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Goethe al s Naturforscher

V o rl e su n g en
ge h alten im Sommer Semester l 906 an
-
d er
Universität Hei d elberg

R u d ol f M ag n u s
ao . P rofessor fü r Pharmak ol ogi e

Mi t A bb il d un ge n im Te xt un d auf 8 Taf el n

80

Leipzig
V e rlag von Johann Ambrosius B arth
1 906
8p n nereci n B uch d ru cl rerei i n Lei pz i g

U UL na
Mei ner F r au
un d tr eu en Mi t arbei t e ri n
V or w ort .

Die in diesem B uche verö ffentlichten Vorlesungen


sind die Fru cht m ehrj ähri gerß esc h äfti gun g mit Goeth es
naturwissenschaftlichen Arbeiten Seit in der Weima
.

rer Ausgab e d as gesamte Materi al an gedruckten und


handschriftlich erhaltenen Aufz e ichnungen der Alige
m ei n h ei t zugänglich gemacht wurde i st ein e a u s
,

f ü h rl i c h ere Darstellung dieses Zweiges Goetheschen


Wirkens ni cht versu cht w e rd en i ch selbst ver .

danke die Anregung zu genauerem Studiu m einem


Leseab en d m i t den Freunden A v D om asz ew sk i un d
. .

Baron Uexk ull bei welchem wir di e Farbenlehre


,

durchgingen und dabei al l e zugehörigen Expe rimente


,

selbst an stel i ten Unser Erstaunen über di e Schön


.

heit der Versuche un d die Treue der Beobachtu ng


wuchs dabei ständig Darauf wurde es mir durch
.

das freundliche Entgegenkommen des Herrn Geh .

Hofrat Dr Ruland in Weimar e rmöglicht i m Goethe


.
,

Hause mit d es Dichters eign en n och wohl erhalten en


,

Apparaten sein e Versuch e zu wiederholen .

Diese durch persönlic h e Anschauung gewonnene


Kenntnis von Goethes Arbeitsweis e war Veranlassung
VI Vorwort .

zu weiterem Studium seiner Schriften So wurde es .

mir möglich im verflossenen Sommer für Hörer al ler


,

Fakultäten über Goethe al s Naturforscher zu lesen




.

An der ursprüngli chen Fassung der Ni ederschrift


i st nachträglich s o wenig wi e möglich geändert
worden Di e Form der Vorträge soil andeuten
.
,

d aß ein e bis ins Kleinste eingehende Darstellung


nicht beabsichtigt ist sondern nur d as Wichtigste
,

in möglichst allgemeinverständlicher Form h e raus


gegriffen werden sollte .

Der Entstehungsgeschichte d er Vorträge ent


sprechen d ist die auch heute immer noch nicht in
ihrer Be d eutung genügend gewürdigte Farbenlehre
i n d en Mittelpunkt gestellt Die biologischen For .

s c h un g en gehen voran die geologischen bilden den


,

Schluß B ei der Abfassung dieses letzteren Kapitels


.

hat mich Herr Professor Wilhelm Salomon in Hei del


berg mit freun d lic h em Rate unterstützt .

Herr Geh Hofrat Dr Suphan hat mir in liebens


. .

würdiger Weise die Pforten des Goethe und Schiller


Archivs eröffnet D em stellvertretenden Direktor des
.

Goethe N ati on ai m u seu m s Herrn Geh Regierungsrat


-
, .

v Goeckel bin i ch zu großem Danke verpflichtet


.
, ,

daß er di e Genehmigung zur Wiedergabe der in


d iesem Buche abgebildeten anatomischen und b o
ta n i s c h en Zeichnungen und der O ptischen i n stru
mente e rteilt hat Ebenso wie die Reproduktion
.

dieses bisher u nv erö ffen tii c hten Materi al s wird auch


Vorwort .
VII
die Abbildung des Kasseler E i efan ten s ch ä d el s un d
das T h orw al d s en sche W i d m u n gs b i att An Goethe “

manchem willkommen sein .

B ei der weitverzweigten Go eth e Literatu r ist es


-

dem Einzelnen wenn er nicht speziell Goethe


,

Forscher ist und sich mehr au s Liebhaberei i n


dieses s o vielfach durchpflügte F el d gewagt hat ,

u n m ö gi i c h
, alle bis jetzt aufged ec h en Beziehungen
zu berücksichtige n i ch werde daher a l l en Lesern
.
,

die mich auf i rrtümer oder auf Lücken aufmerksam


machen zu großem Danke verpflichtet sein
, .

H e i d e l b e r g i m September 1 906
, .

R u d olf Ma g n us .
I n hah .

Vorwort
Erste V orle sun g Einl e itu ng
. .

Z w e it e Vorl e su ng G o eth es Leb e n


.

Dri tt e V orl es ung D i e b otanisch e n Arb ei te n


:

Vi e rt e V orl e sung D i e b otanisch e n Arb eite n i l


: .

Fünfte V orl e sung D i e osteol og i s c h en u d v e rgl e i ch e n d


: n

an at omisch e n Arb e it e n i .

S e chst e V orl e sung D i e o ste ol og i s ch e u d v e rg le ich e n d


: n n

anatomisch e n Arb e ite n l l .

S i e b e nt e V orl e sun g : D i e Farb e l ehre i — P hysio l ogisch e


n .

Opti k
A c h te V orl esun g : D i e F arb e n lehr e i l P hysi k alisch e
.

O p ti k
N e unte V orlesung : Mi n eral ogi e G e ol ogi e M ete or ol ogi e
, ,

l e h te Vorl e sung : G oeth e al s N aturf orsch er


n

Literatu r
R e gis ter
E rs te Vorl es u ng .

E i n le i tu n g .

Meine Herren !
b
W e ite W elt u n d reit es L e en b
h d h b
‚ ,

L a n g e r J a re re li c S tre e n
tets g e fors c h t un d s tets g e grü n d et
,

S
N i e g e s c h l o s s e n oft g e ü n d et
,

Ä lt es t es b e w a h rt m i t T re e
, ,

F reu n d l i c h a u fg efa ßtes N eu e


,

He i t ern S i n n u n d re i n e Z w ec k e
,

N u n ! m a n k om m t s c h o ei n e S t ec k e
,

n r .

Diese Verse welche der Dichter s elbst der Ab


,

teilung Gott und Welt seiner Ge d ichte voran



gesetzt hat in welcher er seine naturwissenschaft


,

lichen D ichtungen z u sam m en faßte könn en auch wi r ,

als Motto für eine Betrachtung von Goethes natu r


wissenschaftlicher Tätigkeit n ehmen Hat er d och .

von seinen J ü n gi i n gsj ahren an fast ununterbroc h en


geforscht und gegründet Nur die Schlußwo rte Nun .
„ ,

man kommt wohl eine Stre cke werden wir als zu “

beschei d en nicht z u d en unsrigen machen : Denn wi r


haben tatsächlich i n Go ethe einen der hervorragenden
Naturforscher an d er Wen d e d es 1 8 u n d 1 9 J ahr . .

h u n d erts zu sehen der auf allen den zahlreichen


,

Gebieten die er b earbeitete sein e Stu dien mit größter


, ,

Energie betrieb und sich nie mit d ilettanti scher Tätig


keit b egnügte sondern nicht ruhte bis er sich d i e
, ,

!
M g
a G th l N t rf r h r
n u s, oe e a s a u 1
o sc e .
2 Erst e Vor le sung .

Kenntn isse und die Selbständigkeit des Fachmanns


erworben hatt e Es 5 0 1 1 gl ei ch hier zu Beginn auf
.

das schä rfste betont wer d en d aß d erselbe Mann der


, ,

uns die herrlichsten Dichtungen deutscher Sprach e


geschenkt hat sein e naturwissenschaftlichen Ergeb
,

nisse ni cht als gelegentliche Früchte d ichterischer


Phantasi e gewonnen hat son d ern stets die sorg
,

f altigsten u n d mühevollsten D etailstu d ien an stei l te ,

ehe er zu sein en oft grun d l egenden V eral l gem ei n e


ru n gen gelangte Nur ist für Goethe charakt eristisch
.
,

d aß er sich nie mit Kleinigkeiten mit unwichtigen ,

Neb ensachen abgab son d ern d aß i h n stets di e grun d


,

legen d en Hauptfragen der von ihm b earbeiteten Ge


biete interessierten S o kommt es daß von d en
.
,

Resultaten d i e er in den einzelnen Zweigen der


,

Natu rwissenschaft zeitigte vi ele geradezu die G run d


,

l age für die weitere Forten twicklung dieser Wissen


schaften gewor d en sind und d aß eine ganze Reihe
,

von wichtigen Erkenntnissen direkt auf Goethe zu


rü c k gef ü h rt werden können .

Müssen wir so d i e Energie anerkennen mit der ,

er j edesmal bemüht war in d i e Tiefe d er Erkenntnis


,

zu dringen s o ist an d rerseits die Breite seiner natur


,

wissenschaftlichen Studien erstaunlich Es ist heut .

zutage einem ein z elnen Menschen überhaupt nicht


mehr möglich Goethe in allen Zweigen seiner
,

wissenschaftlichen Tätigkeit mit vollem Verständnis


nachzugehen i c h muß daher auch ihre Nachsicht
.
Einl e it un g .
3

erbitten wenn ich diej enigen Gebi ete Goethescher


,

Forschung wel che mir persönlich näher l iegen ein


, ,

gehender vor Ihnen erörtere während i ch z B sein e


, . .

mineralogischen und geologischen Arbeiten al s Nicht


fachmann Ihnen nur in kürzerer Übersicht referi eren
kann .

Goeth e hat schon von seiner S tudi enzeit h er


Chemi e getri eb en er hat di e En twic k lung di es er
'

Wissenschaft sorgfältig verfolgt un d selbst gel eg en t


l i c h chemische Versuche angestellt Sehr vi el ein
.

gehender war seine Beschäfti gung mit physikalischen


Pro blemen Dasjen ige Werk d as Goethe selbst fü r
.
,

s ein hervorragendstes gehalten hat i st die Farben ,

l ehre für die er d as ganze Gebi et der physikalischen


,

Optik aufs exakt este d u rch ex p eri m en ti ert hat ; auch


S päterhin hat er d i e optischen Versuche fortgesetzt .

Die Physik der Atmosphäre b eschäftigte ihn lange


Jahre hindurch un d fan d ihren Abschluß in ein er
eigenen Schrift über Meteorologi e Auch as tro n o .

mische Beobachtungen blieben ihm nicht fremd Sehr .

eingehen d war sein e Beschäftigung mit Mineralogie


und Geologie Er l e gt e ausgedehnte Sammlungen
.

an verschaffte sich fachmännische Kenntn is d es


,

geologischen Aufbaus d er deutschen Mittelgebirge


un d nahm selbst Stellung zu den sich d amals be
kämpfen d en geologischen Theori en Sehen w i r ihn .

s o fast das gesamte Gebiet der anorganischen Natu r

w issenschaft en bearbeiten s o sin d ihm fas t no ch


,

.
1
4 Erst e V orle sung .

größere Erfolge bei d em Studium d er organischen


Natur beschieden gewesen Pflanzenkunde hat ihn
.

d urch viele Jahrzehnte seines Lebens beschäftigt ;


d i e mo d ern e Botanik verdankt das erste Ein d ringen
in d as Verständnis d er Pflan z enform unserem Dichter .

Eifrige zoologische Stu d ien gehen nebenher und wir ,

haben i n Goethe den eigentli chen Schöpfer der


verglei chenden Anatomie zu sehen : seine Abban d
lung über d en Zwischenkiefer ist d i e erste ver
glei chend anatomisc h e Abhan d lung Die Knochen
-
.

l ehre stu d iert er eifrig und bereiche rt sie durch


w i chtige Befun d e .Auch das Studium d er v orsi n t
fl u tl i c h en Tiere nach ihren knöchernen Überresten
gewinnt sein Interesse Dabei bleiben diese F orsc hu n
.

gen nicht auf d i e Säugetiere beschränkt auch Vögel , ,

Fische j a die Wirbellosen werden i n den Kreis der


,

Beobachtung hineinge z ogen Aus all d iesen Unter


.

su chungen hat dann Goethe d i e Lehre von d er Ge


sta l t der organisierten Wesen d i e Morphologie als
, ,

eigen e Wissenschaft z usammengefaßt un d begrün d et .

Doch auch hiermit ist der Kreis seiner Interessen


n icht erschöpft Neben der Form interessiert ihn
.

d as Funktionieren der l eben d en Gebil d e die Physio ,

l ogie Er studiert das Leben d er Insekten b eob


.
,

achtet Entwicklung u n d Bewegung d er Infusions


tiere experimentiert über den Einfluß der Wärme
, ,

d es Lichts und andrer Be d ingungen auf d as Pflanzen


wachstum Einen wichtigen Zweig d er Physiologie
.
Einl e i tu ng .
5

hat er aber geradezu selbst begründet d as i st die ,

physiologische Optik ! Ich w erde Ihnen später au s


ei n an d erz u setz en haben daß d i e gru ndlegen de Be
,

deutung der G oetheschen Farbenlehre weniger i n


i hrem physikalischen als in ihrem physiologisch en
Teil liegt un d daß die physiologische Opti k d es
,

1 9 Jahrhunde rts sich i n direktem Anschluß an die


.

Goethesche Farbenlehre entwi ckelt hat So sehen .

wir Goethes Geist den gewaltigen Umfang der Natur


gan z umfassen .

Der Dichter hat auf fast all en Gebi eten die er ,

b earbeitete zunächst seine Forschungen durchaus


,

selbstän d ig begonnen ; war er aber z u wichtigen E r


g e b n i ssen gelangt so suchte er den Anschluß an
,

die gleich z eitigen Fachgelehrten und es hat ihn ni chts


,

s o sehr gekränkt u n d erbittert als d aß er fast j edes


,

mal von diesen ni cht anerkannt und zurückgewiesen


wurd e Später d rangen dann in den m eisten Fällen
.

d i e Goetheschen Ideen durch un d s o fin den wir ihn


,

d enn in den l etzten Jahrzehnten sein es Lebens i n


regem persönli chen und bri efl ichen Verkehr mit den
hervorragendsten G elehrten sein er Zeit E s kam .

s ch i eßi i ch dazu , daß d i e Fäden fast der ganzen


naturwissenschaftlichen Welt i n Weimar zusammen
l iefen und Goethe nach allen Seiten hin in regem
Ge d ankenaustausch stand Mit Alexan der v Hum
. .

bol d t verbanden ihn schon frü h anatomische S päter ,

botanische Interessen Der Anatom Lo d er in Jena


.
6 Erst e V or le sung .

i st anfangs Goethes Lehrer u n d auch später nach,

dessen Übersiedlung nach Moskau wird der Ver


kehr bri eflich fo rtgesetz t Mit S ö m m eri n g d em her ,

v orrag en d en Anatomen i n Kassel später am Senken ,

b erg sch en i nstitut in Frankfurt steht Goethe in ,

fortgesetzter Verbindung Sein e B e z iehungen zu Gall


.
,

d em Phrenologen un d G eh i rn an atom en wer d en wi r ,

noch zu erörtern haben Der Chemiker D ö bb erei n er


.

in Jena noch h eute als der Erfin d er d es b ekannten


,

F eu erz eu g es genannt muß Goet h e in alien Fort


,

schritten d er Chemie d urch Mitteilungen und Ex p e


ri m en te auf dem laufen d en erhalten Von dem .

Meister der modernen Chemie Berzelius sin d ver


sc h ieden e Briefe an Goet h e er h alten D er Botaniker .

v Martius in München u n d eine Reihe von an d ern


.

zeitgenössischen Botanikern ste h en in regem Brief


wechsel mit Weimar D A l ton in Bonn u n d Carus
.

i n Dresden beide vergleichen d e Anato men berichten


, ,

regelmäßig über ihre wissenschaftlichen Fo rtschritte


an Goethe u n d dieser teilt ihnen wi eder die eigenen
,

Forschungen Ideen u n d Zeichnungen mit Ein um


, .

fassender Bri efwechsel wurde mit dem Grafen Kaspar


Sternberg besonders über mineralogisc h e u n d p al ä
ontologische Probleme gefüh rt und auch mit Leonhard , ,

der später Professor der Mineralogie an der Heidel


berge r Universität wurde verbanden Goethe per,

s ö n l i c h e und bri efliche Beziehungen Wenn man .

diese zahlreichen u n s erhaltenen Briefe durchmustert ,


E inl eitu ng .
7

so S pricht aus ihnen allen die ti efe Bewunderung


und Ehrfurcht ni cht nur vor Goethes Persönlichke it ,

sondern auch vor dem Ernst und der B edeutung


seiner wissenschaftlichen Bestrebungen .

Nun fiel Goethes Leben allerdings auch in ein e


Zeit in der die Naturwissenschaften ein e ganz un
,

geahnte Entwicklung erlebten A l s er geboren wurde


.
,

b ef an d ed s i e si ch mit wenig Ausn ahmen in ein em


ziemlichen Ti efstand ; al s er starb hatten s i e ihren ,

Siegeszug als moderne Naturwissenschaften ange


treten d er bis auf den heutigen Tag nicht aufge
,

hört hat Goethe h at als j unger Mann n och al chi


.

m i s ti sc h e Stu d ien getri eben am En d e seiner Tage


,

ab er die n euere Chemie b ereits al s einen stolzen


Bau aufgeführt gesehen Als er sein e botanischen
.

Studien begann herrschte n och absolut das starre


,

System Linnés als er sie abschloß war zum Teil


, , ,

auf Grund seiner eigenen Arbeiten d i e n euere wissen ,

sc h aftl i ch e Botanik im Entstehen ; und s o war es auf

fast allen Gebieten des N atu rgan z en .

Das bisher Besprochen e bildet aber nur d i e ein e


Seite dessen was uns hier interessiert Wir haben
, .

es nicht allein mit der Schilderung eines d er großen


Naturforscher zu tun Es wür d e wi e ich glaub e
.
, ,

nieman d em einfallen eine eigene Vorlesung etwa


,

über Cuvier Faraday oder selbst Helmholtz vor


,

einem allgemein gebil d eten Hörerkreis zu halten .

Was uns hier interessiert i st daß eb en G o e t h e


, ,
8 Erst e Vorl e sung .

d ieser Natu rforscher gewesen ist d aß in d em Leb en


,

d es Mannes der uns d en Werther den Faust den


, , ,

Wilhelm Meister geschenkt hat die Naturwissen ,

schaft en eine solche große Rolle gespielt haben .

U n d in der Tat ist d i e Berücksi chtigung dieser


wissenschaftlichen Beschäftigung Goethes zum Ver
s tä n d n i s seines Gesamtbildes und seiner E n tw i c k

lung unumgänglich n otwen d ig Es haben daher die


.

G oeth eb i ograp h en auch in n eu ererZ ei t immer größeren


Wert auf d iese Seite seines Geistes gelegt Man muß .

aber im allgemeinen wo h l sagen d aß d i e Kenntnis ,

von Goeth es wissensc h aftlichen Bestrebungen l ange


nicht in d em Maße Gemeingut aller Gebildeten ge
worden ist als es für ein e richtige Wür d igung des
,

Dic h ters wünschenswert wäre und wir werden im


,

Verlauf dieser Stun d en sehen wie vielfältig d i e natur


,

wissenschaftlichen Bestrebungen alles was G oethe ,

d enkt tut u n d d ichtet durch d ringen und be d ingen


, , .

Wir wollen in d ieser Einleitung d i e Frage wie i n ,

Goethes Persönlichkeit d e r Dichter und der Natur


forsc h er zusammenhängen nur kurz streifen um sie
, ,

d ann ein zweites M a l zu erörtern wenn wir von ,

Goethes Forschungen Näheres erfahren haben Schon .

j etzt aber s ei darauf hingewiesen d aß das Zusammen


,

treffen von künstlerischer und naturwissenschaftlicher


Betätigu ng bei ein und demselben individuum gar
nicht so selten vo rzukommen scheint Um mit ge .

ri n ge ren Beispielen zu beginnen s o erinnere ich Sie


,
10 Erst e V orl e sung .

gen Aufenthalt in Florenz einem Vortragszyklus bei


z u w oh n en welcher in der Societ a Lionar d o da Vinci
,

über d en italienischen Meister gehalten wurde Wenn .

i ch Ihnen nun ganz kurz aufzä h le was da über ,

L i on ard os Be d eutung als Arc h itekt Anatom und ,

Biologe gesagt wur d e so werd en Sie ohne weiteres


,

d i e auffallen d e Ähnlichkeit in d er Betätigung b eider


Männer erkenn en .

Lionardo hat als Baumeister nicht nur n eue


künstlerische Gesichtspunkte entwickelt son d ern ,

auch konstruktive u n d technische Forts chritte an


gebahnt Er legte dem Florentiner Rat einen ge
.

nauen Plan vor wi e man d as Baptisterium S Gio


, .

vanni d as z iemlich tief in der Er d e steckt als


, ,

Ganzes ohn e es zu verletz en heben und auf ein n eues


, ,

Fun d ament steilen könne Er galt als d er erste .

Wasserbaumeister seiner Zeit und sein e Pläne zur ,

Kanalisation der Poeb ene und T osk an as sind Ideale ,

welche bis heute noch nicht erreicht wor d en sin d .

Von ihm stammt d i e Idee einer völligen Reform des


Stä d tebaus i n der Weise d aß je d e Stadt z w ei von
,

einander unab h ängige Systeme von Straßen besit z en


soll von denen eine nur für Fußgänger di e andere
, ,

für Wagen und Güterverkehr dient jedes Haus aber ,

von beiden Straßenzügen zugänglich sein s ol l Nur .

Edinburgh besitzt meines Wissens Andeutungen


einer derartigen Bauart A l s Festu n gs i n gen i eu r be
.

s aß Lionardo in ähnlic h er Weise übrigens wie auch


,
E in le itung .
1 l

Michelangelo weitverbreiteten Ruf ; di e Zitadelle von


,

Mailan d ist von ihm erbaut worden Er galt al s .

einer der he rvorragen d sten Arti lleristen der Ge ,

s c h ü tz k on stru k ti on en erfand un d die G es c h oßb ah n en

berechnete Auch al s Mathemati ker ist er s einer


.

Zeit wei t vorausgeeilt E rst in n euerer Zeit ist


.

bekannt geworden daß wir in Lionardo den


,

eigentlichen Begründer der modernen menschlichen


Anatomie zu sehen haben Während bisher Ve sal
.

diesen Ruhm b esaß hat sich j etzt ergeben daß


, ,

Lionardo schon me h rere J ah rzehnte früher sein e


Sektionen menschlicher Leichen ausgeführt un d
deren Resultate in wunderbaren Zeichnungen nieder
gelegt hat zu den en er einen eingehenden wissen
,

schaftlichen erklärenden Text gab Die einzige .

Frage welche heute noch diskutie rt wird ist ob


, , ,

Vesal von diesen Arbeiten Li on ard o s Kenntnis hatte ,

und also des Plagiats schuldig ist o d er ob er selb ,

ständig die gan z e Anatomie n och einmal ent d eckt


hat Auch vergleichend anatomische Studien hat
.

Lionardo angestellt Er vergli ch beson ders den


.

Aufbau des Menschen mit dem des Pferdes und ,

legte sich die Frage vor inwieweit durch di e ver


,

schiedene Körpergestalt u n d di e verschieden e


Funktion der Unterschie d in der Anordnung von
Knochen un d Muskeln bei b eiden Wesen bedingt
sei Daneben treffen wi r b ei Lionardo auf ein
.

gehen d e Beschäftigung mit physiologi schen Pro


12 Erst e Vorl e sung .

b l em e n Er stu d ierte d en auch heute noch nicht


.

aufgeklärten Vogelflug Er stellte Untersuchungen .

über die Bewegungen d e s Blutes an und er scheint


der Erste gewesen zu sein der die Probleme d es ,

tieri schen Stoffwechsels klar erkannt und formuliert


h at Allgemein b ekannt ist daß er opti sche Studien
.
,

betrieb en u n d Forschungen z u r Farbenlehre an


gestel lt hat So fin d en wir denselben Künstler der
.
,

d i e Mona Lisa u n d d as Ab endmahl schuf al s ,

Techniker P h ysiker Anatom u n d Physiologe


, ,

tätig Wenn Sie nun d as vergleichen was ich


.
,

Ihnen vorhin über Goethes naturwissenschaftliche


Wirksamkeit gesagt habe wer d en Sie l ei cht d i e ,

überrasc h en d e Ähnlichkeit in d er Geistesart bei d er


Männer erkennen Freilich war Lionar d o Bil d ner
.
,

Goethe Dichter aber auch hier ist d er Unterschied


,

kein so durchgreifender als es auf d en ersten Blick ,

scheint Goethe selbst hat in einem kurze n Aufsatz


.
,

anknüpfend an eine Bemerkung in Hei n roths Anthro


p o l o g i e ausgefüh
, rt d a ß für seine
, Geistesart die
Fähigkeit zu anschaulichem Denken charakteristisch
s ei ,
d a er das Vermögen besitze sich alle Dinge , ,

alle Vorgänge alle Menschen über die er nach


, ,

d enke und die er dichte in je d em Augenblick s o ,

plastisch vorzustellen daß er si e gleichsam vor


,

seinem inneren Auge erscheinen sehe So operiert .

Goethe beim Dichten und beim Forschen immer


mit optischen Vorstellungen und es ist ohne weiteres ,
Ei nl e itu ng .
13

klar wi e ihm d as beim wissenschaft lichen Arbeiten


, ,

wie für die unmittelbare Anschaulichkeit sein er


Dichtungen zustatten kommen mußte Sehen wir .

hier den Poeten von der Eigenschaft d es Natur


forschers Gebrauch machen so wird auf der
,

andern S eite auch der Forscher Goeth e durch


die dichterischen Qual itäten unterstützt Kein ge .

ri n ge rer als Helmholtz hat darauf hingewiesen daß ,

jeder Naturforscher der mehr l eisten will al s


, ,

d i e einfache nackte Aufzählung der von i h m b e


ob ac hteten Ers cheinungen der die Naturphänomene
,

b egreifen und z u einem übersichtli chen und ver


s tä n d l i c h en Ganzen zusammenfassen will etwas vo n
,

der schöpferischen Phantasie d es Künstlers n ötig


hat un d so sehen wir wie sich auch bei Goeth e
, ,

d iese b eiden Eigenschaften gegenseitig ergänzen u n d


durchdringen : vom Natu rforscher die Fähigkeit
gegenständlichen Denkens vom Dichter die schöpfe
,

rische Phantasie ; und wir finden daher sowohl in


d en natu rwissenschaftlichen Werken i mmer den
gan z en Goethe wi e in seinen Dichtungen So be
, .

wundern wir in seinen wissenschaftli chen Abband


lungen neben der Exaktheit der Forschung und d er
Klarheit des Gedankens auch d i e Schönheit der
Darstel lung und so fin d en wi r auch in Goethes
,

Dichtungen n eben d er höchsten poetischen Voll


endung di e außeror d entliche Anschauli chkeit der
d argestellten Menschen und Han d lungen un d d i e
14 Erst e Vorle sung .

Treue i n der Wiedergabe der menschlichen Art und


der Natur Auch Goethes Dichtungen kann man
.

erst ganz wür d igen wenn man den naturwissen


,

s chaft lichen Einschlag in ihnen bewußt oder unbe


w u ßt mit in Rechnung zieht .

Bis i n d i e 8oer Jahre des vorigen Jahrhunderts


war man für d i e B eurteilung von Goethes natur
wissenschaftlicher Tätigkeit im wesentlich en auf
diej enigen Aufsätze angewiesen wel che er selbst ,

i n seine Werke einschließlich der nachgelassenen


,

Schriften aufgenommen hatte und welche hier ein


, ,

ziemlich wenig beachtetes Dasein fristeten In Wirk .

lichkeit ist der Umfang seiner naturwissenschaft


li chen Werke ein wesentli ch größerer Schon zu Leb .

zeiten von Goethes Enkeln haben d iese sein e natur


wissenschaft liche Korrespon d enz in einer Reihe von
Publikation en veröffentlichen lassen Nach ihrem .

To d e wurde Goet h es vollstän d iger Nachlaß der All


gemeinheit zugänglich und es ist nun auf Grund
,

d ieses jetzt i m Goethe und S c hil l erarch i v befind


lichen Materials die Gesamtheit von Goethes natur
wissenschaftlichen Aufzeichnungen al s 2 Abteilung .

der großen Weimarer G oeth eau sgab e in 1 3 sta tt


l ichen Bänden veröffentlicht w e rd en welche j etzt ,

nahe z u vollstän d ig vorliegen Erst dadurch wurde


.

es möglich ,
einen wirkl ichen Einblick i n Goethes
Forschungen zu gewinnen Hier sind nicht nur die
.

j g
e n i e n Schriften abgedruckt welche , er selbst ver
Ei n le itu ng .
15

hat sondern eine Füll e noch ungedru ckten


ö ff en tl i ch t ,

Materials ; Aufsätze Entwü rfe erste S päter verwo rfen e


, , ,

Fassungen Notizen Aufz eichnungen un d Versuchs


, ,

protokolle hingeworf ene Ideen zu S päteren Arb eiten


, ,

kurz um alles was Go ethes Geist in diesen Fragen


,

b ewegt hat und w as er der Aufzeichnung für wert


erachtete Dadurch i st d i e Übersicht über Goethes
.

naturwissenschaftliche Forschungen wesentlich ver


ti eft un d erweitert un d wir könn en erst j etzt die
,

Füll e desj enigen e rm essen w as ihn al l es beschäfti gt


,

hat Nicht minder wichtig ers cheint aber daß


.
,

si ch aus seinen ku rzen Notizen und Protokollen


ein klarer Einbli ck in die Art gewinn en läßt wi e ,

er wissenschaft lich arbeitete wie b ei ihm die Pro ,

b l em e sich entwickelten angepackt u n d gelöst wurden


, ,

wie ihm sein e Resultate durchaus nicht spielend


zufiel en sondern in ernster mühevoller und oft ent
, ,

täuschender Arbeit errungen werden mußten Indem .

wir so i n di e Werkstätte des Forschers einen Ein


blick tun könn en wi e d as vi elleicht bei keinem
,

andern Natu rforscher mit glei cher Deutlichkeit mög


l i ch ist gewinnen wir zugleich von einer n euen
,

Seite her ein p ersönliches Verhältnis zu Goethe und


sehen seine reifen Arbeiten aus ihren ersten An
fängen her entstehen und sich entwickeln .

Außer dem han d schriftlichen Nachlaß haben


Goethes Enkel das Haus ihres Großvaters mit
seinem gesamten Inhalt der Nation vermacht un d ,
]6 Erst e Vorl e sung .

hier fi ndet sich nun noch w ohl erhalten neben den


zahlrei chen anderen Sammlungen auch al l es was ,

von den naturwissenschaftlichen Studien her von


Goethe d er Aufbewahrung wert erachtet wurde .

Hier ruht in umfangreichen Schränken seine ge


w al ti ge mehr a l s 1 8 000 Nummern umfassen d e Mine
,

ral i en s am m l u n g w e l c h e Stücke von gan z hervor


,

ragender Schönheit u n d Seltenheit enthält Hi er .

sieht man Skelette und Schä d el an d enen Goethe ,

vergleichen d anatomische Stu d ien gemacht hat .

Hier finden sich zahlreiche physikalische besonders ,

elektrische Apparate mit denen er für sich un d


,

bei seinen Vo rträgen e x p erimentierte Hi er ist vor .

allen Dingen i n ganz überraschen d er Reichhaltigkeit


al l es erhalten ,was er zu seinen optischen Stu d ien
verwen d et hat : Prismen Spiegel Polarisations , ,

apparate F l i n tgl asstü c k e farbige Papiere u n d


, ,

Seiden u n d a l l e d i e an d ern Dinge w el ch e bei d en


, ,

i n d er Farbenlehre beschrieben en Experimenten zur


Verwen d ung kamen liegen noc h heute z u m Teil
,

in denselben Papieren i n w el che Goethe s i e ein


,

gewickelt hat in d en Schränken des G oetheha uses


, ,

un d es gewährt wie ich Sie aus eigener Erfahrung ver


,

sichern kann einen eigentümlichen Reiz an d ieser


, ,

geweihten Stätte mit Goethes eigenen Apparaten seine


Versuc h e nac h zumachen u n d sich zu überzeugen ,

mit welcher Exakt h eit er beobachtete mit weicher ,

anschaulichen Treue alles was er bei seinen Ver ,


Z w ei te Vorl esung .

G o eth e s L eb en .

Meine Herren ! Wir wollen j etz t b eginnen den ,

R ahmen zu en twe rfen in d en wir später Goethes


,

naturwissenschaftliche Leistungen in E i n z el d arstel


lungen einfügen wollen Wir wollen sein en natur
.

wissenschaftlichen Entwicklungsgang kennen lern en


und sehen wi e sich d i e verschie d enartigen Stu d ien
,

und Beschäft igungen i n sein en Lebenslauf ver


flochten haben Es soll das zunächst nu r eine ganz
.

o b erfl ä ch l i c h e S k izze wer d en d i e näheren Details


,

wer d en wir später nachzutragen ausreichend Ge


I egen h eü haben .

A u s Goethes Kindheit erfahren wir nur wenig


über Berühru ng mit natu rwissenschaftlichen Dingen
und er selber hat bei der Schilderung seines Ent
w i c k l u n gsg an g es auf diese kin d lichen Anfänge nur

geringen Wert gelegt In eigentliche Berührung


.

kommt er mit d er Naturwissenschaft erst auf der


Universität 1 7 65— 68 fin d en wi r ihn al s Studiosus
.

der Rechte in Leipzig Aber schon hier beschränkt


.

er sich keineswegs auf d as Fachstudium Außer .

den vielen andern Interessen d i e er in der Leip z iger


,
Go e th e s Le b e n .
19

Zeit pflegt studiert er auch Physik und hört be


,

sonders Elektrizitätslehre bei Winkler In näherem .

Verkehr steht er mit mehreren M ed i z i n em unter ,

den en Erhardt Kapp der S päter berühmte Arzt der


, ,

auch Go ethe zu seinen Patienten zählte genannt ,

sein möge Au ch b ei dem Mittagstisch d es Medi


.

z i n ers und Botanikers Lu dwig an dem er tei ln ahm , ,

mögen zahlreich e Anregungen auf ihn eingewirkt


haben Dann erkrankt er an j enem rätselhaften
.

Leiden dessen Natu r bis heute noch nicht aufge


,

klärt ist E r kehrt nach Fran kfurt zurück und macht


.

ein l ängeres Krankenlager in s einem Elternhaus


durch Hier wird er durch den Einfluß der schönen
.

Seele des Frl v Klett enberg u n d seines A rztes auf


, . .
,

alchimistische Studien gebracht Er studiert und .

experimentiert mit Retort en un d Kolben u n d liest


auch i n jener Zeit neben den Werken des Paracelsus
d as chemische Kompendium un d di e Aphorismen
B oerh av es des berühmten K l i n i k ers dessen An
, ,

s ch au un g en und Lehren damals die gesamte me d i

z i n i s ch e Wissenschaft beherrschten Auf jen e Stu d ien .

haben wir wohl di e alchimistischen Reminiszen z en


in Fausts Osterspaziergang zurückzuführen in denen ,

die Darstel lung der A rz en ei in der phantasti sch


symbolischen Sprache j ener Wissenschaft aus d em
„ roten Leu und d er Lilie geschil dert werden



.

1 7 70 und 7 1 stu d iert Goethe i n Straßburg und

er gerät daselbst in den Kreis anregender Männer ,

.
2
20 Zw eit e V orl e sung .

teilweise wie d er Me d i z iner d i e er uns in Wahrheit


,

u n d Dichtung so anschaulich geschil d ert hat Er .

erwähnt dabei daß nach seinen Erfahrungen d i e


,

Medi z iner d i e einzige Klasse von Stu d ierenden seien ,

wel che si ch für ihr Fach so interessieren d aß sie ,

auch außerhalb des Kollegs davon zu sprechen


pfl egen I n d ieser fach si m p el n d en Gesellschaft
.

hat nun Goethe nach sein er eigenen Angabe eine


Menge medi z inischer u n d naturwissensc h aftlicher An
regungen erfahren Aber er begnügte si ch d am i t n i cht
.
,

sondern hörte auch eifrig Vorl esungen so Chemie ,

b ei Spielmann d er z uglei ch Professor der Botanik


,

u n d Lehrer am botanischen Garten war Anatomie ,

beim berühmten Anatomen Lobstein ja er be , ,

suchte die Klinik d es älteren Ehrmann und h örte ,

w as heutzutage einem Juristen wohl schwerlich er

l au b t sein d ü rfte sogar Geburtshilfe beim jüngeren


,

Ehrmann .

Di e Straßburger Zeit ge h t vorüber ; er kehrt nach


Frankfu rt zurück ; die Wetzlarer Periode folgt Wir .

stehen in der Zeit von Goethes Sturm und D rang .

Werther und Götz werden geschaffen und begründen


den Ruhm d es Dichters I n d iesen Jahren hören wir
.

von naturwissenschaftlic h en Bestrebungen Goethes


nur wenig Sie treten hinter den übrigen mächtigen
.

Interessen d es jungen Genies zurück Das einzige .

E rwähnenswerte aus j ener Zeit ist die Bekanntschaft


mit Lavater der damals die physiognomischen
Go eth e s Le b e n .
21

Fragmente herausgab für di e sich Goethe alsbald


,

aufs lebhaft este interessi erte Er hat dann an dem


.

Werk mitgearb eitet einzeln e ku rze Beschreibungen


,

zu Köpfen berühmter Männer un d auch zu Tier


köpfen gegeben u n d wur d e von Lavater n ach d rü c k
l i ch st auf d i e knöchern e Grun d lage d es Gesichtes ,

den Schädel hingewiesen So kn üpfen die Anfänge


.

von Goethes osteol og i sch en Studien an die Le h re


vom G esichtsausdru ck an an d i e Frage wie man
, ,

Art un d Charakter eines Menschen aus den Gesi chts


zügen ablesen könne und durch welche anatomischen
u n d psychischen Faktoren di e Physiogn omie besti mmt

werde Daran schloß sich ein e eifri ge K orres p on


.

denz über osteol ogi sch e Fragen mit seinem Freund


Merck i n Darmsta d t .

Im November 1 7 7 5 tritt d er Umschwung in


Goethes Leben ein Er fol gt der Einladung des
.

Herzogs von Weimar u n d binnen kurzem finden wir


,

ihn als Freun d C arl Augusts dann al s l eitenden ,

Minister i n dem kleinen mitteldeutschen Herzogtu m .

In d i e ersten Weimarer Jahre fallen nun die ent


scheiden d en Anfänge i n ten si v erß eschäfti gu n g Goethes
mit den Naturwissenschaften un d zwar gi ngen die
,

Anregungen hierzu zu einem gewissen Teil au s von


den dienstlichen Beziehungen mit den verschieden en
Ressorts seines Ministeriums Durch di e B esch äfti
.

gung mit Land und Forstwissenschaft wurde er auf


Botanik durch die Notwendigkeit den i lmenauer
, ,
22 Zwe it e V orl esung .

Bergbau wie d er zu b el eben auf Mineralogi e und


,

Geologie hingewiesen u n d sc h on 1 7 7 7 fin d en wir


,

ihn auf der Harzreise 1 7 80 auf d er S chw ei z errei se


,

mit eifrigen geologischen Studien beschäftigt Schon .

damals mußte er si ch auch mit d en naturwissen


schaftli chen Ins tituten der Universität J ena befassen ,

d enen er sein ganzes Leben hindurch von d a ab !

sein leb h aftes Interesse und seine Arbeitskraft ge


wi d met hat Anfangs stan d Goethe mit diesen
.

naturwissenschaftlichen Bestrebungen in Weimar


allein Nur der Hofapotheker Buch h ol z hatte ä hn
.

l iche Neigungen Von diesem erfuhr Goethe die


.

n eueren Fo rtschritte der Physik un d Chemie und ,

da Buchholz nach d er d amaligen Sitte in dem Garten


seines Hauses si ch d i e offi z i n el l en Pflanzen für
sein e Apot h eke selber zog und auch andre Pflanzen
kultivi erte s o lernte Goet h e auf d iesem Wege
,

auch vieles über Botanik u n d Pflan z en z ucht Erst .

1 7 80 gelang e s ihm d en Herzog für d i e Natur


,

wissenschaften zu interessieren Er wird ihn ver .

m u tl i ch bei ihrer gemeinschaftlichen S c hw e i z erre i s e

immer wieder auf die interessanten P hä n om e der


großa rtigen S chw ei z ern atu r hingewiesen haben Vier .

Jahre später aber hat er bereits die ganze Weimarer


Gesellschaft und den Hof in den Bannkreis seiner
n atu n v i s s e n sc h aft l i c h en Bestrebungen hineingezogen .

Wie weit d as damals ging ersehen wir aus einem


,

an Körner gerichteten Brief Schillers welcher im ,


Go et h e s Le b e n .
23

Jahre 1 7 87 während Goethe i n Italien weilte nach


, ,

Weimar gekommen war u n d dort Goethes Einfluß


fortwirkend vorfand Hören wir Schil ler selbst :
.


Goethes Geist hat al l e Menschen d i e zu seinem ,

Zirkel zählen gem od el t Eine stolze philosophische


, .

Verachtung aller Spekulation und Untersu chung mit


einem bis zur Affektation getrieb enen Att achement
an di e Natur ein e Resignation i n seine fünf Sinne
, ,

kurz eine gewisse kindliche Einfalt der Vernunft be


zeichn et ihn un d seine ganze hiesige Sekt e Da .

sucht man lieber Kräuter un d treibt Mineralogi e al s ,

daß man sich in leere Demonstrationen v erfi nge Di e .

Idee kann ganz gesund und gut sein aber man ,

kann auch vi el übertreiben .


1 7 8 1 beginnt nun Goethe wi eder anatomische


Studien un d zwar läßt er sich von Loder in J ena
,

acht Tage lang an zwei Leic h en Knochen und


Muskellehre demonstrieren Die hierdurch wieder
.

aufgefrischte Kenntnis der menschlic h en Anatomie


macht er d ann sofort praktisch nut z bar und hält in
Weimar für die Schüler d er Zeichenschule anato
mische Vorlesungen um sie in das Verstän d nis d er
,

menschlic h en Form ein z uführen Diese anatomischen


.

Stu d ien werden nun zunächst n icht wieder abge


b ro c h en u n d schon d rei Jahre später hat Goeth e
sein e erste wissenschaftliche Abhandlung vollendet ,

d en Aufsatz über d en Zwischenkiefer d essen B e ,

d eutung weit darüber hinausgeht d aß er d as Vor


,
24 Zw e ite V orl e sung .

h an d en sei n d i eses
Knoc h ens auch beim Menschen
nachwies d er vielmehr als die erste wissenschaft
,

liche verglei chen d anatomische Abhandlung an z u


sehen ist Trotzdem wurd e sie wie später näher
.
,

zu schil d ern sein wird von den Fachgeleh rten ab


,

gelehnt u n d erst allmählich brachen sich die in ihr


n iedergelegten Erkenntnisse Bahn Goethe wurd e .

aber durch diesen Mißerfolg so verstimmt d aß er ,

weitere anatomische Publikationen zunächst unter


l ieß I n j ener Zeit setz te er außerdem di e geo
.

logischen Stu d ien fort 1 7 84 auf der d ritten Harz


.

reise 1 7 85 in Karlsbad gewinnt er wichtige neue


,

Erfahrungen .

Im folgenden Jahre schüttelt Goethe die d rücken d e


Last d er Weimarischen Enge mit all ihren beruf
l ichen u n d gesellschaftlichen Verpflichtungen von
si ch Er flieht nach Italien u n d erlebt in d iesem
.

Lande eine menschliche und künstlerische Wieder


geburt Auf d iesem z weiten Höhepunkt seines d ichte
.

rischen Schaffens als er Egmont vollendet iphigenie


, ,

umarbeitet d i e be d euten d sten Teile d es Tasse d ichtet


, ,

hat er nun interessanterweise auch gleichzeitig einen


der wichtigsten natu rwissenschaftl ichen Fortschritte
gemacht Es wird gelegentlich behauptet daß Goethe
.
,

seine natu rwissenscha ftlichen Studien hauptsächlich


in den Jahren mangel n d er poetischer Produktivität
getrieben habe ; für die botanischen Entdeckungen
d er italienischen Reise gilt d ies zweifellos nicht Er .
26 Z we it e Vorl e sung .

Vi elseitigkeit sein er Tätigkeit möge kurz aufgezählt


werden was er schon im Ja h re 1 7 90 al l es getrieben
,

hat Da wurde die Sc h rift über d i e P fl an z en m eta


.

morphose vollendet da brachte er bei der Bet t ach


,

tung eines gesprengten S ch afsch ä d el s am Lido di e


Wirbeltheorie d es Sc h ä d els über d i e er schon früher
,

nachge d acht hatte z u m Absc h luß da schri eb er


, , ,

währen d er sich mit den Truppen d es Herz ogs im


s chlesischen Lager b efand inmitten d es militärischen
,

Trubels d en Versu ch übe r d i e Gestalt d er Ti ere ,

und in demselben Jahre begann er ausgehend von ,

einer Untersuchung d es malerischen Kolorits seine ,

optischen Stu d ien und glaubte nach kurzer Zeit ge


,

funden z u haben Newtons Hypot h ese von d er Zu


,

s am m e n s etz u n g des weißen Lichtes aus farbigem sei

falsch Diese O ptisc h en Arbeiten nehmen von d a an


.

immer mehr sein Interesse gefangen und 20 Jahre ,

l an g forscht u n d experimentiert er bis im Jahre 1 8 1 0,

ein vorläufiger Abschluß erz ielt ist und sein e Farben


lehre der Öffentlic h keit übergeben werd en kann In .

d emselben Jahre 1 7 90 ist er w ieder in größerem


, ,

M aßs tab e für d i e U n i v ers i tä t j en a tätig deren Museen ,

ve rvollständigt und erweitert werden Jet z t u n d in .

späteren Jahren i st es sein e Hauptsorge d iese Samm ,

lungen d urch Gesc h enke zu vergrößern und dafür


zu sorgen daß auch von andrer Seite reichlich Zu
,

wendungen gemacht werden Auch d i e Anlage d es .

botanischen Gartens in Jena fällt in diese Zeit .


G oe th e s L e b e n .
27

Zwei Jahre S päter fin d en wir Goethe i m Feld .

Er begleitet d i e Truppen d es Herzogs auf ihren


Märschen mit d er preußischen Arm ee unter dem
Befehl des Herzogs von Braunschweig nach Frank
reich hin ein u n d erlebt das hoffnungsfreu d ige Vor
dringen die unrühmliche Kanonade von Valmy und
,

den schwierigen und gefährlichen Rückzug d es


Heeres den er uns i n seiner Campagn e i n Frank
,

reich so anschaulich geschildert hat Als Reise .

Iektüre in die Strapaz en d es Feldzuges begleitet i h n


charakteristischerweise Oehlers physikalisches Lexi
kon Unausgesetzt beobachtet er während d es M ar
.

sches di e Naturphänomen e studiert Li c htb rec hu n gs


,

erscheinungen in klaren Gewässern und d es Abends ,

beim Wachtf eu er mit dem Prinzen Reuß auf u n d


,

ab gehend do z iert er d iesem zu dessen höchstem


,

Erstaunen nicht etwa künstlerische oder politische


Anschauungen son d ern sein e neuesten Ergebnisse
,

über di e Farb enlehre Di ese optischen Stu d ien wer


.

den auch später bei der Belageru ng von Mai nz fo rt


gesetzt Nach d er Rückkehr aus Frankreich geht
.

Goethe den Rhein hinunter un d besucht bei D ü s s el


d orf seine Freunde Jacobi i n P em p el fort Bei d er .

Schilderung dieses B esuchs tritt uns so recht an


sch au l i c h entgegen was er sein gan z es Leben hin
,

d urch immer wieder erfahren mußte d i e völlige ,

Verständnislosigkeit u n d d as mangelnde An erkennen


von Goethes Freun d e n seinen naturwissenschaft
28 Zw e it e Vorl esung .

l ichen Stu d ien gegenüber Man wollte immer nur


.

d en Dichter Goethe gelten lassen betrachtete d i e ,

n atu n v i s s en s c h aft l i c h en Forschungen als ein Ab


trü n n i gw erd en von seinem eigentlichen Beruf und

konnte durchaus nicht begreifen d aß für ihn di e ,

Naturphänomen e zeitweise von größerer A n z i eh u n gs


kraft u n d Be d eutung waren al s alle dichterischen
Vorwürfe Dieselbe Bitterkeit d i e hier d en Freun d en
.
,

gegenüber laut wird hat Goet h e auch gegen die


,

Zunft der Fachgelehrten gefühlt u n d ausgesprochen ,

wel che gewöhnlich seinen wissenschaftlichen Werken


bei ihrem Erschein en ablehnen d ja feindlich gegen ,

überstanden Zahlreiche harte Wo rte sind darüber


.

aus seinem Mun d e gefallen un d er hat zweifellos,

unter der mangeln d en Anerkennung seiner natur


wissenschaft lichen Bestrebungen mehr gelitten als
u nter der Verständnislosigkeit auf d i e seine Di cht ,

werke zeitweise stießen Noch im Jahre 1 83 1 schrieb


.

er darüber : Seit länger als einem halben Jahrhundert


kennt man mich i m Vaterlan d u n d auch wohl aus


w ä rts al s Dichter und läßt mich allenfalls für einen

solchen gelten ; d aß ich aber mit großer A u fm erk


s am k e i t mich um die Natur in ihren allgemeinen

physischen u n d organischen Phänomenen emsig be


müht und ernstlich angestellte Betrachtungen stetig
und lei d enschaft lich im Stillen verfolgt d ieses ist ,

n icht so allgemein be kannt noch weniger mit Auf


,

m e rks am k e i t bedacht w e rd e n F ü r j ed en der Goethes



.
,
G oeth es Le b e n .
29

abgeklärte und oft bewußt ruhige Sprechweise ke nnt ,

zittert in diesen Worten d as Gefühl jahrelangen Ver


k an n ts ei n s durch
.

Wir kommen jetzt in die Jahre in den en Wil ,

helm Meister entstand 1 7 94 und 1 7 95 verweilte


.

Goethe besonders viel in Jena und verkehrte do rt


unter andern nahe mit den B rüdern Humboldt Er .

hörte damals mit Al exander von Humbol d t un d seinem


Hausgenossen Heinrich Meyer Loders Vorlesung
über B ä n d erl ehre Im Anschluß an d iese Demonstra
.

tionen en twickelte Goethe den Freunden n äher seine


Ideen über vergleichende Anatomie Diese wurden .

mit höchstem Interesse aufgenommen und Alexan ,

d er von Humboldt war von ihrer Bedeutu ng s o


durchdrungen daß er nicht nachließ zu drängen
, ,

bis Goethe sie d em jungen Jacobi diktierte So .

entstand di e allgemein e Einleitung i n d i e ver


gleichende Anatomie In dieselbe Zeit fällt ein
.

Ereignis d aß für Goethes ganze geistige Weiter


,

entwicklung von allerhöchster B e d eutung werden


sollte Im Ansc h luß an eine naturwissensc h aft
.

liche Sitzung kommen Goethe und Schiller ins G e


5 p rä ch u n d eine Diskussion üb er Goethes Pflan z en
,

metamorphose bil det den Ausgangspunkt für den


Freundschaftsbun d dem di e d eutsche Literatur s o
,

viel verdankt Das Gespräch selbst das uns


.
,

Goethe aufbewahrt hat ist für d i e Eigenart der


,

bei d en Männer so charakteristisch daß wir es ,


30 Zw e it e V orl e sung .

später n och eingehender zu erörtern haben wer


d en . Wi e die erste An kn üpfung zwischen ihnen
auf naturwissenschaft lichem Boden stattfand so ,

wurde d ieser letztere au ch i n der Folgezeit nicht


verlassen u nd es erging Schill er selbst so wie er
, ,

es weniger als ein Jahrzehnt vorher h al b ironischer


weise von der W ei m ars ch en Gesellschaft an Körner
beri chtet hatte Er geri et allmählich immer mehr in
.

d en Bannkreis von Goethes n atu m ri ssen sch aftl i c h en


Ideen und der Briefwechsel zwischen Goethe und
,

Schill er dies es herrliche Denkmal des Gedanken


,

austausches der b eiden G ei stesh eroen zeigt wie ,

Schiller allmählich an diesen Forschungen immer


mehr Interesse gewann u n d schließlich sogar selbst
Goethe Vorschläge für anzustellende O ptische Ex
p eri m en te machen konnte Schill er war in d iesem
.

Bund durchaus n icht nur der Nehmende Von den .

Dingen die uns hi er interessieren sei erwähnt d aß


, , ,

Goethe von Schiller mit Nachdruck auf die Kant


sche Philosophie hingewiesen wurde Goethe kam .

dem Gedankenkreis des Königsberger Philosophen


durch d as Studium von dessen Werken näher be ,

son d ers aber wurde er durch die Lektüre von


Schillers Schriften immer wie d er auf diese philo
s op hi s c h en Probleme aufmerksam gemacht Es mag .

aber gleich hier im Anfang betont werden daß be ,

sonders d i e Kan tsc he Erkenntniskritik eine Lehre war ,

welche G oethes Geist nicht adäquat gewesen i st ,


G oe th e s Le b en .
31

und die er daher nur unvollständig sich assimilieren


konnte Trotz ei n g eh en d stem Studiu m der Kant
.

schen Lehre konnte er sich doch von seinem 8 pi ll 0


z i sti s c h en Standpunkte nicht freimachen Wir wer .

d en S päter b ei der Besprechung der Farbenlehre


sehen daß gerade hier in der Nichtanwendung
,

K an ts c h er Prinzipien der entscheidende Fehl er von


Goethes wissenschaftlichen Schlußfolgerungen li e gt ,

und daß es erst Goethes N achfol gem auf opti schem


Gebiete b eson d ers Johannes Müller gelang di e end
, , ,

gültige Klarheit i n das damals noch dunkl e un d


verworrene Gebiet zu bringen .

Die Jahre in denen Hermann und Dorothea ge


,

d ichtet wur d e sin d ebenfalls reich an natu rwissen


,

s c h af tl i c h er Betätigung Goethe wendet sich j etzt


.

der Untersu chung d er Metamorphose der Insekten


zu,
beobachtet die Umwan d lung der Raup e zur
Puppe und z u m Schmetterling studiert di e B e ,

dingungen durch wel che sich dieser Prozeß fördern


,

und hemmen läßt u n d sammelt wichtige physio


logische Beobachtungen an d iesen Tieren Neb en .

her gehen astronomische Stu d ien Er verfolgt in .

seinem Gartenhaus mit dem T el eosk op einen ganzen


Monat lang den Wechsel des Mondes u n d lernt
d abei das B i l d der Mondoberfläche so gut kennen ,

d aß er in späteren Jahren Schrift en über die Ge


s tal t u n d Natur des Mon d es mit eigener Kritik l esen

kann Auch der Saturn wird von i h m beobachte t


.
32 Zw e ite Vorl es ung .

Di e Entwicklung der Chemie wel che in j enen Jahren ,

nach Entdeckung des Sauerstoffes entschei den d e


Fo rtschritte machte verfolgt er und läßt sich b e


, ,

sonders d urch Buchholz und Professor G ö ttl i ng in


Jena von d en n eueren Ent d eckungen b erichten u n d
sich d i e entschei d enden Experimente vormachen .

Gleich z eitig experimentiert er selbst ununterbrochen


über Optik un d hat d iese Lehre nun schon so weit
,

gefördert daß er Vorträge darüber halten kann


, .

Überhaupt fühlt er d as Be d ürfnis d i e Naturwissen ,

schaften z u dozieren un d hält in den folgenden


Jahren Mittwochs Experimentalvorträge für Damen ,

z u denen sich kurze Noti z en und Entwürfe i n der

Weimarer Ausgabe finden Hier trägt er über Magne


.

ti s m us Elektri z ität über Raum und Materi e Luft


, , , ,

Optik ja auch über Teile d er Chemie vor u n d sein e


,

Aufzeichnungen beweisen daß er sich bemühte , ,

die wi chtigsten Versuche in einfacher und d emon


s trab l e r Form seinem Hörerkreise vorzu z eigen Ap .

parate deren er si ch vermutlich bei diesen D emon


,

s trati on en bedient hat als : Elekt risiermaschinen


, ,

Batte ri en von Lei d n er Flaschen E l ek trosk op e u v a , . . .

befinden sich noch heute im Goethehaus Auch .

die Botanik wird in j enen Jahren nicht v ern ach


lässigt Während er seinen früheren Forschungen
.

hauptsächlich die höheren Pfl anzen die Phan ero ,

gamen zugrunde gelegt hatte wen d et er sich j etzt


, ,

den Kry p togam e n Moosen Farnen A l gen usf zu


, , , .
34 Zw e ite V orl es u n g .

Hoc h schulle h rer an ein e andre Uni v ersität berufen ,

s o n ahm er d iese höchst wertvollen Samml ungen

mit sich u n d der Nachfolger mußte v on frischem


anfangen Hier hat Goethe entschei d en d en Wan d el
.

geschaffen Er b emühte sich und setzte es durch


.
,

daß j e d e ein z eln e naturwissenschaftli che Anstalt ihr


eigenes Museum bekam Er hat auf Einri chtung.

u n d Ausgestaltung d ieser Sammlungen große Mühe

und Sorgfalt verwendet selbst wertvoll e Zu w en


,

d ungen gemacht dafür gesorgt d a ß wichtige Funde


, ,

d er Universität Jena zugewiesen wurden und seine


ausgedehnten Beziehungen dazu b enutzt um die ,

J enenser Sammlungen zu b ereichern 1 8 1 2 wurd e .

d ann in Schillers Gartenhaus in J ena die Universitäts


s tem w arte errichtet S o blieb d i e Hochschule auch
.

in j ener Zeit eine der ersten Pflegestätten d eutsche r


Geisteskultur .

In d iesen Jahren b eschäftigt sich Goethe viel


mit Hirnanatomie L e d er hatte ihm früher den Auf
.

bau d es Gehi rns demonstriert in d em er dieses der,

Reihe nach i n Schnitte zerlegte und beschrieb was ,

auf d iese Weise zu sehen war Ganz anders faßte .

C al l mit dern Goethe im Jahre 1 80 5 i n Berührung


,

kam den Bau dieses Organs auf Er lernte ihn bei


,
.

einem Besuch bei m Philologen Wol f in Halle kenn en


und hö rte seine V e rträge Gall dessen Name in.
,

der Gegenwart hauptsächlich durch seine Schädel


lehre beka nnt i s t durch die er versuchte die geistigen
, ,
Go eth e s L e b e n .
35

Eigenschaften eines Menschen au s seiner äußeren


Schädelform zu erkennen besitzt ein e weit größere
,

Be d eutung d urch seine Forschungen über den Auf


bau des Zentralnervensystems Goethe folgte seinen .

Ausführungen mit d em größten Interesse un d be ,

ri chtet d aß Gall die Gehirnanatomi e d ab ei nach


,

vergleichend anatomisc h en Gesichtspunkten v e rge


tragen habe ein e Behandlungsweise welche ihm
, ,

schon v on vornherein sympat h isch sein mußte Auch .

der Zusammenhang des Gehirns mit dem Rücken


mark durch l eitende N erv en faserb ahn en wurde sc h o n
damals erö rtert S o sehen wir al so Goeth e in den
.

Jahren in d enen er d i e Wahlverwan d tsc h afte n


,

kon z ipierte und schri eb fortgesetzt natu rwissen


,

schaftliche Bestrebungen verfolgen Ist d e ch auch .

der Titel dieses R om an s selbst der Chemie ent


nommen Di e Wahlverwandts chaft der Schwefel
.

säure z u m Kalk muß dazu d ienen di e u n w i d er ,

stehl i c h e Anziehungskraft welche z wei Menschen


,

tri eb arti g z uein an der hinführt zu symbol isi eren


,
All .

jährlich führte ihn sein Weg i n di e bö hmischen


Bäder u n d hier wurden mineralogische u n d gee
,

logische Stu d ien mit höchstem Eifer betri e ben Er .

lernte allmählich die ganze Geologi e der U mgebung


v on Karlsba d Marienbad u n d Eger kennen
, or d nete ,

und katalogisierte selbst die reichhaltige S ammlung


d es M i n eral i en h ä n d l ers Müller publi z i erte den Kata
,

l e g und verschaffte dadurch d en G elehrten un d


3*
36 Zw e it e V e rl es u n g .

d en Muse en Gelegenheit ihre Sammlungen zu ,

vervollstän d igen Mineralogische Interessen ver


.

ban d en ihn fern er mit d em Polizeirat Grüner in


Eger u n d später mit d em Grafen Kaspar Stern
b erg mit d em eine ausgiebige mineralogisc h e u n d
,

b otanische Korrespon d enz d urch Jahre hin d urch ge


führt wur d e .

Im Jahre 1 8 1 0 w urd en d i e optischen Studien


zunächst abgeschlossen u n d d i e Farb enlehre ver
öffentlic h t Auch hier wieder wur d e Goethe aufs
.

l ebhafteste enttäuscht durch die Anfein d ungen di e ,

er d eswegen v o n allen Seiten erfuhr Aber nichts .

d este w en i ge r wan d te er sich sofort nachher einem


neuen Forschungsgebiet zu Er ließ den optischen .

Versuchen solche über eine Tonlehre f e lgen Hier .

i st es zu keiner abgeschlossenen Publikation Goethes


gekommen Er hat d i e Versuche etwa durc h 5 Jahre
.

fortgeführt und es sind uns Schemata z u einer Te n


,

l ehre und Noti z en für an z ustellende Versuche er


halten Es sollte die Lehre v on d er menschlichen
.

Sti mme d i e Physiologie d es Ohres d i e Ry thm i k


, ,

u n d der Takt die Eigenschaften der musikalischen


,

Instrumente d i e Zahl u n d M aßv e rhä l tn i s se schw i n


,

gender Saiten und die Lehre v on d er musikalischen


Harmonie behandelt werden Diese Tatsachen sind .

uns deshalb v on ganz besonderem Interesse weil ,

wir etwa 50 Ja h re S päter Helmholtz genau d enselben


En twicklungsgang nehmen sehen Kaum hatte dieser .
G oeth e s Le b e n .
37

sein grundl egendes Werk über die physiologische


Optik abgesc h lossen s o wendete auch e r sich de r
,

Akustik zu nur daß Helmholtz seine Forschungen


,

zum Abschluß brachte und i n seiner Physiologi e


der Tonempfindungen die Grundlage für die physio
logische Akustik legte B ei Goethe ru hten übrigens
.

die optischen Versuche nur kurz e Zeit Schon 1 8 1 3 .

studierte er die Phänomen e die man damals die ent ,

optischen nannte Nach d er heutigen Ausdru cks


.

weise beschäftigte er sich mit dem Auftreten von


F arb en ersc h ei n u n g en im polarisierten Licht ; er unter
suchte di e optischen Eigenschaften d es Kal k s p ats ,

des Glimmers des rasch gekühlten u n d gepressten


,

Glases u a m Versuche di e i h n fast ein Jahrzehnt


. . .
, ,

in Anspruch nahmen un d über d i e er d ann zusammen


,

fassend berichtet hat Von Anfang an stand er in


.

lebhaftem Ge d ankenaustausch hierüber mit dem Phy


siker Seebeck der zuerst in J ena dann i n Nürnberg
, ,

lebte u n d Goeth e d auernd über seine Fo rs chungen


und Erfolge auf dem gleichen Gebiete auf d em lau
f en d en erhielt . Seebeck siedelte später nach Berlin
über aber es kam d an n zu M ei n u n gsv ers chi ed en
,

heiten zwischen beiden über optische Fragen die zu ,

einer völligen Entfrem d ung füh rten .

Wir nähern uns j etzt wieder einer Periode höch


sten d ichterischen Schaffens d en Jahren in w el c h en , ,

der w estö stl i ch e Diwan entstan d un d Goethes Li ebe zu


Marianne von W i l l em er s o he rrliche poetische Werke
38 Zw e it e V orl es u n g .

z eitigte Goet h e stan d d amals sch on in der z weiten


.

Hälfte d er 60 er Jahre aber wir d ürfen an d iesen


,

Mann nicht d en Maßstab d es gewöhnlichen Ablaufes


des menschlichen Lebens legen Man braucht nur .

eines d er za h lreichen Bil d nisse aus j ener Zeit z u


betrachten wie z B d as herrliche im Besitz des
, . .
,

Frei h errn von B ern u s b efin d liche B rustbild auf d em ,

Wi lhel m von K ü gel g en d as Aussehen d es 60 j ährigen


festgehalten hat u n d das auf der d eutschen Jahr
,

h u n d e rtau s stel l u n g zu sehen war : imponieren d e Züge ,

frei von je d em Zeichen des Alters d ichtes d unkl es , ,

Haar un d d as gewaltig blitzende Auge z eigen uns


an daß Goethe i n jenen Ja h ren wie ein jugendliches
,

Innere s o auch ein Äußeres frei v on allen Spuren


, ,

d er Jahre besessen hat So verstehen wi r d aß auch


.
,

die natu rwissenschaftlichen Bestrebungen mit un


v enn i n d erter Kraft fo rtgeführt wur d en d a ß Goethe ,

ununterbrochen sich über d i e Fortsch ritte auf allen


Gebieten auf d em laufen d en hielt u n d d aß er rast ,

los selbst weiter arbeitete Wir erfahren daß zu .


,

jener Zeit D ö bb erei n er ihn in d i e Stöchiometrie ein


führen mußte Diej enigen von Ihnen welche sich
.
,

mit Chemie beschäftigt haben werd en wissen daß , ,

die chemischen Körper sich nach ganz bestimmten


u nd gesetzmäßigen M en genv erhä l tn i ssen miteinander
verbinden Die damals in ihrem ersten Siegeslauf
.

befi ndliche Chemie hatte sc hon diese Gesetze ein


gehend stu d ier t un d so sehen wir auch Goethe be
,
Go e th e s Le b e n .
39

strebt sich d iese Fo rtschritte anzueignen Eigene


, .

chemische Versuche stellte er in j enen Jahren mit


Pflanzenextrakten an deren Färbung er durch Säure
,

o d er Lan g e veränderte Di e Weimarer Ausgabe ent


.

hält sorgfältige Protokolle über d iese ausgedehnten


u n d wi chtigen Versuche in d en en Goet h e d as s tu
,

d i erte was man heute al s In d ikatoren bezeichnet


, ,

d h chemische Substan z en welche d urch ihren


. .
,

Farbwechsel anzeigen wann in ein er Lösung saure


,

oder alkalische Reaktion auftritt Sehr lebhaft .

finden wir Goethe auch mit d er W i tteru n gs ku n d e o

b eschäftigt Er hatte schon in frü h eren Jahren s o


.
,

z B auf der italienischen Reise B eobachtungen über


. .
,

Wolkenform und Wetter angestell t Doch erst nach


dem Jahre 1 8 1 5 begann er sich wieder eingehender
damit z u befassen seit d em der Engl än der Howard
,

die einfache noch heute gebrauchte Te rm inologi e


,

d er Wolkenformen (Stratus Cirrus Cumulus Nimbus ) , , ,

eingeführt hatte Er sammelte zahlreiche eigene B e


.

o b ac htun g en suc h te in den schier en d losen Wechsel


,

d er Witterungsersc h einungen Ordnung zu b ri ngen


u n d bildete sich eigen e sehr merkwürdige th eore
,

tische Anschauungen über di e Entstehung der B a


rom eters chw an k u n en
g Sein er prakti s chen Tätigkeit
.

auf diesem Gebiete wi rd später noch zu gedenken


sein Auch die botanischen Stu dien ruhten nicht
. .

Er stu d ierte in j enen Jahren eingehend die gleich


zeiti ge wissenschaftliche Literatur und ex c erp i erte si ch
40 Zw e it e Vor l esung .

aufs gewissenh afteste all e Stell en welch e zu seiner


,

Pfl an z en m etam orp h ose in Be z iehung standen Als .

eine b esonders rei che Fun d grube erwies sich Jägers


Werk über die Mißbildung der Gewächse Alle .

diese außerordentlich vielfältigen Noti z en hat er


dann geordnet u n d i n kurzen Abschnitten seiner
Pf l an z en m etam orp h ose b eigefügt s o daß in seinen
,

B eiträgen zur Morphologie ein stattliches Tatsachen


material veröffentlicht werden konnte .

In ähnli cher Weise arbeitete er in d iesen und


den folgen d en Jahren bis zu seinem To d e d i e Ent
wi cklung d er vergleichenden Anatomie nach machte ,

zahlreiche Auszüge schrieb Rezensionen welche


, ,

aber z T den Wert von selbständigen wissenschaft


. .

lichen Leistungen besaßen regte Untersuchungen


,

an d rer an u n d blieb so stets auf d er Höhe auch


dieses Zweiges der Wissenschaft Beson d eres Inter
.

esse wandte er auch den fossilen Tierformen z u Es .

wurden damals in Sü d deutschlan d u n d im Herzogtum


Weimar Überreste v o m Mammut und von fossilen
Stieren gefunden Er interessierte sich lebhaft für
.

diese Funde würdigte in kleineren Aufsätzen deren


,

Bedeutung für die vergleichende Anatomie und sorgte


für gute Aufstellungen in den Sammlungen .

Die Jahre 1 8 1 7 — 1 824 sin d für Goethes natur


wissenschaftliche Tätigkeit besonders ergiebig Er .

ließ d amals di e Bände : Zur Naturwissenschaft und



„Zur Morphologie in E i nz el hei ten erscheinen in



,
42 Zw e it e V or le sung .

hatte Seine anatomischen Untersuchungen waren


.

schon längst an erkannt w e rd en J et z t wir d auch .

sein e erste wissenschaftliche Abhan d lung über den


Z w ischenkiefer i n d en Akten der kaiserlich l eopol
d i n i s ch k arol i n i s ch en Aka d emie d er Natu rforscher
-

mit allen Kupfertafeln abgedruckt D er Widerstand .

d er Botaniker gegenüber der P fl an z en m etam orp h os e


hatte ebenfalls aufgehört u n d die wissenschaftliche
,

Botan ik d er damaligen Zeit wandelte nunmehr in


Fortschritt un d Irrtum auf Goetheschen Bahnen Nun .

aber kam en auch d i e so lange schmerzlich vermißten


ersten E rf olge seiner Farbenlehre Freilich die Phy .

siker blieben bis auf wenige Ausnahmen fein d lich


, , ,

aber von physiologischer Seite wur d e d as grund


l egen d e von Goethes Werk erkannt und noch zu
Goethes Leb z eiten in gl ücklicher Weise f ortgebildet .

Purkinj es B ei träge zur Kenntnis des Sehens in sub


j ekti v er Hinsicht knüpft direkt an seine Farben


l ehre an und 1 826 erscheint Johannes Müllers Ver


, „

gleichende Physiologie des Gesichtssinns in wel “


,

cher i n unmittelbarem Anschluß an Goethes Farben


l ehre d i e mo d erne Sinnesphysiologie begründet und
d as Gesetz von der spezifischen S i n n es en erg i e auf
gestellt wird S e sah Goethe in diesen Jahren die
.

E rfolge seiner wissenschaftlichen Tätigkeit heran


reifen Wenn auch noch mancher Stachel früherer
.

Ve rbi fteru n g zurückblieb s o überwie gt doch jet z t in


,

d iesen Jahren die Freude über den Erfolg Schon .


. Go e th es L e b e n .
43

1 807 hatte ihm A von Humboldt sein e Ideen zu


.

ein er Geographie d er Pflanzen mit einem von Thor “

w al d s en ge z eichneten W i d m u n gs bi atte zugeeign et

d er Genius der Poesie Apoll lüftet d en Schleier d er


, ,

Göttin d er Natur d urch welches ange d eutet


werden sollte daß es auch dem Dichter gelingen


,

könn e d en Schleier der Natur zu heb en Eine Re


,

.

produktion dieses schwer zugänglichen S ti c hes findet


sich am Eingang dieses Buches J etzt breitet sich .

Goethes natu rwissenschaftliche Ko rresponden z fast


über alle zivilisierten Länder au s Von allen Seiten .

strömen die Anerkennungen Geb end und emp .

fangend nimmt er Antei l an der F orten tw i c k


lung aller der zahlreichen G ebiete auf d enen er ,

selbst gearbeitet hat Erstaunlich sin d die v i el s ei


.

tigen Interessen welch e i n dieser natu rwissenschaft


,

lichen Korrespon d en z b erührt werden Ein schön es .

D enkmal der Empfindungen d es alten Goeth e den


jungen Mit und N a ch arb ei tem gegenüber fi n d et sich
i n einem Brief in d em er d em Grafen Stern berg
,

über Carus Werk von den U r Teil en d es Kn ochen



-

und S ch al en g erü stes der Tiere berichtet Hier schreibt .

er d i e oft z itierten Worte : Ein alter Schiffer der


„ ,

sein gan z es Leben auf dem O z ean der Natur mit


Hin u n d Wi d erfahren v e n Insel zu Insel zugebracht ,

die seltsamsten Wun d ergestalten i n allen drei Ele


menten beobachtet u n d ihre geheim gemeinsamen
,
-

Bil d ungsgesetz e geahnt hat aber auf sein n otw en


,
44 Zwe it e Vorl esung .

d i g stes Ruder Segel und S teu ergesch äft aufmerksam ,

sich d en anlockenden Betrachtunge n nicht wi d men


konnte der erfährt u n d schaut nun zuletz t : daß
,

d er unermeßliche Abgrun d d urchforscht d i e aus,

d em Einfachsten ins Unen d lic h e v e rm an n i gf al ti gt en


Gestalten in i h ren Bezügen ans Tagesli cht gehob en
und ein so großes u n d unglaubliches Geschäft wirklich
getan s ei Wi e sehr fin d et er Ursache verwundernd
.

sich zu erfreuen daß seine Sehnsucht verwirkl icht


,

u n d sein Hoffen übe r allen Wunsch erfüllt w e rd en



.

U n d noch als Ac h tzigjähriger setz t er d i e natur


wissenschaft lichen Bestrebungen fort Den Verband .

lungen d er Versammlungen d eutscher Naturforscher


u n d Ärz te 1 827 in München und 1 828 in Berlin
, ,

widmet er das größte Interesse um so mehr als hier


, ,

botanische Probleme z u r Sprac h e kamen die an ,

seine P l an z en m etam orp h ose anknüpften I n j enen .

Jahren hatten d er Münchner Botaniker v Martius .

u n d dessen Schüler d e r später berühmt geworden e


,

Alexander Braun Untersuchungen über d i e A n ord


,

nung der Blätter und Sprosse an den Pflanzen


angestellt u n d waren zu einfachen Regeln über d i e
Bla ttstellung gelangt Sofort nahm Goethe diesen
.

Fortsch ri tt auf und versuchte in seinem letzen bota


nischen Aufsatz über d i e S p i ral ten d e nz d er Vege
tati e n die n eueren Tatsachen mit seiner Lehre in
Einklang zu bringen Aufs lebhafteste beschäftigte
.

ihn aber ein Ereignis das er d irekt als ein Zeichen


,
G oe th e s L e b e n .
5

für das en dliche Durchdringen seiner eigen en vor


Jahrzehnten ausgesprochenen Ideen ansah Damals .

brach i m Schoße der Pariser Akademie jener


b erühmte Streit zwischen Cuvier und G eoff re y
St Hilaire aus in der die alte u n d die n eue Rich
.
,

tung in der vergleichenden Anatomie aufeinander


platzten Damals siegte n och Cuvier der mit seiner
.
,

ganzen Autorität die ältere Lehre vertrat D er .

82 jährige Goethe griff aber von neuem zur Feder


und wies sein e Landsleute auf dieses bedeutende
wissenschaftliche Schauspiel hin Er stellte sich .

dab ei rü ckhal tsl os auf di e Seite G eoff re y St Hilaires . .

Mit Rührung liest man aus sein en mit hö chster


Klarheit geschrieben en Sätzen den Stolz h eraus ,

mit dem er sich selbst als den Vater der hier


kämpfenden Ideen fühlte Das war das letzte w as
.

Goethe geschrieben hat Kurz e Z eit d arauf en d ete


.

ein Leb en das v ol l von den höchsten Erfolgen


, ,

ab er auch vol l von Mühe und Arbeit gewesen war .

Fast 60 Jahre hindurch hat Goethe ohn e Unter


brechung aufs emsigste auf allen Gebieten der
Natur geforscht Keines der Resultate ist ihm
.

mühelos zugefallen Wenn man die Gesamtheit


.

dessen überblickt was er geleistet hat so sieht


, ,

man d aß Goeth e der letzte naturwissensch aftliche


,

Polyhistor gewesen ist der n och di e Gesamtheit


,

d er Natur in seinem Geiste umfaßte Wenige Jahr .

zehnte später war es schon fast unmöglich daß ein ,


.
46 Zw eit e Vorl e sung .

ein z elner Mensch Teilgebiete wi e etwa Virchow die ,

Medizin umfassen konnte


, .

Wie Goet h e seinen gan z en Lebensgang als mit


d er Naturwissenschaft verwachsen ansah d afür ,

mögen zum Schluß noch seine eigenen Worte an


ge fü h rt werden : S e ruhen meine Naturstu d ien auf

d er reinen Basis des Erlebten wer kann mir n ehmen ,

d aß ich 1 7 49 geboren bin daß i ch ( um vi eles z u ,

überspringen) mich aus E rx l eb en s Naturlehre Aus


gabe treulich unterrichtet d aß ic h den Zuwachs ,

der übrigen E d itionen die sich durch Lichtenbergs


,

Aufmerksamkeit grä n z en 1 0 5 anhäuften nicht etwa ,

im Druck zuerst gesehen sondern j ede n eue Ent


,

d eckung im Fortschreiten sogleich vernommen u n d


erfahren ; d aß i ch Schritt für Schritt folgend d i e ,

großen Entdeckungen der 2 Hälfte d es 1 8 J ahr . .

h u n d erts bis auf den heutigen Tag wie einen


Wunderstern nach dem andern vor mir aufgehen
sehe Wer kann mir die heimliche Freude nehmen
.
,

wenn ich mir bewußt bin durch fortwährendes auf


,

m e rk sa m es Bestreben mancher großen w e l tü b er

ras c h e n d en Entdeckung selbst so nahe gekommen

zu sein daß ihre Erscheinung gleichsam aus meinem


eigenen Innern hervorbrach und ich nun d i e wenigen
So 2 B 1 783 d er E ntd e ckung d es Luftb al lons
. . V gl . .

N atu rwis se n sc haftl ich er Entwicklungsgang : D ie Lu ft b aüon e „

w erd e n e ntd e ckt W i e nah i c h d i e s e r Ent d e ckung g ew es e n


. .

Eini g er V e r d ru ß es nicht s e lbst e ntd e c kt u hab e n Bal d ig e


,
z .

Trö stu ng .
Go e th e s L e b e n .
47

Schritte klar vor mir liegen sah welche z u wage n


,

i ch i n düsterer Forschung versäumt hatte .


Wir wissen jetzt daß Goethe nicht nur einzelnen


,

Entdeckungen wie er schreibt sehr nah e gekommen


, ,

ist son dern daß er ein e Reihe von gru ndlegenden


,

N atu rerk en n tn i ssen selbst zutage gefördert hat .


D ri tte Vorl esu ng .

Di e b otan i s c h e n A r b e i ten I .

Mein e Herrn ! Wir haben in der letzten Vor


lesung d en Lebensgang des N a t u rf o r s c h e r s Goethe
kennen gelern t un d wollen nun daz u ü b erg eb en ,

seine einzelnen Forschungsgebiete geson d ert zu be


sprechen u n d d as von ihm Geleistete eingehender zu
wür d igen Wir b eginnen d abei mit seinen Arbeiten
.

auf dem Gebiet der o rg a n i s c h e n Naturwissen


schaften zunächst der Zoologie und Botanik
,
.

Goet h e hat die hierher gehörigen Schriften nach


dem Jahre 1 8 1 7 zusammenfassen d v e röffentlicht in
seinen Heft en z u r M o r p h o l o g i e
„ Dieses Wo rt “
.

stammt von Goethe und bezeichnet auch heute noch


d enjenigen Zweig des Wissens für den er ihn ge ,

prägt hat A l s Mott o ist d iesen Heften ein Spruch


.

a u s Hiob v o ran ges etz t : Sieh e er geht vor mir


über ehe ich s gewa h r werde und verwandelt sich


ehe ich s merke



Aufs Ve rwan d eln ist dab ei der
.

größte Nach d ruck zu l egen u n d Goethe d efiniert ,

selbst die Morphologie durch den von i h m ge


wählten Untertitel : B i l d u n g u n d U m b i l d u n g
o rg a n i s c h e r N a t u r e n Zeitlich haben auf diesem
.
50 Dri tt e V orl es u n g .

ins feinste d urchgearbeitetes System zu liefern in ,

d as sich alle Pflan z enformen ohne großen Zwang


einreihen l ießen Linné selber u n d sein e nächsten
.
,

Nachfolger sa h en nun d i e Anwendung u n d Durch


führung d ieses Systems als d i e Hauptaufgabe d er
wissensc h aftlic h en Botanik an Linné erklärte ge
.

rad ez u d enj enigen für d en b esten Botaniker der d i e ,

meisten Arten kennen un d unterscheiden gel ernt habe .

Das war d er Zustan d d er B otanik als Goethe ,

si ch mit ihr zu beschäfti gen b egann Wie schon .

e rz ählt wurde hatte er als Stu d ent botanische Vor


,

lesungen gehört aber sein eigentli ches Interesse für


,

d i e Pflanzenwelt wur d e erst i n Weimar wach als ,

er auf d er Jagd in nähere Berührung mit Wäldern


und Wiesen kam u n d sich als leitender Minister
unter der Mitwirkung von Skell u n d v Wedel mit .

Forstkultur zu beschäftigen hatte So studierte er .

d as Wachstum der Bäume Mo e se u n d Wurzeln in


,

d e r freien Natur wie immer die praktischen B ed ü rf


,

nisse zum Ausgang n ehmen d Er hat uns über .

l iefert daß d as Geschlecht der E n z i an e d eshalb sein


,

besonderes i nteresse erregt h at weil aus seinen ,

Wu rzeln sich so heilsame und so wohlschmeckende


Tränke bereiten ließen Praktische Erfahrungen
.

sammelte er auch a l s er im eigenen Garten d en


, ,

ihm 1 7 7 6 der Herz og schenkte selbst eifrig zu ,

pflanzen begann Weitere Fortschritte i n d er Botanik


.

brachte der Verkehr mit Buchholz der in seinem ,


Die botanisch e n Arb e ite n 1 .
51

Apothekergarten d i e off i z i n el l en Gewächse und neue


selten e Pflan z en zog Sobald Karl Augusts natur
.

wissenschaftliche Interessen wach geworden waren ,

äußerten s i e sich unter an d rem auch in der Anlage


größerer Gärten bei Weimar u n d Jena Alle diese .

botanischen Studien wurd en unter den Gesichts


punkten Linnés vorgenommen Goethe führte d i e .

Linnéschen Schrift en auf seinen Exku rsionen bei


si ch und bemühte sich re d li ch alles w as er fand , ,

mit größter G ewissenhaft igkeit nach dem Linnéschen


System zu bestimmen Dabei fand er Unterstützung
.

durch die Botaniker in Jena mit d en en er in näheren


,

Verkehr trat So kam er auch in Be rührung mit


.

einer interessanten Famili e in der Nähe von J ena .

Die Dietri chs in Ziegenhain hatten schon seit


mehreren Generationen d as Pri vileg ausgeübt für ,

die botanischen Vorl esungen d as D emonstrati ons


material z u besorgen die Studenten mit den in der
,

Vorlesung zu b esprechen den Pflanzen zu ve rsehen .

In jenen Jahren wo Goethes b otanische Neigungen


,

erwachten war beson d ers ein junger Sohn hierbei


,

tätig und dieser hatte sich i m Laufe der Jahre eine


gan z umfassen d e Kenntnis der Fl ora d es J enenser
Gebietes z ugelegt Das ging s o weit daß der ein
.
,

fache B au em j u n ge schließlich all e Pflanzen ni cht


nur mit ihren deutschen sonde rn au ch mit ihren
,

lateinischen Namen nach dem Linnéschen System


zu be z eichnen wußte Goethe n ah m nun diesen
.
52 Dritt e Vorl e sung .

jungen D ietrich mit sich nach Karlsbad Er schi l .

dert uns aufs Anschaulichste wie er in seinem ,

Reisewagen d urch die Landschaft fährt und der


junge Mann nebenher gehend alle interessanten
, ,

Pflanzen un d Blumen am Wege sammelt und ihm


mit der richtigen lateinischen B ezeichnung in den
Wagen rei cht In Karlsbad wird diese Tätigkeit
.

fortgesetzt D es Morgens wenn die Kurgäste sich


.
,

am Brunn en versammeln hat Dietrich g ew ö hn


,

l ich schon einen ganzen Strauß von Pflanzen ge


sucht Nach ku rzer Zeit nimmt die ganze Brunnen
.

gesellschaft an Goethes Bestrebungen teil und es ,

wird nun eifrig von al l en Seiten b otan i s i ert Diet .

ri ch hat nachher den Doktorgrad e rworben und ist


al s großherzoglicher Gartendirektor i n Eisenach
gestorben .

Kam s o Goeth e allmählich in die praktische An


wendung d es botanischen Systems hinein so blieben ,

ihm auch theoretische Arbeiten nicht fremd Das .

Linnésche System war wie e rwähnt ein künstliches ,

in dem ein einzelnes Merkmal der Pflanzen zur


Unterscheidung benutzt wurd e Schon Linné hatte .

d emgegenüber d i e Notwendigkeit eines natürlichen


Systems betont in w el ch em die Gruppierung der
,

Pflanzen nach der Gesamtheit ihrer Eigenschaften


vorgenommen wir d wobei also d i e Gruppen des
,

Systems den natürlichen Pflanzengruppen möglichst


entsprechen Diese Bestrebungen waren von fran
.
Di e botani sc h e n Arb e ite n 1 .
53

Botanikern zunächst fortgesetzt Von


z ö s i s c h en .

Goethes Bekannten bemühte sich Doktor Batsch


ein solch e s natürliches Pflanzensystem aufzustellen .

Ähnliche Versuche machte d am al s Hofrat B üttn er


in J ena ein Sonderling un d Polyhistor mit dem
, ,

Goethe noch in vielfache B erührung kam An diesen .

Arbeiten nahm unser D ichter nun den al l erl ebh af


testen Anteil un d konnte sich s o ein eigenes Urteil
über Wert oder Unwert dieser un d andrer Systeme
bilden In d iesen Jahren l as er auc h die bota
.

nischen Schriften eines andern Dichters Jean ,

Jacques Rousseaus der bei seinem Bestreben sich


, ,

an di e Natur anzuschließen auf d as Stu dium der ,

Pflan z enwelt gekommen war Auch diesen S c h ri f .

ten verdankt Goethe nach seiner Angab e manche


Anregungen .

Je weiter er nun in der Kenntn is der Botanik


fortschritt desto größere Bedenken kamen ihm gegen
,

die Anwendung des Linnéschen Systems Zunächst .

eine technische Schwierigkeit Es erwies sich für .

ihn als vollkommen unmöglich d i e komplizierte ,

Terminologie vollständig zu b eh errschen Es i st .

bekannt wel ches vorzügliche Ge d ächtnis Go eth e


,

besessen hat und welche Füll e von Tatsachen er


,

in seinem Geiste bewahrte um sie im Bedarfsfall ,

hervorholen zu können Das waren aber alles .

Dinge die irgend wel chen Bezug für ihn hatt en


, .

Dagegen d i e einfach äußerliche Terminologi e des


54 Dritt e V orl es u n g .

Systems bei der sich nichts denken un d vorstellen


,

l ieß hat er nicht auswendig lern en können So


, .

war er denn im Linnéschen Sinne kein guter B e ta


n i k er . Dazu kam aber n och ein schwerwiegender
sachlicher Einwand Linné hatte gelehrt u n d alle
.

folgenden hatten ihm d arin beigepfli chtet d aß die ,

versc h ie d enen Arten seines Systems unabän d erlich


s eit d er Schöpfung bestehen d e in sic h abgeschlossene
,

und d urch keine Übergänge vermittelte Gruppen


von Pflanzen sei en Goethe wurd e durch sein e
.

Beobachtungen dagegen zu an d ren Anschauungen


geführt Er konnte aller d ings feststellen und er hat
.

d as späterhin noch d es Nä h eren ausgeführt d aß es ,

ei n z el n e G es c h l e c hter, w i e d i e G en ti an en , g i bt, b ei d en en
je d es Pflan z enindividuum immer wi e d er genau d i e
selben äußeren Merkmale besitzt s o d aß über seine ,

Zugehörigkeit zu einer d er Linnéschen A rten kein


Zweifel bestehe n kann Daneben aber gibt es.

Pf lanzengruppen wie z B die Rosen d i e man nach


, . .
,

Goethe al s charakt erlose bezeichnen kann weil die ,

einzelnen In d ividuen bei ihnen außerord entlich


große Abweichungen zum Teil auch in den ent
scheidenden Merkmal en voneinander zeigen so daß ,

es ganz unmöglich ist festzustellen zu welcher


, ,

Art gera d e dieses Einzelin d ivi d uum gehört Goethe .

findet also sc h on damals daß zwischen den ab ,

geschlossenen Linnéschen A rten al l e möglichen


Übergän ge vorkommen können Er findet eine .
Die b otanisch e n Arb e ite n 1 .
55

außerordentlich große Variabilitä t b ei ein z elnen


Pflanzenspezies Da d urch mußte natürlich sei n
.

Glaube an die Möglichkeit erschüttert werd en über ,

haupt fest begren z te unveränderliche Arten bei den


,

Pflanzen unterscheiden zu könn en .

Daz u kam nun noc h etwas Weiteres Wä hrend .

die damaligen Botaniker in der Mehrza h l ein e Wissen


schaft des Herbariums trieben d h d i e Pflan z en l e s
, . .

gelöst von der Natur bestimmten und aufbewahrten ,

studierte Goethe ihr Wachstum unter freiem Himmel .

Hier drängte sich i hm i mmer mehr die Erkenntnis


auf daß die Ausbildung der äußeren Form einer be
,

stimmten Pflan z e wesentlich mit be d ingt werd e durch


äußere Einflüsse Er fand daß ei n und dieselbe Art
.
,

im Tieflan d un d auf d er Hö h e des Gebirges d e s ,

Harzes Thüringer Waldes oder d er Alpen ei n ganz


, ,

verschiedenes Aussehen hatte Er beobachtete daß .


,

eine Pflanze wesentlic h andere Wuchsfo rm en zeigte ,

je nachdem si e im Schatten oder an einer sonnigen


S tel l e stand Er fand ein e starke Abhängigkeit des
.

Pflanzenwachstums von d er B ewässerung von der ,

Wärme d em Klima von Frostschäden u v a D urch


, , . . .

fortgesetzte B eobachtung wurde es ihm allmählich


klar d aß d urch d iesen Wechsel der äußeren B e
,

dingungen sich Varietäten d er ein z elnen Pflanzen


arten schaffen ließen Er wurd e al so immer mehr
.

d azu ge d rängt di e Un v erän d erlichkeit d er Linnéschen


,

Pflanzenspe z ies nicht me h r anzuerkenne n .


56 Dritt e Vo rl e sung .

D as war der Stand seiner botanischen Stu dien ,

als er d en engen Verhältnissen in Weimar entfl oh


und sich südwärts nach Italien wan d te Wenn er .

nu n i n d iesem Lande d i e endgültigen Fortsc h ritte


sein er Erkenntnis d es Pflanzenwachstums gewann ,

s o ist dabei nicht zu vergessen d aß ein zehnjähriges


,

genaues Stu d ium in d er Heimat vorherging durch ,

d as er d i e Pflan z enwelt kennen gelernt hatte un d


durch d as er schon seit längerer Zeit d en Linnéschen
L ehren allmä h lich entfrem d et w e rd en war D as .

G e w a h rw e r d e n d e r w e s e n t l i c h e n F o r m mit ,

d er d i e Natur gleichsam nur immer spielt und spielen d


d as mannigf altige Leben hervorbringt wi e er kurz ,

vor d er Reise an Frau von Stein schreib t sollte ihm


nun geü ngen .

Wi e Goethe nun über den Brenner nach Nord


italien herabsteigt tut sich in überwältigen d er Füll e
,

eine gan z n euartige Vegetation vor seinen Augen


auf ; er selbst schil d ert uns d aß d ieser Ein d ruck
,

am gewaltigsten beim Besuch d es botanischen Gar


tens i n Padua auf ihn gewirkt habe Hier sah er .

eine Pflanzenpracht u n d einen Blumenflor wie er ,

ihn in der Heimat niemals erblickt hatte und es ,

gew ann s o d er schon im Norden wie wi r wissen , ,

allmählich entstan d ene Gedanke daß das Pflanzen


,

wachstum von äußeren Einflüssen abhängig sei ,

in Padua die endgültige G ewißheit Hier war unter .

d en veränderten Bedingungen des Klimas d er süd ,


58 Dritt e Vorl e sung .

m entar gebaut sei d aß man all e an d ern Wuchsformen


,

auf sie zurü ckführen könne Er suchte eine Ur .


pflanze Da uns d ieser Ausdru ck hier z u m ersten



.

Male entgegentritt wollen wir uns k l ar machen was


, ,

Goethe darunter verstan d en h at Er suchte nämlich .

n i c h t eine Pflanze von d er all e an d ern abstammen


,

sollten in dem Sinne wi e man heute davo n spricht


, , ,

d aß d er Mensch vom Affen abstamme son d ern er ,

suchte nur eine mögli chst übersichtliche einfache ,

u n d p ri mitiv konstruierte Pflan z e bei d er sich die ,

Art ihres Aufbaues durch di e bloße Anschauung ohne


weiteres erkennen ließ u n d auf die er dann die ,

Bauart aller übrigen Pflanzen mochte sie auc h ,

noch so kompliziert u n d unübersichtlich sein ,

schließlich durch Vergleic h ung zurückführen k on n te .

Diese Idee begleitete ihn nun auf seiner Wanderung


d urch die italienische Halbinsel u n d sie tauchte in
konkreter Gestalt wi e d er auf als er auf dem s ü d ,

li ebsten Punkt seiner Reise in Palermo angelangt , ,

war Hier suc h te er d en Plan einer Nausikaa zu der


.
,

u n s einzelne ausgearbeitete Szenen erhalten sind ,

weiter auszuf ü hren und ging zu diesem Zwecke in


den öffentlic h en Garten : Die vielen Pflanzen die „ ,

ich sonst nur in Kübeln und Töpfen ja die größte ,

Zeit d es Ja h res nur hinter Glasfenstern zu sehen


gewohnt war stehen hier froh und frisch unter
,

frei em Himmel und in d em s i e ihre Bestimmung


,

vollkommen erfüllen werden sie uns d eutlicher Im


, .
D ie b otan i sc h e n Arb e ite n 1 .
59

Angesicht so vielerlei n euen und erneuten Gebildes .


,

fiel mir d i e alte Grill e wieder ein ob i ch ni cht unter ,

d i eser Schar die Urpflanze ent d ecken könnte ! Ein e


solche muß es denn doch geben : woran würde
ich sonst erkennen daß d ieses oder jen es Gebilde
,

ein e Pflanze sei wenn s i e nicht alle nach Einem


,

Muster gebildet wären ! Ich bemühte mi ch zu unter ,

suchen worin denn die vielen abwei chenden Ge


,

stal ten voneinander untersc h ieden seien Un d ich .

fand s i e immer mehr ähnlich als verschi eden u n d ,

wollte i ch meine botanische Terminologie anbri ngen ,

so ging d as wohl aber es fru chtete nicht es machte


, ,

mich unruhig ohne daß es mir weiter half Gestö rt


, .

war m ein guter poetischer Vorsatz ; d er Garten d es


Alcinous war verschwun den ein W el tgarten hatte ,

sich au fg eth an Waru m sin d wir Neueren doch so


.

zerstreut ! Waru m gereizt zu Forderu ngen di e wir ,

nicht erreichen n och e rfüllen können ! Von nu n “

an lassen ihn di e b otanischen Gedanken nicht


mehr los Noch i n Sizilien findet er daß man d as
.
,

Rätsel dadurch lösen könne d aß man all e Pflanzen,

teile als ursprünglich i dentisch ansieht Nun sucht .

er di e Urpflanze nicht m ehr in der Natur s e nde m ,

sie i st ihm j etzt nur noch ein Schema auf d as er ,

all e in der Natur vorkommenden Pflanzenfo rmen


ohne Zwang b e z iehen kann Vier Wochen später .
,

am 1 7 Mai 1 7 87 ist er bereits so weit d aß er v on


.
, ,

Neapel an H erder schreibt : Die U rp fl an z e wir d d as



60 Dritt e Vo r le sung .

wunderlichste Geschöpf von der Welt um welches ,

mich die Natur selbst benei d en soll Mit diesem .

Model l und dem Schlüssel dazu kann man alsdann


noch Pflan z en ins Un endli che e rfinden die k on se ,

quent sein müssen d as heißt di e wenn s i e auch


, , ,

ni cht existieren do c h e x isti eren könnten un d ni cht


, ,

e twa m ah l eri sch e oder dichterische Schatten un d


Scheine sin d son d ern ein e inn erliche Wahrheit un d
,

N othw en d i gk ei t haben Dasselbe Gesetz wird sich


.

auf alles übrige Lebendige anwen d en lassen Jetzt .


glaubt er al so die endgültige Verallgemein erung


,

gefun d en zu haben u n d ist sich d arüber klar daß


, ,

si ch d ieselbe d ann auch auf das Tierreich übertragen


lassen müsse In der Weimarer G oeth eau sgab e sind
.

zum ersten M al e d i e b otanischen Notizen und Be


o b ac htu n gen abgedruckt welche Goethe auf der
,

italienischen Reise gesammelt hat Hier findet sich .

mitten unter einer Reihe andrer Notizen plötzlich


bemerkt : Hypothese Alles ist Blat und d urch d iese
„ .

Einfachheit wird die größte Mannigfaltigkeit mög


l i ch
.

D as i s t die entschei d en d e Kon z eption u n d
a l l es i om ere w as Goethe noch in Italien und D eutsch
,

land zur Pfl an z en m etam orp ho se gefo rscht hat ist nur ,

Ausführung d ieses einen Gedankens .

Man bezeichnet d iejenige Stelle wo ei n Blatt ,

au s der Achse ( dem Stamm dem Zweig o d er dem


,

Stengel ) der Pflanze he rvorsprießt al s Knoten und , ,

wenn Goethe nun alle Seitenteile der Pflanze mit


Di e b ota n is c h e n A rb eite n 1 .
61

Ausnahme der Achse al s Blatt o der bl attäh n l i c h es


Gebilde ansieht so kann er diese Regel auch mit
,

den Worten zusammenfassen : von K noten zu Knoten „

i st der ganze Kreis der Pflanze i m wesentlichen ge


endet “
Er betrachtet von nun an die Pflanze al s
.

aufgebaut aus lauter Teilstücken welche ein Stück ,

der Achse von einem Knoten bi s zum nächsten und ,

die aus diesem K noten entspringenden bl attä h n l i ch en


Gebilde tragen So ist für ihn d as ents cheiden d e
.

Gesetz jetzt klar geworde n und er kan n schreiben :


„ Ferner glaubte i ch (in Italien ) der Natur ab gem erkt
zu haben wie s i e gesetzlich zu Werke gehe um
, ,

lebendiges G eb il d als Muster al les küns tlichen


hervorzubringen Sein Versuch di e Metamorphose
.

„ ,

der Pflan z en zu erklären beruht für ihn darauf



, ,

„ die mannigfaltigen Erscheinungen des herrlichen


W el tgarten s auf ein allgemeines einfaches Pri nzip
zurückzuführen “

Aus dem Süden Italiens kehrt er nach Ro m


zurück und b enutzt sein en zweiten Aufenthalt i n
der ewigen Stadt um di e gewonnen e Erkenntnis
,

nach Möglichkeit zu vertiefen E s ist Goethe b e .

sonders von Botanikern zum Vorwurf gemacht wor


den daß sein e Lehre von der P fl an z en m etam orp h ose
,

i m wesentlichen auf die Betrachtung der fertigen


Pflanze basiert sei un d nicht d i e Entstehung der
Pflan z enform berücksichtige Das ist insofern ri chtig
.
,

als er al lerdings nur wenige mikroskopische Unter


62 Dritt e Vorle sung .

suchungen angestellt hat aber d i e j etzt v erö ff en t


,

l ichten Papiere aus Italien und d er nachfolgend en


Weimarer Zeit beweisen aufs s chl ag en d ste d aß er ,

der Entw i cklung d er Pflan z enform aus d en einfach


sten Anfängen eingehende Aufmerksamkeit geschen kt
hat Schon in Rom sehen wir i h n zahlreiche Be
.

o b ac h tu n g en über d a s Keimen von Samen machen ,

u n d er verfolgt d as Auswachsen der kleinen P fl ä n z

chen bis zur Ausbildung ihrer entschiedenen Form .

In Rom u n d Weimar hat er N oti z en und Zeichnungen


gemacht von d er Keimung d es Mais d er Bo h ne d es , ,

Kürbis der Wicke d es Nasturti um der Pinie Dattel


, , , ,

palme ja selbst des Kaktus u n d gewann so einen


, ,

umfassen d en Einblick nicht nur in d i e endgültige


P fl a n z en f orm sondern auch in d eren allmählic h e
,

Entstehung Diese entwicklungsgeschichtlichen Stu


.

d ien sind auc h für seine spätere Darstellung der


Pf l an z en m etam o rp h os e mit maßgebend gewesen Auf .

an d ere Untersuchungen wurde er v on d em i n Rom


lebenden Deutschen R e iff e n stei n hingewiesen Dieser .

ve rfocht d i e These daß eigentlich je d er abgeschnittene


,

Pflan z enteil in die Erd e gestec k t Wurzel schlage


, ,

und weiter wachse Er und Goethe stellten außer


.

ord entlich zahlreiche Versuche hierüber an und


konnten sich in der Tat v on der Möglichkeit über
zeugen sehr viele Pflanzen d urch Stecklinge weiter
,

zu züchten Für Goethe resultierte d araus ein e er


.

w ei te rte Kenn tnis vo n d e r Wachstumsfähigkeit der


Die botanisch e n Ar b e it e n I .
63

einzelnen Teile Auch abnorm ausgebildete Pflanzen


.

wur d en stu d i ert und ge z eichnet Die Beobachtung .

der S päter zu erwä h nen den durchgewachsenen Nelken


fällt in diese Zeit So gewinn en seine Anschauungen
.

an Umfang u n d Tiefe Sein Pflanzensystem ru n det


.

sich immer mehr ab Im Anschluß an den Versuch


.
,

seinem Freunde Moritz d i e n euen Ideen zu dozieren ,

werden die ersten z usammenhängenden A u fz ei c h


nungen i n Rom gemacht .

Dann kehrte Goethe nach Deutschland zurück .

Aber es dauerte noch über z w ei J ah re bis die bota ,

nischen Ent d eckungen d i e er i n Italien gemacht


,

hatte so weit gereift waren daß er sie für


, ,

p u bl i k ati o n sf ä hi g hielt Es wur d en noch vielfach


.

Einzelbeobachtu ngen angestellt Notizen gesammelt , ,

Zeichnungen angefertigt und das Gan z e immer u n d


immer wieder durchdacht bis zur ausführlicheren
schriftlichen Formulierung geschritt en wurde Ab er .

auch hier blieb es nicht b ei der ersten Form m an n i g ,

fach wurde umgesch rieben Hypothesen wurden auf ,

gestellt un d verworfen bis en d li ch die Pflanzen ,

metamorphos e di e uns heute überlieferte Gestalt


erhielt 1 7 90 erschien dann : J W v Go ethe Her
.
„ . . .

z ogl i ch Sachsen Weimarischen Geheimrats Versu ch


-
,

die Metamorphose der Pflanzen zu erklären ; ein “

Heft von 86 Seiten das d i e R esultate von Goethes


,

Forschungen enthielt Wir sehen aus d erV orges chi chte


.

d ieses W erk ch en s daß Goethe recht hatt e w enn er


, ,
64 Dri tte Vorl es ung .

schrieb : Nicht also durc h eine außerordentliche


Gabe des Geistes ni cht durch eine momentane In


,

S pirati on noch u n v errn utet u n d auf einmal sondern


, ,

durch ein folgerechtes B emühen bin ich endlich zu


einem so erfreuli chen Resultate gelangt .

Wir wollen j et z t d en Inhalt von Goethes Ab


h an dlung kurz entwi ckeln um dann später ihre Be,

d eutung besser wür d igen zu können Di e These .


,

wel che b ewiesen werden s ol l ist d aß al le Pflan z en


, ,

teile außer dem Stamm ( der Achse) als umgewandelte


Blätter an z usehen sind D er Gegenstand auf d en
.
,

sich d ieser Goethesche Satz b ezieht sind nicht die ,

niedern Pflanzen (Kryp togam en) son d ern nur d i e ,

P h an ere g am en also d i e Blütenpflanzen im ei g en t


,

lichen Sinn u n d auch bei diesen han d elt es sich


,

für Goethe im wesentlichen nur um die oberird ischen


Pflanzenteil e Die Wurzel fällt fast ganz aus dem
.

Kreis seiner Betrachtu ngen heraus Di e Methode .


,

mit der er nun alle Seitenorgane der Pflanze al s


umgewandelte Blätter nachweist beruht darauf daß , ,

er überall Übergänge zwischen den ausgeb i l d eteren


Laubblättern und d en andern Seitenorganen auf
d eckt und zwar findet er solche Übergangsformen
,

zunächst bei normalen Pflanzen (normale Metam e r


phose ) dann aber auc h zweitens b ei abnormen ja
, ,

sogar bei pathologischen Wuchsformen wie sie in ,

d e r Natur vorkommen oder d urch künstliche Zü c h


,

tung erzielt werden (un regelmäßige oder regressive


,
66 Dritt e Vorl e sung .

d ie allmähliche Ausbil d ung d er komplizierten Blatt


f e rm veranschaulicht un d von Goethe w ah rsch ei n
lich z u r Illustration seines z weiten Versu chs über

d i e Metamorphose der Pflan z en b estimmt war “


.

Fig 1 gibt d i e Abbildungen i n verkleinertem Maß


.

stä b e wieder Von Wichtigkeit für d i e Gestaltung


.

d er Blattform sind ferner äußere Bedingungen B e ,

lichtung Luftzug Höhe d es Standortes Ein Bei


, , .

S piel sin d d i e R an u n k el b l ätter welche verschie d en


,

gebildet werden j e nach d em sie unter Wasser oder


,

in freier Luft auswachsen So gelangt Goethe .

stu fenweise zu der voll ausgebildeten Blattform .

Daran schließt sich die Erörterung d es Blüten


stan d es d er entweder unvermittelt von d er Pflan z e
,

hervorgebracht wird oder durch Übergänge mit


den Laubblättern verbunden ist Diese letz teren .

wer d en nun ausführlich d argelegt Zwischen Kelch .

blättern un d Laubblättern fin d en sich zahlreiche


Zwischenformen ; bei einzelnen Pflanzen werd en
unterhalb d es Kel ches di e Laubblätter kleiner und
vermitteln so d en Übergang ; d er Kelch kann aus
einzelnen getrennten Blättern bestehen oder ringsum
verwachsen Danach wir d die Blumenkron e be
.

S pr e chen Von d ieser zu den Kelchblätt ern werden


.

ebenfalls Zwischenformen beobachtet z B bei der , . .

Nelke wo n och grün gefärbte Kronenblätter vor


,

kommen Bei einzelnen Blumen fe h lt der Kelch ganz


.

und es kommen dann direkte Übergänge zwischen


Fig 2. .

Tu l p e D a m i t a b ez e i c h n ete B l at t i s t z u r Hä l f te L u b
s a

b l att u n d grü n z ur Hä l fte B l u m enb l ntt u n d v iol ett ( Pfl anz e n


.

m etam r p h s e 6 V e rk l e i nertc N ac hb i l d u n g d e s i m
,

o o

G o e t h e h au s e b e l i n d l l c h e n O rl g l nnl nq u are l l s .
F1 g . l .

A h h
llmä lic e Ent wi c kl un g e i n er k o m p l i z i ert en B l attf orm (9) au s e i n er ei n
f h
ac en (l ) . V erk l em e rt e N a c hb i l d u n g d e r i m G oet h e h au s b e! n d l i c h en
O ri g i n al a q u arel l e .
D ie b otan isch e n Ar b e ite n 1 .
67

S ten g e l b l ä ttern und K ron en b l ättem vor wie z B , . .

b ei d er Tulpe wo man chmal ein Blumenblatt noch


,

zur Hälft e grün sein und d i e Form eines richti gen


S ten g el b l attes zeigen kann (siehe Fig 2 nach einem im .

Goethehaus befin d lichen Aquarell ) Das nächste Glied .

in der Reih e bil den d i e S tau b w erkz eu g e Auch bei .

d iesen kommen no rmale und unregelmäßige Über

g ga n s f o rm e n vor Normale z . B bei der Canna . .


,

wo ein Blum enblatt d irekt d en Staubbeutel trägt .

Unregelmäßige lassen si ch zahlreich bei gefüllten


Blumen 2 B Rosen au fl i n d en ; bei hal bgefü l l ten
, . .

Rosen sieht man ein erseits ausgebildete Blumen


blätter andrerseits richtige Staubgefäße dazwischen
, ,

aber Blumenblätter welche in der Mitt e ein en ,

Staubbeutel tragen o d er Gebilde w el ch e zur , ,

einen Hälfte die Gestalt ein es halben Rosen blattes ,

zur andern die ein es halben Staubbeutels haben .

Hieran schließt Goethe di e B esprechung der Nek


tarien derj enigen B lütenorgane d i e d en Hon i gsaft
, ,

produzieren wel cher die Insekten anlockt Er gi bt


, .

auch bei diesen zahlreiche Beispiele welche d eren ,

B l attä h n l i ch k ei t illustrieren Danach folgt d i e Be.

s p re ch u n g des Griffels Norm al e Übergänge zu d en


.

B l u m en bl ä ttem sind zahlreich B ei gefüllten Blumen .

kann der Griffel gera d ezu durch solche ersetzt wer


,

den Auch die Fru cht führt Goeth e auf d i e Blatt


.

f e rm z urück Er findet Übergänge zwischen d en


.

Samenkapseln und k el ch ä h n l i ch en Blättern bei der


5 *
68 Dritt e Vorl e sung .

Nelke ; er demonstri ert die Zusammensetzung au s


bl attä h n l i ch en Gebilden bei Hülsen Schoten und ,

Kapseln bei d en en dies beson d ers deutlich wird


, ,

w enn s i e aufspringen u n d so selbst m ihre n atü r

lichen Bestan d teile zerfallen Durch schrittweise .

Stufenfolge d er Darstellung gelangt Goethe d azu ,

auc h schließlich d i e eigenartig geformten Früchte ,

wie d en Apfel o d er die Kastani e mit der Blattform ,

z u vergleichen Daran schließt sich d ann noch eine


.

Besprechung der Samenhüllen .

D ie bisherige Darstellung be z og sich haupt


sächlich auf einfach gebaute einjährige krautartige
Pflanzen bei denen Blätter und Blüte im wesent
,

l ichen nur um eine Achse geordnet sin d Das Ver .

s tä n d n i s des Baues bei d e n vielfach verzweigten

Sträuchern u n d Bäumen ergibt sich für Goethe aus


d er Betrachtung d er Augen In vielen Fällen sitzt .

i n dem Winkel in welchem der Blattstiel von d er


,

Achse entspringt ein Auge d h ein Vegetations


, ,
. .

punkt d er im günstigen Fal l e zu einem neuen Zweig


,

auswächst Diesen betrachtet d er Autor einfach als


.

eine n eue kleine Pflan z e welche auf d em alten ,

Sta mm wäc h st und nun ihrerseits wie d er Laub


blätt er Blume u n d Frucht produzieren kann Auf
, .

diese Weise gelingt es ihm auch die kompliziertest ,

verzw eigt en Gewächse auf sein einfaches Schema


zu rückzuführen E s werd en d ann n o ch kurz die
.

zusammengesetzten Blütenstände d iskutie rt Dann


70 Dritt e V orl esung .

wechselnde s vollstän d iges Ausbil d en d er Seiten


organ e und Zusammen z iehen ihrer Form veranlaßt
werde u n d gibt zur Erklärung d ieser Erscheinung
,

eine Hypothese welche für Goethes ganze Auf


,

fa ssu n gsw ei s e von größtem Interesse ist Er nimmt .

an d aß mit dem Wac h stum der Pflanze d i e Säfte


,

auch i n ihre höheren Teile ein d ringen u n d d abei in


den S aftb ah n en allmählich immer feiner filtriert u n d
verändert werden Durch d iese verän d erten Säfte
.

werd e d ann d i e Ausbil d ung d er Blattform m o d i fi


ziert u n d d eshalb käme es z u r Pro d uktion von
B l u m en b l ä ttem
, S ta u b w erk z eu gen usw Die fort .

schreitende Kenntnis d er Pflan z enphysiologie hat


aller d ings gezeigt d a ß d i e Stoffwechselvorgänge
,

lange nicht so einfach liegen wie Goethe vor über


,

1 00 Jahren noch voraussetzen konnte Es ist aber


.

von größter Wichtigkeit d aß er schon d amals an


,

genommen hat d aß d i e F e rm b i l d u n gsp roz esse bei


,

d e r Pflanze abhängig seien v on S toff w ec h s ei v or


gängen und daß ein verän d erter Chemismus i m
P fl a n z e n i n n ern d i e Ursache sein könne von ver
ä n d erter Ausbil d ung d e r B l attf onn Wir werden d as
.

pri nzipiell Wichtige d ieser Annahme noch weiter


unten zu erörtern haben .

D as i st in Kürze der Inhalt von Goethes Ver


such die Metamorphose d er Pflanzen zu erklären
, .

Er hat S päter daran ge d ac h t das dem Werke zu


,

grunde liegen d e Tatsachenmaterial zu einem Teil


Die b ot anisch e n Arb e ite n 1 .
71

wenigstens zur Anschauung zu bri ngen und l ieß ,

kolori erte Tafeln anfertigen welche z ahlreiche Bei


,

spiele für seine Behauptungen brac h ten Di e Ver .

ö ff en tl i ch u n g ist aber bis j etzt unterblieben Die .

Tafel n ruhen heute noch im G oeth em u seu m Zwe i .

von ihn en k on n ten zur Illustration d i eses V e rtrag es


verwendet werden Wi e Prof Hansen im Goethe
. .

jahrbuch mitteilt wir d er demnächst diese Ab


,

bildungen veröffentlichen .
Vi erte Vorl esung .

D i e b ot an i sc h en Arb ei t e n 11 .

Meine Herren ! Wenn ich Ihnen z u Beginn dieser


Vorlesung den Inhalt der P fl an z en m etam orp h ose
wieder kurz ins Ge d ächtnis zurückru fen soll so ,

kann ich ni chts Besseres tun als d az u di e schönen ,

Verse zu benutzen in d enen Goet h e selbst dem


,

Kreis seiner Freun d innen u n d S peziell Christian e


Vulpins d en Inhalt seiner Forschungen in anschau
l icher u n d poetischer Form zu vermitteln ver
sucht hat .

Dich v éfwTrret G el i e bte d i e taus e n d fält ige M ischung


, ,

D i s e B Iü m é n g eiv ii h l s ü b e r d e m / Gä rten umh e r ;


'

Vi e l e am e n be re st d u an u n d imm e r v e rd rä ng et
! ,

Mi t Em b an sc h e m Kl ang ei n e r d e n an d e rn i m Ohr
!

.
,

All e 0 fal te n s i n d äh nlich un d kä n e fg l e i c h é t d e r an d e rn ; ‘

ä
,

!d e ute t d as Chor auf e i n g e h ei mes ,OES Z


’' ' '

Un d ,

Auf ei n h e ilig e s Räts e l O k önnt ic h d i r l i e blich e Fr e un d in


.
,

, ,

Üb er l i efe rn sogl e ich glücklich d as l ös e n d e W e rf t


W e rd e n d b etracht e s i e n u n w ie n ach u n d nach sich d i e Pflan z e
, ,

St ufe nw e is e g e führt bil d e t z u Blüte n u n d Frucht


, .

A us d em Sam e n e ntwick e lt s ie sich s obal d ihn d er Erd e ,

S till e b etru c hte n d e r S cho ß h e l d i n d as L e b e n e ntläßt ,

U n d d e m R e i z e d es Lichts d es h e ilig e n e wig b e w e gt en


, , ,

Gl e ich d e n z ä rte s te n Bau k e im e n d e r Blätte r e m p fi e hlt .


D ie b otanisch e n Arb e it e n 11 .
73

Einfach s chli ef in d em S am e n d ie Kraft ; e in b egi nn e n d es


Vorb il d
Lag v e rschl oss e n i n sich u nt e r d i e H üll e g e b e ugt
, , ,

B l att u n d Wurz e l u n d K e im nur halb g ef orm et u n d farb l o s


,

T r oc ke n e rhält so d er K e rn ruhig es Le b e n b ewahrt ,

! uill e t stre b e n d e m p or sich mil d e r F e ucht e v e rtrau e n d


, ,

U n d e rh e bt sich sogl e ich aus d er umg e b e n d e n N acht .

Ab e r e infach bl e ibt d i e G e stalt d er e rst e n Ersch e i nung ;


U n d s o b e z e i chn e t sich au ch unt e r d en Pflan z e n d as Kin d .

Gl eich d arauf ei n folge n d e r Tri e b sich e rh e b e n d em eu et


, , ,

Knot e n auf Knot e n g e tü rm t imm e r d as e rst e G eb i l d


,
.

Zwar ni cht imm e r d as gl e ich e ; d e n n m an n i chfal t ig erz e u gt sich ,

Ausg e bil d et d u s i eh s t s imm e r d as folg e n d e Blatt


,
'
, ,

Ausg e d e h nte r g e k e rbt e r ge tre n nte r in S p itz e n u n d T e i le


, , ,

D i e v e rwachs e n vorh e r ruht e n im u nt e rn Organ .

U n d so e rr e i c ht es z u e rst d i e höchst b e stimmt e Vo l l e n d ung„


D i e b ei m anch e m G e schl e cht d ich z u m Erstau n e n b ew e gt .

V i e l g e ri pp t u n d g ez ackt auf mastig strotz e n d er Fl ä ch e


, ,

S ch e i n et d i e Füll e d es Tri e bs fr e i u n d u n e n d lich z u s e i n .

Do ch hi e r hält d i e Natur mit mächtig e n Hän d e n d i e B il d un g


, ,

An u n d l en k e t s i e s anft i n d as Vol l k o m m n ere hi n .

Mäßig e r le it et s i e nu n d en S aft v e r e ngt d i e G efäße


, ,

U n d gl e ich z e i gt d i e G e stal t z ä rt ere Wirkung e n an :


Still e z i e ht sich d er Tri e b d er str e b e n d e n Rän d e r z ur üc k e ,

U n d d i e Ri pp e d es Sti e ls b il d e t si ch völlig e r aus .

Blattlos ab e r u n d s chn e ll e rh e bt si ch d er z ä rtere St e ng e l ,

U n d ei n W u n d erg eb i l d z i e ht d en B e tracht e n d e n an .

R ings im Kr e is e stel l et sich nun gez ähl et u n d ohn e ,

Zah l d as kl e in e r e Blatt n e b e n d em ähnli ch e n hin


, .

Um d i e Achs e g e d rängt e ntsch e i d e t d er b e rg e n d e K e l c h sich ,

D er z u r höchst e n G e stal t farbig e Kro n e n e ntl äßt .

Al s o prangt d i e N atur i n hoh e r v ol le r Ers ch e inung ,

U n d s i e z ei g et ge r e iht Gli e d e r an Gl i e d e r g e s t uft


, ,
.

I mm e r staunst d u aufs n e u e s obal d si ch am Ste ng e l d i e Bl um e


,

Üb e r d em schlank e n G e rüst w e chs e l n d e r Blätte r b ew e gt .

Ab e r d i e H e rrlich k eit wird d es n e u e n Schaff e ns V erkü n d u ng ,

Ja d as farbi g e Blatt f ü hl et d i e gö ttlich e Han d


, .

U n d z usamm e n z i e ht e s sich sch n e ll ; d i e z ärte sten Form e n ,

Zwi efach str eb e n s i e vo r sich z u v er e i n e n be stimmt


, .
74 Vi e rt e Vorl e su ng .

Tra ul ich st eh e n s i e nun d i e b e i d en Paar e b e isamm e n


, , ,

Zahlr eich or d n e n s i e sich u m d en g ew e iht e n Altar


Hym e n s c hw eb et h erb e i u n d h e rrl ich e Düft e gewaltig , ,

Ström e n süß e n G e ruch all e s b e l eb e n d umh e r


, , .

Nu n v e r ei n z e lt s chw ell e n sogl eich u n z ählig e K ei m e ,

He l d in d e n Mutt e rs cho ß s chw e ll e n d e r Frücht e g ehu ll t .

U n d hi e r schli e ßt d i e Natur d en Ring d er e wig e n Kräft e ;


Do ch e i n n e u e r sogl e ich f asse t d en vorig e n an ,

D aß d i e K ett e sich fort d urch all e Z eit e n v e rlange ,

U n d d as Gan z e b e l eb t s o w i e d as Ei n z el n e s e i
, ,
.

W e n d e nun 0 G e li ebt e d e n Blick z u m bunt e n G ew imm el


, , ,

Das v erwirre n d nicht m e hr si ch vor d em G e ist e b ew e gt .

J e d e Pflan z e v erkün d et d i r nun d i e ew g en G e s etz e



,

J e d e Bl um e s i e s p ri cht l aute r u n d laut e r mit d i r


,
.

Ab e r e ntz iff e rst d u hi e r d er Götti n h e ilig e L ett e rn ,

Üb e rall si e hst d u s i e d ann auch i n v e rän d e rt e m Zug


,
.

Kri e ch e n d z au d r e d i e Rau p e d e r Schm e tte rling e il e g eschäftig


, ,

Bil d sam än d re d er M e nsch s e lbst d i e b e stimmt e G e stal t l


0 1 g e d e nk e d e nn auch w i e aus d e m K e im d er B e kanntschaft
,

Nach u n d nach i n uns ho l d e G ewohnh e it e nts p ro ß ,

Fr e un d schaft sich mit Macht i n u ns e rm Inn ern enthüllte ,

U n d w i e Amor z ul e t z t Blüt e n u n d Frücht e ge z e u gt .

D e nk e w i e mannigfach bal d d i e bal d j en e G estalt e n


, , ,

S ti l l e ntfalte n d Natur u ns e rn G efühl e n g el i eh n l


,

Fr e u e d i ch auch d e s h eutige n Tags ! D i e h e ilig e Li e b e


Str e bt z u d er hö chste n Frucht gl e ich e r G e sinnung e n auf ,

Gl e ich e r Ansicht d e r Ding e d amit i n harmonisch e m A ns chau n


,

Sich v e rbin d e d as Paar fin d e d i e höh e r e W e lt


,
.

U nd nun wollen wir versuchen gleich an dieser ,

S te l l e nachdem wir zum ersten Male eine wissen


,

schaftliche Arbeit Goethes näher kennen gel ernt


haben u n s d arüber klar zu werden welches die
, ,

Stellung u n d d i e ihrer Zeit vorauseilen d e Be d eutung


d ieser Schrift i s t und wollen sogleich hier d i e ersten
K onsequenzen zur Beurteilung v on Goethes wissen
Die b otanisch e n Arb eit e n II
. 75

Methode ziehen um d i ese Kenn tnis dann


s ch aftl i c h er ,

später schrittweise erweitern un d ve rtiefen zu können .

Währen d Linné und seine Schule versu cht hatt en ,

die Gesamtheit der pflanzli chen Formenwelt dadurch


für den menschlichen Geist zu b em ei stem daß s i e ,

möglichst viel ein z elne verschiedene Formen u n d


Arten aufstellten daß si e also m ö glichst b i s i n s
,

kleinste unterschieden un d son derten beschritt ,

Goethe den umgeke h rten Weg Er unterna h m es .


,

d as allen Pflanzenformen Gemeinsame h eraus


z u sch ä l en u n d dadurch eine einheitliche B etrach
tung der unen d lichen Mannigfaltigkeit des Pflanzen
wachstums z u ermöglichen Die Met h o d e deren er
.
,

sich hierbei bedi ente ist i m letzten Vortrag schon


,

ku rz ange d eutet w e rd en Er stellte sich zunächst


.

aus alle den verschieden en Erscheinungen die er ,

untersuchen wollte ein e k o n t i n u i e r l i c h e R e i h e


,

her di e er so anordn ete daß s i e vom Einfachen


, ,

bis zum Kompliziertesten stufenweise fortsch ritt Er .

suchte und fan d in der Natur zwischen den


einzelnen G l i ed em dieser Reihe d ann zahlreiche
vermittelnde Übergänge so daß er direkt die k om p l i
,

z i erteren Formen schrittweise auf die einfacheren


z urückführen konnte In diesem Verfahren sich
.
,

z unächst aus d en zu untersuchenden Phänomen en

eine kontinui erliche Reihe zu bilden besteht ei gen t ,

lich Goethes a l l erp ers ö n l i ch ste Metho d e Er hat .

sie fast bei al l en seinen naturwissensc h aftli chen


76 Vi e rt e Vorl e sung .

Untersuchungen angewen d et bei den botanischen ,

un d z oologischen nicht nur son d ern auch b ei den


,

mineralogischen und den optischen Währen d er .

auf d iese Weise in der Morphologie der Pflanzen


und Tiere d i e wichtigsten Resultate zeitigte werden ,

wir sehen daß der Versuch d iese Betrachtungsweise


, ,

auch für die Farbenlehre an z uwen d en einen der ,

wesentlichsten Gründe für Goet h es Irrtum in der


physikalischen Optik d arstellt Für d i e botanische .

Forschung erwies si e sich dagegen als au ßerord en t


li ch fruchtbar Goethe hat hier zwei verschie d en e
.

Reihen aufgestellt Einmal versuchte er d i e Formen


.

d er verschiedenen Pflan z en a r t e n nebeneinander zu


stellen u n d si e d urch zahlreiche Übergänge und
Varietäten z ueinan d er in Beziehung zu setzen So .

gewann er eine Übersicht üb er die verschiedenen


in der Natur vorkommenden Pflanzenformen vom
einfachsten Kraut bis zum kompli z iert gebauten
Baumri esen Die z weite Reihe bestand aus der
.

Stufenfolge d er einzelnen Seitenorgane ein u n d der


selben Pflanze : v om Keimblatt bis zum voll ausge
bildeten Laubblatt von d iesem bis z u r ausgebil d eten
,

Blumenkrone und Frucht Sobal d nun Goethe d iese


.

bei d en Reihen vor sich h atte machte er d en nächsten


,

Schritt u n d suchte in d as Verständnis dieser fo rt


laufenden Fo rm e n k ette d urch d i e Anwen d ung der
vergleichenden Methode einzudringen Durch Ver .

gleichung war festzustellen welche Unterschie d e


,
78 Vi e rt e Vorl e sung .

mußte und wie er schrittweise um den E 1f ol g


,

rang .

An dieser Stell e wollen wir au ch gleich eine


Betrachtungsweise erwähnen durch wel che Goethe ,

seiner Zeit u m viel e Jahrzehnte vorausgeeilt ist .

Er zog n ämlich für d i e Ergründung der F orm b i l


d ung nicht nu r d i e normalen Formen heran sondern ,

stü tzte sich gan z bewußt und eingehend auch auf


d i e abnormen und pathologischen Gebilde Dieses .

Vorgehen w el ch es uns heute so selbstverständlich


,

erscheint war für j ene Zeit d urchaus u n gew ö hn


,

lich Man nahm damals n och an daß die krank


.
,

haften Zustän d e gar nichts mit den normalen zu


tun hätten d aß die Krankheit etwas sei was den
, ,

normalen Körper von außen b efal l e und daß man ,

d aher die krankhaften Pro z esse nicht mit d en nor


malen i n Verbin d ung setzen könne Erst d er Ver .

einigu ng von Me d i z in und Naturwissenschaft in der


ersten Hälfte d es vorigen Jahrhunderts ist es zu
d anken daß diese Anschauungen beseitigt w e rd en
,

sind Vor allem war es Rudolf Virchow der di e


.
,

n eue Erkenntnis begründete Wir sehen heute die .

krankhaften Prozesse al s Lebensäußerungen d es


Patienten an Wi r wissen daß si e in vi elen Fällen
.
,

die Reaktion d es O rganismus auf abno rme Be


dingu ngen darstellen welche in seinem Innern ent
,

stehen o d er von außen wie die Bakterien in ihn


, , ,

eindringen E s i st längst Gemein gut der medi


.
D ie botanisch e n Arb e it e n 11 .
79

Forschung geworden daß man i n den


z i n i sc h en ,

krankhaften Prozessen sehr oft wichtige Lebens


äußerungen des Organismus studi eren kann wel che ,

i m gesunden Zustand nur schwer zu fa ssen u n d zu


ergründen sind Der gesun d e Kö rper zei gt uns die
.

normalen Leistungen der kranke Körper i n viel en


,

Fällen dagegen das was der Organismus a u ß e r d e m


,

noch zu leisten befähigt i st u n d s o ergänzen sich


,

die Kenntnis des normalen u n d d es pathologischen


erst zu dem v ollen Bil d e der gesamten Lebens
äußerungen Wi r sehen nun Goethe genau dieselben
.

Überl egungen für seine P fl an z en m etam orp h o se an


stellen Auch er ist von der Überzeugung durch
.

d ru n g en daß man in j e d em Abn ormen die n ormale


,

Grundlage erkennen müsse und so zieht er die ,

natürlich vorkommen d en un d die durch Z ü chtung


erzielten Abnormitäten in den Kreis seiner B etrach
tungen mit hin ein Sie erinnern sich daß er die
.
,

gefüllten Blumen die d urchgewachsen e Rose u n d


,

Nelke un d an d eres hi erher gehörige als vollwertige


Beweisstücke in die Entwicklungsreihe der Pflanzen
form eingef ü gt hat Das was Goethe als regressive
.
,

und als zufällige Metamorphose b ezei chnet sin d ,

derartige abnorme un d pathologische Zustände .

Er b etrachtet auf d iese Weise das Norm al e und


d as Pathologische glei chzeitig un d ergänzt die
Kenntnis des einen d urch d i e des andern Er hat .

später als er d iese Stu d ien eingehender fo rtsetzte


, ,
80 Vi e rt e Vorl esun g .

wi e d erholt betont d aß man aus d en Mißbildungen


,

d er Pflanzen d i e normalen Grundlagen oft aufs


allerschönste erkennen könne So hat er auf einem .

sc h einbar weit abliegenden Gebiete grundlegende An


s c h au u n g en auch über die Pathologi e gewonnen .

Goethes Schrift nennt si ch einen Versuch d i e ,

M e t a m o r p h o s e d er Pflanze zu erklären un d wir ,

wollen gleich hier bei den botanischen Stu d ien


erö rtern w as Goethe d arunter verstan d en hat Das
, .

ist u m s o nötiger als wir heutzutage d en B egriff


,

d er Metamorp h ose sehr viel enger fassen als es ,

damals geschah Der Di chter hat seine zoologischen


.

und botanischen Studien unter dem Sammelbegriff


d er Morphologie den er schuf zusammengefaßt u n d
, , ,

er d efinierte d i e Mo rphologie als d i e Lehre von der


Bil d ung u n d Umbil d ung organischer Naturen Wir .

können sagen d a ß Goethe unter Metamorphose


,

alles d as verstanden hat was sich auf U m b i l d u n g


,

o r g a n i s c h e r N a t u r e n bezieht Diese Bezeichnung


.

war der damaligen Zeit d urchaus geläufig si e ,

war beson d ers schon von Linné für die B eobac h


tung der Pflanzenform angewendet w e rd en Linné .

wollte nämlich das Verständnis der Pflanze dadurch


fördern d aß er ihr Wachstum mit der Metamorphose
,

der Insekten verglich E s sollte die Blüte aus i h rer


.

Hülle hervorbrechen wie der Schme tterling aus der


,

Puppe und demgemäß hat Linné d i e Rinde der


,

Pflanze direkt mit der Larv en hü l l e der Insekten ver


Di e b otan isch e n Arb e it e n 11 .
81

glichen Die Blüten sollten nach ihm au s der Rinde


.
,

spe z iell di e Blumenkrone aus dem B ast die Staub ,

beutel aus dem Holz d i e Narbe au s dem Mark d es


,

Stammes hervorgehen Erst wenn man sich diese .

wilden Phantasien vergegenwärtigt sieht man wel , ,

chen großen Fortschritt Goethes uns heute s o selbst


verständlich erscheinende M etam o rp h e sen l ehre be
d eutet . Statt unbegründeter Vergleich e i st j etzt ein
auf zahlreiche Ein z elbeobachtungen gestü tztes Ver
s tä n d n i s möglich Auch d as Ei d es Columbus
.

schien nachher den Zuschauern ein sel bstv erstä n d


li ches Experiment .

Goethe unterschei det nu n verschiedene Fo rmen


d er Metamorphose und stel lt als erste di e succes
sive Metamorphose auf So b ezeichn et er diejenige .

Art der Umbildung die wi r auch heute n och Meta


,

morphose n ennen : die Metamorphose der Insekten ,

der Amphibien u dgl Wenn sich die Raup e zur


. .

Puppe die Pupp e zum Schm e tterling umbil det wenn


, ,

aus dem Frosc h ei d i e Kaulquappe und aus dieser


der ausgebildete Frosch entsteht so sehen w i r wie , ,

successive ein un d dasselbe i n d ivi duum al s Gan zes


sich verwan d elt und verschiedena rtige Gestalten än
nimmt Demgegenüb er unterschei det Goeth e ein e
.

zweite Gruppe von Umbildungen als simultan e Meta


morphose und begreift darunter Dinge welche wi r ,

heute nicht mehr mit diesem Ausdruck b ezei chnen .

Er gibt in seinen Aufz eichnungen dafür die D efi ni


M g
a G th l N t rf r h r
n us, oe e a s a u 6
o sc e .
82 Vi e rt e V orl esung .

tion : Simultan e Metamorphose indem d i e Teil e


„ ,

sich von einan d er unterscheiden Was darunter ver .


standen wird möchte ich Ihnen an einem einfachen


,

Beispiel kl ar mach en B etrachten wir ein en einfach


.

gebauten Wurm wi e z B d en Regenwurm und sehen


, . .
,

wi r d ab ei zunächst von K e p f und Schwanzende ab ,

so finden wir d en Körp er zusammengesetzt aus einer


Reih e von Ringen welch e aufeinander folgen d den
,

Wu rmkörp er bilden und wel che bei d er näheren


Untersuchung einander so gut wie vollkommen
gleichen J edes einzeln e Teilstück oder nach der
.
,

heutigen Aus d rucksweise Metamere besteht aus ,

einem M u s k el ri n g in dessen Innerem sich das zu


,

gehö rige Nervensystem und d i e übrigen Organe be


fin d en Der Regenwurm ist also dadurch ein ein
.

fach gebautes Ti er d aß er aus einer fo rtlaufenden


,

Reihe durchaus gleichartig zusammengesetzter Teil


stücke besteht Ganz anders liegen d i e Verhältnisse
.
,

wenn wi r zu höheren Ti eren fortschreiten Wi r .

wollen al s Beispiel an dieser Stelle ein auch von


Goethe meh rfach angeführtes und stu diertes be
nutzen nämlich d as Rückgrat d i e Wirbelsäule eines
, ,

S ä u g eti e res Betrachten wir d i e Wirbelsäul e eines


.

Hun d es Rindes o d er Menschen so fin d en wir daß


, , ,

dieses Organ au s einer Reihe von gleichwertigen


Teilstücken beste h t welche alle annähernd nach
,

d emselben Plan gebaut sind Sie enthalten einen .

Wirbelkörper Wirbelbogen und W i rb el fortsä tz e


, ,
Ve rt eb ra e d ie W i rb el b ei n e .

A t l as

p tro p h eu s
E is

d es Ha l ses

d es R ü c k en s

d e r L en d en

Fi g 3
. .

Wi r b l d e s Me n s c h e n T afel au s d er M a pp e G oe th es
e :

a nat o m i sc h e S t u d i en I a j e n s b e i Le d er i m G oeth e
.

h a u s Verm u tl ic h b e n u tzt z u G eth es anatom i sch en


. o

V rträ g en a n d e Ze l c h ena k a d e m i e I n We i m ar D az u
o r

g e h ö rt e i n B l att U n1 rl ßz el c h n u ng en m i t sc hri ftli ch en


.

Erl ä u t er u n g e n
.
84 Vi e rt e V orl esung .

s i v en u n d simultanen Metamorphose zu Betrachtet .

man d i e ausgebil d ete Pflan z enfo rm so findet man ,

d i e einzelnen Seitenorgan e d er Pflanze Blätter Blüte , , ,

Frucht usw voneinander unterschie d en : simultane


.
,

Metamorphose Wenn man aber die Pflan z e wachsen


.

sieht s o entsteht Knoten für Knoten d er Reihe nach


, ,

u n d j eder Knoten läßt ein oder mehrere Seitenorgane

h ervorsprießen welc h e in immer wechselnder und


,

immer vollkommen erer Weise ausgebildet werden .

D ie einzelnen Wirbel der Wirb elsäul e sind gleich


zeitig d a Di e ein z elnen Knoten d er Pflanze mit
.

ihren Seitenorganen wer d en nacheinan d er ge


bil d et S e steht die Metamorp h ose der Pflanzen
.

i n d er Mitte zwischen der su cc essi v en u n d simul


tanen Metamorphose und enthält die Elemente von
beiden .

Damit ist aber der Kreis dessen was Goethe ,

unter Umbildung organischer Naturen zusammen


faßte noch nicht erschöpft Es kommt als drittes
, .

hinzu d i e Verschiedenheit d er Form welche sich bei ,

vergl eichen d er Betrachtung d er einzelnen Pflan z en


und Tier a r t e n ergibt Oben wur d e auseinan d er
.

gesetzt daß Goethe d i e Verschiedenheit der Pflanzen


,

und Tierwelt dadurch anschaulich und untersuchbar


machte daß er d i e verschiedenen Einzelformen der
,

P flanzen und Tierspezies in eine vollständige und


kontinuierliche Reihe einordnete Der Vergleich ein .

z e l n er charakteristischer Ve rtreter dieser Reihe ergibt


D ie b otanisch e n Arb e it e n 11 .
85

dann natürlich wesentliche F orm u n terschi e d e eine ,

Metamorphose innerhalb des ganzen Ti er u n d


Pfl an z en re i c h es Die Wissenschaft von d iesen Fo rm
.

änderungen ist die v e r g l e i c h e n d e A n a t o m i e .

Goethe hat als das eigentlich e Zi el d ieser Wissen


schaft die Aufstellung einer G rundform an g es ehen ,

auf wel che sich alle Einzelfo rmen zurückf ühren l asse n
müssen Für die Pflanzenwelt hat Goethe zunächst
.

nach einer solchen U rp fl an z e wirklich in d er Natur


gesucht dann ab er erkannt daß es sich nur um
, ,

ein Schema handel n könne welche man kon ,

s tru i eren ab er nicht tatsächlich au fl i n d en müsse


, .

Er hat danach für Pflanzen u nd Tierreich d as ge


sucht was er einen Typus nannte ein e einfachste
, ,

G rundform auf die sic h alle tatsächlich vorhandenen


,

Formen zu rückführen ließen und er redet S päter ,

direkt von d er Aufgab e einen sol chen Typus zu ,

k o n s t r u i e r e n Di ese d ri tte Form der Metam e r


.

phose von Art zu Art ist also eine B etrac h tu n gs


weise welche schließlich den großen F onn en krei s
,

der Tier u n d Pflanzenwelt in den B ereich ihrer


Forschung zieht und stellt so die höchste V eral l ge
,

m ei n eru n g von Goethes mo rphologischen F ors c hu n

gen d an
Diese kurze Einteilung d er M etam orp h osen l eh re
enthält in nuce das gan z e Programm von Goethes
morphologischen Forschungen Wi r hab en sie an .

geknüpft an ein e Diskussion der Pf l an z en m eta


86 Vi e rt e Vor le sung .

mo rphose und werden bei den folgenden B e


s p rech u n g en sehen wi e Goethe d ieses Program m
,

der Reihe nach selbst erfüllt hat und wi e er so d i e


Gesamtheit d es organischen F o rm en w esen s S chritt
für Schritt in den Kreis sein er wissenschaftlichen
Bem ü hungen zog .

Di e rein morphologischen Stu d ien bildeten aber


nur einen wenn auch den wesentlichsten Teil von
,

Goethes biologischen Interessen Er stellte sich nicht .

nur d i e Aufgabe in das Verstän d nis der Form orga


,

n i s i erter G ebil d e einzudringen sondern legte sich


,

auch die Frage nach den U r s a c h e n der Form


bil d ung vor Diese Forschungen haben nach Goethes
.

T o d lange Zeit geruht u n d erst in den letzten Jahr


,

zehnten wen d et sich ihnen d as Interesse der Natur


fo rscher wieder zu Die ganze Wissenschaft der Ent
.

w i c k l un g sm ec h an i k u n d E n tw i c kl u n g 5p hy s i o l og i e ist

j üngsten Datums und deshalb muten Goethes Aus


e i nan d e rsetz un gen über d iese Fragen d en Leser als

ganz beson d ers modern an Er unterscheidet in seinen


.

bota n ischen Stu d ien zwei verschie d en e Gruppen von


Ursachen der Formbildung Die einen sind äußere . .

Wi r haben i n d er letzten Vorlesung schon erfahren ,

d aß Goethe d e n äußeren Bedingungen wie Licht , ,

Luft K l i m a Wärme Stando rt Bewässerung und vielen


, , , ,

anderen einen er$ c hi ed en en Einfluß auf die Aus


,

bildung der Pflanzenform zuschrieb Er stellte dieses .

durch Beobachtu ng an frei in d er Natur wachsenden


88 Vi e rt e Vorl e sung .

Weise b eeinflussen Es werden also den äußeren


.

form ati v en Reizen innere u n d zwar chemische gegen


,

ü b erg estel l t ; d i e äußeren Reize beeinflussen d i e Ge

s am tf orm der Pflanze die inneren b e d ingen di e


,

spezielle Ausbildung i hrer Organe Durch d iese An .

sch au u n g entwi cklungsphysiologischer Art hat Goethe

sich z u Problemen erhoben welche fast 1 00 Jahre ,

später erst wieder aufgenommen w e rd en sin d Es .

ist dabei von Interesse d aß ungefähr gleich z eiti g und


,

wahrsc h einlich unabhängig der Göttinger Anatom


Blumenbach wie von Driesch in l etzter Zeit betont
,

w e rd en ist ebenfalls entwicklungsphysiologische Be


,

trac htun g en und Experimente angestellt hat Hier .

mit wol len wir d iesen Gegenstand verlassen und


weitere fo rm p hy s i ol ogi s che Ermittlungen Goethes erst
berühren wenn wir d i e zoologischen Arbeiten näher
,

gewürd igt haben .

Wir müssen aber an dieser Stelle noch ein e


an d re Frage streifen welche v on Goethe selbst auf
,

gewo rfen und zu verschie d enen Zeiten seines Lebens


verschieden beantwo rtet w e rd en ist Es handelt .

sich um d i e erk en n tn i sthee reti sc he Grundlage der


M etam orp h os en l eh re Wir werden auf diesem Wege
.

auch gleich einen tiefen Einblick in d i e persönliche


Denkweise d es Naturforschers Goethe tun A l s .

Ausgan g benutzen wir d i e viel c i ti erte Scene


seines ersten näheren Zusammentreffens mit Schiller .

Er hat auf diesen Moment seines Lebens selbst


Die b otanisch e n Arb e ite n 11 .
89

solchen Wert gelegt d aß er ihn u ns an mehreren


,

Stellen seiner Werke und auch in sein en natur


wissenschaftlichen Schrift en schil d ert Er e rwähnt .
,

daß Schiller ihm anfangs durchaus u n sy m p ati sch ge


wesen und daß er einer Berührung mit ihm sorg
fältig aus dem Wege gegangen s ei Schillers Dramen .
,

die Räuber Piesk e selbst noch Don Carlos vo m


, , ,

Publikum mit Begeisterung aufgenommen schien en ,

Goethes abgeklärter D enkart nur ein Rückfall i n


Stadien zu sein d i e er selbst in d er Götz und
,

We1t h erep o c h e überwunden hatte Schiller hatte si ch .

dann weiter dem Studium der K an ts ch en Philosophi e


zugewendet und in seinem Aufsatz über Anmut un d
Würde auch die Stellung des Menschen zur Natu r
berührt B ei dieser Gegenüberstellung war nun di e
.

Natur nicht gerade gut weggekommen und für Go eth e ,

der di e S tel l u n g des Menschen i n der Natur be


tonte war die Schillersche Betrachtungsweise keines
,

wegs anziehend G ewisse harte Stellen sogar konnte


.

ich so schreibt Goeth e später direkt auf mich



, , „

d euten s i e zeigten mein Glaubensbekenntn is in ein em


,

falschen Lichte ; dabei fühlte i ch es s ei noch schlimmer


, ,

wenn es ohne Beziehung auf mich gesagt w e rd en ;


d enn die u n g eh eu ere Kluft zwischen unseren D enk
weisen klaffte nur desto entschiedene n — A n kein e
Vereinigung war zu denken Nieman d k on n te
.

leugnen daß zwischen zwei G ei stesan ti p o d en mehr


,

als Ein E rd d i am eter di e Scheidung mache da si e ,


90 Vi e rt e V e r l o su ng .

denn beiderseits als Pole gelten mögen aber eben ,

d eswegen in Eins nicht z usammenfallen können Daß .

aber d och ein Bezug unter ihnen stattfinde erhellt ,

aus Folgendem Schiller zog nach Jena wo ich ihn


.
,

ebenfalls nicht sah Zu gleicher Zeit hatte Batsch


.

durch unglaubliche Regsamkeit eine n atu rforsch en d e


Gesellschaft in Tätigkeit gesetzt auf schön e Samm ,

lungen auf be d euten d en Apparat gegrün d et Ihren


, .

p erio d ischen Sitzungen wohnte ich gewöhnlich b ei ;


einstmals fand ich Schillern daselbst wir gingen zu ,

fällig beide zugleich heraus ein Gespräch knüpfte ,

sich an er schien an dem Vorgetragenen tei l z u


,

nehmen bemerkte aber sehr verständig un d ei n si ch


,

tig und mir sehr willkommen wi e eine so zerstückelte ,

A rt d i e Natur zu behan d eln den Laien der sich gern


, , , .

d arauf einließe keineswegs anmuten könne


,
Ich .

erwiderte darauf daß sie den Eingeweihten selbst


,

vielleicht unheimlich bleibe und d aß es d o ch wohl ,

noch eine andre Weise geben könne d i e Natur nicht ,

geson d ert und verein z elt vorzunehmen sondern sie ,

wirken d und leben d ig aus dem Ganzen in die Teile ,

strebend darzustellen Er wünschte hierüber auf


, .

geklärt zu sein verbarg aber seine Zweifel nicht ;


,

er konnte nicht eingest e hen daß ein solch es wie , ,

i ch behauptete schon a u s d e r E rf a h r u n g h ervor


,

gehe . Wir gelangten zu seinem Hause das Ge ,

s p rä c h lockte mich h inein ; da trug ich die Meta

mo rphose der Pflanzen lebhaft vor und ließ mit , ,


92 Vi e rt e V orl es u n g .

wurd e er durch Schiller aus seiner B etrachtun gs


weise unsanft aufgerüttelt Um was es si ch d abei.

handelt wer d en Sie gleich noch deutlicher verstehen


,

l ernen wenn Sie si ch klar machen wie überhaupt


, ,

menschli che E rkenntnisse zustande kommen Be .

d enken Si e wie ein kleines Kind zuerst Sinnes


,

ein d rücke empfängt und danach Erfahrungen sam


melt Sobald es überhaupt einigermaßen bewußt
.

sehen gelernt hat b emächtigt es sich d er Obj ekte


,

der Außenwelt mit l ebhaftestem Interesse Jeder .

Gegenstand den es sieht ist eine n eue Erscheinung


, , .

D er blattlose Baum im Winter derselbe Baum i m ,

La u b sch m u c k des Sommers eine blühen d e Kastanie


, ,

eine aufragende Fichte ein Baum der vor d em


, ,

blauen Himmel steht ein andrer im Dickicht d es


,

Gebüschs alle diese Bäume werden zunächst für


,

unser Kind eb en s e v i el e un z usammenhängen d e Einzel


erscheinungen sein Jedesmal wenn es einen n euen
.
,

Baum sieht macht es eine neue Erfahrung Nach


, .

ku rzer Zeit aber wird d as Kind natürlich völlig ,

u n b ew u ßt beginnen
, alle d iese verschiedenen Ein
,

drü cke einheitlich zusammenzufassen Durch fort .

gesetzte äußere Einflüsse u n d belehrt d urch d en


Zwang der b egri ffsb i l d en d en Sprache wird es schließ
lich d as allen diesen Formen Gemeinsame erkennen
und so den Begriff B a u m bilden I n d er Er .

s c h ei n u n g sind dem Kind nur die einzelnen El emente

jedes einzelnen Baumes gegeben Um aus d iesen .


Die b otanisch e n Arb e ite n II .
93

d en zusammenfassenden Begriff Baum z u bil d en


und unter diesem Begriff ( Idee ) nun alle Einzel
erscheinungen der Bäume z u s u b s u m m i eren dazu ,

b edarf es der D enkoperation d es Kin d es Gan z .

dasselbe vollführt nun Goethe b ei seinem Studium


der Pflan z enform Auch er müht si ch redlich 1 0 Jahre
.

lang die Einzelerscheinungen der verschie d en en Pi lan


,

zen zu studieren Dann erst beginnt der Versuch alle


.
,

diese Erfahrungen einheitlich zu sammenzufassen Daß .

dieses letztere eine reine Denkoperation sei w ar Goethe ,

damals noch n icht klar und auch nachdem er d i e Ur


,

pflanze nicht m ehr in der Natur suchte glaubte er , ,

die Pf l an z en m etam orp h os e mit Augen sehen und mit


Hän d en greifen zu könn en Er wurde erst jetzt d urch
.

Schiller d arauf hinge w iesen und erkannte es al l m ä h


l i ch imm er klarer d aß sein Gesetz der Pfl anzen
,

metamorphose aller d ings von der Erfahrung ausgehe ,

daß aber der Begriff d er Urpflanze daraus durch ein e


Denkop eration abstrahiert daß der von ihm ermittelte
,

Zusammenhang aller Pflanzen daher ein i d eeller


s ei
. So liegt d i e Wahrheit auch in diesem Fall in der
Mitte Erst durch das Zusammenwirken d er von
.

Goethe allein b etonten Erfahrung und der von Schill er


in d en Vord ergrun d gestellten Idee ist ein Resultat
von sol cher wissenschaftlichen Tragweite wie Goethes
M etam o rp h os en l eh re möglich geworden Er f an d .

allerdings immer noch die Schwierigkeit Idee u n d


„ ,

Erfahrung miteinander zu verbinden sehr hinderlich ,


94 Vi ert e Vorl e sung .

b ei aller Naturforschung : die Idee ist unabhän gig


von Raum u n d Zeit die Naturforschung i st in Raum
,

u n d Zeit beschränkt ; daher ist in d er Idee Simul

tanes un d Successives innigst verbun d en auf dem ,

Stan d punkt der Erfahrung hingegen immer getrennt ,

un d eine Naturwirkung die wir der Idee gemäß al s


,

simultan u n d s u c c essi v zugl eich denken sollen scheint ,

uns in eine Art Wahnsinn zu versetzen D er Verstan d .

kann nicht vereinigt d enken was die Sinnlichkeit ,

ihm geson d ert überliefert und so bleibt der Wider


,

streit zwischen Aufgefaßtem u n d I d ei rtem immer


fort unaufgelöst Daß Goethe sich später selbst rück

.

haltlos auf Schillers Standpunkt gestellt hat sieht ,

man au s den Worten d i e er 1 8 1 7 in d er Einleitung


,

zu seinen morphologischen Heften schrieb : Daß „

d as was der I d e e nach gleich ist in der Erfahrung


, ,

entwe d er als gleich oder als ähnlich ja sogar als ,

völlig ungleich oder unähnlich e rs c h e i n e n kann ,

dari n besteht eigentlich das bewegliche Leben der


N atur d as wir in unsern Blättern zu entwerfen ge
,

denken Die Urpflanze ist jetzt für Goethe das


.

Schema oder wi e er es später nannte der Typus


, ,

geworden auf d en sich alle Pflanzenfo rm en durch


,

Vergleichung zurückführen lassen Sie ist d er allen .

Pflanzen gemeinsame B a u p l a n .

Gleich nach Vollendung des Manuskripts über


die P fl an z en m etam orp hose traten Goethe Schwierig
96 Vi e rt e Vorl e sung .

d em J Gute
aco b i s c h en in P em p el f o rt entgegen wo ,

er der starren Vorstellungsart begegnete : Ni chts „

könne werden als was schon sei oder wie Albrecht


,

v Hall er d ieses Dogma fo rmuliert hatte : nil n ov i ter


.

g en er

ari .Goethes M e tam orp h os en l eh re stan d n atü r

l ich i a schneidendem Gegensatz zu einer solchen


Anschauung d a sie d i e Umbil d ung organischer Teile
,

zum Gesetz erhob währen d die Präformationstheorie


,

die Unveränderlichkeit d er sich entwickeln d en Ge


b ilde l ehrte So d auerte es Jahre un d Jahrzehnte
.
,

b is d i e langersehnte Anerkennung wissenschaftli cher


Kreise unserm Dichter zu T e il wurd e .

In d en folgenden Jahren sammelte nun Goethe


weiteres wissenschaft liches Material z u ein em zweiten
Aufsatz über di e P fl an z en m etam orp h ose Von diesem .

ist aber nur der Anfang erhalten Veröffentlicht .

wurde er nie Dagegen begann Goethe i n der Mitte


.

der 90 er Jahre wieder in ausge d ehnterem Maße an


Pflanzen zu experimentieren Wieder sind es d i e .

Be d ingungen wel che die Formbildung d er Pflanzen


,

beeinflussen u n d verursachen können d i e ihn inter ,

e ss i e ren
. So läßt er Kressen un d Bohnensam en
i m Licht im Dunkeln unter gelben blauen und vio
, , ,

l etten Gläsern keimen u n d fü h rt täglich genaue uns


erhaltene Versuchsprotokolle in denen er die Länge ,

der Wurzeln der Stengel usw nach sorgfältigen


, .

Messungen registrie rt Er beschäftigt sich dabei unter


.

a n d e rm auch mit einem Vorgang der b i s in die ,


D ie b o tanisch e n Arb e it e n I I .
97

j üngste Zeit hinein das Interesse d er P fl an z en p hy si o


l ogen erregt : d as Etiolement Darunter versteht man .

die Erscheinungen wel che an Pflanzen auftreten wenn


, ,

s i e im D unkeln auskeimen E s wird dann d er grün e .

Farbstoff nicht gebildet und die blassen Keimlinge


zeigen ein ganz exz essives Längenwachstum gleich ,

sam als wollte die Pflanze möglichst in di e Höhe


streben um der Dunkelheit zu entri nnen Dieser Vor
,
.

gang ist nun kein eswegs etwa von Goethe ent d eckt
w e rd en ; s c h o n 1 7 00 hat S en eb i er Untersu chungen

darüber angestellt Aber das Studiu m hatte unter


.

dem Druck von Linnés Autorität geruht und erst


1 0 Jahre nach d en geschilderten Goetheschen Ver
suchen hat der b erühmte französische Botaniker
de Candoll e wieder ein e Arbeit über den Gegen
stan d veröffentlicht Goeth e machte dann fern er an
.

einer Pflan z e d i e ihn auch in an drer Hinsicht inter


,

ess i erte Bryophyl lum calycinum Beobachtu ngen über


, ,

den Vorgang den man heute al s Heliotropismus be


,

z eichnet Er stellte fest d aß diese Pflanze wenn sie


.
, ,

im Zimmer gezogen wird sich immer gegen d as ,

Licht hin krümmt un d machte n un den Ve rsuch


, ,

diese h el i otrop i sch e Reaktion dadurch zu über


winden d aß er j edes Mal wenn di e Pfl an z e anfing
, , ,

sich z u krümmen d en Blumentopf drehte Auf diese


, .

Weise gelang es ihm ein gerades Wachstum ,

zu erz ielen In dieselb e Zeit fallen auch Versuche


.

festzustellen wie weit Pflan z en nach Verle tzungen


,

M g
a G t h l N t rf r h r
n u s, oe e a s 7
a u o sc e .
98 Vi ert e Vorl e sung .

noch w ach stu m sfä h i g bleiben Er b eobachtete ob .


,

nach Entfernung d er Keimblätter noch eine weitere


Entwi cklung möglich sei wi e die Pflanzen es ver
,

tragen wenn alle Laubblätter entfernt werden und


, ,

w as a u s Blüten wird di e des Kel ches beraubt sin d


, .

Auch d er Einfluß der Ernährung auf di e Blüten


bil d ung der Gewächse wir d von n euem wied er
stu d iert u n d es gelingt ihm durch Überernährung ,

d as Blühen seiner Versuchspflanzen zu verhin d ern .

An diese Versuche schließt sich nun d er Plan ,

eine Pflanzenphysiologi e z u schreiben Auch von .

d iesen Bemü h ungen sind nur d i e Entwürfe vor


h an d en aus denen sich aber wenigstens so viel er
,

sehen läßt d aß Goethe allerd ings d i e sämtlichen


,

Lebensäußerungen d er Pflan z e mit berücksichtigen


wollte d aß aber d as was ihn am meisten d abei
, ,

interessierte d i e Physiologie d er Formbildung ge


,

wesen ist So stellt sich d i e Pflanzenphysiologi e


.

seinen morphologisc h en Bestrebungen parallel gegen


über u n d es ist als ein großer Verlust zu b ez ei ch
,

nen d aß er nie etwas Zusammenfassen d es über


,

seine pflanzenphysiologischen Vorstellungen publi


ziert hat .

Im Jahre 1 8 1 2 veröffentlichte d er Hal lenser Ana


tom und Physiologe Meckel die deutsche Über
setzung einer z u i h rer Zeit völlig unbeachtet ge
b l i e b e n e n lateinischen Abhandlung von Caspar
Friedri c h Wolff au s dem Jahre 1 7 68 : De form ation e „
1 00 Vi e rt e V orl esung .

tu rns . Dagegen waren beide d arin G es i n n u ngs


genossen daß sie aufs schärfste die P räform ati on s
,

l ehre bekämpften .

In d iesen u n d den folgen d en Jahren begann nun


Goet h es M etam orp h osen l eh re allmählich immer mehr
d urch z u d ringen .Es kamen eine Reihe von günstigen
Rezensionen in wissenschaftlichen Zeitsc h riften Die .

Lehre w ur d e mehr un d mehr von den Fachleuten


c i ti ert . Schließlic h gelan gt e sie z u völliger An
erkennung u n d ging in den festen Besitzstan d d er
wissenschaftlichen Botanik über Goethe selbst ver .

folgte i n d iesen Jahren h auptsächlich die laufen d e


Literatur und machte sich sorgfältige Aus z üge von


al lem was auf seine M etam orp h os en l eh re Bezug
,

hatte Alle d iese Bestätigungen un d Fortbil d ungen


.

hat er d ann anhangsweise seiner eigenen Ab b an d


lung über d i e P fl an z en m etam orp h os e b eigefügt und
s o sin d s i e in die Ausgabe letzter Han d über
gegangen B eson d ers eingehend studiert und be
.

rü c k s i c hti gt er dabei Jägers Werk über d i e Miß


bildungen d er Gewächse Seinen Exzerpten fügt .

er hier zahlreiche eigene Beobachtungen bei u n d


betont d abei nochmals nachdrücklichst d i e normale
Grun d lage alles Pat h ologischen Dabei wird d i e .

Frage diskutiert wie weit diese Abnormitäten auf


,

veranlassende Außenbedingungen zurückgeführt wer


d e n können .

So kommt es schließlich zum en d gültigen Sieg


D ie b otanisch e n Arb e it e n 11 .
1 01

von Goethes Ideen Die fü h ren d en Botaniker d er


.

damaligen Zeit erkennen ihn rück h altlos an Mit .

Alexander v Humboldt werden Ge d anken und


.

Werke ausgetauscht Der damals höchst geschätzte


.

Nees van E sen b eck in Bonn Präsident d er Leopol ,

d i n i sch k arol i n i s c h en Akademie d er Natu rforsc her


-
,

dem man heute wegen zahlreicher n atu rp h i l os o


p hi sc h e r Verirrungen keine so hervorragen d e Stel
l un g mehr einräumt steht in engstem b ri efli chen
,

Verkehr mit Weimar u n d ebenso ist der Münchner


,

Botaniker v Marti us mit Goeth e in wissensc h aft


.

li ebem Briefwechsel und persönlichem Ge d anken


austausch Kurz vor Goethes To d e l egt dann
.

G eoff re y St Hilaire der französisc h en Aka d emie ein e


.

von Soret gefertigte Übersetzung d er P fl an z en m eta


morphose vor u n d set z t in schönen Worten d i e
grun d legen d e Bedeutung di eses Werkes an der d a
m al i g en wissenschaftlichen Zentralstell e auseinander .

Nur ein Irrtum liege d er Abhandlung z ugrun d e daß ,

sie fast ein halbes Ja h rhundert zu früh ersc h ienen


sei ehe es noch Botaniker gab d i e si e zu stu d ieren
, ,

und verstehen fähig waren .

Im A u sl an d e fielen Goethes Ideen überhaupt


auf fruchtbaren Bo d en J u ssi eu d e Candolle Robert
.
, ,

Brown entwickelten z u m Teil ganz ä h nliche V o rstel


lungen Die d eutschen Botaniker ergaben si ch da
.
1 02 Vi e rt e Vor le sun g .

Lehren grün d lic h aufräumten z iehen si e auch Goethe


,

solcher Verirrungen und machten ihn für d i e Fehler


s einer Nachfolger verantwortlich Erst in d er letzten .

Zeit dringt auch in d en Kreisen d er Botaniker die


volle Wür d igung von Goethes wissenschaftlicher
Leistung immer mehr d urch .

Goethe selbst hat in d en sp ä teren Jahren seines


Lebens nur noch kleinere botanische Aufsätz e ver
faßt Er schri eb R ec en s i on en über Humboldts Ideen
zu einer Physiognomie d er Gewächse über eine ,

graphische Darstellung d er Verteilung organischen


Lebens in d er Natur v on W i l bran d und Ritgen u a Er . .

veröffentlic h te einen Aufsatz über d en hamburgischen


Rektor Joachim J u n g i u s 1 587 — 1 657 d er nicht wie
, , ,

behauptet wurde die Metamorphose ent d eckt hat


, ,

son d ern vielmehr ein Vorl äufer Linnés gewesen ist .

Er übersetz te einige wichtige S tel l en aus d em Werke


d es berühmten d e C an d olle : Von dem Gesetz lichen

d e r Pfl an z en b i l d u ng u n d schri eb einen Aufsatz über



,

den Weinbau in d em er i m Anschluß an ein Buch


, ,

von Kec h t den Knoten d es W ei n stoc k es mit Blatt


, ,

Blüte Traube u n d Ranke vom Standpunkt seiner


,

Metamorphose au s betrachtet .

Die l etzte botanische Sch rift Goethes ist die


viel ums trittene Abhan d lung über d i e S p i ral ten d en z
der Vegetation welche er 1 829 — 3 1 verfaßt hat
, .

D am al s hatten d e r Botaniker S c h l m p er und weiter


v Martius in München u nd dessen Schüler Alexander
.
1 04 Vi e rt e Vorl e sung .

gemein haben : d i e S tel l u ng der Blätter um die


Achse das Win d en d es Hopfens u n d anderer
,

Pflan z en um die Stange d as Herumschlingen von


,

Ranken um feste Gegenst än d e d i e Anor d nung der


,

S p i ral gefä ße und noch manches an d ere Goethe .

i st hier offenbar viel zu weit gegangen u n d hat


heterogene Dinge zueinan d er in Bezie hung gesetzt .

D er alte kurz vor seinem To d e stehende Dichter


,

hatte nicht mehr d i e Zeit gefunden seine Theorien ,

d urch ausgedehnte eigene Beobachtungen u n d Ver


suche zu prüfen .

Damit schließen wir unsere Betrachtung von


Goethes botanisc h en Stu d ien Wir haben d urch
.

d i e eingehende Bekanntschaft mit seinem Forschen


und Denken über d as Pflan z enwachstum schon
ein gutes Teil von der Persönlichkeit d es Natur
forschers erfahren Wir haben seine Gründlichkeit
.
,

seinen Ernst d i e umfassen d e Breite seiner Ver


,

a l l g em e i n eru n g und man che seiner grundlegenden

Vorstellungen kennen gelernt auf denen sich seine


,

Auffassung d es N atu rg an z en aufbaut Aufgabe der .

ferneren Betrachtung wir d es sein dieses Bild bei ,

d er Besprechung d e r an d eren Forschungsgebiete zu


vervollständigen bis uns schließlich ein volles Ver
,

s tä n d n i s für Goet h es wissenscha ftliche Denkweise

möglich sein wird .


F ü nf te Vorl esu ng .

Di e ve rg l ei c h en d a n a t o m i sc h e n
o s t e o l o gi s c h e n u n d

A rb ei t en 1 .

Meine Herren ! Wi r wen d en u n s jetzt zur Be


smec h u n g von Goethes anatomischen un d ver
gleichend anatomischen Stu d ien In ein er der letzten
.

Vorlesungen haben wir schon gehört wi e Goethe an ,

fing sich mit Anatomi e zu beschäftigen wie er auf


, ,

der Universität bei Lobstein i n Str aßburg hö rt e wie ,

er durch Bekanntschaft mit Lavater und durch seine


Teilnahme an den physiognomischen Fragmenten
auf die Schädellehre un d deren B edeutung für die
Physiognomik hingewiesen wurde wie er i n den ,

Fragmenten schon ein e Reihe von Tiers chädeln


kommentierte wi e er diese Anregung in seiner
,

Korrespondenz mit Merck verti efte u n d wie er dann


bei L e d er in J ena seine Kenntnis der menschlichen
Anatomie in kurzer Zeit so weit auffrischte und er
w ei terte daß er in Weimar Vo rtr äge für Kunst
,

schüler halten konnte Von 1 7 81 an wer d en nun


.

d iese anatomischen Beschäftigungen wel che si ch ,

damals überwiegend auf di e Kn ochenlehre d i e ,

Osteologie b esc h ränken mit Le d er eifrigst fort


, ,
1 06 Fünft e V orl e sung .

gesetzt Er stu d iert u n d zeichnet beson d ers Schä d el


.

der al l erv erschi ed en sten Tiere Viele Jahre später


.

hat Goethe über d iese Studien angegeben d aß er ,

schon d amals auf einen allgemeinen Typus hin


gearbeitet habe ; so schreibt er in den Annalen
„ Ich w ar völlig überz eugt ein allgemeiner d urch
,

Metamorphose sich erheb en d er Typus gehe durch


d i e sämtlichen organischen G eschöpfe d urch lasse ,

si ch i n al l en seinen Teilen auf gewissen mittleren


Stufen gar wo h l beachten und müsse auch noch d a
anerkannt werden wenn er sic h auf der höchsten
,

Stufe der Menschheit ins Verborgen e beschei d en


zurückzieht . Diese Angabe ist j e d och nur cum

grano salis zu n ehmen Goethe hat tatsächlich



.

i n d iesen Jahren immer mehr d i e Vorstellung in sich


b efestigt daß d er Mensch u n d d i e Säugetiere in
,

i h rem Aufbau einan d er im Pri n z ip ähnlich seien Di e .

I d ee d er Metamo rp h ose hat er jedoch erst i n


Italien ge w onnen ihre Anwen d ung auf d i e ver
,

gleichen d e Anatomie u n d d i e Entwicklung d er Lehre


vom Typus läßt sich erst nach d er Rückkehr nach
Deutschland nachweisen und erfährt ihre erste Aus
gestaltung i a den Schriften seit 1 7 90 Bei seinen .

Stu d ien zur Schädelle h re gelang es nun Goethe im


März 1 7 84 den Fun d zu tun d er für sein ganzes
, ,

wissenschaftliches Arbeiten u n d Denken entschei d end


werden sollte Er berichtet darüber an Herder :
.


Nach Anleitung d es E v an gel i i muß ich Dich auf
1 08 Fünft e Vor le sung.

begnügte er sich nicht mit der Registrierung dieser


Tatsache sondern ging sofort daran ihn auf d as
, ,

breiteste wissenschaftliche Fun d ament zu grün d en .

Zu d iesem Zwecke machte er u n d d arin l iegt das ,

Ba h nbrec h en d e seiner Arb eit in ausgedehntestem ,

Maße von d er vergleichenden Metho d e Gebrauc h .

Er verfolgte Lage u n d Form des Zwischenkiefers


b ei allen Tierschädeln di e er erreichen konnte , .

Selbst S ö m m eri n g in Kassel mußte ihm Sc h ädel


schicken d arunter d en eines jungen in d ischen Ele
,

fan ten nach wel c h em genaue Zeichnungen gefertigt


,

wurden (S 11 Fig . . .

So entstand Goethes erste wissenschaftliche Ab


handlung : Versuch aus der vergl eichenden Knochen

l ehre d aß d er Zwisc h enknochen der oberen Kinn


,

lade dem Mensc h en mit den übrigen Tieren gemein


s ei Jena Die Bedeutung d ieser A bhan d
lung geht weit darüber hinaus d aß in ihr der ,

Zwischenknochen beim Menschen nachgewiesen


u n d d adurch der vermeintliche Unterschie d i n d er

Bauart des Menschen u n d d er Säugetiere beseitigt


wird Wir haben in ihr vielmehr zugleich d i e erste
.

eigentliche vergl eichen d anatomische Abhan d lung


zu sehen d i e geschri eben w e rd en ist u n d somit
, ,

bildet s i e einen Markstein in der Gesc h ichte diese r


Wissenschaft Im allgemeinen wir d Cuvier als der
.

Beg ründer der vergleichen d en Anatomie angesehen ,

und d as mit vollem Recht denn er vor a l l en hat in


,
O s teol og i sch e und v e rgl e ich e n d anato misch e Arb e it e n I .
1 09

seinem langen arbeitsrei chen Leben d i e gan z e ri esige


Masse der Grun d tatsachen dieser Wissensc h aft fest
gelegt Als aber Goet h e seine Arbeit über d en
.

Zwischenknochen vol lendete war Cuvier der in , , ,

M ö m p el gart geboren auf der Ka rl ssc h u l e bei Stutt


,

gart studierte erst 1 5 Jahre alt u n d hat erst später


, ,

d i e Anregungen d i e er auf d er Karl ssc h u l e von


,

seinem Lehrer Ki el m ei er empfing in s o großartiger ,

Weise z u seinen zoologischen Stu d ien in Pari s ver


wendet .

Wir wollen nun den Inhalt von Goethes Schrift


i n aller Kürze kennen lernen Der Autor geht aus .

von der Beschreibung d es Zwischenknochens beim


Pfer d wo er b eson d ers gut ausgebildet ist u n d
,

l eicht erkannt werd en kann Im Anschluß hieran .

wird dann ein e ausführliche lateinische Term in olo gie


des Kno chens gegeben welche i m wesentlichen von
,

L e d er entwo rfen w e rd en ist J e d e Kante j e d e .


,

Fläche je d e Öffnung im Knochen erhält ihren Namen


, ,

so d aß es möglich ist bei vergleichender B etrach


,

tung der verschie d ensten Ti ere sich sofort an diesem


Knochen zu orientieren Die folgen d e Darstellung .

schließt sich dann gan z eng an di e beigegebenen


Abbil d ungen an In der ursprünglichen Arbeit waren
.

von Waiz ge z eichnete Abbil d ungen vom Pferd ,

Ochsen Fuchs Löwen dem jungen W al roß Aff en


, , , ,

und Menschen b eigegeben Später sin d dann noch .

Stiche nach dem Schädel des Rehs Kamels des auf , ,


110 Fünft e Vorl e sung .

Celebes leben d en Schweines Babirussa des Eis ,

bären Wolfs und erwachsen en Walrosses beigefügt


,

w e rd en . Goethe w eist nun auf d i e Formänderungen


hin die d er Knochen bei diesen verschiedenen
,

Säugetieren erlei d et Bei den Wi e d erkäuern die d as


.
,

Gras ab raufen fehl en die ob eren Schnei d e z ähne u n d


,

der Knochen bil d et vorn ein e flache Platte gegen ,

d i e d i e Zähne des Unterkiefers sich l egen ; bei den


Raubti eren welche zur Nahrungsaufnahme von ihren
,

Schneidezähnen kräftig Gebrauch machen ist der ,

Zwischen kno chen stark entwickelt und an d er Vor


d ers ei te d es Gesichts gut entfaltet D en Weg zum
.

Menschen gewinnt nu n Goethe durch d i e B etrach


tung des jungen W al roßs c h ä d el s Bei d iesem Ti er
.

i st das e s intermaxillare in den Oberki efer fast genau


in d er gleichen Weise eingelassen wie beim Men
schen nur d aß es noch nicht mit d em Oberkiefer
,

knochen verwachsen ist Die G egenüberstellung d es


.

senkrecht d urchschnittenen Oberkiefers vom W al roß


u n d vom Menschen dient z u r anschaulichen I l l u s tri e

ru ng der Verhältnisse bei letzterem In dem ur .

5 p rü n g l i c h e n Manuskript sind dabei d i e z u m Zwischen

kiefer gehörigen Knochenteile d er größeren Deut


l ichkeit halber durch rote Färbung hervorgehoben .

Goet h e zeigt nun daß ein kleiner Kanal der den


, ,

knöchernen Gaumen in d er Mitte durchboh rt und


d urch den Gefäße und Nerven h i n d u rc htreten au ch ,

beim Menschen die G renze zw ischen Oberkiefer und


Fi g 4 .

A bb i l d u n g d es m e ns ch l i h O b r k i f rk h
c en e e e noc en s

v on 1 n ne n A us G h Üb d Zw i h
o et e er en sc en

k i ef er h
,

d es M e n sc en d d unTi V h d er e re er er

l Ak d f h
. .

K . L eo p ld
o .
- Ka m . iad N em e er a t u r o rs c er

Bd . 15 . 1 83 1 .
O ste ol og i s ch e un d ve rg l e ich e n d anatomisch e Arb e ite n 1 .
1 11

Zwischenkiefer abgibt (Fig 4 ) zeigt d i e rechte


. .
1

Hälfte des menschl ichen Oberkiefers von innen ge


sehen A ist der Zwischenkiefer d essen hintere
.
,

Gren z e durch den erwähnten Kanal gebildet wird .

Di e Schneidezähn e fehlen ) In vi el en Fällen sieht


.

man von der unteren Öffnung d ieses K anals ei ne


feine Naht verlaufen wel ch e z wischen dem Eckzahn
,

und dem äußeren Schn ei d ezahn en d et Dagegen .

läßt sich an der Außenseite des Oberkiefe rs die


Gren z e nicht mehr feststellen Hier findet in nor .

malen Fällen schon in sehr frühen embryonalen


Sta d ien d i e völlige Verwachsung statt un d Goethe ,

nimmt an daß der G ru n d hierfür darin zu su chen


,

sei daß die auf engem Raum entstehen den kräftigen


,

Zahnbildungen nur auf diese Weise sicher zusammen


gefaßt werden können So fin d et er di e Gren z en
.

des Zwischenknoc h ens auf der Unter und Hinter


seite d esselben und z eigt durch den Vergleich mit
d em W al roß daß es si ch hier tatsächlich u m d as
,

selbe Gebilde han del n müsse Daß der Knochen .

an der Vor d erseite verwächst ist nichts mit sein er ,

Son d erstellung Unvereinbares weil auch bei Ti eren ,

gelegentlich Verwachsungen vorkommen D er S c h ä .

del des Kassel er Elefanten ( Fig 5) zeigt e d en .

) I n d er W e im ar e r Go e th e Ausgab e si n d d i e Abbil d u ng e n
1 -

z u r Z w i s c h e k i ef erab h a n d l u n g
n i n v er kl e in e rt e m Maßstä b e
wi e d e rg eg e b e n Am m e nschlich e n Ob e rki efe r sin d d i e wi ch
.

t i g s te D e tails d ab e i unk e nntli ch g ewor d e n


n Es i st d e shal b
.

d i e s e Figur hi e r i n Originalgrö ß e n o ch e inm al abg e d ru c kt .


1 12 Fünft e V orle sung .

Zwischenkiefer auf d er einen Seite frei auf der ,

anderen verwachsen Goethe begnügt sich aber .

ni cht d amit seinen Knochen d urch d i e Säugetier


,

reihe z u v e1f ol g en son d ern führt weiter an daß er


, ,

ihn au ch bei Fischen Amphibien b ei der Schil d , ,

kröte und den Vögeln hab e nachweisen können .

Durch die ganze Reihe der Wirbeltiere hindurch ist


er al so wenn auch i n verschiedenster Ausbil d ung
, ,

vorhanden . Wel ch eine Kluft z wischen dem e s


intermaxillare der Schildkröte u n d d es Elefanten !
Und d och läßt sich eine Reihe von Formen d a
zw ischen stellen d i e b eide verbindet Durch den
, .

Nachweis daß der Zwischenknochen al l en Säuge


,

ti eren zukommt gelangt Goethe auch z u einer bes


,

seren Definition der Schneidezähne Obere Schnei d e .

zähne sind eben d iej enigen welche im Zwischen ,

knochen sitz en Dadurch kommt er d azu auch dem


.
,

Kamel und dem W al roß Schneidezähne zuzuschreiben ,

d i e bisher geleugnet wor d en waren Schließlich .

wir d dann noch darauf hingewiesen daß d i e Aus ,

bil d ung d ieses K nochens für d i e Nahrungsaufnahme


entschei d end ist und d aß auf d iese Weise ein naher
,

Zusammenhang zwischen seiner Form und seiner


Funktion sich erkennen lasse .

D as i s t der Inhalt von Goethes erster wissen


sc h aft l i c h er Arbeit Sie wurde sauber geschrieben
.
,

eine lateinische Übersetzung aus Loders Feder bei


gefügt u nd dann wurde s i e z usammen mit d en
,
O s teol og i s c h e und v e rgl e ich e n d anatomisch e Arb e ite n 1 .
1 13

Zeichnungen am 1 9 D ez 1 7 84 an Merck nach


. . .

Darmstadt geschickt Dieser sandte sie nach Cassel .

zu S ö m m eri n g und von da ging s i e z u Camper nach


Stavoren in Holland wo si e aber erst nach Jahren ,

eintraf Das Manuskript und die Tafeln blieben nac h


.

Campers T ode in Hollan d und gelangten von d ort


erst 1 894 durch Schenkung ins G oeth earch i v zurück .

S ö m m eri n g war keineswegs von der Richtigkeit von


Goethes Ansi cht z u überzeugen Dieser beri chtet .

an Merck : Von S ö m m eri n g hab e ich einen sehr


l eic h ten Brief ; er will mir gar ausreden e h e ! Sehr ,


viel ernster nahm Camper die Angelegenheit Er .

prüfte das B ehauptete sofo rt sorgfältig nach er ,

kannte wie er an Merck berichtete d i e Anwesenheit


, ,

des Knochens b eim Wal roß wo er noch n icht be ,

kann i war rückhaltlos an erklärte aber nach wie


, ,

vor beim Menschen s ei kein Zwischenknochen vor


,

handen Goethe hat d am al s schwer unter diesen


.

Enttäuschungen gelitten E s ist dies der Gru n d .


,

weshalb er lange Jahre nichts Anatomisches wieder


publi z iert hat u n d die Abhandlung über den Zwischen
knochen auch z unächst nicht dru cken ließ Es war .

die erste derartige Erfahrung di e Goethe noch so ,

oft machen sollte Später s chreibt er hierüber : Nun


.

z eugt es freilich von ein er besonderen Unb ekan nt

schaft m i t d er Welt von einem jugendlichen S elbst


,

sinn wenn ein laienhafter Schüler den G i l d em ei stem


,

zu widersprechen wagt ja was noch th ö ri g er ist sie , ,

M g a G th l N t rf h
n us , oe e a s a u8 ors c e r.
1 14 Fü nft e V orl esung .

zu überz eugen ge d enkt Fortgesetz te vielj ährige Ver


.

su che haben mich ein es andern b eleh rt mich belehrt ,

daß immerfort wiederholte Phrasen sich z ul etzt zur


Überzeugung verknöc h ern un d die Organe des An
schauens völlig v erstu m p fen In d essen ist es heil
.

sam d a ß man dergleichen ni cht all z u z eitig e rfährt


, ,

weil sonst jugen d licher Frei u n d Wahrheitssinn d urch


Mißmut gelähmt würde .

Trotzdem konnten sich ab er auc h die Fach


gel ehrten d em s chl i eßl i c h en Durch d ringen d er G oethe
schen Anschauungen n icht entgegenstellen Daß .

L e d er d en Befun d im Ja h re 1 7 88 in sein anat e mi


sches Handbuch aufnahm ist selbstverstän d lich
, .

Ab er auch S ö m m eri n g erwähnte d as Vorhandensein


des Zwischenki efers 1 7 9 1 i n seinem Buch vom
Bau d es Menschen Blumenbach stemmte sich viel
.

länger gegen Goethes Entdeckung Erst nachdem .

er selbst in einigen abnorm en Fällen si ch von dem


isolierten Vorkommen d es e s intermaxillare auch
beim Menschen überzeugt hatte bekannte er sich ,

zu Goethes Anschauung Er hatte bei einem wasser


.

k ö p fi ge n Kind den Zwischenkiefer geson d ert ge


funden stu d ierte dann beson d ers die Fälle von
,

doppelseitiger Hasenscharte und Wolfsrachen bei ,

denen der Zwischenkiefer nicht mit dem Oberkiefer


verwächst und d urch breite Spalten welche zwischen,

Eckzahn u n d seitlichem Schnei d ezahn hindurch


gehen vom Oberkiefer getrennt bleibt Besonders
,
.
1 16 Fünft e V orl esung .

Akademie d er Naturforscher Im Jahre 1 824 ließ .

Goethe d ort di e vier Abbil d ungen vom Schädel d es


j ungen C assel er in d ischen Elefanten ) u n d gleich z eitig1

z wei S c h ä d el b i l d er eines erwachsen en afrikanischen

Elefanten aus d er J enaer Sammlung ab d rucken ;


d A l ton schrieb d en b egl eiten d en Text hi erz u Erst

.

1 83 1 wur d e d ann d i e Zw i s c h en k i ef erabh an d l u n g mit


d en d azu gehörigen Figuren im 1 5 Ban d d ieser .

Zeitsc h rift veröff entlicht J etz t sind d i e Abbildungen


.

mit Ausnahme d er Elefantenschä d el in der Wei


marer Ausgabe in verkleinerter F orm reprodu z iert .

Auc h in d er Folgezeit vor und nach d er italie


,

nisc h en Reise hören wir von fortgesetzten Einzel


untersuchungen Goethes Er stu d ierte unter an d erm
.

d i e Anatomi e der Hals w irbel durch d i e Säugeti er


rei h e von d en einfachsten u n d ged ru n gen sten Bil
dungen beim Walfisch wo sie zu einem einzigen
,

Knochen ve rwachsen bis zu ihrer mächtigsten Ent


,

faltung i m Halse d er Giraffe Um nun bei diesen .

und ähnlichen Stu d ien die Resultate stets übersicht


lich zur Han d z u h aben legte er sich eine Tabelle
,

an für d i e mehrfache Entwü rfe erhalten sind Die


, .

Anor d nung war derart d aß er vertikal untereinander


,

die verschiedenen Knochen vom Schä d el und den


Halswirbeln herunter bi s zu den Schwanzwirbeln
u n d den E x trem i tä te n k n o c h en der Reihe nach schrieb

D ie e rste d i e s e r Abbi l d u nge n ist ob e n S . 111 als Fig . 5


wi e d er abg e d ru c kt .
O steol og i s ch e un d v e rgl e i ch e n d anatomisch e Arb e it e n 1 .
1 17

und horizontal die Namen d er verschie d enen von


ihm stu d ierten Ti ere ( Löwe Biber Dromedar B ü ffel , , , ,

Bär S chwein Elen d ) anor d nete Dann fügte er


, ,
.

sein e Einzelbefun d e j edesmal an der ri chtigen S tel l e


ein So war ihm die Übersicht über den Knochen
.

bau der Säugetiere außerordentlich erleichtert In .

j eder Hori z on tal rei h e fan d sic h d i e Fo rm irgend eines


Knochens z B des Zwisc h enkiefers d es 7 Hals
, . .
, .

wirb els o d er des Oberschenkel kn ochens durch di e


ganze S ä u geti errei he hindurch mit allen ihren Ab
wandlungen angegeben (vergl eichend anatomisch e
B etrachtung) i n j eder V erti k al reih e fanden sich alle
,

Knochen ei n und desselben Tieres s o d aß man ,

z B die Formänderung d er Wirbel an d er Wirbel


. .

säule d es Büffels mit ein em Blick übersehen konnte


(simultan e Metamorphose) Diese systemati schen .

Untersuchungen wurden höchst wahrscheinlich im


Anschluß an d i e Idee der P fl an z en m etam orp hos e
ausgeführt Si e bi lden d i e Vorarbeiten für d i e
.

seit 1 7 90 verfaßten vergl eichen d anatomischen


Schriften .

Bevor wir jedoch zur Besprechung d i eser Arbeiten


ü b erg eb en m ü ssen wi r noch eines F o rs c h u n gsergeb
,

nisses ge d enken z u dem Goethe in d iesen Jahren


,

im Anschluß an sein e Stu dien ü ber d i e Wi rb elsäule


gelangte Ebenso wi e er auf botanischem Gebiete
.

di e kompli z ierten u n d z usammenge d rängten Formen


von Blüte u n d Frucht auf d i e einfacheren M eta m eren ,
1 18 Fünft e Vo rl e sung .

d ie Blätter zurückführen konnte so gewann er bei


, ,

B etrachtung d es kompli z iert gebauten un d zusammen


ge d rängten Schädels di e Anschauung daß derselbe , ,

d a er d i e Fortsetzung der Wirbelsäule nach vorn e


bildet und wie diese das Rückenmark so das
, ,

mächtig ausgebil d ete Gehirn umschließt auch ent ,

sprechen d d er Wirbelsäule aus m etam orp h osi erten


Wirbeln zusammengesetzt sei Es hatt e sich in ihm
.

allmählich d i e Überzeugung befestigt d aß man i n ,

d em hinteren Tei l des Schädels wo er sich an d i e ,

Wirbelsäule anschließt z unächst drei solcher Wirbel


,

unterschei d en könn e : d as Hinterhauptsbein das hin ,

tere und das vordere Keilbein Als er dan n i m .

Jahre 1 7 90 auf den Dünen des Lido wel che die ,

vene z ianischen Lagunen von dem A d riatischen Meer


son d ern sich oftmals erging fan d er einen so glück
, ,

l ich geborstenen S ch afsch ä d el bei dessen B etrac h


,

tung ihm intuitiv d urch einfache Anschauung d i e


Erkenntnis aufging d aß noch d rei weitere Wirbel
,

im Schä d el enthalten seien d as Gaumenbein der


, ,

Oberkiefer u n d d er Zwischenknochen Er konnte .

gl eichzeitig an diesem S chö p sen schä d el besonders


deutl ich erkennen wie die charakteristische Gestalts
,

änderung dieser m etam o rp hosi erten W i rb el m assen


durch d i e am Kopf zu s o mächtiger En twicklung
gelangten höheren S i n n esw erk z euge die Organ e ,

d es Gesic h ts Gehörs und Geruchs beeinflußt


,

wird E s befestigte sich damit zugleich sein alter


.
1 20 Fü nft e Vorl e sung .

bis 1 820 seine morphologischen Hefte herausgab er ,

wähnte er gan z kurz seine 20 Jahre zurückliegenden


Ideen In der Folge kam er noch gelegentlich d arauf
.

zurück Es entwickelte si ch daraus eine Art von


.

Polemik d i e aber erst nach Goethes To d e gehässige


,

Formen annahm Schelling z ieh Oken direkt des


.

Plagiats u n d d ieser wies in seiner Antwort nicht nur


eine solche Unterstellung zurück son d ern b esch u l ,

d i gt e seinerseits wieder Goethe daß er die Wirbel


,

theo ri e von i h m entle h nt habe Heute kann über .

d en Tatbest an d ein Zweifel nicht mehr obwalten .

Goethe hat wie aus gleich z eitigen Briefen an seine


,

Freun d e hervorgeht im Jahre 1 7 90 d i e Wirbeltheorie


,

d es Schä d els konzipiert Ihm gebührt d aher d i e


.

Priorität Es ist aber auch Oken völlig selbstän d ig


.

zu d ieser Anschauung gelangt u n d i h m gebührt das


Verdienst s i e zuerst in wissenschaftlicher Form
,

publi z i er t zu haben .

Die Wirbelt h eori e des Schä d els hat sich in der


ersten Hälfte d es 1 9 Jahrhunde rts als eine Arbeits
.

hypothese von allerhöchstem Wert e rwi esen Fast .

al l e die zahlreichen Forschungen w el c h e über die


,

Anatomie d es Kopfes ausgeführt wurden gingen ,

v o n d ieser Theorie a u s o d er suchten s i e zu wider

legen Schon 1 824 konnte Carus an Goethe ein


.

vollstän d iges Schema dazu übersenden Die letzte .

eingehende Begründung lieferte 1 847 Richar d Owen .

E s muß hier aber daran erinne rt wer d en d aß Goethe ,


O steol og i s ch e u nd v e rgl e i ch e n d anato misch e Arb e ite n 1 .
1 21

selbst in späteren Jahren sich sehr vorsi c h tig über


diese sein e S ch ä d el th eori e ausgesprochen hat Er .

fan d si e schon 1 820 sehr schwierig und nicht im


einzeln en durchzuführen : Im Ganzen läßt sich s „

a ussprechen aber nicht beweisen im Einzelnen läßt


'

, ,

sich s wohl vorz eigen doch bringt man es nicht



,

rund und fertig Diese Skepsis hat sich in der


.

Folgezeit als berechtigt erwiesen 1 858 wurde .

d i e Theorie von Huxley aufs schä rfte b ekämpft


u n d es ist heute ein Zweifel ni cht me h r möglich ,

daß sie in der von Goethe aufgestellten Form i n


keiner Weise haltbar ist Di e Verhältnisse d es .

Schädelbaues liegen so kompl iziert daß man an ,

ihm ein e ursp rüngliche Gliederung in ein z eln e Wi rbel


nicht mehr nachweisen kann Dagegen scheint .

allerdings der Goethesche Grundgedanke d aß man ,

nämlich den Kopf als au s einzeln en M etam eren


z usammengesetzt sich vorstellen könn e zu Recht ,

z u bestehen G egen b au rs S eg m en tth eori e d es S c hä


.

dels ist der erste Versuch diese Anschauung ver ,

gleichend anatomisch zu begründen un d es scheint , ,

als ob man sowohl an der Mus ku latur wie am


Nervensystem des Kopfes no ch Reste ein er ur
sp rü n gl i c h en Gliederung erkennen könn e Speziell .

bei n i edern Fischen läßt sich d ieses nachweisen .

Doc h wird über all d iese Dinge bis auf di e


neueste Zeit unter den Anatomen noch l ebh aft p o
l em i s i ert
.
1 22 Fünft e V orl esung .

Dieser kurze Exkurs sollte zeigen d aß d i e ,

Goethesch e Wirbeltheori e d es S c h ädels wenn sie ,

sich auch in d en Ein z elheiten wie ihr Schöpfer ,

selber erkannte nicht hat durchführen lassen d och


, ,

die Forschung über die Anatomie d es Schädels und


d es Kopfes in vielfältiger Weise beeinflußt und be
fruc h tet hat u n d daß di e grundlegen d e Auffassung
, ,

welc h e in ihr enthalten ist auch heute noch wissen


,

schaft liche Gültigkeit besitzt .

Damit verlassen wir dieses S pezielle Gebiet und


wen d en uns nun wie d er Goet h es allgemein eren ver
gleichen d anatomischen Arbeiten zu .

I n ihnen überträgt er d i e Fortschritte der Er


kenntnis die er bei d er Ausbildung der Lehre von
,

d er Pf l an z en m etam orp h os e gemacht hat auf das Stu ,

d i u m d er tierisc h en Form u n d i n demselben Jahre


,

1 7 90 in welchem er seine botanische Abhandlung


,

veröffentlicht entwi rft er im schlesischen Lager


, ,

inmitten d es militärischen Trubels wohin er seinen ,

Herzog begleitete d en V e r s u c h ü b e r d i e G e
, „

s t a l i d e r T i e r e der nur ein Fragment geblieben



,

i s t aber trotz d em den großen Fortschritt erkennen


,

läßt den Goethes morphologische Anschauungen


,

i n den letzten Jahren gemacht haben Er beschrän kt .

sich i n d iesem Aufsatz auf d as Stu d ium des Säuge


tierskelett s dessen vergleichende Anatomie darin
,

begrün d et wird Er geht davon aus daß d i e Ske


.
,

le tte der Säugetiere und auch d as des Menschen


1 24 Fü nft e V orl es u n g .

einer ganzen Klasse im Allgemein en festz usetzen s o ,

d aß er auf jedes Geschlec h t u n d j e d e Species paßt ;


da d i e Natur eben nur d a d urch ihre genera u n d
spezies h ervorbringen kann weil d er Typus welcher
, ,

i h r von d er ewigen Notwen d igkeit vorgeschri eben


ist ein solcher Proteus ist d aß er einem schärfsten
, ,

vergl eichenden Sinn e entwisc h t u n d kaum teilweise


und doch nur immer glei chsam in Wi d ersprüchen ge
hascht wer d en kann Die Konstruktion des Typus
.

ist aber trotz d em d urchführbar weil eben alle ,

Säugetiere t a t s ä c h l i c h nach einem ein h eitlichen


Schema gebaut sin d Goethe selbst h atte ja früher
.

nachgewiesen d aß der Zwischenkiefer entgegen der


,

herrschenden Lehre au ch beim W al roß u n d beim


Menschen vorhanden ist Er macht j etzt d arauf
.

aufmerksam daß auch Tränen und Nasenbein sich


,

beim Elefanten wo man sie vermißt hatte au fl i n d en


, ,

lassen u n d führt einige scheinbare Ausna h men von


,

d em gemeinsamen Bauplan d er Säugetiere auf i h re


wahre Be d eutung zurück Hat man nun nach d iesen
.

Gesichtspunkten einen Typus konstruiert so ist ,

durch Vergleichung in j e d em einzelnen Fall zu er


mitteln welche Verän d erungen irgend ein beliebiges
,

S ä u ge ti ers k e l ett gegenüber dem Typus aufweist .

Mit Beispielen für d iese allgemeinen Erörterungen


bric h t d as Fragment ab u n d Goethe hat erst,

4 Jahre später wieder etwas Zusammenfassendes


auf d iesem Gebiete gesc h rieben wenn auch seine ,
O steol ogi s c h e und v ergl e ich e n d anatomisch e Arb e ite n 1 .
1 25

osteo l og i s c h e n D etailstudien fo rtgesetzt wurden Im .

Jahre 1 7 94 entstan d dann d er V e r s u c h e i n e r a l l „

g e m e i n e n K n o c h e n l e h r e in welchem Goethe

,

beginnt d i e i n dem Versuch über die Gestalt der


, „

Tiere dargelegten allgemeinen G rundsätze i m ein


zelnen auszuführen Anknüpfend an die Tabelle


.
,

welc h e er sich schon vorher für die vergleichende


Untersuchung der ein z elnen Knochen verschiede
n er Säugetiere angelegt hatte l iefert er zunächst ,

eine genaue vergleichend anatomisc h e B eschreibung


fast sämtli cher S chädelknochen indem er mit dem ,

Zwischenkiefer beginnen d ihre Formänderungen


durch die gan z e S ä ug eti errei h e hindurch genau dar
legt Hierbei erweist sich ihm ein Prinzip als
.

fruchtbringend das er schon bei den Zwischen


,

k i ef erf ors c h u n g en angewen d et hatte Ebenso wie .


,

er d en scheinbar einheitlichen Oberkiefer des


Menschen in den Oberkiefer un d den Zwischen
kiefer zerlegt e so betrachtet er j etzt auch das
,

Keilbein als aus zwei das Schläfenbein als au s


,

drei Teilstücken bestehend von denen j e d es seine,

eigene vergl eichend anatomische Beschreibung fin d en


muß Goethe hat die vergleichen de Anatomi e des
.

Skeletts zunächst nicht weiter durchgeführt hat aber ,

später noch Aufsätz e über U l n a u n d R a d i u s (Elle



und Speiche des Vorderarmes) un d über T i b i a „

u n d F i b u l a (Schienbein u n d Wa d enbein des


Unterschenkels) geschrieb en in d en en er d i ese ,


1 26 Fünft e Vo rl esung .

Knochen in ihren F orm w an d l u n gen bei den Säuge


tieren verfolgt E r findet d aß bei den verschiedenen
.
,

Tieren diese Knochen sehr verschieden entwickelt


sind j e nach d en Funktionen zu denen sie d ienen
, , .

Wird große B eweglichkeit v on ihnen verlangt so ,

fi n d en si e sich in vollen deter Ausbil d ung und mit


entsprechen d en Gelenken versehen Dienen si e aber .

hauptsächlich der Stützfunktion so können sie sogar


,

z u einer ein z igen feststehen d en Säule verwachsen .

D ieser Zusammenhang z wischen Form u n d Funkti on


erweist si ch für Goethe überhaupt als ein sehr
brauchbarer leitender Ge d anke z u m Verständnis der
ti erischen F orm v ers c h i ed en h ei ten .

Das folgende Ja h r bringt uns dann den um


fass en d sten Aufsatz Goethes z u r tierischen Morpho
logie in d em er seine ganze Auffassung i n über
,

sichtlicher Form d argelegt hat Die E n tsteh u ng s


.

geschichte d ieses Werkes wurde schon kurz erwähnt .

Goethe hö rte i m Januar 1 7 95 mit Humboldt und


Meyer bei Le d er anatomische Demonstrationen und
entwickelte im Anschluß daran den Freun d en di e
Vorstellungen die er si ch selbst über tierisch e Form
,

und Fo rmbildung gemacht hatte Diese Ausführungen


.

schienen nun Al exander v Humbol d t von solcher


.

Be d eutung zu sein daß er in Goethe drang s i e


, ,

aufz uzeichnen und so diktierte d ieser dem jungen


Jacobi den E r s t e n E n t w u r f e i n e r a l l g e m e i n e n

Ei n l e i tu n g i n d ie v e rgl e i c h e n d e A n at o m i e ,
1 28 Fünft e Vorl e sung .

d ie Teile lehren muß d i e allen Tieren gemein sind


, ,

un d wenn man d ann weiß w el ch e Organe un d Teil


,

stü cke sich durch d i e ganze Ti erreihe vorfinden ,

muß man zusehen worin diese Teile untereinander


,

und b ei d en verschie d enen Arten verschie d en sind .


D ie Idee muß über dem Gan z en walten u n d auf
ein e genetische Weise das gan z e Bild abziehen .

Währen d Camper un d Buffon i mmer nur einzelne


Tiere u n d Tierklassen miteinan d er verglichen haben ,

will Goethe d i e Gesamtheit der tierischen Formen in


d en Kreis seiner Betrachtungen ziehen indem er aus ,

ihnen allen zunächst eine kontinuierliche Reihe bildet ,

welche von d en einfachsten bis zu d en k om p l iz i er


testen Formen aufsteigt Mit Hilfe d ieser Reihe und
.

unter steter Benutzung d es konstruierten Typus ist


d ann eine rationell e Vergleichung möglich Man .

kann die ein z elnen Ti erarten und den Menschen


untereinander vergleichen man kann innerhalb ein
,

und derselben Art die beiden Geschlechter m i tei n


ander vergleichen u n d so ihre G esc hl ec htsu n ter
sc hi ed e ermitteln
, man kann drittens bei ein und
demselben in d ivi d uum die einander entspre chenden
Kö rperteile wie Ober und U n terex trem i tä ten ver
, ,

schiedene Wi rbel u sw nach der vergleichenden


.
,

Methode studieren Bevor nun Goethe an d i e


.

Konst ru ktion seines Typus geht entwickelt er ein


,

ganz allgemeines Schema der tierischen Form das ,

zunächst für alle Wirbeltiere gilt aber sich auch ,


O steol og i s ch e und v e r gl e ich e n d anatomisch e Arb e ite n 1 .
1 29

auf die höheren Wi rb ellosen Insekten C ru sta c een , , ,

Würmer m i tb ez i eht Er zerlegt den tierischen Ker .

per l n drei Teile D er Kopf i st d as Vorderende


.

des Tieres ; seine Entwi cklung i st dadurch be


dingt daß hier die wichtigsten Sinnesorgane sich
,

vorfinden : Auge Ohr G eru chs un d Geschmac k s


, ,

organ Durch die Ausbildung dieser S i n n esw erk


.

zeuge wird nun d as Zentralnervensystem an dieser


Stelle besonders mächtig entfaltet ; es kommt zur
Ausbildung d es Gehirns Zum Schutz für d i e Sinnes .

organe und d as Gehi rn wird auch d as Skelett


des Kopfes in besonderer Weise modifi zi ert ; es
funktioniert als Schutz un d S tü tz o rgan un d wird
zum Schädel D er mittlere Teil des ti erischen
.

Körpers enthält di e Organ e d es inn eren Lebens „

antriebes des Kreislaufes u n d der Atmung So



, .

liegen beim Säugetier das Herz und d i e Lunge im


Brustkorb I n dem hinteren Teil d es Ti eres be
.

finden sich d i e Organe der Nahrung also Darm , ,

Magen Leber usw und der Fortpflanzung Dieses


, .
, .

allgemeine Ti ersc h em a wird nun n oc h ergänzt durch


Hilfsorgane zur Bewegu ng wel che aber nach Goethe ,

nur i m mittleren u n d im hinteren T eil angegliedert


werden Im Anschluß an diese ganz allgemeine Ein
.

teilung löst nun Goethe endlich die Aufgabe di e er ,

sich seit Jahren vorgenommen hat ; er gibt ein e ganz


genaue Aufstellung des Typus für das gan z e Skelett ,

liefert al so hiermit die tatsächli che Grun d lage fü r


M ga G th l N t rf r h r
nus oe e a s 9 a u o sc e .
1 30 Fünfte V or les ung .

ein e vergleichende Knochenlehre Daran schließt .

er eine Erörterung der Abweichungen welche im ,

Einzelfall e von diesem Typus vorkommen können ;


es könn en bei bestimmten Tieren Geb ilde verkn öchert
sein w el ch e bei an d ern nur im knorp eligen o d er
,

bindegewebigen Zustan d vorhanden sind ; es können


i n einzelnen Fällen Knochen miteinander verwachsen
sein welche bei andern noch getrennt vorkommen ;
,

es können wi e z B im Schädel Knochen welche


, . .
, ,

b ei einigen Tieren an einander grenzen bei an d ern ,

d urch den Fortsatz eines d ritten Knochens au s ei n


a n d erg e d rä n gt werden ; es können all e möglichen

Verschiedenheiten in der Zahl d er Knochen vor


kommen wie z B die Zahl der Schwanzwirbel bei
, . .

den verschiedenen Ti eren eine außerordentlich wech


s el n d e ist ; es können sehr weitgehende Unterschiede

i n der Größe und in der Form der K nochen auf


treten Im Einzelfalle sind also d i e größten Ande
.

ru ngen möglich und es ist oft außerordentlich


,

schwierig ihn auf den Typus zurückzuführen Da


, .

weist nun Goethe darauf hin daß das sicherste ,

Kriterium zur Erkennung eines Knochens sein Platz


s ei
, daß die K nochen in der Tierreihe wohl Fo rm ,

Größe und ihre andern Eigenschaften ändern den ,

Platz im Skelett aber mit großer Zähigkeit festhalten .

So i st es möglich im Zweifelsfall e Klarheit über die


,

Bedeutung eines bestimmten K nochen zu bekommen .

Bei der Vergleichung findet man gel egentlich auch


S echs te Vorl esung .

Di e os t eol og i s ch e n u n dve rg l e i che n d an a to m i sche n


A rb ei t en I I.

Meine Herren ! D ie Methode nach der Goethe ,

auf vergleichend anatomischem Gebiet zu Werke


-

geht ist wie schon mehrfach betont derjenigen ganz


, , ,

ähnlich die er zu seinen botanischen Studien ver


,

wendete E r stellt sich zunächst aus den Einzel


.

ers cheinungen eine kontinuierliche Reihe her welche ,

von d en einfachsten bis z u den kompliziertesten


Formen fortschreitet und erst wenn er diese hat
, ,

wen d et er das Mittel d er Vergleichung an da sich ,

erst dann mit Sicherheit erkenn en läßt welche Dinge ,

tatsächlich miteinander verglichen werden können .

Bei den Formänderungen di e er so durch Ver


,

gleichung bei den verschiedenen Ti eren und bei den


verschiedenen Teilstücken d esselben Tieres feststellen
ka nn ergibt sich nun als leitender G esi chtsw n kt der
, ,

durch alle seine einschlägigen Arbeiten hindurchgeht ,

der Zusammenhang zwischen Form und Funktion .

Schon beim Zwischenkiefer hatte Goethe gefunden ,

d aß die Ausbildung dieses Knochens aufs engste


mit den Nah rungsgewohnheiten des Tieres verknüpft
O s teol ogi s c he und v e rg le i ch e n d an atomisch e Arb e it e n II .
1 33

und er sah wi e wir gehört haben ähnliche Be


i s t, , ,

ziehungen auch bei andern S k el ettei l en obwalten .

Um ab er ein e ganz einheitli ch e B etrachtung i n


dieses Gebiet der G estal ten l eh re zu bringen un d
u m au s ihr di e Wissenschaft der Morphologie zu
sch affen b edu rft e es einer gemeinsamen Grundlage
,

für di e Vergleichung un d d iese ist für Goethe der ,

Typus d en er nach sorgfältiger Erforschung der i n


,

der Natu r vorkommenden E i n z elfe nn en au s diesen


konstru iert und den er für all e weiteren Vergleichungen
zum Ausgang nimmt Di ese vergleich en de Form .

betrachtung unter Zugrun d elegung ein es schema


tischen Typus ist der wesentliche Inhalt von Goethes
Morphologi e B ei der Betrachtu ng der t i e r i s c h e n
.

Form gliede rt sich diese zunächst in vergleichende


Anatomie d h das Studium der F orm w an d l u n g von
, . .

einer Tierart zur andern un d i n das S tu dium der ,

simultan en Metamo rphose d h der Formänderu ng , . .

b ei ein und demselben Tiere von einem M etam eren


zum an dern .

Zunächst geht also Goethe s o vor daß er d as ,

allen Tieren Gemeinsame festzustellen sucht ; wenn


er dies hat schlägt er den umgekehrten Weg ein
,

und sieht zu wel che Formänderung nun d iese ge


,

m ei n sam en Bestan d teil e in den verschi eden en Ein z el

fällen erleiden Diese Anschauung des Naturforschers


.

ist auch für d en bildenden Künstl er von gr ößter


Wichtigkeit Nach Goethes Ansicht kann der Künstler
.
1 34 S e chst e Vor le sung .

nur dan n mit der Natur w ettei fem wenn er die Art , ,

wie s i e bei Bildung ihrer Werke verfährt ihr wenig ,

stens einigermaßen ab l ern t Auch er muß den Typus


.

zugrunde l egen und dann d i e Abweichungen suchen ,

wo d urch Charaktere entstehen Die Bildwerke der


.

Anti ke stehen deshalb so unerreicht d a weil di e ,

alten Künstl er auf Grund genauen Naturstu d iums


immer d as Typische zur Grundlage ihrer so ch arak te
ri sti sc h en Figuren genommen haben .

Goethe ist aber nicht dabei stehen geblieben di e ,

u nendli che in der Natur vorkommen d e F orm v er


s c hi ed en h ei t nur dadurch meistern zu wollen daß ,

er si e auf den Typus zurückführte Er hat sich auch.

di e weitere Frage vorgelegt wi e es denn komme d aß


, ,

di e einzelnen Ti ere jedes für si ch so vollkommen


harmonisch ausgebildet seien Um dies z u erklären
.
,

stellte er sein Gesetz von der Korrelation d er Teile


auf d as von ihm h errüh rt und sich al s au ßerord en t
,

lich fru chtbringend für die Fo rtentwicklung der


Wissenschaft erwiesen hat Er betrachtet den Orga
.

n i s m u s nicht nur als ein Konglomerat seiner einzelnen

Teilstücke sondern n immt gesetzmäßige Wechsel


,

b eziehungen zwischen i hnen an zunächst in phy,

s i ol o g i sc h er Hinsicht
. Hier wissen wir heute daß die ,

Tätigkeit der v e rschiedenen Organe i n engster Ab


hä n g i gk e i t von e inander steht daß für ein gutes
,

Funktionieren d es Gehi rns o d er der Leber n otw en


d i gerw ei se d as Herz eine kräftige B l u tz l rk u l ati on
1 36 S e chst e Vorl e sung .

wenden hat Sobal d nun diese i n ein er an d ern


.

Bildung hervortreten wie z B bei der Eidechse nur


,
. .

kurze Arm e und Füße hervorgebracht werden so ,

muß d i e unbe d ingte Länge sogleich si ch zusammen


ziehen un d ein kürzerer Körper stattfin d en Die .

langen Bein e des Frosches nötigen den Körper


dieser Kreatu r i n eine sehr kurze Form un d die ,

u n g e stal tete Kröte ist nach eben diesem Gesetze in

die Breite gezogen So sorgt das Gesetz von d er


.

Korrelation der Teile dafür d aß kein e Monstra ent,

stehen können .

Welc h es sind nun ab er die treiben den Kräfte für di e


Formän d erungen in d er Tierreihe ! Hier na h m Goethe
gerade wie auf botanischem Gebiet zwei Reihen von
Faktoren an innere und äußere Einen i n n e r e n Drang
, .

nämlich der d em Typus innewohnen soll un d d azu


,

füh rt d aß d ieser sich in möglichst viel verschiedenen


,

Formen verkörpere eine V ersal i tä t d es Typus ein


, ,

inneres Bestreben möglichst viel verschiedene Vari e


,

täten hervorzubringen Zweitens aber sieht er auch


.

ä u ß e r e Ursachen am Werke Dieser Teil seiner .

F o rrn b i l d u n gsl eh re ist für Goethes ganze V ors tel


l u ng sw e i se außerordentlich charakteristisc h Er zeigt .

uns wie der F e et in j edem Fall e auch wenn d as


, ,

Wissen der Zeit nur sehr kärgliches Material darbot ,

auf eine greifbare und anschauliche Vorstellung hin


drängte und wie er auf seine Weise sich die Lösung
,

eines Problems zurecht legte d as auch heute noch ,


O steol og i s ch e und v e rgl e i ch e n d anatomisch e Arb e it e n II .
1 37

zu den dunkelsten Gebieten der Bi ologie gehört .

Sie erinnern sich von der B esmech u n g der botan i


schen Studien her d aß Goethe die Ausbi ldung der,

Pflanzenform i n engster Abhängi gkeit von äußeren


Bedingungen wi e Licht Luft Son ne und B oden
, , , ,

gefun d en hatte Genau dieselb e Überl egung stellte


.

er auch für di e tierische Formbildung an Er spricht .

den äußeren Bedingungen dem Milieu in de m d as , ,

Tier l ebt einen wichtigen Antei l an dessen F e rm


,

gestaltung zu Sein er Ausdru cksweise nach erfolgt


.

die Bildung der Tiere d u r c h U m s t ä n d e f ü r „

U m s t ä n d e Um was es sich dabei handelt geht



.
,

am klarsten aus Goethes eigen er Darstel lung her


vor : Das Wasser schwellt die Kö rper d i e es um
„ ,

gibt b erührt i n die es mehr oder weniger hin ein


, ,

dringt entschi eden auf So wird der Rumpf d es


, .

Fisches b esonders das Fleisch desselben au fge


,

schwellt nach d en Gesetzen d es Elements Nun


, .

muß nach den Gesetzen des organischen Typus auf


diese Aufschwellung des Rumpfes das Zusam men
ziehen der Extremitäten oder Hilfsorgan e folgen ,

ohne was noch weiter für Bestimmungen der übrigen


O rgan e daraus entstehen di e si ch S päter zeigen ,

werden .Die Luft indem sie das Wasser i n sich,

aufnimmt trockn et aus D er Typus also der sich


, .
,

in der Luft entwickelt wird j e rein er j e weniger , , ,

feucht si e ist desto trocken er inwen d ig werden


, ,

und es wird ein mehr o d er weniger magerer Vogel


1 38 S e chst e V orl e sung .

entstehen dessen Fleisch un d K n och en geri pp e reich


,

l i c h z u b ekleiden dessen Hilfsorgane hinlänglich zu


,

versorgen für die bildende Kraft noch Stoff genug


,

übrig bl eibt Was bei dem Fische auf d as Fleisch


.

gewandt wird bl eibt hier für d i e Federn übrig So


, .

bildet sich der Adler durch di e Luft zur Luft durch ,

die Berghöhe zur Berghöhe Der Schwan die Ente .


, ,

als eine Art von Amphibien verraten ihre Neigung ,

zum Wasser schon durch ihre Gestalt Wi e wunder .

s am der Storch d er Strandläufer ihre Nähe z u m


,

Wasser un d ihre Neigung z u r Luft bezeichnen ist ,

anhalten d er Betrachtung we rth So wir d man die .

Wirkung d es Klimas der Berghöhe der Wärme und , ,

Kälte nebst den Wirkungen d es Wassers un d der


,

gemeinen Luft auch zur Bil dung der Säugetiere sehr


,

mächtig finden Wärme un d Feuchtigkeit schwellt


.

auf und bringt selbst innerhalb der G rä n z en des


Typus u nerklärlich scheinende Ungeheuer hervor ,

indessen Hitze u n d Trockenheit di e vollkommensten


und au sgeb i l d etsten Geschöpfe so sehr sie auch ,

der Natur u n d Gestalt nach dem Menschen ent


g e ge n s te h en z B den
, Löwen . und Tiger . hervor ,

bringen und so i st d as heiße Klima allei n i m Stande


, ,

selbst der unvollkommenen Organisation etwas


Menschenähnliches zu e rtei len wi e z B i m Affen , . .

und Papageien geschieh t Es handelt sich wi e Sie “


,

sehen hier um sehr primitive aber darum nicht


, ,

minder anschauliche Vorstellungen Die äußeren .


1 40 S e chst e V orle sun g .

Zwecken nach außen hervorgebracht und seine Ge


s tal t durch eine absichtliche Urkraft dazu d eterm i

n i ert werde , hat uns in der philosophisch en Be


trach tu n g der natürlichen Dinge schon mehrere
J ahrhun d erte aufgehalten und hält uns n och auf .

D er Mensch ist gewohnt die Dinge n ur in dem,

Maße zu schätzen als s i e ihm nützlich sind und da


, ,

er seiner Natur und seiner Lage nach sich für d as


, ,

Letzte der Schöpfu ng halten muß : warum sollte er


auch n icht denken d aß er ihr letzter En dzweck s ei
, .

Waru m soll sich seine Eitelkeit nicht den kleinen


T ru gsch l u ß erlauben ! Weil er die Sachen braucht
un d brauchen kann so folgert er daraus : sie seien
,

hervorgebracht d aß er si e brauche
, Da er nun .

fern er an sich u n d an andern mit Recht diej enigen


Handlungen u n d Wirkungen am meisten schätzt ,

wel c h e absichtlich und zweckmäßig sind s o folgt ,

daraus daß er der Natur von der er o hn m ö gl i ch


, ,

einen g rö ße rn Begriff a l s von sich selbst haben


ka nn au ch Absichten u n d Zwecke zuschreiben wird
, .

Diese Betrachtungsweise wird von Gru n d aus ab


gelehnt un d Goethe kommt so dazu alle End ,

u rsachen zur Erklärung der Naturerscheinungen zu


rü c kz u w ei s e n
. Für ihn i st nur eine rein causal e
Betrachtungsweise auch i n den organischen Natu r
gebieten möglich .

Um also nochmals zu rekapitulieren so ist ,

Go eth es Anschauung von der ti erischen Formbil d ung


O steol og i s ch e u n d a erg l ei c h en d anatomisch e Arb e it e n 1 1 .
1 41

in Kürze diese : Der Typus ist von vornherein ge


geben Di e äußeren Umstände bedingen seine S pe
.

z i el l en Ausbildungen Durch d as Gesetz von der


.

Korrelation wird d as Gan z e harmonisch gestaltet .

Also entsteht die zweckm äßige Ausbildung d es


tierischen Kö rp ers Di e Tierform ist die Resultante
.

zweier Komponenten äußerer und inn erer , .

Wenn in dieser Weise die Ausbi ldung d es Ti er


körpers in konstanter Abhängigkeit vom Milieu steht ,

in dem das Ti er lebt so müssen alle äußeren Dinge


, ,

auch die Pflanzenwelt und die niedere Tierwelt die


O rganisation irgen d eines Tieres gesetzmäßig b eein
flussen . Das ganze Pfl an z en rei ch z E wird u n s
„ . .

wieder als ein ungeheures Meer erschein en welches ,

ebensogut zur bedingten Ex istenz der Insekt en nötig


ist als das Weltmeer un d die Fl üsse zur b edingten
Existenz der Fische un d wir werden sehen daß
, ,

ein e ungeheure Zahl lebender Geschöpfe in diesem


Pflanzen Ocean geboren un d ernährt werde ja wir
-
,

werden zuletz t di e ganze tierische Welt wieder nur


als ein großes Element ansehen wo ein Geschlecht ,

auf dem an dern und durch das an dere wo nicht ,

entsteht doch sich erhäl t Auf di ese Weise erhebt


,

sich Goeth e zu ein er gran d iosen Anschauung der


Gesamtheit des organischen Lebens das sich gegen ,

seitig bedingt un d durchdringt un d dessen Aus


gestaltung durchaus gesetzmäßig erfolgt ein e Kon ,

z ep ti on von einer Großartigkeit die des Dichters ,


1 42 S e chst e Vor le sung .

würdig ist und für die erst ein halbes Jahrhundert


später durch Liebig u n d an d ere einige tatsächliche
Grundlagen geliefert w e rd en
Von dieser einheitlichen Betrachtung der ganzen
Lebewelt ist es nur ein Schritt wenn Goethe über ,

haupt d i e g e s a m t e N a t u r a l s e i n e n g r o ß e n
O r g a n i s m u s auffaßt der Ti er und Pflanzenreich ,

al s sein e Kin d er hervorbringt Diesen Gedanken .

hatte Kant ( Kritik d er Urteilskraft 80) als ein ge ,

w agt es Abenteuer d er Vernunft ) b ezeichnet


!
das ,

vielen Natu rforschern wohl schon durch den Kopf


gegangen sei Goethe b ekennt sich ausdrückl ich
.

1
) allge m e in e n m orp h ol ogisch e n u n d f orm p h y si ol og i
D ie
s ch e n I d ee n Go eth e s d i e i m V orh e rg e h e n d e n e ntwick e lt
,

w e rd e n sin d z e ig e n ,
e in e auffal l e n d e Ve rwan d ts chaft m it
d e n Anschauu ng e n z u d e n e n kurz e Z e it s p ät e r d i e gr oß e n
,

fran z ösisch e n Forsch e r Cuvi e r u n d G eoffre y S t Hilair e g e .

k omm e n sin d Cuvi e r gilt b e kanntl i ch sogar als d er B e


.

grü n d e r d er v e rgl e ich e n d e n Anatom i e Au ch er b et ont e d en .

Zusamm e nhang z wisch e n Form u n d Fun ktio n d er Organ e Er .

u n d G eo ffre y St Hilair e s p r e ch e n v on e in e r K orr e lati o n d er


.

Organ e u n d L e tz te r e r s ah als d as wichtigste Krit erium für


d i e Hom e l o g i e v e rschi e d e n e r Organ e i n d e r T i e rre ih e d i e
Konstan z ihres P l atz e s an W e n n wir s o d i e l e ite n d e n V or
.

ste l l ung e n z u d e n e n G oeth e g e langt ist k urz e Z e it d arauf


, ,

b e i d e n h e rvorrag e n d ste n u n d a n erk an n te s te n F achg ele hrt e n


wi e d e rfin d e n so wir d u ns e rst re cht d i e üb e rrag e n d e B e
,

d e utu ng k lar d i e e r als N atu rforsch e r i m V e rhä l tnis z u s e in e n


,

Ze l tg n oss e n e ing e nomm e n hat .

D as i s t d e r z w e ife l l os e Sinn j e n e r vi e lfach mi ß d e u te t e n


S t e ll e ( Anschau e n d e U rt e ils k raft

W e im A usg i l A bt

. . . . .

Bd 1 1
. S . d er m an sogar e i n e d esce n d e n z th eoreti sc he
.

B ed e utun g u nte rle g e n w ollt e .


1 44 S e chs te Vorle sung .

und Macht ein es Schöpfers zu nahe wenn wir an ,

n ehmen daß j ene mittelbar z u Werke gehe dieser


, ,

mittelbar i m Anfang der Dinge zu Werke gegangen


s ei
.

Ni cht ein einmaliger Schöpfungsakt erklä rt ihm
die Vi elfältigkeit der tierischen und pflanzlichen
Fo rm son d ern d as mittelbare Wirken un d fort
,

dauernde Wi rk sam b l ei b en aller ob en genannten Na


tu rfakt oren hat die tierische Fo rm gebildet und
bil det si e noch fortdauern d um .

Bezei chnen d für Goethes voru rteilslose Denkweise


ist die einfache Selbstverstän d lichkeit mit der er ,

ohne weiteres den Menschen vergleichen d anatomisch


d en Säugetieren z u z ä hl t Wenn man b edenkt welchen
.
,

Sturm noch vor wenigen Jahrzehnten Darwins Lehre


von der Abstammung des Menschen hervorgerufen
hat u n d wie noch unmittelbar vor Goethe die her
v o rrag en d ste n Anatomen sich bemühten den Men ,

schen prinzipiel l von den Säugetieren zu unter


schei d en s e wird man auch in diesem Punkte die
,

ruhige Sich erheit bewundern mit der Goethe sich,

i n allen Dingen auf den Boden des Tatsächlichen


gestellt hat .

Von großem Interesse ist daß uns ein e kurze


, ,

mehr gelegentliche Bemerkung erlaubt auch über ,

seine Stellung zu einer Frage etwas aus z usagen ,

w e l c he gerade in der l etzten Zeit wieder vielfach von

Natu rforschern ventiliert w e rd en ist die Frage nach ,

der Tierseele Eine Reihe von Physiologen steht jetzt


.
O s teol og i s c h e und v e rgl e i ch e n d anatomisch e Arb e ite n 11 .
1 45

auf dem b eson d ers durch v U ex k ü l l vertreten en Stand .

punkt d aß wir kein Mittel besitzen u m diese Frage


, ,

überhaupt z u lösen und daß sie des h alb nicht Aufgabe


der physiologischen Forsc h ung sein könn e Man kan n .

feststellen auf wel che äußeren Reize ei n Ti er reagi ert


, ,

man kann die nervösen E rregu n gsv orgä n ge in seinem


Nervensystem untersuchen man kann die Be w e ,

gung en wel che das Ti er auf irgend einen Rei z o d er


,

„ S pontan ausführt beobac h ten ; aber es gibt keine



,

Möglichkeit zu entscheiden ob d as Ti er d abei ein e


, ,

b e w u ß t e Empfin d ung hat o d er n icht Diejenigen .


,

wel che gen eigt sin d den hö h eren Tieren solche b e


,

wußten Empfindungen zuzuschreiben m ögen sic h ,

die Frage vorlegen wo s i e in der Tierreihe d i e,

Grenze ziehen wollen unterhalb derer s i e kein Be ,

w u ßts ei n mehr ann ehmen Wer d i e Entwicklung .

kleiner Kin d er beobachtet hat weiß daß es voll , ,

S tän d ig unmögli ch ist den Zeitpunkt anzugeben , ,

wann in ihrem Leben zuerst bewußte Empfindungen


auftreten Wir können also d i e Frage nach einer
.

Ti erseel e mit n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Met h o d en


nicht lösen u n d es ist für diej enigen wel c h e d iesen
, ,

Standpunkt einnehmen von besonderem Interesse , ,

d aß Goethe in seiner allgemeinen Einleitung in di e

vergl eic h en d e Anatomi e d i e Frage nac h d er Ti er


seele als eine leere Spekulation be z eic h net h at d a ,

wir durch d i e Erfahrung nichts d ar ü ber feststellen


können .

M ga G th l N t rf r h
n u S oe e a s a u o sc er .
1 46 S e c hst e V orle sun g .

Das sin d einige der wi chti gsten Gesichtspunkte


un d Gesetze wel che Goethe in seinen mo rpho
,

l ogischen Arbeiten üb er ti erische Form und Form


bildung entwickelt hat Wollen wir das Gesagte .

uns noch einmal kurz vergegenwärtigen s o können ,

wir ni chts b esseres tun als das schön e Gedicht zu ,

l esen in welchem Go ethe zehn Jah re später ( 1 806)


,

seine Anschauungen i n klarster Weise zusammen


gefaßt hat .

ag1 ih r/ ä1 s b 1i ä
’ ’

fé itet di e I et zt e S1 6 fe i ü
,

s G i p fel s so re 1 cht mir d i e öffnet d é f1 fre i en


'

Bli ck i n s w e it e Fe l d d er Natu r S i e s p e n d et d i e r e ich e n



.

L eb en sg ab en umh e r d i e Göttin ; ab e r e m p fin d et


,

K e in e Sorg e w i e st e rb l i ch e F rau n um ihr e r G eb orn en


Sich e r e Nahru ng ; ihr i em et es ni ch t : d e nn zw i efach b e
z

stimmt e
S i e d as h o chs te G e s e t z b e schränk te j e g l ich e s L eb e n
, ,

Gab ihm g em ess n es B e d ürfnis u n d u ng em es s en e Gab e n



, ,

L e icht u fin d e n str e ut e s i e aus u n d ruhig b e gü nstigt


z , ,

S i e d as m u n tre B em ü h n d er vi e lfach b e d ü rft ig e n K i n d e r ;


Un e rz oge n sc hw ärm % s i e fort na c h ihre r B e stimmu ng .

Zw e ck s e in s e lbst ist j egl i ch e s Ti e r voll komm e n e ntsprin gt es ,

Aus d em Schoos d er N atur u n d e u gt v ollk omm e n e Ki n d e r z .

Al l e Gli e d e r bil d e n sich aus nach ew g en G e s e t e n ’


z ,

U n d d i e s e lte nst e Form b e wah rt i m G e h e im e n d a s Urbi l d .

S o ist j e glich e r Mun d g e schickt d i e S p e is e z u fass e n ,

W el ch e d e m Kö rp e r g e büh rt es s ei nu n s chwächli ch u n d
,

z ahn l o s

O d er mächtig d e r K i e fe r g e z ähnt i n j e glich e m F a l l e ,

Förd ert e i n schicklich Organ d en übrige n G l i ed em d i e Nah rung .

A uch b ew e gt sich j eglich e r Fu ß d e r l ange d er k urz e , , ,

G an z harmo nisch z u m Sinn e d es Ti e re u n d s e in e m B e d ü rfnis .

S o ist j e d e m d er Kin d e r d i e vo l l e r e in e G esun d h e i t


V o n d er M utt e r b estimmt : d e nn al l e le b e n d ige n Gli ed er
Wi d e rspre ch e n sich n i e u n d wirk e n al l e z u m Le b e n .
1 48 S e chst e V orle sung .

In d en zwei letz ten Jahrzehnten seines Lebens b e


schränkt e sich Goethe darauf d i e Fortentwicklung ,

der zoologischen u n d verglei chen d anatomischen


Literatur zu verf olgen z ahlreiche Noti z en zu sammeln
,

u nd gelegentlich kl einere Aufsätze zu veröffentlichen .

Eingehen d ere selbständige Forschungen hat er nic h t


m ehr angestell t Von bleibendem Werte sin d vor
allem einige R e cen si on en die er zu den Arbeiten
,

seiner Freunde Carus u n d d A l ton welche ihn be ’

sonders interessierten geschrieben h at Er b erichtet


,

in den Annalen : In der Zoologi e för d erte mi ch Caru s


von den Urteilen des Schalen un d Knochengerüstes ,

ni cht weniger eine Tabelle in wel cher di e Filiation


,

sämtlicher Wi rb el v erw an d l u n gen anschaulich ver


zeichnet war Hier empfing ich nun erst den Lohn
.

für meine früheren allgemeinen Bemühungen in d em ,

ich die von mi r nur geahnte Ausführung bis ins


Einzelne vor Augen sah Ein gleiches ward mir .
,

indem ich d A l ton s frühere Arbeit über die Pfer d e


wieder durchnahm u n d so d ann d urch d essen Werk


über die Faultiere und Dickhäutigen belehrt und
e rf reut wurde So entstanden i m Anschluß an Carus
.

d er Aufsatz Die Lep ad en im Anschluß an d A l ton


“ ’

„ ,

di e R ecen si o nen Die Faultiere und die D i ck hä u ti


gen und Die Skelette der Nagetiere Diese Ar





.

tikel gehen weit über d as hinaus was man gew ö h n ,

lich von einer Recension erwartet S i e enthalten .

vielmehr Goet h es eigene Ge d anken d i e er an die ,


O s teol og i sc h e und v ergl e i ch e n d an atomisch e Arb e ite n 1 1 .
1 49

B efunde seiner Freunde anknüpfte und haben da ,

durch auf di e Zeitgenossen einen tiefen Eindru ck


gemacht Johannes Müller der vergleichende Ana
.
,

tom un d Physiologe schrieb 1 826 in sein er Unter


,

suchung üb er d i e phantastischen G es i chts ersch ei


nungen : Wer davon (von der Einbil d ungskraft d es

K ünstl ers un d Natu rforschers ) sich einen d eutlichen


Begriff machen W ill les e Goethes meisterhafte,

Schil d erung des Nagetiers und seiner geselligen


Beziehungen zu ande rn Tieren in der Morphol ogi e .

Nichts Ähnliches ist aufzuweisen was d ieser aus ,

d em Mittelpunkt der Organisation entworfen en Pro

j e k t i on gleichkommt Irre i ch ni cht so li egt i n d ieser


.
,

Andeutung die Ahndung eines fern en l d eal s der


Naturgeschichte Goethe benutzt hier das d A l ton sc h e
.
“ ’

Werk u m an einer ein z elnen in sich abgeschlossen en


, ,

Gruppe von Säugetieren noch einmal sein e eigenen


Anschauungen über tierische Form zusammenfass en d
z u ver d eutlichen D i e Gruppe der Nagetiere ist d es
.

h alb für ihn ein s o gutes Beispiel weil ihre Kno chen ,

gestalt zwar g e n e r i s c h von inn en determ iniert


(nicht genetisch ; Goethe meint daß dem Nageti er ,

skelett ein gemeinsamer Bauplan zugrunde liegt)


u n d festgehalten sei nach außen aber zügellos sich
,

ergehend durch Um un d Umgestaltung sich sp ez i fi


zieren d auf das al l ew i el fä l ti gste verände rt werde .

Diese F orm w an d l u n g leitet Goethe von den Ein


flüssen des Milieus ab in dem die Tiere leben , .
1 50 S e chste Vor le sung .

„ Eine innere und ursprüngliche Gemeinschaft aller


Organisati on liegt zum Grunde ; die Verschiedenheit
der Gestalten dagegen entspringt aus den n otw en
digen B ez i ehu n gsv erh ä l tn i ss en zur Außenwelt und ,

man darf d aher eine ursprüngl iche gleichzeiti ge ,

Verschiedenheit und ein e unaufhaltsam f o r t s c h r e i


t e n d e U m b i l d u n g mit Recht annehmen um di e ,

ebenso con stan ten als abweichenden Erscheinungen


begreifen zu können .

Um nämlich zu verstehen ,

wie b ei d ieser schier unendlichen U m b i l d u n gsfä h ig


keit doch b estimmte Arten sich als feste Formen
herausbilden können greift er auf ein en Gedanken
,

gang zurück der auch bei botanischen Überlegungen


,

eine Rolle gespielt hat Es gibt Arten d i e sich


.
,

schrankenlos ergehen wi e die Rosen bestimmte Ge ,

schlechter wie die G en ti an en halten aber in jedem


E i n z el i n d i v id u m hartnäckig ihre Form fest und s o ,

wird auch bei den ein z elnen Fo rmen der Nager ,

wenn si e einmal individualisiert sind di e Gestalt ,

viele Generationen hindurch mit großer Zähigkeit


festgehalten Goethe führt nun im einzelnen aus
.
,

wie die Beziehungen zur Außenwelt die tierische


Fo rm beeinflussen wie d as Leben i m Wasser das
, ,

Eingraben in den Boden d as Herumsp ringen auf


,

der Erd e zu ganz verschiedenen Tierformen führt ,

ja wie sogar fliegende Arten sich ausbilden können .

Wichtig i st besonders d i e Ernährungsweise D as .

Ergreifen und B enagen d er Nahrung beeinflußt die


1 52 S echst e Vorl esung .

Hä c k el d iese Ansi cht z u begrün d en versucht Daran .

ist jedenfalls ric h tig d aß Goethe al s einer d er Mit


,

begrün d er der vergleichenden A n atom i e d i e Grun d


lagen s chuf auf d enen Darwin weiter gearbeitet hat
, .

Dagegen fin d en sich in Goethes morphologischen


Hauptwerken aus den 8oer und 90 er Jahren des
1 8 Jahr h un d erts d eren Inhalt im vorstehenden aus
.
,

f ü hrl i c h d argele gt wur d e keine Anschauungen welche , ,

als d arwinistisch im engeren Sinne bezeichnet wer


d en können Goet h e betrachtete damals als Aus
.

g an g 5 p un k t der wissenschaftlichen Forschung den


Typus d ess en verschie d ene Abwan d lungen in der
,

Natur verwirklicht sin d Erst in den späteren Jahren .


,

nach 1 820 tauchen gel egentlich Andeutungen einer


,

D escen d en z l eh re auf Goethe d er d i e zeitgenössische


.
,

Literatur genau v e1f ol gte kannte d i e Schriften von ,

G eoffre y St Hilaire u a ; ob er Lamarck gelesen


. . .

h at ist mir nicht bekannt ; aber sein naher Verkehr


,

m it d A l ton Carus u a mußte ihn über alle wissen


, . .

schaftlichen Zeitströmungen auf d em Laufenden er


halten Trotz d em ist die genannte S tel l e fast die
.

einzige wirklich unzwei d eutige und wir d ürfen dar ,

aus sc h ließen d aß d e r ganze Vorstel lungskreis der


,

D es ce n d e n z l eh re keineswegs für Goethe i m Mittel


punkt des Interesses gestan d en hat Nur in d iesem .

einen konkreten Fall wo ihm di e Vergangenheit ,

durch eine ihrer typischen prähistorischen Arten


entgegentrat knüpfte er an das Tatsächliche an u n d
,
O steol og i s c h e un d v e rgl e ich e n d anatomisch e Arb e ite n 11 .
1 53

betrachtete j etzt lebende Formen al s Abkömmlinge


fossiler Tiere In dem Aufsatz : Die Faultiere u n d
.

die Dickhäutigen versuchte er d ann wahrs cheinlic h



,

im Anschluß an Kant zu schildern wie aus einem , ,

großen w al fi sch artig en M eerti er d as aufs Lan d ,

übersiedelt d urch allmähliche Umbildung ein Faul


,

tier entstehen könne Aber hier bezeichnet er seine


.

Darstellung selbst schon als poetisch da überhaupt , „


'

Prose wohl nicht hinreichen möchte Und i n der “

klassischen Walpurgisnacht läßt er den Homunkulus ,

der gerne entstehen möchte im Meere anfangen : ,

D a r egst d u d ich n ach ew g en Norm e n


Durch taus e n d ab e rtaus e n d Form e n


„ , ,

U n d bis u m M e nsch e n hast d u Z e it




z .

Zu einem durchgreifenden wissenschaftlichen Pri n


cip von welchem aus der Formenbau des gan zen
,

T i errei c h es zu begreifen wäre hat er aber den D es,

c en d en z ged an k en nicht gemacht Man kann deshalb .

Goethe al s Vorläufer Darwins ansehen oder ni cht .

Die Wissenschaft selbst entwickelt si ch k on ti n u i er


lich und je d er Spätere steht auf d en Sc h ultern seiner
Vord ermänner j eder Frühere ist a l s Vorläufer d er
.
,

Nachfolgenden zu betrachten Goethes A n s chau u n gs


.

weise von d er tierischen Formenwelt war eine in


sich abgesc h lossen e und abgerundete Darwinistische .

Gedanken sind in ihr erst in späteren Jahren u n d ,

auch dann nur als sekun däre Elemente aufge


treten .
1 54 S e chste Vorl e sung .

In seinem letzten Lebensjahrzehnt hat sich Goethe


überhaupt für d i e Frage interessi ert wie neu e ,

Ti erarten entstehen könnten u n d er n oti erte sich


,

beispielsweise 1 824 die Mitteilung des Dr Sturm .


,

d aß Rassen welch e durch Kreuzung entstanden


,

sind konstant b estehen können Das s cheint ihm


, .

ein Faktum von größter Wichtigkeit Er bemerkt .

aber sogl eich daz u : Freilich muß di e Umwandlung


ein e Gränze haben u n d nur d i e Vollkommenheit


,

des Geschöpfs kann sie b estimmen .


Auch d i e plötzliche Entstehung neuer Formen


b ei der Aussaat von Gewächsen die heute unter ,

dem Namen Mutation d urch d i e Forschungen von


de Vries eine so große Be d eutung gewonnen
haben scheint Goethe beachtet zu haben doch
, ,

ist die betreffende Stelle nicht eindeutig genug ,

u m hierin ganz sicher zu gehen : Dagegen ent „

wickeln sich aus den Samen immer abweichende ,

die Verhältnisse ihrer Theile zu einander verändert


bestimmende Pflanzen wovon uns treue sorgfältige
,

B eobachter schon manches mitgeteilt u n d gewiß


nach und nach mehr zu Kenntnis bringen werden “
.

Goethes l etzter Aufsatz Principes de Philo


S ophie Zoologique den er kurz vor seinem Tode



,

abschloß behandelt wie schon erwähnt wurde den


, , ,

Streit zwischen Cuvier und G eoff re y St Hilaire . .

Dieses bedeutende wissenscha ftliche Ereignis inter


ess i erte den alten Forscher aufs l e b haft este Er be .
1 56 S e chst e V orl e sung .

natürli ch daß d abei eine Reihe von Ein z elheiten


,

welche nicht in unmitt elbarer Berührung zu d iesen


wichti gsten G ru n d v e rstel l u n gen stehen u n b erü ck ,

s i c hti gt gelassen wurden Wir müssen daher Nach


.

l ese h alten u n d noch einzelnes n achfrag en .

Goethe hat in allem womit er sich beschäftigte


, ,

gesu cht sich zu einer anschauli chen Vorstellung


,

d urchzuringen Auch sein e zoologischen I d een waren


.

immer auf Anschaulichkeit gerichtet Da war es .

d enn auch sein Bestreben das von ihm Erkannte ,

sich u n d andern in anschaulicher Form vor Augen


z u stel l en Er selbst fertigt e sich ein e große Wan d
.

tafel an um sich Humboldts I d een zu einer Geo


,

graphie der Pflan z en klar zu mac h en un d ließ sie ,

1 8 1 3 im Druck erscheinen Ein ähnliches Gemäl d e .


d er organischen Natur von W i l b ran d u n d Ritgen


wur d e von ihm aufs freun d lichste recen si ert Bekannt .

i s t welchen großen We rt er auf Deutlichkeit natur


,

wissenschaftlicher Abbildungen legte Besonders mit .

d A l ton wur d e hierüber eifrig korrespondiert und ein


Aufsatz von d iesem in die morphologischen Hefte


aufgenommen Seine Fürsorge für Ausgestaltung
.

natu rwissenschaftlic h er Sammlungen und Museen in


J ena wur d e schon einge h end gewürdigt Interessant .

i s t sein Vorschlag beson d ere Museen für ver


,

gleichende Anatomie zu grün d en ; d iese sollten s o


angeordnet sein daß man auf einen Blick d i e Form
,

wandlung irgend eines beliebigen Organs o d er


O s teol og i s ch e und v e rgl e ich e n d anatomisch e Arb e ite n 1 1 .
1 57

Knochens durch die Tierreihe hin d urch anschauli ch


vor Augen hat In einem Schrank sollten 2 B d i e
. . .

Halswirbel sämtlicher Tiere von den größten b i s zu


d en kleinsten von den einfachste n bis zu d en d i f
,

f eren ci ertesten vereinigt werden i n einem andern ,

b eispielsweise di e Vord erarm k n och en von den b e


w egl i c h sten und zierl ichsten bis zu den plumpsten

und kräftigsten S tü tz e rgan en Wie weit sein Inter .

esse für diese Dinge im ein z e lnen gi ng zeigt sein ,

Bestreben die Technik anatomische Präparate i n


, ,

Wachs nachzubilden nach D eutsc h lan d zu ver,

pflanzen Er hatte auf d er italieni s chen Reis e in


.

Florenz die schön e Sammlung der dortigen M ou l agen


(Wa c hs n ac hb i l d u n gen in nat ü rli chen Farben ) gesehen ,

die i h m einen tiefen Ein d ruck machte In W i l h el m .

Meisters Wan derjahren kam er S päter hierauf z urück .

Es schien ihm n otwen d ig bei d er z unehmenden ,

Schwierigkeit Leichen für d en anatomischen Unter


,

richt z u b ekommen an den Universitäten anatomisc h e


,

M ou l agen sam m l u n gen anzul egen Unter seiner Mit .

wirkung wurde e in junger Arzt Fran z Hein ri ch ,

Martens d er solche Präparate anfertigen konnte


, ,

nach Jena berufen und die von d essen Hand her


rührenden M ou l agen mensc h li cher Mißbildungen ,

sämtlich Kunstwerke zieren noc h h eute d i e dortige


,

Sammlung Noch kurz vor seinem To d e kommt


.

Goethe in einem Schreiben an Geheimrat Beuth in


Berlin auf die Angelegenheit z ur ü ck u n d regt an ,
1 58 S e chste V orle sung .

daß in Berlin aus Staatsmitteln ein M ou l ag en m u seu m


gegrün d et werde un d daß zur E rl em u n g der Technik
ein Anatom ein Plastiker un d ein G i p sgi eßer nach
,

Florenz gesendet werden sollen Goethes Anregung .

hat damals keine praktischen Folgen gehabt ab er ,

heute bilden die M ou l agen eine wichtige Ergänzung


medizinischer Sammlungen wenn es sich d aru m ,

handelt selten e Krankh eitsfälle die zu Unterrichts


, ,

zwecken nicht jederzeit ve rfügbar sin d zu ver ,

ewigen .

Studien über Regen eration b ei Tieren wurden zu


Goethes Zeiten b esonders von Blumenbach angestellt .

Unter Regeneration versteht man das Vermögen d e r


Tiere verlorene Körperteile n eu zu bilden wie z B
, , . .

die Eidechse den Schwanz Daß Goethe auch für .

diesen Zweig biologischer Forschung sich i nteres


s i erte ,
geht aus seiner Bemerkung hervor daß ein ,

Ti er d as zur Regeneration eines abgelösten Teiles


,

geschickt sein soll ein unvollkommenes Tier sein


,

müsse Tatsächlich ist bei d en höheren Wirbeltieren


.

die Regeneration eine beschränkte .

Ku rz vor der italienischen Reise hat Goethe das


Leben der kleinsten Lebewesen besonders i n Heu ,

i n fu sen studie rt Wi rft man trockenes Heu in


, .

Wasser und läßt es e inige Tage stehen so ent ,

wickelt sich au s Keimen welche an d em Heu an ,

getrocknet sind eine reiche Fauna besonders von


, ,

einzelligen Protozoen und I n fu sori en Goethe hat .


1 60 S e chst e V orl e sung .

folgte i n einzelnen Fällen d i e Metamorphose vom


Ei bis zum Schmett erling Der Einfluß von Hitze
.

u n d Kälte auf diese Vorgänge wur d e untersu cht Er .

beobachtete di e Bewegungen d er Raupe s ah d i e ,

me h rfache Häutung d ieser Ti ere stellte fest was , ,

s i e fressen u n d was sie aussc h eiden experimentierte ,

üb er i h r Verhalten bei Belichtung u n d Verdunkelung ,

machte genaue Notizen über d as Einspinnen und


d i e Verpuppung un d studierte das Ausschlüpfen der
Schmetterlinge B eson d ers interessierte ihn di e Er
.

s ch ei n u n g
,
d aß die ausgeschlüpften Schmetterlinge
gan z kleine un d weich e Flügel haben d i e erst im ,

Verlauf von etwa einer halben Stunde sich ent


falten u n d hart wer d en Goeth e führte di es auf
.

Einströmen von Säften aus d em Innern d es Tieres


in die Gefäße der Flügel zurück u n d sah sein e
Ansicht bestätigt als er dem Schmetterling nach
,

d em Ausschlüpfen den Kopf abschnitt und di e


Fl ü ge l en tf al tu n g nun ausblieb ; nach Eröffnung des
Tieres konnte eben keine Fl üssigkeit meh r in d i e
Flügel h i n e i n g ep reßt werden Die innere Ana
.

tomie der Schmetterlinge wurde genau untersuc h t ,

ihre Fo rtpflanzung beobachtet Seinem Streben .

nach Veranschaulichung seinem Mu seu m stri eb e


, „

i s t es zuzuschreiben ,
d aß er zehn verschiedene
Stadien von d er Puppe b i s zum Sc h metterling
konservierte und zwisc h en Glasplatten aufhob Be .

o b ac h tet wurde fern er d i e Entwicklung von Schlupf


O s te ol og i s ch e und v e rgl e ich e n d anatom i s ch e A rb e it e n 11 .
1 61

W esp en ei em i m Innern von Raupen und Pupp en .

Wi chtig sind weiter in dies e r Ve rsuchsreihe ein e


Anzahl von physiol ogischen Beobachtungen Da .

di e Raupe während d es Verpuppens keine Nahrung


nimmt s o fragt es sich wovon s i e lebt Genaue
, , .

Wägungen der Ti ere ergaben einen forts chreiten


den Gewichtsverlust ; d as Tier zehrt al so von s ei
nem Kö rp erm ateri al Goethe regis tri ert ferner die
.

Beobachtung daß der Saft ein er Raupe an der


,

Luft s chwarz wird un d untersucht d as Verhalten


dieses Saftes gegen Wasser Säuren und Laugen , .

Wi r wissen heute daß d i e Erscheinung auf d er


,

Anwesenheit eines oxy d i eren d en Ferm entes im Safte


beruht dem man in jüngster Zeit wieder größeres
,

Interesse entgegengebracht hat Die Reaktion der .

Raupen auf B erührung an vers chiedenen Stellen


ihres Körpers wird untersucht Di e B ewegung der .

Flügelmuskeln wird auch nach dem Tode noch


fortdauernd gefun den Auch d i e Tätigkeit des über
.

lebenden Herzens beobachtet Goethe und macht


d arüber folgende Notiz : Langes d urchsichtiges Ge „

fäß bei der Hummel das den gan z en Rücken hinunter


,

geht (Ist das sogenannte Herz der I n sec kt en) und


sehr lebhaft pulsiert ; es geht unten durch ei n d urch
s i c hti ges h ä u ti ges Geweb e durch das sehr mit Luft ,

gefäßen durchwebt ist Es pulsierte 3 bis 4 Stunden


.
,

so lange bis all e Feuchti gkeit vertrocknet war ; wen n


man es anhauchte puls ierte es viel s chneller Es
, .

M g
a nus G th l N t rf r h
, oe e a s a u o sc er
1 62 S echste V orl e sung .

ist der Ve rsuch zu machen wie lange es schlägt , ,

wenn man es feucht erhält u n d ob es etwa in der


Kälte gleich erstarrt In einer aufgeschni ttenen
.

Puppe in an d erthalb sekunden pulsierte es einmal .


Au c h sonst enthalten d iese Aufzeichnungen z u r


Insektenkun d e noch vi ele feine Beobachtungen .

Überhaupt gewähren gerade d iese Protokolle einen


interessanten Einblick i n Goethes Art zu arbeite n .

Man si e h t mit wel cher Sorgfalt d as ganze Tat


,

s a c h en m ateri a l schematisch geor d net wird und wie

außerordentlich genau sein e Einzelbeobachtungen


gewesen sin d .

Damit schließen wir die Darstellung von Goet h es


morphologischen Arbeiten Wir haben gesehen .
,

wi e er sich d urch eigenes Stu d ium einen Über


blick über die unendliche Fülle d er pflanzlichen
und tierisc h en Formen verschafft h at u n d wi e er
jahrelang sich bemühte die zahlreichen Ein z eltat
,

sac h en zu einem G esam tb il d e z u verschmel z en .

20 Jahre Arbeit i st da z u nötig gewesen Schließ .

lich aber bil d ete sich bei Goethe ein e umfassen d e


Anschauung von der Gesamtheit der Organismen
heraus d i e i n ihrer Großartigkeit ihresgleichen sucht
,

u n d d i e u n s zeigt d aß d er Naturforscher dem Dichter


,

i n keinen Stücken nachgab .

Jetzt erst verstehen wir d i e Verbitterung d i e ,

Goethe e rfaßte als seine Ideen anfangs gar nicht


,

d urch d ringen wollten und auf d e n passiven Wider


S i eben te Vorl esung .

Die F a r b e n l eh r e I . P h ys i o l og i sc h e O p t i k .

Meine Herren ! Di e Geschichte der Wissenschaft


nimmt immer auf dem Punkte wo man steht ein


gar vornehmes Ansehen ; man schätzt wohl seine
Vorgänger und dankt ihnen gewissermaßen für das
Verd ienst d as s i e sich um uns erw e rb en ; aber es
i st doch immer als wenn wir mit einem gewissen
,

Achselzucken die G rä n z en bedauerten wori n sie oft


unnütz ja rückschreitend sich abgequält ; nieman d
,

sieht s i e l eicht als Märtyrer an d i e ein u nw i ed er


b ri n gl i c h er Tri eb in gefährliche kaum zu ü b erw i n ,

den d e Lagen geführt und doch ist oft ja gew ö hn


, ,

lich mehr Ernst in den A l tv ä tern d i e unser Dasein


,

gegrü ndet al s unter den genießenden meistenteils


, ,

vergeudenden Nachkommen Dieses Goethesche


.

Wort wollen wi r al s Motto über unsere Besprechung


der Farbenlehre setzen denn was Schiller von ,

Wallenstein sagte gil t für kein Buch mehr als für


,

d ieses :

„ V o n d er Parte i e n Gunst u n d H aß v e rw i rrt ,

S chwan kt s e i n C harakterb üd i n d er G e schicht e .



Die Fa rb e n le hr e l . P h y & ol og is c h e O p ti k .
1 65

Gleich nach seinem Erscheinen von den Phy


s i k em vollständig abgelehnt und aufs heftigste ver

u rteilt von einigen der b e deutendsten z ei tg en ö ssi


,

schen Physiologen wie Purkinj e un d Johannes


,

Mül ler außerordentlich geschätz t wurde es in der


, ,

Mitte d es Jahrhunderts fast vergessen und selbst


Helmholtz wird seiner Bedeutu ng keinesw e gs g e
recht Erst in den letzten Jahrzehnten e rweckt es
.

wieder d as Interesse der Gel ehrten Währen d die .

Physiker auf ihrem ablehnen den Standpunkt ver


harren müssen finden die Physiologen hier zahl
,

rei che Tatsachen und Anschauungen niedergelegt ,

wel che i n der letzten Zeit zu den G rundlagen de r


physiologischen Optik geworden sind .

Die Würdigung des Inhalts der Farbenlehre i st


daher eine schwie rige Aufgabe und wir wollen den ,

Gang der Darstellung den wi r bei den früheren ,

wissenschaftlichen Werken Goethes gewählt haben ,

hier verlassen I ch will Ihnen nicht zuerst den


.

Inhalt von Goethes Schriften mitteilen und dan ach


entwickeln welches di e allgemeinen leitenden Ge
,

danken un d die gewichti gen wissenschaftli chen ,

Resultate sind sondern ich möchte Ihnen zunächst


,

i n d ieser Vorl esung eine ku rze s i n n e s p h y s i o -

l o g i s c he E i n l e i t u n g geben damit Sie i n den ,

Stan d gesetzt werden aus eigen er Kenntn is di e ,

Probleme um deren Lösung Goet h e sich bemühte


, ,

zu begreifen Denn die Farbenlehre grü ndet sich


.
1 66 S i eb e nt e Vorl e sung .

ni cht nur auf physikalisc h e Tatsachen sie gehört ,

vielmehr zu einem wesentli chen T ei l der Sinnes


physiologie an Durch unser Auge empfangen wir
.

erst optische Ein d rücke Licht u n d Farbe Zu B e


, .

ginn muß nun gleich bemerkt werden d aß all e d i e ,

Tatsachen un d Erwägungen di e ich Ihnen jetzt


,

v e rtrag en werde , zu Goet h es Zeiten noch so gut


wi e unb ekannt waren Während wir heute mit ver
.

h ä l tn i s m äßi ger Lei chtigkeit di e Probleme beurteilen


können legten Goethe u n d seine sämtlichen Vor
,

gänger u n d Zeitgenossen sich derartige s i n n esp hy s i o


logische Fragen überhaupt noch nicht vor Wir .

haben es j etzt leicht i n Goethes Werk das Gol d


,

von d en Schlacken zu sondern Der d amaligen Zeit .

war d ies keineswegs geläufig .

Goethes Farbenl ehre enthält zunächst einmal eine


genaue und ganz m u s t e r g ü l t i g e D a r s t e l l u n g
d e r T a t s a c h e n Die verschiedenen Arten der
.

Fa rb en e rs c h ei nu n g en u n d d i e Methoden sie her ,

v o rz u ru fen wer d en mit unerreichter klassischer An


,

s c h au l i c h k ei t geschilde rt mit einer Treue daß jeder


, ,

mit Lei chtigkeit all e Versuche selber anstellen kann .

Erst auf Grund d ieser Goethesc h en Schilderung d er


Erscheinungen und in bewußter Anlehnung an Kants
Kritik der reinen Vernunft hat zunächst Schopen
hauer die Farbenlehre für die Physiologi e in An
spruch genommen und danach Johannes Müller die
,

wissenschaft liche physiologische Optik begründet ;


1 68 S i e b e nt e Vorle sung .

d es Meeresgrundes mit seiner Haut in d irekte B e


rührung b ringt Ein beschränkt eres Milieu l äßt sich
.

wohl kaum vorstellen als in diesem F al l Wir .

b etrachten j etzt einen an d eren Wurm der etwas ,

höher steht und der außer den Tastorganen noch


ein zweites Sinnesorgan haben möge ein Auge am ,

Vord eren d e des Kopfes Ohn e weiteres wird Ihnen


.

klar wie d urch den Gewinn dieses Organs sich


,

das Milieu des Ti eres mit einem Schlage aus d ehnen


muß Es kann j etzt von einer ganzen Reihe von
.

G egenstän d en beeinflußt werden welche weit von ,

i h m entfernt liegen sofern nur von ihnen Li cht


,

zum Auge gelangen kann So wird durch das Auf


.

treten n euer Sinnesorgane der Kreis der Körp er ,

welche auf ein gegebenes Tier einwirken können ,

um ein B eträchtliches erweitert Nun machen wir .

gleich einen großen Sprung u n d gehen über zu un s


selber Wir hab en optische Sinnesorgane in unseren
.

Augen akustische in unseren Ohren chemische für


, ,

die Ferne i n unserer Nase für di e Nähe in den


,

G esc h m ac k sap p araten die Sinnesorgane in unserer


,

Haut vermitteln u n s Druck Schmerz und Tem


p erat u re m p f i n d u n gen
. Aus den Elementen welche ,

u n s d iese Sinnesorgane liefern se tzt sich unsere


,

s o außerordentlich reichhaltige und komplizierte


Außenwelt zusammen Sie besti mmen das Milieu
.
,

in dem wir leben Sie stellen aber keineswegs d as


.

Maximum d essen d ar was überhaupt erreichbar


,
D ie Farb e n le hr e I . P hysi ol ogi s ch e Op ti k .
1 69

wäre Würde uns er Auge für Li chtwellen von


.

größerer Lä nge al s di e d es äußersten Rot em pfi n d


l ich sein s o würden wir den wärmenden K achelofen
,

Licht i n einer Farbe ausstrahlen sehen di e wir u n s ,

natürlich n icht vorstellen können Besäßen wir eine .

ganz n eue Gruppe von Sinn esorgan en welch e direkt ,

für el ektrische Veränderu ngen unserer Umgebung


empfindlich wären so würden wi r bei m Vorbei
,

fahren ein es elektrischen T ram b ahn w agen s ein e


ganze Fülle von Erscheinungen in den Drähten un d
der umgebenden Luft wahrn ehmen die u n s jetzt ,

völlig entgehen ; b ei jedem tel ep hon i sc h en Gespräch ,

b ei jedem Druck auf die elek tri sche Klingel würde


ein e ganze Reihe von Empfin d ungen i n uns au s
gelöst werden Wie sehr wir von unseren Sinnes
.

organen abhängig sind sehen wir daraus daß es , ,

uns völlig unmöglich ist u n s vorzustell en wi e die


, ,

Welt einem der sogenannten Farbenblinden wel ch e ,

meist Rot und Grün nicht unterscheiden können er ,

scheint un d umgekehrt haben solche Farbenblinden


,

keine Möglichkeit sich die Außenwelt eines norm al


,

s i ch ti gen Menschen zu vergegenwärtigen So sehen .

wir daß die Sinnesorgan e Tyrannen sind welche


, ,

u n s einzwängen in einen ganz b estimmten Kreis von

Vorstellungen von der Außenwelt aus d em wir ni cht ,

herauskönnen .

Welches sin d nun die Gesetz e nach denen di ese ,

Sinnesorgan e arbeiten ! Die leitende Regel wel che ,


1 70 Si eb e nt e Vo rl esung .

fü r alle gilt ist von Johannes Müller


S i n n estä ti gk ei t ,

in d em G e s e t z v o n d e r s p e z i f i s c h e n S i n n e s
e n e r g i e aufgestellt worden D ieses besagt daß .
,

unsere Sinnesempfindungen allein abhängig sin d


von der Art des S i n n esn erv enap p arates wel cher in ,

Erregung gerät Es mag dies z uerst s el bstv erstä n d


.

lich klingen ist es aber keines w egs wi e Sie sofort


, ,

sehen wer d en wenn wir d i e Kehrseite dieses Satzes


,

b etrachten Di e Sinnesempfindung ist nämlich n i c h t


.

abhängig von d er Art d es äußeren Rei z es der unser ,

Sinnesorgan triff t Auch hier ein Beispiel statt viel er


.

W e rte Der Arz t kommt gelegentlich in d i e Lage


.
,

an ungl ückl ichen Patienten um sie vor schwererem ,

Unglück z u b ewa h ren ein Auge herausnehmen zu ,

müssen Das Auge i st d urch d en Sehnerv mit d em


.

G ehirn verbun d en und d ieser muß bei der Opera


,

tion durchtrennt wer d en In früheren Zeiten wo die .


,

Narkose noch unbekannt war hat man nun fest ,

gestellt d aß i a dem Moment wo d i e Schere des


, ,

Chi rurgen d en Sehnerv d es Patienten durc h trennt ,

d ieser nicht eine Schmerzempfin d ung son d ern eine ,

Li chterscheinung hat Diese Tatsache illustriert das


.

Gesagte denn trotzdem der Sehnerv keineswegs


,

optisch durch das Licht gerei z t w e rd en ist sondern ,

mechanisch d urch den Scherenschlag hat der Pati ent ,

eine o p t i s c h e Empfin d ung und d iese optische ,

Empfin d ung beruht gesetzmäßig d arauf d aß d er ,

Sehnerv erregt w e rd en ist i st aber unabhängig ,


1 72 S i e b e nt e Vo rle sun g .

geschützt vor al l en Einflüssen der Außenwelt welche ,

etwa den Hö rnerven erregen können Nur einzig .

und al lein di e Schal lwellen der Luft vermögen sich


i n diese Ti efe den Weg zu bahnen Durch den .

Gehörgang setzen si e d as Trommelfell und dahinter


d i e Gehörknöchel chen in Schwingungen welche sich ,

auf d i e Flüssigkeit des inneren Ohres üb ertragen


un d so den Hörnerven erregen können Die Sinnes .

organe sind also so angeordnet daß all e anderen , ,

wi e man sagt nicht adäquaten Reize nach Mög


,

lichkeit fern gehalten werden un d nur d i e a d äquaten


Reize z B d i e Schallwellen zum Ohr di e Licht
, . .
,

wellen z u m Auge hingelangen können Und noch .

etwas weiteres : der Hörnerv selber welcher d i e ,

Verbindung des inneren Ohres mit dem Gehirn


vermitt elt ist für die Schallschwingungen der Luft
,

völlig unempfindlich Nur seine E n d i gu ngen im


.

inneren Ohr werden durch Schallwellen erregt Es .

besitzen also die Sinnesorgane d i e wichtige Auf


gabe Vorgänge der Außenw el t wel che an sich aufs
, ,

Nervensystem nicht wirken aufzunehmen und in ,

Nervenerregungen umzusetzen Dasselbe gilt fürs .

Auge Der Augapfel i st eingebettet in die Augen


.

höhle w ohl besc hü tz t durch die Lider und die


,

knöchernen Augenbrauenbogen Er besteht aus einer .

derben fibrösen Kapsel d i e mit einer durchsichtigen


,

G al l eri e gefüllt i st und nur auf dem Grund dieser


,

Ka psel breitet sich der nervöse E n d apparat aus die ,


D ie F arb e nl e hr e I . P hysi ol ogi s ch e Op ti k .
1 73

Netzhaut wel che für Licht empfi ndlich i st wäh rend


, ,

d er S eh n erv selber durch Li chts chwingungen nicht


erregt werden kann Wir besitzen in Ausnahme
.

fällen di e Möglichkeit D ruck oder Elektrizitä t auf


,

unser Auge einwirken z u lassen aber i m allgemein en ,

ist die Netzhaut vor diesen Eingriffen geschützt und


nur di e Lichtstrahlen gelangen durch die brechen den
Medien des Auges zu ihr S o kommt es daß wir .
,

gewöhnlich keinen Trugschluß machen wenn wir ,

unseren Gesichts und G eh ö rw ah rneh m u n gen trauen ,

denn nur in Ausnahmefällen werden diese durch


andere äußere Ursachen h e rvorgerufen al s durch
Li cht bzw Sc h allschwin gungen
. .

A u s dem Material welches s o die Sinnesorgan e


,

dem Geiste liefern setzt dieser seine Vorstellung


,

von de r Außenwel t zusammen Wir treten 2 B . . .

aus dem Hause in den Garten und nehmen mit


unserem Auge eine blau e Fläche wahr in deren ,

Mitte sich etwas Grün es b efi ndet unterhalb dessen ,

wir etwas Braunes sehen Das Ohr hört gleich .

zeitig ein l eises Rauschen un d wenn wir u n s nach ,

dem Orte hinbewegen von dem diese Empfindungen


,

aus z ugehen scheinen un d mit der Han d das ge


s c hene braun e Gebilde berühren s o bekommen wir ,

das Gefühl des Harten Rauhen ; glei chzeiti g ri echen


,

wir einen angenehmen Duft oder wenn unsere , ,

Han d ein run d es Gebilde welches wir sehen nimmt , ,

und zum Munde führt s o b ekommen wir einen ,


1 74 S i e b e nt e Vorl e sung .

süßen Geschmack A u s d iesen rein obje k tiv ge


.

s chil d erten ganz heterogenen Sinnesempfindungen


, ,

welche uns unsere verschiedenen Sinn esorgane


liefern baut d er Verstan d zwangsmäßig un d unbe
,

w u ßt einen G e g e n s t a n d auf In diesem Fall einen .

grünen Baum d er vor dem blauen Himmel steht


,

und Blüte o d er Fru cht trägt Was nun das Merk .

würd igste von allem ist dieser Gegenstan d der in


, ,

unserem Inn ern d urch d as Zusamm entreffen so ganz


verschiedener Sinn eseindrücke gebi ldet wir d wird , ,

ohne d aß wir uns dessen bewußt werden zwangs ,

mäßig nach außen verlegt und erscheint uns als


ein außerhalb unseres Körpers befindlicher Baum .

Jetzt sin d wir so weit gelangt d aß wi r uns d i e ,

Frage vorlegen können was denn geschieht wenn


, ,

j emand einen Gegenstan d sagen wir eine brennende ,

Kerze s i e h t Di e Prozesse die hierbei mitspielen


, .
, ,

können wir wie f olgt beschreiben : In der brennen


d en Kerze fin d et ein e Oxy d ation d es Stearins oder
Paraffins zu Kohlensäure und Wasser statt u n d ,

d ieser Prozeß geht bei so ho h er Temperatur vor


sich daß dadurch einzelne Kohlenteilchen in der
,

Fla mme zum Glühen kommen d h sie werden




, . .

nach der Anna h me d er Physiker in so l ebhafte


Schwingungen versetzt daß sie diese Bewegung ,

i h rer Umgebung und speziell d em hypothetische n


Ather mi tteilen Von d en glühenden Kohlenteilchen
.

d er Flamme pflanzen sich also Bewegungsvorgänge


1 76 S i eb e nt e V o rle sun g .

u
g gn sv o rg an g
'
Äthers der von der K erze aus
d es ,

nach al len Seiten sich verbreitet nennen die Physiker ,

wi eder L i c h t un d di e Empfindung welche i m


, ,

Geiste unsere r Versuchsperson d ad 1 i rch hervor


gerufen wird nennen die Physiologen und Psych e
,

logen ebenfalls L i c h t ( eine Lichtempfindung) Ja es .

ist sogar der E rregu n gsv organ g in der Netzhaut von


Helmholtz und anderen als L i c h t e m p f i n d u n g be
zei chnet worden ; wir woll en von dieser Benennung
hier absehen Wenn wir statt der w eißb ren n en d en
.

Kerze ein roti eu chten d es bengalisches Zün d holz zu


unserem Versuch e nehmen so schreiben wir der ,

roten Flamme eine F a r b e zu Die Lichtstrahlen .


,

die von ihr ausgehen nennen d i e Physiker wiederum


,

f a r b i g e s L i c h t oder F a r b e und die Empfindung , ,

die der Beobachter da d urch bekommt ist wieder ,

F a r b e S o s ehen Sie daß b ei diesem k om p l i


.
,

zie rten Vorgang den wir eben in seine Kompo


,

ne a ten aufgelöst haben eine heillose Verwi rrung


,

der Nomenklatur besteht und daß jeder mit dem ,

Worte Licht oder Farbe eigentlich etwas ganz


anderes bezeichnet Daher ist es so schwer ge
.

wesen und auch heute noch s o schwierig sich über


, ,

die N atur der Farbe und des Lichts zu verständigen .

H ier l iegt der Hauptgrund weshalb au ch Goethe in ,

seiner Farbenlehre heterogen e Dinge mitein ander


verein igen wollte Denn wir müssen daran denken
.
,

d a ß wie oben betont wurde -die Aufklärung des


, ,
Die F arb e nl e hr e I . P hysiolo gi s c h e Opti k .
1 77

ganzen Sehprozesses erst in die n achgoeth esche


Zeit fällt Goethe hat allerdings einen s ehr wi ch
.

tigen Schritt vorwärts getan dadurch daß er all e ,

F arb en ers ch ei n u n gen in drei große G ruppen s on


derte in die p h y s i o l o g i s c h e n in die p h y s i s c h e n
, ,

und die c h e m i s c h e n Farben Di e physiologi schen .

Farben sind nach Goethe diejenigen wel che durch ,

die Zustände und Tätigkeit unseres Auges bedin gt


sind Die physischen sin d die welche nach unserer
.
,

heutigen Nomenklatur durch Beeinflussung der Licht


strahlen und Ätherschwingungen entstehen also die ,

p ri sm ati s ch en Farb en di e Farben bei der Brechung


,

und Beugung des Lichtes die Farb en e rsc h ei n u n g ,

bei der Doppelbrechung durch Kalkspat u a m . . .

Die chemischen Farben endlich sind d i e Körper


farben die Farben der Steine Wände Kleidung
, , , ,

Papiere Diese Goethesche Einteilung lehnt


sich also eng an das Schema an d as wi r oben ,

vom S ehp roz eß gegeben haben Hierbei würde der .

Kerze di e chemische den Ätherwellen die physisch e


,

u n d den Erregungen in der Netzhaut und im Gehirn

di e physiologische Farb e entsprechen Goethe hat .

aber dadurch ein en fundamentalen Irrtum b egangen ,

H e ut e wür d e n wir d e n G e g e nsatz z wisch e n d e n p hysi o


logisch e n u n d d en an d e rn Farb en so d e fi ni e r en d a ß i n d em ,

e i n e n F all e i n e F arb en em pfi n d un g ohn e äu ß ere n R e i z ent


st e ht i n d em an d e rn Fal l d u rch äu ß er e n R e i z h e rvorg e rufe n
,

wir d.

M a g n 1 1 s Goet h e al s N atu rf osrch er .


1 78 Si e b e n te V or lesung .

d aß er versucht hat diejenige Methode au ch auf


,

d i e sinnesphysiologischen Probleme zu übertragen ,

w el c h e sich ihm bei seinen m orphologischen Stu d ien

s o glänzen d b ewährt hatte die Methode der kon


,

ti n u i erl i ch en Reihe Er hat versucht di e physio


.

logi schen physischen u n d chemischen Farben s o


,

zu schildern d aß er ausgehend von den physio


, ,

l ogischen die physischen un d die chemischen all


,

mähli ch schrittweise entwickeln wol lte Er hat wohl .

gesehen d aß in d em Gegensatz zwischen Objekt


,

u nd Subjekt ein großes schwieriges Problem ver ,

borgen liegt : Hier ist es wo sich der Praktiker


„ ,

in der Erfahrung d er Denker in der Speculation


,

ab m ü d et und einen Kampf zu bestehen aufgefordert

ist d e r d u r c h k e i n e n F r i e d e n u n d k e i n e E n t
,

sch e i d u n g ges ch l oss en we rd e n kann Aber .


er hat ebenso wie alle seine Zeitgenossen außer Kant , ,

versucht d en prin z ipiellen Unterschied zwischen der


,

physiologischen u n d der objektiven Seite des Seh


prozesses außer acht zu lassen bzw zu überbrücken .
,

un d daher schreibt sich der Irrtum in Goeth e s


Farbenlehre In diesem Irrtum aber ist Goe th e das
.

Kind seiner Zeit ; und sein fun d amentales Verdienst


i st daß er a l s einer der ersten auf d i e physio
,

logi schen Gesichtserscheinungen im Zusammenhang


aufm erksam geworden i st und si e in ihrer Gesamt
heit i n klassischer und mustergültiger Weise dar
gestellt hat Der Teil de r Farbenlehre wel cher die
.
,
1 80 S i e b e nt e Vorl e su ng .

er selbst ni cht von der physikalischen Seite zur


Farb enlehre gekommen s ei son dern von der kü n stl e
,

rischen I n den Jahren vor der ital ienischen Reise


.

versuchte er vielfach si ch als Maler und als Zeichner


zu betätigen und gewann erst i n Italien die Erkennt
n i s d aß ihm d as eigentliche Tal ent hierzu mangele
, .

Daher bemühte er si ch auch vor allem u m die


technische Seite d er Mal erei um ihre Regeln I n, .

Italien studierte er von diesem Gesichtspunkte aus


die Gesetze der F arb en geb u n g an den Meisterwerken
der Malerei und su chte sich vielfach auch bei
Künstlern Rat zu erhol en Diese aber konnten ihm
.

gewöhnlich nur gan z allgemein e Anhaltspunkt e geben ,

s i e unterschieden kalte und warme Farben und


wußten daß einzelne Farben sich gegenseitig i n
,

ihrer Leuchtkraft h e b e n Bestimmte Gesetze er


.

fuhr aber Goethe v on ihn en nicht Angel ika Kauff .

m ann mit der er i n Rom nah verkehrte wurde nun


, ,

von ihm zu verschiedenen koloristischen Versuchen


veranlaßt Si e malte ein Bil d zunächst grau in grau
.
,

d as erst zum Schluß mit Farb e lasiert wurde ; s i e


entwa rf eine Landschaft in der alle blauen Töne
,

fehlten und dergleichen mehr Neben diesen male


, .

rischen Studien hielt Goethe auch in d er freien


Natur seine Augen o ffen und beobachtete eifrigst
die atm ow hä ri sc hen Farb en ers c hei n u n gen : grüne
Schatten bei purpurnem Sonnenuntergang die blau e ,

Färbung entfernter Berge d i e Farben naher S c hat


,
D ie Farb e nl e hr e l . Ph y si ol ogisch e Op ti k .
1 81

ten un d man ches andere S o wurden ihm d i e .

F arb en p hä n om en e in Natu r und Kunst vertraut .

Nach der Rückkehr auf deutschen Boden trat die


optische B eschäftigung zunächst zu rück A l s aber .

Hofrat Büttner von Göttingen nach J ena übersiedelte


und einen reichhaltigen optischen Apparat mit
b rachte l ieh er einiges davon au s un d beabsichtigte
,

d amit zu experimentieren E s blieb aber b ei dieser .

Absicht u n d B ü ttn ers Prismen blieben unberührt


liegen bis ihr Eigentümer ungeduldig wurde und
,

s i e immer energischer zurückverlangte Schließli ch .

wurde sogar ein Bote nach Weimar geschickt um ,

s i e zu holen So ge d rängt wollte sie Goeth e ge


.
,

ra d e aushändigen als er noch rasch einen Blick


,

durch ein Prisma warf Dieser Moment i st für .

Goethes ganze späteren optischen Studien en tsch ei


dend Ihm war von der Stu dienzeit her i m Ge
.

d ä chtn i s geblieben daß durch ein Prisma weißes


,

Li cht in farbiges zerlegt werde und als er durch ,

B ü ttn ers Prisma die weiße Wan d seines Zimmers


b etrachtete erwartete er fälschlich d i e ganze Wand
,

in Regenbogenfarben schillern zu sehen Das w ar nun .

natürlich ni cht der Fall Die Wand erschien weiß .


,

nur ihre Ränder und die Stäbe d es Fensterkreuzes


zeigten die p ri sm ati sch en Farben G oethe stutzt un d .
,

es fällt ihm ein die Newtonsche T h eori e d es Li chts


,

müsse falsch sein Er behält die Prismen zurü ck und


.

begi nnt nun 1 7 90 aufs eifrigste zu experi menti eren .


1 82 Si e b e nt e Vorl e s un g .

Mehr un d mehr befestigt sich in ihm di e Ü b erz eu


gung von der Unrichtigkeit der Newtonschen Lehre ,

aber al l e Bemühungen diese Überzeugung auch


,

andern Leuten z u vermitteln scheitern beson d ers


, ,

d i e Physiker verhalten sich Goethes immer dringen


d er werdenden D emonstration en gegenüber völlig
abl ehnend Doch i mmer tiefer versenkt e r sich in
.

s eine Überzeugung Er läßt sich schließlich Newtons


.

Werke kommen und macht sein e Versuche i n allen


Einzelheiten aufs sorgfältigste nach Diese E x p eri .

mente scheinen ihm nun absichtlich kompliziert zu


sein um den wahren Sachverhalt zu verdecken und
, ,

er geht jetzt daran selbst die einfachen gru n d l eg en


,

den Versuche anzustellen un d zu schildern Von .

den physikalischen Forschungen gelangt Goeth e


dann wieder zurück zu den physiologischen Er .

s tudiert di e Phänomene der farbigen Schatten er ,

vertieft sich schließli ch von Jahr zu Jahr immer mehr


in die Farbenl ehre bis schließli ch nach mehr als
,

zw anzigj ähriger Tätigkeit das gesamte Werk abge


schlossen wird und 1 8 1 0 erscheint .

Wie rasch aber Goeth e besonders am Anfang


arbeitete i st daraus zu ersehen daß er schon im
, ,

Jahre 1 7 9 1 d as erste Stück seiner Beiträge zur Optik


erscheinen ließ mit Abbildungen die in Spielkarten
, ,

format in einer K artenfabrik gedruckt waren Diese .

wurden mit schlechtem Dank und hohlen Redens


arten der Schule beiseite geschoben Das zweite .



1 84 S i eb e nt e Vorl e sung .

Sache zum Inhalt vo n Goethes Farbenlehre über


,

gehen .

Goethe geht in de 1 Einlei tung davon aus d aß wir ,

durch unser Sinnesorgan über das eigentliche Wesen


des Lichtes nichts Direktes wahrnehmen könn en son ,

d ern nur seine Wir k u n g erfahren Die wichtigsten .

Wirkungen sind d i e Farb en Die Farben sin d Thaten


.

d es Lichts Th aten und Leiden Für di e Erkenntn is



.
,

unserer sichtbaren Welt sind nun d i e Farben von


wesentlicher Be d eutung Die ganze Natur offenbart
.

sich durch die F a r b e dem Sinn d es Auges Er .


S pricht von der Welt des Auges die d urch Gestalt und
,

Farbe erschöpft wir d un d frägt : G ehören d i e Farben


, „

n icht ganz eigentlich dem Gesicht an ! Di e Emp “

findungen Schwarz Weiß un d d i e Farben sind nach


,

unserer heutigen Bezeichnungsweis e die Qualitäten ,

d h d i e verschiedenen Empfindungsarten des Auges


. . .

Unser Auge vermi ttelt uns nur sol che Qualitäten .

D i ese Erkenntnis spricht Goethe schon mit aller


Deutlichkeit aus wenn er sagt : Hell dunkel und
, „ ,

Farben zusammen machen al lein d asj enige aus was ,

d en Gegenstan d v om Gegenstand die Teile des ,

Gegenstands voneinander f ü r s A u g e unterscheidet ,

und so erbauen wir au s diesen dreien di e s i c h t


b a r e We l t Wie entsteht nun ein Auge ! Goethe
.

beantwortet d iese Frage von demselben Stan d punkte ,

von d e m au s er d i e tierische Formbildung überhaupt


D ie Farb e nl e hre I . Physi ol ogisch e Op t i k .
1 85

b etrachtet Das Auge sol l durchs Li cht fürs Licht


.

gebildet sein ; aus glei chgültigen ti eri schen Hilfs


organen sol l unter d em Einfluß d es Lichts ei n so
zweckmäßiges Sinnesorgan entstanden sein Wir er .

i nnern u ns daß Goethe dieselbe Vo rstellungsart ent


,

wickelte al s er die Fische durchs Wasser fürs


,

Wasser di e Vögel durch di e Luft für die Luft ge


,

bildet sein ließ Es wird dann i n der Ein leitu ng


.

weiter darauf hingewiesen daß die alten ionischen ,

Philosophen l ehrten es könne nur Glei ches von


,

Gleichem erkannt werden und welche daher dem ,

Auge auch Licht zuschrieben Wär nicht d as Auge .



s onn en h aft wie könnten wir d as Licht erblicken !


,

Er meint nun von seinem Standpun kte aus dies


etwa s o ausdrücken zu können : Im Auge wohnt „

ein ruhen d es Li cht d as bei der mindesten Ver


,

a n l ass un g von innen oder von außen e rregt wird



.

Dieses ruhende Licht bezeichnen wir heute al s Licht


empfindung d i e durch innere oder äußere Ursachen
,

hervorgerufen werden kann Go eth e ist hi er also .

der Erkenntnis daß Li cht und Farbe nur unsere


,

Empfindungen sind ganz außerordentlich n ah e ge


,

kommen hat ab er trotzdem diese Konsequenz nicht


,

gezogen un d spricht kurz darauf von der Farb e al s


einem Naturphänomen für den Sinn des Auges .

D er erste Abschnitt von Goeth es Farbenlehre


b ehan d elt die p h y s i o l o g i s c h e n F a r b e n E s ist .

schon ein e große wissenschaftliche Tat diesen Ab ,


1 86 Si e b e nt e Vorl e sun g .

schnitt an d i e Spitze zu stellen und als d as Funda


m ent der ganzen Lehre zu bezeichnen Diese Farben .

erscheinungen welche man früher nur für zufällig


, ,

täuschen d o d er krankhaft gehal ten hatte beruhen ,

nach Goethe auf der Tätigkeit des g e s u n d e n Auges ,

über d essen Eigenschaften wir d urch si e Sicheres er


fahren Sehr scharf wendet sich Goethe gegen die An
.

s c h au u n g d aß es sich hier um Gesichtstäuschungen


,

handle Gesichtstäuschungen sind G esi chtsw ahr


.

h ei ten “
und es ist eine Gotteslästerung z u sagen
, „ ,

daß es ein en optischen B etrug gibt G erade aus “


.

den Fällen in d enen unser Auge uns Empfin d ungen


,

vermittelt die den Vorgängen i n d er Außenwelt ent


,

sprechen können wir nichts über die normale Tätigkeit


,

dieses Organs erfahren ; d i e physiologischen Farben


erscheinungen lehren uns dagegen die Eigenschaften
d es Auges kennen Goethe hat hier i n aller Kürze
.
,

aber d och eingehend genug ein Lehrbuch d er physio


logischen Optik geschrieben Hier liegen auch nach .

ihm die Ursachen der c h r o m a t i s c h e n H a r m o n i e


begrün d et Da er in seinen Studien von der Unter
.

suchung d es malerischen Kolorits ausgegangen war so ,

mußte ihn die Frage worauf denn d i e Farb en harm on i e


,

beruhe lebhaft interessieren Seine Studien haben ihn


, .

zu der Erkenntnis gefü h rt daß s i e durch die physio,

l ogischen Eigenschaften unseres Auges bedingt s ei .

Der erste Abschnitt Licht u n d Finsternis zum „

Auge setzt d as Verhalten d es Auges zur Belich



1 88 S i e b e nt e Vorle sun g .

D er nächste Abschnitt Schwarze und weiße „

Bilder zum Auge handelt zunächst von d en Irra


d i ati on s ersch ei n u n g en Si e sehen auf der oberen


.

Hälfte von Fig 6 daß eine weiße S cheibe auf


.
,

s chwarzem Grun d e größer aussieht als ein e schwarze


Scheibe von gleichem Umfang auf weißem Grun d e .

So s cheint auch die l euchtende Mondsichel einem


größeren Kreis an z ugehören als di e dunkl e Mon d
scheibe di e man an klaren Nächten gleich z eitig sieht
, .

Schwarze Kleider machen schlank weiße d ick Ein , .

Lineal d as man quer vor eine l euchten d e Kerze


,

hält scheint an der Stell e wo es d i e Flamme


, ,

schneidet durch d iese eingekerbt zu sein Ich möchte


, .

hier nicht die heutige Theorie der I rrad i ati on s ers ch ei


nung auseinan d erset z en welche e twas kompli z iert
,

i st son dern nur d i e interessante Deutung erwähnen


, ,

d i e Goethe diesen Phänomenen wenn auch mit aller


Vorsicht und nur hypothetis ch gibt Er stellt sich

vor d aß im Dunkeln die Netzhaut in sich zusammen


,

gezogen i s t und sich bei Belichtung flächenhaft


ausbreitet Dasselbe tri tt ein wenn die Netz haut
.
,

gleichz eitig d as Bild schwarzer und weißer Gegen


stände empfängt Dann bleibt si e an den Stellen
.
,

die nicht vom Licht getroffen werden zusammen ,

gezogen und breitet sich an den belichteten aus .

So be ruht also nach Goethe d i e Vergrößerung des


weißen Bil d es auf einer objektiven G rößenzunahme
u n d Ausdehnung der belichteten Netzhautstelle Be .
Di e F arb e n le hr e I . P hysiol o g isch e Opti k .
1 89

der Netzhaut hab en sich in


w egu n g s ers ch ei n u n gen

d i e s e r Form nicht nachweisen lassen Di e Hypo .

these muß daher aufgegeben werden Sie ist aber .

deshalb von größtem Interesse weil Goethe hier ,

schon überhaupt Bewegungserscheinungen der Netz


haut durch Belichtu ng angenommen hat Sol che .

Phänomene sin d in der Folgezeit vers chiedentlich b e


k an n t geworden und wi r wissen j etzt daß durch Be
, ,

l ichtung Verlängerungen und Verkürzungen der S tä b


chen und Zapfen in der Netzhaut eintreten können ,

und daß ganz gesetzmäßige Wanderungen schwarzen


Pigments zu b eobachten sind .

Es werden so d ann die p o s i t i v e n N a c h b i l d e r


geschilde rt Fixieren wir mit wohl ausgeruhtem
.

Auge kurze Zeit das Fensterkreuz und schließen


sodann die Lider s o bleibt das Bild noch einige
,

Zeit lang bestehen Die Erscheinung i st al l b e


.

k an n t daß wenn man zufällig in die strahl ende


, ,

Sonne gesehen hat un d darauf geblendet d as Auge


schließt das leuchtende Sonnenbild noch ein e Zeit
,

im Auge bleib en kan n Auch hier hat Goeth e die .

zeitliche Dau er der Nachbil der b esti mmt Er findet .

s i e abhängig von der Intensität der Bel euchtung und

vor allem von der Empfindlichkeit vom Adaptions ,

zustande des Auges Bei A u gen k ran k en können s i e


.

eine Viertelstun d e und länger dauern .

Genau das Umgekehrte tritt auf wenn man n ach ,

Fixierung z B des Fensterkreuzes nicht ins Dunkle


. .
,
1 90 Si e b e nt e Vorl esun g .

sondern ins Hel l e auf eine grau e oder weiße Wan d


,

s ieht Dann erblickt man das umgekehrte n e g a


.
,

t i v e Nachbild nach Goethes Ausdrucksweise d a s


, „

geford ert e B i l d Wenn Si e z B ein e weiße



. . .

Scheibe auf schwarzem Grunde (Fig 6) längere Zeit .

fixi eren und danach auf ein e weiße Fläche blicken ,

s o s ehen Sie ein en dunklen Kreis auf h ellem Grunde .

Goethe gibt gleich d i e ri chtige Erklärung Starren .

wir längere Zeit auf ein e schwarz e u n d weiße


Fläche so bleiben di e Teile der Netzhaut auf di e
, ,

d as schwarze Bild fällt ausgeruht (d u n k el ad ap ti ert)


, ,

während die Teile auf die das weiße Bild fällt er


, ,

m ü d et in ihrer Empfindlichkeit herabgeset z t ( heli


,

adapti ert) werden Fällt nun nachher d as Bild einer


.

gleichmäßig grauen Fläche ins Auge so trifft dies ,

verschiedene Teil e der Net z haut i n verschiedenem


E rregu n gsz u stan d e Di e Teil e auf die vorher das
.
,

d unkle Bild gefallen war sind erregbarer und sehen


,

daher d as graue Papier an den entsprechenden


Stellen heller Sehr zahlreich sind die Fälle in
.
,

d en en sich dies Phänomen beobachten läßt Z B . . .

sehen wir um dunkel gekleidete Person en auf hellem


G ru nde eine Gloriole einen Heiligenschein der be
, ,

sonders deutlich wird wenn 2 B Menschen i m Ge


, . .

bi rg e sich gegen den grauen Himmel abheben Es .

i st d as geforderte Bil d das bei kleinen Augen



„ ,

bewegungen über die K onturen der dunkeln Person e n


he rü bergreift Diese Erscheinung bezeichnet man als
Di e Farb e n l ehr e I . Physio l ogi sch e Op ti k .
1 91

S u c c e s s i v k o n t ra s t Im Gegensatz hierzu unter


.

scheidet man ein en Simultankontrast z u dessen ,

Schilderung Goethe i n dem nächsten Abschnitt



Grau e Flächen u nd Bilder übergeht Si e s ehen “
.

auf der unteren Hälfte von Fig 6 zwei graue Recht .

ecke Das auf weißem Grunde erscheint dunkler


.
,

d as auf schwarzem Gru nde heller I n Wirklichkeit


.

sind s i e aber g e n a u g l e i c h h e l l Goethe deutet .

d ieses Phänomen physiologisch es b eruht nach ihm ,

auf eine r Lebensäußerung der Netzhaut Wenn irgend .

welche Teil e der Retina durch Licht getroffen wer


d en se ändert sich n icht nur ihre eigen e E m p f i n d
,

lichkeit sondern auch di e der umliegenden Netz


,

hautpartien Diej enigen Stellen der Reti na auf


.
,

welche die beiden gl ei ch grau en Bilder fallen haben ,

ein e verschieden e Empfindlichkeit weil d i e um ,

l iegen den N etz h auttei l e das ein e Mal von weißem


Li cht das andere Mal von keinem Li cht getroffen
,

werden Einige andere hierher gehö rige B eispiele


.

führt Goethe des weiteren noch an In der Deutu ng .

d es S i m u l tan k on tras tes nimmt er einen ganz modernen


Standpunkt ein Noch Helmholtz hatte den Simultan
.

kontrast auf psychologische Ursachen bezogen ; es


sollte ihm ein e U rtei l stä us chun g zugrun de l iegen .

Die neuere Forschung hat aber immer mehr Fälle


bekannt gemacht in denen solche U rtei l stä u s ch ung en
,

ausgeschlossen sind und bekennt sich daher mehr


,

un d mehr zu dem Goetheschen Standpunkt Wir .


1 92 S i e b e nt e Vorle sung .

hab en im Simultankontrast ein physiologisches P h ä


nomen zu sehen eine Induktion von einem Teil
, „

der Netzhaut auf einen anderen wodurch dessen ,

Erregbarkeit geändert wird .

Goethe geht nun z u den F arb en ers ch ei n u n gen


üb er und b espri cht zunächst sol che Fälle in denen ,

F arb en em p fi n d u n gen nach Beli chtung mit weißem


Licht auftreten ; d as beste Beispiel liefert das farbige
Abklingen der B l en d un gsb i l d er wi e wir es von der ,

Sonn e oder i m D u n k el z i m m er von stark belichtetem


weißen Papier empfang en Sehen wir danach ins .

Dunkle s o wir d das ursprüngliche gelbe Sonnen


,

bil d allmähl ich farbig Für Goethes Augen war die


.

Reihenfolge s o daß zuerst das Bild pu rpur dann


, ,

blau dann grau gefärbt wurde Er b estimmte die


,
.

zeitli che Dauer d er verschiedenen F arb en eré ch ei


nungen und fan d si e sehr wechselnd meinte aber , ,

daß sich vielleicht ein konstantes Verhältnis zwischen


der Dauer der einzelnen Phasen finden lasse Hieran .

hat dann S päter Purkinj e in seinen Beiträgen zur „

Kenntnis d es Sehens in subjektiver Hinsicht an “

geknüpft Ganz anders wurden nun die Farben wenn


.
,

Goethe d as B l en d u n gsb i l d nicht auf dunklem son ,

de rn auf hellem Grund abklingen ließ Sah e r auf .

ein weißes Blatt Papier so erschien ihm das Nach


,

bild d er Sonn e nicht gelb sondern blau die nächste , ,

Phase war nicht purpur sondern grü n die dritte , ,

gelb statt blau Schließlich ging das Bild ebenfalls


.
1 94 S i e b e n te Vorle sun g .

längere Zeit ohn e Schutzbrillen üb er Gletsch e r ge


wandert sind al s solche B l en d un gsfarb e ged e ut e t
, .

N ach dieser Vorbereitu ng erörtert Goeth e di e


Ers cheinungen w e lche b e i Betrachtung f a r b i g e r
,

Bilder auftreten und schildert zunächst die n e g a


,

t i v e n f a r b i g e n N a c h b i l d e r Wenn man auf einer .

weißen Pap i ertafel ei n rotes Papierstückchen (z B . .

eine Zehn pfen n igm ark e) befestigt un d dieses längere


Zeit fi xiert s o sieht man nachher w e nn d as Auge
, ,

auf einen gleichmäßig weißen Grund gerichtet wird ,

ei n grünes Nachbild War das Papier vorher grün .

( eine F ü n fp f en n i gm ark e) so ist das Nachbild


, rot ,

nach orange ist es blau nach gelb violett un d u m , ,

gekehrt Dieses Auftreten der geforderten Farbe


.

nennen wir S u ccessi v k on trast und Goethe gibt auch ,

hierfür d i e noch heute gültige physiologische Deu


tung E s erscheint uns bei diesem Versuch die
.

zur Opposition aufgeforderte und d urch den Gegen


satz eine Total ität hervorbringende L e b e n d i g k e i t
der Netzhaut Der Sinn dieses nicht leicht zu ver

.

stehenden Satzes ist daß es sich bei dem Phänomen


,

um eine Lebensäußerung um eine Reaktion der ,

Netzhaut handelt welche unter dem Einfluß des


,

R ei z l i c htes ihre Erregbarkeit so ändert daß s i e für ,

die Gegenfarbe erregbarer (zur Opposition au fgefor


d e rt) wird Da nun wie wi r gleich sehen werden
.
, ,

R eiz l i c h t und G egenfarbe sich ergänzen und auf


heben s e wird durch diesen Gegensatz eine Totali
,
Di e F arbe n le hr e I . Ph y si ol og i sc h e Op ti k .
1 95

tät hervorgebracht Goeth e hat an e iner and e rn


.

St e ll e sich folgendermaßen ausg e d rückt : Wenn das „

Auge di e Farb e erbl ickt so wird es glei ch i n Th äti g,

keit g e setzt und es i st sein e r N atur g e mäß auf d er


, ,

Stell e eine andere s o u n b ew u ßt al s n otwendig


, ,

hervorzubring e n welch e mit der geg e b enen die


,

Totalität des ganzen Farbenkreises enthält Eine .

einzelne Farbe erregt in dem Auge durch eine ,

spezifische Empfindung d as Streben nach A l l ge ,

m ei n h ei t
. Daß es sich b ei

di e sen negativen Nachbildern


u m tatsächliche farbige Er
regungen in der Netzhaut han
delt (S u c cessi v i n d u k ti on) da ,

für gibt Goethe einen schönen


Beweis Er zeigt an einer sp ä
.

teren Stelle der Farb enl ehre ,

d aß man die Farb e d es n egativen Nachbildes m it


d er Farb e irgend eines obj ektive n P ap i ers tü c k es
mischen könne und daß dabei die gesetzmäßige
,

Mischfarbe auftritt Auf Grun d di eser Tatsachen


.

hat nun Goethe einen Farbenkreis konstruie rt aus ,

d em si ch di e geschilderten Ers ch e inungen sofo rt


ableiten lassen .

In diesem Kreis (Fig 7 ) stehen sich di e Farben .

gerade gegenüber welche sich gegenseitig fordern


, .

Er enthält nach Goethes Ansicht der in d em G rün ,

keine einheitliche sondern ein e Mischfarb e sah drei


, ,

13 *
1 96 S i e b e nt e V orl es un g .

einfache Farben : blau gelb und purpur ( rot) und , ,

drei Mischfarben : grün orange und violett Es , .

stehen sich immer ein e einfache u n d eine Misch


farbe gegenüber Da die g e f o r d e r t e Mischfarb e
.

( orange ,violett grün ) immer aus


,
d en zwei an d ern
Farben zusammengesetz t ist als das einfache Reiz ,

l icht (blau gelb purpur) s o sehen wir wie nach


, , , ,

Goethe d as R ei z l i cht und d i e geforderten Farben


zusammen immer ein e Total ität l iefern müssen in ,

dem s i e immer aus den d rei Grun d farben zusammen


gesetzt sind Das ist d i e physiologische Dreifarb en
.

theorie wie s i e Goethe gegeben hat Si e hat mit


, .

d er ! oung Hel m h ol tz s ch e n Dreifarb entheorie gar


-

ni chts zu tun zeigt vielmehr ein e nähere Verwandt


,

schaft mit d er Heri n gsch en Theorie d er Gegenfarben ,

wei l s i e ebenfalls von den E m p f i n d u n g e n ausgeht .

D er Farbenkreis wie er sic h in neue m physio ,

logisch optischen Lehrbüchern findet hat ein anderes


-
,

Aussehen Hier stehen sich grün un d rot blau und


.
,

gelb gegenüber Wir d ürfen daraus aber nicht


.

schließen daß Goethes Farbenkreis etwa fehlerhaft


,

konstruie rt s ei E s i st nur ein anderes Kon stru kti on s


.

prinzip ve rwen d et word en Hering z B konstruiert . . .

seinen Farbenkreis s o daß immer zwei gegenüber ,

stehende Farben bei der Mischung grau oder weiß


ergeben während Goet h e die physiologischen Kon
,

tras tfa rb en einander gegenüberstellt Das ist aus .

Grün d en deren Erörterung hier z u weit führen


,
1 98 Si e b e nte V orles ung .

Gelb i st erst fünfzig Jahre nach Goethe durch die


Untersuchungen von Hel mholtz erm öglicht w e rd e n .

E s i st interessant daß bei Goethe ebenso wie bei


,

d em Physiker B rewster d i e Gewißheit Grün s ei eine ,

Mischfarbe so weit ging d aß sie i m Grün den


, ,

gelben un d den blauen Anteil zu erkennen glaubten ,

währen d es doch tatsächlich unmöglich i st sich ein ,

gelbliches Blau oder bläuliches Gelb v orz u stel l en ) l


.

Abgesehen von diesem einen Punkte entspricht


Goethes Dreifarbentheori e soweit es d as Wissen der
,

Zeit erlaubte in den wesentlichen Zügen der späteren


,

V i e rf arb en th eori e Herings .

Sehr anschaulich sind wieder die Beispi el e d i e ,

Goethe für den S u cc essi v k on trast anführt Als ich .


gegen Abend in ein Wirtshaus eintrat u n d ein wohl


gewachsenes Mäd chen mit bl en d en d w ei ßem Gesicht ,

schwarzen Haaren und einem scharlachroten Mieder


zu mir i n s Zimmer trat blickte ich sie die in
, ,

einiger Entfernung vor mi r stan d in der Hal bd äm ,

merung scharf an Indem sie sich nun d arauf hi n


.

wegbewegte sah i ch auf der mir entgegenstehenden


,

weißen Wand ein schwarzes Gesicht mit einem ,

G oe th e ha t al le r d in g s b e achtet d aß Grü n uns nicht


,

so d e utl ich al s M ischfarb e e rsch e in t w i e z B Orang e od e r


,
. .

Vi ol ett S o sagt er : D i e Mis chung Grün hat e twa s Sp e z i


.

fisch es fü r d as A ug e u n d b e m e r k t d a ß d as A ug e u n d d as
'

, „

G e müt a u f d i e s e m G e m i s c h t e n w i e a u f e i n e m E i n
f a c h e n r uh e D e n S chluß d aß Grü n e in e e inh e itl ich e

.
,

G ru n d e m p fi n d u ng s e i hat er ab e r n ich t g e z og en
, .
Di e Farb enle h re l . Physi ol ogi sch e Op ti k . 1 99

hellen Schein umgeben un d die üb rige Bekleidung ,

der völlig deutlichen Figu r e rschien von eine m


schönen Me e rgrün Dieses Erlebnis muß einen
.

tiefen Eindruck auf ihn gemacht h aben den n unter ,

den optischen Papieren i m Go ethehau s b efi ndet sich


n och heute d as B il d eines Mädchens i n den K on
trasti arb en ( s unten S 240 Fig 9 N r
. Hat man
.
,
.
, .

d ieses länger e Zeit fixiert so sieht man nachher auf ,

weißem Grunde ein deutliches Frauenbild .

Das nächste hierher gehörige Phänomen hat


Go e the längere Zeit b eschäftigt und wird auch
i n seiner Korrespond e nz mehrfach erwähn t Man „

erzählt daß gewisse Blumen i m Sommer bei Abend


,

zeit glei chsam blitzen p h 0 5p h oresci eren oder ein


,

augenblickliches Licht ausströ men Einige B eob ach .

ter geben diese E rfahrungen genauer an Am .

1 9 Jun 1 7 99
. . als i ch zu S päte r Ab en d zeit bei
, ,

der in eine klare Nacht übergehenden D ämmerung ,

mit einem Freunde i m Garten auf und abging be ,

merkten wir sehr deutlich an den Blumen des


orientalischen Mohns die vor allen andern eine seh r
,

mächtig rote Farb e haben etwas F l am m en äh n l i c h es , ,

d as sich in ihrer Nähe z eigte Wi r stellten uns vor .

di e Stauden hin sahen aufm erksam darauf konnten


, ,

aber nichts weiter b emerken bis uns endlich bei , ,

abermaligem Hin und Wi edergeben gelang indem , ,

wi r seitwärts darauf blickten di e Erscheinung so ,

oft zu wie d erhol en als uns bel iebte Es zeigte sich


, .
,
200 Si eb e nte V orle sung .

d aß es ei n physiologisches Farb en p hä n om en u n d ,

der scheinbare Blitz eigentlich das Scheinbil d d er


Blume i n der geforderten blaugrünen Farbe
Di e Dämmerung ist Ursache daß d as Auge völlig ,

ausgeruht und empfänglich ist und die Farb e des ,

Mohns ist mächtig genug bei einer So mmer ,

d ämmerung der längsten Tage noch vollkommen zu ,

wirken und ein gefordertes Bild


W i l l man i ndessen sich auf d i e Erfahru ng in der
Natur v orbereiten s o gewöhne man sich in dem
, ,

man durch den Garten geht di e farbigen Blumen ,

scharf anzusehen und sogleich auf den Sandweg


hi n z u b l i c k e n ; man wird diesen alsdann mit Flecken
d er entgegengesetzten Farb e bestreut sehen Di ese .

Erfahrung gl ückt bei be d ecktem Himmel aber auch ,

selbst beim hellsten Sonnenschein der indem er , ,

d i e Farbe der Blume erhöht s i e fähig macht die ,

geforde rte Farb e mächtig genug hervorzubringen ,

daß s i e selbst bei einem blendenden Li chte noch


bemerkt werden kann So bringen die P aonien.

schön grü ne d i e C al en d el n lebhaft blaue Spectra )


,

h e rvor
.

Eine farbige Belichtung welche eine Stelle der


,

N etzhaut trifft ändert aber nicht nur die chroma


, „

tische Stimmung an dieser selben Stelle s on d ern



,

verm ag auch auf d i e umliegenden N etz hautb ez l rke

S p e ct ra Nachbi l d er .
202 Si e b e nt e V orle su ng .

gleich in einer Disposition die bem e rkten corre5p on


,

d i ren d en Farben hervorzubringen Di ese physio “


.

logi sche D eutung Goethes d i e sich eng an seine ,

Auffassung des farblosen S i m u l tan k ontrastes an


schließt ist keineswegs die einzig mögliche Helm
, .

holtz hat auch den farbigen Simultankontrast auf


psychische Ursac h en zurückzuführen und als Urteils
täuschungen zu d euten versucht N euerdings ist .

man ab er mehr un d mehr wieder zu der Goetheschen


Ansicht gekommen Man sieht im Simultankontrast
.

den Ausdruck für ein e farbige In d uktion die ein




,

N etz h au tb ez i rk auf den andern auszuüben imstande


ist i n d em Sinne daß bei Belichtung eines Netz
, ,

h au ttei l es die chromatische Sti mmung d er Umgebung


gegen die geforderte Farbe hin verschob en wird .

Dafür daß es sich tatsächlich beim Simultankontrast


,

u m farbige Erregungen der Netzhaut handelt hat ,

Goethe einen sehr schönen experimentellen Beweis


angegeben Fixiert man längere Zeit ein orange
.

Viereck auf weißem Grun d so bekommt man nach ,

h er wenn der Blick auf eine gleichmäßig weiße


,

Fläc h e fällt ei n lebhaft blau grünes Nachbild ; ist


,
-

dieses kräftig genug so sieht man die Umgebung


,

d ieses Nachbil d es nicht weiß sondern deutlich orange, .

Hier tritt also in der Umgebung d es farbig gereizten


N etz hau tb ez i rk s an Stellen welche während d es ,

ganzen Versuchs nur von weißem Lichte getroffen


w e rd e n sind eine Farb en ersc hei nu ng a uf Dieser
, .
Die F arbenle hre l . Ph y siol ogi sch e Opti k .
203

Simultankontrast gegen ein farbiges N a c h b i l d ist


vielleicht der Versuch Goethes der am schl agend ,

sten die physiologische N atu r dieser Ph än om e ne


beweis t Aber damit n icht genug Goeth e z e igt .

an einer andern Stelle der Farbenlehre weiter daß ,

man die Farben welche durch Simultankontras t er


,

scheinen mit objektiv dargeboten e n R ei z l i chtem


,

mischen kann wenn man auf ein e farbige Fläche


,

blickt Goethes Beispiel b ezieht sich all erdings


.

auf den nicht ganz reinen Fall der Mischung von


subjektivem Blau und objektivem Gelb zu G rün ,

ab e r er gibt ausdrücklich an daß auch alle uh ri ,

gen Mischungen i n typischer Weise zu erzielen


sind So wird di e farbige Erregung nicht gerei z
.

ter N etz hautp art i en durch Indukti on von ihm nicht


nur b ehauptet sonde rn auch bewiesen Di e de n
, .

Malern b e kannte Tatsache daß n eb en ei n an d erge,

stellte Komplementä rfarben sich auf B ildern gegen


seitig heben d h i n ihrer Leuchtkraft verstä rken


, . .
,

wird von Goeth e mit Recht eb enfalls auf Simultan


kontrast b ezogen .

Die größten Triumphe feierte diese neue Er


kenntnis als sie zur Aufklärung einer Erscheinun g
,

verwendet wurde welch e schon früher vielfach be


,

k an n t aber falsch gedeutet war


, Goethe hat d i e
.

f a r b i g e n S c h a t t e n auf den S i m u l tan k on trast z u rü c k


geführt Schon früh hatte er dieselb e n in der Natu r
mit aufmerksamem Auge b eobachtet auf seinen Reisen ,
204 Si e b e nt e Vorl e sung .

i m Harz in d erS chw ei z und Italien drängt en sie si ch ihm


,

immer von neue m auf und schon i m Jahre 1 7 92 ver


,

ö ff en tl i c h te er einen kleinen Aufsatz Über d i e farbigen


S chatten in dem di e Bedingungen ihres Auftretens



,

auf das Sorgfältigste experimentel l dargelegt werd en .

Di e richtige D eutung findet si ch j edoch in diesem


Aufs ä tze n och n icht Si e wird erst 1 8 Jahre später
.

i n dem Hauptwerk gegeben Die Ers cheinung selbst


.

ist allbekannt Stellt .

]lg li ht
x es c
man gegen Abend ,

wen n das Tageslicht


gedämpft ins Zimmer
d ringt eine brennende ,

Kerze so auf daß ein ,

weißes Blatt Papier ,

d as auf d em Tische
liegt vom Tageslicht ,

und Kerzenlicht gleichzeitig getroffen wird und läßt ,

nun von einem senkrecht gestellten Bleistift oder Lineal


zwei Schatt en auf d as Papier fallen (5 Fig der . .

eine vom Ke rzenlicht gewo rfen und vom Tageslicht


erhel lt der andere umgekehrt vom Tageslicht ge
,

w e rfen und vom Kerzenlicht erhellt so si e ht m an ,

den ein en Schatten gelb den an d ern in l ebhaftem


,

Blau erscheinen Dieses Blau ist oft s o kräftig daß


.
,

di e frühe ren Beobachter d i e Farbe für objektiv hielten


und viele s ie als Reflex vom blauen Himmel h er
erklä rten Um w as es sic h tatsächlich d ab ei han
.
206 Si e b e n t e V orl esu n g .

l icht zu wirken Trotzdem der zweite Schatten in


.

beiden Fällen von dem glei chen Licht erh e llt wird ,

sieht er das eine Mal gelb das andere Mal blau aus , .

B esonders schön erscheinen di e farbigen Schatten ,

wenn Ke rzenlicht un d Mondlicht gegeneinander


wirken Zahllos i st ihr Auftreten i n d er Natu r Nach
. .

stehen d e schön e Schilderung zeigt wie Goethe hier ,

zu b eobachten verstand Auf einer H arzreise i m


.

Winter stieg i ch gegen Abend vom Brocken her


unter d i e weiten Flächen auf und abwärts waren
,

b esch n ei t die Hei de von Schnee bedeckt alle zer


, ,

streut stehenden Bäume un d v orragen d en Klippen ,

auch alle Baum und F el sen m ass en völlig bereift ,

d i e Sonne senkte sich eb en gegen di e O d ertei c he


hinunter .Waren den Tag über b ei dem gelblichen ,

Ton d es Schnees schon leise violette Schatten be


,

merklich gewesen so mußte man sie nun für hoch


,

blau ansprechen al s ein gesteigertes G el b von den


,

beleuchteten Teilen w i d ersch i en — Als aber die Sonne .

sich endlich ihrem Niedergang näherte und ihr durch ,

d i e stärkeren Dünste höchst gemäßi gter Strahl die


ganze mich umgebende Welt mit der schönsten
Pu rpu rfarbe überzog da verwandelte sich die Schatten
,

farbe in ein G rün d as nach seiner K larheit einem


,

Meergrün nach seiner Schönheit einem S ch m aragd


,

grün verglichen werden konnte Di e Erscheinung .

ward imme r lebhafte m man glaubte sich in einer


Feen w e l t zu befinden denn al l es hatte sich in die
,
Die Farb e nl e hre I . P hy si o l og i s ch e Opti k .
207

zw e i lebhaften und so schön übereinsti mmenden


Farb en gekleidet b i s e ndlich mit dem So nn e n
,

untergang di e P rac htersch ei n u n g sich in eine grau e


Dämmerung und nach un d nach i n ein e m e nd
,

und sternhell e Nacht verlor Auch di e farbigen


.

Schatten in der Taucherglocke welch e von N e w ton ,

für obj e kti v anges e hen w aren erkl ärt Goeth e al s ,

physiologisch b e dingt B ei Sonn enschein sehen die


Taucher den Meeresgrund purpu rfarbig die S c hat ,

ten i m lebhaftesten G rün Alle S child e rung der


.

farbigen Schatten vermag ab er nicht d as Vergnügen


zu ersetzen welches di e N achahmung der von
,

Goethe angegebenen V e rsuche gewährt Man wir d


erstaunt sein über die Schönheit der auftretenden
Farben .

Gelegentliche Bemerkungen welche Goethe an ,

anderer Stell e der Farbenlehre macht zeigen daß e r , ,

auch über die B rec hu n gsv erhä l tn i ss e d es Auges nach


gedacht hat Er erwähnt daß eine Öffnung i m Fenster
.
,

laden der Dunkelkammer ihm b eim G erad eau sseh en


mit farblosen Ränd e rn erschein e d aß er dagegen ,

b ei starkem Neigen des K opfes nach v om o d er


hinten gelbe und blau e Ränder w ah m eh m e Er be .

zieht das darauf d aß di e Kri stal l i n se i m Auge in


,

ihren mittleren Partien ei n guter achromatischer


optischer Apparat sei daß dagegen ihre s eitlichen
,

Teile n icht genügend chromatisch korrigiert wären ,

so daß b eim Durchtritt der Li chtstrahlen durch die


208 Si e b e nt e V orl esung .

Seitenteile eb ensolche farbigen Rän d er entstehen wie


b ei schlechten Ferngläsern Goethe bemerkt also
.

di e ungenügende chromatische Korrekt ion unserer


Linse unter bestimmten B edingungen die später von ,

Helmholtz auch für ihre mittleren Teile exakt nach


gewi esen w e rd en i st
Daß Goeth e die Erscheinung der D oppelbil der
auch wohl vertraut war un d daß er üb er d as Zu
,

s tan d ek om m en der Tiefenwahrnehmung nachgedacht

hat ergibt sich au s gelegentlichen Bemerkungen


,
.

Nach einem kurz en Kapitel über subj ektive u n d


obj ektive Höfe wie si e u m Kerzenflammen um
, ,

Sonne und Mond erscheinen folgt dann im d i d ak


,

tischen Teil d er Farbenlehre der kurze aber inhalt ,

reiche Abschnitt : P a t h o l o g i s c h e F a r b e n Auch




.

gegenüber den Kran k h ei tsz u stä n d en des Auges ver


tritt Goet h e denselben Standpunkt den wir schon ,

früher anläßlich d er Mißbildungen von Tier und


Pflanzen kennen gelernt haben Er sieht i m Ab.

no m en ebenfalls Lebensäußerungen deren n ormale ,

G ru ndlage erforscht werden kann Die krankhaften.


Phänomene deuten ebenfalls auf organische und


physische Gesetze Die interessanteste Beobachtung
.

di e ses Abschnitts bezieht sich auf die sogenannte


Farbenblin d hei t Im Jahre 1 7 94 hat der englische
Chemiker Dalton diesen Zustan d an d em er selber,

litt und der nach ihm Daltonismus genannt wurde




,

zuerst wissenschaftlich geschildert Seine Mitteilung .


210 S i eb e nt e V or le sun g .

konnte wurde per ex cl u si on em geschlossen daß


, ,

die blaue Empfindung fehlen müsse Wenn es sich .

al so tatsächlich auch n icht um Blau sondern um


Rotgrünbl in d h eit gehandel t hat so ist wichtig ge ,

nug d aß G oethe al s d er erste in dem Fehlen einer


,

Gru pp e von F arb en em p fi n d u n gen die Ursache dieses


Zustands gesehen hat Um zu veranschaulichen .
,

wie solchen Personen di e Welt erscheint bildete er ,

in den Tafeln zur Farbenl ehre ein e Landschaft ab ,

auf der alles Blau fehlt d er Himmel rosa und die ,

Bäume rot und gelb aussehen .

Erwähnt wird in dem Abschnitt über path e l e


g i s c h e Farben n och die Lichterscheinung welche ,

bei galvan ischer Durchströmung d es Kopfes ein


tritt d as F u n k en seh en welches b ei einem Schlag
, ,

aufs Auge erfolgt die Lichtempfin d ung d i e d urch


, ,

seitlichen D ru ck auf den Augapfel hervorgerufen


wird u a m Ein e sehr gute Beschreibung gibt
, . . .

Goeth e von den sogenannten m e u c hes volantes „



,

d en fliegen d en Mücken welche durch das G e ,

s i c h tsf el d huschen wenn man längere Zeit mit


,

gesen ktem Ke p f z B am Mikroskop gearbeitet


, . .
,

hat und die hauptsächlich auf kl einen Trübungen


,

beruhen welche im Glaskörper des Auges auf


,

gewirbelt werden Erwähnt wird ferner daß i n


.
,

kran khaften Zuständen d es Auges die Nachbilder


oft abnorm lang andauern B l end un gsb i l d er manch ,

mal tagelang von Patienten gesehen werden Noch .


Die F arb e n le hr e P hysi ologisch e Opti k .
21 1

vieles Interessante ist in diesem Abschnitt ent


ba h en .

Frägt man nun worin die B edeutun g dieses ersten


,

Teiles der Farbenlehre l i egt d er zweifellos al s der ,

wichtigste und wissensc h aftlich b ah n b rech en d ste d es


gan z en Goetheschen Werkes bezeichnet werden muß ,

so läßt sich zusammenfassend etwa folgendes sa gen .

Ein Teil d er Tatsachen die hier geschildert werden


, ,

war schon früher bekannt s o die I rrad i ati on sers chei


,

n u n gen die farbigen Nachbilder u n d di e farbigen


,

Schatten Aber s i e waren tei lweise nicht al s sub


.

j e k ti v angespro chen w e rd e n teilweise hatte man si


, e
für nebensächli che oder pathologische Phänomen e
gehalten Goethe war der erste welcher al l e d iese
.
,

Dinge unter dem gemeinsamen Gesichtspun kte z u


s am m en faßte daß s i e ein Kennzeichen für die n o rmale
,

Tätigkeit unseres Auges sind u n d er hat auf diese ,

Weise die erste Da rstellung von der Physiologi e d es


Licht und Farb ensinns gegeben eine Darstellung , ,

welche den heutigen Leser n och durchaus modern


anmutet Nimmt man irgend ein es der jüngsten
.

Lehrbücher der physiologi schen Optik zur Hand ,

2
. .B die neu erschienen e Darstellung He rings und ,

liest nachher Goethes Farb enlehre s o i st man er ,

staunt i a d iesem Werke in den G ru n d zügen d i e


,

h eutigen Anschauungen bereits nie d ergelegt zu finden .

G oethes wichtigste Ent d eckungen sind d aß er die ,

K ontrastfarben auf d i e physiologische Tätigkeit der


*
14
212 S i e b e n te Vorl esung .

Netzhaut bezog ; sowohl d er S u c c essi v k on trast wi e


der Simultankontrast sind so von ihm in modernster
Weise gedeutet w e rd en ; die Lehre von den farbigen
Schatten h at von ihm die feste physiologische Basis
erhalten ; für d i e Erscheinung der Farb enblindheit
hat er zuerst eine physiologische Theori e gegeben ;
auch die Anordnung des Farbensystems in einen
Farbenkreis nach p h y s i o l o g i s c h e n Gesichtspunkten
ist Goethes originelles Werk das von ihm auf d i e Er
,

s c h e i n u n g der Kontrastfarben gegründet wurde So .

sehen wi r i n diesem Abschnitt von den p hy s i ol og i


sc h en Farben wichtige wissenschaftliche Ent d eckungen
un d Anschauungen in großer Zahl nie d ergeleg t
G oethe läßt hierauf die Darstellung der physischen
und chemischen Farben folgen Wir wollen diesen
.

Gang hier aber unterbrechen und gleich d as letzte


Kapitel d es d i d aktisc h en Teils besprechen das von ,

der sinnlich sittlichen Wirkung d er Farben handelt



-

.

In d iesem Abschnitt hat Goethe seine F a r b e n


ä s t h e t i k niedergelegt Wie Sie wissen gingen ja
.
,

d i e optischen Untersuchungen von Fragen des male


rischen K olorits au s und hier am Schluß kehrt Goeth e
,

zu di esem Ausgangspunkt zurück Auch hierin be .

währt er sich al s d urchaus originell Er nimmt .

nämlich d i e von ihm ermittelten physiologisch opti -

schen Gesetz e zur Grundlage für die ästhetische


Betrachtung der Farbenzusammenstellungen Das .

Grundgesetz der Farb en harm on i e ist physiologisch .



214 S i eb e n te Vorl es un g .

Violett Blau Blau


, Grün Grün Gelb Durch
, .

diese Einteilung sc h afft Go ethe in d er unen d lichen


Mannigf altigkeit d er möglichen Zusammenstel lungen
z unächst einmal d urch di e Aufstellung weniger charak

teri sti s c h er Gruppen Ordnung In Wirkl i chkeit wer .

d en alle Mögli chkeiten d urch d i e angeführten Bei


spiele nicht erschöpft ; es gibt erstens viel m ehr
F arb en n ü an c en als die sechs d es Goetheschen Kreises ,

un d diese Farben können i n al l en Abstufungen der


Sättigung u n d Reinheit ersch einen ; aber immer wer
d en s i e sich bei d er Zusammenstellung m ehr o d er
weniger i n eine d er d rei Goetheschen Gruppen
einf ü gen lassen . Es wird dann weiter noch d i e
Definition des Bunten gegeben B u n t wirken all e .

Zusammenstel lungen in d enen d i e Pigmente in ihrer


,

hö chsten En ergie u n d Leuchtkraft erscheinen di e ,

aber nicht in harmonischem Gl eichgewicht sind .

Darauf analysie rt Goethe di e verschiedenen Kom


p on en ten aus denen sich das Kolorit eines Ge

m ä l d es zusammensetzt Zunächst erscheinen in einem


.

Bilde d i e Unterschiede zwischen Hel l und Dunkel .

All e Übergänge vom höc h sten Licht durch das


Halblicht zu dem tiefsten Schatten sind möglich ,

und diese letzteren können wi eder durch zahlreiche


Reflexe aufgehellt werden Um sich den Anteil .

dieser Schwarz weiß K omponente an der Bil d



- -

wirkung klar zu machen hatte Goethe wie e rwähnt


, , ,

Angelika Kaufmann veranlaßt ein Ölbild grau in ,


Di e Farb e nl e hre I . Ph y s i olo gi sch e Optik .
21 5

grau auszuführen und dann erst nac h träglich mit


Lasu rfarb en zu überziehen Auf dieses Helldunkel

.

s u p erp on i eren si ch nun die Farb e n w i rk u n gen Zu .

nächst hat jeder Gegenstan d i m Gemäld e seine ihm


eigentümli ch e Körpe rfarbe die Lokalfarbe : der B au m ,

sein Grün d er Stamm sein Braun d as Dach s e i n


, ,

Rot Auf einem guten Ö l b i l d e werden aber dies e


.

u rsprünglichen Körp erfarben durch d i e m an n i gf al


ti gsten Umstände modifizi ert Vor al l em kommt die .

lokal e B eleuchtung hinzu Wird diese durch d as .

S onnen oder Tageslicht gegeben un d tri fft si e


Gegenstände d es Vordergru ndes so werden die ,

Körperfarben d adurch i n s Gelbliche oder Rötl iche


hinübergezogen Demgegenüber unterliegen d i e ent
.

f ern ten Gegenstände d es Hintergrundes de r Ein


wirkung der Luftperspekt ive Sie erscheinen d a .

durch aus Gründen welche im Abschnitt über di e


, ,

physischen Farben auseinanderges etzt werden b l ä u ,

licher als der Körperfarbe entspri ch t Zu di e sen


,

Abwandlungen der Kö rperfarben gesellen sich dan n


weiter solche d i e durch physiologische Vo rgänge
,

b edingt sind Der aufmerksam e Naturbeobachter


.

sieht in einer Landschaft b esonders i n den Schatten , ,

vielfach die geforderten Farben Vor ein e r grünen




.

Wiese erscheinen die braunen Baumstämme im rö t


lichen Ton die Schatten einer Schneelan d schaft sind
,

blau usw Auch dieses hat der Maler wi ederzugeb en


, .
,

wenn er au ch wi e Goethe b emerkt von Unkundigen


, ,
216 Si eb e nt e V orle sung .

si ch den Vorwu rf der Unnatürlichkeit zu z ieht Man .

glaubt hier einen Beu rteiler der modernsten Malerei


reden z u hören Aber auch d i e Farben des Bildes
.

selbst so wie s i e der Maler n eb en ei n an d ersetz t be


, ,

e i n fl u ss en sich gegenseitig Schon die Farbe des


.

Rahmens vermag di e Stimmung eines Gemäldes


vollkommen zu ändern So gehen in das farbige.

Kolorit di e verschiedenartigsten Elemente ein Die .

Kö rpe rfarb e wird durch Beleuchtung u n d Luft


perspektive und d urch Simultankontrast sehr wesent
lich geändert Alle d iese oft widerstreitenden Ele
.

mente alle diese verschiedenen Färbungen muß nun


,

d er Maler zu einer einheitlichen G esamtwirkun g zu


s am m enf as sen Hier lassen sich allgemeine Regeln
.

nur schwer aufstellen Di e Farb enzusammenstellung


.

muß vielmehr nach rein künstlerischen Gesichts


punkten geschehen Trotzdem greift Goethe einige
.

charakteristische Arten des Kolorits heraus M ä c h .

t i g wirken nach seiner Ansicht Bilder auf denen ,

die aktiven Farben gel b orange purpu r überwiegen


, , ,

d agegen wenig violett und blau und fast gar kein


grü n enthalten i st S a n f t wirken Gemälde i n denen
.
,

d i e passiven Farben blau violett und purpur vor,

herrschen dagegen wenig grün un d kein gelb vor


,

handen i s t Einen g l ä n z e n d e n Eindruck machen


.

d agegen solche Kunstwerke welche d i e Gesamtheit ,

d es Farbenkreises in sich enthalten Die höchste .

Aufgabe d es K ünstlers liegt darin auf seinen Bil ,


21 8 S i e b e nt e Vorl e sung .

Bilder heute durch die Schwere d es K olorits einen


s o merkwürdigen Eindruck machen war ein großer ,

F arb en th eoreti k er Auch er hatte ein Farbensyste m


.

ausgebaut das er auf ein e Kugel auftrug un d Regeln


, ,

über harmonische und unharmonische Farb en zu sam


m en stel l u n g en entwickel t Ein Brief Runges fin d et
sich am Schluß der Farbenlehre abgedruckt und ,

umgekehrt nimmt d er Maler in seinem 1 8 1 0 er


s chi en en en Werk F arb en k u g el oder Konstruktion

d es Verhältnisses al ler Mischungen der Farben zu


ein a n d er und ihrer vollstän d igen Affinität mit an
, ,

gehängtem Versuch einer Ableitung d er Harmoni e


i n den Zusammenstellungen d er Farben auf Goethes “

Anschauungen dauern d Be z ug .

So sehen wir die Fäden von Goethes optischen


Stu d ien sich h i n ü b ers chl i n gen zu den Anfängen der
n euen farbenfreudigen Mal erei des 1 9 Jahrhunderts . .
A ch te Vorl esu ng .

Die F a rb e n l e h r e II . P h ysi k a l i sch e O p ti k .

Meine Herren ! Wenn wir j etzt an die B esp re


chung des Abschnittes von den physiologischen
Farben der Goethes grundl egen d e Leistungen auf
,

optischem Gebiete birgt di e d es K apitels über di e,

p h y s i s c h e n F a r b e n anschließen i n d em seine ,

optischen Irrtümer enthalten sind s o wollen wi r ,

ein Selbstbekenntnis von ihm an d i e Spitze stell e n .

„ Mein e Absicht bei meinen optischen Bemühungen


ist : al l e Erfahrungen i n diesem Fache zu sammeln ,

all e Versuche selbst anzustellen un d s i e durch ihre


größte Mannigfaltigkeit durchzuführen w odurch s i e ,

denn auch l eichter nachzumachen und nicht au s


dem Gesichtskreis so vieler Menschen h i n au sgerü ckt
sind Sodann d i e Sätze i n wel chen sich di e Er
.
,

f ah ru n gen von der höheren Gatt ung aussprechen


lassen aufzustellen und abzuwarten inwiefern sich
, ,

auch diese unter ein höheres Prinzip rangi eren .


Den ersten Teil d ieser s el bstg estel l ten Aufgabe hat


'

Goethe d arin sin d alle Beu rteiler einig auf das


, ,

Glänzen d ste gelöst Seine Schilde rung der E x p eri


.

mente ist mustergültig Es ist kein Zweifel daß .


,
2 20 Acht e V orl esun g .

die Versuchsergebnisse soweit er sie tatsächlich ,

schildert vollkommen richtig sind Ein so genauer


, .

Kenner d er F arb en ersch ei n u n gen wie Johannes Müller


sagt i n seinem grun d legenden Werke z u r v ergl ei „

chenden Physiologie des Gesi chtssinnes : I n sb e “


sonders s eh en e i ch mich nicht z u bekennen daß ,

i ch der Goethe schen Farbenlehre überall dort ver


traue w o s i e einfach die P h änomene d arlegt u n d


,

i n keine Erklärungen sich einläßt wo es auf di e ,

Beurteilung der Hau p tk on trov ers e ankomm t In “

demselben Sinne hat sich m eh rfach Helmholtz aus


gesprochen Di e von Goethe geschilderten Tat
.

sachen u n d Experimente bestehen also zu Recht .

I m Goethehaus sind noch heute d i e optischen In


s tru m en te mit denen d i e Versuch e angestellt wurden
, ,

vollständig erhalten Goethe hat unter Aufwen d ung


.

großer K os ten nach und nach einen Apparat zu


s am m en g eb rac h t wi e er wohl noch ni cht beisammen


,

gewesen ist Auf Fig 9 ist einiges davon abge


!
. .

bildet Bei einem Aufenthalt i n Weimar konnte ich


.

durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Geh Hofrat .

R oland d ieses Instrumentarium ans Licht ziehen u n d


eine große Reihe von Goethes Exp erimenten mit
seinen eigen en Apparaten wiederholen Es waren .

eigentüml ich weihevolle Stunden in denen das ,

Handwerkszeug des großen Meisters aus der Tiefe


der Schränke hervorgeholt wurde und nun alle
d i e vielfältigen Fa rb e n ers c h e i n u ng e n wie d er ent
222 Acht e V orl es ung .

Lichtäth ers sieh t Gerade in j enen Zeiten wurden


nun ein e Reihe optischer Phänomene entdeckt ,

welche sich den herrschenden Theorien nicht ohne


weiteres einfügen wollen ( die Achromasie d i e Er ,

s c h ei n u n g en des polarisierten Li chtes Zu ihrer


Erklärung mußten die Vertreter b eider Theorien ihre
Ansichten wechseln Es herrschte ein lebhaftes Hin
.

und Wi d er der Meinungen un d Goethe gewann,

daraus die Überz eugung von d er Wertlosigkeit j eder


Theori e überhaupt So bildete er sich seine selbst
.

ständige Ansicht der man j edenfalls zubilligen muß


, ,

d aß s i e erstens anschaulich und zweitens in sich


konsequent war .

Die p h y s i s c h e n Farben sind nach Goethe solche ,

zu deren Hervorbringung das farblose Licht mit


materiellen selbst ungefärbten Me d ien in B eziehung
,

treten muß Wenn also Li cht durch ein farbloses


.

Glasprisma hin d urchfällt un d danach die Farben


erscheinung d es Spektrums gibt so ist das phy ,

sisch o Farbe im Goetheschen Sinne Diese schließe n .

sich nun unmittelbar an die physiologischen an und


scheinen nur um einen g e ringen Grad mehr Realität


zu haben “
. I n diesem Satz ist wie Sie sich er
,

inne rn Goethes G rundirrtum enthalten ; e r war sich


,

nicht klar darüber d aß zwischen der S i n n esem pfi n


,

dung und dem diese Empfindung auslösenden Reiz


eine u n ü b erb rü c k h are Kluft besteht daß es sich um ,

zwei völlig u nv ergl el chb are Dinge handelt .


Di e Farb e nl e hr e ll . Physikal isch e O p tik .
223

Die physischen Farben sind entweder objektiv


oder subjektiv d arstellbar ; wenn Li cht durch ein
Prisma fällt und auf der gegen überliegenden Wand
ein farbiges Spekt rum erscheint s o sind di e Farben
,

objektiv dargestellt ; sieht dagegen de r E x p eri m en


tator durch das Prisma hin durch nach ein er Öffnung
i m Fensterladen so ersc h eint diese v on farbigen
,

Rändern umsäumt ; d as ist die subjektive D ars tel


l u n gsw ei se Diese subjektiven Ve rsuche hat Goethe
.

unter andere m deshalb i n den Vor d ergrun d gestellt ,

weil si e es nach seiner Meinung sind die sich ,

unmittelbar an die physiologischen anschließ en ; der


Unterschied i st nur d aß d as zu S tudierende in
,

diesem Falle nicht die Eigenschaften d es Auges ,

sondern die Eigenschaften d es äußeren Mediums ,

des Prismas sind, .

Das erste Kapitel dieses Abschnittes handelt vo n


den d i op tri sch en Farben welche entstehen wenn
, ,

Licht durch durchsichti ge Körper h i n d u rc htri tt A l s


Ausgang benutzt Goethe di e F arb en ers ch ei n u n gen ,

welche durch t r ü b e Mittel hervorgerufen werden .

Die Lehre von den trüben Mittel n i st fü r Goethe die


Grun d lage seiner ganzen physi k al ischen Farbenlehre .

Gießt man in ein Glas Wasser etwas Seifen


S piritus oder trübt man es mit einem anderen an
sich farblosen Zusatz s o ers cheint die Fl üssigkeit
,

im durchfallenden Licht gelb ; b etrachtet man da


gegen das ge trübte W asser vor einem dunkel n
224 Ach te Vorlesung .

Hintergrun d also i m auffall enden Licht s o sieht


, ,

es blau aus . Bei zunehmender Trübung des Wassers


erscheint es i m durchfallenden Licht gelbrot und
schließlich rot im auffallenden Lichte immer weiß
,

licher Wenn die Trübung dagegen nur sehr zart


.

ist s o entsteht bei auffallendem Li cht ein schönes


,

Viol ett Dieses Phänomen ist nach Goethe so un


.

mittelbar anschaulich daß es jedem Menschen ohn e


,

weitere Erklärung demonstriert werden kann Es ist .

ein e absolut einfache Erscheinung u n d Goethe sieht ,

i n ihr das U r p h ä n o m e n der Farbenlehre


„ Da “
.

wir alle Farben nur durch Mittel und an Mitteln


sehen s o ist di e Lehre vom Trüben als d em aller
, ,

zartes t en u n d reinsten Materiellen derjenige Begriff , ,

woraus die ganze Chromati k sich entwi ckelt .


Goethe stellt d i e Farben der trüben Medien d es


halb i n d en Vordergrun d weil sie so au ßerord en t ,

l ich einfach erscheinen Man soll kein e abge


.

leiteten Phänomene an die erste Stell e setzen Er .


macht gerade Newton zum Vorwurf d aß die E x p eri ,

mente aus denen er sein e Farbenlehre entwickelt


, ,

s chon so abgeleitet u n d komplizie rt sind daß ,

man ihre Bedingungen nicht ohn e weiteres über


schauen kann D as ist bei den Farben d er trüben
.

Mittel dagegen ohne Schwierigkeit möglich Diese .

waren wie gesagt für Goethe das Urphänomen


, , „

,

d h eine Erscheinung die an sich schon so an


. .
,

s c ha u l i c h i s t daß s i e keiner weiteren Erklärung


,
22 6 Acht e Vorle sung .

als er fin d et d aß diese noch heute gültige Erkläru ng


,

schon v on Lion ardo da Vinci gegeben w e rd en i st ,

wä h ren d zu Goethes Zeiten vielfach andere k om


p l i z i ert ere Meinungen aufgestellt waren Auch die . .

Luftperspekt ive d i e blaue Farbe entfernter Berg e


, ,

gehört hierher Di ese letzteren wirken al s dunkler


. .

Hintergrund vor dem di e L u ft al s trübes M i ttel


,

blau erschein t

W e nn d er Blick an b e ite m Tag e n
Si ch z u r Himm e lsbläu e l e n kt ,

B eim Siro c d er S onn e nwag e n


Purpurrot sich n i e d ersen kt ,

Da g ebt d er Natur d i e Ehr e


Froh an A ug u n d H erz ge sun d
,
'

U n d erk e nnt d e r Farb e nl e hr e


Allg e m e in e n ew g en Gru n d
,

.

Sehr schön lassen sich d i e Farb en ersch ei n u n gen


trüber Mittel an dem sogenannten Opalgl as be e b
achten Goethe hat si c h für dessen Fabrikation
.

aufs lebhafteste i nteressiert selbst alte Vorschrift en


,

au s mittelalterlichen Büchern (K u n c k el s Glasmacher

kunst) hervorgesucht und durch verschiedene Glas


hü tten derartige Gläs e r anfertigen lassen Noch .

heute finden sich im Goethe h aus zahlreiche Scher


ben von Opalglas die in der Durc h sicht gelb bis
,

gelbrot in der Aufsicht b l au w e iß blau o d er viol e tt


, ,

au ssehen Ein humori stisches Beispiel erzählt Go ethe


.

von ein em Maler dem d as Ölbild eines schwarz


,

gekleideten Mannes zum Reinigen übergeben war .


Di e Farb e nl e hr e ll . Ph ys ik al isch e O p ti k .
227

Er wusch es zunächst mi t einem nassen Schw amm


ab und sah zu seinem Erstaun en d aß das schwarze ,

G ewand darauf i m sc hönsten Hellblau erstrahlte .

Goethe dem dies mitgeteil t wurde gab die ri chtige


, ,

Deutung ; d i e ob erflächl iche Fi m i ssc h i ch t ha tte si ch


bei der Beha n dlung mit Wasser getrü bt un d erschi en
nun auf d em schwarzen Hintergrunde d er Ölfarbe
hellblau Am folgenden Morgen als das Wasser
.
,

verdunstet war war auch di e blaue Far b e ver


,

sc hw u n d en Aufgüsse von n ep h ri ti sc hem Hol z


.

( Sandel holz ) v o n Quassia


,
und von der Rinde der
R oßk astan i e zeigen eb enfal ls in der Durchsicht eine
gelbe in der Aufsicht ein e blaue Färbung Goethe
, .

bezog auch dieses auf d as Phänomen der trüben


Medien ; es wurde aber später von H ers chel Brewster ,

un d Stokes nachgewi esen daß es sich hi er um die ,

zu Goethes Zeit noch unb ekannten Fluoresz e nz


erscheinungen handel t
An die Lehre von den trüben Mitteln reiht Goethe
als wichtigsten Abschnitt des Kapitels von den
physischen Farben di e Lehre von der R e f r a k t i o n ,

von den F arb en ers ch ei n u n gen bei der Li chtbrechung .

Wir wollen hier nicht dem gan z en weitverzwei gten


D arstel l u n gs gan g Goethes folgen son d ern glei ch ,

zum wichtigsten Abschn itt den p ri sm ati s ch en Far ,

ben überge h en Da ist nu n einer der Haupt


, .

punkte der immer wieder betont wird d er daß


, , ,

es unstatthaft sei bei der Schild erung solcher


,


15
228 A ch te V orle sun g .

p ri s m ati sc h eVersuche von L i c h t s t r a h l e n und


r

deren Brechung zu reden Das seien nur A b strak .

ti e nen d es Mathematikers W as man tatsächlich b e .

ob ach tet ,wenn Li cht durch eine enge Öffnung


des Fensterladens in die dunkl e Kammer fällt ist ,

ein B i l d der Sonne bzw andrer außen b efindlicher .

Gegenstände das nach ähnlichen Gesetzen entsteht


,

wi e das Bild auf der Mattscheibe einer p hotogra


p h i sc h en Kamera Di eses Bild der Sonne ist wie
.
,

Goethe richtig b emerkt begrenzt und die Grund , ,

bedingung für di e F arb en ersch ei n u n g bei der Re


fraktion sieht Goethe darin daß solche Bil d er bei ,

d er Brechung v e r r ü c k t werden und daß nur des


halb an ihren G r e n z e n die Farb en ersch ei n u n gen
auftreten können Von diesem Gedanken ausgehend
.
,

hat Goethe auch d i e subj ektiven p ri sm ati sch en Ver


suche an di e Spitze gestellt Er hatte sich eine .

Reihe von schwarzen weißen und farbigen Bildern


,

auf geeigneten Tafel n aufgeklebt und betrachtete


diese durch das Prisma Dann erschienen sie an .

einem andern Orte und glei chzeitig mit dieser Ver


,

rü c k u n g traten farbige Säume an ihren Rändern auf .

Für die Darstellung der objektiven Versuche bei ,

denen ein Lichtstrahl I n der dunklen Kammer auf


ein Prisma fiel hat Goethe es nun stets vermieden
, ,

enge Öffnungen i m Fensterladen zu benut z en Er .

glaubte daß hierdurch das Licht in seiner U n m i ttel


,

b ark ei t gestö rt würde wenn es durch enge Löcher


,
230 Acht e V orl esung .

wird mög e das Folgende verdeutl ichen Ob en


, .

sehen wir d i e scharfe B egrenzung des Hauptbildes ,

das wir uns weiß auf d unklem Grun d e d enken


w e llen Davor schwebt der dunkl e Teil d es Neben
.

bil d es Dieser wirkt wi e ein trübes Mittel d as


.
,

vor hellem Hintergrun d e gelb erscheint Nach d em .

Ran d e zu wird di e Trübung stärker angenommen ,

u nd deshalb geht der gelbe Ran d allmählich in


Rot ü ber Unten sehen wir da
.

gegen d as Neb enbild über den


dunklen Teil des Hauptbildes
herübergreifen Das trübe Neben
.

b il d vor d em d unklen Grunde


erscheint daher blau u n d nach ,

dem Ran de z u wo das Nebe n ,

bild sich verfl üchtigt un d die


Fi g 1 0
Trübung fein er wird entste h t
. .

Violett So i st es Goethe gelungen auf Grund seiner


.
,

Hilfsannahme vom Haupt un d vom Neben b il d zu


nächst einmal d as Auftreten von Gelb und B l au b ei
der p ri sm ati s chen Brechung zu erklären und daraus
durch Steigeru ng Rot und Violett abzuleiten J e


.

weiter sich nun d as Prisma v on d er Wan d entf ernt ,

o d er je stärker d e r brechende Winkel d es Prismas


wird um so mehr läßt Goethe das Neb enbild dem
,

H auptbi ld b ei der Brechung voraneilen Dadurc h .

mü ssen s ich die farbig en Ränder verbreite rn un d ,

s chli e ßlich wird es s o weit ko m men daß sich ,


Die F arb e n le hr e Il . P hysi k al isch e O pti k
.
23 1

Gelb und Blau in der Mitte treffen Es entsteht .

d an n durch Ver m i s chung dieser bei den Farben d as


Grün Goethe läßt also die grün e Farbe auch hier
.

kein e einfache sein sondern erkl ärt s i e durch


,

Mischung Wi r haben schon gehört d aß d as falsch


.
,

ist daß du rch Mischung von spektralem Blau u nd


,

Gelb nur Grau oder Weiß entsteht und daß di e ,

Mischung Grün wel che d i e Mal er au s blauen und


,

g elben Pigmenten erhalten nur darauf beru ht d a ß , ,

di es e Farbstoffe nicht im physikalischen Sinne rein e


Farben bi l den Goethe läßt also das G rün ni cht
.

nur eine gemischte Empfindung sein sondern auch ,

d as obj ektive S pektral e Grün d urch Mischung ent


stehen w ä h ren d wir heute wissen daß d as G rü n
, ,

des Sp e ktrums e in e unzerlegbare einfache Farb e i st


Zu diesem Irrtum konnte Goethe aber des h alb
kom men we i l die M i sc h u ngsv erh ä l tn i ss e d es Grü n
,

d amals no ch nicht physikalisch erklärt waren Erst .

später hat w i e schon ob en erwähnt wur d e Hel m


, ,

holtz diese verwi cke lten Beziehungen vollkommen


aufged eckt Anders verlaufen die p ri sm ati sch en
E rscheinungen wenn ein schwarzes Bild auf weißem
,

Grund e verrückt wird Dann entstehen eb enfalls .

gelbe und blaue Ränder di e gegen d as Schwarz ,

hin in Rot bzw Violett üb ergehen Nimmt d i e


. .

B rechung zu s o treffen sich Rot u n d Vi olett in der


,

Mitte d es schwarzen Streifens u n d bil d en d urch


Vermi s chung d en Purpur Diese Feststellung Goethes .
2 32 Acht e V orl esung .

trifft d as Richtige Purpu r ist tatsächlich ein e Farbe


.
,

die als einfac h e im Spektrum nicht vorkommt s on ,

dern erst durch Mischung v on Rot un d Viol ett ent


steht S e ist Irrtum u nd Wahrheit in Goethes System
.

zu einem i n sich abgeschlossenen und in sich k e nse


q u en t en Gan z en verflochten Aus dem bisher G e
.

sagten ergibt si ch daß nach Goethes Auffassung


,

d i e Farben nur dann auftr eten wenn das prisma ,

tische Bild entweder ins Auge oder auf eine weiße


Wan d fällt Sonst sind die Bedingungen zu ihrer
.

Entstehung ni cht gegeben Er weist daher mit


.

größter Entschiedenheit immer wieder darauf hin ,

d aß nach seiner Darstellung die p ri s m ati sch en Farben


erscheinungen keineswegs f e r t i g e sind sondern ,

immer nur als werdende beobachtet werden können ;


es s ei deshalb vollständig falsch wenn Newton ,

b ehauptet daß die Farben im weißen Licht enthalten


,

seien i m weißen Licht drin steckten vielmehr sei


, ,

das weiße Li cht etwas durchaus Einheitliches ; die


Farben e n t s t e h e n immer nu r an den Rändern von
Bildern welche d urch Refraktion verrückt werden
,
.

In dem ersten Hauptteil von Goethes optischem


Werk dem d idaktischen Tei l werden die Ph ä n o
, ,

mene und Experimente nur einfach der Reihe nach


geschildert und in d er Weise angeor d net daß sich ,

die theoretische Ansicht dadurch gewissermaßen von


selbst ergib t Die Auseinandersetzung mit der
Newtonschen Farbenl ehre i st davon vollständig los
234 A chte V orl e su ng .

Linien des Sonnenspektrums ni cht anerkennen will ,

d a s i e nur auftreten wenn m an d as Licht dur ch


,

ein en engen Spalt fall en l ä ßt .


F re un d e fli eht d i e d u nkl e Kamm e r
, ,

„ W o man Euch d as Licht ve rz wic kt


„ U n d im k ü m m erl i c h sten Jamm e r

S ich v ers c hrob n en Bil d e rn b üc kt .


Ab e rgläubisch e V e r e hr e r

Gab s d i e Jahr e h er g e nu g


I n d e n Kö p f e n Eur er L ehr e r
„ Laßt G e s p e nst u n d Wah n u n d Trug .

Sehr wichtig ist der fo lgen d e Punkt weil er sich ,

auf experimentelle Beobachtungen stützt Newton


hatte angegeben d aß wenn man aus d em S e nnen
, ,

spekt rum eine einzelne Farb e is oliert und diese


d urch ein zweites Prisma einer z weiten Brechung
unterwirft d ann d i e Farbe unverändert blei b e u nd
,

daß keine n euen farbigen Säume erscheinen Go ethe .

bestreitet d as aufs entschiedenste Er findet di e .

Angabe al lerd ings beim Rot zutreffen d n icht ab er ,

beim Blau un d beim Violet t Dieses abweichende


Ergebnis i st zur C h arakteristik d er beiden streitenden
Parteien sehr wichtig Newton hat seine ri chtige
.

Behauptung aufgestel lt weil er bei seinen V ers uc he n


,

d as Wesentliche s ah und die unwesentlichen


schwachen Farb en rä n d er vernachlässigte Goethe .

dagegen hat durchaus richtig beobachtet B ei d er .

Ne w t onschen Versuchsanordnung gelingt es tats ä c h


l i c h nicht ganz rein es spektrales Licht zu b ekommen
,
;
D ie Farb e n le hre II . Physi k al isch e O p ti k .
235

es treten bei der zweiten Brechung immer wenn ,

auch schwache Farb en sä um e auf D as w as Newton .


,

behauptet hatte un d w as Goeth e n icht experimentell


bestätigen konnte i st erst Helmholtz gelungen
, ,

welcher durch meh rfach e Brechung und di e Ver


wen d ung enger Spalten wirklich einfaches Licht
aus dem Spektrum isolie rte Newton hat also den .

ri chtig e n Schluß aus sein en unvollkommenen Ver


suchen gezogen Goethes gegenteilige Beh auptung
,

beruht aber auf genauer und feiner B eo bachtung .

Ein weiterer Punkt bei dem es si ch um ab ,

weichen de tatsächliche B efu nde handelt bezieht ,

sich auf die verschiedene Brechbarkeit vers ch ieden


farbigen Li chtes Newton hatte gefunden daß
.
,

das v i ol ette l i cht stärker geb ro chen wird als d as


rote un d zu diesem Z w ecke vers chieden e Ver
,

suche angegeben Go ethe hat di ese nachgep rü ft


.

( die optische Bank die er dazu, benutzte ist im ,

Goethehaus vorhanden 5 Fig 9 Nr 2) und konnte


, . .
, .

Newtons A ngabe nicht bestätigen Dieses merk .

wür d ige Ergebnis beruht wahrs cheinlich darauf daß ,

Goethe mit farbigen Papieren gearb eitet hat welche ,

keine i m physikalischen Sinn e reine Farben besaß en .

Zur Beurteilung dieses Befun d es ist aber zu b e


merken daß ei n s o geschickt er physikalischer Ex
,

p eri m en tator wi e Goethes Freun d und Mitar b eiter


Seebeck ebenfalls nicht imstande gewesen ist ,

Newtons Angab e zu bestätigen Seebeck arbeitete .


236 A cht e Vorle sung .

mit farbigen Gläsern welche vermutlich ebenfal ls


,

kein e rein en Li chter gaben Ein weiteres Argument .

Goethes gegen Newton bezieht sich auf die


Achromasie un d die Möglichkeit die d i op tri s ch en ,

Fern gläser z u verbessern Newton h atte die Farben .

zerstreuung bei der Brechung d urch Linsen unter


su cht und daraufhin behauptet di e Fernrohre wären ,

nicht zu verbessern weil b ei jeder Lichtbrechung


,

ein e F arb en z erstreuu n g eintrete Es i st Ihnen b e .

k an n t daß man durch schlechte Fern rohre oder


,

Operngläser all e Gegenstände mit farbigen Rändern


umsäumt sieht Nun hatte aber in der Mitte des
.

1 8 Jahrhunderts Dollon d die achromatischen Linsen


.

kombinationen aus Crown un d Flintglas entdeckt b ei ,

denen durch Vereinigung zwei er Gläser mit verschie


d en em F arb en z erstreu un gsv erm ö gen das Zustand e
kommen d ieser farbigen Ränder verhindert war ) l
.

Dadurch war b ewiesen daß nicht wie Newton an , ,

genommen hatte die F arb enz erstreu u ng von der


,

Refraktion direkt abhängig s ei sondern daß j e nach , ,

den chemischen Eigenschaften der Gläser verschie ,

den e Farbenz erstreu u ng b ei gleicher Refraktion auf


treten könne Die damals kämpfenden optischen
.

Theorien mußten sich d iesen neuen Vorstellungen


anpassen Goethe aber zog daraus d aß diese
.
,

Theorien auf G rund einer neuen Tatsache ad hoc


D en v on Go e th e b e nutz te n ac hr omatisch e n P rism e n
s atz si e ht m an auf Fig 9 N r 1
. . .
238 A cht e Vorl e sun g .

durch geeignete Mittel (Farb en k rei s el usw ) mischt .


,

s o tri tt tatsächli ch Grau auf und nur bei Benutzung


,

s ehr li chtstarker p ri s m ati sch er Farben wird Weiß


erhalten .

S o sehen w i r daß alle Einwände Goethes geg e n


,

die Newtonsche Lehre auf un mittelbarer richtiger


B eobachtung beruhen und daß s i e konsequent zum
System von Goethes Farbenlehre pas sen Er hat .

sein e Pol emik gegen Newton noch in der Geschichte


der Farb enlehre fortgese tzt Hier entwi ckelt er wi e
.
,

d iese s einer Meinung nach fals ch e Theorie entstehen


konnte Heute hat N ewtons Ansicht in allen wesent
.

l ichen Punkten den unzweifelhaften Sieg errungen .

Goethes Farbenlehr e i st in diesem S treite völlig


unterlegen ; es ist aber interessant zu verfolgen wie
, ,

i h r Urheber auf Grund möglichst anschaulicher Ver


such e und Phänomene unter Ausschaltung j eder
Theori e über d as Wesen des Lichtes imstande war ,

aus dem einfachen U mh än om en der trüben Mittel


di e Gesamtheit der physika lischen F arb en ersche i
nungen sich klar zu machen .

An die d i op tri sc h en Farben schließt Goethe die


k ate p tri sc h en an welche durch Spiegelung an einer
,

farblosen Fläche entstehen Denen folgen die par


.

optischen w el che auftreten wenn d as Licht an


, ,

ein em Rande erscheint (B eug un gsersc hei n u n gen) ,

und weiter folgen die ep op ti sc hen Farb e n Diese .

entstehen nach Goethe an glatt en Flächen ; die


Die Farb e nl ehr e IL Phys ik al is ch e Op ti k .
239

Hau c hb i l d er, di e Farben der Seifenblasen di e New ,

ton s ch en Ringe gehör en hierher Goethe hat wenig .

st ens andeutungsweise versu cht auch diese Farben ,

aus der Lehre von den trüben Mitteln herzul eiten .

Dam i t schließt die Abteilung von den physischen


Fa rb en Goeth e hat aber später noch ein weiter es
.

Kapitel bearbeitet das an dieser Stelle e ingefü gt


,

werden sol lte die Lehre von den en top ti sc h en


, „

Farb en “
Im Jahre 1 809 ha tte Malus en d eckt daß
.
,

d as Licht durch Spiegelung verä n derte Eigenschaft en


bekommt was wir heute al s d i e Erscheinung d es
,

pol ari sierten Lichtes b ezeichn en S eebeck hatte .

dan n 1 8 1 2 das Verhalten von Glas in derarti gem


Li chte untersu cht und 1 8 1 3 das Auftreten von sehr
merkwürdigen Figuren s chwarz en Kreuzen auf ,

weißem Grunde und weißen K reu z en auf schwarzem


G run d e b ei v erschiedenen Gläsern gefun den Diese
, .

Figuren b ezeichn ete man d amals als en te p ti sc h e „


Er untersuchte nun die Bedingungen dieser Er


s c h ei n u n g un d fand d aß nu r schnel l gekühltes Glas
,

s i e zeigt Er erhielt 1 8 1 6 di e Hälft e eines Preises


.

vom Institut de France d i e an dere erhi elt der Phy


,

siker Brewster Goethe hatte von Anfang an l eb


.

h aft estes Interesse für d iese S eeb ec k s ch en Unter


suchungen u n d er übernahm es d as Auftreten d er ,

F a r b e n e rs ch ei n u n g en hierbei d u rc hz u ex pe ri m en
tieren I m Jahre 1 8 1 3 schrieb er schon einen Bri ef
.

über die D oppelbil d er des Kal k sp ats 1 8 1 7 d i e Ele ,


240 Acht e Vorle sun g .

mente der Farben und 1 820 den zu


en te p ti s ch en

s am m en h ä n gen d en Aufsatz E n top ti sch e Farben “


,

der in d en didaktischen Teil der Farbenlehre ein


geschoben werden sol lte D ieser Aufsatz enthält .

nun eine geradezu musterhafte S é dl d eru n g der


Phänomen e die Goethe von den allereinfachsten
,

schrittweise bis zu den komplizi ertesten entwickelt .

Er exp erimentiert auch hi er wieder mit den ein


fach sten Mitt eln wenigen Spiegeln und Glaswürfeln
, ,

und man kann si ch eigentli ch kein schöneres Ex


p e ri m en ti e rb u c h für Knaben denken als diese klare
Schilderung der en te p ti sch en Versuche Im Goethe .

haus finden si ch noch zahllose Proben rasch ge


kühlten Glases Glaswürfel Glasplatten K alkspat
, , ,

kristalle G l i m m ersch ei b en B em stei n k n ö pfe und all e


, ,

die einzelnen Stücke di e i n Goethes Aufsatz er


,

wähnt werden Der P ol ari sati on sap p arat mit dem


.
,

Goethe zumeist arbeitete war der denkbar einfachste


,

( Fig . 9 , Nr . zwei schwarz hinterlegte Glasspiegel


an einem einfachen Holzgestell so befestigt daß ,

zw ischen ihnen Glasplatten Würfel (N r 4) usw an , . .

gebracht werden konnten Einen sehr vollkommenen .

Apparat d es M e chanikers N iggl in München ( Fig 9 .


,

Nr . den ihm Professor Schweigger 1 8 1 8 zu seinem


Geburtstage geschickt hatte benutzte er nur ungern , ,

weil ihm die Bedingungen hier schwieriger über


s e hb ar zu sein schienen al s bei seinem einfachen

Instrumen t Goethe glaubte in diesen en te p ti sc hen


D ie Farb e nl e hr e ll . Ph y si k alisch e O p ti k .
24 1

Farb en d as Tüpfelchen auf dem 1 seiner Farben



lehre gefunden zu haben un d machte si ch weidlich


über die B emühungen der Physiker lustig ihre ,

optischen Theorien mit diesen gan z neuen Ph ä n o


menen in Einklang zu bringen .


Mög et ihr d as L i ch t z e rstü c k el n ,


Farb u m F arb e d raus e n twic k e ln
'
,


O d e r an d ere S chwän k e fü hr e n ,


K üg el c h e n p ol ari s i ren ,

„ D aß d er H ör er gan z e rs c hr e c k e n

„ F ü hl et S in n u n d S i nn e ste c k en .


N e i n ! es s ol l e uch nicht g el ing e n ,

„ Se h t u ns nicht b e is e it e b ri ng e n ,


Kräfti g wi e w ir s an g efan ge n

,


W ol l e n wir z u m Z i el gel an g e n .

Di e Folge hat allerdings Goethe unrecht gegeben .

An d er Hand der en te p ti schen Phänomen e un d der


P ol ari sati on s ersch ei n un g en ist di e Undulationstheorie
d es Lichtes ausgebaut w e rd en zu der Voll en dung ,

mit der s i e heute die Gesamtheit d er optischen


Erscheinungen umfaßt Die Richtigkeit von G oe thes
tatsächlichen Beobachtungen aber bleibt auch auf
diesem Gebiete unbeschränkt b este h en Er zog .

es auch hier wieder vor die dunkl e K amm er zu ,

fli e hen und mögli chst u nter frei em Himmel z u


arbeiten Di eses Mal wurde ihm dadurch eine
.

wichtige Erfahrung ermöglich t Er fan d näml ich daß ,

di e ente p ti sch en Figuren sich ganz verschieden ver


hielten j e nachdem er seine Spiegel nach verschie
,

M g u
a n G th l N t rf r h r
s, oe e a s a u o sc e 16.
2 42 A cht e Vorlesung .

denen Teilen des Himmels ri chtete und es gelang ,

ihm die Gesetzmäßigkeit dieses Verhaltens n achz u


,

weisen un d von der j eweiligen Stellung der Sonne


abzuleiten Nach Goethes Meinung war damit der
.

atmosphärische Ursprung der en te p ti sch en P h ä n o


mene nachgewi esen Nach unserer heutigen Aus
.

d ru c k sw ei se hat er gefunden daß das Licht das


, ,

von verschiedenen Teilen des Himmels reflekt iert


wird teilweise und i n gesetzmäßiger Weise polari
,

si ert ist Hierauf führt er nun di e al l en Malern b e


.

kannte Tatsache zurück daß in den Ateliers die


,

B eleuchtung zu den verschi edenen Tageszeiten ver


schieden gut i st Er geht mit sein em en te p ti sch en
Apparat in die M al eratel i ers und stellt fest daß die ,

en te p ti s c h en Eigenschaften des Li chtes mit dieser

Beleuchtung gleichmäßig we chseln und macht darauf


hin den Vorschlag ein gutes M al eratel i er müsse
,

zwei

Fenster haben eines
, nach Norden eines nach,

Westen damit zu verschiedenen Tageszeiten Licht


,

aus verschiedenen Himmelsgegenden einfallen könne .

Vorschläge zu Beobachtungen auf Reisen und zu


Demonstrationen in d er Vorlesung schli eßen diesen
Aufsatz in dem die mustergültige Darstellung und
,

die k l are Schilderung der Experimente b ew u n d eru ngs


we rt sind Auch hier bildet Goethe aus den P h äno
.

menen eine konti nu ierliche R e ihe die von den ein


,

l a ohs i en b i s zu den kompliziertesten fortschreitet ,

und versucht al l es auf di e Lehre von den trüben


,
244 A cht e Vorl esung .

suche sich finden sollte bei denen Prismen un d


,

Linsen miteinander vereinigt werden Goethe ver .

weist oftmals auf di ese Arbeit hat sie aber niemals


,

veröffentlicht Ferner sollte im supplement ä ren Tei l


.

der zu d en opti schen Versuchen nötige Apparat ein


gehen d geschildert werden und auch ein Aufsatz
über den Regenbogen folgen Statt d essen b ri ngt.

Goethe am Schluß sein er Farbenlehre statt des „

versprochenen s u p p l em en taren Teils nur einige “

Aufsätz e Seebecks über d i e Wirkung farbiger Be


l eu c h tu ng D er erste derselben knüpft an ein e ältere
.

Entdeckung Goethes an Dieser hatte schon im


.

Jahre 1 7 92 Unt e rsuchungen über das Verhalten des


b on on i s c h en L eu c h tste i n s (S c hw ef el b ary u m ) eines ,

phosphoreszierenden Minerals das nach vorheriger ,

Belichtung i m Dunkel n weiter leuchtet angestellt ,

und gefun d en daß nur die blauen un d violetten


, ,

n icht dagegen d i e gelben und roten Strahlen des


Sonnenspektru ms die Phosphoreszenz hervorzurufen
imstande sind Diese Entdeckung ist also nicht
.
,

wie in einer neue m Arbeit z u lesen steht 1 849 ,

von Becquerel sondern 57 Jahre früher von Goethe


,

gemacht w e rd en Seebec ks Artikel b efaßt sich mit


.

der Wirkung d es Lichtes auf Leuchtstein e auf ,

S c hw ä n u n g des C hl o rs i l b ers und auf d as Wachs


tum der Pflanzen .

E s bleibt u n s nun noch übrig ganz kurz auf ,

den dritten Hauptteil von Goethes Farbensystem


Di e Farb e n le hr e II . P hysi kal is ch e Op ti k .
245

einzugehen auf d i e Lehre von den c h e m i s c h e n


,

F a r b e n den Körperfarb en Auch hier versucht


, .

Goethe d as Prin z ip der trüben Medien zur Erklärung


he ranzuziehen Ein Körper der gar kein Licht
.
,

zu rückwirft erscheint schwarz ; ein Kö rp er dessen


, ,

Oberfläch e die vollendete Trübe besitzt erscheint




,

weiß ; die Farben entstehen dadurch d aß nach ,

Goethes Ansicht die Oberflächenschicht gefärbter


Körper durchsichtig ist und wie ein trübes Mittel
wirkt Das Li cht dringt also ein e kl ein e Strecke in
.

den Körper ein und wird erst dann reflekt iert Wenn
d i e Oberflächenschicht eines wei ßen Körpers leicht
getrübt ist s o ergibt sich ei n trübes Mitte ! vor
,

weißem Hi ntergrunde un d di e Farb e des Körpers


,

wird gelb ; nimmt die Trübung zu so steigert si ch ,

das G elb zu Orange und Rot Trübt si ch dagegen .

die Oberflächenschicht eines schwarzen Körpers s o ,

erblicken wir ein trübes Medium vor dunklem


Hintergrunde und der Körper ers cheint b lau ; ist
,

die Trübung eine b eson d ers zarte so entsteht ,

Violet t Durch Mischung der gelben un d der blauen


Farbe ergeben sich dann grün e durch Mischung ,

der roten und der violetten Farb e pu rpurgefärbte


Körper So gelingt es Goethe in der Tat d urch
.

konsequente Anwen d ung d er Lehre vom Trüb en


ein e anschauliche Hypothese über das Auftreten der
Körperfarbe zu gewinnen .

Goeth e sucht i n diesem Abschnitt noch eine


246 Ach te Vorles un g .

zweite Aufgabe zu lösen nämlich die Frage zu be,

antworten wie die Farb e chemischer K örp er von


,

ihrer chemischen Zusammensetzung abhängt Das .

Problem selbst ist ein altes ; Sch on Paracelsus hatte


di e Farb e der Körper auf ihren mehr oder minder
großen Gehalt an Schwefel zurückgeführt E s b e .

s c h äft i gt aber di e Chemiker noch bis auf den


heutigen Tag und erst di e Anfänge zu einer Lösung
,

sind getan Nur auf dem Gebiete der Teerf arb


.

stoffe ist es bisher gelungen zu bestimmten Ge ,

s etz m ä ßi gk ei ten zu gelangen Entsprechend der .

d amaligen Entwicklung der Chemie ist nun auch


Goethes Ableitung der Farben von der chemischen
Zusammensetzung noch durchaus unvollkommen .

Er sucht allerdings die Farben d er M etal l k al ke „



,

d h der Oxyde von dem Grade ihrer Oxydati on


. .
, „

un d Desoxydation abzuleiten Ziemlich vollständig



.

hat er die Farben der Pflanzenextrakte und ihren


Farb enwe chsel in saurer und alkalisch e r Lösung ,

di e sogenannten Indikatoren untersucht worüber , ,

besonders seine Ve rsuchsprotokoll e Aufschluß geben .

I st ihm die Lösung der chemischen Aufgab e auch


kein eswegs gelungen so ist es doch wichtig zu
,

sehen daß Goeth e sich mit diesem Problem über


,

haupt genauer beschäftigt hat Es finden sich in .

diesem Abschnitt ferner Ausfüh rungen über Färberei


und über die Method en K örper zu en tfärben (Bleich
,

kunst) wobei Goeth e i n int e ressanter Weis e das


,
2 48 A cht e V orlesu ng .

durch emsige Studien besonders 1 80 ! auf d er G et


,

tinger Bib liot h ek gesammelt hatt e zu ein er einheit


, ,

lichen Darstellung z u verschmel z en A l s er aber .

in den Jah ren 1 807 — 1 81 0 endlich mit seinen opti


schen Stu d ien z u m Abschluß kommen w e ilte unter ,

blieb d iese l etzte Überarbeitung und er faßte alles ,

was er zu sagen hatte in einer Reihe von Einzel


,

darstellungen zusammen aus d enen sich j etzt d ieses


,

Werk zusammenset z t Trotz o d er vielleicht gera d e


.

wegen dieser lockeren Form d er Darstel lung b esitzt


der historische Teil einen ganz besonderen Zauber
u n d ist von j eh e r als eines von Goethes Meister

werken angesehen w e rd en .Er unternimmt e s


nämlich d i e Geschichte der Farbenlehre von d en
,

ältesten U ran i ä n gen bis auf sein e Zeit al s ein Sym


bol für d i e Geschichte aller Wissenschaften über
haupt darzustellen Diese Aufgabe gelingt ihm auf
.

folgende Weise Er l äßt d i e Erkenntnis vom Wesen


.

der Farben d eren historische Entwicklung er gibt


, ,

vor unsern Augen entstehen auf dem großen und


allgemein en Hintergrunde einer Geschichte der ge
samten Naturwissenschaft en Aber auch hiermit .

nicht genug zeichnet e r wi eder die Naturwiss e n


schaften auf dem breiteren Hintergrun d e einer Ent
w i c kl u n gsg esc hi c h te d e s menschlichen G eistes Zu .

diesem Zwecke unterbricht Goethe oftmals di e Dar


st e l lungen von den Leistungen einzelner N atur
forscher durch allgemeinere Betrachtungen über
Di e Farb e n lehre II . Ph ysi kal is ch e Op ti k .
249

N atu rwissenschaft üb er Philosophie Mal erei und


, ,

vieles andere Besonders se tzt er den jeweil igen


.

Stand der Farbenlehre immer in Bezug zu den Fo rt


schritten der Technik auf der einen un d zu denen
der Philosop h ie auf der andern Seite So gelingt .

es ihm b ei der historischen Entwicklung einer


E inzeld isziplin di e allgemeinsten Gesich tspunkte
darzulegen un d deshalb ist d i e Lektüre dies e s
,

S p ez i al w erk es ein s o besonderer Genuß Überall .

findet man eingestreute Perl en Betrachtun gen von ,

höchstem al lgemeinen Werte .

Die Geschi chte der Farbenl ehre zerfällt in zwei


Teil e Der erste geht vom Alte rtum b i s zu m Ende
.

d es 1 7 Jahrhunderts der zweite von Newton b i s


.
,

auf Goethes Zei t Der erste Teil ist es besonders ,

der die allgemeinen Betrachtungen enthäl t Zue rst


wird die geistige Eigentü mlichkeit d es Alte rtums
geschil dert un d dabei T h eop h rasts Buch von den
Fa rb en in Übersetzung eingeschal te t Auch eine
hypothetische Geschichte des Kolorits bei den Alten
aus der Feder Heinrich Meyers ist m it aufgenomm en .

Schließlich wird das Wesen des Altertums zu sammen


gefaßt und die drei großen Stämm e d er Überliefe
rung di e von hier aus in d as Mittelal ter hinüber
,

reichen die B i b el P l ate und Aristoteles in wunder


, , ,

baren Sätzen charakte risiert Di e Frühzeit des


Mitt elalters ließ di e Natu rforschung brach liegen .

Goethe füllt diese Lücke Wieder durch B etra ch




250 A c ht e Vorlesun g .

tungen allgemeinen Inhaltes un d stellt an den Be


ginn der neuen Entwicklung die Persönli chkeit j enes
englischen Mönches Roger Bacon der die Natur ,

wissenschaft auf mathematische G rundlage zu Setzen


u nternahm Dann wird die Entwi cklung der Natur
.

forschung i m Mittelalter geschildert und an die


Grenze gegen d i e n eu e Zeit der andere Bacon von
Verulam geset z t der im Gegensatz zu aller Scholastik
,

die Naturforschung ganz allein auf den Boden ein


fach ster Empiri e beschränkt sehen wollte Daran .

schließt sich dann die Darstellung des 1 7 Jahr .

h u n d ert s beginnend mit Galilei und Keppl er i n


, ,

welchem di e Farbenlehre d i e wi chtigsten Fortschritte


zu verzeichnen hat D en Schluß bi ldet eine G e
.

schichte d es C ol ori ts seit Wiederherstellung der


Kunst von Heinrich Meyer i n wel cher di e Ent

,

wi cklung der Malerei nach der von Goethe auf


gestellten Farb en ä sth eti k geschil dert wird .

Der zweite Teil b eschäftigt sich mit der Ent


s teh u n g un d der Fortentwi cklung von N ewtons Lehre .

Zunächst wird d i e Grün d ung der Royal Society


und damit d as Milieu geschildert i n dem N ewton ,

seine Entdeckungen v e rtrag dann gibt Goethe eine


,

würdige Charakteristik von der Persönlichkeit seines


großen Gegners den er im pol emischen Teil s o heftig
,

angegriff en hatte und b eschreibt dann in allen Einzel


,

heiten d as B ekanntwerden den Siegeszug und die


,

ersten K ämpfe der Newtonschen Theori e Dabei .


252 A ch te V orlesun g .

di e Frage vorlegen wie es denn möglich gewesen


,

i st d a ß er in so unüberbrückbaren Gegensatz zu
,

Newton kommen konnte Wir haben d i e einzelnen


.

Ar gumente d i e er gegen ihn v e rb ri n gt der Reihe


, ,

nach gewürdigt Der wahre Grund aber für seine


Stel lungnahme liegt tiefer Goethe hat nicht umsonst
.

di e physiologischen Farben an die Spitze seiner Lehre


gestell t Er ging bei der B etrachtung des ganzen
F a rb en w esen s durchaus von subj ektiven Gesich ts
punkten aus D a e s f ü r i h n o h n e w e i t e r e s e v i
.

d e n t w a r d a ß We i ß e i n e e i n h e i t l i c h e E m p
,

fi n d u n g i st so h i e l t e r es au c h fü r ab s u rd
, ,

d a ß d as o bj ekt i ve w e i ß e L i ch t au s fa rb i ge n
L i c h t s t r a h l e n g e m i s c h t s e i n s o l l t e Ich bitte
.

Sie si ch ins Gedächtnis zurückzurufen w as wir in


, ,

unserer sinnesphysiologischen B etrachtung au sei n


a n d erge setz t haben : die scharfe Scheidung welche
,

zwischen den Empfindungen auf der einen und d en


diese Empfin d ungen auslösenden objektiven Vor
gängen der Außenwelt auf d er andern Seite besteh t
Goethe war sich wie wir wissen über diesen Gegen
, ,

satz noch nicht im Klaren und schl oß deshalb als


naiver S i n n es m en sc h von der Einheitlichkeit der
We ißem p fi n d u n g auf die Einheitlichkeit des weißen
Licht e s während der Physiker Newton sich u m die
,

Empfindungen überhaupt nicht gekümmert und nur


die Vorgänge der Außenwelt studiert ha tte So kam .

Goethe zu seiner Stellungnahme in der Farbenlehre


Di e F arb e n le hr e II . Ph ys ikal isch e Opti k .
253

dad urch daß er von ein er ganz n euen Seite d as


,

Problem anpackte un d daß er durch s ein e Erfo lge


, ,

auf physiologischem Gebiete verleitet die physika ,

l i s ch en Fragen von demselben Standpun kte a u s


l ösen wollte .

E s bleibt nur noch ku rz zu schildern wi e sich ,

di e Farbenl ehre nach Goethe un d im Anschluß an


ihn weiter en twickelt hat Von Seiten der Physiker
wurde er wi e wir wissen glei ch von Anfang an
, ,

aufs heftigst e bekämpft Wirkl ich rü ckhaltlose An .

hänger hatte er wohl überhaupt nur zwei D er eine .

war der Staatsrat Schultz ein m erkwürdiger Man n , ,

der schon im Jahre 1 806 sich m it der Fabrikati on


von Flintglas beschäfti gt e 1 8 1 2 einen Aufsatz üb er , „

die farbigen Ränder und di e verklei ne rten Bilder


nach Goethe s chrieb 1 8 1 4 s ein en Bri efwechsel mit

,

Goethe begann der bis zu dessen Tode fo rtgeführt


,

w urde un d 1 8 1 6 eine Arbeit


, über physiologe G e „

sichts und F arb en ers ch ei n u n gen i n Schweiggers “

Journal erschein en ließ Derselbe Mann war es aber.

auch der 1 820 die Karlsbader B eschlüsse an der


,

Berliner Un iversität durchführte und ein Hau p tv er


folger d er deutschen Burschenschaften gewesen i st
Später fiel er in Ungnade Er hat si ch auch no ch .

mit geographischen Fragen b eschäftigt und war einer


der ersten der die alten römischen Kastell e auf
,

deutschem Boden stu d ierte Außer Schultz kann .

eigentlich nur noch der j unge Berlin er Do z ent


254 A ch te V orlesung .

v .Henning ein Schüler Hegels als treuer Anhänger


, ,

gerechn et werden Er l as vom J ahre 1 822 ab über


.

Goethes Farbenlehre un d zeigte d i e dazu gehörigen


Ex perimente seinen Hörern .

Wir haben gesehen daß Goeth e von der physio


,

logi schen Seite her die Farbenl ehre i n Angriff ge


nommen aber die scharfe Scheidung zwischen Sinnes
,

empfi ndungen und äußeren Reizen nicht gemacht hatte .

Während er selbst über diese Frage noch im Finstern


irrte war im Norden Deutschlands schon das Li cht
,

aufgegangen d as di eses Dunkel erh ellen sollte K a n t


, .

hat in sein er Kriti k der reinen Vernunft für immer die


Gesichtspunkt e festgelegt nach denen wi r unser Ver
,

h ä l tn i s zur Außenwelt zu beurteil en haben Goethe .

hatte Kants Schriften gelesen und war durch Schiller


nachdrü cklichst auf ihren Inhalt hingewiesen w e rd en .

Aber er war v on j u gen d auf in sp i n oz i sti sch en Bah nen


zu denken gewohnt und hat die Kan tsche Vorst e llungs
art nicht mehr s o i n sich aufg e nommen daß er s i e ,

für d i e wissenschaftlichen Grundfrag e n anwendete .

Dagegen beruhen die Fortschritte welche die Sinnes ,

physiologie noch zu Goethes Zeiten über ihn hinaus


machte auf einer folgerichtigen Anwen dung der
,

K a atschen Lehre Den ersten Schri tt auf dieser Bahn


.

tat Arthur Schopenhau er Goethe lernte den jungen


.

P h i l o sw h en 1 8 1 3 im Hause von dessen Mutter in


Weimar kennen und gewann soi ches Interesse an
ihm daß er ihm seine optischen Versuch e und Appa
,
256 Acht e Vorl e sung .

Johann es Müller in Bonn sein Buch zur


ö ff en tl i c hte „

verglei chenden Physiologie des G esi ch tsi nn es des


Menschen u n d d er Tiere in w el c h em d as Ge“
,

setz von d er spe z ifischen S i n n esen ergi e aufgestellt


wurde Johann es Müller zeigte daß d i e Art unserer
.
,

Sinnesempfin d ungen üb erhaupt nicht abhängt von


der Art der äußeren Reize sondern nu r von der ,

Art des Sinnesorgans oder S i n n esn erv en der er ,

regt wird Auch hierbei han delt es sich um eine


.

Anwendung K an tsch er Ideen auf physiologische


Probleme .

Diese beiden großen Fortschritte knüpfen nun


unmittelbar an Goethes Optik an ; Schop enhauer war ,

wie gesagt Goethes d irekter Schüler Johann es Müller


, ,

bekennt selbs t daß ohn e mehrjährige Stu d i en der


, „

Goetheschen Farbenlehre in Verbindung mit der An


s c h au u ng der Phänomene selbst sein e Untersuchungen

wohl n icht entstanden wären Es ist aber notwendig “


.
,

festzustellen daß Goethe selbst d i e große Bedeutung


,

dieser beiden Arbeiten nicht erkannt h at Für ihn


war das System seiner Farbenlehre so abgeschlossen ,

daß er nicht mehr imstande war umzudenken Da ,


.

bei i st aller d ings zu berücksichtigen daß er zur Zeit ,

der S chopenhauerschen Arbeit 66 des Johannes ,

M ü l l ersc hen Buches schon 7 7 Jah re alt war und ,

daß es eine bekannte Tatsache i st daß es in natur ,

wi ssenschaftlich e n Fragen den meisten Forschern


s chwer fällt von einem gewissen Alter an n eue
,
Farb e nl e hre Ph y si k alisch e O p ti k
!

Die ll . .
2 57

Id een aufzun ehmen Auf Schopenhauer be z i ehen sich


.

di e Verse :
T rüg e g e rn n och l äng er d es Le hrers Bürd e n
„ ,

We nn Sch ü le r nur nicht gl e i ch Le hr e r würd e n .


Und ferner
D e i n G utged achtes i n fr em d e n A d e rn
„ , ,

Wir d s og le ic h mit d i r se lb er ha d em .

Dem Philosophen se lber s chri eb er : Komm ich ’

aber an d as wo Si e von mi r d i fferi ren so fühle


, ,

i ch nur allzu seh r daß ich j enen Gegenständen der


,

gestalt entfremdet bin und d aß es mi r schwer ja


unmöglich fällt einen Widersp ru ch in mi ch a ufzu
,

nehmen denselben z u lösen oder mich ihm zu be


, ,

qu emen Ich darf daher an diese strittigen Pun kt e


.

nicht rühren ; und in seinem Dankschreiben an J e


hannes Müller für Übe rsendung s ein es Bu ches sagt


er : Freilich i st die Regi on in der w u n s umtu n
„ , ,

s o w e it un d breit daß von einem gemeinsam en


,

Wege di e Rede nicht sein kann ; und gerade die ,

welche vom Zentru m nach der Periphe ri e gehen ,

können obgleich nach einem Zi ele streben d u n


, ,

möglich parallelen Schritt halten Dage ge n hat .


Goethe an dem Werke eines andern Physiologen ,

das sich ebenfalls an seine Farbenlehre anschloß ,

an Purki nj es Beiträgen zur Kenntnis d es Sehens in


subjektive r Hinsicht ein e uneingeschränkte Freude “

gehabt Das erste Heft wi rd von ihm mit größtem


.

Le b e rec en s i ert das zweite ist ihm gewidme t Hier


,

M g
a G th l N t f r h r
n u s, oe e a s 17 a u r o sc e .
258 A cht e V orle sung .

entwickelt Purkinj e auf Grund sehr zahlrei cher und


subtiler Versuche di e zum Teil Goethes Experimente
,

direkt weiterführen die Lehre von den subjektiven


,

Licht u n d F arb en ers ch ei n u n gen Di e Phänomene


.

werden klar un d einfach geschildert un d Goethe


erkannte d iese Darstellungsart rückhaltlos an So .

sehen wir di e d rei größten S i n n e5 p hy si ol ogen der


Zeit unmittelbar an Goethes Werk anknüpfen Die .

physiologische Optik des 1 9 Jahrhunderts geht in


.

ihren Wurz eln direkt auf s eine Farbenlehre z u


rück In der Mitte des Jahrhunderts hat dann
.

Helmholtz i n seinem klassischen Handbuch der


physiologischen Optik das gesamte Wissen der Zeit ,

d as von ihm selbst in Vielem erweitert war zu ,

s am m en fass en d dargestellt . Erst Helmholtz war es ,

der vi ele d er Punkte in denen Goethe von Newton


,

abwich klar gestellt hat ; er klärte die M i schu ngs


,

gesetze von Blau und Gelb auf er erzielte zuerst


,

wirklich reine S pektral e Lichter die durch weitere


,

Brechung nicht verän d ert werden können Durch .

Helmholtz sind also Goethes Irrtümer auf physika


lisch optischem Gebiete als endgültig widerlegt an
-

zusehen Dagegen lebt der al te G egensatz zwischen


.

der Goetheschen und der Newtonschen B etrachtu n gs


weise bi s auf den heutigen Tag auf dem Gebiete der
p h y s i o l o g i s c h e n Optik unvermittelt fort Ebenso
.

wie Goethe d i e Farbenlehre von der Seite der Emp


findung und N ewton von der Seite der objektiven Rei z e
2 60 Acht e V orles u ng .

Wir sehen aus dieser Darstellung daß Goethes ,

Farb enlehre in ihrem physiologi schen Te ile ein


grundlegendes Werk ist daß die physiologische
,

Optik in unmittelbarem A nschluß an s i e sich fort


entwi ckelt hat un d daß d i e Goethesche Lehre und
,

Anschauungsweise von der einen der heute herrs chen


den physiologisch optischen Schule n im w esentlichen
-

auch j etz t noch vertreten wi rd So hat Goethe recht


.

behalten wenn er von seiner Farb enlehre sagte


,

„Mir aber könn en sie n ichts zerstören denn ich hab e ,

n icht gebaut ; ab er g esäet h ab e i ch u n d so weit in


die Welt hinaus d aß sie die Saat ni cht ver d erben
,

können u n d wenn si e noch s o v i el Unkraut unter


,

den Weizen säen .



N eu n te Vorl esung .

Mi h e r al og i e , G eolo g i e , Met e o r o l o gi e .

Meine Herren ! Ich fürchte den Vorwurf n icht


„ ,

daß es ein G eist d e s Widersp ru chs sein müss e der ,

mich von B etrachtung und Schi lderung des mensch


li chen Herzens des jüngsten mannigfaltigsten beweg
, , ,

l i ch sten v erä n d erl i ch s ten ersch ü tterl i ch sten Theiles


, ,

d e r Schöpfung zu der Beobachtung des ältesten ,

fest esten tiefsten unerschütt erlichsten Sohnes der


, ,

Natur geführt hat So schreibt Goethe i m J ahre


.

1 7 84 bei seinen Studien üb er den Granit un d wir .

fi nden den Di chter mehr als 50 Jahre hin d urch mit


dem eifrigsten Studium der Erdrinde ihres Aufbaus ,

un d ihrer Entstehung beschäftigt Es würde den


Rahmen dieser Vorträge überschreiten wenn wir ,

ihm auch auf diesem Gebiete in all e Einzelheiten


der fachwissens chaftlichen Forschung fo l gen wollten .

Es soll hier nur ein allgemeiner Überbli ck über


seine Untersuchungen u n d s ein e Ansichten gegeben
werden ) Wie wir schon wissen ist Goethe aus
.
1
,

E in e e i nge h e n d er e Darstel l ung d Wür d igung d i es es


un

Zw e ig es on Go eth e s Tä tig ke it fi n d e t s ich i n d e d i esj ährig e n


v r

Je na e r P ö ek torats e d e d es d orti g e n Mi n eralog e n G L inc k


r r r . :
2 62 N e un te V orlesung .

praktischen Gründen zur Beschäftigung mit der


Mineralogi e veranlaßt w e rd en Es handelte sich .

seit 1 7 7 6 u m d i e Wiederb elebung des seit langem


d an i ed erl i egen d en llmenauer Bergbaues die Goethe ,

als leitender Minister 1 7 7 7 in die Hand nahm Er .

fand aber in Thüringen b ereits den Boden für geo


l ogis che Studien geebnet denn durch die Näh e der
,

Freib erger Bergakademie und besonders durch d as


Wirken des berühmtesten Geologen seiner Zeit ,

W em ers war das Interesse ein reges geworden


, .

Der l lmenauer B ergbau war ein Fl ö tz b ergbau un d ,

es erwuchs dadurch die Aufgabe b ei der berg ,

m ä n n i s c h en Gewinnung der Erze immer ganz be

stimmte Schichten und F l ö tz e wieder zu erkennen .

Dabei wurde Goethe auf die groß e Regelmäßigkeit ,

mit der di e Schichten der Erdrinde gerade in Th u


ringen angeordnet sind aufmerksam gemacht und
, ,

es wurde das für ihn eine wichtige Stütze der


W ern ers c h en Lehre der als ein Neptunist di e Ent
,

s teh u ng der Erdri nde auf d as Wirken des Wassers

zurü ckführte .

Schon in dieser ersten Zeit hatte Goethe Ge


l ege n hei t auch in an d erm Sinne sich praktisch zu
,

betätigen Auf seine Veranlassung wurde 1 7 7 9 vom


.

G oeth e s V erh ä l tnis z u r M in e r al og i e u n d G e ogn osi e (J e na 1 906


,

G us ta v Fi s ch er) . Auf d i es e S chrift s ei hi e r b e son d e rs h in


g e w i e se n S ie l i egt au c h d er n achsteh e n d e n Da rste l l un g teu
.

w e is e z ugru n d e .
264 Ne unt e Vorl e sun g .

klippen angefertigt hat d enn dem Studium d es


,

Granits war d iese Reis e hauptsächlich gewidmet .

Di e zahlreichen Aufenthalte in d en böhmisc h en Bädern


gaben Goethe Gel egenheit auch hier geologische ,

u n d mineralogische Erfahrungen zu sammeln Er .

lernte al lmählich diesen Teil Böhmens gründlich


kennen beobachtete di e Entstehung der heißen
,

Mineralquellen b efestigte seine n ep tu n i sti schen An


,

s c h au u n g en und s ah die Ausbreitung und den Ein

fluß der großen Kohlenlager I n der S chw e1 z un d .

Tirol studierte er Form Ausbreitung und frühere


,

Wirkungen der Gletscher In Italien lernte er bei


.

der Besteigung des Ätna u n d Vesuv beim Besuch ,

d er p hl egrä i sc h en Fel d er Bau un d Wirksamkeit d e r


Vulkane beu rteilen und selbst während der Cam
pagne in Fran kreich trieb er mineralogis che For
s c h u n g en . So war d as Anschauungsmateria l be
schaffen das Goethe seinen E rd stu d i en zugrunde
,

legen konnte Es ist das wichtig wei l sich durch


.
,

d i e Betrachtung d ieser Landschaften d i e durch


Werner begrün d eten n ep tu n i sti s c hen Anschauungen
mehr und mehr in ihm befestigen mußten Goeth e .

weist da rauf hin d aß er vermutlich nicht ei n solcher


,

Anhänger dieser Lehren geworden wäre wenn er ,

seine ersten Studien 2 B in der vulkanischen


. .

Auvergne hätte anstellen können .

Von diesen Reisen brachte er große Samm


lungen mit nach Hause die er ordnete und auf
,
M in e ral ogi e , G eol og i e , M ete or ol ogi e .
265

stellt e. Durch Voigt war er in die min eralogische


N om en c l atu r un d Systematik eingeführt w e rd en un d
s o e ntsta nd j ene große mehr al s 1 8 000 Nummern
,

um fassende Kollektion die durch ihr e Rei chhal ti g


,

keit und die Schönheit der Einzelstücke noch heute


die B ewunderung der B esucher d es G oeth ehau ses
erregt Der größte Teil setzt sich au s Fun dstü ck en
v on Thüringen , dem Harz un d B öhmen zusa mme n ,

ab e r auch die andern Teile Deutschlands Italien ,

un d viel e an d e re Länder sind vertreten Au ßerdem .

werden Verzei chn isse angelegt z B von sämtlichen . .

in Thüringen aufgefundenen Foss ilien .

Von b esonderer B edeutung wurde die Sa mmlung


d es Steinschn e iders Joseph Müller i n Karls bad .

D erselb e hatte zunäc hst für sein Gewerbe vi el e


Mineralien bei K arlsbad gesammelt seine K oll ekti on ,

im mer mehr erweitert und legte s i e 1 806 Goeth e


vor Dieser ordnete die Min eralien indem er vom
.
, ,

Granit ausgehen d ein e kontinuierlich e Reih e der


,

versc hiedenen Vorkommnisse aufstel lte u n d fertigt e ,

e i nen genauen wissenschaftlichen Katalog an Er .

veran laß te nun Mül ler diese Mineral ien i n grö ße rer
,

Anzahl zu samm el n und in gleicha rtiger An ordnun g


in den Han d el zu bringen S chon 1 806 zeigte .

G oethe im Intelligenzb latt der J enais ch en Literatur


zeitung die Kol lektion an un d veröffentl ich te
1 808 den K atalog in v Le onhards mineralogischem
.

Tas chenbuch Auf diese Weis e wurde eine mine


.
2 66 Ne un te Vorlesun g .

ral ogi sc h e Mustersammlung allen Gelehrten i n


glei chmäßiger Weise zugänglich gemacht und der
Bonner Mineraloge N oegg erath b ezeichnete si e für
Unte rri chtszwecke geradezu als die beste Goethe .

gab dann an ihrer Hand eine genaue mineralogische


B eschreibung der Karlsbader Gegend und ließ 1 82 1
eine ebensolche der Umgebung von Marienbad
folgen der eine entsprechende Sammlung zugrunde
,

lag Er hat au ch später der Karlsbader Sammlung


.

sein Interesse bewahrt und noch 1 832 eine Folge von


vers chie d enen S p ru d el si n tem d i e Müll ers Nachfolger
,

Knoll in den Han del brachte ebenfal ls angezeigt ,

A l s Sammler und Forscher stand Goethe i n


regem Verkehr mit vielen Fachgenossen Minera .

l ogische Korrespondenz wurde gepflogen mit den


Freunden Merck un d v K neb el mit v Treb ra v Leon
.
, .
, .

hard Aug v Herder Cramer dem Grafen Ste rn


, . .
, ,

b erg Grüner und b esonders mit Lenz Ein I eb


, .

haft er Tau schv erkeh r mit d iesen Fachgenossen und


mit den fernsten un d fremd e sten entwickelte sich .

Vi elfach vermittelte auch Go e the den Mineralien


austausch erweiterte so seine und die J enaische
,

Sammlung und al s der Erwerb d es bedeutenden


C ram e rsc hen Kab i n ettes für J ena aus Mangel an
Mitteln u n terhl eiben mußte sorgte er dafür daß
, ,

es nach Heidelberg kam .

I n den Jahren 1 7 96 — 98 wurde durch Lenz di e


mineralogische Gesellschaft in J ena gestiftet die ,
268 N e u nte Vorle su ng .

schichte dieser Wissenschaften bilden s o hat er ,

doch den Be sten seiner Zeit genug getan Sein e




.

Beobachtungen wurden wenigste ns in d en späteren


Jahren von den Fachgenossen höchli ch ges chätz t
Er war Mitarbeiter von v Leonhards min eralogi
.

sch em Taschenbuch , sein e fachwissenschaftlichen


Schriften wurden von N oeggerath in der Jenaischen
Literaturz eitung einer höchst an erkenn enden Kritik
unterzogen ; er wurde 1 822 wegen seiner Forschung en
in N ord b ö h m en zum Ehrenmitglied der unter d e m
Präsidium d es Grafen K Sternberg gegründeten
.

Gesellschaft des vaterlän d ischen Museums in Böhmen


e rnannt und die Wern eri sch e n atu rfors ch en d e Ge
s ellschaft i a Edinburgh wählte ihn ebenfalls zum
Ehrenmitglied .

So weit der äußere Gang von Goethes Studien ;


lassen Sie uns jetzt d en Inhalt kennen l ernen .

Goeth e hat ein e Reihe von sorgfältigen B e


schreibungen der verschiedensten Mineralien und
Gesteine geliefert zunächst d es Granits und seiner
,

verschiedenen Abarten Die Schilderung der Feld


.

S p atz w i l l i n ge d es Karlsbader Granits wird von Linck

geradezu al s mustergültig b e zeichnet Sein Verdi e nst.

i st auch die Entdeckung eines zweiten g r ü n l i c h


verwi tternden Feldspats in diesem Grani t Ein
gehende Studien widmete er dem Vorkommen d es
Zin ns d as er besonde rs bei Zi nnw al d e und Alten
,

burg untersuch te E r schilde rt genau d as granit


.
Min e ralogi e G e ol ogi e
‚ , M e t e orologi e .
269

ähnlich e Gestein G rei ssen i n dem d as Zinn ent




,

halten i st und untersu cht di e Üb ergänge vo m Granit


,

zu den zinnhaltigen Gestein en D ie ve rschiedenen .

P orp hy rarten werden genau untersucht un d die


K o n g l om eratstei n e un d B recc i en damit wen n auch ,

irrtümlicherweise verglichen Auch das Vorkomm en


,
.

der böhmischen Granaten ist von Goethe studie rt


w e rd en .

Der Granit war für ihn ebenso wi e für seine


Zeitgenossen das eigentlich e Urgestein die Unter ,

lage al ler geologischen Bil d ung Ihm hat er j en en .

herrlichen hy m n u sarti gen poetischen Aufsatz ( 1 7 84)


gewidmet dem das Zitat am Anfang dieses Ve rtrags
,

entnommen i st und dessen Lekt üre kei ner versäum en


sollte Im G ran i t si eht er di e tiefste Schale unsrer
.

Erdrin de un d vom Granit aus untersucht er die


,

ersten Differenzierungen d er Gesteinsarten Im Harz .

wi e bei Mari enbad un d in den übrigen Gebirgen


findet er i m Granit das eigentliche Knochengerüst
der Gebirgsbildung Er ist für ihn das letz te An .

sch au l i c h e zu dem die Forschung vordringen kann


, .

d as geologische Urphänomen Mein G eist hat




.

kein e Flügel um si ch in di e U ran fä n ge empor


,

z us c h w i n g en I ch stehe auf dem Granit fest und


.

frage ihn ob er uns einigen Anlaß geb en w e ile zu


, ,

denken wi e d i e Masse woraus er ents tan d en b e


, , ,

schaff en gewesen Nach Go ethes Vorstellung hat


.

si ch aus dem ursprünglichen feuerflüssigen Zustan d


27 0 Ne un te Vor les u n g .

der Erde zun ächst ein Kern herauskristallisiert über ,

dessen innere Beschaffenheit wir nichts wissen ,

d essen äußere Schale aber der Granit ist Schon .

bei der ersten Kristallisation un d nicht erst b e i der


S päteren Abkühlung sind i n diesem di e noch heute
vorhan d enen Risse und Spalten aufgetreten Über .

d iesem Kern b efan d sich eine Hüll e von Wasser


als großer Ozean aus dem si ch nun zunächst Gneis
,

und Glimmer schiefer) ni edergeschlagen und d en


-

Granit b edeckt haben Daran schloß sich ein e Ab


.

lagerung von Tonschiefer und den übrigen Ge


s tei n sarten
, die Goethe als Ü b ergangsgeb i rge be
z eichnet
. Aus den Wassern fand dann ein e weitere
Sedimentierung statt d eren Ergebnis die Fl ö tz gebi rge
,

sind (San dstein Kalk Gips K e hle


, , , Zu d iesen
gesellt sich al s jüngste Formation das unter dem
Einfluß der fließenden G ewässer gebildete auf und
angeschwemmte Land .

Um sich die Formbildung bei der ersten K ristall i


sation d es Granits zu veranschaulichen zieht Goethe ,

die n och heute vor sich gehenden Gestaltungen der


großen Schnee un d Gletschermassen heran Die .

B ildung d er G ran i tk l i pp en im Harze wird direkt mit


der Bil dung der Eistürme und Seracs in den
Gletscherabbrüchen verglichen Di e schon bei der
.

ersten B ildung auftretenden Risse und Spalten


sollten eine gewisse Tendenz haben in bestimmten ,

Richtungen (nord südlich ) zu verlaufen Dazwischen


-
.
27 2 N e unt e V orl esun g .

zu den p e rp hy rarti gen B ildungen aufzufin d en bei ,

d en en di e Teile ein er Gesteinsart gl eichsam i n ein e


andere eingeschmolzen erscheinen und schloß hie ran ,

die Konglomerate und B recci en bei denen Ge ,

ste i n s trü m m er i n eine gemeinsame B i n d em as s e ein

gelage rt sind Auch diese l etzteren sol lten nach Goethe


.

simultan entstanden e Gesteine darstellen eine An ,

s icht die heute als widerlegt angesehen werden kann


, .

D ie Phänomene der Ablage rung und S ed i m en


ti eru n g s tu d ierte Goethe an den gleichmäßig ge
lage rten Schichten Thüringens und an d em geol o
gischen Aufbau Böhmens das er al s einen u ralten
,

Binn ensee ansa h Als noch heute fortd au em d es


.

B eispiel solchen Absetzens von Gesteinen betrach tete


er d i e Bildung des S p ru d el stei n s und Sinters au s
den Karlsbader Quellen Für die Beurteilung d es
.

Alters der verschie d enen abgeset z ten S chi chten und


Fl ö tz e benutzte er di e in ihnen ein geschlossenen
Ve rsteinerungen Er ist höchstwahrscheinlich der
.

erste gewesen der die Bedeutung der Versteineru ngen


,

zu diesem Zweck erkannt hat denn schon 1 7 82 ,

schreibt er an Merck : Es wird bald die Zeit „

kommen wo man Versteinerungen nicht m e hr durch


,

e i n an d e rw e rfen , sondern verhäl tnismäßig zu den


Epochen der Welt rangieren wird Er selbst hat .

d ieses K ri terium gelegentlich verwendet und z B . .

einen Schiefer al s S päte Formation angesprochen ,

weil sich Larven von Wasse ri nsekten in ihm fanden .


M i n era1 0 g i e‚ G e o l og i e , M ete orol ogi e .
27 3

Die ursprünglich gebil deten Schichten und Ge


b i rgsform en werden nun fortwähren d umgebildet
und umgestaltet durch di e langsam wirkenden Ein
flüsse d es Wassers un d der Atmosphäre Vor .

allem studie rt Goethe den Einfluß der Verwitteru ng


auf di e einzeln en Mineralie n i m kleinen un d auf
di e Gebirgsform i m großen und sc h reibt di esem
Faktor die allerwichtigste Bede utung zu Er s chi l .

d e rt wi e man di e groteskesten Bildungen au s


,

Granit wi e s i e z B an der Lu i sen b u rg bei Al exan


,
. .

d ersb ad vorkommen auch ohne die Mi twirkung


,

vul kanischer Kräfte begreifen könne wenn man an ,

n immt d aß einzeln e Teile d es u rsp rünglichen Granit


,

massivs verwittert und di e widerstandsfähigeren


B löcke dan n ü b erei n an d ergestü rzt seien Er zeigt .
,

daß unter dem Einfluß der Ausdünstung der Mari en


bader Quellen di e umliegenden Gestein e zu Gebilden
v erw i ü em , welche vulkanischen Mineralien ganz
ähnli ch sehen .

B esonder e s Interess e widmete er dem Auftreten


der Findlinge un d erratischen Blöcke i n den Alpen
und der norddeutschen Tiefeben e Er führt dieses .

auf verschiedene Ursachen zurück D ie Granitblöcke .

des R hon etal es sind sein er Meinung nach in früheren


Zeiten durch Gletscher dahin transportiert w e rd en .

Vi ele Blöcke in Norddeutschland betrachtet er aber


al s Reste einer alten U rg eb i rgsrei h e die der Ver ,

witteru ng entgangen seien un d führt als deren ,

M ag n u s, G oeth e al s t r rsch er
N a u fo .
274 N e unt e Vorlesung .

wi chtigstes Beispiel d en Heiligen d amm an Außer .

d em ab er läßt er eine Reihe dieser Fin d linge auf


Eisschollen und Eisb ergen von Skan dinavien her


übers Meer angeschwemmt sein und schl ießt sich
d amit ein er Hypothese Voigts an besonders al s ,

tatsächlich das Anschwemmen skan d inavischer Ge


s tei n sa rten auf Eisschollen an der Ostseeküste durch

Preen beobachtet wurde Im Anschluß an diese .

B etrachtung en twi ckelt nun Goethe die Vorstellung


einer Eiszeit un d es scheint d aß er tatsächlich der
, ,

erste gewesen ist der eine sol che Epoche ang e


,

nommen h at . Ich hab e eine Vermutung daß eine


„ ,

Epoch e großer Kälte wenigstens üb er ganz Europa


gegangen sei . Damals hab e sich d as Meer noch

bis auf 1 000 Fuß Höhe über den Kontinent erstreckt ,

der Genfer See sei m it dem Ozean i n Zusammenhang


gewesen und die Gletscher seien von den Alpen
,

bis zum Genfer See heruntergegangen Au ch i n .

Wilhelm Meisters Wanderjahren kehrt diese An


s c h au u n g wie d er Überhaupt hat Goethe bei seinen
.

geologischen Studien eine Reihe von Vorstellungen


entwickelt welche erst später zu allgemeiner An
,

erkennung gelangt sind Außer seiner Ansicht über


.

die historische Bedeutung der Versteinerungen und


seiner Annahme einer Eiszeit war es besonders die
Überzeugung d aß d i e bei der Erd und G eb i rg s
,

bildung wirksam e n K räfte dieselb en sei en wie wir ,

s i e jeden Tag nur modifiziert gewahr werden


, ,
.
27 6 N e unte Vor le sun g .

denj enigen welche dem Wasser un d denj enigen


, , ,

wel che den vulkanischen Kräften den Hauptanteil


an der Gestaltung unserer Erde zuschrieben D er .

alte Gegensatz ist heute längst ausgeglichen Man .

hat dem Wasser und dem Feuer beiden ihren ge


b ü h ren d en Anteil an d em geologischen Geschehen
zugewiesen In der damaligen Zeit aber tobte der
.

Streit mit der größten Heftigkeit Goethe hat sich .

im großen und ganzen von den Übertreibungen der


beiden Lehren fern zu halten gewußt Dem ganzen . .

Gange seiner Ausbil dung nach n eigte er mehr zu


den n ep tu n i sti sch en Anschauungen W em ers und
klagte in den Zahm en X enien

„Kau m w e n d et d er e d le W e rn e r d en R ü ck e n ,

Z e rstört man d as P os ei d a on i s ch e R e ich ;


W e nn all e si ch v or Hep hä stos b üc ke n ,

Ich k ann e s nich t s ogl e ich


Ich w e iß nur i n d er Folg e z u s chätz e n ,

S ch o n hab ich manch e s C red o v e rpaßt



.

Mi r si n d s i e all e gl e i ch v e rha ß t
N e u e Gö tte r u n d Götz e n.

Die großartigste Darstellung di eses wissenschaft


lichen Streites aber hat er im 2 Teil des Faust .

gegeben In der klassischen Walpurgisnacht läßt er


.

Thal es al s Neptunist u nd Anaxagoras als Vu l k an i st


über Gebirge und Meere wandern un d stellt ihre
Ansichten in scharfen Gegensatz Auch hier läßt er .

ahnen daß er selbst auf Seite des Thales steht und


,

verspott et die Lehren der ungestümen Vu l kan i sten ,


M i n era1 0 gi e‚ G e ol og i e Mete0 rol ogi e
, .
277

die sich nicht scheuen würden selbst Stein e vom ,

Monde herabfallen zu lassen Trotz dem wird auch .

im Faust eine endgültige Entscheidung über den


Streit nicht gegeben vi elmehr die B ergen tsteh u n g
,

nach v u l k an i sti s cher Ansi cht durch S ei sm os (Erd


beben) anschauli ch vorgefüh rt

Das hab i ch gan z al le i n v e rmitt e lt

,

Man wir d mir s e n d lich ug es te h n :



z

U n d hätt i ch nicht g e schütt e lt u n d g e rü tt el t



,

W i e wär e d i e s e W el t so schön ! “

Demgegenüber aber bleibt Thales auf seinem


n ep tu n i sti sc h en Stan dpunkt den er i n den h errl ichen
,

Versen ausspricht

Al le s ist aus d em Wass e r en ts p ru n g en l l
Al l e s wir d d urch d as Wass e r e rh alt e n !
Oc e an g ö n n u ns D e i n ewig e s Walt e n
,

.

W e nn Du ni cht Wolk e n s e n d et e st ,

N icht r e ich e Bäch e s p e n d et est ,

Hi n u n d h er nicht F l üss e w e n d e t e st ,

D i e S tröm e nicht v oll e n d e t e st ,

Was wär e n G e b irg e was E bn e n u n d W el t !


,

D u h ist s d er d as fri sch e st e L e b e n e rhäl t



,

Goethes eigene Stellung zu der Wirksamkeit u n d


B edeutung vulkanischer Kräfte ist im La ufe seiner
Forschungen eine wechselnde gewesen Er hat sich .

ihrer Bedeutung wohl niemals verschli eßen könn en ,

schreckte ab er vor den Übertreibungen der damali


gen Schul e z urück Er versuchte vi el es was als
.
,

Produkt vulkanischer Erupti onen auftrat im Anschluß ,

an Werner auf unterir d ische E rd b rä n d e z u rü ck z u


führen als deren Träger man b esonders di e großen
,
27 8 N e u nte Vor les un g .

Steinkohl enlager betrachtete Vor allem glaubte er .

sol ch e Vorkommnisse in Böhmen zu fi nden Das


!

Brennen der Gesteine sollte durch die eingelagerten


vegetabilischen Reste erleichtert werden S o fan d .

er z B bei G rü n l aß einen Bran d schiefer d er an


. .
,

d er F l am m e ent z ün d et werden konnte Von d iesem .

Gesichtspunkte aus studierte er den Einfluß des


Brenn ens un d Glühens auf eine ganz beträchtlic h e
Anzahl von Gesteinsarten un d es ist uns n oc h ein
,

Verzeichnis von 38 verschie d en en Mineralien er


halten die er 1 820 in Zw etz en dem Feuer des
,

T ö p ferof en s aussetz en li eß um d i e Wirkung d es


,

Glühens zu ermitteln Solche Versuche hat er noch


.

mehrfach angestellt u n d s i e waren für di e B eu rtei


,

lung d es in der Natur Vorkommenden für ihn von


großer B edeutung So fand er uralte neuent d eckte
.

N aturf eu er un d G l n tsp u ren 1 824 bei P og ra d i n


Böhmen und studierte bei Karlsbad den Einfluß


solcher E rd b rä n d e auf schieferigen Ton und Quarz ,

wodurch sich schließlich E rd schl ack en bil d en S e i .

chen Prozessen schrieb er einen s ehr großen Einfluß


zu verschloß sich aber doch nicht der Erkenntnis
, ,

daß auch vulkanische Kräfte angenommen werden


müßten So hat er selbst 1 808 den Kam m erb ü hl
.

bei Eger dessen vulkanische Gesteinsarten er sam


,

melte und genau beschrieb als einen alten s u b ,

ma rinen Vulkan angesmoc h en und 1 822 den Vor


schlag gemacht zur B efestigung dieser Meinung von
,
280 N eu n te Vorlesu n g .

In einem Punkte war ab er Goethes S tel l u ngs


nahme gegen di e Vu l k an i sten eine durchaus ent
s c hi ed en e u nd k l are Er l ehnte grun d sätzli ch d i e
.

Annahme ab daß unsere E rd ob e1f l ä ch e nach ihrer


,

ersten Gestaltung noch nachträglich durch Heb en


und Senken durch Faltungen d urch Risse und Ver
, ,

w erf u n g en umgestaltet w e rd en sei Di e damaligen .

V u l k an i sten ließen diese Vorgänge für wel che man ,

heute Zeiträume von langer D au er annimmt kata ,

s trop h en ä h n l i c h ganz plötzlich eintreten un d ganze

Gebirge au f einmal sich zu ihrer vollen Höhe er


heben Dagegen hat Goethe immer wi eder aufs
.

energischste Front gemacht Di e Sache mag sein


.

wie s i e will s o muß geschrieben stehen d aß ich


, ,

diese vermaledeite F olterkammer der Weltschöpfung


verfluche Wir haben schon gehört daß Goethe die
.

,

Gebirge in ihren Hauptformen schon bei der ersten


Entstehung d es Grani ts in allen wesentlichen Zügen
ausgebil d et sein ließ und keine S pätere G eb i rgsbil
d ung mehr annahm I n diesem Sinn e spricht Faust
.

„ G eb i rg es m ass e bl e ibt mir e d el



stumm ,

Ich frag e nicht w oh e r u n d nich t warum !


A l s d i e N atur sich i n si ch s e lbst g e grün d e t ,

Da hat s i e re in d en E rd ball abg e r un d e t ,

D er Gipfel si ch d er Sch l ucht e n sich e rfre u t


,

U n d F el s an F el s u n d B e rg an B e rg g e r e ih t ;
D i e H ü g el d ann b e q u e m hl n ab g ebl ld et ,

M it sanfte m Z ug s ie i n d as Tha l gem il d et ,

Da grü t s u n d w ä c hs t s u n d um sich z u e rfre u e n


n
' ’

Be d arf s i e nich t d er t oll e n S tru d el el en .



Mi n e ral og i e
‚ G eol ogi e , M eteor ol ogi e .
28 1

Die Ansicht seiner G egn er aber p ers i fl i ert di e


Erzählung Mephistos wie die Teufel im Innern der
,

Erde eingeschlossen husten un d pusten und durch


die so produzierten Gase di e Erdoberfläche um
gestalten Der Hauptgru nd für Goeth e diese nach
.
,

trä gl i c h en Formänderungen der Erdoberfläch e zu


v erw erten war die in Mitteldeutschland schon i m
,

Anfang seines geologi schen Studiums gemachte Er


fah ru n g daß di e Schichten und Fl ö tz e mit größter
,

Regelmäßigkeit angeordnet sind W as er hier vor .

Augen sah übertrug er auch auf andere Gebiete


,
.

An Stellen wo die geol ogischen Schichten nicht


,

horizontal sondern mehr ode r weniger gen eigt ge


,

stellt sind glaubte er sogar hypoth etisch ann ehmen


,

zu dürfen daß auch solche Ablagerungen u rs p rü ng


,

li ch s eien Ein Hau p tb ew ei sstü ck für Hö hen v er


.

änderung der Erde i n histori schen Zeiten war der


S erap i stem p el in Pozzuoli d e ssen no ch aufrechte ,

Säulen in der Mitte des S chaft es von B oh rrn u sch el n


angefressen sind j etzt aber wieder in freier Luft
,

stehen v Hoff s ah hieri n i n Übereinsti mmung mit


. .
,

der heute allgemein angenommen en Meinung den ,

Beweis daß d as Meer i m Mittelalter diesen Küsten


,

stri ch üb erflutet und dieser sich später wieder ge


hoben habe Goethe ab er setzt an der Han d von
.

Z eichnungen auseinan der daß bei der Verschüttu ng ,

des Tempels sich höchstwahrscheinl ich in der Mitte


eine Vertiefung und ein See gebildet habe in d em ,
282 N e unt e V orl esung .

di e Bohrmuscheln leben konnten ohn e d aß man ,

sol che nachträgliche Hebungen ann ehmen müsse .

Ebenso wie die Vulkane s o ließ Goethe auch


,

d i e heißen Quellen rein lokalen Ursprungs sein


und leitete s i e von dem Oberflächenwasser ab das ,

in d i e Tiefe d rin gt Er war überz eugt daß die ,

Karlsbader Therm en aufhören wür d en zu sprudeln ,

w enn man d i e Tepe ! aus ihrem B ette abl eiten würd e .

Das Oberflächenwasser in die Tiefe dringend sollte


, ,

seiner Ansicht nach das feste Gestein durch die


Ben etzung wi e eine galvanische Säule in Tätigkeit
und Hitze b ringen und s o die Entstehung der
Thermen veranlassen Diese Meinung behielt er
.

auch S päter n och bei gegenüber der allgemein an


,

genommenen Ansicht daß die Quellen aus dem


, „

sieden d en Abgrund unserer Erdkruste hervordringen “

Auch praktisch hat sich Goethe einmal mit Baln eo


l ogie beschäftigt und 1 8 1 2 ein eingehendes Gut
achten darüber verfaßt ob die S chw efel qn el l en
,

bei Berka durch die Anlage ein es Ba d eortes nutz


bar gemacht werden sollten Diese durch ihre .

Gründlichkeit mustergültige Schrift die auf einer ,

Analyse D ö b erei n ers fußt enthält genaue Angaben


,

über die voraussichtliche Ergiebigkeit der Quellen ,

über Anlagen zu r Erwärmung d es Wassers zu ,

Dampf und Schlammbädern über den Versand des


,

Wassers und über die pra ktische Einrichtung d es


Badeortes .
284 N e unte Vorlesun g .

zu Hilfe zu n ehmen stets anerkann t Charakteristisch


,

aber für seine F ors c hu n gsw ei se ist daß er auch hier,

i mmer das Tatsächliche und das Hypothetische sorg


fältig auseinander hält di e Tatsachen möglichst genau
,

sammelt sichtet und registriert in den Hypothesen


, ,

sich selbst aber ein e Meinungsänderung vorbeh äl t


An di e Besprechung der min eralogischen Arbeiten
schließen wir die von Goethes meteorol ogischen
Untersuchungen an Ebenso wie er die Phänomene
.

auf und unter der Erde zu ergründen su chte s o ,

entgingen die zahlreichen Erscheinungen i n dem


Luftmeer seiner Beobachtung nicht Dazu wurde .

er s chon durch Erfahrungen am eigen en Körper


veranlaßt d enn es ist bekannt daß er gegen Witte
, ,

ru n gs u m sc h l ä ge sehr empfindlich war und unt e r


dem trüben Klima Weimars litt Es ist dies einer
der Gründe für seine dauernde Sehnsucht nach
den südlichen Lüft en Italiens So wurde er schon
.

früh zu Beobachtungen über die Witterung ver


a n l aßt und lernte regelmäßig auf die Änderungen

d es B arometerstandes achten Bereits auf der ersten


.

S c hw eiz erre i s e und auf der italienischen Reise


machte e r Notizen über Wind und Wolkenformen .

E s blieben aber alle diese Beobachtungen nur ver


ei n zel t, weil es i h m zunächst nicht möglich war ,

in die schier unendliche Fülle der wechselnden Er


s c h e i nun g en wie s i e besonders d i e Wolk e nbildung
,

zeigte irgend welche Regelmäßigkeit zu bringen


,
.
Mi n era1 0 g i e‚ G e ol ogi e , M et e or ol og i e .
285

Da wurde die Terminologi e der Wolkenform welche ,

Luke Howard 1 803 veröffentlichte und di e 1 81 5 zu


Goethes K enntnis kam für ihn der Ausgangspunkt
,

zu n euen Untersuchungen Er ergriff diese Ein .

teilung mit Freuden weil s i e ihm einen Faden


„ ,

darrei chte den er bisher vermißt hatte Jetzt konnte


,

.

er sein e B eobachtungen über Wolkenfo rm un d Be


w ö l k u n g in ein festes Schema bringen und so
wissenschaftlicher Bearbeitung zugänglich machen .

Er gewöhnt sich die Bezüge der atm osphärischen


, „

und irdischen Erscheinungen mit Barometer un d


Th e rmometer in Einklang zu setzen Die Howard “
.

s chen W ol k en b ez ei ch n u n gen Stratus Cumulus Ci rrus , ,

und Nimbus von Goethe noch durch die der Wolken


,

wan d Paries vermehrt werden auch heute noch ,

in der Meteorologi e verwendet Goethe schreibt .

s chon 1 8 1 7 einen Aufsatz W ol k en gesta l tu n gen nach


Howard und macht b ei s einen Reisen i n di e b ö h


mischen Bäder 1 820— 23 genaue tagebuchartige Auf


zei chnungen über Wolken un d Wetter Durch di e .

einfache How ard s ch e Nomenklatu r w ar ihm plötz


lich die Möglichkeit geworden si ch in den Wi rr ,

sal en der atmosphärischen Erscheinungen z urecht


zu finden daher au ch sein e große Verehrung für
,

den englischen Forscher


„ Di ch im Un e n d l i ch e n z u fi n d e n ,

M n ßt unt e rsch e i d e n u n d d ann v e rbin d e n ;


Dru m d an k et m e i n b eflüg e lt Li e d
D em Mann e d er Wol k e n unt ers chi e d
, .

286 N e unte V orle sun g .

Zu Howards Ehre und zur Erläuterung seiner


Lehre schreibt er d as schön e Gedicht Howards „

Ehrenge d ächtn is un d läßt sich von ihm eine Auto


biographie schicken d er Howard 1 822 sein Werk


,

„Das Klima von Lon d on folgen ließ “


.

Schon 1 822 sind Goethes Beobachtungen und


Überlegungen so weit gediehen d aß er einen Auf ,

satz Über die Ursachen der B arom eters chw an


kungen schreibt und 1 82 5 den Versuch einer



W i tt eru ng sl eh re verfaßt Er geht dabei von der



.

Tatsache au s daß das Barometer an verschiedenen


,

O rten i m Laufe eines Monats völlig gleichartige


Schwankungen ausfüh rt Vom Meer bis zur Höhe .

von 2000 Fuß von Boston bis Karlsruhe von


, ,

London bis Wien hatten 2 B i m Dezember 1 82 2 . .


,

wie eine graphische Aufz eichnung des Jenenser


m eteorologischen Beobachters Schrön zeigte die ,

K u rven der B a re m eterschw an k u ngen völlig parallelen


Verlauf Daraus folgerte Goethe daß d i e Ursache
.
,

der B are m etersc hw an k u n gen nicht in irgend welchen


lokalen Veränderungen gesucht werden dürfte und ,

er macht weiter energisch Front gegen die damals


verbreitete Lehre daß der Mon d o d er d i e Planeten
,

d i e B are m etersc hw an k u n gen nach A rt einer Ebbe


und Flut d er Atmosphäre verursachen könnten So .

kam er dazu die periodischen Änderu ngen des Luft


,

d rucks wi e s i e d as Barometer anzeigt auf eine


, ,

perio d ische Veränderung der S chwerkraft zurück


288 N e un te Vorle s un g .

bildung aufmerksam erörtert den Zusammenhang


,

der Windri chtungen mit dem Barometerstand und


findet d aß z wischen den Schwankungen d es Thermo
,

meters und des Barometers keine d i r e k t e Ab


h ä n gi gk ei t bestehen könn e Er sammelt zahlreiche
.

Einzelbeobachtungen über selten ere atm 0 3p ä ri sch e


Erscheinungen Nordlicht Nebensonnen u sw un d
, , .

sieht die Atmosphäre als in mehrere aufeinander


folgende Schi chten gegliedert an in denen gleich ,

zeitig verschiedene Wi tteru n gsp hä n om en e eintreten


können .

So gewinnt Goethe ein e genaue Kenntn is der


Vorgänge die sich im Luftmeer abspi el en und sucht
, ‚ ,

wenn auch ohn e großen tatsächl ichen Erfolg i n die ,

Gesetzmäßigkeit dieser Phänomene einzudringen .

Sehr viel größere Bedeutung als seine theoretischen


Stu dien zur Meteorologi e besitzen seine praktischen
Anregungen Ihm i st vor al l em die Grün d ung zahl
.

reicher meteorologischer Stationen zunächst im ,

Herzogtu m Weimar dann auch im weiteren Deu tsch


,

land zuzuschreiben Er selbst arbeitet mit Hilfe der


.

J enenser Meteorologen 1 8 1 7 eine ganz genaue In


s tru kti on für die B e obachter auf den verschieden en

Stationen au s welche durch Zweckmäßigkeit und


,

Übersichtlichkeit noch heute Bewunderung verdient ,

und sorgt dafür daß das Materi al wissenschaftlich


,

verarbeitet wird Er d ringt darauf daß d as N etz der


.
,

met e orologischen Stationen b i s auf die höchsten


Mi n era1 0 g i e‚ G e ol ogi e ,
M et e orologi e .
289

B erge ausgedehnt wird verschafft sich B eobachtungen


,

vom großen St B ernhardt regt an daß auch auf der


.
, ,

Höhe d es Meeres sol che Untersuchungen angestellt


werden Di e Gründung der m eteorologischen Station
.

auf der Schneekopp e ist ebenfalls auf sein e Anregung


zu rückzuführen So l egte er den Grund für d as dichte
.

N etz von B eob achtu ngsstati e n en die heute all e zivi ,

l i s i erten Lä nder überziehen und wen n u n s heute der


,

Telegraph von diesen Stationen relativ zuverlässige


Wetterprognosen übermittelt und wenn wir h eute
über di e Ursache der Winde über di e G esetze der ,

B are m eters chw an k u n gen besser unterrichtet sind al s


vor h un d ert j ahren so haben dazu nicht zum kleinsten
,

Teil die prakti schen Anregungen beigetragen die ,

Goethe zur B eförderung m eteorologischer Unter


suchungen gegeben h at

Mag n u s, G oethe al s Na turforsch er .


Z ehn te Vorl esung .

G oet h e al s Natu rfo rsch e r .

Meine Herren ! Wi r haben in den vorh ergehen


d en Vorlesungen den Inhalt un d die Bedeutung von
Goethes wissenschaftlichen Stu d ien auf den ver
s c hi e d en sten Gebieten kennen gelernt und es erü brigt
,

n och zum Schluß zusammenfassen d zu erörtern ,

wel ches seine naturwissenschaftliche Arbeitsweise


i m allgemeinen gewesen ist wie er über die Mög
,

li chkeit naturwissenschaftlicher Erkenntnis gedacht


hat welche Be d eutung seine Forschungen für die
,

Beurteilung seiner Persönlichkeit besitzen un d wi e


Di chter un d Naturforscher sich bei ihm stän d ig
durch d ringen Die Lösung dieser Aufgabe wird da
.

d urc h erleichtert daß wir außerordentlich zahlreiche


,

Zeugnisse in Goethes Werken besitzen aus denen ,

hervorgeht wie er selbst über d iese Fragen gedacht


,

hat Wir sind ja kaum über das Leben und Denken


.

eines andern Mensc h en so eingehend unterrichtet ,

weil wohl niemand alles was er dachte und was


,

i h n beschäftigte so klar formuliert und aufgezeichnet


,

hat wie er .
2 92 Z ehnte Vorl esun g .

nur die s chönste einzeln vorzeigen wollte verlan ,

g e n d wir
, sollten ihm glauben die übrigen seien ,

all e so schwerlich würde sich j eman d auf den


,

Handel einlassen Auch hier also muß aus den B e


.

o b ac htu n gen d i e kontinuierliche Reihe gebildet wer

den . Ein Versuc h erhält doch nur seinen Wert


durch V ereinigung und Verbindung mit andern Bei .


d i eser Ordnung der Versuche kommt aber natürlich


ei n willkürliches Element i n d i e Wissenschaft hinein .

D ie Verknüpfung d er Phänomen e i n der richtigen


Weise vorzun ehmen ist ein e schwierige Aufgabe
,

d es Natu rforschers Besonders ist aber davor zu


.

warnen eine zu klein e Anzahl von B eobachtungen


,

den wissenschaftlichen Schlüssen zugrunde zu legen .

Es entstehen d an n Theorien di e zu eng begrenzt ,

sind u n d nach einiger Zeit ein ernstes Hindernis für


den Fo rtschritt wer d en Man muß also stets bei der.

Untersuchung eines Phänomens all e N achb arers ch ei


n ungen mit erforschen und je d en Versuch ins End
lose v erm an n i gfal tig en wie das Goethe selbst in ,

der Farbenle h re getan hat Die so gewonnen e Er .

fahru n g i s t d ann höherer Art und d i e Sätze die ,

sich d araus ergeben lassen si ch zu höherer Er ,

kenntnis verkn üpfen Goethe geht also stets von


.

möglichst v erm a n n igf al ti gten Versuchen zur Erfah


rung über Dagegen i st sein er Meinung nach nichts
.

gefährlicher al s den umgekehrten Weg einzuschlagen


,

und irgend einen vorher aufgestellten wissenschaft


Go eth e al s N aturfors ch e r .
29 3

li chen Satz unmittelbar durch Versuche beweisen z u


wollen Dadurch daß ei n Versuch mit einer vor
.
,

gefaßten Hypothese stimmt wir d kein eswegs be


,

wiesen daß dieselb e auch ri chtig sei


, .

Man muß also zuerst di e Konsequenz un d Kon


stanz d er Phän omen e in möglichst vielen Fäll en
beobachten dann kann man d iese Ergebnisse vor
,

l äufig zu einem empirischen Gesetz zusammenfassen .

Dieses muß d ann aber in d er E rfahrung an einer


ganzen Reihe von andern Versuchen geprüft even ,

tuell beri chtigt un d erweitert werden Nur s o ist .

d i e größtmögliche Annäherung d e s menschlichen


G eistes an die Gegenstände zu erreichen Kei n .

Phänomen erklärt sich an un d aus sich selbst ; nur


viel e zusammen überschaut methodisch geordnet
, ,

geben zuletz t etwas was für Theorie gelten könnte


, .

Die s chwierigste Frage aber ist d i e welches ,

Phänomen an den Anfang der kontinuierlichen Reihe


gestellt werden soll Goet h e b ezeic h net d iej enigen
.

einfachsten Fälle welche eine Erscheinung i n mög


,

l i c hst klarer Weise z eigen und von denen si ch all e


übrigen Phänomen e ableiten lassen als U rp h ä n o ,

m e n Wer nicht gewahr wer d en kann daß ein


.
„ ,

Fall oft Tausende wert ist u n d si e alle in sich


,

schließt wer das nicht zu fassen und zu ein en


,

imstande ist was wir U r p h ä n o m e n genannt haben


, ,

d er wird weder sich noch an d ern j emals etwas z u r


Freude und zum Nutz en fördern können Für di e .

294 l eh nte Vorl esun g .

Farbenl ehre war ihm ein solches Urphänomen die


F arb en ersc h ei n u n g der trüben Mittel und der physi ,

k al i s c h e Teil seiner Optik stel lt den konsequenten


Versu ch d ar all e Farb en von diesem einen Ur
,

phänomen ab z uleiten Nichts in der E r s c h e i n u n g


.

liegt über d en Urphänomenen sie dagegen sind , „

völlig geeignet daß man stufenweise


, von ihnen
herab bis z u m gemeinsten Falle der täglichen Er
f ah ru n g niedersteigen kann Für Goethe ist d i e
!
.

Aufgab e der Naturforschung mit der Auffin d ung der


Urp h änomene i m wesentlichen erschöpft Er mac h t .

n icht d en Versuch d i ese selbst wi eder erkl ären zu


,

wol len D en Grund hierfür gibt er selber an Man


. .

s ol l nicht h 1 n ter ihnen u n d über ihnen n och etwas


Weiteres aufsuchen da wir do ch hier die G r e n z e
,

d e s S c h a u e n s eingestehen sollten Es sind also “


.

die Urp h änomen e d as letzte unmittelbar A n s c h a u


l i c h e zu de m wir gelangen können und die Natur
, ,

forschung soll sich streng in den Gren z en des An


s c h au l i c h e n h alten
. Wir sehen hier wieder wie sehr ,

Goet h e ein Mann d es Auges gewesen ist und wie


für ihn Anschaulichkeit die erste Voraussetzung je d er
Naturkenntnis war Er sucht d i e P h änomen e bis
.

zu ihren Quellen zu ve rfolgen b i s dorthin wo sie , ,

bl oß e r s c h e i n e n u n d s i n d und wo sich nichts ,

weiter an ihnen erklären läßt Man suche nur nichts



.

hinter den Phänomenen s i e selbst sind die Lehre


, .

Goethe sieht also die Aufgabe der Natu rforschung


296 l eh nte V orle sun g .

gegen zieht jeder für sich daraus be w eisen l äßt ,

sich nichts d a d urch besonders keine Ib i l i täten und


,

K ei ten Alles w as Meinungen über die Dinge sind


.
, ,

gehört d em l n d ivi d uum an und wir wissen nur zu


,

sehr daß die Überzeugung nicht von der Einsicht


, ,

sondern von d em Willen abhängt d aß n iemand ,

e twas begreift als was ihm gemäß i st un d was


,

er deswegen zugeben mag Im Wissen wie i m .

Handeln entscheidet das Voru rteil alles es ist ,

ein freudiger Trieb unseres lebendigen Wesens nach


dem Wahren wie nach dem Falschen nach allem , ,

was wir mit u n s im Einklang fühlen Hier wird .


scharf zwischen der eigentlichen Beobachtung die ,

u n s Sicherheit gibt und allen daraus gezogenen


,

theoretischen Folgerungen welche immer nur su b


,

j ekti v e Bedeutung besitzen unterschieden denn , ,

„ bei m Übergang von der Erfahrung zum Urteil ge


rät der Forscher in di e größte Gefahr d es Irrtums .

A u s diesem Grunde ist die naturwissenschaftliche


Weltanschauung j edes einzelnen Forschers etwas ,

worüber sich gar nicht streiten läßt da s i e v on ,

dessen Persönlic h keit abhängt Was bl eibt dem „

N atu rf o rs c hen d en
, ja einem j eden B etrachtenden
endlich übrig al s die Erscheinungen d er Außenwelt
,

m i t s i c h in Ha rmoni e zu setzen Und werden wir .

nicht al l e jeden Tag überzeugt daß dasjenige w as , ,

dem einen Menschen gemäß und angenehm i st dem ,

andern widerwärtig und unlustig erscheine Dieses .



G oeth e al s N at urf ors ch e r .
2 97

subjektive Moment muß aber j eder einzeln e nach


Möglichkeit auszuschalten suchen indem er bei der ,

Natu rfors chung völlig i m Rah men d es A n s c h a u


l i c h e n bleibt .

Goethe steht also der Natu r durcha us al s ein


Fragender gegenüber S e ine Anfragen an di e Natur
.

sin d die Versuche Der Versuch wird al s Vermittler


.

zwischen Obj ekt und Subj ekt zwischen N aturforscher ,

und Außenwelt b etrachtet Di ese Vo rstellungsart .



,

s chreibt er in den Annalen wurde nun auf di e , „

ganze Physik angewendet ; d a s S u b j e k t i n g e


n a u e r E rwä gu n g s e i n e r a uffa s s e n d e n u n d
e r k e n n e n d e n O r g a n e das Objekt al s ein a l i e n
,

f a l l s erkennbares gege nüber di e E rs cheinung durch ,

Versuche wiederholt und v erm an n i gfal ti gt in der


Mitte wodurch eine ganz eigen e A rt von Forschung
,

bereit e t wurd e .

Wenn Goethe s o alles Theoretisi e ren ve rwirft ,

s o i st di e B eantwo rtung der Frage woran wir denn ,

eigentlich ein U rphänomen als sol ches erkennen


sollen ein e schwierige Für ihn ist es di e Aufgab e
, .

d es Genies welches auf den ersten Blick wahr


,

nimmt daß hier die Wurze l der Erscheinungen vor


,

lieg t All e s kommt i n der Wissenschaft auf d as


an was man ein Aper cu n ennt auf ein G e w a h r


, ,

w e r d e n dessen was eigentl ich den Erscheinungen


,

zum Grun de liegt un d ein sol ches G ew ah rw erd en


,

ist ins Unen d liche fruchtbar Wer ni cht an der .



298 Z e hn te V orles ung .

richtigen Stelle zu erstaun en imstan d e ist d em fehlt ,

d as Zeug zum Naturforscher Alles was wir Er


.
„ ,

finden Entdecken im höheren Sinne nenn en ist die


, ,

b edeuten d e Ausübung Betätigung ein es originellen


,

W ah rh ei tsgef ü hl es d as i m Still en längst ausgebil d et


, , ,

u n v e r s e h e n s m i t B l i t z e s s c h n e l l e zu ei n er fru cht
baren Erkenntn is führt Es ist ein e aus dem Innern
.

am Äu ßem s i c h e n t w i c k e l n d e O ff e n b a r u n g die ,

den Menschen sein e Gottähnlichkeit vorahnen läßt .


Ist das Urph änomen gefunden so lassen sich alle ,

andern Ph ä n omen e von ihm aus zur kontinuierlichen


Reihe o r d n e n Man sol l sich aber hüten di e Er
.
,

s c h ei n u n gen nach Kausalitätsgesetzen verknüpfen zu

wollen d enn d as ist sch on w il l k ü rl i ch es Th eoreti si eren


, .

Immer und immer wieder wird vor dem voreiligen


Aufstell en von Theorien gewarnt Theori en sind
.

gewöhnl ich Übereilungen eines unge d ul d ige n Ver


standes der an die Stelle d es Phänomens B ilder
, ,

Begriffe ja oft nu r Wo rte einschiebt


, Das bl oße .

Anblicken ein er Sache kann uns nicht förde rn Jedes .

Ansehen geht über in ein Betrac h ten jedes B etrachten ,

i n ei n Sinnen j edes Sinnen in ein Verknüpfen und


, ,

s o kann man sagen daß wir schon bei j edem auf


,

m erks am en Blick in die Welt th eoreti s l eren Dieses .

aber mit Bewußtsein mit Selbstkenntnis mit Frei


, ,

h eit und um u n s eines gewagten Wortes zu bedienen


, ,

mit I r o n i e zu tun und vorzunehmen eine solche ,

Gewan d theit i st nötig wenn die Abstrakt ion vor der


, ,
300 Z eh nte Vorles un g .

bilden die Wi ß b e g i e r i g e n di e nur das wissen,

s c haft l i c h verarbeiten was s i e vorfinden ; zu der


,

d ritt en Stufe den A n s c h a u e n d e n rechn et sich


, ,

Goethe selbst : s i e suchen die Imagination nach


Möglichkeit zu vermeiden und führen alles auf An
s ch au l i c h k ei t zurück ; die vierte Grupp e die U m ,

f a s s e n d e n schlagen d en umgekehrten Weg ein


, ,

sie gehen von I d een aus und suchen deren Ver


w i rk l i c h u n g in d er Natur Hier geht der Verstand
.
,

nach Kants Darlegung von der Anschauung eines


, „

Ganzen als eines solchen zum Besonderen das , ,

ist von dem Ganzen zu den Teilen Auch diesen


, .

l etzteren Weg sucht Goethe vielfach zu beschreiten ,

wenn er vom Typischen (z B i n Botanik u n d ver . .

gleichender Anatomie) z u m Einzelfalle vor d ringt und


sich s o d urch das Anschauen einer immer schaffen

den Natur zur geistigen Teilnahme an ihren Pro


d u k ti on en würdig macht .

Bei der umfassenden Betrachtung aller Gebiete


d er N aturwissenschaft wie si e Goethe währen d
,

seines l angen arbeitsreichen Lebens vorgenommen


hat war es natürlich daß er schließlich zu einigen
, ,

wenigen ganz durchgreifenden Verallgemeinerungen


gelangen mußte auf die sich alle Naturvorgänge
,

zurückführen lassen Wohl alle großen N atu rforscher


.

stel len derartige allgemeinste Prinzipien auf Für .

Goethe waren die zwei großen Triebräder der Natur


der B egriff von P o l a r i t ä t und von S t e i g e r u n g .
Go et h e a l s N aturfors ch e r .
30 1

Wenn wir uns kurz klar machen woll en was er ,

darunter verstanden hat s o gehen wir von dem


,

zweiten Begriff dem Prin z ip der Steigerung aus


, , .

Goethe ordn ete wie wir wissen all e N atu rp h ä n o


, ,

men e die ihm bei sein er Forschung entgegentraten


, ,

in eine kontinuierliche Reihe di e vom einfachsten


,

bis zum kompl iziertesten aufstieg un d deren einzelne


G lieder durch fließen de Übergänge verbunden waren .

So ve rfuhr er i n der Botanik un d vergleichenden


Anatomie so auch in der Farbenlehre Auf diese
, .

Weise ergab sich für i hn ein Bil d des N atu rgan z en ,

das sich i n aufsteigender Lini e en twi ckelte wobei ,

wir uns erinn ern müssen daß dies e Entwicklung


ni cht i m Darwinschen Sinn e zu n ehmen ist son dern ,

vielmehr so verstanden werden muß daß sich die ,

N atur als eine solche kontinuierlich aufsteigen de


Reihe d a r s t e l l e n läßt Di ese Reihe ist für Goeth e
.

der Aus d ruck der Steige rung Aus den einfachsten


.

Phänomen en werden durch Steigerung d i e k om p l i


z i erteren und zusammengesetzten abgeleitet Sie .

knüpft an d i e Urphänomene an und führt so schließ


l ich z u den verwickelten Erscheinungen der täg
li chen Erfahrung .

Das Prinzip der Steigerung hat Goethe schon


relativ früh bei seinen botanischen un d verglei chen d
an atomischen Studien im Ausgang der ach z i gerj ah re
gewonnen Sp äter erst hat sich dazu der Begriff
.

der Polarität gesellt den er durch di e B eschäftigung


,
30 2 Z e hnt e V orl e sung .

mit der Physik gewann un d im Anschluß an diese


Stu d ien in allgemeinster Weise angewen d et hat .

D er Begri ff der Polarität knüpft sich an die


Lehre vom Magnetismus an In ein und demselben .

Eisenstück finden sich vereinigt und d och getrennt


di e bei d en Pol e als Gegensatz die sich an z uziehen ,

streben Di eses Phänomen dient nun Goethe zur


.

Veranschaulichung eines allgemeinen Naturprinzips


„Der Magn et ist ein Urphänomen das man nur ,

au ssmec h en d arf um es erklärt zu haben : dadurch


,

wird es denn auch ein Symbol für al l es übrige ,

wofür wir kein e Worte noch Namen zu suchen


b rau ch en Zunächst findet sich das glei che in
.

der Elektrizitätslehre Die positive und n egative


.

Elektrizität ihr An z iehen und Abstoßen zusammen


, „

deutet auf eine Scheidung auf ein Entzweien das , ,

wie beim Magnet sein Entgegengesetztes sein e ,

Totalität sein Ganzes wieder such t In der Chemi e


,

findet Goethe die p olaren Gegensätze i n der Oxy


dation und Desoxydation in der Optik ist es der ,

Gegensatz von Li cht und Finsternis deren Ver ,

einigung die Farben erzeugt Bei letzteren findet .

er die Polarität in dem Gegensatz von Gelb und


Blau dem trüben Medium v or hellem und vor
,

dunklem Grund ; aus bei d en leitet er wi e wir wissen


durch Steigerung Rot und Violett ab u n d durch ,

Verknüpfung entstehen Grün und Purpur So er .

gibt sich durch Vereinigung der polaren Gegensätze


304 Zehn te V orle sung .

„M ag e ts G e h e imnis e rklä re m i r d as !
n ,

K e in g ößres G e h eimnis al s L i e b e u n d H aß
r

Das sin d di e beiden letz ten Verallgemeinerungen ,

zu den en Goethe bei seiner Naturbetrachtung ge


langt ist einfachste Sätze di e er auf allen Natur
, ,
'

gebieten b estätigt fand Ab er auch hier handelt es


.

si ch bei ihm n icht um Abstraktes Dadurch daß .


,

er den B egriff der Polarität vom Magnet als einem


Urphänomen abl eitet gewinnt er auch für d iese all
,

gemeinen Gesichtspunkte eine A n s c h a u l i c h k e i t .

Das durchgehende Streben Goethes alle Natur ,

forschun g ganz rein auf Anschaulichkeit zu grün


den bestimmt auch sein Verhältnis zu zwei Nach
,

b argeb i eten der Naturwissenschaft zur Mathematik ,

und zur Philosophie Die mathematische B etrach


.

tu n gsw e i se besonders der Physik welche die Natur ,

vorgänge mit Hilfe einfacher Formeln darst e llen wi ll ,

um zu rechnerischen Ergebnissen zu gelangen sucht ,

sich nach Möglichkeit von j eder Anschaulichkeit zu


entfernen Sie schlägt also gerade den umg e kehrten
.

Weg ein wie Goethe Daher dessen oft scharfe .

Stellungnahme gegen di e mathematische Behand


l u n g der Physi k Er sieht i n der Mathematik nur
.

ein Verfahren u m mit komplizierten Mitteln ein


,

fache Zwecke zu erreichen Dabei verführt si e nach .

s e i n er Meinung zur Unredlichkeit w e il s i e ein e ,

scheinbare Sicherheit d e r Ergebnisse vortäuscht .

I n d e n mathematischen Resultaten st e ckt n ämlich


Go eth e a l s N atu rfors ch e r .
30 5

s c hließlich nicht mehr drin al s s chon in d en ersten


P re p os i ti on en von den en die Rechnung ausging
, . .

D as Resul tat kann also auch nicht mehr lehren al s


di e ursp rünglichen Propositi on en Di e Fehl erquelle .

liegt in die se n l etzteren Die Natu rvorgänge sin d


.

oft s o kompliziert daß sie sich durch eine einfache


,

mathe m atische Formel n icht vollständig d arstellen


lassen un d besonders Newtons Optik ist für G oet h e


,

ein trau riges Beispi el wi e d urch mathematische Be


,

handlung die Naturwissens chaft verwirrt wor d en i st .

Di e Entwicklung der Physik im 1 9 Jahrhundert hat .

Goethe un recht ge geben D er Anwendung mathe .

m ati s c h er Be rechnungen verdanken wir d i e wi ch


tigen Fortschritte der Erkenntnis und der Technik ,

d i e unser ganzes äußeres Leb en umgestal tet haben .

Dag egen gi lt i n vielen Zweig en d er Physiologi e auch


heute noch Goethes Lehre Die Leb ensvorgänge sin d .

tatsächlich meist so verwickelt daß s i e sich vielfach ,

no ch nicht in m athematischen Formeln haben d arstel


l en lassen Hi er ist die Unsi cherheit bei der A u fs tel
.

lung der e rsten Propositionen noch so groß daß auch ,

die Resultate vielfach noch wenig Vertrauen fi nden .

Es i st Goet h e von den zeitgenössischen Phy


s i k em oft zum Vorwurf gemacht w e rd en daß sein e ,

Farb enl ehre der mathematischen Behandlung ent


behre un d es wurde ihm von Freunden nahegel egt
, ,

s i e no ch nachträglich durchführen zu lassen Er .

ab er ärgerte sich nur d aß d i e Mathematiker d ünkel


,

aM g G t h l N t rf r h r
n u s, oe e a s a u 20o sc e .
306 Z eh nt e V orl e sung .

haft all es für nichtig und unexakt erklären was sich ,

nicht dem Kalkül unterwerfen l äßt Für ihn war .

nicht di e Rechnung sondern die Anschaulichkeit


,

höchstes Ziel der Naturforschung und deshalb war ,

es seiner Meinung nach die große Aufgabe die „ ,

mathematisch p hi 1 0 5 0 p h i s ch en Th eorien aus den


-

Teilen der Physik zu verbann en in welchen si e ,

Erkenntnis anstatt s i e zu fö rdern nur verhindern


, , ,

u nd in wel chen d i e mathematische Behandlung durch


d i e Einseitigkeit d er Entwicklung der n eueren wissen
schaftlichen Bil d ung eine s o verkehrte Anwendung
gefunden hat Als getrennt muß sich darstellen :
.

Physik von Mathemati k Jene muß i n einer ent .

schieden en Unabhängigkeit bestehen und mit al l en


li ebenden verehrenden frommen Kräften in di e
, ,

Natur und das heilige Leben derselben einzudringen


suchen ganz unbekümmert was die Mathematik von
, ,

ihrer Seite leistet und tut Diese mu ß sich dagege n .

unabhängig von allem Äußeren erklären ihren eigenen ,

großen G ei stesgan g gehen und sich selber reiner


ausbilden al s es geschehen kann wenn s i e wi e , ,

bisher si ch mit d em Vorhandenen abgibt und diesem


,

e twas abzugewin nen oder anzupassen trachtet Vor .


der r e i n e n Mathematik hatt e Goethe stets die höchste


Achtung und war daher auch ein warmer Ver e hrer
eines der größten Mathematikers seiner Zeit La ,

granges N ur gegen die A n w e n d u n g der Mathe


.

matik auf physikalische Probleme glaubte er an


308 Zehn te Vorle sung .

mit Naivität geglaubt er sehe sein e Meinungen


,

vo r Augen Er war so von der Realität s einer


.

Wahrnehmunge n überzeugt daß ihn erst Sch iller ,

in dem ers ten Gespräch üb er die P fl an z en m eta


morphose au s sein em unkriti schen Schlumm er er
wecken mußte Er hatte Kants Kriti k der reinen
.

Vern unft und Kritik der Urteilskraft schon 1 7 88




u n d 1 7 90 studiert wurde ab er erst durch Schiller


,

nach d rü cklicher auf sie hingewiesen Er machte .

sich nun sorgfältige Aus z üge beschäftigte sich in ,

seinen Ge d anken vielfach mit d iesen Fragen und


e s gingen ihm d abei d i e neuen Probl eme wi e über ,

haupt unsere Erfahrung und Erkenntnis von der


Außenwelt z ustande kommt allerdings auf Er stan d, .

aber als er mit Kants Lehre bekannt wurde schon


, ,

i n den vi erziger Jahren Die Grun d linien seiner


.

D en kweise waren al so bereits u nv errü ck l i ch fest


'

gel egt S e hat er wohl d i e Fragen der Erkenntnis


.

kritik i a seinem Geiste aufgewo rfen und diskutiert ,

s i e aber nicht mehr zur Grundlage seines D enkens

gemacht Die Farbenlehre ist ein Zeugn is dafür


.
,

daß er auch nach dem Studium K ants zwischen


seinen Sinnesempfindungen und den d iese E m pfi n
dung auslösend en Reizen nicht scharf unterschie d ,

sondern fließende Übergänge zwischen b ei d en auf


ste llen wollte Erst durch S ch0 p en hau er i st wie
.
,

w i r wi s se n die Kantische Lehre fü r die Farben


,

lehre nutzbar gemacht w e rd en Wir finden viel .


Go eth e al s N at urfo rs ch e r .
309

fache Erörterungen zur Erkenntnistheori e bei Goethe .


B ei B etrachtung der Natur i m Großen wie im
Klein en habe i ch unausgesetz t die Frage gestellt :
Ist es der G e g e n s t a n d oder bist D u es d er sich ,

hier ausspri cht ! “


Di e E r s c h e i n u n g ist vom

B e o b a c h t e r nicht losgelöst vielmehr i n die In


,

d i vi d u al i tä t desselben verschlungen un d verwi ckel t



Wir könn en eine organische N atur nicht lan ge al s
Einheit betrachten wir könn en u n s selbst ni cht
,

lange als Einheit denken s o finden wir uns zu ,

zwei Ansichten genötigt un d wir betrachten uns


,

einmal als ein Wesen das in die Sin ne fällt ein


, ,

andermal a l s ein anderes das nur durch den in ne


,

ren Sinn erkannt oder durch seine Wirku ng be


merkt werden kann . Die Zoon om i e zerfällt da h er
in zwei nicht lei cht von einander zu trenn en de Teile ,

n ämlich in di e körperliche und in die geistige .

Beide können z war n icht von einander getrennt wer


den aber d er Bearb eiter d ieses Fach es kann von
,

der einen o d er der andern Seite ausgehen und so


ein er o d er der andern das Übergewicht verschaffen .

Dies e Kantischen Probleme sin d ab er für ihn stets


nur Probleme geblieben Bei seinem Streb en nach
.

unmittelbarster Anschaulichkeit setzte er doch immer


wieder seine Sinnesempfindung als unmi ttelbare
Wirklichkeit voraus .

Ebensowenig hat ihn b is i n sein spätestes A l ter


sein pantheistischer Glaub e verlassen Wir könn en .

31 0 Ze h nt e Vorle su ng .

b ei Betrachtung des Weltgebäudes in sein er wei


testen Ausdehnung i a sein er let z ten Teilbarkeit uns, ,

d er Vorstellung ni cht erwehren d aß dem Ganzen ,

eine I d ee zum Grun d e liege wonach Gott in der ,

Natur di e Natur in Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit


, ,

schaffen u n d wirken möge Dieser A l l b eseel u n g .


d er gesamten Natu r entnahm Go ethe die A u ff ord e


rung i n d er Natur nach d en I d een zu suchen die
, ,

all d em Naturgeschehen zugrun d e liegen nach denen ,

d i e Natur bei Ausbildung an organischen un d orga


nischen Wesens zu Werke geht Di e Wirksamkeit .

d ieser Ideen set z t der Natu rforscher Goethe voraus ;


d i e Harmonie d es N atu rgan z en ist ihr Ausdruck .

Was wär e i Gott d er nur vo n au ß e n sti e ß e



'
n , ,

Im Kr e is d as All am Fing e r laufe n l i e ß e


„ .

Ihm i e m t s d i e W e lt i m Inn e rn z u b ew eg e n
„ z

, ,

Natur i n Sich Si ch i n Natur u h eg e n


„ , z ,

So d a ß was i n I hm l e bt u n d w e bt u n d ist
„ , ,

N i e S e in e Kraft n i e S e in e n G e ist v e rmißt




.
,

Auf diese Weise glaubt Goethe durch d i e Natur


forschung i a d as Innerste der Natu r ein z udringen .

Für ihn ist der Spruc h Albrecht von Hallers ein


Greuel des Physiologen der an d er Kompliziert
, ,

heit der Lebenserscheinungen verzweifelnd ausge


rufen hatte
Ins Inn e re d er Natur d ringt k e in e rschaffe n er G e ist
„ ,

Glücks e li g w e m s i e nur d i e äu ß e r e Schal e w e ist


„ ,
.

Diese Resignation wird von Goethe aufs schärfste


zurückgewiesen .
31 2 Z e hnt e Vo rl e sun g .

g re i fl i c begreiflich sei ; er würde sonst n icht for


h e

schen “
Trotzdem hat er ein Unb egreifliches in
d er Natur z ugegeben Die Ideen nach de n en G e tt
.
,

Natur alle D inge gestaltet sind für die N a t u r


,

f o r s c h u n g z u erkennen unmögli ch Wenn man .

aber auch ein solches Unbegreifliches voraussetzt ,

s o soll doch d er Mensch seinem Forschen kein e

Schranken setzen und so weit in der Erkenntnis zu


gelangen streb en als ihm möglich ist In sein em
, .

Aufsatz über Noses mineralogische Arbe iten er “

erf ert er d ies e wi chtigste Frage : in w i efem wir ein„

Unerforschtes für un erforschlich erklären d ü rfen und ,

wieweit es dem Menschen vorwärts zu gehen er


l au b t sei ehe er Ursache habe vor d em U n b egrei f
, ,

li chen zurückzutreten oder davor stille zu stehen .

Unsere Meinung i st : daß es dem Menschen gar -

wo h l ge z i eme ein Unerforschliches anzunehmen


, ,

daß er d agegen aber sein em Forschen kein e Gren


zen z u setz en habe ; d enn wenn auc h di e Natur
gegen d en Menschen im Vorteil steht und ihm
manches z u verheimlichen scheint s o steht e r wie ,

d er gegen sie im Vorteil d aß er wenn auch nicht


, ,

durch s i e d urch doch über s i e hinaus denken kann


, .

Wir sind aber schon weit genug gegen s i e vorge


d run g en wen n wi r zu den Urphänomenen gelangen
, ,

w e l c h e wir i n ihrer unerforschlichen Herrlichkeit


von Angesicht zu Angesicht an sc hau n und u ns
sodann wieder rückwä rts in die Welt der E rsc hei
G oe th e al s N aturfo rsch e r .
31 3

n ungen wen den wo das i n s einer Einfalt Unbe


,

g re i fl i c h e sich in tausen d und abe r tausen d m an n i g

fal ti gen Erscheinung en bei aller Verän derli chkeit


unverändert offenbart Hier w ird Goeth es Sta nd

punkt auf s kl arste ausg esprochen D ie Na tu rf or .

schung kann n ur s o weit dringen als die Möglichkeit ,

der A n s c h a u u n g reicht d h bi s z u den U rp hän o , . .

men en Über diese hinaus geht Go ethes N atu rfo r


.

schung niemals Das zu tu n ist vi el m eh r die Auf gabe


.

der Phil osophie Wie weit dies e zur Erklärung der


.

Urphänomen e un d zur Erkenntnis der d er Natur


zu grun de liegen den Ideen b eitragen könn e b leibt ,

ungewiß Der menschliche Geist muß aber i n d as


.

d un kl e Land soweit es ihm mögli ch is t vo rzu d ri ngen


, ,

suchen un d wenn es glei ch scheint d aß die mensch


„ ,

liche N atur weder di e un endlic h e Mannigfal ti gkeit der


Organisation fassen noch d as Gesetz wonach s i e , ,

wirkt deutlich begreifen kann so i st s doch schön all e


, ,

,

Kr äfte aufzubieten um von beiden Seiten sowohl durch


,

Erfahrung al s durch N achdenken di eses Bil d zu er


weitern Es liegt a l so in Goethes Auffassung vom
.

Be greiflichen un d Unb egreiflich en ein Stü ck Resigna


tion aber zur B eruhigung d ient ihm di e Erkenntn is
, ,

d aß nur d as E d o rs c h l i c h e praktischen Wert h at


D eshalb kann er d as Unerforschliche ruhig vere i nen .

Di e Stel l u n g eines Jüngers der die gro ße Mutter ,

Natur verehrt hat G oethe sein gan z es L eb en l an g


,

beibehalten Für ihn war die Beschä ftigung mit


.
31 4 Ze hnte V orle sun g .

d er Natur ein e Art Gottesdienst D er Verkehr mit .

ihr ist deshalb so gl ückbringend weil s i e keine ,

m enschlichen Schwächen besitzt : Waru mi ch zul etzt „

am Li ebsten mit der Natur verkehre ist weil si e , ,

immer recht hat und der I rrtum bloß auf mein er


S eite sein kann Verhandle i ch hingegen mit Men
.

schen se irren si e dann i ch au ch si e wi eder und so


, , , ,

fort da kommt nichts aufs Reine ; weiß i ch mich aber


,

in die Natur zu schi cken so ist all es gethan , .


„Di e Natur bekümmert sich n icht um irgend einen


Irrtum ; s i e selbst kann ni cht anders als ewig recht
handeln unbekümmert was daraus erfolgen möge
, .

Haben wir bisher Goethes Verhältnis zur Natur


erörtert so bl eibt uns nur noch al s letzte Auf
,

gabe u n s k l ar zu machen welch Aufschlüsse


, ,

über Goethes Persönlichkeit wi r aus der Kennt


n i s seines Natu rfors chens erhalten Man kann die .

Menschen i m allgemeinen in zwei große Gruppen


sondern i n sol che d i e auf Grund von optischen
, ,

Vorstellungen zu denken gewohnt sind und solche , ,

wel che mit Hilfe akustischer Eindrücke und Erinne


ru n gsb i l d er ihre geistige Tätigkeit ausüben Zur .

ersteren Gruppe gehören viel e der Natu rforscher


und Techniker zur l etzteren die G ei stesw i ssen
,

s c haftl er Philosophen und Philologen B ei vielen


, .

Menschen i st eine oder die andere Den kweise an


geboren S i e kann aber au ch durch Erziehung ab
.
31 6 Z e hnt e Vor l es ung ,

un d von Zeit zu Zeit in plastischer Form vor sei n em


geisti gen Auge repro d uzi ere Diese fortwährende
.

Erneuerung d urch d i e Einbil d ungskraft führt dann


schli eßli ch zur endgültigen Gestaltung und so schreibt ,

er oft Dichtungen d i e Jahrzehnte in ihm gereift sin d


, ,

schli eßli ch in wenigen Tagen n ieder Auch di e .

Neigung zu Gel egen h eitsge d i chten hängt mit diesem


gegenstän d lichen D enken zusammen Wie sehr Goethe .

b ei seiner Naturforschung s ei n gegenständli ches


Denken b etätigte brau cht hier nur angedeutet zu
,

werden A l l es Vorhergehende ist di e b este Illustra


.

ti on dafür . l n Farbenl ehre und Physik strebte er


ebenso nach Anschaulichkeit wi e er bei Betrachtung
,

d es S c h ö p sen s c h ä d el s am Lido mit einem B l i c k


den Aufbau des S chädels aus W i rb el k ö rp ern erkannte ,

un d wie er seine Idee des Pflanzenbaues s o tats ä c h


lich vor Augen z u sehen glaubte daß ihm Schillers ,

Einwu rf s i e sei nu r eine Idee als eine Beleidigu ng


, ,

erschien So sehen wir daß das Auge tatsächlich


.
,

Goethes Hauptsinn ist d aß die optischen Ein d rücke


,

d auernd sein Denken bestimmen und i n seinen Vor


s tel l u n gs k re i s eingehen Wenn man so auf Grund
.

sein er Sinneseindrücke Dichter K ünstler und Natu r ,

forscher i s t s o ist all erdings diese Fähigkeit zur


,

Sinnlichkeit notwendige Voraussetzung Dichter .


und K ü nstler müssen geboren sein Goethe selbst .


schil d ert u n s an mehreren Stellen seiner Werke wie ,

es ihm ein Leichtes gewesen i s t Bilder Menschen , ,


G oe th e al s N a tu rfors ch er .
31 7

und Han d lungen sich je d erzeit s o vorzus tellen daß ,

er s i e mit Augen zu seh en gl aubte .

Mit der Fähigkeit d es gegenständli chen D enkens


verknüpft s i ch bei Goethe naturgemäß ein z weit es ,

d i e schöpferi sche Phan tasie Wi r brauchen hier


.

nicht n äher auszuführen daß Goeth e diese G run d


,

lage jeder dichterischen Tätigkeit in höchstem Ma ße


besessen hat Wir wol len nur d as in der Einl eitung
.

G esagte uns i n das G ed ä ch m i s zurückrufen daß ,

auch jeder Naturforscher der zu umfassen d en V e r


,

stellungen gelangen will n ach Helmho ltz Ze u gn is


,

etwas v on der Phantasi e des Dich te rs n ötig habe


!

Diese schöpferisch e Einbil d ungs k raft äuße rt sich in


allen Zweigen von Goethes Natu rfo rs ch ung i n d er ,

P fl an z en m etam o rp h os e in der Kon struktion d es


,

tierischen Typus eb ens ow oh l wi e in der Farben


lehre und den geolo gischen Theo ri en Kein Geri n .

g e r e r als Johann es Müller hat no ch zu Goeth es


Lebzeiten auf diese gemeinsame psychologische
G rundlage von Goethes Di chtung u nd Natu r
forschun g hingewi esen E r schreibt in seinem Auf
.

satz über die phantastischen Gesichtserscheinungen



„ Hier zeigt sich denn wo das P h an tas i el eb en d es


,

Künst lers un d d es vergleichenden Natu rforschers i n


gemeinsamem G ebiet sich berühren und au ch aus
e i n an d ergeh en. In beiden b ewegt sich das plastische
P h an tas i el eb en nur inn erhal b der Sphäre d es Be g riffs .

D er Naturfors cher S pri cht das Gesetz d er Form en


31 8 Z e hnte Vorlesun g .

bil dung und Verwandlung aus er sieht es nur in


,

dem Wirklichen un d Natürlichen verwirklicht Die .

Phantasi e des Künstlers ist au ch nur in diesem


Gesetze tätig aber si e verläßt sein e Verwirklichung
,

im Wirklichen und Natürlichen un d erhebt sich in


, ,

denselben Gesetzen sich bewegend und f orts ch rei


tend ohn e den Begriff zu verlassen über das Wirk
, ,

l iche zur idealen Form die Selbstzweck un d nicht


,

mehr ein Ausdruck innerer Funktionen un d als


solcher immerhin durch diese beschränkt ist Wun .

dern wir uns darum nicht wenn einer un d derselbe


,

das Größte in b ei d en Richtungen errei cht hat Nur .

durch eine nach der erkannten Idee des lebendigen


Wechsels wirkende plastische Imagination entdeckte
G o e t h e die Metamorphose der Pflanzen eben darauf ,

b eruhen seine Fo rtschritte in der vergl eichenden Ana


tomie und sein e höchst geistige ja künstlerische ,

Auffassung dieser Wissenschaft “

Wir haben in der sinnesphysiologischen Ein


leitung zur Farbenlehre auseinandergesetzt daß von ,

der Art un d Funktion der Sinnesorgane das ab


hängt was wir als Milieu eines Lebewesens be
,

zeichnen Wenn Sie n un versuchen sich einmal


.
,

zu vergegenwärtigen i n wel ch umfassender Weise


,

Goethe seine Sinnesorgane und vor allem sein Auge


zum Studium seiner Außenwelt benutzt hat so wi rd ,

Ihnen ohne weiteres klar werden wie unendlich ,

reichhaltig d as Milieu d ieses Mannes gewesen sein


320 Z e hn te V orlesun g .

derungen auf sich wirken l assen wi rd die dem ,

Dicht er in so überwältigender Füll e zur Verfügung


standen .

Üb e r al le n Gipf el n

Is t Ruh ,

I n a l l e n Wi p fe ln
S p ü res t d u
Kaum ei n e n H au ch ;
D ie Vögl e in s chw e ig e n im W al d e .

Hi er wird nur ges childert und dieses einfachste


Naturgemälde gi lt als unmittelbares Symbo l d er ge
heimsten Sti m mung des D i chterh erz en s So ist es .

i n hunderten und aber hunderten von G oethes


Schöpfungen .

„ Die naturwiss enschaftli chen A rbeiten haben mich


genö tigt meinen Geist z u prüfen und zu üben
, .

Wenn auch für die Wissenschaft gar kein Vo rt eil


daraus entspränge so würde der Vorteil den ich
, ,

daraus zi ehe mir immer unschätzbar sei n Den


,
.

Einfluß der Naturwissenschaft auf Goe thes Geist


haben wir kurz an gedeute t Daß ab er auch für di e
Wissenschaft bedeutender Vort ei l durch Goethes
Forschung erwachsen i st d as hoffe ich I hnen i n
,

diesen Vorl esu n gen zur Genüge gez eigt zu h ab en .

Goethe war ein Geist der au s jedem Felsen an


, ,!

den er anschlug l ebendiges Wasser hervo rsprudeln


,

la ssen konnte .

Mein e He rren ! Wir sind am Schluß Indem i ch .

diese Vorträge beende las se n Sie mich noch auf


,
Go e th e als Natu rforsch e r .
32 1

ein en Grun d z ug Goet h eschen Wesens hinweisen ,

d as ist d i e völlige Reinheit sein es naturwissen


schaftli chen Streb ens d as nur von d em Drange
,

nach Erkenntnis geleitet wurde Es i st ei ne alte .


,

aber immer wie d er vergessen e E rfahrung daß d i e ,

wi chtigsten auc h praktisch brauchbarsten Ergebnisse


durc h rein theoretische z unächst nicht auf praktische
Ziele geri c h tete Forsc h ung erreicht werden Man .

wird sich durch die Erfa h rung überz eugen wie es ,

bisher der Fortschritt der Wissenschaft bewiesen


hat d aß der reellste un d au sg eb rei tetste Nutz en für
,

di e Menschen nur d as Resultat großer und un


eigennüt z iger Bemühungen s ei w ei c h e we d er tag ,

l ö h n erm ä ßi g ihren Lohn am Ende d er Woche fordern


dürfen aber auch dagegen ein nützliches Resultat
,

für die Menschheit we d er am En d e eines Jahres no ch


Jahrzehnts noch Jahrhun d erts vorzul egen brauc h en .

Für Goethe war d as höchste Glück bei seiner ,

Naturforschung si ch mit der Natur eins zu wissen ,

in der Natur aufz ugeben un d erst au s dem großen


N atu rg an z en seine Persönlichkeit wi eder heraus
zugewinnen .

„ Und so l ang nicht h ast


d u d as ,

D i es es : S tirb u n d w erd e !
Bist d u nur ei n trü b e r Gas t
Auf d er d un kl e n E r d e .

Lassen Sie uns zum Schluß n och jene gewal


tigen Verse i a d en en d er Dichter das Aufge h en i n
,

M g a G t h l N t rf r h r
nus, oe e a s a u 21o sc e .
3 22 Z e hnt e V orl es u n g .

der Natur pre d igt in d en en er zugleich d as um


,

f ass e n d ste Bil d ein es v orw ä rtsstreb en d en in stetem ,

Wechsel befindlichen N aturgan z en entwirft an h ören , .

Eins und All es .

Im G rä n z enl os e n sich z u fin d e n


Wird g em d er Ein z e ln e v e rschwi n d e n ,

D a löst sich al l er Üb e rd ruß


Statt h e iß e m Wünsch e n wi l d e m Wol l en , ,

Statt l ä st g em Fo r d e rn stre ng e m Soll en



, ,

Sich aufz ug e b e n ist G e nuß .

W e lts ee l e komm uns z u d urch d ring e n !


Dann mit d em W e ltge ist s e lbst z u ring e n ,

Wird u nsr e r Kräfte Hoc h b e ru f .

T e il n e hm e n d führe n gut e G e iste r ,

G e li n d e l e ite n d höchst e M e ist e r


, ,

Z u d em d er al l e s schafft u n d schuf
, .

Un d u m z u sch aff e n d as G esc h a ffn e,


Damit sich s nicht z u m Starr e n waffn e

,

Wirkt e wig e s l e b e n d ig e s Tu n
, .

U n d was nicht war nu n w i l l es w e r d e n


, ,

Z u rei n e n Sonn e n farbig e n Erd e n


, ,

In k e in e m P aue d arf es ruhn .

Es s ol l sich re g e n schaff e n d h an d eln


, ,

E rs t si ch g e stalte n d ann v e rwan d el n ;


,

Nur sch e inbar s teht s M om e n te still’


.

Das Ewig e r e gt sich fort i n a l l e n !


D e nn all e s m u ß in Nichts z e rfal l e n ,

W e nn es i m S e in b e harr e n will .
324 Literatur .

R ec e nsion v on N ees von E s en b ec k u n d N oegg erath ub er


Go e th e Zur Naturwiss enschaft üb e rh au p t b eson d ers
.
,

z u r Mor p hologi e B d I J e naisch e Allg Li tteratur . . .

z e itung 1 823 Bd 2 S 32 1 ff . . . . . .

Al v Humbol d t u n d Aim é Bon p lan d s R e is e 1 Abt


. .

. . .

Bd 1 Einl e itung o d er I d ee n z u e in er G e ogra p hi e d er


. .
,

Pflan z e n n ebst e i n em Naturg e mäl d e d er Tro p e nlän d er


, .

Tübing e n 1 807 (W id m u n g s b i att An .


Ru d olf Virc h ow Go eth e als Naturforsch er u n d in b e .

s o n d ere r B e z i e hung auf Schill e r B erli n 1 864 . .

H e rman v H elmholtz Üb er Go eth es n atu rvv i ss en sc haft


. .

l ich e Arb e it en R e d e n u n d Vorträg e B d I S 1 . . . . . .

Go eth es Vorahnung e n komm e n d er naturwiss enschaft


lich e r I d e e n D e utsch e Run d schau Juli 1 892 . .

J Sachs G e schicht e d er Botani k vom 1 6 J ahrh bis


. . . .

1 860 Münch e n 1 87 5 . .

M B üs g e n Üb e r Go eth es botanis ch e Stu d i e n — G oeth e


. . .

l a h rb XI S 1 45 1 890 . . . . .

A Hans e n D i e ang e blich e Abhängigk eit d er Go eth e


. .

sch e n M etam o rp h os en l ehre vo n Linn é Go eth e .

J ah rb XX V S 1 28 1 904 . . . . .

Go e th e s M etamor p hos e d er Pflan z e n Go e th e J ahrb .


-
.

XX V III S 207 1 906 . . . .

H S Ch amb e rlai n I mmanu e l Kant D i e P e rsönlich k e it


. . . .

als Einführung i n d as W e rk Münch e n 1 905 . .

W v Wasi el e wski Go eth e u n d d i e D esz en d e n z l ehre


. . . .

Frankfurt 1 904 .

K v B ard el e b e n Go eth e als Anatom


. . Go eth e J ah rh . .
-
.

X III S 1 63 1 892 . . . .

Schwalb e Zur G schi cht e d r p lastisch e n Anatomi e


J. e e . .

K v B ard el eb e n Fran z H einrich Marte ns I n m e


. . . .

mo riam D eutsch e m e d i z in Woch e nschrift 1 896


. . . .

N r 47 . .

H Braus D i e Mor p hol ogi e als historisch e Wiss e ns chaft


. . .

Ex p or B e iträ ge z u r Morph ologi e l l 1 906 . . . . .

27 . H Dri esch D e r Vitalismus als G eschicht e u n d a l s Lehre


. . .

Le i p z ig 1 905 .

28 . Philip p Otto R a nge Mahl e r Farb en k ugel od er Con , .

s tru k ti oa d e s V e rhält n i ss es al l er Mi sc hu ng en d er F a r b e n
L i terat ur .
32 5

zu inan d e r u n d ihre r vollstän d ig e n Affi nität mit an


e , ,

g ehängte m V e rsuch e in er Abl e itung d e r H armoni e i n


d e n Zusamm e nst e ll ung e n d e r Farb e n N e bst e in e r Ab .

han d lung üb e r d i e B e d e utung d e r Farb e n in d e r Natur ,

von H rn Prof H e nri k St e ff e ns i n Hall e . Hamburg . .


,

b e y Fri e d rich P e rth e s 1 81 0 . .

Jo hann Purkinj e B e ob achtung e n u n d V e rsu ch e z u r Phy .

s i ol og i e d e r Sinn e 2 Bän d ch e n N e u e B e iträg e z u r . . .

K e nntnis d es S e h e ns in s u bj ec ti v er Hins icht B e rlin .

1 825 .

30 . Johan n es Mul l e r Zur v e rgl e ich e n d e n Physiologi e d e s .

G esi chtssinn e s d es M e nsch e n u n d d er Ti e r e n e bst ,

e in e m V ersuc h üb e r d i e B ew egunge n d er Aug e n u n d


üb er d en m e nschlich e n Bli c k L e i p z ig 1 826 . .

Üb e r d i e p hantastisch e n G e sichts e rs ch e i nung e n etc .

Cobl e n z 1 826 .

Arthur Scho p e nhau e r Üb e r d as S e h e n u n d d i e Farb e n . .

S s W e rk e h e ra us g v G ri s eb ac h B d V I L e i p z ig

.
. . . . . .

R e clam .

33 . Paul Schult z A Scho p e nhau e r i n s e i n e n B ez i e hung e n


. .

z u d en Natu rwiss e ns cha fte n D e utsch e Run d schau . .

Nov e mb e r 1 899 .

A Scho p e nhau e rs Abhan d lu ng üb e r d as S e h e n u n d


.

d i e Farb e n E n g el m a n n s Arc hiv für Physiol ogi e


. .

1 899 Su pp l e m e nt S 5 1 0
. . .

35 . A Le i tz m an n Bri efw e chs e l z wisch e n Go eth e u n d Lich


. .

t e nb erg Go eth e J ah rb X V III S 32 1 897


.
-
. . . . .

C Rulan d
. Zu Go eth es naturwiss e nschaftlich e n For
.

s c h u n g en Go e th e J a h rb X II S 1 52 1 89 1
.
-
. . . . .

G Linck Go eth e s V erhältnis z u r Min e ralogi e u n d G eog n o


. .

sie A k a d emis ch e R ed e
. J e n a 1 906 . .

H v H elmholtz Han d buch d er p hysiologisch e n O p ti k


. . . .

2 Auflag e
. Hamburg 1 896 . .

J v Kri es D i e G esichts em p fin d ung e n Nag e ls Ha n d b


. . . . .

d Physio l ogi e
. Braunschw eig 1 904 . .

40 . E H ering Grun d z üg e d er L e hr e vom Lichtsin n Gra ef e


. . .

Sa emi s c h s H an d b uch d e r g es Aug e nh e ilkun d e



. .

2 Au l .
f
L e i p z ig 1 905 . .
326 Literatu r .

R St e i n er Go e th es B ez i ehung e n z u r V ersamml ung d eut


. .

sch er Naturforsch er u Ärz t e i n B erli n 1 828 Go eth e. .

J ah rb X V I S 52 1 895
. . . . .

Kant Kri tik d er Urte ilskraft


. E d id K e hrb ach . . .

L e i p z ig R e cl am
. .

43 . A T s c h em ak Kontrast u n d l rra d iation


. . Erg eb niss e .

d er Physiologi e B d II 2 Wi esb a d en 1 903


. . . . .

J v U ex k ü l l Physiologi e u n d Biologi e i n ihr er Stellu ng


. . .

z u r Ti e rs e e l e Erg eb niss e d er Physiologi e B d I 2


. . . . .

Wi e sba d e n 1 902 .
3 28 R eg ister .

L e uchtste i n 244
B on o n i sc h e r . Christian e Vul p i ns 7 2 .

Botanisch e Arb eit e n 48 ff . Chrom atisch e Korr e ktio n d er


Botanisch e r Gart e n i n J e na Lins e 207 .

26, 33 . Chromatisch e Sätz e üb e r ,

Brau n Al exan d er 44 1 03
, , . e inig e allg e m e in e 1 83 .

Braunschw e ig H erz og vo n 27 ,
. Cram e r 266 .

B re cc i en 269, 27 1 . Cuvi er 45 1 08 1 42 1 43 1 54
, , , , .

Br e chung d e s Li cht es 2 27 ff .

B re chung i m Aug e 207 .


D .

Br ewst e r 1 98 227 ,
. Dal ton 208 .

Brown R 1 0 1 . . Darwinismus 1 51 11 301 ,


.

Bru no Gior d ano 307 . D e nk e n g eg e nstän d li ch e s


,
1 2,
Bryo p hyllum calycinum 97 . 31 5 .

Buchhol z 2 32 50 , , . D es z e n d e n z th e ori e 1 42, 1 51 f .

Bu ffon 1 28 . Di etrich 5 1 .

Bü ttn e r 53 1 8 1 ,
. Diff e r e n z i eru ng 83 .

Bunt e F arb en z u sa m m en stel D i o p tri s c h e Farb e n 223 .

l ung e n 2 1 4 . D ö b ere i n e r 6, 38, 267 , 2 82 .

Dollon d 236 2 5 1 ,
.

C .
Do pp elbil d e r 208 .

Cam p agn e i n Frankr e ich 27 , Dr eifarb e nth e ori e 1 96 ,


1 98 , 259 .

C am p e r 1 07 , 1 1 3, 1 28 .
E .

Carl August
,
2 1 , 5 1 , 263 . Ege r 35 27 8 , .

Carus 6 ,
1 20 , 1 48, 1 52 . Egloffs te in Juli e v 243, . .

C an sal eB etra c htu n g s w ei se 1 40 . Ehrman n 20 .

Chamisso 9 . Einl e itung i n d i e v e rgl e ich e n d e


Can d oll e d e 97, ,
1 0 1 , 1 02 . Anato mi e 29 1 26 ,
.

Charakte ristisch e F arb en z u Eins u n d All e s 322 .

s am m e n ste l l u n ge n 213 . Eis z e it 27 4 .

C h ara kte ri o s e F arb e n z u s am E l efan te n s c h ä c 1 08 , 1 1 5,


m e ns te l l u n g e n 2 1 3 . 1 1 6, 1 24 .

Ch e mi e 32 246 267 302 , , , . E le ktri z ität 302 .

Ch e misch e Konstitutio n u n d Elfe nb e ins Samml ung kran k


,

Farb e Zusamm e nhang vo n


,
haft e n 33 .

E m i s s i o n s i h e o ri e d es Lichts
Ch e misch e Farb e n 1 77 , 245 . 22 1 .

Ch e misch e Kör p e r al s ler E n d ursach e n 1 40 .

m ati v e R e i z e 87 . E n to p ti sc h e Farb e n 37 , 239 ff .


R e gist e r .
329

Entwi cklungsm e chani k u n d Formbil d u ng b ei d e n P f l a n z e n


p hysiologi e 86
-
. Ursach e n d e r 7 0 86 96 , , .

E p op ti s c h e Farb e n 238 . Formbil d ung b e i d e n Ti e re n ,

E rd b rä n d e 27 7 ff . Ursach e n d er 1 36 f 1 49 f .
, .

Er d e Bil d ung d er 27 0 27 5
, , . Fo rm u n d Funktion Zusam ,

Erfahrung u n d I d ee 9 l f . m e n h a n g z wisch e n 1 1 2 1 26 , ,

Erratisch e Blöck e 27 3 . 1 32, 1 39, 1 42 .

E rx l e b en s Naturl e hr e 46 . Fossili e n 40 1 5 1 265 27 2 , , , .

Etiol em e nt 97 . Frau nhofe r 233 .

Etting er 95 . Fr e ib e rg e r B e rga ka d e mi e
262 f
F
.

.
Frosch 1 59 .

Fäch er p alm e in Pa d ua 57 65 , .

Färb er e i 246 .

Farb e 1 7 6 1 84 ,
. Gäng e 27 1 .

Farb enbli n d h e it 1 69 208 f , .


Galil e i 250 .

Farb e n en te p ti sc h e 37 239 f
, , .
Gall 6 34 , .

F arb en ers c h e i n u n g e n b e i d er G ebi rge Ei nflu ß d er


,

R e fraktio n 1 83 .
d i e Wolk e nbil d ung 287 .

Farb e nkr e is 1 95 f 2 1 3 .
, . G efor d e rt e Farb e n 1 93 1 96 , .

F arb en k u g el vo n Rung e 2 1 8 . G e g e nbaur 1 2 1 .

Farb e nl eh re 26 36 42 1 64 ff , , ,
.
,
G eg e nfarb e nth e ori e 1 96 1 98 , ,

1 83 . 259 .

Farb e nmischung p hy s i ol o ,
G e g e nstän d l i ch es D e nk e n 1 2,
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Farbig er B e l e uchtun g Wir ,


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