrückt wird,
begegnen in Hülle und Fülle.

19
Schelling, Ideen zu einer Philosophie der Natur, Bd. I, S. 663.
20
Vom Ich als Prinzip der Philosophie, Bd. I, S. 124.
21
Schelling, Abhandlungen zur Erläuterung des Idealismus der Wissenschaftslehre,
Bd. I, S. 307.
22
Schelling, Stuttgarter Privatvorlesungen, Bd. IV, S. 325.
23
Schelling, Stuttgarter Privatvorlesungen, Bd. IV, S. 325. Nicht immer hat Schelling
das höchste Ziel der Selbstbildung mit dem Wort Bewußtsein bezeichnet. Das Be-
wußtsein überhaupt erschien ihm in seinen ersten Schriften als eine Tätigkeit des
Geistes, der schon aus der Identität herausgefallen ist. Die intellektuelle Anschauung
war ihm dann ein jedes Bewußtsein transzendierender Akt. Im System des transzen-
dentalen Idealismus und späterhin hat er aber beide Begriffe gleichgesetzt: intellek-
tuelle Anschauung und Selbstbewußtsein.

32
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Die lebendige, dynamische Kraft des Geistes, die ihn zum Bewußt-
sein der irdischen Beschränktheit und dadurch zum Willen zur Transzen-
dierung des Endlichen anregt, nennt Schelling die Seele. In ihr liegt ein
„notwendiges Bestreben zum ewigen Produzieren"; sie treibt den Geist
dazu an, „in jedem einzelnen Moment ein Unendliches darzustellen",
d. h. sich durch keine Beschränkung beirren zu lassen, sondern sich in
allen Umständen als unendlich zu erweisen und jeder seiner Taten das
Gepräge des Absoluten aufzudrücken. Wie gesagt, ist dies in der irdischen
Existenz ein nie ganz erreichbares Ziel, weil dieser Existenz immer ein
Endliches anhaftet. Aber eben diese Unfähigkeit, immer und überall als
ein Unendliches zu handeln, ist ein weiterer Ansporn für die Seele: „so
strebt sie notwendig über jede Gegenwart hinaus, um das Unendliche
wenigstens sukzessiv, in der Zeit, darzustellen"24. Das Unendliche und
die Zeit sind selbstverständlich antinomische Begriffe, das Unendliche
übersteigt jede Zeit, die intellektuelle Anschauung befreit uns gerade
vom „Wechsel der Zeit". Aber das Streben der Seele über jede Gegen-
wart hinaus ist der Beweis, daß sie aus dem Unendlichen heraus handelt,
und die irdisch einzig mögliche Form einer Darstellung der Unendlich-
keit25.
Auch für Friedrich Schlegel ist die Seele „reizendes Leben, Regsam-
keit des Gemüts"". Wie Schelling faßt er sie als das dynamische Prinzip
auf, das den Geist dazu bewegt, über das jeweils gegebene Endliche
hinauszustreben, sich „über alles Bedingte unendlich zu erheben" 27 . Sol-
ches Streben, das die wesentliche Tätigkeit des geistigen Menschen aus-
macht, muß aufrechterhalten und unaufhörlich fortgesetzt werden, auch
wenn das letzte Ziel sich als unerreichbar erweist. In der Sprache der
Athenäumsfragmente heißt das: „Jeder gute Mensch wird immer mehr
und mehr Gott. Gott werden, Mensch sein, sich bilden sind Ausdrücke,
24 Schelling, Abhandlungen zur Erläuterung des Idealismus der Wissenschaftslehre,
Bd. I, S. 308.
25 Solches Streben als Merkmal des Geistes hat übrigens zur landläufigen Auffassung
der romantischen „Unendlichkeit", wie sie von Strich als Antithese zur klassischen
„Vollendung" aufgestellt wurde, geführt. Das Wort ist leider nicht sehr glücklich
gewählt und hat tatsächlich durch die Homonymität mit der philosophischen Unend-
lichkeit, wie die Romantiker sie dachten, viel Verwirrung gestiftet. Die Betonung
der Unendlichkeit zählt vielleicht mit zu den Ursachen der angeblichen Nichtvollen-
dung mancher romantischer Werke, aber Vollendung und Unendlichkeit, im Geiste
der Urheber dieser Termini verstanden, liegen nicht auf derselben Ebene und können
einander nicht ohne weiteres als repräsentative Begriffe entgegengesetzt werden.
Der eine Begriff ist zunächst formal, wenn er auch, wie es selbstverständlich ist,
einer bestimmten Kunstanschauung entspricht; der andere ist philosophisch und
kann erst indirekt eine formale Gestaltungsweise andeuten.
28 Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 98, Nr. 831.
27 Vgl. Behler in KA, Bd. XVIII, S. XVII (Einleitung).

33
3 Nivelle
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

die einerlei bedeuten". Mit solcher Anschauung hängt Schlegels zeit-


weilige Geringschätzung des 'Systems5 zusammen, das er durch die Ge-
schichte des werdenden, fortschreitenden Geistes ersetzt wissen möchte.
Diese Ansidit wird von allen Frühromantikern geteilt und läuft darauf
hinaus, in Ubereinstimmung mit der dynamischen Auffassung des Geistes
jede Philosophie zugunsten des Philosophierens aufzuheben. „Die Philo-
sophie eines Menschen", schreibt Schlegel in der Charakteristik des
Plato, „ist die Geschichte, das Werden, Fortschreiten seines Geistes, das
allmähliche Bilden und Entwickeln seiner Gedanken" 28 . Diese Selbst-
geschichte bildet die 'Eigentümlichkeit', die Individualität des Denkers.
Schlegels philosophisches Leitbild ist in dieser Hinsicht eben Plato, an
dem er den „immer weiter strebenden Gang seines Geistes nach vollen-
detem Wissen und Erkenntnis des Höchsten" bewundert. Die Philo-
sophie definiert er übrigens als ein „Suchen, ein Streben nach Wissen-
schaft" eher denn als eine eigentliche Wissenschaft29, ein Gedanke, den er
in den Philosophischen Lehrjahren unter der Form wiederaufnimmt: „Es
gibt eigentlich keine Wissenschaft, sondern nur ein Wissen" 30 .
Diese dynamische Auffassung der Erkenntnis ist selbstverständlich
auch Schelling eigen. „Die Bewegung ist aber das Wesentliche der
Wissenschaft", in der die Sätze, „abgesehen von der Bewegung, durch die
sie erzeugt werden", keinen Wert haben: „Diesem Lebenselement ent-
ronnen, sterben sie ab" 31 . Die Wissenschaft ist nie fertig und vollendet,
sondern in einem ständigen Werden und eigentlich nur, wie bei Schlegel,
ein Trachten nach Wissenschaft, eine Philo-Sophie, ein „Streben nach dem
Wiederbewußtwerden" 32 . Der Natur des Ich als Prinzip des Wissens
gemäß ist jeder Begriff ein Akt des Denkens und nicht etwa das aus
diesem Akt abstrahierte Produkt33. Abstrakte Begriffe können unmöglich
das Ziel einer echten 'Wissenschaft' sein, denn das wahre, d. h. das
intuitive Denken soll das Unmittelbare, das Einfache, das, „was sich
nimmer auf Begriffe bringen läßt", enthüllen und offenbaren 34 . Dazu
ist keine Abstraktion im Sinn der Logik erforderlich, sondern jeweils ein
historisch-individueller Vollzug; man muß „sich selbst gleichsam seine
eigene Geschichte erzählen" 35 . Jeder Begriff muß lebendig nachvollzogen
werden; man erkennt nur das, woran das persönliche Denken unmittel-

28 Charakteristik des Plato, KA, Bd. XI, S. 118 f.


29 Charakteristik des Plato, KA, Bd. XI, S. 120.
30 Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 405, Nr. 1009.
31 Die Weltalter, Bd. IV, S. 584.
32 Die Weltalter, Bd. IV, S. 577.
33
Vgl. System des transzendentalen Idealismus, Bd. II, S. 366.
34 Vom Ich als Prinzip der Philosophie, Bd. I, S. 80 und 110 (Zitat).
33 Über Mythen, historische Sagen und Philosopheme der ältesten Zeit, Bd. I, S. 30.

34
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

bar teilhat. Man könnte dabei an eine Übertragung der Goetheschen


Verse auf das Gebiet der Erkenntnis denken: „Was du ererbt von
deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen". Jede wahre Erkenntnis
ist ein individueller Schöpfungsakt, ihrer Natur nach der Selbstsetzung
des Ich genau verwandt. Das Prinzip des Wissens ist „aus der Quelle der
Dinge geschöpft und ihr gleich"; jedes echte Wissen beruht auf einer
„Mitwissenschaft der Schöpfung" 3 ', eben weil seine Quelle, das Ich, ein
der göttlichen Schöpfung, d. h. der göttlichen Selbsterkenntnis, völlig
analoger Akt ist.
Diese Analogie zwischen dem reinen Akt menschlichen Erkennens
und der göttlichen Schöpfungstätigkeit37 führt zu einer weiteren Denk-
position, die sich auf die romantische Poetik mächtig ausgewirkt hat.
Durch die Erfüllung seiner dynamischen Aufgabe, durch sein Streben
nach dem Unendlichen fügt sich der Geist in die Weltordnung ein und
arbeitet an der Weltschöpfung mit. Die Weltschöpfung ist nämlich immer
noch im Gange; auch sie ist nicht abgeschlossen und fertig, denn sie ist
nichts anderes als der Prozeß der Selbsterkenntnis, der Bewußtwerdung,
der Tersonalisierung' Gottes. Gott setzt sich als Objekt, als Reales, Un-
bewußtes und zugleich als Subjekt, als Ideales, Bewußtes. Er selbst ist
das lebendige Band des Realen und Idealen, die höchste Identität. Er ist
also selbst ein Akt, ein Werdendes; er „m a c h t s i c h s e l b s t , und so
gewiß er sich selbst macht, so gewiß ist er nicht ein gleich von Anfang
Fertiges und Vorhandenes" 38 . Er „macht" und realisiert sich und die Welt,
indem er das Unbewußte in sich zum Bewußtsein erhebt. Darin besteht
die Weltschöpfung39. Da nun der Mensch das erste Wesen ist, bei dem
der Prozeß der Schöpfung vorläufig stillsteht, weil Gott, indem er bei
ihm das Bewußtsein aus dem Unbewußten erweckte, seinen Zweck teil-
weise erreicht hat40, soll er an der Bewußtwerdung Gottes und seiner
Schöpfung mitarbeiten. Im Menschen wird sich Gott seiner selbst bewußt.
Auch Friedrich Schlegel vertritt die gleiche Anschauung. „Die Welt
ist unvollendet", schreibt er in den Philosophischen Lehrjahren. „Gott

'« Die Weltalter, Bd. IV, S. 576.


37 E . Hirsch geht so weit, daß er schreibt: „Der höchste Akt menschlichen Erkennens
und das göttliche Sicherkennen ist eines und dasselbe", Die idealistische Philosophie
und das Christentum, S. 548.
3 8 Schelling, Stuttgarter Privatvorlesungen, Bd. IV, S. 324 ff.

39 In seinem Schellingbuch vertritt Jaspers eine andere These, indem er das von

Schelling proklamierte universelle Werden zwar anerkennt, aber auf Gott als einzige
Ausnahme nicht beziehen will. Der Schellingsche Wortlaut ist jedoch so eindeutig,
daß eine Auseinandersetzung mit dieser mir unverständlichen Jasperssthen Position
sich wohl erübrigt. Erst der alte Schelling hat die Gottheit dem allgemeinen Werden
entzogen.
40 Stuttgarter Privatvorlesungen, Bd. IV, S. 327.

35
3'
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

muß veränderlich und unvollkommen gedacht werden, wie in allen


Mythologien. Wir sind seine Gehilfen" 41 . Gottes Gehilfen sind wir durch
unser Bewußtsein, wie bei Schelling. Wir sind „Reflexionen Gottes auf
sich selbst und in sich selbst. Wir sind Gottes Gedanken, sein Bewußt-
sein"42. Von der Entwicklung und Bildung unseres Bewußtseins hängt das
Werden Gottes, seine „Vervollkommnung" ab, denn Gott „macht" sich
eigentlich durch Vermittlung der Menschen. Er wird von uns „gemacht":
„Gott ist eine Aufgabe der Geister, sie sollen ihn machen. Er ist nicht (in),
aber er wird in der Welt" 43 . Die menschliche Selbstbildung liefert also
einen direkten Beitrag zur Weltschöpfung und zum Werden Gottes. Die
Energie, die zu dieser Mitwirkung anreizt, heißt bei Schlegel die Liebe;
davon später. Das Mittel, dessen wir uns dabei bedienen, ist aber das
progressive Selbstbewußtsein, das alle Kräfte in uns wachrüttelt: „Die
allgemeine Liebe besteht in der Teilnahme an allem Leben. Aufgebot in
Masse aller schlummernden Kräfte. Die Schöpfung ist noch nicht geendigt;
wer tätig ist, nimmt teil an der Schöpfung"44.
Solche Auffassung Gottes wirkt sich selbstverständlich auf die An-
schauung der von ihm erschaffenen Welt, der Natur, aus. Auch die Natur
läßt sich nicht auf eine Sammlung von Dingen zurückführen; ihr eigent-
liches Wesen ist gleichfalls die Bewegimg, die sie belebt und die ihren
sichtbarsten Ausdruck in der Aufeinanderfolge von Systole und Diastole
findet. Auf die ganze Natur angewandt, ergeben Spannung und Erschlaf-
fung ein sich unaufhörlich gebärendes und wieder verzehrendes Leben.
Und gerade dieser ständige Wechsel ist die 'Substanz' der Natur, das
Bleibende an ihr, ihr beständiges Triebwerk45. Das Wesen der Natur ist
demgemäß ein tätiges Prinzip, eine ewig schaffende Urkraft 4 '. Mit Schle-
gelschen Worten ausgedrückt, ist die Natur „kein Gewächs, sondern ein
Wachsen. Masse ist fixierter Fluß" 47 . Die Natur ist das werdende Univer-
sum48, wobei die schaffende Urkraft, „Wurzel und Kern" der Natur,
wieder einmal als Liebe dargestellt wird: die Natur ist „flüssig gewor-

41
KA, Bd. XVIII, S. 421, Nr. 1222. Eine Zeitlang hat Friedrich Schlegel das Werden
auf den Menschen beschränkt; auf Gott wollte er den Begriff der Veränderung nicht
anwenden. Vgl. Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 372, Nr. 624.
42
Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 152, Nr. 350.
43
Ebd., S. 301, Nr. 1277. Vgl. auch „Die Gottheit kann nur im Werden gedacht wer-
den", Transzendentalphilosophie, KA, Bd. XII, S. 53.
44
Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 217, Nr. 278.
45
Schelling, Die Weltalter, Bd. IV, S. 606 f.
48
Schelling, Über das Verhältnis der bildenden Künste zur Natur, 3. Ergänzungsband,
S. 393 ff.
47
Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 152, Nr. 344.
48
Ebd., S. 157, Nr. 412.

36
PHILOSOPHISCHE G R U N D L A G E N

dene Liebe" 4 *, „Liebe zur (flüssigen) Materie geworden"50. Die Stellung


der Natur im romantischen Weltbild wird uns noch beschäftigen. Hier
soll lediglich darauf hingewiesen werden, daß sich die drei Elemente
des Weltalls, Natur, Gott, Geist, ihrem inneren Wesen, ihrer tieferen
Definition nach je als ein Akt, ein Werden, ein Unendliches herausstellen.
Der romantischen Poesie wird es auf die Darstellung dieses Unendlichen
ankommen.

Die romantische Auffassung des Unendlichen als Tätigkeit und


Werden beruht auf Fichtes Wissenschaftslehre. Fichte hat den ersten An-
stoß gegeben; sein Ichbegriff war den Frühromantikern eine Offen-
barung und zugleich ein brennendes Problem, das sie zum Nach- und
Weiterdenken angeregt hat. Dies ist für Schelling, Friedrich Schlegel und
Novalis eindeutig. Jeder kennt die Briefstelle, in der Novalis die kon-
kreten Zeit- und Ortsumstände erwähnt, unter denen ihm das Fichtesche
Ich klar geworden ist; die Freude über diesen Fund ist die beste Bestäti-
gung dafür, wie intensiv er sich bis dahin mit dem Problem abgequält
hatte. Die Bewunderung für Fichtes Leistung war im Jenaer Kreis allge-
mein. Bekannt sind in dieser Hinsicht eine ganze Anzahl von Äußerungen,
deren Verzeichnung hier lästig wäre. Es genügt wohl der Hinweis auf
Friedrich Schlegels Fragment, in dem die Wissenschaftslehre neben der
französischen Revolution und dem Wilhelm Meister als eine der drei
'Tendenzen' des Zeitalters dargestellt wird, wobei das Wort Tendenz
einer romantischen Lieblingsvorstellung entspricht und demgemäß ein
unumschränktes Lob beinhaltet51. Es darf vielleicht auch daran erinnert
werden, daß Novalis das philosophische Direktorium in Deutschland
Fichte zuerkennt, den er in diesem Zusammenhang einen „zweiten Koper-
nikus" nennt. Schon diese Bezeichnung deutet zur Genüge an, wie aus-
geprägt das Bewußtsein war, daß Fichtes Gedankengänge eine grund-
sätzliche und umwälzende Erneuerung des Weltbildes hervorgebracht
hatten. Nichts in der Romantik wäre ohne Fichtes Vorgang so gewesen,
wie es gewesen ist. Er ist das Fundament des frühromantischen Ideen-

" Ebd., S. 167, Nr. 515.


50 Ebd., S. 153, Nr. 359.

51 Die Begeisterung Fr. Schlegels für Fichte ist eindeutig und ausgiebig belegt, und es

nimmt einen wunder, wenn Schlagdenhauffen das Wort Tendenz als „pas nécessaire-
ment louangeur" auffaßt (Frédéric Schlegel et son groupe, im Kapitel „Berlin et la
première année de l'Athenäum"). Auch wenn Friedrich Schlegel sich tatsächlich von
Fichtes Anschauungen distanzierte — und das mag, wie Schlagdenhauffen behaup-
tet, schon vor 1798 geschehen sein — hat er ihn doch immer als den Anfang einer
neuen Epoche der Geistesgeschichte angesehen. Das ist lobend genug, und gerade
das meint das Wort Tendenz.

37
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

gebäudes, auch wenn dieses Gebäude nicht ganz nach seinen Plänen er-
richtet wurde.
Es entspricht nicht dem Zweck dieses Buches, den Wandlungen in
der Stellung der verschiedenen Frühromantiker zu Fichtes Lehre im ein-
zelnen nachzugehen. Nur der Zusammenhang dieser Lehre mit der früh-
romantischen Dichtungsschau soll hier erörtert werden, d. h. die Art und
Weise, wie die Frühromantik sie für die Kunst- und Dichtungstheorie
nutzbar gemacht hat. Nun erhellt diese dichtungstheoretisch relevante
Interpretation paradoxerweise besonders deutlich aus den Einwänden,
die Friedrich Schlegel und Novalis gegen Fichtes Positionen vorgebracht
haben.

Nach der Absage an seine einseitige Gräkomanie und Winckelmann-


verehrung hat Friedrich Schlegel auf eine lange Strecke seiner kritischen
Laufbahn Fichtes Anschauungen übernommen. Seine Ubereinstimmung
mit dessen Thesen war eine Zeitlang vollkommen. Die idealistische Lehre
von der intellektuellen Anschauung scheint ihm „die wichtigsten Ver-
änderungen und Revolutionen . . . in allen . . . Teilen des menschlichen
Denkens und Bildens" hervorgerufen zu haben. Fichtes Vorzüge liegen
für ihn in der wissenschaftlichen Konstituierimg der Prinzipien der Frei-
heit, in der Aufstellung der richtigen Methode in der Philosophie, die
„das freie Selbstdenken zu einer Kunst organisiert", und in der Erschütte-
rung des Bewußtseins in seiner „innersten schöpferischen Tiefe" 51 .
Schlegel ist ganz von der „geistigen Revolution", die Fichte in die Wege
geleitet hat, ergriffen, und er bejaht sie durchaus. Ihre eigentümliche
Wirkung erblickt er darin, daß sie „das Innere zur Empirie und das
Äußere zur Theorie" 53 gemacht und somit das Schwergewicht von dem
Stoff auf den Geist verlegt habe. Er setzt diese idealistischen Errungen-
schaften denn auch ohne Zögern in Beziehung zur Dichtung: „Der Idealis-
mus ist der Mittelpunkt und die Grundlage der deutschen Literatur.. .
und die höhere Poesie als ein anderer Ausdruck derselben transzenden-
talen Ansicht der Dinge ist nur durch die Form von ihm verschieden"54.
Solche Verkündigung der Wesensidentität von Idealismus und höherer,
d. h. romantischer Poesie zeugt überdeutlich für die grundsätzliche An-
nahme der Fichteschen Philosophie durch Schlegel.
Und doch ist das geistige Verhältnis Schlegels zu Fichte nicht so ein-
deutig und durchsichtig, wie es den Anschein hat. In zwei wesentlichen

52
Literatur, in DNL, Bd. 143, S. 301.
53
Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 397, Nr. 915.
54
Literatur, in DNL, Bd. 143, S. 300.

38
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Punkten setzt er sich von Fichte ab und nähert sich einerseits Schelling
und der Naturphilosophie, andererseits Novalis und der mystischen Ten-
denz der Frühromantik.
Zum ersten Punkt wäre folgendes zu sagen: ein berühmtes Fragment
Schlegels drückt eine synthetische Vision der Philosophie aus, die für seine
Stellung zwischen Fichte und Schelling aufschlußreich ist. Die Philosophie
sei eine Ellipse, deren eines Zentrum das Selbstgesetz der Vernunft und
deren anderes Zentrum die Idee des Universums sei55. So möchte Schlegel
durch eine vielleicht geniale Intuition Fichtes rigorosen Idealismus und
Schellings idealistischen Realismus miteinander versöhnen. Der Weg, der
ihn zu diesem Einfall geführt hat, bleibt uns, vielleicht auch ihm, leider
dunkel. Darum spreche ich von einer Intuition, die m. E. ihren Ursprung
ebensowohl in Schlegels dichterischem Instinkt wie in einer philosophi-
schen Einsicht hat. In Fichtes Lehre störte ihn bekanntlich die negative
Vorstellung der Natur. Diese war für Fichte ein Nichtsein, wie etwa die
Materie bei Plotin: „tote Sinnenwelt und bloßer Niederschlag der Re-
flexion", „Hemmung und Schranke des sich ins Unendliche fortent-
wickelnden Geistes". Für Schlegel war sie im Gegenteil „durchaus be-
lebt und beseelt" und als solche „eine Darstellung der Gottheit" 58 , was
ziemlich deutlich an Schelling erinnert. Er hat ausführlich versucht,
Fichtes Anschauung mit Schellings Vorstellung der Natur in Übereinstim-
mimg zu bringen; dabei betonte er die Verschiedenheit des Naturbegriffs
bei den beiden Philosophen. Die Darlegung dieser Bemühungen wäre
von zweitrangigem Interesse und gehört nicht in diesen Zusammenhang,
denn das Entscheidende an Schlegels Reaktion gegen Fichte liegt nidit
auf philosophischem, sondern auf dichterischem Gebiet. Mit der Auffas-
sung der Natur als Nichtsein fällt ihm nämlich der „wesentlichste Teil der
Poesie und bildenden Kunst" weg, d. h. die Mythologie, die ja die Be-
lebung und Beseelung der Natur voraussetzt und von der noch zu reden
sein wird57. Dieses poetische Argument dürfte bei Schlegel von größerem
Gewicht gewesen sein als alle rein philosophischen Bedenken und auch
als die Entdeckung einer angeblichen Inkonsequenz in Fichtes Denken,
in das sich ein „Etwas" als Anstoß der Vorstellungen eingemischt haben
soll, nachdem anfangs alles aus dem Geiste abgeleitet worden sei58. Die
Unmöglichkeit einer Mythologie stellte für Schlegel eine abschreckende
Folge des Fichteschen Systems dar, die auf die Zerstörung der Kunst hin-
ausgelaufen wäre. Und er mußte aufmerken, als er bei Fichte eine Defini-

65
Ideen, KA, Bd. II, S. 267, Nr. 117.
56
Rezensionen aus den Heidelbergischen Jahrbüchern, in DNL, Bd. 143, S. 320.
57
Rezensionen aus den Heidelbergischen Jahrbüchern, in DNL, Bd. 143, S. 325.
58
Die Entwicklung der Philosophie in 12 Büchern, KA, Bd. XII, S. 147.

39
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

tion der Kunst als „Darstellung des vernünftigen Lebens" las, obschon
das im Grunde nichts anderes bedeutet als Darstellung des Unendlichen.
Aber er war nun einmal auf der Hut vor der Einseitigkeit in Fichtes
Denken und sah im „vernünftigen Leben" als Prinzip der Kunst eine
willkürliche und ungerechtfertigte Einschränkung; darum wollte er sicher
gehen und den Begriff 'Leben der Vernunft' weit aufgefaßt wissen, etwa
im Sinne von 'in der Idee leben'59.
Die „Idee des Universums" als das eine Zentrum der Philosophie ist
um 1800 eine unmißverständliche und unübersehbare Reminiszenz an
Spinoza. Mit Recht hebt Hirsch die Bedeutung Spinozas für die Entste-
himg der Romantik hervor60. Die Vorstellung der Allnatur, die im letzten
Drittel des 18. Jahrhunderts durch Lessing, Herder und Goethe in
Deutschland eindrang und die von Fichte ins Geistige erhoben wurde,
findet sich bei Schlegel in ihrem Urzustand wieder, wohl im Zusammen-
hang mit dem Ichbegriff, aber doch als zweiter gleichwertiger Pol des
Weltbildes davon wesentlich getrennt. Schlegel sehnte sich denn auch
nach einer Philosophie, die zugleich dem spinozistischen Pantheismus und
dem Idealismus gerecht würde, d. h. nach einer Ergänzung des Spinozis-
mus in idealistischer Richtung. Solches Wunschbild trat ihm nun trotz
etlicher Vorbehalte in Schelling entgegen, dessen „letztere Werke" (1804
bis 1805) ihm bezeichnenderweise als eine „Ergänzung des Spinozismus"
erschienen61. Schellings Lehre verkündet nämlich für Schlegel das Dasein
einer „Substanz", in der auf pantheistische Art Geist und Natur aufgehen.
Die Natur ist also hier als Bestandteil des Universums anerkannt und wird
nicht mehr dem Nichtsein gleichgesetzt. Verständlicherweise mußte Schle-
gel auf Grund dieser Einsicht zu Schelling hinüberneigen, obschon er sich
immer weigerte, sich dessen Ansichten ganz und ohne Vorbehalt anzu-
schließen. Denn als wirklichen Idealisten betrachtet Schlegel weder
Fichte noch Schelling, sondern nur sich selbst62. Auch nach der philosophi-
schen Rehabilitierung Schlegels durch J. Körner ist das allerdings eine
Behauptung, die eine ganze Anzahl von Bedenken erweckt, auf die hier
freilich wegen ihrer rein philosophischen Natur nicht eingegangen werden
soll63.

5' Rezensionen aus den Heidelbergischen Jahrbüchern, in DNL, Bd. 143, S. 325.
60 Die Romantik und das Christentum, S. 28 ff.
61 Die Entwicklung der Philosophie in 12 Büchern, KA, Bd. XII, S. 294.
62 Vgl. u. a. Die Entwicklung der Philosophie in 12 Büchern, Bd. XII, S. 341 f.
93 Es wird der Ehrfurcht vor Körners lebenslanger Beschäftigung mit Schlegel keinen
Abbruch tun, wenn der Meinung Ausdrude gegeben wird, daß er sich, so will es mir
scheinen, in zwei Punkten geirrt hat: einmal, indem er den Nachdruck auf Schlegels

40
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Spinoza war für Schlegel schon immer ein verlockendes Fragezeichen.


Bereits in den ersten Jahren seiner Denktätigkeit hat er instinktmäßig den
Gegensatz zwischen Fichtes 'subjektivem' Idealismus und einem pan-
theistischen Realismus überbrücken wollen. Dieser Wunschintuition ist er
lange treu geblieben, indem er sie später rational zu unterbauen versucht
hat. Solches Verfahren entspricht übrigens seiner Vorstellung von Philo-
sophie. Schreibt er doch in den Philosophischen Lehrjahren: „Auch ganze
Systeme werden erst gedichtet [d. h. in der Phantasie entworfen] und
gemacht [auf Grund einer Gesamtintuition], dann schreibt man die De-
duktion hintendrein" 64 . Schlegels Philosophie in frühromantischer Zeit
kann tatsächlich als die Deduktion einer intuitiven Gesamtkonzeption an-
gesehen werden. Nun hat er den erwünschten pantheistischen Realismus
hauptsächlich in zwei Gestalten verwirklicht gefunden: in Goethe und in
Spinoza. Er war also von vornherein zwischen Fichte und Goethe-Spinoza
hin- und hergerissen, und die leidenschaftlich gesuchte Überbrückung hat
seine ganzen Kräfte jahrelang in Anspruch genommen. Die ersehnte Syn-
thesis hat er auf rein philosophischem Gebiet durchführen wollen, und
dazu hat er sich bei aller Anerkennung gegen den allzu exklusiven An-
spruch Fichtes wehren müssen. Zwei Wege hat er zu diesem Zweck einge-
schlagen: er wollte zunächst Fichtes Philosophie bis in ihre letzte Konse-
quenz durchdenken, um den Nachweis zu erbringen, daß ihr etwas fehlte;
und für die zu entdeckende Lücke hielt er seinen pantheistischen Realis-
mus parat. Dann hat er ihm direkt einen Mangel an Sinn fürs Universum
vorgeworfen: „Fichte hat unendlich viel Sinn für das Unendliche und
doch keinen Sinn für das Universum" 65 . Zur Entdeckung der angeblichen
Lücke ist er ebenfalls auf zweierlei Weise gelangt: erstens durch die Be-
tonung eines fremden „Etwas", das sich in Fichtes Denken eingeschlichen
hätte; zweitens durch die Hervorhebung einer angeblich willkürlichen

rein philosophische Schriften legte; zweitens, indem er sich von der Entdeckung und
Veröffentlichung unbekannter Manuskripte eine wesentliche Bereicherung und Be-
richtigung des Schlegelschen Weltbilds versprach. Auch wenn Schlegels philoso-
phische Schriften rein mengenmäßig „wichtiger" sind als seine meist recht fragmen-
tarischen Kunstansichten, so hat er doch eben durch diese seine Kunstanschauung
und nicht durch seine Philosophie Epoche gemacht und geistesgeschichtliche Bedeu-
tung gewonnen. Die philosophischen Schriften erfüllen eigentlich ihre Funktion,
wenn sie zur Begründung und Erklärung seiner ästhetischen Ansichten heran-
gezogen werden; sie stellen manchen Begriff in den rechten Zusammenhang und
erhellen ab und zu Schlegels eigentümlichen Wortschatz. Wesentlich Neues für
Schlegels Bedeutung im Rahmen der Frühromantik bringen sie kaum.
04 KA, Bd. XVIII, S. 92, Nr. 752. Eingeklammerte Worte von mir.
85 Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 302, Nr. 1298.

41
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Trennung der Denkfunktionen 66 und eines Mangels an Einheit in Fichtes


Weltbild67.
Bei Fichte vermißte er also eine umfassende Weltdeutung auf der
Grundlage einer einheitlichen, totalen Weltschau. Das ist gewiß eine
ganz legitime philosophische Forderung, aber der Eindruck liegt nahe,
daß sie vor allen Dingen auf poetischer Phantasie oder, wie die moderne
Psychologie es ausdrücken würde, auf einem poetischen Tagtraum be-
ruht. Schlegel hat den Kampf im philosophischen Bereich austragen wol-
len; ich wage es, zu behaupten, daß er einer solchen Aufgabe nicht ge-
wachsen war. Doch kann seine philosophische Schwäche seiner poetischen
Originalität nichts anhaben. Er hat übrigens selbst intuitiv gefühlt, daß
die vorgenommene Aufgabe unerfüllbar sei und ihn notgedrungen aus
dem Bereich der Philosophie entführte: „Gibt die Synthesis von Goethe
und Fichte wohl etwas anderes als Religion?"68. Solche Frage ist über-
haupt für die ganze Romantik relevant; erinnert sie doch genau an Nova-
lis' Fragment: „Spinoza stieg bis zur Natur — Fichte bis zum Ich, oder der
Person. Ich bis zur These Gott" 69 . Von Gott und der romantischen Reli-
gion wird unten die Rede sein. Hier soll jedoch schon darauf hingewiesen
werden, daß die romantische Religion eine Ausflucht aus einem philoso-
phischen Dilemma darstellt und daß im Grunde von ihr Lösungen und
Antworten erwartet werden, die sich auf dem Terrain, wo die Fragen ge-
stellt wurden, als unmöglich erwiesen hatten. Von vornherein mutet also
die romantische Religion als eine zwittrige und fragwürdige Erschei-
nung an.
Der zweite wesentliche Punkt, an dem Schlegel sich von Fichte
distanziert, betrifft die Auffassung der Vernunft und ihrer Funktion. Wie
sich aus der folgenden Darlegung ergeben wird, hängt er mit dem ersten
eng zusammen. Schlegel lehnt es ab, die Vernunft als das oberste Ver-
mögen anzuerkennen, und zwar sowohl als theoretisches als auch als
praktisches Vermögen. Er stellt ein Prinzip auf, das ihr seiner Ansicht
nach überlegen ist, insofern es die Wurzel, die „Quelle" der Vernunft und
des Bewußtseins darstellt, und er nennt es „Liebe" 70 . Die Liebe erscheint
ihm als die „Hypothese" des Idealismus, d. h. als die erste, grundlegende

M
„Unser Hauptunterschied besteht darin, daß bei mir die philosophische, moralische
und ästhetische Anschauung nur ein und dieselbe ist, da Fichte sie trennt", Philoso-
phische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S.433, Nr. 68.
67
„Er hat Idealität und Realität; aber beides steht isoliert und roh da in ihm", ebd.,
S. 37, Nr. 201.
68
Preitz, Friedrich Schlegel und Novalis, S. 140; vgl. Behler in KA, Bd. XVIII,
S. XXXIV.
69
Fragment 676 nach der Numerierung der Seelig-Ausgabe.
70
Rezensionen aus den Heidelbergischen Jahrbüchern, in DNL, Bd. 143, S. 337 ff.

42
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Voraussetzung der Tätigkeit der Vernunft auf allen Gebieten. Heben wir,
sagt er, Denken und Handeln „versuchsweise" auf, so bleibt das Unend-
liche und eine Intuition des Unendlichen übrig, und dieser Rest, der das
Grundelement der Seele ist, heißt „Liebe" 71 . Sie tut sich im Menschen als
Streben und Sehnen kund, die somit zu elementaren Seelenkräften er-
hoben werden. Die Liebe ist das Positive im Wesen des Menschen, das
„dunkle Licht", das jede geistige Tätigkeit erst ermöglicht72. Der
mystische Ausdruck „das dunkle Licht" deutet schon die Riditung an, in
der die Erklärung dieser Anschauung zu finden ist: Jakob Böhme läßt
nach Schlegels Interpretation „alles [sich] aus Liebe und Gefühl er-
zeugen" 73 .
Der als Grundvermögen der Seele aufgefaßten Liebe gegenüber
spielt die Vernunft die Rolle eines bloßen Werkzeugs der Erkenntnis. Auf
sich selbst angewiesen und ohne die Führung der Liebe ist sie blind: sie
kann die Wahrheit „ausbilden", nicht aber „finden" 74 . Sie ist unfruchtbar
und unproduktiv; ihr müssen Anstoß und Richtung gegeben werden. W e r
sich ihr allein anvertraut, gleicht einem Schiffer, der, „ohne Kompaß auf
das stürmische Weltmeer" hinausgeworfen, nicht fähig wäre, „das Dun-
kel, welches das ferne Ziel und die Schranken gleich sehr umhüllt, zu
durchdringen und die Richtung des einzigwahren Weges zu entdecken" 75 .
Der richtungweisende Kompaß ist die Liebe.
Noch in den Wiener Vorlesungen aus dem Jahr 1812 wird Schlegel an
diesem Standpunkt festhalten. Das kommt besonders in seinem Urteil
über Kant zum Ausdruck. An Kants philosophischer Erneuerung lobt er
die Tatsache, daß der Kritizismus auf theoretischem Gebiet die Vernunft
in ihre Schranken zurückgewiesen hat: die theoretische Vernunft ist näm-
lich an sich „leer und ohne Inhalt" und mithin nur in ihrer Anwendung
auf die Erfahrung brauchbar und gültig. Kants großer Irrtum liegt für
Schlegel dagegen in der Kritik der praktischen Vernunft. Hier soll Kant
nicht konsequent gewesen sein, indem er der Vernunft nicht, wie es sein
sollte, eine „dienende Rolle" zuerkannt, sondern sie „unter der Maske
des Glaubens" wieder auf den Thron gesetzt habe. Auch auf praktischem
Gebiet hält Schlegel nicht die Vernunft für das Primäre, sondern die
„innere Wahrnehmung", aus der allein die Gotteserkenntnis entspringen
kann 7 '. Die Vernunft spielt dabei nur eine regulative, keine konstitutive
Rolle. Einen ähnlichen Vorwurf macht er Descartes, wenn er ihn darum

71 Vgl. Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 404, Nr. 1000.


72 Vgl. ebd., S. 374, Nr. 643.
73 Vgl. ebd., S. 436, Nr. 98.
74 Vgl. Philosophische Lehrjahre (Beilage VIII), KA, Bd. XVIII, S. 560, Nr. 5.
75 Vom Wert des Studiums der Griechen und Römer, in DNL, Bd. 143, S. 246.
76 Geschichte der alten und neuen Literatur, KA, Bd. VI, S. 398.

43
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

rügt, daß er durch den Erweis des Daseins Gottes aus der Vernunft Gott
von der Vernunft abhängig gemacht bzw. ihn der Vernunft gleichgesetzt
habe. Das Dasein der „ewigen Liebe", d. h. Gottes, fügt er hinzu, kann
unmöglich mit Argumenten aus dem Bereich der „abstrakten Begriffe"
bewiesen werden: es steht nur in Beziehung auf die „innere Wahrneh-
mung", das Gefühl und den Glauben".
Die Aufgabe, an der die Vernunft hauptsächlich scheitert, ist das Be-
wußtwerden der Totalität des Menschen. Sie erkennt eigentlich nur sich
selbst. Ohne Zweifel stimmt Schlegel der intellektuellen Anschauung als
Urhandlung zu; ihren Inhalt aber muß er in Übereinstimmung mit seiner
persönlichen Ansicht ändern: sie ist für ihn nämlich eine Anschauung nicht
im Sinne eines Selbstbewußtseins, sondern eines Selbstgefühls. Nicht das
Bewußtsein ist das Primäre, sondern die „innere Wahrnehmung", das
Gefühl, dessen Inbegriff und wahres Wesen die Liebe ist. „Das Wesen
des Bewußtseins überhaupt ist Liebe", schreibt er78. Nur das Gefühl setzt
uns instand, uns „des ganzen Menschen bewußt" zu werden 79 . „Nur durch
Liebe und durch das Bewußtsein der Liebe wird der Mensch zum Men-
schen"80; mit anderen Worten: „Nur durch Liebe wird man ein Indivi-
duum" 81 . Ohne sie ist der Mensch nur ein „Prätendent der Existenz", wie
Schlegel sich in einem Athenäumsfragment ausdrückt. Nur sie verhilft
zum Verständnis des Lebens, sie ist die „intellektuale Anschauung des
Lebens" 82 und „Konstitution des echten Lebens" 83 .
Ähnlich wie in Schlegels Auffassung der Seele erfüllt die Liebe in der
Gestalt der Sehnsucht eine primäre Funktion in seiner Kosmogonie. Diese
Anschauung hat Ernst Behler aus den von Windischmann veröffentlichten
Vorlesungen deutlich herausgearbeitet 84 . Am Anfang war die Sehnsucht,
sie erschuf die Welt in einer progressiven Mannigfaltigkeit von Formen,
die sich in unendlichen Ubergangsstufen vom mineralischen zum mensch-
lichen Bereich übersteigen. Das geistige Bewußtsein des Menschen ist der
Gipfel der Schöpfung, und in diesem Bewußtsein soll die Quelle der
schöpferischen Entwicklung, die liebende Sehnsucht, sich selbst offenbar
werden. Der Mensch als Teil und Gipfel der Natur ist seinem Wesen nach
die Offenbarungsstelle der universellen Liebe, der Punkt, an dem das
Wesen des Weltalls in sich selbst zurückkehrt, das Geschöpf, das den Kreis

" Ebd., S. 312.


78
Philosophische Lehrjahre, Kröners Taschenausgabe, S. 181.
78
Ebd., S. 166.
80
Ideen, KA, Bd. II, S. 204, Nr. 83.
81
Literary Notebooks, Nr. 1549.
82
Ebd., Nr. 1471.
83
Ebd., Nr. 1510.
84
Jahrbuch der Sdiillergesellsdiaft, 1957, S. 246 ff.

44
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

schließt. Durch einen richtigen Sinn für seine tiefere Natur findet der
Mensch zur anfänglichen Liebe, zu Gott zurück. Denn Gott ist nicht Ver-
nunft, sondern Liebe, ein „Universum von Liebe" und ein „Roman von
Welten"85, das Immanente aller Reiche und Formen, das sich durch die
unendliche Entwicklung der Natur progressiv „realisiert"86.
Die Liebe ist also das Göttliche im Menschen, der Berührungspunkt
und das Verbindungsglied zwischen Mensch und Gott und die Partizipa-
tion des Menschen am Universum, dessen Quelle und Wesen Liebe ist.
Die Liebe ist die verbindende Mitte zwischen Gott, Welt und Ich.
Diese Auffassung hat Friedrich Schlegel zu einer entscheidenden Er-
kenntnis verholfen. „Wir sind ein Teil der Natur", meint er in den Philo-
sophischen Lehrjahren, und „daß wir uns von der Natur absondern, i s t . . .
nur Schein und Täuschimg der Individualität"87. Das Wesen des Men-
schen und der Natur ist identisch und beruht auf Liebe. Es gibt also kein
Nicht-Ich im eigentlichen Sinn, da die ganze Natur das große Ich darstellt,
von dem wir ein Teil sind. Ein Nicht-Ich als ein vom Ich ganz unabhän-
giges und dem Ich fremdes Wesen ist für Schlegel eine sinnleere Vorstel-
lung. Nicht-Ich und Ich lassen sich auf ein Ur-Ich zurückführen. „Nicht-Ich
ein leeres Wort; es sollte Etwas heißen. Ich ist sehr gut, weil es das Sich-
selbstkonstituieren so schön bezeichnet. Die Synthese wäre dann ein
Du" 88 ; und in einer Randbemerkung zum darauf folgenden Fragment
heißt es: „Ich + Etwas = Du". Die Bezeichnung „Etwas", die Friedrich
Schlegel vorschlägt, vermeidet das Trennende und die Betonung des
Andersartigen. Jedes Etwas ist, wie wir, Teil der Natur, und das Ganze
ist ein Du. Das Universum ist ein Du für jeden von uns, ein Verwandtes,
ein Brüderliches, ein Wesensgleiches. Ausdehnimg und Bedeutung des
Ich werden demgemäß auf das Individuelle eingeschränkt; das Ich ist nur
eine Stimme im Dialog des Universums. Die Synthese von Mensch und
Natur, die Schlegel „das große X, das ewig Unerreichbare" nennt8®, er-
scheint als ein weltweites Du, dessen sich der Mensch progressiv bewußt
werden soll. An diesem Punkt kann man kaum noch von einer Auseinan-
dersetzimg Schlegels mit Fichte reden; wir haben es mit einer einfachen
Umschwenkung in pantheistische Richtung zu tun. Nicht das absolute Ich
wie bei Fichte, sondern das Universum erscheint hier als das Umgrei-
fende. „Der christliche Gegensatz der Natur ist das Reich Gottes; im Uni-
versum beides vereinigt"90. Geist und Natur, Gott und Welt beruhen auf
85 Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 327, Nr. 23.
8» Ebd., S. 416, Nr. 1140.
87 Ebd., S. 377, Nr. 686.
89 Ebd., S. 299, Nr. 1253.
89 Ebd., S. 377, Nr. 686.

oo Ebd., S. 259, Nr. 783.

45
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

derselben „Substanz". Auch wenn Schlegel sich zeitweise von Spinoza


entfernt, bleibt er doch dieser Grundanschauung treu. Es gibt für ihn
nicht die Welt des Stoffes und die des Geistes, diese und jene Welt. „Die
Menschheit [hat] einen Sinn für JENE WELT, für ein Jenseits. Warum
aber diese Antithesis? Jene Welt ist schon hier. Solange man noch sagt:
diese und jene Welt, hat man noch gar keinen Sinn für die Welt" 91 . Welt
und Geist, Natur und Mensch sind nur Erscheinungen einer Grundeinheit,
und eine richtig aufgefaßte „Bildung" soll darauf zielen, diese Einheit zu
erfassen: „Bildung besteht in Verbindung von Natur und Menschheit.
Dieser Begriff hat die größte Affinität auch mit Gott"92. Gott hat nämlich
die gleiche Substanz wie Natur und Geist: „Das Mittlere zwischen Mensch
und Welt ist Gott"93. Auf Grund des oben Ausgeführten dürfen wir in
diesem letzten Satz das Wort Gott durch das Wort Liebe und auch durch
das Wort Du ersetzen. Es bedeutet alles dasselbe. Außerdem sind Gott,
Liebe, Du nur andere Bezeichnungen für das „Universum". Erst aus die-
ser Erkenntnis des Universums als eines liebenden, göttlichen Du ergibt
sich der innere und wahrhafte Sinn jedes Gegenstandes. Deshalb heißt
das Gefühl als Quelle dieser Erkenntnis die „unmittelbare Wahrneh-
mung des inneren Sinns", die geistige Anschauung der unendlichen Be-
deutung der Gegenstände 94 . Das führt selbstverständlich direkt zur
romantischen Poesie: das Gefühl eines Du stellt zwischen Ich und Welt,
Idee und Wirklichkeit eine harmonische Verbindung her, die die innigste
Durchdringung ermöglicht, und gerade in dieser gegenseitigen Durch-
dringung des Unendlichen und des Endlichen bis zur Wiederherstellung
der Identität liegt das Wesen der romantischen Kunst. „Die Liebe ist auch
der Quell aller Poesie"95.
Dieser Aspekt der Liebe als schöpferischen Prinzips gehört äußerst
folgerichtig in den Zusammenhang des Schlegelschen Denkens. Ähnlich
wie die liebende Sehnsucht die Welt erschaffen hat, erfüllt sie auch im
menschlichen Geist eine schöpferische Funktion: „Durch Liebe hat alles
angefangen, durch Liebe wird es vollenden (sie!). Wer dieses Prinzip in
sich erkannt hat, wer dadurch Schöpfer geworden ist, wird sich das Ur-
faktum begreiflich machen können. Die Liebe ist der Indifferenzpunkt,
der Kern in uns"96. Die Liebe ermöglicht also nicht nur eine Schellingsche
„Mitwissenschaft der Schöpfung", sondern zugleich eine Mitwirkung an

81
Ebd., S. 285, Nr. 1067.
»2 Ebd., S. 269, Nr. 897.
93
Ebd., S. 299, Nr. 1260.
94
Die Entwicklung der Philosophie in 12 Büchern, KA, Bd. XII, S. 355.
85
Literary Notebooks, Nr. 1500.
96
Transzendentalphilosophie, KA, Bd. XII, S. 53.

46
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

der Schöpfung. Sie ist das eigentliche Progressive im Menschen; als Stre-
ben und Sehnsucht löst sie das Werden im Sinne eines Fortschreitens,
einer „progressiven Bildung" aus. Das bildet wieder einen grundsätz-
lichen Unterschied zur Vernunft. Nicht nur in bezug auf die wahre Er-
kenntnis, sondern auch mit Hinblick auf die Produktivität des Geistes ist
die Vernunft unfruchtbar. Nur die Liebe hat Kausalität und ist schöpfe-
risch. Sie vermittelt nämlich zwischen der Phantasie als produktivem Den-
ken, als „Selbstschöpfung", „Begeisterung", „Erfindung", und der Ver-
nunft als verneinendem Denken, als „Selbstvernichtung", „Selbstbe-
schränkung""7. Sie vermittelt ebenfalls zwischen der Ahnung der unend-
lichen Fülle und Mannigfaltigkeit und der Erinnerung an die unendliche
Einheit der Welt98. Nur sie kann dem Menschen zur vollen Entfaltung
seines Wesens verhelfen. Dieses Wesen definiert Schlegel einmal als
„Fähigkeit ins Unbestimmte", und er fährt fort: „Im einzelnen Menschen
nimmt diese sogleich eine bestimmte Richtung, und das ist eben Fertig-
keit; durch Freiheit wird es Talent, durch Liebe werden viele Talente
zum Genie"".
Schlegels Charakter entsprechend mußte die von ihm heraufbeschwo-
rene Welt des Gefühls und der Liebe ihn fast zwangsläufig veranlassen,
aus dem Gebiet des rein Philosophischen herauszutreten und sich in den
Machtbereich der sogenannten 'Religion1 zu begeben. Schon sehr früh war
sein Interesse für die Religion wach geworden. Die Ideen im Athenäum
sind wohl der zeitlich erste massive Ausdruck dieses Interesses, aber schon
im Jahre 1798 wimmeln seine handschriftlichen Notizen von Gedanken
über Religion, und zwar nicht über Religion als kulturhistorische Erschei-
nung, sondern als persönliches Weltanschauungsproblem. In den Philoso-
phischen Lehrjahren heißt es Ende 1798: „Die Religion ist keine Art der
Bildung, kein Teil der Menschheit für sich, sondern der Mittelpunkt
aller"100. Etwas später: „Religion ist Element, Luft des höheren Men-
schen"101. Derartige Äußerungen ließen sich beliebig belegen. Nur noch
folgende aus derselben Zeit seien hier angeführt: „Die Religion hat keine
Grenzen, ist schlechthin in allen Rücksichten und in allen Richtungen un-
endlich"102; „Alle Kunst und Wissenschaft soll in Religion verwandelt
werden" 103 , was in einem historischen Prozeß geschehen soll, in dem die

" Vgl. Strohsdhneider-Kohrs, Die romantische Ironie, S. 81 ff.


98
Die Entwicklung der Philosophie in 12 Büchern, KA, Bd. XII, S. 388.
»» Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 401, Nr. 966.
100
KA, Bd. XVIII, S. 313, Nr. 1439.
101
KA, Bd. XVIII, S. 316, Nr. 1482.
102
Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 339, Nr. 195.
103
Ebd., S. 396, Nr. 904.

47
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Religion „sich selbst konstituiert", denn sie ist „unendlich progressiv" und
dehnt ihre Macht allmählich auf alle anderen Hoheitsgebiete aus104.
Nun muß man sich selbstverständlich fragen, was Schlegel um die
Jahrhundertwende mit Religion eigentlich meint. Daß es sich weder um
das Christentum in seiner historischen und dogmatischen Erscheinung
noch um irgendwelche positive Religion handelt, ist offensichtlich. Ohne
Zweifel ließen sich auf seinen Begriff der Religion Schleiermachersche
Denkschemata anwenden; Religion ist ihm tatsächlich mehr „Sinn und
Geschmack für das Unendliche" als Annahme irgendeines Dogmas und
Ritus, wobei allerdings, wie erwartet, die Bedeutung der Liebe stark be-
tont wird: „Die Liebe Gottes ist das Zentrum der Religion"105. Die Hand-
schriften der Philosophischen Lehrjahre erlauben jedoch eine genauere
Beschreibung und liefern das Schlüsselwort zur Erklärung der Schlegel-
schen Religion. Diese ist keine kirchliche Lehre, die der Philosophie ein-
fach den Rücken kehrt und ihre Richtlinien und Glaubensartikel von
irgendeiner dogmatischen Autorität bezieht. Sie ist vielmehr eine mit
Philosophie gemischte Religion, eine Religion, die sich erst aus philoso-
phischer Reflexion entwickelt. In den Beilagen zu den Philosophischen
Lehrjahren nach dem Aufenthalt in Paris im Jahre 1802 heißt es: „Reli-
gion + Philosophie = Theosophie. Dieses ist das Höchste und Grund
alles übrigen; einzige Basis aller Enzyklopädie — die ohne sie nur skep-
tisch sein könnte"10". So lautet der späte Ausdruck einer Intuition, die
Friedrich Schlegel jahrelang gehegt hatte und die sich bei ihm endgültig
festlegte, nachdem er mit der Theosophie', d. h. in diesem Fall mit
Jakob Böhme, näher vertraut geworden war. Die Pariser Handschriften
strotzen von Bemerkungen über Böhme. Sie fangen bekanntlich in der
zweiten Hälfte des Jahres 1802 an, d. h. nach dem gemeinsamen Aufent-
halt Schlegels und Tiecks in Dresden vom Januar bis zum Mai 1802. Aber
schon früher, nämlich 1799 in Jena, hatte Schlegel geschrieben: „Die Reli-
gion oder T h e o s o p h i e enthält die Prinzipien aller Kunst und Wissen-
schaft. Philosophie muß diese Prinzipien nur konstruieren, Poesie sie dar-
stellen"107. Dieses Fragment ist naturgemäß von grundlegender Bedeu-
tung für Schlegels Weltbild. Böhmes Theosophie erscheint ihm als auf den
gleichen Grundlagen aufgebaut wie seine eigene Weltschau; sie stellt die
Liebe als oberstes Prinzip auf, und zwar in der dreifachen Gestalt als
Sehnsucht der schöpferischen Natur, als Grundvermögen der menschlichen
Seele und als Wesen Gottes. Das ist die primäre, elementare Gegebenheit.

101 Vgl. ebd., S. 298, Nr. 1239.


105 Ebd., S. 270, Nr. 900.
1M KA, Bd. XVIII, S. 566, Nr. 66.
107 Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 340, Nr. 222 (Sperrung von mir).

48
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Alles andere ist sekundär, also auch die Philosophie und die Poesie. Die
Funktion der Philosophie in einem solchen Weltbild läßt sich dann genau
umreißen: mit Hilfe der geistigen Kräfte des Menschen, namentlich der
Vernunft, soll sie das „Urfaktum" der Liebe in rationale Prinzipien „kon-
struieren", d. h. gedanklich konsequent darlegen. Und in solchem Zusam-
menhang erscheint die Poesie als „Darstellung" dieses Urfaktums, als
Offenbarung der Liebe. „Philosophie ist die konstitutive Macht, die
Poesie die exekutive"108; die Philosophie konstituiert, bringt die Gegeben-
heiten der „inneren Wahrnehmimg" in einen strengen gedanklichen Zu-
sammenhang, die Poesie vertritt sie anschaulich nach außen. Die
Böhmesche Theosophie scheint also die Antwort auf die Frage nach der
Beschaffenheit der Schlegelschen Religion um die Jahrhundertwende zu
sein. Das wird in mehreren Fragmenten bestätigt, von denen ich nur zwei
anführen möchte: „ T h e o s o p h i e gleich statt Idealismus?" 109 und „Für
den höchsten Grad von Idealismus kein besserer Name als Theosophie"110.
Wieder einmal führt diese Auffassung der Religion unmittelbar zur
romantischen Poesie: „Religion haben, wie man das Wort bisher genom-
men hat, heißt Poesie leben"111.

Friedrich Schlegels spätere Ansichten über die Religion, die sich in-
folge seiner Bekehrung zum Katholizismus entwickelt haben, können uns
aus chronologischen Gründen für die unmittelbare Grundlegung der
romantischen Poetik nicht mehr interessieren. Wohl aber müssen wir uns
hier fragen, was der Theologe der Romantik, Friedrich Schleiermacher,
zur Auffassung der Religion als einer gedanklichen Grundlage der
Romantik beigesteuert hat.
Auch für Schleiermacher ist die Liebe die lebendige Quelle dessen,
was er Religion nennt. Adam verstand die Gottheit nicht, solange er allein
auf der Welt war. Der Sinn für die Welt wollte ihm nicht aufgehen, bis er
in Eva die „Menschheit" entdeckte und in der Menschheit die Welt. Erst
„von diesem Augenblick an wurde er fähig, die Stimme der Gottheit zu
hören". Die so gedeutete Genesis wiederholt sich in jedem von uns: „Um
die Welt anzuschauen und um Religion zu haben, muß der Mensch erst
die Menschheit gefunden haben, und er findet sie nur in Liebe und durch
Liebe"112.
Auch hier verhilft also erst die Gegenwart und das Gefühl eines Du
zum richtigen Verständnis der Welt, indem es den Menschen über seine
108
Ebd., S. 292, Nr. 1161.
108
Ebd., S. 429, Nr. 33.
110
Beilagen zu den Philosophischen Lehrjahren, KA, Bd. XVIII, S. 567, Nr. 75.
111 Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 383, Nr. 750.
112
Sdileiennacher, Über die Religion, 2. Rede.

49
4 Nivelle
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

„Menschheit", d. h. über seine unendliche, göttliche Bestimmung, auf-


klärt. Das sinnliche, besondere Du, das bei Schleiermacher als eine Person
erscheint, offenbart durch immittelbare Anschauung und Gefühl seinen
unendlichen Gehalt. Die menschliche, geschlechtliche Liebe ist der Funke,
der die Seele für die Gottheit entfacht und aufschließt. Schleier-
machers leidenschaftliche Verteidigung der Lucinde wurzelt in seiner
tiefsten Uberzeugung. Die Liebe lehrt den Menschen die richtige Ansicht
der Natur, sie führt ihn zur Aufdeckung ihres unendlichen Sinns. Die Vor-
stellung der Natur wird zur „Anschauimg der Welt" erst durch die polaren
Begriffe der Liebe und des Widerstrebens, der Individualität und der Ein-
heit. Und diese Begriffe leitet der Mensch nicht aus der Natur selbst, son-
dern aus dem „Innern des Gemüts" her113, wie es der idealistischen Lehre
entspricht. Die Liebe und das Umgreifende des Du sind demnach auch
für Schleiermacher unendliche Grundkräfte der Welt. Das Gefühl der
irdischen Liebe hat also an sich schon eine unendliche Bedeutung.
Die Liebe ist das Tor zur Religion, d. h. zum gefühlsmäßigen Ver-
hältnis des Menschen zum Universum. Dieses Verhältnis unterscheidet
sich wesentlich von dem der Metaphysik und der Moral. Sein spezifisches
Charakteristikum ist die Irrationalität und die Passivität. Religion ist für
Schleiermacher weder Denken noch Handeln; sie sucht nicht nach letzten
Ursachen und Gründen, sie leitet keine Pflichten ab und regt den Men-
schen nicht zu moralischen Handlungen an. Sie führt weder zur Wissen-
schaft noch zum praktischen Leben. Sie wurzelt nicht in der eigentlichen
Aktivität und Spontaneität des Menschen. Sie beruht ganz auf Gefühl,
Ahnung, Sehnsucht, Ehrfucht, d. h. auf Seelenzuständen, die als Folge
der Affiziertheit des Menschen durch das Universum auftreten. Damit
Religion überhaupt entstehen kann, muß der Mensch die Fähigkeit
haben, sich passiv vom Universum ergreifen zu lassen, und zwar nicht
vom Universum als Wesen, als Substanz, sondern vom „Handeln" des
Universums, von seiner Selbstoffenbarung in der Endlichkeit, vorzüglich
in der menschlichen Person. Nur der ist religiös, der in allem Einzelnen
einen Teil des Ganzen zu sehen und „alles Beschränkte als eine Darstel-
lung des Unendlichen hinzunehmen" vermag114; freilich nicht auf dem
Wege des Nachdenkens und des Grübelns, sondern auf dem der „unmit-
telbaren Wahrnehmung". So nennt Schleiermacher die ursprüngliche Ein-
heit von Anschauung und Gefühl, die erst von der Reflexion auseinander-
gerissen wird. Der erste Augenblick der Anschauung ist für ihn ebenso
innig und ursprünglich mit Gefühl verquickt, wie Subjekt und Objekt
in der intellektuellen Anschauung miteinander verschmelzen. Dieser erste
113
Ebd., 2. Rede.
114
Ebd., 2. Rede.

50
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Augenblick, der zwar unmitteilbar, aber unersetzlich ist, stellt eine voll-
kommene Kommunion mit dem Universum dar. Auf ihn kommt es an; er
wirkt als gefühlsträchtige Offenbarung des Unendlichen in jeder end-
lichen Gestalt. Eine solche Anschauung entsteht demnach vor jeder Re-
flexion und vor jeder bewußten Handlung. Sie ist die spontane Antwort
des religiösen Menschen auf das Universum. Sie veranlaßt kein Handeln,
sie schafft nur eine Stimmung, eine Bewegung des Gemüts, ein Staunen.
Offensichtlich läßt sich eine solche Religion weder lernen noch unterrich-
ten: „Das Universum bildet sich selbst seine Betrachter und Bewunde-
rer"115. Ein Gemüt, in dem sich keinerlei Ahnung des Unendlichen regt, ist
ein für allemal der Religion und daher auch der wahren Liebe verschlos-
sen. Echte Religion flieht Dogmen und Systeme, Glaubensartikel und
abstrakte Vorstellungen. Sie gehört nicht zum Bereich des Verstehens wie
die sonstigen Kenntnisse und Tätigkeiten des Menschen, sondern zu dem
des „Sinnes". Nur der „Sinn" vermag ein Ganzes zu fassen, während das
Verstehen alles „anatomiert" und den tiefen, übersinnlichen Zusammen-
hang verfehlt.
Eine so aufgefaßte Religion besteht einzig und allein in den Regun-
gen des Gemüts. Der Glaube z. B. hat keinen Anteil an ihrem Wesen. Der
Glaube an eine Gottheit ist eine einzelne religiöse Anschauungsart, neben
der es eine Unzahl anderer Anschauungsarten gibt; ob ein Mensch an Gott
glaubt oder nicht, hängt mit der Richtung seiner individuellen Phantasie
zusammen, ist aber in bezug auf echte Religion unwesentlich. Der christ-
liche Glaube an die Unsterblichkeit der individuellen Seele ist sogar irreli-
giös. Der wahre religiöse Sinn gebietet eine andere Haltung, nämlich die
Sehnsucht nach Erweiterung der Persönlichkeit über alles Individuelle
hinaus ins Unendliche. Ein solches Streben ist gerade das Charakteristi-
kum der religiösen Seele: diese will das Individuelle vernichten und im
Universum, im Einen leben, und zwar schon, so gut es geht, im Laufe des
irdischen Daseins. „Mitten in der Endlichkeit eins werden mit dem Un-
endlichen und ewig sein in einem Augenblick, das ist die Unsterblichkeit
der Religion"116. Ähnliches sagt übrigens auch Novalis, wobei er aller-
dings nicht von der Religion, sondern von der Poesie ausgeht.
Die Schleiermachersche Religion führt unmittelbar zur Poesie. In
diesem Zusammenhang soll aber nur betont werden, daß sowohl Schleier-
macher als auch Friedrich Schlegel die Unzulänglichkeit eines rein philoso-
phischen Idealismus, wie Fichte ihn dargestellt hatte, empfunden haben.
Der Entthronung der Vernunft durch die Liebe in Schlegels Anschauung
und seiner Hervorhebung des religiösen Moments entspricht bei Schleier-
115
Ebd., 3. Rede.
Ebd., 2. Rede (in fine).

51

PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

madier die Einsicht in die Notwendigkeit der Religion als Gegengewicht


zum rein philosophischen Idealismus, von dem er befürchtet, daß er ohne
Religion allzu leicht zu liebloser Wortspielerei und inhaltsleeren allge-
meinen Begriffen entarten dürfte. Bei dem einen wie bei dem anderen
Denker geschieht ein Umschlag vom Absoluten der Vernunft zum Absolu-
ten des Universums, mit viel Zögern und mancher Inkonsequenz bei
Schlegel, mit auffallender Gefühlssicherheit bei Schleiermacher.

Auch Novalis übernimmt die Grundschemata des idealistischen Den-


kens und bewegt sich, ähnlich wie Friedrich Schlegel und Schleiermacher,
in der Richtung auf das Gefühl und die Liebe zu. Das geschieht bei ihm
jedoch auf einer anderen Ebene und in einer eigentümlichen Sphäre.
Novalis' Stellung zu Fichtes Philosophie gleicht in mancher Hinsicht
derjenigen Friedrich Schlegels: sie reicht von einer anfänglich begeisterten
Aufnahme zu einer immer größeren Distanzierung, und zwar auf Grund
von Vorbehalten, die wesentliche Punkte des Fichteschen Denkens be-
treffen.
Seine grundsätzliche Bejahung der Fichteschen Gedankengänge un-
terliegt keinem Zweifel. Erst von Fichte wurde er zur philosophischen
Meditation angeregt, und erst die Begegnung mit Fichtes Philosophie gab
ihm den Mut zur abstrakten Formulierung seiner Weltanschauung. Er hat
Fichte höher geschätzt als alle anderen Denker, mit denen er in Berüh-
rung kam, und er hat sich Fichtes Methode und Wortschatz so gründlich
angeeignet, daß er auf weite Strecken seines theoretischen Schaffens den
Eindruck erweckt, als wolle er nur „fichtisieren". Freilich ist bei ihm noch
anderen Denkern gegenüber Ähnliches geschehen; auch Ritter, Baader,
Brown und Hemsterhuis hat er zeitweilig in seine Gedankenwelt auf-
genommen. Aber die Abhängigkeit von Fichte geht viel weiter und be-
trifft grundlegendere Anschauungen. In zahlreichen Fragmenten hat No-
valis seiner Bewunderung Ausdrude gegeben. Vom „Fichte-Newton" bis
zum „zweiten Kopernikus" und sonstigen positiven Bewertungen er-
streckt sich die Skala seiner Begeisterung. Später setzt jedoch eine Reihe
von Kritiken und Vorbehalten ein, die ständig wächst.
Zunächst gelten die Vorbehalte der Unvollständigkeit und Inkonse-
quenz des Fichteschen Systems. Novalis spricht sogar von Fichtes „Vor-
urteilen", derentwegen der Wissenschaftslehre immer noch etwas Dog-
matisches anhaften soll117. Er möchte Fichtes Versuch einer Universalisie-
rung der Philosophie auf alle Wissenschaften ausgedehnt sehen118 und
tadelt daran, daß dieser Versuch „noch nicht vollständig und genau dar-
117
Fragment 1516 nach der Numerierung der Seelig-Ausgabe.
118
Fragment 1618.

52
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

gestellt" sei11®. Als Philosophie der Kantschen Kritik sei die Wissenschafts-
lehre „so unvollständig wie die Kritik selbst"120; sie sei „angewandte
Logik — weiter nichts"121. In allen diesen Vorbehalten spielen, wie bei
Friedrich Schlegel, die jugendliche Forderung nach einer radikaleren Ab-
solutheit des Idealismus, das romantische Gebot der Universalität und
nicht zuletzt die Rücksicht auf das Ästhetische eine nicht geringe Rolle.
Ganz besonders diese Rücksicht kommt in manchem Fragment zum Vor-
schein, so z. B. wenn Novalis Kant und Fichte vorwirft, sie wüßten „nicht
mit Leichtigkeit und Mannigfaltigkeit zu experimentieren, ü b e r h a u p t
n i c h t p o e t i s c h " 1 2 2 . Aus ähnlichen Gründen hatte auch Friedrich Schle-
gel an Fichtes Naturauffassung allerlei auszusetzen.
Die zweite, tiefgreifendere Kritik richtet sich, wieder einmal wie bei
Friedrich Schlegel, gegen einen Grundbegriff des ganzen Systems, dies-
mal freilich nicht gegen die Funktion der Vernunft, sondern gegen die
Fichtesche Darstellung und Anschauung des Ich. Hier kommen Novalis'
persönliche Ansichten deutlicher zum Ausdruck, und es springt sofort in
die Augen, wie verschieden die Standpunkte der beiden Denker sind. Mit
der Kritik des Novalis verlassen wir den erkenntnistheoretischen Bereich
Fichtes, überspringen das Zwischengebiet der Lebensphilosophie und der
Religion Friedrich Schlegels und geraten in die Nähe des gnostischen
Wissens, das Jaspers dem späteren Schelling mit harten Worten vorgehal-
ten hat, indem er diesen Ubergang zur Gnosis als einen Grundirrtum des
menschlichen Geistes darstellte. Dem sei, wie ihm wolle; uns soll er hier
ausschließlich in bezug auf die frühromantische Dichtungstheorie interes-
sieren, für die er von beträchtlicher Bedeutung gewesen ist. Novalis' Kritik
an Fichte läßt sich mit den Worten zusammenfassen: Fichte glaubt nicht
an die Wirklichkeit des Ich. „Fichtes Ich ist ein Robinson — eine wissen-
schaftliche F i k t i o n zur Erleichterung der Darstellung und Entwicklung
der Wissenschaftslehre"123; anders gesagt: ein denktechnisches Mittel,
keine Grundrealität.
Wie versteht nun Novalis das Ich? Es ist an sich schon aufschlußreich,
daß er das Wort so gut wie nie als eine bequeme Bezeichnung für „In-
telligenz" verwendet, wie Fichte es in der Einleitung der Wissenschafts-
lehre tut. Wenn er einen anderen Ausdruck dafür gebraucht, dann mei-
stens Geist oder Individualität. Unter Individualität versteht er nicht
etwa das Trennende und Absondernde, wohl aber die innere Einheit,
den lebendigen Zusammenhang eines Wesens. Von seltenen Ausnahmen
119
Fragment 2093.
120
Fragment 2118.
121
Fragment 2642.
122
Fragment 2093 (Sperrung von mir).
123
Fragment 1894 (Sperrung von mir).

53
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

abgesehen, entspricht dies übrigens dem romantischen Wortgebrauch. Es


wurde fast immer der Nachdruck auf das indivisibile des Individuums
gelegt und nicht auf das Vereinzelte der individuellen Erscheinung. Für
das Individuum als Einzelwesen, als selbständige Einheit in der Gesell-
schaft und der Menschheit benutzen die Romantiker fast durchweg die
Bezeichnungen Person, Persönlichkeit, Personalität. Wenn Novalis die
Seele als das „individuelle Prinzip" beschreibt, versteht er darunter das,
„wodurch alles zu einem Ganzen wird"124. Die Individualität ist das Ein-
heitsmoment des menschlichen Wesens, der Mensch in seiner einheitlichen
Ganzheit. Auch Friedrich Schlegel, der von dem Terminus Individualität
einen ausgiebigen Gebrauch macht, teilt diese Auffassung. Bei ihm steht
das Individuum gleichfalls im Zeichen der Ganzheit: „Ein Individuum ist
ein bedingtes historisches Ganzes"125. Allerdings ist für ihn die Indivi-
dualität eines Menschen nicht von vornherein gegeben: „Es gibt wenig
Menschen, die Individuen sind"12"; sie stellt einen Wert dar, der ange-
strebt und erobert werden muß: „Die höchste Tugend ist, die eigene
Individualität als letzten Zweck zu treiben"127. Als solche ist sie aber „das
Ewige im Menschen"; nur sie „kann unsterblich sein. An der Personalität
ist soviel nicht gelegen"128, wobei er unter Personalität gerade das Unter-
scheidende, das gesellschaftliche Einzelwesen versteht. Die Individualität
ist „der eigene Genius", dessen Pflege und Entwicklung „die höchste
Selbsterkenntnis" ermöglicht129.
Was bildet nun für Novalis die individuelle Einheit des Menschen?
Nicht der Körper, der, auf sich selbst angewiesen, den Gesetzen der
Materie unterworfen ist und sich von ihr in nichts unterscheidet. Ein
besserer Anhaltspunkt wäre schon der Organismus als „geheimnisvolles
Band" zwischen Seele und Leib, das die ständige Wechselbeziehung und
gegenseitige Beeinflussung von Seele und Körper ermöglicht. Zur Defini-
tion der menschlichen Individualität reicht der Organismus jedoch nicht
aus, weil wir auf dieser Ebene immer noch im Reich des Animalischen
stehen. E i n Prinzip transzendiert den Organismus und macht die dif-
ferentia specifica des Menschen aus: der Geist. Der Geist ist der Bereich
der Individualität. Novalis nennt ihn die kristallisierte Seele130; in ihm ist
keinerlei Mischung mit der Materie, während die Seele „angewandter,
unreiner, vermischter, praktischer" oder auch „gebundener, gehemmter,

124
Fragment 891.
125
Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 88, Nr. 704.
126
Ebd., S. 90, Nr. 725.
127
Ebd., S. 134, Nr. 147.
128
Ebd., S. 134, Nr. 146.
129
Ebd., S. 348, Nr. 327.
130
Fragment 2521.

54
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

konsonierter" Geist ist131. Die Seele ist der Geist in seiner Gebundenheit
an die Körperlichkeit, die Endlichkeit, die Zeitlichkeit. Der Geist ist von
jeder solchen Bindung frei; er ist ewig, unendlich, und er bildet den Kern,
den Mittelpunkt des Menschen, das Fundament der Individualität. Der
so aufgefaßte Geist ist für Novalis das Ich.
Es stellt sich dabei sofort die Frage nach der Beziehung des Geistes
zum menschlichen Organismus. Hier treten wir aus der Fichteschen Philo-
sophie heraus und geraten in einen Vorstellungsbereich, der im Zeichen
des Geisterglaubens steht, nämlich in die Sphäre der Seelenwanderung.
Der Mensch ist für Novalis — und das ist ausgiebig belegt — ein Geist,
der für die Dauer des irdischen Lebens in einen Körper gebannt ist. Nach
dem Tod des Körpers geht er zurück in das Reich der Geister, der „Dä-
monen und Genien", in dem er schon vor der irdischen Geburt beheimatet
war. „Wenn ein Geist stirbt, wird er Mensch. Wenn der Mensch stirbt,
wird er Geist"132. Aufgabe des Menschen ist es, sich dieser seiner Bestim-
mung bewußt zu werden und demgemäß zu handeln, d. h. an der Ver-
vollkommnung seines Geistes zu arbeiten, indem er durch seine Tätigkeit
auf Erden die Loslösung des Geistes von der Bindung an den Körper be-
treibt. Wer in diesem irdischen Leben nicht zur Vollendung gelangt, d. h.
wem es auf Erden nicht gelingt, seine Natur in Geist aufgehen zu lassen,
der „gelangt vielleicht drüben oder muß eine abermalige irdische Lauf-
bahn beginnen" 13 '.
Man mag sich aus noch so tiefeingewurzelten Gründen gegen eine
solche Auffassung des Lebens sträuben, die Formulierungen des Novalis,
die man beliebig mehren könnte, sind in dieser Hinsicht klar und deutlich;
weder läßt sich daran herumdeuteln, noch kann man sie etwa in irgend-
einem übertragenen Sinn verstehen. Man mag solche Anschauungen als
Hirngespinste und Wunschträume oder auch als philosophisch verbrämte
Dichtung betrachten, man muß doch zugestehen, daß, wer einen solchen
Glauben nun einmal hat, ihn notwendigerweise zum Fundament seiner
Welt- und Lebensanschauung machen muß.
Übrigens war Novalis nicht der einzige Frühromantiker, der solche
Meinungen verfochten hat. Auch Friedrich Schlegel bekennt sich zu ähn-
lichen Uberzeugungen. In den Philosophischen Lehrjahren heißt es z. B.:
„Wir haben vor diesem Leben existiert, und nach dem Tode wird uns das
einfallen, wieder in unser Bewußtsein treten"134. Und im selben Zusam-
menhang begegnet auch die vorsichtigere Formulierung: „Die Wande-

131
Fragment 1728 und 1834.
132
Fragment 1377.
133
Fragment 1328.
134 Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 132, Nr. 127.

55
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

rang der Seele von Menschen und Tieren ist nach der wahren Philosophie
nicht ungereimt" 135 .
Wie Novalis zu solchen Ansichten gelangt ist, ist eine historische
Frage, die uns hier nicht beschäftigen soll. Er hat selbst mehrmals betont,
daß seine Überzeugung nicht auf philosophischen Schlüssen und religiösen
Dogmen, sondern auf persönlichen Erfahrungen beruht. Freilich mußte er
auf solche Erfahrungen vorbereitet sein. Vielleicht haben die herm-
hutische Erziehung, die Atmosphäre auf dem Grüninger Schloß — Sophie
glaubte bekanntlich an die Seelenwanderung — , das Interesse für Jakob
Böhme, die Begegnung mit Schelling und Baader und überhaupt ein ge-
wisser Zeitgeist, der sich in Gestalten wie Oetinger und Jung-Stilling
offenbarte, zur Bildung seiner Meinving beigetragen. Wenn man nach
geistesgeschichtlichen Anhaltspunkten suchen wollte, würden sich von
Plato bis etwa Lessing so viele Möglichkeiten bieten, daß nur Verwirrung
entstehen könnte. Zu den möglichen Quellen gehört m. E. die Lehre der
Rosenkreuzer. Manche Gedanken des Novalis sind einfach unverständlich,
wenn man das Rosenkreuzertum nicht zur Erklärung heranzieht. Ähn-
liches gilt auch für die Alchimie. Im Katalog von Novalis' Bibliothek 1 " 1
stößt man auf eine gewisse Anzahl von alchimistischen Traktaten, unter
denen zwei Bücher von Eckartshausen besonders auffallen. E s handelt
sich um die Entdeckungen über Licht, Wärme und Feuer und um die
Ideen über das affirmative Prinzip des Lebens und das negative des Le-
bens. Die Aufschlüsse zur Magie sind nicht aufgeführt. Novalis hat sie
aber zweifellos gekannt, wie die überzeugenden Parallelen, die von Klee-
berg aufgedeckt worden sind 137 , eindeutig zeigen. Unter den Übereinstim-
mungen befinden sich der Glaube an die Seelenwanderung, die Idee von
der Verkettung des Endlichen und des Unendlichen und die Anschauung
des Gefühls als des einzigen fundamentalen Sinnes des Menschen, von
dem die anderen Sinne nur Modifikationen sind. E s ist hier nicht meine
Absicht, alle in F r a g e kommenden Quellen anzudeuten; ich möchte nur
betonen, daß man sich in der Forschung viel zu oft mit der bloßen Erwäh-
nung dieser geistigen Zusammenhänge zufriedengegeben hat, ohne ihnen
den gebührenden Platz in Novalis' Werdegang anzuweisen.
Der Geist ist für Novalis zunächst das Prinzip der Identifikation: er
verwandelt „das Fremde in ein Eigenes"; Zueignung ist sein „unaufhör-
liches Geschäft". Solange er sich jedoch Fremdes aneignet, ist er ein
„Naturgeist", ein „Geist aus Instinkt". Er soll ein „Vernunftgeist" wer-
den, ein Geist aus Absicht, aus Besonnenheit, aus „Kunst", und zwar,

135 Ebd., S. 133, Nr. 135.


138 Manuskript im Frankfurter Hodistift.
137 Kleeberg, Novalis und Eckartshausen (Studien zu Novalis).

56
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

indem er „sich selbst fremd" wird oder sich selbst fremd macht, sich als
Objekt nimmt, um sich seiner selbst bewußt zu werden138. Das Selbst-
bewußtsein des Geistes ist der erste Schritt auf dem Wege zur Erkenntnis
der Welt und des Schidisais. Wie soll das geschehen? Durch die intellek-
tuelle Anschauung. Novalis bejaht diese Fichtesche und Schellingsche
Urhandlung, stellt sie aber in einem eigentümlichen Lichte dar: sie ist ihm
eine Ek-stasis, ein Heraustreten aus der Welt der Sinne, ein „inneres
Lichtphänomen"I39, das einer „echten Offenbarung des Geistes" gleich-
kommt. Die Beschreibung dieses „Phänomens" ist aufschlußreich: „es ist
kein Schauen, Hören, Fühlen; es ist aus allen dreien zusammengesetzt,
mehr als alles Dreies: eine Empfindung unmittelbarer Gewißheit, eine
Ansicht meines wahrhaftesten, eigensten Lebens" 140 . Nie hätte Fichte
solche Wendungen und Vergleiche gebraucht, um die intellektuelle An-
schauung zu beschreiben. Das Wort bleibt dasselbe, der Sinn ist ein an-
derer. Wir haben es bei Novalis mit einer richtigen Ekstase zu tun, in der
eine übersinnliche Wirklichkeit, eben der Geist, das Ich, geoffenbart wird,
und zwar der individuelle Geist (das „eigenste Leben") im Gegensatz
zum Fichteschen Vorgang, in dem das in der intellektuellen Anschauung
tätige Ich als überindividuell erscheint. Bei Fichte ergreift der Geist sich
selbst, bei Novalis begreift sich der Mensch als Geist: darin besteht die
„Offenbarung". Nur auf Grund so unterschiedlicher Auffassung des glei-
chen Vorgangs ist etwa folgendes Fragment zu verstehen: „Die Hypostase
[im scholastischen Sinn einer individuellen Substanz] versteht Fichte nicht;
darum fehlt ihm die andre Hälfte des schaffenden Geistes [gemeint ist
die Ekstase]. Ohne Ekstase, fesselndes, alles ersetzendes Bewußtsein ist
es mit der ganzen Philosophie nicht weit her"141. Es dürfte somit klar sein,
von welchem Gesichtspunkt aus Novalis kritisch an die Fichtesche Philo-
sophie herantritt: die ganze Philosophie ist ihm wertlos, wenn sie nicht
in der zwingenden, „fesselnden" Erfahrung des Geistes als einer indivi-
duellen Substanz ihren Ursprung hat.
Wenn der Mensch sich einmal als Geist erkannt hat, erwacht in ihm
das Gefühl für seine eigentliche Heimat, die Geisterwelt. Die Offen-
barung des eigenen Geistes ist zugleich der Zugang zur übersinnlichen
Welt, zum „Unendlichen". Auch dieses Wort hat bei Novalis eine andere
Tönung als bei Fichte. Das Unendliche ist ihm die Heimat des Geistes
und der Geister. Ob Friedrich Schlegel, der allem Anschein nach solchen
Vorstellungen ziemlich fremd gegenübersteht, etwas Ähnliches meint,
wenn er von einer „höheren Sphäre von Geistern" spricht, ist nicht mit
138 Fragment 1242.
139 Fragment 2065.
140 Fragment 22.
141 Fragment 2528 (eingeklammerte Worte von mir).

57
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Sicherheit auszumachen, hat aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit für


sich. Er schreibt nämlich: „Die Sinnenwelt ist der Schatten von der
Wechselwirkung der Geister; diese (d. h. alles) = Theosophie, und so ist
die Natur also die Hieroglyphe der Gottheit. Sollte aber nicht in diesem
Schatten noch etwas anderes angedeutet und reflektiert sein als wir selbst,
nämlich die Schatten einer andern höheren Sphäre von Geistern als die
unsrigen — so wie wir auch in uns einer höheren Menschheit uns bewußt
sind als der jetzigen (Und also ist die Ahnung einer großen Wirklichkeit
außer uns ganz auf dem rechten Wege)"142. Freilich spricht Schlegel von
Ahnung, während Novalis in vergleichbaren Zusammenhängen von „Fak-
tum" spricht, aber beider Gedankengänge scheinen sich in der gleichen
Richtung zu bewegen und eine für sich und außerhalb der irdischen
Sphäre bestehende Geisterwelt anzunehmen. Wie dem auch sei, das Wort
„unendlich" — wie auch der Ausdrude „das Unsichtbare" — ist für
Novalis keine bloße Bezeichnung des Abstrakt-Geistigen überhaupt,
sondern ein zeitgemäßes Gewand für eine uralte und allgegenwärtige,
aber ewig unzeitgemäße Vorstellung, nämlich die der Geisterwelt. So
wollen Fragmente wie etwa folgende verstanden sein: „Nichts ist dem
Geist erreichbarer als das Unendliche"143, oder „wir sind mit dem Unsicht-
baren näher als mit dem Sichtbaren verbunden" 144 , oder auch „Das
Höchste ist das Verständlichste, das Nächste, das Unentbehrlichste. Nur
durch Unbekanntschaft mit uns selbst — Entwöhnung von uns selbst ent-
steht hier eine Unbegreiflichkeit, die selbst unbegreiflich ist"145.
Die „Erreichbarkeit", „Verbundenheit" und „Nähe" der Geister-
welt bleibt nämlich für Novalis kein leeres Wort. Hier versteigt er sich
sogar zu seinen kühnsten Behauptungen: dem Menschen ist der Umgang
mit Geistern möglich. Gemeint ist nicht nur die Erscheinung von Geistern,
die Novalis freilich bejaht und als ein wirkliches und erstrebenswertes
„Faktum" darstellt148, dessen Voraussetzung er die Elastizität des Geistes
nennt147. Gemeint sind, abgesehen von solch extremer Versinnlichung,
Zustände, die sich in Novalis' Augen nur durch die Einwirkung von
Geistern erklären lassen, so zum Beispiel die sogenannten „Dichtungen",
d. h. Schöpfungen der Phantasie, imaginative Vorstellungen, die ohne
jeden äußeren Grund „vom Gefühl der Notwendigkeit begleitet" sind
und bei deren Hervorbringung der Mensch sich in einem Gespräch mit
einem „unbekannten, geistigen Wesen" dünkt, das ihn zur Entwicklung
142
Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 396, Nr. 907.
143
Fragment 1112.
144
Fragment 2360.
145
Fragment 11 der nachgelassenen Fragmente zum Blütenstaub.
14
« Fragment 800.
147
Fragment 1771.

58
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

der „evidentesten Gedanken" veranlaßt. Dieses Wesen ist ein „höheres",


aber „homogenes" Wesen, ein „Ich höherer Art", das den Menschen zur
Selbsttätigkeit anregt148. In der „Inspiration" haben wir es mit einem ähn-
lichen Vorgang zu tun: sie ist nämlich „Erscheinung" eines höheren
Geistes und „Gegenerscheinung", d. h. Selbsttätigkeit, Mitwirkung, akti-
ves Auftreten des eigenen Geistes, sie ist „Zueignung" bzw. Verwandlung
des Fremden in Eigenes, und „Mitteilung", d. h. Botschaft des höheren
Wesens149. Sogar jede Denktätigkeit ist in diesem Sinne eine „Sympraxis":
„Unser Denken ist schlechterdings nur eine Galvanisation, eine Berüh-
rung des irdischen Geistes — der geistigen Atmosphäre durch einen
himmlischen, außerirdischen Geist"150.
Wie ist nun auf Grund solcher Vorstellungen die Vollendung zu ver-
stehen, die Novalis als Aufgabe des Menschen hinstellt? Sie besteht in
der Vergeistigung des Lebens, in der Durchdringung der Natur durch den
Geist. Diesen Vorgang nennt Novalis „Moralisierung", und damit meint
er eine progressive harmonische Vereinigung des Geistes mit der Natur.
Das Wesen Gottes ist eben „unaufhörliche Moralisierung"151. Mit dieser
Auffassung stehen wir wieder im Mittelpunkt der romantischen Welt-
anschauung, die in der Vorstellung eines werdenden Gottes gipfelt, der
sich selbst „macht", indem er das Unbewußte in sich zum Bewußtsein er-
hebt und uns dazu anregt, an diesem Prozeß der Bewußtmachung mitzu-
arbeiten (Schelling). Die Synthese von Natur und Geist im Universum
und im Menschen ist ja auch für Friedrich Schlegel das unendliche Ziel der
menschlichen und der göttlichen Tätigkeit. Für Novalis besteht also Got-
tes Wesen ebenfalls im Prozeß der Vergeistigung, an dem der Mensch
aktiv teilnehmen soll. Es gilt die Trägheit, die Passivität unserer Natur,
die auf dem Übergewicht des Körpers beruht, zu bekämpfen und womög-
lich aufzuheben; es gilt aktiv, produktiv zu werden und nicht passiv und
rezeptiv zu bleiben. Das kann nur durch eine Betätigung aller unserer
Kräfte geschehen, von denen die meisten „noch tiefen Schlummer"
schlafen152. Aufgabe des Menschen ist zunächst, alle seine Sinne und
Organe neu zu entdecken und produktiv werden zu lassen. Es liegt näm-
lich „nur an der Schwäche unserer Organe und der Selbstberührung [ge-
meint ist die oben geschilderte Selbstoffenbarung des Geistes], daß wir
uns nicht in einer Feenwelt erblicken"153. Damit tritt Novalis offensichtlich

148
Fragment 800.
149
Fragment 33.
150
Fragment 1588.
151
Fragment 1326.
152
Fragment 1836.
153
Fragment 956 (eingeklammerte Worte von mir).

59
PHILOSOPHISCHE G R U N D L A G E N

in den Hemsterhuis'schen Denkbereich und schließt sich der Forderung


nach Erweckung neuer Sinne und unbekannter Sinnübergänge und
-kombinationen an154. Die Notwendigkeit einer totalen Aktivität des Men-
schen ist jedoch darüber hinaus eine allgemein frühromantische Vorstel-
lung. Auch für Friedrich Schlegel müssen alle Vermögen der Seele wach
sein, damit die Welt verstanden werden kann; man muß „ein ganzer
Mensch sein, ehe man Sinn fürs Universum bekommt"155. Ziel des mensch-
lichen Strebens ist, „das irdische Körpergebilde" zum adäquaten, ge-
schmeidigen, durchsichtigen „Ausdruck und Organ des innewohnenden
Geistes" zu machen. Das ist für Novalis „der treibende Gedanke, der die
Basis aller echten Gedanken wird"158.
Aber eben nur die Basis. Denn, auf einer solchen Grundlage auf-
bauend, geht Novalis in der Analyse des Verhältnisses von Passivität und
Aktivität im Menschen viel weiter als nur bis zur Aufstellung dieses Impe-
rativs. Die Reflexion des Geistes über sich selbst spaltet die ontologische
Identität des Ich auf, indem sie ein Subjekt und ein Objekt, eine Form
und einen Stoff in dieser Identität entstehen läßt. Der Geist nimmt sich
dabei einerseits als ein Subjekt wahr, das in einer Tätigkeit der Anschau-
ung und der Reflexion begriffen ist, andererseits als ein Objekt, das „fühlt
und empfindet"157. Das Subjekt ist der aktive, freie, „unendliche"
Aspekt des Geistes, das Objekt ist der passive, unfreie, „endliche"
Aspekt. Das erste denkt, das andere fühlt. Denken und Fühlen sind also
die Komponenten des Ich, und sie verhalten sich zueinander wie Form
und Stoff: das Gefühl ist der Stoff des Denkens, seine „bestimmte Hand-
lungsweise"; das Denken ist die Form des Gefühls158. Diese Dualität hat
Novalis auch mit einem anderen Begriffspaar beschrieben, nämlich mit
dem Begriff Wollen für den aktiven und dem Begriff Vorstellen für den
passiven Aspekt15*. Denken und Wollen haben ihren Ursprung in der
freien Tätigkeit des Ich; Fühlen und Vorstellen setzen einen Reflex auf
äußere Reize voraus.
Nun stehen die beiden Aspekte des Ich in Verbindung mit je einem
„System von Sinnen". „Ein System heißt der Körper, eins die Seele. Jenes
154 In diesem Punkte liegt aber wieder einmal eine merkwürdige Übereinstimmung mit
Eckartshausen vor. Audi für den Alchimisten bedingen unsere Sinne unsere Wahr-
nehmung der Welt: feinere Sinne entdecken mehr von der Welt als grobe Organe;
daher ist es für den geistigen Menschen Pflicht, seine Sinne zu erweitem und zu ver-
feinem. So kann er sich höher entwickeln, d. h. sich vergeistigen und ungeahnter
Offenbarungen fähig werden (vgl. Kleeberg, a.a.O.).
155 Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 313, Nr. 1442.
156 Fragment 112.
157 Fragment 166.
158 Fragment 544.
158 Vgl. Fragment 688.

60
PHILOSOPHISCHE G R U N D L A G E N

steht in der Abhängigkeit von äußeren Reizen, deren Inbegriff wir die
Natur oder die äußre Welt nennen. Dieses steht ursprünglich in der Ab-
hängigkeit eines Inbegriffs innrer Reize, den wir den Geist nennen oder
die Geisterwelt". Der Mensch soll die beiden Systeme, Natur und Geist,
in seiner Person in „ein vollkommenes Wechselverhältnis", in eine „freie
Harmonie" bringen160. Dazu muß das Ubergewicht des Körpers, die Passi-
vität, durch eine Steigerung des Willens, der Aktivität, aufgehoben wer-
den. Das freie, „idealische" Ich muß das unfreie, „wirkliche" Ich „er-
regen", damit es „sich besinnt" und „erwacht"161. Darin liegt das Geheim-
nis der „Selbstbesprechung"162, die zugleich ein „Akt der Selbstumar-
mung" ist: das freie Ich zeugt, das endliche Ich gebiert, und beide er-
ziehen den „Geist". Erst durch diese „glückliche Ehe" wird der Mensch
zum „vollständigen Ich"163.
Die geistige Aufgabe des Menschen beschränkt sich jedoch nicht auf
das innere Selbstgespräch. Das Verfahren, das der Mensch anwendet, um
sein unbewußtes, rezeptives Ich durch das freie Ich zu erwecken, soll er
auch auf die Welt beziehen. „Wir sollen alles in ein Du, in ein zweites Ich
verwandeln — nur dadurch erheben wir uns selbst zum großen Ich, das
Eins und Alles zugleich ist"164. Die Verwandlung des Nicht-Ich in ein Du
erinnert an Friedrich Schlegel und stellt einen bedeutenden Schritt über
Fichte hinaus dar. Zugespitzt formuliert erscheint diese Ansicht unter der
Feder des Novalis öfters als „Vernichtung des Nicht-Ich". Der Dichter
warnt jeweils vor dem Mißverständnis, das Nicht-Ich könnte „der sinn-
lichen Existenz nach" vernichtet werden; das erklärt er für unmöglich165.
Die Vernichtung des Nicht-Ich bezeichnet den Zustand des Menschen,
dem es gelungen ist, die Passivität zu überwinden und die Aktivität so zu
steigern, daß er den äußeren Reizen entzogen ist und nur noch von sich
selber affiziert wird168.
Mit der Verwandlung des Nicht-Ich in ein Du, d. h. mit der Integra-
tion der äußeren Welt in das Ich durch die Aufhebung der Passivität,
stehen wir mitten im sogenannten magischen Idealismus.
Was dieser Begriff genau bedeutet, läßt sich nicht so leicht auf eine
klare und einfache Formel bringen. Ein System im strengen Sinn des
160 Fragment 885.
161 Fragment 800.
182 Fragment 800 und 1183.

163 Ygj Fragment 849. Audi hier decken sich Novalis' Ansichten mit alchimistischen
Vorstellungen. Der Mensch als Bürger zweier Welten, dem Körper nach ein Höhe-
punkt der Natur, der Seele nach am untern Ende der Leiter stehend, ist ja eine
Grundanschauung Einartshausens (Vgl. Kleeberg, a.a.O.).
164 Fragment 1826.

" 5 Fragment 311.


1 , 6 Fragment 311.

61
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Wortes bezeichnet er nicht, eher eine philosophisch unterbaute Tendenz


und Denkeinstellung. Der Platz, den Novalis ihm in der geschichtlichen
Entwicklung der Philosophie zuweist, kann zu seiner Erhellung beitragen.
Für Novalis hat nämlich die Philosophie mit dem reinen Empirismus an-
gefangen, der ein passives, von der Außenwelt durchaus abhängiges Den-
ken ist; als solches ist er immer noch aktuell und stellt eine der Grund-
formen des menschlichen Denkens dar, die sich z. B. in Voltaire konkreti-
siert. Uber den „transzendenten Empirismus" erhebt sich das philoso-
phische Denken zum Dogmatismus, der sich in den falschen Glauben an
die Erkennbarkeit des Dinges an sich verstrickt. Dieser entwickelt sich
dann zum „transzendenten Dogmatismus", den Novalis bisweilen als
Schwärmerei bezeichnet. Dies muß jedoch nicht notwendigerweise als ein
abschätziges Urteil angesehen werden, denn unter die Vertreter dieser
Geistesrichtung rechnet er ab und zu Spinoza, in dessen „realistischem
Idealismus" er versucht ist, die „wahre Philosophie" zu erblicken1". Dar-
auf folgt der Kantsche Kritizismus als Umkehrung der philosophischen
Methode und grundsätzliche Revolution im philosophischen Bereich. Der
Kritizismus führt zu Fichtes Idealismus und „endlich" zum magischen
Idealismus von Novalis selbst168. Ähnlich wie Friedrich Schlegel, der sich
als den einzigen konsequenten Idealisten ausgab, betrachtet sich Novalis
als den Vollender der Philosophie. Diese jugendliche Uberzeugimg grün-
det sich auf das Gefühl, die Prinzipien des Idealismus bis in ihre letzten
Konsequenzen durchdacht zu haben, nämlich bis zur völligen Befreiung
des Ich vom Nicht-Ich, in welcher ja das Magische im Sinn von Novalis
beruht. Magisch ist ihm in der Tat die spontane und „allmächtige" Aktivi-
tät des Geistes, die sich an keiner äußeren Bestimmung mehr orientiert
und sich somit jeder Form von „Empirismus", d. h. von Passivität, ent-
gegensetzt. Der Geist soll ganz schöpferisch, „Totalgenie" werden; er
zaubert sich im Grunde seine Welt selbst hervor, die ihm dann wie eine
„fremde, selbstmächtige Erscheinung" vorkommt169. Er gestaltet und
regiert sie aber nach seinen eigenen Vorstellungen, so daß „sich nach den
Dingen oder die Dinge nach sich richten" eins ist170. Das läuft auf eine
völlige Umkehrung der empirischen Weltauffassung hinaus und erhellt
die ganze Stellung des Novalis im Bereich der Naturwissenschaften: „Aus
Gedanken erklärt sich die Entstehung der Schwere"; nicht die Schwere
macht die Sensibilität verständlich, sondern „aus der Sensibilität erklärt
sich die Schwere". Konsequent heißt es weiter: „Der Geisterwelt gehört

187
Vgl. Fragment 3048.
188
Fragment 1152.
i«9 Vgl. Fragment 1184.
170
Fragment 1044.

62
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

das erste Kapitel in der Physik"171. Die Denkoperationen des magisdien


Idealisten zielen darauf, entweder Gedanken in „selbständige, sich von
[uns] absondernde und nun [uns] fremd, d. h. äußerlich vorkommende
Seelen", oder die äußeren Dinge in Gedanken zu verwandeln172.
Die Voraussetzung dieser Einstellung zur Welt will Novalis schon
im Kritizismus sehen, der „uns beim Studium der Natur auf uns s e l b s t . . .
und beim Studium unsrer selbst auf die A u ß e n w e l t . . . verweist". Dabei
„ahnen" wir die Natur als ein menschenähnliches Wesen, das wir erst auf
Grund der Selbsterkenntnis verstehen können. Die Möglichkeit eines Ver-
ständnisses der Außenwelt ergibt sich aus der Selbstbeobachtung, durch
die wir uns für uns selbst zum Objekt, d. h. zur Außenwelt machen. Daraus
entsteht eine vierfache Verbindung: die Geisterwelt ist mit unserem Geiste
wie die Natur mit unserem Körper verbunden, der ja nur ein Glied der
Außenwelt und demnach im Wesen mit ihr identisch ist; andererseits ist
der Geist mit dem Körper wie die Geisterwelt mit der Natur verbunden173.
Durch die Selbsterkenntnis entdecken wir die Seele der Natur, die Welt-
seele. Dann erscheinen alle Phänomene der Welt als Wirkungen dieser
einen Kraft, die „überall und nirgends" ist und die sich je nach den „Be-
dingungen, Verhältnissen und Umständen" verschieden offenbart und
konkretisiert174.
Eine solche „animistische" Einstellung beruht auf der Überzeugung
von der Aktivität des Geistes und entsprechend auf einer starken Hervor-
hebung des Willens. Der Mensch steht vor der Welt und dem Leben wie
der Historiker vor der Geschichte. Er findet eine formlose „Masse" vor, die
er zu ordnen und zu gestalten hat: er gibt ihr eine Form, indem er sie be-
lebt175. Das Leben ist eine Reihe von „Zufällen", die der Mensch als
„Materialien" betrachtet und die er zu sinnvollen Elementen macht. „Wer
viel Geist hat, macht viel aus seinem Leben"; ihm wird jeder Zufall zum
sinnerfüllten Erlebnis178. Auch die Welt „hat eine ursprüngliche Fähig-
keit, durch mich belebt zu werden. Sie ist überhaupt a priori von mir be-
lebt — eins mit mir. Ich habe eine ursprüngliche Tendenz und Fähigkeit,
die Welt zu beleben" 177 . Der Mensch soll sich dieser seiner geistigen
Fähigkeit bewußt werden und sie dermaßen aktivieren, daß die Welt
wird, „wie ich will", und daß der Mensch als Zweck der Welt erscheint178.

171
Vgl. Fragment 1404.
172
Fragment 1768.
173
Vgl. Fragment 1992.
174
Fragment 1962.
175
Fragment 93.
176
Fragment 66.
177
Fragment 898.
178
Fragment 897.

63
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Das ist eine andere Form der Vernichtung des Nicht-Ich: „Der Mensch
kann alles werden, worauf er reflektieren oder was er sich vorsetzen
kann"179; mit anderen Worten: „Was ich will, das kann ich. Bei dem Men-
schen ist kein Ding unmöglich"180.
Die Hervorhebung des Willens, die Behauptung der Allmacht des
Menschen gegenüber der Welt, die Auffassung des Menschen als des
Zweckes der Welt sind Positionen, die in der praktischen Vernunft grün-
den. Dank der Freiheit seines Willens ist der Mensch Sinn- und Form-
geber der Welt und des Lebens. Diese bei Novalis sehr beliebte Vorstel-
lung begründet die Funktion der Moral im magischen Idealismus und ihre
Eigenschaft als vorzüglicher Anwendungs- und Bewährungsbereich der
Lehre vom schöpferischen Geist. Insofern ist sie „das eigentliche Lebens-
element des Menschen"181. Diese Auffassung, die dem magischen Idealis-
mus seine Grenzen zu setzen scheint und ihn als im Grunde wenig neu
und umwälzend erscheinen läßt, bedarf jedoch einer Korrektur, die erst
bei der Interpretation des Begriffs Willkür erfolgen kann. Weil der mora-
lische Sinn uns dazu anregt, gut zu handeln, d. h. uns von keinem persön-
lichen Interesse bestimmen zu lassen, sondern dem kategorischen Impera-
tiv in seiner vollen Reinheit zu gehorchen, glaubt sich Novalis berechtigt,
unseren reinen Willen dem Willen Gottes anzugleichen: „Unser reiner
sittlicher Wille ist Gottes Wille"182. Durch den moralischen Sinn spricht
Gott zu uns und in uns; wir sind wahre Kinder Gottes, wenn die reine Sitt-
lichkeit in unserem Verhalten und Denken den Ausschlag gibt. „Indem
wir seinen Willen erfüllen, erheitern und erweitern wir unser eignes Da-
sein, und es ist, als hätten wir um unsrer selbst willen, aus innerer Natur
so gehandelt" 189 . Moralisch handeln heißt göttlich sein, das Irdische ab-
streifen, im reinen Geist leben, die Passivität ganz überwinden. Der
moralische Sinn ist der göttliche Kern unserer Individualität.
Der Wille als Werkzeug des moralischen Sinnes ist „nichts als magi-
sches, kräftiges Denkvermögen" 184 . Wollen und Denken sind ja der aktive
Aspekt des Ich im Gegensatz zu Fühlen und Vorstellen. Nun erweist sich
das Ich als aktiv und schöpferisch, magisch und wundertätig hauptsächlich
in der Moral: „Der Wunder höchstes ist eine tugendhafte Handlung, ein
Aktus der freien Determination" 185 . Darum werden wir „in dem Augen-
blick, wo wir vollkommen moralisch sind, Wunder tun können", aller-
179
Fragment 724.
180
Fragment 2988.
181
Fragment 3049.
182
Fragment 3049.
183
Fragment 3049.
184
Fragment 2537.
185
Fragment 1949.

64
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

dings keine Wunder im landläufigen Sinn, sondern Wunder der Freiheit,


geistige Verwandlung der Welt188. Dem moralischen Menschen ist
das Leben ein Priesterdienst an der „heiligen und geheimnisvollen
Flamme" 187 . Erst um dieser Flamme, des Geistes, willen hat das Leben
einen unendlichen Wert. Das Leben soll zu einem vollkommenen Werk-
zeug des Geistes gemacht werden; es soll die Befehle und Absichten des
Geistes treu ausführen, ohne daß geistesfremde Elemente sich einmischen.
„Alles Unwillkürliche soll in ein Willkürliches verwandelt werden"188. Die
Freiheit des Geistes soll die Notwendigkeit der Natur überwinden und
sich ihr aufprägen. Die erste Pflicht des Menschen ist es demnach, seine
„produktive Freiheit", sein „schöpferisches Vermögen", seine „unend-
liche Personalität", seinen „Mikrokosmos", die „eigentümliche Divinität
in uns" zu entwickeln18'. Das Magische im Sinne des Novalis ist also die
Fähigkeit und das Talent, sich selbst frei zu bestimmen, nur von sich
selbst affiziert zu werden, wie es oben hieß, oder, mit anderen Worten,
das ungehemmte Walten des moralischen Sinnes, die Aufhebung der
Trägheit durch eine unbegrenzte Aktivität des Geistes. Folgerichtig heißt
es dann: „Wir müssen Magier zu werden suchen, um recht moralisch sein
zu können. Je moralischer, desto harmonischer mit Gott, desto göttlicher,
desto verbündeter mit Gott. Nur durch den moralischen Sinn wird uns
Gott vernehmlich""0.
Der magische Idealismus bezieht sich also an erster Stelle auf die
Vervollkommnung und auf die Ausdehnung der Herrschaft des Geistes
über die Trägheit der Natur in uns. Sein Ziel ist ein „Wundersubjekt",
eine „Wunderbewegung", nicht etwa ein „Wunderobjekt" oder eine
„Wundergestalt"1*1, was das Ziel des magischen Realismus wäre, der auf
die Außenwelt wirken will, indem er „die Sinnenwelt willkürlich ge-
braucht"1®2. Davon kann bei Novalis nicht die Rede sein. Der magische
Idealist konzentriert seine Kräfte ganz auf den eigenen Geist, den er
durch den tätigen Gebrauch aller Organe „allmächtig" zu machen sucht.
Er trachtet danach, sie ohne jede Abhängigkeit von der Außenwelt und
ohne jede Unterwerfung unter die Passivität in der Gewalt zu haben. Er
ist der Sieger im Kampfe zwischen der Natur, dem Zufälligen, dem Ver-
gänglichen und dem Geist, dem Bleibenden1'5. Novalis ist fest davon

m vgl. Fragment 1949.


187 Fragment 1169.
188 Fragment 1049.
189 Fragment 3023.
1 , 0 Fragment 1519.
191 Fragment 2307.
192 Fragment 883.
193 Fragment 682.

65
S Nivelle
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

überzeugt, daß der Mensch den Triumph der „Kunst" über die „rohe
Masse" erringen wird. „Die Ideen erheben zu sich, sie lassen sich nicht
herab": darauf beruht das „Prinzip der Vervollkommnung in der Mensch-
heit" 184 . Der Geist soll jeden Einfluß der Natur auf die Bestimmungen der
Menschen ausschalten; dafür muß er den Körper vollkommen beherr-
schen. „Unser Körper soll willkürlich... werden" 195 ; „wir müssen den
Körper wie die Seele in unsre Gewalt bekommen" 196 . Der Geist soll den
Leib beeinflussen, nicht umgekehrt. Das tut er schon im Falle von Gefüh-
len wie Furcht, Trauer, Zorn, Neid, Scham, Freude, die sich alle auf den
augenblicklichen Zustand des Körpers auswirken. Auch wenn solche Ge-
fühle meist Reaktionen auf äußere Anlässe sind, so deuten sie doch min-
destens die Möglichkeit einer Modifikation des Körpers durch geistige
Regungen an. Es kommt darauf an, ähnliche Wirkungen mit bewußten
und gewollten geistigen Zuständen zu erzielen. Nun ist für Novalis „unser
ganzer Körper schlechterdings fähig, vom Geist in beliebige Bewegung
gesetzt zu werden" 197 . Herrschaft über den Körper bedeutet naturgemäß
auch Herrschaft über die Sinne, und zwar sowohl in ihrer Funktion als
Wahrnehmungs- und Vorstellungsmedien als auch in ihrer Rolle als
Werkzeuge unserer Wirkung auf die Welt. „Wir müssen also unseren
Körper zum allfähigen Organ auszubilden suchen. Modifikation unseres
Werkzeugs ist Modifikation der Welt" 198 . Die Unfähigkeit, die Sinne zu
beherrschen, die „NichtWirksamkeit auf das Gefäß meines Daseins" führt
zu einer Herrschaft der Natur über den Geist, die des geistigen Menschen
nicht würdig ist199. „Der Mensch soll ein vollkommnes und totales Selbst-
werkzeug sein" 200 . Wenn der Geist frei über die Sinne verfügt, produzie-
ren sie „die Gestalt, die er verlangt", und ermöglichen ihm, „im eigent-
lichsten Sinn in seiner Welt zu leben"; „er wird sehen, hören und fühlen,
was, wie und in welcher Verbindung er will" 201 . Solche Gedankengänge
bilden den unmittelbaren Übergang zu den „Visionen" und „Fiktionen",
die Novalis als charakteristisch für den Idealismus bezeichnet202, und
machen außerdem gewisse Äußerungen verständlich, etwa die berühmte
Briefstelle über die ersehnte Erscheinung Sophies203.

194 Ebd.
195 Fragment 846.
199 Fragment 1032.
107 Fragment 1023.
193 Fragment 1032.
199 Vgl. Fragment 1257.
200 Fragment 1751.
201 Fragment 1023.
202 Fragment 3110.
203 Gesammelte Werke, Bd. V, S. 132.

66
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Aus alledem geht deutlich hervor, daß bei der Verwandlung des
Weltbildes nicht allein der Wille tätig ist, sondern auch die produktive
Einbildungskraft. Der mit der Einbildungskraft zusammenwirkende
Wille führt bei Novalis den Namen 'Willkür' 204 . Die Distanzierung von
der Kantschen Vernunft geschieht bei ihm nicht so eindeutig und systema-
tisch wie bei Schelling. In seiner Suche nach dem obersten Vermögen der
Seele schwankt er immer wieder zwischen der praktischen Vernunft als
moralischem Sinn und der produktiven Einbildungskraft. Bald wird das
eine, bald das andere Vermögen hervorgehoben. Dieses Hin und Her
stellt in philosophischer Hinsicht ohne Zweifel eine Schwäche dar, ermög-
licht es aber andererseits unserem Dichter, eine richtige Poetik zu ent-
wickeln. Wenn nämlich die Betonung auf die Einbildungskraft fällt, füh-
ren seine Überlegungen unmittelbar zu einer Dichtungstheorie. Der Ver-
such, die beiden Vermögen in der Willkür zusammenzufassen, ist vielleicht
eine Verlegenheitslösung, öffnet jedoch zugleich den Zugang zu einer
Kunstlehre, und gerade das soll uns hier besonders interessieren.
Die immer wieder hervorgehobene Notwendigkeit der Aktivität ist
nicht nur ein moralisches Gebot, sondern auch eine Wirkung der produk-
tiven Einbildungskraft. Der Idealismus läßt sich für Novalis als Sthenie,
d. h. als kräftige selbständige Tätigkeit, definieren; der Realismus er-
scheint ihm dagegen als Asthenie, ein Begriff, den er dem „Gefühl"
gleichsetzt205. Das Gefühl als passiver Aspekt des Ich ist uns bekannt; der
Gegensatz dazu sind eben die Visionen und Fiktionen, von denen auch die
Rede war und die doch nichts anderes bedeuten als eine freie Tätigkeit
der Einbildungskraft. Damit tut sich eine neue Dichotomie des Ich kund:
eine aktive Phantasie und ein passives Gefühl. Tätig sein, das Gegenteil
von „bloßem Mechanism", wird manchmal mit der Formel umschrieben:
„seine produktive Einbildungskraft brauchen" 206 . Der „tätige Gebrauch
der Organe", der das Genie kennzeichnet, besteht darin, „Geisterwelt be-
liebig darzustellen" 207 .

204 Über die Bedeutung des Wortes Willkür um 1800 schreibt Hans Eichner in der Ein-
leitung zum 5. Band der Kritischen Ausgabe von Friedrich Schlegels Werken
(S. XXXVII): „. . . das Wort Willkür darf nicht mißverstanden werden; es hatte
damals nicht immer die heutige negative Bedeutung. Schelling definiert Willkür als
,mit Bewußtsein freie Tätigkeit', als ,Freiheit zu wählen' und als .freie Wahl
zwischen entgegengesetzten Maximen, die sich wechselseitig ausschließen und in
einem und demselben Willen nicht bestehen können'. Schlegel definiert sie als
,absoluten Entschluß, als absolute Wahl einer Bestimmung aus unendlich vielen'
und als .absolutierte Freiheit'. Bei Kant ist jeder Willensakt Willkür, Freiheit
dagegen ,eine Willkür, die ihren Handlungen Vernunft zum Grunde legt'."
205 Fragment 3110.
208 Fragment 1900.
207 Fragment 1025.

67

PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

Die Uberwindung der Passivität erstreckt sich demnach auf Bereiche,


die mit der praktischen Vernunft nicht notwendigerweise verbunden sind.
Ein paar Zitate mögen genügen: „Das echte Denken erscheint wie ein
Machen und ist auch ein solches"208; „Das Leben soll kein uns gegebener,
sondern ein von uns gemachter Roman sein"209; „alles zu beleben ist der
Zweck des Lebens"210; „Philosophieren ist dephlegmatisieren — vivi-
fizieren"211; „nur durch meine Tätigkeit ist ein Sein für mich möglich" 2 ";
„die Darstellung der Philosophie... ist nur für selbsttätige Wahrheits-
freunde" 213 ; und schließlich das berühmte Fragment: „Das Fatum, das
uns drückt, ist die Trägheit unsers Geistes. Durch Erweiterung und Bil-
dung unsrer Tätigkeit werden wir uns selbst in das Fatum verwandeln.
Alles scheint auf uns hereinzuströmen, weil wir nicht herausströmen. Wir
sind negativ, weil wir wollen, je positiver wir werden, desto negativer
wird die Welt um uns her — bis am Ende keine Negation mehr sein wird,
sondern wir alles in allem sind. Gott will Götter"2U.
Die schöpferische, belebende, produktive Tätigkeit des Geistes gip-
felt in dem, was Novalis im allgemeinsten Sinn des Wortes K u n s t
nennt. Das ist ein unscheinbarer, aber äußerst bedeutender Schritt. Denn
solche „Kunst" stellt das Gemeinsame, das Umgreifende der praktischen
Vernunft, des Denkens überhaupt und der eigentlichen künstlerischen
Tätigkeit dar. Die Moral ist eine „Kunst", denn die sittliche Idee, die der
Mensch konzipiert und nach der er sein Leben gestaltet, ordnet und ver-
einigt „die Masse innerer und äußerer Handlungen (innere sind die Ge-
sinnungen und Entschließungen) kunstmäßig zu einem idealischen Gan-
zen"215. Und das philosophische Denken ist die Kunst, „unsere gesamten
Vorstellungen nach einer absoluten, künstlerischen Idee zu produzieren
und ein Weltsystem a priori aus den Tiefen unsers Geistes herauszu-
denken — das Denkorgan aktiv, zur Darstellung einer rein intelligiblen
Welt zu gebrauchen"216. Damit haben wir eine erste, vorläufige Definition
der Kunst in diesem weiteren Sinn: sie ist die Gliederung eines Ganzen
nach einer Idee, die der Geist hervorbringt. Das ist zwar die Bestimmung
eines allgemeinen Kunstbegriffs, des Kunstprinzips schlechthin; wir
werden sehen, inwieweit sie zur Definition der Kunst im engeren Sinn
reicht. Hier bezieht sie sich, wie gesagt, auf jede menschliche „Tätigkeit"
208
Fragment 1887.
2M
Fragment 962.
210
Fragment 938.
211
Fragment 794.
212
Fragment 683.
21
» Fragment 782.
214
Fragment 1024.
215
Fragment 1009.
Fragment 1009.

68
PHILOSOPHISCHE G R U N D L A G E N

im Novalis'schen Sinn. Ihr Wesen und Ziel ist die geistige Gliederung
einer „rohen Masse", das Ordnen eines „Chaos" und seine Verwandlung
in „eine freie Verbindung", in „eine mannigfaltige Welt" nach den Be-
stimmungen einer Idee217. In dieser Idee liegt das Schöpferische der
Kunst. Es kommt nicht darauf an, daß man etwas absolut Neues schafft" 8 ,
sondern daß man auswählt, ordnet, ausscheidet, gliedert, trennt und ver-
einigt nach einem schöpferischen Prinzip, das bei Novalis Idee heißt.
Diese Idee nun kommt nicht aus der Vernunft, sondern aus der Einbil-
dungskraft. „Hätten wir auch eine Phantastik, wie eine Logik, so wäre die
Erfindungskunst erfunden"21®. Die Erfindimg in diesem Sinn ist die freie,
beliebige, 'willkürliche' Schöpfung von Ideen. Von dieser Novalis'schen
Idee wird bei der Behandlung des romantischen Dichtungsbegriffs wie-
der die Rede sein. In diesem Zusammenhang soll sie nur als das schöpfe-
rische Merkmal des Geistes dargestellt werden. Insofern ist sie „magisch"
und „wunderbar" und erhebt die Geisteshandlungen, die sie hervor-
bringen, zu wunderbaren Tätigkeiten, wie z. B. die Mathematik220, die
„poetische Philosophie"221, den Witz222. Und diese Wunderbarkeit wurzelt
in der produktiven Einbildungskraft. Unter diesem Aspekt erscheint dem-
nach die Bildung der Phantasie als ein Gesetz des geistigen Menschen.
Dieser soll „Totalgenie" werden, d. h. schöpferisch in jeder Hinsicht.
Aus dieser Totalität des „Genies", auch hier das Wort in der allge-
meinsten Bedeutung gebraucht, ist sogar das Gefühl, das an sich den pas-
siven Aspekt des Ich darstellt, nicht ausgeschlossen. Es wird neben dem
„Selbstdenken" ein „Selbstempfinden" gefordert, das Novalis mit dem
Ausdruck „aktives Empfinden" umschreibt. „Man bringt das Empfin-
dungsorgan wie das Denkorgan in seine Gewalt"223. Nicht passiv soll sich
also der Mensch gegenüber den Empfindungen verhalten; die Kraft, die
von ihnen ausströmt und den Körper beeinflußt, soll er für sich in An-
spruch nehmen und mit ihr willkürlich verfahren, um gewollte Ziele zu
erreichen, um positiv zu wirken, statt negativ zu leiden. Leidenschaften,
Passionen, Affekte sind Zustände, die beim Totalgenie nicht denkbar
sind224. Solche Zustände gehören unserem „Beiwesen" an, das wir in dem
Maße ablegen, in dem wir tätig werden; wir nähern uns dann „dem

217 Vgl. Fragment 95.


218 „Absolut machen können wir nichts, weil das Problem des absolut Machens ein
imaginäres Problem ist", Fragment 2461.
219 Fragment 2449.
220 Fragment 1933 und 3013.
821 Fragment 1933.
222 Fragment 1909.
225 Fragment 1160.
221 Vgl. Fragment 1173.

69
PHILOSOPHISCHE GRUNDLAGEN

durchaus reinen, einfachen Wesen unsers Ich"225, wir nähern uns dem Ab-
soluten. Denn „das einzig mögliche Absolute, was uns gegeben werden
kann", ist die „unendliche freie Tätigkeit in uns"226; frei im Sinne der
Willkür, d. h. der praktischen Vernunft und der produktiven Einbildungs-
kraft.

225 Fragment 681.


228 Fragment 342.

70
III. W U N D E R S C H R I F T DER E N D L I C H K E I T

Das Ich, als Identität, reiner Akt und Urgrund des Seins und des
Wissens betrachtet, bedingt eine bestimmte Einstellung zur Welt. Trotz
ihrer so gut wie einmütigen Weigerung, Fichte in seiner Auffassung der
Natur als Nichtsein zu folgen, suchen die Romantiker die Wirklichkeit der
Natur nicht in den Erscheinungen, sondern nur in ihrem Geist, in ihrer
„göttlichen Bedeutung". Das Wesen der Natur ist ihnen geistig und gött-
lich1 und im Grunde mit dem Wesen des Geistes identisch. Das Reale der
Natur und das Ideale des Geistes sind untergeordnete Formen desselben
Urwesens2, das die Substanz ist, in der sie miteinander verschmelzen wie
Objekt und Subjekt im Ich. Die intellektuelle Anschauung als die Urhand-
lung, durch die Gott oder das absolute Ich sich selbst als Subjekt und Ob-
jekt setzt, behält auch in der Betrachtung der Natur ihre grundlegende
Bedeutung.
Das Wesentliche, die Wahrheit der Natur ist für Schelling ihre
„werktätige Wissenschaft"; darunter versteht er wieder einmal die Identi-
tät von Wissen und Sein, von Begriff und Form, Seele und Leib, Entwurf
und Ausführung. Weder die Erscheinung noch die Idee machen das
Wesen der Natur aus, sondern erst das Band zwischen beiden, ihre Identi-
tät. Nur durch dieses Band, d. h. durch das Vorhandensein eines „Ver-
stands", einer „Wissenschaft" in den Erscheinungen, kann die Natur Ob-
jekt unserer Erkenntnis werden, denn „das, worin kein Verstand wäre,
könnte auch nicht Vorwurf des Verstandes sein, das Erkenntnislose selbst
könnte nicht einmal erkannt werden" 3 .
Aus solcher Stellung zur Natur ergeben sich zwei wichtige Positio-
nen: das Unendliche ist nur in der Endlichkeit zu finden, und es gibt eine
Analogie zwischen Mensch und Natur.

„Nirgends tritt das Unendliche als unendlich hervor, es ist überall


da, aber nur in dem Gegenstand — dem Stoff verbunden"4. Das Unend-
1 Vgl. Schelling, Stuttgarter Privatvorlesungen, Bd. IV, S. 333.
2 Schelling, Stuttgarter Privatvorlesungen, Bd. IV, S. 314.
3 Schelling, Über das Verhältnis der bildenden Künste zur Natur, 3. E r g ä n z u n g s -
band, S. 399.
4 Schelling, Philosophie der Kunst, Bd. III, S. 440.

71
WUNDERSCHRIFT DER ENDLICHKEIT

liehe ist in der Endlichkeit allgegenwärtig; es muß nur erkannt, gedeutet,


angeschaut und dargestellt werden. Und es gibt keinen anderen Weg zum
Unendlichen als den, der über die Endlichkeit führt. Das Endliche hat
demnach einen unendlichen Sinn, und das Unendliche ist jeweils dem
Endlichen verbunden. Beides hat eine Beziehung zur Natur. „Was wir
Natur nennen, ist ein Gedicht, das in geheimer wunderbarer Schrift ver-
schlossen l i e g t . . . durch die Sinnenwelt blickt nur wie durch Worte der
Sinn, nur wie durch halbdurchsichtigen Nebel das Land der Phantasie,
nach dem wir trachten . . . Die Natur ist dem Künstler nicht mehr, als sie
dem Philosophen ist, nämlich nur die unter beständigen Einschränkungen
erscheinende idealische Welt, oder nur der unvollkommene Widerschein
einer Welt, die nicht außer ihm, sondern in ihm existiert"5.
Auch Schleiermacher hält es bekanntlich für eine Täuschung, das Un-
endliche außerhalb des Endlichen zu suchen®. Das Unendliche ist zwar
allgegenwärtig, kann vom Menschen aber nur durch die Anschauung der
wirklichen Welt geahnt werden. Der geistige Mensch hat es gerade zur
Aufgabe, in allem Einzelnen das Unendliche aufzuspüren, alles Endliche
als eine symbolische Darstellung des Absoluten anzusehen. Schleier-
macher vertritt eine solche Ansicht nicht nur in bezug auf die Natur, son-
dern auch auf den Menschen. In jedem Individuum muß der geistige
Mensch mehr als das Individuelle entdecken, nämlich ein „Kompendium
der Menschheit"7, genau wie er in der Geschichte mehr als eine Aufein-
anderfolge von Begebenheiten erblickt, nämlich „den Geist, in dem das
Ganze geleitet wird"8. Nur in dieser letzten Hinsicht ist ihm die Ge-
schichte „der höchste Gegenstand der Religion"".
Das Unendliche existiert also im Endlichen als sein Widerschein und
nicht außer ihm. Wenn der Geist sich außerhalb der Endlichkeit sucht, ist
er auf einem Irrweg, und in Wirklichkeit flieht er sich10. Folgerichtig ist
dann der Schluß: je mehr wir das Zeitliche erkennen, desto mehr erkennen
wir das Ewige; mit Schellings Worten ausgedrückt: „Kommet her zur
Physik und erkennet das Ewige!" 11 . Das Endliche bietet eine universelle

5 Schelling, System des transzendentalen Idealismus, Bd. II, S. 628.


• Sdileiermadier, Über die Religion, 3. Rede.
7 Ebd., 2. Rede.
8 Ebd., 2. Rede.
8 Ebd. Hier muß wieder einmal hervorgehoben werden, daß der unendliche Sinn

der endlichen Erscheinungen eine Grundansicht der Alchimie darstellt. Dem Adep-
ten ist das Universum der siditbare Ausdrude göttlicher Gedanken, die Natur eine
mittelbar wirkende Kraft der Gottheit. Die Körperwelt besteht aus Expressionen
der Geisterwelt. Das alles haben die Jenaer mit Novalis u. a. bei Eckartshausen
nachlesen können (vgl. Kleeberg, a.a.O.).
10 Schelling, System des transzendentalen Idealismus, Bd. II, S. 628.
11 Schelling, Von der Weltseele, Bd. I, S. 446.

72
WUNDERSCHRIFT DER ENDLICHKEIT

Analogie des Unendlichen; die Natur ist das sichtbare Analogon des
Geistes. Durch die spekulative Physik gedeutet, also im Lichte der Natur-
philosophie, enthält sie die Grundlage einer neuen Mythologie, einer all-
gemeinen Symbolik12. In jedem Organismus ist etwas Symbolisches; jede
Pflanze ist sozusagen „der verschlungene Zug der Seele" 1 '. Nur muß man
dazu die Welt richtig verstehen, „lebendig fassen"14. Dem geübten Auge
erscheinen z. B. die regelmäßigen, stereometrischen Formen der Natur als
dem Reich der Begriffe zugehörig, sie sind etwas Geistiges im Materiel-
len15. Es gilt, eben dieses Geistige in der Natur zu entdecken, und so wird
sie zum Ausdruck des gleichen Bandes wie jenes, „das in der Vernunft ist",
nämlich „der ewigen Einheit des Unendlichen mit dem Endlichen"1". So-
mit erweist sich das Wesen der Natur als mit dem des Geistes identisch,
und daraus erhellt der symbolische Wert der Naturerscheinungen, die
herauszuheben und darzustellen dem Romantiker obliegt".

Daß die Natur erst als werktätige Wissenschaft dem menschlichen


Geist erkennbar ist, beruht auf einer weiteren Idee: der Analogie zwi-
schen Mensch und Kosmos. Der Mensch ist ein Mikrokosmos und die Welt
ein Makroanthropos. „Die Vorgänge des menschlichen Lebens . . . [müs-
sen] mit den Vorgängen des allgemeinen Lebens übereinstimmen...
Wer die Geschichte des eigenen Lebens von Grund aus schreiben könnte,
[hätte] damit auch die Geschichte des Weltalls in einen kurzen Inbegriff
gefaßt" 19 . Die Grundverwandtschaft von Welt und Mensch darf nie aus
dem Bewußtsein des Naturbetrachters schwinden; dieser verirrt sich,
wenn er über die Natur als bloßes fremdes Objekt reflektiert. „Die Natur
[spricht] umso verständlicher zu uns, je weniger wir über sie bloß reflek-
tierend denken"; zu der wahren Einsicht führt ein anderer Weg, „die
reine Anschauung oder vielmehr die schöpferische Einbildungskraft" 1 '.
Solange wir die Natur von außen, d. h. als ein uns fremdes und zu uns

12
Sdielling, Philosophie der Kunst, Bd. III, S. 466.
15
Sdielling, Abhandlungen zur Erläuterung des Idealismus der Wissenschaftslehre,
Bd. I, S. 310.
14
Schelling, Über das Verhältnis der bildenden Künste zur Natur, 3. Ergänzungs-
band, S. 399.
15
Ebd., S. 400.
" Sdielling, Von der Weltseele, Bd. 1, S. 428.
17
Daß alle physischen Gesetze Gleichnisse geistiger Wahrheiten seien und daß eine
allgemeine Analogie zwischen Endlichem und Unendlichem walte, war bekanntlich
eine Uberzeugung der Alchimisten. „Was oben ist, ist unten. Was im Kleinen ist,
ist auch im Großen", heißt es bei Einartshausen. Es steht nidits einzeln da, alles
ist Glied und mit allem verbunden (vgl. Kleeberg, a.a.O.).
18
Schelling, Die Weltalter, Bd. IV, S. 583.
w
Sdielling, Ideen zu einer Philosophie der Natur, Bd. I, S. 697.

73
WUNDERSCHRIFT DER ENDLICHKEIT

in keinerlei Beziehung stehendes Ganzes ansehen, bleibt der Weg zu


ihrem Wesen versperrt. Die wahre Erkenntnis der Natur ist unmittelbar,
ein inniges Eindringen in ihr Wesen mit Hilfe der Einbildungskraft, die
sich so als die Enthüllerin der symbolischen Bedeutung herausstellt.
Die Vorstellung der Natur als eines Gedichts in verschlüsselter
Schrift, das entziffert werden muß, war nicht nur Schelling, sondern auch
Friedrich Schlegel geläufig. Es gehört zum wahren Verständnis der Natur
eine „höhere idealische Ansicht"20, die sie als eine Reihe von „Bruchstük-
ken eines großen untergegangenen Dichters", nämlich Gottes, erscheinen
läßt21. Abgesehen von Schlegels religiösem Sprachgebrauch entspricht ein
solcher Satz genau der Schellingschen Meinung. Auch für Schlegel ist Gott
bzw. das Unendliche der Sinn der Natur, den es zu entdecken gilt. Alles
Sichtbare hat für den „Geistlichen" nur die Wahrheit einer Allegorie22.
„Alle Materie ist Peripherie, das Zentrum hegt in der Geisterwelt" 23 ; „die
Materie ist ein Niederschlag des Geistes"24. Es herrscht im Universum eine
Grundeinheit, und daher entspricht sich alles: „Der wahre Mensch sieht
in jedem Gegenstand ein Analogon der Welt" 25 . Der Mensch selbst hat an
beiden Bereichen, dem Endlichen und dem Unendlichen, teil. „Denke dir
ein Endliches ins Unendliche gebildet, so denkst du einen Menschen"26.
Daher taucht auch bei Schlegel die Idee des Mikrokosmos auf: „Der
Mensch ist ein Mikrokosmos; zur Charakteristik des Individuums gehört
Charakteristik des Universums"27. Weitere Fragmente wären zu erwäh-
nen, wie etwa: „Wir werden den Menschen kennen, wenn wir das Zen-
trum der Erde kennen" 28 , oder: „Luft, Wasser, Erde und Feuer müssen
ihre Analoga im Menschen haben" 29 .
Die Idee von der Analogie zwischen Mensch und Natur wird auch
von Schleiermacher vertreten. In den Monologen heißt es allgemein und
programmatisch: „Die äußere W e l t . . . strahlt in tausend zarten und er-
habenen Allegorien... das Höchste und Innerste unsers Wesens auf uns
zurück"30. Ein solcher Satz könnte von jedem Jenaer stammen, ebenso wie
die Vorstellung vom Ich als Schlüssel zum Ganzen und von der „großen

20
Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 323.
21
Fr. Schlegel, Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 156, Nr. 402.
22
Fr. Schlegel, Ideen, KA, Bd. II, S. 256, Nr. 2.
23
Fr. Schlegel, Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 155, Nr. 382.
24
Fr. Schlegel, ebd., S. 155, Nr. 383.
25
Fr. Schlegel, ebd., S. 233, Nr. 485.
2
« Fr. Schlegel, Ideen, KA, Bd. II, S. 266, Nr. 98.
27
Fr. Schlegel, Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 229, Nr. 418.
28
Fr. Schlegel, Ideen, KA, Bd. II, S. 266, Nr. 100.
28
Fr. Schlegel, Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 156, Nr. 397.
30
Schleiermacher, 1. Monolog.

74
WUNDERSCHRIFT DER ENDLICHKEIT

Analogie"31. Der Begriff, den Schleiermacher in die Mitte seiner einschlä-


gigen Anschauungen stellt, ist der der Wechselwirkung zwischen Mensch
und Welt. Erst das Bewußtsein der Wechselwirkung befreit den Men-
schen vom unfruchtbaren In-sich-gekehrt-sein, d. h. wohl von der trocke-
nen philosophischen Spekulation und den „Spitzbergen der reinen Ver-
nunft". Diese Wechselwirkung wird dadurch ermöglicht, daß der Mensch
zugleich Schöpfer und Geschöpf ist: er kann auf die Welt wirken, wie die
Welt auf ihn wirkt, weil „alles der Widerschein seines Geistes, so wie sein
Geist der Abdruck von allem ist"32. Indem er die Welt betrachtet, betrach-
tet der Mensch also nur seinen Widerschein: „alles liegt in ihm"33.
Auch dem Weltbild des Novalis liegt die universelle Entsprechung
von äußerer und innerer Welt, Nicht-Ich und Ich, Makro- und Mikrokosmos
zugrunde. Die Kontinuität der Welt gehört zu seinen Grundüberzeugun-
gen. Universum und menschliches Wesen sind ihm Emanationen derselben
Substanz: jenes ist ihre Elongatur, dieses ihre Abbreviatur. In jeder Hin-
sicht sind beide einander analog. Der menschliche Körper ist ein Glied der
Welt und als solches selbständig, aber „diesem Glied muß das Ganze
entsprechen"34. Verständnis und Erkenntnis der Welt geschehen ebenso
wenig wie bei Schelling auf Grund einer Reflexion über die Welt als Ob-
jekt, sie beruhen nicht auf äußeren Gegebenheiten, sondern ergeben sich
allein aus „Inzitamenten des Organismus", aus einer organischen Ent-
wicklung der Keime der Weltelemente, die wir in uns haben und die von
der Außenwelt lediglich erregt werden 35 . Der menschliche Geist hat „Ana-
logie mit den Bestandteilen und Naturkräften" 36 . Er ist ein „Kosmo-
meter" 37 .
Die Idee vom Mikrokosmos ist übrigens „die höchste für den Men-
schen"38. Das Äußere ist „ein in Geheimniszustand erhobenes Innere (viel-
leicht auch umgekehrt)" 39 und „gleichsam nur ein verteiltes, übersetztes
Innre ein höheres Innre" 40 . Die Untersuchung des einen befähigt zu
Schlüssen über das andere: „Die Physik ist nichts als die Lehre von der
Phantasie" 41 . Novalis bedauert es, daß man bisher die Physik zur Erkennt-
nis des Gemüts und das Gemüt zum Verständnis der Außenwelt so wenig
31
Schleiermacher, Über die Religion, 3. Rede.
32
Ebd., 3. Rede.
33
Ebd., 3. Rede.
34
Fragment 1256.
35
Fragment 18.
38
Fragment 1972.
37
Fragment 1091.
38
Ebd.
39
Fragment 1727.
40
Fragment 1879.
41
Fragment 2635.

75
WUNDERSCHRIFT DER ENDLICHKEIT

benützt hat. Er verspricht sich von solchen Vergleichen wichtige Auf-


schlüsse, namentlich in bezug auf die Selbsterkenntnis, die ihm bislang
dürftig und unzureichend erscheint. Nur die groben „Fachwerke" wurden
notdürftig erforscht und benannt; von ihren „wunderbaren Vermischun-
gen, Gestaltungen, Ubergängen" hat man noch keine Ahnung"; in dieser
Hinsicht könnte die symbolisch orientierte Erforschung der Außenwelt
wichtige Geheimnisse erschließen.
Mit der Anschauung von der Substanzeinheit von Welt und Mensch
hängt auch die ganze Symbolik des Novalis zusammen. Alle Elemente der
äußeren Welt haben eine symbolische Bedeutung in bezug auf die innere
Welt. „Die Welt ist ein Universaltropus des Geistes, ein symbolisches Bild
desselben"43. „Signaturen" nennt er manchmal die symbolischen Andeu-
tungen der Natur44, durch die „das Universum spricht"45. Eine solche
„Wechselrepräsentation des Universums" geht bei ihm jedoch weiter als
bei Schelling und Schlegel; sie ist ihm das Fundament der Magie 4 ', die er
auch als „Sympathie des Zeichens mit dem Bezeichneten" und als eine
„mystische Sprachlehre" definiert47. „So versteht man das Ich nur, insofern
es vom Nicht-Ich repräsentiert wird. Das Nicht-Ich ist das Symbol des Idi
und dient nur zum Selbstverständnis des Ich. So versteht man das Nicht-
Ich umgekehrt nur, insofern es vom Ich repräsentiert wird und dieses sein
Symbol wird" 48 . Auf Grund dieses lebhaft empfundenen Prinzips geht
Novalis von allen Romantikern am weitesten in der Auswertung der
Symbolik. Alles wird ihm zum Symbol: Kleidung49, Staat50, Essen und
Blut51, Gestirne", Licht5®, Gesichtszüge54, Körper55. Schönheit und Güte,
Leben und Geist, Organismus und Philosophismus „symbolisieren sich
einander" 56 . Er verlangt eine „symbolische Behandlung der Naturwissen-
schaften"57: „das System der Wissenschaften soll symbolischer Körper

42
Fragment 2924.
43
Fragment 1126.
44
Fragment 1606,1645.
45
Fragment 1606.
49
Fragment 1600.
" Ebd.
48
Fragment 1507.
4
» Fragment 2349.
50
Fragment 2370.
51
Fragment 1217.
52
Fragment 1396.
5S
Fragment 1210.
54
Fragment 2699.
55
Fragment 2694.
M
Fragment 2354,1878.
57
Fragment 1131.

76
WUNDERSCHRIFT DER ENDLICHKEIT

(Organsystem) unseres Innern werden" 58 . Alles, was der Mensch tut und
läßt, ist „symbolische Philosophie seines Wesens"5". Und Novalis pflichtet
Ritter bei, dessen Grundansicht er u. a. folgendermaßen umschreibt: „Alle
äußeren Prozesse sollen als Symbole und letzte Wirkungen innerer Pro-
zesse begreiflich werden" 60 . Extrem zusammengefaßt, lautet seine An-
schauung: „Ich — Nicht-Ich — höchster Satz aller Wissenschaft und
Kunst""1.
Im Symbolbegriff gründet die romantische Naturauffassimg und zu-
gleich die romantische Dichtungstheorie. Es zeigt sich aber im Gebrauch
des Wortes Symbol bzw. Sinnbild ein Sachverhalt, dem man in allen
ähnlichen Fällen der Geistesgeschichte begegnet. Gerade da, wo das Neue
sich herauszubilden und zu kristallisieren sucht, herrscht fast durchweg
eine große Unklarheit im Wortgebrauch, wobei Widersprüche und Ver-
wechslungen nicht selten sind. Ähnlich wie Lessing um einen passenden
Ausdruck für seine Dichtungstheorie gerungen hat und den Kern seiner
Anschauungen nicht mit der gewünschten Genauigkeit und Folgerichtig-
keit hat formulieren können, versuchen die Frühromantiker oft ver-
geblich, das erahnte und erfühlte Prinzip ihrer Poetik mit Worten zu
umreißen. Wie alles bei Lessing sich um den Begriff des Mitleids dreht,
auch dort, wo er das Wort nicht gebraucht oder es zu gebrauchen zögert,
so kreisen bei den Romantikern die meisten Bemühungen um den Begriff
des Sinnbilds. Wenn auch die größte Unordnung und Inkonsequenz im
Terminologischen herrscht, so ist doch die Richtung der Gedanken deut-
lich. Im Hinblick auf diese Inkonsequenz stört uns heute besonders die
häufige Verwendung des Wortes Allegorie für den Begriff Symbol, beson-
ders bei Friedrich Schlegel. Auch hier hat erst Schelling Klarheit geschaf-
fen, diesmal allerdings mit einer so extremen Konsequenz, daß sie zu-
nächst fragwürdig anmutet, bei genauerem Zusehen aber sich als typisch
für die ganze romantische Geisteshaltung erweist. Symbol ist für Schelling
ein Grenzbegriff, eine Grenzsituation des Geistes und des Fassungsver-
mögens. Die Definition, die er von diesem Begriff gibt, läßt sich auf die
Wirklichkeit der Natur und der Kunst nur äußerst selten anwenden, stellt
aber ein Ideal dar, dem nachzustreben man sich als Romantiker so gut
wie gezwungen fühlen mußte, auch wenn die Aussicht auf Erfüllung nur
gering war.
Das Absolute läßt sich im Besonderen nur symbolisch erkennen. In
Friedrich Schlegels Sprache: „man kann von Gott nicht anders als allego-

58
Fragment 1527.
" Fragment 1512.
60
Fragment 3035.
41
Fragment 858.

77
WUNDERSCHRIFT DER ENDLICHKEIT

lisch reden" 62 . Was ist aber ein Symbol? Schelling unterscheidet drei Er-
scheinungen, die auf den ersten Blick miteinander verwandt scheinen,
sich in Wirklichkeit jedoch als sehr verschieden erweisen. Er nennt sie:
Schematismus, Allegorie, Symbol. Unter Schematismus versteht er eine
Darstellung, in der das Allgemeine das Besondere bedeutet oder in der
das Besondere durch das Allgemeine 'angeschaut' wird. Als Beispiele
führt er an: die Begriffe des Denkens und die Geometrie. Allegorie ist
ihm eine Darstellung, in der das Besondere das Allgemeine bedeutet oder
in der das Allgemeine durch das Besondere 'angeschaut1 wird. Die Bei-
spiele, die er angibt, sind das Handeln und die Arithmetik.
Ausschlaggebend bei der Definition des Schematismus und der Alle-
gorie ist, daß die Darstellung eben nur ein Zeichen ist, daß sie also
etwas anderes als sich selbst bedeutet. Das Symbol unterscheidet sich
nun dadurch von Schematismus und Allegorie, daß es nichts außer sich
Bestehendes veranschaulichen will, sondern daß es zugleich ein Allge-
meines und ein Besonderes ist. Sein und Bedeutung fallen in ihm zusam-
men: „Die Bedeutung ist hier zugleich das Sein selbst, übergegangen in
den Gegenstand, mit ihm eins"63. Das konkrete Bild, das dem Symbol
zugrunde liegt, ist „in sich absolut", unabsichtlich, unbefangen, nach
außen unzweckmäßig, läßt aber die Bedeutung durchschimmern, ja ist
diese Bedeutung selbst. Das Bild ist ein Sinn-Bild, in dem Sinn und Bild
zur Einheit verschmelzen, in dem das Besondere zugleich das Allgemeine
ist. So aufgefaßt, erscheint in Schellings Augen das Symbol folgerichtig
als die Synthesis von Schematismus und Allegorie.

Wenn nun der Schematismus die Tätigkeit des Denkens und die
Allegorie das Gebiet des Handelns charakterisiert und wenn andererseits
das Symbol die Synthesis von Schematismus und Allegorie darstellt, so
muß es eine Kraft des Geistes geben, die geeignet ist, das Symbol zu
fassen, und die daher Denken und Handeln in sich vereinigt. Dieses gei-
stige Organ des Menschen ist die E i n b i l d u n g s k r a f t . Sie ist dem-
nach der Schlüssel zu einer richtigen Auffassung der Natur im romanti-
schen Sinn, weil erst sie die Natur als das, was sie ist, d. h. als ein all-
gemeines Symbol, begreifen kann.
Was ist nun für Schelling die Einbildungskraft? Die Kraft der „In-
einsbildung" der unendlichen Idealität und der endlichen Realität. „Sie
ist die Kraft, wodurch ein Ideales zugleich auch ein Reales, die Seele Leib
ist, die Kraft der Individuation, welche die eigentlich schöpferische ist"64.
62
Fr. Schlegel, Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 347, Nr. 315.
63
Schelling, Philosophie der Kunst, Bd. III, S. 431.
64
Schelling, Philosophie der Kunst, Bd. III, S. 406.

78
WUNDERSCHRIFT DER ENDLICHKEIT

Der schöpferische Aspekt der Einbildungskraft ist schon im vorigen


Kapitel erwähnt worden, und er kommt bei der Behandlung des Kunst-
begriffs wieder zur Sprache. Hier soll nur der Wert der Phantasie als
Vermögen des Naturverständnisses betont werden.
Erst durch die Einbildungskraft kann ein Bild zum Symbol werden,
weil sie allein dazu fähig ist, das Widersprechende zu denken und „einen
unendlichen Gegensatz in einem endlichen Produkt aufzuheben" 65 . Nur
der Einbildungskraft erschließt sich der unendliche Sinn eines besonderen
Gegenstandes, so wie es nur ihr gelingt, Unendliches in Endliches zu
bannen, vorzüglich in der Kunst. Der Verstand muß dabei versagen, weil
er „an der Begrenzung haftet"; die Vernunft ebenfalls, denn sie kann
keine Synthese zwischen dem Unendlichen und dem Endlichen in einem
besonderen Objekt herstellen; ihr gelingt das nur „ideell, urbildlich",
nicht zugleich real, im Nachbild68. Die Einbildungskraft erscheint dem-
nach wieder einmal als eine Synthese des Verstands und der Vernunft,
des Denkens und des Wollens: sie hat die Spontaneität der Vernunft und
die Fähigkeit, sich auf konkrete Dinge anwenden zu lassen, wie der Ver-
stand; sie verbindet das Ding und den Sinn in einem Akt des Geistes. Sie
ist für den Romantiker das höchste Vermögen des menschlichen Gemüts.
Nicht die Vernunft, sondern die 'Fantasie' ist das Göttliche im Geist,
meint Fr. Schlegel67, und er erblickt in ihr das Organ für die Religion' 8
und die Grundlage der Genialität 69 .
Die Unzulänglichkeit des bloßen Verstehens der Natur mit Hilfe des
wissenschaftlichen Denkvermögens wird auch von Schleiermacher pro-
klamiert. E r möchte den Verstand durch den „Sinn" ersetzt wissen, wenn
es auf die Erkenntnis eines Ganzen, wie z. B. das der Natur, ankommt.
Dieser „Sinn" ist eben nichts anderes als „die anschauende Kraft", die
„von ihrem ganzen Reich Besitz nehmen soll", damit jedes Organ „sich
auftut" 70 . Eine solche Zurückweisung des Verstandes auf seine bloß
mechanisch-wissenschaftliche Funktion, die Ablehnung seiner Zuständig-
keit auf dem Gebiet der tieferen Naturbetrachtung und die Hervorhe-
bung des anschauenden Denkens als eines überlegenen und ursprüng-
licheren Erkenntnisvermögens sind gemeinsame romantische Positionen.
In ihrem Wesen läßt sich vielleicht die Romantik als die Aufwertung der
Anschauung in jedem Sinne definieren. Eben als Faktor des Anschauungs-
vermögens im weiten Sinn erfüllt die Einbildungskraft eine so bedeu-
65 Schelling, System des transzendentalen Idealismus, Bd. II, S. 626.
Schelling, Philosophie der Kunst, Bd. III, S. 415.
67 Fr. Schlegel, Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 313, Nr. 1447.
88 Fr. Schlegel, ebd., S. 329, Nr. 57.
69 Vgl. Fr. Schlegel, ebd., S. 475, Nr. 40.
70 Schleiermacher, Über die Religion, 3. Rede.

79
WUNDERSCHRIFT DER ENDLICHKEIT

tende Funktion im romantischen Weltbild. Wer geneigt wäre, die we-


sentlichen Positionen der Frühromantik allgemein auf Schillersche Ge-
dankengänge zurückzuführen, nämlich auf die Kernsätze des Aufsatzes
über naive und sentimentalische Dichtung, müßte haltmachen vor der
Diskrepanz, die sich gerade in diesem Punkt kundtut. Muß bei Schiller der
Dichter unumgänglich zwischen Individualität und Idealität wählen, so
kennzeichnet sich der romantische Dichter ausgerechnet dadurch, daß er
die Idealität nur in der Individualität entdecken und aufzeigen kann. Das
vermag er nur durch die Betätigung des anschauenden Denkens, nament-
lich der Einbildungskraft, weil nur dieses Denken fähig ist, den Symbol-
wert einer Erscheinung und nicht bloß ihre allegorische Bedeutung zu
fassen. Die anschauende Erkenntnis wird die Einheit von Sinn und Bild
gewahr, während sich sonst der Sinn einer Erscheinung erst aus der
diskursiven Reflexion über sie ergibt, was ein wissenschaftlich-philosophi-
sches, aber kein poetisches Denkverfahren darstellt. Schleiermacher geht
so weit, den Begriff W u n d e r zu definieren als eine Begebenheit, die
eine „Andeutung des Universums" in sich birgt. Eine solche Andeutung
kann nur das intuitive Denken wahrnehmen.
Eben als eine Funktion des intuitiven Menschen ist ihm die Phantasie
„das Höchste und Ursprünglichste im Menschen, und außer ihr ist alles
nur Reflexion über sie"71. Die Intuition ist primär und liefert die wesent-
lichen Elemente der Erkenntnis; die Reflexion kann nur mit den von der
Intuition beigesteuerten Erkenntniselementen arbeiten.

71
Schleiermacfcer, ebd., 2. Rede.

80
IV. KUNST

Ein Kapitel in Wackenroders Herzensergießungen fängt mit einer


Lobrede auf die menschliche Sprache an, die eine himmlische Gabe, eine
ewige Wohltat des Schöpfers sei und den Menschen befähige, über den
ganzen Erdkreis zu herrschen. Wenn es jedoch auf die Erfassung des
„Unsichtbaren" ankomme, sei die Sprache der Worte ohnmächtig: „Das
Unsichtbare, das über uns schwebt, ziehen Worte nicht in unser Gemüt
herab" 1 . Gemäß dieser radikalen Mißtrauenserklärung soll die mensch-
liche Sprache zwar dazu dienen, die „Dinge" und die „geistigen Bilder"
der Seele zu benennen; zur Ergründung und Mitteilung des Höchsten
wäre sie dagegen unfähig. Es fragt sich, was dieses Höchste sei. Begriffe
sind es nicht, denn diese werden als „geistige Bilder" bezeichnet und dem
Bereich der Sprache zugeordnet. Als Beispiele für das jeder Sprache spot-
tende Unsichtbare führt Wackenroder die Allmacht und Allgüte Gottes
und die Tugend der Heiligen an, d. h. Vorstellungen, die sich auf das
Gebiet der praktischen Vernunft erstrecken und den Kantschen Ideen ver-
wandt sind2. Nicht so sehr die genaue Definition solcher überbegrifflichen
Vorstellungen ist jedoch für ihn wichtig, sondern eher die Art und Weise,
wie sie in uns entstehen. Sie dringen nämlich nicht in das Gehirn, sondern
in das Herz, das sie „bewegen und erschüttern". Darüber hinaus scheinen
sie, so heißt es, „alle Teile unseres (uns unbegreiflichen) Wesens zu einem
einzigen, neuen Organ zusammenzuschmelzen, welches die himmlischen
Wunder . . . faßt und begreift" 3 . Mit solchem Fassen und Begreifen hat
es eine ziemlich unerwartete Bewandtnis, denn diese undifferenzierten
Wahrnehmungen werden dunkle Gefühle der Geheimnisse des Himmels
genannt4, mit „verhüllten Engeln", die zu uns heruntersteigen, verglichen
1 Wackenroder, Herzensergießungen, S. 67.
2 Mit Recht bemerkt Walzel (Die Sprache der Kunst, S. 5 f.), daß Wackenroder vom
Kunstgefühl richtig — in diesem Falle romantisch — spreche, obschon er den
Zweck der Kunst immer noch für sittlich zu halten scheine. Walzel warnt davor,
Worte des Klosterbruders jeweils als Überzeugungen Wackenroders anzusehen.
Dieser lege den göttlichen Eigenschaften und religiösen Tugenden, die er mehr-
mals erwähnt, den Wert von „Beispielen" für das Göttliche überhaupt bei. Das
Göttliche — nicht die Moral — sei für ihn Zweck und Inhalt der Kunst.
s Wackenroder, Herzensergießungen, S. 70.
4 Ebd., S. 69.

81
6 Nivelle
KUNST

und als „echte Zeugen der Wahrheit" angesehen 5 . Diese Gefühle und
Gesinnungen, „oder wie man es nennen mag", offenbaren das Unsicht-
bare, läutern das Gemüt und stimmen den inneren Sinn „tugendselig".
Die höchste Erkenntnis — und darunter versteht Wackenroder die
Erkenntnis Gottes und der „religiösen Tugend" — erfolgt also nicht etwa
auf dem Wege der „irdischen Beleuchtung", d. h. der wissenschaftlichen
Forschung und der philosophischen Reflexion, sondern mit Hilfe der
„dunklen Gefühle", an denen unser ganzes Wesen teilnimmt. In der
Sprache Schleiermachers ist die Tätigkeit des ungeteilten Gemüts eine
Funktion des „Sinnes". Das Wackenrodersche Gefühl für das Unsichtbare
scheint also mit Schleiermachers Sinn für das Unendliche eng verwandt.
Daneben erinnert es eindeutig an Wilhelm Schlegels Auffassung des Ge-
fühls, „insofern es nicht bloß sinnlich und leidend ist", d. h. an „unsern
Sinn, unser Organ für das Unendliche, das sich uns zu Ideen gestaltet" 6 .
Das Wort Ideen gebraucht Schlegel im Kantschen Sinn für das verstandes-
mäßig Unfaßbare, zu dem uns Gefühle und Ahnungen den Weg weisen;
in diesen scheint sich nämlich „das dunkle Rätsel unseres Daseins" auf-
zulösen7.
Gefühle, Gesinnungen, Ahnungen lassen sich nun in keine Verstan-
desbegriffe hineinzwängen und in keiner menschlichen Wortsprache voll
und angemessen ausdrücken. Sie müßten ewig im Labyrinth der Brust
befangen bleiben, wenn der Mensch nach Wackenroders Meinung nicht
über zwei Möglichkeiten verfügte, sie unter gewissen Umständen stärker
zu empfinden und indirekt auch auszudrücken. Diese beiden Möglich-
keiten sind die „zwei wunderbaren Sprachen" der Natur und der Kunst.
Die Natur ist für Wackenroder „das gründlichste und deutlichste Er-
klärungsbuch über [Gottes] Wesen und Eigenschaften" 8 , sie spricht zu
uns wie „abgebrochene Orakelsprüche aus dem Munde der Gottheit"'.
Die Kunst ihrerseits ist eine Hieroglyphenschrift, die das Übersinnliche
in sichtbare Gestalten hineinschmilzt10. Kunst und Natur erfüllen dem-
nach eine ähnliche Funktion in bezug auf die Erkenntnis des Höchsten.
Die Bedeutung der Natur für den Menschen liegt nach Wackenroder
darin, daß sie Gefühle für die Gottheit erweckt, die nun einmal bessere
Zeugen der Wahrheit sind als irgendwelche Vernunftschlüsse. Das Wie
solcher Erweckung bleibt notwendigerweise geheimnisvoll, da sie in

5
Ebd., S. 69.
6
A. W. Schlegel, Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, Bd. VI, S. 20 f.
7
A. W. Schlegel, An Fouque, Bd. VIII, S. 145.
8
Wackenroder, Herzensergießungen, S. 68.
» Ebd., S. 71.
10
Ebd., S. 69.

82
KUNST

menschlicher Sprache nicht voll sagbar ist. Wie das Säuseln in den Wip-
feln des Waldes und das Rollen des Donners „Dinge von Gott" erzählen,
wie „ein schönes Tal, von abenteuerlichen Felsgestalten umschlossen, oder
ein glatter Fluß, worin gebeugte Bäume sich spiegeln, oder eine heitere
grüne Wiese von dem blauen Himmel beschienen" den Geist mit der All-
macht und Allgüte Gottes innig erfüllen und die Seele erheben, ist ein
individuelles Erlebnis Wackenroders, das für ein verwandtes Gemüt viel-
leicht nachvollziehbar ist, sich jedoch nicht im ursächlichen Zusammen-
hang darlegen läßt11. Dabei handelt es sich nicht so sehr um wirkliche
Bilder, sondern eher, mit Friedrich Schlegels Worten, um Andeutungen
des Göttlichen. Ob nun die Bedeutung der Natur als das Göttliche oder
das Unsichtbare, das Unendliche, das Übersinnliche, das Himmlische, das
Absolute, das Unbedingte bezeichnet wird, ist im Grunde einerlei und
spielt jedenfalls für die Richtung des romantischen Geistes überhaupt
keine Rolle. August Wilhelm Schlegel hat alle diese Begriffe für gleich-
bedeutend erklärt, und in der Hinsicht kann man ihm vertrauen12. Nicht
das Objekt ist interessant, sondern die Richtung des Geistes auf das Uber-
natürliche und Uberbegriffliche hin. Wackenroder und den Jenaern
kommt es auf die „wunderbaren Regungen" der Seele an, denen ein
Objekt untergeschoben wird. Daß dieses Objekt bei Wackenroder Gott
heißt, hat trotz der Worte von der Allmacht und der Allgüte mit einer
streng religiösen Vorstellung nichts gemein. Es wird ganz einfach ein
herkömmliches Gottesdenken auf eine Erregung individueller Nerven-
zustände angewendet. Der Wackenrodersche Gott ist nichts anderes als
die romantische Poesie.
Die zweite wunderbare Sprache, die Wackenroder für fähig hält, das
Unsichtbare auszudrücken, ist die Kunst, eine Hieroglyphenschrift, die
Geistiges und Ubersinnliches in endliche Zeichen, in „sichtbare Gestal-
ten" bannt 13 . Mit dieser Definition ist die romantische Grundanschauung
der Kunst formuliert und die Funktionsverwandtschaft von Kunst und
Natur klar herausgestellt. Die Kunst erzielt auf ihren Betrachter eine ähn-
liche Wirkung wie die Natur auf ihren Liebhaber. Sie stellt das Unend-
liche symbolisch dar; sie bewirkt nach Schellings Worten eine „Darstel-
lung des Absoluten oder des Universums in einem Besonderen"14. Im
Kunstwerk fällt das Besondere des Gegenstandes mit dem Allgemeinen
der Idee zusammen, das Ding ist zugleich der Begriff, das Individuum
die Gattimg. Es vollzieht sich eine „Einbildung des Unendlichen ins End-
liche", und damit wird ein unendlicher Gegensatz in einem endlichen
11
Ebd., S. 68.
12
Vgl. A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 77.
13
Wackenroder, Herzensergießungen, S. 69.
14
Schelling, Philosophie der Kunst, 3. Ergänzungsband, S. 285.

83
6'
KUNST

Produkt aufgehoben. Das Kunstwerk ist so „real" wie ein Naturelement


und so „ideal" wie die romantisch gedeutete Natur. In ihm herrscht eine
vollkommene Einheit von Sinn und Bild, von Unendlichkeit und Endlich-
keit, von Idee und Gegenstand; es bringt eine „reale Darstellung der
Identität des Subjektiven und des Objektiven" 15 und ist insofern das kon-
krete Ebenbild der intellektuellen Anschauung, ihr Ausdruck im Reiche
des Sichtbaren. Die Kunst läßt sich demnach als eine Darstellung des Ich
definieren: das Ich als Identität von Objekt und Subjekt im Akt der intel-
lektuellen Anschauung findet im Kunstwerk seine sichtbare Entsprechung.
Das Kunstwerk ist demnach die ins Konkret-Sinnliche übertragene intel-
lektuelle Anschauung.
Einer solchen Definition liegt die romantische Auffassung des Sym-
bolbegriffs zugrunde. Um ihre Funktion zu erfüllen, muß die Kunst im
strengen Sinn des Wortes symbolisch sein und darf es nicht etwa bei der
Allegorie oder dem Schematismus bewenden lassen. Damit wird das
Symbolische zum Wertmaßstab erhoben: ein Kunstwerk kann nur dann
als solches betrachtet werden, wenn es zugleich einen konkreten, indivi-
duellen Gegenstand und die unendliche, geistige Bedeutimg dieses Ge-
genstandes darbietet, wenn der Sinn sich unmittelbar aus dem Bild ergibt,
wenn die Idee durch die besondere Darstellung hindurchschimmert. Im
Gegensatz zur Allegorie, die beim Begriff stehen bleibt, erhebt sich das
Symbol auf die Ebene der Idee. Das Sinnbild hat jeweils eine „göttliche"
Bedeutung, während Allegorie und Schematismus im Reiche des Begriff-
lichen bleiben. „Enthüllerin der Ideen", „Verkünderin göttlicher Ge-
heimnisse" kann die Kunst nur dank dem Symbolwert ihrer Darstellungen
genannt werden. Ihre konkrete Gestalt läßt sie andererseits als das
„Organon" bzw. das „Dokument" der Philosophie erscheinen: sie zeigt
im Bereich des Realen, was die Philosophie im rein Idealen vollzieht16.
Indem sie in ihrem jeweiligen Gegenstand die Idee herausstellt, er-
hebt die Kunst ihre Produkte auf die Ebene der Ewigkeit. Jeder Augen-
blick des Daseins, der von ihr verklärt wird, erhält einen ewigen Bestand;
er erscheint in „seinem reinen Sein"17. Die Kunst ermöglicht es, das Ewige
„gleichsam in sichtbarer Gestalt" anzuschauen.
Der Symbolwert, der jeder Kunstschöpfung innewohnen muß und
der ihr über alle Zeitbestimmungen hinaus zur Ewigkeit verhilft, liefert,
wie gesagt, den wichtigsten Maßstab der Kunst und schließt eine ganze
Reihe menschlicher Leistungen aus ihrem Gebiet aus. Das Gefühl, vor
Ewigem zu stehen, die Urbilder der Gegenstände anzuschauen, wird zum

15
Ebd., S. 231.
16
Sdielling, System des transzendentalen Idealismus, Bd. II, S. 627.
17
Schelling, Philosophie der Kunst, 3. Ergänzungsband, S. 403.

84
KUNST

Kriterium des gültigen Kunstwerks. Diesem Kriterium werden zum Bei-


spiel solche Werke nicht gerecht, in denen die Form das Hauptanliegen
und der Ausgangspunkt gewesen ist und die deswegen „als Merkmal ihres
Ursprungs eine unausfüllbare Leere [zeigen] an eben der Stelle, wo wir
das Vollendete, Wesentliche, Letzte erwarten" 18 . An sich ist die Form kein
schöpferisches Kunstprinzip; sie reicht nicht aus, das 'Wunder' der Kunst
hervorzubringen, das eben darin besteht, daß das Zufällige zum Notwen-
digen, das Endliche zum Unendlichen verwandelt wird. Die Einschrän-
kung der Form auf die untergeordnete Rolle eines Mittels im Dienste der
unendlichen Bedeutung ist ein gemeinsamer Glaubensartikel der Früh-
romantik. Wenn die Form zur Hauptsorge oder zum Hauptzweck erhoben
wird, führt sie zwangsläufig zur Bedeutungslosigkeit des Kunstwerks. Der
Betrachter darf es der Schönheit der Ausführung nicht anmerken, daß sie
um ihrer selbst willen angestrebt wurde und in der Konzeption und der
Arbeit des Künstlers an erster Stelle gestanden hat; sonst verliert das
Werk seine Zugehörigkeit zum Reich der Kunst19.
Ebensowenig kann der Inhalt an sich das Wunder der Kunst bewir-
ken. Eine Darstellung, die bis zur Täuschung „wahr" anmutet, eine ge-
treue Nachahmung der Natur, die den Schein der Wirklichkeit hervor-
ruft und eine noch so vollkommene Illusion zuwegebringt, ist in bezug
auf die Funktion der Kunst nebensächlich und kann zu leblosen Bildern
führen. Die Nachahmung hat keinen Anteil am eigentlichen Wesen der
Kunst. Nicht einmal in den bildenden Künsten darf sie die Hauptrolle
spielen. Das dargestellte Bild ist jeweils nur „Chiffre, Ausdruck, Werk-
zeug der Reproduktion". Die Kunst des Malers liegt nicht etwa in der
treuen Wiedergabe des Gegebenen, sondern im „aktiven Sehen", wie die
des Musikers im „aktiven Hören", im Heraus- und Hineinhören, im um-
gekehrten Gebrauch der Sinne besteht. Der Künstler darf kein bloßer
Spiegel der Wirklichkeit, keine bloße camera obscura sein. Der Musiker
hört seine Idee aus sich heraus und in die Noten hinein; der Maler sieht
sie aus seiner Seele heraus und in sein Bild hinein. Jeder echte Künstler
muß zuerst seine Organe aktivieren, den „Keim des selbstbildenden
Lebens" in ihnen zur Entfaltung bringen, um sie zu Werkzeugen seiner
selbstkonzipierten Idee und nicht nur der passiven Aufnahme der Welt
zu machen20. „Tätiger Gebrauch der Organe" heißt dieses Phänomen in
der Sprache des Novalis. Damit verliert die Mimesis-Theorie jede Gültig-
keit für die romantische Kunstanschauung. Die Nachahmung der Wirk-
lichkeit stellt bloß die eine konkrete Hälfte der Kunst dar, deren tieferes
18
Ebd., S. 396.
19
Vgl. Fr. Schlegel, Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst, KA, Bd. IV,
S. 134.
20
Vgl. Novalis, Fragment 1000.

85
KUNST

Wesen nicht in irgendeiner Mimesis, sondern im Hervorbringen und im


Ausdrücken von Ideen besteht. Die in der Kunst dargestellte Wirklich-
keit gewinnt den Wert einer Hieroglyphe. Im Hieroglyphischen, nicht in
der Mimesis, wurzelt der romantische Kunstbegriff21.
Ebensowenig wie die bloße Wiedergabe der Wirklichkeit darf die
Mitteilung von „einzelnen abstrakten, also bestimmten und beschränk-
ten Begriffen" der Zweck der Kunst sein. Nicht die Begriffe als Inhalts-
elemente sind entscheidend, sondern das, was Friedrich Schlegel die „Be-
deutung des Ganzen" nennt. Und diese Bedeutung darf ihrerseits keine
bloß begriffliche sein, sonst ist das Werk ein „Gebild der Absicht", der
„Leiter eines Zwecks". Eine Dichtung, deren Bedeutung sich in einen Be-
griff zusammenfassen ließe, wäre „künstliche Poesie, zur Poesie gewor-
dene Philosophie", und schon deshalb ginge ihr die Eigenschaft als Kunst-
werk ab. Sie wäre das, was Novalis mit dem Worte 'technisch' charakteri-
siert: mittels einer eigens zu diesem Zweck erdichteten Gegebenheit
wolle sie einen „beabsichtigten Gedanken" im Leser erwecken und habe
eine „verständliche Mitteilung" zum Ziel22. Wenn ein sogenanntes Kunst-
werk sich auf Begriffe zurückführen läßt, fällt es aus dem Bereich der
schönen Kunst heraus. Es entspricht dann nicht der Forderung nach einer
'unendlichen1 Bedeutung, die jeden Begriff transzendieren und ins Reich
der Ideen hinauftragen soll. Poesie und Philosophie sind zwar miteinan-
der verwandt, aber in einem anderen Sinn und auf einer anderen Ebene.
Der unendlichen, symbolischen Bedeutung haben alle einzelnen
formalen und inhaltlichen Elemente zu dienen. Weder die Form noch der
Inhalt können den Zweck der Kunst erfüllen; sie müssen von einem drit-
ten Moment, das über beiden steht, bestimmt werden. Dieses dritte
Moment — bei Friedrich Schlegel Bedeutung des Ganzen genannt —
trägt verschiedene Namen: Idee, schaffende Idea, lebendiger Begriff. So
heißt es bei Schelling: „Wir verlangen . . . nicht das Individuum, wir ver-
langen mehr zu sehen, den lebendigen Begriff desselben"; alles übrige sei
nämlich „wesenlos und eitler Schatten"23. Erst durch die Herausstellung
dieses lebendigen Begriffs wird das Individuum zu „einer Welt für sich,
einer Gattung, einem ewigen Urbild". Der Künstler hat dieses Urbild
symbolisch darzustellen; er läßt es den Stoff des Werkes von innen heraus
bilden und beleben. Das theion der Kunst liegt gerade darin, daß die
„schaffende Kraft" oder die „tätige Wissenschaft" durch die besondere
Darstellung hindurchschimmert.

21
Vgl. Fr. Schlegel, Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst, KA, Bd. IV,
S. 150 f.
22
Novalis, Fragment 989.
23
Schelling, Philosophie der Kunst, 3. Ergänzungsband, S. 402 und 404.

86
KUNST

Die gefährlichste Klippe, die in der Kunstschöpfung unbedingt ge-


mieden werden soll, ist die Allegorisierung des Inhalts, d. h. die Tren-
nung von Bild und Sinn. Daher ist die Einheit des Kunstwerks die erste,
unumgängliche Voraussetzung seiner Vollkommenheit. Dabei ist Einheit
zunächst gemeint als Einheit von Idee und 'Leben, von Idee und kon-
kreter Darstellung. Diese Einheit soll schon die 'innere Form' des Werkes
prägen, und sie bedingt seine 'Bedeutung'. Friedrich Schlegel ist davon
überzeugt, daß die Vollkommenheit der Kunst sich nur da findet, „wo die
Idee und das Leben völlig eins sind in einem Werke . . . Die Idee, wenn
sie allein vorherrschend ist, gebiert Werke, die kalt und tot sind oder in
geringerem Maße wenigstens den Vorwurf der Kälte auf sich laden. Wer
auf der anderen Seite nur nach dem Leben hascht in der Kunst, der kann
wohl Effekt machen.. ., aber mit der Idee fehlt dem Werke auch die
tiefere Bedeutung, ja alle innere Form, welches doch die erste und
wesentlichste Bedingung der Kunst ist"24. Schon die innere Form eines
Werkes besteht demnach in der Durchleuchtung des Inhalts durch die
Idee, in der Vermählung, ja in der Identität des Realen und des Idealen,
in „jener mysteriösen Vereinigung entgegengesetzter Elemente". In der
echten Kunst „durchdringen sich widersprechende Kräfte bis zur Sätti-
gung, und da wird immer auch ein neues Lebendiges hervorgehen" 25 .
Dieses neue Lebendige ist nichts anderes als das Symbol, „das höhere
Symbolische, die Andeutung des Göttlichen in einem Ganzen" 26 . Eben in
einer solchen Andeutung liegt die sogenannte Bedeutung des Ganzen, in
der die „Würde" der Kunst erblickt wird27.
Das eigentliche Wesen der Kunst liegt mithin in der sinnvollen Ver-
klärung der dargestellten Gegenstände, einem Vorgang, den Novalis mit
dem Worte Romantisierung bezeichnet28. Friedrich Schlegel stellt das
Prinzip u. a. am Beispiel der Malerei auf: auch sie bezweckt eine „höhere
Bedeutung", ohne die „Landschaft und Stilleben in bloße Künstlichkeit
und Uberwindung des Schwierigen... oder aber vollends in täuschende
Nachahmung des bloß Gefälligen und gänzliche Plattheit sich verirren"2®.
Die Bedeutung des Gemäldes ergibt sich wie die des Dichtwerks aus dem
Ganzen. Das setzt die Einheit dieses Ganzen voraus; es muß „ursprüng-
lich und ewig eins sein". Schon in der Konzeption müssen alle materiel-
len und geistigen Komponenten zusammenhängen und sich gegenseitig
bestimmen, und die Einheit der inneren Form muß sich der endgültigen
24
Fr. Schlegel, Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst, KA, Bd. IV, S. 248 f.
25
Ebd., S. 134 f.
28
Ebd., S. 135.
27
Ebd., S. 25.
28
Vgl. Fr. Schlegel, Geschichte der alten und neuen Literatur, KA, Bd. VI, S. 276.
29
Fr. Schlegel, Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst, KA, Bd. IV, S. 72.

87
KUNST

Gestalt des Werkes aufprägen. Alle Elemente, wie Zeichnung, Ausdrude,


Komposition, Kolorit usw., sollen den Eindruck erwecken, als könnten sie
nicht in einer anderen Zusammenstellung bestehen und als wären sie nicht
voneinander zu trennen. Sonst entflieht der „höhere Geist"30, dessen Ver-
kündung die eigentliche Aufgabe des Künstlers darstellt. Der Maler muß
seinen Gegenstand „eigentümlich sich denken und ordnen, seine eigene
Bedeutung ihm leihen, sonst trag' er nicht diesen Namen und sei bloßer
Kopist"31. Diese Forderung führt zum Gesetz der Individualität, von dem
unten die Rede ist.
Die Bedeutung des Gemäldes ergibt sich aus der Grundeinheit von
Darstellung und Idee, und diese Bedeutung ist das Göttliche. Auf die
Frage, was denn das Göttliche in der Natur sei, das es im Kunstwerk aus-
zudrücken gelte, antwortet Friedrich Schlegel: „Nicht das Leben und die
Kraft allein, sondern das Eine und Unbegreifliche, der Geist, das Bedeu-
tende, die Eigentümlichkeit. Und dieses, so glauben wir, ist die eigent-
liche Sphäre der Malerei"32. Ohne göttliche Bedeutung gibt es kein Kunst-
werk im eigentlichen Sinn des Wortes: „es gilt nur dieses: wessen Bedeu-
tung nicht göttlich ist, das ist nichtig oder unbedeutend" 33 . Allein die
göttliche Bedeutung ist es, die „die Schönheit zur Schönheit und das Ideal
zum Ideal macht". Das Wesen der Kunst liegt gerade in der Vermählung
von Schönheit und Ideal durch das Medium der Bedeutung 34 . Nur die
Bedeutung hat „Dasein und Realität" 35 ; nur sie zeigt „die Natur der
Natur, das Leben des Lebens, den Menschen im Menschen"36. Alles
andere ist nur „Mittel, dienendes Glied und Buchstabe"37.
Den „Buchstaben", die materiellen Bilder des Inhalts, kann die
Kunst selbstverständlich nicht entbehren. Ihre Eigentümlichkeit besteht
gerade darin, daß sie sich des Konkreten bedient, um eine unendliche Be-
deutung zu verkünden. Es kann nicht ihre Aufgabe sein, das Göttliche
anzudeuten, wie ©s sich „rein von allen Verhältnissen und in heiterm
Frieden" denken und ahnen läßt. Im Gegenteil, sie offenbart es „in
seinem beschränkten Verhältnis, wie das Göttliche selbst im irdischen Da-
sein noch durchbricht und auch da erscheint"38. Romantische Kunst besteht
also im Herausfühlen einer göttlichen Bedeutung aus der Welt bzw. im

30
Ebd., S. 74 f.
31
Ebd., S. 75.
32
Ebd., S. 77.
33
Fr. Schlegel, Philosophische Vorlesungen (Windischmann), II, S. 439 f.
34
Fr. Schlegel, Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst, KA, Bd. IV, S. 203.
35
Fr. Schlegel, Über Lessing, KA, Bd. II, S. 414.
38
Ebd.
37
Fr. Schlegel, Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst, KA, Bd. IV, S. 150 f.
38
Ebd., S. 92.

88
KUNST

Hineinlegen einer solchen Bedeutung in die Welt. Jede gelungene 'Nach-


bildung' der Natur enthält eine Andeutung des Göttlichen. Als Beispiel
wird von Friedrich Schlegel die gotische Baukunst herangezogen, die „das
Unendliche gleichsam unmittelbar darstellt und vergegenwärtigt durch
die bloße Nachbildung der Naturfülle" 39 , wobei das Wort 'unmittelbar'
im strengen Sinn zu verstehen ist. Die Kunst verwirklicht die Identität des
Inhalts (der Nachbildung) und der Idee (des Unendlichen) ohne jeden
Umweg über bestimmte Begriffe oder abstrakte Vorstellungen. Ein
solches Überspringen der verstandesmäßigen Bedeutung kennzeichnet
das künstlerische Symbol in romantischer Sicht. Genau wie für Schiller
in seinem Aufsatz über naive und sentimentalische Dichtung fällt für die
Romantiker das Gebiet des Verstandes aus dem Hoheitsbereich der Kunst
heraus, in dem der Begriff als solcher nichts zu suchen hat. Die Bedeutung
eines Kunstwerks geht über alle möglichen Begriffe hinaus und kann nur
im Bereich der Idee, des Göttlichen liegen.
Die Kunst erstreckt sich auf das Gebiet des Sinnlichen und des Über-
sinnlichen; sie versöhnt diese beiden Extreme miteinander im Werk. Ihr
eigentlicher Mittelpunkt liegt freilich im Übersinnlichen, aber sie unter-
scheidet sich von dem reinen Denken dadurch, daß sie das Übersinnliche
im Sinnlichen ausdrückt und durch ihr symbolisches Verfahren Ideen ver-
anschaulicht, die das reine Denken nicht zu fassen vermag. Alles Endliche
ist für den Künstler ein Gleichnis des Unendlichen; der Wert des End-
lichen liegt überhaupt in diesem seinem Gleichnischarakter. „Das Zen-
trum der Poesie liegt im Supernatürlichen", meint Friedrich Schlegel,
„aber sie beschreibt den ganzen Umkreis"40. Den ganzen Umkreis der
sichtbaren Welt zu umfassen und darzustellen, ist die materielle Aufgabe
der Kunst; die „Nachahmung des Einzelnen" gehört mit in ihre Defini-
tion41. Das Einzelne ist aber jeweils nur Mittel zum Zweck, und eine Ver-
wechslung von Mittel und Zweck ist verhängnisvoll. Im Kunstwerk steht
alles im Dienste der unendlichen Bedeutung des Ganzen.
Durch das Gewicht, das auf die Bedeutung gelegt wird, gewinnt die
frühromantische Kunsttheorie ab und zu den Anschein, als wäre die un-
umgängliche konkrete Darstellung ein kleineres Übel und als bedauere es
der romantische Künstler, den Umweg über konkrete Anschauungen
machen zu müssen. Auch wenn dieser Anschein von manchen frühromanti-
schen Schöpfungen bisweilen bestätigt wird, wäre es ein grundsätzlicher
Irrtum, ihn für die tiefere romantische Ansicht zu halten. Diese vernach-
lässigt den sichtbaren Inhalt nicht, auch wenn er den Zweck der Kunst

39 Ebd., S. 180.
40 Fr. Schlegel, in Schriften und Fragmente (Kröners Taschenausgabe), S. 136.
41 Vgl. Fr. Schlegel, Über das Studium der griechischen Poesie, S. 125 u. a.

89
KUNST

nicht ausmacht. Im Gegenteil, die konkrete Darstellung ist ein Vorzug der
Kunst gerade auch im Hinblick auf die unendliche Bedeutung. Liegt doch
das Wesen der Kunst im Gegensatz zur Philosophie nicht in der abstrakten
Darlegung eines Gedankensystems, sondern in der Entdeckung des Uber-
sinnlichen im Sinnlichen. Das Sinnliche, „die Natur und die Menschheit",
um mit Friedrich Schlegel zu sprechen, ist der „eigentliche" und „nächste"
Gegenstand der Kunst, ihr „körperlicher Boden", die „Hülle", der
„irdische Stoff", aus dem die höhere und geistige Welt hervorschimmert42.
Und diese übersinnliche Welt, die sich aus der konkreten Darstellung
ergibt, fällt nicht mit derjenigen zusammen, auf die die metaphysische
Reflexion sich richtet. Das Bildliche der Kunst eröffnet vielmehr Aussich-
ten in eine existenzbezogene geistige Welt, in das Geheimnis des indi-
viduellen Gemüts, in das Geranke der Seelenkräfte, deren Urgründigkeit
es offenbart. Nicht von ungefähr erscheint das Gefühl in romantischer
Sprache als der Sinn für Ideen. Das Unendliche, das die Kunst 'andeutet',
ist nicht etwa nur ein Begriff von Gott, sondern eine Ahnung der eigenen
Bestimmung, eine Offenbarung der eigenen Seele und der Urkräfte, die
sie beleben. Das Unendliche darf man sich nicht als eine Vorstellung
denken, die im Reiche der Theologie oder etwa der Kosmogonie behei-
matet wäre. Es ist viel eher die ewige Welt der Seelenkräfte, mit deren
Hilfe wir die Gegenständlichkeit des Universums wahrnehmen und auf
deren Entsprechungen in der äußeren Welt der Künstler sein Augenmerk
richtet. Am aufschlußreichsten ist in dieser Hinsicht das Märchen im neun-
ten Kapitel des Heinrich von Ofterdingen, in dem die Welt der Seele mit
den Kräften des Weltalls in Berührung gebracht wird, was die Neugeburt
des goldenen Zeitalters zur Folge hat.
Das Novalis'sche Märchen enthält insofern die Mythologie der
Romantik, als es den Sinn für die universelle Entsprechung der äußeren
und der inneren Welt bekundet und zu veranschaulichen sucht. Die allge-
meine Entsprechung zwischen den Kräften, die das Weltall beseelen, und
denen der menschlichen Seele bildet die Grundlage des romantischen
Symbolbegriffs und damit zugleich der romantischen Kunstauffassung.
Die Einzeldinge und Einzelerscheinungen der äußeren Welt sind endlich-
real, indem sie in Raum und Zeit existieren, und zugleich unendlich-ideal,
indem sie auf die Kräfte hinweisen, aus denen sie entstanden sind. Die
einzelnen Handlungen und Seelenzustände der inneren Welt sind end-
lich-real, insofern sie zu der Welt der Erscheinungen gehören, und zu-
gleich unendlich-ideal in dem Maße, in dem sie die ewigen Urkräfte der
Seele als ihre Auswirkungen nach außen hin konkretisieren. Da nun die
Kräfte des Weltalls und die der Seele einander entsprechen und sogar zu-
42 Fr. Schlegel, Geschichte der alten und neuen Literatur, KA, Bd. VI, S. 276.

90
KUNST

sammenfallen, kann ein Einzelding der äußeren Welt, das als Gegenstand
der Kunst, als Bild im Kunstwerk fungiert, das Unendlich-Ideale der Seele
symbolisieren. Insofern sind alle echten Bilder, die der Künstler schafft,
in der eigentlichen Bedeutung des Wortes Sinnbilder.
Die Symbolkraft der Bilder gibt der Kunst ihren Vorsprung vor der
Philosophie bei der Erhellung der inneren Welt. Während der Philosoph
gezwungen ist, in rationalen Kategorien zu denken und alles, was sich
nicht in Begriffe fassen läßt, im Dunkel zu lassen, drückt der Künstler
Ideen aus, die, um mit Wackenroder zu sprechen, in unser Herz ein-
dringen, d. h. er erweckt Vorstellungen, die nicht ausschließlich Gegen-
stand der Vernunft sind, sondern das ganze Gemüt angehen. Die Kunst
drückt das aus, „was nicht in einen Begriff zusammengefaßt werden
kann", sagt Friedrich Schlegel43. Darin besteht ihre spezifische Aufgabe;
sie stellt den symbolisch-anschaulichen Weg der Erkenntnis dar. So kann
sie mit Recht als Erkenntnis des philosophisch Unerkennbaren, als Ent-
hüllerin des begrifflich Unergründlichen, als Aussage des rational Unaus-
sprechlichen definiert werden. „Das Höchste kann man eben, weil es
unaussprechlich ist, nur allegorisch sagen", meint Friedrich Schlegel44,
wobei er wie gewöhnlich „allegorisch" schreibt, wo andere „symbolisch"
sagen würden. Die Kunst erscheint demnach als eine Steigerung der
Philosophie: ihre eigentliche Funktion fängt da an, wo die Philosophie
aufhört. Sie offenbart das Nichtbegriffliche, und zwar sowohl im Reiche
der Gefühle, der Ahnungen, der Gesinnungen als auch im Reiche des
Imaginären und Phantastischen, des Irrationalen und Unbewußten.
Die Andeutung der lebendigen Kräfte durch die Sinnbilder der
Kunst, die Offenbarung der 'Wahrheit des Ewigen' durch den 'Schein des
Endlichen' soll bis zur Enthüllung der Grundkraft reichen, die dem Welt-
all und der Seele gemeinsam ist und die Friedrich Schlegel als Liebe be-
zeichnet. Das Wort 'das Höchste' hat in seiner Sprache keine andere
Bedeutung als die Liebe, die ihm bekanntlich ein Synonym für Gott ist.
Die Liebe als Grundkraft ist das „überall Eine", das nur durch die Kunst
„in seiner ungeteilten Einheit" dargestellt werden kann. Die Offenba-
rung dieser Grundkraft ist das letzte und höchste Ziel der romantischen
Kunst. Alles Bildhafte im Kunstwerk, Personen, Begebenheiten, Situatio-
nen, Neigungen, Konflikte, ist „Hieroglyphe der einen ewigen Liebe und
der heiligen Lebensfülle der liebenden Natur" 45 . Liebe als Urgrund der
schöpferischen Natur entspricht der „höheren idealischen Ansicht der
Dinge", in welcher „unstreitig" das Wesen der Kunst gipfelt48. Wer also
43 Fr. Schlegel, Geschichte der europäischen Literatur, KA, Bd. XI, S. 9.
44 Fr. Sdilegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 324.
45 Ebd., S. 334.
48 Ebd., S. 323.

91
KUNST

fähig ist, die Welt als eine Schöpfung der göttlichen Liebe anzusehen und
in ihr die Spur des Schöpfers zu entdecken, hat die Anlage zum romanti-
schen Künstlertum. Die Welt erscheint ihm als eine Reihe von „Bruch-
stücken eines großen untergegangenen Dichters. Dieser Dichter ist
Gott"47. Und alle Kunstwerke als jeweilige Antworten des Menschen an
Gott (Wackenroder) sind „nur Bruchstücke der ersten Offenbarung des
Menschengeschlechts — Bestrebungen, dieses einzige, große, ursprüng-
liche Gedicht ganz auszusprechen und darzustellen" 48 . Der romantische
Künstler rekonstruiert das fragmentarisch auf ihn gekommene Weltge-
dicht. Ein wirklicher Nach- und Neuschöpfer, trägt er Überbleibsel der
ursprünglichen Offenbarung zusammen und ordnet sie nach seiner Idee.
Dem wahren künstlerischen Gefühl wird die Welt durchsichtig, ihm ent-
hüllt sie ihr inneres Leben. Mit Freude notiert sich Friedrich Schlegel eine
glückliche Formulierung dieser Grundanschauung in einem Gedicht
Lamartines: „Ce monde, qui te cache, est transparent pour moi"49.
Die künstlerisch angeschaute und dargestellte Welt verrät ihren un-
endlichen Sinn. Ihr wohnt dieser Sinn inne; es gilt nur, ihn zu entdecken.
Die sichtbare Natur und mit ihr der menschliche Körper sind nur Hüllen
des ewigen Sinnes; sie unterscheiden sich nicht wesentlich von der unsicht-
baren Welt, sie haben vielmehr an ihr teil. Das Unendliche findet sich nur
im Endlichen, das Jenseits ragt ins Diesseits hinein, das Unsichtbare ver-
quickt sich mit dem Sichtbaren. Es gibt nur eine Welt; zu Unrecht trennt
man sie in Dies- und Jenseits; es herrscht eine Grundeinheit im ganzen
Weltall50. Alles ist in allem und mit allem verbunden. Der Teil wird nur
durch das Ganze verständlich, jeder Gegenstand enthält das Prinzip des
Ganzen, das Ganze der sichtbaren Natur bekommt erst durch seine
geistige Bedeutung seinen vollen Sinn. Es hängt alles zusammen, und das
Prinzip dieses universellen Zusammenhangs ist für Friedrich Schlegel die
Liebe. Aus solchen Vorstellungen ergibt sich das Gesetz der allgemeinen
Entsprechung fast zwangsläufig. „Der wahre Mensch", schreibt Friedrich
Schlegel, „sieht in jedem Gegenstand ein Analogon der Welt" 51 . Das beste
Beispiel für den Weltzusammenhang ist jedoch der Mensch selbst. Er hat
an beiden Bereichen, dem sichtbaren und dem unsichtbaren, teil: „Denke
dir ein Endliches ins Unendliche gebildet, so denkst du einen Menschen"52.
Die bei allen Romantikern anzutreffende Idee des Mikrokosmos
weist auf eine ähnliche Anschauung. Sie besagt nämlich nicht nur, daß der
47
Fr. Schlegel, Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 156, Nr. 402.
48
Fr. Schlegel, Geschichte der europäischen Literatur, KA, Bd. XI, S. 136.
49
Fr. Schlegel, Über Lamartines religiöse Gedichte, in Concordia, S. 313.
50
Fr. Schlegel, Athenäums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 173, Nr. 55.
51
Fr. Schlegel, Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 233, Nr. 485.
52
Fr. Schlegel, Ideen, KA, Bd. II, S. 266, Nr. 98.

92
KUNST

Mensch nach Novalis' Worten die Abbreviatur und die Welt die Elonga-
tur derselben Substanz sind, sondern zugleich, daß die im Universum
tätigen Kräfte, gleichviel ob es sich um geistige oder stoffliche handelt,
ihre genaue Entsprechung im Menschen haben. Das Universum ist ein ins
Größere übertragenes Individuum, ein Makroanthropos, dessen Unter-
suchung zur Erkenntnis des Menschen führt, wie die Erkenntnis des
Menschen Aufschlüsse über die Welt bewirkt. Der Glaube an diese große
Analogie ist in der Romantik allgegenwärtig. „Wir werden den Menschen
kennen", meint Friedrich Schlegel, „wenn wir das Zentrum der Erde
kennen" 53 . Und umgekehrt: „Willst du ins Innere der Physik dringen, so
laß dich einweihen in die Mysterien der Poesie"54.
Das Gefühl für den universellen Zusammenhang und die allseitigen
Entsprechungen (endlich-unendlich, stofflich-geistig, zeitlich-ewig und
Bruchstück-Ganzheit, Teil-Einheit) ist der poetische Sinn. In der eigent-
lichen Bedeutung des Wortes ist er der Sinn für das Umgreifende und die
dem trennenden Verstände unzugänglichen Verknüpfungen aller Art, der
Sinn für die Einheit und das Ganze. Man darf ihn sich nicht als ein beson-
deres Organ unserer Menschheit vorstellen wie etwa das moralische
Organ bei Hemsterhuis. Seine Tätigkeit geht nicht auf die Erfassung be-
stimmter Ideen wie Kants praktische Vernunft. Er setzt vielmehr alle ein-
zelnen Seelenkräfte voraus und bildet das Resultat ihres Zusammenwir-
kens. In ihm drückt sich die Einheit des menschlichen Wesens aus, die
sich als die Bedingung der einheitlichen Apperzeption des Ganzen er-
weist. Nur die ungeteilte Seele kann die Fülle und die Einheit in einem
fassen, nur sie vermag es, den Dingen eine höhere, allgemeinere Bedeu-
tung als die von Einzelerscheinungen abzugewinnen; mit einem Wort, sie
ist die einzige Möglichkeit, Symbole zu finden und zu verstehen. Als
Identität unserer Seelenkräfte ist der poetische Sinn der Sinn für das
Symbolische. Er wertet die Realien und Begebenheiten der Welt auf, in-
dem er ihnen eine symbolische Bedeutung verleiht.
Der so aufgefaßte poetische Sinn gibt den Romantikern das Mittel,
sich dem philosophischen Idealismus anzuschließen und ihre Kunsttheorie
auf dieser gedanklichen Grundlage aufzubauen. In den Vorlesungen über
Transzendentalphilosophie meint Friedrich Schlegel: „Das Wesentlichste
des Idealismus ist in der Annahme einer absoluten Intelligenz, die die
Realität in sich vereinigt und die wir nur symbolisch kennen" 55 . Die Er-
schließung der Sinnträchtigkeit der Realität, die Entdeckung des Absolu-

53
Ebd., S. 266, Nr. 100.
54
Ebd., S. 266, Nr. 99.
55
Fr. Schlegel, Vorlesungen über Transzendentalphilosophie, KA, Bd. XII, S.96.

93
KUNST

ten im Endlichen erfolgt im Bereich der Kunst auf dem Wege der symbo-
lischen Erkenntnis.
Diese Einsicht in das eigentümliche Wesen der künstlerischen All-
näherung an das Absolute veranlaßte die Frühromantiker, Jakob Böhmes
Bemühungen um eine symbolische Auslegung der irdischen Phänomene
als mit ihren eigenen Absichten verwandt zu empfinden. In Friedrich
Schlegels Sprache heißt das: „Böhme enthält die innersten Prinzipien
der Allegorie (und eben damit der Poesie)". Daher die zugespitzte For-
mulierung im gleichen Zusammenhang, nach der Böhme die Poesie er-
funden haben soll56. Für Schlegel gilt Böhme übrigens als „reiner Idea-
list" 57 .
Das romantische Kunstwerk ist also Symbol, materieller Hinweis auf
Geistiges, ein nach außen scharf begrenztes Ganzes, „innerhalb der Gren-
zen aber grenzenlos und unerschöpflich" 58 , und zwar weil es auf Ewiges
hindeutet, nämlich auf die rational nicht zu ergründenden Kräfte der
Seele, die zugleich die Kräfte des Weltalls sind. Jedes echte Kunstwerk,
enthält Bruchstücke vom Geheimnis der Schöpfung und zeigt nach
Friedrich Schlegels Worten „die tiefen Schmerzen der in die Sterblich-
keit eingeschlossenen . . . höchsten Liebe" 5 9 .
In der Kunsttätigkeit wird also der ganze Mensch aktiv. Seine sämt-
lichen Seelenkräfte von der irrationalen, unbewußten Intuition bis zur
genauesten Reflexion werden rege. Sein ganzer Mikrokosmos gerät in
eine schöpferische Handlung, und dadurch stellt sich die Verwandtschaft
zwischen dem schaffenden Künstler und dem Weltschöpfer her. Wacken-
roders Gedanke, wonach die Kunst die Antwort des Menschen an Gott
sei, findet auf Grund dieser schöpferischen Entsprechung eine noch
prägnantere Bedeutung im Sinne der frühromantischen Ästhetik.
Nicht alle Frühromantiker haben den gleichen Weg eingeschlagen,
um zu demselben Ziel zu gelangen. Bei Friedrich Schlegel und Novalis
hat das eigene Kunstgenie einen der philosophischen Spekulation min-
destens gleichwertigen Beitrag geliefert. Beim älteren Schlegel gab die
Reflexion über die Arbeit, die Einsichten und die fragmentarisch aus-
gedrückte Poetik der anderen Mitglieder der Schule den Ausschlag. Bei
Schleiermacher hat eindeutig die religiöse Intuition die größte Rolle ge-
spielt. Jedoch ist auch er trotz seines geringeren Interesses an der eigent-
lichen Kunstschöpfung zu ganz ähnlichen Formulierungen gelangt. Für

56 Fr. Schlegel, Philosophische Lehrjahre, in Schriften und Fragmente (Kröners Ta-


schenausgabe), S. 181.
57 Fr. Schlegel, Die Entwicklung der Philosophie in zwölf Büchern, KA, Bd. XII,
S. 256 ff.
58 Fr. Schlegel, Athenäums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 215, Nr. 297.
59 Fr. Schlegel, Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst, KA, Bd. IV, S. 92.

94
KUNST

ihn liegt bekanntlich das höchste Ziel des philosophischen Nachdenkens


im gedanklichen Erlebnis der Wechselwirkung zwischen Mensch und
Welt: der Mensch soll sich seines Geschöpfseins und zugleich seines
Schöpferseins bewußt werden. Mit anderen Worten: er soll sich zum
Begriff der in ihm vorhandenen Identität von Subjektivem und Objek-
tivem, von Geist und Natur erheben und damit das Gefühl seines Mikro-
kosmos empfinden. Dann ist „die ängstliche Scheidewand" eingerissen;
„alles außer ihm ist nur ein anderes in ihm, alles ist der Widerschein
seines Geistes, so wie sein Geist der Abdruck von allem ist""0. Das Höchste
ist dem Menschen nicht fremd, sondern „liegt in ihm", ist ihm wesens-
verwandt, mit seinem tieferen Wesen identisch. Durch seinen „Sinn", der
ihm die Anschauung des Ganzen ermöglicht, entdeckt der Mensch sich als
den Schlüssel zu diesem Ganzen. Wie gesagt, geschieht das bei Schleier-
macher weniger auf dem Wege der poetischen Schöpfung und des künst-
lerischen Erlebnisses als vielmehr spekulativ, „durch große Analogie und
kühnen Glauben" 81 . Das Ergebnis ist jedoch dasselbe: auf Grund der tie-
feren Erkenntnis seiner selbst, die nur durch die Betrachtung des inneren
Handelns erfolgen kann, entdeckt der Mensch die Identität seines Wesens
mit der Welt und findet seine eigentliche Heimat. Durch die Selbst-
erkenntnis verwandelt der Mensch die Welt und erkennt sich in ihr als in
seinem Element. Seine Seele wird ihm zum Schlüssel des Universums.
Diese Erkenntnis, die den Menschen zum Priester des Höchsten und zum
Mittler zwischen Erde und Himmel erhebt, wird auch von Schleiermacher
als das Vorrecht des Künstlers, des Dichters, des Sehers, des Redners
angesehen, d. h. solcher Persönlichkeiten, in denen zu einer glücklichen
Synthese der beiden Seelentriebe, der selbstsüchtigen Begierde und des
Enthusiasmus, eine „mystische und schöpferische Sinnlichkeit" hinzu-
kommt62, worunter nichts anderes zu verstehen ist als die sogenannte an-
schauende Kraft, die „von ihrem ganzen Reich" Besitz ergriffen hat". Die
anschauende Erkenntnis erweist sich für Schleiermacher als das spezifi-
sche Merkmal des Künstlers, das ihm zur Erkenntnis und zur Darstellung
der Identität von Ich und Welt verhilft.
Das Erleben dieser Identität gewährt dem Frühromantiker die er-
sehnte Teilnahme am orphischen Gesang, der die ganze Welt durchtönt
und dessen begeisterte Wahrnehmung den Künstler erst zum Künstler
macht. Es befähigt ihn, die Stimme der Natur zu vernehmen und die
Gegenwart Gottes in ihr aufzuspüren. Erst durch dieses Erlebnis werden
ihm die begrifflich nicht aussprechbaren Naturstimmungen zugänglich,
60
Schleiermacher, Über die Religion, 3. Rede.
81
Ebd.
62
Ebd., 1. Rede.
63
Ebd., 3. Rede.

95
KUNST

für die Tieck und Wackenroder so anfällig waren, und auch erst auf
Grund dieser Identitätswahrnehmungen vermag er es, sein schöpferisches
Selbst auszudrücken, indem er „die Natur nachahmt". Hier zeigt sich,
wie müßig es ist, sich immer wieder die Frage vorzulegen, ob die roman-
tischen Kunstschöpfungen subjektiv oder objektiv sind und sein wollen.
Die Subjektivität des Künstlers entspricht nun einmal im Selbstverständ-
nis der Romantik der Objektivität des Universums. Die Seele ist nach den
gleichen Prinzipien aufgebaut wie das Weltall. Es ist eine kurzsichtige
Deutung des romantischen Kunstwollens, wenn behauptet wird, es
gründe sich auf eine Verlagerung des Objektiven zum Subjektiven, und
romantische Kunst sei Ausdruck des subjektiven Selbst und nicht Wie-
dergabe des Äußeren. Es ließe sich mit ebenso viel Recht das Gegenteil
sagen. Zwar ist die Individualität stets eine unbedingte Forderung der
frühromantischen Kunsttheorie gewesen. Es hieße aber eine solche For-
derung gründlich mißverstehen, wollte man sie auf die bloße
Subjektivität zurückgeführt wissen. Die Romantik zielt auf eine poetische
Deutung des Universums. Ihr Charakteristisches liegt eben in der An-
nahme einer Identität von Ich und Universum. Dabei gehen die Jenaer
sowohl von der Analyse des Ich als auch von der Betrachtung des Univer-
sums aus. Das berühmte Fragment von Friedrich Schlegel mit dem Bild
der Ellipse besagt nichts anderes als diesen doppelten Ausgangspunkt
und drückt in seiner scheinbaren Paradoxie das Wesentliche der früh-
romantischen Ästhetik aus. Der Traum von der großen Einheit des Welt-
alls war der damalige Traum von großer Magie, dem sich jeder Roman-
tiker anheimgegegeben hat.

Einheit haben die Romantiker überall groß geschrieben. Auch die


Einheit, die im Kunstwerk gefordert wird, hängt mit dem Lebensgefühl
der Jenaer Schule zusammen. Sie entspricht der Grundeinheit von Ich und
Universum. Schon die zentrale Funktion des Symbols, wie es von den
Romantikern aufgefaßt wird, verbietet eine Trennimg von Bild und Sinn.
Was dem Kunstwerk seine Einheit und seinen Wert gibt, ist, wie oben
gesagt, die I d e e . Die Kunst nimmt alle Seelenkräfte in Anspruch, und
die romantisch definierte Idee ist gerade der Ausfluß der vereinigten
Vermögen des Gemüts, der ungeteilten Menschheit.
In den Berliner Vorlesungen hat sich Wilhelm Schlegel darüber be-
klagt, daß die Ideen im strengen Sinn des Wortes von der Aufklärung
verkannt worden seien. „Selbst die Idee einer Idee war verlorengegan-
gen", schreibt er64. Er will das Wort in „seinem höheren eigentlichen
Sinn", in seiner ursprünglichen platonischen Bedeutung verstanden wis-
,4
A. W. Schlegel, Geschichte der klassischen Literatur, S. 49.

96
KUNST

sen. Was soll nun Plato nach Wilhelm Schlegels Ansicht mit diesem Ter-
minus gemeint haben? „Die Urbilder der Dinge im göttlichen Verstand,
in welchem Denken und Anschauen eins sind, denen allein wahres Sein
zukommt, und worin Allgemeines und Besonderes nicht, wie in der Er-
scheinungswelt Begriff und Individuum, getrennt, sondern unzertrennlich
verknüpft ist""5. Damit kommt Wilhelm Schlegel dem Wunschtraum der
Frühromantiker entgegen, der eben in der ungeteilten Erkenntnis nach
dem Muster der intellektuellen Anschauung besteht. Eine solche Er-
kenntnis ergreift die Ideen unmittelbar, die Wilhelm Schlegel an anderer
Stelle als „notwendige und ewig wahre Gedanken und Gefühle, die über
das irdische Dasein hinausgehen", umschreibt". Sie führen „in der in-
neren Anschauung unmittelbare Uberzeugung ihrer Notwendigkeit und
ewigen Gültigkeit" mit sich67. Wie das Licht im physischen Bereich setzen
sie „die äußerlichen Erscheinungen in ihr wahres Verhältnis unterein-
ander" 68 .
Den Frühromantikern hat das Ideal der ansdiauenden Erkenntnis
vorgeschwebt, obwohl alle eingesehen haben, daß es auf dem normalen
Weg der menschlichen Geistestätigkeit nicht zu erreichen ist. Aber genau
wie Fichte trotz seines Bewußtseins von dem Ausnahmecharakter und
der Schwierigkeit der intellektuellen Anschauung diese zur Grundlage des
menschlichen Handelns und Wissens gemacht hat, so suchen die Jenaer
sich dem praktisch unrealisierbaren Ideal der anschauenden Erkenntnis
durch die Kunst zu nähern. Das vollkommene Kunstwerk erscheint ihnen
tatsächlich als eine ungeteilte Einheit von Bild und Sinn, von Begriff und
Individuum, von Allgemeinem und Besonderem; es weist also die wesent-
lichen Merkmale der anschauenden Erkenntnis auf. Und was dem Kunst-
werk diese Einheit verleiht, ist eben die Idee, der „Geist", die „Poesie",
die der Künstler „in sich trägt" 6 '. In der Idee, wie sie vom Geiste des
Künstlers konzipiert wird, herrscht eine Identität von Denken und An-
schauen, die der ganzen menschlichen Tätigkeit ein unerreichbares, gött-
liches Vorbild ist. Die Idee in diesem Sinne ist nämlich „etwas, worauf
unser Geist mit einem unendlichen Bestreben gerichtet ist"70. Der Be-
trachter des Kunstwerks soll diese Idee anhand der künstlerischen Dar-
stellung rekonstruieren und nacherleben; sie erscheint ihm dann als das
zusammenhaltende Band heterogener Elemente.

65
Ebd.
66
A. W. Schlegel, Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, Bd. V, S. SO.
67
A. W. Schlegel, Geschichte der klassischen Literatur, S. 64.
88
Ebd.
«• A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 94.
70
Ebd., S. 39.

97
7 Nivelle
KUNST

Von der besonderen Erscheinungsform der Idee in der Dichtung


wird im nächsten Kapitel die Rede sein. Hier soll uns nur ihre allgemeine
Darstellung interessieren. In dieser Hinsicht ist wie gewöhnlich Wilhelm
Schlegel in der Formulierung am treffendsten gewesen; in der Genauig-
keit und Ausführlichkeit der Darlegung aber übertrifft Novalis die übri-
gen Jenaer bei weitem.
Ein Fragment des Novalis kann uns die Richtung andeuten, in der
wir eine Definition der künstlerischen Idee suchen müssen. „Träumen und
Nichtträumen zugleich, synthesiert, ist die Operation des Genies, wo-
durch beides sich gegenseitig verstärkt" 71 . Daß dieses Fragment sich un-
mittelbar auf unser Problem bezieht, erhellt eindeutig aus der Tatsache,
daß Novalis selbst das Produkt der fraglichen „Operation" als Idee be-
zeichnet72. Und bekanntlich ist für ihn die Kunst ein Wollen „einer Idee
gemäß" 73 . Das gibt uns die Gewißheit, am Quell der schöpferischen Tätig-
keit, der „Wirksamkeit" des Künstlers zu sein, wie Novalis sie sich vor-
stellt.
Damit das angeführte Fragment voll und richtig verstanden werden
kann, muß der romantische Begriff der Potenzierung herangezogen wer-
den. „Träumen" steht in diesem Fragment für die irrationalen Tätig-
keiten des Geistes überhaupt. Träume sind „Symptome des entzündlichen
Vernunftmangels" 74 . Novalis bezeichnet diese irrationalen Tätigkeiten
manchmal mit dem Ausdruck „direktes Träumen", dem er dann ein
„reflektiertes Träumen" entgegenstellt 75 , worunter er die vernunftgemäße
Betrachtung des Traumes, die rationale Reflexion über das Irrationale
verstanden wissen will. In unserem Fragment bezeichnet der Begriff
„Nichtträumen" eben nichts anderes als das reflektierte Träumen. Die
gegenseitige Verstärkung, von der die Rede ist, erscheint im Fragment
1331 als „potenziertes Träumen". Was das in der Sprache des Novalis
heißt, ist nicht schwer zu ermitteln. 'Potenziert' ist der Traum, wenn er
sich als irrationale Tätigkeit mit einer bewußten Reflexion über diese
Tätigkeit verbindet und so eine Synthese von Irrationalem und Rationa-
lem, von Unbewußtem und Bewußtem, von Anschauen und Denken be-
wirkt. Eine solche Synthese ist die Operation des Genies. In der psycho-
logischen Terminologie entspricht sie dem sogenannten Tagtraum, der
für Novalis' ganzes Schaffen von wesentlicher Bedeutung ist76. Sie er-
wächst aus der Verbindung einer Handlung des Gemüts mit dem Bewußt-
71 Novalis, Fragment 1329.
72 Vgl. Fragment 1030.
73 Fragment 399.
74 Fragment 1329.
75 Fragment 1331.
76 Vgl. darüber R. Leroy, Der Traumbegriff des Novalis.

98
KUNST

sein dieser Handlung und erscheint damit als ein Analogon der intellek-
tuellen Anschauung, wie sie von Fichte und Schelling dargestellt wird. Sie
wirkt auf den Betrachter wie eine Synthese zweier Momente, während sie
in Wirklichkeit e i n e Operation ist, die zwei in der Erscheinung getrennte
Elemente miteinander verbindet, also eine Identität von Anschauen und
Denken.
Nun fällt das Künstlertum mit der Fähigkeit zusammen, „Ideen nach
Belieben, ohne äußere Sollizitation durch [die Organe] herauszuströmen
— sie als Werkzeuge zu beliebigen Modifikationen der wirklichen Welt zu
gebrauchen" 77 . Die Kunst entspringt also aus der spontanen schöpferischen
Tätigkeit des Menschen und weist demnach einen apriorischen Charakter
auf, dessen Erkenntnis Novalis dazu bringt, den echten Künstler als
„durchaus transzendental" aufzufassen 78 .
Die Problematik der anschauenden Erkenntnis wiederholt sich in
noch stärkerem Maße im Bereich der Kunstpraxis. Auf Grund ihrer Ein-
heit von Anschauung und Bedeutung ermächtigt die Idee den Künstler
zur Entdeckung des Unendlichen im Endlichen; dafür aber erweist sich
ihre Darstellung im Kunstwerk als nicht ohne weiteres durchführbar. Ihr
angemessenstes Darstellungsmittel ist bekanntlich das Symbol; das
romantische Sinnbild ist jedoch, wie oben gezeigt wurde, ein Grenzbe-
griff, der dem Künstler große praktische Schwierigkeiten bereitet. Der
ausgiebige Wortreichtum der Frühromantiker, wenn es um die Aufstel-
lung von Prinzipien und Definitionen geht, und ihr sehr auffälliger Man-
gel an konkreten Beispielen sind an sich schon sehr aufschlußreich. Die
Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis, die gerade die Jenaer Schule
kennzeichnet, gibt ihr neben ihrer Eigentümlichkeit zugleich auch ihren
bleibenden Wert im Bereich der Ästhetik. Die Romantik stellt jeweils
ideale Grenzfälle auf, hinter denen die Praxis notwendigerweise zurück-
stehen muß. Ihre theoretische Bedeutung wird dadurch jedoch nicht im
geringsten geschmälert. Im Gegenteil, gerade durch ihre Undurchführbar-
keit hat diese Theorie eine große Unruhe gestiftet, die bis zum heutigen
Tag andauert; sie ist ein Ferment des Geistes geworden wie kaum eine
zweite. Der zeitgenössische Künstler hat sich immer noch, bewußt oder
unbewußt, mit der romantischen Ästhetik auseinanderzusetzen. Sie hat
der Kunstschöpfung ein anscheinend grundlegendes Ziel gesteckt, und bei
jeder Selbstbesinnung der Kunst wird sie zwangsläufig immer wieder auf
den Plan gerufen. Sie bildet den Kern aller Bestrebungen, die sich jeder
Form des sogenannten Realismus widersetzen und die je nach Zeit und
Raum unter verschiedenen Namen auftauchen.

77 Novalis, Fragment 1000.


78 Fragment 816.

99
7*
KUNST

Die Auffassung der Kunst als eines Wollens gemäß einer Idee er-
möglicht es Novalis, eine Klassifikation der Kunsttätigkeiten vorzuneh-
men, die einiges Licht auf seinen Begriff der Kunst werfen kann. Für ihn
gliedert sich diese zunächst in zwei wesensverschiedene Tätigkeiten: eine
bestimmte und eine unbestimmte. Das Wort „bestimmt" umschreibt er
mit dem Ausdruck „durch Begriffe determiniert"; unter „unbestimmter
Kunst" versteht er eine „freie", „selbständige", „reine Ideen realisie-
rende, von reinen Ideen belebte" 79 . Auf Grund dieser Zweiteilung er-
scheint die bestimmte Kunst als ein Mittel zum Zweck, die unbestimmte
als ein Selbstzweck. Innerhalb der bestimmten und der unbestimmten
Kunst unterscheidet Novalis wiederum eine „wirkliche" und eine „einge-
bildete". Die wirkliche, vollendete, durchgeführte ist in diesem Zusam-
menhang diejenige, die sich in Kunsterzeugnissen ausdrückt, während die
eingebildete sich nicht in konkreten Schöpfungen nach außen manifestiert,
sondern „in den inneren Organen" aufgefangen wird.
Bestimmte Kunst ist nun, wenn sie „wirklich" ist, das Gebiet des
Handwerkers, und wenn sie „eingebüdet" ist, der Bereich des Gelehrten.
Unbestimmte Kunst ist die Tätigkeit des Künstlers im eigentlichen Sinn,
wenn sie in konkreten Gestaltungen zum Ausdruck kommt, und die des
Philosophen, wenn sie sich nicht in Werken, sondern in gedanklicher
Spekulation ausdrückt. Demnach weisen für Novalis Künstler und Philo-
soph eine engere Verwandtschaft auf als für die übrigen Mitglieder der
Schule. Beide gehen von reinen Ideen aus, die sie entweder in einem
Kunstwerk oder in abstrakter Reflexion aussprechen, und entfernen sich
vom Reich der Begriffe, die den Handwerker in seiner Arbeit und den
Gelehrten in seiner Forschung leiten. Sie sind beide „unbestimmt", in-
sofern sie sich selbst bestimmen und sich ihr Ziel und ihren Weg nicht
durch von vornherein bestehende und „von anderwärts bestimmte" Be-
griffe aufzwingen lassen80. Der Künstler hebt sich vom Philosophen da-
durch ab, daß er fähig ist, Ideen nicht nur „nach Beheben" und „ohne
äußere Sollizitation" zu produzieren, sondern diese Ideen auch als
„Werkzeuge zu beliebigen Modifikationen der wirklichen Welt", d. h. zu
künstlerischen Schöpfungen, zu gebrauchen81.
Diese teilweise Angleichung von Künstler und Philosoph soll uns
hier nicht aufhalten. Vielmehr müssen wir uns fragen, was im Menschen
die für den Künstler in Betracht kommenden Ideen hervorbringt: nicht
die von Kant als grundlegend anerkannten Seelenvermögen, Verstand
und Vernunft, und zwar letztere weder als theoretisches Vermögen der

78
Fragment 1029.
80
Fragment 1028.
81
Fragment 1000.

100
KUNST

Ideen noch als praktisches Vermögen, d. h. als freier Wille82. Das Eigen-
tümliche der romantischen Ästhetik besteht darin, daß den beiden ge-
nannten Seelenkräfte eine dritte mit voller Ebenbürtigkeit an die Seite
tritt, nämlich die schöpferische Phantasie. Im endlichen Bereich herrscht
der die Gegebenheiten der Sinnlichkeit verarbeitende Verstand, im freien,
unendlichen Bereich herrschen Vernunft und Einbildungskraft.
Wesentlich ist zunächst für die Einbildungskraft als schöpferisches
Vermögen, daß sie die für die Romantik so wichtige Potenzierung ge-
währleistet. Sie stellt die Verbindung her zwischen dem Irrationalen und
dem Rationalen, zwischen Traum und Reflexion. Indem sie über den
Polen schwebt, bewerkstelligt sie die Synthese, die der Betrachter wahr-
nimmt, und zugleich die Identität von Anschauen und Denken im Geiste
des Künstlers. Darüber hinaus verquickt sie Theorie und Praxis, d. h. in
diesem Fall Denkkraft und künstlerische Schöpfung, miteinander und
büdet damit ein Grundkennzeichen des romantischen Künstlers, der ja
„die Synthese des Theoretikers und Praktikers" sein soll83. Die Phantasie
ist der Urquell der Ideen im ästhetischen Sinn, das Prinzip ihrer Produk-
tion und ihrer Darstellung. Ohne sie gibt es keine wahre Kunst. Wer sich
auf die bloße Wiedergabe von Gegebenheiten beschränkt, ohne ihre un-
endliche Bedeutung anzudeuten, ist ein Stümper. „Der Chronikschreiber
ist der Stümper in der Geschichte — er will alles geben und gibt nichts";
er liefert den Buchstaben und geht am Geist vorbei; er stellt „Tabellen
und Register" auf, wie es im Ältesten Systemprogramm heißt, und schafft
nicht aus der Idee heraus; er gibt Bilder ohne Sinn84.
In ihrem Lobpreis der Einbildungskraft konnten sich die Frühroman-
tiker kaum genug tun. Schleiermacher bezeichnet sie als „das Höchste und
Ursprünglichste im Menschen"85, und darin pflichten ihm alle Mitglieder
der Jenaer Schule bei. Novalis meint: „Das größte Gut besteht in der Ein-
bildungskraft" 88 , und Wilhelm Schlegel bestätigt diese Auffassung, indem
er die Phantasie als „die Grundkraft des menschlichen Geistes" um-
schreibt87. Es erübrigt sich wohl, auf parallele Äußerungen bei den son-
stigen Mitgliedern der Gruppe zurückzukommen. Das Lob ist so gut wie
einstimmig; die wenigen individuellen oder zeitweiligen Unterschiede
können an dieser Grundanschauung nichts ändern. Bedeutsamer ist hier
die Frage, wie sich die Frühromantiker Wesen und Funktion der Einbil-
dungskraft vorgestellt haben.
82
Vgl. A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 65.
83
Novalis, Fragment 2136.
81
Fragment 1057.
85
Schleiermacher, Über die Religion, 2. Rede.
89
Novalis, Fragment 373.
87
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 282.

101
KUNST

Für Novalis fällt gewöhnlich die reine, d.h. durch keine äußeren
Reize affizierte Einbildungskraft mit der Vernunft zusammen88. Wie die
Vernunft zeichnet sie sich durch Freiheit aus: „Freiheit bezeichnet den
Zustand der schwebenden Einbildungskraft" 89 . Auch für Wilhelm Schlegel
bilden Vernunft und Phantasie, „aus einem höheren Gesichtspunkte be-
trachtet", eine gemeinschaftliche Grundkraft, die in der Freiheit und in
der Unendlichkeit beheimatet ist80.
Eine Grundkraft ist die Phantasie in mehrfacher Hinsicht. Zunächst,
weil ihr „ursprünglichster Akt" dahin zielt, „unserer eigenen Existenz
und der ganzen Außenwelt" Realität zu verleihen". Diese von der
idealistischen Philosophie übernommene Ansicht wird von der ganzen
Schule geteilt. Die Phantasie ist weltschöpferisch: außer ihr gibt es kein
Mittel, sich der Wirklichkeit der Welt zu vergewissern. Sie befreit uns von
der Solipsität unseres Wesens und versetzt uns in die Welt, indem sie uns
an deren Wirklichkeit teilhaben läßt.
Dank ihrer Freiheit verdient sie, wunderbar und magisch genannt zu
werden. Sie hat die Quelle ihrer Tätigkeit in sich und hängt in keiner
Weise von äußeren Reizen ab. Das meint Novalis, wenn er schreibt, sie
sei eine „außermechanische Kraft" 92 und stehe nicht unter mechanischen
Gesetzen93. Konsequent betont er den „Magismus der Phantasie" 94 .
Auf Grund der universellen Analogie sehen die Romantiker in der
Phantasie nicht nur die Grundkraft des menschlichen Gemüts, sondern
auch das schöpferische Prinzip der Welt, die sich ja für Novalis als eine
„sinnlich wahrnehmbare, zur Maschine gewordene Einbildungskraft"
definieren läßt95. Die schöpferische Freiheit hat sich in der von ihr ge-
schaffenen Welt zu mechanischen Gesetzen degradiert und will wieder
entdeckt werden. So entspricht die menschliche Einbildungskraft der Frei-
heit des Weltschöpfers, während die „endlichen" Vermögen des Men-
schen, Sinnlichkeit und Verstand, ihre Entsprechung in der Welt und
deren mechanischen Gesetzen haben.
Bekannt ist in dieser Hinsicht der etwas abseitige Weg, den Friedrich
Schlegel geht, indem er als Grundkraft des Universums und des Men-
schen nicht die Phantasie, sondern die Liebe nennt, ohne jedoch an der
poetischen Bedeutung der Einbildungskraft zu rütteln. Noch auffälliger

88
Novalis, Fragment 481.
89
Fragment 263.
90
A. W. Schlegel, Geschichte der klassischen Literatur, S. 45 und 65.
81
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 282.
92
Novalis, Fragment 1996.
9J
Fragment 1252.
94
Fragment 1996.
95
Fragment 1528.

102
KUNST

sind gewisse Bemerkungen des Novalis, die den eben skizzierten An-
schauungen geradezu widersprechen und der Phantasie einen nur gerin-
gen Wert zuschreiben. Ob solche Aussprüche wohlüberlegte, endgültige
Stellungnahmen widerspiegeln oder vielmehr zeitweilige, durch augen-
blickliche Zustände eingegebene Palinodien darstellen, ist fraglich. Auch
wäre zu überprüfen, ob an solchen Stellen96 das Wort immer in der
gleichen Bedeutung genommen wird und inwiefern diese Äußerungen auf
entsprechenden Sinneswechseln beruhen. Neben der Fülle anderslauten-
der Uberzeugungen macht jedoch die geringe Anzahl der Rückzieher eine
derartige Prüfung überflüssig, wenn das Ganze der Novalis'schen und
überhaupt der frühromantischen Anschauungen und nicht etwa ihr
chronologischer Werdegang zur Diskussion steht.
Als schöpferischer Ursprung der Ideen wird die Phantasie von
Novalis „Erfindungkraft" genannt", und Wilhelm Schlegel bezeichnet den
Dichter als ein Geschöpf der dichtenden Phantasie98, wobei er meint, die
erfindungsreiche Einbildungskraft des Dichters sei die Quelle seiner
Kunst. Unter echter dichterischer Phantasie versteht Wilhelm Schlegel
nun nicht etwa nur die Erfindung des Wunderbaren, des Außerordent-
lichen, des vom gewöhnlichen Lauf der Natur Abweichenden. Er nimmt
das Wort „in höherem Sinn" und gibt ihm die Bedeutung einer „inneren
Anschauungskraft dessen, was nicht dem Grade oder der Zusammenset-
zung, sondern der Art nach, alle äußere Wirklichkeit übersteigt". Er um-
schreibt den Begriff mit den Worten: „Ein lichtvolles Träumen in der
stillen Nacht des inneren Sinnes, bei dem Künstler mit der Gabe verbun-
den, die geheimnisvollen, nie von der Seele, ihrer Geburtsstätte, ganz
abzulösenden Bilder durch eine ebenso zauberische Darstellung mitzu-
teilen". Die so aufgefaßte Einbildungskraft nennt er eine „Seherphanta-
sie". Dante habe sie im höchsten Maße besessen99.
Was meint aber die Formel „der Art nach"? Der Gegenstand der
dichterischen Phantasie soll jede äußere, endliche Wirklichkeit überstei-
gen. Nun ist das Endliche die Welt, in der alles isoliert besteht und für die
symbolische Deutung nicht durchsichtig ist. Die Einbildungskraft erfaßt
intuitiv „die große Wahrheit, daß eins alles und alles eins ist"; sie „ver-
senkt uns in das Universum, indem sie es als ein Zauberreich ewiger Ver-
wandlungen, worin nichts isoliert besteht, sondern alles aus allem durch
die wunderbarste Schöpfung wird, in uns sich bewegen läßt"100. Damit ist
96
Zwei in den Fragmenten (871 und 2972) und eine in den Briefen (Bd. V, S. 157).
07
Fragment 3048.
98
A. W. Schlegel, Briefe über Poesie, Silbenmaß und Sprache. Bd. VII, S. 98 f.
99
A. W. Schlegel, Rezension von Gries' Übersetzung des Rasenden Roland, Bd. XII,
S. 278 ff.
100
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 83.

103
KUNST

die wesentliche Funktion der Einbildungskraft ausgesprochen. Sie ist es,


die die universelle Analogie aufspürt und die alles durch alles symboli-
siert. Die Idee von der allgemeinen Entsprechung und der Symbolträch-
tigkeit jeder Einzelerscheinung ist im künstlerischen Bereich die eigent-
liche 'Urhandlung' der Phantasie, durch die sie die Gegebenheiten der
endlichen Welt dem Wesen nach übersteigt.
Diese umfassende Grundidee der Einbildungskraft erfüllt im Leben
und besonders im künstlerischen Schaffen eine doppelte Funktion.
Zunächst macht sie die Phantasie zum dynamischen und produktiven
Element des Geistes, zum Antrieb der Seelenvermögen. Gefühl, Verstand,
Vernunft sind „gewisserweise passiv" und können nur in Verbindung mit
der Einbildungskraft tätig werden101. Nur diese ist schöpferisch, bildend,
schaffend, bewegend, tätig, wirkend, hervorbringend, und wie es sonst in
den Fragmenten des Novalis heißt. Je nach dem angestrebten Ziel ver-
bindet sie sich mit einer besonderen Seelenkraft. Von sich aus ist kein
Seelenvermögen fähig, sich an einem psychischen Vorgang aktiv und frei
zu beteiligen; jedes bedarf des Anstoßes durch die Einbildungskraft. So
ist die Anschauung keine bloße Tätigkeit der Sinne, sondern an erster
Stelle eine Tätigkeit der Einbildungskraft, die sich der Sinne bedient. Die
Vorstellung ist nicht das Ergebnis der Inanspruchnahme der Sinnlichkeit
durch die Kategorien des Verstandes, sondern umgekehrt die Wirkung
der Einbildungskraft auf den Verstand. Anschauung und Vorstellung
wurzeln beide in der Einbildungskraft; ihr Unterschied ist einzig dem
verschiedenen Mittel, dessen sich die Phantasie jeweils bedient, zuzu-
schreiben. Deshalb sind Anschauung und Vorstellung im Grunde eins102,
und von jeder Erkenntnisart kann man das gleiche sagen. Die Einbil-
dungskraft ist immer das Primäre und Ursprüngliche. Sie ist die Quelle
aller Tätigkeit des Geistes. Sogar die Sinneswahrnehmungen, der „äußere
Sinn", werden von ihr bestimmt: „Wie sieht man denn körperlich? Nicht
anders wie im Bewußtsein: durch produktive Einbildungskraft" 108 . Ver-
allgemeinernd schreibt Novalis: „Aus der produktiven Einbildungskraft
müssen alle inneren Vermögen und Kräfte und alle äußeren Vermögen
und Kräfte deduziert werden" 101 . Sie kann „alle Sinne ersetzen"105 und
entscheidet souverän über unsere jeweilige Weltsicht, unsere Lebens-
weise, unsere Aktivität. Als Prinzip des tätigen Gebrauchs der Organe ist
sie zugleich das Prinzip der Kunstschöpfung. „Durch Bemeisterung des
Stimmhammers unseres höheren Organs" könnten wir „unser Leben nach
101
Novalis, Fragment 278.
102
Fragment 279, 282.
103
Fragment 701.
104
Fragment 1921.
105
Fragment 1252.

104
KUNST

Belieben poetisieren"108. Wer denkt dabei nicht an Friedrich Schlegels


Glauben an die Möglichkeit einer willkürlichen Stimmung unseres Ge-
müts? Die Phantasie ist die lebendige Quelle der Geistestätigkeit.
Neben ihrer dynamischen Antriebsfunktion bewirkt die Einbildungs-
kraft die zur künstlerischen Schöpfung erforderliche Synthesis der Geistes-
tätigkeiten. Sie ist die verbindende Mitte des anschauenden und des dis-
kursiven Denkens. Auf ihre einfachsten Elemente zurückgeführt, weist die
Tätigkeit des menschlichen Geistes zwei deutlich entgegengesetzte Ver-
fahrensmodi auf: das diskursive Denken, das die Welt aus Gesetzen auf-
baut und in einen „unendlichen Automaten" verwandelt, und das intui-
tive Dichten, das jede Gesetzmäßigkeit negiert, alles belebt und überall
Wunder und Willkür erblickt. Diese extremen Geistesformen erscheinen
selten in ihrer ganzen Reinheit. Sie vermischen sich miteinander mehr
oder weniger vollkommen, mehr oder weniger „imbeschränkt". Die un-
vollkommene, beschränkte Verbindung erfolgt im Eklektiker; die voll-
kommene, unbeschränkte im Künstler. Der Künstler weiß, daß beide
Denktätigkeiten „notwendige Glieder seines Geistes" und daß sie „in
einem gemeinsamen Prinzip vereinigt" sind. Dieses gemeinsame Prinzip
ist eben die produktive Einbildungskraft, die über den beiden Polen
„schwebt" und sie zur harmonischen Einheit verschmelzen läßt. Als
„lebendige Reflexion" bildet sie den Kern eines geistigen Universums,
einer „alles befassenden Organisation" und „den Anfang einer wahrhaf-
ten Selbstdurchdringung des Geistes, die nie endigt"107. In ihr ist An-
schauen gleich Denken, Bild gleich Begriff, Einzelnes gleich Allgemeinem.
Sie gewährleistet das unmittelbare Ineinandergreifen von Idee und kon-
kreter Anschauung, eine Synthese von Elementen, die sich sonst fliehen
und auseinanderklaffen.
Wie gelingt es der Einbildungskraft, die Kluft zwischen konkretem,
endlichem Einzelnem und unendlicher Idee zu überbrücken? Durch die
Potenzierung. Der Gegensatz endlich-unendlich erscheint in romanti-
schen Augen nicht als letzthinniger Widerspruch, sondern als Polarität.
Besonders Novalis und Schelling haben einen scharfen Sinn für das, was
Jaspers das Umgreifende nennt. Sie fühlen in sich den Hang zur Über-
windung aller Schranken und aller Grenzen. „Alle Schranken", schreibt
Novalis, „sind bloß des Übersteigens wegen da" 108 . Eine solche Ausgangs-
position veranlaßt zu einer unendlichen Dialektik. Der Geist, der in
seinem Streben und in seiner Selbstdurchdringung nie gesättigt und be-
ruhigt werden kann, entdeckt immer wieder neue Ansichten, deren jeweils

108 Fragment 981.


107 Fragment 792; vgl auch 789 und 12.
108 Fragment 1614.

105
KUNST

zuletzt errungene die vorhergehende, vielleicht antithetische, nicht not-


wendigerweise aufhebt, sondern mit ihr in einem „höheren Moment",
einer „höheren Einheit" aufgehen kann. In diesem höheren Moment wer-
den dann die alte und die neue Ansicht „subaltern", und die Einheit der
beiden ist nun das Neue, dem seinerseits auch eine Ubersteigung durch
den nächsten Schritt des Denkens bevorsteht109. Das gleiche Gesetz muß,
ganz idealistisch, auch im Bereich der Ontologie gelten: die eigentliche
Substanz eines Wesens ist jeweils ein höheres Wesen, das Prinzip eines
Wesens ist diesem Wesen selbst übergeordnet. „Kraft ist die Materie der
Stoffe, Seele Kraft der Kräfte, Geist ist die Seele der Seelen, Gott ist der
Geist der Geister"110. Die Potenz eines Wesens ist seine Substanz. Gott als
Potenz des Geistes ist das Prinzip des Menschen, seine Substanz111. Zu
dieser Erkenntnis verhilft die produktive Einbildungskraft.
Sie erscheint demnach als ein synthetisierendes Prinzip in doppeltem
Sinn: sie einigt die Seelenvermögen und die Welt der Gegenständlichkeit.
Auf ihrem Hintergrund erweisen sich alle Tätigkeiten des Geistes als ein
„unzertrennter Akt", der im Wesen eins ist und nur „nach den Gegen-
ständen oder der Direktion" unterschiedliche Formen annimmt112. Wissen
und Wollen, Wissen und Tun, Betrachten und Machen fallen in der pro-
duktiven Einbildungskraft als ihrem gemeinsamen Ursprung zusammen
und machen nur eine Operation aus113. Aber auch in der gegenständlichen
Welt läßt die Phantasie die Einheit des scheinbar Entgegengesetzten zu-
tage treten. In ihrem Lichte übersteigen Natur und Geist ihre Gegensätz-
lichkeit in einem höheren Prinzip, das den eigentlichen Gegenstand der
idealistischen Philosophie bildet114. Natur und Kunst nähern sich gleich-
falls auf Grund eines gemeinsamen Schaffungsprinzips und streben eine
vollkommene Harmonie an115. Kunst und Moral fallen im Künstler zu-
sammen116. Alle Wissenschaften steuern ihre Vereinigung als letztes Ziel
an und sollen e i n e Wissenschaft werden117. Leben und Tod stehen nicht
mehr in Widerspruch zueinander, sondern ergänzen und verstärken sich
gegenseitig118 und bilden eine Einheit: „Leben ist der Anfang des
Todes"119. Der Tod zerstört die Individualität in keiner Weise, er unter-
109
Fragment 1344.
119
Fragment 802.
111
Fragment 282.
112
Fragment 1330.
113
Fragment 891, 1508, 2817.
114 Vgl Fragment 1509.
115
Fragment 1537.
118
Fragment 2367.
117
Fragment 795.
118
Fragment 2647.
119
Fragment 14.

106
KUNST

bricht den Wechsel zwischen Seele und Welt, innerem und äußerem
Reiz120, bringt aber eine „nähere Selbstverbindung" zustande121. In
dieser Uberzeugung fordert Novalis die „Aufhebung des Unterschieds
zwischen Leben und Tod" und die „Annihilation des Todes"122.
Die Einbildungskraft ermöglicht es also den Jenaern, die Einheit des
Menschen und der Welt zu erfassen. Sie bildet die Brücke zwischen den
Erscheinungen sowie zwischen Erscheinung und Idee. Nun sind, nach den
Worten Wilhelm Schlegels, die Phantasie, „wodurch uns erst die Welt ent-
steht, und die, wodurch Kunstwerke gebildet werden, dieselbe Kraft, nur
in verschiedenen Wirkungsarten" 123 . Die Phantasie enthüllt also den Sinn
der Welt — sie ist nämlich auch das Organ für die Religion124 — und be-
fähigt, diesen Sinn in symbolischen Kunstwerken auszusprechen.

Die obigen Ausführungen legen es nahe, die produktive Einbil-


dungskraft als das Wesentlichste des romantischen Kunstgenies anzu-
sehen. Und doch liegen die Verhältnisse nicht so klar und einfach, wie es
den Anschein haben könnte, denn auch hier spielt die Potenzierung eine
bedeutsame Rolle. Das Genie entspringt nicht bloß einer stark entwickel-
ten Phantasie, sondern einer Synthese von Phantasie und Selbstbewußt-
sein. Wir wollen versuchen, den Vorgang darzustellen; zuerst aber muß
darauf hingewiesen werden, daß auch an diesem Punkt die romantische
Terminologie weit davon entfernt ist, eindeutig und konsequent zu sein.
Die Genieauffassung der Jenaer ist nicht frei von Widersprüchen. Der
Leser stößt z. B. öfters auf einen Wechsel der Begriffe Talent und Genie.
Das gilt u. a. für Novalis, für den das Talent meistens in der genauen Be-
obachtung und zweckmäßigen Darstellung besteht; ab und zu wird jedoch
die Fähigkeit, das Gegebene zu beobachten und wiederzugeben, nicht mit
dem Wort Talent, sondern mit dem Begriff Genie definiert, wobei dann
das Genie im engeren Sinn als „Genie des Genies" bezeichnet wird125. Der
Klarheit wegen wollen wir uns hier auf diese engere Genieauffassung
beschränken.
Offenbar ist das Genie durch die volle und harmonische Entwicklung
der Einbildungskraft bedingt. Novalis umschreibt es mit den Worten:
„das Vermögen, von eingebildeten Gegenständen wie von wirklichen zu
handeln und sie auch wie diese zu behandeln" 126 . Andererseits erscheint
120
Fragment 1827.
121
Fragment 14.
122
Fragment 1235.
123
A. W. Schlegel, Geschichte der klassischen Literatur, S. 77.
124
Ebd., S. 69.
125
So z. B. in Fragment 21.
126
Fragment 21.

107
KUNST

es im gleichen Zusammenhang als die Fähigkeit, „dreist und sicher" zu


sagen, „was es in sich vorgehen sieht". Auf den ersten Blick scheinen
beide Definitionen identisch; bei näherer Betrachtimg erhellt aber bald,
daß die erste durch die zweite ergänzt wird. Denn das Genie kennzeichnet
sich nicht nur durch eine lebhafte Tätigkeit der Phantasie, sondern zu-
gleich durch die Selbstbeobachtung. Es liegt sogar nahe, es als die Fähig-
keit des Menschen, sich in der Ausübung seiner Einbildungskraft zu be-
obachten, zu verstehen.
Das wäre jedoch nur eine sehr vorläufige und unvollkommene Defini-
tion, denn gerade das, was das Genie spezifisch auszeichnet, ist in ihr nicht
vertreten. Wilhelm Schlegel gibt uns einen Wink, wenn er schreibt, das
Genie sei der Mensch, in dem „die ursprüngliche Entzweiung sich auf-
hebt, worin er als ein endliches Wesen sich endlos befangen sieht"127. So-
lange die Tätigkeit der Einbildungskraft und die bewußte Selbstbeobach-
tung zwei getrennte Momente sind, ist der Mensch entzweit. Das Genie
transzendiert diese Entzweiung, indem es die gewollte Selbstbeobach-
tung zu einem Instinkt umwandelt, der dann mit der Tätigkeit der Ein-
bildungskraft notwendig verschmilzt. Das Genie darf an keiner „Teilung
der Kraft" leiden, sonst ist es geschwächt und unharmonisch128. Es befindet
sich dann immer noch im Zustand der Spaltung. Diese soll überwunden
und aufgehoben werden durch die Wiedererweckung des Instinkts. „Mit
Instinkt hat der Mensch angefangen — mit Instinkt soll der Mensch endi-
gen. Instinkt ist das Genie im Paradiese vor der Periode der Selbstab-
sonderung (Selbsterkenntnis)" 12 '. Dieses goldene Zeitalter ist nun be-
kanntlich nicht nur ein mythischer Urweltzustand, sondern auch ein Zu-
kunftstraum und das Ziel der Sehnsucht und des Strebens. Wieder einmal
entschleiert sich auch der romantische Geniebegriff als eine Grenzvorstel-
lung, die praktisch unerreichbar ist, die man aber durch eine ständige
Annäherung zu verwirklichen bestrebt sein soll.
Das romantische Geniebild entsteht also nicht durch die bloße Addie-
rung der produktiven Einbildungskraft und des Selbstbewußtseins; es
erwächst vielmehr aus der Synthese, der höheren Einheit dieser beiden
Momente, aus ihrer Potenzierung. Beide Momente verstärken sich gegen-
seitig, indem sie sich in einer umgreifenden Synthese aufheben130. Folge-
richtig wird das Genie von Novalis ein „synthetisierendes Prinzip" ge-
nannt131. In ihm erfolgt die „innigste Vereinigimg der bewußtlosen und
der selbstbewußten Tätigkeit im menschlichen Geiste, des Instinkts und
127
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 76.
128
Novalis, Fragment 2072.
129
Fragment 1770.
iso Vgl. Fragment 1329.
131
Fragment 1289.

108
KUNST

der Absicht, der Freiheit und der Notwendigkeit" 132 . Das Genie hat zwar
einen „inneren Plural", ein „wahrhaft innerliches Du", mit dem es Um-
gang zu pflegen weiß; in Wirklichkeit ist es jedoch nicht dieser Plural
selbst, sondern „das Resultat eines solchen inneren Plurals", die Synthesis
von unbewußter Einbildungskraft und bewußter Selbstbeobachtung 1 ".
Mit anderen Worten: „Genie ist ein Verhältnis zwischen Seele und
Geist"134, also weder Seele noch Geist, sondern — eine echt Schellingsche
Vorstellung — schwebender Übergang vom einen zum anderen, Wieder-
herstellung der Identität, Rüdeeroberung der ungeteilten Menschheit. „Es
umfaßt den ganzen Menschen", schreibt Wilhelm Schlegel135, es besteht
in der „innigsten Eintracht" der selbständigen, unbeschränkten Vermö-
gen der Sinnlichkeit und der Geistigkeit, der Phantasie und der Vernunft.
Auf Grund des eben Ausgeführten erscheint ein anderer Ausdruck
des Novalis zur Definition des Genies geeigneter als der Begriff der Syn-
these, nämlich das „transsubstantiierende Prinzip"138. Wie im katholi-
schen Gottesdienst geschieht im Genie eine „Wandlung" der getrennten
Vermögen in eine lebendige Einheit, ein Vorgang, der auch an alchi-
mistische Prozesse erinnert. Und das Eigentümliche dieser Einheit ist,
daß sie die eigene Fassungskraft des Genies selbst geheimnisvoll über-
steigt. Wilhelm Schlegel bestätigt diese Ansicht, indem er schreibt: „Man
kann sagen, daß es ein charakteristisches Kennzeichen des dichtenden
Genies ist, viel mehr zu wissen, als es weiß, daß es weiß"137.
Das Genie bringt „lebendige Gedanken" hervor138. Das sind nicht
etwa nur Vorstellungen von besonderer Prägnanz, sondern Ideen zur
Deutung der Welt und des Lebens, die durch die künstlerische Darstel-
lung lebendig werden, d. h. eine konkrete Realität bekommen. Solche
Ideen wurzeln alle in der Grundidee, die dem Genie durch die Einbil-
dungskraft eingegeben wird, d. h. in der allgemeinen Analogie und der
Symbolhaftigkeit alles Endlichen. Das Genie besitzt eine „wunderbare
Fähigkeit, den Sinn der Natur zu treffen und in ihrem Geist zu han-
deln"139. Das Werk des Genies ist eine Offenbarung: es macht das Un-
mögliche möglich, das Mögliche unmöglich, das Unbekannte bekannt und
das Bekannte unbekannt140. Das „Unmögliche", d. h. das Irreale der

132
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 75 f.
U3 Vgl, Novalis, Fragment 2962.
131
Fragment 1842.
135
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 76.
Novalis, Fragment 1289.
137
A. W. Schlegel, Fragmente aus dem Athenäum, Bd. VIII, S. 15.
139
Novalis, Fragment 1263.
13
» Fragment 1421.
140
Fragment 1289.

109
KUNST

Imagination, wird „möglich", weil die Idee der Einbildungskraft in der


genialen Darstellung zugänglich ist; das „Mögliche", d. h. die landläufige
Auffassung der äußeren Welt, wird durch die Einwirkung der Phantasie
„unmöglich": die von der Idee beleuchtete Wirklichkeit erscheint in einem
neuen Licht. Darin besteht die Romantisierung der Welt.

110
V. DICHTUNG

Die Frage nach der frühromantischen Dichtungsanschauung läßt sich


nicht auf die gleiche Weise behandeln wie das entsprechende Problem der
übrigen Kunstarten. Es verhält sich damit nicht etwa so, daß man die
Wesenszüge der Kunst überhaupt aufzählen und ihnen die Eigentümlich-
keiten der besonderen Kunstart Dichtung einfach hinzufügen könnte.
Daraus entstünde kein angemessenes Bild. Vor jeder Beschäftigung mit
der romantischen Dichtungstheorie muß geklärt werden, wie sich die
Dichtung zur Poesie verhält. Es gibt nämlich in frühromantischer Zeit
keine Gleichung Dichtung = Poesie. Inhalt und Ausdehnung der beiden
Begriffe decken sich nicht. Die Poesie erstreckt sich auf Gebiete, die der
Dichtung fremd sind, und es gibt Dichtungen, allerdings schlechte, die
mit Poesie nichts zu tun haben.
Was ist zunächst Poesie? Die Antwort muß einigermaßen differen-
ziert ausfallen; eindeutig und einfach kann sie schon wegen der Komplexi-
tät der Frage selbst nicht sein. Das Problem entzieht sich fast jeder be-
grifflichen Annäherung.
Was in den Anschauungen der Frühromantik zuerst auffällt, ist, daß
der Begriff Poesie den Rahmen jeder Kunstdefinition sprengt. Poesie ist
nicht zunächst eine Kunst unter anderen, sondern ein kaum bestimmbares
kosmisches Element, das vor jeder Kunst und jedem Kunstwollen besteht.
Am deutlichsten spricht sich wohl Friedrich Schlegel darüber aus, und
zwar auf den ersten Seiten seines Gesprächs über die Poesie. Die „erste,
ursprüngliche" Poesie erblickt er in der „formlosen und bewußtlosen, die
sich in der Pflanze regt, im Lichte strahlt, im Kinde lächelt, in der Blüte
der Jugend schimmert, in der liebenden Brust der Frauen glüht". Die
ganze Erde ist ihm „ein Gedicht der Gottheit" 1 .
Diese Urpoesie als Ingrediens der Schöpfung muß, um vom Men-
schen wahrgenommen und empfunden zu werden, auf eine entsprechende
Fähigkeit der menschlichen Seele wirken können. Nach dem romanti-
schen Gesetz der universellen Analogie muß auch in den Tiefen des Ge-
müts eine Urkraft vorhanden sein, die der kosmischen Urpoesie entspricht.
Friedrich Schlegel schreibt in dieser Hinsicht: die Poesie „blüht von selbst
1
Fr. Schlegel, Gespräch, über die Poesie, KA, Bd. II, S. 285.

111
DICHTUNG

aus der unsichtbaren Urkraft der Menschheit hervor, wenn der erwär-
mende Strahl der göttlichen Sonne sie trifft und befruchtet"2. Ähnlich
meint sein Bruder: „Unser Dasein ruhet auf dem Unbegreiflichen, und
die Poesie, die aus dessen Tiefen hervorgeht, kann dieses nicht rein auf-
lösen wollen"®. Der Anfang der Poesie fällt für ihn mit der ersten
Regung des menschlichen Daseins zusammen4.
Die Poesie als Urkraft der Menschheit und als Emanation der unbe-
greiflichen Tiefen des Daseins steht in ständiger Wechselwirkung mit der
Poesie als kosmischem Element.
Die Poesie ist mithin allgegenwärtig, sowohl im Weltall als auch im
Menschen, und zwar einerseits als Fluidum, das in jede Erscheinung
dringt, und andererseits als geheimnisvolle Seelenkraft, die auf dieses
Fluidum reagiert. Sie entsteht in actu aus jeder wahrhaften Begegnung
der Seele mit der Welt; sie bildet die Mitte zwischen Ich und Welt, das
Band zwischen den verborgenen Kräften des Weltalls und der unruhigen
Seele, die sich nicht mit wissenschaftlicher Erkenntnis begnügt, sondern
sich nach einer mystischen Kommunion sehnt. Sie ist „durchaus Zentrum
in jeder Hinsicht"5, das wirklich Reale jeder Erscheinung, das Tiefgrün-
dige jedes Erlebnisses, der unsichtbar-fühlbare Kern jeder Tätigkeit. Jede
Handlung, die um ihrer selbst willen erfolgt und nicht auf einen fremden
Zweck gerichtet ist, ist poesieträchtig6. So sind die „innersten Mysterien
aller Künste und Wissenschaften" ein „Eigentum der Poesie" 7 . Solche An-
schauungen führen uns zum Ältesten Systemprogramm zurück, in dem die
Poesie als das A und O gepriesen wird. Fast wörtlich nimmt Wilhelm
Schlegel das Systemprogramm wieder auf, wenn er in seinen Berliner
Vorlesungen sagt, die Poesie sei das Ursprünglichste, die Ur- und Mutter-
kunst aller übrigen und auch die letzte Vollendung der Menschheit, der
Gipfel der Wissenschaft, die Dolmetscherin der himmlischen Offenba-
rung8. Sie erscheint ihm als das Unentbehrlichste, das Erste, das Ur-
sprünglichste in allem menschlichen Tun und Denken®, als das Allgegen-
wärtigste und das Alldurchdringendste10. Sie fließt „aus einer ursprüng-
lichen Hauptanlage des menschlichen Gemüts" hervor11. Das gleiche meint
2 Ebd.
3 A. W. Schlegel, Bürger, Bd. VIII, S. 77 f.
4 A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 231.
5 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1827.
• Vgl. Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 304; Literary Notebooks,
Nr. 1800.
7 Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 324.

8 A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 227.


» E b d . S. 231.
1 0 Ebd., S. 227.

11 A. W. Schlegel, Geschichte der klassischen Literatur, S. 19.

112
DICHTUNG

auch Friedrich Schlegel mit den einfachen Worten: „Jeder Mensch ist von
Natur ein Dichter"12. Der Urgrund unserer Menschheit ist poetisch. Nur
ist diese Poesie in uns durch die Kruste des Alltags verdeckt. Wenn es uns
gelänge, uns von den Hemmungen der Gewohnheit und der Trägheit zu
befreien, würde die Poesie hervorleuchten. „In einem idealischen Zu-
stande der Menschheit würde es nur Poesie geben"13.
Mit dieser Darstellung der „form- und bewußtlosen" Poesie ist der
Inhalt des Begriffs jedoch noch lange nicht erschöpft. Daneben zeigt sich
eine Auffassung, die die Beziehung zur Dichtung und zur Kunst in größe-
rem Maße berücksichtigt. Freilich ist auch diese Auffassung nicht im
Handumdrehen zu erläutern. Sie gliedert sich in zwei Hauptmomente,
deren Zusammenhang nicht immer deutlich ans Licht tritt.
Zunächst wird die Poesie „im allgemeinen Sinn" als das „allen
Künsten Gemeinsame, was sich nur nach der besonderen Sphäre ihrer
Darstellungen modifiziert", beschrieben14. Sie ist die „Repräsentantin
aller Künste und bildet sie gleichsam vor"15. Wo findet sich das Gemein-
same der Künste in dieser Beziehung? In der Produktion von Ideen durch
die Phantasie. In jeder Kunst, schreibt Wilhelm Schlegel, gibt es zwei
Teile: einen mechanisch-technischen, der je nach Kunstart und Gattung
verschieden ist, und einen „poetischen", der allen Künsten gemeinsam ist.
Dieser poetische Teil beruht auf der „freien schaffenden Wirksamkeit der
Phantasie", einer schöpferischen Tätigkeit, die mit dem Wort poiesis be-
zeichnet wird16. Den Begriff poiesis versteht Wilhelm Schlegel demnadi
im etymologischen Sinn als Hervorbringung, und zwar als Hervorbrin-
gung einer Phantasiewelt, die uns „über die gewöhnliche Wirklichkeit"
erhebt. „Poesie bezeichnet also in diesem Sinne überhaupt die künstle-
rische Erfindung, den wunderbaren Akt, wodurch dieselbe die Natur
bereichert"17. Eine Bereicherung der Natur im romantisdien Sinn kann
selbstverständlich nicht nur darin bestehen, daß ein Werk von Menschen-
hand zu den schon vorhandenen hinzukommt, sondern vielmehr darin,
daß durch die „wunderbare" künstlerische Erfindung die Natur einen
unendlichen Sinn bekommt, indem sie sich der symbolischen Deutung
durch die Einbildungskraft erschließt. Poesie wäre also das schöpferische
Moment der Einbildungskraft und als solches „gleichsam der in allen
Künsten überall gegenwärtige Universalgeist"18. Insbesondere bezeichnet
12
Fr. Sdilegel, Literary Notebooks, Nr. 255.
13
Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 324.
14
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 15.
15
A. W. Schlegel, Geschichte der klassischen Literatur, S. 14.
18
A. W. Sdilegel, Kunstlehre, S. 15.
" Ebd., S. 225.
18
Ebd.

113
8 Nivelle
DICHTUNG

sie die Fähigkeit, den Sinn der konkreten Erscheinungen aufzuspüren,


die unendliche Bedeutung des Individuellen, Eigentümlichen zu ent-
decken. Das ist genau das, was Novalis „poetischen Sinn" nennt, wovon
schon im vorigen Kapitel die Rede war.
Der zweite Aspekt, unter dem die Poesie im Rahmen dieser mehr
kunstbezogenen Auffassung auftritt, läßt sich am besten im Gegensatz
zur Kunst im engeren Sinn des Wortes darlegen. Unter diesem Gesichts-
punkt stellt sie das unbewußte Moment in der Entstehimg des Werkes
dar, während die 'Kunst' das bewußte Verfahren des Künstlers bei der
Ausführung meint. Schelling nimmt in jeder Kunst zwei Komponenten
an, eine unbewußte und eine bewußte. Unwillkürlich fühlt sich der echte
Künstler zur Schöpfung getrieben; mit der Hervorbringung seines Wer-
kes befriedigt er einen unwiderstehlichen Trieb seiner Natur. Er fühlt,
daß er unter einer Macht steht, die ihn Dinge auszusprechen zwingt,
über deren Bedeutung er sich nicht immer im klaren ist. Erst diese „be-
wußtlose Wissenschaft" verleiht dem Werk eine „unergründliche Reali-
tät". Eine solche Schaffensfähigkeit hält Schelling für angeboren: sie
kann weder gelernt noch gelehrt, noch durch Übung erlangt werden. Er
nennt sie 'Poesie' im strengen Sinn, während die 'Kunst' die bewußte
Tätigkeit des Künstlers bezeichnet, welche freilich ebenso erforderlich
ist wie die unbewußte. Die so aufgefaßte Kunst bezieht sich auf alle
Probleme der Formgebung, der äußeren Gestaltung des von der Poesie
Eingegebenen. Hier treten Überlegung, Reflexion, Erfahrung, Übung
auf den Plan. Diese bewußte Seite der Kunst ist lern- und lehrbar.
Was bei Schelling die Namen Poesie und Kunst führt, heißt bei
Friedrich Schlegel Instinkt und Absicht. „Form und Stil ist absichtlich;
nicht so Geist, Ton und Tendenz", schreibt er19. Geist, Ton und Tendenz
entstammen dem sogenannten Instinkt. Das gelungene Kunstwerk stellt
zwischen den beiden Phasen der Kunstschöpfung eine vollkommene
Harmonie her: „In jedem guten Gedicht muß alles Absicht, und alles
Instinkt sein"20. Gehalt und Gestalt müssen miteinander verschmelzen,
damit das Werk alles mitteilen kann, was der Urheber hineingelegt hat.
Wenn an einer der Komponenten gerüttelt wird, wird auch das Ganze
entstellt oder zerstört. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Gedicht in
eine fremde Sprache übersetzt wird: „Was in gewöhnlichen, guten oder
vortrefflichen Ubersetzungen verloren geht, ist grade das Beste"81. Das
wußte übrigens schon Herder.

19
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 445.
!0
Fr. Schlegel, Lyceums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 149, Nr. 23.
21
Ebd., S. 156, Nr. 73.

114
DICHTUNG

Auch Wackenroder war schon davon überzeugt, daß die absichtliche


Arbeit nicht ausreicht, um ein gültiges Kunstwerk zu schaffen, und daß
die unbewußte Komponente, bei ihm göttlicher Beistand oder göttlicher
Funken genannt, unbedingt nottut 22 . Wilhelm Schlegel wußte ebenfalls,
daß ein Kunstwerk organisch entsteht und daß alle erdenkliche bewußte
Arbeit kein Gedicht gut macht, das nicht schon „im Mutterleibe" gut war.
Er unterscheidet in der Kunst Geist und Buchstaben, „einen schaffenden
und einen ausführenden Teil", die aufeinander abgestimmt sein müssen,
wobei jedoch der „Geist" der entscheidende Faktor ist, denn er läßt sich
nicht willkürlich behandeln und in eine beliebige Form gießen. Die
äußere Form kann nur der „getreue Abdruck" der inneren sein23. Der
Anteil des Unbewußten kann individuell verschieden sein, ein Verhältnis
von Unterbewußtheit und Bewußtheit ist aber in allen Fällen da24.
Das vollkommene Kunstwerk erfordert also in romantischen Augen
beide Aspekte der schöpferischen Tätigkeit, und ihr harmonischer Zusam-
menhang, die Identität von Besonnenheit und instinkthafter Inspiration,
kennzeichnet das Genie. Poesie in diesem letzten Sinn des Wortes be-
zeichnet demnach die angeborene unbewußte Tätigkeit, die sich in der
Seelentiefe des Dichters als Produkt eines Instinkts entfaltet und die
ihm den eigentlichen Gehalt und die innere Form seines Werkes eingibt,
eine irrationale Kraft, die in der schöpferischen Phantasie wurzelt und
zum Ausdruck drängt. Ihr angemessenster Ausdruck ist die Dichtung.

Als einzelne Kunstart hat die Dichtung am allgemeinen Wesen der


Kunst teil, und alles, was die Kunst definiert, bestimmt naturgemäß zu-
gleich auch die Dichtung. Im Prinzip sucht sie also wie jede andere
Kunstform eine Darstellung des Unendlichen in einem Besonderen, eine
symbolische Durchleuchtung konkreter Erscheinungen. Jedoch hebt sie
sich von den übrigen Künsten beträchtlich ab, und zwar zunächst durch
das Mittel, dessen sie sich bedient: die Sprache. Dichtung geschieht im
Bereich der Sprache, und die Worte der Sprache unterscheiden sich von
den Ausdruckmitteln der anderen Künste durch ihre abstrakte und 'un-
endliche' Bedeutung. Auf Grund ihrer doppelten Eigenschaft als konkrete
Zeichen und Bedeutungsträger eignen sich die Worte für den Reflex des
Unendlichen, der zum Wesen der Kunst gehört, ganz besonders und
lassen diesen Reflex in der Dichtung viel unmittelbarer erscheinen als
etwa in den bildenden Künsten. Schelling schreibt, die Dichtung behalte
„in dem Gegenbild selbst noch die Natur und den Charakter des Idealen,
22
Wadcenroder, Herzensergießungen, S. 15, 19, 52.
23
A. W. Schlegel, Bürger, Bd. VIII, S. 121 ff.
21
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 30.

115

DICHTUNG

des Wesens, des Allgemeinen bei"25. Auf Grund der Art ihrer Zeichen
muß die Dichtung fast notwendigerweise Bild und Begriff zugleich mit-
teilen. Dieser Zwang ist manchmal als eine zusätzliche Belastung ange-
sehen worden. Novalis hat von einer rein musikalischen Dichtung ge-
träumt, in der die abstrakte Bedeutimg der Worte ausgeschaltet wäre. Im
großen und ganzen kommt aber dieser doppelte Aspekt der Sprache der
romantischen Poetik sehr entgegen. Behauptet doch Friedrich Schlegel,
die Sprache sei, „ursprünglich gedacht, identisch mit der Allegorie"26,
wobei noch einmal auf seinen eigenwilligen Sprachgebrauch, der Allego-
rie für Symbol setzt, hingewiesen sei. Sprache als Symbol ist „ihrer Natur
nach nichts anderes als die Bezeichnung des Unendlichen" und daher
„ihrer ursprünglichsten, natürlichsten Form nach Poesie"27. Als Identität
von endlichem Zeichen und unendlichem Sinn entspricht die Sprache dem
romantischen Symbolbegriff und stellt sich demnach als das geeignetste
Mittel heraus, das Unendliche anzudeuten. „Die Sprache, welche sich
bloß mit göttlichen Dingen beschäftigt, wäre die natürlichste des Men-
schen, und nicht die Sprache des gemeinen praktischen Lebens" 28 . Wil-
helm Schlegel nennt sie „die wunderbarste Schöpfung des menschlichen
Dichtungsvermögens" und faßt sie auf als „das große, nie vollendete
Gedicht, worin die menschliche Natur sich selbst darstellt" 28 .
Wie läßt sich, so könnte man fragen, die übergroße Diskrepanz
zwischen diesem begeisterten Zujubeln und der eindeutigen Verurteilung
der Sprache als Instrument des Unendlichen durch Wackenroder, der in
seiner abschätzigen Meinung auch noch von Schleiermacher unterstützt
wird, erklären? Die Antwort muß ganz einfach ausfallen: es geht nicht
um dieselbe Sprache. Die Sprache, die die schroff negative Stellungnahme
Wackenroders hervorlockt, ist das Verständigungsmedium „des gemeinen
praktischen Lebens", während hier ihre künstlerische Potenz betrachtet
wird. Einerseits wird sie als ein vom Verstand geprägtes zweckgebun-
denes Mitteilungsmittel angesehen; andererseits tritt sie in ihrer „ur-
sprünglichen Kraft" auf, „die im notwendigen Zusammenhang zwischen
den Zeichen der Mitteilung und dem Bezeichneten liegt"30. Das — wenn
auch unerreichbare — Ideal der Sprache als Ausdruck der Kunst wäre die
völlige Identität von Zeichen und Bedeutung, von Bild und Sinn. Das
Begriffliche stellt hier wie gewöhnlich das störende und hemmende Mo-
ment dar. Aufgabe des Dichters ist es, sich von der Sprache als einer
25
Schelling, Philosophie der Kunst, 3. Ergänzungsband, S. 282.
26
Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 348.
27
Fr. Schlegel, Geschichte der europäischen Literatur, KA, Bd. XI, S. 113.
28
Ebd.
2
» A. W. Schlegel, Briefe über Philosophie, Silbenmaß und Sprache, Bd. VII, S. 104.
30
Ebd., S. 105.

116
DICHTUNG

„Sammlung logischer Ziffern" zu befreien und sie zur „Darstellung", d. h.


zur Andeutung, von Ideen zu machen. Daher die Forderung nach größt-
möglicher Bildlichkeit im poetischen Ausdruck, der als eine „Wieder-
schöpfung der Sprache" zu gelten hat31. Die poetische Sprache soll eine
„Kombination des inneren und äußeren Sinnes" sein und „das ganze
Gebiet des menschlichen Geistes" umfassen32. Für Wilhelm Schlegel fällt
die Ursprache mit der Elementarpoesie zusammen33; die Dichtung ist für
ihn eine Sprache in der höheren Potenz34. Um poetisch zu wirken, müssen
die modernen Sprachen ihren ganzen Reichtum an Ausdruckskraft und
Bildhaftigkeit aufbieten 35 . Zum vollkommenen Ausdrucksmittel der Dich-
tung gehört ein Maximum an Anschaulichkeit und an Sinnträchtigkeit zu-
gleich.

Die dichterische Sprache, die sich dem Ideal der Anschaulichkeit und
der gleichzeitigen unendlichen Bedeutung nähert, fällt im Grenzfall aus
dem Bereich des Begrifflichen heraus und stellt somit einen ausgezeich-
neten Reflex des Unendlichen dar, wie er der romantischen Kunstdefini-
tion entspricht. Das dichterische Wort erhebt sich zum Symbol von Ideen
und erfüllt mithin die Aufgabe der poiesis als Ideenschöpferin. Noch
weniger als die übrigen Künste ist die Dichtung an die gegenständliche
Wirklichkeit gebunden; ihr Gebiet ist das des Möglichen. „Was poetisch
möglich ist, ist eben deswegen schlechthin wirklich, wie in der Philoso-
phie, was ideal — real"36. Die poetische Idee braucht keine Bestätigung
aus dem Reich des Wirklichen — ebensowenig wie der kategorische Im-
perativ. Ihre Wirklichkeit fällt mit ihrer Möglichkeit zusammen. Sie ge-
winnt schon dadurch Realität, daß sie in der Einbildungskraft entsteht.
„Je poetischer, je wahrer", sagt Novalis. Eine solche Anschauung stützt sich
unmittelbar auf die idealistische Philosophie, für welche die Idealität des
Ich mit seiner Realität identisch ist. Wer die Realität von der Idealität
abgesondert sieht, kann von Poesie nichts verstehen. Der Empirismus, der
nur das, was in der Erfahrung liegt, als wahr zu erkennen vermag, ist das
Prinzip der Unpoesie.
In Wilhelm Schlegels Sprache, die in dieser Hinsicht noch an die
traditionelle Terminologie gebunden erscheint, stellt sich die Dichtung
nicht die Nachahmung der Natur als Aufgabe, sondern sie will Schönheit
erschaffen. Die Poesie, „im weitesten Sinn genommen", ist für ihn „die
31
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 83.
32
Ebd., S. 103.
33
Ebd., S. 231, 242.
34
Ebd., S. 84.
35
Vgl. ebd., S. 247.
38
Schelling, Philosophie der Kunst, 3. Ergänzungsband, S. 282 ff.

117
DICHTUNG

Fähigkeit, das Schöne zu ersinnen und es sichtbar oder hörbar darzu-


stellen", und als solche eine „allgemeine Gabe des Himmels"37. Die Schön-
heit versteht Wilhelm Schlegel im platonischen Sinn als die sinnliche Er-
scheinimg einer Idee38, also als Symbol. Ein Kreis oder ein Kubus, schreibt
er, können an sich höchstens vollkommen sein; schön sind sie erst, wenn
sie als Symbole betrachtet werden3'. Das ist der Punkt, an dem er sich in
der Ästhetik von Kant distanziert, bei dessen Definition der Schönheit er
jede Beziehung auf ein Unendliches vermißt40. Erst der Idealismus bringt
seiner Meinung nach eine gültige Antwort, indem er das Sdiöne mit der
Fähigkeit des Menschen gleichstellt, sich im Zustand des Endlichen und
in der Spaltung seines Wesens seiner ursprünglichen Einheit bewußt zu
werden41. Die Schönheit versetzt uns jenseits des Sündenfalls in den
Stand der Unschuld, in das goldene Zeitalter zurück, da Geist und Ma-
terie, Intelligenz und Natur, Freiheit und Notwendigkeit noch nicht aus-
einander klafften, sondern eine vollkommene Einheit ausmachten42. Nun
soll die Kunst als Schöpferin von Schönheit in jedem Betrachter diesen
Zustand der ursprünglichen Einheit wiederherstellen, nicht auf rein ab-
straktem Wege wie die Philosophie, sondern durch Sinnbilder, in denen
Idee und Anschauung eins sind43. „Die Poesie ist eine künstliche Herstel-
lung jenes mythischen Zustandes, ein freiwilliges und waches Träumen" 44 .
Damit wird die klassische Forderung nach Wahrscheinlichkeit über
den Haufen geworfen. Wahrscheinlich im eigentlichen Sinn kann etwas
nur für den Verstand sein. Auf das Kunstwerk läßt sich diese Kategorie
nicht ohne weiteres anwenden: der Dichter kann uns glauben machen,
was er will, er kann uns in fremde Welten versetzen, die uns heimisch
vorkommen, er kann in seiner Schöpfung nach den ureigensten Gesetzen
seiner Phantasie handeln, wenn der „Zauber" seiner Darstellung dazu
ausreicht45. Das tut der Wahrheit seiner Dichtung keinerlei Abbruch,
denn diese hegt nicht in der Ähnlichkeit mit dem Gegebenen oder in der
Anwendung physikalischer und moralischer Gesetze, sondern einzig und
allein im Symbolwert der Bilder. Alles, was die menschliche Natur mit
Notwendigkeit schafft, ist wahr, also auch die Schöpfungen der Phantasie,
sofern sie spontan und unabsichtlich sind46. Ihre Wahrheit liegt freilich
37 A. W. Schlegel, Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, Bd. V, S. 5.
58 A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 39; vgl. S. 68 und 81.
3 9 Ebd., S. 68.

4 0 Ebd., S. 65,71.

4 1 Ebd., S. 52.

4 2 Ebd., S. 78.

4 3 Ebd., S. 52.

4 4 Ebd., S. 283.

4 5 Ebd., S. 87.

4 « Ebd., S. 282 f.

118
DICHTUNG

nicht im Inhalt der Vorstellungen, sondern in ihrer symbolischen Bedeu-


tung. Jede dichterische Schöpfung der Einbildungskraft beruht auf Wahr-
heit. Die Dichtung erschöpft sich also ebensowenig wie die anderen
Künste in der Wiedergabe der Wirklichkeit; sie „bildet" das Unendliche
ins Endliche, das Ideale ins Reale, den Geist in die Natur, das Wesen
in die Erscheinung, die Ideen in das Leben „ein". Sie „pflanzt die ideali-
stischen Gottheiten in die Natur"47; sie madit die Ideen real und veran-
schaulicht sie als Götter48.

Ihrem Wesen nach hat die poetische Idee am allgemeinen Charakter


der künstlerischen Idee teil. Sie belebt das Kunstwerk als sein schöpferi-
sches Prinzip, und auf Grund dieser Vorrangstellung bildet sie mit der
sie hervorbringenden Phantasie den Zentralbegriff der frühromantischen
Dichtungstheorie. Auf ihr beruht die immer wieder geforderte und ge-
priesene Einheit des Werkes, die — wenn auch mit unterschiedlicher Be-
gründung — von allen Romantikern zum Dogma erhoben wird.
Wilhelm Schlegel macht sich über diejenigen lustig, die an einem
dichterischen Kunstwerk nur einzelne „Schönheiten" schätzen, während
das Ganze für sie „gar nicht vorhanden" ist. Eine künstlerische Voll-
kommenheit, meint er, kann es nur dann geben, wenn alles bis ins kleinste
Detail aufs Ganze bezogen ist, und nichts ist falscher, als in einem
Kunstwerk ein Mosaik, eine „Zusammenfügung toter Partikelchen" zu
erblicken. Das Einzelne existiert nur vermittels des Ganzen49. Das Ganze
muß erst „absolut gesetzt", es kann nicht aus einzelnen Elementen „zu-
sammengestückt" werden; vielmehr müssen alle Einzelheiten aus ihm
entwickelt werden50.
Am ausführlichsten wird die Einheit und die ihr zugrunde liegende
Idee von Novalis dargestellt. Eine Dichtung kann kein echtes Kunstwerk,
sondern nur ein „Sack voll Kunstfragmente" sein, solange sie keine auf
einer Idee beruhende Einheit aufweist. Die Idee selbst heißt bei Novalis
Kern, inneres Leben, Mittelpunkt, Plan, große Verteilung, Sinn, Geist,
Einheit des Mannigfachen, organischer Keim usw.51. Sie erscheint zu-
nächst als eine Dissonanz, die sich allmählich zur Harmonie entwickelt,
als „ein Mißverhältnis, was sich nachgerade ausgleichen soll". Sie „be-
greift die Wechselglieder in einem Verhältnis, das nicht so bleiben kann".
Um sie zu veranschaulichen, beruft sich Novalis auf das Beispiel des
Wilhelm Meister, in dem schon „im ersten Moment" zwei gegensätzliche
47 Schelling, Philosophie der Kunst, Bd. III, S. 469.
48 Ebd., S. 471.
49 A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 27.
s° Ebd., S. 251.
51 Novalis, Fragment 382, 467.

119
DICHTUNG

Tendenzen einander aufzuheben suchen: einerseits der Kaufmannsstand,


das Geschäftsleben, der „Nutzen"; andererseits das Streben nach dem
Höchsten, der Sinn für Kirnst, die „Schönheit". Die beiden Tendenzen
werden in einer Reihe von Gestalten und Episoden verkörpert, und eine
von beiden müßte die andere überspielen, wenn sie nicht durch Natalie
zu einer synthetischen Übersteigung des Gegensatzes geführt würden 52 .
Ein solcher Gegensatz und seine Überwindung machen zusammen
die sogenannte „Vereinigungsidee" oder, wie Novalis auch sagt, die
„ideenreiche Idee" des Werkes aus. Diese poetische Idee erscheint als ein
organischer Keim, „der sich frei zu einer unbestimmte Individuen ent-
haltenden, unendlich individuellen, allbildsamen Gestalt entwickelt, aus-
bildet" 53 . In ihr kreuzen sich „mannigfaltige Gedanken, Welten und
Stimmungen"; je zahlreicher sie sind, desto „gediegener, individueller
und reizender" ist die Idee54.
Die so aufgefaßte poetische Idee stellt demnach eine dialektische
Einheit dar, die aus einer Thesis, einer Antithesis und einer Synthesis
besteht. Thesis, manchmal auch Gefühl oder Stoff genannt, und Anti-
thesis, auch als Reflexion oder Form bezeichnet, treten in eine Spannung,
die durch ihre Auflösung die Idee verwirklicht. Im Wilhelm Meister tritt
das thetische Wirkliche in Widerspruch zum antithetischen Möglichen
(Kaufmannsstand einerseits, Streben nach dem Höchsten andererseits),
und die Spannung löst sich im Notwendigen auf, das sich aus den beiden
ersten Momenten ergibt55. Diese Synthesis gebietet der „Zentrifugal-
tendenz" der sonstigen Elemente Einhalt und zwingt diese, „sich zu einer
Bildung zu vereinigen, um einen Punkt her zu konsolidieren". Erst sie
gibt dem Ganzen eine Richtung und einen Sinn; sie enthält die eigentliche
Bedeutung des Werkes, gibt ihm seine tiefere Einheit, ordnet sich alle
Momente zu und wird zum Kern einer geistigen Welt. Sie „bildet eine
Welt aus nichts" 5 '.
Die enge Verwandtschaft zwischen der poetischen Idee als sinn-
gebender Einheit und der intellektuellen Anschauung als philosophischer
Grundoperation fällt ohne weiteres in die Augen. In beiden Fällen han-
delt es sich um ein Schweben über zwei Polen, die darüber hinaus mit
denselben Termini bezeichnet werden: Gefühl und Reflexion. Diese Ähn-
lichkeit bildet einen der wesentlichen Gründe, warum in Novalis'scher
Sicht Philosophie und Poesie zusammenfallen. Nur der Ausdruck unter-
scheidet sie voneinander. Philosophie ist, wie oben ausgeführt, eine
52
Fragment 1018.
53
Fragment 1030.
54
Fragment 1178.
55
Vgl. Fragment 589.
56
Vgl. Fragment 1018.

120
DICHTUNG

Kunst, die im Inneren der Seele aufgehalten wird und darum nicht zur
künstlerischen Gestaltung gelangt, die aber auf der gleichen Uroperation
wie die Dichtung beruht. Das besagt das Novalis'sche Fragment 2171:
„Der Philosoph wäre am Ende auch nur der innere Dichter."

Mit dem Verhältnis zwischen Poesie und Philosophie haben sich die
Frühromantiker ausgiebig befaßt. Obschon das Problem bereits im
Systemprogramm gelöst zu sein scheint, indem der Poesie der Vorrang
vor der Philosophie zugestanden wird, bleibt die Begründung dieser
vorläufigen Lösung eine ständige Sorge der Jenaer Schule. Der haupt-
sächlich von Friedrich Schlegel immer wieder benutzte Ausdruck „Trans-
zendentalpoesie" kann ein gewisses Licht auf die einschlägigen Gedan-
kengänge der Schule werfen. „Es gibt eine Poesie", schreibt Schlegel,
„deren Eins und alles das Verhältnis des Idealen und des Realen ist, und
die also nach der Analogie der philosophischen Kunstsprache Transzen-
dentalpoesie heißen müßte" 57 . In deutlicher Anlehnung an die idealisti-
sche Philosophie unterstreicht er hier eine Dichtungsauffassving, die
zweierlei voraussetzt: erstens ist der Gegenstand der Dichtung nicht das
Reale, das Gegebene, das Vorhandene, sondern ein Verhältnis zwischen
diesem Realen und dem dazu Gedachten, Gewollten, Erstrebten; zwei-
tens soll die Dichtung nicht nur einen Gegenstand darstellen, sondern
zugleich sich selbst und somit „Poesie der Poesie" werden.
Die erste Voraussetzung entspricht der Novalis'schen Idee und deren
Dialektik. Das Reale wäre im Wilhelm Meister der Kaufmannsstand, das
Ideale das Streben nach dem Höchsten, und das Verhältnis der beiden
die Synthese der „Wechselglieder". Da sich Schlegel spontan im Dich-
tungstechnischen bewegt und mehr in Dichtungskategorien denkt als
Novalis, kostet es ihn wenig Mühe, für das in Frage stehende Verhältnis
die Schillersche Dichtungstypologie zu übernehmen und drei Grundtypen
zu unterscheiden: die Satire, in der es eine „absolute Verschiedenheit
des Idealen und des Realen" gibt, weil der vorhandene Zustand oder die
gegebene Tatsache dem dazu Gedachten entgegengesetzt ist; die Elegie,
die „in der Mitte schwebt" und die Idylle, bei der eine „absolute
Identität" des Idealen und des Realen zu verzeichnen ist, weil in ihr der
dargestellte Zustand mit dem Willen und der Reflexion des Darstellers
vollkommen übereinstimmt58. Jedoch gilt das Verhältnis des Realen und
des Idealen nicht allein für das Ganze und die Gesamtkonzeption eines
Werkes, sondern auch für jeden einzelnen Teil desselben: „Nicht bloß
das Ganze in der modernen Poesie muß idealisch sein, sondern auch jeder
Teil, jeder Punkt muß noch aus dreien Bestandteilen konstruktibel sein",
57
Fr. Schlegel, Athenäums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 204, Nr. 238.
58
Ebd.

121
DICHTUNG

wobei die Bedeutung des Wortes idealisch aus dem Zusammenhang er-
hellt 5 '.
Der zweiten Voraussetzung entsprechend soll sich die Dichtung „mit
der künstlerischen Reflexion und schönen Selbstbespiegelung" vereinigen,
damit am Ende eine „poetische Theorie des Dichtungsvermögens" ent-
steht*0. Mit anderen Worten: die Dichtung soll die in ihr tätige Dich-
tungskraft irgendwie widerspiegeln und zur Darstellung bringen. Poesie
der Poesie meint ja hauptsächlich die Dichtung, die sich selbst zum Gegen-
stand nimmt und eine Selbstoffenbarung anstrebt. Ein anderer Ausdruck
dafür ist „spekulative" 81 oder eben Transzendentalpoesie. Ob dieser
zweite Punkt in Schlegels Definition eine von vornherein gegebene Posi-
tion der romantischen Poetik ist oder aber erst auf dem Umweg über
Schlegels persönliche Anlage und sozusagen zufällig gewonnen wurde, ist
schwer zu entscheiden. Gewiß ist, daß diese Idee einer Poesie in der
zweiten Potenz sich auf die frühromantische Theorie fruchtbar ausgewirkt
und ihr ein eigentümliches Gepräge aufgedrückt hat; ihr Ursprung
könnte aber in Friedrich Schlegels poetisch-schöpferischer Schwäche lie-
gen. War doch die sogenannte Transzendentalpoesie für ihn das Mittel,
sich für einen Dichter zu halten, indem er mit diesem Begriff das ihm
vertraute Feld der kritischen Reflexion und der philosophischen Spekula-
tion mit scheinbarem Recht ins Reich der Poesie einbezog. Er war sich
seiner Grenzen bewußt und hat dies mehrmals ausgedrückt. Er schreibt
unter anderm: „Geschichte meines poetischen Gefühls. Sinn für negative
Transzendentalpoesie (für absolut Satirisch-Polemisches).. ."'2. Das Wort
negativ bezeichnet in diesem Zusammenhang einen Uberfluß an 'Ideal',
an Reflexion, an Geist und einen Mangel an 'Realem', an Stoff, an eigent-
lich dichterischer Substanz; daneben weist es auf die eine Seite der Poesie
hin, die Schlegel mit dem Begriff polemisch-satirisch umschreibt und die
bei einer vollgültigen Dichtung bloß das Pendant zur positiven Seite, zum
sogenannten 'Mystischen1 ausmachen sollte, von dem Schlegel wußte, daß
er es nicht genügend beherrschte".
Offenbar lauerte hinter einer solchen Position die Gefahr eines
Uberhandnehmens der Reflexion und einer dadurch verursachten Aus-
schaltung des Gefühls und eben des 'Mystischen'. Wilhelm Schlegel hat
diese Gefahr gesehen und davor gewarnt, indem er zu zeigen versuchte,
daß die Koexistenz von Gefühl und Reflexion einem ewigen Gesetz des
menschlichen Seins entspricht. „Es soll und darf nichts an unserem Gefühl
59
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 456.
60
Fr. Schlegel, Athenäums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 204, Nr. 238.
61
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 556.
62
Ebd., Nr. 1043.
63
Vgl. ebd., Nr. 766.

122
DICHTUNG

selbst mit Willkür verändert werden", schreibt er, „sondern wir müssen
nur frei darüber reflektieren, unsere Empfänglichkeit selbst zum Gegen-
stande unserer Selbständigkeit machen"84. Diese Koexistenz von Sein und
Bewußtsein, Verlorensein im Objekt und Selbständigkeit der Distanz und
der Reflexion fließt notwendigerweise aus dem „beständigen Pulsieren"
unseres Daseins zwischen einer „nach außen hin sich verbreitenden" und
einer „in sich selbst zurückgehenden Tätigkeit", das sich schon in der
bloßen Sinneswahrnehmung zeigt und „in einer höheren Potenz" in der
Poesie aktiv werden soll65. Spekulation ist für Wilhelm Schlegel nichts
anderes als die Selbstanschauung des Geistes, das Selbstbewußtsein. Da-
mit bestätigt er die oben genannte Definition der spekulativen Poesie als
einer Dichtimg, die sich selbst zum Gegenstand nimmt". Mehrfach hat er
dieser Tätigkeit, „durch welche zuerst etwas Poetisches zustandegebracht
wird" und die sich dann „auf ihr Resultat zurückwendet", ihre Stellung
in dem „inneren Organismus" des Geistes angewiesen und sie auf allge-
meine Gesetze des geistigen Lebens zurückgeführt". Er nennt sie auch
Spekulation der Phantasie68 und versteht darunter die Handlung der Ein-
bildungskraft, die etwas schafft und sich auf das Geschaffene besinnt.
„Man hat vortreffliche Gedichte über die Dichtkunst", schreibt er, „allein
wie weit höher konnte ein Dichter sich schwingen, der sein eigenes Genie
gleichsam in der Werkstatt seiner Schöpfungen belauschte" 6 '. Der Produ-
zierende, hätte sein Bruder gesagt, muß mit dem Produkt zugleich dar-
gestellt werden.
Im Gebrauch des Wortes Transzendentalpoesie ist Novalis sparsamer
als Friedrich Schlegel; seine Dichtungsanschauung beruht jedoch gleich-
falls auf diesem Begriff, wenn es auch den Anschein hat, als spiele bei
ihm die erste Voraussetzung eine größere Rolle als die zweite. Im Reiche
der Dichtung unterscheidet Novalis zwischen Poesie und Nicht-Poesie.
Letztere umschreibt er gelegentlich mit dem Ausdruck „poetische Musik
und Malerei", und er warnt davor, sie mit echter Poesie zu verwechseln.
Einzelne „Schönheiten" machen aus einer Dichtung noch lange kein
poetisches Kunstwerk. Tieck verfalle immer wieder dieser Gefahr, und
auch Goethe gerate manchmal auf diese falsche Spur. Der Dichter, schreibt
Novalis, „hat bloß mit Begriffen zu tun", und alle Schönheiten in seinem
Werk haben als einzige Funktion, „Begriffszeichen" zu sein70. Was er hier
84
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 26.
65
Ebd.
«« Ebd., S. 49.
" Ebd., S. 226.
«8 Ebd., S. 251.
99
A. W. Schlegel, Über die Künstler, ein Gedicht von Schiller, Bd. VII, S. 6.
70
Novalis, Fragment 3008.

123
DICHTUNG

unter Begriff versteht, ist nichts anderes als das, was er gewöhnlich Idee
nennt, allerdings in der schon bei Friedrich Schlegel festgestellten Bedeu-
tung des Wortes, die seine Anwendung auf einzelne Bestandteile der
Dichtung mit einbezieht. Daß es sich nicht um Begriffe im landläufigen
Sinn handelt, erhellt aus vielen ausführlicheren Fragmenten, in denen der
Begriff in der gewöhnlichen Bedeutung aus dem Reich der Poesie ver-
bannt wird. Ideen als Synthesen von Stoff und Reflexion „transzendieren"
die beiden „Wechselglieder" und erheben somit die Dichtung zur Trans-
zendentalpoesie im Schlegelschen Sinn.

Für das Verhältnis von Poesie und Philosophie läßt sich daraus
schließen, daß Reflexion und Synthese beiden Bereichen angehören und
daß der Dichter, der das „Denken" aufgibt, d. h. auf die Produktion von
Ideen verzichtet, der falschen, unechten Poesie zum Opfer fällt und als
Dichter versagt. „Die Trennung von Poet und Denker ist nur scheinbar
und zum Nachteil beider"; sie ist „das Zeichen einer Krankheit und krank-
haften Konstitution". „Dichter ist nur der höchste Grad des Denkers" 71 .
Dichtung ist anschauliches Denken, und Philosophie geht von einer
denkerischen Anschauung aus.
In Novalis'scher Sicht ist Dichtung gleichsam der Exponent der Philo-
sophie, ihre Vertreterin im Reiche des Realen, des Objektiven, ihr sicht-
barer Ausdruck, ihr „Held". Die Philosophie ist ihre Wurzel und ihre
Grundlage, die „Theorie", die sie „zum Grundsatz erhebt" und vor einer
Verzettelung in Zeitvertreibskünste und bloß angenehme Gesellschafts-
spiele schützt. Erst die Philosophie zeigt, „was die Poesie sei, daß sie eins
und alles sei"72, denn „die transzendentale Poesie ist aus Philosophie und
Poesie gemischt. Im Grunde befaßt sie alle transzendentalen Funktionen
und enthält in der Tat das Transzendentale überhaupt" 73 .
Nicht nur als Held und Exponent steht aber die Poesie mit der
Philosophie in Verbindung, sondern auch als deren „Zweck", „Bedeu-
tung", „Schlüssel"74 und paradoxerweise zugleich als ein Mittel zu ihrer
Mitteilung. Die Philosophie verhält sich zur Dichtung wie das Mögliche
zum Wirklichen; sie „bereitet die Welt zu dem wirksamen Einfluß der
Ideen", während die Poesie diesen Einfluß direkt ausübt. Letztere gibt
der Philosophie „anmutiges Leben"; sie führt sie ins konkrete Menschen-
dasein hinein, macht sie zugänglich und fruchtbar. Die Dichtung erweckt
den Sinn für das Ganze, das Universum; sie hebt das Individuum aus

71
Fragment 1894.
72
Fragment 1056.
73
Fragment 823.
74
Fragment 751, 807.

124
DICHTUNG

seiner stumpfen Isoliertheit heraus und stellt die Verbindung mit dem
Unendlichen her: „das Individuum lebt im Ganzen und das Ganze im
Individuum" 75 . Sie schafft „die höchste Sympathie und Koaktivität, die
innigste Gemeinschaft des Endlichen und des Unendlichen" 76 . In einer
solchen verbindenden, synthetisierenden Funktion bestehen das Wesen
und die Wirkung der Poesie77. „Der Dichter löst alle Bande auf", seine
Worte sind „Zauberworte, die schöne Gruppen um sich her bewegen" 78 :
das dichterische Wort ist eine Analogienquelle, seine evozierende Kraft
ist weltschöpferisch. Unter diesem Aspekt ist Dichtung gewissermaßen
ein technisches Mittel, die Philosophie lebendig und konkret zu machen,
sie ist „ein Teil der philosophischen Technik".
Freilich hat die Dichtung vor der Philosophie den Vorzug, daß sie
sich nicht ausschließlich wie diese auf die Vernunft bezieht; sie ist „unter
den Empfindungen, was Philosophie in Beziehung auf Gedanken ist"79.
Sie erreicht ihr philosophisches Ziel auf dem Umweg der Gemütserre-
gung. Sie ist „Gemütserregungskunst" 80 . Sie stimmt das Gemüt harmo-
nisch und bewirkt, daß in dem von ihr geschaffenen Gemütszustand
„jedes Ding seine gehörige Ansicht, alles seine passende Begleitung und
Umgebung findet". Sie erweckt Ahnungen und Erinnerungen, erweitert
die Seele, läßt uns mit allem in Kommunion geraten81, „löst fremdes Da-
sein in eignem auf"82, mutet natürlich und notwendig an und ist doch
wunderbar 83 . Sie öffnet allen magischen Zaubern die Tore des Gemüts,
und die eigentliche Einheit und Bedeutung eines dichterischen Kunst-
werks liegt in dem Seelenzustand, den es erweckt84. Sie versetzt das Ge-
müt „in ein mannigfaches Spiel von Bewegungen" 85 , bringt „innere Stim-
mungen und Gemälde oder Anschauungen" hervor86.

Dennoch ist in Novalis' Augen die direkte Gemütserregung kein ab-


solutes Erfordernis der Dichtung; die Rührung kann auch indirekt erfol-
gen, nämlich durch das Symbol. „Alle Darstellung des Dichters muß sym-

75
Fragment 807.
Fragment 751, 807.
77
Vgl. Fragment 1932.
78
Vgl. Fragment 808.
79
Vgl. Fragment 1955.
80
Vgl. Fragment 2907.
81
Vgl. Fragment 2638.
82
Vgl. Fragment 822.
83
Vgl. Fragment 2638.
84
Vgl. Fragment 3010.
85
Vgl. Fragment 2857.
8
» Vgl. Fragment 2907.

125
DICHTUNG

bolisch o d e r rührend sein"87. Das Symbolische einer Dichtung kommt


ihm einer mittelbaren Rührung gleich: es „veranlaßt Selbsttätigkeit",
bringt ein „Handeln des Geistes" zuwege, leitet „vom Schein aufs Sein",
von der „Anschauung zur Vorstellung" über88. Dies gilt besonders für
Naturschilderungen, denen der echte Dichter einen symbolischen Sinn ab-
gewinnt. Dadurch erhebt er sich zum „Vorstellungspropheten der Natur"
und zur „Stimme des Weltalls"89, wozu die bloße Nachahmung der Natur
ihn nie befähigen könnte, denn diese Nachahmung ist „durchaus das
Gegenteil" der Poesie90. Diese besteht in einer „freien, selbständigen
Tätigkeit" und in einem „Sieg über die rohe Natur" in und außer uns91.
Sie ahmt nicht nach, sie beseelt „mit besonderm, eigentümlichen Sinn"
alle Dinge und Vorgänge, die sie sich zum Thema wählt; sie ist der
„redende Geist" ihrer Gegenstände 92 . Ihre Schöpfungen sind eigentüm-
lich, individuell, konkret, und doch ist ihr eigentliches Gebiet das Allge-
meine, das Unendliche oder wie es sonst heißt93. Sie bietet eine „Wechsel-
vollendung des Bildes und des Begriffs", bringt den konkreten Gegen-
stand und zugleich seine symbolische, universelle Bedeutung zum Aus-
druck94, und das Finden dieser Bedeutung erfüllt den Leser mit einer
Genugtuung, die der Gemütserregimg gleichkommt.
Auch Wilhelm Schlegel meint, die Welt werde erst dadurch lebendig,
daß sie in der Dichtung eine symbolische Deutung erfährt. „Dichten",
sagt er, „ist nichts anderes als ein ewiges Symbolisieren; wir suchen ent-
weder für etwas Geistiges eine äußere Hülle oder wir beziehen ein
Äußeres auf ein unsichtbares Inneres"; und dabei nimmt er das Wort dich-
ten in seinem weitesten Sinn, d. h. als die allen Künsten zugrunde liegende
Tätigkeit95. Der Glaube an die Erkennbarkeit der Welt durch den Ver-
stand ist ihm eine „unpoetische" Ansicht der Dinge, bei der der Geist an
der Oberfläche bleibt und sich mit der wissenschaftlichen Deutung der
Erscheinungen begnügt, während die poetische Symbolisierung der Welt
in Bildern und Zeichen die Unerschöpflichkeit jeder Erscheinung, ihre
unendliche Sinnträchtigkeit veranschaulicht, was den Geist dazu anregt,
immer weiter zu forschen und aktiv zu bleiben".

87
Vgl. Fragment 3083.
88
Ebd.
89
Ebd.
60
Novalis, Briefe, Bd. V, S. 294.
91
Novalis, Fragment 412.
92
Fragment 3069.
93
Vgl. Fragment 3066.
94
Vgl. Novalis, Briefe, Bd. V, S. 247 f.
95
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 81 f.
98
Ebd.

126
DICHTUNG

Die poetische Symbolisierung schützt die frühromantische Dichtungs-


theorie vor jeder Verwechslung zwischen echter und rhetorischer Poesie.
Während die echte Dichtung im Bereich der Ideen erfolgt, wird die rheto-
rische vom Verstand „entworfen", der sich dann der Phantasie bedient,
um seine Begriffe darzustellen97. Eine solche Poesie, in der der Verstand
die Rolle der schöpferischen Erfindungskraft usurpiert, ist eigentlich
Prosa. Novalis definiert sie als „beschränkte Rede", indem er sie als Mittel
darstellt, das auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist und im Gegensatz zur
echten Poesie nie zum Selbstzweck werden kann98. Sie ist eine „künstliche"
Poesie, deren Wesen darin besteht, einer fremden Absicht zu dienen: sie
bezweckt eine „bestimmte Mitteilung, Erregung eines bestimmten Ge-
dankens" 99 . In der romantischen Poesie dagegen führt der Verstand als
„Inbegriff der Talente" die Anregungen der setzenden Vernunft und der
entwerfenden Phantasie aus. In dieser Zweiheit der Ziele und Verfahren
liegt für Novalis der Unterschied „zwischen Dichten und ein Gedicht
machen"190.

Die Darstellung der Novalis'schen Poetik kann sich gewöhnlich von


gewissen Formeln nicht losreißen, die in ihrer aphoristischen Kürze und
durch ihren Ton unumstößlicher Uberzeugving das Fundament und die
Eckpfeiler dieser Poetik zu bilden scheinen. Die Idee von der Poesie
als dem absolut Reellen, die ab und zu für den Kern der Novalis'schen
Philosophie gehalten wird und in dem Gedanken gipfelt: „je poetischer,
je wahrer" 191 , oder etwa die Vorstellung von der Allwissenheit des Dich-
ters192, der die Natur besser verstehe als der wissenschaftliche Kopf19®,
stehen freilich nicht in Widerspruch zu den sonstigen Ansichten des Dich-
ters, sind aber dermaßen zugespitzt formuliert, daß sie leicht einen
falschen Eindruck erwecken dürften. Gehört doch die „originelle, wunder-
liche, neue" Formulierung zum selbstgewählten Kanon des Novalis104,
und die Gefahr des Mißverständnisses oder der Gewichtsverlagerung ist
ausgerechnet in den geglückt und prägnant anmutenden Formeln beson-
ders groß. Wie überall soll auch hier der Zusammenhang mit dem Gan-
zen als Prüfstein dienen.

87
Novalis, Fragment 873.
88
Novalis, Briefe, Bd. V, S. 249.
88
Novalis, Fragment 989.
100
Fragment 873.
101
Fragment 1247.
102
Fragment 1072.
103
Fragment 2555.
104
Novalis, Briefe, Bd. V, S. 294.

127
DICHTUNG

Gewiß entsprechen diese Definitionen der Poesie der großen Bedeu-


tung, die ihr von Novalis verliehen wird. Die Gefahr besteht nur darin,
daß man sich auf Grund der radikalen Formulierungen dazu verleiten
lassen könnte, die Poesie als eine einmalig privilegierte Funktion ohne
jede Gemeinsamkeit mit den übrigen Tätigkeiten des Geistes anzusehen.
Eine solche Ansicht wäre falsch, denn die Poesie ordnet sich bei Novalis
in den Zusammenhang seines Weltbildes ein und ist mit den anderen
Funktionen des Geistes wesensverwandt. Sie wird einmal definiert:
„Dichtkunst ist wohl nur willkürlicher, tätiger, produktiver Gebrauch
unserer Organe und vielleicht wäre Denken selbst nicht etwas viel
anderes — und Denken und Dichten also einerlei"105; oder auch: „Die
ganze Poesie beruht auf tätiger Ideenassoziation"106. Ähnliche Ausdrücke
werden von Novalis auch für andere Tätigkeiten benutzt und machen die
Kontinuität seiner Dichtungsauffassung mit seinem allgemeinen Weltbild
deutlich. Der spezifische Hauptunterschied zwischen Poesie und reinem
Denken liegt in der verschiedenen Betonung des Individuellen. Die Dar-
stellung des Individuellen kennzeichnet die Poesie im Gegensatz zur
Philosophie, die sich von vornherein im Bereich des Absoluten und All-
gemeinen bewegt. Die beste Umschreibung des poetischen Sinnes wäre
vielleicht: Sinn für die Unendlichkeit des Individuums. In dieser Hin-
sicht hebt sich der Sinn für Poesie von den anderen Funktionen des Ge-
müts beträchtlich ab, und Novalis scheint ihn manchmal für angeboren zu
halten, so wenig wahrscheinlich ist es ihm, daß er gelehrt und gelernt
werden könnte. Deshalb drückt sich Novalis ab und zu im Blick auf die
Möglichkeit einer Definition der Poesie sehr negativ aus: man müsse „un-
mittelbar wissen und fühlen", was Poesie sei, sonst werde man es durch
keine Erklärung verstehen. Die Poesie kommt ihm bisweilen „indefinis-
sabel" vor107.
Trotzdem läßt er sich an mancher Stelle auf Approximationen ein, die
wichtige Fingerzeige sein können. Den Sinn für Poesie faßt er auf als den
„Sinn für das Eigentümliche, Personelle, Unbekannte, Geheimnisvolle,
zu Offenbarende, das Notwendig-Zufällige" 108 . Die Aneinanderreihung
dieser Adjektive, die offenbar der gleichen Bedeutungssphäre angehören,
ist sehr aufschlußreich. Das Unbekannte und Geheimnisvolle, das Nicht-
offenbare, das offenbart werden soll, i s t das Eigentümliche (im romanti-
schen Sprachgebrauch ein anderes Wort für das Individuelle), das Per-
sonelle, das Zufällige, das notwendig zufällig, d. h. von jedem Geistes-

105
Novalis, Fragment 2674.
106
Fragment 2416.
107
Fragment 3028, 2053.
108
Fragment 3056.

128
DICHTUNG

gesetz unabhängig ist. Individuum est ineffabile, so lautet eine altherge-


brachte philosophische Uberzeugung. Die Darstellung des Individuellen
hat in der Philosophie und im reinen Denken keinen Raum. Sie gehört
entweder in die historischen Wissenschaften oder in die Poesie, und die
immer wieder hervorgehobene Verwandtschaft dieser Bereiche gründet
sich für romantische Augen hauptsächlich auf die gemeinsame Wieder-
gabe des Individuellen. Das ineffabile, das Unsagbare, Undarstellbare
wird durch die Poesie dargestellt. Sie dringt ins Reich des rational Un-
erkennbaren, „sieht das Unsichtbare, fühlt das Unfühlbare" 10 *.
Auf Grund dieser Fähigkeit, die Unendlichkeit des Individuellen
wahrzunehmen, hat der Sinn für Poesie „viel mit dem Sinn für Mystizism
gemein" und weist eine „nahe Verwandtschaft mit dem Sinn der Weis-
sagung und dem religiösen, dem Sehersinn überhaupt" auf110. Ihm kann
ein beliebiger Gegenstand „Weltorgan" werden: „Jedes Willkürliche,
Zufällige, Individuelle kann unser Weltorgan werden. Ein Gesicht, ein
Stern, eine Gegend, ein alter Baum usw. kann Epoche in unserem Inneren
machen"111. Die Evokationskraft der Gegenstände gehört mit zu ihrer
Unendlichkeit. Wird doch das Individuum von Novalis als „ein magisches
Prinzip" definiert112. Im poetischen Gemüt zaubert ein zufälliger Gegen-
stand eine poetische Stimmung und eine poetische Weltansicht hervor,
wenn er im richtigen Augenblick erscheint. Die Fähigkeit, die Gegen-
stände als Anlässe zur poetischen Anschauung der Welt aufzunehmen, ist
wohl ein Teil der „höchsten Empfänglichkeit für eigentümliche Natur",
die Novalis als den höchsten Sinn bezeichnet113.
Sinn für Poesie wäre also, genauer betrachtet, die Fähigkeit, das
Individuelle in seiner Eigenschaft als Evokation einer unendlichen Bedeu-
tung und als Erregung einer Affektwirkung wahrzunehmen und darzu-
stellen. Damit erreicht die Poesie ihren „Zweck der Zwecke": sie erhebt
den Menschen über sich selbst114, sie „poetisiert", „moralisiert", „romanti-
siert" die Welt, indem sie das Einzelne im Lichte des Universalen, des
Geistigen erscheinen läßt, die irdische Welt verklärt und an ihrer „Ge-
mütwerdung", am Sieg der Aktivität des Geistes über die Trägheit der
Natur, am Triumph der „neuen, gebildeten, poetischen" Weltperiode
über das prosaische Zeitalter des Nutzens arbeitet116.

,0
» Ebd.
110
Ebd.
1,1
Fragment 3050.
112
Fragment 2531.
113
Fragment 73.
114
Fragment 818.
115
Fragment 1820, 2715.

129
9 Nivelle
DICHTUNG

Das Gesetz der Individualität betrifft in romantischer Sicht sowohl


den schaffenden Dichter als auch das geschaffene Kunstwerk.
Am eindringlichsten erklingt die Forderung nach der Individualität
des Dichters bei Friedrich Schlegel. Erst die „Eigentümlichkeit" des Ur-
hebers verleiht dem Werk seine Bedeutung und bildet den eigentlichen
Gegenstand der literarischen Kritik, deren Aufgabe darin besteht, „das
tiefe individuelle Gefühl des Ganzen" 116 und die „individuelle Absicht
eines Werkes" 117 klar herauszustellen und zu „charakterisieren". Auch
Wackenroder vertritt die Ansicht, die Kunst sei Ausdruck der individuel-
len Natur ihres Schöpfers118, und er singt in dieser Beziehung das Lob der
Originalität 119 . Wilhelm Schlegel verficht eine ähnliche Meinung, wenn er
schreibt: „Mich deucht, dasjenige Gedicht, in welches die Individualität
des Dichters am meisten verwebt ist, sei, wenn das Übrige gleich ist,
immer das bessere" 120 . Freilich betont er gewöhnlich das „Übrige" und
verlangt vom Dichter, daß er sich „seiner Individualität zu entäußern"
und dem Werk zu unterwerfen wissen soll; darin erblickt er eine „An-
näherung an Vollendung" 12 '. Hier liegen offenbar klassische Ansichten
über die Verbannung der Manier vor, an die Wilhelm Schlegel anknüpft,
wenn er von der „selbständigen Eigentümlichkeit" die Herstellung eines
Gleichgewichts zwischen der willkürlichen Manier und der anonymen
Schulübung erwartet. Schleiermacher schließt sich dieser Meinung an,
wenn er die „Menschheit" hervorhebt, die ihm über alles Individuelle
hinausgeht; zugleich betont er jedoch, daß jeder Mensch die Menschheit
auf eigene Art darstellt, und diese geistige Eigentümlichkeit eines jeden
ist ihm ein nicht zu übersehender Faktor des menschlichen Daseins 122 .
Nicht nur der Dichter soll sich aber durch seine Individualität aus-
zeichnen, auch das dichterische Kunstwerk muß ein einheitliches Ganzes
und als solches ein „lebendiges Individuum" sein. Der Kristallisation
einer ganzen Welt um einen individuellen Gegenstand, wie sie von
Novalis gefordert wird, soll die innere Organisation des Werkes ent-
sprechen. Dieses soll sich auf eine „einzelne Erscheinung" konzentrieren,
um die sich die anderen Vorstellungen in einer „individuellen Kombina-
tion" gruppieren 123 . „Alles Schöne ist ein selbsterleuchtetes, vollendetes

116 Fr. Schlegel, Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst, KA, Bd. IV, S. 25.
117 Ebd., S. 54.
Iis Wackenroder, Herzensergießungen, S. 29.
Ebd., S. 87.
1 2 0 A. W. Schlegel, Über die Künstler, ein Gedicht von Sdiiller, Bd. VII, S. 5.

121 A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 94.


122 Schleiermacher, 2. Monolog.

1 2 3 Novalis, Fragment 812.

130
DICHTUNG

Individuum" 124 : einfach im Ganzen, aber mannigfaltig im Detail125. Ein


Kunstwerk ist um so vollkommener und nähert sich dem „Zentrum der
Poesie" um so mehr, als es „persönlicher, lokaler, temporeller, eigentüm-
licher" ist. Je individueller die Darstellung, desto evozierender und uner-
schöpflicher das Kunstwerk: „Ein Gedicht muß ganz unerschöpflich sein
wie ein Mensch oder ein guter Spruch"126. Aus dieser zentralen Bedeu-
tung, die dem Konkret-Individuellen beigemessen wird, ergeben sich
praktische Anweisungen für die poetische Darstellung: im Gegensatz zu
der „vollständig deduzierenden" wissenschaftlichen Beschreibung be-
gnügt sich die dichterische Schilderung mit „einem durchaus individuellen
Zug — ex ungue leonem"127.
Eine Dichtung bildet eine Welt für sich und findet ihr Gesetz in sich
selbst. Das ist Schellings Überzeugung. „Gedicht ist überhaupt ein Gan-
zes, das seine Zeit und Schwungkraft in sich selbst hat und dadurch von
dem Ganzen der Sprache abgesondert, vollkommen in sich beschlossen
ist"128. Der auffälligste Ausdruck dieser Absonderung ist der Rhythmus,
durch den sich das Gedicht seine eigene Bewegung schafft und sich damit
die Zeit unterwirft. Durch den Rhythmus hebt es sich aus dem Fluß der
Zeit heraus und wird eine autonome Erscheinung. Rhythmus ist ja Ein-
bildung der Identität in die Differenz, um mit Schelling zu sprechen: er
zwingt der Zeit sein Gesetz auf und grenzt das Werk gegen die übrige
Welt ab129. Diese Funktion des Rhythmus im dichterischen Kunstwerk
wurde auch von Wilhelm Schlegel mehrfach hervorgehoben. Auch wenn
er sich nicht wie Schelling auf konsequent durchdachte Argumente stützen
kann, erblickt er doch darin „die Bedingung aller selbständigen Existenz
für die Poesie"130 und zugleich einen der wesentlichsten Beweise dafür,
daß die Kunst nicht auf Nachahmung beruht. Der Rhythmus soll nämlich
eine menschliche Schöpfung sein; die wenigen natürlichen Erscheinungen,
die etwas Ähnliches aufweisen wie z. B. Herzklopfen, Atemholen, Rudern,
Dreschen, Mähen, reichen zur Erklärung dieses Phänomens nicht aus131. In
der Dichtung wie im Gesang und Tanz ermöglicht er nicht nur einen
natürlichen Ausdruck der Affekte, vielmehr bewirkt er eine „freie umbil-
dende Darstellung" dieses Ausdrucks132. Er löst das Kunstwerk aus dem
allgemeinen Zeitlauf heraus, hebt die wirkliche Zeit auf und versetzt den
124
Fragment 111.
125
Fragment 1570.
126
Fragment 3018.
127
Fragment 928.
128
Schelling, Philosophie der Kunst, 3. Ergänzungsband, S. 288.
126
Ebd., S. 286 f.
130
A. W. Sdilegel, Kunstlehre, S. 231 f.
131
A. W. Schlegel, Briefe über Philosophie, Silbenmaß und Sprache, Bd. VII, S. 130 f.
132
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 86.

131

DICHTUNG

Leser in eine „imaginative Zeitreihe", in den individuellen Raum des


jeweiligen Kunstwerks, das somit den Rang einer selbständigen Erschei-
nung gewinnt133. Übrigens ist der Rhythmus nur eine besondere Anwen-
dimg des allgemeinen Gesetzes der Dichtimg, nach dem eine literarische
Schöpfung nur dann als Kunst zu betrachten ist, wenn sie sich selbst das
Gesetz gibt und sich keiner fremden Autorität, und sei es auch nur dem
herrschenden Sprachgebrauch, beugt134.

Ähnlich wie die anderen Künste, die ja alle ein Unendliches in einem
Endlichen darzustellen haben, greift die Dichtung zum Symbol als dem
einzig angemessenen Mittel des künstlerischen Ausdrucks. Sie läßt es aber
nicht beim einzelnen Sinnbild bewenden, sondern schreitet weiter zur
Schöpfung eines symbolischen Weltzusammenhangs, der in der Sprache
der Frühromantiker M y t h o l o g i e heißt. Die Ideenwelt als eine Welt
der Götter anschaulich zu machen, ist eine Grundforderung Schellings135,
mit der Friedrich Schlegel vorbehaltlos übereinstimmt und die Novalis in
die Tat umzusetzen versucht.
Die Mythologie ist für Schelling der „allgemeine Stoff", in dem das
Symbol als Identität von Sinn und Bild verwirklicht ist. „In der Mytho-
logie ist [das Besondere] zugleich selbst das Allgemeine"136, heißt in
seiner Sprache, was Wilhelm Schlegel mit den Worten ausdrückt, die Gott-
heiten der Mythologie hätten die Allgemeingültigkeit von Ideen und die
lebendige Gegenwart von Individuen137. Im Gegensatz zur Allegorie ge-
währleistet die Mythologie die „poetische Unabhängigkeit" der Gestal-
ten und zugleich einen sinnvollen, unendlichen Gehalt. Unter den ganz
wenigen Beispielen, die überhaupt in der Frühromantik angeführt wer-
den, sei auf das von Schelling evozierte Bild der Magdalena hingewiesen,
das die Reue nicht nur bedeute, sondern selbst sei138. So aufgefaßt ent-
sprechen die mythologischen Figuren und Handlungen der romantischen
Definition der Kunst als Darstellung der Identität des Besonderen und des
Allgemeinen im Besonderen oder als „Darstellung des Absoluten in Be-
grenzung ohne Aufhebung des Absoluten". Konsequent kann dann Schel-
ling schreiben: „Mythologie ist die notwendige Bedingung und der erste
Stoff aller K u n s t . . . Sie ist die Welt und gleichsam der Boden, worin
allein die Gewächse der Kunst aufblühen und bestehen können"13". Der

135
Ebd., S. 104.
134
Ebd., S. 244.
135
Schelling, Philosophie der Kunst, Bd. III, S. 471.
138
Ebd., S. 429.
137
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 288.
138
Schelling, Philosophie der Kunst, 3. Ergänzungsband, S. 206.
189
Ebd., Bd. III, S. 425 f.

132
DICHTUNG

Stoff der Kunst besteht ja aus Ideen, „sofern sie als real angeschaut wer-
den"140, d. h. sofern sie als mythologische Götter und Taten erscheinen.
Diese sind also das im Besonderen real oder objektiv angeschaute Abso-
lute141. Nur durdi ihre „bleibenden und bestimmten Gestalten" können
ewige Begriffe ausgedrückt werden142. Die Mythologie ist demnach die
urbildliche Welt, die erste allgemeine Anschauung des Universums, die
Grundlage der Philosophie145. Indem sie die Mythologie in ihren Werken
verwertet und mitgestalten hilft, erhebt sich die Kunst zu einem „magi-
schen und symbolischen Spiegel" des inneren Wesens der Philosophie144.
Auch für Wilhelm Schlegel erstreckt sich die Tragweite der Mythologie
„über alles, was Objekt des menschlichen Geistes werden kann", und er-
möglicht somit eine vollständige Weltansicht. Aus ebendem Grunde muß
sie als die Grundlage der Philosophie gedacht werden: sie hat die ersten
Denker zur Reflexion über den Sinn des Universums angeregt145.
Jeder echte Dichter steht vor der Aufgabe, sidi aus den Gegeben-
heiten seiner Zeit, seiner Lebensumstände, seiner Bildung eine Mytho-
logie zu schaffen, die seine geistige Welt in ihrem Zusammenhang er-
scheinen lassen soll. Er ist dazu berufen, die passende Mythologie für sein
Werk zu finden. Dante und Shakespeare sind deshalb groß und ewig, weil
sie sich ihren eigenen umfassenden mythologischen Kreis geschaffen
haben146.
Nach Friedrich Schlegel ist die Mythologie der poetische Ausdruck
des Idealismus. „Der Kern, das Zentrum der Poesie ist in der Mythologie
zu finden, und in den Mysterien der Alten". Zugleich mit diesem Glau-
bensbekenntnis gibt er seine Auffassung der Mythologie: „Sättigt das
Gefühl des Lebens mit der Idee des Unendlichen, und ihr werdet die
Alten verstehen und die Poesie"147. Mythologie soll also der adäquate
Ausdruck eines mit dem Bewußtsein des Unendlichen durchtränkten
Lebensgefühls, eines ideenhaltigen Gefühls des unendlichen Lebens sein.
Sie ist das Bild der ewigen Beseelung der Welt, des unendlichkeitsträch-
tigen Natur- und Geisteslebens, dessen Sinn so wenig wie die „Seele in
dem umgebenden Leib" rational zu fassen ist. Dieser Sinn „flieht das Be-
wußtsein" und muß indirekt aufgedeckt und dargestellt werden. Nun ist
er eben in der Mythologie „sinnlich geistig zu schauen und festgehal-

140
Ebd., S. 390.
141
Ebd., S. 390 und 417 f.
142
Ebd., S. 425 f.
"» Ebd., S. 436 f.
144
Ebd., S. 373.
115
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 295.
149
Schelling, Philosophie der Kunst, Bd. Ili, S. 465.
147
Fr. Schlegel, Ideen, KA, Bd. II, S. 264, Nr. 85.

133
DICHTUNG

ten"148. Die Mythologie ist „ein hieroglyphischer Ausdruck der umgeben-


den Natur" in einer Verklärung von „Phantasie und Liebe" und deshalb
die „eigentliche Seele aller Poesie" 1 ", deren „Mittelpunkt" 150 . „Mytho-
logie und Poesie, beide sind eins und unzertrennlich"151.
In diesen Ausführungen Friedrich Schlegels tut sich ein gewisser
Unterschied gegenüber den Schellingschen Anschauungen kund. Während
Schelling in der Mythologie hauptsächlich den Stoff der Kunst erblickt,
sieht Schlegel in ihr eher die Seele der Poesie. Sie scheint ihm weniger
ein Reservat von real angeschauten Ideen zu sein als vielmehr eine
dynamisch gefühlsmäßige Ansicht des Naturlebens, die sich auf Einfüh-
lung und Sympathie gründet, eine poetische Ansicht der Welt, gleichsam
der naive Zustand der Poesie vor der Erfindung der Kunst152. Ähnlicher
Meinung ist übrigens auch sein Bruder, der die Mythologie als die dritte
Stufe der Naturpoesie, die der Kunstpoesie vorangegangen sein soll, an-
sieht. Die erste Stufe ist für ihn die Elementarpoesie der Ursprache; die
zweite die Absonderung der poetischen Vorstellungen durch ein beson-
deres Sprachgesetz, den Rhythmus; die dritte die Mythologie als Zusam-
menfassung der poetischen Vorstellungen zu einer allgemeinen Welt-
schau153, die sich auf die Belebung der mechanischen Kräfte und die Ver-
menschlichung der Natur gründet154.
Solche Akzentverschiebungen verraten jedoch nicht notwendiger-
weise einen wesentlichen, grundsätzlichen Unterschied zwischen den Auf-
fassungen. Der Ton ist verschieden, das Prinzip ist identisch. Die Aufstel-
lung einer neuen Mythologie hat für Schlegel wie für Schelling vom
Idealismus aus zu erfolgen. Es gilt auch für ihn, die Mythologie „durch
den Geist der Physik" zu verjüngen155, d. h. sie anhand der neuen natur-
philosophischen Ideen zu erneuern.
Die alte Mythologie ist endgültig vorbei; sie war „die erste Blüte der
jugendlichen Phantasie, sich unmittelbar anschließend und anbildend an
das Nächste, Lebendigste der sinnlichen Welt"156. Sie war damals exote-
risch im Gegensatz zu den Mysterien, der eigentlichen Religion der
Griechen, die esoterisch waren. Im heutigen Weltzustand geschieht genau
das Umgekehrte: die Religion der Ungebildeten ist exoterisch geworden

148
Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 318.
"» Ebd., S. 318.
150
Ebd., S. 312.
151
Ebd., S. 313.
152
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1695.
153
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 231.
154
Ebd., S. 242.
155
Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 350.
158
Ebd., S. 312.

134
DICHTUNG

und bildet einen Ersatz für Poesie, Philosophie, Ethik und Physik; die
neue Mythologie soll — mindestens anfangs — esoterisch sein und nur
den Eingeweihten ihren tieferen Sinn offenbaren 157 . In der Einschätzung
der altgriechischen Mythologie, die eine „realistische" gewesen sein soll,
pflichtet Wilhelm Schlegel seinem Bruder bei: in ihr habe sich der Mensdi
als bloß irdisches Wesen dargestellt, während die christliche und auch die
brahmaistische Mythologie den Menschen in seinem Streben nach Unab-
hängigkeit von Erde und Natur ausdrücken und darum 'idealistisch' sind.
Freilich haben sich auch die Griechen nach einer idealistischen Mytho-
logie gesehnt; einen Beweis dafür sieht Wilhelm Schlegel in ihren Orgien.
Und andererseits haben die Christen das Irdische als Bestandteil ihres
Wesens nicht übersehen: die von ihnen eingeführten Sakramente erin-
nern an die irdische Gebundenheit des Geistigen159.
Anders als die des Altertums kann die moderne Mythologie keine
naive Schöpfung sein, vielmehr muß sie „aus der tiefsten Tiefe des Geistes
herausgebildet werden; es muß das künstlichste aller Kunstwerke sein"15'.
Es wäre allerdings möglich, die alte Mythologie mit Hilfe der Begriffe der
modernen Wissenschaft und Philosophie neu zu beleben: „Versucht es
einmal", schreibt Friedrich Schlegel, „die alte Mythologie voll vom
Spinoza und von jenen Ansichten, welche die jetzige Physik in jedem Nach-
denkenden erregen muß, zu betrachten, wie euch alles in neuem Glanz
und Leben erscheinen wird"160. Friedrich Schlegel meint, es stecke alles so
„unendlich voll Mythologie", daß man keine neue Mythologie im eigent-
lichen Sinn schaffen könne; man könne nur „sichtbar machen die unsicht-
bare, befreien die gebundene" 161 . Die unsichtbare Mythologie in Schlegels
Zeiten ist das idealistische Weltbild; die neue poetische Mythologie, die er
fordert, soll dazu dienen, den Idealismus zu einem „neuen Realismus" zu
erheben162, den Idealismus als theoretische Weltschau durch poetische
Schöpfungen zu veranschaulichen.
Wenn die neue Mythologie sichtbar gemacht worden ist, wird der
Mittelpunkt und der Urquell der Poesie wieder entdeckt sein. Dann gilt
das gleiche Weltbild für alle. Die ganze moderne Poesie wird, wie die
alte, ein „einziges, unteilbares, vollendetes Gedicht" werden, in dem das
Höchste „wirklich gebildet", d. h. objektiv gestaltet, und alles zu allem
157
Vgl. Fr. Schlegel, Phüosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 336, Nr. 165.
158
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 284.
15
» Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 312.
100
Ebd., S. 319.
161
Fr. Schlegel, in Schriften und Fragmente (Kröners Taschenausgabe), S. 133.
162 Ygj Strohschneider-Kohrs, Die romantische Ironie, S. 57 f. Daß bei dieser Forde-
rung auch gewisse Vorstellungen aus der naturmystischen Tradition eine Rolle
spielen, hat Sorensen deutlich nachgewiesen (Symbol und Symbolismus...).

135
DICHTUNG

in Beziehung stehen wird 1 ". Die Einheit der geistigen Welt ist dann
wiederhergestellt.

Eine neue, allgemeingültige Mythologie als symbolische Deutung


des Universums würde die Universalität der Poesie gewährleisten. Die
berühmte Formel von der progressiven Universalpoesie würde hier ihre
Anwendung finden. Universal wäre in diesem Zusammenhang ein Zeit-
und ein Raumbegriff, oder besser: das Wort bezeichnete die Uberwin-
dung von Zeit und Raum. Gegenstand der echten Dichtung ist nämlich
jeweils das Ewige, die sogenannte unendliche Bedeutung einer Erschei-
nung, nicht diese Erscheinung selbst. Die Poesie ist an keine Zeit gebun-
den: „Was in der Poesie geschieht, geschieht nie oder immer. Sonst ist es
keine rechte Poesie. Man darf nicht glauben sollen, daß es jetzt wirklich
geschehe"164. Auch Novalis hatte bemerkt, daß die Poesie im Reich des
Möglichen zu Hause ist. Echte Poesie transzendiert alle Zeit und spielt
sich im Ewigen der Idee ab. Auch eine Universalität im Raum ist der
Poesie eigen. Auf Grund der universellen Analogie hat sie nämlich „einen
unbeschränkten Umfang" 165 : „jedes Naturwesen ist Symbol des Ganzen".
Sonach soll „jedes Gedicht das Universum darstellen"166. Solche Dichtung
nennt Friedrich Schlegel manchmal esoterische Poesie: Sie strebt, „die
Welt und die Natur zu umfassen", während die exoterische sich auf den
Menschen beschränkt. Wie man dazu gelangt, den symbolischen Sinn
einer Erscheinung aufzudecken, was dazu an Vorkenntnissen und Re-
flexion erforderlich ist, haben die Frühromantiker nicht sehr klar darge-
legt. Wilhelm Schlegel hat sich in dieser Hinsicht sogar gründlich wider-
sprochen. Er geht von der Tatsache aus, daß die Poesie „die umfassendste
und vielseitigste" aller Künste sei, weil sie durch ihr Darstellungsmittel,
die Sprache, an keine bestimmten Gegenstände gebunden sei, sondern das
ganze „äußere und innere Dasein" des Menschen darzustellen vermöge167.
Von dieser Position aus beschreitet er zwei Wege, die einander diametral
entgegengesetzt sind, obschon sie sich beide bereits in den Berliner Vor-
lesungen abzeichnen. Einerseits fordert er vom Dichter ein enzyklopädi-
sches Wissen: nicht nur die alte und die moderne Poesie soll dieser „um-
fassendst" studiert haben, sondern auch Philosophie, Physik und Ge-
schichte168! Andererseits behauptet er, die enzyklopädische Allseitigkeit
tue nur dem Kenner, nicht dem Dichter not, denn dieser dürfte durch eine
165 Fr. Sdilegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 313, 318.
Fr. Schlegel, Athenäums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 180, Nr. 101.
1.5 Fr. Sdilegel, Über das Studium, der griechischen Poesie, S. 128 f.
1.6 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 2013.
167 A. W. Schlegel, Geschichte der klassischen Literatur, S. 14.
168 Ebd., S. 82.

136
DICHTUNG

allzu große Verbreiterung seiner Kenntnisse eher geschwächt werden. „Es


ist genug", schreibt Wilhelm Schlegel, „wenn er seinen Geist mit Energie
in einer bestimmten Richtung bewegt" 169 . Durch Vertiefung, nicht durch
Verbreiterung erlange man Universalität. Es gelte ja nur, die universale
Tragweite der Einzelerscheinungen herauszustellen, nicht etwa die Welt
enzyklopädisch zu beherrschen. Dem Leser bleibt die Qual der Wahl.
Eine solche Frage dürfte in bezug auf die wichtigste Gattung der roman-
tischen Dichtung, den Roman, der von Friedrich Schlegel als eine der
Hauptformen der esoterischen Poesie bezeichnet wird, besonders interes-
sant sein, denn gerade der Roman wird als das geeignetste Mittel zur
Poetisierung der Welt angesehen. Sein Zweck ist nämlich, „das der Poesie
entgegengesetzte Element des gemeinen Lebens zu poetisieren und sein
Entgegenstreben zu besiegen"170. Das ist die besondere Art und Weise,
in der er zur missionarischen Sendung der Poesie beiträgt, die ja alles in
den „ursprünglichen Zustand" zurückverwandeln171, alles poetisieren
soll172. Als solcher ist der Roman die Universalgattung par excellence.
Die Folge der Universalität der Dichtung ist ihr Ernst. In der Didi-
tung ein unverbindliches Spiel zu sehen, bedeutet für Friedrich Schlegel
das „abgeschmackteste und tiefste Vorurteil"173, und sie für einen „Fest-
tagsschmuck des Geistes" zu halten, reicht für seinen Bruder ebenfalls
nicht aus, ihr Wesen zu bestimmen174. Schon deshalb nicht, weil sie eine
„erhabene Trösterin in den Drangsalen" des Gemüts sei175, hauptsächlich
aber, weil die richtig, d. h. romantisch verstandene Poesie über sich selbst
hinausführe und durch ihre Universalität in der doppelten Bedeutung des
Wortes zur Weltanschauung und zur Religion werde. Die echt roman-
tische Poesie nennt Friedrich Schlegel eine „durch Enzyklopädie und
durch Religion reformierte und zentrierte" 176 . Er meint: „Die Bestimmung
der deutschen Literatur ist, durch Universalität zur Religion zu gelangen
und eine Palingenesis derselben zu bewirken"177, wobei der Begriff
Religion, wie oben ausgeführt, nicht etwa als Dogma und Kirchendienst
zu verstehen ist, sondern, und zwar nicht nur bei Schleiermacher, als
„Trieb nach dem Unendlichen", „nie befriedigte Sehnsucht", „geheimer
geistiger Schauer", um an ein paar Formeln Wilhelm Schlegels zu erin-

"» A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 31.


170
Fr. Schlegel, Literatur, in DNL 143, S. 308.
171
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, S. 1786.
178
Fr. Schlegel, Athenaums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 205, Nr. 239.
173
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1870.
174
A. W. Schlegel, An Fouqu6, Bd. VIII, S. 144.
175
Ebd.
178
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1864.
177
Ebd., Nr. 1924.

137
DICHTUNG

nern178. Die Verquickung von Religion und Poesie bis zur Identität beider
gehört zu den Grundlagen der frühromantischen Poetik: dabei gibt die
Religion ihre dogmatische und moralische Komponente auf, und die
Poesie übernimmt die Rolle eines kosmischen Elements, sie wird zur
weltlichen Mystik 1 ".

Die allmähliche Poetisierung der Welt, die sich die Poesie der Früh-
romantik in ihrer Universalitätsforderung vornimmt, setzt ein weiteres,
hauptsächlich Schlegelsches Postulat voraus: die Progressivität. Dieser
Begriff stellt für Friedrich Schlegel einen Wesenszug der 'fortschreiten-
den' romantischen Dichtung dar im Gegensatz zur klassischen, die „regre-
dierend", „stillstehend", zyklisch sein soll. Das Ideal der klassischen ist
Einheit, das der romantischen Ganzheit180.
Es dürfte nicht viele Begriffe geben, die die Forschung zu gründ-
licheren Mißverständnissen verleitet haben als dieser Begriff der Pro-
gressivität. Die damit scheinbar zusammenhängende sogenannte 'Unvoll-
endung' ist fast durchgehend auf das einzelne dichterische Kunstwerk
bezogen worden, und so konnte die Illusion entstehen, als hätten die
Frühromantiker eine Art non finito als poetologisches Ideal aufgestellt
und verkündet. Es liegt auf der Hand, daß eine Auffassung der Poesie als
eines überall gegenwärtigen kosmischen Elements notwendigerweise
andere formale Imperative zur Folge haben muß als eine streng klassische
Anschauung. Es leuchtet ebenfalls ein, daß das dichterische Kunstwerk
jeweils Abbild eines im Geiste erschauten Urbilds ist und daß ein solches
Abbild immer vervollkommnungsfähig ist. Nicht weniger klar ist, daß die
frühromantische Poetik keine erschöpfende Definition der Poesie anhand
konkreter historischer Vorbilder und Muster bieten, sondern nur eine
Tendenz angeben konnte, weil es solche Vorbilder und Muster noch nicht
gab und weil sie sich gerade als theoretische Vorbereitung solcher Werke
verstand181. Nichts von alledem besagt jedoch, daß der Frühromantik die
Nicht-Vollendung des Kunstwerks als Ideal vorgeschwebt hätte. Die
Schlegelsche 'Unvollendung' bezieht sich nicht auf das einzelne Werk,
sondern auf die Poesie schlechthin, und d a s entspricht dem Gesetz der
Progressivität, das übrigens nicht nur für die Dichtung, sondern für alle
menschlichen Tätigkeiten relevant ist. Wenn Friedrich Schlegel schreibt:
„Die Unvollendung der Poesie ist notwendig. Ihre Vollendung = das Er-
178
A. W. Schlegel, Kunstlehre, S. 285.
179
A. W. Sdilegel, Geschichte der klassischen Literatur, S. 47.
180
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 144, 186 (comment.), 293, 309.
181
„Eine Definition der Poesie kann nur bestimmen, was sie sein soll, nicht was sie in
der Wirklichkeit war und ist", Fr. Sdilegel, Athenäums-Fragmente, KA, Bd. II,
S. 181, Nr. 114.

138
DICHTUNG

scheinen des Messias, oder die stoische Verbrennung" 182 , so fordert er


nicht im geringsten, daß dichterische Schöpfungen unvollendet bleiben,
sondern er proklamiert, daß die Poesie eine ewige Komponente des
menschlichen Daseins ist und daß sie sich, wie alles im menschlichen
Leben, in einem ewigen Werden befindet. Mehr darüber im Schluß-
kapitel.
Was aber stimmt, ist, daß die Frühromantik eine andere Auffassung
von ästhetischer Vollkommenheit hat als z. B. die Klassik. Sie kommt u. a.
zum Ausdruck in einem Fragment Friedrich Schlegels, in dem es heißt, in
der Poesie möge „alles Ganze halb und alles Halbe doch eigentlich ganz
sein"183. Solche Äußerungen zeigen überdeutlich, daß die Frühromantik
sich von der Organismusästhetik, die die Form des Kunstwerks als eine
natürlich gewachsene definiert, mit aller Entschiedenheit löst. Der Inhalt
der Dichtung mag der Naturorganismus und das Ganze der Schöpfung
sein, die Form untersteht anderen Gesetzen, die nicht die Gesetze der
Natur sind. Andeutung, Hinweis, Suggestion, Evokation werden großge-
schrieben; Demonstration, Erweis, umständliche Darstellung, ursächlicher
Zusammenhang, konsequente Motivierung werden in die „Prosa" ver-
wiesen.

Diese und ähnliche Gedankengänge haben die Frühromantiker und


besonders Friedrich Schlegel dazu gebracht, über den dichtungstheoreti-
schen Wert der I r o n i e nachzudenken oder wenigstens die schon immer
erahnte Bedeutung der Ironie in das Lehrgebäude der frühromantischen
Poetik einzubeziehen.
Schon in den Lyceums-Fragmenten ist die Ironie für Schlegel die
Form des Paradoxen184. Auch wenn er später von seiner ursprünglichen
Auffassung der Ironie im sokratischen Sinn — wohl weniger grundsätz-
lich, als man behauptet hat — abwich und die Tragweite des Phänomens
erweiterte, bleibt diese erste Definition für den ganzen Schlegel gültig.
Was ist aber Paradoxie? Zusammenfassend könnte man sagen: das Be-
wußtsein des ewigen Widerstreits zwischen dem Endlichen und dem Un-
endlichen, begleitet von dem Gefühl der Notwendigkeit einer Uber-
brückung dieses Widerspruchs.
„Es gibt alte und moderne Gedichte, die durchgängig im ganzen und
überall den göttlichen Hauch der Ironie atmen. Es lebt in ihnen eine wirk-
lich transzendentale Buffonerie. Im Innern die Stimmung, welche alles
übersieht und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne
Kunst, Tugend oder Genialität; im Äußeren, in der Ausführung die
182
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 2090.
183
Fr. Schlegel, Lyceums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 148, Nr. 14.
184
Ebd., S. 153, Nr. 48.

139
DICHTUNG

mimische Manier eines gewöhnlichen guten italienischen Buffo" 185 . Diese


frühe Meinung aus den Kritischen Fragmenten läßt einerseits die Spal-
tung der romantischen Dichtung und Theorie zwischen Unendlichkeit und
Endlichkeit, Unbewußtem und Bewußtem, Notwendigkeit und Freiheit,
Begeisterung und Kunst im strengen Sinn, andererseits jedoch auch die
Uberbrückung dieser Spaltung durch die Ironie hervortreten. Diese „ent-
hält und erregt ein Gefühl von dem unauflöslichen Widerstreit des Unbe-
dingten und des Bedingten, der Unmöglichkeit und Notwendigkeit einer
vollständigen Mitteilung"188. Logische Unmöglichkeit der Synthese und
ontologische Notwendigkeit der gleichen Synthese sind Merkmale der
Paradoxie; so ist es verständlich, daß sie „die conditio sine qua non, die
Seele, Quell und Prinzip" der Ironie genannt wird187, denn diese ist für
Schlegel eben nichts anderes als „Analyse der These und Antithese"188.
Der Begriff Ironie bezeichnet also eine Haltung des Geistes, der sich
des Grundzwiespalts der Welt bewußt geworden ist und sich die Aufgabe
gestellt hat, diesen Zwiespalt in der Kunst und in der Philosophie zu über-
winden. Ironie ist „überwundene Selbstpolemik", heißt es bei Friedrich
Schlegel18', und daher ist sie „gleichsam die emöeiii? der Unendlich-
keit"180, d. h. das Mittel par excellence, die Unendlichkeit, besonders die
des Subjekts, in der endlichen Welt darzustellen und damit Göttliches an-
zudeuten. Die Koppelung zweier Begriffe oder zweier Elemente, die sich
logisch nicht vertragen, deutet auf ein Höheres, das den beiden zugrunde
liegt, rational aber unaussprechlich ist. In diesem Spiel zwischen Extre-
men liegt die romantische Haltung: „Ironie ist klares Bewußtsein der
ewigen Agilität"1"1. Sie bedeutet nicht etwa eine vorläufige Einstellung
zur Welt, sondern eine reife Frucht des romantischen Geistes: „Bei der
wahren Ironie muß nicht bloß Streben nach Unendlichkeit, sondern Besitz
von Unendlichkeit... da sein"192. Ironie ist freies Spiel mit der Welt auf
Grund einer dämonischen Gewißheit1'3. Auch wenn sie den „Schein" der
Selbstvemichtung hat, ist sie eben dadurch „Erscheinung der unbedingten
Freiheit, der Selbstschöpfung"194. Darum darf es heißen: „Ironie ist
Pflicht"195.

185 Ebd., S. 152, Nr. 42.


186 Ebd., S. 160, Nr. 108.
187 Fr. Sdilegel, Literary Notebooks, Nr. 1068.
188 Ebd., Nr. 802.
189 Ebd., Nr. 506.
190 Fr. Sdilegel, Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 128, Nr. 76.
181 Fr. Schlegel, Ideen, KA, Bd. II, S. 263, Nr. 69.
192 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 500.
193 Fr. Sdilegel, Philosophische Lehrjahre. KA, Bd. XVIII, S. 217, Nr. 279.
194 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 204.
195 Ebd., Nr. 481.

140
DICHTUNG

Das Wort 'selbst' in Selbstpolemik, Selbstvernichtung, Selbstsdiöp-


fung bezeugt den Abstand der romantischen von der sokratisdien Ironie.
Während der platonische Sokrates sich seinem Gesprächspartner gegen-
über verstellt, um ihn ad absurdum zu führen und eines Besseren zu
belehren, wendet sich der Romantiker nicht an einen Fremden, son-
dern an sich selbst: er läßt seine Stimmung, sein Gefühl, seine Begei-
sterung, seine Ahnung bedeutende Ausmaße annehmen (genau wie
der Partner des Sokrates sich in die Ausweglosigkeit seiner Haltung immer
mehr verirrt), dann kommt der Augenblick der Reflexion und der Zerstö-
rung des ersten Zustands, und dieser Wechsel steht am Anfang einer
langen Reihe ähnlicher Vorgänge, die sich entweder sukzessiv (z. B. in der
Erzählung) oder gleichzeitig (durch die Diskrepanz zwischen Form und
Inhalt) manifestieren. Darum ist die Unendlichkeit, die die Ironie 'an-
deutet', zunächst und wesentlich die des ironischen Subjekts, das sich
durch die Vernichtung seines Werkes, d. h. eines Teils seiner selbst, als
der Freiheit teilhaftig erweist. Es verwirklicht sich als freies Wesen, in-
dem es sich zerstört. Das ist die „Form der Paradoxie".
Der Gegensatz der romantischen zur sokratisdien Ironie darf aller-
dings nicht allzusehr übertrieben werden. In manchen Punkten berühren
sie sich ziemlich eng. Nehmen wir als Beispiel den Hippias-Dialog. Darin
ist und bleibt Sokrates derselben Meinung wie sein Gesprächspartner. Nur
glaubt dieser, seine Ansicht mit logischen Argumenten erweisen zu kön-
nen: darin besteht seine Illusion. Sokrates läßt ihn diese Argumente ent-
wickeln, um schließlich festzustellen, daß sie ins Nichts oder ins Absurde
führen. In bezug auf die Meinung, die auf dem Spiel steht, ändert das
jedoch nichts, denn 'etwas' in uns bezeugt die Richtigkeit dieser Meinung.
Das Fehlschlagen der rationalen Argumente bedeutet also nur die Un-
fähigkeit der Vernunft, alles zu demonstrieren, und das Mitspracherecht
des 'Gefühls' im Reich der Wahrheit. Romantisch gesprochen, könnte man
in einem solchen Fall sagen: die Selbstschöpfung ist hier das Irrationale,
das sich trotz des Zukurzkommens der Vernunft durchsetzt, während die
Selbstvernichtung im Bewußtsein des Scheiterns der rationalen Erklärung
liegt.
Die Zugehörigkeit der Ironie zum Bereich der Freiheit im höheren
philosophischen Sinn scheint mir die „rückwärtige Verwurzelung" im
Rokoko und bei Wieland, wie sie Markwardt für möglich hält, fragwürdig
zu machen. Wohl konnten sich die Romantiker dort auf gewisse stilistische
Haltungen und Formulierungen berufen; der große Abstand zwischen
dem jeweils verfolgten Zweck und dem respektiven Lebensgefühl macht
jedoch eine bewußte und konsequente Anlehnung sehr unwahrscheinlich.
Romantische Ironie bezweckt ja eine Bewährung der Freiheit des Indivi-

141
DICHTUNG

duums, das sich größer und'unendlicher weiß als sein Werk; die Ironie des
Rokoko erfaßt dagegen an erster Stelle den dargestellten Stoff und be-
wegt sich hauptsächlich im Reich der Begriffe.
Mit Recht unterscheidet Frau Strohschneider-Kohrs zwei Bedeutun-
gen des Wortes Ironie: einmal bezeichnet es eine psychische Verhaltens-
weise, zum andern die Stilphysiognomie literarischer Erscheinungen, d. h.
den dichterischen Ausdruck der ironischen Welthaltung 198 . Grundlage des
ironischen Stils ist die Distanz des Urhebers zu seinem Werk: „Um über
einen Gegenstand gut schreiben zu können, muß man sich nicht mehr für
ihn interessieren" 197 . Die stilistische Erscheinung der ironischen Haltung
ist die besonnene Mitteilung. Damit die Besonnenheit möglich wird, muß
die Begeisterung sich verflüchtigt haben, der Dichter muß sich beschrän-
ken und kontrollieren können. Damit zeugt er eben von seiner Schöp-
fungskraft. Hier könnten die Worte Wilhelm Schlegels über die Aufgabe
des Epikers herangezogen werden, nach denen der Dichter „eine solche
Herrschaft über den Stoff ausüben müsse, als wenn ihm die einzelnen
Teile desselben wirklich gleichgültig wären", was sich durch eine „ruhige
Besonnenheit" erweise198.
Die dichterische Schöpfungskraft tut sich also vorzüglich in der Disso-
nanz zwischen der dargestellten Leidenschaft und der nüchternen Dar-
stellung kund, in der Intensität der Gefühle und dem kühlen Ton und
auch darin, daß der Verfasser sich nicht vom Inhalt seines Werkes mit-
reißen läßt, daß er außerhalb der Geschichte steht und sie daher 'objektiv'
betrachten kann. Eine solche 'Objektivität 5 hat jedoch, entgegen der Mei-
nung M. Joachimi-Deeges, mit dem gleichlautenden Begriff im Studium-
aufsatz nichts gemein199, denn der letzte Begriff hat die ganz bestimmte
Bedeutung des Allgemeinmenschlichen und Universalen und nicht die
einer stilistischen Haltung. Mit Recht bemerkt übrigens Frau Stroh-
schneider-Kohrs, daß eine wirkliche Objektivierung in gegenständlicher
Darstellung dem Zweck der Schlegelschen Ironie widersprechen würde 200 .
Diese ist eher ein Spiel mit der Objektivität, wobei der Dichter immer
mitredet und nie ganz verschwindet. Sie hält die Kunst „in der Aner-
kenntnis der nur fernen Nachbildung eines Unendlichen, niemals voll
Aussagbaren" 201 . Das Streben nach Objektivität ist wichtiger als das
Resultat, die Tendenz wichtiger als das Ergebnis: der Leser muß das Ge-
fühl haben, daß das Kunstwerk mehr bedeuten soll, als es ausdrücken

186 Strohschneider-Kohrs, Die romantische Ironie, S. 1 ff.


197 F r . Schlegel, Lyceums-Fragmente, KA, B d . II, S. 151, Nr. 37.
188 A. W . Schlegel, Kunstlehre, S. 312.
199 M . J o a d i i m i - D e e g e , Die Weltanschauung der deutschen Romantik, S. 175.
200 Strohschneider-Kohrs, Die romantische Ironie, S. 37.
801 E b d . , S. 69 f.

142
DICHTUNG

kann, daß sein Sinn über die Einzeldarstellung hinausgeht, daß der Dich-
ter „sich über sich selbst erhebt aus Freiheit" 202 .

Mit der Ironie als Bewußtsein des allgemeinen Zwiespalts ist der
romantische W i t z verwandt. Beide Begriffe fallen jedoch nicht zusam-
men, und die Annahme liegt nahe, der Witz sei entweder das positive
Gegenstück der Ironie oder ihre Grundlage. Der herkömmlichen, im
18. Jahrhundert allgemein angenommenen Definition nach ist der Witz
das spezifische Vermögen des Geistes, das die Ähnlichkeiten zwischen den
Erscheinungen wahrnimmt, im Gegensatz zum Scharfsinn, der sein
Augenmerk auf die Verschiedenheit richtet. Schlegels Auffassung setzt
immer noch diese Bedeutung des Witzes voraus. So kann er zum Beispiel
schreiben, der Grund des Witzes sei der „Imperativ der Synthetik"203.
Der Witz vollzieht tatsächlich eine Synthese zwischen verschieden-
artigen Elementen. „In Beziehung auf das Wissen, oder überhaupt auf
alle anderen Tätigkeiten kann man den Witz als das Vermögen, die Ähn-
lichkeiten zwischen den Gegenständen aufzufinden, die sonst sehr unab-
hängig, verschieden und getrennt sind, und so das Mannigfaltigste, Ver-
schiedenartigste zur Einheit zu verbinden, den kombinatorischen Geist
nennen", ohne den alles menschliche Wissen „trocken, dürre und leer"
wäre. Im selben Zusammenhang schreibt Schlegel weiter: der Witz „ist
mit einem Wort die Kraft der Erfindsamkeit, das erfinderische Genie"204.
Als eine Kraft, die das Verschiedene zur Einheit kombiniert, er-
scheint der Witz nicht nur als das schöpferische Prinzip des Wissens, son-
dern auch als ein Ausführungsprinzip der romantischen Poesie205, die sich
durch „eine kühne, freie Versetzung aller jener Elemente, eine schöne
phantastische Unordnung" auszeichnet. Dies kann nur geschehen „durch
das Medium des Witzes". „Der Hauptcharakter des Witzes ist, daß er ein
Gedankenspiel, das Wissenschaftliche hingegen eine Gedankenarbeit ist".
Und worin liegt das Wesen des Spiels im Gegensatz zur Arbeit? In der
„absolut freien, von allen ängstlichen Regeln und Gesetzen unabhängigen
Tätigkeit" 208 .
Soll das heißen, daß der größten Willkür Tür und Tor offen sind und
daß im Kunstwerk kein Aufbauprinzip mehr anerkannt wird? Eine solche
Annahme wäre falsch, denn der Witz selbst ist ein Konstruktionsprinzip.
Nicht die „einzelnen Fälle" sind sein Anwendungsbereich, sondern die
„Konstruktion des Ganzen", die keine willkürliche Verwirrung, wohl aber
202 Ebd., S. 23.
803 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 537.
204 Fr. Schlegel, Philosophische Vorlesungen (Windischmann), Bd. II, S. 103 f.
205 Fr. Schlegel, KA, Bd. XI, S. 319 f. (Anmerkung 322).
206 Fr. Schlegel, Geschichte der europäischen Literatur, KA, Bd. XI, S. 147.

143
DICHTUNG

eine „künstlich geordnete Verwirrung" sein soll: kein Chaos von Gegen-
sätzen und verschiedenartigsten Elementen, sondern „eine reizende Sym-
metrie von Widersprüchen", ein „wunderbarer ewiger Wechsel von
Enthusiasmus und Ironie", von „naivem Tiefsinn" und „Schein des Ver-
kehrten und Verrückten oder des Einfältigen und Dummen" 207 . Gewiß
setzt dieses Konstruktionsprinzip eine viel freiere Auffassung der dichte-
rischen Form voraus als das Ideal der Klassik; die romantische Form soll
gerade das Bunte und sogar Chaotische der menschlichen Natur und der
Welt zur Anschauung bringen, „den Gang und die Gesetze der vernünftig
denkenden Vernunft aufheben" und uns in die Welt der Phantasie ver-
setzen208. Aber das geschieht alles nicht ohne Zweck; die schöne Unord-
nung lenkt die Aufmerksamkeit auf das Absolute, „aller wahre Witz be-
zieht sich auf das Spiel mit dem Absoluten"209.
In dieser Beziehung ist der Witz „die Erscheinung, der äußere Blitz
der Fantasie. Daher seine Göttlichkeit, und das Witzähnliche der
Mystik"210. „Die Fantasie strebt aus allen Kräften, sich zu äußern, aber
das Göttliche kann sich in der Sphäre der Natur nur indirekt mitteilen und
äußern. Daher bleibt von dem, was ursprünglich Fantasie war, in der
Welt der Erscheinungen nur das zurück, was wir Witz nennen" 211 . Der
Witz ist also die konkrete Erscheinungsform der Phantasie, und diese ist
das Organ für das Göttliche. In einem Kunstwerk deutet demnach der
Witz auf ein Höheres, das die Bedeutung und der Zweck des Werkes ist.
Richtig verstanden ist der Witz jeweils Mittel zum Zweck, nie Selbstzweck
der Dichtung — dies trotz gewisser früherer Behauptungen Friedrich
Schlegels212. Deshalb darf sein Wesen nicht etwa in der Nähe des Humors
gesucht werden, denn Humor ist für Schlegel ein „absolutierter, falsch
tendenzierter romantischer Witz", Witz als Selbstzweck und daher
falscher Witz213. Humor ist Spiel mit dem Witz, „unechter Witz", in dem
„bloß absolute Antithesen synthesiert werden, ohne daß etwas thesiert
wird"214. Nun muß bei jedem echten Witz etwas thesiert werden, nämlich
„ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauf-
löslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte Natur und Kraft
durchschimmern läßt"215. Ohne diese feste Voraussetzung ist der Witz

207
Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 318 f.
208
Ebd., S. 319.
209
Fr. Schlegel, in Schriften und Fragmente (Kröners Taschenausgabe), S. 133.
21
® Fr. Schlegel, Ideen, KA, Bd. II, S. 258, Nr. 26.
211
Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 334.
212
Wie z. B. in Lyceums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 154, Nr. 59.
213
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 514.
211
Ebd., Nr. 540.
215
Fr. Schlegel, Gesprädi über Poesie, KA, Bd. II, S. 319.

144
DICHTUNG

nur Schein seiner selbst. Er ist nämlich in Wahrheit Spiel mit Ernst, nicht
Spiel mit Spiel. Der wahre Witz ist „échappée de vue ins Unendliche"21®;
darum kann er die „Kraft der Allegorie" genannt werden217. Wenn man
die Welt wie Friedrich Schlegel als eine Allegorie des Göttlichen auffaßt,
kann man meinen: „Alles ist Witz und überall ist Witz"218. „Der Witz hat
ein größeres Gebiet als Kunst und als Wissenschaft"21*.

216
Fr. Schlegel, Athenäums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 200, Nr. 220.
217
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1813.
2,8
Ebd., Nr. 782.
219
Ebd., Nr. 1030.

145
10 Nivelle
VI. DER ROMAN

Im Roman meinten die Frühromantiker ihr Dichtungsideal am


besten verwirklichen zu können. Er bildet denn auch das Lieblingsthema
ihrer gattungstheoretischen Bemühungen. Als eine Erscheinungsform der
epischen Gattung hat er viele Wesenszüge mit dem Epos gemein, weicht
aber doch in manchen Punkten davon ab.
Eine der besten Darlegungen des klassischen Epos in romantischer
Sicht bietet Wilhelm Schlegels Rezension von Goethes Hermann und
Dorothea aus dem Jahre 1797. Diese Schlegelsche Theorie wird Schelling
— unter ausdrücklichem Hinweis auf seine Quelle — dem einschlägigen
Kapitel seiner Philosophie der Kunst zugrunde legen; richtiger gesagt: er
wird Schlegels Begriffe in seine idealistisch-philosophische Fachsprache
übertragen.
Beide sind zunächst bestrebt, das Epische gegen den Bereich des
Tragischen, gelegentlich auch des Lyrischen abzugrenzen. Und schon der
erste von Schlegel festgestellte Unterschied zur Tragödie deutet auf die
Relevanz der epischen Gattung für eine romantische Dichtungstheorie:
im Gegensatz zur Tragödie richtet das Epos sich nicht an die Vernunft,
sondern an die Phantasie. Seine Bedeutung wird vorzüglich von der Ein-
bildungskraft wahrgenommen. Das Epos kennt nämlich keine Handlung
im strengen Sinn des Wortes, d. h. keine durch freien Entschluß be-
stimmte Tätigkeit, sondern vielmehr ein Geschehen, das nicht durch eine
vollständige, die Vernunft befriedigende Einheit zusammengehalten
wird. Anfang und Ende werden nicht durch die Notwendigkeit einer Ab-
rundung des Ganzen bedingt, sondern zufällig und willkürlich vom
Dichter gewählt, so daß das Epos gleichsam in der Mitte anfängt und in
der Mitte aufhört. Eine solche Zufälligkeit der äußeren Begrenzung bringt
es mit sich, daß das Epos keine in sich abgeschlossene Intrige und eben-
sowenig eine auf einen Punkt drängende Spannung aufweist. Es hat eine
„leichte Fülle", bietet abwechselnd kleinere Verwicklungen und Auf-
lösungen, Spannungen und Befriedigungen, wie es in Schlegels Sprache
heißt, in einer gleichmäßig verteilten Anordnung und in klaren Umrissen1.

1 Ähnlich erscheint auch in der Frühromantik der Unterschied zwischen Roman und
Novelle. Vgl. dazu Walter Bausch, Theorien des epischen Erzählens in der deut-

146
DER ROMAN

Es hält den Zuhörer nicht in Atem, sondern gönnt ihm die Muße und die
Freiheit der besonnenen Betrachtung, während die Tragödie ein auch von
der Vernunft zu lösendes Problem zum Gegenstand hat und deshalb auf
rigorose Motivierung und Vollständigkeit angewiesen ist. Die Tragödie
drängt das von ihr gestellte Problem dem Zuschauer geradezu auf und
erlaubt es ihm nicht, geistig und moralisch passiv zu bleiben. Das wird
von Schelling damit begründet, daß der tragische Konflikt in einem
Widerstreit zwischen der Freiheit des Individuums und der Notwendig-
keit des unter irgendeiner F o r m erscheinenden Schicksals besteht. E i n
solcher Konflikt ist im Epos ganz aufgehoben: Freiheit und Notwendig-
keit verschmelzen dort zur „Identität", so daß sogar die Idee des Schick-
sals aus dem Begriff des Epos ausgeschlossen ist. Nun kann ein dichte-
risches Werk, in dem dieser Streit nicht stattfindet, unmöglich an die Ver-
nunft appellieren; es wendet sich an die Phantasie 2 .
Die Aufhebung der vemunftmäßigen Implikationen hat eine be-
stimmte Haltung des Epikers gegenüber seinem Werk zur Folge. Wilhelm
Schlegel und Schelling beschreiben nämlich das Epos als eine „ruhige
Darstellung des Fortschreitenden". Alles Leidenschaftliche, Unruhige,
Vorwärtsdrängende wird in den Gegenstand der Erzählung, in die

sehen Frühromantik, S. 7 ff. Der Novelle ist wie der Tragödie — wenn audi aus
anderen Gründen — die Konzentration auf ein „Hauptfaktum" eigen; sie legt
größeren Wert auf die gedrängte und konsequente Entwicklung des Geschehens als
der Roman, der sich von ihr durch eine weiter ausholende und differenzierendere
Darstellungsweise abhebt und die Begebenheiten nicht primär um ihrer selbst
willen erzählt, sondern als „äußere Zurüstungen" hauptsächlich dazu verwendet,
die „inneren Verhältnisse", die Ideen, die Gesinnungen zu veranschaulichen und
zu entfalten. Die Hervorhebung des Charakters als Zweck und Sinn der Begeben-
heiten durch W. Bausch scheint mir allerdings der frühromantischen Theorie zu
widersprechen. Siehe unten.
2 Die Schicksalsfreiheit des Romans ermöglicht es dem Dichter, den Helden einer
Vollendung und Erlösung zuzuführen. Daß der typische Roman der Frühromantik,
Heinrich von Ofterdingen, der eine solche Entwicklung ins Auge gefaßt hatte, un-
vollendet geblieben ist, kann vielleicht ein Argument gegen die Durchführbarkeit
dieser Absicht abgeben, spricht aber nicht im geringsten gegen die so aufgefaßte
Absicht selber. Das Problem der „Vollendung" in bezug auf das romantische Kunst-
schaffen wirft schwierige Fragen auf, von denen einige im letzten Kapitel dieses
Buches erörtert werden. Sicher ist, daß der romantische Roman sich von einer tragi-
schen Weltanschauung radikal entfernt, um — nach Hans Heinrich Borcherdts
Worten — ganz „poetische Weltschau" zu sein. Mit Recht hat Borcherdt darauf
hingewiesen, daß der romantische Roman den innerseelischen Konflikten absagt und
in eine „phantasiemäßige Sphäre" hinüberspielt (Der Roman der Goethezeit,
S. 363). Eine theoretisch fundierte und problembewußte Analyse bringt der wäh-
rend der Druddegung dieses Buches erschienene Aufsatz Paul Böckmanns Der
Roman der Transzendentalpoesie in der Romantik.

147
10»
DER ROMAN

Helden und Taten hineingelegt, der Dichter aber bleibt davon unberührt
und ist Herr des Gegenstandes; er mischt sich nie in das Geschehen ein.
Darum heißt das Epos eine objektive Gattung. Der Dichter bleibt von
dem Strom der Aufeinanderfolge unbewegt, wie Schelling sagt, er beweist
seine Unparteilichkeit, indem er sich von vornherein weigert, einen teilneh-
menden Bezug zwischen sich und dem Erzählobjekt herzustellen. Er
schwebt über allem und tritt nie in den Kreis seiner Darstellung ein. Er
schaut ruhig auf alles herab, erscheint überhaupt nicht in der Erzählung
und behält ein ewiges Gleichgewicht der Seele, das bis zur Ironie gehen
kann. Er läßt sich von keinem Vorfall mitreißen, er verweilt umständlich
bei allem, was ihm des Erzählens wert scheint, überschlägt das für ihn
weniger Interessante oder gleitet flüchtig darüber hinweg, wenn es ihm
beliebt. Nicht die Größe eines Gegenstandes erfordert eine ausführliche
Behandlung, sondern das Interesse des Gegenstandes für die Erzählung.
Das Kleinste kann ebenso umständlich dargestellt werden wie das Größte,
das Unbedeutende erfährt mitunter eine ausführlichere Behandlung als
das Wichtige. Das nennt Schelling die „Stetigkeit" des Epos. Das Dau-
ernde kann zum Augenblick werden, während das Transitorische ganze
Gesänge in Anspruch nimmt. Die erzählte Zeit steht also nicht notwen-
digerweise im Verhältnis zur Erzählzeit. Die wirkliche Zeit wird zu-
gunsten der Zeitlosigkeit (Schelling) oder, was dasselbe ist, der ständigen
Gegenwart aufgehoben. Der Epiker will lebendige Gegenwart in jedem
Punkte der Erzählung, er eilt nicht fort, sondern verweilt beim Augen-
blick, wodurch dieser seinen vollen selbständigen Wert bekommt. Epische
Dichtung ist Gegenwartsdichtung, auch wenn sie das Tempus der Ver-
gangenheit benutzt. In ihr hat alles eine relative Autonomie: die Dialoge
verlieren ihre Spannung und werden episiert, die Gleichnisse haben ein
Leben in sich selbst, die zahlreichen Episoden, die die Handlung immer
wieder unterbrechen, beweisen die Gleichgültigkeit des Dichters gegen-
über dem Gegenstand der Erzählung. Wo diese Selbständigkeit der
einzelnen Teile, die Trenn- und Vermehrbarkeit des Ganzen (Schlegel)
aufgehoben wird, ist das Epos schon durch das Drama infiziert. Das ist
der Fall bei Virgil, der deswegen die Epiker der Neuzeit, wie Milton
und Klopstock, irregeleitet hat. Die tragische Verwicklung, die Teilnahme
am Gegenstand, die zweckgebundene Festsetzung von Anfang und Ende,
der lyrische Dialog kennzeichnen und entstellen das Epos des Virgil,
das dadurch den Neueren zum Verhängnis geworden ist.

Zu der verweilenden Ruhe der epischen Haltung hat das antike


Versmaß wesentlich beigetragen, denn der Hexameter ist der ruhigste
Vers der griechischen Dichtkunst; er hat einen „verweilenden und zurück-
haltenden" Rhythmus und gewährleistet die Indifferenz des Fortschrei-

148
DER ROMAN

tens und des Verweilens (Schelling). Er ist am besten geeignet, die „Be-
harrlichkeit" im Wechsel auszudrücken (Schlegel).

Mehrere Merkmale der homerischen Epik blieben charakteristisch


und wesensbestimmend für das sogenannte romantische Epos, das Schel-
ling auch Rittergedicht nannte. Das einzige gute und typische Beispiel für
diese Gattung ist der Orlando furioso des Ariost. Camoens könnte viel-
leicht auch in Betracht kommen, Schelling gesteht jedoch, daß er ihn nicht
kennt. Wie bei Homer bleiben bei Ariost Anfang und Ende willkürlich;
der Held steht nicht immer im Mittelpunkt, so daß der Dichter sich von
seinem Gegenstand befreien kann. Nur die Art und Weise, wie er seiner
Erzählung gegenübersteht, hat sich gewandelt: seine Subjektivität tritt
deutlicher hervor, weil er immer wieder in das Geschehen eingreift, einer-
seits durch Reflexion, andererseits durch „Mutwillen" in der Anordnung
des Ganzen, d. h. durch eine nicht vom Gegenstand her bestimmte Erzähl-
struktur. Das impliziert aber nicht, daß dabei die richtige epische Hal-
tung verlorengegangen wäre, denn Ariost hat die epische Gleichgültigkeit
des Homer in der Form einer „Schalkhaftigkeit" zu wahren gewußt, die
sich in der Ironie, im schmucklosen Vortrag, in der Leichtigkeit des Tons
bekundet.

Die eigentlich romantische Form des Epos ist aber nicht Ariosts
Rasender Roland, sondern der Roman. Freilich werden von Schelling
und Wilhelm Schlegel nur zwei vollgültige Beispiele anerkannt: Don
Quijote und Wilhelm Meister. Zur Charakterisierung des Don Quijote
benutzt Schlegel fast dieselben Worte wie für das Epos: dieser Roman
biete nämlich eine harmonische Reihe von Erscheinungen, die die Phan-
tasie festhalte, und er sei aus lauter Episoden aufgebaut, wie ja über-
haupt im echten Roman alles Episode sein solle oder nichts. Dies nur
als Beispiel dafür, daß eine enge Verwandtschaft zwischen Epos und
Roman empfunden wird.
Zum Roman als typischer Form der romantischen Dichtung haben
sich so gut wie alle Frühromantiker geäußert. Die Beziehung des Romans
zum antiken Epos wurde allerdings vor allem von Schelling und Wilhelm
Schlegel herausgestellt. Roman und Epos sind Abarten derselben Gat-
tung, und die Gemeinsamkeiten zwischen beiden sind zahlreich, aber das
Epos ist charakteristisch für das klassische Altertum, der Roman ist
repräsentativ für die romantische Dichtung: er „tingiert die ganze mo-
derne Poesie", sagt Wilhelm Schlegel. Auch wenn Schelling — wohl mehr
aus Systemzwang als aus eigener Überzeugung — das Drama als Gipfel
in der Welt der Dichtung gelten läßt, ist es über allen Zweifel erhaben,

149
DER ROMAN

daß der Roman dem romantischen Dichtungsideal am angemessensten


entspricht, wenn nicht bloß das theoretisch spielende, sondern das echte
und tiefere Kunstwollen der Romantik auf den Plan tritt.
Es wäre nach Schelling falsch, sich die Entwicklung des modernen
Romans vorzustellen, als hätte sie einen Umweg über das romantische
Epos des Ariost gemacht. In vielen wesentlichen Punkten bildet der
Roman geradezu das Gegenstück des sogenannten Rittergedichts, ja er
kehrt die Gesamtkonzeption dieser Gattung um. Während die Form des
romantischen Epos individuell und sein Stoff universell ist — die Be-
griffe stammen von Schelling —, verhält es sich im Roman anders: der
Stoff, den er sich zum Thema wählt, ist individuell und „beschränkt",
er hat Anfang und Ende, ist in sich geschlossen und umfaßt nicht not-
wendigerweise eine ganze Welt — obschon die größtmögliche Univer-
salität erwünscht ist, sofern sie der Abrundung des Ganzen keinen Ab-
bruch tut. Dadurch nähert sich der Roman dem Drama. Seine Form ist
jedoch, nach Schellings Worten, objektiv, allgemeingültig oder universell,
in diesem Zusammenhang drei synonyme Begriffe, und dieser Cha-
rakter bezeugt die Verwandtschaft mit dem alten Epos — wobei freilich
die Abhebung vom romantischen Epos nicht allzu deutlich herauskommt.
Die Objektivität des Romans, d. h. die Unparteilichkeit und Teilnahm-
losigkeit des Verfassers, seine bis zur Ironie reichende Gleichgültigkeit
gegenüber dem erzählten Gegenstand, ist sogar noch größer und radikaler
als im klassischen Epos. Der Romandichter bindet sich in keiner Weise
an seinen Helden und unterwirft ihm nicht die ganze Erzählung. Er steht
ihm vielmehr ironisch gegenüber, nimmt ihn als „Objekt" seiner Ironie,
was nach Schelling das beste Mittel ist, die subjektive Schöpfung des
Dichters objektiv zu gestalten. Diese Haltung des Romandichters gibt
einen Hinweis auf die notwendige Beschaffenheit des Romanhelden:
damit Ironie und Distanz möglich sind, darf er nicht vollkommen sein.
Zudem ist er mehr symbolisch als persönlich. Zwar hält er nach Schellings
Ansicht das Werk zusammen, aber nur wie das Band die volle Garbe, d. h.
äußerlich. Jede Person, jede Begebenheit, jedes Element des Romans
bleibt im Grunde selbständig, und der Roman könnte ohne diese Mannig-
faltigkeit des Inhalts nicht bestehen. Das Zurücktreten des Helden ge-
genüber der Vielfalt des Erzählten entspricht dem Begriff der Arabeske,
den Friedrich Schlegel immer wieder benutzt, um das Aufbauprinzip
des Romans zu bezeichnen. Die lockere Komposition und die Freiheit der
schöpferischen Phantasie, die damit gemeint sind, schaffen die Grund-
lage für die romantische Erzählhaltung im Sinne der Originalität und
des freien Spiels des Dichters mit seiner Schöpfung®.

3 Vgl. dazu W. Bausch, Theorien des epischen Erzählens, S. 118 ff.

150
DER ROMAN

Die Relativierung der Funktion des Helden drüdct sich in einem


weiteren Merkmal aus, nämlich in der „retardierenden Kraft", die ihm
innewohnen soll. Darunter versteht Schelling das SpannungsfeindHche
des Romans, der im Gegensatz zum Drama nicht zur Auflösung drängt,
sondern wie das klassische Epos bei jedem Augenblick verweilt und in
einer ewigen Gegenwart spielt. Das bewegt Schelling dazu, Goethes
Meinung, wie sie im Wilhelm Meister zum Ausdruck kommt, zu über-
nehmen: nicht Charaktere, sondern Gesinnungen, nicht Taten, sondern
Begebenheiten sind für den Roman geeignet. Und wenn zufällig der
Mittelpunkt eines Romans eine Tat ist, die einen Charakter zum Aus-
gangspunkt hat, zum Beispiel im Don Quijote, so liegt die ganze Kunst
des Dichters darin, diese Tat durch die Umstände der Erzählung zur
Begebenheit zu machen. Kaum etwas anderes hat Wilhelm Schlegel wohl
gemeint, als er sagte, es solle im Roman alles Episode sein, d. h. selb-
ständiges, nicht nach vorne drängendes Element; sonst sei eben nichts
Episode, und der Roman sei ein Drama.
Die retardierende Kraft des Helden bringt eine weitere, dem Epos
und dem Roman gemeinsame Eigenschaft mit sich: das Verweilen, die
ruhige Darstellung des Fortschreitenden, die harmonische und überschau-
bare Verteilung und Struktur des Ganzen, welche eine besondere Wir-
kung auf den Leser hervorbringen, der sich statt im dramatischen Hin-
und Hergerissenwerden vielmehr in der ruhigen Betrachtung und statt
in der Befriedigung der Vernunft eher in den Freuden der Phantasie
gefällt. Jeder Teil soll gleich golden sein, sagt Schelling.
Hier ist es freilich nicht mehr der Hexameter, der die Ruhe und
Besonnenheit des Dichters bezeugt, sondern die Prosa. Da auch diese
als Ausdrucksmittel des Romans gerechtfertigt sein will, bemüht sich
Schelling, zu zeigen, daß die künstlerisch gestaltete, leise rhythmische
und periodenhaft gebaute Prosa das beste Medium darstelle, weil sie
die „höchste Indifferenz" sei: sie dränge sich dem Ohr nicht gebieterisch
auf wie ein Silbenmaß, dafür habe sie aber keine Spur von Gezwungen-
heit. Diese Schellingsche Deduktion ist wenig zwingend; er hätte wahr-
scheinlich ebensogut die Berechtigung jeder beliebigen Form demon-
strieren können, wenn der Zufall sie als Romansprache bestimmt hätte.
Diesem 'Nachweis' ist nicht allzuviel Bedeutung beizumessen.
Abgesehen vom Gebrauch der Prosa decken sich die bisher ange-
führten Eigenschaften des Romans mit denen des Epos. In zwei Punkten
jedoch weichen für Schelling und Wilhelm Schlegel die beiden Kunst-
formen voneinander ab: in ihrer 'Mythologie* und in ihrem Anspruch
auf die 'Eigentümlichkeit' des Dichters.
Die Mythologie des homerischen Epos mag zum Teil auf freie Er-

151
DER ROMAN

findung Homers zurückzuführen sein; in ihren wesentlichen Bestandteilen


lag sie jedoch fest, ehe Homer oder wer auch immer sich mit der Iliade
befaßte. Und diese Mythologie barg eine einheitliche Weltanschauung in
sich, die fürs ganze Volk — die damalige Menschheit im Bewußtsein der
Griechen — gültig war. Das ist im modernen Roman nicht so: er soll erst
seine Mythologie schaffen, indem er sich zu einem Spiegel des Zeitalters
entwickelt und den realen Dingen, die er in der Erzählung verwertet,
einen symbolischen, überzeitlichen Sinn verleiht. Das ist zum Beispiel
Cervantes gelungen, dessen Helden zu mythologischen Personen und
dessen 'Begebenheiten' zu mythischen Sagen geworden sind. Diese allge-
meine Symbolik erhebt den Don Quijote zum Rang eines echten romanti-
schen Romans, dem nur der Wilhelm Meister ebenbürtig ist.
Außerdem kann der Roman, wie Schelling sagt, nur die Frucht
eines reifen Geistes, die letzte Läuterung und die letzte Blüte eines Ge-
müts sein4. Er „legt den Ertrag Eines Lebens und Geistes in Erfindungen
nieder, die . . . die Gewalt einer Mythologie gewinnen" 5 . Er ist also
höchst individuell in seiner geistigen Konzeption, Ausdruck der persön-
lichen Eigentümlichkeit des Dichters, erlebtes und symbolisch dargestell-
tes Weltbild eines Individuums. Darum setzt der echte Roman für
Wilhelm Schlegel einen umfassenden und von einem interessanten Leben
befruchteten Geist voraus, der die Geheimnisse seines Gemüts in klaren
und zugleich rätselhaften Sinnbildern ausspricht6. Ähnliche Ansichten
kehren in zugespitzter Form bei seinem Bruder wieder, und es lohnt
sich, der Auffassung des letzteren etwas ausführlicher nachzugehen.

Die Schlüsselstellung des Romans in der Poetik der Frühromantik


ergibt sich für Friedrich Schlegel aus zwei allgemeinen Forderungen, die
sich auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen, in Wirklichkeit
jedoch einander ergänzen. Einerseits soll Dichtung die individuelle Per-
sönlichkeit des Verfassers ausdrücken, andererseits soll Poesie „Sym-
poesie" sein.
Das „Eigentümliche der Tendenz der romantischen Poesie im Ge-
gensatz der antiken", heißt es im Gespräch über die Poesie, Hegt darin,
daß sie keine Rücksicht nimmt „auf den Unterschied von Schein und
Wahrheit, von Spiel und Ernst", während die alte Poesie sich haupt-
sächlich in der Sphäre des Scheins und des Spiels bewegte. Sogar die
antike Tragödie war ein Spiel mit der Mythologie und mied jeden eigent-
lich historischen Stoff, der das Volk „ernstlich" hätte angehen können.
Leben und Dichtung waren voneinander getrennt und machten wesent-
4
Sdielling, Philosophie der Kunst, 3. Ergänzungsband, S. 327.
5
Ebd., S. 324.
6
A. W. Schlegel, Geschichte der klassischen Literatur, S. 25.

152
DER ROMAN

lieh verschiedene Ansprüche auf den Menschen geltend. Mehr als für die
Antike jedoch gilt diese Ansicht für jede Form des „Antikischen", des
Klassizismus, d. h. der Nachahmimg der Antike. Die Trennung von
Leben und Poesie kennzeichnet also vorzüglich die Nachahmungen,
in denen die Kunst ein ganz unverbindliches Spiel geworden ist. Der
Klassizismus besteht für Schlegel in einem bloßen Spiel der Phantasie,
einem technischen, gelehrten Experiment oder auch in einer leblosen
Nachahmung gegebener Muster. Jede Flucht in eine allegorische Gedan-
kenpoesie, in die Darstellung einer sagenhaften und mythischen Vorzeit
als solcher oder in die Konstruktion einer künstlichen Welt gehört in die-
selbe Kategorie und hat in romantischen Augen keinen Wert.
Die romantische Poesie dagegen beruht „ganz auf historischem
Grunde, weit mehr als man es weiß und glaubt" 7 . Die Modernen haben
die Historie in die Poesie einbezogen, sagt Wilhelm Schlegel8. Die Dich-
tung bekommt für die Romantiker einen vorzüglich existenz- und wirk-
lichkeitsbezogenen Wert. Sie sagt dem bloßen Schein und Spiel ab und
begreift sich als Wahrheit und Ernst. Zu solchem Zweck erscheint ihr der
Roman als die angemessenste Gattung.
„Historisch" ist der Roman9, insofern er sich „an das Leben an-
schließt", und zwar an das persönliche Leben des Dichters. „Wahre Ge-
schichte ist das Fundament aller romantischen Dichtung" 10 ; persönliche
Erfahrungen und Reflexionen sind der eigentliche Inhalt des romantischen
Romans. Er läßt sich beschreiben als ein „mehr oder weniger verhülltes
Selbstbekenntnis des Verfassers", als die „Quintessenz seiner Eigentüm-
lichkeit"11. Mit anderen Worten: „Die meisten Romane sind nur Kom-
pendien der Individualität" 12 , bzw. „Enzyklopädien des ganzen geistigen
Lebens eines genialischen Individuums" 13 . Auch Schelling hat ähnliche
Ansichten geäußert. Friedrich Schlegel meint, jeder progressive Mensch
— und darunter versteht er einen Menschen, der gebildet ist und sich
bildet14 — trage „einen notwendigen Roman a priori in seinem Inneren,
welcher nichts als der vollständigste Ausdruck seines ganzen Wesens"
sei15. Deshalb erscheint es ihm als überflüssig, „daß man mehr als Einen
Roman schreibt"16.
7
Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 334.
8
A. W. Schlegel, Geschichte der klassischen Literatur, S. 313.
9
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 339.
10
Fr. Schlegel, Gesprädt über die Poesie, KA, Bd. II, S. 337.
11
Ebd.
12
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 103.
13
Fr. Schlegel, Lyceums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 156, Nr. 78.
14
Ebd.
15
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 572.
16
Ebd., Nr. 288.

153
DER ROMAN

Dichtung ist jedoch nicht nur Ausdruck der tieferen Persönlichkeit,


Bekenntnis, Selbstrechenschaft des Individuums, sondern zugleich Mit-
teilung. Freilich nicht im banalen Sinn, als sollte der Inhalt der Rede
vom Hörer rational und sachlich aufgenommen werden, sondern in der
gefühlsmäßigen Bedeutung des Wortes als Partizipation, innige Anteil-
nahme und seelische Kommunion, mit einem Wort als „Sympoesie".
Schon im Studium-Aufsatz erblickt Friedrich Schlegel in der „Ge-
meinschaft" eine der vier Bedingungen aller menschlichen Bildung neben
der Kraft, der Gesetzmäßigkeit und der Freiheit". Auch wenn es ihm
damals mehr um Äußerliches ging, nämlich um das Offenlegen der
ästhetischen Mysterien, d.h. um die Bildung eines gemeinsamen Ge-
schmacks und Interesses an der Kunst, so ist der Wunsch nach „Gemein-
schaft" doch vielsagend für seine späteren Anschauungen. E r bedauert
das Fehlen jeder Geselligkeit in der damaligen deutschen Gesellschaft
und zeigt die üblen Folgen, die die Mangelhaftigkeit der menschlichen
Kontakte nach sich zieht: üble Laune, höhnenden Stolz, saure Mienen,
„seltsame Grillen" der Einsamkeit. Es kommt ihm darauf an, den Weg
aus dieser Einsamkeit heraus und den Zugang zum anderen, zum Du,
zur echten Mitteilung zu weisen. Mit Recht schreibt Minor18: „Friedrich
Schlegel war es, der aus dem Fichteschen Grundsatz 'das Ich soll sein'
den Satz ableitete 'das Ich soll sich mitteilen'."
Dieser Gedanke wird Friedrich Schlegel während seiner frühroman-
tischen Zeit nie verlassen; immer wieder wird darauf angespielt, und er
erscheint als ein Schlüssel zu jeder echten Poesie. „Folgendes sind all-
gemeingültige Grundgesetze der schriftstellerischen Mitteilung: 1. Man
muß etwas haben, was mitgeteilt werden soll; 2. man muß jemand haben,
dem mans mitteilen wollen darf; 3. man muß es wirklich mitteilen, mit
ihm teilen können, nicht bloß sich äußern, allein; sonst wäre es treffender,
zu schweigen"1®. Erst in dieser Sympoesie erfüllen sich das Wesen der
Dichtung und die Aufgabe des Dichters. „Nur in der Antwort des Du
fühlt das Ich seine ganze Einheit — vorher ist Chaos — Ich und Welt" 20 .
Dies bedeutet ein Hinausgehen über die Fichteschen Voraussetzungen
der romantischen Poetik ähnlich demjenigen, das der Liebe im Bewußt-
seinsakt das Ubergewicht über die Vernunft gab. Ich und Welt — der
Fichtesche Ausgangspunkt — sind Chaos; Ordnung und Wesenserfüllung
kommen erst mit der menschlichen Nähe und dem menschlichen Dialog.
Einsamkeit ist unfruchtbar und tödlich für Mensch und Kunst. „Im-

17 Fr. Schlegel, Über das Studium der griechischen Poesie, S. 191 f.


18 Fr. Schlegels prosaische Jugendschriften, Bd. I, S. V.
19 Fr. Schlegel, Lyceums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 158, Nr. 98.
20 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1481.

154
D E R ROMAN

perativ: die Poesie soll gesellig und die Geselligkeit poetisch sein"21, wo-
bei die zweite Hälfte der Aussage als eine Folge der ersten aufgefaßt
werden muß. Fruchtbar sind die freundschaftliche Mitteilung und die
Gemeinsamkeit der Gefühle: „Das Höchste ist, wenn zwei Freunde zu-
gleich ihr Heiligstes in der Seele des anderen klar und vollständig er-
blicken und ihres Werkes gemeinschaftlich froh ihre Schranken nur durch
die Ergänzimg des anderen fühlen dürfen. Es ist die intellektuale An-
schauung der Freundschaft", und das steht viel höher als die Selbstbe-
trachtung22.
Dementsprechend spielt auch im Prozeß der dichterischen Schöp-
fung das Du eine entscheidende Rolle, freilich nicht notwendigerweise
als materielle Gegenwart des „Freundes", sondern eher als Vorstellung
des Lesers, an den sich das Werk wendet. Gerade das fruchtbare Vor-
handensein dieser Vorstellung unterscheidet den „synthetischen Schrift-
steller", der sich „einen Leser, wie er sein soll, konstruiert und schafft",
vom „analytischen", der nur einen Effekt auf das Publikum zu erreichen
sucht. Dieser Leser, wie er sein soll, wird nicht als „ruhend und tot" ver-
gegenwärtigt, sondern als „lebendig und entgegenwirkend", damit er
mit dem Dichter, der sich ihn vorstellt, „in das heilige Verhältnis der
innigsten Symphilosophie oder Sympoesie" treten kann23.
Die Sympoesie vermittelt die Fühlung mit dem „Genius des Zeit-
alters", der als der „höchste Genosse des Bundes, der Meister der Mei-
ster" bezeichnet wird24. Er „deutet leise an, was schicklich sei und was
nicht"25. „Niemand weiß, was er ist, wer nicht weiß, was seine Genossen
sind" 26 , und „niemand versteht sich selbst, der seine Genossen nicht ver-
steht"27. Die ganze Kraft der Dichtung kann sich nur ausdrücken, wenn
der Dichter die Gewißheit hat, daß er mit den Tendenzen seiner Zeit
und seiner Mitmenschen im Einklang steht. Erst dann wird die Poesie
zu dem, was sie eigentlich ist, zur Magie. „Zur Magie kann der isolierte
Mensch sich nicht erheben"; nur „in der Mitte der Freunde" fühlt man
den „geistigen Hauch" wehen, der magisch ist28. Erst die Sympoesie ent-
faltet die volle Kraft der Dichtung.
Nun ist die Form, in der die Sympoesie sich am besten verwirklichen
kann, wieder einmal der Roman. In ihm wird der doppelten Forderung

21 Ebd., Nr. 613.


22 Fr. Schlegel, Athenäums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 226, Nr. 342.
23 Fr. Schlegel, Lyceums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 161, Nr. 112.
24 Fr. Schlegel, Ideen, KA, Bd. II, S. 270, Nr. 139.
25 Ebd., S. 268, Nr. 124.
29 Ebd., S. 270, Nr. 139.
27 Ebd., S. 268, Nr. 124.
28 Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 310.

155
D E R ROMAN

des Ich als existenziellen Wesens und des Du als Zeitgeist am genauesten
entsprochen. Trotz seiner Anlage als ein zur einsamen und nach-
denklichen Lektüre bestimmtes Buch kann der Roman den besten Aus-
druck des Zeitalters in seiner Gesamtheit darstellen. Er soll „wie Homer
ein Inbegriff der ganzen Zeitbildung sein" 29 , und oft ist er „wie das
epische Gedicht, nicht bloß das Werk des Künstlers und seiner Absicht,
sondern das gemeinschaftliche Erzeugnis des Dichters und des Zeitalters,
dem er sich und sein Werk widmet" 30 . Der Roman ist also die literarische
Form, die, wie das Epos die Antike, das Ganze der modernen Welt am
besten repräsentiert. Damit ist er zugleich die Gattung, die das gemeine
Leben poetisiert und die dazu beiträgt, die „Geselligkeit" poetisch zu
machen. Unter seinem doppelten Aspekt als Poetisation des Lebens und
als Ausdruck des Zeitgeistes steht er obenan in der romantischen Wert-
skala.

Auch bei Novalis bildet der Roman den Mittelpunkt der Reflexionen
über die dichterischen Gattungen. Eine Gattungslehre hat Novalis freilich
nicht entwickelt, wenigstens nicht systematisch. Abgesehen von ein paar
allgemeinen Betrachtungen über den Gattungsbegriff selbst und ver-
streuten Ansichten über die Lyrik gilt seine Aufmerksamkeit hauptsäch-
lich dem Roman, daneben freilich auch dem Märchen.
Wie in allen Dichtungsarten sieht Novalis im Roman ein Mittel,
„Poesie hervorzubringen". Dazu benutzt der Roman Begebenheiten, Dia-
loge, Reflexionen und Schilderungen, während z. B. die Lyrik das gleiche
Ziel mit Empfindungen, Gedanken und Bildern zu erreichen sucht31.
Das Adjektiv zu Roman ist bei Novalis durchweg „romantisch", und
auch der Romandichter wird sehr oft Romantiker genannt, wie auch die
Romankunst mitunter Romantik heißt 32 . Merkwürdigerweise spricht sich
Novalis über die Ambivalenz dieser Termini nirgendwo aus, was vielleicht
für den Wert, den er in seiner Poetik dem Roman zuschreibt, das beste
Zeichen ist. Schon der Name scheint anzudeuten, daß der Roman im
Mittelpunkt der Bestrebungen der romantischen Schule steht.
Trotz der gemeinsamen positiven Bewertung des Romans gehen
Novalis' und Friedrich Schlegels Anschauungen über sein Wesen manch-
mal auseinander. Besser gesagt: der Schwerpunkt des Romans liegt für
jeden von ihnen an einer anderen Stelle.

29 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 363.


30 Fr. Schlegel, Goethes Werke (Heidelbergische Jahrbücher), in DNL 143, S. 398.
31 Novalis, Fragment 2853.
32 So z. B. in Fragment 1545, 1632, 2022, 2535, 2714, 2718, 3087.

156
DER ROMAN

Die „Anschließung an das Leben" ist für beide Voraussetzung. Die


Betonung des Individuellen aber, die bei Friedrich Schlegel immer wieder
auftaucht, fehlt bei Novalis so gut wie ganz. Stoff des Romans ist ihm
zwar das Leben33, aber dieses Leben ist weniger das Dasein und die Er-
fahrung eines Individuums als vielmehr das Leben überhaupt. Der
Roman ist nicht so sehr der individuelle Ausdruck einer progressiven
Persönlichkeit als die „Realisierung", d. h. die anschauliche Ausführung,
einer poetischen „Idee". Eine solche Idee bedeutet für Novalis die
schwebende Synthese mehrerer Gegebenheiten, die „sich nicht in einen
Satz bringen" läßt, weil sie eine „irrationale Größe" ist, die man nicht
begrifflich festzulegen vermag, sondern von der man nur „das Gesetz
ihrer Fortschreitimg" ermitteln und veranschaulichen kann. Und dieses
Gesetz bildet zugleich das Gesetz des Romans34.
Das Wesen des Romans liegt also für Novalis in der progressiven
Entwicklung der ihm zugrunde liegenden Idee, nicht im Resultat dieser
Entwicklung, das sich in einem moralischen oder sonstigen Satz ausdrük-
ken ließe. Der Roman ist nicht „Bild und Faktum eines Satzes", er will
nicht gottschedianisch einen Gedanken mit konkreten Beispielen veran-
schaulichen35, sondern besteht ganz in seiner Entwicklung selbst und
transzendiert jede begriffliche Inhaltsangabe.
Das in der Fortschreitung erblickte Wesen des Romans bildet einen
Berührungspunkt mit Friedrich Schlegels Theorie. Für Schlegel sollen
nämlich „alle Personen im Roman fortschreitend sein; Maximum von
Progressivität ist sein Ideal" 36 , und er definiert den Wilhelm Meister als
einen „Stufengang der Lehrjahre der Lebenskunst" 37 .
Die „Fortschreitung" erhält jedoch bei Novalis eine deutlichere
Bestimmung als bei Friedrich Schlegel. Sie soll nämlich o r g a n i s c h
sein. Damit stoßen wir auf einen Versuch, den Stoff des Romans in Ab-
hebung von dem des antiken Epos zu charakterisieren, ähnlich dem-
jenigen, den auch Schelling unternimmt. Novalis und Schelling drücken
praktisch das gleiche mit verschiedenen Begriffen aus. Der „beschränkte",
„individuelle" Charakter des Romanstoffes erscheint Schelling als dem
Drama verwandt, weil er in sich abgeschlossen ist und im Gegensatz
zum klassischen Epos, das in der Mitte anfängt und auch in der Mitte
aufhört, Anfang und Ende hat. Nun ist für Novalis eine Erzählung „ohne
Anfang, Mittel und Ende" ein „primitives Gedicht", das eine „bloß
dynamische Belebung des Vorstellungsvermögens" auslöst. Das klassische
33
„Sorgfältiges Studium des Lebens macht den Romantiker", Fragment 2535.
34
Fragment 986.
35
Vgl. Fragment 986.
36
Fr. Schlegel, Phüosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 23, Nr. 58.
37
Fr. Schlegel, Über Goethes Meister, KA, Bd. II, S. 136.

157
DER ROMAN

Epos betrachtet er als eine bloße Veredlung dieses primitiven Gedichts,


mit dem es im Wesen identisch sei. Beide „dauern nur fort", während
der Roman „fortwächst"38. Dieser Begriff des Wachstums und des Or-
ganischen will, so verlangt es Novalis, streng auf den Stoff des Romans
angewendet sein, denn die Form des Romans ist bei ihm ebensowenig
wie bei Schlegel der Organismusästhetik verhaftet. Die poetische Idee
entwickelt sich wie ein organischer Keim, und darin sieht Novalis einen
Vorzug der „künftigen transzendentalen Poesie" vor den „bisherigen
Poesien", die meistens bloß dynamisch, nicht organisch gewesen seien".
Die Idee als organischer Keim hat selbstverständlich den Vorrang
vor allen sonstigen Stoffelementen, namentlich vor dem Helden. Diese
Vorstellung deckt sich wieder einmal mit Schellings Ansicht, nach der
dem Helden nicht alles unterworfen werden soll. Er ist „das Organ des
Dichters im Roman", schreibt Novalis, sein Blickpunkt, sein Wortführer,
aber weder das Einheits- noch das Gestaltungsprinzip des Werkes: des-
halb soll er passiv sein40. Das geht über Schelling hinaus, der im Helden
noch ein gewisses Prinzip der Einheit, wenn auch einer lockeren und
äußerlichen, erblickt. Die eindeutige Verlegung des Schwergewichts auf
die Idee läßt Novalis konsequenter romantisch erscheinen als Schel-
ling. Auf Grund seiner Einsicht in das Wesen des Romans kann er Goethes
Forderung der Passivität des Helden ohne weiteres übernehmen: er ver-
fügt über die erforderlichen Kategorien, um diese Passivität zu recht-
fertigen. Der Roman zeichnet sich auch für Novalis dadurch aus, daß er
das Leben poetisiert. Er hat etwas „Heimliches", Unbegreifliches, Wun-
derbares an sich, das den Leser in eine andere Welt versetzt und seiner
prosaischen Umgebung entfremdet 41 , indem er ihm neue Augen schenkt,
um diese prosaische Welt poetisch anzuschauen und Leben und Schicksal
als einen „kolossalen Roman" zu begreifen 42 . Die Welt ist dadurch poeti-
siert, sie hat einen dichterischen Sinn bekommen.
Wieso kann eine „freie poetische Erfindung" einen neuen Sinn schaf-
fen und die Welt geistig umwandeln? Indem sie „die Wirklichkeit sehr
mannigfaltig symbolisiert". Eine die Wirklichkeit symbolisierende Dich-
tung aber ist ein Mythus, und „der Roman ist gleichsam . . . die Mytho-
logie der Geschichte"43. Er bietet in anschaulicher Form die ewigen Ur-
bilder des Lebens44. Auch dies erinnert an Schelling und an seine Forde-
38
Novalis, Fragment 810.
38
Fragment 819.
40
Fragment 2911.
41
Fragment 2681, 2911.
42
Fragment 2022.
43
Fragment 3023.
44
Vgl. Fragment 101.

158
DER ROMAN

rang einer partiellen Mythologie als Spiegel des Zeitalters im romanti-


sdben Roman. Friedrich Schlegel sprach ja von der Notwendigkeit, der
Form des Romans die Gestalt des Märchens zu geben, nicht zuletzt darum,
weil das Phantastische des Märchens von sich aus die Tendenz hat, zur
Mythologie überzugehen, wie er es am Beispiel des Heinrich von Ofter-
dingen feststellen kann45. Die „Rückkehr zur Mythologie" gehört übrigens
für ihn zu den wesentlichen Merkmalen des Romans, und er hält es sogar
für möglich und wünschenswert, mehrere Mythologien in einem Roman
miteinander zu kombinieren46.

Die Progressivität des sich bildenden Individuums als Helden bedingt


für Schlegel die literarische Erscheinungsweise des Romans: offene Form,
Undeutlichkeit der Umrisse, Freiheit der Darstellung. Im Grunde ist der
Roman keine endgültig festgelegte Gattung, er liegt „außerhalb der
natürlichen Grenzen der Poesie"; jeder Roman ist „ein eigenes Indivi-
duum für sich"47, ein „Mischgedicht", eine „Art für sich"48.
Historisch gesehen ist der Roman „bloß aus der Auflösung der
Poesie" (d. h. der Versdichtung) entstanden, und zwar in der Zeit, in der
man die „Ritterbücher" in Prosa übertrug, und er ist immer mehr zur
„literarischen Manufaktur" geworden, die mit Poesie „wenig oder nichts"
zu tun hat 4 '. Um historische Belege für seine Auffassung zu finden, bezieht
sich Schlegel durchweg auf die spanische Romanform, wie sie von Cer-
vantes geprägt wurde, gelegentlich auch auf Boccaccio. Der Roman, heißt
es, ist die „ursprünglichste, eigentümlichste, vollkommenste Form der
romantischen Poesie"50. „Ein poetisches Buch ist Roman"51. Er ist „ein
romantisches Buch, eine romantische Komposition", und sein Hauptmerk-
mal ist die Vermischung und Verschlingung aller Formen und Gattungen:
historische, rhetorische, dialogische Prosa wechselt mit lyrischer, epischer,
didaktischer, romanzenhafter Poesie (Versdichtung) in „bunter Fülle und
Mannigfaltigkeit". Daneben mischen sich in ihm Phantasie, Gefühlser-
gießungen und Humor, Ernst und Scherz. Parodie und Witz sind eben-
falls in ihm heimisch. Kunst- und Naturpoesie verbinden sich in ihm mit-
einander, wie auch Poesie und Wissenschaft52. Er kann sogar als die Wis-
senschaft der Poesie, „gaya ciencia" definiert werden53.
45
Fr. Schlegel, Literatur, in DNL 143, S. 308.
48
Fr. S<hlegel, Literary Notebooks, Nr. 1565.
47
Fr. Schlegel, Literatur, in DNL 143, S. 401 f.
48
Fr. Schlegel, Phüosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 24, Nr. 65.
48
Fr. Schlegel, Literatur, in DNL 143, S. 401 f.
50
Fr. Schlegel, Geschichte der europäischen Literatur, KA, Bd. XI, S. 159 f.
51
Fr. Schlegel, Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 497, Nr. 256.
52
Ebd., S. 27, Nr. 95 (vgl. Literary Notebooks Nr. 55, 1566).
5S
Ebd., S. 293, Nr. 1175.

159
DER ROMAN

Solche Verschlingung und „Verflechtung heterogener Bestandteile"54


unterscheidet den Roman als typisch romantische Dichtungsform von der
klassischen Literatur der Alten, „wo die Gattungen ganz streng getrennt
wurden" 55 . Der Roman ist weder eine gesetzliche und einheitliche Schöp-
fung noch eine eigentliche Gattung, sondern eine eigentümliche Formen-
mischung. „Das Wesentliche im Roman ist die chaotische Form — Ara-
beske, Märchen"56.
Schlegels Anschauungen entsprechen selbstverständlich dem „Mut-
willen" in der Gestaltung, den auch Schelling hervorhebt. Nur geht
Schlegel über Schelling hinaus, indem er sich weigert, den Roman inner-
halb der Epik zu definieren, und behauptet, er hätte an sich nichts mit
einer Erzählung oder Geschichte zu tun. „Ein Lied [kann] ebensogut
romantisch [ = ein Roman] sein als eine Geschichte"57. Nicht die Erzäh-
lung, sondern die Mischung der Formen, das Chaos macht sein Wesen aus.
In Wirklichkeit ist jedoch nur die Formulierung radikaler, und Friedrich
Schlegels Auffassung deckt sich im wesentlichen mit der seines Bruders
und Schellings. Er will damit sagen, daß der Roman im Gegensatz zum
klassischen Epos die Subjektivität des Dichters geradezu herausfordert
und daß diese Subjektivität die strenge Form der Klassik aufhebt und
durcheinanderwirft. Der Romandichter scheint demnach nicht mehr an die
Erzählung und den chronologischen Werdegang gebunden; es ist ihm ge-
stattet, den Lauf der Geschichte durch Reflexionen und Episoden zu unter-
brechen und willkürlich damit umzugehen. Nichts anderes bedeutet das
Hineinspielen der „eigenen Stimmung" des Dichters in die Darstellung
oder etwa der hier nicht weniger berechtigte „Humor", der ebenfalls eine
subjektive Haltung bekundet 58 . Das sind alles Elemente des romantischen
Romanbegriffs, die dazu beitragen, den Eindruck des Chaotischen und
der unüberblickbaren Mischung der Formen und Gattungen zu erwecken.
Der Verzicht auf ein konsequentes und logisches Aufbauprinzip kommt
auch in der Formel zum Vorschein: „Jeder Roman soll nach Art eines
Märchens konstruiert sein"58.

Friedrich Schlegel ist nicht der einzige, der sich am Märchen orien-
tiert, um Aufschlüsse über die Struktur des Romans zu gewinnen. Auch
Novalis hat darüber nachgedacht und das Problem konkret zu lösen ver-
sucht. Das Märchen schien ihm der beste Weg zur Aufstellung der roman-
54
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1565.
56
Fr. Schlegel, Geschichte der europäischen Literatur, KA, Bd. XI, S. 160.
58
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1804.
" Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 336.
58
Ebd.
51
Fr. Schlegel, Literatur, in DNL 143, S. 308.

160
DER ROMAN

tischen Urbilder der Welt zu sein. Es spielt sich von vornherein ganz im
Bereich der Freiheit der Phantasie ab, im Reich des Magischen, der von
jeder Notwendigkeit befreiten „Naturanarchie"®0. Es stellt „magische Be-
gebenheiten" dar81, hebt die Trägheit und den Mechanismus der Natur
auf, belebt sie und vermischt sie „auf eine wunderliche Art mit der ganzen
Geisterwelt"62. „In einem echten Märchen muß alles wunderbar, geheim-
nisvoll und unzusammenhängend sein — alles belebt" 63 . Dort herrscht
Chaos, Gesetzlosigkeit, Anarchie64. Es stellt die Welt der vollen Freiheit,
des „magischen Willens" dar65, es vergegenwärtigt den „Naturstand der
Natur", die „Zeit vor der Welt", in der die Züge der „Zeit nach der Welt",
des „ewigen Reiches" zerstreut, aber doch sichtbar sind. Die freigesetzte
Phantasie offenbart also die Urbilder, und der Märchendichter wird da-
durch zum Propheten, zum „Seher" der Zukunft und des Ewigen66. Auf
Grund einer solchen Auffassung des Märchens leuchtet ein, daß es auch
für Novalis das Muster des Romans und überhaupt der ganzen Dichtung
ist. Das Märchen ist „gleichsam der Kanon der Poesie — alles Poetische
muß märchenhaft sein"67. Diese Anschauung entspricht der produktiven
Freiheit der Einbildungskraft als des poetischen Grundvermögens. Und
es kann wenig wundernehmen, wenn man an zwei verschiedenen Stellen
in Novalis' Schriften liest: „Im Märchen glaube ich am besten meine Ge-
mütsstimmung ausdrücken zu können. Alles ist ein Märchen"68. „Alles ist
ein Märchen" bedeutet ja nichts anderes, als daß die Welt in Novalis'
Augen poetisiert ist und ihre Urbilder offenbart.
Nicht nur im Blick auf die Möglichkeit, Urbilder aufzufinden und
eine Mythologie zu schaffen, hat das Märchen Novalis interessiert, son-
dern auch in bezug auf die Gestaltung des romantischen Romans. Sein Be-
griff des Märchens als eines „Traumbildes ohne Zusammenhang" 69 hat
sich in seinen Anschauungen über die Form des Romans niedergeschlagen
und es ihm ermöglicht, auf diesem Umweg die Vorstellungen Schellings
und Schlegels zu Untergründen. Hier wird deutlich, daß er sich nicht der
Organismusästhetik verschrieben hat und daß das organische Wachsen
sich auf die Idee des Romans, nicht aber zugleich auf seine Darstellung
bezieht.
60
Novalis, Fragment 2060.
61
Fragment 1545.
62
Fragment 1698.
•» Ebd.
64
Ebd.
65
Fragment 1943.
68
Fragment 1698.
67
Fragment 2403.
88
Fragment 2281; vgl. Bd. V, S. 67.
•» Fragment 2447.

161
11 Nivelle
DER ROMAN

Eine streng logische Struktur ist im Roman nicht am Platze. Im


Gegenteil, der romantische Roman hat etwas Chaotisches an sich, das eben
der Freiheit der Einbildungskraft, wie sie sich im Märchen betätigt, ent-
spricht. „Romantische Anordnung und Veränderungen in den Gedanken",
also die Struktur des Romans, beschreibt Novalis folgendermaßen:
„Äußerst simpler Stil, aber höchst kühne, romanzenähnliche, dramatische
Anfänge, Ubergänge, Folgen; bald Gespräch, bald Rede; dann Erzäh-
lung, dann Reflexion, dann Bild und so fort. Ganz Abdruck des Gemüts,
wo Empfindung, Gedanke, Anschauung, Bild, Gespräch, Musik etc. un-
aufhörlich schnell wechseln und sich in hellen, klaren Massen nebenein-
ander stellen"70. Das Nebeneinander als Aufbauprinzip steht in schroffem
Widerspruch zum organischen Wachstum der Idee und ermöglicht die
ironische Haltung und den ironischen Stil, von denen die Rede war und
die Novalis gewöhnlich unter dem Begriff der Besonnenheit subsumiert.
Das Nebeneinander erfordert nicht nur die Sukzession verschiedenster
Formen, sondern auch ihre verhältnismäßige Selbständigkeit. Ein Roman
darf kein „Kontinuum" sein; „jedes kleine Stück muß etwas Abgeschnitte-
nes, Begrenztes — ein eigenes Ganzes sein"71. Auch die Sprache hat am
uneinheitlichen Charakter des Romans teil: „höchst abwechselnd, wun-
derbar" soll sie sein, mit „sonderlichen Wendungen" und „raschen Sprün-
gen"78. Wie für Friedrich Schlegel ist es auch für Novalis klar, daß „alle
Gattungen des Stils" in einem Roman vertreten sein müssen73.
Die romantische Strukturumwälzung bedeutet jedoch keineswegs,
daß die Einheit des Romans überflüssig sei und nicht zu bestehen brauche.
Das würde den ästhetischen Prinzipien der Frühromantik grob wider-
sprechen. Aber die Einheit ist nicht im „Materiellen" zu finden, an dem
wenig liegt. Das Materielle der Erzählung ist nur ein Mittel zum Zweck,
ein Sinnliches, das ein Unendliches veranschaulichen und symbolisieren
soll. Die Geschichte des Don Quijote, meint Friedrich Schlegel, versinn-
bildlicht den Witz, die der Galatea die Liebe, die des Persiles die Reli-
gion74. „Der dramatische Zusammenhang der Geschichte macht den
R o m a n . . . noch keineswegs zum Ganzen, zum Werk, wenn er es nicht
durch die Beziehung der ganzen Komposition auf eine höhere Einheit als
jene Einheit des Buchstabens, über die er sich oft wegsetzt und wegset-
zen darf, durch das Band der Ideen, durch einen geistigen Zentralpunkt
wird"75. Die Betonung dieses geistigen Mittelpunkts ist es, was Schlegel
70
Fragment 2718.
71
Fragment 2663.
11
Fragment 2714.
73
Fragment 1632.
74
Fr. Sdilegel, Geschichte der europäischen Literatur, KA, Bd. XI, S. 162.
75
Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 336.

162
D E R ROMAN

dazu bewegt, die Einheit des Romans als eine mystische und nicht als eine
bloß poetische zu bezeichnen78. „Der Roman ist ein mystisches Kunst-
werk"77. Nicht die einzelnen Anschauungen und Lehren sind also das Ent-
scheidende an ihm78, sondern das Ganze, das „Band der Ideen", das Un-
endliche, das durch die Geschichte angedeutet werden soll. Dieses
Unendliche darf sich aber nicht nur als zufällige Konsequenz aus den
Begebenheiten ergeben, sondern es muß die erste Bewegung des Dichters
veranlaßt haben: „Der Roman strebt gar nicht nach dem Unbedingten,
sondern nur aus dem Unendlichen heraus"79.
In dem Sinn soll denn auch der Ausdruck verstanden werden, den
Schlegel mitunter benutzt, wenn er Goethes Romankunst charakterisiert:
„nach Ideen dichten"80. Es handelt sich dabei nicht etwa um eine Dich-
tung, die ein allegorisches Zweitprodukt wäre und nur dazu dienen soll,
eine Probe aufs Exempel zu liefern, sondern vielmehr um ein Werk,
dessen Mittelpunkt im Geistigen und nicht im Zusammenhang des Inhalts
Hegt.

Der Roman, mit dem sich Schlegel — neben dem Don Quijote, der
ihm aber als ein Muster der Gattung erscheint und den er daher diskus-
sionslos gelten läßt — auseinandergesetzt hat, ist der Wilhelm Meister.
An ihm hat er seine Theorie erprobt, und aus ihm hat er sie ergänzt und
berichtigt. Nicht immer hat er die gleiche Meinung über Goethes Roman
vertreten. Ähnlich wie Novalis ist er von einer hyperbolischen Bewunde-
rung ausgegangen, die später in harte Kritik umschlug, um schließlich
wieder zu einer positiveren Beurteilung zu gelangen. Anfangs hat er im
Meister das vollkommene Vorbild und den höchsten Gipfel der zeitgenös-
sischen Dichtung und der Dichtung überhaupt gesehen81. Noch im Ge-
spräch über die Poesie bezeichnete er das Werk als eine Schöpfung, an der
„alle Künstler ewig zu studieren haben werden"82, und auch im Meister-
aufsatz hat er ihm reichliches Lob gespendet.
Die Untersuchung von Goethes Roman hat Schlegel in seiner Ansicht
bestärkt, daß der Endzweck des Werkes nicht in den Personen und Be-
gebenheiten liege, sondern in der Darstellung einer vollständigen Kunst-
lehre anhand von Beispielen. Eine poetische Physik der Poesie hat er ihn
76 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 580.
77 Ebd.
78 „Sonst wäre die rhetorische Form ungleich vorzüglicher", Athenäums-Fragmente,
KA, Bd. II, S. 181, Nr. 111.
78 Fr. Schlegel, Philosophische Lehrjahre, KA, Bd. XVIII, S. 268, Nr. 876; vgl. Literary
Notebooks, Nr. 1378.
80 Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 347.
81 Vgl. u. a. Lyceums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 162, Nr. 120.
82 Fr. Schlegel, Gesprädi über die Poesie, KA, Bd. II, S. 344.

163
11*
DER ROMAN

genannt83. In der Rezension von Goethes Werken aus dem Jahre 1808
äußert er sich noch einmal lobend über die poetische Darstellungsart 84 ,
den Reichtum der Erfindung, die Sorgfalt der Ausführung, die Fülle der
inneren Durchbildung 85 . Inzwischen hatte er sich jedoch weniger günstig
ausgesprochen, namentlich in den handschriftlichen Notizen, die von
Eichner herausgegeben wurden: Goethe habe eine „schlechte Idee" vom
Roman gehabt, er habe zu viel Wert auf die „analytische Intrige" gelegt
und sei „bei Aufsuchung des Geistes der Dichtarten empirisch zu Werke"
gegangen, während sich gerade der Charakter des Romans „empirisch
nicht vollständig und richtig auffinden" lasse86. Goethes Schöpfung sei
kein vollkommener Roman, denn ein solcher „müßte weit mehr romanti-
sches Kunstwerk sein als Wilhelm Meister; moderner und antiker, philo-
sophischer und ethischer und poetischer, politischer, liberaler, universeller,
gesellschaftlicher"87.
Übrigens habe Goethe „von der romantischen Ganzheit keine Idee
gehabt" 88 . Im Meister sei „weder Wollust noch Christentum genug für
einen Roman"88. In ihm sei „nur die Form der Bedeutsamkeit, aber keine
wirkliche poetische Bedeutung" 90 . Unter den möglichen Erklärungen
dieser Widersprüche scheint mir die ausschlaggebend zu sein, nach der
Schlegels hochgespanntes Ideal und literarischer Ehrgeiz ihn zeitweilig
zu abschätzigen Urteilen verleitet haben, die er dann während der Arbeit
an seiner Lucinde auf Grund einer besseren Einsicht in die Schwierigkeit
der praktischen Anwendung seiner Theorie und vielleicht auch in einem
gewissen Bewußtsein des eigenen Scheiterns gemildert hat. Er hat
Goethes Roman an seiner Vorstellung eines Universalkunstwerks gemes-
sen und ihn wahrscheinlich in einem ungünstigen Licht gesehen, solange
er selbst hoffen konnte, es besser zu machen. Später kam die Vernunft.
Als Offenbarer der Urbilder des Lebens und der Welt, als frei-
schwebend im Reich der Phantasie, als buntes Gefäß für alle Gattungen
und Stile mußte der Roman, das romantische Wunschbild, als die univer-
selle Dichtung par excellence und damit als das Ideal der romantischen
Poesie erscheinen. Schlegels Enttäuschung am Wilhelm Meister ist nur ein
Zeichen für seine hohe Bewertung der Gattung als solcher und für die
Hoffnungen, die er an den Roman überhaupt knüpfte.

63
Fr. Schlegel, Über Goethes Meister, KA, Bd. II, S. 132.
84
Fr. Schlegel, Goethes Werke, in D N L 143, S. 390.
85
Ebd., S. 389.
88
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 115.
87
Ebd., Nr. 289.
88
Ebd., Nr. 341.
89
Ebd., Nr. 575.
»» Ebd., Nr. 1703.

164
VII. ROMANTIK UND ROMANTISCH

Im Rahmen dieser Studie kann es nicht unsere Absicht sein, die Ge-
schichte des Wortes und des Begriffs „romantisch" zu schreiben. Andere
haben es vor uns getan, und das Wesentliche dürfte gesagt sein. Es sei
unter anderen auf die Arbeiten von Fr. Schultz, P. Kaufmann, R. Ullmann-
H. Gotthard und Lovejoy hingewiesen. Die Semantik des Wortes ist
jetzt bekannt. Man weiß, daß es aus England gekommen ist, wo es
schon am Ende des 17. Jahrhunderts vorzüglich einen 'romanhaften', d. h.
schwärmerischen, abenteuerlichen, unwirklichen Vorgang bezeichnete,
und daß sich etwas später die Bedeutung ausweitete und alles Phan-
tastische, Wunderbare, Ungewöhnliche einschloß. Bald wurde das Wort
auch auf Natur und Landschaft angewandt, und in dieser Beziehung
wurde es als besonders geeignet empfunden, die freie, ungekünstelte
Natur in ihren Schattierungen von der Wildheit bis zur Anmut zu evozie-
ren. Das war die Zeit, in der die englische Gartenkunst die französische
Regelmäßigkeit auf dem Kontinent zu verdrängen anfing und der Ge-
schmack sich vom Klassizistischen absetzte. Diese Bedeutung ist es, in
der Goethe das Wort im Werther gebraucht, wenn er die Terrasse mit den
Kastanienbäumen über dem lieblichen Tal und dem sanften Fluß als eines
der „romantischsten" Plätzchen, die er je gesehen habe, und als einen von
„allen Schauern der Einsamkeit" umschwebten Ort beschreibt1. Von da
war der Weg nicht weit zu der Ruine im Walde, der einsamen Schlucht,
dem Kreuz im Gebirge und dem Grab im Mondschein.
Die historische Untersuchung dieser populären Romantik, so inter-
essant sie an sich sein mag, würde zur Poetik der Jenaer Schule wenig neue
Elemente beisteuern, weil diese sich von vornherein auf eine andere
Ebene stellt. Sie sucht den Begriff 'romantisch' auf Grund von Theorien
und Reflexionen festzulegen und erst nachher auf historische Phänomene
anzuwenden. Der gedankliche Aufbau des Begriffs geht der Übernahme
einer landläufigen Bezeichnimg voran. Das schließt selbstverständlich
nicht aus, daß gewisse historisch bedingte Züge des Begriffs trotzdem ent-
scheidend auf die frühromantische Auffassimg gewirkt haben mögen;
prinzipiell haben sich die Jenaer jedoch zuerst darum bemüht, den Sinn
1
Brief vom 10. September.

165
ROMANTIK UND ROMANTISCH

des Wortes literarisch-philosophisch zu bestimmen, und erst danach ver-


sucht, diesen Sinn historisch zu belegen. Inwieweit unbewußte Vorlieben
und von der Vernunft unkontrollierte Geschmacksrichtungen psycho-
logisch den Ausschlag gegeben und alle philosophischen und literarischen
Begründungen bestimmt haben, würde eine eingehende Untersuchung
lohnen, spielt aber für die ausdrückliche Poetik der Jenaer Schule eine
recht untergeordnete Rolle.
Wie dem auch sei, wir wollen hier versuchen, einen Überblick über
die frühromantische Auffassung des Begriffs im Bereich der Poetik zu
geben, indem wir uns ausschließlich an zeitgenössische Zeugnisse halten.
Es fällt sofort auf, daß dabei drei Begriffe definiert werden müssen,
weil sie in einer ständigen Wechselwirkung stehen und einander erhellen.
Es handelt sich um die Begriffe antik, modern und romantisch, wobei eine
zwiefache Antithese — eine historische und eine wesensgemäße — zutage
tritt.
Rein historisch betrachtet, besteht die große Spaltung der Literatur
in dem Bruch zwischen Antike und Moderne. Die Ursache dieses Bruches
ist in romantischer Sicht der Einfluß des Christentums gewesen. Die Ver-
breitung der christlichen Lehre hat einen durchgreifenden Umsturz der
Werte mit sich gebracht, indem sie die Bedeutung des Diesseits relati-
vierte. Das Irdische fiel als Quelle der Schönheit, der Größe, der Erhaben-
heit aus und wurde auf eine bloße Negation des Himmlischen, des Gött-
lichen reduziert. Wenn das Irdische noch einen Wert behielt, so war der
Grund ausschließlich in seiner allegorischen Bedeutung für das Übersinn-
liche zu suchen. An sich ist es Staub, Eitelkeit, Schatten. Nur der Abglanz
der göttlichen Schöpfung, d. h. das, was es nicht ist, hat in ihm einen Wert.
Auf sich selbst angewiesen ist das Sinnliche das Reich des Bösen, das
Dunkel, das dem geistigen Licht widerstrebt. Das Christentum hat das
Unendliche vom Endlichen getrennt und ins Jenseits verwiesen. Geist und
Stoff, Sinn und Bild wurden auseinandergerissen. Die Götter, die bis
dahin die Erde bewohnt hatten, zogen sich in den Himmel zurück und
hinterließen nur ihren Schatten und die Sehnsucht nach ihnen. Das
Irdische wurde entmythologisiert; die Quelle und der Wald standen plötz-
lich verwaist da, weil die Nymphe und der Satyr sie verlassen hatten. Die
Geister schwebten über den Wassern und flössen nicht mehr in ihnen mit.
Die Antike hatte diese Spaltung nicht gekannt. Alles Endliche war
ihr zugleich unendlich. Ihre Kunst war denn auch streng symbolisch im
Schellingschen Sinn: jede Darstellung war nicht nur ein Ding, sondern
zugleich dessen Idee, und das ergibt einen starken Gegensatz zur späte-
ren Kunst, in der die Darstellung nur noch die Idee bedeutete und nicht
mehr war. Absolute Gleichsetzung des Endlichen und des Unendlichen

166
ROMANTIK UND ROMANTISCH

charakterisierte also die Antike, die in jedem Kunstwerk diese Durchdrin-


gung und Identität ausdrückte2.
Übrigens war die griechische Mythologie, die ja den ganzen Stoff der
Kunst hergab, von einer ähnlichen Gleichsetzung gekennzeichnet: ein Gott
war zugleich ein Individuum und eine unendliche Idee. Die antike Mytho-
logie war ein Symbol des Unendlichen, während das Christentum es nur
zu einer Allegorie des Unendlichen gebracht hat. In christlicher Sicht ist
das Endliche an sich nichts, es erlangt erst einen Wert, indem es das Un-
endliche bedeutet 3 . Das Christentum hat das Endliche dem Unendlichen
untergeordnet. In Christus haben sich zwar Endliches und Unendliches
noch eng vermählt, und insofern kann er unter Umständen als der letzte
Gott der Antike angesehen werden. Nach ihm aber kam die unbedingte
Herrschaft des Geistes über das Sinnliche, eingeleitet durch das Pfingst-
mysterium4. Seitdem herrscht das Ideale über das Reale und prägt das
ganze moderne Leben und die ganze moderne Kunst. Prinzip des
Christentums und der durch es bestimmten Kunstschönheit ist die Hin-
gabe an das Unendliche unter Verzicht auf das Sinnliche. Darum ist die
Schönheit in der Moderne 'weiblich' geworden. Da das Leben zur Schat-
tenwelt degradiert wurde und alles Wesentliche ins Jenseits übersiedelte,
kann die Kunst der Moderne nicht mehr die des Besitzes sein, sondern
nur eine Kunst der Sehnsucht und der Schwermut, des Ernstes und des
Schmerzes, der Melancholie und des innigen Gefühls, des Schwankens
zwischen Erinnerung und Ahnung, der Beschaulichkeit und des Gemüts 5 .
Ihr höchstes Ideal erblickt eine solche Kunst nicht im strengen, erhabenen,
männlichen Charakter der Antike, sondern in der Grazie, in der weib-
lichen Anmut".
Um die Identität des Endlichen mit dem Unendlichen in ihren Kunst-
werken auszudrücken, blieb die Antike im Bereich des Realen; die
Moderne kann etwas Ähnliches nur im Idealen erzielen. Die Antike war
Natur, die Moderne ist Geschichte7. Die Antike vergötterte das irdische
Leben, gefiel sich in der Harmonie der Kräfte des sinnlichen Menschen,
in einer geläuterten, veredelten Sinnlichkeit und strahlte Freude und
Leichtsinn aus — so idyllisch gestaltet sich das Bild der Antike bei
Wilhelm Schlegel. Die Moderne dagegen charakterisiert sich durch ein

2
Vgl. Schelling, Philosophie der Kunst, Bd. III, S. 442.
» Ebd., S. 450.
4
Ebd., S. 452.
5
Vgl. A. W. Schlegel, Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, Bd. V,
S. 14 ff.
6
Schelling, Philosophie der Kunst, Bd. III, S. 453; 3. Ergänzungsband, S. 187 f.
7
Ebd., Bd. III, S. 447.

167
ROMANTIK UND ROMANTISCH

Hinausstreben der Freiheit über Natur und Leben 8 , das eine innere Ent-
zweiung bewirkt und den Grund zum unerfüllten und den Menschen ewig
vorwärts treibenden Wunsch nach einer Aussöhnung des Sinnlichen und
des Geistigen in die Seele legt. Mit anderen Worten: in der Antike waltete
das Objekt, in der Moderne waltet das Subjekt vor. Der alte Künstler
brachte das Objekt mit einfachen, strengen und notwendigen Zügen zur
vollkommenen Anschauung; der moderne stellt nicht nur das Objekt,
sondern zugleich sich selbst dar, insofern er das Objekt im Spiegel seiner
Reflexion, seiner Wünsche, seiner Stimmung erscheinen läßt. Das Un-
endliche, die Freiheit seiner Individualität schimmert durch die Darstel-
lung hindurch, was zur Folge hat, daß diese Darstellung nie zur vollkom-
menen Anschauung gelangt®. Die Brechung des Objekts durch die indi-
viduelle Subjektivität idealisiert die Kunst, macht sie geistiger und ver-
hindert ihre ungetrübte Anschaulichkeit.
Daraus ergibt sich das die Moderne bezeichnende Merkmal der
Individualität und der damit verbundenen Originalität. Die Antike war
die Zeit der Gattungen, die Moderne ist die Welt der Individuen. Dort ist
alles „ewig, dauernd, unvergänglich"; hier ist „Wechsel und Wandel das
herrschende Gesetz", weil die Kunst nicht beim Endlichen haltmacht,
sondern die Funktion des Endlichen darin sieht, daß es das Unendliche zu
bedeuten hat und, sobald diese Funktion erfüllt ist, vergehen soll10. Der
Ausgangspunkt der modernen Kunst ist nicht die Allgemeinheit wie in der
Antike, sondern jeweils eine Besonderheit, die erst durch die Kunst all-
gemein gemacht werden muß".
In der Moderne ist das Individuum viel radikaler auf sich selbst an-
gewiesen als in der Antike. Es findet keine allgemeingültige Weltdeutung
vor, es muß die Welt oder mindestens den „ihm offenbaren Teil" davon
von seinem individuell-originellen Standpunkt aus deuten und zu einem
Ganzen bilden; mit anderen Worten: es muß sich seine Mythologie selbst
schaffen12. Das ist sein einzig möglicher Weg zur Universalität, einem
weiteren Gebot der modernen Kunst: „je origineller, desto universeller"15.
Die Moderne ist irrational und unbegrenzt, heißt es öfters bei Schelling14.
Die Moderne ist also die Zeit der Allegorie, in der das Besondere
nicht mehr zugleich das Allgemeine ist, sondern nur noch bedeutet, in der
das Ideale das Ubergewicht über das Reale in einem solchen Maße er-
8
A. W. Schlegel, Pamy, La Guerre des Dieux, Bd. XII, S. 94 f.
» Schelling, Philosophie der Kunst, Bd. III, S. 492 f.
10
Vgl. ebd., S. 464.
11
Schelling, Über Dante in philosophischer Beziehung, Bd. III, S. 573 f.
12
Ebd.
" Schelling, Philosophie der Kunst, Bd. III, S. 467.
14
Ebd., S. 437; 3. Ergänzungsband, S. 263, 320.

168
ROMANTIK UND ROMANTISCH

rungen hat, daß die Ineinsbildung, die im Altertum üblich war, unmög-
lich geworden ist. Nun wird von den Frühromantikern die Kunst jeweils
mit der Symbolik, nicht jedoch mit der Allegorie in Zusammenhang ge-
bracht. Wie findet die Moderne aus dieser Sackgasse hinaus? Wenn ihr
keine vollendeten Symbole mehr zur Verfügung stehen, muß sie zu sym-
bolischen Handlungen greifen. „Der ganze Geist des Christentums ist der
des Handelns. Das Unendliche ist nicht mehr im Endlichen, das Endliche
kann nur ins Unendliche übergehen; nur in diesem können beide eins
werden. Die Einheit des Endlichen und des Unendlichen ist also im
Christentum Handlung" 15 . Wenn die Moderne das richtige Verständnis
für ihre Eigentümlichkeit aufbringt und diesen ihren Weg findet, schafft
sie eine Kunst, die ebenso gültig ist wie die der Alten: sie ist 'romantisch'.
Das Romantische erscheint als die Potenzierung des Modemen, als dessen
Steigerung zu Bewußtsein und Einsicht und dessen Befreiung von der
unfruchtbaren Allegorie. Die Moderne ist blind und wertlos, solange sie
sich nicht zur Romantik erhebt.

Den Gegensatz modem-romantisch unterstreicht vor allem Friedrich


Schlegel. Dabei benutzt er freilich das Wort 'modern' ziemlich inkonse-
quent, mißt ihm aber meistens einen abschätzigen Sinn bei. Das Roman-
tische bleibt „ewig neu", meint er, während das Moderne „mit der Mode"
wechselt16. Dieser abschätzige Gebrauch des Wortes gilt für den größten
Teil des Studium-Aufsatzes, in dem es als Bezeichnung der neuzeitlichen
Dichtung im Gegensatz zur klassischen des Altertums mit den Begriffen
individuell, originell, interessant, manieriert, charakteristisch, historisch,
porträtmäßig verwandt erscheint. Auch in anderen Zusammenhängen und
zu späteren Zeiten behält das Wort seine pejorative Bedeutung; so zum
Beispiel im Jahre 1812, wenn von Goethe behauptet wird, er „gerate aus
dem Romantischen stets wieder in das Moderne hinein"17. Im gleichen
Jahr findet man übrigens die beste Definition des so aufgefaßten Termi-
nus: „Das Moderne in der Poesie ist ganz wie die beschränkt empirische,
aber auch dualistische oder christliche Ansicht in der Philosophie, ohne
höheren Spiritualismus"18. In diesem Zusammenhang bedeutet der höhere
Spiritualismus — im Gegensatz zur empirischen und dualistischen Welt-
ansicht — wohl kaum etwas anderes als die innige Durchdringung des
Endlichen durch das Unendliche bis zur Vermischung beider in einer
Identität, die in der Kunst Symbol heißt — auch wenn Schlegel dafür das
Wort Allegorie benutzt. Wenn er dieses Symbolische in der sogenannten

15 Ebd., Bd. III, S. 453.


16 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 473.
17 Fr. Schlegel, in Schriften und Fragmente (Kröners Taschenausgabe), S. 135.
18 Ebd.

169
ROMANTIK U N D ROMANTISCH

modernen Kunst vermißt, kann Schlegel sie nur negativ beurteilen, denn
sie erscheint dann als das entschiedene Gegenteil des Romantischen. Die
moderne Dichtung sucht nämlich „die Wirkung auf das Leben fälschlich
dadurch zu erreichen, daß (sie) sich ganz an die Gegenwart anschließt und
in die Wirklichkeit einengt, wodurch (sie) d e n n . . . der Herrschaft der
beschränkten Zeit und der Mode unvermeidlich anheimfällt" 19 .
Der Begriff des Modernen fällt auch manchmal mit dem des Klassi-
zistischen, des 'Antikischen' — nicht des Klassischen und des Antiken! —
zusammen. Insofern ist die moderne Dichtung „von der romantischen
wesentlich verschieden und wie durch eine große Kluft getrennt". Schlegel
begründet seine Meinimg mit zwei Hauptargumenten: die klassizistische
Dichtung steht für ihn unter der unbedingten Herrschaft der Regeln, sie
unterscheidet sich durch „ihr genaues Verhältnis zur Kritik und Theorie
und den bestimmenden Einfluß der letzteren"; andererseits ist sie nur
Nachahmung, und zwar falsche: „verfehlte Nachbildungen und irrige
Kombinationsversuche" nach dem allmächtigen Muster der Alten sind ihre
einzige Inspirationsquelle. Corneille und Racine gelten für Schlegel als
typische Vertreter dieser Moderne und müssen daher abgelehnt werden;
zu verurteilen sind aber auch die 'Abwege' der modernen Dichtung, die
sich von der „bloß grammatischen Poesie oder Verskunst", in der Sprach-
künstlichkeit und -künstelei für Dichtung gilt, bis zur sturm-und-dränge-
rischen Verwerfung aller Kritik und Theorie und der rohen Formlosigkeit
einer falschen Volks- und Naturdichtung erstrecken20.
Mitunter wird das Wort 'modern' in einer anderen, neutraleren Be-
deutung verwendet und bezeichnet dann einen bloßen historischen Zeit-
abschnitt bzw. die mit diesem Zeitabschnitt verbundene typische Er-
scheinungsform der Dichtung. So zum Beispiel: „Modern ist die transzen-
dentale, die abstrakte und die romantische Poesie. Antik die elementare,
systematische und absolute Poesie"21, wobei gleich darauf bemerkt wird:
„Transzendentalisiert sind schon viele Dichtungsarten bei den Modernen,
so wie auch romantisiert; abstraktisiert am wenigsten" 22 . Erst auf Grund
dieser chronologischen Einteilung der Kunstentwicklung kann eine teil-
weise Gleichsetzung der modernen und der romantischen Poesie erfolgen,
und in diesem Sinn ist das Fragment zu verstehen: „Die moderne Poesie
fängt an mit Dante" 23 . Dabei hat das Wort 'modern' eine rein historische
Bedeutung, denn Dante wird ziemlich allgemein als der Anfang der
romantischen Dichtung angesehen.
19
Fr. Schlegel, Geschichte der alten und neuen Literatur, KA, Bd. VI, S. 286.
20
Fr. Schlegel, Goethes Werke, in D N L 143, S. 399 ff.
21
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1034.
22
Ebd., Nr. 1036.
28
Ebd., Nr. 1027.

170
ROMANTIK U N D ROMANTISCH

Daß bisweilen Verwechslungen im Gebrauch dieser Terminologie


stattfinden, kann nicht wundernehmen. Wenn zum Beispiel die 'Tendenz'
als Merkmal der sogenannten modernen Poesie hingestellt wird, so ist
jeweils die romantische Dichtung gemeint. Denn Tendenz — ein roman-
tisches Kernwort — ist nicht sehr verschieden von Progressivität, und die-
se ist ein inhärenter Bestandteil der romantischen Dichtungsanschauung.
Wenn es heißt: „Das Wesen des Modernen besteht in der Absolutheit,
in der Universalität und in der Abstraktion der Tendenz" 24 , oder etwa:
„Erschöpft kann keine Tendenz der modernen Poesie werden" 25 , so er-
weist sich das Wort 'modern in diesen Zusammenhängen als ein Synonym
von romantisch. Eine Bestätigung hierfür wäre wohl in dem Gedanken zu
finden, daß das Streben, „das absolut Vollkommene und Unendliche zu
realisieren", als eine „bleibende Eigenschaft alles dessen, was man mit
dem besten Recht modern nennen darf" 26 , beschrieben wird. Und wenn
die romantische Idee von der Individualität hinzukommt, ist die Vor-
stellung noch eindeutiger: „In recht modernen Schriften ist alles Geist
und Tendenz. Geist ist absolute Individualität" 27 .

Solche abwechselnde Gleichsetzung und Abhebung des Modernen


und des Romantischen mit- und voneinander läßt eine strenge Auffas-
sung und eindeutige Definition des Begriffs romantisch kaum erwarten.
Tatsächlich gehen die Bedeutungen des von Friedrich Schlegel ge-
brauchten Wortes sehr auseinander. Im großen und ganzen kann man
zwei Hauptbedeutungen unterscheiden, die Behler28 als literarhistorischen
Stilbegriff und als überhistorischen Dichtungstyp umschreibt. Allerdings
entspricht diese Unterscheidung nicht überall der ziemlich komplizierten
Sachlage.
Als historischer und insofern im romantischen Bewußtsein verhältnis-
mäßig klar umrissener Begriff bedeutet romantisch zunächst einmal so-
viel wie 'romanisch'. Schlegel spricht von den „romantischen Dialekten",
die sich aus dem Lateinischen entwickelt haben, und meint damit die
romanischen Sprachen29. Und unter romantischer Poesie in historischer
Hinsicht versteht er „die Poesie derjenigen Nationen, die eine aus dem
Lateinischen abgeleitete Sprache haben" 30 . An sich spielt diese Definition,
die auf einem damals schwankenden, noch nicht festgelegten Wortge-
24
Ebd., Nr. 510.
25
Ebd., Nr. 295.
58
Fr. Schlegel, Rezension von Herders Briefen, Minor, II, S. 41.
27
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 439.
28
In Fr. Schlegel, KA, Bd. XI, S. 328.
29
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 2154.
30
Fr. Schlegel, Geschichte der europäischen Literatur, KA, Bd. XI, S. 167.

171
ROMANTIK UND ROMANTISCH

brauch beruht, in der Auffassung der eigentlichen Romantik keine ent-


scheidende Rolle, auch wenn Wilhelm Schlegel diese Anschauung teilt
und in ihr einen Beweis für die Richtigkeit der Benennung sieht. Für
ihn leitet sich nämlich das Wort von „romance" her, einem Begriff, der
die aus der Mischung des Lateinischen mit den altdeutschen Mundarten
entstandenen Volkssprachen bezeichnet; darum soll das Wort romantisch
gut gewählt sein, weil die romantische Bildung sich für ihn aus der
Verquickung der nordischen Stammesart mit der Kultur des Altertums
ergibt31.
Ein ähnliches, obgleich schon bedeutungsschwereres sprachliches
Phänomen besteht darin, daß romantisch damals das zu Roman gehörige
Adjektiv war. In einer ganzen Reihe von Fällen bezeichnet das Wort
eine Eigenschaft, die mit dem Roman in Verbindung steht, genau wie
das Wort Romantiker bei Novalis öfters einen Romandichter bezeichnet.
Hierzu nur eines von unzähligen Beispielen: „Das Verlangen nach Einem
Helden ist romantisch; wiewohl im vollkommenen Roman jeder der Held
sein müßte" 32 . Diese Herleitung des Wortes ist, wie gesagt, weniger ober-
flächlich, zufällig und trügerisch als die erste, denn der Roman steht im
Mittelpunkt der frühromantischen Poetik, und alles, was ihn irgendwie
betrifft, wiegt schwer. Wird er doch von Schlegel als die Synthese aller
poetischen Elemente dargestellt, und eine Theorie der Poesie könnte
erst mit einer Theorie des Romans vollständig sein33.
Das Wort Roman selbst hat aber nicht nur einen gattungstheore-
tischen, sondern auch einen präzisen historischen Sinn. Es meint nämlich
jene Werke, die im Mittelalter in romanischer Sprache geschrieben wur-
den und die hauptsächlich Rittergeschichten erzählten. Dies ist denn auch
die dritte historische Bedeutung des Wortes 'romantisch' bei Friedrich
Schlegel: es bezeichnet die Epoche des Rittertums und des Minnesangs,
deren Dichtung einen doppelten Ursprung hat: einen nordischen und
einen südlichen. Darum hat es wenig Zweck, sich wie Lovejoy gegen eine
Beziehung des Wortes zum Begriff Roman aufzulehnen und für eine
rein historische, das Mittelalter und die frühe Neuzeit bezeichnende
Bedeutung einzutreten. Abgesehen davon, daß das Wort in beiden Be-
deutungen ausgiebig belegt ist, hat diese Unterscheidung nicht viel Sinn,
denn gerade schon als Bezeichnung der mittelalterlichen Kulturwelt
meinte das Wort sowohl romanhaft wie romanisch.
Ihren ersten Ursprung verdankt die 'romantische' Poesie des Mittel-
alters in ihrer Form als „fast zur Grundlage aller übrigen gewordene

31
A. W. Schlegel, Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, Bd. V, S. 9 f.
32
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 214.
33
Vgl. u. a. Literary Notebooks, Nr. 188.

172
ROMANTIK U N D ROMANTISCH

französische Ritterpoesie" den sogenannten Normannen und ganz be-


sonders den Isländern, meint Friedrich Schlegel34. Die Skandinavier seien
es, denen der Ursprung der Ritterpoesie zuzuschreiben sei, denn erst sie
„brachten das Rittertum auf Grundsätze und Regeln, und die ritterliche
Erziehung ging von ihnen aus. Sie haben am meisten zur epischen Poesie
der Neueren beigetragen" 35 . Es kann selbstverständlich nicht unsere Auf-
gabe sein, die recht zweifelhafte und parteiische Meinung Schlegels mit
literarhistorischen Argumenten zu widerlegen. Wichtig ist hier nur, daß
er diese Anschauung hegte. Einen nicht unwesentlichen Bestandteil der
ritterlichen Dichtung bilden für ihn nämlich „die alten Sagen von Riesen
und Zwergen und alles, was diese Romane mit der nordischen Mythologie
gemein haben" 39 . Auch der „kühne, äußerst abenteuerliche Rittergeist"
schreibe sich von den Wikingern her37. Die Romane dieser Ritterpoesie
sind also romantisch wie die Zeit, in der sie entstanden sind, das Mittel-
alter38.
Den zweiten Ursprung verdankt die so aufgefaßte romantische Dich-
tung den Provenzalen. Freilich beschränkt sich ihr Einfluß auf die Lyrik
und besonders auf die Liebespoesie, den Minnesang. Neben dem Aben-
teuer bildet nämlich die Liebe das Hauptelement der romantischen Dich-
tung39.
Es leuchtet ohne weiteres ein, daß die Frühromantiker nicht aus
bloß historischen Gründen ihr Kunstideal auf eine geschichtliche Grund-
lage zurückgeführt haben, sondern daß sie vielmehr in der Dichtung des
Mittelalters entscheidende Komponenten der neuzeitlichen, nachklassi-
schen und antiklassizistischen Poesie erblickten. Zwei dieser Komponen-
ten, nämlich die Phantasie, die sich in der Abenteuerlust ausdrückt, und
die Liebe, die dem Minnesang zugrunde liegt, scheinen Schlegel mit dem
modernen Begriff der Poesie so eng verwachsen und wesentlich ver-
bunden, daß die Begriffe poetisch und romantisch oft verschmelzen.
„Eigentlich ist alle Poesie romantisch", schreibt er40, oder: „Das Roman-
tische für Poesie, was das Absolute für Mystik, das Primitive für Philo-
sophie"41. Dieselbe Angleichung nimmt auch Tieck vor, wenn er schreibt:
„Ich weiß zwischen poetisch und romantisch überhaupt keinen Unter-

34
Fr. Schlegel, Vorlesungen über Universalgeschichte, KA, Bd. XIV, S. 199.
35
Ebd., S. 162.
36
Ebd., S. 144.
37
Ebd., S. 143.
38
Vgl. Fr. Schlegel, Geschichte der europäischen Literatur, KA, Bd. XI, S. 85 f.
39
Vgl. Fr. Schlegel, Vorlesungen über Universalgeschichte, KA, Bd. XIV, S. 192.
40
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 973.
41
Ebd., Nr. 1655.

173
ROMANTIK U N D ROMANTISCH

schied zu m a c h e n . . . Poesie ist an sich schon romantisch"42. Und die


ersten historischen Urkunden, die die Gleichung poetisch-romantisch
erlauben, stammen aus dem ritterlichen Mittelalter. Diese Einsicht, und
nicht etwa die Chronologie oder die bloße Lust, eine Unterstützung in
der Bekämpfung der Aufklärung und des Klassizismus zu gewinnen, hat
einen Friedrich Schlegel zur positiven Bewertung des Mittelalters ge-
führt.

Daß die Phantasie als Hauptelement der romantischen Dichtung, als


ästhetisches Kompositionsprinzip und als eine der Grundlagen der ro-
mantischen Poetik anzusehen ist, erhellt wohl zur Genüge aus folgenden
Zitaten, die alle den Texten Friedrich Schlegels entnommen sind. Er
stellt zuerst fest: „Die scheinbar willkürliche und wenig passende Be-
nennung des Romantischen, welche uns jetzt die vorherrschende Fantasie
in der Dichtkunst des Mittelalters so charakteristisch zu bezeichnen dient,
kann nicht füglich entbehrt... werden" 43 . Eine solche Vorherrschaft der
Phantasie gilt jedoch nicht nur für das Mittelalter, sondern auch für den
romantischen Roman der Neuzeit, und namentlich für Goethes Wilhelm
Meister, denn dieser moderne Roman sucht immer „eine poetische
Ferne", eine Befreiung von der „beengenden Wirklichkeit", und bringt
abenteuerliche, „polizeiwidrige" Geschichten, in denen die Phantasie
„sich freier bewegen kann" 44 . Als „das Einzige, was einen Gegensatz zu
den klassischen Dichtungen des Altertums abgeben kann", stellt sich für
Schlegel das Romantische heraus, wie es zum Beispiel erscheint „bei
Shakespeare, Cervantes, in der italienischen Poesie, in jenem Zeitalter
der Ritter, der Liebe und der Märchen, aus welchem die Sache und das
Wort selbst herstammt"; und er bezeichnet diese romantischen Dichtun-
gen als „ewig frische Blüten der Fantasie" 45 . Übrigens war in „jener
ganzen Weltperiode" ( = dem Mittelalter) die Phantasie ein „herrschen-
des Element" sowohl in der Baukunst als auch in der Poesie, sowohl im
Morgenland als in Europa; sie bildet sogar die Verbindung zwischen den
Kunstschöpfungen des Abendlands und denen des Orients46. In der go-
tischen Architektur ist die „kühnste Fantasie" zur vollsten Entwicklung
gelangt; darum verdient dieser Stil eher als der „altchristliche" (gemeint
ist der romanische) die Benennung romantisch47. Von der sogenannten
neuen Poesie, die sich von den klassischen Mustern befreit hat und „eine
42
Zitiert nach Köpke, Ludwig Tieck, Bd. II, S. 173.
43
Fr. Schlegel, Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst, KA, Bd. IV, S. 161.
44
Fr. Schlegel, Geschichte der alten und neuen Literatur, KA, Bd. VI, S. 275.
45
Fr. Schlegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 335.
46
Fr. Schlegel, Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst, KA, Bd. IV, S. 172.
47
Ebd. S. 162 f.

174
ROMANTIK U N D ROMANTISCH

Revolution in dem ästhetischen Gebiet" hervorgerufen haben soll, heißt


es: „Es ist die unbedingte Herrschaft der Fantasie, welche freilich in der
Poesie mehr als irgendwo sonst an ihrer Stelle ist"48. Der „romantische
Zauber der Calderonischen oder auch anderer spanischen Schauspiele"
liegt in dem von der Phantasie geschaffenen Abstand von der „prosa-
ischen Wirklichkeit" 4 '. Mit diesen Zitaten ist die entscheidende Funktion
der Phantasie im romantischen Dichtungsbild wohl ausreichend belegt.
Merkwürdigerweise geht jedoch Wilhelm Schlegel tiefer als sein Bruder
auf die Begründung dieses Überhandnehmens der Phantasie in der ro-
mantischen Dichtung ein. Er bringt nämlich das Romantische in Bezie-
hung zu dem jedem Menschen innewohnenden geheimen Zug zum
Chaos, das sich „unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schöße,
verbirgt" und das „immerfort nach neuen und wundervollen Geburten"
ringt50. Auf Grund dieser Einstellung kann und will die romantische
Dichtung nicht mehr sondern und ordnen wie die antike; sie mischt und
verschmilzt alles mit allem. Nicht der scharf umreißende Begriff ist in ihr
entscheidend, sondern die „unbewußten Forderungen der Phantasie" 51 .
Darum steht sie dem „Geheimnis des Weltalls" näher als die klassische
Poesie, die ja für Wilhelm Schlegel auf einer für immer festgelegten
Gesetzgebung der geordneten Welt beruht. Zwar spiegelt auch die alte
Dichtung die „ewigen Urbilder der Dinge" in sich ab, aber auf eine
angemessene, klare, einfache Art, die dem Romantischen fremd ist". Denn
auch in der Form der romantischen Dichtung drücken sich der Zug zum
Chaos und die Vorherrschaft der Phantasie aus; das beste Zeichen dafür
ist die „unauflösliche Mischung" des Ungleichartigen: Natur und Kunst,
Poesie und Prosa, Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahnung, Geistig-
keit und Sinnlichkeit, Irdisches und Göttliches, Leben und Tod53.

Aus dem Zusammenstoß eines idealen Enthusiasmus mit der prosa-


ischen Wirklichkeit ergibt sich auch für Wilhelm Schlegel die Kernfunk-
tion der Liebe im romantischen Weltbild54. Seiner Meinung nach bewahrt
das Herz die Phantasie vor der Gefahr des bloß Spielerischen55; deshalb
soll die Liebe immer zugleich mit der Phantasie auftreten, eine Meinung,
die von seinem Bruder folgendermaßen formuliert wird: „Chaos [aben-
48
Fr. Schlegel, in Schriften und Fragmente (Kröners Taschenausgabe), S. 136.
49
Fr. Schlegel, Geschichte der alten und neuen Literatur, KA, Bd. VI, S. 289 f.
60
A. W. Schlegel, Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, Bd. VI, S. 161.
" Ebd., S. 163.
52
Ebd., S. 161.
53
Ebd.
" A. W. Schlegel, Corinne, Bd. XII, S. 199.
55
A. W. Schlegel, An Fouque, Bd. VIII, S. 143 f.

175
ROMANTIK U N D ROMANTISCH

teuerliche Phantasie] und Eros ist wohl die beste Erklärung des Roman-
tischen"58. Neben dem Ideal des Rittertums, das er auf eine Mischung
des Christentums mit germanischer Kultur zurückführt, erwähnt auch
Wilhelm Schlegel den „Geist der Liebe" als Hauptkomponente des Ro-
mantischen57. Sein Bruder bringt diese Liebe auch in Verbindung mit
dem Christentum: das Romantische beruht „vornehmlich auf dem mit
dem Christentum und durch dasselbe auch in der Poesie herrschenden
Liebesgefühle" 58 . Diese christlich begründete Liebe nimmt das Tragische
vom Leiden hinweg und bedingt damit einen wesentlichen Aspekt der
romantischen Kunst- und Lebensanschauung. Sie verwandelt das Leiden,
heißt es, in ein „heiteres Spiel der Phantasie". „Auch unter den äußeren
Formen der Darstellung und der Sprache" werden solche mit Vorliebe
gewählt, „welche jenem inneren Liebesgefühle und Spiel der Phantasie
entsprechen"59. Nicht nur die christliche Liebe, die er später betont hat,
sondern überhaupt das Erotische ist für Friedrich Schlegel „ein wesent-
licher Bestandteil der romantischen Gattung": „Die Notwendigkeit des
Erotischen im modernen Drama gehört zum romantischen Anstrich"60.

Der Begriff der Liebe als wesensbestimmend für die romantische


Poesie und der Gegensatz dieser neueren Dichtung zur sogenannten
naiven des Altertums legen einen weiteren Begriff nahe, der die Schlegel-
sche Auffassung des Romantischen noch eindeutiger erhellen kann. Dieser
Begriff ist 'sentimental'. Nicht die „gewöhnliche übelberüchtigte Bedeu-
tung des Sentimentalen" ist hier gemeint, „wo man fast alles unter dieser
Benennung versteht, was auf eine platte Weise rührend oder tränenreich
ist und voll von jenen familiären Edelmutsgefühlen, in deren Bewußtsein
Menschen ohne Charakter sich so unaussprechlich glücklich und groß
fühlen" 81 . Nicht diese rührselige Empfindsamkeit soll also unter dem
Wort 'sentimental' verstanden werden, sondern „das, was uns anspricht,
wo das Gefühl herrscht, und zwar nicht ein sinnliches, sondern das gei-
stige. Die Quelle und Seele aller dieser Regungen ist die Liebe, und der
Geist der Liebe muß in der romantischen Poesie überall unsichtbar sicht-
bar schweben; das soll jede Definition sagen"82.
Wenn nun das Sentimentale ein Stoff ist, der einen direkten Bezug
auf die Liebe als eines der Wesensmerkmale des Romantischen hat, so
56
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1760 (eingeklammerte Worte von mir).
57
A. W. Schlegel, Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, Bd. V, S. 14.
58
Fr. Schlegel, Geschichte der alten und neuen Literatur, KA, Bd. VI, S. 284 f.
5
» Ebd., S. 285.
60
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 27.
61
Fr. Sdilegel, Gespräch über die Poesie, KA, Bd. II, S. 333.
62
Ebd., S. 333 f.

176
ROMANTIK UND ROMANTISCH

muß sich anhand dieses Begriffes eine neue Definition des Romantischen
aufstellen lassen, und zwar unter Heranziehung des ersten Merkmals,
der Phantasie. Diese Definition lautet: „Nach meiner Ansicht und mei-
nem Sprachgebrauch ist eben das romantisch, was uns einen sentimentalen
Stoff in einer fantastischen Form darstellt"63.
Da nun einmal das Wort sentimental gefallen ist, muß sich Schlegel
mit dem Begriff, wie er damals nach Schillers Vorgang landläufig ge-
worden ist, auseinandersetzen und ihn nötigenfalls "nach seinem Sprach-
gebrauch" umwandeln. Vor dem Gespräch über die Poesie -—• nämlich
in der berühmten Vorrede zum Studium-Aufsatz — hat er das Wort in
einem Schillerschen Sinn benutzt. Eine ganze Reihe von sinnverwandten
Aussagen haben sich dann in den Aufzeichnungen der Marburger Hand-
schriften angeschlossen. Das „charakteristische Merkmal" der sentimen-
talen Dichtung erscheint ihm in der Vorrede als die „Beziehung auf das
Verhältnis des Realen und des Idealen" 64 . Diese Beziehung wird dann
genauer ausgeführt mit den Worten: Interesse an der Realität des Ideals,
was noch völlig schillerisch klingt, und Reflexion über das Verhältnis des
Idealen und des Realen, was schon einen wesentlichen Bestandteil der
Schlegelschen Poetik ausmacht. Dieses Moment der Reflexion, das aus
Schlegels Gesichtskreis nicht mehr verschwindet, macht es mir unmöglich,
Lovejoys These anzunehmen, nach der die Schlegels lediglich den schon
festgelegten Begriff 'romantisch' ins Positive umgewertet hätten, und
das noch in Anlehnung an Schiller. Die Reflexion als inhärente Kompo-
nente der romantischen Dichtung scheint mir diese Ansicht zu wider-
legen, denn eine solche Einstellung geht in einem nicht zu übersehenden
Ausmaß über Schiller hinaus, zumal das Wort Reflexion das Adjektiv
'poetisch' als Epitheton bekommt. So heißt es zum Beispiel: „Das Wesen
des Sentimentalen besteht wohl in der poetischen Reflexion über sitt-
lichen Dualismus; das Fantastische in potenzierter Kombination und
Abstraktion"65. Bei diesem Begriff handelt es sich jeweils um das Bewußt-
werden einer Relation zwischen Real und Ideal, Objekt und Subjekt,
und somit gerät das Sentimentale in das Gebiet des Transzendentalen
und identifiziert sich mitunter mit dieser Idee. „Die absolute Unverein-
barkeit des Subjekts und Objekts wird selbst wieder Objekt und Subjekt
der Poesie in der romantischen Lyrik" 66 : romantische Lyrik ist also Dich-
tung in der zweiten Potenz, „potenzierte Kombination".
Es gehört viel guter Wille dazu, diese Auffassung des Sentimentalen
mit derjenigen, die es auf Gefühl und Liebe bezogen haben will, in
63 Ebd., S. 333.
64 Fr. Schlegel, Über das Studium der griechischen Poesie, S. 205 f.
65 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1586.
66 Ebd., Nr. 726.

177
12 Nivelle
ROMANTIK UND ROMANTISCH

Ubereinstimmung zu bringen. Auch wenn man darauf hinweist, daß das


tiefere Wesen des Bewußtseins, das der zweiten Definition zugrunde
liegt, Schlegel zufolge in der Liebe besteht67, bekommt man nur einen
sehr schmalen Ubergang von der einen Auffassung zur anderen. Das
Sentimentale ist hier kein psychologischer, auch kein moralischer Begriff,
sondern ein ästhetischer Terminus. Durch das Hineinspielen der Reflexion
in das poetische Kunstwerk erreicht der romantische Dichter die ersehnte
Verbindung von Poesie und Kritik, wodurch die Poesie eben „potenziert"
wird68. Das entspricht der immer wieder verlangten Mischung und Ver-
schmelzung von „Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie
und Naturpoesie"6®, die nur durch die poetische Reflexion bewirkt wer-
den kann. Die romantische Poesie „kann auch am meisten zwischen dem
Dargestellten und dem Darstellenden, frei von allem realen und idealen
Interesse, auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schwe-
ben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen
Reihe von Spiegeln vervielfachen" 70 . Einmal angefangen, kann das Ver-
fahren der Reflexion unendlich fortgesetzt werden, was dem Prinzip der
absoluten Progressivität entspricht, welches selbst nichts anderes ist als
ein Streben nach dem Unendlichen71. Nur durch diese Progressivität, heißt
es im selben Fragment, wird das Sentimentale ästhetisch interesssant.

Der Progressivitätsbegriff setzt andererseits für die Poesie das Gesetz


des Werdens voraus. „Ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur
werden, nie vollendet sein kann" 72 . Ein solches notwendiges Werden
macht die romantische Poesie eigentlich „indefinissabel", um mit Novalis
zu reden. Sie läßt sich unmöglich auf unveränderliche Elemente fest-
legen. „Nur eine divinatorische Kritik dürfte es wagen, ihr Ideal charak-
terisieren zu wollen" 78 . Man kann in ihr „nichts unterscheiden als die
Tendenz; diese geht auf den Geist, nicht auf den Buchstaben" 74 . Den
Begriff Tendenz hat Schlegel schon immer groß geschrieben: die von
ihm als wesentlich angesehenen Grundmerkmale seiner Zeit hat er als
Tendenzen bezeichnet, so die berühmte Trias: französische Revolution,
Wissenschaftslehre und Wilhelm Meister7S. Und der Gebrauch dieses
67 Vgl. Fr. Schlegel, Geschichte der europäischen Literatur, KA, Bd. XI, S. 122 f., und
Vhilosophische Lehrjahre (Kröners Taschenausgabe), S. 181.
88 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 792.
69 Fr. Schlegel, Athenäums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 182, Nr. 116.
70 Ebd.
71 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 2.
72 Fr. Schlegel, Athenäums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 183, Nr. 116.
78 Ebd.
74 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1772.
75 Fr. Schlegel, Athenäums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 198, Nr. 216.

178
ROMANTIK U N D ROMANTISCH

Wortes war bei ihm kein bloßer glücklicher oder origineller Einfall; er
hat es durchdacht und in seinem vollen Sinn genommen. Darin sah er
nicht nur das Wesentliche, sondern auch die große Gefahr der romanti-
schen Dichtimg. Er nennt diese Gefahr „negativen Sinn", und sie ent-
steht, „wenn einer bloß den Geist hat, ohne Buchstaben". Dann gibt es
nämlich „reine Tendenzen, Projekte, die so weit sind wie der blaue Him-
mel, oder, wenn es hoch kommt, skizzierte Fantasien"; das geschieht,
„wenn einer immer wollen muß, ohne je zu können"76. Eine bessere
Rechenschaft gegenüber sich selbst dürfte es wohl kaum geben!
Zu gleicher Zeit weist jedoch diese Bemerkung Friedrich Sdilegels
deutlich darauf hin, daß die Nichtvollendung — entgegen der allgemeinen
Auffassung — nicht zum Evangelium der romantischen Poetik gehört,
sondern eher aus der persönlichen künstlerischen Schwäche des Dichters
abzuleiten ist. Schon im vorigen Kapitel wurde auf diesen Sachverhalt
aufmerksam gemacht. Das Gesetz des notwendigen Werdens hat nicht
zwangsläufig das Gebot des künstlerischen Nichtvollendetseins zur Folge.
Man könnte sogar mit Recht meinen, daß es die Frühromantik gewesen
ist, die unter allen literarischen Bewegungen das Totalitätsprinzip am
energischsten und konsequentesten ihrem Kunstwollen zugrunde gelegt
hat. Die Begriffe der Enzyklopädie, der Universalpoesie, die Forderung
nach einem Uberblick über das Ganze eines Werkes usw. machen es
deutlich, daß die Nichtvollendung der Absicht der romantischen Dichter
und Kritiker fremd war. Daß sie sich als kleineres Übel aus der Kluft
zwischen solcher Absicht einerseits, den Möglichkeiten der Dichtung
überhaupt und den Fähigkeiten der einzelnen Vertreter der Schule an-
dererseits ergab, besagt noch nichts über ihren programmatischen Cha-
rakter innerhalb der frühromantischen Poetik. Nicht jedes historische Er-
eignis gehört in den Heilsplan der Menschheit]
Dennoch ist die Meinung, daß das „Fragment" und das Unvollen-
dete überhaupt ein Wesensmerkmal des Romantischen sei, so verbreitet
und verwurzelt, daß es äußerst schwer sein dürfte, sie mit Gegenargu-
menten zu widerlegen. Erstaunlich ist es nur, wenn man eine solche An-
sicht bei eminenten Romantik- und Poetikforschern, wie zum Beispiel bei
Markwardt, wieder auftauchen sieht. Markwardt führt nämlich aus, daß
das hochgespannte Kunstwollen der Jenaer unmöglich in einem Kunst-
werk ganz aufgehen könne und daß der romantische Drang zur Totalität
notwendigerweise alle Formen sprengen müsse. Die Kluft zwischen Ab-
sicht und Möglichkeit rege die Frühromantiker zum „ungeduldigen Ab-
stoßen des Fragments" an und lasse kein Werk bis zur Vollendung aus-

76 Fr. Schlegel, Lyceums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 155, Nr. 69.

179
12*
ROMANTIK UND ROMANTISCH

reifen. Dabei scheint Markwardt die Tatsache zu übersehen, daß eine


solche Diskrepanz mit ins Programm der Frühromantik gehört und gerade
eines ihrer Hauptthemen bildet. Es charakterisiert ja die eigentümliche
Dialektik der Jenaer Schule, daß sie durchweg der Unmöglichkeit und
zugleich der Notwendigkeit einer Synthese das Wort redet. Die Eigenart
der Romantik liegt eben in dieser Spannung zwischen einer unendlichen
Intuition und dem konkreten Kunstwerk, in dem sie sich zu gestalten hat.
Deshalb sind ihre literarisch-künstlerischen Bemühungen nicht schon
zum Scheitern und ihre Werke zur Nichtvollendung verurteilt. Die Ro-
mane Hermann Brochs sind ästhetische Produktionen, auch wenn ihr Ver-
fasser in ihnen eine Anti-Ästhetik verkündet; einem Anti-Roman, wie der
französische Nouveau Roman mitunter genannt wird, geht der Roman-
charakter nicht schon deswegen ab, weil er die Unmöglichkeit des
Romans proklamiert. In den Meinungen über die Nichtvollendung der
romantischen Dichtung liegt eine schwerwiegende Verwechslung zwi-
schen Inhalt und Form vor. Die Schwierigkeit der Werkvollendung wird
den Jenaern gerade zum Thema ihrer Schöpfungen und ihrer Reflexion.
Hier findet die romantische Ironie ihre tiefste Berechtigung: ist sie doch
ihrem Wesen nach ein Schweben über den beiden Polen des Unendlichen,
d. h. des Überbegrifflichen, das in keine menschliche Sprache und kein
menschliches Werk völlig eingehen kann, und des Endlichen, d. h. auch
der Bedingungen des konkreten Kunstphänomens. Die Ironie gibt das
Mittel zur Überbrückung und zur Synthese an die Hand und ermöglicht
es, die Vollendung eines Werkes anzustreben und zu verwirklichen. Daß
eine solche Vollendung nicht die Züge der klassischen aufweist, leuchtet
ein, verschlägt aber poetologisch nicht das Geringste.

Man darf sich fragen, worauf die so landläufige Meinung, ein Ro-
mantiker sei naturgemäß ein Fragmentist, beruht. Und da fällt eine
gewisse Naivität der Forschung auf: weil die Jenaer manche Gedanken-
sammlung mit dem Wort 'Fragmente' überschrieben haben, glaubten
viele, der Pflicht überhoben zu sein, sich über den Unterschied zwischen
Fragment, Aphorismus, Maxime, Reflexion oder einfach Gedanken Rechen-
schaft zu geben. So wahr es ist, daß der Begriff Fragment das Unvollen-
dete und Nichtausgeführte impliziert, so evident ist es auch, daß nicht
alles, was Fragment heißt, auch Fragment ist. Um ein Unterscheidungs-
merkmal zu bekommen, braucht man bloß einen Blick in die von den
Frühromantikern selbst veröffentlichten und die nur handschriftlich vor-
gefundenen 'Fragmente 5 zu werfen. Wem fiele da nicht der Unterschied
auf? Die um 1800 herausgegebenen 'Gedankensplitter' tragen alle den
Charakter stilistisch vollendeter Einheiten, während die Handschriften,
die damals so wenig wie jetzt zur Veröffentlichung bestimmt waren, eine

180
ROMANTIK UND ROMANTISCH

Unmenge von flüchtig hingeworfenen Notizen mit verstümmelter Syntax


und mangelhafter Diktion, voll Abbreviaturen, Parenthesen und tele-
grammstilartigen Ausdrücken aufweisen. Darf sich ein Bild der Romantik
aus diesen unfertigen Geistesblitzen ergeben? Welche Epoche der Litera-
turgeschichte wäre dann nicht wesensgemäß fragmentarisch? Oder darf
man mit Recht auf eine naturbedingte Nichtvollendung daraus schließen,
daß Novalis über der Niederschrift des bereits im Entwurf vorliegenden
zweiten Teils seines Heinrich von Ofterdingen gestorben ist und daß er
die Lehrlinge zu Sais wegen eines inzwischen eingetretenen leidigen
Sterbefalls nicht wiederaufnehmen konnte? Übrigens verhindert das rein
mengenmäßige Verhältnis des Fragmentarischen zu den zu Ende ge-
führten Werken der Frühromantik eine solche Ansicht. Ein Schluß von
einem geringen Teil auf das andersartige Ganze hat sich schon immer als
logisch ungerechtfertigt erwiesen.
Entgegen der Meinung von einer notwendig fragmentarischen Ro-
mantik wage ich die Behauptung, daß vielleicht keine Epoche der Geistes-
geschichte systemfreudiger gewesen ist als eben die Jahre um 1800. Es
verschlägt wie gesagt nichts, daß in der Geistesverfassung der Zeit alles
in Fluß gerät und das Werden jede Form des Seins verdrängt und ersetzt.
Das Werden, die Progressivität wird eben zum Zentralthema der Re-
flexion und des Schaffens. Nicht, weil das Thema 'unvollendet' ist, muß
das Werk unvollendet sein! Die Systemfreudigkeit der Zeit beruht auf
der ausdrücklichen Annahme, die Natur selbst sei das erste System und
zwinge den Menschen, der ihr gerecht werden will, geradezu zu einem
systematischen Denken. Der von Markwardt hervorgehobenen System-
feindschaft der Romantik liegt die Verwechslung zwischen Objekt und
Subjekt der Betrachtung und der Kunst zugrunde. Tieck ausgenommen,
hat jeder Romantiker ein System entwickelt oder war dabei, eines zu
entwickeln, als der Tod ihn hinwegraffte.
Bei Schelling stößt diese Bemerkung auf keinerlei Schwierigkeit: er
ist von Grund auf Systematiker. Friedrich Schlegel, der den Ehrgeiz hegte,
ein Winckelmann der Literatur zu werden, hat die Idee eines Systems
schon immer vorgeschwebt, und er hat sie denn auch verwirklicht: in
literarisch-historischer Hinsicht u. a. in seiner Geschichte der europäischen
Literatur und etwa in seinen Vorlesungen über Universalgeschichte, in
philosophischer Hinsicht in der Transzendentalphilosophie von 1800—
1801 und in den von Windischmann herausgegebenen Philosophischen
Vorlesungen aus den Jahren 1804—1806. Wilhelm Schlegels Streben
war sehr bald auf einen zusammenfassenden Uberblick der frühroman-
tischen Anschauungen gerichtet; davon zeugen wohl am besten seine
Berliner und seine Wiener Vorlesungen. Was Novalis betrifft, verweise

181
ROMANTIK U N D ROMANTISCH

idi statt einer längeren Auseinandersetzung auf das Vorwort zum 2. Band
der jüngsten Ausgabe durch R. Samuel, in dem es heißt, das H a u p t -
e r g e b n i s der neuen Untersuchung des handschriftlichen Materials
sei, daß Novalis' philosophisches Werk „innerlich wie äußerlich weit zu-
sammenhängender und systematisch verflochtener ist, als bisher erkannt
wurde". Die Tradition vom 'fragmentarischen' Denker Novalis, bis heute
noch nicht überwunden, sei nicht länger haltbar77.
So wenig wie das romantische Kernthema des universellen Werdens
die Jenaer daran gehindert hat, philosophische Systeme zu entwerfen
und zu entwickeln, so wenig ist das Flüssige, Irrationale und Symbolische
ihrer Dichtung geeignet, dieser nun einmal als Ausdruck des Werdens
aufgefaßten Dichtung auf immer die künstlerische Vollendung vorzuent-
halten.

Ein weiteres Gebot der frühromantischen Poetik ist die schöpferische


Freiheit. Die romantische Dichtung erkennt „das als ihr erstes Gesetz"
an, „daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide" 78 . Dieser
Imperativ der Freiheit drückt sich natürlich auch in der Form aus, in
der das organische Wachstum oder die sogenannte Regelmäßigkeit durch
das auf dem romantischen Witz beruhende Kompositionsprinzip der
Willkür ersetzt werden. „Das absolut Willkürliche in der metrischen
Form der romantischen Kunstgedichte und die absolute Gesetzmäßigkeit
und Konsequenz dieser einmal gesetzten Willkürlichkeit ist eine roman-
tische Schönheit"7'. Nicht nur die Metrik steht unter dem Gesetz der
Willkür, sondern hauptsächlich der Aufbau des Werkes überhaupt. Dieses
Moment wird von allen Frühromantikern betont und dem strengeren
Aufbauprinzip der klassischen Dichtung entgegengesetzt. In der Antike
habe das Plastische geherrscht, in der romantischen Dichtung walteten
dagegen das Pittoreske und das Musikalische, die die Deutlichkeit der
Umrisse aufhöben und die Freiheit der Gestaltung gewährten. Wilhelm
Schlegel definiert geradezu das Romantische im Gegensatz zur 'plasti-
schen' Antike als pittoresk80, und Friedrich kämpft ebenfalls gegen den
strengen klassischen Aufbau an im Namen des 'Pittoresken' und 'Farbi-
gen'81, des Musikalischen82 und überhaupt eines „bunten, farbigen Zau-

" Novalis, Schriften, Bd. II, S. XI.


78 Fr. Schlegel, Athenäums-Fragmente, KA, Bd. II, S. 183, Nr. 116.
79 Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 354.
80 A. W. Schlegel, Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, Bd. V, S. 10.
81 Fr. Schlegel, Geschichte der europäischen Literatur, KA, Bd. XI, S. 156 (Vgl. Literary
Notebooks, Nr. 2091, 2097).
82 Ebd., S. 156.

182
ROMANTIK U N D ROMANTISCH

bers", den er unter anderem bei Lope de Vega vorfindet83. Aufschlußreich


ist bei ihm der Satz: „Sehr romantisch ist es im Stil, ein Chaos von Sub-
stantiven zu häufen mit lauter 'und', wie im Petrarca" 84 .
Einer solchen Freiheit der Form, die sich radikal vom klassischen
Ideal abhebt, entspricht die Grundtendenz des Romantischen auf das
Unendliche hin. Schon die Diskrepanz zwischen Stoff und Gestalt, die
von der Ironie gewährleistet wird, deutet darauf hin, daß ein romanti-
sches Werk sich nicht erschöpfen läßt wie ein klassisches, das auf der
sinnlichen Einheit einer Fülle von Begebenheiten und auf einer Harmonie
zwischen Erfindung und Ausführung, Stoff und Form aufgebaut ist85. Die
Einheit eines romantischen Kunstwerkes ergibt sich nicht aus seiner Viel-
heit, sondern aus „Geist, Ton und Tendenz", aus der unendlichen Idee,
die ihm zugrunde hegt und in ihm zum Ausdrude kommt, aus der Be-
deutung des Ganzen, die eine Andeutung eines Göttlichen sein soll.
Friedrich Schlegel meint, Homer erhebe sich „nirgends zum Begriff und
Gefühl des Unendlichen" und zur Veranschaulichung einer alles erzeu-
genden und erhaltenden Urkraft, eines „Schicksals". Wenn er auch
gelegentlich die Odyssee als ein ganz romantisches Werk bezeichnet, stört
ihn bei Homer die sogenannte natürliche Bildung, die sich nie zur Frei-
heit, zum Ideal, zur transzendenten Notwendigkeit der höheren Ver-
nunft aufschwinge, so daß „das Höchste in der Kunst", d. h. der Schein
des Unendlichen in Stoff und Gestalt, bei Homer nicht anzutreffen sei8'.
Homer stelle nicht „das Allgemeine im Einzelnen" dar, sondern eben
nur das Einzelne, die sogenannten Begebenheiten 87 . Das ermöglicht die
Vollendung und die Vollkommenheit der Form, sperrt aber den Weg
zu jeder Romantik.
Schellings Auffassung des Romantischen deckt sich auf weite Strek-
ken mit der Schlegelschen. Auch ihm ist die Vorherrschaft des Idealen „das
eigentlich romantische Prinzip" 88 . In der Romantik kommt das Subjektive,
die Individualität des Dichters „weit mehr in Anschlag", und zwar haupt-
sächlich durch die beständige Reflexion, durch willkürliche Eingriffe,
durch den Mutwillen und die Laune in der Gestaltung8®. Diese indivi-
duelle Freiheit gewährt dem Dichter eine Gleichgültigkeit gegenüber
seinem Werk, die ab und zu bis zur Schalkhaftigkeit und Ironie geht. Da-

83
Ebd., S. 165.
84
Fr. Schlegel, Literary Notebooks, Nr. 1555.
85
Vgl. Fr. Schlegel, Über die Homerische Poesie, Minor, I, S. 215 ff.
88
Fr. Schlegel, Geschichte der Poesie der Griechen und Römer, Minor, I, S. 290 ff.
87
Fr. Schlegel, Über Diotima, Minor, I, S. 65.
88
Schelling, Philosophie der Kunst, 3. Ergänzungsband, S. 185.
89
Ebd., S. 323.

183
ROMANTIK U N D ROMANTISCH

durch macht er sich zum „Herrn des Gegenstandes" 90 und stellt nicht nur
das Objekt, sondern zugleich auch sich selbst dar.

Der Wille zur Überbrückung der Spaltung Objekt—Subjekt ergibt


einen weiteren Wesenszug des Romantischen: er bewirkt nämlich, daß
die Romantik „durch Gegensätze zum Ziel kommt und nicht sowohl die
Identität als Totalität darstellt"91. Durch das Hereinbrechen des über-
mächtigen Idealen in die Welt der Kunst entsteht notwendigerweise ein
„Kampf des Idealen mit dem Realen, der unsere aus der Identität heraus-
getretene Welt bezeichnet"92. Indem sie mit „Kontrasten und Mischun-
gen"93 arbeitet, erstrebt die Romantik eine Einheit, die erst auf dialekti-
schem Wege zurückerobert werden kann und daher zunächst eher den
Eindruck einer Totalität, Synthese und Versöhnung von Gegensätzen
als einer Identität, eines ursprünglichen Einsseins erweckt. Dies gilt je-
doch nur auf der Ebene des Phänomenalen und vom Blickpunkt des Be-
trachters aus. Das wahre Ziel der Romantik ist die Wiederherstellung der
ungespaltenen Einheit.

Ein weiteres Merkmal des Romantischen liegt im Novalis'schen Be-


griff des Romantisierens, der z. T. mit dem der Potenzierung zusammen-
fällt. Ein Erlebnis oder eine Gegebenheit romantisiert man durch „ Absolu-
tierung — Universalisierung — Klassifikation des individuellen Moments,
der individuellen Situation etc."94. Es gilt also, das Allgemeine einer be-
sonderen Begebenheit durchschimmern zu lassen, ihr eine absolute Bedeu-
tung abzugewinnen, sie zu einem universellen Symbol zu erheben. Nova-
lis fordert in diesem Zusammenhang „Universalisierung der geschicht-
lichen und geographischen Wesen" und fügt als Beispiel hinzu: „Überall
ist Sardinien, wo man allein schläft"95.
Die Potenzierung kann sich jedoch auch umgekehrt auf absolute,
universelle Begriffe beziehen, und in solchem Fall besteht sie in der kon-
kreten Hypostasierung des „Höheren, Unbekannten, Mystischen und Un-
endlichen"98. Das „individuelle Kolorit des Universellen" ist sein „roman-
tisierendes Element"; „die Persönlichkeit [d. h. das Individuelle] ist das
romantische Element des Ichs"97.

90
Ebd., S. 321 ff.
91
Ebd., S. 313.
92
Ebd., S. 332.
93
Ebd., S. 322.
94
Novalis, Fragment 1552.
95
Fragment 1624.
88
Fragment 879.
97
Fragment 1202.

184
ROMANTIK UND ROMANTISCH

Die beiden Richtungen des Romantisierens, die Erhebung des Indi-


viduellen ins Allgemeine und die Zurückführung des Allgemeinen auf
eine individuelle Erscheinung, bezeichnet Novalis mit dem Terminus:
„Wechselerhöhung und Erniedrigung" 98 . In diesem Sinn ist der berühmte
Satz zu verstehen: „Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem
Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Aussehen, dem Bekannten die Würde
des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so
romantisiere ich es. Umgekehrt ist die Operation für das Höhere, Unbe-
kannte, Mystische, Unendliche — dies wird durch diese Verknüpfung
logarithmisiert. Es bekommt einen geläufigen Ausdruck"99. Der Sinn, den
man dem „Gemeinen" gibt, und der geläufige Ausdruck, den das Unbe-
kannte und Mystische bekommt, sind „qualitative Potenzierungen", d. h.
Romantisierungen100.
In einer romantischen Weltansicht und folglich in der romantischen
Dichtung soll demgemäß alles zugleich bekannt und fremd erscheinen:
das Bekannte soll geheimnisvoll aussehen und das Unbekannte wie eine
tägliche Erscheinung wirken. Darum heißt es: „Die Kunst, auf eine ange-
nehme Art zu befremden, einen Gegenstand fremd zu machen und doch
bekannt und anziehend, das ist die romantische Poetik"101. In dieser Hin-
sicht ist der Tod als das romantisierende Prinzip des Lebens zu verstehen:
er gibt ihm ein geheimnisvolles Aussehen, macht ein Rätsel daraus und
verleiht ihm einen unendlichen Sinn102.
Ganz allgemein heißt es bei Novalis: „Der Sphärenwechsel ist not-
wendig in einer vollendeten Darstellung. Das Sinnliche muß geistig, das
Geistige sinnlich dargestellt werden" 103 . Darin liegt die Novalis eigene
Spannimg in der Auffassung des Romantischen.

Phantasie, Liebe, Freiheit und Willkür, Totalitäts- und Identitäts-


streben, Romantisierungsanspruch und die sonstigen Merkmale des
Romantischen würden aber ohne inneren Zusammenhang bleiben, wenn
sie sich nicht auf eine gemeinsame Quelle zurückführen ließen. Diese
Quelle findet sich nicht in einer abstrakten Kunsttheorie, sondern im Er-
lebnis und in der Verarbeitung des Irrationalen und des Unbewußten.
Schon längst weiß man, daß in der frühromantischen Poetik das
Unbewußte mit dem Bewußten Hand in Hand geht: im Geniebegriff, in
der Ironie, in der Konzeption und der Struktur des Werkes, usw. Die
88
Fragment 879.
99
Ebd.
100
Ebd.
101
Fragment 3053.
102
Vgl. Fragment 2647.
103
Fragment 393.

185
ROMANTIK UND ROMANTISCH

Zweipoligkeit des Bewußten und des Unbewußten im Leben bildet eine


Spannung, die in der Kunst aufgehoben wird. Intuition und Reflexion,
Drang und Besonnenheit, mystische Bereitschaft und kritisches Wadisein,
Instinkt und Absicht gehören zu den Formen dieser Polarität, die sich im
Kunstwerk zur Identität steigert. Im dritten Band seiner Geschichte der
deutschen Poetik stellt auch Markwardt diese Tatsache fest und behaup-
tet darüber hinaus, daß das Moment der Bewußtheit in der Frühromantik
überwiege104. Mit solcher Nebeneinandersetzung und der — übrigens
fragwürdigen — Feststellung eines Uberhandnehmens des einen
Moments ist freilich wenig geklärt. Die Eigentümlichkeit der Spannung
ist damit nicht definiert, und über das spezifische Kunstwollen der Roman-
tik ist nach wie vor praktisch noch alles zu sagen. Gerade an der Eigenart
der Spannung zwischen Bewußtem und Unbewußtem läßt sich das
Charakteristische der Frühromantik ablesen und dem Wesen der Genie-
zeit entgegensetzen.
Schon der Sturm und Drang entsprang einem Willen zur Befreiung
des Individuums und einem Streben zur 'Originalität'. Er schüttelte die
Fesseln des alles einebnenden und austrocknenden Verstandes ab und gab
dem Dichter die Anweisung, zurück in sein inneres Gefühlsleben zu
gehen, in dem die großen lebenswichtigen Entscheidungen fallen und
jeder das Recht hat, sein 'Herz', die individuellen Bedürfnisse seiner Per-
son sprechen zu lassen. Das Joch der abstrakten Moral und der aufkläre-
rischen Lenkung der menschlichen Tätigkeit durch den Verstand wurde
abgelegt. Das Anonyme der 'Vernunft' mußte vor der Auflehnung der
'Natur' und der 'Freiheit' zurückweichen, und die Folge war eine Befrei-
ung der Kunst von den ihr bis dahin auferlegten außerkünstlerischen
Zwecken und zugleich eine Befreiung des Künstlers. Diese Befreiung ge-
schah aber zunächst nur in dem Bereich, in dem die Stürmer zum Kampf
angetreten waren, nämlich im Dichterisch-Sozialen. Die Freiheit des Indi-
viduums wurde gegen die Gesellschaft und ihre damaligen Imperative er-
rungen. Die Gesellschaft bildete den Hintergrund und die Antithese in
der Dialektik des Erlösungsprozesses. Die Ratio wurde deswegen so radi-
kal verworfen, weil man sie mit der 'Mode' identifizierte und sich von
allen Hemmungen losmachen wollte.
Die Frühromantik geht einen anderen Weg. Das Endziel ihres
Grundstrebens deckt sich, ohne daß sie es weiß, mit dem der Aufklärung:
auch sie will eine 'Enzyklopädie' des menschlichen Wissens und Könnens.
In der Wahl der Mittel weicht sie aber grundsätzlich und scharf von der
Aufklärung ab. Sie sieht nämlich ein, daß die Errungenschaften der Ratio
104
Allgemein im Kapitel „Bewußtes und Unbewußtes"; speziell auf Novalis bezogen,
S. 299 ff.

186
ROMANTIK UND ROMANTISCH

nie ausreichen werden, den ganzen Menschen und alle Kräfte des Weltalls
zu ergründen. Deshalb hat sie sich der Aufklärung gegenüber differen-
zierter verhalten als der Sturm und Drang: auch in ihren schärfsten Zügen
gegen den Rationalismus hat sie die Ratio an sich nie verworfen. Eins aber
war ihr von vornherein klar: zur Enträtselung der Grundfragen der
menschlichen Existenz und des Universums, zur Erhellung der 'Nacht-
seite' des Menschen und der Natur ist der bis dahin so hochgepriesene
Verstand nicht fähig. Hier kann keine 'Aufklärung' Aufschlüsse geben.
Das soll jedoch nicht heißen, daß die Fortschritte des Verstandes für nichts
erachtet werden; im Gegenteil, die weitere Entwicklung der rationalen,
wissenschaftlichen Erkenntnis ist und bleibt wünschenswert. Nur dort
wird die Ratio abgelehnt, wo sie sich anmaßt, nicht nur alles erkennen zu
können, sondern auch alles als illusorisch und nichtexistent anzusehen, was
ihr unzugänglich ist. Verfemt ist nur ihr Ausschließlichkeitsanspruch und
ihr Vindizieren einer alleinseligmachenden Funktion des Gemüts. Der
Verstand muß wieder 'Stern Vinter Sternen' werden; ein privilegiertes In-
strument der Erkenntnis ist er nicht. Er lenkt und ordnet; wenn es aber auf
Enthüllung der Lebensgeheimnisse und Offenbarung der Welträtsel an-
kommt, versagt er völlig. Die tieferen Wurzeln des Menschseins und die
Kraft, die die Welt belebt, lassen sich nicht mit Hilfe von Verstandes-
begriffen bloßlegen. Jede begriffliche Erkenntnis ist unzureichend. Das
Leben geht über alle Begriffe hinaus.
Neben der Anerkennung der Ratio, sofern sie in ihren Schranken
bleibt, legen die Jenaer auch dem Irrationalen einen Erkenntniswert bei.
Darin liegt ihr Grundunterschied gegenüber dem Sturm und Drang: den
Enthusiasmus der Stürmer für das irrationale Leben stellen sie in den
Dienst der Erkenntnis. Der Blick ins dunkle Innere der Seele und der
Welt erschließt ihnen neue Perspektiven für die Entschlüsselung der Ge-
heimnisse des Lebens.
Deshalb kann man sagen, daß die Befreiung des Individuums durch
die Frühromantik nicht auf poetisch-sozialer Ebene geschieht, sondern
daß sie metaphysisch, d. h. zugleich mystisch und religiös, begründet wird.
Sie erfolgt mit der Einsicht, daß im Menschen und im Universum Kräfte am
Werk sind, die sich dem Zugriff und der Kompetenz der Vernunft ent-
ziehen, deren Untersuchung jedoch nichtsdestoweniger nottut, denn sie
ist vorzüglich dazu geeignet, den Menschen aus der anonymen Allmacht
der herrschsüchtigen Vernunft zu erlösen. Diese Kräfte entstammen dem
Unbewußten oder, wie Kleist sich ausdrückt, dem Uberbewußten. Sie
wollen im gleichen Maße wie die Kräfte des Bewußtseins erforscht sein.
Die Grundüberzeugung, die die frühromantische Welt- und Kunstan-
schauung unterwölbt, liegt in dem Satze Wilhelm Schlegels: „Unser Da-

187
ROMANTIK UND ROMANTISCH

sein ruhet auf dem Unbegreiflichen". Und die eigentümliche Haltung der
Generation um 1800 besteht darin, daß sie trotz ihrer deutlichen Einsicht
in die Schwierigkeit des Problems vor der Erklärung dieses rational un-
begreiflichen Daseins nicht resigniert, sondern leidenschaftlich und un-
ermüdlich nach entsprechenden Wegen der Erkenntnis sucht. Sie weiß,
daß angesichts der Gegebenheiten des Problems selbst jede begriffliche
Lösung unmöglich ist, und strebt ein un- bzw. überbegriffliches Erken-
nen an. Das Universum erscheint ihr nicht als eine Hervorbringung der
Ratio, sondern als ein lebendiger Organismus, dessen Prinzip die Welt-
seele ist. In dieser gründet die tiefere Einheit alles Bestehenden und
Werdenden, auf die alle Erscheinungen zurückzuführen sind. Die Welt
wird nicht mehr mechanistisch teilbar, atomistisch zerlegbar gedacht. Das
geringste Phänomen hat am Leben des Ganzen teil, spiegelt es wider und
stellt es auf eigene Weise dar. Die das Ganze belebende Weltseele ist die
wahre Wirklichkeit des Universums. Ihre Gegenwart tut sich sowohl in
den geistigen als auch in den stofflichen Erscheinungen kund. Zum Er-
fassen dieses Fluidums reichen die Kräfte des Verstandes, der ja nur zer-
legen und das Zerlegte wieder zusammenfügen kann, nicht aus. Andere
Vermögen müssen auf den Plan treten, denen die Aufklärung keinen Er-
kenntniswert beigemessen hatte, die aber in der Tradition des Irrationalis-
mus schon immer in hohem Ansehen gestanden hatten, und zwar im
Abendland von den Vorsokratikern über Plotin und die Gnosis bis zur
Alchimie, zur Mystik und zur Renaissance. Gemeint sind das Gefühl — in-
sonderheit die Liebe — und die Einbildungskraft.

Die Liebe als Quintessenz des Gefühls befähigt uns, die Einheit des
Universums zu erkennen und wiederherzustellen. Im Gegensatz zum Ver-
stand, der nur in oberflächlichen Relationskategorien denkt, hat sie echte
„Kausalität": sie ist schöpferisch, indem sie nicht nur eine Erkenntnis um
der Erkenntnis willen bewirkt, sondern eine intime Partizipation des
Erkennenden am Weltganzen veranlaßt. Sie entdeckt das Verbindende
der allgemeinen Dualität: Tag und Nacht, Licht und Schwere, Männlich
und Weiblich, Kraft und Stoff, usw. Erst die Liebe als Seelenvermögen
kann die Einheit dieser Polarität einsehen, denn diese Einheit heißt
„Sympathie". Sie ist im Weltall, was die Liebe in der Einzelseele ist. Da
der Mensch in romantischer Sicht nichts erkennen kann, wovon er nicht
das Entsprechende in sich hat, verhilft uns nur die Liebe zur Erkenntnis
der Welt und zur Teilnahme an ihr.
Wie die Liebe hinter den Phänomenen die Urkraft, die sie mitein-
ander verbindet, entdeckt, so spürt die Einbildungskraft die Urbilder der
Erscheinungen auf. Sie vermittelt damit die Erkenntnis des Unendlichen
im Endlichen, des Unbedingten in den Dingen, die Erkenntnis der Urge-

188
ROMANTIK UND ROMANTISCH

stalt, der Uridee; andererseits tritt sie als schöpferisches Vermögen auf,
indem sie, wie oben gezeigt, das Endliche und das Unendliche „in eins
bildet". Sie ist die große Deuterin und Schöpferin der universellen Sym-
bolik, denn nur sie vermag es, Ding und Idee vereint zu sehen.
Liebe und Phantasie als Vermögen der Seele, der anima, eröffnen
ein Verständnis der Welt, das vom rationalen Erkennen grundverschieden
ist. Während dieses sich unausweichlich in die Kategorien der Zeit, des
Raumes und der Kausalität einfügt, versetzen uns Liebe und Phantasie
in eine Welt, in der die zeitlich-räumlichen Bedingungen völlig fehlen und
das Kausalitätsgesetz, das unser ganzes bewußtes Denken beherrscht, auf-
gehoben ist. Die „Kausalität", die die Jenaer der Liebe und der Phantasie
zubilligen, hat eine andere Bedeutung als die einer unumgänglichen
Norm des Denkens, sie meint das schöpferische Moment dieser beiden
Vermögen, das den Erkenntnisvorgang erst in Gang bringt und auf Grund
dieses Vorgangs zu produktiven Initiativen veranlaßt. Liebe und Phan-
tasie befreien vom Zwang des Nacheinander und des ursächlichen Zusam-
menhangs und erschließen die Welt der ewigen Urbilder, der Archetypen,
der Mythen, der Märchen und der poetischen Schöpfung, die der Zeit
und den Gesetzen der Ratio enthoben sind. Nicht nur die Person sieht der
Liebende in der Geliebten, sondern ihre „individuelle Idee", die ewig
ist; nicht nur Dinge sieht der Phantasiemensch, sondern zugleich ihre Be-
deutung, ihren symbolischen Wert, ihre Urbilder, denen die Zeit nichts
anhaben kann. Deshalb sind die romantischen Symbole Sinnbilder des
Unbewußten, angefangen mit dem Traum von der blauen Blume. Das
Verlangen nach einer neuen Mythologie offenbart einen Willen zur Deu-
tung aller Erscheinungen auf Grund des Transrationalen, das ihnen anhaf-
tet und in dem sie gründen. Die Idee von der universellen Analogie steht
auf derselben Ebene: sie stellt einen Versuch des Unbewußten dar, das
Endliche und das Unendliche, das Ich und die Welt auf dieselbe Quelle
zurückzuführen, einen Versuch, der dann in den großen Systemen philo-
sophisch-kritisch ausgeführt wird.
Die Erfordernisse der Analyse zwingen dazu, die Funktionen des
Geistes von denen der Seele zu unterscheiden und sogar innerhalb der
beiden Untereinteilungen vorzunehmen. Ein solches Verfahren ist in
einer beschreibenden Untersuchung unumgänglich und wurde übrigens
von den Frühromantikern selbst durchgehend angewandt. Es muß aber
eindeutig klar sein, daß solche phänomenologischen Zerlegungen den An-
schauungen der Jenaer nur dann gerecht werden, wenn die von ihnen
postulierte Identität aller Seelenkräfte nicht aus den Augen verloren wird.
So wenig wie der lebendige Weltorganismus ist der Mensch teil- und
zerlegbar. Phantasie und Liebe sind demnach zwei Erscheinungsweisen

189
ROMANTIK UND ROMANTISCH

des einen und unteilbaren Gemüts. Und wenn die Romantiker zur Be-
zeichnung der gemeinsamen Wurzel von Gefühl und Einbildungskraft
nach Worten suchen, bietet sich ihnen gewöhnlich der Terminus „Sinn",
mitunter auch „innerer Sinn". Diese Ausdrücke meinen die einheitliche
Funktion des Gemüts in bezug auf Erkenntnis und Schöpfung. In der
dritten Rede über die Religion setzt Schleiermacher den Sinn dem „Ver-
stehen" entgegen und weist auf seine Fähigkeit hin, im Gegensatz zum
alles „anatomierenden" Verstand ein Ganzes zu erfassen. Darin liegt
denn auch seine spezifische Funktion: er ist es, der das Umgreifende, das
jede Polarität Uberbrückende und zur Einheit Zurückführende erschließt.
Er „schwebt" über allen Gegensätzen und Disparitäten und vereinigt
Vorstellungen, die sich als unversöhnlich erweisen, solange sie von den
Einzelvermögen betrachtet werden, in eine einzige Anschauung. Geist
und Seele, Bewußtes und Unbewußtes, Allgemeines und Besonderes, Bild
und Bedeutung usw. stellen sich für den Sinn als Attribute derselben Sub-
stanz heraus.

Unter der Vielzahl der Ausdrücke, die die Tätigkeit des Sinnes be-
zeichnen, drängt sich einer als besonders angemessen auf. Er stammt von
Novalis und lautet „Träumen und Nicht-Träumen zugleich". Das Wort
Träumen steht hier eindeutig für die Tätigkeit des Unbewußten über-
haupt, bei der der Mensch die rationale Kontrolle über seine inneren Vor-
gänge ganz verliert und nur noch ein Ort ist, an dem geträumt wird. Das
anonyme 'es' erfüllt ihn dann ganz und handelt in ihm: es träumt ihm.
Dabei bleibt es aber nicht, und von einem Untertauchen ins Unbewußte
mit völliger Preisgabe des hellen Denkens kann keine Rede sein. Das
Träumen geht mit einem Nicht-Träumen zusammen, d. h. mit einer be-
wußten Reflexion und einer gewollten Gedankenarbeit. Und diese Tätig-
keiten stehen nicht getrennt da, sondern gehen ineinander über. Der
Vorgang wurde oben dargelegt. Hier stellt sich eine andere Frage:
welche psychologische Kategorie ermöglicht das Verständnis einer solchen
zwiefachen und gleichzeitigen Tätigkeit, eines solchen aktiven Parallelis-
mus des Bewußten und des Unbewußten? Einer Tätigkeit also, in der das
Subjekt sich einem anonymen, irrationalen, unbewußten 'es' hingibt und
sich dabei trotzdem nicht im Dunkel des Objekts verliert, in der eine Er-
schlaffung der 'hellen' Vermögen und zugleich eine Zusammenraffung
derselben Vermögen, die das Dunkle des Unbewußten zum Gegenstand
ihrer bewußten Reflexion erheben, geschieht.
Die Antwort liegt eindeutig nahe: es kann sich nur um den Tag- oder
Wachtraum handeln. Nach den Untersuchungen Bachelards — vornehm-
lich in La poétique de la rêverie — unterliegt diese Antwort keinem

190
ROMANTIK UND ROMANTISCH

Zweifel mehr. Damit ist übrigens ein großer Fortschritt über die For-
schungen Albert Béguins in L'âme romantique et le rêve hinaus erzielt:
Béguins sonst ausgezeichnetes Buch macht keinen Unterschied zwischen
Nacht- und Tagtraum und schreibt die Eigenschaften des einen auch dem
anderen zu, was zu keiner Klärung der Begriffe führen kann.
Die Passivität des Nachttraums reicht nicht aus, den romantischen
Ansichten über die Funktion des Unbewußten gerecht zu werden. Es muß
die Aktivität des Ich zu der Tätigkeit des 'Es' hinzukommen. Das gibt der
Spannung der romantischen Poetik ihr eigentümliches Gepräge.
Es kann nicht meine Aufgabe sein, die Merkmale des Tagtraums
darzulegen. Jeder kann sie bei den Psychologen nachlesen. Es genügt,
wenn ich auf gewisse Wesenszüge hinweise, die ihre Spur in der Poetik
der Frühromantik hinterlassen haben. Der Tagtraum schafft eine eigen-
tümliche Stimmung, in der die räumlich-zeitlichen Kategorien und die
strengen begrifflichen Absonderungen zurückweichen und alles in einem
ewigen Lichte erscheint. Die Dinge und Erscheinungen werden durch-
sichtig und offenbaren dem Träumer ihre kosmische Verbundenheit. Der
Mensch erfährt eine Entgrenzung des Ich, die es ihm ermöglicht, das Uni-
versum gleichsam in sich aufzunehmen. Das Nicht-Ich verschwindet als
solches, und der Träumer befindet sich in einem Zustand der 'Partizipa-
tion'. Er erblickt in allem ein brüderliches Du.
Das sind einige auffallende Ubereinstimmungen zwischen dem Wach-
traum und der frühromantischen Poetik: sie ließen sich mehrenl Aus
diesen paar Beispielen erhellt aber vielleicht zur Genüge, weshalb die
Jenaer die Stimmung so hochgeschätzt und in ihr ein wichtiges Moment
der Kirnst gesehen haben — man erinnere sich an ihr 'Stimmungsvirtuo-
sentum'—, darüber hinaus aber auch, weshalb ihre ausdrückliche Poetik in
einem nicht übersehbaren Maße theoretische Reflexionen über Stimmun-
gen zur Grundlage hat. Die Stimmung des Tagtraums wurde für sie
fruchtbar, indem sie sich durch die Reflexion über sich selbst erhob und
sich in abstrakten Anschauungen niederschlug.
„Nach innen geht der geheimnisvolle Weg", „in uns ist die Ewig-
keit mit ihren Welten", „das Jenseits ist in uns": man stößt bei den
Jenaern auf unzählige Vorstellungen der Art, die auf das Gefühl der
Ewigkeitseroberung anspielen. Wenn es dem Menschen gelingt, sich und
die Welt durch den Sinn und nicht durch die äußere Beobachtung und
den Verstand zu begreifen, erlebt er die Ewigkeit in verklärten Augen-
blicken. Zu einem solchen Erlebnis verhilft zum Beispiel die intellektuelle
Anschauung: nach Schellings Worten hebt sie uns aus dem Wechsel der
Zeit heraus und versetzt uns in die Ewigkeit unseres Inneren. Als Uber-
brückung der Spaltung Subjekt—Objekt erscheint sie eindeutig als eine

191
ROMANTIK UND ROMANTISCH

Funktion des die Gegensätze aufhebenden Sinnes und erweist sich als
dem Wachtraum verwandt, zumal sie von den Frühromantikem nicht so
sehr als ein Selbstbewußtsein, sondern eher als ein Selbstgefühl aufgefaßt
wird. Nach diesem Beispiel der intellektuellen Anschauung als Kernopera-
tion des Idealismus gestalten sich alle entscheidenden Erlebnisse der
Frühromantik. Jedes durch Gefühl und Einbildungskraft erkannte Objekt
legt alle seine konkreten Bestimmungen ab und behält nur Ewiges bei.
Das bedeutet unter anderem die beliebte Vorsilbe 'ur\ Die Sympathie als
Urkraft des Universums ist an keine Zeit gebunden, das Urbild einer Er-
scheinung ist das Ewige an ihr. Die Ewigkeit läßt sich demnach in der
Zeit erleben und durch den Ausdruck dieses Erlebnisses poetisch dar-
stellen. Auch wenn der Romantiker die Geschichte betrachtet, erblickt er
in ihr das Ewige, d. h. die Gesetze ihrer Entwicklung, die Kräfte, die sich
in ihr manifestieren, nicht die Einzeltatsachen, die er dem von ihm ver-
achteten 'Chronisten' überläßt. In einer günstigen Wachtraumstimmung
kann unser Sinn jederzeit Ewigkeitsaugenblicke wahrnehmen. Ekstasen
heißen sie manchmal, weil wir in solchen Augenblicken aus unserem von
der Vernunft beherrschten Leben heraustreten und in die Sphäre des
Unbewußten, in den Bereich der Weltseele, an der wir durch die Wurzeln
unseres Seins teilhaben, geraten.

Der Tagtraum verwandelt das Wirkliche in eine Widerspiegelung


des jeweiligen Gemütszustands. Die Welt ist dann, wie sie mir im Traume
vorkommt. Solches Wunder bewirkt die „Magie der Phantasie". Sie ver-
anlaßt zu den kühnsten Ansichten, deren Fremdheit aber nicht auffällt.
Im Traum kann ich behaupten, das Übel und das Böse bestünden nicht, es
gebe kein knechtendes Schicksal, alles hänge von meinem Willen ab, das
Universum sei ein durchsichtiges Bild des Gemüts und stehe in völliger
Harmonie mit der Seele. So erlebe ich Seligkeitsmomente, die in meinem
Gedächtnis nachwirken und ohne mein Wissen meine Weltschau beein-
flussen. Sie eröffnen mein Gemüt für die Idee von der Freiheit und der
Allmacht des Ich und beglücken mich mit der Ansicht, kein noch so wider-
spenstiges Nicht-Ich könne schließlich meiner seelischen Aktivität stand-
halten. „Die Welt wird am Ende Gemüt". Meine Seele weitet sich zu den
Ausmaßen des Universums aus. Eine innige Sympathie entsteht zwischen
Ich und Nicht-Ich. Es ist mir nichts mehr fremd, alles wird mir zum Du,
das mich aus der Vereinsamung der Sterblichkeit erlöst. Ich empfinde das
Wesen der Welt als mit meinem Wesen identisch. Alle Erscheinungen
werden zu Formen und Gestalten des ewigen Urwesens, zwischen denen
alle Schranken fallen. Mensch und Welt, Ich und Nicht-Ich, Gemüt und
Schicksal, Subjekt und Objekt, Inneres und Äußeres, Geistiges und Sinn-
liches, Endliches und Unendliches verschmelzen zu einer Ureinheit. Ich

192
ROMANTIK UND ROMANTISCH

habe am Rhythmus der Welt teil, der orphische Gesang umgreift midi, ich
bin überall zu Hause, wirke mit der Natur, lebe mit dem Leben. Ich fühle
mich als Mikrokosmos, in dem alle Kräfte und Komponenten des Makro-
kosmos am Werke sind; oder ich empfinde mich nach Ennemosers Aus-
druck als Mikrotheos: ich bin ein Ort, an dem das Ganze sich selbst be-
gegnet und sich mit sidi selbst bespricht. Ich werde Gott.
Wenn ich aus dieser seligen Stimmung der kosmischen Einheit
erwache und sich die Wand zwischen Ich und Nicht-Ich wieder aufrichtet,
sehne ich mich nach den beglückenden Augenblicken zurück und suche in
der mir wieder fremd gewordenen Welt ihre Spuren. Indem ich über
diese meine Sehnsucht nachdenke und mich an den schönen Traum er-
innere, erahne ich die bald zwingend werdende Vorstellung von der
großen Analogie, eine 'Dichtung', die sich mir mit unausweichlicher
Notwendigkeit aufdrängt. Sie wird zum Gesetz, das mein Sehnen und
Trachten erleuchtet und hoch über alle banalen Kausalitätsgesetze der
Ratio erhebt. Mir prägt sich die aus der Ahnung entstehende Idee ein,
daß die äußere Welt meinem inneren Leben und die Schöpfungen meiner
Phantasie der wirklichen Natur entsprechen. Das Weltall wird eine große
Sphäre, in der alles, was oben ist, seine genaue Entsprechung in allem, was
unten ist, hat; und die Sphäre dreht sich, so daß das Untere oben und das
Obere unten zu stehen kommt. Unterschiede sind nur noch mit großer
Mühe festzustellen; alles ist in allem. Ein Sternbild wird zur Gemüts-
stimmung, eine Idee wird zur kosmischen Nacht. Es eröffnet sich meinem
sehenden Auge das Schauspiel einer universellen Sinnbildlichkeit, einer
weltweiten Symbolisierung des Ich durch das Universum und des Uni-
versums durch das Ich. Die Welt wird zum „Plan", zum „Index" meines
Geistes, und in meinem Geiste offenbaren sich die Gesetze der Physik. Die
Urbilder tauchen auf, der Sinn der alten Mythen erschließt sich, die
Märchen werden bedeutungsvoll. Die Poesie hat mich. Und ich neige
selbst dazu, neue Mythen und Märchen und Bilder zu erfinden. Ich deute
die Welt nach den Bedürfnissen meiner individuellen Seele um und sehe
sie in einem neuen, poetischen Lichte. Die Poesie ist mir „das echt absolut
Reelle". Die Welt ist romantisiert.
So ungefähr läßt sich anhand der frühromantischen Zeugnisse und
mit Hilfe der modernen Forschung die Genesis der romantischen „Poesie"
rekonstruieren. Belege gibt es in ausreichender Vielfalt und Ubereinstim-
mung, um der Interpretation sicher zu sein. Die Grenzen der letzteren
fallen mit denen der Fähigkeit des Interpreten, die geistige Situation der
Romantik nachzuerleben, zusammen. Bei der Entstehung der „Poesie"
geht, wie gesagt, die Lenkung des Gemüts vom begrifflich rationalen
Denken über zu den Intuitionen der anima, die nur lose vom Bewußtsein

193
13 Nivelle
ROMANTIK UND ROMANTISCH

kontrolliert werden. Das diskursive Denkverfahren wird teil- und zeit-


weise zugunsten des „inneren Lichtphänomens" aufgegeben, das in der
Vorherrschaft der Anschauung gründet. Das Beispiel für alle derartigen
Seelenzustände setzt die als Selbstgefühl verstandene intellektuelle An-
schauung. Immer gehen, wie Schleiermacher darlegt, Gefühl und Anschau-
ung Hand in Hand, besonders in den ersten Augenblicken ihres Ent-
stehens. Die Quelle der seelischen Tätigkeit ist eine undifferenzierte
Apperzeption, eine Funktion des romantisch definierten Sinnes.
In dieser einheitlichen Urhandlung des Gemüts verschmelzen alle
Einzelfunktionen miteinander, und der Vorzug des Tagtraums vor dem
Nachttraum liegt eben darin, daß diese Einheit der Seele nicht in einem
bald vergessenen Zustand des Unbewußten, sondern im halbbewußten
Helldunkel ihre Wurzeln schlägt. So kann sich der Mensch auch im ganz
bewußten Zustand daran erinnern und darüber nachdenken. Der wieder
bewußt gewordene Mensch beschreibt diese Einheit als Harmonie der
Seelenkräfte. In Wirklichkeit kann jedoch auf dieser Stufe noch von keinen
differenzierten Seelenkräften die Rede sein: das Denken ist von der An-
schauung noch nicht getrennt, das Bild fällt noch mit seiner Bedeutung
zusammen, der Buchstabe mit dem Geist, das Endliche mit dem Unend-
lichen, die Gebärde mit der Idee. Die Welt spricht eine metaphorische
Sprache, die von der ungeteilten Seele vernommen wird.
Auf diese Erfahrung gründet sich die immer wieder vorgetragene
Überzeugung der Frühromantiker, nicht nur zwischen den Seelenkräften
gebe es keinen Wesensunterschied, sondern auch zwischen den großen
Fächern der menschlichen Tätigkeit. Poesie, Philosophie, Religion, Wis-
senschaft, Moral haben einen gemeinsamen Mittelpunkt und sind im
Grund verschiedene Erscheinungsweisen derselben Urtätigkeit.
Die erwähnten Erlebnisse bilden die einzig gültige Voraussetzung
für die Arbeit der Vernunft und des Bewußtseins. Die Vernunft sammelt
und systematisiert die Gegebenheiten der Seele, wie sie sich vorzüglich im
Wachtraum offenbaren, ordnet sie und erhebt sie ins helle Bewußtsein.
Darin besteht die eigentümliche Spannung der Romantik: nicht nur Hand
in Hand und nebeneinander gehen Bewußtes und Unbewußtes, vielmehr
wird das Unbewußte zum Objekt der bewußten Reflexion. Das Bewußt-
sein wird auf das Unbewußte angewandt, um es ans Licht zu bringen und
Aufschlüsse über den ganzen Menschen und die geheimnisvollsten Kräfte
der Natur zu gewinnen. Das Moment des Bewußtmachens des Unbewuß-
ten drückt der Weltanschauung der Frühromantik ihr Gepräge auf und
bewirkt eine dynamische Weltschau, die sich am besten in den Stich-
worten der Progressivität und der Universalität ausdrückt. Alles Unbe-
wußte soll ins Bewußtsein erhoben werden: so lautet der Hauptimperativ

194
ROMANTIK UND ROMANTISCH

der Romantik, der es ihr ermöglicht, eine sich in ihr Weltbild einfügende
Auffassung des Göttlichen zu verkünden. Denn das Wesen Gottes hegt
für sie darin, daß er das Unbewußte der Schöpfung ins Licht des Bewußt-
seins erhebt. Das gibt die Grundlage der Idee vom werdenden Gott und
von der werdenden Schöpfung ab und umreißt gleichzeitig die Aufgabe
des Menschen auf Erden: auch er soll an der Bewußtmachimg des Unbe-
wußten mitarbeiten und damit am Schöpfungsprozeß teilnehmen.
Daraus ergibt sich das Bild des höheren Menschen, des Genies: er ist
derjenige, der 'Tag' und 'Nacht' in sich vereinigt, der sich dem Unbe-
wußten öffnet und es im Lichte der Vernunft aufleuchten läßt, der auch
bei den Geschäften des Tages im Grunde doch in der Nacht lebt, weil er
die Aufgabe der Vernunft als Erhellerin des Unbewußten nicht aus den
Augen verliert.
Weil die halbbewußten Gemütszustände durch die Kräfte des Den-
kens fixiert und analysiert werden, kann der Mensch seinen Willen dazu
benutzen, solche Zustände willkürlich wieder hervorzurufen. Das nennen
die Romantiker den „produktiven Gebrauch unserer Organe". Der
Mensch wird „elastisch" genug, um sich mit vollem Bewußtsein im Reich
des Unbewußten zu bewegen. Dies ist wenigstens das — vielleicht uner-
reichbare und illusorische — Ziel der romantischen Sehnsucht.
Je nach unserem individuellen Temperament dürfen wir uns fragen,
ob der geschilderte Prozeß ein verhängnisvoller und unfruchtbarer Selbst-
betrug ist oder ob er einer eigentümlichen Funktion des menschlichen
Gemüts entspricht. Auf diese Frage gibt es wohl keine zwingende und
rational erweisbare Antwort, ebensowenig wie auf die andere Grund-
frage, ob das Unbewußte eine menschenunwürdige Herabsetzung und
Demütigung des Geistes mit sich bringt oder zur Einweihung ins Heilig-
tum der großen Offenbarungen verhilft. Weil diese Fragen nicht objektiv
und eindeutig beantwortet werden können, muß die Poetik der Früh-
romantik demjenigen, der den Mysterien der Seele abgeneigt ist und sich
energisch davon abkehrt, ewig dunkel, willkürlich, überspannt und künst-
lich bleiben. Andere ergreift sie als eine Initiation, wenn auch eine vor-
läufige und unvollkommene, in das Geheimnis des Göttlichen. Sich gegen-
seitig überzeugen und bekehren zu wollen, ist utopisch.

Diese Darstellung der frühromantischen Poetik wäre aber nicht voll-


ständig ohne Stellungnahme zu einem Problem, das zwar nicht unmittel-
bar in die theoretische Dichtungsanschauung gehört, an dem aber die
Geister sich scheiden und das ich für wesentlich halte. Es handelt sich um
die Gestalt Klingsohrs in Novalis' Roman Heinrich von Ofterdingen.
Wenn die vorgeschlagene Deutung der romantischen Grundtendenz
richtig ist, d. h. wenn die Spannung, die die Bewegung unterwölbt, in

195
13'
ROMANTIK UND ROMANTISCH

einem ständigen Streben besteht, das Unbewußte ins Licht des Bewußt-
seins zu erheben, wenn die ganze Energie der Frühromantiker darauf
gerichtet ist, das intensiv erlebte Irrationale mit Hilfe der Reflexion zu
erhellen, dann drängt sich eine Interpretation der Figur Klingsohrs auf,
die von der Deutung Walzels und Markwardts beträchtlich abweicht.
Markwardt erblickt in Klingsohr einen entscheidenden und eindeu-
tigen Beleg für die romantische Poetik. Walzel schreibt, in den Klingsohr-
gesprächen „ersteige Hardenbergs Wesensbestimmung der Dichtkunst
ihre Höhe"105, und die Gestalt des ungarischen Zauberers sei „das letzte
und reifste Ergebnis jahrelangen Sinnens Hardenbergs" 106 . Mir scheinen
solche Ansichten auf recht wackligen Fundamenten zu stehen. Schon von
einem rein ästhetischen, ja romantechnischen Gesichtspunkt aus wäre es
ein schwer zu verstehender und zu verzeihender Fehlgriff von Novalis
gewesen, bereits vor dem Ende des ersten Teils eine Figur auftreten zu
lassen, die eine ideale Verkörperung der Poesie im romantischen Sinn dar-
gestellt hätte. Wozu hätte in dem Fall die ganze Fortsetzung des Romans
dienen sollen, da das Endziel dieses Werkes eingestandenermaßen in
einer Apotheose der Poesie hegt? Im Augenblick seiner Begegnung mit
Klingsohr ist Heinrich noch sehr weit von einem solchen Ziel und vom
Ende seiner Pilgerfahrt entfernt. Die Apotheose der Poesie steht noch lange
nicht bevor, und schon wäre sie in einer konkreten, lebensnahen Figur
verwirklicht? Ein solches Verfahren gehört unmöglich in die Ästhetik des
romantischen Romans. Vorwegnahmen sind darin freilich häufig anzu-
treffen, aber nicht in einer so ausgeführten und 'realistisch' angelegten
Episode, sondern höchstens in der Form von Ahnungen, Träumen,
Prophetien, Visionen und ähnlichen Erscheinungen. Übrigens wider-
spricht die ganze Anlage des Romans einer solchen Deutung. Jedes Er-
eignis stellt für Heinrich eine Bereicherung dar, jede Begegnung ist ihm
ein Markstein auf seinem Weg zur Poesie. Es gibt weder Negatives noch
Umwälzendes in der Bildung des Helden. Wenn ein Erlebnis etwas
Negatives an sich haben könnte, wird es gleich durch ein eindeutig posi-
tives aufgewogen. Kehrtwendungen und gebrochene Entwiddungslinien
sind unbekannt. Heinrich lernt jeweils hinzu, er lernt nie um. Wenn
Klingsohr das romantische Poesieideal bedeuten sollte, so müßte das je-
doch eine völlige Umkehr mit sich bringen, worauf der Leser wenig vor-
bereitet wäre. Dagegen erfüllt er eine normale Funktion im Roman, wenn
er als eine weitere Belehrung Heinrichs verstanden wird.
Ein anderer, ebenso wichtiger Grund für die Einreihung Klingsohrs
in den Werdegang des angehenden Dichters ohne einzigartige Sonderstel-

10S Poesie und. Nicht-Poesie, S. 96.


108 Ebd., S. 99.

196
ROMANTIK UND ROMANTISCH

lung ist folgender: auch wenn Klingsohr kein peinlich genaues Porträt
Goethes darstellt, erkennt jeder Leser in ihm eine Verkörperung Goethes.
Das hat die Forschung mehrfach bestätigt, und die Ähnlichkeit mit Char-
pentier, die Heinz Ritter nachgewiesen hat, ändert wohl nichts Wesent-
liches an diesem — geistesgeschichtlich weit schwerwiegenderen — Ein-
druck. Nim weiß man, wie stark sich Novalis zur Zeit der Niederschrift des
Ofterdingen von Goethe abgesetzt hatte und daß sein Roman der Anlage
nach keine 'Nachahmung' des Wilhelm Meister anstrebte, sondern viel-
mehr einen richtigen Wettkampf mit Goethes Werk aufnehmen wollte.
Dem Wilhelm Meister warf ja Novalis u. a. Mangel an poetischem Geist
und Uberfluß an „ökonomischem" Können vor. Wie hätte er ein Bild
Goethes als Ideal der romantischen Poesie hinstellen können, wo man
doch weiß, daß er sich gerade damals mit Goethes Poesieanschauung ver-
feindet hatte?
Man könnte noch mehr äußere Gründe anführen, warum Klingsohr
in keiner Weise ein Ideal romantischer Dichtung sein kann, aber eine
kurze Analyse seiner Erscheinung im Roman selbst wird uns noch mehr
überzeugen.
Feststeht, daß Klingsohr die Begeisterung, der „reißende Strom"
der Gefühle und Leidenschaften, die „überschwengliche Herrlichkeit"
nicht fremd sind; es dürfte jedoch nichtsdestoweniger deutlich sein, daß
seine ganze Lehre darauf gerichtet ist, den künstlerischen Ausdruck dieser
Seelenstürme mit Hilfe des Verstandes, der Besonnenheit, der „kühlen
Wärme" in den Grenzen einer „strengen Kunst", die viel handwerks-
mäßiges Können erfordert, harmonisch zu gestalten. Es geht ihm haupt-
sächlich um die Dichte und den reizvollen Reichtum des Ausdrucks, um
die „geschickten Verhältnisse" und die Sorgfalt, die der Dichter darauf
verwenden soll, ein ihm angemessenes und nicht über seine Kräfte hin-
ausgehendes Thema zu wählen. Dieser Lehre hegt die Anschauung zu-
grunde, daß nicht der Stoff, sondern die Ausführung der Zweck der
Kunst sei, wie es denn auch wörtlich im achten Kapitel heißt.
Gewiß steht Heinrich solchen Ratschlägen und Belehrungen nicht
feindlich gegenüber — dies würde dem Geist des Romans widerspre-
chen — , er nimmt vielmehr alles als eine Erweiterung seines bisherigen
Gesichtskreises in sich auf. Er erfährt dankbar das Geheimnis der künst-
lerischen Gestaltung. Und doch vermag die schroffe Ablehnung „über-
schwenglicher" Gegenstände als Themen der Dichtung ihn nicht zu be-
friedigen. Ein unbefangener Leser war von vornherein darauf gefaßt! Es
wäre hier allzu leicht, an entscheidende Stellen des Romans zu erinnern,
an denen die Poesie gerade als das Höchste dargestellt wird, als "ein
wunderbares Widerlicht der höheren Welt", eine Vorstellung, die

197
ROMANTIK UND ROMANTISCH

in Klingsohrs Worten kaum anklingt! Aber auch im Rahmen des


Klingsohrgesprächs äußert Heinrich Gedanken, die, ohne Klingsohr zu
widersprechen, ganz anderen Sorgen Ausdrude verleihen und eine radikal
verschiedene Geistesrichtung verraten. Zum Beispiel: „ . . . eben in dieser
Freude, das, was außer der Welt ist, in ihr zu offenbaren, das tun zu
können, was eigentlich der ursprüngliche Trieb unseres Daseins ist, liegt
der Ursprung der Poesie"107.
Der Unterschied im Ton der Gesprächspartner ist nicht zu über-
hören. Alles, was Klingsohr lehrt, entspringt einem rein klassischen Wil-
len zum Werk, der den Romantikern fremd war. Der Ursprung der
Poesie, das dichterische Erlebnis, die poetische Intuition, das poetische
Weltbild, das waren ihre Probleme, und darum kreisen ihre künstlerischen
und theoretischen Bemühungen. Und das alles spricht deutlich aus Hein-
richs Worten, während es im Munde Klingsohrs nur eine ziemlich ab-
schätzige Beurteilung im Sinne eines überspannten Anliegens erfährt.
Der Wille zum Werk ist nun einmal kein romantischer Glaubensartikel.
Markwardts Interpretation ist um so erstaunlicher, als er selbst ganz richtig
bemerkt, Denken und Dichten seien für die Jenaer wichtiger als Sprechen
und Gestalten. Das Werk ist ihnen tatsächlich nur ein Mittel, Poesie aus-
zudrücken. Deshalb konnte zum Beispiel Gundolf der Romantik nicht
gerecht werden, weil er von vornherein einen goethischen Willen zum
Werk in ihr vermißte. Poesie steht ihr höher als Dichtung. Darum kann
Klingsohr unmöglich ein Symbol für die romantische Poesieanschauung
abgeben. Die Notwendigkeit der Ausführung wird freilich anerkannt und
damit auch die Bedeutung des Verstandes als des „Sitzes der Kunst". Der
Verstand ist, wie Klingsohr sagt, das leitende Vermögen unserer W e l t -
k r ä f t e. Aber die Kunst im strengen Sinn ist weder die Hauptsache,
noch der Zweck der Poesie, sondern nur ihre Erscheinungsweise im Reich
des Realen. Der Romantiker Heinrich erfährt vom Klassiker Klingsohr
seine Einweihung ins Arkanum des schönen Ausdrucks. Darauf beschränkt
sich die Tragweite der Begegnung und des Gesprächs. Klingsohr stellt die
klare, besonnene, bewußte Ausführung dar. Ebenso wichtig ist aber das
auszuführende Dunkle, Träumerische, Unbewußte, das poetische Er-
lebnis.

107 Heinrich von Ofterdingen, 8. Kapitel.

198
LITERATURVERZEICHNIS
1. ALLGEMEINES
ALLEMANN, B., Ironie und Dichtung, Pfullingen 1956.
ALLEMANN, B., Über das Dichterische, Pfullingen 1957.
ANTON, H., Romantische Deutung griechischer Mythologie, in Die dt. Romantik, hrsg.
von Steffen, Göttingen 1967, S. 277—286.
ATHENAEUM, hrsg. von A. W. und Fr. Schlegel, Berlin 1798—1800. Faksimile-Neudruck,
Stuttgart 1960.
AYNARD, J . , Comment définir le romantisme? in Revue de Littérature comparée V ( 1 9 2 5 ) ,
S. 6 4 1 — 6 5 8 .
AYRAULT, R., La genèse du romantisme allemand. Situation spirituelle de l'Allemagne
dans la deuxième moitié du XVIIle siècle, Paris 1961, 2 Bde.

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214
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215
NAMENREGISTER

Ariost, 149,150. Hamann, 19.


Aristoteles, 11. Heidegger, M., 22.
Hemsterhuis, 17, 52, 60, 93.
Baader, 52, 55. Herder, 11, 19, 20, 24, 40, 114.
Bachelard, G., 190. Hirsch, E„ 26, 35, 40.
Baudelaire, 9. Hölderlin, 1, 22.
Baumgarten, 11, 18, 19, 20. Homer, 149, 151, 152, 156, 183.
Bausch, W., 146,147,150. Hugo, Victor, 9.
Béguin, A., 191.
Behler, E., 44,171. Jaspers, K„ 35, 53,105.
Boccaccio, 159. Jean Paul, 1.
Böckmann, P., 147. Joachimi Deege, M., 142.
Böhme, J„ 21, 43, 48, 49, 56, 94. Joubert, 9.
Borcherdt, H. H., 147. Jung-Stilling, 56.
Brodi, H., 180.
Brown, 52. Kant, 1, 2, 11, 12, 14, 17, 19, 43, 53, 62,
67, 81, 82, 93, 100, 118.
Calderon, 175. Kaufmann, P., 165.
Camoens, 149. Kleeberg, L., 56, 60, 61, 72, 73.
Cervantes, 152,159,174. Kleist, H. v., 1, 187.
Charpentier, 197. Klopstodc, 148.
Corneille, 170. KohLsdimidt, W., 7.
Körner, J., 40.
Dante, 103, 133,170.
Lamartine, 92.
Descartes, 43.
Leibniz, 11.
Diderot, 12.
Leroy, R., 98.
Dilthey, W., 7.
Lovejoy, A. O., 165,172,177.
Lessing, 11,19, 40, 56, 77.
Eckartshausen, 56, 60, 61, 72, 73. Lope de Vega, 183.
Eichner, H., 67, 164.
Elkuß, S„ 6.
Mallarmé, 9.
Ennemoser, 193.
Markwardt, Br„ 9, 141, 179, 180, 181,
186, 196, 198.
FICHTE, 3, 29, 31, 37-^*2, 45, 51, 52—53, Meier, 14.
55, 57, 61, 62, 71, 97, 99,154. Milton, 148.
Minor, J., 3, 154.
Goethe, 1, 21, 24, 35, 40, 41, 42, 123, 146,
151,158,163,164,165, 169,197. NOVALIS, 6 , 8 , 13, 19, 2 1 , 2 4 , 2 7 , 3 1 , 3 2 ,
Gottsched, 157. 37, 38, 39, 42, 51, 52—70, 75—77, 85,
Gundolf, F., 198. 86, 87, 90, 93, 94, 98—107, 109 114,

217
SACHREGISTER

116,117,119—121,123—129,130—131, SCHLEGEL, Fr., 3, 6, 15,16, 20, 21, 26, 27,


136,156—158, 160—162, 163, 172,178, 28, 29, 30, 33—34, 35, 36, 37, 38—49,
181,182,184—185,190,195—198. 51, 52, 53, 54, 55, 57, 58, 59, 60, 61, 62,
67, 74, 76, 77, 79, 83, 85, 86, 87—94,
Oetinger, 56. 96, 102,105, 111—113, 114, 116, 121—
Ossian, 12. 123, 124, 130, 132, 133—136, 137, 138,
139—145, 150, 152—156, 157, 158, 159
Petersen, J., 2. —160, 161, 162—164, 169—175, 176—
Petrarca, 183. 179,181, 182—183.
Plato, 21, 34, 56, 97. SCHLEIERMACHER, 4, 6, 16, 48, 49—52, 72,
Plotin, 39,188. 74—75, 79, 80, 82, 94—95, 101, 116,
130,137,190,194.
Schultz, Fr., 165.
Racine, 14,170.
Shakespeare, 11, 133, 174.
Raffael, 12.
Sokrates, 141.
Rimbaud, 9.
Sophie v. Kühn, 56, 66.
Ritter, J. W., 52, 77. Sarensen, B. A., 135.
Ritter, H., 197. Spinoza, 21, 27, 40—41, 42, 46, 62,135.
Rousseau, 9. Strich, Fr., 33.
Ruprecht, E., 7. Strohschneider-Kohrs, I., 47, 135,142.
Sulzer, 14,19.
Samuel, R., 182.
SCHELLING, 5, 6, 15, 22, 29, 30—33, TIECK, 6 , 1 5 , 48, 9 6 , 1 2 3 , 1 7 3 , 1 8 1 .
34—35, 36, 37, 39, 40, 46, 53, 56, 57,
59, 67, 71—74, 75, 76, 77, 78—79, 83, Ullmann-Gotthard, 165.
84—85, 86, 99, 105, 109, 114, 115, 116,
117,119,131,132—133, 134, 146—152, Virgil, 148.
153, 157, 158, 160, 161, 166—169, 181, Voltaire, 62.
183,191.
Schiller, 1, 24, 80, 89, 121,177. WACKENRODER, 7, 81—83, 91, 92, 94, 96,
Schlagdenhauffen, A., 2, 37. 115,116,130.
SCHLEGEL, A . W . , 6 , 1 5 , 2 4 , 2 6 , 8 2 , 83, Walzel, O., 13, 81,196.
94, 96—97, 98, 101, 102, 103, 107, 108, Wieland, 141.
109, 112, 113, 115, 116, 117—119, Windcelmann, 11, 19, 38, 181.
122—123, 126, 130,131—132, 133,134, Windischmann, 44, 181.
135, 136, 137, 142, 146—152, 153,
160, 167, 172, 175, 176, 181, 182, 187. Young, 12.

218
SACHREGISTER

Absicht, 109,114 f., 118,127,130,179,186. Bedingt — unbedingt, 26 f., 33, 83,


Absolut, das Absolute, 15, 25—33, 52, 70, 139 f., 188.
72, 77 f., 83, 93 f., 128, 132 f., 144, Begeisterung, Enthusiasmus, 47, 140—-
170,173,184. 142,144,175,187,197.
Abstrakt(ion), 34, 44, 51, 58, 86, 89 f., 100, Begriff, 34, 44, 52, 71, 73, 81—84, 86,
115 f., 118,170 f., 177. 89,-91, 100, 105, 116 f., 123 f., 126 f.,
Affizieren, 50, 61, 65,102. 133,142, 157, 175, 183, 187.
Ahnung, ahnen, 31, 47, 50 f., 58, 63, 72, Belebung, beleben, beseelen, 39, 63, 68,
82, 90 f., 125, 141, 167, 175, 193, 196. 86, 90, 100, 105, 119, 126, 133 f., 157,
Aktiv(ität) — Passiv(ität), 31, 50, 59—69, 161, 188.
85,104,126,129,147,158,191 f. Beschränkt — unbeschränkt, 33, 50, 86,
Alchimie, 56, 60 f., 72 f., 109, 188. 88, 105, 109, 127, 136, 150, 157, 169 f.
Allegorie, 74, 77 f., 80, 84, 87, 132, 145, das Besondere, s. das Allgemeine
163, 166—169; bei Fr. Schlegel, 91, 94, Besonnenheit, 115, 142, 147, 151, 162,
116, 145, 169. 186,197 f.
das Allgemeine — das Besondere, 77 f., Bestimmt — unbestimmt, 47, 86, 89,
83 f., 86, 93, 97, 105, 115 f., 126, 128, 100,127.
132 f., 168,183—185,190. Bewegung, 34, 36.
Analogie, Entsprechung, 35, 71, 73—75, Bewußt — unbewußt, 10, 24, 30, 32, 35,
90, 92—95, 102, 104, 109, 111, 125, 59, 61, 91, 94, 98, 108 f., 111, 114 f.,
136, 189,193. 140, 175, 185—187, 189—192, 194 f.,
Andeutung, 28 76, 80, 83, 87, 89—91, 198.
116 f., 139—141,163, 183. Bewußtmachen, 30, 59,194—196.
Anschauung, 32, 46, 50 f., 60, 73, 78 f., 95, Bewußtsein, 28—33, 36, 38, 42, 57, 59,
97, 124 f., 133, 194. 67, 73, 75, 133, 140 f., 169, 177, 187,
Antike, antik, 11, 25 f., 134 f., 149, ^gg ^gej
152 f., 156, 160, 164, 166—170, 172, Bewußtwerden, 31 f., 34 f., 44 f., 51, 55,
174—176,182; s. Klassik. 57, 59, 63, 66, 98, 108 f., 114 f., 118,
Arabeske, 150,160. 140,177, 185 f., 189 f., 194,198.
Architektur, 15, 89,174. Bibel, 12, 22.
Ästhetik, ästhetisch, 11—13, 19—21, 53, Büd, bildlich, Bildlichkeit, 29 f., 78, 83—
96, 99, 101, 118, 139, 175, 178, 180, 85, 87 f., 90 f., 96 f., 101, 103, 105,
196. 116 f., 126, 132 f., 156, 162, 166, 190,
Aufklärung, 23 f., 96, 174, 186—188. 192—194.
Außen — innen, äußere und innere Welt, Bildung, 46 f., 153 f.
38, 61—63, 73—77, 90 f., 102, 104,
107, 126, 191—193, 198. Chaos, 144,154,160—162,175,183.
Autonomie der Kunst, 14—17,131 f. Chiffre, 18, 85.
Christentum, christlich, 26 f., 45, 48, 135,
Bedeutung, 31, 46, 71, 74, 76, 78, 80, 164,166 f., 169, 176.
84—90, 92 f., 101, 114, 116 f., 119 f.,
125 f., 129 f., 136, 142, 164, 183 f., 190, Denken, 28 f., 34, 43, 47, 50, 59 f., 62,
194. 64, 68, 78 f., 89, 124, 128, 189, 193 f.;

219
SACHREGISTER

anschauendes D., 28, 30, 34, 79 f., 95, Evokation, evozieren, 125, 129, 131, 139.
97, 99, 101, 105, 124; diskursives D., Ewigkeit, 15, 84, 86, 91,136, 192.
30, 32, 105, 194; s. Erkenntnis.
Dichten, 41, 105, 126—128, 163. Fiktion(en), 66 f.
Dichter, 19, 21 f., 80, 95, 103, 113, 116, Form, 71, 85 f., 114 f., 120, 139, 141, 144,
118, 121, 123, 125—127, 130, 133, 136, 150, 158—161, 179 f., 182 f., 197; in-
142,154. nere F., 87, 115.
Dichtung, 15, 18 f., 21 f., 24, 28, 38, 58, Fortschreiten, Fortschreitung, 34, 47, 138,
86,111—145,152, 154,193,198. 147—149,151,157.
Diesseits — jenseits, irdisch — himm- Fragment(arisch), 6,179—182.
lisch, 46, 92, 166 f., 175, 191. Freiheit, 15 f., 30, 38, 47, 60 f., 64—67,
Diskursiv, 28, 30, 32, 80,194. 69 f., 100, 102, 104, 109, 113, 126,
Dogmatismus, 62. 140 f., 143, 147, 150, 154, 159, 161 f.,
Don Quijote, 149, 151 f., 163. 168,174,182 f., 186 f., 192.
Drama, 149—151, 157, 176. Fülle, 15, 47, 89, 91, 93,183.
Du, 29, 45 f., 49 f., 61, 109, 154—156,
191 f. Das Ganze: des Kunstwerks, 16, 68, 86 f.,
Dynamisch, 31, 3S—35,104 f., 134,157 f., 89, 94, 114, 119, 121, 130 f., 139, 143,
146, 150, 162 f., 179, 183; der Geschich-
194.
te, 72; des Menschen, 20, 54, 82, 91, 94,
Eigentümlich(keit), 34, 88, 114, 126, 128 109, 153, 187; der Natur, des Univer-
—131,151—153,159. sums, der Welt, 26, 45, 50 f., 74 f., 79,
Einbildung des Unendlichen ins End- 92 f., 95, 124 f., 136, 139, 168, 187 f.,
liche, Ineinsbildung, 18, 78, 83, 92, 119, 193.
169,189. Ganzheit, 138,164; s. Totalität.
Einbildungskraft, Imagination, 13, 29, Gefühl, fühlen, 43 f., 46 f., 50—52, 56, 58,
67, 69 f., 73 f., 78—80, 101—110, 113, 60, 64, 66 f., 69, 81 f., 90—92, 97, 104,
117, 119, 123, 127, 146, 161 f., 188, 120, 122, 130, 133, 141, 159, 167,
190, 192; s. Phantasie. 176 f., 183,186,188,190,192,194,197.
Einheit, 11, 16, 42, 46 f., 50, 53 f., 73 f., Geist, 20 f., 27, 29, 31—35, 37, 39 f., 45
80, 84, 87 f., 91—93, 96 f., 99, 105— —47, 53—55, 57—59, 61—66, 68 f.,
109, 118—120, 125, 130, 136, 138, 143, 73—76, 106, 167, 171, 190, 193; Gei-
146, 154, 158, 162 f., 169, 183 f., 188, ster, Geisterwelt, 55, 57—63, 74, 161;
190,192—194. G. u. Buchstabe, 115, 178 f., 194; G.
Eklektiker, Eklektizismus, 26,105. des Kunstwerks, 97, 114, 119, 183; G.
Ekstase, Ekstasis, 57,192. der Natur, 71, 88.
Elastisch, Elastizität, 58,195. Geistig — sinnlich, 16, 25, 32 f., 40, 43 f.,
Empirisch, Empirismus, 62, 117, 164, 46, 58, 66, 71, 73, 82—84, 89 f., 92,
169. 126, 129, 133, 163, 166—168, 176, 185,
Endlich — unendlich, 25—29, 43, 48, 192.
50 f., 57 f., 60, 71—74, 78 f., 82 f., 90, Gemüt, 33, 51, 75, 79, 81 f., 90 f., 96,102,
92, 105, 116, 118, 125 f., 129, 140 f., 111 f., 152, 162, 167, 190, 192; Gemüts-
163, 166—169, 180,183, 185, 189. erregung, 125 f.; Gemütwerdung, 129.
Enzyklopädie, 22, 48, 136 f., 153, 179, Genie, 10, 12 f., 47, 67, 69, 79, 98, 107—
186. 110, 115, 123, 139, 143, 153, 185, 195.
Epos, 146—151,156—158,160. Geschichte, 20 f., 26, 72 f., 101, 129, 153,
Erinnerung, 31, 47, 125, 167, 175. 158, 167, 192; des eigenen Geistes, 34,
Erkenntnis, 30—32, 34 f., 43, 46 f., 57, 73.
71, 75, 79, 82, 187—190; anschauende Geschmack, 12 f.
E., 28, 74, 80, 91, 97, 99; symbolische Geselligkeit, 5,154—156.
E., 94; s. Denken. Glaube, 43 f., 51, 95.
Emst, s. Spiel — Ernst. Gnosis, gnostisch, 53,188.
Ethik, s. Moral. Goldene Zeit, 108,118.

220
SACHREGISTER

Gott, Gottheit, Divinität, 18, 27, 33, 35 Inspiration, 59, 115.


—37, 39, 42—46, 48—51, 58 f., 64 f., Instinkt, 56,108, 114 f., 186.
68, 71 f., 74, 77, 81—83, 90—95, 106, Intellektuelle Anschauung, 21, 28—33,
111,167,193,195. 38, 44, 50, 57, 71, 84, 97, 99, 120, 155,
Göttlich, das Göttliche, 16, 18, 26 f., 35, 191 f., 194.
45 f., 50, 64 f., 71, 79, 81, 83 f., 86—89, Intuition, intuitiv, 41, 43, 80, 94, 180, 186,
92, 97, 115 f., 140, 144, 166, 183, 195. 198.
Gut (moralisch), 12,15,19, 64, 76. Ironie, 27, 139—145, 148—150, 162, 180,
183,185.
Handeln, 29, 31, 43, 50 f., 55, 64, 68, 78, Irrational(ität), 24, 29 f., 50, 91, 94, 98,
94, 98,126,169. 101, 115, 141, 157, 168, 182, 185, 187,
Handlung, 146. 196.
Harmonie, harmonisch, 13, 105 f., 114,
119,125, 183, 192, 194,197. Kausalität, 47,188 f., 193.
Heinrich von Ofterdingen, 90, 159, 181, Klassik, 1, 14, 23 f., 130, 138 f., 144, 160,
195—198. 175,180,182 f., 198.
Hermann und Dorothea, 146. Klassizismus, klassizistisch, antikisch, 25,
Herz, 81, 91,186. 153,165,170,174.
Hieroglyphe, 15, 58, 82 f., 86, 91,134. Kombination, kombinatorisch, 60, 117,
das Höchste, 34, 48, 58, 81 f., 91, 95, 143,177.
101,120 f., 135,155,183,197. Körper, 26, 54 f., 59—61, 63, 66, 69,
Humor, 144, 159 f. 75 f., 92.
Kosmogonie, 44, 90.
Ich, 28—33, 37, 45, 53, 55, 57, 60 f., 64, Kräfte (der Seele), 36, 90 f., 93 f., 101,
71, 84, 154,189—192. 104,187,194.
Ideal(ität), s. Real(ität) — Ideal(ität). Kritik der Urteilskraft, 1, 2, 12.
Idealismus, idealistisch, 2, 15, 19 f., 26 f., Kritizismus, 1, 43, 62 f.
38—42, 49—53, 62, 66 f., 93, 102, 106, Kunst, 14—22, 24, 26, 40, 79, 81—110,
117 f., 133—135,192. 113, 186, 198; Kunstprinzip, 66, 68 f.;
Idealisch, 18, 61, 68, 72, 74, 91, 113, bewußte Tätigkeit, 114; bildende K.,
121 f. 39, 85,115.
Idee, 13 f., 19, 27, 39 f., 46, 66, 68—71,
82—92, 96—101, 103, 105, 109 f., 113, Leben, 20—22, 30, 32, 36, 40, 44, 55, 57,
117—121, 124, 127, 132 f., 136, 157 f., 65, 68, 76, 87, 106 f., 133, 152 f., 157 f.,
161—163,166 f., 183,189,193. 168,185.
Identifikation, 56. Lebendig, 73, 86 f., 91,105,109,126,130,
Identität, 28, 30—32, 35, 46, 60, 71, 84, 132,155,188 f.
87, 89, 93, 95—97, 99, 101, 109, 115 f., Liebe, 15, 36 f., 42—52, 91 f., 94, 102,
131 f., 138,147,167,169,184,186,189, 134,154,162,173—178,188 f.
192. Logik, logisch, 14, 18, 20, 34, 53, 69,
Illusion, 85. 140 f., 162.
Individualität, individuell, 16, 20, 22, Lucinde, 3, 50, 164.
34 f., 45, 50 f., 53—55, 57, 64, 72, 80,
84, 88, 90, 96, 106, 114, 120, 126—132, Machen (sich), 35 f., 59.
150, 152 f., 157, 168 f., 171, 183—185, Magie, magisch, 62, 64 f., 69, 76, 96, 102,
189,193. 125, 129, 133,155, 161, 192.
Individuation, 78. Magischer Idealismus, 61—65.
Individuum, 44,54,72,74,83,86,93.124 f., Malerei, 85, 87 f., 123.
128—132, 142, 147, 152, 157, 159, Mannigfaltig(keit), 11, 44, 47, 69, 143,
167 f., 186. 150,159.
Inhalt, 85—89, 119, 139, 141 f., 153, 163, Märchen, 29, 90, 156, 158, 160—162, 189,
180. 193.
Innere Wahrnehmung, 43 f., 49. Mathematik, 69.

221
SACHREGISTER

Mechanismus, mechan(ist)isch, 102, 113, Organismus, organisch, 17 f., 54 f., 73,


134, 161, 188. 75 f., 115,119 f., 123, 139,157 f., 161 f.,
Mensch, 25, 31, 33, 35, 45, 54—61, 64 f., 182, 188 f.
72 75 95 189 Originalität, originell, 130, 150, 168 f.,
Menschheit,'21, 46 f., 49 f., 58,72,96,109, 186.
112 f., 130. Orphisdier Gesang, 95,193.
Metaphysik, metaphysisch, 50, 90, 187.
Mikrokosmos, 65, 73—75, 92—95, 193. Pantheismus, pantheistisch, 26 f., 40 f., 45.
Mikrotheos, 193. Paradox(ie), 139—141.
Mittelalter, 172—174. Partizipation, 45, 154, 188,191.
Mitwissenschaft, 35, 46. Passiv(ität), s. Aktiv(ität) — Passiv(ität).
Modem, die Moderne, 25 f., 149 f., 153, Person, 42, 50, 54.
156,164,166—171,173,176. Personalisierung, 35.
Moral(isdi), 14—16, 20, 50, 64 f., 68, 81, Personalität, 54, 65.
106, 118, 138, 147, 157, 178, 186, 194, Personell, 128.
Moralisierung, moralisieren, 59, 129. Persönlich, 131, 150, 153.
Moralischer Sinn, 64 f., 67, 93. Persönlichkeit, 51, 54,152, 157, 184.
Musik(alisch), 85,123,162, 182. Phantasie, 29 f., 41 f., 47, 51, 58, 67, 69,
Mystik, mystisch, Mystizismus, 27, 39, 75, 79 f., 101—110,113,115,118 f., 123,
43, 76, 112, 122, 129, 138, 144, 163, 127, 134, 144, 146 f., 149—151, 153,
173,184—188. 159, 161, 164, 173—177, 189 192 f.;
Mythologie, 36, 39, 73, 90, 119, 132—136, s. Einbildungskraft.
151 f., 158 f., 161,167 f., 173,189. Phantastik, 69.
Mythos, mythisch, 29—31, 118, 152 f., Phantastisch, 91,159,165,177.
158,189,193. Philosophie, 19, 21, 34, 39—42, 48 f., 57,
62, 68 f., 77, 84, 86, 91,100,118, 120—
Nachahmung der Natur, Mimesis, 16— 129,133,194.
18, 85—87, 89, 96, 117—119, 126, 131. Physik, 63, 72 f., 75, 93, 118, 134 f., 163,
Natur, 15—18, 21, 26 f., 36 f., 39 f., 42, 193.
44—46, 48, 50, 53, 58 f., 61, 63, 65 f., Plastik, plastisch, 182.
71—74, 77—79, 82—84, 91 f., 106, 134, Poesie, 13 f., 16, 19—21, 26, 29 f., 37 f.,
136,139,165, 167 f., 181,193. 49, 83,111—118, 124—129, 131, 134 f.,
Naturphilosophie, 39, 73,134. 137—139,153,173 f., 178,193—198.
Naturwissensdiaft(en), 62, 76. Poesie der Poesie, 22, 27, 121—123.
Nicht-Ich, 45, 61 f., 75—77,191—193. Poetisieren, 105, 129, 137 f., 156, 158,
Notwendig(keit) — Zufällig(keit), 30, 33, 161.
58, 65, 85, 97, 109, 118, 120, 128 f., Poiesis, 113,117.
139 f., 146 f., 161, 168, 179 f., 183, 193; Positiv-negativ, 43, 68 f.
s. Freiheit. Potenz(ierung), 22, 98, 101, 105—108,
Novelle, 146 f. 116 f., 122 f., 169,177 f., 184 f.
Nutzen, 15,120,129. Produktiv(ität), (43), 47, 59, 65, 69 f.,
104,128,161,195.
Objekt, s. Subjekt — Objekt. Produzieren, machen, 33, 68, 101, 106,
Objektiv(ität), 3, 12, 133, 135, 142, 148, 113.
150. Progressiv(ität), 20, 36, 44 f., 47 f., 59,
Offenbarung, Enthüllung, 16, 18, 26, 28 136, 138, 153, 157, 159, 171, 178, 181,
—30, 34, 44, 49—51, 57, 60, 63, 74, 82, 194.
84, 90—92, 107, 109, 112, 128, 161,
164,187,191,195, 198. Rationalismus, 23; s. Aufklärung.
Optimismus, 24. Real(ität) — Ideal(ität), 35, 42, 71, 78, 80,
Organ, 59 f., 65—67, 77, 79, 81 f., 85, 93, 83, 87 f., 90 f., 115, 117, 119, 121,
100, 104, 107, 128 f., 144, 158, 195. 133 f., 167 f., 177 f., 183 f.

222
SACHREGISTER

Realisierung, realisieren, 31 f., 35, 4 5 , 1 0 0 , Selbstbewußtsein, 32, 36, 44, 57, 107, 123,
157,171. 192.
Realismus, 39, 41, 62, 67, 135; 99. Selbstbildung, 32 f., 36, 85, 159.
Reflexion, 22, 30—32, 36, 39, 48, 50 f., Selbstdurchdringung, 105.
60, 73, 80, 94, 98, 100 f., 105, 120, 122 Selbsterkenntnis, 35, 54, 63, 76, 95, 108.
—124, 141, 149, 160, 168, 177 f., 181, Selbstgefühl, 44, 192,194.
183, 186, 190, 196. Selbstgespräch, 61.
Religion, 16, 26, 42, 47—52, 72, 79, 83, Selbstoffenbarung, 59, 122.
1 0 7 , 1 2 9 , 1 3 4 , 1 3 7 f., 162, 187,194. Selbstpolemik, 140 f.
Retardierend, 151. Selbstschöpfung, 47, 140 f.
Revolution (französische), 37, 178. Selbstsetzung, 35, 71.
Rhetorik, 19, 163. Selbsttätigkeit, 59, 126.
Rhythmus, 131 f., 134,148, 193. Selbstumarmung, 61.
Rokoko, 141 f. Selbsttranszendierung, 30.
Roman, 21 f., 45, 68, 137, 146—164, Selbstverbindung, 107.
172 f., 180, 195—197. Selbstvemichtung, 47, 140 f.
Romanisch, 171 f., 174. Selbstverständnis, 76.
Romantik, 2—10, 165—198; französische Selbstüberwindung, 30.
R., 23; jüngere R., 7—9. Selbstzerstörung, 30, 141.
Romantisierung, romantisieren, 30, 87, Sentimental, 176—178.
110, 129, 170, 184 f., 193. Sichtbar — unsichtbar, 58, 81—84, 92,
Rosenkreuzer, 56. 112, 126, 129,135.
Ruhig, 147 f., 151. Signaturen, 76.
Rührung, Affektwixkung, 126 f., 129. Sinn: äußere Sinne, 56 f., 59 f., 66, 85,
104; innerer S., 51, 79, 82, 90, 95, 103,
Schematismus, 78, 84. 190—192, 194; poetischer S„ 93, 114,
Schicksal, 147, 183, 192.
128 f.; S. der Welt und des Lebens, 22,
Schönheit, 11—16, 18 f., 76, 85, 88, 117
26, 29, 31, 46, 50, 72, 74, 79, 92, 107,
— 1 2 0 , 1 2 3 , 130, 166 f., 182.
109, 113 f., 133, 158; S. der Kunst, 84,
Schöpferisch, 44, 4&--48, 62, 64 f., 68 f.,
87, 96 f., 101, 132, 143, 166.
73, 78 f., 85 f., 91, 94—96, 98 f., 1 0 1 —
Sinnenwelt, 58, 72.
104, 113, 115, 119, 125, 143, 150, 182,
Sinnlich, s. geistig — sinnlich.
188 f.
Spiel — Ernst, 137, 142—145,150, 152 f.,
Schöpfung, 35 f., 44, 46 f., 104, 114,
175 f.
118 f., 1 5 5 , 1 9 0 , 1 9 5 .
Schwärmerei, 62. Spontan(eität), 50, 62, 79, 99, 118.
Schweben, 30 f., 101 f., 1 0 5 , 1 0 9 , 1 2 0 , 1 5 7 , Sprache, 30, 76, 81—«3, 115—117, 131,
178, 180, 190. 136, 162, 180.
Stimmung, 51, 95, 105, 120, 125, 129,
Seele, 33, 43 f., 48, 50 f., 54 f., 60 f., 66 f.,
141, 160,168, 191,193.
73, 83, 90, 9 5 , 1 1 1 , 1 8 9 f., 193.
Seelenwanderung, 55 f. Stoff der Kunst, 18, 90, 120, 124, 1 3 2 —
Sehnsucht, 30 f., 43 f., 4 6 - ^ 8 , 50 f., 108, 1 3 4 , 1 4 2 , 1 5 0 , 1 5 7 f., 183.
137,167,193,195. Streben, Bestreben, 32—35, 43, 47, 51, 60,
Sein, 19 f., 25, 28, 30, 68, 71, 78, 84, 97, 97, 105, 108, 120 f., 140, 142, 163, 168,
126,181. 171, 178,186, 196.
Selbstbekenntnis, 153. Sturm und Drang, 11, 170, 186 f.
Selbstbeobachtung, 63, 108 f. Subjekt — Objekt, 28—30, 35, 50, 57,
Selbstberührung, 59. 60, 63, 71, 75, 84, 95 f., 168, 177, 181,
Selbstbesdiränkung, 47. 184,191 f.
Selbstbespiegelung, 122. Subjektiv(ität), 12, 41, 96, 149 f., 160,
Selbstbesprechung, 61. 168, 183.
Selbstbestimmimg, 65, 100. Substanz, 36, 40, 46, 50, 57, 71, 75 f., 106,
Selbstbetrachtung, 155. 190.

223
SACHREGISTER

Surrealismus, 9. Übernatürlich, 83, 89.


Symbol(ik), Sinnbild, 12, 18 f., 29 f., 73, Übersinnlich, 16, 25 f., 51, 57, 82 f., 89 f.
76—80, 84, 87, 89—91, 93 f., 96, 99, Unbedingt, s. bedingt — unbedingt.
104, 109, 116—118, 125, 132, 136, 152, Unbegrenzt, 26, 168.
167,169, 184,189, 193. Unbeschränkt, s. beschränkt — unbe-
Symbolisch, 31, 72—75, 77, 83 f., 86 f., schränkt.
89, 91, 93 f., 103, 107, 113, 115, 119, Unbestimmt, s. bestimmt — unbestimmt. .
126, 133, 136, 150, 152, 166, 182, 189. Unbewußt, s. bewußt — unbewußt.
Symbolisierung, symbolisieren, 91, 104, Unendlich(keit), s. Endlich(keit) — Un-
126 f., 158, 162, 193. endlichkeit).
Symphilosophie, 155. Unerreichbar, 33, 45, 97, 108, 116, 195.
Sympoesie, 152,154 f. Universalität, Universalisierung, univer-
Sympraxis, 59. sell, 16, 20, 44, 52 f., 72, 75, 92, 126,
Synthese, Synthesis, synthe(ti)sieren, 129, 136—138, 142, 150, 164, 168, 171,
28 £., 79, 95, 98 f., 101,105—109,120 f., 182,184, 189, 193 f.
124 f., 140,143 f., 157,172,180,184. Universalpoesie, 136,179.
System, 34, 41, 51, 61, 76, 90, 181 f. Universum, 21, 24—27, 31, 36, 39—41,
Systemprogramm, 12 f., 15, 19, 21, 101, 45 f., 50—52, 59 f., 72, 74—76, 80, 83,
112,121. 90, 93, 96, 103, 124, 133, 136, 188,
192 f.
Tagtraum, Wachtraum, 42, 98,118, 190— Unmittelbar, 34, 46, 50, 57, 74, 89, 97,
194. 105,115,128.
Talent, 14, 47, 65,107,127. Unsichtbar, s. sichtbar — unsichtbar.
Tathandlung, 31. Unterrichten, belehren, 14—17.
Tätig(keit), 28 f., 31—33, 36 f., 43, 55, 60, Unvollendbar, 25.
65, 67—70, 82, 97—99, 102, 104 f., Urbild(lich), 18, 79, 84, 86, 97, 133, 138,
126,128,194. 158,161,164, 175,188 f., 192 f.
Technisch, 86, 113. Urgestalt, 188 f.
Tendenz, 25, 31 f., 37, 62 f., 114, 120, Urgrund, 30, 71, 91, 113.
138,142,152,159,171,178 f., 183, 195. Urhandlung, 44, 57, 71, 104, 194.
Theosophie, 48 f., 58. Ur-Ich, 45.
Tod, 30, 55,106 f., 175,185. Uridee, 189.
Total(ität), 42, 44, 66, 69, 179, 184. Urkraft, 36, 90, 112, 183, 188, 192.
Totalgenie, 62, 69. Urpoesie, 111.
Träg(heit), 32, 59, 65, 68, 113, 129, 161. Ursprache, 117, 134.
Tragödie, tragisch, 146—148, 152. Urwesen, 71,192.
Transzendental, 38, 99,124,139,177.
Transzendentalpoesie, 121—124,158,170. Vergeistigung, 59.
Transzendieren, übersteigen, 15, 26, Vergnügen, Belustigung, 14 f., 17.
32 f., 86, 103—106, 108 f., 120, 124, Vernunft, 19, 24, 39 f., 42—45, 47, 49,
136, 157. 51 f., 67, 69, 73, 75, 79, 82, 91,100, 102,
Traum, träumen, 98, 101, 103, 118, 161, 104, 109, 125, 127, 141, 144, 146 f.,
190—192,196, 198. 151, 183, 186 f., 192, 194 f.; praktische
Trennung, trennen, Entzweiung, 2, 42, V., 18 f., 42 f., 64, 67 f., 70, 81, 93, 101.
45, 53 f., 87, 93, 96 f., 99, 108 f., 124, Verstand, 24 f., 28 f., 71, 79, 89, 93, 97,
153, 160, 166, 168, 190 f., 194. 100, 104, 116, 118, 126 f., 186—191,
Trieb(haft), 32, 198. 197 f.
Tugend(haft), 18, 54, 64, 81 f., 139. Verweilen, 148 f., 151.
Tun, 31 f., 106. Visionen, 66 f., 196.
Vollendung — Nichtvollendung, 33—35,
Überbegrifflidi, 81, 83,180,188. 112, 116, 130, 135, 138 f., 147, 178—
Überbewußt, 187. 183.

224
SACHREGISTER

Vollkommen(heit) — Unvollkommen- Willkür, 64, 67, 70,105,123,143,182.


s t ) , 11, 25, 36, 87, 118 f., 131, 139, Willkürlich — unwillkürlich, 32, 65 f., 69,
159, 163 f., 168, 171,183. 105, 128 f., 160, 182 f., 195.
Wissen, 28, 30—32, 34 f., 71, 106, 127,
Wahr(heit), 15, 19, 43, 82, 85, 91, 103, 143.
117—119,127,152 f., 188. Wissenschaft(en), 19 f., 34, 47 f., 50, 71,
Wahrscheinlich(keit), 118. 77, 79, 106, 159, 194; werktätige W.,
Wechselerhöhung und -erniedrigung, 185. 71, 73.
Wechselrepräsentation, 76.
Wissenschaftslehre, 37, 52 f., 178.
Wechselverhältnis, 61.
Witz, 69,143—145,159,162,182.
Wechselvollendung, 126.
Wechselwirkung, 29, 58, 75, 95, 112. Wollen, Wille, 31—33, 60 f., 63 f., 67, 79,
Welt, 16, 19—21, 25 f., 35 f., 4 4 - ^ 7 , 49, 98,100,106,161,192,195.
57, 60 f., 63—66, 72 f., 75 f., 90, 92, 95, Wunder, 9 f., 64 f., 80 f., 85, 105, 192.
102,189,192 f. Wunderbar, 69, 76, 82 f., 102 f., 109, 113,
Weltseele, 63, 188,192. 116,125,144,158,161 f., 165,197.
Werden, 20, 25, 31 f., 34—37, 47, 59,
139,178 f., 181 f., 195. Zeichen — Bezeichnetes, 18, 76, 78,
Werther, 165. 115 f., 123.
Wilhelm Meister, 21, 37, 119—121, 149, Zweck der Kunst, 14—16, 18, 86, 89 f.,
151 f., 157,163 f., 174,178,197. 127, 129, 144,186,197.

225
ARMAND NIVELLE

Kunst- und Dichtungstheorien


zwischen Aufklärung und Klassik

Groß-Oktav. VIII, 263 Seiten. 1960. Ganzleinen DM 28 —

GERD WOLANDT
Philosophie der Dichtung
Weltstellung und Gegenständlichkeit des poetischen Gedankens
Groß-Oktav. X, 210 Seiten. 1965. Ganzleinen DM 32,—

A L F R E D LIEDE

Dichtung als Spiel


Studien zur Unsinnspoesie an den Grenzen der Spradie
2 Bände. Groß-Oktav.
Band I: X, 436 Seiten. — Band II: X, 314 Seiten.
1963. Ganzleinen DM 142,—

BRUNO MARKWARDT

Geschichte der deutschen Poetik


5 Bände und Ergänzungsband. Groß-Oktav. Ganzleinen.
Band 1: Barock und Frühaufklärung
3., um einen Nachtrag erweiterte Auflage. XII, 512 Seiten. 1964. DM 54,—
Band 2: Aufklärung, Rokoko, Sturm und Drang
2., unveränderte Auflage. VIII, 692 Seiten. 1970. DM 54,—
Band 3: Klassik und Romantik
VIII, 730 Seiten. 1958. DM 58,—
Band 4: Das neunzehnte Jahrhundert
VIII, 750 Seiten. 1959. DM 58,—
Band 5: Das zwanzigste Jahrhundert
VIII, 1032 Seiten. 1967. DM 128,—
Ergänzungsband: Strukturen und Perspektiven
des dichterischen Kunstwollens in der Gegenwart
In Vorbereitung
(Grundriß der germanischen Philologie Band 13)

Walter de Gruyter & Co • Berlin 30


ALESSANDRO PELLEGRINI

Friedrich Hölderlin
Sein Bild in der Forschung
Unter freundlicher Mitwirkung des Verfassers
ins Deutsche übersetzt von Christoph Gaßner

Groß-Oktav. VI, 595 Seiten. 1965. Ganzleinen DM 84,—

ELMAR H E R T R I C H

Eine StudieJoseph Berglinger


zu Wackenroders Musiker-Dichtung
Groß-Oktav. XII, 238 Seiten. 1969. Ganzleinen DM 42,—
(Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte
der germanischen Völker, N . F. Band 30)

GERHARD RUDOLPH

Studien zur dichterischen Welt


Achim von Arnims
Oktav. VIII, 171 Seiten. 1958. Ganzleinen DM 16,—
(Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte
der germanischen Völker, N . F. Band 1)

MARIANNE THALMANN

Ludwig Tieck, „Der Heilige von Dresden"


Aus der Frühzeit der deutschen Novelle
Groß-Oktav. Mit 2 Abbildungen. X, 194 Seiten. 1960.
D M 24,—; Ganzleinen D M 27,—
(Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte
der germanischen Völker, N . F. Band 3)

Walter de Gruyter & Co • Berlin 30


Ludwig Tieck's Schriften
28 Bände. Berlin 1828—1854
Originalgetreuer Nadidruck (1966/1967)
Oktav. Ganzleinen DM 728,—

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Sämmtliche "Werke
8 Bände. 1845—1846
Nadidruck 1965/66
Oktav. Ganzleinen DM 340,—

NICOLAI HARTMANN

Die Philosophie des deutschen Idealismus


I. Teil. Fidite, Schelling und die Romantik. II. Teil. Hegel
2., unveränderte Auflage. Groß-Oktav. VI, 576 Seiten. 1960. Ganzleinen DM 38,—

K. H. VOLCKMANN-SCHLUCK

Mythos und Logos


Interpretationen zu Schellings Philosophie
Groß-Oktav. VI, 152 Seiten. 1969. Ganzleinen DM 28,—

WILHELM DILTHEY

Leben Schleiermachers
2 Bände. Oktav. Ganzleinen
Aus dem N a c h l a ß herausgegeben v o n MARTIN REDEKER

I. 1. Halbband. X L I V , 567 Seiten. Im Druck


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