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1 Pflegeprozess Datum: ______________

Die ambulante Pflege

Bereits vor meinem ersten Tag hatte ich mit der Pflegerin Simone telefoniert. Mit ihr werde ich
an meinen ersten Tagen mitfahren. Wir treffen uns am Autohaus Straub auf dem Parkplatz
damit sie keinen Umweg auf ihrer Route zwischen ihrem Zuhause und dem ersten Klienten
fahren muss. Da wir uns rechtzeitig treffen, ist noch Zeit für eine kurze Übergabe zum
allgemeinen Ablauf und zu unserer heutigen Tour. Der Dienst ist geteilt, das bedeutet, dass
wir vormittags nur bis 13 Uhr und nachmittags dann wieder ab 17 Uhr bis ca. 20:30 Uhr
arbeiten, um auf unsere Stunden zu kommen.
Simone zeigt mir das Tablet, auf dem unsere Frühdiensttour angezeigt wird. Oben stehen das
Datum mit der Tourennummer und links die Uhrzeiten und der veranschlagte Zeitumfang. Im
Verlauf des Vormittags stehen verschiedene Namen untereinander. Simone geht mit mir die
einzelnen Namen durch und erklärt mir kurz, was wir vor Ort zu tun haben und auf was wir
achten müssen. Dabei klickt sie auf die Namen und sofort erscheint die Adresse mit den
einzelnen Tätigkeiten, die wir dort leisten sollen:

Als erstes besuchen wir Herrn Dudek. Er wohnt mit seiner Frau und Hund in einem kleinen
ehemaligen Bauernhof direkt am Ortsrand. Herr Dudek ist sehr übergewichtig und bekommt
aufgrund seines Diabetes mellitus II zusätzlich zu seinen oralen Antidiabetika Insulin s.c.
abhängig von seinem Blutzuckerwert von uns gespritzt. Aufgrund seiner fortgeschrittenen,
proliferativen, diabetischen Retinopathie wurde bei ihm eine Vitrektomie geplant. Die
verordneten Augentropfen und die Augensalbe bekommt er von uns. Parallel kann ich schon
mal die Tabletten für die ganze Woche stellen, da auch seine Frau nicht mehr so gut sieht.

Frau Schulte ist etwas in ihrem Sehen beeinträchtigt. Sie bekommt ebenfalls Augentropfen
und benötigt Unterstützung beim Einsetzen ihrer Hörgeräte, da sie diese nicht
selbst einpegeln kann. „Einfach solange an dem kleinen Rad drehen, bis es nicht mehr piepst.“
Wenn wir dort ankommen, wird bereits mindestens eine Tasse Kaffee für uns bereitstehen. Da
ich auch angekündigt wurde, wird mir bestimmt auch eine Tasse serviert. Frau Schulte wirkt
immer sehr einsam und freut sich über unseren Besuch, schwer wird es dann rechtzeitig
loszukommen, da Frau Fischer und die anderen Klienten bereits auf uns warten. Vor kurzem
hat sie zudem die Diagnose Diabetes mellitus Typ II erhalten und weiß jetzt gar nicht, wie sie
damit überhaupt zurechtkommen soll. „Was wird das? Spritzen oder Tabletten, anderes
Essen, in den Finger stechen und darf ich überhaupt noch trinken, was mir schmeckt? Und
wie geht das überhaupt weiter mit mir – bin ich hier zu Hause überhaupt noch sicher? Was ist,
wenn ich mal stürze? Dann liege ich hier womöglich bis zum nächsten Tag, wenn Ihr endlich
wiederkommt!!!“ Sie hat ganz viele Fragen.

Lisa Herdecker, Kolping Pflegeschule Heilbronn


2 Pflegeprozess Datum: ______________

Frau Fischer lebt allein im 3. Stock eines Mehrfamilienhauses. Sie hatte vor kurzem eine
Varizenoperation und benötigt Unterstützung beim Anziehen der Antithrombosetrümpfe. Seit
sie zurück aus dem Krankenhaus ist, wirkt sie sehr ängstlich und unsicher, weiß nicht, wie sie
sich bewegen soll, wann und wie sie genau die Strümpfe ausziehen kann und welche Übungen
sie jetzt wie und wann machen soll. Vor allem möchte sie nicht wieder ins Krankenhaus und
das Ganze nochmal durchmachen.

Herr Unger lebt in einem sehr großen freistehenden Haus. Er hat seit Jahren durch einen
Motorradunfall einen hohen Querschnitt. In seinem Haus ist 24 Stunden am Tag mindestens
eine Betreuungskraft. Die Körperpflege im Bett, das An- und Auskleiden, die Mobilisation
morgens aus dem Bett in den Mobilisationsstuhl und abends wieder zurück ins Bett
übernehmen wir. Heute bekommt Herr Unger etwa 30 Minuten vor unserem Besuch von einem
Kollegen ein Klistier, da er schon längere Zeit nicht mehr abgeführt hat. Simone freut sich,
dass ich ihr bei der Mobilisation helfen kann, da Herr Unger mit seinen über 125 kg sehr schwer
für sie ist und die Betreuungskräfte die Hilfestellung bei der Mobilisation nicht als ihren
Aufgabenbereich sehen. Herr Unger ist genussvoller Raucher und raucht nahezu immer. Oft
fällt ihm die Asche auf das Hemd oder das Bettlaken, was an den zahlreichen Brandlöchern
zu erkennen ist.

Frau Urban ist ebenfalls Diabetikerin, bekommt aber kein Insulin, sondern Tabletten, die wir
für sie stellen müssen. Sie lebt mit ihrem Ehemann zusammen in einer kleinen Wohnung und
ist bereits etwas älter und sehr immobil. Es fällt ihr sehr schwer, das Bett oder den Sessel zu
verlassen. Herr Urban ist den Pflegekräften gegenüber sehr skeptisch und macht diese für den
schwer heilende Wunde verantwortlich. Die, die ihn pflegen, haben auch das Gefühl, dass
Herr Urban selbst den Wundrand mit Franzbranntwein einschmiert. Die Stimmung dort ist
immer sehr angespannt und die Wunde scheint seit Wochen unverändert. Die ganze Zeit fühlt
man sich von Herrn Urban beobachtet. Da Herr Urban die Dokumentation mitliest, wurden
zwei Dokumentationssysteme, eine auf Station und einer bei der Klientin, angelegt.

Soweit erstmal die Infos während der Fahrt und ich weiß im Groben, was ich zu tun habe –
hoffentlich läuft alles wie geplant!

Lisa Herdecker, Kolping Pflegeschule Heilbronn


3 Pflegeprozess Datum: ______________

Aufgabenstellung:
Tauschen Sie sich über Ihre Erfahrungen in der Gruppe aus, besprechen Sie gemeinsam die
folgenden Fragen und notieren Sie Ihre Ergebnisse.

1. Führen Sie mögliche Versorgungsschwerpunkte der ambulanten Pflege auf.


➢ Maßnahmen der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung, Mobilität, etc.)
➢ medizinisch-diagnostische bzw. medizinisch-therapeutische Maßnahmen, die sog.
Behandlungspflege (Verbandswechsel, Injektion, Vitalzeichenkontrolle,
Medikamentenüberwachung, etc.)
➢ Pflegeberatung und Anleitung von Bezugspersonen und Pflegeempfängern (Beratung
nach § 37 Abs. 3 SGB XI, Beratungen zu Leistungen der Krankenkasse, Unterstützung
bei der Antragstellung, Beratung zu Hilfsmitteln, Vermittlung zu Selbsthilfegruppen,
etc.)
➢ hauswirtschaftliche Versorgung (Unterstützung bei der Essenszubereitungen,
Einkäufe erledigen, Wäschepflege, Haushaltstätigkeiten, etc.)
➢ Betreuungs-, Beschäftigungs- und Aktivierungsangebote (Gespräche, Vorlesen,
Spaziergänge, Gesellschaftsspiele, Begleitung zu kulturellen Angeboten, etc.)
➢ weitere Angebote können z.B. sein: „Essen auf Rädern“; Hausnotrufsysteme,
Pflegekurse für pflegende Bezugspersonen, Demenzgruppen etc.
2. Welche Unterschiede zum Arbeitsort Pflegeheim könnten Ihrer Meinung nach im
ambulanten Pflegedienst bestehen. Notieren Sie Ihre Gedanken zu Tätigkeits-
schwerpunkte, Arbeitsablauf, Arbeitszeiten, Dokumentation, Arbeitskleidung und Hygiene.
Pflegeheim Ambulante Pflege
Tätigkeits- 24h Versorgung und Betreuung Individuelle Leistungen zu festen
schwerpunkte Zeiten/ Zeitintervallen
(Kleine/Große Körperpflege,
Vitalzeichenkontrolle,
Medikamentengabe
Arbeitsablauf Kann unterschiedlich sein, Tourenplan, meist feste Struktur,
vorrangig durch vorrangig durch Pflegeempfänger
PDL/Pflegekräfte organisiert bestimmt, Fahrtzeit zwischendrin
und bestimmt
Arbeitszeiten Verschiedene Schichten und Verschiedene Tagschichten und
Arbeitszeitmodelle, ggf. Arbeitszeitmodelle, oftmals geteilte
schnellere Ansammlung von Dienste, Bereitschaftsdienste
Überstunden möglich

Lisa Herdecker, Kolping Pflegeschule Heilbronn


4 Pflegeprozess Datum: ______________

Dokumentation EDV-gestützt am PC, Patientenakte/Protokolle vor Ort,


Bewohnerakte/Protokolle im EDV- gestützt mit mobilen
Dienstzimmer oder bei Dokumentationsassistenten (MDA)
Pflegeempfänger
Arbeitskleidung Meist einheitlich + vom Teilweise vom Arbeitgeber gestellt,
Arbeitgeber gestellt, Umkleiden Teilweise private Kleidung und
vor Ort nicht zwingend einheitlich,
Umkleiden zu Hause
Hygiene Notwendige Artikel an Material muss meist mitgebracht
mehreren Stellen vorrätig, werden, Lagerung von bestimmten
Reinigungskräfte vor Ort, Materialien nicht immer hygienisch
korrekte Lagerung von korrekt möglich, keine
bestimmten Materialien, professionellen Reinigungskräfte
Medikamenten, etc. vor Ort

3. Überlegen Sie, welche Faktoren die Versorgung zu Hause problematisch machen können
und wie Sie damit umgehen würden.
➢ Mangel an Material, notwendige Pflegeartikel und Produkte. Beratung anwenden.
➢ Kostenfaktor, z.B. Fehlende Sicherheitsnadeln zur Insulininjektion. Sicherheit der
Mitarbeiter muss gegeben sein, ggf. Beratung durch Pflegedienstleitung.
➢ Non Compliance/ fehlende Mitarbeit der Angehörigen. Informationsweitergabe an
Pflegedienstleitung und Dokumentation.
➢ Räumlichkeiten, nicht behindertengerecht oder zu wenig Platz z.B. im Bad – nicht
rückenschonendes Arbeiten. Pflegeempfänger beraten, ggf. an einem anderen Platz
die Körperpflege durchführen.
➢ Ambulante Pflege nur für gewünschte und verordnete Leistung vor Ort (festes
Zeitfenster). Bei Bedarf von weiterer Unterstützung muss das an die
Pflegedienstleitung weitergegeben werden und zukünftig die Leistung dazugebucht
und geplant werden. Auf Bereitschaftstelefon bei Bedarf verweisen.
➢ Waschhandschuhe, Handtücher oder Kleidung wird mehrmals verwendet,
Pflegeempfänger bestimmt die Nutzung. Beratung durchführen und weiter versuchen
Hygiene umzusetzen.

Lisa Herdecker, Kolping Pflegeschule Heilbronn

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